197 12 31MB
German Pages 789 Year 1899
Jahrbücher
für die
deutsche Armee und
Marine .
Verantwortlich geleitet
von
E. Schnackenburg Oberstleutnant a. D.
110. Band. Januar bis März 1899.
BERLIN W. 8. Verlag von A. Bath.
Mohren- Strasse 19. 1899. Printed in German,
Inhalts -Verzeichnis .
Seite
I. „Zum Friedrichstage. " Friedrich der Grofse und Lessing. Von Guido Geest . II. Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk III. Der Zukunftskrieg in russischer, fachmännischer Beurteilung. Von Generalmajor a. D. von Zepelin . IV . Das Heerwesen Argentiniens . V. Der Streit um Faschoda VI. Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland VII. Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen . VIII. Ein russisches Urteil über die Bewaffnung der Kavallerie mit Lanzen IX. Telegraphie ohne Draht X. Umschau in der Militär-Litteratur : I. Ausländische Zeitschriften II. Bücher. III. Seewesen IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher
1 34 ༤༦ ༴ྤ
Nr. 328. Heft 1. Januar.
56 67 86 95
97 98 104 111 125 128
Nr. 329. Heft 2. Februar. XI. Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98 (Hierzu eine Kartenskizze und drei Oleaten) . XII. Kritische Betrachtungen über die Vorgänge zur See während des spanisch-amerikanischen Krieges . XIII. Munitionsverbrauch der Feldartillerie nach Einführung von Schnellfeuergeschützen und Folgerungen daraus XIV. Die königlich Hannoversche Armee XV. Natürliche Grenzen XVI. Der Offizier als Gerichtsherr . Von Dr. Dangelmaier XVII. Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen . XVIII. Umschau in der Militär-Litteratur : I. Ausländische Zeitschriften II. Bücher III. Seewesen IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher P )
CA
(RE
496310
131 174 185 195 204 213 228 228 236 256 258
Nr. 330. Heft 3.
Seite
März.
XIX . Das deutsche Offiziertum im Kampf gegen den Umsturz
Von
Paul von Schmidt , Generalmajor z. D. . . . XX . Versuch, den Inhalt der von Moltke im Frühjahr 1860 abge falsten (nicht veröffentlichten) Denkschrift über einen Krieg mit Rufsland wiederzugeben. Von Oberstleutnant W. Borissow, Chef des Stabes der Festung Iwangorod . (Aus dem Russischen. ) XXI. Über den Einfluss moderner Feldgeschütze auf die Gefechts thätigkeit der Feldartillerie XXII. Der Kampf der 38. Infanterie-Brigade und des linken Deutschen Flügels in der Schlacht bei Vionville- Mars la Tour am 16. August 1870 XXIII. Das Rundschreiben Murawiews XXIV. Über den militärischen Geist und dessen Pflege . Von Erwin Rózsa de Nagy Egéd , k. und k. Oberleutnant im Festungs Artillerie-Regiment Kaiser Nr. 1. . . XXV . Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen XXVI. Armee- und Marine - Nachrichten aus Rufsland XXVII. Nachtsignale für Schiffsgebrauch XXIX . Umschau auf militär-technischem Gebiet. Von Joseph Schott,
Major a. D. . . XXX . Umschau in der Militär-Litteratur : I. Ausländische Zeitschriften II. Bücher III. Seewesen . IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher
261
276 284
306 313
3 | 316 325 329 332 333 365 372 383 386
1
I. „ Zum Friedrichstage “ .
Friedrich der Grofse und Lessing . Von Guido Geest.¹ )
In seiner Einleitung in die Philosophie der Geschichte bezeichnet Hegel ' ) als Heroen „ diejenigen welthistorischen Individuen, deren Thaten einen Zustand hervorbringen, welcher nur ihr Werk zu sein scheint"; in Friedrich dem Grofsen erblickt er wenn nicht den Begründer des preufsischen Staates, so doch den, durch welchen Preufsen fest ―― und sicher gestellt wurde ". Ob wir nun mit Hegel den Staat als eine individuelle Totalität, mit Treitschke ) als „ das als unabhängige Macht rechtlich geeinte Volk" oder mit Espinas * ) und Spencer ) als Organismus betrachten, ob wir mit Hegel annehmen, " grofse Menschen suchen in ihrer Thätigkeit zur Verwirklichung ihres Willens nur die eigene Befriedigung", oder mit Schäffle ") glauben, in einem genialen Menschen gelange nur eine aus dem unbewussten Geist seiner Nation stammende Idee zum Bewusstsein “ , wir wissen : dafs Friedrich der Grofse im Gegensatz zu Louis XIV . , der seine Person mit dem Staate identifizierte, sich selbst anerkannte als den ersten Diener des Staates, dafs er darauf bestand, für Schlesien die Souveränität ausdrücklich zu erwerben und dafs es 1 ) Vortrag, gehalten im Königlichen Invalidenhause am 5. April 1898. Mit Benutzung bisher unveröffentlichter Schriftstücke aus dem Kriegs-Archiv des Grofsen Generalstabes und dem Staatsarchiv zu Breslau . Von Guido Geest , Lieutenant und Pfleglings-Offizier im Königlichen Invalidenhause zu Berlin. Anmerkung der Leitung. Dieser Aufsatz enthält u. a. viel Neues über die Organisation der Fridericianischen Freikorps und verdient als wertvoller Beitrag zur Geschichte dieser eigenartigen Truppen besondere Beachtung. 2) Hegel, Einleitung in die Philosophie der Geschichte . Berlin 1840. Bd. IX, S. 28, 37 , 49, 57 und 525. 3 ) H. v. Treitschke, „ Politik “, Vorlesungen an der Universität Berlin . Herausgegeben von Max Cornicelius . Leipzig 1897. Bd . I, S. 32 . 4) A. Espinas , Les sociétés animales . Paris 1879. IIme édition. 5) Herbert Spencer, Principles of sociology. Essay of policy . London 1885. 6) Schäffle, Bau und Leben des sozialen Körpers. Tübingen 1875. 1 Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 1.
2
„ Zum Friedrichstage ".
Friedrich der Grolse und Lessing.
sein beständiges Bestreben war, dahin zu wirken, dafs auch die Bewohner der an das Kurfürstentum Brandenburg angegliederten Herzogtümer, Fürstentümer und Grafschaften sich mit Leib und Seele als Preufsen fühlten. ') Andererseits hat Sr. Excellenz unser Kultusminister 2 )
erst un-
längst die Gelegenheit ergriffen, auf die epochemachende Thätigkeit Gotthold Ephraim Lessings hinzuweisen ; er sagte : „ zwar wurde Lessing 1760 Mitglied der Akademie der Wissenschaften, aber seine schöpferische Kritik und seine positive, philosophische , religionsphilosophische, dichterische, kunstgeschichtliche, dramaturgische und epigrammatische Produktion entstand und entfaltete sich völlig unabhängig von der Akademie und befruchtete mit tausend gesegneten Keimen, die noch fortwirken, das gesamte Geistesleben der Nation und der Menschheit! Die persönliche Begegnung zweier so bedeutender Geister wie Friedrich der Grofse und Lessing würde für uns noch grösseres Interesse haben wie das Gespräch zwischen Goethe und Napoleon , welcher in seinen auf St. Helena geschriebenen Memoiren versichert, dafs er ein Glied seiner Hand dafür geben würde, wenn er nur zehn Minuten mit dem Sieger von Leuthen hätte reden können . Bei König Friedrichs bekannter Neigung, jeden irgendwie namhaften Gelehrten, z. B. Gottsched und Gellert in Leipzig, Klose, Dr. Tralles und Garve in Breslau zur Audienz zu ziehen, erscheint es auffallend , dafs dies bei Lessing unterlassen wurde, obgleich dieser zehn Jahre lang in Berlin lebte und während Königs Friedrichs mehrmonatlichen Aufenthalt zu Breslau im Winter 1761 ebenfalls dort anwesend war als Gouvernementssekretär unter General von Tauentzien. Weder in den Schriften noch Briefen Lessings findet sich eine Notiz , dafs er Friedrich dem Grofsen persönlich bekannt wurde und wir wissen auch aus anderen Quellen nichts darüber. Es wird nunmehr meine Aufgabe bilden, die Beziehungen zwischen Friedrich dem Grofsen und Lessing vorzuführen, welche es rechtfertigen, dafs Lessing , be kanntlich in Verbindung zu Immanuel Kant auf dem westlichen
1 ) Politisches Testament Friedrichs des Grofsen. Bei Joh. Gust. Droysen, Geschichte der Preufsischen Politik V, 3. Leipzig 1881. S. 22, Anm. 3. Statt censés lies sensés . Vgl. Dr. Wilh. Oncken, „ Das Zeitalter Friedrichs des Grofsen". Berlin 1881. Bd . I, S. 227 und Ed. Cauer. Zur Geschichte und Charakteristik Friedrich des Grofsen. Vermischte Schriften. Breslau 1883, S. 131 . 2) Dr. Bosse, Excellenz . Rede bei dem Bankett zu Ehren des Prof. Karl Frenzel. Berlin, 12. Dezember 1897.
,,Zum Friedrichstage".
Friedrich der Grofse und Lessing.
Sockelrelief des Denkmals Friedrichs des Grolsen unter den Linden seinen Platz gefunden hat. Kronprinz Friedrich war 17 Jahr alt, als dem Pastor primarius Lessing zu Kamenz in der Oberlausitz der älteste Sohn Gotthold Ephraim geboren wurde. Erwägt man den frühzeitigen Abschlufs theoretischen Unterrichts damaliger Prinzen und das besondere Jugendschicksal Friedrichs, so ist es nicht auffallend, dafs König Friedrich bei seiner Thronbesteigung¹ ) Urteil in religiöser, wonnen hatte ;
ein im
allgemeinen abgeschlossenes
philosophischer und pädagogischer Hinsicht ge-
dagegen brachte
es der Lebenslauf Lessings und
dessen ungeregelte Studien mit sich, dafs diejenigen seiner Werke, 2 ) welche Moralphilosophie und Toleranz betreffen, erst später im Druck erschienen. An eine wechselseitige Einwirkung durch ihre Schriften ist deshalb nicht zu denken ; wenn in der Litteratur bei Gleichheit der Anschauungen und Ideen die Priorität für Lessing ausgesprochen scheint, so liegt dies wohl daran, dafs Lessings Schriften längst Gemeingut der
Nation
geworden
waren,
Friedrichs
des
Grofsen
Werke wenig bekannt und noch weniger gelesen worden sind und gelesen werden. Schuld daran ist der Umstand, dafs Friedrich der Grofse nur die französische Sprache vollkommen beherrschte und sich dieser deshalb besonders im schriftlichen Ausdrucke bediente. Eine gute deutsche Übersetzung ausgewählter Schriften Friedrich des Grofsen ist eine Aufgabe, die dem kommenden Jahrhundert vorbehalten bleibt. Bei Einführung der Reformation in Sachsen hatte Kurfürst Moritz Klöster in Landesschulen umgewandelt und die Besetzung der Freistellen an den Adel verteilt. dem Afraneum
die Regierung, die Domkapitel , Städte und Lessing erhielt eine solche Freistelle auf
zu Meifsen vermutlich
von
dem
Oberstlieutenant
1 ) s . Max Lehmann, Preufsen und die katholische Kirche. Bd . II. Leipzig 1881. S. 3. Verfügung vom 15. Juni 1740 ,, alle Religionen seindt gleich und guht wan nuhr die leute so sie profesiren Erliche Leute seindt“. S. 4 vom 22. Juni 1740 ,,Die Religionen Müssen alle Tolleriret werden und Mus der Fiscal nuhr das auge darauf haben das Keine der andern abruch Tuhe, den hier mus ein jeder nach Seiner Fasson Selich werden " . S. 35 v. 29. Okt. 1741 . Vgl. Eduard Zeller, Friedrich der Grofse als Philosoph. Berlin 1886 . S. 39. Der Antimachiavell erschien 1739, l'histoire de Brandeburg 1746 , Miroir des Princes 1748. Politische Testament 1752. 2) ,,Ernst und Falk" 1778, Nathan 1779, Erziehung des Menschengeschlechts 1780. 3) Ed. Cauer, A. a. O. S. 64 und S. 121 .
1*
4
,,Zum Friedrichttage".
von Karlowitz .
Friedrich der Grofse und Lessing.
An diesen hat der Primaner Lessing ein Gedicht
nach der Schlacht von Kesselsdorf gerichtet.¹ ) Nach Beendigung der Schulzeit 1747 bezog Lessing mit einem Stipendium seiner Vaterstadt die Universität Leipzig, um Theologie zu studieren . Aus tiefstem Herzensgrunde eigner Erfahrung stammen wohl die Zeilen, welche Lessing2) gewidmet hat, sie lauten :
seinem älteren Freunde Mylius
„Er ward von Eltern geboren, deren Vermögen es nicht zuliefs , ihn aus einer andern Ursache studieren zu lassen, als dafs er einmal, nach der Weise seiner Väter, von einer geschwind erlernten Brotwissenschaft leben könne. Er kam auf eine Schule, die ihn kaum zu dieser Brotwissenschaft vorbereiten konnte .
Er kam
Akademie, wo man beinahe nichts so zeitig lernt, steller zu werden. ...
Er
besals
eine
auf eine
als ein Schrift-
natürliche Leichtigkeit zu
reimen, und seine Umstände zwangen ihn , sich diese Leichtigkeit mehr zu Nutze zu machen, als es dem Vorsatze ein Dichter zu werden zuträglich ist. Er schrieb, und die grausame Verbindlichkeit, dafs er viel schreiben musste, raubte ihm die Zeit, die er seiner liebsten Wissenschaft mit besserem Nutzen hätte weihen können.
Er verliefs endlich die Akademie und begab sich an einen
Ort, wo es ihm mit seiner Gelehrsamkeit beinahe wie denjenigen ging, die vom dem, was sie einmal erworben haben, zehren müssen, ohne etwas Mehreres dazu verdienen zu können “ . Die Maitressen- und Günstlingswirtschaft der letzten beiden Kurfürsten-Könige hatten in Sachsen, 3 ) vornehmlich in Dresden und Leipzig, ein Sinken der Achtung vor Hof und Dynastie in bürgerlichen und militärischen Kreisen und eine Leichtigkeit der Sitten hervorgerufen. Das Schwinden der Autorität auf einem Gebiete lockert auch das Ansehen der andern althergebrachten Anschauungen . Es bedurfte wohl nicht erst der intimen Bekanntschaft mit der Neuberin und ihren männlichen und weiblichen Schauspielern um Lessing aus dem Geleise des theologischen Studiums zu bringen. Ehrlich wie er war, hiefs der Bruch mit dem orthodoxen Kirchenglauben auch ein Bruch mit dem Beruf des Geistlichen ; schon 1748 sattelte er
1) Dr. Erich Schmidt, Lessing. Geschichte seines Lebens und seiner Schriften. Berlin 1884/86 . 2 Bde., I, S. 25. Herausgegeben von 2) Gotthold Ephraim Lessings sämtliche Schriften. Karl Lachmann. Berlin 1838. Vorrede zu den vermischten Schriften des Herrn Christlob Mylius. Erster Brief vom 21. März 1754 . 3) Berichte des Gesandten von Maltzahın und Generals von Winterfeldt. Vgl. Geheimnisse des sächsischen Kabinetts. v. Vitzthum von Eckstädt.
,,Zum Friedrichstage". um
Friedrich der Grofse und Lessing.
und schwankte zwischen Philologie und Medizin.
5
Im Winter
gab er das akademische Studium ganz auf und erschien Januar 1749 in Berlin, um sich eine neue Laufbahn zu schaffen. Der Zwanzigjährige besals neben einer aufserordentlichen Begabung für Sprachen ein bedeutendes Selbstbewusstsein und einen Hang zur Nonchalance , welche die Haltung auf seinem Denkmal in der Tiergartenstraſse zu glücklichem Ausdruck bringt.
Aufser einer gründlichen Kenntnis
der alten Sprachen hatte Lessing italienische,
englische und fran-
zösische Lustspiele übersetzt ; jetzt lernte er spanisch und vervollkommnete sein Französisch derart, dafs er den Plan fafste. einen Einakter Jadis " oder „ Palaion " zu schreiben. Durch Mylius' Vermittelung arbeitete er für die Zeitung des Buchhändler Rüdiger, ordnete dessen Bibliothek, ward Sekretär des Baron von der Groeben und wurde mit Richier de Louvain bekannt, der im Jahre 1750 Sekretär Voltaires wurde . Voltaire war damals in einen höchst unsauberen Prozefs mit dem Bankier Hirsch verwickelt, welcher den ernsten Unwillen Friedrich des Grofsen hervorrief und Voltaires Stellung am Berliner Hof erschütterte. Im Dresdner Frieden war ausgemacht, dafs die in Händen von preufsischen Unterthanen befindlichen sächsischen Steuerscheine pari ausbezahlt werden sollten ; ' ) da dieselben an der Leipziger Börse mit grofsem Disagio gehandelt wurden, so war es ein lukratives Geschäft, solche Steuerscheine unterwertig in Leipzig zu kaufen und vollwertig in Berlin zur Einlösung zu präsentieren. Allerdings ein Betrug, der gleichzeitig der preufsischen Regierung ernste Unannehmlichkeiten bereiten konnte ; das Geschäft wurde also schriftlich durch fingierte Bestellung von Juwelen und Pelzwaren abgeschlossen und dieser Umstand liefs Voltaire den ärgerlichen Prozefs gewinnen, da er seelenruhig vor Gericht behauptete, fixe Ware bestellt zu haben. Lessing war Dolmetscher und übersetzte aufserdem die betreffenden Aktenstücke für Voltaire, seine Ansicht über den Prozefs giebt ein Sinngedicht2) wieder, welches mit den Worten schliefst : ,,Und kurz und gut den Grund zu fassen, Dem Juden nicht gelungen ist ; Warum die List So fällt die Antwort ohngefähr Herr Voltaire war ein gröfsrer Schelm als er. Schlimmer für Lessing endete ein anderer Vorfall mit Voltaire, der namentlich für seinen Freund Richier die traurige Folge hatte ,
1) Polit. Corresp. Friedrichs des Grolsen. Berlin. Nr. 3896. Bd. XI, S. 163 , Anm. 3. Vgl. Preufs. a. a. O. Bd . I, S. 486, Ergänzungen zu S. 251 . 2) Lessing a. a. O. Bd . I, S. 33.
6
,,Zum Friedrichstage".
Friedrich der Grofse und Lessing.
dafs er seine Stelle als Sekretär verlor.1 )
Voltaire hatte im Herbst
1751 sein Siècle de Louis XIV. geschrieben und wünschte , dafs dasselbe bis Weihnachten geheim bleiben sollte. Lessing sah bei Richier die ersten Druckbogen, stellte sich ein Exemplar zusammen und nahm schliefslich dieses mit in seine Wohnung ; obgleich ihm diese nur auf drei Tage anvertraut waren, beging Lessing die unverantwortliche Indiskretion und Unbedachtsamkeit, dieselben nicht nur einem Hofmeister des Grafen Schulenburg zu leihen , wodurch die Sache heraus kam, sondern sie auch nachher bei seiner plötzWenn nun auch lichen Abreise nach Wittenberg mitzunehmen. Lessing diese Bogen noch vor Jahresschlufs
an Voltaire mit Ent-
schuldigungen und Schmeicheleien zurücksandte, so war das Unglück unabwendbar. Voltaire hatte am 1. Januar 1752 einen Brief an Lessing geschrieben, worin er die mitgenommenen Bogen unter dem Vorwande zurückforderte, dafs er sein Werk noch verbessert und vielfach erweitert habe, dafs er ihm dieses später zur Übersetzung ins Deutsche und Italienische übersenden würde, dafs er Richier, den er als Dieb aus seinem Dienst gejagt , wenn Lessing die Druckbogen herausgäbe.
sogar verzeihen wolle , Voltaire stellte übrigens
für damalige Zeit recht starke Anforderungen an die Postboten ; der Brief war adressiert : à Monsieur Mr. Lessing candidat en médecine à Vittemberg (et s'il n'y est pas à Vittemberg renvoyez à Leipzic pour être remis à son père, ministre du st. Évangile à deux milles de Leipzic qui saura sa demeure). Von manchen Litteraturhistorikern wird dieser Vorfall als der Grund angesehen , dafs Lessing vom König Friedrich als ungeeignet erachtet worden sei, mit einem Amt betraut zu werden ; doch wohl mit Unrecht, denn es ist fraglich, ob Voltaire, wenn er dem König seine Angst wegen eines Nachdruckes² ) oder die Scene mit der exaltierten Gräfin Bentinck mitgeteilt hat, dabei Lessings Namen und Schuld
so hervorgehoben haben sollte
dafs sich dies dem Ohre einprägen musste. Friedrich zwei Jahre Schriften übertragen. der König
schon
Schwerlich hätte König
später gerade Lessing die Übersetzung eigner Deshalb ist es auch unwahrscheinlich, dafs
damals
von Lessings
scharfen Kritiken gegen
Lamettrie und seinen satirischen Epigrammen über das Grab hinaus oder von dem litterarischen Zweikampf mit dem Pastor Lange zu Laublingen Kenntnis erhalten hat. Lange hatte bekanntlich seine Horazübersetzung durch Fürsprache des befreundeten General Stille
1 ) Schmidt a. a. O. S. 210/11. 2 ) Des Herrn von Voltaire kleinere Historische Schriften. zösischen übersetzt. Rostock 1752.
Aus dem Fran-
„Zum Friedrichstage " .
Friedrich der Grolse und Lessing.
dem König widmen dürfen und halten ;¹ )
aufgestachelt durch
7
dafür ein huldvolles Schreiben er-
das
im
Leipzig und unter Langes Freunden
Gottschedschen
Kreise
zu
in Halle kursierende Gerücht
von journalistischer Freibeuterei hatte Lessing noch von Wittenberg aus, wo er sich den Magistertitel erworben hatte, im Herbst 1752 den ersten Brief seiner Horazischen Kritik veröffentlicht und nach seiner Rückkehr im Sommer 1753 Herrn Pastor Lange folgen lassen.
das
berühmte Vademecum
an
Kurz vorher hatte Voltaire Berlin
verlassen müssen, da er trotz des Verbots des Königs den Streit mit Maupertuis , 2) dem Präsidenten der Berliner Akademie, fortgesetzt hatte. „ Die Kabalen der Schriftsteller sind mir der Schimpf der Litteratur" hatte König Friedrich geäufsert und er würde sicherlich Nichtsdestoweniger über Lessing ebenso streng geurteilt haben. finden wir in
dem Briefwechsel Lessings
mit seinem Vater unter
dem 29. Mai 1753 die Bemerkung : 3) ,,Die 3 Schreiben an das Publikum haben den König zum Verfasser, welcher sie französisch geschrieben hat.
Ich habe sie übersetzt. )
Es ist eine Satyre, ohne
dafs man eigentlich weis worauf. Weil sie der König gemacht hat , so hat sie viel Aufsehens und verschiedene Deutungen verursacht. Die englische Schrift, wegen des gegenwärtigen Streits zwischen England und Preufsen, die Ihnen aus den Zeitungen bekannt seyn wird. habe ich gleichfalls übersetzt. "5) Diese Kritik Lessings zeugt von einem Mangel an politischem
1 ) E. Schmidt a. a. O. S. 188. 2) Vgl. Preufs a. a. O. Bd . I, S. 264 und S. 269. 3 ) Lessing a. a. O. Bd . XII , S. 24, 15. Mai 1753 . Anmerkungen eines unpartheyischen Fremden über die gegenwärtige Streitigkeit zwischen England und Preussen ; in einem Brief eines Edelmanns in dem Haag an seinen Freund in London. 4) G. E. Lessings Übersetzungen aus dem Französischen Friedrichs des Grofsen und Voltaires. Von E. Schmidt. Berlin 1892. S. 3 bis 24. Vgl. Preufs a. a. 0. Bd . I, Anh. II, S. 466/6 . 5) Antwort, die der Herzog von Newcastle auf Befehl Ihrer Königlichen Majestät von Grossbritannien dem Herrn Michell, Königlich Preufsischen Gesandschaftssekretär auf das von ihm unter dem 23./XI . und 13./XII. des verwichenen Jahres überlieferte Memorial und andere Schriften gegeben hat. London und Hannover 1758. „Anführung derer in dem allgemeinen Völker Recht gegründeten Ursachen, welche die Kgl. Maj . v. Preufsen bewogen, diejenigen Gelder , welche die vermöge des Breslauer und Dresdener Friedens denen Grofsbrittanischen Unterthanen zu bezahlen versprochen, auf inständiges Ansuchen Dero auf der See communirenden Unterthanen mit Arrest zu belegen und dieselben wegen der Ihnen von den Englischen Capern auf offener See zugefügten Gewaltthätigkeit und dadurch zugefügten Schäden aus diesen Geldern zu indemnisiren." 4° . Berlin . 1752. S. 4, § 3, S. 8-10, § 12.
8
„ Zum Friedrichstage " .
Friedrich der Grofse und Lessing.
Verständnis, denn trotz der satirischen Form der Lettres au public kann man den politischen Hintergrund leicht erkennen. Friedrich der Grofse hatte damals durch die bekannten Abschriften sächsischer Gesandschaftsberichte aus Petersburg genauere Kenntnis von der daselbst 1746 geschlossenen Allianz erhalten. ' ) Die ,, Briefe an das Publikum " waren gleichzeitig eine Mahnung an die feindlichen Höfe ; sie riefen jene heftige Sprache des sog. politischen Testaments der Kaiserin Elisabeth vom 26. Mai 1753 im russischen Staatsrat hervor. ") Noch leidenschaftlicher erregt war die Stimmung in England gegen König Friedrich, auf welchen das englische Ministerium die Schuld am Milslingen der römischen Königswahl Josephs II . zu schieben suchte ; soll doch Dr. Archibald Cameron hauptsächlich wegen des Verdachts als jakobitischer Emissär des Königs von Preufsen zum Tode verurteilt worden sein.3 ) Mit Schlesien hatte Friedrich der Grofse im Breslauer Frieden die Verzinsung und Amortisation gröfsten Teils einer 70%-Hypothek
übernehmen müssen ;
des
die Gläu
biger waren holländische und namentlich englische Kapitalisten . Emdener Schiffe, mit Holz und Hanf beladen , waren vor dem Aachener Frieden gekapert und vom englischen Admiralitätsgericht als Prise erklärt worden. Da Preufsen 1744 von Kaiser Karl VII. mit
Ostfriesland )
belehnt worden war,
behielt König Friedrich ,
nachdem alle diplomatischen Verhandlungen selbst unter der Mediation Frankreichs nicht zum Ziele führten, die Zinsen als Kompensation nicht als Repressalie ) zurück und erklärte, die betreffende Summe vorläufig Frankreich als Depot übergeben zu wollen. Ministerium bot
Das englische
die Entschädigung und schliefslich die geforderten
6 Prozent Verzugszinsen an, aber unter der Hand , und dies erschien Die Angelegenheit König Friedrich unter der Würde Preufsens. 1 ) Preussische Jahrbücher. Bd . 48. Berlin 1881. Darin „ Preufsen und Rufsland im Jahrzehnt vor dem siebenjährigen Kriege von Reinh. Koser . S. 483 . Vgl. S. 300 und 473. 2) Max Duncker in der öffentlichen Sitzung der Königlichen Akademie zu Berlin am 15. März 1888. Berichte S. 314 ff. 3 ) Lord Mahon, History of England (from the peace of Utrecht to the peace of Versailles 1713-1778 .) London 1853. III . ed . Vol. IV, p. 29. 4) Vgl. Preufs a. a. O. Bd. I, S. 306 ff. 5) Au im partial foreigner's remarks upon the present dispute between England and Prussia in a letter from a gentleman at the Hague to his friend in London. 4º, 1758, S. 21 , § 26 (und zwar zwischen dem König von England und dem König von Preufsen S. 20, § 25), s . S. 18, Anm. 1. Vgl. Trendelen burg, Friedrich des Grofsen Verdienst um das Völkerrecht im Seekriege. (Bericht der Berliner Akademie philos .-histor. Klasse 1866.) s. William Edward Hartpole Lecky, History of England in the eightrenth century. London. Vol. III, p. 46.
„Zum Friedrichstage " . wurde erst
1756 nach
Friedrich der Grofse und Lessing.
Abschlufs
des
Vertrags von
9
Westminster
erledigt. In den Streitschriften stellt Friedrich der Grofse die damals neue jetzt allgemein anerkannte Maxime auf: ' ) dafs freie Schiffe freie Ladung führen mit Ausnahme von Kriegsmunition und Nahrungsmitteln für blokierte Häfen.
30 Jahre später wies Katharina II . in
einem ähnlichen Streit mit Spanien auf das Beispiel Preufsens hin. Friedrich der Grofse hatte dem Buchhändler Vofs das Privileg für die ,,Berlinischen Nachrichten von Staats- und Gelehrten- Sachen “ erteilt und dieser übertrug Lessing hauptsächlich die Kritik neuer Bücher. Aus seinen Kritiken interessieren uns hier die über „ le prince des delices des coeurs ou traité des qualités d'un grand Roi et sistéme général d'un sage Gouvernement.2 ) Man überlasse einen solchen Stoff denen , welche die Vorsicht erwehlte, ihn auszuüben, demjenigen Geiste insbesondere, den die Natur auch zum Weltweisen machen musste, weil sie ihn zu einem Urbilde der Könige machen wollte. Doch auch dieser würde nur für die eine vollkommene Regierungskunst
schreiben können,
die
sich in
allen seinen Um-
ständen befinden ; seine Arbeit würde für die unbrauchbar seyn , die minder erhaben denken, die in unveränderter Zeit und nicht über dieselben Völker regieren". Weiter über die : ., 3 Gebete eines Freigeistes, eines Christen und eines guten Königs" . Hamburg 1753.3) ,,Das Gebet endlich eines guten Königs, ist so schön, dafs man darauf wetten sollte , es habe es kein König gemacht". Dieselben waren von Klopstock, aber anonym erschienen . Aus den ,,reveries poetiques sur des sujets differens. Amsterdam 1754 citiert er die sur un edit du Roi de Prusse : ¹ ) Quand l'Hymen étonné reçut l'édit royal Où la discorde rompt le lien conjugal l'Hymen dit aux Chefs de ses Prêtres : Alexandre en Soldat coupa le Noeud Gordien , Et Frédéric en Sage a délié le mien ; Quel est le plus-grand de ces Maîtres ?" Lessing hatte neben seinen Kritiken auch die Festgedichte für die ,,Vossische Zeitung" zu verfassen .
Deshalb finden wir Oden zu
1) A. a. O. S. 11 , § 14 "9 that a free ship makes free goods, and that all goods on board an enemy's ship become lawful prize" und S. 17, § 22 ,,that all goods on board an enemy's ship shall be lawful prize". - - Vgl. Lecky a. a. O. Vol. IV, p. 154 , 155 und 156. s. Pol. Korr. VII, Nr. 3757, 3803, 8978, 4150, VIII, 5207, Bd. IX , 5270 , 5366 ( 5923), 5539 , 5615 , 5794 , 5847 , 5868, 5875, 5886, 5909, 5926. X, Nr. 5943, 5952, 5965, 5989, 6002, 6030, 6044, 6095, 6240, 6578. 2) Lessing a. a. O. Bd . III, S. 190 vom 23. November 1751 . 3) Lessing a. a. O. Bd . III, S. 399 vom 20. Februar 1753. 4) a. a. O. IV, 486.
10
,,Zum Friedrichstage " .
Friedrich der Grofse und Lessing.
Neujahr 1752 und die folgenden Jahre sowie zum 24. Jenner, Königs Geburtstag 1755 glaubte Lessing prophezeien zu dürfen : ' ) ,,Noch lange wird diess Land, mit den erfochtenen Staaten, Im Schoofs des Friedens ruhn ; Denn sein Beschützer trägt die Lorbeeren grofser Thaten, Um gröfsere zu thun . Er braucht den Sieg als Sieg, macht Künst und Handel rege, Und zeichnet Jedes Lauf" . Lessing selbst fand aber keine Ruhe in Berlin ; er hatte sich von neuem dem Theater zugewandt und sein erstes bürgerliches Trauerspiel ,,Miss Sara Sampson " vollendet. Im Juli 1755 ward es mit Erfolg in Frankfurt a. O. aufgeführt und zu seiner Einübung in Leipzig eilte Lessing dorthin , völlig unerwartet für seine Freunde Nicolai und Moses Mendelssohn wie für die Freitagsgesellschaft bei Theerbusch, in
welcher Lessing
zusammentraf mit Vofs ,
Ramler
Sulzer und Quanz, der König Friedrich im Flötenspiel unterrichtete, Euler, Jakobi und andern Artillerie - Offizieren. König Friedrich suchte damals einen Vorleser. Auf einer Inkognitoreise nach Amsterdam,
die der König von Wesel aus im
Sommer 1755 mit dem Ingenieurmajor Balbi unternahm, traf er im Schiff einen jung en Schweizer de Catt, unterhielt sich mit ihm und fand an ihm Gefallen. De Catt konnte erst 1758 sein Amt antreten , er war in Wahrheit mehr Zuhörer, wenn der König recitierte oder causierte , - wir verdanken ihm aber ein ziemlich ausführliches Tagebuch und
Memoiren,
welche
er
allerdings
erst
nach des Königs Tod herausgab. Für diese Stellung hätte Lessing sich wohl nicht geeignet ; noch am 8. Januar 1773 schrieb er an seine spätere Frau : „Zum neuen Jahre bin ich in Braunschweig bey Hofe gewesen, und habe mit anderen gethan, was zwar nichts hilft, wenn man es thut, aber doch wohl schaden kann, wenn man es beständig unterläfst : bewegt".2) Lessing nahm wachsenen
Sohn
ich
habe
Bücklinge gemacht und das
im Frühjahr 1756 des
das Anerbieten
an,
Maul
den er-
Kaufherrn Winkler in Leipzig , auf seinem
ersten Ausflug in die Welt zu begleiten .
Über Hamburg, wo Lessing
die für seine spätere Zukunft entscheidende Bekanntschaft mit dem Schauspieler Ekhoff machte, ging es nach Amsterdam ; da brach der Krieg aus, Sachsen wurde besetzt und die Reise hatte ein Ende . Mit Bezug hierauf schrieb Lessing3 ) an Ramler : 29 Da sehen Sie ein1) а. а. 0. ХIII, 643. 2 ) Vgl. Schmidt a. a. O. Bd. II, S. 286. 3) Lessing a. a. O. XII , S. 85 , am 18. Junius 1757 .
„Zum Friedrichstage" .
Friedrich der Grofse und Lessing.
mal , was mir der Krieg für Schaden thut.
11
Ich und der König von
Preufsen werden eine gewaltige Rechnung mit einander bekommen" ; denn der reiche Kaufherr hielt sich Lessing gegenüber nicht für kontraktlich verpflichtet, so dafs es zum Prozefs kam, der sich bis 1764 hinzog. In Winklers Hause
aber hatte Lessing bei
seiner Rückkehr
nach Leipzig als Einquartierung Christian Ewald von Kleist gefunden , den ehemaligen Major vom Regiment Prinz Heinrich, damals Feldlazarettdirektor. Mit Kleist, dem Dichter des Frühlings und intimen Freunde des Kanonikus am Dom zu Halberstadt, Gleim, schlofs Lessing schnell innigen Verkehr. Infolgedessen nahm Lessing besonderes Interesse an den Liedern ,,eines preufsischen Grenadiers ", deren Druck er durch Vofs in Berlin besorgte.
Als der sehnsüchtige
Wunsch des Majors von Kleist erfüllt wurde und er als Bataillonskommandeur zur Armee ging, um bald darauf bei Kunersdorf den Tod zu finden, kehrte Lessing Juni 1758 nach Berlin zurück ; seine Briefe an Gleim über die Verwundung und das Ende des Freundes sind ein schöner Beweis für Lessings Gemütstiefe. ')
Durch Kleist
hatte Lessing schon in Leipzig den Oberst von Tauentzien kennen gelernt ; als dieser Gouverneur von Breslau geworden war und dort einer Aufführung der Mifs Sara Sampson beiwohnte, erinnerte er sich der Bekanntschaft mit Lessing und liefs ihm Ende 1760 eine feste Stelle als Gouvernements- Sekretär anbieten. Lessing nahm diese an. Aus seiner Amtsthätigkeit in Münzsachen ist nur ein Schreiben bekannt, welches die Unterschrift B. F. Tauentzien " trägt.2 Da Lessing aber den General von Tauentzien während der Belagerung von Schweidnitz und 1763 nach Potsdam begleitete , ist anzunehmen, daſs er auch in andern Angelegenheiten, z . B. Errichtung von Freibataillonen, dem Wiederaufbau des Königlichen Schlosses Verwendung fand.
Lessing hatte
also in Breslau eine jahrelange
sorgenfreie Stellung gefunden. Wir wissen,³ ) dafs er seine Brüder unterstützte und sich eine Bibliothek von 6000 Bänden anschaffte ;
1) Lessing a. a. O. XII , S. 134 ff. 25. August 1759, 1. September 1759, 6. September 1759. Vgl . J. D. E. Preufs, Friedrich 2) Lessing a. a. O. Bd. XII, S. 167. der Grofse. Eine Lebensgeschichte. Berlin 1833. Bd . III , Anh . I, Nr. 6 , S. 529. 3) In der ,,Schlesischen privilegirten Kriegs- und Friedenszeitung" Breslau, Sonnabend, 6. September 1760, Nr . 101 , findet sich die Anzeige : ,,Lessingische unäsopische Fabeln, enth. die sinnreichen Einfälle und weisen Sprüche der Thiere, nebst damit einschlagender Untersuchung der Abhandl. H. Lessings von der Kunst Fabeln zu verfertigen. 800 Zürch 1760. 20. Sgl.
12
„Zum Friedrichstage" .
Friedrich der Grofse und Lessing.
im übrigen gilt für diese Zeit wohl Goethes Urteil ' ) als zutreffend : ,,Lessing,
der die persönliche Würde
gern wegwarf,
weil er sich
zutraute, sie jeden Augenblick wieder ergreifen und aufnehmen zu können , gefiel sich in einem zerstreuten Wirtshaus- und Weltleben, da er gegen sein mächtig arbeitendes Innere stets ein gewaltiges Gegengewicht brauchte !" Es ist aber mit der Leidenschaft der Künstler ein eigen Ding ;
was ihnen als Menschen gefährlich wird
und sie erregt, das spiegeln sie in ihren Werken am lebhaftesten wieder. Hatte Lessing trotz seiner politischen Zwitterstellung und individuellen
Abneigung
den
Anregungen patriotischen Gefühls in
Leipzig 1758 nicht ganz widerstehen können, wovon sein ,, Philotas " und sein ,,Vorbericht zu den preufsischen Kriegsliedern aus den Feldzügen 1756 und 57 von einem Grenadier" Zeugnis ablegt, so waren die Eindrücke des Kriegslebens und des intimen Verkehrs mit preufsischen Militärs aller Grade so überwältigend, dafs sie sich in seinem Geiste zur Schöpfung der „ Minna von Barnhelm " verdichteten.
Nach Goethe ) ist sie 99 die erste , aus dem bedeutenden
Leben gegriffene Theaterproduktion von spezifisch temporärem Gehalt, die deswegen auch eine nie zu berechnende Wirkung that". Danach wäre es eine Gelegenheitsdichtung und in gewisser Hinsicht mit Recht, scheint doch Lessing selbst später etwas ähnliches zu meinen, er schreibt : 3 ) ich erinnere mich, dafs ich im vorigen Kriege zu Leipzig für einen Erzpreufsen und in Berlin für einen Erzsachsen bin gehalten worden, weil ich keines von beyden war, und keines von beyden sein musste , -- wenigstens um die Minna zu machen.. Das Ding war zu seinen Zeiten recht gut. Was geht es mich an, wodurch es jetzt von den Theatern verdrängt wird".
Es war
aber unmöglich, es für immer von den Brettern zu verdrängen und es ist noch heute wie vor 130 Jahren lebensfähig.
Es ist also etwas
anders geworden und wohl im Herzen Lessings bewulst
oder un-
bewulst gewesen ; denn er schrieb an Ramler : 4) ,,Ich war vor meiner Krankheit in einem Train zu arbeiten, in dem ich selten gewesen bin ...
Ich brenne vor Begierde , die letzte Hand an meine Minna
von Barnhelm zu legen ; und doch wollte ich auch nicht gern mit halbem Kopf daran arbeiten. . . . Wenn es nicht besser, als alle meine
bisherigen dramatischen Stücke wird, so bin ich fest ent-
schlossen, mich mit dem Theater gar nicht mehr abzugeben".
Aus
diesen Worten spricht ein Gefühl des Schaffenstriebes und die Über1) 2) 3) 4)
Goethe . Aus meinem Leben. Buch VII. Goethe a. a. O. Buch VII. Lessing a. a. O. Bd. XII, 487. An Nicolai 25. Mai 1777. Lessing a. a. O. Bd . XII, 20. August 1764.
„Zum Friedrichstage" .
Friedrich der Grofse und Lessing.
zeugung von entscheidender Bedeutung,
was
13
sich nicht anders er-
klären lässt als durch tief innerstes Ergriffensein der Dichterseele. Lessing sagt selbst : der Theaterdichter mufs mit dem Volke gehen d. h. um Wirkung zu erzielen , mufs ein Stück eine verwandte Stimmung vorfinden oder hervorrufen, denn nur bei adäquater Spannung kann der Funke des Genius in andern Herzenselementen die Begeisterung zu heller Flamme entzünden . Dies ist aber nur zutreffend, wenn die Zeit erfüllet war" ; wer seine Zeit versteht, ist ein wahrer Künstler, ob Dichter, Maler, Gesetzgeber oder Staatsmann. Nur der künstlerische Gedanke entspringt dem Gehirn wie die fertige Athene dem Haupt des Zeus ; in der Ausführung ist des Menschen Werk an die gegebene Masse gebunden. Dagegen ist es von seiner späteren Wirkung unabhängig, ob ein Tempel nach Art indischer Pagoden aus dem Felsen von oben nach unten herausgehauen oder wie unsere gotischen Kirchen aus Quadern oder einzelnen Backsteinen übereinander gefügt ist . Lessing selbst hat an einer Stelle der Hamburger Dramaturgie ' ) sehr gering von seiner dichterischen Begabung geurteilt, auch König Friedrich nennt sich öfter nur einen Dilettanten . Von alten und neuen Litteraturhistorikern ) ist daraufhin ähnliches ausgesprochen ; gerade die Minna von Barnhelm ist dem Spürgeist litterarischer Philologen zum Opfer gefallen, jeder Scene und jeder Figur hat man nachgeforscht und Ähnlichkeiten mit andern Stücken In der Hauptperson , dem oder Personen zu entdecken geglaubt. Tellheim , hat man natürlich ein lebendes Denkmal für Lessings Aber Kleist war BerufsFreund, Major von Kleist, sehen wollen. offizier und Infanterist, Tellheim ist als Kommandeur eines Freiregiments Husaren oder Dragoner gedacht. Man verfiel deshalb auf den besonders in Schlesien sehr bekannten Chef eines Husarenregiments Glt. von Werner, welcher für die Wachtmeisterrolle den Namen geliefert hat, oder auf den späteren General von Wunsch, einen geborenen Württemberger, bei dessen Kompagnie Schillers Vater als Wundarzt während des Feldzuges in holländischem Solde gestanden hatte. Auch auf den Major von Quintus Icilius alias Guichard , den Dragonermajor Marschall von Biberstein, Hptm. Bach und einen Lt. von der Marwitz hat man Mutmafsungen gerichtet. Aus alledem ergiebt sich nur, dafs Lessing in Tellheim eine Idealfigur geschaffen hat, zu dessen Charakter ihm seine grofse Bekanntschaft in Offiziers-
1) Lessing a. a. O. 101 Stück. 5. Dezember 1772. Lenz.
Vgl. aber Bd. XII Brief an Karl L. vom
2) L. Tieck, Vorrede S. XXXII zu „ Gesammelte Schriften" von J. M. R. Berlin 1828.
14
„Zum Friedrichstage " .
kreisen Studien lieferte.
Friedrich der Grofse und Lessing.
Was nun die Verheiratung des preussischen
Majors von Tellheim mit dem reichen sächsischen Fräulein von Barnhelm und des Wachtmeisters mit deren Mädchen anbetrifft, so hat man seit Goethe darin eine tiefere politische Absicht erblickt . Goethe ' ) sagt : ,,Durch den politischen Frieden konnte der Frieden zwischen den Gemütern nicht sogleich hergestellt werden.
Die Anmut
und Liebenswürdigkeit der Sächsinnen überwindet den Wert , die Würde, den Starrsinn der Preufsen, und sowohl an den Hauptpersonen als bizarrer und
den Subalternen wird eine glückliche Vereinigung widerstrebender Elemente kunstgemäfs dargestellt " .
Es ist dies ein schöner Gedanke, aber ich glaube, ein andrer Anlaſs liegt näher, welcher Goethe und denen, die ihm beistimmen, unbekannt geblieben zu sein scheint. Am 17. November 1762 schrieb Friedrich der Grofse an den Prinzen Heinrich : 2 ) „ Da Ich, aus dazu bewegenden Ursachen resolviret habe, dafs diesen Winter hindurch denen Soldaten bei der Armee, so Landeskinder, erlaubet sein solle , mit sächsischen Weibern, wann sie mit solchen etwas Geld und Mittel erwerben können, sich in ein eheliches Band einzulassen, als Belieben Ew.
Liebden,
denen
Regimentern diese
Meine Intention
bekannt machen zu lassen, mit dem Beifügen, dafs 20 bis 30 Mann per Compagnie, so viel es angehet, in Sachsen heiraten zu dürfen, gestattet sein sollte ". Am 14. Januar 1763 wird diese Ordre dem Generalmajor von
Wylich )
in Saalfeld
sowie
den andern
dort
kommandierenden Brigadekommandeuren (v. Schmettau, v. Schenkendorf, v. Bülow, Graf Lottum und Oberst v. Lölhöffel ) wiederholt ; ebenso erhält Generallieutenant von Platen Befehl : mittelst einer Liste einzuberichten, wie viele Bursche von den seinem Kommando untergebenen Truppen sich diesen Winter bereits in Sachsen verheiratet". Als nun General von Platen am 18. die verlangte Liste einsendet, antwortet der König am 21. Januar : 4) ,,dafs von den Regimentern von Hülsen und von Queis, desgl. von dem Bataillon von Karlowitz sich auch dergleichen Leute noch an sächsische Weibsbilder, wann schon selbige wenig Mittel haben , verheirathen und ihnen die Trauscheine dazu gegeben werden müssen. Wozu Ihr die Commandeurs
anhalten müsset, dann wann ich Ordres gebe,
ich
Meine guten Ursachen dazu habe, und also solche executiret werden. müssen, und was Ich befohlen habe, geschehen mufs". Es handelte sich also bei diesem friedlichen Raub der Sabinerinnen 1) 2) 3) 4)
Goethe, Aus meinem Leben . Buch VII. Pol . Korr. Bd . XXII, S. 334, Anm . 1 . Pol. Korr. Bd . XXII , XII, S. 461 , Anm. 2 . Pol. Korr. Bd . XXII, S. 474, Anm. 2.
„Zum Friedrichstage" .
Friedrich der Grofse und Lessing.
15
um eine national-ökonomische Mafsregel ; die jungen Eheleute sollten als Kolonisten in den verwüsteten Provinzen verwendet werden. Jedenfalls befand sich Lessing in Übereinstimmung mit Friedrich dem Grofsen, wenn er preufsische Militärs sich mit Sächsinnen verheiraten liefs . Deshalb ist es auch unnötig, weil Minna von Barnhelm eine reiche Erbin und glückliche Braut ist, auf Goldonis¹ ) l'erede fortunata zurückzugreifen. Lessing hatte zwar, als er eine Übersetzung der Goldonischen Komödien übernahm, in der
glück-
lichen Erbin" Stoff zu einem Lustspiel zu finden geglaubt . In seinem Nachlasse fand sich das Scenarium zu den 5 Akten der „Klausel im Testament" und die Aber die
Fabel
des
ausgearbeiteten 7 Auftritte des 1. Aktes.
Stückes
ist eine
ganz
andere wie in dem
,,Soldatenglück". Viel umstritten ist
die
Figur
des Lieutenant
Riccaut de la
Marlinière. Die Einen sehen in ihr nur eine unnütze Einschiebung, welche die Lösung des Knotens aufhält ; andere finden darin eine Selbstentschuldigung von Lessings Leidenschaft für das hohe Pharaospiel ; neuere Litteraturhistoriker eine patriotische That,2 ) da Lessing es wagt, in dem windigen französischen Lieutenant den Nationalfeind als Lustspielfigur einzuführen . Es ist gewifs, dafs vor der Schlacht von Rofsbach dies noch ferner gelegen hätte, und dafs Lessing im Gegensatz zu Gottsched es für zweckmäfsig hielt, in irgend einer Gestalt den Harlekin im Lustspiel zu verwenden . Eva Königs an Lessing,
Übrigens ergiebt sich aus einem Briefe dafs Riccaut de la Marlinière der Name
oder Spitzname für eine bestimmte Persönlichkeit gewesen ist.3 ) Aus der Scene zwischen Minna und Riccaut ist hervorzuheben die damals wie heute notwendig erscheinende Mahnung über den richtigen Gebrauch fremder Sprachen seitens der Deutschen und Lessings Eintreten für eine bessere Würdigung unserer Muttersprache. Man wirft bekanntlich noch heute, jedoch meist übertrieben und ungerecht, Friedrich dem Grofsen eine blinde Vorliebe für die französische 1 ) L'erede fortunata, commedia in 3 atti di Carlo Goldoni, Milano . Vgl. atto I scena III (Ottario ), scena X (Ottario e Rosaura), scena XVI (Rosaura), atto II scena III (Pancrario ) , scena IV (Pancrario e Ottario), atto III scena IV Ottario e Rosaura). Vgl. Lessing a. a. O. XII , S. 32 Anm. 2 ) K. Koberstein, Deutsche Litteraturgeschichte II, 1321 : „ es war gleichsam die negative Bethätigung des Nationalbewusstseins , der Nationalhafs, welchem der Dichter durch Einführung des Franzosen Ausdruck gab“. — Vgl. E. Reimann, Neuere Geschichte des Preulsischen Staates. Gotha 1882/88 . Bd . I , S. 146 . Ebenso Arneth, „ Maria Theresia und der siebenjährige Krieg" , Bd . VI , S. 421 . Ebenso Lord Mahon, History of England, S. 120. 3) Lessing a. a. O. Bd . XIII, S. 248. Wien 14. Oktober 1770 .
„Zum Friedrichstage " .
16
Friedrich der Grofse und Lessing.
Sprache und Litteratur vor. ) Richtig ist, dafs König Friedrich sein ganzes Wissen aus französischen Büchern geschöpft hat ; selbst die von ihm bevorzugten Klassiker Cicero und Quinctilian lernte er nur in mangelhaften französischen Übersetzungen kennen, ebenso Leibnitz , Bayle selbst Wolff und Locke . Nach dem Erwerb von Ostfriesland findet man ein französisches Buch über Seekunde auf seinem Schreibtisch und während der Belagerung von Schweidnitz bewältigt er 24 Bände von Fleurys Kirchengeschichte.³) Der letzte grofse Historiker Frankreichs, Henri Taine,³ ) schildert höchst anschaulich die Umwandlung der französischen Sprache in der Mitte des vorigen Jahrhunderts und die Vorzüge, welche dieselbe noch heute seit jener Zeit auszeichnet. Diese Vorzüge sind es, welche Friedrich der Grofse mit feinem Verständnis Gottsched und Gellert gegenüber hervorhebt und wir können jetzt verstehen, warum er sich an der herzoglichen Tafel von Schlofs Friedenstein bei Gotha zu Professor Pütter ) aus Göttingen über Gottsched lustig machte. Derselbe Professor
Pütter,
welcher
damals
1762
den
Prinzen juristische
Kollegien vortrug, bezeichnete es als Gewinn, dafs er diese so weit brachte, auch in deutscher Sprache sich über wissenschaftliche Dinge auszudrücken, und hatte es für nötig gehalten , seinen „ Zugaben zur Anleitung zur juristischen Praxis "
einen zweiten Teil hinzuzufügen
,,insonderheit von der Orthographie und Richtigkeit der Sprache und vom Teutschen Canzleyceremonielle".5) Reinhold Koser," ) der jetzige Direktor unserer Staatsarchive, hat es ausgesprochen : „ es mag paradox klingen, aber es geschah von dem preufsischen Kronprinzen in einer Art nationalen Ehrgeizes, dafs er die
glänzende Rüstung der Franzosen
anlegte ,
um unter
fremden Farben kämpfend dem Auslande die geistige Ebenbürtigkeit eines Deutschen zu beweisen". Koser führt Voltaire an, der nach der Schlacht bei Rofsbach schrieb : jetzt hat König Friedrich alles erreicht, was er immer sich ersehnt hat, den Franzosen zu gefallen, sich lustig über sie zu machen und sie zu schlagen !"
Hiermit stimmt
ein Bericht des französischen Gesandten Marquis de Beauvau¹ ) an den Minister Amelot überein : Je sais à n'en pouvoir douter, que le
1) 2) 8) régime . 4) 5) 6) 7)
Eduard Zeller a. a . O. , S. 27 ff. Eduard Zeller a. a. O. S. 185, Anm. 9. Henri Taine, Les Origines de la France contemporaine. L'ancien Paris 1878. V. ed. , p . 244-250. Joh. Stephan Pütters Selbstbiographie. Göttingen 1798. S. 406 . Vgl. Preufs a. a. O. Bd . III, S. 368 . Reinh. Koser, Friedrich der Grofse als Kronprinz. Stuttgart 1886. S. 151 Duc de Broglie : Frédéric II. et Marie Thérèse T. I, p. 363 .
„Zum Friedrichsfage “ .
Friedrich der Grofse und Lessing.
17
Roi de Prusse déteste la France dans le fond de son coeur, et que le véritable objet de son ambition et de sa gloire serait de pouvoir nous humilier et diminuer notre puissance". Und um Friedrich den Grofsen selbst zu citieren, genügt ein Brief¹ ) vom 26. Mai 1763 an seine Schwester, die Königin Ulrike von Schweden, der gegenüber er sich stets mit gröfster Offenherzigkeit äufsert : ,,Tout ce qui paraît en France, est si fort marqué au coin du médioere que c'est perdre son temps, de s'amuser à lire ces billevesées. Voltaire radote, il ne fait plus rien qui vaille. La France n'a plus que d'Alembert, tout le reste est pitoyable. Leurs tragédies ne se soutiennent que par quelques situations ; la poésie n'a ni force ni élégance ni grâce ; le livre tombe des mains, lorsqu'on lit des ouvrages qui sont applaudis à la représentation". - Mit dieser Ansicht Friedrichs des Grofsen ist in Lessings Hamburgischer Dramaturgie das 81. und ff.- Stück in Vergleich zu ziehen. Nach zwei Richtungen hin hat Minna von Barnhelm Anlaſs zu schiefer Beurteilung gegeben und deshalb ist eine Richtigstellung nötig : ich meine das Schicksal der Freikorps- Offiziere beim Übergang zum Friedens-Etat und die Kontributionen in Sachsen. Thomas Carlyle 2 ) giebt in seiner Geschichte Friedrich des Grofsen die unerbittliche Finanznot als Grund dafür an, dafs „ die Obersten Beckwith und von Bauer, sämmtliche Offiziere der Freiregimenter, ausgenommen 7 und Tausende von Gemeinen als sie nach Berlin kamen cassirt wurden".
Der Oberst Beckwith³ ) kom-
mandierte in englischem Solde die sogenannte britannische Legion bei der verbündeten Armee unter Prinz Ferdinand von Braunschweig. Da die Friedens-Präliminarien für den englisch -französischen Krieg + ) schon im September 1763 beginnen sollten, so wollte England die Truppen am 1. Oktober 1762 entlassen. Es verzögerte sich aber. Friedrich der Grofse nufste befürchten, dafs die bisher von der französischen Armee besetzten preufsischen Gebiete in die Hände der Österreicher gespielt würden, und deshalb nahm er im Januar 1763
die britannische Legion
in seine Dienste, liefs sie Münster
¹ ) Pol. Korr. Bd. XXIII, S. 30, Nr. 14601 . 2 ) Geschichte Friedrichs II. von Preuſsen genannt Friedrich der Grofse. Deutsch Neuberg-Althaus . Berlin 1869. Bd . VI, Buch XX, Kap . XIII, S. 287 . Vgl. Preufs a. a . O. Bd . II , S. 372. Vgl. Dr. Eduard Niemeyer, Über Lessings Minna von Barnhelm. Realschul-Frogramm Ostern 1870. Dresden . S. 17. 3) Pol. Korr. XXII , S. 468/9, 506, 531 . 4) Revue des questions historiques. Paris 1888. Année XXIII, Tome XLIII. Le traité de Paris entre la France et l'Angleterre 1763 par le comte E. de Barthélemy, p. 465-468. 2 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 1.
18
„Zum Friedrichstage " .
Friedrich der Grofse und Lessing.
besetzen, ernannte Beckwith zum Generalmajor, damit er mit dem Kommandeur der hannöverischen Truppen gleichen Rang habe, und gab ihm Ende Februar 1763, da er ihn bei der Reduktion der Kavallerie dort nicht verwenden konnte , das ehemalige von Salmuthsche Garnisonregiment. Der Oberst von Bauer ' ) war Chef eines preuſsischen Freiregiments Husaren bei der alliierten Armee ; da Prinz Ferdinand über ihn günstig berichtete, erteilte ihm König Friedrich den Befehl, mit seinem Regiment, dem Freibataillon Husaren de Jeanneret sowie mit dem Freibataillon von Trümbach und dem braunschweigischen Freiregiment,2 ) das ebenfalls in preufsische Dienste trat, Wesel zu Die west besetzen, sobald es die Franzosen verlassen würden. fälischen Kreisstände führten über Kontributionen nach dem Friedens schlufs Klage und deshalb wurde Oberst von Bauer Mitte März 1763 nach Berlin berufen, wohin er gleichzeitig das braunschweigische Kontingent mitbrachte. Da Friedrich der Grofse aufser 62000 Thalern dem Herzog die früheren Uniformen , Waffen und Sättel zurück schicken liefs, ist anzunehmen, dafs die Mannschaften in preuſsische Uniform eingekleidet wurden.
Die Errichtung von Freibataillonen ) und Schwadronen während des siebenjährigen Krieges wurde für Friedrich den Groſsen von Jahr zu Jahr notwendiger, weil gegenüber den Kroaten und Pan duren eine leichter bewegliche Truppe erforderlich wurde , weil der Ersatz von Rekruten für die reguläre Armee sich verringerte, weil die Armee sich an und für sich verschlechterte und umsoweniger * ) zweifelhafte Elemente oder Deserteure eingereicht werden konnten und weil auf vorgeschobenen Posten oder in entlegeneren Provinzen die Gefahr der Desertion sich vergrösserte. Friedrich der Groſse hat sich oft über die Freibataillone ungünstig ausgesprochen ; dennoch ist er bei einem etwaigen polnischen und dem bayerischen Erbfolge kriege darauf zurückgekommen. Im Januar 1759 schreibt er an den preufsischen Geschäftsträger Hellen in Holland : 5) „ gens , qui n'ont qu'a proposer des levées de corps de compagnies franches , vous devez les remercier d'abord parce que je n'en ai plus besoin, pour ne pas dire à présent qu'ordinairement ces gens ne font ces propositions par un motif de zèle pour mon service,
1) Anh. 1 , 2) 3) 4) 5)
mais pour
Pol. Korr. Bd . XXII , S. 288, Nr. 14186. Vgl. Preufs a. a. O. Bd. III , S. 471 , Beilage XXVIII. Pol. Korr. Bd. XXII, S. 515/6, 554. Vergl. Preufs, a. a. O. Bd. II, S. 49, 129 , 271 . Pol. Korr. XVII, 10065 ; vgl. Preuſs II, 239. Pol. Korr. XVIII , Nr. 10667. Vergl . XV, 9063
„Zum Friedrichstage ".
19
Friedrich der Grofse und Lessing.
trouver l'occasion de piller impunément. Als Hellen später¹ ) 4 Offiziere zu Freibataillon vorschlägt, erklärt der König 99 er werde sie aber nach dem Frieden nur dann behalten, wenn sie mit Auszeichnung gedient hätten." Dem Husaren-Oberst von Kleist, 2 ) welcher 4 Eskadrons leichte Dragoner errichten soll, schreibt der König vor : ,,dafs Ihr suchen müsset, fremde Offiziers dabei zu engagieren, weil sie zu Friedenszeiten nicht können beibehalten werden und Mir alsdann nur zur Last fallen würden. und dort welche
Ihr sollet also
zu bekommen."
suchen
aus dem Gothaischen
Von dem Freibataillon Quintus
Icilius sagte der König : 3) Quintus a toujours quelque canditat digne d'être chassé und dem Prinzen Heinrich wurde aufgetragen : Il faut punir sévèrement les Quintiliens, en passer quelquesuns par
faire
les armes, pour imprimer du respect aux autres ; il faut que les officiers les tiennent sous une plus sévère discipline ; voilà le grand défaut de Quintus qu'il est trop indulgent. Als im Winter 1760 Major Quintus ) sieben neue Freibataillone in Lommatzsch, Herford , Bingen,
Mühlhausen
und Ostfriesland
er-
richten sollte, wozu ein Generalpardon für alle preuſsischen Deserteure in Polen und im Reich gegeben wurde , erhob Prinz Ferdinand von Braunschweig Einspruch ,,le fond doit être des Suisses et il leur sera fait défense de ne point engager des déserteurs des alliés à moins que ce soit en Hollande. In seinen Memoiren erzählt de Catt :) En partant de cet endroit il le roi Frédéric) entendit un capitain du bataillon franc du Verger ) commander à ses soldats de mettre le fusil sur l'épaule et un soldat répondre : Bientôt, mon capitaine . Jl crus que cette façon de repondre si inouie, si peu analogue à tout service,
et surtout au
service
prussien ,
exciterait
l'indignation du Roi ; mais je me trompais, il dit simplement en souriant, à un officier qui etait à ses côtés : Il faut convenir que je dois employer de la bien grande canaille, que pourrait-on faire avec cette race qui n'est propre, je crois , qu'à des fonctions cosaques ? mais si ces bougres s'avisent de piller ici , qu'on les assomme sans miséricorde. Wie
abgeneigt
Friedrich der Grofse war, die Freikorps
der
Pol. Korr. XX, S. 1744, Anm . . Pol. Korr. XIX, S. 152 , Anm. 4. Pol. Korr. XXI, Nr. 13771. Vergl. XVIII, Nr. 11672 . Pol. Korr. XX, S. 160, 166. Vergl. Preufs, a. a. O. Bd . III , S. 187. Reinh. Koser . Memoiren und Tagebücher von Henri de Catt. Leipzig 1884. S. 173. (Am 9. September 1758 steht nichts im Tagebuch .) 6) Vergl. Pol. Korr. XVI, 9880 und 9943. 2* 1) 2) 3) 4) 5)
20
Zum Friedrichstage " .
Friedrich der Grofse und Lessing.
regulären Armee einzuverleiben, seigt sich deutlich beim Grafen Hårdt. Dieser war bei der Niederlage der Königspartei aus Schweden geflüchtet, von König Friedrich als Oberst eines Freiregiments in preufsische Dienste genommen, und mit den Generalen Werner und Knoblauch bei Treptow in russische Gefangenschaft geraten.
Als
er bei der Thronbesteigung Peters III. seine Freiheit und des Zaren Gunst gewann, verwandte sich dieser bei Friedrich dem Grofsen mit der Bitte: d'accorder au comte de Hardt la faveur insigne et la seule qu'il ose espérér, de faire de son régiment un régiment de campagne." Obgleich nun Friedrich dem
Grofsen
damals
ungemein viel
daran lag, die guten Beziehungen zu Peter III. so günstig wie mög lich zu gestalten und er in seiner Antwort schrieb : 1 ) ,, Sa Majesté n'a qu'a dire, Elle peut compter sur moi" , so behandelte er die Angelegenheit Hardts dilatorisch ,,dès que mes circonstances me le permettront." Im Kriegsarchiv des Grofsen Generalstabes ) befindet sich eine ,,Capitulation mit dem Rittmeister von Schöny zu errichtung eines Fry Corps von 4 Compagnien Ungersche Grenadier und 2 Escadrons Hussaren", welche General von Tauentzien in Breslau abschlofs und Friedrich der Grofse am 3. Juni 1760 unterzeichnete. Kapitulation lautet :
Den Rittm. Schöny
Der § 3 dieser
zum Husaren Major und
Cheff dieses gantzes Corps zu ernennen, und denselben sowohl als den übrigen officiers, die Er zu erwehntem Corps bereits engagiret hat, und annoch in Vorschlag bringen wird, die patenten in ihren respectable
Caracteres
ausfertigen zu lafsen die Genade haben."
Und der § 5 : „ dafs Sr. Majestät denen
sämtlichen Officiers dieses
Corps die allergnädigste Versicherung ertheilen, dafs selbige,
wenn
Sie sich sonst gut conduisiren , nach erfolgten Frieden und wenn auch das Corps reduciret werden sollte, nicht verstofsen sondern im Tractement behalten , oder anderweits zu emploiren gewähren wollen." Das ganze Korps bestand aus 614 Köpfen und kostete Errichtung 27063 Thlr. und 2663 Thlr. 10 Sgr. 8 Pfg. Aus dem § 9 übergeben
wurden ,
dessen
erfahren wir, und
ein
dessen
Verpflegungs-Etat monatlich
dafs dem
Tagebuch
des
Bataillon
2 Kanonen
Kompagniechirurgen
1) Pol . Korr. XXI, Nr. 13543, Anm. 2. Vergl. XVI , 9815 , 9822 , 2099, 9948, 9952. XVII, 10182 „ dafs ich hier zu denen Freibatt. zwar brave und determinirte Offiziers gebe, die aber liederlich und bei guten Feldregimentern nicht wohl zu gebrauchen sind. 10617. 2 ) Kriegs-Archiv d . G. Gen. XXVII, 648. S. Nachtrag A.
„Zum Friedrichstage".
Friedrich der Grofse und Lessing.
21
"" Wiecker vom Freybataillon von Bequignol" ) berichtet von dem fleifsigen Gebrauch bei den Vorpostengefechten um Freiberg und dem dadurch erlangten Übergewicht über die österreichischen Truppen . Die Frage der Minna von Barnhelm an von Tellheim : ,, Verab schiedet sind Sie ? So höre ich. Ich glaubte, Ihr Regiment sei blofs untergesteckt worden. Wie ist es gekommen , daſs man einen Mann von Ihren Verdiensten nicht beibehalten ?" läfst darauf schliefsen, dafs die Offiziere
und Mannschaften der Freikorps zum
grofsen Teil, wie wir heute mit barbarischer Wortbildung sagen, ,,einrangiert" worden sind. Es handelte sich um 3 Regimenter und Bataillone Husaren , 3 Regimenter Dragoner Dragoner,, 5 Regimenter 10 Bataillone Infanterie, 1 Bataillon Jäger zu Pferde und 1 zu Fufs ,
3
und 1 Regiment Bosniaken und 1 Regiment Kroaten , d. h. 28 ver schiedene Freikorps. Von den Mannschaften wurden die öster reichischen , ungarischen und sächsischen Kriegsgefangenen und Deserteure, welche in preufsische Dienste getreten waren, gesammelt und wahrscheinlich zusammen mit den Gefangenen aus Magdeburg und Königsberg ausgewechselt ; von den Offizieren sind nach einer Liste 2 ) vom Jahre 1763 „ derer Offiziers von den Regimentern und Freybataillons , So untergestochen werden sollen" : 1 Generalmajor, 7 Obersten, 4 Oberstlieutenants, 51 Majore, 159 Rittmeister, Kapitäns, Stabsrittmeister und Stabskapitäns , 446 Premier und Sekonde lieutenants , 78 Fähndriche und Kornets Sa. 746 in reguläre Regi menter verteilt worden , z . B. sind auf dieser Liste 3 Majore, 1 Ritt meister, 2 Stabsrittmeister, 1 Premier, 3 Sekondelieutenants und 11 Kornets unterstrichen und dazu bemerkt bei Lossow. Das Regi ment Lossow früher Belling Husaren blieb auch nach dem Friedens schlufs auf polnischen Gebiet zur Sicherung einer Etappenstrafse zwischen den Provinzen Preufsen und Schlesien. Während der Friedens-Etat ) für 1763 die Kadres für 23 Frei bataillone zu Fufs offen läfst, giebt er bei der Augmentation als er forderlich 483 Offiziere und 18301 Unteroffiziere und Gemeine an ; dieselbe Summe 483 Offiziere, 805 Unteroffiziere, 131 Spielleute und 115 Feldscheers und 17250 Gemeine zeigt der Kriegs -Etat. Im Kriegs und Friedens-Etat für Schlesien sind unter den Garnisonbataillonen 4 Bataillone le Noble aufgeführt, unter den 85 Eskadrons 10 neue Husaren-Eskadrons, im Frieden nicht formiert, im Krieg mit 41 Offi zieren, 1609 Unteroffizieren und Gemeinen . Die 52 für die Provinz
1 ) K. A. des Gr. Gen. XXVII, 616. 2) K. A. des Gr. Gen. XXVII , 757. 3 ) K. A. des Gr. Gen. XXVII, 15.
S. Nachtrag B.
22
„Zum Friedrichstage " .
Friedrich der Grosse und Lessing.
Preufsen angegebenen Eskadrons Husaren haben im Friedens - Etat 309 Offiziere, 616 Unteroffiziere, 134 Spielleute , 51 Feldscheers und 6560 Gemeine, aber keine Pferde ; unter diesen Husaren befinden sich auch 2 Eskadrons Posniacken ( sic) mit
5
Offizieren,
220 Unter-
offizieren und Gemeinen, welche jedenfalls aus den Freikorps übernommen worden sind. Der gesamte Friedens-Etat beziffert sich auf 4741 Offiziere, 145 154 Unteroff. und Gemeine , der Kriegs- Etat auf 5511 Offiziere, 202629 Unteroffiziere und Gemeine ; die Differenz beträgt also 770 Offiziere, 57575 Unteroffiziere und Gemeine. Hieraus ergiebt sich, dafs, wenn die in obiger Liste namentlich aufgeführten 746 Offiziere der Freikorps nicht in die reguläre Armee eingestellt worden sind, man annehmen müfste, erstens, dafs jene 746 Offiziere die Gesamtzahl aller Offiziere der Freikorps gebildet habe , und zweitens , daſs bei der Demobilisierung nur 24 Offiziere aus der gesamten preufsischen Armee ausgeschieden seien . Übrigens wissen wir aus anderen Quellen, ' , dafs nach Abschlufs des Friedens 37000 Mann vom Heere zur Bodenkultur entlassen und 35000 Pferde den Provinzen für den Betrieb des Ackerbaues überwiesen wurden. Im Geiste jener Zeit mufs man die Freikorps bezeichnen als „,freiwillige Subsidiärtruppen. " Abgesehen von ihren Leistungen als Streifkorps zeigt das Gefecht bei Landshut, wie tapfer sie fochten. Aus den Trümmern der 3. Batt. von Lüderitz , le Noble und von Collignon, welche sich beim Fouquéschen Korps befanden, wurde in Breslau unter dem Hptm. de Chaumongtel ein neues Freibattaillon formiert in Stärke von 25 Offizieren, 86 Unteroffizieren, 23 Spielleuten und 981 Gemeinen. Bei der Belagerung von Breslau2) bezifferte sich der preuísische Verlust auf 3 Offiziere, 3 Unteroffiziere, 288 Gemeine, darunter 235 Mann von diesem Freibataillon ; eine Kompagnie hatte die weit vorgeschobene Feldwache am Schwarzwasser, wurde überfallen und ganz aufgerieben. Ein Brief Friedrich des Grofsen an den Prinzen Heinrich erwähnt³)
die
Bildung
einer
Räuberbande
unter einem
Deserteur
preuſsischer Freibataillone, der sich den Namen Turenne beilegte und sein Haupt - Quartier zwischen Freiberg und Chemnitz aufschlug. Dafs sich bei den Freibataillonen Schweizer befanden, ist gewifs ,
danach
also auch „Roller, Spiegelberg und Schufterle ".
1 ) Dr. Rud. Stadelmann, Preufsens Könige in ihrer Thätigkeit für die Landeskultur. T. II, S. 67/68 resp . S. 22, 31 , 34. Vergl. Preuſs, a. a. O. Bd. II, S. 352. 2) K. A. d. Gr. Gen. XXVII, 511 , S. 222, 262, 295 u. 285 . 3) Pol. Korr. XXII, 14484 vom 8. März 1763.
„Zum Friedrichstage " . Mit
Ausnahme
der
Friedrich der Grofse und Lessing.
Plünderung¹ )
von
23
Schlofs Hubertusburg
und
Pförten, welche dem Freibataillon Quintus übertragen wurde, nach dem Oberst von Saldern erklärt hatte, ein solches Strafkommando nicht übernehmen zu können ,2 )
sind die sächsischen Kontributionen
und Brandschatzungsgelder von regulären Truppen eingezogen worden . In Leipzig war ein Königlich Preufsisches General - Feld - Kriegs Direktorium eingesetzt worden, welches mit den sächsischen Kreis ständen und den preufsischen Brigadekommandeuren in direkten Verkehr trat. Das damalige Kurfürstentum Sachsen hatte eine ständische Verfassung. ) Drei Direktoren und 87 Deputierte aus den 163 Städten der sieben Kreise bildeten mit 184 Herren der Ritterschaft den Landtag, welcher das Steuerbewilligungsrecht besafs ; dieser Landtag wurde von 1749 bis 1763 nicht einberufen. Friedrich der Grofse liefs bei der Besetzung Sachsens sämtliche Beamte in ihren Funktionen, während Österreich in den westfälischen Gebieten die
preufsischen Beamten entfernte und neue
einsetzte.
Zu den
früher erhobenen Steuern kam in den letzten Kriegsjahren nur eine extraordinäre Brandschatzung der Städte, welche, je nach der Gröfse derselben zwischen 2- und 60000 Thalern schwankte, und die Lieferung der Kreise von Fourage und Mehl, sowie von Pterden und Rekruten in Geld oder in natura. Dieses schärfere Anziehen der Steuerschraube war notwendig, weil nach dem Sturz des Minister Pitt
das
englische
Ministerium
bei Zahlung der vertragsmässigen
Kriegsbeihilfe in Geld Schwierigkeiten
zu machen
begann,+)
und
weil nach dem Verlust von Hinterpommern und Glatz und den Ver wüstungen durch die Feinde die regelmässigen Einkünfte
aus
den
preussischen Departements sich immermehr verringerten . In Schlesien allerdings war es der ausgezeichneten Verwaltung des Ministers von Schlabrendorff gelungen, nicht allein an den Ausgaben zu sparen, sondern sogar die Einnahmen
zu
schreibt deshalb :) ,,Ich gestehe
erhöhen . Euch, dafs
Friedrich der Grofse Ich
nicht
begreifen
können, wie ohnerachtet der in Schlesien vorerwehnten Jahr ge wesene troublen und feindlichen Einschränkungen, Ihr es dahin bringen mögen, dafs nicht nur der Etat abermals erfüllet, sondern überdem auch noch ein surplus von 319000 Thlr. über den Etat gedachten 1) Vergl. Preuſs, a. a. O. Bd. II, S. 271 , Anm. 2 und Pol. Korr. XVIII, Nr. 10700, 10702, 10781 , Anm. 2. 2) S. Preufs, a. a. O. Bd . II, S. 320. 3) Vergl. Staats-Archiv Hannover : Sachsen Convolut 177 . 4) Vergl. Mitchell Papers S. 204 u. S. 279. Lecky, a. a. O. vol. III, p . 44 ff. 5) Leipzig, 3. März 1761. Geh. Schles. Registr.-Acta betr. die Schles . Hpt. Kassen-Abschlüsse 1755/64, vol. II, S. 68ff . Staatsarchiv zu Breslau.
Zum Friedrichstage " .
24
Jahres berechnet werden .
Friedrich der Groise und Lessing. Ich bin
um so viel mehr von Eurer
darunter geführten guten Wirthschaft zufrieden , und danke Euch auf das gnädigste davor, approbire auch übrigens alles u . s . w." Erwägt man , dafs Schlesien erst seit 20 Jahren zu Preufsen gehörte und kurz vorher, wenn auch vorübergehend, von den öster reichischen Heeren besetzt worden war, so hätte dieses Assimili sations-Vermögen des preufsischen Staates einen unbefangenen Beob achter wie Lessing in Bewunderung setzen müssen. Die
Eintreibung der
umgelegten
Kontributionen in Sachsen
verzögerte sich aber derart, dafs am 1. April 1762 eine Restforderung von 11358100 Rthlr. 4 Sgr. 91 , Pf. entstanden war. Dies hatte den Unwillen Friedrichs des Grofsen derart erregt, dafs er dem Höchstkommandierenden in Sachsen, Prinzen Heinrich, wiederholt den Vorwurf unangemessener Milde¹ ) machte . Prinz Heinrich kam darauf um seine Entlassung ein und es bedurfte grofser Selbst beherrschung des Königs, um nicht auch diesen Bruder aus der Armee scheiden zu sehen. Infolgedǝssen sandte Friedrich der Grolse seinen persönlichen Adjutanten, den Oberstlieutenant von Anhalt nach Sachsen, welcher sofort die Rechnungsabschlüsse vom Feldkriegsdirektorium einforderte und sich mit den Distrikts kommandeuren in Verbindung setzte. In dem Berichte 2 ) heifst es: ,,Da des Königlichen Flügeladjutant und Oberstwachtmeister Herrn von Anhalts
Hochwohlgeboren
einem Extract
verlangen ,
woraus
nicht nur zu ersehen was auf die pro 1762 ausgeschriebenen Con tributionen in jedes derer Herrn Commandeures Distrikt bisher ein gegangen, sondern auch wie viel unter denen Resten stecket, welches wegen position des Feindes nicht beygetrieben werden kann so er mangeln wir nicht hierbei
dergleichen Extract gantz
ergebenst
zu
überreichen, welchen auch noch 5 Special Extracte, wie solche von Zeit zu Zeit denen Herrn zugefertigt
werden ,
ingleichen
auch
die
Nachweisungen derjenigen Gelder, welche wegen position des Feindes gegenwärtig nicht beygetrieben werden kann, beygefüget sind. Wir können anbey nicht unangezeigt lassen, dafs der Betrag der Contri butionen, welche auf Gegenden hafften, so wegen des Feindes nicht zu erreichen sind, nicht sogleich von uns gantz genau und zuverlässig
1 ) Vergl . Memoirs and Papers of Sir Andrew Mitchell by Andrew Bisset. London 1850. S. 252. Sachsen hatte 1752 bei England eine Hypothekar- An leihe auf die Grafschaft Mansfeld und Kreis Sangerhausen aufgenommen, der engl . Gesandte Mitchell suchte der Zinszahlung wegen diese Gebiete vor preufsischen Kontributionen zu bewahren. Siehe S. 217 Bericht Mitchell an Holdernesse. Leipzig, 16. Januar 1761. Res. Pol. Korr. XIII, Nr. 7930 u . 8028. 2) K. A. des Gr. Genst. XXVII, 26, S. 49. Leipzig, 26. März 1762 .
„Zum Friedrichstage “ .
Friedrich der Grofse und Lessing.
25
eruirt werden kann, welchem wir auch noch dieses beifügen müssen, dafs unter den ausgeschriebenen Quanto in allen Distrikten Steuern mit begriffen sind, welche auf Abgebrandte, deserirte und ruinirte Höfe und Häuser in Städten und Dörffern unseren Ausschreibungen lediglich
hafften, indem
wir
bei
die Creis Anlagen zum Grunde
legen müssen, wie denn auch noch jetzt der eigentliche Betrag der Non-Valeurs nicht zu bestimmen ist, sondern es darauf ankommen muſs, was jeden Ortes vermittelst der zu gebrauchenden Zwangs Mittel beygetrieben werden kann. Bei den Akten befindet sich ein Brief des Major von Dyherrn, ¹ ) welcher speziell für die Stadt Leipzig kommandiert war, an den Oberstlieutenant von Anhalt ; darin heifst es : „ Ich danke ihm auf das verbindlichste vor alles so sie gutes gestiftet haben Von dem Majisrath und Kauffmannschafft ist nicht höher zu bringen, sie offeriren aber Effecte, waren und Gewölbe und wollen alle aus der Stadt gehen. Gotzkowsky will garnichts mehr garantiren und sagt Er müfse zum Schelm werden, weil die Leute nicht caution stellen können . . ." „ 99 Ich kan dem König nicht mehr zuverlässig schaffen als
12
mahl 100000 und kein Mensch
ist es imstande .
Dahero bitte ich ihnen liebster Freund, geben sie doch den Brief „ Es kömmt mir vor als wenn selbsten des Morgens ab", . . . man die Sache wegen Geldern der Pferde etwas schläffrig und ins stocken kömmt“ . . . . Wir wollen aber das Raue herauskehren ... ,,helfen sie das eintzige mahl aus der üblen Sache, aber das nur nicht wieder accorts kommen, denn wo der König die Offerte von 12 nicht annimmt so bekommt er mit Gewalt nicht 3. Dieses glauben sie mir auf Ehre“ . . . .. Dieselbe hochherzige Auffassung bei gehorsamer Pflichterfüllung bekundet das Schreiben des Generalmajor von Schmettau.2 ) Nach einem Dank, dafs Herr von Anhalt bei dem König die Armut der Provinz erwähnt habe, folgt ein Bericht über die Eingabe an Se . Majestät : dafs er 100000 Thlr. in der NLausitz baar zusammen getrieben habe, obgleich im Jahre 1761 Mifswachs gewesen sei, nur Ackerbau und kein Handel vorhanden sei und deshalb an Fourage und Mehl 400000 Thlr. liefern müsse , hoffe er doch noch 200000 Thlr. baar, 1600 Pferde, 2420 Rekruten zu erhalten : „ Dieses aber wird alles seyn, was die Provintz überhaupt vermag, denn es ist ein armseliges Land . . . Ew. Kgl. Majestät werden daher ein mildestes Erbarmen mit der armen Provintz haben, und allergnädigst zufrieden seyn, wenn ich ohne
1) R. A. a. a. O. S. 17. 2) K. A. des Gr. Gen. a. a. O. S. 13.
26
„Zum Friedrichstage " .
Friedrich der Grofse und Lessing.
meine subsistance fürs Corps überhaupt 300000 Thlr.
an baarem
Gelde und gültigen Wechsel nebst obbestimmter Anzahl von Pferden und Rekruten suche" • •
durch die härtesten Die Stände machen
Zwangsmittel Schwierigkeit
zu bewirken wegen ihrer
160000 Thlr. für Artilleriepferde und wollen sie vom Lande geben ; da voraussichtlich nicht 100 brauchbare darunter sein würden, habe er schon einen Kontrakt mit Lieferanten auf 1000 Stück à 100 Thlr. geschlossen und ihm 10000 Thaler Vorschufs gegeben . Was es nun mit dem,,,das Rauhe herauskehren" und ,,den härtesten Zwangsmitteln" für eine Bewandnis hatte, ersehen wir aus einer ,,Instruktion für des Hauptmann von Klicks Hochwohlgeboren Anhalt- Bernburg'sche Regiments", unterzeichnet von Anhalt, Leipzig 26. Januar 1763.¹ ) Es lässt sich geschichtlich nicht nachweisen,
dafs
es jemals
zum Äufsersten gekommen sei, ebenso wenig, dafs es damals einen preufsischen Offizier gegeben hat, welcher im Kriege Tausende von Thalern auf Wechsel vorschiefsen konnte ; höchstens hat dies der² ) Kaufmann Gotzkowsky gethan. Was die sächsischen Klagen über die preufsischen Kontributionen anbetrifft, so dürfen wir uns wohl der Ansicht Eichels, des gutunterrichteten Kabinettssekretärs Friedrichs des Grofsen, anschliefsen.3 ) Aus den obigen bisher unbekannten Briefen der Herrn von Schmettau und von Dyherrn
ergiebt
sich,
dafs
jener Adel
der
Gesinnung, welchen wir bei Lessings Major von Tellheim bewundern sollen, in Wahrheit zum Geist und Charakter der fridericianischen Offiziere gehört.4 ) Aus dem Begriff „ der verfluchten Pflicht und Schuldigkeit" hatten sich die altpreufsischen Tugenden erhoben zum Ideal des kategorischen Imperativs „ Edel sei der Mensch, hülfreich und gut“ ; ,,brav und preufsisch" galten als synonym. Die Brutalität des Revolutionszeitalters hat die Gesittung tief hinabgedrückt. Wir glauben durch die Genfer Konvention weit fortgeschritten zu sein ;
1 ) K. A. des Gr. Gen. XXVII, 11 , S. 49. Siehe Nachtrag C. 2) K. A. des Gr. Gen. XXVII, 26. Der Gotzkowskische Konkurs 1763. S. 125. Rapport des Flügeladjut . von Anhalt vom 20. August 1763, S. 128 Erlafs Sr. Majestät des Königs. S. 161 Bericht (des Hl. von Jariges ?) vom S. 171 Schreiben Gotzkowskis an die eingesetzte Ad16. September 1763. ministrations-Kommission. 3) Pol. Korr . Bd. XIX, S. 318ff. 4) Vergl. de Catt, a. a. O. S. 399. Un officier Brockhusen, page de prince Württemberg, prit un officier (autrichien). Il avait un pistolet dans sa poche, il l'arma, le tira et blessa ce page, qui lui dit : „ Je pourrais vous tuer, mais j'eu agirai plus noblement. "
,,Zum Friedrichstage " .
Friedrich der Grofse und Lessing.
27
aber die Macht des Konventionellen ' ) war vor 150 Jahren auch im Kriege so grofs , dafs preufsische Militärs, nur mit
einem Lazarett
schein versehen, ungestört in Teplitz und Karlsbad , österreichische in Landeck und Warmbrunn die Heilung ihrer Wunden und schnellere. Genesung herbeiführen konnten.2) Es ist unwahrscheinlich, dafs Friedrich der Grofse jemals Lessings Minna von Barnhelm gelesen oder gesehen hat. Im Sommer 1765 schied Lessing nach schwerer Krankheit aus seiner Stellung als Gouvernementssekretär- wir wissen nicht genau, weshalb und kam mit dem fertigen Stück nach Berlin ; hier ging er mit seinem kritischen Freunde Ramler noch einmal Scene für Scene durch ; feilte und besserte unermüdlich. In Lessings näherem Bekanntenkreise hoffte man, ihn jetzt ganz für Berlin gewinnen zu können . Es war eine Stelle bei der König lichen Bibliothek frei geworden und da Winkelmann ablehnte³) oder vielmehr 2000 Rthlr. statt der angebotenen 1500 Rthlr. Gehalt forderte, so hätte Lessing in Frage kommen können . Von einer Seite wird behauptet, der Oberst von Quintus habe bei Friedrich dem Grofsen dann Lessing in Vorschlag gebracht, sei aber abge wiesen ; es lässt sich dies nicht genau feststellen , ebenso wenig, dafs Gegner Lessings gegen eine Berufung desselben eingewirkt hätten . Am 21. Dezember 1767 schrieb Lessing ) aus Hamburg an seinen Vater : „ Ich bin von Berlin weggegangen, nachdem mir das einzige, worauf ich so lange gehofft, und worauf man mich so oft vertröstet, fehlgeschlagen. " Im April 1767 hatte Lessing Berlin für immer verlassen ; am 21. September 1767 schrieb ) er an seinen Bruder Karl :) „ Das Prememoria wegen der Minna hat mir so viel als nichts geholfen, und das Stück bleibt verboten. Hecht (der preufsische Geschäftsträger in Hamburg) sagte : Er habe mehr als einmal bey dem Minister von Finkenstein deshalb angehalten, aber keine Antwort bekommen, und so lange er diese nicht habe, könne der hiesige Magistrat zwar thun, was er wolle , jedoch auf seine Gefahr! Die Nachschrift des Briefes schliefst mit den Worten : ,,Eben läfst mir der Resident von Hecht sagen, dafs die Minna nun
1) Siehe Nachtrag D. 2) K. A. des Gr. Gen. XXVII, 452. Konvention zwischen Prinz Karl von Brandenburg und Graf Daun über ungestörte Badekuren von preufsischen und österreichischen Militärs in Carlsbad, Töplitz , Warmbrunn und Landeck. 3) Preufs, a. a. O. Bd. III , Anh. 1 , S. 486, Beilage 16 zu S. 322. 4) Lessing, a. a. O. XII, S. 185. 5) Lessing, a. a. O. Bd. XII, S. 184. 6) Karl Gotthelf Lessing, der spätere Münzdirektor in Breslau.
28
„Zum Friedrichstage".
Friedrich der Grofse und Lessing.
endlich gespielt werden dürfe.“ Über die erste Aufführung in Berlin sind wir durch einen ausführlichen Brief¹ ) Karl Lessings unterrichtet ; sie fand am 21. März 1768 statt und da das Publikum seinen Beifall am
Schlufs der Vorstellung durch Klatschen
wurde das Stück beständig wiederholt. erschienen die
Königlichen Hoheiten
Ausdruck
gab,
Zu der zehnten Aufführung Prinz Heinrich
von Preuſsen,
Prinzefs Philippine und Markgraf Heinrich ; das Publikum hielt mit der lauten Beifallsäufserung zurück und die Minna von Barnhelm ward allerdings nur auf einige Tage, bis man sie wiederverlangte , vom Spielplan abgesetzt. Es ist nichts darüber bekannt, dafs Prinz Heinrich gegen die ihm zuerkannte Gönnerrolle in Lessings Lustspiel Einspruch erhoben habe.
Von Friedrich dem Grofsen wissen
wir2 ) aus dem Müller Arnoldschen Prozefs und dem Kriegsgericht über General von Fink, daſs, wie er selbst bereit war, seine eigene Person der Staatsraison zum Opfer zu bringen, er prinzipiell abgeneigt war, die einmal getroffene Entscheidung zurückzunehmen. Für das Aufsehen, welches Lessings Minna von Barnhelm
in
Deutschland erregte, liefert der dritte Akt des Trauerspiels „ Das leidende Weib" von J. M. R. Lenz, ) welches 1775 erschien, ein beredtes Zeugnis. Früher war schon in Frankreich eine Bearbeitung der Minna von Rochon de Chabannes unter dem Titel amans généreux erschienen und im Journal encyclopédique besprochen. In der Übersetzung von Trudaine wurden einzelne Scenen auf dem Schlofs -Theater des Herzogs von Ayen in St. Germain von dessen Familie aufgeführt .* ) Es ist natürlich, dafs ein so von militärischem Geiste getragenes Drama, wie Lessings Minna von Barnhelm, von nationaler Wirkung nur in dem preufsischen Staate sein und bleiben konnte . Wohl uns, dafs die Figur des Tellheim noch immer das sympathische Interesse aller Stände erregt, dafs die Gestalten der fridericianischen Zeit,5 ) in Adolf Menzels Geist wiedergeboren und von seiner Meisterhand wiedergegeben, noch heute allgemeines Entzücken zu erregen, dafs der Ausbruch patriotischen Enthusiasmus hier in Berlin auch
1 ) Lessing, a. a. O. XIII, S. 139 ff. 2) Siehe Preufs, a. a. O. Bd . III , Anh. 1 , S. 523. Aussage des Kammerhusaren Neumann , Schlufs : „ Soviel ist aber gewifs, dafs des hochseligen Königs Majestät geäufsert, dafs Sie die einmal getroffenen Verfügungen um des Ganzen willen nicht zurücknehmen könnten." Vergl . Anhang I, S. 423 , Beil. 7 . 3) L. Tieck, a. a . O. Lenz. 4) Edmond et Jules de Goncourt, La femme au XVIIIe siècle . Paris 1862. S. 115, Anm. 6. 5) Friedrich der Grofse und Chodowiecki. Berlin 1763. Siehe Sitzungsbericht der Histor. Gesellschaft f. Prov. Posen. Jahrg . VI, S. 487. 1891 .
,,Zum Friedrichstage".
Friedrich der Grofse und Lessing.
29
nach der Wiederaufrichtung des deutschen Reiches beginnt mit der Bekränzung des Denkmals Friedrichs des Grofsen! Und noch eins : an demselben Tage, als Lessings Major von Tellheim vor 130 Jahren ein schönes Vorbild in der Wertschätzung des Geldes gab, schrieb Friedrich der Grofse¹ ) an den Erbprinzen von Braunschweig, wie glücklich er sich schätze , in seiner armseligen Sandbüchse dem entnervenden Luxus und Wohlleben entrückt zu sein. In unserer Zeit,
wo in Handel
und Industrie
Vermögen erworben und vergeudet werden, wo
schnell
enorme
die grofse Masse
des arbeitenden Volkes in lauter Begehrlichkeit die Befriedigung seiner Genufssucht verlangt,
mufs der preufsische Offizierstand
rocher de bronce bilden, an dem sich die Wogen brechen ; für ihn soll die Ehre höher stehen, als Geld und Gut.
den denn
Es ist nur der schuldige Tribut unauslöschlicher Dankbarkeit an den grofsen Gründer unseres Hauses,
wenn wir nach Kräften
dahin zu wirken suchen : noblesse dispense !
oblige
dafs
noblesse
nicht
entarte zu
Anlagen. A.
99 Capitulatio des Major Schönyschen Corps." (Zu Seite 20.)
Von wegen Sr. Königl. Majestet in Preufsen, ist nachstehende Capitulation verabredet und geschlossen mit dem Rittm. von Schöny zu errichtung worden. 1 ) Verspricht der Rittm. v. Schöny 4 Comp . Ungersche Grenadiers bestehend aus 4 Capt. 4 Pr. Lieutenant 8 secondlieut. 4 Feldtarz 28 Unteroff. 12 Tambours 8 Zimmerleuth 400 Grenadier 4 Feldscheer 1 Regt. Quartiermeister 1 Rgts.Feldscheer 1 Büchsenschäffer 1 Profos, zusammen 16 Off. 452 Köpfe. Ingleichen 2 Esc . Hus. bestehend aus 1 Major 1 Stabs Rittm. 2 Secondlieut. 1 adjutant 2 Trompeter 1 Rittm. 2 premierlieut. 2 Cornets 2 Wachtmstr . 1) Vous dans Votre basse Saxse et moy dans ma sabloniere, nous n'avons rien a craindre que l'opulance degrade les sentimens de nos concitoyens et je prefere notre simplicité même notre pauvreté a ces maudites richesses qui pervertissent la dignité de notre espesse, notre parure doit estre l'honneur, le courage, la magnamimité , le desinteressement et avec cela nous serons preferables a tout les millionaires et a tout les Cresus de l'univers. Il faut chercher l'homme dans l'homme et non pas dans les dehors qui l'environnent mais qui ne sont pas a luy
30
,,Zum Friedrichstage ".
Friedrich der Grofse und Lessing .
14 Unteroff. 204 Hussaren 2 Feldscheer 2 Fahnschmied 1 Büchsenmacher zusammen 10 Off. 222 Köpfe und 227 Pferde, und zwar sowohl die Grenad . als Hus. völlich mondiret und armiret als auch letztere mit dem nöthigen Sattel und Zeug versehen mit ausgang monaths July in marschfertigem stande zu Sr. Königl. Majestet allerhöchster Disposition zu stellen, die Pferde aber wollen Se. Kgl. Majestät Ihnen durch den Gen. Lt. Tauenzien liffern lassen, auch Ihnen demnächst stehende conditiones allergnädigst accordiren. 2 ) Das Se. Kgl. Majestet den Rittm. Schöny auf jeden Grenad. völlich mondiret und mit gehörige Feldequipage versehen überhaupt 29 rthl. und vor 452 mann 13100 rthl. und vor jeden Husaren mit völlicher Mondur, gewehr, Sattel und Zeug versehen 55 rthl. und vor 221 mann 12155 rthl. desgleichen vor 6 bespannte proviant Wagen 1800 rthl. ( den Wagen zu 300 rthl .) und also vor das gantze Corps zusammen 27063 rthl. an errichtungs Kosten allergnädigst vergütten und bezahlen lassen. 3) .... 4) Diejenigen Officirs und Gemeine so er bereits angeworben, und von welcher der Genlt. Tauenzien die Liste attestiren wird, das tractament und die rationes seit der Zeit ihres engagement allergnädigst zu bewilligen. 5) ... 6 ) Dafs dieses Corps auf Ungarnsche Fufs, jedoch dunkel und hellblau wie die Frey Battl. mondiret werden dürffte , 7) wollen Se. Kgl. Majestet allergnädigst befehlen, dafs die zu anschaffung der leuthe Monduren, gewehr, Feldequipage oben angeführte Summa den GnltTauenzien ausgezahlt werde, und der Maj . v. Schöny davon das Erforderliche, so wie er die leuthe gestellet, erhalten könne. 8) Lassen Se. Kgl. Majestet sowohl Off. als Gemeine auf den Fufs der Frey Batt. und Hussaren von dem Tage an , da sie auf den Sammelplatz gestellt, und dem Galt. v. Tauenzien vorgestellt worden, verpflegen, 9) Endlich accordiren Se. Kgl. Majestet dem Maj . v. Schöny auf jede Compagn sowohl Grenadiers als Huss . einen proviant Wagen, welche proviant Wagens Er aus obiger summa anschafft ; desgl. denen 4 Compagn. Grenad. 2 Canonen . welche vorstehende Capitulation von Sr. Königl. Majestet dero Seits höchst eigenhändig unterschrieben, und mit dero Cabinets Siegel bedrucket worden geschehen Kuntzendorff d. 3. Juny 1760. (L. S.) Capitulation mit dem Rittm. v. Schöny zu errichtung ein Fry Corps von 4 Compagn. Ungersche Grenadi und 2 Esc. Huss.
Friedrich.
Detail Von der Verpflegung derer zu errichtenden 2 Esc. Hussaren
1 1 1 1 1 7 1
jede 4 Off. 8 Untoff. 102 Gem. 1 Feldsch. 1 Fahnensch . Rittmeister tractement Sgr. 40 Thlr. Pfg. 20 99 Premierlieut. Secondlt.. 15 29 Cornet 15 Wachtmstr. 5 12 28 27 Unteroff. à 4 Thlr. 4 39 Trompeter · 127 Thlr. Sgr. -- Ptg.
„ Zum Friedrichstage."
31
Friedrich der Grofse und Lessing.
Pfg. Übertrag 127 Thlr. Sgr. Feldscheer 4 "9 3 3 Fahnenschmitt . 255 99 Hussar à 2 Thlr. 12 Sgr.. mann kleine Mundirungsstückgelder 18 "" 16 "" à 4 Sgr.. 99 10 99 8 5 99 112 ... • gewehrpatr. à 1 Sgr. 2 Pfg. 4 99 8 6 99 112 ... reparat. der Mundirung à 4 Pfg. 2 "9 8 99 6 99 • 113 Pferde zur atzeney à 6 Pfg.. 7 99 18 99 Medizin Gelder · 3 99 Belauff. monatl . 1 Esc. 427 Thlr. 10 Sgr. 1 Pfg. 20 29 2 und von 2 Esc. 854 99
1 1 102 112
93 20 15 4 4
8
23
Summa monatl. gantze Verpflegung
325
hientzu kommt des 1. Stabstract. incl. Gage des gewöhnl. douceurs . 1 Stabsrittmstr. 1 adjutant . 1 Büchsenmacher . 2 proviantmstr. à 2 Thlr..
19 99
9 99 9 19 "" 991 Thlr. 13 Sgr. 11 Pfg.
66
4 Comp. Ungersche Grenadiers jede Comp. 4 Off. 8 Untoff. 102 Gem. u. Zimmerleuthe 1 Feldscheer . 41 Thlr. 5 Sgr. 2 Pfg. 1 Captain mit Comp. Unkosten. 13 "" 18 99 1 Premierlt. 22 1 Secondelt. à 11 Thlr. 4 99 1 Feldwebel . 21 7 Unteroff. à 3 Thlr. 6 3 Tambour à 2 Thlr. 3 " 4 "" 1 Feldscheer . 204 102 Gemeine à 2 Thlr. 113 mann kleine Mundirungsgelder 16 97 --37 "2 à 8 Sgr.. 11 99 10 5 113 mann gewehrgeld à 1 Sgr. 2 Pfg.. 113 mann Medicin Gelder • 7 99 13 99 3 "" 366 Thlr. 19 Sgr. 3 Pfg . beträgt monatl. 1 Comp. 1467 19 5 99 von 4 Comp .
29 "" 99 99
18 14 9 18
99
"9
9 27
33
17
36
164 2
hiezu 1 Regtsquartiermstr. zugleich Auditeur 1 Regts. Feldscheer 1 Büchsenschäffer 1 profos .. an Feldtractement 456 Köpfe Fleischgeld 32 Knechte à 2 Thlr.
14 99 "" "" 99 99 1672 Thlr. 6 Sgr. 9 Pfg. Summa der gantze monatl. Verpfl. Das gantze Schöny Corp 614 Köpfe stark kostete monatlich 2663 Thlr. 20 Sgr. 8 Pfg. 109 64
Friedrich der Grofse und Lessing.
1
4 22
6 2 2
3(?)
1
11 3 4 4 2 1 4 4 10 9 2 4
7 7 2
3 2 6
Cornets und . Fähndr
. Premierlt
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25
2 1 3 3 5 GO LO
1 2 1 2 1 1 1 5
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1
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1
9 4 3 3 3 6 4 2 3 3 2
3 2
21
3 1
2 5
12
213
2 1 1 1
ao cao
1
3 2 5 3 3 10 3 3 3
4 3 1 3 1 2 31
1
4 6
23
63
46
1 3 1 2 2 2 73
Regiment Dragoner Gschray Batt. Hussaren Jeanneret Regiment Bosniaken
422
Regiment von Gersdorff Hus . und aggreg. Regiment Kleist Drag. Regiment Kleist Frey Huss . Regiment Glasenapp Dragoner Bataillon Schöny Hussaren . Regiment von Treskow Infanterie Regiment Kleist Croaten . Batt. Gschray zu Fufs Frey Regiment von Collignon . Batt. Bequignoll . 27 Jeney درSchack 99 le Noble "" Lüderitz 19 Salenmon 27 Trümbach Frey Regiment Quintus Regiment von Münchow Füsiliere Freybatt. Heer .. Jäger von Kleist . 99 Jäger Corps zu Fufs .. Frey Regiment von Hårdt Frey Grenad. Batt. Hülsen . Batt. Hussaren Bauer . von Achendorff 29 27
Sekondelt .
B. Liste der Offiziere von Freikorps anno 1763. (Zu Seite 21. )
13 7 5 4 10 13 7 36 12 9 10 8 8 7 11 31 13 10 3 14 21 12 6 13 7 7 10
03
,,Zum Friedrichstage."
Rittmstr . .Hauptl Stabsrittmstr . Stabshauptl .
32
15 7 11 6 3 10
13
4
5 4 11
C. (Zu Seite 26.) Der Herr Hauptm. v. Klicks bekommt hierdurch die Ordre, nebst noch 4 Subaltern Off. zu seine Hülfe alle laut einlieg. Specification in dem Amt Leipz. gelegenen Dörfern nach restir. Abgabe als Contributions-Pferdegelder Rekrutstellung und Rekrut Gelder nebst natural Lieferung so zu beschleunigen, dafs binnen dato und 6. Februar It beil. restspecif. alles sow. v. d. Dorfschaft als Rittgüter bezahln ist und müssen excl. Pferde- und Rekrut-Gelder, die baar einkommende Contrib . Gelder an d. Herrn Mj . v. Dyhern gesch. wdn, alle Re kruten und Rekrut Gelder an Herrn M. v. Buddenbrock und Pferde Gelder an Herrn Cpt. v. Heyking gezahlt und gestellt werden .
,,Zum Friedrichstage".
Friedrich der Grofse und Lessing.
33
Sämmtl. Nat. Lieferung als Mehl, Roggen, Gerste und Hafer wird nach Halle geliefert. Sollte der Herr Hptm. finden, dafs einige Dorfschft. so sehr mitgenommen und dadurch das geforderte nicht gebe könnten, so kann Er es nach Seinen eigenen Gefallen andern Rittergut. und Dorfschft. zuschlagen, überhpt. dependiret es von Herrn Hptm . Mesures zu gebrauchen wie Ihm gefällig, und solte auch die totale Plünderung und ruin der sämtl. Dorfschft. und Rittgüter zur execution gebracht wdn. müsse, so wird auch hierin dem Herrn Hptm. in allen Stücken freie Hand gelassen. Da es nun zu vermuten, dafs es einige Dorfschft. zur Extremität kommen lassen wdn., so bekommt d. Herr Hptm. hierdurch wie schon erwähnt, das pouvoir solche hartnäckigte Dörfer . . . Den Herrn Hptm. v. Kl . dienet noch zur Nachricht, dafs wann je das Geld und andere praestationes nicht berichtiget würden und man jemand anders commandirte der Untersuchung anstellen solte, ob mit die restirende Dörfern und Rittergüter nicht so verfahren wäre, wie vorstehet, so wird es lediglich von dem Herrn Hptm. gefordert werden und kein Excuse stattfinden, dafs Ihm Vorbitten oder andere Sachen davon abgehalten, . . . . sondern werde ich mich lediglich an Ihm halten, und hat sich derselbe die Bestrafung zu gewärtigen, so demjenigen zukommt, der nicht Ordres pariret.
D. (Zu Seite 27, Anm. 1. K. A. d. Gr. Genst. XXVII, 511 , S. 541ff. Copia. " Nachdem zw . Sr. Exc. d. Gen. Feldzgmstr. Baron von Loudon eines- und zw. mit den Glt. Frh. v. Goltz andrertheils verabredet worden, denen beyderseits unter ihnen resp . stehenden KKgl. und Kgl. Preuls . Trouppen in diesen jetzigen Winter von 1760 bis 1761 einige Ruhe und Gemächlichkeiten zu verstatten; als werden hierdurch und in Kraft dieses, die zu diesem Ende verabredete und verglichene Puncte nachstehend niedergeschrieben, besiegelt, unterschrieben und mit beyderseits Herren Contrahenten sich gebenden Ehren Worths bestättiget : " 1 ) behalten Se. Exc. d. Gfeldzgmstr. B. v. L. mit dero unterhabenden KK. Trouppen zwar Silberberg und Wartha in Schlesien besetzet, jedoch engagiren sich dieselben weder Ausschreibungen in Naturalien Geld oder wie es Nahmen haben mag, ins platte Land in Schlesien ergehen noch dero Patrouillen über einige 100 Schritte von diesen 2 Ortschaften ab, in Schlesien hereingehen zu lassen, am allerwenigsten aber gegen Kgl. Preufs . Patrouillen Feindseligkeiten begehen noch selbige gefangen nehmen zu lassen. 2) werden keine Kgl. Preufs. Patr. über das Neifse Wasser nehmlich zw. Wrth. und der Festung Neifse geschickt. 3) berühren keine Kgl. Prís. Trouppen die Bömische noch Glatz'sche Grentzen, wohingegen auch keine KK. Troupp . die Schles. Gräntzen berühren aufser nach 4) Mach ich der Glt. Frh. v. G. in Oberschles . die Städte Leobschütz aber bleibt gänzlich frey Gefallen occupiren und besetzen , und wird als neutral von beyden Seiten angesehen. 5) Wird es von des Herrn Glflzmstr . B. v. L. Exc. Willkühr depenbesetzen oder leer lassen wollen. diren , ob Derselbe Ratibor . 6) Werden die Garnisons zu Neifs und Cosell mit in dieser Verabredung verstanden und einbegriffen, nicht weniger extendiret sich dieselbige , von denen beyderseits Flügeln als nemlich von KK. Rechten zum Linken und dergestalt, dafs die dortigen commandirenden Cheffs, Generals, Brigadiers oder 3 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 1.
34
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk.
wie selbige ihr Chargen bekleiden, darüber instruiret und befehligt werden sollen ; und wann 7) Einige Verordnung durch leichte oder auch regoulirte Trouppen von einer oder andere Seite einige excursiones und excesse wieder Vermuthen verüben möchten, so wird solches . angezeigt und nach Befinden remediret. End lich und 8) Wird diese in obigen Puncte bestehende Verabredung von beyden Theilen treulich ohne Ärgelist und ohne alle Stratagematis auf eines jeden Herrn Contrahenten Ehren Worth bis zur vorhergehenden Aufkündigung von 96 Stunden, nemlich 4 vollen Tagen und Nächten gehalten, so dafs nach ein gezogenen Recepisse dieser Auf- und Lofskündigung nach Verlauff gedachter 4 Tagen und ebensoviel Nächten, ein jeder Theil von seiner obligade befreyet und lofsgesaget ist. Uhrkundlich habe ich diese ..... wohlbedächtlg mit meinem angebohrenen Pettschaft besiegelt und unterschrieben. Schweidnitz d. 30. Dec. 1760. In betreff eines Winterfeldzuges ist zu vergleichen ein mémoire des Prinzen von Zweibrücken an die Kaiserin Maria Theresia (K. A. d. Gr. G. XXVII, 559, S. 7. ) qui a pour objet de prendre des précautions pour se soutenir en Saxe pendant l'hiver et d'empêcher l'ennemi d'y former d'établisse ments. S. 14. c'est ce qui ce prince (le roi de Prusse) faisant la guerre en ennemi dans ce pays , il y a un avantage décidé sur ceux qui la font comme amis, parce qu'il n'est pas possible de faire supporter à des troupes les rigueurs de la mauvaise saison sans leur procurer des moyens d'y résister. Dès qu'elle devient mauvaise, il les cantonne en partie et cela avec une facilité que nous ne connoissons pas, il faut fournir à ses soldats par les paysants une trés bonne nourriture qu'ils trouvent toute prête en arrivant chés eurs hôtes à la quelle il fait ajouter de la bière et du vin, si quelqu'un y manque il éprouve sur le champ une exécution militaire et paye en argent quatre fois la valeur de ce que lui auroit couté la nourriture . . . Ce Prince ne craint point non plus de fatiguer les chevaux des paysants par des corvées et fait toujours suivre quantité de chariots pour y mettre les soldats fatigués ou faibles, le bois, la paille, le fourage tout emporté à la tête du camp par les voitures du pays , ce qui ménage infiniment les troupes. Des amis ne peuvent point exiger de pareilles choses et fouler ainsi un pays, nos troupes ne peuvent donc point soutenir aussi bien les mêmes fatigues, elles dépérissent et se réduisent à rien dès qu'elles sont obligés à faire la guerre d'hiver .
II. Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk. Ein Beitrag zur Geschichte des Feldzuges 1812. Es ist eine begreifliche Sache , daſs der Krieg 1870/71 und die von den Deutschen im demselben erzielten beispiellosen Erfolge die
35
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk.
Federn der Militär- Schriftsteller auf eine Weise in Thätigkeit setzten, dafs
dadurch namentlich die kriegsgeschichtliche Litteratur einen Umfang erlangte, wie es wohl bei keinem Kriege vorher der Fall gewesen war. Dennoch ist die wiederholt aufgetauchte Bemerkung, dafs deshalb das Studium und die Bearbeitung
der Geschichte der
Feldzüge früherer Zeit vernachlässigt worden sei, gänzlich ungerecht fertigt. Wenigstens hinsichtlich der deutschen Militär-Litteratur trifft dieselbe nicht zu , da eben in neuester Zeit mehrere höchst schätz bare Arbeiten über hunderts ,
die
die
Feldzüge
Kriege
der
ersten Hälfte
unseres Jahr
Friedrichs des Grofsen , ja
über ver schiedene Kämpfe des Altertums erschienen sind. So ist auch die Litteratur über einen von deutschen, französischen, russischen u. a. Schriftstellern vielfach und gründlich bearbeiteten Feldzug neuerlich durch einige mehr minder gediegene Arbeiten bereichert worden. Letztere befassen sich mit dem ewig denkwürdigenFeldzuge Napoleons gegen Rufsland im Jahre 1812 ! Neben einigen guten Arbeiten, die in den Beiheften zum Militär-Wochenblatt" und der kleinen Schrift des Gr. Marenzi seien
hier in erster Linie das
Werk
des k. s.
Oberstlieutenants
Exner
über den 19 Anteil der Königl. Sächsischen Armee im Feldzuge 1812 " und „ Der Beresina-Übergang des Kaisers Napoleon " von Major v. Lindenau erwähnt. Letzteres Werk berücksichtigt vorzüglich den Anteil der Badischen Truppen und füllen somit beide Werke zwei Lücken in der Geschichte dieses Feldzuges in sehr will Beide erschienen ziemlich gleichzeitig, kommener Weise aus. nämlich 1896 und es hatte daher Major v. Lindenau von dem Werke Exners keine Kenntnis oder konnte wenigstens dasselbe nicht mehr benutzen. Ihm standen vorzugsweise badische Quellen , die zumeist noch aus der Zeit des Rheinbundes, wo eben die französischen Anschauungen mafsgebend waren, stammten, zur Ver fügung.
Und so kann es dem Herrn v. Lindenau durchaus nicht
zum Vorwurfe gemacht werden und nicht überraschen, dafs er sich mit den Operationen des österreichischen Feldherrn, des Fürsten Schwarzenberg ,
namentlich
folgung Tschitschagofs
aber damit, dafs
abstehend zur
Wolkowysk zurückeilte, nicht ganz
er von der Ver
Rettung Reyniers nach
einverstanden
erklärt,
seine
Bedenken hierüber in der mafsvollsten Weise ausspricht und die Motive in politischen Rücksichten und geheimen Weisungen zu finden scheint.
als
Es kann dieses umso weniger befremden und verurteilt werden, ein Vierteljahrhundert vor ihm ein hervorragender öster
reichischer
Generalstabsoffizier ,
der
nachmalige
F.
M. 3***
L. v.
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk.
36 Cornaro die
„ unentschlossene Kriegsführung Schwarzenbergs "
und namentlich dessen Marsch auf Wolkowysk in denkbar schärfster Weise verurteilt hatte. Freilich wurde dieser Tadel durch das drei Jahre später aus dem Nachlafs des F. Z. M. v. Welden (der dem Generalstabe Schwarzenbergs angehört hatte ! ) erschienene Werk „ Der Feldzug der Österreicher gegen Rufsland im Jahre gründlich widerlegt, abgesehen davon, dafs zehn Jahre F. M. L. v. Gebler in dem Werke :
1812 " früher
„ Das österreichische Auxiliar-
korps im russischen Feldzuge 1812 " sich mit Welden ganz übereinstimmend geäufsert und den Fürsten gegen den in dem
Werke :
,,Geschichte des Feldzuges 1312" vom Major v. Beitzke (dessen Anschauung Cornaro ohne weitere Prüfung zur seinen gemacht zu haben scheint und fast wörtlich wiedergegeben hat) erhobenen Vorwurf, der ,, Grofsen Armee" nicht rechtzeitig zu Hilfe gekommen zn sein, glänzend und an der Hand unwiderleglicher Ziffern gerechtfertigt hatte. Andere Schriftsteller aber, wie z. B. der russische General Bogdanowitsch , dessen ,, Geschichte des Feldzuges 1812" an Ausführlichkeit und Objektivität kaum von einer andern erreicht wird, betrachten Schwarzenbergs Handlungsweise als selbstverständlich und
es
fällt ihnen
nicht
ein, ihm wegen
seiner
Rückkehr
nach
Wolkowysk und der Verfolgung des Generals Sacken einen Vorwurf zu machen. Man mag wie immer über die Operationen des österreichischen Feldmarschalls in jenem Feldzuge denken ,
so wird man bei ein-
gehender Prüfung der Sachlage finden , dafs er gerade damals nicht anders handeln konnte und durfte, ja noch mehr, dafs er ohne von Napoleon selbst nähere Befehle erhalten zu haben, aus eigener Initiative immer und immer wieder die Verfolgung des Admirals Tschitschagof aufnahm oder doch aufnehmen wollte und daran nur durch die Verhältnisse , sowie die mifsliche Lage und den Widerstand des Generals Reynier gehindert wurde . Endlich aber würde sein Marsch an die Beresina , wenn derselbe überhaupt und rechtzeitig ausgeführt worden wäre, was mehr als fraglich erscheint, die Reste der grofsen doch
nicht
gerettet
Armee
(die bereits eine
haben, wohl
aber seinem
sehr kleine war) eigenen und dem
sächsischen Korps das Schicksal des Korps des Marschalls Victor bereitet, d . h . diese Truppen der Auflösung zugeführt haben ! Der zwischen Napoleon und dem Kaiser Franz abgeschlossene Vertrag sicherte dem österreichischen Auxiliarkorps eine weit unabhängigere Stellung als den übrigen Hilfstruppen Napoleons und es mag immerhin Schwarzenberg von seinem Kriegsheere vor dem Kriege geheime schriftliche und mündliche Weisungen erhalten
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk.
37
haben, welche, wenn sie nicht der Vergessenheit anheim gefallen wären, vielleicht manches in einem andern Lichte erscheinen lassen. werden. Und doch wurde von Seite der französischen Heeresleitung über Yorck und schliefslich auch über Wrede , deren Stellung doch eine weit eingeschränktere war, Klage geführt , den Befehlen des französischen Kaisers nicht so, wie dieser es verlangt und erwartet hatte, nachgekommen zu sein , weil eben diese Befehle einfach nicht ausgeführt werden konnten. Dann war die isoliertere
und
Stellung des österreichischen Korps
entferntere, als
bei
den,
eine weit
den linken Flügel der
französischen Armee deckenden Korps der Fall war und hatte Schwarzenberg einen weit ausgedehnteren Teil des Kriegstheaters und viel stärkere Kräfte des Gegners vor sich.
Dafs nun
Napoleon die dem österreichischen Feldherrn zugewiesene Aufgabe für eine leichte halten mochte, lag darin, dafs der französische Kaiser die beiden Reserve- Armeen als nur aus Gesindel bestehend " ansah, ja an die Existenz und die Nähe der Armee Tschitschagofs gar nicht glaubte.
Er musste diesen Starrsinn schwer büfsen .
Es musste also von vorn herein,
auch
wenn
kein besonderer
Vertrag abgeschlossen worden wäre, dem Chef des österreichischen Korps eine gröfsere Selbständigkeit und Operationsfreiheit gestanden werden. Diese Unabhängigkeit mufste sich bei
zuder
weiteren Vorrückung der Hauptarmee noch erhöhen, da das zur Deckung des rechten Flügels bestimmte österreichische, sowie das 7. sächsische ) Korps , vom Gegner gleichzeitig von Osten und Süden her bedroht, nicht auf gleicher Höhe bleiben und sich mehr auseinander ziehen mussten, die Befehle und die Nachrichten aus dem Hauptquartier aber immer spärlicher und verspäteter einliefen. Die Vereinigung beider Korps vollzog sich nach der Gefangennahme der sächsischen Brigade Klengel in Kobryn, da Schwarzenberg zu Hilfe eilte, von selbst und wurde später von Napoleon bestätigt, Aber es indem er den Fürsten zum Oberkommandanten ernannte. hatte mit diesem
Oberkommando
Denn wenn zwei Armekeorps in
eine
eigentümliche
Bewandtnis .
eine ,,Armee- Abteilung"
vereinigt
werden, pflegt der Kommandant des einen den Oberbefehl zu übernehmen und an seine Stelle ein anderer General als Kommandant dieses Korps ernannt zu werden .
Hier aber blieb Schwarzenberg
an der Spitze des österreichischen Korps und Reynier wurde ihm keineswegs in dem Mafse untergeordnet, wie es zur Erzielung eines raschen und einheitlichen Operierens wünschenswert gewesen wäre. Beide Chefs hatten also eigentlich miteinander nur zu „ kooperieren " und es waren vor jeder wichtigeren Bewegung besondere Be-
38
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk.
ratungen notwendig,
wobei der Fürst wiederholt, auch als er Feld-
marschall geworden war, sich der Meinung des Divisionsgenerals Reynier anschlofs und anschliefsen musste , um es nicht zu einem folgenschweren Zwiespalte kommen zu lassen. Im allgemeinen muſs jedoch das Einvernehmen zwischen Beiden als ein gutes bezeichnet werden und mag Reynier es erkannt haben, dafs es ihm wiederholt Schaden gebracht, auf seiner Ansicht beharrt oder die guten Ratschläge des ihm beigegebenen sächsischen Generals nicht befolgt zu haben . Schwarzenbergs Stellung war dadurch eine recht schwierige. Er trug die Verantwortlichkeit nicht nur für die Führung seines sondern auch des sächsischen Korps, ohne doch über das letztere so, wie es notwendig gewesen wäre, disponieren zu können. Immer ist es die Pflicht eines Unterfeldherrn, die ihm zunächst stehenden Heeresteile zu unterstützen und sie
schon der eigenen
Sicherheit
wegen der drohenden Gefahr zu entreifsen . Und das befolgte Schwarzenberg im Verlaufe des ganzen Feldzuges in der redlichsten Weise. Er war zunächst an das sächsische Korps und dieses an ihn gewiesen und wenn er es mit umso gröfserer Bereitwilligkeit that, weil es eben Sachsen, die alten Verbündeten seines Monarchen waren, so konnte es ihm als dessen treuen Diener und den Sprossen eines uralten deutschen Adelsgeschlechtes wahrlich nicht verübelt worden. Er war jedoch auch eifrig bestrebt, die Befehle seines Oberfeldherrn, soweit ihm selbe zukamen und ausführbar waren, zu erfüllen und das Seine der 29 Grofsen Armee" beizutragen .
zum Gelingen der Operationen
Napoleon dagegen hegte das dringende Verlangen, trotz des mit dem Kaiser von Österreich abgeschlossenen Vertrages über das Auxiliarkorps sowie über das eines seiner Marschälle zu verfügen. Er wollte darum dieses Korps an die Hauptarmee anschliefsen und glaubte einem von ihm ganz abhängigen General, nämlich Reynier die Aufgabe, die diesem und Schwarzenberg zugefallen war, allein übertragen zu können. Der Brief, in welchem Napoleon diese Absicht äufserte, wurde vom Kaiser Franz ablehnend oder gar nicht beantwortet und die weiteren Ereignisse verhindertendie Ausführung vollends, denn Ende August erhielt Fürst Schwarzenberg den letzten direkten Befehl aus dem kaiserlichen Hauptquartier zu Smolensk. Er sollte die Armee Tormass ofs und sonstige feindliche Truppen (hielt Napoleon dieselben immer noch für Gesindel ?) beschäftigen, damit sie sich nicht gegen die ,,Grofse Armee" wenden könnten !
Jede direkte Verbindung Schwarzenbergs und Reyniers
mit dem militärischen Hauptquartier Napoleons hörte von dieser
39
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk. Zeit an auf.
Alle Meldungen und Anfragen wurden an Maret , den
Herzog von Bassano , der in Wilna blieb, geschickt. Dieser Minister war also der Vermittler und nur durch ihn liefen zuweilen und zwar meist verspätet Berichte über die Hauptarmee im Hauptquartier des Fürsten ein.
Ereignisse bei der Seine Befehle aber
wenn man überhaupt von solchen sprechen kann, waren eben nur Auszüge aus den an ihn gerichteten Briefen des Fürsten von Neuchatel oder Wiedergabe seiner eigenen Anschauungen , die für den Feldherrn keinen grofsen Wert besitzen konnten. Der dichte, Schleier, welchen die zahlreiche russische Kavallerie vor den beiden Armeen Torm assofs und Tschitschagofs bildete, erschwerte überdies in aufserordentlicher Weise die Erlangung früherer Nachrichten über die Stellung und Bewegungen des Gegners und man konnte auch von den Gefangenen nichts erfahren, da diese selbst nicht wussten, wo sich die rückwärtigen Truppen befanden, ja welche Truppen es waren, da fortwährend Verstärkungen aus dem Süden und Osten eintrafen. Die Sachsen, die einen grofsen Teil ihrer Kavallerie an die Hauptarmee abgegeben hatten, empfanden diesen
Übelstand
sehr
empfindlich
und
wiederholt
stellte
ihnen
Schwarzenberg seine Reiterregimenter in bereitwilligster Weise zur Unterstützung bei. Der äusserste rechte Flügel der französischen Armee Schwarzenberg und Reynier , sollte die Flanke des Hauptheeres decken, mufste aber selbst für seine Flanke und seinen Rücken im höchsten Grade besorgt sein, da er nicht nur in der Front, sondern auch von Süden her bedroht war. Bedenkt man die ungeheuren Entfernungen und dafs die Nachrichten und die Befehle aus dem Hauptquartier nur durch Couriere übermittelt werden konnten und bei ihrem Eintreffen durch die bisherigen Ereignisse gewöhnlich schon überholt waren , so ist es natürlich , dafs Schwarzenberg schon nach wenigen Wochen gezwungen war,
nach seinem eigenen Ermessen
und den augenblicklichen Verhältnissen
entsprechend zu handeln,
ohne die, wie schon bemerkt, später immer seltener werdenden Befehle Napoleons abzuwarten. Dennoch verlor der österreichische Feldherr seine Aufgabe zu keiner Zeit aus den Augen und stand er in treuer Waffenbrüderschaft nicht nur den Sachsen und wiederholt den Polen unter Poniatowsky hilfebereit bei, sondern leistete auch dem Ganzen, wann und wo es möglich war, durch seine Operationen wichtige Dienste. Die Bewegungen des bald da bald dort und meist mit Übermacht auftretenden, einem entscheidenden Schlage aber gewöhnlich ausweichenden Gegners, der durch seinen Rückzug die Verfolger zu
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk .
40 ermüden,
isolieren und in das Innere des weiten Landes zu locken
suchte, brachten es mit sich,
dafs die wiederholt ergriffene Offen-
sive wieder eingestellt und von der von beiden Feldherren vereinbarten Marschrichtung
abgewichen
werden musste.
In dem östlich
vom Bug bis weithin über den Styr sich ausdehnenden Gebiet war fast kein Ort, welcher nicht wiederholt von den Österreichern und Sachsen besetzt und wieder geräumt und kein Gewässer, dass nicht mehrmals von ihnen im Vor- und Rückmarsch überschritten worden wäre. So mufste der bei Beginn des Feldzuges
geplante und nach
mehreren günstigen Gefechten verhältnismäfsig rasch ausgeführte Vormarsch auf Minsk zu Nieswiesch teils der aus Warschau eingetroffenen
ungünstigen Nachrichten wegen, teils aus Rücksicht auf
die ungünstige Lage Reyniers eingestellt werden. Die Vereinigung mit den Sachsen vollzog sich früher, als Napoleon den Oberbefehl des rechten Flügels dem Fürsten Schwarzenberg übertragen hatte. Denn
dieser befahl,
sobald
er das Unglück der Brigade Klengel
in Kobeyn und die Bedrängnis Reyniers erfahren hatte, sofort den Marsch nach Slonim, wo er sich mit den Sachsen vereinigte und nun mit allen verfügbaren Streitkräften neuerdings die Offensive ergriff , nach mehreren im Vorrücken gelieferten Gefechten bei Podubny¹ ) auf die Hauptmacht Tormass ofs stiefs , denselben schlug und durch die podlesischen Sümpfe unter fortwährenden Gefechten bis über die Turija verfolgt. Am Styr kamen die Operationen wieder zum Stehen. Nicht nur hatten die Russen aus dem Innern fortwährend Verstärkungen erhalten, wogegen das Eintreffen der österreichischen Ersatztruppen in weiter Ferne stand, sondern es war auch die Armee Tschitschagofs im vollen Anmarsch. Noch immer zweifelten Maret und Berthier an diesem Marsche, ja an der Existenz dieser Armee, die nach Napoleons Meinung höchstens aus 9000 Mann schlechter Truppen
bestehen konnte ! Bald fand auch die Vereinigung beider statt und war ein Angriff auf diese in einer günstigen Stellung befindliche Übermacht ohne Aussicht auf einen Erfolg,
Armeen
wohl
aber war
ein kräftiger Vorstofs der Russen zu gewärtigen. auf die Aufgabe des Fürsten sagt Welden hier mit Recht : ,,Der Feldherr der vereinigten österreichischen und sächsischen Armee durfte sich in seiner isolierten Lage durchaus keinem Echec Mit Rücksicht
aussetzen, wenn er auf einem weiten Rückzuge nicht in die Gefahr
1) Im allgemeinen wurde bei den russischen Ortsnamen die vom F. Z. M. Welden angewendete Orthographie beibehalten .
41
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk. kommen wollte, bei der so grofsen Überlegenheit
der feindlichen
Kavallerie in die gröfsten Verlegenheiten zu geraten. Wer erobernd in ein Land eindringt, kann, wenn das Glück ihn begünstigt, wohl Manches wagen ; allein derjenige, welcher etwas decken, sichern soll, darf nichts auf das Spiel setzen, denn verläíst ihn das Glück, so verliert er,
was er erhalten sollte und hat somit seinen Auftrag Schwarzenberg sollte aber nicht nur die
schlecht erfüllt."
Operationslinie der Hauptarmee (gegen Moskau) sichern, sondern nun, wo man bei letzterer die Bedeutung der Armeen Tormassofs und Tschitschagofs zu erkennen begann , dieselben hindern , stärkungen an ihre Hauptarmee abzusenden.
Ver
Erst als an dem Vorhaben der Russen, die Offensive zu er greifen, nicht mehr zu zweifeln war, entschlofs sich der öster reichische Feldherr zum Rückzuge, wobei er aber den Gegner unter wiederholten Gefechten und indem er sich scheinbar zu einer ent scheidenden Schlacht bei Lirboml vorbereitete, zu täuschen verstand, hierauf mit einem im Angesicht des Feindes ausgeführten Flanken marsch über den Bug (den gleichzeitig die Sachsen in meisterhafter Weise übersetzten), ging, bald aber diesen Flufs neuerdings über schritt, um mit den Sachsen bei Brest hinter dem Muchawecz eine Aufstellung zu nehmen, aus welcher er, als die Russen diesen Flufs überschritten,
unter steten Gefechten
hinter die Lesna und später
hinter den Bug zurückging. Trotzdem Österreicher und Sachsen sich in sehr übler Verfassung befanden und es sehr schlecht um die Verpflegung stand, war es doch gelungen, Tschitschag of unge achtet seiner bedeutenden Überlegenheit durch mehr als zwei Monate festzuhalten und an einem Angriffe auf Napoleons Hauptarmee und der ernstlichen Gefährdung seiner Operationslinie (die nunmehr seine Rückzugslinie werden sollte ) zu hindern .
Endlich langten die sehn
lich erwarteten Verstärkungen und Ersatztruppen an, wogegen die Verpflegsmisere sich nicht gebessert hatte. Doch erreichte dieselbe Dank der besseren Intendanz und ―― Disziplin der Österreicher und Sachsen nie jene entsetzliche Höhe wie bei der französischen Haupt armee. Zugleich wurden die Sachsen durch Teile der freilich fast ganz aus verstärkt.
Rekruten
bestehenden französischen
Division
Durutte
Nun entschlofs sich Schwarzenberg , ohne die Ankunft der ganzen Division Durutte abzuwarten und obgleich er keine sichere Nachricht von dem Schicksal der Hauptarmee und der Stellung und den Absichten seines Gegners hatte, zur erneuerten Offensive . Die selbe sollte in den letzten Tagen des Oktober beginnen. Da aber lief die
erste Kunde
von dem Rückzuge Napoleons aus Moskau
42
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk.
und dem traurigen Zustande
seiner Truppen ein .
Zugleich erfuhr
man, dafs Tschitschagof, dessen bisherige ziemlich passive Haltung man sich nur schwer hatte erklären können, sich in Bewegung ge setzt und seine Armee geteilt habe, seine Stärke aber weit grösser sei, als die dem Fürsten von dem Herzog von Bassano zuge kommenen Berichte
angegeben hatten.
zu dieser Handlungsweise Kaisers veranlafst worden.
Der russische Admiral war
durch einen bestimmten Befehl seines Er sollte einen ansehnlichen Teil seines
Heeres unter dem Befehl des Generallieutenants Sacken zur Fest haltung Schwarzenbergs und Reyniers stehen lassen, mit allen übrigen Streitkräften aber, wie es ihm schon früher befohlen worden war,
nach Minsk
marschieren
und von da
aus
im
Verein
mit
Wittgenstein und Kutusow an der Beresina der Armee Napoleons den völligen Untergang bereiten . Als Tschitschag of die Verstärkung der Sachsen
durch die
Truppen des Generals Durutte erfuhr, befehligte er noch den General Essen , mit seinem Korps zu Sacken zu stofsen. Dieser verfügte nun nach Bogdanowitsch über 47 Bataillone, 36 Schwadronen, 6 Kasaken-Regimenter, 8 Batterien und 1 Pionier- Kompagnie in der Stärke von mindestens 27000 Mann mit 92 Geschützen . Die nach der Beresina dirigierten Truppen Tschitschagofs dagegen zählten 48 Bataillone, 64 Schwadronen, 10 Kasaken-Regimenter, 14 Batterien und 1 Pionier-Kompagnie, mit zusammen 30000 Mann und 180 Ge schützen.
Berücksichtigt man ,
dafs hierzu
noch die Truppen der
Generale Tschaplitz , Lüders und Ertel ( der aber seinen Marsch ganz ungebührlich verzögerte) , stofsen sollten , so wird man die Stärke von 50000 Mann, welche F. M. L. Gebler annimmt, nicht für übertrieben halten, während Malinowski gar nur von 25000 Mann spricht ! Abermals
wurde
der Bug überschritten,
zugleich aber in be
stimmte Erfahrung gebracht, dafs Tschitschag of sich gegen Slonim gewendet habe. Über die Absicht desselben war Schwarzenberg keinen Augenblick im Zweifel. Er hatte aber auch erfahren, dafs bei Brest sich zahlreiche feindliche Streitkräfte, deren Stärke sich aber wegen der vorgeschobenen überlegenen russischen Reiterei nicht ermitteln liefs , befanden. Der Fürst stand hier, wie Exner bemerkt, vor "" einer wichtigen Entscheidung". Wie derselbe seine Lage be urteilte, zeigt sich aus seinem an den Kaiser Franz gerichteten Schreiben : " Ich bin ohne alle Instruktion von dem Kaiser Napoleon in einem Lande, in dem es aufserordentlich schwierig ist, sich Nach richten zu verschaffen und einem Feinde gegenüber , der durch zahl reiche Kavallerie
seine Bewegungen
auf grofse Entfernungen aus
43
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk. dehnen kann.
Es ist keine leichte Aufgabe, ohne Magazine , schlecht
bekleidet und zu Anfang eines harten Winters neue Operationen zu beginnen".
Und
dieses war auch
ganz
richtig,
denn trotz aller
Vorsorge liefsen Verpflegung, Ausrüstung und Bekleidung fast alles zu wünschen und waren überdies die Pferde durch Futtermangel und überangestrengten Dienst an Zahl und Leistungsfähigkeit sehr herabgekommen, wogegen sich die russische Kavallerie durch die längere Rast bei Brest erholt und durch neue Zuzüge verstärkt hatte. Wie bereits mehrmals und gerade in entscheidenden Momenten waren auch diesmal die Chefs der beiden Armeekorps nicht gleicher Meinung über die weiteren Operationen, denn Reynier wollte über die Narew und weiter bis über die Lesna vorgehen und die daselbst befindlichen russischen Truppen schlagen, um freie Hand zu be kommen. Aber Schwarzenberg , der durch einen von Wilna angelangten Courier die volle Bestätigung der früheren, noch
bisher doch
anzuzweifelnden ungünstigen Nachrichten erhalten hatte,
auf die
von dem Herzog von Bassano
wies
erhaltene Weisung,
alle
Unternehmungen im Rücken der französischen Hauptarmee und namentlich den Marsch des Admirals gegen die Beresina zu hindern , sowie darauf hin, dafs er ( Schwarzenberg) in dieser Hinsicht dem Herzog bereits aber
früher seine Zusage gemacht habe.
zuverlässig
Diese könne
nur durch den Marsch auf Slonim erreicht
werden , wodurch man Tschitschagof zum Halten veranlassen würde. Gerade das Verbleiben russischer Streitkräfte an der Lesna und selbst die bisherige scheinbare Unschlüssigkeit Tschitschagofs deuten darauf hin , dafs dieser nur die Österreicher und Sachsen in ihrer bisherigen Stellung festhalten und indem er seinen Abmarsch unvermutet angetreten habe ,
einen Vorsprung gewinnen wolle ;
die
Fortsetzung des Marsches in der von dem General Reynier vorgeschlagenen Richtung aber würde nur noch weiteren Zeitverlust hervorbringen . Es wurde nun vorläufig eine Einigung dahin erzielt, dafs beide Korps in zwei Kolonnen die Österreicher links und die Sachsen rechts - an die Narew rücken und Wolkowysk möglichst bald erreichen sollten, um von da den Admiral bei Slonim zu erreichen . Dieser hatte es trotz des erhaltenen kaiserlichen Befehles entweder mit seinem Weitermarsche nicht besonders eilig oder was auch möglich ist - fürchtete, dafs Sacken von den Österreichern und Sachsen machte
mit Übermacht einige Tage
in
angegriffen und
bei
werden
könnte.
Genug,
er
Slonim Halt und hätte
daher
Schwarzenberg seine Absicht ganz gut erreichen können. es sollte anders kommen.
Aber
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk.
44
Schwarzenberg hatte also den festen Willen, dem russischen Admiral
zu
folgen.
Sein Gros
war
am 8. November in
und um
Wolkowysk versammelt, während die Spitzen des sächsischen Korps bis Laponice vordrangen. Während aber die Russen bisher sich zuwartend verhalten hatten, fielen nun fast täglich mehr oder minder lebhafte Angriffe und Überfälle von Seiten der beide Korps auf allen Seiten umschwärmenden feindlichen Reiter vor. Am 10. langten die Österreicher vor Zelna an, vertrieben die ihnen von Slonim entgegen geschickten Kasaken und nahmen daselbst Stellung,
bis auf
eine Division und die Brigade des Generals Fröhlich zur Deckung der rechten Flanke, da das 7. Korps, dessen Train bereits eine Einbufse durch die Russen erlitten hatte, sich noch zu entfernt befand. Am 12. rückte ein Teil des Korps weiter vor, doch mufste der Fürst an diesem Tage noch in der Stellung von Zelna mit den übrigen Truppen verbleiben, da er besorgte, dafs Reynier angegriffen werden könnte und er überdies seine Reserve-Artillerie und den Train, die auf den schlechten Wegen mit ihrer herabgekommenen Bespannung nur mühsam vorwärts kamen, abwarten mufste. Auch Reynier strebte die Vereinigung mit der Division Durutte (die durch ein Mifsverständnis nach Wolkowysk gelangt war), an. War diese Vereinigung bewirkt, so erschien Reynier stark genug, sich eines Angriffes zu erwehren. In Konne erhielt der österreichische Feldherr Nachrichten von Maret , der ihm die Niederlage Gouvion St. Cyrs durch Wittgenstein , den Vormarsch des letzteren gegen die Beresina und andere ungünstige Nachrichten mitteilte und das Ersuchen beifügte, „ nur ja den Marsch in Tschitschagofs Rücken zu poussieren". Zugleich aber lief ein Bericht des Generals Reynier ein, dafs derselbe gezwungen sei, umzukehren , um sich den Generalen Sacken und Essen , die über Rudnia anrückten, entgegen zu stellen und sich bei Swislocz mit Durutte zu vereinigen. Fest entschlossen,
der Armee Tschitschagofs
auf der Ferse
zu bleiben und so den Willen Napoleons nach Möglichkeit zu erfüllen, beschlofs der Fürst, der Armee Tschitschagofs mit dem österreichischen
Korps
allein
nachzufolgen ,
schob
am
12.
die
Division Siegenthal und eine Cheveauxlegers- Brigade auf Slonim vor und folgte, auf Reyniers Widerstandsfähigkeit bauend , am 13. mit seinen übrigen Truppen dahin. Durch Aussagen der während dieses Marsches gemachter Gefangenen und aufgefangene Depeschen wurde festgestellt , dafs Sacken gemessenen Befehl habe , dem Fürsten nachzufolgen und ihn
zum Halten
zu
bringen und dafs
Tschitschagof einige Tage früher Slonim mit 4 Armeekorps passiert
"
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk.
