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German Pages 266 [280] Year 1952
B U C H R E I H E DER ANGLIA ZEITSCHRIFT FÜR E N G L I S C H E PHILOLOGIE 1. B A N D W. F. S C H I R M E R , LYDGATE
Westansicht des Klosters Bury St.
Edmunds
J O H N LYDGATE Sin Kulturbild aus dem 15. Jahrhundert
VON
WALTER F. S C H I R M E R
MAX N I E M E Y E R V E R L A G / T Ü B I N G E N
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft Copyright 1952 by Max Niemeyer Verlag Tübingen Bil¿wiedergaben mit Erlaubnis des British Museum, London und der Oxford University Press Druck: Tübinger Chronik, Druckerei- und Verlagsgenossenschaft eGmbH, Tübingen
VORWORT Die zwischen den Gipfeln Chaucer und Shakespeare in tiefen Schatten liegende Zeit des 15. Jahrhunderts hat bisher wenig Verständnis gefunden. Die Literaturgeschichten pflegen über diese „Verfallszeit'' mit wenigen, meist abfälligen Bemerkungen hinwegzueilen. Damit ist aber der Weg zu historischer Erkenntnis versperrt, denn eine jede Zeit umfaßt Vergehen und Werden. In diesem Sinne der Entwicklung muß das 15. Jahrhundert und mit ihm sein repräsentativster Dichter John Lydgate gesehen werden. Dieser bisher mehr verspottete als beachtete Mönch war Vollender einer alten und Wegbereiter einer neuen Literatur. Sein menschliciies Bild ist nur unter Zuhilfenahme der geschichtlichen Situation seiner Zeit rekonstruierbar. Durch das Gitterwerk der Jahreszahlen, der Ereignisse und der agierenden Personen blicken wir in die Zelle des Möndis von Bury St. Edmunds. Das damit aufgerollte Kulturbild vermittelt auch das Verständnis für Lydgates - ihm selbst nicht bewußte und erst spät erkannte - literarische Berufung. Er hielt sich für einen Jünger Chaucers, er dichtete gehorsam, was sein Abt, sein König und seine Zeit von ihm verlangten, und in dem scheinbar treuen Befolgen der alten Muster lagen die Triebe einer neuen literarischen Zeit. Bonn 1952
W. F. Schirmer
INHALT ERSTER TEIL 1. England zur Zeit von Lydgates Geburt Höhepunkt politischer Macht unter Eduard I I I . Kulturelle Blütezeit. Aufstieg des Bürgertums. Richard II. und die Barone. Soziale Unruhen. Wiclifie. 2. Lydgates Jugend und das Kloster Bury St. Edmunds Selbstzeugnisse über Herkunft und Novizenzeit im Kloster. Lage des Klosters. Die Klosterkirche und die übrigen Baulichkeiten. - Gesdiichte des Klosters bis auf Lydgate. Abt Samson. Plünderung durch die Städter 1327. Der Aufruhr von 1381. Besuch Richards II. im Kloster. - Die Bedeutung des Klosters in kirchlicher, politischer, wirtschaftlicher Hinsicht. Liste der Äbte. Mutmaßlicher Bildungsgang Lydgates. Aesop-Ühersetzung. Vermutliche Studienzeit in Oxford. Patronatswesen. 3. Politisches Zeitbild. Heinrich I V Richards II. Ende. Krönung Heinrichs IV. Sein Charakter. Seine Politik. Häretikerverfolgung. Empfänge auswärtiger Herrscher. Machtkämpfe im Innern: die Beaufortpartei. Prinz Hai, Henry Beaufort. Der Krieg mit Frankreich. 4. Lydgates Frühwerke. Chaucertradition und erste Epen Chaucer und die englische Literatur. Seine sprachliche Bewertung. Die höfische Dichttradition und das bürgerliche Publikum des 15. Jh. Complaint of the Black Knight. Flour of Courtesye. A Gentlewoman's Lament. Ballade of Her that hath all Virtues. Complaint for Lack of Mercy. Servant of Cupid Forsaken. A Lover's New Years' Gift. Literarische Urteile in den Paston-Letters. The Churl and the Bird. - Lydgates erste Epen. Temple of Glas. Gelegenheitsdichtung. Inhalt. Wertung. Reson and Sensuallyte. Eine Unterweisung in der Lebenskunst und Schatzkästlein des Wissens. Life of our Lady. Patronat des Prinzen Hai. 5. Lydgates Trojabuch Herbst des Mittelalters. Auftraggeber Heinrich V. Mittelalterliche Trojageschichten. Bedeutung des Troy Book. Verhältnis zu den Quellen. Erzähltradition und eigene Anschauung. Die Exkurse. Lydgates Auffassung von der Dichtkunst. Stellungnahme zu politischen Zeitfragen. - Der Abt des Klosters. Englische Abgesandte beim Konstanzer Konzil.
Vili
Inhalt
6. Politisches Zeitbild. Heinrich V
45
Einzug in London. Charakterbild. Romantischer Traum und reale Politik. Der französische Krieg. Agincourt. Empfang in London. Kaiser Sigismund in London. 7. Lydgate und die Chaucerfamilie. Der Thebenroman
51
Thomas Chaucer. Der Landsitz Ewelme. On the departyng of Chaucer into France. My Lady Dere. Der Frieden von Troyes. Siege of Thebes. Eine Canterbury Tale. Inhalt. Stellung zu Zeitfragen. 8. Politisches Zeitbild: Heinrichs V . Ende
58
Einzug und Festlichkeiten in Paris und in London. Hochzeit und Krönung Katharinas. Erneuerung des französischen Kriegs. Heinrichs Tod. Heimbringung der Leiche. 9. Lydgates Metrik und Stil
61
Spätgotischer Stil. Chaucers Metrik. Der Fünfheber bei Lydgate. Lewis' Theorie. - Lydgates sprachlicher Stil. Rhetorischer Schmuck. Aureate Terms. Umschreibende Diktion. Verhältnis zum Humanistenlatein.
ZWEITER TEIL 10. Politisches Zeitbild. Regierungsantritt Heinrichs V I . Erste politische Werke Lydgates
68
Regentschaftsrat. Spannung zwischen Gloucester, Bedford, Beaufort. Serpent of Division. Entstehungszeit. Inhalt und These. Gliederung. Keine Vita Casars. Predigtschema. Stil. A Praise of Peace. 11. Lydgates Priorat in Hatfield
76
Prior von Hatfield Regis. Vermutlidi eine Sinekure. A Valentine to her that excelleth all. Guy of Warwick kein Roman, sondern Historie. Auftraggeberin Lady Margaret Talbot. 12. Lydgates Satiren
80
So as the Crabbe ... Ryght as a Kammes Home. Order of Fools. Against Millers and Bakers. Jak Hare. Payne and sorow of Evyll Maryage. On an Ale-seller. Ballade per Antiphrasim. Doublenesse. Examples Against Women. Horns away. Bycorne and Chichefache. 13. Lydgates Maskenzüge Bildgedichte, Königseinzüge, Mummings. Mumming at Eltham. Rolle des Vorlesers. Mumming at Bishopswood. Begrüßungsszene. Pageant of Knowledge. Schuldrama-Tradition. Mumming at London. Ausoniusvorbild. Mumming at Hertford, Renaissanceschwank. Mumming at Windsor. Politisches Thema. Mumming for the Mercers of London. Mythologisches Spiel. Mumming for the Goldsmiths of London.
84
Inhalt
IX 93
14. Lydgates Lehrdiditung Lehrhafte Dichtung. Tischzuchten. Stans puer at mensam. Treatise for Lavenders. Duodecim abusiones. Four Things that Make a man a fool. Nine Properties of Wine. A Dietary. 15. Politisches Zeitbild: Regentschaft für Heinrich V I . Lydgate in Paris Humphreys Heirat mit Jacqueline. Epithalamium für Gloucester. Complaint for My Lady of Gloucester. Bedfords Vermittlung zwischen Beaufort und Gloucester. - Lydgates Reise nach Paris. Seine politische Rolle. Bedfords französische Politik. Lydgate und Richard de Beauchamp. The Title and Pedigree of Henry VI.
96
16. Lydgates Deguileville-Übersetzung und Totentanz 102 Deguilevilles Werke. Obersetzungsauftrag der Pèlerinage de la Vie Humaine durch Thomas Montacute. Englische Deguileville-Übersetzungen. Pilgrimage of the Life of Man. Inhalt. Wenig Zutaten. - Französische und englische Totentanzbilder. Lydgates Begleittext. Dance Macabre. Beliebtheit des Themas. 17. Heinrichs V I . Krönung in Westminster und Paris und sein Besuch in Bury St. Edmunds. Lydgate „Poeta Laureatus"
111
Roundel for the Coronation. Ballade to Henry VI, on his Coronation. Soteltes at the Coronation Banquet. New Year's Gift of an Eagle. Prayer for King, Queen and People. Benedic anima mea. Defence of Holy Church. - Schlechte Lage der Engländer in Frankreich. Bedford wünscht Heinrichs Krönung zum französischen König. Jeanne d'Arc-Prozeß. Heinrichs Einzug in Paris. Die Pageants. - Lydgates Rückkehr nach England. Erhält Auftrag für offizielle Begrüßung des zurückkehrenden Königs. King Henry VI's Entry into London. Inhalt. Allegorie. Heinrichs VI. Interessen. Sein Besuch in St. Edmunds.
DRITTER TEIL 18. Lydgates Heiligenlegenden
128
Geschichte der Legendendichtung. The Life of Our Lady. Weniger Erzählung als Preis. Gliederung des Stoffs. Legend of Seynt Margarete. Künstlerischer Wert. Höfische Haltung. Heroische Note. St. George. St. Petronilla. How the Plage was Sesyd in Rome. Legend of Seynt Gyle. St. Austin at Compton. Dan Joos. Lives of SS. Edmund and Fremund. Miracles of St. Edmund. Lives of SS. Albon and Amphabell. Spielarten und Bedeutung der Lydgateschen Legendendichtung. Die Nachfolger Bokenham, Capgrave, Bradshaw. 19. Lydgates Religiöse Lyrik 150 Eigenart mittelalterlicher religiöser Dichtung. Verwendung im Gottesdienst. Besprechung von Lydgates religiöser Lyrik in Gruppen. - „ A n g e w a n d t e K u n s t " (151) Gereimte Predigt. Merita Missae. A Kaiendare Kalenderverse. - Procession of Corpus Christi - Messeerklärung
X
Inhalt Virtues of the Mass, Exortacion to Prestys, On Kissing at verbum Paraphrasen Pater noster qui es — Exposition of the Pater noster - Bittgedichte. Pestgedichte. How the Plage was Sesyd at Rome - Stella celi extirpauit - De Sancta Maria contra pestilenciam - Fifftene Toknys aforn the Doom. - H y m n e n p a r a p h r a s e n (155) Misericordias domini in eternum cantabo - Deus in nomine tuo saluum me fac - Te Deum laudamus - Vexilla regis prodeunt - Letabundus. - E p i s c h e r U m f a n g (157) A Seying of the Nightingale - Testament (Bußgedidit Meditation). - Passionsgedichte (161) The Dolorous Pyte of Crystes Pass'toun - Prayer upon the Cross - Cristes Passioun - Fifteen Ooes - Quis dabit meo capiti - Christe qui lux es et dies. Gebete (163) Eight Verses of St. Bernard - Prayer in Old Age - To S. Robert of Bury - Prayers to ten Saints - Prayer to St. Thomas - St. Giles - St. Katherine, Margaret and Magdalene - St. Michaeli - Gabriell - St. Leonhard St. Ursula and 11000 Virgins - St. Ositha - Devowte Invocacioun to St. Denys - Gebete an St. Edmund - 2 Gebete an Edmund - St. Thomas of Canterbury — Praise of St. Anne — Invocation to St. Anne. -Mariend i c h t u n g (166) Image of Our Lady - Child Jesus to Mary, the Rose Magnificat -Gaude Virgo mater Christi- Ave Maria (Salutacio angelica) Verses to the Virgin — Ave regina celorum—Regina celi letare-To Mary, the Star of Jacob-Prayer to Mary, in whose Help-Fifteen Joys and Sorrows of Mary - Fyfftene Ioyes of oure Lady - Gloriosa dicta sunt de te - To Mary the Quene of Hevene - Ave Jesse virgula - Ballade at the Reverence of Our Lady.
20. Lydgates Moralisch-didaktische Gedichte
173
Pyte to the Wretched Synner - Rhyme without Accord - They that no While Endure - Death's Warning - Tyed with a Lyne - See myche, Say Lytell - Song of Vertu -Every Thing to his Semblable - Say the Best, and Never Repent - Consulo quisquis eris - The Cok Hath Lowe Shoon - A Ditty upon Haste - That now is Hay some-tyme was Grase A Wicked Tunge will Sey Amys - The World is Variable - A freond at Neode - Look in Thy Merour - As a Mydsomer Rose - A Thoroughfare of Woe - Song of Just Mesure - Mesure is Tresour - Amor vincit omnia - Timor mortis conturbat me - Benedictas Deus in donis suis God is myn Helpere - Epistle to Sibille. 21. Lydgates Fall of Princes
179
Boccaccios De casibus, Laurents und Lydgates Ubersetzung. Inhalt der einzelnen Bücher. Humanistische Note des 2. Buches. Letter to Gloucester. Pause und Neuansetzen in Historiographenhaltung. 3. bis 7. Buch als historisches Werk geschrieben. Pause. Dritte Etappe: pragmatische Geschichtsschreibung (Buch 8 und 9). Verbreitung. The Sodeine Fall of Princes in Oure Dayes. Fortsetzung in Mirror for Magistrates. 22. Politisches Zeitbild und Spätwerke Lydgates Tod Th. Chaucers und Bedfords. Scheitern der Konferenz von Arras. Frontwechsel Burgunds. Ballade in Despyte of the Flemynges. Horse Goose and Sheep. Inhalt. Lydgates politische Ansichten. Libel of English Policy. William de la Pole, Alice Chaucers dritter Gatte. Charles d'Orleans. 1437 als Wendepunkt der Generationen. Zusammenbruch der
198
Inhalt
XI
Okkupation Frankreichs. - Lydgates Werke für das Kloster. Cartae veriificatae. The Kings of England. Verses on Cambridge. Tabula duorum mercatorum. Inhalt. Stil. 23. Lydgates letzte Lebensjahre 208 Eleanor-Prozeß. Heinrichs VI. französische Heirat. Lydgates Pageants at the Entry of Queen Margaret. Inhalt. Allegorische Note. Margaretas Charakter. Prozeß und Tod Humphreys. Tod des Abts Curteys. Suffolk und Lydgate. Secrees of Philisoffres. Inhalt Thesen. Fortsetzung durch Benedict Burgh. Lydgate und J. Shirley. - Suffolks Ende. Ausbruch der Rosenkriege. Lydgates Tod. Exkurs I: Lydgates Ruhm
223
Exkurs II: Ubersicht über die Lydgate-Forschung
226
Exkurs III: Der Lydgate-Kanon
228
Register
244
VERZEICHNIS DER BILDER Titelbild: Westansicht des Klosters (Rekonstruktion nach dem Titelbild von 'The History of King Edmund the Martyr' ed. Lord Francis Hervey, Oxf. Univ.Press 1929). Zu S. 8:
Plan des Klosters nach den Skizzen in: Memorials of St. Edmund's Abbey ed. Th. Arnold, III. Lo. 1896, J. B. Mackinlay: Saint Edmund, Lo. 1893, und M. R. James: The Abbey Church of S. Edmund at Bury, Cambr. 1895.
Zu S. 55: Lydgate unter den Canterbury-Pilgern. fol. 148.)
(Brit. Mus. MS. Royal 18. D . H .
Zu S. 103: Überreichung der Deguileville-ÜberSetzung Mus. MS. Harl. 4826. fol. 1.)
an Thomas Montacute.
Zu S. 127: Lydgate überreicht König Heinrich VI. die Edmunds-Legende Klosterkirche. (Brit. Mus. MS. Harl. 2278. fol. 6.)
(Brit. in der
ERSTER TEIL 1. England
zur Zeit von Lydgates
Geburt
Im Jahre 1370, dem mutmaßlichen Geburtsjahr Lydgates, regierte noch Eduard I I I . , in dessen Diensten Chaucer groß geworden war und dessen Hof durch die Prachtentfaltung und die Anwesenheit des auf sein Lösegeld wartenden Königs Johann von Frankreich zu den glänzendsten der damaligen Welt gehörte. Jean Froissart, der 1361 als Sekretär der Königin (Philippa von Hennegau) an den englischen Hof kam, beschreibt in farbiger Anschaulichkeit und mit der Genauigkeit eines Augenzeugen die Feste, Turniere und den verschwenderischen Lebensstil der großen Herren. Ihm erscheint Eduard der ruhmreichste der Könige und seine Herrin Philippa die schönste, frömmste und freigebigste der Königinnen. Durch den für Frankreich so ungünstigen Vertrag von Bretigny (oder Calais) vom 24. Oktober 1360 war Englands Machtstellung gesichert; und der Gegensatz zu dem verelendeten Frankreich ließ Eduards Ruhm hell erstrahlen. Für den Verzicht auf den papierenen Anspruch auf den französischen Thron erhielt er den verbrieften Besitz von Aquitanien, das heißt Poitou, Guienne, Perigord und Gascogne; als Ausgleich für den englischen Verzicht auf das (bei dieser Sachlage entbehrliche) Bündnis mit Flandern verzichteten die Franzosen auf das schottische Bündnis und willigten ein, daß Johanns Lösegeld auf 3 Millionen Goldkronen festgesetzt wurde. Eduards I I I . 50. Geburtstag wurde 1362 mit einem Pomp gefeiert, dessen Beispiellosigkeit durch die politisch-militärischen Erfolge gerechtfertigt schien. Auch Kunst und Literatur kamen in Eduards Regierungszeit zu voller Blüte, äußerlich durch das von Hof und Adel ausgeübte Patronat, innerlich durch ein Selbständigwerden, das aufs engste verbunden war mit dem allgemeinen Erstarken des nationalen Bewußtseins. So wie die Universität Oxford durch das vom König verhinderte Abwandern der Studierenden nach Paris nationaler wurde, so verliert die Kultur überhaupt etwas von ihrem herkömmlichen kosmopolitisch-klerikalen Charakter. Das gemeineuropäische S c h i r m e r , Lydgate
2
Erster Teil
wird allmählich zu einem überwiegend englischen Bewußtsein. Das gilt ebenso f ü r die Bauwerke der englischen Spätgotik (des sog. perpendicular style) wie f ü r die Dichtwerke von Sir Gawain und dem grünen Ritter, der Perle und natürlich von Chaucer. Das gilt sogar f ü r Rechtsprechung und Kirche: Die englische Kirdie hatte durch die beiden zuerst 1351 und 1353 erlassenen Gesetze 'Praemunire' und 'De Provisionibus' theoretisch größtmögliche Unabhängigkeit von Rom erreicht. Man wollte keine Appellation nach Rom in Sachen, f ü r die königliche Gerichte zuständig waren, keine päpstliche Provision f ü r englische Bistümer - Forderungen, die zwar in praxi nicht grundsätzlich durchgeführt wurden, aber von Fall zu Fall Kompromisse ermöglichten. Die englische Geistlichkeit stand auf Seiten der Krone, wenn audi ohne Feindschaft gegen den Papst. Auf das innere kirchliche Leben in England hatte die Kurie keinen Einfluß. Das alles wäre nicht möglich gewesen ohne den zunehmenden materiellen Wohlstand, der hauptsächlich auf dem zum englischen Monopol werdenden Wollhandel beruhte. Damit tritt das Bürgertum und die Stadt London beherrschend in den Vordergrund, was auch in der Entwicklung der von Hof und Handel angewandten Londoner Sprache zur allgemeinen englischen Schriftsprache sich kundtut. Neben den hellen Farben dieses Bildes dürfen dunklere nicht übersehen werden. Langlands Piers Plowman-Dichtung gibt dem von der höfischen Literatur geflissentlich gemiedenen anderen England, das gegen Entartung und Mißstände aufbegehrte, machtvollen Ausdruck. Selbst Froissart sah Gefahren, wenn er über den Stolz, die Grausamkeit und den Ausländerhaß der Engländer klagt; und als 1369 seine Schutzherrin starb, das Parlament den unter Vertragsbruch erneuerten Anspruch auf die französische Krone stürmisch begrüßte und der „Schwarze Tod" zum drittenmal das Land heimsuchte, begab sidi der abenteuernde Geschichtsschreiber in den Dienst eines neuen H e r r n , Wenzeslaus von Brabant. Die gute Zeit in England war vorbei. Der französische Feldzug verlief ungünstig. Der Kronprinz Eduard, der sog. Schwarze Prinz, der bisher Aquitanien nicht ohne Erfolg regiert hatte, war ein todkranker Mann, und seine Feldherrnkunst versagte, als die Franzosen unter der klugen Führung Bertrand du Guesclins und des neuen französischen Königs Karl V. 1 ) einer offenen Feldschlacht auswichen, jedoch unablässig angriffen und die Zersplitterung der englischen K r a f t in kleine Unternehmungen herbeiführten. Im Jahre 1374 war der englische Besitz in 1) König Johann, der das für seine Freilassung geforderte Lösegeld nicht aufbringen konnte, war freiwillig in die Gefangenschaft zurückgekehrt und 1364 in England gestorben.
1. England zur Zeit von Lydgates
Geburt
3
Frankreich auf kleine Küstenstriche um Bayonne und Bordeaux beschränkt. In England selbst wurde Eduard III., der nach dem Tod seiner Frau ganz in den Bann seiner Mätresse Alice Perrers geriet, zur Schachfigur im Parteienspiel der Höflinge. Daran nahmen seine Söhne hervorragenden Anteil: die Partei des Schwarzen Prinzen, zu der auch Edmund Mortimer (Earl of March), William of Wykeham und Bischof Courtenay gehörten, erzwang im „guten Parlament" 1376 Reformen und die Verbannung der Alice Perrers vom H o f ; die Partei John of Gaunts, die sich auf reiche Londoner Finanzkreise stützte, die Lords Latimer und Nevill zu sich zählte und Wiclif protegierte, stieß diese Beschlüsse in einem neuen Parlament um. Der anläßlich der Vorladung Wiclifs in der St. Paulskirche am 19. Februar 1377 erfolgende Zusammenstoß zwischen John of Gaunt und Bischof Courtenay, bei dem die Bevölkerung Partei ergriff und der Pöbel zu plündern anfing, ist ein erstes Zeichen einer von Revolten und inneren Spaltungen zerrissenen Zeit. Eduard ahnte nichts davon; er starb in seinem Schlosse Sheen 2 ) am Sonntag, den 21. Juni 1377, bis zuletzt von seiner Mätresse beherrscht und noch auf seinem Totenbett nur von Jagd und Falkenbeize sprechend. Er hinterließ seinem Enkel Richard II., einem 10jährigen Kind mit feingeschnittenen Gesichtszügen und blonden Locken, das am 16. Juli gekrönt wurde, ein am Rande des Bürgerkriegs stehendes Land, das zudem in einen aussichtslosen auswärtigen Krieg verwickelt war. Der für den unmündigen Herrscher eingesetzte Kronrat, eine Art Koalitionsministerium, dem außer Courtenay die Bischöfe von Salisbury und Carlisle und die Earls von March und Stafford angehörten, erneuerte den sich hinschleppenden französischen Krieg. Der innere Widerstreit zwischen den gegensätzlichen Dogmen der königlichen Autorität und der parlamentarischen Kontrolle blieb bestehen. Im Grunde ging also John of Gaunts Regiment weiter. Der auswärtige Krieg kam zwar ins Stocken, da die beiden mächtigsten Gegner Englands, der Connetable Bertrand du Guesclin und der französische König, 1380 starben. Der neue Herrscher Frankreichs, Charles VI, war ein ebenso unmündiges Kind wie sein englischer Gegenspieler. Die im englischen Volke verbreitete Unzufriedenheit mit der Regierung und der schlechten sozialen Lage steigerte sich. Das war die unheilvolle Folge des nach der ersten Pest von 1348/9 vom Parlament erlassenen 'Statute of Labourers' (1351), wonach Preise und Löhne keine Änderung erfahren durften gegenüber dem Stande vor Einbruch des Schwarzen Todes. Die sozialen Bedingungen waren jedoch, vor allem durch den Mangel an Arbeitskräften, andere geworden, und das Elend wuchs durch das erneute Auftreten der Seuche in den Jahren 1362 und 1369. Verkoppelt 2) Siehe S. 21 Anm. 42.
4
Erster
Teil
damit war die große wirtschaftliche und gesellschaftliche Umschichtung, die sich im Zusammenbruch des Feudalsystems auswirkte. Die alte Wirtschaftsform wurde untragbar, als der Landbesitz vom Adel auf das Bürgertum überging und als Kapitalanlage diente. Zwischen den ehemaligen adligen Grundherren und ihren Leibeigenen bestand eine Art Familienzusammenhang; der Bürger kaufte das Land mit den Leibeigenen, um möglichst viel aus ihnen herauszuholen. Damit zerriß das patriarchalische Verhältnis zwischen dem Landarbeiter und seinem ihm Schutz gewährenden Arbeitgeber, und die natürliche Folge war, daß der Arbeiter von der Scholle wegstrebte, wenn sich anderswo eine bessere Verdienstmöglichkeit bot. Da der neue bürgerliche Herr dies verbot kraft der alten Feudalverfügung 'glebae adscripti', mußte sich der Arbeiter als rechtloser Sklave empfinden. Und da das Parlament, das die Rechte der reichgewordenen und landbesitzenden Mittelklassen verfocht, sich hart und unnachgiebig zeigte, mußte bei den 'villeins' ein Gefühl der Unbotmäßigkeit entstehen, zumal die niedere Geistlichkeit mit ihnen sympathisierte. In Eduards III. Zeit hatte ein hochgespanntes Nationalgefühl Besteuerung und Lasten erträglich gemacht. Damals war England die erste europäische Nation. Jetzt, da der Waffenruhm fehlte und die auswärtigen Besitzungen verloren waren, trat die Unzufriedenheit der unteren Schichten offen hervor. Auch der halbfreie Kleinbauer, der die Leibeigenendienste durch ein Pachtverhältnis abgegolten hatte, erstrebte darüber hinaus eine Gleichstellung mit den Freisassen und alle Rechte, die nach der Magna Charta dem 'über homo' zukamen. Auch in den Städten, die bereits einen Freibrief und eine Verfassung besaßen, wie z. B. Winchester, Beverley, Scarborough, gärte es infolge des Gegensatzes zwischen den 'inferiores' und den 'potentiores*. Die große Zahl der Nichtbevorrechteten wandte sich gegen die Oligarchie der reichen Familien, die das Stadtregiment, insbesondere die Finanzwirtschaft, in Händen hatten, mit dem Vorwurf, daß sie sich Rechte anmaßten und keine Verpflichtung kännten. In anderen Städten, die in Händen der Kirche, Bischöfe und Äbte waren, wie z. B. Dunstable, und in den von großen Klöstern wie St. Albans und Bury St. Edmunds beherrschten Marktstädten stritten die Bürger mit den geistlichen Herren um einen Freibrief und wollten dieselben Stadtrechte, die auf Kronbesitz liegende Städte allmählich von den englischen Königen erkauft hatten. Die Klöster aber, die in ihrem Feudalcharakter einen italienischen Beobachter mehr wie Baronien als Abteien anmuteten 3 ), standen dem 3) Relatione . . . d'Inghilterra ed. Sneyd, Lo. 1847 (Camden Soc. No. 37) p. 29: . . . monasterij di San Benedetto, Certosini, o Cistercieni, i quali in vero sono piü presto baronie, die luoghi di r e l i g i o s i . . .
2. Lydgates
Jugend und das Kloster Bury St. Edmunds
5
Volk fern und waren ebenso unnachgiebig wie das Parlament. In London schließlich kam zu dem Gegensatz zwischen inferiores und potentiores noch der zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. In jedem Handwerk gab es große Unternehmer, die nach Möglichkeit zu verhindern suchten, daß ihre Gesellen sich selbständig machten. Die Gesellen schlössen sich zusammen zu einer Art Gewerkschaft, die gegen die Unternehmer und das sie nicht minder als die Landarbeiter benachteiligende 'Statute of Labourers' ankämpfte. Es bildete sich auch bereits ein Proletariat heraus, bestehend aus stellenlosen Gesellen, ungeschulten Arbeitern und flüchtigen Leibeigenen vom Land. Das starre soziale System des Mittelalters paßte nicht mehr zu den neuen Verhältnissen. Dies gilt auch für die kirchliche Ordnung. Auch innerhalb der Kirche kamen Unruhen, die allerdings weniger auf das 1378 beginnende große Schisma, das England nicht so sehr berührte, zurückzuführen sind, als vielmehr auf die sogenannte Wiclifie und die Lollarden. Nach dem tumultuarischen Auftritt in der St. Paulskirche 1377 wandte sich Courtenay an die Kurie, und Gregor XI. erließ 1377 mehrere Bullen gegen Wiclifs Lehre. Während Oxford seinen angesehenen Professor nach Möglichkeit schützte, zitierte ihn Courtenay erneut nach London, was abermals zu einem Tumult führte, da die Bürger in den bischöflichen Palast zu Lambeth eindrangen. Die Kluft zwischen hoher Geistlichkeit und Wiclifanhängern wurde vertieft, als die sogenannten Lollarden oder 'poor priests' die Lehren des Meisters, vergröbert und durch revolutionäre Zutaten verschärft, unter das Volk trugen.
2. Lydgates Jugend und das Kloster Bury St.
Edmunds
Abgerückt von dieser unruhvollen großen Welt lag in die grünen Wiesen von Suffolk eingebettet das stille Dorf Lydgate bei Newmarket, unweit der großen Benediktinerabtei Bury St. Edmunds; dort wurde um das Jahr 1370 der bedeutendste englische Dichter des 15. Jh., John Lydgate, geboren 4 ). Seine Familie war wohl dörflich, und seine Herkunft bestimmte ihn nicht zu einer besonderen Laufbahn. Doch wird er als Kind durch seine natürliche Begabung die Aufmerksamkeit des Klosters erregt haben, denn er trat vermutlich 1385, also als 15jähriger, dort als Novize ein, obwohl er seiner Veranlagung nach eher zu einem weltlichen als geistlichen Berufe paßte. 4) F[all] o [ f ] Pfrinces] I X , 3431: Borne in a village which called is Lidgate, By olde time a famous castel toune; In Danes time it was beate doune . . . ibid. VIII, 194: I was borne in Lydgate Where Bachus licour doth ful scarsly flete. Aesop Prol. 32: Have me excused, I was born in Lydegate.
6
Erster Teil
Mag die Beidite, die Lydgate als alter Mann in seinem 'Testament' 5 ) ablegte, auch allgemein und fast auf jede Kindheit passend gehalten sein, so tragen die wirklichkeitsnahen Bilddien doch autobiographisches Gepräge. Man sieht den jungen Burschen in der neuen Umgebung seine dörfliche Rauflust und Ungebundenheit beibehalten und in der Klosterschule unaufmerksam dasitzen, verspielt und mit Gedanken an die goldene Freiheit draußen. Man sieht ihn im Klostergarten Äpfel stehlen oder über den Zaun in den benachbarten Weinberg steigen, wenn es Zeit wäre, zur Mette zu gehen. Auch beim Kirchgang stahl er sich gelegentlich beiseite, um mit ähnlich Gesinnten Murmel zu spielen. Das schwarze Ordensgewand war ihm nur ein äußerliches Kleid. Diese allzu menschlichen Züge, die der alternde Mönch betrauert, erscheinen uns eher liebenswert und geben ein echtes Bild eines aufgeweckten und nicht verträumten Jungen. Sie haben auch bei der klösterlichen Obrigkeit Nachsehen gefunden und Lydgate das Noviziat nicht verdorben. Anderseits möchten wir auch das religiöse Insichgehen, das Lydgate kurz vor seinem 15. Lebensjahr durch Anblick eines auf die Klosterwand gemalten K r u z i fixes mit der Überschrift 'vide' erfuhr, nicht so ernst nehmen, wie es der Mönch in seinem Testament tut; auch späterhin begegnen wir seiner Freude an der „eitel weltlichen Geschichte" und der Liebe zum Wein, die er als Sünden der Kindheit beklagt. Überhaupt hielt seine Neigung zur Welt der geistlichen Meditation die Wage. Aber mittelalterliche Klöster waren von Krieg und anderen Nöten wenig berührte Stätten der K u l t u r und für einen friedliebenden Menschen wie Lydgate ein angemessener Wohnsitz. Auch darf man sich die großen Klöster nicht als Orte der Weltflucht und Askese vorstellen. Sie hatten Anteil an der Welt schon durch die große Gastfreundschaft, die von allen Klöstern, und besonders freigebig von den großen Benediktinerklöstern und den Häusern der Augustiner-Chorherren, geübt wurde; sie hatten auch Anteil am politischen Leben des Landes und standen oft in enger Beziehung zur K r o n e . Das gilt besonders für die angesehenen Benediktinerabteien Bury St. Edmunds und St. Albans, die fast von jedem Chronisten des 11. bis 15. J h . ausführlich oder oft erwähnt werden. Diese weltliche Bedeutung der Klöster ist z. T . durch ihre Lage bedingt. St. Albans, Peterborough, Y o r k und Durham lagen an der großen N o r t h R o a d , dem einzigen bedeutenden Verkehrsweg zwischen den beiden Diözesen Y o r k und Canterbury, sowie zwischen dem Regierungssitz London und den nördlichen Provinzen bis hin nach Schottland. Canterbury lag an der großen Straße zum K a n a l , die alle Festlandreisenden entlangziehen mußten. Bei 5) M[inor] P[oems] EETS. ES. 107 und O. S. 192, p. 329 ff.
2. Lydgates Jugend und das Kloster Bury St.
Edmunds
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Gloucester, Tewkesbury, Worcester und Shrewsbury gab es Brücken; Bristol war ein Hafen, und Winchester lag in der Nähe eines für den Festlandverkehr wichtigen Hafens. Eynsham hatte Anteil an der "Welt durch die Nähe Oxfords und die den dortigen Gelehrten gewährte Gastfreundschaft. St. Edmunds lag stiller als alle diese. Wenn St. Albans der gegebene Treffpunkt für wichtige Staatsbesprechungen war, so galt St. Edmunds eher als Ruhe- und Erholungsort, wohin sich z. B. auch König Heinrich V I . von den Staatsgeschäften zurückzog. Die Landschaft war bestimmt durch den reichlichen Getreidebau in der damaligen Kornkammer Englands, worunter die nördlich Londons gelegenen Grafschaften - von Suffolk im Osten bis Gloucestershire im Westen - zu verstehen sind, und besonders durch das große Moor, das sich in 60 km Breite 90 km weit hinzog von Peterborough durch Cambridgeshire bis Brandon in Suffolk. 300 000 Morgen Sumpfland, meist stehendes, z. T . mit Schilf und Riedgras bewachsenes Gewässer, das der Fische und Wasservögel wegen für das Kloster ebenso einträglich war wie der in trockeneren Teilen des Moors gestochene Torf "). Das Kloster, das Lydgates lebenslanger Wohnsitz war, lag in der alten Stadt Beodricsworth, die sich etwa mit dem modernen Bury deckt. Auf einem Hügel, der steil aus der vom Flüßchen Lark, einem Nebenfluß der Ouse, durchströmten Wiesenebene ansteigt, standen die Häuser der Stadt, nach Süden scharf begrenzt von dem Wiesengrund des hier in den Lark einmündenden Baches Linnet. In der Ebene zwischen dem Fuß des Hügels und dem Lark lagen die Klostergebäude, heute verfallen, damals ein mächtiger Gebäudekomplex, dessen großartigen Eindruck John Leland bei seiner Bestandsaufnahme der englischen Altertümer (1534) beschreibt: „Die Sonne erblickt keine schöner gelegene Stadt, . . . kein an Ausstattung, Größe und Pracht berühmteres Kloster. Man meint eine ganze Stadt zu sehen, so viele, z. T . eherne Tore sind da, so viele Turme und eine von keiner anderen übertroffene Kirche, der drei weitere schönster Bauart im selben Klosterbezirk gleichsam dienend beigeordnet sind. Unter einer doppelt geschwungenen Brücke fließt das Flüßchen mitten durch den Bezirk 7 )." Die in einem großen 6) W . Denton: England in the 15th Century, Lo. 1888, p. 140, 144. Vgl. Chronica Jocelini de Brakelonda de rebus gestis Samsonis . . . ed. J . G. Rokewode Lo. 1840 (Camden Soc.). Neuausgabe (mit Übers.) ed. H . E. Butler, Lo. 1949. p. 150 f. 7) J. Leland: Itinerary, ed. T h . Hearne, 1744, Vol. I X , p. 50 f. Quid ego hic pluribus collando curiam verbis? Unum hoc tantum addam, solem non videre urbem situ elegantiorem: (sie molli delicata pendet in clivo, et rivulus ad orientem defluit) aut coenobium illustrius, sive quis dotationem, seu amplitudinem, aut magnificentiam incomparabilem aequis rationibus expendat. Diceres plane coenobium urbem esse: tot portae, partim etiam aereae, tot turres, et templum quo nullum magnifi-
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Erster
Teil
Rechteck verlaufenden Mauern umfaßten Kloster und Stadt; an den vier Ecken standen große Kreuze 8 ). Den imponierendsten Anblidc bot die Westseite, die Leland den Vergleich mit einer mauerumschlossenen reichen Stadt mit vielen Toren und Türmen nahelegte. Am südlichen Ende dieser Westfront, fast in der Südwestecke des Mauergevierts lag die Kirche St. Mary, ein romanischer Bau aus dem zweiten Viertel des 12. Jh. von Rodulph und Hervé, von denselben, die auch die etwa in der Mitte der Westmauer gelegene St. James-Kirche erbauten (ca. 1125). Gleichsam flankiert von diesen zwei kleineren Pfarrkirchen erhob sich die mächtige Klosterkirche, fast 250 Fuß breit und über 500 Fuß lang. Wenn man den Klosterbezirk durch das große Friedhofstor in dem etwa 30 Meter hohen (z. T. erhaltenen) Norman Tower 9 ) betrat, stand man vor der in 90 Meter Abstand aufragenden Westfront der Abtei- oder Klosterkirche mit 3 Türmen, 3 Toren und 4 Kapellen. Zu Lydgates Zeit standen nur mehr die beiden achteckigen Seitentürme, während der große, unter dem Abte Samson errichtete Mittelturm bereits 1210 eingestürzt war und nicht erneuert wurde 10 ). Dagegen erlebte Lydgate noch den Bau des von John (de) Lavenham über der Vierung der Klosterkirche errichteten Turmes, der - weithin sichtbar - das Kloster berühmt machte und als 'campanile in medio ecclesiae navis' von William of Worcester erwähnt wird 11 ). Die heute völlig verfallene Kirche, in der Abtszeit Balduins begonnen und unter Samson vollendet, stellte einen in den riesigen Ausmaßen Durham vergleichbaren romanischen Bau dar, der jedoch durch den Campanile und die umfangreichen Reparacentius, cui et alia tria egregio opere nitentia, uno et eodem coemeterio sita, subserviunt. Amniculus, de quo superius, mediis monasterii scptis illabitur, duplici ponte arcuati operis pervius. 8) D i e Beschreibung nach: Memorials of St. Edmund's Abbey, ed. T h . Arnold, 3 vols. Lo. 1 8 9 0 / 6 (Rolls Series 96); M. R. James: The Abbey Church of S. Edmund at Bury, Cambr. 1895 (Antiquarian Soc.); R. Yates: Monastic Remains of Bury St. Edmunds. I, 1805; II, 1843; S. T y m m s : Handbook of Bury St. Edmunds, 4. ed. 1872; J. Battely: Antiquitates Si. Edmundi Burgi, 1745. 9) D e r N o r m a n Tower, nach T y m m s ca. 1090 unter Abt Balduin, nach anderen 1121-46 unter Abt Anselm gebaut, wird gewöhnlich als 'Great Gate' bezeichnet. 10) D a bei William of Worcester (s. Anm. 11) nur mehr v o n dem campanile in medio ecclesiae navis die Rede ist, darf ein Neuaufbau des Westturms nicht angenommen werden. Vermutlich wurde nur der Stumpf repariert und ein 'belfry' darüber errichtet. Als eigentlicher Glockenturm fungierte bis zur Errichtung des Campanile der 'Norman Tower'. - M. R. James sagt allerdings: 'The central tower remained in ruins for more than a century. Finally John Lavenham, sacrist in the 14th century rebuilt it and added a tall w o o d e n spire', (p. 204.) 11) V o n William of Worcester, der die oben genannten Maße abschritt, stammt ein technischer Bericht aus dem Jahre 1479 (Notebook in der Bibliothek des Corpus Christi College MS. C C X ) .
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Plan des Klosters Bury St.
Edmunds
2. Lydgates
Jugend
und das Kloster
Bury St. Edmunds
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turen nach dem Sacco von 1327 zumindest in den oberen Partien gotische Zutaten enthalten haben muß. Dem ernsten Charakter der Architektur bot der reiche Schmuck ein Gegengewicht. Schon über dem Eingangstor im Norman Tower begrüßte den Ankommenden eine Skulptur des Herrn in der Glorie; die Bronzetüren des Mittelportals der Kirche waren nach italienischem Muster in Felder geteilt mit Reliefs aus der neutestamentlichen Geschichte. Das Innere der Kirche w a r belebt durch die von Eduard III. geschenkten Glasmalereien, das Leben Johannes des Täufers und Christi darstellend, durch Fresken mit Versbeschriftung und durch Skulpturenschmuck. Der in die Kirche Eintretende sah rechts und links je zwei Kapellen, vor sich das große, von zwei Reihen zu je 12 Säulen getragene Kirchenschiff. Das Licht fiel durch die 12 bunten Fenster des südlichen Seitenschiffs und des anschließenden südlichen Kreuzarms. Von Süden her, w o der aus der ersten weltgeistlichen Zeit (10. J h . ) stammende Friedhof lag, konnte das Licht frei einströmen, während im Norden der als zweistöckiges Gebäude errichtete Kreuzgang manche der früheren Fensteröffnungen blockierte, so daß die restlichen und die Oberfenster, um mehr Licht einzulassen, kein buntes Glas hatten. D a f ü r hatte das nördliche Seitenschiff, das auch einige Abtgräber enthielt, reichlichen Bilderschmuck. Auch das Dach des Mittelschiffs bekam im 14. Jh. durch den Sakristan John Lavenham reiche Ausmalung; die Decke über dem Chor trug schon vordem bildlichen Schmuck. Nicht weniger als 14 Altäre befanden sich in der Kirche, außer denen im Chor und in den Kapellen der Ostseite. Der Blick des in die Kirche Eintretenden wurde aufgehalten durch den steinernen, das Chorgestühl mit seinen 80 Sitzen für die Mönche abtrennenden Lettner, überragt von dem großen Kreuz und den Figuren der hl. J u n g f r a u und des Johannes, einem Werk des Sakristans Hugo (unter Abt Samson). Durch den Lettner gelangte man in den innersten, die Heiligtümer bergenden Kirchenbezirk. Das breite Querschiff enthielt mehrere Altäre ( J o hannes, Nikolaus und Ägidius geweiht); in der Mitte stand der Choraltar, zu dessen beiden Seiten die Treppe zu der großen, über 24 Pfeiler gewölbten K r y p t a hinabführte. In das Presbyterium eintretend, vorbei an dem aus Alabaster gefertigten und mit einem monumentalen Kandelaber geschmückten Grab des Abtes Balduin, gelangte man zu dem gewaltigen Hochaltar. Auf oder über diesem Altar befand sich ein von Hugo, dem Meister der Bronzetore, geschnitztes Kruzifix. Hinter dem Hochaltar, durch bemalte Türen abgetrennt, w a r der Ostteil mit dem Schrein des heiligen Königs und Märtyrers Edmund. Der auf einem gotischen Steinsockel ruhende Schrein, an dessen Ecken vier stets brennende Kerzen standen, w a r aus H o l z gefertigt
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Erster Teil
und stellte eine Kirche dar, reich mit Silber- und Goldplättchen und Juwelengeschenken englischer Könige geschmückt. Bei Edmunds Sarkophag hingen Gobelins oder Gemälde mit Darstellungen aus Edmunds Leben. Das Ostende des Chors beschlossen drei apsidische Kapellen, deren mittlere ursprünglich die Lady Chapel war. An ihrer Stelle erbaute Abt Simon de Luton außerhalb der Kirche eine neue, geräumigere, die sich an die Nordwand des Chors und an das nördliche Querschiff anfügte. Aus dem nördlichen Querschiff der Kirche gelangte man zu den übrigen Klostergebäuden, die alle nördlich und östlich der Hauptkirche lagen. D a ist zunächst das mehrfach um- und neugebaute Kapitelhaus und vor allem der nach dem Sacco von 1327 von Prior John Gosford neu errichtete Kreuzgang mit einer Statue des Abtes Anselm im Innern. Über diesem Kreuzgang lagen das Dormitorium und die Bibliothek. Das frühe 15. J h . war eine Zeit des Büchersammelns und der Bibliotheksbauten 1 2 ). Natürlich nimmt Oxford mit seinen Universitäts- und Klostercollegebibliotheken den ersten Rang ein, aber die Zisterzienser- und Benediktinerklöster im Lande wiesen auch ansehnliche Bücherbestände auf; es befanden sich ca. 2000 Bände in Bury, in St. Albans, in Canterbury, 1000 in Durham, 500 in Ramsey, 350 in Meaux. Von den Beständen in St. Edmunds, die auf schrägen Pulten angekettet waren, sind 322 Manuskripte heute noch nachweisbar 13 ). Es gibt ein aus dem 14. J h . stammendes Registrum librorum Angliae, das Anfang des 15. J h . auf 700 Autoren erweitert wurde von John Boston, vermutlich dem Bibliothekar von Bury St. Edmunds, der auch eine kurze biographische Skizze jedes Autors zufügte und also ein erstes Literaturlexikon schuf. Er bezeugt, daß Lydgate eine der besten Bibliotheken des Landes zu seiner Verfügung hatte. Vermutlich ist zu Lydgates Lebzeiten, vielleicht durch seine Vermittlung, manch ein Manuskript dazugekommen, denn er hatte den humanistischen Mäzen, den Begründer der späteren Bodleiana, Herzog Humphrey zum Patron und den königlichen Bücherliebhaber und -sammler Heinrich V I . , der Eton und King's College Cambridge gründete. Lydgate wird viele Stunden in der Klosterbibliothek arbeitend zugebracht haben, wenn ihm nicht - wie manchen angesehenen Klosterbrüdern - ein kleines Schreibzimmer oder scriptoriolum gewährt wurde; ein solches mag dargestellt sein auf dem Bild, das Lydgate an seinem Schreibpult sitzend zeigt 1 4 ). Zu dem an die große Kirche sich anlehnenden geschlossenen Gebäudekomplex gehörte neben den Wirtschaftsgebäuden auch das Abtshaus. Die 12) E. A. Savage: Old English Libraries, Lo. 1911 (The Antiquary's Books). 13) Nach M. R. James vgl. Savage p. 58 f., 63, 71. 14) Pynsons Druck des 'Testament'. Abbildung: E E T S . ES. 107.
2. Lydgates Jugend
und das Kloster Bury St.
Edmunds
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Front dieser in ansehnlichen Resten erhaltenen sog. camera ging auf den großen Klosterhof, der sich in der Nordwestecke des Klosterbezirks befand. Hier lag vermutlich auch das Gästehaus. Zu diesem H o f führte das prunkvolle gotische (z. T . erhaltene) Eingangstor, das Abbey-Gate, das den allgemeinen Zugang zum Kloster darstellte. Der mächtige Bau enthielt einen großen Raum, aus dessen nach Osten gehendem Fenster die Besucher einen reizvollen Ausblick hatten: über den Klosterhof und das Abtshaus, auf die zwischen den schönen Gärten und dem Weinberg sich schlängelnden Flüßchen Lark und Linnet, die sich unter der dreibogigen Abbot's Bridge vereinigten, und auf die Felder und Wiesen von St. Edmund's Hill und Eldo Grange. Jenseits des Larkflusses, auf dem nach Osten zu ansteigenden Grund war der einstmals terrassierte und mit einer Mauer umschlossene Weinberg des Klosters. Die Klosterschule lag außerhalb des eigentlichen Klosterbezirks im Ort Bury in einem festen Steingebäude, das der größte Abt von St. Edmunds, Samson, aus Dankbarkeit für seine Schulzeit dem damaligen Schulmeister Walter zur Verfügung gestellt hatte (1180). Es war eine 'free Grammar Sthool', die von Bedürftigen keine Gebühren verlangte und über die der Abt von St. Edmunds wenigstens nominell die Jurisdiktionsgewalt hatte. Zu Lydgates Zeit sah das Kloster St. Edmunds ebenso wie St. Albans bereits auf eine ehrwürdige Geschichte von fast einem halben Jahrtausend zurück. Unter Canute zu Ehren des als Dänenmärtyrer heiliggesprochenen Königs Edmund von Ostanglia ( f 870) gegründet und als Benediktinerabtei 1032 geweiht, hatte St. Edmunds große und auch schlechte Zeiten erlebt 1 5 ). Die erste große Zeit war die unter dem Abt 1 6 ) Balduin ( 1 0 6 5 - 9 7 ) , der laut päpstlichem Breve die Mönche direkt Rom unterstellte; die zweite und höchste Blüte erlebte das Kloster unter dem Abt Samson ( 1 1 8 2 - 1 2 1 0 ) , welche große Persönlichkeit Carlyle in 'Past and Present' feiert. Samson, in Paris gebildet und Verfasser von 'De miraculis Si. Edmundi', war als geistlicher Lehrer und als weltlicher Verwalter bedeutend. Er war Freund des englischen Königs Johann und reiste in Interessen seines Klosters nach Rom. Die Geschichte seiner Zeit erzählt sein Kaplan Jocelin de Brakelond in seiner Chronik 1 7 ), die Carlyle, der sie übersetzte, als lebendigste Vergegenwär15) Genaue Darstellung in Memorials of St. Edmund's Abbey ed. T h . Arnold (a. a. O.). Eine Geschichte des Klosters fehlt. 16) Gasquet betont, daß der abbas absoluter Herr in den Benediktinerklöstern war. Seine Wahl geschah durch Abstimmung (per viam scrutinii) oder durch Vertreter (electio per compromissum). Der Abt ernennt den Prior und Subprior, die über die innere Klosterdisziplin zu wachen hatten. (English Monastic Life, Lo. 1904, p. 52.) 17) Siehe S. 7 Anm. 6.
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Erster Teil
tigung mittelalterlichen Lebens bewertete. Die guten Beziehungen des Klosters zur Krone dauerten nach Samsons Tod fort; ein Gästehaus wurde errichtet, das den König bei seinen Besuchen würdig beherbergte. Schlimmere Zeiten kamen jedoch gegen Ende des 13. Jh. Es war schwer, im Streit der Krone mit den Baronen neutral zu bleiben und gleichzeitig die Privilegien des Klosters zu wahren. So gab es Streitigkeiten mit Heinrich III. und mit Eduard I., welch letzterer, obwohl er 1296 (nach dem Sieg über die Schotten) Parlament in Bury St. Edmunds abhielt, im Jahr darauf wegen verweigerter Subsidienzahlung den Klosterbesitz beschlagnahmte. Ernster noch waren die langjährigen Schwierigkeiten mit der Stadt, in deren Verfolg es 1327 zu einer Plünderung und Einäscherung der Abtei durch die Städter kam. Wir wissen nicht, was zerstört und was wieder aufgebaut wurde, jedenfalls aber war die Glanzzeit vorüber, und unter den schwachen Äbten des 14. Jh., besonders William de Bernham (1335-61), setzte auch ein moralischer Verfall des Klosters ein. In der Regierungszeit Richards II. gelang es einem ehrgeizigen Mönch namens Edmund Bromfield, mit einer erschlichenen päpstlichen Provision in das Kloster zu kommen und den vom Kloster erwählten und von der Krone bestätigten Abt zeitweilig zu verdrängen 18 ). Diese inneren Unruhen, die Lydgate miterlebte (in der Abtszeit von John Tymworth 1379-89), waren kaum vorüber, als die politische und soziale Aufruhrbewegung von 1381 ausbrach. Die politischen Wirren bedrohten den mönchischen Frieden, und die Unruhe des Landes wurde auch im Kloster fühlbar. Fast möchte man vermuten, hier liege der Anlaß der Lydgates späteres Dichten beherrschenden Grundnote der Unsicherheit alles Irdischen und der Sehnsucht nach himmlischer Sicherheit, deren Abglanz in der staatlichen Ordnung, wenn auch irdisch-unvollkommen, zu suchen sei. Im Lande war Aufruhr, und während der Abt Schwierigkeiten hatte, vom Papst die Bestätigung zu erhalten, zogen die von Wat Tyler aufgewiegelten Banden gegen Bury. Lydgates Leben fällt in die unruhige Übergangszeit von der alten feudalen zu einer neuen Ordnung, und die reichen Klöster, die den Zehnten der Kirchspiele einzogen und die niedere Geistlichkeit halb verhungern ließen, wußten nicht oder wollten nicht wissen, daß sie bei Pfarrer und Pfarrkindern gleich verhaßt waren. Mit Zorn und Angst wird man in St. Edmunds die Ereignisse des Mai und Juni 1381 verfolgt haben: Essex und Kent in Aufruhr, das erzbischöfliche Palais in Canterbury geplündert, London erobert, der Kanzler und Erzbischof Simon Sudbury ermordet. Brandstiftungen und das Drohen eines allgemeinen Bürgerkriegs. In St. Albans 18) A. H . Thompson: The English C l e r g y . . . in the later Middle Ages, Oxf. 1947, p. 167.
2. Lydgates Jugend und das Kloster Bury St. Edmunds
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gab der erschreckte Abt Thomas de la Möre den drohenden Städtern den seit einem Jahrhundert erstrebten Freibrief (die Stadt St. Albans lag auf dem Domänengebiet des Klosters), zog ihn aber tags darauf zurück, als die Kunde einlief, daß der junge König Richard II. den Aufrührern entgegengetreten und Wat Tyler getötet worden sei. Am Tag der Bedrohung von St. Albans, am 13. Juni, zog John W r a w , ein Geistlicher, mit einem großen H a u f e n Unzufriedener, unter denen sich Arbeiter, Bürger, Geistliche und auch Vertreter des Landadels befanden, gegen Bury St. Edmunds, das wie das Schwesterkloster St. Albans seit Generationen im Streit lag mit den ihre Stadtfreiheit erstrebenden Bürgern. D a der Abt nicht anwesend war, erschien das Kloster schutzlos, und die Städter plünderten zusammen mit W r a w s Leuten die Häuser der Klosterbeamten. Prior Cambridge, der stellvertretende Leiter des Klosters und H a u p t der alle Zugeständnisse verweigernden Partei, entfloh, wurde aber auf der Flucht ermordet. Sein Kopf wurde auf dem Marktplatz der Stadt zur Schau gestellt zusammen mit dem Kopf des Chief Justice, Sir John Cavendish. Die ängstlichen Mönche gaben nun Freibrief, Urkunden, Silbergeschirr und Wertgegenstände. Sie fürchteten eine Wiederholung des Sacco von 1327, und wir fühlen die Stimmung während des einwöchigen Regiments von W r a w in Bury aus dem Bericht, daß ein Mönch des Klosters auf dem Glockenturm stand und nach Osten schaute, wo die Aufrührer über die Rougham Road zogen. Sie zogen aber ab, das Kloster kam mit dem Schrecken davon und erlitt wenig Schaden. Die A u f rührer zerstreuten sich vor dem gegen sie ziehenden kriegerischen Bischof H e n r y Despenser von Norwich; W r a w wurde gefangen und gehenkt, und Bury mußte die überaus hohe Buße von 2000 Mark (ca. £ 1000) zahlen, deren letzte Rate 1386 entrichtet wurde. Die allgemeine Lage war durch den A u f r u h r nicht geändert worden, die Mächte des Feudalismus erlangten bald die alte Autorität zurück, und ein Klosterschüler wie Lydgate wird das wohl als ordnungsmäßig empfunden haben. Als Vertreter der Ordnung erschien der junge König, der durch sein unerschrockenes Eingreifen den Aufstand zurückgeschlagen hatte. D a ß er durch die Annullierung seiner Versprechungen der unterdrückten Bevölkerung als Lügner erscheinen mußte, ging unter in der patriotischen Begeisterung über die Hochzeit des jungen Königs mit Anna von Böhmen. Anna war die Tochter von Wenzeslaus IV. von Böhmen, der als deutscher Kaiser Wenzel von 1378-1400 regierte. Wenzel hatte bereits den auch von England anerkannten Papst U r b a n unterstützt, und man hegte die Hoffnung, daß er ganz Deutschland gegen den schismatischen Charles V I aufbringe und damit Englands Machtposition gegenüber Frankreich wiederherstelle. Abgesehen von diesen
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(trügerischen) Hoffnungen war die Trauung des jugendlichen Paares - Braut und König waren 15 J a h r e alt - am 14. J a n u a r 1382 in der Westminsterabtei ein prächtiges und menschlich rührendes Schauspiel, zumal die junge Königin weiblichen Liebreiz hatte und sowohl durch ihre gute Erziehung wie durch ihren guten moralischen R u f eine für England glückliche Zukunft erhoffen ließ. 1383 weilten König und Königin während zehn Tagen als Gäste im Kloster St. Edmunds (was die Abtei 800 Mark kostete). Wenn Lydgate damals bereits im Kloster war (denn das herkömmlich genannte Eintrittsjahr 1385 ist aus unsicheren Angaben erschlossen und steht nicht fest), wird dies Kindheitserlebnis eines königlichen Besuchs für sein späteres Eintreten für die Dynastie den Grund gelegt haben. Das gute Einvernehmen mit der K r o n e steigerte das Sicherheitsgefühl des Klosters, darf aber nicht als Abhängigkeitsverhältnis aufgefaßt werden. Die Atmosphäre des Klosters war die einer festgegründeten civitas. D a ß die Klostermauern Bury, eine Stadt von fast 4 0 0 0 Einwohnern (zu einer Zeit, da London 4 0 0 0 0 zählte), mit einschlössen, drückt auch sinnbildlich die H e r r schaft des Klosters über die Stadt aus. Das Kloster hatte bei der Wahl des Bürgermeisters das Mitbestimmungsrecht; es wählte aus drei vorgeschlagenen Aldermen den ihm passenden, hatte auch das Recht, die Vorschlagsliste zu annullieren. Das Kloster besetzte die Schulen in Bury und anderen Orten, indem es von sich aus den Schulmeister bestellte. Auch der bischöflichen Gerichtsbarkeit gegenüber besaß St. Edmunds Unabhängigkeit 1 9 ):
'Monaste-
rium sancti Edmundi de Bury, ordinis sancti Benedicti, ad Romanam ecclesiam nullo medio pertinentis.' Zwar versuchten die Bischöfe im Gegensatz zu dieser Formel die Rom-Unmittelbarkeit der großen Benediktinerabteien durch eigene Verfügungen zu durchbrechen und den mit patriarchalischer Autorität über sein Kloster regierenden Abt, der seinen eigenen Kämmerer, Kellermeister, Almosenier und K a p l a n hatte, in seiner
Selbstherrlichkeit
herabzudrücken, aber sie hatten wenig E r f o l g 2 0 ) . In der Mitte des 14. J h . 19) Zu den Vorrechten des Abtes von Bury St. Edmunds gehörte das Recht, einzelnen Mitgliedern seines Hauses die niederen Weihen zu erteilen und zu diesem Zwecke Bischöfe in das Kloster zu rufen ( z . B . 1401 den Bischof Thomas Aladensis). Die Äbte gingen noch weiter: 1410 und 1419 bat der Abt William of Exeter den Erzbischof Johann von Smyrna [John Leicester, der 1393-1423 als Weihbischof in Norwich weilte] in einem Dimissorialschreiben auf Grund der päpstlichen Bewilligung, einigen Priestern, die innerhalb der 'liberties' von St. Edmunds wohnten, aber keinerlei Verbindung mit der Abtei hatten, die Weihen zu erteilen. 20) Dugdale Monasticum, III, 136: Sed S. Edmundi monasterium super firmam fundatum petram ut mons stetit immobilis faciesque ipsorum confusio cooperuit. Et quem admodum Berith et Asteroth a facie fugierunt beati Bartholomei Apostoli sie
2. Lydgates
Jugend und das Kloster
Bury St.
Edmunds
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leistete das Kloster entschlossenen Widerstand gegenüber dem Versuch des Bischofs Bateman von Norwich, die Privilegien des Klosters zu beeinträchtigen; in dem langwährenden Kompetenzstreit mit Bischof William Alnwick von Norwich, der besonders von Abt Curteys mit größter Energie verfochten wurde, suchte die Krone unter behutsamster Wahrung der Kloserprivilegien zu vermitteln, und der damalige Regent Englands, Duke of Bedford, bemühte sich persönlich ins Kloster. K a u m ein englischer König unterließ es, zum Feste des Klosterpatrons seine Anwesenheit zuzusagen oder einen Vertreter zu entsenden. Die Äbte korrespondierten mit dem Herrscher bei aller Ehrerbietung selbstbewußt, und als Heinrich V I . Geld f ü r seine Kriege brauchte, wurden seine Briefe an Abt Curteys die eines Bittflehenden. Wie im politischen Spiel war das Kloster auch im geistigen und wissenschaftlichen Leben eine Macht: 1440 wurde laut Schreiben des Abtes von St. Albans Curteys gebeten, einige gelehrte Männer nach dem Basler Konzil zu senden zur Verteidigung der klösterlichen Institution 2 1 ). 1446 wurde Abt Curteys in einem Handschreiben des Königs gebeten, bei der Grundsteinlegung des King's College in Cambridge die Messe zu zelebrieren 22 ). Es galt als hohe Ehre, die Laienmitgliedschaft des berühmten Klosters verliehen zu bekommen, und besonders unter dem Abt Curteys finden wir viele hohe Beamte und Adlige als 'associates' von Bury St. Edmunds ! S ). Die Torhüter und der erste Koch von St. Edmunds hatten ihre Ämter nach dem Erbrecht inne und hielten Land zu Lehen 23 "). Bury St. Edmunds konnte diese große Rolle spielen, weil es eines der reichsten Klöster Englands war. Aus Landbesitz, Pachtverträgen und insbesondere aus den Abgaben der Kirchspiele in Suffolk hatte die Abtei im 13. Jh. ein jährliches Einkommen von nahezu zweieinhalbtausend P f u n d und konnte ohne Kürzung des eigenen Haushalts mehr isti fugierunt impii nemini persequente. D e o tunc volente postea capti fuerunt et in f o v e a m quam fecerant merito inciderunt. 21) Memorials of St. Edmunds III, 249 f., 188 ff., 242 ff., 246 f., 254 ff., 262 ff., 276 ff. 22) 'ye may doo f)e service; as more plainly w e have comaunded oure said cousin [Marquais of Suffolk] to sey unto you in oure behalve'. Mem. of. St. Edm. I l l , 246 f. 23) Z. B. die Rechtsgelehrten John Brodwell und William Paston, den Verwaltungsbeamten William Brewster und die Adligen Richard Beauchamp, Earl of Warwick mit seiner Gattin Isabel und seinen Kindern H e n r y und Anna, Eleanor (die Gattin des Duke Humphrey of Gloucester), William de la Pole, Earl of Suffolk mit seiner Gattin Alice (der Tochter v o n Thomas Chaucer). 1434 nach dem Besuch Heinrichs VI. wurden der Duke of Gloucester und alle führenden H ö f l i n g e aufgenommen. (Victoria County History, Suffolk, II, 71.) 23a) W . W. Capes: The English Church in the 14th and 15th Centuries, Lo. 1903, p. 291.
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Erster
Teil
Geld für Armenunterstützung aufwenden als irgend eine andere Abtei in England. Den 80 Mönchen und 21 chaplains standen 111 Bedienstete zur Verfügung - die außerhalb des Klosterbezirks wohnenden nicht mitgeredinet - und täglich mußten 94 Brote gebacken und 82 Gallonen -Bier der Dienerschaft zur Verfügung gestellt werden. Die Kost der Mönche war die übliche, aber an hohen Festtagen gab es Wein, den besonders geschätzten Fisch Stör, feineres Brot und Butter oder Käse 24 ). Daß St. Edmunds fürstliche Besucher und geistliche Würdenträger entsprechend bewirtete, wird uns des öfteren bezeugt 25). Die Dokumente aus Lydgates Zeit zeigen den Rang des Klosters; und trotz der erwähnten kindlichen Auflehnung gegen die Regel wird der Stolz, Mitglied dieser civitas zu sein, den werdenden Mönch erfüllt haben. N u r tastend und erratend können wir dem Bildungsgang Lydgates und dem Echo der politischen Ereignisse im Klosterleben folgen. St. Edmunds entbehrt der großen Historiographentradition von St. Albans, und die spärlichen und unergiebigen Quellen haben bisher keine Geschichte des Klosters gezeitigt. Wir wissen nicht, ob und wie der „Kreuzzug" zur Unterstützung der orthodoxen Vlamen gegen ihren schismatischen französischen Lehnsherrn (1383) diskutiert wurde. Gleichgültig wird man nicht gewesen sein, denn Bischof Despenser von Norwich (der den Aufstand von 1381 niederschlug) sollte der Anführer sein, und der die Kreuzzugstarnung verdammende Wiclif mußte dem Kloster als Feind erscheinen. Wir wissen nicht, wie nach dem Fehlschlag dieses Unternehmens und der vom König verfügten Absetzung Despensers das beginnende autoritäre Regiment Richards II. im Kloster besprochen wurde. Denn mögen auch die auswärtigen Unternehmungen (vielleicht mit Ausnahme der 1386 verbreiteten Furcht vor einer französischen Invasion) die Klosterstille nicht berührt haben, der peinliche Zusammenstoß des Königs mit Bischof Arundel im Parlament von Salisbury (5. Mai 1384) und der 1385 sich zuspitzende Gegensatz zwischen Richard II. und seinem Onkel John of Gaunt mußte zumindest vom Abt und der Klosterleitung aufmerksam verfolgt werden. Sicher ist das Schicksal Michaels de la Pole, des ersten Earl of Suffolk, von den am Geschick ihres Landes Anteil nehmenden Mönchen erörtert .worden; denn de la Pole, der zusammen mit Arundel als Erzieher des minderjährigen Richard II. bestimmt worden war 24) Victoria C o u n t y H i s t o r y , Suffolk, II, 67 ff. 25) Vgl. Besuch Richards II. (1383), Heinrichs V I . (1434), des Erzbischofs Arundel (1400) usw.
2. Lydgates Jugend und das Kloster Bury St. Edmunds
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und als Freund des Königs und alter Bürokrat aus der Zeit Eduards III. den machthungrigen Baronen abgeneigt war, mußte 1387 aus seinem Kanzleramt entlassen werden. Der Versuch des Königs, selbstherrlich zu regieren, war ebenso fehlgeschlagen wie der Versuch der Barone, eine Oligarchie zu errichten. Ein mit Frankreich und mit Schottland abgeschlossener Waffenstillstand wirkte beruhigend auf das Land, dessen sich eine gehobene und freudige Stimmung bemächtigte. Der Stoff mangel der Chronikschreiber, die vom Wetter, von Turnieren und von Wundern berichten, bezeugt, daß eine Reihe ruhiger und verhältnismäßig glücklicher Jahre angebrochen war. So konnte sich das Interesse der Mönche ganz auf die Angelegenheiten des Klosters richten. Ein Ereignis größter Wichtigkeit war die infolge des Todes von John de Tymworth im Jahre 1389 nötig werdende Abtswahl. William de Cratfield wurde erwählt und hatte das Amt bis 1415 inne 26 ). Auch von seinem Leben wissen wir wenig; doch ließ er ein Registrum 27 ) führen, aus dem 26) Liste der Äbte von Bury St. Edmunds: 1020-44 Uvius Thomas de Totington 1302-12 1045-65 Richard de Draughton 1312-35 Leofstan 1065-97 Balduin William de Bernham 1335-61 Henry de Hunstanton 1361 1100-02 Robert I. 1107-07 1361-78 Robert II. John de Brinkele 1379-89 Albold 1114-19 John de Tymworth 1390-1415 1121-48 William de Cratfield Anselm 1415-29 Ording 1148-56 William de Exeter 1429-46 Hugo I. 1157-80 William Curteys 1446-53 Samson 1182-1211 William Babyngton 1453-69 Hugo II. John Boone 1215-29 1469-74 Richard de Insula 1229-34 Robert de I xworth Henry 1235-48 Richard de Hengham 1475-79 Edmund de Walpole 1479-97 1248-56 Thomas Ratlisden 1497-1514 William Bunting Simon de Luton 1257-79 John Reeve 1515-39 1279-1301 John de Northwold Dabei muß eine Unstimmigkeit erwähnt werden. J. Battely (Antiquitates S. Edmundi Burgi, Oxf. 1745) gibt folgende Zeittafel der z. Zt. Lydgates regierenden Äbte: obiit Abbas creatus anno regni rexit Eccl. annos Joannes Tinmouth 1384 7 Ric. II 7 1390 1390 Guilielmus Cratefeild 13 Ric. II 37 1427 Gulielmus Exeter 1427 5 Hen VI 2 1429 Gulielmus Curtis 1429 7 Hen VI 28 1457 Nach Dugdale (Lo. 1846 Vol. Ill, 98) war Cratfield krankheitshalber genötigt , sein Amt 1414 niederzulegen; er starb vier Jahre später (1418). Demnach ist die Regierungszeit Cratfields nur von 1390-1414 oder 1415. William von Exeter wurde am 13. Juli 1415 gewählt und starb im Januar 1429. 27) Registrum Cratfield Brit. Mus. Cotton Tib. B IX (verbrannt) und Claud. A XII, ungedruckt, aber auszugsweise wiedergegeben in: Memorials of Bury St. Edmunds, Einleitung. S c h i r m e r , Lydgate
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Erster
Teil
wir audi über Lydgates geistliche Laufbahn 2 8 ) einige Angaben erhalten. Demnach erhielt Lydgate am 17. Dezember 1389 die niederen Weihen für das A m t eines Subdiakons, am 28. Mai 1393 wurde er Diakon, und am 7. April 1397 wurde er von John Fordham, dem Bischof von Ely, in der Kapelle des Herrensitzes in Dounham zum Priester ordiniert 2 *). Über L y d gates wissenschaftlichen Lehrgang haben wir weniger verläßliche Nachrichten. Als Novize wird er in der Klosterschule oder der vom Kloster beaufsichtigten Schule in Bury unterrichtet worden sein" 0 ), die weitere Ausbildung mag er an der Universität Oxford erhalten haben. So berichtet Bale in seinem biographischen Lexikon aus dem 16. Jh. "Wir hätten ihn dann in Gloucester Hall lebend zu denken, denn das war das College, wohin die Benediktiner gewöhnlich ihre Schüler schickten 31 ). Oxford war im 14. Jh. nicht mit den hohen Bildungsstätten in Paris und Italien auf einer Stufe; auch haben wir keinen Anlaß, bei Lydgate einen ungewöhnlichen Wissenseifer anzunehmen. E r erwarb die übliche theologische Bildung, war sicher im Lateinischen und beherrschte das Französische, das ihm auch späterhin die Kenntnis italienischer Werke vermittelte. Bildungsreisen ins Ausland brauchen wir für den jungen Lydgate deshalb nicht anzunehmen. Wenn solche 28) Zur Biographie Lydgates vgl. J . Schicks Ausgabe des Temple of Glass, Vorrede und die Vorreden zu anderen Werken Lydgates in der E [ a r l y ] E[nglish] T [ e x t ] S[ociety], besonders Steeles Ausgabe der Secrees of Philisoffres. E E T S . ES. 66. 29) A. Hortis: Studj sulle opere latine del Boccaccio (Trieste 1879) p. 641 Anm. 2. Excerptum ex Registro Abbatiae S.te Ethldrade in Ely . . . qui liber vocatur Registrum . . . Episcopi Eliens. Frater Johannes Lydgate Monachus de Bury, ordinatus Presbiter per Johannem Fadham Episcopum Eliensem [John Fordham, der 1388-1425 Bischof von Ely war] in Capella magni Manerii de Dounham, die Sabat. 7° April. 1397. T h . Tanner: Bibl. Britannico-Hibernica (1784) p. 489: March 13th 1388 [ = 1389] frater Joh. Lidgate monadius de Bury ordinatus ad omnes ordines in ecclesia de Hadham [nach: Registrum Rob. Braybrook, bishop of London 1 3 8 1 - 1 4 0 4 ] . Registrum Cratfield bezeugt, daß Lydgate am 17. Dezember 1389 'letters dismissory' für das Amt eines Subdiakon erhielt [fol. 35 b], am 28. Mai 1393 Diakon [fol. 69 b], am 4. April 1397 'order of priesthood' [fol. 85 b], Laut M S - N o t e in Tyrwhitts Exemplar von Wayland's Fall of Princes [Brit. Mus. 838. m. 17] Lydgate am Samstag, 7. April 1397 von John Fordham, Bischof von Ely, zum Priester ordiniert. 30) Papadopoli (Historia Gymnasii Patavini): A puero Monasticam D . Benedicti regulam professus est, primasque literas didicit in coenobio. 31) C. E . T a m e : English Religious Literature No. 2 Lo. 1871, Einleitung: he was sent from the monastery of St. Edmundsbury to Gloucester Hall Oxford (MS Ashmole 59 I I ) it being the practice of the monastery to send all students for O x ford there; while those intended for Cambridge were sent to Gonville and Caius College. College 'Gloucester H a l l ' was supported by the contributions of the abbeys of St. Edmundsbury, Glastonbury and 13 others.
2. Lydgates
Jugend und das Kloster Bury St.
Edmunds
19
Legenden in späterer Zeit aufkamen 3 *), so wohl auf Grund seines dichterischen Ruhms, zu dem er in Oxford den ersten Grundstein legte. Denn dort, so bezeugt es eine handschriftlidie Notiz John Shirleys aus dem 15. Jh.®3), schrieb er seine Aesopübersetzung (Isopes fabules), die als sein erstes Werk zu gelten hat 34 ). Die Wahl der lehrhaften Tierfabel scheint uns zu Lydgates allgemeiner Haltung gut zu passen, aber Aesop war ein Allerweltsbuch, das, in vielen Fassungen verbreitet, audi bei Langland, Barbour und Chaucer seine Spuren hinterlassen hat. Audi kann man nicht viel Lobenswertes über diese 959 Verse sagen; es fehlt ihnen das Ergötzliche, die Frische und die straffe Zusammenfassung, durch die 100 Jahre später des schottischen Chaucerschülers Henryson Aesopbearbeitung ein wirklich englisches Dichtwerk wurde. Aber Lydgate, der diese die Moral betonenden und vorausschickenden Fabeln vielleicht als der Predigt einzufügende Exempla wertete, hat mit seinen sieben Aesopfabeln 35 ) das erste mittelenglische Fabelbuch geschaffen; die Wahl der Chaucerstrophe zeigt den dichterischen Ehrgeiz und die frühe Liebe zu dem Meister, den er zeitlebens aufs höchste verehrte. So erscheint uns die Oxforder Zeit als Anfang seiner dichterischen Laufbahn, und man möchte nicht abtun, was Bale und spätere Biographen berichten: daß Lydgate eine Rhetorikschule im Kloster eröffnete, wo er junge Adlige unterrichtete 36 ). Jedenfalls galt Lydgate damals schon als Klo32) Bale, der auch Cambridge als von Lydgate besuchte Universität nennt, spricht von Auslandsreisen. Morley (English Writers) sagt, er habe in Oxford, Paris und Padua studiert. Schick ( L X X X I X ) zitiert eine Stelle aus MS. Harl. 2255 fol. 149 ( = Str. 5 von God is Myn Helpere M. P. p. 28): I haue been ofite in dyvers londys And in many dyvers Regiouns, Haue eskapyd fro my foois hondys, In Citees, Castellys, and in touns; Among folk of sundry naciouns Wente ay forth, and took noon hede: I askyd no manere of protecciouns; God was myn helpe ageyn al drede. 33) Ashmole 59 fol. 246. Uber Shirley vgl. E. P. Hammond: English Verse between Chaucer and Surrey, Lo. 1927, p. 191 f. 34) Text: M. P. p. 566 ff.; ed. P. Sauerstein, Anglia I X (1886) 1 - 2 4 ; ed. J. Zupitza Archiv 85, 1-28; vgl. P. Sauerstein: Über Lydgates Aesopübersetzung, Diss. Halle 1885. 35) Hahn und Edelstein, Wolf und Lamm, Hund und Schaf, Wolf und Kranich, Maus und Frosch, zwei Sonnen, Hund und Schatten. - Lydgates Quelle ist die lateinische Version des sog. Romulus (eine Prosaauflösung der lateinischen Verse des Phaedrus), die der französischen Fassung der Marie de France nahesteht. 36) So Morley nach Bale, Pits u. a. (Nach Rückkehr von Studien und Reisen im Ausland eröffnete er eine Schule für Söhne von Adligen). Warton u. a. meinen, diese Schule sei im Kloster in Bury St. Edmunds gewesen; andere sagen in London.
Erster Teil
20
sterpoet; doch ist es unsidier, -welche seiner Dichtungen er damals und bis 1397 verfaßt hat. Einige der stilistisdi unverkünstelten und von praktischen oder liturgischen Zwecken bestimmten Stücke können dieser Epodie zugeschrieben werden 87 ). Daß Lydgates religiöse Dichtung nur seiner Alterszeit entstamme, ist durch nichts zu erweisen. Anderseits werden auch manche der weltlichen Stücke so früh zu datieren sein 38 ). Lydgate wird, sei es durch die Rhetorikschule, sei es bei den vielfachen Besudien adliger Herren im Kloster, mit dichterisch interessierten Adligen in Berührung gekommen sein, wie denn in Norfolk und Suffolk ein provinzielles, aber höchst reges Patronatswesen blühte 39 ). Die meisten der Lydgateschen Dichtungen verdanken einem Auftraggeber ihr Entstehen.
3. Politisches
Zeitbild.
Heinrich
IV.
Das Jahr 1397, in dem Lydgate die Priesterweihe erhielt, war auch für Englands kirchliche und politische Geschichte bedeutsam. William Courtenay, dem 1381 - nach Sudburys Ermordung - die Würde des Erzbischofs von Canterbury übertragen wurde, war 1396 gestorben. Sein Nachfolger wurde im folgenden Jahre Thomas Arundel, der das Amt bis 1414 innehatte, also unter der Regierung von drei englischen Königen: Ridiard II., Heinrich IV., Heinrich V . Uber die politische Befähigung des bereits zweimal als Kanzler bewährten Erzbischofs kann keine Frage sein, und seine mitfühlende und liberale Haltung den Armen und Bedrückten gegenüber war mehrfach erwiesen; ein Gelehrter war er nidit. Nur einmal hat Arundel St. Edmunds besucht, im September 1400 4 0 ), im Ansdiluß an eine Visitation der Diözesen Norwich und Ely. Er wurde mit höchsten Ehren empfangen und vom Abt zur Kirche geleitet; aber diese Ehrung galt nur dem erzbischöflichen Rang des Besuchers, denn St. Edmunds war nur den vom benediktinischen Provinzialkapitel bestellten Visitatoren unterstellt 41 ). In den Klosteraufzeichnungen finden wir keine Äußerungen über Arundel, ein Beweis, daß wenig unmittelbare Beziehungen zwischen dem Kloster und dem Erzbisdiof bestanden. Politisch vollendete das Jahr 1397 die Tragödie des Lebens von Ridiard I I . 1394 war seine Gattin, Anna von Böhmen, nach kinderloser Ehe gestorben. 37) 38) 39) (1912) 40) 41)
Z. B. Misericordias domini cantabo. Churl and Bird. S. Moore: Patrons of Letters in Norfolk and Suffolk c. 1450, in: P M L A 27 p. 188 ff., 28 (1913) p. 79 ff. Memorials of Bury St. Edmunds III, 153 ff. Victoria County History, Suffolk, II, 65, 71.
3. Politisches
Zeitbild.
Heinrich
IV.
21
Es spricht für Richard, daß er diese bestbeleumundete aller mittelalterlichen englischen Königinnen, die hochherzige Schützerin der Armen und der Kirche mit Hingebung liebte, aber es zeigt seine Maßlosigkeit, daß er aus Trauer über ihren Verlust den Palast zu Sheen42), wo sie starb, niederreißen ließ. Die schon zwei Jahre darauf (Januar 1396) vollzogene Vermählung mit Isabella, der Tochter des Königs Karl VI. von Frankreich, verscherzte ihm die Volksgunst und war das Vorspiel zu seinem coup d'etat: um eine 'Wiederholung des Impasse von 1386 zu vermeiden, ließ er seine Gegner Richard, Earl of Arundel und Thomas, Duke of Gloucester (den jüngsten Sohn König Eduards III. und Philippas) als Verräter verurteilen und ermorden und begann eine 22 Monate dauernde despotische Regierung, die seinen Untergang herbeiführte. Richard war kein Feigling, und kaum ein Tyrann hat so wenig Blut vergossen wie er, aber die sinnlosen Ungerechtigkeiten und die kleinlichen "Willkürakte gegenüber den Freiheiten seiner Untertanen erweckten das Gefühl, daß niemand und niemandes Besitz sicher war unter seiner Regierung. Er hatte keine Freunde mehr: seine Friedenspolitik gegenüber Frankreich entfremdete ihn dem Adel, sein Schutz der Landarbeiter entfremdete ihm die Grundbesitzer und sein Schutz der Lollarden mußte die Geistlichkeit, die Klöster und wohl auch den friedfertigen Lydgate gegen ihn einnehmen. Wie die Stimmung im Lande war, verraten die Vers- und Prosaflugschriften der Langlandzeit 43 ), und auch im Edmundskloster wird er wenig Anhänger gehabt haben. Als Richard nach der Rückkehr von Irland die Armee verließ und damit seinem anrückenden Gegner Heinrich von Lancaster den Weg freigab, war sein Schicksal besiegelt. Lakonisch verzeichnet die Große Londoner Chronik: 'Sentence of the deposicion of King Richard anno XXII 0 ' und geht über zum ersten Jahr der Regierungszeit des neuen Herrschers Heinrich IV. (1399-1413). Die Krönungsfeierlichkeiten mit dem ganzen bunten Prunk werden erstmals in den Chroniken ausführlich beschrieben: Die Krönung wurde am Montag, dem 13. Oktober, in Westminster durch den Erzbischof Arundel von Canterbury vollzogen. Er salbte den auf einem goldenen Tuch vor dem 42) Der von Eduard III. herrührende Bau (im heutigen Ridimond Park) blieb während Heinrichs IV. Regierungszeit in Trümmern und wurde erst 1414 von Heinrich V. neu errichtet. Der Chronist Thomas Elmham nennt Sheen 'a delightful mansion of curious and costly craftsmanship'. (Abbildung in J. Nichols: The Progress and Public Procession of Queen Elizabeth, 4 vols. Lo. 1788-1821. II, 412). Heinrichs V. Bau brannte 1477 ab und wurde von Heinrich VII. als 'Richmond Court' neu errichtet. Vgl. J. H . Wylie: The Reign of Henry V. Cambr. 1914-29. I, 212. 43) Political Poems and Songs (Edward III. to Ridiard III.) ed. Th. Wright, 2 vols. Lo. 1859-61 (Rolls Series).
22
Erster Teil
Hochaltar Knieenden, während das Te Deum erklang, in Anwesenheit der weltlichen und geistlichen Fürsten und der scharlachrot gekleideten Amtsträger und Ältesten der Stadt London. Samstag zuvor war die übliche Kavalkade durch die dichtgedrängten Straßen der City vom Tower nach Westminster, wobei 50 neukreierte Ritter vor dem König herzogen. Das Krönungsmahl und die Krönungsprozession wurden mit ähnlicher Pracht und Verschwendung abgehalten, wie sie Lydgate bei späteren Anlässen in Versen feierte. Das dem schaulustigen Volk gebotene Fest richtete sidi nach dem alten Brauch, den schon Walsinghams Chronik (anläßlich von König Richards Empfang 1377) beschrieb. Auch diesmal, so berichtet Froissart, waren in der breiten Straße The Cheap sieben Brunnen, aus denen Wein floß, und prächtige 'pageants', die mit Musik und mimischem Spiel dem mit 5000 Begleitern vorbeireitenden König huldigten. Man drängte sich, den wegen seiner Leutseligkeit und Freigebigkeit beliebten Herrn zu sehen, und freute sich, daß diesmal kein Kind, sondern ein reifer Mann (Heinrich war 34 Jahre alt) die Königswürde erhielt. Die kräftige Gestalt mit dem hübschen, breiten Gesicht und roten Spitzbart erweckte Zutrauen. Nichts Hochfahrendes oder Halsstarriges sprach aus den lebendigen und energischen Gesichtszügen. Heinrich war das völlige Gegenbild Richards. Beherrscht und taktvoll, ein erfahrener Krieger, weitgereist und von guter Bildung, erschien er im Besitz der einem König nötigen Vorzüge. Richards Charme und künstlerischen Geschmack besaß er nicht. Daß es ihm an Umsicht und rechtzeitigem Erkennen krisenhafter Lagen fehlte, sollte sich erst später herausstellen. Leicht war Heinrichs Lage nicht; die wenigen Getreuen, die Richard II. anhingen und seine Absetzung für rechtswidrig hielten, brauchte er nicht allzu ernst zu nehmen, zumal er klug genug war, lieber seine Freunde zu belohnen, als die Richards zu bestrafen; aber die Tatsache, daß er die Krone nur mit dem Rechte des Siegers trug und daß eigentlich der achtjährige Edmund Mortimer, Earl of March den rechtmäßigen Thronanspruch besaß, stellte Heinrich dauernd vor die Aufgabe, die Zustimmung der Mehrheit seiner Untertanen zu erwerben oder zu erhalten. Gerade dadurch aber, daß er dem Parlament nie so gegenübertreten konnte wie ein König von unbestrittenem Erbrecht, mußte er ein Beispiel konstitutioneller Regierung im modernen Sinne geben. Insofern ist 1399, wenn auch kein Wendepunkt, so doch ein damals stark empfundener Wandel. Ein zweiter, uns allerdings weniger fortschrittlich scheinender Wandel betrifft die kirchliche Politik. Die hohen Kirchenfürsten waren unbedenklich von Richard II. abgefallen, da er sich schlecht bewährt hatte bei Unterdrükkung der gefährlichen Angriffe, denen die Kirche ausgesetzt war. Obgleich
3. Politisches Zeitbild. Heinrich IV.
23
Heinrich von einem Vater stammte, der als Schutzpatron Wiclifs gegolten, und obwohl ihm selbst reformatorische Ideen nidit fremd waren, hatte er erkannt, daß die von den Lollarden vertretenen Wiclifschen Ideen nicht nur die Kirche, sondern den Bestand des ganzen Feudalstaats, in dem die Kirche ein bedeutendes Glied darstellte, bedrohten. Folglich gab er Erzbischof Arundel Beweise seiner Orthodoxie; aber auch die Gemeinen, die gleich dem Klerus und Adel ihren Besitz gefährdet sahen durch die alles Eigentum leugnenden Lollarden, dankten für den verheißenen Schutz des Glaubens. So ging das Gesetz durch (1399), wonach niemand lehren oder predigen durfte ohne die Erlaubnis des Bischofs. Ihm oblag Untersuchung und Prüfung der Bücher und Schriften; die Ausführung des Urteils übernahm der Staat. König und weltliche Pairs verschärften den von der Geistlichkeit eingebrachten Gesetzesantrag dahin, daß Rückfälligkeit mit dem Feuertod bestraft werde (De haeretico comburendo 1401). Da man so die Regierung in einer festen Hand wußte, waren sowohl für den Klosterinsassen als auch für den einfachen Mann die „unruhigen Zeiten Heinrichs IV." (wie sie der Chronist Hall später nennt) nicht allzu aufregend. Die mehrfachen diplomatischen Besuche waren stets mit Schauprunk und Volksfesten verbunden. Im Winter 1400/1 wurde Manuel Palaeologus, der Kaiser von Konstantinopel, der Hilfe gegen die Türken erbat, vom englischen König empfangen. Dann kamen Gesandte des deutschen Kaisers Ruprecht von der Pfalz (des Nachfolgers von Wenzel) als Brautwerber um Heinrichs älteste Tochter Blanche für Kurfürst Ludwig. Mit größtem Prunk geschah die Einholung Johannas von Navarra, der Braut König Heinrichs im Jahre 1403. Nach der Trauung in Winchester erwarteten sie Mayor und Aldermen außerhalb Londons und begleiteten sie zur Krönung nach Westminster. Weinspendende Brunnen und pageants waren wiederum in der City errichtet. Audi die Hilfe gegen den Herzog von Orleans heischenden Gesandten von Burgund (1410) und die ein Jahr darauf kommenden Gesandten von Orleans, die gegen den burgundischen Herzog Beistand erbaten, wurden mit demselben ritterlichen Zeremoniell empfangen. Derartige vom Hof geförderte, aber zu äußerlichem Prunk entartete Bräuche einer früheren, dem Ritterwesen noch verbundenen Zeit, waren von der bürgerlich gewordenen Welt übernommen worden und sind für das 15. Jh. wie in Burgund so in England charakteristisch. Neben diesen höfisch-bürgerlichen Schauspielen genoß die städtische Bevölkerung die von den Handwerkergilden dargestellten und recht weltlich gewordenen biblischen Fronleichnamsspiele, die große Volksfeste waren. 'The Great Chronicle' der Stadt London erwähnt im Jahre 1408 ein 8 Tage
Erster
24
Teil
dauerndes Spiel. Solche weltlichen Spiele allegorischen Charakters, die von den Stadtbehörden oder Handwerkerinnungen veranstaltet wurden, hat auch der Mönch Lydgate verfaßt. (S. K a p . 13.) Die große Welt der Politik kam indessen nicht zur Ruhe. Nach dem geheimnisvollen und wohl gewaltsamen Tode Richards I I . (14. Februar 1400) kam es zu einem ersten Aufstand mit drei Earls und Lord Despenser, und jedes der folgenden Jahre bis 1405 war voller Verrat und heimischer Revolten,
voller militärischer Unternehmungen
in Wales, Schottland
und
Frankreich und voller Kämpfe mit den Parlamenten. Eigene K r a f t , staatsmännische Klugheit und glückliche Umstände halfen Heinrich I V . , seinen Thron zu behaupten, mit der parlamentarischen Vertretung einig zu werden und achtunggebietend gegenüber dem Ausland aufzutreten. Die schottische Gefahr war beseitigt durch die Gefangennahme des Thronerben James auf dem Wege nach Frankreich; und die in den Jahren 1407 und 1408 abgeschlossenen Handelsabkommen, Waffenstillstände und Verträge mit Flandern, der Bretagne und der Hansa beweisen, daß Europa das Haus Lancaster anerkannte. Mit dem Jahre 1408, in dem die Londoner Chronik wieder Raum findet zur Erwähnung des strengen Frostes, dem die ganze Amsel- und Drosselbrut zum Opfer fiel, setzte endlich eine ruhigere Zeit ein. Die vom Prinzen von Wales (dem späteren Heinrich V . ) erzwungene Kapitulation von Aberystwyth befriedete Wales und schaltete Owen Glendower aus, und mit dem Tod Northumberlands in der Schlacht bei Bramham Moor (19. Febr.) - der letzten Schlacht in England für mehr als 40 Jahre - waren auch die Aufstände in England zu Ende. Nun aber brach die Gesundheit König Heinrichs zusammen, immer wieder war er ans Krankenbett gefesselt, und die restlichen 5 Jahre seines Lebens ( 1 4 0 9 - 1 3 ) waren erfüllt vom Streit seiner Verwandten um die hohen Staatsämter und die Vorherrschaft im königlichen Rat. Auf der einen Seite standen der Prinz von Wales und seine drei Halbonkel, die Beauforts; die andere Partei war geführt von dem alten Erzbischof Arundel und zeitweise von des Königs zweitem Sohn Thomas. D a Lydgate mit den Persönlichkeiten der ersten Partei mehrfach zu tun hatte, ist eine kurze Schilderung geboten. Heinrichs ältester, 1387 geborener Sohn aus seiner Ehe mit Mary de Bohun, nach seinem Geburtsort Henry of Monmouth genannt, war von dem auf die Legitimität der Lancasterdynastie bedachten König bei seinem Regierungsantritt 'chosyn and made Prince of Walys, Duke of Cornevaylle and Erle of Chestre, as Heyr Apparaunt to the kyng and to the crowne off England'. E r war ein glänzender Soldat, hatte 1 4 0 3 - 8 Owen Glendower in Schach gehalten und schließlich besiegt. Während der Wintermonate dieser Zeit war er jeweils am Hof, hatte im Parlament gesessen und sich mit diplomatischem Geschick an den Debatten
3. Politisches
Zeitbild.
