Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau: Bd. XVIII (1973). Hrsg.: Der Göttinger Arbeitskreis [1 ed.] 9783428430536, 9783428030538


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Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau: Bd. XVIII (1973). Hrsg.: Der Göttinger Arbeitskreis [1 ed.]
 9783428430536, 9783428030538

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Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau XVIII / 1973

Duncker & Humblot . Berlin

Aus dem Vorwort des GSttinger Arbeitskreises zu Band I dieses Jahrbuches:

Und

wie

sie seitdem

auf

dem Gebiete der Forschung zusammenwirkten und viele ihrer

Lehrer

untereinander

austauschten, so wurden diese

Die Universität Breslau war

drei Universitäten von den

von ihrer Gründung an be-

nun zehn Jahre

auftragt,

zurücklie-

Landesuniversität

genden Ereignissen am ern-

Schlesiens zu sein. I n ihr wur-

stesten betroffen. Vor allem

den die geistigen Strömun-

die beiden östlichsten Uni-

gen zusammengefaßt, die aus

versitäten

der reichen Geistesgeschichte

Schicksal: Auch die Königs-

dieses

berger Albertina wurde zer-

ostdeutschen Landes

entsprangen, und sie wirkten dann von ihr aus wieder in den ganzen schlesischen Raum hinein und über diesen hinweg in die Nachbarländer des östlichen und südöstlichen

Europas.

Die

Friedrich - Wilhelms - Universität

zu

Breslau

war

zu-

gleich von jeher besonders

traf

das gleiche

stört und entvölkert, auch ihre Stimme schien im Geistesgespräch der Gegenwart verstummt zu sein. Aber ebenso wie sich frühere Angehörige der Albertina erneut

zusammenfanden,

um

die Stimme der Universität wieder zu Gehör zu brin-

eng verbunden mit den Uni-

gen, die viele Jahrhunderte

versitäten

hindurch trotz aller Fährnisse

Königsberg

und

Berlin: Von Königsberg aus

ihre große wissenschaftliche

wurde es aufs lebhafteste be-

Leistung behauptet hatte, so

fürwortet, schluß

daß sie im An-

richtungen

errichtet

und

entstand

sie

tritt nun neben das „Jahr-

Ein-

buch der Albertus-Universi-

wurde,

tät zu Königsberg/Pr." dieses

an bestehende

dann

„Jahrbuch

der

Schlesischen

schließlich 1811 auf Grund

Friedrich - Wilhelms - Univer-

derselben von Wilhelm von

sität zu Breslau",

um

die

Humboldt erkannten geisti-

geistige Gemeinschaft

gen Notwendigkeiten, die für

derer zu bezeugen und zu

die Gründung der Berliner

festigen,

Friedrich - Wilhelms - Universität maßgeblich waren.

die

sich mit

aller der

Breslauer Alma Mater verbunden wissen.

JAHRBUCH DER

SCHLE SIS C H E N FRIEDRICH-WILHELMS-UNIVERSITÄT ZU

BRESLAU

1973 • Band X V I I I Herausgeber: DER

GÖTTINGER

ARBEITSKREIS

JAHRBUCH DER

SCHLESISCHEN FRIEDRICH - WILHELMS - UNIVERSITÄT Z U BRESLAU

B A N D XVIII

1973

D U N C K E R

t! H U M B L O T



B E R L I N

Redaktion: Dr. Hans Jessen

Alle Rechte

vorbehalten!

Copyright 1973 by Dundcer & Humblot • Berlin Drude: Deutsche Zentraldrudcerei A G . , 1 Berlin 61

Der Göttinger Arbeitskreis: Veröffentlichung ISBN 3 428 03053 2

Nr

Jahrbuch der Sdilesischcn Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau Band X V I I I

INHALT Die erste Grabstätte Herzog Heinridis I. von Schlesien (f 1238) im Kloster der Zisterzienserinnen zu Trebnitz. Von Ewald Walter

Seite

7

Die Anfänge des Zeitsdiriftenwesens in Sdilesien. Von Hans Jessen

33

Die schlesisdien Landräte unter Friedrich dem Großen. Von Ursula Schulz .. Das schlesisdie Tuchgewerbe im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert. Von Irmgard Hantsdie

56 119

Die schlesisdie Zuckerindustrie. Von Gerhard Webersinn

140

Die Geschichte der Anatomie an der Universität Breslau. Von Paul Dziallas

212

Kloster Gnissau und die Universität Breslau. In memoriam Pater Nikolaus v. Lutterotti. Von Ambrosius Rose OSB

242

Das Archiv der Breslauer jüdischen Gemeinde. Von Bernhard Brilling

258

Jakob Böhme und die Theologie des Neuluthertums. Von Gerhard Schmölze 285 Friedrich Gentz in Königsberg. Von Fritz Gause

323

Gerhart Hauptmanns Vermächtnis. Von Fritz Richter, Chicago

329

Gerhart Hauptmann, der Erbe der schlesisdien Mystik. Von Arno Franke

..

336

E w a l d Walter

DIE ERSTE GRABSTÄTTE HERZOG HEINRICHS I. VON SCHLESIEN IM KLOSTER DER ZISTERZIENSERINNEN ZU TREBNITZ I. V o r dem Hochaltar der ehemaligen Zisterzienserinnenkirche i n Trebnitz befindet sich die Doppeltumba des Herzogs Heinrich I . von Schlesien, des Gemahls der hl. H e d w i g ( f 19. M ä r z 1238 zu Crossen, Oder), und des Deutschordenshochmeisters K o n r a d v o n Feuchtwangen (1291—1296) 1 ). Dieser schlesische Herzog schuf während seiner Regierung (1201—1238) ein Großreich, „das im Nordwesten über Fürstenwalde an die Spree stieß und im Nordosten über die Warthe hinausreichte, im Südosten aber sich bis zum San ausdehnte und über die Karpaten bis nach Oberungarn hineinreichte"2). Bereits der Verfasser der Chronica principum Poloniae hielt es für geziemend, daß Heinrich I . als Stifter und Förderer des Klosters Trebnitz daselbst beigesetzt wurde 8 ). Selbst die Statuten des Zisterzienserordens standen einer Beisetzung des schlesischen Herzogs i n dem genannten Kloster nicht im Wege; denn bereits nach dem Generalkapitelsstatut von 1157 durften Stifter i n Zisterzienserklöstern begraben werden 4 ), und nach dem Statut von 118C w a r es gestattet, Königen, Königinnen, F ü r s t e n und Bischöfen sogar in 1) H . L u t s c h , Die Kunstdenkmäler der Landkreise des Reg.-Bezirks Breslau, Breslau 1889, S. 585; E. H e r r m a n n , Kloster und Stiftskirche Trebnitz. Ein kunsthistorischei Führer 1943 (als Manuskript gedruckt), S. 17; K. W u t k e , Stamm- und Ubersichtstafeln der Schlesischen Fürsten, Breslau 1911, Tafel II. — Zu Konrad von Feuchtwangen vgl. M. T u r n i e r , Der Deutsche Orden im Werden, Wachsen und Wirken bis 1400 mit einem Abriß der Geschichte des Ordens von 1400 bis zur neuesten Zeit, Wien 1955, S. 338 f. 2) E. R a n d t , Politische Geschichte bis zum Jahre 1327, in: Geschichte Schlesiens. Hrsg. von der Historischen Kommission für Schlesien, Bd. I, 3. Aufl., Stuttgart 1961, S. 118 u. 131. *) „ . . . ibidem . . . , sicut talem decuit principem, est sepuhus" (Scriptores rerum Silesia* carum [zitiert: Scriptores] Bd. 1, Breslau 1835, S. 105). 4) „Ad sepeliendum, non nisi fundatores recipiantur" (Statuta Capitulorum Generalium Ordinis Cisterciensis ab anno 1116 ad annum 1786. Edidit D. Josephus — M*a C a n i v e z , Ord. Cist. Ref. [zitiert: Statuta], Tomus I, Louvin 1933, S. 68, Nr. 63).

7

Ewald Walter K i r c h e n des Ordens eine Grabstätte zu gewähren 5 ). Zweifellos ist der Platz v o r dem H a u p t a l t a r der vornehmste O r t für eine Begräbnisstätte i n der Kirche, und es ist bekannt, daß dieser Platz i m allgemeinen den Kirchengründern vorbehalten wurde 6 ). So befand sich bis zum zweiten Weltkriege das Grabmal Herzog Heinrichs I I . v o n Schlesien, des Sohnes H e i n richs I . u n d der hl. H e d w i g u n d Stifters des St. Jakobsklosters i n Breslau ( t 1241), i m Chore der St. Vinzenzkirche (früher St. Jakobskirche) 7 ), und auch Herzog Heinrich I V . , der Stifter des Kollegiatstiftes zum hl. Kreuz i n Breslau ( | 1290), hatte bis zum zweiten Weltkriege sein Grabmal i m Chor der von i h m gestifteten Kirche 8 ). Auch Bolko I., Herzog von SchlesienSchweidnitz (1278—1301), fand seine Grabstätte i m Chor der v o n ihm gestifteten Zisterzienserkirche i n Grüssau, und zwar ebenfalls vor dem Hauptaltar. Endlich sei noch Boleslaus I I I . , Herzog v o n Schlesien, H e r r von Liegnitz und Brieg 1352), erwähnt, der ebenfalls vor dem Hauptaltar der von i h m erbauten Marienkapelle, der später sogenannten Fürstenkapelle der Klosterkirche von Leubus, beigesetzt wurde 9 ). Was liegt unter diesen Umständen näher als die Annahme, daß Heinrich I . sogleich nach seiner Überführung in die Trebnitzer Klosterkirche i m Presbyterium dieses Gotteshauses v o r dem Hochaltar beigesetzt wurde, so daß hier eine K o n t i n u i t ä t dieses Grabmales durch mehr als sieben Jahrhunderte zu konstatieren wäre. Schon Luchs n i m m t eine solche K o n t i n u i t ä t an, wenn er schreibt: „Gestorben ist Heinrich I. . . . in Crossen . . . und, jedenfalls auf sein Begehren, . . . in der Trebnitzer Klosterkirche mitten im Chor vor dem Hauptaltar . . . an der Stelle, wo heut noch sein Grabmal steht, beigesetzt worden 10)." Leider sind die Angaben der Chronica Polonorum u n d der Chronica princip u m Poloniae über die Grabstätte Heinrichs I . nicht genau; denn aus beiden Chroniken ist nur zu entnehmen, daß Heinrich I . von Crossen nach dem Kloster Trebnitz übergeführt und daselbst beigesetzt w u r d e 1 1 ) . I n beiden 5) So heißt es in einer Handschrift der Statuta: „In oratoriis nostris non sepeliantur, nisi reges et reginae et p r i n c i p e s . . . " (Statuta, Tom. I, S. 87, Nr. 5 u. Anm. zu Nr. 5). «) Vgl. W. Z i m m e r m a n n , H . B o r g e r , R. E h m k e u. F. G o l d k u h l e , Die Kirchen zu Essen-Werden, Essen 1959, S. 163. 7) H . L u c h s , Schlesische Fürstenbilder des Mittelalters, Breslau 1872, Bogen 9, S. 2 f. 8) Ebd., Bogen 10, S. 20 f. 9) Ebd., Bogen 28, S. 5 u. 8, Bogen 16, S. 3. !0) Ebd., Bogen 7, S. 10. i 1 ) „ . . . ad cenobium . . . in Trebnitz . . . sepeliendus . . . deductus est (Chronica Polonorum, in: Scriptores, Bd. 1, S. 21 u. S. 27). — « . . . deductus ad monasterium Trebniczense . . . ibidem . . . est sepultus" (Chronica principum Poloniae, in: Scriptores, Bd. 1, S. 105).

8

Die erste Grabstätte

Herzog Heinrichs

. von Schlesien

Quellen ist also nicht einmal deutlich zum Ausdruck gebracht, daß der genannte Herzog bald nach seinem Tode i n der Trebnitzer Klosterk i r c h e seine Grabstätte gefunden hat. Auch aus der 1300 vollendeten Legenda maior de sancta H e d w i g i erfahren w i r nur, daß der genannte Herzog i m Kloster Trebnitz begraben w u r d e 1 2 ) . Gewiß schließen die Worte cenobium bzw. monasterium die Klosterkirche nicht aus. Es kann aber m i t diesen Worten nicht bewiesen werden, daß die e r s t e Grabstätte H e i n richs i n dieser Kirche w a r ; denn an sich hätte Heinrich I . auch i m Kreuzgang oder i m Kapitelsaal der Schwestern seine erste Ruhestätte finden können. So ruhten z. B. die Gebeine des Pfalzgrafen Heinrich I I . 1095), des Stifters der Benediktinerabtei Maria Laach, bis 1255 nicht wie heute i n der Abteikirche, sondern i m Kreuzgang v o r dem Eingang zum Kapitelsaal 1 3 ). Weiter wissen w i r , daß H e d w i g den Wunsch äußerte, i m Kapitelsaal der Schwestern beigesetzt zu werden, als ihre Tochter Gertrud als Äbtissin von Trebnitz den Wunsch ihrer Mutter, auf dem gemeinsamen Friedhof des Klosters begraben zu werden, abgeschlagen hatte 1 4 ). Wie H e d w i g , so hätte auch Heinrich I . i m Kapitelsaal seine erste Ruhestätte finden können; denn nach dem Statut des Generalkapitels des Zisterzienserordens v o m Jahre 1180 durften Fürsten nicht nur i n Kirchen des Ordens, sondern auch, wenn sie dies vorzogen, i m Kapitelsaal beigesetzt werden 1 5 ). Daß das Kloster Trebnitz keine Bedenken getragen hätte, seinen Stifter, wenn er es gewünscht hätte, i m Kapitelsaal zu bestatten, geht schon daraus hervor, daß auch Konrad, der Sohn Heinrichs I., höchstwahrscheinlich seine erste Grabstätte i m Kapitelsaal fand 1 6 ). Wenn sich aber auch weder aus der Chronica Polonorum noch aus der Chronica principum Poloniae noch aus der Legenda maior de sancta H e d w i g i nachweisen läßt, daß Heinrich I . seine erste Grabstätte i n der Trebnitzer Klosterkirche gefunden hat, so liegt doch die Annahme nahe, daß man den Stifter wie üblich i n der von ihm errichteten Kirche bald nach seinem Tode beigesetzt hat, es sei denn, ein Hindernis hätte dies unmöglich gemacht, oder der Herzog hätte es zu seinen 12

) „ . . . sepultus in monasterio Trebnicensi" (Monumenta Poloniae Historica [zitiert: Monumenta], Tom. IV, Lemberg 1884, Neudruck Warschau 1961, S. 558 u. 641). 13) Vgl. A. M a n n , Doppelchor und Stiftermemorie, in: Westfälische Zeitschrift, Bd. 111, Münster 1961, S. 192. E. W a l t e r , Die erste Grabstätte der hl. Hedwig in Trebnitz, in: Archiv für sdilesische Kirchengeschichte [zitiert: Archiv], Bd. 20, Hildesheim 1962, S. 33 f. iß) Statuta, Tom. I, S. 87, Nr. 5, u. Anm. zu Nr. 5. 16) E. W a l t e r , Die Grabstätte Konrads, des Sohnes der hl. Hedwig, in Trebnitz und die angeblich als Krypta in die Klosterkirche einbezogene alte Peterskapelle, in: Archiv, Bd. 14, (1956), S. 56—58.

9

Ewald Walter Lebzeiten anders bestimmt und H e d w i g und ihre Tochter Gertrud hätten diesen Wunsch erfüllt. Zumindest aber besteht kein Zweifel, daß Heinrich I . bereits zu Lebzeiten seiner G a t t i n Hedwig, die am 14. Oktober 1243 starb 1 7 ), i n der Trebnitzer Klosterkirche begraben lag. Dies ist m i t Sicherheit aus der Legenda maior zu schließen. H i e r erzählt nämlich der unbekannte Verfasser, daß Gertrud den Wunsch ihrer Mutter, i m Kapitelsaal begraben zu werden, abschlug, und zwar m i t folgenden Worten: „ I n der K i r c h e , i m G r a b e m e i n e s V a t e r s , werden w i r dich, Mutter, beisetzen 18 )." Leider wissen w i r nicht das Jahr, i n dem die Äbtissin Gertrud ihre Mutter H e d w i g nach ihrer Grabstätte fragte. D a aber diese Frage i n der Zeit gestellt wurde, als H e d w i g an jener Krankheit l i t t , an der sie starb, u n d da die Krankheit zu dieser Zeit bereits bedenkliche Formen angenommen hatte 1 9 ), werden w i r das Todesjahr Hedwigs (1243) als jenes Jahr ansehen dürfen, zu dem die Grabstätte Heinrichs I . i n der Trebnitzer Klosterkirche v o m Verfasser der Legenda maior erwähnt w i r d . Doch die Grabstätte Heinrichs I . i n der genannten Kirche ist noch früher bezeugt. A m 24. Juni 1238 droht nämlich Papst Gregor I X . dem Herzog Heinrich I I . , dem Sohn Heinrichs I., seinen Vater de coemeterio ecclesiae ausgraben zu lassen, falls er nicht die v o m Papste gestellten Forderungen erfülle 2 0 ). M a n könnte hier versucht sein, unter dem coemeterium ecclesiae den gemeinsamen außerhalb der Kirche liegenden Friedhof des Klosters Trebnitz zu verstehen, i n dem ja bekanntlich auch H e d w i g beigesetzt zu werden wünschte 21 ). Doch hier ist zu beachten, daß i m Mittelalter das W o r t coemeterium für Friedhof und Kirche gebraucht w u r d e 2 2 ) , und daß D u Cange für dieses W o r t u. a. auch folgende Deutung gibt: „Ecclesia, i n qua scilicet fidelium corpora h u m a n t u r 2 8 ) . " Auch i n der Chronica abbatum Beatae Mariae Virginis i n Arena, der sogenannten Breslauer Sandstiftschronik, w i r d das W o r t cimiterium für Kirche gebraucht. H i e r heißt es näm17) E. W a l t e r , Der Todes- und Begräbnistag der hl. Hedwig, in: Archiv, Bd. 22 (1964), S. 176. 18) „ . . . in ecclesia te, mater, in patris mei sepulcro ponemus..." (Monumenta, Tom. IV, S. 577). l») vgl. ebd., S. 575 u. 577. 20) Das genannte päpstliche Schreiben hat von neuem abgedruckt K. E n g e l b e r t in seinem Aufsatz »Starb Herzog Heinrich I. am 19. März 1238 im Banne?", in: Archiv, Bd. 18 (1960), S. 30—32. Engelbert hat das genannte Schreiben auch teilweise ins Deutsche übersetzt (ebd., S. 32—34). a

) „ . . . in communi cymiterio sepeliri desidero" (Monumenta, Tom. I V , S. 577). 22) Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, hrsg. von O. S c h m i t t [zitiert: Reallexikon], Bd. 2, Stuttgart-Waldsee 1948, Sp. 340. w ) D u C a n g e , Glossarium mediae et infimae latinitatis, unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1883—1887, Bd. 2, Graz 1954, S. 388, Sp. 2.

10

Die erste Grabstätte

Herzog Heinrichs

. von Schlesien

lieh, daß H e d w i g beigesetzt wurde „ i n eimiterio sanetimonialium . . . , i n quo nunc est capella egregia eius sepulturae 24 ). D a w i r nun wissen, daß an der Stelle der heutigen Hedwigskapelle (capella egregia) i n Trebnitz die romanische St. Peterskapelle stand, ist hier unter eimiterium nicht ein außerhalb der Kirche liegender Friedhof, sondern die genannte romanische St. Peterskapelle gemeint 2 5 ). W i r dürfen daher auch unter dem i n der oben genannten Urkunde Gregors I X . angeführten coemeterium ecclesiae die Trebnitzer Klosterkirche verstehen. Das ist auch schon deshalb anzunehmen, weil man Heinrich I., den Stifter des Klosters Trebnitz, sicherlich nicht auf dem gemeinsamen Friedhof, sondern wie bei Stiftern üblich i n der v o n i h m errichteten Kirche beigesetzt hat. Es besteht daher w o h l kaum noch, ein Zweifel, daß der genannte Herzog bereits am 24. Juni 1238, d. h. an jenem Tage, an dem Gregor I X . sein oben genanntes Schreiben an Herzog H e i n rich I I . richtete, i n der Trebnitzer Klosterkirche begraben lag. II. N u n liegen aber zwischen dem Todestage Heinrichs I . (19. März) und dem 24. Juni mehr als drei volle Monate, und es erhebt sich hier sofort die Frage, ob der Herzog bereits v o r dem 24. Juni seine Grabstätte i n der Kirche hatte und ob dies die erste Grabstätte war. Diese Frage erscheint müßig, ist es aber nicht; denn hier ist zu bedenken, daß der Herzog gegen Ende seines Lebens v o n dem päpstlichen Legaten W i l h e l m v. Modena exkommuniziert w u r d e 2 6 ) . Wäre aber Heinrich I . vor seinem Tode von dieser Kirchenstrafe nicht absolviert worden, dann hätte er als Gebannter ohne Erlaubnis der zuständigen kirchlichen Obrigkeit nicht i n der Trebnitzer Klosterkirche beigesetzt werden können. So wurde zwar der gebannte K ö n i g Heinrich I V . , als er nach kurzer Krankheit am 7. August 1106 i n Lüttich starb, i n der dortigen St. Lambertuskirche vor dem Liebfrauenaltar beigesetzt, jedoch auf Anordnung des päpstlichen Legaten wieder ausgegraben und i n einer ungeweihten Kapelle an der Maas aufgebahrt. Auch nach 24) Scriptorcs, Bd. 2, S. 172. 25) Zur Deutung des Wortes eimiterium in der Sandstiftschronik vgl. E. W a l t e r , Die erste Grabstätte der hl. Hedwig in Trebnitz, S. 63—69 u. Abbildung zwischen S. 32 u. 33. 26) Randt, S. 129. — Wie G o t t s c h a l k richtig bemerkt, handelte es sich in dem Ringen Heinrichs I. mit dem Bischof von Breslau und dem Erzbischof von Gnesen nicht etwa um einen Kampf gegen die Institution der Kirche oder gar um Glaubensfragen. Vielmehr ging es ihm um ein Festhalten an hergebrachten Rechten der Herzöge, während die Kirche sich die Immunität, d. h. die Unabhängigkeit von den mannigfaltigen Einflüssen der staatlichen Gewalt erkämpfen wollte (vgl. J. G o 11 s c h a 1 k , St. Hedwig, Herzogin von Schlesien, Köln-Graz 1964, S. 109).

11

Ewald Walter seiner Überführung nach Speyer wurde Heinrich I V . zunächst nicht i m D o m beigesetzt. Vielmehr wurde sein Leichnam i n der St. Afrakapelle niedergestellt. Fünf Jahre hindurch lag der K ö n i g unbestattet i n einem steinernen Sarge. Erst am 14. August 1111 wurde er i m Königschor des Doms begraben 2 7 ). Wie verhält es sich aber m i t dem über Heinrich I . verhängten Banne? Namhafte sdilesische Forscher, wie F. X . Seppelt, E. Randt und H . H o f f mann vertreten die Ansicht, daß der Herzog i m Banne gestorben sei. Auch J. Gottschalk läßt durchblicken, daß er der gleichen Ansicht ist 2 8 ). Dagegen hat K . Engelbert i n seinem 1960 erschienenen Aufsatz „Starb Herzog Heinrich I . am 19. März 1238 i m Banne?" m i t Argumenten die These verteidigt, daß der genannte Herzog i m Augenblick seines Todes nicht m i t dem Banne belastet gewesen sei 29 ). Wäre dies der Fall, dann wäre Heinrich sofort nach seiner Oberführung von Crossen nach Trebnitz i n der dortigen Klosterkirche feierlich beigesetzt worden. Engelbert beruft sich für seine Ansicht auf das bereits oben kurz berührte Schreiben des Papstes Gregor I X . v o m 24. Juni 1238 an Herzog Heinrich I I . Danach hatte der päpstliche Legat W i l h e l m v. Modena über Heinrich I . die Exkommunikation verhängt, und zwar handelt es sich hier, wie Engelbert richtig bemerkt, u m eine excommunicatio ferendae sententiae. Weiter erfahren w i r , daß der Papst den Befehl gegeben hatte, den Herzog durch den A b t von Stragon ad cautelam von der Exkommunikation loszusprechen. Der Herzog wurde jedoch durch einen anderen tatsächlich (de facto) absolviert, obwohl dies rechtlich (de iure) nicht möglich w a r 3 0 ) . H i e r erhebt sich die Frage, ob diese Absolution gültig war. Für Engelbert ist es hier ausschlaggebend, daß der Papst bei seiner Androhung, Heinrich I . eventuell aus dem geweihten Boden der Kirche ausgraben zu lassen, „nicht sagt, daß dieser im Banne gestorben ist, sondern, daß er vinculo f u i t excommunicationis astrictus, d. h., daß er durch das Band der Exkommunikation verstrickt g e w e s e n ist" 31 ). 27) J. v o n G e i s s e 1, Der Kaiserdom zu Speyer, Köln 1876, S. 566 f.; G e b h a r d t s Handbuch der Deutschen Geschichte, 6. Aufl. von A. M e i s t e r , Bd. 1, Stuttgart 1922, S. 383; Ph. H o f m e i s t e r , Das Gotteshaus als Begräbnisstätte, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht, Bd. 111, Mainz 1931, S. 467; B. G e b h a r d t , Handbuch der deutschen Geschichte, 8. Aufl., Bd. 1, Stuttgart 1954, S. 271. £8) F. X. S e p p e l t , Geschichte des Bistums Breslau, Breslau 1929, S. 24; E. R a n d t , S. 129 u. 133; H . H o f f m a n n , Die hl. Hedwig, 7. Aufl., Meitingen 1947, S. 41; G o t t s c h a l k , S. 109 f. 2») Der Aufsatz erschien im Archiv, Bd. 18 (1960), S. 28—35. 30) E n g e l b e r t , S. 31—33. 31) Ebd., S. 35.

12

Die erste Grabstätte

Herzog Heinrichs

. von Schlesien

Aber es scheint doch gewagt, aus dem Perfekt fuit herauslesen zu wollen, daß die Exkommunikation nur eine zeitweilige war, also noch zu Lebzeiten Heinrichs I . aufgehoben wurde, so daß er nicht i m Banne gestorben sei. Zunächst kann man die Worte „vinculo fuit excommunicationis astrictus", schon für sich allein betrachtet, auch so deuten, daß der Herzog nach V o l l streckung der Bannsentenz den ganzen Rest seines Lebens durch das Band der Exkommunikation verstrickt gewesen ist. Für diese Erklärung spricht Folgendes. H ä t t e Gregor I X . es gewagt, bzw. überhaupt wagen können, gegen Heinrich I I . , einen angesehenen Herzog eines großen Territoriums, dessen Verdienste der Papst selbst i n seinem Schreiben anerkennt 3 2 ), die Drohung auszusprechen, den Vater aus dem geweihten Boden der Kirche ausgraben zu lassen, wenn letzterer v o r seinem Tode v o m Banne losgesprochen und i m Frieden m i t der Kirche aus diesem Leben geschieden wäre? Gregor I X . verlangte v o n Heinrich I I . volle Genugtuung für die v o n seinem Vater dem Erzbischof von Gnesen und seiner Kirche zugefügten Schäden u n d Ungerechtigkeiten 33 ). Diese H a l t u n g w i r d niemand dem Papst verübeln. Dagegen wäre es unverständlich, i m Falle einer NichtWiedergutmachung des Schadens den toten Vater des Herzogs strafen zu wollen, wenn dieser i m Frieden m i t der Kirche aus dem Leben geschieden wäre. Ganz anders würde es sich jedoch verhalten, wenn Heinrich I . i m Banne gestorben wäre. I n diesem Falle hätte der Papst ein Recht gehabt, Heinrich I I . zu drohen, seinen Vater aus der geweihten Erde ausgraben zu lassen, falls er nicht volle Genugtuung leiste; denn ein i m Kirchenbann Verstorbener hatte keinen Anspruch darauf, i n geweihter Erde beigesetzt zu werden. N u n w i r d man vielleicht hier einwenden, daß doch das Faktum der Beisetzung Heinrichs I . i n der Klosterkirche dafür spricht, daß der Herzog nicht i m Banne gestorben ist, da man einen Gebannten sicherlich nicht i n geweihte Erde beigesetzt hätte. Hierauf ist Folgendes zu erwidern. Zunächst steht nicht m i t Sicherheit fest, daß Heinrich I . bald nach seinem Tode i n der Trebnitzer Klosterkirche begraben wurde, da, wie w i r oben sahen, sich nur nachweisen läßt, daß er bereits am 24. Juni 1238 i n der genannten Kirche sein Grab hatte. Aber selbst dann, wenn der Herzog nicht lange nach seinem Hinscheiden i n der Trebnitzer Abteikirche beigesetzt worden wäre, könnte man daraus noch nicht folgern, daß er nicht i m Banne gestorben sei; denn es k a m tatsächlich vor, daß auch ein Gebannter i n geweihter Erde sein Grab fand. So ließ z. B. der Bischof Otbert den i m Banne gestorbenen 32) Ebd., S. 32. 33) Ebd., S. 32.

13

Ewald Walter K ö n i g Heinrich I V . feierlich i n der St. Lambertuskirche von Lüttich beisetzen 84 ), wenngleich er dann, wie schon oben bemerkt wurde, auf Geheiß des päpstlichen Legaten aus der geweihten Erde der Kirche wieder ausgegraben wurde. Es ist freilich nicht anzunehmen, daß Hedwig, eine Heilige, ihren Gemahl i n der Klosterkirche beigesetzt hätte, wenn letzterer i m Banne gestorben wäre. Eine solche Beisetzung wider den W i l l e n der Mutter hätte auch ihre Tochter Gertrud, die damals Äbtissin des Klosters war, sicher nicht gewagt. Letztere hätte außerdem den Widerspruch des Abtes v o n Leubus, der die Aufsicht über Trebnitz führte 8 6 ), fürchten müssen. Ja, eine Anzeige des genannten Abtes beim Generalkapitel i n Citeaux hätte zur schweren Bestrafung der Äbtissin Gertrud führen können. Auch hätte Gert r u d nicht nur den Einspruch des Breslauer Bischofs und des Erzbischofs v o n Gnesen, m i t denen ihr Vater i n heftigem Streit gelegen hatte 8 6 ), erwarten, sondern auch m i t dem Protest des päpstlichen Legaten W i l h e l m v. Modena, der den Bann über Heinrich I . verhängt hatte, u n d m i t dem U n w i l l e n des Papstes rechnen müssen. Trotzdem wäre es denkbar, daß Heinrich I . selbst dann, wenn er i m Banne gestorben wäre, i n der Klosterkirche beigesetzt wurde. So könnte Gertrud v o n der hier zuständigen Obrigkeit die Erlaubnis eingeholt haben, den gebannten Vater i n der Kirche zu bestatten. Daß auch Gebannte i n geweihter Erde m i t Genehmigung des Papstes beigesetzt wurden, ist bekannt. So fand z . B . A b t Pontius v o n Cluny, der Vorgänger des großen Abtes Peter der Ehrwürdige, i n der Basilika zu C l u n y seine letzte Ruhestätte, obwohl er als Gefangener des Papstes i m Banne, ohne Reue und ohne Verlangen nach Absolution, aus diesem Leben geschieden war. Der Papst Honorius I I . hatte nämlich i n diesem Falle sogar verfügt, daß A b t Pontius e h r e n v o l l beigesetzt werden solle. Letzterer fand zunächst „ i n monasterio s. Andreae" i n R o m seine Grabstätte, wurde aber dann später i n die Basilika zu C l u n y übergeführt. T r o t z seiner Beisetzung i n seiner Abteikirche wurde aber auf seinem Grabmal sichtbar zum Ausdruck gebracht, daß er i m Banne gestorben war. Es geschah dies durch „die Gestalt eines Mannes, m i t gebundenen Füßen, einer abgehauenen H a n d , einen Krummstab i n der anderen h a l t e n d " 8 7 ) . A u d i der Mainzer Erzbischof H e i n rich I I I . v o n Virneburg (1328—1346) starb am 21. Dezember 1353 zu 84) v o n G e i s s e 1, S. 566. 35) Schlesisches Urkundenbuch. Bearbeitet von H . A p p e l t , Bd. 1, Lieferung 1, GrazKöln 1963, Urkunde Nr. 97. 36) Vgl. zu diesem Streit R a n d t , S. 129. 37) H o f m e i s t e r , S. 463.

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Die erste Grabstätte

Herzog Heinrichs

. von Schlesien

E l t v i l l e i m Banne. Doch erlaubte U r b a n V . 1364 seine kirchliche Beerdigung 3 ?). So beweist also die Tatsache, daß Heinrich I . spätestens am 24. Juni 1238 i n der Klosterkirche zu Trebnitz begraben lag, keineswegs, daß er nicht i m Banne gestorben sein könnte, und obige Ausführungen haben gelehrt, daß Engelberts These noch nicht als gesichert angesehen werden kann. Zur Frage nach der ersten Grabstätte Heinrichs I . läßt sich daher vorläufig nur Folgendes sagen. Wäre der Herzog nicht i m Banne gestorben, dann wäre er sicherlich nach seiner Überführung v o n Crossen nach Trebnitz sofort i n der dortigen Klosterkirche beigesetzt worden. Wäre Heinrich I . dagegen i m Augenblick seines Hinscheidens noch durch das Band der Exkommunikation verstrickt gewesen, hätte die Äbtissin Gertrud ihn erst dann i n der Kirche beisetzen können, als die Erlaubnis der hier zuständigen Obrigkeit eingetroffen war. Es wäre also denkbar, daß der Sarkophag m i t den Gebeinen des Herzogs eine Zeitlang außerhalb der Klosterkirche an einem nicht näher zu bestimmenden Platz des Klosters über der Erde gestanden hätte, bis die Genehmigung zur Beisetzung i m geweihten Boden der Kirche eingetroffen war. III. I n unserer weiteren Untersuchung gehen w i r von der feststehenden Tatsache aus, daß Heinrich I . spätestens am 24. Juni 1238 i n der Trebnitzer Klosterkirche begraben lag. H i e r soll nun die Frage gestellt und beantwortet werden: Wurde Heinrich I., als seine Leiche i n die Klosterkirche i n Trebnitz übergeführt wurde, sofort i n dem über der K r y p t a liegenden Presbyterium beigesetzt, i n dem er heute ruht? Bereits oben wurde gesagt, daß Luchs eine solche K o n t i n u i t ä t der Grabstätte Heinrichs I . annimmt, ja sogar die These vertritt, daß der Herzog „ a u f sein Begehren" mitten i m Presbyterium vor dem H a u p t a l t a r beigesetzt wurde. Aber diese K o n t i n u i t ä t gerät sofort ins Wanken, wenn w i r bedenken, daß sich unter dem H a u p t altarhaus der Trebnitzer Klosterkirche bereits beim Tode Heinrichs I . eine romanische K r y p t a befand 3 9 ). Aus diesem Baubefund ergibt sich nämlich folgender zwingender Schluß. Wenn Heinrich I . nach seiner Überführung i n die Abteikirche i m Presbyterium beigesetzt worden wäre, hätte er nicht 38) A. B. G o t t r o n , Mainzer Kirchengeschichte kurz gefaßt nebst Kurze Biographie zur Mainzer Kirchengeschichte von A. Ph. B r ü c k , Mainz 1950, S. 38 f.; Lexikon für Theologie und Kirche. Begründet von M. B u c h b e r g e r , 2. Aufl., Bd. 5, Freiburg 1960, Sp. 197. 39) Diese Krypta wird als inferior cripta bereits 1214 urkundlich erwähnt (Schlesisdies Urkundenbudi, Bd. 1, Lieferung 1, Nr. 141).

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Ewald Walter i n der geweihten E r d e der Kirche begraben werden können, sondern müßte sofort über der Erde, d. h. i n einem Hochgrab, seine Ruhestätte gefunden haben. E i n Erdgrab wäre hier nämlich nicht möglich gewesen, da sich unter dem Fußboden des Presbyteriums kein Erdreich, sondern eine gewölbte K r y p t a befindet. E i n ursprüngliches Hochgrab ist aber bei H e i n rich I . v o n vornherein nicht anzunehmen, da i m Mittelalter auch i n Kirchen Erdbegräbnisse üblich waren, und zwar nicht nur bei Geistlichen, sondern auch bei Kaisern und Königen 4 0 ). So fand K a r l der Große ein Erdgrab i m östlichen Umgang der v o n ihm errichteten Aachener Pfalzkapelle, desgleichen Kaiser O t t o I I I . Auch dann, als Ottos I I I . Sarg (vor 1414) von seiner ersten Stelle beseitigt und i m gotischen Chor beigesetzt wurde, hat man seinen Sarg wieder i n ein Erdgrab gesenkt 41 ). K a r l der Kahle fand seine Ruhestätte unter dem altare sanctum v o n Saint-Denis 4 2 ), und der deutsche K ö n i g Heinrich I . wurde zuerst vor dem H a u p t a l t a r der Stiftskirche v o n Quedlinburg ebenfalls i n einem Erdgrab begraben. Dasselbe gilt v o n den Kaisergräbern des Saliergeschlechts i m Langhaus des Domes zu Speyer 4 3 ). Auch die Leiche des Pfalzgrafen H e i n rich I I . , des Stifters der Abtei Maria Laach, wurde anfangs nicht i n einer über dem Boden stehenden Tumba beigesetzt, sondern erhielt i m Kreuzgang des Klosters vor dem Kapitelsaal ein Erdbegräbnis 4 4 ). Selbst der große Kirchenlehrer u n d ehemalige Bischof v o n Regensburg, St. Albertus Magnus, fand i n der Dominikanerkirche zu K ö l n i n der M i t t e des Chores vor dem Hauptaltar ein Erdgrab. D i e Brüder gruben zunächst das Grab und ließen daselbst einen Steinsarg hinab. Nach dem Requiem wurde der Holzsarg, i n den man den Leib Alberts gebettet hatte, verschlossen und i n den Steinsarg versenkt. D a n n schüttete man Erde auf den Sarg und verschloß das Grab m i t einer schweren Steinplatte 4 5 ). Auch die Leiche der Herzogin Anna von Schlesien, der Schwiegertochter Heinrichs I . und seiner Gemahlin Hedwig, wurde, als man sie i n der St. Hedwigskirche des Breslauer Klarenstifts, der heutigen Außenkirche der Ursulinen, beisetzte, i n die Erde gesenkt und das 40

) Vgl. J. R a m a c k e r s , Das Grab Karls des Großen und die Frage nach dem Ursprung des Aachener Oktogons, in: Historisches Jahrbuch, 75. Jahrgang (1956), S. 124. 41) E. T e i c h m a n n , Zu der Lage des Zweikaiser-Grabes in der Aachener Pfalzkapelle, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein [zitiert: Annalen], Heft 128, Düsseldorf 1936, S. 128, 133 f. 42) R a m a c k e r s , S. 124. 43) Ebd., S. 124. — Nach R a m a c k e r s , S. 124, wurden die Salierkaiser in der Krypta des Domes zu Speyer beigesetzt, was ein Irrtum ist. 44) M a n n , S. 192. 45) H . Christian S c h e e b e n , Albertus Magnus, Bonn 1932, S. 182 f.

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Die erste Grabstätte

Herzog Heinrichs I. von Schlesien

Grab m i t einer Steinplatte bedeckt 46 ). V o n dieser A r t der Bestattung w a r auch die hl. Hedwig, Herzogin von Schlesien, nicht ausgenommen. Dies geht deutlich aus dem Bericht hervor, den der unbekannte Verfasser der 1300 vollendeten Legenda maior de sancta H e d w i g i über die Erhebung ihrer Gebeine vor der feierlichen Translation überliefert hat; denn hier mußte erst, bevor man die obere Deckplatte v o m Sarkophag der Heiligen entfernen konnte, die Erde aus dem Grabe entfernt werden 4 7 ). Die genannten Beispiele genügen, um zu beweisen, daß auch Heinrich I . von Schlesien bei seiner Beisetzung i n der Trebnitzer Klosterkirche offenbar ein Erdgrab gefunden hat, und nicht i n einer über dem Boden stehenden Tumba begraben wurde. IV. Dem scheint entgegenzustehen, daß man zahlreichen geistlichen und weltlichen Würdenträgern über dem Boden stehende Tumben errichtete. Hierauf ist zu erwidern, daß Hochgräber dieser A r t gar nicht zur Aufnahme der Leiche bestimmt waren, sondern nur Denkmäler darstellten, die sich über der Bestattungsstätte i m Erdboden erhoben 48 ). So fand man, als die über dem Boden stehende Tumba Heinrichs des Löwen und seiner G a t t i n Mathilde i m D o m zu Braunschweig 1935 untersucht wurde, ihre Gebeine nicht i n der Tumba, sondern genau unter den Grabfiguren i m Erdboden, und zwar die des Herzogs i n einem Steinsarkophag und die der Herzogin i n einem Holzsarg 4 9 ). Der hl. Erzbischof A n n o v o n K ö l n wurde 1075 an der Westseite des Vorchores der Abteikirche v o n Siegburg vor dem Kreuzaltar begraben, und zwar i n einer engen Gruft, die i n ihrem untersten Teile aus einem römischen Sandsteinsarkophag besteht. Über der Gruft erhob sich eine Tumba 5 ®). D i e Gebeine Annos wurden also nicht i n der über dem Boden stehenden Tumba beigesetzt, sondern unter dem Fußboden der Kirche. Auch die hl. Landgräfin Elisabeth von Thüringen besaß vor der Erhebung ihrer Gebeine eine über dem Boden der ersten Grabeskirche stehende Tumba, d. h. ein Hochgrab, das m i t einer großen Steinplatte bedeckt war. Es w i r d 46) Auf Annas Grab liegt eine Sandsteinplatte mit gotischer Minuskelumschrift und dem schlesischen Adler in der Mitte der Platte (Th. P i e t s c h , Zur Geschichte des Breslauer Klarenstiftes, des jetzigen Ursulinenklosters, Breslau 1937, S. 36). 47) „Nam eiecta humo de tumulo remotaque superiori tabula de sarcophago, in quo corpus sanctum iacebat, . . . a (vgl. Monumenta, Tom. IV, S. 631 u. 641). 48) Reallexikon, Bd. II, Sp. 350. 4») Ebd., Sp. 350 f. 50) P. W i e l a n d , Zur Baugeschichte der Abteikirche in Siegburg, in: Rheinische Kirchen im Wiederaufbau, hrsg. von W. N e u s s , M. Gladbach 1951, S. 90 f. 2

Breslau

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Ewald Walter beim 33. Wunder des Berichts von 1233 als sarcophagus bezeichnet, an dem sich ein lahmer Knabe aufrichtete, indem er sich m i t der H a n d an dem sarcophagus festhielt 5 1 ). Aber der Leib der hl. Elisabeth lag nicht i n diesem Hochgrab, sondern unter i h m i n der Erde. Dies geht zunächst daraus hervor, daß die Pilger die unter dem sarcophagus liegende Erde herausscharrten, um sie aufzulegen oder die kranken Stellen ihres Körpers damit zu bestreichen. Dadurch hatte sich eine H ö h l u n g gebildet, i n die man die H a n d hineinsteckte 52 ). Noch deutlicher für ein Erdgrab der hl. Elisabeth spricht der Bericht des Caesarius von Heisterbach über die Erhebung der Gebeine der Landgräfin vor ihrer feierlichen Translation. H i e r erzählt Caesarius, daß man erst die Erde herauswarf und dann das Grab der Heiligen öffnete 6 3 ). E i n weiteres Beispiel für ein Erdbegräbnis trotz Errichtung eines Hochgrabes bieten uns Gräber der polnischen Könige i m Krakauer D o m . H i e r liegen die polnischen Könige des 14. und 15. Jahrhunderts ebenfalls nicht i n ihren Hochgräbern, sondern unter ihnen begraben 54 ). Diese Beispiele genügen, um zu beweisen, daß Heinrich I . von Schlesien ursprünglich i n der Trebnitzer Klosterkirche selbst dann ein Erdgrab gefunden hätte, wenn von Anfang an eine über dem Boden stehende Tumba den O r t seines Grabes bezeichnet hätte. Doch noch gilt es, einen letzten E i n w a n d zu widerlegen. Es gibt nämlich tatsächlich noch aus dem Mittelalter stammende über dem Boden stehende Tumben, i n denen der Leib des Verstorbenen beigesetzt ist, woraus man schließen könnte, daß zumindest hier und da Leichen des Mittelalters kein Erdgrab gefunden haben, sondern über dem Boden i n ein Hochgrab gesenkt wurden. So befinden sich z. B. die Gebeine Kaiser Ottos I . i m Magdeburger D o m nicht unter dem Fußboden des Gotteshauses, sondern in einem Hochgrab. Doch hier ist zu bemerken, daß es sich hier u m eine Erhebung und Umbestattung anläßlich des Domneubaues i m 13. Jahrhundert handelt 5 5 ). 51) Vgl. A. H u y s k e n s , Quellenstudien zur Geschichte der hl. Elisabeth, Marburg 1908, S. 106 u. S. 106, Anm. 6. — »Puer vero, tenens manum ad sarcophagum, erexit se . . (33. Wunder des Berichts von 1233: „De puero claudo sanatoa, ebd., S. 187). 52) Ebd., S. 106 f. — 5. Wunder des Berichts von 1233: „De claudo sanato:a « . . . puerum ponebant super sepulchrum, et dixit mater: ,Fili, mitte manum tuam subtus lapidem sepuldiri!' Erat autem ibi fovea, unde terram sepulchri homines extraxerant. . (ebd., S. 167). 53) „ . . . Ulricus, prior loci, . . . reiecta terra sepulchrum aperuit, . . . a (Die Predigt über die Translation der hl. Elisabeth, in: Die Wundergeschichten des Caesarius von Heisterbach, hrsg. von A. H i 1 k a , Bd. 3, Bonn 1937, S. 329 u. 386. 54 ) Kl. B ^ k o w s k i , Führer durch den Dom und die Wawel Burg in Krakau, Krakau 1916, S. 21. 55) Reallexikon, Bd. II, Sp. 350.

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Die erste Grabstätte

Herzog Heinrichs I. von Schlesien

Diese Grabstätte spricht also keineswegs dagegen, daß O t t o I . wie üblich ursprünglich i m ersten D o m ein Erdgrab gefunden hat. Auch für Herzog Heinrich I I . von Schlesien, den Sohn der hl. Hedwig, wurde i n der St. Jakobskirche zu Breslau (heute St. Vinzenzkirche) noch i m Mittelalter eine Tumba geschaffen. Sie stand anfangs i n der M i t t e des Chores, bis A b t Matthaeus Paul das Monument abbrechen, die Gebeine des Herzogs am 18. September 1664 feierlich erheben und mehr i n der Nähe des Hochaltares unter dem Kredenztisch beisetzen ließ. 1832 wurde ein neuer Sarkophag gefertigt, die Gebeine des Herzogs i n die H ö h l u n g des Grabmals gebettet und die mittelalterliche Deckplatte m i t der Figur des Herzogs auf den neuen Sarkophag gelegt 6 6 ). I n dieser Tumba befanden sich die Gebeine des Herzogs bis zum zweiten Weltkrieg 6 7 ). Aus den genannten Schicksalen des Grabmals Heinrichs I I . geht nun zunächst hervor, daß seine Gebeine erst seit 1832 i n dem oben geschilderten Hochgrab lagen. O b die Tumba, die A b t Matthaeus Paul v o n der M i t t e des Chores unter den Kredenztisch des Hochaltares verlegte, bereits die Gebeine des Herzogs barg, ist ungewiß. Aber selbst dann, wenn die zu der heute noch vorhandenen mittelalterlichen Deckplatte gehörige verschollene mittelalterliche Tumba die Gebeine Heinrichs I I . enthalten hätte, ist damit nicht bewiesen, daß der Herzog bald nach seinem Heldentode i n der Schlacht bei Liegnitz i n einem Hochgrab beigesetzt worden ist; denn diese Tumba samt Deckplatte stammt erst aus dem 14. Jahrhundert, während Heinrich I I . bereits 1241 gefallen ist. Vielmehr ist auch bei diesem Herzog bis zum Beweis des Gegenteils anzunehmen, daß er — wie i m Mittelalter üblich — ursprünglich ein Erdgrab gefunden hat. Endlich muß i n unsere Untersuchung auch die einst i n der Oberkirche der Breslauer Kreuzkirche stehende Tumba des schlesischen Herzogs H e i n rich I V . eingereiht werden 6 8 ), da sie bis zum zweiten Weltkrieg die Gebeine des Herzogs barg. D a Heinrich I V . 1290 starb 6 9 ), könnte er nur dann i n dieser Tumba ein Hochgrab gefunden haben, wenn diese Tumba zur Zeit seiner Beisetzung bereits vorhanden gewesen wäre. Wäre diese Bedingung 56) Fr. Xav. G ö r 1 i c h , Die Prämonstratenser und ihre Abtei zum hl. Vinzenz, zweiter Teil, Breslau 1841, S. 89 f.; L u c h s , Bogen 9, S. 3. — 1623, also noch vor der Versetzung des Denkmals unter den Kredenztisch hatte Abt Kaspar Schröter nach einer Inschrift auf dem Monument dasselbe vor dem Untergange bewahrt (G ö r 1 i c h , S. 89). 57) Die Tumba wurde während der Belagerung Breslaus im zweiten Weltkriege vernichtet; die mittelalterliche Deckplatte war vor der Belagerung ausgelagert worden und ist erhalten geblieben. 58) F. L a n d s b e r g e r , Breslau, Leipzig 1926, S. 55 u. Abb. 36. 59) R a n d t , S. 172.

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Ewald Walter erfüllt und der Herzog sofort i n der O b e r k i r c h e beigesetzt worden, müßte er sogar sein Grab ü b e r der Erde gefunden haben, da wegen der unter der Oberkirche liegenden Unterkirche ein Erdgrab i n der Oberkirche nicht möglich gewesen wäre. H i e r z u ist zunächst zu sagen, daß der Herzog offenbar i m Chor der Oberkirche nicht seine erste Grabstätte gefunden hat, da der Chor der Oberkirche erst 1295 geweiht w u r d e 6 0 ) . Wie steht es nun m i t der Frage, ob die heutige Tumba Heinrichs I V . bereits bei seiner Beisetzung zu einer eventuellen Aufnahme des Leichnams fertiggestellt war? Nach J. G. Büsching ist das Grabmal i n den Jahren 1290/96 verfertigt worden und war, wie er weiter annimmt, wahrscheinlich 1295, bei der Weihe des Chores, schon vollendet 6 1 ). Auch nach Ch. Gündel w i r d das Grabmal nicht vor 1290 entstanden sein. Vielmehr n i m m t er ebenfalls an, daß es erst bald nach dem Tode Heinrichs I V . i n A n g r i f f genommen wurde und wahrscheinlich schon 1295 an seiner jetzigen Stelle stand 6 2 ). D a nach D . Frey die Figuren an den Seitenwänden der Tumba Heinrichs I V . „ k a u m lange nach 1300" anzusetzen sind 6 3 ), kann die Tumba ebenfalls erst nach dem Tode des Herzogs i n Auftrag gegeben worden sein. Noch später als Frey datiert, wie Gündel ausführt, W . Pinder die Tumba Heinrichs I V . „Es bleibt", so schreibt Gündel, „wenn man Pinder folgt, nur die Datierung: 1320 6 4 )." Für die Errichtung der Tumba nach dem Tode des Herzogs spricht aber noch eine andere Beobachtung, die ich während des zweiten Weltkrieges machte. Als die Tumba aus der Kreuzkirche entfernt werden sollte, u m sie außerhalb der Stadt Breslau sicherzustellen, wurde die Deckplatte i n Gegenwart des Kanonikus Kramer, des Archivdirektors D r . Engelbert, des Pfarrers der Kreuzkirche, Geistl. Rat D i t t r i d i , u n d des Provinzialkonservators Professor D r . Grundmann geöffnet. Auch ich durfte der Kommission angehören, die dem spannenden Augenblick der Öffnung des Hochgrabes bei60) L. B u r g e m e i s t e r , Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau, Teil 1, Breslau 1930, S. 175. — Hier irrt daher L u c h s , wenn er Bogen 10, S. 20 schreibt, daß Heinrich I V . am 27. Juli 1920 in der Oberkirche der Kreuzkirche bestattet wurde. 61) Vgl. Chr. G ü n d e l , Das schlesische Tumbengrab im X I I I . Jahrhundert, Straßburg 1926, S. 38. 62) Ebd., S. 38 f. 63) D. F r e y , Die Kunst im Mittelalter (Geschichte Schlesiens, hrsg. von der Historischen Kommission für Schlesien, Bd. I, 3. Aufl.), Stuttgart 1961, S. 560. — Audi W e i g e r t setzt die Tumba an den Anfang des 14. Jahrhunderts; vgl. G. G r u n d m a n n , Das gotische Portal der Hedwigskapelle in Trebnitz (A. Z i n k l e r — D. F r e y — G. G r u n d m a n n , Die Klosterkirche in Trebnitz), Breslau 1940, S. 173. — Diese Ansicht hatte schon H. L u c h s , Bogen 10, S. 20 ausgesprochen. 64) G ü n d e l , S. 38.

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Die erste Grabstätte

Herzog Heinrichs

. von Schlesien

wohnte. Z u r Enttäuschung aller lag i n der Tumba nur eine kleine Holzkiste ohne Deckel, an deren einer Seite außen ein größerer Nagel herausragte. N u r wenige Knochenreste befanden sich i n der Kiste. M i r fiel jedoch noch etwas anderes auf. Der Innenraum der Tumba besaß nicht das V o l u men, das man erwartete, wenn man die Tumba v o n außen betrachtete. Er entsprach zwar der Länge und Tiefe der Tumba, aber nicht der Breite, so daß ein bald nach dem Tode dort beigesetzter Leichnam liegend m i t dem Gesicht nach oben nicht darin Platz gefunden hätte. Diese Beobachtung könnte aber dafür sprechen, daß der Herzog erst dann in der Tumba beigesetzt wurde, als infolge weit fortgeschrittener Verwesung nur noch das Gerippe des Leibes vorhanden war, das schließlich bei der Erhebung der Gebeine zerfiel. Dies würde aber wieder bedeuten, daß die für die Gebeine des Herzogs bestimmte Tumba erst nach dem Tode des Herzogs fertiggestellt war, d. h. der Herzog müßte vorher anderweitig beigesetzt worden sein. Was die oben genannte Kommission i m zweiten Weltkriege sah, steht teilweise i m Widerspruch zu der N o t i z , die A . Knoblich i m Schlesischen Kirchenblatt (1866) bringt: „Am 22. Juni war die Figur der Tumba abgehoben. Des Herzogs Gebeine ohne Spur von früherer Bekleidung lagen in Ordnung in einem e i c h e n h o l z e n e n S a r g e , zu der die Figur selbst den Deckel bildet in der Tumba 65 )." Es ist verständlich, wenn Gündel keinen Grund sieht, der Nachricht Knoblichs zu mißtrauen, da, wie er bemerkt, Knoblich sehr zuverlässig arbeitet und die Nachricht ganz kurz nach der Öffnung der Tumba „gedruckt erscheint" 66 ). Doch nach dem, was i m zweiten Weltkriege bei der Öffnung der Tumba entdeckt wurde, w i r d man an der Richtigkeit der Nachricht Knoblichs zweifeln dürfen; denn die kleine Kiste ohne Deckel hat m i t dem Begriff eines Sarges nichts zu tun, und von einer Öffnung der Tumba i n der Zeit zwischen 1866 und der oben genannten Öffnung i m zweiten Weltkriege, i n der der Sarg durch eine kleine Kiste ersetzt worden sein müßte, ist nichts bekannt. Ebenso dunkel wie Knoblichs Bericht ist zum Teil eine Nachricht, die sich i n einer Dominikanerchronik der Universitätsbibliothek i n Breslau befand. H i e r ersehen w i r , daß das Grab Heinrichs I V . bei der Schwedeninvasion 65) A. K n o b l i c h , Ein herzogliches Grabmal, in: Schlesisches Kirchenblatt, Breslau 1866, S. 532. 66) G ü n d e 1, S. 36 f.

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Ewald Walter zerstört und die Leiche m i t dem schwarzen H a b i t zerwühlt w u r d e 6 7 ) . Daß die Tumba damals Schaden gelitten hat, ist zweifellos richtig 6 8 ). Auch besteht kein G r u n d zu zweifeln, daß die Gebeine damals durchwühlt wurden. Doch ist schwer zu verstehen, daß die Leiche i n ein schwarzes H a b i t gekleidet gewesen sein soll, da, wie w i r oben sahen, ein auf dem Rücken liegender Leichnam i n der Tumba keinen Platz finden konnte. M a n könnte die Glaubwürdigkeit der oben genannten Nachricht nur dadurch retten, daß man unter dem schwarzen H a b i t des Herzogs ein schwarzes Tuch versteht, i n das die zerfallenen Gebeine eingehüllt waren. Es muß hier noch ergänzend hinzugefügt werden, daß die geringe innere lichte Weite der Tumba Heinrichs I V . kein U n i k u m darstellt. So beträgt z. B. die innere lichte Weite des Essener Sarkophages m i t den Überresten des hl. Altfried, Bischofs von Hildesheim, der aus den letzten Jahrzehnten des 13. oder dem Anfange des 14. Jahrhunderts stammt, nur ca. 30 cm, also nicht die Breite eines menschlichen Körpers. Diese geringe Breite reicht jedoch vollständig aus für Gebeine, die lange Zeit i m Erdreich gelegen u n d bei der Erhebung auseinanderfallen 69 ). So spricht also auch die Tatsache, daß die Gebeine Heinrichs I V . Jahrhunderte hindurch i n dem künstlerisch wertvollen Hochgrab gebettet lagen, keineswegs dafür, daß die Leiche des Herzogs ihre erste Beisetzung i n einem Hochgrab gefunden hat. Vielmehr konnte auch hier festgestellt werden, daß der genannte Herzog offenbar anfangs in einem Erdgrab bestattet war und erst später i n die heutige Tumba übergeführt wurde. Zuletzt sollen noch die Gräber Bolkos I., Herzog von Schlesien-Schweidnitz (1278—1301), und Bolkos I I . , Herzog von Schlesien-Schweidnitz (1326 bis 1368), i n Grüssau, die Gräber Bolkos I I . , Herzog v o n Schlesien-Münsterberg ( f 1341), und seiner Gemahlin Jutta i n Heinrichau sowie das Grab Boleslaus* I I I . , Herzog v o n Schlesien, H e r r v o n Liegnitz und Brieg ( t 1352), i n der Fürstenkapelle zu Leubus i n unserem Zusammenhange behandelt werden. I n allen genannten Fällen handelt es sich u m Tumben m i t den Figuren der Verstorbenen als Deckplatte. O b die Gebeine dieser Toten i n den über dem Boden stehenden Tumben liegen, ist uns nicht bekannt. Wenn dies der Fall wäre, dann würde dies aber nicht etwa dafür sprechen, daß die genannten Herzöge und die Herzogin Jutta kein Erdgrab gefunden 07) Vgl. H. L u c h s , Bogen 10, S. 21, Anm. 3. 68) G ü n d e 1, S. 35, spricht von einer teilweisen Zerstörung des Grabmals in dieser Zeit. 69) G. H u m a n n , S. 332 f.