45
angetreten habe.
und den Weitermarsch nach Minsk
Man hoffte ,
ihn mit einiger Anstrengung bald zum Stehen zu bringen. Nun aber langte ein von Reynier geschickter Adjutant mit der Botschaft an, dafs Sacken über Rudnia durch den Bialoweser Wald (den man als eine sichere Deckung betrachtet hatte ) , hervor gebrochen sei, daher Reynier zuerst genommen, worden
sei,
eine Stellung bei
Laponice
dann aber nach hartnäckigem Widerstande gezwungen sich
auf Wolkowysk
zurückzuziehen ,
wo
er sich so
lange als möglich behaupten wolle, wenn er auf eine Unterstützung durch Schwarzenberg hoffen könne. Wenn einige Schriftsteller von einem weiteren Vormarsch der Österreicher
am 14. sprechen,
Welden aber angiebt, dafs der Adjutant in der Nacht vom 13. zum 14. gekommen sei und der Fürst sofort seinen Rückmarsch beschlossen habe, so ist es ganz leicht in Einklang zu bringen. Die Dispositionen für den folgenden Tag waren bereits ausgegeben worden und konnte deren Änderung nicht sofort durchgeführt worden. Die Lage war schwierig. Wollte auch Tschitschagof dem Befehle seines Kaisers nachkommen, so war es doch leicht möglich, dafs er, im Rücken ernstlich bedroht,
umkehren und dadurch den
Fürsten zwischen zwei Feuer bringen würde. Aber auch wenn der Admiral seinen Marsch fortsetzte und Schwarzenberg ihm folgte, vergröfserte sich die Entfernung von dem sächsischen Korps, das aller Wahrscheinlichkeit nach unterliegen muiste, und dann waren die Verbindungen Schwarzenbergs mit seiner Operationsbasis im höchsten Grade bedroht und sein Korps war ohne alle Verpflegung, wenn auch nur von den Trümmern Sackens verfolgt, der grössten Gefahr ausgesetzt. Es erschien geboten, sich in dieser Lage vor allem des gefähr lichsten Gegners , also Sackens zu erwehren und anderseits auch mit Tschitschagof in Fühlung zu bleiben und durch stete Be drohung seinen Marsch zu verzögern.
Schwarzenberg hatte rasch
seinen Entschlufs gefafst. Er liefs die Division Siegenthal und die Brigade Zechmeister , sowie die detachierte Brigade Mohr unter dem Befehl des Generals Frimont ( der dem Fürsten im Range zunächst stand) mit dem Auftrage zurück , dem Admiral starke Abteilungen über Neswicz nachzuschicken und ihn durch fortwährende Angriffe aufzuhalten und ging selbst mit zwei Divisionen und zwei Kavalleriebrigaden am 15. zurück . Vielleicht glaubte der Fürst, dafs letztere Bewegung allein genügen würde , um Sacken von allzu heftigem Nachdrängen abzuhalten und er hoffte noch immer, wenn nur Napoleon bis zum 21. oder 22. an der Beresina ein treffen und in
entsprechender Weise
gegen Kutusow operieren
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk.
46
würde, Tschits chagof noch rechtzeitig zuvorkommen und an der Vereinigung mit Wittgenstein hindern zu können. Aber schon in Osernicze traf ein von Reynier abgeschickter Offizier mit der dringendsten Bitte um schleunige Unterstützung ein und es wurde nun den bei Slonim stehenden Truppen Frimonts die Weisung erteilt, den weiteren Vormarsch vorläufig einzustellen , sich aber um jeden Preis in dieser Stellung zu behaupten und das Korps gegen einen etwaigen Rückschlag Tschitschagofs zu ver teidigen, das Gros aber wurde so disponiert, dafs es, über die Zelna gehend, die Angreifer Reyniers in Flanke und Rücken bedrohen und angreifen konnte.
Was hatte sich unterdessen bei den Sachsen zugetragen und wie war deren Lage? Wieder einmal hatte Reynier zu seinem Schaden die Vorstel Er war , durch lungen des gewiegten Le Coq nicht beachtet. Durutte verstärkt,
am 14. bei Wolkowysk angelangt und stellte
seine Truppen auf dem nördlich gelegenen Höhenzuge und zwar rechts die 1. , links die 2. und in zweiter Linie die Division Durutte , die Kavallerie unmittelbar vor dem Städtchen, das nur von einem Bataillon besetzt war, auf. Ein anderes Bataillon stand bei einer östlich gelegenen Mühle postiert, wogegen die am linken Rossaufer Sein Haupt liegende kleine Vorstadt nicht besetzt worden war. quartier schlug Reynier trotz aller Einwendungen in Wolkowysk auf. Sacken , durch einen Juden von der ganzen Sachlage in Kennt nis gesetzt, beschlofs schon in der nächsten Nacht, Reynier zu über fallen . Um drei Uhr morgens drangen die russischen Bataillone , von einem heftigen Schneesturme begünstigt, in den Ort und bis zu den Häusern, in denen Personal und Train des Hauptquartiers unter gebracht waren. Dank der Geistesgegenwart Reyniers und der Tapferkeit der von ihm gesammelten
und vorgeführten Schützen
konnte der Ort bis gegen Morgen den Russen streitig gemacht werden wiewohl die während des furchtbaren Handgemenges entstandenen Feuersbrünste die Verwirrung noch erhöhten . Endlich gelang es den im Orte befindlichen Sachsen, die grofse Verluste erlitten hatten, zu dem Gros ihres Korps zu stofsen. Reynier , zum tapfersten Wider stande entschlossen, aber seine gefährliche Lage ganz erkennend , hatte noch in der Nacht den gedachten Offizier mit der dringenden Bitte um schleunigste Hilfe abgeschickt. Die Schilderung der verzweifelten Lage des sächsischen Korps hatte übrigens nicht allein den Entschlufs Schwarzenbergs moti viert,
denn wenige Stunden früher war ein Schreiben eingelangt,
worin der Herzog von Bassano im allgemeinen sehr Günstiges mit
47
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk. teilte.
Marschall Victor sei angekommen und werde voraussichtlich
Wittgenstein schlagen, Napoleons Ankunft an der Beresina sei demnächst zu erwarten und endlich wären die Russen aus Borissow schon zurückgedrängt worden.
Selbst wenn also Tschitschagofs
Marsch nicht völlig verhindert werden konnte,
erschien die Gefahr
nicht so grofs, da ja die gefürchtete Vereinigung mit Wittgenstein denn doch nicht möglich erschien,
er vielmehr den ihm inzwischen
wieder nachgerückten Österreichern entgegen gedrängt werden konnte. Reyniers Erwartung, dafs der Angriff der Russen am 15. erneuert werden würde, ging in Erfüllung, sächlich gegen die linke Flanke
doch konnte der haupt-
gerichtete Angriff durch Geschütz-
feuer und mehrere kräftige Bayonettattacken abgewehrt werden, wie auch die sächsische Kavallerie nach einem lebhaften Gefecht mit der russischen ihre Stellung behauptete . Am 16. währte der Kampf fort. Zwar schlugen die Sachsen auch an diesem Tage die russischen Angriffe
auf ihre Stellung ab,
aber
ebenso vergeblich waren ihre
Bemühungen, sich des mit zäher Ausdauer verteidigten Wolkowysk zu bemeistern. Ihre Erschöpfung, die bereits erlittenen Verluste und die zunehmende Übermacht des Gegners liefsen das Schlimmste fürchten. Da , am Abend wurden die , die Ankunft der Österreicher im Rücken des Feindes verkündenden Kanonenschüsse vernommen . Schwarzenbergs Avantgarde, drei Regimenter Husaren unter General Fröhlich , war nach zehnstündigem anstrengenden Marsche überraschend bei Isabelin angelangt und hatte die daselbst befindlichen Kasaken und Infanteriepikets gefangen genommen .
Auf dem
Weitermarsche gegen Wolkowysk stiefsen aber diese Reiter in dem vor Isabelin liegenden Walde auf gröfsere Infanterieabteilungen und dann auf russische Kavallerie. Diese wurde von den Husaren , die Infanterie aber von den nachfolgenden österreichischen Jägern zersprengt. Sacken aber, der schon auf die Signalschüsse der Österreicher den eben begonnenen neuen Angriff auf die Sachsen eingestellt hatte , erhielt durch das vorerwähnte Gefecht die volle Überzeugung, dafs die Österreicher in seinem Rücken standen und ordnete sofort den Rückzug an. Reynier hatte sofort mit Aufbietung der letzten Kräfte seiner Truppen einen Gegenangriff unternommen und Wolkowysk durch die Division Durutte den Russen entrissen . Aber die grofse Erschöpfung seiner Truppen, die in dem viertägigen Kampfe über 1100 Mann verloren hatten, die eingetretene strenge Kälte und tiefe Dunkelheit machten eine sofortige Verfolgung zur Unmöglichkeit. Auch bei den Österreichern blieb nur ein durch den Wald vor Swislocz
geführtes Bataillon den Russen
an der Ferse ,
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk.
48
deren Eile und Verwirrung dadurch allerdings sehr vermehrt wurde . Sackens Truppen erreichten über Blakiten eilend Swislocz noch in dieser Nacht. So war also der so gut eingeleitete Überfall auf Isabelin eigentlich ein Schlag ins Wasser oder er hatte wenigstens nicht unmittelbar die Folgen, welche man sich davon versprochen hatte. Um
diese Folgen
zu erreichen,
brachen
die Österreicher und
Sachsen am Morgen des
17. November weiter vor, erstere nach Studeniki, letztere nach Sokolniki und machten auf dem Wege dahin zahlreiche Gefangene. Sacken sollte vernichtet oder wenigstens aufser Stande gesetzt werden , der wieder aufzunehmenden Verfolgung Tschitschagofs , woran Schwarzenberg noch immer dachte, ernste Schwierigkeiten entgegen zu setzen. Dieses sollte dadurch erreicht werden, dafs man Sacken an dem Bieloweser Wald zuvorkam . Als man am 18. weiter vorrückte, glaubte man, gestützt auf die Berichte Reyniers , den Gegner bei Chriniky oder Swislocz festhalten zu können . Aber als die Vortruppen und später auch die Division Pflacher bei Rusnia anlangten, hatten sie ein ziemlich verlustreiches Gefecht mit der russischen Arrieregarde zu bestehen , ohne den Marsch des Gros aufhalten zu können. Sacken hatte den gefährlichen Punkt passiert und gelangte, da er die Brücke über die Narew hinter sich abgebrochen hatte, ohne weitere Schwierigkeit bis Szareszow. Wieder wollte Schwarzenberg , da er keine weitere Gefahr für Reynier zu erblicken glaubte,
nach Slonim zurückkehren und
Tschitschagof einzuholen suchen.
Aber man erfuhr aus sicherer
Quelle, dafs Sacken namhafte Verstärkungen erhalten habe und noch weitere an sich ziehen wolle. Dieser Umstand, mehr noch die grofse Erschöpfung, der elende Zustand der Bekleidung der Truppen und die furchtbare Kälte hätten, auch wenn die Brücken über die. Narew schon hergestellt gewesen wären, die rasche Verfolgung Sackens und noch mehr die ununterbrochene Reihe von Gewaltmärschen, die notwendig waren, wenn Tschitschag of jetzt (nach dem 18. ) noch eingeholt werden sollte, unmöglich gemacht . Eine wenn auch kurze Rast war unvermeidlich und diese wurde am 19. zur Erbauung von drei neuen Brücken und am 21. zur Passierung des Bieloweser Waldes benutzt.
An ersterem Tage hatte der Dra-
goner-Oberst Scheither bei Oraniki einen höchst gelungenen Überfall der dort lagernden überlegenen russischen Kavallerie ausgeführt. Es zeigte sich aber daraus, dafs trotz der Niederlage Sackens und der Entfernung Tschitschagofs die Österreicher und Sachsen auf allen Seiten von feindlicher Kavallerie umschwärmt wurden . Wäre
49
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk.
auch jetzt noch die Wiederaufnahme der Verfolgung des Admirals möglich gewesen, der Marsch hätte nur unter steten Gefechten statt finden können und das Auxiliarkorps wäre im traurigsten Zustande und - zu spät an der Beresina angelangt. Am 21. wurde auf den denkbar schlechtesten Wegen der Marsch über Nowisdnow nach Radeczko gemacht. die ferneren Operationen beider Korps.
Dieser Tag entschied über Denn Reynier erschien in
Radeczko bei dem Fürsten , der auch jetzt nach Slonim zurückkehren wollte und eben einen neuen Brief des Herzogs von Bassano er halten hatte . Auch wenn das österreichische Korps noch in Slonim gewesen wäre, wäre es jetzt viel zu spät gewesen ! Reynier be harrte dabei, dafs Sacken bis in die podlesischen Sümpfe verfolgt werden müsse , wolle man in Rücken und Flanke gesichert sein . Er mit seinem Korps allein könne diese Aufgabe nicht lösen, zumal die Division Durutte , zumeist aus jungen und dem Klima nicht gewachsenen, aus Spanien und Frankreich stammenden Soldaten be stehend, der völligen Auflösung entgegengehe. (Es waren damals nie unter ― 20, zuweilen selbst - 28 ° R. ! ) Der Feind, der übrigens mit seinem Gros jene Sümpfe bereits passiert und Lutzk erreicht hatte, sollte weiter verfolgt und Maret von diesem Beschlufs der beiden Heerführer durch einen Offizier Reyniers unterrichtet werden. Dennoch gab auch jetzt der Fürst kehren zu wollen, nicht auf! So folgten am 22.
die Idee,
nach Slonim zurück
beide Korps über Prusznay und Szereszow
dem Sackenschen Korps nach, in der Hoffnung,
dasselbe
durch
forcierte Märsche noch beim Übergange über die Muchawecz (Muca wici) zu erreichen und neuerlich zu schlagen. Doch erst am 25 . kam es an diesem Flüfschen zu einem lebhaften Gefecht, in welchem man zwar viele Gefangene machte, den Abzug der Russen in die podlesischen Sümpfe aber nicht mehr hindern konnte. Hier am Muchaweczflufs traf ein neues Schreiben Marets ein, der den Fürsten beschwor, Tschitschagof nachzufolgen.
Es ist zu bedauern,
dafs
Welden , welcher einen Teil dieses Briefes citiert, nicht angiebt, von welchem Tage derselbe datiert war. Am 18. konnte man doch bei den Franzosen darüber in Gewissheit sein, dafs der russische Admiral
durch Schwarzenberg
nicht
mehr
werde
aufgehalten
werden können und daher sein baldiges Erscheinen an der Beresina zu erwarten sei .
Schwarzenberg
aber
scheint für Maret und
Andere der Strohhalm des Ertrinkenden gewesen zu sein .
Es wurde
nicht bedacht, dafs die österreichischen Truppen, wenn sie trotz ihres herabgekommenen Zustandes
der
Armee Tschitschagofs
in den
von derselben vollkommen ausgesogenen Gegenden mit Gewaltmärschen 4 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 1.
50
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk.
und unter steter Beunruhigung durch die russische Reiterei nachgefolgt wären, in keiner besseren Verfassung als etwa die letzten Nachzügler der 99 Grofsen Armee" und -- es sei wiederholt trotz des Ver-
weilens Tschits chagofs bei Borissow zu spät an der Beresina angelangt wären. Auch später mutete man den Österreichern wiederholt, namentlich Ende Januar 1813 die höchste und obendrein zwecklose Selbstaufopferung zu. Mit Recht sagt daher Exner : „ Von französischer Seite verlangte man treilich, dafs,
um den Franzosen
eine Frist von wenigen Tagen zu schaffen , auch der letzte Österreicher Preis gegeben werden müsse ." und Polen nur geringe Vorteile und
Dennoch hielt Schwarzenberg , ohne sichere Kenntnis von dem Zustande und den Vorgängen bei der Hauptarmee, worüber Maret sich noch immer nicht
deutlich aussprach oder zu täuschen
suchte, an dem Vorsatze, Tschitschag of zu folgen, noch immer fest. Er ordnete, nachdem seine Truppen sich gesammelt und notdürftig ausgerüstet hatten und Gewifsheit bestand, läufig nichts Ernstliches
dafs von Sacken vor- .
zu besorgen sei , daher Reynier denselben
in Schach zu halten vermöge, für den 29. November den Abmarsch des Auxiliarkorps nach Slonim an. Der Marsch wurde in zwei Kolonnen, denen Reynier am 30. folgte, angetreten und ohne Kampf, doch bei grimmiger Kälte , welcher beim Auxiliarkorps allein über 500 Mann erlagen, unter ungeheuren Anstrengungen und Entbehrungen langte man am 7. Dezember in Slonim an. Hier fiel der Schleier, welcher bisher die Lage Napoleons und seiner Armee verhüllt hatte. Zuerst lief ein Schreiben des Herzogs von Bassano ein, welches die Ankunft des Kaisers in Molodeczno mitteilte und dem Fürsten es nahelegte, seine Operationen denen der „ Grofsen Armee" anzupassen! Welcher Art diese Operationen waren, wurde nicht angedeutet ! Zugleich aber erfuhr man, dafs der Kaiser die Armee, nachdem er dem König von Neapel den Oberbefehl übertragen , verlassen und die Reise nach Warschau fortgesetzt habe und dafs man die Ankunft der Armee in Wilna erwarte . Über den Zustand dieser Armee oder vielmehr der traurigen Überreste derselben und die Ereignisse an der Beresina liefen von mehreren Seiten die zuverlässigsten Nachrichten ein.
Berthier aber liefs dem Fürsten mündlich
mitteilen, dafs er mit seinen beiden Korps „ nach Gutdünken" Warschau decken möge. Damit war nun jeder Gedanke an eine Fortsetzung des Marsches in der Richtung auf Minsk
verscheucht und es ge-
hören die ferneren Operationen der Österreicher nicht mehr in den Bereich dieser Betrachtungen .
Schwarzenberg hatte bis zum letzten Moment, nicht nur so
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk.
51
lange
als es nach den obwaltenden Verhältnissen zulässig war, sondern so lange er aus Unkenntnis dieser Verhältnisse und dieselben
für günstiger als in Wirklichkeit haltend, an die mögliche Ausführ barkeit glaubte, den Vorsatz gehabt, der Weisung des Kaisers nach zukommen und dem Admiral Tschitschag of zu folgen und nur die zwingendste Notwendigkeit hatte ihn abgehalten, den wiederholt an getretenen Verfolgungsmarsch -- wie es sich zeigen sollte, zum Besten der ihm von seinem Monarchen anvertrauten und der auf seine Mitwirkung angewiesenen sächsischen Truppen auszuführen. Dafs nun Fain , Segur nnd andere französische Schriftsteller solches dem österreichischen Feldherrn zum schweren Vorwurfe machen, ist leicht erklärlich.
Sie suchten die Schuld an dem Mifs
lingen des ganzen Feldzugs , oder mindestens an der Katastrophe an der Beresina nicht da, wo sie wirklich zu finden war und wollten dieselbe
lieber dem Feldherrn
eines
alliierten
Kaiser und den französischen Generalen
und
Staates,
als ihrem
Ministern beimessen,
daher von ihnen, die, wie ein russischer Schriftsteller treffend sagt, unter „ dem magischen Einflusse ihres Kaisers " standen, überhaupt keine unparteiische Darstellung des französisch- russischen Krieges zu erwarten war. Indessen gab es
auch Franzosen und zwar Generale,
die den
Feldzug mitgemacht hatten, welche ganz anders dachten und die im Hauptquartier herrschenden Anschauungen nicht teilten. Welden sagt hierüber : auch mufs man den französischen Generalen Gerech tigkeit
widerfahren
lassen ,
dafs sie
damals
das
Benehmen des
Fürsten den Umständen ganz angemessen fanden, welches nachher einige Schriftsteller zu rügen und mit Defektion zu bezeichnen be liebten. Die Überfälle bei Isabelin und Orodniki , die Gefechte bei Rusnia und an der Muchawecz, sowie die daraus erfolgten Märsche und Verfolgungen des Sackenschen Korps erklärte ein Franzose in seinem Werke über den Feldzug 1812 für „ promenades militaires. " Dem Urteile im Kriege erfahrener Männer bleibt es überlassen, ob es dem österreichischen Korps nicht ebenso wie der ganzen französischen Armee nach ihrem Rückzuge über die Beresina ergangen wäre, wenn es nach dem Willen des Autors von Slonim aus weiter der Armee des Admirals nachgefolgt wäre, unbekümmert um Flanken und Rücken und um das Schicksal des 7. Korps . Es fragt sich, welche Vorteile aus diesem vergröfserten Unglück für das Ganze erwachsen wären? Man kommt hier in Versuchung, diese Herren zu fragen, ob die Promenade des Auxiliar-Korps nicht militärischer nach Moskau gewesen sei?"
als jene
Wir übersehen es jedoch nicht, dafs auch deutsche Schriftsteller 4*
52
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk.
behauptet haben,
dafs
Schwarzenberg unbekümmert um
alles
andere, dem Admiral hätte folgen sollen. Mehrere darunter gehören zu jenen , von welchen Graf Marenzi behauptet, dafs sie jede Kritik Napoleons verpönen und diesen erhaben über jedes normal menschliche Urteil " finden. Bei solchen Anschauungen darf es nicht überraschen, wenn den Aussprüchen der enragierten Anhänger Napoleons unbedingtes Vertrauen entgegengebracht wird. Doch mufs zugegeben werden , dafs die Meisten wenigstens bezüglich Schwarzenbergs eben nur ihre Meinung, was hätte geschehen können, aussprechen. So z. B. hält Beitzke dafür, dafs es das „ Einfachste gewesen wäre “ , wenn Schwarzenberg nach dem glücklichen Gefecht bei Wolkowysk, „ das wohl verdient, eine Schacht genannt zu werden , " wieder Tschitschag of aufgesucht hätte, wo er dann, wenn er auch erst am 18. aufbrach, noch zur rechten Zeit an der Beresina eintreffen und Napoleon 99ganz unschätzbare Dienste leisten konnte " . Wie wenig jedoch dieser Schriftsteller Zeit und Entfernung in dem vorliegenden Falle in Rechnung zog, soll am Schlusse durch unwiderlegliche Daten nachgewiesen werden. Noch weit gemäfsigter spricht sich ein deutscher Schriftsteller
der neuesten Zeit (Major v. Lindenau) über die Sache aus . „ Man sollte meinen, dafs nach diesem Siege" (bei Wolkowysk) „ der österreichische Feldherr schleunigst den Verfolg seiner wichtigsten Aufgabe wieder aufgenommen hätte, aber anstatt dessen verfolgt er im Verein mit Reynier , Sacken in südlicher Richtung und kommt so für den weiteren Verlauf der Ereignisse und die Entscheidung an der Beresina aufser Betracht. Ob nur Mangel an militärischer Einsicht oder politische Interessen den österreichischen Feldherrn zu einem solchen Verfahren bestimmt haben, ist eine vielfach umstrittene Frage. Mir erscheint das Letztere wahrscheinlicher, denn auch 1813, 1814 haben die politischen Rücksichten immer in Schwarzenbergs Feldherrntum die gröfste Rolle gespielt und oft genug haben sie das Blüchersche Hauptquartier in helle Verzweiflung gebracht. " Herr v. Lindenau hätte hinzufügen können , dafs es auch dem Grafen Radetzky , dem Chef des gesamten Generalstabs damals nicht besser als Blücher erging. Aber gerade 1812 ist die vielverbreitete Legende ( die merkwürdigerweise noch jetzt von vielen österreichischen Offizieren geglaubt wird) von geheimen" Instruktionen ein Märchen. Denn nachweislich existierte nur der schon erwähnte geheime Vertrag zwischen den Kaisern Napoleon und Franz , welcher Vertrag von letzterem dem Fürsten zur strengen Darnachachtung mitgeteilt wurde.
Kaiser Franz war fest entschlossen, die
gegen seinen Schwiegersohn eingegangene
Verpflichtung
getreu zu
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk.
53
erfüllen und zudem hatte in keinem früheren Feldzuge der seit 1805 wieder erstandene " Hofkriegsrat" sich weniger eingemengt, als 1812 in die Führung des österreichischen Auxiliarkorps ! Was wollen aber selbst die ungünstigsten von den erwähnten und anderen Schriftstellern über das Verhalten des Feldmarschalls Fürsten Schwarzenberg in dem Feldzuge 1812 abgegebenen Urteile gegen die Auslassungen des damaligen Obersten und als F. M. L. und Gouverneur von Dalmatien verstorbenen Frh. v. Cornaro in seinen „ Strategischen Betrachtungen über den Krieg 1812" beIdeuten ? Derselbe schrieb wörtlich :
,, Die unentschlossene Kriegsführung
Schwarzenbergs , der mit seinem eigenen und dem Korps Reynier , dann der Division Durutte noch zur Zeit des Schlufsaktes 40000 Mann stark war, machte es Tschitschagof möglich, mit der einen Hälfte seiner Armee unbelästigt die Beresina zu erreichen und im Rücken Napoleons zu erscheinen. Trotz seiner 46-48000 Mann ' ) iefs sich Schwarzenberg durch Sacken , der keine 27000 Mann hatte, festhalten. Als er sich endlich anschickte, Tschits chago zu folgen, brachte das siegreiche Gefecht von Wolkowysk eine totale Anderung seiner Entschlüsse hervor. Statt Sacken , der empfindlich geschlagen worden war, und fast die Hälfte seiner Streiter verloren hatte,
für die nächste Zukunft, da er ganz ungefährlich geworden
war, durch Reynier" (der sich aber wiederholt als unvermögend hierzu erklärt hatte ! ) verfolgen zu lassen, selbst aber mit dem grössten Teil der Kraft eiligst über Minsk Tschitschag of nachzurücken , ein Handeln, welches im Interesse des Zusammenwirkens aller Teile , wie das natürlichste so auch das richtigste gewesen wäre - gab Schwarzenberg seine ursprüngliche Absicht auf und rückte Sacken nach. Auf den bestimmten Befehl, schleunigst auf Minsk zu marschieren, den er am 25. November in Kobryn erhielt" (Napoleon stand damals bereits an der Beresina !) ,, brach er zwar am 27. dahin auf, doch viel zu spät, um noch etwas zu nützen. Er brachte dadurch Napoleon an der Beresina in die verzweifelte Lage und es erwies sich somit die Niederlage der Russen bei Wolkowysk für diese als ein bedeutender Vorteil." Nach all dem früher Gesagten wäre
es mehr als überflüssig,
die Unrichtigkeit mehrerer der von Cornaro gebrachten Daten und der von ihm darauf aufgebauten Trugschlüsse nachweisen zu wollen und es bleibt nur übrig,
zu erklären ,
wie
ein
österreichischer
¹ ) Einen Augenblick früher spricht Cornaro von nur 40000 Mann !
54
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk.
und dazu ob seiner Befähigung hochgeachteter Offizier dazukam , das Verfahren eines Feldherrn , dessen Verdienste sein Monarch wenige Jahre vorher durch die Errichtung eines Denkmals geehrt hatte, in solch absprechender 1Weise zu be- und verurteilen . Keinem deutschen Militär ist es jemals eingefallen, die Handlungsweise des Generals v. Yorck nur entfernt zu bemäkeln, sondern es wurde seine zu Tauroggen
abgeschlossene Konvention
als eine hochpatriotische
Handlung gepriesen, da er die ihm von seinem König anvertrauten Truppen vor gänzlicher Vernichtung rettete und sich nicht dazu hergab, auch den
letzten preufsischen Soldaten und obendrein nutzlos
dem französischen Götzen hinzuopfern. bis zur letzten Stunde aus, um, wenn
Schwarzenberg aber hielt es auch bei den Franzosen
nichts mehr zu retten gab, wenigstens die auf seine Mithilfe angewiesenen wackeren deutschen Kampfgenossen, soviel ihm möglich war, in treuer Waffenbrüderschaft zu schützen! Aber es gab zur Zeit ( im Jahre 1870 , als Cornaro seine Schrift veröffentlichte, in Österreich manche, welche -- vielleicht
1 noch in der Erinnerung
an das Jahr 1866
ihre Blicke
nach
Frankreich und auf dessen militärische Vergangenheit richteten und dem entsprechend urteilten. Und wie noch 1859 die den Franzosen abgelauschte, 1866 aber so übel angebrachte famose Stofstaktik zur Geltung gelangte, so wurde noch 1866 von vielen die über alles Maſs verherrlichte Napoleonische Strategie als die allein geltende betrachtet und jeder, der auch in früherer Zeit nicht darnach gehandelt hatte, mit dem Anathema belegt. Auch giebt es bekanntlich Schriftsteller, welche dadurch, dafs sie über Persönlichkeiten und Ereignisse eine möglichst scharfe Kritik -- gleichviel mit Recht oder Unrecht -- aussprechen, wenn es nur auffällig ist, sich ein gröfseres Ansehen geben zu können vermeinen. Wie ganz anders doch da die Russen ! Es mufste doch das Verdienst ihrer Feldherren erhöhen, wenn sie die Fehler der Gegner aufdeckten und darlegten, wie
1
klug diese Mifsgriffe von russischer
Seite benutzt wurden. Bogdanowitsch aber , der Kutusow , Tschitschagof und andere in schärfster Weise tadelt, erteilt dem Verfahren des Fürsten sein Lob und sagt ganz richtig : „ Die zu grofse Entfernung von der Rückzugslinie der grofsen Armee erlaubte den beiden feindlichen Feldherren nicht, an den Operationen auf dem Haupt-Kriegstheater teilzunehmen." Er bemerkt später : ,, Die fremdländischen Historiker übertreiben den Verlust, welchen die Russen in dem Treffen bei Wolkowysk und auf ihrem Rückzuge nach Brest erlitten haben. Wenn Sacken wirklich 10000 Mann, beinahe seine.
1
55
Schwarzenbergs Marsch auf Wolkowysk. ganzen Fuhrwerke und
einen Teil der Artillerie verloren gehabt
hätte, alsdann konnte Schwarzenberg , indem er zur Verfolgung und Beobachtung Sackens das Korps Reyniers zurückliefs (welches n diesem Falle an Zahl dem russischen Korps wenig nachgegeben haben würde) von Wolkowysk über Slonim nach Minsk sich wenden , um den Rücken der Napoleonischen Truppen zu decken. " Ob diese beiden Korps (oder nur jenes Schwarzenbergs) diesen Zweck in dem Zustande, in welchem sie an der Beresina angelangt wären, auch wirklich hätten erreichen können, ist mehr als zweifelhaft, was nochmals wiederholt werden mufs, ebenso dafs — wenn
der Abmarsch von Wolkowysk
schon am 17. November
erfolgte, das rechtzeitige Eintreffen an der Beresina überhaupt nicht möglich war. Dieses wird von dem F. M. L. v. Gebler in überzeugender Weise dargelegt und mögen zum Schlufs die Worte dieses Generals hier einen Platz finden. „Von Isabelin über Minsk bis Borissow," heifst es in dem Werke : ,,Das k. k. österreichische Auxiliarkorps im russischen Feldzuge 1812 , " ..sind 45 deutsche Meilen. Angenommen, Schwarzenberg wäre noch am 17. dahin aufgebrochen und hätte mit seinen durch Märsche und Strapazen aller Art erschöpften Truppen täglich 3 Meilen, ohne zu rasten und ohne bei Minsk durch feindliche Hindernisse aufgehalten zu werden , hinterlegt, so wäre das österreichische Korps in 15 Gewaltmärschen am 1. oder 2. Dezember, mit einer wahrscheinlichen Einbufse
eines
Kälte, an der
Beresina eingetroffen.
Dritteils
seiner Stärke
durch
die grimmige
Tschitschagof hatte
am
16. November Minsk genommen, sich am 21. der Brückenköpfe von Borissow bemeistert, und, als Marschall Oudinot gegen ihn vordrang , die Brücke über die Beresina am 24. abgeworfen . Napoleon erzwang am 27. unterhalb Borissow, bei Studienka , den Übergang und hatte den Russen zwischen dem 28. und 30. mit ungeheurem Verluste blutige aber glückliche Gefechte geliefert. Mit den Trümmern seines Heeres 12000 Mann unterm Gewehr und 2000 Reiter setzte er darauf den Rückzug bei 24 Gr. R. gegen den Niemen fort,
einer Kälte von
durchschnittlich
unverfolgt von der Hauptmacht
der Russen, nur Reiterei und Parteigänger beunruhigten seinen Marsch. Das Drama war zu Ende. Was hätte ihm Schwarzenbergs Ankunft am 1. oder 2. Dezember genützt !" Man mag, wie schon im Eingange gesagt, über Schwarzenbergs
anderweitige Feldherrnlaufbahn urteilen wie man will , so
mufs, um gerecht zu sein, gerade seine Handlungsweise in dem russischen Feldzuge als eine pflichtgetreue und in jeder Hinsicht korrekte
56
Der Zukunftskrieg" in russischer, fachmännischer Beurteilung.
betrachtet werden. Und hatte er auch keinen Radetzky wie 1813 und 1814 an seiner Seite , so war doch sein damaliger Generalstabschef Graf Latour ein höchst tapferer und kenntnisreicher Offizier, der Freimut genug besafs, um gegen eine verfehlte Maſsnahme entschiedenen Einspruch zu erheben . A. Dittrich , k. k. Landwehrhauptmann .
III . Der „ Zukunftskrieg" in russischer, fachmännischer Beurteilung . Von Generalmajor a. D. von Zepelin. Als der Abrüstungsvorschlag des Czaren in der europäischen Presse veröffentlicht wurde, war zunächst nur eine Stimme über die edlen Motive , welche den jugendlichen Herrscher hierbei geleitet hätten, wenn sich auch — von englischer Seite - die Stimmen mehrten, welche mit dem warnenden : „ Timeo Danaos et dona ferentes ! " hinter demselben einen diplomatischen Schachzug witterten. Dies ist aber augenscheinlich nicht der Fall. Es ist hier nicht der Ort, sich mit der Untersuchung dieser hochpolitischen Frage zu beschäftigen. Wir glauben unsern Lesern aber einen Dienst zu erweisen , wenn wir aufmerksam machen auf den Umstand, dafs in diesem Jahre das Werk eines russisch- polnischen Finanzmannes und Nationalökonomen J. S. v. Bloch erschien , welches unter dem Titel ,,Der Zukunfts krieg" in seinen 6 Bänden die Schrecken des Krieges mit den modernen Präzisionswaffen und Zerstörungsmitteln aller Art, mit den so mannigfachen Hilfsmitteln , welche die heutige Technik bietet, und mit der Hemmung durch die Schwierigkeiten der Verpflegung , Bewegung u. s. w. der jetzigen Massenheere in lebhaften Farben schildert. - Herr v. Bloch ist, soweit wir von kompetenter Seite verständigt sind, identisch mit dem bekannten Warschauer Bankier, dem Schwiegervater des vielgenannten polnischen Abgeordneten v. Koscielski. v. Bloch hat, wie verlautet, Gelegenheit gehabt, sich dem Czaren zu nähern und ihm seine Ideen über die Notwendigkeit der allgeIn Rufsland ist aus diesem Grunde meinen Abrüstung vorzutragen. die Ansicht verbreitet, dafs wesentlich dies Werk den Entschlufs des Kaisers Nikolaus zum Abrüstungsvorschlage zur Reife gebracht hat.
Der
Zukunftskrieg" in russischer, fachmännischer Beurteilung.
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Besonderes Interesse gewinnt daher die Aufnahme, welche es seitens mafsgebender Persönlichkeiten in der Armee gefunden hat. Nachdem schon früher General Dragomiroff den Veröffent lichungen Blochs entgegengetreten war, hat nun neuerdings kein Geringerer als der in der russischen militärwissenschaftlichen Welt sehr hochgeschätzte Generallieutenant Pusyrewskij , zur Zeit Chef des Dnewnik"
Militärbezirks Warschau , das Wort ergriffen ,
um
in dem ,,Warschawskij
in schlagender Weise
Herrn
v. Bloch zu widerlegen. Diese Entgegnung führt den Titel : ,,Der Zukunfts krieg in tendenziöser Darstellung." Sie ist so bezeichnend für die Anschauungen weiter Kreise in Russlands Offizierkorps, aber auch eine so interessante Apologie gegen die unklaren Bestrebungen der Friedensliga von der Färbung Suttner u . s. w. , dafs wir ihren Inhalt in seinen Hauptzügen mitteilen wollen. - Es heifst da u. a.: Die Veröffentlichung der kolossalen Arbeit" des Herrn v. Bloch rief in der militärischen und nichtmilitärischen Welt Erstaunen und die Fragen hervor : Weshalb fühlte der Verfasser sich veranlafst, soviel Arbeit, Zeit und Mittel zum Studium rein militärischer Fragen aufzuwenden ? Wieweit kann er Anspruch auf Autorität machen , da er doch allem Militärischen praktisch völlig fremd gegenüber steht? Auf welchen Leserkreis ist seine Arbeit berechnet? - Alle diese Fragen erschienen als eine natürliche Folge des eigen artigen Umstandes, dafs der Verfasser, obwohl er ein eminent fried liches Ziel die allgemeine Abrüstung und die Entscheidung über Streitfälle der Nationen durch ein Schiedsgericht - im Auge hat, sich dennoch nicht nur auf die gewohnten Beweisgründe, welche man für diese aussichtslose Sache vorzubringen pflegt, zu stützen , sondern sogar den Beweis zu führen sucht, dafs die Entscheidung solcher Fragen mit dem Schwerte bei den heutigen kolossalen Volks heeren, bei der technischen Vervollkommnung aller materiellen Streit mittel und bei den sozialen Verhältnissen unmöglich sei. Mit sehr grofsem Eifer und einer wirklich eingehenden Vertiefung in die Details gab der Verfasser seinem Werke einen ganz spezifisch mili tärischen Charakter, obwohl seine ursprüngliche Aufgabe eine ganz andere war.
Das auf diese Weise so schroff gestörte Gleichgewicht
in einer Arbeit, welche doch die eines nichtmilitärischen Spezialisten ist, macht manche bedenklich und zieht dem Verfasser den Vorwurf der Selbstüberschätzung und des Dilettantismus zu. - Dennoch würden wahre Freunde unseres Berufes die Versuche zur Erforschung dieser und anderer Fragen auch seitens eines nicht der Armee an gehörigen Autors mit Freuden begrülsen, vorausgesetzt, dafs derselbe seinen Gegenstand mit Gewissenhaftigkeit studierte. Könnte man
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Der „ Zukunftskrieg" in russischer, fachmännischer Beurteilung .
doch vielleicht gerade hierbei eine eigenartige Auffassung von Fragen erhoffen, welche der Militär- Spezialist oft von einem mehr oder weniger schablonenhaften Standpunkte aus zu betrachten geneigt ist. Besteht das Wesen des Genies nach der Definition der heutigeni Psychologie nur in der neuen, eigenartigen Verbindung von Erscheinungen, Begriffen und Gedanken, so leuchtet es ein, wie nutzbringend die
Beteiligung ,,frischer Kräfte" bei der gewissenhaften
Klärung militärischer Fragen sein kann. Solch Beispiel giebt es auch in der That. Es ist bekannt, wie Thiers beim Beginn seines Werkes über die Geschichte des Konsulates und 'Kaiserreiches , sehr bald die Überzeugung gewann , daſs er sich zunächst in eingehendster Weise mit den Kriegswissenschaften beschäftigen müsse. - Dadurch dafs er sich so für seine Aufgabe vorbereitete, gelang es ihm, ein Werk zu schaffen, welches so reich an taktischen und strategischen Betrachtungen ist, dafs es die besten ,,Spezialisten" nicht übergehen. Warum wiederholt Herr v. Bloch diesen Versuch nicht? Stehen ihm doch eine Reihe höchst gewichtiger Vorzüge vor vielen ,,Fachschriftstellern" zur Verfügung , wie unbeschränkte Mittel , ausreichende Mufse und die Beherrschung der Litteratur in mehreren fremden Sprachen.
Aller dieser Vorteile bediente sich der verehrte
Autor auch auf die gewissenhafteste Weise aber leider Es gelten ist seine Arbeit durch und durch tendenziös . ihm alle Mittel recht, um nur den Beweis für die Richtigkeit seiner Ansichten zu erbringen. So wird seine Arbeit in einzelnen Teilen. niedergedrückt zu einer interessanten Materialiensammlung, d. h. einem Kompendium , welchem oft ein wissenschaftlicher Wert abgeht infolge der Tendenz, welche die ganze Arbeit charakterisiert. Auch halte ich mich für verpflichtet, hinzuzufügen, dafs der Verfasser bei seiner Unkenntnis der militärischen Praxis sehr oft theoretische Lehrsätze in ihrer Bedeutung überschätzt , deren Anwendung im Leben die allergröfste Vorsicht erfordert. ' ) - Es ist z. B. rein mathematisch ja unbedingt richtig, dafs von zwei Bettlern, von welchen der eine einen Groschen, der andere nichts besitzt, ersterer unendlich viel reicher" ist als der andere, während sie in Wirklichkeit beide gleich arm sind. Im Kriegswesen, dessen hauptsächlicher, wichtigster, entscheidendster Faktor der Mensch" ist mit seiner so unendlicher Veränderung fähigen psychischen Natur, wo die Psychologie des Individuums ununterbrochen in Verbindung tritt mit der Psychologie der grofsen Masse, ist eine grofse Vorsicht 1) Wir haben in der deutschen Litteratur ebenfalls schlagende Beweise hierfür in den von jeder Sachkenntnis freien" Schriften eines Bleibtreu und Genossen. D. V.
Der Zukunftskrieg" in russischer, fachmännischer Beurteilung.
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in der Abschätzung des Wertes solcher theoretischer Grundsätze un umgänglich notwendig für die Erreichung irgend wie richtiger Schlufs folgerungen. Nach dieser
allgemeinen
Charakterisierung des Werkes
des
Herrn v. Bloch geht General Pysyrewskij auf einige der von diesem ausgesprochenen Anschauungen und der von ihm aufgestellten Grund sätze näher ein . Es soll dies sowohl zur Begründung des vom General oben Gesagten dienen, als auch zur näheren Bekanntschaft mit dem Inhalte des Werkes . Viele Seiten desselben sind der Feststellung der ballistischen Vervollkommnung der neuen Schuls waffen gewidmet. Nach den vom Autor aus der Theorie oder den Erfahrungen der Friedensschiefsplätze geschöpf ter Anschauungen wäre die
Wirkung der neuen Schufs
waffen so vernichtend , dafs die Heere , ehe sie überhaupt zum Nahkampfe kämen , Hierauf antwortet
General
so gut wie Pusyrewskij :
aufgerieben wären. „ Leider haben wir
Widerlegung dieser Behauptung des Autors diesen
zur
Zukunftskrieg "
soeben erlebt. Die Spanier und Amerikaner sind bereits mit den ganz verbesserten neuen Handfeuerwaffen be waffnet gewesen , und dennoch haben uns die Berichte nichts von einer gegenseitigen völligen Vernichtung mit geteilt ; ja im Gegenteil
waren ihre Verluste ungeachtet
der tüchtigen moralischen Eigenschaften beider kämpfen den Teile nur verhältnismäfsig unbedeutend. - Der Grund ist naheliegend : Je vollendeter die Konstruktion einer Feuerwaffe ist, um so gröfsere Geschicklichkeit und Ruhe ist zur Entfaltung ihrer ausgezeichneten Eigenschaften erforderlich. Die allergeringste un wichtige Bewegung oder ein Fehler beim Zielen läfst schon das Geschofs weit an dem Ziele vorbeifliegen . auf welches man es richtete . -Im Gegensatze hierzu nimmt Herr v. Bloch an, dafs, wenn eine Schufswaffe den
direkten Schufs ( Treff- und Zielpunkt
gleich) auf 1000 Schritt hat, die Kugel innerhalb dieses Raumes jedes Ziel trifft. Dies widerspricht aber völlig den Er fahrungen unserer Schiefsübungen. Wenn nun aber der Ver fasser darauf hinweist,
dafs schon nach den ersten Gefechten die
tüchtigstere Offiziere aufser Gefecht gesetzt werden und an ihre Stelle untüchtige der Reserve treten, auch der Ersatz der ausfallenden Mannschaften nur ein minderwertiges ist, so spricht dies auch wieder gegen seine Behauptungen von den gröfseren Verlusten durch die modernen Feuerwaffen. Denn selbstverständlich wird auch hierdurch die Feuerleitung und die Feuerwirkung unge nügender.
Was aber die Beschleunigung des Schiefsens an
60
Der
Zukunftskrieg" in russischer, fachmännischer Beurteilung.
langt, so wird, bevor die Feuerwaffen nicht noch ganz andere Verbesserungen erfahren als bisher , die psychische Kraft des Schützen auch nach dieser Richtung die natürliche Grenze für die Schufsgeschwindigkeit bilden . Es sei ferner an das schlechte Zielen, die Erwärmung des Laufes, bezw. des Geschützrohrs, endlich an die Unmöglichkeit, bei einem allgemeinen andauernden Schnellfeuer für die Ergänzung der Munition zu sorgen, erinnert, alles Umstände, welche die theoretisch möglich erscheinende Schnelligkeit des Schiefsens sehr beschränken. Es ist allerdings wohl denkbar, dafs eine Abteilung, welche sich in ungewandter Weise dem Feuer aussetzt, noch schneller aufgerieben wird als früher. Dennoch darf man nicht vergessen, dafs auch in früherer Zeit derartige Fehler keineswegs unbestraft blieben. Es ist bekannt, wie das französische Korps Augereau , als es bei Preufsisch Eylau unvorhergesehen im Schneegestöber unter das Feuer der russischen Geschütze geriet, binnen einer halben Stunde derart zusammengeschossen wurde, dafs Napo eon es neu formieren musste . Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt , dafs viele bei der geschichtlichen Vergleichung mit Bezug auf die Wirkung der Feuerwaffen den grofsen Fehler begehen , nur die Handfeuerwaffen hierbei zu berücksichtigen.
Man möge sich
erinnern, daſs die frühere, glatte Artillerie ein sehr bemerkenswertes Geschofs besafs, welches bis 750 Schritt wirkte. War die Artillerie in der Gefechtsaufstellung richtig verteilt, so war der ganze vor dieser gelegene Raum bis zu der oben gedachten Entfernung von den Kartätschkugeln überschüttet. Hieraus erklärt sich die Blutigkeit fast aller Schlachten Napoleons I. Eine der wichtigsten Seiten des Ausbildungssystems Ssuworoffs war daher die Übung seiner Truppen in dem schnellen , unaufhaltsamen Vordringen durch diesen Kartätschen- Gürtel. Wenn aber die Truppen früherer Zeiten trotz ihrer dichteren Formationen durch diesen todbringenden Raum hindurchdrangen , sollte es dann heute nicht möglich sein, durch den zwar ausgedehnteren, aber nicht mörderischeren Bereich des Kleingewehrfeuer hindurchzudringen . Es ist hierfür nur erforderlich, dehnbarere, leichtere Gefechtsformen, das Verständnis für eine sachgemäfse Geländebenutzung - beides besitzen die heutigen Armeen- und der zu allen Zeiten gleichnotwendige Entschlufs zu sterben oder zu siegen. In dieser Beziehung haben wir ein ganz neues, wunderbares
Beispiel in den
Feldzuges , wo weder die Vorrat an Patronen ,
Ereignissen
neueste
Waffe ,
des
Abessynischen
noch ein genügender
noch die moderne Artillerie imstande
war ,
Der 27Zukunftskrieg
in russischer, fachmännischer Beurteilung.
61
die sich beim Vorwärtsstürmen aufopfernden Abessynier aufzuhalten.¹ ) Es würde sich empfohlen haben, wenn Herr v. Bloch seiner Beweisführung die Erfahrungen des Abessynischen Feldzuges anstatt der sehr zweifelhaften des chilenischen zu Grunde gelegt hätte, weil die Ergebnisse des ersteren völlig im Widerspruche Tendenz des Herrn v. Bloch.
stehen mit der
Die Anschauungen des Herrn v. Bloch von der Thätigkeit der verschiedenen Waffen im Gefechte sind ebenfalls unseres Erachtens völlig unklare. Mangel an praktischen Kenntnissen und Tendenz treten in allen seinen Ausführungen mit Bezug auf diese Fragen hervor . ― So z. B. übertreibt der Verfasser in sehr hohem Grade jede technische Vervollkommnung der materiellen Kampfmittel. Es ist daher wohl erklärlich, als was für ein ganz aufserordentlicher Faktor im Kampf das rauchlose Pulver ihm erscheint, während doch den Männern der Praxis bekannt ist, wie dasselbe keine irgendwie entscheidende Veränderung in der modernen Taktik veranlafste . Der Verfasser hingegen denkt, dafs dies Pulver nicht allein die Rekognoszierungen von feindlichen Stellungen erschwere, sondern die Rolle der Kavallerie in dieser Hinsicht völlig verändere. Ebenso glaubt Herr v. Bloch, dals auf eine Mitwirkung der Artillerie in den heutigen Gefechten kaum mehr zu rechnen
se
weil Zahl und Leistungsfähigkeit der Geschütze aller Armeen einander ebenbürtig seien. Dies war aber doch zur Zeit Napoleons I ebenfalls der Fall. Der Verfasser geht in seinen theoretischen Urteilen sogar soweit, zu behaupten,
es sei geradezu sinnlos ,
einen Krieg zu be-
ginnen , 99 da doch sogar die Grundsätze für die Führung des Angriffes streitig wären . " Das heifst etwa soviel , als wollte man sagen, die Regierung dürfe keine Mafsregeln zur Hebung der Volkswirtschaft ergreifen, weil heute die verschiedensten wissenschaftlichen herrschen.
Anschauungen
über
volkswissenschaftliche
Fragen
Man denke nur an die Zeit nach dem Jahre 1866 mit ihren so heterogenen Ansichten über Taktik und Strategie. Und als nach 4 Jahren der grofse Krieg begann, da hörten alle theoretischen Streitigkeiten auf, und der Feldzug wurde in vielen Beziehungen mustergültig geführt. -Sehr übertrieben sind Blochs Schilderungen 1 ) Es scheint uns notwendig, hierbei zu bemerken, wie doch eine Reihe ganz eigenartiger Momente die Italiener benachteiligt urd verhindert haben, die modernen Feuerwaffen auszunutzen, wie Überraschung, Gelände, grofse numerische Überlegenheit u. s. w. Der neueste englisch-ägyptische Feldzug bot andere Erscheinungen.
62
Der Zukunftskrieg" in russischer, fachmännischer Beurteilung .
von der
Unmöglichkeit,
die mehrfachen Millionen-Armeen,
welche
nach Ansicht des Herrn Bloch Frontausdehnungen von 80-100 km einnehmen würden , zu lenken . Er vergifst ganz , dafs nur ein Teil der sämtlichen Wehrpflichtigen eines Staates in die Feldarmee eingereiht werden , dafs diese in mehrere Armeen gegliedert wird , dafs endlich im Falle der praktisch unmöglichen Versammlung der gesamten
Streitkräfte
eines Staates
auf einem Raum mit der ge-
dachten Frontausdehnung, der Gegner sich nur mit seiner ganzen Kraft auf einen Flügel dieser Aufstellung zu werfen braucht, um denselben zu schlagen, ehe die mehrere Tagemärsche Truppen des andern Flügels heraneilen. "
entfernten
Interessant ist die Widerlegung, welche General Pusyrewskij dem Einwande Blochs zu teil werden läfst, dafs heute auch der moralische Gehalt der Armeen schlechter werde, da sich „ antimilitärische Ideen und Abneigung gegen das Kriegswesen" immer mehr und mehr verbreiten". Er sagt u. a. „ Der Verfasser glaubt anscheinend , dafs die Völker früher den Krieg liebten. Dennoch kennt man in der Geschichte nur wenige Volkskriege, welche Klassen der Gesellschaft bewegten.
dann allerdings auch alle
Vom Beginn des
Mittelalters
sind nur wenige Kriege geführt worden , welche in der That mit der Entwickelung wahrer nationaler Interessen verknüpft waren. Solche Kriege machen dann meist einen tiefen Eindruck auf das Volk und hinterlassen für alle Zeiten eine Spur in seinen Vorstellungen und seinen poetischen Überlieferungen.
Dennoch aber war die arbeitende
Klasse zu allen Zeiten gegen den Krieg. Vor den Zeiten des alten Griechenlands , von Isokrates bis zu Friedrich dem Grofsen stiefs die Anwerbung von Söldnern auf Schwierigkeiten , und kaum eine Werbung fand ohne Anwendung roher und gesetzlich unerlaubter Mittel
statt.
In jedem Lande gab es aller-
dings eine gewisse Anzahl von Abenteurern, Landstreichern, Leuten , welche den Krieg zu ihrem Erwerb gemacht hatten, welche mit ihrem Blute Handel trieben und sich für den Kriegsfall vermieteten . Wollte man aber die bewaffnete Macht bedeutend vermehren, dann stiefs man auf die gröfsten Hemmnisse,
da man meist keine
Leute fand, welche freiwillig in die Reihen des Heeres treten wollten. In Zeiten roher Barbarei sogar , wie z. B. in dem Zeitalter Karls des Grofsen , griff die friedliche , arbeitende Bevölkerung nur mit dem gröfsten Widerwillen zum Schwerte . Es ist ja bekannt, mit welchen harten Mitteln dieser mächtige Herrscher das Volk zur Heeresfolge zwingen mufste. Wurde doch ein jeder, welcher sich dem Heerbanne entzog,
mit dem Tode be-
Der Zukunftskrieg" in russischer, fachmännischer Beurteilung. straft.
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Wohl stritten im Mittelalter die Vasallen unter einander, in-
dem sie sich gegenseitig in Raubzügen befehdeten. Doch wie viel Schwierigkeit machte es, wenn sie dem Rufe ihrer Lehnsherren folgen sollten? So war es überall, bei den Franzosen, bei den Deutschen , im alten Polen und in Rufsland . Im Gegensatze hierzu ist
es wohl noch in aller Er-
innerung , wie bei der Mobilmachung im Jahre 1870 eine grofse Zahl , ja die Mehrzahl der Wehrpflichtigen ohne ihre Einberufung abzuwarten , zu den Fahnen eilten , weil sie die nationale Bedeutung des Krieges empfanden. Nicht jeder Krieg, von dem die Zeitungen als von einem nationalen ein grofses Geschrei machen, trägt in der That einen solchen Charakter, Hiervon zeugt der letztvergangene türkisch-griechische Krieg. Trotz der patriotischen Ergüsse in der Presse verhielt sich die ländliche Bevölkerung so kühl, dafs 35 % der Einberufenen nicht dem Befehle Folge leisteten. Herr v. Bloch behauptet ferner, dafs zu den früher erwähnten Gründen der Verschlechterung
der heutigen Armeen nach der Umdafs die verhältnismäfsig ungünstige materielle Lage des Offizierkorps und die Schwierigkeit sich bei dem Charakter des stand komme,
heutigen Massenkampfes auszuzeichnen, wenig Anziehungskraft für junge Leute zur Ergreifung der Offizier- Laufbahn böte. -- Von den Gründen, welche General Pusyrewskij dem Verfasser entgegensetzt , sei hier nur die Behauptung erwähnt, dafs es unwahr sei , wie die heutige Fechtweise dem jüngeren Offizier nicht oder nur sehr ausnahmsweise Gelegenheit zur persönlichen Auszeichnung gewähre. Pusyrewskij sagt mit Bezug hierauf: „ Heute, wo nicht nur die in erster Linie fechtenden Truppenkörper , sondern auch die Reserven in kleine Abteilungen zerlegt fechten , bieten
sich für den jungen Offizier unendlich mehr Gelegenheiten , sich auszuzeichnen als früher, wo man in grofsen Massen focht. Wie
selten hatte der ausgezeichnete Offizier der Fridericianischen Armeen Gelegenheit hierzu , wenn die Armee als kolossales Viereck im langsamen Tempo auf den Feind zu marschierte, ab und zu denselben mit Salven überschüttete und sich dann auf kurzer Entfernung von ihm mit dem Bajonett auf den Gegner warf. Heute ist nur davon die Rede auch Herr v. Bloch betont dies selbst wie man die Selbständigkeit der unteren Führer entwickeln müsse, da die höheren Führer ihre Truppen nicht persönlich leiten, sondern einen Einflufs auf den Gang des Gefechtes der vorderen Linien wesentlich nur durch Einsetzen der Reserven gewinnen können. Dies alles bietet dem jungen Offizier früher nie geahnte Gelegen-
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Der „ Zukunftskrieg" in russischer, fachmännischer Beurteilung.
heiten zur Auszeichnung.
Als Beweis hierfür diene, daſs ich bei der
Schilderung des Gefechtes von Gorny Dubnjak in meinem Buche 99 Vor zehn Jahren" in der Lage war, auf Grund der authentischen Berichte, einige
Dutzend
Offiziere
namentlich anzuführen ,
welche Gelegenheit zu hervorragender Auszeichnung gehabt hatten. Das war etwa dieselbe Zahl , welche ich in meiner anderen Arbeit : „ Der polnisch - russische Feldzug des Jahres 1831 " nennen konnte, obwohl dies Werk nicht nur ein einziges Gefecht, sondern einen ganzen Feldzug umfafste.
Der Grund lag
einzig und allein
in dem Umstand, dafs man 1831 noch in den ungelenken Massen der Zeiten des ersten Napoleons focht." Sehr scharf wendet sich ferner Pusyrewskij gegen den aus dem Munde eines so philosophisch geschulten Mannes, wie es Herr v. Bloch zu sein scheint, allerdings sehr überraschenden Satz, dafs „ die militärischen Spezialisten in den Traditionen der Kriegsgeschichte , d. h. in den Traditionen früherer Kriege erzogen werden und daher diese unwillkürlich auch in einem Kriege der Zukunft zur Anwendung bringen dürften . “ Pusyrewskij legt eingehend das Unrichtige dieser Anschauung klar , und erinnert daran, wie nach der Ansicht des grölsesten militärischen Genies , Napoleons I. , die Kriegsgeschichte
für den Soldaten gerade die Hauptlehrerin für den wichtigsten Teil seiner Kunst sein müsse. Ebenso ablehnend verhält sich General Pusyrewskij der Ansicht des Herrn v. Bloch gegenüber, dafs die Kriegführung in Zukunft nicht nur durch die alles zerstörende Wirkung der Waffen, sondern auch durch die Unmöglichkeit , solche grofsen Massen heere zu verpflegen , unmöglich werden würde . Er weist hier darauf hin, wie die heutigen Verbindungen, die Eisenbahnen, artigem Mafsstabe
die in grofs-
verbesserten, den Armeen unmittelbar folgenden
Transportmittel ( Trainfahrzeuge u. s. w. ) , die transportablen Feldbahnen, das erleichterte und verbesserte Brückenmaterial und die verschiedenen Übergangsmittel über Gewässer ;
endlich die Kriegs-
verpflegungsmittel wie Konserven aller Art, der so vorgeschrittene Zustand der Landwirtschaft u. s. w. die Verpflegung grofser Heere wie
unendlich erleichtern . die
russische ,
nur
Er führt zum 130000
Mann
Beweis
hierfür
an,
starke
Armee
im
Jahre 1831 empfindlichen Mangel litt und der Mangel an Zufuhr von Verpflegung ihre Operationen hemmte , während 1870-71 die eine Million starke deutsche Armee keine solche Entbehrungen kennen lernte . Herr v. Bloch beschränkt sich aber nicht nur darauf, die Un-
Der Zukunftskrieg" in russischer, fachmännischer Beurteilung.
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möglichkeit, die Nutzlosigkeit und die aufserordentliche Gefährlichkeit des Krieges in der Zukunft mit lebhaftesten Farben zu schildern, sondern versucht auch seine Entbehrlichkeit zu beweisen. Als Grund für letzteres führt er an, dafs es heute so grofse Interessen nicht mehr gäbe , welche dazu veranlassen könnten, zu einem so verzweifelten Schritte, wie es heutzutage der Krieg sei, seine Zuflucht zu nehmen, anstatt die Entscheidung einem internationalen Schiedsgericht zu überlassen . Hierzu bemerkt General Pusyrewskij : Die Leichtigkeit, mit welcher Herr v. Bloch mit allen den Fragen fertig wird, welche früher und noch heute den Hauptinhalt alles politischen Lebens der Nationen seit Jahrhunderten ausmachen , ist erstaunenswert. Die orientalische Frage hätte nach der Ansicht dieses Herrn heute nach ihm so sehr ihre Bedeutung verloren, dafs man sie endgültig Eine mit Hilfe eines beliebigen Übereinkommens lösen könne . polnische Frage bestehe überhaupt nicht . Auch für die Franzosen Sieht man auch sei die elsafs - lothringische Frage erledigt. von diesen schmerzenden Fragen ab,
so darf man doch nicht ver-
gessen, dafs das Leben vorwärts schreitet, neue politische Verhältnisse und neue internationale Interessen schafft. Gelänge es auch in der That, die zur Zeit bestehenden politischen Verwickelungen auf friedlichem Wege aus der Welt zu schaffen , wer sollte imstande sein, auch für die Zukunft Bürge zu leisten ? Wir sehen ferner, wie sich nur ein verhältnismäfsig geringer Teil der Bevölkerung unserer Erde im Kreise der Ideen und BeAufsergriffe der europäischen Civilisation und Kultur bewegt. halb desselben tummeln sich aber Völker der verschiedensten Rassen , des verschiedensten Kulturzustandes, von den Wilden beginnend bis hinauf zu den grofsen Nationen Asiens mit ihrer grofsartigen Vergangenheit, ihrer originalen Civilisation und ihrer geheimnisvollen Zukunft. Wer bürgt dafür, dafs mit ihrem Erscheinen auf dem politischen Schauplatz solche internationalen Fragen aufgeworfen werden, im Vergleiche zu denen die heutige orientalische in der That ohne Bedeutung erscheint. Verstehen doch einige Geschichtsforscher unter der 99 orientalischen Frage" den " Kampf Asiens mit Europa. " Herr v. Bloch aber zerstört sein mit mühsamen Beweisgründen errichtetes Gebäude der internationalen Friedensliga selbst ,
indem
er sich bereit erklärt ,
mit einer Ab-
rüstung bis zu dem Standpunkte vor dem Jahre 1866 zufrieden sein zu wollen. Es leuchtet ein, dafs für eine solche Forderung die ganze Beweisführung des Verfassers mindestens 5 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 1 .
66
Der ,,Zukunftskrieg" in russischer, fachmännischer Beurteilung.
nutzlos war und nur den Mangel an Glauben desselben verrät, welches er zu beweisen sich bemühte.
an das
Unter den von ihm vorgeschlagenen Mittel für die Unterstützung der Autorität der Richtersprüche seiner
inter-
nationalen Tribunale schlägt er u. a. vor, der Presse jede Kritik der zu Recht gewordenen Schiedsrichtersprüche zu untersagen . General Pusyrewskij fügt hier hinzu : „ Glaubt der so hoch gebildete Verfasser, der Sohn des XIX . Jahrhunderts, an die Wirksamkeit solcher Mittel in den Fragen,
welche
die grofsen nationalen
Interessen mächtig bewegen? Giebt es denn aber neben der Presse nicht noch eine öffentliche Meinung? Wird der Krieg stets fortdauern oder wird man ihn aus der Welt schaffen können? Wird einmal die Zeit kommen, da die grofsen internationalen Interessen nicht durch
nicht durch die
Kanonen und Bajonette,
Energie der Nationen,
sondern durch internationale
Redeturniere und die Winkelzüge der Dialektik entschieden werden? Alle solche Fragen gehören in
das Gebiet einer abstrakten
Philosophie ; betrachtet man aber die Menschheit, wie sie heute thatsächlich ist, dann trifft man überall auf die Erscheinungen eines erbitterten Ringens. Man findet, dafs die Völker noch immer die Kraft besitzen , ideelle Interessen über die materiellen zu stellen , und für Erreichung derselben nicht nur ihr Hab und Gut zu opfern , sondern auch alle Mittel für den Krieg zu entwickeln und selbst vor der Aufopferung des Lebens nicht zurückzuschrecken . Da ist es doch wohl unvermeidlich , dafs man zu dem für die einen beklagenswerten ,
für die
andern naturgemäfs - selbstver-
ständlichen Schlusse gelangt , dafs noch viele Jahrhunderte hindurch die grofsen internationalen Fragen nur durch einen Kampf auf Leben und Tod , Hand, gelöst werden dürfen ! "
Wenn wir
mit der Waffe in der
unsern Lesern in Vorstehendem ein Bild der auch
in Russland mit einander ringenden Weltanschauungen mit Bezug auf die Entscheidung über die Geschicke der Völker gaben, so thaten wir es im Hinblick auf die in diesem Jahre gerade auf die Anregung des russischen Kaisers herrschenden diplomatischen Verhandlungen und die sich gewifs in der Presse an dieselben knüpfenden lebhaften Debatten . Wir sind sicher, den wunderbarsten Angriffen
Das Heerwesen Argentiniens . auf die Berechtigung des
Krieges
67
begegnen zu müssen.
Wenn
auch gestützt auf die klassische Apologie eines Moltke , wollen wir doch nicht die Unterstützung eines geistig und soldatisch so bedeutenden Generals verschmähen, wie es Pusyrewskij unstreitig ist. - In diesem Sinne gaben wir dem russischen Autor das Wort.
IV .
Das Heerwesen Argentiniens.
Die Ufer bespült von den Wellen des Atlantischen Ozeans , im Westen begrenzt durch die hohen Gebirgszüge ,
welche die Wasser-
scheide zwischen jenem und dem grofsen Ozean bilden während im Osten der mächtige Parana zum Meere strömt dehnt sich in Süd-Amerika die Argentinische Republik über weite Strecken
aus
nach ihrer Gröſse und Bedeutung die zweite dieses Kontinents. Nicht leicht gewinnt der an engere Verhältnisse gewöhnte MittelEuropäer einen Begriff von der Eigenart des Landes, dessen Flagge die gelbe Sonne in blau-weifs-blauen Streifen zeigt . Müfste man doch schon Deutschland , Österreich- Ungarn , Frankreich , Spanien , km Italien und Holland zusammenfügen, um die Zahl von 2885 620 annähernd zu erreichen, welche die Argentina bilden ! Ganz anders stellt sich allerdings das Bild dar, wenn man nach der Zahl der Bewohner fragt --- welche doch erst einem Land seine Bedeutung für das Allgemeine geben denn alsdann stehen 225 119 563 Einwohnern deren nur 4 095 000 gegentiber und während in Europa bei den oben genannten Staaten 92 Einwohner auf den km entfallen (ohne Spanien zu rechnen selbst 102 ) sinkt diese Zahl in der Republik auf 1,4. Durch ein solches Mifsverhältnis werden Zustände geschaffen, welche den uns gewohnten
auch in militärischer Hinsicht
durchaus fremdartig gegenüberstehen ! Denn, während einerseits sich die Unmöglichkeit ergiebt, im Kriegsfalle den Einmarsch oder die Landung feindlicher Kräfte zu hindern, sind diese ausgedehnten eine durch die Thatsache ihres Vorhandenseins allein Strecken so mächtige Verteidigung, haben.
wie wir das 1812 in Rufsland gesehen
5*
68
Das Heerwesen Argentiniens .
Es ist jedoch deutlich bemerkbar und sowohl durch die Kulturerrungenschaften als die verwickelte politische Lage wohl begründet, dafs man sich in Argentinien auf die natürliche Verteidigungsfähigkeit allein nicht mehr verlassen mag, sondern höheren Wert auf die lebenden Streitkräfte zu legen sich entschlossen hat, da man nicht deren Blüte in so in der Entwickelung von Handel und Industrie hohem Maſse vom politischen Ansehen beeinfluſst wird zurückbleiben mag . Es ist das leicht aus der Zahl der unter den Waffen Stehenden in folgenden Jahren zu ersehen : 1865 : 6354 Mann , 1885 : 9603 Mann , 1895 : 10 839 Mann, 1896 : 12 113 Mann . Der gezahlte Gehalt und Sold stieg von 1 155 299 Gold Pes., 2 517 665 Gold Pes. 1896 .
1865 auf
Es würde noch manches geschehen und es müfste noch manches geschehen, wenn nur die finanzielle Lage besser wäre . Fordert doch das Vorhandensein einer verzinslichen Staatsschuld von ca. 1700 Mill. Mark in ihrer Gewichtigkeit allein schon zur ernstesten Beachtung in einem Lande auf, dessen natürliche Produktion eine allerdings selten reiche, dessen Bevölkerungszahl aber eine verhältnismäfsig so geringe ist. Es liegt nicht in der Absicht, in folgendem eine Schilderung der Verteidigungsfähigkeit Argentiniens zu geben, immerhin mag jedoch darauf hingewiesen werden, dafs die Regierung das Mögliche thut, um sie zu erhöhen.
Wie in den meisten Fällen die Hauptstadt
die Centrale der
Behörden, der Mittelpunkt nationaler Bestrebungen und finanzieller Kraft als ein wünschenswertes Kriegsziel erscheinen wird , so ist das in Argentinien in besonderem Mafse der Fall.
Giebt
es doch
aufser Buenos Ayres mit einer Kommune von 725 554 Einwohnern nur noch eine Stadt mit deren 94 025 (Rosario), dann kommt bereits Cordoba mit 47 609 ; im ganzen sind nur 17 Städte über 10 000 Einwohner vorhanden. Zieht man dabei in Betracht, dafs die Hauptstadt von den Landesgrenzen - aufser von derjenigen gegen Uruguay - über 1100 km (Berlin- Rom) entfernt ist, so bleibt nur die Gefahr einer direkten Bedrohung derselben durch eine feindliche Flotte. Diese Gefahr ist im Augenblick eine kriegerische Verwickelung vorausgesetzt -- nicht von der Hand zu weisen. Seit längerer Zeit wird daher die Notwendigkeit empfunden, einen befestigten Hafen anzulegen, der bis heute gänzlich fehlte und mit ihm ein Zufluchtsort und Stützpunkt für die Flotte. Eine geeignete von der Natur vorgesehene Stelle für einen solchen ist kaum zu finden, denn der Rio de la Plata mit seiner busenartigen Mündung ein gegen den Ozean hin geöffneter gewaltiger Trichter von 300 km Breite und
Das Heerwesen Argentiniens . Länge —
ist an seinem rechten Ufer flach.
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Ein Hafen müsste daher
künstlich durch den Einbau grofser Dämme , zu überhöhender Forts etc. Feindliche Schiffe werden augenblicklich an geschaffen werden. einem Aufwärtsgehen nur durch zahlreiche Sandbänke gehindert und die Wegnahme der Zeichen würde dies noch sehr erschweren. Die Republik hat sich durch Verkauf ihrer besten Kriegsschiffe an die Vereinigten Staaten von Nord -Amerika sehr geschwächt, was um so auffallender ist, als in den letzten Jahren grofse Anstrengungen deren Schilderung ich nun bezur Verbesserung der Landarmee ginne — gemacht worden sind. Das Gesetz vom 23. November 1895 bestimmt, dafs die Armee aus: dem stehenden Heer und der Nationalgarde zu bilden sei. a) Das stehende Heer. Es setzt sich zusammen 1. aus den aktiven und Reserve - Offizieren,
aus den Freiwilligen,
auf Prämien Engagierten und wenn
diese nicht genügen, aus Angehörigen des Rekruten-Kontingents, welche nach dem Loos bestimmt 4 Jahre aktiv dienen müssen , aber einen Stellvertreter stellen können. 2. Aus allen Argentiniern, welche im letzten Jahre 20 Jahre alt wurden und zum aktiven Dienst während 12 Monaten verpflichtet sind, zu dem sie aber im Frieden im allgemeinen nur 60 Tage herangezogen werden . Nichterscheinen zu dieser Einstellung wird mit 2jährigem Dienen im stehenden Heere bestraft. Das stehende Heer ist (nach dem Budget für 1898) stark : 190 Generäle und Stabsoffiziere, 1150 Offiziere , 33 000 Unteroffiziere und Soldaten, eingeschlossen das 60 Tage dienen ).
Kontingent der
20jährigen (welche
An Linien-Truppenteilen sind vorhanden : 1. 12 Regimenter Infanterie à 1 Bataillon, und den Stab.
à 4 Kompagnien
2. 2 Bataillone Jäger der Anden à 4 Kompagnien. 3. 11 Regimenter Kavallerie à 4 Eskadrons. 4. 6 Feld - Artillerie - Regimenter à 6 Batterien. 5. 3 Gebirgs-Artillerie-Regimenter à 6 Batterien. 6. 1 Bataillon Sappeure und Mineure. 7. 2 Eisenbahn-Kompagnien, 2 Sektionen Pontoniere, tionen Telegraphisten .
2 Sek-
Im Jahre 1864 war die aktive Armee festgesetzt worden , 6 Bataillonen
Infanterie
à 400 Köpfe,
8 Regimentern
mit :
Kavallerie
à 400 Köpfe, 1 Regiment Artillerie à 400 Köpfe, so dafs gegen damals eine grofse Steigerung zu konstatieren ist ; auch in Süd-Amerika verschlingt eben der sog. Moloch des Militarismus , wie man sieht,
Das Heerwesen Argentiniens.
70
viel Kraft und Geld und republikanischer als dort kann es doch wohl nicht zugehen. Man sollte daraus eine Lehre für Deutschland ziehen seitens derjenigen, welche nicht belehrt sein wollen . b) Die Nationalgarde . Zu ihr gehören die körperlich Brauchbaren zwischen dem 18. und 45. Lebensjahr, so weit sie nicht im stehenden Heer dienen. Es
wird
unterschieden
zwischen
der
aktiven Nationalgarde,
Lebensalter von 18-30 Jahren, Reserve der Nationalgarde, Lebensalter von 30-35 Jahren, territorialen Nationalgarde, Lebensalter von 36-45 Jahren. In allerletzter Zeit hat man durch Trennen der verheirateten und unverheirateten Nationalgardisten noch einen Zusatz gemacht. Nach diesem gehören zur Reserve derselben die verheirateten Mannschaften von 18-30 und zur territorialen dieselben nur von 30-40
*
Jahren. In den staatlichen Listen werden 485 000 Nationalgardisten geführt. Augenblicklich erreichen das Alter von 20 Jahren jährlich 28 000 Mann. Doch wächst diese Zahl naturgemäfs in einem Lande, dessen Bevölkerung sich in den letzten 25 Jahren verdoppelte. Für den Jahrgang der Zwanzigjährigen ist eine Organisation bereits im Frieden vorgesehen und zwar von 4 Armee-Korps zu je 2-3 Divisionen , diese zu je 2-3 Brigaden à 2-3 Regimenter. Das 1. Korps setzt sich zusammen aus Mannschaften der Stadt Buenos Ayres und der Provinz gleichen Namens. Das 2. Korps wird gebildet von Bewohnern der Provinzen Santa Fé, Entre Rios und Corrientes. Cordoba , Santiago, San Louis , Mendoza und San Juan ergänzen das 3. Korps ,
während das
4.
Catamana, La Rioja, Tucuman,
gebildet
wird
aus den Provinzen
Salta und Jujùz .
Im allgemeinen
formiert jede Provinz eine Division, wobei evt. gegenseitiger Austausch der Mannschaft stattfindet. Im Jahre 1897
wurde
vom
15. April ab der Jahrgang der
Zwanzigjährigen auf 60 Tage zusammengezogen und in taktische Einheiten formiert mit : 32 Batterien, 44 Bataillonen und 42 Eskadrons. Die Kommune der Hauptstadt (725 554 Einwohner) hatte hierbei zu stellen : 3 Batterien, 7 Bataillone, 1 Eskadron, die Provinz Buenos Ayres : 3 Batterien, 9 Bataillone, 8 Eskadrons ; Corrientes : 1 Bataillon, 12 Eskadrons, Mendoza : 4 Berg- Batterien, 1 Bataillon , 1 Eskadron etc. etc. Die neu gebildeten Formationen wurden möglichst den LinienTruppenteilen angeschlossen ,
alles übrig bleibende in selbständige
1
Das Heerwesen Argentiniens . Einheiten formiert.
71
Die Provinz-Hauptstädte dienten im allgemeinen
als Sammelpunkt, von wo die formierten Truppenteile in Übungslager abrückten, die Linien-Formationen waren entsprechend in Marsch gesetzt. Um zugleich als Mobilmachungs- Vorbereitung zu dienen, wurden Divisionen und Brigaden etc. zusammengestellt, welche die Namen der Provinzen führen, während aufserdem Zahlen und Buchstaben zur Unterscheidung mit herangezogen werden,
z. B. Infanterie-Regiment
von Cordoba Nr. 1 , Bataillon C, mobilisiert, oder Kavallerie- Regiment von Corrientes Nr. 3, Eskadron A, mobilisiert. Die höheren Stäbe (2 Divisionen und 8 selbständige Brigaden ) waren gebildet und die nötigen Offiziere zugeteilt. Für besondere. Ausgaben, Bureaukosten, Frankatur etc., waren dem Divisions- Kommandeur 3000, dem Brigade-Kommandeur 2000 pesos zur Verfügung gestellt. Nach offiziellen Quellen verlief diese Übung durchaus regelmässig und dem Programm entsprechend, andere Stimmen sind weniger anerkennend laut geworden. Zum Zweck der Aufstellung der militärischen Kräfte, der Aushebung, Kontrolle etc. ist das Land,
das sich bekanntlich aus 14
Provinzen mit eigener Verfassung , dem Bundesdistrikt Buenos Ayres und 9 Territorien zusammensetzt, in 6 Militär-Distrikte eingeteilt. Jeder dieser ist durch einen regionalen Stab verwaltet, welcher seine Anweisungen direkt vom Ober-Kommando erhält. Es mag hier gleich angeführt werden, dafs in der betreffenden Stabs- Garnison sich auch die Militär-Akademie für die Nationalgarde befindet, welche von allen Regimentern für Offizierstellen in dieser besucht werden muſs .
Der
Unterricht dauert vom Januar bis zum Mai jeden Jahres und ist sowohl theoretisch wie praktisch,
am Schlusse des Kursus findet ein
Examen statt, dessen Bedingungen vom Ober - Kommando festgesetzt werden. Es findet sich somit in jener Republik eine Einrichtung zur Ausbildung von Reserve - Offizieren,
die in Deutschland von mancher
Seite, bis jetzt erfolglos , erstrebt wird und die mir wohl geeignet erscheint, Nachahmung zu finden in einer Armee, welche gezwungen ist, wie die deutsche, einen grofsen Teil der unteren Führerstellen im Mobilmachungsfalle mit Nicht-Berufsoffizieren zu besetzen. Aufser der auf 60-90 Tage eingezogenen Nationalgarde finden auch für andere Teile derselben, so weit sie zur aktiven gehören, jährlich Übungen statt. Diese werden Sonntags und an allen Festtagen vorgenommen . Die Zeitdauer beträgt 3 Monate, und wird für die einzelnen Provinzen verschieden gewählt. Die Gouverneure der letzteren ernennen einen Chef der Milizen, welcher für die Beobachtung aller getroffenen Anordnungen zu sorgen hat.
Das Heerwesen Argentiniens .
72
Wer bei einer Übung ohne Grund fehlt, wird zum Nachdienen von 3-8 Tagen nach der nächsten Garnison beordert.
In gleicher
Weise werden auch Disziplinarfehler geahndet. Die Bestimmung der Strafen ist, nach unseren Begriffen in Deutschland, meist sehr streng, für die Verhältnisse Argentiniens aber voll berechtigt und erst am 23. November 1895 neu redigiert und eingeführt. In demselben Jahre ist das Ober-Kommando des argentinischen Heeres, europäischem Vorbild entsprechend, reorganisiert worden. Die Verwaltung erfolgt durch den Kriegsminister, das Ober-Kommando wird durch einen höheren Offizier ausgeübt, welcher als Beirat des Kriegsministers anzusehen ist : „ in allen Punkten, welche direkt oder indirekt mit der Disziplin, Instruktion und dem Personal des Heeres zusammenhängen und das Kriegsmaterial angehen. " Das Ober-Kommando
führt
Befehls-Funktionen nach
eigener
Machtvollkommenheit aus, hat die Verfügungen des Kriegsministeriums weiter zu geben und ist verpflichtet, dieses selbst über das Heer auf dem laufenden zu erhalten. Unter einem besonderen Chef stehend, zerfällt das Ober- Kommando (dem ein Sekretariat, 8 Offiziere und eine Zahlungsstelle zugeteilt ist) in 3 Abteilungen. Die technische leitet das Eisenbahnund Wege-Wesen ,
dirigiert die Transporte,
bearbeitet die Konzen-
tration und Mobilmachung der Truppen . Hier wird die Karte der Republik angefertigt . Unter ihr steht die Verwaltung der Telegraphen, militärischen Arbeiten etc. etc. 25 Offiziere gehören ihr an . Die 2. Abteilung - Instruktion mit 15 Offizieren, verwaltet das Archiv des Generalstabs und die Heeres-Bibliothek,
beschäftigt sich
mit dem Studium der europäischen Armeen, verfafst die militärischen mit 11 Instruktionen etc. etc. Die 3. Abteilung - Inspektion Offizieren, führt die Rang- und Bestands- Liste und hält Besichtigungen im weitesten Umfang, speziell auch in Hinsicht des Materials, ab. Sämtliche aktive Offiziere bis zum Oberst einschliefslich, müssen mindestens alle 2 Jahre vom Chef des Generalstabs oder dessen Abgesandten in Hinsicht auf ihre Gesundheit und militärische Beanlagung inspiziert werden. Das Resultat ist in den Personalpapieren zu notieren . In dem oben erwähnten Sekretariat konzentriert sich das Kommando, von hier werden die Befehle bekannt gegeben und das ,,Offizielle Bulletin des Heeres" wird von ihm verfasst. Es darf nicht unterlassen werden, auch einer Behörde Erwähnung zu thun, welche für die militärischen Verhältnisse Argentiniens und ihre sachgemäfse Weiterentwickelung von Bedeutung ist : der oberste Kriegsrat (Junta Superior de Guerra) .
Durch Dekret vom 14. Ja-
L
Das Heerwesen Argentiniens. nuar 1892 erschaffen,
73
ist er dem Kriegsministerium als beratende
Behörde in den Angelegenheiten beigegeben, welche die Organisation des Heeres angehen. Beauftragt, alle Verbesserungen zu studieren , die in den Reglements und Bestimmungen anzubringen sind, ist ihm auch die Aufgabe gestellt, sich eingehend mit der Landes- Verteidigung zu befassen. Vielfache, leicht erklärliche Differenzen , mit dem OberKommando und die Schwierigkeit der Abgrenzung der Funktionen. werden, trotzdem die Vortrefflichkeit dieser Einrichtung anerkannt wird ? zu einer Veränderung in der Organisation führen müssen . Dem Gebrauch des argentinischen Heeres entsprechend, wird im Januar jeden Jahres eine Liste der Generale, des Generalstabs und der einzelnen Truppenteile veröffentlicht, und zwar im Registro National de la Republica . Der Generalstab General )
nebst
dem
besteht danach aus einem Chef ( Brigade-
Sekretariat
und der
Adjutantur ( 4) ,
einem
Quartiermeister (Oberstlieutenant) , dem Intendanten etc. Es gehören ihm an : 7 Oberstlieutenants, 10 Majore, 1 Kapitän ; die Schreiber (9) und Ordonnanzen ( 8) sind ebenfalls mit Namen aufgeführt. Zugeteilt ist die Hauptkasse unter einem Oberst und 13 Offizieren ( Zahlmeister ).
An Civilpersonen gehöreu dem General-
stab 11 Personen (Ingenieure, Kartographen, Zeichner) an. Zugeteilt ist ihm ferner der Brieftauben-Dienst (mit einem Verwalter und 7 Aufsehern ) . Von Brieftauben wird, veranlafst durch die weite Ausdehnung des Landes, viel Gebrauch gemacht, wenn auch in den letzten Jahren immer mehr Garnisonen, Lager und Grenz- Forts mit der Hauptstadt telegraphisch verbunden wurden und die Länge der Drähte ( 95 104 km ) an sich nicht unbedeutend Brasilien hat z. B. nur 35 235 km
genannt werden mufs .
Im Grenzkriege, speziell gegen Indianer, wird der Telegraph leicht zerstört, während die Taube nicht versagt. Auch sind die Verhältnisse des ausgedehnten Landes durchaus keine, im europäischen Sinne , stabilen. So meldete im Januar 1896 der Chef der Militär-Linie vom Rio Negro (woselbst im Dezember 1895 eine Division aufgestellt wurde ), dafs die Insel Choele - Choel ohne weiteres von bürgerlichen Parteigängern besetzt worden sei . Es wurde ihm der Befehl, dieselben zu entfernen, da die Insel zum Weidegang für Dienstpferde bestimmt sei . So viel mir bekannt, war die Verbindung dieser Division damals nur durch die Brieftaube ermöglicht. Im Frieden ist zur Übung für diese Tiere ein permanenter Dienst zwischen der Hauptstadt, dem Lager in Sa. Catalina und Bahia Blanca eingerichtet. Es ist in den meisten südamerikanischen Staaten Gebrauch, dem Kongreſs , bei dessen Zusammentritt, ein Memoria der verschiedenen
Das Heerwesen Argentiniens .
74
Behörden und damit auch seitens des Kriegsministeriums zu überreichen.
Es
sind
dies
weniger rechnungsmässige Darlegungen als
Berichte über den Stand der Ausbildung der Truppen, für Neuorganisationen etc.
Vorschläge
Dasjenige der Republik Argentiniens , welches sich übrigens in weniger grofsen Worten bewegt, als dies sonst meist der Fall ist, sagt über die Infanterie : ,,Die taktische Basis jedes gut organisierten Heeres ist die Infanterie, sowohl durch ihre Zahl, als die Rolle , welche sie im Kriege spielt. Aus diesem Grunde ist sie immer die gepflegteste Waffe des argentinischen Heeres gewesen, wenn sie auch in ihm nicht in der verhältnismässigen Stärke vertreten ist, welche man ihr in den europäischen Heeren zuweist.
Die 12 Infanterie- Bataillone, welche wir
besitzen, bilden den Stamm für ebenso viele Regimenter, die Organisation ist ausgezeichnet und die Disziplin vortrefflich" . Diese Angaben treffen allerdings in Wirklichkeit nicht alle zu , der Reiter ist es, der den Argentinier begeistert, was in einem Lande nicht Verwunderung erwecken kann, dem die Gauchos angehören , die Viehzucht treibenden , halb nomadisierenden Bewohner der Pampa mit stark indianischer Beimischung. ,, Sie haben (Burmeister : Reise durch die La Plata- Staaten) : von den spanischen Soldaten das wilde , ungebundene Treiben, die Lust und Neigung zur soldatischen Haltung, den Hang zur Beschäftigung mit Pferden," und man mufs hinzufügen, einen geringen Sinn für Unterordnung. Das Land eben und wenig zerrissen.
unterstützt durch
seine Bodengestalt das Reiterleben im hohen Mafse ; ich möchte hier eine Bemerkung einfliefsen lassen,
die nicht allgemein bekannt ist :
die längste Eisenbahnstrecke ohne Kurve, befindet sich bei der Eisenbahn (Pacific Railway), welche von Buenos Ayres zum Fufse der Anden und weiter nach Chile führt. Sie besteht aus verschiedenen graden Linien, von denen
die bedeutendste 211 englische Meilen
lang ist und genau geradeaus führt, ohne die geringste Kurve zu bilden. Die Gauchos dienen gern bei der Kavallerie ,
während die In-
fanterie sich vielfach aus der Mischbevölkerung rekrutiert, die aus Weifsen, Mestizen und Negern zusammengesetzt ist. Es sind, wie schon oben bemerkt, im Frieden vorhanden : 12 Regimenter Infanterie à 1 Bataillon à 4 Kompagnien und dem Regimentsstab, 2 Bataillone Jäger der Anden à 4 Kompagnien. Die Infanterie- Regimenter sind bestimmt im Kriege den Stamm für 4 Bataillone zu bilden und bestehen im Frieden aus : 1 Oberst als Chef, im Frieden Bataillons-Kommandeur,
im
Kriege
Regiments-
Das Heerwesen Argentiniens.
75
Kommandeur, 1 Oberstlieutenant als 2. Chef, 1 Major, 21 Offizieren. 440 Mann einschliefslich Musik.
Bewaffnet ist die Infanterie mit dem Gewehr Mauser (System Argentinien) , Kal . 75 mit Magazin zu 5 Patronen. Die Disziplinar Kompagnie führt das Remington- Gewehr, weil sie nicht würdig er achtet wird, die Kriegswaffe zu tragen. Die Ausbildung der Truppe erfolgt nach dem Reglement vom 19. Oktober 1893, das schon vielfache Abänderungen und Zusätze erhalten hat .
Eine Taktik der Infanterie ist vom General A. Cap
devila herausgegeben,
sie basiert auf durchaus modernen Ansichten
und Erfahrungen und ist voll geeignet, den argentinischen Offizier auf der Höhe der Ausbildung und des taktischen Verständnisses zu erhalten.
Für die Drucklegung
wurden vom Staat
10 000 Pesos
bewilligt. Der innere Dienst der Infanterie ist, südamerikanische Verhält nisse zu Grunde gelegt,
gut zu nennen, die Obersten, welche beim
Hauptteil ihres Bataillons garnisonieren, sind für Disziplin , Moral und Instruktion der Truppe verantwortlich gemacht. Die innere Ver waltung der Bataillone erfolgt durch eine Kommission, deren Zu sammensetzung bestimmt ist ; die Kontrolle ihrer Thätigkeit hat der Oberst auf Grund von monatlich einzureichenden Listen und Be richten. Die argentinische Kavallerie besteht aus 11 Linien-Regi mentern à 4 Eskadrons und dem Stab. Jedes Regiment formiert sich in 2 Divisionen, 1. und 2. Eskadron , desgl. 3. und 4. Eskadron, jede unter dem Kommando eines Majors. Die Eskadron zerfällt in 3 Sektionen und diese in Pelotons à 4 Mann. Der Stab besteht aus : 1 Oberst als Kommandeur ; 1 Oberstlieutenant, welcher mit der Ökonomie betraut ist ; 2 Majors , Chefs der Divisionen ; 1 Bekleidungs Bekleidungs- 1 Instruktions-Kapitän ; 1 Lieutenant, Adjutant des Kommandeurs ; 1 Lieutenant, Adjutant des Oberstlieutenants ; 2 Fähnriche ; 1 Tierarzt ; 1 Hufschmied ; 1 Büchsen macher ; 1 Stabstrompeter ; 10 Trainsoldaten. Die 4 Eskadrons sind stark : 4 Kapitäns ; 4 erste Lieutenants ; 4 zweite Lieutenants ;
8 Fähnriche ;
4 Sattelmeister ;
3 erste Ser
geanten ; 4 zweite Sergeanten ; 24 erste Korporale ; 24 zweite Korporale ; 12 Trompeter ; 224 Reiter. Offiziere, Sergeanten und Trompeter führen Säbel und Revolver, die Korporale und Soldaten Karabiner. Mauser, Kal. 765, Magazin zu 5 Patronen und Säbel nach argen tinischem Modell. Falsch angebrachte Sparsamkeit hatte es verschuldet, dafs die Kavallerie sehr zurückgegangen war, da sie nicht diejenige Anzahl Pferde erhielt, deren sie zu ihrer Ausbildung bedurfte. Hierin ist
Das Heerwesen Argentiniens .
76
eine grofse Besserung eingetreten , was in einem Lande nicht schwer ist, in dem ca. 4 500 000 Pferde vorhanden und für billigen Preis verkäuflich sind, in einem Lande, das in der Hinsicht auf Mann und Rofs das ausgezeichnetste Material der Welt sein eigen nennen kann. Die Artillerie ist die angesehenste Waffe und zum grofseu Teil in sehr gutem Zustand. Sie setzt sich zusammen aus : 6 Regi mentern Feld-Artillerie à 6 Batterien, 3 Regimentern Gebirgs -Artillerie à 6 Batterien. Die gesamte Artillerie führt Kanonen von Krupp , Kal. 7,5 cm, Beim Schnellfeuer wird nur mit Verschlufs Maxim-Nordenfeld. Shrapnels geschossen . Über argentinische Waffenankäufe in Deutschland berichtet die in Buenos Ayres erscheinende „ Deutsche La Plata-Ztg" : Die Ankäufe repräsentieren ein bedeutendes Kriegsmaterial und zeigen, daſs mit den deutschen Waffenfabrikanten kein anderes euro päisches Land konkurrieren konnte. Die angekauften Waffen sind : 40 000 Mausergewehre „ modelo argentino 91 " , 20 000 Mauser karabiner do . , 30 Millionen Patronen, 200 Munitionswagen für die Infanterie mit Geschirren, 10 000 Revolver für Artillerie und Kavallerie mit je 300 Schufs, 10 000 Lanzen mit Stahlschaft, 20 000 Kavallerie säbel, 6000 Offiziersdegen, 40 000 Bajonette, 15 vollständige Feld artilleriebatterien ,
d. h. 90 Schnellfeuergeschütze mit 500 Shrapnels
pro Geschütz, 15 vollständige Berg- Artillerie- Batterien, d. h. 90 Ge schütze mit 300 Shrapnels pro Geschütz, 6 vollständige Feldhaubitzen Batterien, d. h. 36 Geschütze mit der dazu gehörigen Munition und den Geschirren, 255 Artillerie- Munitionswagen, 3262 Geschirre für Batterien und Munitionswagen, 838 Geschirre für Infanterie-Munitions wagen, 25 000 Sprenggranaten und 100 Wagen mit vollständigen Geschirren für den Train, ferner eine vollständige maschinelle Ein richtung zur Herstellung von Artilleriegeschossen, sowie 100 Maxim Revolverkanonen und 18 grofskalibrige Haubitzen zur Verteidigung des Kriegshafens . Die Feld- Regimenter sind stark an Offizieren : 1 Oberstlieutenant als Kommandeur,
1 zweiter Kommandeur, 6-7 Kapitäns, 4 erste
Lieutenants, 4 zweite Lieutenants. vorhanden.
In Summa sind 478 Feldgeschütze
Die in den Städten garnisonierende Artillerie hatte in den letzten Jahren sehr in ihrer Ausbildung gelitten, nun ist für sie ein Lager bei Villa de Mercedes,
einem Knotenpunkt der Eisenbahn Buenos.
Ayres Chile, errichtet. Dort absolviert sie die Schiefsübungen mit scharfer Munition und wird bald ihrem alten Ruf wieder Ehre machen Bei dieser Gelegenheit möchte ich gleich bemerken , dafs die für
Das Heerwesen Argentiniens .
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die permanenten argentinischen Truppen vorhandenen Kasernements kaum genügen , nur in der Hauptstadt ist das mit 4 grofsen Gebäuden der Fall. Im allgemeinen sind Räume ermietet, teilweise höchst primitiver Art. Doch wird man sich der Notwendigkeit des Baues guter Kasernen umsoweniger entziehen können,
als die Ermietung
Häuserkomplexen auf die Dauer zu teuer wird .
von
Wie überall zeigt
auch die Truppe dort eine grofse Findigkeit in der Kunst, sich möglichst gut unter Dach zu bringen, wenn man ihr nur den nötigen Platz schafft. Schliefslich baut sie sich selbst Kasernen in einem Land, dessen Wintertemperatur kaum unter 0 fällt. Dagegen ist die Verpflegung eine sehr reichliche
und besteht
für den Soldaten aus : 1,200 kg Fleisch ; 400 g Brot oder Zwieback ; 60 g Reis ; 60 g amerikanischen Erbsen ; 60 g Mais ; 35 g Salz ; 20 g Fett (im Winter 30 ) ; 2 kg ( im Winter 3 ) Holz ; 30 g Zucker ; 15 g Kaffee ; 65 g Suppenkraut ; 1 Paket Tabak , enthaltend 15 Cigarillos im Mindestgewicht von 20-40 g (im Winter 30) Seife ; Schnaps 2 g, jedoch nur für die Truppenteile, welche im Süden garnisonieren. Für die Familie wird an Fleisch, Zwieback, Reis, Erbsen die Hälfte der Ration des Soldaten bewilligt, nebst 20 g Salz. Alle Lebensmittel werden, ebenso wie Tuch, Material, Pferde etc. von einer, dem argentinischen Heere eigentümlichen Kommission angeaus 5 von der Regierung gewählten Bürgern bestehend Als Grund wird angegeben, dafs gröfste Sparsamkeit walten müsse was wahr ist und dafs man die Offiziere ibrem eigentlichen Beruf nicht entziehen wolle lich zu nehmen sein dürfte .
was weniger genau und wört-
Sapienti sat !
Das Militär - Sanitätswesen zählt 48 höhere Militär -Ärzte, 34 Pharmazeuten, 16 Veterinäre und 1 Kompagnie Krankenträger. Es steht unter einem General-Inspekteur, welcher in der Hauptstadt garnisoniert und dem 2 höhere Sanitätsoffiziere, 1 pharmazeutischer Major, ein höherer Tierarzt, Sekretäre , nebst dem nötigen Unterpersonal, zugeteilt sind. Der Gesundheitsdienst in den Garnisonen wird durch Divisionsärzte beaufsichtigt .
Ein Muster-Institut ist das grofse Militär-Lazarett
der Hauptstadt ( wenigstens soll es zu einem solchen gemacht werden) unter einem ärztlichen Direktor und einem aktiven Obersten zur Wahrnehmung der Disziplinarstrafgewalt. Ich gehe nunmehr zur Schilderung
des Offizierersatzes über ,
wie dieser vor sich geht, wie sich die pekuniäre Lage gestaltet, wie der Abschied erfolgt etc. etc. Jünglinge über 17 und unter 20 Jahren, welche das 5. Examen
Das Heerwesen Argentiniens.
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auf einer höheren Schule absolviert haben, können als Unterlieutenants ohne Patent bei der Infanterie ( bei der Kavallerie Fähnriche genannt) eintreten, worauf sie 1 Jahr zu einem theoretisch praktischen Kursus auf das Militär-Kolleg geschickt werden. Hier ist von ihnen am Schlufs ein Examen zu machen, worauf sie als nun wirkliche Unterlieutenants etc. einem Truppenteil definitiv überwiesen worden, nachdem sie sich vorher schon zu einem 4jährigen Dienst verpflichtet hatten. In gleicher Weise können beanlagte Sergeanten zur Beförderung gelangen und zwar auf dem Wege der Truppenschule und dem
1jährigen Besuch des Militär-Kollegs .
Es bezieht sich
dies
Gesetz jedoch nur auf die Höchstzahl von 150 Lieutenants der Infanterie und 100 Fähnriche der Kavallerie. Im übrigen findet der Offizierersatz durch das Militär-Kolleg statt, dessen Kursus 4 bis 5 Jahre dauert. Die best absolvierten Schlufsexaminas berechtigen zur Wahl der Waffengattung.
Die Zahl der Besucher des in St. Martino
gelegenen Kollegs ist auf 100 festgesetzt, von denen 75 Schüler und 25 Pensionäre sind ,
von hier kommt der junge Mann als Unter-
lieutenant zu einem Truppenteil, wobei, aufser der physischen Geeignetheit ein Alter von nicht unter 16 Jahren verlangt wird. Nach 4jähriger Dienstzeit als Unterlieutenant kann die Beförderung zum Oberlieutenant erfolgen; ist man dies 2 Jahre gewesen, diejenige zum Kapitän, in welcher Stellung man 4 Jahre gewesen sein muſs. um Major werden zu können . Die Vakanzen werden zum Teil nach der Anziennität, teilweise nach Auswahl besetzt und zwar vom Lieutenant bis zum Major je halb und halb, vom Major aufwärts nur nach Auswahl. Besondere Kriegsthaten entbinden beim Avancement vom Innehalten obiger Bestimmungen. In gleicher Weise ist auch für die Unteroffiziere ein frühester Beförderungs -Termin festgesetzt ; um Korporal zu werden, mufs ein Soldat mindestens 6 Monate aktiv gedient und die Unteroffizier-Schule mit Erfolg besucht haben. Um zum Sergeanten aufzusteigen, mufs man mindestens 6 Monate Korporal gewesen sein. Die mehrfach reformierte Unteroffizier- Schule befindet sich in sehr guter Verfassung und auf der Höhe ihrer Aufgabe.
Sie wird
von besonders ausgesuchten Sergeanten und Korporalen besucht, Die Aspiranten deren je einen jede Kompagnie etc. jährlich stellt müssen Argentinier, militärisch gut beanlagt sein, lesen, schreiben und etwas rechnen können. Der Kursus dauert 9 Monate, die Lehrer sind ausschliesslich Offiziere.
Es wird gelehrt : Schiefsen ( theoretisch
und praktisch ) , Elementarwissenschaften , Artillerie-, Infanterie- und Kavallerie -Dienst und Administration . Der Unterricht wird durch
Das Heerwesen Argentiniens.
79
ein theoretisches und praktisches Examen geschlossen, bei dem be sonderer Wert auf Erweis einer Ausbildung für den Krieg gelegt werden soll.
Aufserdem giebt
es
bei jedem Truppenteil Schulen,
welche gewissermassen als Vorstufe für oben erwähnte sind , über jeden Schüler ist nach oben zu berichten .
anzusehen
Französischem Gebrauch folgend, haben in der argentinischen Armee sämtliche Vorgesetzte Strafgewalt ! Ein Korporal kann über einen Soldaten verhängen Strafarbeitsdienst während 2 Tagen,
ein
Sergeant über einen Soldaten gleichen Dienst während 3 Tagen und Schildwachstehen für 2 Stunden . Der Feldwebel hat dasselbe Recht,
doch tritt noch hinzu :
Nachexerzieren
an 2 Tagen.
Die
Lieutenants können verhängen : Urlaubsentziehung für 6 Tage, Straf exerzieren an 4 Tagen, gelinden Arrest bis zu 3 und 2stündiges Schildwachstehen an 4 Tagen. Der Kompagnie- Chef kann zusprechen gelinden Arrest bis zu 14 Tagen, 2stündiges Schildwachstehen an 8 Tagen, Entziehung der Branntwein - Ration auf 4 Tage. Seinen Offizieren kann derselbe 3 Tage Arrest diktieren.
Der Offizier einer Wache verhängt Strafen
in Höhe eines Kompagnie- Chefs ; Unteroffiziere als Wachthabende haben in dieser Hinsicht das Recht eines 1. Sergeanten . Um Über griffe in etwas zu mildern, sind die Kompagnie- Chefs etc. ermächtigt, die von ihren Untergebenen verhängten Strafen, innerhalb ihrer Ge walt, umzuändern, sei es die Dauer oder Art derselben angehend . Eine besondere Einrichtung ist der Disziplinar- Rat bei jedem Truppenteil, eine Kommission , gewissermafsen ein permanentes Stand gericht, das aber nur im Frieden funktioniert, im Kriege geht sein Strafrecht auf den Kommandeur persönlich über. Der Disziplinar- Rat kann bis zu 2 Monaten Arrest verhängen, aufserdem noch Strafexerzieren am Vor- und Nachmittag während 12 Tagen, Entziehung der Branntwein -Ration bis zu 1 Monat, Ent fernung von der Charge etc. Man unterscheidet, auch für Offiziere, leichten, mittleren und strengen Arrest.
Durch eine solche Bestrafung wird das Dienstthun
unterbrochen, Besuche dürfen nicht angenommen werden. Die Ver letzung der eingehenden Bestimmungen wird mit Gefängnis von 3 Monaten bis zu 2 Jahren bestraft. Beim Soldaten unterbricht gelinder und mittlerer Arrest den Dienst nicht, er nimmt an allen Übungen teil, thut seine Wachen, erhält die übliche Verpflegung . In der dienstfreien Zeit sind die Arrestanten vor allem zum Reinigen der Kasernements etc. heran zuziehen.
Im Kriege ist Anbinden als Strafe statthaft.
Der strenge Arrest wird in nicht dunkeln Zellen verbüfst, jeder
Das Heerwesen Argentiniens .
80
4., 8. und später jeder 3. Tag ist ein sog. guter. Nachts erhalten die Arrestanten Kopfkissen und Decken. Längere Strafen werden bei einer Disziplinar-Kompagnie verbüfst ; bei dieser sind die Leute in Atem gehalten und dürfen das Kasernement nur selten verlassen . Die Strafgewalt aller Vorgesetzten ist dort eine viel höhere. In besonders feierlicher Weise werden Degradierungen vorge
nommen. wird
ein
Jeder Truppenteil der Garnison
ist dabei
Carré formiert, in welches der Delinquent,
1 Sergeanten und 8 Mann, eintritt.
vertreten, es geführt von
Der Auditeur verliest den Richter
spruch, der Höchstkommandierende läfst präsentieren und ruft mit lauter Stimme : „ N. N. ist unwürdig, die Waffen zu tragen, im Namen des Vaterlandes sei er degradiert ! " Hierauf entreifst der Sergeant dem Verbrecher Koppel, Säbel, Bajonett oder Degen, zerbricht sie und wirft sie ihm zu Füfsen, worauf die Abzeichen der Charge gleich falls entfernt werden.
Ist Todesstrafe verhängt, so wird solche nun
vollzogen durch Erschiefsen,
sonst defiliert der Delinquent bei der
um wieder in Arrest abgeführt zu werden. Auch dieser Gebrauch, den man in Deutschland nicht kennt, ist der fran
Truppe vorbei,
zösischen Armee entnommen, desgleichen das Gesetz für Verab schiedung nach Altersstufen . Als solche sind obligatorisch für den Korporal und Soldaten ein Alter von 45 Jahren, für 1. Lieutenant ein Alter von 52 Jahren, für Kapitäns ein Alter von 54 Jahren , für Majors ein Alter von 56 Jahren , für Obersten ein Alter von 60 Jahren , für Divisions-Generale ein Alter von 65 Jahren, ein kommandierender General ein Alter von 68 Jahren . Als Pension
wird
den
Offizieren
nach 15
Hälfte des innehabenden Gehalts gezahlt, 10 Jahren.
Dienstjahren die
an die Mannschaft nach
Nach 25 Dienstjahren erhält der Offizier 3/4 , nach 30 den vollen Gehalt als Pension , bei Soldaten nach 15 resp . 20 Jahren . Die Vergütung für Kriegsjahre wird mit Hinblick auf die Dienst zeugnisse des zu Verabschiedenden bestimmt . Jeder Soldat und Offizier, welcher infolge eines Feldzugs dienst unbrauchbar wird, behält seinen vollen Gehalt als Pension , ganz ab gesehen von den Dienstjahren. Infolge von Verwundung Ausschei dende erhalten den Gehalt der nächst höheren Charge als Pension , als wenn sie auf dem Schlachtfeld befördert worden wären. Solche Individuen, die erwiesenermafsen vor dem Feind geflohen sind, ver lieren das Recht auf Pension. Alle verabschiedeten Offiziere dürfen Uniform tragen; eine Er laubnis, die jedoch durch das Ober-Kommando entzogen werden kann. Witwen und Waisen erhalten keine Pension, doch finden sich
Das Heerwesen Argentiniens .
81
im Registro National de la Republica Argentina " zahlreiche Bewilligungen solcher auf dem Gnadenwege. Ehe ich zur kurzen Schilderung der Uniform des Heeres übergehe, erscheint es mir nicht uninteressant, einen Erlafs des Generalstabs vom
17. September 1895 hier im Auszug mitzuteilen :
„ Die
Organisation eines Heeres beruht in der Einheit, welche sich in der Gleichmässigkeit des Empfindens , der Erziehung, der Praxis und schliesslich durch solche der That ausdrückt. Diese Einheit setzt den Regimentsverband voraus, welcher allein imstande ist, den täglichen Dienst des Soldaten vorzuschreiben und anzuordnen. Äufserlich stellen der Anzug, die Abzeichen und die Kameradschaft, den Zusammenhang und jene Festigkeit dar, die das Ober-Kommando verlangen mufs. Haltung und Disziplin des Soldaten sind ein Bild dieser Festigkeit in der Heeresorganisation. Aus solchen Erwägungen wird bestimmt : Es darf nur eine durchaus vorschriftsmälsige Uniform getragen werden.
Einen Stock zu führen, ist nur den Generalen
gestattet und den Offizieren, welche die Erlaubnis zum Führen eines solchen aus besonderen Gründen (?) vom Ober-Kommando erbitten Im Dienst ist stets Uniform mit Degen anzulegen, aufser Dienst wird Civiltragen gestattet. Der militärische Grufs ist für alle Chargen obligatorisch und wird vom Jüngeren zuerst erwiesen, da, wo Zweifel über die Anciennität herrschen, von demjenigen, welcher am besten erzogen ist. " Die Uniformen der verschiedenen Waffengattungen unterscheiden sich durch Distinktionsfarben und Embleme. Erstere sind für den Generalstab scharlachrot ;
die Ingenieure
schwarz ; Artillerie ponceau ; Infanterie grün ; Kavallerie kirschrot etc. Die Embleme werden am Käppi und Kragenspiegel getragen und ist solches des Generalstabs ein fünfstrahliger Stern, umgeben
von einem Eichen- und Lorbeerzweig ; die Artillerie führt 2 gekreuzte Kanonenrohre, die Kavallerie 2 Lanzen, die Infanterie 2 Gewehre der Train hat ein Rad, die Verwaltung eine Wage etc. Die Regimenter sind an Nummern kenntlich, welche am Käppi , über dem Emblem und am Kragen angebracht werden, diese sind für die Mannschaft aus Messing, für die Offiziere vergoldet. Im Felde erkennt man die Offiziere der verschiedenen Stäbe an der Farbe der Schärpen ; solche des Ober-Kommandos sind blauweils, der Armee-Korps blau-rot, der Divisionen blau, der Brigaden rot. Die Truppe trägt Käppis und im allgemeinen weite dunkelblaue Blusen mit Knöpfen und 2 Taschen vorn . Die Hosen sind ebenfalls dunkelblau , mit Paspoil in der Unterscheidungsfarbe der Waffengattung. 6 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110 1 .
Das Heerwesen Argentiniens.
82
Zu Paraden etc. wird von Offizieren und Mannschaften ein dunkel
1
blauer Waffenrock getragen mit Kragen und Patten in der Unter scheidungsfarbe,
diese zeigt auch der 7 cm breite Streifen an der
Hose. Der Waffenrock der nicht berittenen Truppenteile wird von 9 Knöpfen vorn geschlossen, die berittenen tragen auf der Brust 7 schwarze Schnüre, welche in Schleifen enden.
Die Generale haben
zur Gala ein mit vergoldeten Lorbeer- und Eichenzweigen verziertes Käppi, goldene breite Litzen am Kragen und Unterarm. Die Achsel stücke sind auf rotem Tuch mit goldenen Litzen verziert.
Der im
Dienst getragene Dollmann ist einfacher gehalten. Die einzelnen Generals-Chargen unterscheiden sich durch Breite und Zahl der Gold litzen am Käppi und die Anzahl der Sterne auf dem Unterarm und den Achselstücken. Die Stabsoffiziere tragen breite Goldlitzen am Käppi Unterarm , bei den Kapitäns etc. sind solche schmäler.
und am Letztere
führen 3 Goldlitzen, die 1. Lieutenants deren 2 , die 2. Lieutenants eine goldene und eine silberne, die Fähnriche eine goldene. Die Unteroffiziere sind durch Galons kenntlich gemacht, welche in Form eines Winkels auf dem Oberarm angebracht werden. Beim 1. Sergeanten (Feldwebel ) ist dieser durch 2 Goldstreifen, bei den 2. Sergeanten durch einen solchen gebildet. Als Sommer- Kampagne-Uniform ist eine von leichtem, gelb- grünem Stoff, ohne glänzende Abzeichen, ordonnanzmässig. Durch Gesetz vom 9. August 1895 wurde eine Gleichmäfsigkeit in Fahnen und Standarten eingeführt, bei welcher Gelegenheit ein Teil der bis dahin vorhandenen, dem National-Museum überwiesen . wurde, um werden.
dort,
mit
Ursprungszeugnis versehen,
aufbewahrt
zu
Die Fahnen ( 1,40 zu 0,90 m) und Standarten (1 zu 0,75 m)
sind blau und weils gestreift und zeigen in der Mitte die gelbe Sonne, Über dieser giebt eine Inschrift die Nummer des Bataillons resp . Regiments an mit der Bezeichnung stehendes Heer oder G. N. (Guardia National) , letztere auch mit Hinzufügen der Heimatsprovinz der Mann schaft. Die Fahnen- etc. Stangen sind von Naturholz und von einem Halbmond gekrönt. Entgegen manch anderen Staaten Süd-Amerikas ist die Industrie. Argentiniens so entwickelt, dafs die Gewehre und Karabiner ebenso wie Munition in Zukunft im Lande selbst angefertigt werden können . Dagegen wird ausländisches Pulver verwendet und die staatliche Pulver-Fabrik in St. Catalina (Provinz Cordoba) von Privathand übernommen werden.
soll eingehen oder
Es sind vorhanden 130 000 Mauser-Gewehre, 20 000 Karabiner desselben Systems sowie 50 000 Remington- Gewehre und -Karabiner.
1 T 1
Das Heerwesen Argentiniens.
83
Wenn diese Bestände nicht bei den Truppen sind , lagern sie in dem neu erbauten grofsen Arsenal,
dessen Verwaltung von einem
Direktor, Subdirektor, ca. 18 Offizieren und 30 Beamten geleitet wird. Demselben wurde auch eine Patronenfabrik attachiert, welche , nachdem die Aufstellung bezogener Maschinen nunmehr beendet ist, täglich neu herstellen kann 20 000 Hülsen und 20 000 Geschosse. Keine Truppe darf in ihrem Besitz mehr Waffen haben als ihrer Effektivstärke entspricht, hierüber sowie über die Munition sind, genau zu führende Bücher und Listen anzulegen, deren Richtigkeit der 1. und 2. Chef der Truppe attestieren. Jeder Soldat, welcher seine Waffe vernachlässigt und verdirbt, oder Munition verbringt. mufs einen Ersatz in Geld (abgesehen von der zu verbüfsenden Strafe) leisten, wozu ihm bis zu 1 , seines Monatssoldes abgehalten werden kann . Bei jedem Bataillon etc. ist ein Büchsenmacher etatsmässig. Der Bestand an lagernder Munition ist mit den Frieden und 200 für den Krieg festgesetzt.
100 Patronen für
Es ist deutlich zu erkennen, dafs die zwischen Argentinien und Chile schwebenden Streitigkeiten, so sehr auch die Grenzdifferenzen in den Vordergrund geschoben werden , ihren Boden in dem Streben beider Länder finden, die Oberherrschaft in Süd-Amerika zu erringen. Die Presse zeigte in dieser Frage, der Erregung der Bevölkerung entsprechend, eine höchst aggressive Haltung und die Kammer in Buenos Ayres war williger als sonst,
Mittel für den Ausbau des
Heeres und schärfere Gesetze , die Dienstzeit angehend , zu bewilligen . Nicht nur von Chile,
sondern speziell auch seitens Brasiliens sieht
man diese Anstrengungen mit mifstrauischem Auge, indem man gern alle Mängel der argentinischen Heeres- Organisation ans Licht zieht. An solchen fehlt es nicht ! Wie schon oben bemerkt wurde, ist die Unterbringung der Truppe nicht genügend, das dürfte aber nicht so weit gehen, dafs im Lager von Mendoza 200 Mann, der Kälte und Nässe erliegend, an Lungenentzündung erkrankten, von denen 30 starben. Es wird mir von berufener Seite mitgeteilt ( und hat auch in vielen Zeitungen gestanden) , dafs der 1. Arzt des Artillerie- Regiments Dr. Billar bei dieser Gelegenheit seinen Abschied nahm, weil die verlangten Arzneien absolut nicht ankamen und er somit hilflos war ; dabei braucht man per Eisenbahn von Buenos Ayres nach Mendoza ca. 21 , Tag. Von 500 verlangten Schuhen seien nur 68 angekommen und die armen Nationalgardisten
hätten
schliefslich ihren Dienst barfufs, in zer
rissenen, zerlumpten Uniformen thun müssen. Decken wären nicht vorhanden und an Mänteln hätte es sehr gefehlt. So wenig man bei der Beurteilung südamerikanischer Zustände 6*
Das Heerwesen Argentiniens.
84
einen europäischen Mafsstab anlegen darf, hat es sich doch, in letzter Zeit besonders, ergeben, dafs es mit gutem Willen allein nicht geht. So haben die Akademien für die Offiziere der Nationalgarde ein Fiasko aus dem Grunde gemacht, dafs ein Teil der Kommandierten nur mangelhaft lesen und schreiben konnte.
In gleicher Weise wird
über das nun endlich beschaffte neue Sanitätsmaterial sehr geklagt, die Wagen seien zu schwer, die Arzneien und chirurgischen Instrumente unbrauchbar, alles aber sei viel zu hoch bezahlt worden und das bewilligte Geld somit an Stellen geblieben ,
für die es
am
wenigsten bestimmt war. Um festzustellen, wie weit die Behauptung wahr ist, dafs einige Millionen der für die mobilisierten Truppen ausgegebenen Mauser-Patronen, Kohlenstaub statt rauchlosem Blättchenpulver enthielten, wurde eine Kommission seitens des Kongresses ernannt, die mit Tagegeldern und Reisekosten einige neue Ausgaben verursachen wird. Ob aber etwas herauskommt ! Solche Kommissionen haben in Süd-Amerika meist ihre ( wenig berechtigten) Eigentümlichkeiten! Das Schlimmste aber sind die Enthüllungen,
welche der neue
Armee-Intendant über seine Vorgänger in die Welt schickt. Dafs in der Intendantur vieles mangelhaft war, ist nicht neu , aber die geschilderten Zustände spotten jeder Beschreibung. Vor allem seien es die höheren Offiziere, welche auf das alte System zurückgreifen wollten, dafs die Lieferanten direkt mit den Truppenteilen verkehrten Es -edle Momente lägen für solchen Wunsch aber nicht vor. weit führen, auf Einzelheiten einzugehen, aber es ist schade, dafs das erfreuliche Bild des aufstrebenden, argentinischen Heeres so manchen Schatten enthält. Wird General J. Roca, der
würde zu
neue Präsident, helfen können , wenn seine Versprechungen nicht nur solche sind, sondern Thaten werden : Ja! Diese Klagen, deren Richtigkeit im einzelnen sich sehlecht kontrollieren läfst, sind wahrscheinlich zutreffend, denn es herrscht wieder stöfst man dabei auf eine Eigentümlichkeit nach französischem Muster ein Trieb nach Konzentration , ein Wunsch, alles von oben. befehlen zu wollen und die Sucht, unten nichts ohne Befehl zu thun, der wahrhaft unheimlich in einem Land wirkt, und Verbindungen so wenig im Verhältnis stehen. sich das bei einer Mobilmachung zeigen.
dessen Ausdehnung Am meisten muls
Für diese ist vorgesehen, dafs sich die Linien-Infanterie- Bataillone zu Regimentern à 4 Bataillone (à 730 Soldaten) formieren . Dies geschieht durch Einziehung der 60 Tage Gedienthabenden und wenn diese in einzelnen Bezirken nicht ausreichen, durch Mannschaften
Das Heerwesen Argentiniens.
der aktiven Nationalgarde. 9 Batterien.
85
Jedes Artillerie-Regiment setzt sich auf
Jedes Kavallerie- Regiment erhöht seinen Bestand um 100 Mann. Gröfsere Truppenverbände werden unter Hinzuziehen von National garden- Regimentern gebildet, die Stäbe sind neu zu formieren. Alles Mafsregeln, die nicht schnell vor sich gehen, noch können,
aber es
bleibt auch da ein angenehmer Trost, derjenige : dafs das der Gegner auch nicht schneller kann. Bei einer allgemeinen Mobilmachung stehen der Republik offiziell zur Verfügung : Die aktive Armee 13 000 Mann ( einschliesslich Offi ziere) vermehrt durch alle Kontingente, welche 60 Tage gedient haben und mobilisiert wurden (jeder dieser durch Abgang vermindert mit 25 000 Mann berechnet ) und die gesamte aktive Nationalgarde , welche an Sonntagen ausgebildet ist, in Summa : 1000 höhere Offi ziere, 7000 Offiziere, 200 000 Mann, 600 Kanonen . (In letzterer Zahl sind die Geschütze veralteter Modelle mit enthalten ). An Truppen kommen zur weiteren Verfügung noch hinzu : Die Reserve der Nationalgarde und die territoriale mit zusammen 300 000 Mann, für welche brauchbare Waffen in den Beständen jedoch nicht vorhanden sind. Die Führer müfsten fast durchweg der Mannschaft entnommen werden, ein Moment, das den europäischen Soldaten mehr abstöfst, als in einem Lande ungünstig einwirkt, dessen Bevölkerung militärisch ausgezeichnet beanlagt, von der Kultur wenig berührt und in diesen Formationen nur bestimmt ist, einem gleichwertigen Feind gegenüber zu treten. Weitgehende Pläne für eine Reorganisation des argentinischen Heeres hegt der Generalstabschef Richieri, welcher in diesem Sommer und Herbst längere Zeit Deutschland besuchte. Da man keine halbe Arbeit machen zu wollen scheint, haben sich die nötigen Schritte bis jetzt immer noch verzögert, man darf aber mit Recht annehmen , dafs unter Leitung dieses tüchtigen Generals und unter dem Schutz des neu gewählten, hervorragenden Präsidenten Argentinien einen Auf schwung in militärischer Beziehung nehmen wird,
der es in dieser
Hinsicht neben Mexiko placiert und wie ihn jeder begrüfsen mufs, den das Anwachsen der Macht der Vereinigten Staaten von Nord Amerika mit Mifstrauen für die Freiheit und das Selbstbestimmungs T. recht der Völker erfüllt.
Der Streit um Faschoda.
86
V.
Der
Streit um
Faschoda.
Mit der französischerseits geschehenen Räumung des
in letzter
Zeit so oft genannten Sudanplatzes Faschoda scheint das plötzlich am politischen Horizont aufgestiegeue dunkele Gewölk sich wieder gelichtet zu haben.
Ob diese Wendung der Auseinandersetzung
zwischen
und England von Dauer sein wird ,
Frankreich
bleibt
immerhin fraglich , denn diese Faschoda - Angelegenheit hat nicht sowohl die allgemeine Aufmerksamkeit in hohem Grade auf sich gelenkt, als auch insbesondere diesseits und jenseits des Kanals eine brennende Frage geschaffen, welche bereits zu beiderseitigen Rüstungen führte. Der bestimmten Erklärung Englands, nicht nachgeben zu wollen, stand die sehr entschiedene, reichs gegenüber.
selbstbewufste Haltung Frank
Handelt es sich doch für beide Mächte um den
grofsen strategischen Wert Faschodas als Kreuzungspunkt ihrer afrikanischen Interessensphären. Für die Franzosen bildet Faschoda ein günstig basiertes Operationsobjekt als Zwischenglied ihrer west östlichen Durchquerung Afrikas vom Kongo- bezw. Ubangi-Gebiet bis zur Obok-Kolonie am Golf von Aden, für die Engländer eine vorgeschobene Etappe zur Sicherung des Zusammenhanges des neu gewonnenen Machtzuwachses in Ägypten mit ihren äquatorialen bezw. ostafrikanischen Besitzungen . Wie daher bei jenen keine Rückzugsfreudigkeit, so bei diesen kein Sicherheitsgefühl ! Für Kolonisationszwecke ist Faschoda wegen seiner ungesunden Lage in jener ausgedehnten niederen und sumpfigen Thalausweitung Etwa 350 km des weifsen Nils, von nur untergeordneter Natur. südlich von Chartum am linken Ufer des Flusses belegen, war der Ort bis zur Ausbreitung der Mahdiherrschaft am oberen Nil, die südlichste ägyptische Grenzstation und trotz des schädlichen Fieber klimas Gouvernementsplatz, freilich in sanitärer Beziehung ein ver Ein Fort beherrschte und schützte diese Aufsen lorener Posten. stellung und den dieselbe umgebenden Komplex von Niederlassungen Als 1883 ägyptischer Handelsleute und sefshafter Negerstämme . der Sudan vom anglo-ägyptischen Heere geräumt wurde, mufste auch Siegreiche Mahdi Faschoda seinem Schicksale überlassen werden . scharen besetzten den Platz und traten von dort aus ihre Eroberungs züge in das Bahr - el - Ghazal- und Äquatorial- Gebiet an. Während der Kalit Abdullah Abu 1898 seine Streitkräfte
am
Atbara gegen das von Norden vorrückende anglo -ägyptische Heer
Der Streit um Faschoda.
87
sammelte , bemächtigte sich eine aus Süden kommende französische Expedition unter Major Marchand des nur schwach von Mahdisten besetzten Faschoda. Gleichzeitig war eine zweite aus östlicher Rich tung vordringende französische Expedition unter Kapitän Bonchamps unterwegs. Marchand war in kühnem Zuge vom atlantischen Strande , den schwarzen Erdteil vom 13. bis 34. Grad ö . L. v. Gr . durch querend an den oberen Nil gelangt. Nachdem er mit seiner mili tärischen Begleitung im Sommer 1896 zu Loango an der Küste des französischen Kongogebietes gelandet und 250 einheimische Mann schaften angeworben , brach er auf und befuhr mit mehreren zerlegbaren Fahrzeugen, darunter zwei Kanonenböte, zuerst den Kongo, dann aber dessen gröfsten und wasserreichsten Nebenflufs, den Ubangi , weithin , bis zum Bereich des Bahr- el- Ghazal-Flusses . Da Marchand vom Gouverneur der Ubangi- Kolonie Liotard den Auftrag erhalten, das französische Ein flufsgebiet nach Mafsgabe des mit dem Kongostaat getroffenen Abkommens ungesäumt zu besetzen, so rückte er nordwärts vordringend 1897 in das Bahr-el- Ghazal-Gebiet ein. Den Flufs selbst erreichte er auf dem Such ,
einem der
strömenden Gewässer.
vielen dem Bahr-el- Ghazal
von
Süden zu
Nach schwieriger und mühevoller Weiterfahrt
auf dem letztgenannten, vielfach von
Pflanzenbarren
durchsetzten
und verstopften bisher nur unvollkommen erforschten Flusse, welcher links den weifsen Nil, 70 km südlich von Faschoda verstärkt, liefen Marchands Boote in den Nil ein und ankerten bald darauf vor Faschoda.
Inzwischen hatte Bonchamps die Kaffalandschaften am
Südrande der abessinischen Gebirgsstufen durchforscht und war darauf dem Oberlaufe des Sobat, welcher der Mündung des Bahr- el- Ghazal gegenüber rechtsseitig in den weifsen Nil einströmt, teils zu Wasser, teils zu Lande gefolgt, mufste jedoch, weil seine Leute durch Krank heit und Strapazen erschöpft waren, den Marsch nach Faschoda auf geben. Die geplante Vereinigung mit Marchand kam somit nicht zu stande. Beide Expeditionen bezweckten offenbar, die ehemals ägyp tischen Landstriche am oberen weifsen Nil dem entstehenden fran zösisch-afrikanischen Kolonialreich anzugliedern.
Damit würde Frank
reich einen grofsen Schritt vorwärts gethan haben in seinem Streben, durch eine querafrikanische geschlossene Sudanzone zwischen dem Atlantischen und Indischen Ozean, Nord- und Südafrika von einander zu trennen und das englische Projekt einer meridionalen von Ägypten bis zum Kapland reichenden Etappenlinie zu durchbrechen . Mit der französischen Besetzung von Faschoda war eine eigen tümliche Lage geschaffen. Als General Kitchener nach der Schlacht von Omdurman in die ehemalige Metropole des ägyptischen Sudan, Chartum , wieder eingezogen, die Trümmer des Kalifenheeres nach
Der Streit um Faschoda.
88
Kordofan zurückgedrängt, auch das Senaar vom Mahdismus hatte säubern lassen, stiefs er auf seinem weiteren Zuge nach Süden, gegen Ende September 1898, zu seinem grofsen Erstaunen in Faschoda auf die Franzosen, nämlich Major Marchand mit 8 Offizieren und etwa 120 Mann. Kitchener erklärte sofort, dafs die Anwesenheit französischer Truppen im Nilthale als eine direkte Verletzung der Rechte Ägyptens wie der britischen Regierung angesehen werden müsse, erhob in schärfsten Ausdrücken Einspruch gegen die Besetzung Faschodas und Hissung der französischen Flagge daselbst und liefs alsbald seine Truppen in den Ort einrücken , da derselbe innerhalb des Herrschaftsgebietes des Kedive liege. ohne
ausdrücklichen Befehl
Marchand erklärte dagegen,
seiner Regierung ,
Faschoda nicht
zu
räumen und weigerte sich auch, die französische Flagge niederzuholen. So wehten denn zunächst bis zur Regelung der Streitigkeit durch diplomatische Verhandlungen, am Orte die Flaggen beider Nationen mit einem Zwischenraume von 500 m nebeneinander. Obwohl Frankreich niemals die britische Einflufssphäre am oberen Nil, ebensowenig die britische Besitznahme aller bisher vom Kalifen besetzten Landstriche anerkannt hat, so ist doch an Marchand Befehl erteilt worden, Faschoda zu verlassen. Der englischen Politik kommen jetzt die inneren französischen Wirren, welche jede Aktionsfähigkeit Die Neigung zur und Entschlossenheit lähmen, erheblich zu gute . Behandlung auswärtiger Fragen fehlt augenblicklich in Paris, weshalb die allgemeine patriotische Freude über Marchands Zug weniger Bedeutsam bleibt es , dafs französischerseits ns Gewicht fällt. davon Abstand genommen wurde, die Expedition als eine nur wissenschaftliche, deren Verbleiben als solche nicht beanstandet wurde, gelten zu lassen . Es wurde vielmehr der politische und strategische Zweck aufrecht erhalten, vielleicht um späterhin unter veränderten Neuesten Nachrichten Umständen daran anknüpfen zu können . zufolge ist Marchand marschiert.
auf Bonchamps Marschroute
am
Sobat ab-
England hat nach langer Zeit wieder einmal die Freude,
den
Triumph des Selbstgefühls in Behandlung einer auswärtigen Frage zu kosten. Unter Aufsteckung einer kriegsentschlossenen Miene wollte man eine Verweigerung der Räumung Faschodas als
casus
belli angesehen wissen. Ob aber Albion wirklich das Schwert, mit dem es so heftig klirrt, freiwillig aus der Scheide ziehen wird ? Es wird behauptet, Frankreichs Nachgeben sei in der Absicht geschehen , gemeinsam mit Rufsland die ägyptische Frage aufzurollen und die britischen Rüstungen sollten deshalb vornehmlich dem Schutze ihrer ägyptischen Herrschaft gelten.
Was jedoch inzwischen in Englands
Der Streit um Faschoda.
89
Kolonien, namentlich in Indien, geschehen könnte, davon verlautet nichts. Man läfst sich in London Stolz und Hoffnung nicht schmälern . Man meint: Würde Frankreich es zum Kriege kommen lassen, so werde seine Flotte zerstört und seine Kolonien erobert werden ! Aber weder Stärke
noch innere Tüchtigkeit des englischen Heeres
reichen zur Landesverteidigung aus, geschweige denn zu einem Angriffskrieg. Das stehende Heer ist im wesentlichen nur ein Kolonialheer. Die im vereinigten Königreich stehenden Truppenteile dienen lediglich als Ersatzkadres für die nach den Kolonien entsandten Streitkräfte und als Reserve für den Fall, dafs die Erhaltung des Kolonialbesitzes eine erhöhte Truppenstärke in Anspruch nehmen sollte. So befinden sich in gewöhnlichen Zeiten 77000 Mann in Indien, wo sie mit 168000 unzuverlässigen Indern das anglo- indische Heer bilden, 32000 Mann in den übrigen Kolonien und 5000 Mann in Ägypten, so dafs also mit jeder weiteren gröfseren Truppensendung in die Kolonien oder auf einen exotischen Kriegsschauplatz, unter Umständen bedenkliche Schwächungen der in der Heimat verbleibenden Truppen eintreten. Nimmt man hinzu , daſs eine Invasion nach England und seinen Kolonien heute technisch viel leichter auszuführen sein wird als früher, zumal in Europa die Iren, in Afrika die Ägypter, in Asien die Inder Lur darauf warten, so ersieht man leicht, dafs die britischen Streitkräfte noch durch schwere Gefahren im Reiche selbst gelähmt werden können.
Diese Unvollkommenheit
der Wehrkraft ist der Hauptgrund, weshalb England vor einem herausfordernden Schritt zurückschreckt und dennoch fortwährend rüstet. Letzteres geschieht natürlich nur, um den britischen Bündniswert zu steigern. Zweifellos wird das Aufgeben Faschodas in Frankreich tief beklagt, namentlich in Erinnerung an die Rolle, welche die Franzosen um die Wende des vorigen Jahrhunderts in Ägypten gespielt haben . Offenbar haben die Franzosen bei der Besetzung dieses Nilplatzes auf den Beistand ihrer Verbündeten von der Newa gerechnet, welche jetzt in Abessinien den Boden vorbereiten, auf welchem sie in Afrika Fuls fassen möchten. Nach einem Abkommen mit König Menelik scheint Frankreich die Rolle zugefallen zu sein, vom Nil her nach der abessinischen Grenze zu operieren und es ist gewifs nicht Meneliks Schuld, dessen Heer schon marschbereit war, wenn die Franzosen nicht längst schon am Weifsen Nil Stellung genommen hatten. Will England ohne Verbündete den Kampf aufnehmen, so dürfte es nur auf Erfolge seiner Kriegsmarine, dem Eckpfeiler seiner Macht, rechnen können und selbst nach dieser Richtung hin ist die Stärke
90
Der Streit um Faschoda .
des schwimmenden Materials Frankreichs nicht zu unterschätzen, am wenigsten bei Führung eines thätigen Kaperkrieges oder gar unter Dem franHinzurechnung des Kampfwertes der russischen Marine. zösischen Heerwesen mit seinen durchgreifenden Neuorganisationen oder der auf gewaltiger Truppenmacht beruhenden Wehrkraft RufsDer lands ist das britische Landheer in keiner Weise gewachsen. Sieg bei Omdurman über die ungeordneten, mangelhaft bewaffneten Haufen des Mahdi war wohl rühmlich und anerkennungswert, aber doch immerhin nur eine militärische Leistung niederen Grades, kaum mehr als ein siegreiches Gefecht im Gegensatz zu den grofsen Kämpfen, welche den Namen einer Schlacht verdienen. Auch der Kongostaat rührt sich, um in der Oberen Nil-Frage eine Rolle zu spielen. Die vor einigen Jahren nach der alten Provinz Emin Paschas im Aquitorial-Gebiet ausgerüstete kongolesische Expedition sollte den in Agypten operierenden Engländern von Süden her sekundieren. Diese Unternehmung mifslang und nur eine kleine Abteilung vermochte im Ladogebiet am Nil festen Fufs zu fassen. Nunmehr denkt man in Kongokreisen
ernstlich
daran ,
als tertius
gaudens diese äquatorialen , der Nordostgrenze des Kongostaates anDamit dürften jedoch liegenden Gegenden in Besitz zu nehmen . weder Engländer noch Franzosen einverstanden sein.
England hat
zwar 1894 den Kongostaat damit betrauen wollen, Lado zu besetzen aber nur als britischen Platzhalter, man wollte den Kongolesen die Pachtung, nicht den Besitz
überlassen und
etwaigen Zusammenbruche des Kongostaates kaufsrecht auf diese Länder besitzt.
zwar weil bei
einem
Frankreich das Vor-
Die Ausbeutung und wirtschaftliche Erschliefsung Afrikas kann nur durch Anlage strategischer und kommerzieller Eisenbahnen thatsächlich vollzogen werden.
Die heutige Welt lebt unter dem Zeichen
des Verkehrs und Schienenstränge begleiten die militärischen und handelspolitischen Unternehmungen durch alle Ländergebiete und Klimate . Heute knüpft sich an die eisernen Schienen , auf denen die Dampfkraft ungezählte Wagenzüge treibt, Macht, Einflufs und Bedeutung der Völker und wo deren Konflikte auf die Dauer unvermeidlich erscheinen, mufs durch Eisenbahnbau die Basis künftiger Operationen geschaffen werden . England wird daher bestrebt sein. die Nilbahn bald möglichst über Nubien hinaus bis an den oberen Nil zu erweitern , während es Frankreichs Aufgabe bleibt, zur Verwirklichung seiner Pläne vom Ubangi aus, in der Richtung nach Obok den Nil durch eine Bahnlinie zu kreuzen . Der Zwischenfall mit Faschoda hat eine kritische Lage erzeugt,
Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland.
91
ein gegnerischer Wettbewerb hat begonnen und die Rüstungen dauern fort. Ob die Lösung dieser Frage nur durch die ultima ratio der Politik, den Krieg, behalten.
bewirkt werden kann,
bleibt der Zukunft vorHdt. November 1898 .
VI . Armee- und
Marine - Nachrichten
aus
Russland .