Heinridb
25
IV.
im Kronrat beteiligt. E r war eine in London wohlbekannte Erscheinung, und man sagte ihm ein ausschweifendes Leben nach. ' H e served Venus no less fervently than Mars', schreibt sein panegyrischer Biograph Thomas von Elmham. Doch sind diese Gerüchte wohl z. T . durch sein heißblütiges, j a anmaßendes Wesen begründet und z. T . als wirkungsvoller Gegensatz zu seiner späteren Laufbahn absichtlich übertrieben. Bemerkenswertere Züge sind einmal der ehrgeizige Tatendurst, demzufolge er sich nadi der Krone sehnte und den während der Krankheit des Königs allmächtigen Arundel bekämpfte; dazu kam eine etwas enge Religiosität, die auf regelmäßigen Kirchgang, Fasten, Almosengeben bedacht war. Die von seinem Vater aus politischen Gründen vertretene Orthodoxie steigerte sich bei ihm aus Gewissensabneigung gegen die Reformatoren zu bigotter Unduldsamkeit. Vorerst war der junge Prinz Werkzeug in der H a n d der ihn beratenden drei Beaufort-Brüder, die 17, 15 und 13 J a h r e älter waren als er, aber ebenso ehrgeizig und fähig. Der älteste, J o h n Earl of Somerset, ist infolge seines frühen Todes als 37jähriger (1410) eine blassere Persönlichkeit
geblieben. Der bedeutendste
war
Henry, damals schon Kanzler und Bischof von Lincoln und Winchester (1404), ein charakteristischer Prälaten-Staatsmann des späten Mittelalters. E r war Pluralist, nicht übergenau in seiner Privatmoral, herrsch- und streitsüchtig, aber ein ebenso fähiger wie energischer Verwaltungsbeamter. Seine seelsorgerischen Interessn waren gering (seine Diözese ließ er durch einen Vertreter verwalten), sein leidenschaftliches Interesse galt der Politik, in der er sich maßgeblich, aber nicht immer zum Heile seines Landes betätigte. Das Riesenvermögen, das er (auf nicht immer ehrenwerte Art) erworben, verwandte er freigebig zu patriotischen Zwecken. Der jüngste der Brüder, Thomas, der 1416 zum Duke of Exeter ernannt wurde, war zwar ein guter Offizier in Heinrichs V . späteren französischen Feldzügen, aber starrköpfig und heftig. E r hatte Heinrich I V . zur illegalen Verurteilung und Hinrichtung von E r z bischof Scrope gedrängt. Alle Beauforts wurden vom älteren Adel als Emporkömmlinge betrachtet. Sie waren als Söhne John of Gaunts aus dessen Verbindung mit Katharina Swynford 1392 von Richard I I . legitimiert und danach auch von Papst und Parlament anerkannt worden. Bei d e m Streit der beiden P a r t e i e n h a n d e l t e es sich nidit um k o n s t i t u t i o nelle o d e r außenpolitische, sondern n u r u m persönliche G e g e n s ä t z e . So ließ sie der K ö n i g streiten. D a s l e t z t e politische Ereignis seiner R e g i e r u n g , bei dem er selber m i t w i r k t e u n d das gleichsam Vorspiel z u r R e g i e r u n g seines Sohnes u n d N a c h f o l g e r s ist, betrifft den französischen K r i e g , den er einst beilegen w o l l t e durch eine V e r h e i r a t u n g der W i t w e R i c h a r d s I I . (Isabella, Tocht e r v o n C h a r l e s V I ) m i t dem P r i n z e n v o n Wales, - ein P l a n , den er sdion aufgegeben h a t t e
44)
u n d nun erneut ins A u g e f a ß t e . In F r a n k r e i c h herrsdite
B ü r g e r k r i e g . C h a r l e s v o n O r l é a n s stand in Waffen gegen den H e r z o g B u r g u n d , u n d dieser schickte G e s a n d t e nach L o n d o n , u m die H a n d
von
seiner
Tochter A n n a d e m P r i n z e n v o n Wales anzubieten u n d Waffenhilfe z u erbitten. H e i n r i c h I V . sagte z u u n d schickte auch ein kleines W a f f e n k o n t i n g e n t , 44) 1400. - 1401 wurde jedoch die zwölfjährige Isabella auf Verlangen Frankreich unter Einbehaltung der Mitgift zurückgegeben.
an
Erster Teil
26
verhandelte aber höchst macchiavellistisch gleichzeitig mit den Orleanisten, die ganz Aquitanien als Bestechung anboten. Dieser Wille, in die französischen Wirren einzugreifen, gründete sidi auf die Berechnung, daß das bürgerkriegzerrissene Frankreich keine Gefahr mehr für England bedeuten konnte und in dieser Situation die englische Friedenslust unnötig und ein Krieg einträglich wäre. Diese Auffassung teilte die Partei des Prinzen von Wales, die durch Beaufort dem kranken König eine Abdankung nahelegte. Heinrich wollte aber selber den Krieg führen. Noch einmal raffte er sich auf zu der für ihn so beschwerlichen Reise nach dem königlichen Landsitz Eltham, um dort der Weihnachtsfeier (1412) beizuwohnen, dann begab er sich nach London, wo im Februar das Parlament zusammentreten sollte. Er starb am 20. März 1413 im Alter von 47 Jahren, bis zuletzt an der mittelalterlich-ritterlichen Idee eines Kreuzzuges festhaltend, die er seinem Sohne vererbte. 4. Lydgates
Frühwerke.
Chaucertradition
und erste
Epen.
Während der Regierungszeit Heinrichs IV. oder, in klösterlicher Rechnung, während der Abtszeit von William Cratfield, haben wir außer den oben zitierten (S. 18) keine Dokumente über Lydgate. Trotzdem müssen wir annehmen, daß der neugeweihte Priester während dieser Zeit über die Grenzen des Klosters hinaus als Poet bekannt wurde. Den Namen derer, die eine Rolle im öffentlichen oder auch klösterlichen Leben spielten, begegnet man in Urkunden, Briefen und Chroniken, der Dichter wird nicht erwähnt. So ist diese wichtige Epoche des steigenden Ruhms Lydgates nur als Vermutung rekonstruierbar, um so mehr, als auch die Liste seiner Werke in der Datierung nur erschlossen ist. Man nimmt an, daß in den Jahren 1400/2 'The Complaint of the Black Knight 4 5 )' und 'The Flour of Curtesy 4 0 )' entstanden, von aller Zeitlichkeit abgerückte höfische Dichtungen, die mit Chaucers und der Franzosen lebenlächelnder Kunst die schöne vergangene Zeit wieder heraufbeschwören. Daß ein Mönch in dieser Zeit mit einer so gearteten Dichtung debütierte - denn nach dem Aesop und einigen anzunehmenden kleineren Dichtversuchen ist der Schwarze Ritter das erste Oeuvre Lydgates - verlangt eine Erörterung der dichterischen Situation. England, das zweieinhalb Jahrhunderte lang nur das Französische als vornehme Umgangs- und Dichtsprache gekannt hatte, war den übrigen 45) M. P. 382; ed. E. Kraußer, Diss. Heidelberg, Halle 1896 (Sonderdruck aus Anglia X I X ) , vgl. W . Skeat: Chaucerian Pieces p. 245 und E. P.Hammond: Chaucer Manual p. 413. Kraußer datiert 1 3 9 8 - 1 4 1 2 , Schick 1402/3, DNB 1430. 46) M. P. 410, vgl. Skeat p. 266 und Hammond p. 424.
4. Lydgates Frühwerke. Cbaucertradition
und erste Epen
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europäischen Landessprachen gegenüber weit zurück. Keine der großen Geschichten des Mittelalters war zuerst in englischer Sprache erzählt worden (wir haben keine englische Queste del St. Graal, keinen Tristan, keinen Parzival, keine Divina Commedia, keine Troubadourlyrik), und es gab folglich keine ausgebildete englische Literatursprache. Als nun mit Geoffrey Chaucer ein wahrhaft großer Dichter erstand, war seine erste Aufgabe (wie die Dantes im Anfang desselben Jahrhunderts in Italien), aus einer mundartlich zersplitterten Sprache eine literarische zu machen. Und da er vom englischen H o f patronisiert wurde und dort seine Werke vorlas, so mußte er sich nach dem dort geltenden Geschmack richten. Nun sagten wir bereits und führten Froissart als Zeuge an, daß der H o f Eduards I I I . ganz vom französischen Geschmack beherrscht war, und daß Richard I I . diese Tradition insofern fortsetzte, als er solche englischen Dichtungen patronisierte, die in französischem Geschmack geschrieben waren. Ritterliche Kriegstaten und
Frauendienst
waren nach höfischer Etikette maßgebliche Themen der Dichtung. Um diesen Themen gerecht zu werden, insbesondere eine seinem höfischen Publikum passende höfisch-graziöse Ausdrucksweise zu erlernen, mit feineren, den Herzensempfindungen angemessenen Worten und in musikalisch-metrischem Fluß übersetzte Chaucer den Rosenroman und dichtete kunstvoll-künstliche Complaints, das heißt Klagen höfischer Liebe und Galanterie, so wie es die allegorische Schule Frankreichs (Machault, Deschamps, Granson, Froissart) gelehrt hatte. Diese Leistung Chaucers hat das 15. J h . richtig erkannt, und kaum einer der Dichter jener Zeit unterläßt es, Chaucer zu huldigen. „Chaucer war der erste, der unsere Sprache mit den Blüten der Beredsamkeit schmückte")" - diese Worte Lydgates werden von drei aufeinander folgenden Generationen nahezu wörtlich wiederholt. Chaucer ist die 'flour of rhetorique', der 'first finder of our faire langage', der 'noble Rhetor poete of bretaine'. Audi die Schotten lobten vor allem die sprachkünstlerische Leistung, die eine der lateinischen und französischen gleichberechtigte Literatursprache hervorgebracht hatte. Man bewunderte seine sprachlich-formale Meisterschaft in der damals üblichen Stilkunst, einer künstlichen Welt von Traum und Vision, singenden Vögeln und Blumenwiesen, phantastischer Architektur - dazu seine gewählte Ausdrucksweise, seine hochtrabenden Gedanken und den streng geregelten Gefühlsausdruck. Der moderne Leser, der zumeist von den Canterbury-Geschichten aus urteilt, pflegt diese zeitbedingte Bedeutung Chaucers zu unterschätzen, wie er auch seine vom bürgerlichen 47) The Serpent of Division. Für die zahlreichen Huldigungen in Lydgates poetischen Werken vgl. C. Spurgeon: Five Hundred years of Chaucer Criticism and Allusion, 3 vols. Cambr. 1925. I, 14 ff.
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Erster Teil
Standpunkt abgerückte, kavaliersmäßige Behandlung der Menschen des Alltags übersieht. Eines allerdings können wir aus dem zeitlichen Abstand besser erkennen: daß die Welt dieser spätgotischen höfischen Dichtung zu der tatsächlichen Wirklichkeit nicht mehr stimmte. Chaucer hatte schon im Buch der Herzogin (1369) ein noch für spätere Zeiten gültiges Kunstwerk erreicht, weil er diese konventionelle, künstliche Welt mit eigener Lebenserfahrung und wirklichem Gefühl zu verbinden verstand (vgl. das Porträt der Herzogin Blanche). Ein Bild des Cambridger Corpus Christi College Manuskripts Nr. 61 zeigt Chaucer seine Werke vor dem Hofe Richards II. vorlesend. Seine höfische Dichtart galt als die Dichtung schlechthin. Chaücers Zeitgenosse John Gower, der ihm an sprachlich-formaler Leistung ebenbürtig ist, berichtet, daß er aus seinem Ruderboot von Richard in die königliche Barke herübergenötigt wurde (die Themse war ja die vornehmste Verkehrsstraße im damaligen winkeligen und schlecht gepflasterten London) und daß der König ihn aufforderte, 'some newe thing' zu schreiben. Das wurde die große Geschichtensammlung Confessio Amantis (1390), in der nicht nur der Moralist und der glänzende Erzähler zu Worte kommt, sondern auch der Hofmann, der uns die Anschauungen und den Geschmack der feinen Gesellsdiaft, die damals noch die literaturtragende Schicht war, vermittelt. Wir sehen, wie selbst ein Bürgerlicher wie Chaucer, der als Page, valetus und scutifer am Hof beschäftigt war, bestrebt sein mußte, 'to stonden in hir lady grace', wie er die Dame zur Messe begleitet, ihr den Steigbügel hält oder neben ihrem Wagen reitet, wie er ihr vorliest, vorsingt oder bei der Handarbeit zuschaut und wie er, wenn sie nicht zu Hause, mit ihrem Hund oder Vogel spielt und mit den Pagen plaudert, bis sie zurückkommt. Diese Welt und die ihr Ausdruck verleihende Dichtung mußte auch den bürgerlichen, ja sogar den geistlichen Dichtern erstrebenswert und vorbildlich erscheinen. Gerade um die Zeit, als Lydgate mit der Klage des Schwarzen Ritters die Arena der höfischen Dichtung betrat, waren eine Reihe ähnlich gearteter Werke erschienen: neben den Wunder- und Rittertradition in volkstümlicher Art lebendig erhaltenden Versromanen (wie etwa dem Ipomydon, Earl of Toulouse und Sultan von Babylon) schrieb der am Hofe Heinrichs IV. wohlbekannte Sir Thomas Clanvowe 'The Cuckoo and the Nightingale', eine graziöse Ausführung der alten Debatte über Liebe und Weisheit, und Lydgates dichterischer Zeitgenosse Thomas (H)occleve (ca. 1368-1450) übersetzte Christine de Pisans 'Letter of Cupid', eine tiefempfundene Frauenverteidigung gegen Jean de Meung. Der im Jahre 1400 erfolgende Tod Chaucers mußte seine höfische Dichtung gleichsam in verklärtem Licht erscheinen lassen. So ist der Schwarze Ritter Lydgates eine Huldi-
4. Lydgates
Frühwerke.
Chaucertradition
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gung an Chaucer, ein nochmaliges Durchwandeln der von diesem durchwanderten Gärten der französischen allegorischen Dichterschule. Vielleicht haben wir bei den beiden Dichtungen Complaint of the Black Knight und Flour of CourtesyeK) wie bei der Mehrzahl der Lydgateschen Dichtungen Auftraggeber anzunehmen, denn das Geleit des Schwarzen Ritters bittet eine Prinzessin um günstige Aufnahme, und die Blüte der Höfischkeit ist ein Valentine-Gedicht, wie sie vielfach bestellt wurden - jedenfalls sind es Exerzitien im besten herkömmlichen Stil, so echt im Tonfall, daß sie lange als Teile des Chaucerschen Werkes galten. Dies Treffen des Tons war Lydgates Ehrgeiz. Deshalb klingt die Klage des Schwarzen Ritters im Vorwurf an das Buch der Herzogin an und im Stil an die vom Rosenroman eingeleitete französische Schule. Uns ist die eigentliche Liebesklage mit den steifen Allegorien von Danger, Disdain, Malebouche und Truth, mit dem Katalog wahrhaft Liebender, den Invektiven gegen den Liebesgott und der Bitte um Erhörung ermüdender als die epische Einbettung, in der Lydgates Beschreibungstalent die alten Requisiten von Maienmorgen, Vögeln, Fluß und Blumenlaube gefällig umformt und mit einem fast launigen Bericht beschließt, wie er abends die Geschichte aufschrieb und vom Bette aus die aufgehende Venus für den liebeskranken Ritter bittet. Vielfache Chauceranklänge mögen uns zu solch witziger Deutung verführen; dem Dichter selbst ist es furchtbar ernst, den 'gaye Stile* - den blumigen Stil - des Meisters nachzubilden, was ihm gelingt und was er leider über Gebühr ausdehnt (die Dichtung umfaßt 681 Zeilen in 97 Chaucerstrophen). In dieser Beziehung ist die Blüte der Höfischkeit, ein Chaucers Alcestis-Lob nachempfundener Preis der besten der Frauen, glücklicher; in nur 270 Zeilen (ebenfalls in Chaucerstrophen mit einer abschließenden regelrecht gebauten Ballade) werden die abgegriffenen Themen von dem am Morgen lustwandelnden Dichter, dem abstrakten Lob der Herrin, den Rosenroman-Allegorien und dem historisch-mythologischen Katalog berühmter liebender Frauen graziös oder doch gefällig abgewandelt. Originalität darf man nicht erwarten, für Lydgate und die ganze auf Chaucer folgende Dichtergeneration lag Chaucers Verdienst im sprachlichen Stil. Von dieser richtigen, aber einseitigen Bewertung Chaucers aus müssen auch alle höfischen Liebesdichtungen Lydgates beurteilt werden, gleichgültig wann sie entstanden. Einige, wie A Gentlewoman's Lament4"), möchte man früh ansetzen, da sie in ganz reiner und also unpersönlicher Form einen Complaint nachbilden, so wie ihn die Franzosen oder Chaucer in der 'Anelida' gelehrt; andere, wie die 'at {je request of a squyer |)at serued in loves court' geschrie48) M. P. 382; 410. Vgl. S. 26. 49) M. P. 418 (56 Zeiten in 7 achtzeiligen Strophen, Vierheber).
Erster Teil
30 bene Ballade
of Her that hath all Virtues50)
Lack of Mercy ) S1
und der kurze Complaint
for
dürften einer späteren Zeit angehören. Gerade die letztere
Dichtung zeigt den für den reifen Lydgate charakteristischen Stil. Gelegentlich mag Lydgate ein solches Gedicht von sich aus geschrieben haben, wie es der leicht satirische Anflug für The Servant
of Cupid Forsaken52)
vermuten
läßt. Die meisten sind bestellte Arbeit wie das Treuegelöbnis in einem der üblichen Neujahrsgedichte, A Lover's
New
Year's
Gift53).
In allen diesen
Stücken herrschen die zwei von Lydgate bevorzugten Strophenformen: die siebenzeilige Chaucerstrophe ababbcc und die achtzeilige Balladenstrophe ababbcbc mit meist 5- und selten 4hebigen Versen - metrische Formen, die an Kunstfertigkeit und Sprachbeherrschung keine geringen Anforderungen stellen. Das ganze 15. Jh. hindurch leben die alten Themen in gleicher Beliebtheit fort; die Liebeshöfe und Liebestestamente, die Bücher und Briefe Cupidos, die Häuser und Höfe der Weisheit und des Vergnügens, die Tempel aus Gold und aus Glas, wenn auch allmählich erstarrend in einer zur Manier veräußerlichten Wortkunst. Hier drängt sich die Frage nach der Leserschaft auf, an die sich eine solche Literatur wandte. Chaucers erlesenes Publikum mit seinem an französischer Literatur geschulten Geschmack, seiner Freude an Anspielungen und lächelnder Ironie war nicht mehr vorhanden. Der Hof des nüchternen Heinrich I V . hatte nicht mehr den gleichen Glanz wie unter dem romantischen Richard II., unter dessen unglücklicher Regierung viele der schönsten Werke der mittelenglischen. Literatur entstanden. Mit dem Verblassen der halbfranzösischen Kultur trat der dichtende Laie dem Kleriker gegenüber zurück. Heinrich IV., der übrigens ein Musikliebhaber war, hatte zwar den guten Willen, die literarische Tradition des Hofes fortzusetzen. Er erhöhte die dem Dichter Chaucer von der Krone gewährte Pension im Andenken an seinen Vater John of Gaunt und seine Mutter Blanche, die Chaucer besungen; er übernahm Gowers Widmung der Confessio Amantis und lud die französische Dichterin Christine de Pisan an den englischen Hof. Aber die unruhigen Zeiten ließen dem Herrscher nicht die Muße zur Ausübung eines sinnvollen Patronats. Als Auftraggeber rückten jetzt auch Bürger in die literaturtragende Schicht auf, und eine allgemeine Umbildung des Lesepublikums kam in Gang. Man fragt: was hatte das städtische, praktische, handeltreibende Bürgertum, und was hatte die aus dem Bürgertum 50) M. P . 379 (49 Zeilen in 6 Chaucerstrophen und Envoy), geschrieben für 'Sir Othes 51) 52) 53)
of Holand'. M. P. 381 (32 Zeilen in 4 achtzeiligen Strophen). M. P . 427 (72 Zeilen in 9 achtzeiligen Strophen, Vierheber). M. P. 424 (71 Zeilen in 23 dreizeiligen Strophen, Siebenheber).
4. Lydgates Frühwerke.
Chaucertradition
und erste Epen
3\
neu entstehende Gentry f ü r eine Beziehung zu der höfischen Stilkunst, die allen brennenden Fragen der Zeit geflissentlich auswich? Der uns durch drei Generationen erhaltene Briefwechsel der Pastonfamilie 54 ) mit ihren ständigen Geldgeschäften, Prozessen und Gesindenöten gibt ein Bild der damaligen Wirklichkeit. Während die Dichter vom ewigen Mai sangen und Rittergeschichten im alten Stil zusammenstellten, schickte Lord Moleyns einen Haufen von 1000 Bewaffneten, die Margaret Paston aus dem Gutshaus in Gresham hinaustrieben und das Haus, um das ein Prozeß schwebte, völlig demolierten. Fünfzehn Jahre später verfuhr der Duke of Suffolk genau so widerrechtlich mit dem den Pastons gehörigen Gutshaus in Hellesdon. Während die Dichter weiter von Liebe sangen und die begehrte Dame mit höfischritterlicher Verehrung feierten, prügelte Agnes Paston ihre 20jährige Tochter Elizabeth, bis sie in die Geldheirat mit dem 50jährigen Scrope einwilligte. Man möchte nicht glauben, daß die in solcher Wirklichkeit lebenden Menschen Sinn für die erträumte Welt der höfischen Dichtung hatten, fände man nicht einen überraschenden Beleg: Sir John Paston (der Vertreter der zweiten Generation, die sich den Adelstitel verschafft hatte) schreibt aus London, wohin ihn Mutter und Bruder zur Beschleunigung der Prozesse um den Familienbesitz geschickt hatten, er habe sich die Hand verletzt in einem Turnier, „ich wünschte, Ihr wäret dagewesen, es war das schönste Turnier, das man in England seit 40 Jahren sehen konnte". Und aus der Bibliothek der Pastons nennt ein auf uns gekommenes Verzeichnis: Lydgates Belagerung Thebens, das Buch der sieben weisen Meister, La belle dame sans merci, den Tempel aus Glas, den grünen Ritter, Ovids Ars amandi und einen Traktat über das Wesen und die Satzungen des Rittertums. Man muß annehmen, daß das neue bürgerliche Publikum die ehemals einer ritterlich-adligen Welt angemessene Literatur nicht nur aus Tradition beibehielt, sondern sie wirklich las und hochschätzte als schöne Traumwelt, die eine unbefriedigende Wirklichkeit ertragbar machte. Gerade in der düsteren Zeit der Kriege und Pestseuchen und sozialen Erschütterungen drückt sich in der höfischen Literatur wie in den Festen, in den spielmännischen Ritterromanen wie in den von Bürgern oder für Bürger veranstalteten Prunkaufzügen und Turnieren die Sehnsucht nach einem schöneren Leben aus. So ist erklärlich, daß auch ein mönchischer Dichter wie Lydgate sich einen Vorwurf wie die Klage des Schwarzen Ritters wählte und daß er damit nicht nur ein höfisches Publikum ansprach. Auch die um die gleiche Zeit anzusetzende und wohl als Parergon anzu54) Paston Letters ed. J. Gairdner 4 vols. 1901.
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Erster Teil
sehende Fabel The Churl and the BirdM) setzte Chaucers Erbe fort. - Es lag nahe, daß Lydgate auf dem mit der Aesop-Übersetzung eingeschlagenen Weg weiterging, aber diesmal bewährte er sich als Meister. Die einer französischen Fassung der Disciplina clericalis entnommene Fabel vom Bauer und Vogel ist frisch erzählt in dem liebenswürdig-humorvollen Ton der französischen Fabliaudichtung, belehrend in der Verspottung des dummen Bauern, der sicheren Besitz für etwas Ungewisses hingibt, spannend in der geschickt durchgeführten Wechselrede und vollendet in der Handhabung der Chaucerstrophe. Das kurze Werk lein (387 Zeilen) ist im Geleit „dem Meister" Chaucer gewidmet und wurde eines der volkstümlichsten von Lydgates kleineren Werken. Seine Dichtergabe mußte Lydgate zu größeren Aufgaben drängen, und als sich ein Auftraggeber fand, entstand - man vermutet zwischen 1400 und 1403 - das erste oeuvre de longue haieine, das eines seiner bekanntesten bleiben sollte: der Temple of Glas56). Wer dieser Auftraggeber war, ist unbekannt; Shirley sagt 'ä la request d'un amoreux', um die Vereinigung des Ritters mit seiner Dame zu feiern. Vermutlich ist es ein zur Feier einer Hochzeit geschriebenes Festgedicht. Da das Motto der in der Dichtung verherrlichten Dame auch das Motto der Pastons ist (de mieulx en mieulx), so hat man als Auftraggeber William Paston vermutet, der 1420 Agnes, die Tochter von Sir Edmund Bury von Harlingbury Hall in Hertfordshire heiratete 57 ). Nach den Daten ist das nicht wahrscheinlich, doch dürfte eine ähnliche Hochzeitsfeier in Kreisen des niederen Landadels der Anlaß gewesen sein. Gerade diese Kreise liebten es, die höchst geschäftsmäßig von den Eltern verabredeten Heiraten durch allerhand äußeren Prunk aufzuputzen. Die Liebesallegorie des Tempels aus Glas sollte - wie später Shakespearesche 55) M. P. p. 468; Hammond p. 102; vgl. R. H. Bowers in MLN. 49 (1934) p. 90-94. Bowers druckt nach dem weder von MacCracken noch von Hammond erwähnten MS. Harley 2407 fol. 76 r - 90 v (das Illuminationen des Gartens, des Bauers und des Vogels enthält und 7 zusätzliche Strophen zwischen Str. 35 und 36 und eine weitere nach Str. 40 (es handelt sich im wesentlichen um Erörterung des magic stone). H . S. Bennett (Chaucer and the 15tl> Century) setzt die Fabel 1408 an. 56) ed. J. Schick, Lo. 1891 (EETS. ES. 60) mit maßgeblicher Lydgate-Monographie. Bennett datiert 1410, nach dem von ihm 1408 angesetzten Reason and Sensuality und Churl and Bird. 57) Vgl. MacCracken in: PMLA 23 p. 128 ff. bes. 134; Moore in: PMLA. 27 p. 191 ff. MacCracken beweist seine These durch das in Z. 530 (der B-Text-Gruppe) erwähnte Motto der Pastons und durch die Beziehungen der Pastons zur Abtei Bury St. Edmunds: der Richter William Paston (der Vater von John) galt als Gönner des Klosters ('devotionem quam ergo Deum et nostrum habetis monasterium') und war seit 1429 Laienbruder der Abtei.
4. Lydgates
Frühwerke.
Chaucertradition
und erste Epen
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Lustspiele in höfischen Kreisen - die Nüchternheit des Vorgangs poetisch verschönen. Wir haben es also mit einer Dichtung zu tun, die derselben Gruppe wie der Schwarze Ritter und die Blüte der Höfischkeit angehört und nach Umfang (1403 Zeilen) und dichterischem Ehrgeiz als Krönung dieser höfischen Liebesgedichte gelten kann. Die Motive sind alle altes Gut, besonders oft wird man an Chaucers Haus des Ruhms und Vogelparlament erinnert, die ebenfalls der Visionengattung angehören. Audi die Darstellung geschieht in engem Anschluß an die alten Muster: nach der üblichen Eröffnung, die dem träumenden Dichter einen blendend hellen Tempel auf rauhem Felsen zeigt und sein Eindringen durch eine verborgene Pforte erzählt, bringt ein erster Teil die katalogartige Beschreibung der dort bildlich dargestellten berühmten Liebespaare der Antike und eine Liste ihrer Liebesklagen, gipfelnd in dem lyrischen Complaint einer strahlenden Frauengestalt, der Venus Erhörung zusagt. Ein zweiter Teil bringt die Beschreibung eines außerhalb der Menge stehenden monologisierenden Ritters und endet mit des Ritters Klage und der Venus Rat, seiner Geliebten zu nahen. Der krönende dritte Teil bringt nach kurzer Erzählung die lyrische Werbung des Ritters, die Antwort der Dame und der Göttin Schlußwort an beide. Der Epilog berichtet das Erwachen des Dichters und seinen Entschluß, das Traumgesicht dichterisch zu gestalten. Die Kompositionsgabe, die den Stoff in drei epische, in heroischen Reimpaaren abgefaßte Gesänge einteilt, die jeweils mit einer langen lyrischen Partie in Chaucerstrophen enden, enthält ein dem Chaucerschen Buch der Herzogin vergleichbares Dichtversprechen, wenn auch dieses Dichters Artung anders ist: epigonenhaft in Stoffwähl und Ausdrucksmitteln und lebensfern in der Vorliebe für Rhetorik und antikes Bücherwissen. Auch das nächste größere Werk Lydgates, das etwa 1408 anzusetzende Resoun and Sensuallyte58), hält sich in weltlicher Sphäre, diesmal nicht wie der Tempel aus Glas als ein Mosaik vielfacher Reminiszenzen, sondern - wie fortan meist - in genauerem Anschluß an ein französisches Werk, und zwar an den allegorischen Liebesroman 'Les Echecs Amoureux', dessen erste 5000 Zeilen Lydgate zu 3500 kurzen Reimpaaren ausspann. Der Dichter wird von seiner schönen Gegnerin am Schachbrett mattgesetzt und geht bekümmert zu Amor, der ihn in der Liebeskunst unterrichtet. Die Natur hat zur Erhaltung ihres Werks Liebe und Sinnlichkeit vereinigt, doch sagt Pallas, 58) ed. E. Sieper EETS. ES. 84, 89, Lo. 1901/3 mit ausführlicher Einleitung. Vgl. auch Schick in: Anglia Beibl. V I I I , 134 ff. - Zur Literatur des Schachspiels vgl. A. Sdimid: Literatur des Schachspiels, W i e n 1847 und E. Sieper: Les Echecs Amoureux. Weimar 1898 (Literarhistor. Forsch, ed. Schick u. Waldberg, H . 9; darin genaue Inhaltsangabe und Vergleich mit Lydgates Werk). S c h i r tn e r , Lydgate
3
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Erster Teil
es sei unwürdig, sein Leben im Dienste der Venus zu vergeuden. Es folgt eine Auseinandersetzung über Vernunft und Sinnlichkeit, das heißt eine Abhandlung über die Keusdiheit; Mittel zur Heilung der Liebesleidenschaft werden angeführt und die dem Geheilten offenstehenden Wege der vita contemplativa und vita activa im einzelnen dargelegt. Schon im Original also wandelt sich die anfängliche Erzählung zu einer Unterweisung in der Lebenskunst, was Lydgates Bearbeitung noch betont, so daß sein Werk eher als moralische denn als Liebes-Allegorie anzusprechen ist. Das Werk ist Fragment: offenbar hat es der Dichter zu seinem eigenen Vergnügen geschrieben (wir wissen von keinem Auftraggeber) und nach Erschöpfung des ihn Interessierenden liegen lassen. Diese Dichtung zeigt, daß Lydgate keine Freude am Fabulieren hatte, sondern am Popularisieren von Wissensstoffen. Von der alten Erzähl- und Beschreibungsfreude blieb das Klischee der Frühlingsbeschreibung übrig. Alle übrigen beschreibenden Stellen sind mit allegorischer Popularphilosophie vollgestopft: bei Erwähnung der Juno wird die ganze Mythologie des Aufruhrs Jupiters gegen Saturn berichtet; Merkur gibt Anlaß zu einem genealogischen Exkurs über alle Olympier, das ParisUrteil wird in extenso ausgeführt, an das Phaeton-Beispiel ist ein Katalog derer, die im Altertum durch Liebe zu Leid kamen, geknüpft. Fortlaufend gibt er Beispiele aus der antiken Mythologie mit meist allegorisch angehängter moralphilosophischer Ausdeutung und Lehre. Das Ganze ist also weniger ein Roman als ein mit Prunkbeschreibung und Rhetorik verbrämtes Sdiatzkästlein des Wissens. Unwillkürlich denkt man an den Abt John Whethamstede, der nahezu gleichzeitig in dem nicht allzu fernen Kloster St. Albans in seinem 'Granarium' und 'Pabularium' das von den italienischen Humanisten auf den Markt gebrachte antike Gut in lexikalischer Kompilation zusammenstellte 59 ). Dazu ist Lydgates Verquickung einer Rosenromanfabel und Schachspieldeutung mit einem gereimten
mythologisch-
naturwissenschaftlichen Lexikon ein originelles Gegenstück, - nicht uninteressant zu lesen und höchst aufschlußreich für die Übergangszeit vom Mittelalter zur Renaissance. Wieweit der Autor sich dessen bewußt war, soll dahingestellt bleiben, wir vermeinen ihn am Schreibpult zu sehen, wie er aus alten Büchern die Summe des Wissens zu ziehen wähnt und ahnungslos der neuen, in der Luft liegenden Wißbegierde Eingang in die Klostermauern gewährt. Das dritte große Werk dieses Zeitraums ist das erste religiöse: ein 6000 Zeilen (in Chaucerstrophen) umfassendes Life of Our Lady
(s.Kap. 18).
5 9 ) Vgl. Schirmer: D e r englische Frühhumanismus, L p z g . 1931, p. 9 2 ff.
4. Lydgates Frühwerke.
Chaucertradition
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Diese 1409/11 zu datierende Dichtung, die uns oft geschmacklos und zu lang erscheint, gehört zu Lydgates Hauptwerken und zeigt bereits den erst später zur Entfaltung kommenden neuen Stil der geistlichen Dichtung. Das Werk ist im Auftrag des Prinzen Hai, des späteren Königs Heinrich V . , geschrieben eo ). Damit ist zum erstenmal die später so enge Beziehung Lydgates zum Königshause Lancaster erwähnt. D a ß Lydgate wie das Kloster dem lollardenfeindlichen Herrscher Heinrich I V . in Treue anhing, wurde bereits gesagt. Heinrich IV. war nicht nur durch ritterliche Taten in Turnier und Kampf gegen die Heiden populär, er bemühte sich auch, ein frommer K i r chenmann zu sein und ein Schützer der Künste. Vielleicht dürfen wir annehmen, daß er, als er von des Klosterpoeten Fähigkeiten hörte, diesem als angemessene Aufgabe ein Leben der Mutter Gottes in Auftrag gab und daß er diesen Auftrag durch seinen Sohn erteilte. Der Kronprinz mag dem vielbeschäftigten und seit 1409 kränklichen und Reisen vermeidenden Vater die Repräsentation im Kloster abgenommen haben. Das Patronat des Prinzen Heinrich mag zugleich ein Freundlichkeitsakt dem Kloster gegenüber gewesen sein, um die Bande zwischen Kloster und Krone enger zu knüpfen. Anderseits kann der Prinz, der auch später gelegentlich religiöse Dichtungen bei Lydgate bestellte, aus eigenem Antrieb gehandelt haben. Das ausschweifende Leben im Herrenhaus Cheylesmore bei Coventry war ebenso vorüber wie die kriegerische Tätigkeit in irischen und walisischen Feldzügen. Er war auch in seiner Art ein Liebhaber der Künste und Mäzen der Dichter. Lydgate hat seinen fürstlichen Auftraggeber nicht enttäuscht; während die meisten Legenden ihrem ursprünglichen Zweck gemäß kürzere Erzähldichtungen waren, machte Lydgate aus seinem Muttergottesleben ein umfängliches Epos, was nach ihm nur John Capgrave und Henry Bradshaw, aber mit weniger Erfolg, versuchten. Wann „Das Leben der Mutter Gottes" beendet wurde, wissen wir nicht; man nimmt das J a h r 1411 an. Wie es üblich war, wird der Autor sein Werk dem hohen Auftraggeber persönlich überreicht haben. Es ist nicht verbürgt, ob der Schauplatz des feierlichen Zeremoniells Schloß oder Kloster war. Umgeben von geistlichen und weltlichen Würdenträgern, die auf den überlieferten Bildern 6 1 ) stehend dargestellt werden, während der Autor kniet, 60) Uber Heinrich IV. und V. vgl. J . H . Wylie: History of England under Henry IV. 4 vols. Lo. 1 8 8 4 - 9 8 ; The Reign of Henry V. 3 vols. Cambr. 1 9 1 4 - 2 9 . Über die Königsfrauen: A. Strickland: Lives of the Queens of England, vols. I I / I I I , Lo. 1877. - Vgl. ferner C . L. Kingsford: Henry V. Lo. 2 1923; Sir W . Ramsay: Lancaster and York, O x f . 1892; C . L. Kingsford: English History in Contemporary Poetry I I : Y o r k and Lancaster, 1914. 61) So MS. Cotton Aug. A I V (Brit. Mus.), Bodl. MS. Digby 232 (Oxf. Bodl.),
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Erster Teil
nimmt der auf einem Thron sitzende Fürst das Buch in Empfang. Mit einem solchen Akt war eine persönliche Bindung von Autor und Patron ausgedrückt, die neben den möglichen ideellen Beziehungen auf einer realen Grundlage ruhte: der Autor erhielt Schutz und Geldgesdienke von seinem Gönner und mehrte als Gegengabe dessen Ruhm und Volkstümlichkeit durch seine Dichtung. Der nachmalige König Heinridi V. wird die Widmung gerne angenommen haben, denn trotz seiner Soldatennatur und seines phantasielosen Ernstes besaß er künstlerische Neigungen: er hatte eine gelehrte Erziehung genossen, war wie sein Vater musikliebend und darauf bedacht, die literarische Tradition des Hauses Lancaster fortzusetzen. So mag schon im Gespräch nach der Überreichung des Lebens der Mutters Gottes die Rede auf ein von Lydgate zu schreibendes neues Werk gekommen sein, ein Werk, das uns mehr im Einklang mit Heinrichs Neigungen zu stehen scheint als ein Heiligenleben und das an Lydgate ungleich höhere Anforderungen stellte: eine dichterische Behandlung der Trojasage. 5. Lydgates
Trojabuch
Heinridi V. hat in seiner kurzen und strahlenden Laufbahn, die ihm den Namen des Siegerkönigs eintrug, ritterlich-feudale Anschauungen gezeigt, die mehr der vergangenen Zeit des Hodimittelalters angehören als dem bürgerlichen und zur Renaissancezeit überleitenden 15. Jh., die aber zusammenstimmen mit dem spätgotischen ritterlichen Nachsommer am burgundischen Herzogshof 82 ). Die sinnlosen Eroberungen, in denen er die Kraft seines Landes vergeudete, der als Höhepunkt seines Lebens gedachte Kreuzzug, der ritterliche Zweikampf bei der Belagerung von Melun erscheinen als seltsamer Anachronismus. Im Lichte solcher Gesinnung ist das Patronat des Troy Book63) zu sehen. Als der Dichter den Auftrag erhielt - durch die genaue astronomische AnCrawford-Rylands MS. (Manchester), Trin. Coli. MS. 0 . 5 . 2 (Cambr.), Rawl. C. 446 (Oxf. Bodl.) - alle das T r o y Book enthaltend, vgl. Anm. 129. 62) Vgl. O. Cartellieri: Am H o f der Herzöge von Burgund, Basel 1926 und J. Huizinga: Herbst des Mittelalters, Mchn. 1924. — Herzog Philipp der Gütige stiftete am 10. Jan. 1429 für 31 Ritter aus altadligem Geschlecht den Orden vom Goldenen Vlies, der das vergangene Rittertum neu beleben sollte. Vgl. Zoller: Der Orden vom goldenen Vlies, Altenburg 1879; H . Kervyn de Lettenhove: L a Toison d'or, Brüssel 1907. 63) ed. H . Bergen, 4 vols. E E T S . ES. 97, 103, 106, 126, Lo. 1906, 1908, 1910, 1935; vgl. W . Greif: Die mittelalterlichen Bearbeitungen der Trojasage, Marburg 1886 u. a. bei Bergen angeführte Literatur. Guidos Historia Troiana im Auszug bei Bergen vol. 4. Le Roman de Troie par Benoit de Sainte-Maure ed. L. Constans, 6 Bde, Paris 1904, 1908. (S. A. T . F.).
5. Lydgates
Trojabuch
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gäbe im Prolog wissen wir sogar Tag und Stunde: es war am Montag, dem 31. Oktober 1412, um 4 U h r nachmittags
mag er darüber nachsinnend
manchen Spätherbsttag in der Klosterbibliothek verbracht haben. D e r berühmte Stoff war mehrfach bearbeitet, besonders in Benoits de Sainte-Maure ' R o m a n de Troie' ( 1 1 6 0 ) und in Guidos delle Colonne Prosaversion 'Historia Troiana' (1287). Neben diesen französischen und lateinischen Fassungen wünschte sich Prinz Heinrich eine englische; und Lydgate, den dieser N a tionalstolz weniger bewegte, fühlte doch die Größe der Verpflichtung. Als Führer wählte er sich G u i d o 6 4 ) , weil dieser die Wahrheit zu geben behauptet im Gegensatz zu den fabulierenden Homer, Vergil und Ovid. Denn darin war Lydgate mit seinem hohen Patron einig, daß die Dichter „nur die Wahrheit" bringen dürften. Sie erzählen, wie es wirklich gewesen ist und halten damit den R u h m der Helden lebendig. Heinrich, der gerne solche in alten Büchern aufgezeichneten Geschichten las, wertete die Taten der H e l den um Troja als Vorbild wahren Rittertums und als Ansporn, den Müßiggang zu meiden. Lydgate mußte dieser historiographischen und pädagogischen Einschätzung der Dichtung gerecht werden. E r erzählt also mit großem Fleiß und höchstem Aufwand seiner rhetorischen Möglichkeiten die ganze Fülle der Trojageschichten von dem Argonautenzug bis zu den letzten Lebenssdiicksalen der griechischen und trojanischen Helden, wobei er seine sorgsam befolgte lateinische Quelle auf über 30 0 0 0 Verse ausweitet, und - wohl nach dem Vorbild der Canterbury-Geschichten -
zu heroischen Reimpaaren ordnet.
Die üblichen Zwischenbemerkungen, in denen er sein bescheidenes Dichtertum entschuldigt 6 5 ), fallen deshalb auf, weil er sich nicht nur dem hochverehrten Dichter Chaucer gegenüber zurückstellt, sondern auch dem G e lehrten Guido. Die Muse - bezeichnenderweise nennt er Clio, die Muse der Geschichtswissenschaft - sei erst später zu ihm gekommen. Auch mangele es ihm an rhetorischer Kunst. Gerade dieses wiederholte Bedauern
rheto-
rischen Unvermögens kennzeichnet sein dichterisches Streben und ist doppelt auffällig, weil uns Lydgates Dichtung übermäßig rhetorisch erscheint. Von den rund 8 0 0 romanischen Lehnwörtern, den „goldenen Wendungen", die Lydgate einführte, finden sich über 2 0 0 im Trojabuch. Die Analyse einer zusätzlichen, die Quelle erweiternden Stelle, wie z. B . des Berichts, daß Achills Leichnam den Hunden vorgeworfen wird 6 6 ), ermöglicht eine gute Kenntnis der Lydgate eigenen, von Rhetorik erhöhten Erzählweise. Eine Häufung 64) Vergleich der Fassungen: H . Koch: John Lydgates T r o y Book. Diss. Berlin 1935. 65) Z. B. II, 160. 66) IV, 3204.
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Erster Teil
von Stilfiguren, insbesondere die zum Anrufungsstil sich steigernden A n a phern, verlangsamen den G a n g des Verses. Die mehrsilbigen romanischen Wörter geben die von ihm geliebte volltönende Musik. Die Doppelungen und Wiederholungen desselben Gedankens in sprachlich variiertem Ausdruck zeigen den f ü r ihn charakteristischen wortreichen und breiten Stil, die Flickwendungen deuten die Lässigkeit an, die ihm nach Chaucers Vorbild im dichterischen Ausdruck erlaubt gilt; und die in rhetorischen Tiraden eingefügten moralischen Nutzanwendungen und kommentierenden Deutungen der Geschichte kennzeichnen die vielfach abschweifende und den fortlaufenden Fluß immer wieder unterbrechende Erzählweise. Die große Zusammenfassung aller Geschichten um Troja bedeutete für den Verfasser und seine Zeitgenossen nicht nur einen K r a n z von Erzählungen, sondern ein Geschichtswerk mit den moralischen und staatlichen Lehren, die man von der Historie erwartete. Gelehrsamkeit und Alltagsweisheit, Mahnung und belehrende Predigt bilden ein reiches Zierwerk des geschichtlichen Baus und begleiten das behagliche Ausspinnen der Erzählung. L y d gate beginnt mit Jason und dem Argonautenzug, erzählt von Herkules und dem goldenen Vlies und als willkommene Ergänzung dieses von Mars regierten Geschichtenkreises die beliebte M ä r von Medeas treuer Liebe und von Hesiones Entführung nach Griechenland. Mit dem Tod König Laomedons und der Zerstörung des alten Troja endet das erste Buch. Anschließend erzählt das zweite von Priamus und dem Bau des neuen Troja. Hesione soll zurückgeholt werden, und da es Antenor nicht gelingt, wird Paris auf einen Vergeltungszug geschickt. Siegreich kehrt er mit Helena zurück; die Griechen aber rüsten und führen ihr H e e r vor Troja. Das dritte und vierte Buch erzählen in aller Fülle und deshalb etwas eintönig die K ä m p f e der beiden Heere und der einzelnen Helden. In dem kriegerischen Geschehen kommt die im eigentlichen Versroman so wichtige Liebe nur kurz zu Wort in der Troilus-Cressida-Geschichte und in Achills Leidenschaft für Polyxena. An ihre Stelle tritt in langen Reden der Helden eine Auseinandersetzung über Krieg und Frieden und Führertum. Nach dem Bericht über den Fall der Stadt erzählt das fünfte und letzte Buch die Schicksale der überlebenden Trojaner und Griechen, v o r allem des Aeneas und Odysseus. Ein Epilog, der die Eitelkeit alles Irdischen aus den Geschichten folgert und Gottes Segen für den Auftraggeber erbittet, bildet den erbaulichen Schluß. D e r in Versromanen vielfach behandelte S t o f f 6 ' ) war reichhaltig genug und enthielt genügend Spannungsmomente, um wirkungsvoll zu sein, auch 67) Mittelenglische Versromane über Troja vgl. J . E. Wells: Manual of the Writings in Middle English, New Häven 1923 p. 106 ff.
S. Lydgates
Trojabuch
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noch in der H a n d Lydgates, der mit einem geborenen Erzähler, wie etwa Gower es war, nicht wetteifern konnte oder wollte. I m ganzen Mittel« alter konnte man erzählen, und etwas von dieser Kunst ist auch Lydgate zuzuspredien. Man braucht seine Darstellung nur mit Guidos
trockener
Historia zu vergleichen. Langweilige Passagen seiner Quelle kürzt er oder übergeht sie völlig; die Liebesnacht Jasons mit Medea 6 8 ) malt er mit leiditerer H a n d , und Hektors Aufbahrung
68
) oder des Pyrrhus Geschichte
70
) ge-
winnen durch Kürzung und eigene Zutaten. Gelegentlich zerschneidet er ein langes Guidokapitel und gibt durch einen zugefügten Eingang den Ereignissen R e l i e f 7 1 ) . Mandimal, wie bei Odysseus' Abenteuern, wird Guidos A u f zählung erst bei Lydgate zu einem unterhaltenden Bericht 7 2 ). Seine Darstellung ist lebendiger, auch dann, wenn er, wie z. B . beim Calchasorakel 7 3 ), sich eng an den lateinischen Text hält. Man hat vermutet und hat es getadelt, daß Lydgate kriegstechnische Einzelheiten, Fachausdrücke der Waffen, Rüstung und Heraldik eingefügt habe, um seinem Auftraggeber zu gefallen. I n Wirklichkeit interessierte eine solche Beschreibung damals jedermann, den Dichter selbst nicht ausgenommen; die kraftvolle Kampfbeschreibung von Tened o u n ' 4 ) leidet nicht darunter, die Beschreibung der Rüstung der Trojaner 7 5 ) vermag uns kulturgeschichtlich zu fesseln, wie auch der im Stil der Turnierspiele seiner Zeit geschilderte Zweikampf von Pyrrhus und Penthesilea 7 6 ). Das Lob, das man Lydgates Beschreibungstalent gezollt hat, gilt nicht so sehr der Personenbeschreibung, die sich natürlich an die überkommenen Idealmuster hält (z. B . H e l e n a " ) , als der Guido übertreffenden
Festbeschrei-
bung (Empfang von Paris und Helena in T r o j a 7 8 ) ) und der farbigen Ausmalung der achttägigen Feiern mit Turnieren, Gastereien und T a n z e n 7 9 ) . Das hat Lydgate gesehen, und gesehen hat er auch den Pomp und G l a n z der waffenstarrenden Heere, die goldenen und silbernen Helmbüsche, er hat die schrillen Trompetensignale gehört und das Wiehern der Pferde 8 0 ), während Guido über das erste Treffen der Griechen und Trojaner fast nichts zu sagen weiß. Audi Phantasiebilder gewinnen in Lydgates Beschreibung Farbe und Lebendigkeit. Die trockene Feststellung des lateinischen Textes, daß trojanische Frauen die ausziehenden Helden beobachten, erweitert e r 8 1 ) durch die Einzelheiten, daß manche der Frauen erbleichen, als die Fahnen rauschend sich entfalten, und andere ihr Gesicht verbergen und nicht wagen, auf die in der Sonne blitzenden Kampfrüstungen zu schauen, da sie für den G a t 68) 72) 76) 80)
I, 2920. V, 1781. IV, 4295. III, 716.
69) 73) 77) 81)
III, 5663. II, 5941. II, 3642. III, 516.
70) V, 2445. 74) II, 6341. 78) II, 4097.
71) IV, 2401. 75) III, 44. 79) II, 4179.
Erster Teil
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ten oder den Geliebten fürchten. Weniger lobenswert ist die Häufung und Länge der meist über hundert Verse umfassenden Reden und Gegenreden 81 ) einzelner Helden. Die ermüdende Weitschweifigkeit unterbricht und hemmt den Fluß der Erzählung. Das gleiche gilt von den Klagen um die Toten, sofern sie nicht durch einen katalogartigen Vergleich mit vielbeklagten Gestalten ein humanistisches Interesse beanspruchen können 8 3 ). Die lange und kunstvolle Darstellung der Trauer um Paris 8 4 ), die Klage und Schilderung der Trauernden mit einem solchen Katalog verbindet, kann als Muster derartiger Beschreibung gelten, während die Klage um Agamemnon 8 5 ) mit den Auslassungen über den Königsmord ein Beispiel der Lydgateschen Einschübe in die Erzählung ist. Von diesen nichterzählenden Einschüben hat man besonders Lydgates N a tureingänge hervorgehoben 86 ). Solche Naturbilder, für die Chaucer Anregung und Muster gab, sind im Trojabuch häufig, und ihre Frische verführte dazu, moderne Maßstäbe der Beobachtung und Originalität anzulegen, während der mittelalterliche Künstler die ideale Landschaft und die ideale Jahreszeit beschreiben will. Daher erklärt sich die allegorische Künstlichkeit der jeweils aufmarschierenden Aurora, Titan, Phoebus, Flora; daher die von Chaucer gelehrte astronomische Jahreszeitenumschreibung und die stete Wiederkehr der Topoi: klares Wasser, Vogelsingen, Morgenfriede, grüne Wiesen, schattendes Laub, bunte Blumen usw. Aber Lydgate liebt diese naturbeschreibenden Eingänge und Zwischenstücke wirklich, denn er bringt sie auch da, wo Guido nichts dergleichen sagt 8 ') oder sich mit einer kurzen Angabe begnügt 8 8 ); auch malt er seine Beschreibung mit so lebendig-anschaulichen Details aus, daß der moderne Leser den Eindruck des wirklich Gesehenen erhält. Die jubilierend aufsteigende Lerche, silbrig glitzernder Tau, weiße Margueritenblättchen, rote und blaue Blumen - sie wirken anschaulich, obwohl sie dem Vorrat fertig geprägter Wendungen entstammen. Die Erwähnung der im Juni dick und rot werdenden Kirschen und fruchtansetzenden Kornhalme, des mit steigender Sonne verdampfenden Taus und des in diesem Monat üb82) Jason-Cethes I, 1409; Priamus II, 1145; II, 1903; Hektor II, 2 1 8 3 ; Agamemnon II, 5239; IV, 153; IV, 3271; Hektor-Adiill II, 3785; Odysseus-Adiill IV, 1701. 83) Besonders in der Klage um Troilus IV, 3003 und um Hektor III, 5422. 84) IV, 3600. 85) V, 1011. 86) Vgl. F. Reuß: Das Naturgefühl bei Lydgate, in: Archiv 122, S. 2 6 9 - 3 0 0 ; Moorman: Interpretation of Nature in Engl. Poetry 1905 (Quellen u. Forsch. Bd. 95); E . Ballerstedt: Über Chaucers Naturschilderungen. Diss. Gött. 1901. 87) I, 1197; I, 623; I, 3431; III, 2 7 4 5 ; III, 4449 usw. 88) I, 3093; I, 3907; I, 1248; II, 3319; III, 1; I V , 3363; V, 586.
}. Lydgates
Trojabuch
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liehen ersten Grasschnitts rufen uns das Bild des im Klostergarten und Larkund Linnettal behaglich wandernden Mönches wach. Die durch Herbstfröste leidenden Trauben hat er im Weinberg des Klosters hängen sehen; die Beobachtung der windstillen See, des Sonnenuntergangs hinter den Wellen und der Herbststürme scheint wirklich eigene Zutat des Inselbewohners zu den herkömmlichen Naturbildern zu sein. Mehr noch als die Natureingänge verraten andere Einschübe von Lydgates eigener Person. Der romantisch-ritterliche Auftraggeber dachte sich das Trojabuch als eine zu Nacheiferung anfeuernde Geschichte von Krieg und Heldentum und Abenteuern. Der Verfasser teilte diese Auffassung nicht und bemerkt, daß diese Geschichte von Krieg, Lust und Rache nur die Lehre von der Unbeständigkeit des wie eine Sommerblume vergänglichen Lebens enthalte 89 ). Es war ja üblich, die Geschichte als Spiegel und als Lehrmeisterin für die Gegenwart zu betrachten, und Lydgate benutzte jede sich bietende Gelegenheit, selbst auf Kosten der Erzählung, dem Leser solche Nutzanwendungen und Lehren deutlich zu machen. Besonders drei Themen sind es, die immer wieder in förmlichen Exkursen abgehandelt werden: das Thema der Vergänglichkeit, das der predigende Mönch mit allgemeinen moralischen und religiösen Belehrungen verknüpft, das Thema des Kriegs und der Zwietracht, das der friedfertige Dichter den Regierten und den Regierenden vorhält, und das humanistische Thema, das den in der Klosterbibliothek wohlbelesenen Dichter zu einem stolz-naiven Ausbreiten seines historischen und mythologischen Wissens verführt. Alle Exkurse erhalten Sinn und Gewicht durch Lydgates Auffassung von der Dichtkunst. Die Kunst besteht lediglich in der sprachtechnischen Meisterschaft; deshalb feiern die mehrfach eingefügten Huldigungen Chaucers nur den Sprachkünstler 90 ), und seine Bescheidenheitsbeteuerungen beklagen den eigenen Mangel an Rhetorik 91 ). Der Gehalt der Dichtung muß Wahrheit sein und die Aufgabe des Dichters, das Falsche zu tadeln. Demgemäß sind die belehrenden und predigenden Exkurse vielfältiger Art: neben der Satire über die Unbeständigkeit der Frauen 92) und dem Lobe weiblicher Tugend 83 ) stehen kürzere Stellen der Weltweisheit, wie eine astronomische Navigationsbelehrung 94 ), der Rat, nicht immer mit der eigenen Meinung herauszuplatzen 95), Neid und Rachsucht zu meiden 96 ), und die Warnung, vor89) 90) 91) 93) 95)
V, 3546 - zu dem Lieblingsthema und -bild vgl. M. P. 780 und 809. II, 4677; III, 550 u. 4197; V, 3521. I, 4420; II, 160. 92) Z . B . I, 1840; 2100; III, 4265; 4820. Z. B. III, 4361. 94) I, 670. IV, 5451. 96) II, 1067.
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Erster Teil
schnell falschen Verdacht zu hegen " ) . Daß die geistliche Belehrung wortreich wird, ist bei Lydgates Beruf erklärlich. Medeas Zauberkünste nötigen ihn zu der Richtigstellung, daß nur Gott den Naturablauf zu ändern vermöge mit dem Beispiel der Vorkommnisse bei der Kreuzigung " ) . Interessanter, weil mehr von Lydgates Persönlichkeit verratend, sind die zahlreichen Fortuna-Exkurse 9 9 ); in dieser im Mittelalter beliebten Vorstellung von der auf dem Glücksrad thronenden unbeständigen Fortuna trafen sich Lydgates religiöse und weltliche Überzeugungen. Bei dem Ausfall gegen die Habgier der Priester 100 ) hört man den Groll des Ordensmannes gegen die Weltgeistlichkeit heraus, die beim Aufruhr von 1381 mit den Städtern paktiert hatte und auch später in Fehden gegen das Kloster verwickelt war. Persönliche Erfahrungen mögen der Predigt gegen die Schwatzhaftigkeit der Leute 101 ) zugrunde liegen. Das Kloster hatte allerhand Reibereien mit der Landbevölkerung, und die Bemerkung, daß auf das gemeine Volk kein Verlaß sei, verrät des Klosters Zusammengehörigkeitsgefühl mit den Regierenden. Lydgates Stellung zu König Heinrich V., den er ja als Kronprinz kennengelernt hatte, zeigte bei aller gebotenen Ehrfurcht und Distanz die Vertraulichkeit, die Wärme und die mahnende Haltung eines Beichtvaters. Er betont im Einvernehmen mit seinem hohen Auftraggeber die Werte des ritterlichen Lebens im Preis des Hektor 1 0 2 ), des Troilus 103 ) und in der Anklage des unritterlichen Achill 104 ). Er verdammt Pyrrhus, weil er am Grabe seines Vaters Polyxena opfert 105 ), denn dies sei eine unritterliche Tat; und die verräterischen Antenor und Calchas erregen ihn zu zornigen Ausbrüchen 106 ). König Heinrich, dessen französische Eroberungen Lydgate begrüßt, weil er von Heinrichs erbrechtlichem Anspruch überzeugt ist 107 ), möge mit der Weisheit wahren Rittertums die beiden Länder einen, denn dann werde das Blutvergießen ein Ende haben und das goldene Zeitalter wiederkehren 108 ). Gott möge den Friedensfürsten heimsenden und ihm eine lange Regierung gewähren l09 ). Königin Katharina möge die Mittlerin zwischen den beiden Ländern sein 110 ), mit ihr mögen Wohlfahrt, Frieden und Ruhe kommen 111 ). Jede solche als Huldigung ausgesprochene Hoffnung ist zugleich Bitte und Mahnung. Damit sind wir bereits in die Erörterung der politischen Exkurse einge97) I, 959. 98) I, 1712. 99) II, 1; 4245; III, 1976; 4077; V, 16; 1019. 101) IV, 4951. 102) III, 5492. 103) IV, 2752. 104) IV, 2673; 2768. 105) IV, 6849. 106) IV, 5201; 5480; 6023. 107) V, 3368. 109) V, 3416; 3457. 110) V, 3426. 111) V, 3435 vgl. S. 114 f.
100) IV, 5833. 108) V, 3399.
5. Lydgates
Trojabuch
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treten, die Lydgates tiefverwurzelte Friedensliebe verkünden. Wohl mußte er Mars als Sdiutzherrn in dieser kriegerisdien Geschichte anrufen 112 ), aber neben ihn stellt er die Musen; und im 4. Buch - zu einer Zeit also, da der Kronprinz König geworden und in seine langwierigen und blutigen Eroberungskriege in Frankreich verwickelt war - kommt ein ganzes Kapitel, in dem der Autor Mars anklagt 113 ): Mord und Tod sind sein Ergötzen, er ist der Urheber von Zorn und Haß, und für die Menschen bedeutet er Verderben, Verrat, Krieg und Gefangenschaft. Man möchte es im Hinblick auf den immer wieder aufflackernden Krieg mit Frankreich deuten, wenn es von Troja heißt: „Fast um ein Nichts war dieser Krieg begonnen 114 )" und immer wieder die geringfügigen Ursachen dem mörderischen Krieg gegenübergestellt werden 115 ). Man möchte eine Warnung an Heinrich V. heraushören, wenn dem aufbrausenden Priamus vorgehalten wird, er bedenke nicht, was er heraufbeschwöre 116 ), er möge Fortuna nicht trauen, Kriegsglück sei wandelbar, und plötzlidi sei man schachmatt gesetzt 117 ). Und man möchte es auf Katharina gemünzt glauben, wenn im Plan der Hochzeit Polyxenas mit Achill die Frau als Friedensbringerin gewürdigt wird 118 ). Selbst in dem Envoy, der den strahlenden Siegerhelden feiert, heißt es, Heinrich halte Schwert und Zepter in Händen, das Schwert, um die übermütigen Rebellen zu unterwerfen, das Zepter, um die armen Untertanen zu regieren, die in Ruhe und Frieden leben möchten11®). Diese an den Herrscher gerichteten Mahnungen verbinden sich mit dem dringenden Aufruf zur Einigkeit an die Barone und Großen des Reiches. Unfrieden und Uneinigkeit sind ein Gift und die Wurzel alles Unheils und aller Verwirrung in jedem Land 120 ). Es ist aus der Zeit und für die Zeit gesprochen, wenn es anläßlich des Streits der griechischen Anführer heißt: „Wenn Unfrieden und Ränke unter den Lords herrschen, kann das Königreich nicht gedeihen läl )." Der Blick auf die äußere Welt, den die Trojageschichten herausforderten, war sorgenvoll; dem Gelehrten eröffneten diese Geschichten auch die humanistische Welt im Frieden der Klosterbibliothek; das zeigt die dritte Gruppe der Exkurse, die mit klassischem und insbesondere mythologischem Wissen prahlen. Wie in 'Reason and Sensuality' hören wir beim Parisurteil Näheres über die Attribute der Göttinnen und deren Bedeutung 122 ). Das delphische Orakel veranlaßt einen großen Exkurs über den Götzendienst 12S ), in dem alle antiken Gottheiten abgehandelt werden; und in einem zweiten, umfänglicheren mythologischen Katalog 124 ) wird in ausgezeichneter und 112) 115) 118) 121)
I, 36. Z. B. II, 124. IV, 2614. III, 2342.
113) IV, 4440.
114) 11, 7852. 116) II, 1796. 119) Envoy 55, vgl. S. 57. 122) II, 2488. 123) II, 5480.
117) II, 1894. 120) IV, 4513. 124) IV, 6930.
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Erster
Teil
knapper Darstellung ein in Lydgates Zeit erstaunliches Wissen entfaltet. Daß die beliebten Geschichtskataloge sidi finden, in denen z. B. Helenas Trauer um Paris belehrend und unterhaltend mit der Trauer antiker Frauengestalten verglichen wird 125 ) oder die Klage um Troilus mit berühmten Klagen des Altertums 12e ), ist zu erwarten. Daß aber mehrfach das antike Theater und Tragödienaufführungen beschrieben werden 127), ist überraschend. Die dabei erneut formulierte Aufgabe der Dichter: die Taten der Herrscher zu erzählen, ihr Rittertum und ihren durch Fortuna herbeigeführten Fall und Tod 128), deutete Lydgates späteres Hauptwerk 'Fall of Princes' vor. Acht Jahre lang hat Lydgate am Trojabuch gearbeitet, im Sommer oder Anfang Herbst 1420 war es beendet. Die vier ältesten Manuskripte 129 ), die alle eine ähnliche Handschrift aufweisen und von derselben englischen Schule der Miniaturisten illuminiert sind, dürften aus dem Scriptorium des Klosters St. Edmunds stammen, das dem großen Epos des Klosterpoeten eine würdige Ausstattung zu geben suchte. Vermutlich war eine dieser Handschriften das dem König überreichte Widmungsexemplar 130 ). Während der acht Jahre, die Lydgate am Trojabuch arbeitend im Kloster verbrachte 131 ), war in der Klostergeschichte und in der Welt viel geschehen. William Cratfield, der seit 1390 die Abtwürde bekleidete, war 1414 (oder 1415) krankheitshalber zurückgetreten, und zu seinem Nachfolger wurde am 13. Juli 1415 William von Exeter gewählt. Während seiner 14jährigen Amtszeit wurde ein offizielles Registrum geführt 132 ), und wir wissen, daß der Abt zusammen mit Richard Clifford, dem Bischof von London und dem nachmals eine große politische Rolle spielenden Kardinal Henry Beaufort (der damals noch Bischof von Winchester war) als englischer Vertreter zum Konstanzer Konzil abgesandt wurde und im Konklave von 1417 anwesend war. 125) IV, 3655. 126) IV, 3003. 127) II, 860; III, 5422. 128) II, 884. 129) C = Cotton, Augustus A I V (Brit. Mus.); D 2 = D i g b y 232 (Bodleiana, O x f . ) ; R a w l 1 = Rawlinson C 446 (Bodleiana, O x f . ) - diese alle 1420-35 zu datieren. B = Bristol MS (City Ref. Libr.), Crawford - Rylands (Rylands Libr., Mandl.) ca. 1470 zu datieren. Pynson-Druck 1513 (Brit. Mus.). 130) N a d i Tanner D 2; C, B, Rawl. 1 könnten mit gleichem Recht genannt werden. Die Bilder sind in allen ähnlich, C ist durch Format und breiten Rand besonders luxuriös. 131) T h . Tanner: Bibliotheca Britannico-Hibernica ed. D . Wilkins 1748 p. 489 f. nach: Registrum William of Exeter: 'in monasterio vixit A . 1415 ubi electioni Gul. Exestri adfuit' und im T r o y Book V, 3469 bezeugt Lydgate selbst seinen A u f e n t halt in St. Edmunds für das Jahr 1420. 132) Dieses v o n Tanner erwähnte Registrum in Arnold: Mem. of St. Edm. I, X I nicht erwähnt.
6. Politisches Zeitbild. Heinrich V.
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Ob dieses jahrelange Zusammensein mit Kirdienfürsten und Humanisten des Festlandes f ü r William von Exeter und sein Kloster Bildungsfrüchte zeitigte, wissen wir nicht; wir haben keine Briefe, die ähnlich denen Whethamstedes an sein Kloster St. Albans derartige Rückschlüsse erlaubten. Wohl aber bezeugt die politische Rolle des Abtes William die steigende Bedeutung von St. Edmunds. So erklärt sich, daß im Jahre 1415 der Bruder Heinrichs IV., Thomas [de] Beaufort, damals Graf von Dorset, persönlich nach Bury St. Edmunds kam, um den langwierigen Kompetenzstreit des Klosters mit dem Bischof von Ely zu schlichten133). Dieses Ziel wurde zwar nicht erreicht, aber Thomas Beaufort behielt eine lebenslange Anhänglichkeit an das Kloster, in dem er gemäß seiner testamentarischen Bestimmung auch beigesetzt wurde (1427 in der Kapelle der Heiligen Jungfrau) mit der Verfügung, daß tausend Messen f ü r sein und seiner Eltern Seelenheil gelesen würden 134 ). Eine derartige Verfügung läßt auf die finanzielle und politische Bindung des Klosters an das Königshaus Schlüsse zu und erklärt es, daß der Kloster- und H o f p o e t Lydgate in steigendem Maße f ü r politische und dynastisch^ Interessen herangezogen wurde. Diese Rolle, die dem friedliebenden Mönche wenig angemessen war, sollte jedoch erst in den kritischen Zeiten Heinrichs VI. zur Auswirkung kommen. Solange der Siegeszug Heinrichs V. dauerte, bedurfte man keiner poetischen Propaganda; die Taten sprachen f ü r sich.
6. Politisches Zeitbild.
Heinrich
V.
König Heinrich V. hielt am Freitag, dem 7. April 1413, triumphalen Einzug in London. Die Volksmenge jubelte ihm zu, niemand erinnerte sich an des Grafen von March rechtmäßigen Thronanspruch. Heinrich IV. 135 ) hatte nicht vergebens 14 Jahre lang gekämpft, um seinen usurpierten Thron gegen heimische und auswärtige Feinde zu verteidigen. Der neue König, ein schlanker, mittelgroßer Mann mit zierlichen, aber kraftvollen Gliedern und hübschem Gesicht galt dem englischen Volk als legitimer Herrscher. Das kurzgeschorene H a a r und der schwere Unterkiefer erinnerten an den Vater, aber die schmalen Lippen und der prüfende Blick verrieten mehr Entschlußkraft. Mit ernster Miene vollzog er im Tower den Ritterschlag an 50 jungen Männern, in deren Begleitung er dann wiederum durch dichtgedrängte Volks133) Mem. of St. Edm. III, 201 ff. Arnold sagt (fälschlich) Bedford, vgl. aber p. 259/60 (Text: Beuford alias Beaforde). 134) Mem. of St. Edm. III, 259 f. 135) Heinrich IV. war am 20. März 1413 gestorben, die Leiche wurde in Westminster aufgebahrt, nach Canterbury überführt, in der Kapelle der Trinität nahe dem Grabe des Schwarzen Prinzen beigesetzt.
Erster Teil
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massen den herkömmlichen Weg ritt: die Fish Street hinauf über den C o m Market und die Grace Church Street, dann nadi Westen biegend durch Leadenhall Street und die winkeligen Straßen und Plätze nach St. Paul's. Das war der Hauptverkehrsweg der damals noch von Mauern umgebenen City of London 1 3 6 ). Von dort ging es durch das Ludgatetor in die Fleet Street und an der Clementkirche vorbei zum Strand, einer damals schlecht gepflasterten Straße, an deren Seiten einzelne große Paläste standen (z. B. das Arundelhouse, das Somersethouse und die Juristenhäuser Temple und Lincoln's Inn), und weiter über den baumbestandenen Pall Mall, vorbei am St. James' Palace nach der Stadt Westminster, wo am Sonntag, dem 9. April, die Krönung stattfand. Der König trug tiefe Devotion zur Schau; selbst beim Mahl in der großen Halle, wo er im Krönungsgewand von Honoratioren umgeben glänzende Tafel hielt, wo es Wein in Fülle gab und die Trompeten schmetterten, kostete er weder Speise noch Trank. Der junge Herrscher sollte während seiner nur 9 Jahre dauernden Regierungszeit der Abgott seines Volkes werden. Sympathisch erscheint die angeblich leichtfertige Jugend 1 3 7 ), die Freude an Musik und auch die tapfere soldatische Art. E r war ohne Pose, aber kalt und phantasielos. Der 25jährige entsagte seiner Jugend, und mit unnatürlicher Selbstbeherrschung trat er sein Königsamt an wie der Priester sein geistliches. Er erfüllte die Engländer mit patriotischer Begeisterung, tat aber nichts für Bevölkerung und Heimat, denn sein Sinn stand nach außen. Seine politischen Pläne verfolgte er unbeschadet einer bigotten Religiosität. Dreimal täglich hörte er die Messe, und eingedenk der letzten Worte seines Vaters: 'ecclesiam orna et honora' befleißigte er sich einer strengen Orthodoxie und Ketzerverfolgung, wofür ihn die Geistlichkeit als 'Church's Champion' feierte. Überzeugt von dem Rechtsanspruch auf den französischen Thron, träumte er von der Eroberung Frankreichs, um dann die wiedervereinigte Christenheit gegen die Türken zu führen und (wie er auf dem Totenbett sagte) die Mauern Jerusalems im letzten Kreuzzug 1 3 8 ) neu zu bauen. Dagegen erstrebten realpolitische Zeitgenossen Handel und Beherrschung der Meere. Die ver-
136) Vgl. den Plan in R. Pauli: Bilder aus Altengland, 2 1876. Vgl. audi das London in Elisabethanischer Zeit darstellende Titelbild in Stow's Survey (ed. C. L . Kingsford, Lo. 1908) und A. Rythers Plan (in Chronicles of London, ed. Kingsford, Oxf. 1905). 137) Über die Legenden von Heinrichs ausgelassener Jugend vgl. Wylie: Henry V. I, 186 ff. 138) Unter den (aus Caen) entliehenen Büchern befand sich ein Band Chroniken von Jerusalem und Beschreibung des 1. Kreuzzuges unter Gottfried von Bouillon. (R. Pauli: Geschichte von England V, 178.)
6. Politisches Zeitbild.
Heinrieb
V.
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mutlich von Adam Moleyns13*) verfaßte 'Lybelle of Englyshe Polycye' (ca. 1436/37) lobt zwar Heinrich wegen seiner Seesiege, sieht aber in der Eroberung der Normandie nur ein Mittel zur Beherrschung des Kanals. Das Ziel ist die Entwicklung des englischen Handels. Der Verfasser steht nicht mehr wie der König auf dem Standpunkt der Feudalzeit, sondern befürwortet eine zum Kapitalismus führende Handelspolitik. Doch hatten die Romantik und Realismus seltsam verquickenden Eroberungspläne des Königs mitreißende Kraft. Als der Dichter (H)occleve ihm die Widmung des Fürstenspiegels 'Regement of Princes' (1411/12) antrug, nahm der König gerne an, denn er enthielt die dichterische Rechtfertigung seiner politischen Pläne 140 ). Es ist verständlich, daß das Interesse eines solchen Patrons der Künste mehr dem Stoff als seiner Darbietung galt. So mußte er auch Chaucers Troilus und überhaupt die Trojasage, die zu behandeln er Lydgate auftrug, mehr als Historie denn als Dichtung schätzen. Als der König am 15. Mai in Westminster sein erstes Parlament eröffnete, zeigte er eine zielbewußte, feste Politik. Er setzte den eigentlichen Thronprätendenten frei, so daß der nunmehr 22jährige Earl of March seinen Platz unter den Peers im Parlament einnehmen konnte. Diese Großzügigkeit wurde nicht enttäuscht, denn der Earl blieb lebenslang loyal. Ebenso entschlossen griff Heinrich die Probleme auf, die sein kranker Vater zögernd behandelt hatte: die Stellung zu den Lollarden und zum französischen Bürgerkrieg. Als die Lollarden, vielleicht durch den Regierungswechsel ermutigt, kühner predigten, griff der König zu, ließ ihren Führer Sir John Oldcastle Lord Cobham verhaften und später hinrichten. Die einsetzende allgemeine Lollardenverfolgung 141 ) ließ die Bewegung gefährlicher erscheinen als sie war. Nach Lord Cobhams Tod fanden sich Anhänger der Lollarden nur noch in der niederen Geistlichkeit und im Bürgertum. Das Lollardentum hatte also jeden politischen Charakter verloren und wurde mehr und mehr zur Sekte. Von der regierenden Klasse wurde jedoch die Fiktion der politischen oder revolutionären Partei aufrechterhalten, und die Dichter mußten die Umsturzpläne schrecklich schildern; so steht es in den 'Versus rythmici in laudem 139) 1436-41 Clerk of the Council of Henry VI; 1446 Bishop of Chichester; 1 1450. 140) (H)occleve (Regement of Princes, p. 191-6) umreißt das Ziel der Politik gegenüber Frankreich. Der Krieg sei durch Eheschließung zu beenden. Der rechtmäßige Erbe solle dann die beiden Reiche zum Krieg gegen die Ungläubigen führen und sie zum rechten Glauben bekehren. 141) Im Leicesterparlament 1414 beschlossen.
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Erster
Teil
Henrici Vi' 142 ). In der Oldcastle-Ballade von (H)occleve 143 ) wurden die Säkularisationswünsche der Lollarden als Kommunismus gedeutet. Die kirchlichen Schriftsteller waren dagegen sehr zurückhaltend, und in Lydgates umfänglichem Werk finden sich nur einzelne verdammende Zeilen und kein einziges, ausschließlich gegen das Lollardentum gerichtetes satirisches Gedicht. Hinsichtlich der Außenpolitik war die Haltung des Königs nicht minder unerbittlich. Der vornehmste Ratgeber Heinrichs IV., Erzbischof Thomas Arundel, Befürworter einer friedlichen Lösung mit Frankreich, mußte das Kanzleramt an Henry Beaufort abtreten, und auf des Königs zweitem Parlament zu Leicester verhandelte man bereits mit den einen Bündnisvertrag erbittenden burgundischen Gesandten. Heinrich versagte diese Bündnisbitte, nicht etwa weil der Waffenstillstandsvertrag mit Frankreich noch lief, sondern weil er Hauptkämpfer und nicht nur Bundesgenosse sein wollte. Im Juli 1414 verlangte er die 'restitution of his ancient rights in France', also Erneuerung des Vertrags von 1360 und des von Eduard III. erhobenen Anspruchs auf die französische Krone. Um Gewalt zu vermeiden, sollte Frankreich die Prinzessin Katharina Heinrich zur Ehe geben und als Mitgift das alte französische Reich der Angevins. Die Franzosen schickten die englischen Botschafter ohne Antwort zurück 144 ), der Krieg war sowieso beschlossene Sache. Am 16. Juni 1415 nahm Heinrich V. Abschied von der Königinmutter Johanna, und nach einem Gottesdienst in St. Paul's zog er in feierlicher Begleitung von Mayor, Aldermen und Bürgerabordnungen aus der City. Unterwegs, in Winchester (30. Juni), suchte eine französische Gesandtschaft, in letzter Stunde den Krieg abzuwenden; sie wurde vor unerfüllbare Forderungen gestellt. Auch ein am Vorabend der französischen Expedition geplanter Anschlag schlug fehl 145 ); so konnte Heinrich seinem Stellvertreter, dem (durch Beaufort und einen Rat von 4 Prälaten und 5 Peers unterstützten) Duke of Bedford, ein friedliches Land hinterlassen. Am Sonntag, dem 11. August, fuhr die Flotte von Southampton nach Frankreich aus. Sie landete ohne Gegenwehr am 13. August, und Harfleur wurde erobert. Trotzdem ließ sich die Expedition zuerst nicht gut an; es war dem König aber gelun142) In: Memorials of Henry V. ed. Cole (Rolls Series) V, 151 und in: Elmham: Liber metricus de Henrico V. ibid. 143) Anglia V, 36 Strophe 57. 144) Sie verließen sich auf das Abkommen von Arras vom 4. September 1414, wonach der Dauphin und Burgund sich gegenseitig verpflichteten, kein Bündnis mit England einzugehen. Dennoch schloß Burgund am 29. September ein Geheimabkommen mit England, was Erneuerung des englisch-französischen Kriegs bedeutete. 145) Richard, Earl of Cambridge, Sir Thomas Gray und Henry Lord Scrope wollten Richards II. Erben, den Earl of March, zum König machen. Dieser sagte es dem König, der die Verschwörer hinrichten ließ.
6. Politisdjcs Zeitbild.
Heinrich
V.
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gen, dem Heer durch seine Kriegsgesetze eine starke patriotische und religiöse Begeisterung einzuflößen. Durch das gute Einvernehmen mit Flandern und die Neutralität der anderen Seemächte konnte er Frankreich meerwärts isolieren. Damit war das Wagnis der Invasionsflotte möglich geworden. Das zerrüttete Frankreich, das von einem schwachsinnigen König und liederlichen Dauphin geführt wurde, hatte weder einen militärischen Führer noch ein modernes Heer den Engländern entgegenzusetzen. Am Freitag, dem 25. Oktober 1415, wurde der wunderbare und entscheidende Sieg von Agincourt (heute Azincourt) errungen, ein Sieg, der ebenso auf einer an Verzweiflung grenzenden Begeisterung beruhte wie auf der geschickten Verwendung der nationalen Waffe der Bogenschützen und dem taktischen Blick des Feldherrn. Mit Agincourt schien eine Erneuerung der ruhmvollen Außenpolitik Eduards III. eingeleitet, und als der siegreiche König am 23. November seinen Einzug in London hielt, wurde ihm ein Empfang bereitet, wie man ihn nicht gesehen seit der Schwarze Prinz mit den Gefangenen von Poitiers einritt. Man empfing ihn auf dem heute von der Straße nach Dover durchschnittenen weiten Wiesengelände der Blackheath, wo zur Zeit Ethelreds das dänische Heer lagerte und wo Wat Tyler seine Aufrührer sammelte. Dort, wo sich ein weiter Blick auf Surrey und Kent und das Königsschloß Eltham auftat, und wo man einst Richard II. und seiner zweiten Gattin Isabel entgegenging146), warteten der Lord Mayor mit den Aldermen in pelzverbrämtem Scharlach und zu Pferde an der Spitze aller Gilden und Gewerke. An der London Bridge war das königliche Wappen errichtet mit 'grete lyons and Geauntes* (wie die Große Londoner Chronik beschreibt), und 'seynt George ryally armed' stand am Eingang der teppichbehängten Straßen, wo Kopf an Kopf, von Dächern und aus den Fenstern die Menge Hurrah rief, die Zinken und Trompeten schmetterten und aus den großen Brunnen von Cornhill und Cheapside sich Ströme Weins ergossen. Am Cornhillbrunnen sangen als Propheten Gekleidete den Psalm Cantate domino, das Kreuz in Cheapside war in einen Turm verwandelt, auf dem ein Kinderchor das Te Deum sang, darunter standen Frauen, die den König begrüßten mit 'Noel! Noel! Welcome Henry the fifte kynge of England and of Fraunce!' Mitten in dieser blendenden Pracht ritt - ernst und schweigsam - der Sieger in rotem Mantel, nur von wenigen Dienern umgeben. Er hatte sich Lieder und Gedichte zu seinem Preis verbeten, um aller Welt kundzutun, daß der Sieg nur Gott zu danken sei. Er trug weder Rüstung noch Helm, und in St. Paul's kniete er 146) Blackheath wurde der übliche Platz für zeremonielle Empfänge. Dort begrüßte man Kaiser Sigismund 1416, Katharina von Valois 1421, Heinrich VI. 1431, Margarete von Anjou 1445. S c h i r m e r , Lydgate
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Teil
zum Gebet nieder. Dann zog er in Begleitung von 16 Bischöfen und Äbten in Prozession nach Westminster 147 ). Fünf Stunden dauerte der Zug. Die zeitgenössischen Dokumente überliefern prosaische und versifizierte Beschreibungen der Feierlichkeiten und des Siegs von Agincourt 148 ); Lydgate hat diese und die folgenden Ereignisse, wie das Trojabuch bezeugt, mit patriotischem Interesse verfolgt, zugleich aber auch mit der Abgerücktheit des Mönchs, dem die irdischen Dinge eitel erscheinen. Es ist möglich, daß er bei dem festlichen Einzug, zu dem von den großen Klöstern Abgesandte geschickt wurden, in London war. Aus seiner genauen Kenntnis der Stadt können wir auf mehrfache oder längere Anwesenheit in London schließen; jedoch fehlen Belege. Der König gönnte sich kein Ausruhen: er empfing den Bericht Bedfords über die Vorgänge in England (Lollardenverfolgung, Tod Owen Glendowers), er beriet mit dem Kanzler Henry Beaufort und erließ eine Amnestie zur Beruhigung der inneren Nöte. Die kirchliche Leitung lag in den Händen des Erzbischofs Henry Chichele (1414-1443); er war ebenso orthodox und unduldsam wie sein Vorgänger Arundel (f 1414), aber mehr auf das Bildungswesen bedacht 149 ). Mit der Persönlichkeit Chicheles hängt das große Ereignis des Jahres 1416 zusammen, das die Chroniken ausführlich berichten: der Besuch des Kaisers Sigismund. Unter Sigismunds Schutz war das Konzil in Konstanz zusammengetreten, auf dem England durch den Grafen Richard von Warwick vertreten war. Nun kam Sigismund nach England, um eine Stütze für das Konstanzer Konzil zu erhalten, das den Gegenpapst, Benedikt XIII., noch nicht zur Abdankung bewegen konnte. Mit dieser Beseitigung des Schismas der westlichen Kirche wollte er eine kirchliche Reform durch ein allgemeines Konzil in die Wege leiten, und darüber hinaus wollte er eine Vermittlung zwischen England und Frankreich erreichen, damit die beiden „Nationen" im Konzil zusammengehen könnten. Mit Erzbischof Chichele bestand bereits ein gutes Einvernehmen, und man hoffte, auch den König zu gewinnen. Am 27. April traf Sigismund in Calais ein, wurde mit größtem Aufwand empfangen und in einem Prunkzug über Canterbury, Rochester und Dartford 147) Vgl. Walsingham: Annales (Rolls Series) p. 60-68; Pseudo-Elmham: Vita Henrici Vi, ed. T . Hearne, O x f . 1727 p. 72; Great London Chronicle, Eintrag unter 23. November; Brut p. 380; Wylie II, 262 ff.; R. Withington: Engl. Pageants I, 132 ff. 148) Vgl. u. a. Th. "Wright; Political Poems; C. L. Kingsford: Historical Literature in the 15th Century; The First English Life of Henry V. ed. C. L. Kingsford p. 156 ff.; Lydgate M. P. p. X L V I f. 149) In Winchester College erzogen, war er vom Geiste des Gründers, William of Wykeham, beeinflußt.
7. Lydgate und die Chaucerfamilie
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nach London geleitet. Auf der Straße zwischen Deptford und Southwark ritt ihm Heinrich V. selbst entgegen. Am 4. Mai wurde ein Parlament im Beisein Sigismunds versammelt; Gesandte von Frankreich waren audi eingetroffen. Glänzende Festlichkeiten und große Bankette wechselten mit ernsten politischen Verhandlungen. Der deutsche Kaiser, der sich am englischen Hofe wohlfühlte, dehnte seinen Besuch aus in der Hoffnung, eine Vermittlung zwischen England und Frankreich zustande zu bringen. Heinrich V., der keinen Frieden wollte, außer zu den unmöglichen Bedingungen vom Vorjahr (Grenzen von 1360), benutzte geschickt die Torheiten der Orleanisten, um den deutschen Kaiser ganz auf seine Seite zu ziehen. Am 15. August wurde ein Geheimvertrag abgeschlossen, demzufolge Sigismund die Rechte des englischen Königs auf die französische Krone anerkannte und Hilfe versprach. So fuhr Sigismund am 24. August mit gescheiterter Mission und antifranzösischem Bündnis nach Calais zurück. Diese Schwenkung hatte auf dem Konstanzer Konzil die Folge, daß nun das gemeinsame deutsche und englische Verlangen: zuerst die Reform, dann erst die Papstwahl zu veranstalten, die französische „Nation" ins gegnerische Lager trieb. So kam es dahin, daß der Papst gewählt, das alte System aber fortgesetzt und die Reformation unvermeidlich gemacht wurde. Mit Papst Martins V. Wahl war das Schisma beendet. Im englisch-französischen Krieg brachte dieses Jahr den zweiten Einfall Heinrichs V. in die Normandie (Landung 1. August bei Honfleur). Der Zeitpunkt war geschickt gewählt, da der Connetable (Armagnac) gegen Burgund im Felde stand und keinen Mann zur Verteidigung der Normandie frei hatte. Die Bewohner der Normandie behandelte Heinrich schonend, da er sie als zukünftige Untertanen betrachtete; sie mußten nur dem englischen König ein Treuegelübde leisten. Die allgemeine Lage ist dadurch charakterisiert, daß Isabeau von Frankreich sich (gegen ihren Gatten) als Regentin von Frankreich erklärte und mit Burgund vereinigte. Also hatte Frankreich fortan zwei Regenten. 7. Lydgate und die Chaucerfamilie Der Thebenroman Die Entwicklung der Dinge in Frankreich störte das Leben auf dem idyllischen englischen Landsitz Thomas Chaucers. Wir erfahren es aus der 1417 geschriebenen Balade at the Departyng of Thomas Chaucyer into France uo), 150) M. P. 657; Notes and Queries 1872 I, 382; E E T S (Thynnes Animadversions) App. V I ; Mod. Phil. I, 331. 4"
52
Erster Teil
die Lydgates Verkehr mit dem Landadel bezeugt, seine menschliche Art erkennen läßt und Aufschluß gibt über seine Beziehungen zur Familie des verehrten Meisters. Im Gegensatz zu (H)occleve, dessen berühmtes Chaucerbildnis für uns das einzige authentische Porträt des Dichters ist, können wir nicht annehmen, daß Lydgate den von ihm so o f t und so bewundernd Gefeierten persönlich gekannt hat 1 5 1 ). Beglückt ruft er im Troy Book aus, daß er von ihm erzählen hörte 15B ), und zwar hörte er es aus dem berufenen Munde von Chaucers Sohn Thomas. Thomas Chaucer 153 ) (ca. 1365-1434) war ein begüterter Landedelmann. Er war zeitweilig Sheriff von Oxfordund Berkshire, war 1407 Speaker im Parlament, dem er als Member für Oxfordshire angehörte, war mit dem damaligen Kanzler und nachmaligen Kardinal Henry Beaufort befreundet und besaß die Gunst des königlichen Hauses. 1402 begleitete er die Königstochter Blanche nach Köln, w o sie den Sohn des Pfalzgrafen Ruprecht heiratete, 1414 wurde er in geheimen und öffentlichen Missionen nach Holland und Burgund gesandt, verhandelte 1415 wegen Heinrichs V . Heirat in Frankreich 154 ) und war später Mitglied des während der Unmündigkeit Heinrichs V I . regierenden Rates. Er nützte aber diese Möglichkeiten politischer Machtgewinnung nicht aus und zog sich auf seinen Landsitz inEwelme 1 5 5 ) zurück, einem verschlafenen kleinen Dorf, einige Meilen südlich von Oxford, das heute noch so aussieht wie damals. Dort lebte er mit seiner Gattin Maude Burgersh und seiner Tochter Alice und machte das gastfreundliche Herrenhaus zu einem Mittelpunkt gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Dort verkehrten die Humanisten H u m phrey of Gloucester und John U p t o f t , der Graf Thomas Montacute von Salisbury und der Graf und spätere Herzog von Suffolk, William de la
151) Lydgate erwähnt Chaucer häufiger als (H)occleve; vgl. C. K. Spurgeon: Five Hundred Years of Chaucer Criticism p. 107 ff. (Liste von 17 Werken mit Anspielungen und literarischen Komplimenten). Schick meint, eine persönliche Bekanntschaft wäre erwiesen, wenn der 'master', den Lydgate im Envoy zu 'Churl and Bird' anredet, mit Chaucer identifiziert werden könnte, daß Lydgate jedoch audi andere Dichter als 'master' anrede. (Ausgabe des Temple of Glas EETS. p. xvi, c, 77 f.). 152) 'My maister Chaucer . . . Hym liste not pinche nor gruche at euery b l o t . . . I have herde telle but seide alweie f>e best.' (Vgl. A. Brusendorf!: The Chaucer Tradition, Lo. 1925, p. 30; Spurgeon I, 25; Schick CI). 153) Vgl. M. B. Ruud: Thomas Chaucer, Minneapolis 1926 (Research Publ. of the Univ. of Minnesota. Studies in Lang, and Lit. Nr. 9). 154) H . A. Napier: Historical Notices of the Parishes of Swyncombe and Ewelme in the County of Oxford. Oxf. 1858. 155) Das Herrenhaus in Ewelme ([N] ewelme), das später William de la Pole, Marquis of Suffolk gehörte, wird schon im Domesday Book genannt (Victoria County History, Oxfordshire I, 384 f., 389).
7. Lydgate und die
Chaucerfamilie
53
Pole 156 ); besondere Freunde des Hauses waren die unfern Ewelme ansässige Stonor-Familie 157 ) und William Moleyns u e ), der in Stoke Pogis in Buckinghamshire begütert war und ein Haus in Henley besaß, nur 15 km von Ewelme entfernt. Das Gedidit auf Thomas Chaucer preist die Tugenden des Landedelmannes, des Freundes und Gastgebers. Trauernd gedenken die Freunde, die in seinem Heim reiche Bewirtung, Heiterkeit und die anheimelnde Atmosphäre eines wohlgeordneten Haushaltes fanden, des nun abwesenden Wirtes und der mit ihm gepflogenen Fuchs- und Falkenjagden. Dann nennt Lydgate Moleyns mit Namen, der jetzt seinen Spielgefährten entbehren müsse, und schließt mit der Bitte, daß Lucina, eine humanistische Umschreibung des die Gezeiten regelnden Monds, den Freund sicher über den Kanal geleite und betet für gute Rückkehr. Das Gelegenheitsgedicht, dessen 11 Chaucerstrophen die menschlichen Züge des Landedelmannes lebendig werden lassen, zeichnet das wahre Bild Chaucers, dem die hohen Ämter nur eine Pflicht bedeuteten und der sich, sowie er dieser Pflicht genügt, auf seine Landgüter zurückzog. Lydgates Gedicht erwähnt mit keinem Wort den eigentlichen Anlaß, die Entsendung Chaucers zu einer der mehrfachen und von beiden Seiten nicht aufrichtig gemeinten Waffenstillstandsverhandlungen 15 *) mit Frankreich. Lydgate fühlte sich wohl in der unpolitischen Atmosphäre des Landsitzes Ewelme, und manche seiner späteren patronisierten Werke gehen auf den dortigen Kreis zurück. Dabei scheint Chaucers Tochter Alice (geb. 1404) eine tätige Rolle gespielt zu haben; sie heiratete in zweiter Ehe Thomas Montacute, Earl of Salisbury, der 1426 die Deguileville-Übersetzung in Auftrag gab 160 ), und in dritter Ehe William de la Pole, Earl of Suffolk, als dessen Gattin sie Lydgates 'Virtues of the Mass' bestellte 161 ). Vielleicht ist auch die Bekanntschaft mit Humphrey of Gloucester, Lydgates bekanntestem Patron, im Kreis um Thomas Chaucer zustande gekommen. 156) Vgl. S. Moore: Patrons of Letters in: PMLA 27 (1912) 188 ff.; 28 (1913) 79 ff. 157) The Stonor Letters and Papers 1220-1483 ed. C. L. Kingsford. Camden Soc. 3rd Ser. 29, 30 Lo. 1919. Thomas Stonor d. Ä. ( t 1431) heiratete eine Verwandte von Thomas Chaucers Frau. Thomas Chaucer erhielt 1431 die Vormundschaft für Stonor d. J. Die Stonor-Familie blieb auch Alice Chaucer freundschaftlich verbunden. 158) Nicht zu verwechseln mit dem bekannteren Adam Moleyns, Bischof von Chichester (dem Verf. der Libel of English Policy). William Moleyns starb 1425 im Alter von 48 Jahren. 159) 1. Oktober 1417. Außer Chaucer war englischerseits u. a. Richard, Earl of Warwidt beteiligt. 160) S. Kap. 16. 161) S. Kap. 19.
Erster Teil
54
Ein weiteres, nach dem Handschriftenvermerk mit Thomas Chaucer in Beziehung stehendes Gedicht ist My Lady
Dere1M).
Es ist eine dem Ab-
schiednehmenden in den Mund gelegte Huldigung für seine geliebte Dame. In 16 zierlichen (kurzzeiligen) Balladenstrophen beteuert der Sprecher, daß er nur glücklich sei 'whenne I se my lady dere'. Wenn sie kommt, geht die Sonne auf und läßt mich jubeln wie die Vögel im Mai und spielen wie das Wild im Wald. Wenn ich mich trennen muß, bewölkt sich der Himmel, und ich kleide mich in Schwarz. Möge Gott uns bald wieder vereinen; du aber, kleines Gedicht, bitte sie, 'To be my souveraine lady dere'. Das Gedicht nimmt keinerlei Bezug auf die wirklichen Personen und ihre Umwelt. Es ist aber - wenn der Untertitel: „anläßlich Chaucers Abreise mit des Königs Gesandtschaft nach Frankreich" zu Recht steht - ein Hinweis, daß noch weitere von Lydgates weltlichen (höfischen und vielleicht auch satirischen) Gedichten in Beziehung zu dem Kreis in Thomas Chaucers Haus stehen mögen. Nach der Abreise Thomas Chaucers werden Lydgates Gedanken öfter in Frankreich geweilt haben, denn der Hausherr von Ewelme blieb vorerst beim Expeditionsheer und war vermutlich beim Einzug in Rouen, der damals größten und reichsten Stadt Frankreichs, die nach zwölfmonatiger Belagerung fiel (19. Januar 1419), und kehrte erst im Oktober 1420 nach England zurück 163 ). Mit dem Fall von Rouen war Heinrichs V . Position so stark, daß er hoffen konnte, von beiden französischen Parteien, dem Dauphin und der mit Burgund vereinigten Königin, das früher Verweigerte zu erhalten: die Grenzen von 1360 und die Hand der Prinzessin Katharina. Im Friedensschluß von Troyes am 20. Mai 1420 wurde von Heinrich V., Charles V I und Isabeau eine Personalunion der beiden Kronen vereinbart. Der französische König erklärte in einem Dokument Heinrich V . zu seinem Erben, der auch schon zu seinen Lebzeiten regieren sollte, 'because we are for the greater part of Our time prevented by ill-health from giving to the affairs and governance of our realm the care that they deserve'. Heinrich V., „Erbe von Frankreich", verpflichtet sich als „der geliebteste Sohn" des französischen Königspaares, die Prinzessin Katharina ohne Mitgift zu nehmen, was insofern nichts bedeutete, da sie de facto ganz Frankreich brachte und der Dauphin „wegen seiner ungeheuren Verbrechen" enterbt wurde. Ferner wurde be162) M . P . 420. 163) Spätere Missionen Thomas Chaucers nach Frankreich: Herbst 1424 (zusammen mit John Tiptoft) zum Duke of Bedford und im Oktober 1431, um Alionora Moleyns 'from the waters of the Loire' zurückzugeleiten.