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Die Kunstwerke

der Münsterkirche

zu Essen, Düsseldorf

1904,

Die erste Grabstätte

Herzog Heinrichs 1. von Schlesien

haben, sondern bald nach ihrem Tode i n Tumben beigesetzt wurden, die über der Erde standen; denn, ausgenommen die mittelalterlichen Deckplatten, stammen alle Tumben erst aus der Barockzeit, sprechen also nicht dagegen, daß auch hier ursprünglich nur eine Erdbestattung i n Frage k o m m t 7 0 ) . Nach Gündel mag das Grabmal Bolkos I . i n Grüssau „ b a l d nach dem Tode des Herzogs" entstanden sein, „oder, was nicht ausgeschlossen ist, der Fürst hat das Grabmal schon bei Lebzeiten bestellt und herstellen lassen" 71 ). Aber selbst dann, wenn nicht nur die Deckplatte, sondern auch die verschollene Tumba bereits beim Tode des Herzogs fertiggestellt gewesen wäre, spräche nichts dafür, daß Bolko I . bald nach seinem Tode in dieser Tumba beigesetzt worden wäre. Vielmehr ist auch hier von vornherein anzunehmen, daß der Herzog wie i m Mittelalter üblich zunächst ein Erdgrab gefunden hat. So läßt also bereits der Bestattungsbrauch des Mittelalters m i t den hier angeführten Beispielen die Annahme zu, daß auch Heinrich I . anfangs i n einem Erdgrab und nicht i n einer über dem Boden stehenden Tumba beigesetzt wurde. V. Für ein ursprüngliches Erdgrab des Herzogs sprechen aber auch noch andere Gründe. Als die hl. H e d w i g den Wunsch äußerte, i m Kapitelsaal der Trebnitzer Nonnen beigesetzt zu werden, lehnte ihre Tochter Gertrud diese Bitte ab, indem sie der Mutter entgegnete: „ I n der Kirche, i m Grabe meines Vaters, werden w i r dich, Mutter, beisetzen 72 )." Was bedeutet nun hier „ i n patris mei sepulcro"? Sicherlich dachte hier Gertrud nicht daran, H e d w i g n e b e n ihrem Gatten zu begraben; denn das Mittelalter wußte sehr w o h l bei Grabstätten zwischen den Wörtern „ i n " und „ i u x t a " zu unterscheiden. So wollte Bischof Thomas I I . v o n Breslau iuxta tumbam, d. h. neben dem Grabe seines Vorgängers Thomas I . zu dessen Füßen beigesetzt werden 7 8 ). Scheidet also bei H e d w i g eine Grabstätte neben der ihres Mannes aus, dann kann i n sepulcro nur bedeuten, daß Hedwigs Sarg bzw. Sarkophag über den ihres Gatten gelegt werden sollte, so daß sie beide bei einem Erdgrabe i m gleichen Grabe zu liegen gekommen wären. Eine 70) Zu den genannten Tumben in Grüssau, Heinrichau und Leubus vgl. L u c h s , Bogen 28, S. 8—10; Bogen 29 a, S. 9; Bogen 20, S. 10 f.; Bogen 16, S. 3. 71) G ü n d e 1, S. 50. ) „in ecclesia te, mater, in patris mei sepulcro ponemus, . . . a (Monumenta, Tom. I V , S. 577). 73) „ . . . in qua nostra cathedrali ecclesia sepeliri volumus iuxta tumbam avunculi et praedecessoris nostri ad pedes eiusdem, . . (vgl. A. S a b i s c h , Die ältesten Bischofsgräber im Breslauer Dom, in: Archiv. Bd. X X , Hildesheim 1962, S. 161). 72

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Ewald Walter Bestattung mehrerer Personen i m gleichen Grabe übereinander wurde i m Mittelalter auf Friedhöfen für selbstverständlich angesehen 74 ), sie wurde aber auch i n Kirchen angewendet. So fand z. B. O t t o I I I . sein Grab i n dem Karls des Großen i n Aachen, d. h. der Sarkophag Ottos I I I . wurde hier unter den Karls des Großen gestellt. Beide Sarkophage standen nicht über der Erde, sondern unter der Erde 7 5 ). Ende August 1309 wurde i m D o m zu Speyer der Sarg des Königs Albrecht von Österreich i n dem Grabe der Kaiserin Beatrix, der Gemahlin Friedrich Barbarossas, und der Sarg des Königs A d o l f von Nassau i n der G r u f t der kleinen Agnes, der Tochter Friedrich Barbarossas, beigesetzt 76 ). Auch die Herzogin Elisabeth, Tochter Herzog Heinrichs V I . von Breslau, wurde in loco et sepulcro ihrer Verwandten Elisabeth i n der Hedwigskirche des Breslauer Klarenstifts begraben 77 ). Wenn aber Gertrud die Absicht hatte, den Sarg ihrer Mutter über den ihres Vaters oder den Sarg Hedwigs unter den Heinrichs I . zu stellen, dann setzt dies voraus, daß Heinrich I . ein Erdgrab besaß; denn man kann es sich nicht gut vorstellen, daß Gertrud beide Sarkophage auf dem Fußboden der Kirche allen sichtbar übereinander schichten wollte. V o r allem aber hätte Gertrud i n letzterem Falle nicht sagen können, daß sie H e d w i g i m Grabe Heinrichs I . beisetzen wolle; denn von e i n e m Grabe kann man nur sprechen, wenn zwei Särge bzw. Sarkophage übereinander i n einem Erdgrab stehen. Für ein ursprüngliches Erdgrab Heinrichs I . i n der Klosterkirche zu Trebnitz spricht aber noch etwas anderes. Wie w i r bereits oben sahen, hatte Papst Gregor I X . dem Sohne Heinrichs I . angedroht, seinen Vater eventuell aus dem coemeterium ecclesiae exhumieren zu lassen, wobei, wie bereits oben gesagt wurde, unter coemeterium ecclesiae das Innere der Trebnitzer Klosterkirche zu verstehen ist. H ä t t e der Papst i n seiner Urkunde das W o r t amovere gebraucht, dann könnte man hieraus nicht beweisen, daß Heinrich I . damals i n einem Erdgrab ruhte. Dagegen darf man aus dem v o n ihm verwendeten W o r t exhumare schließen, daß Heinrich damals nicht i n einer über dem Boden stehenden Tumba beigesetzt w a r ; denn nach D u Cange bedeutet exhumare i m Mittelalter: „Cadaver ex humo effo74) Vgl. C. W i l k e s , Studien zur Topographie der Xantener Immunität, in: Annalen, Heft 151/152, Düsseldorf 1952, S. 23. 75) E. T e i c h m a n n , Zur Lage und Geschichte des Grabes Karls des Großen, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, Bd. 37, Aachen 1915, S. 163—169. 76) Vgl. E. T e i c h m a n n , Zu der Lage des Zweikaiser-Grabes in der Aachener Pfalzkapelle, in: Annalen, Heft 128, Düsseldorf 1936, S. 135. 77) P i e t s c h , S. 36.

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dere" 7 8 ), d. h. „einen Leichnam aus dem Erdboden ausgraben", was nur von einem Erdgrab ausgesagt werden kann. A u f ein ursprüngliches Erdgrab Heinrichs I . darf ferner noch aus folgender Erwägung geschlossen werden. Nach einem Generalkapitelsbeschluß des Zisterzienserordens v o m Jahre 1191 sollten Grabsteine i n Zisterzienserklöstern dem Boden gleich sein 7 9 ), und nach einer Luzerner Handschrift sollten Grabsteine i n Klöstern dieses Ordens nicht über den Erdboden hervorragen 8 0 ). Dies bedeutet aber, daß der Orden keine über dem Boden stehende Tumben wünschte. Diese Vorschrift hat z. B. das Zisterzienserinnenkloster in St. Thomas a. d. K y l l (Eifel) erfüllt; denn die den ganzen Boden der westlichen H ä l f t e der Nonnenkirche bedeckenden Grabsteine sind so beschaffen, daß sie einen Fußbodenbelag bilden, auf dem man bequem gehen k a n n 8 1 ) . Wenn man nun auch i n Trebnitz diese Anordnung des Ordens befolgt hätte, würde man für Heinrich I . keine sich über dem Boden erhebende Tumba angefertigt, sondern sich m i t einer i n den Boden eingelassenen Grabplatte begnügt haben, die nicht aus dem Boden hervorragte. N u n muß freilich eingeräumt werden, daß der Zisterzienserorden selbst bei nicht königlichen Grabdenkmälern i m Laufe der Zeit i n unserer Frage eine weitherzigere Auffassung vertrat. W i r finden daher schon sehr früh Grabmonumente von „reicher K o n s t r u k t i o n " 8 2 ) . Die oben genannten Grabdenkmäler der schlesischen Herzöge in Leubus, Heinrichau und Grüssau, die, wie die Deckplatten beweisen, zweifellos bereits i m Mittelalter über dem Boden stehende Tumben aufwiesen, sprechen freilich nicht dafür, daß auch Heinrich I . ein Grabmal dieser A r t besaß; denn die oben genannten mittelalterlichen Deckplatten samt den heute nicht mehr vorhandenen mittelalterlichen Tumben wurden erst i n einer Zeit angefertigt, i n der der Zisterzienserorden nicht mehr auf seiner ursprünglichen Höhe stand, so daß Übertretungen der Generalkapitelsstatuten i n unserer Frage nicht mehr geahndet wurden. D a aber der Orden auch schon i n sehr früher Zeit hier nachgiebig war, könnte man geneigt 78) D u C a n g e , Bd. II, S. 362. 79) „Lapides in claustris suppositi mortuis solo aequentur" (Statuta, Tom. I, S. 145, Nr. 78). 80) „Lapides positi super tumulos defunctorum in claustris nostris terrae non emineant, . . . " (vgl. H . R ü t t i m a n n , Der Bau- und Kunstbetrieb der Cistercienser unter dem Einflüsse der Ordensgesetzgebung im 12. und 13. Jahrhundert, in: Cistercienser-Chronik, Jahrgang 23 (1911), S. 109). 81) E. W a c k e n r o d e r , Die Kunstdenkmäler des Kreises Bitburg, Düsseldorf 1927, S. 285. 82) R ü t t i m a n n , S. 109.

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Ewald Walter sein anzunehmen, daß auch das Kloster Trebnitz sich über das oben genannte Kapitelsstatut hinweggesetzt haben könnte, u m bald nach H e i n richs I . Tode oder vielleicht sogar noch zu seinen Lebzeiten für den Stifter eine künstlerisch wertvolle, über dem Boden stehende Tumba anfertigen zu lassen. Schließlich könnte vielleicht auch der Herzog selbst den Auftrag zur Anfertigung einer solchen Tumba gegeben haben. H i e r ist jedoch Folgendes zu beachten. Die hl. Hedwig, die, soweit es ihr Stand erlaubte, während ihres Aufenthaltes i m Kloster Trebnitz mehr als alle Nonnen die Ordensdisziplin befolgte 8 8 ), hätte es sicherlich zu verhindern versucht und bei ihrer Unbeugsamkeit in Fragen der Ordensdisziplin 8 4 ) w o h l auch erreicht, daß weder zu Lebzeiten ihres Gemahls noch bald nach seinem Tode ein dem Generalkapitelsstatut widersprechendes Hochgrab angefertigt wurde. Aber selbst dann, wenn man sich in Trebnitz über dieses Statut hinweggesetzt hätte, wäre Heinrich I . bald nach seinem Tode sicherlich nicht in einem Hoch-, sondern i n einem Erdgrab beigesetzt worden, wie mittelalterlicher Brauch, die oben genannte Papsturkunde Gregors I X . und der Wunsch Gertruds, H e d w i g i m Grabe Heinrichs I . zu bestatten, beweisen.

VI. Endlich spricht für ein Erdgrab noch Folgendes. Als man i n Trebnitz das noch heute stehende prunkvolle barocke Hochgrab der hl. H e d w i g errichtete, hat man zwar die frühere Tumba beseitigt, aber nicht die Deckplatte m i t der Figur der Heiligen 8 5 ). Auch die mittelalterliche Deckplatte Herzog Heinrichs V I . i n der St. Hedwigskirche des Breslauer Klarenstifts wurde v o n den Klarissen nach Beseitigung der mittelalterlichen Tumba nicht vernichtet, sondern i n eine Nische i n der inneren Südwand — für alle sichtbar — eingemauert 86 ). Auch die mittelalterlichen Grabtumben der oben genannten schlesischen Herzöge i n Leubus, Heinrichau und Grüssau 83) „Et licet que regularis discipline fuerunt, quantum suo licebat statui, pre cunctis monialibus observaret, . . (Heiligsprechungsurkunde für Hedwig in: Scriptores, Bd. II, S. 121). 84

) So tadelte z. B. Hedwig die Nonne Pinnosa, die ohne Erlaubnis der Äbtissin die Herzogin in ihrer Krankheit besuchte und sprach zu ihr, als sie zum zweiten Male in Hedwigs Krankenzimmer trat: „egredere, prevaricatrix ordinis tui, egredere!" („Hinaus mit dir, Übertreterin [der Regel] deines Ordens, hinaus mit dir!"); vgl. Monumenta, Tom. IV, S. 576. 85) Die frühere Deckplatte befindet sich heute in der St. Johanneskapelle der Trebnitzer Klosterkirche. Zur nicht einheitlichen Datierung dieser Deckplatte vgl. J. G o t t s c h a l k , S. 286. 86) L u c h s , Bogen 11, S. 6.

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sind heute nicht mehr vorhanden, dagegen wurden in allen diesen Fällen die mittelalterlichen Deckplatten dieser Tumben nicht beseitigt, sondern bei Anfertigung neuer Tumben i n der Barockzeit wieder verwendet. Wenn nun auch Heinrich I . eine über dem Boden stehende mittelalterliche Tumba m i t der Grabfigur des Herzogs gehabt hätte, dann würde man diese Deckplatte w o h l entweder für eine neue Barocktumba verwendet haben, oder man würde, wenn die alte Deckplatte für eine neue Tumba nicht mehr verwendet werden sollte, erstere w o h l wie i m Falle Hedwigs u n d Heinrichs V I . an einer anderen Stelle des Gotteshauses aufgestellt haben. D a keine Quelle davon berichtet, daß das Grab Heinrichs I . bei einem der Brände der Trebnitzer Klosterkirche 8 7 ) Schaden gelitten hat, kann man hier auch nicht das Nichtvorhandensein einer mittelalterlichen Grabfigur Heinrichs I . i n der Trebnitzer Klosterkirche damit begründen, daß diese Deckplatte m i t der Figur des Herzogs bei einem Brande so schwer beschädigt worden sein könnte, daß man sie aus der Kirche ganz beseitigte. Wenn daher Luchs schreibt, daß sich i n der heutigen barocken Grabfigur des Herzogs „immerhin noch eine Erinnerung an die ehemalige Grabfigur erhalten haben k a n n " 8 8 ) , dann könnte man hier höchstens nur an eine i n den Boden der Kirche eingelassene Grabplatte m i t der Figur des Herzogs i n Steinrelief oder aus flachen Messingtafeln zusammengesetzt denken dürfen, die, weil vielleicht stark abgetreten, für eine neue Barocktumba nicht mehr verwendet werden konnte. Es wäre aber auch denkbar, daß auf der i n den Boden eingelassenen Grabplatte wie bei dem Grabstein der Herzogin Anna nur der schlesische Adler und eine Grabinschrift angebracht w a r 8 9 ) . N u n war nach Luchs die i m Fußboden der Leubuser Klosterkirche eingelassene Sandsteinplatte m i t der aus mehreren Messingtafeln zusammengesetzten Ganzfigur des schlesischen Herzogs Boleslaus des Langen „zum Schutze mit einer Holzkiste, vielleicht mit einer Holztafel mit Füßchen bedeckt . . . , wie maA dies noch heute (1872) an dem Denkmal des Herzogs Wenzel von Sagan f i486, und an dem Grabe König Heinrichs I. von Deutschland (f 936) in Quedlinburg, und ganz nahe auf unsern Kirchhöfen sehen kann" 00 ). Auch Bergner und Otte berichten davon, daß die Grabplatten „ i n alter Zeit vielfach" i n der oben genannten Weise geschützt wurden, und nennen 87) Nach H e r r m a n n , S. 4, wurde Kloster Trebnitz von sieben großen Feuerbrünsten heimgesucht, dazu kommen Plünderungen, von denen die schlimmste die 1432 von den Hussiten verübte war (ebd.). 88) L u c h s , Bogen 7, S. 11. 89) P i e t s c h , S. 36. 90) L u c h s , Bogen 6, S. 6—8.

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Ewald Walter hier ebenfalls die Platte Boleslaus' des Langen, des Königs H e i n r i d i I . und des Herzogs Wenzel 9 1 ). Daraus folgt, daß eine hölzerne Tumba dieser A r t zum Schutze der Grabplatte auch i m Falle Heinrichs I . denkbar wäre, wenn dies auch nicht bewiesen werden kann. W i r fassen das bisherige Ergebnis unserer Untersuchung zusammen. Es darf als gesichert gelten, daß Herzog Heinrich I . i n der Klosterkirche zu Trebnitz ursprünglich ein Erdgrab gefunden hat. Über diesem Erdgrab befand sich höchstwahrscheinlich keine mittelalterliche Tumba, sondern nur eine aus dem Boden nicht herausragende Grabplatte, die möglicherweise zu ihrem Schutze m i t einer Holzkiste oder einer Holztafel m i t Füßchen bedeckt war. Aber selbst für den Fall, daß noch zu Lebzeiten Heinrichs I . eine steinerne Tumba m i t der Ganzfigur des Herzogs als Deckplatte angefertigt worden wäre, würden seine Gebeine sicherlich nicht i n dieser Tumba, sondern i n einem Erdgrab beigesetzt worden sein, auf das dann die Tumba gesetzt wurde. H a t aber Heinrich I . ursprünglich ein Erdgrab gefunden, dann kann das Hauptaltarhaus der Trebnitzer Klosterkirche nicht seine erste Grabstätte in diesem Gotteshause gewesen sein, da die darunter liegende K r y p t a ein Erdgrab nicht zuließ. Der genannte Herzog muß daher an einer anderen Stelle des Gotteshauses seine erste Grabstätte gefunden haben. W o diese Stelle gewesen sein könnte, soll jetzt untersucht werden. VII. Eine würdige Grabstätte für den Stifter wäre zweifellos die romanische K r y p t a der Trebnitzer Klosterkirche gewesen. Schon früh fand diese K r y p t a als Grabstätte Verwendung; denn i n ihr wurde Adelheid, die Schwester Heinrichs I., beigesetzt 92 ). O b freilich dieser Raum die erste Grabstätte des schlesischen Herzogs i n der Klosterkirche war, erscheint recht zweifelhaft; denn man fragt sich, warum der Verfasser der Chronica Polonorum und der Verfasser der Chronica principum Poloniae nur das monasterium i n Trebnitz u n d nicht wie bei Adelheid die K r y p t a als Grabstätte Heinrichs I . angegeben haben, wenn letzterer wirklich dort seine Ruhestätte gefunden hätte. Auch sonst sind die Verfasser der beiden genannten Chroniken i n topographischen Fragen recht genau. So berichten sie z. B., daß Primislaus, der Sohn der oben genannten Adelheid, vor dem A l t a r des hl. Kreuzes i n 01) H. O 11 e , Handbuch der kirchlichen Kunst-Archäologie des deutschen Mittelalters, 5. Aufl. in Verbindung mit dem Verfasser bearbeitet von E. W e r n i c k e , Bd. 1, Leipzig 1883, S. 338 f. — S. 339 wird Heinrich I. irrtümlich als Kaiser bezeichnet, obwohl er nur König war. 92) Scriptores, Bd. 1, S. 27.

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der Trebnitzer Klosterkirche begraben liegt 9 3 ). Sie hätten daher w o h l auch i m Falle des Stifters der genannten Kirche die K r y p t a als Grabstätte Heinrichs I . angeführt, wenn dieser dort beigesetzt gewesen wäre. Ferner spricht noch Folgendes gegen eine Beisetzung Heinrichs i n der K r y p t a . Die Äbtissin Gertrud wollte anfangs H e d w i g i m Grabe H e i n richs I . beisetzen. Gemäß der damaligen bereits oben genannten Bestattungsart wären aber i n diesem Falle unter dem Boden der K r y p t a zwei Särge übereinander zu stehen gekommen. M a n w i r d hier zumindest fragen müssen, ob nicht bei einem Begräbnis Heinrichs i n der K r y p t a der Sarg dieses Herzogs, der bei einer Bestattung Hedwigs i m Grabe Heinrichs I . unter dem Sarge Hedwigs zu liegen gekommen wäre, dem Grundwasser ausgesetzt gewesen wäre. Eine Untersuchung des heutigen Grundwasserspiegels der K r y p t a würde nichts besagen, da sich i m Laufe von mehr als 700 Jahren der Grundwasserstand sehr geändert haben könnte. Wäre daher Heinrich I . i n der K r y p t a begraben gewesen, dann hätte Gertrud w o h l kaum H e d w i g i m Grabe des Herzogs beisetzen wollen; denn sie hätte es w o h l vermieden, den tiefer zu legenden Sarg ihres Vaters der Gefahr des Grundwassers auszusetzen. Endlich sei noch bemerkt, daß Gertrud schließlich die St. Peterskapelle als Grabstätte Hedwigs bestimmte, u m das Grab der Mutter stets vor Augen zu haben 9 4 ). Der Tochter lag also daran, H e d w i g an einer Stelle beizusetzen, die sozusagen i m Blickpunkt der Nonnen lag. Eine solche Stelle war aber die Peterskapelle; denn die Schwestern hatten diese immer vor Augen, wenn sie v o n dem i m ersten Stockwerk des Ostflügels gelegenen Schlafsaal die zum südlichen Querarme führende Treppe hinabstiegen 95 ), oder wenn sie durch jene T ü r schritten, die die Verbindung zwischen dem Kreuzgang und dem südlichen Seitenschiff herstellte 9 6 ). H ä t t e nun Heinrich I . i n der K r y p t a seine Grabstätte gehabt, dann hätte Gertrud w o h l nicht die Absicht geäußert, H e d w i g i m Grabe des Herzogs beisetzen zu lassen, da sie i n diesem Falle das Grab der Mutter nicht ständig v o r Augen gehabt hätte, ein neues Argument dafür, daß Heinrich damals w o h l nicht i n der K r y p t a lag. Auch die St. Johanneskapelle der Trebnitzer Abteikirche w i r d man nicht als erste Grabstätte des Herzogs i n dieser Kirche ansehen können, da die 03) Ebd., S. 27, 104 f. 04) n . . . ut sepulcrum tuum semper ante oculos habeamus," (Monumenta, Tom., IV, S. 578). 95 ) Vgl. zu dieser vom Dormitorium zur Kirche führenden Treppe Z i n k 1 e r , S. 66. 96) Vgl. zu dieser Tür ebd., S. 73.

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Ewald Walter i n topographischen Fragen gut orientierten Verfasser der Chronica Polonorum und Chronica principum Poloniae sie sicherlich nicht verschwiegen hätten. Doch hier k o m m t noch ein anderer wichtiger Grund hinzu. Als H e d w i g den Wunsch ihrer Tochter Gertrud, sie i n der Trebnitzer Klosterkirche zusammen m i t ihrem Sohn Konrad, d. h. i m Grabe Konrads beisetzen zu lassen, ablehnte, riet die Heilige, ihren Leib vor dem A l t a r des hl. Johannes des Evangelisten, d. h. i n der Kapelle dieses Namens zu bestatten 9 7 ). H ä t t e nun ihr Gemahl Heinrich i n dieser Kapelle damals seine Grabstätte gehabt, hätte Gertrud dem Wunsch ihrer Mutter w o h l zugestimmt, da sie ja vorher die Absicht geäußert hatte, ihre Mutter i m Grabe Heinrichs beisetzen zu lassen. Wenn nämlich H e d w i g ihrer Tochter so weit entgegengekommen wäre, hätte Gertrud sicherlich auf das gemeinsame Grab verzichtet; denn sie wäre froh gewesen, wenn sie ihre Mutter wenigstens i n der Grabkapelle Heinrichs hätte beisetzen können. D a die Äbtissin aber die St. Johanneskapelle als Grabstätte Hedwigs ablehnte, darf man daraus folgern, daß Heinrich damals nicht i n dieser Kapelle begraben lag. V o r allem aber ist es zweifelhaft, ob Hedwig, die i m Grabe ihres Gatten nicht bestattet werden w o l l t e 9 8 ) , überhaupt die Bitte ausgesprochen hätte, vor dem A l t a r des hl. Johannes Evangelisten beigesetzt zu werden, wenn Heinrich damals vor diesem Altare geruht hätte; denn eine Grabstätte Hedwigs neben der Heinrichs i n dieser kleinen Kapelle vor demselben A l t a r wäre doch einer von H e d w i g ausdrücklich abgelehnten Vereinigung ihres Leichnams m i t dem ihres Gatten sehr nahe gekommen. Auch wäre es, wenn Heinrichs Grabstätte damals die Johanneskapelle gewesen wäre, doch merkwürdig, wenn H e d w i g erst den Wunsch ihrer Tochter, sie vor dem A l t a r dieser Kapelle beizusetzen, abgeschlagen und dann selbst die Bitte geäußert hätte, daselbst bestattet zu werden. Endlich ist hier noch Folgendes zu beachten. Der Verfasser der Legenda maior de sancta H e d w i g i berichtet bei diesem Gespräch Hedwigs m i t Gertrud, daß vor dem Altare des hl. Johannes bereits einige Kinder bestattet waren, nämlich „nepotuli" Hedwigs, deren Unschuld sie liebte 9 9 ). Wenn aber der genannte Verfasser diese Kapelle nur als Grabstätte der oben genannten „nepotuli" anführt, dann gibt er doch damit zu erkennen, daß Heinrich I . damals nicht vor dem Altare des hl. Johannes ruhte. Auch die St. Peterskapelle dürfte als erste Grabstätte Heinrichs i n der Trebnitzer Klosterkirche kaum i n Frage kommen. Zunächst ist auch hier 07) Monumenta, Tom. IV, S. 578. 08) „Nolo enim coniungi mortuo mortua" (ebd.). 00) Ebd.

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zu sagen, daß die i n topographischen Fragen gut unterrichteten Verfasser der Chronica Polonorum und der Chronica principum Poloniae w o h l die Peterskapelle und nicht nur ganz allgemein das Kloster Trebnitz als Grabstätte Heinrichs bezeichnet hätten, wenn letzterer i n dieser Kapelle seine erste Ruhestätte gefunden hätte. Gegen diese Kapelle spricht aber auch noch Folgendes. W i r erinnern uns, daß Gertrud schließlich die St. Peterskapelle als Grabstätte Hedwigs bestimmte. H ä t t e nun Heinrich in dieser Kapelle damals sein Grab gehabt, dann hätte Gertrud zweimal die Grabkapelle Heinrichs als Grabstätte bestimmt, das erste M a l , als sie H e d w i g i m Grabe Heinrichs beisetzen wollte, und das zweite M a l , als sie ihre Mutter i n der St. Peterskapelle bestatten wollte. Eine solche Wiederholung ist aber ganz unwahrscheinlich, zumal Gertrud doch i m zweiten Falle sofort den Widerspruch der Mutter erwarten mußte. Zumindest hätte Gertrud i m zweiten Falle zur Beruhigung der Mutter hinzufügen müssen, daß sie letztere jetzt nicht mehr i m Grabe Heinrichs, sondern an einer anderen Stelle der Peterskapelle beisetzen wolle. Endlich ist noch Folgendes zu beachten. Wäre Heinrich I . damals i n der St. Peterskapelle begraben gewesen, dann hätte H e d w i g w o h l schon beim ersten Vorschlag Gertruds, H e d w i g i m Grabe Heinrichs beizusetzen, darauf hingewiesen, daß die Schwestern Störungen zu erwarten hätten. I n Wirklichkeit hat aber die Herzogin eine Störung nur vorausgesagt, als Gertrud der Mutter ihre Absicht kundtat, sie vor dem Altare des hl. Petrus zu bestatten 1 0 0 ). So darf man also das Hauptaltarhaus, die K r y p t a , die St. Johanneskapelle und die St. Peterskapelle als erste Grabstätte Heinrichs I . i n der Trebnitzer Klosterkirche ausscheiden. Dies bedeutet aber, daß der Herzog entweder i m Langhaus oder i m Querschiff seine erste Ruhestätte gefunden haben müßte. H i e r scheint es nun am nächstliegendsten, an einen der beiden Querarme zu denken. H u m a n n hat darauf hingewiesen, daß man hohe kirchliche Würdenträger nicht nur i m Chore, sondern auch i m östlichen Querschiffe beizusetzen pflegte 1 0 1 ). Aber auch hohe weltliche Würdenträger wurden i m Querschiff beigesetzt. Ja, die Querarme wählte man hier und da sogar als M a u s o l e u m für Herrschergeschlechter. So diente z. B. der südliche Querarm der bekannten Elisabethkirche i n Marburg als Mausoleum hessischer Fürstlichkeiten 1 0 2 ), und i n der ehemaligen Zisterzienserkirche zu Altenberg bei K ö l n hat der nördliche Querarm die meisten Grabmäler 100) Ebd. 101) H u m a n n , S. 332, Anm. 1. 102) R. H a m a n n u. K. W. K ä s t n e r , Die Elisabethkirche zu Marburg und ihre künstlerische Nachfolge, Bd. II. Die Plastik, Marburg a. L. 1929, S. 115.

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Ewald Walter der bergischen Grafen und Herzöge aufgenommen 1 0 3 ). M a n spricht daher i n Marburg von einem Landgrafenchor 1 0 4 ) und i n Altenberg von einem Herzogenchor 1 0 5 ). N u n wissen w i r , daß Gertrud zuerst die Absicht äußerte, ihre M u t t e r i m Grabe Heinrichs I . beisetzen zu lassen. Als aber die genannte Äbtissin schließlich die St. Peterskapelle als Grabstätte Hedwigs bestimmte, begründete sie diesen Entschluß damit, daß sie und die Nonnen das Grab der Herzogin stets vor Augen haben wollten. Aus diesem Wunsche darf man aber w o h l schließen, daß auch die damalige Grabstätte Heinrichs sich an einer Stelle der Kirche befand, die die Schwestern immer vor Augen hatten. H ä t t e letzterer nämlich an einem Platz der Kirche gelegen, der nicht i m Blickpunkt Gertruds und der Nonnen lag, dann hätte Gertrud w o h l kaum anfangs die Absicht kundgetan, H e d w i g i m Grabe Heinrichs zu bestatten. Daraus folgt aber wieder, daß Heinrich I . seine erste Grabstätte vielleicht i m südlichen Querarm der Kirche besaß; denn diesen Querarm hatte der Konvent immer vor Augen, wenn er v o n dem i m ersten Stockwerk des Ostflügels gelegenen Schlafsaal die zum südlichen Querarm führende Treppe hinabstieg, oder wenn er durch jene Türe schritt, die die Verbindung z w i schen dem Kreuzgang und dem südlichen Seitenschiff herstellte. Der Trebnitzer Konvent hätte also, falls Heinrichs Grab i m südlichen Querhausflügel gelegen und H e d w i g Gertruds ersten Wunsch, sie i m Grabe Heinrichs beizusetzen, zugestimmt hätte, die Grabstätte Hedwigs noch besser vor Augen gehabt, als dies bei der Peterskapelle der Fall war. Gewiß hätte man dem Stifter der Kirche i m Hauptaltarhaus seine Grabstätte bereitet, wenn die darunter liegende K r y p t a ein Erdgrab nicht verhindert hätte. Aber auch i n einem der Querarme hätte man dem Herzog ein Grab bereitet, das nach damaliger Auffassung eines Stifters würdig gewesen wäre. Wenn Heinrich I . erst i n der Barockzeit den ehrenvollsten Platz i n der Kirche erhielt, dann war dies nur dadurch möglich, daß die Äbtissin Christina Katharina Gräfin v o n Würben Pawlowska (1674—1699) seine Gebeine dem Erdgrab entnahm und sie i n einem i m Hauptaltarhaus aufgestellten Hochgrab beisetzte 106 ). 103) Die Kunstdenkmäler des Kreises Mülheim am Rhein, hrsg. von P. C 1 e m e n , Düsseldorf 1901, S. 21 Fig. 3 u. S. 32. 104) R. H a m a n n , Die Elisabethkirche zu Marburg (Deutsche Bauten, 23. Bd.), Burg b. Magdeburg 1938, S. 39, 41 f. 105) Die Kunstdenkmäler des Kreises Mülheim, S. 30 u. 32. 106) Da die heutige Doppeltumba Heinrichs I. und Konrads von Feuchtwangen aus dem Jahre 1680 stammt, muß die oben genannte Äbtissin Christina Katharina diese Tumba im Hauptaltarhaus errichtet haben (vgl. H e r r m a n n , S. 4 u. 17).

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Hans Jessen D I E A N F Ä N G E DES Z E I T S C H R I F T E N W E S E N S I N S C H L E S I E N Die Zeitung ist aus den Bedürfnissen der Kaufmannschaft entstanden. Die Frage nach den Handlungen und Plänen der Regierenden, v o r allem ob Krieg oder Frieden i n einem Lande herrsche, berührte den Fernhandel unmittelbar. So w a r die Nachrichtenzeitung trotz der erzwungenen Enthaltsamkeit von der K r i t i k ein Politikum, das v o n den Regierungen argwöhnisch gegängelt wurde. N u r eine Zeitung durfte i n Schlesien während der österreichischen Zeit erscheinen, und ebenso war es unter der preußischen i n der zweiten H ä l f t e des 18. Jahrhunderts 1 ). Ganz anders die Zeitschrift. Hervorgegangen aus den Universitätsstädten, hatte sie zunächst nur das eine Ziel, Nachrichten aus der „Gelehrtenrepub l i k " zu sammeln, i n kritischen Aufsätzen die Erzeugnisse der Wissenschaftler zu würdigen. Solches Streben galt den Regierungen als ungefährlich, ja, man begünstigste es gern, um als Förderer der Wissenschaft zu gelten. M a n muß diesen Unterschied kennen, um zu begreifen, warum die Zeitschrift ganz anders als die Zeitung Spiegelbild der geistigen Strömungen der Zeit werden konnte. Sie zeigt deutlicher als die politische Presse die Verflechtungen und zugleich das Besondere eines Volksstammes. Denn i m 18. Jahrhundert ist sie trotz mancher erfolgreicher Versuche „ N a t i o n a l journale" zu schaffen, i m Grunde noch ortsgebunden. Ihre Ausstrahlung geht selten über die Grenzen ihres Umkreises hinaus. Das gilt insbesondere für Schlesien, dessen Verleger genug Absatz in dem Lande selbst und i n Osteuropa fanden 2 ). N u r zögernd haben sich Schlesiens Buchhändler der eben entstandenen großen Buchmessen i n Frankfurt u n d Leipzig bedient 3 ). V o r allem fehlte es an einem zentralen M i t t e l p u n k t gelehrten Tuns. Eine so angesehene und weit verbreitete Zeitschrift wie die Acta eruditorum, Deutschlands erster Versuch, Frankreich auf diesem Gebiet nachzueifern, konnte nur i n einer Universitätsstadt entstehen. Dies wurde !) Schiersee, Bruno: Das Breslauer Zeitungswesen vor 1742. Breslauer 1902. 2) Jessen: Der Breslauer Buchdruck und das Königreich Polen. In: Jahrbücher für Kultur und Geschichte der Slaven. N . F. 1937, S. 124 ff. 3 ) Schwetsdike, Gustav: Codex nundinarius. Bd. 1, 1850. 3

Breslau

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Hans Jessen i n Schlesien als Mangel empfunden. Das Verlangen nach einer Volluniversität — die Leopoldina konnte trotz ihrer bedeutsamen Leistung für den katholischen Volksteil diesen Mangel nicht beheben — hat hier seinen Ursprung, ebenso das merkwürdige Minderwertigkeitsbewußtsein vieler Gelehrten, die i n den Kleinstädten, ja selbst i n Breslau, nach Christian Garves W o r t wie Rosen einsam verblühten 4 ). M a n kann dieses Gefühl der Zurücksetzung verstehen. Schlesien hatte während des 17. Jahrhunderts unter „ A l t v a t e r " O p i t z die Führung i n der deutschen Literatur besessen. Andere Stämme hatten die Schlesier verdrängt. Statt des Bobers begann man den Rhein zu besingen 5 ). V o r allem war Ostpreußen der H o r t der Literatur geworden. I n Königsberg erschienen bedeutsame literarische Erzeugnisse selbst auf dem Gebiet der Mystik, die Schlesien als seine eigene Domäne betrachtet hatte 6 ). War Schlesien wirklich ein Land, fern von gebildeten Leuten, weil es keine große Universität besaß, weil seine großen Söhne, wie etwa Christian W o l f f i n Halle, Marburg und anderswo Wirkungsmöglichkeiten fanden? Gab es nicht doch i n dem so zersplitterten Lande genug Gelehrte? Diese Frage legte sich der i n Liegnitz geborene Schweidnitzer Pastor u n d Liederdichter Gottlieb Balthasar Scharff 7 ) vor. Er hatte versucht, an „ausländischen" Zeitschriften mitzuarbeiten, vor allem an den „Unschuldigen Nachrichten". 1734 versuchte er es m i t einem eigenen Blatt, dem er den Titel „Gelehrte Neuigkeiten Schlesiens", i n welchem sowohl „was von Schulen, Bibliotheken und Cabinetten . . . als auch von gelehrten Anmerkungen zu erforschen gewesen . . . , mitgeteilt" 8 ). Die Zeitschrift, die zunächst bei dem Verleger Böhm i n Schweidnitz und seit 1739 i n Liegnitz bei Siegert erschien, endete 1742. Gewiß ist Scharff i n seinem patriotischen Ubereifer manchmal über das Ziel hinausgeschossen, aber er hat doch ein lebhaftes B i l d von Schlesiens geistigem Leben in mühsamer Kleinarbeit entworfen und manche Gelehrte, die sich in ähnlicher Lage fernab von den Universitäten befanden, angeregt, ähnliches zu versuchen, so z. B. die Görlitzer i n ihrem „Oberlausitzischen Beytrag 4) Garve, Christian: Gesellschaft und Einsamkeit. Bd. 1, 2, 1797—1800. 5) Claudius, Matthias: Rheinweinlied. In: Werke 1/2, S. 79. 6 ) Just, Klaus-Günther: Der ostdeutsche Beitrag zur deutschen Literatur. In: Leistung und Schicksal 1967, S. 209. 7 ) Kluge, Gottlieb: Hymnopoetographica Silesiae. Breslau 1937, S. 117 ff. Wegemann: Gottfried, Balthasar Scharff. In: Allgemeine deutsche Biographie. Bd. 30, S. 586 f. 8) Kirchner, Joachim: Bibliographie der Zeitschriften des deutschen Sprachgebiets bis 1900. Bd. 1, 1960, Nr. 101. Vorhanden in Staatsbibliothek München, Universitätsbibliothek Erlangen, Germanisches Museum Nürnberg. (In diesem und den unten folgenden Hinweisen werden jeweils Fundorte angegeben, die heute noch Zeitschriften besitzen.)

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zur Gelahrheit und deren Historie" (1767—1841)°). Nachdrucke einzelner Nachrichten oder A r t i k e l findet man i n manchen gelehrten Zeitschriften des Reiches. So hat Scharff sein Ziel erreicht. Er hat Schlesiens Ruhm zu mehren verstanden, die Zusammenarbeit seiner Landsleute auf dem Gebiet der Wissenschaft gefördert. I m engsten Zusammenhang m i t diesem patriotischen Eifer u m das Ansehen Schlesiens i n der „Gelehrtenrepublik" steht auch das Bemühen u m die Geschichte des Landes. Es beginnt m i t des Professors am Breslauer Gymnasiums zu St. Magdalena, Christian Runges 10 ), Blatt, „Miscellanea litterarum de quibusdam ineditis historiae scriptoribus ac operibus specimen" 1 1 ). Es ist zunächst i n Oels bei Strauchelius und dann i n Breslau bei Fellgiebel u n d M . Michael 1712—1717 verlegt worden. Dieser erste Versuch einer landesgeschichtlichen Zeitschrift fand vor allem i m deutschen Osten manche Nachahmung, etwa i m „ A l t e n und Neuen Pommerland" (Stargard 1721—1727) 1 2 ) und dem „Erleuterten Preussen" (Königsberg 1724—1728) 1 3 ). Christian Runge selbst hat seinen Versuch später wiederaufgenommen und „Analecta Silesiaca oder zufällige Anmerkungen zur Historie des Herzogthums Schlesiens" 14 ) 1733—1734 i n Zeitschriftenform herausgegeben. Der Gedanke, das neue Kommunikationsmittel für einzelne Wissenschaftszweige zu verwenden, ist schon früher i n Schlesien verwirklicht worden. Carl W i l h e l m Sachs v o n Löwenheim, der Breslauer Stadtarzt, war ein eifriger Sammler v o n Merkwürdigkeiten auf dem Gebiet der Medizin und Naturwissenschaften. Er gab m i t Freunden die „Miscellanea Curiosa Medico-Physica oder Ephemerides Academiae Curiosorum" 1 5 ) heraus. Diese erste medizinische Zeitschrift der W e l t erschien 1670—1713 i n 20 Bänden an verschiedenen Orten. Die Bände 8—10 wurden i n Breslau verlegt. Das bedeutendste Blatt dieser Periode schlesischen Zeitschriftenwesens war die „Sammlung v o n N a t u r - und Medizin- wie auch hierzu gehöriger Kunst») Kirchner Nr. 116. 10) Schlesische Neuigkeiten Jg. 1734, 1735, 1737. Zedier, Johann Heinrich: Großes vollständigses Universallexikon, Bd. 32, S. 1882. 11) Kirchner Nr. 58. Vorhanden in Landesbibliothek Dresden. 12) Kirchner Nr. 936, vgl. auch Nr. 937. 13) Kirchner Nr. 940. 14) Kirchner Nr. 956. Vorhanden in Landesbibliothek Dresden. 15) Klawitter, Willy: Die Zeitungen und Zeitschriften Schlesiens von ihren Anfängen bis zum Jahre 1870. Breslau 1930, Nr. 3. Neisser, Emil: Zum 300jährigen Geburtstag des Breslauer Stadtarztes Philipp Sachs von Löwenheim. In: Schlesische Ärztekorrespondenz Jg. 1926, Nr. 6, S. 11 ff. Kirchner Nr. 176. Vorhanden in Universitätsbibliothek Rostodt, Universitätsbibliothek Würzburg und Staatsbibliothek Münchcn. 3*

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Hans Jessen und Literatur-Geschichten, so sich i n Schlesien u n d anderen Ländern begeben" 1 6 ). H a t t e es zunächst Hubert i n Breslau herausgegeben, so boten sich bald nach dem überraschenden Erfolg des 1718 begründeten Blattes Leipziger Verleger zu seiner Fortsetzung an. Seit 1721 erschien es i n Leipzig bei Richter und von 1729 bis 1732 bei Jungnicol i n Erfurt. E i n Neudruck kam unter dem charakteristischen Titel „Schatzkammer der N a t u r und Kunst" 1736 heraus. Den Erfolg verdankte diese Zeitschrift ihren drei Herausgebern, Gelehrten ersten Ranges. Den medizinischen Teil betreute i n erster Linie Johann K a n o l d (15. Dezember 1678—16. November 1729) 1 7 ). Der Einbruch der Pest i n Schlesien lenkte dessen Aufmerksamkeit auf diese Krankheit. I n einer weitläufigen Korrespondenz, die der Zeitschrift zugute kam, sammelte K a n o l d Nachrichten über den Verlauf der Epidemie und vor allem über die Wirksamkeit von Absperrungsmaßnahmen. Kanolds H a u p t w e r k „Annales de ortu, progressu et exitu hominum pestilenziae ab anno 1701 ad annum 1716" ist allerdings nur i n Bruchstücken erschienen. I m engen Zusammenhang m i t diesen Forschungen stand Kanolds lebhaftes Interesse für die Medizinalstatistik. Er nahm die Untersuchungen Caspar Neumanns wieder auf, der für Breslau Listen der Geburten und Todesfälle aufgestellt hatte. K a n o l d zur Seite stand der Breslauer A r z t Johann Christian Kundmann (26. Oktober 1684—19. M a i 1757) 1 8 ). Sohn eines Breslauer „Wachtmeisters, Lieutenants und Ältesten der Destillatorum", hatte er i n H a l l e Medizin bei Stahl, bei seinem Breslauer Landsmann Christian W o l f f Mathematik und bei dem aus Liegnitz stammenden A r z t Andreas V o l k m a n n Urgeschichte sowie bei Gundling Historie studiert. A l l diese Studien hat er i m A l t e r m i t Eifer weiterbetrieben. So gab er der Zeitschrift m i t seinen weitgespannten Interessen die wesentliche Erweiterung. Als Sammler v o n Kuriositäten hat er ein viel beachtetes Naturalienkabinett zusammengetragen, das auch viele wertvolle Stücke aus Schlesiens Geschichte und Volkskunde enthielt. I m Alter hat er sich mehr und mehr auf M ü n z - und Medaillenkunde spezialisiert. 16) Klawitter Nr. 10, Kirchner Nr. 3183. Vorhanden in Landesbibliothek Coburg, Deutsches Museum München, Universitätsbibliothek Erlangen. 17) Medicorum Silesiacorum Satyrie Specimen II, S. 55. Hirsch, J. K. In: Allgemeine deutsche Biographie, Bd. 15, S. 90, 91. 18) Graetzer, Daniel: Lebensbilder hervorragender schlesischer Ärzte. Breslau 1889, S. 68. Graetzer, Daniel: Göhl und Johann Christian Kundmann. Breslau 1884. Friedensburg, Ferdinand: Johann Christian Kundmann. In: Schlesische Lebensbilder, Bd. 3 1928, S. 149—154.

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Der D r i t t e i m Bunde war Johann Kundmanns Hallenser Studiengenosse Johann Georg Bruschwitz 1 9 ), ein etwas nüchterner Gelehrter, der vor allem die Redaktionsarbeit übernahm. Der i n dem oberfränkischen Städtchen Neustadt geborene und 1732 in Breslau eingewanderte Verleger Johann Jakob K o r n (20. August 1702 bis 16. Dezember 1756) 2 0 ) hat angeregt, eine Fortsetzung dieser berühmten Zeitschrift zu schaffen. Er nannte das Blatt „Medicorum Silesiacorum satyrae, quae varias observationes, casus, experimenta, tentationes ex omni medicinae ambitu petita exhibent" 2 1 ). Als Redaktor gewann er den Breslauer A r z t Gottfried Heinrich Burghart, der neben den alten Mitarbeitern der Sammlung von N a t u r und Medizin manch anderen hinzugewann, so etwa den Prager A r z t A n t o n Scrinci und den durch seinen Sohn später so bekannten Konrektor Gottfried Langhans, der einen A r t i k e l „de ranis caudatis" schrieb. Kanolds Untersuchungen wurden fortgesetzt, auch die Medizinalstatistik hatte man nicht vergessen. Diese wurde .nach dem Eingehen der 1736—1742 erschienenen Zeitschrift von Johann Jacob K o r n i n dessen „Schjesischen privilegierten Zeitung" fortgeführt. Für den guten Ruf schlesischer Ärzte ist Burghart lebhaft eingetreten und hat manches Lebensbild, darunter auch Kanolds, zu ihren Ehren geformt. Wandten sich die bisher genannten Zeitschriften mehr oder minder an ein gelehrtes Publikum, so suchte der Schweidnitzer Verleger J. G. Böhm eine allgemeine Leserschaft. M i t seinen „ v o r sich und ihren Kindern sorgfältigen M ü t t e r n " (1731—1733)22) suchte er dies Ziel zu erreichen. Fortgesetzt wurde die Zeitschrift durch den Hirschberger Verleger Siegert i n dessen „ v o r sich und ihren Söhnen sorgfältigen Vätern" (1734—1735) 2 3 ), die der betriebsame Hirschberger A r z t Caspar Lindner redigierte. Beide Zeitschriften standen unter dem Einfluß der von England ausgehenden Sittenschriften, die von Hamburg aus sich über ganz Deutschland verbreiteten. Pate bei diesem Versuch hat Johann Christoph Gottsched gestanden, der m i t den Hirschbergern i n eifriger Korrespondenz stand 2 4 ). Des Königsbergers „vernünftige Tadlerinnen" haben die Schlesier 1731 zu dem „poetischen Tadler des -9) Friedensburg S. 151. 20) Jessen: 200 Jahre Wilh. Gottl. Korn. Breslau 1932, S. 4 ff. 21) Vorhanden in Universitätsbibliothek Erlangen und Germanisches Museum Nürnberg. Vgl. Jessen, S. 8—9. Klawitter Nr. 13. Kirchner Nr. 3224. 22) Vorhanden in Staatsbibliothek der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin. Vgl. Jessen S. 63. Klawitter Nr. 481. Kirchner Nr. 4857. 23) Vorhanden in Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Vgl. Jessen S. 63. Kirchner Nr. 4857. Klawitter Nr. 691. 24) Vorhanden in Universitätsbibliothek Leipzig. Vgl. Reichel, E. Gottsched Bd. 1,2, 1895—1897.

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Hans Jessen Lasters" 2 5 ) angeregt. D i e „notablen Vorfälle der W e l t " 2 6 ) hat J. G. Senftieben i n Reime gebracht. Leider ließen sich bisher nur Bruchstücke dieses Blattes auffinden. A u f der Grenze zwischen Zeitschrift und Zeitung stehen die Intelligenzblätter, die i n erster Linie dem Handelsstand dienen sollten und Anzeigen, aber auch kulturelle Nachrichten brachten. Diese v o n Frankreich ausgehende Form hat auch i n Deutschland weite Verbreitung gefunden 2 7 ). Sie wurden v o n Privatleuten, aber auch i n amtlicher Regie, z. B. i n Preußen, herausgegeben. Johann Jakob K o r n erbat sich 1734 ein Privileg für die Herausgabe eines solchen Anzeigeblattes v o m Wiener H o f . Es dauerte drei Jahre, bis die Erlaubnis erteilt wurde. 1737 konnte K o r n seine „Allgemeine Schlesischen und insonderheit der Stadt Breslau wöchentliche Frag- u n d Anzeigungs-Nachrichten" 28 ) erscheinen lassen. Neben den K a u f - und Verkaufsanzeigen brachte das Blatt mannigfache A r t i k e l , so z. B. über eine v o n dem Schweidnitzer Mechanicus Johann Caspar Renwold verfertigte UniversalSonnen-Uhr, die auch ohne Sonnenschein den A u f - u n d Untergang der Sonne und die Länge des Tages und der Nacht an allen Orten des Erdbodens anzeigte sowie über ein Perpetuum Mobile eines Berliner Erfinders. Außerdem wurde dem Blatt ein „Cours der Gelder" beigegeben. Rechnet man noch die Almanache zu den Zeitschriften — der erste erschien 1701 unter dem T i t e l „Das jetzt lebende Breslau" 2 9 ) und w a r v o n dem uns schon bekannten Professor Christian Runge zusammengestellt worden — , so ergibt sich, i n Bandzahlen gerechnet, folgendes B i l d : 1670—1701 10 1711—1720 15 1701—1710 12 1721—1730 18 1731—1740 30 Die schlesischen Verleger haben also zunächst nur zögernd zu dem neuen Kommunikationsmittel gegriffen. 30 ) Der Einmarsch der Preußen änderte Schlesiens Lebensgefühl. Minderwertigkeitsstimmungen traten zurück, da gerade der K a m p f des Königs m i t der Kaiserin der W e l t ja deutlich machten, welche Bedeutung das L a n d in 25) Vorhanden in Universitäts- und Landesbibliothek Halle. Vgl. Kirchner Nr. 4851, Klawitter Nr. 16. 26) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Klawitter Nr. 15. Kirchner Nr. 5192. 27) Jessen S. 14. 28) Schiersee S. 120—124. Jessen S. 12—21. Klawitter Nr. 16. 29) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. 30) Jessen S. 17 ff.

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den Augen der Großen beigemessen wurde. Zugleich gewann Schlesien durch die straffe preußische Organisation eine Hauptstadt, die als Sitz der Regierung ganz anders als zuvor für die H a l t u n g der Schlesier und ihren kulturellen Bestrebungen bestimmend wurde. I n den ersten beiden schlesischen Kriegen w a r allerdings nur wenig Raum für große Unternehmungen auf buchhändlerischem Gebiet. Die Preußen bestimmten das Feld und setzten die ihnen genehmen Männer ein. So erhielt Johann Jakob K o r n das Privileg für die Herausgabe einer politischen Zeitung u n d die Veröffentlichung der vielen Verordnungen und Edikte, die er i n einer Sammlung zusammenfaßte und i n periodischer Folge veröffentlichte 3 1 ). Dafür mußte er das „ I n t e l l i genzwerk" an die preußischen Behörden abgeben, die nun das Blatt i n eigner Regie herausgaben 32 ). Daß die Schreiblust der Schlesier nicht nachließ, bezeugt die große Z a h l von Broschüren und die rege Beteiligung an ausländischen Blättern, die, wie der „Hamburgische Correspondent" und das „Wienerische D i a r i u m " ihre Spalten den Klagen vor allem der Katholiken über die Kriegsläufte öffneten. D i e einzige nennenswerte Zeitschrift, die „Schlesische Kriegsfama" 8 3 ), erschien angeblich i n Frankfurt und Leipzig „auf Kosten beyder streitender Parteien" (1741—1742). N e n n t man noch André „ L e Courier du cabinet de prinzes" (1742) 3 4 ) und Sigismund Waetzolds i n Liegnitz 1743 erschienenes Blatt „ D e r P i l g r i m " 3 5 ) , das sich, mehr um die Sitten der Zeit als um politische Ereignisse kümmerte, so hat man die bekanntgewordenen Zeitschriften während der Kriegszeit genannt. Manche Anläufe hat die während dieser Jahre streng ausgeübte Zensur v o n vorneherein verhindert. Die Lage veränderte sich v ö l l i g nach dem zweiten Friedensschluß. Kunst und Wissenschaft blühten unter einem König, der sich gern der Philosoph von Sanssouci nennen ließ, der während seines Aufenthaltes i n Breslau m i t den Gelehrten des Landes unterhielt. D i e Buchproduktion stieg und mit ihr die Herausgabe gewichtiger Zeitschriften. E i n gutes Beispiel dieses veränderten Lebensgefühls ist der „Schlesische Büchersaal, in welchem von allerhand schlesischen Büchern und anderen Sachen Nachricht erteilt w i r d " 8 6 ) . 31) Jessen S. 48, 50. 32 ) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Klawitter, Willy: Geschichte des Schlesischen Intelligenzblattes. In: Zeitschrift des Vereins für die Geschichte Schlesiens. Jg. 1921, S. 49 ff. 33) Vorhanden in Staatsbibliothek München. Vgl. Kirchner Nr. 1650. 34) Jessen S. 106. Klawitter Nr. 19. 35) Zum Winkel: Aus der Entwicklung der Liegnitzer Presse 1740—1840. In: Liegnitzer Tageblatt 31.3.1911. Klawitter Nr. 761. Kirchner Nr. 4889. 36) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Jessen S. 60 f. Klawitter Nr. 483. Kirchner Nr. 174.

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Hans Jessen Sein Herausgeber, der durch seine französischen Ubersetzungen und seine Untersuchung über den Ursprung der Elektrizität bekanntgewordene Pastor von Mertschütz, Abraham Gottlieb Rosenberg, war sichtlich stolz über die Fülle u n d Weite der Gelehrsamkeit i n seinem Heimatland und über deren Anerkennung durch den K ö n i g und die preußische Regierung. Das Blatt erschien bei dem regsamen Verleger Joseph Friedrich Overfeldt 1751—1754 i n Schweidnitz. Der erfolgreichste sdilesische Verleger dieser Zeit war Johann Jakob Korn. 1751 begründete er die „Schlesischen zuverlässigen Nachrichten", die er 1757 „Berichte von Gelehrten Nachrichten" 3 7 ) nannte. K o r n hatte ein zweifaches Ziel. Er wollte ein eigenes Blatt schaffen und zugleich seiner politischen Zeitung einen besonderen Teil anfügen, der sich m i t den Fragen der „Gelehrtenrepublik" befaßt, wie ihn zunächst der „Hamburgische Correspondent" geschaffen hatte 3 8 ). Die „Staats- und gelehrte Zeitung", dieser erste Versuch der Zeitungsverleger, der Zeitschrift auf eigenem Boden Konkurrenz zu machen u n d sich als geistiger Generallieferant zu etablieren, führte i n Deutschland zu mannigfachen ähnlichen Gründungen. Das Neue an Korns Versuch ist, den „Feuilletonteil" auch als Zeitschrift zu vertreiben. I n dem Breslauer Schulmann Samuel Benjamin Klose 3 9 ) fand K o r n den Mann, der imstande war, diese Idee durchzuführen. Der seltsame Hagestolz und Freund Lessings während dessen Breslauer Zeit, der später College am Magdalenengymnasium u n d ein Jahr darauf (1763) Rektor der Schule vom heiligen Geist sowie Bibliothekar von St. Bernhardin wurde, war ein Gelehrter von umfassenden historischen Kenntnissen, ein Polyhistor, der in der Heimaterde verwurzelt war. Er schuf eine fünfbändige Geschichte seiner Vaterstadt und galt schon i n der Jugend als Sonderling, als ein Einzelgänger, dessen spitze Feder mehr gefürchtet als geliebt wurde. Ziel seiner Bemühungen war es, den schlesischen Autoren, v o r allem den Breslauern, einen Weg i n die Öffentlichkeit zu bahnen und seinen Landsleuten auf die bedeutsamsten Erscheinungen auf dem deutschen Büchermarkt aufmerksam zu machen, seine Schlesier zu neuen Taten anzuspornen. Kloses K r i t i k e n waren sorgsam formulierte kleine Kunstwerke. Sie halten den Vergleich m i t den Besprechungen Lessings i n der Vossischen Zeitung aus. 37) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Jessen S. 56, 57. Klawitter Nr. 22. Kirchner Nr. 176, 387. 38) Meunier-Jessen: Das deutsche Feuilleton. Berlin 1931, S. 30 ff. 39) Markgraf-Hermann: Samuel Benjamin Klose. In: Allgemeine deutsche Biographie, Bd. 16, 1882, S. 226 f. und die dort verzeichnete Literatur.