(Umbildung der Offizier-Kavallerie- Schule ; Schiffsbauten . ) Im Oktober dieses Jahres ist die Umbildung der Offizier-KavallerieSchule befohlen worden. Während die Hauptaufgabe dieser Schule bisher darin bestand, ältere Offiziere der Kavallerie und der Kasaken zur Führung einer Eskadron ( Ssotnie) vorzubereiten , ferner ein gleichmäfsiges Verfahren in Bezug auf die Ausbildung im Frontreiten und auf das Zureiten von Pferden einzubürgern und schliesslich - Bereiter des Unteroffizierstandes und Hufschmiede auszubilden, bestehen ihre Aufgaben nach der neuen Verordnung in folgendem : a) Offiziere der Kavallerie in den wichtigsten Zweigen des Kavallerie-Dienstes, namentlich aber im Reiten und Zureiten zu vervollkommnen, Fechtlehrer auszubilden und die Anwendung sachgemässer Regeln für das Reiten und Zureiten bei der Kavallerie zu befördern ; b) Offiziere der Kasaken - Truppen zur Führung einer Ssotnie und zur Beförderung zum Stabsoffizier bereiten , sowie die Anwendung zweckmäfsiger Regeln für das Reiten und Zureiten bei den Kasaken-Truppen anzubahnen ; c ) Bereiter des Unteroffizier - Standes der Kavallerie und reitenden Artillerie im Zureiten von Pferden, sowie Instrukteure für den FechtUnterricht auszubilden ; d) zweckmäfsige Verfahrungsarten für die Ausbildung im Reiten und für das Zureiten von Pferden, den Bedürfnissen und dem Pferde-Material der Kavallerie- Regimenter entsprechend, auszuarbeiten, - kavalleristische Neuerungen, Änderungen Ausrüstung und Bewaffnung der Kavallerie . in Bezug auf Ausbildung und Verfahrungsarten verschiedene sowie
in der Uniformierung,
Erziehung der Mannschaften der Kavallerie zu erproben ; e) für die Armee-Kavallerie und die Armee-Kasaken- Regimenter Hufschmiede
Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland .
92 auszubilden,
auch unter den
zur Schule kommandierten Offizieren
Kenntnisse des Hufbeschlags zu verbreiten. Diesen Aufgaben
entsprechend besteht die
Schule
aus fünf
Abteilungen ( bisher 4) ; an Stelle der bisherigen Dragoner-Abteilung treten : a ) die Offizier-Abteilung, b ) die Bereiter- Abteilung ; die übrigen Abteilungen
sind ,
wie
bisher :
c ) die
Kasaken- Abteilung ;
d)
die
Eskadron der Offizier- Kavallerie- Schule ; e ) die Lehrschmiede. Zur Offizier - Abteilung werden alljährlich 40 Ober- Offiziere der Kavallerie - Regimenter, ' ) nach näherer Bestimmung des General Inspekteurs der Kavallerie, aufserdem einige Offiziere der reitenden Artillerie, nach vorherigem Einvernehmen des General- Inspekteurs der Kavallerie mit dem Generalfeldzeugmeister, kommandiert. Wäh rend von den Regimentern der Kavallerie bisher nur solche Ober Offiziere in die Kavallerie- Schule traten, welche von ihren Vorge setzten als nächste Anwärter für die Führung einer Schwadron an gesehen wurden, besagt die neue Verordnung, dafs von den Regi mentern der Garde- und Armee-Kavallerie Offiziere zu kommandieren sind, 92 welche von den Divisions-Kommandeuren, in Bezug auf körper liche
Gewandtheit ,
durchaus fähig
Gesundheit und
zur Aneignung
der
dienstliche Eigenschaften , Technik
des
als
Kavallerie
Wesens in dessen ganzem Umfange angesehen werden " . — Der Kursus in der Offizier-Abteilung dauert 2 volle Jahre und be ginnt am 1. Oktober. Der Lehrgang besteht aus Vorträgen und praktischen Übungen ; erstere erstrecken sich auf Theorie des Reitens , Hippologie, Theorie des Hufbeschlags, Kavallerie- Reglements, Ge schichte der Kavallerie ; die praktisch en Übungen im Winter bestehen aus : Reiten auf zugerittenen Pferden, Zureiten junger Pferde, Volti gieren, Reiten ohne Steigbügel und Zügel, taktische Übungen, Fechten, Hufbeschlag, Pferdeheilkunde u . s . w.; hierzu kommen im Sommer : Terrainreiten auf Pferden aller Kategorien, Distanzritte,
Parforce
Jagden, Schwimmen mit dem Pferde, taktische Übungen im Gelände, Skelett- Exerzieren. ― Die Offizier-Abteilung der Kavallerie- Schule soll also nicht mehr, wie bisher, hauptsächlich gute Schwadronschefs heranbilden, sie soll vielmehr als Pflanz- und Pflegestätte kavalleristischen Geistes dienen. Während die Offiziere früher nach erfolgreicher Beendigung des Kursus zu ihren Truppenteilen zurückkehrten, um die zunächst frei werdende Schwadron ihres Regiments zu über nehmen und hiermit der Hauptzweck der Ausbildung auf der Kavallerie
1 ) d. h. im allgemeinen je 2 Offiziere auf 3 Kavallerie-Regimenter ; aufser diesen 40 Offizieren werden noch 2 Offiziere vom Finnischen Dragoner- Regiment, Dagestan-und Primor- Reiterregiment, sowie vom Krym-Halbregiment kommandiert.
Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland .
93
Schule erreicht war, sind jetzt jene Offiziere in erster Linie dazu ausersehen, das auf der Kavallerie- Schule Erlernte, den dort em pfangenen kavalleristischen Geist in ihren Truppenteilen zu verbreiten. Infolgedessen sollen sie nach Rückkehr zu ihren Truppenteilen vor allem als Leiter der Lehr-Kommandos bestimmt werden ; ferner sollen sie die Unterweisung der jüngeren Offiziere und Standart Junker in allen Zweigen der Technik des Kavallerie-Wesens über nehmen. Für diejenigen Offiziere , welche den Kursus mit Erfolg beendigen, werden eine Reihe von Auszeichnungen in Aussicht ge stellt ; zunächst erhält ein jeder, wie es schon bisher der Fall war, ein halbes Jahrgehalt ausgezahlt ; alsdann haben sämtliche Offiziere die Berechtigung, beständig auf der rechten Brustseite am Waffen rock und Überrock ein besonders hierfür festgesetztes Abzeichen zu tragen ; ferner können diejenigen Offiziere, welche mit dem Prädikat „Vorzüglich" entlassen werden, der Regel
zu
von ihren Vorgesetzten 99 aufserhalb
Ordensverleihungen in Vorschlag gebracht werden.
Wer den Kursus ohne Erfolg beendigt, hat auf keinerlei Rechte und Auszeichnungen Anspruch. Für die Bereiter des Unteroffizier - Standes , welche früher der Dragoner-Abteilung angehörten ,
ist eine
besondere Abteilung
errichtet worden ; es werden zu denselben jährlich 40 Kavalleristen¹ ) kommandiert ; der Kursus dauert 1 Jahr 11 Monate. Diese Mann schaften werden im Reiten, Zureiten, Voltigieren, Reiten ohne Bügel und Zügel, Turnen, Fechten, Hufbeschlag, in der Pferdeheilkunde, im Exerzieren, ――――――― aufserdem im Sommer im Terrainreiten, Distanz ritten, Schwimmen mit dem Pferde und Schiefsen ausgebildet , und erhalten theoretischen Unterricht im Lesen, Schreiben, Rechnen , in der Religion , Behandlung des Gewehrs,
Gesundheitslehre,
Theorie
des Reitens , Erziehung und Dressur des Pferdes, Hippologie, Theorie des Hufbeschlags.
Nach Rückkehr
zu den
Truppenteilen werden
diejenigen Mannschaften , die den Kursus mit ,,vorzüglich" beendigt haben, zu Zug- Unteroffizieren ernannt und als Anwärter für Bereiter Stellen bezeichnet, während die übrigen, welche ,,mit Erfolg" die Kavallerie- Schule besucht haben, zu Unteroffizieren ernannt werden. Die Kasaken - Abteilung verfolgt in Bezug auf die Kasaken Offiziere auch jetzt noch den früheren Hauptzweck der Kavallerie Schule, nämlich Kasaken-Offiziere , welche von ihren Vorgesetzten als geeignet für die Übernahme von Ssotnien angesehen werden , zu Ssotnien-Kommandeuren auszubilden. Die Kasaken-Offiziere mit der Technik des Kavallerie- Wesens in dessen vollem Umfange bekannt ¹) Ausserdem einige reitende Artilleristen.
Armee- und Marine -Nachrichten aus Rufsland .
94
zu machen, davon
sieht
man
weniger geeignet sein würden,
ab,
einerseits wohl, weil sie dazu
andrerseits weil sich die Kasaken
Offiziere nur verhältnismäfsig kurze Zeit im praktischen Dienst be finden, zur Weiterverbreitung des auf der Kavallerie- Schule Erlernten daher auch nur in geringem Mafse beitragen könnten. Der früher 2 Jahre dauernde Kursus ist für Kasaken-Offiziere auf 10 , Monat verringert worden; es werden hierzu 25 Offiziere ) , einschliefslich 1 der Garde-Kasaken kommandiert.
Auf die höhere Reit- Ausbildung
wird weniger Wert gelegt ; von den praktischen Übungen der Kavallerie Offiziere kommen daher - Zureiten und Dressur von Pferden, Reiten ohne Bügel und Zügel, Voltigieren und Parforce-Jagden in Fortfall ; hinzu kommen Sprengübungen und Entfernungsschätzen. Kommando können sowohl im aktiven Dienst befindliche
Für das Offiziere
des 1. Aufgebots, als auch beurlaubte des zweiten Aufgebots bestimmt werden ; letztere müssen aber innerhalb des Zeitraumes von höchstens 3 Jahren vor Antritt des Kommandos mindestens 1 Jahr lang un unterbrochen praktischen Dienst gethan haben. Kasaken-Offiziere, welche den Kursus mit Erfolg beendigen, werden sogleich nach Ein treffen bei ihren Truppenteilen zu Ssotnien-Kommandeuren ernannt , wobei die Ssotnie einem anderen Offizier, welcher nicht auf Kavallerie Schule gewesen ist, auch wenn er der Anciennität nach älter sein sollte, abgenommen wird.
Kasaken- Offiziere, welche die Schule be
sucht haben, sind verpflichtet, mindestens 2 Jahre bei aktiven Kasaken Truppenteilen zu dienen. Die Eskadron der Kavallerie - Schule hat, wie bisher, den Zweck: a) die Offiziere im Felddienst zu üben; b) verschiedene Aus bildungs- und Erziehungs- Methoden für Reiter und Pferd zu erproben und c) Änderungen an der Uniformierung , Ausrüstung u . s . w. der Kavallerie zu erproben. Im Kriegsfalle wird die Eskadron mobil gemacht. -Für die Lehrschmiede werden jährlich 64 Rekruten, welche mit dem Schmiede- Handwerk vertraut sind, ausgehoben ; aufserdem werden von den Kasaken-Truppen Mannschaften zur Ausbildung als Hufschmiede dorthin kommandiert.
Am 27. Oktober ( a. St.) wurden 2 neue Kriegsschiffe vom Stapel gelassen, das Geschwaderpanzerschiff ,, Ossljabja " und das Torpedo 1) 1 Garde-Kasak : 8 vom Don-Heere ; 7 von den kaukasischen Heeren ; 5 vom Astrachan-, Ural- und Orenburg-Heere ; 2 vom Sibirischen und Ssemir jetschensk-Heere ; 2 vom Transbaikal- und Amur-Heere.
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
95
Transportschiff (minny transport) „ Amur ". „ Ossljabja" ist auf der neuen Admiralität erbaut, hat eine Länge von 434,6 Fuls , eine Breite von 70,6 Fufs, 12674 Tonns Wasserverdrängung und 11500 Pferdekräfte. ― Das auf der Baltischen Werft erbaute Torpedo Transportschiff ,,Amur" hat 326 Fufs Länge, 39 Fufs Breite, 2500 v. T. Tonns und eine Geschwindigkeit von 17 , Knoten.
VII. Kleine
heeresgeschichtliche
Mitteilungen.
Wie wenig bedenklich in der Wahl ihrer Mittel die Werbe offiziere Friedrich Wilhelms I. waren , wenn sich ihnen die Aussicht bot , ihrem Könige ansehnliche Rekruten liefern zu können, zeigt ein Bei spiel,
welches in der
„ Revue des Revues " Paul d'Estrée
aus den
Aufzeichnungen eines französischen Diplomaten des 18. Jahrhunderts , Namens Blondel, mitteilt. Letzterer war zur Zeit des Polnischen Thronfolgekrieges am Hofe des zu Mannheim residierenden Kurfürsten von der Pfalz, also in unmittelbarster Nähe des Schauplatzes der Feindseligkeiten thätig, und betrieb nebenbei das Geschäft, dem Be fehlshaber des französischen Heeres, dem Herzoge von Coigny, Nach richten über die Verhältnisse und Vorgänge bei der vom Prinzen Eugen von Savoyen geführten verbündeten Armee zukommen zu lassen; er stand an der Spitze eines für diesen Zweck eingerichteten Kundschafterwesens. Eines Tages bat ihn ein Preufse, Baron Radek wobei bemerkt sein möge, dafs Blondel es mit der Rechtschreibung
der Namen nicht allzu genau nimmt, so nennt er die hannoversche Gräfin Kielmansegge „ Kielmesen " , den kurmainzischen Grafen Eltz Oels um einen Geleitschein nach Landau unter dem Vorgeben, dafs es sich um ein Liebesabenteuer handele. Er erhielt den Paſs ohne Schwierigkeiten . Als aber kurz nachher Blondel mit dem Herzog zusammentraf, machte dieser ihm bittere Vorwürfe über die Radek gewährte Vergünstigung, welche Letzterer gemifsbraucht habe , um drei von Coignys schönsten Soldaten zur Fahnenflucht zu verleiten. Radek, durch Blondel zur Rede gestellt, mufste die Thatsache zu geben. Es entwickelte sich daraus aber ein näherer Verkehr zwischen beiden, dessen Ergebnis war, dafs Radek, welcher beim verbündeten Heere zahlreiche Beziehungen hatte, Blondel versprach , ihm Mitteilungen
96
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
über das letztere
zu machen, wenn ihm dagegen gestattet würde ,
eine gewisse Anzahl von Soldaten aus französischen Regimentern für den preussischen Dienst anzuwerben . Die französischen Befehlshaber waren einverstanden und Blondel versichert, dafs Radek seine Vertrauensaufgabe in ehrenwertester Weise erledigt habe. Fortwährend trug er aus dem verbündeten Hauptquartier Nachrichten nach Mannheim zu Blondel, und als der Krieg beendet war, warb er aus französischen Regimentern vierzig Riesen für den Dienst seines Königs. 14. Zum Zwecke der Reichswerbung wurden im Jahre 1766 einer Anzahl von Infanterieregimentern des österreichischen Heeres genau abgegrenzte Bezirke im aufserösterreichischen Deutschland angewiesen. Von den noch gegenwärtig bestehenden Regimentern hatten vier im niederrheinisch- westfälischen Kreise und in den niedersächsischen Reichsstädten Ersatz zu suchen ;
eins
war
ausdrücklich
auf das
Fürstbistum Münster angewiesen , das Regiment Hoch- und Deutschmeister, das jetzige Wiener Hausregiment, warb am Niederrheine, aber auch im französischen Kreise und insonderheit in den Landen des Herrschers, nach welchem es noch gegenwärtig heifst ;
im kur-
rheinischen Kreise gingen fünf Regimenter dem Geschäfte nach, eins davon durfte diese auf das zum fränkischen Kreise gehörende Fürstentum Bayreuth ausdehnen ; zehn waren im oberrheinischen Kreise am Werke, sieben im fränkischen, drei im bayerischen, welcher damals Salzburg, Passau, Regensburg und das schwäbische Österreich umfafste ; für den grofsen und ergiebigen schwäbischen Kreis waren sieben Regimenter ausschliesslich bestimmt, aufserdem durften dort noch zwei Regimenter werben, denen daneben noch andere Gebiete zugänglich waren ; zwei Regimenter, deren Inbaber Markgrafen von Baden waren, hatten in den Gebieten dieser Landesherren zu suchen , was ihnen fehlte . Es waren also im ganzen einundvierzig Infanterieregimenter auf die Reichswerbung hingewiesen, bei der in den Jahren. 1771
und
1781
erfolgenden
Festsetzung
ständiger
erbländischer
Werbebezirke wurde ein solcher einem jeden an der Reichswerbung teilnehmenden Regimentes neben dem ersteren zugesprochen . (Geschichte der k. und k. Wehrmacht, herausgegeben von der Direktion 14. des k. und k. Kriegsarchivs, I, Wien 1898) . Patronenverbrauch der Infanterie sonst und jetzt . Trotz der schnell ladenden Waffe ist der Patronenverbrauch keineswegs ein gröfserer geworden als früher . In der Schlacht bei Bautzen verschossen die Franzosen 3 Millionen Patronen, durch die bei den Verbündeten 9000 Mann aufser Gefecht gesetzt wurden , dies macht etwa einen Treffer auf 333 Kugeln = 0,30 % Treffer. Bei Leipzig verbrauchten die Franzosen 12 Millionen Patronen, Verlust der Ver-
Ein russisches Urteil über die Bewaffnung der Kavallerie mit Lanzen.
97
bündeten durch Klein- Gewehrfeuer 30 000 Mann , also erst mit 400 Schufs eine Verwundung = 0,25 % Treffer. --- Im Feldzuge 1866 wurden von der preufsischen Infanterie 2 Millionen Zündnadel- Patronen verschossen, durch die etwa 30000 Mann aufser Gefecht gesetzt wurden = 1,5 % Treffer. Im Feldzuge 1870/71 sind ungefähr 25 Millionen Gewehrpatronen verschossen worden, durch die = 0,28 % etwa 70 000 Franzosen aufser Gefecht gesetzt wurden 1866 zwischen Trefferprozenten den in Treffer. Der Unterschied und 1870/71 erklärt sich dadurch, dafs das Zündnadelgewehr an Schbg. Tragweite dem Chassepot bei weitem nachstand.
VIII . Ein
russisches
Urteil
Kavallerie
über mit
die
Bewaffnung
der
Lanzen.
Die Bewaffnungs-Frage der Kavallerie
hat zu verschiedenen
Zeiten bei den verschiedenen Armeen eine ganz verschiedene Beantwortung erfahren ; so sehen wir eine Armee die Lanzen völlig verdammen, während eine andere das Heil in der Bewaffnung der gesamten Kavallerie mit einer Stofswaffe erblickt. Es sollen hier nicht die Vorteile und Nachteile einer solchen Bewaffnung beleuchtet, auch nicht die Möglichkeit einer Schlachtenthätigkeit der Kavallerie, - in welcher die Lanze doch ihren Wert ganz besonders zeigen sollerörtert, sondern auch weiteren Kreisen die Lobeserhebungen mitgeteilt werden, die in Nr. 230 des „ Invaliden " A. Brussilow der im Gebrauch der Lanze in unserer Kavallerie erlangten Fertigkeit spendet. A. B. war es vergönnt, im Frühjahre 1. J. österreichische, französische und deutsche Kavallerie zu sehen und schildert in dem erwähnten Aufsatze die gewonnenen Eindrücke . Während A. B. die Vorbildung für den Hieb bei der mit Säbel bewaffneten österreichischen Kavallerie abfällig beurteilt, die Ausbildungsmittel als unzureichende bezeichnet, die Richtigkeit der Ausbildungsart anzweifelt, das Ergebnis der Einzelausbildung für den Hieb ein minderwertiges nennt und bei der französischen Kavallerie die Bewaffnung mit dem Pallasch tadelt, da derselbe für den mehr zum Stechen als Hauen neigenden 7 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 1
Telegraphie ohne Draht.
98
Franzosen nicht passe, weder als vollkommene Stich- noch voll kommene Hiebwaffe zu betrachten sei , zollt er der deutschen Kavallerie volles Lob, spricht von hervorragenden Ergebnissen, die in Berück sichtigung der kurzen • werden müſsten. A. B. führt als
Dienstzeit
geradezu
überraschend
genannt
die angewendeten Mittel zur Erreichung einer
so vortrefflichen Handhabung der Stichwaffe folgende an : Die gründ lichste Durcharbeitung des Pferdes, der sorgfältige Unterricht im Reiten, die Bewaffnung auch der Unteroffiziere mit einer Lanze, die frühzeitig beginnende und beständige Gewöhnung, nur mit der Lanze zu reiten, das Pferd mit einer Hand zu regieren, die Mannigfaltigkeit der Übungen, um ein sicheres Stofsen unter allen Verhältnissen zu gewährleisten, die bei den unterrichtenden Offizieren und Unter offizieren erlangte hervorragende Gebrauch der Lanze.
persönliche
Geschicklichkeit
im
,,Staunenswert wie ruhig und vollkommen jeder Piekenier bei den verschiedensten Gangarten sein Pferd führte, gleichzeitig zielte, richtig und stark zustiefs und nach vollführtem Stofs die Spitze der Lanze schnell und energisch aus dem gestochenen Gegenstand aus zog. Man mufs anerkennen, dafs die Lanze in der Hand des deutschen Kavalleristen unzweifelhaft eine wirkliche und sehr ernste Waffe ist, welche derselbe ebensogut im Einzelkampf wie im geschlossenen Gefecht beherrscht". Einem Soldatenherzen mufs es eine Freude sein, für die nicht geringen Bemühungen eine anerkennende Stimme aus einer fremden Armee zu hören, zumal die Kritik als eine un parteiische sich darstellt und gewöhnlich geurteilt wird.
eher abfällig als günstig J.
IX .
Telegraphie
ohne
Der Herr Verfasser genannter
Draht . ' )
Schrift hat die
Aufgabe, jedem Gebildeten Gelegenheit zu
bieten,
sich gestellte sich über das
1 ) Die Entwickelung der asymptotischen Telegraphie , der sogen. elektrischen „ Telegraphie ohne Draht ", in allgemein verständ licher Darstellung sachlich und historisch erläutert von Dr. Rudolf Blockmann. Mit 17 Skizzen. Berlin 1898. E. S. Mittler u. S. Preis 60 Pf.
Telegraphie ohne Draht.
99
Wesen dieses neuesten Wunders zu unterrichten, m. E. vollends erreicht, und in fafslicher Darstellung die Entwickelung ohne Draht" veranschaulicht.
der „ Telegraphie
Die asymptotische (nicht zusammenfallende ) Telegraphie
eine
gesuchte griechische Bezeichnung, für die kein Bedürfnis vorliegt — ist keine „ Telegraphie ohne Draht " , sondern eine , bei welcher die Gebe- und Empfangsstation Drahtverbindung stehen.
nicht in
ununterbrochener metallischer
Der Verfasser teilt dieselbe in :
1. Hydro-
telegraphie, 2. Induktionstelegraphie und 3. Strahlentelegraphie. Als Agens dienen bei allen Dreien elektrische Strahlen, die sich ähnlich wie Lichtwellen durch Wasser und Luft fortpflanzen, nicht aber durch menschliche Sinne wahrnehmbar sind, und die aufserdem auch noch Wege gehen, welche der Lichtstrahl nicht durchdringen kann. Bei der Hydrotelegraphie hat man es mit der Fernwirkung elektrischer Strahlen durch Wasser zu thun. Man denke sich auf jeder Seite eines Flusses zwei gewöhnliche telegraphische Erdplatten A. A ,, und B. B , möglichst weit von einander in das Wasser gelegt, so dafs sich je zwei Platten A. B und A , . B, gegenüberstehen.
Beide
Plattenpaare werden unter sich durch je einen Draht zu je einem Stromkreise verbunden, wobei in dem einen ein Wechselstromerzeuger und
ein Morsetaster
eingeschaltet wird, während
sich im anderen
Stromkreise ein Telephon befindet. Sobald der Wechselstrom- Induktor in Thätigkeit gesetzt und der Taster niedergedrückt wird, kursieren nicht nur in gerader Richtung zwischen den Platten A und A, elektrische Wechselströme , sondern diese verbreiten sich auch mit abnehmender Stromdichte in excentrischen Kurven über die ganze Flufsbreite hinweg, wo sie dann dem Plattenpaare B. B,1 begegnen und im Telephone jenes Stromkreises ein anhaltendes Summen hervorrufen . Wird auf der Gebestation der Taster nach Morseart gehandhabt, so werden dementsprechend auch die elektrischen Stromimpulse zwischen beiden Plattenpaaren kürzere oder längere Zeit andauern und das Telephon der Empfangsstation die Zeichen in akustischem Morsealphabet genau wiedergeben. Nach Dr. Blochmann fanden die ersten Anwendungen elektrischer Hydrotelegraphie durch W. Smith und P. Granville statt.
im Jahre 1887
Dies ist indes nicht ganz zutreffend, denn Ingenieur-Lieutenant
L. Hippisley des englischen Feldtelegraphen-Korps
hatte
schon im
März 1882 zwischen Southampton und Newport auf der Isle of Wight derartige Versuche erfolgreich ausgeführt, wobei die Erdplattenpaare sich im Meeresarm Solent 4' /, km und 63 km gegenüberstanden.¹ ) Hippisley wurde dadurch auf diese Experimente 1)
Die Kriegstelegraphie in den neueren Feldzügen Englands " p . 78 und 7*
Telegraphie ohne Draht.
100
hingewiesen, daſs er bei Feldtelegraphen- Übungen mit Theilerschen Summerapparaten herausfand, dafs diese noch verständlich arbeiteten, wenn der
nackte Liniendraht kilometerweit
auf feuchter Erde lag,
und selbst dann noch, wenn er unter Wasser durchschnitten wurde und seine Enden einige Meter von einander getrennt blieben. ' ) Schreiber dieser Zeilen wiederholte 1884 jene Erscheinung in der Siemensschen Fabrik in Woolwich, wobei einige 100 Meter blanke Kupferleitung in die Themse gelegt und aus welchen dann 30 Meter Draht ausgeschnitten wurden ,
ohne dadurch das Telegraphieren zu
unterbrechen. Eine praktische Anwendung hat die Hydrotelegraphie später bei Leuchtschiffen gefunden. Das zweite System der asymptotischen Telegraphie, die Induk tionstelegraphie wird veranschaulicht durch zwei von einander getrennte metallisch-geschlossene Stromkreise , wobei der erste einen Wechselstromerzeuger und einen Taster enthält, während sich in der zweiten Leitung ein Telephon leitung mufs
befindet.
hierbei möglichst parallel
Ein Teil der einen Draht einem
Teile
des
anderen
Stromkreises gegenüber stehen . Werden nun in der einen Leitung Wechselströme erregt, so erhält man im zweiten Stromkreise über den Luftzwischenraum der beiden Parallel-Leitungen hinweg Wechsel strom-Impulse von doppelt so vielen Wechseln als Unterbrechungen im ersten Stromkreise, wodurch ein anhaltendes Summen im Telephon hervorgerufen wird. Durch rhythmische Unterbrechung des Tasters im ersten Stromkreise wird dieses Summen zu akustischen Morse zeichen gestaltet. Anstatt die parallel laufenden Strombahnen gradlinig zu führen, kann man zwei kreisförmige Bahnen , oder, um die Induktions wirkungen noch zu vermehren, ganze Drahtspulen gegenüberstellen, von denen die eine induzierend auf die andere wirkt. Die Induk tionswirkungen im zweiten Kreise
werden auch
schon durch blofse
Änderungen der Stromstärke im ersten Kreise hervorgerufen, so daſs, wenn im ersten Kreise an Stelle des Wechselstrom-Apparates ein Mikrophon mit Batterie, und im zweiten ein Telephon eingeschaltet werden, letzteres auch Sprache empfängt ; anstatt, wie vorher, nur akustische Morsesignale. In Nord-Amerika hatte man zuerst parallel laufende Induktionsdrähte benutzt, um von fahrenden Eisenbahnzügen Telegramme abzusenden, bezw. zu empfangen.
Der eine Stromkreis
79 und Taf. III, Fig. 14 und 15, von B. von Fischer-Treuenfeld . Berlin 1884. E. S. Mittler und Söhne. 1 ) „ Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine “ Febr. 1884. B. L. Heft 2. Nr. 5. p . 224. „ Die neueren Militärtelegraphen - Organisationen “ von R. von Fischer-Treuenfeld.
Telegraphie ohne Draht. wurde hierbei
von
einem an
der Bahnstrecke
101 entlang
führenden
Drahte gebildet, während der andere aus einem Draht bestand, der auf dem Eisenbahnzuge von einem zum anderen Ende gezogen wurde.
Mr. W. H. Preece
telegraphierte
Drahtleitungen hinweg bis zu 5
in England
über parallele
km Entfernung, wobei
ein Strom
von 15 Amp. bis 150 V. von einer zweipferdigen Wechselstrommaschine entnommen wurde. Alexander Baine hatte schon im Jahre 1845 ähnliche Erfahrungen in kleinerem Mafsstabe gemacht. Beim Senden von Signalen nach Schiffen, oder kleinen Inseln müssen Spulen verwendet werden, da die Schiffslänge zur Aufnahme des zweiten Paralleldrahts zu kurz ist. Schon 1894 wurden von Ch. A. Stevenson derartige Versuche in Schottland angestellt, wobei Spulen von 183 Meter Durchmesser zur Anwendung kamen und über Entfernungen von 780 Meter telegraphiert wurde . Die Spulen können auch horizontal anstatt vertikal aufgestellt werden. Für elektrische Kommunikation mit Leuchtschiffen wird von der Landstation bis in die Nähe des verankerten Leuchtschiffes ein Seekabel geführt, das dann in weitem Kreise ein
oder mehrere mal um die-
jenige Grundfläche ausgelegt wird, über welche sich das verankerte, aber schwingende Leuchtschiff bewegen kann. Das Ende des Kabels wird entweder zur Landstation zurückgeführt, oder endet frei im Wasser. Der zweite Stromkreis wird als Spule in einer Anzahl Drahtwindungen um das Leuchtschiff gewunden . Bei Distanzen zwischen Kabel- und Schiffsspule von 25 Meter waren rhythmische Telephonsignale noch verständlich, während bei 10 Meter Entfernung telephonischer Sprechverkehr unterhalten werden kann. Das dritte System der asymptotischen Telegraphie, die Strahlentelegraphie ist das Produkt einer Reihe induktiver und deduktiver wissenschaftlicher Errungenschaften alter und neuer Naturphilosophen und nicht zum mindesten
auch ein Sieg der heutigen Prezisions-
mechanik. Das physikalische Prinzip ist folgendes : Die Gebestation besteht aus einem Righischen Funken-Induktorium hoher Spannungen , in dessen Primärkreis sich ein Morsetaster befindet, während im Sekundärkreis
des
Induktoriums
ein Funken -Kugeloscillator
ein-
geschaltet ist. Wird das Induktorium in Thätigkeit gesetzt und der Taster niedergedrückt, so oscillieren zwischen den Polkugeln Funken, deren Frequenz 100 bis 1000 Millionen in der Sekunde beträgt und diese senden nicht nur optisch sichtbare , sondern auch besonders , dem Auge nicht wahrnehmbare elektrische Strahlen in die Ferne . Mittels des Tasters ist es möglich,
diese unsichtbaren
elektrischen
Strahlenimpulse nach rhythmischen Morsezeichen zu gruppieren. Die Empfangsstation besteht im wesentlichsten aus einem Indi-
Telegraphie ohne Draht.
102 kator,
dessen Funktion es ist,
auf jene
unsichtbaren
elektrischen
Strahlen-Impulse selbst noch in weiter Entfernung zu reagieren und sie durch Übertragung in Zeichen zu verwandeln, die für das menschliche Auge wahrnehmbar sind. Dieser wunderbare und den noch so überaus einfache Indikator, die Erfindung des französischen Physikers .
Branly,
besteht aus einem 4 cm langen und 2,5 mm
weitem Glasröhrchen, das von zwei Metallplättchen geschlossen, einen abgesperrten inneren Raum von 1/2 mm bildet, der luftleer gemacht und mit einem Gemisch aus Silber- und Nickelfeilspänen gefüllt ist. Die physikalische Grundlage der Strahlentelegraphie beruht darauf dafs der an und für sich hohe elektrische Widerstand einer solchen Branlyschen Röhre ganz erheblich sinkt, wenn dieselbe von den Strahlen oscillatorischer Funken-Induktoren erreicht und durchdrungen wird. Diese Widerstandsänderung der Metallspäne im Röhrchen ist die direkte Folge einer eigentümlichen Einwirkung der die Röhre durchdringenden elektrischen Strahlen des Funken - Induktoriums. Das Röhrchen verharrt dann in seinem niedrigen Widerstande auch nachdem die Strahlen-Impulse aufhören , und mufs, um wieder den normalen hohen Widerstand anzunehmen, erst eine sanfte Erschütterung erhalten. Um die durch rhythmische Strahlenimpulse veränderten Röhren widerstände in hörbare, oder sichtbare Morsezeichen umzuwandeln , wird das Branlysche Röhrchen in den Stromkreis eines empfindlichen Relais geschaltet, das nur ausschlägt, wenn der Widerstand des Röhrchens gesunken ist, d. h. wenn dieses von oscillatorischen Strahlen getroffen wird . Das Relais setzt dann in gewöhnlicher Weise einen Morseschreiber in Betrieb und vermittelt somit, dafs die durch den Taster
der
Gebestation
übertragenen
Strahlenimpulse,
welche vom Branleyschen Röhrchen durch jeweilige Widerstands erniedrigung aufgenommen werden, schliefslich auf dem Papierstreifen des Morseapparates in Punkten und Strichen erscheinen. Der Italiener Marconi bewirkte
im Jahre 1896 , dafs das nach
jedem Zeichen erforderliche Aufrütteln des Branly'schen Röhrchens in automatischer Weise durch ein vom Relaisstrome in Thätigkeit gesetztes und gegen das Röhrchen schlagendes Hämmerchen geschah. In neuerer Zeit ist der Apparat noch dadurch vereinfacht,
dafs das
Hammerwerk fortfällt und das Branlysche Röhrchen direkt durch eine Schnurscheibe von der Farbenwalze des Morseschreibers in Um drehung versetzt und dadurch aufgerüttelt wird . Es ist ferner Marconis Verdienst, die verschiedenen zur Strahlentelegraphie erforder lichen physikalischen Prinzipien und Apparate zu einer praktischen Anwendung kombiniert und Letztere auf ihre Kapazität proportioniert
Telegraphie ohne Draht. zu haben.
103
Dann stellte er unermüdlich, zuerst 1896 in England und
dann 1897 in Gemeinschaft mit der italienischen Marineverwaltung , zwischen dem Festlande und fahrenden Schiffen praktische Versuche an, bis
die Strahlentelegraphie
auch
auf weite
Entfernungen zur
Ausführung gebracht werden konnte. Hierbei machte Marconi von der Entdeckung des leider zu früh verstorbenen Bonner Physikers Dr. Mertz Gebrauch, die Apparate in cylindrisch parabolischen Spiegeln aus Zinkblech derart aufzustellen, dafs bei dem einen die Funkenbahn des Oscillators, bei dem anderen das Branlysche Rohr in die Brennlinie
der Spiegel zu
liegen kamen.
Die erheblichste
Verstärkung in der Sprechentfernung wurde jedoch dadurch erzielt, dafs den elektrischen Oscillationen mittels vertikal nach oben geführter, sogenannter Verstärkungsdrähte , gestattet wird, sich über weite Strecken auszudehnen. Marconi erzielte hiermit zuerst telegraphische Verständigung auf eine Entfernung von 16,3 km, wobei die Länge des am Lande sowohl, als an Bord des Schiffes vertikal Prof. Dr. Slaby aus emporgeführten Drahtes 34 Meter betrug. Berlin befestigte 1897 die Verstärkungsdrähte an Luftballons, die 300 Meter stiegen und erzielte den damals böchsten Sprach- Rekord von 21 km Entfernung. In England, wo sich
seit Herausgabe
der
Schrift
des
Dr.
Blochmann die „ Wireless - Telegraph and Signal Co. " mit einem Kapital von 4 Millionen Mark gebildet hat, sind Dr. Slabys Resultate auch bereits überholt worden. Die Kompagnie hat unter Marconis Leitung Stationen errichtet in Haven Hotel, Sandbanks, Poole und in Needles. Hotel, eine Entfernung von 29 km, ferner zwischen Bath und Salisbury eine Entfernung von 54 km. Es wurde auch telegraphiert zwischen Alum- Bay, auf der Isle of Wight und einem kreuzenden Dampfer, in Entfernungen von 29 km ; ebenfalls zwischen Alum-Bay und Bournemouth, 23 km ; zwischen der Residenz der Königin in S. W. Osborne-House und der Yacht des Prinzen von Wales , u. s. Neuerdings werden Stationen errichtet, um das Vorbeipassieren von Schiffen an Lloyd zu berichten, und es ist auch bereits die Absicht, zwischen Dover und Calais über den Kanal zu telegraphieren , ernstlich in Erwägung gezogen. Der Umstand, dafs die Strahlentelegraphie von
atmosphärisch
elektrischen Entladungen und von den Strahlenschwingungen benachbarter asymptotischer Telegraphenstationen störend beeinflusst wird , sowie dafs dazwischen tretende Objekte, als :
Berge,
hohe
Bäume
u. s . w. schwächend auf die Sprechentfernung einwirken, wird dieser Telegraphenmethode eine bestimmte Grenze vorzeichnen, innerhalb welcher sie in Zukunft neben den bereits vorhandenen Kommuni-
104
Umschau in der Militär-Litteratur.
kationsmethoden einen wichtigen Platz,
sowohl in der Civil-
als in
der Militärtelegraphie, besonders aber im Marine-Signalwesen einzunehmen verspricht. Die Schrift des Herrn Dr. R. Blochmann kann daher einem jeden Fachmann und Gebildeten nicht warm genug anR. v. F.-T. empfohlen werden.
མ.
Umschau in der Militär- Litteratur.
I. Ausländische Zeitschriften . Streffleurs Österreichische militärische Zeitschrift. (Novemberheft 1898. ) Das Militär- Radfahren, dessen Entwickelung und OrganiDas Schiefsen sation in Österreich , seine Bedeutung und Zukunft. 1848-1898 . Histoder österreichischen Infanterie seit 200 Jahren . Rückzug. Der amtliche Berischer und militärischer Rückblick. richt des General Kitcheners über die Schlacht bei Omdurman . - Der Die Kapiamerikanische Reguläre . Die französischen Manöver. tulation von Santiago . Organ der militär-wissenschaftlichen Vereine. LVII. Bd . 3. Heft : I. Die Aus dem deutsch-französischen Kriege 1870/71 . Von C. v. H. Operationen der 2. Armee und der Armee-Abteilung des Grofsherzogs von Mecklenburg von der zweiten Einnahme von Orleans bis zum Waffenstillstande . II . Die Operationen der I. Armee nach der Kapitulation von Metz, von Ende Oktober bis zum Waffenstillstande. 4. Heft : Zum 2. Dezember 1898. Der Fesselballon im Dienste des höheren Führers im Feldkriege (zur Frage der Organisation von Feld- LuftschifferAbteilungen). Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie- Wesens. 1898. 11. Heft : Gürtel und Noyau-Werke . Studie nach Entwürfen und Vorschlägen des belgischen Genie-Kapitäns V. Deguise. Armeeblatt. (Österreich .) Nr. 44 : Avancements . Gedanken . — F. Z. M. Herzog Wilhelm von Württemberg über die Dienstsprache der Armee. Nr. 45 : Das Kriegerdenkmal in Budapest. - Der Schöpfer des Arsenals (aus dem Leben weiland des F. Z. M. Freih . v. Augustin . Forts. in Nr. 46) . Ein englisches Küstenverteidigungsprojekt. Nr. 46 : „Hentzi-Denkmal" und -Armeeblatt. - Englische Rüstungen . Die Kriegsmarine im Bürgerkriege der Vereinigten Staaten von Nordamerika 1861-1865 (Besprechung). Nr. 47: Und nochmals „Hentzi “ .
Umschau in der Militär-Litteratur.
105
Deutsche Heeres- Die Dienstsprache bei Kontrollversammlungen . vermehrungen. General Miles über den Krieg. Militär-Zeitung. (Österreich.) Nr. 39 : Übungslager. - Zur Gagenfrage. Die neuen Feldzeugmeister. Fortschritte im Bau der sibirischen Eisenbahn . Nr. 40 : Nochmals das „ Zde“ . Das ArmeeZukunftsrad. Journal des sciences militaires. (November 1898.) schiefsen und die praktischen Übungen im Lager von Châlons - Gelände, Menschen und Waffen im Kriege (Forts .) . der Grofse (Forts. ). Die Feldbefestigung in Verbindung
Gefechts(Schluſs) . Friedrich mit der
Taktik. Der nächste Krieg (Schlufs) . Le Spectateur militaire. (15. Oktober und 1. November 1898. ) Die Dekorationen , Kreuze und Medaillen (Schlufs ) . -- Der spanischamerikanische Krieg (Forts. ) . Die Alpentruppen in Italien und Frankreich (Forts. ) . - Die Meteorologie angewendet auf die Luftschiffahrt (Forts . ). - Kapitän la Tour d'Auvergne, erster Grenadier der Republik (Forts .) . (15. November. ) Der spanisch- amerikanische Krieg (Forts . ) . - Die Alpentruppen u. s . w . (Forts . ) . Die Meteorologie u . s . w. (Forts .). Der Kapitän la Tour d' Auvergne u. s. w. (Schlufs). Revue militaire universelle. (November 1898. ) Nr. 80 : Strategische Studie der Nord- Ost- oder französisch- deutschen Grenze (Forts.) . Der Hilfsverein für Verwundete (Schlufs) . Die Ursachen einer militärischen Niederlage . -Abd el Kader (seine Jugend, politische, Jeligiöse und militärische Bedeutung, Gefangenschaft, Tod (Forts .). Die Elfenbein-Küste (Forts .) . Revue du cercle militaire. Nr. 45 : Die internationale Ausstellung der Heere und Flotten im Jahre 1900 (Forts . in Nr. 47) . Militärische Operationen im Gebirge (Forts . in Nr. 46-48 ) . Die deutschen Kaisermanöver 1898 (Schluſs ). Bedeutung der Truppenausbildung im Frieden (Schluſs in Nr . 46) . Nr. 46 : Die zweijährige Dienstzeit in der deutschen Infanterie (Schlufs in Nr. 47). Nr. 48 : Taktische Schiefsübungen Abteilungsschiefsen der Artillerie. Kritik des Abteilungskommandeurs . - Die militärischen Entwürfe Deutschland s (bezieht sich auf einen Aufsatz im Berliner Tageblatt) . Revue d'Infanterie. (November 1898.) Geschichte der Infanterie in Frankreich (Forts.) . Kritische Bemerkungen über die ExerzierAusrüstung Reglements in Frankreich und Deutschland ( Schluſs) . ― und Belastung der Infanterie (Übersetzung aus dem Deutschen . Forts.). -- Die Wiedereroberung des Sudan (Schlufs). Revue de Cavalerie. (Oktober 1898. ) Vorwärts ! - - Spanien (Forts .) . Vergleichende Studie über die Kavallerie- Exerzier-Reglements der bedeutendsten europäischen Armeen (Schlufs ) . Von Bautzen bis Pläswitz, Mai 1813 (Forts .). Die Beförderung zu militärischen Graden unter der alten Monarchie. Der Maréchal de logis bei der Kavallerie. Revue d'Artillerie . (Oktober 1898. ) Taktische Plan- Studie. Deutsche Ansichten über einige Fragen betreffend die Zusammensetzung
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Umschau in der Militär-Litteratur.
einer Schnellfeuerartillerie. Abhandlung über die allgemeine Theorie des Stahls. Material der österreichischen Festungsartillerie. — Über den Gebrauch der Hand für schnelle Messungen bei Erkundungen der Artillerie. (November 1898. ) Schiefsleistungen der Artillerie und Angriffsformen der Infanterie. - Schiefs-Vorschriften der russischen Feldartillerie . Gebirgsbatterien und Mörserbatterien . - Die Reorganisation der deutschen Feldartillerie (nach den Jahrbüchern f. d . d . Armee und Marine). Die englische Feldartillerie 1898. La France militaire. Nr. 4378 : Die Sanitätstruppen in Kriegszeiten. Nr. 4379 : Grofse Manöver. Taktik der Kavallerie. -- Belagerungsmanöver im Lager von Chalons vom 1. bis 25. Oktober. Ein Bruchstück einer Fortfestung wird angegriffen ; dagegen steht zur Verfügung eine Abteilung des Belagerungstrains mit 16 kurzen 15,5 cm Kanonen. 8 langen 12 cm. 8 9,5 cm Kanonen, 8 22 cm Mörser, 3 schwere Batterien des Feldheeres mit je 4 kurzen 12 cm Kanonen . Zur Bedienung sind bestimmt 11 Kriegsbatterien Fufsartillerie, 1 Batterie für den Park, 2 für den Eisenbahndienst. Es treten noch hinzu 3 fahrende 7,5 cm Batterien (Schnellfeuer) 1 Genie-Kompagnie , 1 Luftschiffer- Abteilung , 3 Bataillone Infanterie. Nr. 4380 : Die ägyptische Frage . Belagerungsmanöver (Forts ( Forts..)) . Nr. 4381 : Belagerungsmanöver (Schlufs) . Nr. 4384 : Der Rücktritt von Chanoine. als Kriegsminister. -- Dem Parlament vorliegende, noch unerledigte Gesetzentwürfe und Anträge . Es schwebt noch ein Gesetzentwurf, betreffend Landesverrat, angebracht am 24. Dezember 1894 (nach Dreyfufs' Verurteilung), dagegen noch 10 Anträge aus dem Schofse des Parlaments in der vorigen und 21 in der laufenden Gesetzgebungsperiode . Nr. 4385 : Artillerie I. Feld-Material. Betrachtung über die Folgen übertriebener Feuergeschwindigkeit. Die geringe Kraft der Shrapnelkugel auf grofsen Entfernungen . Die Bespannung des neuen Geschützes (7,5 cm) ist wie bisher zu 6 Pferden . Die Gesamtbelastung soll 600 kg geringer sein , als beim bisherigen Feldgeschütz , wo sie 2000 kg betrug (?) . Nr. 4386 : Artillerie II. Taktische Entwickelung der Feldartillerie . Nr. 4389 : Freycinet, Kriegsminister Nr. 4390 : Nachklänge der grofsen Manöver. Nr. 4391 : Schwere
Artillerie des Feldheeres . Nr. 4392 : Korps -Artillerie I. Nr. 4396 : England und der Krieg. Nr. 4398 : Korps -Artillerie II. Nr. 4401 : England und Ägypten . Nr. 4404 : Korps -Artillerie III . Nr . 4408 : Die beiden Generale Cavaignac. Grofse Manöver. Le Progrès militaire. Nr. 1879 : Das Militärstrafgesetzbuch (Forts . ) . Nr. 1880 : Was man von Freycinet erwartet. · Die Zahlmeister (Les officiers comptables). Nr. 1881 : Schiefsen und Zielen (behandelt die schlechten Schiefsergebnisse im spanisch-amerikanischen Seekriege : Der Erfolg gehört demjenigen . der den besten Gebrauch von seiner Artillerie zu machen versteht). Die Militärärztliche Schule (L'école d'application du service de santé) . Nr. 1882 : Küstenverteidigung. Ausbildung der Genietruppen. Nr. 1883 : Der Militär-
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budget-Entwurf (Forts. in Nr. 1884) . Die Wehrsteuer. Die Genietruppen . -- Die Übungen des Sanitätsdienstes. Die Bewaffnung des Kanoniers.
Nr. 1884 : Nr. 1886 :
La Belgique militaire . Nr. 1432 : Zweite allgemeine VergröfseFaschoda. Nr. 1433 : rung von Antwerpen (Forts. in Nr. 1433) . Einige Worte über Die Neutralität ist eine Gefahr für Belgien . die Organisation der Armee der Vereinigten Staaten . Nr. 1434 : Oberkommando und Generalstab . Psychologie des Sozialismus . Nr. 1435 : In der Bürgergarde . Verschanztes Lager von Antwerpen . Schiefsvorschrift. Bulletin de la Presse et de la Bibliographie militaires. (15. November 1898). Vermehrung der englischen Armee im Jahre Offizierkorps und Befehlsführung in Deutschland 1897 und 1898. (Forts .). - Studie über das Schiefsen der Infanterie. Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen . (Oktober 1898) . Der Krieg Englands gegen die Bergvölker im Nord· Die westen Indiens (Forts .) . Der Kampf um Santiago (Forts . ). Schlacht bei Omdurman . - Elsafs-Lothringen für den militärischen Aufmarsch (Schlufs) . -- Das schweizerische Sanitätsdienstreglement. Revue militaire suisse. (November 1898) . General Amédée de la Harpe (Schlufs) . Manöver des IV. Armeekorps (Forts .) . Die deutschen Kaisermannöver 1898 . Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie . (Oktober 1898.) Allgemeine Darstellung der Elemente einer Shrapnelskonstruktionslehre. - Biographie von Karl Johann Herzog (Forts .). Auszug aus dem Bericht des Bundesrates an sammlung über seine Geschäftsführung im Jahre Artillerie und Genietruppe betrifft (Forts . ) . Allgemeine Schweizerische Militär-Zeitung. Nr. Vorläufer des russischen manöver 1898 (Forts .) .
die Bundesver1897 , soweit es 45 : Die HerbstAbrüstungsvor-
-
schlages . Nr. 46 : Die Herbstmanöver 1898 (Forts . in Nr. 47 und 48 ) . Die militärische Situation Englands und Frankreichs einander gegenüber. Nr. 47 : Die Lehren des spanisch- amerikanischen Krieges . Nr. 48 : Die Reorganisation des preufsischen Kriegsministeriums. Army and Navy Gazette. Nr. 2020 : Die Westafrikanischen Operationen. Rückmarsch der englischen Truppen von Kumassi zur Küste . Amerikanische reguläre Truppen und Volunteers . Charak teristik der tiefen Kluft, welche zwischen beiden herrscht, und der geringen Leistungsfähigkeit der letzteren . Unsere grofsen Manöver. Verschiedene Mängel, welche hierbei, in Vergleich zu den deutschen Manövern, hervorgetreten sind, werden erwähnt. Die Schlacht bei Kartoum. Anerkennung der Leistungen von Offizieren und Mannschaften . Anordnung des Truppen -Wechsels in Indien . Nr. 2021 : Buschs „Bismarck“. Der Mut des Entschlusses . Richtet sich gegen die von Amerika den Spaniern gegenüber befolgte Politik. Manöver-Erfahrung.
Angriff gegen die mangelhaften Leistungen des
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Verpflegungswesens .
Gebirgskrieg
in Indien . Nr. 2022 : Der Politische Betrachtung. - Unsere Stellung in Ägypten. Gedanken über die zukünftige politische Gestaltung. ―――― Der Khyber-Pafs . Eine besondere Truppe soll ausschliefslich für Ver wendung dort bestimmt werden . - Instruktion für den Gebirgskrieg. Nr. 2023 : Sind wir bereit ? Betrachtung über einen Krieg zwischen England und Frankreich. - Der Khyber-Pafs . Bestimmungen über deutsche Kaiser im Orient.
die zukünftige Besetzung und Sicherung des Passes. Die neue Armee-Reserve. Abändernde Verordnungen über deren Organisation. Das Armeebekleidungswesen. Besprechung der bevorstehenden Veränderungen in diesem. Journal of the Royal United Service Institution. Nr. 248 : Persönliche Erinnerungen an die Entwickelung der Handfeuer- Waffen und Maschinen Geschütze vom Jahre 1863 bis zur Jetztzeit. Vortrag des Oberstlieutenants Lockyer, erster Inspektor der Handfeuerwaffen . Im Jahre 1863 wurden die ersten Hinterlader, zunächst Snyder, 1871 Henri-Martini , 1888 Lee Metford eingeführt . Die blanken Waffen werden aus Solingen bezogen. Von Maschinen - Geschützen wurden Gardner, Nordenfeld und Maxim eingeführt. Der Schlufs behandelt die Prüfung der Waffen in Material und Ballistik . Die Wirkung der Röntgen- Strahlen in der Kriegschirurgie . Vom Major Beevor Sanitätsoffizier, Mitteilung von Erfahrungen aus dem letzten Grenz kriege in Indien und Vorschlag zur Organisation des nötigen Materials für Kriegszwecke . Kriegführung an der Nordwestgrenze . Grundsätze für die Kriege an der Afghanischen Grenze werden nach den hierin gemachten Erfahrungen zusammengestellt. New-York Army and Navy Journal. Nr. 1832 : Die Schlacht von El Caney. Eingehende Schilderung des Gefechtes vom 1. Juli d . J. bei St. Jago . Bericht des Generalmajor Mennit über die Kriegslage auf den Philippinen . Das 6. Infanterie-Regiment bei Santiago. Thatsachen gegenüber dem System . Schilderung der mangelhaften sanitären Einrichtungen im Heere. Nr. 1833 : Die Operationen gegen Manilla. Fortlaufende Kriegsberichte . - Aufstand der Indianer in Minnesota . → Damals und jetzt 1861 und 1898. Erwähnt die Fort schritte, die die Armee in Bezug auf Mobilisierung gemacht hat . Nr. 1834 : Die Organisation unseres Generalstabes . Vorschläge zur Ver besserung desselben . Die Artillerieschule der Vereinigten Staaten . Nr. 1835 : Das 25. Infanterie-Regiment bei El Caney. Gefechtsbericht. Militärische Erziehung. Bei der bevorstehenden Vermehrung des Heeres ist eine verbesserte Ausbildung in Unterricht und Disziplin in der Mititär-Akademie nötig . Das Dum-Dum- Geschofs . Schilderung der Wirkung Waffen.
der verschiedenen Geschosse der jetzigen modernen
Russischer Invalide. Nr. 219 : Die Panzerschiffe „ Petropawlowsk“ , „Poltawa“, „Admiral Uschakow" und "Admiral Ssenjawin" werden in den Libauer Hafen überwintern . Nr. 223 : Die fünften Kompagnien
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des 1. und 2. transkaspischen Eisenbahn-Bataillons sind am 1. August (a. St.) formiert worden. Nr. 227 : Junker der Kriegsschulen , welche dem Kasakenstande angehören und bisher ausschliefslich in Truppenteilen ihres Kasakenheeres zu Offizieren befördert wurden , können in Zukunft entweder, selbst wenn der Etat an Offizieren überschritten werden sollte, in einem Truppenteil ihres Kasakenheeres , oder aber auch, mit Genehmigung ihrer vorgesetzten Kasaken-Behörde , in einem regulären Truppenteil oder einem solchen eines anderen Kasakenheeres befördert werden . Nr. 230 : „ Die Lanze in der deutschen Armee" ; Verfasser spricht sich bewundernd über die Leistungen des deutschen Kavalleristen in der Handhabung der Lanze aus, die in seiner Hand eine „ ernste Waffe" sei . Nr. 232-235 : „ Die Verordnung für die Offizier - Kavallerie - Schule" (s . Aufsatz : „ Armeeund Marine- Nachrichten aus Rufsland " in diesem Heft) . Nr. 236 : Vom 1. Januar 1899 ab findet auch im Militär-Bezirk Wilna (im Mil . -Bez . Warschau bereits für 1897 ) der Ankauf der Remonten für die Feldartillerie nicht mehr durch Remonteur-Offiziere, sondern durch die Truppenteile selbst statt ; für jedes Pferd werden mit allen Nebenkosten 210 Rbl . bewilligt. Nr. 240 : „ Die Kompagnie- Chefs in den Sappeur- und Pontonnier-Bataillonen : Verfasser hält forderlich, dafs die, im Kriege nicht selbständigen, Sappeur- , Telegraphen- und Pontonnier-Kompagnien, wie es bei den Batterien der Fall ist, von Stabs- Offizieren kommandiert werden . -
Wajenüj Ssbornik. 1898. XI . Aus dem Gebiet der Strategie . Die Kriegsakademien der Grofsmächte Europas . Gemischte
maritime Expeditionen V. Zu dem Entwurfe des Infanteriereglements und der „ Vorschrift für das Verhalten der Infanterie im Gefecht" III . - Das Gefühl für Anstand in dem Offizierkorps (Skizze aus dem Soldatenleben) , Die Prinzipien des Reitens und des Zureitens (nach den Anleitungen des preufsischen Generals von Rosenberg) 1. Die taktische Ausbildung der Feldartillerie. ---- Der Festungskommandant. Die Altersgrenze im Militärdienst. -- Zu den Fragen über die Uniformierung und die Verheiratung der Offiziere . (Schlufs) . - Militärische Verwaltungsfragen . Zu einigen Folgerungen aus den Berichten über die Ausführung der allgemeinen Wehrpflicht. Die allgemeine Organisation der mittleren Lehranstalten in Deutschland, Frankreich und England. Auf dem Wege nach Abessynien . XI. Bibliographie : Über die Erziehung und Ausbildung der Truppen . (Aus dem Buche des Generals Philibert „ Dernier Effort" 1895) . Die rusisschen Instruktoren in Korea. - Ausgewählte Entscheidungen des Obermilitärgerichts für 1898. Die Organisation der höchsten Verwaltung und Befehlsstelle in den Armeen der westeuropäischen Grofsmächte . Raswjedtschik. Nr. 416 : Biographie und Bild des Generalgouverneurs von Rufsland, Generaladjutant Bobrikow. - Die Heiraten. der Offiziere . Veränderung in der Uniformierung der Offiziere . Vereinfachung des Schreibwesens bei den Truppen
das kaiserliche
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in
Finnland.
Die Schliefsung
der Junkerschule in
Stawropol . Die Versicherungsgesellschaften im Militärressort. Nr. 417 : Generalmajor Tutolmin, sein Bild und sein Nekrolog. ― Die Verteidigung der Citadelle von Ssamarkand vom 2-8 ( 14—20) Juni 1868 . Das Gesetz über die Wehrpflicht in Finnland . Nr. 418 : Bild und Biographie des soeben zum Direktor der Generalstabsakademie ernannten Generals Ssuchotin . - Die ,,Beschäftigungen" mit den Offizieren. -Ein Übergang über die Wolga . Die Feldmörser. - Bibliographie : Rufsland und die Türkei im XIX . Jahrhundert von Martschenko . Nr. 419 : Die Veränderung der Uniform der Offiziere . Die Abstattung Die Beförderung der Ehrenbezeugungen seitens der Schildwachen . des Podpraporschtschiki. - Die Untersuchung über den Überfall des russischen Lagers bei Andishan durch eine Bande Eingeborener. L'Italia militare e marina. Nr. 237 : Die Küsten-Verteidigung. Nr. 238 : Die Verluste in Afrika . Nr. 241 : Die Gymnastik im Heere II. Nr. 242 : Der englisch- französische Zwischenfall. Nr. 244 : MilitärStatistik III . Nr. 245 : Marine- Statistik I. Nr. 248-250 : Über das Schiefsen der Schiffs -Artillerie gegen die Küsten . Nr. 253 : Statistik II . - Das Sultanat von Raheita . Nr. 254 : Das
MarineMilitär-
Handbuch. Nr. 255: Die Beherrschung des Meeres. Nr. 259 : Thronrede des Königs bei der 2. Periode der 20. Legislatur. Nr. 261 : Die Unteroffiziere bei der Ausbildung. Rivista militare Italiana. (1. November.) Die Verwendung
der Pioniere im Festungskriege. Historische Betrachtungen über Küstenkämpfe. - Japans feindliche Stellung unter den Grofsmächten . Esercito Italiano . Nr. 126 : Die französischen Streitkräfte in Afrika . Nr . 127 : Die Verteidigung Ober- und der Halbinsel Italien . Nr. 128 : Offizieller militärischer Bericht über den Aufstand in Mailand vom 6. bis 9. März 1898. Nr. 129 : Die militärischen Behörden und der Aufstand in Mailand. Nr . 131 : Die Organisation der Artillerie. Das Alter der französischen Generale. Nr. 132 : 2 Feldzüge in Afrika. Rivista di artiglieria e genio . (Oktober.) Studie über den elastischen Widerstand der Cement-Konstruktionen mit metallener Schiefsen und Vorgehen der Infanterie im Gefecht. Einlage. Revista cientifico-militar. (Spanien. ) Nr. 17 : Blick auf die Ergebnisse des thessalischen Kriegs (nach Frhr. v. d. Goltz) (Forts . Versuchsmarsch zur Erprobung des 7,5 cm in Nr. 18 und 19). Schnellfeuer- Gebirgsmaterials. Nr. 18 : Gegenwärtige Lehre der MilitärGeographie. Nr. 19 : Bestimmung der Berechnung der Schufstafel Versuchsmarsch wie Nr. 17 (Forts . ) . einer Handfeuerwaffe. Revista general de marina. (Spanien .) (Juli.) Die Marine See-Entfernungsmesser von Barr und Stroud . - Die von Japan. Verteidigung der Küsten . - Ein Regulator für die Speisung der Thornikroft-Kessel. (August. ) Die Marine von Japan (Forts .) . Das Rechte und Pflichten der Kriegführenden und Neutralen . Marine von Die Cervera . (September.) Admiral Geschwader des
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Japan (Forts .) Vorteilhafteste Abmessung für die Panzerschiffe. Die Verwendung der Artillerie im Gefecht. Memorial de Ingenieros del Ejercito . (Spanien .) Nr. X: Die Sperre von Incaro (Forts . ) . Die Operationen gegen die Insurgenten in der Provinz Cavite (Forts . ) . Revista Militar. (Portugal.) Nr. 21 : Historische Skizze der Kavallerie (Schlufs) . Die Organisation der Kolonialtruppe (Forts.). Krigsvetenskaps Akademiens- Handlingar. (Schweden .) 20. Heft. Die Aufklärung der russischen Cavallerie . Ein Sattelmodell für Cavallerie. Militaert Tidsskrift. (Dänemark.) 4. u . 5. Heft : Die Schufs verletzung der modernen Handwaffen. Norsk Militaert Tidsskrift. (Norwegen .) Heft 10: Die amerikanische Expedition nach Cuba. Programm der Infanterie Schiefsschule. Militaire Spectator. (Holland . ) Nr. 11 : Über Reitkunst . Militaire Gids. (Holland . ) 6. Lieferung : Ausblicke taktisches Gebiet. II. Bücher. Albrecht von Roon, Preufsischer Kriegs- und Marine- Minister. Lebens- und Charakter-Bild . Von Otto Immelmann.
auf
Ein Mit
einem Bildnis. Leipzig 1898. R. Voigtländers Verlag. Kl . 8°. 144 Seiten . (Preis Mk. 2,00 ; gebunden Mk. 1,25. ) In einer Sammlung von „Biographischen Volksbüchern " , wie die Verlagsbuchhandlung von R. Voigtländer sie herausgiebt, ist ein Bild. von Preufsens grofsem Waffenmeister recht an seinem Platze und vor trefflich hat Herr Otto Immelmann verstanden , es zu zeichnen. Er zeigt des Königs treuen Feldwebel als das Urbild des Soldaten und des preussischen Offiziers von altem Schrot und Korn ; aus des Feld marschalls natürlicher Veranlagung und aus seinem Werdegange er klärt er sein Wesen und die Rolle, die er in der Geschichte gespielt hat. Am längsten verweilt er bei der Konfliktszeit und bei der von Roon in den Jahren 1859 bis 1866 entfalteten Thätigkeit, welche sich nicht nur auf das Militärische beschränkte, sondern mannigfach auf das politische Gebiet hinübergriff. Damals ging er Hand in Hand mit seinem alten Freunde Otto von Bismarck, an dessen Berufung auf die leitende Stelle er einen wesentlichen Anteil geübt hatte, später gingen ihre Wege und Ziele immer mehr auseinander und Roon trat in den Hintergrund. Jene frühere Zeit, in welcher es sich darum handelte , ob Preufsen den dem Staate gebührenden , vom Könige und dessen treuesten Dienern in Anspruch genommenen Platz in Deutschland und in der Reihe der Grofsmächte einnehmen werde, war des Kriegsministers Glanzzeit ; die Angriffe, denen er damals ausgesetzt war, gereichen ihm zur höchsten Ehre ; unbeirrt durch sie ging er den Weg, welchen er für den richtigen erkannt hatte, den Weg, auf den sein Pflicht
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gefühl ihn hinwies : Er wankte nicht auf seinem Posten, sondern vertrat mannhaft seines Kriegsherrn Willen und die Interessen des Heeres . Dafs es zum Heile Preuſsens, zum Besten Deutschlands geschah , zeigte die nahe Zukunft. Auch dem blödesten Auge wurde es klar. Viel Sorge und Arbeit war damit für den Mann verbunden, der des Vaterlandes durch unvergleichliche Siege bewährte,Waffen schmiedete. aber sie waren auf seinem ganzen Lebenswege ihm unzertrennliche Begleiter gewesen und für alle Drangsal und Kümmernis hielten ihn schadlos das Bewusstsein , zeitlebens seine Pflicht gethan zu haben . der Dank des Königs, der ihn seinen Freund nannte, und die Erfolge des Heeres . Das letztere zumal wird sich an dem in dem Buch ihm 14 . gebotenen Bilde erfreuen . Progrès de la défense des Etats et de la fortification permanente. depuis Vauban par le général Brialmont. Bruxelles , Guyot 1898. Preis 40 Francs. Wenn man die lange Reihe der vom General Brialmont verfaſsten Schriften überblickt - Stavenhagen führt deren wichtigste in der Zahl von 26 an so sollte man kaum glauben, dafs der Altmeister der Befestigungskunst jenen meist recht umfangreichen Werken noch etwas hinzuzufügen haben könne. Und doch füllt das vorliegende Buch eine wesentliche Lücke nicht nur in seinen eigenen Schriften , sondern auch in der einschlägigen Litteratur aus . Wenngleich Brialmont in vielen seiner Bücher ein reiches geschichtliches Material heranzieht, so erschien es doch als eine dankenswerte Arbeit, dafs er diese zerstreuten Bruchstücke zu einem einheitlichen Bilde zusammenfügte ; und wenn auch die neueren und neuesten Bauausführungen und Vorschläge der verschiedenen europäischen Staaten vielfach von ihm hier und dort schon berührt, ja auch eingehend besprochen wurden , so fehlte doch eine Zusammenstellung aller in die Öffentlichkeit gedrungenen und was mehr sagen will - zu Brialmonts Kenntnis gekommenen Vorgänge auf dem Gebiete der Befestigungskunst . Und hier zeigt sich, dafs er doch noch manche interessanten Beiträge in seinem Schreibtisch verborgen hielt, dafs er auch mit gänzlich neuem und unbekanntem Material in diesem Buche wieder seine Leser überraschen konnte . Man kann dessen Inhalt in zwei Teile gruppieren : zuerst die Entund diese Darwickelung des Befestigungswesens seit Vauban stellung gipfelt in der Charakteristik der Brialmontschen Ideen von der Lagerfestung und der region fortifiée und zweitens die Schilderung der Vorgänge in allen irgend zur Sprache kommenden europäischen über Schweden Staaten es werden deren dreizehn herangezogen und Norwegen mag Brialmont von den Neubauten selbst nichts bekannt sein, und die Türkei hätte nur mit ihren Küstenbefestigungen erwähnt werden können , die ihm allerdings nichts weniger als unbekannt sind .
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Es ist kaum zu bezweifeln, dafs namentlich der zweite Teil die meisten Leser sehr interessieren wird, finden sie doch hier sogar die neuesten deutschen Panzerwerke, sämtliche Typen der Werke von Bukarest, ein bisher noch nicht abgebildetes Fort von Kopenhagen (das aber leider in wichtigen Punkten unrichtig ist), die wenig be kannten Typen der italienischen Gebirgsbefestigung , ein Fort der Schweizer St. Gotthardbefestigung und anderes mehr. Es ist auf fallend, daſs es dem eifrigen Forscher nicht geglückt ist, auch für die neuen Befestigungen Österreich-Ungarns Beispiele beizubringen . Diese würden für die Fortfestung nicht weniger interessant sein, als für die Gebirgsbefestigung . Für letztere würden die von v. Leithner gegebenen Typen immerhin einen wichtigen Anhalt gegeben haben . Brialmont giebt in seiner bekannten sachlich -liebenswürdigen Weise zu vielen dieser Projekte und Bauausführungen eine Kritik ; bei allem, was entfernt nach neuer Schule riecht, also an Schumanns oder gar Meyers Panzerfront erinnert, kann er eine gewisse Entrüstung nicht ganz verbergen und übersieht dann wohl wie bei Amsterdam die ganz abnormen Geländeverhältnisse, welche auch zu abnormen Befestigungs- Grundsätzen und Formen führen müssen . An anderen Punkten, z. B. Kopenhagens Westfront, kann man ihm nur beistimmen und der Erbauer wird dieses auch thun - dafs hier die permanent
zu erbauenden vorgeschobenen Werke notwendig zur Ergänzung hin zuzufügen sind. Vielleicht wird in solchen Fällen des Altmeisters gewichtiges Wort dazu beitragen, längst gehegten Wünschen Gewäh rung zu verschaffen . So verlockend es ist, auf diesen Teil näher einzugehen, erscheint es mir wichtiger, auch auf den ersten noch einen Blick zu werfen . Auch hier bringt der unermüdliche Fortifikator Neues, nämlich unter den Forttypen ein Panzerwerk mit Minenanlagen . (Es wurde dieses mit dem betreffenden Kapitel bereits im „ Recueil des travaux techniques des officiers du génie de l'armée belge" veröffentlicht, welches in der trefflichen Übersetzung des Oberstlieutenant Wagner im Band 107 , 1 dieser Zeitschrift mitgeteilt worden ist . ) Es ist ein schwerwiegendes Wort, welches Brialmont zu Gunsten des in vielen Staaten so gänzlich vernachlässigten Mineurwesens in die Wagschale wirft, und eine ernste Mahnung, hinter den Nachbarn , welche es weiter entwickelten, nicht zurückzubleiben , sondern alle technischen Hilfsmittel aufzubieten , um es auf einen den Fortschritten der Technik würdigen Standpunkt zu heben. Von nicht geringerem Interesse ist die Besprechung der Ansichten des Generallieutenants von der Goltz über permanente und provisorische Lagerfestung . Es kommt hier recht deutlich zum Ausdruck, wie un selig der von Brialmont eingeführte Name „ Lagerfestung" gewirkt hat. Es ist zu spät, wenn er jetzt immer wieder hervorhebt, daſs die meisten grofsen Fortfestungen ja gar keine Lagerfestungen seien . In Deutschland haben wir deren ja , gottlob ! gar keine, wie er uns be 8 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 1
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zeugt, aber diese unglückliche Verquickung der Feldarmee mit der Festung hat unsere Taktiker nun einmal zur Überzeugung gebracht, dafs die moderne Fortfestung für eine Armee gebaut sei und der Armee zum Unheil gereiche . Es wäre dringend erwünscht gewesen , wenn Brialmont noch General von Schlichting zur Besprechung mit herangezogen hätte, um den Gegenstand und seine Ansichten darüber völlig klar zu legen . Es ist kaum fraglich , dafs in diesen wichtigsten Fragen der Landes verteidigung und des Wertes der Festungen diese bedeutenden Schriftsteller einen gemeinsamen Baugrund finden würden , wenn erst alle Mifsverständnisse bezüglich der Aufgabe und Leistungs fähigkeit der Festungen beseitigt wären . Einer Empfehlung des Buches bedarf es nicht. Ein Werk Brialmonts wird stets gelesen werden und der Leser wird es nie bereuen . 49 . Die Initiative der Unterführer im Bereiche strategischer Aufgaben. Studie von Sajonschkowsky , Kais. Russischem Oberstlieutenant Aus dem Russischen übersetzt von A. B. des Generalstabes . R. Gerhard 1898 . Leipzig und Wien . mit 6 Kartenskizzen . Preis 1 Mk. Das vorliegende kleine Heft enthält recht beachtungswerte Be trachtungen aus dem Bereich der höheren Truppenführung . Sind die darin niedergelegten Gedanken auch nicht immer neu , so kann man sich doch nicht genug mit ihnen beschäftigen , um die Begriffe darüber zu klären , inwieweit die Initiative der Unterführer heilsam , ja uner läfslich ist, andrerseits nachteilig, ja verhängnisvoll werden kann ! Verfasser unterscheidet in dieser Hinsicht zwei verschiedene Richtungen, in denen sie sich bewegen kann . Die erste betrifft Handlungen der Unterführer , welche auf Grund scheinbarer oder wirklicher Veränderung der Situation zu Veränderungen der nächsten Aufgaben der ganzen Armee führen. Die zweite Art gründet sich auf die Veränderung der Mittel, zuweilen auch wohl auf die der Sonderaufgabe des Unterführers selbst , doch hält sie unerschüttert an dem Grundsatze fest, dafs diese Veränderungen in keinem Falle eine Umgestaltung in den strategischen Kombinationen des Höchstkommandierenden nach sich ziehen dürfen . Sie steckt sich keine eigenen Ziele, behält sich nur die Freiheit in der Wahl der Mittel vor, welche am geeignetsten erscheinen , um im Sinne der höheren Führung zu handeln . Verfasser begleitet seine näheren Ausführungen mit sehr glück lich gewählten Beispielen aus der Kriegsgeschichte und erörtert mit Bezug auf die zuerst bezeichnete Richtung, wie die, wohl aus Über eifer hervorgegangene, Initiative der Generale Walther von Monbary in der Schlacht bei Wörth, des Generals von Kameke bei Spichern und von der Goltz bei Colombey die Pläne der höheren Kriegsführung durchkreuzt und eine totale Veränderung des Operationsplanes herbei geführt haben, ja , da die nötige Unterstützung für sie nicht vor bereitet war, leicht hätten zu Niederlagen führen können ! Er unter
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sucht, wie weit diese Art von Initiative überhaupt zulässig ist und kommt zu dem Resultat, daſs, wenn überhaupt, sie nur den Armee führern, allenfalls den Kommandierenden von Armee-Korps zugestanden werden kann, vorausgesetzt, dafs sie genau über alle Pläne der höheren Uns erscheint der Ausspruch am glück Führung orientiert sind . lichsten gewählt, den der Verfasser über diese heikle Frage zum Schlufs seiner Betrachtung thut, indem er sagt, dafs das Recht selbst ständiger Einmischung in die Entschliefsungen höherer Vorgesetzter von Seiten ihrer Unterführer in jedem einzelnen Falle durch die un erlässliche Bedingung eingeschränkt werden mufs, dafs diese imstande und davon überzeugt sein müssen, mit richtigem leidenschaftslosen Blick die veränderten Umstände geprüft zu haben , nicht nur im Interesse ihres eigenen Truppenteils, sondern des ganzen Verbandes, dem sie angehören . Am wenigsten will es uns angezeigt scheinen, ein solches Recht von der Dienststellung und dem Kommandoverhältnis des Betreffenden abhängig zu machen, da es bekannt ist, wie eine solche Initiative selbst in der Hand eines Armeeführers , des General von Steinmetz, den Allerhöchsten Intentionen nur wenig entsprach ! Für die andere Art der Initiative , die Verfasser nicht nur in vollstem Maſse als berechtigt, sondern sogar als durchaus unentbehr lich zur Erzielung entscheidender Resultate , insbesondere bei den Operationen gröfserer Heeresmassen hält, stellt er ebenfalls drei Bei spiele aus der Kriegsgeschichte auf. Er weist nach, dafs der Ent schlufs des Generals von Alvensleben, am 16. August bei Mars la Tour mit seinem III . Korps den Kampf gegen die ganze Armee Bazaines aufzunehmen, während er nur den Auftrag hatte, die Arrièregarde der im Abzug vermuteten Armee festzuhalten , durchaus im Sinne der obersten Heeresleitung war, und wäre auch sein Armee-Korps dabei zu Grunde gegangen . Er veränderte angesichts der neuen Umstände nur die Mittel zur Erzielung des ihm gesetzten Zieles, ohne im ge ringsten das Ziel des ganzen Unternehmens zu berühren . In ähn licher Weise verfuhren im Jahre 1812 die russischen Generale Tutschkoff III bei Lubino am 5. August und Duchturow bei Malojarostawcz am 11. Oktober, indem sie bei veränderten Situationen aus eigener Initiative Mafsnahmen trafen , welche dem Buchstaben des Befehls nach allerdings entgegengesetzt , dem Sinn der Oberleitung aber durchaus entsprechend waren ! In allen drei letzten Beispielen brauchten die Oberführer an ihrem Operationsplan nichts zu ändern ! Während also eine Initiative im ersten Sinne, welche dem Plan des Vorgesetzten vorgreift, einen der wichtigsten Grundsätze der ganzen Kriegsführung umstöfst, dafs nämlich die Thätigkeit des Heeres von einem Willen und einem Gedanken geleitet werden mufs, so trägt im Gegenteil eine Selbständigkeit, die zur Auswahl besserer Mittel für denselben Zweck benutzt wird , nur zur vollständigeren Ausführung der Idee des Heerführers bei! Darum wird die unbegrenzte Ausbildung solcher Initiative keinen Schaden , sondern nur den gröfsten Nutzen bringen.
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Sie wird immer mehr zur Notwendigkeit, da mit der Vergrösserung der Armeen den Unterführern ihre Aufgaben in immer weiteren Rahmen, häufig nur mittels Direktiven angewiesen werden können . Um diese aber vollständig beherrschen zu können , müssen diese Männer solide strategische und taktische Kenntnisse besitzen , die weit über die Bedeutung derjenigen Truppeneinheiten , an deren Spitze sie stehen, hinausgehen ! Wir bringen aus der kleinen interessanten Schrift nur die hier
kurz angedeuteten Gedanken , um dieselbe allen zu empfehlen, denen eine Anregung zum Nachdenken über diese so überaus wichtigen v. M. Fragen willkommen ist! Taktische Aufgaben für Kriegsspiel, Übungsritt, Dispositionsübung und Selbststudium der Infanterie in Anlage und Durchführung von E. Zöllner , Premierlieutenant. Mit 1 Karte in Steindruck . Berlin 1898.
E. S. Mittler u . S.
1,25 Mk.
Dafs Kriegsspiele, Übungsritte etc. eine ganz hervorragende Rolle in der Ausbildung unserer Offizierskorps spielen , ja spielen müssen, darüber besteht wohl kaum mehr ein Zweifel ; ein Beweis dafür ist unter anderem ja auch schon der Umstand , dafs die Litteratur sich dieses Ausbildungszweiges bereits in ganz besonderer Weise bemächtigt hat (z . B. Gizyki, Litzmann , Moltke, Münzenmaier, Souheur etc.) . Die neueste litterarische Erscheinung auf diesem Gebiete, die vor liegende , 49 Seiten umfassende Schrift, bringt zwar an sich nichts Neues - obschon sie mit bestem Willen den Versuch dazu macht immerhin bietet sie so viel des Interessanten und Lehrreichen, dafs sie nicht unbeachtet gelassen werden kann , ja ein eingehenderes Studium wohl wert ist. Sie hält ungefähr die Mitte zwischen Litz mann , III . taktische Übungsritte und dem bekannten und vielbenützten Souheur in der Weise, dafs sie zunächst eine Kriegsspielaufgabe (Angriff einer aufmarschierten Infanterie-Brigade) eingehend , bis zu den Bataillons-, teilweise Kompagnie-Befehlen herab, Gegner durch den Leitenden markiert, durcharbeitet und daran eine Reihe von weiteren Aufgaben anschliefst, deren Ausarbeitung dem Leser über lassen bleibt. (Eine Infanteriebrigade in der Verteidigung , Kampf zweier Avantgarden mit verschiedenartigem Auftrag , Einrücken einer Brigade in die zugewiesene Einschliefsungslinie vor einer Festung, Abbrechen des Gefechts und Aussetzen von Vorposten mit Gefechts bereitschaft, Flankenbewegung einer versammelten Infanteriebrigade, Übung im Etappendienst, Flufsübergang angesichts des Feindes, Kampf zweier Avantgarden nahe einem Flufsübergang, Arrièregardengefecht , Kampf zweier Detachements und Angriff und Verteidigung einer vor bereiteten Stellung, wobei die 4 letztgenannten Aufgaben gleichzeitig als Entwurf für ein 4tägiges Brigademanöver gedacht sind. ) Die Auf gaben spielen sämtlich auf dem beigegebenen Blatt Dachau West des topographischen Atlas von Bayern in 1 : 50000.
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Das Bestreben des Herrn Verfassers , dessen Arbeit das Ergebnis der zwanglosen gemeinschaftlichen Thätigkeit einer Vereinigung von Offizieren ist, ging dahin, Aufgaben zu konstruieren , welche , ohne langwierige Einleitungen infolge von Kavalleriezusammenstöfsen etc. , unmittelbar zum Gefecht oder in bereits vorgeschrittene Gefechtslagen führen, also meist Regiment oder Brigade im Rahmen gröfserer Verbände im Gefechtszusammenhang betreffen und welche fast ausschliesslich auf die Schulung in der Abfassung von Gefechtsbefehlen hinzielen . Wenn er in seiner Einleitung eine nicht zu verkennende Abneigung gegen die sogenannten Detachementsübungen bekundet, so können wir uns dazu nicht ganz zustimmend verhalten, da wir in der Friedensübung nicht blofs die Befehlsschulung, sondern mindestens in gleicher Weise auch die rasche Entschlufsfassung, die Übung in der Verwendung der verschiedenen Waffen , Kaltblütigkeit und Unerschrockenheit aller Führer und Unterführer erzielen wollen, was alles bei der Durchführung des Gefechtes eines Detachements leichter zu erreichen ist , wie bei dem Gefecht einer in einen gröfseren Rahmen eingezwängten und daher weniger selbständigen Brigade. Im Ernstfalle werden selbständige Detachements auch keineswegs einen so bescheidenen Platz einnehmen , wie der Herr Verfasser ihn ihnen zuweisen möchte ; man denke nur an die vielen oft recht interessanten und wichtigen Vorkommnisse im Grenz- und Etappen-Krieg, wie sie die Geschichte des Krieges 1870/71 berichtet und wie sie ein künftiger Krieg vielleicht in noch gröfserer Zahl bringen wird . Wenn der Herr Verfasser ferner bisher die Erfahrung gemacht hat, dafs gewöhnlich die Manöveraufgaben in den Kriegsspielen etc. wiederspielen , dafs beim Spiel der Leitende sich über Gebühr bei der Kavallerie aufhielt, dafs die Weiterführung eines abgebrochenen Kriegsspieles ad calendas graecas vertagt werde , so darf dafür nicht das System der Detachementskriegsspiele als solches verantwortlich gemacht werden , vielmehr mufs man wohl der Ansicht zuneigen , dafs der jeweilige Leitende seiner Aufgabe nicht voll gewachsen war und die allerdings nicht zu leugnenden Schwierigkeiten nicht zu vermeiden oder zu umgehen verstand. Die Leitung von Kriegsspielen ist ja wohl. eine der schwierigsten Aufgaben unseres Berufes ; sie erfordert ganz besondere Anlage und Fähigkeit, sie ist eine Kunst, die wohl dem Äufseren, der Technik nach , nicht aber dem Geiste, dem Wesen nach , erlernt und daher, wenn sie wirklich Erspriefsliches zu Tage fördern soll, auch nicht von jedem verlangt und vorausgesetzt werden kann . Auf jeden Fall ist die vorliegende Schrift mit ihren wohldurchdachten, interessanten und lehrreichen Aufgaben als Belehrungs- und Hilfsmittel bei der Anlage und Durchführung von Kriegsspielen nur Ob. willkommen zu heifsen und zu empfehlen . Kriegsfahrten von Jena bis Belle-Alliance. Erinnerungen eines Soldaten der englisch- deutschen Legion in Deutschland, England,
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Umschau in der Militär-Litteratur. Portugal, Spanien , Frankreich und den Niederlanden . Heraus gegeben und illustriert von H. Lüders. 234 Seiten mit 125
Abbildungen . (Biographische Volksbücher Nr. 36-43 ; R. Voigt länders Verlag in Leipzig .) Preis 2 Mark, geb. 2 Mark 25 Pfg Während die Zahl der „Kriegserinnerungen " aus dem deutsch französischen Kriege eine übergrofse ist, hat die Zeit der napoleonischen Kriege zu Anfang des Jahrhunderts deren nur sehr wenige aufzuweisen. Mit den vorliegenden Aufzeichnungen eines einfachen Soldaten der deutsch-englischen Legion wird demnach eine Lücke in der volks tümlichen Kriegsgeschichts - Litteratur gefüllt . In schlichter, sich von jeder Ruhmredigkeit fern haltender Weise erzählt der Veteran von Jena, Vitoria und Belle-Alliance seine Kriegsthaten , die er (nach münd licher Überlieferung) einem Lehrer seines Heimatsortes in die Feder diktierte. Tiefen Einblick gewähren sie in die charakteristischen Eigenschaften der Franzosen , Engländer, Spanier und Portugiesen und können aus diesem Grunde diese Blätter auch auf kulturgeschicht lichen Wert begründeten Anspruch machen . Der Held der Geschichte nahm als preufsischer Soldat an der Schlacht bei Jena teil, arbeitete dann in seinem Beruf als Tischlergeselle in verschiedenen deutschen Städten , liefs sich 1809 vom Herzog von Braunschweig anwerben und machte dessen berühmten Zug durch Deutschland bis Elsfleth mit . Dort verschlief er, todmüde, die Abfahrt seines Truppenteils , kam aber in Ritzebüttel zur englisch- deutschen Legion und mit dieser nach Spanien . Dort machte er unter Wellington eine Reihe von Schlachten und Gefechten durch ; die Schilderung des unglaublich anstrengenden, greuel- und verlustreichen wilden Feldlebens in Spanien ist überaus spannend und anziehend . Vor Bayonne ertönte im Frühjahr 1814 das Freudenwort 99 Friede" , und es ging nach England zurück. Im nächsten Jahre kämpfte der wackere Mann wieder bei Waterloo ; das männer mordende Streiten dort schildert er so lebendig, dafs der Leser dabei gewesen zu sein glaubt. Schliefslich wurde er in dem Kampf um das Gehöft La Haye Sainte verwundet und gefangen genommen. Nach der Einnahme von Paris nahm der wackere Kämpe seinen Abschied und kehrte in die Heimat zurück. Über seine ferneren Schicksale verlautet nichts . Diese „ Kriegsfahrten " sind wirklich wieder einmal ein echtes Volksbuch , dessen Lektüre durch die beigefügten künst lerisch ausgeführten Abbildungen von der Hand des bekannten Malers H. Lüders noch eine besonders fesselnde wird. Ich verdanke dem Buche mehrere genufsreiche Stunden und kann es besonders Volks 2. und Soldatenbibliotheken nur auf das Wärmste empfehlen . Unsere Unteroffiziere im Kriege. Zweites Heft . Mit 100 Abbildungen im Text . Berlin E. S. Mittler u . Sohn . Preis 1 Mk. 50 Pfg. Das erste Heft dieser ansprechenden und recht belehrenden Schrift ist bereits anerkennend besprochen worden . Wieder begegnen uns die aus dem ersten Hefte bekannten Persönlichkeiten, deren (erdichtete)
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in volkstümlichem Erzählerton berichtet werden . Kriegserlebnisse in Mannigfache Kriegslagen kommen auf diese Weise zu anschaulicher Darstellung : Das erste Gefecht, eine Beitreibung, Bei den Wagen, Vor der Entscheidung, Eine Schlacht, der nächste Tag, das Ganze Halt! Sicherheitsdienst vor der Festung, Vor der Festung, Frieden im Kriege ! Vor der Festung (Belagerung), Ein schwerer Tag, Hinter der Front. Es ist entschieden anzuerkennen, dafs auch in diesem Heft dem Unteroffizier wie dem Soldaten eine fesselnde, anregende und belehrende Lektüre geboten wird. Daher sei es dem Verfasser auch nicht zum Vorwurfe gemacht, dafs die Darstellung mitunter sehr in die Breite geht. Der Herr Verfasser, der aus seinen Erfahrungen von 1870-71 weifs, wie es im Kriege zugeht, der ein warmes Herz für den Soldaten und Verständnis für dessen Denken und Empfinden hat, weifs diese Erfahrungen mit Geschick für die von ihm geschilderten Zukunfts-Kriegsbilder zu verwerten, indem er dabei nach Möglichkeit den neueren Fortschritten der Bewaffnung und der Technik Rechnung trägt. Bescheidentlich darf der Berichterstatter vielleicht die Vermutung aussprechen, dafs sein ganz ähnliche Ziele in ähnlicher Art verfolgendes Büchlein „ Der Dienst des Infanterie-Unteroffiziers im Kriege “ , erschienen 1892, vielleicht die Anregung zu den hier besprochenen Heften gegeben hat. Allerdings hält das früher erschienene Buch sich wesentlich knapper. Übrigens beeinträchtigt dieser Vorgang in keiner Weise die Verdienstlichkeit der vorliegenden Arbeit. Sie kann durchaus empfohlen werden , zumal auch der junge Offizier, der den Krieg nur aus Büchern kennt, manchen beherzigenswerten Fingerzeig in diesen hübsch ausgestatteten und nett illustrierten Heften finden wird. P. v. S. Schlaglichter auf das Mittelmeer. Von O. Wachs. Berlin 1898 , E. S. Mittler u. Sohn . Unter diesem Titel tritt uns eine recht wertvolle und gründliche Arbeit, welche die geographischen Verhältnisse des Mittelmeers nach ihrer politischen , wirtschaftlichen und strategischen Bedeutung behandelt, entgegen . An die Geschichte anschliefsend, wird das Meer mit seinem Küstengebiet einer charakteristischen Betrachtung unterworfen, welche reich durchsetzt mit einschlägigen Citaten mafsgebender Autoritäten, sowohl das allgemeine Interesse als auch besonders die Aufmerksamkeit der militärischen Kreise in hohem Mafse beanspruchen darf. Wie die um das Mittelmeer-Becken gruppierten Länder von jeher Schauplatz eines regen Völkerlebens waren , so bildeten auch seine Gewässer die Hauptverkehrswege der alten Welt. Eine reiche Kultur erblühete am Mittelmeer- Gestade, die wichtigsten geschichtlichen Vorgänge spielten sich dort ab und noch heute wird dies Binnenmeer von den Weltmächten umworben , namentlich seit Eröffnung des SuezKanals und nachdem eine ägyptische und marokkanische Frage die
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Blicke Europas auf die nordafrikanischen Küstenländer, wo sich die weittragendsten nationalen Interessen kreuzen, gelenkt haben . Die in erschöpfender Weise auf einen verhältnismäfsig knappen. Raum zusammengedrängte Arbeit beschäftigt sich zunächst mit der Meerenge von Gibraltar, der befestigten Stellung Englands daselbst und deren militärischer wie maritimer Wichtigkeit. Der höchst anschaulichen Darstellung kann man im allgemeinen nur beipflichten . Fraglich erscheint indessen, ob das Projekt des Canal de deux mers genügend berücksichtigt worden ist, soll doch der Bau thatsächlich zustande kommen und werden nach seiner Vollendung Frankreichs Kriegsschiffe die Gibraltar- Sperre ohne Zeitverlust umgehen können, so dafs Kanalund Mittelmeer-Flotte sich zu gemeinsamem Auftreten schnell vereinen lassen. Ob ferner Ceutas strategischer Wert ausreichende Würdigung gefunden? Die Seetestung Gibraltar schliefst nur den nördlichen Thorflügel der gleichnamigen Meerespforte, während die Ceuta- Position , sofern sie in den Händen einer vermögenden Macht, den südlichen verriegelt. Beide Hochburgen ergänzen sich einander, aber Ceuta thront schon an der Iberischen Küste des westlichen Mittelmeer-Beckens , welches letztere von den Franzosen rückhaltlos als „ Französische See“ bezeichnet wird . Es werden alsdann die Seepässe zwischen Mittel- und Schwarzem Meer, die Zugänge zwischen den West- und Ostbecken des Mittelmeers und der Suez -Kanal besprochen. Die natürliche und künstliche Verteidigungsfähigkeit des Bosporus und der Dardanellen wird klar und scharf geschildert und treffend gezeichnete Bilder aus der Vergangenheit und Gegenwart von den Seewegen um Sizilien , von Malta und dem nordafrikanischen Küstenforum vorgeführt. Sehr richtig wird der internationale Wert des Suez -Kanals wenn auch in britischem Sinne dahin gedeutet, dafs derselbe im Frieden für alle Kriegsschiffe der Welt offen, im Kriege aber lediglich die stärkste Seemacht über ihn zu verfügen habe. Ein ebenfalls englischen Quellen entstammendes Urteil über den strategischen Wert des Kriegshafens von Biserta betont die hoch zu bemessende Einflufssphäre dieser Position , welche speziell für Italien eine drohende Gefahr in sich birgt. Freilich darf darüber in London kein Zweifel mehr obwalten, dafs die ausgedehnte Rhede und der vorzügliche Binnenhafen von Biserta einen dominierenden Stützpunkt in dem ohnehin kräftigen maritimen Festungsdreieck ToulonAlgier- Biserta bilden , wodurch die mediterranen Machtverhältnisse wesentlich zu Gunsten Frankreichs verschoben werden . Andrerseits sieht sich das finanziell bedrängte Italien vor die kostspielige Aufgabe gestellt, als notwendige Gegenrüstung den Biserta nächstliegenden , längst versandeten Hafen von Marsala an der sizilischen Westküste , auf neuem Ankergrunde, befestigt wiederherzustellen . In den weiteren Abschnitten wendet sich die Bearbeitung der natürlichen Beschaffenheit beider Mittelmeerbecken und der pontischen Gestade zu. Die Küstengebiete mit ihren Uferwandungen und Häfen ,
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Inseln und Halbinseln werden unter Hervorhebung politischer und militärischer Gesichtspunkte klar und deutlich veranschaulicht. Die Wandlungen, welche durch den Gang der Völker- und Staatengeschichte in stetem Wechsel entstehen, finden eingehende Beachtung, so auch die Schicksale der heute viel genannten Insel Kreta und deren maritim strategische Bedeutung. Das Interesse an der Arbeit wächst mit einer am Schlusse derselben gebrachten Rück- und Umschau . Von weitsichtigem und umfassendem Standpunkt aus werden die handelspolitischen, kolonialen und strategischen Bedingungen im Staatenleben hergeleitet und mit anerkennenswerter Gründlichkeit erörtert. Wir stehen nicht an, dies fesselnd geschriebene Werk als einen ganz besonders wertvollen Beitrag zur Militär- Geographie zu bezeichnen. Wer da weifs, wie schwierig es ist, politisch-geschichtliches Quellenmaterial zu sammeln und zu sichten , dann aber auf Thatsachen gestützt, die Karte zu studieren, der wird dem Verfasser für seine müheHdt. volle Arbeit zu grofsem Danke verpflichtet sein . Rufsland in Asien .
Band II.
major Krahmer. Preis 4,50 Mk.
Rufsland in Mittelasien von General-
Mit 9 Autotypien.
Leipzig-Zuckschwerdt 1898.
Mittelasien, dies grofse Arbeitsfeld für die Kultivierung Asiens durch Rufsland , tritt von Jahr zu Jahr mehr in den Vordergrund des Interesses . Wenn auch in neuester Zeit die Augen des Soldaten und des Diplomaten meist auf Ostasien gerichtet sind, so sind doch die Vorteile, welche Rufslands Handel und Rufslands Industrie aus jenen in den der Bewässerung zugänglichen Teilen so fruchtbaren Gebieten erwachsen, so grofs, die Bedeutung dieser Länder für einen etwaigen Zusammenstofs des Zarenreiches mit England in Afghanistan so wichtig, dafs eine auf zuverlässige Quellen gestützte Darstellung wie die des Generals Krahmer gewifs in weiteren Kreisen willkommen sein wird. Nach einem geschichtlichen Rückblick auf das Vordringen Rufslands in Mittelasien und einer allgemeinen topographischen Übersicht werden eingehende statistische Daten gegeben. Eine Betrachtung über die Beziehungen Rufslands und Englands in Mittelasien macht den Beschlufs der fleifsigen Arbeit, welche wir hiermit unsern Lesern 17. empfehlen wollen. Leitfaden für den Unterricht in der Artillerie an Bord des Artillerieschulschiffs. Herausgegeben von der Inspektion des Bildungswesens der Marine. Erster Teil : Material. Berlin 1898. E. S. Mittler u. Sohn . Preis 4 Mk., geb. 4,60 Mk. Dieser Leitfaden bildet die Grundlage für den Unterricht der Seekadetten an Bord des Artillerieschulschiffes und behandelt in drei selbständigen Teilen 1. Das Material der Schiffs- und Küsten-Artillerie, 2. Pulver und Munition, 3. Die Schiefslehre (letztere ist kürzlich vorweg
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erschienen). Der vorliegende erste Teil : Material der Schiffs- und Küsten-Artillerie ist auf Grund des in den Jahren 1893 bis 1895 vom Kapitänlieutenant Bödicker aufgestellten Leitfadens für die Oberfeuer werkerschule und unter Berücksichtigung aller neueren einschlägigen Veröffentlichungen des In- und Auslandes bearbeitet . Auf das Artillerie material fremder Staaten , namentlich Englands und Frankreichs , ist bei der Behandlung der Rohre und Verschlüsse mit eingegangen worden . Die Laffeten sind bis einschliefslich der Konstruktionen von 1894 im Zusammenhange geschildert ; die Behandlung der Konstruktionen nach 1894 bleibt für später vorbehalten , weil die Konstruktion der selben noch nicht endgültig abgeschlossen ist. Dem vorliegenden ersten Teil wird sich später der zweite Teil : Pulver und Munition an 2. schliefsen.
Kommentar zum Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874, mit Novellen . Von Dr. Eduard Steidle . Auditeur. 1898. Würzburg. Stahelsche Verlags -Anstalt. Preis 7 Mk. , geb , 8,20 Mk. Das Werk bietet nicht nur den einzigen Kommentar zum Reichs Militärgesetz und zum Kriegsdienstgesetz, sondern auch die erste Fest stellung des durch eine ganze Reihe von Novellen geänderten Textes zu dem vor etwa 25 Jahren erschienenen Gesetze . Es enthält neben dem Inhaltsverzeichnisse ein ausführliches Register. Alle einschlägigen Gesetze, wie Reichsverfassung, Heer- und Wehrordnung, sind berührt und teilweise ausführlich erläutert. Eingehende Berücksichtigung fanden die Entstehungsgeschichte und die Sonderbestimmungen in Bayern und Württemberg etc. etc. Der Kommentar wird unent behrlich sein in den Bureaus der Bataillone, Regimenter und höheren Stäbe , bei allen deutschen Bezirkskommandos, in den Offiziersbiblio theken, Kriegsschulen, Akademien, wie überhaupt bei allen Militärs , wird aber auch Gerichten und Staatsanwaltschaften und den mit dem Militärersatz betrauten Verwaltungsstellen (Bezirksämtern , Stadt magistraten) , sowie den Parlamentariern ein willkommenes Nachschlage 4. buch werden . Leitfaden für den Unterricht in der Russischen Sprache. Von A. Garbell. I. Russische Fibel. II. Elemente der Russischen Sprachlehre . Berlin 1899. Langenscheidt. Vorliegende Arbeiten sind aus der praktischen Lehrthätigkeit des Verfassers erwachsen und bestimmt, die Mängel zu vermeiden , welche oft unseren deutschen pädagogogischen Werken anhaften . ― Nam hafte russische Autoritäten auf dem Gebiete der Sprachlehre , wie der bekannte russische Dialektolog, ordentlicher Professor für russische Sprache und Litteratur an der Petersburger Universität, Wirklicher Staatsrat Szobolewskij , sowie der Vorsitzende der Abteilung für russische Sprache und Litteratur an der Petersburger Akademie der Wissenschaften, ord . Akademiker, Wirkl. Geheimrat Büitschkoff, haben
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die Arbeiten des Herrn Garbell ihrer Beurteilung unterzogen und den Verfasser mit ihrem mafsgebenden Rat unterstützt . Klare , richtige Aussprache des Russischen und die schnelle Aneignung eines ausreichenden Vokabelschatzes sind die Ziele, welche sich der Verfasser gesteckt und, wie wir zu unserer Befriedigung sagen dürfen erreicht hat. In diesem Sinne können wir seine Arbeiten als einen willkommenen Zuwachs unserer Litteratur 17. über den Unterricht in den slavischen Sprachen begrüſsen. Offizier und Sozialdemokrat. Von Paul Schwerdt , München. R. Abt. Der eigentümliche Titel dieser Broschüre wird durch ein Goethe entlehntes Motto in düstere Beleuchtung gerückt:
„Des Jammers Mafs ist übervoll, Ich weifs nicht, wer uns retten soll . Ein Aschenhaufen einer Nacht Liegt morgen reiche Kaiserpracht. “ Aber der Verfasser meint es nicht so schlimm . In der Einleitung zu seinen Ausführungen bezieht er sich auf einen in der Zeitschrift „Die Wahrheit" erschienenen Aufsatz , der denselben Titel führt. Diesem Aufsatze zustimmend, will der Verfasser zeigen, wie der Offizier den Kampf gegen die Sozialdemokratie zu führen, wie er auf die als Sozialdemokraten bekannten oder verdächtigen Mannschaften einzuwirken hat . Ein zeitgemäfses Thema, dessen richtige und sachgemäfse Behandlung durchaus auf Zustimmung zu rechnen hätte . Leider hält der Verfasser nicht, was er verspricht. Wie man mit solchen Leuten sprechen, wie man sie behandeln , wie man den Weg zu Verstand und Herz der Verführten finden soll, davon ist nur in wenigen Andeutungen und allzuwenig ausgeführten Beispielen die Rede . Verfasser charakterisiert zunächst unsere jetzigen Offiziere und kommt zu dem Gottlob unbestreitbaren Ergebnis, dafs die deutschen Offiziere dank ihrem einheitlichen Ersatz und ihrer Vorbildung am meisten den Anforderungen entsprechen, die man heutzutage an den Erzieher der Mannschaft stellen mufs . Neben und nach den deutschen Offizieren kommen für den Verfasser dann nur noch die österreichischen Hierauf wollen wir nicht eingehen, da es Kameraden in Betracht. nicht mafsgebend für unsere Besprechung ist. Aber in der Charakteristik der deutschen Offiziere findet sich neben Wahrem und Zutreffendem soviel Halbwahres und Falsches , dafs die Gegner unserer Heereseinrichtungen in Versuchung kommen können , ihre Waffen aus dem Arsenal dieser Broschüre zu entnehmen . Verfasser, der, beiläufig bemerkt, die allgemein wissenschaftliche Vorbildung der bayerischen Offiziere für besser hält , als die der preufsischen, ruft aus : „ Fort mit den Paukanstalten in Preuſsen !" Damit meint er die Vorbereitungsanstalten zum Fähnrichsexamen, die wir „Pressen“ zu nennen pflegen. In diesen Wunsch stimmt der Schreiber dieser Zeilen ein und hat das in dieser Zeitschrift aus-
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gesprochen und begründet. Wenn aber in der Schilderung des jungen Durchschnitts-Lieutenants gesagt wird : Balletteusen, Sport aller Art, Bälle und Bügelhosen spuken im Gehirn eines Lieutenants herum ". so mufs man gegen eine solche , einzelne Fälle verallgemeinernde Charakteristik scharfen Protest einlegen . Abgesehen von der wenig geschmackvollen Phrasierung thut der Verfasser mit solchen und ähnlichen Aussprüchen unserem Offizierstande bitteres Unrecht . Die überwiegende Mehrzahl unserer jungen Offiziere hat denn doch noch idealere Auffassungen von unserem schweren , hohen und herrlichen Beruf und Gott erhalte unserem Offizierkorps auch ferner die Gesinnungen, die dem deutschen Offiziertum , der modernen Ritterschaft, seine Eigenart erhalten, ihm die Lösung seiner idealen Aufgaben ermöglichen. Mit Recht legt der Verfasser grofsen Wert auf den Dienstunterricht , an den heutzutage die höchsten Anforderungen zu stellen sind. Auch aufser Dienst soll der Offizier auf den Mann einwirken , weil der Soldat, zumal in grofsen Städten , leicht in die allerschlechteste Gesellschaft gerät. Ebenso wird man dem Verfasser beistimmen , daſs die korrekte, strenge, aber gerechte und wohlwollende Behandlung Auch wird ganz richtig des Soldaten heute mehr als je geboten ist . bemerkt, dafs man die als Sozialdemokraten verdächtigen Leute nicht in thörichter Weise an den Pranger stellen soll. Ebenso soll der Hauptmann nicht zu seiner Kompagnie sagen : „ Um Gotteswillen , seid Sollte der Verfasser einen Hauptmann keine Sozialdemokraten !" kennen gelernt haben, der das in so ungeschickter Form gethan hat? Im grofsen und ganzen lassen sich die nicht sehr systematisch aufgebauten Darlegungen der Broschüre dahin zusammenfassen : „ Der Offizier selbst mufs tadellos sein in Vorbildung, Gesinnung und Haltung. Sonst kann er nicht als Vorbild dienen und nicht erziehend wirken . Ferner soll der Offizier in und aufser Dienst in richtiger Weise auf den Mann einwirken, ihn angemessen behandeln , ihm gemütlich nahe treten". Hätte der Verfasser diese unbestreitbaren Wahrheiten in vornehmer, objektiver Form ausgesprochen und begründet, hätte er in eingehender Weise die Wege gezeigt , die zum Herzen und zum Verständnis des Mannes führen, so würde er ein gutes Werk gethan haben . Aber dazu fehlt es den Ausführungen des Verfassers an Vertiefung und Gründlichkeit . Mit geistreich anklingenden Aphorismen und übertriebenen Behauptungen erzieht man kein Offizierkorps . Die Gegner des Offiziertums werden an den , wie ich glaube, wohlgemeinten Darlegungen der Broschüre mehr Freude haben, als die Offiziere.
P. v. S. Uniformenkunde. Lose Blätter zur Geschichte der Entwickelung der militärischen Tracht. Herausgegeben, gezeichnet und mit kurzem Texte versehen von R. Knötel . Band IX. Heft 4-6 . Rathenow, 1898.
M. Babenzien .
Preis jeden Heftes 1,50 Mk.
Umschau in der Militär-Litteratur. Heft 4.
Sachsen - Weimar - Eisenach :
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Grofsherz . Sächsischer
Inf. -Reg. 1866. Spanien : Dragoner-Reg . Villaviciosa. DragonerRgt. Pavia. 1806. Preufsen Inf. - Regt. v . Wolframsdorf 1792. Baden : Karlsruher Bürgerwehr 1848/59 . Heft 5. Dänemark: Leibgarde zu Fufs. Grenadier-Korps. National- Infanterie 1703.- SachsenAltenburg : Füsilier-Regt . 1866. Rufsland : Leib-Dragoner- Regt. 1756-1762 . Hamburg . Grenadier um 1785. Artillerist um 1772 und um 1795. Österreich - Ungarn : Wiener Bürgermilitär 1848. Heft 6. Bayern : Garde du Corps 1814. Rufsland : Russische Kürassiere . Leib-Kürassier- Rgt. 1778-1786 . Regt. Novostroitzk 1776-1786 . Regt. Grofsfürst Thronfolger 1778-1786 . --- England : Reitendes RaketeurKorps . Reitende Artillerie 1813. Bayern : Reitende und Fufs4. Artillerie. 1802. - Schweiz : Infanterie 1862. III. Seewesen. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. Heft XI: Aus den Reiseberichten S. M. Schiffe. Segelanweisung für die Langemak-Bucht. S. M. S. „Möwe" , Kommandt. Korv. -Kapitän Merten . Aus den Fragebogen der Deutschen Seewarte betreffend Häfen . Santa Rosalia am Golf von Kalifornien, von Kapt. D. Kruse . Führer des Schiffes ,,Ferdinand Fischer". Über Schiffbrüche in der UmNumero 5000 der meteorologischen gegend von Cap Finisterre. Journale von Segelschiffen . Orkanartiger Sturm bei Cap Horn am 20. bis 22. April 1896 (hierzu Tafel 10). Einige Angaben über die im Spätherbst und Winter südöstlich von den Azoren auftretenden Tiefdruckgebiete und deren Bedeutung für die Schiffahrt, von Herm. Haltermann, Assistent der Seewarte . Über die Gezeitenerscheinungen in dem Englischen Kanal und dem südwestlichen Teile der Nordsee , von Prof. Dr. C. Börgen (Wilhelmshaven) . – Die wirtschaftliche Bedeutung eines Grofsschiffahrtsweges zwischen Berlin und der unteren Oder. Die Witterung an der deutschen Küste im Monat September 1898.
des
Marine-Rundschau. Heft II: Titelbilder ,,Meteor", Yacht S. M. Kaisers . Viceadmiral z. D. Wilhelm Berger † . Die Be-
ständigkeit der gebräuchlichen Kupferlegierungen im Seewasser von Torpedo-Oberingenieur Diegel (mit 18 Tafeln) . Über die Mittel zur Herstellung genufsfähigen Wassers aus Meerwasser (3. Forts .). - Nordelbisch-Dänisches (2. Forts .) . Die Entstehung der orientalischen Expedition Bonapartes 1798 , von Bartels, Lieutenant z . See. - Neues im Geschützwesen, von Gentsch, Ingenieur bei der Reichskommission für die Weltausstellung in Paris 1900 (mit 60 Figuren). Über Wechselwirkungen elektromagnetischer Resonatoren, von Dr. Rellstab, Braunschweig . Die Orkane der Antillen , von Dr. Bergholz (mit 6 Tafeln) . - Momente des spanisch-nordamerikanischen Krieges, von M. Plüddemann , Kontre-Admiral z . D. Skizzen vom spanisch - nordamerikanischen Krieg (Kriegsschauplatz Cuba und Porto-Rico) ( 1. Forts .
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mit 3 Skizzen) . Die Hebung S. M. Torpedoboot „ S. 85 “ . mit unverbrennbarem Holze.
Versuch
Unsere Army and Navy Gazette. Nr. 2023 : Sind wir bereit? n Marine. französische der Rührigkeit Die . Krisis Flotte und die Die Stationen der französischen Kriegsschiffe . - Nr. 2024 : Damals Über und jetzt. Vergleich der Mobilmachung von 1885 und 1898. Die spanischen Verluste die Dauer eines ev. Krieges mit Frankreich . Die französischen Rüstungen und im Seegefecht bei Santiago . ― Schiffsstationen mit deren Besetzung. Frankreich und Faschoda. Nr. 2025 : Der Admiralstab. Die Admiralität und das KriegsDie Vereinigung ministerium . Nr. 2026 : Unsere Marine- Bauart. des ersten Reserve- Geschwaders in Russland. Die KohleneinnahmeEinrichtungen Gibraltars . Stapellauf der „ Formidable" . - Die französischen Rüstungen in Brest und Cherbourg. Journal of the Royal United Institution . Nr. 249 : Titelbild : Der chilenische erstklassische geschützte Kreuzer „ General O. Higgins“ . Telegraphie ohne Draht. Marine-Nachrichten . Army and Navy-Journal. Nr. 1835 : Beibehaltung der im Kriege Das Budget gegen Spanien benutzten Anstrichfarbe der Schiffe . der Marine für 1899. Die Marine bei Verteidigung der Armee . Das Erschiefsen spanischer GeDer Personalbestand der Flotte . fangener. Nr. 1836 : Die Nachteile der Monitors während des Krieges . Neue Fahrten des Holland-Unterseebootes. Sampsons GefechtsEinige Ordres. Das Zusammenwirken von Sampson und Shafter . Marine- Irrtümer. Die nordatlantische Flotte. Die Arbeit der Ingenieure bei Santiago. Nr. 1837 : Der spanisch- amerikanische Krieg und seine Lehren . Das Konstruktions-Bureau. - Die spanischen Schiffsverluste . Nr. 1838 : Über die Prisengelder für die „ Infanta Maria Theresa" und den „Christobal Colon " . Zwistigkeiten zwischen Admiral Schley und Sampson deshalb . - In Deutschland seit 1895 24 Kriegsschiffe für fremde Rechnung gebaut und aufserdem zur Zeit 22 im Bau. Der Verlust der „ Maria Theresa". Versuche von Panzerschiffen. Revue maritime et coloniale . (September 1898.) Die Geometrie der Diagramme (Forts. ) . Geschwindigkeitsregelung der Hilfsdampfmaschinen der Kriegsschiffe . Mehrfachschrauben auf einer Welle montiert. Die Einheitlichkeit der Kriegsschiffe . Die Panzerplatten in Europa und Amerika . - Die Torpedounterwasserrohre Elswick. Ein Programm der Wiederbelebung der Fischerei in Belgien. Instruktion für die Anfertigung von Hummer-Konserven . Über die Konservirung der Langusten in Kapstadt. Rivista marittima. (November 1898. ) Die Familie der TorpedoDie Ausgaben einer boote. Marine, Finanzen und Politik. modernen Marine. - Die Grenzstreitigkeit zwischen Chile und ArgenDer Stand und die Kultivierung tinien. - Der Schiffsmagnetismus.
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der Meere. Mahan und Calwell. -- Die Marinearchitektur in Japan . Ein neuer deutscher Kanal. Sportsegeln . Beilagen: 4 Photographien der spanischen Schiffe ,,Viscaya" und ,,Almirante Oguendo" nach der Strandung während der See- Schlacht bei Santiago . Das Kleine Buch von der Marine. Ein Handbuch alles Wissenswerten über die deutsche Flotte nebst vergleichender Darstellung der Seestreitkräfte des Auslandes von Georg Neudeck , Kaiserl . MarineSchiffbaumeister und Dr. Heinrich Schröder , Lehrer an der Kaiserl. Deckoffizierschule zu Kiel. (354 Seiten . ) Mit einer Karte und 644 Abbildungen . Kiel und Leipzig. Verlag von Lipsius & Tischer. Preis 2 Mk. Wenn man den Umfang und den reichen Inhalt des Buches betrachtet, so kann man wohl die Frage aufwerfen, weshalb die Verfasser es das ,, kleine" Buch genannt haben. Denn wer über irgend eine die Marine betreffende Frage Auskunft zu erhalten wünscht, in diesem Buche wird er sie sicher nicht vergeblich suchen. 32 Seiten geben einen Überblick über die Geschichte der deutschen Marine von der ältesten Zeit bis zum Flottengesetz und Kiautschou ; grofse Zeiten und Zeiten bitterer Schmach sehen wir da vor unserem Auge vorüberziehen . Der 2. Teil behandelt die Organisation und das Personal (Marineteile, Chargen , Uniformen , militärische und Beamtenlaufbahnen , Löhnung , Gehalt , Zulagen , Dienst und Verpflegung an Bord , Rechtspflege, internationales Seekriegsrecht u. s. w.). Allen denen , welche die Absicht haben, dem Vaterlande in der Marine ihre Dienste zu weihen, giebt dieser Teil alle nur irgend wünschenswerten Aufschlüsse über das, was vor und bei ihrem Eintritt von ihnen verlangt wird und wozu sie es bei treuer Pflichterfüllung bringen können. Der das Material der Marine behandelnde 3. Teil nimmt wegen der zahlreichen Illustrationen den gröfsten Raum ein . Er umfaſst allein 183 Seiten mit 484 Abbildungen und giebt eine genaue Beschreibung aller deutschen und der wichtigsten fremden Kriegsschiffe, erläutert durch ausgezeichnete Ansichten, Längs- und Querschnitte und Deckspläne . Bau , Ausrüstung und Bewaffnung der Schiffe, sowie auch die Bereitung des Baumaterials werden eingehend geschildert und auch die Verhältnisse bei der Handelsmarine zum Vergleich herangezogen. der Auch über die Kosten Schiffe und über die Marinebudgets Deutschlands und anderer Staaten Den giebt dieser Teil Auskunft. Schlufs desselben bilden Besatzung, über die Abmessungen , Tabellen Panzerung, Armierung u . s . w. der deutschen Kriegsschiffe, wie sie in dieser Vollständigkeit noch nirgends veröffentlicht sind, und eine vergleichende Übersicht über die Seestreitkräfte aller Nationen . Der 4. Teil behandelt die Marinestädte und den Kaiser-Wilhelm-Kanal ; die in diesem Teil abgedruckten 38 Abbildungen von Kasernen, Lazaretten und Marinegebäuden aller Art machen das Buch zu einem wertvollen Andenken für alle , die der Marine einmal angehört haben . Ein Volksbuch im wahrsten und besten Sinne des Wortes verspricht das Büch-
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lein zu werden , das sich in seinem soliden und geschmackvollen Einband recht stattlich präsntiert. Wir wünschen dem Buche im Interesse der Mehrung seemännischer Kenntnisse in allen Kreisen 4. unseres Volkes die weiteste Verbreitung. IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher. 1. Die niedere Gerichtsbarkeit nach dem vom Bundesrate angenommenen Entwurf einer Militärstrafgesetzordnung 1898. von v. Schwartzkoppen , Hauptmann . Berlin 1898. schmidt.
Bearbeitet R. Eisen-
Preis 80 Pfg.
2. Karl von François.
Ein Soldatenleben .
Nach hinterlassenen
Memoiren von Clotilde von Schwartzkoppen. Dritte Auflage. 1 Porträt. Berlin 1899. R. Eisenschmidt . Preis 1,60 Mk.
Mit
3. Geschichte des Kgl . Bayr. 7. Infanterie - Regiments Prinz Leopold von Bayern. I. Teil. 1732-1815 . Auf Befehl des Kgl. Regiments verfafst von Auvera , Premierlieutenant. Bayreuth 1898. L. Ellwanger. 4. Kriegsgeschichtliche Einzelschriften. Herausgegeben vom Grofsen Generalstabe . Abteilung für Kriegsgeschichte. Heft 25 : Der Kampf der 38. Infanterie-Brigade und des linken Deutschen Flügels in der Schlacht bei Vionville-Mars la Tour am 16. August 1870. Mit einer Anlage, 15 Plänen und 2 Skizzen. Berlin . E. S. Mittler u . S.
Preis 3,50 Mk.
5. Der Krieg um Cuba. Nach zuverlässigen Quellen dargestellt von M. Plüddemann , Kontre-Admiral z . D. Mit zahlreichen Abbildungen . Erste Lieferung. Berlin 1898. E. S. Mittler u . Sohn . Preis 1.60 Mk. 6. Strategisch-taktische Aufgaben nebst Lösungen . Von H. von Gizycki . Heft 3 und 4. Fünfte vollständig umgearbeitete Auflage. Leipzig 1898. Zuckschwerdt u . Co. Preis jeden Heftes 3 Mk. 7. Langenscheidt's litterarischer Abreifs-Kalender 1899. Langenscheidt'sche Verlagsbuchhandlung. Preis 75 Pfg. 8. Der Feind im Land ! Erinnerungen aus dem Kriege 1870/71 . Nach dem Tagebuche von Franzosen herausgegeben von L. HalévyDeutsche, autorisierte Übersetzung von Dr. Hans Altona. 4. Auflage . Berlin 1898. Preis 1,50 Mk. 9. Leitfaden für den Unterricht über Truppendienst (Dienstkenntnis) auf den königlichen Kriegsschulen. 8. Aufl . Berlin 1898 . E. S. Mittler u . S. Preis 1,25 Mk. 10. Leseübungen russischer Handschriften. Herausgegeben von Agnes Palme . 2. Auflage. Berlin 1898. E. S. Mittler u . Sohn . Preis 5 Mk . 11. Hilfsbuch zur Erteilung des theoretischen Unterrichts im Reiten. Bearbeitet von G. v. Pelet - Narbonne , Generallieutenant
Umschau in der Militär-Litteratur.
129
z. D. Neue Ausgabe. Mit 10 Abbildungen im Text. E. S. Mittler u. S. Preis 80 Pfg.
Berlin 1898.
12. Winke und Ratschläge für die Leitung des RegimentsKriegsspiels. Von C. v. Zimmermann , Oberstlieutenant. Berlin 1898. E. S. Mittler u. S. Preis 1,25 Mk. 13. Vortruppenkämpfe . Taktische Studie auf kriegsgeschichtlicher Grundlage mit Beispielen für die Friedenspraxis von J. Hoppenstedt, Hauptmann . Mit 1 Karte und 5 Skizzen . Berlin 1898. E. S. Mittler u . S. Preis 2,75 Mk. 14. Nochmals die Zuverlässigkeit des Einschiefsens. Rohne , Generallieutenant . Berlin 1898. E. S. Mittler u . S.
Von H. Sonder-
abdruck aus Heft 9 der „Kriegstechnischen Zeitschrift" 1898. 15. Uniformenkunde. Lose Blätter zur Geschichte der
Ent-
wickelung der militärischen Tracht. Herausgegeben , gezeichnet und mit kurzem Texte versehen von R. Knötel. Band IX. Heft 7 und 8 . Rathenow 1898. M. Babenzien. Preis jeden Heftes 1,50 Mk. 16. Herzog Friedrich Wilhelm zu Mecklenburg . Lebensbild eines deutschen Seeoffiziers von H. v. Dambrowski. Mit 18 Heliogravüren und 37 Textillustrationen . Berlin 1898. Gebrüder Paetel. Preis 4 Mk. 17. Aus dem Leben König Karls von Rumänien. Aufzeichnungen eines Augenzeugen . 1.- 3 . Band. Mit dem Porträt des Königs . Stuttgart 1894-97 . Cottasche Buchhandlung. Von der Liebelschen Buchhandlung (Berlin , Anhalterstrafse 14) empfingen wir : 18. Geschützführerbuch des Geschützes. 19. Berittbuch des Beritts.
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25. Einteilung und Quartierliste des deutschen Heeres. Nach dem Stande vom 20. Oktober 1898. 90. Aufl. Preis 20 Pfg. 26. Deutscher Unteroffizier-Kalender auf das Jahr 1899. Heraus9 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 1.
130
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gegeben von der Leitung der „Unteroffizier- Zeitung" . Preis 40 Pfg.
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27. Anleitung zur Ausbildung der Patrouillenführer der Infanterie. Von v. K., Major. 3. Aufl. Preis 30 Pfg. 28. Lehrgang der Kurzschrift nach dem System der vereinfachten deutschen Stenographie (Stolze - Schrey) von A. v. Wittken. Preis 3 Mk. 29. Anfangsgründe der Zahlen- und Raumgröfsen-Lehre. R. Foth . 5. Aufl. Hannover und Berlin 1899. Carl Meyer.
Von
30. Verzeichnis der Werke über Land- und Seemacht, sowie über Kolonien aus dem Verlage von Ernst Siegfried Mittler u . Sohn . 1789 bis 1898. Berlin 1899. E. S. Mittler u. S.
Druck von A. W. Hayn's Erben, Potsdam.
XI. Der
englisch- ägyptische Sudan- Feldzug 1896-98 . ') (Hierzu eine Kartenskizze und drei Oleaten.)
Die Kolonialgeschichte der letzten Jahre hat gezeigt, daſs „ die Welt noch lange nicht vergeben " ist. Der spanisch-amerikanische Krieg, die Vorgänge in China und eben jetzt im innersten Afrika beweisen, dafs für kräftige Hände und weitreichende Arme noch viel zu holen ist. Mit der summarischen Aufteilung der kolonisierbaren Küsten striche Afrikas schien einige Zeit hindurch die Ausschlachtung dieses Erdteils abgethan ; es war nur eine Zeit des Verdauens. -- Dann aber regte sich der Appetit um so stärker und besonders der Sudan , das Herz von Afrika, war es, nach dem von allen Seiten her, vom Kongo, Nil und Senegal, vom roten Meere und den Seen her sich gierige Hände reckten und streckten. Sudan ist, wie schon der Name: zu deutsch : Reich der Schwarzen"
besagt,
ist das ganze
ethnographisch ein sehr weiter Begriff ;
unermessliche Binnenland von
Sudan
der Sahara bis zum
Kongo, vom oberen Nil bis zum Niger und Senegal. Der Sudan jedoch, der den Kampfpreis des letzten Ringens bildete, ist ein engerer Länderbegriff und umfasst den früheren ägyptischen Sudan, das nachmalige Reich des Mahdi. - Dieser engere" Begriff, womit immer noch ein Flächenraum von der Gröfse Deutschlands, Frankreichs und
Österreich- Ungarns
zusammen ver
bunden ist, wird stets gemeint sein, wenn im Nachfolgenden kurzweg von ,,Sudan" die Rede ist . Der Schilderung der Ereignisse ist Leute" voranzustellen.
ein Kapitel ,, Land und
Was uns bei einem Blick auf die Karte zunächst in die Augen fällt, ist der grofse Strom, der dem ganzen Nordosten Afrikas sein Gepräge giebt, der ,, alte heilige Nil ". 1 ) Quellen : Sievers, Afrika ; v. Fircks, Ägypten ; Slatin, Feuer und Schwert im Sudan ; United Service Gazette, Jahrgänge 1896-98 ; The London Gazette, 1898 ; Engl. Blaubücher 1898 (Egypt Nr. 1-3). 9 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 2.
132
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98.
Der Nil ist mit einer Stromentwickelung von 5920 km der zweitlängste Strom der Welt (nach dem Mississippi ). Auf der ganzen hier in Betracht kommenden - Strecke seines Laufes ist der Strom in einer gewaltsamen Durchbruchsarbeit
durch das
grofse Wüsten- Tafelland begriffen ; wo seine Wasser nur auf die Schichten des schwarzen, nubischen Sandsteins trafen, haben sie sich im Laufe der Jahrhunderte immer tiefer eingespült, und so sind die sogen. 99 Nil -Katarakte " längst keine "9 Wasserfälle " mehr, sondern Stromschnellen" ) geworden , durch welche das Dampfboot auch in der Bergfahrt seinen Weg findet . - Nur da, wo der Strom gegen die härteren Querriegel des Urgebirges prallte, ist er zum Ausweichen gezwungen und bildet daher von Chartum bis Assuan das bekannte grofse S. Der für die Schifffahrt hinderlichste
der 6 Katarakte ist der
(von Norden her gezählt) 2., bei Wady Halfa ; 2) oberhalb des Durchbruchs bereits 500 m breite
hier ist der Strom auf eine
Strecke von 15 km bis zu einer Breite von 80 m zusammengeschnürt. Die geringste Wassertiefe der Fahrrinne in den Stromschnellen - Nach dem Durchbeträgt zur Trockenzeit (Januar bis März ) 1 m. — bruch bei Esneh wächst die Strombreite und schliesslich bis zu 2200 m.
sofort wieder
auf 550 m
Entsprechend der tropischen Regenzeit der oberen Nilgebiete führt der Nil auf der Strecke Chartum- Assuan gewöhnlich von Mai bis Oktober Hochwasser. Auch zur Hochwasserzeit Schiffe nicht durchaus fahrbar ;
ist
der Strom für tiefertauchende
seine
absolute Schiffbarkeit reicht
vom Meere her nur auf 1130 km bis zum ersten Katarakt, ist von da ab bis zum 6. Katarakt streckenweise unterbrochen und setzt sich erst oberhalb des letzteren wieder über 1800 km weit fort. Die Stromgeschwindigkeit ist
natürlich
ausserhalb der
Stromschnellen eine sehr mäfsige : bei Niederwasser 40-45 cm , bei Hochwasser 65 cm in der Sekunde.3) Das ganze Land zu beiden Seiten des Nils trägt Wüsten-
charakter; nur das Flufsthal selbst bildet einen schmalen Streifen von allerdings üppiger Vegetation, abwechselnd mit sumpfigen Auen. Das linke Ufer ist meist überhöhend und zeigt vielfach Steilränder (Sandstein, Kreide). Südlich der Atbara-Mündung schliefst ein breiter Steppengürtel ¹) Ähnlich wie das sog . Kachlet der Donau zwischen Vilshofen und Passau . 2) Siehe die Übersichtsskizze. 3 ) Das ist 1 km in 37 bezw. 25 Minuten ; dagegen mittlere Geschwindigkeit der schiffbaren Donau ab Regensburg 12 bis 15 Minuten pro km.
133
Der englisch-ägyptische Sudan- Feldzug 1896-98 .
(Weideland) an die Wüstenzone an, auf welchen weiterhin die Region der endlosen Savannen folgt, welche den ganzen Sudan mit ihrer üppigen Hochgras- und Urwald - Vegetation erfüllt . Hier gedeiht Dattelpalme und Gummibaum, Baumwolle und Hirse, auch Kaffee, Tabak, Hanf, Zuckerrohr, Mais und Reis. Die Haupt-Nährfrüchte sind Durrah (die sogen. Neger-Hirse) und die Dattel.
Klimatisch gehört der Kriegsschauplatz
in das regenarme
Gebiet (ohne tropische Regenzeit ) mit einem Jahresmittel von 30º C., jedoch starker nächtlicher Abkühlung ( bis zu 6 ° C. ) ; Maximaltemperatur 46 ° ( dagegen Massauah 56 ° C. ) . Erst südlich der Linie Berber- Suakim¹ ) betraten die Operationen das Gebiet der sommerlichen Regenzeit ( Juli bis September). Aus dem Klima ergiebt sich daher nicht so zwingend, wie wir dies in Abessinien gesehen haben , eine Trennung des Kalenderjahres in eine Zeit für militärische Operationen und eine solche für Stillstand derselben. Als praktische Leute haben die Engländer gleichwohl ihre Operationen auf jene Jahreszeit beschränkt, in welcher der Nil, als einzige Verkehrs- und Nachschublinie, am leistungsfähigsten ist, auf die Zeit der Nil-Schwelle von Mai bis Oktober. Die Bewohner des Sudan sind vorwiegend und besonders in den herrschenden Klassen eingewanderte Semiten (Araber ) , welche die Ureinwohner (Neger ) seit Jahrhunderten in dienender Stellung - In diesem Verhältnis liegt der Grund des festeren erhalten haben. Gefüges der Sudan-Reiche . Nach Sievers , Afrika, ist dieser Erdteil im grofsen Ganzen kein Boden für Staatenbildung ; es fehlen meist die fest begrenzten, natürlichen Abteilungen , wie sie in den Halbinseln Südeuropas und Südasiens oder in den scharf umrandeten Tafelländern wie Mexiko Peru, Bolivia gegeben sind. Aufserdem unterdrückte das Klima bei den Ureinwohnern die Entwickelung und Einsetzung aller körperlichen und geistigen Kräfte, welche
den Zusammenschlufs einzelner
Stämme zu gröfseren Staatswesen bedingen .
So sind fast sämt-
liche politische Gemeinschaften der Ureinwohner, die Negerstaaten, im höchsten Grade vergängliche Gebilde. Durch die Gunst der Natur und Lage bildeten sich in Afrika fester geschlossene Staatswesen nur drei, in den Atlasländern, im unteren Nilthal und im abessinischen Hochland. Erst im Mittelalter traten durch das Vordringen des Islam
1) Siehe die Skizze.
9*
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896–98.
134
die Sudanreiche hinzu ; hier ersetzte den mangelnden Staatengründungs- und Erhaltungs - Instinkt der Ureinwohner die höhere, durch religiösen Fanatismus noch gesteigerte Willenskraft der arabischen Einwanderer. Von diesen Sudanreichen waren Darfur, Kordofan und Bahr-el Ghasal durch ägyptische Eroberung seit dem zweiten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts unselbständig geworden, bis zwischen 1880-85 abermals ein religiöser Fanatiker die Volkskraft zusammenraffte und das Land zurückgewann . -Mehemed Achmed, der Mahdi. 1883 wurde die ägyptische Armee unter Hicks vollständig vernichtet. 1884 ging Bahr-el Ghasal ( mit dem jüngst so berühmt gewordenen Faschoda ; verloren ; 1886 fiel das von Gordon zäh verteidigte Chartum. Das englische Entsatzheer wurde zum Rückzug gezwungen und der Mahdi dehnte seine Grenze nördlich bis Wady Halfa und östlich bis ans Rote Meer aus. - Am längsten, bis 1889, hielt sich Emin Pascha in der Äquatorial- Provinz . Indessen war der Mahdi infolge des Wohllebens an Herzverfettung gestorben und hatte seinen Chalifen ( Feldherren) Abdullahi zum Nachfolger bestimmt, der auch das Waffenglück des Mahdi erbte und seit 1890 der unbestrittene Herrscher eines Reiches war, das mit ziemlich unbestimmten Grenzen ein Gebiet von ca. 2 Millionen Quadratkilometer umfafste.
Gegenüber der zerstörten alten Haupt-
stadt Chartum entstand am linken Nilufer als politische und religiöse Metropole das vom Mahdi gegründete Omdurman. Mit der Machtentfaltung nach aufsen ging der innere Verfall Hand in Hand . Nach den eingehenden Schilderungen Slatins¹ ) war das früher blühende Land wirtschaftlich auf die tiefste Stufe gesunken. Durch den grausamen Despotismus Abdullahis war bald die Bevölkerung decimiert, verarmt, sittlich verwahrlost. Auch der Handel lag völlig darnieder, besonders seit die Haupterträgnisse , Elfenbein und Gummi, Staatsmonopol geworden. - Der Gummiertrag z. B. war
auf
30
der früheren
Produktion
zurückgegangen ,
da
der
Gummisammler seine Ernte gegen ein Spottgeld an den Staat abliefern, der Kaufmann aber diesem einen hohen Preis, dazu einen ansehnlichen Ausfuhrzoll bezahlen musste. Ferner hatte die Willkür des Chalifen alle früheren Handelswege bis auf zwei : Chartum-Berber-Assuan und Berber- Suakim einfach gesperrt. Diese Kraftäufserungen
eines
absolutistischen Herrscherwillens
1 ) Siehe auch das Werk des P. Ohrwalder.
135
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98. schufen übertriebene Vorstellungen von Chalifen.
der
wirklichen Macht
des
Erst Slatin wies in seinem Buche nach, dafs die Militärmacht Abdullahis nicht so formidabel war, als man sie einschätzte. ' ) Die Kerntruppe war die Leibgarde, Mulazemie, der auch Slatin Dieses starke Gardekorps lagerte zwangsweise angehört hatte. in der Residenz Omdurman
rings
um das Haus des Chalifen und
bildete den Stamm seines Heeres, das im übrigen erst durch das Aufgebot der Kontingente seiner Emire auf die in der Ordre de bataille ausgewiesene Kriegsstärke gebracht wurde. „ Diese Truppenmacht, sagt Slatin, ist wohl gentigend , die Macht Aufseren Feinden des Chalifen gegen innere Feinde zu sichern. gegenüber aber fehlt es sowohl an geeigneten Führern , als auch an gut erhaltenen Waffen und genügender Munition " .2) Von den vorhandenen 40000 Gewehren waren Remingtons, der waren,
Rest alte Percussionsflinten.
etwa 22000 Remingtons
- Die
ebenso wie bei den Abessiniern, in unverständiger Weise
verstümmelt ; Visier Lauf verkürzt !
und Korn war
abgerissen,
vielfach
auch der
Da die ägyptische Regierung die Ausfuhr nach dem Sudan nicht blofs für Waffen und Munition, sondern auch für alle Eisen- , Messing- und sonstige Metall-Artikel untersagt hatte, so musste der Chalif alle kupfernen etc. Kochgeschirre etc. für die Patronen Fabrikation beitreiben lassen ! - Die gefangenen Ausländer wurden zwangsweise zur Erfindung und Herstellung von Zündstoffen und Treibmitteln angehalten ! -- Dafs bei der so erzielten Not-Munition die Tragweite der Gewehre verwundern .
kaum 400 m erreichte,
Den Anglo-Agyptern war also
die
Lahmlegung
ist nicht der
fertigkeit ihres Gegners durch Ausfuhrverbote ungleich lungen, als den Italienern gegenüber den Abessiniern.
zu
Schlag
besser ge
Noch kläglicher als mit den Handfeuerwaffen stand es mit dem Artillerie-Material. Unter den 75 Geschützen waren Kalibers
6 Krupp-Kanonen gröfseren
mit sehr geringem Munitionsvorrat und 8 Mitrailleusen ;
1) Siehe die Ordre de bataille des Mahdistischen Heeres, Seite 136. 2) Wenn Slatin weiter schreibt : ,,Den Soldaten fehlt das Mement der Treue und Anhänglichkeit an die Person des Chalifen ; sie haben jeden Glauben an die Sache verloren, die sie verteidigen sollen etc." So war dies ein Irr Besser als die Soldaten des Chalifen bei Omdurman hat sich noch tum. niemals eine europäische Truppe geschlagen.
900.. Gew 2400
1400 Speere
Reiter 400
Heeres schen Mahdisti des bataille de. Ordre
e Gewehr 5500
Reiter 800
1500 Speere 小 4 Geschütze
Kalibers gröfseren Kanonen Krupp6-
i. Abdullah Chalifa
200 Speere
Gew 250 Gewehre 50.
Bruder Jakub Garde Mulazemie Hamoda Taaschi el(), Nur Suarda() Gallabat
Reiter 500
5000 Speere ılı Ge 8 schütze
Munitions geringem sehrmitVorrat,
Etman, des Sohn 1. Chalifen
Omdurman()
Reiter 100
Harun ebu Mohamed, des Sohn 2. Chalifen
Neffem, Ibrai fen Chalides
Waffenmagaz. Omdurman Gewehre 6000
1000 Speere
11000 Gewehre
Junis Hamed Fadil4 et) Achmed Digma Osman Dongola Usubri Fascher El())( Ghedarefu. Adarama
Gewehre 450
Reiter 350
1000 Speere
ein Mann 100 Kompagnien 5-6 inà3)1, diese Bataillone sind Mulazemie der Korps Die 100 von Haupt Mije Ras Kompagnien die)(, Emire heifsen Bataillone der Führer Die geteilt. Arabern. die, Schwarzen aus Hälfte sich rekrutiert Kompagnien den Von Darunter9): Vorderlader. Messing alte 618Mitrailleusen, re3):. Perkussionsgeweh alte Rest: Remingtons, 22000 Darunter Kassala bei4). Italiener der Gegner Berber, Hamed, Abu Dongola, bei5) Engländer der Siegen den seit sind Zahlen Von Chalif der besafs 1898 September 2.() obigen Omdurman Bei abzurechnen. % 50 etwa Atbara am und Suakin Garde intakte seine allerdings darunter Streiter, 50000 etwa noch nur.
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98 .
136
Chalifen des Omdurman() 1)
000 45 Schwert Lanzen und Streiter
e Gewehr 4000
Reite 3500r
Seki Mahmud Arabi Berber Obeid el()( Redja
4500 Speere
Gew. 1800
Gew. 6000
Reiter 600 350
2500 Speere
Gew. 2000
2000 Speere
小 20 4 1/1 Ge Ge 3 " /"Ge ||' Ge 46 schütze schütze schütze schütze
Gewehrträger 3503 34:) Summen
eingerechnet Gewehre Res.)-( 6000 Reiter 6600. Speerträger. 64100 Geschütze 752).