7. Lydgate und die
Chaucerfamilie
55
stimmt, daß die Kronen der direkten Nachkommenschaft Heinrichs vererbt werden sollten. Der Vertrag von Troyes war ein Kartenhaus, nicht nur, weil Heinrichs V. Nachfolger nicht die K r a f t zu seiner Durchführung besaß, sondern weil er die nationalen Realitäten der Zeit verkannte. Die Zeit eines Heinrich II. oder Richard I. war vorbei. Welche Ansichten im Kreise um Thomas Chaucer mit Lydgate diskutiert wurden, wissen wir nicht. Während andere Poeten panegyrische Gedichte auf Heinrich V. schrieben, die Schladit von Agincourt besangen 164) oder wie John Page in einem Kleinepos ('Siege of Rouen' 1418/19) die romantisch-patriotische Volksstimmung zum Ausdruck brachten, hat Lydgate in einem scheinbar zeitlosen Versroman die Dinge sub specie aeternitatis betrachtet. Es ist die Siege of Thebes 165). Dies ca. 1420/2 geschriebene Werk ist nicht aus einem Auftrag hervorgegangen. Als eine Huldigung für Chaucer ist es als Fortsetzung der Canterburygeschichten gedacht und in deren Hauptmetrum geschrieben (2356 heroische Reimpaare). Für den modernen Leser ist es reizvoll, Lydgates Kunst vergleichend mit der seines geliebten Chaucer zusammenzuhalten. Auch Lydgate beginnt mit einem Prolog (Z. 1-176), der erzählt, daß er nach einer Krankheit eine Pilgerfahrt unternahm und in Canterbury in einer Herberge zufällig auf die Schar der Chaucerschen Pilger stieß. Der Wirt, dessen prächtig ausgeführte Gestalt dem Prolog humorvolles Leben gibt, überredet Lydgate, sich ihnen anzuschließen. Auf dem Rückweg der Pilger erzählt als erster der Dichter seine Geschichte, welche Szene eine Handschrift 166 ) bildlich vergegenwärtigt (mit einem Porträt des auf einem Schimmel reitenden Lydgate). Auf diese Einleitung, die den modernen Leser am meisten anspricht, folgt die tragische Geschichte, die wie das Trojabuch weniger ein Versroman ist, als eine zu Mahnung und philosophischer Betrachtung Anlaß gebende historische Darstellung. Der Stoff, den er einer französischen Prosabearbeitung 167 ) der Thebais entnimmt, ist in drei Teile gegliedert. Der erste (Z. 177-1046) erzählt die Vorgeschichte des Streits. Er beginnt mit der sagenhaften Gründung Thebens und hat das Schicksal von ödipus und Jocaste zum eigentlichen Thema. Der zweite Teil (Z. 1047-2552) berichtet den 164) Text in Th. Wright: Political Poems and Songs, 2 vols. 1859/61. Die gelegentlich Lydgate zugeschriebene Dichtung wird heute nicht als Werk Lydgates angesehen - vgl. M. P. X L V f. 165) ed. A. Erdmann und E. Ekwall, EETS. ES. 108, 125, Lo 1911. 1930. Zur Bibliographie vgl. E. P. Hammond, Chaucer Manual, 1927. p. 456. 166) Vgl. Abb. (MS. Roy. 18 D . II f. 148). 167) Vgl. E. Koeppel: Lydgates Story of Thebes, eine Quellenuntersuchung. München 1884.
Erster Teil
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Streit um die T h r o n f o l g e zwischen den beiden Söhnen Eteocles und P o l y neices, welch letzterer schließlich Theben verläßt u n d in Argos den R i t t e r T y d e u s trifft, der f o r t a n der eigentliche H e l d der Geschichte wird. D e r dritte Teil (Z. 2552-4716), dessen U m f a n g gleich dem der beiden vorhergehenden Teile zusammen ist, behandelt das im Titel angegebene T h e m a des K a m p f e s um Theben. In entbehrungsreichem Marsch rückt das griechische H e e r an, mit dem Polyneices das einst ausbedungene Recht auf abwechselnde Regierung erzwingen will. Ein Vermittlungsversuch Jocastes scheitert, und auch Antigone u n d Ismene, die der Griechenhelden Liebe erweckten, vermögen ihren Bruder Polyneices nicht zur Nachgiebigkeit zu bewegen. Im K a m p f f ä l l t T y d e u s und auch Polyneices k o m m t ums Leben. Aber die Stadt f ä l l t erst, als Theseus zum Angriff bestimmt wird. Ein Epilog über Frieden u n d Krieg schließt die E r z ä h l u n g ab. D e r künstlerische Vorzug dieser Geschichte gegenüber dem Trojabuch ist ihre Kürze. Es herrscht eine Ausgeglichenheit durch Gliederung in Sinnabschnitte a n n ä h e r n d gleichen U m f a n g s ; Darstellungs- u n d Redeteile wechseln regelmäßig, u n d die umfänglichen moralisierenden Abschnitte sind ihrem I n h a l t angemessen abgestuft. Sprichwörtliche Prägungen, die sentenziös jeden Lebensfall moralisch ausdeuten
168
), bilden - gleichsam als Rückgrat des
Werkes - die R u h e p u n k t e , die aus der Bewegtheit des Einzelschicksals das allen gemeinsame u n d f ü r alle gültige Erkenntnisgut herausheben, w ä h r e n d realistisch-anschauliche Schilderungen
169
) der Lebendigkeit des Berichtes die-
nen. Jedoch sind diese künstlerischen Dinge - die übrigens keine außergewöhnliche Bewertung des Werkes rechtfertigen - f ü r Lydgate weniger ausschlaggebend als die inhaltlichen. Wir wissen v o m Troy Book her, d a ß er keinen großen R o m a n geben will, sondern Lebensdeutung, u n d hier h a n d e l t es sich auch nicht um ein losgelöstes Philosophieren über Tugend, Laster und Liebespflichten, sondern um Stellungnahme zu den zwei brennenden Fragen der Zeit: Herrscher u n d Volk u n d Krieg u n d Frieden. Die neben den r o m a n h a f t e n herangezogenen gelehrten Quellen
17
°) stützen die These des ganzen Thebenromans, d a ß auf
Falschheit kein dauerndes Werk a u f z u b a u e n ist u n d d a ß die Wahrheit den Sieg gewinnt 1 7 1 ). Ausgesprochener noch als das Trojabuch ist die Belagerung Thebens ein großer Fürstenspiegel, da der H e l d T y d e u s ein deutliches Ab-
168) Z. B. 591, 1014, 2700, 2876, 2945, 3415, 3666, 4126, 4458 u. a. m. 169) Z. B. 902, 1302, 1257, 1443, 2330, 3581, 4479. 170) Martianus Capella, Seneca und Boccaccio (De casibus . . . und D e claris mulieribus). 171) 2077, 2237, 1763.
7. Lydgate und die
Chauccrfamilte
57
bild und Vorbild Heinrichs V . ist, und die Anspielung auf die am 10. September 1419 geschehene Ermordung des Herzogs Johann von B u r g u n d 1 " ) als zeitgenössisches Beispiel für Lydgates Lehren dient. Wahrheit ist die erste Tugend, die den Herrscher zieren muß 17S ) und neben ihr Leutseligkeit 1 7 4 ) und Freigebigkeit 1 7 6 ). Hochmut und Geringschätzung erzeugen H a ß , auch wenn es die Untertanen nidit offen zu zeigen wagen
no
) . Die Herrscher sol-
len das Volksvermögen nidit vergeuden und die Untertanen nidit durch Steuern schröpfen
,77
). Tyrannei ist falsch
vermag der Herrscher nichts
m
178
), und ohne die Liebe des Volkes
).
Wie in der Frage Herrscher und Volk so bezeugt in der Frage Krieg und Frieden eine Anspielung auf den Friedensvertrag von Troyes die Gegenwartsbedeutung der Thebengeschichte. Die Zeilen 3 6 5 5 - 7 3 - Lydgates Zutat - richten sich an eine doppelte Adresse: wie im alten Theben so ist im zeitgenössischen England die öffentliche Meinung geteilt: Viele sind unzufrieden mit dem langen Krieg gegen Frankreich und wünschen Frieden. Anderseits gehören Heinrich V . , viele vom Adel und auch aus dem Volk zu der den Krieg als Forderung der Ehre vertretenden Partei, und Lydgate gibt auch deren Gefühlen Ausdruck 18 °). So ist er Sprachrohr beider Ansichten, aber mit starker Neigung zur Friedenspartei 1 8 1 ). Die Jungen, die zum Kriege treiben, wissen nidit, daß der Krieg beide schlägt 182 ). Krieg, so sagt es der von Lydgate zugefügte Epilog, zerstört die Stadt, verwüstet das Land, verarmt die Völker; hoch und niedrig müssen leiden und man hüte sich, leichtfertig einen Krieg zu beginnen
183
). So deutlich konnte Lydgate im
patronisierten Trojabuch nicht sprechen. Im Thebenroman spricht er von sich aus, und er kann es wagen, weil der soeben abgeschlossene Friede von Troyes eine neue Zeit heraufzuführen versprach. Wörtlich übernahm er in sein Thebenbuch
184
) die ihn beeindruckende Bestimmung des Vertrags: 'ut
concordia, pax et tranquillitas inter praedicta Franciae et Angliae regna perpetuo futuris temporibus observentur
185
).'
172) 3432; vgl. auch Troy Book V, 3553. Die Ermordung des Herzogs Johann von Burgund hatte zur Folge, daß sein Nachfolger, Philipp der Gute, nunmehr in aller Öffentlichkeit ein Bündnis mit Heinrich V. gegen den Dauphin einging. 173) 1721, 1742, 1763, 1768, 1941, 2077, 2237. 174) 244. 175) 2682, 2701. 176) 244, 258, 262. 177) 2688. 178) 2698. 179) 283. 180) 4134 ff., gleichfalls von L. erweitert. 181) 4650, 4686 vgl. die Jocasteszene 3648, ferner 272, 1378, 3662. 182) 4652, 4689. 183) 4636, 4639, 4640, 4645, 4650. 184) 4690 ff. 185) Vgl. Rymers Foedera I X , 901.
58
Erster
Teil
8. Politisches Zeitbild. Heinrichs V. Ende Die Festlichkeiten anläßlich des Friedensschlusses von Troyes waren gemäß der diesem Ereignis beigemessenen Bedeutung von ungewöhnlichem Ausmaß, auch für die damalige an übertriebenen Festprunk gewohnte Zeit. Am 1. Dezember 1420 ritt Heinrich V., von dem französischen König zur Rechten und Philipp von Burgund zur Linken geleitet, in Paris ein. Die jubelnde Begrüßung durch die Bevölkerung machte bald einer Enttäuschung Platz 186). Den Parisern gefiel der englische König nicht, er dünkte sie steif, hochmütig, diktatorisch; die Regierungstätigkeit, die Heinrich in seinem bis Weihnachten dauernden Pariser Aufenthalt entfaltete, die rauhe Art und die rücksichtslose Entfernung von Franzosen aus Ämtern entfremdeten ihm alle Herzen, wenn sie je für ihn geschlagen. Am 27. Dezember übertrug Heinrich die Armee seinem Bruder Clarence und reiste mit Katharina über Rouen und Calais nach England, wo er seit 3V2 Jahren nicht gewesen. Man begab sich von Dover in prunkvollem Geleit nach Canterbury und Westminster (8. Februar) und dann nach dem Königssitz Eltham. Erst am 14. Februar kam der feierliche Einzug in London. Wie üblich warteten Mayor, Aldermen und Zünfte auf Blackheath, diesmal in weißen Gewändern und roten Kapuzen mit aufgestickten Wahrzeichen der Handwerkergilden. Wie üblich waren die Straßen geschmückt und kunstvolle 'pageants' aufgebaut und die Brunnen in Cheapside und Cornhill in Weinbrunnen verwandelt. Wie üblich berichten die Chroniken ausführlich über die Festlichkeiten, die viele Tage dauerten und in die neue Festlichkeit der Krönung Katharinas in Westminster am 24. Februar übergingen. Dieses Mal war das Krönungsbankett besonders üppig, und als Beispiel seien einige 'soteltes', das heißt aus formbarem Material hergestellte Speisen erwähnt: bei der ersten Nachspeise sah man die Hl. Katharina mit einem Buch in der Hand mit heidnischen Gelehrten disputieren. In der anderen Hand hielt sie ein Spruchband mit der Aufschrift: 'Madame la Roigne'. Daneben saß ein Pelikan mit seinen Jungen, die ebenfalls französische Aufschriften trugen. Die nächste Nachspeise, die recht bewegt ausgesehen haben muß, zeigte einen Tiger, der bei der Verfolgung eines Mannes durch einen Spiegel aufgehalten wird. Dieser Mann hat ein Tigerjunges geraubt und reitet weg, indem er Spiegel zu seiner Verteidigung auswirft. Er sagt: 'Par force saunz Droit Jay pris ce best.' Der Tiger antwortet: 'Gile the mirrour || ma fete distour.' 186) Wylie: H e n r y V. III, 224 ff. D e r französische Chronist Chastellain ist Heinrich V . nicht ungünstig gesinnt, er nennt ihn einen Fürsten der Gerechtigkeit und ist sogar bereit, den unmöglichen Anspruch auf den französischen Thron als Gottesurteil hinzunehmen, (ibid.).
8. Politisches Zeitbild. Heinrichs V. Ende
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Das heißt einmal (wörtlich): Aegidius, der Spiegel (in dem der Tiger durch sein eigenes wildes Bild erschreckt wird), hat midi wenden lassen. Zugleich bedeutet es symbolisch: Gile, der im Brut St. Georg gleichgesetzt wird, und das heißt der englische König, hat die französische Königstochter geraubt und verteidigt sich nun durch seine Tugenden (zweite Bedeutung von mirrour 1 8 7 ). Das ist die Vorstufe der Lydgateschen Beschreibungen und vielleicht sogar Inszenierungen
der Königsempfänge;
die
zum
Dialog
fortschreitenden
Spruchbänder sind verwandt mit den dialogischen Streitgedichten, den Maskenzügen und den Bildgeschichten einschließlich des Totentanzes. Im März und April 1421 reiste das Königspaar nach Norden, um von Land und Stadt begrüßt zu werden und die heiligen Wallfahrtsorte zu besuchen. In York mußte diese Reise unterbrochen werden, da schlechte Nachrichten einliefen. Thomas, Duke of Clarence, war am 21. März bei Baug£ vernichtend geschlagen worden, er selbst fiel, sein Heer wurde völlig aufgerieben. Um die englische Suprematie wiederherzustellen, eilte Heinrich nach Frankreich. E r brachte Verstärkungen, aber um diese aufzubringen, waren Zwangsanleihen nötig gewesen, und das Volk murrte; die nationale Opferwilligkeit war zu sehr und zu lange beansprucht worden. Das Parlament hatte die Geldforderungen verweigert. Auch im Heer zeigte sich Unzufriedenheit. Die Enttäuschung der vor knapp 2 Jahren in Troyes gehegten Hoffnungen mag Schuld haben an der teilweise abstoßend grausamen Kriegführung Heinrichs in Frankreich. Auch fand er harten Widerstand, Meaux fiel erst nach siebenmonatiger Belagerung, und der Dauphin wich bis über die Loire aus. Versöhnend und hoffnungsvoll muß den von vielen Widrigkeiten bedrängten König die Ankunft seiner Gattin gestimmt haben. Am 25. Mai, 15 Tage nach der Kapitulation von Meaux, kam sie aus England, begleitet vom Herzog von Bedford. Von Rouen aus besuchte sie ihre Eltern, den König und die Königin von Frankreich, im Bois-de-Vincennes. Dort traf sie Heinrich V., und beide verbrachten Pfingsten in Paris. Es ist nicht überliefert, ob der am 6. Dezember 1421 geborene Sohn, der nachmalige Heinrich V I . , mit ihr war 1 8 8 ). Jedenfalls konnte Katharina dem Gatten, der infolge des Feldzuges in Frankreich hatte weilen müssen, von ihm erzählen. Erzbischof Chichele hatte das Kind getauft, und der Onkel John, Duke of Bedford, der Großonkel Henry Beaufort und Jacqueline von Holland waren Paten gewesen. Die Dauer der neuen Dynastie schien also gesichert. 187) Nach Great Chronicle und Fabyan, vgl. F. J . Starke: Populäre englische Chroniken des 15. Jh. Diss. Berlin 1935. (Neue dt. Forsch.) S. 65. 188) M. E. Christie: Henry V I . Lo. 1922 p. 3.
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Audi in Frankreich ließen sich die Dinge besser an. Compiegne ergab sich ohne Kampf, der französische Adel schwur Lehenstreue. Da erkrankte Heinrich; als er sein Ende fühlte, machte er sein politisches Testament. Er zwang seine Erben, das Phantom der französischen Eroberung fortzusetzen. Er starb am 31. August 1422 im Lager von Bois-de-Vincennes im 35. Lebensjahr. Die Heimbringung der Leiche geschah mit seltenem Pomp 189 ). Der Leichnam wurde einbalsamiert und am 14. September von Vincennes nach St. Denis gebracht, wo Kloster und Klerus ein Totenamt hielten wie am Grab eines französischen Königs. Dann ging der von Bedford geleitete Trauerzug über Paris nach Rouen, wo ein militärisches und heraldisches 'pageant' stattfand. Hier übernahm Thomas Beaufort, Duke of Exeter, die Führung, der zusammen mit der Witwe die Bahre über Abbeville und Calais bis Dover geleitete. Der Sarg ruhte auf schwarz ausgeschlagenem Wagen, über dem ein seidener Baldachin schwebte. Darunter, auf einem Bett von Goldund Karmoisintuch, lag eine Statue des Verstorbenen aus Wachs und Leder, die Krone auf dem Haupt, das Zepter in der Rechten, den Reichsapfel in der Linken. Sechs Rappen, abwechselnd mit den Wappen Englands und Frankreichs, zogen den Wagen. Vor und hinter dem Wagen wurden brennende Lampen getragen. Das königliche Pferd, das geführt wurde, zeigte am Zaumzeug das Wappen des Königs Artus: drei goldene Kronen in blauem Schild190). 500 Ritter in schwarzer Rüstung und mit gesenkten Speeren eröffneten den Zug. 250 Soldaten mit Fadceln und Bannern gingen zu beiden Seiten des Trauerwagens. Dahinter ritten der König von Schottland und die Herzöge von Burgund, Bedford, Exeter und der übrige hohe Adel. Überall las die Geistlichkeit Totenmessen. Nach zwei Monaten gelangte der Trauerzug endlich ans Ziel. Am 7. November geschah die Beisetzung neben Eduard dem Bekenner in der Westminsterabtei. Humphrey, Erzbischof Chidiele, 15 Bischöfe und alle Pairs standen dabei mit Kerzen in der Hand. 189) Vgl. dazu den Bericht im Journal d'un bourgeois de Paris ed. A . Mary, Paris 1929, p. 166 ff. 190) Diese Einzelheit aus Chastellain: Le Miroir de nobles hommes de France I, 333. Sonst folgt die Darstellung MacFerlanes Beschreibung in der Cambridge Medieval History mit Zutaten aus den üblichen Chroniken. Monstrelet V, 245 gibt folgende Beschreibung: 'Near the car were the relations of the late king, uttering loud lamentations. O n the collar of the first horse that drew the car were emblazoned the ancient arms of England, on that of the second the arms of France and England quartered, the same as he bore during his lifetime: on that of the third, the arms of France simply. On that of the fourth horse were painted the arms of the noble king Arthur w h o m no one could conquest: they were three crowns or, on a shield of azure.' (Chronicles transi, by T . Johnes 1810.)
61 9. Lydgates Metrik und Stil Der Trauerzug geleitet gleichsam eine ganze Zeit zu Grabe, die spätgotisdie Zeit, deren übersteigerte Formen ebenso aus dem überladenen und teilweise grotesk erscheinenden Prunk des Leichenzuges sprechen wie aus den überlebten ritterlichen Anschauungen des zur letzten Ruhe Geleiteten, der ein rex christianissimus sein wollte. Das 15. Jh. entwickelt in Lebensformen und Künsten einen eigentümlichen spätgotischen Stil, der wie ein Anachronismus anmutet. In der Architektur zeigen die spätgotischen Bauwerke Englands im 15. Jh. dekorative Überladung und überdecken mit der Fülle des Zierwerks den organischen Baugedanken bis zu einer abstrakten, die N a t u r vergewaltigenden Formgebung; die Kleinkunstwerke, die Elfenbeinschnitzereien und Buchillustrationen gehen noch weiter und haben oft im Rankenwerk den Sinn ihres Daseins. Die gleiche Ersdieinung zeigt die englische, auch in Burgund und Frankreich Schule machende Musik John Dunstables, deren gegeneinander stehende Stimmen wie ein scheinbar regelloses Spiel melodischer Linien erscheinen, so daß der zugrunde liegende Cantus firmus von einem unfaßbar fließenden polyphonen Gefüge überdeckt ist (vgl. die Marienmesse: ' O Rosa Bella'). In der Dichtung neigt Lydgates absichtlich dunkler und von dekorativen Zieraten überhäufter Stil dazu, sowohl die klare Linie des Gedankens wie auch der syntaktischen Fügung zu überdecken. Eingeordnet in diesen rahmenden Zusammenhang erscheint der literarische Stil jener Zeit weniger als Besonderheit denn als organische Entsprechung. Wie aus den in viele Werke eingefügten Lobpreisungen seines „Meisters" Chaucer hervorgeht, glaubte Lydgate selber, seinem Vorbild getreu zu folgen, während er in Wirklichkeit das Chaucersche Muster weiterbildete. Das zeigt sich in geringerem Maße in der Metrik, in weitergehendem in der sprachlichen Form. In der Metrik m ) ist die von Gower und Chaucer errungene Übereinstimmung von Vers- und Wortakzent f ü r Lydgate bereits eine Selbstverständlichkeit. Audi Chaucers Meisterschaft, ein rhythmisches Schema nicht starr anzuwenden, sondern durch mannigfaches Umspielen und Auflockern abwechslungsreich zu gestalten, sucht Lydgate zu übernehmen. Dies gelingt nur zum Teil; seine Verse sind zwar glatt (nicht holperig, wie man früher behauptete), aber sie lesen sich nicht so leicht und natürlich wie die Chaucers. Das gilt f ü r die in 'Reason and Sensuality' gebrauchte vier191) Die wertvollsten Abhandlungen über Lydgates Einleitungen zu den Ausgaben Lydgatescher Werke in Schick, Ekwall, Sieper und Locock. Vgl. ferner E. P. between Chaucer and Surrey, p. 83 f. u. Bibliogr. p. 98
Metrik finden sich in den der EETS, vor allem bei Hammond: English Verse f.
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hebige Zeile ebenso wie für die fünfhebige, die das ganze übrige Werk beherrscht. Chaucer variierte das jambische Grundsdiema durch Annäherung an die Erzählprosa, so daß die Verse sich lesen, als ob ein geschickter Erzähler die Geschichten mündlich vortrüge. Lydgate, dessen Stärke nicht das Erzählen ist, dessen durch 'aureate terms' beschwerte Verse den rasdien Lauf seines Vorbildes mehr und mehr verlernen, wirkt auch in seinen metrischen Variationen kunstvoll und bedarf des Einlesens. Lydgates Beteuerungen, daß seine Metrik fehlerhaft sei und lang und kurz verwechsle 192), sind herkömmliche Bescheidenheitsfloskeln und bedeuten eher das Gegenteil. Das zeigen die 5 Typen, die Schick als wesentlichste Variationen des Fünfhebers ausgerechnet hat: A: regulärer Typ, 5 Jamben (gelegentlich weiblicher Ausgang, also eine Silbe mehr). Zäsur nach 2. Takt: For th6u3t, constréint,// and gréuous héuinésse B: wie oben, aber mit Extra-Silbe vor Zäsur ( = trochäische Zäsur): And mâni a stori, // mo J)én I rékin can C: der Lydgate-Typus, mit fehlender Senkung in Zäsur (so daß 2 Hebungen zusammenstoßen): For spéchelés // nojDing mâist {jou spéde D : die „kopflose" Zeile mit fehlender erster Silbe (und folglich einsilbigem ersten Takt): Of musike, // ay dide his bisynés E: Zeilen mit dreisilbigem ersten Takt: Thät was féijîful f6und, // til hém departid déf>e (Frühzeit selten, F. o. P. häufig). Diese 5 Typen ersdiöpfen die Lydgateschen Variationen nicht, aber sie geben ein gutes Bild seiner eigentümlidien schweren, fast schwerfälligen metrischen Technik. Sie ist kunstreich um den Preis der Natürlichkeit. Audi die aus obigen 5 Typen sich ergebenden Kombinationen wirken errechnet, z. B.: B und D kombiniert: fehlende erste Silbe und Extrasilbe vor Zäsur: Wyth hir sustren // that on Pernaso dwélle C und D kombiniert: fehlende erste Silbe und fehlende Senkung nach Zäsur: Whér this kyng // r6oming to and fr6. Diese Verse werden nach Chaucers Vorbild in der f ü r kürzere Gedichte bevorzugten achtzeiligen Balladenstrophe ababbcbc geordnet oder in der ebenso kunstreichen Chaucerstrophe ababbcc. Diese bildet das herrsdiende Strophenschema in Lydgates großen epischen Werken. Nur selten wird, ebenfalls nach Chaucers Vorgang, das Reimpaar für erzählende Dichtung verwendet. Lydgates Behandlung dieser überkommenen Strophenformen ist in .nichts originell, aber er handhabt sie so, daß das Kunstreiche der Form dem 192) Z. B. Troy Book V, 3483 f.
9. Lydgates
Metrik und Stil
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Leser bewußt wird. Wenn - wie bei den Dichtungen in heroischen Reimpaaren - dies Gerüst einer kunstvollen Strophe fehlt, entbehrt man die als Norm wirkende Grundmelodie und empfindet die metrischen Variationen der Einzelzeile als mindestens ungewohnt, weil der an sich nötige Spielraum zwischen metrischem Schema und natürlicher Aussprache bei Lydgates Zehnsilblern ungewöhnlich groß ist. Im Hinblick auf diese Tatsache hat C. S. Lewis die mittelenglischen Zehnsilbler überhaupt in Frage gestellt 195 ). Schon Chaucer hat Zeilen, die durch starke Mittelpausen und hypermetrische Silben in diesen Pausen, sowie durch den Wegfall der ersten Senkung kaum als Zehnsilbler lesbar sind. Die mit einer Hebung beginnende sogenannte „auftaktlose" Zeile war dem Achtzeiler angemessen, diente dem Erzählton und unterbrach zugleich die Eintönigkeit; mit der metrischen Bewegung des Zehnsilblers ist diese poetische Lizenz oder Variation unvereinbar. Offenbar hat Chaucer bei der Übernahme des französischen dekasyllabisdien Verses, der (weil er nicht akzentuierend ist) keinen Rhythmus im englischen Sinn hat, manchmal das Augenmerk auf die 10-Silbenzahl und manchmal auf die 5 Ikten gerichtet; manchmal klang ihm die fremde Melodie des „heroischen Verses" im Kopf und manchmal eine vertrautere heimische, dem Erzählton der Achtsilbler nähere. So finden wir neben „regelmäßigen" Dekasyllaben Zeilen, die besser als zwei Halbzeilen mit 2 bis 3 Hebungen lesbar sind: Whan Zephirus eek with his swete breeth, oder: Büt a governdur wyly and wise. Diese mehr auf den Akzent als auf die Silbenzahl achtende und eine starke Mittelpause liebende Dichtweise ist bei Lydgate bereits zur Norm geworden. Verse wie: / Irows and w6od and malencolik haben einen ganz undekasyllabisdien Gang, sind aber als Halbzeilen, von denen jede nicht weniger als 2 und nicht mehr als 3 Hebungen hat, wohl lesbar 194 ). 193) The Fifteenth Century Heroic Line, in: Essays and Studies of the English Association, Vol. 24 (1938) p. 28-42. Oxf. 1939. 194) Lewis weist auf den 'native rhythm' hin, der sidi z. B. in Allinghams Gedicht 'The Fairies' findet (Oxford Book of English Poetry Nr. 769), dessen Zeilen als zwei- oder als dreihebige bezeichnet werden können: U p the airy mountain D o w n the rushy glen, We daren'r go a-hunting For fear of little men.
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Erster Teil
Wie weit eine derartige Versdeutung dem Lydgateschen Werk angemessen ist, muß dahingestellt bleiben; sie wird höchstens von den in heroischen Reimpaaren geschriebenen Dichtungen gefordert, nicht von den im kurzen Reimpaar abgefaßten und erst recht nicht von den seiner Art am besten zusagenden Dichtungen in der kunstreichen Chaucer- und Balladenstrophe. ZuLydgates sprachlichem Stil 195 ) gehört zunächst das „Gülden", das heißt Erlesenmachen der Sprache durch die sog. 'aureate terms', das heißt neu eingeführte oder neuartig verwendete, meist mehrsilbige und klangvolle romanische Wörter 196 ). Lydgate tut dasselbe, was Chaucer vor ihm tat, aber er geht weiter, weil er häuft. Nicht selten erscheinen zwei solcher Worter in zwei Reimzeilen, so heißt es z. B. von den Kolonnaden, die in Neu-Troja errichtet werden: Vowted a-boue like reclinatories [reclinatorium == Ruhebett] £>at called werne deambulatories [deambulatorium — Wandelgang]. In den Anrufungen in Lydgates religiöser Dichtung ist das zur Manier gesteigert; in den 140 Zeilen der Ballade zum Lobe unserer lieben Frau kommen 23 Erstbelege vor, bis zu zwei in einer Zeile: 'O glorious vyole, O vytre inviolat! Cristallin welle, of clennesse clere consignet, fructif olyve . . . itinerarie . . . bravie . . . diourn . . . denarie' usw. 197 ). Das sind die 'newe straunge termes' einer 'faire and dulcet langage'. Eine Dichtsprache, die sich mit solchem Schmuck belädt, strebt im Unterschied zu Chaucer nach einem den humanistisch Gelehrten verständlichen Anklingen an lateinische 195) Vgl. die bei Lydgates Metrik genannten Einleitungen und Literaturangaben (Anm. 191). Ferner E. Tilgner: Die Aureate Terms als Stilelement bei Lydgate. Diss. Berlin 1936. (German. Studien H . 182), sowie die darin angegebene Literatur. 196) Vgl. G. Reismüller: Romanische Lehnwörter bei Lydgate. Leipzig 1911. (Münchener Beiträge zur engl. Phil. 48.). 197) Viele dieser W ö r t e r sind in die englische Sprache aufgenommen worden, z. B. abuse, adolescence, avaricious, capacity, commodious, confidence, credulity, deception, detestable, duplicity, equivalent, excel, fallible, fraudulent, gallery, immutable, incredible, musical, passionate, provoke, rural, solicitude, tedious, terrible, tolerance; andere, die sich nicht einbürgerten, haben ihre Fremdartigkeit bewahrt, z. B.: amate (liebenswürdig), apayre (paarweise), barratour (streitsüchtig), bealoncle (Oheim), botraille (Grenze), b r a v y (Preis), celature (Relief), citrinade (hellgelb), consignet (verschlossen), corsifnes (Beleibtheit), deambulatorie (Wandelgang), deaurat (vergoldet), diourn denarie (täglicher Lohn), dislanderous (verleumderisch), diverticle (Herberge), ennew (färben), equipollent (gleichbedeutend), eurous (glücklich), facundious (beredt), f a r d e r y (Schminken), flaskisable (unbeständig), fructyf (fruchtbar), gardeviance (Fleischbehälter), glawk (hell), hiems (Winter), imputrible (unverwelklich), lausioun (Lob), muaunt (unbeständig), obumbred (überschattet), oppilate (verstopft), pausacioun (Ruhepause), polimite (bundfarbig), reclinatory (Ruhebett), regitive (beherrschend), stoupaille ( P f r o p f e n ) , tentorie (Zelt), weymentacion (Klage).
9. Lydgates Metrik und Stil
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Vokabeln und nach Worten mit klanglich auffälliger Wirkung. Auch wenn es sich nicht um neue Termini handelt, wird das gewählte mehrsilbige und meist romanische Wort dem schlichten und vertrauten vorgezogen (merciable, redolent, benigne, curteyse usw.). Diese im 15. Jh. durdi Lydgates Vorbild zur Herrschaft kommende 'poetic diction' sucht auch in der Syntax 1 0 8 ) das ungewöhnlich oder altertümlich Klingende: sie liebt, das Objekt vor das Verb zu stellen, das Adjektiv nach französischer Art emphatisch dem Beziehungswort nachzusetzen, weitgehend Adjektiva zu substantivieren oder sie absolut zu gebrauchen und die umschreibenden Zeiten zu verwenden. Als stärkstes Mittel einer poetisch gehobenen Sprache muß natürlich der rhetorische Schmuck gelten. Fast durchweg wird Hauptwort und Epitheton durch Alliteration gebunden, und in manchen Zeilen alliteriert nahezu jedes Wort ( O trusty furtle irewest of al trewe). Abgesehen von der dekorativen Wirkung, die der Hauptgrund der überreichen Alliterationsverwendung ist, verleiht diese H ä u f u n g dem Gesagten Nachdruck, was nicht schlecht paßt zu Lydgates Art, der, wie man gesagt hat, stets mit erhobenem Zeigefinger sprach. Von den rhetorischen Stilfiguren wird auch die Anapher (besonders im religiösen Anrufungsstil) durch übermäßige Verwendung zu einer L y d gateschen Stileigentümlichkeit. So kann das vielleicht auffälligste Merkmal der Doppelung des Ausdrucks sich in jeglichem Feierlichkeit oder Nachdruck erstrebendem Stil finden, bei L y d g a t e wird es zum Stilprinzip. Es handelt sich dabei nicht nur um den Ausdruck desselben Begriffs durch zwei Worte, z. B. chaunte and synge, oder die kunstvollere Fügung, daß der zweite Teil den ersten näher bestimmt, z. B. With franc and with encense, sondern um zwei- oder mehrfachen Ausdruck nicht eines Wortes, sondern eines Gedankens, z. B. ' T h y mantel of miserycord on our misdief sprede // And er wo wake wrappe us under thy wede'. Derartiges gehört schon zu Umschreibung und Metapher und weist wie diese auf das Vorbild des Psalmenstils hin. A u f f ä l l i g und befremdend bei Lydgates Metaphern und Vergleichen ist ihre Unanschaulichkeit, auch dann, wenn konkrete Dinge verglichen werden. Maria 'closid garden', 'cristallin welle', 'fructyf olive' usw. zu nennen, mag auf das Vorbild der Litanei und des Hohenliedes zurückgehen, und die U m schreibung der Sonne als Titan, der Perle als margeryte usw. ist jedem Leser mittelalterlicher Dichtung vertraut. D a ß aber die Metaphorik nur gedanklich erfaßbar ist und zuweilen erst nach sorgfältiger Zergliederung, ist eine Eigentümlichkeit des Lydgatesdien Spätstils. Im Prolog der Augustinuslegende
198) A. Courmont: Studies on Lydgate's Syntax in the Temple of Glas. Paris 1912. (Bibliothèque de la Faculté des Lettres. 28.) S c h i r m e r , Lydgate
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Erster
Teil
drückt er den einfachen Gedanken: „Augustinus brachte das Christentum nach England" so aus: This was doon by grace or we wer war Of tholygoost by the influence Whan foure steedys of Phebus goldene diar List in this regioun holde residence; Who droff the diar to conclude in sentence By goostly favour of the nyne speerys Til blissed Austin by goostly elloquence Was trewe Auriga of foure gospelleeris . . .
d. h. wie Phaeton (der aber nicht genannt wird) die Sonnenrosse lenkte (und ohne ihn der Strahlenwagen des Phoebus die weiten Regionen nicht hätte durchleuchten können), so wurde Augustin der auriga, der Wagenlenker der vier Evangelisten, deren göttliches Wort er unter dem geistlichen Beistand der 9 Sphären, das heißt aller himmlischen Mächte, nach England brachte. Lydgates Sprachstil endet in einem abstrakt-dekorativen gedanklichen Rankenwerk und einer Vorliebe für sinnverdunkelnde Formulierungen. So wird in der Geschichte der beiden Kaufleute die Situation, daß sich die beiden kennengelernt haben und Freunde geworden sind, wie folgt beschrieben: nachsinnend erwägt jeder von ihnen des Freundes Gestalt und sein Bild. Nachdenken hat mit tiefem Eindruck des anderen Gestalt, Statur und Antlitz in ihn gegraben. Ihres Herzens Auge tat immer ihre Botschaft, und ihr Sinn misdit sich im Gedenken aneinander und holt seine Nahrung aus der Phantasie 199 ). Dieser Stil wiederholt im kleinen die eigenartige Komposition der Erzählung, die (wie 'Reason and Sensuality' und das Trojabuch zeigten) sich nicht wie die Äste eines Baumes entfaltet, sondern den Stamm gleichsam auflöst, überall Verästelungen anbringt, und einen hier abgebrochenen Zweig an unerwarteter Stelle aufs neue Verzweigungen treiben läßt 20°). Das ist ein neuer Stil, verschieden von dem Chaucers, der doch den Ausgangspunkt bildete. Man geht fehl, wenn man, vom modernen Standpunkt aus urteilend, die Dunkelheit und Verschlungenheit von Lydgates Diktion als störend empfin199) Fabula duorum mercatorum Z. 55 ff. Reuoluyth ech by contemplacioun AI of his freend the lyknesse and ymage: Thynkyng hath grave with deep impressioun Ech othris fourme, stature and visage; Her hertys eye did alwey her message And mynde medleth in the memorial And fet his foode in the ffantastical. 200) Vgl. W. F. Schirmer: Das Ende des Mittelalters in England und Der Stil in Lydgates Dichtung. Beide Aufsätze in: Kleine Schriften, Tübingen 1950.
9. Lydgates Metrik und Stil
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det, seine Einführung abstrakter Termini bedauert und sagt, er habe kein Gefühl für den poetischen Wert der 'Worter gehabt und habe die Sprache nicht in imaginativer, lebendiger und künstlerisch schöpferischer Art gebraucht. Wir haben es nicht mit einem Unvermögen Lydgates, einer Verirrung oder überhaupt einer singulären Erscheinung zu tun, sondern mit dem neuen poetischen Stil und Geschmack des 15. Jh., dessen bezeichnendster Vertreter eben Lydgate war. Auch in der lateinisch geschriebenen Literatur der Frühhumanisten wurde eine 'florida verborum venustas' 201 ) erstrebt. So nennt der Schreiber von Erzbischof Chicheles Registrum den geblümten Stil, wie ihn John de Norwichs 'Tractatus de modo inveniendi ornata verba* lehrte 202 ) und wie ihn der Abt Whethamstede in seinen Briefen an die Klosterbrüder von St. Albans pflegte 203 ). Dies Streben nach einem kunstvollen, reichen und verfeinerten lateinischen Stil ist mit den landessprachigen und dichterischen Bemühungen Lydgates identisch; und da Lydgate durch seine Stellung als Hofpoet und Schützling des als Mäzen hoch angesehenen Herzogs Humphrey von Gloucester ebenso vorbildlich erschien wie durch sein umfängliches dichterisches Werk, so hat die Überlieferung, daß er auch als Lehrer wirkte durch die Gründung einer Rhetorikschule in Bury St. Edmunds, wenn vielleicht nicht im Tatsächlichen, so doch in der allgemeinen Wertschätzung der Lydgateschen Leistung das Richtige gesagt. 201) E . F. Jacob: Florida Verborum Venustas in: Bulletin of the John Rylands Library vol. 17 (1933) p. 264 ff. Die oben zitierte Wendung erscheint in den Minutes of the Southern Convocation 1417. Ähnliche Wendungen: 'ornata verborum series', und, auf Chichele selbst bezüglich, 'in maturo et deliberato verborum eloquio satis floride declaravit'. 202) J . W . H . Atkins: English Literary Criticism: The Medieval Phase. Cambr. 1943, p. 164. 203) Vgl. W . F. Schirmer: Der englische Frühhumanismus S. 88 ff.; R . Weiß: English Humanism in the 15th Century p. 28 ff. sowie die bei Weiß und Jacob genannte (ungedruckte) Dissertation von Esther Hodge über Whethamstede.
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ZWEITER
TEIL
10. Politisches Zeitbild. Regierungsantritt Erste politische Werke
Heinrichs
VI.
Lydgates
Als Heinrich V. starb, war sein Sohn und Erbe, der spätere König Heinrich VI. (1422-61) neun Monate alt, die Königinwitwe und -mutter Katharina 21 Jahre. Da am 22. Oktober 1422 audi der Großvater Heinrichs VI., der König Charles VI von Frankreich, starb, wurde - dem Vertrag von Troyes gemäß - Heinrich VI. (als Henri II) auch König von Frankreich. Das englische Parlament bestimmte nun, daß Heinrichs Onkel John, Herzog von Bedford, Protektor von England und des Königs hauptsächlicher Ratgeber sein sollte; und da John auch Regent von Frankreich wurde, sollte in seiner Abwesenheit Humphrey, Herzog von Gloucester, an der Spitze eines Council 1 ) als Protektor in England regieren. Da Gloucester nur 'de assensu consilii' Verfügungen erlassen konnte, so lag die Regierungsgewalt de facto, wenn auch nicht dem Namen nach, in Händen dieses Regentschaftsrates. Das Parlament selber, das noch nicht die Unabhängigkeit späterer Zeiten besaß, mußte mit den jeweils Mächtigen paktieren, und so standen fortan drei Männer im Vordergrund des politischen Geschehens: die beiden überlebenden Brüder des verstorbenen Königs, Bedford und Gloucester, und des letzteren Onkel und Gegenspieler Henry Beaufort, Bischof von Winchester2), der von Papst Martin V. zum Kardinal erhoben wurde. Die in diesem Triumvirat sich andeutenden Spannungen scheint Lydgate wohl gesehen zu haben, und der Sorge um die Zukunft seines wieder unter die Herrschaft der Barone 1) Zu diesem Rat gehörten die beiden Beauforts (Henry und Thomas), der Erzbischof Chidiele und drei weitere Prälaten, die Earls von March, Warwick, Westmoreland, Thomas Mowbray, Henry Percy (der Sohn des Heißsporns) sowie drei weitere barons und zwei knights. 2) R. Lodge: Cardinal Beaufort. Oxf. 1875; L. B. Radford: Henry Beaufort. Lo. 1908.
10. Politisches Zeitbild. Regierungsantritt
Heinrichs
VI.
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gekommenen Landes ist seine einzige 3 ) Prosaschrift The Serpent of Division4) entsprungen. Es steht nicht fest, wann diese Schrift entstanden ist; man hat sie, auf Grund einer Handschriftennotiz, recht früh ansetzen wollen, etwa 1400 5 ), doch sprechen innere Gründe f ü r eine erheblich spätere Zeit, die Zeit, als die unruhvollen Jahre nach Heinrichs V. Tod den Frieden des Landes bedrohten. Lydgate sagt, er habe das Werklein auf Verlangen seines verehrten Herrn 6 ) übersetzt, unter dem der Herausgeber Humphrey in seiner Eigenschaft als Lord Protector verstanden wissen will. Humphrey, der durch seines Sekretärs Tito Livio lateinische Vita Heinrichs V. die Engländer in humanistischer Art patriotisch begeisterte, habe in der sorgenvollen Zeit nach Heinrichs V. plötzlichem Tod den bekannten und angesehenen Dichter Lydgate beauftragt, das Leben Caesars zu beschreiben, um daran die Gefahren des Bürgerkriegs zu zeigen. Demnach wäre Die Schlange der Zwietracht Dezember 1422 zu datieren, wofür auch die Schlußfloskel einer H a n d schrift spricht 7 ). Gegen diese geistvolle Vermutung könnte man einwenden, daß Humphrey nicht wie Bedford ein treusorgender Vater des Vaterlandes war, der mit kluger H a n d die dem Reich und seinem 9 Monate alten Regenten drohenden Gefahren zu bannen suchte. Man könnte auch einen anderen Adligen, sogar einen Gegner Humphreys, als Patron der Schrift sich denken. Solche Vermutungen wie auch das Bestreiten der Verfasserschaft Lydgates haben wenig Wahrscheinlichkeit. Man wird vielmehr, dem Herausgeber folgend, das Werk nach Inhalt und Stil dem Lydgateschen Oeuvre zu3) MacCrackens Lydgate Canon Nr. 12 (M. P. XII) läßt die Möglichkeit offen, daß Lydgate am Brut mitarbeitete. Im Harvard MS. AR 5 ist nämlich eine Abschrift des Brut (bis Caxtons Kap. 251, das heißt bis zur Verhaftung von Owen Tudor, der die Witwe Katharina heiratete) mit dem Schluß (von Shirley): the whiche Cronycle was lamentabuly compylled at Paris by hem of ffraunce in theyre wolgare langage and nowe translated by Daun Johan lydegate the munk of Bury. Vgl. Robinson: in Harvard Studies and Notes V. 4) ed. with Introduction, Notes and Glossary by H. N . Mac Cracken, Lo. and N e w Haven 1911. 5) According to Miss L. Toulmin Smith a 15 t h century copy among the Yelverton MSS. belonging to Lord Calthorpe shows that the tractate was written in December 1400 'by me, Daune John Lidgate', cp. her Gorboduc, Introd. p. X X I (nach Robinson in: Harvard Studies and Notes V, 183). 6) At the request of his most worshipful master and sovereign (in anderen MSS. fehlt das 'and sovereign'). Hierzu wie zum folgenden vgl. die Einleitung MacCrakkens in seiner Ausgabe p. 1 f. 7) MacCrackens Einleitung p. 4. Bedenken dagegen: E. P. Hammond in: English Verse between Chaucer and Surrey p. 176 ff. Vgl. zur Datierung MacCracken in Mod.Lang.Rev. VII (1912) und VIII (1913) p. 103 f.
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Zweiter Teil
weisen d ü r f e n 8 ) ; nur die Einordnung als humanistische Vita Caesars bedarf einer Korrektur. Immerhin ist der Inhalt bedeutsam: ein Bericht von Caesars Aufstieg und Fall. Dies T h e m a an sich ist kein Beweis humanistischen Geistes, wie der Name Caesars überhaupt im Mittelalter als einer der neun 'preux' oder 'worthies' oder zu allegorischen Zwecken entwertet weiterlebte. Während aber die meisten der englischen Historiker nur kurze Hinweise bringen, haben wir in Lydgates Schrift die erste ausführliche Lebensbeschreibung Caesars in englischer Sprache. Die als Quellen von Lydgate benützten 'olde bookes' sind keine Bücher des Altertums, sondern des Mittelalters: im wesentlichen eine nicht erhaltene französische Bearbeitung von Lucans 'Pharsalia' und einige Kapitel des 'Speculum historiale' von Vincent von Beauvais'). Immerhin hat das Lucan erfüllende Pathos der Völkertragik, des düsteren Verhängnisses und der Schicksale R o m s durch alle Nachahmer hindurchgewirkt und auch da, wo der Stoff nur einer Memento mori- oder VanitasLitanei dienen sollte, einen Abglanz von Glut und Farbigkeit verliehen. Lydgate war für den düsteren Prunk besonders empfänglich, und wenn er auch im Vergleich zu J o h n of Salisburys Caesarbericht keine geschichtliche Vorstellung hat, so durchweht die 'Serpent of Division' doch ein Lucan ähnliches Schicksalsgefühl. Die Schrift soll ja die Schrecknisse des Bürgerkriegs an der Caesargeschichte dartun, was etwas anderes ist als die im 'Fall of Princes' am Sturze Caesars erwiesene Unbeständigkeit irdischen Ruhms 1 0 ). Die These dieser Schrift ist von Lydgate in allen seinen Werken vertreten worden: solange Eintracht herrscht, ist das Reich stark, sowie falscher E h r geiz die Zwietracht sich einschleichen läßt, droht der Verfall. Dies T h e m a wird gleich zu Anfang so deutlich ausgesprochen, daß man versucht ist, diese Schrift als letzten Mahnruf an den englischen Adel unmittelbar vor Ausbruch der Rosenkriege anzusehen. Als förmliches Mahnmal taucht das lateinische Wort 'bellum civile' im Rubiconkapitel auf u ) und beschwörend ruft er, alle regierenden Fürsten sollten aus der Geschichte lernen, daß innere Spaltung Leid und Elend und endgültige Zerstörung mit sich b r i n g t 1 2 ) ; sie 8) F. Brie in: Engl. Stud. 64 (1929) p. 281 ff. spricht sich gegen Lydgates Autorschaft aus. 9) Ausführliche Abhandlung über die Quellenfrage in der Vorrede zu MacCrakkens Ausgabe (s. o.). Über das Nadlieben Caesars vgl. die dort angegebene Literatur und F. Gundolf: Caesar. Geschichte seines Ruhras. Berlin 1924. 10) Vgl. F. o. P. Buch VI, 2920 ff. - Darüber, ob dies epische Werk oder die Prosaschrift zeitlich vorangeht, ist kein Schluß möglich. - Eine weitere Parallele findet sich in St. Albon und St. Amphabel I, 106 ff. (Eroberung Albions durch Caesar). 11) p. 5 6 , 2 0 . 12) p. 58, 29 ff.
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stellt nicht nur die Menschen gegeneinander, sondern 'disseuerith and departith a man from God' 1 ®); der E n v o y ruft Christus und die Bibel als Zeugen an 1 4 ). Das besorgte und mahnende Ausmalen der durch innere Zwietracht verursachten Bedrohung des Reiches nimmt mehr R a u m ein als die zur U m kehr auffordernde Bußpredigt, die man von einem Mönch erwartet. N u r Eigensinn und Anmaßung, oder, wie es an anderer Stelle heißt: ehrgeiziger Stolz werden getadelt 1 5 ); dazu kommt das menschlicher Einwirkung entzogene "Walten der Fortuna und der naturgegebene Wechsel, der, wie Tag und Nacht, so Aufstieg und Fall einander folgen läßt. Wie im sechsten und siebten Buch des Fall of Princes und dem großen E n v o y auf R o m soll die Geschichte diese Erkenntnis den adligen und fürstlichen Lesern oder Zuhörern vermitteln; wie dort tritt das Spiel mit mythologischen N a m e n hinter der historischen Figur zurück, und hier wie dort wirken die ausführlich berichteten Zeichen und Wunder 1 6 ) mehr eindringlich als abergläubisch. Die Reden, insbesondere die der Parze und die Caesars in der Rubiconszene, erinnern gleichfalls an den Fall of Princes und an allgemeinen humanistischen Brauch. Wie Lydgates lange Dichtwerke hat man auch diesen kurzen Prosatraktat weitschweifig, formlos und unzusammenhängend gescholten; nicht ganz mit Recht, denn der Faden der Geschichte ist so gut festgehalten, daß der H e r ausgeber dreizehn Punkte in einer A r t Gliederung herausschälen kann. Zuerst (1) wird von der auf dem Senat und zwei Ratgebern oder „Diktatoren" beruhenden Verfassung R o m s berichtet, die an sich schon Möglichkeiten der Spaltung enthalte. D a n n wird (2) von den Feldzügen der beiden Diktatoren Caesar und Crassus erzählt und von Pompejus, der nach Crassus' Tod (3) die Rückberufung Caesars beim Senat erreichte. Caesar führte aber seine Eroberungen zu Ende und erbat dann (4) einen Triumphzug. D e r anschließende, diese römischen Triumphe erklärende Exkurs ist nicht unangebracht. Denn (5) die auf des Pompejus Betreiben erfolgende Triumph Verweigerung ist in L y d gates Darstellung der A n l a ß des Bürgerkriegs. U n d da die Schrift abgefaßt ist, um dessen Schrecken auszumalen und durch Aufzeigen der kleinen U r sachen dies Unheil abzuwehren, ist auch (6) die systematische Darlegung am Platz, daß es drei bedingende Gründe gebe, einen „natürlichen", der dem Wechsel der Jahreszeiten und dem allgemeinen Auf und Ab in der N a t u r und im Leben entspreche, einen „üblichen", das heißt in den äußeren, von Fortuna geleiteten Umständen bestehenden Grund und schließlich einen 13) p. 6 1 , 1 2 . 14) p. 66. 15) wilfulness und surquedaunce p. 56, 10; ambicious pride p. 65, 28. 16) p. 59 u. 64. Für F. o. P. vgl. Kap. 21.
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„inneren", der in der 'wilfulness' und 'surquedaunce' der einzelnen Mensdien liege. Nadi dieser die Erzählung, aber nicht das Interesse des Lesers unterbrechenden Einschiebung folgt (7) die durch diese Retardierung ins Relief gesetzte Rubiconszene, die trotz einer warnenden Rede der Parze die Entscheidung bringt. Ein (8) Exemplum von dem Pferdeschwanz, der nicht als Ganzes, aber leicht in einzelnen Haaren ausgerissen werden könne, unterstreicht die Gefahren und das Schicksal des römischen Reichs. Die unvermeidlichen Folgen zeigen sich in zwei Etappen, die jeweils spannungsteigernd durdi ein Kapitel (9 und 11) über Vorzeichen und Wunder eingeleitet werden: dem (10) in der Schlacht von Pharsalia gipfelnden Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompejus und dem (12) darauf folgenden Fall Caesars. Ein (13) zusammenfassender Schluß und in manchen Handschriften noch ein poetischer Envoy bilden den Ausklang. Es ist also nicht nötig, die Formlosigkeit zu betonen und die Vielheit der Quellen, aus denen Lydgate den Stoff zusammentrug und übersetzte, dafür verantwortlich zu machen 17 ). Der Herausgeber tadelt die mangelnde Proportion im ganzen und in den Teilen. Nicht nur sei die Erörterung der Gründe, Zeichen und Wunder vor Ausbruch des Bürgerkriegs unverhältnismäßig lang gegenüber der Geschichte selbst, audi die Absdinitte, die Sätze, die einzelnen Wendungen seien ohne Proportion. Diese Vorwürfe bestehen zu Recht, wenn man - wie der Herausgeber - Die Schlange der Zwietracht als ein historisches Werk betrachtet. Es ist aber keine Chronik, keine Vita Caesars, sondern ein propagandistischpolitischer Traktat, der zeigen soll, daß Uneinigkeit f ü r jede Gemeinschaft von schlimmen Folgen ist. Es ist das eine auf der Hand liegende Wahrheit, die jedoch die Mensdien immer wieder aus den Augen verlieren ebenso wie die grundlegenden religiösen und moralischen Wahrheiten, die deshalb von der Kirche immer wieder in die Herzen der Gläubigen gehämmert werden. Lydgates Aufgabe war also analog der des Predigers: eine allgemein anerkannte Wahrheit sollte einem weiteren Publikum wieder einmal zum Bewußtsein gebracht werden, und er bediente sich folglich der ihm, dem H o f prediger, ja wohlvertrauten Mittel der Predigt. Da er seine Beispiele (Exempla) fast ausschließlich dem Leben Caesars entnahm, ergibt die Serpent auch eine Vita Caesars; der Struktur nach ist es aber keine Chronik, sondern eine Predigt oder ein nach Predigtmuster aufgebauter Traktat. Die rein historischen, bloß berichtenden Stellen werden von Lydgate in Kürze, 'compendiously', abgetan, die zahlreichen Episoden spielen die Rolle von Exempeln, 17) p. 2 f. der genannten Ausgabe 'haphazard selection of such details as interested the writer from half a dozen works', 'singular want of proportion'.
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alles ist in irgendeiner Weise ein Kommentar zum Thema. Das Werklein zeigt, wie die politische Propaganda aus dem Geiste und der Form der Predigt heraus wächst. Das herkömmliche Schema der Predigt 18 ) weist eine Fünfteilung auf: Thema, Prothema, Introductio, Divisio, Discussio, wobei das Thema nadi jedem der genannten Abschnitte wiederholt wird. Diese Wiederholung ist in der Serpent überdeutlich. Lydgate beginnt mit einer kurzen Entwicklung der römischen Geschichte von Romulus bis zum Triumvirat Pompejus, Caesar, Crassus, nicht um der Geschichte willen, sondern um schnell zum Triumvirat zu kommen und damit Grund zur Verkündigung des Themas zu haben: 'and thus all the while they weren of oon herte and of oon assente and voide of variaunce withinne hemselfe, the noblesse of rome flowred in prospérité; but als sone als fais covitise broughte inne pride and vayne ambicion, the contagious Serpent of Division eclipsed and appaled theire worthiness; concluding sothly as in sentence, that every kingdome bi division is conveied to his distruccion 19 ).' Das folgende ist angeschlossen durch den Satz: 'Liehe as this litill story compendiously shall divise.' Es folgt nun 'briefly' die Schilderung von Caesars Entsendung nach Norden, seine Eroberung Britanniens und der Bericht von König Cassibelan, denn für sein Prothema (das einen Aspekt des Hauptthemas entwickeln soll) braucht Lydgate eine andere Autorität. Eingeleitet durch die Formel, daß nicht nur im Königreiche, sondern auch in den Provinzen Uneinigkeit verderbliche Folgen hat, und unter Berufung auf Eusebius kann dann, nach anderen Quellen, die Rückberufung Caesars durch Pompeius und seine Weigerung erzählt werden, was nun die erforderliche Wiederholung des Hauptthemas gestattet. Nun muß die Introductio folgen, in der die Aufmerksamkeit zu erregen und der Zweck des Autors klarzumachen war. Ersteres geschieht durch die anschauliche Sdiilderung eines Triumphzugs (nach dem 'Polychronicon'), letzteres durch den überleitenden Gedanken, daß Caesar der Triumph verweigert wurde, was (nach Lucan) der hauptsächlichste Grund des Bürgerkriegs war und der Beginn der 'division' (womit das Hauptthema in Erinnerung gerufen ist). Nun folgt das Kernstück der Thema-Divisio mit der charakteristischen Dreiteilung. Dies war durch eine Autorität zu sichern, und so beruft sich Lydgate auf Lucan, obwohl dieser nicht die Dreizahl der Gründe aufführt. Es ist also wohl Lydgates dem Predigtmuster folgende Konstruk18) Vgl. W . O. Ross: Middle English Sermons, EETS. OS. 209. 19) MacCrackens Ausgabe p. 29,25-50,9. Ähnlich wird in der Predigt N r . 39 die Geschichte v o m brennenden Dornbusch erzählt und aus ihr dann das Thema entwickelt: 'So it may f u l l y than be concluded as a trouthe {>at . . (Ross, p. 222).
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tion, daß der Bürgerkrieg dreifach begründet war: necessarie (nachgewiesen durch das Beispiel der Natur), consuetudinarie (nachgewiesen am Fortunarad), voluntarie (das heißt gegründet auf den falschen und irregeleiteten Willen der Beteiligten). Alles folgende dient der Beleuchtung dieser drei Gründe, besonders des letzten. In dieser Discussio spielt das Exemplum eine große Rolle; dahin gehört die Caesar durch die alte Frau erteilte Warnung, der Beridit vom angeschwollenen Rubicon (eine Warnung der Natur), die Pferdeschwanzgeschichte, die zahlreichen Zeichen und Warnungen der Götter - jedes dieser Kette von Exempla ein 'evident tokyn of the sodeyne myschefe of deuysion', während die Darstellung von Caesars Siegeszug mit dem Hinweis, daß er die Regierung 'hooly undevided' übernahm, das Thema von der anderen Seite her beleuchtet (Macht der 'unite'). Alle diese Gesdiiditsbilder dienen nicht einer Lebensdarstellung Caesars, sondern der Beweisführung Lydgates, was die abschließende Exhortatio nochmals betont: jedermann soll auf die Wandelbarkeit der Welt acht haben, und die Machthaber sollen aus den gegebenen Beispielen die Gefahren der Zwietracht erkennen. Lydgates 'Serpent of Division' ist also kein formloser historischer Bericht, sondern ein sorgfältig nach dem Muster der Predigt aufgebauter Traktat. Der Sorgfalt des Aufbaus entspricht die Sorgfalt der Sprache. MacCracken muß zugeben, daß sich die anscheinend formlos langen Sätze überraschend gut laut lesen, daß der Sinn überall klar ist und die Wortwahl im Vergleich zu anderen Prosawerken der Zeit höchst anerkennenswert, ja elegant sei. Daraus geht schon hervor, daß Lydgates Prosa sich der neuen Predigtart anschließt, die sich weniger an Ungebildete als an ein anspruchsvolles Publikum richtet, das sprachliche Form zu würdigen weiß. Vergleicht man nun die Prosa der Serpent of Division mit ähnlichen Predigtstellen der Zeit 20 ), so zeigt Lydgate (etwa im Kernstück der Thema-Divisio) schon durch die vielfachen mythologischen Anspielungen eine humanistisch zu nennende Rhetorik, die über die übliche Predigerrhetorik hinausgeht. So kommt Lydgate einige Bedeutung zu bei der Wiederbelebung des Englischen gegenüber dem Latein. Lydgate versucht, wenn auch gemäßigt, dem Bestreben der Frühhumanisten in der englischen Sprache nachzueifern. Er erweitert die Umgangssprache vor allem durch die (im Vergleich zur zeitgenössischen Predigt recht auffälligen) Wortpaare. Das ist am deutlichsten erkennbar bei der Spezifizierung der drei Kriegsgründe, wofür die Lucanstelle, wie erwähnt, nur die Anregung bot. Da jedoch nur ein einziges und nicht gerade umfängliches Prosawerk von Lydgate vorliegt, kann seine Bedeutung und sein Ein-
20) Vgl. z. B. Ross (op. cit.) p. 95.
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fluß als Prosaiker nicht mit der Bedeutung und dem Einfluß seines dichterischen Werks verglichen werden 2 1 ). Lydgate hat die in seiner Prosaschrift gegebene Warnung in weniger verhüllter Form in einem Gedicht wiederholt. Es ist ein (wohl in dieselbe Zeit gehöriges) Gebet A Praise
of Peace22)
betitelt, das indessen weniger eine
geistliche als eine politische Epoche des Dichters einleitet. Lydgate war ein von Krone, Adel und Bürgertum gesuchter Dichter geworden. In den folgenden Jahren traten die klösterlichen Bindungen zurück, und der weltliche, aber bescheidene Mönch wurde wohl wider Willen zu einer im öffentlichen Leben angesehenen Persönlichkeit. Die Zeit, die für den Dichter fortdauernden Aufstieg bedeutete, war zugleich die Zeit, in der sich die Rosenkriege vorbereiteten. Bedrückt von diesen unheilvollen Ahnungen predigt Lydgate in dem zur Rede stehenden Gedicht in 24 Balladenstrophen mit reichem allegorischem und gelehrtem Aufwand über die Segnungen des Friedens. Das Wort P a x enthält die Friedensstifter Prudentia, Auctoritas und
XQUTTOQ.
Misericordia, Equitas und Caritas treten auf; die sieben Tochter des Heiligen Geistes sowie Diogenes und Socrates werden als Freunde des Friedens angerufen. Dann folgt ein Überblick über die Kriege von der Bibel bis zur Gegenwart, der in ein beschwörendes Gebet ausmündet: der gute Ritter Heinrich V . starb auf seinem Siegeszug, möge Gott uns nach seinem Tode Frieden zwischen den Parteien senden, den Frieden, um dessentwillen Christus sein Leben gab. Dies Gebet, das einer im englischen Volke zunehmenden Stimmung Ausdruck gab, entsprach vor allem den Empfindungen Katharinas von Valois, der 21jährigen Witwe Heinrichs V . , die Lydgate als Friedensvermittlerin begrüßt hatte und die nun als ohnmächtige Zuschauerin einer sorgenvollen Zukunft entgegensah. Fortan wird die Beziehung zwischen dem Poeten und geistlichen Berater Lydgate und seiner königlichen Gönnerin enger. 21) Die Ausführungen über die Prosa des 15. J h . [R. W . Chambers: The Continuity of English Prose, E E T S 186; H . S. Bennett in: Chaucer and the 1 5 t h Century, p. 177 u. in: R . E . S. 21 (1945) p. 257 ff.; H . C . W y l d : Aspects of Style and Idiom in 1 5 t h Century English in: Essays and Studies 26 (1940)] gehen kaum auf Lydgate ein. 22) M. P. p. 785, desgl. in: Wright: Political Poems and Songs II, 209 ('Prospect of Peace'). K . H . Vickers: Humphrey Duke of Gloucester, Lo. 1907 bezieht dies Gedicht auf die Ereignisse von 1 4 4 3 : 'He welcomed the attempts at peace in 1443'; (p. 390). - Vgl. zu dem Gedicht die Geschichte der vier Töchter Gottes in der Deguileville-Übersetzung, Kap. 16 s. u. S. 103.
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Zweiter Teil 11. Lydgates
Prior at in
Hatfield
Dank seiner Beziehungen zum H o f , die schon in einer Landverpachtung " ) Ausdruck fanden, wird Lydgate auch die Stelle eines Priors in Hatfield erhalten haben, womit ein neuer Abschnitt seines Lebens beginnt. Diese Ernennung fand im Juni 1423 statt 2 4 ) und brachte Lydgate in die N ä h e von "Windsor, wodurch seine Bindung an den H o f und folglich seine weltliche Rolle betonter wurde. Hatfield Regis 2 5 ) oder, wie es heute heißt, Hatfield Broadoak (Essex) liegt etwa ebenso weit nordnordwestlich von Windsor wie Windsor westlich von London. Die Priorei
26
) war von Aubrey de Vere
im 12. Jh. als Ableger (cell) der Abtei St. Melaine in Rennes gegründet worden. Unter Robert de Vere, der sich 'primus fundator' der Priorei von Hatfield nennt und dort begraben ist (f
1221) scheint die Priorei
von St. Melaine unabhängig geworden und in Verbindung mit Bury St. Edmunds gekommen zu sein. Die Besetzung dieser 'cells', deren es gerade in Essex viele gab, hatte der Abt der zugeordneten Abtei unter sich, im Falle Lydgates also William von Exeter (Abt von 1415-29). Nach der üblichen Annahme war Lydgate 11 Jahre lang Prior von H a t field Regis, von 1423 bis 1434 in welchem Jahr er (am 8. April) vom Prior Johannes die Erlaubnis erhielt, nach Bury St. Edmunds zurückzukehren 'propter frugem melioris vitae captandam 27 ). Diese Angaben bedürfen einer 23) 21. Febr. 1423. Vgl. die Kap. 23 angeführten Urkunden. - Laut Proceedings of the Privy Council, ed. H . Nicolas III, 41: 'dimittantur, modo ad firmam dompno Johanni Lidgate et Johanni de Tofte monachi, Johanni Glaston et Willelmo Malton Cappellanis ad nominacionem prefati Radulphi Rocheford . . 24) Nach Tanner vgl. Schick: Vorrede zur Temple of Glas-Ausgabe S. 92. (Nadi anderen Angaben soll die Ernennung bereits 1421 erfolgt sein.) 25) Über Hatfield Regis vgl. Dugdale (1846) IV, 432; Victoria County History: Essex II, 107 und History of the Priory at Hatfield Broad Oak ed. G. Alan Lowndes (Trans. Essex Arch. Soc. II New Series Colchester 1884) p. 117-52. p. 146 f,: 'John Lydgate was the next prior, named in a deed from John Clerk, Simon Doom, Richard Garden and Thom. Goos. This is the only deed in which Prior Lydgate is named and he only appears in the court rolls as being fined for a trespass by his cattle, for not repairing a fence, and not having a ditch secured . . . among the witnesses John Derham who succeeded him as prior. . . The date of his [Lydgates] appointment is uncertain and so the date of his resignation (before 1434 when Edw. Confield is mentioned in a deed as Prior).' Vgl. audi Dom. D. Knowles: The Religious Houses of Medieval England. Lo. 1940 und D.N.B..: Vere, Earl of Oxford. 26) Auf der Karte Anglia Monastica in Medieval England (Fig. 270) sind nur die Abteien vermerkt, nicht die Prioreien. Audi aus der Cambridge County Geography vol. Essex ist nichts Näheres über Hatfield Broadoak zu entnehmen. 27) So Tanner und die handschriftliche Anmerkung in Tyrwhitts Exemplar von Waylands Fall of Princes. Die Dimissio aus dem Registrum Will. Curteys [gedruckt in A. Hortis: Studj sulle opere latine del Boccaccio p. 641 Anm. 2] lautet:
11. Lyd gates Prior at in
Hatfield
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Beriditigung. Die uns vorliegende Liste der Prioren von Hatfield 2 8 ) weist leider eine Lücke auf zwischen 1395 (Prior 'William Gulle) und 1430 oder 1432 (Prior John ['Johannes'] Derham). Schon danach ist das elfjährige Priorat Lydgates zweifelhaft 2 9 ); vermutlich wohnte Lydgate nur 1423 bis 1426 in Hatfield, anschließend ist er, wohl im Gefolge des Königs oder der hohen Staatsbeamten, in Paris bezeugt, woselbst er einige Jahre - vermutlich bis zur Königskrönung Heinrichs im Jahre 1429 - verweilte. 1429 bis 1434 war er wohl in London, Windsor und Bury St. Edmunds, worauf er (weil nur nominell zu Hatfield gehörig und de facto in Bury weilend) mit der genannten Dimissio die offizielle Bestätigung eines tatsächlichen Zustandes erhielt. Man möchte vermuten, daß dies auf Grund eines Antrags von Lydgate geschah und daß die vom Abt in seinem Brief gewählte Formulierung von Lydgate stammt. Die von Lydgate während der elf Jahre von 1423 bis 1434 bekleidete Würde eine Priors von Hatfield ist demnach als eine Sinekure zu betrachten, und die eigentliche Hatfield-Epoche, in der Lydgate tatsächlich dort weilte, ist 1423-26 zu datieren. Was von Lydgates Dichtungen dieser Epoche angehört, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Vielleicht ist schon der eine oder andere Maskenzug in diese Zeit zu setzen, wahrscheinlich noch einige religiöse Gedichte, die seiner hohen Fürsprecherin, der Königinmutter Katharina, gewidmet sind, der er eine Art geistiger Berater gewesen sein muß. Als Gelegenheitsgedicht für den 14. Februar, den Valentinstag, verfaßte Lydgate für Katharina
Dimissio Johannis Lydgate Monachi ab obedientia/Prioris de H a t f e l d . Ex Registro Willi Curteys Abbatis 1 . . . Johannes Prior Prioratus de H a t f e l d Brodoke Ordinis Nigrorum Monachorum, Londonensis dioceseos, fratri Johanni Lydgate Commonacho et confratri nostro, salutem et sinceram in D o m i n o caritatem; Licet in Prioratu nostro praedicto Habitu Regulari aliquandiu fueris conversatus, tarnen cum, ut asseris propter frugem melioris vitae captandam, ex certis causis veris et legitimis conscientiam tuam in hac parte moventibus, ad Monasterium de Bury Sancti Edmundi, in quo dictum dudum ordinem legitime et expresse fueras professus, r e g r e s s u m h a b e r e prop o n a s ; N O S qui commissarum nobis animarum salutem ferventi desiderio peroptamus, ut ad dictum Monasterium vel alibi in loco ejusdem religionis congruo et honesto, sumptis pennis cum Maria contemplationis libere valeas convolare licentiam in D o m i n o tibi concedimus specialem. [Gesperrte Stelle v. V f . ] In cuius rei testimonium praesentibus sigillum nostrum commune apposuimus. D a t . apud H a t f e l d predict. V I I I 0 die mensis Aprilis, Anno Domini Millesimo quadringentesimo tricesimo quarto. 28) In Dugdale: Monasticon Anglicanum IV, 433. 29) Auch Schidc, Einl. zu Temple of Glas S. 92 nimmt an, daß Lydgate das Life of St. Edmund 1433 in Bury St. Edmunds schrieb und daß er Heinrich V I . 1433 dort sah.
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Zweiter Teil
A Valentine to Her that excelleth allm) in 20 kunstvollen, denselben cReim refrainartig durchführenden Chaucerstrophen. Entsprechend dem Brauch der Liebeswahl am Valentinstag wählt auch der Dichter und überblickt dabei in einem Katalog die Vorzüge der in Dichtung, biblischer und weltlicher Geschichte eine Rolle spielenden Frauen, um jeweils zu schließen: 'But I love oon whiche excellijje alle'. Es ist die Heilige Jungfrau. Nach einem Bericht über ihr Leben und Beschreibung bedeutender Heiliger schließt er mit einem zweistrophigen Envoy an die Köngin Katharina, die seine Liebeswahl bekräftigen soll. Möge Maria die Königin und ihren Sohn Heinrich VI. schützen! - Das Gedicht ist seinem Wesen nach ein Huldigungsgedicht an die 'noble pryncesse, braunche of flour-de-lys', dem der religiöse Einschlag feierliche Weihe gibt. In die gleiche Zeit, vermutlich zwischen 1423 und 1426 31 ) entweder in Hatfield oder erst in Paris entstanden, gehört die erbauliche und patriotische Geschichte des Guy of Warwick32); Lydgate verfaßte sie als Ahnengeschichte auf Bestellung von Margarete, Countess of Shrewsbury, Lady Talbot. Die in 74 Balladenstrophen erzählte Legende von dem ritterlichen Pilger, der durch himmlische Fügung in der Stunde von Englands Not heimkehrt, den dänischen Riesen Colbrand besteht und dann wieder ein Pilgerleben führt bis zu seinem seligen Tod, verliert in Lydgates Fassung allen Reiz. In dem alten Versroman desselben Titels fesselte die Abenteuerfülle des um seiner Feiice willen gegen die Sarazenen und den Sultan kämpfenden Ritters; die Kampf Schilderungen hatten etwas Aufregendes, und die asketische Note des Frau und Ruhm verlassenden Pilgers war zugleich überraschend und wunderbar. Lydgates Haltung war nicht die des fabulierenden Versromandichters, er wollte geschichtliche Wahrheit und beruft sich ausdrücklich auf eine 30) So betitelt von MacCracken M. P. 304 (ibid p. X X X 'to Her I Love Best of All'). O. Mahir in seiner sorgfältigeren Ausgabe einiger religiöser Gedichte Lydgates, Berlin o. J. [1910. 1915], betitelt es: 'A Poem on St. Valentine's Day.' Als Datum gibt Mahir 1422/29 an. 31) Die Forschung pflegt ein frühes Datum anzunehmen, 1423 oder gar 1420, doch dürfte es sich empfehlen, das Werklein in zeitliche Nachbarschaft zum 'Pedigree' (Kap. 15) zu stellen. 32) Von Lydgates Dichtung liegen zwei Texte vor, gedruckt von Zupitza, Wiener Akademieschrift 1873 S. 623 ff. und von F. N . Robinson in: Harvard Studies and Notes V (1896) p. 197 ff., ferner in M. P. p. 516. (Teildruck in Zupitzas altund mittelenglischem Übungsbuch.) - Robinson wendet sich gegen Zupitzas Datierung (um 1420) mit dem Satz: 'It was written at the request of Margaret Countess of Shrewsbury . . . so that it cannot have been earlier than 1442' (Margaret heiratete John Lord Talbot and Furnival 1438/9; er wurde 1442 zum Earl of Shrewsbury erhoben). Diese Folgerung ist nicht beweiskräftig, da die Bemerkung über das Patronat im MS. nicht von Lydgate stammt und naturgemäß auf den späteren, erhöhten Rang der Patronin Bezug nimmt.
11. Lydgates
Priorat in
Hatfield
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historische Quelle: die lateinische Chronik des Gerardus Cornubiensis 3S ). Er folgt dem Gang der Chronikerzählung im allgemeinen getreu, kürzt lediglich das Lokalinteresse der Chronik und erweitert sie andererseits durch Weitschweifigkeit, Wiederholung, Wortreichtum, mythologische und biblische Anspielungen, Einführung von Naturbildern und Erwähnung von Gemütsbewegungen. Zu den selbständigen Zusätzen gehören ein längerer Exkurs (Str. 5-11), das Gebet König Aethelstans (Str. 27/8) und der Schluß (Str. 73/4). Der Exkurs - es ist die am stärksten rhetorisch gefärbte Stelle des Gedichts - schließt sich an die Schilderung der Kriegsgreuel der Dänen an und läßt im Gegensatz zur Chronik den folgenden Bericht in didaktischmoralischem Licht erscheinen. Gott, sagt er, ist gnädiger in seinen Strafen als Tyrannenherrschaft, die nur Blut vergießen kann. Ebenso ist das Gebet Aethelstans im Lydgatesdien getragenen Anrufungsstil gehalten, und der Schluß bringt den üblichen Bescheidenheitstopos. Der Guy of Warwick wird allgemein als ein Musterbeispiel für Lydgates schlechtesten Stil hingestellt. Es ist kaum eine Dichtung, aber aus einem Vergleich mit der Quelle geht Lydgates eigene Auffassung des Stoffes hervor, die uns an Gedanken der 'Serpent of Division' und an den 'Pedigree' Heinrichs VI. erinnert. Gerechterweise wird man also - wie es die Übernahme in die führenden Chroniken des 16. Jh. (Fabyan und Graf ton) bezeugt - die Guy of Warwick-Dichtung als ein Stück Zeitgeschichte betrachten. Lydgate rückt den König in den Vordergrund; sein Hauptanliegen ist die Errettung der monarchischen Institution. Man muß das Werklein also vor dem historischen Hintergrund sehen, und eine solche Betrachtung wird zugleich für des Dichters Biographie von Bedeutung. Lydgates Aufftraggeberin 34 ) Lady Margaret Talbot gehörte einem der vornehmsten Adelsgeschlechter Englands an. Sie war die älteste der drei Tochter von Richard de Beauchamp, fünftem Earl of Warwick (1382-1439) aus dessen zweiter Ehe 35 ) mit Elisabeth, der Tochter von Thomas, Lord Berkeley. Sie heiratete 1433 John Talbot, first Earl of Shrewsbury (1388-1453) 36), der im Jahre 1427 ihrem Vater in 33) abgedruckt in Archiv 146 (1923) S. 4 9 - 5 2 . 34) 'Here nowe begynne]) an abstracte oute of f>e Croniclis in latyn made by Gyrarde Cornubyence f>e w o r p y croniculer of westsexse 7 translated in to Englisshe be lydegate daun Johan at J)e requeste of margarite Countas of Shrowesbury Ladye Talbot fournyual and Lysle of the lyf of J)t moste worthy knyght G u y of Warwike of whoos blood shee is lyneally descendid.' 35) John, Earl of Warwick stammte aus der ersten Ehe Richards de Beauchamp mit Maud. 36) Über Margaret vgl.: Letters and Papers illustrative of the Wars of the English in France ed. J. Stevenson und Chronique of Wavrin (Waurin); beide in Rolls Series.
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Zweiter
Teil
Frankreich zur Unterstützung zugewiesen und von Bedford zum 'governor' von Anjou und Maine ernannt wurde, dann aber in französische Gefangenschaft geriet, aus der er erst 1433 ausgetauscht wurde. Wir wissen nicht viel von Margaret Talbot; sie wird lediglich als Begleiterin der Königin Margareta 1445 bezeugt. Am 14. Juni 1467 ist sie gestorben. Der Grund der Beauftragung Lydgates mag eine Aufmerksamkeit ihrem Vater gegenüber gewesen sein, von dem wir wissen, daß er seine Abstammung von dem legendären Guy of Warwick betonte, und dem ein Abgesandter des Sultans im heiligen Lande (also 1408-10) von der in ihrer Sprache aufgezeichneten Geschichte seines Ahnherrn erzählt haben soll"). Zweifellos fiel Lady Margarets Wahl deshalb auf Lydgate, weil ihr Vater ihn beschäftigte und patronisierte. Zweifellos ist es auch Beauchamp zu verdanken, daß dessen dritte Gattin Isabella, die Tochter von Thomas, sechstem Lord le Despenser und seiner Gattin Constanze, bei Lydgate die Übersetzung der 'Fifteen Joyes of our Lady' aus dem Französischen in Auftrag gab ®8).
12. Lydgates
Satiren
Der Dichter, dem man solche Aufgaben stellte und den die Stilkunst Chaucers ideal dünkte, mußte naturgemäß dem der höfischen Dichtung ebenbürtigen Zweig der niederen oder Alltagsliteratur ferner stehen. Doch war die satirische Gattung damals so beliebt und selbstverständlich - wie der Welterfolg des NarrenschifFs beweist - , daß sich auch Lydgate darin betätigte, obwohl seiner milden und bescheidenen Art weder die Schärfe noch der Witz des echten Satirikers zu Gebote stand. So borgte er den gallischen Kunstgriff einer Schilderung durchs Gegenteil - 'per antiphrasim', wie es die Rhetorik nennt - und übersetzte z. B. des 'plus grande poetycal Clerk du Parys' Versicherung, daß alles in der Welt zum besten bestellt sei und vorwärtsgehe - wie der Krebs"). Er malte in ähnlicher Weise aus, wie alle Stände vorbildlich lebten, rechtschaffen und gerade - wie eines Widders Horn 4 0 ). Bedeutsamer als diese durch den witzigen Refrain wirkenden Kleinigkeiten ist die lebendige Beschreibung des Narrenordens 41), ein Allerwelts37) Warton: Hist. of Engl. Lit. Sect. III, 1. 38) 'Translated out of Frenshe into Englishe by daun John the Monke of Bury at instance of {je worshipfull Pryncesse Isabelle nowe Countasse of Warr lady Despenser.' 39) So as the Crabbe Goth Forward M. P. 464 (mit dem französischen Original), 7 Balladenstrophen. 40) Ryght as a Rammes Hörne M. P. 461, 7 Balladenstrophen. 41) The Order of Fools M. P. 449, 24 Balladenstrophen.
12. Lydgates
Satiren
thema, das Lydgate vermutlich aus der französischen
81 42
) in die englische Li-
teratur einführte. Möglich, daß der Pariser Aufenthalt Lydgate wie für den 'Dance Macabre' so auch für diese und andere satirische Gedichte den Anstoß gab. Der Dichter fingiert einen Orden von 63 Narren, den Marcolf einst unter Bacchus und Venus gegründet. Eine lange Reihe von Narren wird im jeweiligen Refrain verwünscht. Ausgehend von dem Hauptnarren, dem Verächter der göttlichen und kirchlichen Gebote, geißelt er in buntem Durcheinander
Verschwendung,
Heuchelei,
Unschicklichkeit,
Einbildung,
Habgier, Schmeichelei, Wortbruch, Leichtgläubigkeit, Streitsucht, Unmäßigkeit, Faulheit und ruft zum Schluß nochmals Gottes Fluch auf diese Bruderschaft der Narren herab. Diese bei einer summarischen Zusammenfassung betonte Begrifflichkeit stört nicht in der Dichtung, deren Anschaulichkeit und Wirklichkeitsnahe die Vorzüge der Narrenschiffliteratur zeigt. So lebendig wie das früher Lydgate
zugeschriebene Gedicht 'London
Lick-
penny 4 3 )' ist der Narrenorden nicht, dafür ist er zu allgemein gehalten, auf jeden Ort und für jede Zeit passend. Weniger allgemein sind einige die Bestrafung betrügerischer Müller und Bäcker am Pranger beschreibende S t r o p h e n " ) , die vielleicht der Reminiszenz des Dichters, daß sein Kloster durch solch unredliches Verfahren Schaden genommen, ihre Entstehung verdanken. In der prächtigen Geschichte von dem faulen Knecht Maymond " ) hat Lydgate, der weniger Erfinder als Gestalter war, mit Nutzen auf eine lateinische oder französische Quelle zurückgegriffen
46
); er hat sie aber lokal gefärbt und zu einem englischen Cha-
rakterbild umgestaltet. Maimund ist J a k Hare geworden, der liederliche Roßbub, der faul in den Tag hineinschläft, aber immer dabei ist, wo es ein Gelage gibt; er betrügt den Herrn auf jede Weise, besonders indem er das für die Pferde bestimmte Futter verkauft und das ergatterte Geld zu Würfelspiel und Bier verwendet. Dann, betrunken heimkommend, stört er seine Kameraden durch Schnarchen und Unanständigkeiten. Die im echten Narrenschiffstil gehaltenen Derbheiten finden sich nur in einigen zusätzlichen Strophen, so daß man zweifeln kann, ob sie auf Lydgates Rechnung kommen. Aus dem gleichen Grunde muß man wohl die witzigsten und derb42) Vgl. das anglonormannische Gedicht 'Ci cummencent Les Trente-Sis Mestres Folies' (im MS. heißt Lydgates Gedicht ' A Tale of Thre-score folys and Thre'). 43) Annotierter T e x t und Bibliographie in: E . P . Hammond: Engl. Verse between Chaucer and Surrey (a. a. O.) p. 237 if. 44) [Ballad] Against Millers and Bakers. M. P . 448, 3 Balladenstrophen. 45) Jak Hare, M. P . 445, 7 Balladenstrophen (mit 3 Zusatzstrophen). 46) Die Geschichte von Maymundus in der 'Disciplina Clericalis' bzw. das normannische Gedicht 'De Maimound mal esquier'. S c h i r m e r , Lydgate
82
Zweiter
Teil
sten der unter Lydgates Namen gehenden Satiren - die Geschichte des alten Dezember und der jungen Mai 47 ) und die Beschreibung der korpulenten Schönen in 'Hood of Green 48)' - Lydgate absprechen und einem Anonymus zuschreiben. Audi die Ballade 'Warning men to beware of deceitful women 49 )', in der man eine Anspielung auf Lydgates großen Patron Humphrey sehen wollte 50 ), wird kaum zum Lydgate-Kanon gerechnet werden können. Wenn Lydgate einen derartigen Stoff handhabt, so dämpft er, wie in der gekürzten und blassen Map(es)-Übertragung Die Leiden einer bösen Ehe 51 ) oder in der überraschenden und wohl der Frühzeit angehörigen Ballade auf eine Schenkmagd 52 ) in Canterbury, deren Liebesunbeständigkeit er mit Griselda, Lukrezia und Penelope kontrastiert und im Tone der höfischen Complaints beklagt. Der kedke Vagantenton war nicht Lydgates Sache. Wenn er die Unbeständigkeit der Frauen per antiphrasim 53) satirisiert, so wird daraus eine zarte und fast elegante Kleinigkeit oder eine kleine Predigt, die nur durch den beschwingten Gang der Kurzzeilen vor Schwerfälligkeit bewahrt wird "). Die gewichtigeren, zur Brandmarkung weiblicher Treulosigkeit aufgeführten Exempla 55 ) borgen Strophen aus dem 'Fall of Princes' und übernehmen damit eine Feierlichkeit, die dem satirischen Zweck wenig angemessen ist. Lydgate kannte keine Entrüstung, er war kein Eiferer, sein Ton ist mehr der eines väterlichen Beraters. Das zeigt ein Gelegenheitsgedicht satirischer Art, das als eines der besten gelten muß, gerichtet gegen den hörnerähnlichen modischen Haarschmuck der Frauen, der damals in England und Frankreich beliebt war 5 6 ). Hier wird die Quellenfrage nebensächlich"), 47) 'Advice to an old gentleman who wished for a young wife' (alias: 'Prohemy of a Marriage'), abgedruckt in: J. O. Halliwell: Minor Poems of Lydgate. Lo 1840 (Percy Soc.) p. 27. 48) 'A satirical description of his Lady' (alias: 'Hood of Green') in: Halliwell (siehe oben) p. 199. 49) Skeat's Chaucer vol. V I I : Chaucerian Pieces Nr. X I V . vgl. M. P. p. X L I X . 50) K. H . Vickers: Humphrey, p. 335. 51) Payne and sorow of Evyll Maryage. M. P. 456. 22 Chaucerstrophen nach W. Maps 'De conjuge non ducenda' (in: Th. Wright: The Latin Poems attributed to W. Mapes, Lo. 1841 [Camden Soc.] p. 77; frz. Ubersetzung ibid. p. 292). 52) Ballade on an Ale-seller. M. P. 429, 11 Chaucerstrophen (die letzten beiden brudistückhaf t). 53) Ballade per Antiphrasim. M. P. 432, 4 Balladenstrophen (die letzten beiden bruchstückhaft). 54) [Beware o f ] Doublenesse. M. P. 438, 13 Balladenstrophen (in vierhebigen Versen). 55) Examples Against Women. M. P. 442, 15 Chaucerstrophen. 56) Horns away. M. P. 662; E. P. Hammond: English Verse ( a . a . O . ) p. 110; Neilson and Webster: The Chief British Poets of the 14«h and 15 t h Centuries
12. Lydgates
Satiren
83
denn die behäbige bürgerliche oder hausbackene Eleganz, die gelehrten K a taloge und Anspielungen und der milde, eher lächelnde als verletzende Ton des englischen Gedichts zeigen uns einen echten Lydgate, echt auch in dem Reichtum der sprachlich-metrischen Gestaltung. D e r Dichter fängt sentenziös an mit der Erinnerung, daß alle wahre Schönheit nur von G o t t und der N a t u r ausgehe und alles andere Flitterkram und nichts wert sei. Die D a m e N a t u r in des Alanus ' D e planctu naturae' habe keine Hörner, und auch die Dichter der Antike berichten nichts dergleichen von den berühmten Frauen ihrer Zeit, von Helena, Penelope, Polyxena und Lukrezia. H ö r n e r gehören zu wilden Heren, nicht zu zarten Frauen. Die edlen Damen möchten durch seine Worte nicht gekränkt sein, sie möchten mit gutem Beispiel vorangehen und die H ö r n e r ablegen, denn die größte Tugend ist die Demut, wie die Mutter Gottes beweist, die ein einfaches Kopftuch trug. Anderer A r t ist das künstlerisch bedeutsamere Stück von Zweihorn und Magerkuh 6 8 ), das thematisch demselben Kreis der humorvollen
Frauen-
satire angehört, formal jedoch zu den dramatischen Maskenzügen zu stellen ist oder den Bildgedichten, die der Totentanz einführte. Bycorne (Bigorne) und Chichevache (Chi[n]diefache) sind Fabelungetüme, die man sich nach des Dichters Worten bildhaft dargestellt denken kann, während der vom Dichter vorgetragene Text die Darstellungen e r k l ä r t 5 9 ) . D e r Brauch, Gobelins oder Wandbilder mit Versen zu begleiten, war allgemein und fand im Totentanz seine bekannteste Ausprägung. Anderseits ist wie im Totentanz so auch bei dem vorliegenden Stück das dramatische Element so stark, daß zumindest die Möglichkeit einer wirklichen Aufführung mit
verschiedenen
Sprechern gegeben ist. Wahrscheinlich ist es wie bei den Mummings ein pantomimischer Aufzug gewesen, den der vorgelesene Begleittext erläutert 8 0 ). p. 222. 9 Balladenstrophen - vgl. A. Abram: Social Life in the 15th Century. Lo. 1909, p. 150 f. (Parlamentsdebatten und Gesetzesbestimmungen gegen Kopfputz und Kleidermode der Frauen.) 57) Ein 'Dit des Comètes' (in: Jubinal: Jongleurs et Trouvères p. 87), ähnlich bereits bei Jean de Meung. 58) Bycorne and Chichefache. M. P. 433; Hammond: English Verse ( a . a . O . ) p 113; Neilson and Webster: Chief British Poets ( a . a . O . ) p. 220; Dodsley's Old English Plays Lo. 1780 vol. 12. - Vgl. R. J. Menner: Bycorne, husband of Chichevadie in: Mod. Lang. Notes 44 (1929) 455-57. 59) 'fFirst f)ere shal stonde an ymage in poete wyse seying Jjees three balades.' 60) Darauf weisen die Worte: 'than shal be portreyed two bestis . . . then shall ther be a womman devoured in the mowthe of Chichevache . . . ' usw. Hammond (English Verse p. 114) nennt diese Bemerkungen 'directions for representing the figures', was man nicht gut als Anweisungen für den Maler (oder gar Teppichwirker, denn das Gedicht ist laut Untertitel 'Pe deuise of a peynted or desteyned clothe for an halle, a parlour or a chaumbre') auffassen kann. Diese Bildgedidite sind, wie Hammond bemerkt, noch nicht erforscht (sie verweist auf Mâle's L'art religieux und 6*
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Zweiter Teil
Nach einer Einleitung, vom Dichter in eigener Person gesprochen, führt er uns zwei Ungeheuer vor, deren jedes sich in längerer Rede dem Publikum vorstellt und seine besonderen Eigenschaften darlegt. Die weiblich zu denkende Bycorne ist dick und fett, weil sie sich von der großen Zahl der Pantoffelhelden nährt. Von diesen treten dann vier Vertreter auf und bezeichnen sich als Futter für das Maul der Bycorne. Das zweite Ungetüm, der männlich zu denkende Chichevache ist mager und ausgehungert, da er von der spärlichen Nahrung der gehorsamen Ehefrauen sein Leben fristen muß. Es erscheint auch nur ein einziges Eheweib, das wegen seines Gehorsams Chichevache zum Opfer fallen muß. Zum Schluß und zur Versöhnung der als herrschsüchtig satirisierten Frauen kommt noch ein alter Mann, der sich bitter über den Verlust seines getreuen, gehorsamen und ihm durch Chichevache entrissenen Eheweibes beklagt. Wie 'Horns Away' also eine milde und durch die Groteske ins Humorvolle gewendete Satire. Woher Lydgate die Anregung zu dieser in 19 Chaucerstrophen köstlich vorgetragenen Groteske nahm, steht nicht fest. Man wies auf den Envoy der Chaucerschen Clerkes Tale hin und auf französische Vorbilder, die sich indessen nicht genau bestimmen lassen. D a die Geschichte von den zwei Ungetümen schon zu Chaucers Zeiten bekannt war, dürfte es sich um ein in breiten Kreisen vertrautes Motiv handeln. Auch der als Besteller angeführte 'werf>y citeseyn of London' weist darauf hin und bezeugt übrigens das Echo, das Lydgates Dichtung auch in bürgerlichen Kreisen fand.