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Daß Klose der Unsitte der Zeit gelegentlich folgte und i m Drang der Geschäfte fremde Besprechungen übernahm oder zurechtstutzte, sei nicht verschwiegen. Aber i m Grunde war die Zeitschrift, die er bis 1769 redigierte, sein Werk. I m Alter war i h m nicht mehr „druckerlich" zu Mute. Er scheute vor allem die Mühsal des Korrekturlesens, vertraute seine Gedanken und Forschungen nur dem Papier an. Sein schriftlicher Nachlaß, der auf manchem Umweg i n die Breslauer Stadtbibliothek gelangte, zeugt von seinem unermüdlichen Fleiß. Er umfaßt 248 Bände. A m 10. September 1789 ist Samuel Benjamin Klose i n seiner Vaterstadt gestorben. A n ähnlichen Versuchen, eine kritische Zeitschrift zu schaffen, hat es nicht gefehlt. Sie kamen aber nicht zum Zuge. Auch Korns Plan, eine große naturwissenschaftliche Zeitschrift herauszugeben, ließ sich nicht durchführen. Er suchte dafür, da er am O r t keine Gegenliebe fand, den Frankfurter Professor W o l f Balthasar A d o l f von Steinwehr zu gewinnen. Aber auch dieser versagte sich und beschränkte sich auf Ubersetzungen aus dem Französischen und ließ „der Königlichen Akademie der Wissenschaften physische Abhandlungen" (1748—1769) 4 0 ) und deren „anatomische, chymische und botanische Abhandlungen" (1749—1759) 4 1 ) i n Zeitschriftenform bei K o r n erscheinen. Übersetzungen aus dem Französischen enthielt auch der erste Band der von K o r n verlegten „Kriegsbibliothek" 4 2 ). Mancher Leser mochte enttäuscht die Zeitschrift aus der H a n d gelegt haben, weil er nur wenig über die „Geheimnisse" der friderizianischen Siege erfuhr. I h r Herausgeber, der 1755 geborene Königsberger Dietrich von der Groeben 4 3 ), der 18jährig als Kornett bei den i n Breslau stationierten Kürassieren eingetreten war, wollte vielmehr die Geheimnisse fremder Armeen ergründen und ihre Erfahrungen der eigenen nutzbar machen, u m die „weitläufige, erst i m Wachstum begriffene Wissenschaft v o m Kriege" zu fördern. V o n der Groebens Kriegsbibliothek fand i n Berlin 4 4 ), Dresden 4 5 ), Frankfurt am M a i n 4 6 ) , Freiberg 4 7 ), 40) Vorhanden in Staatsbibliothek München. Vgl. Jessen S. 60. Klawitter Nr. 21. ner Nr. 3201. 41) Vorhanden in Staatsbibliothek München. Vgl. Jessen S. 60 f. Klawitter Nr. 27. ner Nr. 3204. 42) Vorhanden in Staatsbibliothes München. Vgl. Jessen S. 60. Klawitter Nr. 27. ner Nr. 3956, 3959. 43) Forstreuter, Karl: Dietrich von der Gröben. In: Neue deutsche Biographie. S. 104. 44) Kirchner Nr. 3971. 45) Kirchner Nr. 3967. 46) Kirchner Nr. 3957. 47) Kirchner Nr. 3958, 3979.

KirchKirchKirchBd. 7,

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Hans Jessen Gießen 4 8 ), Göttingen 4 0 ), H a n n o v e r 6 0 ) , Königsberg 5 1 ), Leipzig 6 2 ), M a r b u r g 5 3 ) , Stettin 5 4 ) Nachahmung. V o r allem meldete sich W i e n 5 5 ) zum W o r t und stellte seine Auffassung der preußischen entgegen, bekämpfte die These, daß wie es i n der Kriegsbibliothek hieß, „die unermüdliche Sorgfalt S. Maj. vor Dero Kriegs-Staat Europa aufmerksam gemacht und die Kriegskunst zu einer Wissenschaft gemacht hat, welche in Dero Armeen als in einer der besten Schulen erlernet wird" 56 ). Schlesien war i m 18. Jahrhundert vorwiegend Agrarland. Dem trug K o r n durch seine v o n der Regierung geförderten „Schlesischen Oeconomischen Sammlungen" (1754—1763) 5 7 ) Rechnung. Sie brachten A r t i k e l , die vornehmlich von Beamten verfaßt wurden. Naturgemäß spielte die Schafzucht eine hervorragende Rolle. E i n Aufsatz über die v o n Friedrich so eifrig protegierte Luzerne durfte nicht fehlen. Auch soziale Fragen wurden gelegentlich berührt. I m Grunde war das Blatt ein nüchternes, ganz auf die Praxis ausgerichtete Anweisung an den Landmann, seinen Betrieb zweckmäßig einzurichten. D i e Anregung zu dieser Zeitschrift ging nebenbei erwähnt v o n dem Berliner Realschullehrer Johann Christian Sprengel aus, dessen i n seiner Zeit viel gerühmten „Hauptstücke der Landwirthschaftskunst" 1754 bei K o r n erschienen. Die weit verbreitete Mode der Zeit, die Sittenschriften, riefen i n Breslau und Liegnitz so manchen Pastor auf den Plan. V o r allem ist der Breslauer Pastor von den elftausend Jungfrauen, M a r t i n Gottlieb Böhm, hier zu nennen. M i t seinem „Freymüthigen" (1751) 5 8 ) und dem „neuen französischen Zuschauer oder Vorstellungen, w o r i n die Sitten der heutigen Zeit nach dem Leben geschildert" (1752—1754) 5 9 ) fand er nicht ungeteilten Beifall. Gewiß, die „Schlesischen zuverlässigen Nachrichten" v o m 12. Januar 1753 48) Kirchner Nr. 3961. 49) Kirchner Nr. 3972. 50) Kirchner Nr. 3968, 3980. 51) 52) 53) 54) 55) 56) 57

Kirchner Nr. 3968. Kirchner Nr. 3970. Kirchner Nr. 3976. Kirchner Nr. 3965. Kirchner Nr. 3958, 3964. Kriegsbibliothek, Widmung.

) Vorhanden in Staatsbibliothek München. Vgl. Jessen S. 60. Klawitter Nr. 27. Kirdincr Nr. 929. 58) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Jessen S. 64. Klawitter Nr. 23. Kirchner Nr. 929. 59) Vorhanden in Landesbibliothek Coburg, Staatsbibliothek München. Vgl. Jessen S. 64. Klawitter Nr. 24. Kirchner Nr. 4928.

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bescheinigten i h m „einen lebhaften und munteren Stil". Aber so mancher Leser vermißte die scherzhaften „Einfälle", allerdings, wie der K r i t i k e r meinte, ein Vorteil, weil man u m so mehr an seine Besserung denke, je weniger man lache. Die Gegengründung des Militscher Pastors Christian Samuel H o f m a n n bewies, daß gerade der H u m o r die starke Seite der Schlesier war. Trotz des schwerfälligen Titels, „Sdilesische Sammlung kleiner auserlesener Schriften von einigen Freunden der Gelehrsamkeit zusammengestellt" (1754—1756) 6 0 ) und trotz der i n der Vorrede bekundeten Absicht, die Vortrefflichkeit der wahren Religion zu beweisen, haben die „munteren K ö p f e " ein reichhaltiges Blatt gestaltet, i n dem die Dichtkunst und die Beredsamkeit, aber auch die schlesische Kirchengeschichte behandelt wurden. Der Hausdichter der Zeitschrift w a r der Pastor A d a m Bernhard Pantke, ein eifriger Parteigänger der Preußen. Als dritte Sittenschrift sei nur noch Christoph Traugott Schoers „ V o n allem etwas oder der Schlesische Schriftsteller nach Mode" (1753—1757) 6 1 ) erwähnt. Der Ausbruch des Siebenjährigen Krieges zwang manche Zeitschrift Schlesiens, ihr Erscheinen einzustellen. Die Kriegsbibliothek mußte pausieren, da Dietrich v o n der Groeben als A d j u t a n t des Generalfeldmarschalls v. Schwerin ins Feld zog. Nach dessen T o d bei Prag focht Groeben unter den Fahnen des Herzogs von Bevern u n d geriet bei K a y i n Gefangenschaft 62 ). Z u dem kam, daß Johann Jacob K o r n , der bedeutendste schlesische Verleger, starb und die Geschäfte der Firma durch Erbstreitigkeiten i n Schwierigkeiten gerieten 63 ). Weniger die Zensur als die Papiernot verhinderte manchen Versuch, eine Zeitschrift herauszugeben. So kam z. B. G o t t fried Heinrich B u r g h a m moralische Wochenschrift „ D e r forschende Schlesier" (1758) 6 4 ) trotz aller Anstrengungen seines Verlegers Pietsch nicht über ein Quartal hinaus. Erfolgreich waren nur die Blätter, die sich m i t dem Kriegsgeschehen direkt befaßten. I n erster Linie ist Pietschs Zeitschrift, „Zufällige Betrachtungen 60) Vorhanden in Staatsbibliothek Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin. Vgl. Klawitter Nr. 23. Kirchner Nr. 4422. 61) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Zum Winkel (Anm. 35). Klawitter Nr. 762. Kirchner Nr. 5245. 62) s. Anmerkung 43. 63) Jessen S. 72 ff. 64) Klawitter Nr. 23. Kirchner Nr. 4993.

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Hans Jessen über die Merkwürdigkeiten des gegenwärtigen Krieges" (1759—1762) 6 5 ) zu nennen. V o n der Regierung eifrig gefördert, sollte sie den eisernen Ring der österreichischen Propaganda, den Wien durch die Einfuhrverbote preußischer Zeitungen i m Reich geschmiedet hatte, durchbrechen. Denselben Zweck hatte auch das „Breslauisdie Wochenblatt" (1760) 6 6 ) des streitbaren Künders der preußischen Waffentaten, des Kammerfiskals Andreas Belach 67 ). Belach pflegte auf jede K r i t i k seiner Aufsätze und Gedichte scharf zu antworten, zunächst i n der „Schlesischen privilegierten Zeitung". D a aber auch diese unter das allgemeine Verbot i m Reich fiel, hat er i n Broschürenform seine Gegner, etwa den Erlanger Zeitungsschreiber und dessen „ungesunde K r i t i k " , abzufertigen gesucht, bis ihm seit 1760 das „Breslauisches Wochenb l a t t " zur Verfügung stand. Neben den i n den Sittenschriften üblichen Themen, wie etwa über die „Frauenzimmermoden", Polemik gegen übermäßiges Karnevalstreiben und ähnlichen Aufsätzen streute er politische ein, wie „ v o n den Neuigkeiten und denen die damit handeln", „Abendgedanken bey der Beschiessung Breslaus", „Gedanken über die Feyer von Siegesfesten" und ähnliches mehr. I n seinem einfachen, packenden Stil gehört Belachs Wochenblatt zu den besten und wirksamsten Erzeugnissen seiner Zeit. Als Sittenschrift getarnt, hat er das „preussische G i f t " i n die Reihen v o n Friedrichs Gegner getragen. Daß der H u m o r trotz aller Kriegslasten in Schlesien nicht ausgestorben war, beweist vor allem J. G. Forkerts „Wochenblatt für muntere Brüder und lustige Schwestern" 68 ), das 1760 bei F. Günther i n Glogau herauskam. Das Liegnitzer Gegenstück, „ D e r Freund, eine moralische Wochenschrift" 6 9 ) schlug ernstere Töne an, nicht minder Korns Reihe, „Abendstunden i n lehrreichen und anmutigen Erzählungen", die bis 1776 fortgeführt wurden 7 0 ). Der Hubertusburger Friede und die folgende lange Friedenszeit brachte Schlesiens Zeitschriftenwesen erst v ö l l i g zur Entfaltung. Das Interesse für das so umkämpfte Land und die Bemühungen u m seinen Wiederaufbau beschäftigte die deutsche Öffentlichkeit i n starkem Maße. So fanden auch 85) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Klawitter Nr. 28. Kirchner Nr. 1673. 66) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Jessen S. 63. Klawitter Nr. 30. Kirchner Nr. 5270. 67) Streit, Karl Konrad: Alphabetisches Verzeichnis aller im Jahre 1774 in Schlesien lebenden Schriftsteller. Breslau 1776, S. 16. Jessen S. 83 f. 68) Kirchner Nr. 5002. 69) Klawitter Nr. 764. Kirchner Nr. 5004. Herausgeber nach Kirchner Christian Sigismund Lange; nach Diesch, Carl: Bibliographie der germanistischen Zeitschriften. Leipzig 1927; Johann Gottlieb Völkelt. 70) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Klawitter Nr. 31.

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Die Anfänge des Zeitschriftenwesens

in Schlesien

Schlesiens Buchproduktion und sein Zeitschriftenwesen mehr Beachtung i m Reich und damit besseren Absatz. Das gilt i m besonderen von der wieder aufgenommenen „Kriegsbibliothek", die der „Turnier-Groeben" 7 1 ) — den Spitznamen hatte er sich durch seine Versuche, die mittelalterlichen Reiterspiele i n die preußische Armee einzuführen, geholt — zu einem viel beachteten Blatt gestaltet hatte. Der aufrechte M a n n m i t seinen weitgespannten allgemeinen und besonders historischen Interessen blieb bei seiner Linie, vor allem die Fortschritte und Veränderungen i n den fremden Heeren zu sammeln und seinen Offizieren zugänglich zu machen. Aber auch u m die Bildung der Mannschaften kümmerte er sich. So gab er 1781 einen „Unterhalter für K r i e g e r " 7 2 ) heraus. V o n der Groebens Anregung verdankten auch weitere militärische Zeitschriften ihre Entstehung. Es waren der „Veteran oder militärisches Mancherley" (1782—1784) 7 3 ) und die „Kleine militärische Bibliothek oder Versuch für Soldatenschulen und solche, die sich diesem Stand gewidmet haben" (1780) 7 4 ) sowie August W i l h e l m von Leipzigers „Neue militärische Briefe und Aufsätze" (1790) 7 5 ). Charakteristisch für diese Periode waren vor allem die Fülle der ökonomischen Zeitschriften, i n denen sich Adlige wie E. Graf v. Dyhern, Friedrich M o r i t z v. Rohr, Hans W o l f v. L ü t t w i t z , Heinrich Graf v. Matuschka, Beamte und Bürger zu W o r t meldeten. 76 ) Rohrs „Oekonomische Reliquien" (1767) 7 7 ) brachten es trotz ihrer kenntnisreichen A r t i k e l nur auf zwei „Zehende" (schlesischer Ausdruck für Dekade). U m so erfolgreicher waren die „Oekonomischen Nachrichten" (1771—1784) 7 8 ). Ihre Herausgeber, der Landschaftsyndikus Immanuel K a r l Heinrich Börner und der durch sein Buch, „ D e r schlesische L a n d w i r t " bekanntgewordene K a r l Gottfried Tschirner verstanden es i n einem für weite Kreise verständlichen Stil zu schreiben. Die Zeitschrift — auf Veranlassung des Justizministers v. Carmer gegründet — galt als Organ der v o n der Regierung kräftig unterstützten Patrio71) S. Anmerkung 43. 72) Vorhanden in Staats- und Universitätsbibliothek Klawitter Nr. 62. Kirchner Nr. 5109.

Göttingen.

Vgl.

Jessen S. 113.

7S

) Vorhanden in Landesbibliothek Coburg. Vgl. Jessen S. 113. Klawitter Nr. 765. Kirchner Nr. 3969. 74) Klawitter Nr. 70. Kirchner Nr. 3201. 75) Kirchner Nr. 3978. 76) Kirchner Nr. 3723. 77) Vorhanden in Staatsbibliothek München. Vgl. Klawitter Nr. 56. Kirchner Nr. 2899. Jessen S. 112. 78) Vorhanden in Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Vgl. Jessen S. 112. Kirchner S. 1056.

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Hans Jessen tischen Gesellschaft, um deren Zustandekommen sich Tschirner vor allem bemühte. Er hat i n den Jahren 1771—1774 eine Werbezeitschrift „Meine Bemerkungen über den E n t w u r f einer patriotischen Gesellschaft für Schlesien" 7 9 ) herausgegeben. V o n der Regierung wurde 1766—1767 ein Versuch unternommen, sich auf diesem Felde zu betätigen. Dem amtlichen Intelligenzblatt wurde die „Sammlung derer nützlichen oekonomischen Nachrichten" 8 0 ) beigegeben. Diesem Vorläufer folgte die „Sammlung oekonomischer Nachrichten" 8 1 ) 1771, die erfolgreich bis 1802 fortgeführt wurde. Aus der Fülle oekonomischer Zeitschriften seien noch genannt: die monatlich erscheinende „Schlesische Volkszeitung" W i l h e l m von Wedells (1789—1806) 8 2 ), Korns „Oekonomisches Mancherlei" (1791) 8 3 ), das „Neueste Magazin für Oekonomie" Johann Carl Lowes (1794) 8 4 und Georg Briegers weit verbreitetes „Taschenbuch für Gutsbesitzer, Pächter u n d Wirtschaftbeamte" (1787—1794) 8 5 ). Erfolgreich war auch Johannes Riemer m i t seiner „Physikalisch-oekonomischer Bienenbibliothek" (1776—1787) 8 6 ). Sollte es sich nicht lohnen, für den i n Breslau so mächtigen Kaufmannsstand ein eigenes Blatt zu formen? Diese Frage legte sich Johann Christian Sinapius vor. Schon 1767 erschien sein erstes Blatt, „ D e r K a u f m a n n " 8 7 ) . Es folgten die „Merkantilistischen Blätter" (1799) 8 8 ) und 1800 „ D e r schlesische merkantilistische Anzeiger" 8 9 ), der Vorläufer der „Schlesischen privilegierten Gewerbe- und Handlungszeitung" 9 0 ). Daß diese Blätter nicht recht zum Zuge kamen, führte Sinapius auf die Tatsache zurück, daß die Breslauer Kaufmannschaft lieber auf Bälle und Lustbarkeiten als auf ernsthafte und belehrende Schriften subskribiere. A l l die eben genannten Zeitschriften hatten praktische Zwecke. Gewiß, manche von ihnen, die die Vorteile der 79) Jessen S. 109. Kirchner Nr. 1056. 80) Klawitter Nr. 18. 81) Müller, Leonhard: Die Breslauer politische Presse von 1742—1861. Breslau 1908, S. 12. Klawitter Nr. 69. Kirchner Nr. 2265. 82) Jessen S. 112. Kirchner Nr. 2903. 83) 84) 85) 86) 87) 88) 89) 90)

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Kirchner Nr. 2981. Klawitter Nr. 74. Kirchner Nr. 2918. Klawitter Nr. 71. Kirchner Nr. 3014 (Nachtrag). Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Klawitter Nr. 55. Kirchner Nr. 2916. Klawitter Nr. 33. Kirchner 2719. Kirchner Nr. 2785. Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Klawitter Nr. 87. Kirchner Nr. 2787. Leonhard Müller S. 15 ff. Jessen S. 112. Klawitter Nr. 100. Kirchner Nr. 2797.

Die Anfänge des Zeitschriftenwesens

in Schlesien

englischen Landwirtschaft oder die ostfriesische Milchwirtschaft anpriesen, berücksichtigten die klimatischen Verhältnisse und die Bodenbeschaffung Schlesiens bei der Erteilung ihrer gut gemeinten Ratschläge zu wenig. V o m grünen Tisch aus läßt sich Landwirtschaft nicht betreiben. Aber manche praktische Anregung konnte der Landmann und der Gewerbetreibende den Blättern entnehmen. Besonders hatte die ständige Propaganda der Regierung für den Anbau der Kartoffel den anfänglich i n Schlesien so starken Widerstand der Bauern überwunden. Wissenschaftliche Ziele verfolgte Johann Carl Löwe m i t seiner „Physikalischen Zeitung" (1784), die zunächst i n H a l l e erschien. Nach ihrer Herausgabe durch Gottlieb Löwe i n Breslau und unter dem Einfluß von Amtsrat Johannes Riem verlor sie immer mehr den Charakter einer wissenschaftlichen Zeitschrift u n d nannte sich später „Physikalisch-ökonomische Zeit u n g " 9 1 ) . Als „Physikalisch-ökonomische Monats- und Quartalschrift" hat sie 1787 die Leipziger Firma Breitkopf weitergeführt 9 2 ). Wenig Erfolg hatte W i l h e l m Gottlieb K o r n m i t seiner Bibliotheca physico-Medica (1776—1777) 9 3 ). Die Zeit, da das Lateinische die Gelehrtensprache war, war vorbei, selbst i n den Kreisen der Ärzte. Die folgenden medizinischen Zeitschriften waren i n deutscher Sprache verfaßt, so schon vorher die „Früchte der Einsamkeit" (1775—1776) 9 4 ), i n denen der einfallsreiche Chr. Ehrenfried Rückert seine Gedanken über physikalische, medizinische und chirurgische „ZeitVerkürzungen" vortrug. Der Information über die an den ausländischen Universitäten, vor allem i n Leiden, auf dem Gebiet der N a t u r wissenschaften und Medizin gelehrten „Neuigkeiten" diente Chr. Fr. Niceus „Holländisches Museum für Deutschlands Aerzte und Wundärzte" (1794) 9 5 ). Das bedeutendste medizinische Blatt Schlesiens war A . Zadigs und Christian Gottlieb Frieses „Archiv für die praktische Heilkunde für Schlesien und Südpreussen" 96 ). K o r n hat es i n den Jahren 1799—1804 verlegt. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang noch der „Freund des Landmannes", (1792—1793) 9 7 ), das der Tierheilkunde gewidmet war. 91) Vorhanden in der Staatsbibliothek München, Landesbibliothek Kassel. Vgl. Nr. 66. Kirchner Nr. 2945. 2948. 92) Vorhanden in Staatsbibliothek München. Vgl. Klawitter. Nr. 67. Kirchner Nr. 83) Vorhanden in Universitätsbibliothek Erlangen. Vgl. Klawitter Nr. 56, Nr. 3576. 04) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Klawitter Nr. 53. Kirchner 95) Kirchner Nr. 3691. 96) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Klawitter Nr. 82, Kirchner 97) Vorhanden in Staatsbibliothek München. Vgl. Kirchner Nr. 3672.

Klawitter 2955. Kirchner Nr. 3261. Nr. 3723.

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Hans Jessen Schlesien stellte derzeit ein Experimentierfeld der preußischen Juristen dar, galt es doch nach Aufhebung älterer Rechte und Privilegien, das L a n d dem preußischen Staatsverband einzugliedern und den Wiederaufbau zu fördern. Das alte schlesische Recht hatte dabei seine Bedeutung nicht v ö l l i g verloren. Es fand jetzt ein merkwürdiges antiquarisches, aber auch praktisch politisches Interesse. Das ist bei den Schriften von Suarez, dem Schöpfer des preußischen Landrechts, deutlich zu spüren. Der als Verfasser lateinischer Gedichte wie als Historiker angesehene Johann Ehrenfried Böhme gab „Diplomatische Beyträge zur Untersuchung Schlesischer Rechte und Geschichte" (1770—1775) 9 8 ) heraus. Sie wurden erweitert und ergänzt durch Sigismund Justus Ehrhardts „Beyträge zur Erläuterung der ältesten Niederschlesischen Geschichte und Rechte" (1773—1774) 9 9 ). Den Fragen der Gegenwart wandte sich Chr. L . Paalzow i n seinem „Magazin der Gesetzgebung, besonders in den kgl. preussischen Staaten" (1781—1782) 1 0 0 ) zu. Für religiöse Blätter war wenig Raum i n Schlesien. Die notwendige Toleranzpolitik Friedrichs verhinderte theologische Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen. Die führenden theologischen Zeitschriften erschienen dort, wo die konfessionellen Verhältnisse nicht so gemischt waren wie i n Schlesien. So waren die religiösen Blätter Schlesiens auffallend blaß und suchten durch den Verzicht auf jegliche Polemik sich den Verhältnissen anzupassen. Die papierene Kanzel bestieg als erster der Breslauer Pastor M a r t i n Gottlieb Böhm, der sich ja zunächst an moralischen Wochenschriften versucht hatte, in seinem Woche für Woche erscheinenden „Theologischen Wochenblatt" 1 0 1 ), das er i n seiner Gemeinde verteilen ließ. Diese vierseitigen religiösen Betrachtungen hat er 1773 und 1774 i n Jahresbänden zusammngfaßt, denen er die T i t e l : „Erneuerung des verfallenen Christentums" 1 0 *) und „Befestigungen der R e l i g i o n " 1 0 3 ) gab. Ohne großen Einfluß blieben die bei Siegert i n Liegnitz 1793 erschienenen „Beiträge zur Unterhaltung für Freunde der R e l i g i o n " 1 0 4 ) und das i m selben Jahr von J. G. Meissner herausgegebene Sonntagsblättchen, „ D e r Seher i n die mög98) Vorhanden in Universitätsbibliothek Erlangen, Germanisches Museum Nürnberg. Vgl. Klawitter Nr. 42. Kirchner Nr. 1053. 90) Vorhanden in Staatsbibliothek München. Vgl. Klawitter Nr. 63. Kirchner Nr. 1053. 100) Vorhanden in Staatsbibliothek München. Vgl. Kirchner Nr. 2564. 101) Jessen S. 167. 102) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Klawitter Nr. 29. Kirchner Nr. 2107. 103) Klawitter Nr. 39. Kirchner Nr. 2117. 104) Klawitter Nr. 769. Kirchner Nr. 2259.

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Die Anfänge des Zeitschriftenwesens liehe und wirkliche W e l t " 1 0 5 ) Bibliothek" (1799) 10 «).

in Schlesien

sowie Johann Samuel Bachs „Casualische

Der Philosophie eine Gasse zu bahnen, hat Samuel Benjamin Klose i n seinen „Vermischten Beyträgen zur Philosophie und den schönen Wissenschaften" (1762—1764) 1 0 7 ) versucht. Auch das „Allgemeine Magazin für die kritische und populäre Philosophie" (1791—1794) 1 0 8 ) des Italienfreundes Johann W i l h e l m Andreas Kosmann hat sein Ziel, kantische Gedanken m i t denen Christian Wolfis zu einen, nicht erreicht. Beide Zeitschriften scheiterten daran, daß ein Blatt nur für die „gebildeten Leute" kein Echo fand. Bedeutsamer waren die Versuche, sich i n die schlesische Geschichte zu versenken. Johann Gottlieb Drescher eröffnete m i t seinen „Schlesischen diplomatischen Nebenstunden" (1774) 1 0 9 ) den Reigen. Des Calculators Friedrich Albert Zimmermann „Beyträge zur Beschreibung Schlesiens" 110 ) brachten es i n den Jahren 1783—1795 auf z w ö l f inhaltsreiche Bände. Oberschlesien meldete sich m i t der i n der Grottkauer evangelischen Schulanstalt verlegten „Oberschlesischen Monatsschrift 1 1 1 ) v o n J. K . Loewe und Joh. G. Peuker 1788—1789 zu W o r t . Johannes Gotthold Pohle und K a r l L u d w i g Blottner gaben eine „Glätzische Monatsschrift" 1 1 2 ) 1789—1803 heraus. Die bedeutendste Zeitschrift war Ernst Gottlieb Glewnigs „Briegisches Wochenblatt" (1790—1805), das unter dem T i t e l „Briegische Monatsblätter" fortgesetzt wurde113). A l l diese Zeitschriften erhielten politische Farbe, mochten sie i m Fortschrittglauben auf die „finstere" Vergangenheit verächtlich zurückblicken oder wie manch Brieger A r t i k e l die sorglose schöne Zeit unter Österreichs Fittichen verklären. Z u m Teil suchten sie verbotenerweise i n die Gegenwart vorzustoßen u n d politische Nachrichten einzuflechten. Sie halfen so, das Privileg Korns, als einziger eine politische Nachrichtenzeitung herauszu105) Kirchner Nr. 2269. 10«) Kirchner Nr. 2287. 107) Vorhanden in Staatsbibliothek München. Vgl. Klawitter Nr. 32. Kirchner Nr. 1075. 108) Klawitter Nr. 32. 109) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Klawitter Nr. 46. Kirchner Nr. 1075. HO) Vorhanden in Germanisches Museum Nürnberg, Staatsbibliothek Regensburg. Vgl. Kirchner Nr. 1317. H l ) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. 112) Kiemenz, Paul: Die Literatur der Landes- und Volkskunde der Grafschaft Glatz. 2. Aufl. Glatz 1924. Klawitter Nr. 397. Kirchner Nr. 317. Nachtrag. 113) Kersten, G.: Das Pressewesen Briegs. In: Brieger Zeitung. Festnummer 1926. Klawitter Nr. 775. Kirchner Nr. 1248. 4

Breslau

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Hans Jessen geben, untergraben. Es war eine sehr zahme Revolution der Provinzstädte gegen die Hauptstadt, die dann i m Anfang des neunzehnten Jahrhunderts zum Erfolg führte. A u f dem Lieblingsfeld des 18. Jahrhunderts kündeten die „Betrachtungen der berühmten Schulen Deutschlands und insonderheit Schlesiens" (1777) 1 1 4 ) wie ihre Vorgänger m i t patriotischem Eifer Schlesiens Ruhm. Charakteristischer für diese Zeit waren die vielen Versuche, Zeitschriften herauszubringen, die sich direkt an die Kinder wandten. So das „Tagebuch für Kinder zum lehrreichen und angenehmen Zeitvertreib" (1774) 1 1 5 ), die „Abwechslungen für Kinder i n angenhmen und nützlichen Selbstbeschäftigungen" (1782 bis 1789) 1 1 6 ) von Georg Samuel G i r n t h und das „Museum für K i n d e r " (1783 bis 1784) 1 1 7 ), das i n Schmiedeberg herauskam. Gottlob Scholz hat i n seiner „Monatsschrift für Landkinder oder lehrreiche Nebenunterhaltungen eines Landschullehrers" (1791—1799) 1 1 8 ) ein vielgelesenes Blatt geschaffen. Es wurde 1799 als „Magazin für Landschullehrer" 1 1 9 ) fortgesetzt und erschien zunächst i n Striegau, später i n Liegnitz bis 1804. Die Musen waren den Schlesiern stets hold. Der Kunst w a r „der Torso, ein Kunst- und Zeichenjournal für alle Stände" (1796—1798) 1 2 0 ) gewidmet. Der „lebhafte" Professor für Zeichenkunst, Carl Daniel Friedrich Bach 1 2 1 ), war der erste Lehrer der i n Breslau 1791 gegründeten Kunstschule, der als Bildersammler m i t dem Verleger K o r n wetteiferte. Unterstützt wurde er von dem geschäftigen Dichter C. F. B e n k o w i t z 1 2 2 ) , der eine Unzahl von Stücken schrieb und sich auch i n den modernen Stilen — er hat ein Buch über Klopstocks Messias geschrieben — versuchte. M i t einer „Breslauischen Dram a t u r g i e " 1 2 3 ) suchte K a r l E m i l Schubert 1772 „Ehre und R u h m " zu gewinnen. K a r l K o n r a d Streit gab m i t geringem Erfolg 1772/73 ein interessantes „Theatralisches Wochenblatt" 1 2 4 ) heraus. D i e Zeit war noch nicht reif für die später i n Breslau so beliebten Theaterzeitschriften. 114) Kirchner Nr. 535. 115) Kirchner Nr. 622. 116) Klawitter Nr. 6. Kirchner Nr. 658. 117) Klawitter Nr. 831. Kirchner Nr. 561. 118) Klawitter Nr. 831. Kirchner Nr. 733. 119) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Klawitter Nr. 540. Kirchnei Nr. 152. 120) Klawitter Nr. 76. Kirchner Nr. 4100. 121) Jessen S. 166. 187. 122) Jessen S. 166. 167. 123) Klawitter Nr. 40. Kirchner Nr. 4136. 124) Hill, W.: Die deutschen Theaterzeitschriften des 18. Jahrhunderts. Weimar 1916 (Forschungen zur neueren Literaturgeschichte) S. 48. 146. Klawitter Nr. 41. Kirchner Nr. 4137.

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Die Anfänge des Zeitschriftenwesens

in Schlesien

Das große Ereignis für den Buchhandel war i n jener Zeit die Entdeckung der Frau als Leserin und Buchkäuferin. Wie überall i n Deutschland, so entstand auch i n Schlesien eine neue „Frauenzimmerliteratur" und ließ die Zahlen der Buchproduktion hochschnellen. Diese neue Unterhaltungsliteratur w i r k t e sich auch auf das Zeitschriftenwesen aus. Manche Blätter zeigten, Gottscheds Spuren folgend, schon i n ihrer Titelfassung die neue Tendenz. Gottfried Wiedners „Nachtisch für Damen" (1777—1778) 1 2 5 ) ist dafür ein gutes Beispiel. K a r l L u d w i g v. Klöber griff etwas höher. Seine „Etiennes pour les dames" (1773—1774) 1 2 6 ) waren ohne großen Erfolg. Aber auch die Unterhaltungsschriften, die sich nicht ausdrücklich an das schöne Geschlecht wandten, verraten deutlich, auf welchen Leserkreis man m i t seinen einfach erzählten, oft sentimentalen Geschichten abzielte. Es wurde fast eine Mode, daß jeder Besitzer einer noch so kleinen Druckerei eine Zeitschrift herausgab. Selbst i n kleinen Städten entstanden solche Blätter, so i n Brieg ( „ M o natliche vermischte Nachrichten für wissbegierige Leser" 1783—1784) 1 2 7 ), i n Jauer („Neue Monatsschrift zur geselligen, wissenschaftlichen und angenehmen Unterhaltung" von Fr. Beier 1800—1807 1 2 8 ) und der „lehrreiche Erz ä h l e r " 1 2 9 ) , den Johann G o t t h o l d Dobermann seit 1796 m i t Aufsätzen über das Kunstleben und die Naturgeschichte sowie m i t Nachrichten über die Sitten und Gebräuche fremder Völker füllte), i n Liegnitz (das angesehene „Niederschlesische Magazin" 1789—1795 v o n Carl M a r t i n Plümecke, das später der Breslauer Verleger K o r n übernahm) 1 8 0 ), i n Oels (das „Journal plaisant, historique, politique et literaire" 1793—1794) 1 3 1 ), i n Schmiedeberg (wo der rührige Verleger K r a h n 1780 „Schlesische Analekten" und ein Volksblatt, „ D e r Erzähler i m Riesengebirge" 132 ) herausgab) und schließlich i n Waldenburg (die physikalisch-moralische Wochenschrift „ N a t u r und Religion", die sein Herausgeber Gottfried W i n k l e r 1775—1784 1 3 3 ) m i t großem Geschick leitete. Eine zweite Auflage erschien bei dem Leipziger Verleger Cnobloch). 125) Klawitter Nr. 57. Kirchner Nr. 6384. 126) Vorhanden in Staatsbibliothek der Stiftung Preussischer Kulturbesitz Berlin. Vgl. Kirchner Nr. 6475. 127) Klawitter Nr. 372. Kirchner Nr. 5632. 128) Klawitter Nr. 719. Kirchner Nr. 5977. 129) Klawitter Nr. 489. Kirchner Nr. 5895. 130) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Zum Winkel s. o. Klawitter Nr. 767. Kirchner Nr. 6835. 131) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Klawitter Nr. 454. Kirchner Nr. 5375. 132) Kirchner Nr. 5831. 133) Kirchner Nr. 5083.

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Hans Jessen Z u einem scharfen Konkurrenzkampf k a m es i n Breslau. Die beiden feindlichen Brüder W i l h e l m Gottlieb und Johann Friedrich K o r n suchten sich gegenseitig zu überbieten und sich die Autoren auszuspannen. Auch kleinere Verleger wie Johann Michael Gampert, Friedrich W i l h e l m Gutsch und Georg Seydel traten auf den Plan. Seit dem 25. M a i 1798 suchte A d o l p h Gehr i n Breslau Fuß zu fassen. Auch E. S. Meyer, der sich von Gampert getrennt hatte, gab ein Unterhaltungsblatt heraus. Aus der Fülle der i n jener Epoche entstandenen, meist kurzlebigen Versuche seien hervorgehoben: die „Breslauer M a k u l a t u r " des witzigen K a r l Friedrich L u d w i g Schaff er (1772) 1 3 4 ) und die Gegengründung des ehemaligen Studenten der Theologie, des Bombardiers Ebert, die „ E x t r a p o s t " 1 3 5 ) i m selben Jahr, Friedrich Gottlob Rambachs „Gemeinnützige Beiträge zum Unterricht und zum Vergnügen" (1773) 1 3 6 ), Gotthelf v. Baumgartens „Beobachtungen i n den literarischen und moralischen Welten zur Aufnahme des guten Geschmacks und der gelehrten Sitten i n Schlesien" (1773 bis 1775) 1 3 7 ), deren Inhalt fast ebenso schwerfällig war, wie der langatmige Titel. M a r t i n Gottlieb Böhms und K a r l Friedrich Lentners „Kränzel, eine Sammlung von wöchentlichen moralischen und literarischen Unterhaltungen" (1773) 1 3 8 ), die i m folgenden Jahr „Breslauische Unterhaltungen" hießen, Korns „Neues Wochenblatt für wißbegierige Leser" 1 3 9 ) u n d desselben „ A l l gemeine Schlesische B i b l i o t h e k " 1 4 0 ) , die K a r l K o n r a d Streit 1778 leitete und Korns „Breslauisches Landbibliothek i n lehrreichen und anmutigen Erzählungen" (1778) 1 4 1 ). I n den folgenden Jahrzehnten nahmen die Unterhaltungszeitschriften etwas ab. Immerhin erschienen „Etwas für die Langeweile" (1781) 1 4 2 ), Joseph Zerbonis „Eunomia" (1792—1793) 1 4 3 ), „Nützliche Belehrungen für den Bürger und Landmann" (1796) 1 4 4 ), „Vaterländische 154) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Klawitter Nr. 37. Kirchner 5380. 135) Klawitter Nr. 37. Kirchner Nr. 5477. 136) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Klawitter Nr. 46. Kirchner Nr. 5392. 137) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Klawitter 443. Kirchner Nr. 5395. 138) Vorhanden in Staats- und Universitätsbibliothek Frankfurt. Vgl. Klawitter Nr. 44. Kirchner Nr. 5067. 139) Klawitter Nr. 52. Kirchner Nr. 5084. 140) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Klawitter Nr. 59. Kirchner Nr. 331. 141) Vorhanden in Deutsche Staatsbibliothek Berlin. Vgl. Klawitter Nr. 60. Kirchner Nr. 5507. 142) Kirchner Nr. 5582. 143) Vorhanden in Staatsbibliothek Breslau. Vgl. Herzog, R.: Die schlesischen Musenalmanache von 1773—1823. Breslau 1912, 104 ff. (Breslauer Beiträge zur Literaturgeschichte. Bd. 23.) Klawitter Nr. 73. Kirchner Nr. 5382. 1-44) Thomas, J. G.: Handbuch der Literaturgeschichte von Schlesien. Hirschberg 1824. S. 284. Klawitter Nr. 887. Kirchner Nr. 5909.

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Die Anfänge des Zeitschriftenwesens

in Schlesien

Blätter zum Nutzen und Vergnügen" (1797—1798) 1 4 6 ), „Belehrende Unterhaltungen i n faßlichen Tone für den Bürger u n d Landmann" (1797 bis 1799) 1 4 6 ), K . Gottfried Kapfs „Originalien" (1799) 1 4 7 ) und Gustav Georg Fülleborns „Nebenstunden" (1799—1800) 1 4 8 ). Der erwachten Schreiblust der Schlesier genügten die einheimischen Zeitschriften nicht. So gab z. B. der Franzosenfreund Johann Gottfried Schummel m i t Johann Samuel Patzke und Georg Heinrich Berkhan eine Zeitschrift, „Wöchentliche Unterhaltungen" 1 4 9 ) bei Faber i n Magdeburg 1778 bis 1779 heraus. Z u r Unterhaltungsliteratur sind die Anthologien und Almanache zuzurechnen, v o n denen kurz angeführt werden sollen: die „Schlesische Anthologie" von K a r l Friedrich Lentner (1773—1774) 1 5 0 ), die als „Schlesische Blumenlese" eine Neuauflage 1777 erlebte, die „Poetereien Altvater Opitzen geheiligt" von Friedrich Sinapius (1776) 1 5 1 ). Johann Josef Kausdi sammelte zunächst i n „Schlesiens Bardenopfer" (1785—1789) die schlesischen Sänger 1 6 2 ) und weitete 1789 seine Anthologie zur „Poetischen Blumenlese der preussischen Staaten" 1 6 3 ) aus. A l l diese kleinen Erzeugnisse offenbaren so recht den Charakter der Schlesier i n dieser Zeit. Gewiß waren sie novarum rerum cupidi. D i e französischen Revolutionsideen fanden i n Schlesien ihren Widerhall, aber sie führten nur selten zu scharfen Auseinandersetzungen. Ein M a n n wie Johann Gottlieb Schummel konnte bei seinen zahllosen satyrischen Aufsätzen revolutionären Inhalts den i h m eingeborenen H u m o r nicht verleugnen. D i e Freude am Reimen und Formulieren überwiegt oft den Ernst. Das W o r t „Laberei", die liebenswürdige Plauderkunst, kennzeichnet am besten i n ihrer heiteren Selbstverspottung die Schreiblust dieser Periode, die sich an großen Beispielen und an belanglosen Ereignissen entzündete. Unverkennbar war der Einfluß der revolutionären Ideen aus dem Westen. M a n forderte vor allem die Freiheit der Diskussion und wandte sich gegen jede A r t der Zensur, so 145) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Klawitter Nr. 78. Kirchner Nr. 5924. 146) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Klawitter Nr. 77. Kirchner Nr. 5932. 147) Klawitter Nr. 73. Kirchner Nr. 5963. 148) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Klawitter Nr. 81. Kirchner Nr. 5963. 149) Vorhanden in Universitätsbibliothek Berlin. Vgl. Kirchner Nr. 5514. 150) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Herzog S. 23. Klawitter Nr. 47. Kirchner Nr. 4466. 151) Vorhanden in Universitätsbibliothek Breslau. Vgl. Herzog S. 46. Klawitter Nr. 54. Kirchner Nr. 4496. 152) Vorhanden in Staatsbibliothek der Stiftung Preussischer Kulturbesitz Berlin. Vgl. Herzog S. 74 ff. Klawitter Nr. 64. Kirchner Nr. 4552. 153) Kirchner Nr. 4574.

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Hans Jessen weitherzig sie auch damals ausgeübt wurde. V o r allem wandte man sich gegen das Privileg der Korns, als einzige eine politische Zeitung herauszugeben und suchte auch i n den Unterhaltungsschriften auf oft krummen Wegen aktuelle Nachrichten einzuschmuggeln. Für den Verlag W i l h e l m Gottlieb K o r n war es nicht leicht, seine Position zu halten. Er tat es, indem er seinen politischen Nachrichtenteil immer mehr vergrößerte. Daher trat sein kultureller Teil und damit die gleichzeitig herausgebene allgemeine Zeitschrift immer mehr zurück. Die „Schlesischen Berichte von gelehrten Sachen" 1 5 4 ), die sich seit dem Ausscheiden Samuel Benjamin Kloses als R e d a k t o r 1 5 5 ) „Breslauische Nachrichten von Schriften und Schriftstellern" 1 5 8 ) nannten, waren zwar das Lieblingskind des Verlegers W i l h e l m Gottlieb K o r n gewesen, der viel Mühe i n ihren I n h a l t sich gab und z. B. darüber m i t Breitkopf eine umfangreiche Korrespondenz f ü h r t e 1 5 7 ) . Aber je mehr der politische Teil ausgebaut werden mußte, u m das Bedürfnis nach Nachrichten zu befriedigen, trat das Interesse des Verlegers zurück; 1784 nannte sie K o r n schlicht „Bücher-Nachrichten und Bemerkungen" 1 5 8 ). Die Zeit, i n der die Zeitschrift repräsentativ für das geistige Leben Schlesiens gewesen, war längst vorbei. I n die Bresche sprang K a r l K o n r a d Streit 1 5 9 ). I n Groß Glogau am 2. März 1751 geboren, hatte er i n Frankfurt an der Oder die Rechte studiert, wurde Hofmeister bei dem General Tauentzien und später Auditeur. Als Kammerreferendar hatte er manche Novellen geschrieben und sie i n der „Allgemeinen schlesischen Bibliothek" veröffentlicht, zum Ruhme Schlesiens ein Gelehrtenlexikon v e r f a ß t 1 6 0 ) , so manche Anläufe zu Zeitschriften genommen, aber stets nach kurzer Dauer wurde er von seinen Verlegern i m Stich gelassen. Jetzt versuchte er es auf eigene Kosten. Löwe war für ihn nur Kommissionsverleger. Streit hat sich seine Verlagsrechte immer vorbehalten und sie auf Johann Gustav Büsching vererbt. Der Kunst und dem Theater galt seine geheime Neigung. Er ist auch später Theaterdirektor geworden. Was er i n seinem 1786 gegründeten Blatt, den „Schlesischen Provinzial154) Kirchner 272. 155) Bis 1769, s. o. 156) Klawitter Nr. 22. Kirchner Nr. 271. 157) Jessen S. 111. 158) Kirchner Nr. 377. 159) Büsching: Streit. In: Schlesische Provinzialblätter. Bd. 8. 1826, S. 1. Oelsner. In: Rübezahl 1877. Grünhagen. In: Allgemeine deutsche Biographie. Bd. 36. 1892, S. 564 f. 1^0) s. Anmerkung 67.

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Die Anfänge des Zeitschriftenwesens

in Schlesien

b l ä t t e r n " 1 6 1 ) wollte, war das gesamte gelehrte, künstlerische und wirtschaftliche Leben Schlesiens i n einer Zeitschrift einzufangen. Er hat dies Ziel bei seinem außergewöhnlichen Organisationstalent, seinem unermüdlichen Fleiß und dem erstaunlichen Gefühl für Zeitströmungen i m vollen Umfang erreicht. Bis zu seinem 1826 erfolgten Tode hat er das Blatt geleitet und i h m eine Form gegeben, die auch unter seinen Nachfolgern standhielt. So wurde am Ende der Periode jener Traum so manchen Schlesiers v e r w i r k licht, ein angesehenes Blatt i n Schlesien zu schaffen. Das Ziel, das einst Johann Jakob K o r n vorgeschwebt hatte, Breslau möge es i m Zeitschriftenwesen den großen Buchhändlerstädten gleichtun und m i t Leipzig, Hamburg, Berlin i n einem A t e m genannt werden, war, da sich das Jahrhundert seinem Ende zuneigte, erreichte. I n Bandzahlen ausgedrückt, ergibt die Entwicklung des schlesischen Zeitschriftenwesens während der preußischen Herrschaft bis zum Ende des 18. Jahrhunderts folgendes B i l d : 1741—1750 1751—1760 1761—1770

32 57 57

1771—1780 1781—1790 1791—1800

95 98 144

181) Vorhanden in Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Landesbibliothek Coburg. Universitätsbibliothek Bremen (Mikrofilm). Vgl. die reichhaltige bei Klawitter Nr. 67 verzeichnete Literatur. Kirchner Nr. 1169.

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Ursula Schulz D I E SCHLESISCHEN L A N D R Ä T E U N T E R F R I E D R I C H D E M GROSSEN Eine Aufgabe, die nicht ohne Härten abgehen konnte, war es, aus dem rechtlich so zersplitterten Schlesien eine preußische Provinz zu formen und damit in das staatliche Gefüge Preußens einzugliedern. Bereits einen Tag nach der H u l d i g u n g eröffnete Friedrich einigen angesehenen Mitgliedern der Landstände, er sei gewillt, das Justiz- und Finanzwesen neu zu ordnen. Bei dem Finanzwesen könne er keine Schlesier anstellen, bevor nicht die, welche dabei zu dienen geneigt seien, i n den alten Ländern dazu geschickt gemacht worden seien. Dabei erfordere „es gleichfalls die Nothwendigkeit, daß in denen hiesigen Kreisen ordentliche Landräthe, wie solche in anderen Provinzen sind, gesetzet und bestellet werden müssen; daher Ihr . . . einen ordentlichen Plan davon machen und Mir demnächst solche Subjecte aus denen hiesigen adelichen Landeseingesessenen vorschlagen müsset, von deren Treue, Capacité und guten Begriffen man sich versprechen kann, daß . . . sie alsdann Meine Intention zu Meinem Dienst und Interessen erhalten und zum Besten des Landes und derer Unterthanen erreichen und ausführen werden" (Cabinets-Ordre / im folgenden zitiert CO / vom 11. Oktober 1741, Acta Bor. VI, 2). A m 25. November 1741 erhielten die Landesältesten den Bescheid, sie seien i n Gnaden entlassen, „welches ihnen um so weniger zuwider sein wird, weil der größte Theil bei theils schon hohen Alter und ohne eine ausgemachte Besoldung zu haben* (CO vom 25. November 1741, Acta Bor. VI, 2). Statt dessen wolle Friedrich königliche Landräte ernennen, um diese den Kreisen und deren Kassen vorzusetzen. E i n so großes Vertrauen hege er aber zu den niederschlesisdien Ständen, „daß kein anderer zum Land-Rath, als ein im Craysse selbst wohlangesehener Ritterbürtiger von Adel darzu genommen werden solle" (Stenzel, Script, rer. Siles. 5, 1851. 2. Dez.) I m „Landes-Diarium" v o m 2. Dezember wurden die Namen der 35 zu ernennenden Landräte angegeben, die m i t dem Notifikationspatent von Reinhardts und von Münchows v o m 22. Dezember bekanntgegeben wurden

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Die schlesischen Landräte unter Friedrich

dem Großen

(Korns Sammlung 1). N u r ein einziger, nämlich H e r r v. Zedlitz auf K a u f fung, lehnte aus Altersgründen ab. I n der Folgezeit erhielten die Mitstände das Recht, die Landräte vorzuschlagen, die dann v o m K ö n i g ihre Bestallung erhielten. Dieses Vorrecht wurde den Oberschlesiern und den Glatzern nicht zuteil; dem K ö n i g erschienen die oberschlesischen Vasallen noch zu unzuverlässig, zu wenig der neuen Herrschaft ergeben. D i e Auswahl t r a f der Provinzialminister von Münchow und machte dem K ö n i g seine Vorschläge in einem Immediatbericht v o m 24. Januar 1743 und führte dabei allerunterthänigst an, „ d a ß " er „die beiden allerzuverlässigsten und geschicksten (!), so nur aufzufinden gewesen, beim Leobschützer und Beuthenschen, als den beiden Grenzkreisern, angesetzet habe" (Glogau, 24. Jan. 1743. Acta Bor. VI, 2). D a m i t war eine Entwicklung eingeleitet worden, die sich v o l l bewährt hat, ja, die das Rückgrat der preußischen Verwaltung wurde. Denn die adligen Herren, durch Grundbesitz u n d Familientradition eng m i t der Provinz verknüpft, i n Niederschlesien dazu noch von den eigenen Mitständen präsentiert, ließen sich nicht einfach zu Befehlsempfängern ihres neuen königlichen H e r r n machen. Sie paßten die Fülle der von Potsdam aus ergehenden Verordnungen und der Anweisungen der Provinzialregierung klug den gegebenen örtlichen Verhältnissen an oder beachteten sie nicht weiter. Sie leisteten zum Teil sogar heftigen Widerstand gegen die Erlasse der Provinzialregierung. Das bekam schon der Provinzialminister von Münchow zu spüren; unter Schlabrendorff, dem „Bauerngeneral", verschärften sich die Gegensätze noch. Dessen P o l i t i k war fast ausschließlich auf die „Peuplierung" des Landes gerichtet; die Lasten der Kriege mußten i n erster Linie v o m Landadel getragen werden. Dagegen wandten sich vor allem die aus dem Landadel stammenden Landräte. Aber dieser Kleinkrieg verhinderte nicht, daß diese treu zum K ö n i g standen, auch wenn fremde Truppen i m Lande waren und mancherlei Repressalien gegen sie angewandt wurden. Unter Schlabrendorffs Nachfolger H o y m änderte sich das Bild. Dieser kluge Westfale verstand es ausgezeichnet, m i t den Landräten umzugehen und ihr Vertrauen zu gewinnen. Daher waren deren Berichte i h m gegenüber von besonderer Ausführlichkeit, und oft gelang es i n diesem Zusammenspiel, den sparsamen K ö n i g doch noch zu dieser oder jener Aufwendung zu gewinnen. Nicht jeder Erlaß, z. B. über den Anbau dieser oder jener Feldfrucht, ließ sich bei den unterschiedlichen Bodenverhältnissen durchführen. W o h l zürnte der König, wenn er aus den Statistiken ersah, daß seine Schlesier seine w o h l gemeinten Ratschläge nicht befolgt hatten; er schickte scharfe Mahnungen,

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Ursula Schulz aber oft blieb es dabei. N u r bei seinen Inspektionsreisen äußerte er bisweilen sein Mißfallen. Aber Inspektion hin, Inspektion her: oft war er dabei in Ferienstimmung, scherzte m i t seinen Landräten bei der Tafel, so oft er vorher bei den Manövern den poltrigen H e r r n gespielt hatte, behandelte sie wie seinesgleichen, notierte sich ihre Wünsche, Anregungen und Beschwerden, die er am Ende der Reise m i t dem Provinzialminister durchzusprechen pflegte. Die Landräte wußten den K ö n i g glänzend zu behandeln. Sie kannten seine Schwäche für Zahlen, für die Bevölkerungsstatistik. Es gab deren zwei: eine ad usum regis und eine für die Breslauer Behörden; wenn es gar nicht anders ging, tröstete der Landrat seinen König, die Bevölkerungszahl sei zwar gesunken, die Epidemie habe aber nur alte Leute und Mädchen erfaßt. D a der K ö n i g nicht so leicht alles glaubte, was i h m da gesagt wurde, erkundigte er sich bisweilen bei dem Vorgänger und war dann erstaunt, dieselben Zahlen zu hören. Die Verdienste der Landräte am Wiederaufbau des durch die Kriege zerstörten Landes sind nicht abzuschätzen. Jeder wetteiferte m i t dem anderen, suchte auf den verschiedensten Wegen finanzielle M i t t e l aus der Staatskasse für seinen Kreis freizumachen. I h r Hauptverdienst liegt jedoch i n der Tatsache, daß sie den Ausgleich zwischen preußischem Regiment und Schlesiertum fanden, daß sie fast alle in all den schwierigen Situationen der Kriege ihren Treueid dem Könige von Preußen hielten, ihren Kreis zur Treupflicht mahnten und dafür sorgten, daß sich die Provinz nicht wieder österreichischem Einfluß beugte. Es liegt daher nahe, einmal zu untersuchen, welche Geschlechter sich an diesem scheinbar so unscheinbarem Werke beteiligten, diese Provinz preußisch zu machen. Die Liste wurde aus den Instantien-Notizen (s. den Abschnitt: „ D i e Landkreise" weiter unten) zusammengestellt, überprüft durch Familien-, Kreis- und Ortsgeschichten; die Schlesischen Provinzialblätter (bis 1800) sowie die entsprechenden Aufsätze der Zeitschrift wurden benutzt. Dazu eine Reihe von anderen Arbeiten, so z. B. die Arbeiten von Grünhagen, Ziekursch und dessen Schüler O. Kutzner über Das Landratsamt in Schlesien 1740—1806 (Diss. Breslau 1911). Es sei hier nur vermerkt, daß die beiden letzteren i n ihrer Neigung, die Bestrebungen Schlabrendorffs zu überschätzen, allzusehr dessen zum Teil scharfe Bemerkungen über die Institution der Landräte überbewerten. Dagegen hat Grünhagen in seiner Geschichte Schlesiens i n seiner ruhigen A r t ein viel gerechteres U r t e i l gefällt. Was bisher fehlt, ist vor allem eine Liste der Namen, die Kutzner trotz seiner Ankündigung i m Inhaltsverzeichnis nicht gegeben hat. Sie allein zeigt

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Die schlesischen Landräte unter Friedrich

dem Großen

deutlich, daß an dem Werke des Ausgleichs zwischen Schlesien und Preußen der gesamte schlesische A d e l beteiligt war. Es wäre reizvoll zu untersuchen, für wie wichtig der A d e l selbst den Posten eines Landrates, besonders in den früheren Jahren, genommen hat: dazu aber sind die vorhandenen Familiengeschichten zu unvollständig, zu ungleichmäßig gearbeitet, u m zu erkennen, i n welcher Reihenfolge die Posten Offizier, Landrat, Beamter unter den Brüdern und Söhnen verteilt wurden. Bei der Aufstellung ergaben sich i n diesem oder jenem Fall Änderungen, Ergänzungen, Überschneidungen, Lücken, die m i t dem zur Verfügung stehenden Material sich nicht ausfüllen ließen. Mancher der Landräte ist später zu höheren Ehren aufgestiegen. Doch soll hier nicht davon die Rede sein, sondern die Namen derjenigen genannt werden, die um geringen Sold i n ihrer Arbeit ihre Pflicht taten, die, immer auf Ausgleich bestrebt, M i t t l e r wurden zwischen Schlesien und Preußen. Die Landräte Namen i n Klammern werden gelegentlich als Landrat genannt, ohne daß dies nachzuweisen wäre. A r n o l d , Carl Andreas. Landrat ( i m folgenden abgekürzt i n L R ) Groß Strehlitz 1765—(1770). Wohnt i n Gr. Strehlitz. A r n o l d , Friedrich Ernst Theodor Constantin Frh. v. L R Neiße 1768—1789. Erbherr auf Giesmannsdorf etc. W o h n t i m K g l . Landhause. Geb. Petersdorf, 11.10. 1740, f 9. 2. 1798. Großglogau. Vgl. Schlesische Provinzialblätter (im folgenden Schles. Provbll.) 1798 I, S. 197: f Den 9. Februar zu Gros Glogau, Hr. Ernst Friedrich Theod. Constantin Freyh. v. Arnold auf Weckritz, ehedem LR Neiß. Cr ( = Creyß) 57 J. 4 M. alt, am Nervenschlag. Schles. Provbll. 1798 I Anh. S. 73 f.: Das letzte Opfer treuer Freundschaft am Grabe des verewigten Landraths, Freyherrn von Arnold, von einem Ihm vorzüglich ergebenen Freunde; Anh. S. 75 ff.: Denkmal des im Monath Februar verewigten Landraths, Herrn Baron v. Arnold zu Glogau: „ . . . Nach vollendeten Universitätsjahren übernahm der Selige 1761 die ererbten väterlichen Güter Born und Grünthal. Hier erfuhr derselbe die ersten widrigen Sdiiksale seines Lebens, denn sowohl vorher, als er noch unter Vormundschaftlicher Verwaltung war, als auch, da er seine Güter selbst in Besitz genommen, trafen ihn alle Arten von Unfällen des damaligen verheerenden siebenjährigen Krieges, den diese Gegend besonders

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Ursula Schulz empfand, wo er denn sowohl dadurch als späterhin . . . durch mannigfaltige widrige Umstände und Unglücksfälle, den gänzlichen Verlust seines Vermögens erfahren mußte . . . 1766 wurde mein seliger Mann Creyßdeputirter im Bresl. Creyße und 1768 erhielt er den Landräthlichen Posten im Neißer Creyße, welchen er bis 1789 mit aller Treue bekleidete, . . . Nachdem er seine erbetene Dimission erhalten, ward er mit einer lebenslänglichen Königl Pension begnadiget . . . Meines Mannes Trieb zur Thätigkeit war die Ursache, daß er sich 1795 eine kleine Landwirthschaft nahe bey Glogau kaufte, und diese mit dem größten Eifer, selbst mit Aufopferung seiner sonst stets festen Gesundheit betrieb. Doch seine starke Natur würde auch hier noch gesieget haben, wenn nicht Gott, der unserm Leben ein Ziel gesetzt hat, daß wir nidit übergehen können, durch einen ihn betroffenen Nervenschlag den 22. Januar, der nach 18 Tagen wiederholt wurde, ihn den 9. Februar, bis zu jenem frohen Wiedersehn, von meiner Seite wegnahm. Ein trauriger Vorbote dieser letzten Krankheit war wohl schon die erstaunende Abnahme seines Gesichts, die seit einem halben Jahre täglich mehr überhand nahm, und ihn zu seiner Lieblingsbeschäftigung, des Lesens und Schreibens, beynahe völlig unfähig machte . . . " A r n o l d , Georg Benjamin Fr. v. L R Glatz seit O k t . 1777—März 1785. Geb. 1737 od. 1738, t ? A u f Meesendorf etc., Geh. Kriegs- und Domainen-, auch Land- und Justizrath und Judex delegatus perpetuus der souverainen Grafschaft Glatz, wohnt allda. Vgl. Schles. Provbll. 1785, I, S. 272: „ . . . hat die gesuchte Entlassung mit Pension erhalten" vgl. a. Ziekursch: Beiträge zur Charakteristik der preußischen Verwaltungsbeamten in Schlesien bis zum Untergange des friderizianisdien Staates. Breslau 1907 ( = Darstellungen und Quellen zur schles. Geschichte. Bd. 4). S. 45; 50: Der Land- und Justizrat von Glatz erhielt 300 rth. als LR, „wegen der mit der Glatzischen Landratsstelle verknüpften Besorgung in gedachter Grafschaft" (Acta Bor. VI, 2, S. 474/5), 500 rth. aus der Breslauer Oberamtssportelkasse, „für seine Verrichtungen, die ihm als Deputato Camerae obliegen", 200 rth. fixierte Diäten aus der Landrentei; zusammen 1000 rth M davon hatte er aber etwa 100 rth. für seinen Schreiber auszugeben. B a u m g a r t e n , Christoph G o t t h i l f v. L R Groß Strehlitz, 1780—1784; wegen Kränklichkeit entlassen. Wohnt zu Groß Strehlitz. Geb. Berlin 12. 1. 1741, f 1803. Vorher Stabskap. i m Tauentzien-Inf.-Reg. Gab heraus die Wochenschrift „Beobachtungen i n der moralischen und litterarischen Welt zur Aufnahme des guten Geschmacks und der guten Sitten i n Schlesien". Theil 1. 2. Breslau 1773. 1774.