137
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98.
alles übrige waren alte Messing-Vorderlader ! ―――― Dazu Pulver und Geschosse Omdurmaner Fabrikat! So hatten die Engländer schon von langer Hand her durch eine sorgfältige Grenzblokade
die Kampfmittel ihres Feindes entwertet ;
das gleiche langsame, aber sichere System verfolgten sie in der ganzen jahrelangen Vorbereitung ihrer ,, Rache für Chartum". Zunächst schufen sie sich einen Bundesgenossen, indem sie Italien den Putsch von Massauah — NB. ! gegen ägyptische Truppen ! -
gestatteten. Dafür mussten ihnen die Italiener bei Kassala und Agordat die Durch die Niederlage, ersten Kastanien aus dem Feuer holen. die erste , welche die Mahdisten hier erlitten, war das Ansehen des Chalifen, der Glaube in sein Messiastum bereits erschüttert ; - denn ein Gottgesandter darf nur siegen. - Slatin und Ohrwalder be stätigen, welchen Eindruck diese Niederlagen in Omdurman machten . Der Weg war für die Engländer geebnet, langsam und vor sichtig schritten sie vorwärts. Der nun folgende,
drei volle Jahre
dauernde ,,Vormarsch am
Nil" und die Art, wie die britische Regierung
ihrem ausführenden
Feldherrn völlig freie Hand liefs und ihn mit allen Mitteln unter stützte, bildet ein auffallendes Gegenstück zu dem unerquicklichen Schauspiel in Eritrea, wo eine zur Unzeit sparende , nur die lieben Volksvertreter fürchtende und dabei bodenlos leichtsinnige Regierung ihren verantwortlichen Feldherrn in ein va banque-Spiel mit dem Leben von 10000 Landeskindern hineintrieb ! Die englische Sudan - Expedition wird stets ein wahr haft klassisches Beispiel für alle , mit kolonialen Dingen befafste Regierungen und ―― Volksvertretungen sein , ein wahres Muster, wie man Kolonialkriege vorbereitet und zu gutem Ende durchführt. Wenn ein Sprüchwort sagt , dafs Kriege Geld , Geld und nochmal Geld kosten . so mufs das „ ins Koloniale übersetzt" lauten : "" Geld und Geduld , Geld und Geduld!"
Geld
und
Geduld ,
und
nochmal
1896. Der Feldzug von Dongola. Die Nachricht von der Niederlage der Italiener bei Adua am 1. März 1896 hatte im Chalifen Abdullahi so eine Art Aasgeierlust erregt. Am 18. März griff sein Emir Osman Digma Kassala an, sich aber, wie bekannt, blutige Köpfe.
holte
138
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98.
Immerhin war dieses bedrohliche Vorgehen der Derwische gegen eine ,,befreundete Macht" für die Engländer ein willkommener Vorwand, der eifersüchtigen Welt einmal wieder ihrer Anwesenheit in Ägypten zu beweisen.
die Notwendigkeit
Der Vormarsch auf Dongola, zur Rückeroberung an den Mahdi verlorenen Provinz wurde beschlossen.
dieser 1884
Der seit 1893 zum Sirdar d . i . Oberbefehlshaber der ägyptischen Armee ernannte General Kitchener ging mit grofser Umsicht ans Werk . Zunächst lehnte Kitchener — ebenso wie seinerzeit Baratieri --Verstärkungen durch europäische Truppen, aus guten Gründen, ab. Die Hauptgefahr des Feldzugs war, wie dort in Tigre, die Länge der Operationslinie , die schwierige Einrichtung, Sicherung und Erhaltung des Etappenwesens, Schwierigkeiten, die um so gröfser werden, wenn man europäische Soldaten in vorderster Linie verwendet, da deren Lebensbedürfnisse jene der eingeborenen Truppen wesentlich übersteigen. Kitchener flossen die Hilfsmittel Aber Geld ist allmächtig. in reichstem Mafse zu ; er hatte völlig freie Hand, bis in die letzte Einzelheit vorzubereiten .
um den Feldzug
Zunächst galt es, die Verkehrsverhältnisse der rückwärtigen Verbindungen von Grund aus zu verbessern. ―― Im Herbst 1896 waren diese noch sehr unzusammenhängend und kompliziert, nämlich : ¹ ) 1. Normalspurbahn Alexandria- Siut- Dagh Hamadi (zwischen Siut und Girgeh ) = rund 600 km ; 2. Hier 1. Umladung und Nil - Schiffahrt bis Assuan = rund 450 km ; 3. Hier 2. Umladung und Schmalspurbahn Assuan - Chellal ( zur Umgehung des 1. Katarakts ) - rund 20 km ; 4. Hier 3. Umladung, = rund 300 km ; 5. Hier
4.
Umladung
wieder
und
Nilschiffahrt bis
Schmalspurbahn
Wady
Wady
Halfa
Halfa-
Akascheh (zur Umgehung des 2. Katarakts) = rund 125 km ; später Weiterführung der Bahn bis Kermeh .
Von hier aus hätte eine
5. Umladung und abermalige Flufsbeförderung einzutreten gehabt. Hier ist beizufügen, dafs die Feldbahn von Wady Halfa südwärts 1896 nur auf eine kurze Strecke in Betrieb war, da die Derwische auf ihren Streifereien über die Grenze den Oberbau zerstört hatten . Kitchener liefs zunächst in Angriff nehmen :
¹) Siehe Skizze.
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98 .
139
1. Ausbau der Normalspurbahn bis Assuan ; ¹ ) 2. Wiederherstellung der Feldbahn von Wady Halfa - Akascheh und Weiterführung derselben im Nilthale aufwärts, des Fortschreitens der Operationen.
nach Mafsgabe
Das erste Ziel der Operationen war die Wieder gewinnung von Dongola . Hiezu schuf sich der Sirdar in der, nicht unter ägyptischer
Verwaltung stehenden englischen ,,Militär- Provinz", dem Landstrich zwischen Assuan und Wady Halfa, eine gesicherte und mit allen. Heeresbedürfnissen reich ausgestattete Basis. In Wady Halfa, dem Hauptquartier des Sirdars, wurden förm lich über Nacht Hüttenwerke und technische Fabriken aus dem Wüstenboden gezaubert,
in den befestigten Garnisonen der Militär
provinz : Assuan, Korosko, Wady Halfa und Sarras reiche Magazine errichtet und grofse Mengen von Tragetieren angesammelt. Die ägyptische Armee (siehe weiter unten ! ) wurde aus den nördlichen Garnisonen in der Militärprovinz zusammengezogen und durch Neubildungen (5 Bataillone) , sowie einige europäische Truppen teile verstärkt ; aufserdem wurde eine indische Brigade nach Suakim beordert. Am 20. März nahm ein über die Grenze geworfenes Detachement ohne Schwertstreich Akascheh, das schleunigst zur Deckung der Bahnarbeiten befestigt wurde . Gleichzeitig war ein Vorstofs Osman Digmas ( siehe ordre de bataille des Mahdistischen Heeres ) von Kassala her gegen Suakim von der dortigen englischen Garnison abgewiesen worden. Den Mai über fanden nur kleine Plänkeleien der Derwische statt, welche den Bahnbau im Nilthal stören wollten. Um hiermit gründlich aufzuräumen, rückte der Sirdar anfang Juni überraschend mit 10 Bataillonen, der Kavallerie und dem Kameelreiterkorps über Akascheh auf Ferkeh vor, von wo aus die Derwische ihre Streifzüge unternommen hatten .
Ein überfallartiger Angriff in 2 Kolonnen
führte zu einem ausgiebigen Schlage gegen die Derwische , über 2000 Mann am Platze lielsen.
welche
Da man zudem erkannt hatte, dafs man es bisher nur mit einem weit vorgeschobenen Grenzschutz - Detachement der Derwische zu thun hatte, so konnte nunmehr in aller Ruhe die Bahn bis Koscheh weitergeführt und bis Mitte August auch eine ansehnliche Transport Flottille von 3 Dampfern und einigen 200 Segelbooten nebst 4 Kanonen booten über den 2 Katarakt heraufgeschafft werden .
1) Betriebseröffnung 8. Januar 1898.
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98.
140
von
Bis zum 12. September war das Expeditionskorps in der Stärke 14 Bataillonen, 8 Eskadrons, 3 Batterien und dem Kameel-
reiterkorps
zum Teil per Bahn und Schiff — bei Koscheh , dem
nunmehrigen Etappen-Hauptort, versammelt. Inzwischen hatte der Feind sich in einer Stellung bei KermanHafir, rittlings des Flusses verschanzt und wie es schien , neue Kräfte an sich gezogen . --- Am 19. September erreichte das Korps, immer von der Nilflotte (welche Aufklärungs- und Verpflegungsdienst gleichzeitig versah ) begleitet, unbehelligt Kerman, fand hier die Stellung geräumt und den Gegner auf das linke Ufer in die befestigte Stellung von Hafir übergegangen. Die Artillerie ging sofort in Stellung und wurde,
als sich die
Entfernung über den Nil hinweg als zu grofs erwies, über einen fast trockenen Seitenarm des Flusses auf eine Insel 1200 m an die feindliche Stellung herangebracht . Dieser Stellungswechsel entschied den Tag,
zumal gleichzeitig
die Kanonenboote
nilaufwärts
gegen Dongola durchbrachen und den einzigen Dampfer der Derwische in den Grund schossen ; schon um nicht abgeschnitten zu werden räumten die Derwische mit einbrechender Dunkelheit , ohne den Infanterie-Angriff abzuwarten, die Stellung. Am 20. September setzten die Engländer über den Flufs, nahmen sofort mit allen Kräften die Verfolgung auf und kamen am 21. September früh wieder in Fühlung mit dem Feinde bei Dongola. Auch hier lief's Kitchener praktischer Weise das grobe Geschütz vorarbeiten, indem er Dongola und die völlig wehrlosen Derwische in ihrem Lager 2 Tage lang durch 3 Kanonenboote beschiefsen liefs . Am 3. Morgen waren die Derwische wieder mit Hinterlassung ansehnlicher Beute abgezogen. Das Kameelreiterkorps und die Kanonenboote Verfolgung, letztere bis El Debbeh und Merawi.
besorgten die
Damit war der erste Akt des Sudan- Feldzuges, dank der wohlberechneten Vorbereitung und der ausschliefslichen Verwertung der Fernwaffe ohne nennenswerte Verluste abgeschlossen ; die Provinz Dongola war zurückgewonnen. Noch wären fast 2 Monate des hohen Wasserstandes zur Verftigung gewesen, um die Verfolgung bis Khartum fortzusetzen ; aber der Sirdar wollte sicher gehen. bei
einem Aufschub des
Er wulste ja genau, dafs einerseits
entscheidenden Schlages
kein Anwachsen
der Kräfte des Gegners zu befürchten war, dafs vielmehr jeder Tag mehr die zersetzende Wirkung der Niederlage im Mahdireiche vermehren würde, und dafs anderseits die Schaffung einer neuen Basis in Dongola eine gröfsere Wucht des Schlages versprach.
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896–98.
Da zudem finanzielle Bedenken so war die Rechnung
141
überhaupt nicht mitsprachen ,
ebenso einfach als richtig,
zwar etwas mehr Geld , kosten würde.
dafs die Sache aber um so weniger eigenes Blut
Und damit wurde der Aufschub beschlossen. Das Expeditionskorps schlofs in und um Dongola auf und bezog Winterquartiere, unter dem Schutze befreundeter Araber-Stämme, vorgetriebener
Erkundungsabteilungen und
rasch
aufgeworfener Be-
festigungen bei Debbeh, Korti und Merawi, den 3 Punkten, von welchen aus direkte, den 2. Nilbogen abschneidende Wüstenpfade gegen Chartum abzweigten.
Die wiedereroberte Provinz wurde sogleich in englische Verwaltung genommen und hiezu in 11 Distrikte unter militärischen Inspektoren geteilt, denen schwache Polizeitrupps zugeteilt wurden und deren erste Sorge es war, das brachliegende Nilthal mit seinem überaus fruchtbaren Ackerland und üppigen Dattelpalmen -Wäldern wieder mit Ansiedlern aus Unterägypten zu bevölkern. Kitchener selbst ging nach London zur mündlichen Besprechung der weiteren Mafsnahmen . 1897. Der Feldzug von Berber. Auch für den Feldzug 1897 verlangte der Sirdar nur Geld , Natürlich fand er überall nur volle, keine europäischen Truppen. nicht an die vergebliche Romhier denkt (Wer offene Hände. Sommer ?) 1895 reise Baratieris im
Ein geradezu immens sich ansehendes, strategisches Bahnprojekt wurde glatt genehmigt . Es handelte sich um nichts geringeres als eine Feldbahn quer durch die nubische Wüste , um den grofsen Nilbogen Korosko - Abu Hamed abzuschneiden . Das erste Projekt von Korosko über die Murat-Brunnen , das gerade der erwähnten Wasserstation wegen zuerst aufgenommen worden war, mufste infolge von Geländeschwierigkeiten wieder verlassen werden. Um so energischer wurde der zweite Plan, die Bahn von Wady Halfa aus nach Abu Hamed zu führen, in Angriff genommen. Noch im Winter wurde ein Strom von europäischen Ingenieuren, Technikern etc. samt Material nach Wady Halfa geleitet, die dortigen Fabriken und Werke vermehrt und erweitert, zwei ägyptische Eisenbahnbataillone geschaffen, Arbeiterkompagnien aus Fellachen
142
Der englisch- ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98 .
und gefangenen Derwischen gebildet, -
und schon im Frühjahr
1897 dampfte die erste Arbeitsmaschine in die Wüste hinein ! ¹ ) Der Unterbau machte keine Schwierigkeit, da auf der undurchschnittenen Wüstenfläche Kunstbauten nicht nötig waren. Das Haupterschwernis war der Wassermangel ; bis es endlich an mehreren Stellen gelang,
einen Grundwasserstrom anzubohren,
mufste
alles
1 ) Von allgemeinem Interesse dürfte die Beschreibung dieses originellen Bahnbaues sein, wie sie in dem englischen Blaubuch „ Egypt" 1898 Nr. 1 , Seite 34, gegeben ist : Der Schienenweg Wady Halta- Abu Hamed ist 878 km lang, eingeleisig, Spurweite 110, 6 cm, 9 Stationen. Die Strecke wurde vor Kopf gebaut und zwar Erkundung, Tracierung, Unter- und Oberbau, Materialnachschub und Stationsbau in fast unmittelbarer Folge. - Der Bau, d. h. das bereits fahrbare Geleise rückte täglich durchschnittlich um 1760 m vor ; höchste Tagesleistung war 5400 m. Das schwierigste war die Wasserversorgung am Streckenkopf für 2600 Arbeiter und die Maschinen. Bis zu km 124 mufste alles Wasser vom Nil (Wady Halfa) nachgeschafft werden. Glücklicherweise ergaben die fortgesetzten Bohrversuche bei genanntem Punkt in einer Tiefe von 17 m, desgleichen später bei km 201 abermals in einer Tiefe von 20 m reichlich Wasser (,,für die Maschinen", sagt das Blaubuch ; hiernach scheint das Wasser nicht trinkbar zu sein). Das Gelände ist in der Hauptsache eine ebene und feste Sandfläche, aus der stellenweise Felsklippen emporragen. Die Linie steigt allmählich bis zur Station Nr. 6, 500 m über Wady Hal fa und fällt dann langsam gegen Abu Hamed. Höchste Steigung 1 : 120, kleinster Kurvenradius ca. 300 m. Im einzelnen ging der Bau wie folgt, vor sich : Die Strecken - Erkundungs- und Tracierungs - Patrouillen (Offiziere auf Kamelen) mufsten anfangs, wegen der umherstreifenden Derwische, ganz nahe an die Bauspitze und die diese begleitende Schutz-Eskorte herangehalten werden, statt, wie gewöhnlich einen Vorsprung von einigen Tagen zu haben ; bei solcher stückweisen Arbeit konnte eine weitschauende, zusammenhängende Tracierung nicht durchgeführt werden ; erst nach der Einnahme von Abu Hamed (der Streckenkopf stand damals bei km 201 ) konnte die Tracierung in einem Zuge bis Abu Hamed geführt werden. Etwa 8 km hinter den Tracierungskommandos folgten die Bau- und Arbeiter-Kompagnien für den Unterbau , 1200 Mann, mit ca. 3 km Abstand hinter diesen, jene für den Oberbau , 550 Mann, zur Vorbereitung der Bettung (Bettungstrupps ) ; dicht hinter letzteren, mit ca. 1 km Abstand, kamen die Einbau- und Laschen-Trupps " , 400 Mann, welche das Verlegen und Verlaschen der Schienenrahmen besorgten, welche dem vordersten Bauzuge unmittelbar entnommen wurden. Eine letzte Staffel endlich ( Richttrupps ) 400 Mann, legte die letzte Hand an durch Gleichrichten der Gleise, Unterfüllen der Schwellen etc. In bemessenen Abständen folgten endlich die Betriebsabteilungen und Materialzüge. Die durchschnittliche Fahrzeit von Halfa bis Abu Hamed ist 19 Stunden 3 Minuten pro km.
143
Der englisch-ägyptische Sudan- Feldzug 1896-98.
Wasser für die Arbeiter und die Speisung der Maschinen aus dem Nil nachgeschafft werden ! Vielfache, auch nachhaltige Störungen verursachten die tropischen Gewitter und Sandstürme ; der in die Maschinen eindringende Flugsand verursacht auch heute noch häufige Fahrtunterbrechungen. Der Bau kostete nur
61 , Millionen Francs,
eine geringe
Summe gegenüber dem grofsen strategischen und wohl bald auch Denn die Bahn umgeht nicht nur den wirtschaftlichen Vorteil ! 2. , 3. und 4. Katarakt, sie kürzt auch die Flufsetappenlinie Wady Halfa -Abu Hamed von 1126 km auf 373 km a b. Gleichzeitig war auch die Nilflotte um 6 zerlegbare Kanonenboote (jetzt in Summa 10 ) und zahlreiche Segelbarken vermehrt worden. Bevor die Tête des Bahnbaues sich Abu Hamed näherte (Juli 1897) , entsandte der Sirdar eine gemischte Brigade unter General Hunter nilaufwärts dorthin ; diese warf eine schwache Arrièregarde von 500 Derwischen aus dem Ort ( 7. August 1897), während gleichzeitig die Nilflottille über den 4. Katarakt (mit Verlust eines Kanonenbootes ) ebendahin vordrang (29. August 1897). Während nun der Sirdar sich rüstete, mit dem Gros zu folgen, die beim 5. Katarakte (nördlich
um noch zur Zeit der Nilschwelle
Berber) erkundete, befestigte Stellung der Derwische anzugreifen, traf die Nachricht ein, der Chalif habe seine Unterfeldherrn Mahmud von Berber und Osman Digma aus der Gegend von Suakim zurückberufen. Um dies festzustellen, sollte Hunter mit 4 Kanonenbooten und einem Trupp arabischer Irregulären gegen Berber vorstofsen. Thatsächlich fanden die Araber den Ort geräumt ; am 6. September kam die Flottille nach, nahm sofort die Verfolgung nilaufwärts auf und fing die Nilflotte der Derwische bei El Damer ab. Da alle Nachrichten besagten, dafs der Chalif seine GesamtStreitkräfte zwischen Metemmeh und Chartum vereinige, so war die vereinzelt vorgeworfene Avantgarde Hunter bei Abu Hamed
und
Berber immerhin in Gefahr, wenigstens insolange die Bahnlinie von Wady Halfa her den Nil noch nicht erreicht hatte. Der Sirdar beschlofs daher , den Feldzug des Jahres 1897 bei Berber zu beenden , das Gros seines Korps zwischen Abu Hamed und Berber aufschliefsen zu lassen und die Etappenlinie bis Berber auszubauen, umsomehr als der 5. Katarakt nördlich Berber der Nilflotte ernstlich zu schaffen machte. So endete das Jahr mit einigen kühnen Erkundungen . 4 Kanonenboote fuhren unbekümmert um die wirkungslosen Geschosse
144
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98.
der Derwische über Metemmeh hinaus ;
General Hunter drang mit
einem kleinen Detachement den Atbara hinauf in Richtung Kassala bis Adarama vor, augenscheinlich um mit Kassala selbst in Fühlung gab jedoch angesichts stärkerer Kräfte des Gegners zu treten, das Wagnis auf. - Immerhin war durch die Säuberung und Besitznahme der alten Karawanenstrafse Berber- Suakim ein neuer kurzer Zufuhrweg für das Expeditionskorps eröffnet und dessen Mitbasierung auf das Rote Meer erreicht worden. Ein 3. Ausgangspunkt für den nun
endgültig auf 1898 ver-
schobenen Vernichtungsfeldzug sollte Kassala werden. Dieser Ort, ursprünglich von den Ägyptern
1840
als Grenz-
bollwerk gegen Abessinien errichtet, war bekanntlich 1894 von den Italienern den Mahdisten abgenommen worden ; ') schon vorher hatte sich jedoch das Foreign office in einem bereits 1891 abgeschlossenen englisch-italienischen Abkommen das Vorrecht auf diesen wichtigen Punkt, den Schlüssel zum Sudan" vom Roten Meere her, gesichert. Durch die Notlage nach Adua ( 1. März 1896 ) war für Italien die Zeit gekommen, die aus dem Feuer geholten Kastanien wieder an England abzuliefern : am 25. Dezember 1897 kehrte Kassala in englisch-ägyptischen Besitz zurück. Da Italien in seinen kolonialen Geldnöten seine Schutztruppe zum Teile demobilisierte, so kam der englische Delegierte in Kassala überdies auf bequeme Art zu einer wohlausgebildeten Truppe, indem er die dortige Askari- Garnison anwarb. Am 19. Dezember kleidete er die Leute ein und schon am 20. Dezember führte er sie gegen den Feind, dem er mit kühnem Handstreich El Fascher uud Osobri abnahm ein nachträglicher Beweis für die Qualitäten der italienischen Schutztruppe !
Durch Besetzung dieser Punkte war der Chalif fortan auch in seiner rechten Flanke bedroht und fühlte sich, so sehr ihn ein Vorstofs nach Norden gegen das isolierte Detachement Hunter reizen mochte, dennoch bei Metemmeh festgehalten. Da die Erkundungen die Stärke der mahdistischen Streitmacht bei Metemmeh und weiter südlich bei Shabluka mit ziemlicher Genauigkeit auf 35000 Mann Kerntruppen ( relativ gesprochen ! ) schätzen liefsen, so fand der Sirdar sich bewogen, auch die längst ihm angebotenen Truppenverstärkungen aus Europa eintreten zu lassen. Bedenken hinsichtlich der Erhaltung der Schlagfertigkeit einer gröfseren Truppenzahl lagen nicht mehr vor, da seit Ende Oktober der Schienenweg Abu Hamed erreicht hatte und kein Hindernis be-
1) Vergleiche ,,Jahrbücher" , Dezemberheft 1896.
Der englisch-ägyptische Sudan- Feldzug 1896–98.
145
stand, denselben bis zum Frühjahr 1898 nach Berber, und wenn es not that, bis El Damer ( Atbara-Mündung) fortzuführen.
1898. Der Feldzug von Omdurman. Mitte Januar 1898 begannen die Truppentransporte ; ¹ ) zunächst wurden 3 englische Bataillone aus Unter-Ägypten herangezogen und in ihren Standorten durch Truppen aus Malta, Gibraltar und Indien ersetzt. - Bis Anfang März waren :
4 britische Bataillone, 12 ägyptisch-sudanesische Bataillone, 2 ägyptische Eskadrons und das Kamelreiterkorps, 4 Maxim-Batterien,
2 Nordenfeldt-Batterien, 1 Kameel- Batterie bei Kunar südlich Berber operationsbereit, in Summa 13000 Mann , 36 Geschütze ; ferner die Nilflotte mit 6 Kanonenbooten , einem Transport-Dampfer und mehreren 100 Segelbarken . Nicht zu vergessen die Garnison Kassala mit 1 Eingeborenen-Bataillon , 1 ägyptischen Bataillon, 1 Kameelreiterkorps . Der Aufmarsch war gedeckt durch Sperrbefestigungen (einfachster Art ) am Nil, die Kanonenboote und in der rechten Flanke durch die am Jakdul-Brunnen vereinigten , befreundeten Araberstämme. In zweiter Linie waren die Punkte Korti und Merawi ( am Nil ) befestigt und hinreichend besetzt. Die Eisenbahn reichte Ende März nahe an Berber heran. Die Nachrichten über den Feind
ergaben indessen, dafs die
vorderste mahdistische Heeresgruppe, unter Mahmud bei Metemmeh vereinigt, den Vormarsch nilabwärts angetreten habe ; am 10. März erreichte dessen Vortrupp El Aliab . -- Bald darauf erfuhr man jedoch , dafs der Haupttrupp hinter dem Vortrupp hinweg einen Flankenmarsch nach Osten, gegen den Atbara hin begonnen habe , offenbar um die Engländer vom Nil, wo den Mahdisten besonders die Kanonenboote unbequem waren, wegzumanövrieren. Kitchener,
der schon auf die erste Nachricht hin seine 4 Bri-
1 ) Teils mit Bahn, teils mit Schiff; von eigentümlicher Art waren die Transportschiffe : kleine Flufsdampfer mit einer grofsen Radwalze am Stern des Schiffes (sog. sternwheelers) schleppten 1-2 an beiden Längsseiten vertaute Transportkähne mit sich, auf welch letzteren in je 2 Bordetagen die Truppen untergebracht waren .
146
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98 .
gaden nach Ras Hudi am Atbara vorgezogen hatte,
wollte es sich
nicht entgehen lassen, den isolierten Mahmud zu schlagen. Der Vormarsch vollzog sich in Brigade-Karrees, —— eine Vorsicht, die man gegenüber den überraschenden Reiterangriffen der Derwische für geboten hielt. (Hiervon weiter unten mehr !) Schon nach 2 Märschen stiefsen die Spitzen auf das stark ver schanzte Lager der Derwische bei Hilgi am rechten Ufer des z. Z. fast ausgetrockneten Abara-Flusses. Ein sofortiger Angriff auf das Lager würde dem ganzen Charakter der bisherigen Krieg- und Gefechtsführung widersprochen haben. Kitchener entsandte vielmehr zunächst 3 Kanonenboote auf dem Nil nach Shendy, dem Magazinsort Mahmuds ; am 26. März war Shendy mit reichen Vorräten von einem Landungsdetachement
weggenommen. Von da ab liefs Kitchener 12 Tage lang seinen neuen Bundes genossen, den Hunger , wirken und warf nur zeitweilig aus sicherer Entfernung Shrapnels ins Lager der Derwische. Schweigend und hungernd ertrugen die Derwische das Artillerie feuer hinter ihren dürftigen Deckungen ; nur die mahdistische Reiterei machte einmal einen todesmutigen Vorstofs aus dem Lager gegen die englische Artillerie, pariert wurde.
der
aber
von der englischen Kavallerie
Das Gros Kitcheners war indessen in einem befestigten Lager bei Umdebiah, 15 km von Hilgi entfernt, verblieben. Am
7. April
endlich hielt Kitchener die Vorbereitung durch - In der Nacht zum
Hunger und Artilleriefeuer für genügend.
8. April ( Charfreitag ) rückte Kitchener gegen Hilgi vor und stellte mit Tagesanbruch, um 54° V., seine Infanterie mit 3 Brigaden im ersten Treffen, einer im zweiten Treffen , die Artillerie in einer grofsen Batterie vereinigt und von der Kavallerie bedeckt am linken Flügel , bereit. Die aufmarschierten Brigaden rückten sodann wieder in Brigade Karrees, ¹ ) mit schwacher Schützenentwickelung vor der Front, langsam vor ; als die Infanterie um 6 ° V. unbehelligt auf wirksame (eigene ) 1 ) Es liegt ja sehr nahe, diese um ein volles Jahrhundert veraltete An griffsweise in Brigade -Vierecken mit Geschützen dazwischen zu glossieren ; dort in Afrika, in dem offenen Hügelland der Wüste, mit vielleicht nicht ganz sichern, jedenfalls im Schützenkampf ungeübten Truppen, gegenüber einem Feind, der infolge mangelhaftester Bewaffnung auch Massenzielen nicht schaden konnte, der vielmehr durch Ausbildung und Tradition auf den stürmischen Angriff und den Nahkampf mit der blanken Waffe hingewiesen war, erscheint die veraltete Kampfform der Engländer als mindestens entschuldigt, vielleicht sogar am Platze.
147
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896– 98. Schufsweite herangekommen war, wurde gehalten, Artillerie zu diesem Zeitpunkt das Feuer eröffnete . Der erste Schufs
brachte Leben ins Lager;
während
die
allenthalben
sah
man die Leute von ihren Lagerfeuern nach den Deckungen eilen ; bald darauf brach die mahdistische Reiterei in dichten Schwärmen aus dem Lager hervor und warf sich gegen den linken Flügel ; ein mörderisches Feuer der Maxims wies sie zurück.
Nun versuchten die Derwische aus ihren wenigen alten Messingkanonen das Artilleriefeuer zu erwidern ; natürlich vergeblich ! Jetzt gingen die Schützen , von den Karrees gefolgt,
und die
Maxim - Batterien bis auf die Entscheidungsdistanz an die Pallisadierung heran ; da erst, gegen 7 ° V., besetzte der Feind , der bisher unter Shrapnels und Brandgranaten stille gehalten hatte, die Wälle und empfing den Angreifer mit lebhaftem, aber ziemlich losem Gewehrfeuer.
wirkungs-
Kitchener zog nun auch die 4. Brigade in die vorderste Gefechtslinie vor, verteilte die Angriffsziele
und gab um 740 V. den Sturm-
befehl, der in 4 Kolonnen durchgeführt wurde. Eine bis auf 100 Schritt an die Umwallung vorgebrachte Feldbatterie schofs Breschen
in
die
Palmen-Pallisaden
und
fegte die
Wälle rein, so dafs die massierten Kolonnen mit sehr mässigen Verlusten die Befestigungen erreichten . Sturmgeräte erwiesen sich als überflüssig ; der Lagerring bestand aus den in ganz Nordostafrika gebräuchlichen „ Zeriben“ (zaribas), mit denen jedes Dorf, ja jeder einzelne Familien-Besitz umfriedigt ist, ' )
diese Zeriben
sind meist
Lehm- und Stein-Mauern mit Dornengestrüpp verkleidet, manchmal Bei Hilgi durch Pallisaden und einen Vorgraben verstärkt. waren vor den Zeriben auf einer Art Glacis auch Wolfsgruben angelegt und sogar primitive Minenanlagen ( vergrabene Töpfe mit Schiefspulver) vorbereitet, die jedoch, wenn überhaupt, wirkungslos verpufften. Im Innern waren mehrere Reihen Schützengräben und schanzenartige Reduits aufgeworfen , die Kehle war an den steilen Uferrand des Atbara gelehnt, dessen sandiges Bett wenig Wasser führte und überall zu durchwaten war. Soweit man aus den, wie alle englischen offiziellen Gefechtsrelationen, etwas belletristisch gehaltenen Berichten einen Schlufs ziehen darf, durchschritten die ägyptischen Brigaden die kurze Sturmdistanz in einem Laufe, mit „ Sektionssalven"
während die
europäischen Bataillone sich
und bedächtigem Einzelfeuer
aufhielten,
1) Schon aus dem italienisch-abessinischen Kriege wohlbekannt. 10 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 2
um
148
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896 -98.
schliesslich doch ,, beinahe , wenn nicht gerade so schnell wie die anderen Brigaden die Pallisaden zu erreichen“. In einer halben Stunde war das Lager genommen ; alles, was
noch lebte, floh, mit Feuer verfolgt, durch den Atbara. Eine Menge
von Gewehren
und Waffen
aller Art,
darunter
einige Elefantenbüchsen, an 100 Fahnen, dann 10 gezogene Messinggeschütze und eine grofse Zahl Gefangener, fielen in die Hände der Sieger. Alle Berichte
stimmen
überein,
dabei Mahmud selbst,
dafs die Derwische
sich
mit
Todesverachtung geschlagen haben . Die Verluste auf englischer Seite waren, in Ansehung der dem Feinde dargebotenen Massenziele, gering : 23 englische, 51 ägyptische Tote, 126 englische, 319 ägyptische Verwundete. Die Derwische liefsen 3000 auf der Wahlstatt ; ihre Stärke war 12000 Mann Fufsvolk, wovon jedoch die träger und 4000 Reiter.
grofse
Mehrzahl Speer-
Am Ostersonntag- Morgen genofs das Londoner Publikum bereits die Siegesnachricht von der „,,Schlacht am Atbara. " Charakteristisch ist, dafs dieselbe Nummer der United Service Gazette, welche den ersten Gefechtsbericht brachte, gleichzeitig bereits die Meinung aussprach ,,,der Sirdar werde den Chalifen, der mit 50000 Mann bei
Omdurman, mit
stehen sollte, vor Eintritt angreifen. " Und so kam es auch !
der
Vortruppen
Nilschwelle
(Juli,
Volle 5 Monate widmete Kitchener abermals
bei Shabluka August) nicht
der
sorgfältigen
Vorbereitung des letzten entscheidenden Schlages. Zunächst wurde die Eisenbahn , die noch im April Berber erreichte, bis zur Atbara-Mündung fortgesetzt (Endstation El Damer) und hier ein Etappenmagazin und Munitionsdepot errichtet. Das Expeditionskorps selbst wurde neuerdings verstärkt und reichlich ausgerüstet. Durch die Kanonenboote auf dem Nil, die befreundeten Araberstämme und durch Patrouillen des Kamelreiterkorps blieb auch während der Waffenruhe Feinde aufrecht erhalten . Es erscheint hier am Platze,
eine
die Fühlung
mit dem
kurze Schilderung der
englisch - ägyptischen Streitkräfte einzufügen : Seit 1880 bezw. 1882 ist die allgemeine Wehrpflicht auf der Grundlage : 6 Jahre Dienstzeit bei der Fahne
5
""
4 in Ägypten eingeführt.
" ""
in der Polizeitruppe in der Reserve
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98. Die Bewohner der Städte 1895 frei.
Cairo
Aufserdem ist Loskauf (416
und Alexandria
Mk. ) gestattet,
149 waren bis
wovon bei der
allgemeinen Abneigung des Volkes gegen den Kriegsdienst sehr häufig Gebrauch gemacht wird , trotz der Armut der Fellachen. — Da von jährlich 150000 Militärpflichtigen nur etwa 1500-2000 M. wirklich ausgehoben werden, so ist das System für die Staatskasse zwar einträglich, führt aber anderseits nur die ärmsten und schlechtgenährtesten Rekruten dem Heere zu. So ergab sich bald das Bedürfnis durch Anwerbung von
nach besserem Material , das
Sudanesen gewonnen wird, welche in
eigenen Truppenkörpern zusammengestellt werden ; man ist also in Ägypten im Lauf der Jahre zu einem gemischten System der Heeresergänzung gelangt. Die Anwerbung vollzieht sich sehr glatt, da ständig an 50000 vagierender Sudanesen und Nubier sich zur Einreihung bereit finden . Wifsmann nennt die Fellachen bessere Friedens- , die Sudanesen bessere Feld - Soldaten ; die letzteren sind meist verheiratet, d . h. sie Die
kaufen sich Weiber, die sie beliebig verstofsen können . Weiber sind aufserhalb der Kasernen untergebracht. Die sämtlichen
und sehr reichlich
bemessenen Stabsoffiziers-
stellen sind von Engländern besetzt ; der einheimische Offizier kann nur bis zum Hauptmann aufrücken . Der Friedens - Präsenzstand
des
ägyptischen
Heeres
ist
folgender :
13 Bat. Infanterie (8 ägypt., 5 sudanes.), 1 Kav.-Rgt. zu 8 Eskadrons ,
egypt. sudanes. reit. Maultier1 Kamel-
4 2 1 1
Dromedarreiter - Komp., erstere mit je 1 Maxim- Geschütz , Batterie mit Feldgeschützen, System Maxim -Nordenfeldt ,
4 Komp. Festungsartillerie, mit 132 schweren Geschützen und 5 Komp. Kameltrain, 4 Train-Komp. á 110 Kamelen. Die Friedens - Garnisonen waren vor jährigen Feldzuges : und Sarras. Trotz
der
Cairo , Suakim, Assuan,
hohen
engl.
Ausbruch des drei-
Korosko ,
Offiziersgehälter
Wadi Halfa
(Stabsoffiziere
über
20000 Mk. ) und trotz der Zugabe des Aufwandes für die Soldatenfrauen berechnet sich das Militärbudget noch nicht auf 600 Mk. pro 10*
150
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896–98.
Kopf des gemeinen 17500 Mann. ')
Soldaten ,
bei
einer
Verpflegungsstärke
von
Das jährliche Rekrutenkontingent, sowohl das ausgehobene wie das angeworbene wird zunächst 3 Monate
in den Depots in Cairo
gedrillt und dann erst den Truppenteilen zugeführt.2) Die Ausbildung der mit Snider-Enfield und Henry-MartiniGewehren bewaffneten Infanterie ist noch durchaus unmodern : kein Schützengefecht, die Salve als das Karree die Hauptgefechtsform.³)
fast
ausschliefsliche
Feuerart,
In der Nähe des Feindes wird sogar im Karree dauernd marschiert, d. h. es bilden sodann die 4 Bataillone einer Brigade ein grofses Brigadeviereck , das in seinem Innern die Stäbe bagage aufnimmt.
und die Gefechts-
Es müssen hierfür wohl tiefer liegende Gründe vorhanden sein ; ich denke mir, dafs die moralischen Vorbedingungen für den Kampf in zerstreuter Ordnung bei dem ägyptischen Soldatenmaterial durchaus fehlen ; die Engländer haben wohl den Eindruck, dafs sie ihrer farbigen Truppen nur im geschlossenen Haufen sicher sind ; vielleicht hat sich auch gezeigt, dafs der nötige Grad von und Feuerdisziplin nicht zu erreichen ist.
Schiefsfertigkeit
Eine interessante Spezialität sind die Kamelreiterkorps. Es ist dies eine auf auserlesenen Dromedaren berittene Infanterie , welcher speziell die weitausgreifende Aufklärung übertragen ist. Die normale Tagesleistung der Dromedare ist bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 4 Minuten pro km über 100 km ; da die Tiere ferner eine viertägige Portion und Ration (einschliefslich Wasser) tragen, so ist diese Aufklärungstruppe geeigenschaftet, auch in ganz unwirtlichen Gegenden auf mehrere 100 km der Armee vorauszueilen. Die Kavallerie soll gut beritten sein und attackiert geschlossen ; das erste Glied hat Bambuslanzen.
Der Train
besteht
aus Kamel- Kompagnien.
Da übrigens
nach der Eigenart des Landes die Kriegszüge fast ausschliesslich im Nilthal, parallel zur Wasserstrafse und Flufsthalbahn, sich bewegen , so sind Trains nur in beschränktem Mafse benötigt.4 ) 1 ) Einschliesslich 1600 Soldatenweiber, die im Kriege als Trägerkorps verMehr als 18000 Mann darf der Khedive vertragsmässig wendet werden. nicht präsent halten. 2) Wie in England. 3) Dagegen sind die italienischen „ indigeni “ nach völlig modernen Grundsätzen ausgebildet und haben sich bei kontinentaler Fechtweise dem gleichen afrikanischen Gegner gegenüber durchaus bewährt. 4) Gleichwohl wurde für den Schlufs-Feldzug, zur gröfseren Bequemlichkeit der europäischen Truppen, ein Train von 4000 Kamelen angekauft.
151
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98 . Die Tragkraft eines Kamels
geht bis
zu 240 kg netto,
d. i.
ausschliesslich der 4tägigen Wasserration für Träger und Tragetier ; tägliche Marschleistung 45 km. Die
britischen
Okkupationstruppen
endlich ,
welche
in
uuregelmässigen Zeiträumen durch Truppen aus der Heimat abgelöst wurden, bestanden vor dem Feldzug durchschnittlich aus : 6 Bataillonen Infanterie , 1 Kavallerie -Regiment (4 Eskadrons), 1 Feld-Batterie, 1 Festungs-Artillerie-Kompagnie , 1 Pionier-Kompagnie und 1 Train - Kompagnie, zusammen über 5000 Mann. Garnisonen: Cairo, Alexandria, Assuan. Ich kehre zu
den Ereignissen zurück.
-
Ende Mai brachten
die Kundschafter eine willkommene Nachricht ins englische Lager : Die mahdistischen Vortruppen waren von Shabluka abgezogen! Die Stellung bei Shabluka war für Kitchener immer ein unangenehmer Gedanke gewesen. In einem engen, reifsenden Kanal stürzt sich der Nil hier in seinen 6. Katarakt. --- Die steilen FelsHöhen, die den Strom hier beiderseits zusammendrängen,
würden ,
wenn auch nur mit wenigen Geschützen gekrönt, eine äusserst wirksame Thal- Sperre gebildet haben, zumal es in dem schwierigen Fahrwasser den Kanonenbooten kaum möglich gewesen sein würde , gleichzeitig zu lavieren und zu feuern . Auch für die Landmacht bedeutete das einzige schwierige Berber und Omdurman.
Défilé auf der
Natürlich legte Kitchener sofort
das Engnis ganzen
die Hand
von Shabluka
Strecke
zwischen
auf den wichtigen
Punkt, indem er einige Kanonenboote über den 6. Katarakt vortrieb und dort stationierte. Nunmehr war es zweifellos ,
dafs der Chalif mit seiner ganzen
Macht den Angriff der Engländer nahe seiner Hauptstadt Omdurman erwarten werde. Ein neues Moment in die Kriegführung Landstriches südlich von Berber. Mit dem Vormarsch zum Atbara war regenarmen
Region
in die
Zone
brachte das Klima des man aus der
der tropischen
eingetreten und hatte daher mit allen Konsequenzen erscheinung zu rechnen.
absolut
Regenzeit dieser Natur-
Truppenbewegungen waren in der Zeit von Ende Juni bis Anfang
Der englisch -ägyptische Sudan -Feldzug 1896-98 .
152
August so gut
wie
ausgeschlossen .
In
aller Ruhe
und Sicherheit
konnte daher der Sirdar seine Truppen in weite Sommerquartiere bezw . Lager längs der Bahnlinie zurück bis. Abu Hamed legen , die Offiziere beurlauben und Erleichterungen aller Art eintreten lassen, britische Kontingent bei Humor zu erhalten
welche besonders das bestimmt waren.
Dagegen waren für alle Fälle 3 neue, besonders flachgehende Kanonenboote (Nr. 7-9) aus England bis Abedieh (nahe nördl . Berber, südl. des 5. Katarakts, siehe Skizze ) herangezogen worden , von wo aus, die Shabluka-Stromschnellen ausgenommen, bei hohem Nilstand ein klarer Wasserweg bis Chartum offen stand. So war alles für die Wiederversammlung am nunmehrigen Etappenhauptort El Damer (,,Atbara camp ") vorbereitet, zumal seit Ende Juni die Bahnlinie bis dahin in ununterbrochenem Betriebe war. Von hier
bis Chartum waren noch ca. 290 km Weg.
Bei
einer Tagesleistung von 10 km rechnete der Sirdar in einem Monat nach Aufbruch an den Feind zu kommen. - Geländeschwierigkeiten bot nach überstandener Regenzeit der Vormarsch keine, die begleitende Nilflotte stellte die Verpflegung sicher, die Orientierung und das Nachrichtenwesen waren bei den unbedingt ergebenen Arabern und einem Mann wie Slatin Pascha an der Spitze des Nachrichtenbureaus (intelligence office ) in besten Händen. Alles in allem mufste der Schlufsfeldzug, dank der, wenn auch kostspieligen, aber muster 99 ein militärischer Spaziergang unter den
gültigen Vorbereitung Tropen" sein.
Erst nachdem die Nilschwelle wirklich eingetreten¹ ) war, wurden die Truppennachschübe aus England und den englischen Mittelmeer Ende Juli und Anfang August garnisonen in Scene gesetzt. ― erreichten diese Aufmarsch-Transporte Atbara camp. Staffelweise, mit minimalen Marschleistungen, um jeden Marsch verlust zu vermeiden, wurden die Streitkräfte über Metemmeh bis Wad Habeschi am 6. Katarakt vorgezogen und dort der eigentliche Aufmarsch vollendet. Bei
Metemmeh
wurde
ein
Ausgabe-Magazin ,
in
El
Damer,
Abedieh und Wadi Halfa Reserve- Lazarette eingerichtet, in El Damer auch eine Transportkommission und ein Detachement des Roten Kreuzes etabliert. Am 24. August begann endlich der letzte Vormarsch, indem zunächst eine aus ägyptischen Truppen gebildete Avantgarde über
1 ) Tritt oft um mehrere Wochen verspätet ein.
153
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98. das gefürchtete Engnis von Sthabluka bis El Hagir wurde, der das Gros sodann langsam folgte.
vorgeschoben
Von El Hagir ab blieben nur etwa 60 km bis Omdurman, für welche Strecke der Sirdar noch einen Marsch von 8-10 Tagen ansetzte, also ca. 6-8 km im Tage. Dals
bei
dieser
kleinen Tagesleistung der
Vormarsch glatt
( like clockwork" ) von statten ging und auch der etwas anspruchsvolle Tommy Atkins" (Kosename für den britischen Soldaten ) ,,in sportive humour" erhalten wurde, ist kein Wunder.¹) - Der Krankenstand überschritt niemals 3,3 %. Vormarsches
Der einzige Unfall während des
war der Untergang des Kanonenboots Zafir, das bei
Shendy leck wurde und sofort sank ; die Mannschaft rettete sich. So kam die Entscheidung heran. Da über die entscheidenden Ereignisse ausführliche, offizielle Berichte noch fehlen, so möchte ich zunächst die kurze Gefechtsrelation Kitcheners
vom 5.
September,
welche im Organ des
War office, der London Gazette Nr. 27009 vom 30. September 1. Js. veröffentlicht wurde , im Wortlaut wiedergeben und hieran einige ergänzende Bemerkungen anknüpfen . ,,Vom Generalmajor Sir Herbert Kitchener
an
den Höchst-
kommandierenden in Ägypten, Generallieutenant Sir Francis Grenfell." Omdurman, 5. September 1898. Sir, Nachdem die Entsendung eines Expeditionskorps britischer und ägyptischer Truppen gegen die Armee des Chalifen in Omdurman beschlossen worden war, beehre
ich mich Ihnen zu berichten,
daſs
nachstehende Truppen am Nordende des 6. Kataraktes versammelt worden sind, vorgeschobenes worden war.
in
deren
unmittelbarer Nähe
Verpflegungsmagazin
bei
vorsichtigerweise
Nasri
Island' )
ein
gebildet
(Folgt die Truppenliste, welche der ordre de bataille Expeditionskorps [ Seite 154 u. 155 ] zu Grunde gelegt ist. )
des
Am 24. August begann der staffelweise Vormarsch der Truppen bis Jebel Royan, 2 ) wo ein Verpflegungsmagazin und ein britisches Etappen-Lazarett errichtet worden war. Am 28. August marschierte die Armee bis Wadi el Abid²) und 1 ) Sogar die Garden ( 1. Batt. Grenadier Guards),,,gewöhnt in Watte gewickelt zu sein" (to be wrapped in cotton wool), waren angesichts der Sorgfalt, mit der sie sich umgeben sahen, und der Schonung, die ihren Beinen zu teil wurde, in bester Stimmung, was die United Service Gazette mit Vergnügen konstatiert. 2) Diese Ortsnamen konnten in keiner der zur Verfügung gestandenen Karten aufgefunden werden.
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98.
154
aus ich
tags darauf bis Sayal, ') von wo sandte, worin ich ihn
aufforderte,
zuschaffen, da ich beabsichtigte, im Fall der Übergabe .
dem Chalif einen Brief
seine Weiber und Kinder fort-
Omdurman zu beschiefsen ,
aufser
Am nächsten Tage marschierte die Armee nach Surur ab¹ ) und erreichte
am 1. September das Dorf Egeiga ,
2 Meilen (ca. 3 km )
südlich der Kerreri- Hügel und 6 Meilen ( ca. 10 km) von Omdurman entfernt. Feindliche Reiterpatrouillen waren während des Vormarsches vielfach bemerkt worden ; sie wichen vor unserer Kavallerie zurück , und da ferner auch die feindlichen Vorposten über Egeiga hinaus zurückgetrieben wurden, so gelangten unsere Erkundungsabteilungen bis in volle Sehweite an Omdurman heran , aus welcher Stadt starke feindliche Heerhaufen herausströmten und nordwärts marschierten.
Ordre de bataille des Sudan- Expeditionskorps . Höchstkommandierender : Gllt. Sir Francis Grenfell. Oberbefehlshaber der Truppen im Felde (Sirdar) : Gen. -Maj. Sir Herbert Kitchener. Gen. -Maj . Rundle, Gen.- St. - Chef. 1. Britische Felddivision (8. 4. 24 G. = 8500 M.) Car: Gen. - Maj . Gatacre .
2. Brigade G.-M. Lyttelton 2. Bat. RifleBrig. 1. Bat.Grenad. Guards
1. Brigade G.-M. Wauchope 1. Bat . SeaforthHighl. 1. Bat. CameronHighl .
2. Bat.Lancash,Fus. 1. Bat.Northumberl.Fus. 1. Bat.Warwicksh. 1. Bat. Lincolnshire 0
•
Maxim-Geschütze ·· ·|· ·|· ·|· ·|· ·· ·· ··
Pi- Det.
Pi -Det.
21. Lancers ( 500 Säbel ). 2 40-Pfänder
37. Feld- (Haubitz-) Batt.
32. Feld-Batt.
ô ô ô ô ô ô
7
Feld - Lazarette
1 Train-Komp.
++++
+++++
à 100 Betten mit je 1 Träger-Kompagnie.
1 ) Dieser Ortsname konnte in keiner der zur Verfügung gestandenen Karten aufgefunden werden.
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98.
155
2. Aegyptische Felddivision (16. 9. 40 G. 15000 M. ) Car: Gen. - Major Hunter. 4. Brigade (Obstlt. Collinson) 5 1
3. Brigade (Obstlt. Lewis) 4 3
17
17
15
7
2. Brigade 1. Brigade (Obstlt. Maxwell) (Obstlt. Mac Donald) 12 3 9 2
14
13
11
10
44 Kameelreiterkorps à 8 Kompagnien.
·· ·| · ·↓ · ·↓ · ·| -· Maxim-Gesch. ·· ·| · ·|-· ·| · ·| · Irreguläre Araber. (Car: Major Stuart Wortley.)
Kameeltrain.
Erläuterungen :
3. Nilflotille
engl . Bat. à 4 Kp . = 900 M.
ägypt. Bat. à 8 Komp . sudan.
29
(Cdr: Commander Keppel). Flachgehende Kanonenboote (mit 1 schw. und mehr. Rev. -Gesch. montiert).
29 29
engl. Kavallerie . ägypt.
Segelbootflotte (zugleich ,,Kolonnen und Trains").
99
Um Mittag ( 1. September) sah ich vom Abhang des Jebel (Berges ) Surgham aus das ganze Derwischheer einige 3 Meilen (5 km )
entfernt im
Anmarsch
gegen
uns,
wobei
das schwarze
Banner des Chalifen, umgeben von seinen Mulazemin (Leibgarde ) deutlich erkennbar war. - Ich schätzte die Zahl der Krieger auf 35000 Mann, welche Schätzung bei späterer Nachforschung sich als
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98.
156 zu gering
herausstellte,
indem
die
wirkliche
Stärke
zwischen
Aus Kundschafternachrichten füge ich
40-50000 Mann betrug.
an, daſs es die Absicht des Chalifen war, uns mit seiner Streitmacht bei Kerreri entgegenzutreten , allein unser rascher (rapid) Vormarsch (!) überraschte ihn . Sogleich wurden unsere Truppen rings um das Dorf Egeiga, das eine vortreffliche Stellung mit freiem Schufsfeld in jeder Richtung bot, bereitgestellt und Schützengräben und Zeriben vorbereitet . Um 2° N. meldeten unsere Vedetten, dafs der Feind halte, und etwas später bemerkte man, dafs er beziehen und Wachfeuer anzuzünden.
sich
anschicke,
Biwak zu
Da eine Kundschaftermeldung besagte, dafs der Chalif einen nächtlichen Überfall auf unsere Stellung beabsichtige, so wurden sogleich Gegenmafsregeln getroffen,
gleichzeitig Dorfbewohner von
Egeiga zur Erkundung gegen das feindliche Lager entsandt, wobei man diesen sagte, dafs wir einen nächtlichen Angriff vorhätten ; da dies natürlich dem Chalifen zu Ohren kam, so beschlofs er, in seiner Stellung zu bleiben ; den Zeriben !
folglich hatten wir eine
ungestörte Nacht in
Indessen drangen die Kanonenboote, unter Commander Keppel, welche am 31. August das Lager der Mahdistischen Vortruppen bei Kerreri entdeckt hatten, mit Tagesanbruch am 1. September vor und bugsierten die Haubitz-Batterie¹ ) nach dem rechten Nilufer, wo sie, in Verbindung mit den Irregulären unter Major Stuart Wortley, Nachdem 2 Forts zerstört den Vormarsch südwärts fortsetzten . und
die
Dörfer
durch
die
Irregulären in
tapferem
Draufgehen
gesäubert waren, wurden die Haubitzen am rechten Ufer an Land und in eine gute Stellung gebracht, von WO aus das Feuer auf Omdurman eröffnet wurde, und schon nach wenigen Lagen war der weithin sichtbare Dom über dem Grabmal des Mahdi teilweise zerstört, während die Kanonenboote, an der Stadt vorüberdampfend, ebenso wirksam die Forts beschossen, welche schlechtgezieltem Geschützfeuer antworteten. Mit Tagesanbruch des patrouillen, dafs der Feind
mit
grobem, aber
2. September meldeten unsere Reiterzum Angriff vorrücke ; um 630 V. nahm
die zurückweichende ägyptische Kavallerie mit der reitenden Artillerie, dem Kamelkorps und 4 Maxims eine Stellung auf den Höhen von Kerreri in unserer rechten Flanke ein.
1) Die Batterie war offenbar tagsvorher aut Transportschiffen verstaut oder während des ganzen Anmarsches auf solchen transportiert worden. Anm. d. Verf.
157
Der englisch-ägyptische Sudan- Feldzug 1896-98.
Um 640 V. wurde das Kampfgeschrei des vorrückenden Derwischheeres vernehmbar und wenige Minuten später erschienen ihre Banner über der Bodenwelle, in einem Halbkreis unseren linken Flügel und die Mitte umspannend . Die Geschütze der 32. Feld- Batt. eröffneten um 645 V. auf 2800 yards (etwas über 2500 m ) das Feuer, während die Derwische mit all ihrem gewohnten Ungestüm und ihrer bekannten Unerschrockenheit ihren stürmischen Angriff fortsetzten . In kurzer Zeit standen die Truppen und Maximgeschütze des linken Flügels in der Mitte in hitzigem Gefecht ; während die feindlichen Gewehrträger , aus Stellungen an Hängen des Jebel Surgham, auf weite Entfernungen ihr Feuer gegen unsere Zeriben richteten und auch einige Verluste verursachten, machten die Speerträger, fortwährend von rückwärts verstärkt, Versuch um Versuch, unsere Linien zu erreichen. Kurz nach 8 ° V. war der feindliche Hauptangriff abgeschlagen. Um diesen Zeitpunkt wurde beobachtet, wie eine starke, massierte Derwischabteilung unsern rechten Flügel zu umfassen suchte und dabei in stürmischem Anlauf bald mit unseren berittenen Truppen auf den Kerreri-Höhen ins Gefecht geriet. -- Eines der Kanonenboote, welche zum Schutz unserer an den Flufs gelehnten Flanken bestimmt waren, beeilte sich, stromabwärts dampfend, den ziemlich hart bedrängten berittenen Truppen Beistand zu leisten und brachte, in wirksamem Schufsbereich angelangt, den Derwischen schwere Verluste bei ; auf verhältnismäfsig kleinem Raum lagen bald über 450 Tote. Die Artillerie und die Maxims auf der linken Seite der Zeriben wirkte gleichfalls mit, und der Feind wurde gezwungen, hinter die deckenden Höhen zurückzugehen.
abermals
Nachdem so alle Angriffe auf unsere Stellung gescheitert waren, und der Feind sich aufser Schufsweite zurückgezogen hatte, entsandte ich die 21. Ulanen, den Grund vor unserem linken Flügel zu säubern und alle im Rückzuge befindlichen Derwische von der Richtung nach Omdurman abzudrängen . Nach Überschreitung der Rückenlinie des Jebel Surgham stiefsen die Ulanen auf eine in einer Bodenfalte versteckte Derwischabteilung und attackierten dieselbe wacker ; da entdeckten sie eine noch viel gröfsere Derwischmasse in der Deckung, zur Umkehr war's zu spät, und so wurde die Attacke auch durch diese hindurch fortgesetzt und jenseits gesammelt ;
sodann
ritten
sie ,
die Derwische
beiseite treibend, zurück und behaupteten sich auf dem Felde . Der Feind
hatte beträchtliche Verluste ;
ich bedauere jedoch
Der englisch-ägyptische Sudan- Feldzug 1896-98 .
158
berichten zu müssen, dafs Lieutenant unserer Seite fielen .
Grenfell und 20 Mann
auf
Indessen hatte ich der Armee befohlen, in Brigadestaffeln, vom Als um 930 V. die vordersten linken Flügel beginnend, zu folgen. Brigaden die Sandhöhen, welche vom Westhang¹1) des Jebel Surgham gegen den Flufs hinlaufen, erreicht hatten, befahl ich zu halten, um den rückgängigen Brigaden das Nachrücken in die Stellung zu ermöglichen ; damals erhielt ich Kenntnis, dafs der Chalif noch mit starken Kräften auf den linken²) Hängen des Surgham zur Stelle war ; es wurde daher eine Frontveränderung halbrechts befohlen. Als die Brigade Mac Donald in Ausführung dieser Bewegung rechts der vorderen Staffel in Stellung gehen wollte, geriet dieselbe in ein hitziges Gefecht. Da ich von Gen. Hunter, der bei der Brigade Mac Donald sich aufhielt, hörte, dafs Verstärkung erwünscht sei, so entsandte ich die Brigade Wauchope zu seiner Unterstützung und befahl den übrigen Brigaden eine abermalige Frontveränderung halbrechts. Kaum hatte Mac Donald den
Angriff der Derwische zurück-
geschlagen, da tauchte jenes Korps, welches sich hinter die Kerreri Höhen zurückgezogen hatte, abermals in der Ebene auf und stürzte sich auf Mac Donald, wobei
diese Brigade zu einem abermaligen,
vollkommenen Frontwechsel nach rechts hin gezwungen wurde. Diese Bewegung wurde in bewundernswerter Weise ausgeführt, und so
gelang
es
Mac Donald,
rechts von Teilen
der
Brigade
Wauchope, links von dem Flankenfeuer der Brigade Lewis unterstützt , diesen zweiten, sehr entschlossenen Angriff der Derwische buchstäblich zu erdrücken. Mittlerweile waren die Brigaden Maxwell
und Lyttelton über
die Hänge des Jebel Surgham vorgeschoben worden , trieben die Derwischmassen unter Osman Scheikh ed Din, dem Sohne des Chalifen, vor sich her und
richteten sich in einer Stellung ein, in
welcher sie der grofsen Masse des Derwischheeres den Rückzug auf Omdurman abschnitten. - Bald sah man deren aufgelöste Horden gegen die hohen Hügel, mehrere Meilen gegen Westen, zurückfluten, dicht auf verfolgt von den berittenen Truppen, welche Front und zögernden und abgekommenen Teilen des
Flanke von allen noch Feindes säuberten.
Die Schlacht war jetzt thatsächlich vorüber , und die Brigaden Lyttelton und Maxwell rückten nach dem Khor³ ) Shamba 1) Dürfte wohl Osthang heilsen sollen. 2) Wahrscheinlich die „ westlichen“ Hänge gemeint. 3) Khor - ausgetrockneter Fluſslauf.
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98. hinab , in Richtung wurde.
auf Omdurman, das
159
um 1230 Mittag erreicht
Hier wurde gehalten und Wasser gefafst ;
der Rest der
Division Hunter und die Brigade Wauchope kamen um 3 ° N. ebendahin nach. Um 2 ° N. rückte ich mit der Brigade Maxwell und der 32. FeldBatterie durch die Vorstädte von Omdurman bis zu der grofsen Mauer vor, welche den Stadtteil des Chalifen umgab ; hier wurden 2 Geschütze und 3 Bataillone zur Bewachung der Zugänge zurückgelassen, während das 13. sudanesische Bataillon und die übrigen 4 Geschütze der 32. Feld-Batterie längs der Nordmauer bis zum Flufs vordrangen, von wo ab sie von 3 Kanonenbooten begleitet wurden , die vorsichtigerweise für diese Bewegung bereitgehalten worden waren; so erreichten diese Truppen die von den Haubitzen in die Mauer gelegten Breschen, wandten sich dann südwärts längs der Fortslinie, traten durch den Hauptthorweg ein und fanden hier eine gerade Strafse , welche zum Hause des Chalifen und dem MahdiGrabmal führte ; letztere Gebäude wurden schleunig besetzt , während der Chalif nur ganz kurze Zeit vor unserem Eindringen, nach einem vergeblichen Versuch, seine Leute zu weiterem Widerstand zu sammeln, die Stadt verlassen hatte. Die Kanonenboote fuhren fort,
stromaufwärts
die Strafsen von
Derwischen zu säubern , während der an der Mauerecke verbliebene Rest der Brigade Maxwell zur Besetzung der Hauptstadtteile vorgeholt wurde. - Wachen zogen an den Hauptgebäuden und Vorratshäusern des Chalifen auf; das Gefängnis wurde besucht und die europäischen Gefangenen befreit. Sodann bezogen die Truppen um 7 ° N. rund um die Stadt Biwaks, nach einem langen und schweren Tag, in dessen Verlaufe alle Grade Eigenschaften von hohem Mute, Mannszucht und Ausdauer bewiesen hatten. Die
Kanonenboote
und
Kamelkorps brachen sofort
die
Ägyptische
zur Verfolgung
Kavallerie
und das
südwärts auf; aber im
Hinblick auf den erschöpften Zustand der Tiere und das Überschwemmungsgebiet, welches die Truppen von ihren auf den Schiffen verstauten Bedürfnissen abschnitt, wurden die Verfolger sehr gegen ihren Willen gezwungen, die weitere Verfolgung aufzugeben, nachdem sie dem fliehenden Chalifen einige 30 Meilen (48 km ) über sumpfigen Grund nachgedrungen waren. Die Kanonenboote dampften noch 90 Meilen ( 144 km) weiter, konnten aber die Fühlung mit dem Chalifen nicht gewinnen, da dieser den Flufs verliefs und westwärts gegen Kordofan floh, verfolgt von den befreundeten Araberstämmen, welche
die zurückkehrenden
berittenen Truppen in der weiteren Verfolgung ablösten.
160
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98.
Grofse Vorräte an Munition, Pulver, einige 60 Kanonen ver schiedener Arten, aufserdem grofse Mengen von Gewehren, Schwertern , Speeren, Bannern, Trommeln und anderem Kriegsgerät fielen auf dem Schlachtfelde und in Omdurman in unsere Hände . Das Ergebnis der Schlacht ist die thatsächliche Vernichtung des Heeres des Chalifen, damit die Erstickung des Mahdismus im Suda n und die Wieder-Unterwerfung des ganzen, früher unter ägyptischer Herrschaft gestandenen Gebietes . So wurden weite Landstriche für die Wohlthaten des Friedens, Verwaltung wieder eröffnet. "
der Civilisation und
einer guten
Wie aus der kurzen Schilderung des Schlacht-Verlaufes hervor geht, ist Kitchener geglückt was Baratieri vergeblich als Feldzugs programm 1896 sich vorgesteckt hatte: ,, Strategisch angreifen, taktisch sich angreifen lassen. " Der Chalif, der Kitchener den Gefallen that, den Menelik Ba ratieri versagte, zeigte sich, obwohl seines Zeichens arabischer Feld herr, in dem von ihm selbst geführten Feldzuge als wenig befähigter Stratege ; zunächst opferte er, wohl religiös-politischen , vielleicht auch nur Bequemlichkeits - Rücksichten den militärischen Vorteil auf, indem er seine Truppen von der wirksamen Thalsperre von Schabluka zurückzog, aus jener Stellung am 6. Katarakt, von welcher Kitchener lange schwer geträumt hatte. Desgleichen liefs er, gegen
alle Vernunftsgründe,
Höhen nur von schwachen Vortruppen besetzen, ganzer Macht den Engländern vorzulegen.
die Kerreri
statt sich hier mit
Nach einer Andeutung Kitcheners zu schliefsen, wonach er sich hier den ersten Widerstand erwartete, mufste hier eine bedeutende Stellung mit Front nach Norden für die Derwische
sich geboten
haben. ― Der Chalif soll auch erwogen haben, sich hier zu schlagen ; gleichwohl liefs er sich von den Engländern mit ihrem „ rapiden Vormarsch" (von 6 km pro Tag ! ) den Rang ablaufen. Endlich fiel Abdullahi am 1. September noch auf die plumpe List, die wahrscheinlich Slatin ersonnen hatte, herein, und liefs sich von der Absicht des nächtlichen Überfalls abbringen . Das war ein besonderes Glück für die Engländer ; hätte der Chalif sich nicht irre machen lassen und nachts zum 2. September angegriffen, so hätten die Engländer wohl keinesfalls mit so 99 bagatell mässigen Verlusten" ( at such a trifling cost " , - Worte des Höchst kommandierenden in Ägypten, Generals Grenfell ; den Sieg errungen. Mit dem Nachtgefecht liefs sich der Chalif den letzten Vorteil entgehen ;
statt dessen
unternahm er tags
darauf den unsinnigen
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98.
161
99 Windmühlen-Kampf" und trieb die armen Opfer religiösen Wahns in das mörderische Fernfeuer der englischen Geschütze. Insoweit der vorstehende dienstliche und einige private Berichte einen Überblick gestatten,
scheinen
sich die Ereignisse am 1. und
2. September ungefähr, wie folgt, abgespielt zu haben : Am 1. September
sicherte sich Kitchener, wahrscheinlich mit
einem letzten etwas rascheren und gröfseren Tagmarsch eine günstige Stellung nahe am Feinde , - so nahe , dafs die Entscheidung unvermeidlich war , und günstig zu nennen freilich nach einem ganz eigenartigen , afrikanischen Mafsstab. Das Dorf Egeiga, - einige Lehmhütten mit dem landläufigen Umzug von Dornhecken und Steinmauern (Zeriben genannt ) - scheint dicht am Nil auf einer Sandkuppe zu liegen, die nach allen Seiten sanft zerfliefst und auf der ganzen Ringsfront Glacis bis zur äussersten Grenze des wirksamen Infanterie-Feuers bildet. Diese Eigenschaften allein wären ja auch nach europäisch -kontinentalen und modernen Begriffen ideal günstig ; anderes ergiebt sich , wenn wir die Stellung in ihrer allgemeinen Lage betrachten.
Bei Egeiga
standen die Engländer ohne jeden Entwickelungsraum nach Breite und Tiefe , von Anfang an mit allen Gewehren in der Front, mit dem Rücken dicht an einem grofsen Strom, in einem Brückenkopf ohne Brücke , alles in allem auf europäischem Boden ein wahnsinniges Wagnis ! Dort, in Afrika,
wo die englischen Verteidiger von der Feuer-
wirkung ihrer Geschütze und Gewehre gegenüber einem noch so zahlreichen, aber bei Tage wenigstens völlig ohnmächtigen Angreifer, der ohne Artillerie und weittragende Gewehre den Angriff über die freie Ebene wagte, sich einen absolut entscheidenden Erfolg versprechen durften -- dort , sage ich, war eine solche Stellungswahl nicht nur angängig, sondern sogar die einzig richtige . Die Rückendeckung durch den Flufs machte die Ringsumfassungstaktik der Afrikaner ebenso unwirksam wie deren Überzahl , während anderseits die Feuerkraft des Verteidigers wesentliche Verstärkung erfuhr.
durch die Nilflotte eine
Gegenüber solchen Vorteilen that der Umstand, dafs die Rückzugslinie der Engländer in ihrer rechten Flanke lag, um so weniger zur Sache, als man sicher rechnen konnte, dafs ein Rückzug überhaupt nicht in Frage kommen würde. Für den schlimmsten Fall waren die Schiffe da. Auch dafs die Feldbatterie ungedeckt auf dem linken Flügel aufserhalb der Befestigungen stand, war unter afrikanischen Verhältnissen kein taktischer Fehler ;
denn gerade
die Artillerie hatte
162
Der englisch- ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98.
durch ihre Fernwirkung in der weiten, freien Ebene gegenüber einem Feind ohne Fernwaffe die gröfsten Chancen in der reinen Abwehr. ' ) Der Erfolg bewies denn auch auf das Glänzendste, dafs Kitchener von seiner kühnen Aufstellung sich grofse Vorteile erwarten dürfte. Die Angriffe der Derwische gegen den waffenstarrenden „ Igel " alle schon vor der Sturmdistanz. — Von
von Egeiga zerschellten Interesse ist hierbei,
dafs die Angriffe gegenüber dem linken eng
lischen Flügel schon auf etliche 600 m, vor den übrigen Teilen der Front erst auf etwa 250 m ein blutiges Ende fanden. - Der Unter schied dürfte nicht allein in der besseren Schiefsausbildung, Feuer leitung und Bewaffnung
(Kleinkaliber Lee -Metford)
der am linken
Flügel postierten britischen Truppen, sondern ganz besonders auch in der hier direkt flankierenden Wirkung der Artillerie und der Kanonenboote begründet sein. Es wurde bei Omdurman, wie damals bei Adua , 2) die Bemerkung gemacht , dafs die Angriffsweise der Derwische , wie jene der Abessinier, manche Ähnlichkeit mit unseren Kavallerie-Attacken auf Infanterie habe ;
es ist dies auch ganz natürlich, da die Mehrzahl
der afrikanischen Fufskämpfer mit Nahwaffen ausgerüstet ist. — Ein solches Fufsvolk ist auf dieselbe Taktik hingewiesen, wie unsere Kavallerie, - auf eine Taktik , die darauf abzielt, möglichst bald und nachhaltig dem Gegner mit der blanken Waffe auf den Leib zu kommen ; daher der rapide Ansturm und die Schlag auf Schlag sich folgenden langen Angriffslinien. Die Art, wie die Derwische ihren ersten Angriff hinter dem Surgham-Berge ansetzten, in der Deckung aufmarschierten und dann entwickelt in einer mehrfachen Halbkreis- Linie von einigen Kilometern Frontlänge gegen das gemeinsame Ziel Egeiga vorbrachen , giebt Zeugnis von der Eingelebtheit dieser gewils nicht leichten Übung. 1 ) Höchstens die mahdistische Reiterei konnte der exponierten englischen Artillerie gefährlich werden, es scheint, dafs auch die Kavallerie des Chaliten ihren Vorteil nicht verstanden hat. Das Gelände in der linken Flanke der englischen Artillerie mufs für ein überraschendes Vorbrechen nicht ungünstig gewesen sein, denn hier war es ja, wo die 21. Ulanen auf ihrem Attackenweg mehrfachen Bodenfalten ( depressions) begegneten. Ein Reiterangriff aus dieser Richtung hätte den Engländern mindestens die Bedienung ihrer Geschütze gekostet. - Für die Aussichten der Reiterwaffe gegenüber der Artillerie liegen eben die Verhältnisse auf allen Erdteilen gleich. Die Artillerie ,,gehört" auch heute noch und überall einer gewandten, gut geführten Reiterei, - gerade deshalb, weil taktische Rücksichten und artille ristische Wünsche selbst der Artillerie meist ihren Platz auf den Schlachtflügeln anweisen, wo sie einer, im Gelände findigen und über die Gefechtslage orien tierten Kavallerie stets erreichbar ist. 2) Vergl. Jahrbuch f. Arm. u . Mar., Nov.-Heft 1896 , S. 144 .
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98.
163
Um so unglücklicher nimmt sich neben diesem altafrikanischen Angriff die versuchte Nachahmung europäischer Umgebungstaktik aus ; aus so manchen Begegnungen seiner Truppen mit modernbe waffneten Europäern mufste der Chalif doch die Lehre gezogen haben, dafs ein Flankenmarsch im wirksamen Bereich moderner Geschütze und Gewehre einen „ Massen- Selbstmord " bedeute. Dafs die Umgehungsbewegung nebenbei zu spät angesetzt war und erst nach Abweisung des Frontangriffs in einem vereinzelten Flankenstofs hätte enden müssen , dies wollen wir dem afrikanischen Taktiker nicht vorwerfen, nachdem so viele europäische Truppen führer in jedem Manöver an dem Kunststück der zeitlichen Über einstimmung von Front- und Flanken-Angriff scheitern. Das Schicksal der etwa nach 8 Uhr hinter den Trümmern des ersten Angriffs auftauchenden Umgehungskolonne war denn auch von vornherein besiegelt . Auf dem ganzen Wege in der Flanke beschossen, suchte diese Kolonne aus dem Bereich der englischen Geschosse hinauszukommen, und liefs sich instinktiv durch die auf den Kerreri-Höhen stehende ägyptische Kavallerie von ihrem eigentlichen Angriffsziel ablenken ; durch diese plötzliche Abschwenkung kam das zum Feuergefecht ab gesessene ägyptische Reiterkorps momentan in schwere Bedrängnis, bis die Kanonenboote mit ihren ausgiebigen Shrapnels eingriffen und auch hier den Ausschlag gaben. Nach Abweisung dieses
verspäteten Flankenangriffes scheint,
von ungefähr 830 V. ab, eine Gefechtspause eingetreten zu sein. Der Rückzug afrikanischer Krieger vollzieht sich auffallend rasch. „Wer flieht, fliegt" , sagt ein arabisches Sprüchwort, und es scheint, als ob ein Satz im „ Exerzier- Reglement " der Derwische den gleichen Wortlaut habe. Was noch gesunde Beine hatte, flog förmlich aus dem Gesichts kreis und verschwand hinter dem Surgham-Berge und den Kerreri Höhen. So war denn eine Weile allgemeine Ruhe auf dem weiten Schlachtfeld. ― Auch die Engländer rührten sich nicht in ihren Zeriben
und
Schützengräben ;
Kitchener
erwartete
offenbar
eine
Wiederholung der planlosen Angriffe, was freilich die bequemste Art systematischer Vernichtung der Derwische geboten hätte ; war doch, wie die minimalen Verluste zeigten, die eigene Gefahr dabei nicht viel grösser als bei irgend einem gefechtsmässigen Abteilungs schiefsen im tiefsten Frieden! Über diesem Abwarten stehenden Fufses scheint man sogar ver säumt zu haben, den Fliehenden Patrouillen nachzuschicken, so dafs 11 Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 2.
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98.
164
die Fühlung loren war ,
mit dem Feinde
eine
volle Stunde lang ver-
obwohl derselbe in dieser Zeit,
wie später sich über-
raschenderweise zeigte, auf wenige Kilometer vor den Engländern hinter den deckenden Höhen sich wieder sammelte und formierte . Überhaupt mufs die Gefechtsaufklärung zu wünschen übrig gelassen haben ;
die Abwesenheit
durman detachierten
der
am Schlachttage gegen Om-
arabischen Irregulären,
sächlich die Aufklärung Schlacht selbst fühlbar.
besorgt hatten,
welche
machte
bisher
haupt-
sich während der
Diesen flinken Reitern und ihren scharfen Augen würde das Ralliieren der Derwische hinter den Surgham- und Kerreri-Hängen nicht entgangen sein, wodurch den Engländern die nachfolgenden, immerhin gefährlichen Überraschungen erspart worden wären . Erst nach 9º V. scheint Kitchener das Unheimliche dieser schwülen
Stille
und damit
das
Bedürfnis
der Fühlung empfunden zu haben ; die bisher im Inneren des
er
nach
Wiederaufnahme
entsandte die 21. Lancers ,
befestigten Halbkreises gedeckt gehalten
hatten, mit dem Auftrage, „ das Gelände vor dem linken Flügel reinzufegen und die Derwische von Omdurman abzudrängen. " An die ägyptischen Reiter und
das Kameelkorps
scheint ein
gleichartiger Befehl, der diesen die Zone Kerreri - Surgham zugewiesen hätte, nicht ergangen zu sein. Die nun folgende berühmte Attacke der 21. Ulanen ist zweifellos eine glänzende Reiterthat ; ihrem Glanze kann es keinen Eintrag thun, wenn die Lorbeeren der englischen Ulanen keine so blutigen¹ ) waren , wie sie heutzutage jeder Reiterattacke gegen waffnetes Fufsvolk beschieden sind.
modern be-
Nach der Entschlossenheit, mit der die englischen Reiter in die dichtgedrängten Knäuel der fanatischen Schwarzen einritten, besteht kein Zweifel, dafs diese Reitertruppe auch vor anderen Feinden als solchen 99 mit Schwert und Spiels und alten Flinten "2) in Ehren bestehen würden. Während die Ulanen nach beendeter Attacke den Kamm des 1) Die 6 Eskadrons der Brigade Bredow verloren von 740 Säbeln in Reih und Glied : 18 Offiziere 422 Mann C fast 60 % ; dagegen hatten die 21. Lancers bei ca. 400 Kombattanten an Verlusten : 21 Tote, 20 Schwerverwundete = nicht ganz 10 % ; ca. 80 Leichtverwundete, die gar nicht aus dem Sattel kamen , dürften wohl nicht mitzurechnen sein. Immerhin waren die Verluste der Ulanen die einzigen wesentlichen ; betrugen sie doch 1 , der englischen Gesamtverluste ! 2) ,,with sword and spear and banners as of old" - wie ein britischer Tyrtäus die Episode besingt.
165
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98 .
vom Surgham- Berge zum Nil verlaufenden Höhenrückens mit abgesessenen Schützen besetzten (siehe Skizze der Gefechtslage 2 ), entschlofs sich Kitchener, wahrscheinlich auf die Meldung der Ulanen hin, um 930 V. mit allen Verfolgung aufzubrechen.
Kräften
aus der Stellung
Der Marsch wurde vom linken Flügel ab, Brigade-Vierecken, rechts gestaffelt angetreten .
heraus
in den
zur
bekannten
Inzwischen hatten die Derwische, trotz ihrer enormen Verluste (bis zu 50 % ) und trotz der eiligen Flucht, mit der sie das Angriffsfeld räumten, sich offenbar
sehr rasch und ganz nahe am Kampf-
platz in den Deckungen wieder gesammelt und Angriffen bereit.
standen
zu neuen
Offenbar waren sie auch über die Vorgänge beim Gegner besser unterrichtet als umgekehrt die Engländer. -― Ruhig saben sie zu, wie die feindlichen Karrees sich formierten , die Zeriben und Schützengräben überschritten und langsam nach Süden, gegen Omdurman hin, weiterrückten.
Mit derselben Ruhe und Überlegung warteten sie,
bis die an der Spitze marschierenden britischen Brigaden, mit ihrem unangenehmen Lee-Metford, aufser Reichweite waren, um sich sodann in plötzlichem Vorbrechen auf die zunächst befindliche ägyptische Brigade Mac Donald zu werfen . Die Schnelligkeit und Exaktheit, mit der die
schwerfälligen
Massen der zunächst bedrohten ägyptischen Brigaden ihre Front von Süden nach Westen gegen die feindliche Attacke drehten und Feuerfronten bildeten, verdient alle Anerkennung. Obwohl hierbei nicht den in der Front stehenden englischen Offizieren der Wunsch moderneren Manövrierformen sich aufdrängte?
nach
Es liegt wohl aufser Zweifel, dafs die beteiligten Brigaden schneller ein Mehrfaches von Feuergewehren in die neue Front gebracht hätten, wenn sie ihren Vormarsch in irgend welcher Form der Kompagnie - Kolonnen hätten.
oder
selbst in Marschkolonne
vollführt
Statt des umständlichen Manövers, des Drehens der Têten und beiderseitigen Aufmarsches hätte
ein
einfaches Einschwenken
mit
Zügen oder Sektionen genügt, um augenblicklich eine doppelt oder dreifach so lange Feuerfront nach der bedrohten Flanke hin zu bilden. Zum Glück für die Brigade Mac Donald kamen die beiden Angriffe vom Surgham-Berge bezw. von den Kerreri-Höhen her wieder nicht gleichzeitig , sonst hätte die Schlacht wohl mit einem, wenn auch nur
partiellen Augenblickserfolg der Derwische geendet, der
immerhin miſsliche moralische Folgen mit sich gebracht haben würde. 11 *
166
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896–98 .
Über die Mitwirkung der Artillerie und der Kanonenboote bei dieser letzten Gefechtshandlung erwähnen die Berichte nichts. -— Es scheint, dafs infolge des völlig überraschenden Wieder-Auftretens der Derwische die Feldartillerie nicht mehr rechtzeitig vorgebracht werden konnte und daher nur die ihre Brigaden begleitenden Maxims ihr Wort mitsprachen. Für die Geschütze der Kanonenboote war in den beiden letzten Schlachtmomenten wohl die Entfernung zu grofs und auch ein Überschiefsen der eigenen Truppen bei der Nähe der fechtenden Parteien zu gefährlich . Die Rolle , welche die Kanonenboote im ersten Teil des Schlachttages spielten , ist wegen ihrer Eigenartigkeit interessant ; es klingt ganz seltsam zu hören, wie Kanonenboote einer gefährdeten Kavallerie zu Hilfe eilen und dieselbe durch
ihr Feuer dega-
gieren. Jedenfalls ein neues kriegsgeschichtliches Beispiel ! Gelegenheit zur Nachahmung wird wohl selten wiederkehren.
Die
Der Handstreich vom 1. September gegen Omdurman und gegen das Grabdenkmal des Mahdi dürfte, nach der todesmutigen Kampfweise der Derwische zu schliefsen, nicht nur seine, wohl auf Demoralisierung abzielende Wirkung verfehlt, wenn nicht vielmehr eine entgegengesetzte erreicht haben, -- eine Wirkung, welche in der Empörung des religiösen Gefühls und der Entfachung des Fanatismus in die Erscheinung trat. Die englischen Gesamtverluste in der Schlacht von Omdurman betrugen : 46 tot, 341 verwundet, wovon bei den Engländern 25 29 2 111 " bei den Ägyptern 21 999 230 Während die britischen Verluste zum gröfsten Teile auf die Ulanen-Attacke entfallen, wurden die ägyptischen fast ausschliesslich von der Brigade Mac Donald getragen. Ganz bedeutend dagegen sind die Verluste der Derwische ; mehr als die Hälfte ihrer Kopfstärke , ca. 27000 Mann lagen tot oder verwundet auf der Wahlstatt!') ¹ ) Die Thatsache, dafs diese Truppen bei mehr als 50 % Verlusten immer von neuem zum Angriff übergingen, ist militärisch sehr interessant und abermals ein kriegsgeschichtlicher Beweis, dafs der Islam die beste Soldatenreligion der Welt ist ; denn nur der mohammedanische Krieger weifs kraft seines Glaubens , dafs er durch den Tod auf dem Schlachtfeld geradeswegs eingeht zu den himmlischen Freuden, gleichviel, wie er hienieden gesündigt und gleichviel, ob er seine Sünden bereut hat. Dafs der Islam die „ himmlischen Freuden“ überdies mehr in irdisch-realistischen Farben schildert, erhöht selbstredend die Wirkung auf die breiten Massen : Mohammed war eben nicht allein
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98.
Wie
die
Gefechtsverluste
der Engländer ,
so
167
sind auch die
pekuniären Opfer des Krieges im Hinblick auf die lange Feldzugsdauer nicht grofs zu nennen. Während Italien der eritreische Feldzug pro Tag auf eine Million Lire zu stehen kam, kostete den Engländern ein Feldzugsmonat ungefähr dieselbe Summe. Das Blaubuch Egypt 1898 Nr. 1 giebt auf Seite 6 die Kosten von 1896 bis zum Feldzugsbeginn 1898 mit 37 Millionen Mark an, wovon jedoch 15 Millionen auf die Eisenbahnen und Telegraphen entfallen und daher, als bleibende wirtschaftliche Anlage, auf ein anderes Kapitel zu verrechnen sind. Abschliefsend darf man mit Kitcheners eigenen Worten (bei seinem Empfang in der Londoner Guildhall ) sagen : den dreijährigen Feldzug hat die sorgfältige Vorbereitung , der wohlberechnete Aufwand von Zeit und Mitteln gewonnen. Die Umsicht der obersten Führung wurde fast nie von strategischen, dafür ständig von Verpflegungsfragen in Anspruch genommen. Blaubuch Nr. 1 S. 32 läfst
sich hierzu
aus :
„ Es kann nicht
deutlich genug gesagt werden, dafs militärische Erfolge im Sudan vielleicht in viel höherem Grade als irgendwo von der Möglichkeit abhängen, der Verpflegungsschwierigkeiten Herr zu werden. " ) Die Gefechtsführung trägt das Gepräge des richtigen und fast ausschlie slichen Gebrauches der modernen Fernwaffe gegenüber einem
durch seine
Bewaffnung
auf
den
Nahkampf
verwiesenen
Gegner ; die Tage von Ferkeh, Hafir, Hilgi ( Atbara) und Omdurman hat die Artillerie , welche Waffe in einer, das gewöhnliche Verhältnis weit überschreitenden Zahl dem Heere eingefügt war, fast allein eingeleitet , durchgeführt und entschieden ! Das Endergebnis des in der Schlacht von Omdurman gipfelnden Sudan-Feldzugs fafst General Grenfell in folgenden Worten zusammen: „ Buchstäbliche Vernichtung des Heeres des Chalifen, damit Erstickung des Mahdismus im Sudan , Unterwerfung des ganzen, schon früher unter ägyptischer Herrschaft gestandenen Landes. " Bismarck sagte einmal in einer kolonial-politischen Rede : „ Gewinnen ist leicht, das Gewonnene behaupten - schwer !" Solange der Chalif selbst nicht tot oder lebendig in englischen
und ein ein frommer Schwärmer, sondern auch ein ehrgeiziger Eroberer Darum solcher braucht Soldaten, die mit allen Freuden in den Tod gehen . gab der Prophet seiner Lehre so praktische Grundlagen ! 1) Wenn das Kleeblatt Crispi-Mocenni-Blanc 1895/96 nur ein Weniges von dieser praktischen Weisheit besessen hätte !
168
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98.
Händen ist, wird er jedenfalls ein unruhiger Nachbar bleiben. Zur Zeit ist seine Macht noch nicht zertrümmert, sein dezimiertes Heer kein demoralisierter Haufen ; wo er immer sein schwarzes Banner entfalten wird, werden sich auch die letzten um ihn scharen und sich todverachtend schlagen wie dort bei Omdurman. Kitchener selbst denkt hierüber klar und nüchtern ; darum be dauert er, daſs es ihm nicht gelungen ist, durch eine nachdrückliche Anderseits ist es Verfolgung das Vernichtungswerk zu vollenden. sehr verständlich, dafs im äquatorialen Hochsommer Mann und Rofs früher als in Europa an die Grenze des 9: letzten Hauches" ge langten. Und so mufs schon die Leistung der ägyptischen Kaval lerie und Kameelreiter, die 48 Stunden ununterbrochen im Sattel waren, als bewundernswert anerkannt werden.
Das Nachspiel von Faschôda. Der englisch-ägyptische Sudanfeldzug hatte ein unerwartetes , sehr bedeutsames Nachspiel. Ahnungslos begann der Sirdar schon in den ersten Tagen nach der Schlacht wurden die
die
Demobilisierung ;
europäischen Truppen
gleich
nach den Verwundeten
eingeschifft und
dampften
der
Heimat zu ; 4 Wochen später zogen die „ siegreichen Garden " bereits in London ein. Da traf in die Ruhe auf erkämpftem Boden, wie ein Alarmschufs , die Nachricht von Faschôda. Am 7. September kam ein Derwischdampfer , der Tewfikieh, den Nil herab und wurde sofort von der Nilflotte abgefangen. Der Führer des Schiffes erklärte , er sei vor einigen Wochen mit einem 2. Schiff, dem Safieh, nach Faschôda auf Fouragierung ent sendet worden, habe dort zu seiner Überraschung weifse Männer angetroffen, die ihn durch heftiges Feuer am 25. August zum Rück zug zwangen ; den Safieh habe er im Süden zurückgelassen, während er selbst Verstärkung holen wollte. So viel er sehen konnte, habe sein Gegner aus ca. 80 schwarzen Soldaten unter 8 europäischen Offizieren bestanden ; auch eine Trikolore, zösische, hätten sie wahrgenommen.
wahrscheinlich die fran
Diese Botschaft wurde schleunigst über Cairo nach London depeschiert ( Blaubuch Nr. 2 S. 4). Den Engländern kam die Nachricht zwar überraschend, aber nicht unerwartet; waren doch, wie allbekannt, seit Jahr und Tag nicht weniger als 6 sogen. „ wissenschaftliche ", aber bis an die Zähne bewaffnete, von Offizieren geführte Expeditionen von allen Seiten her
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1396-98.
nach dem gleichen Ziel Faschôda" unterwegs . Frankreich hatte das Rennen gewonnen ; gut, ―
169
Kein Zweifel , aber England
protestiert ! Wie kam dies innerafrikanische Lehmhüttendorf zu seiner weltgeschichtlichen Rolle ? Slatin war der erste, der auf die Bedeutung des oberen Nilgebiets hinwies ; er bezeichnet die Provinz Bahr el Ghasal als den begehrenswertesten Landstrich des Sudan ; nicht nur unerschöpfliche Fruchtbarkeit, geographische
sondern auch die das ganze Nilgebiet beherrschende Lage gebe der Landschaft der 4 Ströme Bahr el
Ghasal, Bahr el Jebel, Bahr el Seraf und Sobat, die hier zum sich vereinigen, einen besonderen Wert, -- einen 99 Weilsen Nil Wert, der mit der wirtschaftlichen Bedeutung des Nilflusses für ganz Ägypten aufs engste verbunden sei . Das Land nördlich des Zusammenflusses soll nämlich gröfsten-
teils tiefer liegen als der Flufsspiegel, so dafs es, nach dem Urteil verschiedener Reisender, europäischen Ingenieuren nicht schwer fallen dürfte , durch Stauwehre und Abzugskanäle die Wassermassen in das weite Landbecken abzulenken und derart Ägypten einen grofsen Teil seines unentbehrlichen Wassersegens zu entziehen . Der Besitz des Landes Bahr el Ghasal ist demnach geradezu
eine
Existenzbedingung
für
Ägypten
und
damit für die englischen Interessen in diesem Lande von höchster Wichtigkeit. Dafs von diesem
eigentlichen Hintergrund
des
Faschôda-
Konfliktes weder in England noch in Frankreich laut gesprochen wird, mufs eher als ein Beweis für als gegen diese Aufstellung angesehen werden. Unter diesem Gesichtspunkte erscheinen die von der Presse beider Länder proklamierten, bei Faschôda sich kreuzenden Programme der Erwerbung eines zusammenhängenden englischen Gebietsstreifens von Cairo zum Cap bezw. eines ebensolchen französischen vom Senegal oder ( französischen ) Kongo bis Obok nur als Maske für die wahren Ziele der beiden Konkurrenten. Der 3. Konkurrent,
der Kongostaat, strebt wohl in Wahrheit
nur den um ein Vielfaches kürzeren Handelsweg , den Nil hinab , nach Europa an und wird in dieser Hinsicht wohl zu einer friedlichen Verständigung mit England gelangen. Die Wiedergewinnung von Bahr el Ghasal ist daher als das letzte Endziel der britisch - ägyptischen Sudan - Expedition zu betrachten ; die Niederwerfung des Chalifen war hierbei nur eine conditio sine qua non .
170
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98 .
Den Beweis für diese Behauptung liefert das 3. Dokument des Blaubuchs Nr. 2 (S. 3). Dieses Dokument, datiert vom 2. August , d. i. zu einer Zeit , wo Kitchener sich noch nicht einmal gegen Omdurman in Bewegung gesetzt hat , enthält eine Instruktion, welche bereits das fernere Verhalten des Sirdars nach der Einnahme von Chartum regelt. Hiernach ist alsbald je eine Flottille den Weifsen und Blauen Nil hinauf zu entsenden ; Zusammensetzung der Streitkräfte an Bord ist dem Sirdar überlassen . Während die Blaue Nil-Flotte nur bis an die abessinische Grenze (bis Rosaires) vordringen soll, hat jene auf dem Weifsen Nil unter der persönlichen Führung des Sirdars Faschôda zu erreichen. Bei einer Begegnung mit französischen oder abessinischen Machthabern (authorities ) soll auf jeden Fall alles vermieden werden , woraus Frankreich oder Abessinien sich das englische Zugeständnis eines Besitzrechtes irgend einen Teil des Nilthales ableiten könnte.
auf
Was speziell Frankreich betrifft, so wird als Richtschnur der folgende Auszug aus einer diplomatischen Note vom 10. 12. 97 angegeben: Ihrer Majestät Regierung kann niemals dahin mifsverstanden werden , als ob irgend einer anderen europäischen Macht als Grofsbritannien irgend auf Besitznahme irgend eines Landstrichs zustehe. " Kitchener Weise .
entledigte
sich seines
Auftrages
ein Anrecht im Nilthale
in mustergültiger
Schon am 10. September dampfte er mit 5 Kanonenbooten , dem 11. und 13. Sudanesen-Bataillon, einem Detachement Cameron Highlanders (200 Mann) , einer ägyptischen Batterie und mehreren Maxims an Bord den Weifsen Nil hinauf. ') Die Nilstrecke
Omdurman-Faschôda
beträgt
ca. 700 km
und
wurde in der Bergfahrt in 8, zu Thal in 4 Tagen zurückgelegt. Das Fahrwasser ist frei, ohne Katarakte, aufwärts Faschôda scheint schwimmender Tang zeitenweise die Schiffahrt zu behindern. Am 15. September früh stiefs Kitchener auf den Dampfer Safieh , dessen Bemannung am Ufer lagerte; ein Granatschufs in den Kessel stellte das Schiff, das mit 11 grofsen Barken den Engländern in die Hände fiel. - Das 11. Sudanesen- Bataillon ging an Land und war nach kurzem Gefecht im Besitz des Derwischlagers ; der Emir wurde gefangen und bestätigte die Angaben seines Kameraden vom Tewfikieh. 1 ) Nachfolgende Schilderung ist ein Auszug aus dem Bericht Kitcheners an Lord Cromer vom 21. September 1898 , Dokument 2, Blaubuch Nr. 3.
171
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98. Am 18. September abends stoppte die Flotte lich Faschôda.
Hier wurden
die Engländer von
ca. 20 km nörd
einer Abordnung von Häupt
lingen der Schilluks ( des einzigen Stammes, der die Mahdisten seiner zeit zurückgeschlagen hatte) willkommen geheifsen. Kitchener kündigte von hier
aus dem Chef der französischen
Expedition in Faschôda brieflich seine Ankunft an. Am anderen Morgen kam während der Fahrt ein französisches Ruderboot mit einem Brief Marchands entgegen , chener im Namen Frankreichs" begrüfste .
worin dieser Kit
Vor Faschôda angelangt, sah man die französische Flagge über dem alten ägyptischen Regierungsgebäude flattern ; kurz darauf kam Marchand an Bord. Kitchener zögerte nicht, dem Franzosen den energischen Protest seiner Regierung zu vermitteln ; Marchand erwiderte, dafs auch er als Soldat den Weisungen seiner Regierung zu gehorchen hatte , in dem er von Bahr el Ghasal Besitz ergriff. Kitchener ermahnte seinen Rivalen, es nicht zu Feindseligkeiten kommen zu lassen, in welchen er offenbar den Kürzeren ziehen müsste. - Marchand blieb dabei , wenn es not thue, auf seinem Posten zu fallen. Sie kamen nun überein,
dafs Marchand
einerseits
das Hissen
der britischen Flagge neben der französischen zugestand , während Kitchener seinerseits den Franzosen gestattete, mit Gewehr bei Fufs auf ihrem Posten zu bleiben, bis ihre Regierung sie abriefe . Beiderseitige Besonnenheit von Führern und Truppe erleichterte diese delikaten Verhandlungen . Kitchener liefs nun 1 Bataillon, vier Geschütze und 1 Kanonenboot als Besatzung in Faschôda zurück, nachdem er Marchand auch noch schriftlich seinen Protest gegen die Besitzergreifung überreicht hatte, — und fuhr mit dem Rest aufwärts bis Sobat weiter, wo er am 20. Sept. eintraf und '/, Bataillon, den Rest der Geschütze und 1 Kanonen boot stationierte,
mit dem Auftrag ,
die
4 Flüsse aufwärts
zu pa
trouillieren und auf wichtigen Punkten Posten einzurichten. Nach einer kurzen Erkundigung den Bahr el Ghasal aufwärts, wobei sich die Fahrrinne von Tang versperrt erwies, fuhr Kitchener mit den übrigen 3 Kanonenbooten wieder zu Thal und hinterliefs am 21. September bei Marchand noch eine formelle Note, worin er jeden Transport von Kriegsgerät auf dem Nil untersagte und über die ganze Gegend das Standrecht verhängte,
mit dessen Ausübung er
seine Garnisonen in Faschôda und Sobat beauftragt habe. “ Nachdem er noch in Faschôda den Mek ( Oberhaupt) der Schilluks
172
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98 .
empfangen und diesem gegenüber die englische Schutzherrschaft ausgesprochen hatte, fuhr er nach Omdurman zurück , wo er am 25. Sept. wieder eintraf. In würdiger Weise schliefst Kitchener seinen offiziellen Bericht : ,, Es ist unmöglich, nicht die höchste Bewunderung für den Mut, die Hingabe und den unbezähmbaren Geist zu hegen, welche die Expedition des M. Marchand entfaltete ; aber unser allgemeiner Eindruck war jener des Erstaunens, dafs die Durchführung eines Unternehmens von solcher Gröfse und Gefahr durch die Entsendung einer so kleinen und schlechtausgerüsteten Macht versucht worden war, - einer Macht. welche wie mir ihr Führer erklärte, weder in der Lage war, einem 2. Angriff der Rückzug anzutreten.
Derwische
zu
widerstehen ,
noch den
In der That, wäre unser Vernichtungskampf gegen den Chalifen um 14 Tage verschoben worden, so würden Marchand und seine Begleiter aller Wahrscheinlichkeit nach niedergemetzelt worden sein Der Anspruch Marchands Bahr el Ghasal und Faschôda mit den zu seiner Verfügung stehenden Streitkräftsn erobert zu haben, würde lächerlich sein, wenn
nicht die Leiden und Entbehrungen, welche
seine Expedition während ihrer zweijährigen Reise ertrug, die Vergeblichkeit ihrer Anstrengungen pathetisch erscheinen liefsen. " Die Erledigung des Faschôda-Konfliktes ist allbekannt ; für Betrachtungen von der völkerrechtlichen Seite ist hier nicht Raum ; Recht hatte eben auch hier, wie überall und zu allen Zeiten, der Stärkere !
Dieses älteste Recht wird kein Kongrefs je aus der
Welt schaffen ; darum gilt von aller Staatsweisheit als höchste die : ,, stärker sein als die Nachbarn. " Alles in allem hat Kitchener bei Faschôda seinem Lande einen noch grösseren Dienst erwiesen als bei Omdurman ; in seltener Weise verband er soldatische Energie und staatsmännische Mäfsigung. Der enthusiastische Empfang des Sirdars in London , die Ernennung zum Ehrenbürger von London und die Erhebung zum Peer') sind darum auch wohlverdiente Ehrungen. Auch
die
britische Regierung,
die
Volksvertretung und die
ganze Nation dürfen sich des grofsen politischen Nutzens, den die siegreiche Expedition einbrachte, mit Recht erfreuen ; er bildet nicht nur den wohlberechneten Gewinn aus einem auf Jahre hinaus und ins Ungewisse festgelegten Kapitals, sondern auch den Lohn zielbewulster Entschlossenheit und Beharrlichkeit.
¹) Kitchener ist mit seinen 48 Jahren der jüngste Peer seit Wellington, der mit 42 Jahren diese Würde erreichte.
Der englisch-ägyptische Sudan-Feldzug 1896-98.
173
In militärischer Hinsicht könnte der leichte Erfolg vielleicht e her Schaden verursachen : der Ton der Bankettreden und Prefsstimmen
erinnert in
unheimlicher Weise
an den Enthusiasmus in
Italien im Sommer 1895 nach den Siegen von Kassala, Coatit und Senafe.¹) Nicht allein die leicht erregbare, urteilslose Menge, nicht allein sensationsbedürftige, sich selbst hineinsteigernde Tagespresse, sondern auch die gewöhnlich doch - ernster zu nehmende , mili-
die
tärische Fachpresse erging sich in überschwänglichen Ausdrücken über die Gefechtsleistungen der englischen Truppen. Noch ernster mufs den Einsichtigen das Symptom stimmen, dafs auch hohe Militärs gezwungen sind , in die Loblieder auf den „ unübertrefflichen Tommy Atkins" einzustimmen , nur um das sehr wackelige Werbesystem zu stützen. So schreibt der Höchstkommandierende in Ägypten, Grenfell, unterm 7. September2) in seinem amtlichen Bericht : ,,Was die ins Treffen gekommenen Truppen betrifft, so kann ich in Wahrheit sagen , daſs ich niemals, seit ich diene , eine schönere Truppe gesehen habe , als das britische Kontingent an Kavallerie, Artillerie, Pionieren und Infanterie, sowohl was Wuchs, als Schneidigkeit und soldatische Haltung betrifft. Die äufsere Erscheinung ) der Leute spricht für das gegenwärtige Rekrutierungsdepartement und ist eine Quelle des Stolzes für alle Engländer, die sie sahen" Dieses gefährliche Symtom des Werbens um die Gunst der Geworbenen und noch Anzuwerbenden ist nicht erst jetzt, nach dem siegreichen Feldzuge zu Tage getreten;
es zeigte
sich vielmehr
auch zu der Zeit, wo ganz England unter dem deprimierenden Eindrucke der verfehlten Afridi- Kampagne stand. - Um diese Zeit, im Februar 1898 hielt ein Oberst Henderson in den Klubräumen der Royal United Service Institution eine Rede, von welcher die United Service gazette folgendes wiedergab: 19, Es hat sich ein Vorurteil herausgebildet, als ob unsere Armee machtlos sei im Vergleich mit jenen der kontinentalen Mächte . . . Die Zahl macht es nicht aus ; erinnern wir uns ! Als Wellington ') Vergl . Jahrbücher, Märzheft 1898, S. 282 und 290. 2) The London Gazette, 30. September 1898. 3) Diese Thatsache wird niemand leugnen, der einmal die tadellos gewachsenen und adjustierten life-guards auf dem Bürgersteig in London hat stolzieren sehen. Solchem Bild wird der pommerische Grenadier erst dann nahekommen, wenn er seine Jugend statt hinterm Pfluge auf dem Cricketground verbringen wird. Betrübend ist nur, dafs der britische General von seinen aus einem Feldzug heimkehrenden Soldaten nichts anderes zu rühmen weifs, als Schönheit! ihre
174
Kritische Betrachtungen über die Vorgänge zur See etc.
zu Beginn des Halbinselkrieges in Portugal landete, hatte Frankreich mindestens 800 000 Mann gegen 17000 Engländer ; und doch, wo waren am Ende diese 800 000 Franzosen? Sie liefen alle davon vor den Engländern bei Waterloo !
Es sollte den Bürgern Englands
besonders vor Augen gehalten werden, dafs die
englische Armee
auch heute noch mit demselben Erfolg auf den Kontinent gesendet werden könnte , wie in den alten Tagen. Was schliefslich die bezw. Vorzüge der britischen und der kontinentalen Soldaten be trifft , so habe ich seit 12-13 Jahren den kontinentalen Manö vern beigewohnt , und jedesmal , bei der Heimreise , wenn ich in den Strafsen von Dover einen Soldaten sah , sagte ich zu mir selbst : „ Das ist der erste Soldat , den ich ge sehen habe , seit ich fortging !" Allgemeiner Beifall lohnte den Redner und nicht nur,
dafs ihn
niemand auf thatsächlichen Boden zurückbrachte, erhob sich viel mehr der Vorsitzende, Generallieutenant Lord Seymour und sprach seine Freude
aus
über die Bemerkungen des Obersten Henderson
und dessen Vergleich zwischen dem britischen und kontinentalen Soldaten ; auch er habe erst im letzten Herbst ( 1897 ) eine „fremde Armee" gesehen, ―― und er könne sich dafür verbürgen, dafs jedes Wort des Obersten Henderson richtig sei bis auf den heutigen 66 Tag ... Eigentlich könnten wir Deutsche nur den Wunsch beifügen, daſs alle fremdländischen Zuschauer bei unseren Manövern ebensowenig Nutzen nach Hause tragen möchten , wie
diese beiden Herren ,
aber wir wollen lieber den stammverwandten und auch politisch uns nahestehenden Nachbarn im Inselreiche wünschen, dafs sich gerade ihre mafsgebenden Militärs den nüchternen Sinn und das klare. 32. Urteil eines Generals Kitchener bewahren möchten.
XII.
Kritische
Betrachtungen
über
die
Vorgänge
zur
See
während des spanisch- amerikanischen Krieges .
Bei Ausbruch des Krieges waren nach heutigen Begriffen beide Nationen, Spanien sowohl, wie die Vereinigten Staaten zur See voll ständig unvorbereitet, obwohl die Verhältnisse auf und der Streit
Kritische Betrachtungen über die Vorgänge zur See etc.
175
um Cuba schon seit längerer Zeit eine Gestaltung angenommen hatten, die auf eine Waffen-Entscheidung hindrängte. Dafs es dann wirk lich zu einer solchen kam, hat wohl Niemanden überrascht, der als Triebfeder der Amerikaner nicht deren ebenso bombastisch wie unver froren in den Vordergrund gerückte Humanitäts-Prinzipien , sondern ihren nackten, krassen Egoismus, das good business ansah. Es ist daher auch nicht recht verständlich, wie die Marinebehörden beider Länder, obwohl ihnen die geringe Kriegsbereitschaft der Flotte bekannt sein mufste, die Entwickelung der Angelegenheit so sorglos betrachtet, das anderen Mächten im tiefen Frieden geläufige „ para bellum" sogar unter so drohenden Wetterwolken aufser Acht gelassen haben. Will man das nicht der Nachlässigkeit der zuständigen Ministerien zuschreiben, so bleibt nur die Annahme übrig, dafs spanischerseits auf eine
Intervention der anderen europäischen
Grofsmächte zur
Erhaltung des Friedens gerechnet wurde und die leidige Geld frage mitbestimmend gewesen, von den Amerikanern aber bei ihrem in
derlei
Dingen bekannten Dünkel angenommen worden ist, ihre
Gegner würden bei entsprechendem Säbelgerassel ohne weiteres zu Kreuze kriechen. Sehr lehrreich sind demgegenüber die von Englandjetzt betriebenen Rüstungen ! Die amerikanische Flotte war in den letzten Jahren mächtig angewachsen, genügte
indessen einem thatkräftigen Feinde gegen
über keineswegs dazu, einen Seekrieg auf so grofsem Raum , wie ihn der spanische Kolonialbesitz in beiden Hemisphären einnahm, mit Aussicht auf schnellen Erfolg zu führen und gleichzeitig die eigenen, kolossal ausgedehnten Küsten wirksam zu schützen. Dafs trotzdem
entscheidende
Resultate
erzielt wurden, lag weniger an
eigenem Verdienste, als an der Unfähigkeit des Gegners ; jedenfalls sind die Amerikaner selber darüber erstaunt gewesen , wie leicht sie mit ihm fertig wurden. Das war aber nicht ohne weiteres voraus zusehen ! Spaniens Machtmittel zur See waren in materieller Hinsicht den feindlichen entschieden nicht ebenbürtig, wenn auch die Zahl der in der Flottenliste figurierenden Kriegsschiffe weit gröfser war. Es fehlte vor allem an Schlachtschiffen, die allein bei einem Seekriege den Ausschlag geben, so gut wie vollständig, denn die vorhandenen Panzer waren sämtlich veraltet bezw. notdürftig modernisiert. Dagegen besafsen die Amerikaner mehrere, ganz neue, starke Linien schiffe,
die denn
herbeiführten.
auch in der That bei Santiago die Entscheidung
Wirkte ihre Gegenwart in der Blockadenflotte vorher
176
Kritische Betrachtungen über die Vorgänge zur See etc.
abschreckend
auf etwaige
Ausbruchsversuche,
so
gab
sie
dem
Gefecht selbst sofort den Charakter einer reinen Verfolgung, denn andernfalls genommen.
hätten
die Spanier wohl den Kampf mit Kreuzern auf-
An grofsen solchen standen sich die Parteien so ziemlich gleich , während an
mittleren die Amerikaner, an kleinen die Spanier eine
erhebliche Übermacht hatten, die für den Kampf auf See aber ernstlich nicht in Betracht kam. Ebenso überwog die spanische Torpedoflotte diejenige des Feindes bei weitem und hat diesem, als — der Krieg schliesslich ausbrach, Angst genug verursacht, freilich wie die Erfahrung lehrte ganz unnötig. Dieselbe hätte, gut im stande, von entsprechenden
Vorratschiffen begleitet und schneidig
geführt, den Spaniern wesentliche Dienste leisten können , namentlich, wenn sie bei Beginn der Feindseligkeiten bereits in Westindien an Ort und Stelle gewesen wäre. Selbstverständlich versagte sie , da jene Voraussetzungen fehlten, vollständig , was sehr mit Unrecht zu absprechenden Urteilen über den Wert von Torpedobooten im allgemeinen Anlafs gegeben hat. Die spanischen Schiffe waren alle - mit wenigen Ausnahmen - vernachlässigt und standen daher nicht auf der Höhe der Situation , während die in Dienst befindlichen amerikanischen Seestreitkräfte tadellos in Stand gehalten waren und dadurch allein schon wesentlich bessere Chancen hatten .
Ganz abgesehen davon, fehlte es den
Spaniern überall am Nötigsten, speziell auf den Kriegsschauplätzen, während die Amerikaner alles nahe bei der Hand hatten. Die hochentwickelte Machtmittel dauernden können.
Industrie
ständig Kriege
derselben setzte sie
zu verstärken, so dafs eine
enorme
sie
Überlegenheit
in die bei
Lage,
ihre
einem länger
hätten
entwickeln
Das war ein Hauptfaktor, welcher den Spaniern fehlte !
Vor allem aber war das spanische Marine- Personal dem gegnerischen entschieden nicht gewachsen. Die Führer besafsen nicht die Energie und nicht die Übung, wie die amerikanischen Seeoffiziere. Die Besatzungen waren jung und ungeübt, während die Amerikaner thatsächlich gearbeitet hatten. Einem Kenner der beiden Marinen war daher der Ausfall der Entscheidung nicht zweifelhaft, wenn auch die Art, wie sie fiel , nicht erwartet werden konnte. Dafs sich der erste Angriff der Amerikaner gegen die hauptsächlichsten spanischen Kolonien richten würde, war vorauszusehen, wenigstens soweit Cuba in Frage kam. Dieser leckere , heifsersehnte Bissen lag so bequem, das Gute so nahe, dafs es thöricht gewesen wäre, in die Ferne, an Spaniens Küsten zu schweifen. Von dort konnte, wie die Verhältnisse lagen , nicht viel befürchtet werden, sonst
Kritische Betrachtungen über die Vorgänge zur See etc. hätte man richtiger müssen .
den Feind in seinem
Hauptstaate
177
angreifen
Aber auch Luzon mit Manila war sozusagen ein gefundenes denn weder hier, wie dort in Cuba hatten die Spanier irgendwelche nennenswerte Seestreitkräfte zum Schutze der Insel vereinigt. Ein paar kleine alte Kreuzer und zahlreiche, gegen Insur-
Fressen,
genten ganz brauchbare, der Flotte einer Grofsmacht gegenüber aber nicht in Betracht kommende Kanonenboote waren die einzigen Verteidigungsmittel. Dagegen
hatte Amerika in Key - West ,
einer
brillanten , als
Operationsbasis gegen Cuba strategisch ausgezeichnet gelegenen Flottenstation ständig mehrere Schiffe , auch im Stillen Ozean, in Hongkong, dicht bei Manila ein Geschwader liegen, welches mit der spanischen Seemacht jener Gewässer kurzen Prozefs machen konnte. Dorthin Verstärkungen zu schicken , war für die Spanier zu spät, die Verhältnisse lagen da für sie von vornherein ungünstig, zumal das Einschlagen des gebotenen kürzeren Weges durch den Suez- Kanal dem Feinde sofort bekannt werden und ihn zu Gegenmafsregeln veranlassen musste . Es hätte daher Geschwader Cerveras hinzusenden.
auch kaum Wert gehabt, das Nach Cuba aber, dem Brenn-
punkte hätte alles, was nur irgend an Schiffen aufzutreiben war, geworfen werden müssen ! Woher aber nehmen ? Flotten, Kriegsschiffe lassen sich nicht dem Boden stampfen !
wie
zur Not Armeen à la Gambetta aus
Die überaus mangelhaften Vorbereitungen machten sich gleich da fühlbar. Was half es, dafs die Torpedo boote und gepanzerten Kreuzer bei den Kap-Verden zusammengezogen wurden ?! Sie blieben
dort liegen und kamen
Mehrzahl der Torpedoboote
zu spät hinüber, ja ein Teil, die Was die drehte wieder um.
Amerikaner an geringer Bereitschaftstellung gefehlt hatten, suchten sie durch grofsartige Thätigkeit im Ankauf und der Armierung von Handelsdampfern und Yachten nach Ausbruch des Krieges wieder gut
zu
machen.
Das war aber durchweg Material, welches gut-
geleiteten, in richtiger Verfassung befindlichen Kriegsschiffen gegenüber nie ernstlich in Frage gekommen wäre. Hieran ändern auch die Erfolge überall.
eines
99 Gloucester"
nichts ;
Ausnahmen giebt es eben
Natürlich konnten diese gekauften Handelsdampfer in anderer Hinsicht, als Kohlentransporteure, Lazarett- und Werkstattschiffe etc. immer
gute
Dienste
leisten
und
man
mufs
zugeben, dafs deren
Heranziehung und Herrichtung überaus prompt geschah, womit aber nicht gesagt sein soll, dafs die Spanier mit der gleichen Absicht
178
Kritische Betrachtungen über die Vorgänge zur See etc.
weniger flink gewesen waren.
Der krafs zu Tage getretene Unter-
schied in der Ausführung der Bereitstellung dieser Hilfskräfte beiderdas arme Spanien seits war lediglich durch die Geldfrage bedingt ; konnte Die
es
natürlich
paar guten,
darin
deutschen ,
dem reichen Amerika nicht gleichthun. von jenem Lande gekauften Dampfer
wurden nicht fertig und traten überhaupt nicht in Aktion, die amerikanischen dagegen gröfstenteils . Auch in dieser Hinsicht zeigte es sich, dafs man bereits im Frieden Abschlufs mit den Dampfergesellschaften treffen und passende Dampfer
entsprechend
Bedarf erfordert eine
vorbereiten vollständige
mufs ,
denn
Ausrüstung
bei
eintretendem
solcher zu Kriegs-
zwecken viel Zeit und ihre Beschaffung unverhältnismäfsig viel mehr Geld. Man mufs sie haben, mufs daher auch das dafür zahlen, was verlangt wird. Was für Unsummen sind hierin von den Amerikanern verschleudert worden? Sehr zu statten kam ihnen die pekuniäre Schwäche des Gegners , durch welche sie Zeit zur Herrichtung ihrer Auxiliar-Kreuzer gewannen. Einer anderen Grofsmacht gegenüber hätten die Yankees wohl bittere Erfahrungen gemacht. Gehen wir nun zu den hauptsächlichsten kriegerischen Ereig-
nissen selbst über und betrachten uns Manila. Wie schon
zunächst
das Gefecht bei
erwähnt, waren die dortigen spanischen Seestreit-
kräfte dem amerikanischen Geschwader unter
Admiral Dewey in
jeder Hinsicht unterlegen, ihre Vernichtung wurde, wie die geringen amerikanischen Verluste beweisen , ein Kinderspiel und ist es unerklärlich, dafs die Amerikaner die Waffenthat als eine aufserordentliche, Dewey als grofsen Helden preisen . Erkennt man die Führung der Schiffe durch diesen See- Offizier auch wirklich als eine gute an, wenn schon nicht einzusehen ist, wie anders dieselbe hätte stattfinden sollen, so braucht man deswegen den Vorgang noch lange nicht als Grofsthat zu preisen, denn zu einer solchen bedarf es des Vorhandenseins und Überwindens ernstlicher Schwierigkeiten.
Davon war aber bei Manila,
so wie die
Spanier handelten und an sich bei ihrem Zustande, überhaupt nicht die Rede. Dewey erreichte freilich das, was er wollte, und der Jubel der Amerikaner ist vom Standpunkte der wirklich erzielten Vernichtung des Gegners betrachtet, wohl verständlich. Das „ Wie " und „ Warum" pflegt da Nebensache, das ,,Ob" der Kernpunkt zu sein. Direkt zu loben wäre höchstens das gute Schiefsen der Amerikaner ! Die Hauptschuld an dem vollen Erfolge der letzteren war der
Kritische Betrachtungen über die Vorgänge zur See etc.
179
unbegreiflichen Sorglosigkeit des spanischen Admirals zuzuschreiben . Obwohl dieser Kenntnis von der Anwesenheit des amerikanischen Geschwaders in Hongkong hatte, und nicht darüber im Zweifel sein konnte, daſs es ihn aufsuchen werde, obwohl ihm die Überlegenheit des zu erwartenden Gegners bekannt sein mufste, unterliefs er es, sich durch Vorpostenschiffe über dessen Annäherung unterrichten zu lassen. Hätte er vor den Baien von Subic und Manila je ein Kanonenboot postiert, so würde die Befestigung auf der Insel Corregidor leicht zu alarmieren gewesen sein, die dann die Ankunft des Feindes weiter signalisieren und diesem einen warmen Empfang bereiten konnte. Was geschah aber? Die Amerikaner liefen die Subic-Bai, in welcher sie die spanischen Schiffe vermuteten, an und fuhren darauf unbehelligt bei genannter Festung vorbei , deren Besatzung, falls wirklich klare Mondscheinnacht war, direkt geschlafen haben mufs . Man weifs allerdings nicht, ob der Zustand dieser Befestigung jede Aktion ausschlofs ?! Unmöglich scheint es bei der alles Kriegsmaterials seitens der Spanier keineswegs. Wie dem aber auch sein mag, hinter diese Insel, in den Vernachlässigung
Hinterhalt gehörten die spanischen Schiffe, die als schwächere und langsamere unter allen Umständen vermeiden mufsten, sich dem feindlichen Feuer lange und bei Tageslicht auszusetzen. Die Dampfbeiboote hätten - wenn irgend möglich - in Torpedoboote umgewandelt werden können und das Ganze mufste sich auf den hinter der Insel vorkommenden Feind stürzen, ihn zu rammen suchen, koste es, was es wolle. Wurde sein Einlaufen in die Bucht nicht vereitelt, so war es von vornherein aus mit den Spanien . Von einem Flottenführer mufs man verlangen, dafs er die Sachlage überdenkt und handelt, nicht abwartet, wie sich die Dinge entwickeln. Es ist kaum fafslich, dafs der spanische Admiral sich vorstehendes nicht gesagt hat ; statt einer vollständigen Niederlage hätte er gar nicht so unwahrscheinlich einen Erfolg, zum Mindesten eine empfindliche Schwächung des Gegners erringen können und damit wäre sehr viel gewonnen gewesen. die
Man hat ja gesehen, wie lange
siegreichen Amerikaner unthätig vor Manila lagen.
Sollten sie
nicht doch in dem Gefecht, trotz ihres gegenteiligen Berichts gelitten haben, sollten sie nicht mit ihrer Munition am Ende gewesen sein? Was halfnachher alle Tapferkeit der spanischen Schiffsbesatzungǝn, ihr ― abgesehen vom schlechten Schiefsen wirklich ausgezeichnetes Benehmen ? Am hellen Tage wurden die Schiffe, die als Zielscheibe noch dazu ruhig liegen blieben , eines nach dem anderen in kürzester Frist vernichtet. Selbst da noch hätten sie sich auf den Feind stürzen müssen, um bei ihrem unvermeidlichen Untergange wenigstens Janrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 2 12
180 den
Kritische Betrachtungen über die Vorgänge zur See etc. einen oder den
anderen
Gegner mit hinunterzunehmen.
Der
Angriff der Torpedobarkasssen war da völlig verfehlt, selbst schnelllaufende wirkliche Torpedoboote hätten kaum bei jener Gelegenheit etwas erreicht. War die Lage des spanischen Admirals auch eine wenig erfreuliche von Anfang an, ein so vollständiges Unterliegen war für ihn dennoch keine unabwendbare Gewissheit, es mufs daher ihn der Vorwurf treffen, dasselbe durch seine Mafsnahmen verschuldet zu haben. Leider mufs man auch den Ausgang der zweiten Hauptaktion zur See, die Vernichtung des Geschwaders Cerveras , diesem Admiral mit zur Last legen, wenn auch er unter besonders ungünstigen Verhältnissen zu leiden hatte. Es scheint fast so , als hätten beide Flottenführer sich dadurch zu sehr deprimieren lassen ! Cervera hatte schon einen, wenn auch nicht faktisch, so doch moralisch bedeutenden Erfolg errungen, als es ihm geglückt war, mit seinem, wohl mehr dem Ruf, als der wirklichen Beschaffenheit nach gefürchteten Geschwader den Hafen von Santiago zu erreichen . Der ganze Erfolg ging aber in kürzester Zeit wieder dadurch verloren, daſs der Admiral sich dort von den Amerikanern einschliefsen liefs. Er soll grofse Schwierigkeiten mit der Kohlenübernahme gehabt haben ! Nun, so viel Kohlen hätte er, falls sie da waren, doch bald wegstauen können, um wenigstens die Fahrt nach Havanna anzutreten . Er hat doch später für den Ausbruch Kohlen beschafft, obwohl keine Zufuhr darin stattgefunden hatte und verlautet, dafs Kohlen genug dagewesen wären. Dies mufs allerdings bezweifelt, vielmehr angenommen werden, dafs Cervera in Ermangelung von Kohlen Holz gefeuert hat, wenigstens spricht das schnelle Aufgeben der Flucht des ,, Christobal Colon", die geringe Geschwindigkeit der dem Papier nach so schnellen Schiffe und die starken Brände an Bord dafür. Da nichts Positives darüber feststeht, kann man fällen .
auch kein bestimmtes
Urteil hierin
Das eine aber ist sicher, dafs Cervera Tag und Nacht arbeiten lassen musste, um Feuerungs-Material beliebiger Art überzunehmen, den nötigsten Proviant zu beschaffen und nach Havanna aufzubrechen. Jede verlorene Stunde brachte ihn dem Untergange näher, jede gewonnene
erhöhte die
Wahrscheinlichkeit
des Entkommens,
zumal seine Schiffsböden beim längeren Stilliegen im Hafen immer mehr bewachsen, die Geschwindigkeiten entsprechend sinken mussten. Dafs man in aller Welt, in allen Laienkreisen ihn längst wieder unterwegs vermutete, als das Gros der amerikanischen Flotte vor Santiago
erschienen
war,
zeigt,
dafs
man
allgemein
instinktiv
Kritische Betrachtungen über die Vorgänge zur See etc.
181
das als geschehen annahm, was für Cervera das einzig Richtige war , sich nicht einschliefsen zu lassen. Und er liefs das doch er folgen! Damit waren die Chancen für ihn sehr verschlechtert, das Spiel aber noch keineswegs gänzlich verloren. - Wäre er bald nach seiner Ankunft wieder ausgelaufen, so hätte er voraussichtlich seinem ersten Erfolge einen zweiten hinzugefügt, denn nennenswerte Streit kräfte hatten die Amerikaner damals vor Santiago nicht. Erst später sammelten solche sich dort an. Cerveras Ankunft in Havanna hätte moralisch kolossal gewirkt und er hätte sie ermöglichen können. Dort fand er zweifellos eine bessere Operationsbasis in jeder Hinsicht, bessere Ausrüstungsmög lichkeit und einen wirksameren Schutz als in Santiago, da eine Landung der Amerikaner bei Havanna, eine Belagerung dieses Platzes durch sie jedenfalls viel schwieriger gewesen wäre , als im , auch von den Insurgenten mehr bedrohten Südosten der Insel.
Die
Hauptmacht der spanischen Armee befand sich bei Havanna , die Amerikaner hätten also zum Mindesten noch einmal so viel Truppen dort ausschiffen müssen, wollten sie da Erfolge erzielen . Aber auch in Havanna, wohin Cervera ev. gleich, statt nach Santiago hätte gehen müssen, durfte er sich nicht lange aufhalten . Ein Geschwader gehört auf See und nicht in den Hafen . Nach Erholung der
Mannschaft und völliger Ausrüstung mufste der spa
nische Admiral nach der amerikanischen Alantic-Küste gehen. er sich Lorbeeren Gefangenschaft.
holen
können, in
Dort
Santiago fand er die
Natürlich war das alles kein Kinderspiel und hätte wohl ernste Kämpfe gekostet, wäre möglicherweise auch von keinem nennens werterem Erfolge gewesen. Jedenfalls aber hätte es den Ausgang des Krieges ganz anders gestalten können. So lange Cerveras Schiffe frei auf See herumtummelten als Kohlenschiff hätte man ihm die gekaufte Hamburger „ Normannia “ zuschicken sollen war ein Übersetzen der amerikanischen Land truppen
immer
ein gefährliches
Wagnis.
Seine Schiffe hätten die
besten der amerikanischen von Cuba fortgezogen und dem Camara Geschwader die Möglichkeit gegeben, diese Insel zu erreichen. Wie schon erwähnt, ist es möglich, dafs Cervera seine Schiffe für in so trauriger Verfassung befindlich hielt, dafs er dadurch entmutigt wurde. Es ist das aber kaum anzunehmen, wennschon der „ Colon" notorisch seine Hauptartillerie nicht an Bord hatte, denn dann war es von vornherein unverantwortlich, das Geschwader nach Westindien zu schicken. War es einmal dorthin unterwegs, so mufste der Geschwaderchef sich eben mit den Verhältnissen abfinden, so gut es 12*
182
Kritische Betrachtungen über die Vorgänge zur See etc.
ging und alles damit zu erreichen trachten, was irgend möglich war. Unter keinen Umständen durfte er sich deprimieren lassen, sich das ,laisser aller" zur Richtschnur wählen, wie es den Anschein hat, dafs er es that. Handeln musste er um jeden Preis , wenn nicht in der geschilderten Art, so in einer andern. Mehr verlieren, als es nachher geschah, konnte er doch nie. In anderer Lage, beim Angriff, bei irgend einer sonstigen Unternehmung hätte selbst ein so totaler Untergang seines Geschwaders einen ganz anderen Eindruck Die günstigste Gelegenheit zum gemacht, als so auf der Flucht. Ausbruch aus Santiago hatte er verpalst. Warum ergriff er nicht trotzdem die nächste beste . Er mufste sich doch sagen , daſs er den Platz vor dem Fall nicht retten könnte . Wozu also dortbleiben ? Weil die Landbesatzung das vielleicht übel aufgefafst hätte ?! Nun das ist noch kein ernsthafter Grund ! Er musste in erster Linie auf Bergung seines Geschwaders bedacht sein, das, eine bewegliche , starke Macht, 10 mal mehr wert war, als das bifschen Santiago, ein für die amerikanischen Operationen jedenfalls sehr ungünstig gelegener Ausgangsort. Nicht der Fall dieser Stadt brachte das Ende des Krieges , sondern die Vernichtung dieses Geschwaders der schnellsten Schiffe der spanischen Marine. Als Cervera
schliefslich
doch noch ausbrach,
gefangen zu werden, wählte er den Tag dazu. wohl kein
anderer Seeoffizier
gutheilsen !
um nicht
mit-
Nun, es wird das
Was bedeutet die Ent-
schuldigung, die Durchfahrt durch den engen Hafeneingang wäre Das bei Nacht zu schwierig gewesen , wie eine Lesart besagt ?! wäre doch höchstens ein gewaltiges testimonium paupertatis für den Admiral, die Schiffskommandanten besonders und für die Lootsen nicht minder gewesen. Man hätte ja an die Hauptpunkte des Fahrwassers Boote mit nach See zu abgeblendeten Lichtern als Marken hinlegen können. Das Licht der amerikanischen Scheinwerfer hätte in der Einfahrt zu sehr geblendet, lautet eine andere Rechtfertigung ! Nun, dann hätte Cervera die Amerikamer mit seinen Scheinwerfern, die ev. auf kleinen Hafendampfern oder an der Einfahrt am Lande zu postieren waren, einfach wieder blenden sollen .
Noch besser und richtiger wäre es gewesen, die verfügbaren kleinen Dampfer, an denen es in Santiago gewils nicht gemangelt hat, mit kleinen Geschützen versehen vorzuschicken, darauf die Torpedobootszerstörer zum Angriff zu entsenden, die das Licht der Scheinwerfer und das Feuer der Amerikaner schnell genug auf sich gelenkt hätten und dann, in dem zweifellos dadurch entstehenden Trubel mit den Hauptschiffen auszubrechen ; nicht zusammen in einer Linie,
Kritische Betrachtungen über die Vorgänge zur See etc.
183
sondern nach allen Windrichtungen mit vorher festgesetztem Rendezvous. Wohl hätten die spanischen Schiffe dabei manchen Treffer erhalten ; das Schielsen bei Nacht ist aber ein ganz ander Ding als bei Tageslicht und das ist wohl sicher, dafs die Amerikaner nicht annähernd so gute Treffresultate gehabt hätten, als an jenem Unglückstage. Das Trennen der Schiffe hat ja seine grofsen Nachteile und hätte ev. auch das geschlossene Fahren vorgezogen werden können ; das, was richtiger in diesem Falle bleibe also dahingestellt.
gewesen wäre ,
Bedenkt man aber, dafs das Fahren im Geschwaderverbande notwendigerweise nicht nur die Aufmerksamkeit des Gegners so zu sagen auf einen Punkt zieht, sondern auch sein Feuer dahin konzentriert, so mufs man der Ansicht zuneigen, dafs ein Trennen Bemerkt der Schiffe beim Ausbruch vorzuziehen gewesen wäre. wurde er bei den örtlichen, für die Blockade so günstigen Verhältnissen doch. Die einzeln fahrenden Schiffe hätten vorausichtlich ein Schwanken des Entschlusses auf amerikanischer Seite herbeigeführt, welchem Schiffe sie sich zuwenden sollten. Vor allem aber wäre das Feuer verteilt worden. Da die spanischen Schiffe dem Buchstaben nach alle schneller waren, als die Mehrzahl der Amerikaner - nur 2 Schiffe der letzteren hatten die gleiche Geschwindigkeit so wären die Spanier voraussichtlich wenn auch nicht alle entkommen,
denn sie
hätten bald nur noch numerisch unterlegene
Verfolger hinter sich gehabt, diese unter Kreuzfeuer nehmen, und zu Schanden schiefsen können . Sampsons Schiffe wären in alle Winde zerstreut gewesen. Was statt dessen geschah, ist bekannt. Die jedenfalls am Boden stark bewachsenen Spanier liefen nicht mehr annähernd das , was sie sollten und erleichterten dadurch den Amerikanern, abgesehen von deren besserem Schiefsen, die Vernichtung des Gegners .
Aber auch sonst kann das Benehmen der
Spanier bei der Flucht nicht durchweg gutgeheiſsen werden. Tapfer war der Ausbruch nicht weniger als unbesonnen. Gelitten haben die Schiffe, aufser dem ,,Colon" furchtbar, wie die amtliche TrefferKonstatierung ergeben hat, mehr noch durch die Brände und Explosionen an Bord und es ist verständlich , dafs ,,Vizcaya" und ,,Almirante Oguendo" das Auflaufen auf den Strand wählten .
Sie
wären wohl kaum, bei ev. Abdrehen auf den Gegner zu, bis an ihn herangekommen, oder aber als völlig gefechtsunfähig ihm in die Hände gefallen, während sie so für beide Teile verloren gingen. Dagegen hätte die ,, Maria Theresa" und der „,Christobal Colon", namentlich der kaum getroffene letztere, nach dem Feinde abhalten, koste es was es wolle , ein Rammen herbeiführen sollen. Einen
184
Kritische Betrachtungen über die Vorgänge zur See etc.
oder den anderen Gegner hätten sie schon mit in die Tiefe genommen . Die Mannschaftsverluste waren grofs, aber notorisch nicht annähernd so gewaltig, wie in früheren Seeschlachten, z. B. bei Camperdown und das auf den Strandsetzen bedeutete, auf Mannschaftsrettung bedacht sein. Nun, human mag das sein, militärisch ist es nicht. Was heifst auch da human, wenn man vorher durch das Auslaufen am Tage und das Hinpflanzen als Zielscheibe Schiffe und Mannschaften erst unnütz exponiert.
Da steckt keine Logik darin.
Das Halten an der Küste von vornherein, statt dem Gegner auf den Leib zu rücken, ist auch kaum richtig zu nennen , denn das, was von seinen Schiffen, das, was vom Gegner zu erwarten war, mufste der Admiral doch wissen. Es sieht so aus, als ob er sich gesagt hätte :
„Das habt Ihr zu Hause nun davon, dafs Ihr mich
herausgejagt habt!" er
Wäre Cervera nachts, wie geschildert, ausgebrochen , ja hätte es Tags gethan und einen direkten Kampf mit dem Gegner
gesucht, so würde man ihn milder beurteilen, selbst wenn dabei sein Geschwader auch völlig draufgegangen wäre. So, wie er handelte, kann man nur strenge Kritik daran üben. Welche Umstände alle mitgesprochen haben, um als Entschuldigung für die spanischen Admirale thatsächlich geltend gemacht werden zu können, entzieht sich, da es -- wenn überhaupt - wohl erst späteren Generationen bekannt werden wird, der Beurteilung. Soweit man die Verhältnisse übersehen kann, unterliegt der Mangel in der Führung aber keinem Zweifel. Es fehlte an frischem schneidigen Unternehmungsgeist. Geradezu unverständlich in jeder Hinsicht ist aber das Verhalten des spanischen Marine-Ministeriums bei den verschiedenen, von ihm Cerveras warten diesem
direkt getroffenen Mafsnahmen. Geschwader allein nach Cuba
Einmal war zu schicken.
es falsch, Es hätte
sollen, bis das Camara- Geschwader fertig war und mit zusammen hinüberfahren müssen. Will man etwas erzielen,
so mufs man Zersplitterung
mit möglichst grofsen Machtmitteln auftreten. Eine Am charakteristischen für ist stets vom Übel.
die Dispositionslosigkeit des spanischen Ministeriums ist die Sendung des Camara - Geschwaders durch den Suez-Kanal und die sofortige Rückberufung, wodurch dem ohnehin armen Land ein nutzloser Verlust von mehreren Millionen an Kanalgebühren entstand. Dafs die Amerikaner sofort mit ihren Schiffen nach Spanien hinüberkommen würden, sobald Camara ernstlich Miene machte, nach den Philippinen zu dampfen, lag für jeden denkenden Menschen 19. klar auf der Hand, scheinbar nur nicht für die Spanier!
1
Munitionsverbrauch der Feldartillerie etc.
185
XIII .
Munitionsverbrauch der Feldartillerie nach Einführung von Schnellfeuergeschützen und Folgerungen daraus .
Nachdem es der Technik gelungen ist, ein Schnellfeuergeschütz herzustellen, welches sowohl in ballistischer Beziehung als was Geschofswirkung betrifft, Verbesserungen aufweist, leichter als das bisherige Geschütz
ist und dabei eine gröfsere Feuergeschwindigkeit
erlaubt, wäre es unnatürlich gewesen, von der Einführung nur deswegen abzusehen, weil der voraussichtliche Munitionsverbrauch ein gröfserer wird.
Ebenso widersinnig wäre es, jetzt nach der durch-
geführten Bewaffnung mit einem solchen Geschütz die Verwertung der ermöglichten Feuergeschwindigkeit als seltene Ausnahme hinzustellen und nur den bisherigen Munitions-Verbrauch zuzugestehen . Man muss eben nach Mitteln suchen, das Feuer zu beherrschen und nach den durch die Kampfes- Lage gegebenen Bedürfnissen abzustufen. Man darf nicht vor den Schwierigkeiten, die sich dabei ergeben, als machtlos kapitulieren, selbst wenn es sich darum handelt, rücksichtslos mit älteren , durch Gewöhnung lieb gewordenen, Einrichtungen zu brechen. 1 ) Während die einen übergrofsen Munitions-Verbrauch befürchten, glauben andere,
dafs es damit überhaupt nicht so schlimm bestellt
sei .
nur
Man solle
Infanterie ,
des
an die Einführung der ersten Hinterlader der
Zündnadelgewehres
welchem Beispiel die
von
meisten Armeen
Seite
Preufsens
denken,
aus Furcht vor Munitions-
Verschwendung anfangs nicht zu folgen wagten. Statt eines Durchschnitts - Mehrverbrauchs an Infanterie - Munition habe sich überraschender Weise
nach den Kriegen
1864 und 1866 eine Vermin-
derung konstatieren lassen. Ganz so wie bei der Infanterie sind bei der Feld-Artillerie die Verhältnisse
nicht gelagert und hat man sich vor Täuschungen durch die sich aufdrängenden Analogien zwischen Gewehr und Geschütz zu hüten. 1 ) Das Mifstrauen in die eigene Befähigung, die Feuerdisziplin aufrecht zu erhalten, hat von jeher in den Armeen vorgeherrscht und die Einführung von Einrichtungen zur Erhöhung der Feuergeschwindigkeit verzögert. So fand noch (Napoleon III. ,,Etudes sur le passé et l'avenir d'artillerie"), als Gribeauval fertige Kartuschen an Stelle der Entnahme des losen Pulvers mittels LadeSchaufeln aus Fässern einführte , die Änderung bei den Routiniers der französchen Armee lebhaften Widerspruch, da bekanntermafsen der Kanonier so wie so immer geneigt sei, schnell zu schiefsen.
Munitionsverbrauch der Feldartillerie etc.
186
Selbstverständlich wird nirgends bei Annahme eines Schnellfeuergeschützes beabsichtigt, dieses stets zum Unterhalten des lebhaftesten hier möglichen Feuertempos auszunützen . Der HauptVorteil, den man mit dem Namen Schnelllade geschütz charakteristisch bezeichnen wollte, ist der der grölseren Feuerbereitschaft, geradeso wie seinerzeit beim Hinterladungsgewehr gegenüber dem Vorderlader. Wie wertvoll diese auch für das Geschütz ist, wird jeder zu beurteilen vermögen, der aus der Praxis bei der Truppe die Schwierigkeiten in der Ausbildung kennen gelernt hat, rasches und gut gezieltes Feuer bei dem bisherigen Geschütz zu verbinden. Ungeachtet der so oft an den Tag gelegten Abneigung gegen Schnellfeuer hat die bei Schiefsübungen häufig der Artillerie ge-
stellte Aufgabe, die Infanterie im Bereich ihrer eigenen Waffenwirkung zu bekämpfen, zn einem Überbieten der Batterien im schnelleren Schiefsen geführt, als dasjenige ist, für das das bis jetzt eingeführt gewesene Geschütz trotz aller Verbesserungen eingerichtet war. Es ist dies die aus der Zeit der glatten Geschütze überkommene Tradition, die Feuergeschwindigkeit durch die Behendigküit der Bedienung im Laden auf das Höchste zu steigern. Zwangen die komplizierten Verschlufs-Konstruktionen der älteren gezogenen Geschütze bei Ausführung der Ladefunktionen etwas behutsam vorzugehen, so hat die Vereinfachung des neueren gezogenen Geschützes es erlaubt, wie früher das Schnellladen als Kriterium für eine gute Ausbildung hinzustellen. Eines wird dabei vergessen : Das Richten war bei den glatten Geschützen und den damaligen geringen Kampf-Entfernungen , wo die Ziele leicht erkannt und anvisiert werden konnten, gegen jetzt eine viel leichtere und rascher auszuführende Bedienungsfunktion als beim gezogenen Geschütz. Bei diesem lohnt es sich nicht blofs genau zu richten, sondern es ist hier für das Gelingen des die Entscheidung im Artillerie- Duell gebenden Einschiefsens unentbehrlich . Für das Richten
kann hier nicht genug Zeit erspart werden.