13. Lydgates
Maskenzüge
Solche Bildgedichte sind in die Nähe der 'Mummings' zu rücken 61 ). Diese für die spätere Geschichte des Dramas bedeutsamen Lydgateschen Maskeraden sind kurze Dialogszenen oder pantomimische Aufführungen, die durch einen vorgelesenen poetischen Text erklärt werden. Es sind also Vörformen des Dramas; eine gattungsgeschichtliche Darstellung und Einordnung läßt sich jedoch, beim heutigen Stand der Forschung, noch nicht geben, da die Gedie beiden Bücher von Jubinal über die Tapisserien, Paris 1838 und 1840, ferner auf ihren Aufsatz T w o Tapestry Poems by Lydgate in: Engl. Stud. 43 (1910/1) S. 10 ff.). - Daneben ist wohl hinzuweisen auf die lebenden Bilder, die bei Mysterien-Aufführungen und Königs-Einzügen in Frankreich schon seit Anfang des 14. J h . bezeugt sind, vgl. Kap. 13. 61) Meine Vermutung wird gestützt durch die von Shirley hinzugefügten Titel: ' P e fourome of desguysinges contreved by Daun Johan Lidegate', ' P e maner of Straunge Desgysinges', ' P e gyse of a right'. So transkribiert Hammond (p. 115) aus MS. Trin. Coli. Cambr. R. 3.20. MacCradcen (M. P. p. 433) liest: 'Pe couronne of disguysinges' und ' P e gyse of a mummynge'!
13. Lydgates
Maskenzüge
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biete der Masken 6 2 ), der Bildgedichte und der Königseinzüge 6 3 ) ineinander übergreifen, und da außer diesen Überschneidungen die Einflüsse der Mysterien-Aufführungen und der Streitgedichte, sowohl englischer wie französischer Tradition, beachtet werden müssen. Lydgates Bedeutung für das D r a m a liegt nicht zum mindesten darin, daß er diese verschiedenen Zweige und Einflüsse zusammenfaßte zu dramatischen Unterhaltungen, die für die Weihnachtsfestlichkeiten
'entertainments',
in einem der Königsschlösser
(Elt-
ham, Windsor, Hertford) oder für eine Festlichkeit der städtischen Behörden oder Gilden zur Aufführung in Festsälen oder im Freien bestimmt waren. Sie sind zu verschiedenen Zeiten entstanden, bilden aber gattungsmäßig eine Einheit. D e r Mumming
at Eltham64)
betitelte Maskenzug ist vielleicht der erste,
denn er kann mit den Weihnachtsfestlichkeiten im Schlosse Eltham im J a h r e 1424 in Beziehung gebracht werden
66
).
Das heute verfallene festungsartige Schloß 6 8 ) mit seinen Gräben und Zinnen, seinen Innenhöfen und 4 6 großen Zimmern besaß auch einen für theaterähnliche Aufführungen wie geschaffenen Bankettsaal, in dem nach Froissarts Bericht das Parlament gelegentlich tagte (1395). Es lag etwa zwei Meilen südöstlich von Greenwich, dessen Park es überschaute mit freiem Blick bis zu dem spitzen Kirchturm von St. Paul's und den fernen Türmen der Westminster-Abtei. D e r einstige Lieblingssitz von Richard I I . und Anna von Böhmen wurde von den drei Heinrichen zur Weihnachtszeit gern aufgesucht. D e r Elthamer Mummenschanz von Lydgate ist keine Theateraufführung im modernen Sinn. D e r kurze, nur 12 Chaucerstrophen umfassende Text mag von Lydgate selbst vorgelesen worden sein; von einer Überbringung der den Maskenaufzug erklärenden 'balade' durch einen Herold oder der62) R. Brotanek: Die englischen Maskenspiele, Wien und Leipzig 1902 (Wiener Beitr. z. engl. Phil. 15); A. Reyher: Les Masques Anglais, Paris 1909; E . Welsford: The Court Masque, 1927. 63) (King's Entries) Maßgebliche moderne Darstellung des ganzen Bereichs der 'pageantry': R. Withington: English Pageantry. An historical outline. 2 vols. Cambr. (Mass.) 1918. 64) M. P . 672; in Brotanek (a. a. O.) S. 9 ff und 305 ff. Brotanek datiert diesen Mummenschanz Weihnachten 1427/8 ohne überzeugende Beweise. Kingsford sagt: 'Lydgate had devised mummings for the amusement of the little king in 1424 and 1428.' 65) MS-Vermerk: 'Loo here bcgynnethe a balade made by daun John Lidegate at Eltham in Christmasse, for a momyng tofore J>e Kyng and Cwene.' 66) Eltham = eald-ham (old home). M.A.E. Green ( = Wood): Lives of the Princesses of England III, 335. Beschreibung mit Plan und Abbildung der Great Hall in: E . Hasted: History of Kent, 4 vols. Cant. 1778-99, I, 52. D. Lysons: Magna Britannica 6 vols. Lo. 1806-22, IV, 398; Archaeologica VI, 36&-71.
Zweiter Teil
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gleichen ist nicht die Rede. Der Text, der sich in den ersten 7 Strophen an den König wendet, stellt die auftretenden antiken Gottheiten Juno, Ceres und Bacchus vor und gibt eine Deutung ihrer durch Kaufleute überreichten Geschenke: sie bringen ruhmvollen Frieden, Fülle und Freude, wie es der Refrain besagt. Möglicherweise ist auch Mars aufgetreten, der nach den Versen verjagt wird in Anbetracht der Vereinigung der Länder England und Frankreich. Lydgate wendet sich dann an die Königin Katharina, die junge Mutter des späteren Heinrich V I . , der die auftretenden Gottheiten Leid und Sorgen abnehmen wollen und der sie als weiteres Geschenk die Liebe und Treue des Volkes überbringen. Nachdem die bei Nennung ihrer Namen einzeln zur Huldigung vorgetretenen Figuren sich wieder zum Zuge geordnet haben, entbietet der die Refrains der beiden Teile vereinigende Envoy dem königlichen Paare Lebewohl. Bemerkenswert ist dabei die Rolle des Vorlesers oder Erklärers, die einerseits an die Bildgedichte erinnert und an die lebenden Bilder bei den Königseinzügen, anderseits an den „Vorleser", der, wie man glaubte, dieTerenzkomödien rezitierte 67 ). Diese Rolle des Dichters hat Lydgate selbst ausführlich beschrieben im Trojaroman 8 8 ): AI J)is was tolde and rad of £>e poete. And whil f>at he in f>e pulpit stood, With dedly face al devoide of blood, Singinge his dites, with muses al to-rent, Amydde pe theatre schrowdid in a tent, P e r cam out men gastful of her cheris, Disfigurid her facis with viseris, Pleying by signes in |)e peples si3t, P a t [>e poete songon hath on hi^t;
Der Text des Maskenaufzugs ist für den modernen Leser nicht interessant; die renaissancehaft anmutende Idee, die antiken Gottheiten Bacchus, Juno und Ceres feierlich als Geschenküberbringer aufmarschieren zu lassen, wird insofern bedeutsam, als das von Lydgate (schon in diesem vermutlich ersten Aufzug) eingeführte allegorische Element fortan für die englischen Pageants kennzeichnend bleibt 6 0 ). Für Lydgate und die Zeit ist bezeichnend, daß sich 67) Über den Vorleser, Ansager oder Conferencier (dem wohl audi der Expositor der Chesterspiele entspricht) vgl. Creizenach I, 5 und die Abbildung bei P . Lacroix: Sciences et Lettres au Moyen Age, Paris 1877, p. 534 (Miniatur aus einer für Karl V I . angefertigten Terenzhandschrift aus dem Anfang des 15. Jh.). Nadi Creizenach, dem sich Chambers (Med. Stage I, 397) anschließt, ist diese Vorstellung vom Rezitator durch falsche Auflösung der Abkürzung *rec.' = recensor entstanden. 68) T r o y Book; II, 896 ff. 69) Vgl. Withington: Pageantry ( a . a . O . ) I, 136.
13. Lydgates
Maskenzüge
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sorgenvolle Tone einmischen: ' y o u r e rebelles whiche beon now reklesse'; man vermeint, die Anteilnahme des Dichters an den Sorgen der Königinmutter Katharina zu vernehmen, der er in dem Gedicht 'That now is H a y sometyme was Grase 7 0 )' Trost zugesprochen hat. Weniger feierlich als heiter ist das nicht genau datierbare, in der Form dem obigen verwandte, in 16 Chaucerstrophen abgefaßte Mumming at Bishopswood71), eine Unterhaltung, man möchte sagen, ein 'interlude' bei dem Bankett der Kreisrichter und hohen Verwaltungsbeamten, das am 1. Mai in Bishop's Wood stattfand 7i ).Bishop's Wood gehörte zum Besitz des Bischofs von London und lag damals weit außerhalb der Stadtgrenzen im heutigen East Finchley. Das Bankett trug den Charakter eines Picknicks: den auf einer Wiese Gelagerten wurden allerhand Unterhaltungen geboten. Eine davon war eine Begrüßungsszene, die Lydgate zum Verfasser hatte: eine'balade', wie es in der Überschrift heißt, d. h. eine auf einem großen Bogen oder Brief aufgeschriebene Dichtung, die ein Heroldspage, aus dem Wald in die Lichtung heraustretend, überbrachte. N u n liest der Page (oder ein Vorleser, dem er den Dichttext übergab) die dramatische Szene vor: Flora, die Blumengöttin, die alle Vegetation, alle Tiere und alle Menschen neu belebt, möchte die hier versammelten hohen Stände erfreuen und sandte zu ihrer Begrüßung ihre Tochter Veere, den Frühling. Der Vorleser zeigt auf die jetzt in phantastisch reichem Gewand auftretende Frühlingsgöttin, die mit abgemessenen Tanzschritten und Gesten den Text des Vorlesers begleitet. Vom Winter erlöst, tummeln sich die Vögel in lustigem Liebesspiel und singen den beginnenden Tag ein. Die Göttin des Frühlings bringt Freude und Wohlergehen: den Fürsten Sieg, den Rittern Ruhm, dem Volke Frieden. N u n malt die Dichtung das vom Frühling gebrachte goldene Zeitalter aus: der Winter der Unruhen wird vergehen, Blumen der Liebe und Knospen der Wahrheit und Einigkeit entfalten sich. Alle Stände bieten das Bild der Eintracht, vom Regierenden bis zum Arbeitenden erfüllt jeder getreulich seine Aufgabe. Die Kirche, der Lord 70) s.S. 175. 71) M. P. 668 und in: Sir H. Nicholas: Chronicle of London 1827. 72) Stow: Survey ed. Kingsford I, 98 f.: 'I find also that in the month of may the Citizens of London of all e s t a t e s . . . had their several mayings, and did fetch in Maypoles with divers warlike shows . . . and towards the evening they had Stage plays, and Bonfires in the streetes: of these Mayings we read in the reign of Henry VI. that the Aldermen and Sheriffs of London being on May day at the Bishop of Londons Wood in the parish of Stebunheath [Stepney] and having there a worshipful dinner for themselves and other commers Lydgate the p o e t . . . sent to them by a Pursiuant [attendant on heralds] a ioiful commendation of that season containing 16 stances in metre Royal beginning: Mightie Flora, Goddes of fresh flowers.'
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Zweiter
Teil
Mayor, die Richter und Verwaltungsbeamten werden gut regieren und ohne die arme Bevölkerung zu unterdrücken; Gerechtigkeit wird alle Erpressung verdrängen. Diese Botschaft bringt Primavera, ein Sommer der Freude wird folgen. Der Envoy wünscht einen guten Verlauf der Lustbarkeit und fügt zu dem Frühlingsbild der Natur die humanistische Phantasie der auf dem Parnaß jubilierenden Musen, während Calliope eine Dichtung liest und Orpheus ein Rondeau singt. Menschen und Götter sind in Heiterkeit geeint. Dies frische Stück läßt am ehesten die Bedeutung erkennen, die Lydgates Einführung dieser Mummings in die englische Literatur zukommt. Es ist thematisch etwas Neues, und der Verfasser verwendete Witz auf die Erfindung der Fabel. Hier sieht man deutlich das Zusammenkommen der verschiedenen Zweige: einerseits der pantomimischen Pageants, die Lydgate bei den Empfängen hoher Persönlichkeiten in London sehen konnte, - also den als lebendes Bild dargestellten Hl. Georg oder das personifizierte Wappen, das dem über die London Bridge einziehenden Herrscher Glück verheißen sollte, oder das Turmgerüst in Cheap, von dem Jungfrauen huldigend Blumen warfen und sangen - , anderseits des ganz anders gemeinten 'pageant', das von 'paginae' abgeleitet ist und auf ein Schuldrama hinweist. Ein Beispiel dieser letzteren Art haben wir in dem Pageant of Knowledge73) (287 Zeilen in 39 Chaucerstrophen), einer in zwei Fassungen überlieferten lehrhaften Dichtung, die auf ein Original des 'Mosella'-Dichters Ausonius ,4 ) gegründet ist. Nacheinander werden in sieben 'paginae', jeweils mit kurzer Erklärung, die einzelnen Stände aufgezählt, die Tugenden oder Lebensweisheiten, die sieben freien Künste, die Sternbilder und Himmelskreise, die Elemente, die Temperamente, die Jahreszeiten und die 'Dysposicion' der Welt, die dem unwandelbaren und erstrebenswerten Himmel gegenübergestellt ist. Das Ganze entsprach dem unerschöpflichen Verlangen des 15. Jh. nach Belehrung - kaum ein anderes Jahrhundert hat eine so vielseitige, so nüchterne, so umfängliche didaktische Poesie aufzuweisen - , aber der uns so trocken erscheinende Lehrstoff mag durch die Aufführung Leben erhalten haben. Da traten die Erfinder der Septem artes artificiales vor: Saturn und Ceres, die den Landbau lehrte, Diana als Herrin der Jagd, Phoebus als Erfinder der Heilkunst usw., da wurden die 4 Tierkreise lebendig, die Temperamente konnten, wenn nicht in einzelnen Figuren, so doch mimisch vom Vorleser vergegenwärtigt werden, und gegen Schluß bei Erörterung der 73) M. P. 724, zweite Fassung M. P. 734. Teildruck nach schlechtem MS. von Förster in: Archiv 104 S. 297 ff. (Die zweite Fassung M. P. 734 umfaßt 144 Zeilen in 18 Chaucerstrophen und behandelt nur den letzten Teil der ersten Fassung.) 74) Vgl. C. Brown and R. H . Robbins: Index of Middle English Verse. N . Y . 1943: No. 3183 und Bannatine MS. Hunterian Club 1873 p. 123.
13. Lydgates Maskenzüge
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Jahreszeiten und der wandelbaren Welt wird auch die Dichtung etwas fülliger. Diese Dinge und dieses Muster hat Lydgate nun ausgestaltet und selbständig verwertet in dem vermutlich 1427 vor den 'greet estates of the land* gespielten Mumming
at London7ä).
Sicher wurde diese Allegorien-Maske-
rade als Einleitung zu frohem Fest mit Spiel und Tanz beifällig aufgenommen. Da dieser Mummenschanz dem Ausoniusvorbild am nächsten ist, erscheint er heute als der altertümlichste und langatmigste (342 Verse in kurzen Reimpaaren). Er ist ganz von Allegorie beherrscht und erinnert, auch im Vers, an 'Reason and Sensuality'. Die Festlichkeit in Eltham hatte sich mit der Bedeutung der überbrachten Gaben befaßt, die Überbringer aber als wirkliche Figuren aufgefaßt. Jetzt sind die Figuren allegorisiert; nicht die Götter der antiken Fabeln treten auf, sondern verkörperte Begriffe; sie vermitteln die 'morall plesaunt and notabell'. Diesmal haben wir lebende Bilder (wie wir sie in dem Windsor-Maskenzug wiederfinden werden), die ein außerhalb der Szene stehender Erklärer erläutert. Es sind fünf Auftritte. Zuerst erscheint die Dame Fortuna, die in langer Rede charakterisiert wird. Dann kommen diejenigen, die Fortunas Tücke entgegentreten können: Prudentia mit drei Augen für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, - die unbestechliche und deshalb hand- und augenlose Gerechtigkeit (Ryghtwysnesse), - Fortitudo oder Magnyfycense, die Helden wie Heinrich V . begeisterte, und schließlich Mäßigkeit (attemperaunce), deren Beschreibung zu einer förmlichen Predigt wird. Auch der humanistische Katalog derer, die Fortuna zu Fall brachte, ist auf diesen Ton gestimmt. Das Stückchen endet mit einer Aufforderung an die vier, ein Lied anzustimmen. Frischer im Ton als dieses typische Bürgerstück und auch verschieden in der Form ist das vermutlich 1430 7 4 ) geschriebene Mumming
at
Hertford'11).
75) M. P . 682 und bei Brotanek ( a . a . O . ) 306 ff. Ad 'estates': Die mittelalterliche Gliederung der Gesellschaft war nicht auf drei Stände beschränkt (Geistlichkeit, Adel, dritter Stand), sondern jede Gruppierung, jeder Beruf wurde als Stand angesehen. - Zur Datierung vgl. Withington I, 106 f. 76) Lydgate verfaßte es 'at f)e request of pe Countre Roullour Brys slayne at Loviers'. D a dieser Auftraggeber nicht identifizierbar ist, kann das Stück nicht genau datiert werden. Louviers in Frankreich wurde von Heinrich V. 1418 erobert, dieses Datum ist wohl zu früh. Anderseits ist die Rückeroberung durch die Franzosen im Jahre 1450 und die Wiedergewinnung durch die Engländer nach langer Belagerung 1451 ein zu spätes Datum. So muß wohl Brys in einem der in der Zwischenzeit bei Louviers stattgehabten Gefechte gefallen sein, etwa 1430. - Da Withington unabhängig von mir die Datierung 1430/31 gibt (I, 107), ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit gegeben. 77) M. P . 6 7 5 ; ed. Hammond in: Anglia 21 (1899) S. 364 ff.; auch in Neilson and Webster, a. a. O. p. 223 ff.
90
Zweiter Teil
Diese Szene erinnert geradezu an die Interludien und zeigt wie diese den Einfluß der französischen Débats. Dieser Schritt von dem Ansager, der die allegorische Deutung der auftretenden Figuren gab, zu der Klage der 'rude uplandish people' und ihrer Frauen 'boisterous answer' rechtfertigt Chambers' Ansicht, daß Lydgate die Entwicklung der Mummings in eine literarische Bahn lenkte' 8 ). Das Thema des Hertforder Spiels ist eine genrehafte Schilderung aus derrl Eheleben der niederen Stände, erinnert also an die satirischen Stücke, etwa 'Bycorne and Chichevache', deren Lustigkeit es teilt. Sechs Bauern führen Klage über das tyrannische Regiment ihrer Weiber. Die Bittschrift der bedrängten Ehemänner wird dem König überreicht und etwa von seinem Sekretär vorgelesen. Da ist der Schultheiß Robin, dem sein Weib Beatrix Bittersweete nicht einmal ein ordentliches Abendessen bereithält, und wenn er klagt, so kriegt er Prügel. Des Flickschusters Colyn Frau Cecely Soure-chere hat eine gar spitze Zunge und ist dem Trunk ergeben - kurzum ein jeder sagt, er habe eine Hölle daheim. Die beklagten Weiber antworten durch eine Sprecherin aus ihrer Mitte. Sie erklärt sich bereit, ihr Recht im Zweikampf zu vertreten, denn alle die männlichen Anschuldigungen seien Verleumdungen. Im übrigen gäben sie (wie Chaucers Frau von Bath) ihren Männern Gelegenheit, durch Übung der Geduld sich das Himmelreich zu sichern. Auf diese Rede und Gegenrede hin verkündigt der Sprecher des Königs eine ausweichende Entscheidung. Es seien noch Erhebungen nötig, und ein Jahr noch solle die Herrschaft der Weiber weitergehen. Im übrigen aber erteilt der Sprecher den Männern den Rat, sich vor der Ehe zu hüten. Das lebhafte, an Renaissanceschwänke erinnernde Stück ist überraschend knapp für Lydgate (254 Verse in heroischen Reimpaaren) und zeigt eine Begabung für Humor und Satire, die allzu selten Ausdruck fand. Vermutlich sind alle Maskenzüge von Lydgate innerhalb weniger Jahre geschrieben (1424-30), doch läßt sich keine genaue Reihenfolge feststellen. Das Mumming at Windsor79), das der äußeren Form nach dem Eltham-Gedicht nahesteht, scheint jedoch den Pariser Aufenthalt vorauszusetzen, wie aus inhaltlichen Bezügen und der Zuspitzung auf eine Pantomime oder ein lebendes Bild 80 ) hervorgeht. Nach Shirleys Bemerkung war es eine Weihnachtsunterhaltung vor dem König im Schloß Windsor, das seit 1428 die ständige Winterresidenz Heinrichs VI. war, und kann also Weihnachten
78) Med. Stage I, 396. 79) M. P. 691; Brotanek a . a . O . S. 317. „ 80) s. Kap. 17. (King Henry VI's Entry into London).
13. Lydgates Maskenzüge
91
1429/30 angesetzt werden. Das kurze Stüde berichtet in 14 Chaucerstrophen die Bekehrung und Krönung König Chlodwigs. Obwohl Lydgate es als Mumming bezeichnet, ist es keine Maskerade im eigentlichen Sinne, sondern ein Prolog zu einer pantomimischen Darstellung der durch Einfluß der Hl. Chlothilda erfolgenden Bekehrung Chlodwigs. Die dabei verwertete Sage, daß Engel das Wappen Frankreichs (drei goldene Lilien im blauen Feld) vom Himmel brachten, weist auf die beabsichtigte Königssalbung Heinrichs V I . in Reims hin. Lydgate war bei der Aufführung wohl anwesend und die Bemerkung, daß Chlothildas Frömmigkeit Frankreich rettete, möchte man als Gegenbild zu Jeanne d'Arc auffassen, deren Geleit Charles' V I I nach Reims Lydgate aus der Nähe verfolgt hatte und deren Wirken er natürlich als teuflisches Widerspiel von Demut und Frömmigkeit ansah. In der Sdilußstrophe huldigt Lydgate der von ihm so hoch verehrten Königinmutter Katharina, die er als 'Royal Braunche, O Blood of Saint Lowys' anredet, und in deren Person er das Recht der französisdien Sukzession des englischen Königs verkörpert sah. Das Weihnachtsspiel, dessen dichterischer Wert gering ist, ist also eine Übertragung der juristischen These des 'Pedigree 81 )' in eine wärmere menschliche Sphäre, der Lydgate durch die Chaucerstrophe und die klingenden Reime Nachdruck und Feierlichkeit zu geben sudite. Die beiden anderen Maskenzüge sind auf bürgerliche Bestellung für ein Bürgerpublikum geschrieben. Das Mumming
for the Mercers
of
London"*),
in der von Lydgate bevorzugten Briefform (in 15 Chaucerstrophen), führte die Seidenhändlergilde zu Ehren des Londoner Bürgermeisters William Estfeld 8S) am Dreikönigsabend auf. Der (hier von einem Boten Jupiters) überbrachte Brief wird einem Vorleser, vielleicht dem Verfasser selbst, überreicht, der ihn laut vorliest und auf die einzelnen maskiert auftretenden Personen hinweisend, deren Namen und Bedeutung erklärt. Lydgate hatte nicht viel Erfindungsgabe; dasselbe Kunstmittel kehrt nicht nur in mehreren Maskenzügen wieder, sondern auch in anderen Dichtungen, so in 'Bycorne and Chichevache', wo wir an Gobelinbilder und einen mit dem Stock zeigenden Erklärer denken mußten, so im 'Dance Macabre' und noch im Trauerzug des 'Fall of Princes'. Bei dem den guten Bürgern vorgesetzten Maskenzug wären allerdings mehrere Erklärer notwendig, denn die ersten 34 Zeilen enthalten eine solche Fülle von mythologischen Namen, klassischen Anspie81) s. S. 101 f. 82) M. P . 695. 83) Estfeld ist zweimal Lord Mayor gewesen, 1429 und 1437. 1429 ist das wahrscheinlichere Datum für Lydgates Mummenschanz, um so mehr, als das Stüde keine Anspielung auf eine zweite Wahl enthält.
92
Zweiter Teil
lungen und geographischen Lesefrüchten, daß den Hörern geschwindelt haben muß. Dann wird berichtet, daß der von Jupiter aus Syrien nach London geschickte Herold unterwegs allegorisch zu verstehende und durch französische Namen nicht eben klar gedeutete Schiffe sieht. In London tritt er vor den Bürgermeister und kündigt den Besuch seiner auf den Schiffen zurückgebliebenen Begleiter an. Es ist die dürftigste der Maskeraden, in der nur der phantastische Bote und eventuell das Geschick des Vorlesers die Aufmerksamkeit der Zuschauer fesseln kann. Der Lernbegier des bürgerlichen Publikums wird viel zugemutet; die belustigte Kavaliershaltung eines Chaucer erscheint gütiger und weniger anmaßend. Aber der gelehrte "Wust wurde von der Zeit so ernst genommen, daß Shirley das Manuskript am Rande fleißig kommentierte 84 ). Der letzte der Maskenzüge ist für eine Aufführung der GoldschmiedeGilde vor demselben Bürgermeister Estfeld bestimmt. Am Lichtmeßabend kommt die als Botin in diesem Mumming
for the Goldsmiths
of London
85
)
(14 Chaucerstrophen) fungierende Fortuna. Sie überreicht dem nach dem Mahle bei Usch sitzenden Bürgermeister einen Brief, der besagt, daß David und die 12 Stämme gekommen seien, um ihn zu besuchen und zu beschenken. Die Auftretenden bringen die Bundeslade mit und verkünden, daß der Stadt alles Glück beschieden sei, solange das Heiligtum und die in ihm verschlossenen Geschenke im Hause des Mayor gehütet werden. Sie fordern dann die Leviten auf, ein Loblied auf Gott anzustimmen. Offenbar trägt Fortuna selbst ihre Botschaft vor. Das einen Aufzug von Personen des alten Testaments enthaltende Stück steht in der Literatur der Maskenaufzüge vereinzelt und ist ein Gegenstück zum vorigen. Lydgate lieferte also zu Estfelds Mayorat zwei Maskeraden, die eine für den stets dem Mummenschanz dienenden Dreikönigsabend (6. Januar), die andere für das kirchliche Lichtmeßfest (2. Februar). Diesem verschiedenen Charakter der Aufführungstage entsprechend sind die Themen verschieden, das eine Mal humanistisch, das andere Mal theologisch.
84) Marginalia zu Strophe 2 : 'Mars is god of batayle. Venus is called fie goddesse of love. She is called Cytherea affter Cytheron, f)e hill wher she is worshiped. Perseus is a knight whidi J>at roode vpon an hors j)at was called Pegase. P e nyen Muses dvelle bysyde Ellycon, J)e welle . . .' Marginalia zum Dichterkatalog in Strophe 5: 'Tulius a poete and a rethorisyen of Rome. Macrobye an olde philosofre. Ovyde and Virgilius weren olde poetes, f>at oon of Rome, fiat other of Naples afore J>e tyme of Cryst. Frauncys Petrark was a poete of Florence. So were Bochas and Dante withinne f)is hundrefie yeere; and f>ey were called laureate for f)ey were coroned with laurer in token J>at fiey excelled ojier in poetrye. 85) M. P . 698 u. Brotanek a. a. O. S. 323.
93 14. Lydgates
Lehrdichtung
Mußten wir sogar beim Mummenschanz, wo man es doch kaum erwartet, von lehrhafter Dichtung sprechen, so ist die didaktische Tendenz bei der nichthöfischen, von und für das Bürgertum geschriebenen Literatur in der Lydgate-Zeit vorherrschend. Abgesehen von der geistlich belehrenden und Predigtliteratur, aus der die in vorbildlicher Verstedinik geschriebenen Paraphrasen der sieben Bußpsalmen von Thomas Brampton (ca. 1414) genannt seien, und - als Prosabeispiel -
die vorzügliche Ubersetzung von Bona-
venturas 'Meditationes Vitae Christi' durch Nicholas Love (ca.
1410),
hat die weltliche Literatur eine Fülle didaktischer Poesie aufzuweisen. D a ist die Chaucers Prosafassung übertrumpfende poetische Übertragung der 'Consolationes' des Boethius durch John Walton (1410); da ist die politische Information der 'Libel of English Policy' (1436); da sind viele historischpolitische Neuigkeiten, reportagehaft berichtende Stücke wie 'Bataille of Agincourt', 'Siege of Calais', 'Ship of State', 'Rose of Rouen', da sind die Prosachroniken, allen voran der 'Brut' und unter anderem anspruchsvolle didaktische Dichtungen wie der früher Lydgate zugeschriebene 'Court of Sapience' (vermutlich 1470). Alle diese Werke sind auch wir noch bereit, als Literatur zu betrachten und zu werten. Dem neu entstehenden bürgerlichen Publikum des 15. J h . war aber auch eine belehrende Literatur über den Verkehr der Menschen untereinander notwendig. Solche Bücher des guten Tons werten wir nicht mehr als Literatur, zu ihrer Zeit waren sie jedoch geschätzt 86 ) und wurden, was uns unangemessen erscheint, meist in Versen geschrieben. Wir haben Bücher, die Eltern über Kindererziehung unterrichten: 'How the good wife taught her daughter', 'How the wise man taught his son' und das berühmte 'Babees Book'. Wir haben das die guten Umgangsformen lehrende 'Book of Courtesy' (ca. 1450), das vom Herzog von York verfaßte 'Master of Game' (1406) und John Russells 'Book of Carving and Nurture' (ca. 1440), in dem der in Humphreys Diensten geschulte Verfasser die Pflichten eines vollendeten Butlers, Haushofmeisters, Kammerdieners und Vorschneiders darlegt. Wir haben schließlich ein förmliches Epos des guten Tons und weltlicher Weisheit in Peter Idleys 'Instructions to his son' (ca. 1445) in über 1000 Chaucerstrophen. Wenn Lydgate als Verfasser ähnlicher Werke hervortrat, so konnte das zu seinem Ansehen nur beitragen. Zunächst ist da eine kleine Tischzucht zu 86) Die Verbreitung erweisen die erhaltenen 43 Handschriften von Lydgates 'Dietary' und 22 Handschriften des 'Stans Puer'.
94
Zweiter Teil
nennen: Stans puer ad mensam") (in 14 Chaucerstrophen), die, vielleicht auf dem Umweg über eine französische Fassung, auf einem lateinischen Original beruht 88 ). Der Inhalt ist derselbe wie bei allen diesen Tischzuchten, deren manche als Sitten- und Zeitbild anschaulicher sind89). Wylie 90 ) weist darauf hin, daß den Verboten zu schmatzen, den Teller abzulecken, die Butter mit dem Daumen zu streichen und den Mund am Tischtuch abzuwischen, der Brauch einer kunstvollen Bedienung gegenüberstand. Bei großen Gelagen waren die Diener beritten, und es bedurfte besonderer Kunstfertigkeit, mit den in beiden Händen gehaltenen dampfenden Schüsseln sich und das Pferd durch die dichtgedrängte Menge hindurch zu balancieren. Lydgates Stans puer hält sich in bescheidenerem Rahmen. Er empfiehlt dem 'dere sone', nicht in der Nase zu bohren, nicht mit dem Messer zu spielen und sich nicht mit Sauce zu bekleckern. Vor Usch möge er die Hände waschen, er solle nicht zu schnell trinken und den Löffel sauber wischen und nichts in der Schüssel lassen usw. Origineller erscheint uns der kurze, nur 3 Chaucerstrophen umfassende Treatise for Luvendersn), der für eine uns leider unbekannte Lady Sibille Boys of Holm Haie geschrieben ist, eine in Suffolk ansässige Dame, der Lydgate auch eine religiös-moralische Epistel widmete92). Der Dichter fordert Sorgsamkeit von den mit 'my lady's attire' Beschäftigten, denn ihr Lohn werde pünktlich gezahlt. „Wascht alles sauber, zwei lateinische Verse zeigen euch, wie ihr tun sollt: Weinflecke wäscht Milch, Ölflecke wäscht man mit Bohnenlauge, Tintenflecke mit Wein, alles andere mit Wasser." Zwei andere Stücke erinnern mehr an die Klosterschulstube, denn es handelt sich um paraphrasierende Übersetzung und Erläuterung lateinischer Proverbia. Duodecim abusiones"3) stellt zwölf „widersinnige" lateinische Sätze voran, z. B. 'rex sine sapientia' und übersetzt sie richtigstellend, also: „König 87) M. P . 7 3 9 ; Hazlitt: Early Populär Poetry of England 1866 I I I ; Babees Book ed. F. J . Furnivall Lo. 1868 ( E E T S . OS. 36), darin die lat. Originalfassungen. Vgl. über die Tischzuchtentradition: A. Haufen: Caspar Scheidt. Studien zur Geschichte der grobianischen Literatur. Straßburg 1889 (Qu. u. Forsch. 32), darin S. 14 ff. über die engl, und französischen Anstandsbücher. 88) Nach MS. Lansd. 699 und Ashm. 61 eine Übersetzung aus dem L a t . des Sulpitius Verulanus. Ob das dem Bischof Rob. Greathead (Grosseteste) zugeschriebene Gedicht 'Stans puer . . . ' in näherer Beziehung hierzu steht, bedarf noch der Untersuchung. (Gröbers Grundriß der roman. Phil. II. Bd. 1. Abt. Straßb. 1902, S. 384); englische Fassung von Brandl einem Schüler Lydgates zugesdirieben (Grundriß der german. Phil. II, 690). 89) z. B. Babees Book p. 1. 90) Henry V. I, 6 f. 91) M. P . 723; Wright: Rel. Ant. I, 2 6 ; Steele in: Academy 1894 I, 395. 92) s. S. 178 f. 93) M. P . 707. (2 Chaucerstrophen), vgl. E . R . Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Bern 1948. S. 501 f.
14. Lydgates Lehrdichtung
95
regiere mit Weisheit", wobei die Plattheit derartiger gnomischer Verse überwunden ist durch einen väterlich-mahnenden Ton: People, obeye your kyng and the lawe; Age, be ruled by good religyon . . .
Tour Things
that Make a Man a FoolM)
ist eine in drei Fassungen (von je
1 Chaucerstrophe) vorliegende Paraphrase des lateinischen Satzes: quatuor infatuant: honor 9 5 ), etas, femina, uinum, worauf eine vierte Strophe die Eitelkeit der worldly worship dartut und eine abschließende fünfte als 'Baiade de Bone Counseyle' auf Christus hinweist. Weniger mönchisch und Lydgates weltlicher und weinfroher Art näher (er liebte den Wein des Klosters St. Edmunds, nicht nur wie Heinrich V I . vineae odorem delectabilem t6 ) klingt The
Nine Properties
of Wine87),
eine eben-
falls einen lateinischen Spruch paraphrasierende Chaucerstrophe des Inhalts, daß der Wein die Augen klar macht, das Herz erfreut, den Magen wärmt, die Wunden heilt und den Gaumen reinigt. Weitergehend in der Gesundheitsvorschrift ist A Dietary9S),
das eine der verbreitetsten Gesundheits-
regelsammlungen der Zeit darstellt. Es besteht aus 21 Balladenstrophen, von denen die drei ersten gelegentlich unter dem Titel 'A Doctrine for Pestilence' gesondert zusammengefaßt sind. Um gesund zu bleiben, empfiehlt der Dichter: „sei heiter, vermeide schlechte Luft, trinke guten Wein, gehe im Garten spazieren, iß kein Obst, nur weißes Fleisch mit gutem Gewürz und schlafe lang am Morgen". Soweit die besonders auf fieberhafte Erkrankungen - denn das wird hier pestilence heißen - bezüglichen Gesundheitsregeln. Die allgemeinen des Dietary sind nicht viel anders: „Um gesund zu bleiben, halte den Kopf bedeckt, sei mäßig, trink abends nicht und iß nicht zu spät. Sieh zu, daß das Brot gut ist, arbeite nicht zuviel, geh im Garten spazieren und meide den Mittagsschlaf. Tu Salbei und Raute in deine Getränke und hüte dich vor allem Übermaß: das meiste Leid kommt vom Überessen. Hast du zuviel gegessen, so gib acht, daß du kein Fieber bekommst. Mäßigkeit und natürlicher Appetit sind gute Führer, sie helfen, wenn der Arzt fehlt." Dann geht Lydgate von der Medizin zur Moral über und empfiehlt gutes, höfliches Benehmen, Wahrheitsliebe, Frömmigkeit. Und gegen Schluß kommt der zweite Schub Gesundheitsregeln: „Heize morgens und abends ein, um 94) M. P . 708. 95) honor = advancement. 96) R . Pauli: Geschichte von England V, 281. 97) M. P . 724. Das lateinische Original (6 Zeilen) in MS. Trln. Coli. Cambr. 0. 9. 38, gedruckt in Steele: Secrees . . . a. a. O. 98) M. P. 703; Babees Book p. 54; Halliwell p. 66; Neilson and Webster p. 2 2 1 ; vgl. C. F. Bühler: Lydgates Rules of Health in: Med. Aevum I I I (Febr. 1 9 3 4 ) p. 5 1 - 5 6 . - Das Dietary in Brown Index 824.
96
Zweiter
Teil
die „schwarzen Dünste" zu vertreiben, schlaf nicht nach den Mahlzeiten, trink nicht beim Essen und versalze die Speisen nicht." Dichtung darf man in diesen Stückdien nicht suchen, aber etwas Einblick in die damalige Welt geben sie doch. Lydgate hat als Kind seiner Zeit solche Lehrdichtung geliebt. Sein letztes "Werk, die unvollendet hinterlajsene 'Secreta Secretorum'-Bearbeitung, gehört zu dieser Gattung, und in fast alle seine Werke sind rein lehrhafte Strophen oder Strophengruppen eingefügt.
15. Politisches
Zeitbild.
Regentschaft
Lydgate
in
für Heinrich
VI.
Paris
Lydgates Dichterleben geht auf kaum erhellten Wegen durch die politischen Zeitläufte; mit ihrer Beleuchtung wird auch auf das Leben des Mönchs Licht geworfen. Die politische Situation in England wird nach Heinrichs V. Tod beherrscht von dem Machtkampf zwischen Henry Beaufort") und Humphrey of Gloucester100). Henry Beaufort, der beste Kenner der englischen Innenpolitik, der mit seinen 47 Jahren eine ungewöhnliche administrative und diplomatische Erfahrung besaß, wäre der geeignetste Regent gewesen. Auch das Parlament war auf seiner Seite, da der laut Heinrichs Testament zum Regenten bestimmte Duke of Gloucester nicht Henry Beauforts Verwaltungstalent und politische Klugheit besaß. So glaubte es dem Wunsche Heinrichs zu entsprechen und den Ehrgeiz Humphreys abzuwehren mit der Gründung des 'council of regency', eines Regentschaftsrates (6. Nov. 1422), in dem Beaufort entscheidende Stimme hatte. Humphrey wurde die Amtierung als Protektor lediglich während des Duke of Bedfords Abwesenheit in Frankreich zugebilligt, ohne daß er an die Spitze des Regentschaftsrates gelangt wäre. Doch gab es in den Jahren 1422-25 wenig Anlaß zur Beunruhigung, zumal der Protektor die väterliche künstlerische Bildung 101 ) und Leutseligkeit besaß, die ihm den Namen des 'good Duke Humphrey' erwarb. Dieses Ansehen mißbrauchte er in dem sein weiteres Leben erfüllenden Machtkampf gegen die Partei des Kardinals 102 ) Beaufort und später des William de laPole, Earlof Suffolk, die beide weitsichtigere Politiker waren als er. Da sich Humphrey in England überwacht und eingeengt fühlte, suchte er Betätigung in der Außenpolitik. Das ist der Anlaß seiner Heirat (März 1423) 99) 1377?—1447 Onkel Heinrichs V. (s. S. 25). 100) 1390-1437 Bruder Heinrichs V. 101) K. H. Vickers: Humphrey Duke of Gloucester, Lo. 1907 (mit ausführlicher Bibliographie). 102) Bischof von Lincoln 1398, von Winchester 1404, Kardinal seit 1426.
15. Politisches Zeitbild.
Regentschaft
für Heinrich
VI.
97
mit der Gräfin Jacqueline von Hennegau und Holland. Diese Heirat, derzufolge Humphrey Hennegau beanspruchte und im Oktober 1424 einen (mißglückten) militärischen Einfall unternahm, mußte das englisch-burgundische Bündnis, den Angelpunkt der Außenpolitik Bedfords, einer gefährlichen Belastungsprobe aussetzen und schien alle Hoffnung auf einen dauernden Frieden mit Frankreich zunichte zu machen. Lydgate erhielt die delikate Aufgabe, ein Hochzeitsgedicht f ü r Humphrey zu verfassen. Vermutlich war seine Haltung ähnlich der des Erzbischofs Chichele, der nur in vermittelndem Sinne zu wirken bemüht war. Chichele wie Lydgate standen Humphrey nahe; Chichele, weil er die Idee der nationalen Kirche vertrat, die der mit Beaufort eng verbundene Papst Martin V. bekämpfte, - Lydgate, weil er in einem Patronatsverhältnis zu Humphrey stand. So verschweigt das Epithalamium for Gloucester103) (1422/23 geschrieben, 27 Chaucerstrophen) die politischen Seiten seiner Eheschließung. Es ist eine uns hölzern erscheinende Lobhudelei eines Hauspoeten, zeigt aber bei näherem Hinsehen in Inhalt und harmonischem Aufbau eine glänzende Lösung einer prekären Aufgabe: Der erste Teil bringt das Lob von Liebe und Ehe, die Jupiter als dem Frieden dienend gestiftet, was durch Autoritäten aus Mythologie und antiker Geschichte belegt wird. So hat die Heirat Heinrichs V. mit Katharina den englisch-französischen Streit beendet - „wie ich ernstlich hoffe" - , und so soll jetzt Friede und Mehrung des Besitzes (durch die verhängnisvolle Morgengabe von Holland und Seeland) Sinn und Folge der Hochzeit Humphreys mit Jacqueline sein. Hier schließt sich der zweite Teil an mit dem Lob der Braut als eines Musters der Weiblichkeit. Ein antiker Frauenkatalog bildet den Übergang zu der Idealschilderung Jacquelines, dessen Gegenstück der dritte Teil mit einem Humphrey herausstellenden antiken Männerkatalog bringt. Abschließend wird im vierten Teil von dieser Ehe Glück f ü r das Land vorausgesagt, wie es die Musterehen Merkur und Philologie und andere beweisen. Der Envoy enthält die untertänige Widmung an Jacqueline. Das Eheglück, das der Dichter besang, war nicht von langer Dauer; bereits 1428 erwirkte Humphrey eine Scheidung und heiratete Eleanor Cobham, eine H o f d a m e seiner ersten Frau. Die Angelegenheit erregte großes Aufsehen und interessanterweise finden wir unter den zahlreichen Protesten auch ein Gedicht von Lydgate Complaint for My Lady of Gloucester and Holandwi), worin in märchenhafter Inszenierung warmes Mitgefühl f ü r die 103) M. P. 601; Hammond in: Anglia 27, 385 und in: English Verse between Chaucer and Surrey, p. 142 (mit Einleitung, Kommentar und Bibliographie). Titel in M. P. 'On Gloucester's Marriage'. 104) M. P. 608; Hammond in: Anglia 27, 381. S c h i r m e r , Lydgate
7
98
Zweiter
Teil
Verlassene ausgesprochen und Zauberei als Erklärung für Humphreys Verhalten angenommen wird. Trotz dieser Entschuldigung schien es ratsam, das Gedicht ohne Verfassernamen in Umlauf zu setzen, so daß Lydgates Autorschaft gelegentlich bestritten wird. Das in 18 Chaucerstrophen, aber in vierhebigen Zeilen geschriebene Gedicht ist schlichter und modernem Empfinden näher als der zieratüberladene Prunkstil, der damals zumeist gefiel. Die politische Unklugheit, die das Jacqueline-Abenteuer Humphreys bedeutete, wurde in etwa ausgeglichen durch die Freilassung von König Jakob I. von Schottland (1423), dem Verfasser des 'Kingis Quair' 1 0 5 ). Mit Jakobs Rückkehr nach Schottland hörte der Zuzug schottischer Rekruten auf, die Frankreich gegen England unterstützten. Im Gefühl des Volkes waren die Zeiten ruhig: Die Londoner Große Chronik berichtet behaglich, daß sich die Königinmutter mit dem kleinen Heinrich V I . am Sonntag, dem 13. November, von Windsor nach London begab und in Staines übernachtete. Am folgenden Mittwoch heißt es: 'The king with a glad diere sat in his mother's läppe and rode through the city of Westminster* - ins Parlament, wo der Speaker die Begrüßungsrede hielt. Nach Jahren des Gegensatzes zwischen Beaufort und Gloucester, der bis zum offenen Bruch gediehen 106 ), brachte Bedford im Parlament in Leicester (12. März 1426) eine durch Händereichen dokumentierte Versöhnung zwischen Beaufort und Humphrey zustande 1 0 7 ). Weihnachten 1426 verbrachte der König in Eltham, wo er durch „Jack Travail" und seine Truppe und durch die Musik tragbarer Orgeln unterhalten wurde 1 0 8 ). Zu dieser Zeit muß Lydgate schon in Paris gewesen sein. U m das J a h r 1426, vielleicht auch schon etwas früher - möglicherweise 1425, als die Königinmutter Katharina eine heimliche Ehe mit Owen Tudor schloß - ging der ehemalige Mönch von Bury und nominelle Prior von H a t field nach Paris. Man hat die Vermutung geäußert, daß Lydgate diese Pariser 105) Hierin besingt der König seine Liebe zu Henry Beauforts Nichte, Lady Jane Beaufort. 106) Einen Zweikampf zwischen Humphrey und dem Herzog von Burgund hatte Papst Martin V . durch eine Bulle vom 24. April 1425 verboten. Vgl. J . Stevenson: Letters and Papers illustrative of the Wars of the English in France. 2 vols. (Rolls Series). Lo. 1861, II, 412. 107) The Great Chronicle of London ed. A. H . Thomas and J . D . Thornley, Lo. 1 9 3 9 : 'The same yeer John Duk of Bedford kom oute of ffraunce into England to see the governaunce off the Rewne and also for to putte in pees and reste certeyne debates and hevynesses hangyng bytwene the Duk of Gloucestre his brothyr and the Bishop of Winchester, chancellor of England, his oncle.' 108) Rymer: Foedera X , 387.
Ii. Politisches Zeitbild. Regentschaft für Heinrich VI.
99
Reise im Dienste von Lord Richard of Warwick, dem Regenten Frankreichs in Bedfords Abwesenheit, unternommen habe 1 0 9 ), so wie Thomas Elmham 1416 König Heinrich V . als 'official recorder' begleitete. Wie Chaucers Beispiel beweist, war es nichts Ungewöhnliches, daß man einen Dichter in politischer Mission verwendete. Es steht nicht fest, ob es eine von Klosterkreisen gewünschte oder eine weltliche - vielleicht von Katharina befürwortete 1 1 0 ) Mission war. Jedenfalls nahm Lydgate als eine Art Verbindungsmann in Bedfords Verwaltungsstab eine gehobene Stellung ein. Reisen nach Frankreich waren damals nichts Seltenes. Es war weniger der englische Anspruch der Personalunion als die französische Opposition gegen diesen englischen Herrschaftsanspruch, was ein dauerndes Hin und H e r zwischen den beiden Ländern bedingte. Der Siegerkönig Heinrich V . hatte ein verhängnisvolles Erbe hinterlassen. Die Lage Frankreichs war elend, die öffentlichen Wege waren durch Räuber unsicher, und das ganze Land von Chartres bis Hennegau im Osten und Abbeville im Norden war durch die dauernden Kriegszüge verödet. Bebautes Land sah man nur im Schutze einer Burg oder befestigten Stadt, und selbst in Paris zeugten die vielen baufälligen Häuser von zunehmender Verwahrlosung. Der von Heinrich V . selbst bestimmte Nachfolger in der Regentschaft Frankreichs, John of Lancaster, Duke of Bedford ( 1 3 8 9 - 1 4 3 5 ) war dem toten König als Soldat, Verwalter und Diplomat fast ebenbürtig. E r führte die unmögliche Aufgabe durch; er wußte, daß die Herrschaft über Frankreich auf das Bündnis mit Burgund gegründet war, und heiratete (Juni 1423) Anna, die Schwester des Herzogs Philipp von Burgund, deren Bildnis und Andenken das kostbare Stundenbuch 111 ), das sie 1430 dem englischen König schenkte, der Nachwelt überlieferte. Im Gegensatz zu Heinrich war Bedford bei allen der burgundischen Partei angehörenden Franzosen beliebt; die französische Chronik spricht mit höchstem Lob von ihm, aber der Freiheitsdrang des gegen die Fremdherrschaft aufbegehrenden Frankreich gab seinen weisen Reformen nur begrenzte Wirkung. Wie das gute Verhältnis zu Burgund (das durch Humphreys Eskapade gestört war), so suchte er die Loyalität der Franzosen zu erhalten 1 1 2 ). Nach dem Vertrag von Troyes war die Verwal109) Schick in seiner Ausgabe des Temple of Glas X C I I I . 110) Katharina stand in enger Verbindung mit ihrem Vaterlande und ließ Einkäufe wie Wein, Silbergeschirr und andere Dinge für den Haushalt in Paris tätigen. Letters and Papers ed. Stevenson II, 265, 270, 275. 111) Das sog. Bedford Missal oder Bedford Book of Hours. Brit. Mus. Addit. MS. 18, 850. 112) B. J . H . Rowe: The Grand Conseil under the Duke of Bedford 1 4 2 2 - 1 4 3 5 in: O x f o r d Essays in Medieval History presented to H . E. Salter. O x f . 1934, p. 207 ff. 7*
100
Zweiter Teil
tung Frankreichs völlig getrennt von der Englands. So wie Bedford den englischen Regentschaftsrat befürwortete, so hat er in Frankreich als Regent das traditionelle Organ der französischen Monarchie, den Grand Conseil, übernommen. Damit war der Fortbestand der 1418 eingesetzten burgundischen Regierung gewährleistet. Diese franzosenfreundliche Regierung ist das Geheimnis seines Erfolges und auch der Anlaß des Zusammenstoßes mit Beaufort, als dieser im April 1430 mit dem jungen König nach Frankreich kam. Es gab zwei Conseils, einen in Paris und einen in Rouen; denn Heinrich V. hatte Rouen mit dem Schwerte gewonnen, und die Normandie wurde folglich militärisch verwaltet. Paris war durch den Vertrag von Troyes gewonnen, und hier sollte, damit Heinrich VI. als natürlicher Erbe und Nachfolger von Charles erscheine, die Verwaltungskontinuität durch den Grand Conseil gewahrt werden 113 ). Nach dem Tode von Charles V I wurde nach dem Vertrag von Troyes die besondere Verwaltung der Normandie (wenigstens formal) beendet, und Paris war nun Hauptstadt des anglo-französischen Staates. Bedford hatte volles Vertrauen in seine französischen Ratgeber und verwandte sie auch zu diplomatischen Missionen. Er sagte, daß er seine f r a n zösischen Untertanen 'as loving and as kind as ever was people' gefunden habe. Sie seien ebenso wie die englischen Soldaten zu des Königs 'true men and servants' zu redinen. In dieser auf Befriedung ausgehenden Verwaltung war der Mönch Lydgate nicht schlecht am Platz; und da Bedford bei einem Besuch des Klosters Bury St. Edmunds im Jahre 1418 Lydgate getroffen haben mag, da er später von ihm gehört haben muß und da er dann als Patron Lydgates eine Rolle spielte, so darf man annehmen, daß des Dichters Pariser Reise Bedford willkommen, vielleicht sogar von ihm veranlaßt war. Als Lydgate nach Paris kam, war Bedford in England (vom 5. Dezember 1425 bis 5. April 1427). Als sein Vertreter amtierte Thomas de Montacute oder Montague, der vierte Earl of Salisbury (1388-1428), ein im öffentlichen Leben angesehener Mann und fähiger Offizier, der schon als 26jähriger von Heinrich V. zu einer diplomatischen Mission in Frankreich verwandt worden war und dann ein Kommando im Heere hatte und zum LieutenantGeneral der Normandie aufstieg. Dieser Montacute, den Lydgate wohl erst in Paris kennenlernte, ist einer der namhaftesten Patrone des Dichters geworden. Doch ehe davon die Rede ist, muß eines anderen Adligen gedacht werden, der wohl bald nach Lydgates Ankunft in Paris den friedlichen und 113) Ihm gehörten 13 Franzosen an (darunter Louis de Luxembourg, der Onkel von Bedfords Gattin) und 3 Engländer, sowie ab und zu die Kommandanten Warwick oder Sufiolk.
15. Politisches
Zeitbild.
Regentschaft
für Heinrich
VI.
101
Welthändeln fernen Mönch in eine politische oder propagandistische Rolle einzuspannen versuchte. Das war Richard de Beaudiamp, Graf von Warwick (1382-1439), dessen amtlicher Titel lautete: Lieutenant for the field in the absence of the regent Bedford. Beaudiamp war ein im Orient und allen europäischen Ländern weitgereister Mann und ein Vorbild ritterlichen Wesens114). Er kann schon 1414 von Lydgate gehört haben, denn er war mit Lydgates Abt, William von Exeter, Mitglied der englischen Mission auf dem Konzil zu Konstanz. Ein persönliches Treffen des Dichters mit dem Grafen muß im Hause von Thomas Chaucer angenommen werden. Beauchamp war mit Chaucer zu jenen Waffenstillstandsverhandlungen entsandt, die Lydgates Abschiedsgedicht an Thomas Chaucer veranlaßt hatten. Möglicherweise ist er ihm audi als Prior von Hatfield in Windsor begegnet. Im Auftrag von Beauchamps Toditer hatte Lydgate die Ahnengeschidite des Guy of Warwick geschrieben; es bestand also bereits ein Patronatsverhältnis, und es war kein Unbekannter, dem Beaudiamp die Diditung The Title and Pedigree of Henry V/. 1 1 5 ) in Auftrag gab. Das Werklein erzählt umständlich in einem Prolog (und wiederholt es in dem eigentlichen Gedicht nochmals), daß auf Geheiß des Regenten John of Bedford ein angesehener französischer Gelehrter namens Laurence Calot diesen (Heinrichs VI. Rechtsanspruch auf den französischen Thron erweisenden) Stammbaum verfaßt habe, und daß er auf Befehl des Grafen von Warwick diese Übersetzung in Paris am 28. Juli 1427 U 6 ) angefertigt habe. So hat man bisher Lydgates Verse gedeutet, die absichtlich stark auftragen, um dem propagandistischen Gedicht Nachdruck zu verleihen. Laurence C a l o t m ) war 'secretarius et notarius regis tarn in regno suo Anglie quam in regno suo Francie', und sein Werk war vielleicht nicht 114) 'His deeds of chivalry were collected by John Rous a generation later' (MS. Cottonian Libr.). D N B . 115) M. P. 613, außerdem in: Th. Wright: Political Poems II, 131. 116) MacCracken schreibt (M. P. 621) 1426, was nicht stimmen kann, da Calot erst 1427 in den Dienst des Königs trat. 117) Vgl. J . Otway-Ruthwen: The King's Secretary and the Signet Office in the 15th Century. Cambr. 1939, p. 94 f. Danach war Calot 1427-44 in königlichem Dienst. Sein Name erscheint häufig in Dokumenten der engl. Verwaltung in Frankreich. In einem etwa 1433 zu datierenden Gesuch um Nationalisierung sagt er, daß er auf des Königs Befehl nach England kam, um als Sekretär Dienste zu leisten. E r brachte Frau und Kinder mit. Er wurde hauptsächlich mit diplomatischer Korrespondenz beschäftigt. 1438 kehrte er nach Frankreich zurück. Damals schrieb der König an den Herzog von York 'for as much as oure welbeloved secretarie, maister Laurence Calot, disposeth him at this tyme for to passe with yow into oure said duchie . . . we praye you that ye have him specially recommended'. E r starb im März 1444, und in dem Brief, der seiner Witwe eine Pension gewährt, ist auf ihn Bezug genommen als 'naguere en son vivant nostre secretaire'.
102
Zweiter Teil
nur eine gelehrte Abhandlung, sondern vor allem ein wirklicher, prächtig und detailliert ausgemalter Stammbaum, der vermutlich als bildliche Ergänzung dem Lydgateschen Gedicht beigegeben war. Der Dauphin habe durch die unritterliche Ermordung des Herzogs von Burgund allen Regierungsanspruch verwirkt (man fühlt Bedfords burgundfreundliche Politik!), und Gott habe Heinrich V. gesandt, der von St. Louis abstamme, ein würdiger Herrscher sei und durch den Vertrag von Troyes und seine Ehe mit Katharina, der Tochter von Charles VI, zum legitimen Erben der französischen Krone erklärt worden sei. Durch den im selben Jahr erfolgten Tod des englischen und französischen Königs sei Heinrich VI. also väterlicher- und mütterlicherseits erbberechtigt, und Gott möge ihm ein langes Leben gönnen (was eine ausführliche Darlegung der Gestirnkonstellation offenbar bekräftigen soll). - Man hat den Eindruck, daß es Lydgate an Stoff mangelte, daß er nur mit Mühe die 329 Verse (in heroischen Reimpaaren) zusammenbrachte; das der 'rethoryk famous and eloquent' des höchst fähigen und klugen Clerk Calot erteilte Lob entsprach wohl nicht den Tatsachen. N u n sollte Lydgates Versifizierung dem Nachweis Heinrichs als legitimem König von Frankreich die populäre Gangbarkeit geben. Die Pariser Zeit brachte Lydgate in ständige persönliche Berührung mit englischen Adligen, die z. T . künstlerisch interessiert waren, sowie mit f r a n zösischen Gelehrten und hohen Beamten. D a auch mehrere Dichtaufträge, außer den politischen, in diese Zeit fallen, so ist sie eine der produktivsten Lydgates. Sicher gehören die Deguileville- und Totentanzübersetzungen dieser Epoche an, wahrscheinlich auch einige der Satiren, die der Übersicht halber zusammen erörtert wurden, sowie auch einige der religiösen Gedichte, die in Ermangelung feststehender Datierung später zusammen besprochen werden sollen.
16. Lydgates Deguileville-Ubersetzung
und Totentanz
Deguileville und die Pèlerinage sind heute vergessen, waren aber zu ihrer Zeit und noch ein Jahrhundert lang bei der Nachwelt bekannt und angesehen. Der Verfasser Guillaume de Deguileville (ca. 1294/5 bis nach 1358) war seit 1316 Zisterziensermönch in der Abtei von Chalis in Valois nahe Senlis. Dort schrieb er als Bericht einer Vision im Jahre 1330/1 die Dichtung, die unter dem Namen 'Pèlerinage de la Vie Humaine' geht. Die erste Fassung wurde ihm vor der endgültigen Überarbeitung entwendet und in Abschriften verbreitet. Unwillig darüber, machte er sich etwa 25 Jahre später an eine zweite Abfassung, die er an alle Stellen schickte, wo die erste
Überreichung der Deguileville-U herSetzung an Thomas
Montacute
16. Lydgates Deguileville-Über Setzung und. Totentanz
JQ3
Fassung vorlag. Nach diesem den Wandel des Menschen in der diesseitigen Welt erzählenden Traumroman schrieb Deguileville eine 'Pèlerinage de l'Ame', die der Seele Wanderung vom Jüngsten Gericht durch das Fegefeuer zur Seligkeit berichtet und eine Darstellung des vorbildlichen Lebens und Sterbens Christi als 'Pèlerinage de Jesus Christ'. Die durchdachte organische Trilogie, die ohne Kenntnis der Divina Commedia Dantes geschrieben wurde, hat als durchgehendes Thema den Kampf der guten und der bösen Mächte um die menschliche Seele, im ersten Teile dargestellt als Kampf der Tugenden und Laster, im zweiten als Gerichtsverhandlung, die der Teufel vor den himmlischen Mächten anstrengt, im dritten als große Kontroverse zwischen Gnade und Gerechtigkeit 118 ). Lydgate bekam den Auftrag, die Pilgerfahrt des menschlichen Lebens zu übersetzen, von Thomas Montacute, dem Stellvertreter Bedfords und zweiten Gatten von Thomas Chaucers einziger Tochter und Erbin Alice 118 ). Thomas war nicht nur Offizier, sondern ein Mann umfassender Kultur, mit Christine de Pisan befreundet, in einer französischen Verschronik mit höchster Anerkennung genannt und als Dichter geschätzt" 0 ). 'Gracieus chevalier, aimant dictiez, et lui même gracieux dicteur' ist Christine de Pisans Urteil über ihn 121 ). Daß Thomas den Dichter beauftragte, die Pèlerinage zu übersetzen, mag auf seine Gattin Alice zurückgehen. Als der Graf 1426 in Paris war, wird Lydgate den Auftrag erhalten haben; das Patronat muß - nach dem luxuriösen Widmungsexemplar 1 ") zu urteilen - eine hohe Ehre gewesen sein. Das Titelbild zeigt, wie der Dichter, der als alter Mann in schwarzer Kleidung dargestellt ist, das Buch dem jugendlichen, in Kriegsrüstung abgebildeten Grafen überreicht. Das Buch war vor dem 3. November 1428 abgeschlossen, denn an diesem Tage starb Thomas de Montacute an den Folgen einer Verwundung, die er sich bei der Belagerung von Orléans zugezogen hatte. Er war nicht der einzige englische Adlige, der Deguileville schätzte; es scheint ein förmlicher Kult dieses etwas antiquierten Schriftstellers bestanden zu haben. Vermutlich hat 118) Ausgabe der drei Traumromane von J. J. Stürzinger (Roxb. Club) Lo. 1893-7. Beschreibung der Romane im Umriß, Gröber Grundriß II, 1, 749 f.; Abbé Joseph Delacotte: Guillaume de Digulleville: Trois Romans-Poèmes du XIV e siècle. Paris 1932. (Vgl. auch H. Traver: The Four Daughters of God. Bryn Mawr Monograph VI. 1907). - Als Entstehungsdatum der drei Epen werden die Jahre 1330, 1355 (nach anderer Deutung 1335) und 1358 angenommen. 119) Alice Chaucer war beim Tod ihres mit dem König befreundeten vermutlich ersten Gatten John Phelip (1415) erst 12 Jahre alt, weshalb H. A. Napier (Historical Notices a. a. O.) lediglich eine Verlobung annimmt. 120) Die Verschronik ed. J. Webb in: Archaeologia 20 (1824) 1-442. Von seinen Dichtungen ist nichts erhalten. 121) Ruud: Thomas Chaucer (a. a. O.) p. 87. 122) H ari. MS. 4826. Titelbild (f. V) s. Abb.
Zweiter Teil
104
der Herzog von Bedford, der wie sein Bruder Humphrey ein großer Bibliophile war 1 2 3 ), eine Prosafassung der 'Pèlerinage de l'Ame' bei Lydgate bestellt 124 ), möglicherweise kommt er auch mittelbar als Anreger der Versfassung der 'Pèlerinage de la vie humaine' in Betracht. Vor nicht allzu langer Zeit kam nämlich ein Caxtondruck ans Licht, der eine englische Prosafassung der 'Pylgrymage of the Sowie' enthält, als deren Verfasser Lydgate vermutet wird 1 2 5 ). Diese englische Fassung (die ich nidit einsehen konnte) hatte als Vorlage eine von Jean de Gallopes, einem Geistlichen der Diözese Evreux, verfaßte französische Prosaversion von Deguilevilles Gedidit, die ebenfalls dem Herzog von Bedford gewidmet ist 126 ). Also bestellten Bedford und Montacute
nahezu
gleichzeitig
Übersetzungen
der beiden
Hauptwerke
Deguilevilles. Kurz nach Bedfords Rückkehr aus England (wo er von D e zember 1425 bis April 1427 war) wurde ihm eine Rechnung vorgelegt (datiert vom 7. August 1427) von einem gewissen Jean Thomas, einem Gelehrten (clerk), der später (1447) als Mitglied des Capitulum Ecclesiae Cenomanniae aufgeführt ist 127 ). Dieser Thomas erbittet und quittiert die Kosten 123) Er kaufte 1425 die über 800 Bände umfassende Bibliothek des Großvaters von Charles d'Orléans und brachte sie entweder nach England oder in sein Schloß in Rouen. Nach seinem Tod (14. Sept. 1435) wurde die Bibliothek zerstreut. Vgl. L. Delisle: Recherches sur la librairie de Charles V. Paris 1907, p. 138-41, zit. nadi P. Champion: Vie de Charles d'Orléans p. 225 und G. Doutrepont: La Littérature Française à la cour des Ducs de Bourgogne, Paris 1909; ibid. über die bibliophile Tätigkeit Bedfords p. 396-402. 124) Brusendorff: The Chaucer Tradition p. 228 machte auf verlorene 'Werke Lydgates aufmerksam und erwähnt ein Shirley MS., das eine Prosaübersetzung von Deguileville und verschiedene kleinere Gedichte Lydgates enthielt. 125) Nach einem Separatdruck im Brit. Mus. ('Reprinted from Apollo Oct. 1931') John Lydgates 'Pylgrymage of the Sowie'. A newly discovered volume printed by Will. Caxton by W. L. Hare. 126) 'Je vostre humble diapellain ay transpose de rime en prose le livre de icelui pelerinage de l ' a m e . . . ' ibid. Dieser „Jehan Galopes", in dem man einen Waliser vermutet, verfaßte auch eine Heinridi V. gewidmete Ubersetzung der Meditationes Vitae Christi von Bonaventura (ungefähr 1420). Hare stellt folgende Zeittafel auf, die jedoch der Nachprüfung und Begründung bedürfte: 1. Deguilevilles Vie Humaine 1330 2. Deguilevilles Pilgrimage de l'Ame 1335 3. Deguilevilles Jesus Christ 1358 4. Gallopes' Übersetzung von 2 1410(?) 5. Lydgates Ubersetzung von 4 1413 6. Lydgates Life of our Lady 1421 7. Gallopes' Bonaventura-Übersetzung 1421 8. Lydgates Versübersetzung von 1 für Montacute 1426 9. Gallopes' neue Widmung von 4 für Bedford 1430 127) J. Stevenson: Letters and Papers a . a . O . II, 691.
16. Lydgâtes Deguileville-Übersetzung und Totentanz
J 05
f ü r das Pergament, das er f ü r die lateinische Prosaübersetzung von Deguilevilles 'Pèlerinage de l'Ame' benötigte 1 2 8 ), eine Übersetzung, die also zeitlich zusammenfällt mit der Lydgateschen englischen Versübertragung der 'Pèlerinage de la vie humaine' f ü r Thomas Montacute. Die beiden Übersetzer Deguilevillescher Werke, die beide f ü r englische Auftraggeber arbeiteten, haben vielleicht miteinander Fühlung gehabt 1 2 '). Lydgates Pilgrimage of the Life of Man130) f u ß t auf Deguilevilles zweiter, umfangreicherer Fassung 1S1 ), deren vielfache Zusätze das Interesse, wenn auch nicht die künstlerische Einheit der Allegorie erhöhen. Ein diese Zusätze außer acht lassender und also etwas kahler Inhaltsbericht ist der folgende: Ein Gesicht des himmlischen Jerusalem bewegt den Autor zur Pilgerfahrt dahin. Er findet Grâce Dieu, die ihm zu helfen verspricht und ihn in ihr H a u s einlädt. Dort erfährt er Belehrung über Dogmen und Sakramente der Kirche u n d trifft Moses, der den Pilgern Schwert und Schlüssel gibt. Er hört ein Streitgespräch zwischen N a t u r und Grâce Dieu über die Verwandlung von Brot und Wein und trifft Penance und Charity. Nach Lehrgesprächen zwischen Aristoteles und Sapience gibt Grâce Dieu dem Pilger eine lateinische Schrift mit dem Credo und Gedichte auf Gott und Maria. D a n n rüstet sie ihn, aber er k a n n die Rüstung nicht tragen, und nach einer Belehrung über Körper und Seele zieht sich Grâce Dieu tadelnd zurück. Dem Pilger tritt nun Rude Entendement entgegen, von dem ihn Reason befreit. Youth gesellt sich zu ihm, und an einem Kreuzwege trifft er Arbeit und Müßiggang. Auf R a t von Moral Virtue wählt er den rechten Weg, aber die Jugend f ü h r t ihn falsch. Er trifft und diskutiert mit Gluttony, Venus und Sloth, die ihn fesseln. D a n n trifft er Pride und E n v y und ihr Gefolge, muß sich gegen W r a t h und Tribulation verteidigen und betet zur J u n g f r a u (bei welcher Gelegenheit eine Prosapredigt vom H l . Bernhard eingefügt ist, auslaufend in eine Ballade auf die J u n g f r a u Maria). Die nächste Gefahr bringt das Treffen mit Avarice und Heresy, worauf der Pilger ein Gespräch mit dem ihm den Weg verstellenden Satan f ü h r t und schließlich versucht, über das Meer zu 128) 'Il est deu a moy, Jehan Thomas, clerk, demourant a Paris, pour ma peine et salaire davoir escript en parchemin, par lordonnance et commandement de monseigneur le regent le royaume de France, duc de Bedford, ung livre en Latin intitule Le Pelerinaige de Lame en prose; le quel contient X I I cayers de parchemin, qui valent, au pris de X V I s. P. pour chacun cayer, X I I 1. T.' (Stevenson: Letters and Papers a . a . O . II, 415). Von Thomas und von der lateinischen Prosaversion der 'Pèlerinage de l'âme' ist nichts bekannt. 129) s. u. S. 109. 130) ed. F. J. Furnivall und K. B. Locock EETS. ES. 77, 83, 92. Lo. 1899-1904. 131) Eine englische Prosaversion (ca. 1430) der - künstlerisch bedeutsameren ersten Fassung edierte W. A. Wright (Roxb. Club) 1869.
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Zweiter
Teil
schwimmen. In höchster Not betet er zu Maria - es ist das von Chaucer aus Deguileville übersetzte ABC, das Lydgate hier verehrungsvoll in seines Meisters Fassung einfügt - und kann sidi auf kleine Inseln retten, auf denen er Astronomy, Astrology und Idolatry trifft. Die Zauberin Conspiracy bedrängt ihn, und er sieht einen sich drehenden Turm mit der Sirene Weltliche Freude. Schließlich sendet Grace Dieu ein Schiff, auf dem sich wie die anderen Mönchsorden so auch das Schloß der Zisterzienser befindet. Darinnen wohnen Obedience und Abstinence, Chastity und Poverty. Er spricht mit ihnen, und Prayer kommt als Bote vom Himmel. Das Schloß wird bestürmt von Detraction, Treason und Envy, die den Pilger peinigen, bis der König ihre Verhaftung verfügt. Dann besucht der pilgernde Autor gute und schlechte Klöster und erhält Belehrung von Grace Dieu. Jetzt kommen Age und Sickness als Vorboten des Todes, Mercy tröstet, Prayer ist Bote zum Paradies, und Death läßt ihn den Geist aufgeben. Diese abenteuerreiche Pilgerfahrt, die noch bei Bunyan nachklingt, will ein geistliches Gegenstück zum Rosenroman sein; sie übernimmt nicht nur das allegorische Rahmenwerk von Guillaume de Lorris, sondern auch Jean de Meungs enzyklopädische Diskussion der verschiedenartigsten Dinge 182 ). So kommt es, daß einzelne Abschnitte wie z. B. die über den Stolz 13S ) und den Geiz 134 ) sich zu umfänglichen und selbständigen Büchern auswadisen; die allgemeine Charakterisierung des Werkes als Lehrgespräch in Verbindung mit einem Abenteuerroman muß so verstanden werden, daß Wißbegierde und Phantasie in gleicher Weise angesprochen und befriedigt werden. Trotz vieler Längen ist die Geschichte nidit uninteressant; die Dialogform gibt dramatische Spannung, dazu kommt belebende Erzählfreude, z. B. die das Fluchen illustrierende Geschichte vom Mönch, der seine Stola am Kirschbaum zerreißt, den Baum verwünscht und das Jahr darauf keine Früchte erntet 135 ); oder die zur Erläuterung der Sdimeidielei erzählte Geschichte vom Fuchs und Raben mit seinem Käse 136 ), ferner die zur Illustration der Heuchelei dienende Fabel vom Fuchs, der sich tot stellt 137 ) und das Gleichnis, daß Penance das menschliche Herz bearbeitet, wie das Kind einen Apfel mit der Faust schlägt, um ihn weich zu machen 138 ). Die nötige Überwindung des Körpers wird den immer wiederholten Bemühungen einer Ameise verglichen, die einen Sandhaufen erklimmt 1 3 9 ), die dem Körper gegenläufige Bewegung des Geistes gleidit zwei konzentrischen, aber im Gegensinn laufenden R ä 132) 13 255 133) 137)
Kritisdie Auseinandersetzung mit dem Rosenroman Z. 13 198 f f . u. bes. ff. 13 9 8 5 - 1 4 603. 134) 1 7 1 4 8 - 1 8 400. 135) 2 5 6 1 . 136) 14 247. 1 4 605. 1 3 8 ) 4078. 139) 10 099.
16. Lydgates Deguileville-Übersetzung
und Totentanz
107
dern 140 ), und der Seele körperbesiegendes Licht ist wie die Sonne, die durch Wolken scheint oder wie das Lämpchen in einer Laterne 141 ). Die meisten dieser Vergleiche sind aus dem Alltagsleben genommen, und je kürzer sie sind, um so anschaulicher wirkt der oft krasse Realismus: Die der Sinnenlust gleichgesetzte Venus trägt ein schönes Visier, um ihre Häßlichkeit zu verbergen142), die Verleumdung verschlingt rohes Fleisch wie ein gieriger Hund 1 4 5 ), der Zorn hat eine Stahlsäge im Mund 144 ), der Neid gleicht einer Fischreuse mit weiter Öffnung und engem Ende 145 ), die Erinnerung hat Augen im Rükken 14e ), die zum Überfließen volle Gluttony zieht eine schleimige Schneckenspur nach sich 14 '), und die Einwirkung der Gestirne auf das menschliche Leben ist nur ein Wirtshausschild der göttlichen Macht 148 ). Die aller Mystik entgegengesetzte Anschaulichkeit kann abstoßend sein wie in des Pilgers Transsubstantiationserklärung, daß er mit eigenen Augen das Brot in 'rawh fflesshe' und den Wein in 'red blood' verwandelt sah 149 ); sie kann das Groteske streifen wie in der Schilderung des Gefolges der Venus150) oder in dem Bericht, daß Avarice Bilder aus Klöstern stiehlt, sie farbig auffrischt und mit gefälschten päpstlichen Bullen öffentlich ausstellt, worauf sie vorgetäuschte Krüppel und Kranke vor ihnen knien läßt, dann ihnen die Verbände und Pflaster abnimmt und sie als geheilt entläßt 151 ). Nimmt man dazu die Eindringlichkeit des Doppelt- und Dreifachsagens, so erklärt sich die breite Wirkung des Buches. Und da, dem Rosenroman ähnlich, fast alle Lebensgebiete Erörterung finden, aristotelische Spekulation und staatlich-soziale Fragen diskutiert werden und trotz kritischer Aussetzungen die bestehende Ordnung gutgeheißen wird, so versteht man, daß auch die adligen und regierenden Kreise Deguilevilles Pilgerfahrt schätzten. Über Lydgates Bearbeitung ist nicht viel anderes zu sagen als über das französische Original; denn ungleich dem Trojabuch und anderen weltlichen Themen versagt sich der englische Dichter größere eigene Zutaten, vielleicht aus Ehrfurcht vor dem Stoff. Er begnügt sich mit einem vorangestellten Prolog152), der vom Fortunamotiv ausgehend die Notwendigkeit eines Wegweisers im Leben betont und nach dem Willen des Auftraggebers die 'grete moralyte* der Pilgrimage den englischen Lesern ans Herz legt. Die Versicherung, daß man den Inhalt, nicht die Form beachten möge, ist wohl ernsthaft gemeint; aber die übliche Entschuldigung, daß es ihm an Beredsamkeit und Kunst mangele, ist, wie stets, cum grano salis zu verstehen. Über anderthalb140) 144) 148) 152)
12 208. 141) 15 556. 145) 20 415. 149) in 92 heroischen
9604. 142) 11 365. 18 055. 146) 8754. 3262. 150) 13 420-14 220. Reimpaaren.
143) 15 294. 147) 12 852. 151) 18 241.
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Zweiter Teil
hundert Neuprägungen schmücken sein Werk, das in reichlichem Maße die vollklingenden mehrsilbigen französischen Worte verwendet, die in den Reimen des (wie das Original in Kurzzeilen geschriebenen) Epos deutlich hervortreten. Vielleicht ist die Pilgrimage dasjenige Werk, in dem Lydgate zuerst konsequent seinen Stil durchführt. Denn, überträgt man das Stilprinzip auf die längeren fünfhebigen Verse und auf die ebenfalls Lydgate gemäßere Chaucer- oder Balladenstrophe, so ergibt sich ein feierlicher Gang der Verse; und bei einem mehr Freiheit gewährenden Thema oder einer wirklichkeitsgelösteren Darstellungsweise ergibt sich auch die eigentümliche abstrakte und umschreibende Lydgatesche Wortkunst. Das alles ist bedeutsamer als die kleinen aus Vergleichung von Original und Übersetzung sich ergebenden Unterschiede. Deguilevilles Werk umfaßt 18123 Zeilen, Lydgates Bearbeitung 24832. Seine Zutaten sind nicht stofflicher Art, auch die meisten hervorgehobenen Stellen - die Beschreibung des himmlischen Jerusalem 153 ), die lebendige Schilderung von Youth 1 M ) und der Passus über die belebende K r a f t der Natur 1 5 5 ) - sind wenig ausgeweitet; die Hauptmasse der Erweiterungen sind Amplifikationen, Umschreibungen, Flickwendungen, Doppelungen des Ausdrucks oder Gedankens und ähnliche rhetorische Eigenheiten. Dazu kommen noch gelehrte und uns putzig anmutende Etymologien (die z. B. Venus von venery 156 ) ableiten) und ein bewunderndes Chaucerlob 157 ). Auf die Pariser Zeit mögen noch andere der Lydgateschen Werke zurückgehen, so das mit dem Totentanz zusammengehende Timor Mortis-Gedicht 158 ) und andere der als moralische Gedichte zusammengefaßten Stücke. Die von Charles V I I bestellte 'Devowte Inuocacioun to St. Denys' 159 ) wird in der Pariser Zeit geschrieben sein, und da die 'Prayers to the ten Saints' 160 ) gewöhnlich dem Dionysius- und Georgsgebet vorangestellt sind, so mögen auch sie in diese Zeit gehören. Wichtiger als diese Vermutungen ist, daß Paris, das auch im endenden Mittelalter noch eine gebende Stadt war, durch Lydgate der englischen Literatur und bildenden Kunst das Thema des Dance Macabre1®1) schenkte, ein Thema, das wie das Fortuna-Motiv im 15. Jh. eine große und der Zeitstimmung Ausdruck gebende Bedeutung hatte. Im Jahre 1424 war in dem Säulengang, der den Friedhof der Eglise aux Innocents auf 153) 323-53. 154) 11 133-11 212. 155) 3434-3523. 156) 8150 Randnote:'Venus dicitur a venandi.' 157) 19 752 ff. 158) s. Kap. 20. 159) s. Kap. 19 Abt. Gebete. 160) s. Kap. 19 Abt. Gebete. 161) Der Name - eigentlich Macabrie - soll von dem ersten Totentanzmaler stammen und hängt mit dem biblischen Macchabaeus zusammen. Er wurde popularisiert durch Guyot Marchands Editionen ab 1485.
16. Lydgates Deguileville-U bersetzung und Totentanz
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drei Seiten umgab, ein Totentanz gemalt worden, der dritte in Europa 1 6 2 ) und der berühmte Ahnherr einer großen Folge in Frankreich, England und Deutschland 163 ). Unter die Bilder gesetzte Verse dienten zur Erläuterung; bald machten sidi diese versifizierten Texte selbständig 164 ) und wuchsen sich sogar zu dramatischen Spielen aus, sei es, daß kostümierte Figuren des Königs, der Soldaten und des Todes, während der Geistliche mahnte und warnte, aufmarschierten, sei es, daß regelrechte dramatische Aufführungen mit verschiedenen Sprechern stattfanden 165 ). Ein französischer 'clerk', vielleicht Jean Thomas, machte Lydgate auf den vor wenigen Jahren entstandenen
166
) und sich eines großen Zulaufs erfreuen-
den Totentanz im Kirchhof zu den Unschuldigen Kindlein aufmerksam; Lydgate übersetzte den Text und schickte ihn nach London. Londoner Bürgerkreise interessierten sich dafür, und nach John Stows Zeugnis (in seinem Survey of London 1598) wurde der englische Dance Macabre auf Veranlassung des Stadtschreibers Jankin Carpenter 167 ) in einem Kreuzgang um den Pardon Churchyard nahe der St.-Paul's-Kirche zu Totentanzbildern, die den Parisern ähnlich waren, aufgeschrieben 168 ). Das wird Anfang 1430 gewesen 162) Der erste 1312 (?) in Klingenthal, Klein-Basel; der zweite 1383 in Minden in Westfalen. 163) 1430 St. Paul's London; 1436 Sainte Chapelle, Dijon; 1440 Dominikanerfriedhof, Groß-Basel; 1450 Dominikanerkirche, Straßburg; 1460 Hungerford-Kapelle, Salisbury; 1463 Marienkirche, Lübeck u. a. m. 164) Vgl. W. Seelmann: Die Totentänze des Mittelalters, Lpzg. 1893, und die Bibliographie in E. P. Hammond: English Verse (a.a.O.) p. 130. Vgl. ferner die Bibliographie von H . W. Eppelsheimer: Handbuch der Weltliteratur. Frankfurt * 1947, I, 178. 165) So z. B. vor Herzog Philipp dem Guten von Burgund in Brügge 1449. E. K. Chambers: English Lit. at the Close of the Middle Ages, Oxf. 1945 p. 52 f. 'In a set of Latin verses, known as the 'vado mori' poem, twelve representatives of all estates, from Pope to Pauper, speak appropriate couplets. That of the King runs: Vado mori, rex sum: quid honor, quid gloria regum? Est via mors hominis regia. Vado mori. This may be the precursor of the lines known in France as the Danse Macabre, and in England as the Dance of Death. It has been conjectured that they may have owed their origin to a quasidramatic ceremony, in whidi a priest pronounced them from a pulpit, while appropriately clad figures, led by Death, passed to a tomb in the nave of the Church. But they are only known as attached to painted mural representations of such figures.' 166) 'L'an mil quatre cents vingt-cinq fut faite la Dance macabré aux Innocents, et fut commencée environ le mois d'aoust, et achevée en caresme ensuivant.' Journal d'un bourgeois de Paris, ed. A. Mary, 1929 p. 188. 167) Carpenter, der mit Reginald Pecock befreundet war, hatte den Posten des town clerk of London 1417-1438 inné. 168) Außer diesem ersten englischen Totentanz gab es noch ähnliche in Salisbury Cathedral, Stratford on Avon und an anderen Orten (Chambers in Oxf. Hist, of Engl. Lit. p. 53).
110
Zweiter
Teil
sein, denn um diese Zeit erhielt jener Carpenter die Erlaubnis zur Errichtung einer 'chantry' 16 °). Die Totentanzverse dienten als erklärender Begleittext zu Bildern. Es ist auffällig, wie oft Lydgate zu solchem Zweck dichtete: die Georgslegende begleitete Bilder in der Gildenhalle der Londoner Waffenschmiede, die Satire 'Bycorne und Chichevache' bezieht sidi auf bildliche Darstellungen, das 'Pedigree'-Gedidit ist vermutlich um einen großen genealogischen Stammbaum herum geschrieben, die Verse über die 'Kings of England' sind passende Begleittexte zu Medaillon-Porträts, wie sie alte Handsdiriften zeigen; auch Gebete, selbst längere Anrufungsgedichte 170 ), sind zu Bildern in der Kirdie geschrieben. So wie man ein Lied nur voll würdigen kann, wenn man den Text und die Melodie zusammenhält, so müßten wir auch Lydgates Verse und die durch sie illustrierten bildlichen Darstellungen zusammen betrachten. Das können wir nicht, denn die Bilder sind nicht erhalten. Sowohl die Kapelle wie der Kreuzgang mit den Totentanzmalereien wurden 1549 niedergerissen von dem Protektor Somerset, der die Steine zum Bau seines Palais verwendete. Wir können Lydgates Dance Macabre"1) also nur als literarisches Denkmal würdigen. Sein Text, der zwischen 1426 und 1430 zu datieren ist178), gibt das französische Original 'not word by word, but following the substance'. Der Wunsch, die sprichwörtliche Zeile beizubehalten, mit der jede Strophe im Französischen schließt, führte zu teilweiser Übernahme des französisdien Reimsdiemas, wie überhaupt die 80 Balladenstrophen sich enger als sonst bei Lydgate üblidi an den Urtext halten und ihn auch in der längsten Fassung (700 Zeilen) nur wenig ausweiten. Jeweils eine Strophe enthält die Aufforderung des Todes, und der oder die Aufgeforderte antwortet in einer Gegenstrophe. So zieht der ganze Reigen am Leser vorüber: Papst und Kaiser, König und Kardinal, Bischof, Ritter, Dame, Abt und Äbtissin, Bür-
169) 12. Januar 1430. Die Chantry sollte in der Kapelle der Hl. Jungfrau über dem Beinhaus an der Nordseite der Paulskirche eingerichtet werden. Nadi Dugdale: History of St. Paul's Cathedral, 1658, p. 131 waren die Totentanzmalereien in dem Kreuzgang um den Pardon-Churdiyard der besagten Kapelle. 170) Vgl. 'The Image of our Lady' (M. P. 290), das ein Begleittext zu dem von Ralph Gelebronde gestifteten Heiligenbild war. 171) Grundlegende Ausgabe von F. Warren und B. White EETS. OS. 181, Lo. 1931, enthaltend die beiden — durch die Personenfolge sich unterscheidenden - Versionen (repräsentiert durch das Ellesmere und das Lansdowne MS.) sowie das französische Original. Abdruck des Seiden MS., ebenfalls mit dem französischen Original in: E. P. Hammond: English Verse, a. a. O. p. 124 und 426; der Tottelsdie Druck in H . Bergens Ausgabe des Fall of Princes, p. 1025 (EETS. ES. 123). 172) Bennett: Chaucer and the 15'h Century, Oxf. 1947, datiert 1424.
17. Heinrichs VI. Krönung
in Westminster
und Paris
Hl
ger und Mönch, Verliebter, Verliebte, Wucherer, Jurist und Spielmann und Kind. Bild auf Bild steigt in unserer Vorstellung auf, wir hören den erklärenden Text wie die Mahnung eines Predigers; es ist wirklich eine illustrierte Predigt, deren Eindringlichkeit durch die dialogische Verteilung der Strophen dramatische Gegenwärtigkeit erhält. Eine ins einzelne gehende künstlerische Erörterung der Lydgateschen Dichtung ist durch den engen Anschluß an die Quelle und durch die Spuren einer geplanten Revision 1 7 3 ) erschwert; sie ist auch weniger wichtig als eine kurze Erklärung der Anziehungskraft, die das Totentanzthema für die Zeit Lydgates hatte. An sich ist das Thema des Todes ein allgemein-menschliches und zu allen Zeiten gültiges; in dem von der Pest heimgesuchten Jahrhundert (1348-1450) besaß es drohende Nähe. Der Tod ist nicht Tröster und nicht Triumphator, sondern ein bösartig grinsendes Skelett. In den Allegorien und Versromanen vom gläsernen Tempel, Schwarzen Ritter, von Troja und von Theben war die gotisch-höfische Welt noch fühlbar, im Totentanzthema hat eine neue Welt das Wort. Vor dem Knochenmann sind hoch und niedrig gleich, und mit grotesken und höhnenden Tanzerschritten führt er die Gefeierten dieser Welt mit sich ins Dunkel. Diese bürgerlich-satirische Note kommt vor allem im Wort zum Ausdruck, während die Bilder die Gegenüberstellung der Lebendigen und der Toten 1 7 4 ) und das Phantastisch-Gespenstige des Tanzes nachdrücklich auswerteten. Der Dance Macabre hat in England nicht dieselbe Verbreitung gefunden wie in Frankreich und Deutschland; was Lydgate beim Todesthema besonders ansprach, war das Ubi sunt- und Fortuna-Motiv, das dann im Geschichtswerk vom Fall der Fürsten seinen großartigsten Ausdruck fand.
17. Heinrichs
VI. Krönung
in Westminster
und sein Besuch in Bury St. Lydgate
„poeta
und, Paris
Edmunds
laureatus"
Lydgate hat das Leben der Großen aus unmittelbarer Anschauung gekannt. Wahrscheinlich hat er auch die Krönung des siebenjährigen Hein173) Das von Hammond a. a. O. abgedruckte Seiden MS. der ursprünglichen A Gruppe - aus der vermutlich die B-Gruppe hervorging - zeigt, daß Lydgate eine Überarbeitung mit Zusätzen plante, was jedoch nicht zum Abschluß gelangte. Einzelne Seiten sind verloren, und die übrigen sind in teilweise falscher Ordnung zusammengebunden. 174) Der literarische Ursprung ist die französische Legende von den drei Toten und den drei Lebenden (aus dem 13. Jh.), vgl. Glixelli: Les cinq poèmes des Trois Morts et des Trois Vifs, Paris 1914, und Storck in: Zeitschr. f. dt. Phil. 42 (1910).
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Zweiter Teil
rieh VI. in Westminster miterlebt 175 ). Am 5. November 1429 ritt der König durch das mit Teppichen und Gobelins geschmückte London, inmitten der in Goldtuch gewandeten Lords, gefolgt von 24 neu kreierten, ganz in Blau gekleideten Rittern, deren Zug die Geistlichkeit, in Zweierreihen reitend, anführte. Die Stadtbehörden in Scharlachgewändern gaben das Geleit. Unterwegs waren wie üblich Bühnen mit pantomimisch-allegorischen Darstellungen aufgeschlagen, von denen besonders der Turm voller Engel bei der London Bridge und das am Kreuz von Cheapside errichtete Kastell erwähnt werden sowie die roten und weißen Wein spendenden Brunnen. Am Morgen des Sonntags, des 6. November, fand die Krönung durch Kardinal Beaufort in der Westminsterkirche statt in Gegenwart aller Bischöfe und zahlreicher Äbte in vollem Ornat. Nach der Proklamation, die Erzbischof Chichele verlas, ging Heinrich zum Altar, wo man ihn salbte und ihm die große Krone des H l . Edward aufsetzte. Zwei Bischöfe standen ihm zur Seite, 'helpyng hym to bere the crowne, for hyt was ovyr hevy for hym, for he was of a tendyr age\ Bei den Festlichkeiten und beim Bankett, bei dem Kardinal Beaufort zur Rechten des Königs saß, waren auch Katharina und die H o f damen anwesend. Lydgate war die literarische Ausschmückung der Krönungsfeierlichkeit zugefallen; ja, ihm scheint weitgehend die Festeinrichtung übertragen gewesen zu sein. Das in Paris im Auftrag des Earl of Warwick verfaßte Gedicht, das Heinrichs Erb- und Rechtsanspruch auf den englischen und französischen Thron dartat 1 7 6 ), wurde erneut in Umlauf gesetzt und durch ein angehängtes Roundel for the Coronation177). Es fordert England und Frankreich zum Jubel auf über das der fleur de lys neuentsprungene Reis, das der Heiligen Edward und Louis Blut in sich vereine und heute von Gott zur Regierung berufen sei. Die Fanfarenklänge suchen den von Frankreich bedrohlich herüberklingenden Waffenlärm zu übertönen, während die prächtige Krönungsballade178), die Heinrich überreicht wurde, lang ausholend in 18 Balladenstrophen einen mehr feierlichen Ton hat und an das Gebet f ü r König, Königin und Volk m ) erinnert, das vielleicht auch erst in diese Zeit gehört. Der Dichter huldigt dem edelsten Herrscher, der die Vorzüge der englischen und französischen Heiligen und Helden in sich vereine 175) Die folgende Schilderung nach: Brut ed. F. Brie EETS. 131, 136 p. 450 f. und Gregorys Chronicle (Camden Soc.) Lo. 1876, p. 164 ff.; vgl. auch: M. E. Christie: Henry VI., Lo 1922, p. 51 f. 176) The Title and Pedigree of Henry VI. s. S. 101 f. 177) M. P. 622; Wright: Political Poems II, 314. 178) Ballade to King Henry VI his Coronation. M. P. 624; Wright a. a. O. p. 141. 179) M. P. 212.