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Die schlesischen Landräte unter Friedrich

dem Großen

B e r g e und Herrendorf, Ernst Friedrich v. L R O h l a u l 742—(1759). A u f Deutsch Breile. 12. Senioratsherr. Geb. 8. 8.1694, f 1762. B e r g e und Herrendorf, Siegmund Rudolph v. L R Glogau 1757—1763. 14. Senioratsherr von Oberherrendorf. Landesältester, kgl. pr. Kammerherr. Geb. Leschkowitz 17. 4. 1720, | Ober H e r r n d o r f 4. 2.1798. vgl. Schles. Provbll. 1798 I, S, 195 f.: „ . . . 1740 kam er in K. Pr. Kriegesdienste bey dem Infanteriereg. Schwerin. 1746 übernahm er nach gesuchtem und erhaltnem Abschied das väterliche Gut Nieder Herrndorf. Er war mehrere Jahre hindurch Creyßdeputirter, und von 1757 bis 63 LR des Glogauischen Creyßes. 1769 ward er von Friedrich II. zum Kgl. Preuß. Cammerherrn ernannt, und in Potsdam beym damaligen Kronprinzen angestellt. 1775 kehrte er wieder auf sein väterliches Guth zurück, ward zum Landschaftsältesten und 1776 zum Landschaftsdirektor erwählt, welch ?s Amt er 6 Jahre hindurch verwaltete. . . . Wirklicher Besitzer das Bergischen Fidei commis wurde er 1789, nachdem er es schon seit 1776, theils in P nach einer zehnwöchentlichen gichtischen Krankheit, in einem Alter von 61 J. 11 M., weniger 10 Tagen. Er wird allgemein bedauert". U n r u h , Hanns Heinrich v. L R Wohlau (1779—1780). A u f Piskorsine, Norigave und Georgendorf, wohnt in P. Vorher Kreisdeputierter. W a g n e r und Wagenhoff, Siegfried Rudolph v. L R Glogau 1772—Mai 1798. A u f Tschirnitz. Vorjier Kreisdeputierter. Geb. ca. 1730, f Glogau 1. 6.1798. Schles. Provbll. 1798 I, S. 592: 4 Den 1. Junius 1798 zu Glogau, Hr. Siegfried Rudolph v. Wagner und Wangenhof (!), LR Glogauisdien Cr., an der Abzehrung, alt 68 J." Blaschke, a.a.O., S. 383. W a 1 (1) s p e c k , Erdmann Gustav Richter v. L R Oppeln 1743—1748. A u f Slawitz, w o h n t auf seinem Gute. | 2 6 . 3.1749. Vgl. Hans Graf Praschma: Geschichte der Herrschaft Falkenberg in OS. Falkenberg 1929, S. 72: „Zum Ausbruch des zweiten schlesisdien Krieges LR von Oppeln von Walspeck, ein angesessener Edelmann". Aug. Weitzel: Geschichte des Geschlechts der Saurma und Sauerman. Ratibor 1869, S. 126. Waltmann, Frh. v. Grunfeld und Guttenstedten s. Grunfeld. W e h n e r , K a r l Andreas v. L R Groß Strehlitz ?—1766. Geb. 11. 7. 1738, f Blottnitz 31. 8.1766. Vgl. a. Arthur Adolf Graf Posadowsky-Wehner: Gesdiichte des schlesischen uradligen Geschlechtes der Grafen Posadowsky-Wehner, Freiherrn von Postelwitz nebst e. Anh. enth. Nachrichten über das Breslauer Patrizier-Geschlecht von Wehner. Breslau 1891, S. 121/122: „ . . . derselbe studirte in Frankfurt a/O. und besuchte die Höfe in Braunschweig und Berlin; 1760 arbeitete er bei der Oberamtsregierung in Groß-Glogau; er starb unvermählt am 31. August 1766 zu Blottnitz als Königlicher LR des Kreises Groß-Strehlitz im Alter von 28 Jahren 7 Wochen 2 Tagen und wurde in der Familiengruft der katholischen

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Die sclesischen Landräte unter Friedrich

dem Großen

Kirche zu Centawa beigesetzt; daselbst befindet sich auch . . . eine Fahne angebracht, welche auf der einen Seite die Inschrift enthält: ,Carl Andreas von Wehner, Königlich preußischer Landrath des GroßStrehlitzer Kreises, Mitglied der teutschen Gesellschaft in Frankfurt a./O. gestorben in Blottnitz den 31. Juli 1760' (soll heißen 31. August 1766)... Als Ursache seines Todes wird im Kirchenbuche der weiße Friesel angeführt, eine ansteckende Krankheit, an welcher zwei Tage vorher seine Schwester Theresia Charlotte gestorben war . . . Ein Bildniß des Carl Andreas von Wehner befindet sich im Blottnitzer Majoratsschloß; ebenso wird dort ein von ihm hinterlassenes Tagebuch aufbewahrt; die darin enthaltenen Gedichte und prosaischen Aufsätze liefern den Beweis von der umfassenden feinen Bildung, dem scharfen Verstände und den edlen Sinn des Verstorbenen . . V g l . a. Journal von und für Deutschland. 1785, I, S. 465. Dort Nekrolog seines Vaters. Todestag dort angegeben: 30. 8.1768. Wentzky

und Petershey de, Georg Friedrich 4. v. Evgl.

L R Münsterberg 1767—1779; L R Strehlen 22. 9.1779—1790. Erbherr auf Glombach etc. Sohn von Hans Ernst, Bruder von Hans Friedrich. Geb. Plohe 1.(21.?) 9.1730, f 6. 8.1790. Schles. Provbll. 1790 I I , S. 174 ff.: „ . . . Durch geschickte Hauslehrer bildete er sich in der Eltern Hause, bis er im J. 1748 auf das Seminarium nach Oels kam, welche Schule damals unter dem Rector Weidner blühte. I. J. 1751 ging er auf die Universität nach Halle, woselbst er besonders den Umgang der Profeßoren Meier u. Pauli genoß. Nach seiner 1754 erfolgten Zurückkunft ins Vaterland, blieb er bis zu Ende des 7jährigen Krieges zu Plohe u. half seinem Vater die Amts- u. Wirthschaftslasten tragen. . . . Im J. 1767 wurde er von den Ständen Münsterbergl. Creyses zu ihrem LR gewählt und von S. Kgl. Maj. bestätiget. . . . Nach dem erfolgten Ableben seines Vaters ward er unt. 22. Sept. 1779 durch die einstimmige Wahl der Strehlenschen Stände an die Stelle seines Vaters LR dieses Cr., er verlegte daher seinen Wohnsitz am 26. April 1780 von Beerwaldau nach Glambach. Beyde Aemter verwaltete er mit Rechtschaffenheit und Treue. . . . Seit einigen Monaten litt der Verstorbene an Schmerzen im Unterleibe, die immer heftiger wurden, und ihm Schlaf und Ruhe raubten. Er starb den 6. Aug. an Verhärtung u. Verstopfung der Leber. . . . Viele, besonders aber seine Kinder, weinen um ihn!" Vgl. a. Zimmermann: Gesammelte Nachrichten von der adlichen Familie v. Wentzky. Breslau 1803, S. 39 ff.: „ . . . Er war Kreisdeputirter, wie auch bei der Errichtung des schlesischen Creditwesens, als Landesältester angestellt, so er aber nach einigen Jahren resignirte, indem er seit dem Jahre 1767 von den Ständen des Münsterbergschen Kreises zum LR erwählt worden war, . . . Die Stände des Strehlischen Kreises erwählten ihn zu ihrem LR an seines im September 1779 verstorbenen Vaters Stelle, welchen Ruf er annahm und deßhalb diesen nämlichen Posten im Münsterbergschen aufgab. . . . Im Jahr 1786 war er mit einer der Deputirten, der dem König Friedrich Wilhelm den 2ten von Preußen huldigte; seine 4 ältesten Söhne that er nach und nach aus dem Hause, und hoffte sie ver-

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Ursula Schulz sorgt zu sehen, allein diese Wünsche erlebte er nicht, indem er nur zu früh für seine noch lebenden Kinder den 6ten August 1790 an Verhärtung der Leber und des Unterleibes in Glambach verschied, und den 8ten August nach Ruppersdorf in dasige Lehngruft . . . beerdigt ward. Ueber der Gruft sind beiden Ehren-Gedächtnisse von Prieborner blauem Marmor errichtet worden". W e n t z k y u n d Petersheyde, Hans Ernst v. Evgl. L R Strehlen 1761—1779. A u f Plohe, M a ß w i t z etc. Landesältester. Vater des Vorigen. Vorher Kreisdeputierter. Geb. Wammen 6. 9. 1700, f Plohe 22. 9.1779. Vgl. a. Zimmermann, a.a.O., S. 28 ff.: „kam 1711 auf die Schule nach Strehlen; 1716 auf das Gymnasium nach Brieg, ging 1721 auf die Universität nach Leipzig. 1724 bereisete er die sächsischen Höfe, und gieng dann nach Hause. . . . 1739 ward er von den Ständen des Strehlischen Kreises zum Deputirten erwählt, 1740 trug ihm die kaiserliche Briegsche Regierung die Vices des damals abwesenden Landesältesten auf. 1741 wählten ihn diese Stände als Deputirten den Eid dem König Friedrich den 2ten von Preußen zu Breslau bei der Huldigung abzulegen, bei welcher Gelegenheit er vom Könige eine goldene und silberne Medaille erhielt . . . Der König bestätigte ihn als Strehlischen Landesältesten. . . . 1761 ward er LR Strehlischen Kreises. König Friedrich der 2te kannte ihn gut, als im Jahre 1761 der König bei Strehlen stand, erinnerte derselbe ihn an das Lager vom Jahr 1741, und frug nach einem von seinen Generalen, . . . Den 14ten Novbr. 1775 feierten seine Kinder und Enkelkinder sein Jubiläum, daß er 50 Jahr Herr am Ploh war, übergaben ihm verschiedene Gedichte, und die 3 Söhne hatten ihm einen großen silbernen Pocal mit vielen Inschriften verfertigen lassen, worauf die Namen seiner sämmtlichen Familie gestochen sind; die oben erwähnte Huldigungs-Medaille, ward auf dem Deckel angebracht, und der Pocal bestimmt, zum ewigen Andenken in der Familie nach dem Recht der Erstgeburth fortgeerbt zu werden. Er starb den 22ten Septbr. 1779 in Ploh, und ward den 26ten Septbr. solenne in Grosburg begraben. . . . Er war ein Mann von vielem Fleiß und gutem edlem Charakter, hatte viel Witz und muntre Laune". W e n t z k y und Petersheyde, Hans Friedrich 4. v. L R Ohlau 1781—(noch 1795). A u f Chursangwitz, w o h n t auf seinem Gute. Vorher Marschkommissar. Sohn des Vorigen, Bruder von Georg Friedrich 4. Geb. Plohe 24. 8. 1726, f (nach 1803). Vgl. a. Zimmermann, a.a.O., S. 31 f.: «... widmete sich den Wissenschaften, und lag denenselben in Halle sehr fleißig ob. Er hatte mit seinen Geschwistern von Jugend an Hauslehrer, ging 1744 auf die Schule nach Oels, 1746 auf die Universität Halle über, 1749 über Berlin nach Hause, übernahm 1753 an Johannis, das von seinem Vater ihm übergebene Guth Chursangwitz, ward im Ohlauschen Kreise 1755 zum Kreis-Deputirten und nachmals March-Commissario, wie auch 1771 zum Landesältestem, und 1781 zum LR erwählt; als sol-

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Die sclesischen Landräte unter Friedrich

dem Großen

eher huldigte er König Friedrich Willhelm den 2ten von Preußen 1786 in Breslau, . . . Im Jahre 1803 feierten die Kinder seiner beiden vor ihm verstorbenen Brüder, sein 50jähriges Jubiläum, als Besitzer des Guthes Chursangwitz; sie ließen eine Medaille mit seinem Brustbild prägen, und bewiesen noch durch andere Feierlichkeiten ihm ihre Achtung und Liebe. Diese Münze zeigt auf der Avers das Brustbild mit der Umschrifft: Hanns Friedrich v. Wentzky, K. LR Ohlauschen Kreises. R. ein Eichenkranz, mit der Umschrift: Besitzer der Chursangwitz seit 1753—1803." W r o c h e m und Reptau, Johann Heinrich v. Evgl. L R Ratibor 1763—1798. Erbherr auf Dolendzin. Vorher Kreisdeputierter. Geb. Czerwentzütz 12. 6.1735, f Dollendzin 2.12.1807. Vgl. Victor v. Wrochem: Geschichte des Geschlechtes von Wrochem. T. 1, Ratibor 1908. S. 44; 64 ff.: „ . . . besuchte das Gymnasium zu Oels und bezog 1753 . . . die Universität Halle. Auf der Universität muß Johann Heinrich sich allgemeine Liebe und Achtung erworben haben, wenigstens deuten dies seine Freunde und Kommilitonen in einem außerordentlich überschwänglich dem damaligen Zeitgeschmacke angepaßten Gedichte aus dem Jahr 1755 an, . . . Schon sehr früh und jung an Jahren hat sidi Johann Heinrich den öffentlichen Angelegenheiten gewidmet. Im Jahre 1758 wurde er — 23 Jahre alt — von Friedrich dem Großen in Ansehung Eurer Uns gerühmten guten Eigenschaften und Fähigkeit . . . zum Deputirten des Coseler Kreises ernannt. Im Jahre 1759 wurde er zum Marschkommissar des Ratiborer Kreises . . . ernannt. Es heißt in der Bestallungsurkunde: Allerhöchst Sr. Königliche Majestät haben zu ihm das allergnädigste Vertrauen, daß er durch Treue und Aufmerksamkeit dem ihm anvertrauten Amte Ehre machen und in Befolgung der ihm zukommenden Ordres allen Eifer und Acuratesse beweisen werde. Im Jahre 1763 endlich wurde er an Stelle eines Herrn von Lichnowsky zum LR des Kreises Ratibor ernannt und hat dieses Amt bis 16. Mai 1798, 36 Jahre treu und gewissenhaft verwaltet. . . . Das Anstellungspatent . . . lautet: Von Gottes Gnaden Friedrich König in Preußen Markgraf zu Brandenburg des heiligen Römischen Reiches Ertz-Cämmerer und Churfürst, Souverainer und Obrister Herzog von Schlesien: Unsern gnädigen Gruß zuvor, Vester lieber Getreuer! Nachdem wir auf die Uns von Eurer Treue und Capacite gegebenen Versicherung allergnädigst resölviret haben, Euch zum Landrath des Ratibor'schen Kreises . . . zu ernennen; so machen wir Euch solches in Gnaden bekannt; Und wie wir das allergnädigste Vertrauen in Euch setzen, daß Ihr Eurem Amte mit der erforderlichen Dexteriti und Eifer jederzeit vorstehen werdet; So habt Ihr Euch nach Vorschrift Unsrer emanirten und noch zu emanirenden Reglements und Cammer-Verordnungen in allen Stücken ponctuellement zu richten und solche aufs prompteste zu befolgen. Bei Antretung Eures Amtes habt Ihr dahin zu sehn, daß der von Lichnowski nach der ihm dato zugekommenen Ordre Euch alles in specie die Registratur in der gehörigen Ordnung und Richtigkeit übergebe, auch die Contributions und Saltz-Reste unverzüglich herbeischaffe, bis dahin derselbe der bisherigen Verbindlichkeit nicht entlassen werden kann. Und da Ihr angesucht, Euch von der Reise anhero zu Ablegung des Eydes zu dispen-

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Ursula Schu siren und dem CosePsdien Landrath die Abnehmung desselben zu commitiren. Als wird diesem Gesuche deferiret und habt Ihr gleich nach praestirtem Eyde den Euch obliegenden Kreiß: Verrichtungen zu unterziehn wofür Ihr vom Martii c an das ausgestzte Gehalt aus der Kreiß-Kasse welche dato deshalb instruiret ist zu genießen haben werdet, wogegen Ihr an Chargen Juribus 75 rth in Friedrichs d'or zur Ober Steuer Caße und 4 rth Stempelgebühren zur Stempel-Cammer sofort entrichten müßet. Uebrigens enthaltet Ihr beykommendes Notificatorium an die Kreiß-Stände und habt Ihr solches gehörig zu circuliren zu laßen. Sind Euch übrigens mit Gnaden gewogen. Gegeben Breslau 28. Februar 1763. Kgl. Preußische Breslau'sche Kriegs- und Domänen-Cammer . . . Seine Ernennung . . . teilte Johann Heinrich den Ständen mit folgendem Schreiben mit: Da Ihre Majestät unser allergnädigster König mich zum Landrath des Rattiborschen Kreißes allergnädigst angesetzet haben . . . , so mache solches hiermit vorschriftsmäßig denen Sämmtlichen Herrn Ständen bekannt, daß wenn Jemand bei dem Landräthl. Amte ein Anliegen hat, sich künftig hin bei mir zu melden haben wird. Und da ich übrigens denen löbl. Herrn Ständen und sämmtlichen Einsassen meines unterhabenden Kreißes die Versicherung thue niemanden ohne die dringendste Noth zur Last zu fallen und mein einziges Augenmerk sein soll, mich vor das Wohl des Kreyßes zu sacrificiren und allemal das Beste desselben zubeobachten, so mache mir auch hinwiederum die Hoffnung, daß ein Jeder dahin bedacht sein wird, die Pflichten, die wir alle unserm Monarchen schuldig sind, nebst der promtesten Erfüllung aller Verordnungen auf das genaueste zu beobachten. Dieses Circular ist nach dem gewöhnlichen Cours von Orth zu Orth zu befördern zu präsentiren und von dem letzten wieder an mich zu remittiren. Dolenzin, den 7. August 1763. J. H. von Wrochem . . . (folgen die zu dieser Zeit bis 1817 zugehörigen Dominien) anschließend: Landrätliche Tätigkeit: . . . Gleich zu Beginn seiner Amtsführung . . . fiel die Reise einer türkischen Gesandtschaft an den Hof Friedrichs des Großen. Der Landrat des Kreises Ratibor wohl auch in seiner Eigenschaft als Marschkommissar, mußte die türkischen Gesandten an der preußisch-schlesischen Grenze empfangen . . . In der damaligen Zeit, wo die Beziehungen zwischen Oesterreich—Schlesien und Preußisch—Schlesien durch den Besitz, den einzelne Familien in beiden Reidien besaßen, noch vielfach ineinander gelaufen sein mögen, mußte sich der LR auch in gewisser Weise mit politisch-polizeilichen Maßregeln befassen . . . Es geht (daraus) . . . hervor, daß in der damaligen Zeit (1784) besonders hier an der Grenze noch immer eine gewisse Auflehnung gegen die Preußische Herrschaft bestanden haben muß, besonders bei denjenigen Besitzern, die gleichzeitig in Preußen und in Oesterreich begütert waren . . . In seiner Eigenschaft als LR . . . kam Johann Heinrich auch in persönliche Berührung mit Friedrich dem Großen. Letzterer besuchte Anfang der 80er Jahre aus Anlaß der in Schlesien stattfindenden Revuen auch die Kreise Ratibor und Cosel. Unser Ahnherr empfing als LR den König an der Grenze des Kreises Ratibor . . . nachdem Johann Heinrich sein Abschiedsgesuch eingereicht hatte, wurde er von der Breslauer Kriegs- und Domänen-Kammer aufgefordert, die Wahl seines Nachfolgers in die Wege zu leiten . . V g l . August Weitzel: Geschichte der Stadt und Herrschaft Ratibor. 1881, S. 497.

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Die sclesischen Landräte unter Friedrich

dem Großen

(Zedlitz, v. A u f Kauffung. Vorgeschlagen als L R Hirschberg 1742. Lehnte aus Altersgründen ab.) Z e d l i t z und der Leipe, Heinrich W i l h e l m v. L R Schweidnitz 1756—1789. Vorher 2. Kreis-Deputierter. Sohn von K a r l Sigismund. Geb. Kreisau 24. 8 . 1 7 1 1 , 1 19. 4.1789. Schles. Provbll. 1789 I, S. 473: „Der LR des Schweidnitzischen Creises, Hr. Heinrich Wilhelm v. Zedlitz und der Leipe war den 24. Aug. 1711 zu Creisau gebohren. . . . Seine Vorkenntniße sammelte er auf den Schulen der Städte Schweidnitz, Strehlen und Breslau, besuchte dann die Universität Frankfurt, und durchreiste hierauf einen Theil von Deutschland, Holland und Frankreich. . . . Im J. 1756 bestätigte ihn der unvergeßliche Friedrich an der Stelle seines mit Tode abgegangnen Bruders, Freiherrn v. Zedlitz auf Kaentchen u. Kapsdorf, deßen Andenken Schlesien noch lange segnen wird, als LR des Schweidnitzschen Creises, u. schenkte ihm sein ganzes Vertrauen. Sein Erbgut WüsteWaltersdorf verbeßerte er durch eine kluge Bewirtschaftung um ein großes, u. ward vielen seiner Mitstände ein Muster in der Oeconomie der Gebirgsgegend. In der Folge vermehrte er es durch das angenehme Gut Reichenau nahe bey Schweidnitz, welches er auch von dem sächsischen Lehns-Nexu befreite. Nach einer 9 Wochenlangen Krankheit starb er den 19. April 1789 in einem Alter von 77 J. 8 M. u. 15 Tagen". Z e d l i t z , K a r l Sigismund L R Schweidnitz 1742—1756. A u f Kaentchen und Kapsdorf. 1 1756. Schles. Provbll. 1791 I, S. 194: „der noch immer so allgemein verehrte . . . " Z e d l i t z und Neukirch, K o n r a d Gottlieb (seit 1741) Frh. v. Evgl. L R Hirschberg 1742—1769. H e r r auf Neukirch und Tiefhartmannsdorf. t 8. 3. 1769. Schles. Provbll. 1793 II. S. 139 ff. (S. 141): „Kirchen-Jubiläum" (Tiefhartmannsdorf): „ . . . der den ersten Gottesdienst (vor 50 Jahren) 1743 den 6. Octbr. wieder auf diesem Platz eröfnen ließ . . . " Z e d l i t z , O t t o Friedrich Conrad Frh. v. L R Hirschberg 1770—(noch 1793). H e r r auf Neukirch und Tiefhartmannsdorf. Sohn von K o n r a d Gottlieb.

1 1820. Schles. Provbll. 1793 I I , S. 137 ff.: Kirchen-Jubiläum in Tiefhartmannsdorf.

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Ursula Schulz Z e s c h , Joachim Ernst v. L R Sagan 1745 (2.)—(1759). A u f Gr.- und Wüsten-Dobritsch, wohnt i n Gr. Dobritsch. Z i m i e t z k y (Ziemieck, Ziemiecin), v. 1784 adjung. L R Tost. Kutzner, a.a.O., S. 33, Anm. 1: „diese Adjunktion wurde 1787 nicht anerkannt, stattdessen v. Sacks Sohn ernannt". Z i m m e r m a n n , K a r l Siegmund v. L R Bunzlau-Löwenberg (1759). A u f Nieder M i t t l a u . Die Landkreise A u f Grund dieser alphabetischen Liste ergibt sich für die Kreise nachfolgende chronologische Ordnung der Landräte. Dafür standen 2ur Verfügung: Schlesische Instantien-Noti2 Oder das jet2t lebende Schlesien d e s . . . Jahres. Z u m Gebrauch der Hohen und Niederen. I n 2wey Theilen abgetheilet . . . I n dem ersten Theile die hohen und niederen Collegia, Instantien und Aemter i n Nieder- und Oberschlesien. I n dem zweyten Theile die regierenden Fürsten, hohe und niedere Geistlichkeit, Magisträte, Accise- und Z o l l bedienten etc. Breßlau bey Christian Brachvogels seel. Sohn und Erben / sp./ bey W i l h e l m Gottlieb K o r n . Folgende Jahrgänge sind nadmiweisen: 1745: Wolfenbüttel 1747: Wolfenbüttel und Dresden 1748: Dresden 1752: Dresden 1759: Dresden und Leipzig 1765: Dresden 1770: Dresden 1779: Dresden 1780: Wolfenbüttel 1783: Dresden 1746 ist nicht erschienen; 1765 ohne Namensregister. Eingeklammerte Jahres2ahlen geben das erste b2w. Iet2te bekannte Amtsjahr an. Niederschlesien Fürstentum Breslau 1. Breslau 1742 — 1744 1745

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Johann Wenzel v. Trach Sylvius Ferdinand v. Siegroth

Die sclesischen Landräte unter Friedrich 1747 1748 —(1752) (1759) 1765 — 1782 1783 — 1790

dem Großen

vacat Georg Siegesmund v. Canitz Johann Friedrich v. Burgsdorff Gustav Adolf v. Helmrich Friedrich August v. Riedel u. Löwenstern

2. Neumarkt-Canth 1742 — 1759 1759 — 1780 1783 — 1796

Karl Friedrich v. Poser u. Gr. Naedlitz Johann Rudolph v. Seydlitz u. d. Kuhna Friedrich Wilhelm v. Seydlitz

3. Namslau 1742 —(1759) 1764 — 1790

Christian Sylvius v. Monsterberg George Ernst v. Czettritz

Fürstentum Oels 1. Oels-Bernstadt 1742 — 1759 Konrad Adolph v. Dyhrn u. Schönau 1760 — 1764 Balthasar Moritz v. Prittwitz-Gaffron 1765 vacat (1770)— 1771 Ludwig Ernst v. Randow (1779)— 1783 Christian Gustav v. Kessel 1783 — 1796 Karl Sylvius v. Naefe genannt wird außerdem Rud. v. Köckritz (1759) 2. Oels-Trebnitz 1742 — 1744 1744 —(1759) 1764 — 1793 Fürstentum

Karl Christoph v. Lemberg Hans Rudolph v. Salisch Christian Adolph v. Seydlitz Brieg

1. Brieg 1742 — 1752 1753 — 1765 1766 — 1801

Caspar Ernst v. Franckenberg Friedrich Gotthard v. Tschirschky Karl Friedrich Wilhelm v. Korckwitz

2. Ohlau 1742 —(1759) (1765)— 1780 1781 —(noch 1795)

Ernst Friedrich v. Berge Johann George v. Kottulinsky Hans Friedrich v. Wentzky

3. Kreutzburg-Pitschen 1742— 1771 (1779)— 1800

Sylvius Adolph v. Kittlitz-Ottendorf Adolph Sylvius v. Ohl-Adlerscron

4. Strehlen 1742 —(1759) 1761 — 1779 1779 — 1790

George Friedrich v. Kittlitz-Ottendorf Hans Ernst v. Wentzky-Petersheyde Georg Friedrich v. Wentzky-Petersheyde

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Ursula Schulz 5. Nimptsch 1742 —(1752) (1759)— 1760 1758 — 1807

Hans Melchior v. Senitz-Rudelsdorff Konrad Adam v. Schickfuß Karl Friedrich Graf Pfeil

Fürstentum Schweidnitz 1. Schweidnitz 1742 — 1756 Karl Sigismund v. Zedlitz 1756 — 1789 Heinrich Wilhelm v. Zedlitz 2. Striegau 1742 — 1759 1760 — 1762 1765 (1770)— 1775 (1779)—(noch 1796)

Hanns Friedrich v. Seydlitz Karl Sigismund v. Seydlitz u. Ludwigsdorf vacat Hans Wolff v. Falckenhayn Ferdinand v. Richthoffen

3. Bolkenhain-Landeshut 1742 — 1755 (1759)— 1797

Hanns Siegmund v. Schweinitz Hanns Christoph v. Schweinitz genannt wird 1750, 1751, 1756: v. Kluge

4. Reichenbach 1742 Konrad v. d. Heyde (1747)—(1759) George Friedrich v. Gellhorn (1765) George Rudolph v. Schindel (1769)—(1785) Hans George v. Dresky genannt wird außerdem Moritz Sylvius v. Gellhorn, f 1785 Fürstentum

Glogau

1. Glogau 1742 — 1757 1757 — 1763 1765 — 1772 — 2. Guhrau 1742 1745 1747 1748 — 1750 — 1753

1771 1798

1751 1753 adjung. LR

1753 adjung. LR 1753 —(1770) (1777)—(1782) (1790 noch?) 1783 —(1785)

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Wenzel Friedrich v. Stosch Siegmund Rudolph vom Berge-Herrendorf George Oswalt v. Czettritz-Neuhaus Siegfried Rudolph v. Wagner-Wagenhoff v. Stosch auf Zapplau vacat George Abraham v. Lestwitz August Konstantin v. Schlichting Friedrich Rudolf v. Tschammer Friedrich Rudolf v. Tschammer George Ludwig v. Haugwitz George Ludwig v. Haugwitz Friedrich Leopold Hans Ernst Graf Dyherrn Karl Ludwig Ewald v. Massow

Die schlesischen Landräte unter Friedrich

dem Großen

Grünberg 1742 — 1752 Christian Erdmann v. Nassau 1752 —(1755?) Gustav Christian v. Prittwitz-Gaffron (1757)— 1783 Maximilian Adolph v. Stentsch 1783 — 1790 Friedrich Gottlob v. Kottwitz genannt wird außerdem: Hans Ernst v. Schweinidien, adjung. LR 1773 4. Sdiwiebus 1742 —(1748) (1752)— 1762 (1765)— 1784 1784 — 1796 5. Sprottau 1742 —(1752)

Friedrich Christian v. Hohendorff George Gottlob v. Knobeisdorff Maximilian Gottlob v. Troschke Friedrich Wilhelm v. Sommerfeld Heinrich Friedrich Graf v. Logau-Altendorff Karl Heinrich Graf v. Logau-Altendorff Ernst Ludwig Heinrich v. Eckartsberg

(1759)—(1770) (1779)—(noch 1799) genannt wird außerdem: Johann Ernst v. Kittlitz und Ottendorf ( | 1787) 6. Freystadt 1742 — 1764 (1765)— 1793 Fürstentum

Hans Friedrich v. Haugwitz Melchior Abraham v. Dyherrn Sagan

1742 1745 —(1759) (1745 2. LR) (1765) (1770)— 1783 1783 — 1791

Johann Albrecht v. Seelstrang Joachim Ernst v. Zesch Hans Friedrich v. Haugwitz Maximilian Wilhelm v. Seidl Karl Heinrich v. Rabenau

Fürstentum Jauer 1. Jauer 1742 — 1765 1766 — 1783? 1783?— 1791

George Wilhelm v. Reibnitz Wilhelm Diprand v. Richthoffen Karl Friedrich v. Reibnitz

2. Bunzlau-Löwenberg 1742 —(1752) (1759) (1765)— 1780 1780 — 1790

Balthasar Abraham v. Glaubitz Karl Siegmund v. Zimmermann Wilhelm Friedrich Heimeran v. Grunfeld Karl Wilhelm Erdmann Graf v. Roeder

3. Hirschberg 1742 1742 — 1769 1770 —(nodi 1793) 8 Breslau

ernannt: v. Zedlitz auf Kauffung. Lehnte ab. Konrad Gottlieb v. Zedlitz Otto Friedrich Conrad v. Zedlitz 113

Ursula Schu Fürstentum Liegnitz 1. Liegnitz 1742 1745 — 1756 1756 —(1757?) 1758 — 1780 (1783)— 1794 2. Goldberg-Haynau 1742 — 1751 1752 — 1761

v. Hock-Reichen Hans Wenzel v. Trach Sylvius Rudolph v. Helmrich Hans Sigismund v. Rothkirch Maximilian Friedrich v. Gaffron Heinrich Sigismund v. Festenberg-Packisch Georg Heinrich Sigismund v. Festenberg-Packisch Wilhelm v. Richthoffen Friedrich Reinhard v. Redern Valentin Sigismund v. Redern

(1765) (1770)— 1783 1783 — 1790 genannt wird außerdem: Christoph Heinrich von Festenberg-Packisch (f 1772) 3. Lüben 1742 —(1752) Christoph Heinrich Ludwig v. Schweinitz Hans Friedrich Gottlob v. Kreckwitz (1759) Karl Christoph Gottlob v. Schweinidien (1763) Heinrich Ferdinand Wilhelm 1764 — 1795 v. Nickisch-Rosenegk genannt wird außerdem noch: Ludwig Konrad v. Schweinitz (f 1772) Fürstentum Wohlau 1. Wohlau 1742 — 1762 (1765) (1770) (1779)—(1780) 1783 — 1806 2. Steinau-Raudten 1742 —(1748) (1752)—(1759) (1765)— 1794

George Ernst v. Tschammer Friedrich Heinrich v. Bibran Ernst Sigismund v. Uechtritz Hanns Heinrich v. Unruh Johann George Friedrich v. Scheliha Christoph Gotthard v. Kreckwitz Hanns Caspar v. Stosch George Siegmund v. Unruh

Freie S t a n d e s h er r s c h af t e n M i 1 i t s c h - T r ach e nbe r g 1742 — 1748 Christoph Siegmund v. Lüttwitz Ernst Wilhelm v. Kessel 1748 — 1787 Freie S t an d e s h er r s c h a f W t artenberg 1742 Leonhard Moritz v. Prittwitz-Gaffron 1742 — 1761 Justus Sigismund v. Dyhrn 1762 — 1784 Gottlob Heinrich v. Poser 1785 —(noch 1795) Christian Wilhelm v. Teichmann genannt wird außerdem: Hans Moritz v. Schimonsky 1769

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Die schlesischen Landräte unter Friedrich

dem Großen

Oberschlesien Fürstentum Oppeln 1. Oppeln 1743 — 1749 (1752)— 1765 1765 1765 — 1797

Erdmann Gustav v. Walspeck George Heinrich v. Tschirschky Karl Ludwig v. Siegroth Johann Ludwig Ernst v. Lyncker

(2) Falkenberg (1742—1770 zu Neiße, s. d.) — 1770 Adam Friedrich v. Eicke (1780)— 1785 George Heinrich v. Tschirschky 2. Lublinitz 1743 1743 — 1760

v. Rousitz Johann Ludwig v. Goczalkowsky

(1763)— 1768

Christian Heinrich v. (Dziembowski)-Pomian (1770)— 1790 Johann Christoph Alexander v. Stosdi Augustin Weitzel: Geschichte der Stadt und Herrschaft Guttentag. Ratibor 1882, gibt auf S. 103 folgende Reihenfolge: 1742!— 1760 Johann Ludwig Frh. v. Goczalkowski 1763 — 1768 Christof Heinrich v. Pomian 1769 — 1783 Johann Christof Alexander v. Stosdi 1783 — 1800 Leopold v. Blacha Stosdi legte aber erst Februar 1790 sein Amt nieder; ihm folgte dann Blacha. erwähnt wird bei Kneschke 1760 G. v. Goczalkowsky

8*

3. Rosenberg 1743 —(1765) (1770)—(noch 1799)

Carl Friedrich v. Blacha u. Lupp Caspar Joachim v. Pritzelwitz-Machnitz

4. Großstrehlitz 1743 — 1748 1747 — 1748 subst. LR (1752)— 1758 1759 — 1763 — 1766 1763 — 1765 1765 —(1770) (1779)— 1780 1780 — 1784 — 1785 1786 —(noch 1800)

Franz Joseph Anton v. Larisdi George v. Schmieskai Johann Wenzel v. Schneckenhaus Karl August v. Raczek Karl Andreas v. Wehner Gottfried Diprand Wilhelm v. Reibnitz Carl Andreas v. Arnold Ernst Wilhelm Benjamin v. Korckwitz Christoph Gotthilf v. Baumgarten Gustav v. Larisch Franz Leopold v. Larisch

5. Kosel 1743 — 1745 1746 — 1748 1749 — 1750

Franz Joseph v. Schultzendorf Carl Erdmann v. Lichnowsky Heinrich Gottfried v. Naefe

115

Ursula Schulz 1750 — 1770 1770 — 1797 CO 1. 7.1770 für v. Brixen

George Franz v. Trach Johann Nepomuk v. Schipp

6. Tost 1743 — 1748? Franz Wolfgang v. Stechow 1747 — 1758 Carl Friedrich v. Bludowski 1759 — 1787 Ernst Sylvius v. Sack 1784 — 1787 adjung. LR v. Zimitzky genannt wird außerdem: Gustav Wenzel v. Larisch auf Wilkowitz (f 1810) 1763—1795 J. N. Imiela: Die Königlichen Landräthe des Tost-Gleiwitzer Kreises. In: Der obersdilesische Wanderer. No 33, 27. Juli 1842, gibt auf Grund ihm vorliegender Urkunden folgende Reihenfolge an: Bludowski (1751); Sack auf Elgot 1763 — (noch) 1785; G. W. v. Larisch (1790). 7. Neustadt 1743 —(1745) Carl Graf v. Reder (Roeder?) (1747)— 1750 Heinrich Gottfried v. Naefe (1752)— 1753 Franz Joseph Adauctis v. Görtz 1753 — 1758 Johann Friedrich v. Schneckenhaus 1759 Karl Gottfried v. Schwemler (1765)— George Peter v. Twardowski 1770 — 1787 Georg David Wenzel v. Tschepe Genannt wird außerdem Theodor v. Elstermann v. Elster auf Czisowska (t Ratibor 1774). Fürstentum 1743 1759 1760 1763

— — — —

Ratibor

1758 1763 1762 1798

Fürstentum Münsterberg 1. Münsterberg 1742 — 1765 1767 — 1779 1780 (1783)— 1803?

Karl Jos. v. Schimonsky Carl Erdmann v. Lichnowsky Josef Matthias v. Lippa Johann Heinrich v. Wrodiem-Reptau

Ernst Wilhelm v. Eckwricht-Seyffersdorf George Friedrich v. Wentzky vacat Ernst Christian Gottlieb v. Gaffron

2. Frankenstein 1742 (1756) Julius Friedrich v. Pfeil-Kl. Ellguth 1756 — 1763 Karl Wenzel v. Tschepe (1783)—(1785) Ferdinand Karl Gottlieb v. Sandreczky genannt werden außerdem: Ernst Heinrich Ferdinand v. Sdiweinichen. Patent als LR, wurde Marschkommissar; Carl Friedrich I. v. Pfeil u. Kl. Ellguth, f 1767 (sein Vorgänger sei österreichisch gesinnt gewesen).

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Die scblesischen Landräte unter Friedrich

dem Großen

F ü r s t e n t u m N e i ß e - G r o 11 k a u 1. Neiße 1742 (1745)—(1755) 1756 —(1759) 1764 —(1766) 1768 — 1789

v. Strachwitz George Anton v. Sdiimonsky Karl Abraham Friedrich v. Sebottendorf-L. Balthasar Leopold v. Braudiitsch Friedrich Ernst Theodor Constantin v. Arnold

2. Grottkau 1742 Johann Ferdinand v. Printz (1745)—(1752) Johann Wenzel v. Studnitz u. J. 1759 — 1764 Balthasar Leopold v. Brauchitsch 1765 —(1779) Carl Friedrich Wilhelm v. Reibnitz 1780 vacat (1783)— 1796 Johann August Wilhelm v. Koppy genannt wird außerdem: Ernst Gottlob David v. Schwemmler, f 1764. 3. Falkenberg (ab 1770) zu Oppeln, s. d.) (1745)—(1759) Karl Gottlieb v. Larisch (1765)— 1770 Adam Friedrich v. Eicke Leobschütz 1743 —(1747) Johann Karl v. Morawitzky 1745 — 1747 subst. LR Johann Franz v. Reiswitz-Kaderzin 1748 Christian Ernst Graf v. Solms — 1753 Johann Friedrich v. Schneckenhaus 1753 Johann Christoph v. Cochenhausen (1759)—(1770) Hans v. Eicke 1779 — 1780 vacat. Komm.: Michael v. Haugwitz (1783) Michael v. Haugwitz genannt werden außerdem: Hans v. Eicke 1752; George Franz v. Trach, LR des „Kosel Leobschützer Kreises" (s. Kosel). Freie Standesherrschaft 1743 —(1759) (1765)—(1770) 1776 — 1786

Beuthen Gottlieb Christoph v. Rimultowsky Ernst Wenzel v. Rosteck Erdmann Gustav Rgf Henckel v. Donnersmark

Freie Standesherrschaft 1743 — 1747 1748 — 1755 1756 — 1785

Pleß (Loslau-Oderberg) Christian Ernst Graf v. Solms Erdmann Jaroslav v. Skrbensky Maximilian Bernhard Leopold v. Skrbensky 1785 — 1788 Johann Albrecht v. Roeder genannt wird außerdem noch v. Sack.

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Ursula Schulz Souveräne

Grafschaft

Glatz

1742 — 1759 Ernst Anton Erdmann v. Pannwitz 1760 — 1769 Adam Friedrich v. Pfeil 1770 — 1777 Karl Wenzel v. Prittwitz-Gaffron 1777 — 1785 Georg Benjamin v. Arnold 1785 — 1805 Heinrich Alexander v. Reibnitz angeblich 1783 vacat. Genannt wird außerdem: Ignaz von Pannwitz 1785 (Fechner, Wirtschaftsgeschichte).

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Irmgard Hantsche D A S S C H L E S I S C H E T U C H G E W E R B E I M A U S G E H E N D E N 18. U N D B E G I N N E N D E N 19. J A H R H U N D E R T Untersucht am Beispiel der Stadt Grünberg M i t dem Stichwort „Schlesische Textilindustrie" verbindet sich meistens der Gedanke an die Leinwandherstellung — nicht zu Unrecht, denn das Leinengewerbe Schlesiens besaß nicht nur eine alte T r a d i t i o n und bis zum 19. Jahrhundert einen sehr großen Umfang, sondern auch einen guten Ruf. Außerdem gelangte es zu einer traurigen Berühmtheit, als sich i n i h m die ersten großen sozialen Probleme zeigten, die durch die Industrialisierung in Deutschland hervorgerufen wurden. Erinnert sei hier nur an den Weberaufstand von Langenbielau, Peterswaldau und Umgebung i m Jahre 1844. Die Tuchindustrie Schlesiens scheint weniger bekannt zu sein. Dabei ist sie mindestens so alt wie das Leinengewerbe und erreichte ebenfalls einen recht beträchtlichen Umfang. Zudem bestand sie länger, nämlich bis ins 20. Jahrhundert. V o n den sozialen Unruhen blieb sie jedoch weitgehend verschont. Die berufsmäßige Tudimacherei Schlesiens reicht bis zum Beginn der deutschen Besiedlung des Landes i m 12. Jahrhundert zurück, als besonders flämische Kolonisten das Tuchgewerbe, das i n Flandern damals schon i n großer Blüte stand, auch i n Schlesien heimisch machten 1 ). I m Gegensatz zur Leinenherstellung w a r die Tuchmanufaktur stets ein städtisches Gewerbe 2 ). Schon früh bildeten sich i n ihr Zünfte aus, deren Vorschriften durch städtische und staatliche Ordnungen und Gesetze ergänzt wurden 3 ). !) Vgl. Curt Frahne, Die Textilindustrie im Wirtschaftsleben Schlesiens, Tübingen 1905, S. 171 f.; Dietrich Troschke, Die Triebkräfte der textilgewerblichen Entwicklung Schlesiens, Coburg 1937, S. 3 f. 2

) Vgl. Ursula Lewald, Die Entwicklung der ländlichen Textilindustrie im Rheinland und in Schlesien, In: Zeitschrift für Ostforschung, 10, 1961, S. 620; Willi Czajka, Der Schlesische Landrücken, Teil 2, Breslau 1938, S. 303. 3) Vgl. Ludwig Oelsner, Ueber das Entstehen der Tuchweberei und der aus derselben hervorgegangenen Gewerbe, so wie über den Ursprung der Innungen und Zünfte in unserer Provinz Schlesien, in: Uebersicht der Arbeiten und Veränderungen der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur im Jahre 1837, Breslau 1838, S. 164 ff.; Friedrich Frhr. v. Schroetter, Die schlesische Wollenindustrie im 18. Jahrhundert, in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, 10, 1898, S. 141 ff.

119

Irmgard

Hantsche

Es ist nicht beabsichtigt, hier die gesamte schlesische Tuchmanufaktur zu betrachten, weder i n zeitlicher noch i n geographischer Hinsicht. Auch kann der gewählte Ausschnitt nicht erschöpfend behandelt werden, da es nicht möglich war, Archivmaterial heranzuziehen. Unbefriedigend bleibt ebenfalls der Vergleich der vorliegenden statistischen Angaben, da aus der Literatur, der sie entnommen wurden, nicht immer festzustellen ist, ob v ö l l i g identische Maßeinheiten zugrundeliegen. So w i r d von den Autoren fast immer nur die Stückzahl der erzeugten Tücher übermittelt, nicht aber ihre Länge. V o n Grünberg steht aber z. B. fest, daß dort Tuchlängen v o n 28, 30 und 32 Ellen gefertigt wurden und auch die Tuchbreite unterschiedlich w a r 4 ) . Derartige Ungenauigkeiten müssen leider i n K a u f genommen werden, wenn nicht überhaupt darauf verzichtet werden soll, Zahlenmaterial zur besseren Veranschaulichung der Entwicklung aufzunehmen. Grünberg als Beispiel für die schlesische Textilindustrie herauszugreifen, erscheint aus mehreren Gründen gerechtfertigt. Grünberg bildete das Zent r u m der nordschlesischen Tuchindustrie und war seit dem Mittelalter die schlesische Stadt m i t der größten Tuchfabrikation. Dieser Bedeutung Grünbergs tragen auch alle Beschreibungen Schlesiens und die Reiseberichte aus dem ausgehenden 18. und dem beginnenden 19.Jahrhundert Rechnung, so daß in bezug auf die Tuchindustrie von allen sdilesischen Städten die Quellenlage für Grünberg am besten ist. Das t r i f f t auch für das Zahlenmaterial und für die Darstellung der wirtschaftlichen Situation überhaupt zu. Außerdem liegt eine umfangreiche Stadtgeschichte Grünbergs v o n H u g o Schmidt aus dem Jahre 1922 v o r 5 ) , die zwar nicht streng wissenschaftlich ist, deren Angaben aber weitgehend auf Grünberger Aktenmaterial beruhen, i n ihren Einzelheiten jedoch nicht immer ganz zuverlässig sind und sich an einigen Stellen sogar widersprechen. Aber da das alte Grünberger Stadtarchiv seit Kriegsende nicht mehr zugänglich ist und seine Bestände vielleicht gar nicht mehr vollständig bestehen, bildet das m i t großem Fleiß zusammengestellte, fast 1120 Seiten starke Werk H . Schmidts eine sehr wertvolle H i l f e . Zeitlich ist das Thema eingegrenzt auf die Periode der preußischen Geschichte Schlesiens bis zu den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts. Der 4) Vgl. Johann Friedrich Zöllner, Briefe über Schlesien, Teil 1, Berlin 1792, S. 22; Johann Adam Valentin Weigel, Geographische, naturhistorisdie und technologische Beschreibung des souverainen Herzogthums Schlesien, Teil 5, Berlin 1802, S. 254; J. G. Sternagel, Geographisch-Statistische Beschreibung des Herzogthums Schlesien und der Grafschaft Glatz, Teil 2, 3. Auflage, o. O. 1815, S. 142. ß) Hugo Schmidt, Geschichte der Stadt Grünberg, Schles., Neubearbeitung von Försters »Aus Grünbergs Vergangenheit", Grünberg 1922.

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Das schlesische Tuchgewerbe Schwerpunkt soll dabei auf der Einführung der Mechanisierung i m schiesischen Tuchgewerbe liegen und auf den Folgen, die sich daraus ergaben. Bereits seit dem Anfang der preußischen Herrschaft erfreute sich die schlesische Tuchmanufaktur eines steten Interesses der Regierung und meist auch einer staatlichen Förderung. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, daß die Tuch- und Leinenausfuhr Schlesiens zusammen manchmal sechs Siebentel des Werts des gesamten Warenabsatzes ausmachten 6 ). So waren 1776/7 von den insgesamt in Schlesien erzeugten 123 649 Stück Tuch 90 574 Stück i m Werte von ca. 1 M i l l i o n Reichstaler ins Ausland gegangen 7 ). 1803 konnten sogar „jährlich den Ausländern 3 Millionen Thaler für schlesische Tücher abgewonnen werden" 8 ). Erst i n den siebziger Jahren wurden jedoch die Produktionszahlen aus der Zeit der österreichischen Verwaltung übertroffen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden dann allerdings mehr als doppelt so viele Tücher gefertigt wie 1735°). Tabelle 1: Stückzahlen der schlesischen Tuchproduktion 1735—1798* Jahr

Stückzahl

Jahr

Stückzahl

1735 1739 1756/7 1758/9 1762/3 1765/6 1767/8 1770/1

95 695 68 268 33 507 77 161 62 281 84 659 93 679Vt 101 865

1776/7 1781 2 1790/1 1796 1796/7 1798 1805

123 649 129 987 136 134 169 256 173 504 171 301 170 850

* Zusammengestellt für 1735, 1739, 1796 und 1798 nach J. C. Sinapius, a. a. O., S. 59. Die Angabe für 1805 stammt aus C. L. Böhm, Handbuch der Geographie und Statistik des preußischen Herzogthums Schlesien, Berlin 1806, S. 90. Die Zahlenwerte für die übrigen Jahre sind entnommen aus H. Fechner, a. a. O., S. 686. Bei den einzelnen Zahlen der Tabellen 1 und 2 konnte nicht festgestellt werden, ob ihnen dieselben Maßeinheiten zugrundeliegen, ob also Länge und Breite jeweils identisch waren. Dadurch ist eine genaue Vergleichsmöglichkeit in Frage gestellt.

Die niedrige Stückzahl des Jahres 1756/7 scheint nicht recht verständlich. Fechner, dessen Angaben auf A k t e n beruhen, gibt jedenfalls keine Erklärung dafür, und es wäre möglich, daß i h m hier ein Ubertragungsfehler unterlaufen ist. 6) Vgl. H . Fechner, Wirtschaftsgeschichte der preußischen Provinz Schlesien in der Zeit ihrer provinziellen Selbständigkeit 1741—1806, Breslau 1907, S. 477. 7) Vgl. Frahne, a. a. O., S. 187. 8 ) Vgl. J. C. Sinapius, Schlesien in merkantilistischer, geographischer und statistischer Hinsicht, Bd. 1, Sorau und Leipzig 1803, S. 58. ö) Vgl. Tabelle 1.

121

Irmgard Hantse Auch am Beispiel des Grünberger Tuchgewerbes zeigt sich, daß unter der preußischen Herrschaft zunächst nicht die Stückzahlen überschritten wurden, die vor 1740 erreicht worden waren. Nach Friedrich Albert Zimmermanns Bericht aus dem Jahre 1791 hatte die Grünberger Tuchproduktion unter österreichischer Verwaltung zuletzt zwischen 9000 und 13 000 Stück pro Jahr betragen. Aus seiner genauen Aufstellung der Produktionszahlen von 1740 bis 1770 ist ersichtlich, daß i n keinem dieser Jahre die Herstellung i n Grünberg an die 13 000-Stück-Grenze herankam; die Spitze wies das Jahr 1754 m i t 12 604 Stück auf. Der Aufschwung begann nach, Zimmermanns Zusammenstellung erst i m Jahre 1779, als über 13 000 Tücher erzeugt wurden 1 0 ). Tabelle 2: A n z a h l der 1740 bis 1803 i n Grünberg hergestellten Tücher* Jahr

Stückzahl

Jahr

Stückzahl

1740 1741 1742 1743 1745 1750 1752 1754 1758 1762

9 468 7 942 8 997 10 670 12 228 10 761 11 693 12 604 10 586 10 639

1765 1770 1779 1782 1786 1789 1795/6 1798/9 1803

9 627 11 497 über 13 000 über 15 000 19 994 16 871 18 346 20 417 24 122

*) Zusammengestellt für 1740—1789 nach F.A.Zimmermann, a.a.O., S. 335—338; für 1795/6 und 1798/9 nach H. Schmidt, Geschichte der Stadt Grünberg, Grünberg 1922, S. 669; für 1803 nach Fußnote Nr. 8 von F. A. Zimmermann in: Quincy Adams, Briefe über Schlesien, Breslau 1805, S. 19.

Die niedrigen Stückzahlen der Jahre 1741 und 1742 sind zweifellos durch den Ersten Schlesischen Krieg bedingt; der vorübergehende Rückgang in der M i t t e der 60er Jahre könnte mitverursacht worden sein durch die Einführung des neuen preußischen Geldes und den Verfall des alten. Aus Grünberger Chroniken geht hervor, daß „viele reiche und vermögende Leute durch diese reducirte Müntz-Sorten sehr viel gelitten, auch sind wegen verschiedener ausgelehnten und zurückgezahlten Kapitalien Prozesse entstanden"11). 10) Friedrich Albert Zimmermann, Beyträge zur Beschreibung von Schlesien, Bd. 10, Brieg 1791, S. 335 f. F. A. Zimmermann war Kalkulator und galt bei seinen Zeitgenossen als gewissenhafter Berichterstatter. J. C. Meißner bescheinigte ihm 1795, er habe „die vollständigste und richtigste Beschreibung von Schlesien geliefert". (Vgl. J. C. Meißner, Kurze Beschreibung von Schlesien, Liegnitz 1795, Vorbericht, ohne Seitenangabe.) H) Hugo Schmidt, a. a. O., S. 637.

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Das schlesische Tuchgewerbe Der neue Aufschwung, der aus den Zahlenwerten der Tabelle ablesbar ist, dürfte jedoch nicht nur auf die Beruhigung der wirtschaftlichen Lage zurückzuführen sein, sondern auch auf die Anpassung der Grünberger an die erhöhten Qualitätswünsche der Abnehmer: „ i m Jahr 1766 fieng man an sich um feineres Gespinnste zu bemühen, . . . die i m Auslande Beyfall und guten Absatz fanden" 1 2 ). Diese Beispiele aus dem 18. Jahrhundert machen bereits zwei Faktorn deutlich, die einen wesentlichen Einfluß auf die Tuchmanufaktur ausübten: die allgemeine politische Lage und die Fähigkeit der Tuchmacher, sich dem K ä u fergeschmack jeweils anzupassen. Ein dritter äußerst bedeutsamer Faktor war die staatliche Lenkung durch Gesetzgebung u n d Subventionen. Auch hierfür finden sich aus den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts zahlreiche Fälle, von denen nur drei A r t e n hier als Beispiel hervorgehoben seien: U m bessere Tuchqualitäten zu erreichen, wurden durch das Provinzialministerium i n den Jahren 1769, 1772, 1785 und 1794 Anordnungen erlassen, die Wolle vor der Verarbeitung gut zu reinigen 1 3 ). Einzelnen Tuchmachern wurden Vorschüsse gewährt oder Wollgeschenke gemacht 14 ). Friedrich der Große ließ von 1781 bis 1785 i n Grünberg 15 sogenannte Fabrikantenhäuser, je für vier Tuchmacherfamilien, errichten, deren Wohnungen einzeln i m Hypothekenbuch eingetragen wurden und daher später auch einzeln verkauft werden konnten 1 5 ). Neben den Bemühungen des Königs müssen besonders die Verdienste der beiden schlesischen Provinzialminister dieser Zeit, Ernst W i l h e l m von Schlabrendorff (1755—1769) und Carl Georg Heinrich von H o y m (1769—1806), um die Förderung der Tuchmanufaktur gewürdigt werden 1 6 ). A u f Hoyms Bemühungen um die Einführung der Mechanisierung i n dem schlesischen Tuchgewerbe w i r d weiter unten noch eingegangen. Weitaus der größte Teil der schlesischen Tücher wurde ins Ausland verkauft, wie schon aus den Zahlenangaben für 1776/77 ersichtlich war. Der H a u p t abnehmer war Rußland, das die schweren und verhältnismäßig groben 12) F. A. Zimmermann, a. a. O., S. 334. 13) Vgl. Hermann Fechner, a. a. O., S. 304. 14) Vgl. Fechner, a. a. O., S. 361 ff. und 417. 15) Vgl. Schmidt, a. a. O., S. 650 ff. und 1027. 16) Für einen Abriß der Amtstätigkeit Sdilabrendorffs und Hoyms in Schlesien vgl. H . von Petersdorff, Ernst Wilhelm von Schlabrendorff, in: Schlesische Lebensbilder, hrsg. von der Historischen Kommission für Schlesien, Bd. 2, Breslau 1926, S. 1—14; V. Loewe, Karl Georg Heinrich Graf von Hoym, in: Schles. Lebensbilder, Bd. 2, S. 14—22; H . Fechner, Artikel .Hoym', in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 13, (1881), S. 219—225.

123

Irmgard

Hantsche

Tuchqualitäten, die einen großen Teil der schlesischen Produktion ausmachten, ausdrücklich verlangte. V o n Rußland ging die Ware teilweise über Sibirien sogar bis C h i n a 1 7 ) . Aber auch feinere Qualitäten wurden i n Rußland verlangt, und die Grünberger, Goldberger, Saganer und Liegnitzer Fabrikanten versandten 1800 nahezu 2000 feinere Tuche, das war fast ein Z w ö l f tel ihrer gesamten Erzeugung, nach Petersburg und Moskau 1 8 ). D i e ausländischen Handelshäuser hatten meist eigene Vertretungen i n Breslau 1 9 ). Fr. von Coelln berichtete i m Jahre 1806, man könne dort immer „eine Karavane von Russen" sehen, die Tücher und zugleich auch noch andere Gegenstände abholten; u n d auch i n Grünberg fielen ihm die russischen Fuhrleute auf, „die Tücher l a d e n a 2 0 ) . Starke Aufnahme fanden die Tuche auch i n Schweden, und nach Italien und i n die Levante wurde ebenfalls exportiert. Die Türken begannen zu Beginn des 19. Jahrhunderts i n Schlesien zu kaufen und nicht mehr allein die sächsische Konkurrenzware auf der Leipziger Messe einzuhandeln 2 1 ). Ungünstig w i r k t e sich das Ansteigen der Wollpreise auf das schlesisdie Tuchgewerbe aus. Bereits 1791 befürchtete Friedrich Albert Zimmermann einen Rückgang der Grünberger Manufaktur: „Bestellungen ins Ausland laufen zwar genug ein; da aber die Wolle nicht mit dem Preis der Tücher im Verhältnis stehet, so bleiben manche Commißionen unerfüllt" 22). Fr. von Coelln berichtete 1806, die Wollpreise seien seit 1790 um das D o p pelte gestiegen 23 ). Begründet war der starke Preisanstieg einerseits durch die allgemeine Geldentwertung, andererseits durch ein nicht ausreichendes Angebot. Diese Verknappung der Wolle war hauptsächlich bedingt durch das Anwachsen der schlesischen Tuchproduktion, und sie wurde noch verstärkt durch Aufkäufe auswärtiger Tuchfabrikanten, besonders aus dem westfälischen R a u m 2 4 ) . Bereits während der Regierungszeit Friedrichs des Großen war die Wollpreiserhöhung sehr spürbar gewesen; der Regierung war es nicht gelungen, durch Ausfuhrverbote die Preise zu drücken. Als Gegenmaßnahme hatten viele schlesisdie Schäfereibesitzer die Produktion gedrosselt, 17) Vgl. Sinapius, a. a. O., Bd. 1, S. 58 und 115. 18) Vgl. Frahne, a. a. O., S. 188. 1«) 20) 21) 22) 23) 24)

Vgl. Frahne, a. a. O., S. 188. Fr. von Coelln, Schlesien wie es ist, Berlin 1806, Bd. 1, S. 316; Bd. 3, S. 138. Vgl. Fr. von Coelln, a. a. O., Bd. 1, S. 376. F. A. Zimmermann, a. a. O., S. 337 f. v. Coelln, a. a. O., Bd. 1, S. 380 f. Vgl. Fr. von Coelln, a. a. O., Bd. 1, S. 376 f., 381.