Während bis
jetzt das Hasten nach raschem Schufsfertigmachen des Geschützes zu den Aufregungen des Gefechtsmoments noch eine hingefügte , ist bei Schnellfeuergeschützen zu hoffen, dafs an Ruhe gewonnen wird, da die Zeit zuverlässiger Ausführung der Funktionen des Richtens und Zünderstellens selbst bei Ausfall von Bedienungsnummern gegeben ist. Das Feuertempo kann hier auch bei guter Richtung ein rasches sein. Wo es sich gegenüber attackierender Kavallerie und nahe herangekommener Infanterie um den Kampf für die Existenz handelt, giebt
Munitionsverbrauch der Feldartillerie etc.
187
ein Schnellfeuergeschütz Aussicht, dafs die Artillerie mit Erfolg die Abwehr der gegen sie gerichteten Angriffe
übernimmt.
Sie wird
dadurch selbständiger, von Partikular - Bedeckungen unabhängiger und befähigt, sowohl frühzeitig - ehe die Hauptmasse der Infanterie herankommt --- die Stellung zu beziehen, als überhaupt den grofsen Raum, den sie nach dem Prinzip der Massen - Verwendung Gefechtsfront einnimmt, behaupten.
in der
ohne Unterstützung der anderen Waffen zu
Diese Vorteile wären, wenn sie erreicht würden , an und für sich grofs genug gewesen, um ein Schnellfeuergeschütz von kriegsmäfsiger Konstruktion anzunehmen. Die Feuerleitung, unterstützt durch anerzogene Disziplin wird es gewils fertig bringen, den Verbrauch an Munition auf das durch Rücksicht auf den Vorrat gebotene Mafs zu beschränken . Das
schnelle Feuer wird aber nicht blofs bei der Abwehr der
Angriffe der Infanterie und Kavallerie , sondern auch gegen Artillerie Anwendung finden. In der Befähigung zur Konzentrierung der Wirkung auf einen kurzen Zeitraum ist eine solche Steigerung der Kraftäufserung gegeben, dafs man sich häufig des raschen Feuertempos bedienen wird. gelöst und es nehmen.
ist
Manche Aufgaben werden dadurch früher
dann die Möglichkeit gegeben,
neue zu über-
Trotz des heftigen Widerspruchs, den die Behauptung schon erfahren hat, mufs im Hinblick auf den Zukunftskampf immer wieder betont werden : Der Munitions - Verbrauch wird für die FeldArtillerie schon bei den bisherigen Geschützen , um so mehr bei den neuen , die ein schnelleres Feuer erlauben , ein gröfserer als im Krieg 1870/71 sein. Es wird niemand einfallen , sich bei hinreichendem MunitionsVorrat des Schnellfeuers selbst dann zu enthalten , wenn die Lösung der Aufgabe dadurch gewinnen würde und die Geschützkonstruktion es erlaubt.
Man vergesse nicht, dafs die Artilleriewirkung zum Teil eine moralische zeitigkeit
ist. oder
Sie
steigert
wenigstens
sich beim Gegner durch die GleichAufeinanderfolge der Verluste.
rasche
15 und 25 % Verlust wirken ganz entschieden erschütternder , wenn sie in 5 Minuten statt in einer Viertel- oder halben Stunde erlitten werden.
Treten sie erst nach längerer Zeit ein, so erträgt erfahrungs-
die beschossene Truppe meist einen viel gröfseren Verlust , Selbstverständlich mufs die Wirkung jeden Schnellfeuers vorbereitet sein durch sorgfältige Ziel-Erkundung, Ermitte lung der Entfernung in den nach den Verhältnissen möglichen Grenzen,. gemäfs
ohne zu wanken.
Munitionsverbrauch der Feldartillerie etc.
188
sei es auf dem Weg des Einschiefsens oder Entfernungmessens ; ebenso selbstverständlich folgen dem Schnellfeuer Pausen , in denen die Artillerie entweder ganz schweigt oder langsames Feuer unter hält, wärend Meldungen über die erzielte Wirkung abgewartet werden . Man wird wohl nicht anstehen, die Feuergeschwindigkeit bei Lösung aller Aufgaben zu steigern, bei denen es sich nicht um Demonstrative,
sondern um Entscheidung handelt .
Es könnte hier
vom theoretischen Standpunkte geltend gemacht werden, dafs wie in der Mechanik jede Arbeit nach der Zeit beurteilt wird , in der man sie leistet, so im Gefecht der Zerstörungs- Effekt als um so wertvoller zu erachten ist, in je kürzerer Zeit er erreicht wird. In der Schiefs-Praxis ergeben sich bei Berücksichtigung der taktischen Lage folgende erscheint.
Momente,
wo
rasches Feuer
natürlich
1. Wenn die feindlichen Truppen , denen die Möglichkeit gegeben war, im Gelände gedeckt der Beschiefsung durch Artillerie sich zu entziehen, nur für kurze Zeit vor der Entscheidung sichtbar werden. 2. Wenn im Begegnungsgefecht spät Nachrichten über die feind liche Kräfte -Verteilung eintreffen und der Entschlufs für die Wahl des Angriffspunktes infolgedessen auch erst spät gefafst werden kann. Es ist dann häufig nicht mehr möglich, den Angriff noch länger hinauszuschieben, ohne Gefahr zu laufen, in die Defensive geworfen zu werden und bleibt somit für die Artillerie nur eine kurze Zeit, um gegen die Einbruchsstelle zu wirken. Dabei wäre noch zu bemerken, dafs überhaupt hierfür immer nur eine relativ kurze Zeit gegeben sein wird, da sonst das Moment der Überraschung für den Gegner weg fällt und er rechtzeitig Gegenmafsregeln treffen kann . 3. Auch gegen die feindliche Artillerie wird unter Umständen schnelles Feuer nötig, z. B. wenn es im Angriff nicht gelungen ist, sie gänzlich niederzukämpfen und daher auch noch während der Beschiefsung des Teils der Infanterie - Stellung, gegen welchen sich der Hauptangriff richtet, ein Teil der eigenen Ar tillerie die Erwiderung des Feuers der feindlichen auf sich nehmen mufs. Je mehr sich dieser durch intensives wirk sames Feuer bemerkbar macht, und eine je breitere Front der feindlichen Geschützlinie er abschnittsweise beschiefsen kann, desto mehr hat er Aussicht, dafs er die für Ge lingen des Angriffs wichtige Aufgabe glücklich lösen wird. 4.
Erst in den letzten Stadien des Angriffs wird die eventuelle zurückgezogene Verteidigungs-Artillerie wieder auftreten und
Munitionsverbrauch der Feldartillerie etc.
189
aus unverdeckten Autstellungen das Vorgehen der AngriffsInfanterie bekämpfen. Der Angriffs- Artillerie bleiben daher zur Vollendung des Niederkämpfens der Verteidigungs- Artillerie nur kurze Zeitmomente, die sie durch Schnellfeuer ausnützen mufs. 5. In der Verteidigung ist es naturgemäfs, dafs die Verhältnisse , welche zur Wahl dieser Kampfart geführt haben, die Artillerie in die Lage setzen, den Munitions- Ersatz so vorzubereiten, dafs sie sich einer an Zahl übermächtigen Artillerie mit entsprechendem Munitions -Aufwand im Schnellfeuer erwehren kann. Aus dieser grofsen Zahl der Fälle für Anwendung von Schnellfeuer folgt, dals der Munitions-Verbrauch¹ ) für die Feld -Artillerie bei Annahme von Schnellfeuergeschützen sicher ein gröfsererwird. " ) Für die Artillerie ist die Munitionsfrage, wenn möglich noch wichtiger als für die Infanterie. Für diese ist das Fernfeuer eine Ausnahme. Wenn es angewendet wird, so sind die Verhältnisse derart, dafs die Feuerleitung vorherrschen kann ; es ist daher möglich, den Munitions-Verbrauch entsprechend den untergeordneten Aufgaben, die mit Infanteriefernfeuer hier zu lösen sind, zu regeln . Zum Nahkampf kommt in einem Angriffsgefecht nicht jede Infanterietruppe und für seine relativ kurze Dauer möchte die nach Annahme des kleinen Kalibers erhöhte Munitionsdotierung, ergänzt durch die der Gefallenen und Verwundeten und der Nachschaffungen, soweit sie mit den vorgesehenen Mitteln möglich sind, genügen. In der vorbereiteten Verteidigung der Infanterie ist Zeit gegeben, Munition in der Feuerlinie bereit zu stellen. Ganz
anders
als bei
Feuergefechts der Artillerie .
der Infanterie sind die Verhältnisse des Sie ist Trägerin des Fernkampfes und
doch auch am Nahkampfe beteiligt. Der erstere ist in der Regel schon entscheidend , bedingt also ebenso einen grofsen Munitionsaufwand wie der Nahkampf. Ein und dieselbe Einheit der Artillerie hat während aller Stadien des Kampfes mitzuwirken. Eine Reserve" ) 1 ) Hiermit ist der Verbrauch bei den Batterien gemeint, die ernstlich in allen Stadien des Kampfes engagiert sind. Es wächst weniger der Durchschnitts-Verbrauch als der Maximalverbrauch für einzelne Abteilungen oder Batterien. Der Verbrauch bei der ganzen Artillerie wird häufig den bisherigen nicht übersteigen, da ein Teil der Artillerie oft gar nicht oder erst spät zum Kampf kommt. 2) Die Feuergeschwindigkeit ist nicht von der Beobachtung jedes einzelnen Schusses abhängig, wie es oft mit Hinweis auf die bisherigen Schiefsvorschriften geltend gemacht wird, sondern sie richtet sich nach vollendetem Einschiefsen vorwiegend nach taktischen, selten nach schiefstechnichen Forderungen . 3) Nur in Rufsland soll eine solche vorgesehen sein.
Munitionsverbrauch der Feldartillerie etc.
190 an Artillerie
giebt es nicht.
für jedes Geschütz lange.
der in
Die Zeitdauer des Schiefsens ist daher erster Linie entwickelten Truppen eine
Aus der Thatsache des gröfseren Munitions- Verbrauchs in den künftigen Feld- Schlachten möchten sich einige Folgerungen für Organisation und Taktik der Artillerie ergeben. In Bezug auf Organisation wäre die gegen früher gesteigerte Wichtigkeit des AbteilungsVerbandes hervorzuheben. Auf dem Kommandeur derselben ruhte schon bisher die Verantwortung für den Munitions-Verbrauch . Einführung des Schnellfeuers geworden.
ist
Nach
sie natürlich eine noch grössere
Gegenwärtig besteht die Einrichtung, dafs über das MunitionsReservoir der 2. Staffeln ebenso der Batteriechef wie der AbteilungsKommandeur verfügt, der erstere aber die gröfseren Rechte darauf hat , da die 2. Staffel organisatorisch zur Batterie gehört und zum Fortschaffen ihrer Mannschaften sowie für den Ersatz der Pferde unentbehrlich ist. Ein besserer, dem Abteilungs -Kommandeur die Erfüllung seiner schwierigen Aufgabe mehr erleichternder Zustand wird geschaffen, wenn ihm ein besonderes Munitions-Depot direkt unterstellt ist. Die Batterien müfsten aber annähernd gleich viel Munitionswagen pro Geschütz behalten, wie sie bis jetzt hatten. Das geforderte Munitions- Depot wäre dagegen gegen den bisherigen pro Abteilung mitgeschleppten Munitions- Vorrat eine Vermehrung, gleichsam ein vorgezogener Teil der Munitions- Kolonne des Armeekorps . Aus dieser organisatorischen Einrichtung der Abteilung würde sich ergeben, dafs die Batterien einer Abtheilung immer beisammen bleiben müſsten,
also
auch
kritischen Momenten der
dann, wenn, wie es
1870 gerade in
entscheidenden Schlachten vorgekommen
ist, die später ankommende Artillerie in die bereits entwickelte sich mit
Mischung
dingung giebt
unter
der Verbände allen
einschieben
Kampfverhältnissen
mufs .
Wenn
erfüllt werden
diese Besoll ,
er-
sich daraus, dafs die einzelne Abteilung eine gewisse Breite
nicht überschreiten darf. Als Maximum hat sich 1870 die Abteilung à 12 Geschützen erprobt. Da das Schnellfeuergeschütz die 4geschützige Batterie einführungsfähig gemacht hat, kann die Abteilung von 12 Geschützen die für alle Kampfaufgaben günstigere Gliederung von drei statt zu zwei Batterien erhalten. Die Vermehrung, die die Artillerie im Laufe der Zeit an Zahl pro Korps erfahren hat und die noch zunehmen würde , wenn die Batterie zu 4 statt zu 6 Geschützen formiert werden, hat auf taktischem Gebiet zur Folge, wordene
Abteilung
für die
dafs die
kleiner und handlicher ge-
Durchführung
einer Kampfes-Aufgabe
Munitionsverbrauch der Feldartillerie etc.
191
immer an die Stelle der Batterie tritt. ) Sie ist die Kampfeinheit, an die sich die Aufträge der höheren Artillerieführer richten . Nach schiefstechnischen, den Munitionsverbrauch regelnden Grundsätzen erteilt dann der Abteilungskommandeur die Befehle an die Batterien. Die Batterie bleibt Einheit in administrativer und disziplinärer Hin sicht, sowie für den Kampf bei ausnahmsweiser Detachierung. Die Kampfaufgaben einer Abteilung und die Abstufung des Munitions Verbrauchs dabei setzt gute Erkundung des Gegners als Ziel voraus. Die Organe hierfür werden zwar von den Batterien abgestellt, aber vom Abteilungs-Kommandeur einheitlich verwendet, ebenso wichtig ist die von der Abteilung geleitete Übermittelung der Befehle und Mitteilungen von Resultaten des Einschiefsens etc. Kurz, es hängt von der Abteilungsführung die Leitung eines ganzen Apparates ab, dessen sichere Funktionierung im Frieden durch eine sorgfältige Ausbildung gewährleistet werden muſs, die zum mindesten eine ebenso grofse Bedeutung hat, wie die im Fahren, Laden und Richten der Ge schütze .
Sicherer funktioniert dieser Apparat jedenfalls ,
wenn der
Abteilungs -Verband nicht zerrissen wird, als wenn ein solcher erst unter dem Drang der Lage improvisiert werden mufs . Batterien der Abteilung müssen daher, wenn nur irgend möglich, in der Stellung beisammen bleiben , während die Verbände der Regimenter oder Bri gaden ohne besonderen Nachteil, der raschen und ungehinderten Entwickelung zu lieb, aufgegeben und durch improvisierte Verbände ersetzt werden können. Diese sich aus dem künftigen gröfseren Munitionsverbrauch er gebende Wichtigkeit des Abteilungs - Verbandes im Kriege verdient bei allen Erwägungen, die bei theoretisch-praktischen Übungen an gestellt werden, umsomehr Beachtung, als die Abteilung naturgemäſs, eingezwängt in die für die Ausbildung wichtigen Verbände der Batterie und des Regiments, spielt.
im Frieden eine untergeordnete Rolle Layriz , Oberstlieutenant.
1 ) Das ist im Sinne des Exerzier-Reglements. Bei grofsen Abteilungen würde aber ein Zerreifsen des Abteilungsverbandes öfter eintreten, als man es im Frieden voraussieht und so die Gefahr entstehen, dass doch häufig wie 1870 die Batterie an Stelle der Abteilung tritt.
Die königlich Hannoversche Armee .
192
XIV . Die königlich Hannoversche
Die in den Jahren 1866
bis 1871
Armee .
veröffentlichte 99 Geschichte
der Königlich Hannoverschen Armee von L. von Sichart ,
General-
Lieutenant a. D. " ) schliefst mit der Darstellung der Ereignisse des Jahres 1803 ab . Ihr Verfasser, der vorletzte Chef des Generalstabes jener Truppe, war durch den Verlust seines Augenlichtes gezwungen, die Arbeit an seinem verdienstlichen Werke einzustellen, bevor er es zu Ende führen konnte. Zwei seiner Söhne, beide ehemals Hannoversche Offiziere, demnächst in preufsische Dienste getreten und gegenwärtig als General-Majors z. D. im Ruhestande lebend, haben es für eine Ehrenpflicht gehalten, die unterbrochene Arbeit ihres Vaters aufzunehmen und die
Aufgabe ,
hatte , zum Abschlufs zu bringen .
welche dieser sich gestellt
Sie haben dieselbe vortrefflich ge-
löst. Die im Vorwort ausgesprochene Hoffnung , dafs ihren alten Kameraden, sowie allen denen, welche seit dem tragischen Ende der hannoverschen Armee dieser ein wärmeres Interesse schenken , eine getreue Schilderung
der letzteren ,
ihrer Einrichtungen und ihrer
Schicksale nicht unwillkommen sein werde, wird sicher in Erfüllung gehen; die Arbeit wird den Beifall weiter Kreise finden und der von den Verfassern kundgegebenen Bitte
um
eine wohlwollende Beur-
teilung, 99 da sie nicht als Schriftsteller von Beruf gelten wollen, sondern nur durch die Liebe für ihren Vater und die Anhänglichkeit an die früheren Verhältnisse bewogen seien, zur Feder zu greifen," hätte es nicht bedurft, um dem Buche eine freundliche Aufnahme zu sichern, denn
sie haben sich der übernommenen Aufgabe wohl ge-
wachsen erwiesen.
Dafs der Teil ihrer Arbeit, dessen Gegenstand
die Ereignisse des Jahres 1866 bilden,
soweit die Politik in Frage
kommt, nicht allgemeine Zustimmung finden, sondern im Gegenteile von den Vertretern des sogenannten welfischen Standpunktes heftig angegriffen werden würde, war vorauszusehen. Mit Recht haben sich die Verfasser bei Schilderung der dabei in Betracht kommenden Verhältnisse und Ereignisse
von allen Erörterungen streitiger Fragen
und von Abschweifungen auf nichtmilitärisches Gebiet durchaus ferngehalten ; sie haben nur Thatsachen gebracht und nur mitgeteilt, was 1) Geschichte der königlich hannoverschen Armee von A. und R. von Sichart, General-Majors z. D. Fünfter Band . Mit zehn Plänen, elf Lichtdruckund zwei farbigen Uniform-Tafeln. Hannover und Leipzig, Hahnsche Buchhandlung, 1898. 8º. XX und 624 Seiten (Mark 12) .
Die königlich Hannoversche Armee. in früher erschienenen Druckschriften enthalten war, vielfach vom Parteistandpunkte
193 aber bei der
abhängigen Beurteilung der That
sachen ist auch die von den Verfassern gegebene Darstellung nicht unangefochten geblieben. Der Wert ihrer Arbeit, welche nur die Kenntnis des Heeres und der Kriegsgeschichte fördern will, wird dadurch nicht berührt. Das Buch beginnt mit der Geschichte der englisch - deutschen Legion.
Sie konnte von der Aufnahme in das Werk nicht ausge
schlossen werden .
Denn wenn auch die Legion als eine unmittelbare
Fortsetzung der im Jahre 1803 auf Grund der am 5. Juli abge schlossenen Elbkonvention aufgelösten kurhannoverschen Armee nicht angesehen werden kann,
weil nicht geschlossene Abteilungen über
das Meer gingen, die dort gebildeten Regimenter vielmehr ohne irgend welchen Zusammenhang mit früher bestanden habenden Truppenteilen ganz neu aufgestellt wurden, so ist doch andererseits die im Jahre 1816 gebildete königlich hannoversche Armee zu grofsem Teile aus. der Legion hervorgegangen, deren Regimenter und Bataillone ge schlossen in jene übertraten. Die Schilderung ihrer Thaten füllt ein glänzendes Blatt unter den von den Verfassern zu beschreibendeu ; ihre Leistungen veranlafsten den lobkargen Wellington zu Äuſserungen der höchsten Achtung , die Franzosen urteilten, dafs die deutschen Soldaten den britischen an Tapferkeit gleichgekommen seien, sie im Aufklärungs- und im Sicherheitsdienste übertroffen hätten und die englische Regierung verlieh ihren Offizieren nach dem am 22. Juli 1812 bei Salamanca erfochtenen Siege permanenten Rang in der Armee statt des von ihnen bis dahin bekleideten temporären. Die britische Geschichtsschreibung hat diesen Leistungen nicht immer volle Gerechtigkeit angedeihen lassen und nicht selten mussten die Offiziere die Anerkennung ihrer Mitwirkung bei gemeinsamen Waffen thaten ihren Vorgesetzten abnötigen, aber ein Engländer, der Major Beamish, war es, der diese Thaten in einem zweibändigen Buche beschrieben hat.
Seine Arbeit,
welche die Grundlage für die von
den Generalen von Sichart gegebene Darstellung gebildet hat, leidet unter mancherlei Mängeln, eine befriedigende Geschichte der Legion aber könnte nur mit Hilfe der Londoner Archive geschrieben werden und in Verbindung mit den vorhandenen sonstigen druckschriftlichen Quellen genügte das Werk von Beamish, um die knappe Schilderung herzustellen, um die es sich für die Verfasser allein handeln konnte. Sie giebt einen guten Überblick über die mannigfachen Verwendungen der Truppe, welche überall auftritt, wo die Regierung bei ihren nie mals unterbrochenen Kämpfen gegen Napoleons Welteroberungsgelüste auf Erfolge hoffen konnte : In der Ostsee und am mittelländischen
194
Die Königlich Hannoversche Armee.
Meere, auf der Pyrenäischen Halbinsel und im nördlichen Deutsch land, in Südfrankreich und in den Niederlanden. Diese Zersplitterung und der Umstand, dafs die Regimenter höchstens in Brigadeverbänden zusammenfochten, bereiten dem Geschichtsschreiber grofse Schwierig keiten. Wenn er Zahlen Zeugnis ablegen lassen will für die Dienste, welche des Königs Deutsche Legion -- Kings German Legion war ihr amtlicher Name - geleistet hat, so sprechen diese beredt und eindringlich.
Von etwa 30 000 Mann, welche in den dreizehn Jahren
von 1803 bis 1815
angeworben wurden,
sind 1285 ,
darunter 105
Offiziere, vor dem Feinde gefallen, 4836 , darunter 307 Offiziere, ver wundet, 4263, darunter 143 Offiziere, starben an Krankheiten oder verunglückten durch Schiffbruch. Bis zum Jahre 1810 traten fast ausschliefslich geborene Hannoveraner ein ;
als dann die Werbung
immer schwieriger ward, wurden auch Angehörige sonstiger Herkunft angenommen ; meist waren es Kriegsgefangene, die sich bereit er klärten, Dienste zu nehmen. In den ersten Monaten des Jahres 1816 schied die Legion aus dem Verbande des britischen Heeres. Sie wurde mit in ihrer Heimat vorhandenen Truppen zu einer königlich hannoverschen Armee verschmolzen, mit deren Errichtung schon im März 1813 begonnen war, sobald Tettenborns Zug nach Hamburg die Franzosen genötigt hatte, einige Geviertmeilen des früheren Kurfürstentums zu räumen. Offiziere und Unteroffiziere der Legion wurden schon damals ent sandt, um dem bei ihnen bestehenden Mangel an militärisch gebildeten Führern abzuhelfen und Schulter an Schulter hatten Hannoveraner und Legionäre, jene bis zum 1. Februar 1814 in englischem Solde und unter britischen Feldzeichen, an der unteren Elbe und in den Niederlanden den gemeinsamen Feind bekämpft .
Aus geringen An
fängen war rasch eine stattliche Macht geworden. Bis zum Jahre 1815 waren 2 Batterien, 3 Kavallerieregimenter zu 4 Schwadronen , 8 Feldbataillone und 31 Bataillone Landwehr-Infanterie,
ein jedes
zu 4 Kompagnien, aufgestellt. An Legionstruppen waren 8 Batterien , 4 Kavallerieregimenter zu 5 , eines zu 6 Schwadronen und 11 Ba taillone Infanterie, ein jedes 10 Kompagnien stark, vorhanden. Es standen also im ganzen 10 Batterien, 32 Schwadronen, 266 Kom pagnien zur Verfügung. Das war weit mehr als das Königreich an Einheiten beibehalten konnte. Es mufsten bedeutende Abstriche vor genommen werden und Verringerungen
eintreten .
Sie wurden zum
gröfseren Teile auf Kosten der Legion vorgenommen, deren Offiziere aufserdem noch bittere Enttäuschungen erfuhren . Der Wunsch, den General Graf Gneisenau zur Übernahme des Oberbefehls über die ins Leben zu rufende Armee zu bewegen, gelangte nicht zur Erfüllung.
Die königlich Hannoversche Armee. Graf Münster, der Vertreter Hannovers
am Hofe
195 von
Saint-James
hatte den Gedanken angeregt, aber Gneisenau wollte von seinem Adoptivvaterlande Preufsen nicht lassen . Die am 25. Mai 1816 befohlene Formation weist das Bestehen eines Artillerie- und Ingenieurkorps, das letztere wie bisher nur Offiziere begreifend, mit 10 Batterien, von 8 Kavallerieregimentern mit 32 Schwadronen und von 10 Infanterieregimentern mit 40 Ba taillonen und 168 Kompagnien nach.
Es waren also 44 Schwadronen
und 98 Kompagnien verschwunden . während die Zahl der Batterien ungeändert blieb. Dabei wurde die Legion mehr geschädigt als Hannoveraner. Jene verlor 6 Schwadronen, diese gar keine ; bei jener gingen 74, bei dieser 24 Kompagnien ein . Von ihren 775 Offizieren wurden 415 angestellt. Eine moralische Genugthuung wurde den Legionären aber dadurch zu teil, dafs sie überall den Rang vor ihren Kameraden erhielten, die Garde ward auschliefslich aus Truppenteilen der Legion gebildet und die öffentliche Meinung stellte ihre Angehörigen weit höher, als die der hannoverschen Regimenter. Besonders die Offiziere. Es waren Männer, welche die Welt gesehen hatten.
Mit reicher Kriegserfahrung und mit Menschenkenntnis aus
gerüstet, fremder Sprachen kundig und gesellschaftlich gewandt, um strahlt vom Ruhmesglanz der erfochtenen Siege und hochgefeiert als die treuesten Söhne ihres Vaterlandes, dessen Fahne sie hochgehalten hatten als daheim auch die Beherztesten zu zagen und zu verzweifeln begannen, kehrten sie zurück, jubelnd empfangen von Verwandten und Befreundeten , angestaunt und bewundert von der Masse des Volkes, auf welches das Fremdartige ihrer Erscheinung einen tiefen Eindruck machte. Es kam hinzu , dafs sie reiche Geldmittel mit brachten.
Hauptsächlich war es der englische Halbsold, welchen sie
neben ihrem Gehalt
und
sonstigen Einkünften
bezogen.
Für den
Lieutenant der Infanterie betrug er etwa 1200 Mark jährlich, die höheren Offiziere erhielten entsprechend mehr, so der Major das Dreifache. Dazu hatte mancher ein Kapital erspart, zu welchem oft die nach erfochtenen Siegen als Prisengelder gezahlten Beutegelder den Grund gelegt hatten. Allein für Waterloo erhielt der Stabs offizier etwa 7300 Mark. Ihre hannoverschen Kameraden hatten während jener Gefahrszeiten ruhig zu Hause gesessen oder gar in der Armee des
Königreichs Westfalen gedient.
Dafs sie hinterher
die Waffen ergriffen und gegen die Franzosen tapfer mitgefochten hatten, rechnete man ihnen unbilligerweise als ein Verdienst kaum an. Freilich mochte mancher Minderwertige unter ihnen sein, dem nur der Drang der Umstände die Epauletten verschafft hatte, einzelne waren durch die Gunst der Verhältnisse rasch empor gekommen, so 13 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110 2.
Die königlich Hannoversche Armee.
196 dafs
sie
auf der Stufenleiter der Beförderungen die Kämpfer der
Peninsula weit überstiegen hatten und das liefs die öffentliche Meinung sie entgelten. Noch tiefer empfanden die Geschädigten , dafs sie bei der Verschmelzung jener beiden Bestandteile der neugeschaffenen Armee im Avancement in unangemessener Weise zurückgesetzt wurden, und unverhältnismässig schlecht zu stehen kamen. Die Verwendung des Herzogs von Cambridge, ihres ehemaligen colonel-in-chief und derzeitigen General-Gouverneurs des Königreichs, und die Schritte , welche er bei seinem Bruder, dem Prinzregenten, that, konnten das Unheil nicht abwenden ; die Regierung that Miſsgriff bei den
einen verhängnisvollen
für die Dienstaltersverhältnisse beider Arten von
Offizieren getroffenen Anordnungen, deren Erlals König Ernst August bei seinem Regierungsantritte später lebhaft beklagte, ohne sie rückgängig machen zu können, und die Folge davon war eine langandauernde Mifsstimmung zwischen den Beteiligten. Aber während der materielle Gewinn den Hannoveranern zu gute kam, war der moralische Erfolg auf Seiten der „ Engländer" ; sie haben dem hannoverschen Offizierkorps ihren
aus dem britischen Dienste
mitge-
brachten Stempel aufgedrückt, welcher im Dienste nur den Soldaten kannte, aufser Dienst nur den Gentleman gelten liefs. Seinen Hauptnährboden fand dieser Geist in der Mess, der aus der Legion herübergebrachten Vereinigung sämtlicher unverheirateter Offiziere, vom ältesten bis zum jüngsten mit Einschlufs der Offizieranwärter, zum täglichen Mittagstische. Der dortige zwanglose, durch Rücksichten auf die Verhältnisse der militärischen Unterordnung nicht beeinflusste Verkehr wirkte in hervorragender Weise belehrend und erzieherisch auf die jüngeren Mitglieder. Alsbald bei allen Truppenteilen eingeführt, haben die Messes wesentlich dazu beigetragen, jene anfängliche Mifsstimmung zu beseitigen und die Gegensätze zu einem harmonischen Ganzen zu gestalten. Die Organisation vom Jahre 1816 erwies sich, was die Infanterie anging, als nicht lebensfähig. Ein Teil der Waffe war auf Werbung angewiesen und vermochte bald nicht mehr auf diese Weise den nötigen Ersatz
zu schaffen ;
der
andere Teil, die Landwehr,
konnte nur eine mangelhafte Truppe ausbilden, deren Beschaffenheit den Kostenaufwand , welchen sie erforderte, nicht rechtfertigte.
Die
Notwendigkeit bei den in Frankreich befindlichen Besatzungstruppen , sechs Bataillone jener ersteren Art zu belassen,
hatte
damals ver-
hindert, zweckmäfsigere Anordnungen zu treffen ; nachdem Ende 1818 jene Truppen zurückgekehrt waren, schritt man zu einer Neuformation der Waffe.
Im Jahre 1820 ging die Landwehr ein,
es wurde für
197
Die königlich Hannoversche Armee.
die gesamte Infanterie die allgemeine Wehrpflicht, aber mit Stell vertretung eingeführt uud es wurden zwölf Regimenter zu 2 Bataillonen zu 4 Kompagnien aufgestellt .
Die überzähligen Offiziere, von denen
man 1816 einen Teil der jüngeren durch Geldzahlungen abgefunden hatte, wurden auf Wartegeld gesetzt. Das bei allen Waffen seit dem Kriege während eines Menschenalters ganz stockende Avance ment wurde dadurch noch schlechter, so dafs die beiden ältesten Kapitäne eines Regiments von 1820 bis 1832 in der Rangliste auf der nämlichen Stelle standen, und als es eben anfing, sich ein wenig zu regen, kam unter dem Drucke der Stände, welche um jeden Preis Ersparnisse herbeiführen wollten, im Jahre 1833 eine neue Organi sation zustande, aus welcher zwei damals errichtete Ingenieur kompagnien, eine 10 Kompagnien zählende Artillerie-Brigade , 4 Kaval lerie-Regimenter zu 2 Divisionen zu 3 Schwadronen, und 14 Infanterie Bataillone zu 5 Kompagnien hervorgingen. Von den Neuerungen, welche bei dieser Gelegenheit eingeführt wurden, ward besonders die Kavallerie betroffen, deren ganz eigen artige, sonst nirgends bestehende, nur denen der schwedischen Indelta truppen einigermafsen ähnliche Verhältnisse der Gegenstand eines bis zum Jahre 1866 nicht zu Ende gekommenen Streites zwischen der Regierung und den Ständen bildeten. Die Eigenart beruht darauf, dafs die Waffe lediglich aus Freiwilligen bestand, welche sich auf 10, zuletzt nur noch auf 7 Jahre anwerben liefsen, dann, namentlich in früherer Zeit, wohl noch von neuem kapitulierten, und nach erhaltener Ausbildung mit einem Dienstpferde zu ihren Ange hörigen auf Urlaub ritten. Jene Ausbildung empfingen sie beim Stabe des Regiments, welches zu diesem Zwecke und um alljährlich im Frühling nacheinander die geschlossenen Schwadronen für einige Wochen unterzubringen,
eine Kaserne
nebst Reitbahn
etc.
besafs ;
später wurden sie aufser bei letzterer Gelegenheit, nur zu alljährlich wiederkehrenden Exerzierübungen eingezogen .
Sie wurden dann bei
den ländlichen Grundbesitzern , anfangs nur bei den Bauerhofgütern , seit 1848 auch bei den Rittergutsbesitzern, einquartiert, welche in einem bestimmten Umfange und nach einer gesetzlich feststehenden Reihenfolge zur Aufnahme verpflichtet waren . Ein Hauptgrund , aus welchem die Regierung sich sträubte, auf diese Einrichtung zu ver zichten, war, dafs sie wenig kostete, doch mufste die anfangs sehr geringfügige Vergütung, welche der Quartiergeber empfing, allmälich immer mehr erhöht werden , so dafs sie zuletzt nicht unbeträchtlich war ; ein
anderer Grund für die Hartnäckigkeit der Regierung ist
darin zu suchen,
dafs der hohe Grad von Selbständigkeit und von
Zuverlässigkeit, durch welchen der Kavallerist sich auszeichnete, auf 13*
Die königlich Hannoversche Armee.
198 Rechnung
dieser Erziehungsart gesetzt
wurde ;
es
sollten dadurch
angeblich die der Ausbildung erwachsenden Schwierigkeiten aufgewogen werden. Schliefslich sah die Regierung ein, dafs Überlebtes endlich einmal verschwinden müsse , und wollte nachgeben ; die Verwirklichung der für die Kasernierung geplanten Entwürfe war indessen durch die Katastrophe von 1866 verhindert ; sie gingen dahin , dafs die freiwillige Werbung und die Beurlaubung mit den Dienstpferden beibehalten werden sollten. Die letzteren zu ländlichen Arbeiten oder anderweit im eigenen Nutzen zu verwenden, war untersagt und wird kaum jemals geschehen sein ; das ganze Dorf würde Stellung genommen haben gegen den, der eines so frevelhaften Unterfanges sich schuldig gemacht hätte. Noch in einer anderen Beziehung fühlte sich die Kavallerie durch die Neuerungen vom Jahre 1833 schwer geschädigt.
Sie verlor ihre
glänzenden Uniformen. An die Stelle der farbenprächtigen weifsgekleideten Kürassiere, der von Gold und Silber strotzenden Husaren und der in Grün , Rot und Gold höchst ansprechend ausschauenden Ulanen traten gleichförmig und zwar recht geschmacklos dunkelblau gekleidete Dragoner. Aber nur für kurze Zeit. Als im Jahre 1837 König Ernst August zur Regierung kam , der selbst fast immer den Attila trug, und als 1838 aus den Divisionen von 1833 wieder selbständige Regimenter wurden, gab es von neuem Kürassiere und Husaren, nur an Stelle der Ulanen blieben die Dragoner, diese aber jetzt nach preufsischem Muster gekleidet, welches der König von seinem langjährigen Aufenthaltsorte
Berlin mitgebracht hatte ,
freilich ohne sonst viel von den dortigen Einrichtungen auf Hannover zu übertragen. Die Uniform ändert.
aber wurde allgemein nach jenem Vorbilde ge-
Diesem fiel auch der rote Rock zum Opfer, das Waffenkleid
der kurhannoverschen Truppen , welches die Legion in England wieder gefunden und nach dem Festlande herüber gebracht hatte. Die Infanterie ward dunkelblau gekleidet ; die Jäger behielten freilich den grünen, die Ingenieure und Artillerie den blauen Rock, aber alles nach preufsischem Zuschnitte. Unter König Georg V. begann die Vorliebe tür Österreich Einfluss zu üben auf die Bekleidung und Bewaffnung. Man bemerkt es auf den Uniformbildern, welche den Band schmücken und das Aufsere so veranschaulichen, wie es 1866 war. Eine andere Zierde des Buches sind zahlreiche Bildnisse der Regenten des Landes und von Offizieren, welche hervorragende Stellungen bekleidet haben. Über die Persönlichkeit derselben ist leider sonst nichts mitgeteilt. Biographische Nachrichten fehlen gänzlich ; die in grofser Menge abgedruckten Ranglisten können diesen Aus-
199
Die königlich Hannoversche Armee.
fall nicht ersetzen . Sie geben nur Namen, über deren Träger der Leser nichts weiter erfährt ; er weifs weder von wannen sie gekommen, noch wohin sie gegangen sind. Es ist der nämliche Mangel, welchen die früher erschienenen Bände des Werkes aufwiesen. Auch die Gliederung der Infanterie wurde im Jahre 1838 eine andere. Es bestanden fortan — und so blieb es bis zum Jahre 1866
8 Regimenter zu je 2 Bataillonen und 4 Jägerbataillonen.
Ein jedes Bataillon hatte vier Kompagnien . Die Zahl der letzteren wurde also ebensowenig geändert, wie die der Schwadronen bei der Kavallerie.
Es
wurde aber eine Reihe von Stäben neugeschaffen,
was auf Kosten der Mannschaftszahl geschah.
Des
Königs
Be-
mühungen, von den Ständen Mittel zur Erhöhung jener Zahlen , namentlich aber zur Errichtung vierter Schwadronen bei den Kavallerieregimentern, zu erhalten, hatten keinen Erfolg. Er verfügte einiges aus eigener Machtvollkommenheit, wodurch die Gegensätze sich noch verschärften. Das Ingenieurkorps
und die Artillerie wurden durch die betreffenden organisatorischen Änderungen, welche schon am 1. Januar 1838 ins Leben traten, nicht berührt ; der König kränkte sie aber bei dieser Gelegenheit tief, indem er ihnen den vornehmsten Platz in der Rangordnung, den sie englischem Brauche entsprechend, seit dem Jahre 1816 behauptet hatten, nahm und sie hinter die vorangehende Kavallerie zurückwies , hatten ;
die
und
die ihr folgende Infanterie an die Stelle sie zu kurhannoverschen Zeiten eingenommen Ingenieure rangierten indessen auch ferner vor der
welche
Artillerie, hinter der sie damals gestanden hatten. Zehn Jahre später hatte König Ernst August den Schmerz , ein Paar seiner Lieblingskinder zu verlieren . Er mufste zwei Kavallerieregimenter eingehen lassen . Im Jahre 1848 nötigte ihn die Rücksicht auf die Zeitverhältnisse dazu . Es waren die beiden jüngsten Regimenter, als hannoversche 1813/14 errichtet. Durch ihre Verteilung unter die sechs
bestehen
bleibenden wurden diese
auf je
vier Schwadronen gebracht, von denen eine jede aber nur 101 , später gar nur 96 Pferde hatte. Am 18. November 1851 folgte dem alten Könige sein Sohn König Georg V. Obgleich des Augenlichtes beraubt, brachte er allem,
was die Armee betraf,
liebsten hätte er,
ein
reges Interesse entgegen.
Am
ein zweiter Ziska , seine Truppen selbst geführt.
So aber mufste er sich begnügen, auf die Hebung ihres inneren Wertes hinzuwirken , die Ausbildung der Offiziere und der Mannschaften zu fördern, für beider Wohl zu sorgen. er gröfseren Truppenübungen bei,
Mit Vorliebe wohnte
welche jetzt häufiger stattfanden
200
Die königlich Hannoversche Armee .
als in früheren Zeiten. Regelmässig wiederkehrende Manöver mit gemischten Waffen , wie sie für das Deutsche Reichsheer allgemein eingeführt sind, waren unbekannt. Zu organisatorischen Änderungen gaben unter seiner Regierung neue Bestimmungen der Bundes-Kriegsverfassung den Anlaſs. Sie hatten eine Vermehrung der Artillerie, die Aufstellung eines Trainkorps und einer Sanitätskompagnie zur Folge. Die Artillerie umfafste fortan den Brigadestab, 2 Kompagnien reitende Artillerie, 3 Bataillone Fufsartillerie zu 3 Feld- und 1 Parkkompagnie und eine Handwerker-Kompagnie ; ein jedes Bataillon hatte 90 Pferde, welche bei den Exerzierübungen von den Feldkompagnien abwechselnd benutzt wurden . Ein eigentlicher Mobilmachungsplan, auf Grund dessen die Armee in geordneter , von vornherein geregelter Weise vom Friedensstande auf den Kriegsfuls hätte überführt werden können , war nicht vorhanden. Eine jede Mafsregel mufste ausdrücklich befohlen werden , eine jede Anordnung bedurfte eines besonderen Befehls. Ein ebensowenig erfreuliches Bild wie die organisatorischen Verhältnisse mit den schwachen Stämmen und der unzweckmässigen Gliederung gewährten der Ersatz und die Bewaffnung.
Der Zudrang
von Freiwilligen, aus denen die Kavallerie ausschliefslich,
das In-
genieurkorps und die Artillerie zu grofsem Teile sich ergänzen sollten, ward yon Jahr zu Jahr geringer, daher mufsten die Ansprüche an die Rekruten herabgemindert werden, und von den auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht durch das Los für den Militärdienst Bestimmten machte, wer es irgend konnte, von dem Rechte Gebrauch , sich einen Stellvertreter zu kaufen. Es wurde ihm durch Stellvertretervereine erleichtert, welche gegen Zahlung einer gewissen Summe für den Ersatzmann sorgten, sobald ein Mitglied des Vereins bei der Losung bestimmt war,
dem Kalbfelle
zu folgen.
die Stellvertretung indessen für die Infanterie.
Sie
Ein Gutes hatte verschaffte
ihr
vorzügliche Unteroffiziere, da diesen die Berechtigung zustand, sich als Stellvertreter zu verkaufen. Die Unteroffiziere waren daher bei der Infanterie, wie übrigens auch bei den übrigen Truppengattungen , der Fall war, lediglich Berufssoldaten, welche durch die vorzüglich geregelte Aussicht auf Civilversorgung dem Dienste lange erhalten blieben. Die Eingestellten wurden nach achtzehnmonatlicher Ausbildung als Rekruten beurlaubt und dann während der Dauer ihrer siebenjährigen Dienstzeit hin und wieder zu Übungen eingezogen. Sie waren nie länger als zwei Jahre bei der Fahne. Die Bewaffnung der Infanterie liefs viel
zu wünschen übrig.
Man fühlte sich als eine selbständige Macht und wollte es bleiben ,
201
Die königlich Hannoversche Armee.
daher sträubte man sich gegen das preufsische Zündnadelgewehr und zog 1866 mit zwei Arten von Vorderladern in das Feld, von denen keiner auch nur entfernt billigen Anforderungen genügte. Ebenso waren die glatte Pistole der Kürassiere wie die gezogenen Kolbenpistolen der leichten Kavallerie Waffen, welche sich längst überlebt hatten. Etwas besser war die Artillerie daran. Sie hatte teilweise gezogene Sechspfünder aus Preufsen bezogen und war mit Erfolg bemüht gewesen, ihre alten englischen Geschütze zweckmäfsig umzugestalten. Auf die in dem Buche kurz und anschaulich gekennzeichneten taktischen Vorschriften, auf Besoldungs- und Pensionsverhältnis und auf das Militär- Gerichtswesen kann hier nicht eingegangen werden. Nur eine eigenartige aber segensreiche Einrichtung mag Erwähnung finden: Kein Offizier durfte als Sekondelieutenant und bevor er fünfundzwanzig Jahre alt war, heiraten und die Zahl der verehelichten Offiziere eines Regiments durfte den dritten Teil der Gesamtheit nicht Darüber wachte eine Kommission, deren Mitglieder übersteigen. Ernst August mit Vorliebe unter den alten Hagestolzen wählte . Auch das Militär - Bildungswesen ,
zum Teil auf den im
vorigen Jahrhundert geschaffenen , durch Scharnhorsts Lehrthätigkeit in weiten Kreisen bekannt gewordenen Einrichtungen beruhend , zeigte ungewohnte Erscheinungen. Die bemerkenswerteste ist die, dafs der Sekondelieutenant zwei Winter hindurch eine Schule, die MilitärAkademie zu Hannover, besuchen musste und nicht befördert wurde, bevor er nicht nur die Schlufsprüfungen bestanden , sondern auch in einem weiteren Examen den Besitz der erforderlichen Dienstkenntnisse nachgewiesen hatte. Seit 1843 bestand ein Kadettenkorps, welches. den Ersatz an Offizieren ausschliesslich liefern sollte und in ruhigen Zeiten dazu
imstande
war ;
der Austritt geschah
als
Regiments-
kadett ; nach beendeter praktischer Ausbildung, deren Vorhandensein wieder in einer Prüfung dargethan werden muiste, folgte nach Maßsgabe der zur Verfügung stehenden Offizier.
Stellen
die
Beförderung
zum
Der langen Kriegszeit folgte nach dem Jahre 1816 ein noch längeres bis 1848 dauerndes Friedenslcben. Nur einmal schien es, als ob dasselbe unterbrochen werden sollte, als nämlich im Jahre 1831 die belgischen Händel den Deutschen Bund zu einer Mobilmachung von Truppen veranlafsten, die aber nicht zum Ausmarsche kamen, und einmal machten innere Unruhen, welche nach der Julirevolution die Geister in der Universitätsstadt Göttingen verwirrt
Die königlich Hannoversche Armee.
202
hatten, ein Einschreiten mit bewaffneter Hand, aber ohne Blutvergiefsen, nötig.
Sonst unterbrachen
nur
selten gröfsere Zusammen-
ziehungen zu Übungszwecken die Eintönigkeit des Lebens in der Garnison. Die bedeutendste solcher Vereinigungen, ein Ereignis in der Geschichte des Deutschen Bundes, war die des X. Armeekorps bei Lüneburg im Jahre 1843 , wo einer der alten Führer der Legion , der General Sir Hugh Halkett, den Oberbefehl führte. Das Jahr 1848 brachte endlich Krieg. Es war der WaffenWiederum unter gang des deutschen Bundes gegen Dänemark . Halketts Kommando nahmen 8 Bataillone, 9 Schwadronen, 2 Batterien an dem Feldzuge teil. Mit Braunschweigern , Mecklenburgern und Oldenburgern zu einer Division vereinigt, ereilten sie am 24. April vor Flensburg die Nachhut der Tags zuvor von den Preufsen bei Schleswig geschlagenen dänischen Armee, warfen jene und nahmen ihr eine Standarte ab, besetzten dann die Düppelstellung, wurden am 28. Mai durch einen überraschenden Angriff des Gegners aus derselben vertrieben
und
eroberten
sie am 5. Juni, nachdem
am
Tage zuvor hannoversche Dragoner über Fühnensche einen Erfolg davon getragen hatten, in gemeinsamem Kampfe mit preuſsischen Truppen zurück. Nachdem der schmähliche Waffenstillstand von Malmö die Feindseligkeiten vom Herbst 1848 bis zum Frühling 1849 unterbrochen hatte, begann der Krieg von neuem und wiederum stellte Hannover seinen Beitrag zu dem vom Bunde aufgebotenen , dieses mal durch den preussischen General von Prittwitz befehligten Heere. Es waren 6 Bataillone, 4 Schwadronen , 3 Batterien unter dem Kommando des Generals Wyneken, ebenfalls eines alten Legionärs. Der Verlauf und die Ergebnisse des Feldzuges waren noch weniger erfreulich als die des vorigen . Die hannoverschen Truppen gelangten nur einmal zu nennenswerter Verwendung im Gefecht, welche noch dazu keine glückliche war. Es geschah am 6. April bei Ulderup. Unangebrachter Thatendrang veranlafste zu einem von der Heeresleitung nicht gewollten allzuhitzigem Vorgehen, welchem der Rückzug folgte.
Die nicht nach Schleswig- Holstein entsendeten Truppen waren
inzwischen mehrfach gebraucht, um Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten, wozu überall das Erscheinen ausreichte, so dafs nie nötig war, die Waffen zu gebrauchen . Auch aufserhalb des eigenen Landes ward ihre Hilfe zu jenem Zwecke in Anspruch genommen : Während des Winters 1848/49 hielten 6 Bataillone, 4 Schwadronen, 2 Batterien das Herzogtum Altenburg und die peufsischen Lande besetzt.
Die
Mannszucht und alle anderen guten Eigenschaften der hannoverschen Soldaten bestanden in jenen schweren Zeiten alle Proben, auf welche sie gestellt wurden, auf das Glänzendste.
Die königlich Hannoversche Armee. Nachdem
203
aus Anlafs des Orientkrieges in den Jahren 1854
und 1855 und des italienischen Krieges vom Jahre 1859 Mobil machungen stattgefunden hatten, ohne dafs ihnen der Ausmarsch gefolgt wäre, brachte der Winter 1863/64 in einem Nachspiele zu der schleswig- holsteinschen Tragikomödie von 1847/49 eine Ver wendung, welche die Mitte hielt zwischen Krieg und Frieden . bestand in der Teilnahme an einer Bundesexekution, welche
Sie die
Rechte Holsteins wahren und das Herzogtum vor dänischer Ver gewaltigung schützen sollte, und war keine erfreuliche. Als Grenz wache und zur Besetzung der Küsten gebraucht standen die Truppen. dort Gewehr bei Fufs, sie mufsten ansehen, wie Österreicher und Preufsen bei ihnen vorbeizogen zu Kampf und Sieg und wurden schliesslich vor die Thür gesetzt. Dann kam das Jahr
1866 ,
das letzte
des Bestehens
der
Armee. Die Stellung, welche die Verfasser zu den politischen Fragen, um deren Austrag es sich handelte, genommen haben, ist im Ein gange dieser Arbeit angedeutet ; bei der von ihnen gegebenen sehr klaren und
anschaulichen Schilderung der militärischen Vorgänge
sind sie den Berichten von Wengen und von Lettow gefolgt, welche so eingehend und unanfechtbar sind , dafs keine von beiden gegnerischen Parteien dagegen eine irgend erhebliche Einsprache thut. Der Schlufsakt, der Tag von Langensalza, brachte einen taktischen Sieg, welcher ungleich vollständiger gewesen sein würde, wenn nicht in unglaublicher Verblendung der auf dem linken Flügel der han noverschen Schlachtlinie
befehligende
General
die
Absichten
der
Oberleitung durchkreuzt, sich selbst und seinen Truppen die Gelegen heit zu hoher Auszeichnung und zu grofsen Erfolgen geraubt hätte. Aber der taktische Sieg war alsbald durch eine strategische Niederlage wett gemacht, für welche Heerführung die Verantwortung zu tragen haben.
und Staatskunst gemeinsam.
Die Truppen mussten die Waffen strecken, die sie so lange und noch zuletzt mit Ehren geführt hatten ; ihre Feldzeichen, soweit sie zur Ablieferung gelangten, wurden dem Feinde übergeben und werden jetzt, - auf das Fürwort des ritterlichen späteren Feldmarschalls Freiherrn von Manteuffel, welchen König Wilhelm, statt seinem Vor gesetzten, dem General Vogel von Falckenstein, die Ausführung der Kapitulation aufgetragen hatte, - an einem würdigen Orte, im Waffen saale des Zeughauses in der Stadt Hannover aufbewahrt; die Truppen verbände wurden aufgelöst, Offiziere , Unteroffiziere und Mannschaften wurden beurlaubt ; die Pferde der Kavallerie und der Artillerie, der Stolz des Landes, die sich ebenso bewährt hatten wie ihre Wärter,. wurden von diesen thränenden Auges dem glücklichen Gegner aus
Natürliche Grenzen.
204
geantwortet und schweren Herzens
suchte der Soldat, den weiſsen
Stab in der Hand , die Heimat auf, die fette Marsch oder die ein same Haide, den düsteren Tannenwald des Harzgebirges oder die laubgrünen Vorberge desselben . Trüben Blickes sah er in die Zu kunft. Nur eins konnte ihn trösten : Das Gefühl treu erfüllter Pflicht und das Bewusstsein, seine Schuldigkeit gethan zu haben. und durfte sich sagen :
Was vergangen kehrt nicht wieder ! Aber ging es leuchtend nieder Leuchtet's lange noch zurück.
Er mufste
14.
XV .
Natürliche Grenzen.
Einem Einblicke in die Karte Europas tritt sogleich das charakteristische Bild der reichen Gliederung dieses Erdteils entgegen. Überall greift das Meer tief ins Land hinein, so dafs die dadurch entstandenen Inseln und Halbinseln gesonderte Teilräume bilden , denen, wie Grofsbritannien, Spanien, Italien, Griechenland, Dänemark und Skandinavien, die Begünstigung nationaler Naturgrenzen zu teil Zwischen dieser Gruppierung peripherer Länder einerseits wird. und dem vom Osten Europas in breiter Front und ungeheurer Aus dehnung nach Asien hineinwachsenden russischen Reiche andererseits , lagert die kontinentale Landmasse des europäischen Rumpfes, über welche sich die Machtsphären Frankreichs, Deutschlands und Österreich Ungarns ausbreiten . Die Grenzen der aneinanderhaftenden Gebiete dieser drei Mächte sind nur teilweise durch wirkliche Naturschranken geschieden und tragen daher mehrfach den Charakter politischer Grenzen. Während bei den insularen und halbinsularen Ländern die natürliche Grenze sich im allgemeinen mit der nationalen deckt, ist dies bei den Kontinentalreichen nicht immer der Fall. Noch anders und eigenartiger verhält es sich mit dem russischen Reiche , dessen einheitlich gelagerter riesenhafter Kern , abgesehen von den baltischen Provinzen und den westlichen Gouvernements, infolge der Immensität der Entfernungen, der klimatischen Verschiedenheiten und der Mannigfaltigkeit der Bodenbeschaffenheit von vornherein schwer an zugreifen bleibt.
Obwohl Rufsland seither ebenfalls unter das Zeichen
Natürliche Grenzen.
des Verkehrs
getreten ist und
205
seine Eisenbahnen für strategische
Zwecke benutzbar sind, so werden sich die aggressiven Operations linien in diesem mafslosen Bereiche doch ungewöhnlich weit von ihrer Basis entfernen. selbst wenn dieselbe rechtzeitig vorverlegt oder neu geschaffen wird . Auch dürfte es schwer halten, die russische Hauptarmee im Falle defensiven Auftretens derselben wie 1812 und 1854 zur schnellen Entscheidungsschlacht zu zwingen oder anderweitige wirksame Zielobjekte, Stütz- und Angelpunkte von hervorragend stra tegischer Bedeutung alsbald herauszufinden. Seit Napoleons I. ver unglückter Invasion ist noch kein feindliches Heer wieder bis in das Innere des russischen Reiches vorgedrungen . Man hat Napoleon I. wohl unberechtigter Weise den Vorwurf gemacht, für die Verpflegung seiner enormen Streitkräfte nicht ausreichend Sorge getroffen zu haben , hat gerade im
Gegenteil grofsartige
Vorkehrungen für
Etappen, Magazine , Munitions- und Proviant-Transporte angeordnet, nur verloren sich im unermesslichen Raum Nachschübe wie Nachfuhren und die Armee wurde dem verderblichsten Mangel preisgegeben . Es frägt sich,
ob die
Leistungsfähigkeit
der russischen Eisenbahnen
heute sowohl für die Mafsnahmen einer energischen rücksichtslosen Offensive als auch für die Bedürfnisse eines in Grofsruisland Das europäische operierenden Invasionsheeres genügen würde. Rufsland hat als natürliche Grenzen im Norden das Eismeer, im
Süden
das
Schwarze
Meer,
die
Bergkämme
des
Kaukasus
und den Kaspischen See , östlich lehnt sich dem Meridiangebirge des Ural, das unbegrenzte asiatische Hinterland an, nur im Westen, zwischen Ostsee und Schwarzem Meer ist Rufsland, ohne natürlichen Abschlufs gefunden zu haben , über seine nationalen Grenzen hinaus gegangen, indessen bietet hier die Aussichtslosigkeit eines massierten Vorstofses in das Herz des russischen Reiches immerhin einen wenn auch nur negativen Ersatz für die fehlende Naturschranke. Man
wird aber den Begriff einer natürlichen Grenze im mili
tärischen Sinne von jener gleichnamigen Formel unterscheiden müssen , welche
zur Zeit Napoleons III . lebhaft erörtert wurde .
Wendepunkte
seines Glückes
Vor dem
inscenierte der Empereur bekanntlich
zur Verschleierung seiner Vergröfserungspläne
das Auskunftsmittel
der internationalen Forderung „natürlicher Grenzen", wonach sich die Landesgrenze mit der des von ihm vertretenen Nationalprinzips decken sollte. Es handelte sich hierbei lediglich um eine politische Theorie,
welche
die
Zusammengehörigkeit
aller
Völkerfamilien
gleicher Sprache und desselben Stammes erstrebte. Ganz andere Ge sichtspunkte heben die Bedingungen einer Naturgrenze hervor, wenn geographische
und
strategische Erwägungen in Betracht kommen.
Natürliche Grenzen.
206
Da handelt es sich zunächst um eine Verkettung militärisch wichtiger Abschnitte am Grenzsaume, welche Schutz- und Abwehrmittel bieten und weiterhin um gesicherte Aufmarschräume für die ins Feld rückenden Heeresabteilungen . Im Bereiche einer leicht zu ver teidigenden natürlichen Grenze genügende Deckung finden.
sollen die Truppen -Ansammlungen
Aus der flüchtigen Skizze der im vorstehenden angedeuteten Naturschranken treten als besonders charakteristisch Meere, Gebirge und Flüsse hervor, letztere soweit sie nur künstlich zu übergehen sind . Nach altem Rechte gehört das offene Meer bis zur äufsersten Trag weite
anliegenden Lande,
weshalb das
Fahrwasser nächst der Küste als Grenzabschnitt gilt .
schwerer
Geschütze
dem
Nur wo die
See in das Innere der Länder eindringt und Golfe, Buchten und Rehden bildet, ist sie dem freien Verkehr ebenso geöffnet, wie diesem zn Lande die Gebirgsdurchquerungen und Flufsübergänge offen stehen. Je hafenärmer die Küste und je unzugänglicher deren Be schaffenheit, um so
höher steigt der Grad des natürlichen Grenz
schutzes . Die Gebirge gestalten sich durch ihren Aufbau zu höchst verteidigungsfähigen Grenzmarkungen aus. Alle Zufahrtslinien werden von den Hochzinnen überragt und beherrscht, so dafs ein feindlicher Durchbruch auf die mehr oder minder passierbaren Lücken in den Felswänden angewiesen bleibt . Von besonders strategischem Werte sind die aus mehreren hintereinander laufenden Umwallungen be stehenden Kettengebirge, zumal solche von vorherrschender Längen streckung. Den natürlichen Bewegungshindernissen gehören ferner Flüsse an, welche durch reichliche Wassermasse verstärkt in tief eingeschnittenem Bette, rändern und
zwischen steilen ,
scharf abgesetzten Thal
ausgewaschenen Ufern, vom Hoch- oder Hügellande,
dem Meere zueilen
oder in der Niederung von breiten,
weichen
Wiesenthälern begleitet, Wald- und Sumpfzonen durchziehen. Mit der technischen Überwindung von Verkehrsschwierigkeiten einer Flulsgrenze tritt auch der hemmende Einfluss der letzteren mehr und mehr zurück und schwächt die Bedeutung des passiven Widerstandes der Strombarriere ab. Wo überhaupt eine solche Abschwächung aus notwendigen Verkehrsrücksichten hat geschehen müssen, sei es am Meeresstrande, im Gebirge oder an den Flufsufern, da werden auch ernste Vorbereitungen getroffen sein, um durch künstliche Ver stärkungen am richtigen Orte und in richtiger Form einen Ausgleich zu schaffen.
So
gipfeln jene
schon im Frieden zu treffenden An
ordnungen für die Landesverteidigung in Befestigungsanlagen aller Gattungen zum Schutze der bedrohten Stellen an Grenze und Küste. Es erübrigt noch einzuschalten, dafs das ganze System natürlicher
Natürliche Grenzen.
207
Grenzscheiden, dem Besitzer als unbestrittenen Herrn jederzeit den Vorteil der Offensive sichern mufs . Wie schon eingangs erwähnt, beansprucht die Abgrenzung der mitteleuropäischen Reiche aus politischen und strategischen Rück sichten ein vorwiegend reges Interesse . Nimmt man die Karte zur Hand und sieht sich die äufsere Gestaltung dieses Ländergebiets an, so macht sich eine erhebliche Abwechselung in Form und Be schaffenheit der Oberfläche leicht bemerkbar. Vom Alpenkranze steigen nach Westen, Norden und Osten die Übergangsstufen zum Mittelgebirge hernieder, dessen Höhenzüge allmählich zum Tieflande verflachen. Diesen geographischen Verhältnissen entspricht die Be urteilung der Grenzumrisse . Wenn sich danach Frankreichs natür liche Grenzen am regelmässigsten und wirkungsvollsten darstellen , wenn Österreich -Ungarn als ein zusammenhängendes Gebirgsland im allgemeinen von dichten Bergreihen umgeben ist, so hat Deutschland nur stellenweise
günstige Naturgrenzen
aufzuweisen, oft sind die
selben schwacher Natur oder rein politische Marken , wie an der breiten Ostseite der norddeutschen Tiefebene, welche unbestimmt und unmerklich in das weite sarmatische Flachland verläuft. Augenscheinlich nimmt Frankreich vermöge seiner abgerundeten Binnenlage zwischen den germanischen und romanischen Ländern eine bevorzugte Stellung ein. Seine Grenzentwickelung ist eine möglichst ge drungene und feste.
Der schroffe, wenig durchbrochene pyrenäische
Gebirgsrücken schliefst das Reich vollständig gegen Spanien ab, nur an der West- und Ostecke der Felswandungen, unweit des Strandes der biscayischen See und der Bucht von Lion, winden sich je eine grofse Heerstrafse sowie eine Eisenbahn durch das Gebirge. Zwischendurch führen lediglich beschwerliche Saumpfade über die Berge. Folgt man von Bayonne der Ozeanküste, so findet man sie bis zum Garonnebecken flach und moorig, daher hafenarm , zugäng lich erst durch die für Seeschiffe bis Bordeaux fahrbare Garonne. Der sich nordwärts anreihende Küstenstrich wird zusehends steiler, so dafs die scharf ausgebuchteten felsigen Meeresränder der Bretagne und Normandie, eine reichliche Anzahl geschützter und leicht zu verteidigender, vortrefflicher Häfen erbringen . Zwischen der Somme Mündung und der belgischen Grenze erweist sich die Küste von Ar tois dann wieder seicht und für Seeschiffe unnahbar, weshalb die Kriegshäfen von Calais und Boulogne künstlich geschaffen werden mufsten. Wendet man sich nun dem Mittelmeerstrande zu , so ist derselbe von Narbonne bis zur Felsküste der Provence fast verkehrs unbrauchbar, weil ihm Sandanhäufungen und Lagunen vorliegen, selbst die Mündungsarme der Rhone sind verschlämmt und nicht
Natürliche Grenzen.
208 mehr schiffbar. auf die Toulon.
Der mediterrane Verkehr konzentriert sich daher
wichtigen Zugangsstellen
der Häfen von Marseille und
Nicht weniger vorteilhaft ist die kontinentale Begrenzung des französischen Reiches hinsichtlich ihrer natürlichen Verteidigungs fähigkeit gestaltet. Zwar liegt die Nordgrenze zwischen dem Kanal und den von der Maas durchspaltenen Ardennen fast offen da, wes halb sich hier bis in das belgische Niederland hinein viele Schlacht felder befinden, auf denen germanische und romanisch-gallische wiederholt den gewalt Völker in übersichtlich freiem Gelände Daher ist samen Austrag ihrer Gegensätze vollzogen haben. dies aber auch die Gegend so vieler Grenzfestungen, die Linie Südlich der Bergverästelungen der des alten Cordon - Systems. Ardennen beginnt die Grenze in paralleler Richtung mit dem Laufe der Maas Front gegen Deutschland zu machen. Ein gewaltiges waldbedecktes Hochland, vorzüglich zu Defensivzwecken geeignet, dehnt sich zu beiden Seiten des Flusses aus, an seinem linken Ufer noch in zweiter Linie wallartig vom schluchtenreichen Argonnerwald elementarer Unzugänglichkeit eine be An ihren wichtigsten Zu- und Über
begleitet, welcher wegen deutende Schranke bildet.
gängen bei Sedan, Verdun und Toul hat die Maas eine Breite von über 60 m. Eine Lücke zwischen den Höhenzügen der Maas und den Vogesen wird in rückwärtiger Staffel von den monts Faucilles ausgefüllt, welche die Quelladern der Mosel und Saône von ein ander trennen . Den südwärts streichenden Vogesen schliefsen sich mit wenig Unterbrechung die Juraketten und diesen der westlichen Flügel der Alpen an. Jene drei sich anreihenden Systeme stellen in ihrer Gesamtheit einen kolossalen Gebirgsdamm mit Steilabsturz nach aufsen und allmählicher plateauartiger Abdachung nach französi scher Seite dar , eine strategische Brustwehr Erankreichs gegen Süd deutschland, die Schweiz und Italien. Die Vogesen bieten nur spär liche Wegsamkeit, der Hauptverkehr geht durch den Pals von Zabern, wo sich neben dem Rhein - Marne - Kanal die Eisenbahn Strafsburg-Paris hinwindet.
Durch die von der defensivkräftigen
Fortsfestung Belfort beherrschte, 24 km breite, zu allen Jahreszeiten gangbare Öffnung der burgundischen Pforte zwischen dem Südhange der Vogesen und den nördlichen Stufen des Jura, zieht mit dem Rhein-Rhone-Kanal eine andere Hauptverkehrslinie , die Eisenbahn Mühlhausen-Paris bezügl. Lyon. Der Alpengürtel bildet schon mehr eine Grenzzone von 150 km durchschnittlicher Breite, eine Welt für An der sich und klimatische wie ethnographische Grenzscheide. ganzen Ostgrenze haben die Franzosen bekanntlich ein völliges Ab
Natürliche Grenzen.
209
sperrungssystem von bisher noch nicht dagewesenem Umfange her und alle Zugänge dieser ohnehin genügend sichernden Naturgrenze hermetisch abgeschlossen. Diese Abwehrstellung wird
gestellt,
peinlich überwacht besonders in betreff aller nötigen Vorbereitungen für den ersten Widerstand . Aber die von der Artillerie der Sperr forts bestrichenen Zugänge dienen weiterhin zu Ausfallthoren, um dem Gegner in der Offensive zuvorzukommen. Die befestigte fran zösische Ostgrenze ist daher ihrem eigensten Wesen nach eine Angriffsposition gegen das Nachbarland. Während Frankreichs natürliche Landesabgrenzung mit Aus nahme ihres nördlichen Teils, den militärischen Anforderungen an eine solche vollkommen entspricht, sind dem deutschen Reiche nur wenige oder minderwertig feste Naturschranken gesetzt. Einem solchen Mangel künstlich abzuhelfen, ist um so dringender geboten , als Deutschland von den slavischen Ländern des Ostens und den romanischen des Westens und Südens
umgeben ist.
In dieser Be
ziehung würde das an sich ungünstig begrenzte Reichsgebiet auf eine strategische Defensive angewiesen sein, welche lediglich die Möglichkeit bietet, den feindlichen Einbruch zu verhindern oder doch zu erschweren, wenn nicht einer grofsen kriegstüchtigen Armee unter allen Umständen das greifbare Moment der Überlegenheit und damit auch der angriffsweisen Kriegführung unverloren bliebe. Die Zu sammensetzung der Grenzen Deutschlands ist höchst ungleichförmig gestaltet, so dafs der Umfang der letzteren den des französischen Grenzverlaufes, verhältnismäfsig weit übertrifft und damit eine gröfsere Verteidigungskraft erfordert. Im Westen folgt die Grenze mit
nördlicher Richtung
zunächst dem Vogesenkamme und durch
quert dann ohne starken sichernden Halt die lothringische Hochlands fläche, übergeht südlich vor den Thoren der Heeresfestung Metz das Moselthal,
ebenso die Hügellandschaft der Eifel und zieht nun im
offenen Niederungslande der
zur Nordseeküste.
Das
linksseitige Ufer
unteren Ems wird meilenweit vom Bourtanger Moor begleitet,
welches ungeachtet neuerer kultureller Behandlung noch immer einen strategisch absperrenden Landstrich gegen Nordholland bildet. Gleich offen und rein politischen Charakters erweist sich die kurze Strecke der jütländischen Grenze. In innig geographischer Berührung stehen die deutschen und russischen Grenzlande zu einander, zwar lassen vielfache Flufsläufe, Seelinien und Sumpfstrecken stellenweise eine natürliche Grenzscheide erkennen , aber nirgends finden sich aus gedehnte, militärisch wichtige Abschnitte, welche den anliegenden Räumen diesseits und jenseits Sicherheit gewähren könnten. Wie an der Westgrenze Wesel, Köln, Mainz , Strafsburg und Metz, so haben auch
Natürliche Grenzen.
210
hier machtvolle Festungen, Hauptflufslinien
gelegen
und
nationale Sicherheit Sorge keilartig
eingreifenden
Königsberg, Thorn und Posen, meist an deren Übergänge
zu tragen.
Landesteile
deckend ,
von Polen
und Böhmen
ursachen eine ungewöhnlich erweiterte Grenzausdehnung . die Entfernung der Luftlinie
für die
Die in das deutsche Gebiet ver-
So beträgt
von Lyck in Ostpreufsen bis Passau
in Niederbayern kaum 850 km,
während die wirkliche Grenzlinie
über 1500 km mifst. Andererseits wird die umfangreiche deutschböhmischmährische von der Odermündung bis zur Donau reichende Grenze von den aneinandergereiheten mährischen Stufenlandschaften umwallt,
Bergzügen der böhmischdie, obwohl vom Elbthal
und einer gröfseren Anzahl von Pässen unterbrochen, doch immerhin wirksame Naturschranken herstellen.
Eine Scheidung der sich
anschliefsenden bayerischen Hochfläche von Oberösterreich geschieht im rechtsseitigen Flufsgebiete der Donau, wo dieselbe nach Aufnahme des Inn aus dem oberen in das untere Stufenland übergeht, durch die Wasserfäufe des Inn und der ihm zuströmenden Salzach, deren wiesenreiche und sumpfige Uferlandschaften scharfe Abschnitte zu bieten vermögen. Die ganze südliche Grenzlinie vom Inn bis zur burgundischen Pforte zieht am Hange der nördlichen Kalkalpenzone hin, da
sich jedoch die
deutsche Bergvorlagerung von den
emporsteigenden Alpenketten Tirols und der Schweiz hoch überragt sieht, so kann dieselbe füglich nur als ein strategisches Glacis dieser Alpenfront angesehen werden. kein Hochgebirge
Noch mag erwähnt werden ,
dafs
einen solchen Reichtum von Verkehrsstrafsen be-
sitzt wie die Mittelalpen , wo heute als am nennenswertesten die aus Tirol nach München und über die schweizerische Grenze nach Ulm, Rastadt und Strafsburg laufenden Eisenbahnen hervorzuheben sind . Betrachtet man endlich den Küstenbereich, so ergiebt sich eine natürliche Abgrenzung des norddeutschen Tieflandes an den Gestaden der Nord- und Ostsee. Die Nordseeküste zeigt sich um so geschützter, als dem Festlandsstrande noch der äufsere Küstensaum des Wattenmeeres vorgelegen ist. Zufahrtstellen für militärische Unternehmungen
finden
sich
nur in den Häfen des Dollart, Jade-
busens sowie an den Mündungen der Weser und Elbe.
Im Ostsee-
bereiche hat die schleswig - holsteinische Steilküste schmale tief einschneidende Buchten mit den ausgezeichneten Häfen von Flensburg, Eckernförde und Kiel, während eine Annäherung an die weitgestreckte pommersch-preufsische sandige Flachküste sich auf wenige befestigte Häfen Swinemünde, Danzig und Pillau als Vorhafen von Königsberg zu beschränken hat .
Schliefslich erübrigt noch die Bemerkung, daſs
die deutsche Grenze sich keineswegs mit der nationalen deckt,
in-
Natürliche Grenzen.
211
sofern die deutsche Sprache nach Österreich, der Schweiz und den russischen Ostseeprovinzen weit Grenze hinausreicht,
über
die natürliche und politische
wogegen fremde Nationalitäten nur in sehr
geringen Bruchteilen über die Reichsgrenze übergreifen. Osterreich - Ungarn ist vorwiegend Gebirgsland und bis auf wenige offene Stellen rings von Die vertikalen Unebenheiten der halb der Grenzlage des Landes dies dualistische Reich wohl mit
Fels- und Bergwänden umgeben . Bodenform zeigen sich auch inner deutlich ausgeprägt, so dafs man Recht das Land der natürlichen
Grenzen nennen kann. Aber dem geographisch gesicherten Staate fehlt die nationale Grenze, da das Wesen einer gemeinsamen Nationalität nicht vorhanden ist.
Nur in lockerem politischen Zu
sammenhange leben die Bevölkerungsgruppen von Deutschen, Slaven, Ungarn und Romanen nebeneinander, von denen jede ihre an gestammte Sitte, Art und Sprache zur Geltung bringen möchte . Nur das galizische Stufenland fällt aufserhalb der Gebirgsumwallung nach den Weichsel-, Bug- und Dnjestr - Niederungen ab und würde unvermerkt in das angrenzende russische Gebiet übergehen , wenn nicht kleinere Zuflüsse dieser Ströme die Grenze markierten. Zwischen dem schon besprochenen böhmisch-mährischen Bergkomplex und der gewaltigen Karpathen -Erhebung klafft die weite Lüke der mährischen Pforte.
Dies alte Völkerthor, in welchem von altersher germanische
und slavische Stämme sich auf blutiger Kriegsstrafse
wie
auf den
Wegen friedlichen Verkehrs begegneten, vermittelt noch heute den Verkehr zwischen Donau- Oder- und Weichselgebiet. Die kraftvollen Festungen Krakau und Olmütz bieten ausgezeichnete Positionen für Beobachtung und Beherrschung dieser Pforte. In scharf ausspringen dem Winkel nach Südost gliedert sich das Bergmassiv der Karpathen bis zur Donau. Das wenig zugängliche, leicht zu verteidigende Gebirge erschwert jede Invasion ohne es an geeigneten Ausfallthoren für Offensivzwecken fehlen zu
lassen.
Die Eisenbahn
Oderberg
Kaschau, Tarnow- Eperjes, ferner die ungarisch - galizische und ungarische Nordostbahn sowie die rumänisch- siebenbürgische Eisen bahn durchschnüren als Hauptverkehrswege das Gebirge. Zu er wähnen bliebe noch die altbegangene Heerstrafse, welche den Roten turmpaſs an der Durchbruchsstelle der Aluta passiert. Donau und Drina, diese inmitten steil abgesetzter Uferrandungen der Donau zuströmend, umsäumen die slavonische und zum Teil bosnisch herzegowiner Grenze, welche letztere gegen Kossowo und Montenegro von verschiedenen isolierten Berggruppen, Querriegelungen der bos nischen Gebirgszüge an der adriatischen Küste abgeschlossen wird. Am klippenreichen adriatisch-altillyrischen Strande ergiebt die zerklüftete 14 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 2.
Natürliche Grenzen.
212
Steilküste eine gut zu verwertende Abwehrkraft, namentlich an den zugänglichsten Anlaufstellen der wichtigen istrischen Kriegshäfen Triest und Pola. Die hochragende alpine Gebirgswelt der istrischen Halbinsel und Tirols nebst den beide verbindenden kärntnischen Bergzügen tritt gleich einer ungeheueren Front von zwei Bastionen mit
zwischenliegender
Kurtine,
allen
gelüsten in beachtenswerter Stärke urkräftige Naturschranke mit ihren
italienischen
entgegen.
Die
Angliederungs unwandelbare ,
künstlichen Verstärkungen ent
spricht den thatsächlichen Bedingungen des dortigen Grenzschutzes , denn Südtirol, Triest und Istrien sind die begehrtesten Ziele Italiens, ihr Erwerb das Dogma aller Italiener.
Als
strategisch wichtigste
Zugänge zu diesem südlichen Bollwerk der habsburgischen Kronlande sind aufser mehreren militärisch brauchbaren Alpenstrafsen, die Eisenbahnlinien Verona- Bozen - Brixen , Udine - Tarvis - Villach und Pola-Triest- Laibach zu nennen, sämtlich gedeckt gegen feindliche Vorbewegungen. Es bedarf schliesslich keiner näheren Erörterung, dafs die fast unvermittelten Abstiege der nordtiroler und salzburger Alpen nach Bayern hinein lediglich der natürlichen Verteidigungs fähigkeit der österreichischen Landesgrenze zu gute kommen . In betreff der Weichlandszone am Inn und Salzach wurde schon oben bemerkt, wie das wasserreiche Bett dieser Flüsse den südbayerischen Flachlandsboden vom österreichischen Donaustufenland absondert. Der strategische Wert natürlicher Grenzen ist vorwiegend defensiver Art und gipfelt in einem Kraftzuwachs der Landes verteidigung, welcher stark beschaffene verkümmert.
in dem Mafse abnimmt,
Grenze zur offenen rein
Andererseits
gewährt
als
eine von Natur
politischen Scheidelinie
die Naturschranke
aber auch
einen Schutzkordon oder mindestens Stützpunkt für den Aufmarsch des Operationsheeres und zwar möglichst nahe der Ansammlung feindlicher Streitkräfte, um etwaigen Offensivmafsnahmen des Gegners vorgreifen zu können. Solche Thatsachen dürften den Gedanken nahelegen, von wie grofsem Interesse dieser Richtung hin zu studieren.
es ist,
die Karte auch nach Hdt.
Der Offizier als Gerichtsherr.
213
XVI . Der Offizier als Gerichtsherr. Von
Dr. Dangelmaier. ' )
„ Der führt's Kommando nicht wie ein Amt, Wie eine Gewalt, die vom Kaiser stammt" Schiller , Wallensteins Lager. Der Offizier hat im Militär- Strafverfahren als Richter und VerNicht minder wichtig teidiger hochwichtige Rechte und Pflichten. aber sind die Rechte und Pflichten
des Offiziers , welchem
die
gerichtsherrlichen Rechte zustehen, denn der Offizier als Gerichtsherr ist der Hüter und Wächter der militärischen Rechtsordnung und Disziplin, Armee sind.
welche wesentliche Bedingungen des Bestandes der
Das Wort ,, Gerichtsherr
ist leider zu einem parteipolitischen
Schlagwort geworden. Die demokratischen Parteien aller Schattierungen sind für die Abschaffung der gerichtsherrlichen Rechte, und halten den Gerichtsherrn unvereinbar mit der Unabhängigkeit und Freiheit der Gerichte. Sie wollen den Gerichtsherrn aus der militärischen Rechtspflege hinausschaffen und die Militärgerichte wie die Civilgerichte einrichten. Allein schon Freund Goethe sagt : ,,Eines schickt sich nicht für alle“. Der Geist des Heeres fordert Sonderbestimmungen auch für die militärische Rechtspflege.
Der Soldat darf im
Prozesse seinen Vorgesetzten gegenüber nicht in eine andere Stellung treten, als in der er sich sonst befindet. Ein mit dem Civil-Strafprozefs sich vollkommen deckender ,, Militär- Strafprozefs" wäre ein wahres Unglück für das Heer. Vom militärischen Standpunkte wird auf die Beibehaltung der Gerichtsherrn im Interesse der Aufrechthaltung der Disziplin grofses Gewicht gelegt. Der Entwurf einer deutschen
Militär- Strafgerichtsordnung hat
die gerichtsherrlichen Rechte aus dem bisherigen preufsischen MilitärStrafverfahren übernommen, zugleich
aber den Anforderungen der
heutigen Rechtswissenschaft Rechnung getragen (z . B. durch die Bestimmungen über die Ergreifung der Rechtsmittel ). Auch die Gestaltung der gerichtsherrlichen Rechte beweist, dafs der Entwurf ein Stück emsiger und tüchtiger Geistesarbeit ist. Die Militär- Gerichtsbarkeit hat sich historisch aus der KommandoGewalt entwickelt.
Der römische Konsul oder Diktator hielt selbst
1 ) Der Verfasser ist Oberstlieutenant- Auditor im K. und K. Heere. 14*
Der Offizier als Gerichtsherr.
214 Gericht
und fällte das Urteil.
Der germanische Heerführer schlug
den ungehorsamen Wehrmann mit der Streitaxt vor der Front nieder. Selbst der dreifsigjährige Krieg enthält viele Beispiele der Selbstjustiz der Heerführer. Erst nach und nach bildete sich der Grundsatz heraus, dafs dem Befehlshaber die Strafverfolgung zusteht, während das Urteil von unparteiischen Standesgenossen gefällt wird. Die gerichtsherrlichen Rechte haben aber nicht nur die historische Entwickelung der Militär-Gerichtsbarkeit von der Kommando- Gewalt , sondern auch den heutigen Stand der Militär- Gesetzgebung für sich . Im Militär- Strafverfahren des österreichisch- ungarischen Heeres sind die gerichtsherrlichen Rechte fast ebenso gestaltet, wie im preufsischen Militär- Strafverfahren. Nach französischem Rechte ordnet ein höherer Kommandant (in der Regel der Divisionär) die Voruntersuchung an und entscheidet nach deren Durchführung über die Einstellung der Untersuchung oder die Versetzung in den Anklagestand . Auch im englischen und russischen Militär- Strafverfahren kommt dem militärischen Befehlshaber ein Einfluss auf die Einleitung der Untersuchung und deren Gang zu. Das Wort Gerichtsherr ist allerdings der deutschen Sprache eigen und läfst sich in andere Sprachen gar nicht übersetzen. militärischen Welche sind die Gründe , die vom
Standpunkte für die Beibehaltung des Gerichtsherrn geltend gemacht werden , und stehen denselben Gründe juristischer Natur entgegen ? Ein Hauptzweck der Militär- Strafrechtspflege ist die Aufrechthaltung der militärischen Disziplin. ' ) Ohne Disziplin kein Heer, ohne Heer kein Staat. Gott beschütze uns aber vor Anarchie. Der schlechteste Staat, selbst die römische Despotie unter Tiberius und Nero, ist der Anarchie vorzuziehen. Die Greuel- und Schandthaten, welche gegenwärtig von anarchistischen Mordgesellen verübt werden, lassen uns ahnen, wie es in einer Anarchie aussehen würde. Die Disziplin des Heeres ist eine wesentliche Bedingung des Bestandes des Staates und ein Haupthindernis der Verwirklichung anarchistischer Pläne. Die höheren militärischen Befehlshaber sind dem obersten Kriegsherrn für die Aufrechthaltung der Disziplin verantwortlich. Um diese Pflicht erfüllen zu können, genügt nicht das DisziplinarStrafrecht, sondern mufs den höheren militärischen Befehlshabern, nicht etwa einer andern Behörde (einer Staatsanwaltschaft ), die gerichtliche Strafverfolgung zustehen.
Der oberste Kriegsherr ist
1 ) Vergleiche meinen Aufsatz : „ Der Offizier als Richter und Verteidiger" im November-Heft 1898 dieser Zeitschrift, und meinen Aufsatz : „ Die neue deutsche Militär-Strafgerichtsordnung" im Mil .-Wochen-Bl. Nr. 68 und 69, 1898 .
Der Offizier als Gerichtsherr . der eigentliche Gerichts herr im Heere.
215 Er überträgt aber
die gerichtsherrlichen Rechte an die höheren Befehls haber, da er selbst nicht überall gegenwärtig sein kann. Die ge richtsherrlichen Rechte sind somit eine Macht, die vom obersten Dies erinnert uns an den Satz Schillers in Kriegsherrn stammt. Wallensteins Lager : ,,Der führt's Kommando nicht wie ein Amt, Wie eine Gewalt, die vom Kaiser stammt“. Das Recht bedarf zu seinem Bestande des Schutzes der Macht, sonst verflieht es sich in den Himmel, wie dies in der bekannten Erzählung von Hesiod geschieht. Der Gerichtsherr hat im Auftrage des obersten Kriegsherrn die militärische Rechtsordnung zu schützen und aufrecht zu erhalten.
Juristische Gründe stehen den gerichtsherrlichen Rechten, nament lich wie sie im Entwurfe geordnet sind, nicht entgegen. Gerechtig keit und Disziplin bilden keinen Gegensatz, vielmehr kann wahre Disziplin nur bei dem Walten strenger Gerechtigkeit bestehen. Der Heeresverwaltung selbst ist daher daran gelegen, dafs Gerechtigkeit besteht. Der militärische Vorgesetzte soll nach militärischen Be griffen nicht blofs den Schuldigen strafen, sondern auch für den Untergebenen, wenn nötig, einstehen . So auch der Gerichtsherr, wie dies an verschiedenen Stellen des Entwurfes, z. B. bei Bestellung des Verteidigers, bei den Rechtsmitteln u. s. w. anerkannt ist. Es ist daher nicht zu besorgen,
dafs der Gerichtsherr in dem Streben
nach Aufrechthaltung der Disziplin der Gerechtigkeit absichtlich Ab bruch thut. Irrtum ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen. Irren kann sowohl der Gerichtsherr als der Staatsanwalt im Civile. Eine Garantie für eine gerechte Rechtsprechung ist ferner, daſs das Urteil von unparteiischen Standesgenossen gefällt wird . Es ist sogar bestimmt, dafs die Hauptverhand lung (welche im Prinzipe öffentlich ist) in Abwesenheit des Gerichtsherrn stattfindet (§ 231 ) . -- Eine weitere Garantie für das Walten der Gerechtigkeit ist, dafs gegen das Urteil Rechtsmittel an höhere Gerichte in ausgedehnter Weise gestattet sind. Endlich steht dem Gerichtsherrn der höheren Gerichtsbarkeit ein richterlicher Militär-Justizbeamter zur Seite. Pflichtwidrigkeiten machen auch den Gerichtsherrn sowohl nach den Bestimmungen des Reichs- Strafgesetzes (§§ 333, 343 u. s. w.) als auch des Militär-Strafgesetzes (§ 119, 120 ) verantwortlich ( Marck, Der Militär- Strafprozefs, II , S. 275, Berlin 1895 ). Welchen werden gerichtsherrliche Befehlshabern
Gerichtsherrn der niederen Gerichtsbarkeit sind im Heere : der Regiments-Kommandeur, der Kommandeur eines
Rechte übertragen ?
Der Offizier als Gerichtsherr.
216
selbständigen Bataillons, der Kommandeur eines Landwehrbezirkes, der Kommandant von Berlin, der Kommandant einer kleinen Festung ; in der Marine : der Kommandeur einer Matrosen- oder Werft- Division, der Kommandeur eines selbständigen Bataillons (Abteilung). Gerichtsherrn der höheren Gerichtsbarkeit sind im Heere : der kommandierende General, der Divisions-Kommandeur, der Gouverneur von Berlin, der Gouverneur oder Kommandant einer grofsen Festung, der Gouverneur, Kommandant oder sonstige Befehlshaber eines in Kriegs- (Belagerungs-)Zustand erklärten Ortes oder Distriktes ; in der Marine : der kommandierende Admiral, der Chef einer heimischen Marinestation (§ 16, 17). ') Grundsatz ist, dafs der Gerichtsherr die Gerichtsbarkeit über die zu seinem Befehlsbereiche gehörenden Personen hat ( § 21 ). Diese Bestimmung ist eine natürliche Folge des Grundsatzes, dafs die Militärgerichtsbarkeit ein Ausflufs der Kommando- Gewalt ist. Der militärische Kommandant ist für die Disziplin der seinen Befehlen unterstehenden Truppen verantwortlich. Über diese mufs er daher die gerichtsherrlichen Rechte haben . Dadurch, dafs die Gerichts barkeit sich nach dem Kommando- Bereich, und nicht wie im Civile und der bayerischen Militär- Strafprozlesordnung, nach einem Territorial Bereich richtet, ist zugleich einem militärischen Bedürfnisse Rechnung getragen, nämlich dem raschen und leichten Übergang von der Friedens zur Kriegsformation. Der erwähnte Grundsatz erleidet jedoch Ausnahmen. Der Gouverneur und der Kommandant von Berlin, sowie die Gouverneure und Kommandanten von Festungen haben die Gerichts barkeit über alle unter der Militär- Gerichtsbarkeit stehenden Per sonen, welche
1. eine
Sicherheit, Ruhe
strafbare
Handlung gegen die
und Ordnung des Ortes
Art ) , 2. eine Zuwiderhandlung
gegen eine
allgemeine
( also in ausgedehnterer besondere in Beziehung
auf die Festungswerke und Verteidigungsmittel bestehende Anord nung, oder endlich eine strafbare Handlung im Garnisonsdienste begehen. Der Befehlshaber eines in Kriegs- ( Belagerungs - Zustand er klärten Ortes oder Distriktes hat die Gerichtsbarkeit über alle zur Besatzung gehörende Militär- Personen (§ 23, 24). Der kommandierende General übt die gerichtsherrlichen Rechte nur in zweiter Instanz aus. Ist ein kommandierender General oder ein in gleichem oder
1 ) Die Paragraphe des Entwurfes einer deutschen Militär- Strafgerichts ordnung werden hier nur mit § citiert.
Der Offizier als Gerichtsherr.
217
höherem Range stehender Offizier der Beschuldigte, so bestimmt fallweise der Kontingentsherr, im Felde und bei der Marine der Kaiser den Gerichtsherrn 1. und 2. Instanz (§ 18). Es ist somit in der Regel der Divisions-Kommandeur der Ge richtsherr in den Fällen der höheren Gerichtsbarkeit, und der Regi ments-Kommandeur in den Fällen der niederen Gerichtsbarkeit. (v. Marck, Kritische Betrachtungen zur Militär- Strafprozeſs-Vorlage, Berlin 1898 , S. 29). Im Verordnungswege kann die Gerichtsbarkeit anderen Befehls habern übertragen werden. Welche Rechte und herrn zu?
Pflichten
stehen
dem
Gerichts
Die Stellung des Gerichtsherrn ist analog mit der des Staats anwaltes. Es besteht jedoch ein Unterschied darin, dafs der Staats anwalt in der Voruntersuchung einem Gericht gegenüber steht, an welches er Anträge zu stellen hat. Der Gerichtsherr hingegen ist im Ermittlungsverfahren dominus litis , er verordnet und befiehlt. Organe des Gerichtsherrn sind in Fällen der höheren Gerichtsbarkeit Kriegsgerichtsrate und Oberkriegsgerichtsräte, in Fällen der niederen Gerichtsbarkeit der Gerichtsoffizier. Sobald der Gerichtsherr von dem Verdachte einer militär gerichtlich zu verfolgenden strafbaren Handlung Kenntnis erhält , hat er das Ermittlungsverfahren anzuordnen ,
und bestimmt als
Untersuchungsführer einen Gerichtsoffizier, in den Fällen der höheren Gerichtsbarkeit einen Kriegsgerichtsrat ( § 149 ). In Bezug auf die Strafverfolgung stehen in der Wissenschaft und Gesetzgebung zwei Prinzipien
einander gegenüber, das Legalitäts
und das Opportunitäts- Prinzip.
Nach dem Legalitätsprinzip ist die
Strafverfolgung lediglich vom Gesetze abhängig gemacht, d . h. Straf verfolgung hat einzutreten, wenn der Verdacht einer vom Strafgesetze verpönten Handlung vorliegt.
Nach dem Opportunitäts - Prinzip hin
gegen hat der Strafverfolgungs- Berechtigte zwar auch zuerst zu er wägen,
ob
eine strafgerichtlich
zu verfolgende Handlung vorliegt,
die Strafverfolgung aber auch von Opportunitäts-Gründen abhängig zu machen . Der Entwurf hat sich für das Legalitäts -Prinzip ent schieden, indem er verordnet, dafs der Gerichtsherr,
sobald er von
einer strafgerichtlich zu verfolgenden Handlung Kenntnis erlangt, das Ermittlungsverfahren anzuordnen hat. Ebenso ist es Pflicht des
Gerichtsherrn,
nach
durchgeführtem
Anklage zu erheben, wenn gegen
Ermittlungsverfahren die
den Beschuldigten der Verdacht
einer strafgerichtlich zu verfolgenden Handlung noch vorhanden ist. Der Gerichtsherr kann stets von den Akten Einsicht
Der Offizier als Gerichtsherr.
218
nehmen und die zur Aufklärung der Sache nötigen Verfügungen treffen. Wenn es ihm aus dienstlichen Gründen nötig erscheint, kann er einen Offizier bestimmen, welcher den Untersuchungshand lungen beizuwohnen hat. Der Gerichtsherr selbst darf jedoch an den Untersuchungshandlungen nicht teilnehmen ( § 160 ). Der Gerichtsherr entscheidet, ob eine beschuldigte Person des Soldatenstandes des Dienstes zu entheben ist , und über die Verhängung der Untersuchungshaft. Endlich bestimmt der Gerichtsherr die Sachverständigen und ordnet die Beschlagnahme und Durchsuchung bei aktiven Militärpersonen an. Nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens sind die Akten dem Gerichtsherrn vorzulegen, welcher die Vervollständigung anordnen kann. Ist dies nicht der Fall, so entscheidet der Gerichts herr über die Versetzung in den Anklagestand oder die Ein stellung des Verfahrens. Nach einigen Militär- Strafprozeſs ordnungen (z. B. der italienischen) trifft eine Kommission diese Ent scheidung. Es dient aber zur Hebung der Autorität der militärischen Befehlshaber, dafs sie es sind, welche den Soldaten vor Gericht stellen.
Was zur Hebung der Autorität der Befehlshaber beiträgt,
fördert den guten Geist des Heeres, denn
das Vertrauen
zu den
Führern ist die erste Bedingung desselben. Von dem Geiste des Heeres sagt Schiller die unsterblichen Worte : „ Und der Geist, der im ganzen Korps thut leben, Reifset gewaltig, wie Windesweben, Auch den untersten Reiter mit". Juristische Gründe stehen der Normierung des Entwurfes nicht entgegen.
Sie entspricht
dessen Einführung gerade gelegt wird.
vollkommen
dem
Anklageprinzipe ,
von juristischer Seite
grofses
auf
Gewicht
Liegen gegen den Beschuldigten hinreichende Verdachtsgründe einer militärgerichtlich verfolgbaren Handlung nicht vor, so stellt der Gerichtsherr das Ermittlungsverfahren ein, liegen aber hinreichende Verdachtsgründe vor, so hat der Gerichtsherr die Anklage zu verfügen , wenn nicht etwa eine Disziplinarstrafe zulässig ist (§ 3 des Einf.-G. zum Mil.-St.-G. ) , oder eine Strafverfügung (nur zulässig bei Übertretungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffent licher Abgaben und Gefälle ) zu treffen ist. Die Anklageverfügung hat die dem Angeklagten zur Last gelegte That unter Hervorhebung der gesetzlichen Merkmale und des anzuwendenden Strafgesetzes zu bezeichnen ( § 241 ) . Bei der Anklageverfügung hat der Gerichtsherr wie der Offizier als Richter mit dem Gesetze in der Hand vorzugehen. Er hat zu erwägen, unter welche gesetzliche Begriffsbestimmung die
Der Offizier als Gerichtsherr.
219
dem Beschuldigten zur Last gelegte That fällt, und welche Straf gesetze Anwendung finden. Es wird daher der Gerichtsherr der höheren Gerichtsbarkeit mit Vorteil sich des Rates des
ihm bei
gegebenen Kriegsgerichtsrates bedienen. Gegen die Einstellung
des Ermittlungsverfahrens
seitens
des
Gerichtsherrn hat derjenige , welcher den Antrag auf Strafverfolgung gestellt hat, wenn er zugleich Verletzter ist, die Rechtsbeschwerde an den höheren Gerichtsherrn (§ 236 ) .
Der höhere Gerichtsherr ist
befugt, den ihm untergebenen Gerichtsherrn anzuweisen, eine Unter suchung einzuleiten oder fortzusetzen , sowie ein Rechtsmittel ein zulegen oder zurückzunehmen . In den Gang der eingeleiteten Unter suchung darf er nicht eingreifen ( § 21 ) . Im Falle einer Anklage- Verfügung befiehlt der Gerichtsherr den Zusammentritt des Stand- oder Kriegsgerichtes und bestimmt in den Fällen der höheren Gerichtsbarkeit einen Kriegsgerichtsrat, in den Fällen der niederen Gerichtsbarkeit den Gerichtsoffizier, welcher als Anwalt gilt als geführt Ferner
der Klage bei der Hauptverhandlung aufzutreten hat. Hiebei Regel, dafs der Kriegsgerichtsrat, welcher die Untersuchung hat, nicht als Anwalt der Klage bestimmt werden soll. entscheidet der Gerichtsherr über Anträge des Beschuldigten
betreffend die Vorladung
von
Zeugen
und
Sachverständigen
zur
Hauptverhandlung. Was die Verteidigung betrifft,
obliegt dem Gerichtsherrn in
den Fällen der notwendigen Verteidigung (in der Regel bei Ver brechen) die Bestellung des Verteidigers, wenn der Angeklagte einen Er kann aber auch sonst, wenn er es solchen nicht erwählt hat. für sachgemäſs hält, einen Verteidiger bestellen, also auch wenn ihm dies zu Gunsten des Angeklagten notwendig scheint. Wenn der Angeklagte aufser den Fällen der notwendigen Verteidigung einen Antrag auf Bestellung eines Verteidigers stellt, entscheidet aufser halb der Hauptverhandlung der Gerichtsherr.
in der Hauptverhand
lung das Gericht ( § 323 , 324) . Während im Ermittlungsverfahren und bei der Versetzung in den Anklagestand der Gerichtsherr,
wie wir
im vorstehenden ge
sehen, Herr des Verfahrens ist, tritt derselbe in der Hauptver handlung zurück. Das Urteil wird von unabhängigen Standes genossen nach freier richterlicher Überzeugung gefällt. Befehl zulässig.
Gegenstand der Aburteilung
Hier ist kein
ist zwar die in der
Anklageverfügung des Gerichtsherrn bezeichnete That , was voll kommen dem Anklageprinzip entspricht. An die Beurteilung der That in der Anklageverfügung ist jedoch das Gericht nicht gebunden. Im Rechtsmittelverfahren tritt der Gerichtsherr wieder her
220 vor.
Der Offizier als Gerichtsherr. Im Interesse der
Aufrechthaltung der Disziplin
und Rechts
ordnung mufs dem Gerichtsherrn gestattet sein, gegen Urteile, mit welchen er nicht einverstanden ist, die Entscheidung des höheren Gerichtes herbeizuführen . (Im Felde tritt ein noch stärkeres Recht ein).
Der Gerichtsherr kann aber auch zu Gunsten des Angeklagten
Rechtsmittel ergreifen .
Überdies hat jedes vom Gerichtsherrn er
griffene Rechtsmittel die Wirkung, dafs die angefochtene Entscheidung auch zu Gunsten des Angeklagten aufgehoben und abgeändert werden kann (§ 352 ). Hierin liegt die Anerkennung eines schönen Ge dankens, nämlich des Gedankens, dafs der Offizier als Gerichtsherr nicht nur das Strafverfolgungsrecht ausübt, sondern dafs er auch für den Soldaten eintritt, wenn er glaubt, dafs demselben Unrecht ge schieht. Rechtsmittel gegen Urteile sind die Berufung und die Revision. Die Berufung gegen standgerichtliche Urteile geht an das Kriegsgericht, gegen kriegsgerichtliche Urteile an das Ober kriegsgericht. Die Revision ist nur gegen Urteile der Oberkriegs gerichte (also nicht im standgerichtlichen Verfahren ) geht an das Reichs -Militärgericht (§ 348 ).
zulässig und
Was die Berufung betrifft, hat sich der Gerichtsherr gegen wärtig zu halten , dafs dieselbe im weitesten Umfange zulässig ist, sowohl in Bezug auf die Schuld- als die Rechtsfrage (§ 363 ).
Der
Gerichtsherr kann also gegen ein freisprechendes Urteil die Berufung ergreifen, wenn er von der Schuld des Angeklagten überzeugt ist. Er kann ferner die Berufung ergreifen, wenn er der Ansicht ist, dafs nicht das richtige Strafgesetz angewendet wurde, wenn z. B. das Urteil auf eigenmächtige Entfernung lautet, während der Gerichts herr Fahnenflucht als vorhanden annimmt. Endlich kann der Ge richtsherr gegen die Ausmessung der Strafe die Berufung einlegen. Mit dem Rechtsmittel der Revision an das Reichs- Militärgericht kann der Gerichtsherr das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung an fechten (also nicht wegen der Schuldfrage). Der Gerichtsherr hat stets anzugeben , in welcher Beziehung er mit dem Urteile nicht einverstanden ist, da sowohl in der Berufungs als Revisions -Instanz das Urteil nur soweit der Prüfung unterzogen wird, als es angefochten ist ( § 365, 394). Die Erklärungen des Gerichtsherrn über die Geltendmachung der Rechtsmittel sind in Fällen der niederen Gerichtsbarkeit von dem Gerichtsoffizier, in Fällen der höheren Gerichtsbarkeit von einem richterlichen Militär- Justizbeamten zu den Akten zu bringen. Anders wie im Frieden ist es im Felde. Schon zur Zeit der alten Römer fand zur Kriegszeit wegen Militär-Delikte eine Berufung nicht statt. Dieser Grundsatz erhielt sich mit gutem Grunde bis
Der Offizier als Gerichtsherr.
auf die Gegenwart.
221
Im Kriege drängen sich die Ereignisse.
Von
Augenblicken hängt oft die Entscheidung ab . Pflichtwidrigkeiten des Soldaten (z . B. Feigheit, Fahnenflucht, Subordinationsverletzung ) können, wenn die Strafe der That nicht rasch folgt, die schädlichsten Folgen haben. Die militärische Notwendigkeit läfst im Kriege keine Rechtsmittel mit aufschiebender Wirkung zu. An ihre Stelle tritt das Bestätigungs- beziehungsweise Aufhebungs - Recht der Gerichtsherrn . Im Kriege ist die Gerichtsherrlichkeit noch im er höhteren Grade als im Frieden nach den als Motto unseres Auf satzes angeführten Worten Schillers eine ,, Macht , die vom Kaiser Dem Kriege ist im Entwurfe der Zustand an Bord gleich gestellt, da die Verhältnisse ähnliche sind (§ 403 und ff. ) . Welche militärischen Befehlshaber diese Rechte auszuüben haben, bestimmt stammt".
der Kaiser, weil, wie die Motive sagen, der Kaiser im Felde die gesamte militärische Autorität in seiner Person vereint. Wenn der Kaiser sich selbst diese Rechte vorbehält, sind ihm die Akten vom Präsidenten des Reichs-Militärgerichtes Gutachten der Militär- Staatsanwaltschaft vorzulegen.
mit einem
Wenn der vom Kaiser bestimmte Befehlshaber das Bestätigungs recht auszuüben hat, mufs er, wenn das Urteil auf den Tod , Zucht haus, Gefängnis oder Festungshaft von mehr als einem Jahre lautet , vor der Bestätigung des Urteils ein schriftliches Gutachten eines richterlichen Militär-Justizbeamten (in dessen Ermangelung das Gut achten eines für das Richteramt geprüften Offiziers oder Beamten) einholen. Dies kann der Gerichtsherr auch dann, wenn ihm das Urteil bedenklich erscheint. Durch die gerichtsherrliche Bestätigung erlangt das Urteil Rechts kraft und wird vollzogen. Wenn der zur Bestätigung berechtigte Befehlshaber mit dem Urteile nicht einverstanden ist, so hat er, wenn ihm auch das Auf hebungsrecht übertragen ist, das Urteil aufzuheben, sonst aber die Entscheidung des höheren Befehlshabers einzuholen, welchem auch dieses Recht zusteht. Das Recht, gerichtliche Urteile aufzuheben, wird, wie die Motive sagen , habern übertragen werden.
nur einzelnen hochgestellten Befehls
Die Folge der Aufhebung ist die Berufung eines neuen erkennen den Gerichtes. Der zur Aufhebung berechtigte Befehlshaber kann aber auch die Einleitung des ordentlichen Verfahrens verfügen, wenn sich die Angelegenheit bis zur Beendigung des Krieges aufschieben läfst. Wesentlich verschieden von der Bestätigung der Urteile im Felde, ist die Bestätigung der Urteile im Frieden. Im Frieden werden Urteile , die durch ein Rechtsmittel nicht mehr anfechtbar,
Der Offizier als Gerichtsherr.
222
also bereits rechtskräftig sind,
mit der Bestätigungsordre versehen .
Wem dieses Bestätigungsrecht zusteht, bestimmt bei der Marine der Kaiser, sonst der zuständige Kontingentsherr. Gegen das Bestätigungsrecht im Frieden, wie dasselbe im Ent wurfe geregelt ist, hat sich eine Autorität 1. Ranges auf dem Gebiete des Militärrechts, nämlich Dr. v. Marck, Professor in Greifswald, ausgesprochen. Namentlich macht er geltend, dafs die im Entwurfe normierte Bestätigung
keine
eigentliche
Bestätigung
ist,
da
ein
rechtskräftiges Urteil vollzogen werden muſs. Dem Jasagen steht die Möglichkeit eines Neinsagens nicht zur Seite . (Kritische Be trachtungen S. 71.) Jedenfalls aber dient es zur Hebung der Autorität der militärischen Befehlshaber, wenn in ihrem Auftrage die militärgerichtlichen Urteile vollzogen werden,
und dies den Soldaten
bekannt gemacht
wird.
Von besonderer Bedeutung wird die Bestätigung, wenn den höhern militärischen Befehlshabern vom obersten Kriegsherrn ein Begnadigungs recht, welches bei Bestätigung der Urteile auszuüben ist, übertragen wird. Nach den Motiven scheint dies beabsichtigt zu sein. Im Entwurfe konnte keine diesbezügliche Bestimmung getroffen werden , da eine Übertragung des Gnadenrechtes nicht gesetzlich zu normieren ist, sondern durch einen allerhöchsten Willensakt erfolgt. Schliesslich wollen wir noch von dem Verhältnisse des
Gerichtsherrn zu den Kriegs- und Oberkriegsgerichtsräten sprechen. Insofern die erwähnten richterlichen Militär-Justizbeamten als Richter bei den erkennenden Gerichten mitwirken, kann der Gerichtsherr an dieselben keine Befehle erteilen, da das Gericht frei und unabhängig Dem Untersuchungsführer und dem Vertreter der Anklage aber
ist .
erteilt der Gerichtsherr Befehle. Eine selbständige Staatsanwaltschaft besteht nur beim Reichs-Militärgericht, wo kein Gerichtsherr ist. Der Entwurf sucht aber doch schon im Vorverfahren ein Zusammen wirken des soldatischen und des juristischen Elementes durch die Bestimmung zu erzielen, dafs in den Fällen der höhern Gerichts barkeit alle im Laufe des Verfahrens ergehenden Entscheidungen und Weisungen des Gerichtsherrn, soweit das Gesetz nicht etwas anderes bestimmt, von einem richterlichen Militär-Justizbeamten mit zufertigen sind. Letzterer übernimmt durch die Mitfertigung die Mitverantwortlichkeit für die Gesetzmäfsigkeit.
Hält derselbe
die
Verfügung mit den Gesetzen oder mafsgebenden Verordnungen nicht vereinbar, so hat er Vorstellung zu erheben. Bleibt diese erfolglos , so hat er die Weisung zu befolgen. Der Vorgang ist jedoch zu den Akten zu bringen, und sind die Akten demnächst dem Reichs Militärgericht vorzulegen. Die Fälle, in welchen der Gerichtsherr
223
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
ohne Mitfertigung eines richterlichen Militär-Justizbeamten entscheidet, sind : Enthebung des Beschuldigten vom Dienste,
Verhängung der
Untersuchungshaft, Einstellung oder Anklageverfügung, Ausscheidung unwesentlicher Delikte bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Hauptdelikte, Abänderung oder Zurückziehung der Anklageverfügung zu Gunsten des Angeklagten wegen neu hervorgekommener Umstände. Wenn hingegen zwischen dem Gerichtsherrn und dem zur Mit zeichnung berufenen Militär - Justizbeamten über ein Rechtsmittel Meinungsverschiedenheiten bestehen, so ist die Entscheidung des Reichs- Militärgerichts einzuholen. Es kann nicht geleugnet werden, dafs bei dem geschilderten Vorgang bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Gerichtsherrn und dem • ihm zugewiesenen Militär-Justizbeamten Verzögerungen des Verfahrens entstehen können, während Schleunigkeit ein wesentliches Erfordernis jeder militärischen Rechtspflege ist . In der That aber wird es nicht häufig zu Meinungsverschiedenheiten kommen, welche der obersten militärischen Gerichtsstelle anzuzeigen sind. General Auditeur Ittenbach, dem, obwohl er scherzweise die exceptio plurium concumbentium gegen die Vaterschaftsklage im Reichstage geltend machte, doch jedenfalls ein grofses Verdienst an der Ausarbeitung und Durchbringung des Entwurfes im Reichstage zukommt , sagt über das Verhältnis des Gerichtsherrn und des Auditeurs im preufsischen Militär-Strafverfahren treffend : 29 Es herrschte das beste Einvernehmen auf beiden Seiten , der Jurist respektiert die militärtechnischen Kenntnisse seines Gerichtsherrn, und der Gerichtsherr hört mit Ver trauen die juristischen Vorträge seines Auditeurs an und giebt ihnen fast regelmässig Folge. " So wird es auch hoffentlich im künftigen deutschen Militärstrafprozesse sein, so ist es auch bei uns in Österreich - Ungarn .
XVIII .
Kleine
heeresgeschichtliche
Mitteilungen.
Über die preufsischen Offiziere, welche im Jahre 1809 in das Korps des Herzogs Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Öls getreten waren, urteilte ein am 31. Mai 1810 zu Stargard unter dem Vor sitze des Generals
von Blücher
zusammengetretenes Kriegsgericht.
224
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
Es waren ihrer 88.
Äufserste Nachsicht kennzeichnete das Verfahren.
34 von den Angeklagten wurden unter Heranziehung aller nur irgend wie anwendbaren Milderungsgründe ganz freigesprochen ; über 31 andere wurde das Erkenntnis bis zu näherer Feststellung der Umstände ausgesetzt und ist nie gefällt ; 17 , welche, nachdem der König seine Mifsbilligung
ihres Verfahrens ausgesprochen hatte,
aus dem
Korps geschieden waren, wurden wegen Indisziplin mit je 11 , Jahren Festungsstrafe belegt ; 6, sämtlich der Infanterie angehörend, wurden als Deserteure verurteilt. Nachträglich ward noch gegen 3 andere das gerichtliche Verfahren eingeleitet, infolgedessen sie zu 11jähriger Festungsstrafe verurteilt wurden. Am 20. Mai 1815 begnadigte König Friedrich Wilhelm III. alle aus dem preuſsischen Heere ohne Abschied in das Schwarze Korps getretenen Unteroffiziere und Soldaten.
(v. Kortzfleisch, Geschichte
des
Herzoglich Braun-
schweigischen Infanterie- Regiments und seiner Stammtrugpen, II 134 , 14. Braunschweig 1898.) Von unten auf wenn auch nicht in des Ausdruckes buchdiente der Herzoglich stäblicher Bedeutung, von der „ Pike " Braunschweigsche
General Olfermann.
Am 2. September 1776
in der Stadt Braunschweig geboren, trat Elias Olfermann im Jahre 1795 als Hoboist in ein Jägerregiment, welches der Fürst von Löwenstein-Wertheim 1793 für den Dienst der Generalstaaten errichtet hatte und welches, nachdem diese der Batavischen Republik Platz gemacht hatten, von England in Sold genommen war. Zunächst kam
Olfermann in seinem
Sonderberufe
vorwärts, indem
er als
Musikmeister in das 5. Bataillon des 60. Englischen Infanterie-Regiments überging, als solcher wurde er am 21. März 1801 vor Alexandria verwundet. Dann aber ward er einer anderweiten militärischen Thätigkeit zugeführt, welche sich ihm noch lohnender erweisen sollte . Im Jahre 1802
als Sergeant-Major (erster Unteroffizier und Vorge-
setzter aller übrigen ) in das, gleich dem 60. meist durch Ausländer rekrutierte 97. Infanterie- Regiment Königin versetzt, wurde er alsbald Offizier, machte als solcher 1808 den Krieg auf der Pyrenäischen Halbinsel mit, ward
1810 Adjutant des General Packenham,
zu
dessen Brigade das Herzoglich Braunschweigsche Infanterie-Regiment gehörte, trat 1811 , inzwischen zum Kapitän aufgerückt, in gleicher Eigenschaft zum Stabe des braunschweigischen Obersten von Bernewitz über, mufste eines Leberleidens wegen den Kriegsschauplatz verlassen und begab sich zum Zwecke seiner Herstellung im Sommer 1812 nach London.
Hier trat er in nahe Beziehungen zum Herzoge
Friedrich Wilhelm von Braunschweig, welcher ihn zu seinem AideGeneraladjutanten machte, ihn 1813 mit sich nach dem Festlande
225
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
nahm und ihn im Herbst dieses Jahres mit umfassenden Vollmachten ausgerüstet, voraussandte,
um in des Herzogs Erblanden
alles auf
die Teilnahme am Kriege gegen Frankreich erforderliche anzuordnen. Als die Rüstungen, welche Olfermann geleitet hatte, beendet waren , und der Herzog im Frühling 1814 mit den neuaufgestellten Truppen nach Brabant zu Felde zog, war Oberst Olfermann als Brigadier der Zweite im Kommando. Für diesesmal kam das braunschweigische Feldkorps nicht zu kriegerischer Verwendung, im nächsten Jahre aber rückte es zu erfolgreicherer Thätigkeit von neuem auf jenen Schau platz ; an seiner Spitze der Herzog als Oberbefehlshaber, Olfermann als Brigadier zunächst unter seinem Kriegsherrn stehend. Bras traf jenen am 16. Juni die tödliche Kugel . Wo ist Olfermann ?" ―― waren die letzten Worte
Bei Quatre
„ Olfermann des Sterbenden.
Olfermann trat an seine Stelle und fübrte auch am 18. in der Schlacht bei Waterloo das Kommando, bis ihm bei einem gegen Abend unter nommenen angriffsweisen Vorgehen ein Granatsplitter drei Finger der rechten Hand zerschmetterte. Zum General befördert, konnte er indes noch im Laufe des Sommers wieder bei seinen vor Paris stehenden Truppen erscheinen und diese alsdann in die Heimat zurückführen. Die Verhältnisse , welche er dort vorfand, sagten ihm nicht zu. Ein Geheimrats - Kollegium führte an Stelle des minder jährigen Herzogs Karl die Regierung und hatte bereits vor dem Ein treffen des Feldkorps den künftigen Stand derart herabgesetzt, dafs nur wenige und ganz schwache Stämme blieben ; das gesamte Militär wesen war einer zur Hälfte aus bürgerlichen Beamten zusammenge setzten Administrations-Kommission unterstellt ,
deren Anordnungen
Olfermann, der Kommandeur des aktiven Truppenkorps, sich nicht fügen wollte.
Es kam zu scharfen Auseinandersetzungen, ärgerlichen
Auftritten, deren Endergebnis war, dafs Olfermann auf Wartegeld gesetzt wurde. Er zog sich nach Blankenburg zurück, wo er schon am 18. Oktober 1822 starb. Auf der Höhe des Nufsberges bei Braunschweig ward ihm ein Denkmal errichtet. (v. Kortzfleisch, Geschichte des herzoglich braunschweigischen Infanterie- Regiments 14 . und seiner Stammtruppen, Braunschweig 1896/98 .) Als dem französischen 46. Infanterie-Regimente, dessen Obhut das in einer Urne aufbewahrte Herz des am 27. Juni 1800 in einem Treffen bei Neuburg gefallenen Kapitäns Latour d'Auvergne, des Ersten Grenadiers der Republik, anvertraut war, die Rückkehr in das Vaterland bevorstand, wurde der Wunsch laut, dorthin auch seine in fremder Erde ruhenden Gebeine zu bringen. Zu Königsberg ward am 23. Juli 1807 dem Kaiser Napoleon die Bitte vorgetragen. Erst im Jahre 1809 erfolgte eine Antwort. Sie kam aus Valladolid und
226
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
lautete abschläglich. Der Kaiser schrieb an den Kriegsminister : „ Herr General Clarke ! Geben Sie dem 46. Regimente den Befehl , dafs es den Grenadier, welcher die Urne mit der Asche von Latour d'Auvergne trägt, in das Ministerium
schickt und dafs
es aufhört,
einen
das
Regiment ohne Ursache auszeichnenden Brauch auszuüben. Wo giebt es ein Regiment, an dessen Spitze nicht ein General, ein Oberst oder ein anderer Tapferer gefallen ist !
Ich habe eine solche Absonder
lichkeit lange genug geduldet. Latour d'Auvergne war ein braver Mann. Sie werden von mir einen Befehl über den Ort erhalten, an welchem die Urne in Zukunft aufbewahrt werden soll. " Der Kaiser mufs in dem Augenblicke ,
in welchem
diktierte, andere Dinge im Kopfe gehabt haben.
er das
Schreiben
Es geht dies schon
daraus hervor, daís er von der Asche spricht, während es sich um das Herz handelt. Bei seinem feinen psychologischen Verständnisse und seiner Menschenkenntnis hätte er sonst wohl im entgegengesetzten Sinne
entschieden.
Am
18. Februar 1809 wurde
die
Urne dem
Gross -Kanzler der Ehrenlegion überantwortet. Im Jahre 1816 befahl König Ludwig XVIII., das Herz Latours und die in gleicher Weise aufbewahrten Herzen von vier anderen Offizieren den Angehörigen auszuliefern.
In der Familie des Ersten
Grenadiers erhob sich bald ein heftiger Streit um das Eigentumsrecht. Latour d'Auvergne war unvermählt gestorben ;
eine Nichte ,
welche
die rechtmässige Erbin war, hatte ihre Ansprüche zunächst nicht geltend gemacht und Namensverwandte waren in den Besitz der Urne gelangt.
Mit Hartnäckigkeit hielten sie dieselbe fest und erst
im Jahre 1842 wurde der langwierige Rechtsstreit zu Gunsten einer Grofsnichte entschieden, deren Sohn, der Oberstlieutenant du Pontavice de Heussey, gegenwärtig des Schatzes Hüter ist. Der Degen des Ersten Grenadiers - welcher damals der Erste Grenadier der Armee" genannt wurde, weil aus der Bezeichnung der - wurde auf Anordnung der Republik " verschwinden sollte -
Zusatz
des Ersten Konsul Bonaparte am 1. Thermidor des Jahres VIII im Tempel des Mars, dem jetzigen Invalidendome, aufgehängt. Durch die Verfügung vom Jahre 1816 kam er in den Besitz eines anderen Verwandten, eines Bewunderers von Garibaldi, welchem er 1861 die Waffe verehrte ; Garibaldis Söhne schenkten sie nach ihres Vaters Tode der wahrt.
Stadt Paris ;
sie wird im
Museum Carnavalet aufbe
Der schon 1800 gefafste Plan der Errichtung eines Denkmals in der bretonischen Geburtsstadt Carhaix kam aus Mangel an Geld erst 1841 zur Vollendung.
An Latour d'Auvergne erinnern aufserdem
sein auf dem Triumphbogen zu Paris verzeichneter Name, ein Fort
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
227
an der Ostgrenze bei Remiremont und seine Bildungsstätte, Lyceum zu Quimper, beide sind nach ihm benannt. Den anfangs ,
dann
abgekommenen,
geübten Brauch,
das
seinen
Namen regelmässig beim Appell des 46 Regiments aufzurufen , und darauf antworten zu lassen 99 Gestorben auf dem Felde der Ehre ", führte nach dem Kriege ein Kommandeur von neuem ein.
Um daraus
nicht eine leere Redensart werden zu lassen, wird der Brauch jetzt nur geübt, wenn bei dem Appell die Fahne gegenwärtig ist.
Dann
ruft der Hauptmann der Fahnenkompagnie den Namen auf und der älteste Sergeant antwortet mit jener Erwiderung. Der Wunsch, die Gebeine der vaterländischen Erde anvertraut zu sehen, ist 1889 in Erfüllung gegangen. Die bayerische Regierung gestattete die Ausgrabung und bayerische Soldaten erwiesen die militärischen Ehrenbezeugungen, als der bergende Sarg nach Frankreich gebracht wurde, um im Pantheon beigesetzt zu werden.
( Le
capitaine Latour d'Auvergne par le capitaine Simond, Paris 1898.) 14. Aus der Geschichte der Beitreibungen im siebenjährigen Kriege erzählt in einer Darstellung des Requisitions- und Kontributionswesens der eidgenos sische Artillerieoffizier Eugen Keller das nachstehende Beispiel : Im März 1757 hatte König Friedrich II. der Stadt Dresden eine Kontribution von 300 000 Thalern auferlegt. Die wohlweisen Ratsherren erinnerten sich jedoch rechtzeitig an das Sprüchlein : ,,Keine Suppe wird so heifs gegessen, wie sie gekocht wurde " und verlegten sich auf das Handeln. Eine Abordnung der Stadtväter begab sich zum preufsischen Gouverneur, dem General von Retzow, und wufste ihren submissesten Vorstellungen durch eine ,, Bezeigung“ von 5000 Thalern den entsprechenden Nachdruck zu verleihen. Herr Attention" keineswegs unerwartet kam , verwendete sich hierauf kräftigst bei seinem Könige für die gute Stadt Dresden und dieser setzte endlich, den triftigen Gründen des von Retzow, welchem diese
Gouverneurs Gehör gebend, die Schatzung auf 100 000 Thaler herab. Dies geschah am 29. August 1757. Aber auch jetzt zahlte der Rat Suppliken an den König, Drohungen mit härtester noch nicht. Exekution, neue Versprechungen an den General von Retzow, ihm ,,Bezeigungen“ erweisen zu wollen, wechselten mit Ratenzahlungen in der Höhe von 8000 bis 10 000 Thalern ab, so dafs nach Jahresfrist die 100 000 Thaler noch immer nicht zusammengebracht waren . Nun aber spannte der König, welcher sich in Geldbedrängnis befand, andere Saiten an. Am 6. Februar 1758 legte das preussische Feldkriegsdirektorium der Stadt Dresden eine Kontribution von einer halben Million Thaler auf, welche ,,innert acht Tagen a die in15 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 2
228
Umschau in der Militär-Litteratur.
sinuationis " zu zahlen war.
In dem betreffenden Schreiben heifst es :
,,Solches wird der Stadt Dresden zur gebührenden Achtung bekannt gemacht, auch hiebei derselben ohnverhalten das in Beitreibung dieser Gelder die gröfste Rigueur gebraucht und nach dem von den französischen Truppen kürzlich in Halberstadt gegebenen Beispiele verfahren werden soll. " Nun beeilte sich die Gemeinde, ihren Beutel aufzuthun.
Am 11. April waren 220 000 Thaler bezahlt und nachdem
am 29. des nämlichen Monats noch 15 000 Thaler erlegt worden waren, wurde der Stadt der Rest vermöge eines mit den Ständen getroffenen Übereinkommens in Gnaden nachgesehen . (Vedette Nr. 122.) 14.
XVIII . Umschau in der Militär- Litteratur .
I. Ausländische Zeitschriften . Streffleurs österreichische militärische Zeitschrift. (Dezemberheft. ) Zum 2. Dezember. Unser Kaiser als militärischer Gesetzgeber. Von Dr. E. Dangelmaier, k . u . k. Oberstlieut.-Auditor. Unser oberster Kriegsherr. 1848-1898 . Historischer und militärischer Rückblick. Zum 2. Dezember 1898. Radetzkys Stützen 1848-1849. Gott schütze und erhalte dich , Kaiser immerdar! Kritische Betrachtungen des „ Russkiy Invalid “ über die österreichisch- ungarischen Manöver 1898 bei Buzias. Über das ehrenräthliche Verfahren . Organ der militär-wissenschaftlichen Vereine. LVII. Bd. 5 . (Schluss). Heft 1898. Wo braucht man Festungen ? Eine Studie über den militärischen Nutzen von Festungen . Die Streifzüge der Österreicher in Sachsen und Franken im Feldzuge 1809 . Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie-Wesens. Jahrgang 1898. 12. Heft : Das Messen von Entfernungen für Kriegszwecke. Beziehungen zwischen den modificierenden Faktoren der ballistischen Gleichungen und ihre praktische Verwertung . Armeeblatt. (Österreich .) XVII. Jahrgang. Nr. 48 : Es lebe der Kaiser (Dichtung). -Unser Kaiser. Wie die ungarische Leibgarde entstand. (Forts . in Nr. 49.) Der Schöpfer des Arsenals . III . Augustins Memoiren über 1809. Nr. 49 : Vom Jubiläumstage. Des Kaisers Wort. Gedenkschriften . Der Schöpfer des Arsenals (Forts . ) . Nr. 50 : Die deutschen Heeresvorlagen. ― Die Rettung des Kaisers am 18. Februar
Umschau in der Militär-Litteratur. 1853.
Ernst-Infanterie . Nr. 51 : Friedens-Melodien .
229
Die staats-
wissenschaftliche Ausbildung des Offizierkorps in Heer und Marine. Der neue Militär- Schematismus . Die Nr. 52 : Das Jahr 1898. Rettung des Kaisers am 18. Februar 1853 . Militär-Zeitung . (Österreich.) Nr. 42 : Zum RegierungsjubiZur Hentzi- Affaire . Nr: 43: läum unseres obersten Kriegsherrn. Das weifse Kreuz. Hentzi. - Die Frage der Dienstzeit. Nr. 44 : Die Soldaten der Humanität. Zur Ergänzung des Offizier-Korps . Das Kritiken eigene Pferd des Offiziers . Nr. 45 : Das Kriegsspiel.
japanischer Armee-Verhältnisse. Journal des sciences militaires . (Dezember 1898.) Napoleonische Grundsätze . Militärisches Repertorium . (Forts . ) . Karten , Erkundungen, Tagebücher. Das Infanterie-Regiment zu 4 Bataillonen. AnmerGelände, Menschen und Waffen im Kriege (Schlufs) . kungen über le Queyras und die Waadt-Thäler. Le Spectateur militaire . (1. Dezember 1898.) Forscher und Soldaten : Marchand (Lebensskizze des berühmten Afrikaforschers . ) Der spanisch- amerikanische Krieg (Forts. im nächsten Heft) . Die Alpentruppen in Italien und Frankreich (Forts . im nächsten Heft). Die Meteorologie in Anwendung auf die Luftschiffahrt. (Forts . im nächsten Heft. Revue militaire universelle. (Dezember 1898. ) Nr. 81 : Strategische Studie über die nordöstliche oder französisch- deutsche Grenze (Forts .) Die Ursachen einer milltärischen Niederlage (Forts. ) - Die Königin des Weges (Elemente der Physiologie und hygienische Bemerkungen für radfahrende Offiziere). Abd el Kader (seine Jugend , politische, religiöse und militärische Bedeutung, Gefangenschaft und Tod (Forts . ). - Die Elfenbeinküste (Forts .). Revue du cercle militaire . (Dezember 1898. ) Nr. 49 : Nancy (mit Kroki.) Militärische Operationen im Gebirge (Schlufs ) . Die französische Artillerie in den Alpen im Jahre 1800. Nr. 50 : Nancy (Forts .) Die militärischen Neubildungen Deutschlands im Jahre 1899. Die Militär-Versicherung in der Schweizer Armee. Nr. 51. Nancy (Schluſs) Zweijährige Dienstzeit und Abkommandierte. Die italienischen königlichen Carabinieri . Nr . 52 : Memoiren des Königs von Preufsen 1870 (v. Boyen).
eines Generaladjutanten Das neue Aufnahme-
Reglement für die italienischen Militärschulen . Revue d'Infanterie. (Dezember 1898.) Über den Wert militärischer Brnstwehren gegen die Infanteriefeuer. -Geschichte der Infauterie in Frankreich (Forts . ). Ausrüstung und Belastung der Infanterie (Forts. ). Anleitung für den Führer einer kleinen InfanterieDie moderne Bewaffabteilung bei nächtlichen Unternehmungen. nung der Infanterie . Berittene Infanterie im südlichen Algier und in der Sahara (Forts.). Revue de Cavalerie. (November 1898.) Fortschritte. Kritische Studie über den Entwurf der praktischen Ausbildung für den Dienst 15*
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Umschau in der Militär-Litteratur.
der Kavallerie im Felde vom 24. Dezember 1896 . - Spanien (Forts .). Einige Bemerkungen über den JahresDie neue Feldartillerie . bericht der Gestütsverwaltung . -- Bericht des ständigen GeneralRemonte-Inspekteurs an den Kriegsminister. Revue d'Artillerie. (Dezember 1898. ) Die Ausbildung der Feldartillerie in Deutschland bei zweijähriger Dienstzeit. Geschichtliche Angaben über die Geschwindigkeit des Schiefsens bei der Feld -Artillerie. Vorbereitung der Artillerie auf das Gefecht. Studie über die allgemeine Theorie des Stahls (Forts. ) . Material der österreichischen Festungs -Artillerie. Revue du Génie militaire. (November 1898.) Die Militärgeographie und die neuen geographischen Methoden (Forts .) . - Analyse Aufnahme und Auszüge aus der Korrespondenz Vaubans (Forts.). einer Eisenbahn in Uganda. Versuche des österreichisch-ungarischen Geniekorps in den Jahren 1896 und 1897. La France militaire. Nr. 4409 : Die Militär-Telephonie. Die Vorzüge der Telephonie vor der Telegraphie werden hervorgehoben und die Vernachlässigung getadelt, welche erstere in Frankreich erleidet , Nr. 4410 : Das im Gegensatz zu Deutschland und Österreich . deutsche Armeekorps und die Artillerie. General Tricoche, der in Berlin gewesen, hat dort ganz richtige Informationen über die bevorstehende Reorganisation der Feldartillerie empfangen . Er irrt sich aber, wenn er glaubt, die Armeekorps von 4 Divisionen bei den Kaisermanövern 1898 hätten irgend einen lehrhaften Zweck gehabt. Es ist eine Zufälligkeit, ebenso wie 1897 die Armeekorps zu 3 Divisionen, hervorgerufen durch das Bedürfnis einer zweckmäfsigen Einfügung der fünften Brigaden bei den Armeekorps . Nr. 4411 : Die Lage. Eine Verteidigung des General Zurlinden . Fufsartillerie. Es wird eine Vermehrung derselben gefordert. Nr. 4413 : Die zweijährige Dienstzeit in der Armee- Kommission . I. Nr. 4414 : Desgl. II. Nr. 4416 : Die Pontonniere. General Tricoche bezeichnet die Abschaffung der Artillerie-Pontonniere als einen der dummsten Streiche, welche je vorgekommen. Nr. 4417: General Tricoche berichtet über die Truppen am 1. Dezember, Einzug des Kaisers in Berlin . Nr . 4419 : Die deutsche Armee. Die Angaben über die Militär-Vorlage enthalten grobe Irrtümer, die Fufsartillerie wird nur um 1 Bataillon , nicht um 15 Bataillone vermehrt. Nr. 4425 und 4426 : Die zweijährige Dienstzeit. Ein Interviev. Nr. 4427 : Maritime Kolonial-Politik. Nr. 4429 : Die Verteidigung unserer Kolonien . Nr. 4430 : Koloniale Ausdehnung. Ein neues Geschütz der Marine -Artillerie. Le Progès militaire . Nr. 1887 : Die zweijährige Dienstzeit, und die Reserve-Offiziere , (Polemik gegen die erstere) . Nr. 1888 : Die Remontierung und die Gestüte. Verteidigung der Kriegshäfen. Nr. 1889 : Die Kavallerie (wendet sich gegen Einführung der Lanze). Militär-Gesundheitspflege. Die Kolonialtruppen. Nr. 1890 ; Das Armeekorps zu 3 Divisionen .
(wird befürwortet) .
Nr. 1891 :
Küsten-
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verteidigung . Vermehrungen in der deutschen Armee. Nr. 1892 : Beförderung in Kriegszeiten. - Unteroffiziere und Unterlieutenants . Nr. 1893 : Die Marinetruppen . Generalstab und Rekrutierung. Nr. 1894 : An die Parteigänger für zweijährige Dienstzeit, (dringende Abmahnung, selbe einzuführen). La Belgique militaire. Nr. 1436 : Das Gefecht von Gwésé. Der Alkoholismus in der Armee. Für die Militär-Apotheker. Nr. 1437 : Abrüstung. Nr. 1438 : Das neue französische Feldgeschütz . Für Verstärkung der Armee und allgemeine Dienstpflicht. Nr. 1439 : Der Geheim- Vertrag von 1867 zwischen Frankreich und Preufsen . (Apokryph ?) Bulletin de la Presse et de la Biographie militaires. Nr. 349 . (30. November 1898 ): Das Offizierkorps und die Befehlsführung in Deutschland (Forts.) . Militärische Neuheiten aus dem Auslande. Studie über das Schiefsen der Infanterie (Forts.) . Nr . 350. (15. Dezember 1898) : Das Offizierkorps etc. (Forts .) . Der Krieg und die Nationalökonomie. Studie über das Schiefsen etc. (Forts .). ― Revue de l'armée belge. (September Oktober 1898. ) Einige Betrachtungen über die Verteidigung der Festungen . Gelegentlich Die neue der Armierung eines Sektors der Festung Termonde . Militärprozefs -Ordnung. Über die Genauigkeit der Feuerleitung Der Feld(Übersetzung aus dem Deutschen des Werkes von Rohne). zug 1866 in Italien, redigiert von der historischen Abteilung des italienischen Generalstabes . Die neuen englischen Geschosse. Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen. (November 1898. ) Der Krieg Englands gegen die Bergvölker im Nordwesten Indiens (Forts.) . nach Portorico (Schlufs). Die Zahl im Kriege.
Der Kampf um Santiago und die Expedition Die Schlacht bei Omdurman (Schlufs). -
Revue militaire suisse . (Dezember 1898.) Manöver des IV. Armeekorps (Schlufs). - Über die Verwendung der Kavallerie in unserer Miliz-Armee. Die Artillerie bei dem grofsen Schweizer-Manöver 1898 . Die deutschen Kaisermanöver 1898. (Schluſs) . Distanzritte für Offiziere aller Waffen. Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. (November 1898) . Die Thätigkeit der deutschen Festungs-Artillerie 1870/71 (Besprechung des Werkes von Müller .) Die Schnellfeuergeschütze bei der englischen Sudan-Expedition . Biographie von Karl Johann Herzog (Schlufs). Auszug aus dem Berichte des Bundesrates an die Bundesversammlung im Jahre 1897 , soweit es Artillerie und Genietruppe betrifft. (Schlufs) . Allgemeine Schweizerische Militär - Zeitung. (Jahrg. 1898.) Nr. 49 : Die diesjährigen französischen Manöver in den See-Alpen. --Die Herbstmanöver 1898 (Forts. in Nr. 50-52 . Nr. 50 : Mehrforderungen für das deutsche Heer. Nr. 51 : Versuche mit automatischen Pistolen.
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Umschau in der Militär-Litteratur.
Army and Navy Gazette. Nr. 2024 : Sonst und jetzt. Vergleich der Kriegsbereitschaft 1898 gegen Frankreich mit der 1883 gegen Rufsland. Das Oxfordsche Husaren- Regiment der Königin. Geschichte dieses Yeomanry- Regiments, errichtet 1761. - Frankreich und Faschoda. Politische Betrachtung. Nr. 2025 ; Brieftauben- Übungen in Deutsch land. Ein deutsches Urteil über den englischen Soldaten. ― Admi ralität und Kriegsministerium . Betrachtung über das Zusammen wirken beider. ――― Die Unteroffiziere . Vorschläge zur Verbesserung des Ersatzes für diese . Nr. 2026. Fahnen -Verleihung an indische Regimenter. Rekruten-Ersatz für das Heer. Betrachtung über die Ergebnisse der Anwerbung im Jahre 1898. Nr. 2027 : Die Truppen Unsere Ablösungssendungen zu den Kolonien im Jahre 1898. Landesverteidigung. Journal of the Royal United Service Institution. Nr. 249 : Tele graphie ohne Draht. Darstellung der verschiedenen Arten derselben , und deren Verwendung zu Kriegszwecken. Ökonomische Heeres reform . Vortrag über die Organisation des Heerwesens , die Rekruten Anwerbung und das Verhältnis des Kriegsministeriums zum Heere, unter besonderer Berücksichtigung des Überganges vom Friedensetat zum Kriegsetat. Abyssinien als Faktor bei Wiederherstellung des Sudans und sein Einfluss auf die Zukunft des roten Meeres. Nach russischen Quellen von Fedoroff bearbeitet. — Die Notwendigkeit und die Organisation einer australischen Bundesarmee . Versuche mit Neuerungen im fran Motor-Fahrzeugen in Österreich- Ungarn. zösischen Heere. Army and Navy Journal. (New - York) Nr. 1836 : Kriegserleb nisse des General Shafter. -- Die Artillerie bei San Juan. Thätig keit der Ingenieure bei Santiago . Das Signal-Korps. Nr. 1837 : Der spanisch-amerikanische Krieg und seine Lehren . Allgemein gehal tene strategische und taktische Betrachtung. Rauchschwaches Pulver und Artillerie . Die besonderen Leistungen der Maschinen Geschütze werden hervorgehoben . Die Besitznahme von Kuba. Nr.1838 : Bericht des Generaladjutanten . Offizielle Zusammenstellung der Stärke und Organisation des Heeres in den verschiedenen Monaten des Jahres . Bericht des Generalmajor Miles . Die Thätigkeit des Heeres im letzten Kriege in einem Bericht an das Kriegsministerium . zusammengestellt. Journal der Vereinigten Staaten-Artillerie. (Juli- August 1898) Die Artillerie in Die Verminderung des Gepäcks der Feldtruppen. der Schlacht. -Nachtgefechte. ――――――― Einführung in das Studium des türkisch-griechichen Kriegs, nach v. d. Goltz . www.com Haubitzen und Mörser tür Feldartillerie (Übersetzung des Aufsatzes von Tiedemann im Dezemberheft 1897 der Jahrbücher) . Russischer Invalide. Nr. 247 : Die reitende Ersatz -Batterie (vgl . November-Heft 1898. S. 228) wird der 1. Ersatz -Artillerie- Brigade unterstellt. ――――― Verfügung bez. der Winter- Übungen im Militär-Bezirk
Umschau in der Militär-Litteratur. Warschau.