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und dem Gott den Sieg verlieh. Dann aber wird seine Stimme mahnend: sei standhaft im Glauben, schütze die Kirche, vertrag dich mit den hohen Herren, hab Mitleid mit deinem Volk. Das volltönende Dahinrollen der Verse paßt zur beschwörenden Mahnung ebenso gut wie zur prunkhaften Huldigung; die anschließenden biblischen und humanistischen Kataloge aber, die Salomo, David, Samson, Josua, Alexander, Cäsar und alle römischen Kaiser von Trajan bis Constantin anführen, sind ein ermüdendes, jedoch dem damaligen Geschmack entsprechendes Ausspinnen des Gedankens. Mit der Erwähnung des Häretikerfeindes Sigismund und des königlich-ritterlichen Vaters Heinrich V . leitet dieses huldigende Kernstück dann zur Mahnung zurück.. Jetzt wird dem jungen König auch das Leben seiner Mutter Katharina als Vorbild hingehalten, und der Envoy faßt alle Mahnungen nochmals zusammen: fürchte Gott, pflege die Kirche, liebe den Frieden und meide den Krieg, sei gnädig und mitleidig gegenüber den Armen, und höre nicht auf die Schmeichler. Alle Lieblingsgedanken Lydgates sind in dies Huldigungsstück eingewoben, und der Dichter sucht sie auch in den für das Krönungsbankett geschriebenen Soteltesm)
dekorativ zu unterstreichen. Diese als
Tafelschmuck oder Nachspeisen dienenden 'subtelties', die nach jedem der drei Gänge aufgetragen wurden, sind den pantomimischen, in den Straßen aufgestellten Pageants entsprechende bildliche Darstellungen im kleinen. Sie bedürfen wie diese einer Erläuterung ihrer allegorischen und meist politischen Bedeutung. Da hat der Dichter einzusetzen, dessen (jeweils in einer Strophe gegebene) Deutung die kleinen Figuren auf einer Tafel oder einem Spruchband aufgeschrieben tragen. Beim Fest in Windsor, zu Ehren des Besuchs von Kaiser Sigismund (7. Mai 1415 181 )), bei dem uns erstmals diese Soteltes begegnen, bedurften sie kaum der Erklärung: St. Georg, dem von der Jungfrau Maria die Waffen angelegt werden, und der den Drachen bekämpfende St. Georg waren als Bilder beredt genug, nur das Schloß mit St. Georg und der Königstoditer verlangte eine Deutung. Bei der Hochzeit Heinrichs V . und beim Krönungsfest Heinrichs V I . sind die Verse notwendig zur Erklärung der Situation und schon ebenso wichtig wie das Bild. Es kam den englischen Machthabern darauf an, das königliche Kind als Herrscher von Frankreich und England hinzustellen. Der König ist daher in den Soteltes - die vielleicht auch der Erfindung des Dichters entstammen - zwischen zwei Repräsentanten der beiden Nationen gestellt: In der ersten Sotelte erscheint 180) T h e Soteltes at the Coronation Banquet of H e n r y V I . M . P . p. 623, eine Version auch in Fabyans Chronik; s. o. S. 58 f. anläßlich der Hochzeitsfestlichkeit Heinrichs V . 181) Gregory's Chronicle a . a . O . p. 113 ff. S c h i r m e r , Lydgate
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Heinrich V I . zwischen St. Edward und St. Louis, den königlichen Heiligen, darüber das Spruchband, das besagt, daß Heinrichs Rock die Wappen beider Könige vereint zeige. Die Balladenstrophe bittet Gott zu gewähren, daß Heinrich ebenso weise regiere wie seine Schutzheiligen und ihnen an Ritterlichkeit und Tugend gleiche. In der zweiten Sotelte erscheint der König zwischen Sigismund und Heinrich V., die als Herrschervorbild und als Bekämpfer der Ketzer gefeiert werden. Die dritte Sotelte stellt die sitzende Jungfrau Maria mit dem Jesuskind und einer Krone in der Hand dar. Neben ihr stehen St. Georg und St. Dionysius; vor ihr kniet der kleine König und erbittet ihre Gnade, um England und Frankreich gerecht regieren zu können. Bilder wie Verse wiederholen die Gedanken der Krönungsballade, beide sind weniger Kunst als Künstlichkeiten, wie sie das Mittelalter liebte. Lydgate hat damals eine solche Fülle von dichterischen Aufträgen und Dichtbitten erhalten, daß der stets fleißige und gutwillige Mönch seine bescheidene Dichtergabe über Gebühr beanspruchte, was ihm in späterer Zeit den Vorwurf der Vielschreiberei eintrug. Ein offizieller Auftrag wird auch vorliegen bei der Ballade Ort a New Year's Gift of an Eagle presented to King Henry VI.182) und bei dem Gebet 'Ab inimicis'. Die wie ein Pflichtgedicht eines poeta laureatus anmutende Ballade (in 10 Chaucerstrophen) begleitete das Neujahrsgeschenk eines Siegelrings oder Handsiegels, auf dem ein Adler eingeschnitten war, dessen sich der König fortan bediente 183 ). Die Überreichung fand laut Manuskriptvermerk des Schreibers im Schloß Hertford statt, als der König und seine Mutter an der Neujahrstafel saßen, aber das Jahr wird nicht angegeben (1429?). Es ist, wie die meisten derartigen Gedichte, steif. Der mehr pomphafte als wahre Refrain: 'Honnour and knighthoode, conquest and victorye' scheint im Rückblick auf die Zeit Heinrichs V. geschrieben, wie auch die Königinmutter als noch regierende Königin angeredet ist und die ihr gewidmete zweite Hälfte des Gedichts einen eigenen Kehrreim erhält: 'Helfie and welfare, ioye and prosparitee.' Der Inhalt wird von historischen Reminiszenzen des Adlersymbols bestritten, wobei der Adler als König und Königin der Vögel gefeiert wird, und - wiederum in Rückblick auf Heinrich V. und seine Eheschließung - mit der Anrede an die jetzt verwitwete Königinmutter Katharina die friedenbringende Allianz von England und Frankreich heraufbeschworen wird. 182) M. P. 649; Halliwell 213. 183) Vgl. den Bnef Heinrichs VI. an Abt Curteys bezüglich der Gründung des King's College, Cambridge vom 17. September 1446 'Yeven undir oure signet of thegle'. Memorials a. a. O. III, 247.
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Weniger Staatsakt als feierliches Gebet ist das andere Gedicht: 'Ab inimicis' oder A Prayer for King Queen and People184), das meist in das Krönungsjahr 1429 gestellt wird 185 ). Inhaltlich ist das aus 12 Chaucerstrophen bestehende balladenartige Gebet eine umschreibende Betrachtung von 8 lateinischen Bitten, die jeweils einer Strophe als Überschrift dienen, dann folgt ein vierstrophiger Envoy, der Gottes Gnade erbittet f ü r Heinrich und seine Mutter Katharina und eine baldige Krönung zum König von England und Frankreich erhofft. Ein in leiser Variation durchgeführter Refrain: Kepe and preserue vnder thy m y g h t y honde T h e kynge, the quene, the peple, and thy londe
bindet die Strophen und die beiden Teile. Er gibt jeweils einen eindringlichen Abschluß und unterstützt die den Envoy auszeichnende Steigerung bis zur direkten Anrede an Gott. Das ist nichts Mystisches und keine private Devotion; Lydgate f a n d in einem Gebetbuch die lateinischen Verse aus dem Pontificat des Egbert 186 ): 'Ab inimicis nostris defende nos Christe. Dolorem cordis nostri benignus vide. Afflictionem nostram respice clemens...', Verse, die ihm gefielen und die er den einzelnen Strophen voransetzte als geeignet f ü r ein allgemeines Gebet f ü r König und Vaterland. Das Ganze hat den Charakter eines Gebets in Kriegszeiten, so wie es im sonntäglichen Ritus eingefügt wird. Man kann es sich durchaus im öffentlichen Gottesdienst in der Kirche gesprochen denken. Auf Wunsch des Dean of Windsor verfaßte Lydgate f ü r den König auch eine (meist 1424-34 datierte) Paraphrase des 102. Psalms Benedic anima mea187). Das Gedicht umfaßt 22 achtzeilige Strophen gegenüber 22 Psalmversen. Lydgates Paraphrasen begnügen sich nicht, wie das früher üblich war, mit einer Erläuterung. Er überlädt seine Verse mit rhetorischem Schmuck und benutzt die Bibelsprüche wie einen Saum von Juwelen am priesterlichen Kleid. Eine königliche Persönlichkeit ist auch in dem vermutlich 1431 verfaßten 184) So betitelt v o n MacCracken, M. P . 212; O . Mahir wählt den Titel 'Ab inimicis'; einzelne MSS. haben nur 1 Envoystr. und ändern die Widmung auf Eduard I V . (Brown Index 2218). 185) Gelegentlich 1427/8 datiert; es könnte noch vor Katharinas Eheschließung mit O w e n Tudor (1425) gerückt werden, weil Lydgate sich nach diesem Zeitpunkt meist mit förmlichen Wendungen begnügt, während er hier einen innigen T o n anschlägt. Das Gedicht sagt ausdrücklich: 'And forgete nat, hys moder Kateryne, / W h e n thou sittest in thy heuenly glorye . . . ' 186) Erzbischof v o n York 7 3 2 - 6 6 . Pontificat gedr. Surtees Soc. vol. 27, 1853, p. 26. 187) M. P. 1; auch in der sorgfältigeren Ausgabe v o n O. Mahir ( a . a . O . ) , der das Gedicht 1430/4 datiert. s*
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Defenee of Holy Churchm) angeredet. Mit einem großen Aufgebot von Autoritäten und biblischen Beispielen beschwört er den 'most worthy Prince', die Kirdie gegen ihre Feinde zu schützen. Das ist das einzige Thema, das Lydgate als Kämpfer vertritt. Es ist nicht eigentlich ein religiöses Gedicht, sondern gehört ebenso zu Lydgates politischen Dichtungen. Im Jahr der englischen Königskrönung, 1429, verdüsterte sich Englands Schicksal in Frankreich. Die von Jeanne d'Are geführten Franzosen entsetzten am 7. Mai das seit Oktober 1428 belagerte Orléans und nahmen den englischen Befehlshaber William de la Pole, Earl of Suffolk, gefangen; am 18. Juni schlugen sie den englischen Kriegshelden John Talbot (denselben, dessen Gattin Lydgate den Guy of Warwick in Auftrag gegeben) bei Patay und nahmen ihn gefangen; dann zogen sie mitten durch das feindlich besetzte Land nach Reims, wo Charles V I I am 17. Juli zum französischen König gesalbt und gekrönt wurde und schickten sich sogar an, gegen Paris zu marschieren. Angesichts der drohenden Katastrophe wandte sich Bedford an Kardinal Beaufort 189 ), dessen „pilgrimage" darin bestand, ein auf Wunsch des Papstes angeworbenes kleines Kreuzfahrerheer dem König Sigismund gegen die Hussiten zu senden. Beaufort war bereit, seine 250 Ritterlanzen und 2500 Schützen Bedford zur Verfügung zu stellen, um Paris vor einer Einnahme durch die Franzosen zu retten, aber die militärische Rehabilitation in Nordfrankreich besagte nicht viel. England war nicht nur aus dem Loirebecken und einem großen Teil der Champagne, verdrängt, es hatte auch das moralische Prestige verloren. Bedfords siebenjähriges Regiment war taktvoll und versöhnlich gewesen und dank seiner klugen Politik, Frankreich durch Franzosen zu regieren, waren die burgundischen weltlichen und geistlichen Stelleninhaber in Paris, das stets eine Hochburg burgundischen Einflusses war, Parteigänger Englands geworden. Auch die höhere französische Geistlichkeit und die Pariser Universität waren loyal. Aber das allgemeine 188) M. P. 30, 21 Chaucerstrophen (Fragment). Datierung nach Vickers: Humphrey of Gloucester; vgl. Bergen, Fall of Princes, vol. IV - Die Anrede stimmt weder zum König noch zu Gloucester, obwohl das Gedicht dem Inhalt nadi auf beide passen könnte. 189) Henry Beaufort hatte Bedford zuliebe auf den Kanzlerposten verzichtet (um Humphrey entgegenzukommen), und Bedford mußte ihm die einst von Heinrich V. verweigerte Annahme des Kardinalshuts gestatten. Am Tag von Maria Verkündigung (25. März) fand die Investitur mit dem roten Hute in der Marienkirche zu Calais statt. Henry Beaufort fiel also vorerst für die englische Politik aus, und da auch Henrys Bruder Thomas Beaufort, Herzog von Exeter, 1427 starb - er wurde auf seinen Wunsch in der Lady's Chapel in Bury St. Edmunds beigesetzt - , so kam die Führung der Verfassungspartei in andere Hände.
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in Westminster
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Gefühl war, daß der endgültige Sieg des nunmehr gekrönten Charles V I I unvermeidlich und die englische Sache verloren sei. Philipp von Burgund paktierte bereits mit Englands Feinden (Waffenstillstand mit Charles), und England suchte- durch Abtretung der Champagne und Picardie sein Bündnis mit Burgund zu erhalten. Die Erfolge der Jeanne d'Arc machten die Verlegung des englischen Hauptquartiers von Paris nach Rouen notwendig. Jetzt hoffte Bedford, Heinrichs Anwesenheit könne ein Gegengewicht bilden zu dem steigenden Ansehen Charles' V I I in Nordfrankreich. E r wünschte eine feierliche Krönung Heinrichs, wenn nicht in Reims, so in Paris, mit allen Zeremonien nach französischem Brauch. So fuhr Heinrich V I . mit glänzendem Gefolge am Georgstag 1430 über den Kanal. Die von Lydgate im Windsor-Maskenzug und in 'Ab inimicis' erhoffte Krönung zum französischen König sollte in Erfüllung gehen. Allerdings mußte Heinrich bereits in Calais 3 Monate warten. In dieser Zeit wurde Jeanne d'Arc bei Compiegne gefangen genommen (23. Mai 1430) und von Burgund an die Engländer verkauft. Während des langen Prozesses weilte der König mit seinem Gefolge in Rouen. Am 29. Mai 1431 wurde die Freiheitsheldin auf dem dortigen Marktplatz verbrannt. Dies Geschehnis ist der einzige politische Fehler und menschliche Makel Bedfords. Am 31. Dezember reiste der zehnjährige König, von Bedford und Warwick begleitet und von einem starken Truppenaufgebot geschützt, zu seiner Krönung nach Paris. Heinrichs Einzug 1 9 0 ) geschah mit größtem Pomp; vor der Stadt empfing ihn der Bürgermeister in blauem Sammetgewand, der K ä m merer mit seinem Gefolge in veilchenfarbenen Kostümen und scharlachroten Kappen, der Präsident mit den Herren des Parlaments in pelzbesetzten roten Mänteln. Am Tor von St. Denis grüßte die Ankommenden ein ungeheures Wappen mit den Goldlilien im blauen Feld. Blutrote Herzen wurden dem König dargeboten, aus denen weiße Tauben aufflogen und ein Blumenregen auf den Festzug niederfiel. Im Tor nahm man den König unter einen lilienbestickten Baldachin, der von sechs blau gekleideten Männern auf Speerschäften getragen wurde. Paris war geschmückt, bunter und geschmackvoller als es in London üblich; zu den Weinbrunnen und den gobelin- und teppichgeschmückten Häusern kamen Begrüßungen durch Pageants und allegorische Darstellungen. Diese Pageants müssen zusammengesehen werden mit den Maskenzügen und ähnlichen, bildliche Darstellungen begleitenden Dichtungen Lydgates 190) Vgl. die Schilderungen in: The Chronicles of Enguerrand de Monstrelet, translated by Thomas Johnes Lo. 1810 V I I , 46 ff. und in: Journal d'un Bourgeois de Paris, p. 248 ff.; ferner Withington: English Pageantry I, 138 ff.
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und mit den Pageants bei Königsempfängen in London. M a n hat sogar in der K ö n i g Heinrich durch einen Herold begrüßenden K a v a l k a d e der Ruhmesgöttin mit den "neuf preux' und 'neuf preues' ein direktes Vorbild für den Londoner 'King's E n t r y ' von 1432 gesehen und also Lydgates Anwesenheit bei Heinrichs Pariser Einzug a n g e n o m m e n m ) . Jedenfalls haben derartige Pageants, die in Frankreich gang und gäbe waren, den Dichter nachhaltig beeindruckt. Seit 1313 sind bei Pariser Festen und Königsempfängen derartige lebende Bilder, meist biblischer Themen, bezeugt 1 0 2 ). So wurde die Passion dargestellt beim Fest, das Philipp der Schöne für Eduard I I . von England und seine Frau Isabeau gab (1313), so die Eroberung Jerusalems f ü r K a r l V . 1378. Froissart beriditet von den beim Einzug Isabeaus von Bayern dargestellten Pantomimen und der Bourgeois de Paris spricht von dem beim Einzug Beauforts am 8. September 1424 aufgeführten 'moult bei mystère du Vieil Testament et du Nouvel, que les enffens de Paris firent, et fut fait sans parler'. Diese dramatischen Szenen waren oft nach Bildhauerwerken gestellt, so hatte sich die beim Einzug Karls V I . und Heinrichs V . von England in Paris vorgeführte 'passion' das Relief im Chor von N o t r e D a m e zum Vorbild genommen und es auf einer 100 F u ß langen Bühne 'au v i f ' nachgebildet. Für den Einzug Heinrichs V I . werden diese lebenden Bilder thematisch vielgestaltiger, sie bleiben aber bildbetont und sind zum Unterschied von den Lydgateschen Soteltes und Pageants audi ohne Worte verständlich. Das gilt für den vor der Kirche der Unschuldigen Kindlein auf der Straße errichteten Wald, in dem ein lebender Hirsch bei der Ankunft des Königs gejagt wurde, wie f ü r die religiösen Darstellungen aus dem Marienleben und der legendären Dionysiusgeschichte; das gilt auch für das politische lebende Bild, das Heinrich mit den beiden Kronen darstellte, flankiert vom Herzog von Burgund und dem Grafen von Nevers auf der einen Seite, die das Lilienbanner darboten, und auf der anderen Seite vom Herzog von Bedford und den Earls von Warwick und Salisbury, die das englische Wappen trugen. Wie die schaulustigen Pariser, die sich in den Straßen und an den Fenstern drängten, sah auch Isabeau, die Witwe Charles' V I , inmitten ihrer Hofdamen aus dem Fenster des Hotels de Saint-Paul; und als der vorbeireitende junge K ö n i g vor seiner Großmutter den H u t zog, verneigte sie sich 191) MacCracken in: Archiv 126, 99. Dagegen Withington I, 140. Nach Brusendorff nahm Lydgate die Figur der Göttin 'Fame' aus dem Rosenroman, ein Beweis, daß die Allegorie literarischen Ursprungs ist, wie Withington vermutet. 192) Zum folgenden vgl. Gröber-Hofer: Geschichte der mittelfranzösischen Literatur I, Bln. 1933 (Grundriß der roman. Phil. N. F.), S. 166, und L. Petit de Juleville: Les Mystères, Paris 1880, I, 197 f.
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und wendete sich weinend ab 193 ). Die festliche Pracht war bloße Fassade. In Heinrichs Gefolge waren kaum vornehme Franzosen oder Burgunder zu sehen. Stadtbehörden und Universität waren notgedrungen beim Empfang, aber bei der Krönung in Notre-Dame am Sonntag, dem 16. Dezember, fungierten englische Würdenträger, und statt eines einheimischen Prälaten setzte Kardinal Beaufort die (übrigens von England mitgebrachte) Krone auf das Haupt des Königs. Das anschließende Festmahl im Palais, an dem die Bevölkerung teilhaben sollte, war enttäuschend, weil das Volk sich zu sehr drängte, um einen Bissen zu erlangen, und weil das Fleisch am vergangenen Donnerstag gekocht war, was dem französischen Geschmack nicht zusagte. Das kleine Turnier vollends scheint die Kritik der Pariser herausgefordert zu haben, wenn auch der 'Bourgeois' die Kürze und den mangelnden Aufwand mit dem frühen Einbruch der Dämmerung und der winterlichen Kälte entschuldigt 194 ). Bereits am 26. Dezember und ohne die erhoffte Amnestie-Erklärung reiste der König nach Rouen zurück und im Februar 1432, nach fast zweijährigem Aufenthalt in Frankreich, kehrte er nach England zurück. Wenn Lydgate, wie wir annehmen, seit 1429 wieder in England war, so wird er sich während des Königs Abwesenheit in Hatfield oder in Bury St. Edmunds aufgehalten haben. Das Kloster erlebte 1429 ein für seine Geschichte bedeutsames Ereignis. Abt William of Exeter starb, und zu seinem Nachfolger wurde William Curteys gewählt, ein bedeutender Mann, dessen Abtszeit (1429-1446) nochmals, kurz vor dem Ausbruch der Rosenkriege, die Macht, den Reichtum und auch den Einfluß des Klosters in der englischen Innen- und Außenpolitik zur Geltung brachte 195 ). Die Tatkraft, mit der Abt Curteys die Verwaltung des Klosters in die Hand nahm, erhellt aus dem Erlaß über die sorgfältigere Wahrung der Klosterbibliothek 19e) und aus den Instandsetzungsarbeiten der Klosterkirche. 1430 befiel die Abtei nämlich ein großes Unglück, die Südseite des großen Glockenturms (des sog. western tower) stürzte ein (am 18. Dezember 1430) und ein Jahr darauf brach 193) Journal d'un bourgeois, a. a. O., p. 251. 194) Journal d'un bourgeois, a. a. O., p. 253. 195) Eine Biographie v o n Curteys fehlt. 196) H e issued an ordinance in which he declared books given out by the precentor to the brethren for purposes of study had been lent, pledged, and even stolen by them. Some of them he had recovered and he hoped to recover more, but the process of recovery had been expensive and troublesome, both to himself and the people he found in possession of the books. H e therefore sternly forbade the brethren to alienate books. (Savage: O l d English Libraries p. 61 f.)
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auch die Ostseite zusammen. Als Ursache vermutet Curteys Registrum Nachlässigkeit des früheren Baumeisters oder Erschütterung durch das Glockenläuten (der Turm trug neun große Glocken). Curteys ließ die N o r d - und Westseite des Campanile im Laufe des Jahres 1432 abtragen und erwirkte in Rom Ablässe f ü r alle, die zum Neubau, beitrugen 197 ). Dieser allerdings erst spät vollendete Neubau muß ein bedeutendes Denkmal der englischen Spätgotik gewesen sein. Lydgate fügte sich in diesen Jahren langsam wieder in sein früheres Dasein und Wirken zurück. Er hatte eine große Aufgabe vor sich: die ihm von Humphrey of Gloucester aufgetragene Übersetzung von Boccaccios 'De casibus'198). Als ihm einst Heinrich V. als Prinz von Wales die Bearbeitung des Trojabuchs nahelegte, war eine dichterische Aufgabe gestellt, bei der er nur gelegentlich, am Rande sozusagen, sich zu den Zeitereignissen äußern konnte. Jetzt, da er mit der ganzen Erfahrung des innen- und außenpolitischen Geschehens in England und in Frankreich ausgerüstet war, konnte ein die Geschicke der Großen behandelndes Werk mehr werden als eine bloß unterhaltende Dichtung. Der geschichtliche Stoff versprach eine Neubelebung der einst blühenden Historiographie der Mönche, die im 15. Jh. nur in wenigen Benediktinerklöstern wie St. Albans noch gepflegt würde und meist den universalhistorischen Blick verloren hatte. Dies Werk sollte Lydgate während der nächsten acht Jahre beschäftigen, und Abt Curteys hat diese Arbeit des Klosterpoeten sicher nach Kräften gefördert. Für das Kloster selbst mag Lydgate damals das 'Kaiendare' 199 ) und andere religiöse Gedichte verfaßt haben. Den weltlichen Schutz der Kirche erbittet er in 'A Defence of Holy Church' 200 ). Im Jahre 1432 fiel Lydgate die hochoffizielle Begrüßung des aus Frankreich zurückkehrenden Königs zu. Die Krönung in Paris war bedeutungslos gewesen, um so pompöser sollte der Empfang in London sein. Die Stadtbehörden beauftragten den angesehensten Dichter seiner Zeit mit der Abfassung des Empfangsgedichtes 'Pur le roy'. Vermutlich ist Lydgate nicht nur dies Gedicht, sondern auch die Erfindung und Planung der in diesen 77 Chaucerstrophen geschilderten Aufbauten und Szenen zuzuschreiben 201 ). Lydgate schien dazu besonders geeignet; die Klostermauern hatten dem Mönch den Blick in die Welt nicht verwehrt. Infolge seiner engen Beziehungen zum H o f e hatte er drei Jahre zuvor bei der Krönung Heinrichs in Westminster die „Ballade" 'Moost noble prynce of Cristin prynces alle' überreicht. Der 197) Von solchen Ablässen ist noch 1500 die Rede. 198) Fall of Princes s. Kap. 21. 199) s. S. 151 f. 200) s. S. 116. 201) Kingsford: Chronicle of London a. a. O. p. X X V , und 301.
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und Paris
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Mönch von Bury St. Edmunds war in der Pariser Zeit Hofpoet und politischer Dichter gewesen und hatte in seinen Maskenzügen bereits die Fähigkeiten eines 'Master of the Revels' gezeigt. Solche Festlichkeiten mit den Pageants und den beschreibenden oder dramatischen Begleitversen gehören zum Bild der damaligen Zeit. Alle zeitgenössischen Chroniken berichten sie ausführlich 202 ), und der neue Dichtungszweig der 'King's Entries' ergänzt die Beschreibung der Chronisten. Viele dieser farbenprächtigen Aufzüge hatte Lydgate miterlebt: den Empfang des siegreichen Heinrich V . nach der Schlacht von Agincourt 203 ), die Einholung der Königin Katharina von Valois im Jahre 1421 2 0 4 ), den Trauerzug, der die Leiche Heinrichs V . nach London brachte, das Krönungsfest des jungen Heinrich V I . im Jahre 1429. Bei diesen Gelegenheiten mußte er sich in London aufhalten und wird in dem schönen Stadthaus, genannt 'Buries Markes' (jetzt Bevis Marks 205 )) gewohnt haben, das dem Kloster gehörte in St. Mary Axe. Lydgates Londoner King's Entry betont gegenüber dem dramatischeren und mehr aufs Bild gestellten Pariser Empfang die Allegorie und fordert das Wort als Ergänzung. Man möchte von einem bewußten Gegensatz sprechen und hat in dem Verfasser des Londoner Empfangs einen Augenzeugen des Pariser vermutet. D a ß Lydgate bis zu Heinrichs Pariser Krönung in Frankreich weilte und erst mit dem königlichen Gefolge zurückkehrte, wie MacCracken annimmt, ist eine durch den Carpenterbrief nahegelegte, aber m. E. unbewiesene Vermutung. Dieser Lydgate befreundete Stadtschreiber John Carpenter, der den Kirchhofskreuzgang mit den Totentanzbildern ausmalen ließ, hat nämlich in einem Brief eine genaue Besdireibung von Heinrichs Einzug in London geliefert 2 0 8 ), und in diesem Brief sieht MacCracken 202) F. J . Starke: Populäre englische Chroniken des 15. Jh. a . a . O . ; C. L . Kingsford: English Historical Literature in the 1 5 t h Century, Oxf. 1913; R. Fabyans Chronik ed. H . Ellis Lo. 1811; The Great Chronicle of London ed. A. H . Thomas and J . D. Thornley Lo. 1939; Chronicles of London ed. C. L. Kingsford, O x f . 1905; Brut ed. F. Brie a. a. O. 203) Vgl. Gesta Henrici Quinti a . a . O . p. 6 0 - 6 7 ; The First English Life of Henry V . ed. Kingsford O x f . 1911, p. 156 ff. 204) Gesta Henrici Quinti p. 297 ff. 205) Bevis Marks, in Aldgate W a r d : town residence of the abbots of Bury. Stow beschreibt es (Survey of London ed. Kingsford II, 73) 'one great house, large of rooms, fair courts and garden plots, sometime pertaining to the Bassets, since that to the abbots of Bury in Suffolk, and is called Buries Markes, corruptly Bevis Marks'. 206) Gedruckt in Riley's Mumnimenta Gildhallae I I I (Rolls Series) p. 4 5 7 - 6 4 . MacCracken Archiv 126, S. 75 ff.) sieht in diesem Brie peple deyed sore' (p. 407); vgl. Ch. Creighton: A History of Epidemics in Britain. Cambr. 1891; Pestblätter des 15. Jh. ed. P. Heitz mit einl. T e x t von W . L. Schreiber; Hecker: Epidemics of the Middle Ages, 1843. Wenn es nicht die Epidemie von 1433/4 war, die Lydgates Gedichte hervorrief, so die von 1438/9. 123) M. P . 159, vgl. Kap. 18.
19. Lydgates
religiöse
Lyrik
155
dann wäre die erste (7 refraingebundene Balladenstrophen 124 )) etwas früher anzusetzen und die zweite, künstlerisch mattere, die nur 4 Strophen umfaßt 1M) und mit einer £ar nidit hierher gehörigen, einem Mariengebet 126 ) entnommenen Strophe schließt, vielleicht beim Neuaufflammen der Pest.im folgenden Jahr redigiert.' Jedenfalls ist die in der Sdilußstrophe langes Leben, Reichtum und die himmlische Seligkeit erbittende Kurzfassung niederer gestimmt als die erste, anschaulichere Fassung, die in den Schlußstrophen zu großartiger Anrufung ansteigt. Wir finden das Gebet in den Horae unter den Gebeten an die heilige Jungfrau 1 2 7 ). Das letzte der Pestgedichte De Sancta Maria, contra pestilenciamlis) ist weniger eine Beschwörung der Seuche als eine feierliche, in weiten Falten fließende Deklamation zu Ehren Marias. Eine weitere Gruppe bilden die 'Quindecim signa judicii'-Gedichte 12°). Lydgates Beitrag hierzu ist allerdings ohne künstlerische Vorzüge. Unter dem Titel The Fifftene Toknys aforn the Doom 13°) behandelt er das Hieronymusthema denkbar trocken, indem er Tag für Tag aufzählt und erörtert. Ähnlich handwerkliche Stücke sind die wohl im Auftrage seines Klosters geschriebenen P s a l m - oder H y m n e n p a r a p h r a s e n , die allerdings der Wortkunst Lydgates entgegenkamen. Das offenbar frühe, Titel und Refrain aus dem 88. (89.) Psalm nehmende Misericordias domini in eternum cantabo131) ist ein Gegenstück zu den weltlich kriegerischen Triumphliedern: Davids Siegesgesang über Goliath. Seinen aus der weltlichen Dichtung bekannten Stil, eine Fülle von Namen aus Bibel und Mythologie, antiker Geschichte und Literatur auszubreiten, hat Lydgate für die religiöse Diditung nicht beibehalten. - Ein frühes Gegenstück zu dem Alterswerk 'De profundis' ist Dens in nomine tuo saluum me fac 132), eine stellenweise treu übersetzende Paraphrase des 53. Psalms, dessen einzelne Verse den 9 Balladen124) C. Brown: Religious Poems of the 1 5 ^ Century O x f . 1939 p. 208 ff. (7 Strophen). 125) M. P. 295. 126) Prayer to Mary M. P. 296. 127) E. Hoskins: H o r a e Beatae Mariae Virginis etc. p. 165, 166 (nach C. Brown: Religious Poems a. a. O. p. 335). 128) C. Brown: Rel. Poems a . a . O . p. 206; 11 Chaucerstrophen; als Besteller wird der Kanonikus William Cotson im Colophon genannt. 129) Beispiele und Vergleiche Brown Index N r . 408, 776, 1823, 2920, 2921, 3349, 3367, 3368, *48. 130) M. P. 117. Auch in Th. Whright: ehester Plays (Shakespeare Soc. Series 1847, vol. II. p. 222); vgl. Koppel in: Anglia: Anzeiger 24, 55. 11 Balladenstrophen. 131) M. P. 71, 24 Balladenstrophen. 132) M. P. 10; auch in: F. A. Patterson: The Middle English Penitential Lyric. p. 72.
156
Dritter
Teil
Strophen vorangestellt sind. Der leise variierte Refrain entstammt der Absolution nadi der öffentlichen Beichte, so daß man die liturgische Verwendung dieses Beichtgedichts annehmen kann. Seine 'Würde und der innige Ton sind grundverschieden von der geschwätzigen und für unser Empfinden gefühlsfremden Paraphrase De profundusm), einer im Auftrag des Abtes William Curteys geschriebenen Bearbeitung des (in der Totenmesse-verwendeten) 129. Psalms 134 ). Das Gedicht soll, wie die letzte Strophe verrät, im Gottesdienst, vielleicht sogar als aufhängbarer Wandspruch Verwendung finden. Es erinnert an den Altersstil der letzten besprochenen Paternoster-Paraphrase; eine persönliche Einleitung berichtet, wie der Dichter zu diesem Werk kam; dann folgt eine digressive und wohl nach theologischen Kommentaren gearbeitete Erörterung der Geschichte und Anwendungsmöglichkeiten des Psalms, worauf schließlich als eigentlicher Hauptteil die Paraphrase mit den einzelnen Psalmversen als Strophenüberschriften folgt und ein sachlicher Schluß und persönlicher Epilog das Ganze abrundet. Das 1445-48 anzusetzende Gedicht wirkt im Stil glatt und tönend, aber doch schon zur Manier entartet. Was dieser Stil auf seiner Höhe geben konnte, zeigt die wohl ebenfalls für den Gottesdienst verfaßte Paraphrase des ambrosianischen Hymnus Te Deum laudamus135). In 13 teilweise stark mit lateinischen Zeilen gemischten Balladenstrophen mit Refrain wird eine klangvolle Ubersetzung und Umspielung des täglich nach der Messe zu sagenden Hymnus gegeben 136). In zwei Dingen allerdings ist diese Paraphrase eigenwillig: sie hält sich nicht streng an den Gedankengang des lateinischen Hymnus, und sie wird weitgehend zum Preisgedicht auf den als heldischen Todüberwinder gefeierten Gottessohn. Ähnlich bedeutsam und vermutlich derselben Zeit angehörig ist die Paraphrase der bekannten, dem Venantius Fortunatus zugeschriebenen Passionshymne Vexilla regis prodeunt137). Auch hier ist eine altere, von der heutigen abweichende lateinische Fassung zugrunde gelegt, von der einige Verse in den englischen Text eingefügt sind, andere als Motto oder Überschrift über den einzelnen der 9 Balladenstrophen stehen. Das Gedidit, das nur zum Teil übersetzt und paraphrasiert, wendet sich also an lateinkundige Leser; es ist eine gute Wiedergabe des hymnischen Charakters, 133) M. P. 77, 21 Balladenstrophen. 134) Der Psalm figuriert im Missale in der Missa pro Defunctis. 135) M. P. 21; vgl. W. O. Wehrle: The Macaronic H y m n Tradition in Medieval English Literature. Washington 1933, p. 124 f. 136) Es sind auch lateinische Stellen eingefügt, die nicht im heutigen Te Deum enthalten sind. 137) M. P. 25. (In Brown Index 2833; 'ascribed to Lydgate'). Andere Bearbeitungen dieser Hymne: Brown 3403, 3404, 3405.
19. Lydgates religiose Lyrik
15 7
der lapidaren Ausdrucksweise und der feierlichen Haltung des Originals. Dagegen verliert durch die Ausweitung auf 39 Balladenstrophen Bernhards von Clairvaux Weihnachtshymne Letabundus138),
die Lydgate wohl als
Neujahrshymne für den Klosterunterricht verfaßte, ihre lateinische G r ö ß e ; sie wird ungefüg durch die wahllos eingestreuten lateinischen Brocken, ermüdend durch Gelehrsamkeit und steif durch Wortprunk. Den ersten lateinischen Vers: 'Laetabundus exultat fidelis chorus' umschreibt er mit nicht weniger als 48 Zeilen. Auch inhaltlich wird der Eindruck der Unbeweglichkeit und des Nicht-vom-Flecke-Kommens erweckt durch den stark belehrenden, predigend-auslegenden Charakter. Dieses dozierende Auslängen wirkt undichterisch; ruckartig reihen sich die Strophen aneinander, zusammenhanglos wie die Anrufungen im Spätstil, nur durch die gemeinsame Beziehung auf die lobzupreisende Gottheit gebunden. Bei dieser Kompositionsart konnte Lydgates aus der weltlichen Dichtung her bekanntes episches Streben hier wenig Betätigung
finden.
N u r zwei
seiner religiösen Dichtungen haben e p i s c h e n U m f a n g : das Nachtigallengedicht und das Testament. A Seying of the Nightingale
139
) ist Fragment,
wie der Manuskriptvermerk: ' O f this Balade D a n J o h n Lydgate made nomore' besagt. Weitere chronologische Schlüsse 1 4 0 ) sind Vermutung. Das G e dicht ist nicht so formlos und nachlässig im Aufbau, wie man gemeinhin urteilt
141
), nur ist Lydgates Kompositionsweise von der seines lateinischen
Vorbilds völlig verschieden. Dies Vorbild ist das berühmte Philomela-Gedidit, in dem Englands größter religiöser Lyriker des 13. J h . , J o h n Peckham, die Sehnsucht der Seele nach ihrer göttlichen Heimat aussprach I 4 2 ). Das 138) M. P. 49. Das Original in H . A. Daniel: Thesaurus Hymnologicus II, 61 vgl. W . O. Wehrle a. a. O., dessen p. 22 abgedruckte Fassung einige bei MacCracken (und in der Handschrift?) entstellte und unverständliche lateinische Wörter aufklärt. 139) Lydgate's Minor Poems. The two Nightingale Poems, ed. O. Glauning. E E T S . ES. 80. Lo. 1900. Desgl. in MacCrackens Ausgabe, M . P . 2 2 1 . 5 4 Chaucerstrophen. 140) *As this Statement was no doubt copied by Stow from his Shirley original, we may fairly compare it with the like entry in the Lydgate and Burgh's Secree of Secrees (?1446 Schick), after the poet's decease, and conclude that the cause of the break-off in the Nightingale poem was Lydgate's death. This is borne out by the character of the metre, as the many examples of type D [the acephalus or headless line] tend to prove a late date.' (Furnivalls Anm. in der Ausgabe von Glauning p. X X X V I I I ) . 141) MacCracken M. P. p. X X X I V . 142) C. Vötter: Die Nachtigall des hlg. Bonaventura. Mchn. 1612; M. Diepenbrodc: Geistlicher Blumenstrauß. Sulzbach 1862 [mit lat. T e x t ] ; Anon.: Des hlg. Bonaventura Philomela oder Nachtigallenlied. Lingen 1883.
158
Dritter Teil
Peckhamsche Passionsgedicht ist knapp in der Wortgebung und straff in der Komposition: das vom Morgen bis zu ihrem Tod am Abend währende Nachtigallenlied ist das Erleben eines mystischen Tages, dessen Stunden den Erlösungsstufen entsprechen. Diesen Aufbau wahrt die früher Lydgate zugeschriebene Übersetzung eines bedeutenden englischen Dichters 14S ), nicht aber die eigene Wege gehende Paraphrase, von der hier die Rede ist. Vielmehr beginnt Lydgates Dichtung wie ein Versroman mit astronomischer Jahreszeitenbestimmung und der (auf den Abend verlegten) Frühlingsschilderung. Von den jubilierenden Vögeln ist nur die Nachtigall wach geblieben, deren Sang der lauschende Dichter dem Abendgottesdienst (complyne) vergleicht. Damit ist der Übergang gefunden zu der den Hauptteil bildenden Passionsdichtung, die den herkömmlichen Stoff in fünf Abschnitten abhandelt 144). Der erste erzählt, wie ein dem träumenden Dichter erscheinender Himmelsbote den religiösen Sinn des Nachtigallenlieds deutet, was in der meditierenden Kreuzigungserinnerung des zweiten Abschnitts breiter und lehrhafter ausgeführt wird. Der dritte Abschnitt, anknüpfend an die Verehrung des Namens Jesu, gehört zu der herkömmlichen Gattung der Worte Christi am Kreuz. Mehr Eigenes zeigen die folgenden Abschnitte der Meditatio über den Kreuzestod und der Kreuzesanrufung. Der im ganzen schlichte Stil erhöht sich bei der Anrufung des Kreuzes. Der den Schluß bildende Abschnitt (von dem wohl nur wenige Strophen fehlen) setzt den künstlerischen Aufschwung fort. In religiöser Umsetzung des naturschildernden Eingangs wird in Wortgebung und Bildern auch das Hohelied zur Erhöhung des weltlichen Liebesthemas herangezogen. Die Dichtung hat also Gliederung und Form, zeigt auch innerhalb der Nachtigallgedichte eine persönliche Note; ein bedeutendes Kunstwerk ist diese Paraphrase jedoch nicht, und der durch äußerliche Zusammenfügung entstandene epische Umfang entbehrt der inneren Begründung. Diesen Vorwurf muß man auch dem Lydgates Spätzeit angehörigen145) Testament of Lydgate *46) machen, einem Konglomerat aus fünf verschiedenen, durch Wechsel der metrischen Form gekennzeichneten Teilen von insgesamt 118 Balladen- und Chaucerstrophen147). Die Dichtung, die durch 143) Abgedruckt bei Glauning; vgl. MacCracken M. P . p. X X X I I I . 144) Das Verhältnis der Einteilung ist wie folgt: Einleitung Str. 1 - 6 , Hauptteil: Passion: I. Deutung des Nachtigallenliedes Str. 7 - 1 6 , II, Memento Jesu Str. 1 7 - 2 1 , I I I . Worte Christi am Kreuz Str. 2 2 - 3 3 , IV. Meditatio Str. 3 4 - 4 2 , V. Kreuzerhöhung Str. 4 3 - 4 8 . Schluß Str. 4 9 - 5 4 . 145) Datierung: 1 4 4 8 / 9 . 146) M. P. 329; Halliwell p. 232. 147) Prolog Str. 1-30, Balladenstrophen; Testamentum, Str. 3 1 - 5 6 , Chaucer-
19. Lydgates religiöse
Lyrik
159
ihre autobiographischen Bezüge den modernen Leser besonders anspricht, ordnet sich ganz dem Jesuskult ein; aus dieser Doppelnatur entstehen reizvolle Kontrastwirkungen. Die Dichtung überragt das Nachtigallengedicht bei weitem, was eine eingehendere Analyse rechtfertigt. D e r Jesum lobpreisende Prolog beginnt mit einer großen Invokation, worauf kontrapunktisch ein Interieurbildchen des demütigen Mönchs in seiner Zelle folgt. D e r Kontrast ist dadurch gesteigert, daß Jesus nicht mehr der Schmerzensmann franziskanischer Tradition ist, sondern der königliche Held, vor dem auch die Größten der Erde demütig die Knie beugen müssen, wie es der Refrain einhämmert
)._ Ein erlesenes, reich verziertes Wortgewebe trägt den feier-
148
lichen Inhalt, und eine Vision mit der in jener Zeit besonders beliebten anagrammatischen Deutung führt zum abschließenden Höhepunkt, worauf abermals die kontrastierende Zurückführung auf die Person des Dichters folgt mit der Themaangabe einer unter Jesu Schutzherrschaft abgelegten Beichte (Testamentum in nomine Jesu). Am Bett des alten, kranken Dichters erscheint in schwarzem Gewand die D a m e Erinnerung 'myspent tyme'. D a n n kommt ihre Schwester Nachdenklichkeit, die ihm eine jammervolle Rechnung vorhält. Dadurch wird der Dichter veranlaßt, über das im Wechsel der vier Jahreszeiten entschwundene J a h r und seine Entsprechung, das menschliche Leben, nachzusinnen. So enthält der zweite Teil einen Rückblick auf des Dichters Jugend in Gestalt einer Frühlingsbeschreibung, die dem Gesamtzusammenhang eingeordnet ist durch den Vergleich mit dem menschlichen Kindheitsfrühling - beidemal hinauslaufend auf das Unbeständigkeitsthema. D e r moderne Leser wird nicht bei diesem Sinngehalt verweilen wollen, es wird ihn auch nicht stören, daß dem alten Dichter die straffe Komposition dieses Teils zerflattert; ihn fesseln die biographischen Andeutungen und die reizvollen Frühlingsbilder 1 4 9 ) in dieser sonst - der mittelalterlichen Kunstgepflogenheit entsprechend - allgemeingültig gehaltenen Kindheitsschilderung. D e r 'Jesus' und 'Oratio praevia humiliter confitentis' überschriebene dritte Teil ist ein der B u ß l y r i k 1 5 0 ) angehöriges Gebet vor der Beichte, das the-
strophen; Jesus, Str. 57-79, Balladenstrophen; Jesus (Beichte), Str. 80-100, Chaucerstrophen; Jesus Vide, Str. 101-118, Balladenstrophen. - Die in Balladenstrophen geschriebenen Teile verwenden einen Refrain, also durchgehende c-Reime. 148) Aus Philipperbrief II, 10: ut in nomine Jesu omne genu flectatur coelestium, terrestrium et infernorum. 149) Fast jeder Vers der Canterburygeschichten-Eröffnung findet hier seine Entsprechung in pretiöser Fassung. 150) Thematisch den Bußgedichten anzureihen, aber grundverschieden von ihnen in der Ausführung ist die von MacCracken Lydgate zugeschriebene Meditation (M. P. 43), die in Lydgates Werk ein singulärer Versuch ist, eine wirkungsvolle
160
Dritter Teil
matisdi auf den ersten Teil zurückweist. Jesus, der triumphierende Sieger auf dem Kalvarienberg, möge seine Beichte gnädig anhören, eine Bitte, die durch den Refrain 'Graunt or I deye shryfte, hosel, repentaunce' etwas litaneiartig Dringliches erhält. Ein aus den Psalmen zusammengestelltes lateinisches Gebet m ) leitet über zu der abschließenden Bitte um Erbarmen. Dann erst folgt im vierten ebenfalls 'Jesus' überschriebenen Teil die eigentliche, an Teil I I anknüpfende Beichte 152 ). Obwohl diese in so allgemeinen Zügen gehalten ist, daß sie fast für jedermann gelten könnte, läßt sie in den wirklichkeitsnahen Bildern aus dem Klosterleben Rückschlüsse auf Lydgates Jugend zu. D a ß ein Novize sich um die Frühmette drückt, mag zum allgemeinen Sündenregister eines Klosters gehören, daß er aber in den benachbarten Weinberg läuft und Trauben pflückt, paßt nur auf das Kloster in Bury. So wird auch das Murmelspielen und das Aufbegehren der dörflichen Ungebundenheit gegen die Klosterregeln Erinnerungen des Dichters verwerten; die übrige Beichte von Sinnenlust, unmäßigem Essen und Trinken und Verstößen gegen die Benediktinerregel entspricht den herkömmlichen Mustern. Audi die Bekehrung in seinem 15. Lebensjahr durch ein Kruzifix mit der Aufschrift 'Yide' hat weniger biographische als thematische Bedeutung; sie leitet den fünften, 'Vide' überschriebenen Abschnitt ein, der eine von Jesus selbst dem Menschen vorgehaltene Passion darstellt und im wesentlichen eine Paraphrase der biblischen Version ist. Derartige Paraphrasen sind zahllos, und da die vorliegende jeglicher persönlichen Eigenart entbehrt, so wirkt der Schlußabsdinitt des 'Testament' für uns inhaltlich enttäuschend und künstlerisch matt. So ist auch diese Dichtung als Ganzes kein Epos, sondern ein Gemisch von Gebeten, Selbstanklagen und Ermahnungen mit eingestreuten Naturschilderungen und Vergleichen zwischen Natur und menschlichem Leben. Von dieser verfehlten Architektonik abgesehen, ist das Testament jedoch eine der biographisch Form für das Bußthema zu finden. Auch metrisch nimmt das in 180 Zeilen heroischer Reimpaare geschriebene Gedicht eine Sonderstellung ein. Es beginnt mit einem Naturbild des Frühlings und der Erzählung aufsteigender Sinnenlust, worauf als Gegenschlag die Verfaulungsrede der Seele folgt. Der Dichter geht dann über zum Gericht, das Selige und Verdammte sdieidet, und endet mit einer gewissermaßen zu sich selbst gesprochenen Predigt: Bessere dich, damit Gott dir nicht böse wird. C . Brown in: M L N . May 1925, X L , 282 ff. spricht diese auf einem lateinischen Gedicht des 13. Jh. (De humana miseria tractatus) beruhende Dichtung Lydgate ab und möchte darin die von Chaucer als Teil seines Oeuvre genannte, aber bisher nicht identifizierte Dichtung: 'Of the Wreched Engendring of Mankinde' erkennen. Dr. Bergen stimmt dem zu. 151) Dessen 5 Zeilen in jeweils einer Strophe paraphrasiert werden. Die Stellen aus: Psalm 34, 3; 30, 17; frei nach 45, 1 u. Jeremias 16, 19. 152) Der dritte Teil knüpft an den Teil I an. Auch im Metrum: I u. I I I : Balladenstrophen; II u. I V : Chaucerstrophen. Vgl. Anm. 147.
19. Lydgates religiöse Lyrik
161
interessantesten Dichtungen Lydgates und literarhistorisch bedeutsam als hervorragendstes Beispiel der Jesusverehrung. Zu diesem Jesuskult gehören auch die P a s s i o n s g e d i c h t e , die aus den feststehenden Gattungen des Planctus Mariae und des vom Kreuze den Menschen ermahnenden Erlösers eine nicht ganz geglückte Mischung machen. Denn sowohl die Klage am Kreuz wie der sein Opfer vorhaltende Heiland ziehen das Göttliche in den menschlichen Bereich, wo es nur durch ergreifende Darstellung bestehen kann. Die volkstümliche religiöse Dichtung des 15. Jh. pflegte das Sehbare und Szenische zu betonen und gelangte durch bürgerliches Ausmalen der Mutteridylle zu völliger Vermenschlichung Marias. Lydgate konnte und wollte den Schmerz nicht mehr menschlich erschütternd darstellen. Seine milde vermittelnde Art empfand mehr consolatio als compassio, und da die mystische Inbrunst jenseits seines Vermögens lag, so mußte das Thema in seiner Hand verflachen. Er suchte folglich einen Ausgleich durch zunehmende stilistische Erhöhung, die der Himmelskönigin Maria und dem heroischen, nicht dem vermenschlichten Christus angemessen erscheint. Vielleicht das früheste dieser Gedichte ist The Dolorous Passioun153),
Pyte of
Crystes
ein vermutlich im Auftrag seines Klosters zu einem Kruzifix-
bilde verfaßter poetischer Text zur Anpreisung eines im Kloster käuflichen Ablasses 154 ). Ein derartiger Anlaß spricht im Mittelalter nicht gegen künstlerische Ausführung, die kunstvolle Balladenstrophe und die alle sieben Strophen verbindenden Kehrreimworte 'dolorous pite' zeigen die sorgfältige Durcharbeitung. Lydgate hat mit den Heroisierungsversuchen in Strophe 3 und 6 sowie mit der besonders in der letztgenannten Strophe kenntlichen Erhöhung des Stils alle Kraft aufgeboten, das Ergebnis ist trotzdem künstlerisch unbefriedigend. Das gilt auch für das Prayer
upon the Cross155),
einer
noch kunstvolleren Durchführung desselben Themas 15e ). Lydgate ist nicht glücklich in kurzen Gedichten; seine rhetorische Begabung 153) M. P . 250. 154) Zum Bild vgl. Str. 1 (My bloody woundis, set here in picture). Zum Ablaß vgl. die letzte Strophe. 155) M. P. 252, ferner abgedruckt bei Furnivall: Political, Religious and Love Poems. E E T S . 1866 und von B. Behr in Archiv 106, 63. - Aus Lydgates Gedicht ist im 16. Jh. durch Zusatz eines 'bürden' ein Carol gemacht worden (R. L . Greene: Early English Carols, O x f . 1935, p. 187) und für 4 Stimmen komponiert von Sheryngham. 156) Fünf Balladenstrophen sind durch Refrain und durchgeführte Reime verbunden (so daß nur drei Reime in den 40 Zeilen vorkommen); eine sorgfältige Gliederung läßt dem eigentlichen, drei Strophen umfassenden Gedicht das Geleit (Str. 4) und das oratio genannte Gebet des Autors (Str. 5) nachfolgen. S c h i r m e r, Lydgate
ii
162
Dritter Teil
braucht Raum. Deshalb ist das umfänglichere Gedicht Cristes Passioun167), in dem sich seine Beredsamkeit entfalten kann, ein charakteristischeres Stück: der aureate style übertönt den herkömmlichen Inhalt. - Das beste und für den Dichter bezeichnendste Gedicht der Planctus-Gattung ist The Fifteen Ooes of Christlsi), ein an die 15 Freuden Mariae und ähnliche Rosenkranzgedichte erinnerndes Passions- oder Bußgebet, in dem das Planctus-Motiv durch Meditatio und fortgesetzte Anrufungen zur großen Jesushymne erweitert ist. Das umfängliche Gedicht (42 Balladenstrophen) gibt vor, aus dem Lateinischen übersetzt zu sein; bei Lydgates freier Art zu paraphrasieren, können damit einige anregende Zeilen gemeint sein, was die lockere Gliederung zu bestätigen scheint. Das Gedicht beginnt als Gebet: ' O blyssed lord my lord, O Cryst Iesu'; nach Strophe 3 geht es zu einer Aufzählung der Hauptmomente der Passion über, die von Zeit zu Zeit durch eine 'Oracio' überschriebene Strophe unterbrochen wird. Mit der Szene am Kreuz wird es zum Planctus und wechselt immer schneller zwischen hymnisch-anrufenden und an die Passion erinnernden (also erzählenden) Strophen oder Strophenteilen. Man gewinnt den Eindruck eines aus der Meditatio immer wieder schmerzergriffen auffahrenden Menschen. Die gewählten und gehäuften Epitheta Jesu zeigen den mächtigen Jesus, den Löwen Judas, den königlichsten der Herrscher und unbesiegbaren geistlichen Ritter. Sogar im reinen Planctus, von dem wir nur ein Beispiel überliefert haben: Quis dabit meo capiti fontem lacrimarum159) ist das Heldische gewahrt: Marias Klagen sind auf die Sprecherin bezogen, nicht auf Jesus, der als Simson, Held Eleasar und Herkules gefeiert wird. Eine Sonderstellung unter den Gedichten der Jesusmystik nimmt Christe qui lux es et diesein, eine ziemlich getreue Paraphrase einer lateinischen Hymne 161 ). Der Kern, die Strophen 2-4, ist ein inhaltlich geschlossenes 157) M. P. 216, 15 Balladenstrophen. Schottische Version eines Teils dieses Gedichts (vielleicht von Dunbar) Brown Index 2497, PMLA 46, 220 f. 158) M. P. 238. 'A Scotch version different from this is in Arundel 285, and another metrical version in Rawl. poet 32. A prose translation is in Harley 172, with an interesting prologue.' (MacCracken.) 159) M. P. 324; ed. Holthausen in: Festschrift zum Geburtstag des deutschen Kaisers 1908. Zum Titel vgl. Jeremias 9, 1 - 1 9 durch Refrain gebundene Balladenstrophen. 160) M. P. 235, 7 Balladenstrophen in Kurzzeilen mit lateinischer cauda; vgl. Wehrle a. a. O. p. 138. Brown Index 614-19 (eine Reimpaarversion PMLA 54, 387; Vierzeilerversion MS. Harley 685; 3 Versionen von Ryman, Archiv 89, S. 196, 325, 326). 161) Untertitel: 'Translación of {Je ympne: Criste qui lux es et d i e s . . . in wyse of balade.' Diese Hymne steht nicht im heutigen Brevier (das in seiner jetzigen
19. Lydgates religiöse
Lyrik
163
Nachtgebet 1 8 t ), dem eine Prologstrophe vorausgeht und zwei Epiloge folgen (eine Bitte um Schutz vor den Feinden und ein Lob der Trinität). Interessant ist die eigenartige Form: jede Strophe hat eine lateinische Hymnenzeile als Überschrift, die in englischer Übersetzung als erste Zeile der Strophe wiederkehrt und, im lateinischen Original wiederholt, die letzte Zeile der Strophe bildet. Die in der Maccaronipoesie sonst nicht bekannte Form wird aber kaum von Lydgate erfunden sein; sie wird mit der Liedtradition zu tun haben, der dies Stück nahesteht. Formal wäre dies Gedicht also in die Nähe der Marienlyrik zu stellen, unmittelbar neben die Rede des Jesusknaben an seine Mutter" 3 ). Lydgates G e b e t e nehmen in der religiösen Lyrik keine Sonderstellung ein. Für den Gottesdienst gedacht, wurden sie mit Prunk ausgestattet wie des Priesters Gewand. Ein prächtiger Auftakt sind The eight Verses of St. Bernard1*1), ein in zwei Fassungen überliefertes Gebet, dessen sich König Heinrich V. bei der Messe in seiner Kapelle zwischen der Aufhebung und Einsegnung der Hostie bediente. Wir haben es also mit einem frühen, neben das epische 'Life of our Lady' zu stellenden Stück religiöser Dichtung zu tun, was auch die später vermiedenen Kurzzeilen und die schlichte Ausdrucksweise bezeugen. Ob wir aus dem nahezu gleichen Wortlaut einer Strophe eine gleichzeitige Abfassung des Prayer in Old Agelw) folgern dürfen, bleibt fraglich. Die Kurzzeilen des Bernardgebets sind durch Adjektivzufügung auf fünfhebige Zeilen umgeformt, und auch die vielsilbigen Reimworte der zugefügten Strophen scheinen eine spätere Abfassungszeit anzudeuten. Ein eigenartiger Versuch ist das Gebet To St. Robert of Bury196), eine Heiligenlegende in nuce, die von einer anrufenden Einleitung und einer epilogisierenden Strophe gerahmt ist. Diese f ü r unser Empfinden einem Gebet ferne Dichtung sollte nach dem Zeugnis der Schlußstrophe beim Gottesdienst in der Robertkapelle gebetet bzw. in den Gottesdienst zu Ehren des Heiligen eingefügt werden. Eigenartig sind auch die Prayers to ten Saints167), die eine Fülle von Stoff in 12 Balladenstrophen derart zusammenfassen, daß der Refrain zwei BaiForm aufs 17. Jh. zurückgeht) und auch nicht im Benediktinerbrevier; vermutlich stand sie in einem älteren. 162) Vgl. T o Mary the Star of Jacob M. P. 282. 163) The Childe Jesus to Mary the Rose, M. P. 235. 164) M. P. 206, 209. 9 bzw. 11 Balladenstrophen in Kurzzeilen. 165) M. P. 20, 4 Balladenstrophen. Die 1. Strophe deckt sich mit der 9. der'Verses of St. Bernard'. 166) M. P. 138, 5 Balladenstrophen. 167) M. P. 120. i i *
164
Dritter Teil
laden herausgliedert, von denen die erste (mit Envöy versehene) die 5 männlichen Heiligen: Dionysius, Georg, Christoph, Blasius, Ägidius feiert, die zweite die 5 weiblichen Heldinnen: Katharina, Margareta, Martha, Christina, Barbara. Diese Gliederung unterscheidet das Stück von den üblichen Litaneigedichten 168 ), von denen es sidi auch durch die heldische Auffassung abhebt. Da Dionysius und Georg diesen Aufmarsch anführen, kann man vielleicht die Pariser Epoche als Entstehungszeit annehmen. Dem Sammelgedicht der zehn Heiligen reihen sich dann einzelne Anrufungsstrophen an, die aus irgendwelchen Gründen keine Zusammenfassung erfuhren. Dahin gehört das Prayer to St. Thomas16'), eine kurze Anrufung, die wohl als Gebet dem Gottesdienst eingefügt werden sollte, ein dem langen Thomasgebet 170 ) nicht zu vergleichendes Gelegenheitsstück. Dahin gehören ferner das Schlußgebet an 'St. Aegidius' m ) aus der gleichnamigen Legende, die ineinander gefügten drei Balladenstrophen To St. Katherine, St. Margaret and St. Mary Magdalenem), das zur Einfügung in den Festgottesdienst bestimmte Prayere to Seynt Michaeli"3) und das ähnliche Prayeer to Gaubriell"*). Das längere Prayer to St. Leonard™) kann den Anspruch erheben, ein abgeschlossenes Gebet zu sein, denn es weist eine sorgfältige Gliederung auf: einer Anrufungsstrophe folgen drei Strophen, die diesen Heiligen als Schutzpatron der Verbannten, Armen, Kranken und Schwermütigen ansprechen, worauf in der Schlußstrophe und dem Geleit die abschließende Zusammenfassung folgt. Der Stil erinnert an die 'Ten Saints', aber das Datum ist früh (1422); es ist für das reiche St. Leonhard-Hospital in York geschrieben "•). Ebenfalls früh dürften die drei Balladenstrophen To St. Ursula and the Eleven Thomand Virgins"'1) anzusetzen sein, eine im Gottesdienst verwendbare Anrufung in Form eines kurzen Bittgebets. Lydgate hat eine Reihe derartiger an die Litanei anklingender Gebete geschrieben - man denke an den mehrfach verwendeten Refrain: 'and help them in ther neede' 178 ) - wofür die drei Balladenstrophen To St. Ositha "*) 168) Vgl. Patterson a. a. O. Nr. 4 ab Z. 67 (audi EETS. 98 p. 19) und Nr. 14 Str. 1 u. 3 (auch Wright: Songs and Carols, Percy Soc. 23 [1847] p. 76). 169) M. P. 139,2 Balladenstrophen. 170) M. P. 140, vgl. Besprechung S. 166. 171) M. P. 171, 4 Balladenstrophen. 172) M. P. 134. 173) M. P. 133. 174) M. P. 133. 175) M. P. 135; Halliwell p. 205. 5 Balladenstrophen und 6 Zeilen Envoy. 176) MacCracken: 'Norwich?' - Halliwell: 'made at [?] York'. 177) M. P. 144; Halliwell p. 178. 178) Derselbe Refrain in: To St. Ositha, St. Edmund (M. P. 124) und St. Thomas (M. P. 140). 179) M. P. 137. St. Osyth (Osgypa) ca. 680, Tochter von Frithuweald, König von Surrey, und Wilburgh (Tochter König Pendas), Gattin von Sigehere, König
19. Lydgates religiöse
Lyrik
165
ein Musterbeispiel sind. Dabei zeigt sich in steigendem Maße ein Herausbilden des Anrufungsstils, der im Preislied als der Lydgate gemäßen Form des Gebets seine Höhe erreicht. Das ist etwa bei dem Edmundgebet, den 'Fifteen Ooes of Christ* und einigen Marienballaden der Fall; die handwerkliche Meisterschaft ist bereits in der Pariser Zeit erreicht, wie die für Charles V I I von Frankreich geschriebene Devowte Invocacioun to Sainte Denysle°) bezeugt. Das wohl während Lydgates französischem Aufenthalt ca. 1426, angeblich nach französischer Vorlage geschriebene Prunkgebet 181 ) ist eine tour de force, denn nicht nur der Kehrreim, sondern alle Reime gehen durch alle 9 Balladenstrophen durch, es sind also in den 66 Zeilen nur 3 Reime enthalten 182 ). Dadurch wird im ganzen ein romanischer Eindruck erreicht, verstärkt durch die große rhetorische Anrufung des von Gott erwählten Schutzpatrons Frankreichs im Eingang und Sdiluß. In demselben majestätischen Stil ist das Gebet auf den Klosterpatron To Saint Edmund183) geschrieben, vielleicht bei der Rückkehr ins Kloster nach der Pariser Zeit. Es sind teilweise dieselben Epitheta verwendet wie im Dionysiusgebet. Lydgate zeigt den Heiligen in leuchtender Rüstung als Ritter und Krieger, was auf den König Edmund nicht schlecht paßt. Das Gebet, das an volltönenden Versen und auch an Bildlichkeit das abstraktere Dionysiusgebet übertrifft, ist wohl geeignet, beim feierlichen Klostergottesdienst fanfarengleich vorgetragen zu werden. Allerdings können zwei weitere Gebete an Edmund denselben Anspruch erheben, die eingebettet sind in die große Heiligenlegende 'Edmund and Fremund', die Lydgate 1433 schrieb. Das erste 184 ) erbittet die Hilfe des Patrons für die Abfassung der folgenden Legende, das zweite 185 ) erinnert durch die in allen Strophen gleichbleibenden Reime 186 ) an die Dionysiusanrufung und ist großartig zusammengefaßt in dem Refrain: 'Pray for thenherytour off Ingeland and France!' "Wie schon in dem frühen Gebet für Heinrich V I . 'Ab inimicis' 18 ') ist Lydgate in den Versen für diesen Herrscher besonders schwungvoll. Zweifellos ist dieses Edvon East Anglia. Es gab ein Kloster St. Osyth's Walbrook; 4V2 Meilen westl. von Clacton-on-Sea war St. Osyth's Priory (16. Jh.). 180) M. P . 127. 181) 'made by Lydegate to Sainte Denys at f)e request of Charlies f>e Frensshe Kynge to let it beo translated oute of Frenshe in-to Englisshe.' 182) 18 Reime auf ffraunce, 36 auf felicitee, 18 auf das Refrainwort preyer (die 66 erhaltenen Zeilen sind ein Torso, an sich müßte das Gedicht 72 Zeilen haben). 183) M. P . 124. Titel auch: ' A Glorious Prayer to St. Edmund' oder 'An hooly preyer'; 12 refraingebundene Balladenstrophen. 184) Z. 2 0 0 - 3 4 Buch I (Horstmann: Altengl. Leg. N . F. Heilbr. 1881 S. 380). 5 Chaucerstrophen. 185) Z. 1 4 5 7 - 1 5 2 0 ; 8 Balladenstrophen. 186) In den 64 Zeilen 3 Reime (16 auf -esse, 32 auf-e, 16 auf -ance). 187) M. P. 212; O. Mahir N r . 49.
166
Dritter Teil
mundgebet eine Königshuldigung, ebenso wie das Gebet für König, Königin und Volk. Es ist ein Höhepunkt Lydgatescher religiöser Lyrik; auch modernes Empfinden kann dieser patriotisch-religiösen Rhetorik eher folgen als den uns gesucht und künstlich anmutenden Preisliedern auf Jesus und Maria. Je mehr Lydgate die seiner rhetorischen Begabung günstige Verbindung von patriotischem Königs- und religiösem Kloster-Poeta auf gibt, um so deutlicher, und für unser Empfinden künstlicher, tritt die stilistische Form hervor; als Beispiel kann von den Gebeten das zweite Prayer to St. Thomas of Canterburyim) angeführt werden, das vermutlich auf Bestellung des dortigen Klosters geschrieben wurde18*). Es hat den Litaneirefrain des ersten Edmundgebets190) und dieselbe Verbindung der mit dem Prunk zusammengehenden heldischen Note; da Lydgate jedoch dem heiligen Thomas distanzierter gegenüberstand als seinem König Heinrich VI. oder dem königlichen Klosterpatron, der ihm unwillkürlich immer mit der Gestalt Heinrichs V I . zusammenfloß, so wirkt das Thomasgebet irgendwie schwächer, weshalb man es zumeist der Lydgatesdiule zugewiesen hat 1 * 1 ). Ähnliches gilt von den zwei Annengedichten, von denen das kurze, nur zwei Chaucerstrophen umfassende Fraise of St. Anneln) nur als Vorstufe oder Präambel zu der großen Irtvocation to Seynte Annelm) Erwähnung verdient. Dies Gebet schrieb der Dichter auf Bestellung der Gräfin Anna von Stafford. An Prunk läßt es gewiß nichts vermissen, da aber bei einer weiblichen Heiligen weniger Gelegenheit ist zu heldischen Tonen, wirkt das Prachtgewand der Worte allzu gesucht (z. B. in Strophe 8) oder streift für modernes Empfinden das Lächerliche. Erst die Schlußzeilen, in denen Lydgate auf Christus übergeht, machen die heldische Note wieder möglich und erheben sich wieder zu der Würde eines Preislieds. Eine Sonderstellung in der religiösen Lyrik Lydgates kommt der M a r i e n d i c h t u n g als der verbreitetsten Gattung zu 194 ). Dem entspricht auch, daß Lydgate in dieser Gattung am wenigsten eigene Züge zum Ausdruck bringt; wohl aber finden wir das Volkstümlich-Herkömmliche und das neue Prunk188) M. P . 140; 15 Balladenstrophen. 189) Vgl. Str. 13 (bittet Thomas, für seine Kirche und Stadt und für sein Kloster zu beten) und Envoy (Str. 15). 190) 'And pray for alle J)at Calle the in ther neede'; im Edmundgebet (M. P . 124) z. T . genau so, z. T . variiert. 191) McCracken: 'never before ascribed to Lydgate, this prayer . . . bears every mark of his style, metre and rhyme' (Canon N r . 129). 192) M. P . 130. 193) M. P . 130, 11 Chaucerstrophen. 194) T h . Wolpers: Geschichte der englischen Marienlyrik im Mittelalter. Diss. Bonn 1949. Vgl. Anglia 69 (1950), S. 3 - 8 8 .
19. Lydgutes religiöse Lyrik
16 7
hafte ziemlich unvermittelt nebeneinander. Als Vorspiel zu den eigentlichen Marien-Preisliedern und -Paraphrasen kann man zwei kürzere Stücke offenbar frühen Datums betrachten: die Ballade über das Bildnis unserer Herrin und das Lied vom Jesuskind und Maria der Rose. The Image
of Our
Lady19ä)
ist wie das Pestgedicht 'How the Plague was ceased at Rome' ein auf Bestellung geschriebenes Gedicht auf ein Gemälde in einer römischen Kirche. Das Gedicht wäre von biographischem Interesse, wenn über das Bild in S. Maria del Popolo 1 9 6 ) und die Stifter Rauf Gelebronde und John Thornton 197 ) Näheres zu ermitteln wäre. Es ist zwar mit spielerischer Beherrschung der handwerklichen Mittel geschrieben, hat aber künstlerisch keine besondere Bedeutung. The
Child
Jesus to Mary, the Rose,9a)
ist ein heute
noch ansprechendes Gedicht, dessen refraingebundene drei Chaucerstrophen an den melodischen Fluß vieler Marienlieder erinnern. Diese anscheinende Schlichtheit oder Natürlichkeit verdeckt das Ausgeklügelte der unkindlichen theologischen Rede des Jesuskindes an seine Mutter. Mit diesem Streben nach einem hochgeistigen Gehalt sucht Lydgate das Absinken dieses Gedichttypus ins Volkstümlich-Idyllische zq vermeiden. So auch im Magníficat1"),
das ins
'Life of our Lady' eingefügt ist, einem Preislied auf Gottvater. In die eigentlich marianische Dichtung führen uns mehrere liedhafte Paraphrasen bekannter oder damals bekannter Hymnen, die zumeist das Thema der Freuden Marias behandeln. Dazu gehört die künstlerisch schwache [Translacyoune
of]
Gaude
Virgo mater
Christi2'0),
5 von Prolog und Geleit ge-
rahmte Chaucerstrophen, die jeweils die in der lateinischen Strophenüberschrift angegebenen gaudia besingen. Lydgate verzichtet auf die sonst im Lied bevorzugten Anrufungen und sucht zu berichten, was bei ihm etwas Hölzern-Trockenes hat. Er schrieb es 'by night as he lay in his bedde at London'. Audi das Ave Maria! oder 'Salutacio angélica translata' 2 0 1 ) gehört zur Gaude-Tradition, und zwar werden hier nicht 5, sondern 7 Freuden aufgeführt 202 ) in 9 Balladenstrophen, deren lateinische Schlußzeilen einzelne 195) M. P . 290, 5 Balladenstrophen. 196) Die jetzige Kirche S. Maria del Popolo 1 4 7 0 - 9 0 erbaut an der Stelle der Kapelle, die 1099 diese Gegend von den Dämonen des hier befindlichen Grabes Neros befreite. 197) a 'gentylman Rauf Gelebronde' stiftete es ('at the coste and contemplación') auf Betreiben des Archdeacon John Thornton (praebendarius von Lincoln 1423). 198) M. P . 235. 199) Gedruckt: 'Life of our Lady' ed. Tarne (a. a. O.); Bannatyne MS. Hunterian Club 1896 Vol. II, 6 4 - 7 ; Ritchie in: Scottish T e x t Soc. N . S. 22, 6 0 - 3 . 7 Balladenstrophen. 200) M. P . 288. 201) M. P. 280, vgl. Wehrle p. 139. 202) Die Zahl wechselt, s. S. 169 Anm. 213.
Dritter Teil
168
Worte der Schlußzeile der vorhergehenden Strophe variieren. Die lateinischen caudae sind sinngemäß eingefügt u n d bringen mit ihren Kurzzeilen liedhafte Abwechslung in die Balladenstrophen, ohne d a ß m a n Lydgates brokatschleppenden Stil sangbar nennen d ü r f t e . Jede Strophe beginnt mit ' H a y l e ! glorious l a d y ' oder einem ähnlichen A n r u f . H i e r h e r gehört auch das alle 12 Balladenstrophen mit ' H e y l l blessid Marie' beginnende F r a g m e n t 204
dere Preislied, die P a r a p h r a s e Ave
regina celorum ),
203
). D a s a n -
enthält nur einge-
sprengte lateinische Wendungen. Nicht nur der Stil, sondern auch eine A n spielung auf die Pest im J a h r e 1448
205
) weisen auf die Spätzeit hin. Diese
Bearbeitung der noch im heutigen Brevier stehenden marianischen A n t i p h o n a ist weniger Lied als lobpreisendes Gebet f ü r die Fastenzeit zwischen Liditmeß u n d Ostern. Viele der A n r u f u n g e n u n d Epitheta, mit denen Maria gefeiert w i r d , sind unserem Empfinden nach allzu gesucht, selbst geschmacklos; d a mals jedoch - wie später in der Jesuitenlyrik des 17. J h . u n d der darauf f u ß e n d e n Dichtung eines C r a s h a w - w a r diese argutezza a n sich ein V e r dienst, ein Maria dargebrachtes Lob. Ein ähnliches, aber sangbar wirkendes Preislied ist Regina
celi letare2"'),
in das ein lateinischer Osterhymnus
207
)
eingearbeitet ist, derart, d a ß die einzelnen Verse der lateinischen H y m n e die Schlußzeilen der 5 englischen Balladenstrophen bilden
208
). I m übrigen zeigt
es dieselbe spitzfindige Gelehrsamkeit wie das 'Ave regina'
209
).
Zwei weitere Mariengedichte gehören in die Kategorie der Gebete: es ist das gleichfalls der Gaude-Tradition angehörige To Mary, cob""),
the Star of Ja-
das (ähnlich 'Christe qui lux es') ein auf Bestellung geschriebenes
Nachtgebet darstellt, u n d das - auch nur gemäßigt mit A n r u f u n g e n arbei203) Von MacCracken in den Canon als 'Verses to the Virgin' aufgenommen, aber nicht in den M. P. abgedruckt (Brown Index * 34). 204) M. P. 291, 6 Balladenstrophen mit lateinischem Refrain (der als Titel dient). 205) Wehrle p. 136: 'These lines were probably suggested by the thought of the Black Death which in 1348 [1448] spread its ravages far and wide.' 206) M. P. 293. 207) Bekannte Antiphonie 'Regina caeli laetare', die seit 1742 an Stelle des Angelus Domini beim Angelusläuten zur Osterzeit zu beten ist; steht im Brevier für die Osterzeit, an Stelle des 'Ave regina caelorum', das vor Ostern gebetet wird. Vgl. Horae Eboracenses (Publ. Surtees Soc. 132, Durham 1920). 208) Vgl. das ältere Maccaronigedicht bei Wehrle p. 103 f. 209) Eine zweite Version führt die erste lateinische Zeile als Refrain durch und gibt die anderen 3 Zeilen als Überschriften der einzelnen Strophen (in ähnlicher Weise wie das 'Gaude virgo'). - Viele, Lydgatesche Züge aufweisende Marien- und allgemein religiöse Dichtungen sind vermutlich nicht Lydgate selbst, sondern der von ihm ausgehenden Schule zuzuweisen. MacCracken: Lydgatiana in: Archiv 131, 48 ff. 210) M. P. 282, 7 Chaucerstrophen.
19. Lydgates
religiöse
Lyrik
169
tende - Prayer to Mary, in whose Help is Affiaunceln). Die ethisch etwas fraglichen Güter, um die Maria gebeten wird (außer der Seligkeit langes Leben und Reichtum), hat damalige Gläubigkeit nicht als unpassend erachtet 212). Im übrigen ist dies wie das vorige Stück als kleines Parergon zu werten. Es folgen noch 6 umfängliche Werke, zwei zusammenfassende Abwandlungen der quindecim gaudia und vier marianisdhe Balladen, die des Dichters Spätstil in allem Glanz und aller Manier zeigen. Das Freudenmotiv stammt aus der lateinischen Hymnodie und wurde im 13. Jh. in zarter poetischer Stimmung, im 14. Jh. in drängenderer, schon Ansätze zu litaneiartigem Grußgebet zeigender Art ausgeführt. Die ursprüngliche Siebenzahl der Freuden wurde später auf 15 erweitert, welche Zahl für England traditionell wird 813 ). Es wurden auch andere Freuden ausgewählt, z.B. trat das volkstümlichere de epiphania an Stelle der ascensio, und das de nativitate wurde gewandelt zu einem Erlebnis der Stille. Lydgate allerdings erstrebte Steigerung, nicht Idyll; das Taumotiv wird in seiner Hand zu einer silbernen und goldenen Erscheinung, und an Stelle der sonst zunehmenden volkstümlichen Züge vertritt er bewußt eine höhere Geistigkeit. Auch die zunehmende Länge der Gedichte weist in die Richtung. Die nahezu epischen Umfang erreichenden Fif teert Joys and Sorrows of Mary214) verwenden nur sparsam den aureate style. Ansprechend ist die autobiographisch klingende, an die Boke of Duchesse-Tradition erinnernde Einleitung: „neulich am frühen Morgen, nachdenklidi über die Unsicherheit des Lebens, las ich ein Buch, das von Fortuna handelte und als Titelbild Maria in einer Pieta zeigte; darin waren die 15 Freuden und die 15 Leiden verzeichnet und ein Kniender war abgebildet, der ein Paternoster und 10 Aves am Ende 'of ech bailade' (d. h. nach jeder der Freuden und Leiden) betete". Und so schrieb er das folgende, mit dem primum gaudium beginnende Gedicht. Nach jeder der meist eine Strophe einnehmenden Freuden Marias steht: Paternoster und 10 Aves. Die gaudia sind also litaneiartige Anrufungen, und das Ganze kann man als ein 211) M. P. 296, 3 Balladenstrophen im Litaneistil. 212) Stella celi extirpauit II. Str. 4 enthält dieselben Bitten (M. P. 296). 213) D i e Zahl 15 stammt aus dem Psalter (150 Psalmen), sonst spricht die Kirche v o n 7 Freuden und 7 Schmerzen Marias, aber diese Zahlen wechseln (heute hat man 14 Kreuzwegstationen, früher - und so noch in alten Kirchen - waren es bloß 7). Der heutige „freudenreiche Rosenkranz" verwendet nur 5 Geheimnisse, aber in früherer Zeit war die Zahl nicht auf 5 festgelegt, wie überhaupt die heutige Rosenkranzform damals noch nicht feststand. Derartige Rosenkranzgedichte sind nicht offizielle kirchliche Verlautbarungen, sondern private Arbeiten lokaler Geistlicher. 214) M. P. 268, 45 Chaucerstrophen ( v o n denen 4 dem Prolog und 3 dem E n v o y zukommen), vgl. zum Thema das in Brown Index 4089 verzeichnete ungedruckte Gedicht 'Sorrows of the Blessed Virgin' in 45 Chaucerstrophen.
170
Dritter Teil
Rosenkranzgedicht bezeichnen. Mit der 21. Strophe ist das Gedicht über die Freuden zu Ende, und das nächste über die dolores wird angehängt: „Meine Feder zitterte beim Schreiben, hoffentlich mißfällt das Gedicht nicht." Dann folgt die ermüdende Aufzählung der dolores. Eine zweite Redaktion desselben Themas im prachtliebenden Kunststil der Spätzeit sind die angeblich aus dem Französischen übersetzten, für Princess Isabella Countess of Warr, Lady Despenser 215) geschriebenen Fyfftene loyes of Oure Lady 2le). Die Disposition ist straff, der Dichter beschränkt sich auf die Freuden, die, wie im vorigen Gedidit, gleichsam vom Vorbeter gesprochen werden, worauf die Gemeinde mit Ave Maria einfällt. Die gehäuften Anrufungen wollen - wie im späteren Stil des Barock - den Leser überwältigend beeindrucken. Dasselbe wollen die nächsten Balladen, die Musterbeispiele des Invokationsstils sind. Eine Vorstufe bilden die 4 Balladenstrophen des 'Prayer to the Blessed Virgin', die Lydgate in seine Deguileville-Übersetzung einfügte 217 ). Mit seinem f ü r den Bischof von Exeter 218 ) verfaßten Mariengedidit Gloriosa dicta sunt de te 219 ), das 7 Psalmverse auf 232 Zeilen ausweitet und ein uns befremdendes Übermaß kunstvoller Stilmittel aufwendet, erweist sich Lydgate als poeta laureatus ecclesiae. Maria erstrahlt in königlicher Majestät und wird mit Jerusalem gleichgesetzt, das - zum himmlischen Jerusalem der Apokalypse erhöht - aus köstlichen Steinen erbaut ist: Jaspis als Symbol der Jungfräulichkeit, Saphir als Symbol der Wahrheit und Chalcedon als Symbol der Reinheit. - Audi To Mary the Quene of Hevene 22°) ist künstlerisch wie literarhistorisch bedeutsam, nicht wegen seines zur Gaudiatradition gehörigen Themas, sondern wegen der reichen Instrumentierung. Ganze Strophen bestehen hier aus Anrufungen, deren aufregende 215) Vermutlich Isabel, die Tochter v o n Constance le Despenser (Schwester des D u k e of York und W i t w e des Lord le Despenser). Isabel heiratete mit 11 Jahren Richard Beauchamp, Lord of Abergavenny (1411), und nach dessen T o d (1422) heiratete sie dessen Cousin und Namensvetter Ridiard Beauchamp, Earl of F a r wick. 216) M. P. 260, 28 Chaucerstrophen. 217) 'O blyssed mayde fflour off alle goodnesse' (Brown Index 2395) EETS. ES. 83, 454 f. 218) Vermutlich Edmund Stafford, der 1401-03 Chancellor war, als Bischof v o n Exeter consecr. 20. Juni 1395, f 3. Sept. 1419. D i e übrigen Bischöfe von Exeter in der fraglichen Zeit waren: Thomas Brantingham consecr. 12. Mai 1370, f 23. D e z . 1394; John Catterick 20. N o v . 1419 v o n Coventry transferiert, f 28. D e z . 1419. Edmund Lacy 3. Juli 1420 v o n Hereford transferiert, t 18. Sept. 1455. 219) M. P. 315 (anderer Titel: 'Balade of Oure Ladye'), 29 Balladenstrophen nach dem 3. Vers des 88. Psalms, der in der Messe für das Fest Mariae Empfängnis im Missale Romanum steht. 220) M. P. 284, IOV2 Balladenstrophen, v o n denen 3Va den E n v o y bilden, jeweils durdi Refrain gebunden.
19. Lydgates religiöse Lyrik
171
Häufung jeweils in dem Refrain zur Ruhe verebbt. Die Epitheta sind geistreich und verblüffend; einzelne Strophen (wie die 4.) sind geradezu geheimnisvoll durch gelehrte Anspielungen, aber bei aller Ungewöhnlichkeit bewahren sie noch die Rosenkranz- oder Litaneiform. Das ein nicht mehr bekanntes Marienlied paraphrasierende Ave Jesse virgula221) geht von der Litaneiform zum selbständigen Gedicht über. Wie in der ganzen Marienlyrik Lydgates bringt das Gedicht inhaltlich nichts Eigenes 222 ); der Dichter sucht durch seltsamste Benennungen Marias zu entschädigen, er schreibt ein Steinbuch aus, deutet den Namen dreifach als Anagramm, macht Anleihen beim Hohenlied, sprengt lateinische Wendungen ein, und mit all dem Künstlichen, Gesuchten und Übertriebenen, das ihm und seiner Zeit erhaben galt, schwädit er für unser Gefühl den künstlerischen Eindruck. Ave Jesse ist ein Arsenal des güldenen Stils, jedodi formloser als die Ballade at the Reverence of Our Lady, Qwene of Mercy22S). Die 20 Chaucerstrophen umfassende Anrufung Marias ist eine der vielen Versionen des Gedichts, das Lydgate in der Originalfassung Deguilevilles vorlag und in der Überarbeitung Chaucers (ABC). Inhaltlich ist es an die Muster gebunden: nach drei einleitenden Strophen, welche die geistliche der weltlichen Liebesballade voranstellen, folgt die Anrufung der Jungfrau unter den verschiedensten Namen und Bildern, die sich wie schimmernde Perlen rosenkranzähnlich aneinanderreihen. Das war in der Bibel (Psalmen, Hohelied) und in der lateinischen Hymnodie vorgebildet; Lydgate steigert die Anrufungen derart, daß sie-wie das Zierwerk einer spätgotischen Kathedrale den klaren Bau der Sätze überwuchern. Das Litaneischema: Invocatio (O Maria), Subjekt (du), Verb (hilfst), Objekt (den Sündern) wird so verzerrt, daß die Invocatio den Großteil - oft 6 Zeilen - der Strophe einnimmt, und der eigentliche Satz ganz kurz - in der 7. Strophenzeile - nachklappt, ja gelegentlich ganz verkümmert, die Anrufungen füllen die ganze Strophe 224 ). Verhängnisvoll in der Wirkung ist die 221) M . P . 299, 19 Balladenstrophen. 222) Die Bezeichnung Marias als Sproß Jesses kehrt in der Dichtung wie in der bildenden Kunst der Zeit immer wieder. Für Dichtung vgl. bes. die Sequenzen der Schule von St. Victor (bes. Adam), für die bildende Kunst vgl. bes. Skulpturen und Kirchenfenster. 223) M . P . 2 5 4 ; ed. Skeat in: Chaucerian Pieces (Chaucer vol. V I I ) p. 275 ff. Ausführliche Analyse in: W . F. Schirmer: Der Stil in Lydgates religiöser Dichtung in: Kleine Schriften, Tübingen 1950, S. 40 ff. 224) Ordentliche Sätze (und damit Bericht oder Erzählung) haben wir nur in Str. 1 - 3 und z. T . in Str. 14. In den Strophen 7 und 8 ist der Satz auf 2 Zeilen zusammengeschrumpft, in den Strophen 4, 11, 13, 17, 18 auf eine Zeile; in Str. 6 auf eine halbe Zeile. In den Strophen 5, 9, 10, 12, 15, 16, 19, 20 füllen die Anrufungen die ganze Strophe.
172
Dritter Teil
Abstraktheit, deren Vorbild die weltliche Dichtung darbot. Die Balladendichter hatten es mit Stimmung und Gefühlsschilderung zu tun, und dafür paßte der zarte abstrakte Stil, was Lydgate mit dem biblischen Vorbild verschmolz. Er erzielte jedoch weder Anschauung noch Stimmung, sondern etwas Rätselhaftes oder doch durch Nachdenken zu Enträtselndes. So endet das Streben nach einer Erhabenheit ausdrückenden Sprache - in Steigerung der von Chaucer übernommenen Wortkunst - in einem schwer lesbaren poetischen Stil. Er erreicht eine Erweiterung des sprachlichen Ausdrucks und die Möglichkeit begrifflicher Formulierung, er ersetzt aber echte Bildhaftigkeit durch rein verstandesmäßige (und o f t sinnverdunkelnde) Formulierungen und eine rauschende Wortkunst. Streben und Wirkung sind verwandt dem ein Jahrhundert früher auftretenden dolce stil nuovo und dem ein Jahrhundert späteren Dichten der Plejade. Diesem neuen Stil liegt ein Wandel der Frömmigkeit zugrunde. Der naiven, dabei inbrünstigen Frömmigkeit der franziskanischen Religiosität entsprach ein schlichter, natürlicher Liedstil, der sich - säkularisiert - in vielen Carols des 15. Jh. fortsetzt. Diese trauliche Religiosität hatte die Distanz aufgehoben und das Göttliche vermenschlicht. Lydgate sucht der religiösen Lyrik ihren sakralen Charakter zurückzugeben. Deshalb muß er auch die allzu höfische Färbung meiden, die schon im 13. Jh. selbst den herkömmlichen liturgischen Marienanreden domina und virgo (leafdi und maiden) eindeutig höfische Adjektiva zuordnete. Er distanziert sich auch von Chaucers ABC, obwohl hier das Höfische und die erhabene Bildsprache frühmittelalterlicher und Dantescher Hymnik zusammentreffen. Lydgate vermeidet Chaucers kunstreiches Beredenwollen und sucht unter dem Einfluß der lateinischen Hymnodie den Anrufungsstil zu erneuern. Es geht ihm nicht um genaue Bezeichnung der Machtbefugnisse Marias, wie noch Deguileville, sondern um das Preisen ihrer königlichen Würde, Tugendfülle und Erhabenheit. Im Nacheifern der Lateiner wird sein Anrufungsstil überladen und schwer wie steifer Brokat; er hat jedoch seine Berechtigung als Ausdruck einer neuen religiösen Haltung. Wir sitzen nicht mehr mit den Gottheiten an einem Usch, sondern tief unter ihnen. Christus ist nicht mehr „süß" und „lieb", sondern „mächtig" und „göttlich". Maria ist nicht mehr die tröstende Geliebte und die mit dem Kinde spielende Mutter, auch nicht die höfische Herrin und 'lady brighte' Chaucers, sondern die Himmelskönigin und das in magischem Schmuck strahlende Gnadenbild. Daher das Schwelgen in Glanz und Helligkeit (anstatt der höfischen Betonung der Schönheit); daher die Wendung zur geistigen oder moralischen Substanz der nicht mehr anschaulich empfundenen Bilder. Dies Streben nach 'grettest solemnyte* läßt Lydgate in Bildauffassung
20. Lydgates moralisch-didaktische Gedichte
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und Sprache noch über die lateinische Hymnik hinausgehen. Damit ist aber das gotische Mittelalter zu Ende, und der Blick tut sich auf in die neue Zeit der Renaissance. Der zierliche, kunstvoll gefältelte höfische Stil ist ersetzt durch einen Stil der Majestät, der heroischen 'Wurde und großen Gesten. 20. Lydgates moralisch-didaktische
Gedichte
Anders als bei der religiösen Dichtung ist die auf weltliche Themen begrenzte didaktische oder moralische Dichtung in einem schlichteren Stil gehalten. Einen Übergang von der religiösen zur moralischen Dichtung bildet The Pyte to the Wretched Synner 225), ein Begleittext zu einem Bild der Gottesmutter, der Planctuserinnerungen mit Bußaufforderung verbindet. Gedichte dieser Art, deren Thema dem Mönch wohl ansteht, sind Variationen über menschliche Unzulänglichkeit und Vergänglichkeit. So wird z. B. die Ungereimtheit menschlicher Dinge in ihren Widersprüchen dargetan: ein mächtiger König und ein armes Land, Almosenspenden und erzwungene Abgaben, Rittergebaren und feiges Verhalten - das 'may wele ryme but it accordith nought'. Mit diesem Refrain suchen die 11 Balladenstrophen von Rhyme without Accord22e) die Fehler der einzelnen Stände satirisch herauszustellen und ihnen in der Schlußstrophe eine Bitte um göttliche Hilfe gegenüberzuhalten. Es ist das beliebte Thema der 'Order of Fools' 227 ), das Lydgate bereits in längerer Satire abgewandelt hatte und das er in den zwei Fassungen von They that no While Endure228) wieder aufgriff unter Benutzung eines auch im 'Fall of Princes' verwendeten Refrains 2M ). Solche einer Priamel ähnliche gnomische Dichtung liebte Lydgate; Tyed with a Lyne230) ist in derselben Art abgefaßt, und MacCracken ordnete diese Stüdce unter dem kennzeichnenden Gruppentitel: 'little homilies with proverbial refrain'. Die meisten dieser Stücke geben im Refrain oder in der ersten Zeile ihren ganzen Inhalt an, so daß sie die modernen Herausgeber als passende Titel wählten und eine mehr erörternde Besprechung sich wiederholen müßte. Der225) M. P. 297, 5 Balladenstrophen; (Titel: 'On the Image of Pity'). 226) M. P. 792; Halliwell, p. 55 ('On the Inconsistency of Men's Actions'). 227) S. Kap. 12. 228) M. P. 818 und 820. 7 bzw. 8 Chaucerstrophen. 229) F. o. P. I, 12 und III, 10. - Mehrfach hat Lydgate moralische Stellen aus der Fassung des großen Geschichtswerks herausgenommen und ihnen damit eine künstlerisch nicht gerechtfertigte Selbständigkeit zuerkannt; z. B. die als Memento Mori gedachten 7 Chaucerstrophen von Death's Warning (M. P. 655), denen er eine neue einleitende Strophe hinzufügte. 230) M. P. 832; Halliwell, p. 74 ('On the Instability of Human Affairs') 12 Chaucerstrophen.
174
Dritter Teil
art ist See myche, say Lytell, and lerne to soffar in tyme2Sl), was eine Handschrift als 'proverbium' übersdireibt. Manche dieser Gedichte enthalten hübsche Formulierungen und frische Vergleidie, z.B. der Song of Vertu232), aber in der eintönigen Flut der Sentenzen gehen soldie Einzelheiten unter. Every Thing to his Semblable23S), eine Aufzählung aller Handwerker, Stände und Berufe mit der ihnen gemäßen Beschäftigung, wächst zu einem kulturhistorisch interessanten Katalog an; um ein Bild mittelalterlichen Lebens zu geben, fehlt ihm jedoch die Erzählfreudigkeit. Die anheimelnde Erzähleröffnung von Say the Best, and Never Repent2S>) verliert der Verfasser schnell aus den Augen, und die ansprudisvoll vorangestellte 'Ballade' mit 5 Chaucerstrophen hindurch fortgesetzten Sentenzen tut ein Übriges, das Thema totzuhetzen. Neben diese meist kurzen, volkstümlich moralisierenden Stücke kann man eine gelehrte Gruppe stellen, die durdi breite Aufzählung biblischer, historischer und mythologischer Vorbilder wirken will. Beispielsweise hat das ebenfalls die Unvollkommenheit der menschlichen Natur und die Vergänglichkeit des Irdischen abwandelnde Consulo quisquis eris235) durch den Gelehrsamkeitsanstrich eine besondere Note, obwohl es nicht geistvoller ist als die kurzen moralischen Stücke oder kleinen Predigten. Es besteht aus zwei, durdi verba translatoris (Str. 8) voneinander gesonderten Teilen; der erste, wohl die Übersetzung eines mittellateinischen Gedichts, gibt die Lehre, mit den Wölfen zu heulen, was im zweiten Teil durdi bessere Lehren ersetzt wird. O f t sind diese Lebensregeln weit hergeholt; so möchte man auf die moralisierenden 22 Balladenstrophen The Cok Hath Lowe Shoon236) seine eigenen Worte anwenden, daß es zwar reimt, aber nicht zusammenstimmt; diese heute oft belustigend wirkende Predigt bringt uns jedodi den eifrigen, gütigen und allseits interessierten Mönch greifbar nahe. Gelegentlich gruppiert er kunstvoll, um die Wirkung zu erhöhen: so läßt er in A Ditty upon Haste1") auf einen ersten, sentenziös-volkstümlichen Teil einen antike Beispiele und Autoren aufführenden gelehrten Teil folgen und sdiließt mit den 231) M. P. 800, 5 Chaucerstrophen. 232) M. P. 835; Halliwell, p. 216 ('The Triumph of Vertu'); 13 phen. 233) M. P. 801; 25 Balladenstrophen. 234) M. P. 795; 'Ballade' in 5 Chaucerstrophen, 'Text' in weiteren strophen (Kurzzeilen). 235) M. P. 750; Halliwell, p. 173 ('The Concords of Company'); Political Religious and Love Poems; 15 Balladenstrophen. 236) M. P. 813; Halliwell, p. 150 ('Advise to Tittle-Tattlers');Th. Poems and Songs Lo. 1861, II, 215 ('On the Truce of 1444') 237) M. P. 759, 20 Balladenstrophen.