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Das schlesische Tugewerbe

um die Preise nicht absinken zu lassen25). Zimmermann konnte daher nur hoffen, daß die Ausländer sich an höhere Tuchpreise gewöhnen würden26). Diese H o f f n u n g scheint i m großen und ganzen erfüllt worden zu sein, denn die Zahlenangaben, die uns vorliegen 2 7 ), bestätigen nicht Zimmermanns A n nahme, die Produktion werde zurückgehen. Auch von Coellns Behauptung, 1797 sei der Handel i n Grünberg so ins Stocken geraten, daß „eine Rebellion der Tuchmacher ausbrach, die man dadurch stillte, daß man den Kaufleuten untersagte, aus andern sdilesischen Städten melirte Tücher zu kaufen und damit Handel zu treiben" 28), w i r d durch die Grünberger Chronik nicht bestätigt. Aus Schmidts Stadtgeschichte geht demgegenüber sogar hervor, daß der günstige Stand des Tuchmachergewerbes 1797 i n Grünberg zu manchen Neubauten und zu Vergrößerungen und Verbesserungen alter Gebäude anregte 20 ). E i n Jahr zuvor hatten Selbstbewußtsein und Wohlhabenheit der dortigen Tuchmacher ihren Ausdruck sogar i n einer „Tuchmacher-Gesellen-Zeche . . . unter vielen Geräuschen" gefunden, zu denen auch „Trompeten- und Paukenschall" gehörten 3 0 ). 1799 steigerte sich dann die russische Nachfrage nach Grünberger Tüchern so stark, daß die Stadt den Bedarf nicht decken konnte. I m Jahre 1800 besaß das Grünberger Tuchmachergewerk ein „bedeutendes gemeinschaftliches Vermögen, bestehend aus 6 Walkmühlen, . . . einem Mühl-Vorwerk, einem Schau- oder Meisterhause . . . und einer Spinnschule"31). A l l dies spricht nicht für eine ungünstige Situation. Allerdings darf nicht angenommen werden, die Lage der Tuchmanufaktur i n Grünberg und i n Schlesien überhaupt sei u m die Wende v o m 18. zum 19. Jahrhundert v ö l l i g problemlos gewesen. D i e große Abhängigkeit v o m russischen M a r k t barg die Gefahren i n sich, die stets einer stark einseitig ausgerichteten Handelspolitik innewohnen. Das zeigte sich i n Grünberg 1810, als durch die russische Z o l l p o l i t i k der M a r k t verschlossen wurde. M i t 25) Vgl. H . Fechner, Die Fabrikgründung in Schlesien nach dem Siebenjährigen Kriege unter Friedrich dem Großen, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 57. Jg., 1901, S. 640; Leopold Krug, Betrachtungen über den National-Reichthum des preußischen Staats, und über den Wohlstand seiner Bewohner, Bd. 1, Berlin 1805 (Neudruck Aalen 1970), S. 670 f. 2«) 27) 28) 2») 30) 31)

Vgl. Vgl. Von Vgl. Vgl. Vgl.

F. A. Zimmermann, Bd. 10, S. 338. Tabellen 1 und 2. Coelln, Bd. 3, S. 139. Schmidt, a. a. O., S. 667. Schmidt, a. a. O., S. 667. Schmidt, a. a. O., S. 1029.

125

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großer Erleichterung wurde daher i n Grünberg die gewaltsame Wiedereröffnung bei Napoleons Rußlandfeldzug 1812 begrüßt, die von russischen Händlern genutzt wurde, u m große Tuchtransporte durchzuführen 3 2 ). Die erneute und fast vollständige Sperrung dieses so wichtigen Absatzgebietes zu Beginn der zwanziger Jahre hatte katastrophale Folgen für das schlesische Tuchgewerbe. Die K o n j u n k t u r erlitt so starke Einbußen, daß viele Tuchmacher ihre Existenzgrundlage verloren und nach Polen abwanderten. Grünberg verlor damals fast 30 °/o seiner Tuchmachermeister: ihre Zahl verringerte sich 1822 von 841 auf 590 3 3 ). Durch eine Neubelebung des Genossenschaftswesens versuchten die i n Schlesien verbliebenen Tuchmacher zum Teil, konkurrenzfähig zu bleiben. Spinnereien wurden auf gemeinschaftlicher Basis errichtet und Walken und Appreturanstalten, i n denen die rohen Gewebe der kleinen Tuchmacher für den Verkauf zugerichtet wurden 3 4 ). Doch schon vor der Sperrung des russischen Marktes waren zu Beginn des Jahrhunderts die Absatzchancen Schlesiens i m Zarenreich gemindert worden durch die aufkommende englische Konkurrenz. England hatte sich zu dieser Zeit bereits den unbestrittenen Ruhm für die Herstellung feiner Tuche erworben, deren Qualität z. B. i n Schlesien nicht erreicht wurde. U m den Bedürfnissen des russischen Marktes zu entsprechen, verlegten sich die englischen Tuchfabriken zu Beginn des Jahrhunderts nun auch auf die Produktion der schweren und gröberen Tucharten, wie sie i n Rußland verlangt wurden, und traten damit i n starke Konkurrenz zur schlesischen Manufaktur. Erschwerend kam hinzu, daß die Engländer den Vorteil billiger Wollpreise hatten und besonders, daß sie schon i n größerem Umfang Maschinen einsetzten und auf diese Weise preiswerter produzieren konnten. Auch Grünberg bekam diesen Konkurrenten zu spüren, und Fr. von Coelln bemerkt: „Anno 1804 stockte plötzlich der Handel, weil die Engländer die groben Sortiments, die die Russen in Grünberg suchten, nachmachten, wozu sie die Wolle in Leipzig aufkauften, und sie mit 20 Prozent Exportationsprämie den Russen zuführten, kein baares Geld, sondern Tauschartikel dafür nahmen"85). 32) Vgl. Schmidt, a. a. O., S. 691 und 1030. 83) Vgl. Hildebrand, Grünebergs Industrie, in: Monographien deutscher Städte, Bd. 10, Berlin-Friedenau 1922, S. 140; Kurt Gröba, Der Unternehmer im Beginn der Industrialisierung Schlesiens, (Historische Kommission für Schlesien), Breslau 1936, S. 19; August Förster, Die Wollen- und Tuch-Industrie Schlesiens, in: Festschrift zur 29. Hauptversammlung des Vereins Deutscher Ingenieure, Breslau 1888, S. 190. 34) Vgl. Frahne, a. a. O., S. 196. 35) v. Coelln, a. a. O., Bd. 3, S. 139 f.

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Das schlesische Tugewerbe Die Grünberger Tuchfabriken konnten sich auf eine derartige Handelspolitik nicht einlassen, ihnen fehlten dafür die notwendigen Barreserven. Fr. von Coelln weist auf diese Schwierigkeiten hin, die sich auch i n der Leinenfabrikation zeigten: „In noch größeren Geldnöthen sind die Tuchnegozianten. Diese machen jetzt ihre Geschäfte größtentheils nach Rußland, wo sie langen Kredit geben müssen; der Russe zahlt selten anders als in Wechseln, besonders in englischen Papieren, und da der Tuchmacher und Lohnarbeiter nicht bloß Geld erhalten muß, wenn er das fertige Tuch abliefert, sondern selbst Vorschuß verlangt, der Negoziant große Qualitäten Wolle kaufen und baar bezahlen muß, so sind auch hier gerechte, vollgültige Ansprüche in Waaren- und in Kontobüchern auf baar Geld, aber oft kein Heller in der Kasse"86). Diese Situation war kennzeichnend für das schlesische Textilgewerbe überhaupt zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die starke Kapitalknappheit wurde noch dadurch verschärft, „daß es hier ausgesprochen verlockend war, Geld in den absolut sicheren landwirtschaftlichen Pfandbriefen oder in Rittergütern selbst anzulegen" 3 7 ). I n einer Zeit aber, i n der die Konkurrenzfähigkeit i m Textilgewerbe immer stärker abhängig wurde von der Einführung der Mechanisierung, mußte dieser Mangel an Investitionsgeldern besonders schwerwiegende Folgen haben. Viele Tuchfabrikanten gerieten so auf längere Sicht i n einen Teufelskreis. Zunächst jedocli zeigten die Produktionszahlen noch eine aufsteigende Tendenz. Trotzdem wurde die englische Konkurrenz als sehr drückend empfunden, und neben der Bewunderung für die technisch fortgeschrittene Produktionsweise und den hohen Qualitätsstand der Briten äußerte sich auch unverhohlene Ablehnung der englischen Handelspraktiken. Bei Fr. von Coelln überwiegt noch die Hochachtung, und er zeigt Verständnis für die Politik Englands: „Die Engländer und ihre Regierung fühlen es recht gut, daß ihre Existenz vom Alleinhandel und der Ausfuhr abhängt; ist es daher ein Wunder, wenn die Regierung große Ausfuhr-Prämien bewilligt? Wenn sie eine Erfindung in den Fabriken königlich belohnt? Patente darüber erteilt?" 38) Bei Sinapius hingegen ist von diesen Einsichten nichts zu spüren. Auch er vermerkte 1806 den Rückgang der schlesischen Wirtschaft, die viel von ihrem Glänze — wie ihn Zimmermann unter günstigeren Umständen beschrie36) von Coelln, Bd. 3, S. 161 f. 37) Ursula Lewald, a. a. O., S. 624. 38) Fr. von Coelln, a. a. O., Bd. 1, S. 360.

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ben hätte — verloren habe. Als innenpolitische Gründe führt er „Wassersnoth, Unfruchtbarkeit, Theurung, Geldmangel und Nahrungslosigkeit" an: „Die Baarsdiaft der Professionisten, Fabrikanten und Industriösen die sonst in städtischen und ländlichen Kreisen circulirt und eine Million fleißiger Hände durch wiederholte Berührungen gestärkt hatte, wanderte vom Hunger geschnellt, theils in die Fäuste gefühlloser Getreidehändler und Wucherer, theils in die Häfen der Ostsee, und bemittelte Bürger wurden gierigen Gläubigern unterthänig. Den thätigsten Unternehmern entsank der Muth; eine Menge Weberstühle hörten auf sich zu bewegen"39). V o n außen sei der Wohlstand i m verflossenen Jahre „durch das i n Spanien etc. wüthende gelbe Fieber, durch die anhaltende Sperrung der Elbe und Weser, durch den fortdauernden Seekrieg Grosbritanniens m i t Frankreich und Spanien, durch die unrechtmäßigen Capereien der Engländer, durch das Monopolium, so sie sich i m Verkehr m i t andern Nationen zugeeignet haben, und die aus dem allen hervorgehenden Schwierigkeiten, entkräftet" worden 4 0 ). Dennoch beurteilt Sinapius die Lage recht optimistisch, denn Schlesien sei „noch immer ein hübsches Ländgen, das von eigenem Fett zehren und erneuerte Wohlhabenheit aus den i n i h m selbst täglich reifer werdenden Früchten erziehen k a n n " 4 1 ) . Interessant ist, auf welche politischen Kräfte Sinapius i n diesem Jahre, das i m Oktober die Schlacht von Jena und Auerstedt erleben sollte, seine H o f f nung setzt: „Unser Flachs, unsere Schaafwolle, unsere Rothe und Mineralien werden aufs neue in Garne, Leinwandten, Tücher, Färbestoff, Eisen und Metallwaaren etc. veredelt ins Ausland übergehen, und Millionen aus ihrem Ertrage nach Schlesien zurück fließen lassen. Napoleon /. wird die übermüthigen Britten zum Frieden zwingen, ihr unrechtmäßiges Monopolium zertrümmern; die allzulange durch Willkühr erschwerte Schiffahrt nach allen Welttheilen wird entfesselt erscheinen, und auch Schlesien wird dann unter den Flügeln des mächtigen preußischen Adlers, seine Ansprüche im Handel mit Holland, Spanien, Portugall, Italien, Rußland, Amerika, Westindien etc. etc. geltender machen können"42). I n bezug auf die Macht des preußischen Adlers w i r d Sinapius sehr bald nach Erscheinen seiner Schrift eine herbe Enttäuschung erlitten haben. Aber seine Voraussage, Napoleon werde das englische Wirtschaftsmonopol brechen, 39) J. C. Sinapius, Schlesien in merkantilischer, geographischer und statistischer Hinsicht, Bd. 2, Sorau und Leipzig 1806, S. 180 f. 40) Sinapius, a. a. O., Bd. 2, S. 180. 41) Sinapius, a. a. O., Bd. 2, S. 182. 42) Sinapius, a. a. O., Bd. 2, S. 183.

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Das schlesische Tuchgewerbe sollte — durch die Verhängung der Kontinentalsperre am Ende des Jahres — sich wenigstens vorübergehend als wahr erweisen. Allerdings hatte diese Maßnahme i n Schlesien nicht die positiven Auswirkungen wie i n anderen Teilen Deutschlands. Die sächsischen und märkischen Tuchfabriken profitierten von der Sperre, indem sie die bisher aus England erfolgten Lieferungen selbst übernahmen. Für die sächsische Baumwollspinnerei bedeutete das Ausschalten der englischen Konkurrenz geradezu eine Glanzperiode, und am Niederrhein und i n Sachsen verursachte die Kontinentalsperre den Aufbau eigener medianischer Spinnereien 43 ). Ganz anders war es in Schlesien: hier hatte diese Maßnahme Napoleons nur nachteilige Folgen 4 4 ). Sie trieb die Preise für Blauholz, Gelbholz und andere exotische Farbstoffe derart i n die Höhe, daß die gesamtschlesische Wollmanufaktur i n Gefahr geriet 4 5 ). Schmidt weiß von Grünberg zu berichten: „Als eine der drückendsten Lasten spürte auch unsere Stadt die von Napoleon gegen England verfügte Kontinentalsperre, die eine für damalige Zeit enorme Erhöhung der Kolonialwarenpreise zur Folge hatte und namentlich durch die besonders starke Preisschwellung für Farbhölzer auf die Tuchmanufaktur ungünstig einwirkte" 46). Doch auch die Aufhebung der Kontinentalsperre i m März 1813 w i r k t e sich nicht positiv auf das schlesische Textilgewerbe aus 4 7 ). Betrachtet man jedoch die Angaben über die Tucherzeugung i n Grünberg von 1806 bis 1816 4 8 ), so fällt ein überaus starkes Anwachsen der Produktion auf, und die Bemerkung von Knie und Melcher, bis 1816 sei die Manufaktur i n Grünberg sehr blühend gewesen 49 ), erscheint als v ö l l i g gerechtfertigt. Auch die Kriegseinwirkungen, unter denen Grünberg durch seine Lage an der Heerstraße v o n Berlin nach Breslau besonders zu leiden hatte und die Requisitionen aller A r t m i t sich brachte, besonders an Tüchern 5 0 ), haben die Aufwärtsentwicklung während dieser Zeit nicht verhindert. Denn die kriege43) Vgl. Georg Quandt, Die Niederlausitzer Schafwollindustrie in ihrer Entwicklung zum Großbetrieb und zur modernen Technik, in: Staats- und socialwissenschaftliche Forschungen, Bd. 13, Heft 3, 1895, S. 22; Hans Roemer, die Baumwollspinnerei in Schlesien bis zum preußischen Zollgesetz von 1818, ( = Bd. 19 der Darstellungen und Quellen zur schlesisdien Geschichte), Breslau 1914, S. 47 f.; U. Lewald, a. a. O., S. 624. 44) Vgl. U. Lewald, a. a. O., S. 624. 45) Vgl. Frahne, a. a. O., S. 195. 46) Schmidt, a. a. O., S. 688. 47) Vgl. Roemer, a. a. O., S. 49. 48) Vgl. Tabelle 3. 49) J. G. Knie und J. M. L. Melcher (Hg.), Geographische Beschreibung von Schlesien preußischen Antheils, der Grafschaft Glatz und der preußischen Markgrafschaft Ober-Lausitz, Abt. II, Teil 1, Breslau 1827, S. 538. 50) Vgl. Knie und Melcher, a. a. O., S. 547. 9

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rischen A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n b r a c h t e n d u r c h d i e N o t w e n d i g k e i t ,

Truppen

e i n z u k l e i d e n , e i n sehr starkes A n s t e i g e n des T u c h b e d a r f s 5 1 ) . Tabelle

Jahr 1795/6 1798/9 1801 1802 1803 1804 1805 1806 1808 1809 1810 1811 1812 1813 1814 1815 1816 1822 1823 1824 1827 1832 1833

3: D a s G r ü n b e r g e r T u c h g e w e r b e 1 7 9 5 — 1 8 3 3 * erzeugtes Stück Tuch 18 20 25 23 24

346 417 075 849 122

Meister

Stühle

verarbeitete Stein Wolle

576 638 643

552 618 636

29 618 32 606 32 620

686

Kratz- u. Streichmaschinen

1

52 50

22 656

700

29 981

735 731

666 750 708

746

754

53 777

757 590

721

78 433

30153 31 218 33 840 39 523 46 877 51 814 23 451 17 356 22 400

Spinnmaschinen

40 050 43 150 44 092

300 340 260 445 769

6 8 21 151

1120

345

446 446

18 566 203

296

• Zusammengestellt für 1795/6, 1798/9, 1802, 1804, 1808, 1810—1822, 1832 und 1833 nach Schmidt, a.a.O., S. 669, 677, 686, 1028 und 1030—1033; für 1801 nach Stemagel, Geographisch-Statistische Beschreibung des Herzogthums Schlesien und der Grafschaft Glatz, o. O., 1815, Teil 2, S. 53 und 142; für 1803—1805 nach F. A. Zimmermann, in Qu. Adams, a. a. O., S. 18 f.; für 1806 nach G. J. Kunth, Einige statistische Notizen über den preußischen Staat und dessen Gewerbewesen, besonders in den Jahren 1823 und 1824, in Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes in Preußen, Bd. 4, Berlin 1825, S. 99 und nach v. Coelln, a. a. O., Bd. 3, S. 139; für 1809 und 1822 nach L. Jacobi, Das Wollengewerbe von Grünberg in Vergangenheit und Gegenwart, in: Schlesische Provinzialblätter, N. F., Bd. 6, 1867, S. 271; für 1823 und 1824 nach Kunth, a.a.O., S. 99; für 1827 nach Knie und Melcher, a. a. O., Abt. II, Teil 1, S. 538. Der Aussagewert dieser Zahlenangaben sollte nicht überschätzt werden. Es konnte nicht festgestellt werden, ob bei der Stückzahl der Tücher jeweils die gleiche Länge und Breite zugrundeliegt, so daß ein Vergleich der Zahlen in den verschiedenen Jahren nur bedingt möglich ist. Schmidt unterscheidet außerdem nicht klar zwischen der Zahl der in Grünberg hergestellten und der dort gewalkten Tücher; auch dadurch sind Ungenauigkeiten nicht auszuschließen. Die Wollmengenangaben beziehen sich 1810 auf das Quantum der eingeführten Wolle. 51) Vgl. G. Quandt, a. a. O., S. 22.

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Das schlesische Tuchgewerbe Der nicht zu bestreitende Anstieg der Grünberger Tuchproduktion in der Zeit von 1795/6 bis 1816 ist jedoch nicht nur v o n der günstigen K o n j u n k t u r abhängig gewesen, sondern i n sehr starkem Maße von der zunehmenden Mechanisierung. Der Anstoß zur Mechanisierung in der Textilmanufaktur war i n Schlesien nicht von den Fabrikanten, sondern v o n staatlicher Seite ausgegangen. Der Provinzialminister Graf H o y m besonders war es, der nach anfänglichem Zögern technische Neuerungen i m Textilgewerbe förderte — meist jedoch ohne Erfolg. 1797 k a m er bei einer Besichtigung der Leinenfabrikation im Gebiet v o n Glatz zu der Uberzeugung, daß die Zeit der Handspinnerei vorüber sei und daß die Flachsgarnproduktion nur noch durch den Gebraudi von Spinnmaschinen gewinnbringend sein könne 5 2 ). Noch 1794 hatte er sich hingegen, u m die zurückgehende Leinengarnproduktion wieder anzuheben, darum bemüht, die Hand-Flachsspinnerei zu fördern, indem er die A b w a n derung vieler K r ä f t e i n die besser bezahlte Baumwollspinnerei durch die Einführung von Baumwollspinnmaschinen aufzuhalten versuchte 53 ). Die Spinnmaschinen sollten nach seinem Wunsch auch i m Wollgewerbe eingesetzt werden, und H o y m unterstützte deswegen die Bemühungen verschiedener Maschinenbauer, geeignete Spinnmaschinen zu konstruieren; er veranlaßte mehrere Tuchfabrikanten, Spinnmaschinen zu kaufen 5 4 ). So bestellte H o y m 1796 beim Berliner Maschinenbauer Hoppe als Geschenk für die Grünberger und für den Tuchfabrikanten Scholz i n H a y n a u neben anderen Maschinen auch je eine Spinnmaschine m i t 30 Spulen. Scholz kaufte auf eigene Rechnung noch zwei Maschinen hinzu. Es stellte sich aber heraus, daß diese Spinnmaschinen, die für die Baumwollverarbeitung recht brauchbar waren, bei der Wollfabrikation Schwierigkeiten bereiteten. Drei Vorspinnerinnen mußten zunächst die Wolle auf die Dicke eines starken Fadens bringen, der dann auf die Spinnmaschine gebracht werden konnte, für die wiederum drei Spinnerinnen notwendig waren 5 5 ). Dennoch blieb es i n Grünberg nicht bei dieser einen von H o y m geschenkten Spinnmaschine. Als Quincy Adams, der damalige Geschäftsträger der Vereinigten Staaten i n Preußen, vier Jahre später, 1800, Schlesien besuchte, wußte er von Grünberg zu berichten: „Der ansehnlichste Manufakturist hieselbst ist ein gewisser Herr F. 5,ß ), nur er 52) Alfred Zimmermann, Blüthe und Verfall des Leinengewerbes in Schlesien, Breslau 1885, S. 214. 63) Fechner, a. a. O., S. 288. 54) Hans Roemer, a. a. O., S. 39. 55) Fechner, a. a. O., S. 417. 56) Es handelte sich um Jeremias Sigismund Förster. Die Familie Förster stellte während des ganzen 19. Jahrhunderts die bedeutendsten Tuchfabrikanten Grünbergs. Vgl. dazu Schmidt, a. a. O., S. 1032 f. 9*

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allein besitzt und bedient sich der Spinn- und Krempelmaschinen, die in den englischen Manufakturen gebraucht werden, und in Amerika bekannt genug sind. Wir begaben uns dahin um diese Maschinen in Gang zu sehen, und Herr F. zeigte sie uns nicht nur mit der größten Bereitwilligkeit, sondern mit offenbarem Vergnügen" 57). Der daraus erkennbare Stolz Försters w i r d verständlich, wenn man bedenkt, daß derartige Maschinen i n Schlesien noch eine Seltenheit waren. V o n Liegnitz, das damals jährlich bis zu 800 Stück Tuch herstellte, verzeichnet Adams ausdrücklich, dort seien weder Spinn- noch Krempelmaschinen vorhanden gewesen; auch für Goldberg, „nächst Grünberg . . . diejenige Stadt, in welcher sich die größten Tuchmanufakturen" befänden, erwähnt er keine Maschinen 58 ). Uber die Anzahl der 1800 von Förster i n Grünberg betriebenen Maschinen macht Adams leider keine Angaben; fünf Jahre später ergänzt F. A . Zimmermann Adams Bericht durch die Bemerkung, i n Grünberg seien „bereits 50 Spinnmaschinen i m Gange" 5 9 ). Diese Z a h l bezieht sich vermutlich nicht auf das Reisejahr Adams, sondern auf das Erscheinungsjahr der deutschen Ausgabe der Adams-Briefe, 1805. Die Investitionen für diese 50 Maschinen sind sicherlich nicht vollständig auf Kosten der Grünberger gegangen, denn i m Februar 1805 gewährte H o y m ihnen 345 R t l . Beihilfe für ihre Maschinenanschaffung 60 ); v. Coelln weiß zu berichten: „Das schlesische Departement hatte eine Prämie von 30 Prozent auf ihre Anschaffung gesetzt" 6 1 ). Auch hier zeigt sich wieder das staatliche Interesse am technischen Fortschritt. Es ist anzunehmen, daß die Maschinen aus der Hoppeschen Fabrik i n Berlin stammten; der Grünberger Chronist Bergmüller berichtete jedenfalls, 1804 habe die Wollspinnerei durch die Einführung der Hoppeschen Spinnmaschinen, von denen es bei verschiedenen Tuchmachern 44 Stück gegeben habe, eine bedeutsame Förderung erfahren 6 2 ). Darüber hinaus sollen sich noch acht derartige Spinnmaschinen i m Gebrauch der Grünberger Spinnschule befunden haben, die es dort seit mehreren Jahren gab 6 3 ). 57) Quincy Adams, Briefe über Schlesien. Aus dem Englischen von F. G. Friese, mit Anmerkungen von F. A. Zimmermann, Breslau 1805, S. 18 f. 68) Adams, a. a. O., S. 247. 59) F. A. Zimmermann, Fußnote Nr. 7 in Adams, Briefe über Schlesien, S. 18. — Für Hildebrands Behauptung, Förster habe 1800 bereits 30 Spinnmaschinen in Gang gehabt, ließ sich in der Literatur kein Beleg finden. (Vgl. Hildebrand, a. a. O., S. 140). «0) Fechner, Wirtschaftsgeschichte, S. 421. €1) v. Coelln, a. a. O., Bd. 1, S. 383. 62) Vgl. Schmidt, a. a. O., S. 677; vgl. auch v. Coelln, a. a. O., Bd. 1, S. 383. «3) Vgl. Schmidt, a. a. O., S. 677.

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Das schlesische Tugewerbe Diese ersten kleinen Spinnmaschinen besaßen ungefähr 30—40 Spulen und wurden m i t einem H a n d r a d betrieben 64 ). Ihre Leistungsfähigkeit

konnte

große Erwartungen zunächst noch nicht erfüllen. „Das Handbuch von J. G. Scheibler über die Tuchfabrikation (Breslau 1806) erklärt die damaligen Spinnmaschinen zwar für sehr sinnreich, doch der Handspinnerei noch nachstehend und die Krempelmaschinen für ziemlich unbrauchbar"«5).

Sehr deutlich bringt Fr. von Coelln i m gleichen Jahr seine K r i t i k zum Ausdruck und w i r f t dem Staat vor, sich i m Gegensatz zu Großbritannien nicht genügend für eine planmäßige Förderung der Mechanisierung einzusetzen: „In Deutschland überhaupt gedeihen die Windbeutel, Projektemacher und reisende Avantüriers; denn wenn ein soldier armer Schlucker durch erdichtete Zeugniße nachweiset, daß er in England oder Frankreich diese oder jene Maschine gebaut, dies oder jenes Fabrikat verfertigt habe, so ist er willkommen, erhält Vorschüsse, und wenn er sie aufgezehrt hat, läuft er davon"66). Es wundert den A u t o r daher auch nicht, wenn die i n Deutschland montierten oder hergestellten Maschinen nur schlecht funktionieren und minderwertige Waren erzeugen: „Daher bringen wir denn auch gegen die Engländer nur Pfuscherprodukte zur Messe. Bleiben wir nur bei den Spinnmaschinen stehen, so sieht man aus der Erfahrung, daß solche bei uns67) wie im Preußischen nie die Qualität der englischen erreichen können, weil sie zu schlecht gebaut werden; hat auch der Tischler seine Schuldigkeit gethan, so macht der Schlösser oder Gürtler ein Versehen, so daß das Ganze bald in Stocken geräth; die Profeßionisten legen sich nicht auf das Studium der Verhältnisse, sie haben keinen Begriff von Mechanik, da ist bald eine Schraube zu klein oder zu groß und wenn die Zusammensetzung einer Maschine sehr komplizirt ist, so kann man darauf wetten, daß sie nicht gerathen wird. Zu wenig that hier der Staat in der Erziehung der Handwerker durch Handwerksschulen"68). Trotzdem spricht sich der A u t o r für die kleinen Spinnmaschinen m i t 30—40 Spulen aus, da sie die einzelnen Tuchmacher „außer Dependenz v o m betrügerischen Spinner setzen* 6 9 ). 64) Vgl. Ludwig Jacobi, Das Wollengewerbe von Grünberg in Vergangenheit und Gegenwart, geschichtlich-statistisch dargestellt, nebst Bemerkungen über die Tuchmanufaktur von Niederschlesien überhaupt, in: Schlesische Provinzialbätter, N. F. Bd. 6, 1867, S. 269 f. 65) Jacobi, a. a. O., S. 270. 66) v. Coelln, a. a. O., Bd. 1, S. 360. 67) y. Coelln gibt sich als Österreicher aus und veröffentlichte seine Reisebeschreibung anonym unter dem Titel „Schlesien wie es ist. Von einem Oesterreicher." 68) v. Coelln, a. a. O., Bd. 1, S. 358. 69) v. Coelln, a. a. O., Bd. 1, S. 384.

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Nicht nur die Maschinen, sondern auch die Tuchqualitäten konnten durch den Rückstand i n der Mechanisierung nicht m i t der englischen Ware konkurrieren, und ein Lausitzer Tuchmacher k a m zu dem Urteil, noch 1813 seien die meisten preußischen Tücher viel schlechter als die englischen gewesen; er beschreibt sie wie folgt: „Ihr Grundgewebe aus ungleichem Gespinnst, weldies ohne Fleiß vereinigt; daher sind sie stellenweise bald stark, bald dünn, ihre Decke bald dicht, bald licht. Sie sind selten kernig, markig und lederhaft, gewöhnlich voller Noppen (Knoten) und rauh anzufühlen. Am Material liegt das nicht, denn die preußische und sächsische Wolle ist sehr gut. Aber uns fehlen die Maschinen der rheinischen, französischen und englischen Manufakturen" 70). Die Vorteile der Mechanisierung wurden auch i n Grünberg immer stärker erkannt, und die Maschinenzahl stieg u m das Sechsfache i n der Zeit von 1805 bis 1808 7 1 ). Dadurch erzielte die Tuchmanufaktur nicht nur eine bessere Qualität, sondern auch eine Senkung der Herstellungskosten und eine Steigerung der Stückzahlen. Eine Folge dieser Maßnahme war 1810 jedoch eine Überproduktion, die nicht abgesetzt werden konnte und die daher ein Absinken der Tuchpreise m i t sich brachte 72 ). Wie groß der Vorsprung der Engländer aber trotz aller Bemühungen der schlesischen Tuchmacher blieb, zeigt sich daran, daß der erste größere M a schinenbetrieb i n Grünberg v o n einem Engländer, W i l l i a m O'Brien, gegründet wurde. Er richtete dort i m Jahre 1816 eine „neuartige Wollspinnerei . . . aus 4 Assortiments" ein, m i t je einer Kratz-, einer Streich-, einer Vorspinnund vier Feinspinnmaschinen. Auch diese Arbeitsmaschinen wurden noch durch Roß werk i n Bewegung gesetzt 78 ). Die erste Dampfmaschine wurde i n der Grünberger Tuchmanufaktur erst 1820 eingesetzt und zwar durch den Fabrikanten Schädel, der allerdings bereits zwei Jahre später i n Konkurs geriet 7 4 ). Sein Betrieb wurde von der belgischen Firma Charles James & John Cockerill, gegen die Schädel Verbindlichkeiten über 10 000 Taler hatte, 70) Zitiert nach G. Quandt, a. a. O., S. 28. 71) Vgl. Tabelle 3. 72) Vgl. Schmidt, a. a. O., S. 1030. 73) Vgl. Schmidt, a. a. O., S. 714. — Rudolf Engeisings Behauptung, die Einführung der Spinnmaschinen durch Alberti in Waldenburg und O'Brien in Grünberg habe keine Nachahmung gefunden, ist in dieser Formulierung nicht haltbar. Es trifft allerdings zu, daß diese Neuerung nur zögernd aufgegriffen wurde und besonders von den Tuchmachermeistern — sicherlich auch aus Kapitalmangel — zunächst nicht übernommen wurde. (Vgl. R. Engelsing, Schlesische Leinenindustrie und hanseatischer Oberseehandel im 19. Jahrhundert, in: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, IV, 1959, S. 224.) Vgl. Jacobi, a. a. O., S. 271; Hildebrand, a. a. O., S. 140.

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Das schlesische Tugewerbe übernommen und zunächst unter der Beteiligung der Firmen Förster und Mannigel fortgeführt. Nach Schmidt wurde dieser Betrieb für die Hebung der Grünberger Fabrikation ein großer Gewinn und habe als Lohnspinnerei das zeitgemäß Beste geleistet, was v o n der Mehrzahl der Grünberger Interessenten allerdings nicht anerkannt worden sei 7 5 ). 1832 wurde die erste Dampfmaschine durch eine größere v o n 25 PS ersetzt. D i e Abneigung der Grünberger Tuchmacher gegen diese durch Maschinenkraft betriebene Spinnerei war jedoch beträchtlich; sie ging sogar so weit, daß die Grünberger angeblich nicht löschen halfen, als die Fabrik i m Jahre 1833 durch Feuer vernichtet wurde 7 6 ). Dennoch w a r die Entwicklung nicht aufzuhalten, und 1835 schlossen sich dann 15 Grünberger Tuchmacher zur Gründung einer eigenen Maschinenspinnerei zusammen 77 ). Dieser Vorgang brachte eine bedeutsame Änderung der sozialen Lage m i t sich. Bis zur Einführung der Mechanisierung waren die schlesischen Tuchmacher selbständige Handwerker gewesen, die zwar i n Innungen zusammengeschlossen und dadurch auch gewissen Beschränkungen unterworfen waren, die jedoch auf eigene Rechnung arbeiteten 7 8 ). Diese rein handwerkliche Struktur des schlesischen Tuchgewerbes erstaunte den Kenner der angelsächsischen Produktionsweise Quincy Adams, u n d bei seinem Besuch Grünbergs bemerkte er bewundernd: „Kein großer Kapitalist steht hier an der Spitze einer ausgebreiteten Manufaktur, und unterhält für ein Lohn, das kaum hinreicht, Seele und Leib zusammenzuhalten, eine große Anzahl von Arbeitern, deren Fleiß bloß dazu beiträgt sein beträchtliches Vermögen zu häufen. Hier findet man sechs bis siebenhundert Weberstühle, die eben so vielen Familien ein erträgliches Auskommen verschaffen" 79). Er stimmt A d a m Smith zu, daß Arbeitsteilung die Quantität der Produktion vergrößere, doch bezweifelt er, daß dann noch die gleiche A n z a h l von Menschen Arbeit finden werde. Der E i n eine geriete dadurch i n Gefahr, seine Arbeit und seine Selbständigkeit zu verlieren: „Der einzelne Handwerker ist demnach ganz von dem reichen Capitalisten abhängig, und wird sein Sclave . . . Wohingegen alle zur Produktion eines Manufaktur Artikels gehörigen Arbeiten durch einen einzigen, oder durch eine kleine Anzahl von Menschen verrichtet werden können, da gelangt jeder Vgl. Schmidt, a. a. O., S. 1041. Zu Cockerill vgl. auch G. Quandt, a. a. O., S. 172. 76) Vgl. Jacobi, a. a. O., S. 272; Hildebrand, a. a. O., S. 140 f. 77 ) Vgl. Jacobi, a. a. O., S. 272; Schmidt, a. a. O., S. 747. 78) Für die Entwicklung der schlesischen Tuchmacherinnungen vgl. v. Schroetter, a. a. O., S. 147 ff. und S. 203 ff. 79) Qu. Adams, a. a. O., S. 16.

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einzelne Gewerbsmann zu größerer Wichtigkeit und Selbständigkeit, er ist unabhängiger von dem, der ihm Arbeit giebt, und seines Unterhalts gewisser. Ferner wird der Ertrag, den die Fertigung der Manufakturwaaren giebt, in kleinere Portionen, und unter eine größere Anzahl vertheilt; das Geld häuft sich weniger, und kommt mehr in Umlauf" 80 ). Fr. von Coelln hingegen kommt i n seiner Reisebeschreibung zunächst zu einem anderen Schluß und spricht sich stärker für die moderne Fabrikationsweise als für das traditionelle Tuchgewerbe aus. Z w a r sei ein jeder Meister Familienvater und müsse dem Staate daher nützlicher werden „als der Lohnarbeiter i n der Fabrik, der keinen gewissen Aufenthalt hat, nicht Staatsbürger, u n d heute hier, morgen da ist", und außerdem würde er „solider fabriziren", da er bis zum Verkauf des fertigen Tuches Eigentümer seines Produktes bliebe 8 1 ). Doch der A u t o r hält diesem U r t e i l entgegen: „es kommt aber alles auf einen sichern Absatz des Produkts an; den bestimmt jetzt die Wohlfeilheit und der äußere Glanz, die Appretur! Beide Bedingungen aber erreichen Fabriken besser, wie einzelne Werkmeister, mithin sind jene diesen vorzuziehn. Jene können die Wolle in großen Quantitäten einkaufen, daher besser sortiren, und den Zeitpunkt der Wohlfeilheit abwarten, sie kaufen auch schon deshalb wohlfeiler, da sie große Quantitäten einkaufen. . . . Das Gespinnst betreibt er [der Fabrikinhaber] auf großen Maschinen, die ihm ein gleichartigeres und wohlfeileres Garn liefern, als so verschiedenartige Spinner, von denen der Tuchmacher abhängt, die ihn betrügen, und oft zur Unzeit warten lassen. Der Fabrikherr hat alle Appreturanstalten, Walken und Färbereien beisammen, und kann darüber disponiren, statt daß der einzelne Werkmeister bald auf den Bereiter, bald auf den Walker bald auf den Färber warten muß. Hat endlich dieser sein Stück fertig, so eilt er damit zum Verkauf, die Preise mögen seyn wie sie wollen, um wieder Geld in die "Hände zu bekommen, und der Fabrikherr kann bessere Conjunkturen abwarten. Wollen wir unsere Tuchfabrikation nicht lahm liegen lassen, so müssen wir besonders jetzt auf die größtmögliche Wohlfeilheit des Produkts sehen, da die Engländer mit uns rivalisiren, und unsern Tuchhandel nach Rußland gar zu gern vernichten möchten"82). Wenige Wochen später modifiziert v o n Coelln allerdings dieses eindeutige Eintreten für die fabrikmäßige Herstellung der Tücher. Der Anlaß dafür war sein Besuch Grünbergs; die Organisation des dortigen Tuchgewerbes erschien i h m vorbildlich: „Ehe ich Grünberg besuchte, war ich ganz von der durch A d a m S m i t h unwiderlegbar dargethanen Wahrheit überzeugt, daß nur durch große Fabri80) Qu. Adams, a. a. O., S. 17 f. 81) v. Coelln, a. a. O., Bd. 1, S. 378 f. 82) v. Coelln, a. a. O., Bd. 1, S. 379 f.

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Das schlesische Tugewerbe ken, besonders jetzt, wo die Engländer dadurch die größte Wohlfeilheit des Fabrikats erzwingen, die Fabrikation zur Vollkommenheit gedeihen könne. In Grünberg habe ich mich aber überzeugt, daß es noch einen Mittelweg giebt, der eben so gut zum Ziele führt, und die Vortheile großer Fabriken mit denen verbindet, welche einzelne Werkmeister gewähren"83). Die Fabrikanten könnten zwar billiger produzieren als der einzelne H a n d werker, und ihre Absatzchancen seien dadurch besser. I n Grünberg habe man es aber verstanden, die ganze Stadt zu einer Fabrik zu machen, ohne daß die Tuchmacher ihre Selbständigkeit verlören: „Denn die hier vorhandenen großen Tuchkaufleute haben ein jeder eine gewisse Anzahl von einzelnen Tuchmachern an der Hand, welche für sie arbeiten, und die doch ihre eigne Herren bleiben, und für ihr Interesse streiten" 84). Der A u t o r scheint hier eine klare Abgrenzung zwischen den Tuchkaufleuten und den Tuchmachern vorzunehmen; i n Wirklichkeit waren die Ubergänge jedoch fließend, u n d gerade nicht die Trennung der beiden Funktionen H e r stellung und Handel, sondern ihre enge Verbindung war typisch für das schlesische Tuchgewerbe. Denn die Kaufleute oder, wie sie i n den Darstellungen der damaligen Zeit meist genannt wurden, Negozianten, waren zugleich selber Tuchmacher: „Unter diesen Tuchmachern haben sich nun nach und nach in Grünberg und Goldberg die geschicktesten und vermögendsten zu Negozianten emporgeschwungen, welche, ohne den Rang und die Rechte der Kaufleute zu haben, so wohl selbst Tücher fabriziren, als auch solche von ihren Mitmeistern einkaufen, appretiren lassen, und damit einen großen Handel treiben" 85). Bei seiner Beschreibung der Grünberger Verhältnisse geht von Coelln näher auf die Lebensweise und die soziale Stellung der Negozianten ein: „Sie sind zwar wohl nicht ganz so kultivirt, wie sie ihrem Vermögen nach es wohl seyn könnten, aber deshalb auch noch einfach in ihren Sitten und ein guter Schlag Menschen! Einer der ersten unter ihnen, Namens F ö r s t e r , der die wichtigsten Geschäfte treibt, hat unter andern einige geschmackvolle Häuser, hält sich Equipage und Reitspferde, giebt Gesellschaften, bei denen der benachbarte Adel und das Militär erscheint; ist bei aller seiner Gradheit nicht bloß von seinem Fach, sondern auch von andern nützlichen Dingen unterrichtet, und demohngeachtet findest Du ihn zur Zeit der Arbeit mit seinen Leuten an einem Tisch in der sogenannten Werkstube beisammen. Frau und Kinder sind gar nicht modern, sondern bürgerlich, reinlich und nett, nach der Väter Weise gekleidet. . . . Geht der Graf v. Hoym durch Grünberg, so bittet er oft einen dieser Negozianten zum Essen, um sie zu ehren, woran er sehr wohl thut" 86 ). 83) v. Coelln, a. a. O., Bd. 3, S. 171. 84) v. Coelln, a. a. O., Bd. 3, S. 173. 85) v. Coelln, a. a. O., Bd. 1, S. 378.

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Das Verhältnis zwischen den Negozianten und den kleinen Tuchmachern sieht v o n Coelln als v ö l l i g problemlos. Die Tuchkaufleute gäben Geldvorschüsse, wenn der Handel stocke, sie beschafften die Wolle und Färbemittel sowohl wie Maschinen und unterhielten eigene Appreturanstalten. Trotzdem sei der einzelne Tuchmacher nicht abhängig v o m Händler, und wenn er sein fertiges Tuch brächte, würde darum gehandelt, als stünden Tuchmacher und Negoziant überhaupt i n keinem näheren Verhältnis. Sollte der Händler etwa versuchen, den Preis zu drücken, so könne der Tuchmacher sein Erzeugnis bei einem anderen Kaufmann besser zu verkaufen suchen. „Intellektuelle Ausbildung und politische Freiheit" würden auf diese Weise ebenso bewirkt wie „Wohlfeilheit des Fabrikats" 8 7 ). Das aber war die Lage zu Beginn des Jahrhunderts, als i n Schlesien erst gerade damit begonnen worden war, Arbeitsmaschinen einzuführen, die außerdem noch nicht zufriedenstellend funktionierten. M i t einer Verbesserung der Maschinen und m i t ihrem verstärkten Einsatz mußte aus der Idylle, wie von Coelln und Adams sie beschrieben, eine unwirtschaftliche Rückständigkeit werden. Wenn durch den erhöhten Gebrauch von Spinnmaschinen auch noch nicht die eigentliche Weberarbeit i n Gefahr geriet, so verloren die Tuchweber dadurch dennoch an Bedeutung, es sei denn, sie hätten — wie das bei dem bereits erwähnten J. S. Förster der Fall war — so viel K a p i t a l besessen, sich selbst eine Spinnmaschine zuzulegen. Denn der schlesisdie Tuchweber befaßte sich nicht nur m i t der eigentlichen Weberei, sondern betrieb auch die Spinnerei i n eigener Regie: er sortierte, schlug und reinigte die Wolle und gab sie dann einem Lohnspinner, wenn nicht seine Familienangehörigen das Spinnen selbst besorgten 88 ). Dieser Arbeitsprozeß wurde nun seit dem Bestehen der Maschinenspinnereien i n zunehmendem Maße dem Tuchmacher aus der H a n d genommen, die Qualitätskontrolle wurde für ihn dadurch erschwert, und er wurde v o m Tuchmacher zum Weber. M i t dieser Entwicklung ging einher, daß viele ihre Selbständigkeit verloren, das auszeichnende Merkmal, das Adams und von Coelln so hervorgehoben hatten. Dieser Strukturwandel mußte um so einschneidender i n einer Zeit sein, in der, wie nach 1816, die K o n j u n k t u r zurückging. D i e Absatzschwierigkeiten, besonders zu Beginn der zwanziger Jahre, hatten, wie schon erwähnt wurde, viele Tuchmacher zur Auswanderung aus Grünberg gezwungen. Die Wett86) v. Coelln, a. a. O., Bd. 3, S. 140 ff. 87) v. Coelln, a. a. O., Bd. 3, S. 173. 88) Vgl. Frahne, a. a. O., S. 183 f.

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Das schlesische Tudogewerbe bewerbsfähigkeit der dort verbliebenen Meister wurde durch die bestehenden Maschinenspinnereien erschwert, v o n denen sich 1827 i n Grünberg drei befanden: eine wurde durch Dampfkraft, die anderen beiden durch Wasserund Pferdekraft betrieben 89 ). I m gleichen Jahr, 1827, waren nur noch 375 von insgesamt 446 Grünberger Tuchmachern selbständig, also 84,3 °/o; 1833 war dann die Z a h l der Selbständigen auf 68,9 % gesunken, nur noch 140 von insgesamt 203 Tuchmachern arbeiteten auf eigene Rechnung 90 ). Trotzdem bestand neben der sich i n Grünberg herausbildenden Tuchindustrie das Tuchgewerbe noch fort. Der Zusammenschluß der einzelnen Tuchmacher zu Gewerken sicherte ihnen die weitere Existenz, u n d L u d w i g Jacobi konnte 1867 berichten: „Wirklich beschäftigte Tuchmachermeister sind gegenwärtig 98 vorhanden, welche mit Hilfe von c. 130 Gesellen und 50—60 Lehrlingen auf 231 Webstühlen jährlich ungefähr 15 000 Tuche fertigen. Daneben bestehen 5 Tuchfabriken, welche durch 8 Dampfmaschinen von 185 Pferdekraft betrieben werden und zusammen mit 2 kleineren Appretur-Anstalten 667 Arbeiter beschäftigen" 91). Nicht überall i n Schlesien sah es so günstig aus. Während auch i m Zeitalter der Industrialisierung die Tuchfabrikation i n Grünberg erhalten blieb, starb sie i n anderen Orten v ö l l i g oder bis auf verschwindend geringe Reste aus 9 2 ). Als Zentren der schlesisdien Wollindustrie erlebten das 20. Jahrhundert außer Grünberg noch Beuthen an der Oder, Haynau, Hultschin, Jauer, L ö wenberg, Lüben, Münsterberg, Neustädtel, Oels, P o l k w i t z , Steinau, Strehlen, Sohrau und Trachenberg, die an die Bedeutung der Stadt Grünberg jedoch nicht heranreichten 93 ). 89) Vgl. Knie und Melcher, a. a. O., S. 539. 80) Vgl. Knie und Melcher, a. a. O., S. 538 und Schmidt, a. a. O., S. 1033. »l) Jacobi, a. a. O., S. 274. »2) Vgl. Frahne, a. a. O., S. 201. ®3) Vgl. Frahne, a.a.O., S. 201.

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Gerhard Webersinn DIE SCHLESISCHE

ZUCKERINDUSTRIE

Schlesien w a r n i c h t n u r H e i m a t u n d W i r k u n g s s t ä t t e b e d e u t e n d e r

Dichter,

M u s i k e r u n d P h i l o s o p h e n , s o n d e r n auch d i e W i e g e d e r R ü b e n z u c k e r f a b r i k a t i o n 1 ) , d e r f a b r i k m ä ß i g e n A u s w e r t u n g j e n e r E r f i n d u n g eines M a r g g r a f A c h a r d f ü r d i e G e w i n n u n g v o n Z u c k e r aus R ü b e n 2 ) .

und

Zuckerrübenkampagne

i n Schlesien! E i n unvergeßliches E r l e b e n , w e n n d i e L u f t v o l l w a r des süßl i c h e n Geruchs, d e r v o n d e m Sieden des süßen R ü b e n s a f t e s w e i t

in

die

U m g e b u n g d e r F a b r i k e n h i n e i n w e h t e . Schlesien deckte n ä m l i c h das Z u c k e r r ü b e n p o t e n t i a l n i c h t n u r f ü r d e n eigenen B e d a r f , s o n d e r n f ü r 15 M i l l i o n e n Menschen. W i e es d a z u k a m , w i e Schlesien d i e W i e g e d e r Z u c k e r r ü b e n f a b r i k a t i o n w u r d e u n d aus dieser sich jene s t a r k e schlesische Z u c k e r i n d u s t r i e e n t w i c k e l t e , das a u f z u z e i g e n sei h i e r d e r V e r s u c h u n t e r n o m m e n . Marggrafs Idee u n d Entdeckung Es w a r i m J a h r e 1747, als A n d r e a s S i g i s m u n d M a r g g r a f , seit 1 7 3 7 M i t g l i e d d e r K ö n i g l i c h Preußischen A k a d e m i e d e r Wissenschaften, später der

physikalisch-chemischen

Klasse

der

Akademie,

Verfasser

Direktor

zahlreicher

1) Eine zusammenfassende Darstellung der schlesischen Zuckerindustrie nach 1945 ist bisher nicht erfolgt. Einen „kurzen Abriß der Geschichte der schlesischen Zuckerindustrie " brachte H . Steffens, Direktor der Zuckerfabrik Glogau, in: Industrie und Ingenieurwerke in Mittelund Niederschlesien. Festschrift zur 52. Hauptversammlung des Vereins Deutscher Ingenieure in Breslau 1911. Breslau 1911. S. 255—263. Zur Illustration der Ausführungen wurden beigefügt: 1. Ein Bild der ersten Rübenzuckerfabrik, 1802 eingerichtet von Achard in Kunern, Kr. Wohlau, 2. eine graphische Zeichnung zur Erzeugung von Rohrzucker und von Rübenzucker, 3. desgl. zum Zuckerverbrauch Deutschlands pro Kopf, 4. eine schematische Zeichnung der Schiffs-Rübenauslade-Vorrichtung in der Zuckerfabrik Glogau. Steffens widmet sich als Ingenieur vorwiegend technischen Fragen —; ferner in: Schlesische Landeskunde. Hrsg. v. Frech, Fritz und Kampers, Franz. Leipzig 1913, Bd.: Naturwissenschaftliche Abteilung, behandelt von Prof. Fritz Ehrlich — Breslau S. 291 ff: Die landwirtschaftliche Technologie in Schlesien. Abschn. 1: Die Rübenzuckerindustrie S. 293—302. S. 293, Abb. 38: Franz Achard, Tafel X X X V I (zwischen S. 293 u. 294) S. 1: Abb. 1: Achard überreicht dem König Friedrich Wilhelm III. den ersten aus Rüben hergestellten Zuckerhut. Abb. 2 a: Die erste Rübenzuckerfabrik der Welt (Kunern, Kr. Wohlau). Abb. 2 b: Moderne schlesische Rübenzuckerfabrik. Tafel X X X V I I (Rückseite): bildliche Darstellung des ursprünglichen Verfahrens der Rübenzuckerfabrikation nach Achard: 1. Auspressen des Rübensaftes, 2. Reinigung des Rübensaftes, 3. Eindampfen des geklärten Rübensaftes und Kristallisation des Zuckersyrups. 2) Blumberg, Georg: Schlesien, das Ursprungsland der Zuckerrübe. In: Schlesischer Heimatkalender 1969, von Karl Hansdorff, Stuttgart.

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Die sclesische Zuckerindustrie wissenschaftlicher Arbeiten, die i h m einen guten R u f i n der Chemie verschafft hatten, i n ihr die Arbeit vorlas, die seine bekannteste, sicher auch seine bedeutendste wurde, weil sie unmittelbar und gewaltig i n das W i r t schaftsleben eingegriffen hat, seinen Bericht über „Chemische Versuche zur Gewinnung des Zuckers". Sie ist i n den Memoires de Paccademie des Sciences et belies lettres 1747, S. 79—90, veröffentlicht worden. Maggraf erwähnt i n dieser Arbeit drei A r t e n von Pflanzen als zur Gewinnung von Zucker geeignet: die weiße Mangoldrübe, die Zuckerwurzel und den roten Mangold, auch Runkelrübe oder Rübenmangold genannt. Keine dieser drei Rübenarten freilich hatte jenen hohen Zuckergehalt, wie die v o m MarggrafSchüler Franz K a r l Achard gefundene richtige Zuckerrübe, die weiße Runkelrübe. Die Tatsache aber, daß es i n Pflanzen, die auf deutschem Boden gedeihen, nicht nur eine dem Rohrzucker ähnliche Süßigkeit gab, sondern den gleichen Zucker selbst, das ist und bleibt Marggrafs unbestreitbares Verdienst. Bescheiden hat er geschildert, wie seine Entdeckung zustande kam: „Gelegentlich kam ich auf den Gedanken, auch die Teile verschiedener Pflanzen, welche einen süßen Geschmack besitzen, zu erforschen und nach mannigfachen Versuchen, welche ich angestellt habe, fand ich, daß einige dieser Pflanzen nicht nur einen dem Zucker ähnlichen Stoff, sondern in der Tat wirklichen Zucker enthalten, der dem bekannten aus Zuckerrohr gewonnenen genau gleicht3)." Marggraf war sich dessen v o l l bewußt, daß das wichtigste seiner Entdeckung sei, die gesamte Bevölkerung statt des teuren Rohrzuckers m i t Zucker aus Rüben versorgt zu wissen. Achards Auswertung Stieda hat i n seiner Abhandlung über Achard und die Frühzeit der deutschen Zuckerindustrie zu Recht darauf hingewiesen, daß bei jeder Entdeckung nicht nur das Wissen um sie genügt; es muß vielmehr auch die Fähigkeit oder — so sagt er — der W i l l e dazu kommen, das was man erdacht hat, i n die Wirklichkeit umzusetzen; die Fähigkeit und der W i l l e müssen gepaart vorhanden sein, so müßte es noch richtiger heißen, u m der Idee wirkliches, 3) Stieda, Wilhelm: Franz Karl Achard und die Frühzeit der deutschen Zuckerindustrie. X X X I X . Bd. der Abhandlungen der Philosophisch- Historischen Klasse der Sächsischen Akademie der Wissenschaften Nr. I I I . Leipzig 1928, S. 2; Die beiden Grundschriften der Rübenzuckerfabrikation. Hrsg. v. Edmund O. v. Lipmann, Leipzig 1907: A. S. Marggraf: Chemische Versuche, einen wahren Zucker aus verschiedenen Pflanzen, die in unseren Ländern wachsen, zu ziehen. F. C. Achard: Anleitung zum Anbau der zur Zuckerfabrikation anwendbaren Runkelrüben und zur vorteilhaften Gewinnung des Zuckers aus denselben.

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Gerhard Webersinn dem praktischen Leben dienendes Dasein zu vermitteln. Diese K r a f t , eine neue landwirtschaftliche K u l t u r und eine neue Industrie zu begründen, fehlte dem hervorragenden Forscher Marggraf, an dessen wissenschaftliche Größe sein Schüler Achard trotz der vielen Publikationen nicht herankam. Marggraf konnte diese Aufgabe, seine Idee i n die Praxis umzusetzen, getrost seinem Schüler Achard überlassen. Dieser w a r es, der die Nutzanwendung aus Marggrafs Entdeckung zog, der über die Anfangs versuche hinaus auf schlesischem Boden die erste wirklich als Fabrik ansprechbare Rübenzuckerproduktionsstätte aufbaute 4 ). Nahezu 55 Jahre sind seit der Entdeckung Marggrafs v o m Vorhandensein von Zucker i n Pflanzen unserer Gegend vergangen, ehe der G r u n d zur Zuckerindustrie gelegt wurde und die erste Fabrik, die die Herstellung des Zuckers i m Großen i n die Wege leitete, m i t der Fabrikation beginnen konnte. Z w a r ist schon v o r 1802 Zucker aus Rüben erzeugt worden. Die Versuche von Lampadius 6 ), Goettling 6 ), Rössig 7 ) und Dedekind 8 ) blieben im wesentlichen i m Stadium der Laboratoriumsversuche stecken, und auch Achards Experimente i m Laboratorium der Akademie der Wissenschaften von 1800 u n d l 8 0 1 sind, wenn auch schon i n größerem Rahmen, nur Versuche auf dem Weg zur fabrikmäßigen Herstellung. Diese erfolgte erstmals i n Kunern, K r . Steinau, so daß Schlesien und das Jahr 1802 als Geburtsort und Geburtsjahr der Rübenzuckerindustrie angesehen werden können 9 ). Nach 1923 bedauerte E. O. v. Lippmann, einer der bedeutendsten Historiker der Zuckerindustrie, daß es immer noch an einer Lebensbeschreibung Achards fehle und schlug der Akademie i n Berlin und dem Verein der Deutschen Zuckerindustrie vor, diese Ehrenpflicht i n absehbarer Zeit gemeinsam zu 4) Stieda, S. 2/3. 5) Stieda, S. 75: Lampadius Wilhelm August, Apotheker, hauptsächlich Hüttenkunde und Mineralchemie.

Prof.

in

Freiberg/Sachsen,

6) Stieda, S. 75, S. 41 jGoettling 1755—1809, Prof. in Jena. 7) Rössig, C. G. (Stieda S. 75) 1780—1849, zwei Schriften über Zuckersurrogate, Leipzig 1799, und über die Runkel oder Zuckerrübe, Leipzig 1800. 8) Dedekind, 1742—1799, 1777 in Helmstedt, Dr. med., Stadtarzt in Königslutter und seit 1789 in Holzminden. Vgl. hierzu Stieda, S. 70—75: Die Prioritätsansprüche des Dr. med. Dedekind. Abschlägiger königlicher Bescheid vom 3. 4. 1799, Stieda, S. 74. 0) So auch Prof. Dr. Heinrich, Direktor des Instituts für Pflanzenzüchtung der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin in Klein Wanzleben und Direktor des Instituts für Pflanzenzüchtung der Universität Leipzig in seinem Festvortrag am 3. Juli 1952 im Bach-Saal des Zoo-Hauptgebäudes in Leipzig in der „Feierstunde aus Anlaß des 150jährigen Jubiläums der Züchtung der Zuckerrüben als neue Kulturpflanze und der Gründung der Rübenzuckerindustrie". Zeitschrift für die Zuckerindustrie. — (Im folgenden ZZ.) Nr. 8/1952, S. 293/94.