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Wie in früheren Jahren sind monatlich mindestens zwei
Marschübungen, ferner einmal während des Winters eine zweitägige Übung mit Nachtlager auszuführen ; die Übungen haben, wo irgend angängig, mit gemischten Waffen stattzufinden. Die Kavallerie hat mindestens zweimal monatlich im Regiment zu exerzieren ; desgleichen haben Gefechtsschiefsen ebenfalls nach Möglichkeit in gemischten Waffen stattzufinden. Nr. 248 ; Das transbaikalische Werchneudiefsk Kasaken-Regiment ist aus dem Verbande der Ussuri-Reiter- Brigade ausgeschieden und dem Chef des Stabs der Truppen der Kwantun Halbinsel unterstellt worden . Nr. 249 : Bestimmungen für die Auf nahme auf Staatskosten in Kadetten-Korps . Das Festungs - Artillerie Kommando in Nikolajewsk (Primor- Gebiet) ist am 1. Januar in eine Festungs- Artillerie-Kompagnie umgewandelt worden . Nr. 250 : Rekruten-Einstellung aus der Bevölkerung der finnländischen Gou vernements im Jahre 1897 ; der Aushebung hatten sich 23,470 Wehr pflichtige zu stellen ; hiervon erwiesen sich als dienstuntauglich 13,311 Mann , d . h . 62,8 % , während im übrigen Rufsland die Zahl der Dienstuntauglichen zwischen 12 % und 15 % schwankt, 2.043 (9.6 %) wurden als Rekruten , eingestellt, während im übrigen Ruſsland über 30 % der Wehrpflichtigen zur Einstellung gelangen ; die in Aussicht genommene Änderung des finnländischen Wehrpflichtgesetzes (s. Dez.-Heft 98. S. 329) erscheint daher nicht ungerechtfertigt. Nr. 257 : In der Festung Libau ist am 1. Januar 1899 eine Militär-Brieftauben- Station IIi . Klasse eröffnet worden. Nr. 259 : Bericht über Versuche der Offizier- Schiefs schule ; Versuche mit Patronen , welche 5 Jahre an den verschiedensten Arten des Reichs gelagert hatten, ergaben sehr günstige Resultate. Nr. 260 : Zur Frage der Feldbahnen . Nr. 261 : Schiefs-Bemerkungen ; Verfasser verlangt eine bessere Vorbereitung und Ausbildung für das Einzeln- Gefechtsschiefsen . Nr. 264 : Bei der 2. Sappeur-Brigade im Militär-Bezirk Wilna wird ein neues Sappeur-Bataillon (Nr. 20), mit 3 Sappeur-Kompagnien (mit leichten Brücken-Parks) und eine Tele graphen- Kompagnie gebildet ; das Turkestaner Halb- Sappeur- Bataillon wird in ein volles Bataillon umgewandelt ; beim ostsibirischen Sappeur Bataillon wird eine 3. Sappeur-Kompagnie formiert ; beide, das ost sibirische und turkestanische Sappeur-Bataillon , werden im Frieden in voller Kriegsstärke unterhalten. Wajennüj Ssbornik. 1898. XII . Die Bedeutung von Clausewitz für die heutige Kriegswissenschaft. Die Redaktion des W. Ssb. bemerkt hierzu , dass sie mit Beginn des Jahres 1899 das Werk von Clausewitz 99 Vom Kriege in der Übersetzung von K. Woide bringen werde. Erinnerungen eines Teilnehmers an den Operationen des Trojan-Do tachements im Jahre 1877. Gemischte Expeditionen zur See. (Schluſs) . Das „ schräge" Feuer im Gefecht. Die Grundsätze des Reitens und Zureitens (nach den Direktven des preufsischen Generals von Rosenberg) . (Schlufs .) ―――――― Über die Schnelligkeit des Schiefsens der ――――――― Feldbatterien (aus Veranlassung des Citates von Pljäschkow) .
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Umschau in der Militär-Litteratur.
Infanterie und Kavallerie. - Zu dem Artikel : „Die Korps-Intendanten. " Übersicht über die astronomischen, geodätischen und topographischen Arbeiten im Jahre 1897. Über den Gesundheitszustand der Kavallerie pferde und über seine Bedeutung für die Kriegstüchtigkeit derselben . Militär-Administrative Bemerkungen . Zu dem Artikel : „Die Verwaltung der selbständigen Brigaden und der Divisionsstäbe . " Transkaspien seit den letztvergangenen zehn Jahren . Auf dem Wege nach Abessynien (Tagebuch des Führers des Begleitkommandos (Schlufs . ) Bibliographie : Die Reglements der Infanterie der fremden Armeen. I. Russische militärische Übersicht : Die Verordnung über die Offizier-Kavallerieschule . Ausgewählte Entscheidungen des Ober-Militärgerichts für das Jahr 1898. Auswärtige militärische Übersicht: Die grofsen Manöver der westeuropäischen Armeen diesem Jahre. Raswjedtschik. Nr. 420. Der Bau der Militär-Feldbahn mit Dampf Die und Pferdebetrieb bei Ljublin (mit 6 bildlichen Darstellungen ). Ehen der Offiziere . Die Veränderungen in der Uniformierung der Offiziere. Nr. 421 : Das fünfzigjährige Dienstjubiläum des Grofsfürsten Michael Nikolajewitsch . - Transport von Verwundeten auf Fahrrädern bei den grofsen Manövern der deutschen Armee 1898 (mit bildlicher Darstellung) . - Der Mangel an Offizieren in der Artillerie . Nr. 422 : Die Das Drama in Andishan vom militärischen Standpunkt aus. Militär-Dienstpflicht in Finnland. Die Kadetten-Uniform . -- Admiral Paul Stepanowitsch Nachimow. Nr. 423 : Das Einhundertjährige Jubi läum der Pereslawskischen Dragoner (mit zwei bildlichen Darstellun Pschewatzkiy. gen). ――― Die Militär-Dienstpflicht in Finnland, Nr. 424 : Die Begräbnis - Kirche der russischen Soldaten bei St. Stefano , Das Ssuworow- Museum . - Das Kirchenfest des selbständigen Korps der Grenzwache. ――― Aus Finnland . Der Isbornik des Ras Der praktische wjedtschik X. Von Odessa bis Wladiwostok . Unterricht in der Topographie in unseren Kriegsschulen . Ein Winkel Sogdianas . Besuch eines französischen Lieutenants bei russischen Offizieren. 17. Russisches
Artillerie · Journal.
Nr. 10 :
Zur
fünfzigjährigen
Dienstjubelfeier des Generalfeldzeugmeisters Grofsfürst Michael Niko lajewitsch. - Schiefsregeln und Feuerleitung der deutschen Schnell Bemerkungen zur Frage von der Schnellfeuer feuer-Feldartillerie. Zimmergerät zum angenommenen Feldartillerie in fremden Staaten . Internationale Schiefsen (Schiefsspiel) der Offiziere der Feldartillerie. Genossenschaft zur Untersuchung der Materialien . Nr. 11 : Zahlen methode der Anwendung der gezogenen Zahlen beim Betrieb des an genommenen Shrapnelschusses (Schiefsspiel) aus Geschützen der Festungs- und Belagerungs-Artillerie. - Chemische Analyse des Roheisens, Schmiedeeisens und Stahls im Laboratorium der Kaiser Trinitrokresol und Trinitro lichen Geschützgiefserei in Tula.
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Von den naphtalin, ihre Herstellung und brisante Eigenschaften. Ursachen der Unregelmässigkeit der Flugbahn der Geschosse. L'italia militare e marina. Nr. 265 : Die militärische Spionage. Anknüpfend an den Fall Dreifufs wird bezweifelt, ob der Nutzen einer solchen im Verhältnis zu den möglichen Nachteilen, die daraus hervorgehen können , stehe. Nr. 266 : Eine Frage der Disziplin . Betrifft den Fall Henry, ob ein Untergebener, der auf Befehl eine Fälschung begeht, straffrei ist, was verneint wird. Nr . 269 : Die Frage der Entwaffnung. Zusammenstellung einer Reihe von Äufserungen italienischer hoher Offiziere über das Thema . Nr. 270 : Die Formation der Artillerie . Nr. 278 : Ideen über Krieg und Frieden . Die Konferenz über die Entwaffnung und der Friede. Nr. 238 : Der Krieg von 190. . Dieses Phantasiewerk, von dem in wenig Tagen 5000 Exemplare verkauft sind, stellt Italien ein trauriges Prognostikon in einem künftigen Kriege. Ein Mahnwort an die Nation , die innere Streitigkeit zu unterlassen , und an die Rekonstruktion der Wehrkraft, namentlich der Flotte zu denken . Nr. 284 : Die Verteidigung der Küsten . gung der Schiffsbauten .
Nr. 287 : Die Beschleuni-
Rivista Militare Italiana. (1. Dezember.) Die Wehrpflicht italienischer Staatsbürger. - Das Heerwesen zur Zeit Louvois' und Der kleine Montecuccolis. (Forts. in folg. Nr.) (16. Dezember. ) Krieg 1870-71 . Esercito Italiano. Nr. 138 : Das Kriegsbudget 1898-99 . Nr. 139 : Die afrikanische Politik. Nr. 140 : Das Kriedsbudget in der Kammer. Nr. 141 : Rede des Kriegsministers über das Kriegsbudget . Nr. 142 : Beförderungen und Organisation der Kavallerie. Nr. 143 : Der status quo der italienischen Marine. Nr. 144 : Der Überschufs an Subalternoffizieren der Infanterie. Nr. 147 : Der Bericht über das Kriegsbudget. Nr. 148 und 149 : Änderungen des Rekrutierungsgesetzes (wichtig). Rivista di artiglieria e genio. (November). Feld-Entfernungsmesser Mori. Nochmals die Verteidigung und die Angriffs - Taktik. --- Dauerritte der Offiziere. Zur Bewegung der länglichen Geschosse in der Luft. Revista cientifico militar. (Spanien ). Nr. 2021 : Bestimmung und Berechnung der Schufstafel einer Handfeuerwaffe . Blick auf die Ergebnisse des Thessalischen Krieges (Forts .) . - Augenblickliche Lehren der Militär- Geographie (Forts.) . Versuchsmarsch etc. (Forts .). - Die Kavallerie mit verhängtem Zügel. Revista Militar. (Portugal. ) Nr. 23 : Skizze der Geschichte der Kavallerie.
Die Organisation der überseeischen Kräfte (Forts.) . Kriegsvetenskaps Akademiens-Handlingar. (Schweden. ) 22. Heft: Das Die neuen Waffen der Infanterie auf dem Schlachtfelde.
kleinkalibrige Gewehr, Norsk Militaert Tidsskrift. kanische Expedition auf Cuba.
(Norwegen) :
11. Heft : Die ameri-
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Militaire Spectator. (Holland. ) Nr. 12 : Radfahrer bei den Kom pagnien, oder im Regiment vereinigt ? Die Packung des Patronen wagens und des Packpferdes der Infanterie. II. Bücher. Wilhelm von Doering, k. preufs . Generalmajor. Ein Lebens- und Charakterbild von Thilo Krieg , Dr. phil. Mit zwei Bildnissen in Lichtdruck. Berlin 1898. E. S. Mittler & Sohn . Ein vortreffliches Buch , das einen herrlichen Mann in mustergültiger Weise schildert ! Eine wahre Erquickung, dieses Charakterbild, für den altpreufsischen Soldaten und für den alten Alexandriner, dem es zur besonderen Freude gereicht, die Kameraden auf diese Schrift auf merksam zu machen . Wenn der Verfasser in General von Doering den Typus des preufsi schen Offiziers erblickt, wie er die Säule und das Rückgrat des Heeres war von König Friedrich Wilhelm I. bis Kaiser Wilhelm I. , so hat er Recht. Der Berichterstatter, der die Ehre hatte, im Regiment Alexander Zeuge davon zu sein, mit welcher Hochachtung und scheuen Verehrung die jungen Offiziere zu dem gestrengen Hauptmann von Doering auf blickten, fügt hinzu : er war auch der echte Typus des im Regiment Alexander waltenden Geistes : Ritterlich Wesen, Pflichttreue und rast loses Streben, aber mit einer fast übertriebenen Geflissenheit alles meidend, was nach Streberei oder gar nach Liebedienerei aussehen könnte, den Vorgesetzten gehorchend, aber nie sich von ihnen impo nieren lassend, wenn nicht durch Charakter und Tüchtigkeit ; leicht geneigt zu loyalerOpposition , wenn im Interesse der Sache die eigene - hoch über alles die Sache und Überzeugung geltend zu machen ist immer wieder die grofse Sache, für die der preufsische Offizier lebt und stirbt. Hierbei sei erwähnt, dafs als Träger solchen Geistes aus dem Regiment Alexander namhafte Generale hervorgegangen sind, u. a . v. Hahnke . v . Winterfeld, v . Lindequist, v. Schlichting , v. Lettow, v. Viebahn, v. Brandenstein , v . Zeuner, v . Tietzen und Hennig, v. Massow. Wir schliefsen an diese Charakteristik des alten Alexandriners gleich das in jedem Zuge wohlgetroffene Portrait, das der Verfasser von dem Hauptmann und Chef der 4. Kompagnie 1854 bis 1858 ent wirft : „ Alles an und in ihm atmete freudige Entschlossenheit, zäheste Ausdauer, unerschöpfliche Fähigkeit zum Vollbringen . Man brauchte ihn nur zu schauen, um gefesselt zu sein durch die Art, in der auch äufserlich jener hauptsächlichste Zug seines Charakters zur Geltung kam . Energie redete aus der ganzen, in straffster Haltung vom Scheitel bis zur Zehe soldatischen, bei mittlerer Gröfse und natürlicher Eleganz kräftig gebauten Erscheinung, war eingeprägt dem ausdrucksvollen Kopf mit der auffallend hohen Stirn, sprühte aus den durch die Strenge und Schärfe ihres Blicks imponierenden blauen Augen, die im Bunde mit dem blonden Bart und dem gleichfarbigen, freilich bald gelichteten Haupthaar dem Aussehen etwas echt Germanisches verliehen . Doering
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war eine aktive Natur, die vom Flecke zum Zwecke ging, vom Gedanken zur That übersprang. Unsicheres Zögern, übermäfsiges Reflektieren war ihm zuwider. Nie beirrt und aufgehalten durch kleinliche Bedenken , gewann er jedem Ding eine grofsartige Beziehung ab und nahm allerwärts sofort den Kern der Sache in Angriff, fafste sie beim Schopfe, um nicht eher von ihr zu lassen, als bis sie ergründet und in möglichster Vollkommenheit erarbeitet vor ihm lag. Der Begriff Unmöglichkeit be safs für ihn keine Daseinsberechtigung. Seine Willenskraft machte einen ungewöhnlichen Menschen aus ihm. Dafs seine starke Neigung zu durchgreifend selbständigem Handeln , verschmolzen mit einem hochfliegenden Ehrgeiz, der mit Recht nichts sich verschlossen erachtete, ein erhebliches Quantum selbstbewufsten Unabhängigkeitssinnes in der Gefolgschaft haben mufste , liegt auf der Hand. Demzufolge war Doering von seinen Vorgesetzten nicht immer leicht zu leiten . Bei seinem nüchternen , klaren Verstand überlegte er sehr sorgsam, und was er einmal als Recht erkannt hatte, das sprach er offen aus und verteidigte es rückhaltlos und mit aller Lebhaftigkeit seines Temperaments gegenüber Meinungen, von deren Verfehltheit er überzeugt war. “ Der Krieg , der Endzweck der militärischen Friedensarbeit den Soldaten an die Anstrengungen , wie der Krieg sie mitleidlos fordert , schon im Frieden gewöhnen strengste Pflichterfüllung und höchste Anspannung aller Kräfte von sich und den Untergebenen, zumal von den Offizieren, verlangen rastlos an der eigenen Ausbildung weiterarbeiten die für den Soldaten und Krieger unerlässlichen Charaktereigenschaften zu höchster Vollkommenheit steigern das war Doerings militärisches Glaubensbekenntnis , das er stets in Thaten umsetzte in jedem Wirkungskreise, der ihm angewiesen wurde . Hervorragendes leistete Doering als Direktor der Kriegsschule in Potsdam , wie wenig erwünscht ihm auch anfangs diese seiner bisherigen Thätigkeit so fern liegende Stellung erschien . Aus der Anrede, die der neue Direktor an seine Fähnrichs hielt, einige charakteristische Wort : ,,Es steht Ihnen hier keine leichte Zeit bevor. Wäre es anders, so würde die Kriegsschule ihres Namens nicht wert sein , denn die Kriegsschule mufs eine Schule für den Krieg sein. Ich und sämtliche Offiziere der Kriegsschule würden verdienen , kassiert zu werden, wenn wir es Ihnen hier leicht machen und nicht Gelegenheit geben wollten, nach allen Richtungen hier Ihre Kräfte zu üben und zu stählen . Vor allen Dingen ist es aber die Willenskraft, die Się Energie, die hier gestärkt, und erprobt werden soll. sehen hieraus , dafs tüchtige Leistungen auf der Kriegsschule alles eitle , liederliche Wesen ausschliefsen. Je mehr Sie die bevorstehenden acht Monate als nur Ihrer Ausbildung gewidmet ansehen, desto erträglicher werden Sie den Zustand hier finden . Andernfalls werden Sie sich das Leben sehr schwer machen oder es zu Ihrem
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dauernden Nachteil sehr abkürzen ; denn ich bin entschlossen, niemand hier zu dulden , der nicht auf diese meine wohlgemeinten Ratschläge eingeht." „ Der wahre Krieger mufs das Leben als ein Geschäft ansehen , das um des Krieges willen da ist " , dies eine Grundanschauung, die vom Direktor auf Offiziere und Zöglinge überging . Männer wissen Männer zu schätzen ; so hatten schon des jungen Hauptmanns hervorragende Charaktereigenschaften die Aufmerksamkeit des Prinzen von Preufsen und des Prinzen Friedrich Karl erregt. Als Generalstabsoffizier des Prinzen Friedrich Karl, damaligen Kommandeur der 3. Division , fühlte sich Doering in voller Übereinstimmung mit diesem ritterlichen Führer und Soldatenerzieher, dem das preufsische Heer soviel von seiner kriegsgemäfsen Schulung verdankt. Die erste Gelegenheit zu hervorragenden kriegerischen Leistungen wurde dem Bataillons - Kommandeur im Regiment 53 beim Düppelsturm. Die Verleihung des pour le mérite lohnte die Umsicht und Entschlossenheit des Führers, die hingebende Tapferkeit seiner Westfalen. Im Juni 1864 zum Abteilungschef im Grofsen Generalstab ernannt, trat Oberstleutnant von Doering in nahe Beziehungen zum General von Moltke. In diesem Verhältnis blieb er während des Feldzuges von 1866. Hier nur eine Episode aus Doerings vielseitiger und hervorragender Thätigkeit. Unmittelbar vor Langensalza zum König Georg von Hannover entsendet, berichtet Doering über seinen Empfang beim König : „ Auf die Frage des Königs ,,Von wem haben Sie Ihren Auftrag ?" erwiderte ich „ Von Seiner Majestät dem König von Preufsen ." „Vom König selbst ?" „Durch den Ministerpräsidenten Grafen von Bismarck." ---- "9Was will der Mensch ? Hierauf Doering : „Ich mufs vor allen Dingen unterthänigst bitten, dafs Euer Majestät in Betrachtziehen, dafs Sie von einem preuſsischen Minister sprechen und danach Ihre Ausdrücke wählen . “ Im übrigen bezieht sich der Verfasser bezüglich der Thätigkeit Doerings während des Feldzuges meist auf das preufsische Generalstabswerk . Nach dem Feldzuge wurde Oberst von Doering an die Spitze des Regiments Elisabeth berufen . Dafs seine Thätigkeit für die Erziehung des Offizierkorps und für die Ausbildung des Regiments in seltenem Grade förderlich und anregend wirkte, das verbürgte die Persönlichkeit das Kommandeurs . Als der Luxemburger Konflikt von neuem den Krieg mit Frankreich in nahe Aussicht stellte, fafste Doering naturgemäſs die strategische Sachlage ins Auge, wie sie sich dem denkenden Offizier darstellte, der zu den Fülsen Moltkes gesessen hatte . Verfasser giebt im Anhang die von Doering hierüber verfafste Denkschrift, mit beurteilenden Bemerkungen Moltkes, Goebens, Sperlings und Blumen-
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thals versehen . Hier sei nur bemerkt, dafs Doering, von der Ansicht ausgehend, dafs Frankreich den Krieg gegen Preufsen nicht ohne Verbündete beginnen und dafs Österreich hierbei in erster Linie in Betracht kommen werde, die Auffassung vertritt, dafs in diesem Falle energische Offensive gegen Österreich geboten sei, während man sich Frankreich gegenüber vorläufig auf die Defensive zu beschränken habe . Bei der Mobilmachung 1870 erhielt Doering das Kommando der 9. In fanterie - Brigade. Das rechtzeitige und entscheidende Eingreifen der 5. Division in der Schlacht bei Spichern war in erster Linie Doerings Verdienst. Das erkannte auch General von Alvensleben an, als ihn Doering am 8. August in Saarbrücken aufsuchte . „Er umarmte und küfste mich unter Thränen" , schreibt Doering, „ und meinte, er habe mich vorgestern erst recht kennen gelernt in meiner ruhigen Entschlossenheit. Sie haben die Sache gemacht !" sagte er unter anderem." Der Ehren- und Ruhmestag des Brandenburgischen Korps, VionvilleMars la Tour , zeigte noch einmal Doerings Führertalent und heroische Tapferkeit in glänzendem Lichte und drückte das Siegel der Vollendung auf diese herrliche Kriegerlaufbahn , den Heldentod für König und Vaterland. 11 Uhr vormittags, im tollsten Kugelregen die Anordnungen für seine im heifsen Kampf gegen die feindliche Übermacht ringende Brigade erteilend, sank er, von einem Geschofs in den Unterleib getroffen, mit den Worten „ Meine Herren , mit mir ist es aus !" vom Pferde und gelangte nicht wieder zum Bewusstsein . Schon auf dem Transport zum Verbandsplatz entfloh das Leben . Einen weihevollen Nachruf für den gefallenen Helden enthalten die Worte, die sein Adjutant, der damalige Premierlieutenant Frhr. von Fircks vom Regiment Elisabeth, am 15. Juni 1871 an die verwittwete Generalin von Doering richtete : „ Welcher Gedanke kann heute, am Vorabend des Siegeseinzuges, das Herz mehr bewegen als der Gedanke an diejenigen, welche durch ihr Wirken im Frieden den Sieg vorbereitet , durch ihr Beispiel im Kriege den Sieg ermöglicht und durch freudige Hingabe ihres Lebens dem Siege die Weihe gegeben haben , die ihm kein Festespomp, kein Jubelgeschrei der urteilslosen, wandelbaren Menge geben könnte ! Und an wen sollte ich heute denken als an denjenigen, der mir nächst meinem Vater der beste Freund war, nicht ein Freund, der nur Schönes und Angenehmes über mich sagte, sondern ein wahrer Freund , der mich auf meine Fehler immer und immer wieder aufmerksam machte, mit dem meine, meines Regiments und eines grofsen Teiles der Armee Hoffnungen ins Grab gesunken sind !“ Den jungen Kameraden sei Dr. Kriegs prächtiges DoeringBuch ganz besonders empfohlen . Wer sich versenkt in die lebendige Anschauung dieser kerngesunden , herben, aber echt ritterlichen Kriegernatur, der mag dadurch geheilt werden von aller krankhaften Streberei unserer Tage, von aller Überschätzung des lieben Ich, mag sich
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emporschwingen zu der idealen Begeisterung für seinen Be P. v. S. ruf, die unseres Helden Lebenselement war. Erinnerungen aus dem Leben des General- Adjutanten Kaiser Wil helms I., Herrmann von Boyen. Von Wolf von Tümpling. Mit einem Bildnisse, dem Facsimile eines Schreibens des Kaisers Wilhelm I. und genealogischen Anlagen. Berlin 1898. E. S. Mittler & Sohn. Preis 5,50 Mk. , geb. 7 Mk. Herrmann von Boyen , der Sohn des berühmten Gehilfen Scharn horsts und preufsischen Kriegsministers, zählt zwar nicht durchaus zu den Paladinen Kaiser Wilhelms I., da es ihm nicht vergönnt war, an der Spitze einer Heeresabteilung selbstthätig in den Gang der kriege rischen Ereignisse einzugreifen . Wohl aber wird, wenn man des Grofsen Kaisers gedenkt, auch seines getreuen Adjutanten und be währten Begleiters in guten wie in schlimmen Tagen, H. v . Boyen , stets in hohen Ehren gedacht werden. Über 30 Jahre hat der Ver ewigte in ununterbrochenen persönlichen Beziehungen zu Kaiser Wil helm gestanden . „Kaum ein Ereignis in unserem Hause gab es seit dem Jahre 1848 " , bezeugte ihm zum 50jährigen Dienstjubiläum der Kronprinz (spätere Kaiser Friedrich), an dem Sie nicht Schulter an Schulter mit mir teil nahmen." In diesen Worten liegt die Bedeutung der Persönlichkeit Boyens und der von seinem Schwiegersohne , Lega tionsrat v. Tümpling, herausgegebenen „Erinnerungen “. Aus denselben erscheinen besonders anziehend zunächst die Auf zeichnungen über Boyens Kommando nach Krakau 1846, zur Zeit des Krakusen-Aufstandes, dann diejenigen im Übungslager von Compiègne 1847. Bereits das Jahr 1848 sieht Boyen an der Seite des Prinzen von Preuſsen , dem er nach England folgte . Über den badenschen Feldzug 1849 enthalten die „Erinnerungen" seltsamerweise eigentlich nichts , aufser wenigen Sätzen über das Attentat bei Ingelheim und eine Charakteristik des Prinzen . Ergiebiger, wenn auch nicht immer historisch bedeutsam, sind die Berichte über den Londoner Aufenthalt 1851 , dann die Zeit der Heeres- Reorganisation und Regentschaft, den Krieg 1866 , nach dessen Beendigung Boyen zum Kommandeur der 21. Division in Frankfurt a. M. ernannt wurde , um 1870 bei Ausbruch des Krieges wieder in das Dienstverhältnis als General-Adjutant zurück zu treten . Nach der Schlacht bei Sedan wurde Boyen mit der Mission betraut, den gefangenen Kaiser Napoleon nach Wilhelmshöhe zu ge leiten . Mit welcher Geschicklichkeit er diesen Auftrag ausführte , be zeugt ihm der hier im Faksimile wiedergegebene Dankesbrief König Wilhelms, der seine Leistung mit dem Eisernen Kreuze I. Klasse be lohnte. 1871 wurde Boyen Gouverneur von Mainz , 1872 jedoch schon wieder dienstthuender General-Adjutant und 1875 Gouverneur von Berlin . 1886 ging Boyen zur ewigen Ruhe ein, „ ein würdiger Sohn eines hochverdienten Vaters" , wie Kaiser Wilhelm selbst ihn treffend bezeichnet hat. Die „Erinnerungen " enthalten neben vielen schönen
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Charakterzügen des Kaisers eine Fülle von Mitteilungen über alle in den Vordergrund der Zeit getretenen Persönlichkeiten , zu denen Boyen in seiner Stellung persönliche Beziehungen gehabt hat. ―― Wenn in späterer Zeit eine „ Geschichte" Kaiser Wilhelms I. in Angriff genommen . wird, dann wird der Biograph auch an den „Erinnerungen " H. v. Boyens nicht vorüber gehen dürfen . In diesem Sinne haben dieselben einen 2. bleibenden Wert.
Das Jahr 1812 vom Anfange des Krieges bis einschliefslich Smolensk . Von Skugarewski. Praktische Art des Studiums der Kriegs geschichte. Kasan, Druckerei der kaiserlichen Universität . 1898 . (Russisch .) Das vorliegende Buch verdankt sein Entstehen Vorlesungen, welche der als Militär- Schriftsteller bekannte Verfasser in der Nikolai- Ingenieur Schule und der Michael-Artillerie- Schule gehalten hat, sowie dessen „militärischen Unterhaltungen “ in der militärischen Gesellschaft zu Kasan . Dem Verfasser kommt es weniger darauf an, die Ereignisse zu schildern, was er auf Grund eifrigsten Studiums eines umfangreichen Materials in fesselnder Weise thut, als vielmehr darauf, eine Anleitung zu geben, wie der Offizier Kriegsgeschichte studieren muſs , um dauern den Nutzen davon zu haben . Er bekennt sich zur praktischen Methode, wie er dies nach Verdy scher Art schon in den siebziger Jahren betreffs taktischer Verhältnisse gethan hat und wie dies bei uns ja auch schon lange als der allein richtige Weg anerkannt worden ist . Skugarewski führt folgendes etwa aus : " Es handelt sich nicht etwa um ein Einprägen von Ereignissen , nicht darum, wo und warum Krieg geführt worden ist, sondern ledig lich darum, wie Krieg geführt wurde, also um die Lehren der Strategie und Taktik, d. h. wie man dazu kommt, um zu schlagen und, wie man schlägt. Die Kriegsführung präsentiert sich mehr als eine Kunst, denn als eine Wissenschaft, und jede Kunst mufs praktisch erlernt werden. Die Vorbereitung hierzu giebt, abgesehen von Truppenübungen, das Studium einzelner Kriege oder auch einzelner Kriegs -Abschnitte und zwar nicht nur, indem man die Sonde der Kritik anlegt, sondern vielmehr so , dafs man sich mit den in Betracht kommenden Verhält nissen vertraut macht und erst nach Beantwortung der Frage : „ wie hättest du gehandelt?" zusieht, wie die Führer damals die Situation aufgefafst haben und was die Wirklichkeit gebracht hat. Nimmt man so die Lehren des Krieges in sich auf, so können wohl Thatsachen dem Gedächtnis mit der Zeit mehr und mehr entschwinden , aber der Niederschlag des Studiums geht in Fleisch und Blut über, tärische Gefühl wird den richtigen Weg weisen."
das mili
Der Krieg 1812 bis Smolensk wurde vom Verfasser zur Besprechung gewählt.
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und dem Verfasser ist dieser Gedanke auch
gekommen dafs es vorteilhafter gewesen wäre , einen Krieg der letzten Jahrzehnte zur Grundlage einer solchen Besprechung zu nehmen, einen Krieg, in welchem Kriegskunst und Kriegstechnik uns möglichst so vor die Augen treten, wie sich in Kriegen der nächsten Zukunft dieselben zeigen werden, oder wenigstens einen Krieg, in welchem ein kleineres Heer unter einem talentvollen Führer glänzende Erfolge über ein stärkeres Heer errungen hat. Skugarewski verkennt nicht die gegen vor 86 Jahre jetzt in jeder Beziehung völlig veränderten Verhältnisse, was die Armeestärken, die Versammlung, den Vormarsch, die Ernährung u . s . w. , ja selbst die Gegend betrifft - bietet doch die Poljessje, die Gegend der Pripjet- Sümpfe ein wesentlich anderes Bild er weifs auch sehr wohl den grofsen Nutzen eines Studiums der „Kriege grofser Heerführer" zu würdigen, und wenn er trotzdem den Krieg 1812 wählt, so hat dies seinen Grund darin , dafs derselbe „ ein Wendepunkt war der Umwälzungen im Anfange des Jahrhunderts , bis zu welchem Napoleon unbesiegt geblieben, in welchem Rufsland seine ganze Macht entfaltete und sich die russische Volksseele in seiner kraftvollen Ursprünglichkeit offenbarte," dafs er auf heimischem Boden ausgefochten wurde, dafs ein anderer Krieg auch nicht alle lehrreichen Seiten geben kann , dafs in den russischen Kriegsschulen 1812 vorgetragen wird und, dafs es ihm vor allen Dingen darauf ankommt, die Art eines sachgemäfsen Studiums kriegerischer Operationen zeigen zu wollen . Man wird diesen Ausführungen Recht geben müssen ; beschäftigen wir uns doch auch mit Vorliebe mit vaterländischen Kriegen, bieten doch die Kriege unseres grofsen Königs noch immer eine Fülle des Lehrreichen für uns, haben doch ein Friedrich und ein Napoleon aus den Heereszügen Alexanders und Cäsars ihr Wissen und Können geschöpft, da die allgemeinen Gesetze des Krieges unabänderliche sind. Und der Krieg 1812 bis Smolensk bietet für beide kriegführende Heere eine Fülle spannender Situationen . Einfluss der Nach Besprechung der allgemeinen Verhältnisse der BeCharakter Theater, Politik, beiderseitige Streitkräfte, Kriegs widmet der Verfasser einen umfangreichen völkerung desselben
Abschnitt den Kriegsplänen. Er tritt mit Entschiedenheit der immer noch hier und da geglaubten Fabel entgegen, dafs der beständige Rückzug der Russen ins „ östliche Hinterland," obwohl derselbe bis zum Herankommen von Verstärkungen aus dem Norden und Süden nicht unvorteilhaft gewesen , aus der vorgefafsten Absicht entsprungen wäre, Napoleon zu schwächen ; die Macht der Verhältnisse zwang die russischen Heerführer gegen den Willen ihres Kaisers und gegen ihren eigenen Wunsch immer wieder Kehrt zu machen ; sie kamen durch übermäfsiges Verweilen bei Wilna, Drissa, Witebsk, Smolensk, durch angriffsweises Vorgehen bei Smolensk in so peinliche Lagen, dafs die 1. Armee es mehrmals nur der Saum-
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seligkeit Napoleons und seiner Marschälle zu danken hatte, nicht nach Norden abgedrängt worden zu sein, vor und sogar nach Vereinigung mit der 2. Armee. Der nächste Abschnitt bringt die Aufstellung der feindlichen Armee bis zum die 3. russische in Wolhynien kommt nicht in Betracht che der Feindseligkeiten : die ungemein ausgedehnte der 1. Ausbru und 2. russischen Armee unter Barklay de Tolli, bei welchem sich bis Drissa der Kaiser Alexander befand, bezw. Bagration und die konzen trierte der zwei- bis dreimal stärkeren Streitkräfte Napoleons , den Übergang des letzteren über den Niemen , sowie den excentrischen Abzug beider russischen Armeen , der 1. nach Nordosten, der 2. nach
Den vergeblichen Bestrebungen beider , bei Drissa oder Witebsk Osten. sich zu vereinigen , sowie dem Vormarsche der Franzosen in breiter Front zwischen beide Armeen ist der folgende Abschnitt gewidmet , in welchem ferner die Nachteile des Drissaer Lagers , der Flanken marsch der 1. russischen Armee von Drissa auf Witebsk , die Stellung derselben hinter der Lutschessa , die Hoffnung Napoleons , dafs es hier endlich zur Schlacht kommen würde , die Schwierigkeit des von Norden bedrohten und belästigten Marsches der 2. russischen Armee , sowie die endgültige Vereinigung der Russen bei Smolensk einer ausführ erzogen worden sind . lichen Besprechung unt Der vierte Abschnitt handelt von dem Vormarsche der Russen , der durch den Wunsch des Heeres , des Volkes und an dessen oberster Spitze des in Petersburg weilenden Kaisers Alexander geboten und durch das Verhalten Napoleons erleichtert schien . - Mit Vereinigung der Russen war eine völlig neue Lage geschaffen und Napoleon be schlofs , den durch den langen Anmarsch in wenig bevölkerter Gegend obwohl die Litauer keineswegs feindliche Gesinnungen gezeigt und mangelhaft organisierte Verpflegung etwas gelockerten hatten inneren Halt seiner Truppen wieder herzustellen , denselben Ruhe zu gönnen , die Verpflegungs -Kolonnen abzuwarten ; er bezog in dem Dreieck Witebsk , Rudnja -Inkowa - Orscha Quartiere . Nach einigen Tagen der Erholung glaubten beide trotz der Ver ng beider russischen Heere selbständigen Führer der allge igu ein nen Strömung nachgeben zu müssen und verabredeten gemeinsamen mei Vormarsch : besonders zuwider war derselbe Barklay de Tolli und er opferte seine bessere Einsicht dem Beschlusse eines von ihm berufenen gar es .ewski geifselt dieses Verhalten eines Heerführers unter der Sku rat Kriegs n Überschrift Verantwortlichkeit eines Oberkommandierende “ auf das Napoleon Schärfste un"d nennt es geradezu ein verbrecherisches . hatte kaum von den Bewegungen der Russen , von dem Zurückwerfen der Kavallerie Sebastianis bei Inkowa gehört , als er die zur Vereinigung geschickt dislozierten Truppen versammelte , rechts abmarschierte , über den Dnjepr ging und ohne das glänzende und tapfere Verhalten New 16 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine . Bd . 110. 2.
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jerowskis bei Krassny Smolensk früher besetzt hätte als die Russen es wieder erreichen konnten . So trafen die russischen Hauptkräfte eben im Norden der Stadt noch ein, als Napoleon dieselbe im Süden rings umstellt hatte. Der russische Vormarsch endete, wie er bei der Minderzahl an Truppen -- Napoleon war immer noch fast doppelt so stark ――――― ohne genügend über den Feind unterrichtet zu sein und einem solchen Heerführer gegenüber nicht anders enden konnte . Es folgt die Verteidigung von Smolensk und der Abzug der Russen nach Osten . In diesen beiden Abschnitten erfährt sowohl das Verhalten Napoleons als die russische Führung eine abfällige Beurteilung : Napoleon zeigte Mangel an Thatkraft, fast an Interesse in diesen Tagen, denn vieles geschah namentlich nach der Einnahme der Stadt aus Initiative der Marschälle ――― Neys hauptsächlich - auch seine Divinationsgabe hatte ihn in Stich gelassen, als er die Russen 1. Armee -- nördlich Smolensk, getrennt durch den Dnjepr von dem die Stadt verteidigen den Korps, in Stellung erblickte und die Meldung vom Marsche starker feindlicher Kolonnen auf der Moskauer Chaussee in Richtung Moskau - der 2. russischen Armee nicht glauben wollte und Barklay de Tolli führte die gefafsten Entschlüsse da nur zögernd aus , wo rück sichtslose Energie geboten war. Skugarewski weist überzeugend nach, dafs Napoleon Smolensk gar nicht angreifen derselben Ansicht ist Clausewitz - die Russen dasselbe nicht hätten verteidigen brauchen, was wohl auch mit Rück sicht auf die Stimmung im Heere und im Volke geschah : Die Russen konnten bei dem Verhalten Napoleons ohne ernsten Kampf den Rücken auf Moskau auch mit der 1. Armee gewinnen und Napoleon war bei seiner Überlegenheit an Zahl wohl in der Lage, zunächst den linken. russischen Flügel zu umgehen und, war dieses verpafst, sich zwischen beide russische Armeen zu schieben , als die zweite Armee schon 20 km entfernt war, während die 1. immer noch keine Anstalten zum Abmarsch traf. Für die Russen machte sich hier noch mehr, als bei ihrem aggressiven Vorgehen von Smolensk aus der Mangel einer einheitlichen Führung geltend, so z . B.: Korps Rajewski, welches die Stadt ver teidigte, wird, da zur abmarschierenden 2. Armee gehörig, während der Feind vor derselben steht, durch das zur 1. Armee gehörige Korps Dochturow abgelöst, die für den Besitz der Moskauer Strafse wichtige Stellung am Einflufs der Kolodnja in den Dnjepr vorzeitig von der für den Zweck allerdings zu schwachen Arrieregarde der 1 . Armee verlassen, was die Kämpfe bei Walutino und Lübino zur Folge hatte, um der 1. Armee zu ermöglichen , die Moskauer Strafse zu ge winnen. Ungemein lehrreich und wie Skugarewski sagt, mustergültig sind die Anordnungen für den in der Nacht auf schlechten Verbindungs wegen durch bedecktes und durchschnittenes Gelände in naher Ent
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fernung von den feindlichen Truppen auszuführenden Flankenmarsch der russischen 1. Armee von der nach Norden auf Porje tschje führen den Strafsen an die nach Osten auf Moskau führende. Dafs trotzdem nicht alles glatt ablief, Truppen vom Wege abkamen , sich im Walde verirrten, was zum Gefecht bei Gedeonowo führte , ist nicht zu ver wundern. Es gelang der russischen Armee, von Napoleon loszukommen und zwei und eine halbe Woche vergingen, ehe beide feindliche Armeen auf dem Felde von Borodino wieder in Berührung kamen . Zum Schlufs beleuchtet der Verfasser die Gründe des Miſserfolgs Napoleons. Das Buch ist anregend geschrieben, die mannigfachen, dem Leser zur Erörterung bestimmten Fragen sind durchaus sachge mäfse, die Ausführungen des Verfassers wohl durchdachte und zu treffende . ――――― In vier Beilagen ist „ eine Übersicht der bekanntesten Schriften über 1812, " „ eine Terminologie der Strategie, “ „ eine Abhand lung über den Nutzen des Studiums der Kriegsgeschichte auch mit Rücksicht auf 1812 “ und „ eine Übersicht über die beiderseitigen Streit kräfte" gegeben . Vierzehn Skizzen erleichtern das Studium des Buches. Leider stimmen die Namen auf denselben nicht immer mit denen im Texte genau überein . Zu beklagen sind die vielen Druckfehler , von denen das schon umfangreiche Druckfehler- Verzeichnis nur einen kleinen 57. Teil angiebt.
Der Krieg um Cuba. Nach zuverlässigen Quellen dargestellt von M. Plüddemann , Kontre-Admiral z . D. 1. Lieferung. Berlin 1898 . Mittler & Sohn . Zum richtigen Verständnisse der Kämpfe um Kuba ist eine genauere Kenntnis der geographischen und geschichtlichen Verhältnisse der Diesem Grundsatze nachkommend, beginnt der Insel erforderlich. Verfasser zunächst mit einer geographischen Schilderung der geseg neten und reichsten Tropeninsel, von der nach 400jähriger spanischer Mifswirtschaft erst ein Zehntel kultiviert ist. Die gesamte Bevölkerung war durch die unverständige und grausame Politik 50 Jahre nach dem ersten Betreten durch die Spanier ausgerottet. Die Fruchtbarkeit ist eine ganz aufserordentliche, ist das Land auch nirgend ganz eben , so bedeckt doch eine dicke Humusschicht die Gebirge bis zur höchsten Spitze . Von allen Ausfuhrartikeln beträgt der Zucker 83 , der Tabak 16 , alles übrige 1 Prozent . Für eine Erschliefsung der Reichtümer des Bodens durch Anlage von Strafsen , namentlich in das Gebirge hinein, ist so gut wie nichts geschehen , und nur dadurch erklärt es sich, daſs die Aufständischen niemals in ihre Schlupfwinkel verfolgt werden konnten. Zu dem letzten Aufstande, den der Verfasser mit dem Jahre 1845 beginnen läfst, trat aufser der endlosen Mifswirtschaft der Spanier das Bedürfnis der Amerikaner hinzu, ihre Einflufssphäre zu vergrössern und die Herrschaft über ihre Küstenmeere zu erweitern . Schliesslich 16*
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hatte der Aufstand einen solchen Umfang angenommen, dafs der General Weyler mit 145 000 Mann spanischer Truppen ihm machtlos gegenüberstand . Die bis jetzt noch unerklärte Explosion auf dem Panzerschiffe „ Maine “ , das im Hafen von Habana einen „Höflichkeitsbesuch" abstattete, wobei 260 amerikanische Seeleute und Soldaten den Tod fanden, regte schließlich die Stimmung der Nordamerikaner so auf, dafs der Kongrefs sich zum Kriege gegen Spanien entschlofs . Es folgt nun eine Zusammenstellung der Streitkräfte der Amerikaner, der kubanischen Insurgenten und der Spanier, sowohl zu Lande wie zu Wasser. Nach Hinweis auf die Kriegseröffnung in Westindien, wo zunächst die Höhen von Habana und Santiago blockiert wurden , die ganzen Operationen aber einen unfertigen, ziellosen Charakter hatten, werden die Verhältnisse auf den Philippinen geschildert. Wiederum beginnt der Verfasser in richtiger Weise mit einer geographischen Beschreibung der Inselgruppe, und schliefst die erste Lieferung seines Werkes mit dem Beginn der Seeschlacht von Cavite. Zahlreiche Holzschnitte der Land- und Wasserverhältnisse der beiden Kriegsschauplätze geben genügende Erläuterung zum Verständnis . Wir gewinnen den Eindruck, dafs wir es mit einem aufserordentlich klar und anschaulich geschriebenen Werke zu thun haben, das bis jetzt als die beste Quelle dieses Krieges angesehen werden kann . D. Geschichte des kgl . bayr . 7. Infanterie -Regiments, Prinz Leopold von Bayern. I. Teil . 1732-1815 . Auf Befehl des kgl. Regiments verfafst von Auvera, Premierlieutenant. Bayreuth, Lorenz Ellwanger. 1898 . Der Umfang von 420 Druckseiten, den dieser erste Teil umfasst, zeigt schon, dafs wir es mit etwas anderem zu thun haben , wie mit einer Regimentsgeschichte , die für den Unterricht der Mannschaften und Unteroffiziere geschrieben ist, und gewissermafsen ein Andenken für alle diejenigen bilden soll, die dem Regiment angehört haben. Das vorliegende Werk ist vielmehr eine bayerische Kriegs- und HeeresGeschichte mit besonderer Berücksichtigung des Regiments . Als solche aber ist sie von ganz aufsergewöhnlichem Werte. Der Verfasser hat mit sichtlicher Liebe zu seinem Thema eine Fülle von Material zusammengestellt, die das Buch für den Leser weit über die Grenzen rein bayerischer Kreise in hohem Mafse interessant machen . Neben den Mitteilungen über die Geschichte des Regiments, besonders auch über die des Offizier-Korps , wird alles erwähnt , was die Organisation, Verwaltung, Bekleidung , politische Lage, wichtige Heeresbefehle u. s. w. des bayerischen Heeres betrifft. Die Kriegsthätigkeit des Regiments ist aber durchweg auf dem klar gezeichneten Hintergrunde der bezüglichen Kriegsgeschichte dargestellt, und mit peinlicher Sorgfalt ausgearbeitet. Der erste Abschnitt umfalst die Zeit von der Errichtung, 1732 bis zum Jahre 1738 , und enthält Mitteilungen über das Heerwesen der
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damaligen Zeit, die beiden folgenden schildern die kriegerische Thätigkeit im Türkenkriege und dem österreichischen Erbfolgekriege . Nach den Friedensjahren von 1745-1756 folgt die Teilnahme am siebenjährigen Kriege, mit der darauf folgenden langen Friedenszeit bis 1793 , dem ersten Reichskriege gegen Frankreich . Die in den letzten Abschnitten behandelten Kriege gegen Österreich und Tirol, gegen Preufsen und Rufsland , und schliefslich mit den Verbündeten gegen Napoleon bilden den Schlufs des ersten Bandes . Die Darstellung dieser Kriege ist meisterhaft gelungen , besonders aber die Teilnahme am Kriege gegen Rufsland, wobei hochinteressante Manuskripte des Kriegsministeriums mitgeteilt werden . Unter den Beilagen befindet sich eine Rangliste des Regiments von 1732-1815 und 15 vortrefflich gezeichnete Pläne und Karten zu den Kriegsoperationen . Die Ausstattung des Werkes D. ist vorzüglich. Geschichte des Herzoglich Braunschweigischen Infanterie -Regiments und seiner Stammtruppen, 1809-1869 . 2. Band . Von der Errichtung des neuen Truppenkorps 1813 bis zum Ausbruch des Krieges 1870. Im Auftrage des Regiments bearbeitet von von Kortzfleisch , Major à la suite des Infanterie- Regiments Graf Barfufs (4. Westfälisches) Nr. 17 und Eisenbahn-Linienkommissär. Mit einem Bildnis des Herzogs Wilhelm, 3 Uniformbildern , 1 Stammtafel und 9 Kartenskizzen . Braunschweig, Druck und Verlag von Albert Limbach, G. m. b. H. , 1898, gr. 8 °. XVI und 450 Seiten. (Preis gebd. 12 Mk.) Der 2. Band der Geschichte des Herzoglich Braunschweigischen Infanterie-Regiments, welches jetzt die Nr. 92 trägt, bietet nicht das gleiche Interesse wie der 1., im Jahre 1896 erschienene . Daran ist der Gegenstand des Inhaltes schuld, nicht die Behandlung. Damals war fast ausschliesslich von Feldleben und von kriegerischen Ereignissen die Rede, jetzt galt es über eine Zeit zu berichten , welche fast ganz im Frieden verlebt wurde. Nur die ersten Jahre fielen noch in die Ära der Befreiungskriege, an denen teilzunehmen der sehnliche Wunsch des Herzogs Wilhelm war. Obgleich er schon im Besitze der Nachricht sich befand , dafs die Verbündeten in Paris eingezogen seien , rückte er mit einem eiligst aufgestellten Feldkorps am 13. April 1814 von Braunschweig nach Brabant aus . Der Kampf war noch nicht allerorten zu Ende ; vielleicht würde es den Schwarzen glücken, ein Weniges zu dem grofsen Werke beizutragen. Die Hoffnung ward nicht erfüllt. Ohne Lorbeeren kehrte das Feldkorps heim. Aber der Herzog glaubte nicht, dafs der Kampf gegen Napoleon endgültig ausgefochten sei. Er bereitete sich auf einen baldigen Wiederausbruch des Krieges vor, welchen schon das nächste Frühjahr brachte. Herzog Friedrich Wilhelm suchte und fand Anschlufs an seine alten Waffengefährten , die Engländer ; Wellingtons Heere zugeteilt, rückte er zum zweitenmale nach Brabant. Er setzte durch ,
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dafs seine Braunschweiger - 8 Bataillone, 4 Schwadronen, 16 Geschütze unter seinem Kommando zusammenblieben . zählend Als ein fliegendes Korps hoffte er mit ihnen im Verlaufe des Feldzuges in Flanke und Rücken des Feindes verwendet zu werden . Aber sein eigener am 16. Juni auf dem Schlachtfelde von Quatre-Bras erfolgender Tod und die rasche Beendigung des Krieges fügten es anders. Nachdem das Feldkorps auch noch bei Waterloo tapfer gestritten hatte. kehrte es diesesmal mit dem wohlverdienten Lorbeer geschmückt, aber mit umflorten Fahnen heim . Hier wartete seiner eine trübe Zeit.
Die Infanterie zählte freilich
zunächst noch vier Bataillone, aber ein jedes derselben hatte, aufser in dem Exerziermonate, nur 160 Mann im Dienst und im Jahre 1822 veranlasste die Bundes-Kriegsverfassung eine weitere Verringerung der Der im Jahre 1823 erfolgende Regierungsantritt des Herzogs Karl besserte einiges, aber schon nach sieben Jahren folgte ein Ende mit Schrecken . Ein Aufstand in der Stadt Braunschweig führte einen Thronwechsel herbei. Die Truppen waren auf eine harte Probe gestellt gewesen, hatten dieselbe aber glänzend bestanden . Der neue Herrscher, Herzog Wilhelm, ordnete schon im Jahre 1830 eine Formationsänderung an, aus welcher drei Infanterie -Bataillone hervorgingen, die 1867 nach des Herzogtums Eintritte in den Norddeutschen Bund zum jetzigen Regiment Nr. 92 vereinigt wurden . Zwei davon bildeten von 1830 bis 1867 das Infanterie-Regiment, welches in den Feldzügen von 1848 und 1849 in Schleswig-Holstein gegen die Dänen focht. 1866 rückte es , zum preufsischen 2. Reserve-Korps gehörend, auf den bayerischen Kriegsschauplatz, kam aber zu spät, um noch teil an Feindseligkeiten zu nehmen. Die gesamte Vergangenheit des Regiments seit dem Jahre 1809 ist nunmehr auf Grund eines gründlichen Quellenstudiums durch den Herrn Verfasser eingehend und mit vollem Verständnisse für die Aufgabe dargestellt ; für die nachfolgende Zeit war es schon 1878 von anderer Seite geschehen ; in einer neuen Auflage soll diese Arbeit als der 3. Band des hier vorliegenden Werkes erscheinen . Das Regiment wird dann im Besitz einer allen Anforderungen entsprechenden Geschichte sein. Besondere Anerkennung erheischt die Beigabe einer sehr sorgsam bearbeiteten Offiziers -Stammliste ; das Verdienst ihrer Herstellung gebührt Herrn Bankdirektor Walter zu Braunschweig . Der Wandel, welchen die äufsere Erscheinung der Truppe von 1813 bis zu Ende erfahren hat, ist durch farbige Uniformbilder veranschaulicht und der Gang der kriegerischen Ereignisse durch gute Kartenskizzen erläutert . 14.
Das Königlich Bayerische Feld-Artillerie-Regiment Königin Mutter. 1848-1898 . Anlässlich der Feier des 50jährigen Bestehens des Regiments in dienstlichem Auftrage für die Unteroffiziere und
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Mannschaften bearbeitet von A. Müller , Premierlieutenant . München. Selbstverlag des Regiments . Preis 1 Mk. Am 16. März 1848 wurde das Regiment, dessen wohlgelungene Geschichte hier vorliegt, als „3. Artillerie - Regiment (reitende Ar tillerie)" in München errichtet in Stärke von 4 reitenden Batterien, die bereits im Revolutionsjahre 1849 (Aufstand in Baden) zu kriegerischer Verwendung kamen . Am Feldzuge 1866 gegen Preufsen hat das Re giment ehrenvollen Anteil genommen ; es tocht bei Hünfeld , Kissingen , Hammelburg, Helmstadt und Üttingen, Rofsbrunn und Hettstadt und wurde 1868 als „, 3. Artillerie- Regiment" formiert, in Stärke von 8 Feld Batterien (davon 2 reitende), 5 Fufsbatterien und 1 Fuhrwesens-Eska dron mit den Garnisonen Würzburg, Neu- Ulm und München . Hervor ragend sind die Leistungen des Regiments im Kriege gegen Frank reich. Mit seinen 8 Feldbatterien bildete es (nach Abgabe einer reiten den Batterie an die Kürassier-Brigade) die Artillerie-Reserve- Abteilung (Korps-Artillerie) des I. bayer. Armeekorps (v. d. Tann) , es kämpfte bei Beaumont, Bazeilles, Sedan , Paris, Artenay, Orleans, Marchenoir, Coul miers, Villepion, Loigny-Poupry, Beaugency. Ein besonderer Ehrentag des Regiments ist Villepion , an welchem Tage der Chef der 4. Batterie, Hauptmann Prinz Leopold von Bayern, in unerschütterlichem Ausharren bei höchst gefährdeter Lage, an der Spitze seiner Batterie verwundet wurde. Drei Fuſsbatterien (2. , 3. und 4. ) und eine 9. (12 pfündige) Batterie haben sich im Verbande des Belagerungskorps unter General von Werder an der Belagerung von Strafsburg, dann an der Belagerung von Schlettstadt, Neubreisach und Belfort ruhmvoll beteiligt. Der Gesamt verlust des Regiments während des Feldzuges 1870/71 beziffert sich auf 17 Offiziere, 271 Mann, 435 Pferde. 586 Auszeichnungen (da von 193 Belobungen und 110 eiserne Kreuze) waren der Lohn seiner Leistungen . Gegenwärtig zählt das Regiment 4 Abteilungen zu je 3 Batterien ; à la suite desselben wird der nunmehrige General- Oberst der Kavallerie und General-Inspekteur der IV. Armee- Inspektion , Prinz Leopold von Bayern geführt ; die gegenwärtige Garnison ist München . Wir bekennen gern , dafs wir selten eine ihrem Zwecke und dem bestimmten Leserkreise SO vollkommen entsprechende Regiments geschichte zur Hand gehabt haben, als die vorliegende . Zwischen dem „ zu viel“ und dem „ zu wenig“ die rechte Mitte haltend , von jedweder überschwenglicher Ruhmredigkeit fern bleibend, berichtet der Herr Verfasser in warmherziger, von echt soldatischem Geiste beseelter Sprache über die Erlebnisse des Regiments in Krieg und Frieden. Zahlreiche Anlagen, enthaltend die Mitglieder des Königlichen Hauses, die Angehörige des Regiments sind oder waren ; Stammtafeln , Verlust listen, Einteilung der Offiziere 1848 , 1866 , 1870/71 , 1898 , Gefechts kalender u. v. a. erläutern und ergänzen den Text, dessen Verständnis durch gut gezeichnete Geländeskizzen der Gefechtsfelder und Be lagerungen erleichtert wird. Besondere rühmende Erwähnung ver dient es, dafs den französischen Ortsnamen die richtige Aussprache in
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Klammern beigefügt ist, z. B. Beaumont (Bohmon) . -
Wir erfahren
ferner, dafs das Buch gelegentlich des 50jährigen Jubiläums auf Kosten des Offizierkorps an sämtliche aktiven Mannschaften, sowie an jetzigen und früheren Offiziere, Ärzte u , s, w. des Regiments , sowie in erheblicher Zahl an die Vereinigung ehemaliger Angehöriger des Regiments verteilt wurde, ein Verfahren , das Nachahmung verdient. Dem tapferen Regimente ist durch diese Geschichte ein würdiges und 1. bleibendes Denkmal errichtet worden .
Die Armee des Njegus Njegest Menelik II. von Abessinien und einiges über militärische Operationen in Abessinien. " Von F. Schindler , k. k . Hptm., Ruhl, Leipzig . Die kleine Schrift (46 Seiten mit Skizzen) bildet den ersten Teil eines Reiseberichtes und trägt daher unverkennbar die frische Farbe eigener, persönlicher Eindrücke. Der Stoff ist scheinbar übersichtlich geordnet und unter vielversprechende Titel gebracht, wie : „Wehrmacht im Allgemeinen, Waffengattungen , Taktischer Verband der Armee, Adjustierung, Mobilisierung" etc. Leider aber bleibt der Inhalt hinter dem, was Titel und Vorrede an „verlässlichen Daten" versprechen , weit zurück . So z. B. bringt der Titel „Adjustierung" in 13 Zeilen nur die Nachricht, dafs „Jedermann seine eigene Bekleidung trägt" , bestehend aus einer Art Toga und Hose ; im übrigen wird hinsichtlich „ regelrechter Adjustierung“ , ferner Hemd und Schuhen „Fehlanzeige“ erstattet. Dafs sich hingegen über diesen Punkt sehr viel sagen liefse, geht aus den mehrEbenso fachen, in den anderen Kapiteln verstreuten Notizen hervor. bringt uns der auf den ersten Blick sehr interessante Titel „ Mobilisierung eine Enttäuschung ; er enthält nach kurzer Schilderung der längst bekannten Vorgänge beim „ Aufgebot" lediglich den etwas komplizierten Lebens- und Liebes-Roman der Königin Taitu !! Nach der Art und Weise, wie der Erzähler bei Ordnung des Stoffes sich keinerlei Zwang anthut, vielmehr seiner Feder jeden Seitensprung gestattet, erhält die Schrift vielmehr den Charakter von „Reisebriefen“ als eines militärischen Essays, wie der Titel ankündigt . Wir möchten daher dem Herrn Verfasser empfehlen, die in Aussicht gestellte Fortsetzung seines Berichtes vielleicht auf den mehr zutreffenden Namen „ Neueste Reise-Eindrücke aus Abessinien “ zu Unter dieser Flagge werden dann auch verschiedene , an taufen. Wippchen erinnernde Stilblüten leichter passieren, wie z . B .: „ Das oder : „So geklaubt“ (S. 19) Holz wird während des Marsches kommt es, dafs das Soldatentum den Kindern sozusagen mit der Muttermilch eingeimpft wird. " — (Davon werden die armen Kinder kaum satt, wenn sie mit Muttermilch nur geimpft werden !) Was über die Organisation des abessinischen Heeres - leider sehr verstreut gesagt ist, bestätigt im allgemeinen die Richtigkeit
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der Angaben in dem empfehlenswerten Werkchen : „Das abessinischeHeer" von Sambon . Immerhin bringt die Schindlersche Schrift einiges Neue, z. B. die Angaben über die Elitetruppe Schnaiderjaschi (S. 1 ), dann den Ligne-Megas, den maskierten Doppelgänger des Negus, der ihn an bedrohten Punkten und im Kugelregen vertreten muſs . Von wirklichem Interesse ist das letzte Drittel der Schrift (S. 31 bis 46 ) , wo unter dem Titel „Allgemeines" eine lebendige Schilderung von Land und Leuten gegeben ist, welche freilich in vielen Einzelheiten mit den Darstellungen von berühmten Kennerh Abessiniens , wie Munzinger, Rüpell, Heuglin , Schweinfurth . Rohlfs, Schöller nicht übereinstimmt. Ein beigegebenes Kärtchen zeigt die Uccialli- und Mareb-Belesa-Muna-Grenze ; letztere wird als willkürliche „Annahme des italienischen Generalstabes“ bezeichnet . Dies ist historisch ungenau ; thatsächlich wurde dieselbe durch Vertrag mit dem daWgr. mals abtrünnigen Ras Mangascià von Tigrè stipuliert. Kunz, Major a. D. Kriegsgeschichtliche Beispiele aus dem deutschfranzösischen Kriege von 1870/71 . 8. und 9. Heft. Beispiele für das Waldgefecht und für den Kampf um Höhen und Schluchten. Zugleich selbständige Darstellung der Schlacht vom 16. August 1870 auf dem rechten Flügel der Deutschen. Kampf der 5. Infanterie - Division und der dieser Division zur Unterstützung gesandten Truppenteile der Armeekorps Nr. VIII, IX und X. Mit 2 Plänen . Berlin 1898. E. S. Mittler & Sohn . Preis 5,80 Mk. Mit dem Verfasser ziehen wir hinaus auf das Schlachtfeld von Vionville ; er macht uns gewissermafsen an Ort und Stelle mit den Gelände-Verhältnissen vertraut und so gewinnt diese Beschreibung der Gegend zwischen Gorze, Rezonville und Vionville für den Leser mehr und mehr an Interesse. Wir können nur dankbar sein , dafs von dem üblichen Schema der Geländebeschreibung abgewichen worden ist, denn durch Studien auf dem Gefechtsfelde selbst war Verfasser in derLage, dem Leser als bester Führer zu dienen . Einen weiteren Vorteil des uns vorliegenden Heftes erblicken
wir in den „Zeittabellen " , welche auf deutscher Seite teilweise aus Notizen von Offizieren zusammengestellt worden sind, welche nach der Uhr während der Schlacht gemacht wurden . Eine Gräberkarte" dient zum Anhalte dafür, dafs einzelne Truppenteile thatsächlich bis zu bestimmten Punkten vorgedrungen sind . Auch in statistischer Beziehung liefert das Werk viel Interessantes ; die dem Gefechtsplane beigegebenen Profile sind das beste Mittel, sich schnell ein Bild der Höhenunterschiede zu verschaffen . Auch bringt Major Kunz am Schlufs wieder eine Reihe von Aufgaben . Nicht oft genug können wir es betonen, wie dankbar ihm die Armee für seine sich in jedem Hefte wiederholenden Anregungen in dieser Richtung sein mufs. Wenn er immer wieder darauf hinweist, dafs die Kriegsgeschichte
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die beste Lehrmeisterin ist und bleibt, so giebt er uns durch seine Eigenart, kriegerische Ereignisse zu schildern, ein Beispiel, wie wir Kriegsgeschichte studieren sollen . Und hiermit kommen wir auf die zum erstenmale überhaupt von ihm behandelten Vorgänge auf dem deutschen rechten Flügel in der Schlacht von Vionville. Wenn am 15. August ein scharfes Drängen anempfohlen wird,. um wenigstens die Bagage des abziehenden Gegners noch zu erreichen , so nimmt es uns nicht Wunder, wenn selbst vom III. Armeekorps am Tage darauf noch an das Oberkommando die Meldung einlief, der Feind ziehe auf Thionville ab. Erst am 16. mittags erhielt Prinz Friedrich Karl richtige Nachrichten von der Situation , zu einer Zeit , wo die 5. Division bereits seit vielen Stunden in den Waldungen und auf den Höhen nördlich und nordwestlich von Gorze blutete. Aufserordentlich anschaulich schildert Verfasser die Lager der Franzosen mit ihren nur auf ganz kurze Entfernung vorgeschobenen Vorposten ; er bedauert mit dem General von Alvensleben das vorzeitige Beschiefsen dieser Lager durch die deutsche Artillerie wie die Nichtanwesenheit der 6. Kavallerie-Division im entscheidenden Momente, um die rückwärts flutenden französischen Massen niederzureiten . Er zieht aus letzterem Vorfalle den richtigen Schlufs, dafs in der Schlacht selbst die Kavallerie-Division in dauernder Fühlung mit dem obersten Führer bleiben mufs, um jene so seltenen Momente richtig auszunützen. Wir sind dem Verfasser zu Dank verpflichtet auch dafür, dafs er sich nicht nur auf das „Waldgefecht" beschränkt hat, von dem er uns treffliche Schilderungen einfügt. Sein Blick schweift mit Recht weiter, wenn er auch zugiebt, dafs durch das Gefecht im Walde des Ognons dem linken Flügel der Franzosen bedeutende Kräfte entzogen wurden. Es ist vor allem die deutsche Artillerie, welche hier besondere Erwähnung verdient. Denn ihrer unerschütterlichen Ausdauer und Zähigkeit ist es zumeist zu danken , dafs die Höhen westlich des Waldes von Vionville in Händen der Deutschen blieben . Auch seien hier einige der taktischen Betrachtungen erwähnt, welche uns nicht oft genug vor die Augen geführt werden können und welche Major Kunz seiner Arbeit anfügt. Wohl ist es wahr, das Durchgehen nach vorne ist ein schlimmes Ding und tropfenweis eingesetzt, verblutet auch die beste Truppe ; aber es giebt doch auch Momente, wo in dem Begegnungsgefecht Zeit zu gewinnen , die Hauptsache ist . Also nur die Notlage kann zu solchem Vorgehen zwingen. Wir waren 1870 noch nicht so weit, uns in Ruhe zu entwickeln , sondern wir stürzten uns dem Gegner besonders dann entgegen , sobald wir einsahen, unser Gewehr könne ihn nicht erreichen . Über die Verluste schreibt Verfasser, im Jahre 1870 seien den Franzosen Bataillons- und Halbbataillonsmassen auf Entfernungen sichtbar gemacht worden, auf welchen das Zündnadelgewehr noch nicht wirken konnte . Wer das miterlebt hat, wird Major
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K. Recht geben, dafs der moralische Eindruck ebendarum auch auf den gemeinen Mann so grofs war, weil man wehrlos niedergeschossen . wurde, ohne dafs der Feind Verluste hatte. Charakteristisch ist bei den Franzosen das auch sonst beliebte Verfahren, die vordere im Kampfe befindliche Linie abzulösen ; hieraus entwickelten sich stets neue Offensivstöfse, die aber nicht den Impuls eines mit vollster Energie geführten Angriffes in sich trugen. Wir können nur wünschen, dafs auch dieses Werk für viele eine neue Anregung dazu sei, die Kriegsgeschichte zu studieren und dürfen hoffen, dafs ein gleiches Interesse auch der Arbeit des Ver 63 . fassers über St. Privat engegengebracht werden möchte . Lehrbuch der Waffenlehre zum Gebrauche an der k. u. k. Militär Akademie und zum Selbststudium für Offiziere aller Waffen be arbeitet von Eduard Marschner , k. u. k. Major im Festungs Artillerie- Regimente Kaiser Nr. 1 , Besitzer des Militär- Verdienst kreuzes . I. Band . (Allgemeine Waffenlehre . ) Mit 180 Abbildungen . Zweite Auflage. Wien und Prag. Verlag von F. Tempsky. 1898. Die mit dem 1. Bande vorliegende 2. Auflage unterscheidet sich von der ursprünglichen Bearbeitung (vgl. Besprechung in Nr. 292 S. 123) nur durch grofse Zusammendrängung des Stoffes (358 S. statt 392) . Die Anordnung ist fast ganz die gleiche geblieben . Die Zahl der Abbildungen ist um 4 reduziert (180 statt 184) . Das rauchschwache Pulver erscheint bei dem grofsen Interesse, welches dasselbe bean spruchen kann , zu knapp behandelt. Noch weniger können wir dem Verfasser diesen Vorwurf hinsichtlich der Mittel zur Einschränkung des Rücklaufs bei den Laffeten, besonders der Feldgeschütze, ersparen , ein Thema, welches jetzt die gesamte artilleristische Welt beschäftigt. Es mag dies wohl damit in Zusammenhang stehen, daſs der Verfasser, welcher bei Bearbeitung der 1. Auflage noch Lehrer an der technischen Militär-Akademie war, jetzt durch den praktischen Dienst in Anspruch genommen ist. Dem Standpunkt jener Bildungsanstalt, die mit unserer vereinigten Artillerie- und Ingenieur- Schule gleichbedeutend ist, ent spricht auch die Waffenlehre, welche weit über das Bedürfnis der Vorbereitung zum Offizier- Examen hinausgeht. 12.
Die Rechtslehre .
Verfafst im Auftrage des k. u . k . Reichs - Kriegs
ministeriums von Anton Schupp , k . u . k. Major- Auditor, Wien, Wilh. Braumüller , 1898. In Österreich-Ungarn ist der Unterricht in der Rechtslehre an den beiden Militär-Akademien in Wien und Wiener Neustadt eingeführt , was wir für zweckentsprechend halten. Der Offizier soll Kenntnisse namentlich des Militär- Strafrechtes besitzen, da er als Richter, als Verteidiger , als Gerichtsherr und als mit einem weitgehenden Dis
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ziplinar-Strafrecht betrauter Kommandant hochwichtige Aufgaben auf , dem Gebiete des Militär-Rechtes zu erfüllen hat . Auch im Völkerrechte, namentlich in Kriegszeiten, soll der Offizier bewandert sein. Kennt nisse des Staats- und Privatrechtes gehören zur allgemeinen Bildung . Das vorliegende Buch , welches in encyklopädischer Darstellung das Militär- Strafrecht, den Militär- Strafprozefs, das Privat- und Völkerrecht behandelt, ist ein im Auftrage des Reichs-Kriegsministeriums verfafster Lehrbehelf für diesen Unterricht. Unser Urteil über dasselbe ist ein günstiges . Das Buch ist mit grofser Sachkenntnis geschrieben , und giebt ein schönes Zeugnis von emsigen Studien des Herrn Verfassers . Wesentliches ist aufgenommen , Unwesentliches übergangen. Sprache ist einfach, und daher allgemein verständlich . Jedenfalls wird das Buch seinem Zwecke, Lehrbehelf in dem Unterricht in der Rechtslehre an militärischen Bildungsanstalten zu sein , vollkommen entsprechen. Aber auch dem deutschen Offizier, welcher sich über das Recht der österreichisch - ungarischen können wir das Buch bestens empfehlen.
Armee unterrichten
will , 45.
Die niedere Gerichtsbarkeit. Nach dem vom Bundesrate angenom menen Entwurf einer Militärstrafgerichtsordnung 1898. Bearbeitet von v. Schwarzkoppen , Hauptmann . Berlin 1898. R. Eisen schmidt. Preis 80 Pfg. Mit Einführung der neuen Militärstrafgerichtsordnung tritt an jeden Offizier die Verpflichtung heran, sich mit den bezüglichen Bestimmungen derselben vertraut zu machen . Diesem Zwecke dient die vorliegende , kleine, sehr übersichtlich geordnete Schrift, die Auskunft giebt auf alle Fragen im Bereiche der niederen Gerichtsbarkeit. Jedem Haupt abschnitte ist am Schlusse eine kurze Betrachtung beigefügt, in der die wesentlichen Neuerungen besonders hervorgehoben werden . Diese Schrift entspricht einem Bedürfnis in den Kreisen des Truppenoffiziers 2. und kann deshalb empfohlen werden . Wer ist der Betrogene ? Eine deutsche Antwort auf den russischen Abrüstungsvorschlag . Von Germanicus. Berlin 1898. Richard Schröder. 50 Pfg. „Ach, wenn doch unser Bismarck noch lebte ! Die Perfidie der russischen Staatskunst zeigt sich darin, dafs sie erst auf den Tod Bismarcks gewartet hat, ehe sie mit ihrer sicher schon längst beab sichtigten Kundgebung herausrückte !" Es bedarf nur dieser wenigen Worte aus vorliegender Broschüre, um die Ansichten ihres Verfassers zu kennzeichnen, welcher die Ein ladung Rufslands zur Abrüstungs- Konferenz als einen diplomatischen Schachzug bezeichnet, um unter Sicherung vor westlichen Konflikten und kostspieligen Rüstungen im Osten freies Spiel gegen noch wirt schaftlich unerschlossene, reiche Ländergebiete zu haben . ― Nach einer Betrachtung über die Ungleichheit der Menschenrassen , begründet
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auf ein gröfseres kulturhistorisches Werk des Grafen Gobèneau, kommt Verfasser zu dem Schluſs , daſs wahre Kultur bei Völkern nur da zur Blüte kommt, wo die arische Rasse die Oberhand behält. Als die aktivste aller arischen Rassen erkennt er die Normannen und be hauptet, dafs das russische Reich seine kulturelle Entwickelung nur der Einwanderung und Vermischung mit von Schweden herüber kommenden Normannen verdankt habe. Jenen Elementen sei die Stiftung ihrer Reichseinheit (Rurik 862) zuzuschreiben , mit ihnen rifs Peter der Grofse Rufsland aus dem Asiatentum wieder heraus, wie später auch die Einverleibung der Ostseeprovinzen einen Zuzug der selben herbeiführte . Die Eitelkeit der Slawen, eine eigene Kultur gründen zu wollen , hätte aber in neuerer Zeit die sogenannte panslawische Bewegung hervorgerufen, so dafs die rein arischen kostbarsten Elemente der Be völkerung jetzt teilweise herausgetrieben, teils absorbiert würden . Und so könne es nicht mehr lange dauern , bis man dieselben nicht mehr in den höheren Gesellschaftsklassen zur Verbreitung europäischer Kultur haben werde und asiatisches Wesen wieder die Oberhand ge winnen würde ! Bis hierhin sind wir den Darlegungen des Verfassers mit Verständ nis gefolgt, wie wir denn mit ihm besonders das Fehlen der Stimme aus dem Sachsenwalde in dieser Zeit schwerer politischer Komplikationen schmerzlich vermissen , wenn aber Verfasser S. 19 sagt : „ Man weifs in Rufsland an mafsgebender Stelle am besten, daſs man heutzutage mit noch so brutalen , unmenschlichen Räuberhorden kein hochcivili siertes Volk von starker Wehrhaftigkeit besiegen kann," - und weiter ausführt, die russische Diplomatie spekuliere dahin, dafs der Westen wirklich abrüsten und womöglich zu Bürgerwehren übergehen solle, damit Rufsland mit seinen „ halbcivilisierten brutalen Horden " einst erfolgreicher über sie herfallen könne , so schiefst der Verfasser Eben sowohl sachlich wie in der Form weit über das Ziel hinaus . SO hinfällig erscheint uns des Verfassers Gegenrezept , wonach
Frankreich und Deutschland , jene beiden leiblich und geistig ver wandten Nationen gemeinsame Sache machen , " d . h. ein Schutz- und Trutzbündnis eingehen sollen ! Denn, wenn er ihre Verwandtschaft auch aus der Zeit Karls des Grofsen (!) nachweist , so sind die beiden „Brüder" doch seitdem auf so verschiedenen Lebenswegen gewandert , sind organisch und moralisch , auch stammlich so verschieden geartet (um für den einen Teil nicht „entartet “ zu sagen ) , als dafs dieser Gedanke je Aussicht auf Erfolg haben könnte ! Immerhin geben wir ihm Recht , dafs wir mit dem Blick nach Ost-Asien und Amerika das Kaiserwort beherzigen sollten : „Völker Europas , wahret euren Frieden ! ", dem wir hinzusetzen möchten : „aber bleibet gerüstet , da mit Ihr nicht die Betrogenen seid !“ v. M.
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Dienstalters-Liste der Offiziere der königlich preufsischen Armee und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armeekorps für 1898/99. Im engen Anschluſs an die Reihenfolge der Rangliste mit Angabe des erst- und letzterteilten Patents zusammengestellt, I. nach Stäben, Truppenteilen u . s . w. , II. nach Chargen . Abgeschlossen am 15. Oktober 1898. Berlin 1898. E. S. Mittler & Sohn . Preis 5 Mk., geb. 6 Mk . Diese Dienstaltersliste enthält im 1. Teiel, neben der Rangliste aller Truppenteile auch die Angabe des jedem Offizier erteilten ersten und letzten Patentes , im 2. Teile alle Offiziere nach Chargen und den Patenten geordnet . Sie gewährt einen sicheren Anhalt bezüglich der Beförderungsverhältnisse innerhalb der einzelnen Waffen und ist eine 4. willkommene Ergänzung der Rangliste.
III. Seewesen. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. Heft 12 : Aus den Reiseberichten S. M. Schiffe . Aus den Fragebogen der deutschen Seewarte , betreffend Häfen . Nachträge zur Segelanweisung für den Hafen von Lissabon . -― Beitrag zum Bericht über den Oststurm in der Nordsee vom 15. bis 20. Oktober 1898. Reise der „Patosi " nach der Westküste Südamerikas und zurück im Sommer und Herbst 1898 von L. E. Dinklage . Über den Sturm in der Nacht vom 19. zum 20. September d . J. an der ostpreufsischen Küste. Über das Schneiden des Äequators im Atlantischen Ocean auf Reisen von Nord nach Süd im April von L. E. Dinklage . Achtzehn Reisen von Kapt. R. Hilgendorf zwischen Hamburg und Südamerika , von E. Knipping (hierzu Tafel 11) . Unterströmungen in der Strafse von Bab-el-Mandeb . Die Witterung an der deutschen Küste im Monat Oktober 1898 . Marine-Rundschau. Heft 12 : Titelbild : S. M. S. „ Hertha “ . Vizeadmiral Karl Ferdinand Batsch (mit Bildniss) . -- Neues im Geschützwesen (Schlufs) . Über die Mittel zur Herstellung genufsfähigen Wassers aus Meerwasser (Schlufs ). - Nordelbisch- Dänisches (Forts.). Die Entstehung der orientalischen Expedition Bonapartes 1798 (Schlufs). Die Orkane der Antillen (Schlufs) . Gute Seemannschaft kein überwundener Standpunkt, von L. Arenhold. KapitänÜber Wechselwirkungen lieutenant der Seewehr (mit 1 Abbildung) . Die Entwickelung der elektromagnetischer Resonatoren. (Forts .) Skizzen vom hamburgischen Seeschiffsflotte, von Kapitän H. Meyer. spanisch-nordamerikanischen Krieg (Forts . ) . Moderne Rohrverschlüsse für Schnellladekanonen. (Forts .) Mittheilungen aus fremden Marinen. ThätigErfindungen (Schiffssteuerung, Signalwesen) . keit des Fischereikreuzers S. M. S. „ Olga“ während des September. Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. Nr. XII : Die Seeschlacht bei Camperduin . -- Obrys Richtungsregulator für den
chau in der Militär-Litteratur. Ums
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Der offizielle Bericht über die bei Guba zu automobilen Torpedo . Grunde gegangenen spanischen Schiffe . S. M. Torpedoboot „ Boa " - Fremde Kriegsmarinen . Kapitän Sverdrups Polar-Expedition. Nr. I: Die Entwickelung des technischen Wesens der k. u . k. Kriegs-Marine in den letzten 50 Jahren . Über Luftspiegelung. Kohlen-Ergänzung und Kohlen- Einschiffung auf Seeschiffen . - Erfolgreiches Artilleriefeuer zur See . Graphische Bestimmung der Ortszeit. Über eine neue Verteilung der Nadeln der Kompafsrose . - Neue Über die Entwickelung des Torpedoboote der deutschen Marine. -Schiffspanzers . Fremde Kriegsmarinen . Army and Navy Gazette. Nr. 2027 : Die Marine und ihre Feinde .. Unsere Handelsmarine . Die Verletzlichkeit der Häfen am BristolKanal und Vorschläge zu besserem Schutze derselben . Nr 2028 : Marinegeschütze . - Stapellauf des Kanonenboots „Bramble". Beabsichtigte Errichtung einer französischen Flottenstation auf Noumea (Neu-Kaledonien ). Mahan über Küstenverteidigungsfahrzeuge . Nr. 2029 : Anwachsen der aktiven Liste der Marine. Die Thätigkeit des deutschen Flotten-Vereins. Nr. 2030 : Die Marine- Ingenieure. -- Über die Art der Geschütz -Aufstellung. - Stenzels Buch über die englische Flotte ins Englische übersetzt. Journal of the Royal United Service Institution. Nr. 250 : Eine suggestirte Verbesserung der angenommenen Theorie der GeRauchlose Pulversorten zeiten. Die Staatsverteidigung Rufslands . der Nitroglycerin - Reihe. Army and Navy Journal. Nr. 1840 : Die thatsächlichen Treffer auf den Schiffen „ Cerveras" (125 in Summa von 8925 Schufs) . - Das Bericht des Staatssekretärs Navigations-Bureau . Trockendocks . Unsere See- Miliz . der Marine. Die Schiffe der zukünftigen Marine. Englische Marine-Ingenieure. Nr. 1839 : Admiral Schley für europäische Station in Aussicht genommen. Die Verluste des CerDie Monitorfrage. vera-Geschwaders in der Schlacht bei Santiago . Nr. 1484 : Vereinigte Operationen bei Santiago . Nr. 1842 : Der „Monadnock. "
Friede mit Spanien .
Revue maritime et coloniale. (November 1898. ) Die Schlacht Über ein Problem der Kinemathie . bei Cavite. Die Schlacht bei la Hogue 1692. Erste Eindrücke vom spanisch-amerikanischen Die italienischen Kriege. - Die Reserve der englischen Marine . Schiffsbesatzungen . Der englische Kreuzer Diadem. " - Die Torpedolancierrohre über und unter der Wasserlinie. Russische Expeditionen im Stillen Ozean 1895 und 1896. Die Heringsfischerei in der Nordsee.
--
See.
Rivista marittima. (Dezember 1898) : Das Der Zustand der italienischen Handelsmarine .
Signalisieren zur Einige Studien
über die Berechnung von Schiffsdampfmaschinen. - Einiges über die italienische Marine zur Zeit der Mitte des Jahrhunderts . - Der Schiffsmagne-
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Umschau in der Militär-Litter.
Die Zukunft der Handelsmarine . - Schnelle Seereisen des Die Seeschlacht bei Santiago . „Kaiser Wilhelm der Grofse“ .
tismus .
Morskoi Sbornik. (Russischer Marine- Sammler. ) (Dezember 1898. ) Nr. 12 : Offizieller Theil : Bestimmungen für die Aufnahme von Zöglingen in das Marine-Kadetten -Korps . - Nachrichten über die Fahrzeuge in fremden Gewässern ; an Stelle des zur Verstärkung des Geschwaders im Stillen Ozean bestimmten Kreuzers II. Kl. „Rasboinik“ kehrt der Kreuzer II . Kl. „ Kreifser" in die Heimat zurück. -- Nichtoffizieller Teil : Fragen der Marine- Strategie. Das Personal der englischen Flotte. Formeln zur Bestimmung der unter Wasser befindlichen Oberfläche eines Schiffes . Wasser-Röhren- Kessel . Metallurgische Bemerkungen . Rangliste der Kaiserlich Deutschen Marine für das Jahr 1899 (abgeschlossen am 30. November 1898) . Berlin . E. S. u. Sohn. Die kürzlich erschienene Rangliste der Kaiserlichen Marine für das Jahr 1899 enthält verschiedene Neuerungen . Zum erstenmale erscheint darin der neue Name „ Fregatten-Kapitän" statt der langatmigen früheren Bezeichnung „Korvettenkapitän mit Oberstlieutenantsrang“ . — Zum erstenmale seit Bestehen der Marine findet sich unter den nichtfürstlichen Seeoffizieren ein Ritter des hohen Ordens vom schwarzen Adler, S. Exc. der kommandierende Admiral von Knorr. Ferner erscheint erstmalig das Gouvernement Kiautschou mit der Einteilung I. Civil- Verwaltung (Unterabteilungen : Civil-Kommissariat, Justiz-Verwaltung und Bau-Verwaltung). II. Militär-Verwaltung (III. Seebataillon, Matrosenartillerie-Detachement Kiautschou, Artillerie-VerIV. Lazaret-Verwaltung. waltung) . — III . Garnison -Verwaltung. V. Vermessungs - Detachement. Auch die Einteilung der Schiffe ist eine andere, nämlich Linienschiffe, Küstenpanzerschiffe, Panzerkanonenboote, grofse Kreuzer, kleine Kreuzer, Kanonenboote, Schulschiffe, Spezialschiffe und Hafenschiffe. - Natürlich ist der Umfang der Rangliste gegen das letzte Jahr wieder gewachsen, entsprechend der Verstärkung der Marine .
IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher. 1. ,,Auf Reitschule." Ernstes und Heiteres vom Königl. MilitärReit- Institute, mitgeteilt durch F. Freiherr von Dincklage. Hannover 1899. Verlag von M. u. H. Schaper. Preis in eleg. Sportband gebd. 8 Mk. 2. Das Königliche Bayerische 3. Feld-Artillerie- Regiment Königin-Mutter 1848-1898 . Anlässlich der Feier des 50jährigen Bestehens des Regiments in dienstlichem Auftrage für die Unteroffiiziere und Mannschafter bearbeitet von Arnold Müller , Premierlieutenant des Regiments. München . Druck von G. Hafner. Preis 1 Mk. 3. Kriegsgeschichtliche Beispiele aus dem deutsch-französischen Kriege von 1870-71 . Von Kunz , Major a. D. 10 Heft. Der Kampf
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um St Privat la Montagne, Beispiel für Dorfgefechte. Mit 2 Beilagen in Steindruck. Berlin 1899. E. S. Mittler u . S. Preis 3 Mk . 4. Kampf und Gefecht. Ein Beitrag zur Frage der Schlachten taktik. Von Grapow , Hauptmann . Mit zwei Anlagen in Steindruck. Berlin 1898. E. S. Mittler u . S. Preis 3.50 Mk. 5. Studien über Truppenführung von F. v. Verdy du Vernois , General der Infanterie z. D. Erster Teil : Die Infanterie-Division im Verbande des Armeekorps . Neu bearbeitet durch v . Gofsler, Oberst. Zweites Heft. Mit einem Gefechtsplan . Berlin 1898. E. S. Mittler u . S. Preis 2 Mk . 6. Der stenographierende Unteroffizier. Anleitung zur Erlernung der vereinfachten deutschen Stenographie . Für den Unterricht an Kapitulantenschulen u . s . w . sowie zum Selbstunterricht bearbeitet von Fr. Burckhardt. Zweite verbesserte Auflage . Berlin 1898. E. S. Mittler u . S. Preis 1 Mk . 7.
Leitfaden für den Unterricht in der Waffenlehre auf den
Königlichen Kriegsschulen . Auf Veranlassung der General - Inspektion des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens ausgearbeitet. Neunte Auflage. Berlin 1899. E. S. Mittler u . S. Preis 3 Mk. S. Sammlung elektrotechnischer Vorträge. I. Bd . 10. u. 11. Heft. Scheinwerfer und Fernbeleuchtung. Von E. Nerz . Mit 36 Ab bildungen . Stuttgart 1899. Ferd. Enke . Preis 2 Mk. 9. Weihnachtsnummer der Zeitschrift ,,Überall" des deutschen Flotten-Vereins. Mit zahlreichen Illustrationen und einer farbigen Kunstbeilage . Berlin 1898. E. S. Mittler u . S. Preis 1 Mk. 10. Armee-Kalender des „,Deutschen Soldatenhorts" (12. Jahr gang) von H. v. Below , Generallieutenant z. D. Preis 1 Mk. 11. Die Aufnahme- Prüfung für Kriegs- Akademie. Ein Hilfs mittel zur Vorbereitung für die Kriegs-Akademie und für militärische Übungsreisen . Zugleich eine Aufgaben- Sammlung für militärische Winterarbeiten. Von A. Kuhn , Major a. D. 3. vermehrte und ver besserte Auflage . Berlin 1899. Liebel'sche Buchhandlung. Preis 11 Mk. , geb. 14 Mk . 12. Rangliste der Kaiserlich Deutschen Marine für das Jahr 1899. (Abgeschlossen am 30. November 1898.) Redigiert im Marine-Kabinet. Berlin. E. S. Mittler u . S. 13. Die deutsche Soldatensprache von Dr. Paul Horn . 1899. Rickersche Verlagsbuchhandlung .
Giefsen
14. Der Caesar- Ariovistsche Kampfplatz . Von C. Winkler , Baurat. Mit Karten und perspektivischen Ansichten . Zweite vermehrte Auflage. Colmar 1898. J. Waldmeyer. 15. Contra Bebel und
Bleibtreu .
Noch ein Wort in Heeres
sachen für weitere Volkskreise von A. v. Boguslawski. Berlin 1898 . A. Schall. Preis 75 Pfg. 17 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 2.
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Umschau in der Militär-Litteratur 16. Gesammelte Briefe
eines alten Offiziers an seinen Sohn.
Ein Wegweiser zu strenger Selbstzucht und Selbsterziehung von S. K. Berlin 1898. R. Schröder. Preis broch. 5 Mk., gebd. 6 Mk. 17. Die Trophäen des Preufsischen Heeres in der Königl. Hof und Garnisonkirche zu Potsdam . Auf Allerhöchsten Befehl Sr. Maj . des Kaisers und Königs herausgegeben vom Königl. Kriegs ministerium . Bearbeitet durch G. Lehmann , Wirkl. Geh . Kriegsrat. Mit 24 Tafeln in Lichtdruck. Berlin 1898. E. S. Mittler u. S. Preis 6 Mk., geb. 7,75 Mk. 18. Meinholds Juristische Handbibliothek. Redigiert von M. Hall bauer. Bd . 96. Militärstrafgerichtsordnung für das deutsche Reich. Handausgabe mit Anmerkungen und Sachregister. Bearbeitet von J. Sturm und H. Walde. Leipzig 1899. A. Berger. Preis 5 Mk. 19. Historische Bibliothek. Herausgegeben von der Redaktion der Historischen Zeitschrift. 7. Bd .: Die Berliner Märztage von 1848 von Prof. Dr. W. Busch. München und Leipzig 1899. R. Oldenburg. Preis 2 Mk. 20. Lose Blätter aus dem Notizbuch eines Infanteristen von Ernst Bock von Wülfingen, Generalmajor z . D. Hannover 1899. H. Lindemann . Preis 75 Pfg. 21. Infanterie-Patrouillen nach Art russischer Jagd-Kommandos. Sonder-Abdruck der „Allgemeinen Militär-Zeitung " . Darmstadt u. Leip zig 1898. E. Zernin . Preis 80 Pfg. 22. Das Feldartillerie-Material C/96 . Nachtrag zu Batsch ' Leit faden für den Unterricht der Kanoniere und Fahrer der Feldartillerie, bearbeitet von Zwenger , Hauptmann. Mit 14 Abbildungen im Text. Berlin 1899. Liebelsche Buchhandlung . Preis 15 Pfg . 23. Der Unteroffizier im Gelände. Ein Handbuch für die Unter führer der Infanterie und Kavallerie. 8. verb. Auflage bearbeitet von
v . Brunn , Generalmajor.
Berlin 1899.
Liebelsche Buchhandlung.
V.X.
Druck von A. W. Hayn's Erben , Potsdam.
AWES
·
ོ་
XIX .
Das
deutsche Offiziertum
im Kampf gegen den Umsturz . Von
Paul von Schmidt, Generalmajor z. D. Bei
der
Eröffnung
des
Abgeordnetentages
des
deutschen
Kriegerbundes zu Weifsenfels richtete de. Dundesvorsitzende , General der Infanterie z. D. von Spitz, die ernste, feierliche Mahnung an die dort versammelten Vertreter der 12000 Bundesvereine, gegen jeden Sozialdemokraten zu wirken auf jede Weise. ,,Das ist nicht Politik " , erklärte Seine Excellenz, das ist blofs eine Beachtung der Satzungen, auf denen wir stehen." Nun, das deutsche Offizierkorps treibt ebensowenig Politik, Aber ebenso wie diese , ja in noch wie die Kriegervereine. ein berufener Streiter im ungleich höherem Grade ist es Kampf gegen den Umsturz .
Freilich nicht in Volks- und Wahl
versammlungen, nicht auf dem lauten Markt des öffentlichen Lebens , nicht in der Tagespresse . Wohl aber in jeder Bethätigung seines Wesens und Wirkens, vor allem in der Erfüllung seiner wichtigsten und schwierigsten Aufgabe, der Erziehung des Soldaten . Auf der roten Fahne steht geschrieben : Gottlosigkeit, Leugnung
aller Autorität, Lösung aller bestehenden gesellschaftlichen und Familienbande, Streben nach Wohlleben und Genufs. Da gilt es. unser Banner zu entfalten mit der Losung: Gottesfurcht, Königs treue,
christliche Zucht und Sitte, Gehorsam, Entsagung, Selbst beschränkung und Selbstverleugnung. Nur wer auf diesem Grunde steht, erfafst die volle Bedeutung seines hohen Berufes ; der kann und muſs aber auch werkthätig werden in der Ausübung, sich rüsten zum Kampf. Seit die Sozialdemokratie eine Macht geworden ist, mit der sehr ernsthaft gerechnet werden mufs, kann sie ihrerseits sich nicht mit der blofsen Negation begnügen, sondern sie mufs, z. B. im Reichs tage, positive Vorschläge machen. Auf diesem Gebiet tritt natürlich unter den Sozialdemokraten selbst viel eher Uneinigkeit und Zwie spalt zu Tage, als beim Verneinen und Opponieren . Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 3.
Während die 18
Das deutsche Offiziertum im Kampf gegen den Umsturz .
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Gemäfsigten vorläufig die Reform auf gesetzlichem Wege erstreben, treiben und drängen die Radikalen zur Revolution. Vermutlich werden die Entschiedenen die Oberhand gwinnen : Der „ Berg" geht über die ,,Gironde" zur Tagesordnung über.
Und dann ist nur noch
ein Schritt zum Anarchismus , zum Königsmord , zum Kampf Aller gegen Alle . Das Jahr 1898 hat uns grauenvolle Belege hierfür gegeben. Mag die Sozialdemokratie den Anarchismus abschütteln wie sie will : er hängt sich doch an ihre Rockschöfse . Es ist notwendig, diesen Dingen klar ins Angesicht zu schauen, nicht nur zu klagen über das unheimliche Anschwellen der Sozial demokratie, sondern auch die gewaltige geistige Macht sich vor Augen zu führen, die unbestreitbar in dieser Bewegung zu Tage tritt. Es ist verhältnifsmäsig leicht, im offenen Kampfe seinen Mann zu stehen,
wenn es gilt,
gegen
die Arbeiterbataillone Front
zu machen, deren Ansturm in Aussicht gestellt wird ;
aber
es ist
schwer und noch viel wichtiger mit geistigen Waffen das rote Gespenst zu beschwören, dem unser deutsches Volk in immer breiteren Schichten zum Opfer fällt. Und was bahnt der Sozialdemokratie mehr die Wege, was arbeitet mit ihr so Hand in Hand, wie die entsetzliche Verrohung der Bevölkerung, die sich ausspricht in der Zunahme der Sitten losigkeit und der Verbrechen, der Mordthaten und der Selbstmorde. Es giebt eben kein bindendes Sittengesetz für den, der keine gött liche noch menschliche Autorität anerkennt ; das ist ein Erfahrungs satz, der gerade in neuester Zeit immer augenscheinlicher wird . Ohne Anerkenntnis der Autorität ist alles Reden von Sitte und Humanität eitel Phrase, für die der grofse Haufe kein Verständnis bat. Wer dem Volke den Respekt vor Gott und Obrigkeit nimmt, der wird finden, dafs fesselt.
er damit auch die Bestie im Menschen ent
Gleichzeitig sinkt damit der Wert des Menschenlebens, des
fremden wie des eigenen ; gleichzeitig steigert sich damit Genufs sucht und schlechte Leidenschaft ins Ungemessene. Und diese Strömung wirft ihre Reflexe bis in unsere Kreise. Genufssucht und Zuchtlosigkeit haben schon manchen Kameraden und Standes Wer die idealen Grundlagen genossen ins Verderben gerissen. unseres Berufes, die idealen Aufgaben unserer Ritterschaft aus den Augen verloren hat, wer nichts Höheres kennt, als Befriedigung seiner Neigungen, sinnlichen Genufs und äufserlichen Ehrgeiz, der wird wie ein steuerloses Fahrzeug von den Wogen des modernen Lebens umhergeschleudert, und es ist lediglich Glücksache , wenn solche Existenz nicht den schmählichsten Schiffbruch leidet. Soll unser deutsches Offiziertum, eine der stärksten Säulen des
263
Das deutsche Offiziertum im Kampf gegen den Umsturz. Reiches, nicht nur intakt bleiben
und
seinen kriegerischen Beruf
erfüllen, sondern auch seinen Mann stehen im Kampf gegen den Umsturz, so mufs es bleiben, was es war seit den Tagen des grofsen Kurfürsten, ja es muss noch viel mannigfaltigere, viel höhere Anforderungen an die tadellose Haltung seiner Vertreter stellen. Wenn ein Offizier im Gespräch mit Mitgliedern anderer Stände, um etwa zu zeigen, daſs er
auf der Höhe der Zeit steht", gering-
schätzig über die Wahrheiten der Religion, über ideale Ziele und Bestrebungen sich äufsert , wenn er offen dem Realismus und Materialismus unserer Tage huldigt, so giebt ein solcher Träger des Schwertes das geweihte Schwert des Geistes aus der Hand, mit dem allein sich der Sieg gewinnen läfst, und er liefert dem Feinde. in letzter Konsequenz dem Umsturz , die Waffe, um erfolgreich gegen Thron und Altar zu kämpfen. Ja, ein solcher Kamerad gleicht dem Manne, der den Ast absägt, auf dem er sitzt. Wenn Offiziere, die es dazu haben, mitunter auch solche , die das nicht von sich sagen können, übertriebenen Luxus treiben, sich durch raffinierte Genüsse für die Anstrengungen des Dienstes entschädigen, womöglich thörichten Leuten dadurch zu imponieren suchen, so schädigen sie nicht nur das Ansehen des Offizierstandest in den Augen aller Wohldenkenden, sondern sie geben auch denen, die geflissentlich Unfrieden säen, die das arme, schwer arbeitende Volk aufhetzen gegen die Reichen und im Wohlleben Schwelgenden den willkommensten Anlafs, mit Fingern auf sie zu zeigen, den Klassenhafs zu schüren, die Umsturzgelüste zu fördern. Wenn
Offiziere,
es sei in Uniform
oder in Civil,
durch un-
gehöriges Benehmen Ärgernis geben, unbedachtsam Streit suchen , ohne Not von der Waffe Gebrauch machen, so schädigt der solchen Vorkommnissen stets folgende Prefslärm nicht nur das Offiziertum , sondern es ist das vor allem Wasser auf die Mühle der Feinde unseres Heerwesens,
schätzbares Material für
die Sozialdemokratie.
Auf jede gescheiterte Existenz aus unseren Kreisen, auf jeden , der'in oder aufser Dienst Schiffbruch leidet, sich in Schulden stürzt oder der verderblichen Leidenschaft des Spielers zum Opfer fällt, wird mit lauter sittlicher Entrüstung hingewiesen und die Rädelsführer des Umsturzes lassen sich solche Gelegenheiten niemals entgehen.
Und
was sollen
Fällen sagen, in denen
wir
zu den
mifsvergnügte,
unsäglich
beklagenswerten
aus dem Dienst
entlassene
Offiziere, die mit ihren Anschauungen und Gesinnungen nicht in unsere Ritterschaft hineinpafsten, das Gift ihrer üblen Gesinnung in Zeitungsartikeln und Brochüren ablagern, die mit wahrer Wonne von dem uns feindlichen Publikum verschlungen werden und die
18*
Das deutsche Offiziertum im Kampf gegen den Umsturz .
264
wiederum den herrlichsten Brandstoff für den grofsen Scheiterhaufen liefern, den der Umsturz aufschichtet ! Genug hiervon. Es mufste klar und entschieden darauf hin-
gewiesen werden, dafs es unerlässliche Vorbedingung für einen erfolgreichen Kampf ist und bleibt, dafs der Kämpfer sein blankes Schwert mit reinen Händen führt, dafs er ein Ritter ohne Furcht und Tadel, dafs er in höchstem Sinne würdig des Banners, unter dem er streitet. Welches ist nun der Kampfplatz , auf dem der Offizier gegen den Umsturz zu Felde ziehen soll und wie soll er diesen Kampf führen?
Das Kampfgebiet, oder vielmehr das Arbeitsfeld ist mit einem Worte zu bezeichnen : es gilt die Erziehung des Soldaten , wobei der Begriff Erziehung im weitesten und höchsten Sinne zu fassen Die Erziehung des Soldaten ist eine der wichtigsten nationalen zum allergröfsten Teile Sache des Offizierkorps ist. Ihre Ziele sind klar und erschöpfend bezeichnet in den Kriegsartikeln und in den Dienstvorschriften. Vor allem mafsgebend ist
ist.
Aufgaben, die
der zweite Kriegsartikel,
der im
engen Anschlufs
an den Fahnen-
eid klar und erschöpfend die Soldatenpflichten aufzählt, Erweckung und Pflege es ankommt. Zunächst wollen wir uns
den
Rohstoff,
das
auf deren
Rekruten-
material ansehen, an dem unsere Erziehungsarbeit beginnen soll. Da finden wir, heute wie immer, Dumme und Kluge , Stumpfe und Geweckte . Fröhliche und Verdrossene . Die Verdrossenen verdienen besondere Beachtung. Denn mehr als je giebt es in heutiger Zeit solche sauertöpfische, affektiert gleichgültige, auch wohl freche Gesellen. Und nicht immer unter den Strolchen, die als unsichere Heerespflichtige oder als Brotlose eingestellt wurden, finden sich die schlimmsten. Da haben wir vor allem diejenigen, die schon lange vor ihrer Einstellung, oft schon von der Schulbank weg, bei den Sozialdemokraten in der Lehre gewesen sind . Aufgewachsen ohne rechte Zucht, ohne Gottesfurcht und ohne Ehrfurcht vor König und Obrigkeit, dabei oft im schweren Kampf haben
sie
den
demokratischen
Einflüsterungen Wühler
gesagt worden, es Reichen schwelgen ,
ein
und
mit der Not des Lebens,
Verdächtigungen
williges Ohr geliehen.
der sozial-
Da ist ihnen
sei eine schreiende Ungerechtigkeit, daſs die während die Armen darben . Da müsse das
arme geplagte Volk sich selber helfen. Da ist ihnen vorgeschwatzt worden von allen möglichen Rechten und Freiheiten, die der Mensch habe und haben
müsse,
aber desto
weniger wurden die Pflichten
erwähnt, nach denen man immer zuerst fragen
sollte .
Da ist die
Das deutsche Offiziertum im Kampf gegen den Umsturz .
265
Religion verspottet und verlästert worden als Thorheit und Priestertrug. Und wenn es keinen Gott giebt, keinen liebenden und fürsorgenden Vater seiner Menschenkinder, keinen strengen und gerechten Richter über den Sternen, so ist das Ansehen der gottgeordneten Obrigkeit dahin, so ist es ja nur Volkswillen und Volksgunst, die der Obrigkeit so lange gehorcht, als es den Staatsbürgern pafst und als es nicht gut anders geht. Und wie steht es bei so verführten und verblendeten Gemütern mit der Heilighaltung des Fahneneides und der Auffassung unserer Soldatenpflichten?
Da giebt
es Leute, die
das alles in den Wind
schlagen ; doch haben sie dabei sorgfältig das Strafgesetzbuch studiert, damit sie sich an der Strafe vorbeidrücken, dabei aber möglichst wenig arbeiten und sich anstrengen . Besonders wissen sie mit den Paragraphen bescheid, die vom Mifsbrauch der Dienstgewalt, von der
Behandlung der Untergebenen, von der Be-
schwerdeführung sprechen . Sie lauern und freuen sich auf den Augenblick, wo der gereizte Vorgesetzte sich vergilst, damit sie gegen ihn auftreten können, oder Stoff haben für Verleumdungen und anonyme Drohungen . Es werden womöglich Klagebriefe ohne Namen an höhere Vorgesetzte , einflussreiche Leute, oder skandalsüchtige Zeitungen geschrieben . Die eben geschilderten Leute sind die schlimmsten und gefährlichsten . Zum Glück giebt es ihrer noch nicht so viele, als es den Anschein hat. Wir dürfen nicht glauben, dafs alle, die aus sozialdemokratisch verseuchten Bezirken kommen, oder alle, die von den Landratsämtern als verdächtig bezeichnet sind, darum schon zu den in der Wolle gefärbten Umstürzlern gehören. Wir dürfen keine Gespenster sehen. Hier einige Beispiele : Cigarrenarbeiter Stromer,
einmal wegen Unfugs
mütiges Gesicht und schaut
mit
bestraft, hat im übrigen seinen wasserblauen
ein gut-
Augen ganz
treuherzig, vielleicht etwas dösig in die Welt. „ Leben Ihre Eltern noch ?" ,,Nee, was mein Vater war, der is schon lange tot. " Und Ihre Mutter?"
,,Die geht bei Herrschaften waschen. "
,,Sie sind Cigarrenarbeiter ?" „Ja , mein Kollege Wurzelberger hat mich ins Geschäft bei Müller und Kompagnie gebracht." „Haben Sie da guten Verdienst gehabt ? " „ Ja es ging schon, wenn wir nur nicht so lange hätten streiken müssen." 29Warum streikten Sie denn ?" „Ja, Wurzelberger meinte , das müfste sein von wegen der Solidität." ,,Solidität ?" ,,Na ja, wir wären solidarisch. " ― ,,Ach so, die Hauptschreier und Radaumacher hatten's befohlen." ,,Ich habe keinen Radau nich gemacht, Herr Leutnant." Warum blieben
Sie
denn
nicht
ruhig
bei
der Arbeit ?"
Das deutsche Offiziertum im Kampf gegen den Umsturz.
266
.,Hätte ich schon gern gethan, aber da hätten sie mich garstig verSie denn nicht anderswo unterkommen ?" ..Konnten hauen." 29 ,,Nein, ich half meine Mutter bei die Wäsche und Wurzelberger Der Wurzelberger ist Sozialliefs mich auch nicht fort." ..Gehören Sie denn auch zu ...Kann schon sein." demokrat?" ,,Da hab' ich mich noch niemals nich drum ge,,Sind Sie denn auch mal in einer Radauversamm-
der Sorte?" kümmert."
,,Ja Wurzelberger hat mich mal mitgenommen.“ ,,Geredet haben sie und geschimpft ,,Was machten Sie denn da?" und als es zu toll wurde, da hat die Polizei die Versammlung auflung gewesen?"
gelöst. Dieser Mann ist natürlich als Sozialdemokrat überwiesen worden, wird aber bei richtiger Behandlung ein ganz braver Soldat werden . Unsicherer Heerespflichtiger wegen Umhertreibens bestraft. kommene,
ruppige
was haben Sie habe die kommen."
August Gewerbe
Bummlergestalt,
denn getrieben.
Faulstich , zweifelhaft.
anscheinend
mehrfach Eine ver-
gutmütig.
ehe Sie zu uns kamen?"
,,Na, ,,Ich
Schneiderei gelernt, konnte aber nicht damit zurecht,,Fehlte wohl an dem nötigen Sitzfleisch, wie ?" --
„ Na ja, ich kann's nicht vertragen, immer mit untergeschlagenen Beinen zu sitzen, wie ein Türke und da ging ich auf die Wanderschaft." ,,Und lebten von Bummeln und Betteln?" ,,Nein nein, ich wollte schon gern arbeiten, wenn sich was Passendes fand, habe auch beim Nord - Ostsee-Kanal mitgeholfen." ..So und haben Sie da auch
nicht aushalten können?"
„ I ja,
aus-
halten hätte ich schon können ; aber da traf ich einen Landsmann, den Radebrecher, der wollte mir eine bessere Stelle verschaffen." Was denn für eine Stelle ?" ,,Bei der russischen Eisenbahn." -Und da sind Sie nach Rufsland gegangen?" - ,,Ja, wir kamen aber gar nicht bis hin; der Radebrecher gehörte zum hinternationalen Streik-Komitee, und da sind wir immer auf Arbeiterversammlungen ,,Haben Sie da auch geredet?" -Werde mich gewesen." hüten, blofs
mitgeschrien
hab'
ich ,
wenn's
verlangt wurde
und
manchmal Einen mit rausgeworfen, der sich mausig machte." ..Was wolltet ihr denn eigentlich ?" ,, Das weils ich nicht so genau, vom achtstündigen Arbeitstag haben sie geredet und dafs wir's ebensogut haben sollten , wie die reichen Leute." „Das pafste Ihnen wohl ?" ,,Na warum denn nicht ! wenn's nur wahr gewesen wäre !" Die Herrlichkeit dauerte wohl nicht lange?" -Nein, den Radebrecher machten sie dingfest und ich rifs noch zu rechter Zeit aus." ,,Wurden Sie denn jetzt nicht gescheit und suchten sich ehrliche Arbeit ?“
Hätte ich schon gern gethan ; aber
Das deutsche Offiziertum im Kampf gegen den Umsturz.
267
niemand wollte mich anstellen, weil ich weiter kein Zeugnis hatte, als so einen Wisch von den Hinternationalen ." ,,Nun, hoffentlich baben Sie eingesehen, dafs mit den Hinternationalen nichts los ist?" ,,Nein, bei denen ist nichts zu holen." ,,Nun werden Sie ein strammer, ordentlicher Soldat,
dann kann noch
alles gut werden . “
- ,,Ach sie haben mir solche Angst gemacht vors Militär. “ -,,Das glaub' ich gern . Es pafst ihnen nicht, wenn die Leute bei uns auf andere Gedanken gebracht werden. Und das werden Sie erleben, dafür bin ich Ihnen gut." (,,Weinend ) Ach wenn mir nar jemand gut sein wollte ; seit meine Mutter tot ist, ist noch niemand gut zu mir gewesen.“ ,,Da werden Sie wohl selbst schuld sein . keit thun,"
Hier wird aber nicht geflennt ! Wenn Sie Ihre Schuldig,,Ja das will ich von Herzen gern.“ ,,Dann haben
Sie's auch gut. Es ist noch keinem schlecht gegangen, der seine Pflicht erfüllt und sich Mühe giebt, das Soldatenhandwerk tüchtig zu lernen." Das sind zwei sogenannte Sozialdemokraten . Es giebt ganz gewifs sehr viele in unserem Ersatz, die denselben, oder einen Was aus solchen Leuten wird, liegt ähnlichen Typus aufweisen. Durch falsche im wesentlichen in der Hand der Vorgesetzten . Behandlung, durch die Thorheit eines rüden Unteroffiziers , durch die Milsgriffe eines unerfahrenen Offiziers können Stromer und Faulstich verstockte und verbissene Subjekte werden, die später der Sozialdemokratie sicher zur Beute werden ; andererseits kann die ruhige Entschiedenheit und die wohlwollende Freundlichkeit eines verständigen Vorgesetzten dem Heere zwei tüchtige Soldaten, dem Vaterlande zwei brave Männer gewinnen . Was zuerst und unmittelbar auf den Mann einwirkt, das ist die Persönlichkeit keit ist
kaum
des Vorgesetzten.
zu
überschätzen.
Wie
Die Macht der Persönlichwirkten grofse
Heerführer
durch ihr blofses Erscheinen, durch ihre belebende Gegenwart. Der Eindruck , den die Persönlichkeit des Offiziers auf den Mann macht, hat manche Ähnlichkeit mit dem Eindruck, den die Erscheinung und Eigenart des Lehrers auf den Schüler ausübt. Aus unserer Schulzeit erinnern wir uns, wie ein Lehrer durch sein blofses Erscheinen, durch einen ernsten Blick die ganze Klasse in Respekt hielt, während ein anderer , dessen Persönlichkeit zum Lachen reizte, selbst mit empfindlichen Strafen keine Ordnung zu halten vermochte. So braucht der bärbeifsige Sergeant mit dem dröhnenden Bals
nur
einen Blick
auf seine Abteilung
Muskel zuckt, alle Augen hängen an ihm. dem
unerfahrenen
zu werfen und keine
Dem jungen Unteroffizier,
Leutnant wird das lange nicht so leicht,
weil
Das deutsche Offiziertum im Kampf gegen den Umsturz.
268
seine Persönlichkeit zunächst nicht imponiert. Von wie bestimmendem Einfluss ist die Persönlichkeit des Hauptmanns. Unwillkürlich wird eines geachteten und gefürchteten Kompagnie-Chefs Sprechund Handlungsweise von den Untergebenen nachgeahmt ; die Kompagnie ist selbst in Äufserlichkeiten das getreue Spiegelbild ihres Hauptmanns : so macht sich die Gewalt der Persönlichkeit geltend . Ein Offizier, der ein geziertes und affektiertes Wesen hat der in einem Tone spricht, den man - sehr mit Unrecht den Gardeton zu nennen pflegt, ein Unteroffizier, der wie ein Bramarbas auftritt und dabei wie ein Nufsknacker aussieht, ein Kommandierender, der stottert, solche Vorgesetzte wirken durch ihre Persönlichkeit zunächst ungünstig.
Ein Befehl kann von zwei Vorgesetzten ganz
mit denselben Worten erteilt werden und doch ganz verschieden wirken. Bei dem Sergeanten A. wird der Befehl mit Gedankenschnelle pünktlich ausgeführt , bei dem Unteroffizier B. ganz so schlaff und nachlässig, wie die matte Befehlserteilung es erwarten liefs. Bei der Behandlung des
Soldaten müssen die
allgemein
gültigen, längst bewährten Grundsätze gerade den bedenklichen Elementen gegenüber doppelt sorgsam beachtet werden. Im höchsten Grade sind Thätlichkeiten
und Schimpfen vom Übel .
Offizier, der sich zum Schlagen hinreifsen läfst, als ein Unteroffizier im gleichen Fall. Ebenso ist es noch viel schädlicher.
Ein
ist viel strafbarer,
Auch wirkt sein Beispiel mit dem Schimpfen . Ein
Kraftausdruck im Munde des Unteroffiziers wird vom Manne lange nicht so schwer empfunden, als wenn er vom Offizier ausgeht. Übelgesinnten Leuten aber können wir gar keinen gröfseren fallen thun, als wenn wir sie vorschriftswidrig behandeln. nun eine vornehme, gemessene
Ge-
Haltung den Leuten gegenüber zu
empfehlen ist, so kann man auch grofsen Schaden anrichten, wenn man die Schwächen und Fehler der Leute mit herabwürdigender, verächtlicher Ironie straft. Solcher Hohn , dessen Quelle der Mann deutlich durchfühlt, erbittert vielmehr, als ein derbes Scheltwort oder ein Kraftausdruck.
Wer übrigens die rechte innere Stellung
zu seinen Zöglingen einnimmt, wer ihnen mit Wohlwollen gegenübertritt, weil er ein Herz für sie hat, der kann solchen Ton gar nicht anschlagen. Der Mann weils ganz genau, wie der Offizier zu ihm steht, wie er es mit ihm meint. Wer sich das Vertrauen des Mannes erworben hat, von dem läfst er sich viel gefallen, der kann aber auch viel, ja alles mit ihm erreichen, im Frieden wie im Kriege. Unverständige Leute reden viel von humanen und beliebten Vorgesetzten ; auch in der Presse findet man oft dergleichen Phrasen.
Welche Vorgesetzte sind denn beliebt ?
Etwa diejenigen ,
Das deutsche Offiziertum im Kampf gegen den Umsturz.
269
die weichlich, mattherzig und aus Schwäche recht nachsichtig sind ? Beliebt ist nur, wen man achtet. Nein, ganz gewifs nicht. Schwächlinge können sich nie des Soldaten Achtung verdienen, Prinz Eugen, der alte Dessauer, der alte Fritz , Zieten, Blücher.
1 das waren Lieblinge des Soldaten.
Lauter Männer, die, unerbittlich
streng im Dienst, die höchsten Anforderungen an ihre Krieger stellten. Das konnten sie mit glänzendem Erfolge thun, weil sie ein Herz für ihre Soldaten hatten, weil sie mit ihnen zu Wenn uns Unaut reden, sie richtig zu behandeln verstanden. merksamkeit,
Nachlässigkeit,
Leichtsinn
entgegentritt,
so
dürfen
wir mit Rüge und Strafe nicht zurückhalten ; aber wir sollen uns hüten, den Mann zu verdammen, ihn für unwürdig unserer Sorge , für unverbesserlich zu halten. Immer müssen wir versuchen , uns in die Seele des Mannes zu versetzen, müssen uns fragen, wie er zu seiner Handlungsweise gekommen ist und was wir selbst etwa gethan hätten, wenn wir, unter den gleichen Lebensbedingungen auf gewachsen,
in
dieselbe
Lage ,
in
dieselbe
Versuchung
geraten
wären. So werden wir zu jener Billigkeit in der Beurteilung der Leute gelangen, die unverlässlich für alle Erziehung bleibt. Das alles hat volle Geltung den wirklichen oder sogenannten Sozial demokraten gegenüber . Zunächst müssen sie, so gut wie alle andern , pünktlich und ohne Widerrede gehorchen lernen Das ist gar nicht so schwer . Der Soldatenrock und die allen gemeinsame soldatische Gewöhnung übt schon an und für sich einen wunderbaren Zauber.
Dieselben Berliner Bummler, die 1848 auf
der Barrikade gestanden hatten, waren in den Reihen der strammen brandenburgischen Regimenter die tüchtigsten und zuverlässigsten Soldaten geworden. Wir dürfen die verdächtigen oder verdächtigten Leute gar nicht merken oder fühlen lassen, dafs wir ihnen anders gegenüberstehen, wie ihren Kameraden ; ja, es wäre vielleicht in manchen Fällen gut, wenn wir garnichts von solcher Beleumundung wüfsten, die uns die nötige Unbefangenheit raubt. Grundfalsch wäre es, den mit der S. D. Note uns Überwiesenen von vornherein mit Mifstrauen zu begegnen,
sie
zustellen, sie
vor ihren Kameraden der
zu
brandmarken oder blofs
besonderen Berücksichtigung eines übereifrigen
Unteroffiziers zu empfehlen.
Der unbedingte,
stramme
militärische
Gehorsam, die allumfassende und gleichmässige Disziplin bildet die solide Grundlage für die Erziehung jedes Soldaten, er mag Sozial demokrat sein oder nicht.
Achten wir jedoch mit besonderer Sorg
falt auf unsere persönliche Haltung, auf die strenge Innehaltung der Form des Befehls, auf die genaue Beachtung der reglementarischen
#
270
Das deutsche Offiziertum im Kampf gegen den Umsturz.
und sonstigen Dienstvorschriften. wenn
der
Übelwollende
Wir haben schon etwas erreicht,
niemals Anlafs
findet, die geringste Un-
gehörigkeit zu empfinden. Aber wir wollen und müssen mehr erreichen, schon durch die Bethätigung der inneren Stellung, die wir unsern Pflegebefohlenen gegenüber einnehmen. Unser grofser Schlachtendenker Moltke war gewifs kein sentimentaler Schwärmer. In der Grabkapelle zu Creisau , wo seine irdische Hülle ruht, glänzt zu Häupten seiner Ruhestätte sein Lieblingsspruch : Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung." Diese tiefsinnige und bedeutungsvolle Wahrheit des Evangeliums sollte in das Herz jedes Erziehers geschrieben sein, er mag als Geistlicher, als Lehrer oder in der grofsartigen Schule wirken und arbeiten, wo unser Volk in Waffen seine soldatische, seine vaterländische, ja seine staats- und weltbürgerliche Erziehung erhält. Die eingehende und liebreiche Sorge für den Mann ist das wirksamste Gegengift gegen sozialdemokratische Ansteckung. Fern sei uns Sentimentalität und falsche Humanität. Die rechte Liebe ist sehr ernst und züchtigt streng und ohne weichliche Nachsicht.
Aber nur
solche Liebe allein und nichts weiter in der ganzen Welt kann im Bunde mit der rechten Treue im Kampte gegen die Sozialdemokratie bestehen und siegen. Wer für seine Leute ein herzliches Interesse hat, der wird auch mit ihnen zu reden verstehen. Dazu gehört natürlich , daſs wir ihnen näher treten, sie kennen lernen, ihr Vertrauen gewinnen. Niemand hat dazu käufigere und bessere Gelegenheit, als der Rekrutenoffizier.
Gerade bei den Rekruten
müssen wir
anfangen.
Wird
bei ihrer Ausbildung und Erziehung Wesentliches versehen , so ist das in der ganzen Dienstzeit nicht wieder einzuholen. Natürlich ist auch die Auswahl der Unteroffiziere für diesen Dienst von gröfster Wichtigkeit. Unteroffizier
Wir müssen aber schon zufrieden sein, wenn der uns das Erziehungswerk nicht verdirbt ; das Beste
dabei muls heutzutage
der Offizier thun ;
stehen auf der Höhe
der Gesinnung,
nur er steht und mufs
der Geistes-
und Herzens-
bildung, die zur Erziehung im besten und edelsten Sinne befähigt. Wie man mit den Lenten spricht, davon wurde in der Unterbaltung mit Stromer und Faulstich ein kleines Probebeispiel gegeben. Wer dem Soldaten kalt und vornehm abgeschlossen gegenübersteht, der wird nie mit ihm reden lernen ; wer sich in sein Denken und Empfinden zu versetzen weifs, der wird auch leicht den rechten Verkehrston finden, ohne sich jemals etwas zu vergeben. Das gilt schon vom Dienstunterricht. Das beste Instruktions-
Das deutsche Offiziertum im Kampf gegen den Umsturz.
271
buch ist in der Hand des Unerfahrenen
und Ungeschickten toter Stoff, während der denkende und seinen Stoff beherrschende Offizier im Dienstunterricht das ergiebigste Arbeitsfeld findet, um auf Geist, Gemüt und Gesinnung seiner Leute zu wirken. Ja selbst gegen die sozialdemokratischen Irrlehren wird er hier mit Erfolg auftreten, wenn er seinen Zöglingen in volkstümlicher und überzeugender Weise von der Fürsorge unseres Kaisers für die Arbeiter erzählt und ihnen klar macht, wer die wahre Wohlfahrt des Volkes im Auge hat und wer durch hohle und übertriebene Versprechungen thörichte Hoffnungen erregt und wilde Leidenschaften wachruft. Die Thätigkeit des erziehenden Offiziers soll sich indessen nicht auf die Dienststunden beschränken. Er mufs die Gelegenheit suchen und finden, mit seinen Leuten auch aufser Dienst zu verkehren.
Denn nur bei
solchen
aufserdienstlichen
Unterhaltungen
wo die sonst streng geregelte Form des dienstlichen Verkehrs nicht mehr genau aufrecht erhalten zu werden braucht, wird es gelingen , den Mann zum Sprechen zu bringen, tieferen Einblick in seine Sinnes- und Denkart zu gewinnen, sich von den Verhältnissen zu unterrichten, in denen er vor seiner Einstellung gelebt hat und wie er unter solchen Bedingungen so geworden ist, so werden musste, wie wir ihn nach seiner Einstellung vor uns haben. Das heifst die Menschen kennen lernen . gerecht, den man nicht kennt ;
Oft verurteilt man den un-
man lernt ihn
erst verstehen und
begreifen, wenn man die Verhältnisse durchschaut, unter deren Einflufs seine Eigenart sich entwickelt hat, und man wird dann auch wissen, wie man auf diesen Mann einzuwirken hat, um ihn zur Erkenntnis zu bringen, ihn zu fördern,
den guten Kern in ihm zur
fruchtbringenden Blüte zu entfalten. In allen diesen Beziehungen kann ein strebsamer und verständiger Rekrutenoffizier seinen Kompagniechef wirksam unterstützen. umfassendere Noch schwierigere und
Aufgaben
hat
der
Kompagnie chef. Freilich ist er schon überreich beschäftigt durch die mannigfachen, fortwährend sich steigernden Anforderungen der Ausbildung ; aber er erfüllt seinen Beruf nur dann voll und ganz , wenn er seine Leute nicht nur zu brauchbaren Soldaten, sondern auch das
zu braven und tüchtigen Männern erzieht. Auch er mufs Vertrauen seiner Untergebenen gewinnen. Dazu gehört
zuerst strenge Gerechtigkeit und Unparteilichkeit, richtige, konsequent durchgeführte
Grundsätze
bei
der Bestratung,
Weckung
des
oft
nur schlummernden Ehrgefühls . Statt der in früherer Zeit so beliebten Mafsregeln " suche man den Mann zu strafen durch Entziehung des Vertrauens, ihn zu belohnen durch Vertrauens-
272
Das deutsche Offiziertum im Kampf gegen den Umsturz.
beweise. Alles, was zur Erziehung des Soldaten ' ) gehört, findet sinngemässe Anwendung gerade sozialdemokratischen Elementen gegenüber. Hier nur einige besonders nahe liegende Hinweise. In einer - übrigens wenig empfehlenswerten Brochüre wird davor gewarnt, der Hauptmann solle nicht zu seiner Kompagnie sagen : ,,Ums Himmelswillen , Leute, werdet keine Sozialdemokraten ! " Nun , so thöricht wird wohl im ganzen deutschen Heere kein Hauptmann sein; aber etwas Wahres liegt doch in dieser Warnung :
man
soll
nicht unnützer Weise den Teufel an die Wand malen, man soll vor der Kompagnie keine politischen Reden halten. Wohl aber kann man in kerniger Ansprache auf die Pflichten gegen Gott, König und Vaterland hinweisen. Das möge man beherzigen an unsern vaterländischen Gedenktagen. Wir Soldaten haben keine Zeit, alle möglichen Feste zu feiern , wie das in unserem deutschen Volke mehr und mehr zu verderblichem Mifsbrauch geworden ist. Wenn wir die Geburtstage des Kaisers und des Landesherrn festlich begehen, vielleicht aufserdem noch einen Hauptehrentag des Regiments, so ist unser Bedarf an militärischen Festen vollauf gedeckt. Aber sowie es gar kein besseres Mittel giebt, unsere Leute zu guten Preufsen und wackern Deutschen zu machen, wie einen lebensvollen , anregenden Betrieb der vaterländischen Geschichte , so sollen wir auch keinen unserer grofsen und bedeutungsvollen vaterländischen Gedenktage, keinen Ehrentag des Regiments vorübergehen lassen, ohne mit kurzen, aber von innerer Erhebung getragenen Worten darauf hinzuweisen. Dazu bedarf es in den meisten Fällen nicht einmal eines feierlichen Appells ; jede Exerzierpause, jede Gelegenheit, bei der die Kompagnie versammelt ist. genügt für solche Mahnung. Gleichem und ähnlichem Zwecke dienen Gedenktafeln und Merksprüche , mit denen die Kompagnie ihre Stuben und Korridors schmückt . Man ist in neuerer Zeit recht sinnig und erfindungsreich in der Anbringung so bedeutungsvollen Schmuckes. Und das ist gut und nachahmenswert. Vergessen wir bei den Gedenktafeln auch die Mannschaften nicht, die sich durch Mut und Treue ausgezeichnet haben ; bei den Merksprüchen mögen neben den soldatischen besonders solche Verwendung finden, die aus Dichtermund zur Königstreue und vaterländischen Gesinnung mahnen. Z. B. ,,Die Welt mag zerreifsen die Schwüre wie Spreu, ich weifs ein Wort wie Eisen, es heifst Soldatentreu !" ,,Ans Vaterland ans teure schliefs' dich an, das
halte fest mit
1 ) von Schmidt, Die Erziehung des Soldaten . handlung.
deinem ganzen Herzen ."
Berlin.
Liebelsche Buch-
273
Das deutsche Offiziertum im Kampf gegen den Umsturz . .,Ich danke , was ich bin und habe, nächst
Gott dem teuern Vater
land ; ihm, meiner Väter Stolz und Erbe, gelob' ich mich mit Herz und Hand." Will's Gott, ich soll die Heeresfahn' mit meinem Blute färben ; was Gott thut, das ist wohlgethan, das ist mein Trost im
Sterben."
,,Meinem
Hauptmann
mufs ich
glauben,
weil
ich
schon ein Kriegsmann bin. " „ Der ist ein Deutscher wohlgeboren , der von Betrug und Falschheit frei, hat voll der Redlichkeit und Treu nicht Glauben, nicht Freiheit verloren." ,,Der Teufel soll versinken, der Säbel der soll blinken, das deutsche Reich bestehn , bis Erd' und All vergehn." „ Drum auf für deutsche Ehre, du tapfres Teutgeschlecht, der beste Schild der Heere heifst Vaterland und Recht. "
Wer fleifsig bet't und schlägt frisch drein, der mag
ein rechter Kriegsmann sein."
Kein sel'ger Tod ist in der Welt,
als wer vorm Feind erschlagen , auf grüner Heid', im darf nicht hör'n grofs Wehklagen. “
freien Feld
Wie Den Merksprüchen verwandt ist das Soldatenlied. Bei der Pflege sangeslustig der Deutsche ist, wissen wir alle. unseres militärischen Gesanges müssen wir erstens verhindern , dafs schmutzige, demokratische. alberne Lieder gesungen werden. Zweitens aber wollen wir dafür sorgen, dafs unsere Leute sich an frische, fröhliche Marschlieder gewöhnen, die Lust und Sangesfreude an allem Schönen atmen , aber auch vaterländische und Soldaten tugend preisen. Wie schön und erquicklich auch ein gutgeschulter Sängerchor in der Kompagnie, der den vierstimmigen Männergesang pflegt : die Hauptsache bleibt das Marschlied , an dem die ganze Kompagnie sich beteiligt, nicht blofs die geschulten Sänger. Und wenn solche Marschlieder den rechten Inhalt, den rechten Schick und Schwung haben, so werden die Lieder der deutschen Kompagnie zum Trutzgesange wider alles sozialdemokratische Unwesen. Während in kleinen Garnisonen die Gefahr einer sozial demokratischen Ansteckung unserer Leute nicht so grofs ist, steht es um so schlimmer damit in grofsen Industrie städten. Wenn man auch dort die notorisch übel berüchtigten Lokale verbietet, man kann es doch nicht hindern, dafs die Soldaten aufser Dienst mit schlechtgesinnten Menschen in Berührung kommen, ja dafs sie Neben aus sozialdemokratischen Wühlern in die Hände fallen. giebiger, unablässiger Warnung
und Belehrung
werden wir,
wie
überall, besonders in grofsen Städten dafür sorgen müssen, unsern Leuten womöglich innerhalb der Kaserne ein Heim zu schaffen , wo sie sich wohl fühlen, wo die kameradschaftliche Ge selligkeit in einer Weise gepflegt wird, die keinen lästigen Zwang erkennen lässt, wohl aber soviel Unterhaltung und Anregung bietet ,
274
Das deutsche Offiziertum im Kampf gegen den Umsturz .
dafs der auswärtigen Kneipe erfolgreiche Konkurrenz gemacht wird . Man schaffe den Leuten einen gemütlichen Raum, wo sie in einigen Abendstunden neben einem guten, billigen Glas Bier allerlei Unterhaltung finden : gute Zeitungen und Journale, Gesellschaftsspiele und dergleichen. Dort mag ihnen auch ab und zu , aber nicht zu oft und nicht in aufdringlicher Weise, werden.
ein
hübscher Vortrag gebote n
Viele , ja die meisten unserer Leute, lesen gern . Diesem Lesebedürfnis sollen unsere Mannschaftsbibliotheken in angemessener und ausgiebiger Weise entgegen kommen. eine Kasernen-
Wer früher in
oder Wachtstube kam, der fand in der Regel greu-
liche Mordgeschichten Soldaten. Solche Lektüre bei oberflächlicher
und
ist
Sensationsromane
auch heute
Revision
nicht
in den Händen
noch beliebt.
der
Aber was wir
finden, das sind sozialdemo-
kratische Flugblätter und Schandschriften , die an manchen Orten mehr Verbreitung haben mögen, als wir denken. Jedenfalls wird mit werkthätiger Verbreitung guter Schriften solchem Übel am wirksamsten begegnet. Dazu ist es nötig, dafs die Mannschaftsbibliothek reich ist an unterhaltenden, für den Mann lesbaren und verständlichen
Schriften,
die
nicht etwa in
aufdringlicher Weise
predigen und moralisieren, sondern die gute Gesinnung mehr durch sprechende und ansprechende Thatsachen pflegen und illustrieren . Endlich mufs die Bibliothek leicht zugänglich sein ; Offiziere und Unteroffiziere müssen sich dafür interessieren, dafs die Leute die Bibliothek fleifsig benutzen . Ein schwieriges, aber wichtiges Kapitel ist die religiöse Einwirkung. Der moderne Unglaube, der auch in unseren Kreisen vielfach eine kühle Gleichgültigkeit gegen religiöse Überzeugungen hervorgebracht hat, zuckt dabei die Achseln und behauptet, das habe mit der soldatischen Erziehung nichts zu thun. Ja, ich könnte einen namhaften Militärschriftsteller citieren, der die Behauptung aufstellt, soldatisches Wesen und christliche Gläubigkeit ständen im Widerspruch mit einander. Dem gegenüber mufs hervorgehoben werden, dafs alle unsere Hohenzollernherrscher vom grofsen Kurfürsten bis auf unsern Kaiser, Friedrich den Grofsen nicht ausgenommen, hohen Wert auf die Gottesfurcht im Heere gelegt haben. 99 Mit solchen Soldaten wird mir Gott gewifs heute den Sieg geben ! " sagte der alte Fritz , als seine Krieger auf dem Marsch zur Leuthener Schlacht fromme Lieder anstimmten. Unser Kaiser betont bei jeder brauchen.
Gelegenheit ,
dafs
wir
gottesfürchtige
Soldaten
275
Das deutsche Offiziertum im Kampf gegen den Umsturz .
Zunächst darf kein Soldat auf irgend eine Art gehindert werden, an Sonn- und Festtagen dem Gottesdienst
beizuwohnen, z. B. nicht durch Appells und Instandsetzen von Sachen . Aber wir müssen mehr thun. Der Offizier soll keine Predigten halten und keine Traktate verteilen , er soll auch nicht die Leute zur Heuchelei und Augendienerei erziehen. Aber er soll wirken durch sein Beispiel, durch seine von Gottesfurcht getragene Anschauung und Ge sinnung. Ungesucht findet sich Gelegenheit zur Kundgebung solcher Überzeugung bei der Besprechung des Fahneneides, bei der Erörterung der Soldatenpflichten , bei den grofsen Ereignissen unserer vaterländischen Geschichte , bei der Schilderung unserer grofsen Herrscher und Heerführer. Wer seine Kranken im Lazarett besucht, mag hinweisen auf den rechten Arzt und Helfer ; wer einen Mann der sich schwer verfehlt hat und der noch nicht ganz verhärtet ist wieder auf den rechten Weg bringen will , der wird nur etwas aus richten, wenn er Gott und unsern Heiland zu Hilfe ruft. Mag er auch bei einem hartgesottenen Sozialdemokraten zunächst keine Gegenliebe finden, er wird doch oft mit seinem guten Wort auch da eine gute Statt finden, wo er es am wenigsten hoffte und erwartete. Geistige Mächte überwindet Waffen. Mit dem Niederhalten der
man nur mit geistigen rohen Ausbrüche, mit der
äufserlichen Erzwingung des Gehorsams ist es
ebensowenig gethan ,
wie bei der politischen Sozialdemokratie mit blofsen Repressiv mafsregeln. Mit passiver Verteidigung behauptet man auf die Dauer keine Stellung, sondern bringt es höchstens zu einem ehrenvollen Rückzugsgefecht.
Wer siegen will , mufs
angreifen.
Das gilt
in vollem Mafse für den Kampf gegen den Umsturz , gilt auch für das deutsche Offiziertum, das in erster Linie berufen ist, diesen Kampf auf dem weiten Gebiete führen.
der
Erziehung des
Soldaten zu
Eine schwere, verantwortungsvolle, aber auch verheifsungs
reiche Arbeit, die gute Frucht bringen und manchen Segen
stiften
kann, wenn sie recht gethan wird. Schliefslich noch eine Aufforderung zur Fürsorge für unsere zur Entlassung kommenden Mannschaften , damit die Erziehung ihr Werk an ihnen nicht umsonst gethan hat. Die neuerdings in die Wege geleitete segensreiche Einrichtung, dafs den Reservisten. Arbeitstellen nachgewiesen werden, mufs sich noch viel mehr ein bürgern, sich viel fruchtbringender entwickeln. Wenn der Arbeits nachweis bisher noch nicht so viel Anklang gefunden hat, als zu wünschen wäre, so liegt das einmal an der Neuheit der Sache , dann aber auch daran, weil es in unsern Kreisen noch an Interesse und
Moltkes Denkschrift über einen Krieg mit Rufsland.
276
Verständnis dafür mangelt. Der Arbeitsnachweis für die Reser visten ist etwas Gutes, darum wird und mufs er sich Bahn brechen. Wie
am
Eingang
dieser
Besprechung
erwähnt,
haben
die
Kriegervereine die Aufgabe, die Treue gegen Kaiser und Reich zu pflegen, mannhaft zu kämpfen gegen den Umsturz . Jedes Mit glied, das in irgend einer Art sozialdemokratische Gesinnung be kundet, wird aus dem Kriegerverein ausgeschlossen und bei weitem die meisten Vereine sind ungemein rührig in der Be Darum mögen thätigung ihrer gut kaiserlichen Gesinnungen. Kommandeure, Hauptleute und Offiziere schon vor der Entlassung bei passender Gelegenheit die Reservisten darauf hinweisen, alsbald dem Kriegerverein ihres Heimatortes beizutreten : dort finden sie gute Kameradschaft, gesellige Anregung, Unterstützung in Not und Krankheit. Vor allem werden sie davor bewahrt, allen mög lichen anderen Vereinen beizutreten,
deren
Tendenzen oft
zweifel
haft , oft auch geradezu gefährlich sind. Wenn die Armee bei der Fahne durch die soldatische Erziehung vor sozialdemokratischen Einflüssen bewahrt bleibt, wenn diese Reserve-Armee, die in den Vereinen des deutschen Kriegerbundes sich um Kaiser und Reich schart, dann haben wir einen Wall gegen den Umsturz , einen Deich gegen die anarchistische Sündflut , wie ihn der
Armee
die Hand
reicht
der
grofsen
glorreiche Deichhauptmann Bismarck nicht fester und widerstands fähiger errichten konnte.