Balladenstro-
16 BalladenFurnivall in: Wright: Pol.
20. Lydgates moralisch-didaktische
Gedichte
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noch in sidi gesteigerten Schlußstrophen, man solle sich zur Tugend wenden, zu Christus und zu seiner Passion. Bei einem dieser Gedichte That now is Hay some-tyme was Grase m) erlaubt uns die Bemerkung des Schreibers Shirley die Vergegenwärtigung der Umstände der Abfassung. Lydgate schrieb diese Ballade 'at f>e commaundement of J>e Quene Kateryne as in here sportes she wallkyd by the medowes that were late moven in the monthe of Iulij*. Wir sehen den zum Hofdichter aufgestiegenen Mönch als geistlichen Berater die königliche Witwe auf einem Spazierweg begleiten und ihr unter Hinweis auf das zu Heu trocknende geschnittene Gras Trost zusprechen: alles Irdische ist vergänglich, das Gras wird zu Heu, die Rosen verblühen, die im Sommer schlagende Nachtigall wird im Winter verstummen und das Alter wird alle jetzt blühende Schönheit entstellen. Und dann spricht er die später von Villon gesungene Melodie ' O ü sont les neiges d'antan': die gefeierten Frauen, die Helden der Antike, die von Fortuna einst begünstigten Ritter hat alle der Tod 'layd füll base'. Alles auf Erden vergeht, nur das himmlische Jerusalem hat ein ewig frisches und nicht zu Heu trocknendes Gras. Die von so jähem Glückswechsel heimgesuchte junge Frau mag sich eine schriftliche Festlegung der tröstenden Worte erbeten haben, und so ist dieser vielleicht im Park von Baynard's Castle in Surrey verbrachte Julinachmittag 1424239) ein imaginärer Hintergrund zu einem Gedicht, dessen Grundvorstellung aus Psalm 89 (90) 5-6 und Jes. 40, 6 f. geläufig war. - Lydgates Beredsamkeit ist bei diesem Vergänglichkeitsthema unerschöpflich; gelegentlich wandelt er es im engeren Rahmen des menschlichen Zusammenlebens ab, in dem die böse Nachrede - A Wicked Tunge wille Sey Amys u °) - uns nicht stören darf; gelegentlich in dem weiteren Rahmen der Welt, The World is Variable241), hübsch eingebettet in ein einleitendes Jahreszeitenbild und den Envoy: *Goo, litil bille'. Aus den mild klagenden Wendungen dieser kleinen Predigten sollte man kaum auf persönliche Ansichten des Dichters schließen; doch klingen seine Rückschläge auf das alte Rom, das goldene Zeitalter und die früheren Ritter- und Dichterideale an den 'Fall of Princes' an, und durch die Gleichgestimmtheit der Gedanken mit den politisch konservativen Anschauungen der Dynastie Heinrichs V. und ihrer Erben wird eine ungefähre zeitliche Einordnung dieses Gedichts nahegelegt (1430-40). 238) M. P. 809, 17 Balladenstrophen. 239) Die Datierung ist Vermutung. Erst nach Heinrichs V. Tod hatte Lydgate Gelegenheit, in ein vertrauteres Verhältnis zu Katharina zu kommen. 1424 bekam sie Baynard's Castle als Wohnsitz angewiesen. 1425 spielt schon die Owen TudorAffäre. 1426 geht Lydgate nach Paris. 240) M. P. 839; in: Chaucer ed. Skeat VII, 285 als 'Ballade of Good CounseP; 19 Chaucerstrophen. 241) M. P. 844; 14 Balladenstrophen.
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Dritter
Teil
In derselben Art eines gütigen Zuredens ist die kleine Predigt A Freond at Neodesil) gehalten. Eine versromanartige Eröffnung, schildernd wie er, allein frühmorgens im Haine wandelnd, eine Lerche hört, soll den Zuhörer fesseln. Mit dem als Lerchenlied hingestellten Sinnspruch vom Wandel des Glücks und dem Freund in der Not setzen die Belehrungen ein, deren klassische und biblische Beispiele und Autoritäten in leichte Erzählform gekleidet sind und in der üblichen frommen Christusanrufung Höhepunkt und Abschluß haben. Das lobt der Schreiber (Shirley?) als 'polletyke', also geschickt aufgebaute Ballade. In höherem Maße könnte das für Look in Tby Merour, and Deeme Noon othirWight243) gelten, denn hier ist dasselbe Thema durch Jahreszeiteneröffnung und Go litel bille-Envoy gerahmt und das Interesse für die langen Ausführungen durch die Fülle von Wissensstoff oft ungewöhnlicher Art gesichert. Die Unvollkommenheit der Geschöpfe wird weniger durch mythologische und klassische Belege glossiert als durch den Bestiarien verpflichtete Erörterung der Eigenschaften der Tiere. Die Art, wie hier immer irgendeine moralische Weisheit oder Lebensregel in den abstrusen Wissenskram eingebettet ist, hat einen eigenen Reiz, zumal viel Überraschendes herangezogen ist (z. B. daß der Schwan an Schnabel und Fuß Trauer trägt). Sprach in den moralisch-sentenziösen Gedichten von der Art des 'Tyed with a Lyne' der Mönch, so hier das Kind des wißbegierigen 15. Jh. Modernes Empfinden ist um so eher angesprochen, je mehr sich diese Gedichte dem Villon-Thema des Ubi s u n t . . . 2 4 4 ) nähern. Deshalb kann As a Mydsomer Rose*,s) hervorgehoben werden. Es handelt von den verschiedenen Geistesgaben der Mensdien und erweist, daß der Schein trügt. Die Schilderung des beständigen Wedisels im Reich der Natur bildet den Ubergang zu dem Fortuna-Wandel in der Gesdiichte der Mensdien. Das durchgehende Thema der Vergänglichkeit, das der Refrain jeder Strophe im Rosenbild wiederholt, wird besonders eindrucksvoll durch die Verknüpfung mit dem (den Namenkatalog heraufführenden) Ubi sunt-Thema und führt zu dem krönenden Abschluß von den Märtyrern, deren Leiden nidit der vergänglichen Sommerrose vergleichbar sind, sondern den 5 Rosen darstellenden 5 Wunden Christi 'Off whos five woundys prent in your hert a roose'. Das kraftvollste unter diesen moralischen Gediditen ist A
Thoroughfure
242) M. P. 755; 17 Balladenstrophen. 243) M. P. 765; Halliwell, p. 156; 27 Balladenstrophen. 244) Vgl. C. H . Becker: Ubi sunt qui ante nos in mundo fuere in: Aufsätze für Ernst Kuhn zum 70. Geburtstag 1916 und E. P. Hammond: English Verse a . a . O . 169 ff. 245) M. P. 780; Halliwell, p. 22 ('On the Mutability of Human Affairs'); ferner in Thom. Gray's Works (s. Exkurs I ) ; 15 Balladenstrophen.
20. Lydgates moralisch-didaktische
Gedichte
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of Woe1*'), das man „nach dem Tod Heinrichs V." datiert, weil dieser beklagt wird; man sollte es darüberhinaus in die dreißiger Jahre des 15. Jh. rücken, denn es beklagt den Tod des am 3. Nov. 1428 vor Orleans gefallenen Thomas Montacute, des zweiten Gatten von Alice Chaucer, der Lydgate die Deguileville-Ubersetzung auftrug. Es ist ein Vorklang des 'Fall of Princes\ Die Chaucerschen Verse aus der 'Knightes Tale' 247 ), daß diese Welt nur eine 'thurghfare ful of wo' sei und wir hindurchgehende Pilger, werden durch Beispiele aus Bibel und Weltgeschichte begründet, wobei die englische Geschichte mit einem Rückblick auf die jüngste Vergangenheit ausführlich zu Worte kommt. Die üblichen religiösen Betrachtungen des Schlusses sind mehr ins Innere des Gedichts gerückt und überlassen das Finale dem 'Mirror for Magistrates'-Thema und der abschließenden Huldigung seines 'maister Chaucier, chief poete of Bretayne'. Es ist weniger die Komposition, die besondere Hervorhebung verdient, als vielmehr die schwungvolle Geste, mit der das Gedicht einsetzt, und die rhetorisch wirkungsvollen Verse. Die Vergänglichkeitspredigt wird durch Einkleidung in das Fortuna-Motiv erhöht und erhält in der Trauer um Heinrich V., um die Herzöge von Clarence und Exeter und um Montacute eine den anderen Dichtungen dieser Gruppe fehlende Eindringlichkeit. Matter sind die beiden Gedichte, die unter Berufung auf das Sprichwort 'Measure is treasure' von der Ordnung im Weltall und vom M a ß im A l l t a g h a n d e l n : Song
of Just Mesure248)
Das einen Envoy aus dem 'Fall of Princes' Amor
vincit
omnia
mentiris
quod
pecunia251)
u n d Mesure
is
Tresour249).
250
) als Refrain aufnehmende
ist eine m e d i t i e r e n d e K l a g e :
'Love is sette bakke, gold goth byfore, and mede*. Durch die Fülle der antiken Anspielungen wendet sich das Gedicht an ein humanistisch gebildetes Publikum. Der allen diesen moralischen Stücken gemeinsame Grundton der Unbeständigkeit der Welt führt zu der Predigt: Bei Gott gibt es Liebe, die der Liebe einer Dalila voransteht und Crösus übertreffenden Reichtum und mehr Schönheit als Absalom besaß. Das Thema von der Käuflichkeit der Welt, das der früher Lydgate zugeschriebene 'London Lickpenny' so diesseitig-anschaulich behandelt, daß sich eines der lebendigsten Kulturbildchen aus dem 15. Jh. ergibt, wird im Munde des Mönchs zu einer Predigt-Meditation für humanistisch Gebildete. 246) M. P. 822; Halliwell, p. 122 ('Wretchedness of Worldly Affairs'); 24 Balladenstrophen. 247) A 2847/8. 248) M. P. 772; Halliwell, p. 80 ('On Moderation'); 13 Balladenstrophen. 249) M. P. 776; Halliwell, p. 208; 19 Balladenstrophen. 250) F. o. P. III, 4 'Envoy' (oft als gesondertes Gedicht). 251) M. P. 744, 17 Balladenstrophen. S c h i r m e r , Lydgate
12
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Dritter
Teil
Den Höhepunkt dieser Vergänglichkeitsklage sollte das Timor mortis conturbat meai) darstellen. Diese aus dem Offizium für die Toten hervorgegangene Gattung 253 ), die bald volkstümlich wurde, entwickelt einen thematisch und metrisch feststehenden Typus: in drei auf denselben Reim ausgehenden Zeilen mit dem gleichbleibenden Refrain 'Timor mortis conturbat me' wird eine mönchisch eindringliche Predigt über die Eitelkeit der Welt und die Schrecken des Todes gegeben, die in eine Bitte an Gott um das Seelenheil ausmündet. Lydgates Gedicht, eines der frühesten Beispiele der Gattung, steht etwas abseits durch das Beibehalten der weniger einhämmernden als einschmeichelnden Balladenstrophe und durch das fehlende Ausmalen der Todesschrecken. So verblaßt das Erschütternde der Memento mori-Predigt zu einer trotz des geschmückten Stils schulmeisterlich klingenden Schlußstrophe. Durch diese mannigfachen Beipiele wird das Timor mortis-Thema zu einem Ubi sunt-Gedicht, ähnlidi der 'Mydsomer Rose', und in der Strophe von den 'ladyes that were so fressh of face' wird die Namenhäufung 'Ester, Judith, and eek Candace || Alceste, Dido, and fayr Eleyne' auch für uns zu Poesie und mag Dunbar zu seinem ergreifenden 'Lament for the Makaris' angeregt haben. Es ist auffallend, wie leicht Lydgate vom religiösen Thema zu allgemein moralisierenden Betrachtungen übergeht. Auch das vermutlich eine Psalmstelle als Titel verwertende Gedicht: Benedictes Deus in donis suis15'), das MacCracken den religiösen Gedichten zuordnet, ist eigentlich ein weltliches Moralgedicht, so wortreich, daß der Namenkatalog das Dringende des Ubi sunt-Themas entbehrt. Bei God is myn Helpere255) kann man bezüglich der Einordnung schwanken, denn es beginnt als Dankgebet, geht aber von der 6. Strophe an zum Thema der falschen Fortuna über und verbreitet sich dann über die Wandelbarkeit der irdischen Dinge, der Gesundheit, des Wetters, der Jahreszeiten, um erst zum Schluß nochmals Gott als untrüglichen Helfer zu preisen. Audi die einen Spruch Salomos paraphrasierende Epistle to Sibille256) hat als Inhalt eine weltliche Lehre, wie auch der Schreiber 'J>eschewing of ydel252) M. P . 828; 16 Balladenstrophen (Kurzzeilen). 253) Näheres und frühe Beispiele in: F. A. Patterson: The Middle English Penitential Lyric a . a . O . Ein maccaronisches Gedicht des 15. Jh. bei Wehrle a . a . O . p. 89 f. 254) M. P. 7, 9 Balladenstrophen. 255) M. P. 27, 13 Balladenstrophen (Kurzzeilen); Z. 89 dieses Gedichts ist identisch mit der auch als Titel dienenden Eingangszeile der Ballade: ' W h o seith the best shal neuer repent' M. P . 795. 256) M. P. 14, 20 Chaucerstrophen. Sprüche Salomos 31, 10 ff.
21. Lydgates Fall of Princes
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nesse' als Thema angibt" 7 ). Vers für Vers der Vorlage wird in je V2 bis 1 Strophe paraphrasiert, gleichgültig, ob er auf englische Verhältnisse paßt oder nicht. Daß der Vergänglichkeitsvers 'fallax gratia et vana est puldiritudo' Lydgate am besten gerät (Str. 17), liegt auf der Hand. Nach Strophe 18 ist das Thema erschöpft; es folgen die Verba factoris, die den Frauen tätige Frömmigkeit empfehlen, und der Envoy: 'Go lytel pistel, and recommande me || Vnto my ladye whidi cleped is Cybille'. Um dieser Adressatin oder Auftraggeberin willen ist uns dies Gedicht von Wert. Lady Sibille Boys of Holm Haie 2 5 8 ), die offenbar zum Kreis der Lydgategönner gehörte, ist dieselbe Dame, welcher der 'Treatise for Lavenders' zugeeignet ist. Alle diese Stücke sind weniger Kunst als Handwerksarbeit des Klosterpoeten. 21. Lydgates Fall of
Princes
Das Vergänglichkeitsthema war nicht nur Lydgates Lieblingsthema, sondern auch das seiner Zeit. Mit der Kraft und düsteren Würde, die er bereits im 'Dance Macabre' erwiesen, hat er diesem zeitgemäßen Thema der Melancholie in seinem umfänglichsten (36 365 Zeilen umfassenden) Werk, Fall of Princes25'), einen so überwältigenden Ausdruck gegeben, daß es das Epos seines von den französischen und Rosenkriegen erfüllten Jahrhunderts wurde. Mögen wir das Werk seiner Weitschweifigkeit und Flickphrasen wegen unendlich eintönig finden und ihm Phantasiearmut und mangelnde Einsicht in die Charaktere vorwerfen, mit den feierlich volltönenden Versen 260 ), die ge257) Die Sprüche Salomos legten Lydgate das Übergehen zum moralisierenden Thema nahe; ihr Zweck ist ja praktisch-ethisch. Vgl. E . Sellin: Einleitung in das A T 5 1930, S. 136. 258) MacCracken: 'Lady Sibille [Boys] of Holm Haie?'. Näheres fehlt. 259) Fall of Princes, ed. H . Bergen, E E T S . E. S. 1 2 1 - 2 4 , 4 vols. Lo. 1923/27. (In Bd. I V ausführliche Abhandlung über die Handschriften und Drucke, Auszüge aus Laurent und Boccaccio; mit Glossar). - E . P. Hammond: English Verse a. a. O. (Auszüge mit Einleitung und Anmerkungen, p. 150 ff., 438 ff.). A. Hortis: Studij sulle opere latine del Boccaccio. Trieste 1879. E. Koppel: Laurent de Premierfait und Lydgates Bearbeitungen von Boccaccios De Casibus. Beitrag zur Literaturgeschichte des 15. Jh. Mchn. 1885 (Habilitationsschrift). - F. Brie: Mittelalter und Antike bei Lydgate, in: Englische Studien 64 (1929), S. 261 ff. - W . F. Schirmer: Lydgates Fall of Princes, in: Anglia 69 (1950) S. 3 0 1 - 3 4 . - E. P. Hammond: Poet and Patron in the Fall of Princes: Lydgate and Humphrey of Gloucester, in: Anglia 38 (1914) S. 1 2 1 - 3 6 . - W . Perzl: Arthurlegende in Fall of Princes. Diss. München 1911. - F. Werner: Ein Sammelkapitel aus Lydgates Fall of Princes. Münchener Archiv der Phil, des M. A. u. d. Renaiss. ed. F. Wilhelm, Heft 5, Mchn. 1915 (über das 8. Kapitel des ersten Buchs). 260) F. o. P. ist in Chaucerstrophen geschrieben mit gelegentlichen Einfügungen 12*
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Dritter Teil
legentlich den gemessenen Gang eines Trauermarsches annehmen, ist es L y d gates größtes Werk. Es ist ein pompöser Leichenzug mit dem F o r t u n a - R a d als Prospekt und eine beschwörende R e d e zu den Lebenden, in dieser Zeit des Krieges und drohenden Bürgerzwistes die Idee des Friedens und die persönliche Integrität zu erhalten. Es ist das erste Werk in englischer Sprache, das die heroische Haltung der Antike wiedergibt und die Helden der klassischen Sage und Geschichte würdevoll und ohne christlich-ritterliche Umdeutung darstellt 2 * 1 ). Das wurde Lydgate durch sein Vorbild ermöglicht: Giovanni di Boccaccios ' D e casibus virorum illustrium'. Dies in den Jahren 1 3 5 5 - 6 0 in lateinisdier Prosa geschriebene Werk, das in der damals üblichen chronologischen Folge die Schicksalsschläge schildert, die große Männer und Frauen 2 6 2 ) der Sage und Geschichte durch Fortuna erlitten, ist nicht mehr die im Mittelalter beliebte Zusammenstellung von „Tragödien"
263
), sondern ein künstlerisch ge-
meisterter theatralischer Aufzug. Eine lange Reihe Unglücklicher von Adam und E v a bis König J o h a n n von Frankreich ( 1 3 5 6 bei Poitiers gefangen), geht klagend am Autor vorüber, der in seinem Arbeitszimmer sitzend die Tragödie eines jeden aufschreibt. Diese Tragödienreihe ist belebt durch Streitgespräche, die sidi zwischen dem Autor und seinen visionär erschauten Gestalten anspinnen (z. B . zwischen Boccaccio und Brunhilde, Boccaccio und Petrarca, Fortuna und Armut), durch kommentierende Abschweifungen des in Balladenstrophen (in den Envoys zu Arsinoe, Antiochus, die Scipios usw.: IV, 3445; V, 1590; 1846; VII, 246; I X , 2017, 3239, 3541, 3589. 261) Brie (a. a. O.), der den Fall of Princes als bahnbrechend für die neue humanistische Auffassung der Antike erweisen möchte, betont diese These einseitig. Immerhin sind die von ihm angeführten Stellen des Verständnisses und der Begeisterung für das Heroische beherzigenswert (z. B. Mucius Scaevola II, 918; Leonidas III, 2297; Alkibiades III, 3284; Epaminondas III, 4635; Regulus V, 444). Bei der Bewunderung für die Freiheitshelden Cato (III, 1226), Juba (VI, 2727), und den letzten Scipio (V, 2787) wird sogar der sonst verdammte Selbstmord gutgeheißen und bei Alexander (IV, 1203) und in einigen anderen Bemerkungen Ruhmsucht und Nachruhm ohne christlichen Tadel erwähnt. Doch möchte ich, in Umkehrung der Brieschen These sagen, daß aus Lydgates Patriotismus sich das Eintreten für die heroischen Gestalten der Antike (Epaminondas, Regulus) erklärt und daß Lydgates milde, sachliche Art vieles berichtet oder auch gelten läßt, ohne daß man seine Billigung daraus entnehmen darf. Auf einzelnes wird später im Text zurückzukommen sein. 262) Das lateinische 'vir' hat die Bedeutung „Mensch". 263) Die mittelalterliche Auffassung der Tragödie definieren Lydgates Zeilen ( F . o . P . V, 3118): This may be weel callid a tragedie Be discripcioun takyng auctorite; For tragedie, as poetes spesephie, Gynneth with ioie, eendith with aduersite.
21. Lydgates Fall of Princes
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Autors (z. B. zusammenfassende Kapitel über Stolz, Ungehorsam, Frauenlist), sowie durch relief gebende Gruppenkapitel (z. B. Pauci flentes, Conventus dolentium, Infelices quidem). Dadurch ist Abstufung und rhythmische Bewegung in das zu Monotonie neigende Thema gebracht. Die zahlreichen ironischen Bemerkungen über die Bosheit und Dummheit derer, denen Fortuna Macht über ihre Mitmenschen gab, wirkten wie das Wetterleuchten einer neuen Zeit. Mit wohlberechneter Vielseitigkeit richtete sich das Werk an die verschiedenen Kreise: die paritätische Berücksichtigung von biblischer und profaner Geschichte und die reichhaltige Porträtgalerie aus der Antike wandte sich an die Humanisten und Gelehrten; die moralisch-didaktische These, die alle Schicksalsschläge als Folge von Egoismus, Stolz und Ehrgeiz dartut, um die Fürsten Weisheit und Mäßigung zu lehren, klingt oft geflissentlich an die Exempla der mittelalterlichen Prediger an und war der Masse des bürgerlichen Publikums wie auch allen altmodisch Orientierten aus dem Herzen gesprochen; die boshaften Bemerkungen und der Widmungsbrief an seinen bürgerlichen Freund Mainardo dei Cavalcanti 2 6 4 ) waren attisches Salz für revolutionäre Geister, während die Hochgestellten selber sich angesprochen fühlten, nicht wegen der alltäglichen, moralischen und politischen Lehren, sondern weil das Buch von ihresgleichen redete. So ließ sich Charles d'Orléans - auch ein gestürzter Fürst - ein Manuskript schicken und las es in seiner englischen Gefangenschaft. Bald folgten Übersetzungen in die Landessprachen. Die berühmteste ist die französische Prosaversion 'Des cas des Nobles Hommes et Femmes', die Laurent de Premierfait 2 6 5 ), ein Clerk der Diözese Troyes, in den Jahren 1 4 0 5 - 0 9 verfaßte 2 6 8 ). Laurent gehörte zur Gruppe der Littérateurs am Hofe Philipps des Kühnen von Burgund, deren bekannteste Christine de Pisan war; seine Boccaccioübersetzungen 267 ) geschahen im Auftrag des Due de Berry ( 1 3 4 0 - 1 4 1 6 ) , der wie Humphrey den R u f eines Bibliophilen und Mäzens genoß, dabei ein egoistischer, intriganter und unzuverlässiger Charakter war - eine seltsame Ironie, daß die beiden Barone als Schutzherren des Boccaccioschen Fürstenspiegels fungieren! Laurents polyhistorische Gelehrsamkeit gab seiner Quelle eine Fülle historischer, biographischer und geo264) 1363. (Diese Fassung des De casibus, nicht die erweiterte von 1374, lag Premierfait vor. Vgl. Anm. 266). 265) Der Beiname nach einem Dorf bei Arcis-sur-Aube. Über Laurent vgl. die Dissertation von H . Hauvette: De Laurentio de Primofato. Paris 1903. 266) Dies ist die zweite, erweiterte Ubersetzung, die Lydgate vorlag (die erste, wörtlichere verfaßte Laurent 1400). 267) Außer den De casibus übersetzte Laurent den Decamerone ( 1 4 1 1 - 1 4 ) ; er übersetzte audi klassische Werke, u. a. Cicero für den Herzog von Bourbon.
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Dritter Teil
graphischer Zutaten, und durch diese Einzelbemerkungen zu allen Personenund Ortsnamen erweiterte er den U m f a n g auf das Doppelte. Obgleich diese stofflichen Erweiterungen zumeist antiken Autoren entnommen sind, bedeutet das Buch „humanistisch" gegenüber Boccaccio einen Rückschritt. D e casibus konnte eine arglose Seele als Führer zum Mut im Unglück lesen; Laurent machte daraus ein Universallexikon von Adam bis zur Mitte des 14. J h . Am schwersten wiegt die künstlerische Einbuße: durch die Ausweitung ging die dramatische Knappheit von D e casibus, der Rhythmus von
zusammen-
gezogenen und ausführlichen Kapiteln verloren. D a keine neuen Gedanken für diese Breite entschädigten, so ist das Werk heute langweilig und wenig erfreulich zu lesen. Zu seiner Zeit aber tat das der Beliebtheit keinen Abbruch, und der berühmteste Maler Frankreichs, J e a n Fouquet, hat das kostbare Manuskript im Besitz der Familie des Herzogs v o n B e r r y illuminiert 2 6 8 ). O b Lydgate dieses in Frankreich verbreitete Buch schon bei seinem Pariser Aufenthalt eingesehen oder ob ihn erst der Herzog Humphrey darauf aufmerksam gemacht hat, wissen wir nicht. Jedenfalls hat Humphrey, als er während Heinrichs V I . Aufenthalt in Frankreich Lieutenant und Warden of England war (April 1430 bis J a n u a r 1432), Lydgate mit einer Ubersetzung beauftragt (vermutlich im M a i 1 4 3 1 ) 2 6 e ) , die den bereits bejahrten Dichter fast acht J a h r e in Anspruch nahm. Lydgate bearbeitete den Stoff in Versen, was angemessen erscheint, nur hat er leider nicht Boccaccio, sondern Laurent als Quelle benutzt, woraus sich der ungebührliche U m f a n g und auch andere Mängel erklären. Anderseits hat Lydgates Übersetzung etwas O r i ginales. Sie unterscheidet sich in der geistigen Haltung. Boccaccio sah seine Fürsten feindlich, mit H a ß und bitterer Verachtung. Wenn er auch die A b sicht kundgibt, durch die erzählten Beispiele den Mächtigen Weisheit und Mäßigung nahezulegen, so scheint er doch überzeugt, daß sie durch Verschwendung, Rachsucht und Stolz alle anständige Gesinnung verloren haben und daß dies schlechte Beispiel der Oberen das Volk verderbe. M a n kann also einen starken und revolutionären demokratischen Zug aus seinem Fürstenspiegel herauslesen. Laurent und Lydgate wollten wirklich zum Besten der Fürsten schreiben und glaubten nach alter Anschauung, daß die Untergebenen für die Fürsten da seien. Laurent war servil; er schmeichelte denen, die ihn bezahlten, und diese Gesinnungslosigkeit läßt alle Invektiven gegen
268) 1458 von Pierre Faure geschrieben. Jetzt Münchner Handschrift Cim. V. a 4. 269) Die Erwähnung von Humphreys Eifer gegen die Häretiker (Prol. 400 ff.) bezieht sidi auf die Lollardenunterdrückung in Oxford, Salisbury und London im Frühjahr 1431. Eine vermutlich in Humphreys Gegenwart stattfindende Exekution war in Oxford im Mai 1431.
21, Lydgates
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Tyrannei und Laster als harmlos-theoretische Redeübungen erscheinen. Lydgate war anders, er schrieb als Geistlicher ermahnend, aber nie grob wie Boccaccio, dessen Priestersatire er strich und dessen laue Häretikerverdammung er verschärfte. Er schrieb aber auch als Mann von Welt, als Höfling und Aristokrat, der das Volk verachtet; doch sagt er den Fürsten, was er auf dem Herzen hat, und fordert kraft ihres gottverliehenen Amtes eine gütige, gerechte und uneigennützige Regierung der Untertanen. Natürlich tadelt er seinen Patron nicht, aber er lobt die häuslichen Tugenden. - Eine ähnliche Selbständigkeit zeigt sich im künstlerischen Aufbau. Lydgate fügte nämlich allen wichtigeren Tragödien resümierende Envoys hinzu, wodurch eine Boccaccios Rhythmus ähnliche Wirkung erreicht wird. Der ehrliche Lydgate gibt seinen Auftraggeber als Anreger dieser Rhythmisierung an 270 ). Wenn das der Fall ist, muß man Humphrey hohe künstlerische Einsicht zubilligen, aber die von Lydgate eingefügten Prologe und Balladen sowie die oft weitgehende und meist geschickte Kürzung seiner französischen Quelle bezeugen dasselbe rhythmisierende Streben. Das Werk ist in neun Bücher (zu je 9 bis 27 Kapiteln) eingeteilt. Das Ganze beginnt mit einem Prolog von 469 Versen, worin Lydgate über seine Quelle spricht und wie Laurent die Vorzüge einer erweiternden Übersetzung hervorhebt. Von einer Erzählung verlangt er - und das ist für den Geschmadk der Zeit und für unsere Bewertung des Lydgateschen Werks bedeutsam - , daß sie epische Breite habe, nicht 'constreynyd vndir woordes fewe' (93) sei. So will er über die von Fortuna verursachten Tragödien handeln, wobei er seinen üblichen Bescheidenheitstopos durch eine ausführliche Erörterung des Chaucerschen Werks ins Relief setzt. Diese wohl mit Einverständnis seines Auftraggebers geschriebene Würdigung gibt Anlaß zum Betonen der Stellung, die einst Dichter bei Fürsten innehatten, und schließt mit einem Lob Humphreys, das zwar übertrieben, aber in seiner Sympathie für den Bücherliebhaber und Lollardengegner verständlich ist. Dann folgt die lange Reihe der ihr Geschick beklagenden Großen, beginnend mit Adam und Nimrod, dann zur griechischen Sage übergehend - dem Kreis der Theben- und Trojageschichten - und abschließend mit SimsonDalila und dem Brief der Canace. Manche dieser Geschichten haben noch etwas von der mittelalterlichen Erzählfreudigkeit, z. B. Meleager, Thyest, Herkules und der zumeist auf dem vorzüglichen Erzähler Gower fußende Canacebrief 271 ). Im ganzen aber sind es mehr die sprichwortknappen Prä270) Prolog zu Buch II (Vers 146). 271) 4845; 3844; 5038; 6882 (jeweils Buch I).
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gungen "*), die den Leser entschädigen, und die vielfach wie selbständige Gedichte wirkenden Envoys. Die Geschichten selbst sind in der herkömmlichen Art benutzt, um humanistisches Wissen in einer lexikalischen Sammlung auszubreiten und dabei zu Zeitfragen Stellung zu nehmen. Schon Laurent hatte zahlreiche Zusätze gemacht. Trotzdem sieht der kritisch Lesende immer wieder Lydgates Bemühungen, aus neuen Quellen vervollständigende Ergänzungen zu bringen. Deutlich ist dabei (vielleicht auf Humphreys Anraten) das Studium der Metamorphosen Ovids, besonders bei den Geschichten von Medea, Minos, Scylla, Minotaurus, Herkules, Narcissus und Pyrrhus 273 ). Für die Jokastegesdiiihte "*) und die folgenden Ereignisse, die bei Boccaccio und Laurent kurz zusammengefaßt sind, griff er auf seinen eigenen Thebenroman zurück, um einzelnes schärfer herauszuarbeiten. Bei den Geschichten um Troja 275 ) begnügt er sich hingegen mit dem stolzen Hinweis, daß er darüber gründlich in seinem Trojabuch gehandelt habe und daß man es dort nachlesen könne. Ein anderes berühmtes Werk Boccaccios, 'De genealogiis deorum', lieferte gelegentliche Einzelheiten 276), und bei biblisdien Geschichten nahm der Mönch lieber die Vulgata als Führerin 277 ). Neben dem Anbringen humanistischer Wissensstoffe ist es die mahnende Predigt und leicht verhüllte Erörterung politischer Zeitfragen, wozu ein Fürstenspiegel ja reichlich Gelegenheit bot. Viele dieser Mahnungen sind stehendes Gut solcher Werke, vieles aber ist unmittelbar aus Lydgates Gedanken über seine Zeit hervorgegangen. So sagt der Envoy zur ödipusgeschichte, daß innerer Streit den Bestand des Reichs gefährde 278 ), was zwar eine Binsenwahrheit ist wie die übrigen Lehren, daß Friede und Gerechtigkeit Grundbedingungen seien und daß die Fürsten ihre Untertanen lieben sollen; aber im Hinblick auf die englischen Zustände erhält die allgemeine Lehre doch einen besonderen Sinn, um so mehr, als der Envoy zu Atreus-Thyestes den Streit zwischen Verwandten 279 ) als unnatürlich und Gott verhaßt brandmarkt. Humphrey mag daraus einen Hieb gegen seinen Onkel Beaufort herausgelesen haben, wie er auch sein Buhlen um die Volksgunst als Erfüllung der Forderung der Liebe zu den Untertanen 280) gewertet haben mag. Das Verdammen des mutwillig 272) 6042. 273) 274) 276) 277) 278) 279) 280)
Etwa im Herkulesberidit und im Resümee der Trojageschichten I, 5104, 2171; 2411; 2483; 2658; 5216; 5552; 6735 (jeweils Buch I). I, 3158. 275) I, 5937. Z. B. bei den Geschichten von Orpheus, Ixion, Herkules, Pyrrhus. So bei Deborah 2930, Gideon 3048, Samson 3636. kyngdomys deuyded may no while endure (I, 3816). in kynredis to fynde frowardnesse (I, 4215). I, 4502.
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begonnenen Kriegs (im Marpessa-Envoy) 2 8 1 ) war ein heikleres Thema, aber die Herrschenden pflegten die Fürstenspiegel „platonisch" zu lesen. In derselben Weise ging Lydgate bei der Übertragung des zweiten Buchs vor, doch geriet er dabei, man möchte sagen unversehens, an eine neue A u f gabe heran. Wir hören von Saul, Rehabeam, Lukrezia, Virginia, Dido, Cyrus, der Frühgeschichte Roms und seiner Schicksale - also von biblischer und alter Geschichte und weniger von Mythologie als in Buch I. Die Geschichte der fernen Heidengötter und Heroen konnte man in humanistischen Büchern nachlesen und daraus erstaunliche Einzelheiten dem Berichte einfügen; jetzt handelte es sich um der eigenen Zeit näherstehende Menschen, deren biographische Darstellung und Einordnung in die historischen Gegebenheiten ein neues künstlerisches Problem heraufführte. Die dem Leser sich dabei aufdrängende Frage nach schuldhaftem menschlichen Handeln machte die Figur der Fortuna problematisch; damit bekam die mahnende und allgemeine Betrachtung über Zeitfragen eine aktuelle politische Bedeutung, die den abgerückten Standpunkt des geistlichen Betrachters in Frage stellte. Der Prolog sagt, daß nicht Fortuna 2 8 2 ) den Fall der Fürsten verursache, sondern 'vicious lyuyng' 283), und daß Fortuna über gute Fürsten nichts vermöge. D a m i t ist der gedankliche Zwiespalt angedeutet, der in dem ausführlichen Disput zwischen Fortuna und Froher Armut im dritten Buch 284 ) sich grell a u f t u t : einerseits ist die ganze Welt ein fatalistisches Schauspiel der wankelmütigen Fortuna und der Vergänglichkeit des Glanzes; anderseits ist die Geschichte ein Weltgemälde der göttlichen Gerechtigkeit. Lydgate kommt aus dem Widerpruch nicht heraus. Einer Verfluchung der bösen Fortuna als falsch, unbeständig, doppelzüngig und trügerisch 285) steht die Behauptung gegenüber, daß nicht Fortuna, sondern die Tyrannen blind seien 286 ). Der Prediger möchte Boccaccios achselzuckende Haltung, daß es den Tyrannen recht geschähe, nicht unverbessert lassen und mildert seiner Quelle Behauptung: 'et ainsi dame Fortune se ioie des roys et aussi de tous aultres nobles hommes' durch Einfügung eines ethischen Prinzips dahin, daß Fortuna den Stolz der Mächtigen beuge, wenn sie ihre Befugnisse überschreiten 287 ). In der 281) 1,5888. 282) Ober die in der ganzen mittelalterlidien Literatur (und besonders im 15. Jh.) bedeutsame Rolle der Frau Fortuna vgl. A. Dören: Fortuna im Mittelalter und in der Renaissance in: Vorträge der Bibliothek Warburg 1922/3; H . R. Patch: The Goddess Fortune in Medieval Literature Cambr. Mass. 1923; ders.: Chaucer and Lady Fortune in: Modern Language Review X X I I (1927) p. 377 ff.; K. Hammerle: Das Fortunamotiv von Chaucer bis Bacon in: Anglia 65 (1941) S. 87 ff. Obersicht über die Fortunaliteratur von E. Lommatzsch in Ztschr. f. Rom. Phil. 1944. 283) II, 46. 284) III, 204-707. 285) III, 3007/8. 286) IV, 967. 287) Aboue ther offis that wrongli list presume (V, 2292).
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großen Fortunaszene des sechsten Buchs 288 ), in der die Göttin dem Autor erscheint, w i r d diese Gegensätzlichkeit der Angelpunkt eines Streitgesprächs: der Dichter verwünscht sie als Ursprung allen Unheils, Fortuna entschuldigt ihre Unbeständigkeit als Naturgegebenheit, mit der man ebensowenig rechten könne wie mit dem Wechsel der Jahreszeiten. L y d g a t e möchte das Walten der göttlichen Gerechtigkeit in der Weltgeschichte dartun, behält aber die eigentlich überflüssige Figur der Fortuna weiterhin bei. Die in den Text eingebaute Erörterung der Zeitfragen betraf im ersten Buch allgemein gehaltene moralische Grundsätze, im zweiten Buch sind die Ansätze zu einer förmlichen (wenn auch nicht originellen) Staatslehre. Der Kirchenmann fordert, daß kluge Fürsten sidi nicht in ekklesiastische Dinge mischen und daß sie die heilige Kirche verehren 2 8 9 ). Der Klerus hat f ü r L y d gate dieselbe Stellung im Staat wie die Seele im menschlichen Körper, eine Ansicht, die der dem Hof nahestehende L y d g a t e im Einvernehmen mit den beim hohen Adel und den Prälaten vertretenen Anschauungen formulierte, um so mehr, als das H a u s Lancaster das gute Einvernehmen mit der Kirche betonte. A u f f ä l l i g erscheint die Erörterung des Königtums. Lydgates Zeit hat man 'the Lancastrian experiment' oder die Zeit des 'premature constitutional government' genannt 2 9 0 ), da das Parlament eine zunehmende Neigung bewies, die Prärogative des Königs einzuschränken 291 ). Gegenüber solcher modern anmutenden Regierungsweise, die bei dem Juristen und H o f mann Fortescue staatsrechtlich erörtert wird, scheint L y d g a t e den in der Stuartzeit gipfelnden Frühabsolutismus vorzudeuten. Abweichend von seiner Quelle Laurent 2 9 2 ) ist bei ihm von der Wahl des Volkes nicht die Rede, sondern nur vom Erbrecht. Nicht dem Volke ist der Herrscher verantwortlich, wie das Boccaccio in seiner Widmung zum Ausdruck bringt, auch nicht Gott und dem Volk, wie Laurent vermittelnd sagt 2 9 3 ), sondern nur Gott gegenüber. Die Liebe des Volkes zum Herrscher ist um des Herrschers willen zu fordern 2 8 4 ), dem man Gehorsam schuldet 295 ); Liebe und Gehorsam sind die Kräfte, die eine festgefügte Ordnung verbürgen 2 9 6 ). Hier wird offenbar, daß Lydgates statisches Weltbild weniger ein Vorahnen des Tudor- und Stuart288) VI, 1 - 5 1 8 . 289) So lehrt es die Uzziah-Geschidite II, 2759 und der Belshazzar-Envoy 3550, vgl. auch II, 2767. 290) Adams: Constitutional History of England Lo. 1928 p. 2 1 6 (Kap. IX), auch Hatschek p. 169. 291) Parlamentskontrolle über die öffentlichen Einkünfte, Gleichberechtigung Commons bei Gesetzgebung, Aufsichtsrecht des Parlaments über allgemeine gierungspolitik. 292) EETS. E. S. 124, p. 189. 293) EETS. E. S. 124, p. 172. 294) III, 3993. 295) II, 553, 1459. 296) II, 533, 538.
II, vgl. der Re-
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Absolutismus ist als ein Zurückgehen auf die aus Augustinus sich herleitenden Begriffe: pax, d. i. das Lydgatesche Friedensideal 287 ), ordo, d. i. die ständische Ordnung 298), justitia, d. i. das Rechts- und Pflichtverhältnis von Herrscher und Untertanen 299 ). Diese mittelalterliche Auffassung Lydgates hat indessen durch die Ereignisse seiner Zeit einige bedeutsame Einschränkungen erfahren. Bei der Erörterung der Königsgewalt heißt es, daß königliches Blut und hohe Abkunft ohne die Gnade Gottes von geringem Werte sind 300 ). Die Cyrusgeschichte lehrt ferner, daß man sich fügen soll, wenn es Gott beliebt, jemanden zu Macht und Reichtum zu erheben301) - ein Satz, der die Legitimität der Lancasterlinie und der Usurpation Heinrichs IV. beweisen, aber auch gefährlichen Machtgelüsten des Adels als Entschuldigung dienen kann. Diese und ähnliche Ausführungen nähern das zweite Buch gelegentlich einem staatspolitischen Traktat, und in der Tat ist das vom Herausgeber 'On good government' überschriebene Kapitel 302 ) unter Heranziehung von John of Salisburys 'Polycraticus' geschrieben303). Solches Hineingeraten in den Humanisten vertraute Gedankengänge wurde durch die Stoffe und die benutzten Quellen gefördert. Schon der Satz, daß die Dichter-Gelehrten es sind, die den Ruhm der Fürsten der Nachwelt bewahren 304 ), klingt ganz humanistisch. Humanistisch ist auch der Envoy of Rome 305), in dem sich erstmals die düster-würdevolle Diktion entfaltet und dessen wehmütige Schönheit in Villons 'Ballade des dames du temps jadis' endgültigen Ausdruck fand. Antikes Heldentum und Standhaftigkeit werden ohne christliche Voreingenommenheit in der Mucius-Scaevola-Geschichte306) gepriesen; und in dem beredten Lob der Lucrezia, das er auf Humphreys Rat aus dessen Exemplar von Coluccio Salutatis 'Deklamation' 307 ) übersetzte, wird sogar der sonst abgelehnte heroische Selbstmord anerkannt 308 ). Nach dem Didolob 309 ) allerdings hält Lydgate einen satirischen Envoy an die Witwen 310 ) für nötig, worin er sie vor Didos Beispiel warnt. Es wäre 297) Ablehnung des Eroberungskrieges II, 3960 u. ö. 298) Ober die gottgewollte Gesellschaftsordnung der Stände II, 869; I, 4229 u. ö. 299) Das Recht des Volkes ist eigentlich nur Freiheit von Unterdrückung II, 909. 300) Astyages dachte fälschlich, daß 'noblesse cam be discent off blood / And nat be grace, nor as the heuene stood' II, 3037, 3081. 301) wher God list forthre a lyne / Outher to richesse or dominiciouns II, 3326. 302) II, 806-917. 303) Prolog und Buch V / V I . 304) Or wheroff komth ther laude in reportyng / Sauff that clerkis han wreten ther histories II, 815. 305) II, 4460. 306) II, 918. 307) Vgl. E. P. Hammond: Lydgate and Coluccio Salutati in: Mod. Phil. 25 (1927/28) p. 49-57. 308) II, 1002. 309) II, 1898. 310) II, 2199.
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schade um die 'noble matrones', Gott erhalte ihre Schwäche, lieber sollen sie sich Liebhaber verschaffen und sie kurz halten. Auch in der Gygesgeschichte, die fast ganz von Lydgate stammt, kommt in eigentümlichem Gegensatz zu dem sonst durchweg würdigen und fast feierlichen Ton der satirische Humor zu Wort 311 ). Nach diesem etwa 1433 vollendeten zweiten Buch müssen wir eine Pause ansetzen, die äußerlich bedingt war durch die Arbeit an der Legende von St. Edmund und Fremund, die innerlich vielleicht begründet war durch die mit dem Stoff sich aufdrängende Problematik. Humphrey, der das Werk nicht nur in Auftrag gegeben hatte, sondern auch überwachte, war nicht ohne Schuld daran. Immer wieder gab er ihm Bücher aus seiner Bibliothek: Ovids Metamorphosen, Josephus' De antiquitatibus judaicis und Coluccio Salutatis Lukreziadeklamation. Lydgate seufzte etwas unter den Ratschlägen seines Patrons und als Revanche schickte er ihm den Letter to Gloucestersl2), einen Bettelbrief 'in tempore translacionis libri Bochasii pro opportunitate pecunie', worin er in der gefälligen Art Chaucers die böse Krankheit seiner Börse schildert. Er gleiche einem Schiff, das bei der herrschenden Ebbe an den Strand gefesselt sei, und es gäbe nur ein Mittel zu helfen, so betont es der Refrain, 'with silver plate, enprinted with coynage'. Der kecke Humor, den der Envoy entschuldigt, ist durch geistreiche Wort- und Sinnspielereien verbrämt: für Gold und Silber sind deren alchimistische Bezeichnungen Sol und Luna gewählt, statt Münze steht Tower, wo sich die Münze befand, und das metaphorische Schiff spielt auf die Prägung der gold-nobles an. Dies Rätselaufgeben gefiel der Zeit, und Herzog Humphrey war so erfreut, daß er freigebig des Dichters Bitte erfüllte. Den Dank für diese Gabe stattete Lydgate ab im Prolog zum dritten Buch: Armut und Alter seien nahe, und fast sei er an der ihm gestellten Aufgabe verzweifelt; nun aber habe die Freigebigkeit des Auftraggebers neuen Mut gebracht, und er mache sich erneut an die Arbeit. In der Tat haben wir im dritten Buch ein Neuansetzen; fast unbewußt war ihm ein neues vom Stoff gefordertes Ziel erstanden: die Abfassung eines großen historischen Werks. Wissensauskramen und Zeitfragenerörterung müssen vor diesem neuen Ziel zurücktreten, die in früheren Werken beliebten Natureingänge fehlen ganz, und die im Envoy auf Rom herrschende ernste Würde wird mehr und mehr der diesem großen Geschichtswerk angemessene Ton. - Das Thema des dritten Buches ist durchweg römische Geschichte, die 311) II, 3347. 312) M. P. 665; E. P. Hammond: English Verse a. a. O. p. 149; desgl. in: Anglia 38 (1914) p. 125. 8 Balladenstrophen.
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ja im zweiten bereits einsetzte; zu den italienischen Fürsten aber kommen griechische und andere Helden. Seine humanistischen Bemühungen richten sich ganz auf die historische Ausgestaltung, wozu er des Justinus Universalgeschichte, Boccaccios De genealogiis u. a. geschichtliche Werke heranzieht 31 ®). Damit übernimmt er ein für einen mittelalterlichen Geistlichen erstaunliches Verständnis für weltliches Heldentum. So würdigt er die heroische Erscheinung des Leonidas 3 1 4 ), bringt eine anerkennende Darstellung des Alkibiades 315 ) und ist voller Bewunderung für Epaminondas 316 ), dessen Todesverachtung und Untergang in Lydgates Beschreibung an das Erhabene heranreichen. Die sich dabei ergebenden moralischen Ausblicke auf seine Zeit weichen bisweilen von seiner Vorlage ab. So macht er aus Boccaccios scharfem Angriff auf die Richter ein Lob der guten alten Zeit, als der Adel das Recht nicht beugte, die Geistlichkeit vorbildlich lebte, Kaufleute nicht betrogen, Frauen sich nicht schminkten und weder Hörnerkopfputz noch Schleppen t r u g e n 3 " ) . Meist ist derartige Kritik blaß und allgemein gegenüber Boccaccio. Höchstens die Mahnung: wer Rache übt, wird Rache ernten, mit dem Zusatz: Fürsten, müht euch, das wankelmütige Volk vom Aufruhr abzuhalten 3 t 8 ), läßt eine persönliche Befürchtung durchklingen. Die große Geste des Weltgeschichte schreibenden Historikers hält bis ins siebente Buch an, wobei der weniger ehrfürchtige moderne Leser allerdings die Eintönigkeit beklagen mag. Humphrey wies Lydgate nun auf dichterische Vorbilder hin, wie Vergil, Dante, Petrarca 31 ®), und Lydgate, der deren Patronatsverhältnis zu den Fürsten betont, nimmt das zum Anlaß eines neuen Bettelbriefes 3 2 0 ). Die Humphrey zuliebe eingefügten Exkurse über Literatur, die nicht das Niveau halten, das der Humanistenmäzen erwarten mochte, werden im vierten Buch fortgesetzt. Der Prolog nennt eine Reihe von Dichtern (Seneca, Vegetius, Persius, Vergil, Ovid, Petrarca, Dante usw.); er gibt auch eine Liste der Werke Vergils und Petrarcas. Aber man kann daraus nicht auf eine eigene Kenntnis schließen und sieht keine rechte Beziehung zu Lydgates Auffassung der Dichtung. Einmal will er eine milde moralische Predigt in geistreicher oder anziehender 313) Boccaccio lieferte die Beispiele für das Begehrlichkeitskapitel (III, 4 3 2 7 ) ; Justinus wurde für das Epaminondaskapitel benutzt (III, 4638), und uns unbekannte Werke lieferten umfängliche Zusätze zur Geschichte von Amyntas (besonders ab III, 4579). 314) III, 2297. 315) III, 3284. 316) III, 4635. 317) Im Envoy zu Appius III, 3088. 318) III, 4229. 319) Vgl. den Hinweis auf Dante IV, 1 3 4 - 4 0 und die Überlassung von PetrarcaManuskripten aus Humphreys Bibliothek. E. P. Hammond in: Mod. Phil. 25 (1927 bis 1928), p. 49 ff. 320) III, 3 8 3 7 - 7 1 .
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Form 3 2 1 ), was man, insbesondere in geistlichen Kreisen traditionell als Sinn der Dichtung ansah. Zum anderen ist Dichtung gleichgesetzt mit historiographischer Kunst. Der frühere Hinweis, daß der Ruhm der Fürsten durch die Dichter der Nachwelt überliefert werde, wird weiter ausgeführt: durch schriftliche Aufzeichnung kennen wir das Leben der Propheten, Patriarchen und Märtyrer, wenn 'writyng' nicht existierte, wäre 'lawe' vergessen und 'our faith appalled' 322 ): For all religioun and ordre of good lyuyng Takth ther exaumple be doctryn of lettrure 323 ).
Der Fall of Princes paßt sich völlig diesen Forderungen an, und so berichtet das vierte Buch in fleißiger Arbeit die Geschicke von Manlius Marcus, Dionysius, Alexander und Callistenes, Darius, Olympia, Agathocles, Arsinoe, Brennus, Pyrrhus und anderen mehr. Die Geschichten sind modernem Interesse fernerstehend, doch wird man Lydgate zubilligen, daß er den wortreichen Laurent o f t vorteilhaft zusammendrängt 824) und gelegentlich durdi dramatischere Fassung übertrifft S 2 5 ). Manchmal allerdings sind ihm die Schrecken zu sehr gehäuft, und in der Olympiageschichte ruft er aus: 'Off this processe write I will nomore | Cause the mateer is abhomynable' 326 ). Lydgates argloses Gemüt steht dem Menschlich-Allzumenschlichen hilflos gegenüber. Er war der Gelehrte, der sich unter Büchern zu Hause fühlte; wir sehen ihn aus Aulus Gellius die Geschichte des Manlius Marcus ergänzen 327) und aus uns unbekannten Büchern eine große Beschreibung römischer Triumphe zusammenstellen 328 ). Die moralischen Ausblicke dieses Buches gehen zwanglos aus dem Stoff hervor, sind aber so nachdrücklich auf einen Gedanken hin ausgerichtet, daß man den Anlaß in der Zeitgeschichte suchen muß. Boccaccio und Laurent sagen, daß Fortuna o f t Niedriggestellte erhebe, um sie dann zu stürzen; Lydgate betont das Unheil, das folgt, wenn ein Niedrigdenkender zur Macht kommt, der Niedrigdenkende ist auch als König nur ein gekrönter Esel. Niemand ist so stolz und grausam wie ein Bettler in hohem Rang 3 2 9 ). Diese in dem Satz 'Vertu is strenger than outher plate or maille' 330 ) wiederholte These nimmt Lydgate im fünften Buch wieder auf 3 3 1 ), ohne daß 321) Ther dieef labour is vicis to repreve / With a maner couert symylitude / And non estat with ther langage greve III, 3830. 322) IV, 22. 323) IV, 24. 324) Z. B. im Alexiuskapitel IV, 1450 und in der Antipatergeschichte IV, 3109. 325) Vgl. die Belgius- und Brennusgesdiichte IV, 3570. 326) IV, 2395. 327) IV, 225. 328) IV, 512. 329) IV, 3151, vgl. auch IV, 3058. 330) IV, 3741, vgl. auch das hübsche Naturgleichnis IV, 2696. 331) In der Andriscus-Geschidite V, 2369-75 und 2467 ff.
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wir sagen können, worauf sidi das wirkliche oder metaphorische Bild vom gekrönten Emporkömmling bezieht; das eigentliche Interesse dieses und des nächsten Buches beruht indessen auf der Darstellung der römischen Geschichte. Hier sind es die Gestalten von Marcus Regulus, Scipio, Hannibal und die Auseinandersetzung Rom-Karthago, die im Mittelpunkt stehen; im folgenden Buch sind es Marius und Sulla und die Kriege zwischen Pompejus und Cäsar. Der Stoff ist weitgehend in heroischem Geiste geformt. Der freiwillige Opfertod des Regulus 332 ) für den Staat wird wie der eines christlichen Märtyrers pathetisch verklärt. Mit goldenen Lettern will der Dichter Regulus' Geschichte schreiben. Er wird der größte aller Römer genannt " 3 ), der Lorbeerkranz des Siegers gebührt ihm, und die Fürsten sollen sich ihn zum Beispiel nehmen. Lydgates Patriotismus läßt ihn hier Zugang finden zum heidnischen Heroentum und ganz in die große Geschichtsdarstellung geraten. Die Behandlung der punischen Kriege hält sich nicht ganz auf dieser Höhe, aber die Darstellung des letzten Scipio334), die den Dichter im Gegensatz zu seiner Quelle zeigt, beweist die schon bei Cato , 3 5 ) bezeugte Bewunderung der Freiheitshelden 336). Eigenwillig ist das Cäsarkapitel im sechsten Buch. Boccaccio hatte die große Gestalt Casars nur beiläufig erwähnt; Laurent gab Cäsar eine Sonderstellung, da er nicht durch eigene Laster gestürzt worden sei; Lydgate 337) billigt Cäsar diese Sonderstellung nicht zu; er findet eine den Fall begründende Schuld in seiner 'ambicious negligence'33s) sowie darin, daß er die Macht an sich riß, weil er den erbetenen Triumph nicht erhielt 339 ). Das war der springende Punkt in seiner Prosaschrift 'The Serpent of Division', worin der Streit Cäsar-Pompejus als Exemplum der Übel des Bürgerkriegs dient. Da Lydgate so die Vergötterung, nicht aber die Größe Cäsars ablehnt, wird seine Tragödie eine der eindrucksvollsten, und der Envoy 340 ) mit dem düsteren Refrain 'Moordred at Roome of Brutus Cassius' ist einer der besten des ganzen Werks, ebenbürtig dem Envoy auf Rom im zweiten Buch. Der schicksalhafte Eindruck wird verstärkt durch die aus Lucan und Laurent stammende Geschichte der schrecklichen Wunder und Vorzeichen341), die den Bürgerkriegen zwischen Cäsar und Pompejus vorausgehen. Es muß schon so sein, daß Lydgate das später über England hereinbrechende Unglück ahnte und Geschichtsdarstellung mit beschwörender Mahnung verbindet. Er trägt in die PompejusCäsar-Geschichte ein ethisches Moment hinein durch den Refrain: 'Pocessioun take no fors of wrong or riht: No cleym is worth withoute title of 332) V, 444 ff. 333) V, 755. 336) Z. B. Juba VI, 2727. 339) VI, 2815. 340) VI, 2871.
334) V, 1643. 335) III, 1226. 337) VI, 2871. 338) VI, 2863. 341) VI, 2283 und bes. 2388 ff.
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riht'. Mag also Lydgates politische Auffassung altmodisch-feudalistisch sein, seine Reditsauffassung ist persönliche Überzeugung und seine Ablehnung der Gewalt unverhüllt. Erreichte Lydgates Geschichtsbetrachtung im fünften und sechsten Buch den Höhepunkt, so bringt das siebente Buch Ermüdung und plötzliches Abbrechen. Das zeigt sich schon äußerlich: der durchschnittliche Umfang aller anderen Bücher beträgt drei- bis fünftausend Verse, der des siebenten nur eineinhalbtausend 342 ). Der Grund ist neben der Ermüdung durch das arg umfängliche Werk vor allem im Inhalt dieses Buches zu suchen. Die wesentlichsten Geschichten behandeln einerseits Messalina, Caligula, Nero, anderseits das goldene Zeitalter, Johannes den Täufer und die Zerstörung Jerusalems; es ist also im wesentlichen ein "Weg von Rom zur biblisdien Geschichte. Die römischen Kaisergeschichten erregen Lydgates Widerwillen und Entrüstung, er kürzt, macht von seinem Standpunkt aus Zusätze und kontrastiert die römische Welt mit dem goldenen Zeitalter. Dazu muß er das Laurentsche Kapitel völlig umgestalten. Die Saturnausführungen schrumpfen auf eine Andeutung zusammen, und dann malt Lydgate 343 ) farbig und mit Chaucerreminiszenzen ein Wunschbild, zum selbständigen Gedicht gemacht durch die formal leise variierten Refrainzeilen: For sobirnesse and attemperaunce Hadde in that world hooli the gouvernaunce.
So lebten Noah und Abraham, es gab kein Unrecht und keine Gewalttat. Die Jugend war diszipliniert, 'vertuous Studie' blühte im mittleren Alter, Ausgelassenheit war gezügelt, und es gab keine Verleumdung. Die Ritter hielten auf Keuschheit, Häretiker wurden bestraft, und die Kirche stand in hohem Ansehen. Das Thema läßt den Prediger Lydgate in Eifer geraten. Dann wird diese Predigt historisch verbrämt; das goldene Zeitälter währte, bis Jupiter seinen Vater stürzte, womit sich die alte Ordnung umkehrte: jeder Stand setzte die Mäßigung zur Seite, damit verlor die in der goldenen Welt regierende Vernunft ihre Herrschaft und das eiserne Zeitalter der Grausamkeit begann. Lydgates Gegenwart erscheint wandelbar wie der Mond und ungezügelt im Genuß 344 ). Er setzt die Mäßigkeit eines Johannes des l a u f e r s und Diogenes den Fürsten zum Vorbild. - Als würdiger Abschluß des ganzen, das siebente Buch erfüllenden Gedankengangs kommt der Bericht von der Zerstörung Jerusalems 345). Unter Berufung auf Josephus 342) Buch I: 7070 Verse; II: 4592; III: 5152; IV: 4066; V: 3145; VI: 3638; VII: 1663; VIII: 3381; IX: 3628. 343) VII, 1157-1243. 344) VII, 1251. 345) VII, 1335 ff.
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wird der Feldzug Vespasians geschildert und die Zerstörung der Stadt durch Titus. Begründet ist dieser Fall in der schuldhaften feindlichen Haltung der Juden gegenüber Christus; wäre Jerusalem nicht durch die Römer zerstört worden, so hätte sich die Erde aufgetan und die Stadt ihrer Sünden wegen verschlungen 346 ). In der Geschichte offenbart sich also Gottes Gerechtigkeit, Geschichte ist ein großes Exemplum für die Tugendlehre und -predigt der Kirche. Die Klarheit dieser Lehre war auf dem langen Weg durch die heidnische und heroische Geschichte zeitweilig etwas verdunkelt worden. Lydgate ist dieser Geschichten müde - zum zweitenmal. Das erste Mal war es nach dem zweiten Buch der Fall. Damals, von Humphreys Unterstützung angefeuert, begann er nach einer Pause von neuem in einem neuen Stil, dem Stil des großen Geschichtswerkes. Auch jetzt beginnt eine neue, die dritte und letzte Etappe der Arbeit. D a ß er das Werk leid^geworden ist, erzählt der reizvolle Prologzusatz, in dem er Boccaccio in die Schuhe schiebt, was für ihn selber gilt. My lymys feeble, crokid and feynt for age, Cast in a dreed, for dulnesse of corage For to presume vpon me to take Of the eihte book an eende for to make 3 4 7 ).
E r begehrt ja nicht Ruhm, nur ein gutes Gedenken, was schon viel ist in einer Welt, in der Reichtum und Wissen vergessen werden und Freundschaften wechseln. Diese selbständige und persönliche Darstellung beherrscht auch die Szene, in der Petrarca Boccaccio erscheint. Die von Lydgate stammenden Begrüßungsworte richten sich weniger an den italienischen poeta laureatus als an Chaucer: „Willkommen, Meister, der einer Sonne gleich Italien ( = England) mit Poesie erhellte. Von Kind auf habe ich dich verehrt als Führer und Beispiel. Du hast meinen rauh-ungefügen Stil verbessert mit den güldenen Wendungen deiner feinen Redeweise 3 4 8 ). Jetzt aber bin ich alt und des Schreibens müde." Petrarca ermuntert den Müden, nicht mit dem siebten Buch aufzuhören, und nach allerhand Beispielen des Fleißes und der Beharrlichkeit anderer fügt er zum Trost ein, daß ein hoher Herr die Arbeit vergelten werde 3 "'). Dieselbe humorvolle und reizvoll-versteckte Art, in der er hier eine erneute Unterstützung Humphreys erbittet, zeigen auch die be346) Davon steht nichts bei Laurent, Lydgate entnahm es aus John of Salisburys Polycraticus II, 5. 347) V I I I , 18. 348) Refourme the rudnesse of my Stile / With aureat colours of your fressh langage V I I I , 81. 349) V I I I , 145. S c h i r m e r , Lydgate
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Dritter Teil
r ü h m t e n folgenden Zeilen, in denen er seine H e r k u n f t aus dem Dorf Lidgate berichtet 3 5 0 ), w o der seiner Seele nötige Trank des Bacchus sehr spärlich fließe - ein Hinweis, d a ß H u m p h r e y auch ein Fäßlein Wein schicken möge. Dieser von Lydgate stammende, der ganzen H a l t u n g nach von Boccaccio u n d L a u r e n t grundverschiedene Prolog geht, gleichsam als ein Atemholen, dem Neubeginn der Übersetzungsarbeit v o r a n . D a s T h e m a des achten Buchs ist im wesentlichen eine Fortsetzung der römischen Kaisergeschichte (Diocletian, Maximian, Galerius, Valerian). Sie w i r k t - anders als einst bei der frischen I n a n g r i f f n a h m e des dritten Buchs wie ein fleißiges und ermüdendes Verarbeiten eines unendlichen, nach Möglichkeit zusammengestrichenen Stoffes. D a n n aber k o m m t etwas
Neues:
L y d g a t e f ü g t ein K a p i t a l über Constantin ein 351 ), wobei er sich auf die Legenda aurea, den Brut u n d andere Werke stützt. Infolge dieser Quellen w i r d diese Tragödie mehr eine wunderreiche romantische Legende als ein Geschichtskapitel und fällt etwas aus dem bisherigen R a h m e n heraus. Warum f ü g t e Lydgate diese Geschichte ein? Zunächst aus patriotischen G r ü n d e n ; die Legende sagt, d a ß Constantin in Britannien geboren sei, u n d der Dichter f o r d e r t die Briten auf zu frohlocken, d a ß ihr L a n d den ersten Kaiser der Welt hervorbrachte. Diese Heiligenlegende mit ihren Wundern u n d Zeichen bedeutete dem Dichter sodann eine Erlösung aus der unmoralischen weltlichen Geschichte u n d gestattete ihm endlich, sich ganz in christlicher Sphäre zu bewegen. Sehen wir, d a ß auf die Geschichte Constantins als wirkungsvoller Gegensatz die von Julian Apostata folgt 3 5 2 ), in der Lydgate die üblen Folgen der Blasphemie exemplifiziert, so erhellt, d a ß mit dem achten Buch ein neuer Z u g in die Geschichtsdarstellung k o m m t : sie wird pragmatisch. Das Humanistische der f r ü h e r e n Bücher ist verblaßt. In der Geschichte des Theodosius 3 5 3 ), die Lydgate (wiederum mit H i l f e der Legenda aurea) mit den Zeichen u n d Wundern eines Heiligenlebens, aber k n a p p e r u n d besser als Laurent, erzählt, rückt der Stil offen v o n der großen u n d objektiv sein wollenden Geschichtsdarstellung ab. J e t z t heißt es nicht mehr Fortuna, sondern der H e r r s t r a f t die T y r a n n e n 3 5 4 ) , u n d G o t t wirkte dies Wunder u n d machte Theodosius siegreich 355 ). Tugendhafte Fürsten sollen sich ein Beispiel nehmen, wie sie den H e r r n versöhnen: ohne Murren hat sich Theodosius der Kirche u n t e r w o r f e n u n d h a t jetzt seinen Lohn bei Christus im H i m m e l . Will m a n derartiges noch einen Fürstenspiegel nennen, so m u ß er das Beiwort mönchisch bekommen. Rüde- u n d vorschauend k a n n man sagen, d a ß aus der vielköpfigen Menge im achten Buch vier Gestalten sich herausheben: C o n 350) V I I I , 187 ff. 353) V I I I , 1 8 9 1 - 2 1 0 7 .
351) V I I I , 1 1 7 0 - 1 4 6 0 . 354) V I I I , 1996.
352) V I I I , 1 4 6 4 - 1 7 0 8 . 355) V I I I , 2003.
21. Lydgates
Fall of Princes
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stantin und Theodosius (beide mehr Exempla und Heiligenlegenden als Tragödien), dann als Gegenbeispiel Julian, und nach allerlei kleineren Geschichten 356 ) und predigtarfigen Stellen 357 ) als vierte beherrschende Gestalt dieses Buchs König Arthur 3 5 8 ). Seine Geschichte liest sich gut. Sie ist voller Geschehen, hat warmen vaterländischen Ton und ist von Begeisterung f ü r die Ritterideale getragen. Man möchte sagen, daß Lydgate die Tradition in sich trug, Laurent wußte nur davon. Arthur ist keine Tragödie, da er keine Schuld trägt und seinen Fall nicht selbst herbeiführt. Als christlicher Idealheld wird er in den Himmel aufgenommen, was Lydgate den heidnischen Heroen verwehrt 3 5 9 ). Die Envoys (denn es sind eigentlich zwei 360)) bringen die damals wieder zeitgemäße Mahnung, daß der Streit zwischen hochgestellten Verwandten die Einheit des Reichs gefährde mit deutlichem H i n blick auf das in die Brüche gehende englisch-französische Reich 361 ) und mit einer später von Malory aufgenommenen sehnsüchtigen Rückschau auf die ritterliche Zeit der Tafelrunde. Die das Buch abschließende und in starker Kürzung gegebene Rosamundegeschichte 362 ) entlockt Lydgate die Bemerkung, daß er wenig Nutzbringendes (litil f r u t ) in dieser Geschichte sehe außer der Erkenntnis, daß eine Mordtat göttliche Vergeltung nach sich ziehe. Das hätte Lydgate in den früheren Büchern nicht gesagt, damals war er zufrieden mit dem großen historischen Schauspiel der Vergänglichkeit. Jetzt ist er pragmatischer Geschichtsschreiber geworden und wertet die einzelnen Geschichten nur mehr als Exempla. In dieser Stimmung, also kritisch und zweifelnd, geht er an die Übersetzung des neunten und letzten Buchs, in dem die mittelalterlichen Tragödien von Brunhilde, Guy de Lusignan, Charles von Anjou, die Schicksale der Tempelritter, der Philippa Catanensi und König Johanns von Frankreich behandelt werden. Lydgate beeilt sich, sein Buch zu Ende zu bringen
356) Boccaccios Dolentium descriptio breuis, die Laurent stark ausweitet, kürzt Lydgate erheblich, z. B. Alarich, Radagaisus etc. (VIII, 2108 ff.), auch Odoaker, Boethius etc. sehr stark gekürzt (VIII, 2626). Die Zeilen auf Rom (Boccaccios In praesentem urbis Romae conditionem) sind lustlos und banal übertragen (VIII, 2528-69), nicht zu vergleichen mit dem früheren Envoy auf Rom. 357) Vgl. das ungekürzt aus Laurent übersetzte Kapitel On the conduct of things VIII, 2353 ff. mit eigenen Zusätzen (VIII, 2451-57). 358) VIII, 2661-3206. 359) Vgl. Romulus II, 4201. Lydgates Einspruch folgt Augustinus (vgl. Brie a. a. O.). 360) Der eigentliche Envoy VIII, 3130-64 und der 'An exclamación ageyn men pat been vnkynde to f>eir kynrede' überschriebene Abschnitt VIII, 3165-3206. 361) The monarchie departid was on tweyne / That stood first oon (VIII, 3195). 362) VIII, 3256-3381. 13*
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Dritter
Teil
und kürzt" 3 ), oft so stark, daß die Boccacciosche Zusammenfassung zu Gruppen eine bessere Lösung wäre 364 ). Im ganzen ist das Buch, obgleich es durch die zeitnäheren Gestalten Interessantes bietet, von Lydgate nicht angemessen behandelt 365 ), aber es enthält die für den Dichter aufschlußreiche Geschichte der Tempelritter 366 ) sowie die hervorragenden Geschichten von Charles von Anjou 367 ) und Johann von Frankreich 368 ). Die ereignisvolle Geschichte des Königs von Jerusalem und Sizilien, Charles von Anjou, zeigt Lydgate nochmals auf der Höhe, und der von einem der ganz seltenen Natureingänge eingeleitete Envoy erinnert mit seinen vollklingenden Versen an das Beste im Fall of Princes. Noch stärker ist der Eindruck der Geschichte des in der Schlacht von Poitiers in englische Hand gefallenen Königs Johann von Frankreich. Hier zeigt sich Lydgate nochmals als großer historischer Darsteller, weil er als Patriot sprechen kann. Die fünf Strophen, in denen er mit Boccaccio streitet, weil dieser parteiisch gegen England ist, sind kraftvoller als man es sonst von ihm gewohnt ist. In männlicher Überzeugung verficht er die These von der Unparteilichkeit des Historikers. Er ist begeistert im Loben der ritterlichen Tapferkeit, und wenn er den Prinzen Eduard in Schutz nimmt, so tut er es aus der Uberzeugung, daß das Recht auf dessen Seite ist. So kann der Envoy damit ausklingen, daß Gott der gerechten Sache den Sieg gab und daß folglich das französische Reich die rechtmäßige Erbschaft der englischen Könige ist. Das große Werk war zu Ende. An dem Tag, an dem der Dichter den letzten Federzug tat, mag er zurückgedacht haben an jenen Maimorgen, acht Jahre zuvor, an dem er den Auftrag zu diesem Buch entgegennahm. Das Buch war ihm ein Schmerzenskind geworden, und mehr als einmal wollte er verzweifeln. So hört man des Autors Stimme durch die herkömmlichen Wendungen im Schlußenvoy36*) an seinen Auftraggeber hindurchklingen. Es war guter Ton, seine Unwissenheit und seinen Mangel an sprachlichem und metrischem Können zu beteuern; aber die Wendung 'Ynglissh in ryme hath skarsete' 37°) dieses um das rime royal- und französische Balladenschema ringenden Mönchs klingt echt. Auch die in solchem Epilog übliche Anführung des Alters oder der Krankheit erhält eine persönliche Färbung: schon zu 363) Z. B. Mohammed IX, 50 ff., Heraclius IX, 533 ff. etc. Duke Gaultier IX, 2553. 364) Vgl. die Reihe Aribertus, Desiderius, Päpstin Johanna, die byzantinischen Kaiser etc. 365) Das gilt besonders für den Dantebesuch IX, 2511-52, aber auch für den interessanten Catanensi-Stoff IX, 2805-3056. 366) IX, 2126-2237. 367) IX, 1856-2048. 368) IX, 3134-3238. 369) IX, 3303-3588 (34 + 6 Strophen). 370) IX, 3312.
21. Lydgates
Fall of Princes
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Beginn der Arbeit sei er vorgerückten Alters gewesen und nicht mehr sehr unternehmend, und bei dem vieljährigen und mühsamen Beschreiben der Pergamente habe er sich die Augen verdorben und müsse eine Brille tragen 371). Man sieht den Mönch über Laurents Text gebeugt, das „schwierige und ihm nicht ganz vertraute" - und in der Tat des öfteren mißverstandene - Französisch entziffern. Entschädigung für die Mühe war immer wieder die Aussicht auf reichliche Belohnung, worum er auch jetzt seinen Patron bittet, und die Mußestunde beim Wein372). Eine Inhaltsangabe und nochmalige Einprägung der Moral des Fürstenspiegels beschließt den etwas lang werdenden Epilog. - Sodann kommt noch das 'go litil book' 373 ), das den Autor alles Gute und die Gnade Gottes für den Patron erbittend zeigt, und ein zweites 'go litil book', das dem Werk das Schicksal der vom Fortunarad Erhobenen und dann Gestürzten ersparen möchte - ein langes und wiederholtes Finale, wie es einem so langen und so viele Wiederholungen enthaltenden Werke angemessen ist. Lydgates Werk fand große Verbreitung und behielt vorbildliche Bedeutung auf lange Zeit. Über dreißig Handschriften, von denen einige reichen bildlichen Schmuck aufweisen 374 ), sind uns erhalten, und wir haben Drucke von Pynson (1494 und 1527), von Tottel (1554) und von Wayland (1558). Daß man den Sturz der Fürsten noch in der Mitte des 16. Jh. neu auflegte, beweist seine Bewertung als Geschichtsepos, denn für eine mittelalterliche Tragödiensammlung, wie sie Chaucers Mönch zum besten gab, hatten die Gebildeten der Elisabeth-Zeit kein Interesse mehr 375 ). Die Geschichtsauffassung der Renaissance war wenig verschieden von der Lydgates: Geschichte galt als Spiegel, worin die Gegenwart Kenntnis und Belehrung aus den Glücks- und Unglücksschicksalen früherer Fürsten und Völker entnehmen kann. Lydgate war nur insofern veraltet, als er von neuerer und englischer Geschichte wenig berichtete. Man kann zwar ein kurzes Gedicht: 'Fates of Princes' oder Of The Sodeine Fall of Princes in Oure Dayes™) als eine Art Fortsetzung oder Epilog zum großen Sturz der Fürsten heranziehen. 371) M y n eyen mystyd, and dirked m y spectacle I X , 3335. 372) I X , 3338. 373) I X , 3589. 374) D i e künstlerisch wertvollste ist das in Privatbesitz befindliche MS. Phillips 4254 aus dem Ende des 15. Jh. mit 7 guten Miniaturen und 260 großen Initialen. Audi die MSS. Ecton H a l l - H u n t i n g t o n und Harley 1766 haben bildlichen Schmuck. Näheres in der bibliographischen Einführung zu Bergens Ausgabe des F. o. P. (Bd. IV.). 375) 'Sundry gentlemen very wel learned commended much the workes of Lydgate, diefely the Fall of Prynces' - Waylands Vorrede zum Mirror for Magistrates (1555), zitiert nach L. B. Campbells Ausgabe des Mirror (Cambr. 1938). 376) M. P. 660; Engl. Stud. 43, 10 ff. 7 Chaucerstrophen.
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Die darin Beklagten sind nämlich Eduard II., Richard II., König Karl von Frankreich, der Herzog von Orleans, Thomas Herzog von Gloucester und der Herzog von Irland. Nach der burgundfreundlichen und armagnacfeindlichen Haltung des Dichters jedoch und wegen der im Vergleich zum Epos unreiferen Betrachtungsweise scheint es eher ein Vor- als ein Nachklang des Fall of Princes zu sein. Man suchte Lydgates Werk durch eine großangelegte Fortsetzung erneute Gültigkeit zu geben. Das ist der Ursprung des 'Mirror for Magistrates' 3 "), dessen Beiträger sich wie in stofflicher so audi in poetischer Hinsicht an Lydgate orientierten 378 ). Der Einfluß des in neuerer Zeit so oft belächelten Mammutwerks Lydgates reicht noch weiter, denn Shakespeares Historiendramen sind dramatische Versionen des im Fall of Princes behandelten Themas 3 7 '). Damit soll Shakespeare nicht auf die Ebene Lydgates verschoben, sondern die zeitenverbindende Bedeutung des Sturzes der Fürsten betont werden. 'The morality that Lydgate preaches, though less poetical, is more of the Renaissance than Chaucer's' 3S0 ).
22. Politisches Zeitbild und Spätwerke
Lydgates
Während Lydgate das Opus magnum für Humphrey schrieb, ging Jahr um Jahr ins Land, und er fühlte es nicht nur Herbst werden in seinem Leben, sondern in der Welt. So wurde ihm die Boccaccio-Bearbeitung zu einem Lebensbuch, und der Refrain der Vergänglichkeit in manchen der als Parerga geschriebenen moralischen Gedichte bekam das Rascheln welken Laubs. Den Tod hat er nicht begriffen, nur das Sterben hat er beklagt und im elegischen Ubi sunt-Thema großartig variiert. Zu leicht fällt er in den 377) 'I have added [to Lydgate's work] a continuation of that Argument, concernynge the chefe Prynces of this Iland, penned by the best clearkes in such kinde of matters that be thys day lyuing, not vnworthy to be matched with maister Lydgate.' Waylands Vorrede (Campbell a. a. O. p. 6). Über die von Lydgates F. o. P. zum Mirror for Magistrates und weiter zu Shakespeares Historiendramen führende Linie vgl. W . F. Sdiirmer: The Importance of the 1 5 t h Century for the Study of the English Renaissance in: English Studies T o d a y . Papers read at the International Conference of University Professors of English, Oxford August 1950 ed. C. L . Wrenn and G. Bullough. O. U . P . 1951 p. 104 ff. 378) Vgl. neben L. B. Campbells Ausgabe des Mirror die Einleitung und Anmerkungen zu: The Complaint of Henry Duke of Buckingham including the Induction, or, Thomas Sackville's Contribution to the Mirror for Magistrates, ed. M. Hearsey, N e w Haven 1936. (Yale Studies in English 86.) 379) R. Chapman: The Wheel of Fortune in Shakespeare's Historical Plays in: RES. Jan. 1950. 380) E . M. W . Tillyard: Shakespeare's History Plays, Lo. 1948, p. 72.
22. Politisches Zeitbild und Spätwerke
Lydgates
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Ton des Schulmeisters und Predigers, der uns den Menschen und den Dichter zu überdecken scheint, der aber damals nichts Befremdliches an sich hatte. Auch daß Lydgate nach unserem Empfinden mehr prunkvolle Sonntagshymnen als wirkliche religiöse Dichtung schuf, ist nichts Verwunderliches in einer Zeit, in der die Temporalia die Spiritualia aufgezehrt hatten und Bischöfe und Äbte vor allem tüchtige Juristen, Diplomaten, Staatsbeamte und kluge Verwalter waren. Vielfach hat man, von der Gegenwart aus urteilend, das Empfinden, die damaligen Menschen hätten ihre Zeit wenig verstanden und die Dichter hätten alte Melodien weiter gespielt. Es ist nicht ganz so, und Lydgate ist einer der wenigen, der bei allem starren Festhalten der überkommenen Werte das Gefühl einer zu Ende gehenden Zeit zum Ausdruck bringt; nicht mönchisch-asketisch, was zu jeder Zeit möglich ist, sondern, man möchte sagen, schulmeisterlich-weltlich, was zwar nichts Poetisches, aber etwas seine Zeit Erklärendes an sich hat. Am 18. November 1434 war Thomas Chaucer gestorben 381 ), und man möchte annehmen, daß Lydgate bei der Beisetzung seines Freundes in der auch ihm vertrauten Dorfkirche von Ewelme anwesend war. Ein Jahr nach dem Freunde, am 15. September 1435, starb der dem Dichter wohlgesinnte Gönner John of Lancaster, Duke of Bedford 3 8 2 ), der zwar auch nicht das Unabwendbare in Frankreich hätte ändern können, der aber der einzige Ratgeber Heinrichs V I . war, der allgemeine Verehrung genoß, und der einzige Staatsmann, der ebenso weitblickend wie uneigennützig war. Kurz vor seinem Tode geschah noch das Unglück, daß die Konferenz von Arras scheiterte, womit das Schicksal von Paris besiegelt war. Burgund, der von Charles V I I weitgehende Zugeständnisse erlangt hatte, machte kein Hehl daraus, daß er bereit war, zur Gegenseite überzugehen. E r lud zu Friedensverhandlungen in Arras ein, und Boten vom Papst und Basler Konzil rieten, diese Möglichkeit zu ergreifen. Folglich wurden Kardinal Beaufort, Erzbischof Kemp und die Earls von Suffolk und Huntingdon im Juli nach Arras geschickt. Ihre Instruktion lautete, nicht auf Heinrichs V I . Anspruch auf die französische Krone zu verzichten; da hierüber keine Einigung erzielt wurde, stellten die Franzosen ein Ultimatum: Heinrich V I . sollte die Normandie behalten und eine der Töchter Charles' V I I heiraten, er sollte aber auf die französische Krone verzichten und Paris und die anderen Städte des Nordens aufgeben. Daraufhin reiste die englische Gesandtschaft von Arras ab. 381) Seine Gattin Mathilda starb am 27. April 1437.382) E r -wurde im Chor der Kathedrale von Rouen beigesetzt. Seine prächtiges Grabdenkmal aus schwarzem Marmor wurde 1562 von den Kalvinisten verstümmelt, 1734 vollständig zerstört.
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Dritter Teil
Angesichts der militärischen Lage war die englische Haltung Wahnsinn. Da der sterbende Bedford keinen mäßigenden Einfluß mehr ausüben konnte, geschah, was er um jeden Preis verhüten wollte: Herzog Philipp der Gute vergab den Mördern seines Vaters und versöhnte sich mit Charles V I I . Dieser die letzte Phase des Hundertjährigen Krieges einleitende Abfall Burgunds machte einen tiefen Eindruck in England. Hier hatte die Friedensidee Boden gewonnen: die Regierenden suchten lediglich einen Prestige Verlust zu vermeiden; die Bevölkerung war aus dem militärischen Traum erwacht, hatte aber die Möglichkeit einer absoluten Niederlage noch nicht erfaßt. Der Frontenwechsel Burgunds änderte die Lage und ließ den eifersüchtigen Haß auf die 'Flemings', der ein Vierteljahrhundert durch das Bündnis mit Burgund mühsam zurückgehalten war, wieder ausbrechen. Die Regierung drängte nun zum Krieg, und der Pöbel der City plünderte die Häuser und Warenlager der flandrischen und holländischen Untertanen Philipps. Die Erregung drang bis in die Klöster; als Philipp von Burgund Calais angriff und belagerte und dann zurückgeschlagen wurde, schrieb Lydgate, der bisher von bemerkenswerter Zurückhaltung war und höchstens den Lollarden und Kirchenfeinden gegenüber streitbare Worte fand, seine einzigen politischen Streitgedichte. Das eine ist eine kurze Ballade in Despyte of the Flemynges3Si), die den Herzog von Burgund (auf dessen Partei Lydgate noch 1428 gestanden) 884 ) wegen seines Vertragsbruchs angreift. Das in derartigen Tendenzgedichten übliche Schimpfen hält sich jedoch in mäßigen Grenzen. Der zweite Ausfall gegen Burgund ist in die lehrhafte Fabel Debate between the Horse, Goose and Sheep3S5) eingefügt und erlaubt 383) M. P . 600, 5 Balladenstrophen. Von Brie im Brut p. 600 f. als anonym gedruckt. Vgl. MacCrackens Artikel in: Anglia 33 (April 1910). Eine weitere Ballade 'So Duke Philip and the Flemings departed from Calais with great shame' im Brut p. 582, und ein längeres, die ganze Belagerung beschreibendes Gedicht in Wright: Political Poems II, 1 5 1 - 1 5 6 . Gelegentlich (auch von MacCracken M. P . X V I I ) wird 1424 als Datum von Lydgates Gedicht angegeben, was offensichtlich falsch ist (der Abschnitt im Brut beginnt mit diesem Jahr, aber das kann nicht auf die Ballade Bezug haben). 384) Vgl. A Thoroughfare of Woe, M. P . 822. 385) M. P. 539; ed. M. Degenhart Lpzg. 1900 (Münchener Beitr. z. roman. u. engl. Phil. 4 9 ) ; ed. Furnivall: Political, Religious and Love Poems, E E T S . OS. 15, p. 1 5 - 4 2 ; C. F. Bühler: Lydgate's Horse, Sheep and Goose and Huntington MS. H M 144 in: M. L. N . 55 (1940), p. 5 6 3 - 7 0 . Schick rechnete es zu den Frühwerken Lydgates. Degenhart datiert nach den politischen Anspielungen: nicht vor 1436, nicht nach 1440; Förster datiert 1 4 3 7 - 4 0 , da Z. 4 0 9 - 1 9 auf die Belagerung von Calais durch den Herzog von Burgund (1436) anspielen und auf die holländischen Unruhen (1437). - Die auf die Gesta Romanorum oder Marie de France gegründete Fabel umfaßt 77 Chaucerstrophen, denen ein die Moral unterstreichender Envoy von 15 Balladenstrophen zugefügt ist.
22. Politisches Zeitbild
und Spätwerke
Lydgates
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etwas mehr über Lydgates politische Ansichten zu sagen 386 ). N i d i t die Tiere und ihre Eigenart sind Lydgate wichtig, sondern was sie zu sagen haben. U n d es wird mit sehr vielen Worten gesagt von dem alternden Dichter, der eine sentenziöse Diktion anstrebt. Zu dieser Sentenzenüberfülle kommen gelehrte Spielereien, Wort- und Gedankenwiederholungen, so daß sich eine etwas verwirrende Erzählweise ergibt 387 ). Eine Inhaltsangabe ist schwierig, denn es sind recht verschiedenartige Gedanken zusammengestellt 388 ). Weit ausholend spridit die Einleitung von der Gewohnheit des Altertums, Streitreden zu halten und darüber Richter einzusetzen. Solchen Redestreit sah Lydgate auf einem Bild: Löwe und Adler waren Richter über Pferd, Gans und Schaf, von denen jedes dem Menschen am meisten zu nutzen behauptete. N u n folgt, ohne Überleitung, die Rede des Pferds: es betont zunächst seine kriegerischen Qualitäten. Das Schlachtroß ist Kaiser und König vonnöten; ohne Pferd kein Rittertum. Audi in Dichtung und religiöser Allegorie wird es gefeiert. Nicht minder ist seine Bedeutung im Alltag, vorm Pflug, bei der Ernte und wenn es die neugegossene Glocke zur Kirche zieht. Die Gans fühlt sich dem Pferd überlegen, weil sie in zwei Elementen zu Hause ist, sie nütze als Wetterprophetin und in der Heilkunde, ihre Federn dienten zum Schreiben, zur Füllung der Kissen und f ü r die Pfeile der Bogenschützen, ohne die weder R o ß noch Reiter England zu schützen vermöchten. Tot sei sie noch ein guter Braten. Sie habe das Kapitol gerettet, sei mit dem Schwan verwandt und spiele eine Rolle in der Sage vom Schwanenritter; ihr gebühre der Preis. Das Schaf ist so sanft, daß es einen Widder zu seinem Anwalt macht; er beweist durch Zitate aus Augustinus, daß das Lamm eine religiöse Bedeutung habe, es sei das Symbol Christi. Es habe auch praktische Bedeu386) Die Burgundstelle umfaßt streng genommen nur die Strophe 60 (Z. 413 bis 420), es ist also nur eine Anspielung, die indessen zu einer weiterreichenden Betrachtung ausgesponnen ist. 387) Als Beispiel des Nicht-bei-der-Erzählung-Bleibens vgl. des Pferdes Aufzählung der großen Pferdebesitzer: Alexander, Hektor etc. Dabei kommt auch der Prophet Zacharias vor mit 4 Pferden, sofort werden dann diese 4 beschrieben, die Parallele der 4 Kardinaltugenden herangezogen und erst nach diesen 2 Strophen geht die Erzählung weiter. - Zur verwirrenden Erzählweise vgl. die Rede des Widders, der Z. 330 beginnt, die materiellen Vorteile des Lammes aufzuzählen, dann aber abspringt, um den vorher ausgesponnenen Gedanken vom Lamm als Vorbild Christi zu wiederholen und erst Z. 350 ff. in der logischen Reihenfolge fortzufahren. - Das darf nicht als sorglose Struktur bezeichnet werden, denn der Aufbau ist sorgfältig: auf 5 einleitende Strophen folgen 4 inhaltliche Gruppen ähnlicher Länge (17, 17, 16, 19 Strophen). Gruppe 1: die Rede des Pferdes, 2 der Gans, 3 des Sdiafs, 4 Streitreden und Richterspruch. Das Urteil des Löwen und des Adlers umfaßt 6 Strophen und entspricht den 5 Einleitungsstrophen. Der Envoy entsprechend (15 Strophen). 388) Inhaltsangabe nach Degenhart (a. a. O.).
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Dritter Teil
tung: es habe England zu seiner Bedeutung verholfen, dort sei die beste Wollfabrikation. Auch diene seine H a u t als Pergament. Seine historische Bedeutung sei durch das goldene Vlies und die Geschichte von Jason und Gideon erwiesen. Vor allem aber sei es das Her des Friedens und darum gebühre ihm der Preis. Es folgen nun die Streitreden: das Pferd weist das Friedensargument zurück, des Wollhandels wegen sei zwischen Burgund und England der Krieg um Calais entbrannt. Die Gans sekundiert: durch sie und das Pferd sei eine Landesverteidigung möglich, wogegen der durch die Wolle erzeugte Reichtum Feinde anlocke. D a s L a m m erwidert, Mißbrauch seiner Gaben sei nicht seine Schuld. D a s Urteil der Richter erklärt alle drei Tiere f ü r gleich nützlich. Der Moral-Envoy überträgt der Tiere Zufriedensein mit dem eigenen Los auf die Menschen. Vielerlei klingt dabei an: die Verteilung der irdischen Güter, die UnZuverlässigkeit des Geschicks, die Gleichheit aller im Tode. Schließlich wendet sich der Dichter gegen den Übermut der Herrscher, besonders der Usurpatoren. Die Schlußstrophe kehrt zu den Tieren, von denen er ausging, zurück. Der banale, wenn auch gütige Lebensausblick des friedliebenden Mönchs scheint mit den einst bejahten alten Anschauungen vom Rittertum und mit dem englischen Nationalstolz nicht recht zusammenzugehen. Aber eine auffallende Parallele mit der Libel of English Policy 3 8 9 ) läßt das anscheinende Mißverhältnis anders deuten: Kerngedanke ist das brüderliche Zusammenleben der Völker auf Grund von Handelsverträgen (wie sie die damalige englische Politik mit Flandern und der Hanse anstrebte), also die Ablehnung des Kriegs, wie er um den Wollhandelsplatz Calais entbrannt war, der Revolten, wie sie in den flandrischen Städten nach Burgunds Niederlage bei Calais entstanden, und der Seeräuberei, wie sie die Engländer gegen die flandrischen Schiffe geführt hatten. D a s Rittertum und Königtum ist weniger kriegerisch zu werten denn als Repräsentation der gottgewollten Ordnung. Diese Ordnung ist bereits in zukünftigem Lichte gesehen, wie sie (nach der herrschenden 'lack of govemance') Heinrich V I I . bringen sollte durch eine aufgeklärte Handelspolitik. Gewiß sind diese Gedanken nicht klar formuliert, aber daß Lydgates Denken in der Richtung tastet, läßt erkennen, wie weit er schon vom Feudalismus entfernt ist. Von einem Kreuzzug, von dem Heinrich IV., Heinrich V . und auch Jeanne d'Arc träumten, ist bei ihm nicht die Rede. 389) Auch wörtliche Anklänge (Degenhart p. 23): Libel 1100: A n d thus shuld every lond oon with another Entercomon as brother with his brother L y d g a t e 536: T'entrecommone as brother doth with brother. Ähnlich Libel 1900 und L y d g a t e 456 ff.
22. Politisches
Zeitbild
und Spätwerke
Lydgates
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Man möchte aus Lydgates politischen Äußerungen ein Echo der im Chaucerhaus in Ewelme geführten Gespräche heraushören. Alice, die tätigste und anhänglichste Patronin Lydgates, hatte 1431, drei Jahre nach Thomas Montacutes Tod, William de- la Pole, den Grafen und späteren Herzog von Suffolk (1396-1450), geheiratet und machte ihn auch zum Bewunderer und Schutzherrn Lydgates. William de la Pole war eine ungewöhnliche Erscheinung. Das Urteil über ihn in der Geschichte ist widerspruchsvoll: die einen nennen ihn einen weitsichtigen, loyalen Staatsmann, den seine Zeit nicht verstand, die anderen einen Tyrannen ohne Skrupel und Geschick 390 ); er war ein staatsmännischer und literarischer Dilettant. Wir haben es hier jedoch nicht mit dem politischen, sondern dem privaten Leben William de la Poles zu tun. Er hatte als junger Mann von 19 Jahren Alice und vielleicht auch Lydgate zum erstenmal gesehen, als er zur Beisetzung seines 1415 bei H a r fleur gefallenen Bruders Michael in Ewelme war und bei den Chaucers wohnte. Zwei Jahre später ging er mit der Expeditionsarmee nach Frankreich, wo er mit wenig Unterbrechungen bis 1430 blieb. Er genoß hohes Ansehen als tapferer Offizier und w a r zugegen bei hochpolitischen Veranstaltungen wie der Hochzeit Bedfords mit Anna von Burgund (17. April 1423 in Troyes in der Champagne), Heinrichs V I . Krönung in Paris 1430 und dem darauffolgenden Einzug in London. Damals war seine militärische Laufbahn schon zu Ende. Als Oberkommandierender der englischen Armee (seit 1428) war er am 8. Mai 1429 vor Orleans in Feindeshand gefallen, jedoch 1430 vom Bastard von Orleans (Jean Dunois) auf Ehrenwort freigelassen worden. Fortan hatte er eine friedliche Laufbahn und war auch politisch f ü r den Frieden tätig. Damit geriet er in Gegnerschaft zu Gloucester, die durch seine Heirat mit Alice (1431) 3 * 1 ) nur verstärkt wurde. (Die Chaucerfamilie gehörte zur Beaufort-Partei). Die Zeit in Ewelme wurde die glücklichste seines Lebens; im Besitz von Reichtum, Rang und Hofgunst f ü h r t e er das geruhsame Leben eines Landedelmanns, ein Wohltäter des Dorfs 3 9 2 ) und bekannt, wie Alices Vater, als Freund gebildeter Geselligkeit. Er paßte in das H a u s der Chaucers, in dem es Bücher gab und Dichtung gepflegt wurde; in der französischen Gefangenschaft hatte er selber f r a n zösische Verse geschrieben, und diese Verbindung mit der französischen Dichtung wurde enger geknüpft durch die ihm 1433-36 übertragene Bewachung
390) H . A. N a p i e r : Historical N o t i c e s of S w y n c o m b e p. 31 ff., 47 ff.; W y l i e : H e n r y V . a. a. O . II, 47 f.; D N B . 46, 391) A m 11. N o v e m b e r 1430 hatte Alice v o n H u m p h r e y Kingdom') die Heiratserlaubnis mit William, Earl of Suffolk 392) V g l . N a p i e r : Historical Notices, a . a . O . p. 57.
and E w e l m e a . a . O . 50 f . (als 'Protector of the erhalten.