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Die sclesische Zuckerindustrie erfüllen 1 0 ). Wenn es auch dazu bis jetzt leider nicht gekommen ist, haben sich doch Historiker der Zuckerindustrie gerade i n diesem Jahrhundert eifrig u m die Darstellung der Person Franz K a r l Achards bemüht 1 1 ), so daß jedenfalls das Wesentliche zu seiner Person und zu seinem Werdegang nunmehr feststehen dürfte. Aus der Feder des Historikers der Zuckerindustrie D r . K . Ulrich brachte anläßlich des 200. Geburtstages Achards die „Zeitschrift für Zuckerindustrie" i n ihrer Ausgabe v o m A p r i l 1953 eine Würdigung des Begründers der Rübenzuckerindustrie, i n der er eine Reihe neuer Ergebnisse seiner AchardForschung mitgeteilt hat. Danach dürfte der Streit erledigt sein, welcher der i n Berlin M i t t e des 18. Jahrhunderts lebenden Träger des Namens Achard der Vater jenes Mannes ist, den der Verein der Deutschen Zuckerindustrie „Vater des Zuckerrübenbaues" u n d „Begründer der Rübenzuckerindustrie" nennt. V o m Vorsitzenden des Gemeinde-Kirchenrates der Friedrich-Werderschen Gemeinde i n Berlin erhielt Ulrich nämlich die Mitteilung, daß die Taufregister leider restlos vernichtet seien, daß ein Registerband aber noch vorhanden sei, der folgende Eintragung enthält: „Charles, Francois Achard geb.: 28. 4.1753 get.: 15. 5.1753 in der Werder'sdien Kirche. Vater: Guillaume Achard, gebürtig aus Genf. Mutter: Marguerite, Elisabeth, Henriette, geb. Rouppert, gebürtig aus Berlin." „Somit ist endgültig bewiesen, daß W i l h e l m Achard der Vater des großen, hochverdienten Forschers w a r . " So K . Ulrich zum 200. Geburtstag Achards. Wilhelm, Neffe des Pfarrers der französischen reformierten Gemeinde Antoine Achard wurde 1744, i m gleichen Jahr, i n dem er seinen Neffen aus 10) Lippmann, Edmund Oskar von: Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften und Technik. 1923 S. 273/74. Zur Person Lippmanns: österr. Chemiker, geb. in Wien 9. 1. 1857, gest. in Halle 24. 9. 1940. Industriechemiker und Prof. in Halle. Autorität auf dem Gebiet der Zuckerchemie und bedeutender Wissenschaftshistoriker (Zuckerindustrie). Hauptwerke: Der Zucker, 1878; Die Zuckerarten und ihre Derivate, 1882; Die Chemie der Zuckerarten, 1890; Geschichte des Zuckers, 1890; vgl. auch Festschrift zu Ehren von Lippmann, 1927 mit Bibliographie; zur Person Achards auch: Gröba, Kurt: Franz Karl Achard, in: Schlesische Lebensbilder Bd. IV Breslau 1931, S. 200—218. 11) Scheibler, C.: Aktenstücke zur Geschichte der Rübenzuckerindustrie in Deutschland; Stieda,a. a. O., vgl. Anm. 3; Speter, Max: Das Buch der großen Chemiker. Berlin 1929, S. 238; Bartens, Albert: 150 Jahre Rübenzuckerindustrie. Franz Karl Achard und die Anfänge der Rübenzuckerindustrie in Kunern. ZZ 1952 Nr. 1, S. 7 ff; Ulrich, K.: Franz Karl Achard 28. 4. 1753—28. 4. 1953 ZZ 1953 Nr. 4, S. 145 ff (zur Person des am 12. Februar 1876 in Laubnitz N L geborenen Historikers der Zuckerindustrie Karl Ulrich: Forscher in allen deutschen Landesarchiven nach verschollenen Dokumenten und Zeugnissen über die Zuckererzeugung, s.: Dr. Karl Ulrich 80 Jahre alt. 50 Jahre Publizist. In: ZZ 1956 Nr. 1, S. 57); Jessen, Hans: Achard und der amerikanische Botschafter. In: Die Deutsche Zuckerindustrie. Berlin 1926, S. 836—837.

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Gerhard Weber sinn Genf als seinen A d j u n k t e n i m Pfarramt nach Berlin rief, in die Klasse der spekulativen Akademie berufen. W i l h e l m war von 1744 bis 1755 i m A m t ; er starb 17 Jahre vor dem Onkel Antoine, zwei Jahre nach der Geburt des Sohnes Franz K a r l . Über Kindheit, Jugend, Schulen und erste Ausbildung von Franz K a r l Achard, dem dritten M i t g l i e d der K g l . Akademie der Wissenschaften dieses Namens konnte bisher nichts Näheres festgestellt werden 1 2 ), zumal die A k t e n des französischen Gymnasiums i n Berlin, das Achard besucht haben dürfte, verbrannt sind 1 3 ). Das Jahr 1773 ist der Zeitpunkt, m i t dem der Nachweis über den beruflichen und wissenschaftlichen Lebensweg Achards einsetzt. I n diesem Jahr trat er in die Gesellschaft der naturforschenden Freunde ein 1 4 ), die unter M i t w i r k u n g des Berliner Arztes und Botanikers Johann Gottlieb Gleditsch gegründet worden w a r 1 5 ) . Damals knüpften sich w o h l auch die engeren Beziehungen zu Marggraf, der einen Mitarbeiter suchte. 1776 schlug die Akademie nämlich Achard für die Stelle eines K o l l a borators bei Marggraf vor, die er i n diesem Jahr noch erhielt, nachdem er kurz zuvor Gelegenheit erhalten hatte, Friedrich I I . eine seiner chemischen und physikalischen Untersuchungen vorzulegen 1 6 ). Als i m Jahre 1777 eine Stelle i n der Akademie durch T o d frei wurde, war Achard einer der beiden für diese Stelle Vorgeschlagenen. Der K ö n i g dachte zwar zunächst an die Berufung eines ausländischen Chemikers, gab aber auf erneute Vorstellung der Akademie schließlich nach. So wurde Achard ordentliches M i t g l i e d derselben und rückte nach dem Tode Marggrafs am 8. August 1782 i n dessen Stelle als Direktor der physikalischen Klasse ein 1 7 ). Über die Dankbarkeit, die Achard wegen der ihm seit 1786 gebotenen Möglichkeit der Mitarbeit in der Akademie bewies, hat Stieda, ebenso auch Ulrich ausführlich berichtet 18 ). Stieda hebt Achards „ungemeine Rührigkeit auf öffentlichem Gebiet" herv o r : „Geradezu ängstlich ist er darauf bedacht, bei seinem E i n t r i t t einen guten Eindruck zu machen." 12) Stieda, a. a. O. S. 6; Ulrich, a. a. O. S. 147. 13) Ulrich, a. a. O. S. 147. 14) Adolf Harnack: Geschichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1900 I S. 392. !5) J. G. Gleditsch, 1714 (Leipzig) — 1786 (Berlin), Prof. der Botanik am Militärärztl. Institut in Berlin. A. D. B. 9. S. 224. 16) Stieda, a. a. O. S. 8. 17) Harnack, a. a. O. S. 383, 467. 18) Stieda, S. 9 unter Bezugnahme auf die in der Anlage 1—33 S. 168—174 veröffentlichten Briefe an Formey, den Sekretär der Akademie und seit 1788 Direktor der philosophischen Klasse, Historiograph der Akademie, A. D. B. 7 S. 156; Ulrich, S. 147.

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Die schlesische Zuckerindustrie Noch nahm die Elektrizität den wesentlichen Teil seiner Arbeiten ein; aber er war vielseitig, er las über Chemie, Experimentalphysik, Elektrizität und wurde dabei i m Ausland immer weiter bekannt 1 9 ). Wissenschaftler, Chemiker, Botaniker, Pharmazeuten, alle hatten Interesse für seine Arbeiten; aber auch Praktiker u n d Handwerker, so Maler, Lakierer, Färber und manche andere Gewerbetreibende zog sein Forschertalent an. Tabakbauer und Tabakfabrikanten gewannen an seinen Versuchen über die A k k l i m a t i o n ausländischer Tabaksorten Interesse; diese Versuche, i m Auftrage Friedrichs I I . i n Lichtenberg bei Berlin auf einer Achard zugeteilten Ackerfläche von fünf Morgen brachten dem Forscher erstmals eine Pension auf Lebenszeit ein: 500 Taler „ f ü r seine Verdienste u m die Verbesserung der inländischen T a b a k k u l t u r " 2 0 ) . Der Pflanzenzüchter Achard trat hier erstmals hervor, der sich dann um die Züchtung einer für die Zuckerfabrikation besonders geeigneten Zuckerrübe, bereits i n Berlin, später i n Schlesien erfolgreich bemüht hat. Ulrich n i m m t „ m i t ziemlicher Bestimmtheit" an, daß Achard m i t Friedrich I I . zu jener Zeit auch über das Problem der Zuckergewinnung aus einheimischen Pflanzen diskutiert und 1784 m i t den Kultivierungsversuchen der Zuckerrübe begonnen h a t 2 1 ) . Jedenfalls hat er i n den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts andauernde Laborversuche für die Zuckergewinnung unternommen und i m Jahre 1798 Versuche bereits i n größerem Ausmaß zur Zuckergewinnung auf seinem Gut i n Kaulsdorf bei Berlin und ebenso i n FranzösischBuchholz abgeschlossen. Aufgrund dieser konnte er K ö n i g Friedrich W i l helm I I I . am 11. Januar 1799 eine „Abhandlung über die Bearbeitung des Zuckers aus der i n vielen Provinzen allerhöchst-Dero Staaten, als Viehfutter häufig angebauten Runkelrübe, nebst den dazugehörigen Belägen und Proben des Runkelrüben-Zuckers" überreichen 22 ). „Dieser historisch bedeutsame 11. Januar 1799 kann somit als Beginn des rationellen Zuckerrübenanbaues und der Rübenzuckergewinnung angesehen 19) Stieda, S. 12. 20) Stadelmann, Rudolf: Preußens Könige in ihrer Tätigkeit für die Landeskultur. 2. Teil, (1882) S. 185/86; vgl. auch Lippmann, E. O. v.; Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte der Naturwissenschaften, Bd. I, S. 275; ders. Geschichte der Rübe (Beta) als Kulturpflanze. Berlin 1925, S. 109. 21) Ulrich, a.a.O. S. 147; Stieda, S. 13: 1786; so auch Scheibler, C.: Aktenstücke... S. 9; Ulrich nimmt zwei Jahre früher an (Niederschrift, nicht erst Drucklegung), zumal Achard in Briefen vom Jahre 1799 geschrieben hat, daß er die Kultivierungsversuche „vor 15 Jahren" begonnen habe. 22) Ulrich, S. 148; Scheibler, S. 34/35; Stieda, S. 174, Anlage 35 und 36. 10

Breslau

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Gerhard Webersinn werden." So Ulrich i n seiner Würdigung Achards anläßlich der Wiederkehr dessen 200. Geburtstages 23 ). Daß Achard die staatliche H i l f e keineswegs leicht zufiel, das beweist der von Stieda seiner Arbeit als Anlage beigefügte Schriftwechsel dieser Jahre, der hier, w o die Geschichte der schlesischen Zuckerindustrie aufgezeigt werden soll, i m einzelnen nicht von so großer Bedeutung ist, der aber zeigt, daß Achard nicht mehr nachließ, den für aussichtsreich erkannten Weg trotz aller Hemmnisse, trotz inzwischen wachgewordener Konkurrenz unbeirrt weiter zu verfolgen. D r e i Kabinettsordres, v o m 15. Januar v o m 19. Januar und v o m 3. Oktober 1799 lassen die Schwierigkeiten der Verhandlungen m i t dem K ö n i g und dem Generaldirektorium wegen Erteilung eines Privilegs und wegen einer Tantieme erkennen. Professor Hermbstaedts Versuche m i t dem „Ahornzucker", Minister Struensees Eingreifen, Prioritätsansprüche des D r . Dedekind und dessen Eingabe an den K ö n i g sowie der Bescheid des Generaldirektoriums — diese Stichworte zeigen, welch kämpferischer Einsatz Achard abverlangt wurde auf dem Weg zur fabrikmäßigen Herstellung des Rübenzuckers. Achards bereits genannte Mitbewerber, der Meinungsstreit von Gegnern und Anhängern seiner Ideen konnten lange Zeit nicht durch die Zustimmung aus landwirtschaftlichen Kreisen für eine fabrikmäßige Auswertung von Achards Ideen aufgewogen werden, auch die Anerkennung, die Achards Pläne i m Auslande fanden, i n Rußland, i n Frankreich und i n A m e r i k a 2 4 ) ; sie reichten nicht hin, um ihm das Streben i n der Heimat zu erleichtern. Diese Zustimmungen und Anerkennungen ideeller N a t u r konnten nicht die wirtschaftlichen Schwierigkeiten beseitigen, denen sich Achard bei seinen Experimenten i n steigendem Maße gegenübersah. Probeversuche hatten wiederholt werden müssen. Achard war hierbei ständig darauf bedacht, neue Verbesserungen zu ersinnen, neue Apparate zu konstruieren oder anzuschaffen, ohne sich u m die Kosten zu kümmern und die ausgegebenen Beträge restlos der staatlichen Kommission, die ihre Bezahlung regeln sollte, zu belegen. Auch der K a u f des Gutes Kunern trug zur Verschlechterung der Finanzlage Achards bei. Die Anfänge der Rübenzuckerfabrikation in Kunern Das kleine, durch Achard bekanntgewordene, abgelegene Dörfchen Kunern, nicht zu verwechseln m i t dem D o r f und Gut Kunern zwischen Strehlen und Münsterberg, liegt i n dem Dreieck Wohlau—Steinau—Winzig rechts der 23) Ulrich, S. 148. 24) Vgl. auch Jessen, Hans a. a. O.

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Die schlesische Zuckerindustrie Oder und der Bahnlinie Wohlau—Steinau. Das D o r f ist u m die Gutsherrschaft herum entstanden. Dieses Gut war, bevor es Achard erwarb, durch mehrere Hände gegangen. I m Jahre 1795 hatte es Sylvius von Salisch an Frau Johanna Elise v o n Leipziger verkauft. V o n dieser erstand es durch Vertrag v o m 16. September 1798 Christoph Leopold von Woyrsch für 90 000 Taler. Er konnte sich aber nicht lange halten; das Gut kam zur Zwangsversteigerung, i n der es 1801 Graf M a x i m von Pückler auf Bielau erwarb, der offenbar als Gläubiger, um seine Forderung zu retten, Meistbietender blieb und seine Rechte aus dem Meistgebot alsbald an Achard abtrat. Achard hatte schon längere Zeit für seine Rübenanbauversuche und für die Errichtung einer Zuckerfabrik, wie er sie entworfen hatte, ein geeignetes Gutsgrundstück gesucht 26 ). I n seinem Gesuch an Friedrich W i l h e l m I I I . , datiert i n Berlin am 27. März 1801, berichtet schließlich Achard, daß der H o f agent Salomon N a t h a n jun. ihn bei seinem „jetzigen Etablissement einer Zuckerfabrik i n Cunern m i t den dazu nötigen Geldern" unterstütze 2 6 ). I n einem weiteren Gesuch v o m 7. J u l i 1801 betont Achard: „Wenn nicht wieder ein ganzes Jahr verloren gehen soll, so ist es die höchste Zeit, jetzt die Arrangements zur Fabrikation auf den kommenden Winter zu machen, da es bei längerer Verzögerung unmöglich wird, damit in der Zeit, wo die Fabrikation angehen muß, fertig zu werden." Bei Erhörung seiner Bitte werde er instand gesetzt, „ohne noch ein ganzes Jahr zu verlieren, welches die Folge einer längeren Verzögerung wäre, nicht nur die eigene bereits angefangene Anlage einer nicht unbedeutenden Zucker Fabrique in Schlesien zu vollenden, sondern auch in dieser Provinz zu ähnlichen Anlagen vermögender Gutsbesitzer, die nur den Ausfall des commissarischen Berichts erwarten, um Zucker Fabriquen noch in diesem Jahr anzulegen, beizutragen, welches ich gewiss nach allen meinen Kräften tun werde" 27 ). Das Gesuch an K ö n i g Friedrich W i l h e l m I I I . v o m 14. Januar 1802 enthält die Mitteilung: „Ich habe mir selbst teils durch Anbau auf meinem Gute Cunern, teils durch Ankauf ein ansehnliches Quantum Rüben verschafft; die Fabriquen Gebäude habe ich nach dem untertänigst beigelegten Plan oder Grundriss bereits im vorigen Sommer erbauen lassen dergestalt, daß sie fertig daselbst stehen, die Utensilien habe ich angeschafft, sodaß meine Fabrique jetzt in dem Stand ist, daß ein solcher mit 9 Stück vorhandener dreyfüssiger kupfernen kesseiförmigen Pfannen die 6 Wintermonate hindurch täglich 100 Centner Rüben verarbeitet 25) Rümpler, A.: Die Rübenzuckerindustrie in Schlesien vor 100 Jahren. Berlin 1901. S. 9; Stieda, S. 112. 26) Stieda, S. 110 Anlage 82. 27) Stieda, S. 210 Anlage 84. 10*

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Gerhard Weersinn oder alljährlich 70 000 Pfund Rohzucker gemacht werden können; sie ist daher zu einer Prüfung wie sie Ew. Königl. Maj. verlangen, ganz fertig, auch die Rüben sind dazu vorrätig, sodaß mit jedem Tag die Arbeit angehen kann." Dieses Schreiben, das weiterhin ausführlich i n allen Einzelheiten die beabsichtigte Technik und ihre Rentabilität darstellt, macht aber die beachtliche Einschränkung, er, Achard, möchte sich „zu der Ablieferung eines weit größeren Quantums Rohzucker in eben dieser Zeit verbinden, wenn ich wüßte, wieviel meine Rüben wegen meiner Abwesenheit und Mangel der auf ihre Conservation verwendeten Sorgfalt durch Verderben gelitten haben". Achard ist sich hier schon eines großen Nachteils bewußt, unter dem seine erste Kampagne i n Kunern zu leiden hatte. Trotzdem ist er von der Richtigkeit des geplanten Unternehmens und der Möglichkeit seiner Umsetzung in viele weitere Unternehmen gleicher A r t überzeugt: „Die schlesischen Gutsbesitzer sind für die Rüben-Zucker-Fabrikation sehr eingenommen; in dieser Provinz würde daher nicht nur aus diesem Grunde, sondern auch, weil es eine bekannte Eigenart des schlesischen Bodens ist, vorzügliche süße Wurzelgewächs hervorzubringen, eine zum aufmunternden Beispiel ermutigende Zucker-Fabrique von größtem Nutzen sein und viele Gutsbesitzer würden mich alsbald nacharbeiten, besonders wenn sie Leute bekommen könnten, die mit der Sache umzugehen verständen; solche anzulernen, würde ich mir zur Pflicht machen"28). H i e r sehen w i r den aus Liebe zur Sache und zum Nutzen des Landes arbeitenden, nicht auf persönlichen Nutzen bedachten Unternehmer. Das Schreiben v o m 17. Februar 1802 enthält den D a n k für die v o m K ö n i g zugesagte Prüfung des Achard'schen Versuchs durch Sachverständige 29 ). A m 21. Februar 1802 überreichte Achard dem Generaldirektorium das gründliche Attest des Magistrats von Steinau 3 0 ) „1. daß die Zucker-Fabrique sich tatsächlich in dem Stand befindet, in welchem ich sie geschildert, 2. daß ein Vorrat von 3 bis 4000 Breslauer Scheffel in Cunern selbst gewonnener und bis jetzt noch gut konservierter Runkelrüben vorhanden ist". Als dritten Punkt führt Achard noch an, daß nach einem Vertrag m i t General von Mannstein er noch ca. 600 Zentner Rüben nachkaufen könne 3 1 ). Die Probe hat nach Achards erneutem Schreiben v o m 3. M ä r z 1802 „unter den 28) 29) 30) 31)

Stieda, Stieda, Stieda, Stieda,

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S. 211—213 Anlage 86. S. 213/14 Anlage 87. S. 114/15. S. 215 Anlage 88.

Die sclesische Zuckerindustrie Augen der Geheimen Ober-Finanzräte Borgstede und Gerhard" stattgefunden u n d Achards Behauptungen bestätigt 8 2 ). Laut Schreiben an das Generaldirektorium i n Berlin v o m 7. M ä r z 1802 konnte Achard endlich nach Uberwindung vieler bürokratischer Hemmnisse, die ihm i n den Weg gestellt w o r den waren, nach Kunern zur ersten Kampagne abreisen 83 ). Lippmann hat i n seiner „Festschrift zum 75jährigen Bestände des Vereins der Deutschen Zuckerindustrie", die „ D i e Geschichte der Rübe (Beta) als Kulturpflanze" betitelt ist und diese Geschichte „ v o n den ältesten Zeiten an bis zum Erscheinen von Achards H a u p t w e r k (1809)" umfaßt, i n gerechter Würdigung der Arbeit Achards i m einzelnen die großen Schwierigkeiten aufgezeigt, die Achard überwinden mußte 8 4 ). Wie jeder kühne Neuerer hatte Achard von Anfang an und weiter noch nach Beginn der Arbeiten in K u nern m i t Schwierigkeiten und Anfeindungen aller A r t zu kämpfen. Seine Gegner waren teils persönliche Neider, teils die u m ihre Privilegien besorgten Kolonial-Zuckerraffinerien. M a n wollte ihn allzu gern als einen abenteuerlichen, unzuverlässigen Projektemacher und gewinnsüchtigen Geheimniskrämer abstempeln. Achard hat, u m alle diese Anfeindungen und Verdächtigungen zu entkräften, den eingeschalteten behördlichen Stellen gegenüber m i t größter Offenheit gearbeitet. Das beweist schon seine „Abhandlung über die K u l t u r der Runkelrübe" v o m 14. A p r i l 1799, i n der er seine erprobten Anbauregeln ausführlich beschrieben und weiter empfohlen h a t 3 5 ) . Noch i m gleichen Jahre hat er seine „ K u r z e Anweisung des Verfahrens bei der Syrup-, Zucker- und Brantweinfabrikation aus Mangold- oder Runkelrüben" veröffentlicht. Es ist unsinnig, i h m den V o r w u r f zu machen, er habe als Geheimniskrämer Marggrafs dessen Entdeckung zum eigenen Gewinnstreben ausnützen wollen. Er hat vielmehr von Anfang an seine Karten offen auf den Tisch gelegt. Natürlich war die Idee zur Verwirklichung reif, wie die gleichfalls mit Achards Veröffentlichungen oder auf diese hin erschienenen Arbeiten beweisen. Lippmann hat i n seiner „Geschichte der Rübe" auf die Mitbewerber hingewiesen, die wie i n allen solchen Fällen die Neuheit der Sache i n Abrede stellten und ganz das nämliche, mindestens aber „beinahe" dasselbe schon vor Achard gewußt haben wollten. Die von Lippmann zitierten Verfasser von Schriften über die Rübenzuckergewinnung hier zu behandeln geht über 32) 33) 34) 35)

Stieda, Anlage 89. Stieda, S. 216 Anlage 90. Lippmann, E. O. v.: Geschichte der Rübe, S. 110 ff. (bes. 111). Lippmann, S. 111; Ulrich ZZ 1953, S. 148.

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Gerhard Webersinn den Rahmen einer Geschichte der schlesischen Zuckerindustrie hinaus 8 6 ). Für das Gebiet von Schlesien sind i n diesem Zusammenhang v o n Interesse nur die Arbeiten der „Schlesischen Gebirgs-Zuckersiederei", die aber audi auf Achards Versuchen basierten und i m Gegensatz zu dessen Ausbeute von anfänglich nur 3 bis 3,5 °/o sogar nur 2,9 % erzielten. Über diese Hirschberger Versuche sind Einzelheiten, die auf einen gegensätzlichen Erfolg zu Achards Bemühungen schließen ließen, nicht mehr festzustellen. Jedenfalls verlieh Friedrich W i l h e l m I I I . der Schlesischen Gebirgs-Zuckersiederei in Hirschberg i m Jahre 1800 durch Kabinettsordre die „Goldene Medaille zur Belohnung des Kunstfleißes" i n Ansehung ihrer Probearbeiten m i t 50 Zentnern Rüben gemäß Achards Erfindung und der Produktion von H u t zucker 8 7 ). Die erste Kampagne i n Kunern Über die erste Kampagne Achards i n Kunern hat Prof. D r . H . Hirschmüller eine alle technischen Einzelheiten enthaltende Abhandlung m i t der A b b i l dung des Modells der Zuckerfabrik Kunern (Museum des Instituts für Zuckerindustrie) i n der ersten Nummer des Jahrgangs 1952 der Zeitschrift für Zuckerindustrie v o m 20. Januar 1952 veröffentlicht, die dem Thema „150 Jahre Rübenzuckerindustrie" gewidmet ist 3 8 ). Nach Hirschmüller diente zur Rübenwäsche ein m i t einem Brunnen verbundener Holzkasten m i t einem gegitterten Zwischenboden. Die Schneidemaschine, die zum Auspressen verwandte Presse, die Scheidung von Eiweißstoffen und dergl., die Filtration, das Verdampfen des Wassers, das Saftkochen i n offenen Kupferkannen und die jeweils dazu benutzten Geräte werden von Hirschmüller detailliert beschrieben. Auch Hutzucker wurde in Kunern bereits hergestellt. Die hierzu verwendeten Zuckerhutformen waren aus T o n gebrannt und besaßen eine durchbohrte Spitze; diese wurde durch Lappen verstopft; die Form wurde m i t der Spitze i n einen T o p f gestülpt und m i t Füllmasse gefüllt. Nach etwa einem Tage war die Masse durch Abkühlung soweit erstarrt, daß der Lappen aus der Öffnung an der Spitze der Form gezogen *•) Lippmahn, S. 114—121 (Goettling Prof. der Chemie in Jena, unter Hinweis auf Klapproths Bericht über die Versuche in Halberstadt); Rumpf in: Deutschlands Goldgrube. Berlin 1919; Meyer: Einige chemische Beobachtungen und Versuche. Düsseldorf 1799; Nicolai: Was ist für und wider den inländischen Zuckerbau in den preußischen Staaten zu sagen? Berlin 1799 S. 33 ff. (Achard wenig günstig gesinnt); Busch in: Almanach der Fortschritte, ein vier Seiten langer Bericht über sämtliche bis 1800 bekannt gewordenen Versuche zur Herstellung von Rübenzucker. Bd. 4 Erfurt 1800. 37) Lippmann, S. 118 unter Hinweis auf das Jahrbuch der preußischen Monarchie, Berlin 1800, September, S. 157. 38) Hirschmüller, H . : Die erste Kampagne in Kunern. ZZ 1952 S. 8/9 (Bild S. 9).

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Die sclesische Zuckerindustrie werden konnte. I m Laufe einiger Wochen tropfte dann die Melasse i n den Topf, während der Rohzucker i n der Form zurückblieb. Er wurde herausgeholt und i n Schalen i n der L u f t getrocknet. Weißen Zucker hat Kunern zunächst nicht hergestellt. Dies überließ Achard den lange vor der Rübenzuckerindustrie tätigen Raffinerien. I h m k a m es wesentlich darauf an, Zucker aus Rüben zu produzieren. Die Ausbeute i n dieser ersten und den nächst folgenden Kampagnen, für die Achard ständig die maschinelle Einrichtung und den Produktionsgang zu verbessern bestrebt war, betrug etwa vier Pfund Zucker auf einen Z t r . Rüben. E i n D r i t t e l des Rübengewichts etwa ergab Rübenschnitzel, die damals schon als begehrtes Viehfutter verwandt wurden, wenn auch die Herstellung von Kaffeesurrogat und die Vergärung auf Sprit und Essig vorgesehen war. Die Melasse sollte auf R u m vergoren werden. Die von Achard ständig eingeführten Verbesserungen hat er i n seinen zahlreichen Publikationen ausführlich beschrieben. Er empfahl sie laufend einer breiteren Öffentlichkeit zur Nachahmung und Auswertung. Bis auf das kleinste Ventil, Thermometer oder sonstige Gerät wurde das Modell der Kunerner Zuckerfabrik anläßlich des 150jährigen Bestehens der Rübenzuckerindustrie neben der Darstellung einer modernen Zuckerfabrik und m i t zahlreichen anderen einschlägigen Schaustücken i n einer großen Sonderschau der „Grünen Woche" i n Berlin v o m 25. Januar bis zum 2. Februar 1952 ausgestellt. Auch Rübenlager, Brennholzlager, Verwaltungs- und Wohnräume der Kunerner Fabrik wurden dort i m Modell gezeigt 89 ). Die erste Kampagne i n Kunern ist eine hervorragende Leistung, die in Achards Berichten aus Kunern v o m 23. März 1802 und v o m 27. M a i 1802, v o m 12. September 1802, v o m 22. Januar 1803 und v o m 15. Dezember 1803 an den schlesischen Provinzialminister Graf H o y m , an K ö n i g Friedrich Wilhelm I I I . v o m 18. August 1802, v o m 28. Februar 1803 und v o m 18. Juni 1805 ihren Niederschlag gefunden h a t 4 0 ) . Es scheint, wie Rümpler bemerkt, nach der Sturm- und Drangperiode der Jahre der praktischen Versuche eine Periode ruhiger Fortentwicklung eingetreten zu sein, die aber i m Umfang 39) Für das Vorausgegangene s. Hirschmüller a. a. O. 1952 S. 8/9; vgl. auch Ehrlich, Felix, bei Frech und Kampers a. a. O. S. 293—297 und die dortigen nach alten Stichen beigegebenen Abbildungen. 40) Rümpler, A.: Archivalische Studien über die Anfänge der Rübenzuckerindustrie in Schlesien. In: Deutsche Zuckerindustrie 1901, 1902, 1903 — Jg. 26,27,28; auch Stieda, S. 216/217. Rümplers archivalische Studien stützen sich auf Akten, die sich im Provinzialarchiv in Breslau befanden, während Stieda sich an die Akten im Staatsarchiv BerlinDahlem gehalten hat (vgl. Stieda, S. 118 Anm. 3). Von den Studien Rümplers im Jg. 1901 der Deutschen Zuckerindustrie liegt ein Sonderdruck vor.

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Gerhard Webersinn und i n der Zähigkeit der weiter erforderlichen brachte.

Arbeit keinen Nachlaß

A m 10. Juni 1802 bezeichnete Geheimrat Pachaly, der über Achards Unternehmen in Kunern zu berichten hatte, diesen als „einen M a n n von anerkannten Kenntnissen, als einen K o p f von feuriger Einbildungskraft und rastloser T ä t i g k e i t " 4 1 ) . Er mußte bei aller vorsichtigen Beurteilungsweise zugeben, daß Achard die Unterstützung seitens des preußischen Staates verdiene, ohne die er nicht fortarbeiten könne. Diese Unterstützung war dringend erforderlich, da Achards Verschuldung von diesem keineswegs, wie oben bereits angedeutet, schuldhaft herbeigeführt worden war. Achard mußte bereits am 18. August 1802 u m die Einleitung eines Gehalts-Abzugsverfahrens bitten, um sich vor seinen fordernden Gläubigern zu schützen 42 ). Das Brandunglück 1807 und seine Folgen A m 21. März 1807 legte ein Brand die ganze Schöpfung Achards i n Kunern nieder. Innerhalb von zwei Stunden brannten sämtliche Fabrikanlagen nebst allen Gebäuden, ebenso der Schafstall, die Pferde- und Schweineställe, H o l z - und Wagenschuppen, die drei Wohnhäuser des Schäfers, des Gärtners und des Windmüllers bis auf den Grund ab 4 8 ). Wie das Brandunglück verursacht worden ist, steht nicht fest. Nicht unwahrscheinlich wäre es, wenn der Brand auf die Zündgefahr von Zuckerstaub zurückzuführen gewesen wäre. M i t dem Wachsen der Fabrikanlagen und der weiteren Beschleunigung i m Fabrikationsvorgang hat sich jedenfalls später die Feuergefahr des Zuckerstaubes stark vergrößert. Die Staubentwicklung i n den Walzenstühlen, i n den Trocknern, i n den Vibrationen und Transportelementen, i n Silos und i n den Pulvermühlen hat später nur zu oft z u Bränden geführt 4 4 ). Die Wahrscheinlichkeit spricht allerdings mehr dafür, daß i n der Pionierzeit der schlesischen Zuckerindustrie die Brände von Zuckerfabriken auf die vielen offenen Feuerstellen zum Kochen des Syrups zurückzuführen sind. D i e Entschädigung, die die Sdilesische Feuer-Sozietät zu zahlen hatte, ging nur ratenweise und langsam ein, und ein Vorschuß, den die Glogauer Kammer gewährte, da schleunige H i l f e geboten war, wurde v o m Landrat als „ A b t r a g 41) Stieda, S. 119. 42) Stieda, S. 120. 43) Rümpler, in: Deutsche Zuckerindustrie 27. Jg. S. 1883. 44) Vgl. Geck, H . Walter: Zündgefahren aus Zuckerstaub. Eine Mahnung sie nie außer Acht zu lassen. ZZ August 1953 S. 320/21, zurückgehend auf einen Vortrag Gedts: »Die explosiblen Stäube in ihrer betrieblichen Umwelt", gehalten auf der Essener Jubiläumstagung März 1953 zum 25jährigen Bestehen des Fachausschusses für Staubtechnik im VDI.

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Die sclesische Zuckerindustrie auf die Kriegscontribution" m i t Beschlag belegt 4 5 ). M a n denke daran, welch' schwierige Zeit durch die preußischen Unglücksjahre 1806/07 auch über Schlesien hereingebrochen war. Wenn es dem nicht so leicht zu entmutigenden Achard trotzdem gelang, wenigstens die Wirtschaftsgebäude wieder v ö l l i g aufzubauen, so bestand für den „Fabriquen-Bau" i m November 1808 noch keine Aussicht auf einen Wiederaufbau. Zeugen jener für Achard überaus schweren Zeit sind seine Berichte v o m 18. Dezember 1807 und v o m 7. J u l i 1809 an Oberpräsident Bothe, an den preußischen Minister des Innern v o m 15. Juni 1809 und v o m 30. A p r i l 18 1 0 4 6 ) . Achard war so verzweifelt, daß er nach Rußland auswandern wollte und schon alle Vorbereitungen hierfür getroffen hatte. Er kam aber schließlich doch — möglicherweise durch den i h m offenbar wohlwollend gesinnten mittlerweile neu ernannten Oberpräsidenten von Schlesien von Massow — v o n dem Gedanken ab, seine Kenntnisse ins Ausland zu tragen 4 7 ). So blieb seine ganze K r a f t dem Wiederaufbau der Fabrik i n Kunern u n d damit Schlesien und Preußen erhalten. Für Achard war die Kabinettsordre v o m 31. Juli 1810 von entscheidender Bedeutung. Sie verfügte, daß dem Direktor Achard als Belohnung für seine Verdienste um die Fabrikation von Zucker aus Runkelrüben die Zurückzahlung des Vorschusses der Staatskasse von 50 000 Talern, den er zum A n k a u f des Gutes Kunern erhalten hatte, erlassen werde. So konnte aufgrund dieses Schulderlasses die in gleicher Höhe i m Grundbuch von Kunern eingetragene H y p o t h e k gelöscht und eine neue Hypothek von 20 000 Talern für die schlesische Landschaft eingetragen werden. Dadurch konnte die neu errichtete Fabrik als eine Lehranstalt für die Rübenzuckerindustrie eingerichtet werden 4 8 ). Die Lehranstalt Kunern Bereits i m Jahre 1808 hatte der „Allgemeine Anzeiger der Deutschen" 49 ) eine Nachricht Achards für Ökonomen „betreffend die Bereitung des Rübenzuckers und Syrups i m kleinen und zum eigenen Bedarf i n Haushaltungen" veröffentlicht. D a r i n bot Achard für vier Friedrichsdor eine Anleitung zur Fabrikation nebst der Beschreibung von 12 dazugehörigen Modellen an. Daß es i h m hierbei weniger um das Honorar ging, so sehr er auch dieses in 45) 46) 47) 48) 4»)

Rümpler: Deutsche Zuckerindustrie Jg. 27, S. 1883. Rümpler, a. a. O. S. 1882, Jg. 28 S. 63/64 und S. 66; Stieda a. a. O. S. 217. Stieda, S. 123. Stieda, S. 123/24. Allgemeiner Anzeiger der Deutschen. 180.8 Nr. 55 S. 560 (nach Stieda).

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Gerhard Webersinn seiner damaligen Notlage gebrauchen konnte, war bei seinem Streben, Bahnbrecher der neuen Zuckerfabrikation zu sein, selbstverständlich. A m 18. A p r i l 1811 konnte Achard i n seiner neuen Ausgangsposition aufgrund der Kabinettsordre v o m 31. Juli 1810 eine neue Ankündigung für die Presse aufgeben: „Ankündigung einer auf Allerhöchsten Königlichen Befehl in Schlesien zu errichtenden Lehranstalt der Zucker- und Syrup-Fabrikation aus Runkelrüben und die Bereitung des Brantweins, Conjacks, Rums, Arraks und Essigs aus den Abfällen." Achard konnte jetzt bereits auf nach seinen Richtlinien errichtete und arbeitende Zuckerfabriken hinweisen. So hatten Kriegsrat Carmer aus Breslau auf Wiskau 1804 und Baron von K o p p y auf K r a i n unweit Strehlen 1806, 1809 der Gutsbesitzer H e l d i n Schmellwitz, K r . Neumarkt/Schlesien und der Landschaftssyndikus Moege auf seinem Gut Rudolphsbach i n Niederschlesien 1810 eine Zuckerfabrik eröffnet 5 0 ). Z u r Zeit der Ankündigung Achards war Graf Magnis i n Eckersdorf i n der Grafschaft Glatz drauf und dran, eine Zuckerfabrik zu errichten 51 ). Die Moege'sche Fabrik i n Rudolphsbach hielt der Liegnitzer Regierungspräsident von Erdmannsdorf für geeignet, um sie den meisten Gütern als vorbildlich zu empfehlen, während er die Anlagen i n Kunern und K r a i n als zu kostspielig für Privatunternehmen bezeichnete 52 ). Uber das Moege'sche Unternehmen hat Achard eingehend an den preußischen K ö n i g am 24. Februar 1810 berichtet, nach Stieda besonders lehrreiche Auslassungen, so daß er sie wörtlich z i t i e r t 5 3 ) . Durch Achards Ankündigung fand sich Jakob Christian Schmeltzer, Domänenbesitzer und Vorsitzender i m Generalrat des damals zu Frankreich gehörenden Saardepartements, am 31. M a i 1811 i n Kunern ein, u m für eine auf Befehl Napoleons I . i n Trier zu errichtende Zuckerfabrik Erfahrungen zu sammeln. D a die geplante Lehrfabrik jedoch erst i n ihren Anfängen stand, berichtete Schmeltzer nach seiner Rückkehr dem französischen Präfekten in Trier, er habe i n Kunern nur zwei Pressen besichtigen können, m i t denen 1810 nur Syrup fertiggestellt worden sei 54 ). Jedenfalls hat Schmeltzer in 50) Stieda, S. 127 (Krain) S. 137 (Schmellwitz) S. 137 ff. (Eckersdorf) S. 138 (Rudolphbach und Wiskau). 51) Stieda, S. 137/38. 52) Stieda, S. 139, mit Angabe der Archivfundstelle. 53) Stieda, S. 139. 54) Bittmann, C.: Jacob Christian Schmeltzer und die Departements-Zuckerfabrik zu Trier. 2. Ergänzungsheft zum Trier'schen Archiv. Trier. 1901 S. 31; Stieda, S. 126.

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Die sclesische Zuckerindustrie Trier eine Fabrik errichtet, die jedoch nach kurzer Zeit, spätestens nach Aufhebung der Napoleonischen Kontinentalsperre wieder eingegangen ist 5 5 ). Ein besonders gelehriger Schüler Achards war der junge Graf Magnis, der seinem Vater, von diesem nach Kunern entsandt, ausführlich über seine Feststellungen nach Eckersdorf berichtet hat. Wenn er auch die Mängel, die die neu eingerichtete Lehranstalt noch hatte, m i t kritischen Augen betrachtete, bestätigte er immerhin, „daß Kunern doch der Ort sei, an dem man die nötigen Kenntnisse sammeln könne, um bei Besichtigung anderer Anstalten das Bessere vom Schlechteren zu unterscheiden und nötigenfalls es selbst zu versuchen"56). Berücksichtigt muß hierbei werden, daß Achard zur Zeit der Anwesenheit des jungen Grafen Magnis erkrankt war und daß der ihn vertretende Siedemeister sicher nicht der Aufgabe gewachsen war, die Anlage weiter zu fördern. Achards Stellung zur fortschreitenden Technologie Achard hatte die Produktion i n Kunern zu einer Zeit begonnen, da „das Eisen als Material und der D a m p f als bewegende K r a f t technischen Zwecken dienstbar gemacht w u r d e n " 5 7 ) . 1750 begann die Gußstahlerzeugung; 1759 ist das Jahr der Erfindung der Dampfmaschine durch James W a t t , die 1769 patentiert wurde. Sie begann M i t t e der achtziger Jahre ihren Einzug in Preußen. A m 4. September 1790 besichtigte Goethe die erste i n Schlesien auf der Friedrichsgrube bei Tarnowitz aufgestellte Dampfmaschine. Laufende Verbesserungen der Verwertung des Dampfes — 1802 baute Evanz die erste Hochdruckdampfmaschine — sind sicher auch Achard bekanntgeworden. Doch nutzte ihm dies alles nichts, denn die Maschinen mußten damals noch aus England bezogen werden. Er aber war gezwungen, ganz klein anzufangen. Sein Betrieb und die anderen kleinen Fabriken jener schlesischen Pionierzeit der Zuckerindustrie blieben „zunächst handwerklich, wahre ,Manufactures', i n denen die Muskelkraft von Mensch und Tier den Antrieb zu besorgen h a t t e n " 5 8 ) . Andres weist unter Bezugnahme auf Ausführungen von Professor Henglein (Karlsruhe) zu Recht auf das Neuartige i n Achards Arbeitstechnik bei der Zuckergewinnung hin, auf das Naßver55) Stieda, S. 126; Bittmann, S. 5 ff.; ferner Kellenbenz, Hermann: Die Zuckerwirtschaft im Kölner Raum von der Napoleonischen Zeit bis zur Reichsgründung. Köln 1966 S. 13. 56) Stieda, S. 26; Rümpler, A.: Die Rübenzuckerindustrie in Schlesien vor 100 Jahren. Berlin 1901 S. 50 ff. 57) Andres, P.: Kleine Chronologie der Zuckertechnik (eine Aufsatzreihe in Fortsetzung) in: ZZ 1952 S. 16 ff. 58) Andres, a. a. O. S. 16.

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Gerhard Webersinn fahren m i t Extrahieren, Klären, Filtern, Verdampfen, Kristallisieren, das Achard i n seiner Form erstmalig praktizierte. Denn die Arbeiten der Steinsalzgewinnung, der Säuren, der Gärungsindustrie und der Färberei sind technisch m i t der Zuckerherstellung nicht vergleichbar. Ansonsten wurde nur trocken gearbeitet, w o r i n auch die Leblanc-Soda (1791) keine Ausnahme machte. So p r i v i t i v den modernen Menschen unseres Zeitalters manches, was Achard konstruierte, auch anmuten mag, so ist doch das Grundlegende seiner Konstruktionen zum Teil noch nicht überholt. Es sei hier nur auf die von Achard konstruierte Schnitzelpreßmaschine m i t schrägem Anpreßdeckel verwiesen, wie er bis i n die Gegenwart Verwendung findet 5 9 ). U m Achard richtig würdigen zu können, darf man nicht an der allzu geringen staatlichen H i l f e vorbeigehen, die seine erste Fabrik i n Kunern erfuhr, an dem großen Brandunglück v o m 21. März 1807, das alle seine H o f f n u n gen zerstörte, an dem sich anschließenden Konkurs, der dann zum Erlaß der alten Schulden des preußischen Staates führte. Das alles hat Achards K r a f t und Energie zu stark i n Anspruch genommen. Wenn der Schulderlaß v o m 31. Juli 1810 dem von seiner Idee ganz eingenommenen Manne nicht mehr die Möglichkeit eines nochmaligen Aufbaus einer Zuckerfabrik i m großen Rahmen gab, so begnügte er sich doch aus freiem Entschluß m i t dem nur noch als Lehrinstitut neu aufgebauten kleinen Unternehmen, das bis 1819 noch schwach arbeitete, das aber auch nach 1815, nachdem das Interesse an der Herstellung von Zucker aus Runkelrüben zwar allgemein geschwunden war, immer noch Interessenten fand, die es besichtigten. A m 20. A p r i l 1821 starb Achard. Die Todesanzeige i n der Schlesischen Zeitung v o m 28. A p r i l 1821 ist ein trauriges Dokument für das wirklich selbstlose Streben eines Mannes, der seine Kenntnisse und Erfahrungen nur zum Wohle der Allgemeinheit eingesetzt hat, der m i t seinem Gedankenflug der Zeit weit voraus war, aber nach Mißverstehen, Unglück und schweren Kämpfen nicht mehr die K r a f t besaß, was er als richtig erkannt hatte, i n die Wirklichkeit umzusetzen 60 ). Die Presse scheint sonst von dem Tode Achards keine N o t i z genommen zu haben. Vergessen schied der M a n n dahin, dem Deutschlands Volkswirtschaft eine ihrer stärksten Stützen verdankte. I n dem Allgemeinen Anzeiger der Deutschen, der oft Nachrichten über die Zuckerindustrie abdruckte, w i r d 69) Block, Berthold: 150 Jahre schräger Anpreßdeckel für stehende Schnitzelmaschinen. ZZ 1952 S. 25 (mit Zeichnung). 60 ) Rümpler, A.: Die Rübenzuckerindustrie in Schlesien; ferner Bild der Grabstätte Achards in: Verein der Deutschen Zuckerindustrie 1850—1925. Denkschrift zum 75jährigen Bestehen des Vereins der Deutschen Zuckerindustrie. Berlin 1925.

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Die sclesische Zuckerindustrie sein T o d nicht erwähnt. Die Schlesisdien Provinzialblätter führten den Verstorbenen ohne besonderes Hervorheben unter den Toten des Jahres auf, die Gesellschaft für Vaterländische Cultur i n Breslau erwähnte ihn i n ihren Schriften überhaupt nicht. Die Königliche Akademie der Wissenschaften i n Berlin hat ihm keinen Nachruf gewidmet. Erst i m Jahre 1886 hat der Verein für die Deutsche Rübenzuckerindustrie auf Anregung des Braunschweiger Zweigvereins auf Achards Grab i n Kunern einen Denkstein errichten lassen m i t der Aufschrift: „ D e m Begründer der Deutschen Zuckerindustrie. Der Verein für die Rüben-Zuckerindustrie des Deutschen Reiches. 1886." Eine weitere Ehrung erfolgte Jahrzehnte nach seinem Tode, als 1892 i n Berlin an dem Hause Dorotheenstraße 10, dem Akademiegebäude, die Büsten Marggrafs und Achards angebracht wurden, Marggrafs m i t der Inschrift: „ D e r Entdecker des Zuckers i n der Runkelrübe", Achards „ D e r Begründer der Deutschen Zuckerindustrie" 6 1 ). Horst G. W . Gleiß schloß 1963 seinen Gedenkartikel m i t dem Hinweis: „An Achard erinnern heute außer seinen Werken, die in vielen Universitätsbibliotheken stehen, ein Porträt im Museum des französischen Doms in Berlin und ein Stich in der Porträtsammlung des Deutschen Museums in München. Denken wir, die wir heute — wie selbstverständlich — ein Stückchen Zucker in den Kaffee werfen, auch einmal an Achard und seine kleine Fabrik in Kunern? Und: ob auch die Bewohner von Konary Wolowski, wie die Polen das Dörfchen nach dem Raub unserer Heimat genannt haben, wissen, welche umwälzende deutsche Pioniertat von ihrer Gemarkung aus ihren Weg in die Welt genommen hat«2)?" Achards Schriften Wer Achards Fleiß und seine rege publizistische Arbeit für die Idee der Z u k kergewinnung aus Rüben richtig werten w i l l , der sei auf die Fülle der von diesem verfaßten einschlägigen Arbeiten hingewiesen — auch auf anderen physikalischen und chemischen Fachgebieten ist Achard vor Beginn seiner Lebensaufgabe publizistisch tätig geworden — , v o n denen hier i n Anleh61) Stieda, S. 17. 62) Gleiß, Horst G. W., Dipl.Biol.s Schlesien — Wiege des Rübenzuckers. Vor 160 Jahren erbaute Franz Karl Achard die erste Rübenzuckerfabrik der Welt in Kunern. In: Der Schlesier 1963 Nr. 2, S. 4 (mit Kartenskizze der der Lage Kunerns, Zeichnung des Fabrikgebäudes in Kunern und Bild von Franz Karl Achard nach einer Radierung von F. W. Bollinger, 1800).

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Gerhard Webersinn nung an die Veröffentlichung von Ulrich i n der Zeitschrift für die Zuckerindustrie v o m 20. A p r i l 1953 wenigstens eine Ubersicht Platz finden möge: 1799 Ausführliche Beschreibung der Methode, nach welcher bei der Cultur der Runkelrübe verfahren werden muß, um ihren Zuckerstoff nach Möglichkeit zu vermehren und sie so zu erhalten, daß sie mit Vortheil zur Zucker fabrication angewendet werden kann. Berlin (gedruckt bei C. F. Spener). 1799 Kurze Ausweisung des Verfahrens bei der Syrup-, Zucker- und Branntweinfabrication aus Mangold- oder Runkelrüben. Breslau. 1800 Kurze Geschichte der Beweise, welche ich von der Ausführbarkeit im Großen und den vielen Vortheilen der von mir angegebenen Zuckerfabrication aus Runkelrüben geführt habe. Mit einer hinzugefügten tabellarischen Darstellung der, unter der Aufsicht einer zu ihrer Beurtheilung und Prüfung allerhöchst ernannten Commission, gemachten Fabrikationsproben, nach Aussage der Commissions-Acten. Berlin (bei Carl Ludwig Hartmann). 1800 Beantwortung der Frage: Wie ist die Zuckerfabrication aus den Runkelrüben und die des Branntweins aus den dabei fallenden Abgängen in den preußischen Städten zu betreiben, damit die Königlichen Accise-Gefälle nicht dadurch bedenkliche Ausfälle leiden. Berlin (bei Christian Müller). 1800 Anleitung zur Bereitung des Rohzuckers und des rohen Syrups aus den Runkelrüben wie auch des Branntweins aus den bei der Rohzucker- und rohen Syrupfabrication anfallenden Abgängen. Berlin (bei Christian Müller). 1800 Zur allgemeinen Beherzigung und Nachahmung für Deutschland über den Wert und Nutzen der Runkelrüben. Glogau. 1801 Kurze Nachricht über den Ausfall der zweiten großen auf Sr. Königl. Majestät allerhöchsten Befehl unter Aufsicht einer Königl. Commission gemachten Rübenzucker-Fabrications-Probe. Berlin. 1803 Anleitung und Anbau der zur Zuckerfabrication anwendbaren Runkelrüben und zur vorteilhaften Gewinnung des Zuckers aus denselben. Bei Wilh. Korn, Breslau. „Auf allerhöchsten Befehl in Druck gegebene Schrift." (1907 von E. O. v. Lippmann in Nr. 56 von Ostwalds Klassikern der exakten Wissenschaften über „Die beiden Grundschriften der Zuckerfabrikation" als Teil I I wieder abgedruckt). 1804 Über die Fortschritte der Runkelrüben-Zuckerfabrication in Schlesien. Sonderdruck der Schlesischen Provinzialblätter, Breslau. 1805 Über den Einfluß der Runkelrüben-Zuckerfabrication auf die Ökonomie besonders in Bezug auf die Industrie Schlesiens, nebst einer Vergleichung der indischen Zuckerfabrication aus dem Zuckerrohr und der europäischen aus den Runkelrüben. Neue Güntersche Buchhandlung, Glogau. 1805 Nachricht über die Runkelrüben-Zuckerfabrication zu Cunern in Schlesien, welche beglaubigte Proben der Haupt- und Nebenfabricate, welche die Fabrik erzeugt, als von ungedecktem gelbem Rohzucker, von ordinairem Branntwein, von Rum, von Arrac, von Franzbrantwein und von zweyerlei Sorten Essig, in der Absicht beygefügt werden, das Publikum in den Stand zu setzen, über

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Die sclesische Zuckerindustrie deren Qualität und aus dieser in Verbindung mit der Quantität, in welcher die Producte zu gewinnen stehen, und den Kosten ihrer Erzeugung, über die Vortheile der Runkelrüben-Zuckerfabrication, wenn dabey nach der im meiner Fabrike befolgten Methode verfahren wird, selbst zu urtheilen. Gedruckt in der privaten Stadt- und Universitätsdruckerei, Breslau. 1809 Die europäische Zuckerfabrication aus Runkelrüben, in Verbindung der Bereitung des Brantweins, des Rums, des Essigs und eines Coffee-Surrogats aus ihren Abfällen, beschrieben und mit Kupfern erläutert durch ihren Urheber Franz Carl Achard. Drey Theile, Leipzig (bei J. C. Hinrichs). 1810 Die Zucker- und Syrup-Fabrication aus Runkelrüben, ein von jedem Guthsbesitzer mit Vortheil auszuführender Nebenzweig des ökonomischen Erwerbes, wie solche, ohne weitläufige Gebäude dazu nöthig zu haben, auf jedem Dominium, welches jährlich bis zum Anbau der Runkelrüben nur 5—6 Morgen bestimmt, in einem auf die jährliche Produktion von zwischen 2 und 3000 Pfund Rohzucker und ein bis 2000 Pfund Syrup festzusetzenden Betriebsumfang mit Gerätschaften, die für höchstens 300 Thaler darzustellen sind, betrieben werden kann, beschrieben von Franz Carl Achard. Gedruckt auf Kosten des Verfassers, Breslau. 1811 Durch officielle auf Befehl Seiner Majestät des Königs von Preußen angestellte Untersuchungen und die in Folge derselben den höchsten Behörden abgestatteten amtlichen Bericht begründeter Beweis: Daß die Zuckerfabrication aus Runkelrüben ein sicheres leicht ausführbares Mittel darbietet, in kurzer Zeit das Continent in Hinsicht dieses Erzeugnisses von dem Englischen und Colonial-Handel selbst noch als dann unabhängig zu machen, wenn die Indischen Rohzucker auf ihre vormaligen niedrigen Preise zurückfallen sollten. Gedruckt auf Kosten des Verfassers, Berlin. Mit Ankündigung der „Lehranstalt" Achards, zur Eröffnung im Winter 1811/12. 1812 Die europäische Zuckerfabrication aus Runkelrüben, in Verbindung mit der Bereitung des Branntweins, des Rums, des Essigs, und eines Caffee-Surrogates aus ihren Abfällen, beschrieben und mit Kupfern erläutert durch ihren Urheber Franz Carl Achard. Drey Theile. Mit 10 Kupfertafeln, bei J. C. Hinrichs, Leipzig. 1813 Die Zucker- und Syrup-Fabrication, zweite, verbesserte und mit einer Anweisung für den Landmann zur Anfertigung des Syrups vermehrte Ausgabe. Breslau und Leipzig (bei Wilhelm, Gottlieb Korn 63 ). Die junge Zuckerfabrikation und die Kontinentalsperre V o m eroberten Berlin aus erließ Napoleon I . am 21. November 1806 das Edikt, das man allgemein als die „Kontinentalsperre" bezeichnet hat. Der erste Teil dieses Erlasses enthielt eine Verurteilung der englischen Seekriegsführung gegen das von Napoleon I . beherrschte Europa; der zweite Teil 63) Ulrich, K.: 2 2 1953 Nr. 4 S. 145 ff. (148/149). 1812 erfolgte eine Neuausgabe der erstmalig 1809 erschienenen Schrift.

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Gerhard Webersinn erweiterte für einen großen Teil des westlichen Europa schon seit 1803 bestehende Bestimmungen auf die neueroberten Gebiete, weil Nepoleon I . durch Ausschluß aller englischen Fabrikate und Rohmaterialien v o m Festlande den Gegner England wirtschaftlich vernichten zu können glaubte 6 4 ). Die Kontinentalsperre w i r k t e sich besonders auf die Zuckerpreise aus, weil ja der Zuckerbedarf nahezu ausschließlich von Lieferungen aus Übersee durch Rohrzucker gedeckt wurde. D i e Zuckerpreise stiegen i n den Jahren der Kontinentalsperre, deren Aufhebung für Preußen erst kurz nach dem Breslauer A u f r u f K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . v o m 17. März 1813 „ A n mein V o l k " am 20. März 1813 erfolgte 6 5 ), beträchtlich. Sie betrugen bei der Breslauer Zuckerraffinerie je Stein (1,59 kg) für Raffinade Weiß. Kandis Weiß. Farin Syrup

1792 11 Rt. 15 Sg. 13 Rt. 5 Sg. 8 Rt. 18 Sg. 12 Rt.

14 20 19 21

1807 Rt. 5 Sg. Rt. Rt. R t . je Ztr.«®)

I m allgemeinen stiegen die Preise für Kolonialwaren erheblich, manche bis zum Doppelten. Wenn auch trotz der Sperre immer noch Kolonialzucker nach Schlesien gelangte 67 ) — auch der Schleichhandel blühte auf wie i n allen Zeiten der Zwangswirtschaft — , so wurde der Zucker bald doch sehr k n a p p 6 8 ) . Den teueren eingeschmuggelten oder eingeführten Rohrzucker, der meist aus Freigabe beschlagnahmten Rohrzuckers stammte, konnten sich nur zahlungskräftige städtische Kreise leisten, während auf dem Lande auch die meisten adligen Rittergutsbesitzer nach einem geeigneten Ersatzstoff such64) Fournier, August: Napoleon I. Wien 1906, 2. Bd. S. 167; Hoeniger, Robert: Die Kontinentalsperre und ihre Einwirkung auf Deutschland. Berlin 1905 S. 17. 65) Eichborn, Kurt v.: Das Soll und Haben von Eichborn & Co in 200 Jahren. München — Leipzig 1928 S. 233. Zum Steigen der Zuckerpreise während der Kontinentalsperre vgl. auch Schauder, Alfred K.: Die völkerrechtliche Regelung der Zuckererzeugung. Diss. Halle/Wittenberg Berlin 1937. S. 15. «6) Naumann, Robert: Das Kontinentalsystem in Schlesien. Phil. Diss. Breslau 1920. Liegnitz 1920 S. 59 unter Hinweis auf Schles. Provinzialblätter 15. Bd. (1972) S. 200 und 46. Bd. 1807 S. 60. 67) Wolf, Günther: Zucker, Zuckerkrankheit, Insulin. Remscheid-Lennep 1955 S. 24; auch aus gekaperten Schiffen wurde Zucker gegen Zahlung eines durchweg überhöhten Preises freigegeben. Naumann, a. a. O. S. 61. 68) In Breslau war am 16. Januar 1807 von dem französischen Intendanten Angl£s das „scharfe Edikt erlassen in Betreff der englischen Güter und Waren" und deren Meldepflicht verkündet worden; so Friedrich Gotthilf Friese in seinen Aufzeichnungen „Breslau in der Franzosenzeit", hrsg. v. Franz Wiedemann, Breslau 1906 S. 105. Die beschlagnahmten Waren, darunter auch Kaffee und Zucker, wurden später zugunsten der französischen Besatzung verkauft, a. a. O. S. 153/54. Am 15. Mai 1808 erließ Angl£s einen Befehl über Versendung der Waren nur mit Ursprungschein „oder in der FranzmännerSprach Certificat d'Origine" a. a. O. S. 211.