XX . Versuch, den Inhalt der von Moltke im Frühjahr 1860 abge fafsten (nicht veröffentlichten) Denkschrift über einen Krieg mit Rufsland wiederzugeben . Von Oberstleutnant W. Borissow , Chef des Stabes der Festung Iwangorod . (Aus dem Russischen . ) Seit dem Jahre 1892 beschäftigt sich die kriegsgeschichtliche Abteilung des preufsischen Grofsen Generalstabs mit der Heraus gabe von ,,Moltkes militärischen Werken".
Bis jetzt ist die Aus
gabe folgender Werke erfolgt : Des Briefwechsels, der Korrespondenz
Moltkes Denkschrift über einen Krieg mit Rufsland .
277
für die Feldzüge 1864, 1866 und 1870/71 und der Sammlung taktischer Aufgaben, welche Moltke in den Jahren 1858 bis 1882 gestellt hat. Aus der Korrespondenz ist ersichtlich, dafs Moltkes erste Arbeit in Bezug auf den Aufmarsch der preufsischen Armee im Falle eines Krieges mit Frankreich im Jahre 1857 entstanden ist, zu der Zeit, als er zum Chef des Generalstabs ernannt wurde.') Dieser Arbeit sind der Reihenfolge nach sämtliche für den Fall eines Krieges mit Österreich und mit Frankreich aufgestellte Denkschriften angereiht. Man kann sich danach aus der Korrespondenz ein klares Bild davon machen, wie Moltke sich einen Krieg mit Frankreich und Österreich dachte.
Wenn der preufsische Generalstab noch offener gewesen wäre, würden aus derselben Korrespondenz auch Moltkes Gedanken über einen Krieg mit Rufsland zu ersehen sein, natürlich nur bis 1870, denn die von Moltke nach diesem Jahre angestellten strategischen Erwägungen finden in der Korrespondenz keinen Platz mehr. Leider hat aber der preufsische Generalstab nur mitgeteilt,2) dafs General von Moltke im Frühjahr 1860 ) eine Denkschrift über den Aufmarsch der preufsischen Armee im Falle eines Krieges mit Rufsland , mit Österreich und mit Frankreich verfafst habe und hat in einem Bande den Aufmarsch der Armee im Falle eines Krieges mit Österreich, ) in einem zweiten denselben im Falle eines Krieges mit Frankreich ) behandelt . Von dem strategischen Aufmarsch (an Hand der im Jahre 1860 aufgestellten Denkschrift), im Falle eines Krieges mit Rufsland spricht er aber nicht. Dieses Schweigen ist erklärlich, einmal aus dem Grunde, dafs kein Krieg mit Rufsland stattgefunden hat, und dann, weil es, wenn diese Voraussetzung fehlt,
unvernünftig wäre , den Gegner darüber
aufzuklären, von welchen Gesichtspunkten die Erwägungen des grofsen deutschen Strategen ausgehen. Etwas anderes wäre es, wenn der Krieg wirklich stattgefunden hätte ; denn in diesem Falle lägen ja die Karten auch ohnedies offen da . Somit sind also der französische und österreichische Generalstab schon über Moltkes strategische Gedanken orientiert ; nur der russische Generalstab ist darüber noch im unklaren. Aus der Korrespondenz ist ersichtlich, dafs die im Jahre 1860
1) Korrespondenz 1870 I, 1. 2) Korrespondenz 1866 , 1 und 1870 , I, 16. 3) Jahr des Eintritts Bismarcks in das Ministerium. 4) Korrespondenz 1866, 1-17. 5) Korrespondenz 1870, I, 16―30. Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 3.
19
278
Moltkes Denkschrift über einen Krieg mit Russland.
abgefalste Denkschrift
als Grundlage für alle weiteren Erwägungen Moltkes in betreff des Kriegsplanes gegen Frankreich und Osterreich dient. Es wäre deshalb aufserordentlich interessant, klarzustellen, was in dieser Denkschrift betreffs Rufsland gesagt sein mag. Mit Hilfe der oben angeführten „ Moltkes taktischen Aufgaben " ist dieses teilweise möglich . Denn wenn man diese von Moltke seinen Generalstabsoffizieren gestellten Aufgaben zeitlich mit der Korrespondenz findet man, dafs sie häufig Fragen betreffen , welche zu der Zeit gerade angestellten Erwägungen über seinen bei Moltke den Aufmarsch der Armee aufstolsen machten. Denn die von Moltke vergleicht ,
in seinen Kriegsplänen bestimmten Stellungen sind zum Teil nur nach der Karte , ohne vorhergegangene Rekognoszierungen ausgesucht.¹) Dieser Zusammenhang der Arbeit Moltkes
an dem Aufmarsch-
tableau der Armee mit den taktischen Aufgaben tritt in einigen Fällen besonders klar hervor. So bearbeitet er z. B. im Jahre 1862 die Frage des Einmarsches in Sachsen und in demselben Jahre spielen die Aufgaben
an der sächsischen Grenze.2) Im Juni 1863 schreibt er ein Memoire über einen Krieg mit Frankreich . - Die Aufgaben hat er anscheinend so gestellt, um die Gegend, in der die preussische Armee auch vormarschieren soll , kennen zu lernen.³ ) Die Jahre 1865 und 1866 sind der eingehendsten Bearbeitung des Kriegsplanes gegen Österreich gewidmet. -- Auch die Aufgaben beschäftigen sich ausschliesslich mit dieser Frage. ) 1860 wird die Frage einer etwaigen Landung französischer Truppen an der preussischen Küste aufgeworfen , 1861 behandeln die Aufgaben dasselbe Thema. ) Alles dieses gestattet die Annahme , dafs die in den Jahren 1858-1860 gestellten Aufgaben, welche von Rufsland handeln, den in der Denkschrift vom Jahre 1860 angestellten strategischen Erwägungen Moltkes entsprechen. Die von 1861-1866 gestellten Aufgaben entsprechen den Erwägungen über den 1866 geführten Krieg; die 1867-1870 gestellten denen in Bezug auf den Krieg 1870, die 1871-1882 gestellten Aufgaben aber den Erwägungen über die Ausdehnung des deutschen Eisenbahnnetzes an der russischen Grenze . 1 ) Korrespondenz 2) Korrespondenz 3) Korrespondenz 4) Korrespondenz und 84.
1866 , 1866 , 1870, 1866 ,
161 . 20 und Aufgaben Nr. 17, 18, 19 und 20 . I, 43 und Aufgaben Nr. 25, 26 , 27 und 28. 25-226 und Aufgaben Nr. 29, 30, 31 , 32 , 33
5) Korrespondenz 1870, I, 20 and Aufgaben Nr . 14, 15 und 16.
Moltkes Denkschrift über einen Krieg mit Russland.
279
Die im Jahre 1860 aufgestellte Denkschrift sieht im Falle eines Krieges mit Frankreich die Versammlung der preufsischen Armee (im ganzen 9 Armeekorps ) in der Linie Trier-Mainz vor. Im Falle eines Krieges mit Österreich sollen 7 Armeekorps¹ ) in der Linie Halle-Torgau-Baruth- Spremberg- Schweidnitz aufmarschieren, 2 Korps am Rhein verbleiben.2) Im Falle eines gleichzeitigen Krieges mit Frankreich und Öster
reich beabsichtigte Moltke wahrscheinlich³ ) 4 Korps am Main und 5 Korps bei Dresden aufmarschieren zu lassen und mit letzteren auf Prag zu marschieren. Es fragt sich nun , wieviele Armeekorps er im Falle eines Krieges mit Rufsland gegen dieses aufstellen wollte und an welchen Orten dies geschehen sollte : a ) wenn Rufsland mit vier oder mehreren Mächten verbündet wäre, b ) wenn es allein stände. In seiner Denkschrift vom Jahre 1860 sagt Moltke von Rufsland folgendes : Für Rufsland ist noch nicht die Zeit gekommen, in der eine gemeinsame Operation des slawischen Ostens mit dem romanischen Westen gegen das Centrum Europas die Weltlage verändern könnte. Auf alle Fälle würde
ein solches Vorgehen
zu
einer Vereinigung
aller germanischen Elemente führen und die vollste Entfaltung der Kräfte
aller
unserer Nachbarn für diesen Riesenkampf erfordern.
Gegenwärtig hat Rufsland noch nicht diesen Standpunkt erreicht. Wenn andererseits Rufsland sich entschliefsen würde , im Bunde mit Preufsen an einem Krieg gegen Frankreich teilzunehmen , ist zu bedenken, dafs die Mobilmachung der russischen Armee lange Zeit erfordert, dals die Versammlung derselben erst spät stattfinden kann, dafs Polen ) und die Grenze der Türkei nicht von Truppen entblöfst werden können, und dafs erst nach 4 Monaten 66000 Russen mit Mühe per Eisenbahn am Rhein eintreffen können 5 ) Moskau, das
wir
als den Schwerpunkt Rufslands betrachten
können, ist von Berlin ebenso weit entfernt, wie Madrid und Neapel. Die russische Armee ist über einen Raum von 50000 Quadratmeilen zerstreut. Ihre Versammlung braucht also lange Zeit und sie mufs von der Wolga bis zur Weichsel 300 Meilen ohne Eisenbahnen durch schreiten.
Sie trifft also
erst dann
an unserer Grenze
ein, wenn
wir entweder gesiegt haben, also keine Hilfe mehr brauchen, oder besiegt sind, und dann seine Hilfeleistung mit Abtretung von Provinzen 1) 2) 3) 4) 5)
Damals besafs Preufsen im ganzen 9 Korps, I - VIII. und Garde-Korps . 1866 wurden alle 9 Korps gegen Österreich aufgestellt. So denkt wenigstens Moltke 1862. Korrespondenz 1866 , 18 . Korrespondenz 1870, I, 19. Korrespondenz, I, 17 . 19*
280
Moltkes Denkschrift über einen Krieg mit Ruisland.
bezahlen müssen. Denn das am Ende des Krieges mit 300000 frischen Soldaten erscheinende Rufsland hat die Macht in Händen. ' ) Rufsland wird ohne Zweifel auf Seiten Preufsens stehen. Denn wenn es
auch Landerwerb
an der Südküste der Ostsee
dringend
wünscht, liegen seine Hauptinteressen doch im Osten. Beim Zerfall des Reiches der Osmanen werden die reichsten, zwischen herrlichen Meeren liegenden Länder frei.
Die Bewohner dieser Länder, nach
Abstammung und Glauben mit den Russen verwandt, erwarten schon seit 1000 Jahren ihren Einzug in Byzanz und die Aufrichtung des griechischen Kreuzes auf der Kuppel der Hagia Sofia. Keine der Seemächte ist imstande, die Ausführung des von der Kaiserin Katharina II . gefafsten Planes zu verhindern. Dies kann nur Öster reich thun.2) Infolgedessen widerspricht nichts den Interessen Ruſslands mehr, als ein übergrofses Anwachsen der Macht Österreichs. Wenn Ruisland auch spät in Thätigkeit tritt, so hat es doch zu jeder Zeit in Polen, Wolhynien, Podolien , Bessarabien genug Truppen zur Hand, um unter Mitwirkung der ungarischen und slawischen Volksstämme Österreich Schwierigkeiten zu bereiten. ") In einem Kriege Preufsens mit Österreich, Frankreich, Bayern und Rufsland erfordert jede gröfsere Operation Rufslands gegen Preufsen Zeit und aus diesem Grunde kann Rufsland in dem ersten Stadium des Krieges aufser Betracht gelassen werden.' ) Somit betrachtet Moltke Rufsland im Falle eines Krieges Preulsens mit Österreich oder mit Frankreich oder mit beiden Mächten zu sammen,
als
Bundesgenossen Preufsens.
Wenn aber
Rufsland
wider Erwarten an einem Kriege als Gegner Preufsens teilnehmen sollte, wird es in dessen erstem Stadium nicht beachtet, ) so wie Moltke im Jahre 1862 für den Fall
eines Krieges
mit Frankreich
und Österreich, sich mit seinen Hauptkräften auf Österreich werfen will, da er Frankreich in Mexiko , Rom und Spanien beschäftigt weils.") Bei einem Kriege mit Frankreich
oder mit Österreich
können
auf alle Fälle 2 Armeekorps gegen Dänemark und Ruſsland zurück
1 ) Korrespondenz 1866 , 3 . 2) Ebenda, 1866, 2 . 3) Ebenda, 5. 4) Korrespondenz, 17. 5) Hierin stimmt Moltke mit der Ansicht des Erzherzogs Albrecht 1870 überein . 6) Korrespondenz 1866, 17.
Moltkes Denkschrift über einen Krieg mit Russland .
281
gelassen werden ; im Jahre 1863 sind dafür das I. und III . Armeekorps vorgesehen . ' ) Es ist klar, dafs gegen Rufsland kaum 1 Armeekorps übrig bleibt und sehr wahrscheinlich, dafs auch dieses durch Landwehr-Truppenteile ersetzt wird, wie es 1866 und 1870 wirklich der Fall war. Daraus erklärt es sich allem Anschein nach auch, dafs die taktischen Aufgaben Moltkes
aus
den Jahren
1858-60 , welche von ( Cüstrin 1 Berlin Rufsland handeln, alle in der Linie Posen- Drossen Frankfurt J
spielen. Speziell die im Jahre 1858 gestellten Aufgaben spielen in der Linie Drossen-Frankfurt ; die von 1859 in der Umgegend von Cüstrin und Frankfurt ; die von 1860 zwischen Frankfurt und Berlin.2 ) Augenscheinlich ist Cüstrin der Mittelpunkt der Operationen. Es folgt aus allem, dafs Moltke in seiner Denkschrift vom Jahre 1860 vorsieht, im Falle eines Krieges mit Rufsland, Frankreich und Österreich alle Streitkräfte gegen Frankreich oder Österreich zu konzentrieren und nur schwache Kräfte an der Oderlinie aufzustellen , welche gegen Truppen der russischen Armee in dem ersten Stadium des Krieges kämpfen sollen. Wenn der Krieg gegen Frankreich oder Österreich siegreich verläuft, können die preufsischen Streitkräfte in dem zweiten Stadium des Krieges
bei einer russischen Offensive
zum Schutze
Berlins an der Oder vereinigt werden. Hieraus erklärt sich wahrscheinlich auch das Studium des Geländes zwischen Cüstrin und Frankfurt durch Moltke. Nun betrachten wir einen Krieg Preufsens mit Rufsland allein. Für diesen Fall giebt uns die ganze, bis jetzt herausgegebene Aber wenn man die Methode Korrespondenz keinen Aufschlufs. Moltkes genau studiert, kommt man zu dem Resultat, dafs er die Armee, analog 1866 und 18703 ) folgendermafsen versammelt haben würde :
bei Thorn
I. A.-K. am 24. Mobilmachungstag
,
99
II. A.-K. J
geht vor über Slushewo-Brest-Kowal-
Gostynin-Gombin.
bei Posen III. A.-K.
geht vor über am 24. Mobilmachungstag
"9
99
V.
99
G.
99
30.
99 Lowitsch.
Kostrshin-SlupzyKlodawa- Kutno-
1 ) Ebenda 1870, I, 63. 2) Aufgaben Nr. 5, 6, 7, 9 , 10, 11 , 12 und 13 . 3 ) Unter Ausnutzung der Eisenbahnen. Korrespondenz 1866, 120.
282
Moltkes Denkschrift über einen Krieg mit Rufsland .
bei Breslau IV. A.-K. 99
VI.
geht vor a ) über am 24. Mobilmachungstag
Kempen-Grabow-
Kalisch-Lentschiza- Lowitsch. b) über Kempen-WjeruschowWidawa- Petrokow- Rawa- Lowitsch. Am 36. Mobilmachungstage findet die Vereinigung bei Lowitsch, am 42. von 220000 Mann bei Warschau statt. ') Mit diesem Plan kann man teilweise das Fehlen von in Ostpreufsen spielenden Aufgaben erklären . Diese Aufgaben in Ostpreufsen erscheinen in der Sammlung erst im Jahre 1874.2 ) Im Jahre 1873 spielen die Aufgaben ebenso wie 1863, in welchem Jahre Moltke Rufsland in Polen beschäftigt annimmt, westlich von Frankfurt und Cüstrin.3) 1868 nimmt Moltke die russische Armee als mit Preufsen verbündet und gegen Österreich aufmarschierend an. )
Er sagt nämlich,
dafs Rufsland (ohne die kaukasische Armee) aufstellen kann : 8 Infanterie-Divisionen bei Bender, 12 Infanterie- und 2 Kavallerie -Divisionen bei Wolotschisk,
2 Infanterie-Divisionen bei Brody, 18 Infanterie- u. 2 Kavallerie-Divisionen bei Tschenstochau. In den in Ostpreufsen spielenden Aufgaben handelt es sich 1874 darum, dafs ein russisches Armeekorps von Kowno über Wirballen , Stallupönen, Gumbinnen auf Königsberg marschiert. Ein preufsisches Korps (verstärkt um 32 Eskadrons und 12 Geschütze), marschiert über Lötzen auf Darkehmen und Gumbinnen . Hierbei rät Moltke, um die Fortsetzung der russischen Offensive zu verhindern , eine Flankenstellung zwischen der Angerapp und den Angskallner Bergen zu nehmen und äufsert sich bei dieser Gelegenheit des Genaueren über den Wert von Flankenstellungen.") Die 1876 gestellte Aufgabe nimmt an, dafs ein russisches Armeekorps von Mlawa üher Neidenburg, Hohenstein auf Osterode vorgeht." ) Die Preufsen treten der Offensive bei Warneinen entgegen. Im Jahre 1882 wird beabsichtigt, das gegenüber Mlawa
auf-
marschierte II. preufsische Armeekorps in nördlicher Richtung über Hohenstein-Osterode- Mohrungen in Bewegung zu setzen, um es mit
1 , Ähnlich der Annahme in der Korrespondenz 1866 , 104. 1866 gegenüber Österreich. 2) Aufgabe Nr. 50. 3) Aufgaben Nr. 21 , 22, 23, 24, 46, 47 und 48. 4) Korrespondenz 1870, I, 116. 5) Aufgabe Nr. 50 und auch Nr. 46, 47, 48. 6) Aufgabe Nr. 54.
Für das Jahr
Moltkes Denkschrift über einen Krieg mit Ruſsland .
283
dem von Preufsisch-Holland ( ?) auf Wormditt marschierenden I. Armeekorps zu vereinigen . ' ) Die Russen marschieren von Ostrolenka (?) auf Allenstein.2 ) Die Vereinigung der beiden preufsischen Armeekorps erfolgt bei Liebstadt, wo sie sich mit der Front nach Allenstein aufstellen.³) Moltke studierte anscheinend in den Jahren 1874-1882 den Vormarsch Napoleons 1807 aus der Linie Pultusk-Plonsk (Bernadottes von
Osterode, Neys
von Mlawa, der Russen von Bjely auf Arys,)
Rhein, Bischoffstein gegen die Linie Osterode-Allenstein . Aufserdem ist zu bemerken, dafs der preufsische grofse Generalstab 1883 eine Abhandlung über die Vorbereitungen Preufsens zum Kriege 1805 und über die damaligen Vorbereitungen gegen Rufsland drucken liefs.*) Die preussische Armee marschierte in 2 Richtungen auf: Rüchel mit 45000 Mann in Richtung Osterode-Neidenburg- Ostrolenka- Pultusk, unter Besetzung der letztgenannten beiden Punkte durch preuſsische Avantgarden ; Hohenlohe mit 45 000 Mann in Richtung Breslau-Warschau, bei Sjerads (Avantgarde in Warschau ). Dies sind insgesamt 90000 bis 100000 Mann. Hiervon versammeln sich das ost-, west- und neu-ost-preufsische Korps bei Osterode ; das südpreufsische Korps bei Sjerads ; ferner nimmt das pommersche Korps (25000 Mann ) Aufstellung an der Küste ; das oberschlesische Korps ( 15000 Mann ) bei Cosel ; das westfälische Korps (20000 Mann) bei Erfurt . Im ganzen werden aufgestellt 7 Korps oder 150000 Mann . ") Die 45000 Mann Rüchels wollte man , wenn es die Zeit er-
laubte , nach Drengfurth, als dem Centrum des Halbkreises TilsitKowno-Grodno-Pultusk marschieren lassen. Rufsland forderte damals freien Durchmarsch seiner Truppen durch Preufsen , um Österreich zu unterstützen. Ausserdem darf man nicht vergessen, dafs im Jahre 1874, in dem Moltke sich so eingehend mit Ostpreufsen beschäftigte, Ruſsland die allgemeine Wehrpflicht einführte. Ich glaube, dafs ich nicht weit fehlgreife, wenn ich annehme, dafs Moltke 1882 für den Aufmarsch der preufsischen Armee 7. Korps, die Linie Osterode-Thorn- Posen, mit einem linken Flügelkorps bei Lötzen-Drengfurth") bestimmte, welch letzteres nach Wormditt' ) oder
1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
Aufgabe Nr. 65 und 66. Ebenda. Ebenda. Kriegsgeschichtliche Einzelschriften . Berlin 1883, Heft 1 . Vgl. meine Annahme mit der Moltkes auf Seite 20 der Korrespondenz 1886. Aufgabe Nr. 50. Aufgabe Nr. 65 and 66.
284
Über den Einflufs moderner Feldgeschütze etc.
an die Passarge ausweichen, oder auf Gumbinnen¹ ) vorgehen, d . h. die obengenannte Linie Thorn-Posen-Breslau links verlängern sollte. Es würden dann stehen : I. Armeekorps bei Drengfurth (Lötzen), II., III , IX. Armeekorps bei Osterode ( Deutsch Eylau) . IV., V., X. , G. Armeekorps bei Thorn, VI., XII. Armeekorps bei Posen (Gnjesdo-Inowrazlaw) . Zum Schlufs möchte ich den Offizieren des Generalstabs dringend das Studium der Moltkeschen Aufgaben, besonders im Zusammenhang 46 . mit seiner Korrespondenz empfehlen.
XXI . Über den Einflufs moderner Feldgeschütze
auf die Gefechts
thätigkeit der Feldartillerie .
Im vorigen Jahre
ist der
Schiefsbericht 89
von Fried . Krupp
erschienen, welcher die Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie Materials von 1892 bis 1897 behandelt. Der eigentliche Bericht bespricht die in jenem Zeitraume an Geschützen nebst zugehöriger Munition und Munitionswagen durchgearbeiteten Konstruktionen und die ballistischen Leistungen der neuen Kanonen. wobei die leitenden Gesichtspunkte für die Wahl des verfolgten Weges angegeben werden. Auf diese Weise erfährt man nicht blofs, was entstanden ist, sondern kann sich auch ein Urteil bilden ,
weshalb
es so und nicht anders
geschaffen wurde. Der Einblick in den Werdegang läfst erkennen. nach welchen Richtungen hin die Versuche angesetzt sind, um ein allen Errungenschaften auf dem Gebiete der Industrie und Technik Rechnung tragendes neues Geschützsystem zu gestalten ,
welches in
Beweglichkeit und Wirkung den aus den siebenziger Jahren stammen den Konstruktionen wesentlich überlegen sein sollte. Zugleich aber zeigt der Bericht
die
nahen Wechselbeziehungen
zwischen Beweg
lichkeit und Wirkung bezw. Gewicht und Arbeitsleistung, welche ein sorgsames Abwägen des Erreichbaren immer von dem Gesichtspunkte 1) Aufgabe Nr. 50.
Über den Einflußs moderner Feldgeschütze etc.
285
aus fordern , dafs keiner von beiden Faktoren auf Kosten des anderen bevorzugt werden darf.
Auf diese Weise stellt sich das Geschaffene
als ein Kompromifs dar zwischen dem Erstrebenswerten und dem zur Zeit Erreichbaren, in welchem sich widerstreitende Forderungen gegen einander ausgeglichen sind.
Die Kenntnis der Grenzen, welche
dem Konstrukteur gezogen sind, bahnt aber eine gerechte Würdigung des Entstandenen an . In einem starken Hefte ,,Anlagen" sind die Ergebnisse der stattgehabten Versuche im einzelnen , sowie die Hauptgewichte , Ab messungen und ballistischen Angaben mitgeteilt. Zahlreiche Abbildungen im Bericht und den Anlagen erleichtern das Verständnis. Auf diese Weise ist ein sehr eingehendes Gesamtbild von der Entwickelung des Feld -Artillerie-Materials durch die Fabrik gegeben, welches ein beredtes Zeugnis von der Vielseitigkeit und Gründlichkeit des in der altbewährten Etablissements ablegt und ein Urteil Einfluss ein nach Kruppschem System entworfenes welchen gestattet, Gefechtsthätigkeit der damit bewaffneten Feld die Geschütz auf artillerie auszuüben vermöchte. Waffentechnik
Für den vorliegenden Zweck kommen die Schnellfeuerkanonen kleineren Kalibers überhaupt nicht in Betracht.
Die Idee, an Stelle
des wuchtigen Einzelschusses viele Geschosse mit entsprechend ver minderter Wirkung in der gleichen Zeiteinheit zu setzen, ist bei uns für den Feldkrieg längst fallen gelassen . Die Erkenntnis, dafs das kleine Schnellfeuerkaliber für das Einschiefsen nicht nur keine Vorteile,
sondern durch die geringere Beobachtungsfähigkeit seiner
Geschosse nur Nachteile biete,
dafs von richtigem Einschiefsen der
Erfolg abhänge und dieser dann von einigen wirkungskräftigen Ge schossen sicherer gewährleistet werde, als von vielen minderwertigen, brachte die leichten Schnellfeuergeschütze zu Falle. Diese Ansicht scheint sich allgemein Bahn gebrochen zu haben und dürfte ihr bei der bevorstehenden Neubewaffnung in Rechnung getragen werden.
allen grossen Militärstaaten
Von dieser Voraussetzung ausgehend , interessieren sonach hier die Geschütze mit wuchtigem Einzelschufs und unter diesen wiederum die neuesten Konstruktionen vom Jahre 1897, von denen die schwere 7,5 cm Schnelllade-Kanone L 28/30 zum Vergleich mit unserem bis herigen Feldgeschütz gewählt wird, weil sie mit völlig ausreichender Beweglichkeit sehr beachtenswerte ballistische Leistungen aufweist. Zunächst eine kurze Erläuterung der nicht allgemein bekannten Bezeichnung „ Schnellladekanone " . Zum Unterschiede von Schnellfeuerk anonen mit ganz oder nahezu ganz aufgehobenem Rücklauf, Vorrichtungen zur raschen Wiederauf
Über den Einflußs moderner Feldgeschütze etc.
286
nahme der Seitenrichtung und Einheitspatronen , sind Geschütze schwereren Kalibers in dem Sinne als Schnellladekanonen benannt, dafs die Thätigkeit der das Richten,
Handhaben des Verschlusses
und das Laden ausübenden Kanoniere zu beschleunigter Schufs bereitschaft in einander greift. Dem gleichen Zwecke dienen das Richten erleichternde
und vereinfachende
Vorrichtungen
und der
Wegfall der Schlagröhre durch Einlagerung des Zündmittels in den Boden der Kartuschhülse. Der Rücklauf ist nur vermindert, das Geschofs mit der Kartusche entweder verbunden oder getrennt. Über die mit solchen Geschützen erreichte Feuergeschwindigkeit wird an gegeben, daſs sie bei ungünstiger Aufstellung des einzelnen Geschützes in gut gezieltem Schnellfeuer 5-6, bei günstiger Aufstellung mehr als 8 Shrapnelschüsse in der Minute zugelassen habe. Hiernach würde eine
Batterie zu
6 Geschützen je nachdem 30 bis 50 gut
gerichtete Schüsse in der Minute abgeben können, gegen 15 mit dem bisherigen Material, was einer Steigerung der Feuergeschwindigkeit um das Zwei- bis Dreifache entsprechen würde. Nachstehende Zusammenstellung enthält die für Beurteilung auf Beweglichkeit
und Wirkung
wichtigsten
7,5 cm Schnellladekanone L 28/30 .
Angaben
der
schweren
Zum Vergleich sind diejenigen
der Feldgeschütze C/ 73 bezw. C/73 . 88 und des Materials C/64 da neben gestellt, letztere nur soweit, als sie noch zu erhalten waren bezw. für die Gegenüberstellung in Betracht kommen . Im Feldzuge 1870/71 waren die Fufsbatterien je zur Hälfte mit 9 und 8 cm, die reitenden Batterien ausschliefslich mit letzteren ausgerüstet. Das Gewicht des kriegsmäfsig beladenen Geschützes betrug für die Fufsbatterien mit aufgesessener Bedienung 2210 bezw. 1947 , für die reitenden 1572 kg. Das Urteil über die Beweglichkeit als Fahrzeug fafst General Lieutenant v. Müller¹) auf Grund der Erfahrungen des Feldzuges, wie folgt zu sammen : „ Unter gewöhnlichen, nicht allzu ungünstigen Verhältnissen hatte das leichte keine besonderen Vorzüge vor dem schweren Kaliber gehabt. Bei längeren Märschen hatte sich allerdings die gröfsere Ermüdung der Pferde bei den schweren Batterien heraus gestellt. Unter ungünstigen Gelände- und Boden-Verhältnissen hatte das leichte Kaliber eine zweifellose Überlegenheit gehabt. In er höhtem Grade war diese in den schwierigen Verhältnissen des Krieges an der Loire hervorgetreten. In den hartnäckigen, stehenden Gefechten und Schlachten konnte die gröfsere oder geringere Beweglichkeit des einen oder des anderen Kalibers kaum zum Aus
1) Die Entwickelung der Feldartillerie von 1815 bis 1870. 1. Band S. 345 .
cm 7.5 Krupp Schnelladekanone /3C9(n70or L Konstrukt )male Feld Schweres mit 7geschütz C/3 Feld schwerer 7protze /C3
Über den Einflufs moderner Feldgeschütze etc.
287
Zusammenstellung
Lfde ..Nr
der zur Beurteilung der Beweglichkeit und Wirkung wichtigsten Angaben.
Benennung
2
2
3
I. Beweglichkeit. Gewicht des kriegsmässig aus gerüsteten Geschützes . kg 1748 2000 (1930)2) Desgl . mit aufgesessener Be dienung (5 Kanoniere , jeder • zu 75 kg) kg 2123 2375 Gewicht pro Pferd der Be • kg spannung
354 396 (291 ) ) || (322) *) 80 88 (82)*) 45 70 90 über 90
4
Lenkungswinkel .
5
Biegungswinkel .. Grad +
6
Unabhängigkeitswinkel (Achs Grad ? 25 freiheit) . II. Ballistische Angaben. Kaliber des Rohres . . . mm 75
Grad
10 11
12
888
6.
7 8
Shrapnel- (bz. bei C/64 Granat-) Gewicht kg Zahl der Sprengteile Gewicht der einzelnen Füll kugel . g Wirkungsbereich des Shrapnel Brennzünders (bz. gröfste m Granat-Schufsweite) .
7,5
287*)
300
11
11
5800
4500
500 324 287 260 418 758 1251
442 268 233 208 615 12 1945
195) 215) 235)
21306) 24386) 27306)
3447)
2427)
327
200
310
170 160*) 140 125
5-6 bz. mehr als 891
2,5
9 cm
8 cm
5
6
7
1 ) Die Angaben sind entnommen der .. Ent wickelung der Feld-Ar tillerie" von v. Müller. 2) Diese in Klammer 2210 1947 gesetzten Zahlen be ziehen sich auf das Feld 368 325 geschütz C/73.88 mit (262) ) Feld-Laffete C/73.88 und Feldprotze C/88 der reitenden Artillerie . ? 3) Diese Zahlen be ziehen sich auf das Ge schütz für reitende Ar ? tillerie. *) 277 Füllkugeln + 10 Sprengstücke . 78,6 91,6 3) Errechnet nach der 7,33 Votga 4,6 Formel : tg 2 "C (6,9) (4,3) Vn + w 180 90 auf S. 12 der „ Studie über den Shrapnelschufs 17 der Feld-Artillerie" von 17 Generallt. Rohne . In der selben ist a =: 70 10' u. 2200 2200 w = 50m eingesetzt nach |(3800) ( 3800) den Angaben des Krupp 323 841 schen Berichtes S. 36 230 244 bezw . Anlagen 15. Die er rechneten Werte dürften den wirklichen sehr nahe kommen, da nach Anlage 34 der Kegelwinkel auf 4000 m 221/20 beträgt. 6) Nach der Berech nung auf S. 11 der unter *) erwähnten Studie. Nach Z. 22 der Schiefs vorschrift ist der Kegel winkel im Mittel zu 21 bis 220 angegeben. 7) Nach dem Bericht von Krupp S. 37 bezw. nach der ,,Schiefslehre für die Feld-Artillerie" von Rohne S. 59. 8) Nach der „,Sehiefs lehre für die Feld-Ar-. tillerie" von Generallt. Rohne S. 65 u. f. 9) 5 bis 6 bei un günstiger, mehr als 8 bei günstiger Aufstell uno des Geschützes.
1) 1885
1572
2.
180 160 145
Bemerkungen
2.2.2.2.6
m Anfangsgeschwindigkeit 2000 m 13 Endgeschwindigkeit 3000 m auf . 4000 m 2000 m 14 Einfallwinkel auf 3000 m Grad 4000 m 2000 m 15 Kegelwinkel auf 3000 m Grad 4000 m ! 16 Wirkungstiefe d . Shrap nelkugeln unter der Annahme, dafs für die 2000 m 11 g schwere Kugel eine Auftreffge schwindigkeit von 3000 m m 120 m erforderlich ist, um einen Menschen 4000 m aufser Gefecht zu setzen ...... 17 Auf 1 qm senkrechte (2000 m) Trefffläche entfallen 3000 m m 0,1 Treffer bei einer 4000 m Sprengweite von . 18 Zahl der im Schnellfeuer pro Geschütz möglichen gut ge richteten Schüsse in der Mi nute
6,5
Material C/64
288
Über den Einflußs moderner Feldgeschütze etc.
druck kommen, da nur selten, zuweilen gar nicht, Stellungswechsel eintraten. Einzelne Fälle waren allerdings vorgekommen, in denen im Gefechte selber nur die leichten Batterien rechtzeitig zur Stelle waren (Wörth) und zwar in gefährlichen Augenblicken. Daraus wurde die Notwendigkeit eines leichteren Kalibers neben einem schwereren nach dem Kriege wiederum abgeleitet. Im allgemeinen musste die Beweglichkeit des Systems als völlig genügend anerkannt werden. " Für Neu-Konstruktionen war in diesen Erfahrungen ein gewisser Anhalt für das Gewicht eines kriegsbrauchbaren Geschützes gegeben. 2210 kg mufsten als obere Belastungsgrenze für fahrende Batterien gelten. Wenn dieselbe gleichwohl in dem Material C/73 mit 2375 kg nicht unwesentlich überschritten und auch für reitende Batterien fast das Gewicht des einstigen 8 cm der Fufsbatterien erreicht wurde, ' ) so lag das daran, dafs sich die Notwendigkeit einer Wirkungssteigerung sowohl hinsichtlich des einzelnen Schusses , als besonders auch der Entfernung nach herausgestellt hatte. Der Stand der Technik Anfang der siebenziger Jahre gestattete
aber noch nicht, die dadurch bedingte Mehrbeanspruchung der Laffete durch die Güte des Materials in dem Mafse, wie jetzt, auszugleichen ; vielmehr mufste in starken Abmessungen das hierzu geeignete Mittel gefunden werden und deshalb stieg das Gewicht. Langjährige Friedenserfahrungen haben bestätigt, dafs dadurch die obere Gewichtsgrenze für ein Feldgeschütz zu 6 Pferden erreicht, für manche Fälle trotz verbesserter Güte der Bespannung schon überstiegen war und sonach für ein neues Geschütz auf Erleichterung Bedacht genommen werden mufste. Das zum Vergleich herangezogene Kruppsche Feldgeschütz
ist
für fahrende Batterien um 87 bezw. 252 kg leichter, als der 9 cm C/64 bezw. das schwere Feldgeschütz C/ 73 , dagegen 176 kg schwerer als der 8 cm c/ 64 ; für reitende Batterien würde es nach Absetzen von 30 kg für Achssitze noch um 146 kg schwerer, als der im letzten Feldzuge geführte 8 cm C/64, dagegen 212 kg leichter als das bisherige Feldgeschütz C / 73 . 88 ( Spalte 4 der Zusammenstellung ) sein. Mit anderen Worten : das in Rede stehende Geschütz bleibt um 87 kg für fahrende Batterien unter der nach den letzten Kriegserfahrungen zulässigen oberen Gewichtsgrenze zurück und nähert sich in seinem Gewicht für reitende Batterien beachtenswert dem 1870/71 geführten 8 cm - sehr zu Gunsten der Beweglichkeit im Vergleich zu dem Feldgeschütz C/73 . 88. Ein unmittel-
1) Das Geschütz C/ 73 . 88 für reitende Batterien wiegt 1930 kg.
Über den Einflufs moderner Feldgeschütze etc. barer Vergleich der Zugleistungen Nummer 3 der Zusammenstellung.
289
der Pferde ergiebt sich aus lfd.
Für die Fahrbarkeit sind noch die Lenkungs- , Biegungs- und Hinsichtlich des Unabhängigkeits-Winkel in Betracht zu ziehen. Materials C/64 sind bezügliche Zahlenangaben nicht mehr zu erhalten gewesen, doch ist soviel sicher, dafs es in dieser Beziehung hinter dem Material C / 73 zurückgestanden hat. Die Fahrbarkeit des letzteren stimmt für den Gebrauch fast völlig mit der des Kruppschen Geüberein, da dessen kleinerer Biegungswinkel nach oben ( vergl. lfde. Nummer 5 der Zusammenstellung) beim Fahren nicht zur Geltung kommt. Da Lenkbarkeit und Biegsamkeit der Fahr-
schützes
zeuge im
letzten Feldzuge
zu Ausstellungen
anscheinend keinen
Anlafs gegeben haben, beim Material C/73 aber jedenfalls vollauf genügten. so ist die Folgerung berechtigt, dafs auch das Kruppsche Feldgeschütz allen Anforderungen hierin entsprechen wird . Ob und in wieweit sein niedrigeres Rad ( Durchmesser 1,30 m gegen 1,40 m beim Material C/ 73 ) in Verbindung mit anscheinend schmälerem Radreifen sich nachteilig fühlbar macht, dafür liegt ein bestimmter Anhalt nicht vor . Beide Umstände begünstigen ein tieferes Einschneiden in weichen Boden, wodurch erhöhte Anforderungen an die Zugleistung des Gespannes entstehen. Abgesehen von dem aus den erwähnten Änderungen an den Rädern voraussichtlich erwachsenden Nachteile kann sonach die nachgewiesene Gewichtserleichterung als Reingewinn für die Beweglichkeit angesehen werden. So hoch derselbe im Verhältnis zu den ballistischen Leistungen zu veranschlagen ist , so werden doch immer wieder Fälle eintreten, in welchen fahrende Batterien bei weiten Anmärschen nur mit Verzögerung vorwärts kommen können oder sogar in tiefem, aufgeweichtem bezw. ansteigendem Boden die Bedienung absitzen und zur Unterstützung der Gespanne an den Rädern wirken lassen müssen . ' ) Übersehen darf auch nicht werden, daſs die neuere Artillerie-Taktik erhöhte Anforderungen an die Bewegungsfähigkeit stellt.
Die Entwickelung grofser Artillerie- Massen zu Be-
ginn des Gefechtes,
die Entlastung der Infanterie
aus Aufnahme-
stellungen bei Rückzugsgefechten und das Verfolgungsfeuer können lange Bewegungen aufserhalb der Wege in beschleunigter Gangart notwendig machen und zwar von gröfserer Ausdehnung , als im letzten Feldzuge.
Denn die Marschtiefen und Aufmarschräume sind
gewachsen und die weittragenden Schufswaffen bedingen gröfsere
1 ) Man vergegenwärtige sich den Aufstieg der 3. leichten und 3. schweren Batterie III. Armee- Korps auf die Spicherer Höhen am 6. August 1870.
Über den Einfluss moderner Feldgeschütze etc.
290
Kampfentfernungen, welche beim Stellungswechsel, sei es zum Heran gehen auf wirksameren Abstand oder zum Eintritt in das Verfolgungs feuer oder zur Einnahme einer Aufnahmestellung gesteigerte An strengungen geltend machen. Angesichts solcher Anforderungen ist es nicht zu unterschätzen, dafs neben der erlangten Gewichtserleichterung auch das kräftiger gewordene Pferdematerial und die erhöhten Rationen, durch welche die Leistungsfähigkeit der Bespannung gehoben wird,
wesentlich¹ )
dazu mitwirken , die Bewegungsfähigkeit der Feld -Artillerie zu steigern. Neben der Fahrbarkeit des Fahrzeuges spielt die Beweglich keit des abgeprotzten Geschützes eine gewisse Rolle. Soll das Einnehmen der Stellung, wie häufig , gedeckt ausgeführt werden , so erfolgt das Abprotzen so weit hinter der Deckungslinie, dafs die aufgesessenen Fahrer noch der Sicht entzogen sind . In schwierigem Boden ruft dann das Vorbringen der Geschütze bis in die Feuer stellung zuweilen recht erhebliche Unannehmlichkeiten hervor, indem es die Kräfte der Bedienung stark in Anspruch nimmt und Zeit verlust verursacht, welcher die Feuereröffnung unliebsam verzögern Für das Gewicht des abgeprotzten Geschützes C/ 73 von kann. 1050 kg genügte die Bedienung eines Zuges nicht der Langtaue das Vorschaffen zu dem neuen Geschütz wiegt die Laffette mit Rohr nur 918 ( für reitende Batterien 888) kg, so dafs Zuhilfenahme
immer, um unter bewältigen . Bei und Ausrüstung auch in der Be
wegung dieses Teiles eine Erleichterung und damit Beschleunigung zu erwarten ist . Ob etwa die niedrigeren Räder die Kraftäuſserung der Bedienung herabsetzen sowohl durch die unbequemere Angriffs richtung, als durch die geringere Hebelwirkung der etwas kürzeren Speichen, 2 ) müfste durch Versuche ermittelt werden.
Mag der Unter
schied vielleicht auch nur gering sein, in schwierigem Boden kann er immerhin Bedeutung erlangen. Für die ballistischen Leistungen hat ein Rückblick auf die Erfahrungen des Feldzuges
nur untergeordneten Wert,
da die
Vorbedingungen der Wirkung vollständig verschoben sind. Bei der damaligen Überlegenheit der deutschen Feldartillerie nach Zahl und Güte des Materials und in Anbetracht der durchschnittlichen Ge brauchs-Entfernungen, welche zwischen
1100 und
1900 m lagen ,
genügte die einwandige Granate und eine Feuergeschwindigkeit von wenigen Schufs pro Batterie in der Minute, um in den meisten 1 ) Vergl . „ Das moderne Feldgeschütz von Gen.-Lieut. Rohne in der kriegstechnischen Zeitschrift, Jahrgang 1898, S. 69. 2 ) Der Verlust beträgt etwa 700
Über den Einfluts moderner Feldgeschütze etc. Fällen des Erfolges
sicher zu sein.
Das
291
Shrapnel war nur von
der bayerischen und sächsischen Artillerie mitgeführt, welche seinen Gebrauch
noch
nicht
völlig
beherrschte
und
deshalb
meist der
Granate den Vorzug gab . Je weniger wir in Zukunft wieder auf ein solches Übergewicht rechnen dürfen und je mehr die anfänglichen Gefechts -Entfernungen durch die weittragenden Feuerwaffen vergrössert werden, desto mehr kommt es darauf an, sich in fernwirkenden Geschützen mit Geschossen von grofser Tiefenwirkung, welche unter Umständen im Schnellfeuer abgegeben werden,
ein Mittel zur Er
kämpfung der Überlegenheit zu sichern . Allgemein nimmt man an, dafs das Artillerie-Duell künftig kaum unter 3500 m eingeleitet werde, Änderungen , welche das Gelände bedingt, natürlich vorbe halten. Dazu bedarf es eines Geschosses, welches mit seinen Spreng teilen einen nicht zu kleinen Raum nach der Tiefe deckt, also ge wisse Fehler im Einschiefsen
ausgleicht bezw.
unschädlich macht.
Dieser Voraussetzung kann eine noch so vervollkommnete Granate niemals entsprechen, am wenigsten auf grofsen Entfernungen, weil sie zu steil einfällt, in den Boden eindringt und ihre Sprengstücke, soweit sie nicht im Erdreich aufgefangen werden, eine zu steile Flugrichtung annehmen, so dafs sie niedrige Ziele nicht erreichen können. Auch würde das Einschiefsen ein sehr genaues sein müssen, um den mittleren Treffpunkt nahe an das Ziel zu bringen, ¹ ) und deshalb viel Zeit fordern, welche ein mit Shrapnels ausgerüsteter Gegner schwerlich zugestehen dürfte .
Schliefslich würden im Ge
lände gedeckte Truppen überhaupt nicht zu treffen sein, sofern der Deckungswinkel gröfser, als der Einfallwinkel der Granate wäre . Deshalb mufs das Hauptgeschofs ein Shrapnel sein. Ob da neben zu Sonderzwecken noch Sprenggranaten oder zur Abwehr von Nahangriffen Kartätschen mitgeführt werden sollen, kommt für die vorliegenden Erörterungen nicht in Betracht. Glaubt man mit aus gedehnten Verteidigungsanlagen
auf feindlicher
Seite
rechnen
zu
müssen, so behält die Sprenggranate um so mehr ihre Berechtigung, je weniger Steilfeuer- Batterien mitgeführt werden bezw. je schwer fälliger sie sind. Ob die Kartätsche fallen gelassen werden darf, richtet sich nach der Wirkung ) und Handlichkeit des auf nächsten 1) Nach Kruppschen Versuchen hörte die Wirkung des einzelnen Schusses auf 1600-1700 m, also einer ziemlich nahen Entfernung, ganz auf, sofern der Aufschlag 50 m vor 3 Scheiben von 0,9 bezw. 1,8 bezw. 2,7 m Höhe lag. 2 ) Nach Kruppschen Versuchen wurden mit Shrapnels zu 250 Füllkugeln bei einem Abstande des Aufschlages vor der ersten Scheibe von 17 bezw . 7 m in 3 mit je 20 m Abstand hintereinander aufgestellten Scheiben von 0,9 bezw. 1,8 bezw. 2,7 m Höhe 19 (17 %) bezw. 27 (25 %) Rotten mit 50 bezw. 122 scharfen Treffern getroffen. Entfernung 800-850 m.
292
Über den Einflufs moderner Feldgeschitze etc.
Abstand von der angegriffenen Batterie im Aufschlage springenden Hauptgeschosses. Für das zum Vergleich herangezogene Kruppsche Geschütz sind Sprenggranaten nicht besonders aufgeführt. Da sie aber von der Fabrik gefertigt werden und ihrer Verwendung auch durch Wahl besonders zähen Rohrmetalls Rechnung getragen werden kann, so würden sie je nach Erfordern ohne weiteres in die Ausrüstung aufgenommen werden können. Kartätschen sind nicht mehr vorgesehen.
Hier interessiert also zunächst nur das Shrapnel, dessen Wirkung im Vergleich zu der in der deutschen Feldartillerie bisher verwandten Konstruktion 91 zu beurteilen sein würde. Ein Blick in die vorstehende Zusammenstellung zeigt, dafs der Wirkungsbereich des Brennzünders von 4500 auf 5800 m ausgedehnt ist. Damit allein läfst sich aber nicht viel anfangen ; erst die Kenntnis der Tiefenwirkung der Kugelgarbe giebt einen Anhalt für den beabsichtigten Vergleich. In dieser Beziehung sind der Abstand vom Sprengpunkte , bis zu welchem die Stofskraft der Kugeln zum Aufser-Gefecht- Setzen eines Menschen noch genügt bezw. die Garbe dicht genug für genügende Wirkung bleibt, und die Flugrichtung der Kugeln zur Wagerechten einander gegenüber zu stellen. Die laufenden Nummern 16 und 17 der Zusammenstellung lassen erkennen, dafs jener Abstand für noch ausreichende Stofskraft auf den in Betracht kommenden Entfernungen gröfser ist, als für die Dichtigkeit der Treffer, oder mit anderen Worten, dafs die Tiefenwirkung des Shrapnels früher durch die zu grofse Ausbreitung der Sprengteile, als durch zu stark verminderte Stofskraft derselben beSie zeigen aber ferner, dafs diese Tiefenwirkung auf den Entfernungen zwischen 2000 und 4000 m um 20 m durchschnittlich gröfser bei dem Kruppschen Geschütz ist, als bei dem c/ 73 und grenzt wird .
dafs sie bei jenem auf 4000 m mindestens noch so viel beträgt, wie bei diesem auf 3000 m. Die Flugrichtung der Füllkugeln äulsert ihren Einflufs dadurch, dafs von der Entfernung ab, auf welcher der halbe Kegelwinkel gleich dem Einfallwinkel des unzerlegten Geschosses wird, die höchsten Kugeln nicht mehr eine zur Wagerechten ansteigende, sondern eine nach unten geneigte Richtung einschlagen. Der Streuungskegel wird bohrend, seine Tiefenausdehnung unzureichend in dem Sinne , dafs auf Wirkung nur gerechnet werden kann , wenn sich die Sprenghöhe proportional zur Sprengweite ändert, d. h. verhältnismäfsig ebensoviel steigt bezw. sinkt,
wie diese wächst bezw. abnimmt.
Das ist aber
infolge der mit der Entfernung zunehmenden Geschofs- und ZünderStreuungen nicht zu beherrschen und wird deshalb die Grenze für
Über den Einflufs moderner Feldgeschütze etc.
293
„ zuverlässige Shrapnelwirkung da angenommen, wo jene Übereinstimmung des Fall- und halben Kegelwinkels eintritt. Für das Feldgeschütz C/ 73 lag sie nach laufende Nummern 14 und 15 auf etwas über 3000 m, für das Kruppsche Geschütz ist sie auf ungefähr 3550 m hinausgerückt. Mit anderen Worten : Die Neukonstruktion erweitert den „ zuShrapnelbereich um etwa 500 m. Auf allen Entverlässigen fernungen aber steigert sie unter gleichen Verhältnissen die Wirkung gegen ungedeckte Ziele infolge gröfserer Durchschlagskraft und Dichtigkeit der Kugeln und kann, sichere Entfernungs-Ermittelung vorausgesetzt, in dieser Beziehung auf 4000 m noch mehr leisten, als das Material C/73 auf 3000 m. Erreicht ist dieser Gewinn durch die um 58 m gestiegene Anfangsgeschwindigkeit und die auf 147 g gebrachte Querdichte Geschosses (gegen 125 g des Shrapnels
C/91 ).
des
Letztere hat zur
Folge, dafs die Fluggeschwindigkeit verhältnismäfsig langsam abnimmt, und in Verbindung mit günstiger Spitzenform eine gestreckte Flugbahn erzeugt wird. Recht wesentlich hat aber auch die Annahme des Bodenkammershrapnels und das Beibehalten der 11 g schweren Füllkugeln von hohem specifischem Gewicht ( 10,5 ) dazu beigetragen.
Der Zuwachs
an Geschwindigkeit, welchen letztere beim Springen des Geschosses durch die Sprengladung erhalten, beläuft sich auf ungefähr 50 m. Dadurch wächst ihre Stofskraft. In demselben Sinne bethätigt sich ihr Gewicht, welches gegenüber der 10 g schweren Kugel auf den Entfernungen bis 4000 m die Fähigkeit, Menschen aufser Gefecht zu setzen, um rund 25 m weiter trägt. Zugleich aber begünstigt diese Geschofs-Konstruktion durch ihren engeren Kegelwinkel das Zusammenhalten der Füllkugeln , so dafs die Tiefenwirkung mit Rücksicht auf Dichtigkeit der Treffer zunehmen konnte. Wenn früher dem Bodenkammer- Shrapnel mit Recht der Vorwurf gemacht wurde, sein zu kleiner Kegelwinkel ( etwa nur die Hälfte der jetzigen) verursache bei geringer Sprengweite einen Überschufs an Treffern aut zu kleinem Raum bezw. begrenze auf grofsen Entfernungen die Tiefenwirkung zu früh, so trifft derselbe jetzt nicht mehr zu . Die durch den starken Enddrall gesteigerte Winkelgeschwindigkeit und brisanteres Pulver für die Übertragungsladung in der Kammerhülse haben es ermöglicht, die Gröfse des Kegelwinkels besser zu beherrschen. Vorstehend war angeführt, dafs die zum Aufser- Gefecht- Setzen
nötige Stofskraft der Füllkugeln auf allen Kampfentfernungen die Wirkungstiefe des Shrapnels später begrenze , als die Dichtigkeit der Treffer. Das könnte zu dem Verlangen berechtigen , durch eine Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 3 20
Über den Einflufs moderner Feldgeschütze etc.
294
gröfsere Zahl leichterer Kugeln von 10 oder gar 9 g Gewicht die Dichtigkeit zu erhöhen. Allein es ist zu bedenken, dafs dann der geringste Geschwindigkeitsverlust durch Aufprallen auf festem Boden, das Durchschlagen leichtester Deckungen etc.
genügen würde ,
um
die Wirkung stark einzuschränken . Erfahrungsmäfsig geben 11 g schwere Kugeln, welche auf hartem, ebenem Boden abprallen, einen nicht unwesentlichen Zuwachs an Treffern') und getroffene Pferde angreifender Kavallerie dürften vielleicht schon bei 11 g Kugel gewicht nicht immer zusammenstürzen. Aus diesem Grunde scheint das Festhalten der Kruppschen Fabrik an dem Kugelgewicht von 11 g vollkommen berechtigt, umsomehr, als die in Österreich und der Schweiz gemachten Erfahrungen keineswegs zu Gunsten der leichten Kugeln sprechen. Das neue Shrapnel in Österreich ist wieder mit 13 g schweren Kugeln gefüllt, nachdem kurz vorher mit dem Gewicht auf 11 g herabgegangen war. Die Schweiz entscheidet sich für 12,5 g. Nicht unerwähnt soll bleiben, dafs die rasantere Flugbahn des neuen Geschützes in Verbindung mit dem engeren Kegelwinkel seines Shrapnels
zur Folge hat,
dafs
Truppen hinter Deckungen
durch
dies Geschofs weniger gefährdet sind, als durch das Shrapnel C/91 . Während dies z . B. auf 3000 m noch bis zu einem Deckungswinkel von 24° Wirkung zuliefs, reicht sie bei jenem nur bis zu einem solchen von 18 ° (Einfallwinkel + halber Kegelwinkel ). Das spricht um so mehr für Annahme bezw. Beibehalt der Sprenggranate . Deshalb noch kurz ein Wort über diese. Eine Sprengung mit 0,200 kg Pikrinsäure ( einschl. Zündschlag ) lieferte 142 Sprengstücke von 0,013 kg und mehr bezw. 169 von 0,010 kg und mehr. Ein Vergleich in dieser Hinsicht mit der Sprenggranate des Materials C/ 73 ist nicht möglich, da bezügliche Angaben über diese fehlen. Nur so viel läfst sich behaupten, daſs das geringere Gewicht des Geschofskernes, die grföseren End geschwindigkeiten und kleineren Fallwinkel naturgemäls Minderung der Wirkung hinarbeiten müssen.
auf eine
Bezüglich der Spreng
granate würde also nicht nur kein Fortschritt, sondern vielmehr ein Rückschritt zu verzeichnen sein. Nachdem in Vorstehendem die Leistungsfähigkeit des neuen Kruppschen Feldgeschützes in grofsen Zügen gekennzeichnet und zu derjenigen des Materials C/ 73 und C/ 64 in Vergleich gestellt wurde, wenden wir uns nunmehr zu gefundenen
Unterschiede
auf die
den Folgerungen, Gefechtsthätigkeit
welche
die
der Feld
1) Vergl. Rohne , Schiefslehre für die Feld- Artillerie, S. 101 , Anmerkung 3.
Über den Einflufs moderner Feldgeschütze etc.
295
artillerie erwarten lassen, wobei angenommen wird, dafs die Ge schützzahl nach wie vor auf 6 für jede Batterie belassen bleibt. Die Gegenüberstellung hatte ergeben, im Verhältnis zu dem im letzten Feldzuge
dafs das
neue Geschütz
benutzten
9 cm 87 kg,
zum schweren Feldgeschütz C/73 252 kg leichter geworden ist, und dafs es in Lenkbarkeit und Biegsamkeit dem Material C/73 an Ferner war an nähernd gleichsteht, dasjenige C/64 übertrifft. gedeutet, dafs die Zugleistungen der Pferde höher, als 1870/71 bewertet werden dürften, dafs aber die Anordnung der Räder die ' Fahrbarkeit unter Umständen herabsetzen könne. im
deutsch-französischen
Kriege
gemachten
Eingedenk der
Erfahrung ,
dafs
auf
längeren Märschen die Pferde der schweren Batterien gröfsere Er müdung zeigten, unter ungünstigen Verhältnissen das 8 cm- Geschütz eine zweifellose Überlegenheit bewies und im Gefecht zuweilen nur die leichten Batterien rechtzeitig zur Stelle waren, drängt sich die Ansicht auf, dafs die Beweglichkeit des neuen Geschützes an nähernd so viel gewonnen hat, um den seit dem Feldzuge an Dauer leistung und Schnelligkeit zu können .
gestiegenen Anforderungen nachkommen
Es war schon darauf hingewiesen,
dafs und weshalb
stärkere
Dauerleistungen in der Bewegung künftig gefordert werden müssen . Der Grundsatz, die Artillerie in gröfseren Verbänden zusammenzu halten, sofern keine besonderen Gründe für ihre Teilung vorliegen, hat ihre Zuweisung zum Gros in der Marschkolonne fast
zur Regel
gemacht, wiewohl der Vorteil einleuchtet, welchen bei einem zu er wartenden Begegnungsgefecht der Avantgarde beigegebene Artillerie haben kann. Hinter dem Têten- Bataillon bezw . -Regiment des Gros marschierend, soll sie der Avantgarden-Infanterie nicht
selten in
kürzester Zeit Unterstützung bringen und mufs dann etwa 4 km in beschleunigtem Tempo bis zur Stellung zurücklegen , dabei meist einen Teil der Strecke querfeldein. Gilt das zunächst für die Ein leitung des Gefechts, so können sich die Anforderungen an Beweg lichkeit noch wesentlich steigern, wenn es sich darum handelt,
zur
Durchführung des Angriffes dem Gegner einen Vorsprung abzu gewinnen und eine ihm überlegene Artillerie früher, als er, zur Hand zu haben. Batterien der hinteren Division eines auf 1 Strafse vor gehenden Armeekorps bezw . der Korps -Artillerie können märsche von 12 km und mehr zu bewältigen haben.
dann An Ähnliche
Leistungen würden an Batterien herantreten, welche aus dem Ver bande rückwärtiger Truppenkörper zur Unterstützung der im Gefecht stehenden Artillerie herangezogen werden. ') ¹ ) Die Batterien der Korps-Artillerie des X. Armee-Korps wurden am 20*
Über den Einfluss moderner Feldgeschütze etc.
296
In den nach General- Lieutenant v. Müller wiedergegebenen Feldzugs-Erfahrungen war gesagt, dafs
in den hartnäckigen, stehenden
Gefechten und Schlachten die gröfsere oder geringere Fahrbarkeit des einen oder des anderen Kalibers kaum zum Ausdruck kommen konnte, da nur selten, zuweilen gar nicht Stellungswechsel eintraten . “ Mit solchen wird aber, trotzdem sie die Wirkung unterbrechen, um so mehr zu rechnen sein, je gröfser die Anfangs-Entfernungen gewählt werden mussten.
Das neue Geschütz besitzt zwar eine grofse
Tragweite, doch kommt seine Leistungsfähigkeit auf weiten Entfernungen nicht zu entscheidendem Ausdruck , besonders auch wegen der Schwierigkeit des Einschiefsens .
Findet
die Annahme ,
dafs im Angriffsgefecht der Artilleriekampf im allgemeinen nicht unter 3500 m einsetzen wird , ihre Bestätigung, so kann es nicht ausbleiben, dafs die ganze Artillerie oder Teile derselben zur wirksameren Bekämpfung, Begleitung des Infanterie-Angriffs und rechtzeitiger Aufnahme des Verfolgungsfeuers vorgehen, unter Umständen Auch Verteidigung also mehrfachen Stellungswechsel vornehmen. und Rückzug können Anlafs
dazu
geben.
Sofern die Bespannung
unversehrt geblieben und während der ersten Feuerstellung wieder zu Atem gekommen ist, wäre kein Grund ersichtlich, warum sie die Bewegungen im Stellungswechsel nicht ebenso zuverlässig bewältigen sollte, wie bis zum Eintritt in den Kampf. Mit dieser Annahme ist aber nicht zu rechnen . Vielmehr werden Verluste durch feindliches Feuer das Einstellen minderwertiger Tiere
oder gar den
Ausfall
einiger Pferde im Gespann verursacht haben, so dafs der Stellungs"wechsel nicht mehr mit der vollen Zugleistung, wenn auch nicht bei allen Geschützen, so doch bei einem Teile derselben unternommen werden
mufs .
Begleiten
des
Infanterie- Angriffes
und
Rückzugs-
gefechte können diese Erscheinung besonders grell hervortreten lassen. Unter solchen Umständen kann es mit dem neuen Geschütz ebenso wie im letzten Feldzuge mit dem 9 cm vorkommen, dafs die mit ihm ausgerüsteten Batterien in gefährlichen Augenblicken rechtzeitig zur Stelle sind.
nicht
Der Gewichtsunterschied von 87 kg ist
ein zu geringer, um daran die Hoffnung zu knüpfen, er könne über das Zuspätkommen oder gar Liegenbleiben von Batterien unter so schwierigen Verhältnissen hinweghelfen.
Wo Deckung fehlt oder nicht vollständig ausgenutzt werden kann, mufs Schnelligkeit den Ersatz bieten. " (Z 285 des Ex. - Reglem. f. d . Feld . -Art. ) Die Befolgung dieses Grundsatzes wird für den 16. August 1870 von Thiocourt aus auf das Gefechtsfeld vorgezogen und hatten bis Mars la Tour etwa 25 km zurückzulegen . Vergl . v. Hoffbauer : „ Die deutsche Artillerie in den Schlachten bei Metz, II. Teil, S. 48.
Über den Einflußs moderner Feldgeschütze etc.
Vormarsch zur Feuerstellung, häufig geboten sein .
297
besonders beim Wechsel derselben,
Das Absuchen des Geländes mit guten Fern
gläsern nach den Maſsnahmen des Feindes bringt ungedeckte Be wegungen frühzeitig zur Kenntnis, die erweiterten Entfernungen machen es unwahrscheinlich , dafs der Anmarsch nicht wenigstens stellenweise der Sicht preisgegeben wird, und die modernen Feuer waffen ermöglichen Störungen desselben fernhin und mit Nachdruck in kurzer Zeit. Darin liegt eine weitere Forderung nach hoher Be weglichkeit, um in solchen Augenblicken die rasch überwinden zu können .
gefährdeten
Stellen
Im Vergleich zum Feldzuge 1870/71 sind also die Anforderungen an die Beweglichkeit gestiegen nach Dauerleistungen, Stellungs wechsel und Ausnutzung der Schnelligkeit zum raschen Durchschreiten ungedeckter, im feindlichen Feuerbereich liegender Stellen.
Denen
trägt die gröfsere Fahrbarkeit der Neukonstruktion in Verbindung mit den voraussichtlich besseren Leistungen der Pferde Rechnung. Besonders schwieriges Gelände , durch schlechte Ernährung¹ ) , atmo sphärische Einflüsse, Überanstrengung etc. gesunkene Kräfte der Be spannung können gleichwohl zur Folge haben, dafs in Ausnahme fällen das Eingreifen der Artillerie bezw. von Teilen derselben verzögert wird. Solche Möglichkeiten sind eben, wenn das Geschütz ausgiebige Wirkung haben soll, nicht vollkommen auszuschliefsen. Alles in allem genommen, dürfte aber die Beweglichkeit als
eine
durchaus angemessene zu beurteilen sein. Nicht unerwähnt mag bleiben ,
dafs
ein
aufserhalb des
Ge
schützes liegender Umstand den glatten Verlauf seiner Vorwärts bewegung störend beeinflussen kann. Für den Anmarsch der Artillerie ist die Kolonne zu Einem die zweckmäfsigste Form zur Ausnutzung des Geländes sowohl auf Gangbarkeit, als auf Deckung.
Sie findet
deshalb in der Regel bis in die Nähe der Stellung Anwendung. Je länger die Kolonne, desto leichter tritt bei unvermeidlichen Tempo -Änderungen der Tête eine Unterbrechung der glatten Be wegung ein. Stutzen, Aufprallen bezw. Ausbiegen, Wieder-Anfahren bezw. Einbiegen beeinträchtigen aber die Leistungen um so mehr, je stärker die angenommene Gangart. Im Feldzuge 1870/71 trat die batterieweise Verwendung der Feldartillerie vielfach in die Er scheinung und jene Reibungen erlangten deshalb nicht die Be deutung, welche sie in der Kolonne zu Einem der Abteilung oder ¹) Am 1. September 1870 wurde der Anmarsch der Korps - Artillerie V. Armee korps in dem schmalen und steilen Hohlwege nördlich St. Albert dadurch erschwert, dafs die Ermüdung der nicht ordentlich gefütterten Pferde zur Geltung kam. Kunz,,,Kriegsgeschichtliche Beispiele". 6. Heft, S. 10.
Über den Einflufs moderner Feldgeschütze etc.
298
gar des Regiments
annehmen
können.
Das ist ein Umstand, der
immerhin Beachtung verdient, weil durch ihn die in der Anstrengung der Pferde zum Ausdruck kommende Erschöpfung gesteigert werden kann. Die gehobene Fahrbarkeit des Geschützes findet unter Um ständen durch die Anmarschform eine Abschwächung. Auf die Bedeutung, welche der Gewichts-Erleichterung des ab geprotzten Geschützes beizumessen ist, war bereits hingewiesen . Wird die Stellung im feindlichen Feuer eingenommen oder verlassen, so kommt es auf thunlichste Abkürzung solcher gefährlicher Augen blicke an. Das Ab- bezw. Aufprotzen geht um so anstandsloser von statten, je leichter das Geschütz . Das kommt sehr zur Sprache , wenn Verluste die Bedienung gelichtet haben. Je mehr von ge decktem Einnehmen der Stellung behufs überraschender Feuer Eröffnung Gebrauch gemacht wird und je häufiger ein Stellungs wechsel vor sich geht, desto mehr mufs auf Schonung der Kräfte der Bedienung Bedacht genommen werden. Anstrengende Be wegungen mit äufserster Anspannung bringen leicht Unruhe in die Batterie, welche sich bei Eröffnung bezw. Fortsetzung des Feuers bemerkbar macht. Auch Frontveränderungen im Feuer, welche meist mit grofser Schnelligkeit ausgeführt werden müssen, ziehen aus der Gewichts-Verminderung Vorteil. Vorstehende Betrachtungen gelten für die Hauptmasse der Ar tillerie, die fahrenden Batterien. Die Beweglichkeit der reitenden Artillerie ist nach folgenden Angaben zu beurteilen.
Das neue
Geschütz würde für sie 1718 kg wiegen gegen 1572 des im Feld zuge geführten, 1930 kg desjenigen C/ 73.88 und 2123 kg des neuen Geschützes für fahrende Batterien. Demnach ist sie auf das Geschütz gegen den 8 cm C/ 64 mehr belastet mit 146 kg, gegen das Material C/73.88 weniger mit 212 kg und würde im kriegs mäfsig belasteten neuen Geschütz den fahrenden Batterien um 405 kg vorausstehen. Nach diesen Zahlen ist anzunehmen, dafs das um 212 kg leichtere
neue Geschütz
allen Anforderungen
an Be
wegungsfähigkeit der reitenden Artillerie im Kriege entsprechen werde . Vor den fahrenden Batterien hat sie durch den Gewichts unterschied von 405 kg zu ihren Gunsten einen angemessenen Vor sprung. Hinsichtlich des abgeprotzten Geschützes kann die Ver schiedenheit um 30 kg kaum von Belang sein. würden Schufs -Ent den ballistischen Leistungen Nach
fernungen bis zu 4000 m noch die gleiche Wirkung erwarten lassen, wie beim Material C/73 auf 3000 m. Auf Grund der mit diesem erreichten Schiefs - Ergebnisse hat brochen,
dafs
seine
Wirkung
sich
auf
die
Überzeugung Bahn ge
allen Entfernungen ,
also
auch
Über den Einflußs moderner Feldgeschütze etc.
299
noch bis zur Grenze des Brennzünders ausreichend sei, sofern das Einschiefsen gelungen war. Unter dieser Voraussetzung würde
die
5000 m
gleiche Annahme für
berechtigt
sein.
das neue Feldgeschütz bis etwa
Da liegt die Versuchung nahe, die dem
neuen Geschütz innewohnende Fernwirkung zur Feuer-Eröffnung auf grofsen Entfernungen auszunutzen. Zur Regel kann eine solche Verwendung aber keineswegs erhoben werden ; dafs sie unter Umständen in besonderen Gefechtslagen Vorteile Abrede zu stellen.
bietet,
ist nicht
in
Die Wahl der ersten Feuerstellung mufs in gleicher Weise der Leistungsfähigkeit der Geschütze, der Beobachtungsmöglichkeit und der Geländegestaltung
Rechnung
sicht gebotene Beschränkung je gröfseren Spielraum die
tragen.
Die durch letztere Rück-
macht sich um so
weniger fühlbar,
Grenze der „ zuverlässigen" Schufsent-
fernung läfst. Lag diese beim Material C/73 auf ungefähr 3000 m so war es ratsam, die erste Stellung nicht weiter ab zu wählen, tritt sie beim neuen Geschütz erst auf etwa 3600 m ein, so erscheint
es
zulässig,
öffnen, wenn es
das
schon
auf dieser Entfernung
Gelände begünstigt.
das
Feuer zu
Unleugbar hat also die
Ausnutzung des Geländes insofern eine Erweiterung erfahren. Die Beobachtungsmöglichkeit dagegen steht im umgekehrten Verhältnis zum Abstande des Zieles und wird von mancherlei Umständen beeinfluíst.
Zwar sind in Erzeugung vortrefflicher Fern-
gläser erhebliche Fortschritte gemacht, doch gelungen,
mit
welche gegen
hoher Vergröfserung die kleinen,
kaum
scheint es
noch nicht
starke Helligkeit zu verbinden , sichtbaren,
gebung und namentlich dem Hintergrunde
sich von ihrer Um-
fast
nicht abhebenden
Ziele gefordert werden muſs ; trübe Luft beeinträchtigt die optischen Leistungen umsomehr, je stärker die Vergröfseruug. Das sind Übelstände , welche mit der Entfernung wachsen. Andererseits steigt das Bedürfnis , sich der Sicht zu
entziehen, und wird durch
das rauchschwache Pulver und Vorrichtungen zum indirekten Schiefsen begünstigt. Unzulänglichkeit der Ferngläser und schwer sichtbare Ziele treffen also zusammen, um die Beobachtung mit zunehmender Entfernung zu verschlechtern. Das kommt in der grofsen Zahl verfehlter Schiefsen zum Ausdruck, welche auf Entfernungen über 3000 m eintreten . Lehrreich in dieser Beziehung sind die von Oberstleutnant a. D. Callenberg im 1. Teil seines Werkes „ Über die Grundlagen des Shrapnelschiefsens bei der Feldartillerie" aus der Statistik der Feldartillerie - Schiefsschule veröffentlichten Zahlen. Während
noch auf Entfernungen von 2400-3000 m
durch unrichtige
Beobachtung
nur 10,5 %
falsch gebildete 100 m Gabeln vor-
Über den Einfluss moderner Feldgeschütze etc.
300
gekommen sind, springt ihre Zahl für 3000-3500 m auf 21,6 %; für 3500-4200 m auf 30 %. Die dazu gemachte Bemerkung, dafs die Ziele über 3000 m, namentlich aber über 3300 m fast alle verhältnismälsig
recht
schwierig
waren,
kann
an
der Thatsache
schwerlich viel ändern. Die Erschwerung der Beobachtung findet eben in der grofsen Entfernung ihre Erklärung. Dazu kommt, dafs mit zunehmendem Abstande die Geschofsstreuungen wachsen und mit ihnen die lediglich durch ihren Einflufs , also ohne falsche Beobachtung, falsch gebildeten Gabeln. Nun sinkt zwar durch Anwendung zweier um 100 m ausGefahr , wegen die einanderliegender Brennzünder-Entfernungen die falscher Gabelbildung unzureichende Wirkung befürchten zu müssen . Immerhin bleibt die Thatsache bestehen, dafs auf Entfernungen über 3000 m eine Schmälerung der Wirkung zu gewärtigen ist, nicht sowohl wegen ungenügender Leistungsfähigkeit des Geschützes , als infolge erschwerter Beobachtungsfähig keit. Unter sonst gleichen Umständen giebt eine dichte und deutlich sichtbare Rauchwolke gröfsere Gewähr dafür, sie mit dem Ziele in Beziehung zu bringen, also zutreffend zu beobachten, als eine. bei welcher diese Eigenschaften nicht so zweckmäfsig entwickelt Übereinstimmende Konstruktion vorausgesetzt , kann das sind. Shrapnel des
neuen
Geschützes
desjenigen C/91 erreichen,
nicht die
Beobachtungsfähigkeit
weil es wegen des um
1 kg leichteren
Gewichtes nicht die gleiche Menge des Rauchentwicklers aufnimmt . ' ) Dieser Nachteil wird auch nicht durch den Umstand
aufgewogen.
dafs das neue Geschütz eine rasantere Flugbahn, als das C/ 73 bezw. eine gröfsere Wirkungstiefe des Shrapnels besitzt,
wennschon diese
Eigenschaften eine unrichtig ermittelte Entfernung innerhalb gewisser Grenzen wahrscheinlicher ausgleichen,
als
beim Feldgeschütz C/73 .
Es ist aber auch zu beachten, dafs die gröfsere Rasanz die Längenstreuungen vergröfsert und damit die Zuverlässigkeit der Gabelbildung herabsetzt. Vom richtigen und schnellen Einschiefsen hängt aber der Erfolg in erster Linie ab, und, da für dieses das neue Feldgeschütz keines-
1) Krupp hält es nicht für vorteilhaft, mit der Rauchentwickelung zu weit zu gehen, da seit Einführung des rauchschwachen Pulvers schon geringe Rauchwolken genügend beobachtungsfähig seien und eine zu starke Rauchentwickelung der eigenen Geschosse für die Beobachtung unter Umständen störend wirken könne . Für das Einschiefsen wird man ihm darin nicht beipflichten können. Die wenigen Schüsse, welche dazu abgegeben werden, dürften durch ihren Rauch die Beobachtung kaum beeinträchtigen. Andererseits erschwert vorlagernder dichter Rauch dem Feinde das Richten.
Über den Einflußs moderner Feldgeschütze etc.
301
wegs günstigere Vorbedingen schafft , so ist man genötigt, die Anfangs-Entfernungen so zu wählen, dafs das Bilden einer zu treffenden Gabel begünstigt wird . Daher werden auch künftighin die ersten Artilleriestellungen im allgemeinen nicht über 3500 m von den Zielen abliegen, es sei denn, dafs durch neue Erfindungen. die Sicherheit der Beobachtung erhöht oder durch genau arbeitende Entfernungsmesser eine andere Grundlage für das Wirkungsschiefsen. geschaffen wird. ') Unerklärlich würde es sein, weshalb dem Brennzünder des Shrapnels eine Tragweite bis 5800 m gegeben ist, wenn man nicht eine
entsprechende Verwendung erwartete .
ist in gewissen Gefechtslagen
Und
auch wahrscheinlich .
eine
Beim
solche Angriff
befestigter Feldstellungen mufs damit gerechnet werden , dafs der Gegner über schwere Flachbahnbatterien mit weittragendem Shrapnelschufs verfüge. So lange die Feldartillerie hierin nicht ebenbürtig war, konnte sie das Feuer nicht mit Aussicht auf Erfolg aufnehmen bezw. mufste sie versuchen, unter dem Schutze der Dunkelheit bis auf ihre Kampfentfernung
heranzukommen.
der Verteidigung solcher Stellungen Anmarsch des Angreifers zu stören
Umgekehrt vermag sie bei
in Zukunft auf weithin den und in das Gefecht um den
Besitz des Vorgeländes einzugreifen . Die ausgiebigste Anwendung dürfte das Verfolgungsfe uer bringen , wenn es sich darum handelt die
entfernteren Teile des Feindes zum Ziele zu nehmen , um dort
die Auflösung zu erzwingen . Im Gelände gedeckte Ansammlungen des Gegners , 2 ) welche entweder an bestimmter Stelle vermutet werden oder vielleicht vom Ballon aus erkannt sind, Flankenfeuer³) besonders reitender Batterien, welche mit ihrer Kavallerie- Division den Feind
zu
umgehen suchen
u.
die aufserordentliche Tragweite
s . w.
können
Gelegenheit
des Shrapnelschusses zur
geben,. Geltung
zu bringen. Die Stofskraft der Schrapnellkugeln ist bei dem Material C/97 1) Natürlich nicht in dem Sinne, dafs der Entfernungsmesser das Ein schiefsen ersetzen soll. Das ist wegen der Tageseinflüsse nicht zu umgehen ; wohl aber kann es vereinfacht und abgekürzt bezw. das Instrument zur Kontrolle des Verfahrens benutzt werden . 2) Am 18. August 1870 standen starke französische Reserven östlich St. Privat gedeckt durch den Höhenzug St. Privat-Amanvillers . Damals konnten selbst die nächsten Batterien diese Reserven nicht gefährden . Heute würden sie aus den gleichen Artilleriestellungen sehr wohl zu erreichen sein. 3 ) Die 6. leichte Fufs-Batterie 1. Armee-Korps richtete am 18. August 1870 auf 3800 m vom rechten Moselufer gegen den linken feindlichen Flügel Flankenfeuer. Vergl. Hoffbauer : Die deutsche Artillerie in den Schlachten bei Metz.
Über den Einflufs moderner Feldgeschütze etc.
302
auf allen Entfernungen im Vergleich
zum Schrapnell
C /91
aufser
ordentlich gestiegen (42,1-82,4 % ) als Folge der hohen Querdichte der Geschosse und Annahme der Bodenkammer - Konstruktion . Bei weitem nicht in demselben Mafse hat die durch die Dichtigkeit der Treffer begrenzte Tiefenwirkung zugenommen ( 12,5 bis 16,0 %), weil die Zahl der Sprengteile herabgesetzt ist.
Wesentlich ist, daſs
die Steigerung mit der Entfernung wächst. Konnte die Wirkung des Shrapnals C/91 schon bis etwa 3000 m vernichtend sein, so läfst sich das Gleiche von dem C/ 97 recht erwarten. Nun kommt aber hinzu, welche erreicht. ' )
die gesteigerte
das Zwei-
Damit ist
mindestens
die
bis
Feuergeschwindigkeit noch
über Dreifache
Möglichkeit
bis 3600 m erst
des Materials
gegeben,
in
C/ 73
Gefechtslagen,
welche höchste Steigerung der Wirkung verlangen, einen Kugelhagel im wahrsten Sinne des Wortes auf den Feind herniederprasseln zu lassen.
Man bedenke : 8610 bis 14350 Kugeln bezw. Sprengteile in
1 Minute von 1 Batterie verfeuert !
Man wird zugestehen, dafs unter
solchen Verhältnissen die Entscheidung in kürzester Zeit fallen mufs und vollends bei der Vereinigung des Feuers mehrerer Batterien oder gar Abteilungen . Zugleich aber läfst diese Betrachtung den hohen Wert erkennen , welcher richtigem und schnellem Einschiefsen beigelegt werden mufs, gleiche Bewaffnung und Ausbildung beider Gegner vorausgesetzt. Zur vollen Ausnutzung der bedeutenden technischen Fortschritte wird es daher darauf ankommen, die Sicher heit richtiger Gabelbildung mit allen Mitteln
zu
fördern, und diese
sind in erster Linie zu suchen in häufigen Beobachtungsübungen der Offiziere beim Scharfschiefsen unter wechselnden Verhältnissen möglichst über das ganze Jahr verteilt und in Schiefsregeln, welche die Zahl falscher Gabelbildungen thunlichst herabdrücken. ") Im Feldzuge haben die 8- und 9-cm Granaten für damalige Verhältnisse genügt . Man darf sich aber die Frage vorlegen, welcher Erfolg unter Umständen mit modernen Feldgeschützen zu erreichen gewesen wäre . Würden die in ihren Lagern am 16. August bei Vionville, am 30. August bei Beaumont überfallenen Franzosen überhaupt noch imstande gewesen sein, sich auf eine Abwehr des Angriffs einzulassen? Welchen Einflufs würde am gleichen Tage das Flankenfeuer der vom bois de Vionville über Flavigny hinausreichenden Artillerielinie auf die Vorstölse der 1 ) Vergl. S. 287 und Zusammenstellung Ifd. Nr. 18 . 2) Bezügliche Vorschläge finden sich in den Studien „ Über die Zuver lässigkeit des Einschiefsens " von Generalleutnant Rohne. Vergl. Archiv für Artillerie und Ingenieur-Offiziere 1897 und Kriegstechnische Zeitschrift 1898.
Über den Einfluís moderner Feldgeschütze etc. Division haben? ¹ )
Montaudon
gegen
die
32.
Infanterie-Brigade
303 ausgeübt
Wie hätte sich der Rückzug der Franzosen am 30. August
über die Maas bei Faubourg Mouzon unter dem Feuer der Batterien des IV. Korps aus ihrer Stellung an der Römerstrafse gestaltet ? Man darf annehmen , dafs die betreffenden Truppen erledigt gewesen wären. Absichtlich sind Beispiele gewählt, in welchen die Artillerie unbehelligt von feindlichen Batterien ihr Vernichtungswerk durchführen, also ihre Wirkung zur denkbar höchsten Entfaltung bringen konnte. Wie sich die Kämpfe abgespielt hätten , sofern eine ebenbürtige Artillerie ihr Gewicht in die Wageschale geworfen hätte, lässt sich natürlich nicht abschätzen. Zuweilen ist die Behauptung aufgestellt, die Artillerie bedürfe einer Verbesserung ihrer Waffe, um den Vorsprung vor dem weit tragenden Mehrlader- Gewehr wieder zu erlangen . In dieser Hinsicht würde das Material C / 73 noch vollkommen ausgereicht haben. Es brauchte den Kampf nicht zu scheuen, aufser vielleicht gegen gedeckt auf unter 1000 m herangekommene Schützen und bei Annäherung an solche unter 1500 m zur Begleitung des Infanterie- Angriffs .
Dann
wäre aber ein etwaiger Mifserfolg nicht der ungenügenden Leistungs fähigkeit des Geschützes, sondern der Überraschung und Verlusten zuzuschreiben, welche Ruhe und Ordnung störten, noch bevor der Kampf aufgenommen werden konnte. Daran würde auch das neue Geschütz
nichts
ändern.
Wohl aber kommt seine grofse Feuer
geschwindigkeit und Tiefenwirkung im Gefecht gegen Infanterie zur Geltung, gleichviel ob diese in Bewegung, stehend oder liegend an genommen wird, ganz abgesehen von der Rauchwand, welche sich in kürzester Zeit vor die Schützen lagert und deren Zielen erschwert, während sie das Richten der Artillerie so gut wie gar nicht hindert. Dafs das neue Geschütz die Abwehr von Kavallerie-Angriffen wesentlich erleichtert, bedarf kaum näherer Ausführung. Seine Handlichkeit, Fernwirkung und sein Schnellfeuer kommen hierfür besonders zu statten . Einen gleichwertigen Gegner vorausgesetzt, erwachsen im Artilleriekampfe durch die Bewaffnung mit einem modernen Geschütz , wie das zur Besprechung herangezogene, besonders schwierige Auf gaben. Hüben und drüben übereinstimmende Stärkeverhältnisse angenommen könnte leicht die Vorstellung von den beiden Löwen heraufbeschworen
werden ,
welche
sich
gegenseitig
auffressen.
Darin liegt der Fingerzeig, dafs die Überlegenheit in erster Linie in der Zahl der Batterien erstrebt werden und die Entscheidung
1 ) Vergl. Kunz, „ Kriegsgeschichtliche Beispiele, " 7. Heft, S. 40.
Über den Einflufs moderner Feldgeschütze etc.
304
nicht früher gesucht werden sollte, als bis jene erreicht ist . sich hierzu keine Aussicht, Erfolges,
welche
so
fehlt
eine wesentliche
Bietet
Chance
des
durch
ein Übergewicht an Infanterie kaum aus
geglichen werden kann.
Die Parole heilst also Massenverwendung.
verbunden mit sachgemäfser Zielerkundung und Feuerleitung !
Aus
den schon dargelegten Gründen dürften die ersten Feuerstellungen auf grofsen Entfernungen auseinanderliegen. Zu nachdrücklicher Wirkung müssen sie aber nach und nach verringert werden, wozu ein staffel weises Vorgehen unter dem
Schutz
der
stehen
gebliebenen Ab
teilungen etc. und unter sorgsamer Ausnutzung des Geländes erfolgt. Umfassungen zur Ermöglichung von Flankenfeuer dürfte besondere Bedeutung zugesprochen sein . Zum Ersatz der voraussichtlich grofsen Verluste wird es ausreichender Reservemannschaften und zur Unter haltung des Feuers der Bereitstellung genügender Munitionsmengen zur unmittelbaren Verfügung der Truppe bedürfen. Die gröfsere Feuergeschwindigkeit soll zwar nicht weiter, als zur Erzielung des Erfolges nötig, ausgenutzt werden, ob und wann dieser gesichert ist, lässt sich aber nicht ganz leicht, besonders auf grofsen Ent fernungen beurteilen. Der Munitionsverbrauch dürfte daher steigen, wennschon ebenso wenig, wie bei der Infanterie ein unnützes Knallen zu befürchten ist.
Der Einflufs moderner Feldgeschütze auf die Gefechtsthätigkeit der Feldartillerie läfst sich in Folgendem zusammenfassen : Die Grundsätze über die Verwendung, wie sie im IV . Teil des Exerzier-Reglements niedergelegt sind, bleiben bestehen . Ihre Anwendung dagegen mufs der veränderten Leistungsfähigkeit des Materials Rechnung tragen, welche gekennzeichnet wird durch eine Erweiterung des wirksamen Feuergeschwindigkeit.
Shrapnelbereichs und
Steigerung
der
Einem ebenbürtigen Feinde gegenüber berechtigen diese Faktoren nicht zu der Annahme, eine Überlegenheit im Artillerie-Duell durch die Güte des Materials erreichen zu können. Erst ein Über gewicht in der Zahl stellt diesen Erfolg in Aussicht. Die vergrölserten Schufsweiten ändern nichts an dem Grund satze , dafs die erste Feuerstellung stets so nahe gewählt werden soll,
als es
die Verhältnisse
gestatten, wohl
aber
schwächen
sie
innerhalb gewisser Grenzen den Einfluss der Geländegestaltung ab, wodurch der Entschlufs der Führung erleichtert werden kann. Dem Übelstande ,
welchen grofse Entfernungen
betreffs
falschen
Ein
Über den Einflufs moderner Feldgeschütze etc.
305
schiefsens und Gefährdung eigener Truppen in sich bergen,
mufs
durch geeignete Vorkehrungen in der Zielerkundung, Beobachtung und Aufklärung zu begegnen versucht werden. Der Zuwachs an Feuergeschwindigkeit ermöglicht das Ausnutzen entscheidender Gefechtslagen zu vernichtender Wirkung. Vorbedingungen sind rechtzeitiges Erkennen derselben, Gewandtheit in der Feuerleitung und Sicherstellung genügender Munition. erwachsen an
die Umsicht
Dadurch
und Entschlufsfähigkeit der Artillerie-
führer ebenso gesteigerte Anforderungen, wie durch die Beurteilung des Zeitpunktes, zu welchem der Zweck erreicht ist bezw. fortgesetztes Schnellfeuer zu Munitionsvergeudung führen würde. Sowohl während der Bewegung,
als in der Feuerstellung ver-
dient Deckung gegen Sicht und Wirkung vermehrte Beachtung. Aufklärung und Ausnutzung des Geländes gewinnen an Bedeutung. Von Anwendung beschleunigter Gangarten zum Durchschreiten gefährdeter Stellen dürfte gegenüber der gewachsenen Feuerwirkung um so häufiger Gebrauch zu machen sein, je weiter die auseinander liegen.
Stellungen
Eine Beweglichkeit, wie die des Kruppschen Entwurfsgeschützes , scheint den nach Dauer und Schnelligkeit der Bewegungen zu vermutenden Anforderungen im allgemeinen zu entsprechen.
Bei der führenden Stellung,
welche die Kruppsche
Fabrik in
der Geschützfabrikation behauptet, mufs angenommen werden, dafs sie in ihren Neukonstruktionen das zur Zeit erreichbar Vollkommenste hergestellt hat.
Erfindungen und Errungenschaften der
Wissenschaft sind aber heutigen Tages kaum zu verheimlichen und deshalb ist vorauszusetzen, dafs auch ausländische Waffenfabriken annähernd zu gleichwertigen Erzeugnissen gelangt sind. Stellt sich nun das Bedürfnis nach einer Neubewaffnung der Feldartillerie allgemein heraus ,
wie
dies jetzt
der Fall zu sein
scheint, so wird
man in der Annahme nicht fehl gehen, dafs die modernen Geschütze der meisten Militärstaaten in ihrer Leistungsfähigkeit nicht gar zu sehr von einander abweichen werden. Die vorstehenden Betrachtungen dürften deshalb mutatis mutandis allgemein zur Beurteilung der zu erwartenden Neubewaffnung heranzuziehen sein. Zum Schlusse mufs es besonders dankend
anerkannt werden,
dafs die Kruppsche Fabrik ihren Bericht weiten Kreisen zugänglich gemacht bezw. bis zu den Feld-Artillerie-Regimentern herab übermittelt
306 hat.
Der Kampf der 38. Infanterie-Brigade , etc. Dadurch kann das Interesse
an der Waffentechnik nur ge-
winnen, und auch die Offiziere , welche derselben fern stehen, erhalten Einblick in ein weites, hochbedeutsames Gebiet, welches für den Erfolg auf dem Schlachtfelde nicht das unwesentlichste ist . Rr.
XXII. Der Kampf der 38. Infanterie- Brigade und des linken deutschen Flügels
in
der
Schlacht
bei
Vionville-
Mars la Tour am 16. August 1870. ' )
Die vorliegende „, Einzelschrift", welche deren erstes Viertelhundert abschliefst, gehört ohne Zweifel zu den bemerkenswertesten und fesselndsten unter ihnen allen, denn sie weist klar und unwiderleglich nach, dafs unsere bisherigen Anschauungen über ein wichtiges und vor allen ähnlichen Vorgängen in unserer Fachlitteratur mit Vorliebe behandeltes Ereignis, nämlich über den Angriff der Brigade Wedell, unrichtig waren! Ein solches Ergebnis kriegsgeschichtlicher Forschung ist an sich schon merkwürdig genug, und fordert die Skepsis heraus.
Man fragt
sich dem gegenüber unwillkürlich, was man denn überhaupt zu halten habe von dem Werte unserer Fach-Geschichte, wenn diese fast dreifsig Jahre bedurft hat, um über eine solche, in der Armee so oft und viel besprochene Frage zu Klarheit zu kommen, und man fragt sich ferner, was denn von den übrigen Ergebnissen unserer Einzelforschung auf dem Gebiete des letzten Feldzuges zu halten sei , wenn dieselben noch heute, nach fast dreifsig Jahren,
in Gefahr
stehen ,
durch eingehendere Bearbeitung und sorgsamere Nachprüfung der Quellen umgeworfen zu werden ! Freilich wird jeder, der sich mit Geschichte, und namentlich mit Kriegsgeschichte der neuen Zeit beschäftigt hat, sich einer ganzen Reihe von ähnlichen „ Aufklärungen“,
Herausgegeben vom Einzelschriften. hte Heft 25. Der Kampf . Kriegsgeschic für Grofsen Generalstabe. Abteilung der 38. Infanterie-Brigade und des linken deutschen Flügels in der Schlacht bei Vionville-Mars la Tour am 16. August 1870. Berlin . E. S. Mittler u. S. 1 ) Kriegsgeschichtliche
Der Kampf der 38. Infanterie- Brigade etc
307
von „ Ehrenrettungen ", aber auch von zerstörten Legenden" erinnern , die von Zeit zu Zeit auftauchen, oft aufs neue widerlegt, oft auch wieder vergessen werden. Aber wenn solche überraschende „ Um wertungen" sich auf Ereignisse aus weit zurückliegenden Jahr hunderten, selbst wenn sie sich auf Ereignisse wie der Zeit Friedrichs des Grofsen oder Napoleons des Ersten beziehen, so erregt das natürlicherweise deshalb weit weniger Verwunderung , weil man dann annimmt, dafs eben die Geschichtsschreibung jener Tage die kritische Sorgsamkeit noch nicht kannte, mit der unsere heutigen Forscher ihre Quellen zu verwerten verstehen, dank einer geschichtlichen. Methode, die allerdings erst neuerer Zeit ihre Entstehung verdankt ; ganz abgesehen davon,
dafs für geschichtlich weit zurückliegende
Ereignisse Quellen überhaupt um so spärlicher zu fliefsen pflegen. und damit berühren wir zugleich einen Punkt, der Hier aber für den Wert aller unserer Forschungen über den letzten Krieg von Bedeutung ist, liegt, was die Quellen zur Geschichte anlangt, die Sache geradezu umgekehrt ! Mit der uns Deutschen eigenen Neigung zur Kritik, auch zur Selbstkritik, haben wir uns auf die litterarische Verwertung unserer Erfolge in den drei Kriegen Kaiser Wilhelms zu unserer weiteren militärischen Fortbildung geworfen, fast unmittelbar nach Beendigung der einzelnen Feldzüge, haben auch weitere fremde Feldzüge, so namentlich den russisch-türkischen Krieg, bereits litterarisch zu ver arbeiten begonnen, nachdem der Friede kaum geschlossen war. So weit nun unsere eigenen Feldzüge in Frage kamen, verfügten schon die ersten Bearbeiter allerdings über ein Quellen-Material von be deutendem Umfange : die Operations -Akten unseres Kriegsarchivs standen ihnen zur Verfügung. Mit dem Ablauf der Jahre vermehrte sich dies Material, dank unserer Rührigkeit auf litterarischem Ge biete, noch durch Einzelschriften über bestimmte Abschnitte, Gefechte ,. Schlachten u. s. w., und namentlich durch das Erscheinen einer grofsen Anzahl von Regiments- und Truppen-Geschichten, die deren Einzel Erlebnisse zur Darstellung brachten. Auch liefsen einzelne besonders fleifsige und sorgfältige Bearbeiter sich die Mühe nicht verdriefsen , durch persönliche Anfrage bei einzelnen Offizieren, welche in hervor ragender Stellung an den zu erforschenden Ereignissen beteiligt waren, sich neue und in gewissem Sinne authentische Quellen zu erschliefsen. Aber
alle diese Arbeiten mufsten so lange den Stempel der
Einseitigkeit tragen, als nicht auch unser Gegner, in der gleichen Weise vorgehend, litterarisch verwertete, was seinerseits an Quellen zur Veröffentlichung sich eignete. Das ge vorhanden war und -
308
Der Kampf der 38. Infanterie-Brigade etc.
schah indes sehr langsam und sehr sparsam !
So sehr die französi
sche Geschichtsschreibung in dem letzten Jahrzehnte als solche sich auch gehoben hat, so wenig kann man das gleiche Lob ihren kriegs geschichtlichen Veröffentlichungen zollen. Es ist bei dem National charakter unserer westlichen Nachbarn auch nur erklärlich , wenn es lange dauerte, bis es gelang, das bei ihnen infolge der Verhältnisse ohnehin minder reichlich vorhandene Material an dienstlichen Quellen sachgemäfs zu verwerten . In den letzten 10 Jahren ist hierin nun aber doch ein wesentlicher Umschwung
eingetreten.
Namentlich
zahlreiche und zum Teil vortreffliche Regiments-Geschichten sind er schienen, ganz abgesehen von gröfseren Arbeiten über einzelne Ab schnitte des Krieges ,
die
einzelnen Armeen und deren Thätigkeit
u . dgl., wenn auch ein offizielles Geschichtswerk noch aussteht und voraussichtlich auch noch lange ausstehen wird! Erschien doch auch Höpfners Geschichte von 1806 erst Kriege! Immerhin erklärt der Umstand,
fast
50 Jahre nach dem
dafs erst seit etwa
10 Jahren
auch französische Quellen unsern Forschern in einigermafsen befriedigendem Umfange zu Gebote stehen,
ohne Mühe,
wenigstens
zum Teil, die sonst befremdliche Erscheinung, dafs wir, wie eben jetzt bei dem 25. Hefte der „Einzelschriften " , noch nach 30 Jahren manche bisher unbestrittene Ansicht
über Einzelvorgänge
aus dem
letzten Kriege aufgeben oder abändern müssen : wir erfahren eben jetzt erst, wie es eigentlich beim Feinde aussah !
Ohne solche
Kenntnis ist ein zutreffendes Urteil natürlich nicht möglich. Diese Lage der Dinge wird auch ohne Zweifel noch fortwirken. Es ist keineswegs unwahrscheinlich,
dafs noch manches Urteil über
Ereignisse aus der beiderseitigen Kriegführung der Berichtigung be freilich durch darf und solche auch noch finden wird. Wir haben unsern wohlberechtigten Eifer, unsere teuer erkauften Kriegserfahr ungen baldmöglichst dem Vaterlande nutzbar zu machen , m. E. voll auf entschuldigt ! - in den ersten zwei Jahrzehnten nach dem Kriege zu rasch und mit zu unvollständigen Quellen gearbeitet, und konnten darum eigentlich auch von vorn herein nicht erwarten, zu unanfecht baren Ergebnissen zu gelangen - wenigstens soweit es sich um Einzelheiten aus dem Gange der grofsen Ereignisse handelt. Wenn indes das eben Gesagte von ganz allgemeiner Anwend barkeit auf unsere älteren Arbeiten über den letzten Krieg sein möchte,
so giebt die vorliegende 99 Einzelschrift " noch
nach
einer
anderen, besonderen Hinsicht Anlafs zu Betrachtungen recht ernster Art für jeden, der Kriegsgeschichte liest oder wohl gar - schreibt! Es ist allgemein bekannt, dafs einer unserer fleifsigsten und
Der Kampf der 38. Infanterie-Brigade etc.
309
bedeutendsten Fachschriftsteller, Fritz Hoenig, gerade den Angriff der Brigade Wedell , den er als Adjutant des I. Bataillons Regiments 57 mitmachte und bei dem er schwer verwundet wurde, unter dem Titel „Zwei Brigaden " zum Ausgange einer in der Armee geschätzten und viel gelesenen taktischen Studie gemacht hat , durch welche der gewaltige Einfluss des modernen Infanterie-Feuers auf die Taktik dargelegt wurde. Im Jahre 1890 erschien eine „ Untersuchung über die Taktik der Zukunft" von dem
gleichen Verfasser, die eine Umarbeitung der „ Zwei Brigaden " bildete . Hoenig hat, eben infolge seiner Verwundung, den Angriff nicht bis zu Ende mitgemacht, er hat selbstredend auch nach seiner Rückkehr zum Regiment den trüben Eindruck behalten , unter dem
er
nicht nur, sondern gewifs alle Angehörigen der beiden Regimenter nach der furchtbaren Katastrophe gestanden haben, ― was sie bekanntlich nicht gehindert hat , sich namentlich bei Beaune-laRolande gländzendst hervorzuthun ! und hat die Ursache dieser Katastrophe da gesucht, wo sie der Soldat in der Front zu suchen gewohnt ist in der höheren Führung ! In seinen Darstellungen erscheint nicht nur die Führung der Brigade, sondern die des ganzen linken Flügels des X. Armee - Korps minderwertig und fehlerhaft ; eben diese vermeintlichen Fehler werden dann zum Ausgangspunkte der taktischen Erwägungen gemacht, die das Buch in der Armee so bekannt gemacht haben und denen innerer Wert in keiner Weise abgesprochen werden kann. Und jetzt zeigt die neueste Bearbeitung des Generalstabes, dafs gerade diejenigen Voraussetzungen, sowohl strategischer wie taktischer Art, auf welche Hoenig seine schweren, fast vernichtenden Vorwürfe gegen die Vorgesetzten aufbaut, welche damals seiner Meinung nachteils durch Mangel an richtiger Einsicht, teils durch Ungewandtheit und Unthätigkeit die Katastrophe herbeigeführt haben sollen, nicht zutreffen , daſs alle jene schweren Vorwürfe somit ohne Unterlage sind ! Es würde den Rahmen unserer Besprechung weit überschreiten, den Inhalt des Buches vollständig genug hier wieder zu geben, um unsere Leser selbst urteilen zu lassen ; aufserdem ist dies in den Nr. 99 bis 101 des Militär- Wochenblattes von berufenster Stelle, nämlich durch General von
Scherff, dem damaligen Generalstabs-
Offizier der 19. Division in ausgiebigster Weise geschehen. Wer für jene Einzelheiten sich interessiert und wer daraus erfahren möchte, wie schwer es ist, Kriegsgeschichte richtig ,
d. h. dem objektiven
Thatbestande entsprechend, zu schreiben, der lese Hoenigs „ Zwei Brigaden", unsere ,,Einzelschrift" und dazu die Scherffschen Kommen21 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 3
310
Der Kampf der 38. Infanterie-Brigade etc.
tare : ein solches Studium ist in hohem Grade fesselnd auch bezüglich der psychologischen Momente und der Fragen und Schlufsfolgerungen, die sich daraus ergeben und daran anschliefsen ! Hier aber soll auf einen Punkt von allgemeinstem Interesse wenigstens noch hingewiesen werden !
Diejenigen unserer Leser,
welche Fritz Hoenigs kriegsgeschichtliche Arbeiten, vor allem seinen „ Volkskrieg an der Loire" gelesen haben, werden den Eindruck gewonnen haben, dafs dieser Schriftsteller nicht nur über ein be deutendes Talent der Darstellung verfügt, sondern dafs auch seine Beurteilung taktischer und strategischer Fragen treffend und wohlbe gründet auf die von ihm selbst für diesen Zweck beigebrachten ge schichtlichen Beläge erscheint. Unter der Voraussetzung, dafs die Dinge so verlaufen sind, wie Hoenig sie darstellt, behalten daher die Lehren, die er daraus zieht, ihren vollen Wert und das Studium seiner Arbeiten auch seinen vollen Nutzen.
Dafs dieser nicht gering
ist, wird jeder erfahren, der sich die Mühe giebt,
seine Schriften
durchzuarbeiten. Für diesen Zweck tritt ja auch die Frage , ob seine geschichtlichen Darstellungen objektiv richtig sind, ganz zurück, lernen wir doch fortwährend und am meisten aus rein fingierten Situationen, wie Manöver, Kriegsspiel und Übungsreisen sie bieten . Es wäre daher nicht zutreffend, wenn man nach dieser allerdings schlagenden Wiederlegung des Historikers Hoenig seinen ganz vortrefflichen Schriften ihren Wert absprechen wollte. Anders aber steht es mit Hoenigs Urteil über Personen.
z.
T. Seit
Jahrzehnten ist dies durch seine Schärfe sattsam bekannt, und wer von unsern Lesern mit den Verhältnissen unserer Fachlitteratur be kannt ist, weils auch, dafs Hoenig bald mit diesem, bald mit jenem seiner Kollegen von der Feder im Kampfe gelegen hat und dafs fast jedesmal die Schärfe seiner Feder an diesen Kämpfen die Schuld getragen hat. Er selbst, in dem festen Glauben, durch seine unermüdliche Arbeit im Quellenstudium nicht nur wertvolle militärische Studien, sondern wirkliche, thatsächlich begründete Kriegsgeschichte geliefert zu haben, begründet seine schroffen Urteile über Personen stets damit, dafs er nur unabweisliche Schlüsse aus klar und unzwei deutig festgelegten Thatsachen ziehe, und als „ Geschichtsschreiber" ohne Ansehen der Person verfahren müsse. In einem Falle ist ihm nun klar nachgewiesen worden, wie sehr er sich im Irrtum befand, als er für unantastbare Thatsachen ansah, was nur ein von ihm auf Grund lückenhaften Quellen Materials aufgebautes Schattenbild war ! Das ist freilich ein harter Schlag für einen so strengen Kritiker, der nicht dadurch gemildert wird, dafs seine sehr zahlreichen Gegner
311
Der Kampf der 38. Infanterie-Brigade etc.
ihm nun sein Sündenregister mit derselben Schärfe vorhalten , durch die er sie einst, mit Recht oder Unrecht, verletzt hat. Ein erfreuliches Bild ist es nicht, einen unserer tüchtigsten,
wenngleich mit Recht ob seiner Unliebenswürdigkeit " Fachschriftsteller in solcher selbstgeschaffenen Notlage
bekannten zu sehen ;
wohl aber eine
ernste Mahnung an alle Offiziere, die zur Feder greifen! Das Wort : „ Richtet nicht ! " gilt in seinem vollen Umfange, ja in Anbetracht der Folgen, welche eine schiefe oder, wenn auch unabsichtlich gefärbte Darstellung geschichtlicher Ereignisse haben kann, erst recht und ganz vorzugsweise für den Geschichtsschreiber ; aber am meisten für den, der Kriegsgeschichte schreibt ! Diese , wie alle Geschichte, wird ja von Menschen gemacht das heifst von fehlbaren, inneren wie äulseren Schwächen und Irrtümern unterworfenen Wesen !
Es ist selbstverständlich,
dafs auch
der gröfste Genius Fehler hat und Fehler macht ; ja gerade die gröfsten unter ihnen zeigen solche, die für sie geradezu charakteristisch sind und alle ihre Thätigkeit begleiten wie der Schatten das Licht. Es ist für uns , die wir ja Kriegsgeschichte nicht als Selbstzweck , sondern lediglich als Lehr- und Lernstoff für den rein praktischen Zweck unserer eigenen Ausbildung zum Führer betreiben, durchaus statthaft und notwendig,
dem Einflufs, den die Persönlichkeit
im
guten wie im übeln Sinne auf deren Thätigkeit als Führer ausübt, nachzugehen und soweit als möglich ihn festzustellen. Aber dabei darf man nicht vergessen, wie unendlich schwer es ist,
die Motive
eines Handelnden vollständig und richtig zu verstehen, selbst wenn man den Thatbestand, alle Verhältnisse, unter denen jener stand als er so und nicht anders verfuhr, ganz genau kennt. Selbst für den nächsten Teilnehmer an den Ereignissen ist das schon im gewöhnlichen Leben kaum möglich, im Kriege aber ganz unmöglich, weil hier stets nur Einer das Gewicht der Verantwortung zu tragen hat ! Wie oft zeigt uns die Kriegsgeschichte, dafs gerade die einander am nächsten stehenden Männer, Feldherr und Stabschef, Führer und Adjutant, einander nicht verstanden haben, trotzdem sie genau unter den gleichen Verhältnissen gestanden haben ! Wie vermag also ein Geschichtsschreiber, der die zu beurteilende Persönlichkeit selbst gar nicht oder nur ganz oberflächlich gekannt hat, zu der Ansicht zu gelangen, dafs er in einem bestimmten Fall ganz genau nachzuweisen vermöge, diese und keine andern Motive hätten. nach seinem Charakter der damaligen Handlungsweise des Feldherrn zu Grunde gelegen? lichster Selbstüberschätzung !
Doch nur auf dem Wege bedenk-
Aber so günstig liegt unser Fall noch keineswegs !
Denn selbst 21*
312
Der Kampf der 38. Infanterie-Brigade etc.
wenn durch irgend einen glücklichen Zufall, wie genaue persönliche Bekanntschaft,
oder eine
geniale Begabung für das Studium
von
Charakteren, die Vorstellung, die der Kriegshistoriker von einem seiner Helden sich macht, mit der Wirklichkeit genau übereinstimmen sollte, so ist es doch noch immer mehr als fraglich ob er über die äufseren Umstände, unter denen jener zu handeln hatte, auch nur ausreichend unterrichtet ist ; dafs er hiervon vollständige und sichere Kenntnis haben sollte , ist sogar unmöglich !
Keine Operationsakten,
Regimentsgeschichten, Privatnachrichten von Augenzeugen, und überhaupt kein Quellenmaterial in der ganzen Welt ist dazu vollständig genug. Wenn irgendwo , so ist unser Wissen in der Kriegsgeschischte „ Stückwerk", und die Ergebnisse unserer Arbeit sind und bleiben nur Annäherungswerte. Dafs diese darum ihren Wert als Lehr- und Bildungsmittel behalten, wofern sie nur in sich auf die ob mit historischem Recht oder ohne solches zu Grunde gelegten Thatsachen richtig aufgebaut sind, wurde schon erwähnt und unterliegt keinem Zweifel. Wer unter dieses thatsächliche Material auch die persönliche Eigenart des Führers aufnehmen su müssen glaubt, mag es thun. nie soll der, der Kriegsgeschichte treibt und schreibt, vergessen, dafs
seine Arbeit
beruht,
auf unsicherer
und
unvollständiger Grundlage
und somit selbst seine richtig gezogenen Schlüsse und die
auf diese logisch aufgebauten Ergebnisse keinerlei Anspruch darauf haben,
als geschichtlich erwiesen zu gelten, sofern sie nicht
auf objektiv nachgewiesenen äufseren Thatsachen berufen. Zu letzteren aber können wir auch bei dem redlichsten Eifer und dem besten Quellenmaterial nicht immer durchdringen! Und diese billigen Wahrheiten sollten einem Manne wie Hoenig unbekannt geblieben sein? Gewils nicht ! - Er hat sich nur getäuscht über den Umfang und die
Sicherheit
der Grundlagen,
auf die er seine Arbeiten in
sorgsamster Sammlung und Prüfung aller ihm zugänglichen Quellen aufbaute, hat die so gewonnenen Grundlagen
überschätzt und hat
dann den sich jetzt schwer rächenden Fehler gemacht, als Richter aufzutreten über Männer, zu deren sachgemässer Beurteilung mindestens seine Akten nicht hinreichten ! Seit längerer Zeit ruht seine Feder : ob eine Erwiderung auf die Einzelschrift Nr. 25 erfolgen wird, bleibt abzuwarten. Dafs eine solche Aussichten auf Erfolg haben wird, scheint ausgeschlossen. Bemerkt werden mufs noch, dafs die „ Einzelschrift", obwohl sie ihrem Inhalt nach eine Widerlegung der Hoenigschen Arbeit über den-
Das Rundschreiben Murawiews.
313
selben Gegenstand bildet, jene gar nicht erwähnt, sondern rein sachlich das nun vervollständigte Quellenmaterial ausnützt. Mögen alle Nachfolger Hoenigs die Lehre beherzigen, die ihm zu teil geworden ist, und den Fehler vermeiden, der dieser Lehre ihren bitteren Beigeschmack gab ! Lge.
XXIII. Das Rundschreiben Murawiews.
Das Rundschreiben Mura wiews präzisiert die Aufgaben, die man der ,,Abrüstungs Konferenz " zu stellen denkt, näher. Ehe wir uns aber mit diesen Aufgaben näher beschäftigen, sei uns zunächst erlaubt, auf einen Satz des Rundschreibens hinzuweisen, der,
wenn er ohne Kommentar bliebe, in weiteren Kreisen leicht
Mifsverständnisse hervorrufen könnte.
,,Obwohl sich seit dem Rund
schreiben vom August der politische Horizont etwas bewölkt habe, einige Mächte schritten seien,
sogar zu
einer Vergröfserung ihrer Rüstungen ge
werde die allgemeine Lage
sich hoffentlich wieder
günstig für einen Erfolg des grofsen humanitären Unternehmens des Zaren gestalten."
So lautet der Satz und man könnte aus ihm den
Schlufs ziehen, dafs Rufsland sich nicht zu den ,,einigen Mächten" rechnete. Das würde ein Irrtum sein. Seit der Veröffentlichung des Abrüstungs-Manifestes hat
man in Rufsland
wenn wir lediglich
den europäischen Teil berücksichtigen, das 20. Sapeurbataillon neu gebildet, die speziell für die Bereitschaft und die Vermehrung der Zahl der Reserve-Batterien im Kriege, sowie die Entlastung derselben von Abgaben hochwichtige Reorganisation der Reserve- und Ersatz artillerie durchgeführt, eifrig an der Umbewaffnung der Feldartillerie gearbeitet, ein stärkeres Rekrutenkontingent als im Vorjahre einge reiht und, ehe diese Zeilen in die Hand unserer Leser gelangen, wird der finnische Landtag die Ausdehnung des russischen Wehr gesetzes auf Finnland, damit als Folge eine wesentliche Hebung des Umfanges der eigentlichen finnischen Truppen
beschlossen haben.
Das Kriegsbudget für 1899 ist um 35 , das Marinebudget um 16 , Summa 51 Millionen Rubel erhöht worden . Rufsland gehört also
Das Rundschreiben Murawiews.
314 selbst
zu den einigen Mächten, die
seit dem Abrüstungsmanifest
ihre Rüstungen erhöhten und es liegt für die prinzipielle Opposition gegen den Heeresausbau bei uns nicht wohl die Möglichkeit vor, den genannten Satz des Rundschreibens Militärvorlage zu verwerten . Es darf auch werden, daſs das Jahr 1898 ,
etwa gegen die nicht übersehen
wie General v . Zepelin im 3. Bande
von ,,Heer und Flotte der Gegenwart" ausspricht, in gewissem Sinne einen Abschnitt in der Entwickelung des russischen Heeres bildet, Rufsland noch nie über ein Heer
von gleicher Stärke und gleicher
Kriegsbereitschaft verfügt hat, wie gerade jetzt. Kommen wir nun zu einigen Punkten, die für ein Abkommen vorgesehen werden, so haben wir zunächst die Vereinbarung zu berühren, die Heere und Flotten und ebenso die Kriegs- und Marinebudgets in einem bestimmten Zeitraum nicht zu vergröfsern.
Das
hiefse also wohl Erhaltung des statusquo der Präsenzstärke und des Budgets im Augenblick des Inkrafttretens des Abkommens. Dabei leuchtet ein, dafs derjenige Staat, welcher die schwerste Waffenrüstung in dem genannten Moment trägt, für die als Geltungsdauer des Abkommens bestimmte Zeit,
absolut ge-
nommen an Wehrkraft numerisch überlegen sein würde . Diese Superiorität sicher gestellt, liegt dann für den genannten Staat die Möglichkeit vor, ohne Erhöhung der Präsenzstärke und auch ohne Erhöhung des eigentlichen Kriegsbudgets die Bereitschaft durch eine wesentliche
Ergänzung der Verbindungslinien,
Bahnen
und Strafsen , sehr zu steigern, einen eventuellen strategischen Aufmarsch zu beschleunigen. Man wird zugeben müssen, dafs , wenn dieser Punkt des Abkommens angenommen würde, Rufsland zu Lande entschieden die Überlegenheit an Streitkräften besäfse. Festlegung der Präsenzstärke
und
des
Kriegsbudgets
garantiert
aber auch
noch nicht eine Beschränkung der für den Krieg verfügbaren Kraft. Durch Herabsetzung der aktiven Dienstzeit freilich nur bis zu einer gewissen Grenze, da sonst die Qualität leiden würde und mit Scharnhorstschen Kriegern kommt man für den heutigen Krieg nicht mehr aus läfst sich, besonders in einem an Menschenmaterial so reichen Lande wie Rufsland, die jährliche Rekruteneinstellung erRufsland hat nach dieser Richtung noch einen ziemlichen Spielraum, da dort nominell für die Masse der Rekruten die 5 jährige aktive Dienstzeit besteht. Herabsetzung auf 4 Jahre würde erlauben,
weitern.
etwa 60000 Rekruten mehr jährlich einzureihen,
ohne die Präsenz-
stärke zu erhöhen und in 18 Jahrgängen, die das aktive Heer und dessen Reserve also die eigentliche Operationskraft bilden . ergäbe dies nach 20 %
Abzug über 800000 Mann
mehr für die mobile
Das Rundschreiben Murawiews. Feldarmee.
Man darf weiter
315
nicht übersehen ,
dafs in Rufsland
Heeresorganisationspläne und Kriegsbudget nicht durch Verhandlungen in einem Parlament urbi et orbi vor der Durchführung bekannt werden und dafs die letzten Jahre Fälle aufweisen, in denen bei unerwarteten Neubildungen einfach die Erklärung gegeben würde, diese Mafsnahmen seien in einem längst beschlossenen Organisationsplan schon vorgesehen gewesen und nur aus Ersparnisrücksichten aufgeschoben worden. Dasselbe kann übrigens Frankreich bezüglich des noch zu bildenden Restes seiner 4. Bataillone, nach dessen Aufstellung man uns an Zahl der Friedenseinheiten wesentlich überholt, sowie
der
Vermehrung
und
Reorganisation
seiner
Feldartillerie,
Russland u . a. auch bezüglich des Abschlusses der Aufstelluug jeder Division mit 64-72 , statt 48 Geschützen erklären. Der bei dem Abkommen auf eine bestimmte Zeit zu erhaltende status quo würde demnach derjenige des im Moment des Inkrafttretens Beschlossene sein. Trifft diese Auffassung zu, so würde man bis zum Inkrafttreten des Abkommens in einigen Staaten wohl noch ziemlich viel beschliefsen und in Rufsland hätte man den nicht zu unterschätzenden Vorteil, Parlaments zu bedürfen.
dazu nicht
erst der Genehmigung
eines
Die Verständigung soll sich weiter darauf richten, Mittel ausfindig zu machen, um die Streitkräfte und deren Budgets künftighin zu vermindern. Für diese Verminderung wäre in dem Abkommen eine Norm festzusetzen. Sollen die Streitkräfte bemessen werden nach einem
Prozentsatz
der Bevölkerungsziffer?
Dann
wäre die
Suprematie Rufslands über jede der andern Grofsmächte , einzeln genommen, sicher. Oder soll das Nationalvermögen mafsgebend sein für das Mals der zu erhaltenden Streitkräfte und des Budgets ? Dann ergebe sich eine ganz andere Norm, die sich wohl nicht allgemeinen Beifalls erfreuen würde. Das Abkommen will ferner neue Waffen und Sprengstoffe wie Pulverarten von mächtigerer Leistung, als die heute in Gebrauch befindlichen, sowie unterseeische Torpedoboote verbieten. Wir glauben nicht, dafs sich ein Staat damit einverstanden erklären wird, auf das Studium der Entwickelung der Waffentechnik und die Ausnutzung ihrer Ergebnisse zu verzichten ; wenn diesem Punkt des Abkommens beigetreten wird, so kann man sich darauf gefafst machen, dafs in einem Kriege um seine Existenz jeder Staat mit den Zerstörungsmitteln hervortritt, die er - soweit sie völkerrechtlich zulässig für die wirksamsten ansieht . Die Konsequenz können dann, da der Gegner auf die Anwendung dieser Mittel nicht vorbereitet, sich also auch nicht dagegen schützt, sehr viel gröfsere Verluste sein, als hente.
Über den militärischen Geist und dessen Pflege .
316
,,Gegenwärtig in Gebrauch befindlich" kann auch zu Zweifeln Anlaſs geben, das Dum- Dumgeschofs ist in Gebrauch, das neue Gewehrmodell in Frankreich, neue Feldartillerie-Material in Österreich und Italien in Versuch. Rechnet das ebenso wie das in Gebrauch befindliche, oder soll Frankreich dauernd seinen unterlegenen Lebel, oder Österreich und Italien ihre den neueren unterlegenen Feldgeschütze beibehalten? Wird Frankreich darauf verzichten wollen, seine Untersee-Torpedoboote , von denen es 2 soeben erproben liefs und noch vor 1899 in Bau gegeben, in einem Seekriege zu verwenden ? Ein ganzer Rattenkönig von Problemen wird bei einem Abkommen. der in dem Rundschreiben angestrebten Art zu lösen sein . Völkerrechtliche Bestimmungen für die Kriegführung und Wege für den Versuch einer Vermittelung zur Vermeidung des Krieges ---- ein Versuch, der ja aber vor gar nicht langer Zeit erst mifslungen ist, obwohl in dem Kriege nicht einmal die Existenz zweier Nationen auf dem Spiele stand - - dürften noch am ehesten zu vereinbaren sein . Im übrigen wird es dauernd nicht gelingen, das Glied in Gottes Weltordnung, das der Krieg bildet, zu beseitigen und so lange das nicht möglich, gilt der Satz , dafs der des Friedens am sichersten. dessen Waffenrüstung die stärkste ist. Auch bei einer durch ein Abkommen festgesetzten Gleichheit der Zahl und der Bewaffnung balanciert die
Wage der Wehrkraft der einzelnen Staaten nicht absolut, die Imponderabilia lassen sich nicht genau bewerthen. 18.
XXIV .
Über den militärischen Geist und dessen Pflege. Von Erwin
Rózsa
de Nagy Egéd, k. u. k. Oberleutnant im FestungsArtillerie - Regiment Kaiser Nr. 1 .
Das Offizier-Korps eines jeden Heeres bedarf eines im höheren Sinne genommenen militärischen Geistes, zu dessen Aneignung, Entwickelung und Befestigung drei Bedingungen von wirksamem Einflusse sind.
Über den militärischen Geist und dessen Pflege .
317
1. Ein jedem edleren Gefühle zugängliches Gemüt. 2. Längeres Dienen unter richtiger Führung . 3. Kriegsverhältnisse , welche durch die mit ihnen verbundenen Entbehrungen , Gefahren und Aufopferungen ein Feld bilden , auf dem der militärische Geist am schnellsten und schönsten erblühen kann . Der junge Offizier ist hinsichtlich der Aneignung und Be festigung dieses Geistes viel auf sich selbst angewiesen. Will er sich auf die Höhe seiner vornehmen Stellung hinaufschwingen, ist es von nöten, dafs
er sich mit Wesen dieses Geistes gerne und
gründlich beschäftigt, und die diesbezüglichen Erwähnungen seiner Vorgesetzten und Kameraden, mit von Vorliebe für den Stand er fülltem Denken, eingehend erwägt. können nicht nur aufsere sondern
Nach den Zeichen der Zeit auch innere höchstschwierige
gefahrvolle Ereignisse eintreten, welchen wir mit Ehren
nur
dann
begegnen können, wenn die höchsten militärischen Tugenden in. unser Herzblut eingedrungen sind . Wenn wir diese Zeichen näher betrachten, merken wir, dafs die sich rasch verbreitende, meist aber sehr oberflächliche Intelligenz. uns die mit ihr schreitende Eigennützigkeit, mit allen ihren das Schöne und Edle zurückdrängenden Auswüchsen -- das Materielle während sie die Tugend, als zum Erwerb als höchstes Ziel setzt und Genufs nicht erforderlich, gänzlich bei seite läfst. Es liegt nicht in meiner Absicht, diese krankhaft schädlichen Erscheinungen . unseres Zeitgeistes näher zu
erörtern,
sondern will nur kurz
be
merken, dals derartige materielle und egoistische Entwickelungen der Individualitäten schon für die allgemeine Gesellschaft sehr gefahr drohend sind und dafs selbe beim Heere auch nicht in der geringsten Weise Wurzel fassen dürfen.
Überdies denken wir ja alle gleich; denn wir wissen und es , dafs unser Beruf seine Anforderungen zu unserem
würdigen
Herzen und Edelsinn richtet und von uns in erster Linie die selbst loseste Hingebung für Kaiser und Vaterland verlangt. Dies vorausgesendet , will ich nun versuchen, unsere Gedanken in solche Richtungen zu lenken, welche zur Festigung des mili tärischen Geistes und hierdurch auch dazu geeignet sein könnten , unsere Individualität mit unserem Berufe in harmonischen Ein klang zu bringen.
Ich weifs , dafs solche geistige und moralische Erörterungen mit Rücksicht auf die unterschiedlichen Empfindungen und Gefühle nicht allenthalb so aufgenommen werden können wie sie gemeint sind und schöpfe den Mut dazu eben nur aus dem
Bewusstsein, dafs mein bescheidener Versuch
einem von uns hoch-
Über den militärischen Geist und dessen Pflege.
318
gehaltenen Gegenstande gilt. über den eingehend nachzudenken und in seinem Interesse alles nur mögliche mit konsequentem Eifer und Ernst zu thun gerade in unserer Zeit nötiger als je ist. Bevor ich mich zu meinem Thema wende, führe
ich
zur
Orientierung an, dafs ich mich kurz mit folgenden Teilen be schäftigen werde : Von unserem Stande und Beruf ; von dem mili tärischen Werte des Ehrgefühls ; vom Gehorsam und von der Disziplin. I. Von unserem Stande und Beruf. Die Prinzipien, auf welchen unser Stand und Beruf basiert, sind im Frieden sowie im Kriege dieselben . Tiefwurzelndes, hoch entwickeltes Ehrgefühl , unerschütterliche Treue, - Tapferkeit, Selbstlosigkeit, natürliche Neigung --- moralischer Mut, Gehorsam, ritterliches Denken, - kameradschaftlicher Sinn,
zum mit
Würdehaltung gepaarte Bescheidenheit, und aus idealer Auffassung keimende, wahre Vorliebe für den Beruf. Die langen Friedensjahre dürfen uns nicht vergessen machen, dafs der Krieg das Endziel unseres Berufes ist, - und mit dessen Erfolg die wichtigsten Staats Interessen, der Ruhm des geliebten Monarchen und das Wohl und Wehe des Vaterlandes innig verknüpft sind.
Aus
dieser Erwägung
schöpfen wir Lust, Mut und Ausdauer, in unserem Wirkungskreise das Möglichste zu leisten, damit der Kriegsfall uns und unsere Truppen in bestvorbereiteter Verfassung finde .
Zu einem so wichtigen
und mannigfaltigen Wirken muls der Offizier seine vielseitigen Ob liegenheiten nicht nur kennen, sondern in dem grofsen weiten Rahmen derselben, vollständig sicher und praktisch tüchtig sein. Selbstredend soll der Offizier die breitere Ausgestaltung seiner Ausbildung konsequent anstreben und nicht vergessen, dafs nicht nur die Ausbildung seiner Untergebenen, sondern auch deren richtige Erziehung zu seinem erhabenen Berufe gehört. Seine Bemühungen in der letzten Beziehung sollen besonders dahin gerichtet sein, - bei seinen Untergebenen Ehrgeiz, Ehrgefühl, Gehorsam, Ordnungs sinn und Zusammengehörigkeitssinn zu wecken und zu entfalten. Der auch solche Ziele anstrebende Offizier wird auch über die
"
Grenzen seiner direkten Pflicht hinaus sich gerne mit seinen Unter gebenen beschäftigen und seine Thätigkeit auch in solchen Richtungen ausdehnen, welche nicht gerade nur für das Auge des Vor gesetzten bestimmt sind. II. Von dem militärischen Werte des Ehrgefühles. Unter den vielen Begriffen, welche man als Tugend zusammen fafst, ist das Ehrgefühl einer der wichtigsten, weil, wo dieses be
Über den militärischen Geist und dessen Pflege.
319
steht, auch die anderen sich leicht anschliefsen. Das Ehrgefühl wurzelt im Charakter und kann durch seelische Prozesse ver schiedentlich sich entwickeln, glücklich potenzieren, aber auch sinken. Der Charakter ist nach Individualität jene stärkere oder schwächere Willenskraft, welche unser ganzes Wesen durchdringt, und unser Denken und Fühlen dirigiert. Ist der Charakter glücklich geartet, so gesellt sich wie von selbst auch das Ebrgefühl dazu, welches den Offizier auch zur idealen Auffassung seines Berufes führt und die möglichst beste Erfüllung aller Pflichten von ihm viel mächtiger fordert, als jedes Gesetz oder Befehl. Dieses Gefühl zu wecken und zu pflegen sei jeder Offizier möglichst bemüht, da ohne Zweifel dessen gröfseres oder geringeres Vorhandensein, der Gradmesser des Wertes einer Truppe ist. Wie erwähnt, fordert das Ehrgefühl von uns die gewissen hafteste Pflichterfüllung, - sorglich und glücklich weiter entfaltet,
begnügt es sich damit nicht, sondern facht zu Mühen nicht kennen der Thätigkeit an und erweckt das ernste Bestreben und qualitativ - das Beste zu leisten.
quantitativ
Das tiefe Ehrgefühl bewahrt den Geist vor allen niederen An fechtungen, somit auch jenen des Materialismus und Eigennutzes und hält so die Seele rein für alle in unserem Berufe so unerläfs lichen , höheren , edleren Empfindungen, mit welchen auch jene Er scheinung schreitet, welche den Egoismus des Einzelnen durch das Interesse für das Wohl des Ganzen zurückdrängt. Aus diesem so gearteten Fühlen und Denken spriefst jener hochwichtige Faktor , welcher bei der weitgehendsten Selbständigkeit der Ein zelnen, deren einheitliche Thätigkeit für den Vorgesetzten unter den schwierigsten Verhältnissen sichert , indem er selbst über solche Funktionierungen dominiert, welche unsichtbar und von der Macht des Gesetzes nicht erreicht werden können , dies ist die Region der Gedanken und Motive . Oft wird gesagt : „ Denke du dir was du willst, doch mache was ich verlange, " oder „ Was kümmern mich deine gedachten Motive, ich fordere die That !" Dies ist wohl sehr unrichtig ! Die Gedanken und Gefühle leiten und kräftigen die Thaten, mit deren Äufserlichkeiten wäre unseren Bedürfnissen nur wenig gedient. Die Lebensbedingung eines Heeres ein guter Gemeingeist wird durch Ehrgefühl sehr gehoben. Der Begriff dieses Geistes fordert, dafs der Einzelne die Notwendigkeit, sein persönliches Inte resse dem allgemeinen Interesse unterzuordnen, voll erkenne und würdige. Wodurch kann die Aneignung dieser hehren aber auch gewils
Über den militärischen Geist und dessen Pflege.
320
schweren Anforderung gefördert werden ? Hierauf könnte man viel leicht antworten : durch die Vorschriften, Gesetze und durch die, diese stützende Macht. gewissen Grade,
Ja ich erkenne dies
gerne bis
zu
einem
doch giebt es zu diesem Zwecke, besonders
den gebildeteren Teilen,
einen noch
viel mächtigeren
und
bei
durch
dringenderen Faktor, welcher seinen Dienst niemals versagt , dies ist: das glücklich entwickelte Ehrgefühl, welches den Betreffenden auf dem Wege der Intelligenz und Standesliebe zu dieser Erkenntnis und auch dazu führt, dafs er zu oft schweren und opfervollen Thaten, in seiner Seele Kraft und Mut finde . III. Vom Gehorsam. Dieses wichtige Bindemittel im Heeresleben tritt oft in empfindlicher Weise an die Individualität des Einzelnen trifft besonders diejenigen schwer,
schwer
heran
bei denen die Neigung
und
zur An
erkennung seiner Notwendigkeit nicht vorhanden, respektive nicht anerzogen ist.
noch
Die Grundansprüche unseres Standes und Berufes fordern wie bekannt unerlässlich den unbedingten Gehorsam, die bereitwilligste Erfüllung der erhaltenen Befehle, kurz die vollständigste Unter ordnung des
eigenen Willens unter den Willen des Vorgesetzten. Wenn wir über diese flüchtige Charakterisierung nachdenken, sehen wir die Notwendigkeit ein , die Truppe mit konsequent anzuwenden den, richtigen Mitteln womöglich auf dem Wege der Überzeugung ,,zum Gehorsam " zu erziehen. Besonders günstig und von hohem Werte ist es für ein Heer, je mehr und je breiter die Überzeugung, dafs der unbedingte Gehorsam der Hauptfaktor in seinem Offiziers Korps entwickelt ist. Auf dem Pfade ähnlicher Erwägungen und
mit Hilfe
des
uns
innewohnenden militärischen Geistes, gelangen wir zur Erkenntnis. welche uns die Pflicht des unbedingten Gehorsams nicht drückend oder demütigend,
sondern
als
einen wichtigen Bedarfsteil unseres
Berufes zeigt und hochzuhalten lehrt. Im Rahmen der modernen Kriegsführung , wo die weitgehendste Selbständigkeit und Fähigkeit zur Initiative bei
den Unterkomman
danten, ja sogar bei dem einfachen Soldaten eine so wichtige Rolle spielt, kann der „ unbedingte Gehorsam" in seinem starren Begriffe und steif appliziert, genügend sein.
für unsere Zwecke nicht immer
Diese Betrachtung führt uns
dem Gedanken
geeignet
zu,
oder
dafs die
so
notwendige Selbständigkeit und Initiative des Untergebenen, mit dem ebenso nötigen Befehlsrecht des Vorgesetzten Gegensätze zu bilden
Über den militärischen Geist und dessen Pflege.
321
scheinen, - in der Weise, wo die erste anfängt, hört das zweite auf. Das darf natürlich nicht sein. Diese zwei wesentlichen An forderungen sind in eine sie gegenseitig ergänzende richtige Funktio nierung zu bringen, was eben eine wesentliche Aufgabe der Truppen erziehung bildet. Wollen wir uns damit etwas näher beschäftigen. Der Begriff, welcher die Thätigkeit der Einzelnen zum Zwecke des einheitlichen Wirkens durch das dem Vorgesetzten eingeräumte Befehlsrecht vereinigt, ist zugleich der Begriff der Macht. Wenn gut anerzogen,
verbleibt
dies stets in
seiner herrschenden Rolle.
Hierdurch haben wir den Vorgesetzten und Untergebenen in unsere Betrachtung gezogen. Das Mittel des ersteren ist das Befehlen, der zweite ist zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet, scheinend alles fertig !
Ja
somit wäre
an
solange die Anfangserziehung währt,
bis der Gehorsam gut gefestigt ist. Auch dort, wo er gelockert er scheint, ist es unabwendbare Pflicht des Vorgesetzten, in allem und jedem stramm zu befehlen und die pünktliche Befolgung konsequent zu fordern. Dies führt aber leicht zur Erdrückung der Individualität und macht den Untergebenen zum willenlosen Werkzeug. Gewils wird jeder zugeben, dafs ein solcher Gehorsam für uns nicht geeignet wäre ; doch seien wir uns darüber klar, dafs der Grund so bestellt sein mufs! Diese Art muls zuerst in der Truppe Wurzel fassen, dann, nur dann kann erreicht werden, dafs der Wille der Untergebenen sich selbst unseren schwersten An forderungen bereitwilligst anschliefse, aber nicht wie ein geketteter Getangener, der nach unseren Winken lauscht, sondern mehr in in stinktiver, treuherziger Bestrebung,
all sein Können für die Ziele
des Vorgesetzten zu verwerten. Dies bei allen Individuen umfassend zu
erreichen , wird auch dem siegreichen Feldherrn nicht gelingen ―――― dies ist ja Ideal! Ideale kann man in ihrer Gröfse auch nicht erreichen, sie sind ja nur hochflammende Sterne. welche uns auf unserem Lebenswege Vorschweben und durch ihren milden Glanz der Vollkommenheit das Bestreben in uns wachrufen, ihnen so nahe wie möglich zu kommen. Wenn auch in unterschiedlicher Ausbreitung, thatsächlich geschieht es doch, dafs dort, wo der Vorgesetzte , besonders durch die Supre matie seines eigenen Wertes begünstigt, anzuerziehen versteht, den Willen seiner Untergebenen mit vollster Bereitwilligkeit seinem eigenen Willen anzuschliefsen, er ihnen nicht als eine fremde, rohe Macht erscheinen, welche sie zu diesem und jenem zwingt, sondern als ihr hochgeschätzter Führer, der ihre Kräfte und Thätigkeit zum Wohle des Ganzen regelt.
Denn gern gehorcht man einem edlen
Herrn, der überzeugt, indem er uns gebietet.
322
Über den militärischen Geist und dessen Pflege . Den hoben Wert eines solchen Gehorsams kann man nur dann
voll und ganz würdigen, wenn man ihn mit schweren Kriegs - Ver hältnissen kombiniert. Er hält den Geist elastisch, stählt die Muskeln und überwindet die gröfsten Schwierigkeiten, welche sich ihm der Ausführung eines Befehls entgegenstellen.
bei
Die Idee dieses selbständigen Denkens und Wirkens mufs aber sehr sorgfältig und derart anerzogen werden, damit sie nicht ins Extrem ausarte. Selbe darf durchaus nicht milsverstanden werden, so dafs z. B. der Untergebene das Empfinden bekomme, je mehr und je weiter von dem Willen des Vorgesetzten abschweifen zu wollen, im Gegenteil, er muls die Grundneigung haben, nach Fällen von gebotener Abweichung möglichst bald und voll wieder in den Rahmen des Wollens ihres Führers zurückzukehren .
IV. Von der Disziplin. Dafs die Disziplin ein wichtiger Faktor im Heere ist, wurde schon von den ältesten Völkern erkannt und wird auch heute von niemandem bezweifelt, weil dieselbe der Gesamtbegriff für die
das
ganze Heeresleben durchreichende feste Ordnung bildet. Ihre Wichtig keit wurde durch die Anforderungen der modernen Taktik
und
Kriegführung noch bedeutend erhöht ; auch dies ist allgemein bekannt und wird im Prinzipe hochgehalten. zeitigen Kriegsereignisse
Und dennoch zeigen die
markante Merkmale
dafür,
dafs
neu
zu ihrer
Heranbildung und Festigung nicht überall Richtiges und Genügendes gethan wird, — insbesondere dafs dem alten Erfahrungssatze , dafs im Feldzuge unter den schwierigen,
ungewohnten,
materiellen und
geistigen Einflüssen die Disziplin sich leicht lockert, eventuell auch rapid schwindet, in der Friedenszeit nicht entsprechend Rechnung getragen wird. Man begnügt sich eben gewohnheitsmäfsig mit dem Mafse und der Äufserlichkeit, wie selbe gerade für Friedensverhältnisse aus reicht. Wenn wir hierüber nachdenken , gelangen wir zur Erkenntnis , dafs unsere Truppen zu einer solchen gefestigten Disziplin erzogen werden müssen, welche, wenn sie sich auch im Kriege lockert, doch noch für dessen schwere Anforderungen gesichert, hinreichend bleibt . Wie enorm wichtig die Disziplin für die Erfolge der Kämpfe zeigt uns deutlich der deutsch-französische Krieg.
ist,
Man möge es nicht verübeln, wenn ich mir meine Beispiele bei fremden Nationen hole, gewifs liefse sich auch in unserer Kriegs geschichte vieles von dem wunderthätigen Wirken einer festen Diszi plin finden, doch halte ich mich nicht mafsgebend genug und
323
Über den militärischen Geist und dessen Pflege.
offiziell, mag es nun im Guten oder Schlechten sein, Thaten unseres Heeres zu üben.