204
Dritter
Teil
von Charles d'Orléans. Dieser französische adlige Dichter w a r in der Schlacht bei Agincourt in englische Hände gefallen und im Gefolge Heinrichs V . nach England gebracht worden, w o er 25 Jahre in ehrenvoller und mehr nomineller als tatsächlicher Gefangenschaft lebte ( 1 4 4 0 freigelassen) 393 ). In dieser Zeit kann er als ein Vermittler zwischen französischer und englischer Dichtung angesprochen werden; er konnte Englisch, besaß eine Chaucerhandschrift, verkehrte im Hause Alices 3 ' 4 ) und pflegte eine höfisch-galante Verskorrespondenz mit den ihn englisch unterrichtenden englischen Damen. William de la Pole w a r ein tätiges Mitglied dieses poetischen Zirkels, und man vermutet in ihm den Verfasser der englischen Gedichte, die sich unter den Dichtungen von Charles d'Orléans befinden 895 ). Es ist nicht undenkbar, daß Lydgate in dem Suffolk-Chaucer-Kreis Charles d'Orléans getroffen hat, jedenfalls w a r Suffolk ein ebenso großer Verehrer v o n Lydgates Dichtungen wie von denen des französischen hohen Gefangenen; das beste Manuskript der Siege of Thebes trägt Poles Wappen 3 9 6 ), und in einem poetischen Erguß hat der Herzog Lydgate als berufenen Nachfolger Chaucers gepriesen 397 ). Suffolk, f ü r dessen Haus Lydgate die 'Virtues of the Mass' 398 ) verfaßte, hat 393) P. Champion: Vie de Charles d'Orléans. Paris 1911. (L. ChampollionFigeac: Louis et Charles d'Orléans. Paris 1844; C. Beaufils: Etude sur la vie et les poésies de Ch. d'O. Coutances 1861.) Edition der Werke von J . M. Guichard, Paris 1842; A. Champollion-Figeac, Paris 1842; C. d'Héricault, Paris 1874 u. ö. 394) P. Champion bringt in: Romania 49 (1923) König Renés Zeugnis (Livre du Cuer d'Amours épris), daß Charles d'Orléans sidi in die Dame verliebte, die ihn Englisch lehrte, und vermutet, dies sei die Countess of Suffolk ( = Alice Chaucer). Wahrscheinlicher ist es aber eine gewisse Anna Molins, die in einem Rondeau genannt ist, vgl. E. P. Hammond: Ch. d'O. and Anne Molyneux in: Mod. Phil. 22 (1924) p. 215 f. 395) MacCradien: An English Friend of Charles d'Orléans in: PMLA. 26 (1910) p. 142-180; E. P. Hammond: English Verse between Chaucer and Surrey a . a . O . p. 215 if.; P. Sauerstein: Ch. d'O. und die englische Obersetzung, Halle 1899. 396) Arundel 119 vgl. Hammond in: Anglia 36, p. 363 und Erdmanns Ausg. a. a. O. p. VIII. 397) O noble Chaucer passyd ben thy dayse Off poetry ynamyd worthyest And of makyng in alle othir days the best Now thou art go thyn helpe I may not haue Wherfor to god I pray ryght specially Syth thou art dede and buryde in thy grave That on thy sowie hym lyst to haue mercy And to the monke of bury now speke I Ffor thy coming ys syche and eke thy grace After Chaucer to occupye his place (Gedicht gedruckt von Hammond in M. L. N. 26, 74 ff. Suffolks Verfasserschaft wahrscheinlich gemacht von MacCracken PMLA. 26, 142 ff.) 398) s. S. 152 f.
22. Politisches Zeitbild und Spätwerke
Lydgates
205
auch Lydgates Petition um Erneuerung seines Freibriefs im Jahre 1441 befürwortet. Um diese Zeit spreite Suffolk schon eine Rolle in der großen Politik, die etwa von 1437 ab den geruhsamen Aufenthalt in Ewelme beendete. Man kann dieses Jahr als Wende zweier Zeiten ansprechen. Am 12. November war die Minderjährigkeit des Königs formell zu Ende, aber Kardinal Beaufort wußte sich auch jetzt, wie früher im Regentschaftsrat, maßgebenden Einfluß zu sichern. Da der König infolge seines nervösen Leidens meist fern von der Regierung weilte, war der Siegelbewahrer Adam Moleyns de facto, wenn auch nicht dem Namen nach, der erste Sekretär des Königs und entschied selbständig mit dem Steward Suffolk im Sinne der Beaufortschen Politik. Im Jahr 1437 starben namhafte Vertreter der älteren Generation: dazu gehörten die beiden Königswitwen, Johanna von Navarra (die Witwe Heinrichs IV.) und Katharina von Valois (die Witwe Heinrichs V.). Auch Kaiser Sigismund starb; obgleich er vielfach zu Charles VII hinneigte, war er dem mit Heinrich V. geschlossenen Freundschaftsbund treu geblieben. In allen Kathedralen Englands wurden im Dezember Totenmessen für den Kaiser gelesen. England war bemüht, einen ihm günstig gesinnten neuen Kaiser zur Erwählung zu bringen, aber Englands Beziehungen zum Festland waren in Auflösung geraten. Während die Auseinandersetzung mit Schottland durch James I. Ermordung beendet wurde, ging der hoffnungslose Krieg in Frankreich weiter: 1436 ging Paris verloren, nur bei Calais und in Rouen konnten sich die Engländer noch behaupten. Der junge Oberbefehlshaber Richard, Duke of York, der nicht über Bedfords Erfahrung verfügte, mußte im Juli 1437 abberufen werden. Da aber der ihn ersetzende Richard de Beauchamp, Earl of Warwick bereits am 31. Mai 1439 starb, erhielt er erneut das Oberkommando. 1439 bestand eine entfernte Möglichkeit eines Friedensschlusses; die Engländer waren jetzt bereit, das zu geben, was sie in Arras verweigert hatten. So kam es zu den Konferenzen von Calais und Gravelines (1439). Aber die französischen Ansprüche waren inzwischen gestiegen und trotz der glänzenden Zeremonie zu Gravelingen in großer Versammlung von Engländern, Burgundern und Franzosen kam es zu keiner Einigung. Das Geschehen der Welt berührte den greisen, bald siebzigjährigen Lydgate nicht mehr viel. Aber während er an der Albanslegende schrieb, muß er öfter von den Nöten des Königs und seines Landes gehört haben. Sein Abt William Curteys, der als Herr des bedeutenden Klosters zu den Großen von Norfolk und Suifolk zählte, wurde mehrmals gebeten (1440 und 1442),
206
Dritter Teil
zusammen mit dem Grafen von Suffolk und anderen zwecks Erlangung einer Anleihe mit verschiedenen kirchlichen und weltlichen "Würdenträgern Verhandlungen zu führen. Der Abt genoß das volle Vertrauen des Königs; in den Briefen, die sie wechselten 399 ), erbat der König nicht nur Geld von Curteys, er fragte 'oure trusty and welbeloved abbot of Bury' um Rat, wie ein junger Mann einen zuverlässigen älteren Freund. Heinrich drückt dem Abt seine Sorge aus über die Siege der Franzosen, er erbittet Hilfe für die Vorbereitungen zu gebührendem Empfang der französischen Prinzessin, die er heiraten soll, er wünscht, der Abt möge bei der Grundsteinlegung von Kings's College Chapel in Cambridge sein geistlicher Vertreter sein 400 ). Noch einmal, kurz vor dem Verlöschen, spielen die Klöster eine große Rolle, und das Gästehaus von St. Edmunds wird viel Besuch gehabt haben und manche wichtige Verhandlung wird im Kloster damals stattgefunden haben. Im Zuge dieser Veranstaltungen mag Abt Curteys, der so ernstlich bemüht war, den alten Glanz des Klosters zu erneuern, Lydgate beauftragt haben, die Cartae versificatae401) zu schreiben, das heißt die Versifizierung der dem Kloster von den englischen Königen verliehenen Freibriefe (charters), die er in sein Registrum eintragen ließ. Für uns ist es ein zweifelhaftes Vergnügen, die Charters von Hardecnut, Eduard dem Bekenner, Wilhelm dem Eroberer und anderen in Balladenstrophen gepreßt oder zerdehnt zu sehen; aber versifizierte Freibriefe stellten nichts Ungewöhnliches dar in einer Zeit, in der selbst die lateinische Grammatik in Verse gebracht wurde, und wir müssen annehmen, daß Lydgates Arbeit einen Stolz des Klosters bildete. Im Anschluß daran kann ein anderes kurz nach 1442 geschriebenes402) Werk Lydgates Erwähnung finden, das versifizierte Geschichte ist: The Kings of England Sithen William Conquerour 403 ). Dies in vielen Handschriften und Redaktionen verbreitete Gedicht gibt eine Liste der englischen Könige von Alfred dem Großen bis Heinrich VI., die für die Literaturgeschichte bedeutungslos sein mag, dem Historiker aber bemerkenswert ist wegen der 399) Korrespondenz abgedruckt in: Memorials of Bury St. Edmunds a. a. O. III, 241 ff. 400) Englisches Handschreiben ibid. p. 246. 401) oder 'Rimed Charters of English Kings presented to the Abbey of Bury'. (Brown Index 1513: 'probably by Lydgate') abgedruckt in: Memorials of Bury St. Edmunds a . a . O . III, 2 1 5 - 3 7 (nicht in M. P.) 693 Zeilen. 402) R. E. S. I X (1933) p. 47. 403) M. P. 710 (erweiterte Fassung in 30 Chaucerstrophen, Brown Index 882); eine Kurzfassung (Str. 1 6 - 3 0 des obigen enthaltend mit Varianten), Brown Index 3632; eine spätere Version in Reimpaaren (192 Zeilen) M. P . 717, Brown Index 3431. Vgl. J . P. Oakden: Lydgate's Verses on the Kings of England R . E . S. I X (1933) p. 4 7 - 5 3 .
22. Politisches Zeitbild und Spätwerke
Lydgates
207
Genauigkeit, mit der Lydgate insbesondere die Ereignisse seit Ende des 14. J h . bewahrt hat
404
).
Von anderen Dichtungen, die vermutlich in die Spätzeit fallen, wäre ein kleineres Gelegenheitsstück
Verses
ort Cambridge
405
) zu nennen, das in
14 Chaucerstrophen mit allerhand etymologischem K r a m so etwas wie eine Frühgeschichte der Universität geben möchte, so matt und von der Gegenwart abgerückt, daß man die Verse kaum in Verbindung bringen mag mit Heinrichs V I . Gründung von King's College zu der er Curteys mit einigen Bischöfen 1446 eingeladen hatte. Interessanter Fabula
duorum
als diese offiziellen mercatorum
406
und gelegenheitlichen
Verse ist
die
) (vermutlich auf Wunsch eines hochgestell-
ten Freundes oder einer Gönnerin verfaßt). Es ist die Geschichte einer Freundschaft, die, auf Hörensagen gegründet und durch Boten
genährt,
zwei in Syrien und in Ägypten wohnende Kaufleute verbindet. D e r Syrer, der auf einer Reise nach Ägypten seinen Freund besucht, wird freudig aufgenommen, erkrankt jedoch. Aus einem Selbstgespräch des K r a n k e n erfährt der Leser, daß er ein vom Ägypter zu seiner Gattin ausersehenes Mädchen liebt. In edlem Wettstreit überläßt ihm dieser die Braut und das vermählte P a a r reist nach Syrien ab. Ein Glückswandel Fortunas fügt es nun, daß der ägyptische K a u f m a n n verarmt. E r macht sich auf zu seinem Freunde, wagt aber nicht, als Bettler an dessen Tur zu klopfen, und nächtigt in einem Tempel außerhalb der Stadt. D o r t entsteht nachts ein Streit zweier Stadtbewohner; der eine wird erschlagen, und der Mörder flieht. D e r L ä r m lockt die Städter herbei, und der lebensmüde Ägypter bezichtigt sich selber der Tat. E r wird verurteilt, aber auf dem Weg zur Richtstätte sieht ihn sein Freund, der nun sich als den Schuldigen bekennt. So tritt er an die Stelle des Freundes, und in dieser Lage erblickt ihn der wirkliche Mörder, der an Gottes Gerechtigkeit denkend zur Einsicht kommt. Die Richter bringen nun alle drei vor den König, der Begnadigung verheißt, wenn sie die Wahrheit sagen. Die Freundschaftsbewährung erfreut den König, und der Ägypter kehrt, mit der H ä l f t e der H a b e seines syrischen Freundes beschenkt, in seine Heimat zurück. So kann diese erbauliche Geschichte treuer Freundschaft, die alle Prüfungen besteht, mit dem Lob von Gottes Gerechtigkeit enden; sie enthält überdies genug spannend-überraschendes Geschehen, um 404) Vgl. Hammond in: Engl. Stud. 43, 23 ff. 405) M. P. 652; Retrospective Review, 2nd Ser. I, 498. 406) Lydgate's Fabula Duorum Mercatorum, aus J. Zupitzas Nachlaß ed. G. Schleich. Straßburg 1897. (Quellen u. Forsch, z. Sprach- u. Kulturgesch. d. german. Völker. 83.) - 130 Chaucerstrophen.
208
Dritter Teil
sie zu einem Lieblingsgut der Novellisten zu machen. Sie findet sich bei Bandello und bei Boccaccio, wird von Thomas Elyot im 'Governour' erzählt und ist auch in mehreren englischen poetischen Versionen vorhanden bis auf Goldsmiths 'Tale of Alcander and Septimius'. Lydgate fußt auf der Urform in der 'Disciplina clericalis' des Petrus Alphonsus. Seine E r weiterungen sind mehr rhetorischer als erzählender Art. Zwar beschreibt Lydgate die in der Quell? nur genannten Kaufleute, jedoch in allgemeinen und abstrakten Wendungen, die nichts von der Anschaulichkeit der Chaucerschen Pilger vermitteln. E r predigt über die Freundschaft, malt aus, wie einer über den anderen dachte, wie Freundessehnsucht gestillt wird und schwelgt in sentenziösen Nutzanwendungen 4 0 '). Wortreiche, fast humanistisch zu nennende Dialoge und Selbstgespräche 408 ), rätselhafte Verschnörkelungen, Freude an geheimnisvoller Rede kennzeichnen das Alterswerk. Selbst ein Naturgleichnis bringt eine so gesuchte Wendung, daß man an den Stil des 16. oder 17. J h . erinnert wird: die dem klaren Wetter verglichene Gegenwart der Freunde hat die Übel der Trennung verscheucht: Her ioiful somer is tapited al in greene, Of stable blew is her bothen hewe 4 0 9 ).
Lydgates alte Freude am Spiel mit mythologischen Namen zeigt die Anrufung der Megära, Usiphone und Myrrha
410
); auch die Einflechtung For-
tunas 4 U ) und das Dreinreden des Autors 4 1 2 ) ist aus früheren Werken bekannt. Wenn die Geschichte als solche trotz dieser Unterbrechungen Spannung behält, so ist das im novellistischen Stoff begründet.
23. Lydgates letzte
Lebensjahre
Die innen- und außenpolitischen Ereignisse in Lydgates letztem Lebensjahrzehnt sind nicht weniger zahlreich und wichtig als die Vorkommnisse in früheren Jahrzehnten, jedoch nimmt der greise Dichter weniger Anteil an ihnen. Der große Skandal des Jahres 1441 ist die Eleanor CobhamAffäre 4 1 3 ). Eleanor war Hofdame im Gefolge von Humphrey of Gloucesters erster Frau Jacqueline de Hainault. Diese 1420 geschlossene und von Lydgate besungene Ehe 4 1 4 ) war nicht von Dauer. Eleanor wurde Humphreys 407) Z. B. 64, 96, 108, 211, 255, 344, 484, 579, 603, 666, 689, 701 usf. 408) Z. B. Z. 221 ff.; 3 9 5 - 4 3 4 ; 549 ff.; 743 ff.; 785 ff. 409) Z. 194. 410) Z. 505. 411) Z. 503, 519 u. ö. 412) Z. B. Str. 2 (Z. 8); Str. 27 ( 1 8 3 ) ; Str. 71 ff. (Z. 491); Str. 129 f. (Z. 897). 413) Eleanor, Tochter von Reynold Cobham, dem Nachfolger Suffolks in der Bewachung des Charles d'Orléans, 414) s . S . 97 f.
23. Lydgates letzte
Lebensjahre
209
Mätresse und dann seine Frau. Ihr Aufstieg von niederer H e r k u n f t zu der ersten D a m e des Königsreichs, deren Stellung der Papst anerkannte, und die St. Albans in die Confrérie aufnahm, bewirkte, daß im Volk von der Zauberei dieser ungewöhnlich schönen und ehrgeizigen Frau gemunkelt wurde. In dem Streit der Kriegs- und Friedenspartei entstand nun - man weiß nicht, ob begründet - das Gerücht, daß Eleanor des Königs Wachsbild geschmolzen habe, damit Humphrey König werde. Die schreckensvolle Bedeutung, die eine solche an die Hexenprozesse anklingende Beschuldigung hatte, wurde im Eleanor-Prozeß offenbar, der auch Humphrey beseitigen oder erniedrigen sollte. Das Aufsehen dieses Prozesses bezeugen zahlreiche Balladen und die ausführlichen Berichte der Chroniken. Die Herzogin wurde von den Kardinälen Beaufort und Kemp verhört (Chichele hatte sich mit K r a n k heit entschuldigt) und wurde verurteilt, an drei Tagen barfuß und im Büßerhemd durch die Straßen Londons zu gehen. Sie erhielt dann lebenslängliche Einzelhaft, in der sie noch zehn J a h r e verblieb. Humphrey war machtlos dagegen, er mußte es geschehen lassen. Audi in diesem Falle bot sich Lydgate das Schauspiel des 'sic transit', denn der Humphrey, der ihm die D e casibusÜbersetzung aufgetragen, war ein hoher und stolzer H e r r gewesen. D e r K ö n i g stand diesen Vorgängen fern; er fand Befriedigung in der Gründung von Eton College, das die Vorstufe seines King's College in Cambridge sein sollte, so wie das weltlichere Winchester die Vorstufe des N e w College in O x f o r d . Auf lange Sicht hat Heinrich V I . damit tatsächlich seiner Nation bedeutsame Dienste geleistet, aber die Gegenwart verlangte als dringlichste Aufgabe die Liquidierung des Kriegs mit Frankreich. D a z u griff Suffolk als Nachfolger Beauforts (der sich 1443 vom politischen Leben zurückgezogen hatte 4 1 5 )) dessen Plan einer Verheiratung Heinrichs V I . mit einer französischen Prinzessin auf. Anfang 1444 reiste er mit einer A b o r d n u n g 4 " ) nach Frankreich, um Margareta, die Tochter Renés von Anjou, für Heinrich V I . zu erbitten und in einem Friedensvertrag Englands Ansprüche auf die französische K r o n e fallen zu lassen. Aber außer dem Eheversprechen erreichte Suffolk nur einen 18monatigen Waffenstillstand, den er annahm in der vergeblichen Hoffnung, ihn zu einem dauernden Frieden ausdehnen zu können. Die Verlobung wurde am 24. M a i geschlossen, der Waffenstillstand in Tours am 28. unterzeichnet. -
Dieser Verzicht auf den französischen
Königstitel und die Freigabe von Anjou und Maine, die Suffolk zugestanden hatte, wurde von Gloucesters Anhängern ebenso demagogisch ausgenützt 415) f 11. April 1447 in Schloß Wolvesey. 416) Vgl. M. A. Hookham: Life and Times of Margaret of Anjou. 2 vols. Lo. 1872, I. 233. S c h i r m e r , Lydgate
14
210
Dritter Teil
wie Beauforts enge Verbindungen mit dem unpopulären Papst Eugenius IV. Der fromme König ließ sidi von den Darlegungen Beauforts und Suffolks bestimmen; er hatte auch den geistlichen Rat des Erzbischofs Stafford, der so überzeugt war von der Richtigkeit dieser Politik, daß er 1000 Mark vorschoß, damit der König die Ausgaben für Hochzeit und Krönung bezahlen könne. Audi der Abt Curteys von St. Edmunds war bereit, Wagen und Pferde für die Königin zu stellen. Margaretas Vater René, König von Sizilien, Neapel und Jerusalem, war ein König ohne Land. Er konnte seiner Tochter keine Mitgift geben und audi nicht ihre Reise nach England bezahlen. Den englischen Fürsprechern dieser Heirat war das genehm, denn sie hofften auf Margaretas Dankbarkeit 4 1 7 ). Im Februar 1445 fand in Nancy eine formale Eheschließung durch Stellvertreter statt mit übertriebenen und etwas antiquierten Festlichkeiten, bei denen Margareta die Marguerite als ihre Blume erwählte, König Charles mit König René im Turnier auftrat und Charles' Mätresse Agnes Sorel in Amazonenrüstung erschien. Die nächsten Feiern waren in Rouen, wo die vom Herzog von York geleitete Margareta einen triumphalen Einzug hielt. Dort wurde sie von englischen Würdenträgern begrüßt, und am 10. April landete die Königsbraut mit ihrem Gefolge unter Suffolks Führung in Porchester. Margareta war krank von der Seereise und hatte einen Blatternanfall zu überstehen 418 ), ehe sie am 22. April in der Prämonstratenserabtei Tichfield (nach anderer Chronik in Southwich bei Porchester) mit Heinrich VI. vermählt werden konnte. Erzbischof John Kemp von York zelebrierte. Einen Monat später, nach dem üblichen Aufenthalt in Eltham, begab sich das königliche Paar nach London, wo am 28. Mai der feierliche Empfang zu Blackheath stattfand, bei dem auch der die Heirat mißbilligende Herzog Humphrey sidi einfand mit 500 Berittenen, die alle Margueriten am Hut trugen. Ohne den zeremoniellen Prunk, der für das 15. Jh. unentbehrlich war, ist seine Dichtung auf weite Strecken unerklärlich. Man wandte sich nochmals an den alten Lydgate, der die Feierlichkeiten bei Heinrichs VI. Krönung so gut in Versen beschrieben hatte, damit er auch diesmal ein Festgedicht liefere und vielleicht auch wie damals die Leitung der Pageants übernehme. Lydgate war sicher selbst in London zusammen mit Abt Curteys, der von Heinrich VI. persönlich zur Krönung der Königin eingeladen worden war 4 1 9 ). Seine Verses for pageants at the Entry of Queen Margaret (meist 'Margaret's 417) M. A . Hookham a. a. O., I, 235 f. Beschreibung der Einholung Margaretas bei Hookham I, 2 4 5 - 6 3 und bei J. Stevenson: Papers . . . (Rolls Series) a. a. O. II, X X X V I I ff. 418) Vgl. aber die andere Darstellung bei Christie: Henry V I a . a . O . p. 104 f. 419) Memorials of Bury St. Edmunds I. 470.
23. Lydgates letzte
Lebensjahre
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Entry into London' g e n a n n t ) s i n d nidit vollständig erhalten, und die Beschreibung der Festlichkeit muß durch die Berichte der Chroniken 421 ) ergänzt werden. Für den königlichen Zug waren auf der London Bridge drei Pageants errichtet, symbolische Darstellungen, die an Lydgates Mummings gemahnen, und pantomimische Darstellungen, zu deren Erklärung die von Lydgate verfaßten Verse gesprochen wurden. Am südlichen Brückenende war ein mit dem Genesisvers: 'Ingredimini et replete terrain' beschriftetes Gerüst aufgebaut, auf dem die Figuren von Peace und Plenty standen und die einziehende Königin begrüßten. Darauf passierte der Festzug ein zweites, auf der Mitte der Brücke errichtetes Pageant, das die Arche Noah darstellte. Lydgates Verse feiern Margareta als Bringerin von Frieden und Ordnung, so wie einst Noah in seiner Arche für sich und die Seinen Geborgenheit vor der 'flood of vengeance' schuf. Margareta ist die Taube mit dem Ölzweig, die 'Sonne of Comfort'. Der von Lydgate so leidenschaftlich ersehnte Frieden mit Frankreich sollte durch Margareta verwirklicht werden, eine Hoffnung, die weniger durch die tatsächlichen Geschehnisse genährt wurde als durch die Gottzuversicht des Dichters. Folglich spielen die übrigen Pageants die Huldigung mehr in moralische, allegorische und visionäre Bereiche über. Die Chroniken berichten, daß der Zug sich durch die Fish Street und Gracechurch Street nach Leadenhall bewegte, wo ein förmliches Bühnengerüst aufgestellt war. Offenbar wurde eine Version des Spiels von den 4 Töchtern Gottes aufgeführt 428 ). Der nur bruchstückhaft erhaltene Text beginnt mit einer Rede der Madame Grace, die als 'Chauncelere de dieu' erscheint, worauf die allegorischen Figuren Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden ihrerseits 420) ed. C. Brown in: Mod. Lang. Rev. 7 (1912) p. 225-34. Vgl. R. Withington in Mod. Phil. 13 (1915/6) p. 53-57. 170 Verse in Balladenstrophen. - Die Dichtung ist von Pits und Tanner aufgeführt, fußend auf der von Stow verfaßten Liste der Werke Lydgates, welche in Speghts Chaucerausgabe 1598 auf die 'Siege of Thebes' folgt (vgl. MacCracken in der Vorrede zu M. P.). Stow beschreibt die Dichtung in seinen 'Annals of England' 1592, p. 624. Lange Zeit galt dies Werk Lydgates als verloren (vgl. MacCracken M. P. XL); es wurde von C. Brown in MS. Harl. 3869 gefunden (vor einer Handschrift der Confessio Amantis). Ein weiteres MS.-Bruchstück in Stows Handschrift teilte R. Withington mit aus MS. Harl. 542 betitelt: 'The Speches in the pagiauntes at the cominge of Qwene M a r g a r e t . . . the 28 t h of Maye 1445'. Vgl. audi R. Withington: English Pageantry, a. a. O. I, 148. 421) Historical Collections of a Citizen of London in the 15th Century ed. J. Gairdner. Camden Soc. 1876 p. 186 (der Bericht von Will. Gregory, der 1451 Mayor von London wurde und vermutlich Augenzeuge war); English Chronicle (Brut) ed. F. Brie a. a. O. p. 489, 510. 422) Vgl. H. Traver: The Four Daughters of God. Bryn Mawr Monograph 1907. Man vergleiche Lydgates Version dieser Geschichte in der Legende 'Life of our Lady'. M*
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Dritter Teil
sagen, lang möge die Königin leben und glücklich regieren. Wahrheit und Gnade mögen vereinigt sein, Gerechtigkeit und Frieden sollen feste Liebesbande zwischen den beiden Reidien knüpfen, und die beiderseitigen Schutzheiligen St. Georg und St. Dionysius werden angerufen als Fürbitter für die beiden Völker. Nach Anhören dieses Spiels wandte sich der Zug westwärts durch Cornhill und Cheapside. In Cornhill an dem 'The Tun' genannten Gefängnis versinnbildlichte ein Pageant die Margaretenlegende. Die Beziehung zwischen der Märtyrerin Margareta und der Königin soll darin liegen, daß Gott regiert und kein böser Engel Schaden stiften kann. Erde, Meer und Bäume sind dem Menschen Untertan, Friede herrscht zwischen England und Frankreich, und wir vertrauen auf Gott, durch Margareta in Ruhe leben zu können. Diese Vision des göttlichen Zeitalters, die etwas müde und ohne die rauschende Verskunst seiner früheren Zeit vorgetragen wird, setzt Lydgate im nächsten am Cheap-Brunnen lokalisierten Pageant über die fünf weisen und fünf törichten Jungfrauen fort. Jetzt werden rein religiöse Tone angeschlagen: die göttliche Taube wird die Ruhesuchenden nach der Arbeit an ihrer Brust bergen, Milch und Honig werden im Lande fließen, und nach diesem Leben wird Seligkeit sein. Die Steigerung zum Religiösen ist dem sich der St. Paulskathedrale nähernden Zug angemessen. Das am Kreuz in Cheap errichtete Pageant stellte das himmlische Jerusalem dar, ein Lob Gottes auf dem Wege zum Gotteshaus. Göttliche Fügung ist der Zug der Königin durch die Stadt. Von Tugend zu Tugend werden die Menschen aufsteigen, bis sie Gott erblicken auf dem Berg Sion. „Wir beten, daß wir von Gott geführt mit dir das himmlische Jerusalem erreichen." Die letzte Station, das bei der Michaelskirche in Querne (gegenüber von St. Paul's Gate) errichtete Pageant, brachte schließlich eine Darstellung der Auferstehung und des Jüngsten Gerichts. Der Dichter bittet die Gottesmutter, bei Christus eine lange Regierung für Margareta zu erwirken und sie nachher mit der ewigen Seligkeit zu krönen. Dem weltmüden Dichter geraten die Festspielverse geistlicher und symbolischer als früher, sein Blick geht ständig über die Welt hinaus auf das Leben nach dem Tode, und die zum Ausdruck gebrachte Freude ist mehr einem kirchlichen Jubelliede angemessen als der winkenden und Willkommen rufenden Menge in den Straßen der City. Dem frommen König wird der religiöse Ton recht gewesen sein. St. Paul's konnte keinen schönen Anblick geboten haben, denn der Turm war vom Blitz zerschmettert und noch nicht wieder aufgebaut 423 ). U m so 423) Brut p. 4 8 7 : 1 4 4 5 - 1 . Febr. 'grete wedryng of wynde, hayle, snowe, rayne, thunder and lightnyng, at the after None; and it endured iiij oures; and it did grete härme to f>e Cite of London, for it brent Seint Paules grete steple,
23. Lydgates letzte
Lebensjahre
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festlicher wirkte die geschmückte City, durch deren Straßen die Königin in weißem Krönungswagen fuhr, von den 46 neukreierten Rittern des Ordens von Bath bis Westminster geleitet. Dort wurde am nächsten Tage, Sonntag, den 30. Mai, die Krönung durch Erzbischof John Stafford von Canterbury vollzogen. Die dreitägigen Festspiele und Turniere ließen auch die Teile der Bevölkerung der jungen Königin zujubeln, die zuvor Humphrey und der Kriegspartei ein williges Ohr geliehen hatten. Suffolk wurde im Parlament für seine Vermittlung gelobt, sogar von Humphrey. Dieser Optimismus war nicht gerechtfertigt. Margareta ( 1 4 3 0 - 8 2 ) kam fast als Kind nach England. Polydori Virgilio nennt sie übertreibend 'puellam tarn ultra alias foeminas pulchram quam prudentem'. Sie war hübsch und liebenswürdig, hatte in Neapel eine feine Bildung genossen und hatte etwas vom literarischen Geschmack ihres Vaters geerbt. Sie fand in Heinrich V I . einen Geist, der französische Literatur würdigen konnte, und sie bestrebte sich, den englischen H o f zu einer glanzvollen Pflegestätte der Dichtung und Musik zu machen. Sie patronisierte ausländische Schriftsteller (was die englischen eifersüchtig machte) und zeigte die Wertschätzung der Gelehrsamkeit durch die Gründung von Queen's College Cambridge (1449). Sie war stolz und ehrgeizig und hatte den Willen zu regieren, sie wurde von Heinrich V I . vergöttert und beherrschte ihn völlig. So konnte sie ihren königlichen Gemahl, der mehr die Anlagen eines Mönchs und Gelehrten als eines Regenten hatte, nicht als ebenbürtig empfinden. E r war jetzt 23 Jahre; in dem Alter hatte sein Vater Armeen geführt, er war glüddidi, wenn er mit Schülern von Eton plaudern oder im Klostergarten von St. Edmunds Spazierengehen konnte 4 2 4 ). So mußte er eine Puppe in den Händen seiner Minister sein. Margareta war nicht zufrieden. Sie haßte Humphrey als möglichen Nachfolger des Königs, falls ihre Ehe kinderlos blieb. So stützte sie sich auf die Partei Suffolks, war aber schnippisch und herausfordernd der alten Aristokratie gegenüber. D a sie Suffolks und ihre politischen Gegner als persönliche Feinde behandelte, beleidigte sie die Opposition und bot ihr viele Angriffspunkte. Wenn Suffolk seine französischen Neigungen zur Schau trug und Heinrich V I . in Verhandlungen mit Frankreich französisch sprach, was sein Vater nie getan, so konnte man mit dem Finger auf die Ausländerin Margareta zeigen, die Heinrichs V . Eroberungen preisgab. Wenn Margareta durch Schmeichelei die Mitglieder des Privy Council gewann und eine enge bothe on the west syde and on [>e south syde . . . it was quendied with vyneger'. (Erst 1462 repariert.) 424) Zur Charakteristik vgl. die Biographie seines Kaplans Blackman, gedruckt als Appendix zu Hearne's Edition of Otterbourne's Chronicle O x f . 1732 (R.S.).
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Dritter
Teil
politische Freundschaft mit Suffolk pflegte, so konnte man auch ihren Lebenswandel verdächtigen. Die außenpolitischen Erwartungen, die man mit ihrer Heirat verband, wurden vollends enttäuscht. Der König zeigte gegenüber den Franzosen ein fast unwürdiges Entgegenkommen. Während Erzbisdiof Stafford auf die Phrasen einer französischen Gesandtschaft" 5 )
nur gemessen
antwortete,
schwenkte der König seinen Hut und rief mehrmals: 'St. Jehan grant mercies, St. Jehan grant mercies'. Suffolk drängte den König, sein Versprechen der Abtretung von Anjou und Maine als Pfand für den Waffenstillstand zu bestätigen"'). Solch schlechtes und ohne Billigung des Parlaments gemachtes Geschäft konnte Gloucester rücksichtslos ausbeuten, und Suffolk sah sich veranlaßt, den einflußreichen Mann unter Anklage zu stellen. Die Verhandlung sollte in Bury St. Edmunds stattfinden, wo Suffolks Einfluß stark war. D a hin wurde das Parlament auf den 10. Februar 1447 einberufen. In dem geräumigen Refektorium der Abtei wurde die Versammlung in Gegenwart der Königin Margareta durch eine Ansprache des Kanzlers, des Erzbischofs von Canterbury, eröffnet, worin von der Fortführung des Friedensgeschäftes und von des Königs geplanter Reise nach Frankreich die Rede war. Der eigentliche Zweck des Parlaments war jedoch, einen Haftbefehl gegen Gloucester zu erwirken. Als Humphrey acht Tage nach Beginn der Versammlung mit zahlreichem Gefolge von seiner Burg Devizes eintraf, wurde er in Gegenwart der Herzöge von Somerset und Buckingham verhaftet, und fünf Tage darauf, am 23. Februar, war er tot. Obwohl man ein schmutziges, von Margareta und Suffolk angezetteltes Spiel vermutete, ist der Herzog nach dem Zeugnis des ihm befreundeten Abts Whethamstede eines natürlichen Todes gestorben und im St. Albanskloster beigesetzt worden. Indessen gehört die „Ermordung des guten Humphrey" zum Repertoire aller yorkistischen Flugschriftverfasser. Von Lydgate haben wir keine Äußerung über diese Vorgänge. Sein Leben im Kloster, das eine seit 1439 gewährte Pension der Krone 4 2 7 ) behaglich ge425) Juli 1445 unter Führung des Erzbischofs von Reims. 426) Heinrich tat es in einem, man nimmt an, unter dem Einfluß seiner Frau am 22. Dezember 1445 geschriebenen Brief an seinen Schwiegervater René von Anjou. 427) Die Lydgate betreffenden Urkunden (nach Steele, E E T S . ES. 66 p. X X I I I ) : 1. Lease to Lydgate a. o. by Sir R. Rochford of the lands of the alien Priory of Longville Gifford, or Newenton Longville, wich the pension of Spalding, formerly appertaining to the Abbey of Angers 21. Febr. 1423 2. A grant of 10 marks to Lydgate from the Customs at Ipswidi 22. Apr. 1439
23. Lydgates letzte Lebensjahre
215
staltete, verlief unersdiüttert. Auch die Klosterchronik berichtet nidit von beunruhigenden Ereignissen auf dem französischen Kriegsschauplatz oder in der politischen Welt, sondern von einem Sturm, der die Fenster beschädigte und alle Lichter im Kloster außer der ewigen Lampe zum Verlöschen brachte, von einem Hochwasser, das in die Klosterkirche flutete 428 ), und dem 1446 vollendeten Wiederaufbau des eingestürzten Westturms der Klosterkirche. Im selben Jahr 1446 starb William Curteys, der letzte große Abt von St. Edmunds. Mit seinem Tod verblaßt die Bedeutung des Klosters. Sein Nachfolger, Abt William Babington, der von 1446 bis 1453 die Geschicke des Klosters leitete, ist für uns ein bloßer Name. Der unter Curteys erneuerte und streng durchgeführte Brauch, Register zu führen, kam allmählich außer Übung. So wissen wir nicht mehr viel über die letzten 90 Jahre, in denen das Kloster bestand. Audi über Lydgate fehlen direkte Zeugnisse. Er wird gelegentlich, wenn 3. Allowance of payment of this Grant, £ 6. 4 s. 5'/4 d. being the proportion due at Easter 1440 . . . Lyddegate cui Rex xxij die Aprilis, Anno decimo septimo, concessit decern marcas percipiendas annuatim pro termino vitae sue 4. The King cancels the previous grant of A. D. 1439 of 10 marks, and grants to Lydg. £ 7. 13 sh. 4 d. per annum from the proceeds of the farm of Waytefee, to date from the Easter preceding 7. Mai 1440 5. An allowance to the Sheriff of £ 3 . 16 s. 8 d. paid to Lydg. (and Baret) on account of the grant Nr. 7 (for the year 1439/40, - the grant of 21. Nov. 1441 is quoted, - the grant due from easter 1440 of £ 3. 16. 8. was paid for Midi. 19 Hen. VI. 1440 6. Petition of Lydg. touching the invalidity of letters patent granting him £ 7 . 1 3 . 4 yearly, and praying new letters patent to him and John Baret, squire, granted [Akten Privy Council], Rex apud Westmonasterium xiiij° die Novembris anno X X [1441] concessit praesentem billam.. . presentibus Domino Suffolcie qui billam prosecutus est ac me, Adam Moleyns 14. Nov. 1441 7. The King's patent granting to Lydg. and Baret, and to the survivor, the sum of £ 7 . 1 3 . 4 per annum. Concesserimus Joh. Lidgate . . . septem libras, tresdecim solidos et quatour denarios, precipiendos annuatim a festo Pasthe tunc ultimo preterito, durante vita sua, de exitibus et proficuis prouenientibus de alba firma et feodo vulgariter nuncupato Waytefe, per manus Abbatis de Bury Sancti Edmundi 21. Nov. 1441 8. Payment to Michaelmas 1441 9. Payment to Michaelmas 1443 10. Receipt of Baret 2. oct. 1446 . . . recepisse pro me et Johanne Lydgate Monacho . . . de W. Tyrell, vicecomite Norffolcie et Suffolcie, tres libras, sexdecim solidos et quatuor denarios de illis septem libris, tresdecim solidis et quatuor denariis quos Rex concessit percipiendos annuatim datum 2. oct. 1446 11. Payment to Michaelmas 1448 Philip Wentworth, late S h e r i f f . . . renders a further account, showing the payment to John Lidegate . . . 12. Payment to Michaelmas 1449 Giles Seintlo, Esq., late Sheriff . . . renders a further account, showing the payment to John Lidegate. . . 428) Victoria County History. Suffolk II, 66.
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Dritter Teil
auch selten, in London und Windsor gewesen sein und in Ewelme oder auf einem anderen der Güter Suffolks; er hatte literarische Bekanntschaften wie die mit Shirley und Benedict Burgh 4 "), welch letztere bezeugt ist durch den 'Letter to Lydgate' 430 ), den er vermutlich im Anfang der vierziger Jahre an Lydgate richtete. In überschwenglichem Lob führt er die Dichter auf von Homer bis Boccaccio, die Lydgate alle übertreffe. 'Maister lidgate', ruft er aus, 'what man be ye'; solange Lydgate lebe, sei die Poesie nicht tot. Er hoffe, Lydgate zu sehen und zu hören, 'that were my paradyse, that wer my heuen'! Sichtlich wollte sich der Schreiber durch diesen Brief bei dem berühmten Dichter einführen. Man darf annehmen, daß Lydgate und Burgh in den Jahren 1444-50 öfter zusammen waren, - in Bury und in Windsor, denn der Brief 431 ) trägt denVermerk: 'written by Mas Burgh in {je Prays of John Lidgate . . . boothe dwelyng at Windsor'. Burgh hat audi - im Auftrag des Königs oder des Viscount Bourchier Lydgates letztes Werk vollendet, die Secrees of [Olde] Philisoffresai). Es ist die Ubersetzung eines mittelalterlichen Allerweltsbuchs, der 'Secreta Secretorum', die Aristoteles als Antwort auf Fragen Alexanders verfaßt haben soll. Von den zahlreichen lateinischen und landessprachigen Nachahmungen und Übersetzungen433) ist Lydgates Versbearbeitung 434) am größten angelegt 435 ), aber es sind eigentlich nur Bruchstücke einer Übersetzung. Burgh hat aus Pietät nichts geändert, und das Ergebnis ist ein betrüblicher Mangel an Architektonik. Im Inhalt wechselt unvermittelt das Thema; immer wieder unterbrechen Prologe dieses oder jenes Übersetzers, bald spricht der Autor in erster, bald in dritter Person, die anfängliche Briefform 429) ca. 1 4 1 3 - 8 3 ; seine Übersetzung des 'Cato' ed. M. Förster in: Archiv 115/6 (1905/6); ed. P. Wilson, Lo. 1924. 430) in: F. P . Hammond: English Verse a. a. O. p. 188 ff. 431) Datiert 11. Dez. (144?) Bylegh Abbey, Little Maldon (nahe Hatfield). Marginal J. Stow. Briefkopf weggeschnitten. 432) Lydgate and Burgh's Secrees of old Philisoffres, ed. R . Steele, E E T S . ES. 66. Lo. 1894. 433) Z . B . Egidio Colonna: De regimine principum (das [H]occleve übersetzte); Thomas Aquinas: De regimine principum; Simon Islip (1366 als Erzbisdiof von Canterbury): Speculum Edwardi. - In englischer Sprache: Gowers Bearbeitung des Stoffes im siebten Budi der Confessio; die erwähnte Übersetzung [Hjoccleves ( 1 4 1 2 ) ; eine Übersetzung von James Yonge 1420 (ed. R . Steele, E E T S . ES. 74 (1898) p. 1 1 9 - 2 4 8 ) ; Lydgates Paraphrase; eine teilweise Prosaübertragung, die John Shirley aus einer französischen Fassung für Heinrich V I . schrieb (1460); und eine spätere, wie die Lydgatesche in Chaucerstrophen abgefaßte Übersetzung: The Poesye of Princely Practise von William Forrest (1548 für Edward VI.) 434) Zurückgehend auf einen schlechten lateinischen T e x t und vermutlich audi auf eine französische Fassung. 435) Von Lydgate verfaßt Z. 1 - 1 4 9 1 , die Fortsetzung von Burgh Z. 1 4 9 2 - 2 7 3 0 .
23. Lydgates
letzte
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geht verloren, und der beherrschende Eindruck ist der eines inhaltlichen und formalen Wirrwarrs. Wäre Lydgate nicht über dem Werk gestorben, so hätte er wohl etwas Ordnung in den poetischen Notizenhaufen gebracht; aber seine H a n d war unsicher und altersschwach geworden. D a ß er gelegentlich den Sinn seiner Vorlage mißversteht 436), Übersetzungsfehler begeht 437) und einen Teil von Philips Prolog als Alexanderbrief betitelt 43S ), mag noch hingehen, aber die Schwächen seiner stilistischen Eigenheiten sind überdeutlich. Die umschreibende Breite, mit der er einen kurzen Satz seiner Vorlage auf 70 Verszeilen ausweitet 439 ), artet in Geschwätzigkeit aus. Der uns abstrus erscheinende Wissenskram hatte damals einen faszinierenden stofflichen Reiz. Die Alchimie, zu deren Studium Heinrich VI. mehrere Kommissionen bestellte 440 ), zog die Menschen magisch an; Astrologie, die Piromancie genannte Weissagung aus dem Feuer, die Erdbeben deutende Geomancie und andere naturwissenschaftliche Spekulationen galten als wertvolles Geheimwissen, das Lydgate den Königen, den Gelehrten und den Universitäten vorbehalten wissen möchte 441 ). Nicht nur dieser heute verblaßte Reiz des Stoffs erklärt, daß der König das Patronat dieses Werkes übernahm; der andere Grund ist in der beliebten Form des Fürstenspiegels zu sehen, die einem hohen Patron angemessen galt 442) und Lydgate die letzte Aussprache seiner Ratschläge und Überzeugungen gestattete. D a ß Heinrich VI., auch wenn sein N a m e nicht genannt ist, als Auftraggeber gelten muß, geht aus dem Prolog hervor, der vom Befehl des Königs spricht 44 ') und aus verschiedenen Anspielungen im Text, von denen die vom rechtmäßigen Erben zweier Kronen die deutlichste ist 444). Der Ton und Inhalt des Fürstenspiegels und die Abweichungen von der Vorlage zeigen, daß wir es mit einer beschwörenden letzten Mahnung Lydgates an den König, ja mit einem f ö r m lichen Vermächtnis zu tun haben. Nie zuvor hat er die Bedeutung der wis436) Z. B. Z. 164; Z. 210 liest er Patricii als Parisii und machte den Philip von Tripolis (Verfasser einer Version der Secreta im 13. Jh.) zu einem Philip von Paris. 437) Z. B. Z. 469 magnanymyte für magnitudinem; Z. 318 schreibt er Metropolitan für Tripolitanus. 438) Z. 477, wobei allerdings dahinsteht, ob die Marginaltitel auf Lydgate zurückgehen. 439) ab Z. 372. 440) R. Steele in: The Antiquary, Sept. 1891. 441) Z. 519 ff. Vgl. auch Z. 491-602 und die Forderung, daß der Leibarzt des Königs sich auf Astronomie und Konstellationen verstehe Z. 1184 ff. 442) Auch Shirleys Prosaübersetzung ist Heinrich VI. gewidmet und die französische Obersetzung (Druck von 1489) in der King's Library Charles VIII (nach Steele p. 87 seiner Edition der Secrees). 443) Z. 27 f. 444) Z. 44 f.
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Dritter
Teil
senschaftlichen Ratgeber so betont; wie die Sonne unter kleinen Sternen spende die Universität Licht in einem Königreiche und verdiene königlichen Schutz 44B). Wheer is Clcrgye | ther is philosophye, Marchaundyse | plente and Rychesse prudent Counsayl | diffence of Chevalrye 4 4 6 ).
In seiner Ratgeberrolle legt Lydgate dem König seine Lieblingsgedanken ans Herz. Sie sind weder neu noch originell, aber sie haben das Pathos der Überzeugung und waren höchst zeitgemäß am Vorabend des Bürgerkriegs. Er ersehnt das alte patriarchalische Verhältnis zwischen Herrscher und Untertanen; der König muß das Volk gewinnen, nicht es mit Gewalt unterdrücken; wo immer Despotisch-Orientalisches in der Quelle anklingt, mildert und ändert Lydgate. Er läßt Alexander nicht fragen, wie er die Perser unterjochen, sondern, wie er sie gewinnen könne 447) und läßt den Ratgeber Milde und Gerechtigkeit empfehlen, da nur ein auf Liebe gegründetes Königreich von Dauer sei 448 ). Dabei spricht Lydgate wärmer vom Volk als zur Zeit des 'Fall of Princes', und die abschließende Bemerkung: Alexander folgte und gewann Persien, kommt einer beschwörenden Bitte an Heinrich VI. gleich 449 ). Die Eigenschaften, die den König zur Regierung befähigen, sind vor allem Mäßigkeit (attemperaunce) und höfischer Takt (discrecioun) 45 °), die weise Überlegung, die den König von Kriegszügen zurückhält 451 ) und die abwägende Gerechtigkeit gegenüber den Untertanen 45S ). Freigebigkeit wird als königliche Tugend gelobt. Der König muß ein vorbildliches und dem göttlichen Gebot gehorsames Leben führen 4 5 3 ), er muß ernst und gottesfürchtig sein und häretische Feinde der Kirche bestrafen 4 5 4 ). Die eindringliche, ja beschwörende Art des Sprechens überdeckt die künstlerische Unzulänglichkeit des Werkleins. D a Lydgates königlicher Gönner offenbar hinter dem Idealbild zurückblieb, bringen die „Geheimnisse der Philosophen" in ermüdender Wiederholung ziemlich banale Ratschläge, Empfehlungen und Belehrungen. Heute interessiert der Inhalt weniger als das herauszulesende Bild des Autors. Förmlich greifbar wird es in der den Secreta nur lose angehängten, aber dichterisch befriedigenderen Jahreszeiten445) Z. 1174 ff. 446) Z. 1177 ff. 447) Z. 155. 448) Z. 195. 449) Weitere Änderungen der Vorlage: Z. 1125 ist der Rat, daß der König seine Intimen öfter betrunken machen solle, um ihre Gedanken über seine Regierung zu hören, völlig umgeändert als Empfehlung einer Lustbarkeit; Z. 1156 ff. ist der Rat, Getreide aufzukaufen, um es in Zeiten der Hungersnot zu verkaufen, ganz gestrichen. 450) Z. 759 u. ö. 451) Z. 174. 452) Z. 1058 ff. 453) Z. 1086 ff. 454) Z. 1065 ff.
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letzte
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besdireibung 455). Der alte Mönch, der im Garten und der Umgebung des Klosters sich ergeht, vermag den Naturtopoi die Unmittelbarkeit des Erlebten zu geben; wir sehen die Bienen von den Sommerblumen des Larktals zu den Bienenstöcken des Klosters Honig tragen, sehen das unter einer schattenden Baumgruppe Kühlung suchende Weidevieh; wir folgen den Schritten des Mönchs in den Obst- und Gemüsegarten, zu den Beeren, Bohnen und Erbsen, zum Bürzelkraut und Lattich und wünschten, Lydgate hätte uns wie sein Reichenauer Ordensbruder Walafrid Strabo den Hortulus seines Klosters im einzelnen beschrieben. Dazu war ihm nicht mehr die Zeit vergönnt. Bei den ahnungsvollen letzten Worten, die er schrieb: 'deth al consumyth' 458), nahm ihm der Tod die Feder aus der H a n d 4 " ) . Sein Schüler, Freund und literarischer Testamentsvollstrecker, Benedict Burgh, erwies ihm einen wohlgemeinten aber schlechten Dienst mit der langatmigen Fortsetzung und Vollendung des Werks. Sorgsam Lydgates Stil nachahmend, schrieb er für Henry, den Sohn der Lady Isabel Bourchier, die Osbern Bokenhams Legendenwerk patronisierte und wohl auch Lydgates Dichtung geschätzt hatte, den unpersönlich-didaktischen Inhalt der Secreta zu Ende: eine förmliche Gesundheitslehre, eine praktische Regierungsanweisung und eine ganze Physiognomik. Der andere literarische Freund Lydgates war John Shirley (1366-1456) 458), der in seinem 90jährigen Leben Chaucer noch gekannt haben kann 459 ), von Adligen und vom Hof Heinrichs VI. patronisiert wurde und als Kopist und Handschriftensammler von Bedeutung ist. Shirley hat in großem Ausmaß Dichtungen von Chaucer und Lydgate, sowie auch Werke von anderen Autoren abgeschrieben und diese Manuskriptbände, von denen ein großer Teil erhalten ist 460), gegen Geld ausgeliehen. Diese „Leihbibliothek" fand solchen Zuspruch, daß der Eigentümer bei seinem Tode im Besitz von einem Haus und vier Läden war, die er von St. Bartholomew's Hospital gemietet hatte. In Shirleys Manuskripten las Lydgate Chaucers 'Anelida and 455) Z. 1079 ff. 456) Z. 1491. 457) Nach Z. 1491 steht vor der Strophe 214; 'here deyed this translator, and nobil poete: and the yonge folowere gan his prologe on this wyse'. 458) O. Gaertner: John Shirley. Sein Leben und Wirken. Diss. Halle 1904; A. Brusendorff: The Chaucer Tradition Lo. 1925 passim (vgl. Index); E. P. Hammond: English Verse a. a. O. p. 191. 459) Shirleys Vater war Hofbeamter (armiger) und also Kollege Chaucers. Shirley selber wird auf seiner Grabschrift Esquire genannt, so daß er vermutlich seinem Vater in dessen Stellung oder Amt bei Hofe folgte. 460) Harl. 78, 2251, 7333; Add. 5467, 16 165; Ashmole 59; Trin. Coli. Camtir. R 3.20; Sion MS. Chaucers (meist Folio) u. a. m.
220
Dritter Teil
Arcite' u n d ' T h e Book of Thebes'. Es ist zweifellos, d a ß Lydgate mit Shirley b e k a n n t w a r , ja, m a n k a n n annehmen, d a ß Lydgate die Bekanntschaft Shirleys mit T h o m a s Chaucer u n d seiner Familie vermittelt h a t 4 6 1 ) : die Gedichte an T h o m a s Chaucer finden sich nur in den Manuskripten Shirleys; v o n Shirley stammt auch das einzige Manuskript französischer Gedichte v o m G r a f e n von Suffolk (dem G a t t e n Alice Chaucers). Von Lydgates Dichtungen sind uns 30 nur in Shirleys Manuskripten erhalten, in zwei seiner Bücher f ü g t e Shirley versifizierte Inhaltslisten in ziemlich vertrauten Wendungen lobte
468
462
) ein, in denen er L y d g a t e
), was dieser mit der Abfassung
einer A r t poetischen Exlibris f ü r Shirley beantwortete 4 6 4 ). Es m u ß zu einer vertrauten Freundschaft zwischen Shirley u n d Lydgate gekommen
sein,
wie aus den Titeln und R a n d b e m e r k u n g e n hervorgeht, die Shirley zu L y d gates Gedichten machte, z. B. 'BeholdeJ>e n o w e . . . J>e translacyoune of G a u d e virgo m a t e r Christi m a d e by . . . Lydegate b y night as he lay in his bedde at L o n d o n '
465
). So wie den O r t e r f a h r e n wir durch diese Zusätze
gelegentlich das D a t u m der Abfassung oder den Besteller. Manchmal handelt es sich um ganz persönliche, ja launige Zusätze: der über die Unbeständig461) So Brusendorff p. 42. 462) Brusendorff, p. 453 ff.; Hammond a. a. O. p. 191 f. 463) . . . ye humayne pilgrymage Sayd all by proose in fayre langage and many a roundell and balade wch ye munke of bury hath made i. dane John lidgate and sayd them with hys sugred mouthe in straunge metre so vnkouthe of morall mater and holynesse of salmes and of ympnes expresse of loue and lawe and of pleyinges of lordes of ladyes of qwenes of kynges his rymyng so moralysed that hym aught well be solempnysed of all oure engelishe nacion ffor his famus translacyon of this booke and of other m o . . . Brusendorff p. 457 f. 464) Brusendorff p. 460: Yee J>at desyre in herte and have plesaunce Olde stories in bokis for to rede Gode matiers putt hem in remembrance And of f)e of)er take yee neuer hede Byseching yowe of your godelyhede Whane ye ftis boke haue over redde and seyne T o Johan Shirley restore yee it ageine I.envoye by Lidegate 465) M. P. 288. Vgl. ferner die Titelbemerkungen M. P. 35, 127, 315, 209, 809, 709.
23. Lydgates letzte
Lebensjahre
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keit der Frauen klagende Envoy zu 'Servant of Cupyde forsaken' 466 ) bekommt die Randbemerkung: 'Be stille daun Johan. Suche is youre fortune'; ähnliches findet sich im laufenden Kommentar zum 'Fall of Princes' 467 ). Bei dem Maskenzug für die Londoner Krämer 4 6 8 ), bemühte sich Shirley liebevoll um eine Annotierung der mythologischen Namen und Anspielungen, während er zu dem Windsormaskenzug " " ) eine Frauen lobende Zeile mit dem Zusatz versah: „Lieber Freund, du warst wohl beschwipst, als du das schriebst" 470 ). Solche Marginalien helfen uns ebenso wie mühsam gedeutete biographische Details, den Autor menschlich zu sehen. Bei dem spärlichen Material half der größere geschichtliche Rahmen, Lydgates Gestalt einzuordnen. Es bleibt noch, den Rahmen zu schließen. Mit dem Tode Humphreys war Suffolks gefährlichster Rivale ausgeschaltet und Suffolk gänzlich Herr der Lage. E r wollte wohl Beauforts Politik fortsetzen, hatte sich aber den Franzosen stärker verpflichtet, als er es vor dem englischen Volk verantworten konnte. Der Friede zwischen Frankreich und England, der allein seine Politik rechtfertigen konnte, kam nicht zustande. Auf Bitten des Königs gab er dem Parlament einen Rechtfertigungsbericht (25. Mai 1447), über dessen Aufnahme nichts überliefert ist. Jedoch wurde eine Proklamation erlassen, die weitere üble Nachrede gegen ihn verbot unter Strafe, sich das Mißfallen des Königs zuzuziehen 4 7 1 ). 1448 wurde er zum Herzog ernannt und erreichte damit den Höhepunkt seiner politischen Laufbahn, die nun das Musterbeispiel eines Fall of Princes wird. Die Volksstimmung des revolutionsreifen Landes war gegen ihn seit der Abtretung von Anjou und Maine. D a Suffolk die Unklugheit beging, den Oberbefehlshaber in Frankreich, Herzog Richard von York, abzuberufen (und durch Herzog Edmund von Somerset, das derzeitige Haupt der Beaufortfamilie zu ersetzen), zog er sich Yorks tödliche Feindschaft zu. Eine Reihe von Niederlagen in Frankreich, denen zufolge Ende 1449 fast die ganze Normandie verloren war, rief in England eine Entrüstung hervor, die sich zu einem allgemeinen Angriff auf Suffolk steigerte. Als Charles V I I 1449 Krieg erklärte und eine Finanzkrise das Land erschütterte, wurde Suffolk vom Parlament wegen persönlicher Bereicherung angeklagt (1450). Um ihn zu retten, verfügte der König eine fünfjährige Verbannung; sein Schiff wurde 466) 467) 468) 469) 470) 471)
M. P. 427. MS. Harl. 2251 f. 8 2 - 1 5 0 ; vgl. Brusendorf!, p. 465. M. P. 695. Die Annotierungen in extenso Brusendorf!, p. 466 ff. M. P. 691, Zusatz zu Z. 49. 'A daun Iohan, est y vray?' vgl. Brusendorf! p. 465 f. Rymer, Foedera X I , 173.
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Dritter Teil
jedoch angehalten, u n d er w u r d e ohne Gericht u n d wohl auf Anstiften Richards von York in einem Boot auf hoher See enthauptet. D e r Z o r n der Truppen zeigte sich in der E r m o r d u n g des einst Suffolk treu ergebenen A d a m Moleyns in Portsmouth. D a m i t w a r das Signal f ü r allgemeine U n ruhen im Lande gegeben. Jack Cade machte sich zum Sprecher der U n z u friedenen, aber man sah in ihm und seinen Leuten nur A u f r ü h r e r . Richard von York landete in Beaumaris, um die G e f a h r abzuwenden.
Edmund
Beaufort, D u k e of Somerset, w u r d e aus Frankreich zurückgerufen u n d zum 'Constable of E n g l a n d ' gemacht. Zwischen York u n d Somerset, das heißt zwischen der Y o r k - und Lancasterpartei waren die Interessen der Barone geteilt. D e r König w a r machtlos, der Bürgerkrieg begann. Lydgate w i r d das Schicksal, das über die ihm so befreundete Chaucerfamilie, über seinen König u n d über sein Vaterland heréinbradi, nicht mehr erlebt haben. E r starb 1449 oder 1450 u n d w u r d e in seinem Kloster begraben. M a n setzte ihm das E p i t a p h i u m 472 ): Mortuus seclo superis superstes, Hac jacet Lidgat tumulatus urna, Qui fuit quondam celebris Brittanniae fama Poesis. 472) Nach Steele: Secrees a. a. O. p. 109 unter Verbesserung des Lese- oder Schreibfehlers celebra. Bei Tanner a. a. O. p. 489 steht cui statt qui, das kaum zu rechtfertigen ist.
Exkurs I: Lydgates Ruhm Der Ruhm Lydgates war zu seinen Lebzeiten und während dreier Generationen nach seinem T o d e dem Chaucers gleich. Lydgate selbst nannte Chaucer seinen Meister; er lobt seine Milde, Güte und Hilfsbereitschaft, von der dichterischen Leistung bewundert er jedoch lediglich die sprachliche Meisterschaft. ' O f owre language he was the lodesterre' (F. o. P . Prol. 2 5 2 ) ; auf diese Formulierung laufen alle seine Lobeserhebungen hinaus, und diese Bewertung Chaucers hat Lydgates Mit- und Nachwelt übernommen. Lydgate ist dabei nur der Sprecher seiner Zeit; als Dichter galt, wer bei Bearbeitung übernommener Stoffe stilistisch-formales Können zeigte. Im 15. J h . herrschte also eine rhetorische Auffassung der Dichtung; der Begriff Rhetorik ist dabei besonders auf den geblümten Stil ausgerichtet. Es ist demnach nicht verwunderlich, daß man die drei: Gower, Chaucer, Lydgate als Vorbilder englischer Dichtung empfand. Die 'Maisters' Gower, Chaucer, Lydgate nannte George Ashby (1470) die 'Primier Poetes of this nacion'; daß man besonders Lydgates Dichtung schätzte, beweist der Nachruf, den ihm 1458/9 John Metham of Norwich widmete: Eke Ion Lydgate, sumtyme monke of Byry, His bokys endytyd with termys of retoryk And halff chongyd Latyne, with conseytys off poetry And crafity Imagynacionys off ymagys ffantastyk But eke his qwyht her sdiewyd, & hys late werk H o w that hys c o n t y n w a u n j made hym bot a poyet & a clerk ( E E T S . 15 p. 307) Die Dreiheit Gower, Chaucer, Lydgate, die auch bei Osbern Bokenham, Gavin Douglas, Stephen Hawes, Thomas Feylde erscheint, war Ende des 15. J h . eine stehende Formel geworden, die sich auch das ganze 16. J h . hindurch erhalten hat: von J o h n Rasteil 1520 und Skelton 1523 über Lindsay 1530. Forrest 1545, G . H a r vey 1577 bis zu John Lawson 1581, F . Meres 1598 und Bodenham 1600, um erst zu Anfang des 17. J h . mit Freeman (1614) endgültig zu verschwinden. (Vgl. C . Spurgeon: 500 Years of Chaucer Criticism I, passim.) D a ß es sich dabei nicht nur um gedankenloses Weiterreichen einer Formel handelt, wird dadurch erwiesen, daß die Chaucerausgaben des 16. J h . (z. B. Pynson 1526 und Stowe 1561) zahlreiche Stücke von Lydgate mit abdruckten, sei es, daß sie wirklich an Chaucers Verfasserschaft glaubten, sei es, daß sie nur die Ebenbürtigkeit betonen wollten. Stephen Hawes schrieb im Pastyme of Pleasure ( 1 5 0 6 ) :
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Exkurse O Mayster Lydgate! the most dulcet sprynge O f famous rethoryke, wyth balade ryall T h e chefe orygynal
Ein Anonymus um 1450 nannte Lydgate 'a great Ornament of ye English toung', was Robert Breham 1555 fast wörtlich wiederholte, und je mehr man die Dichtung als Lehrstoff wertete, um so heller mußte Lydgates Ruhm erstrahlen. Was John Methams ehrfürchtige Huldigung des Dichtergelehrten ausdrückte, findet ein platteres Echo in der folgenden Strophe von Thomas Feylde (1509), die als Epitome der Überschau gelten kann: Chaucer, floure of rethoryke eloquence, Compyled bookes pleasaunt and mervayllous, After hym nobl Gower, experte in scyence Wrote moralytees harde and delycyous. But Lydgates workes are fruytefull and sentencyous, W h o of his bookes hathe redde the fyne. H e wyll hym cal a famous rethorycyne. D a Lydgate in der Vielfalt seiner Stoffe alle Aspekte des Dichtens vertrat, so muß er als der repräsentativste Dichter seiner Zeit bezeichnet werden. Die hohe Wertschätzung Lydgates im 15. J h . findet ebenso Ausdruck in Caxtons Elogium (Book of Curtesye, E E T S . ES. 3, p. 3 6 - 4 0 ) und Hawes* Anerkennung im 14. Kap. seines Pastime wie in Bales rückschauender Feststellung: 'Omnium sui temporis in Anglia poetarum, absit inuidia dicto, facile primus floruit' (Catalogus p. 586). Die pompöse Form Lydgates hat noch die Renaissance bewundert, wie die Vorrede des dem Fall of Princes nachgebildeten Mirror for Magistrates bezeugt; dann aber sank sein Ruhm, und mit der sprachlichen Veränderung gerieten seine Werke, wie die ganze mittelenglische Literatur, allmählich in Vergessenheit. Im 17. und 18. Jh. wird Lydgates Name kaum erwähnt - es ist ein Kuriosum, wenn zwei Anonymi (1707 in: The Muses Mercury und 1780 in: Encyclopaedia Britannica) ihn über Chaucer stellen - und von den um die Dichtung des Mittelalters bemühten Vorromantikern findet nur Thomas Gray anerkennende Worte (Some Remarks on the Poems of John Lydgate [1760, gedr. 1814] Works Aldine Ed. 1858 ff. V , 292; ed. Gosse, 1884. I , 387 ff.). Die künstlerische Bewertung Lydgates, die vom Zeitstil der Beurteiler abhängig ist, schließt eigentlich mit der Renaissance ab. In der Folgezeit kann nur eine historische Wertung statthaben. Sie wird insofern durch Gray eingeleitet, als seine ästhetische (und deshalb uns übertrieben erscheinende) Würdigung historische Erklärungen einflicht; sie wird im Ansatz durchgeführt in Thomas Wartons Literaturgeschichte (1774-81). 'His muse was of universal access; and he was not only the poet of his monastery, but of the world in general. I f a disguising was intended by the company of goldsmiths, a mask before his majesty at Eltham, a may-game for the Sheriffs and Aldermen of London, etc. etc. Lydgate was consulted, and gave the poetry . . . I am of opinion that Lydgate made considerable additions to those amplifications of our language, in which Chaucer, Gower, and Occleve led the way: and that he is the first of our writers whose style is clothed with that
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perspicuity, in which the English phraseology appears at this day to an English reader.' Jetzt müßte eine wirklich historische Wertung folgen, was jedoch in England versäumt wurde. Die Lydgate-Kritik des als historisch geltenden 19. J h . wird unheilvoll eingeleitet durch Joseph Ritson, der in seiner Bibliographia Poetica (1802 p. 87 f.) schrieb: 'This voluminous, prosaidc, and driveling monk . . . in truth and fact these stupid and fatiguing productions which by no means deserve the name of poetry, and their still more stupid and disgusting author, who disgraces the name and patronage of his master Chaucer, are neither worth collecting (unless it be as typographical curiositys, or on account of the beautiful illuminations in some of his presentation-copys), nor even worthy of preservation: being only suitablely adapted 'ad ficum & piperem', and other more base and servile uses.' Wenn man soviel Negatives zu sagen hat, wird man eine Lydgate-Würdigung besser unterlassen. Nun neigt aber die englische Literaturwissenschaft mehr zur „appreciation" als zu einer historischen Darstellung. So wird es Brauch der englischen Literaturgeschichten, voneinander dieselbe abfällige Beurteilung zu übernehmen. W . J . Courthope (A History of English Poetry 1895. I, 325 ff.) spricht von 'desert of dulness' und 'incapacity as a poet' (welch negative Wertung audi die sonst so weitschauende Literary History of the English People - 1895 I, 496 - des Franzosen J . J . Jusserand teilt); R . Garnett (English Literature, An Illustrated Record 1903. I, 187 ff.) schließt sich mehr an Warton an, verharrt aber bei der appreciation; G. Saintsbury in der maßgeblichen Cambridge History of English Literature (1908 I I , 199 ff.) gefällt sich in witzigen Formulierungen: 'Chaucer's gold dew-drops of speech' entsprächen Lydgates 'leaden splashes' und 'the IS 1 * 1 century adored him because he combined all its own worst faults' (was G. Sampson in der Concise C H E L 1942. p. 85 durch den Nachsatz: 'There may be more in Lydgate than we have yet discovered' korrigierte). Auch Legouis (Legouis-Cazamian, Histoire de la Littérature Anglaise 1924. p. 154) begnügt sich mit ironisdien Bemerkungen. Selbst Grierson (H. J . C. Grierson and J . C. Smith, A Critical History of English Poetry 1944. p. 40 f.), der doch die Verbindungsfäden Lydgates zum Mirror erwähnt, schließt mit dem Satz: ' I f he pleases yet it is . . . for the personal touches'. In anderen Ländern hat man die Bedeutung Lydgates richtiger erfaßt, wofür ich Hortis (Studj sulle Opere Latine del Boccaccio, 1879. p. 640 ff.) nenne und die Ehrenrettung, die der Amerikaner John Churton Collins in seinen Besprechungen der Literaturgeschichten von Saintsbury, Gosse und Jusserand versuchte (abgedruckt in Ephemera Critica, Lo. 1901. p. 98, 115, 199). Collins betonte, daß es nicht angehe, einen Didhter, der im 15. J h . allgemein als der erste Englands gefeiert wurde, auf einer halben Seite mit mehr oder weniger spöttischen Bemerkungen abzutun. Eine Literaturgeschichte hätte gerade die verlockende Aufgabe, zu zeigen, warum der uns so wenig sagende Lydgate damals so viel galt. Unglücklicherweise mündet Collins' Polemik nicht in eine solche historische Darlegung, sondern in dieselbe ästhetisierende Betraditung, wie sie die angegriffenen Kritiker gaben, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Inzwischen hatte jedoch die im 19. J h . England allmählich erobernde deutsche Philologie eine persönlichem Meinungsstreit entrückte Lydgateforschung begonnen durch Herstellung zuverlässiger Texteditionen, zuerst in deutS c h i r m e r , Lydgate
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sehen Publikationen, dann in der Early English Text Society, in der heute fast alle Werke Lydgates (mit Ausnahme des Life of Our Lady) in wissenschaftlichen Ausgaben vorliegen. Exkurs
II: Ubersicht über die
Lydgate-Forschung
Die erste Veröffentlichung Lydgatescher Gedichte im 19. Jh. - abgesehen von einzelnen Textabdrucken in der Roxburghe Club-Reihe (1818, 1822), Nicolas' Chronicle of London (1827) und Wrights Political Poems (1859) - war J . O. H a 11 i w e 11' s Selection from the Minor Poems of Lydgate (Lo. 1840) im zweiten Band der Percy Society, der viele nach heutigem Urteil nicht von Lydgate stammende Dichtungen enthält. Auch der teilweise Abdruck des Life of our Lady in C. E. T a m e ' s Early English Religious Literature II. Lo. o. J. [1871 f.] ist nicht zuverlässig. Wissenschaftliche Ausgaben begannen mit J. Zupitza, C. Horstmann und J . Schick. Z u p i t z a : ed. Guy of Warwick (Sitzungsberichte der Wiener Akademie 1873, ein anderer Text ed. F. N. R o b i n s o n in Harv. Studies V, 1896), ed. Aesop (Archiv 85 [1890] nach S a u e r s t e i n s Edition in Anglia 9 [1886]). H o r s t m a n n : ed. Life of St. Edmund and Fremund (in: Altenglische Legenden 1881), ed. Lyfe of Seint Albon and lyfe of Saint Amphabel (in: Festschrift der Realschule zu Berlin 1882). S c h i c k : ed. The Temple of Glas EETS. ES. 60 (1891). Diese die Lydgateforschung auf wissenschaftliches Niveau hebende Ausgabe enthält die erste z. T . heute noch gültige Darstellung von Lydgates Leben und Werk und gab die erste kritische Orientierung über die Überlieferung seines Oeuvre. Der Anstoß, den Schick der Lydgateforschung gab, führte in den 90er Jahren zu einer überaus regen Editionstätigkeit. R. S t e e l e ' s Ausgabe der Secrees of Pbilisoffres EETS. ES. 66 (1894) brachte wertvolle Ergänzungen zu Schicks Abhandlung. Die Lydgate-Artikel von H. M o r l e y (English Writers VI [1891]) und S. L e e ( D . N . B . 1893) bezeugen zunehmendes historisches Verständnis. Durch diese Vorbilder angeregt, edierte E. K r a u s s e r den Complaint of the Black Knight mit ausführlicher Einleitung (Diss. Halle 1896, Sonderdruck aus Anglia 19), und im selben Jahr erschien E. G a t t i n g e r s Buch: Die Lyrik Lydgates (Wiener Beiträge zur engl. Phil. 4), ein mutiger, aber zu früh unternommener Versuch, die Lyrik Lydgates zusammenfassend zu betrachten und historisch einzuordnen, was schon wegen des noch schwankenden Kanons zu anfechtbaren Ergebnissen führen mußte. In diesem Stadium der Forschung war eine Beschränkung auf Quellenstudien, wie sie E. K ö p p e 1 zu Thebenroman und Fall of Princes (Mchn. 1884 und 1885) geboten, ersprießlicher. Aus Zupitzas Nachlaß edierte G. S c h l e i c h die Fabula duorum mercatorum (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgesch. 83, Straßburg 1897) mit ausführlicher Abhandlung und wertvollem Lydgate-Glossar. Alle folgenden Ausgaben erschienen in der EETS. 1899 begann F. J . F u r n i v a l 1 die Edition der Pilgrimage of the Life of Man, Part I. ES. 77 (1899), Part. II. ES. 83 (1901), wozu K. B. L o c o c k als Part I I I eine Einleitung, Anmerkungen und Glossar nachlieferte, ES. 92 (1904). - 1900 edierte O. G 1 a u n i n g Two Nightingale Poems mit gutem Kommentar ES. 80 (1900) und M. D e g e n -
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h a r t in einer deutschen Serie Horse, Goose and Sheep (Münchener Beitr. z. rom. u. engl. Phil. 19), ebenfalls mit gründlicher Einleitung und Anmerkungen. E. S i e p e r s Edition von Resort and Sensuallyte umfaßt einen Textband (Part I. ES. 84 [1901]) und einen Band Studies and Notes (Part II'ES. 89 [1903]); dazu Vorstudien von J. S c h i c k in: Anglia Beiblatt 1898 und von S i e p e r in: Les Echecs Amoureux (1898). 1906 begann H. B e r g e n die Ausgabe des Troy Book (Part I ES. 97 [1906], Part II ES. 103 [1908], Part III ES. 106 [1910], Part IV ES. 126 [1935]); es ist das bestedierte Werk Lydgates mit zu Vergleichen ausreißenden Quellenauszügen und hervorragendem Glossar. Die den verschiedenen Ausgaben beigefügten Abhandlungen, die durch mehrfache Zeitschriftenaufsätze und Abschnitte in allgemeinen Darstellungen (z. B. R. B r o t a n e k : Die englischen Maskenspiele, Wien 1902) ergänzt wurden, ermunterten H. N. M a c C r a c k e n zu seinen umfassenden Studies in the Life and Writings of John Lydgate (Thesis pp. 891 Harvard Univ. Libr. 1907). Von dieser ungedruckten Gesamtdarstellung, die mir nur auszugsweise in Rotographie vorlag, sind wesentliche Teile in anderen Publikationen zugänglich gemacht worden: Text und Abhandlung zu The Serpent of Division in der späteren Ausgabe (Lo. 1910), The Lydgate Canon als Appendix der Transactions of the Philological Society Lo. 1907/8 und in M a c C r a c k e n ' s Ausgabe der Minor Poems (Part I: Religious Poems ES. 107 [1911], Part II: Secular Poems OS. 192 [1934], Part III, der Abhandlungen zum Kanon, Kommentar und Glossar enthalten sollte, ist nicht erschienen). MacCradsens Ausgabe ist nicht fehlerfrei (vgl. O. M a h i r : J. Lydgate: einige religiöse Gedichte, Bin o. J. [1910-15]); sie ist trotzdem grundlegend, weil sie alle kürzeren dichterischen Werke Lydgates enthält (einschließlich der Mummings und der kürzeren Legenden) und in der Einleitung des ersten Bandes den oben erwähnten Lydgate-Kanon. Fortan begleiten kürzere Abhandlungen und Dissertationen die Ausgaben der EETS. 1911 ersdiien der erste Band der Siege of Thebes ed. A. E r d m a n n (ES. 108) - der wertvolle Untersuchungen enthaltende Part II ed. E. E k w a 11 folgte erst 1930 (ES. 125) - und kurz darauf erschienen, fast gleichzeitig, zwei zur Erkenntnis von Lydgates Stil grundlegende Arbeiten: G. R e i s m ü l l e r : Romanische Lehnwörter bei Lydgate Lpz. 1911 (vollständige Tabellen) und A. C o u r m o n t : Studies on Lydgate's Syntax in the Temple of Glas, Paris 1912 (mit dem Nachweis eines bewußt archaisierenden Stils). Die nadidrüddiche Beschäftigung mit Lydgate im beginnenden 20. Jh. hielt audi über den ersten Weltkrieg an. Es erschienen über die Sprache Lydgates die Dissertationen von R. H i n g s t (Greifswald 1908), E. H ü t t m a n n (Kiel 1914), H. J u h l (Kiel 1921) und die Artikel von J. F. R o y s t e r (Mod. Phil. 1915; Stud. Phil. 1916). Beiträge zur Textkritik lieferte T h . P r o s i e g e l (Diss. Mchn. 1903). Eine Reihe von Studien setzten die in den Vorreden der frühen Lydgate-Editionen begonnenen Untersuchungen zur Metrik fort, z.B. H. R e g e r (Bayreuth 1910), A. H. L i c k 1 i d e r (Baltim. 1910), C. F. B a b c o c k (PMLA. 1914) und besonders C. S. L e w i s (Essays and Studies, 1938). Schließlich häuften sich auch die literarhistorischen Studien, z. B. E. P. H a m m o n d (MLN. 1911/12 und Anglia 1914), F. B r i e (Engl. Stud. 1929), C. B r o w n (MLN. 1925, PMLA. 1935), K. B r u n n e r (Archiv 1932), J. P. O a k d e n (RES. 1933) und die Dissertationen von H. K o c h (Troy Book, Bln. 1935), E. T i l g •5*
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n e r (Aureate Terms, Bln. 1936), T h. W o 1 p e r s (Mariendichtung, Bonn 1949), H . Q u i s t o r p (Legenden, Bonn 1951). Die Ausgaben kamen mit H. B e r g e n s großer Edition des Fall of Princes ( E E T S . ES. 121-4 [1924/7]) und dem Dance of Death ed. F. W a r r e n und B. W h i t e ( E E T S . OS. 181 [1931]) vorerst zum Abschluß. Editionstechnik und literarhistorische Abhandlung sind glücklich vereinigt in E. P. H a m m o n d ' s Anthologie: English Verse between Chaucer and Surrey, Durham & C. U. P. 1927. Als Desiderata bleiben eine Lydgate-Konkordanz oder ein Lydgate-Wörterbuch.
Exkurs III: Der
Lydgate-Kanon
1. Verzeichnis der mutmaßlich von Lydgate verfaßten Dichtungen 2. Verzeichnis der Lydgate (vermutlich zu Unrecht) zugeschriebenen Dichtungen a) die üblichen Echtheitskriterien b) die Zuschreibung der biographischen Sammelwerke c) Verzeichnis der fraglichen Dichtungen d) Erörterung der verzeichneten Dichtungen Aus zwei Gründen wird es nie mit absoluter Sicherheit festzustellen sein, welche Werke von Lydgate stammen und welche seiner Schule zuzuweisen sind. Erstens war L. keine überragende Dichterpersönlichkeit wie etwa Chaucer, über dessen Kanon kaum Zweifel bestehen, weil zu den philologischen Prüfungsmethoden der sprachlichen, stilistischen, metrischen und rhyme-tests die dichterische Qualität und die auch beim herkömmlichsten Vorwurf fühlbare persönliche Note als entscheidende Kriterien hinzutreten. Zweitens haben die erwähnten philologischen Kriterien bei L. nur relative Beweiskraft, weil L.s Bedeutung vor allem in dem von ihm nachdrücklichst vertretenen rhetorischen Stil zu sehen ist, in einer sprachlichen, metrischen und überhaupt formalen Manier, die verhältnismäßig leicht nachzuahmen ist. J e mehr er gewirkt hat, um so ununterscheidbarer werden die von ihm und die von seiner „Schule" herrührenden Dichtungen sein. Wir müssen uns folglich mit einem nur relative Gewähr gebenden Kanon begnügen, wie ihn MacCradcen aufgestellt hat (M. P. V - L V I I I ) . Diese Liste der nach MacCracken als echt anzusehenden Werke L.s ist nicht fehlerfrei, schon deshalb nicht, weil einzelne Kriterien anfechtbar sind. Im großen und ganzen aber hat die Forschung MacCrackens Liste angenommen. Darauf fußend werden im folgenden alle Dichtungen L.s aufgeführt (in ähnlicher Gruppeneinteilung, wie sie in diesem Buch Anwendung gefunden hat). Jedes Gedicht ist mit dem Titel und den in Klammer zugefügten Anfangsworten gekennzeichnet. Und jedem Gedicht ist die Nummer des MacCrackenschen Kanons (M. P. p. X L ff.) beigegeben, weil dort nähere Auskunft über die Zuschreibung gegeben ist, sowie auch, zur besseren allgemeinen Orientierung, die Nummer, die das betreffende Stück im Index of Middle English Verse von C. Brown und R. H . Robbins (N. Y . 1943) trägt. In den Fußnoten ist verzeichnet, wenn nach neueren Untersuchungen die Echtheit eines Gedichts bestritten wird.
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C. = MacCrackens 'Canon' (dem die Titelgebung und Orthographie folgt); J = I = Browns 'Index' 1. Fabeln und Debatten Isopes fabules (Wisdom is more . . . ) C. 59; J. 4178 The Churl and the Bird (Problemes of olde . . . ) C. 17; J. 2784 Debate between the Horse, Goose and Sheep (Controversies pleis and . . . ) C. 56; J. 658 2. Höfisdie Dichtung Complaint of the Black Knight (In May, when . ..) C. 20; J. 1507 Flour of Curtesye (In Fevrier, when . . . ) C. 44; J . 1487 A Gentlewoman's Lament (Alias I w o o f u l . . . ) C. 48; J. 154 Ballade of H e r that hath all Virtues (Fresshe lusty beaute . ..) C. 7; J. 869 A Complaint for Lads of Mercy (Grettere mater of . . . ) C. 18; J . 1017 4) T h e Servant of Cupid Forsaken (Ful longe I . . . ) C. 136; J. 886 A Lover's N e w Year's Gift (In honnour of . . . ) C. 85; J. 1496 M y Lady Dere (Every maner creature . . . ) C. 85; J. 1496 3. Allegorien Temple of Glas (For fjou3t c o n s t r e i n t . . . ) C. 144; J. 851 Resoun and Sensuallyte (To alle f o l k y s . . . ) C. 106; J. 3746 2 ) 4. Versromane T r o y Book (O myhty M a r s . . . ) C. 152; J. 2516 Siege (Story) of Thebes (Whan bright Phebus . . . ) C. 142; J. 3928 5. Satiren So as the Crabbe Goth Forward (f)is worlde is . . . ) C. 137; J. 3655 Ryght as a Rammes H o m e (Alle ryhtwysnes now . . . ) C. 109; J. 199 T h e Order of Fools (The ordre of . . . ) C. 89; J. 3444 Against Millers and Bakers (Put out h i s . . . ) C. 73; J. 2786 J a k H a r e (A f r o w a r d knave . . . ) C. 60; J. 36 Payne and sorow of Evil Maryage (Glory unto God . . . ) C. 93; J. 919 ' ) 4 ) Ballade on an Ale-seller (Remembryng on the . . . ) C. 1; J. 2809 s ) Ballade per Antiphrasim (Vndir youre hood . . . ) C. 8; J. 3823 4 ) [Beware o f ] Doublenesse (This world is f u l . . .) C. 32; J . 3656 Examples Against Women (To Adam and . . . ) C. 35; J. 3744 6 ) Horns away (Of god and . . . ) C. 55; J. 2625 Bycorne and Chichefadie (O prudent folkes . . . ) C. 13; J. 2541 6. Politische Dichtung A Praise of Peace (Mercy and T r u t h e . ..) C. 94; J . 2156 On Gloucester's Marriage (Thorugh gladde aspectis . . . ) C. 50; J . 3718 Complaint for my Lady of Gloucester and H o l a n d (A solitary s o r e . . . ) C. 19; J. 92 T h e Title and Pedigree of Henry VI (Troubled hertes to . . .) C. 95; J. 3808 1) L.s Verfasserschaft von Brusendorf! (The Chaucer Tradition, Lo. 1925) ohne Angabe näherer Gründe angezweifelt. 2) Brusendorf! p. 185: 'ascribed to L. on no better evidence than that of Stowe and some indifferent literary parallels', p. 388: 'the author of Res. and Sens, who certainly was not L.' 3) In J . L.s N a m e nicht genannt. 4) L.s Verfasserschaft von Brusendorf! ohne Angabe näherer Gründe bezweifelt. 5) J.: 'probably by L.'. Speculum 20 (1946) p. 109 'definitely by L.'.
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Exkurse Roundel for Coronation of Henry V I (Rejoice ye r e a m e s . . . ) C. 108; J . 2804 Ballade to King Henry V I , on his Coronation (Moost noble Prynce . . . ) C. 9;
J. 2211
7.
8.
9.
10.
6) 7) 8) 9) 10)
The Soteltes at the Coronation Banquet of Henry V I (Loo here t w o o . . . ) C. 1 3 8 ; J . 1 9 2 9 On a New Year's Gift of an Eagle (f>is hardy f o o l e . . . ) C. 86; J . 3604 Prayer for King, Queen and People (Most souereyne lord . . . ) C. 97; J . 2218 Ballade in Despyte of the Flemyngs (Off stryvys new . . . ) C. 43; J . 2657 6 ) Mummings und Entries Mumming at Eltham (Bachus whidi is . . . ) C. 77; J . 458 Mumming at Bishopswood (Myghty Flourra goddes...) C. 76; J . 2170 A Pageant of Knowledge (This worlde is borne . . . ) C. 90; J . 3651 Mumming at London (Loo her t h i s . . . ) C. 79; J . 1928 Mumming at Hertford (Moost noble prynce . . . ) C. 78; J . 2213 Mumming at Windsor (Mooste noble prynce . . . ) C. 80; J . 2212 Mumming for the Mercers of London (Moost mighty lord . . . ) C. 81; J . 2210 Mumming for the Goldsmiths of London (f>at worJ>i david . . . ) C. 82; J . 3301 Pur le Roy: King Henry VI's Entry into London (Toward the ende . . .) C. 34; J . 3799 Margaret's Entry into London (Moost cristen Princesse . . . ) C. - J . 2200 Weltliche Lehre Stans puer at mensam (My dere diild . . . ) C. 139; J . 2233 Treatise for Lavenders (Yee maistresses myne . . .) C. 63; J . 4254 Duodecim abusiones (Go forthe, King . . . ) C. 33; J . 920 7 ) Four Things that Make a Man a Fool (Worshyp, Wommen, wyne . . . ) C. 45; J. 4230 Nine Properties of Wine (Wyne of nature . . . ) C. 88; J . 4175 A Dietary (For helth of . . . ) C. 30; J . 824 8 ) Secrees of [olde] Philisoffres (God almyghty s a v e . . . ) C. 132; J . 935 Deguileville- und Totentanz-Übersetzung The Pilgrimage of the Life of Man (Ye worldly folk . . . ) C. 96; J . 4265 Daunce of Machabree (O ye folkes . . . ) C. 24; J . 2591 Heiligenlegenden und fromme Erzählung The Life of our Lady (O thoughtful herte . . . ) C. 68; J . 2574 Legend of St. Margaret (At the reuerence . . . ) C. 123; J . 439 Legend of St. George (O yee folk . . .) C. 119; J . 2592 Legend of St. Petronilla (The parfite life .._.) C. 126; J . 3446») How the Plage was Sesyd in Rome (So noble medesyne . . . ) C. 57; J . 3168 Legend of St. Giles (Of Agamemnon vndir . ..) C. 120; J . 2606 Legend of St. Austin at Compton (Lyk as the . . .) C. 113; J . 1875 Legend of Dan Joos (O welle of . . . ) C. 64; J . 2579 10 ) J . : 'perhaps by L.'. L.s Verfasserschaft von Brusendorff ohne Angabe näherer Gründe bezweifelt. A Doctrine for Pestilence in C. gesondert aufgeführt: Nr. 31. J . : 'probably by L.'. L.s Verfasserschaft von Brusendorff ohne Angabe näherer Gründe bezweifelt.
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14.
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Lives of SS. Edmund and Fremund (The noble story . ..) C. 116; J. 3440' 11 ) Miracles of St. Edmund (Laude of our . . . ) C. 74; J. 1843 T h e Lyfe of Seint Albon and the Lyfe of Saint Amphabel (To call Clio . . . ) C. 110; J. 3748 Fabula duorum mercatorum (In Egipt whilom . . . ) C. 36; J. 1481 Geschichtliche Werke Guy of Warwick (From tyme of . ..) C. 52; J. 875 Fall of Princes (He that w h i l o m . . . ) C. 37; J. 1168 The Sodeine Fall of Princes in Oure Dayes (Beholde this g r e t . . .) C. 38; J. 500 Cartae versificatae (In name of hym . ..) C. 15; J. 1513 12) T h e Kings of England Sithen William Conquerour (This myghty William . ..) C. 62; J.3632 Gelegenheitsgedichte O n the Departyng of Chaucer (O thow Lucyna . . . ) C. 28; J. 2571 Valentine to Her I Love Best of All (Seynt Valentyne o f . . .) C. 155; J. 3065 Letter to Gloucester (Right mighty prince . . .) C. 66; J. 2825 Verses on Cambridge (By trewe r e c o r d e . . . ) C. 14; J. 582 Prosa Serpent of Division (Whilom as olde . ..) C. 135; J. Brut C. 12; J . Religiöse Lyrik Angewandte Kunst: Merita Misse (God of hewine . . . ) C. - ; J. 957 13) A Kalendare (Iesu Lord! f o r . . . ) C. 61; J. 1721 Procession of Corpus Christi (pis hye feste . . . ) C. 100; J. 3606 Vertues of the Masse (Ye that beth . . . ) C. 70; J. 4246 Exortacion to Prestys (Ye holy prestes . . . ) C. 70; J. 4249 " ) O n Kissing at Verbum caro factum est (3ee deuout people . . . ) C. 70; J. 4245 " ) Pater noster qui es in celis (Oure glorious f a d y r . . . ) C. 92; J . 2711 Exposition of the Pater noster (Atwixe drede and . . .) C. 91; J. 448 Stella celi extirpauit (Thow hevenly quene . . . ) C. 141; J. 3673 De Sancta Maria contra pestilenciam (O hevenly sterre . . . ) C. - ; J. 2459 " ) Fifftene Toknys aforn the Doom (As the doctour . . .) C. 42; J. 408 15, 16) Hymnenparaphrasen: Benedic anima mea (O thou my soule . ..) C. 10; J. 1572 Misericordias domini in eternum cantabo (Alle goostly songes.. .) C. 75; J- 178
11) 12) 13) 14) 15) 16)
C. gibt die Anfangszeile des Edmundgebets (J. 53) J.: 'probably by L . \ J.: L.s N a m e nicht genannt. in C. als zu Vertues of the Masse gehörig nicht gesondert aufgeführt. J.: L.s Name nicht genannt. L.s Verfasserschaft von Brusendorff ohne Angabe näherer Gründe bezweifelt.
232
Exkurse Deus in nomine tuo salvum me fac (God in thy . . . ) De profundis (Having a c o n s e i t . . . ) C. 25; J. 1130 Te Deum laudamus (Te deijm laudamus . . .) C. 143; Vexilla regis prodeunt (Royal Baneris Unrolled . . . ) Letabundus (Grounde take i n . . . ) C. 65; J. 1019 Christe qui lux es et dies ( [ O ] Christe p a t arte . . .)
C. 29; J. 951 J. 3261 17) C. 157; J . 2833 " )
17
)
C. 22; J. 614
Längere Dichtungen: A Saying of the Nihtingale (In Juygne whan . . . ) C. 87; J. 1498 The Testament of Lydgate (O how holsom . . .) C. 146; J. 2464 Passions- und Jesusgedichte: O Dolorous pyte of Crystes Passioun (Erly on morwe . . .) C. 101; J. 702 l s ) A Prayer upon the Cross (Upon the cros . . . ) C. 154; J. 3845 Cristes Passioun (Man to refourme . . . ) C. 23; J. 2081 Fifteen Ooes (O blyssid lord . . .) C. 41; J. 2394 Quis dabit meo capiti fontem lacrimarum (Who shall give . ..) C. 104; J. 4099 Gebete: The eight Verses of St. Bernard (O sothfast sonne . ..) C. 114; J. 2553 Prayer in Old Age (All the trespas . . . ) C. 98; J. 222 T o St. Robert of Bury (O Blyssid R o b e r t . . . ) C. 127; J. 2399 Prayers to ten Saints (Blyssid Denys of . . . ) C. 145; J. 529 Prayer to St. Thomas (Blissed Thomas rubyfyed . ..) C. 128; J. 538 l e ) A Prayer to St. Thomas of Canterbury (Synguler shepperde gardeyn . . . ) C. 129; J. 3115 19) » ) Prayer to Sts. Katherine, Margaret and Magdalene (Katerine with glorious...) C. 1 2 1 ; J . 1 8 1 4 Prayer to St. Midiael (O myghell by . . . ) C. 124; J. 2513 " ) Prayer to St. Gabriel (Blissed Gabriel w i d i . . .) C. 118; J. 531 22) T o St. Leonhard (Reste and reffuge . . . ) C. 122; J. 2812 T o St. Ursula (Ye Britoun martirs . . .) C. 130; J. 4243 T o St. Ositha (Heyl hooly Sitha . . . ) C. 125; J. 1050 » ) Devowte Invocacioun to St. Denys (O p o w c h o s e n . . . ) C. 115; J. 2566 A Glorious Prayer to St. Edmund (Glorious Edmund Kyng . . . ) C. 117; J. 915 Prayer to St. Edmund (Blyssyd Edmund Kyng . . .) C. 116; J. 53 Praise of St. Anne (He that intendeth . . . ) C. 112; J. 1152 2°) Invocation to St. Anne (Thow first moever . . .) C. I l l ; J. 3671 Mariendichtung: O n the Image of O u r Lady (Beholde and se . . . ) C. 58; J. 490 The Child Jesus to Mary, the Rose (My father above . . .) C. 16; J. 2238 Gaude Virgo mater Christi (Be gladde may de . . . ) C. 47; J. 464 Ave Maria (Salutacio angelica) (Hayle gloryous lady . . .) C. 4; J. 1045 17) 19) 20) 21)
J.: J.: L.s J.:
20
)
'attributed to L.'. 18) J.: L.s N a m e nicht genannt. 'attributed to L . \ Verfasserschaft von Brusendorff ohne Angabe näherer Gründe bezweifelt. 'perhaps by L . \ 22) J.: 'by L.?'.