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Die schlesische Zuckerindustrie ten. Die Erfindung Marggrafs und ihre Auswertung durch Achard wurden nicht durch die Kontinentalsperre ausgelöst, wenn auch dies hier und dort behauptet wurde 6 9 ). Diese Entdeckungen lagen ja bereits zeitlich länger zurück. Auch Mützel, Ratsherr und Kämmerer i n Brieg, stellte dies 1835 i n den Schlesischen Provinzialblättern ausdrücklich fest 7 0 ). W o h l aber war die Kontinentalsperre Anlaß, daß weite Kreise ihr Augenmerk auf Ersatzstoffe richteten und daß deshalb Achards Zuckerproduktion aus Runkelrüben stärker als zuvor die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich lenkte. Die schon früher i n Frankreich verhängte Kontinentalsperre hatte dort die Beachtung der Bemühungen Achards hervorgerufen. Bereits i m Jahre 1800 hatte Achard V a n Möns, der sich m i t Versuchen zur Zuckergewinnung in Frankreich befaßte und dem seit 1799 Achards Versuche bekannt waren, i n einem längeren Schreiben Neues über diese mitgeteilt. Nach dem Brandunglück von 1807 wurde i m „Moniteur universel" über Achards neueste Bemühungen wiederum großzügig berichtet. Einige Zeit nach dem Achard'schen Schritt i n die französische Öffentlichkeit, den er w o h l i n seiner Enttäuschung wegen zu geringer H i l f e nach dem Brandunglück von 1807 tat, kam man i m Verlauf der Kontinentalsperre i n Frankreich noch stärker als zuvor auf Achards Rübenzuckerversuche zurück. 1810/11 verlieh ihm die „Société d'Agriculture de la Seine" ihre goldene Medaille „als dem ersten, der in Europa Zucker herstellte" 7 1 ). Die starke Einwirkung Achards auf den Beginn der rheinischen Zuckerindustrie w i r d vor allem durch den intensiven Einsatz von M . F. S. Sinsteden, Bezirkseinnehmer zu Kleve und M i t g l i e d des Departementalrats, für die Zuckerherstellung aus Rüben bestätigt. Er veröffentlichte 1811 eine „ K u r z e Anweisung zum Runkelrüben-Bau aus den Werken des H e r r n Direktors Achard und H e r r n v o n K o p p y über die Europäische Zuckerfabrikation ausgezogen und dem Landmann des Ruhrdepartements gewidmet" 7 2 ). Die Kontinentalsperre war nach allem nicht Anlaß der Zuckerproduktion aus Runkelrüben, w o h l aber erhielt diese zur Zeit der Kontinentalsperre 69

) Diese Behauptung findet sich bereits vor 1835, sie kommt aber auch in neueren Veröffentlichungen vor. 70) Mützel, Ratsherr und Kämmerer in Brieg: Schlesische Provinzialblätter 103. Bd. Januar—Juni 1836. 71) Lippmann: Geschichte der Rübe S. 137. 72) Kellenbenz, a. a. O. S. 13. Ein Exemplar der Schrift Sinstedens befindet sich im Historischen Archiv der Stadt Köln FA 1373, 15—27. Die Patentschaftsstelle Breslau der Stadt Köln überließ mir durch Vermittlung von Gerhard Wilczek, Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung der Breslauer in Köln, davon eine Fotokopie. Hierfür sei auch an dieser Stelle gedankt. 11 Breslau

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Gerhard Webersinn in Frankreich und i m Rheinland-Gebiet, ebenso i n M i t t e l - und Ostdeutschland einen wesentlichen Auftrieb. Besonders i n den Kreisen der schlesischen Rittergutsbesitzer wuchs damals aufgrund von Achards Schrift, die er im Verlag von K o r n in Breslau als kurzen Leitfaden zum Anbau von Runkelrüben geröffentlicht hatte, das Interesse immer mehr. Seit Einführung der Gewerbefreiheit 1810/11 war auch dem A d e l die Möglichkeit gegeben, auf seinen Gütern sich in Nebenerwerbszweigen zu versuchen. Neben dem Tabakanbau — die Anlegung von Tabakfabriken blieb nach dem E d i k t vom 4. Oktober 1810 noch verboten — begann der Runkelrübenanbau zuzunehmen, und einzelne Versuchsfabriken zur Zuckergewinnung entstanden (Koppy, Graf Magnis). Das Interesse der Landwirtschaft und des Handels erlahmte jedoch m i t Aufhebung der Kontinentalsperre und m i t dem endgültigen Sieg der Verbündeten über Napoleon I . nach 1815. Wenn auch Achard selbst durch die Kontinentalsperre keinerlei Vorteile gefunden hat, so blieb doch von K o p p y mindestens i n ideeller Hinsicht Nutznießer der Kontinentalsperre, als das öffentliche Interesse, soweit er neben Achard Pionierarbeit für die Zuckerfabrikation aus Rüben leistete, ihm auf die Dauer der Kontinentalsperre sicher war. Daß sie Europa den Rübenzucker beschert habe 7 3 ), diese Schlußfolgerung geht jedenfalls zu weit. Koppy in Krain Eine geschichtliche Darstellung der schlesischen Zuckerindustrie der Frühzeit muß sich ausführlicher m i t den beiden Unternehmen von Baron von K o p p y i n Krain, K r . Strehlen und von Graf Magnis in Eckersdorf, K r . Glatz befassen. M o r i t z Freiherr von K o p p y , geboren am 20. M a i 1749, 27. März 1814, verdient nach Lippmann die gleiche Beachtung 1805 begann er mit dem Aufbau seiner Rübenfabrik, der sischen nach Achards Kunerner Unternehmen. 1806 begann

gestorben am wie Achard 7 4 ). zweiten schledie Fabrik in

73) So Wolf, Günther: Franz Karl Achard. Zugleich ein Beitrag zur Kulturgeschichte des Zuckers. In: Medizinische Monatsschrift. Zeitschrift für allgemeine Medizin und Therapie 7. Jg. 1953 S. 253 f. 74) Lippmann: Geschichte der Rübe, S. 135; Verein der Deutschen Zuckerindustrie 1850—1925. Denkschrift zum 75jährigen Bestehen des Vereins Berlin 1925 S. 5; Stieda, 5. 127—129; zu Koppys Besitzung in Krain, Kr. Strehlen: Handbuch des Grundbesitzes im Deutschen Reich 1880 und 1892; Chronik der mittelschlesischen Kreisstadt Strehlen bearb., erweitert und herausgegeb. von Josef-Alfred Hoffmann. Velen-Westf. (2 Teile, 1962), Teil I I : Strehlener Stadt und Kreisgeschichten 1741 bis 1900 (die Angaben Hoffmanns leiden jedoch hinsichtlich der angegebenen Jahreszahlen an starken Ungenauigkeiten).

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Die schlesische Zuckerindustrie K r a i n zu arbeiten. I n der Kampagne von 1806/07 hat seine Fabrik, die sidi sehr viel besser als die Achard'sche i n Kunern entwickelte, 1504 Z t r . verarbeitet und daraus 3062,5 Pfd. Zucker, 2300 Pfd. Syrup, 194 Schles. Quart Arrak, 170 Quart Rum, 1518 Quart Kognak und 861 Quart Essig produziert. Der gewonnene Zucker wurde i n zwei Güteklassen verarbeitet, deren erste 26 Groschen pro Pfd., die zweite 18 Groschen pro Pfd. erbrachte. Einzelheiten über die Betriebsergebnisse der folgenden Jahre sind nicht bekannt. Doch steht fest, daß auch die folgende Zeit zu Hoffnungen für ein Aufblühen der jungen Industrie berechtigte. Voller Eifer für das begonnene Unternehmen und von dem Wunsche beseelt, die Einführung der neuen Industrie zu fördern, hatte sich Freiherr von K o p p y am 14. Januar 1809 an den Minister v o n Altenstein gewandt m i t der Bitte, i h m für seine Fabrikate Zucker und Syrup, für die geistigen Getränke und Essig Abgabenfreiheit erwirken zu wollen. K o p p y war davon überzeugt, daß die Fabriken i n Preußen das gleiche leisten würden wie ausländische Unternehmen, die „uns gegen so ungeheure Geldsummen" beliefern. Die Produktionskosten seien, wie er habe feststellen können, mäßig und selbst bei ungleich niedrigen Preisen als gegenwärtig würden die Zuckerfabrikanten immer noch m i t „beträchtlichen Vorteilen" arbeiten können. Nach seiner Überzeugung verdiente die neue Industrie allgemeine Verbreitung „wegen der Erhaltung von mehreren Millionen, welche jährlich für dergleichen Bedürfnisse ins Ausland gehen; wegen dadurch vermehrter Industrie, der höheren Benutzung mehrerer Zweige der Landwirtschaft und endlich auch wegen der Ersparung von vielen 100 000 Scheffeln Getreides, welche jährlich zu Branntwein verbrannt werden 75)." Infolge dieser Eingabe wurden Erkundigungen eingezogen, ob das Unternehmen in K r a i n eine staatliche Unterstützung verdiene. Während noch diese Ermittlungen sich hinzogen, verfaßte Freiherr von K o p p y eine Schrift über die Zuckerfabrikation aus Runkelrüben und die Fortschritte dieser Industrie für das Vaterland, die er am 1. M a i 1810 dem Ministerium zugehen ließ. I n dieser Schrift, die 1810 auch i m Druck erschien, betont er ausdrücklich, m i t welcher Aufopferung und Uneigennützigkeit Achard ihn seit dem ersten Beginn seines Unternehmens unterstützt habe. V o n Haus aus L a n d w i r t , hat K o p p y — übrigens darin m i t dem Naturwissenschaftler Achard einig — die weiße Runkelrübe als die bestgeeignete für die Rübenzuckerfabrikation bezeichnet; der Zentner kostete damals 8 bis 12 Groschen. I m Eigenbau gewonnen, rechnete K o p p y bei einem Morgen 75) Stieda, S. 128. 11*

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Gerhard Webersinn m i t 100 Z t r . Ertrag und 26 Taler Gewinn, wozu er noch 10 Taler für die Blätter ansetzte, die er als Viehfutter oder als Tabaksurrogat zu verwerten empfahl. Den Rübensamen ließ er vier bis fünf Tage zwecks besseren A u f gehens der Rübenpflanzen vorquellen und diese zunächst i n Beeten wachsen, bis sie bei Bleistiftstärke der Wurzeln auf die Felder versetzt wurden. Soweit wich er von Achard ab; i m übrigen aber folgte er hinsichtlich Behandlung, Ernte und Aufbewahren der Rüben seinem großen Lehrmeister. I n seiner Schrift hat K o p p y m i t großem Nachdruck auf die land- und volkswirtschaftliche Bedeutung sowie auf die großen Vorteile des Rübenbaues und der Zuckerfabrikation für die Allgemeinheit hingewiesen: „Es gibt keine Frucht, die einen so mächtigen Einfluss sowohl auf die Verbesserung für die Wirtschaft selbst als auf den erhöhten Ertrag haben kann. Auch für die nachfolgende Getreidefrucht wirkt sie sich vorteilhaft aus. Keine andere Fabrikation ist mit der des Zuckers an heilsamem Einfluss auf vermehrte innere Industrie und auf wachsenden Wohlstand der Nation zu vergleichen76)." I n K r a i n ging auch nach der Kontinentalsperre und nach dem Tode von M o r i t z v o n K o p p y unter seinem Sohn die Produktion weiter. Sie soll nach der einen Version 1820 bzw. 1820/21, nach der anderen 1828 eingestellt worden sein 7 7 ). 1837 w i r d sie wieder unter den damals neuarbeitenden Zuckerfabriken genannt 7 8 ). Fest steht jedenfalls, daß i n K r a i n auch nach M o r i t z von Koppys und Achards Tode die Rübenzüchtung fortgesetzt w o r den ist. H i e r wurde die „Stammutter der Zuckerrüben der W e l t " , die weiße schlesische Rübe für die Zuckerindustrie weiter gezüchtet 79 ). Noch zur Zeit des Wiederauflebens der deutschen Zuckerindustrie um 1830 war man sich dessen bewußt, was auch die 9. Versammlung der deutschen Land- und Forstwirte betont h a t 8 0 ) . Das Gut der Familie von K o p p y Jahren i m Familienbesitz. Nach Deutschen Reich von 1880 besaß preußischer Leutnant a. D., das 274,03 ha, davon 202,91 ha Acker, 78

auf K r a i n war noch i n den neunziger dem Handbuch des Grundbesitzes i m noch ein W i l h e l m Baron von K o p p y , Rittergut K r a i n m i t Oberecke, Größe 25,3 ha Wiesen, 31,55 ha Wald, 14,27 ha

) Koppy, S. 51, 64, 69, 73 ff. (zitiert nach Lippmann, Geschichte der Rübe, S. 135). Die Schles. Provinzialbläter Bd. 49 April 1809, Anhang, brachten eine Notiz des Frhr. v. Seidlitz und Gohlau* „Eröffnung einer Anleihe zur Errichtung einer RunkelrübenZuckerfabrik". Dies ist ein Beweis, daß die Werbung Achards und Koppys für die Zuckerfabrikation aus Runkelrüben in Schlesien weitgehend Beachtung fand. 77) Lippmann, a. a. O. S. 135. 78) Schles. Provinzialblätter Bd. 106 Juli-Dezember 1837 S. 80. 79) Rümpler: Die Rübenzuckerindustrie in Schlesien S. 46. 60) Lippmann, a. a. O. S. 136.

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Die sclesische Zuckerindustrie Ödland, Wege, H ö f e usw., Grundsteuerreinertrag 6682 M . Als Besonderheit w i r d Zuckerrübensamenbau auf einer Fläche von 25 ha erwähnt. I n dem nächsten Güteradressbuch von 1892 ist als Eigentümer ein Kaufmann Lindner aus Breslau eingetragen. Jedenfalls war während des 19. Jahrhunderts der Zuckerrübensamenbau die besondere Spezialität des Gutes Krain. Die Grafen Magnis in Eckersdorf Eckersdorf, K r . Glatz (früher K r . Neurode), nach Kunern und K r a i n Sitz einer der ältesten, aber auch am längsten arbeitenden schlesischen RübenZuckerfabriken, ist ein Unternehmen der Familie Magnis, i n der, v o m Vater auf den Sohn vererbt, der Gedanke der Rübenzuckerfabrik nahezu ein Jahrhundert lebendig blieb. A m Fuße der westlichen Ausläufer des Eulengebirges gelegen, ein Waldhufendorf m i t einem Schloß und den dazugehörigen Besitzungen, die sich v o n der Hohen Eule bis zum Glatzer Schneeberg erstreckten, sollte sich Eckersdorf trotz seiner Gebirgslage für den Rübenanbau und die Rübenzuckerfabrikation gleichfalls als geeignet erweisen 81 ). Denn auch der Kreis Glatz bzw. Neurode hatte einen Risikofaktor von nur 1,8 aufzuweisen, nicht höher als die i m Grafschaft Glatzer V o r land gelegenen Kreise Münsterberg und Strehlen, die gleichfalls 1,8 zeigten, während der Kreis Frankenstein teilweise 1,9 aufwies. Graf A n t o n Alexander Magnis, am 26. Juli 1751 geboren, bei Übernahme des Gutes Eckersdorf erst 19 Jahre alt, wurde hier zum Bahnbrecher moderner landwirtschaftlicher Wirtschaftsweise, die m i t den Stichworten Fruchtwechsel in der Bodenkultur und Merinoschafzucht gekennzeichnet ist 8 2 ). Als Achard an die schlesischen Rittergutsbesitzer seinen A p p e l l zum Rübenanbau und zur Aufnahme der Rüben-Zuckerfabrikation richtete, griff Graf A n t o n Alexander diesen Gedanken sofort auf und entsandte seinen 61) 1663 im Besitz von Johann Georg v. Goetzen, Reichsgraf, Landeshauptmann der Grafschaft Glatz, Sohn des in den Reichsgrafenstand erhobenen kaiserl. Feldmarschalls, der planmäßig die Besitzung vergrößerte. Nach Tod des letzten Goetzen ging 1780 das Gut auf seinen Schwestersohn, den Reichsgrafen Anton Alexander von Magnis über. Das Geschlecht der Magnis kam aus dem Herzogtum Mailand in Habsburgische Dienste, über Mähren (Straßnitz) schließlich nach Schlesien. Das Gut blieb bis 1945 im Besitz der Familie Magnis. — Zum Zuckerrübenanbau in Eckersdgrf vgl. Fogger, Josef: Beiträge zur Wirtschaftskunde der Grafschaft Glatz. Kierspe-Meinerzhagen 1952: Das Zud*errübenland Schlesien S. 27/28 mit Schlesien-Karte: Ernterisikofaktor für Zuckerrüben in Schlesien (von Kunze); vgl. audi Klose, K.-H.: Schloß Eckersdorf Kr. Neurode (nach Kreiszusammenlegung Kr. Glatz) in: Grafschaft Glatzer Heimatblätter, X I V . Jg. Nr. 1 Januar 1972 S. 2—6. 82) Auch im Steinkohlenbergbau des Neuroders Reviers waren die Grafen Magnis führend: Ronge, Anni: Graf Anton Alexander Magnis. In: Schlesische Lebensbilder, Bd. I Breslau 1922 S. 215—218.

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Gerhard Webersinn jüngeren Sohn W i l h e l m (geb. 17. M a i 1787) nach Kunern i n die Achard'sche Lehrfabrik. Er war allerdings i n diesem Lehrgang Achards der einzige Vertreter des schlesischen Adels, während die anderen Lehrgangsteilnehmer „Kaufleute und Raffinadeurs aus Thüringen, Westfalen, H o l l a n d und Frankreich" waren. Ein Brief des jungen Grafen Magnis berichtete über die Persönlichkeit Achards, über die Einrichtung der Lehrfabrik und über den Produktionsprozeß. Dieser Brief ergab auch, daß eine Zwergfabrik damals i n Eckersdorf bereits i n Betrieb w a r 8 8 ) . Offenbar wollte Graf A n t o n Alexander sie nach den Erfahrungen, die sein Sohn W i l h e l m heimbringen sollte, vergrößern oder verbessern. Derselbe Graf W i l h e l m zählte auch zu den Teilnehmern eines Lehrkursus, den Placke i n Magdeburg 1812 veranstaltet h a t 8 4 ) . Der T o d des alten Grafen Alexander am 5. Juni 1817 mag w o h l die Arbeit der Eckersdorfer Fabrik unterbrochen haben, die durch die Aufhebung der Kontinentalsperre und die damit einsetzende starke K o n kurrenz des Rohrzuckers nicht mehr lebensfähig schien. Das Testament des Grafen A n t o n Alexander gab nämlich Eckersdorf an den am 27. M a i 1786 geborenen Grafen Anton, während Wilhelm, der sich m i t der Zuckertechnik vertraut gemacht hatte, Ullersdorf m i t den dazugehörenden Gütern, hauptsächlich M i t t e l p u n k t der Schafzucht, erhalten hat. Als aber Ende der zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts sich der Blick der deutschen Anhänger der Rübenzuckerproduktion nach Frankreich auf die dort inzwischen erstarkte junge Industrie richtete, die den Beweis ihrer Rentabilität erbracht hatte, war der Eckersdorfer Besitzer Graf A n t o n bereit, das v o m Vater begonnene Unternehmen wieder aufzunehmen. Schon 1829/30 ließ er eine Versuchskampagne starten, die zur Wiedereröffnung der Eckersdorfer Fabrik führte. Schon vor dieser Versuchskampagne hatte sich Graf A n t o n in Gemeinschaft m i t seinem Schwager, einem Oberstleutnant Freiherrn von Falkenhausen, „einem der intelligentesten, spekulantesten und dabei glücklichsten Landwirte seiner Z e i t " alles Für und Wider des Neubeginns der Zuckerfabrikation erwogen und sich vertraglich eine wissenschaftlich-technische H i l f s k r a f t gesichert, so daß das Gelingen des Versuchs eines Neubeginns sicher schien 85 ). V o n 1835 ab arbeitete die Eckersdorfer Fabrik jahraus jahrein, von Kampagne zu Kampagne, bis 1907 ungünstige Transportverhältnisse des Güterverkehrs von und zur Grafschaft Glatz zur endgültigen Einstellung der Fabrikation führten. Trotzdem be63) Ronge, a . a . O . ; Rümpler: Zuckerindustrie in Schlesien S. 50—55; Stieda, S. 137/38. 84) Stieda, a. a. O. unter Hinweis auf die Magdeburger Wirtschaftszeitung 10 (1926) Nr. 6 vom 15. März 1926 S. 142. 85) Ronge, a. a. O. S. 218.

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Die sclesische Zuckerindustrie hielt der Name Magnis, der nahezu ein Jahrhundert m i t der Geschichte der schlesischen Zuckerindustrie verbunden war, i n der schlesischen Wirtschaftsgeschichte durch seine Gruben, Dampfziegeleien und Mühlenwerke wie auch durch eine hervorragend geführte Landwirtschaft seinen besonderen Klang86). Die weitere Entwicklung

in Schlesien

Eckersdorf folgten nun rasch weitere Neugründungen, 1835 Rosenthal bei Breslau, 1837 Gräben bei Striegau, 1839 Klettendorf bei Breslau 8 7 ). Die deutschen Techniker und Ingenieure griffen jetzt gern auf das Gedankengut Achards zurück. Die deutschen Landwirte sahen sich durch die Erfolge der französischen Rübenproduktion und Zuckerherstellung angeregt zu weiteren Versuchen. Sollten Achards Pläne doch lukrativ sein? Sollten sie der Landwirtschaft, die einen starken Auftrieb sehr w o h l nötig hatte, ein Steigen ihrer Erträge, ein Schritthalten neben der Industrie gewährleisten? Der Urgroßvater des Bauern und des Gutsbesitzers hatte nicht wesentlich anders gearbeitet und gewirtschaftet als der Vater; beide hatten i m Durchschnitt der Jahre und Jahrzehnte die gleichen Mengen je H e k t a r geerntet. Zunächst brachte die Fruchtwechselwirtschaft bessere Erträge, später der Mineraldünger, von dessen Wirksamkeit 1840 Liebigs bahnbrechendes Buch „ D i e Chemie i n ihrer Anwendung auf Agrikulturchemie und Physiologie" Aufklärung schaffen und die weitere Erhöhung der Hektarerträge bringen sollte. Schon die beim Rübenanbau erforderliche intensivere Bodenbearbeitung sorgte für höhere Hektarerträge. Mützel aus Brieg gab 1835 i n den Schlesischen Provinzialblättern nähere Anweisungen: Den jährlichen Betriebsumfang einer Rüben-Zuckerfabrik beziffert er auf ca. 10 000 Z t r . Rüben. Bei täglicher Verarbeitung von 100 Z t r . reiche diese Menge für 100 Arbeitstage, für eine Kampagne von 3 bis 3,5 Monaten. 100 Morgen Land seien bei zweckmäßiger Bearbeitung bei einem vorzüglich kultivierten Boden, tief gepflügt und schräg geeggt, unkrautrein gehalten, für die Erzielung der erforderlichen Rübenmenge ausreichend. Hieraus ergebe sich, daß der Besitzer eines Rittergutes v o n der i n Schlesien üblichen Größe bei gehöriger Einrichtung seiner Ökonomie imstande sei, eine solche Fabrik zu errichten und zu betreiben, ohne irgendeinen Zweig seiner Wirtschaft zu be86) Ronge, a. a. O. S. 218. 87) Steffens, H., Direktor der Zuckerfabrik Glogau: Die Rübenzuckerindustrie der Provinz Schlesien. In: Industrie und Ingenieurwerke in Mittel- und Niederschlesien. Festschrift zur 52. Hauptversammlung des Vereins deutscher Ingenieure in Breslau vom 10.—14. Juni 1911, Breslau 1911 S. 255 ff. (258).

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Gerhard Weersinn nachteiligen. Mützel weist schon darauf hin, daß durch die Rübenkuppen und -Blätter erhebliche Mengen Viehfutter anfallen und dadurch der N a t u r dünger wiederum vermehrt werde; dies alles steigere erheblich die Ertragsfähigkeit der Äcker. Es erhebt sich die Frage, warum gerade der Ratsherr und Kämmerer Mützel aus Brieg zum berufenen Sprecher der i n Schlesien wieder einsetzenden Zuckerindustrie w i r d . Darüber klärt er den Leser eingangs seiner Aufsatzreihe i n den Schlesischen Provinzialblättern selbst auf : „Eine 10jährige, als Dirigent von Runkelrübenzuckerfabriken im Großen ausgeübte Praxis, sowie die persönliche Besichtigung der berühmtesten dieser Fabriken im nördlichen Frankreich, am Niederrhein, im Magdeburgischen und in Schlesien, nicht minder die praktische Untersuchung aller bekannt gewordenen Vorschriften haben mir einen reichen Schatz wichtiger Erfahrungen in diesem Gebiet gegeben und mich instand gesetzt, über den Zustand dieses neuen Industriezweiges erschöpfend Auskunft zu geben88)." I n den Ausgaben Juli bis Dezember 1836 erhielt der Leser in den regelmäßigen Übersichten der Schlesischen Provinzialblätter über „Handel, Fabrik und Gewerbe" weitere Aufklärung. W i r erfahren von der Kampagne 1836, daß eine Fabrik i n Sedlitz, K r . Steinau, eine in Lossen, K r . Brieg, die Fabrik des D . F. Heisler in Glogau m i t der Siederei i n Herrnstadt in Gang gekommen waren. Für die Fabrik i n Glogau wurden die Rüben in Herrnstadt von 170 Arbeitern verarbeitet, von wo der verdickte Zuckersaft nach Glogau zur endgültigen Zuckerbereitung kam. „Die Fabrik in Klettendorf Kr. Breslau und die Fabrik des Grafen Larisdi in Ostrosnitz Kr. Cosel sollen im Januar in Tätigkeit kommen. Letztere kann täglich 4—500 Ztr. Rüben verarbeiten. Zum Zwecke der Verarbeitung sind im verflossenen Jahre vom Unternehmer gegen 20 000 Ztr. Rüben gebaut und eingeerntet worden 89)." Steigen der Rübenpreise wegen durch frühen Frost beeinträchtigter Rübenernte w i r d registriert 0 0 ). Die Kampagne 1836/37 hatte i n Glogau bereits 15 000 H ü t e Rohzucker zum Ergebnis, die Schönermark'sche Fabrik i n Prieborn lieferte monatlich über 600 H ü t e Rohzucker. „Sobald die Rübenvorräte aufgebraucht sind, wird das Raffinieren beginnen. Der gewonnene Zucker wird rücksichtlich seiner Güte gerühmt und steht dem indischen nicht nach91)." 88) 89) 00) 91)

Schles. Provinzialblätter Januar/Juni 1836 Bd. 103. Schles. Provinzialblätter Bd. 105 S. 77. A. a. O. S. 172. Bd. 105 S. 270.

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Die sclesisce Zuckerindustrie Über die nunmehr rasch sich entwickelnde schlesische Zuckerrübenindustrie berichtet Mützel i n Band 106 der Schlesischen Provinzialblätter für Juli bis Dezember 1837: „Die Runkelrüben-Zuckerfabriken, deren im verflossenen Winter 11 in Schlesien im Gange waren, zu Eckersdorf, Rosenthal, Klettendorf, Lossen, Carolat, Glogau, Ostrosnitz, Weizenroda, Prieborn, Herrnstadt und Zedlitz, sind namentlich die ersteren 6 in erfolgreicher Tätigkeit gewesen und sollen diese letzteren 138 000 Ztr. Rüben zu 6850 Ztr. Zucker verarbeitet haben. Das Nichthalten der Lieferungskontrakte setzte mehrere Fabriken in Verlegenheit. Außerdem gerieten die Rüben schlecht und gingen bei dem früh eingetretenen Frost viele derselben zu Grunde. Für den diesjährigen Betrieb haben sich die Unternehmer daher besser vorgesehen. Die Fabriken zu Ostrosnitz, Carolat und Klettendorf sind so ausgedehnt, daß jede derselben 600 Ztr. Rüben täglich zu verarbeiten vermag. In der Carolater Fabrik fanden 60 Arbeiter Beschäftigung, außerdem wurden 12 Pferde benutzt. Der fabrizierte Zucker ist jetzt überall in Verbrauch gekommen, der Handel mit solchem geht gut; der Syrup findet aber wegen seines unangenehmen Geschmacks nicht Käufer. Dagegen hat sich der Syrup aus Kartoffelstärke gut verkaufen lassen92)." Die guten Verkaufsmöglichkeiten des Rübenzuckers (23 Reichstaler pro Ztr.) gaben neuen Auftrieb für die Kampagne 9 3 ). Die Gründung der „Gesellschaft zur Beförderung der Fabrikation von Zucker" in Schlesien führte zur nötigen gemeinsamen Organisation der Fabriken: „Den ökonomischen landwirtschaftlichen Vereinen wird jetzt eine Gesellschaft zur Beförderung der Fabrikation von Zucker aus Runkelrüben zutreten, welche durch ein von 25 Aktionären zusammengebrachtes Betriebskapital von 25 000 Reichstaler diesen wichtigen ökonomischen Erwerbszweig teils selbst emporbringen, teils Unternehmungen in solchen unterstützen wird. Bei Frankenstein wird eine Musterfabrik anzulegen beabsichtigt, welche nach dem Schützenbach'schen Verfahren betrieben werden soll94)." Die nächste Nachricht dagegen ist nicht so erfreulich: Die neue Kampagne ist in vollem Gange, „einige Fabriken haben den neuen Betrieb m i t vervollkommneten Maschinen und Vorrichtungen begonnen"; aber „der indische Zucker findet neben dem Runkelrübenzucker zu unveränderten Preisen Begehr" 9 5 ). 02) Schles. Provinzialblätter Bd. 106 S. 80. 93) A. a. O. S. 386. 94) A. a. O. S. 478. Zur weiteren Entwicklung vgl. Schles. Provinzialblätter Bd. 109 März 1839 S. 275 f.: Schlesische Runkelrüben-Zuckerfabrikation; Schles. Provinzialblätter Bd. 110 Nov. 1839 S. 427—435: Über die Wichtigkeit des Zuckerrüben-Baues und der ZuckerFabrikation aus Rüben für die National-Ökonomie. 95) A. a. O. S. 481. Uber die Entwicklung der Zuckerindustrie in Oberschlesien nach 1850 vgl. Gewerbestatistik Preußens. 2. Teil, Oberschlesien, v. Th. Schück. Iserlohn 1860 S. 497.

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Gerhard Webersinn Gustav Frey tags „Soll und Haben" und die schlesische Zuckerindustrie Als 1855 erstmals Gustav Frey tags überwiegend i n Breslau spielender Kaufmannsroman „Soll und Haben" erschien, konnte der Leser darin auch manches über die schlesische Zuckerindustrie finden 9 6 ). Daß 1830/31 noch der Kolonialzucker allgemein gebräuchlich war, erfährt man aus jener Stelle, w o davon berichtet w i r d , daß der K a l k u l a t o r Wohlfahrt an jedem Weihnachtsfest eine Kiste Kolonialwaren erhielt, „ w o r i n ein H u t feinsten Zuckers und ein großes Paket Kaffee standen". Während den gewöhnlichen Zucker seine Frau zerkleinerte, nahm er sich der Zerkleinerung dieses Z u k kerhuts selbst an, „ m i t vielem K r a f t a u f w a n d i n einer feierlichen H a n d l u n g " . Die Rübenzuckerfabrikation dagegen zeigt Gustav Freytag noch als eine gefährliche Spekulation, i n die der Händler Hirsch-Ehrenthal den Freiherrn von Rothsattel verstricken möchte: „ D e r H e r r Baron können selbst anlegen ein Etablissement auf Ihrem Gut, wenn Sie wollen schaffen Zucker aus Rüben." Nach einiger Zeit erscheint Hirsch-Ehrenthal wieder auf dem Gut m i t der Nachricht, „es ist jetzt i m Werk, eine Kompagnie zu bilden, welche eine solche Fabrik ganz i n Ihrer Nähe bauen w i l l " . „Dem Freiherrn war die Nachricht sehr unangenehm. Seit Jahren hatte er sich mit dem Gedanken getragen, eine gleiche Fabrik auf seinem Grund und Boden zu errichten, er hatte eine Anzahl ähnlicher Unternehmungen besucht, hatte sich Anschläge machen lassen, mit Technikern verhandelt, ja er hatte schon den Platz bezeichnet, auf dem der Bau am wenigsten unschön gewesen wäre." Unentschlossen hatte er den Plan beiseite geschoben. Abgeraten hatten auch Freunde und Bekannte. N u n sollte er das Geschäft anderen überlassen? So konnte Ehrenthal schließlich den Freiherrn doch bewegen, „ m i t Feuer die Anlage seiner Fabrik zu betreiben". Der Leser erlebt den Bau der Fabrik, die Maßnahmen für die Rübenkultur, die finanziellen Sorgen, i n die der landbewirtschaftende Freiherr sich auf dem Weg zum industriellen Unternehmer stürzt. Gustav Freytag warnt vor den sich auftürmenden Schwierigkeiten: „Dreimal wehe dem Landwirt, der übereilt in unverständigem Gelüst die schwarze Kunst des Dampfes über seine Schollen führt, um Kräfte daraus hervor zu locken, die nicht darin leben . . . in dem Schwünge der Räder wird zerrissen, was in seiner Wirtschaft noch unversehrt war, die Kraft seines Bodens verzehrt sich in fruchtlosen Versuchen, seine Gespanne erlahmen an schweren Fabrikfuhren, seine ehrlichen Landarbeiter verwandeln sich in ein schmutziges hungerndes Proletariat." »«) Baxa/Bruhns: Zucker im Leben der Völker. Berlin 1967, S. 345/47.

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Die sclesische Zuckerindustrie Was Freytag hier aufgezeichnet hat, ist nicht letzte Wirklichkeit geworden. Allerdings hat Gustav Freytag die Fehlschläge gesehen, die i n der „heroischen Z e i t " der sdilesischen Rübenzuckerindustrie nicht ausblieben; er hat diese Fehlschläge treffend gezeichnet: „Die Fabrik hatte im Winter einige Monate gearbeitet. Die Rübenernte des Gutes war missraten, der Anbau in der Umgegend, von dem der Freiherr vieles erwartet hatte, war unzureichend gewesen. Manche der kleinen Landwirte hatten ihre Kontrakte nicht erfüllt, andere hatten Schlechtes geliefert. Die Rüben fehlten, es fehlte das Kapital, die Fabrik stand still, die Arbeiter verliefen sich97)." Das von Gustav Frey tag hier von der „heroischen Z e i t " der sdilesischen Zuckerindustrie entworfene B i l d w i r d von Baxa-Bruhns „ E i n echtes B i l d aus der Frühgeschichte der deutschen Rübenzucker-Industrie zu Beginn der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts" genannt: „Wie dem Freiherrn von Rothsattel im Roman, so erging es manchem Rübenzuckerfabrikanten. Der Aufstieg der jungen Industrie führte über ein ganzes Gräberfeld gescheiterter Experimente und verunglückter Fabriken, die nur wenige Kampagnen erlebten 98)." Zur Zeit als Gustav Frey tags Roman erschien, 1855, waren diese Schwierigkeiten bereits überwunden. Der Weg der jungen Industrie ging aufwärts, wenn auch i n der zweiten H ä l f t e des Jahrhunderts neue Schwierigkeiten und sogar schwere Rückschläge nicht ausbleiben konnten. Die seit 1836 arbeitenden sdilesischen Fabriken blieben jedoch größtenteils weiter in der Produktion. Die Kapazität der Gutsanlagen aus der Frühzeit war zu klein gewesen, u m rationell das äußerste aus der Produktion herauszuholen. Die Methoden der Zuckergewinnung, die Güte der angebauten Rüben, ihr Zuckergehalt, die Transportfrage, all diese Faktoren für das Gelingen der Industrie verbesserten sich seitdem laufend. Aktiengesellschaften, ein neuer Unternehmertyp Die zweite H ä l f t e des Jahrhunderts brachte eine besondere Entwicklung auch i n der Zuckerindustrie, die v o m Privatbesitz der Fabriken von Einzeleigentümern langsam, aber stetig zur Bildung anonymen Kapitals führte. Das Rechtsinstitut der Aktiengesellschaft war v o m Staat zunächst nur dem Verkehrswesen nutzbar gemacht worden, durch staatlich genehmigte Aktien9

?) Gustav Freytag: Soll und Haben. Roman in sechs Bänden. 70. Aufl. Leipzig 1908 1. Bd. S. 7, 33, 331 f., 340 f., 354, 465, 466 f., 477, 526. 9 ®) Baxa/Bruhns, a. a. O. S. 347; vgl. hierzu und zum folgenden auch Graf Finckenstein, H . W.: Die Entwicklung der Landwirtschaft in Preußen und Deutschland 1800— 1930. Würzburg 1960. S. 149 f.

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Gerhard Weersinn gesellschaften zum Bau von Landstraßen, später von Eisenbahnen, wenngleich schon 1793 die Berliner Zuckersiederei und 1819 die Pommersche Provinzial-Zuckersiederei als Aktiengesellschaften, m i t staatlicher Genehmigung versteht sich, entstanden"). Die erste Gesamtregelung des Aktienwesens hatte, unabhängig davon, ob es sich um erwerbswirtschaftliche oder gemeinwirtschaftliche Gesellschaften handelte, das preußische Aktiengesetz v o m 9. November 1843 (Pr. GS 1843, S. 341—46) gebracht, allerdings m i t der Pflicht staatlicher Konzessionen. Die Gründungen nach 1850, besonders nach 1870, gingen zwar auch noch auf schlesische Rittergutsbesitzer und Großbauern zurück, die sich selbst schon als Zuckerfabrikanten versucht hatten; dazu traten aber mehr und mehr Kaufleute, Männer, die aufgrund wirtschaftlichen Weitblicks, zuweilen auch aufgrund i m Ausland erworbener Kenntnisse den künftigen A b l a u f der deutschen Wirtschaftsentwicklung besser voraussahen; Bankiers, ferner Techniker, Chemiker, Saatzüchter, Wissenschaftler, die für die Verbesserung des Verfahrens der industriellen Produktion oder des Saatgutes m i t verantwortlich waren. Z u diesen Männern von Wirtschaft und Technik traten jedoch auch fürderhin Bauern, die als Sonderpflicht, als sog. Nebenleistungspflicht Rübenlieferungen in bestimmtem Umfange für die Aktiengesellschaft, deren A k t i e n sie erwarben, übernahmen 1 0 0 ). V o n der Eigentümer-Firma, über die Offene Handelsgesellschaft, die G m b H , die Kommandit-Gesellschaft bis zur Aktiengesellschaft und zur Kommanditgesellschaft auf A k t i e n waren und blieben durch das 19. Jahrhundert alle A r t e n von Zuckerfabriken i n Schlesien vertreten. D i e Zusammenschlüsse von rübenbauenden Bauern zum Betrieb einer Zuckerfabrik wählten meistens die G m b H - F o r m , zuweilen auch die einer Genossenschaft. I n der Zuckerindustrie, so auch i n der schlesischen, fanden sich fortgesetzt Menschen, die diese neue Industrie durch Modernisierung und Einführung neuer Verfahren, durch bessere Auswertung des Rohstoffes Rübe, durch Bereitstellung einer ständig an Zuckergehalt steigenden Rübenzüchtung zu dem machten, was man einen modernen Industriebetrieb nennen kann. M i t dem Augenblick, als die A k t i e n börsenmäßig gehandelt wurden und das Aktienkapital m i t dem Steigen der Produktionsergebnisse erhöht wurde, 89) Bösselmann, Kurt: Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens im 19. Jahrhundert. Berlin 1939 S. 59 Anm. 3, S. 68 f. 100) Gadow-Heinichen: Großkommentar zum Aktiengesetz. 1. Bd. §§ 1—144; Anm. 1 zu § 45 und § 50, S. 296; dort auch zur Frage der Rechtsfolgen bei Nichterfüllung der Nebenleistungspflicht; neueres Schrifttum auch in Wöhrmann, Celle: Hofzugehörigkeit von Zuckerrübenaktien. In: Recht der Landwirtschaft. Nr. 10 Oktober 1966 S. 253—256; Langen, Erich: Die Gesellschaftsform in deutschen Zuckerfabriken. Braunschweig 1935.

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Die sclesische Zuckerindustrie wuchs allerdings auch die Krisenempfindlichkeit der neuen Industrie, die auch die Schwankungen des Weltmarktzuckerpreises registrierte. Auch die schlesische Zuckerindustrie blieb wie alle neuen Industrien für die Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Rohstoffe von den Gründerkrisen nicht verschont, von denen die schwerste die siebziger Jahre beherrscht h a t 1 0 1 ) . D a kleinere Betriebe nicht die M i t t e l für die Anschaffung der teuren neuzeitlichen Maschinen und Apparate aufbringen konnten, führte dies zu Stillegungen. V o n den 28 Rübenzuckerfabriken i n Schlesien i m Jahre 1848 waren erst sechs größere Fabriken m i t Dampfheizung sowie vollkommenen Maschinen und Apparaturen ausgerüstet, während die übrigen 22 kleineren Fabriken (treffender gesagt Fabrikationsstätten), die knapp die H ä l f t e der gesamten Rübenernte Schlesiens verarbeiteten, noch größtenteils über offenem Feuer kochten und m i t Göpelwerken betrieben wurden. Die kleineren Fabriken stellten Rohzucker oder Farinzucker her, die größeren Brotzucker, entweder direkt aus Rübensaft oder nach Raffination des vorher gewonnenen Rohzuckers 102 ). Die großen Zuckerfabriken jener Zeit haben alle Krisen der Zeit bis 1945 überstanden: Rosenthal bei Breslau seit 1835, Gräben bei Striegau seit 1836, Puschkau bei Königszelt seit 1839, Klettendorf, K r . Breslau seit 1839, Puschkowa (seit 1937 gen. Hubertushof), K r . Breslau seit 1847 sowie Hertwigswaldau und Weizenroda, beide 1848 gegründet 1 0 3 ). V o n Interesse dürfte i n diesem Zusammenhang sein, daß vor dem Ersten Weltkrieg von 49 schlesischen Rohzuckerfabriken 18 Aktiengesellschaften, fünf Offene Handelsgesellschaften, eine Kommanditgesellschaft, 18 Gesellschaften m. b. H . waren, während sich nur sieben i n Privatbesitz befanden. I n der Kampagne 1910/11 wurden von der Gesamtmenge der verarbeiteten Rüben nur 8,61 v. H . von den Fabriken selbst gewonnen, 32,27 v. H . von den Gesellschaftern der Fabriken aufgrund ihrer Nebenleistungsverpflichtungen geliefert; die Mehrzahl aber, 59,12 v. H . waren Kaufrüben, die die Fabriken aufgrund fester Lieferungsverträge von den Landwirten der näheren und weiteren Umgebung (Anlieferung per Pferdefuhrwerk, vor dem zweiten Weltkrieg auch per L K W , oder per Bahn über die Anschlußgeleise) zu Preisen nach den festgestellten Zuckerprozenten bezogen, ohne 101) Finckenstein, a. a. O. S. 150. 102) Baxa/Bruhns: Zucker im Leben der Völker. S. 172. 103) Diese Angaben wie auch die Gründungsjahre in den folgenden Abschnitten beruhen auf Rathke/Schallehn: Adreßbuch für die Zuckerindustrie und den Zuckerhandel Europa 1938/39, 68. Jg. Magdeburg, 72. Jg. 1942/43; Andres, Paul: Die Zuckerindustrie in Schlesien vor 60 Jahren. DZ 1911 S. 729, ferner: Kleine Chronologie der Zuckerindustrie. ZZ 1952 S. 58 und Die Zuckerindustrie vor 100 Jahren. ZZ 1963 S. 13.

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Gerhard Webersinn daß die rübenliefernde Landwirtschaft am Gewinn oder Verlust der betreffenden Fabrik beteiligt war. Der Durchschnittspreis der Kaufrüben betrug 1910/11 i n Schlesien 2,74 R M für einen Doppelzentner 1 0 4 ). Der Verein für die Rübenzucker-Industrie und Schlesien Als am 22. M ä r z 1850 zu Magdeburg deutsche Rübenzuckerfabrikanten sich zu einem festorganisierten Verein, dem „Verein für die RübenzuckerIndustrie des Zollvereins", dem späteren Verein der Deutschen Zuckerindustrie zusammenschlössen, war Schlesien zuerst nur durch die Gebrüder Liebig aus Breslau vertreten 1 0 5 ). I m Laufe des Gründungsjahres traten weitere 15 Fabriken dem Verein bei, darunter aus Schlesien: die Zuckerfabrik Fraustadt, Filiale Raffinerie Glogau, früher: Glogauer Zuckerfabrik i n Glogau, die Hertwigswaldauer Zuckerfabrik i n Hertwigswaldau bei Jauer, früher: v. D a l l w i t z i n Nieder Hertwigswaldau, ferner Scherzer & Co, Zuckerfabrik in Neuhof, K r . Liegnitz, früher: Werkmeister, Treutier & Co in Neuhof, dann E. P. Naehrich, Zuckerfabrik i n Puschkowa, dann Gebrüder Schoeller & Co i n Rosenthal bei Breslau, früher: S. Silberstein i n Rosenthal bei Breslau, schließlich Aug. Groß & Söhne, Zuckerfabrik i n Weizenroda, früher: E. Fromme i n Weizenroda 1 0 6 ). Daß die „Zeitschrift des Vereins für die Rübenzuckerindustrie i m Zollverein" 1851 entstand, später die Zeitschrift der Deutschen Zuckerindustrie, die 94 Jahre lang bis 1945 weitergeführt werden konnte, sei nur nebenbei bemerkt 1 0 7 ). Sie brachte laufend Berichte technischer, geschichtlicher, persönlicher A r t besonders auch aus der schlesisdien Zuckerindustrie. Schlesische Zuckerindustrielle haben durch alle Jahrzehnte i m Verein der Deutschen Zuckerindustrie a k t i v mitgearbeitet, i m Vereinsausschuß, lange Zeit auch als dessen Vorsitzende, i m gesamten Vereinsvorstand, ebenso aber auch i n dem am 13. Februar 1865 unter dem Vorsitz von F. Kopisch, Weizenroda gegründeten Schles. Zweigverein. War schon die Berufung i n die Organe des Vereins eine Auszeichnung, so hatte der Verein nach seiner Satzung die Möglichkeit, besonders verdiente Mitglieder i n der Hauptversammlung zu „Ehrenmitgliedern" zu ernennen. 1922 war die Würde eines Ehrenmitgliedes dem Geheimen Kommerzienrat C a r l von Skene, Kletten104) Frech und Kampers: Naturwissenschaftlicher Teil, S. 300. iOö) Denkschrift 1850—1925 S. 12. iOO) Festschrift 1850—1925 S. 14. i07) Baxa/Bruhns: S. 186; zur Fachpresse: Baxa: Geschichte der Zuckerzeitschriften, ZZ 1956 S. 16 ff.

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Die sclesische Zuckerindustrie dorf für seine großen Verdienste um die Industrie verliehen worden, 1928 dem Rittergutsbesitzer Paul v. Naehrich, Puschkowa, der sich jahrzehntelang aktiv für den Verein eingesetzt hatte. Der Verein wurde auch m i t seiner Bezirksgruppe Schlesien tätig i n der Ausfuhrvereinigung der deutschen Rübenzuckerfabriken G m b H , i n der Vereinigung für Verbrauchszuckerverteilung G m b H und i n der Wirtschaftlichen Vereinigung der Deutschen Z u k kerindustrie. Das Arbeitszeitproblem Die Arbeitszeit i n Zuckerfabriken war ständig ein besonderes Problem. Über die lange Arbeitszeit, täglich während der Kampagne bis zu 14 Stunden, kam es schon 1850 i n Magdeburg zu Beschwerden, die freilich i n Schlesien nicht in dem gleichen Maße eine Parallele fanden. Mag dies daran gelegen haben, daß die schlesischen Kampagnearbeiter fast durchweg aus der Landwirtschaft kamen, die zur Geltendmachung einer festen kürzeren A r beitszeit nicht so geneigt waren, man weiß es nicht. Jedenfalls hat der Verein für die Rübenzuckerindustrie sich genötigt gesehen, bereits 1851 den Erlaß einer gemeinsamen Arbeitsordnung und eine allgemeine Einschränkung der Arbeitszeit ebenso wie das Sonntagsarbeitsverbot bekannt zu geben; dieser Erlaß galt naturgemäß auch für die dem Verein angeschlossenen schlesischen Fabriken 1 0 8 ). Die späteren Gründungen V o n den bis 1945 bestehenden schlesischen Zuckerfabriken sind schon i m Jahrzehnt nach 1850 die i n Niederschwedeldorf in der Grafschaft Glatz, 1852 die i n Groß Peterwitz und 1859 die i n Gutschdorf und i n Heidersdorf (Nierderschlesien) entstanden. Der großen Zeit der Gründungen, der sog. Gründerzeit nach dem Kriege 1870/71 verdanken die folgenden schlesischen Zuckerfabriken ihr Entstehen: Brieg, Ratibor und Groß Neukirch, K r . Cosel 1870, Niklasdorf, K r . Strehlen, K u r t w i t z , A l t Jauer, Trachenberg und Tsdiauchelwitz 1871, Peterwitz 1872, Bauerwitz 1873. Die Zuckersiederei Niederschwedeldorf Diese Zuckersiederei, 1850 von Ernst Freiherr von Münchhausen durch U m bau einer ehemaligen Brauerei gegründet, verdient besondere Erwähnung, weil sie ein Beweis dafür ist, daß die Zuckerindustrie auch i n der Grafschaft 108) Baxa/Bruhns: S. 171/72; Lippmann: Die Entwicklung der deutschen Zuckerindustrie. Leipzig 1900 S. 242.

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Gerhard Webersinn Glatz erfolgreich Fuß fassen und sich behaupten konnte, also nicht nur auf den klassischen Weizen- und Zuckerrübenböden, nicht nur wie Eckersdorf am Fuß des Eulengebirges, sondern auch mitten i m schlesischen Bergland. Nicht nur hinsichtlich des Standortes bewährte sie sich, sondern auch i n ihrer Einrichtung. Unter den Augen des Gründers Ernst Freiherr v o n Münchhausen gedieh diese Zuckerfabrik anfangs gut und konnte sich neben den Zuckerfabriken der schlesischen Ebene auch weiter behaupten. Als i m letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts für die gesamte schlesische Zuckerindustrie eine schwierige Zeit kam, die nur Werken m i t höchster Leistungsfähigkeit das Überleben sicherte, entschloß man sich kurz zu einem Umbau, zu einer Modernisierung der gesamten Inneneinrichtung. Die Verarbeitungsmöglichkeit von 600 Z t r . Rüben täglich wurde auf 5000 Z t r . täglich vergrößert. Die jährliche Verarbeitung wuchs auf 250 000 Z t r . Rüben, die Produktion auf etwa 35 000 Z t r . Zucker und 6500 Z t r . Melasse. Das Münchhausen'sche Einzelunternehmen wurde zu einer G m b H , „RübenVerwertungs-Gesellschaft Zuckersiederei G m b H " , umgebildet, ging also zur Beteiligung der rübenanbauenden Grafschafter Bauern über. Die Leitung hatte seit 1906 Direktor Klare weit über drei Jahrzehnte, während Vorsitzender des Aufsichtsrats 1938/39 noch ein Freiherr von Münchhausen war. 1922 erfolgte durch die Firma Främbs & Freudenberg i n Schweidnitz — eine für die Einrichtung und den Umbau von Zuckerfabriken besonders beliebte Spezialfirma — ein neuer U m b a u 1 0 9 ) . Das Unternehmen, aus kleinem Anfang hervorgegangen, verfügte über einen sehr seßhaften und treuen Arbeiterstamm, zum Teil Inhaber landwirtschaftlicher Kleinstbetriebe, die durch Jahrzehnte dem Betrieb treu blieben und von Kampagne zu Kampagne i n den Betrieb als Arbeiter wiederkehrten. Als i m Jahre 1900 das 50jährige Betriebsjubiläum gefeiert wurde, konnten eine A n z a h l Arbeiter für 30, 40, ja sogar für 50 Jahre Betriebszugehörigkeit belohnt werden 1 1 0 ). Erlebnisse und Erfahrungen eines alten Rübenanbauers A . F. Kiehl, „ein alter Rübenanbauer", wie er sich selbst nennt, hat i m Jahre 1911 seine „Sechzigjährigen Erlebnisse und Erfahrungen eines alten Rübenanbauers" veröffentlicht, i n denen der aus H o l l a n d stammende L a n d w i r t , der in Jena Landwirtschaft studiert hat, als junger Gutsbeamter in H e r t wigswalde, K r . Münsterberg (später K r . Frankenstein) Rüben anbaute und 109) Wirtschaftlicher Heimatführer für Schlesien. Hrsg. vom Schles. Lehrerverein. Düsseldorf 1920 S. 203. 110) Wirtschaftl. Heimatführer. Freiherr v. Münchhausen'sche Zuckersiederei Niederschwedeldorf a. a. O. S. 226 (mit Gesamtansicht).

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Die schlesische Zuckerindustrie erntete, die Lage der Rübenanbauer schilderte. Weder i n Ottmadiau, noch i n Münsterberg, noch i n Zadel bei Frankenstein, w o später Zuckerfabriken entstanden, gab es damals eine solche, und so mußte er die geernteten Rüben 1852 m i t Pferdefuhrwerken „ i n die reichlich 3 Meilen entfernte Zuckerfabrik Barzdorf i n Österreichisch-Schlesien" fahren, für 7,5 Silbergroschen pro Wiener Z t r . frei Fabrik. „Da wir mit eigenem Gespann nicht imstande gewesen wären, die Rüben rechtzeitig zur Fabrik abzufahren, stellte uns diese einige Fuhrleute zur Verfügung, die 2V2 Sgr. pro netto Ztr. abgelieferte Rüben bekamen. Als der Frost das Pflügen nicht mehr zuließ, fuhren wir die Rüben nunmehr mit eigenen Gespannen zur Fabrik; und so wanderte ich eines schönen Spätherbsttages hinter meinem mit Rüben beladenen Wagen zur Fabrik. Dort angekommen, meldete ich mich sofort beim Herrn ,Fabrikinspektor'. Der äußerst zuvorkommende Beamte stieg alsbald auf die hintere Radachse des ersten Wagens und besichtigte von diesem erhöhten Standpunkt aus die Ladung. In gleicher Weise wurden die Rüben auf dem zweiten und so fort bis zum letzten Wagen von ihm besichtigt; dann sagte er laut: ,Zwei Prozent*. In meiner völligen Unerfahrenheit in Rübenablieferungsangelegenheiten war mir dieser Ausspruch in seiner Bedeutung völlig dunkel, weshalb ich mich mit einer bezüglichen Frage an den Herrn Fabrikinspektor wandte. Das sei der Abzug auf Bodenanhang an den Rüben, wurde ich beschieden, und der im Kontor der Fabrik später mir ausgehändigte Ablieferungszettel bestätigte es. Eine Putzprobe wurde nicht gemacht; von einer solchen erfuhr ich erst viel später 111). So also sah es m i t dem Rübenanbau und der Zuckerproduktion i n der N i e derung der Glatzer Neisse i n der zweiten H ä l f t e des 19. Jahrhunderts aus. Dreimal zerschlugen sich Pläne Kiehls, i n Hertwigswalde, K r . Münsterberg auf dem Gelände seiner Dienstherrin oder i n der Nähe eine Zuckerfabrik einzurichten, bis 1883 i n Münsterberg eine Aktien-Zuckerfabrik gegründet wurde. Österreichisch-Schlesien A n der Zuckerproduktion, einer auch für die Sudetenländer überaus wichtigen Industrie, nahm Österreichisch-Schlesien einen erfreulichen Anteil. D a wirtschaftliche Verbindungen früher über die Grenze hinüber u n d herüber bestanden — man denke nur an die Rübenlieferungen, wie sie K i e h l von der Neisseniederung aus Preußisch-Schlesien nach Barzdorf i n ÖsterreichischSchlesien beschrieben hat — , sei hier kurz auf die Zuckerindustrie öster111) Kiehl, F. A.: Sechzigjährige Erlebnisse und Erfahrungen eines alten Rübenbauers. Berlin 1911 S. 8. (August Friedrich Kiehl wurde am 21. 12. 1831 geboren. Er starb am 26. 10. 1926 in Münsterberg/Schlesien.); Webersinn, Gerh.: ökonomierat A. F. Kiehl, Münsterberg, „Ein alter Rübenanbauer" in: Frankenstein-Münsterberger Heimatblatt Jg. 1972; zur Auseinandersetzung zwischen Prof. E. Gutzeit (Königsberg) und Kiehl: Deutsche Landwirtschaftliche Presse, X X V I I I , 1911 S. 669/70 und 789; zur Person Kiehls: Erlebnisse. 12

Breslau

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Gerhard Webersinn reichisch-Schlesiens eingegangen. Schon wenige Jahre nach der Errichtung der ersten Mährischen Zuckerfabrik entstand 1834 i n Groß Kunzendorf die erste österreichisch-schlesisdie Zuckerfabrik, der bald i m Troppauer Gebiet die Gründung anderer Zuckerfabriken und Raffinerien, hauptsächlich i n den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts folgte. Die eigene Rübenanbaufläche Österreichisch-Schlesiens war zu gering, und es mußten deshalb die angrenzenden mährischen und preußischen Gebiete zur Versorgung der sudetenländischen Zuckerindustrie m i t Rüben herangezogen werden. Dies änderte sich erst durch die Gründung von Zuckerfabriken i n der Gegend von Ratibor, Cosel, Ottmachau, Münsterberg und Zadel, K r . Frankenstein. Als hier eigene Zuckerfabriken entstanden, stellte die Zuckerfabrik i n Barzdorf, später auch die i n Hotzenplotz, ihren Betrieb ein. Troppau war lange Zeit der M i t t e l p u n k t der österreidiisch-schlesischen Zuckererzeugung (Wawrowitz, Freiheitsau). Zwischen der österreidiisch-schlesischen und preußischen Zuckerindustrie waren Abmachungen hinsichtlich des Rübenaustausches der Grenzgegenden zur Versorgung der Zuckerfabriken beider Länder getroffen. Zuckerwaren, insbesondere Oblaten und Waffeln i n ausgezeichneter Qualität, erzeugten verschiedene Unternehmungen vornehmlich i n Troppau und Komorau. Neben der Zuckerindustrie entwickelte sich eine gute Süßwarenindustrie und ebenso eine nicht unbedeutende Spiritusproduktion, die auch durch die Zuckerindustrie bedingt war. Als M i t t e l p u n k t der m i t der Zuckerindustrie zusammenhängenden Spiritusproduktion galten die weit bekannten Likörfabriken von Bielitz und T r o p p a u 1 1 2 ) . Die Troppauer Zuckerraffinerie-AG i n Troppau war 1863 durch Vereinigung der damals bestehenden fünf österreidiisch-schlesischen Zuckerfabriken entstanden. I m Laufe der nächsten Jahre mußten zwei Rohzuckerfabriken stillgelegt werden, wohingegen es jedoch möglich wurde, daß die Aktiengesellschaft die verbleibenden Rohzuckerfabriken in Skochowitz und K a tharein entsprechend ausbauen konnte. Die Raffinerie wurde durch v o l l ständigen Umbau i m Jahre 1914 zu einer der modernsten Raffinerien von Österreichisch-Schlesien und später der Tschechoslowakei ausgebaut. Die Tagesverarbeitung, wurde verzehnfacht. Der i n beiden Rohzuckerfabriken erzeugte Rohzucker kam ausschließlich i n der Troppauer Raffinerie zur Verarbeitung. Die Melasse der angeschlossenen Betriebe und der Raffinerie wurde i n einer eigenen Spiritusfabrik i n Troppau verarbeitet. Nicht nur 3^2) Schlesien/Tschechoslowakei. Die sudetendeutschen Selbstverwaltungskörper. Eine Sammlung von Darstellungen der sudetendeutschen Städte und Bezirke. Hrsg. von Dr. Rudolf Lodgmann und Erwin Stein. Bd. 8 Schlesien (Tschechoslowakei) 1930 Deutscher Kommunalverlag Berlin-Friedenau S. 110.