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Verses to the Virgin (Fragment) C. 158; J . *34 2 S ) ! 4 ) Ave regina celorum (Hayle luminary and . . . ) C. 5; J. 1056 Regina celi letare (O thow i o y f u l l . . . ) C. 105; J . 2270 To Mary, the Star of Jacob (O sterre o f . ..) C. 140; J . 2556 Prayer to Mary, in whose Help is Affiaunce (O swettest bawme . . . ) C. 99; J . 2565 Fifteen Joys and Sorrows of Mary (Atween mydnyht and . . . ) C. 39; J . 447 Fifteen Joys of (Mary) oure Lady (Blessed lady, o . ..) C. 40; J. 533 Gloriosa dicta sunt de te (On hooly hilles . . . ) C. 49; J . 2688 T o Mary the Quene of Hevene (Quene of Hevene . . . ) C. 103; J . 2791 Ave Jesse virgula (Hayle blissid lady . . . ) C. 3; J . 1037 Ballade at the Reverence of Our Lady Qwene of Mercy (A thowsande stories.. .) C. 6; J . 99 Verschiedenes: Defence of the Holy Church (Right mighty prince . ..) C. 27; J . 2219 A Holy Meditation (Affter the stormy . . . ) C. 54; J . 131 25 ) 15. Moralisch-didaktische Gedidite The Pyte to the Wretched Synner (O wretched synner . . . ) C. 102; J. 2588 Rhyme without Accord (All thyng in . . . ) C. 107; J. 22 3 26 ) They that no While Endure (This wyde world . ..) C. 149; J . 3647 Death's Warning (Sif) pat ye . . . ) C. 26; J . 3 1 4 3 " ) Tyed with a Lyne (The more I . . . ) C. 153; J. 3436 29 ) See myche, Say Lytell (See myche say . . .) C. 133; J . 3083 28 ) A Song of Vertu (As of hony . . ) C. 156; J . 401 Every thing to his Semblable (Trete every man . . . ) C. 134; J. 3800 Say the best and Never Repent (Who seith the . . . ) C. 131; J . 4097 29 ) »•) Consulo quisquis eris (I conceyle whatsoeuer . ..) C. 21; J . 1294 The Cok Hath Lowe Shoon (Sum man goth . . . ) C. 148; J. 3173 s 1 ) A Ditty upon Haste (All haste i s . . . ) C. 53; J. 186 That now is Hay some tyme was Grase (Ther is f u l l . . . ) C. 147; J. 3531 S2 ) A Wicked tunge wille Sey Amys (Considre weel with . . . ) C. 159; J . 653 The World is Variable (Toward Aurora in . . . ) C. 160; J . 3797 s ») A freond at Neode (Late whan Aurora . . . ) C. 46; J . 1842 Look in Thy Merour, and Deeme Noon othir Wight (Toward the ende . . . ) C. 69; J . 3798 23) Ls. Verfasserschaft von Brusendorf! ohne Angabe näherer Gründe bezweifelt. 24) J . : 'possibly by L. or one of his sdiool'. 25) Gegen L.s Verfasserschaft C. Brown in: PMLA 50 p. 997 if. 26) L.s Verfasserschaft von Brusendorf? ohne Angabe näherer Gründe bezweifelt. 27) J . : 'by John Lucas (?)'. 28) J . : 'Proverbs ascribed to R. Stokys (by MacCracken to L.)'. 29) L.s Verfasserschaft von Brusendorf ohne Angabe näherer Gründe bezweifelt. 30) Im J . L.s Name nicht genannt; die ersten 5 Strophen als Einleitung zu Nr. 4042 genommen mit Bemerkung 'attributed to L.'. 31) J . : 'perhaps by L.\ 32) J . : 'possibly by L.'. 33) Im J . L.s Name nicht genannt.
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Exkurse As a Mydsomer Rose (Lat no man . . . ) C. 84; J. 1865 A Thoroughfare of Woe (Lyft up the . . . ) C. 150; J. 1872 Song of Just Mesure (By witte of . . . ) C. 71; J. 584 Mesure is Tresour (Men wryte of . . .) C. 72; J. 2152 Amor vincit omnia (Eck man folwith . . . ) C. 2; J. 698 Timor mortis conturbat me (So long as . ..) C. 151; J. 3160"») Benedictus Deus in donis suis (God departith his . . . ) C. 11; J. 943 God is myn Helpere (God is myn . . . ) C. 51; J. 953 Epistle to Sibille (The chief ginnyng . ..) C. 67; J. 3321
Schon bei den bisher aufgeführten Werken waren in einer ganzen Reihe von Fällen Fragezeichen zu setzen. Bei vielen Titeln, die uns als Werke L.s überliefert sind, steigern sich diese Zweifel so, daß man sie L. absprechen muß. Diese Werke sollen im folgenden aufgeführt werden, wobei die Möglichkeit von L.s Verfasserschaft nur kurz erörtert wird, eine Beweisführung müßte unverhältnismäßig viel Raum beanspruchen und kann in den meisten Fällen nicht mehr als ein persönliches Urteil bedeuten. Zur Orientierung sei eine kurze Zusammenfassung der Echtheitskriterien vorangeschickt, die MacCracken in seiner Einleitung zu den M. P. darlegt (vgl. dazu die Artikel von E. P. Hammond in: Anglia Beiblatt 24 (1913) S. 140 ff.; Anglia 28 N . F. 16 (1905) S. 1 ff.; Anglia 30 N. F. 18 (1907) S. 320 ff.). Die wichtigsten Kriterien sind die Äußerungen L.s über seine Werke und die von den Schreibern zeitgenössischer Manuskripte (insbesondere J. Shirley) herrührenden Zuschreibungen. Da wir jedoch Grund haben, die Echtheit mancher von den Schreibern mit L.s Namen gezeichneten Stücke zu bezweifeln, und da die späteren Bibliographen die Liste der Lydgateschen Werke unverhältnismäßig verlängern, so hat man versucht, durch eine philologische Untersuchung von Reim, Metrum und Stil etwas mehr Sicherheit zu erhalten. Aus dem Studium der unzweifelhaft echten Werke hat man erkannt, daß L. genau reimt. Allerdings unterscheidet er nicht die offenen und geschlossenen e- und o-Laute, reimt -er und -ere auf -ir und -ire, auslautendes -e auf Wörter, die nicht auf -e ausgehen, und anfangs auch y auf ye oder ie. Diese Abweidlungen von Chaucers Gebrauch sind im 15. Jh. gang und gäbe. Die weitergehenden Reimfreiheiten seiner Zeitgenossen, die auch -igne, -ighte auf -ine, -ite, -orie und -arie auf -ie und -ees auf -esse reimen, finden sich nicht in L.s echten Werken. Er vermeidet gleichfalls Assonanzen und bringt den beliebten -ounReim nur, wenn die Reimwörter wirklich auf der letzten und nicht auf der voroder drittletzten Silbe betont sind (vgl. aber C. Brown in: PMLA 50 p. 997 f.). Diese Reimkriterien sind nicht von schlagender Beweiskraft, können aber immerhin als Stütze eines Beweises dienen. Das kann man von den metrischen Kriterien nicht sagen. MacCracken betont nur, daß L. einen glatten Fluß seiner Verse anstrebte, und möchte Holprigkeit des Metrums als ein gegen L.s Verfasserschaft sprechendes Kriterium geltend machen. Leider ist die Ansicht der Forscher über die Glätte der L.schen Verse nicht einheitlich. Auch bei den stilistischen Kriterien sind nur Anhaltspunkte zu gewinnen. So möchte MacCracken den Chaucereinfluß nicht als Maßstab werten, da er bei allen Dichtern der Zeit fühlbar ist, dagegen erscheint ihm bei der religiösen Dichtung die Einordnung in die Perle- und Quia amore langueo-Schule 33a) Im J. L.s Name nicht genannt.
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aufschlußreich. Desgleichen soll der Gebrauch der Doppelausdrücke und rhyme-tags (vgl. die von Sieper zusammengestellte Liste E E T S . ES. 84) als Kriterium dienen. Schließlich sei auch die Persönlichkeit L.s zu beachten, der sich nicht aufdrängen möchte und noch bescheidener sei als es die literarische Konvention gebot. Überschaut man diese von MacCracken aufgeführten Kriterien, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß zuletzt ein literarisches Fingerspitzengefühl den Ausschlag geben muß, wie es auch MacCracken zuzugeben scheint, wenn er zusammenfassend als Merkmale des L.schen Oeuvre hervorhebt: 'a certain smoothness of verse, a certain dignity and elevation of sentiment, a certain polish as of the court.' In ähnlicher Weise spricht er an anderer Stelle (Anglia 33 p. 286) von dem allgemeinen Stileindruck, der zwar nicht leicht zu definieren, aber für den sorgsamen Leser unverkennbar sei. Die erste Liste von L.s Werken ist von John Bale aufgestellt worden in seinem Scriptorum illustrium Maioris Britanniae Catalogus 1548 (Neudruck ed R . L. Poole und M. Bateson als: Index Britanniae Scriptorum, Oxf. 1902). Darin umfaßt L.s Oeuvre 48 Nummern, von denen 18 angezweifelt werden müssen (nach MacCracken M. P. X X X V I ff.). Die Baiesche Liste ist fast wörtlich übernommen worden von John Pits in seinem Buch Relationum Historicarum de Rebus Anglicis Tom. I. Paris 1619. Eine auf Grund der in seinem Besitz befindlichen MSS wesentlich erweiterte Liste von 114 Nummern bringt John Stow (in der Chaucer-Ausgabe von Speght 1598). Aber Stow scheint ziemlich wahllos weltliche Dichtungen Chaucer und geistliche L. zuzuweisen. Die nächste Liste finden wir in Bischof Thomas Tanners Bibliotheca Britannico-Hibernica (ed. D. Wilkins 1748), die sich auf Stow und Pits stützt. Schließlich liegt die Liste von Joseph Ritson vor in seiner Bibliotheca AngloPoetica 1802, worin L.s Werk nicht weniger als 251 Nummern umfaßt, von denen nach MacCracken über 45 anzuzweifeln sind. Die wahrscheinlich nicht von L. stammenden Stücke sind im folgenden aufgeführt mit Titel, Anfangsworten und Nummer im Brownschen Index und in Ritsons Liste (Numerierung von MacCracken übernommen). 1. Höfische Dichtung und Chaucer: Maunciples Tale. Prioresses Tale. St. Cecilia. Gentilesse. Stedfastnesse. Fortune. ABC. - Complaint d'amours. - Assemble of damys. Craft of lovers. A praise of women. Ballade warning men. Complaint against hope. Remedie of love. A lover's plaint. T o his mistress. 2. Moralische Allegorien: Court of Sapience. Assembly of Gods. 3. Versroman und Dramatisches: Siege of Jerusalem. - High astrapotent auctor of all. 4. Satire: Satirical description of his lady. Prohemy of a marriage. Treatise of a Galaunt. Ragmanys rolle. London Lickpenny. 5. Fabliaux: Lady Prioress and her suitors. Smith and his dame. Childe of Bristow. Piers of Fulham. 6. Geschichtliche und politische Dichtungen: Petigree of Emperors. On the Reconciliation 1457. Battle of Agincourt. Battle of Barnet. Expedition of Henry V into France. Epitaphium Ducis Gloucestriae.
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7. Weltliche Lehre. Praeceptiones Gall. Ling. Proprietates nationum. Dantls opuscula. Petrardiae quaedam. Cato's distichs. De re militari. Summum sapientiae. 8. Legende und fromme Erzählung. Life of St. Anne. St. Barbara. St. Denis. St. Erasmus. Story of Job. - Three kings of Cologne. Monk of Paris. Legend of Wulfrike. 9. Religiose Lyrik. Conditor alme siderum. De coelorum gaudiis. The Nightingale. - Psalmi passionis. Hymn to the Creator. Appeal of Christ. Testamentum Christi. Prayer to Christ's name. Song of love to Jesus. Prayer to Jesu. — Lamentacyoun of Magdaleyne. Prayer to bedward and at rising. Lydgate's prayer to St. Edmund. Aureate prayer to B. V. Quia amore langueo. Stabat mater. Lament of our lady. Maria virgo assumpta est. Veni coronaberis. Prayer to the B. V. Salue regina. Hymn on the 5 joys. Prayer to the B. V. and several saints. Gaude flore virginali. Regina celi laetare. Lenvoy to Mary. Balade in praise of the B. V. O flos puldierrime. — Exhortation against the deadly sins. Magnificence of the church. 10. Moralische Gedichte: Chaunse of the dyse. Folly of heaping up riches. Make amendes. Thank God for all. For the better abyde. Poem against idleness. Hoc factum est. Dem Chaucerschüler L. schrieb man viele "Werke Chaucers zu: so Ritson The Maunciples Tale (46), The Prioresses T. (239), St. Cecilia [Second Nun's T.J (235); ferner die Balladen Gentilesse (31), Lak of Stedfastnesse (81) und Fortune (21 u. 86, sowie das ABC (206), das L. in seine Deguileville-Obersetzung eingefügt hatte. Die Complaint d'amours (85), die Skeat Chaucer zuschreibt (gedr. I, 411 f.), ist vielleicht von einem Chaucerschüler, aber kaum von L. Von weiteren höfischen Dichtungen schrieb man fälschlich L. zu: das reizvolle Boke called Assemble of Damis (In Septembre at the fallyng of the leef) [Rits. 27; I. 8S b) 1528] gedr. Skeat: Chaucerian Pieces p. 380. 107 Ch.Str.; sodann den Dialog Cupido-Diana oder Craft of lovers (To moralise o similitude) [Rits. 30 u. 109; I. 3761], eine in früheren Ausgaben (z. B. Johnson-Chalmers: English Poets I, 558 f.) Chaucer zugeschriebene Dichtung in 26 Ball.Str.; ferner die gleichfalls meist mit Chaucers Werken gedruckte Dichtung A praise of women (AI tho the lyste of women) [Rits. 28; I. 228] gedr. Chalmers I, 344, von MacCracken als 'cheap imitation of Chaucer' bezeichnet, ca. 1475 datiert. Weitere Dichtungen höfischer Art: Balade warning men against deceitful women (Lok wel aboute, ye that lovers be) [Rits. 24; I. 1944] gedr. Chaucerian Pieces p. 295 (auch in Chalmers I, 564) 6 Ball.Str. Complaint against Hope (As I strode in studyinge allone) [Rits. 87; I. 370] ungedr. Remedie of love (Seeing the manifolde inconuenience) [Rits. 29; I. 3084] gedr. Chalmers I, 538. Alle diese sind sicher nicht von L., dagegen rückte MacCracken zwei Balladen in unmittelbare Nähe L.s (abgedruckt in: Ardiiv 127 (1911) S. 323 ff.): A Lovers Plaint (As ofte as syghes ben in herte trewe) [I 402, L.s Name nicht erwähnt] 13 Ball.Str. und To his Mistress oder 'Complaint for Lac of Sight' (For lac of sighte grete cause haue I to pleyn) [I. 828] (audi in Cohen: Ballade p. 287 ff.). 33 b ) I. = Browns 'Index', derselbe, der S. 229-34 irrtümlich 'J.' abgekürzt wurde.
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Von umfänglicheren Allegorien hat man (nach St. Hawes' Past, of Pleas. Z. 1282 ff.). L. öfter, aber zu Unrecht, zugewiesen: den von Rits. mehrfadi (z. B. 12 u. 51) aufgeführten Court of Sapience (The laborous and the most meruelous Werkes) [I. 3406 vgl. auch 168]; ed. R. Spindler Lpzg. 1927, vgl. E. P. Hammond: English Verse p. 258; C. Bühler: The Sources of the C. o. S. Lpzg. 1932 (Beitr. z. engl. Phil. 33). - Die Dichtung unterscheidet sich in Metrum, Reimen und Stil wesentlich von L. (vgl. die Ausführungen Spindlers in seiner Ausgabe S. 46-72 und 97 ff.). Sie ist vermutlich auf Bestellung Eduards I V . geschrieben und ca. 1475 zu datieren. Ferner hat W . de Wörde in seiner Chaucerausgabe 1498 gedruckt und L. zugeschrieben: The Assembly of Gods (Whan Phebus in the Crabbe had nere hys cours ronne) [Rits. 13; I. 4005 'perhaps by L.'] ed. O. L. Triggs E E T S . ES. 69, vgl. E. P. Hammond: Chaucer Manual p. 407; A. Rudolph: L. u. die A. o. G. Bin. 1909 (Diss. Würzb. 1908). Das vielfach L.s Sprachmanier imitierende Werk ist metrisch, in der sorglosen Handhabung der Reime und in dem kraftvollen, Alltagswendungen einflechtenden Stil ganz verschieden von L.s Werken. Es hat (wie 'London Lickpenny') eine andere Atmosphäre. Rits. (38) hat L. auch einen Versroman zugeschrieben: Siege of Jerusalem (Listeneth alle f>at ben in liue) [I. 1881]. Es ist der auch 'Destruction of Jerusalem", 'Titus and Vespasian' genannte Roman (bekannteste Fassung in Stabreimversen I . 1583). Die L. zugedachte Fassung (in 'doggerel couplets') ed. J . Herbert, Roxb. Club 1905. Vgl. Fischer in: Archiv I I I S . 289. Die von Rits. (173) L. zugeschriebenen 7 Chaucerstr. The high astrapotent auctor of all [I. 3376] gehören der dramatischen Gattung an ('Lines for a mumming spoken by Law'). Ungedr. Von den satirischen Stücken schrieb Shirley A Satirical Description of his lady, oder, nach dem Refrain 'Hood of Green' (My fayr lady so fresshe of hew) [Rits. 108; I. 2237] L. zu. MacCracken erklärte das 'Explicit quod Lydgate' des aus der Zeit Eduards IV. stammenden MS. Harl. 2255 als Irrtum (dagegen Koppel in: Engl. Stud. 24 S. 290). Gedr. in Halliwell's Anthologie (Percy Soc.) p. 199. Ähnliche Freude am Schmutz zeigt Prohemy of a Marriage hetwix an olde Man and a yonge wife oder 'Advice to an old Man' oder 'Decembre and July' (A philisophre a good clerk secular) [Rits. 50; I. 86] 72 Chaucerstr. und Envoy. Gedr. Halliwell p. 27 ff. - Wie thematisch, so ist das Gedicht auch durch die Erzählfreude und knapp-witzige Formulierung von L.s Art abgerückt. Der von Bischof J . Alcock ( f 1500) L. zugeschriebene, von Stow (101) und Rits. (155) aufgeführte Treatise of aGalaunt oder 'Ballade of aGalaunt' oder'Gallande Ballade' (Galawnt pride thy father is dede) [I. 892] ist eine kurze Dichtung von 10 Vierzeilern mit Refrain, die sich gegen die französische Mode richtet, aber alle Stände angreift in volkstümlich-abruptem und satirisch bitterem Ton. Auch die metrische Rauheit und die Unregelmäßigkeiten der Reime sprechen gegen L.s Verfasserschaft. Gedr. in: W. C. Hazlitt: Remains of the Early Popular Poetry of England, 4 vols 1864, I I I , 147 ff. und von Furnivall in: Academy (29. Aug. 1896). Ragmanys rolle (My ladyes and my maistresses) 26 Ball. Str. [I. 2251] gedr. in: W . C. Hazlitt: Remains I, 69 ff. Nach MacCracken ist dies Gedicht wie 'Chaunse of the dyse' (s. u.) 'by a witty Chaucerian'. - Das letzte und beste dieser fälschlich Lydgate zugeschriebenen satirischen Stücke ist London Lickpenny (To London once
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my stepps I bent) [Rits. 35; I. 3759]. Das lebendige, ein gutes Zeitbild gebende Stück von 16 Ball.Strophen ist überliefert in einer Handschrift von John Stow ( f 1605), der es in seinem 'Survey of London' (ed. Kingsford Oxf. 1928 I. 217) verwertet. Es ist vielfach gedruckt, zuletzt von Hammond in Anglia 20 (1898) p. 404 ff. (Paralleldruck der beiden überlieferten Fassungen) und in: English Verse p. 237. 'Style and rhyme are utterly at variance with L.s practice' (MacCracken). Den satirischen Stücken anzuschließen und L. ebenso fremd sind zwei von Rits. L. zugeschriebene Fabliaux: Lady Prioress and her suitors (O gloryous God our governor) [Rits. 41; I. 2441] 27 neunzeilige Schweifreimstr., gedr. Halliwell p. 107 ff. und Smith and his Dame (God that dyed on a tre) [Rits. 44; I. 978], die in Schweifreimstrophen zu 16 Zeilen abgefaßte 575 Zeilen umfassende Version der bekannten Geschichte, die auf der Grenze zur Legendendichtung steht, gedr. in: Hazlitt: Remains I I I u. Horstmann: Ae. Leg. 1881 S. 322. Ebenso auf der Grenze zwischen Fabliau und Legende steht The Childe of Bristow (He that made bothe Heuene and Helle) [Rits. 42; I. 1157], ein 'poor piece of popular versification' in 12zeilig. Schweifreimstr. (558 Zeilen). Gedr. Horstmann: Ae. Leg. 1881. S. 315 ff. Als Fabliau-Vorwurf könnte man die zu einer pointelosen moralischen Belehrung gewordene Geschichte des Piers of Fulham bezeichnen (A man that lovith ffisshing and fowlyng bothe) [Rits. 48; I. 71] in 182 Reimpaaren, gedr. C. H. Hartshorne: Ancient Metrical Tales Lo. 1829 p. 117 ff. Von den geschichtlichen oder politischen Dichtungen ist Petigree of Emperors (Rits. 130) nicht identifizierbar und das von Sir Harris Nicolas in: Chronicle of London (1827) gedr. On the Reconciliation 1457 ist nach Lydgates Zeit geschrieben.Von den anderen von Nicolas gedruckten Stücken weist The Battle of Agincourt (Stedes ther stumbelyd in that stownde) [I. 3213], 8 Ball.Str., wie MacCracken ausführt, auf einen Spielmann; es ist in einem Ton gehalten, der dem Hofdiditer Lydgate, insbesondere seinem Gönner Heinrich V . gegenüber, ganz unmöglich war (gedr. Wright: Pol.Poems II, 125; Kingsford: Chronicles of Lo. 1915 p. 120). Nicht viel anders steht es mit dem von Stow und Ritson (174) bezeugten Song on the Battle of Barnet oder 'Gaudete iusti in domino' (Gaudete iusti in domino) [I. 899], 4 Ball.Str. Das Gedicht äußert nach MacCracken ein populäres Londoner Urteil über Eduard IV., gedr. MacCracken in: Archiv 130 p. 309 f. Spielmännisch ist auch The Expedition of Henry V into France (God that all this worlde gan make) [I. 969], 69 kurzzeil. Ball.Str. Das Gedicht erscheint bereits in Elmham's 'Vita Hen. Vi.' (Hearne's Ausg. p. 359) und ist in dem 'Chronicle of London' ed. Nicolas p. 216—33 abgedruckt. Die Zuschreibung von Nicolas ist Phantasie. - Etwas anders steht es mit dem Epitaphium Ducis Glowcestrie (1446) (Souerayne immortal euerIasting god) [I. 3206], in 13 Ball.Str., worüber Schick: Temple of Glas p. X C V I f. und MacCracken M. P. p. X L handeln; letzterer spricht es Lydgate ab, er gibt aber zu, daß es in Lydgates Art geschrieben sei. Brown (Index) sagt: 'perhaps by Lydgate'. Die unter der Überschrift 'weltliche Lehre' einzuordnenden Dichtungen fraglicher L.scher Autorschaft sind z. T . nicht identifizierbar. Dazu gehören Rits. 145 Praeceptiones Gall, ling., die unter 143 genannten Proprietates nationum sowie, wenn man diese an dieser Stelle nennen darf, die audi schon von Bale verzeichneten Dantis opuscula und Petrarchae quaedam (Rits. 159, 160). - Andere Dichtungen
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dieser Kategorie sind nachweisbar fälschlich L. zugeschrieben wie die zweimal von Rits. (11; 54) verzeichneten Cato's Distichs, die Lydgates Schüler Benedict Burgh zum Verfasser haben. Audi die Vegetiusübersetzung De re militari oder 'Of Knyghthode and Bataile' (Sum tyme it was the gise among the wise) [Rits. 53; I. 3185] in 3023 Zeilen in Chaucerstr. ist nicht von L. (gedr. EETS. 221; vgl. MacCracken in: Kittredge Anniversary Papers p. 389). - Dagegen besteht eine von Förster und H a m m o n d befürwortete, von MacCracken geleugnete Möglichkeit, d a ß die verschiedentlich benannte Dichtung Summum Sapientiae oder 'Liber Proverbiorum' oder 'Sayings of old Philosophers' (pe tyme approchefie of necessite . . . ) [Rits. 76; 1.3487] L. zum Verfasser hat. Die in 116 Chaucerstr. abgefaßte Übersetzung ist ohne literarischen W e r t . (Ungedr.) D a L. ein so erfolgreicher Legendenverfasser war, nimmt es nicht wunder, d a ß man ihm zahlreiche weitere Legenden unterschob. Rits. 248 möchte ihm eine St. Alexes-Fassung zuschreiben, wobei dahingestellt bleibt, welche der zahlreichen Versionen auf ihn zurückgehen soll [vgl. I.: 'Alexis']. Die Zuweisung eines Life of St. Anne (O blessed Jesu that art fülle of myght) [Rits. 231; I. 2392] in 94 C h a u cerstr. gedr. EETS. 174 p. 90 f. und von MacCracken in: Archiv 130 (1913) p. 286 ff. mag dadurch veranlaßt sein, d a ß L. ein lyrisches Stück 'Praise of St. Anne' sdirieb und L.s Freund und Bewunderer Bokenham eine V i t a verfaßte (in Chaucerstr., wie sie L. in der Legendendichtung inaugurierte). Ähnlich mag es mit dem Life of St. Barbara ( W h a n Maximian for alle his tyrandyse) stehen [Rits. 237; I. 3994] ungedr., und dem Life of St. Denis, bei dem zudem fraglich bleibt, welche Fassung auf L. zurückgehen soll [I. 2882?: Seint Denis was in |>e olde lawe]. Die Zuweisung der Sí.-£raím«j-Legende 'Passio Sancti Erasmi' (Alle cristen peple listeneth ye Sc here) [Rits. 240; I. 173], 172 Zeilen, ist insofern erklärlich, als der Verfasser sich bemühte, L.s Stil nachzuahmen. Gedr. von H o r s t m a n n Archiv 62, 414 ff. und Ae. Leg. 1878 S. 198 ff. - MacCracken druckt in Archiv 126 p. 365 ff. The Story of Job (Most mercifull lorde by thyne h a b u n d a n t goodnesse) [I. 2208] 26 Ch.Str., die L.s. Schule zeigt sowohl im Gebrauch des Metrums wie darin, d a ß sie als Begleitung zu Bildern geschrieben ist. - Auf der Grenze zwischen Legende und f r o m m e r Erzählung steht The three Kings of Cologne (For w y n d e or Rayne, ffor water or colde or hete) 859 Zeilen in Ch.Str. [I. * 3 1 ] , Der bruchstückhaft überlieferte T e x t (etwa 100 Zeilen zu A n f a n g scheinen zu fehlen) ist nach MacCrackens Vermutung (Archiv 129 [1912] S. 50 ff.) von einem nördlichen Schreiber im Stile L.s v e r f a ß t , kurz nachdem dieser seine Edmundslegende beendet hatte (1433). - Die Legend of a Monk of Paris (Remembryd by scriptures we f y n d e ) ist eine kurze Version (4 Ch.Str.) der Geschichte vom dankbaren Toten [1.2810], gedr. Halliwell p. 73 f. - Ebenso kurz (5 Ch.Str.) ist die gleichfalls in Halliwells Ausgabe (p. 72 f.) gedruckte Legend of Wulfrike, a priest of Wiltshire (In Wiltshire of England t w o pristis ther were) [I. 1590; Rits. 43 unter Titel ' T w o priests of Wiltshire']. Die meisten der anonymen Dichtungen, die man L. zuschrieb, sind natürlich religiöse Gedichte. So f ü h r t e Stow (22) L. als Verfasser der H y m n e n p a r a p h r a s e Conditor alme siderum an, ohne d a ß wir eine der vorhandenen (u. a. von R y m a n [I. 1231] und Herebert [I. 2433] bearbeiteten) Fassungen als L.s Version identifizieren können und vielleicht einen Teil des Laetabundus-Gedichts d a f ü r in A n spruch nehmen müssen. Rits. nennt (180) eine De coelorum g«»¿j¿j-Paraphrase, die
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gleichfalls nidit nachweisbar ist. — Eine nahezu zeitgenössische Zuweisung der fast epischen Umfang erreichenden Dichtung The Nightingale (Go lityll quayere And swyft thy prynses dresse) [I. 931] stammt von dem Schreiber Humphrey Newton (ca. 1466 geb.). Tanner u. a. wiederholen das, wobei allerdings die Möglichkeit besteht, daß diese Gewährsmänner das zur Rede stehende Gedicht mit L.s 'A sayenge of the Nyghtingale' (In June whan Titan was in Crabbes hede) [I. 1498] verwechseln. Beide Dichtungen sind von O. Glauning gedruckt in Two Nightingale Poems EETS. ES. 80 (1900). Glauning tritt für L.s Verfasserschaft beider Gedichte ein, was nach MacCracken nicht aufrechtzuerhalten ist. - Eine weitere Gedichtgruppe, die L. zugeschrieben wird, sind die 'Psalmi passionis'. So betiteln Stow (13) und Rits. (221); Stow (14) schreibt aber auch eine Dichtung 'Of Christ's Passion' L. zu und, vermutlich ihm folgend, audi Rits. (220). Vielleicht können wir in diesem wie in anderen Fällen mit einer doppelten Aufführung rechnen; gemeint ist offenbar beidemal dasselbe Gedicht: Psalms of the Passion (O lord omnipotent fadyr of oure creacyoun) [I. 2493]. Das 24 Chaucerstr. umfassende Gedicht ist völlig in L.s Manier gehalten, wird aber von MacCracken auf Grund einer Reimuntersuchung in eine spätere Zeit gestellt und vermutungsweise dem Verfasser der 'Magnificentia Ecclesiae' zugeschrieben. Gedr. Archiv 130, 299 f. Zu diesen Paraphrasen gehört audi: A Hymn to the Creator oder 'Haue Mercy on me!' (Almyhti God, maker of Heuene) 5 Ball.Str. [I. 253], gedr. Archiv 131, 43; C. Brown: Rel.Lyr. X V C. 214 f.; EETS. 155, 67 ff. — Von den zahlreichen Jesus-Gedichten, die unter L.s Einfluß stehen und die man früher ihm selber zuschrieb, ist das Appeal of Christ genannte (Bannatyne MS. 1568, Hunterian Club p. 112 f. 'O creaturis creat of me your creator') nach MacCracken auf Grund der 'rhyme-tests' L. abzusprechen. Das von Rits. (208) aufgeführte Testamentum Christi ist ohne nähere Angaben nidit identifizierbar. Weitere Jesus-Gedichte der L.-Schule: A Prayer to Christ's Name oder 'A Prayer to Christ against perils' (O cryste Jesu mekely I pray to the), das dem ersten Teil des L.sdien 'Testament' nahesteht (Rits. 217; I. 2401), 3 Chaucerstr., gedr. Archiv 131, 43; Rel. Lyr. X V C., 191; A Song of love to Jesus (Ihesu J>i swetnes whoso my3te it se) [I. 1781] 15 Ball.Str., gedr. Horstmann: Yorkshire Writers I, 368; EETS. 98, 45; A Prayer to Jesu (Jesu Crist kepe our lyppes from pollucioun) [I. 1682] 6 Ball.Str., ungedr. - Das Magdalenengedidit (Rits. 26) The Lamentatyoun of M. Magdaleyne (Plonged in the wawe of mortal distresse) [1.2759], eine umfängliche (102 Chaucerstr.), L. zu Unrecht zugeschriebene Dichtung, ist gedr. in Miss B. M. Skeat's Diss. Zürich 1897. — Von den Gebeten ist das von Stow (46) und Rits. (92) genannte Praier to bedward and at rising nidit nadigewiesen, es sei denn, wir nähmen die folgenden beiden Gedichte dafür, die allerdings nichts mit L. zu tun haben: 'A deuout prayere toward thy bedde at nyht' (Now Jesu lord . . . ) [I. 2345] 6 Vierzeiler, gedr. Archiv 130, 304 und Rel. Lyr. X V C. p. 194 f., und 'A deuout prayere at thy vprysyng' (In nomine patris . . . ) [I. 1720] 8 Vierzeiler gedr. Ardi. 130, 305 und Rel. Lyr. X V C. 195. Lydgates Prayer to St. Edmund on behalf of Henry VI (O gloryous Martyr wiche of deuout humbles |j ffor Crystys . . .) in 8 Ball.Str. [1.2445] ist echt, es ist ein Einschiebsel in die Edmundslegende, gedr. Horstmann Ae. Leg. 1881 p. 438 f. - Besonders zahlreich sind die L. zugeschriebenen Mariengedichte. Von dem zeitgenössischen Schreiber Shirley wird L. als Verfasser von An aureate prayer to the Blessed Virgin
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oder 'Dilectus meus' oder 'Rex Salamon' genannt (Rex Salamon summus of sapience) [1.2816; Rits. 98]. MacCracken zögert, es als echt anzuerkennen, da die metrischen und Reim-Tests nicht für L.s Verfasserschaft sprechen. In der mittelenglischen Marienlyrik nimmt das Gebet Quia amore langueo 34 ), a lament of the Blessed Virgin (In a tabernacle of a Toure | As I stode . . . ) [I. 1460] 12 Ball.Str. eine hervorragende Stellung ein. Nicht nur von Rits., sondern audi von zeitgenössischen MSS. (Shirley) wird es L. zugewiesen, und diese Zuweisung ist noch in jüngster Zeit vertreten worden 35 ). Die Frage ist von Bedeutung, weil es sich um tines d.-r schönsten mittelenglischen religiösen Gedichte handelt, das vielfach gedruckt wurde (zuletzt in Rel. Lyr. X I V C. p. 234-37 u. Weston p. 347) und weil ein wichtiges Echtheitskriterium bisher nicht beachtet wurde. MacCracken spricht es L. ab, es sei 'generally admitted to be the highest poem of the type in English, the finest expression of the Virgin's sorrow' (M. P. X X X I I ) und liege jenseits von L.s Vermögen. Das Gedicht hat die Innigkeit der Marienlieder des 13. Jh., wie sie in den Carols des 15. Jh. noch lebt oder wieder auflebt, dabei das deklamatorischdrängende Überreden der religiösen Dichtung des 14. Jh. Maria ist vermenschlicht und rührend und thront nicht in abgerückter Majestät. Dies Kriterium ist m. E. entscheidend. Das Gedicht ist völlig unlydgatisch, es hat nichts von dem seine Mariendichtung charakterisierenden Invokationsstil. Eine so schlicht-menschliche Auffassung Marias findet sich nirgends bei L., sie wäre ihm wohl als Profanierung erschienen. Es erscheint folglich abwegig, wenn MacCracken sagt und es sogar als Echtheitskriterium werten will, daß die religiöse Dichtung L.s der Quia amore Langueo-Schule einzuordnen sei. Mir scheint die Mariendichtung fraglicher Autorschaft nur dann L. nahezurücken zu sein, wenn sie seine Auffassung Marias als eines vom Diesseits abgerückten göttlichen Gnadenbildes zeigt und zugleich den dieser Auffassung entsprechenden pompösen Invokationsstil. - Unter diesem Gesichtspunkt müssen audi die anderen L. zugeschriebenen Mariengedichte gesehen werden, um so mehr, als dadurch MacCradcens Schlußfolgerungen meist bestätigt werden. Es sind dies die folgenden Mariengedichte, -gebete und -hymnen. Zunächst zwei Planctus: Stabat mater dolorosa (Heyle goddes moder dolorous) [Rits. 196; 1.1048] gedr. von Brunner in: Anglia 61, 142 f. und in Brown's Rel. Lyr. X V C. p. 22 f., und A Lament of our Lady at the Passion (There stood besyde the crosse) [Rits. 6; I. 3543] in 15 Ball.Str., das wohl trotz Stows Handschriftvermerk nidit von L. stammt. MacCracken beschreibt es als 'a late attempt to rival the beautiful earlier lyrics in this manner', gedr. Archiv 130 (1913) p. 305 if. - Auch die folgenden Gedichte sind ohne genügende Begründung L. zugeschrieben worden: Maria vir go assumpta est (so betitelt es Rits. 192) oder 'Mystical invitation of the Blessed Vir34) Es sind drei Gedichte dieses Titels überliefert. Außer dem oben genannten Mariengedicht eine moralisierende, auf dem Hohen Lied fußende Klage Christi: 'In a valey of this restles mynde' (I soughte . . . ) [1.1463] in 16 Ball.Str., gedr. Early English Lyrics p. 151 f., und eine in Rolles Prosa eingefügte Strophe 'Qwen wil f>u come 8c comforte me' [1.4056], gedr. Horstmann: Yorksh. Writers II, 34. Die beiden zuerst genannten Fassungen sind gedr. von Furnivall EETS. 15, 148 ff.; 151 ff. 35) Brusendorff: 'The Chaucer Tradition' fragt, warum Shirleys Autorität in diesem Fall angezweifelt werde, wenn sie bei 9 Nummern desselben MS (Ashmole 59) anerkannt werde. Vgl. aber MacCracken X X X I I
S c h i r m e r, Lydgate
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gin to man' (Regina celi, qwene of t h y sowth) [I. 2803] in 10 Ball.Str. mit dem R e f r a i n : Maria virgo assumpta est. Gedr. von MacCracken in: Archiv 131, 50 f., der dieses Gedicht dem Stil der Vernon-Gedichte nahestellen möchte. Verti coronaberis, a song of Christ to the Blessed Virgin (Surge mea sponsa so swete in sight) [Rits. 188; I. 3225] in 9 Ball.Str., ein Gedicht, das nadi L.s Brauch das Hohelied stark heranzieht. Gedr. Furnivall E E T S 24, 1 - 3 und Rel. Lyr. X V C. p. 65 f. Eine der im folgenden a u f z u f ü h r e n d e n Anrufungsgedichte und H y m n e n w i r d das von Rits. als N r . 198 a u f g e f ü h r t e 'Ave M a r i a ' sein, sofern nicht L.s 'Ave regina celorum' (M. P. 291) gemeint ist. (Ein Versuch, sich auf eines der unter den Aves [I. S. 743] a u f g e f ü h r t e n Gedichte festzulegen, m u ß schon deshalb vergeblich sein, weil keines dieser Gedichte L.s Verfasserschaft aufdrängt.) A Prayer to the Blessed Virgin (All hayle Mary, ful of grace) [I. 183] in 6 Ball.Str., gedr. Rel. Lyr. X V C. p. 28; Archiv 131, 45. Salue regina, a hymn to the Blessed Virgin (Salue w y t h all obaysans to God in humblenesse) [I. 3074] in 4 oder 5 Ball.Str. gedr. Archiv 131, 44 f.; Flügel in Anglia 26 S. 172 und E E T S . ES. 101, p. 60 f. Die nun a u f z u f ü h renden H y m n e n ähneln denen L.s, was z w a r nicht ein Beweis f ü r seine Verfasserschaft ist, wohl aber f ü r die Schule, die von ihm ausging und die seine rhetorische A r t o f t ununterscheidbar nachahmte. Einen Beleg d a f ü r haben wir in A hymn on the five joys of the Virgin (Heyl, glorius virgyne, ground of all our grace) [1.1046] in 5 Ball.Str. gedr. Archiv 131 S. 49 und Rel. Lyr. X V C. p. 53 f., die Shirley in seinem Ms. Ashmole 59 einer 'holy ankaresse of Mansfeld' zuschreibt. In Stil und R h y t h m u s L.s. Litanei ganz nahe ist A prayer to the Blessed Virgin and several saints (Mercyful Quene, as ye best kan and may) [I. 2154] in 4 Ballund 5 Chaucerstr. gedr. Archiv 131 S. 46 und Rel. Lyr. X V C. p. 200 ff. In dem Gedicht Gaude flore virginali (Ioy blissid lady with pure virgynal flowre) [I. 1804] in 8 Chaucerstr., das schon Rits. in seinem K a n o n a u f f ü h r t e (202), möchte H a m merle (Anglia 55 S. 429) L.s Version dieses beliebten Themas sehen (vgl. I. 897 und 1807), wogegen nach MacCracken metrische und Reim-Tests sprechen. Manchmal allerdings ist eine Entscheidung unmöglich. In der 'macaronic h y m n to the Blessed Virgin': Regina celi letare (Regina celi letare || In whome fyrste f)is worlde began) [1.2802] in 4 Ball.Str., gedr. Archiv 131 S. 48 f. und Rel. Lyr. X V C . p. 52 f., decken sich Metrum, Strophe und R e f r a i n mit L.s gleichnamigem Gedicht. - An L.s ' V a lentine' erinnert Lenvoy to Mary (Goe lytyll byll, and doe me recommende) [1.927] in 6 Ball.Str., gedr. Archiv 131 S. 47 und Rel. L y r . X V C . p . 75 f. Das Akrostichon auf den N a m e n in L.s Gedicht 'Ave Jesse Virgula' ist nachgeahmt in A balade in praise of the Blessed Virgin with acrostic (Awey, ifeint lufe, f u l l of varyance) [1.456] in 15 Ch.Str., gedr. Archiv 131 S. 51 ff. - W i r beschließen diese Ubersicht, die vor allem die Ausbreitung von L.s Stil in seiner Schule zeigt, mit der Hymn to the Virgin O flos pulcherrime! (With humble hert I praye iche creature, oder eigentlich, d a in MacCrackens Druck die erste Strophe f e h l t : Myght wisdom goodnesse of the T r i n k e ) [1.2168] in 23 Ball.Str. mit dem R e f r a i n : ' O florum flos, O flos pulcherrime', gedr. Archiv 131 S. 60 ff. Von religiösen Gedichten vermischten Inhalts mögen die von Stow 45 und Rits. 114 genannten Stücke identisch sein, nämlich: An exhortation against the Deadly Sins (Syth in thys world per can no p y n g be sewre) [I. 3129] ein Gedicht in 10 Chaucerstr., das MacCracken Archiv 130 (1913) S. 308 f. abdruckte und von dem er zugibt, d a ß es 'approaches most
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closely in its imitation to the genuine work of Lydgate'. - Das schon genannte Magnificence of the Church oder 'Parvus tractatus de magnificentia ecclesiae' (Emperour of all emperours omnipotent) [Stow 16; Rits. 127; 1.723] bezeichnet MacCracken als sehr bemerkenswert, aber roh im Metrum und möchte es dem Verfasser der 'Psalms of the Passion' (s. d.) zuweisen. 39 Ball.Str., gedr. PMLA 24 p. 688-698 (MacCracken). L., der soviele moralisch-didaktische Gedichte schrieb, wurden weitere derartige Stücke zugeschrieben. So von Rits. 2 Nummern (60, 88) On the Chaunse of the dyse (First myn vnkunnynge) [I. 803] 59 Chaucerstr., gedr. Hammond in: Engl. Stud. 59, 5 ff. und z . T . in: Cohen, Ballade. Ferner nennt Rits. (18) [1.1936] das kurze in schlechter Metrik verfaßte On the folly of keeping up riches (Long wil be water in a welle), gedr. Rel. Lyr. X V C. p. 288. - Halliwell druckt (p. 228) Make Amendes (Bi a wode as I gone ride) [1.563], das in Versroman-ähnlicher Eröffnung in 12 Ball.Str. mit Refrain die Lehre des Titels einprägt. Desgl. (p. 225) Thank God for all (By a wey wandryng as y wente) [I. 562] 17 Ball.Str. mit Refrain, auch in Rel. Lyr. X I V C. p. 157 ff. gedr. (vgl. Engl. Stud. 41, 374 ff.). Desgl. (p. 222) For the better ahyde oder 'A ditty upon improvement' (I see a rybaun ryche and newe) [1.1355], ein Gedicht von 7 Ball.Str., auch in Rel. Lyr. X V C. p. 283 gedr. Das von Halliwell p. 84 ff. gedr. A Poem against idleness (Two maner of folkes to put in remembraunce) 41 Ch.Str. ist unter diesem Titel und Anfang in MacCrackens Canon und Browns Index nicht festzustellen. Schließlich gehört hierher das On the mysteries of Creation oder, nach dem Refrain, 'Hoc factum est a domino' betitelte Gedicht (O man thow marrest in thy mynd) [1.2503] 12 Ball.Str. gedr. Archiv 131,41 ff.
REGISTER Herausgeber und Kritiker des 19. und 20. Jahrhunderts sind nicht verzeichnet (siehe Exkurse und Anmerkungen) Adam von St. Victor 232 Advice to an old gentleman s. Prohemy of a Marriage Aethelstan, ags. König 79 Agincourt 49, 50, 121, 204, s. auch Battle of Agincourt Alanus von Lille (ab Insulis) 83 Alban, St. 144 ff. 147, 149 Albans, St. (Kloster) 4, 6, 7, 10, 11, 12, 13, 16, 34, 45, 67, 120, 144, 145, 147, 209, 214 Albold, Abt von Bury St. Edmunds 17 Alcock, J., Bischof 237 Alfred, wests. König 125, 206 Allegorie 29, 32 ff., 40, 70, 86, 89,92,103, 105, 106, 111 ff., 118, 121 ff., 131, 142, 170, 190, 201, 211 ff. Alnwick, William, Bischof von Norwich 15, 126 Anna von Böhmen, Gattin Richards II. von England 13, 14, 20, 85 Anna, Tochter des Herzogs Johann von Burgund, Gattin des John of Lancaster, Duke of Bedford 25, 99, 100, 124, 203 Anne d'Armagnac 147 Anselm, Abt von Bury St. Edmunds 8, 10, 17 Appeal of Christ 236, 240 Appleby, Thomas, Bischof von Carlisle 3 Aristoteles 105, 123, 216 Armagnac, comte de (Bernard VII) connétable de France 51 Arras, Vertrag von 199, 205 Arthur, König 60, 151, 195 Arthur, Sohn König Heinrichs VII. von England 124 Arundel, 3rd Earl of (Richard Fitzalan) 21 Arundel, Thomas, Erzbischof von Canterbury 16, 20, 21, 23, 24, 25, 48, 50 Ashby, George 223
Assemble of Damis 235, 236 Assembly of Gods, The 235, 237 Augustinus 153, 187, 195, 201 Aulus Gellius 190 Aureate prayer to the Blessed Virgin, An 236, 240 f. Aureate terms (s. audi Lydgates Dichtstil) 62, 64 f„ 137, 146, 162, 223, 228 Ausonius 88 f. Azincourt s. Agincourt Babees Book 93 Babington, William, Abt von Bury St. Edmunds 17, 215 Balade in praise of the Blessed Virgin 236, 242 Balade warning men against deceitful women 235, 236 Balduin, Abt von Bury St. Edmunds 8, 9, 11, 17 Bale, John 18,19, 224, 235, 238 Bandello, Matteo 208 Barbour, John 19, 128 Basler Konzil 15, 125, 199 Bateman, William, Bischof von Norwich 15 Battle of Agincourt 55, 93, 235, 238 Baynard's Castle (Surrey) 175 Beaudiamp, Isabella 80, 126, 170 Beauchamp, Richard, Lord of Abergavenny i70 Beaudiamp, Richard de, 5th Earl of Warwick 15, 50, 53, 68, 79, 80, 99, 100, 101, 112, 117, 118, 126, 170, 205 Beaufort, Edmund, 2nd Duke of Somerset 214, 221, 222 Beaufort, Henry, Bischof von Winchester (Kardinal) 24 f., 26, 44, 48, 50, 52, 59, 68, 96, 98, 100,112,116,118 f., 125, 184, 199, 203, 205, 209 f., 221 Beaufort, Lady Jane 98 Beaufort, John, Earl of Somerset 24 f.
Register Beaufort, Thomas, Duke of Exeter (Kanzler) 24 f., 45, 60, 68, 116, 177 Beauvais, Vincent de 70, 140 Beckyngton, Thomas 125 Beda 145 Bedford, Duke of (John of Lancaster) 15, 24, 48, 50, 54, 59, 60, 68, 69, 80, 96 ff., 99 ff., 102, 103, 104, 105, 116 f., 118, 124 f., 133, 199, 200, 203, 205 Belle dame sans merci, La 31 Benedikt XIII., Papst 50 Benediktiner 10, 11, 14, 18, 20, 120 Benoit de Sainte-Maure 36 f. Berkeley, Elizabeth, Gattin von Lord Talbot 79 Berkeley, Lord Thomas 79 Berneville, Guillaume de 137, 138 Bernham, William [de], Abt von Bury St. Edmunds 12, 17 Bernhard von Clairvaux 157 Berry, Jean, Duc de 181, 182 Bildgedichte 59, 83, 84 ff., 91, 102,109 f., 113, 122 f., 136, 137, 156, 161, 167, 173, 239 Bishopswood (bei London) 87 Blackheath 49, 58, 122, 210 Blackman, John 125, 213 Black Prince s. Edward Blanche, Tochter Heinrichs IV. von England, Gattin des Kurfürsten Ludwig III. von der Pfalz 23, 52 Blanche, Herzogin von Lancaster, Gattin des John of Gaunt 28, 30 Boccaccio, Giovanni di 56, 120, 179, 180 ff., 185, 189,190,191,193 f., 195 f. 198, 208, 216 Bodenham, John 223 Boethius 93, 195 Bohun, Mary de, Gattin Heinrichs IV. von England 24 Bokenham, Osbern 134, 148 ff., 219, 223, 239 Bonaventura 93, 104, 131, 157 Book of Courtesy 93 Boone, John, Abt von Bury St. Edmunds 17 Bostock, John s. Whethamstede Boston, John, vermutlich Bibliothekar von Bury St. Edmunds 10 Bourchier, Lady Anne, Gattin von 1. Thorn., Earl of Stafford f 1392, 2. Edm., Earl of Stafford t 1403, 3. Will. Bourchier 133, 166 Bourchier, Henry Viscount (später Earl of Essex) 133, 216, 219 Bourchier, Isabella, Gattin von Henry Viscount Bourchier 134 Bourdiier, William 133
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Bourgeois de Paris, Journal d'un 60, 109, 117, 118, 119 Bradshaw, Henry 35, 149 Bramham Moor (Schlacht bei) 24 Brampton, Thomas 93 Brantingham, Thomas, Bisdiof von Exeter 170 Braybrook, Robert, Bischof von London 18 Breham, Robert 224 Bretigny (Vertrag von) 1 Brewster, William 15 Brinkele, John [de], Abt von Bury St. Edmunds 17 Bristol (Kloster) 7 Brodwell, John 15 Bromfield, Edmund 12 Bromtonus, Johannes 139 Brut 50, 59, 69, 93, 112, 121, 154, 194, 200, 211, 212 Buckingham, Duke of s. Stafford, Humphrey Bunting, William, Abt von Bury St. Edmunds 17 Bunyan, John 106 Burgersh, Maude, Gattin von Thomas Chaucer 52, 53 Burgh, Benedict 134, 157, 216, 219, 239 Burgund 48, 61, 99 Burgund, Herzöge von s. Philippe le Hardi (1361—1404); Jean sans Peur (1404—19); Philippe le Bon (1419 bis 1467) Buries Markes, Londoner Stadthaus des Klosters Bury St. Edmunds 121 Bury, Sir Edmund 32 Bury St. Edmunds (Kloster) 4, 5, Beschreibung 6 ff. Geschichte 11 ff. Bedeutung 14 ff. Liste seiner Äbte 17; — 18,19; Arundels Besuch 20,21; die Pastons 32; Heinrich IV. 35; Heinrich V. 42; Bindung an das Königshaus 44 f.; Priorei von Hatfield 76 f.; — 95, 99 Besuch Bedfords 100; Beisetzung Thomas Beauforts 116; AbtCurteys 119 f.; Buries Markes 121; Besuch König Heinrichs VI. 125 f., 142; Reliquie der Hlg. Petronilla 136 f.; Edmundslegende 142 ff.; Feiertage 152; Korrespondenz des Königs mit'Curteys 205, 206, 210; — 213; Parlament in Bury 214; — 215. 222 Bury St. Edmunds (Stadt) 13, 18 Cade, Jack 222 Caesar s. Serpent of Division und Fall of Princes (191 f.) Calais (Vertrag von) s. Bretigny Calot, Laurence 101 f.
246
Register
Cambridge 18, 19, 125, 207, King's College 10, 15, 114, 206, 207, 209 Queen's College 213 Cambridge, Prior 13 Cambridge, Richard Earl of 48 Canterbury 6, 10, 45, 55, 58 Canute 11 Capgrave, John 35, 139, 149 Carlyle, Thomas 11 Carols 172, 241 Carpenter, John (Jankin) 109 f., 121 Cato's Distichs 236, 239 Catterick, John, Bischof von Exeter 170 Cavendish Sir John 13 Caxton, William 69, 104, 130, 224 Charles V, König von Frankreich 2, 3, 104, 118 Charles V I , König von Frankreich 3 , 1 3 , 16, 21, 49, 54, 58, 68, 86, 100, 102, 118, 198 Charles V I I , (Dauphin 1422-61), König von Frankreich 49, 54, 57, 59, 91, 102, 108, 116, 117, 165, 199, 200, 205, 210, 221 Charles V I I I , König von Frankreich 217 Charles ¿'Orleans 23, 25, 104, 181, 198, 203 f., 208 Chastellain, Georges 58, 60 Chaucer, Alice 15, 52, 53, 103, 153, 177, 203, 204, 220, 222 Chaucer, Geoffrey 1, 2, 19, 27 ff„ 30, 32 f., 37 f., 40 f., 47, 52,55,61 ff., 66,84, 90, 92 f., 99, 106, 108, 128 f., 144, 146, 148, 149, 159, 160, 171 f., 177, 183, 188, 193, 197 f., 204, 208, 219, 223 ff., 234 ff. Chaucer, Mathilde, Gattin des Thomas Chaucer 199 Chaucer, Thomas 15, 51 ff., 53, 54, 55, 101, 103, 199, 203, 220 Chaunse of the dyse 236, 237, 243 Chester plays 86 Chichele, Henry, Erzbisdiof von Canterbury 50, 59, 60, 67, 68, 97, 112, 209 Childe of Bristow, The 235, 238 Chlodwig, Frankenkönig 91 Christine de Pisan 28, 30, 103, 181 Cicero 123, 181 Clanvowe, Sir Thomas 28 Clarence, Thomas, Duke of 24, 58, 59, 177 Clifford, Richard, Bischof von London 44 Cobham, Eleanor, zweite Gattin des Humphrey Duke of Gloucester 97, 208 f. Cobham, Lord s. Oldcastle Cobham, Reynold 208 Complaint against Hope 235, 236 Complaint d'amours 235, 236
Conditor alme siderum 236, 239 Cotson, William 155 Courtenay, William, Erzbisdiof von Canterbury 3, 5, 20 Court of Sapience 93, 235, 237 Craft of lovers 235, 236 Crashaw, Richard 168 Cratfield, William [de], Abt von Bury St. Edmunds 17, 26, 44 Cratfields Registrum 17, 18 Curteys, William, Abt von Bury St. Edmunds 15, 17, 76, 114, 119 f., 125 f., 139, 142, 144, 156, 205, 206, 207, 210, 215 Curteys Registrum 125, 206, 215 Dante 27, 103, 172, 189, 196 Dantis opuscula 236, 238 De coelorum gaudiis 236, 239 Deguileville, Guillaume de 53, 75, 102 ff., 170 ff., 177, 230, 236 De re militari 236, 239 Derham, John, Prior von Hatfield 76, 77 Deschamps, Eustache 27 Despenser, Constance 170 Despenser, Henry, Bischof von Norwich 13, 16 Despenser, Isabella, dritte Gattin von Richard Beauchamp, Earl of Warwick, s. Beauchamp, Isabella Despenser, Thomas, Lord 80, 170 Disciplina clericalis 32, 81, 208 Douglas, Gavin 223 Dramatisches s. Bildgedichte, King's Entries, Lebende Bilder, Maskenaufzüge, Mummings, Streitgedidite, Totentanz Draughton, Richard [de], Abt von Bury St. Edmunds 17 Du Guesclin, Bertrand 2, 3 Dunbar, William 162, 178 Dunois, Jean 203 Dunstable (Stadt) 4 Dunstable, John 61 Durham 6, 8, 10 Earl of Toulouse 28 Echecs Amoureux, Les 33 Edmund, König von Ostanglia 9, 10, 11, 126, 140 ff., 165 Edmund de Walpole s. Walpole Edmunds, St. (Kloster) s. Bury St. Edmunds Eduard, der Bekenner, König von England, 60, 206 Eduard I., König von England, 12 Eduard II., König von England, 118,198 Eduard III., König von England 1, 3, 4, 9, 17, 21, 27, 48, 49
Register Eduard IV., König von England 115, 141, 143, 237, 238 Eduard VI., König von England 216 Edward, 'the Black Prince', ältester Sohn König Eduards III. 2, 3, 45, 49, 196 Egbert (Ecgberht), Erzbischof von York 115 Elmham, Thomas 21, 25, 48, 50, 99, 238 Ellham (Schloß) 26, 49, 58, 85, 89, 98, 210 Ely, Bischof von s. Fordham, John Elyot, Thomas 208 Epitaphium Ducis Glowcestrie 235, 238 Estfeld, William 91 f. Ethelred, wests. König, 49, 143 Eton 10, 125, 209, 213 Eugenius IV., Papst 125, 210 Eusebius 73 Ewelme (Landsitz und Dorf) 52 f., 54, 199, 203, 205, 216 Exeter, Duke of s. Beaufort Thomas Exeter, William de, Abt von Bury St. Edmunds 14, 17, 44 f., 76, 101, 119, Registrum Exeter 44 Exhortation against the Deadly Sins, An 236, 242 Expedition of Henry V into France 235, 238 Eynsham (Kloster) 7 Fabyan, Robert, Chronist 59, 79, 113, 121
Faure, Pierre 182 Feylde, Thomas 223, 224 Fordham, John, Bischof von Ely 18, 45 Forrest, William 216, 223 Fortescue, Sir John 186 For the better abyde 236, 243 Fortuna 42, 43, 44, 71, 74, 89, 92, 107, 108, 111, 169, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 183, 185 f., 190, 194, 197, 207, 208 Fouquet, Jean 182 Four Daughters of God, The 103, 131, 211 f. Freeman, Sir Ralph 223 Fremund, König von Mercien 140 if. Froissart, Jean 1, 2, 22, 27, 85, 118 Fürstenspiegel s. auch Mirror for Magistrates 56, 181 f., 184, 185, 194, 197, 216, 217 Gallopes, Jean de 104 Gaude flore virginali 236, 242 Gawatn und der grüne Ritter 2, 31 Gelebronde Ralph 110, 167 Gerardus (Girardus) Cornubiensis (Mönch in einem Kloster in Cornwall) 79
247
Glastonbury (Kloster) 18 Glendower, Owen 24, 50 Gloucester (Kloster) 7 Gloucester Hall (Oxford) 18 Gloucester, Humphrey, Duke of, 10, 15, 24, 52, 53, 60, 67, 68, 69, 82, 93, 96 ff., 104, 116, 120, 126, 149, 179, 181, 182, 184, 187, 188, 189, 193 f., 198, 203, 208, 209 213, 214, 221 Gloucester, Duke of (Thomas of Woodstock) 21, 198 Goldenes Zeitalter 175, 192 Goldsmith, Oliver 208 Gosford, John, Prior von Bury St. Edmunds 10 Gower, John 28, 30, 39, 61, 129, 147, 183, 211, 216, 223, 224 Grafton, Richard, Chronist 79 Granson, Oton 27 Gray, Thomas 176, 224 Gray, Sir Thomas 48 Gregor XI., Papst 5 Gregory, William, Chronist 112, 211 Grosseteste, Robert 94 Guido delle Colonne 36 f., 39, 40, 216 Guillaume de Berneville s. Berneville Guillaume de Lorris s. Lorris Gulle, William, Prior von Hatfield 77 Hall, Edward, Chronist 22 Hardecnute, König von Dänemark und England 206 Harvey, Gabriel 223 Hatfield Regis 76, 77, 98, 101, 119, 216 Hawes, Stephen 223, 224, 237 Heiligenlegenden 128 ff., s. audi Lydgate Heinrich II. von Anjou, König von England 55 Heinrich III., König von England 12 Heinrich IV., König von England 20, 21 bis 26, 30, 35, 45, 46, 48, 85, 187, 202, 205 Heinrich V., König von England 20, 21, 24 ff., 35, 36, 37, 42 f., 44, 45 ff., 52, 54 ff., 58 ff., 68, 69, 75, 85, 89, 96, 97, 99, 100, 102, 104, 113, 114, 118, 121, 124, 129, 133, 163, 175, 177, 202, 204, 205, 213, 238 Heinrich VI., König von England 7, 10, 15, 16, 45, 47, 49, 52, 55, 59, 68 f., 78, 79, 85, 86, 87, 90 f., 95, 96, 98, 100, 101, 102, 111—119, 121 ff., 125 ff., 141, 147, 149, 165, 166, 182, 199,203, 205, 206, 207, 209 ff., 217 ff., 222 Heinrich VII., König von England 21, 202 Hengham, Richard de, Abt von Bury St. Edmunds 17
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Register
Henri II von Frankreich s. Heinrich VI., König von England Henry, Abt von Bury St. Edmunds 17 Henryson, Robert 19 Herebert, William 239 Hertford (Königsschloß) 85, 90, 114 Hervi, Baumeister des 12. Jh. 8 High astrapotent auctor, The 235, 237 [H] occleve, Thomas 28, 47 f., 52, 216, 224 Hoc factum est 236, 243 Holland, John s. Huntingdon, Earl of Homer 37, 145, 216 Hood of Green 82, 235, 237 How the good wife taught her daughter 93 How the wise man taught his son 93 Hugo, Sakristan von Bury St. Edmunds 9 Hugo I., Abt von Bury St. Edmunds 17 Hugo II., Abt von Bury St. Edmunds 17 Humphrey, Duke of Gloucester s. Gloucester Hunstanton, Henry [de], Abt von Bury St. Edmunds 17 Huntingdon, Anne s. Mortimer, Anne Huntingdon, Earl of, (John Holland) 133, 199 Hymn on the five joys, A 236, 242 Hymn to the Creator, A 236, 240 Hymn to the Virgin: O flos pulcherrime 236, 242 Idley, Peter 93 Insula, Richard de, Abt von Bury St. Edmunds 17 Interludien 87, 90 Ipomydon 28 Isabeau von Bayern, Gattin des Charles VI von Frankreich 51, 54, 59, 118 Isabeau von Frankreich, Gattin König Eduards II. von England 118 Isabel, Gattin des Duke of Warwick 15 Isabella von Frankreich, zweite Gattin Richards II. von England 21, 25, 49 Islip, Simon 216 Ixworth, Robert de, Abt von Bury St. Edmunds 17 Jacqueline von Hennegau oder: Holland (Jacobea von Bayern) Gattin des Humphrey Duke of Gloucester 59, 97 f., 208 Jacqueline de Luxembourg, zweite Gattin des Duke of Bedford 124 Jakob I., König von Schottland 24, 60, 98, 205 Jean de Meung s. Meung Jean sans Peur, Herzog von Burgund 23, 25, 51, 57, 102, 118
Jeanne d'Arc 91, 116, 117, 202 Jocelinus de Brakelonda 7, 11 Johann [Leicester], Erzbischof von Smyrna 14 John of Gaunt, Duke of Lancaster 3, 16, 25, 30 John of Lancaster, Duke of Bedford, s. Bedford Johann ohne Land, König von England 11 John of Salisbury 70, 129, 187, 193 Johann II., König von Frankreich (Jean le Bon) 1, 2, 180, 195 f. Johanna von Navarra, Gattin Heinrichs IV. von England 23, 48, 205 Josephus Flavius 188, 192 Journal d'un Bourgeois de Paris s. Bourgeois Justinus, Marcus Junianus 189 Kataloge 43, 44, 97, 113, 137, 143, 174 Katharina von Arragon 124 Katharina von Valois, Gattin Heinrichs V. von England (s. auch: Lydgates Patrone) 42, 43, 48, 49, 54, 58, 59, 60, 68, 69, 75, 77, 78, 86, 87, 91, 97, 98, 99, 102, 112, 113, 114, 115, 121, 175, 205 Kemp, John, Kanzler (Erzbischof von York und später von Canterbury) 199, 209, 210 King's Entries 21 f., 23, 45 f., 49, 50 f., 58, 59, 84 ff., 88,112,117 f., 121 ff., 210 ff. Konstanzer Konzil 44, 50, 51, 101 Kreuzzugsidee 23, 26, 46, 202 Lacy, Edmund, Bischof von Exeter 170 Lady Prioress aud her suitors 235, 238 Lambeth (Palast) 5 Lament of our Lady at the Passion, A 236, 241 Lamentatyoun of M. Magdaleyne, The 236, 240 Langland, William 2, 19, 21 Latimer, William 3 Laurent de Premierfait 179, 181 ff., 186, 190, 191, 192, 193 f., 195, 197 Lavenham, John [de] 8, 9 Lawson, John 223 Lebende Bilder 83 f., 86 ff., 90, 118, 12? Legend of a Monk at Paris 236, 239 Legend of Wulfrike 236, 239 Legenda aurea 128, 129, 130, 133, 135, 136, 137, 194 Leicester (Parlament zu) 47, 48, 98 Leland, John 7, 8 Lenvoy to Mary 236, 242 Leofstan, Abt von Bury St. Edmunds 17 [Life of] St. Alexis (Alexes) 239
Register Life of St. Anne 236, 239 Life of St. Barbara 236, 239 Life of St. Denis 236, 239 Lindsay, Sir David 223 Livio, T i t o dei Frulovisi 69 Lollarden 5, 21, 22, 35, 47 f., 50, 139, 182, 200 London 2, 5, 8, 19, 22, 23, 25, 26, 28, 31, 45 f., 48, 49, 50, 51, Heinrichs V. Einzug 58; 77, 88, 89, 91 f., 98, 109, Einzug Heinrichs VI. 112; 120, 121 ff., 124, Fronleichnamsprozession 152; 182, 203, 209, Einzug Margaretas 210 f.; 216 Londoner C h r o n i k : The Gr eat Chronicle 21, 23, 24, 49, 50, 59, 98, 121 London Lickpenny 81, 177, 235, 237 f. Lorris, Guillaume de 106 Love, Nicholas 93, 131 Lovers Plaint, A 235, 236 Lucan 70, 73, 74, 145, 191 Ludwig III., der Bärtige, K u r f ü r s t von der P f a l z 23 Luton, Simon de, Abt von Bury St. Edmunds 10, 17 Luxembourg, Louis de, Bischof von T h e o u r a n n e 100 Lybelle of Englyshe Polycye 47, 53, 93, 202 Lydgate bei N e w m a r k e t (Dorf) 5 Lydgate, John Leben: Geburtsjahr 1, Kindheit 5 f., geistliche L a u f b a h n 18 f., dichterische A n fänge 19 f., Rhetorikschule 19 f., 67, Frühwerke 26 ff., erste Epen 32 ff., erstes religiöses Epos 34, Troiabuch 36 ff., Kloster- und H o f p o e t 45, in London 50, 77, 88, 210, 220, L. und die Chaucerfamilie 51 ff., Siege of Thebes 55 ff., erste politische W e r k e 68 ff., Lydgate im öffentlichen Leben 75, P r i o r a t in H a t f i e l d 76 ff., Lvdgate in Frankreich und Paris 77, 78. 81, 91, 96 ff., 100, 103, 108, 118, 175, seine politische Verwendung 99 ff., seine Deguileville- und Totentanz-Obersetzung 102 ff., Lydgate als Satiriker 80 ff., Lydgates Maskenzüge 84 ff., Lydgates Lehrdichtung 93 ff., Lvdgate 1429 wieder in England 119, Königse m p f a n g in London 120 f., Heinrich V I . und Gefolge in Bury St. Edmunds 125 ff., Lydgates Heiligenlegenden 128 ff., seine religiöse Lyrik 150 ff., Autobiographisches im 'Testament' 6, 159 f., moralisch-didaktische Gedichte 173 ff., Beziehungen zum Königshaus
249 35, 42, 175, 210, 214 f., Fall of P r i n ces 179 ff., 1433 Arbeit an der E d mundslegende 188, Beendigung des Fall of Princes 197, Lydgate und W i l liam de la Pole 203 ff., Lydgate u n d Charles d'Orleans 203 f., letzte W e r k e 198 ff., E m p f a n g der Königin Margareta in London 210 ff., Königliche Geldverfügungen 214 f., Freundschaft mit Shirley und Burgh 216 ff., sein T o d 222 Patrone: Beauchamp, Isabella 80, 126, 170 Beauchamp, Richard de, 5th Earl of Warwick 80, 101 Bedford, Duke of 100 Bourchier, Familie 133 f., Bourchier Viscount 216 Brys, Roullour 89 Carpenter, Jankin 109 Charles V I I , König von Frankreidi 165 Chaucer, Alice 53, 153 'Citeseyn of London' 84 Cotson, William, Kanonikus 155 Curteys, William, Abt 156 Exeter, Bischof von (Stafford, E d mund) 170 Gilde der Goldschmiede 92 Gilde der Seidenhändler 91 Gilde der Waffenschmiede 135 Gloucester, H u m p h r e y Duke of 53, 67, 69, 97, 120, 179, 182 ff., 188, 193 f., 196 ff., 209 Heinrich IV., König von England 20, 35 Heinrich V., König von England 20, 35 f., 42, 44, 120 Heinrich VI., König von England 217 K a t h a r i n a von Valois, G a t t i n König Heinridis V. 175 Londoner Magistrat 120 March, L a d y Anne 133 Montacute, Thomas, 4th Earl of Salisbury 53, 100, 103, 177 Pole. William de la 53, 203 ff. Sibille (Boys?), L a d y 94, 179 Stafford, L a d y Anne 166 T a l b o t , L a d y Margaret, Countess of Shrewsbury 78 ff., 101 Whethamstede, Abt 144 Windsor, Dean of 115 Lydgates p o l i t i s c h e A n s c h a u u n g e n 43, 48, 57, 184 f., 191 f., 200 ff., über Krieg und Frieden 41, 42, 56, 70 f., 75, 180, 184, 195, 202; über Herrscher und Volk 56 f., 182 ff., 186 f., 218
250
Register
Lydgate als H i s t o r i k e r (s. audi seinen Theben- und Trojaroman) 184, 185 f., 188 ff., 196, 197 f., 206 f. Lydgate als H u m a n i s t 41, 43 f., 67, 69, 74, 88, 89, 92, 177, 180, 184, 187, 189 Lydgate als D i c h t e r . A u f f a s s u n g d e r D i c h t u n g : Traumwelt 31; — 41 f., 44, 61 ff., 78 f., Kunsttheorie 144; - religiöse Dichtung 150 f., - Dichtung und Historie 37 f., 187, 188 ff., 197; - „Tragödie" 180; Höfische Auffassung der Heiligen 134 f., 149; - Heroisierung der religiösen Welt 135, 146, 148 ff., 161 ff. D i c h t s t i 1 : Chaucer 27 ff., 193; Lydgates Metrik und spätgotischer Stil 61-67 (s. audi Aureate terms); Stil der latein. Hymnodie 149, 157, 172 f.; Natureingänge und -vergleiche 40 f., 131,'146, 158 ff., 196, 219; episches Streben 140 ff., 148 f., 157; Lydgates rhetorischer Dichtstil 37 f., 108; dithyrambischer und Invokationsstil 65, 79, 130, 132, 137 f., 143, 146, 148, 150 ff., 157, 168, 170 ff., 241; Predigt 73 f., 151; Prosastil 74 f. Werke : Ab inimicis s. Prayer for King, Queen and people Aesop 5, 19, 26, 32, 226, 229 Against Millers and Bakers 81, 229 Amor vincit omnia 177, 234 As a Mydsomer Rose 176, 178, 234 Ave Jesse virgula 171, 233, 242 Ave Maria 167, 232 Ave regina celorum 168, 233, 242 Balade of Oure Ladye s. Gloriosa dicta sunt de te Ballade at the Departyng of Thomas Chaucyer SI, 53 f., 101, 231 Ballade at the Reverence of Our Lady 64 f., 130, 171 f., 233 Ballade in Despyte of the Flemynges 200, 230 Ballade of Her that hath all Virtues 30, 229 Ballade on an Ale-seller 82, 229 Ballade per Antiphrasim 82, 229 Ballade to King Henry VI upon his Coronation 112 f., 114, 120, 230 Benedic anima mea 115, 231 Benedictus Deus in donis suis 178, 234 Beware of Doublenesse 82, 229 Brut 69, 231
Bycorne and Chicbevache 83 {., 90, 91, 110, 229 Cartae versificatae 206, 231 Childe Jesus to Mary the Rose 163, 167, 232 Christe qui lux es 162, 168, 232 Churl and the Bird, The 20, 32, 52, 229 Cok Hath Lowe Shoon, The 174, 233 Complaint for Lack of Mercy 30, 229 Complaint for my Lady of Gloucester 97 /., 229 Complaint of the Black Knight 26, 28, 29, 31, 33, 111, 226, 229 Consulo quisquís eris 174, 233 Cristes Passioun 162, 232 Dance Macabre 81, 91, 102, 108 f„ 110 {., 179, 228, 230 Death's Warning 173, 233 Debate between the Horse, Goose and Sheep 200 {., 227, 229 Defence of Holy Church, A 116, 120, 233 De profundis 155, 156, 232 De Sancta Maria contra pestilenciam 155, 231 Deus in nomine tuo 155 f., 232 Devowte Invocacioun to Sainte Denys 108, 165, 232 Dietary, A 93, 95 /., 230 Ditty upon Haste, A 174, 233 Doctrine for Pestilence s. Dietary Dolorous Pyte of Crystes Passioun, The 161, 232 Duodecim abusiones 94, 230 Eight Verses of St. Bernard, The 163, 232 Epistle to Sibille, An 94, 178 i., 234 Epithalamium for Gloucester 97, 229 Every Thing to his Semblable 174, 233 Examples against Women 82, 229 Exposition of the Pater noster, An 154, 231 Fabula duorum mercatorum 66, 207 f. 226, 231 Fall of Princes 5, 44, 62, 70, 71, 82, 91, 110, 111, 120, 147, 148, 173, 175, 177, 179 ñ., 218, 221, 223, 224, 226, 228, 231 Fiften Joys and Sorrows of Mary 169, 233 Fyfftene loyes of Oure Lady 80, 170, 233 Fifteen Ooes of Christ, The 162, 165, 232 Fifftene Toknys aforn the Doom, The 155, 231
Register Flour of Courtesye, The 28, 29, 33, 229 Four Things that Make a Man a Fool 95, 230 Freond at Neode, A 176, 230 Gaude virgo mater Christi 167, 168, 232 Gentlewoman's Lament, A 29 f., 229 Gloriosa dicta sunt de te 170, 233 God is myn Helpere 19, 178, 234 Guy of Warwick 78 ff., 101, 116, 226, 231 Horns away 82 f., 84, 229 Horse, Goose and Sheep s. Debate How the Plage was Sesyd in Rome 137, 148, 154, 167, 230 Image of Our Lady, [On] The 110, 167, 232 Invocation to Seynte Anne, An 166, 232 Jak Hare 81, 229 ¡Calendare, A 120, 151 f., 231 King Henry VI's triumphal Entry 90, 118, 120, 122 ff., 230 Kings of England, The 110, 206, 231 Legend of Dan Joos 140 f., 148, 230 Legend of St. Austin at Compton 65 f., 139 f., 148, 230 Legend of St. George 110, 135 f., 136, 148, 230 Legend of St. Gyle 137 f., 148, 230 Legend of St. Margaret 133 ff., 136, 148, 230 Legend of St. Petronilla, 136 ff., 148, 230 Letabundus 157, 232, 239 Letter to Gloucester 188, 231 Life of Our Lady 34 ff., 129 ff., 148, 163, 167, 226, 230 Lives of St. Albon and St. Amphabel 70, 129, 140, 144 ñ., 148, 205, 226, 231 Lives of SS. Edmund and Fremund 77, 126, 127, 129, 140, 141 ff., 148, 165, 188, 226, 231, 239 Look in Thy Merour 176, 233 Lover's New Year's Gift, A 30, 229 Magnificat 167 [Meditation, a Holy 159 f., 233] Merita Missae 151, 231 Mesure is Tresour 177, 234 Miracles of St. Edmund 143 f., 231 Misericordias domini cantabo 20, 155, 231 Mumming at Bishopswood, The 87 f., 230 Mumming at Eltham, A 85 f., 90, 224, 230 Mumming at Hertford, A 89 {., 230
251 Mumming at London, A 89, 224, 230 Mumming at Windsor, A 89, 90 f., 117, 221, 230 Mumming for the Goldsmiths of London, A 92, 224, 230 Mumming for the Mercers of London, A 91 f., 221, 230 My Lady Dere 54, 229 Nine Properties of Wine, The 95, 230 Of The Sodeine Fall of Princes in Oure Dayes 197 {., 231 On a New Year's Gift of an Eagle presented to King Henry VI., 114, 230 On Gloucester's Marriage s. Epithalamium On the Departyng of Chaucer s. Ballade at the . . . On the Image of Pity s. Pyte to the Wretched Synner Order of Fools, The 80 (., 173, 229 Pageant of Knowledge 88, 230 Pageant at the Entry of Queen Margaret s. Verses for Pageants . . . Pain and Sorrow of evil Marriage 82, 229 Pater noster qui es 154, 231 Pedigree, 78, 79, 91, 101 f., 110, 112, 123, 229 Pilgrimage of the Life of Man 53, 105 ff., 148, 226, 230 Praise of Peace, A 75, 229 Praise of S. Anne 166, 232, 239 Prayer for King, Queen and People 112, 114, 115, 117, 143, 165 f., 230 Prayer in Old Age, A 163, 232 Prayeer to Gaubriell 164, 232 Prayer to Mary in whose Help 155, 169, 233 [Prayer] to S. Edmund 143, 164, 165 f . , 166, 232, 236, 240 Prayer to Seynt Gyle 164 Prayer to St. Katherine, St. Margaret and St. Magdalene 164, 232 Prayer to St. Leonard 164, 232 Pray er e to Seynt Michaeli 164, 232 [Prayer] to St. Ositha 164 {., 232 Prayer to St. Thomas 164, 232 Prayer to St. Thomas of Canterbury, 164, 166, 232 /PrayerJ to St. Ursula. . . 164, 232 Prayers to ten Saints 108, 163 f . , 232 Prayer to the Blessed Virgin 170 Prayer upon the Cross, A 161, 232 Procession of Corpus Christi, A 152, 231 Pur le Roi s. King Henry VI's triumphal Entry Pyte to the Wretched Synner 173, 233
252
Register
Quis dabit meo capiti 162, 232 Regina celi letare 168, 233, 242 Resoun and Sensuallyte 32, 33 f., 43, 61, 66, 89, 227, 229 Rhyme without Accord 173, 233 Roundel for the Coronation 112, 230 Ryght as a Rammes Home SO, 229 Say the Best and Never Repent 174, 178, 233 Secrees of Philisoffres 96, 216 f., 226, 230 See mycbe, say Lytell... 174, 233 Serpent of Division, The 27, 69 ff., 79, 191, 227, 231 Servant of Cupid Forsaken, The 30, 221, 229 Seyint; of the Nightingale, A 157 f., 227, 232, 240 Siege of Thebes 31, 55 ff., I l l , 204, 227, 229 So as the Crabbe ...80, 229 Sodeine Fall of Princes s. Of the. .. Song of Just Mesure, A 177, 234 Song of Vertu, A 174, 233 Soteltes at the Coronation Banquet, The 113 /., 230 Stans puer ad mensam 93, 94, 230 Stella celi extirpavit 154 f„ 169, 231 Te deum laudamus 156, 232 Temple of Glas 31, 32 {., I l l , 226, 229 Testament, The 6, 10, 151, 158 ff., 232, 240 That now is Hav some-tyme was Grase 87, 175, 233 They that no while endure 173, 233 Thoroughfare of woe, A 176 f., 200, 234 Timor mortis conturbai me 108, 178, 234 Title and Pedigree of Henry VI, The s. Pedigree To Mary the Quene of Hevene 170, 233 To Mary the Star of Jacob 163, 168 i., 233 To St. Robert of Bury 163, 232 Treatise for Lavenders 94, 179, 230 Troy Book 36 ff., 50, 52, 55, 56. 57, 62, 66, 86, 107, 111, 120, 148, 227, 228, 229 Tyed with a Lyne 173, 176, 233 Valentine for Her that excelleth all, A(.. to Her I Love Best) 78, 231, 242 Verses for Pageants at the Entry of Queen Margaret 210 f., 230 Verses on Cambridge 207, 231 Verses to the Virgin 168, 233
Vexilia regis prodeunt 156 f., 232 Virtues of the Mass 53, 152 f., 204, 231 Wicked Tunge wille Sey Amys, A 175, 233 World is Variable, The 175, 233 Bilder : Verzeichnis der Lydgate darstellenden Miniaturen und Holzschnitte in: Troy Book IV., EETS. ES. 126, p. 10 Anm. Machault, Guillaume de 27 Magnificence of the Church 236, 240, 243 Mainardo dei Cavalcanti 181 Make Amendes 236, 243 Malory, Sir Thomas 195 Manuel Palaeologus 23 Map, Walter 82 Mardi s. Mortimer Marchand, Guyot 108 Margareta von Anjou, Gattin König Heinrichs VI. von England 49, 80, 206, 209 ff., 213 f. Maria virgo assumpta est 236, 241 Marie de France 19, 201 Martin V., Papst 51, 68, 97, 98, 116, 209 Martianus Capella 56 Masken 85 Maskenzüge (s. auch Lydgates Mummings) 59, 77, 83, 84-92, 117, 121, 124, 221 Matthew Paris 145 Meaux (Kloster) 10 Meres, Francis 223 Metham. John 223, 224 Meung, Jean de 28, 83, 106 Mirror for Magistrates 177, 197, 198, 224 Misterien 23, 84, 95, 135, 152 Moleyns, Adam, Bischof von Chichester 47, 53, 124, 205, 215, 222 Moleyns, Alionora, Gattin des Lord Robert Hungerford 54 Moleyns, Robert Lord Hungerford 31 Moleyns, William 53 Molyneux, Anne 204 Monstrelet, Enguerrand de, Chronist 60, 117 Montacute, Thomas, 4th Earl of Salisbury, zweiter Gatte der Alice Chaucer 52, 53, 100, 103 ff., 177, 203 Montague s. Montacute More, Thomas de la, Abt von St. Albans 13 Mortimer, Anne, Lady March 133 Mortimer, Edmund 5th Earl of March 3, 22, 45, 47, 48, 68, 133
253
Register Mummings s. audi unter Lydgate; vgl. dazu: Bildgedichte, Lebende Bilder, Maskenzüge, Totentanz 83, 84-92, 122 ,211
Musen 37, 43, 88, 92, 134, 140, 145,150 Mythologie 32, 34, 37 ff., 43 f., 71, 74, 86, 87, 88, 89, 91, 92, 97, 183, 185, 221
Narrensdiiff 80 f., s. audi Lydgates Order of Fools Neville, Ralph, 1 st Earl of Westmoreland 68 Neville, Richard Earl of Warwick and Salisbury 118 Newmarket (Dorf) 5 Newton, Humphrey 240 Nightingale, The 157, 227, 236, 240 Northumberland, Eari of (Henry Percy) 24 Northwold, John de, Abt von Bury St. Edmunds 17 Norwich, John de 67 Occleve, Thomas s. Hoccleve Offa, König von Mercien 142, 147 Oldcastle, Sir John 47 f. On the folly of heeping up riches 236, 243 On the mysteries of Creation s. Hoc factum est On the Reconciliation 235, 238 Ording, Abt von Bury St. Edmunds 17 Orleans, Herzog von s. Charles d'Orléans Osmund St., Bischof von Salisbury 125 Othes of Holand, Sir 30 Ovid 31, 37, 184, 188, 189 Oxford, 1, 10, 18, 19, 182, 209 Page John 55, 124 Pageant (s. audi King's Entries) 22, 23, 49, 50, 58, 60, 85, 86, 88, 113, 117 f., 121, 122 ff., 152, 210 f. Paris 1, 11, 18, 19, Einzug Heinrichs V. 58; 59, Trauerzug Heinrichs V. 60; 108, 116, 118, s. auch Lydgate in Paris; Heinrichs VI. Krönung und Einzug 117 ff.; 121, 199, 203, 205 Paston Familie 31 f., Agnes 31, 32, Elizabeth 31, Sir John 31 f., Margaret 31, William 15, 32 Peckham, John 157 f. Percy, Henry 68 Perle 2, 234 Perrers, Alice 3 Pest 31, 111, 125, 136 f., 154 f., 168 Pestgedichte 95, 136, 137, 148, 154, 155 Peterborough (Kloster) 6 Petigree of Emperors 235, 238
Petrarca 180, 189, 193 Petrarchae quaedam 236, 238 Petrus Alphonsus (Alfunsi) 208 Phaedrus 19 Phelip, John 103 Philippa von Hennegau, Gattin Eduards III. von England 1, 2, 21 Philippe IV, König von Frankreich 118 Philippe le Bon, Herzog von Burgund 36, 54, 57, 58, 60, 98, 99, 109, 117, 118, 124, 199, 200 Philippe le Hardi, Herzog von Burgund 181
Piers of Fulham 235, 238 Pits, John 211, 235 Poem against idleness, A 236, 243 Pole, Michael de la, Earl of Suffolk 16, 203 Pole, William de la, 4th Earl and 1 st Duke of Suffolk 15, 31, 52, 53, 96, 100, 116, 125, 199, 203 ff., 206, 209 f., 213, 214, 216, 220, 221 f. Polychronicon (von R. Higden) 73 Polydori Virgilio (Sekretär des Duke of Gloucester) 125, 213 Praeceptiones Gall. ling. 236, 238 Praier to bedward and at rising, 236, 240 Praise of women, A 235, 236 Prayer to Christ's Name, A 236, 240 Prayer to Jesu, A 236, 240 Prayer to the Blessed Virgin, A 236, 242 Prayer to the Blessed Virgin and several saints, A 236, 242 Prohemy of a Marriage 82, 235, 237 Proprietates nationum 236, 238 Psalms of the Passion 236, 240, 243 Pynson, Richard 10, 197, 223 Queste del St. Graal 27 Quia amore langueo 234, 236, 241 Radulfus Erghum, Bischof von Salisbury 3 Ragmanys rolle 235, 237 Ramsey (Kloster) 10 Rastell, John 223 Ratlisden, Thomas, Abt von Bury St. Edmunds 17 Reeve, John, Abt von Bury St. Edmunds 17 Regina celi letare 236, 242 Remedie of love 235, 236 René von Anjou, König von Neapel 204, 209, 210, 214 Richard I., gen. Richard Löwenherz, König von England 55 Richard II., König von England 3, 12, 13, 14, 16, 20 f., 22, 24, 25, 27, 28, 30, 48, 85, 133, 198
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Register
Richard, 3rd Duke of York 205 Ridiard de Insula s. Insula Richmond Court 21 Ritson, Joseph 225, 235, 236, 237, 238, 240, 241 ff. Robert I., Abt von Bury St. Edmunds 17 Robert II., Abt von Bury St. Edmunds 17 Rodulph (Baumeister des 12. Jh.) 8 Rolle, Ridiard 241 Rosenroman 27, 29, 34, 106, 107, 118 Rose of Rouen 93 Rouen 54, 58, 59, 199, 205, 210 Ruprecht von der Pfalz 23, 52 Russell, John 93 Ryman, James 239 Sacco des Klosters Bury St. Edmunds (1327) 9, 10, 12, 13 S a i v i l l e , Thomas 198 Salisbury Earl of s. Neville Ridiard Salisbury, John of s. John Salue regina, a hymn 236, 242 Salutati, Coluccio 187, 188 Samson, Abt von Bury St. Edmunds 8, 11, 12, 17 Satirical Description of his lady s. Hood of Green Schwarzer Prinz s. Edward Scrope, Henry Lord 48 Scrope, Ridiard le, Erzbischof von York25 Secreta secretorum 96 Seneca 56, 189 Seymour, Edward, first Earl of Hertford and Duke of Somerset 110 Shakespeare, William 198 Sheen (Königsschloß) 3, 21 Sheringham, engl. Komponist zu Ende 15. Jh. 161 Ship of State 93 Shirley, John 19, 32, 69, 84, 90, 92, 104, 152, 157, 175, 176, 216, 217, 219 ff., 234, 237, 240, 241, 242 Shrewsbury (Kloster) 7 Sibille Boys of Holm Hale, Lady 179 Sieben weisen Meister, Die 31 Siege of Calais 93 Siege of Jerusalem 235, 237 Siege of Rouen s. Page, John Sigismund, deutscher Kaiser 49, 50 f., 113 f., 116, 205 Simon de Luton s. Luton Skelton, John 223 Smith and his Dame 235, 238 Somerset, 2nd Duke of s. Beaufort, Edmund Somerset Earl of s. Beaufort, John Somerset, Protektor s. Seymour Edward Song of love to Jesus, A 236, 240 Song on the Battle of Barnet 235, 238
Sorel, Agnes 210 Sorrows of the Blessed Virgin 169 Soteltes 58 f., 113, 118 Sowdone of Babylone 28 Speght, Thomas 211, 235 Stahat mater dolorosa 236, 241 Stafford, Anne Countess of s. Bourchier Stafford, Edmund, Bischof von Exeter 170 Stafford, Hugh (Earl) 3 Stafford, Humphrey 214 Stafford, John, Erzbischof von Canterbury 210, 213, 214 Statute of Labourers 3, 5 St. Erasmus 236, 239 Stonorfamilie 53; Thomas Stonor d. Ä. 53, Thomas Stonor d. J. 53 Story of Job, The 236, 239 Stow, John, Chronist 87, 109, 121, 152, 157, 211, 216, 223, 229, 235, 237, 238, 239, 240, 241, 242, 243 Strabo, Walafrid 219 Streitgedichte 32, 83, 85, 90 Sudbury, Simon, Kanzler und Erzbischof 12, 20 Suffolk Countess, Lady de la Pole s. Chaucer Alice Suffolk Duke of s. Pole, William de la Suffolk Earl of s. Pole, Michael de la Sulpitius Verulanus 94 Summum Sapientiae 236, 239 Swynford, Katharina 25 Talbot, John Lord, 1st Earl of Shrewsbury 78, 79, 116 Talbot, Lady Margaret, Countess of Shrewsbury 78 ff., 101, 116 Tanner, Thomas 18, 44, 76, 211, 222, 235, 240 Terenz 86 Testamentum Christi 236, 240 Tewkesbury (Kloster) 7 Thank God for all 236, 243 Thebensage 55, 183, 184 Thomas Aladensis (Bischof) 14 Thomas von Aquino 216 Thomas, Bischof von Carlisle s. Appleby Thomas, Duke of Clarence s. Clarence Thomas, Jean 104, 105, 109 Thornton, John 167 Three Kings of Cologne, The 236, 239 Timor mortis-Gedichte 108, 178 Tinmouth, John of 12, 17, 139 Tiptoft, John 52, 54 Tisdizuchten 93 f. To his Mistress 235, 236 Totentanz (s. audi Lydgates Dance Macabre) 59, 83, 91, 108, 109, 121
Register Totington, Thomas [de], Abt von Bury St. Edmunds 17 Tottel, Richard 197 Treatise of a Galaunt 235, 237 Tristan TJ Trojasage 36 ff., 47, 183 f. Troyes 54, 55, 57, 58, 59, 68, 99, 100, 102, 203 Tudor, Owen, zweiter Gatte der Königinwitwe Katharina 69, 98, 115, 175 Tyler, Wat 12, 13, 49 Tymworth, John, Abt von Bury St. Edmunds s. Tinmouth Tyrwhitt, Thomas 76 Ubi sunt . . . 175, 176, 179, 198 Urban VI., Papst 13 Uvius, Abt von Bury St. Edmunds 17 Venantius Fortunatus 156 Veni coronaberis 236, 242 Vere, Robert de 76 Vergil 37, 145, 189 Versus rythmici in laudem Henrici V* 47 f. Villon, Frangois 175, 176, 187 Vinzenz von Beauvais s. Beauvais Virgilio s. Polydori Walpole, Edmund de, Abt von Bury St. Edmunds 17 Walsingham, Thomas, Chronist 22, 50 Walter, Schulmeister in Bury St. Edmunds 11 Walton, John 93 Warning Men to beware of deceitful women 82 Warton, Thomas 224 Warwick Earl of s. Beauchamp, Richard
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Wayland, John 76, 197, 198 Well[e]s, John, Londoner Bürgermeister 122, 123 Wenzeslaus IV. von Böhmen, deutscher Kaiser 'Wenzel' 12, 23 Wenzeslaus, Herzog von Brabant 2 Westminster, Trauung Richards II. mit Anna von Böhmen 14, Krönung Heinrichs IV. 21, Trauung Heinrichs IV. 23; Aufbahrung 45; Krönung Heinrichs V. 46; 47, 50, Krönung Katharinas 58; Beisetzung Heinrichs V. 60; - 85, 98; - Krönung Heinrichs VI. 111 f., 120, 123; Margaretas Krönung 210 Westmoreland s. Neville, Ralph Whethamstede, John, Abt von St. Albans 15, 34, 45, 67, 139, 144, 214 Wiclif, John 3, 5, 16, 23 William de Bernham s. Bernham William the Conquerour 206 William Curteys s. Curteys William de Exeter s. Exeter William of Worcester 8 William of Wykeham 3, 50 Winchester 7, 23, 25, 50, 209 Windsor 76, 77, 85, 90 f., 98, 101, 113, 216 Windsor, Dean of 115 Worcester (Kloster) 7 Wraw, John 13 Wykeham, s. William Yonge, James 216 York (Kloster) 6 York, Edward 2nd Duke of, Verfasser des Master of Game 93 York, Richard, 3rd Duke of 101, 210, 221, 222