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Die schlesische Zuckerindustrie den industriellen Betrieben wurde von der Troppauer Aktienzuckerfabrik besondere Aufmerksamkeit gewidmet. I m Jahre 1914 hatte das Unternehmen einen Eigenbesitz v o n 658 ha i n Österreichisch-Schlesien und 244 ha i n Gebieten außerhalb v o n Österreichisch-Schlesien. Dazu kamen 875 ha gepachteten Bodens daheim und 369 ha außerhalb. Der Stand des Grundbesitzes wurde durch die Bodenreform wesentlich reduziert. Ursprünglich m i t einem Aktienkapital von f l 2 200 000 — gegründet, wurde dieses durch Gewinnrückzahlung i n den Jahren 1875 bis 1877 auf 1 100 000 f l reduziert. I m Jahre 1914 wurde es auf 2 860 000 Goldkronen und i m Jahre 1921 wegen Erweiterung der Betriebe auf 6 000 000 tsdiech. K r . erhöht. Die Reserven der Gesellschaft betrugen i m Jahre 1929 14 216 685 K r . D i e Stabilisierungs-Reserve infolge durchgeführter Stabilisierung bezifferte sich zum 1. Januar 1928 auf 24 439 408 K r . 1 1 3 ) . Gründungen der achtziger Jahre Das Jahrzehnt nach 1880 brachte der schlesischen Zuckerindustrie geradezu eine Hochflut von Neugründungen: Ottmachau (Woitz) 1880, ebenso Georgendorf ( A l t Jauer), dann W a n o w i t z (Ratibor) 1881, Löwen, K r . Brieg (Froebeln) 1882, 1883 gleich drei Fabriken i n Münsterberg, Bernstadt und Oberglogau (eine Niederlassung der sudetendeutschen Hotzenplotzer Z u k kerfabrik), 1884 je eine Zuckerfabrik i n Schönowitz, K r . Neustadt/OS und Zadel, K r . Frankenstein. M i t Abstand folgten dann 1890 noch Maltsch und Schottwitz. Münsterberg Schlesien Die Gründung der Zuckerfabrik Münsterberg w i r d hier besonders erwähnt, weil M o t o r dieser Gründung kein L a n d w i r t oder Zuckerfachmann war, vielmehr der Anstoß zur Gründung aus einer ganz anderen Branche kam, nämlich von dem Begründer und Direktor der „Deutschen Tonröhren- u n d Chamottefabrik-Aktiengesellschaft Münsterberg" K a r l A d o l p h B r a n d t 1 1 4 ) . Außer einem Münsterberger A r z t waren i n der Gründungsversammlung noch vertreten ein Ingenieur aus Werder bei Berlin, ein Fabrikbesitzer und n3) a. a. O. S. 290. * 1 4 ) Webersinn, Gerhard: Karl Adolph Brandt. In: Frankenstein-Münsterberger Heimatblatt Jg. 1971; Hartmann, Franz: Geschichte der Stadt Münsterberg. Münsterberg 1907. Gründung der deutschen Tonröhren- und Schamottefabrik S. 407/C8 und Erbauung der Zuckerfabrik S. 417/18, über Brandt ferner a.a.O. S. 531, 533, 535, 536 und 538; ferner Schöngarth, Max: Die Zuckerfabrik Münsterberg. In: Kretschmer: Münsterberger Land. Ein Heimatbuch. Münsterberg 1930 S. 218—221; Hoffs, Ferdinand: Die Entstehung und Entwicklung der „Deutschen Ton- und Steinzeugwerke AG*. Diss. Saarbrücken 1964. 12*

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Gerhard Weersinn ein Baumeister aus Breslau, alle zusammen m i t einem Aktienkapital von 100 000 M a r k . E i n geeigneter Bauplatz i n der Nähe der Ohle und der Eisenbahnstrecke Breslau—Kamenz—Glatz—Mittelwalde fand sich neben der Tonröhrenfabrik stadtwärts. Diesen Standort bedingte die Nähe von Wasser und Bahnlinie. I m Herbst 1883 begann die erste Kampagne. Den damaligen Verhältnissen entsprechend war die Fabrik für eine Verarbeitung v o n 3000 D z Rüben innerhalb 24 Stunden eingerichtet. Die am 28. Februar 1884 abgeschlossene erste Kampagne hatte eine Gesamtverarbeitung von 225 360 D z Rüben erbracht. Die stark sinkenden Zuckerpreise der nächsten Jahre ließen die Fabrik schwere Kinderkrankheiten durchmachen, so daß man 1887 sogar erwog, die Aktiengesellschaft i n Liquidation gehen zu lassen. Trotzdem auch die folgenden Jahre keine sichtbaren Erfolge brachten, wurde die Fabrik infolge des i m ganzen Kreisgebiet Münsterberg stark angewachsenen Rübenanbaus weiter ausgebaut und verbessert. Die Rübenfabrik konnte bis zum Zusammenbruch des Jahres 1945 weitergeführt werden. Die Umbauten der Jahre 1906 bis 1908 erhöhten die Tagesleistung auf 10 000 D z Rüben. Das Jahr 1911 brachte eine katastrophale Mißernte der Rübenanbauer und löste demzufolge ein bisher noch nicht dagewesenes starkes Ansteigen der Zuckerpreise aus. Große Posten vorverkauften Zuckers mußten anderweitig zu außerordentlich hohen Preisen beschafft werden. Weitere erhebliche Verluste entstanden infolge fehlgeschlagener Termingeschäfte. Das Geschäftsjahr 1911/12 schloß m i t einem so ungeheuren Verlust, daß er i n den folgenden Geschäftsjahren nicht ausgeglichen werden konnte. I m Jahr 1913 wurde deshalb die Unterbilanz von rd. 450 000 M a r k durch eine Herabsetzung des Aktienkapitals v o n 750 000 M a r k auf 300 000 M beseitigt. D a m i t wurde das Unternehmen wieder auf eine gesunde Grundlage gestellt. M a n scheute nicht technische Verbesserungen und Fortschritte, bis der Erste Weltkrieg 1914 die weitere Entwicklung hemmte. Der Rübenanbau ging zurück, und jedes Kriegsjahr brachte neue Schwierigkeiten. Auch die Zuckernot nach dem Ersten W e l t k r i e g 1 1 5 ) konnte das Geschäft nicht heben. I n den Jahren der folgenden Inflation aber gelang es der Gesellschaft, sich von ihren alten Bankschulden m i t Leichtigkeit zu befreien. Der Gewinn des gut verlaufenen Geschäftsjahres 1921/22 wurde (außer Zahlung einer hohen Dividende) zur Ausgabe von 300 000 M a r k Gratisaktien benutzt, wodurch die Aktionäre für die Verluste aus früheren Stammkapitalverminderungen 115) Webersinn, Gerhard: Zuckernot nach dem ersten Weltkrieg im Lichte der Münsterberger Zeitung. Frankenstein-Münsterberger Heimatblatt 1971 Nr. 5 S. 9.

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Die sclesische Zuckerindustrie eine teilweise Entschädigung erhielten. Gleichzeitig wurde das Aktienkapital u m weitere 300 000 M a r k (Papiermark) erhöht. Dieser Vorteil w i r k t e sich besonders günstig bei der Goldmarkumstellung aus, denn das A k t i e n kapital von 900 000 Papiermark konnte auf volle 900 000 G M umgestellt werden 1 1 6 ). Der letzte Direktor der Fabrik, M a x Schöngart, hat i n seinem Beitrag für das Heimatbuch „Münsterberger L a n d " eingehend auch die laufenden alljährlichen Verbesserungen technischer und betriebswirtschaftlicher A r t dargestellt; denn: „die schwierigen Zeiten erfordern ständig weitere Betriebsverbesserungen, damit die bei Zuckerfabriken schon immer üblich gewesene intensive Arbeitsweise noch wirtschaftlicher gestaltet werden kann". Die Münsterberger Fabrik verfügte auf ihrem Fabrikgelände über drei Wiegehäuser m i t drei Hauptabnahmestellen und unterhielt für die weiter entfernt liegenden Rübengebiete 17 Sammelstellen, i m Norden an der Bahnstrecke Breslau—Strehlen die von Wangern, Wäldchen, Warkotsch, ebensolche an der Strehlen—Nimptscher Kleinbahn v o n Heinrichau—Alt H e i n richau—Tepliwoda (Lauenbrunn), an der Bahnstrecke Kamenz—Ottmachau eine solche i n Hertwigswalde 1 1 7 ), an der Strecke Kamenz—Glatz eine i n Wartha—Frankenberg, an der Strecke Glatz—Mittelsteine sogar eine i n Möhlten; dazu noch die auf dem flachen Lande gelegenen Sammelstellen abseits der Bahnstrecken 118 ). Die Fabrik, die 1930 Rohzucker herstellte, besaß seit 1922 Einrichtungen, „die es jeder Zeit gestatteten von der Rübe unmittelbar auf weiße Ware zu arbeiten". Fröbeln (Löwen, K r . Brieg) Ein anderer typischer Fall w a r der der Zuckerfabrik Fröbeln zwischen Brieg und Oppeln. Sie nahm ihren Ausgang von dem alten Gutsbezirk Fröbeln. Seit 1882 wuchs dort an der Bahnstrecke Breslau—Brieg—Oppeln gleich hinter der Station Löwen ein großes Fabrikunternehmen empor. Baron von Eckardstein hatte 1878 den Rest der Herrschaft Löwen (Fröbeln, Klausenberg, Rauske und Stroschitz) an Kommerzienrat Silvius M o l l i n Brieg verkauft. Die Eindämmung der Neisse hatte den verstärkten A n b a u von Z u k kerrüben i n der Neisse-Niederung ermöglicht, zu deren Verarbeitung die Fabrik Herbst 1882 die erste Kampagne der Rohzuckererzeugung eröffnen konnte. 1886 wurde eine Zucker-Raffinerie der Fabrik angegliedert. Während ursprünglich nur Rüben eigenen Anbaus aus dem Gut Fröbeln verar116) Schöngarth, a. a. O. S. 219. 117) Kiehl: Erlebnisse S. 9 (vor Gründung der Zuckerfabrik Münsterberg wurden von Hertwigswalde, Kr. Münsterberg aus die Rüben noch nach Barzdorf österr. Schles. geliefert. 118) Schöngarth, a. a. O. S. 219.

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Gerhard Webersinn beitet wurden, mußte die Produktion bald erweitert werden, da sich die Landwirte der Umgegend auch dem Rübenanbau zugewandt hatten. So stieg die Menge der verarbeiteten Rüben von 30 000 Z t r . auf 1 M i l l i o n ; 1925 waren 2, 1930 sogar 3,5 Millionen erreicht. Die ständige Belegschaft betrug 215 Beamte, Angestellte und Arbeiter, w o z u i n der Kampagne noch 480 Menschen zusätzlich eingestellt wurden. Der Eingemeindungsstreit zwischen der Stadt Löwen u n d dem Gutsbezirk Fröbeln dauerte fast 30 Jahre. Einer der früheren Bürgermeister von Löwen charakterisierte die Lage i n diesem Streit einmal so: „Die Schulen sind überlastet, die Straßen werden durch die schweren Rübenund Schnitzelfuhren ungebührlich abgenutzt und verunreinigt; dazu kommt die unmittelbare Gemengenlage des Gutsbezirks zur Stadt." 1928 wurde durch das preußische Gesetz zur Auflösung der Gutsbezirke der Streit beendet; am 1. Oktober 1928 wurde der Gutsbezirk Fröbeln i n die Stadt Löwen eingemeindet 1 1 9 ). Familienunternehmungen Jede Geschichte ist immer noch von bedeutenden Männern geprägt worden; wie i n der allgemeinen Geschichte, t r i f f t dies auch und vielleicht gerade auf die Wirtschaftsgeschichte zu. I n der Geschichte der schlesischen Zuckerindustrie sind es vornehmlich die Namen Naehrich, Schoeller, v o m Rath, Skene, die besonderen K l a n g besitzen, Namen, die m i t der Zuckerfabrikation eng verbunden sind, Schlesier wie Wahlschlesier, Menschen aus Ost und West, die hier einer blühenden Industrie den Weg bahnten. Paul v. Naehrich, Puschkowa 1848 hatte der Vater Paul v o n Naehrichs, K a r l Christian Naehrich auf dem Rittergut Puschkowa, K r . Breslau (später Hubertushof genannt) eine Zuckerfabrik errichtet, die der am 30. Oktober 1852 geborene Sohn nach dem Studium der Landwirtschaft i n H a l l e u n d Bonn u n d nach der Einjährigen Dienstzeit bei den Bonner Husaren 1875 zunächst samt Rittergut pachtweise, später als Eigentümer übernahm. Eine Kesselexplosion i m zweiten Jahre seiner Tätigkeit, einen Tag v o r Beginn der Kampagne, forderte sein Organisationstalent heraus, das binnen drei Wochen die Wiederherstellung v o n Kesselhaus und Fabrik und den Beginn der Kampagne ermöglichte. Er brachte den übernommenen Landbesitz allmählich auf die Größe von 3200 ha, w o z u noch für Jahrzehnte die Pachtung des Ritterguts Gniechwitz m i t 1000 ha kam. Die Zuckerfabrik wurde ständig ausgebaut und verarbei119) Für alles vorausgegangene Köhler, Kurt: Geschichte der Stadt Löwen 1933.

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Die sclesische Zuckerindustrie tete schließlich bis zu 16 000 D z Rüben pro Tag. Eine eigene m i t D a m p f betriebene Kleinbahn von etwa 30 k m Länge schaffte die Hauptmenge der Rüben zur Fabrik. L a n d w i r t und Industrieller i n einer Person, verstand es Paul von Naehrich, die Landwirtschaft i n den Dienst der Zuckerindustrie zu stellen u n d umgekehrt. Stets auf Neuerungen bedacht, war er einer der Ersten, der den Vorteil der Trocknung landwirtschaftlicher Erzeugnisse erkannte und erprobte. Die Rübenschnitzel-Trocknungsanlage seiner Zuckerfabrik wurde V o r b i l d ähnlicher Anlagen auf all seinen Gütern, zu denen noch drei Spiritusbrennereien gehörten. Er kann auch als der Gründer des Zuckerrübenanbaus i n der benachbarten Provinz Posen angesehen werden. Als diesen nennt ihn auch Köhler i n einer Kurzbiographie. Er w a r es auch, der Schlesien in den Organisationen der deutschen Zuckerindustrie und der rübenbauenden Landwirtschaft jahrzehntelang an führender Stelle vertrat. Schon 1894 schickte ihn die schlesische Zuckerindustrie als ihren Vertreter i n den Ausschuß des Vereins der Deutschen Zuckerindustrie, 1914 übernahm er i n diesem Ausschuß den Vorsitz, den er 18 Jahre lang ausübte. A m 18. Januar 1937 starb er 84 Jahre alt, nachdem er sein Leben lang m i t vitaler Energie und lebhaftem Temperament eine Fülle von Ämtern i n Industrie und Landwirtschaft, nicht zuletzt i n der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft bekleidet hatte. I n der Festschrift „ H u n d e r t Jahre deutsche Zuckerindustrie" heißt es v o n i h m : „Paul v. Naehrich hatte die Gabe, seine Ansichten und Ideen in leicht verständlicher Form klarzulegen, war dabei ein liebenswürdiger Plauderer, dem alle gern zuhörten, bis in sein hohes Alter hinein. Er war ein vornehmer, weitblickender Unternehmer, unternehmungslustig und verantwortungsvoll. Er hatte bei seinen Unternehmungen eine glückliche Hand und hinterließ einen großen schönen, gut gestellten Besitz", den aber das Unglücksjahr 1945 zerschlug 120 ). Carl von Skene Carl v. Skene wurde am 8. Juni 1848 i n Brünn geboren. 1873 trat er als Mitinhaber i n die Offene Handelsgesellschaft Gebrüder Schoeller i n Breslau ein, i n deren Besitz sich damals bereits die Zuckerfabriken Klettendorf, Rosenthal und Groß Mochbern, dazu mehrere Güter befanden. V o r allen Dingen widmete sich Carl v. Skene der Zuckerfabrik Klettendorf, die 1839 entstanden war. Skene, der einer mährischen großindustriellen Familie entstammte, hatte an der Technischen Hochschule Zürich studiert. Er hat fast 120) 100 Jahre deutsche Zuckerindustrie 1850—1950 (Festschrift) S. 332/33; Köhler, Oskar: Paul von Naehrich. In: ZZ 1952 S. 369/70.

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Gerhard Webersinn ein halbes Jahrhundert bis 1922 die Zuckerfabrik Klettendorf geleitet. Als Ingenieur w a r er stets darauf bedacht, die von i h m geführte Fabrik technisch zu vervollkommnen, alle zweckmäßigen und Erfolg versprechenden Neuerungen einzuführen, sei es daß es sich um Dampfturbinen oder u m die Elektrifizierung des Betriebes handelte, sei es daß er eine moderne Wäsche zum Raffinieren des Rohzuckers einrichtete oder Anlagen zur mechanischen Abladung von Zuckerrüben, Kohle und Rohzucker aufstellen ließ. Als 1895 die Zuckerfabrik Klettendorf m i t den dazugehörigen Gütern i n den Besitz der G m b H Schoeller & Skene überging und 1904 die Koberwitzer Unternehmen der Familie v o m Rath m i t dieser fusionierten, blieb Skene auch i n dem so vergrößerten Unternehmen „ v o m Rath, Schoeller & Skene G m b H " der führende u n d tonangebende Ingenieur, der bemüht war, die fusionierten Betriebe immer besser und rentabler zu gestalten, u m sie auf dem großen M a r k t nicht nur der schlesischen, sondern der deutschen und europäischen Zuckerindustrie konkurrenzfähig zu halten. Erst als 1922 die Firma i n eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, gab er die technische Leitung i n Klettendorf ab, nachdem er aus gesundheitlichen Gründen die meisten seiner vielen Ehrenämter schon 1920 niedergelegt hatte. Mehrere Jahre w a r er noch Aufsichtsratsvorsitzender der neugebildeten Aktiengesellschaft. Er starb am 4. August 1929. Daß er von der schlesischen Zuckerindustrie aus sich von Anfang seiner Tätigkeit an m i t regem Interesse auch den Arbeiten i n der gesamten Zuckerindustrie gewidmet und hierbei besonders für die Raffinerie-Industrie gearbeitet und deren Belange gefördert hat, gereichte nicht nur i h m zur Ehre, sondern der gesamten schlesischen Zuckerindustrie zum V o r teil. Seine schlesischen Erfolge waren ebenso Erfolge der deutschen Zuckerindustrie und lenkten den Blick der Zucker w i r tschaft des I n - und Auslandes beständig auf Schlesien. Technische Verbesserungen der Raffinerien, Sorge für die Verkehrsinteressen bei der ständigen Tarifkommission, i m Landeseisenbahnrat und i m Bezirkseisenbahnrat i n Breslau gehörten zu seinen A u f gaben, die er m i t großer Energie und Sachkenntnis bearbeitete. „Mit einer nie versiegenden Arbeitskraft hat er fast 40 Jahre in der vordersten Reihe der deutschen Zuckerindustrie, ganz besonders der Raffinationsindustrie gestanden." So das U r t e i l über ihn i n der Festschrift zum 100jährigen Bestehen des Vereins der deutschen Zuckerindustrie. „Carl v. Skene war ein weitblickender, mit sicherem Instinkt arbeitender Unternehmer, den das Glück selten verließ, dabei von liebenswürdigem, vorbildlichem Charakter, was ihm die Wertschätzung seiner Mitarbeiter sicherte121)." 121) Festschrift 1850—1950 S. 339/40.

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Die sclesische Zuckerindustrie Joh. Jakob v o m Rath & Co. i n Breslau Der „ H o f aufm R a t h " , der Stammhof des Geschlechtes v o m Rath, lag westlich der „Landwehr", dem Trenngraben der Franken u n d Sachsen i n der Barmer Gegend. 1614 findet sich der Name aufm Rath zum ersten Male i m Taufregister der Elberfelder reformierten Gemeinde. Früh schon finden w i r i n der Familie einen Apotheker, Besitzer einer „chemischen Fabrik", Zuckerfabriken i n Duisburg (1822), Würzburg (1827 bis 1842), Geichsheim (eine Rübenzuckerfabrik von 1837 bis 1841). Diese Unternehmen weisen das Wirken der Familie i n die Technik der Zuckerfabrikation. Es scheint, als ob K ö l n M i t t e l p u n k t der Zuckerunternehmen der Familie werden sollte. Die Raffinerie i n der Kölner Makkabäerstraße (1834), die Firma v o m Rath, Joest & Carstanjien und der Rheinische Aktienverein für Zuckerfabrikation deuten darauf hin. Eine Niederlassung i n Amsterdam, ein Rübenzuckerunternehmen i n Tlumacz (Galizien), aber auch i n Elsen bei Grevenbroich zeigen das weitverzweigte Netz der Zuckerunternehmen der Familie. Bankgeschäfte und verschiedene industrielle Unternehmungen (das Hüttenwerk Rote Erde, die Kölnische Maschinenbauanstalt, die Kölnische Baumwollspinnerei), ja sogar die Beteiligung an Zeitungsunternehmen bezeugen die Vielseitigkeit und Verzweigung der Familieninteressen. Das schlesische Zuckerunternehmen Koberwitz Der Amtsrat Schaafhausen auf Heydänichen i n Schlesien machte die Familie v o m Rath darauf aufmerksam, daß zwei große Güter i n der Nähe von Breslau zu einem verhältnismäßig niedrigen Preis zu kaufen seien: die Rittergüter Koberwitz und Guckelwitz. Noch am 5. November 1850 kauften v o m Rath's diese Güter i n einer Gesamtgröße von rd. 3000 Morgen von dem Vorbesitzer Benno von Tschirschky-Reichel für den Preis v o n 211 000 Talern. Familienmitglieder, Joh. Jakob v o m Rath m i t 10, Joh. Peter m i t acht, Carl m i t sechs, Gustav, Theodor und Hermann m i t je vier Anteilen, gründeten am 15. Dezember 1851 i n Breslau die Firma Joh. Jakob v o m Rath & Co. m i t einem Gesellschaftskapital von 900 000 Talern, nachdem sie bereits i m Frühjahr 1851 m i t dem Bau einer Zuckerfabrik i n Koberwitz begonnen hatten. Zunächst hatte der älteste Sohn von Joh. Jakob v o m Rath namens Eugen die Leitung, der aber 1855 bei seiner Rückkehr nach K ö l n dem erst 25jährigen Sohn Carl v. Rath's namens K a r l v o m Rath die Geschäftsführung überließ. Nach einem kurzen Heidelberger Studium war dieser i n den Kölner Fabriken tätig gewesen. D a er auf der Hochzeitsreise i n Italien seine junge Frau durch Typhus verloren hatte, kam er nach Schle-

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Gerhard Webersinn sien, um hier i n rastloser Arbeit Ablenkung von seinem tiefen Schmerz zu suchen. M i t beispielloser Energie ging er an die Arbeit, erlernte auch das bis dahin i h m v ö l l i g fremde landwirtschaftliche Fach und schuf i n Verbindung von Zuckerindustrie und Landwirtschaft ein Musterunternehmen, dem er sein ganzes Leben widmete. Viele seiner landwirtschaftlichen Neuerungen waren erstmalig i n der schlesischen Landwirtschaft; so fand z . B . 1872 der erste Dampfpflug Schlesiens auf den Koberwitzer Gütern A n w e n d u n g 1 2 2 ) . I m Laufe der Jahre gewann die Fläche des bebauten Bodens durch Pachtungen und umfangreiche Käufe beträchtlich an Ausdehnung bis auf rd. 13 000 Morgen bis 1881. Die Erbscholtisei Michelwitz, das Gut Zaumgarten, die Rittergüter Schönbankwitz, Magnitz, Gunschwitz, Theuderau, K r . Ohlau, Kreika und Weignitz zwischen Breslau und Strehlen, Bettlern, Lohe, K l e i n Peiskerau, K r . Ohlau, dazu acht weitere Bauerngüter zeigen die Gegenden auf, die der Koberwitzer Fabrik i m Eigenanbau gewonnene Rüben lieferten: „Durch zahlreiche kleinere Ankäufe und durch umfangreichen Flächentausch mit der in Klettendorf benachbarten Familie Schoeller konnte das Areal in großem Umfang abgerundet werden 123 )." Verbesserungen der Zuckerfabrikation Daß i n der zweiten H ä l f t e des 19. Jahrhunderts die Rübenzuckerindustrie eine starke Förderung durch die staatliche Steuer- und Z o l l p o l i t i k erhielt, hat diese junge Industrie allgemein und damit auch i n Schlesien wesentlich gefördert. Eine jener Fabriken, die unter dem Druck des von der Z o l l - u n d Steuerpolitik gegebenen Anreizes durch mehrere Jahrzehnte einen raschen Aufschwung nahm, war auch der v o m Rath'sche Betrieb i n Koberwitz. A n den Versuchen zur Vergrößerung der Zuckerausbeute der Rüben hatte Koberwitz einen beachtlichen Anteil. Schon auf dem galizischen Familienunternehmen i n Tlumacz hatte man ein besonderes Rüben-Trocknungsverfahren ausprobiert. Diese Erfahrungen nutzte man auf der Erbscholtisei Michelwitz und an drei anderen O r t e n 1 2 4 ) aus und brachte so i m folgenden Sommer getrocknete Schnitzel zur Verarbeitung nach Koberwitz, w o sie nicht nur i n der Kampagne sofort verarbeitet werden konnten, w o vielmehr noch eine nahezu konstante Beschäftigung dieser m i t bereits vorgetrockneten Schnitzeln versorgten Fabrik erreicht werden konnte. Als dieses Verfahren 122) Eynern, Gert von: Die Unternehmungen der Familie vom Rath. Bonn 1930 (zit.: Die Familie vom Rath) S. 181. 123) A.a. O. S. 182; dort auch die Aufstellung der Zukaufe jeweils nach Datum, Größe und Lage. 1SZ4) A. a. O. S. 186.

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Die sclesische Zucker industrie jedoch nicht v o l l den Erwartungen entsprach, gingen v o m Rath's i m Anfang der sechziger Jahre dazu über, die Darren i n Michelwitz und Z o t t w i t z zu kleinen Zuckerfabriken auszubauen. Als Endprodukt stellten diese Betriebe v o n nun an nicht mehr Schnitzel, sondern Zuckerfüllmasse her, die i m sog. Schützenbachschen Kasten zur Weiterverarbeitung nach Koberwitz ging. Auch so konnte eine zügige konstante Beschäftigung i m Koberwitzer H a u p t betrieb erzielt werden. Auch auf dem 1868 zugekauften Rittergut Kreika zwischen Breslau und Strehlen richteten die v o m Rath ebenfalls m i t größter Beschleunigung eine Zuckerfabrik ein, deren erste Kampagne Herbst 1869 begann, zunächst auch nur auf die Erzeugung von Füllmasse eingestellt, sechs Jahre später zur Fabrikation von Rohzucker ausgebaut. Die verarbeiteten Rübenmengen stiegen von 1500 Z t r . 1875/76 auf 5400 Z t r . 1899/1900. H i e r wurde ein neues Diffusionsverfahren erprobt 1 2 5 ), das dann i n Koberwitz ausgewertet wurde. Wegen des großen Wasserbedarfs durch das Diffusionsverfahren mußten die Kleinbetriebe Michelwitz und Z o t t w i t z m i t Beendigung der Kampagne 1894/95 stillgelegt werden. Z u m Ausgleich wurden jedoch Koberwitz und Kreika gleichzeitig beträchtlich erweitert. Es wäre zu weitgehend, hier die vielen einzelnen Erfindungen und Verbesserungen zu behandeln, die i n Koberwitz und i n den anderen v o m Rath'schen Betrieben, wie sonst i n der schlesischen Zuckerindustrie der zweiten H ä l f t e des 19. Jahrhunderts erprobt wurden. Gerade weil Koberwitz und die angeschlossenen Betriebe besonders vorbildlich geleitet wurden, wurde hier ihre Geschichte ausführlicher herausgestellt 126 ). Verkehrsfragen Unternehmungsfreudig zeigte sich die einheitliche umfangreiche v o m Rath'sche Verwaltung auch i n der Überwindung v o n Verkehrsschwierigkeiten i m mittelschlesischen Raum. H a t t e man i n den ersten Jahrzehnten der jungen schlesischen Zuckerindustrie zum Heranschaffen der Kohle und zum A b transport des gewonnenen Zuckers Pferdefuhrwerke benutzt, so hatten i n jenen Jahren die schlesischen Zuckerindustriellen den Ausbau des schlesischen Chausseenetzes durch erhebliche Beihilfen gefördert. Darüber hinaus hat das Koberwitzer Unternehmen zum Bau zweier Eisenbahnlinien beigetragen. Die eine w a r eine private Schmalspurbahn, deren Hauptträger die Firma 125) Die Saftgewinnung mit Hilfe von Pressen wurde durch die sog. Diffusion verdrängt, bei der die Säfte in den einzelnen Rübenzellen ohne Zerstörung der Zellwände gewonnen wurden. Familie vom Rath S. 108 und 187. 126) A. a. O. S. 187/88.

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Gerhard Weersinn v o m Rath war. Sie wurde 1883/84 von Rothsürben über Kreika nach Gunschwitz und K l e i n Peiskerau angelegt. Bei einer Spurweite von 80 cm i n einer Gesamtlänge von rd. 12 k m stellten sich die Baukosten auf 280 000 M , ein Betrag, der durch die Ersparnis von Frachten i n kurzer Zeit wieder hereingebracht wurde. V o n größerer Bedeutung für das Gedeihen des Unternehmens w a r der Bau der Staatsbahn Breslau—Zobten (1884), die m i t drei Stationen — Bettlern, Domslau, Koberwitz — das v o m Rath'sche Areal auf einer Länge v o n etwa 1,5 Meilen durchschnitt. Die Firma v o m Rath hat zu diesem Bahnbau 100 000 M a r k bar und 40 Morgen L a n d ä fonds perdu hinzugegeben. Auch diese Aufwendungen haben sich für das Unternehmen i n kürzester Zeit ausgezahlt 1 2 7 ). Der finanzielle Aufschwung Die Zuckerindustrie hat ihre leitenden Männer aus der Chemie, dem Ingenieurwesen, der Landwirtschaft und dem Handelsstand entnommen. I n der Familie v o m Rath fanden sich lange Jahre die für die Zuckerindustrie geeigneten Familienmitglieder, Männer m i t guten Fachkenntnissen der verschiedensten Gebiete, mancher von ihnen sogar Fachmann auf mehreren Gebieten. V o r allem w a r ihnen allen die Eignung zum soliden Kaufmann gegeben. V o m Betriebsjahr 1859/60 an wurde dauernd mit Gewinn gearbeitet. Während der Dauer des Unternehmens wurden insgesamt 39,3 Millionen verdient. Bankkredit brauchte nicht mehr i n Anspruch genommen werden. Die auf den angekauften Rittergütern lastenden Pfandbriefschulden waren bis zum Jahre 1896 restlos getilgt 1 2 8 ). Die Zuckerkrise Schwierigkeiten ergaben sich von Zeit zu Zeit in der Preisgestaltung beim Verkauf des Zuckers. Die Notierungen der Magdeburger Zuckerbörse, die man i n den einzelnen Jahrgängen der „Schlesischen landwirtschaftlichen Zeitung", deren Obertitel „ D e r L a n d w i r t h " lautete, genau verfolgen konnte, hatten selbstverständlich auch ihre sofortige Auswirkung auf die schlesische Zuckerindustrie. Der Drang nach Gewinn, das Aufsteigen und Florieren der 127) A. a. O. S. 188. 128) A . a . O . Anlage 3 S. 310/11: Geschäftsresultate der Fa. Joh. Jakob vom Rath & Co. in Koberwitz von ihrer Errichtung am 15. Dezember 1851 bis zu ihrer Auflösung am 31. August 1904. Die Tabelle enthält für jedes Betriebsjahr die Reingewinne der Interessenten, die Tantiemen der Berechtigten, die Kapitalzinsen der Interessenten, die Mengen der verarbeiteten Rüben, 1882/83 die Höchstzahlen von 2 089 010 Ztr., 1885/86 2 060 000 Ztr. Während der Dauer des Betriebes wurden bis 1903/04 insgesamt 28 895 409 Ztr. Rüben verarbeitet.

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Die sclesische Zucker industrie jungen Rübenzuckerindustrie hatte allenthalben zu starker Vergrößerung der Anbaufläche für Zuckerrüben geführt. I m Jahr 1884 waren lt. „Westpreußischen Landwirtschaftlichen Mitteilungen" i n Westpreußen gegen 50 bis 60 neue Zuckerfabriken entstanden, während Schlesien nur 2 neue Fabriken zählte, i n Guhrau und i n Görlitz. I n der Zeitschrift „ D e r Landw i r t h " der „Schlesischen Landwirtschaftlichen Zeitung" v o m 19. Februar 1884 w i r d die Frage untersucht: „ I s t die Begründung neuer Zuckerfabriken ratsam?" Gewiß könne man, so wurde dort ausgeführt, den schlesischen Bauern bei gutem Boden v o m Zuckerrübenanbau nicht abraten; bei Boden geringerer Qualität sei es jedoch unbedingt nötig, von weiterem Anbau Abstand zu nehmen. Warnend w i r d an dieser Stelle betont, daß über alle Gründungen neuer Zuckerfabriken, die nicht auf festen Füßen stünden, früher oder später ein schweres Ungewitter hereinbrechen müsse 129 ). Ein halbes Jahr später bringt die Zeitung einen Aufsatz von Freiherrn Carl von K a y ser: „Überproduktion und Überspekulation i m Rübenzucker" 1 3 0 ). A m 24. Oktober 1884 schließlich hat der schlesische Zweig verein der Rübenzuckerfabrikanten beschlossen, die Bildung eines Syndikats herbeizuführen; denn Rübenbau und -Verarbeitung sei nicht mehr lohnend 1 3 1 ). A m 5. Dezember 1884 schreibt unter dem Zeichen „ L . " ein Einsender v o m „ D o m i n i u m S. Prov. Posen", der Rübenanbau müsse auf 2/3 eingeschränkt werden; empfohlen werde, die peinlichste Sorgfalt auf die Anbaufläche zu verwenden, da nur durch äußerst gut gepflegten Boden konkurrenzfähige Rüben m i t hohem Zuckergehalt erreicht werden k ö n n t e n 1 3 2 ) . „ D i e Zucker-Überproduktion, eine Nationalgefahr", unter dieser Überschrift hatte ein ungenannter Verfasser schon am 7. November 1884 vor einer Fortsetzung der Überproduktion gewarnt 1 3 3 ). Die Kampagne 1884/85 zeigte auch ein entsprechendes Bild. Die Fabriken K u r t w i t z , Heidersdorf und Strehlen wollten nur „Rüben frei von Köpfen", d. h. nur den unter der Erde gewachsenen Teil der Rüben abnehmen; Bauerwitz, Neustadt, Groß Peterwitz beanstandeten alle nicht besonders guten Rübenanlieferungen. So berichteten lt. „ D e r 129) Der Landwirth S. 85/1884. Wie sehr sich die landwirtschaftlichen Zeitschriften für die Zuckerindustrie interessierten (bedingt durch den Rübenanbau), bestätigt das Sachregister allein dieses Jahrgangs mit 47 Stichworten zu Zucker, Zuckerindustrie, Zuckerrübenanbau usw., Jg. 1895 mit etwa 40 Stichworten. Ähnlich verhält es sich mit der Zeitschrift der Landwirtschaftskammer der Provinz Schlesien (z.B. IV. Jg. 1900 — dort u.a. S. 654: Zuckerkartell zustande gekommen). 130) Der Landwirth a. a. O. S. 513/14/1884 Nr. 85 vom 21. Oktober 1884. 131) A. a. O. S. 529 Nr. 87 vom 28. Oktober 1884; hierzu auch Anträge der in der Zukkerübenangelegenheit vom Landwirtschaftlichen Verein Ratibor errichteten Kommission vom 29. Oktober 1884 Nr. 89 vom 4. November 1884 S. 541/1884. 132) A. a. O. Nr. 98 vom 5. 12. 1884 S. 591; ferner a. a. O. S. 607/08. 133) A. a. O. Nr. 90 vom 7. 11. 1884 S. 544/45.

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Gerhard Weersinn L a n d w i r t h " die Neisser Zeitung und die Schlesische Zeitung. Letztere nahm die mittelsdilesischen Rübenanbaugebiete besonders kritisch unter die Lupe184). D i e Z o l l - und Steuergesetzgebung Wenn eine Fabrikation sich i n Schwierigkeiten befindet, so ruft sie meist nach dem Gesetzgeber. I n diesem Sinne wurde auch i n der Schlesischen Landwirtschaftlichen Zeitung eine günstigere Steuergesetzgebung gefordert. Durch diese sollten dem „so hervorragend wichtigen Landesprodukt erweiterte Absatzgebiete insbesondere nach den entfernteren Weltteilen" erschlossen werden, auch als „Mauerbrecher i m Z o l l k a m p f " 1 3 5 ) . H i e r sei nur auf die i n drei Abschnitten veröffentlichte Arbeit von Julius W o l f hingewiesen, zurückgehend bis auf K o p p y i n Krain, K r . Strehlen: „ D i e Zuckersteuer, ihre Stellung i m Steuersystem, ihre Erhebungsformen und finanziellen Ergebnisse" 1 3 6 ). Der heiße K a m p f u m die Rüben- oder Rübensaftsteuer, u m die Ausfuhrzölle als agrarprotektionistisches Instrument i m Konkurrenzkampf zunächst gegen den Rohrzucker, dann auch gegen die Rübenzuckerfabrikation des europäischen Auslands ließ auch die schlesische Zuckerindustrie und die schlesische Landwirtschaft nicht unberührt. Dazu kam nur zu oft der K a m p f beider i n der Konkurrenz m i t den Zuckerrübengütern und Zuckerfabriken i m Magdeburgischen. Z w e i Männern gebührt der besondere D a n k für die Wahrnehmung der Interessen der schlesischen Zuckerproduktion i m gesamtdeutschen Rahmen, Ernst v o m Rath und Leopold Schoeller. Beide haben es verstanden, den schlesischen Erzeugnissen unter geschickter Ausnutzung aller Chancen, die v o n der wechselnden Steuer- und Zollgesetzgebung geboten wurden, einen weiten Absatzkreis zu schaffen. Die schlesische Zuckerindustrie hat jedoch keineswegs dem Zuckerkartell des Jahres 1900 eine verstärkte Opposition entgegengesetzt, etwa i n der Absicht, für die eigenen Betriebe Sondervorteile zu erzwingen 1 3 7 ). Es kann vielmehr der schlesischen 134) A. a. O. Nr. 78 vom 26. 9. 1884 S. 475. 185) A. a. O. S. 545. 136) Wolf, Julius: Die Zuckersteuer, ihre Stellung im Steuersystem und ihre Erscheinungsformen und finanziellen Ergebnisse. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 38. Jg. Tübingen 1882 S. 138 ff., S. 297 ff., S. 644 ff., S. 141 beschäftigt sich Wolf u. a. mit Koppy und dessen Schrift über »Die Runkelrübenzucker-Fabrikation". Breslau und Leipzig 1810. — Zu den Begriffen „Rübensteuer;, „Rübensaftsteuer",„Zuckersteuer*, vgl. Handwörterbuch für Sozialwissenschaften 12. Bd. Tübingen-Göttingen S. 473 ff., dort auch weitere historische Literatur. Vgl. ferner: Zuckersteuer, Zuckerzölle, internationale Zuckerkonvention. In: Festschrift 1850—1925 S. 241 ff. 187) Familie vom Rath, S. 189.

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Die schlesische Zucker industrie Zuckerindustrie zu ihrer Ehre gesagt werden, daß sie sich gerade unter dem Blick auf ihren ostdeutschen Standort allzeit der Notwendigkeit der Eingliederung i n die gesamtdeutschen Wirtschaftsinteressen bewußt war. Wenn zeitweise stärker die Interessen der ostdeutschen Landwirtschaft vertreten wurden, war dies notwendig gerade wegen ihrer Bedeutung für das deutsche Wirtschaftsleben i m östlichen Deutschland 1 3 8 ). Leopold Schoeller, durchdrungen von der Notwendigkeit, die wirtschaftlich für das deutsche Allgemeinwohl segensreiche Zuckerindustrie zu schützen, setzte sich lange Zeit für die Beibehaltung der Materialsteuer und gegen die Fabrikatsteuer ein und erzielte ausgehend v o n der schlesischen Zuckerindustrie i n der deutschen Zuckerindustrie m i t großem Kampfeseifer eine letzten Endes allerdings erfolglos gebliebene Bewegung gegen die Einführung des Fabrikatsteuergesetzes von 1887 1 8 9 ). Große Hoffnungen setzte nach Übernahme der Kanzlerschaft durch Fürst C h l o d w i g Hohenlohe-Schillingsfürst, nach dem 29. Oktober 1894, die ostdeutsche Landwirtschaft auf diesen, nachdem bereits am 7. März 1894 Graf Posadowsky, Staatssekretär i m Reichsschatzamt, zugegeben hatte: „Unsere Landwirtschaft befindet sich in einer ernsten Krisis, und die Klagen der Landwirte sind nicht nur auf Agitation, sondern auf schwerwiegende Tatsachen zurückzuführen 140)." Eine Adresse des „Ostpreußischen landwirtschaftlichen Zentralvereins" v o m 31. Oktober 1894 gab den A u f t a k t : „ D i e Spiritus-Industrie befindet sich in einer Krisis; die Zuckerindustrie t r i t t in eine solche ein." Eine Petition des landwirtschaftlichen Hauptvereins zu Lissa (Posen) folgte. A u f einer Versammlung der Konservativen u n d des Bundes der Landwirte i n Breslau am 10. November 1894 gab der Redner Graf Limburg-Stirum ein trübes B i l d v o m Tiefstand der Getreide- wie der Rübenpreise. M a n war sich auf dieser Tagung i n Breslau darüber klar, wenn die Zuckerindustrie durch Fortfall der Ausfuhrprämie und durch den amerikanischen Zuckerzoll gezwungen wäre, die Preise für die Zuckerrüben herabzusetzen, sei „ f ü r die Landwirte i m Osten der R u i n unabwendbar" 1 4 1 ). H i e r zeigte sich, wie sehr die starke Umstellung der Landwirte auf Rübenbau beim Anwachsen der Zahl der Zuckerfabriken geradezu eine auf Export eingestellte Zuckerindustrie hatte 138) Rust, Hermann: Reichskanzler Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst seine Brüder. Düsseldorf 1897 I.Teil S. 310 ff. (311, 315, 325/26). 139) Festschrift 1850—1925 S. 439. 140) Rust, a.a.O. S. 310 ff.: Was erwarten die Landwirte vom neuen Kanzler.

und

141) Rust, a. a. O. S. 315.

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Gerhard Webersinn entstehen lassen. Natürlich malten die Organisationen der Landwirte i n Schwarz, aber schon i n der Versammlung i n Lissa hatte man zugeben müssen, daß der Zuckerrübenbau immer noch der Zweig der Landwirtschaft sei, „der noch die Kosten der Produktion deckt u n d einen mäßigen Uberschuss für uns gewährt". Was kam nun aus diesen Agrardebatten i m Reichstag und i m preußischen Abgeordnetenhaus heraus? Der Staatsrat hatte i n Preußen „kleine M i t t e l " bei Reform der Zuckersteuer vorgeschlagen 142 ). Das neue Zuckersteuergesetz wollte die bisherige Ausfuhrprämie für den Doppelzentner Zucker von 18 auf 24 M erhöhen. Bis zum Jahre 1887 w a r die Zuckersteuer eine reine Materialsteuer. Das Gesetz v o n 1887 sah ein gemischtes System v o n Verbrauchsabgabe u n d Materialsteuer vor, während 1891 die gänzliche Beseitigung der Ausfuhrprämie v o m 31. Juli 1897 ab beschlossen und bis zu diesem Zeitpunkt der Prämiensatz auf 1,25 M a r k ermäßigt wurde. Minister Freiherr von Hammerstein bestätigte jedenfalls i n der Parlamentsdebatte, daß der Rübenbau bahnbrechend auf allen Gebieten der Landwirtschaft i m deutschen Osten sei. Die Zuckersteuervorlage beabsichtigte eine Hebung des Zuckerpreises, die Normierung des Preisstandes und die Regulierung des Zuckerexports, was auch am 15. M a i 1895 m i t gewissen Änderungen Gesetz wurde143). Gebrüder Schoeller und Co. Aus der schlesischen Zuckerindustrie ist der v o m Rheinland nach Schlesien gekommene Name Schoeller nicht wegzudenken. Schon Leopold Schoeller, der Vater des schlesischen Zuckerfabrikanten gleichen Namens, hatte 1849 i n seinem unbändigen Unternehmergeist aus Düren v o m Niederrhein den Namen Schoeller i n die schlesische Industrie eingeführt, indem er i n diesem Jahre die 1842 von der Preußischen Seehandlung unter Christian von Rother gegründete schlesische Kammgarnspinnerei i n Breslau erwarb und unter dem Namen „Schoeller'sche Kammgarnspinnerei" weiterführte 1 4 4 ). „Leopold zeigte eine seltsame Begabung und eine außergewöhnliche Fachkenntnis, verbunden mit einem unbändigen Unternehmungsgeist — wurde er doch der Gründer und Besitzer von 12 Fabriken 145 )." 142) Rust, a. a. O. S. 325/26. 143) Rust, a. a. O. S. 371—373. 144) Wirtschaftlicher Heimatführer für Schlesien S. 134. Zu Christian von seinen Fabrikgründungen vgl. Webersinn, Gerhard: Christian von Rother. der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau X/1965 S. 150ff. 145) Festschrift: Original Schoeller. 150 Jahre Dürener Feintuch. Aus der Dürener Tuchmacher. Düren o. J. S. 5.

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Rother und In: Jahrbuch (170 ff.). Chronik der

Die schlesische Zuckerindustrie Dieser Mann, „die markanteste und erfolgreichste Persönlichkeit i n der Reihe der Fabrikherren", der „ z u den größten Industriellen der Provinz und des Staates" zählte, hat die Familie Schoeller i n Schlesien fest verankert. Der Sohn Leopold, geboren am 8. Januar 1830 i n Düren, wie sein V a ter später Geheimer Kommerzienrat, wurde der große Zuckerindustrielle auf Klettendorf, K r . Breslau und Breslau-Rosenthal 146 ). Klettendorf, 1834 gegründet, ging mitsamt dem dazugehörigen landwirtschaftlichen Betrieb i m Jahre 1864 an die Firma Gebr. Schoeller i n Breslau über. Schoellers besaßen damals bereits eine bedeutende Zuckerfabrik i m böhmischen Dorfe Czakow i t z 1 4 7 ) . Die Zuckerindustrie wurde gerade i n Schlesien i n den Unternehmen der Familie Scheoller ein der Tuchindustrie gleichstehendes Fachgebiet. D a für spricht der frühzeitige Erwerb der 1835 gegründeten Zuckerbabrik Breslau-Rosenthal. Als Skene 1873 als Gesellschafter i n die Firma Gebrüder Schoeller i n Breslau eintrat, gehörten zu dieser, wie oben ausgeführt, die Zuckerfabriken Klettendorf, Rosenthal und Groß Mochbern, dazu mehrere Güter. Diese geballte Wirtschaftskraft, geleitet von Leopold Schoeller, technisch stets auf dem modernsten Zuschnitt gehalten durch Skene, erwies sich über alle Krisen fest und sicher und besaß auch das, was Koberwitz trotz günstiger Entwicklung schließlich ausging, nämlich das für den Betrieb der Zuckerindustrie reichlich erforderliche Wasser. Die Fusion der Firmen vom Rath, Schoeller & Skene U m die Jahrhundertwende erkannten die leitenden Persönlichkeiten der Firma v o m Rath, daß eine Fortführung des Unternehmens i n der bisherigen Form auf verstärkte Schwierigkeiten stoßen würde. Diese Erkenntnis basierte einmal auf dem wachsenden Wettbewerb nunmehr auch innerhalb Schlesiens. Nicht allein das Entstehen weiterer Fabriken, auch der steigende Rübenpreis wies auf künftige Gefahren hin. Die ursprünglich auf die Verarbeitung zu Hutzucker eingestellte Produktion von Koberwitz hätte größtenteils auf gemahlenen Zucker und Würfelzucker umgestellt werden müssen. Seit 1889 bestand deshalb bereits ein Lieferungsvertrag über Rohzucker m i t der Raffinerie der befreundeten Firma Schoeller & Co. G m b H i n Klettendorf. Der Vertrag lief 1892 ab. Versuchsweise kehrten v o m Raths nochmals zur Fabrikation von Hutzucker und weißem Farin zurück. Bei bald erneut auftretenden Absatzschwierigkeiten beschränkten sie sich unter 14

6) Festschrift 1850—1925 S. 439/40; Die Handelskammer Breslau 1849—1924. Breslau 1924 S. 59. 147) Familie vom Rath S. 178/79. 13

Breslau

193

Gerhard Weersinn Einstellung der Verbrauchszuckerproduktion herstellung 1 4 8 ).

erneut auf die Rohzucker-

Der Hauptgrund, der zur Fusion zwang, war aber der starke Wassermangel, der wichtige i m Interesse der Konkurrenzfähigkeit unbedingt notwendige Verbesserungen i m Sinne der fortschreitenden Zuckertechnik nicht zuließ. Personalfragen des Familienunternehmens, mangelnder Führungsnachwuchs aus dem Familienkreise, traten hinzu. D a sich die Fusion m i t dem Familienbetrieb der Schoeller i n Klettendorf geradezu anbot, zumal v o m Wassermangel dort keine Rede sein konnte, entschloß man sich zu dieser. A m 1. September 1904 wurde die Firma Joh. Jakob v o m Rath & Co. G m b H m i t der Firma Schoeller & Skene zu einer Gesellschaft v o m Rath, Schoeller & Skene G m b H vereinigt, m i t einem Gründungskapital v o n 10 Millionen, w o v o n 5,1 Millionen i n die Hände der Teilhaber von Schoeller & Skene gingen, nachdem Koberwitz 54 Jahre „ m i t Überlegung, Fleiß und Sparsamk e i t " geleitet worden war. Ernst v o m Rath schrieb als Ausklang seiner Erinnerungen über K o b e r w i t z : „Das Gesamtbild von Koberwitz von seinen Anfängen bis zu Ende läßt den Ausdruck der Genugtuung und Befriedigung darüber als nicht übertrieben erscheinen, daß mit Koberwitz ein Werk begründet, entwickelt und zu Ende geführt wurde, wie es in der Geschichte der Zuckerindustrie im besonderen einzig in seiner Art dastehen dürfte. Daß dabei Mühe, Arbeit, Sorge und trübe Stunden nicht erspart blieben, versteht sich von selbst149)." Auch dem neuen Unternehmen, später zur Aktiengesellschaft umgewandelt, blieben bis 1945 schwere Zeiten nicht erspart. Die Zuckerindustrie

im Weltkrieg

und in der Nachkriegszeit

Die gesamte deutsche Zuckerindustrie und m i t ihr die schlesische wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges hart betroffen. Das Verbot der Zuckerausfuhr v o m 31. Juli 1914, die bald einsetzende Zwangswirtschaft, die Einrichtung einer Verteilungsstelle für Rohzucker am 12. Februar 1915 und der Reichszuckerstelle am 10. A p r i l 1916, die Zusage der republikanischen Regierung i n Nationalversammlung und Reichswirtschaftsrat, bis zum 1. Oktober 1921 die Zuckerzwangswirtschaft aufzuheben, dürften hinreichend die Schwierigkeiten jener Zeit andeuten 1 5 0 ). Der schweren Aufgabe der Uberleitung der Zuckerwirtschaft von der Kriegszwangswirtschaft zur 148) A. a. O. S. 190. 149) A. a. O. S. 192/93 (aus den Erinnerungen von Ernst vom Rath). 150) Festschrift 1850—1925 S. 383 ff. (404) .

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Die schlesische Zuckerindustrie freien Wirtschaft unterzog sich die „Zuckerwirtschaftsstelle des Vereins der Deutschen Zuckerindustrie", die jedoch nur auf dem Gebiete des Inlandhandels Regelungen treffen konnte, während die Frage der Zuckerein- und -ausfuhr ungeklärt blieb. Sie aber war es, die abgesehen von den Schwierigkeiten, die die I n f l a t i o n m i t sich gebracht hatte und die m i t Beendigung derselben Ende 1923 als abgeklungen betrachtet werden können 1 5 1 ), i m wesentlichen der Rübenzuckerindustrie weiter schwer zu schaffen machte. Während Rübenzuckerfabrikation und Zuckerrohrzucker ihren K a m p f dank der staatlichen deutschen Ausfuhrprämien um die Jahrhundertwende ausgekämpft zu haben schienen, gewann der Rohrzucker m i t dem Ersten Weltkrieg i n großer Schnelligkeit seinen verlorenen Weltanteil zurück und konnte ihn bis 1928/29 auf 2 /s der Welterzeugung erhöhen. D i e Rübenzuckerländer, besonders Deutschland, konnten einen die Unkosten deckenden Absatz nur auf dem Binnenmarkt suchen und finden. Wege hierfür suchte der Unterausschuß für Landwirtschaft des Ausschusses zur Untersuchung der Erzeugung- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft (Enquete-Ausschuß), dessen Gutachten über „ D i e deutsche Z u k kerwirtschaft" die sicheren Unterlagen für die Entwicklung auch der schlesischen Zuckerindustrie v e r m i t t e l t 1 5 2 ) . (

Rübenanbauflächen Für Schlesien stellte der Untersuchungsausschuß v o n 1913 bis 1930 folgende Anbauflächen fest: 1913 1925 1927 1929

— — — —

83 579 ha; 79 084 ha; 80 648 ha; 85 990 ha;

1924 1926 1928 1930

— — — —

71 886 ha; 81 708 ha; 85 042 ha; 93 509 ha.

Das ergibt für Schlesien einen Zuwachs von 12 °/o, wenn man die ha-Zahl von 1913 m i t 100 °/o einsetzt. Hierbei muß berücksichtigt werden, daß durch den Vertrag von Versailles 1919 i n Schlesien erhebliche Gebiete an Polen (Ost-Oberschlesien und das Reichthaler Ländchen i m Norden Mittelschlesiens) und an die Tschechoslowakei (Hultschiner Ländchen) abgetreten werden mußten. I n Schlesien waren folgende beim Reich verbliebene Zuckerfabriken: Trachenberg, Kreuzburg, Ratibor und, als wirtschaftlich zugehö151) Aus den Annalen der deutschen Zuckerbank ZZ 1952 S. 36/37. 152) Die deutsche Zuckerwirtschaft, Berlin 1931 (Untersuchungen des Enqueteausschusses). Schlesische Mitglieder, des Untersuchungsausschusses Frh. v. Richthofen (Boguslawitz) MdR und MdRWR (stellvertretender Vorsitzender), Dr. Graf von KeyserlingkCamerau, Mitglied des Preußischen Staatsrats. 13*

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Gerhard Webersinn rig, auch Fraustadt i n der Grenzmark Posen-Westpreußen einschließlich der Raffinerie i n Glogau durch Verlust ihrer Rohstoffbezugsgebiete betroffen. Andererseits hatten viele Landwirte bis zur Grenzziehung Lieferungsverträge m i t Fabriken i m abgetretenen Gebiet, die einen lohnenden Anbau garantierten. Diese Landwirte mußten m i t dem Fortfall der nächst gelegenen Fabrik den Anbau v o n Zuckerrüben einstellen, da ein Absatz nach weiter entfernt liegenden u n d deutsch verbliebenen Fabriken wegen zu hoher Frachtkosten sich nicht lohnend gestalten ließ. Deutsch verbliebene Fabriken wiederum mußten teilweise stillgelegt werden, weil sie nicht mehr die für eine Kampagne notwendigen Rüben erhalten konnten und die beim Reich verbliebenen Restteile des alten Bezugsgebietes einen vollen Ersatz durch Steigerung der Erzeugung nicht stellten. M i t der Stillegung der Zuckerfabriken auf reichsdeutscher Seite waren weiterhin zahlreiche Landwirte insoweit geschädigt, als ihre Betriebe auf die Verwertung der Abfallprodukte als Viehfutter und als Düngemittel aufgebaut bzw. angewiesen w a r e n 1 5 3 ) . Groß waren auch die Nachteile für die zuckerverarbeitende Industrie. So hatte die Zucker- und Schokoladenindustrie Ratibors 1913 i n 5 Betrieben 2000 Arbeiter beschäftigt. 1927 waren es nur noch 300 Arbeiter in einem Betriebe, der 1929 die Zahlungen einstellen mußte 1 5 4 ). V o n der Zuckerrübenanbaufläche entfielen 1925 i n Schlesien auf Betriebe unter 100 ha 34,6 v. H . landwirtschaftlicher Nutzfläche. V o m gesamten deutschen Anbaugebiet stellte Schlesien 1913 1 9 % , 1925 2 1 , 2 % , 1929 19,6 % , 1930 20,3 % . Für Schlesien m i t seinem v o m Kleinbesitz bis zum Großgrundbesitz reichenden Rübenanbauern blieb danach trotz der kriegsbedingten Minderungen der Anbauflächen wegen des steigenden Neuanbaus der gesamtdeutsche A n t e i l konstant, während die Hektarerträge (in Doppelzentnern) sogar stiegen. 1924 waren es 257, 1925 305, 1926 252, 1927 277, 1928 252, 1929 298 und 1930 350 D z . Trotz der allgemeinen Steigerung der Hektarerträge konnte Schlesien den Vorkriegsdurchschnitt von 1907 bis 1913 erst 1930 wieder erreichen bzw. überschreiten. Gleich dem Reichsdurchschnitt war auch i n Schlesien m i t einer zwischen 50 u n d 60 % liegenden Steigerung des gesamten Betriebsaufwandes der Rübenbauern zu rechnen, was auf steigende Preise für Kunstdünger und Saatgut 153) Volz, B. und Schwalm, H . : Die deutsche Ostgrenze. Unterlagen zur Erfassung der Grenz- und Zerreißungsschäden. Leipzig 1929 S. 24. 154) Metzner, Maria: Grenznot und Kommunalpolitik in Oberschlesien. Neisse 1935