Kritik an den
Wir sehen 1870/71 die Wehrmacht Frankreichs, in deren Reihen jeder einzelne von der weltführenden Rolle seiner Nation durchdrungen und vom nationalen Ehrgeiz erfüllt ist, anfänglich hoch begeistert, verhältnismäfsig leicht besiegt, zwar in solcher Art, dafs viele Gefechte und zwei grofse Schlachten für sie auflösende Katastrophen bildeten. Die anerkannt bessere Führung der deutschen Armee, ihre besseren Geschütze und mäfsige Überzahl, verglichen mit den besseren Gewehren der Franzosen , kann nicht als genügendes Motiv für derartige Ausgänge der Kämpfe angesehen werden, umsoweniger, da es ungerecht wäre, den Franzosen Tapferkeit abzusprechen, die sie in vielen Fällen heldenmütig bewiesen haben. Gedenken wir nur an das wahrlich todesmutige Kämpfen des XII. französischen Korps in Bazailles am Morgen des Sedantages. Dort wurde von 4 bis 8' , Uhr früh im Finstern und im starken Nebel um den Besitz
dieses Dorfes ein seltenheftiges, an den erbittertsten Handgemengen reiches Gefecht geführt. Wie bekannt, bestand dieses Korps zum gröfsten Teil aus Matrosen, welche die einzelnen Häuser als Schiffe betrachteten, in denselben mit den eingedrungenen Bayern ein verzweiflungsvolles Handgemenge führten und die Häuser auch dann nicht verliefsen, als die Hinausgedrängten dieselben entzündeten. Diese zähe Ausdauer hatte den Baiern ungeheure Verluste verursacht, ohne dafs sie nach Vorwärts Raum gewinnen konnten. näherten sich gegen 8 Uhr
mächtige Artillerie-Massen.
In
Da
diesem
Moment zeigte sich prägnant die stramme Disziplin auf deutscher Seite. • Auf Befehl wurde der Ort staunend schnell von den Bayern verlassen und die auf den La Monzelles - Höhen aufgefahrenen 5 bayerischen und 13 sächsischen Batterien überschütteten mit ihrem verheerenden Feuer das Dorf, räumen mussten.
welches
die Franzosen nun
endlich
Das Wirken dieses nicht untapferen, mit guten Gewehren ausgerüsteten Heeres ist nebst manchen anderen Ursachen, auch an Mangel an Disziplin gescheitert, welche sich auch in der sehr leichtfertigen Handhabung des Sicherungsdienstes offenbarte, was während des Feldzuges von den Zeitungen aller Nationen und nach dessen Beendigung von allen Fachwerken gerügt wurde. Zur Erzielung der für uns erforderlichen festwurzelnden Disziplin erscheinen mir folgende Eigenschaften nützlich und
nötig : Ob-
jektives Denken , konsequent funktionierender Gerechtigkeitssinn Scharfblick, gesunde Urteilsgabe und gutes Beispiel .
324
Über den militärischen Geist und dessen Pflege.
Das jedenfalls aus Intelligenz keimende, mit Gerechtigkeitssinn gepaarte objektive Denken ist etwas, wozu man sich selbst achtsam gewöhnen muſs,
wachend besonders darüber, dafs die der mensch lichen Natur so sehr anhaftende Sympathie und Antipathie nicht zu
nachteiliger Rolle gelange. Was den Scharfblick und die
gute Urteilsgabe
betrifft,
so ist
es sicher, dafs wir selbe in unserem dienstlichen Wirken, in dessen Rahmen nicht selten auch seelische Momente kalkuliert werden müssen, hochentwickelt benötigen . Das Mafs des Erreichbaren in dieser Beziehung ist zuvörderst in der individuellen Begabung gelegen, doch glaube ich, dafs wir dieselben in uns potenzieren können , wenn wir konsequent bestrebt sind, alles unsern Wirkungskreis betreffende voll wahrzunehmen, auf den Grund zu dringen und meritorisch ab zuwägen. Das gute Beispiel von seiten des Vorgesetzten ist gewifs ein sehr erfolgreiches Mittel nicht nur zur Erzielung der Disziplin, sondern für das ganze Verhalten der Untergebenen.
In dem wurzelt
auch
der Erfahrungssatz : „Wie der Führer, so die Truppe. " Vor nicht langer Zeit herrschte in allen Heeren die mechanische Ausbildung. Die Masse der Untern wurde durch Werbung auf gebracht und ohne mit geistigen Eigenschaften zu rechnen - mehr durch Gebote der Macht zusammengehalten und an die einfachen Leistungen durch stramme und lange Übung sozusagen maschinen haft gewöhnt. Wie anders ist es heute ! Durch diese mechanische Drillerei sind alle europäischen Heere gezwungen, und sonderbar ist's, dafs trotz aller Verpönung deren Spuren noch immer dem Kriegerstande anhaften. Diese Spuren ganz abzustreifen ist eben eine Hauptaufgabe der modernen Heeresleitung, indem die gegenwärtige Kriegsführungsart unbedingt erheischt, dafs nicht nur die physische, sondern auch die geistige und moralische Kraft aller für die Zwecke des Dienstes möglichst gut verwertet werde.
Dies ist nur mit gleichzeitiger Ent
wickelung des Verständnisses für Ehrgeiz und Pflichtgefühl und voller Diszipliniertheit zu erreichen - auf andere Weise nicht.
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
325
XXV. Kleine heeresgeschichtliche
Mitteilungen.
Eroberung eines französischen Adlers in der Schlacht bei Auerstedt ( 14. Oktober 1806) . Das preufsische Dragoner- Regiment Irwing (Nr. 3) ¹ ) attackierte vor Hassenhausen in dem Augenblick, als die Infanterie der Division Wartensleben vorging und der Feind sich seinerseits zur Begegnung dieses Angriffes in Bewegung gesetzt hatte.
Das 85. (französische ) Linien-Infanterie- Regiment lief beim
Anreiten der Dragoner auseinander und, teilweise unter Wegwerfen der Gewehre, nach Hassenhausen zurück. Andere suchten sich in ihrer Bestürzung in die
Preufsischen Linien
zu retten,
der Rest
bildete seitwärts des Dorfes ein Viereck. Die Dragoner hieben in die Flüchtigen ein und richteten unter ihnen ein wahres Blutbad an, das noch grösser geworden sein würde, wenn sich nicht öfter mehrere Dragoner mit einem einzigen Feinde beschäftigt hätten. Hierbei entrils der Dragoner Erdn ann dem Träger den Adler, den er gegen mehrere Franzosen siegreich verteidigte , schliefslich aber zu Boden fallen zu lassen genötigt war. Er wurde von nachrückender Preufsischer Infanterie aufgenommen.
Das Regiment verlor an
Toten : 1 Offizier, 9 Unteroffiziere, 1 Trompeter und 67 Mann ; an Verwundeten : 7 Offiziere, 2 Junker, 8 Unteroffiziere, 2 Trompeter, 93 Mann und 200 Pferde, der Feind über 600 Mann. Über den Verbleib des
eroberten Adlers ist
nichts
die Trophäen des Preufsischen Heeres Garnisonkirche zu Potsdam . S. 8. )
bekannt. in
der
( H. Lehmann : Kgl .
Hof-
und
Als im Frühjahr 1814 Friedrich Wilhelm von Braunschweig sich anschickte, mit seinen Schwarzen nach Brabant in das Feld zu rücken, um in dem noch nicht beendeten Kriege gegen Frankreich , wenn es möglich wäre, in letzter Stunde einige Lorbeeren zu pflücken, und am 20. März die unter die Waffen gerufenen Wehrmänner beeidigt waren, so dafs sie ganz als Soldaten angesehen werden durften, verordnete ein vom 31. d . M. datierter Brigadebefehl , dafs ein jeder Korporal
sich einen tüchtigen Haselstock anhängen und
dals ein jeder Landwehrmann , an dem die Warnungen nichts helfen würden, von den Korporals durch sechs Hiebe abbezahlt werden solle.
Trotzdem gab es auf dem Marsche mancherlei Unordnung, ein
22
1) Das Regt. wurde 1806 aufgelöst und der Rest und die Ranzionierten wurden 1808 zur Formation des 3. Dragoner-Regts . (jetzt ,, Grenadier-Regiment zu Pferde Frh. von Derfflinger Nr. 3“) verwendet . 22 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 3.
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen .
326
Mangel an Mannszucht machte
sich fühlbar.
Zu rechter Zeit traf
am 7. Mai ein Werkzeug zur Vollstreckung der körperlichen Strafen ein, welche die am 11. Februar erlassenen Kriegsartikel in zablreichen Fällen angedroht hatten. Es war die siebenschwänzige Katze, eine kurzstielige Peitsche, deren Schnüre mit Knoten versehene Hanfstricke waren, nach dem im englischen Heere geltenden Muster angefertigt. Unter Leitung des Adjutanten und in Gegenwart eines Arztes wurde damit dem Schuldigen vor versammeltem Bataillone • die ihm gerichtlich zuerkannte Zahl von Hieben durch Spielleute auf den entblöfsten Rücken verabreicht. (v. Kortzfleisch, Geschichte des Herzoglich Braunschweigischen Infanterie - Regiments und seiner 14. Stammtruppen, II, Braunschweig 1898. ) Das vollständige Ausscheiden der früher königlichen Offiziere aus dem Heere der ersten französischen Republik herbeizuführen gelang weder den darauf hinzielenden Anordnungen der Regierung noch den Bemühungen der sogenannten Patrioten, welche jene Offiziere als Aristokraten verdächtigten, und ebensowenig wurde dieses Ausscheiden dadurch zu einem vollständigen, dafs ganze Regimenter oder doch die Mehrzahl der Offiziere von solchen zu den im Kriege mit Frankreich begriffenen Verbündeten
übertraten und dafs viele
von jenen, ihren Familien folgend , das Vaterland verliefsen. Eine Untersuchung der Standeslisten aus den Jahren 1792 , 1793 , 1794 und 1795 , welche die Pariser Zeitung „ Le Gaulois " anstellt, liefert den Beweis.
Im letztgenannten Jahre befanden sich nicht weniger
als etwa hundert Generale und Generaladjutanten in höheren Befehlshaberstellen, welche schon 1792 der Armee angehört hatten und, weil damals kein Bürgerlicher Offizier werden durfte,
notwendiger-
weise den Nachweis ihrer adeligen Herkunft geführt haben mussten . Freilich waren die Namen, den Forderungen der Zeit Rechnung tragend und in der Absicht die öffentliche Meinung irre zu leiten, mannigfach geändert und verstümmelt. So war aus de Saix de Veygoux der spätere Held von Marengo, der General Desaix, aus Ferrand de la Caussade ein einfacher La Caussade, aus d'Avoust Davoust, aus le comte Picot de Dampierre ein einfacher de Dampierre, aus le comte de Timburne-Timbronne de Valence ein de Valence geworden, Biron hatte den Duc de Gontaut abgestreift, die zahlreich vorhanden gewesenen Titel von Duc, Comte, Vicomte, Baron waren verschwunden, trotzdem findet sich das Vorwort „ de" keineswegs selten. Unter den Trägern von Namen, denen es beigefügt war, befinden
sich
viele,
welche
Schlachtfeldern der Republik
sich grofsen Ruf erwarben und
auf den
des ihr folgenden Kaiserreiches,
und die in der Kriegsgeschichte noch heute mit hoher Anerkennung
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
327
genannt werden. Pérignon, Kellermann, Gouvion de Saint-Cyr, die späteren Marschälle von Frankreich ; so Canclaux ( Comte ) , welcher 1793/94 die Westarmee befehligte ; zwei Caulaincourt, zugleich Hof leute und Diplomaten ; Beaurepaire (Vicomte ) , der unglückliche Kommandant von Verdun ; Chasseloup-Laubat, ein Genieoffizier, welcher zu seinen Thaten im Felde tüchtige schriftstellerische Leistungen gesellte ; La Tour d'Auvergne, der erste Grenadier von Frankreich; die Reiterführer Hilaire, Nansouty, Espagne, Latour-Maubourg ; die Artilleristen Lariboisière und Sénarmont ; de Menou, der in Ägypten ermordet wurde, Custine, der Eroberer von Mainz und viele andere . Das Vorhandensein
einer so
grofsen Menge in höheren Stellungen
befindlicher Offiziere läfst darauf schliefsen, dafs im damaligen Volks heere die Aristokraten sehr zahlreich vertreten gewesen sind und dafs die ci- devants ihren Namen mit Unrecht getragen haben. 14 . Dafs Modethorheit und die unbezähmbare Lust am Tragen vor schriftswidriger Uniformstücke vor hundert Jahren Erscheinungen an das Tageslicht gefördert haben, von denen in gegenwärtiger Zeit selbst die ausschweifendste Phantasie eines jüngsten Lieutenants auch nur zu träumen nicht wagen würde , zeigt ein Befehl , welchen nicht lange nach der durch den Abschlufs des Friedens von Campo Formio erfolgten Beendigung des Krieges gegen die Französische Republik aus dem Armeehauptquartier zu Laibach am 19. August 1797 der General- Quartiermeister an die ihm unterstellten Offiziere erliefs . Er habe bemerkt, so heifst es in dem Aktenstücke, .. dafs die Offiziere des General-Quartiermeisterstabes eine eigene Adjustierung ange nommen haben, welche gegen alle Vorschrift und militärischen Ge brauch verstöfst.
Die
Offiziere
dieses
respektablen Korps
sollen
zuerst das Beispiel des Gehorsams geben und einen militärischen Geist verraten, welcher mit einer von der Vorschrift abweichenden Adjustierung nicht verträglich ist. Es wird also auf Befehl des Herrn Feldmarschall-Lieutenants vorgetragen, dafs von heute über acht Tage Hochderselber keine blauen Hosen, keine kurzen oder Schnürstiefel, keine gefärbten Kleider oder Kaputröcke, keine Hals tücheln , keine herabgekämmten Haare, keine schwarzen Kuppeln über die Achsel oder Weste, überhaupt nicht das Mindeste mehr sehen wolle , was wider die Vorschrift ist . Hosen dürfen keine andere als rote oder gelbe, Kaputröcke nur blau getragen werden, die Stiefel sollen bis zum Knie hinaufreichen, die Kuppel über den Rock oder die Weste soll die gewöhnliche goldene sein ; die schwarzen oder gelben kommen unter die Weste zu tragen. Die Halsbindel sollen von schwarzem Taft sein, welche nicht den Hals unmälsig verdicken und das Kinn bedecken . Die Haare sind gekämmt zu 22*
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
328
tragen, oben kurz geschnitten, die Seitenhaare nicht unmäfsig herabhängend. Im Sommer gestatten Seine Excellenz weifse oder gelbe Sommerwesten, sobald sie keine nur den Petit-maîtres anständige Desseins haben.
Wie es im Kriege gewesen war, so blieb es im Frieden.
Der
Monarch selbst, Kaiser Franz II, fand sich bewogen einzuschreiten. Ein Handbillet, durch welches es im Jahre 1794 geschah, lässt den Umfang der Ausschreitungen und ihre Natur erkennen. Die hohe Generalität hielt sich nicht frei davon . Gegen sie richten sich die ersten Vermahnungen. Sie soll im Dienste nicht anders als mit zugeknöpftem Rocke erscheinen und darüber die goldene Degenkoppel tragen und soll nicht die deutschen roten Hosen in ungarische Beinkleider verwandeln. Bei den Offizieren haben die betreffenden Vorgesetzten darauf zu
achten,
dafs sie nicht den Hut auf der Gasse
wider die Vorschrift verkehrt aufsetzen ; oder bei
einer Gelegenheit,
für
dafs
niemand überhaupt
welche es nicht
ausdrücklich be-
fohlen ist, am Hute einen Federbusch aufsteckt und dafs Livreejäger oder Bedienten nicht mit grünen Federbüschen, wie die Generale haben, und mit goldenen oder silbernen Kuppeln von der MilitärUniform erscheinen ; dafs Offiziere statt der vergettenartig (bürstenartig ) verschnittenen Toupets die Haare über die Stirn herunterhängen lassen, weil eine solche Eitelkeit dem Soldaten nicht zu verzeihen dafs andere sich den Haarzopf auf die Mitte des Rückgrats binden, da er ja doch mit der Halsbindelschnalle gleich zu werden vorgeschrieben ist ; dafs nicht die Hälfte der Kinnbacken auf die ist ;
lächerlichste Art in sehr voluminöse Halsbindel eingepackt wird, daſs die Kragen vorn schliefsen und nicht die Breite einer queren Hand bekommen; dafs kein Offizier sich untersteht, an einem publiken Orte in der Uniform mit grauem Pantalon, grauen Strümpfen und mit Schuhen zu erscheinen, die auf der Spitze mit einer sogenannten eleganten Masche von schwarzem Bande gebunden sind ; dafs der Gewohnheit, die Röckel immer kürzer zu tragen, Einhalt geboten werde und endlich dafs nicht schwarze oder gar goldene Degenkuppeln gebraucht Zum Schlusse werden die Korpswerden, wo sie weifs sein sollen . Kommandanten aufgefordert, darauf zu achten, dafs ohne die mindeste Drückung die Neuanschaffung von Adjustierung angeordnet wird und zwar nach gänzlicher Vollkommenheit der Vorschrift. (Armeeblatt 14. Nr. 45 , 1898. )
Armee- und Marine -Nachrichten aus Rufsland.
329
XXVI. Armee- und Marine- Nachrichten aus Russland . (Erhöhung der Offizier-Gehält er ; Staatshaushaltsetat 1899 ; Schiffsbauten . ) Die Gebührnisse des russischen Offiziers bestehen aus a) dem Gehalt, b) Tischgeldern nebst Zulagen, c) Quartiergeldern und d ) aus Portionsgeldern, Tagegeldern u . s. w.
Gehalt wird sämt-
lichen Offizieren gezahlt ; Quartiergeld denjenigen, die keine Dienstwohnung haben ; Tischgelder und Zulagen sind nicht mit der Charge, sondern mit der Dienststelle verknüpft; Portionsgelder sind bei gewissen Kommandos, welche mit besondern Kosten verknüpft sind, zuständig. Die Mitte 1899 eintretende Erhöhung der Offiziers -Gebührnisse erstreckt sich vorläufig nur auf die Truppen -Offiziere, welche Chargen - Gehalt beziehen , während die Erhöhung der Gebührnisse der bei Stäben, Instituten u . s. w. befindlichen Offiziere , deren Diensteinkommen von der Dienststelle abhängig ist, auf mindestens noch ein Jahr hinausgeschoben worden ist. Bei der Neuregelung
der
Offizier- Gehälter
ist man von dem
Grundsatze ausgegangen, vor allem die materielle Lage der jüngeren Offiziere zu verbessern. 99 Von der Anschauung ausgehend, dafs eine soeben erst den Dienst beginnende Persönlichkeit kein Anrecht auf irgend welchen Luxus
hat,
dürfnisse sichergestellt sein
jedoch bez. mufs,
ihrer wesentlichsten Be-
gelangte die Kommission, nach
sorgfältiger Erwägung dieser Frage, zu dem Ergebnis, dafs
das
Mindestgehalt eines Offiziers, abgesehen von den Quartiergeldern , 660 Rubel zu betragen habe und dem Unter-Lieutenant ( padparútschik) zu gewähren sei . “ Die Portionsgelder wurden für die jüngeren Offiziere abgeschafft, so dafs das Gehalt, abgesehen vom Quartiergelde, ihr einziges Einkommen bildet.
Bisher betrug das Mindestgehalt eines padparútschiks
294 Rubel .' ) Da die, bisher etwas knapp bemessenen, Quartiergelder in diesem Jahre ebenfalls neu geregelt und daher ausreichen werden, um Wohnungsmiete, Heizung und Beleuchtung zu bestreiten, so verbleiben 660 Rubel, d. h. bei dem jetzigen niedrigen Rubelkurse ca. 1450 Rm . auch dem jüngsten Offizier mindestens zur Bestreitung seiner übrigen Lebensbedürfnisse, so
¹) 45 Rbl. schulen ca. 150
dafs das Gehalt des
Bei den Spezialwaffen und der Garde war der Gehalt um 18 bezw. höher. Die zu Akademien kommandierten und als Lehrer bei Offizierbefindlichen Offiziere erhielten erhöhtes Gehalt, das für den Lieutenant Rbl. mehr als das gewöhnliche betrug.
Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland .
330
russischen Padparútschiks beträchtlich höher, als das des Lieutenants der deutschen Armee ist, wobei allerdings nicht vergessen werden darf, dafs der gröiste Teil der russischen Offiziere ausschliefslich auf das Diensteinkommen angewiesen ist. Tischgelder werden , nach neu aufgestellten Sätzen, den in Dienststellen befindlichen Offizieren , vom Kompagnie-Chef ab aufwärts, bewilligt. ') „Besondere Aufmerksamkeit wurde der Verbesserung der materiellen Versorgung der Kompagnie - Chefs und BataillonsKommandeure zugewandt,
weil erstere , unter den Ober-Offizieren,
die gröfste Arbeitslast und gröfste Verantwortung tragen, und weil die Stellung des Bataillons-Kommandeurs für sehr viele Offiziere das Ende ihrer militärischen Karriere bedeutet. " Für die höheren Chargen wurde eine Erhöhung des Diensteinkommens in den Fällen in Aussicht genommen, wo jenes der Bedeutung der Dienststelle nicht entsprach. Nach den vom Kriegsrat gebilligten Vorschlägen der Kommission soll mithin erhöht werden das Gehalt : Der jüngeren Offiziere (je nach der Charge ) um 38 bis 61 %, 99 220 der Kompagnie - Chefs . der Bataillons-Kommandeure 26 % der Regiments -Kommandeure (bisher, ohne Quartiergelder und Anm . 1 ) ] , 687 Rbl.)
Tischgelder
[ s.
u.
5 %
der Brigade-Kommandeure der Divisions-Kommandeure
99
13 % 14/0
der Korps - Kommandeure²)
"2
11 %.
Das Gehalt schliefslich der Oberbefehlshaber der Militärbezirke soll um
91
% bezw.
131 %
(wenn der Oberbefehlshaber gleich-
zeitig die Stellung des Generalgouverneurs bekleidet) erhöht werden , jedoch ist diese Erhöhung thatsächlich keine so grofse, da die Oberbefehlshaber der Militärbezirke auch bisher ihr Gehalt nicht nach dem Etat, sondern auf besonderen Allerhöchsten Befehl erhielten. nen
Für die Erhöhung der Offizier- Gehälter sind vorläufig 11 Milliovon welcher Summe nur Rubel jährlich ausgeworfen ,
1 ) Nach den bisher gültigen Sätzen betrugen die Tischgelder etc. für den Kompagnie-Chef 666 Rhl., Bataillons-Kommandeur 849 Rbl. , RegimentsKommandeur 3024 Rbl . u. s. w. 2) Der kommandierende General bezog bisher als voller General ): 1695 Rbl. Gehalt und 5400 Rbl. Tischgelder etc., Quartiergelder betrugen in der I. Serviesklasse 2000 Rbl.
Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland.
331
630000 Rubel zur Aufbesserung des Gehalts der höheren Offiziere¹ ) Regiments-Kommandeur bezw. Kommandeur eines selbstständigen
Bataillons
ab aufwärts, der Rest zur Verbesserung der
materiellen Lage der jüngeren Offiziere dient. Der Staatshaushalts- Etat für 1899 weist an Ausgaben für das Kriegsministerium 323791710 Rbl., d. h. 25 Millionen mehr als im Vorjahre auf; die Mehrausgaben beziehen sich hauptsächlich auf die Aufbesserung der Gehälter, ferner sind davon 5 Millionen Rubel für die Kwantung-Halbinsel enthalten . Das
Marine -Ministerium
16 Millionen mehr als
ist
mit
im Vorjahre,
83065000 Rbl., bedacht ;
d.
h.
mit
für Schiffsbauten
sind 34062537 Rbl . (gegen 19 Millionen im Vorjahre, abgesehen von den besonders für Schiffsbauten 1898 zur Verfügung gestellten 90 Millionen ) angewiesen. Für Ausbau des Libauer und Verbesserung des Wlodiwostoker Hafens sind wiederum 5200000 Rbl. ( ' , Million weniger als im Vorjahre) ausgeworfen. Unter den aufserordentlichen Ausgaben befinden sich über 30 Millionen Rubel für den Bau der sibirischen Eisenbahn , gegen 25 Millionen für den Bau anderer Eisenbahnen und fast 47 Millionen Rubel für Beschaffung rollenden Materials. Die ersten russischen Werften sind dermalsen mit Schiffsbauten für die Kriegsflotte beschäftigt, dafs zahlreiche Schiffs bestellungen im Auslande stattfinden müssen. Über die beiden in Amerika (bei der
Cramp-Werft
in
Philadelphia )
bestellten
Schiffe
macht
der
,,russische Invalide " folgende Mitteilungen : a ) Das Panzers chiff wird 12 700 t Wasserverdrängung haben ; die Länge beträgt Breite 22 m, 114,5 m, Tiefgang 7,95 m. Der Panzerschutz besteht aus einem Gürtel auf 2/3 Länge, von 225 mm Stärke ; über diesem Gürtel bis zum Batteriedeck befindet sich eine andere Panzerung von
152 mm
Abteilung
gepanzerte, traversierte Schotten angebracht.
sind
die ganze Länge
Stärke ;
vor und
hinter
der MaschinenÜber
des Fahrzeuges geht ein gewölbtes Panzerdeck ,
das in seinem horizontalen Teile 50 mm, in seinem gebogenen Teile 102 mm stark ist. Die Maschinen indizieren 16000 Pferdestärken und ermöglichen eine Fahrgeschwindigkeit von 18 Knoten . Die Armierung besteht aus vier 305 mm Geschützen , welche zu je zweien in elliptischen , durch Elektrizität drehbaren Türmen am Bug und Deck aufgestellt sind ; ferner aus zwölf 152 mm Schnellfeuer - Kanonen, von denen sich 8 auf dem Batterie-Deck in Panzer-
1) Der Oberbefehlshaber eines Militärbezirks bezog bisher 2100 Rubel mehr Tischgelder als ein kommandierender General : Gehalt war das Gleiche.
332
Nachtsignale für Schiffsgebrauch .
Kasematten von 125 mm Panzerstärke befinden ; zwanzig 76 mm Schnell feuer-Kanonen , von denen 8 vor der Central-Batterie, 4 hinter. 6 zwischen den 152 mm Kanonen
und 2 unterhalb, in der Mitte
des Schiffes, je eine auf jeder Bord - Seite , stehen; zwanzig 47 mm und sechs 37 mm Schnellfeuerkanonen für vier Gefechtsmarse auf zwei
Masten ; schliesslich 6 Torpedo - Apparaten . b) der Kreuzer mit Panzerdeck hat 6500 t, eine Länge von 121,9 mm, eine Breite von 15,85 m und einen Tiefgang von 5,95 m ; er ist nur durch das Deck geschützt, welches in seinem horizontalen Teile eine Stärke von 38 mm, in dem gewölbten von 76 mm hat ; die Maschinen sollen 23 Knoten Geschwindigkeit geben. Die Armierung besteht aus zwölf 152 mm, zwölf 76 mm und sechs 47 mm Schnellfeuer kanonen, aufserdem aus 4 Torpedo - Apparaten. Im
Jahre 1899
soll der
Bau
folgender Fahrzeuge be
endigt werden : Geschwaderpa nzer „ Peresswjet" von 12674 t, und „ Ossljabja " von 12674 t ; Kreuzer I. Klasse „ Gromoboi " von 12364 t,
„ Pallada “, „ Diana "
und
" Awrora ", von je 6630 t
und zwei Hochsee - Torpedobo ote , Typus des „ Ssokol “ . Mit Eröffnung der Schiffahrt beabsichtigt das Marine- Ministerium den hohen Frühjahrs-Wasserstand der Wolga auszunützen, um die Kanonenboote der Baltischen Flotte " Burun und Tatscha" , welche zur Verstärkung der Kaspischen Flotille bestimmt sind , auf künstlichen Wasserstrafsen nach der Wolga und auf dieser nach dem kaspischen Meere überzuführen ; die Kanonenboote gehen von Peters burg in voller Ausrüstung ab. General Annenkow, der Erbauer der transkaspischen Eisenbahn, ist am 21. Januar verstorben. v. T.
XXVII . Nachtsignale für Schiffsgebrauch. Die New-Yorker elektrotechnische Zeitschrift ,,Electricity" ver öffentlicht eine neue Methode für Nachtsignale mittels elektrischen San Francisco" Lichtes, wie sie auf dem U. S. Kriegsschiff schon im letzten August, als sich das Schiff in der Nähe von Cape Cod befand, versucht wurde. Der ,,modus operandi" ist wie folgt: An Bord des Schiffes wird eine Bogenlicht-Laterne von etwa 1000 Kerzen Stärke einem ausgespannten , aus weifsem Segeltuch ge
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
333
fertigten Vorhange von 4 m im Quadrat, gegenübergestellt . Die Laterne ist dann noch mit Schiebeklappen versehen, von denen eine jede einen verschiedenen Buchstaben des Alphabets darstellt. Wird nun ein Buchstabenschieber mittels eines Tasterwerkes zwischen dem Lampenreflektor und den Vorhang gebracht, so wirft der intensive Lichtfokus einen kräftigen 3 m grofsen Schatten der bezw. Buchstaben auf den Vorhang.
Die
Depeschen werden sodann
mit dem Schiebertaster langsam
ausbuchstabiert und
einfach
die Schatten
können in Entfernungen von einigen Kilometern von dem Vorhange abgelesen werden. Da alle modernen Kriegs- und Passagierschiffe heute mit elektrischem Licht ausgestattet sind, so dürfte diese Signalmethode unter Umständen von Nutzen sein und entsprechende Anwendung finden. R. v. F.-T.
XXVIII . Umschau auf militärtechnischem Gebiet. Von Joseph Schott, Major a. D. 1. Die Entwickelung des Kruppschen Feldartillerie -Materials 1892 bis 1897. II. Teil.
III. Protzen und Munitionswagen. Allgemeines. Die wichtigste Rücksicht bei Konstruktion der Protzen bildet die zweckmässige Anordnung der Verpackung der Munition. Die Protzen
sollen
Geschützes
im
sein,
übrigen
als
ein
Mittel
Beförderungsmittel
zur Fahrbarmachung für
einen
des
Teil der Be-
dienung dienen und auch einen Teil des Munitionswagens bilden. Die Fabrik ist nicht dafür, die Protze zugleich als Hinterwagen des Munitionswagens zu benutzen und diesen als Doppelprotze
zu
konstruieren,
inde m
dadurch
ein
ungünstiges
Ver-
hältnis in der Belastung des Vorder- und Hinterwagens entsteht. Die Belastung des Fahrzeuges wird so auf beide Achsen verteilt, dafs bei nicht aufgesessener Bedienung im allgemeinen auf die vordere etwa 45 %, auf die hintere Achse 55 % des Gewichts entfallen. Bei dieser Gewichtsverteilung läfst es sich ohne Schwierigkeit erreichen, dafs der Hinterwagen ungefähr
das
anderthalbfache
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
334
der Munition der Protze aufnimmt.
Rechnet man
zwei
Munitions
wagen pro Geschütz, so ergeben sich bei den 7,5 cm Konstruktionen für die : . 32 Schufs, Geschützprotze Munitionswagen-Protze 2 X 32 = 64 99 Munitionshinterwagen 2 X 48 = 96 99 192 Schufs. Bei Anwendung einer Doppelprotze (36 Schufs für die Protze Selbst bei einer gerechnet) würden nur 180 Schufs entfallen. Erleichterung der Doppelprotze auf das Gewicht, welches ein Vier gespann erlaubt, reichen drei vierspännige Doppelprotzen noch nicht aus, um die gleiche Munitionsmenge zu befördern, wie mit 2 sechs spännigen Munitionswagen, die Marschtiefe wird unnütz vergröfsert und die Beschaffungskosten werden vermehrt. Eine in den Einzel heiten bestehende Übereinstimmung aller Protzen würde noch den Nachteil haben, dafs eine Menge Zubehör überflüssigerweise mit geführt würde. Die von manchen Seiten empfohlenen zweiräderigen Munitionskarren, die auf ebenem festen Gelände und Strafsen gewils ihren Vorzug haben und sich durch gute Ausnutzung der Pferde kraft und eine unbeschränkte Lenkbarkeit auszeichnen, haben im unebenen Gelände den Nachteil, dafs die Last von den Pferden unvermittelt Boden den,
auf einmal
gehoben werden mufs und in
weichem
dafs jedes einzelne Räderpaar die Arbeit des Geleise
brechens zu besorgen hat.
Aufserdem
entsteht
eine unverhältnis
mälsige Verlängerung der Marschkolonnen, da 3 zweispännige, zwei rädrige Karren mit den notwendigen Abständen eine um mehrere Meter gröfsere Tiefe einnehmen als ein sechsspänniger vierräderiger Munitionswagen von gleichem Fassungsvermögen. Fahrbarkeit. Die Befestigung des Protzkastens ist entweder eine starre, oder eine elastische unter Verwendung von Tragefedern. Eine Not wendigkeit zur Konstruktion federnd aufsitzender Protzkasten ist indessen nicht erwiesen. Bei Deichseln, Bracken, Ortscheiten ist die Kruppsche Fabrik allmählich zur Verwendung von Stahl statt Holz übergegangen, nach dem früher eine Verbindung von Holz und Stahl versucht worden war. Bestimmend für die Verwendung von Stahl allein war vor wiegend die Rücksicht auf die Verschiedenheit des Klimas der Länder, in welche die Fabrik ihr Material zu liefern hat . Ortscheite und Bracken sind aus massiven Stahlstäben von flachen oder eiförmigem Querschnitt geschmiedet, so , dafs die gröfsere Querachse des letzteren sich in der Zugrichtung befindet. Die Deichsel ist
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
335
aus Stahlblech gerollt und an der unteren Seite genietet.
Die aus
einem Stück hohl gezogenen Stahldeichseln sind schwerer und haben sich im Gebrauch nicht bewährt, namentlich sind sie zu steif. Zur Erleichterung des Anziehens der Gespanne und zur Schonung derselben beim Fahren im unebenen Gelände und auf hartem Boden wendet die Kruppsche Fabrik neuerdings ein zwischen Protze und Gespann eingeschaltetes elastisches Zwischenmittel an. Munitionsverpackung. Für
Schnellfeuer- Feldgeschütze
ist
die
Art
der Munitions-
verpackung von groiser Bedeutung . In den Kruppschen Protzen ist die Munition, sowohl wenn es sich um verbundene als um getrennte Munition handelt, in Munitionskasten verpackt. Ist die Munition lose in der Protze gelagert, so kann letztere zwar mehr Schüsse aufnehmen, das Gewicht der mitgeführten Munition im Verhältnis zur leeren und beladenen Protze
wird also
günstiger ; aber
durch das stückweise Heranbringen der Munition an das Geschütz wird entweder die Feuergeschwindigkeit vermindert, oder es mufs die Zahl der Munitionsträger, also eines dem Feuer ausgesetzten Teiles der Mannschaft, erhöht werden. Das Fehlen der Munitionskasten wird
sich
namentlich
dienung Verluste
erlitten hat,
bemerkbar oder
machen, wenn
die
Be-
wenn bei vorbereiteten Ver-
teidigungsstellungen die Munition in oder nahe der Batterie gedeckt untergebracht werden soll. den Kasten wurde
wieder
Die
Verwendung
von
Aluminium zu
aufgegeben, da solche den starken Er-
schütterungen, welchen sie beim Fahren ausgesetzt sind, nicht genügend widerstehen. Die im Gebrauch befindlichen Kasten sind in verschiedenen Konstruktionen ausgeführt. Gewöhnlich ist bei verbundener Munition die liegende Verpackung gewählt. Bei schweren Patronen sind vier Stück, mit den Geschofsteilen abwechselnd, neben einander gelagert, es entsteht also ein flacher Kasten ; leichte Patronen
werden
auch
in 2
Lagen
à 2
Stück
über
einander
angeordnet. Bei Verwendung von getrennter Munition können entweder Geschosse und Metallkartuschen in gleicher Zahl in einem Munitionsbehälter vereinigt sein, oder man sieht für die Geschosse Geschofskasten, für die Kartuschen Kartuschtornister vor. Die erstere Art ist die praktischere . Ohne die Handlichkeit zu beeinträchtigen, lassen sich dann fünf Schüsse eines leichten oder vier eines schweren Feldgeschützes vereinigen. Bei loser Munitionsverpackung wird in allen Fällen die liegende Verpackung gewählt, weil dadurch die Höhe des Protzkastens eine
geringere wird,
und weil sie für
die Erhaltung der Munition und
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
cm 7,5 27 L/
Geschütz
22
I.
28 L/ ""
b
a
IV.
b
kg
a
Zahl b
V.
VI.
VIII. VII. IX.
Mittel1
nein starr 8,8 34,8
den kg
b be-
Gewicht c eines Munitionskastens
a leer la-
kg
7,937,"2, 10,7 40,5
kg
9,137,5
27
6,7 7,9 5,3 8,3
22
22 Mittel
nein 7,5 starr 41,9 federt ja 28,2 8,4 nein starr 7,238,5 federt ja 28,2 3,2 starr nein 38,1 8 38,6 97 40,7 22 29 38,7 7,5
237 37
821
288 68) 501 40 248 10
256 341) 261 278 99 265
99
Munition getrennte für a) 219| 421 82 809 5) 74) 853 239 819 4) 836 254 345 86
Gewicht
kg
551 525 539
verbundene Munition für b) 775 450 428 703 707261 501 8) 406 696 10 250 40 419 475 772 469 99 488 808 447 767 418 266 719 747 439 782 271 470 416 256 706 249 423 700
a
leer
X.
0 % Bemerkungen b
XI.
Die Protzen sind nach ihrer EntZeit der 39,7 27,1 geordnet. stehung Nr.dI. Bei sind 45,5 29,3 Metallkartuschen i.Kartusch47,2 30,5 tornistern untergebr. Kar-)24 44,1 29Einschliefsl. Futi. tätschpatronen Protzgestell. teralena. für25) Munitionskasten Metallu5 37,2Geschosse 64 kartusch. eingerichtet. Metallkartuschen 58 85,8 +3) der an2 für die 64,2 37 wovon befindl, Laffete Kar59,7 85,8tätschen Vorrat.uz1. 53,9 33 Geschofskasten à54) 55,8 33,7Geschosse. Kar-52) 34,5Einschliefs. 57 Futtein tätschschufs 62 • 36,3 Protzgestell am. ralen für4) Munitionskasten 87,2 64,6 Geschosse Metall-4u. tet. eingerich kartusch, 59,9 35,6 Ge- starre 34,6 57,7 groste leiseKasten36,3 61,6 geringebre ited. verbin 58,9 35,6 federnde Kastenu. Fahrbremse.
beladen
Verhältnis Gewichtes des der mitgeführten Munition zum GeProtze wicht der
ja
nein
nein ja nein ja nein
-3
Hat die Protze eine Fahrbremse ? Federt die Protze oder ist sie starr mit dem Protzgestell verbunden ? Ist die Protze auch als Munitions - Hinterwagen verwendet?
III.
a
79,5 71
Rad
kg mm
22
99 ""
27
ཆ་ྕ
II.
1370 1530 76,5 538
1370 1530 79
mm
Geleisebreite
5 cm 7/ 1480 1200 52,5 22 L 1250 26 L/ 50 7 29 cm 7,5 L/ 24 1810 50,5 1290 51 28 / 1480 L 1330 62 1. 10 99 99 1350 71,5 11 S. 1365 1330 62 12 91 13 30 1200 22 2" 99 Mittel 14 5-13 1360 1302 58,2 1480 15 5,9,10,11 62 "" 97 13 53,4 1295 1238 16 6 7, 8, "" 1270 1250 50,5 17 6, 8 99
Mittel -341
Durchmesser
Feldgeschützen Schnellfeuer Protzenkonstruktionen zu-. ausgeführte Tabelle über
Nummer 123 +
336
667890I2R LEU
Umschau auf militärtechnischem Gebiet . die Ladesicherheit der Zünder sich besser
337
eignet als die stehende.
Versuche haben ergeben, dafs die Lagerung der Geschosse in der Fahrtrichtung günstiger ist, als quer zur selben. Die Verwendung von Aluminiumblech wurde ebenso wie bei den Munitionskasten auch bei den Protzkasten wieder aufgegeben, da dieses selbst in verhältnismässig starken Abmessungen die Widerstandsfähigkeit von nicht erreicht und sehr durch Witterungs-
dünnerem Stahlblech einflüsse leidet.
Die Tabelle Seite 336 giebt eine Zusammenstellung neuerer Protzenkonstruktionen. Die Ausnutzung der Protzen, wie sie die Spalten Xa und b veranschaulichen, entsprechen somit in keinem Fall den Anforderungen, wie sie in der Litteratur häufig gestellt werden, wo stellenweise verlangt wird, dafs die Munitionsladung 50 % des Gesamtgewichts betragen soll. Eine so hohe Verwertung ist nur auf Kosten der Festigkeit des ganzen Systems oder der Bequemlichkeit, Kriegsmäfsigkeit und Sicherheit der Einrichtung erreichbar. Hält man an den bewährten Stärken und Einrichtungen fest, so sind die erreichten Ausnutzungen von 35 bis 36 % schon recht beträchtliche, und es muls, um diese zu ermöglichen, mit sorgfältigster Gewichtsersparung verfahren werden. IV. Munition und ballistische Verhältnisse. Patronen- und Kartuschhülsen. Bei Einführung
des
rauchlosen Pulvers und des Schnellfeuers
war es erwünscht, die Ladung der Geschütze in eine die Liderung übernehmende einzuschliefsen .
und Die
das Entzündungsmittel Verbindung
tragende Metallhülse
des Geschosses
mit
der Metall-
hülse zu einer Metallpatrone ergab bei den ersten Versuchen eine bedeutende Schwere und Länge der letzteren. Die Patronenhülse der 6 cm Schnellfeuerkanone L/30 wog z. B. bei 3 kg Gewicht und 420 m Mündungsgeschwindigkeit des Geschosses 1,05 kg, die fertige Patrone 4,25 kg bei fast 50 cm Länge. Das Gewicht der Hülse betrug 35 % des Gewichts des Geschosses und 25 , desjenigen der Patrone. Durch Fortschritte in der Fabrikation der Hülsen in Verbindung mit geeigneter Auswahl der Pulversorten gelang es, die Hülsen kürzer, leichter und für den Verwendungszweck geeigneter zu machen. Der Vorteil wurde geringer, den Metallkartuschen bisher vor den Metallpatronen gehabt hatten.
Die gleiche Patronen-
hülse wog späterhin nur 0,46 kg, die Patrone 3,66 kg, die gedachten Prozente verringerten sich damit auf 15,3 % , bezw. 12,5 %. Mit dem gleichen Hülsengewicht von 1,05 kg wie anfänglich bei der 6 cm Schnellfeuerkanone L/30 stellt man jetzt eine 7,5 cm Patronenhülse
338
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
für 6,5 kg Geschofsgewicht und
500 m Mündungsgeschwindigkeit
her, die Metallkartuschhülse für letztere Leistung wiegt mit Deckel 0,62 kg. verDas Ergebnis des Vergleichs getrennter und bundener Munition ist folgendes. Die Handhabung und Lagerung der letzteren, also der Patronen, ist einfacher als die der Kartuschen.
Die Patrone erfordert nur einen Ladegriff (gegen zwei bei Geschofs und Kartusche) , Patronen sind in den Fahrzeugen einfacher unterzubringen und machen den Ansetzer entbehrlich. Der Munitionsersatz am feuernden Geschütz regelt sich bei verbundener Munition leichter; dafs gute ladesichere Erhaltung der Munition in der Protze bei Patronen ebenso gut wie bei getrennter Munition zu erreichen ist, lehren die umfassenden Fahrversuche der Fabrik, wobei sich in nicht federnden Protzen bei tast 1000 km Weg auf den verschiedenartigsten Strafsen, sowie bei kriegsmäfsiger Verladung in Eisenbahnwagen die Verpackungsart der Patronen bewährt hat. Die Verbindungen von Geschofs und Hülse blieben, wie überhaupt die ganze Patrone, unversehrt, die Zünder ladesicher. Die nach dem Schufs ausgeworfenen Patronenhülsen fallen immer auf die Seite, während die Kartuschhülsen bisweilen aufrecht stehen bleiben und dann infolge des nach oben zeigenden scharfen Hülsenrandes Veranlassung zur Verletzung der Pferde geben können. Die Gleichmässigkeit des ursprünglichen Verbrennungsraumes ist bei Patronen mehr gewährleistet als bei angesetztem Geschofs. Die Patrone ermöglicht eine günstigere Form der Pulverladung im Verhältnis zum vorhandenen Luftraum, also die Anordnung eines solchen Luftpolsters, wie es zur Erlangung eines niedrigen Druckes am günstigsten ist. Wenn man der Patrone den Vorwurf macht, dafs sie gröfseren Raum für die Unterbringung in den Protzkasten beanspruche, so ist demgegenüber zu bemerken, dafs das durch die Länge der Patrone bedingte Mehrgewicht des Protzkastens
durch
das höhere Gewicht
der Einrichtungen zur Verpackung der getrennten Munition übertroffen wird. Beim Versagen des Zündhütchens ist man allerdings genötigt, die ganze Patrone vorläufig unbenutzt zu lassen ; die Kruppsche Fabrik hat aber möglich gemacht, durch eine besondere Konstruktion des Zündmittels diesen Vorwurf hinfällig zu machen , indem man bei
Anwendung
Kruppscher Zündschrauben nur nötig
hat, das versagende Zündmittel aus- und ein neues einzuschrauben. Hinsichtlich der Treffähigkeit ergaben die Versuche zwischen getrennter und verbundener Munition keine nachweisbaren Unterschiede. Die Feuergeschwindigkeit ist unter sonst gleichen Verhältnissen bei getrennter Munition etwa
10 %
geringer
als bei
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
339
Zusammenstellung der Abmessungen und Gewichte einiger Messinghülsen für Schnellfeuer- Feldkanonen.
Nummer
I.
III.
II .
II a.
IV.
a) Patronenhülsen
Äufsere
mit
Länge
Zünd-
IV a.
b) Kartuschhülsen
Äufsere
Gewicht
Geschütz
III a.
Länge mit
Rauminhalt
Deckel
schraube
RaumGewicht inhalt mit einschl. Zünddes Rauschraube mes der und DeckelDeckel höhlung cdm kg
mm
kg
cdm
mm
6,5 cm L/31
207
0,66
0,48
107
0,37
0,32
2 7 cm L/26/28
205
0,89
0,57
105
0,50
0,38
3
7,5 cm L/ 24
190
0,80
0,62
98
0,44
0,41
4
L/28/30
278
1,12
1,00
143
0,62
0,66
5
7,6 cm L/29
400
1,44
1,92
205
0,82
0,01
6
7,8 cm L/28
335
1,34
1,35
172
0,74
0,89
1
verbundener. eine
Hülsen aus einer leichten Aluminium- Legierung ergaben
Gewichtsersparnis
um ungefähr
2.
Für
eine 30 Patronen
fassende Protze zur 7,5 cm Schnellfeuerkanone L/28/30 würde die Gewichtsersparnis 22,5 kg ausmachen. Dagegen ist der Beschaffungspreis
höher
und
die Hülsen halten nur
Schufszahl aus als die Messinghülsen.
eine geringere
Bei den höheren Gasdrücken ,
wie sie für Feldgeschütze die Regel bilden,
sind die Hülsen nicht
nur nach wenigen Schüssen infolge von Ausbrennungen am vorderen Hülsenrand unbrauchbar geworden , sondern haben auch Ladestörungen veranlasst. Die
bisherige
Beutelkartusche
durch eine verbrennbare aber
steife Umschliefsung handlicher zu machen und wenn möglich mit dem Geschofs zu einer Patrone zu verbinden , hat man von einigen Seiten angestrebt. Es ist vorwiegend Celluloid verwendet worden. Bei den Kruppschen
Versuchen damit hat sich gezeigt, dafs die Celluloid- Umschliefsung die Gleichmässigkeit der Verbrennung des Pulvers ungünstig beeinflufst. Zu verbundener Munition ist Celluloid in den zulässigen Abmessungen nicht widerstandsfähig genug. Will man bei
getrennter Munition gleichzeitig den Vorteil einer von Schufs zu Schufs sich erneuernden Liderung und die Verbindung des Zündmittels mit der Kartusche, also die Schnellladeart, so ist
Umschau auf militärtechnischem Gebiet .
340
wieder ein Metall-Hülsenboden mit angesetztem kurzem Rand
notwendig, und dann kann man auch einen Schritt weiter gehen und die Metallkartusche anwenden. Die Vereinigung der gewöhnlichen Beutelkartusche mit einer kurzen Metall-Kartuschhülse hat die Fabrik nicht für praktisch befunden. Die
vorstehende
Tabelle
giebt
eine
Zusammenstellung
der
Abmessungen und Gewichte einiger Messinghülsen für SchnellfeuerFeldkanonen. Pulver. Die Kruppsche Fabrik verwendet zu Geschützladungen die rauchlosen Pulversorten der Vereinigten Köln - Rottweiler Pulverfabriken. Es findet sowohl das aus reiner Nitrocellulose bestehende , als auch das nitroglycerinhaltige Pulver Verwendung, letzteres vorwiegend in Röhrenform. Diese Form ist vorteilhaft für eine
gleichmässige
Verbrennung und
ermöglicht, infolge ihres
geringen kubischen Gewichts, den Verbrennungsraum vollständig oder fast vollständig mit der Ladung auszufüllen. Es wird eine unveränderliche Form der Ladung erzielt, was für die Gleichmässigkeit in Gasdruck , Geschwindigkeit und Trefffähigkeit von Wichtigkeit ist. Beide vorgenannte Sorten rauchloses Pulver haben sich unter den
verschiedensten
erforderliche
Verhältnissen
Lagerbeständigkeit.
bewährt
Das
und
besitzen
nitroglycerinhaltige
die
Pulver
verwertet sich, auf die Gewichtseinheit bezogen, besser als das reine Schiefswollpulver. Es wird noch angegeben, dafs die VerbrennungsTemperatur des nitroglycerinhaltigen Pulvers sich derart hat herabdrücken lassen, dafs sie der
des
reinen Nitrocellulose - Pulvers fast
gleichkommt. Geschofsarten. Das Hauptgeschols der Feldartillerie ist das Schrapnel und es wird in den meisten Fällen sogar möglich sein, es als ihr alleiniges Geschofs zu verwenden. In Ländern, die unter schwierigen Verhältnissen mit unvollkommen geschulten Truppen zu rechnen haben, kann eine mit Ausrüstung in geringer Zahl mit Ringgranaten oder Kartätschen oder mit beiden neben den Schrapnels angezeigt sein, da diese Geschosse sich einfacher bedienen lassen und billiger sind. Auf die Kartätsche wird man sonst aus Gründen eines vereinfachten Munitionsersatzes lieber verzichten , obgleich das Schrapnel auf den nächsten Entfernungen, z. B. bis 200 m, die Wirkung der Kartätsche nicht erreicht.
Vielfach kommen neben den Schrapnels Brisanzgranaten vor von welchen es zwei Formen giebt : 1. dünnwandige Minengranaten
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
341
mit grofser Füllung, 2. dickwandige Sprenggranaten mit kleiner Füllung. Die Minengranate hat die gröfsere Wirkung, namentlich wenn sie in geschlossenen Räumen detoniert, für sich. Diese Fälle kommen aber im Felde
selten
vor,
und dann wird meistens die Wirkung
einer mit weniger Sprengstoff gefüllten Granate oder eines Schrapnels mit Aufschlagzünder nicht nur ausreichen, sondern wegen der gröfseren Splitterwirkung sogar besser sein. Gegen die Anwendung der Minengranaten sprechen auch, wie bei Rohrkonstruktionen angedeutet, gewisse Sicherheitsgründe. Wenn überhaupt eine Sprenggranate mitgeführt wird, so ist sie nach Ansicht der Kruppschen Fabrik zweckmäfsig nur im Sinne der früheren gewöhnlichen oder Ringgranate zu verwenden. Vor beiden hat sie den Vorteil gröfserer Splitter- und gröfserer Minenwirkung. Durch die erstere zeichnet sie sich auch vor der Minengranate aus,
und bei
mäfsig geringen Gewicht ihrer Brisanzladung,
dem verhältnis-
die bei
Pikrinsäure
oder dergl . etwa 21 , bis 3 % des Geschofsgewichts beträgt ,
ist es
auch möglich, die Rohre sprengsicher zu machen. Die Kruppsche Fabrik verwendet übrigens an Stelle der sonst üblichen Pikrinsäure rauchloses Pulver in kleinen Würfeln mit einem Entzündungszusatz von Schwarzpulver, das durch seine Rauchentwickelung zugleich Beobachtungsmittel wird. Die Sprengkraft des rauchlosen Pulvers mit Schwarzpulver-Zusatz steht der der Pikrinsäure kaum nach.
Die
empfindlichen
Detonatoren
werden
dabei
überflüssig. Die Verwendung der Sprenggranate mit einem Zeitzünder ist nach Ansicht der Fabrik nicht zweckmässig . Die Wirkung der in der Luft über dem Ziel zerspringenden Sprenggranate , die vermöge ihres grofsen Kegelwinkels Ziele hinter Deckungen treffen soll, kann aus verschiedenen Gründen nur eine geringe sein. Sicheres Erkennen des Ziels, grofse Genauigkeit des Einschiefsens , gute Regulierung
der Sprenghöhen,
fortgesetzt
gute Beobachtung
sind
Bedingungen des Erfolges. Diese sind im Felde nur selten zu vereinigen. Da die Splitter mit grofsem Überschufs an Kraft nach allen Seiten fast normal zur Flugbahn anseinander gerissen werden, so kann nicht einmal die Hälfte des Geschofsgewichts zur Wirkung nach unten kommen, während die übrigen Splitter wirkungslos in
die Luft
fliegen.
Splitterwehren von
einzölligen
Brettern
geben schon Schutz, namentlich gegen schräg auftreffende Sprenggranatsplitter. Nur die grofse Breitenwirkung der in der Luft krepierenden Sprenggranate kann unter Umständen von Vorteil sein. Durch Verwendung von
Sprenggranaten
mit Zeitzündern
aus
Feld-Flachbahngeschützen kann Steilfeuer nicht entbehrlich gemacht 23 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110 3
Umschau aut militärtechnischem Gebiet.
342 werden.
Bedarf man
aber ohnehin des Steilfeuers, so kann man
ihm auch die Aufgaben der Sprenggranate zuweisen und für die Flachbahngeschütze auf dies Geschofs verzichten. Man soll von einer besonderen Geschofsart nicht erwarten, was nur eine besondere Geschützart leisten kann . Die Konstruktion
von
Schnelllade - Haubitzen , die für den
Feldkrieg geeignet sind, ist von der Kruppschen Fabrik seit langer • Zeit gepflegt worden. Die neueren Ansichten hierüber, die in den letzten Jahren ausgeführten Konstruktionen , die Ergebnisse der Versuche und die gesammelten Erfahrungen beabsichtigt die Fabrik in einer besonderen Druckschrift niederzulegen . Das Schrapnel soll in der Hauptsache
als in der Luft zer-
springendes Streugeschofs durch seine grofse Tiefenwirkung gegen lebende ungedeckte oder wenig gedeckte Ziele Verwendung finden. Alle Konstruktions- Mafsnahmen, die darauf gerichtet sind , diesen Hauptzweck des Schrapnels zu fördern, müssen als richtig, alle andern als verfehlt bezeichnet werden . Von den drei Konstruktionen : Kopf-, Mittel- und Bodenkammer ist unter dem vorgenannten Gesichtspunkt die letztere zusammenhält,
die geeignetste, da sie
d. h.
einer zu raschen
die Kugeln
am meisten
den kleinsten Kegelwinkel hat und
Verdünnung
der Streugarbe
Kugeln aufserdem einen Zuwachs
an Geschwindigkeit
die Wirkungstiefe der einzelnen Kugeln vergröfsert. an Geschwindigkeit ist nur wenig geringer, als wenn sie zusammenbleibt.
dadurch
entgegenwirkt, den
wenn
erteilt, der
Der Zuwachs
die Hülle platzt,
Die nicht platzende Hülle hat bei geringerer Zahl der Kugeln und
der
Sprengstücke
platzende Hülle hat stücke einen etwas ungefähr
gleichen
einen
etwas
kleineren
Kegelwinkel,
die
bei gröfserer Zahl der Kugeln und Sprenggröfseren Kegelwinkel, und beide haben
Geschwindigkeitszuwachs.
Die
Fabrik
hält
es
für am besten, die Vorteile beider Arten Schrapnels zu vereinigen, d. h. einerseits eine möglichst hohe Kugelzahl und Verwertung zu erreichen, andererseits das Platzen der Hüllen durch geeignete Auswahl des Materials in dem Sinne zu beherrschen, dafs die Hülle nicht in zu viele sehr kleine Stücke zerrissen wird, weil in diesem Falle die genannten Verhältnisse ungünstiger würden. Um dies zu erreichen, muls es gestattet sein, dafs die Hülle bei einigen Schüssen zerreifst, bei andern ganz bleibt. Bei dem Kopfkammer- Schrapnel tritt eine Geschwindigkeits- Verminderung der Kugeln ein. Die wenigen Vorteile, die ihm zugeschrieben werden, sind unerheblich. Das Mittelkammer-Schrapnel ist wenig geeignet,
weil
der Kegelwinkel
zu grofs ist und die Kugeln sich
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
343
nur am Kegelmantel verteilen . Je mehr man die Sprengladung des Schrapnels vermehrt, etwa um die Wirkung des Schrapnels mit derjenigen der Granate zu vereinigen, um so fehlerhafter ist seine Konstruktion, da sie
dem Hauptzweck des Schrapnels, der grofsen
Tiefenwirkung, entgegenarbeitet. Als Material der Füllkugeln Hartblei von etwa 10,4 Dichte .
benutzt die Fabrik ausschliesslich Neben den Kugeln noch eiserne
Füllstücke zu verwenden, empfiehlt sich bei der geringen Dichte und unregelmässigen Form nicht. Zur Festlegung hat sich Harz am besten bewährt. Ein Teil der Zwischenräume kann auch durch einen die Rauchmasse der Sprengladung mehrenden Rauchstoff ausgefüllt werden.
Der beste Rauchentwickler bleibt
aber immer die
Sprengladung selber. Die Fabrik empfiehlt ein Kugelgewicht von 11 g und warnt, unter 10 g zu gehen. Die nebenstehende Tabelle giebt eine Übersicht über die von der Kruppschen Fabrik hergestellten Schrapnels, aus der das nutzbare Kugelgewicht, also die Verwertung des Schrapnels zu ersehen ist.
Diese Verwertung wird im
allgemeinen, sowohl mit Zunahme
der Seelenweite als des Geschofsgewichts höher, die Verbesserung der Verwertung
schreitet
aber
sehr viel
langsamer
fort
als
Seelen-
weite und Geschofsgewicht und kommt innerhalb der hauptsächlich interessierenden Grenzen zwischen 7 und 8 cm Seelenweite und Geschofslängen von 3,1 bis 3,9 Durchmesser nur wenig zum Ausdruck. Neuere Veränderungen des Kruppschen Schrapnels beziehen sich auf: 1. Verbesserung Wandung ;
des
Stahls
für
die
Hülle ,
also
dünnere
2. Erleichterung des Zünders durch Verwendung von AluminiumLegierung anstatt Messing ; 3. Wegfall der Rücksicht auf andere Geschofsarten zur Erzielung gleicher Länge, gleichen Gewichts, gleicher Flugbahnverhältnisse. Es sind dadurch Verwertungen erreicht worden, die man bis vor kurzem mit Bodenkammer-Konstruktionen für unerreichbar gehalten hatte.
Durch ausgedehnte Schiefsversuche hat die Kruppsche
Fabrik festgestellt, dafs
das Schrapnel bei geeigneter Konstruktion ,
auch wenn auf eine möglichst ergiebige Wirkung als in der Luft springendes Streugeschofs hingearbeitet worden ist, doch für Zwecke benutzbar bleibt, die früher von der Granate erfüllt werden sollten . Hierher gehört die Beschiefsung widerstandsfähiger Ziele, wie sie im Feldkriege , z. B. als Gartenmauern, leichte Baulichkeiten vorkommen, bei denen also die Stofskraft des vollen Geschosses und 28*
II. IV. III
V.
6:0
3,4 42
40
1,0
1,2
1,33 11
288
kg
106 3,9 45
1,35 17
I. Gewicht der Sprengladung)¹
mm
3,0
136
125 4,0 54
65
Zünder
==
VI.
VII.
66
VIII
Mün-
33
29
27
bei und Entstehung 560
gleichzeiungefähr 450
560
"
2 33
310
==
33
66
64
LeAluminium aus-
sind Zünder 20Sek.
dieser Teile sten
Die)2 wesentlich600
27 z. Füllung cylinder 500 19Kammerhülse. der
PulverEinschl.1)
Entstehung tiger 500 wachsenden nach 450 22 Seelenweiten Geu. 500 99 wichten geordnet.
86
42
99
66
2,70
ihrer nach Zeit der
d dungsb c a geschwin- Bemerkungen Gewicht Andigkeit im des zahl einzeln % ganzen Geschosfkg gewichts m
2,75
99
Schrapnels sind 500 Die bis 84,5
40
1,03
36,5
10,3
1,49
100
135 170
1,66
36
,, 9,5
39,5
1,43
36,5
11
1,57
39,5
1,98
130
"" 2,09
142
180
190
11
27 15
47
2,90
2,70 38,5
2,31 99 11,2
210
260
240
180
2,97 22
3,19 3,30
274 277
3,30
3,19 277
274
2
66
0,40
g
Kugelfüllung b
kg
0,38
0,40 0,50
66
16
93
1,6
16
dichte b gea a auf fähre des % Bren Genim Länge qcm1 Gewicht dauer ganzen schofsgewichts Sek. g
60
8,5
2,9
Seeleng weiten
UnQuer-
Feldkanonen Schnellfeuer Schrapnels für-. Bodenkammer stählerne ausgeführte Tabelle über
1
4,5
104
3
2
4,0
1,3 1,5
65
2,6
3,5
95
1,2
3,6
99 63
136
3,1
6,0
1,0 99 1,2
75
1,4
" 250 0,50 17
85
70
3,0
3,6
3,85
90
3,3
133
1,15
1,2
1,15
1,2
202) 256 0,32 1,25
139 149
147
7,5 7,0
3,7
3,55
6,5
143
75
7,0
120
130
4,8 75 97
80
5,8
5,0
70
6 7 8 9
75
6,0 136 6,35
3,65
3,75 139
3,5
6,5 147
76,2 6,35
136
19
4
10
12
11
13
14 15
78 6,5
14
39
.
135
13
99
gierung gefertigt.
39 34
16
17
33
35 35
19
33
19 19 13 4:4
39
54
19
3 15 :
39
3 28:
19 13 19 19
60
૩
19
.
Umschau auf militärtechnischem Gebiet . 344
IX.
49
33
13
13
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
wenn möglich kommen soll. Als
auch
die nachherige Splitterwirkung
Sprengladung
wird
gewöhnliches
345
zur Geltung
feinkörniges
Schwarz
pulver benutzt und als Übertragungsladung in der Kammerhülse dienen hohlgeprefste Pulvercylinder . Die Sprengladungsgewichte ergeben sich aus Tabelle Seite 344 . Als Zünder verwendet die Fabrik ihren der Geschofsform sich anpassenden Doppelzünder ,
dessen
Brenndauer neuerdings auf
20 Sekunden, entsprechend der Entfernung von etwa 5700 m, erweitert worden ist. Die Einteilung der Satzstücke wird im allgemeinen nach Sekunden und Zehntelsekunden ausgeführt . Die Einteilung nach Entfernungen verbietet sich, sobald der Zünder für verschiedene Geschosse, Geschütze und Mündungsgeschwindigkeiten verwendet werden soll. In manchen Ländern finden aufserdem so erhebliche Unterschiede in Höhenlage und Klima der Kriegsschau plätze statt, dafs selbst bei demselben Geschütz bedeutende Ver schiedenheiten in der zu einer bestimmten Schufsweite gehörigen Brennlänge sich ergeben. Schliefslich hat die Einteilung der Zünder nach Schufsweiten den Nachteil, dafs, um eine Übereinstimmung zwischen Brennlänge und Aufsatz zu erreichen, entweder an letzterm oder an den Zündern bezw. ihren automatischen Stellschlüsseln besondere Einrichtungen zur Verlegung des Nullpunktes vorgesehen werden müssen. Die Fabrik hat derartige Instrumente konstruiert, ausgedehntere Verwendung gefunden.
haben
sie
aber
bis jetzt
noch nicht
In jedem Falle müssen die Zünder- Satzstücke zum Gebrauch im Schnellfeuer sich ohne nachheriges Festschrauben leicht ein stellen lassen, sie dürfen indes nicht so leicht drehbar sein, daſs Die Kruppschen sich ihre Stellung beim Schufs verändert. Konstruktionen tragen dieser Forderung Rechnung.
Geschofsgewicht und Mündungsgeschwindigkeit. Ist man bei einer bestimmten Konstruktion zur Festsetzung der Mündungsarbeit " gekommen oder hat man auf Grund der letzteren den Aufbau eines
bestimmten Geschützes festgelegt, so
bedarf es
noch der Überlegung, in welchem Umfang das Geschofsgewicht und in welchem die Mündungsgeschwindigkeit daran teilnehmen soll . Mit der Zunahme des Geschofsgewichts bei unveränderter Seelen weite tritt auch eine Zunahme der Geschofslänge und des Gasdrucks ein.
Erstere zwingt zur Vergröfserung des Drallwinkels , sowie in
Verbindung mit letzterem zur Verstärkung der Schrapnelhüllen, also zur Verminderung des nutzbaren Raumes . Mit dem wachsenden
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
346
Drallwinkel steigert sich die Umdrehungsgeschwindigkeit des Ge schosses, worunter die Regelmälsigkeit des Brennens der Zünder leidet und wodurch die Kegelwinkel schliesslich gröfser als erwünscht werden .
Mit der Verlängerung des Geschosses werden trotz der
Zunahme der Querdichte die Flugbahnverhältnisse keineswegs immer besser, da die Pendelungen sich stärker geltend machen, es kann damit der Luftwiderstand vermehrt und die Trefffähigkeit vermindert werden. Aus den angestellten Versuchen hat sich ergeben, dafs eine Geschofslänge von 4 4 Durchmessern Durchmessern bei den üblichen Feld geschofskonstruktionen als das Äufserste gelten kann, dafs es sich sogar empfiehlt, bei einer Länge zu bleiben. Von der zweckmäfsigen
von ungefähr 3,6 Durchmessern Bemessung
des
Geschofs
gewichtes der Feldartillerie ist schon die Rede gewesen.
Es ist
hervorgehoben, dafs diese Bemessung der wichtigste Faktor für den ganzen Aufbau des Systems und für die Rücklaufverhältnisse ist, insofern als es bei gegebener Mündungsarbeit keineswegs gleich gültig ist, ob sie durch ein hohes Geschofsgewicht oder durch eine hohe Mündungsgeschwindigkeit erreicht wird, denn während sich an der Mündungsarbeit das Geschofsgewicht nur einfach, die Mündungs geschwindigkeit aber im quadratischen Verhältnis bethätigt, haben bei der Rücklaufgeschwindigkeit und der Rückstofsarbeit beide den gleichen Einfluss . Aufser dem Vorteil der geringeren Rückstofsarbeit, Beanspruchung und Rücklaufgeschwindigkeit bei gegebenem Gesamt gewicht scheinen auf den ersten Blick noch folgende Vorteile zu Gunsten der kleinen Seelenweite zu sprechen : Schufsweite und End geschwindigkeit sind gröfser, die Fallwinkel kleiner und die durch
des Materials
die Wirkung zum Ausdruck kommende Schufsverwertung, auf die Gewichtseinheit bezogen, ist günstiger, wenigstens dann, wenn man die beim Einschiefsen für die Wirkung verloren gehenden Geschosse mit in Rechnung zieht. Das grölsere Geschofsgewicht hat scheinbar nur die gröfsere Einzelschufswirkung für sich, und diese kann, so sollte man meinen, durch eine gröfsere Zahl, aber dem Gewicht nach gleiche Menge leichterer Geschosse ausgeglichen werden. Bei näherer Betrachtung der Verhältnisse treten die Vorteile für das schwerere Geschofs mehr zu Tage. Zunächst ist die Über legenheit des leichteren Geschosses hinsichtlich Endgeschwindigkeit und Fallwinkel auf
den grofsen Entfernungen, wie sie für den • in Frage kommen , nur sehr gering
Artilleriekampf vorwiegend (siehe Tabelle Seite 347 ). Dagegen
sind nicht
geringe
Nachteile in Kauf zu
nehmen .
°11 '18
' 56 19º
251
228
4000
5000
11
20
10 2,7
4,8
7,2
227
247
276
814
14
' 6
' 58 7º
379
41
500
m
'1°24
∞
Cotan gente
° 0
20 '°46
' 58 13º
°40 '8
°33 '4
1º '89
. Min
0º ' 58 1º
Grad und Min .
Cotan gente
Fallwinkel
2,6
4,0
6,6
12
226
245
272
806
'°28 21
°7 '14 3
13 '9º
4º ' 56
2,5
8,8
6,1
11
80 859
462
m
Endge schwin digkeit
76,3
143
35
Grad und Cotan gente
Fallwinkel
18 2
288
4º
Endge schwin digkeit
76,3
136
8
8000
825
2000
° 0
und it Grad digke . Min
76,8
130
7
79
IV .
8
9
407
547
m
1000
m
Endge Entfernung schwin
M 4ündungsarbeit mt
Quf a3 g uerdichte 1 cm q
Fallwinkel
75
70
6
. III
. II
G2eschofsgewicht kg 5
S1 eelenweite mm
7
I.
0
10
6
5
.Nr
Mündungsarbeit gleicher .bei
. an
V.
Die Contan gente be den giebt strichenen [die für Raum Längeneinheit
Bemerkungen
Geschützen von Verhältnisse Ballistische ähnlich mit Seelenweiten verschiedener /3,6 L Geschossen konstruierten
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
347
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
348 Das Verhältnis
des nutzbaren Gewichts
des Schrapnels zum toten
wird ungünstiger, entweder die Pulverladung oder der Gasdruck und die Abnutzung des Rohres nehmen zu, die Patrone muls im ersteren Falle verhältnismälsig länger und schwerer werden. Die weiteren Folgen der verhältnismäfsig längeren und schwereren Patrone machen sich bei der Konstruktion der Munitionskasten und Fahrzeuge geltend , indem letztere weniger Munitionsgewicht aufnehmen können . Die Zahl der Schüsse, die das Geschütz und der Munitionswagen mit sich führen, ist unter Voraussetzung ähnlich konstruierter Geschosse und gleicher Mündungsarbeit für das geringere Die Brennlängenstreuungen werden Geschofsgewicht ungünstiger. bei dem kleinen Geschofsgewicht gröfser und zwar bedeutend gröfser als beim schweren.
Ist daher einem schweren Geschofs im allgemeinen der Vorzug zu geben, so ist das Geschofsgewicht doch andererseits nicht mehr zu steigern, als dafs es in Verbindung mit einer hinreichenden Mündungsgeschwindigkelt einen wirkungsvollen Schrapnelschufs auch auf die weitesten für die Feldschlacht in Frage kommenden Entfernungen gewährleistet. Eine Festsetzung der oberen Grenze des Geschofsgewichtes auf 6,5 kg mit 260 bis 280 Kugeln ist auch für hohe Ansprüche, wie sie die europäischen Verhältnisse bedingen, vollkommen
angemessen
(siehe Tabelle Seite 344) . Umgekehrt aber empfehlen, die untere Grenze möglichst nicht unter 5,5 kg zu legen. Ob man mehr nach der unteren (5,5 kg) oder oberen (6,5 kg) Grenze des Geschofsgewichts neigen wird, wird
es
sich
wird in erster Linie von dem für das aufgeprotzte Geschütz gestattetem Gewicht abhängen, das durch Verhältnisse bestimmt wird, deren Beurteilung Sache des Taktikers ist. Wo es auf sehr grofse Beweglichkeit
des
Geschützes
bei
minder gutem Pferdematerial ankommt, ungünstige Wege und Geländeverhältnisse in Aussicht stehen oder wenn man es mit einem weniger gut ausgerüsteten
und ausgebildeten Gegner zu thun hat,
kann man mit dem Geschofsgewicht bis unter die genannte Grenze gehen und
auch
die
Mündungsgeschwindigkeit von
500 m
mindern. Eine Steigerung der Mündungsgeschwindigkeit über 500 m bringt nur geringe Vorteile für Endgeschwindigkeit und Fallwinkel. Dagegen treten erhebliche Nachteile ein. Materials und Rücklaufverhältnisse werden
Beanspruchung mit Zunahme
des der
Mündungsgeschwindigkeit erheblich ungünstiger ; um dies auszugleichen, ist eine Erschwerung des Materials besonders des abgeprotzten Geschützes bedingt. Sie erstreckt sich aber auch auf das aufgeprotzte Geschütz, da die Patrone und damit die beladene
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
Protze für
die gröfsere
349
Mündungsgeschwindigkeit
schwerer
wird.
Es findet dies in folgender Gegenüberstellung zahlenmässigen Ausdruck, wobei angenommen wird , dafs bei beiden Geschützen die in der Protze mitzuführende Schufszahl gleich, Laffetenbeanspruchung und Rücklaufsgeschwindigkeit der Geschütze ungefähr gleich sind : Geschofsgewicht
6,35 kg m 500
Mündigungsgeschwindigkeit Patronengewicht
8
6,35 kg 560 m 8,4
kg
Gewicht des abgeprotzten Geschützes 880
kg 1000
Gewicht des aufgeprotzten Geschützes 1680
kg 1820
kg
kg kg
Über die ballistischen Verhältnisse der beiden in Rede stehenden. 7,5 cm Geschütze giebt die nachstehende Tabelle Auskunft.
Ballistische Verhältnisse zweier 7,5 cm Geschütze mit gleichem Geschofsgewicht, aber verschiedenen Mündungsgeschwindigkeiten. Nr.
II.
I.
1 Seelenweite mm
75
2 Geschofsgewicht kg
75
6,35
6,35
143
4 Mündungsarbeit mt
81
101
Grad u. CotanMin. gente
Fallwinkel
Grad u. Cotan- Bemerkungen gente Min.
6
0
500
82
8
560
7
1000
385
1º 37'
18
35
429
1° 17'
44
8
2000
319
4º 25'
03
828
m
Fallwinkel
Geschwindigkeit
143
Geschwindigkeit
3 Querdichte g auf 1 qom
5 Entfernung
IV.
III.
341
3º 42'
15
9
3000
282
8° 23'
296
7° 18'
13
Die
Cotan-
gente giebt den bestrichenen
10
4000
254
13 ° 24'
11
5000
283
19° 47'
6,8
7,8
Raum für
die Längeneinheit an.
4,2
265
11 ° 55'
4,7
2,8
241
17° 48'
3,1
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
350
Feuergeschwindigkeit , Trefffähigkeit und Wirkung. Die Schiefsversuche Aufstellung
das
haben ergeben, dafs auch bei ungünstiger
einzelne Geschütz in gut gezieltem Schnellfeuer
5 bis 6 Schrapnelschüsse
in
der Minute
abzugeben
imstande ist
und dafs die Feuergeschwindigkeit bei günstiger Aufstellung auf mehr als 8 Schufs und im Kartätschfeuer gar auf das Doppelte dieser Zahl zu steigern ist. Um wieviel die Trefffähigkeit unter der Feuergeschwindigkeit bei einzelnen Schiefsen gelitten hat, geht aus Schiefsversuchen hervor. Für die mittleren Streuungen beträgt der Unterschied zwischen langsamem Feuer und Schnellfeuer (von 6 bis 7 Schufs in der Minute)
bei
einem Versuch ungefähr 10 % nach
der Höhe . Die verschiedenen, im Schnellfeuer ausgeführten Trefffähigkeitsversuche haben praktisch bewiesen, was auf Grund theoretischer
Erwägungen
zu
erwarten
war,
nämlich,
daſs
eine
gesteigerte Feuergeschwindigkeit im allgemeinen eine Verminderung der Trefffähigkeit im Gefolge hat. Sie können daher als Warnung vor zu schnellem Schiefsen dienen und lassen erkennen, dafs es fehlerhaft ist, die in der Zeiteinheit erreichbare Schufszahl ohne weiteres zum Vergleichsmafsstab Schnellfeuer-Feldgeschützen zu machen.
für Dafs
die
Beurteilung von
übrigens
auch
die
im Schnellfeuer erschossenen Trefffähigkeitswerte an sich betrachtet recht gute sind, geht aus zahlreichen Versuchen hervor. Viele Wirkungsschiefsen mit Brennzündern gegen feldmässige Ziele sind von der Fabrik unter den verschiedensten Verhältnissen ausgeführt worden . Die im Schnellfeuer ausgeführten Wirkungsschiefsen geben interessante Anhaltspunkte darüber, was unter Friedensverhältnissen durch gesteigerte Feuergeschwindigkeit in kurzer Zeit zu erreichen ist.
Diese Betrachtung ist um so wichtiger,
als es im Kriege meist nicht so sehr darauf ankommt, „ eine unbegrenzt grofse als vielmehr in sehr kurzer Zeit eine genügend grofse Wirkung" zu erlangen. Die Anlagen zum Schiefsbericht 89 . Die zahlreichen Anlagen enthalten die Beläge für die im Text niedergelegten Erfahrungen und Ansichten . Die ersten 8 Anlagen haben Bezug auf die Laffe ten , deren Verhalten beim Schuss, wie den Einfluss der besonderen Einrichtung auf die Trefffähigkeit.
auf
In Anlage 1 finden sich Schiefsversuche mit Schnellfeuer-Feldgeschützen mit Rohrrücklauf. vor:
5,7 cm L/30 ,
6,5 cm L/35 ,
Es kommen hier folgende Kaliber 7,5 cm L/28 und L/30,
8,4 cm
L/25, 8 cm L/ 29 und L/30. Die Mündungsgeschwindigkeiten gehen von 450 bis 570 m, vorwiegend sind sie 500 und mehr. Der Rohr-
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
351
rücklauf erfolgt meist in der Richtung der Seelenachse unter Flüssig keitsdruck , Vorlauf durch Federn oder äufseren Luftdruck. Brems mittel ist meist der starre Sporn , auch Radreifenbremse und Nabenbremse. Ein 6,5 cm L/35 und ein 8 cm L/29 haben 18 Kaliber langen Rohrrücklauf, suchszwecken gewähltes Mafs.
ein
ungewöhnliches,
nur zu Ver
Auf ebenem Boden hatte der 6,5 cm
L/35 bei jedem Schufs einen Laffetenrücklauf von 8 cm, auch sprang die Laffete vorn 10 m hoch und 2 cm nach links, Beim Feuern auf einer gleichzeitig nach hinten und zur Seite geneigten Fläche wurde das Verhalten recht ungünstig und das Geschütz mufste nach jedem Schufs vorgebracht werden, wodurch sich die Zeit für 10 Schufs Schnellfeuer auf 190 Sek. erhöhte. Beim 8 cm L/29 betrug der Laffetenrücklauf bei wagerechtem Boden 30 bis 37 cm, was durch die Elastizität des Bodens fast ganz wieder aufgehoben wurde . Die Räder drangen 3 bis 4 cm , der Sporn 15 bis 18 cm in die Erde ein. Die Laffete erhob sich fast gar nicht vom Boden. Beim Schiefsen auf einem um 80 nach hinten geneigten Abhang betrug der Laffetenrücklauf etwa 90 cm, sowohl bei 500 m als bei 520 m Mündungsgeschwindigkeit. Der Sporn drang etwa 4 cm ein, die Laffete sprang gar nicht. Die gemessenen Rohrrückläufe schwankten zwischen 16 und 17 , Kalibern. Bei gröfseren Erhöhungen als 100 reichte der Luftdruck nicht mehr aus, das Rohr vollständig in seine ursprüngliche Lage zurückzuführen . Der Rohrrücklauf bei den übrigen Geschützen betrug 1,5 bis 4 Kaliber.
Bei Anwendung von
Bremsen betrug der Laffetenrücklauf je nach dem Boden 3 bis 5,8 m, in einem andern Falle 1,8 bis 2 m auf den Schufs, bei den übrigen Geschützen, die einen Sporn hatten, war der Laffetenrücklauf un bedeutend. Die Anlage 2 behandelt eine 7,5 cm Schnellfeuerkanone L/30 mit steigendem Rohrrücklauf. Derselbe geht hier nicht in der Richtung der Seelenachse, sondern in einem Winkel zu ihr vor sich, der unter 20⁰ zur Wagerechten nach vorne geneigt ist. Diese Neigung dient zum Vorbringen des Rohres und ist mit Absicht grofs gewählt worden, um auch bei tief eingegrabenem Laffetenschwanz nicht ganz verloren zu gehen . Ausserdem ist noch eine leichte Vor bringefeder angebracht. Es wurden 2 verschiedene Laffeten-Kon struktionen, die eine mit Sporn, die andere mit Achsspaten versucht, für 2 verschieden schwere Geschosse : 6,5 kg mit 450 m und 6 kg mit 500 m Anfangsgeschwindigkeit, und zwar auf 1000 und 2000 m. Der Gesamtrücklauf ist beim Sporn wesentlich geringer als bei Achs spaten, dagegen verhält sich die Eindringungstiefe des Sporns bezw. Laffetenschwanzes umgekehrt. Die Zeit des Schnellfeuers für
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
352
10 Schufs ist in den meisten Fällen bei Achsspaten geringer als beim Sporn. Hinsichtlich der Höhen- und Breitenstreuung ist das Verhältnis für beide Hemmmittel wechselnd. Interessant ist auch Anlage 3 hinsichtlich des Verhaltens der Stauchlaffeten. Bei einer solchen von 7,5 cm L/28 mit Schraubenfeder für Rück- und Vorlauf war die beim Rücklauf aufgespeicherte Kraft so grofs, dafs nach 5 Schufs auf wagerechtem nassen Sandboden das Geschütz 14 cm vorgerückt war. Auf wagerechtem Haideboden betrug bei einer Laffete der Gesamtrücklauf nach 10 Schufs 6 cm. Die weiteren Anlagen ( 4-8) über Rücklauf und Eindringungstiefen müssen wir als zu weit führend übergehen. Wir finden weiter Versuche zur Ermittelung der Zugkraft, Fahrversuche
mit
Kruppschen
nicht
federnden
Protzen, beladen
mit schufsfertigen Metallpatronen (verbundener Munition ) , Vergleichs-Versuche über Treffähigkeit bei verbundener und bei getrennter Munition , Vergleich von Kartätsch- und von Schrapnelwirkung, Sprengversuche mit Sprenggranaten, Versuche, die auf die Kugelfüllung von Schrapnels Bezug haben , Schrapnelwirkung mit Aufschlagzünder, Schiefsversuche mit Stahlschrapnels gegen Mauerüber Brennlängen- Streuungen, Schiefsversuche mit getrennter und mit verbundener Munition zur Feststellung des Einflusses des Geschofsgewichts auf Treffähigkeit und der FeuerDie Treffähigkeitsversuche unter geschwindigkeit auf letztere .
ziele, Versuche
verschiedenen Voraussetzungen z. B. zur Ermittelung des Einflusses der Oberlaffete und des Sporns, sind Gegenstand weiterer Anlagen , wobei als neues Kriterium auch das Produkt der mittleren Längenund Breitenstreuungen vorkommt. Es folgen dann Schrapnel- Wirkungsschiefsen mit Brennzünder gegen Schützenlinien, gegen Kolonnenziele von geringer Tiefe, gegen feldmäfsige Ziele verschiedener Art, endlich Angaben über Kruppsche Schnellfeuer-Feldgeschütze nach ihren in Hauptgewichten und Abmessungen und ballistischen Werten tabellarischer Form, deren Wiedergabe wir uns für eine andere Gelegenheit vorbehalten . Die letzten Anlagen enthalten Schufstafeln für die leichte 7 cm Schnelllade-Feldkanone L/26, 7,5 cm L/28/30. schwere 7,5 cm L/ 26/30, 7,6 cm L/29 und 7,8 cm L/28. Diese Belegstücke , auf die noch näher einzugehen uns versagt bleibt, enthalten für den Artilleristen eine Unsumme belehrenden
Materials. Die Anlage der Versuche ist eine der Wirklichkeit und Feldmässigkeit entsprechende, so daſs auch der Taktiker reichen Stoff zu nutzbringenden Betrachtungen findet.
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
353
2. Deutschland. Nachdem
bereits
Ende
Februar
1898
die
Änderungen
des
Exerzier-Reglements und der Schiefsvorschrift, bedingt durch das Feldartillerie-Material C/96, veröffentlicht worden waren, sind neuerdings auch die Einzelheiten der Konstruktion freigegeben worden , wie die Veröffentlichungen über das Material C/ 96 von Wernigk und Zwenger¹ ) beweisen . Es steht dies im Zusammenhang mit dem zum 1. April 1899 bevorstehenden Abschlusse der Bewaffnung der gesamten Feldartillerie 1. Linie mit dem neuen Material. Die Veröffentlichungen bewegen sich lediglich im Rahmen des Bedürfnisses für den Unterricht des Kanoniers bezw. Einjährig-Freiwilligen etc. der Feldartillerie . Eine vollständige Freigabe der Konstruktionsverhältnisse ist darin nicht eingeschlossen. Der Entwurf betreffend die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres verleiht der seit längerer Zeit herrschenden Annahme von demnächstiger Einstellung von Wurfgeschützen in die Feldartillerie die Bestätigung. Es ist davon die Rede, dafs es beabsichtigt sei, zur erfolgreichen Bekämpfung befestigter Stellungen, in denen feindliche Heere uns im Felde voraussichtlich entgegentreten werden, und zur wesentlichen Erhöhung der Wirkung der Flachbahngeschütze an den entscheidenden Punkten überhaupt, die Feldartillerie durch eine Anzahl von Haubitz batterien zu verstärken . Es soll jedes erhalten ,
Armeekorps die
eine Abteilung von
Bewaffnung
wird
drei
Haubitzbatterien
aber erst mit der vollständigen
Durchführung der Neubildung der Feldartillerie 1900 oder 1901 zu erwarten sein. Daneben bleiben die Haubitzbatterien der bespannten Fufsartillerie
bestehen, wie
dies
auch die demnächstige
Aufstellung von 2 weiteren Bespannungs- Abteilungen beweist (die Gesamtzahl der letzteren wird dann 8 sein) . Während diese das Kaliber von 15 cm haben, nimmt man für die
eigentlichen Feld-
haubitzen ein Kaliber von 10,5 cm an, analog dem seit einer Reihe von Jahren bei der Marine vertretenen, welches das 12 cm verdrängt hat.
Das Geschofsgewicht würde 18 kg betragen, als Geschosse
Schrapnels und Sprenggranaten mit Doppelzünder. Die Einrichtung von Geschütz und Munition schliefst sich derjenigen von C/ 96 an, die Rücklaufbeseitigung macht
infolge
des verringerten Ladungs-
verhältnisses und der gröfseren Erhöhungswinkel, welche den Boden1 ) Wernigk : „ Das Feldartillerie-Material C/96". Nachtrag zum Handbuch für die Einjährig-Freiwilligen sowie für die Reserve- und Landwehr-Offiziere der Feldartillerie. (E. S. Mittler u. Sohn.) Zwenger : „ Das Feldartillerie - Material C/ 96. " Nachtrag zu Batsch' Leitfaden. 28. Auflage. (Liebelsche Buchhandlung.)
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
354
weniger Schwierigkeiten
druck des Laffetenschwanzes vermehren ,
als es bei Flachbahngeschützen der Fall ist, um so weniger, als das Haubitz- Schnellfeuer nur eine untergeordnete Rolle spielt. In der Dezember- Umschau hatten wir Mitteilungen aus dem I. Teil des : Leitfaden für den Unterricht in der Artillerie an Bord des Artillerieschulschiffes.
I. Teil.
Material" , von Kapitänleutnant
Schrader (Verlag der k. Hofbuchhandlung
von E. S. Mittler u.
Sohn in Berlin) gegeben , die wir hier fortsetzen. Das Kapitel „ Schnellfeuerwaffen" teilt diese in 4 Gruppen : 1. Schnellfeuergewehre,
ein- oder mehrläufige Waffen vom Gewehr-
kaliber, deren Mechanismus die Abgabe von Schnellfeuer gestattet . 2. Mehrläufige Schnelladekanonen. 4. Maschinenkanonen .
3. Einläufige Schnelladekanonen .
Als neuere Maschinengewehre werden aufgeführt : a) Das Gatling - Maschinengewehr seit 1860. kommt 6- , 8- und 10-läufig vor, Kaliber
11,4 uud
Dasselbe
16,5 mm.
Die
Rohre sind kreisförmig angeordnet, der bei der Drehung jedesmal zu unterst befindliche Lauf feuert ab. Sie sind eingeführt in NordAmerika, Rufsland, Türkei, England, Spanien etc. b) Das Gardener Maschinengewehr , 1-, 2- und 5 -läufig, Läufe parallel nebeneinander, Kaliber 11,4 mm. Abfeuern und Wiederladen durch Drehung einer Kurbel. Marine eingeführt.
1881 für die
englische
c ) Das Nordenfelt - Maschinengewehr, 1-, 2-, 3-, 5-, 7- , 10und 12 -läufig. Läufe parallel nebeneinander, Kaliber 11,4 mm. Abfeuern und Wiederladen durch Hin- und Herbewegung eines horizontalen Hebels . Eingeführt in England (bis 5läufig ) und Österreich (bis 10läufig ). d ) Das Maxim - Maschinengewehr, einläufig, Kaliber 11,4 , 8 mm u. a. Bezeichnend ist die Nutzbarmachung des Rückstofses zum Wiederladen und zur Unterhaltung eines kontinuierlichen Feuers . Dasselbe verdrängt alle früheren Maschinengewehre. Marine hat das 8 mm Maschinengewehr .
Die deutsche
Die mehrläufigen Schnellade kanonen sind im Aussterben begriffen. Es werden aufgeführt : a) System Nordenfelt , Läufe nebeneinander, Blockverschlufs mit Hebel . Kaliber 25,4 mm. Eingeführt in England, Rufsland, Italien etc. b) Hotchkifs - Revolverkanone.
5 Läufe
kreisförmig
an-
geordnet, feuern nacheinander ab, jedesmal in der rechten unteren Stellung. Kaliber 37, 47 und 53 mm . Eingeführt in Deutschland, Frankreich, Nord-Amerika, Dänemark, Österreich, Rufsland .
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
355
Die einläufigen Schnella dekanonen haben Rohrlängen von 30 bis 50 Kaliber, grofse Anfangsgeschwindigkeiten (nicht unter 600 m), mittelschwere Geschosse . In allen Marinen werden Kanonen bis 16 cm Kaliber nur noch als Schnellladekanonen angefertigt. In England gehen solche bis 20,3 cm, in Deutschland und Österreich bis 24 cm. Bis 12 cm, höchstens 15 cm werden Geschofs und Ladung verbunden, die fertige Patrone erreicht hier bei 40 kg Gewicht der Granate Als L/3,2 ein Gewicht von 56,2 kg, eine Länge von 1,255 m. Verschlüsse Die Ladung wird nur rauchloses Pulver verwendet. sind : 1. Quer- ( Keil- ) Verschlüsse. 2. Längs- ( Schrauben- ) Verschlüsse. Bei 1. unterscheidet man : a) vertikale (auch Blockverschlüsse), für leichtere Kaliber bis 7,5 cm, b) horizontale , wie Krupp für alle Kaliber, Skoda für 7,5 cm . Von vertikalen , senkrecht geführten Keilverschlüssen werden genannt a) Hotchkifs - Verschlufs , in England , Frankreich, Russland, Italien, Nord-Amerika für kleine Kaliber. b) SkodaVerschlufs , in Österreich für Marine- und Festungsartillerie bei 3,7 cm, 4,7 cm, 6,6 cm und 7,5 cm Rohren. c) Gruson - Verschlufs für 5,3 cm Schnellade-Kanonen L/24 der deutschen und anderer Armeen . Vertikale umlegbare Keilverschlüsse sind a ) der Nordenfelt-Verschlufs für kleinere Kaliber, in England, Italien , Rufsland etc. b ) der Driggs - Schröder - Verschlufs für 5,7 cm, in der Marine von Nord - Amerika .
3,7 cm,
4,7
cm,
Die horizontalen Keilverschlüsse von Krupp zerfallen in 2 Klassen : Ältere für 5 cm, 8,8 cm, 10,5 cm und 15 cm, neuere für 15 cm, 21 cm und 24 cm Schnellade-Kanonen L/ 40. Von Schrauben - Verschlüssen werden genannt : Der CanetVerschlufs in Frankreich für mittlere Kaliber 10 cm, 14 cm, 16 cm , in Ruſsland für 7,5 cm, 12 cm und 15 cm.
Der Verschlufs
hat eine Verschluſsthür ; der Armstrong - Verschlufs mit konischer Verschlufsschraube und Konsole, in England und Italien für 4'' , 4,7 '' , und 6 '' Schnelllade-Kanonen ; eine Verbesserung ist der Elswick-Verschluſs ; der Dashiell - Verschlufs mit Verschlufsthüre , in NordAmerika für 10 cm, 12,5 cm und 15 cm Schnellade-Kanonen ; der Kruppsche Schraubenverschlufs nach
dem
der Welin-Schraube mit 8 Sektoren, darunter 2 glatten. der nächsten Umschau.
Prinzip
( Schluſs in
Manches Interessante ist aus dem Bereich der deutschen PrivatIndustrie zu vermelden. Seitens Argentiniens , das seine Bewaffnung erneuert und ergänzt, ist der Oberst Ricchieri , Generalstabschef, in Europa, um sich über die Märkte der Kriegs-Industrie
356
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
zu informieren.
Er hat die Bedingungen des deutschen Marktes
vorteilhaft befunden,
so
dafs er noch über die Aufträge der Regierung
hinausgehen konnte, ohne den Kostenanschlag derselben nur zu er reichen.
An
Geschützmaterial wurden bei Krupp in Essen
36 vollständige Feldbatterien,
davon
30 mit Schnellfeuerkanonen,
6 mit Schnellfeuerhaubitzen , aufserdem 18 Schnellfeuer- Gebirgsbat terien, alles mit Fahrzeugen, voller Ausrüstung und Munition bestellt, sowie 12
Stück grofskalibrige Küsten-Haubitzen.
Die
,, Deutschen
Waffen- und Munitionsfabriken" (Berlin-Karlsruhe) erhielten in Auftrag 40000 Mausergewehre C/91 , 20000 Karabiner desgl., mit 30 Mil lionen
Patronen ,
10000
Revolver,
50
Maxim- Maschinengewehre.
Bestellt ist ferner bei Krupp aufser Ergänzungsmaterial und Munition zu älteren Geschützen noch das Material für eine schmalspurige sogenannte Feldbahn für 400 km Strecke mit 10 Lokomotiven und 110 Wagen. - Bulgarien neigte zeitweise aus politischen und finanziellen Gründen zu Frankreich. 1897 ging ein erheblicher Auf trag dahin, ohne dafs bis heute ein Geschütz abgeliefert wäre . Für die Gebirgsgeschütze ist noch nicht einmal ein brauchbares Modell hergestellt und von den grofsen Kalibern sind nur zwei 15 cm Hau bitzen
zum Versuche gekommen,
Fehler zurückgewiesen sein.
doch sollen
auch
diese
wegen
Die bulgarische Regierung hatte vor
sichtigerweise zuerst die Anfertigung von Modellgeschützen verlangt . Gleichzeitig mit dem nach Frankreich gegebenen Geschützauftrag war ein noch umfangreicherer an die Firma Krupp in Essen gegangen. Die von uns schon öfter erwähnten 7,5 cm Schnellfeuer - Ge birgsgeschütze , welche Krupp an Spanien geliefert hatte, wurden nach kurzer Prüfung in Europa nach Kuba gesandt, um gegen die Aufständischen Verwendung zu finden. Liegt über diese nichts Ausführliches vor, so ist doch ein Bericht über die Leistungen der beiden einzigen in Santiago de Cuba gegen die Amerikaner im Feuer gestandenen Geschütze der Art bekannt geworden. (Memorial de Artilleria Nov. 1898. ) Bei einer der zahlreichen Unternehmungen, an denen der Zug teilnahm, vermochte amerikanische Kolonne
eines
der
Geschütze eine
abzuhalten und ihr grofse Verluste
beizu
bringen. Das andere Geschütz wurde gegen einen Beobachtungs ballon gerichtet, in welchen es auf 1250 m einen Treffer brachte, so dafs er bald sank. Alsdann wurde die Batterie beschossen , welcher der Ballon gedient hatte,
und der Zug erreichte durch ein sicheres
Einschiefsen unter Verwendung von Schrapnels, dafs die Batterie ihr Feuer sofort einstellte. Eine Reihe von Firmen der Kriegs - Industrie , insbesondere die Pulver-, Sprengstoff- und Munitionsfabriken haben sich vereinigt,
Umschau auf militärtechnischem Gebiet. um
eine
Centralstelle
für
357
wissenschaftlich - technische
Untersuchungen ins Leben zu rufen.
Als Beweggrund wird das
Interesse für die Vervollkommnung der Produkte und die auf wissen schaftlicher Grundlage erfolgende Weiterentwickelung der betreffenden Institute angegeben. Hierher zählen u . a. die Vereinigten Köln Rottweiler Pulverfabriken, Deutsche Waffen- und Munitionsfabrik ( Berlin und Karlsruhe ), Waffenfabrik Mauser in Oberndorf a/N., Pulverfabrik Wolff & Co. in Walsrode ,
Cramer & Buchholz in Rön
sahl und Rübeland, Dynamit-Aktien-Gesellschaft vormals Alfred Nobel in Hamburg, Dynamitfabriken in Opladen und in Dresden, Spreng stoff- Aktiengesellschaften in Köln a/Rh. und Hamburg. Die Central stelle soll ähnliche Arbeiten ausführen, wie für das Kriegsministerium die Artillerie- und Militär-Versuchsamt.
die Gewehr-Prüfungs-Kommissionen und das Laboratorien sind bei Kohlhasenbrück auf der
Eule eingerichtet, aufserdem sollen hier grofse Laboratorien auf einem vom Forstfiskus zu erpachtenden Terrain eingerichtet werden. Die Pulverfabrik von Max v. Förster bei Königswusterhausen wurde er worben, um Versuchswerkstätten einzurichten, anschliefsend hieran ein gröfseres Landstück, um als Schiefsplatz zu dienen. Der frühere Leiter des Militär-Versuchsamts und bekannte Chemiker Professor Dr. Will , hat die Leitung
der Centralstelle
übernommen
und ist
zugleich Vorstand der chemischen Abteilung, während die physi kalisch-metallurgische Abteilung durch den Professor Stribeck (früher Dozent des Maschinen-Ingenieurwesens an der technischen Hochschule in Dresden ) geleitet wird. Vorsitzender des Kuratoriums ist Geh. Kommerzienrat v. Duttenhofer Oberst a . D. Castenholz (Karlsruhe).
( Rottweil), Stellvertreter Die beteiligten Gesell
schaften senden an die Centralstelle ihre Versuchs- Ergebnisse ein, die hier gesichtet und verarbeitet werden und demnächst zur praktischen Verwertung denjenigen beteiligten Fabriken zugehen , welchen die Kenntnis für ihre Fabrikation notwendig ist. lichen und technischen
Untersuchungen
Durch die wissenschaft
sollen
die
teilnehmenden
Fabriken noch mehr als bisher befähigt werden, sich in den Dienst der Heeresverwaltung zu stellen und hierdurch an der Steigerung der Wehrkraft des Vaterlandes mitzuarbeiten . Auch hofft man auf diesem Wege erweitern.
das Absatzgebiet im Auslande
mehr und mehr
zu
Die bekannte Dreyse'sche Gewehrfabrik in Sömmerda ist Ende 1898 in die Hände einer Aktiengesellschaft übergegangen und soll künftig unter der Firma : Munitions- und Waffen fabriken Sömmerda , vormals v. Dreyse , betrieben werden . An der Geheime Baurat der Gründung der Gesellschaft ist u. a. Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 3.
24
Umschau auf militärte chnischem Gebiet.
358
Ehrhardt in Düsseldorf und die Rhein. Metallwaren- und Maschinen fabrik ebenda beteiligt. Allem Anschein nach handelt es sich hier um Schaffung eines Komplexes von Instituten zur Er zeugung von Kriegsmaterial zum Wettbewerb mit andern schon be stehenden Instituten. als
die Wiege des
Die Gewehrfabrik besteht seit 1841 , sie kann Zündnadelgewehrs
und
Hinterladungsgewehrs betrachtet werden.
damit
des
modernen
Der Begründer Nikolaus
v. Dreyse überlebte die Zeit nicht lange,
zu welcher die Erfolge
des seiner Erfindungsgabe zu dankenden Zündnadelgewehrs 1864 und 1866 seinem Namen einen Weltruf verschafft hatten . Er starb am 9. Dezember 1867 im Alter von 80 Jahren. Die Fabrik ging an seinen Sohn Franz v. Dreyse über, der 2. März 1822 geboren war und vor seinem Vater, der Autodidakt war, noch den Vorzug regelrechter technischer Studien besafs . Nachdem er sich zu Leb zeiten des Vaters hauptsächlich mit der Konstruktion von Jagdwaffen beschäftigt, wandte er sich nach dessen Tode auch der Konstruktion von Kriegswaffen zu.
Allein obgleich hier sehr bemerkenswerte Er
scheinungen wie das selbstspannende Zündnadelgewehr und später seine Repetiergewehre vorlagen, ist es dem genialen Manne infolge seines verschlossenen, wenig zugänglichen Naturells doch nicht ge lungen, die Annahme einer seiner Konstruktionen durch eine grössere Macht zu bewirken . Wenn die Fabrik später auch noch Aufträge erhielt, so bezogen sich dieselben auf fremde Modelle , und sie hatte nur noch konstruktive Bedeutung in Bezug auf Jagdwaffen , sowie als Maschinenfabrik. Nach dem am 17. August 1894 erfolgten Tode des Franz v. Dreyse haben dessen Erben jetzt vorgezogen, die Fabrik fremden Händen zu überlassen. Nach den Mitteilungen des General v. Gofsler in Kommission (7.
Febr. )
hat man
vorläufig
der Budget
darauf verzichtet, ein
kleinkalibriges Gewehr einzuführen. Die jährlich verfügbaren Ersatz quoten und andere noch vorhandene Mittel werden zu der Be schaffung von Gewehren bisherigen Kalibers mit verändertem Magazin und besserer Patronenzuführung verwendet.
3. Frankreich. Die ,,France militaire" Nr. 4430 (21. Dezember 1898 ) verkündet die bevorstehende Annahme eines neuen Geschützmodells für die Kriegsschiffe. Die Versuche seien im Gange und es sei kein Zweifel, dafs sie binnen kürzester Frist zu den befriedigendsten Ergeb nissen führen würden. Der Schleier des Geheimnisses wird nur in soweit gelüftet,
als
besonders
die Kartusche
und der Verschlufs
beteiligt sein sollen und nur die Geschütze grofser Kaliber die Ver
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
besserungen
erhalten.
soll
Es
Ausrüstung der Geschütze
möglich
erheblich zu
359
werden,
die
Munitions
Ein Geschütz ,
vermehren.
welches jetzt 100 Schufs hat, soll künftig ohne Mehrbelastung der Schiffe 120 bis 125 führen können . Der Fortschritt, über den wir nähere Aufklärungen abwarten müssen, wird der geschickten Ini tiative des bürgerlichen Marineministers Lockroy und des Artillerie Direktors im Marine- Ministerium Generals Jarouhey zugeschrieben . Über das neue Feldgeschütz von 7,5 cm enthält die Revue milit. suisse" vom Januar eine kleine Abhandlung. Wir entnehmen derselben zur Ergänzung früherer Angaben folgendes. Das Rohr von Nickelstahl hat einen Schraubenverschlufs , die Laffete System Darmancier (Werke von St. Chamond ) hat eine hydro -pneuma tische Bremse mit Gegenfeder, die mit dem Luftdruck zusammen die Rückkehr in die Feuerstellung bewirkt . Der Kanonier auf dem Laffetensitz links handhabt den Verschlufs und besorgt die Ladung, der Kanonier rechts richtet und feuert ab. Der Schild soll einem Mantelgeschofs von 15 g mit 600 m Geschwindigkeit widerstehen. Das Rohr liegt in einer Wiege, die um eine senkrechte Achse dreh bar ist. Der Munitionswagen hat auf der feindwärtigen Seite einen Stahlschild, um den Kanonier, welcher das Geschofs entnimmt und den Zünder einstellt, zu sichern . Anderweite Angaben über das Geschütz C /97 finden sich in der Italia militare e marina " Nr. 16 ( 1899) . einer Korrespondenz aus Lyon entstammend und im ganzen den Eindruck haftigkeit machend .
Das
Rohr vom
Kaliber
7,5
cm
der
Glaub
ist
danach
2,4 m oder 32 Seelenweiten lang. 330 kg schwer (9 cm C/79 530 kg ) . Die Geschofsgeschwindigkeit wird zu 600 bis 675 m an gegeben, was unwahrscheinlich ist, gröfste Schufsweite 7000 m. Schrapnel wie Granate (von letzterer werden nur
10
% mitgeführt
gegen tote Ziele bestimmt ) wiegen jede 7 kg. Das Schrapnel hat einen Doppelzünder aus Bronze und Aluminium ; die Hülle ist aus Stahl mit inneren Längsrinnen, Kugeln aus Hartblei, Ladung in der Bodenkammer. Die Kugeln liegen in Ringen, welche gleichfalls Einkerbungen besitzen, ein raucherzeugendes Mittel ermöglicht die Beobachtung bis zu 4500 m. Die Granate hat einen Perkussions zünder.
Die Laffete gehört
schwanz ist der Sporn.
zu den
Stauchlaffeten,
am Laffeten
In den röhrenförmigen hinteren Wänden ist
die Flüssigkeits- und Luftdruckbremse eingelegt. Das feuernde Ge schütz wiegt 980 kg (gegen 1270 beim 9 cm C/79 ) . Zum Öffnen bezw. Schliefsen des Schraubenverschlusses ist nur ein Griff er forderlich, es ist eine Sicherung vorhanden, die das unbeabsichtigte Heraustreten der Schraube (déculassement ) verhindert. Zweierlei 24*
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
360
Geschützzündungen, mit Perkussion und elektrische, sind vorhanden. Das Korn kann beim Nachtschiefsen elektrisch erleuchtet werden. 4 Mann genügen zur Bedienung. Die bis 20 Schufs in der Minute, doch ist
Feuergeschwindigkeit geht eine häufigere Anwendung
dieses Tempos durch Rücksicht auf Munitionsersatz und die Erhitzung des Robres ausgeschlossen. Das Märchen von Messinggeschossen für das Lebelgewehr wird auch von der Schweiz. Artillerie-Zeitschrift (Dezember 1898 ) kolportiert, angeblich vom Militär-Wochenblatt (?) entnommen. Die Erfolge des
Untersee bootes
„ Gustave Zédé “
gegen
über dem Panzer „ Magenta " haben einem deutschen Korrespondenten den Kopf verdreht, er behauptet u. a.: „Die moderne Kriegswissenschaft besteht in der Erfindung neuer Waffen und Geschosse und den Schutzmitteln gegen dieselben " (!! ) Am Schlusse des Berichtes , der zum Glück unterm Strich steht, sieht er eine „ Umwälzung auf dem Gebiete des Seekrieges " voraus , wie gewöhnlich . Am nächsten Tage fehlte nicht der „kalte Wasserstrahl" unter dem Titel : „ Eine Um wälzung des Seekrieges in Sicht ?" Der Ursprung desselben war leicht zu erkennen. Der 99 Gustave Zédé" ist nur eine Ver besserung des 29 Gymnote ", worüber wir früher mehrfach berichtet. Der Erfinder Zédé ist inzwischen verstorben und so hat man ihm zu Ehren den „ Gymnote " umgetauft. Die Zeitung in ihrer Nr. 44 berichtet, nicht der „ Zédé ", sondern der „ Narval " vom Ingenieur Laubeuf in Cherbourg hätte beim Wettbewerb den ersten Preis erhalten.
Nach den „ Mitteilungen aus dem Gebiete des See
wesens ist die äufsere Form des „ Narval " diejenige eines Torpedo bootes, die innere Einrichtung diejenige eines Unterseebootes. Im Hinterteile ist ein Luftbehälter eingebaut,
der die Innenräume
Bootes in versenktem Zustande mit der nötigen Luft versieht.
des Der
Schornstein wird eingezogen und mit einer wasserdichten Haube ab geschlossen. Der Aussichtsschacht befindet sich im Kommandoturm . Die Bewegung bewirkt eine Dampf- oder eine Dynamo-Maschine mit 158 Akkumulatoren . Der Aktionsradius unter Wasser beträgt bei 8 Knoten Fahrt 25 Meilen , bei
5
Knoten
40
Meilen ;
auf dem
Wasser vermag das Boot bei 12 Knoten 252 Meilen, bei 8 Knoten 624 Meilen zu durchlaufen. Das Boot ist mit 4 Lanzierrohren für Fischtorpedos versehen ; die Besatzung besteht aus
11 Mann .
Die
Länge ist 34 m, Breite 3,8 m, die Wasserverdrängung 106 Tonnen. 4. Rufsland. Kürzlich verlautete von der Absicht, in Frankreich eine grössere Anleihe (275 Mill. Fres. ) zur Beschaffung neuer Feldgeschütze
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
361
aufzunehmen. Jedenfalls ist die Sache verschoben, da , wie von unterrichteter Seite versichert wird, noch weitere Versuche behufs Ermittelung einer zweckmäfsigen Konstruktion beabsichtigt werden. Um so gröfser ist für uns der Anlafs , die Ergebnisse unserer Versuche nicht preiszugeben . Nach englischen Nachrichten wird auch Rufsland künftig seine Panzerplatten nach Kruppschem Verfahren herstellen. 5. Schweiz . Der Hauptmann
der Artillerie Korrodi hat
aufsatz konstruiert, dessen
einen
Libellen-
Stange nach einem Halbmesser,
sprechend der Länge der Visierlinie,
um die Kornspitze
ent-
als Mittel-
punkt abgebogen ist. In einer entsprechend gebogenen Führung bewegt sich die Stange so, dafs gleichzeitig die Seitenverschiebung berücksichtigt wird . Eine am Aufsatz befestigte Libelle, welche im Nullpunkt parallel zur Seelenachse steht, wird dabei um den nämlichen Winkel gedreht . Dadurch kann der Aufsatz zugleich als Quadrant dienen. Ablesung und Einstellung erfolgt in beiden Fällen auf der nämlichen Skala. Die Libelle kann am Aufsatz unabhängig von der Aufsatzstellung gedreht werden, um die Aufsatzstellung vom Geländewinkel unabhängig zu machen. Die Konstruktion ist patentiert. Die Grund-Idee ist verwandt mit derjenigen des RichtbogenAufsatzes C/96. Die 5,3 cm Schnellladekanone in versenkbarer und fahrbarer Panzerlaffete hat 1,87 kg schwere Granaten und Schrapnels und 1,72 kg schwere Kartätschen. Mit einer Ladung von 150 g Weilspulver werden 445 m Geschofsgeschwindigkeit erreicht. Der Aufsatz reicht his 3000 m, wo noch 185 m Endgeschwindigkeit sind. Eine neue Schufstafel ist durch den Chef der Versuchsstation, Oberst Roth, ausgearbeitet. Das schweiz. Militär- Departement hat in Thun eine Kommission zur Prüfung von Selbstlade-Pistolen bestellt. Man hat solche von Bergmann, Mauser, Borchardt-Lueger und Mannlicher, sowie eine halbselbstthätige Pistole von G. Roth geprüft.
Sie haben sämtlich einen
hohen Grad von Vervollkommnung bei grofser Leistung gezeigt. einzelne ergaben Geschwindigkeiten über 400 m bei 5,5 g Geschofsgewicht.
Im Laufe von 1899 soll entschieden werden,
ob man für '
die Berittenen das Modell einer selbstthätigen Pistole annehmen kann oder ob man auch für diese den kleinkalibrigen Revolver zur Ordonnanzwaffe erklären soll. (Schw. Z. f. A. u . G. Nr. 12.) 6. Grofsbritannien. Die Engländer führten bei
ihren Unternehmungen im
Sudan
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
362
7.5 cm Schnellfeuer - Gebirgsgeschütze mit Rohrrücklauf von höchstens 35 cm, Schraubenverschlufs, 91,1 cm Rohrlänge , 25 Kalibern Drallänge, Vas 280 m. Geschosse sind Schrapnels mit Kruppschem Doppelzünder, Granaten und Kartätschen. Die Laffete hat Hemmtau und Sporn.
Schrapnel und Granate wiegen 5,67, Kartätschen 6.8 kg.
Beim Transport sind die Patronen in Blechröhren gelagert, deren 3 in einem Blechrahmen zusammengefasst werden. Es sollen im gezielten Schnellfeuer möglich sein.
7,
im ungezielten
10 Schufs in der Minute
( Schw. Z. f. A. u . G. Nr. 11 u. Kriegstechn. Zeitschr. II 1899. ) Die Erfolge der mit Lyddit¹ ) geladenen Hohlgeschosse, die aus Haubitzen gegen die Citadelle von Omdurman verfeuert wurden, waren aufserordentlich . Es handelte sich um altes solides Mauerwerk von 4 Fufs Stärke , mit Material hergestellt, das bei der Nicderlegung von Khartum gewonnen war. Die Batterie hatte 12.7 cm Haubitzen mit einem Geschofsgewicht von 22,7 kg die Geschütze wurden durch Maultiere gezogen, solche trugen auch die Munition . (Belg. mil . 4. Dezbr. 1898. ) Die grofsen Panzerwerke
haben
sämtlich
das Kruppsche
Patent erworben und findet die Herstellung der Platten künftig nur nach diesem Verfahren statt. Es waren dazu ganz neue Anlagen notwendig, die nunmehr vollendet sind. (Nach der 99 Times"). Die Gesellschaft Maxim hat als leichteste Waffe ein Maschinen gewehr von 12 kg, zum Schiefsen kommt es auf einen Dreifuss, der 7 kg wiegt. Das Dreirad - Tandem für 2 Radfahrer ist mit 2 entsprechenden Maschinengewehren ausgestattet. Das Tandem wiegt 55 kg, 2 Gewehre 25 kg, 2 Dreifüfse (mit Ersatzstücken ) 24 kg, Schiefsbedarf von 1000 Patronen 41 kg, Gesamtgewicht 145 kg . Der Apparat ist zu schwerfällig, um aufserhalb guter Strafsen ge braucht zu werden ; gelassen.
zur
Erleichterung wurde das Kühlrohr weg (Rev. d'art. Juli 1898.)
7. Nordamerika. Die Organe der Presse, auch das Fachblatt 99 The Army and Navy Journal " nahmen nach dortiger Sitte vor kurzem den Mund sehr voll hinsichtlich des Szölligen Geschützes System Gat ling, das aus einem Block in Gufsstahl hergestellt sei. Sein Ver fahren, so weissagte das Fachblatt, werde eine Ersparnis von 50 % gegenüber den bisherigen künstlichen Metallkonstruktionen ergeben . Bei einem Kaliber von 20,3 cm wiegt das gesamte Geschütz 27000 kg, 1) Der Grundstoff von Lyddit ist reine Pikrinsäure.
Umschau auf militärtechnischem Gebiet. die Länge des Rohres ist 34,5 cm. des Geschofsaustritts
363
Der Gasdruck beträgt im Moment
17236 kg, so nach der Wiedergabe in der
Rev. d'artill . Juli 1898 " . schütz einen Druck von
Nach anderen Mitteilungen soll das Ge37000 Pfund auf den Quadratzoll
2604 kg auf den qcm oder 2530 Atmosphären aushalten, was noch in bekannte Grenzen fällt, während 17236 kg ganz undenkbar sind und nur einer Übertragung der Pfund in kg entspringt, ohne gleichzeitig Quadratzoll in qcm verwandelt zu haben. Die Erprobung in Sandy Hook Ende 1898 vor dem Chef der Armee,
General Miles
soll diesen mit Bewunderung erfüllt haben . Der Kongrefs bewilligte 40000 Doll. za den Versuchen. Es waren damals erst 6 Schufs abgefeuert, im ganzen sollte es
auf 300 kommen,
mit öfterer Ver-
stärkung der Ladung. Das Geheimnis soll in der Legierung des Stahls bestehen, das Rohr wird nach der Bohrung einer Erhitzung bis 2000 Grad F. auf der Aufsenseite ausgesetzt, gleichzeitig ein Kältestrom durch die Bohrung durchgelassen . (W. M. Z. Nr. 45.) Jetzt kommt nun der hinkende Bote nach, das Rohr ist in Sandy Hook Anfang Januar schon bei normalem Gasdruck von 2500 Atmosphären mit dem 15. Schufs gesprungen. Ein neuer Humbug,
den
die Wiener
Militär-Zeitung" Nr. 46
(31. Dezbr. 1898) verbreitet, sind Geschütze aus Aluminium .
Ein
Artillerieoberst Spencer wird genannt, in dessen Gegenwart Versuche mit einem solchen stattgefunden haben sollen .
Dem Aluminium
sei
die Härte und Festigkeit des Stahls erteilt worden. Das 0,75 m lange Rohr vom Kaliber 7,5 cm habe den Druck einer Ladung von 450 g Pulver ausgehalten, trotzdem die Wandstärke nur 6 mm betragen habe . Das Rohr habe nur 63 kg gewogen ; die amerikanische Regierung interessiere sich lebhaft für die Erfindung und habe ein gröfseres Probegeschütz bestellt. Natürlich wird wieder ein vollständiger Umschwung der Feldartillerie geweissagt. Wenn die amerikanische Regierung darauf hereinfällt, wird es ihr gehen , mit der Gatlingkanone .
wie
Nach einer New-Yorker Mitteilung im Armeeblatt Nr. 2 ( 1899 ), beabsichtigt die Carnegie- Kompagnie die Gründung eines RiesenEtablissements zur Herstellung von Geschützen und Gewehren. Unweit ihrer grofsen Panzerfabrik bei Homestead soll ein Terrain 1 von 37 Acres bereits angekauft sein und sollen die Dimensionen der Fabrik selbst die Kruppschen Werke in Essen übertreffen. Vorderhand bleibt die Anlage auf 4 riesige Gebäude und 3000 Arbeiter beschränkt (hat also noch gute Wege !). Ein 16zölliges (40,6 cm ) Küstengeschütz wurde neuerdings konstruiert, das zur Verteidigung des Hafens von New-York bestimmt
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
364
ist.
Nach der „ Revue d'artill. " Sept. 1898 wiegt das Rohr
die
Länge ist
126 t,
14,9 m gleich 37 Kaliber, das Geschofs wiegt 1057 kg, die Tragweite bei einer Ladung von 450 kg soll 25,5 km betragen . Das Rohr allein kostet 625000 Fr., Laffete mit Turm . und Untermauerung 1500000 Fr. , jeder Schufs 10000 Fr. 8. Brasilien. Von einer 15 cm Schnellfeuerkanone System Krupp hatte die Regierung eine gewisse Anzahl bestellt, um die Werke, welche den Zugang zur Bucht von Rio de Janeiro bestreichen, damit zu bewaffnen . Eine Abnahme -Kommission unter dem Vorsitz des Obersten de Medeiros wohnte Meppen bei.
den Schiefsversuchen
mit dem
Geschütz
in
Nach dem Bericht der Kommission bringt eine dortige
militär-technische Revue einen Bericht über die vorzüglichsten Ergebnisse der Versuche, welche im März 1898 mit 2 Geschützen der Art stattgefunden haben.
Das Rohr ist 40 Kaliber lang, das Gewicht
desselben mit
ist 4575 kg.
Verschlufs
2 Reihen statt.
Die
Versuche fanden
in
Die erste Reihe von 4 Schufs geschah mit gewöhn-
lichen Granaten von 45 kg Gewicht mit Ladungen von Würfelpulver C/93 (720 X 15/6 ), die zwischen 6,5 kg und 8,2 kg schwankten. Die zweite Reihe von 5 Schufs mit Granaten L/3,7 von 45,5 kg geschah mit Würfelpulver C/89 ( 10 a 10 à 5 ) ; die beiden ersten Schüsse dienten zur Feststellung der Ladung für v。 = 630 m, die 3 anderen zur Aufstellung der Schufstafel. Man benutzte den Apparat Leboulenge mit Scheibenrahmen
auf 50
m
und
110 m und zur
Die Ergebnisse der zweiten
.der Nr Schüsse
Gasdruckmessung den Crusher-Apparat. Versuchsreihe folgen hierunter.
GeschofsErSchufs- RechtsRücklauf Gasabder höhungsLadung geschwinweite weichung druck Laffete winkel digkeit Atmosphären m m m mm Grad kg 621
1885
242
2
6,55
639
2015
245
3 4
6,475
630
5
99
:
པ་
6,4
235 ""
217
zeit Sek.
2565
8,2
2669
16,09
4,96 5,17
6387
9,0 48
12
7557
60
20,75
15
8631
83
24,62
925
1
Flug-
(Rev. d'art. Dez. 98. ) 9. Wirkung der Kleinkalibergewehre. Nachdem die früher erwähnten Dum-dum- Geschosse der Eng-
Umschau in der Militär-Litteratur.
365
länder in auswärtigen Volksvertretungen und Prefsorganen als völkerrechtswidrig bezeichnet worden waren,
hat man jetzt ein Ersatz-
mittel im Hohlspitzengeschofs gesucht, das in der Spitze eine cylindrische Höhlung enthält . Professor Bruns in Tübingen hat mit Original- Gewehren
und
Geschossen
Versuche
gegen
lebende
Pferde und gegen menschliche Leichenteile angestellt, die auf nähere Entfernungen sowohl gegen Weichteile als gegen Knochen eine sehr mörderische Wirkung dieser Geschosse ergaben. Wir kommen in nächster Umschau darauf zurück .
XXIX . Umschau in der Militär- Litteratur.
I. Ausländische Zeitschriften . Streffleurs österreichische militärische Zeitschrift. (Januar 1899.) Über Verwendung Ein Wort zur Frage der Divisions-Kavallerie. Ideen über moderne Verder Kavallerie im Aufklärungsdienste . pflegung und Ausrüstung der Infanterie. Abwehr gegen, für den Europäische Geist des Heeres schädliche Ideen (Dr. Dangelmaier) . Die Erziehung des Soldaten zu besonders Kriegsbrückensysteme. ― anstrengenden und gefahrvollen Unternehmungen . Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie-Wesens. Jahrg. 1899. 1. Heft : Die Gruppe im Festungsgürtel, ihre Gliederung — und ihre Elemente. Wie kann die Shrapnelwirkung erhöht werden ? Repetier-Handfeuerwaffen M. 95 in Österreich-Ungarn . Armeeblatt. (Österreich .) XVIII. Jahrgang. Nr. 1 : Rückblicke und Ausblicke. Die staatswissenschaftliche Ausbildung des OffiziersKorps in Heer und Marine. Prof. Esmarch gegen die Dum-DumGeschosse. Das neue Schnellfeuergeschütz . Nr . 2 : Korps -Artillerie . Rückblicke und Ausblicke . II. - Der Fluch der bösen That. (Die Ereignisse auf den Philippinen . Nr. 3 : stück.
Spartaner und Sybariten . Die Österreicher in China.
Der Schöpfer des Arsenals. IV . Ein militärisch- soziales TheaterDer Schöpfer des Arsenals. V.
- Die Kompagnie- Salve. Nr. 4 : Allgemeine Ehren- und Erinnerungs- Der zeichen . Die Gageregulierungsfrage. Kronprinz von Griechenland über die Kriegsereignisse in Thessalien . Militär-Zeitung. (Österreich . ) Nr. 46 (1898) : Das Militärjahr 1898. - Applikatorische Besprechung der Verpflegung. Nr. 1
366
Umschau in der Militär-Litteratur.
( 1899) : „ Signum Memoriae" (zum 7. Jänner.) Unsere Reserve-Verpflegsportion . Nr. 2 : Uferlose Wünsche. - Die deutschen Militärvorlagen. Nr. 3 : Kommandierungen von der Kavallerie Kavallerie.. - Die Gagenerhöhung. Journal des sciences militaires . (Januar 1899. ) Am Vorabend der Schlacht von Jena. Anmerkungen über den spanisch-amerikanischen Krieg . Die Militär-Luftschiffahrt in Frankreich und im Auslande. --Studie über Ausbildung und Exerzierreglements der FeldEntwurf eines Infanterie-Exerzierreglements. artillerie . FufsHygiène. Le Spectateur militaire. (15. Dezember 1898.) Der spanischamerikanische Krieg (Forts . ) . - Die Alpen- Truppen in Italien und Frankreich (Forts .) . - Nach Faschoda (Waffenstillstand im bewaffneten Frieden des Kontinents . Forts . ). - Erinnerungen eines Offiziers der Marine-Infanterie (Forts . ) . Die Meteorologie in Anwendung auf die Luftschiffahrt (Forts . ). Revue militaire universelle . ( 1. Januar 1899. ) Nr. 82 : Strategische Studie der Nordost- oder französisch -deutschen Grenze (Forts . ). Die Ursachen einer militärischen Niederlage. Die Königin des Weges. Physiologische Elemente und hygienische Ratschläge für radfahrende Offiziere (Forts .) . - Abd el Kader (seine Jugend , politische, religiöse und militärische Bedeutung. Gefangenschaft und Tod. Forts . ) . Die Elfenbeinküste (Forts . ) . Revue du cercle militaire. ( 31. Dezember 1898. ) Das neue deutsche Militärgesetz . Erinnerungen eines Generaladjutanten des Königs v . Preufsen 1870 (Schlufs). Jahrg. 1899. Nr. 1 : Die japanische Armee der Gegenwart und Zukunft ( Schlufs in Nr. 2) . Die Vermehrung der deutschen Kavallerie. Kavalleristen und Radfahrer. Nr. 2 : Die Kolonialtruppen Deutschlands . -- Die Verproviantierungs- und Ergänzungsfahrzeuge der russischen Armee im Felde. Nr. 3 : Übungen im Überschreiten von Wasserläufen . Die Aufklärer der Artillerie. - Das neue deutsche Militärgesetz im Reichstage. Die Erstürmung von Géok-Tépé (25. Januar 1881 ) . Revue d'Infanterie. (Januar 1899.) Nr . 145 : Über den Wert Gemilitärischer Brustwehren gegen das Infanteriefeuer (Schlufs) . schichte der Infanterie in Frankreich (Forts .). Ausrüstung und Belastung der Infanterie (Forts .) . --Anleitung für den Führer einer kleinen Infanterie-Abteilung bei nächtlichen Unternehmungen (Forts. ) . Berittene Infanterie im südlichen Algier und in der Sahara (Forts. ) . Revue de Cavalerie. (Dezember 1898.) Briefe eines Kavalleristen . Noch einige Worte über die Ausbildung. - Spanien (Forts .) . Kritische Studie über den Entwurf der praktischen Ausbildung im Felddienst der Kavallerie, vom 24. Dez. 1896 (Schlufs). Studie über Überanstrengung des Pferdes . Revue d'Artillerie. (Januar 1899.) Das Material Mod. 96 der deutschen Feldartillerie. Die Ausbildung der Feldartillerie in Deutsch-
Umschau in der Militär-Litteratur.
367
Studie über die Ausbildung land bei zweijähriger Dienstzeit ( Schlufs ). Studie über der Cadres bei den artilleristischen Erkundungen. Präzisions-Pistolen und Revolver. Revue du Génie militaire. (Dezember 1898.) Die Militär geographie und die neuen geographischen Methoden (Schlufs). Ein führungen in die praktischen Übungen des Feldpionierdienstes (Forts . in nächster Nummer) . Metallische Boote in Österreich- Ungarn . Schutz der Eisenbahnen gegen Windverwehungen in sandigen Gegenden. Über scheinbar freiwillige Entzündungen. (Januar 1899. ) An merkung über die neuen Militär-Pavillons des gemischten Hospitals Analyse und Auszüge aus der Korrespondenz St. Nicolas in Verdun. Vaubans (Forts. ) . ― Ein Blick auf die russische Westgrenze . La France militaire. Nr. 4431 : Die Verteidigung der Kolonien. II. Landungen . Nr. 4433 : Kolonial - Politik. Nr. 4434 : Die zwei jährige Dienstzeit. III. Der Generalstab . Die Thätigkeit des 2. Bureaus. Es wird davor gewarnt, das 2. Bureau mit dem ominösen „Nachrichtenbureau“ (Service des renseignements) zu identifizieren . Namentlich solle man das erstere nicht für die Ausschreitungen des letzteren verantwortlich machen, wenn auch zeitweise, wie bei den übrigen Bureaus, Beziehungen zum Nachrichtendienst obwalteten. Das 2. Bureau habe als Aufgabe : „ Studium der Organisation und der Taktik der fremden Armeen , sowie der Kriegstheater, militärische Missionen im Ausland." Dies ist allgemein bekannt, aber ebenfalls , dafs das 2. Bureau die Spionage im Auslande betreiben läfst, wie mehrere Landesverrats-Prozesse in Leipzig gezeigt haben, wo die Person des Vorstehers des 2. Bureaus Oberst Vincenz eine Rolle spielte . Nr. 4436 : Mobilmachung der Flotte, Panzerschiffe und Kreuzer. I. Geht von dem Gesichtspunkt aus, dafs die Mobilmachung der Flotte bisher un genügend vorbereitet war. Die Verantwortung trifft weniger das Personal, als das Parlament mit den Bewilligungen. Nr. 4438 : Gestüte und Remontierungen . Die Dauer der Dienstzeit. II. Nr. 4439 : Die France militaire tritt in das 20. Jahr ihres Bestehens . Die Dauer der Dienstzeit. III. Nr. 4442 : Dienstleistungen beim Generalstab finden nicht mehr beim Grofsen Generalstab , sondern bei Seestrategie. Gesetz den Stäben der Korps und Divisionen statt. entwurf über die zweijährige Dienstzeit. Nr. 4443 : Die tunesische Expedition . I. Nr. 4444 : Die Abschaffung des Generalsekretariats. Nr. 4445 : Kriegs - Aussichten (mit England) . I. Nr. 4446 : Kriegs Aussichten . II . Nr. 4447 : Notwendige Opfer. Nr. 4448 : Die Hilfs Offiziere. Die tunesische Expedition. II. Nr. 4449 : Kriegs-Aussichten. III. Nr. 4450 : Die unverschämte Nation (auf England bezogen) . Nr. 4451 : Die Befestigungen von Antwerpen . Nr. 4452 : Die Grofse Stumme (es ist die Armee in der Dreyfufs -Affäre gemeint). Nr. 4454 : Kriegs-Aussichten. IV. Die deutsche Armee im Reichstag. ―――― Es sollen 5. Bataillone der 4 Zuaven-Regimenter geschaffen werden, welche im Mutterlande bleiben , desgleichen neue Turkos-Bataillone . Nr. 4455 :
368
Umschau in der Militär-Litteratur.
Kriegs -Aussichten . V. Die kurze Dienstzeit.
Nr. 4456 : Die verkürzte Dienstzeit. Nr. 4458 : See-Strategie. Unsere Unterseeboote .
Nr. 4459 : England und der Krieg. Nr. 4460 : Kriegs - Aussichten. VI. Nr. 4461 : Kriegs-Aussichten . VII. Nr. 4462 : Kriegs-Aussichten . VIII. Der Feind ! Angesichts der drohenden Verwickelungen mit England richten sich die angsterfüllten Blicke nach Deutschland als Bundesgenossen . England ist ein noch viel unmittelbarer Feind als Deutschland; Deutschland ist nur ein zufälliger Feind, England ist der ewige Feind! Nr. 4463 : Kriegs-Aussichten . IX . Die KolonialArmee. Le Progrès militaire. Nr. 1898 : Die Verteidigung der Kolonien. Die Besoldung der Sous -Leutnants (195 Francs monatlich) wird als viel zu gering bezeichnet und Aufbesserung verlangt. - Gestütswesen und Remontierung. Nr. 1899 : Organisationsfragen (behandelt die Frage der Armee-Korps zu 3 Divisionen ) . Die Feldartillerie. Nr. 1900 : Die Verabschiedung nach dem Lebensalter. - Der Dienst der Genietruppen in den Kolonien . Nr. 1901 : Bericht über das Budget (Forts. in Nr. 1903) . Dasselbe beziffert sich auf 649 Millionen Francs. Verteidigung der Küsten . Nr. 1903 : Die Einheit der Befehlsgebung (bezieht sich besonders auf die Verwaltung der Kolonien . ) La Belgique militaire. ( 1. Januar 1899.) Nr. 1440 : Die gegenwärtige Lage und Beförderung in der Artillerie. - Militärjustiz im Auslande. Nr. 1441 : Für die allgemeine Wehrpflicht. Schwächung der Festung Antwerpen . Nr. 1442 : Militärjustiz im Auslande (Schlufs) . Nr. 1443 : Entwurf einer Schwächung der Festung Antwerpen. Bulletin de la Presse et de la Bibliographie militaires. (31. Dez. 1898. ) Nr. 351 : Der Krieg und die National-Ökonomie. Studie über das Schiefsen der Infanterie (Forts . in Nr. 352) . (15. Januar 1899.) Nr. 352 : Der Krieg und die Nationalökonomie. Engländer und Russen in Central -Asien . Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen . (Dezember 1898.) Der Zugführer als Erzieher. - Der Krieg Englands gegen die Bergvölker im Nordwesten Indiens (Schlufs) . Die Zahl im Kriege (Schlufs ). Die Stärkeverhältnisse der deutsch- französischen Garnisonen im beidseitigen Grenzgebiete. Revue militaire suisse . (Januar 1899.) Die österreichischen Kaisermanöver 1898. Die Überschreitung des Panix durch ein Rekruten-Bataillon der VIII. Division . Die Aufgabe der Aufklärer Die bei der Artillerie. Das neue französische Feldgeschütz . englisch-ägyptische Sudan-Expedition 1898 . Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. (Dez. 1898. ) Libellenaufsatz für Feldgeschütze . Die Thätigkeit der deutschen Festungsartillerie bei den Belagerungen u. s . w . im deutsch -französischen Kriege 1870/71 ( Schlufs ) . Artillerieschiefsbesichtigungen in Rufsland . Die neue deutsche Militärvorlage. Allgemeine Schweizerische Militär- Zeitung .
(1898. )
Nr. 53 :
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Etwas über die Rüstungsausgaben der gröfseren europäischen Staaten. - Die Herbstmanöver 1898 (Schlufs ) . (1899.) Nr. 1 : Die neue deutsche Militärvorlage. Eine Pontonierübung in Frankreich. Nr. 3: Erinnerungen an das Jahr 1799. Die zweijährige Dienstzeit in Deutschland. Army and Navy Gazette. Nr. 2028 : Im Namen Gardens . Rede Lord Kitcheners über Gardens Verdienste im Sudan . Die Nort humberland-Husaren. Geschichte des Yeomanry- Regiments , errichtet 1819 . Über Küsten-Verteidigung. Die Khartum - Expedition . Bespricht die Thätigkeit der Feldartillerie. Spezialdienst in der Miliz. Vorschlag zur Verlängerung der Dienstpflicht eines Teiles der Miliz behufs kriegs gemäfserer Ausbildung. Über Rekruten- Anwerbung in Kanada . Nr. 2029 : Die deutsche Heeresvorlage . Gefrorenes Fleisch für Heeresverpflegung . Von einem französischen Arzte. Lord Roberts über Abrüstung. England in Egypten. Militärische Übungen in den Schulen . Die Einstellung von Knaben . Bespricht die Nachteile der Anwerbung von Knaben unter 19 Jahren . Nr . 2030 : Französi Berittene sches Urteil über die neue deutsche Artillerie- Organisation . Reserve Infanterie . Vorschlag, diese in Regimenter zusammenzufassen . für die Offiziere in Indien . Die Nordwestgrenze Indiens . Betrach tung über den Fall eines Vordringens der Russen über Afghanistan . Der Wert des Gegen-Angriffes . Allgemein gehaltene taktische Be trachtung . Lord Wolseley über die letzten Kriege. Nr. 2031 : Terence of Trinity. Geschichte des an Erlebnissen so reichen Thätig keit des Kriegsberichterstatters, der bei der Niederlage Hicks Pascha ermordet wurde. Operationen in Nigeria. Das Studium der chinesischen Sprache. ―――― Berittene Infanterie . Es wird verlangt, die berittene Infanterie zu einem Regiment von 8 Kompagnien zu ver einigen. Verpflegungs- und Transportwesen. Vorschlag zur Ver besserung der Organisation des gesamten Trainwesens. Was der Nation Not thut. Gründlichere Ausbildung der Volunteers wird verlangt. Journal of the Royal United Service Institution . Nr. 250 : Die französischen Manöver zweier Kavallerie-Divisionen mit einem Armee korps . Bericht über Anlage und Verlauf der im September v . J. unter General Negrier stattgehabten Manöver. - Die Landesverteidigung Rufslands. Zusammengestellt vom Oberstleutnant de la Poer Beresford, englischer Militär-Attaché in Petersburg. Rauchloses Pulver von Nitro-Glycerin als Basis . Zusammenstellung der Leistungsfähigkeit der verschiedenen modernen Pulverarten , nach französischen Quellen bearbeitet. Journal of the Royal United Service Institution of India. Nr. 133 : Die Mosby Rangers, oder die Aufklärung durch die frei willige Kavallerie im amerikanischen Bürgerkriege 1861-65. Der britische Soldat in Indien . Zusammenstellung der eigenartigen Ver hältnisse, die der von England kommende Soldat kennen lernen mufs .
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Schaffung und Erhaltung einer Reserve für die Offiziere der indischen Armee. Hohenlinden . Kritische Betrachtung über die Schlacht vom 3. Dezember 1800. Grundsätze des Sanitätswesens im deutschen , französischen und österreichischen Heere .
Verhinderung des Stehlens
von Gewehren in Indien . Der Infanterie-Angriff im Gebirgskriege. -- Die indische Nordwestgrenze . Übersetzung des im Mai 1898 in den „Jahrbüchern für Armee und Marine“ erschienenen Aufsatzes . Russischer Invalide. Nr. 267 : Die Aufbesserung der Offizier Gehälter (s . Aufsatz in diesem Heft : „Armee- und Marine- Nachrichten aus Rufsland ") . Zusammenstellung der zur Frage der OffizierHeiraten ausgesprochenen Meinungen. Nr. 275-279 , 282, 284 und 285 : Die Wehrpflicht in Finnland im Vergleich zu der allgemeinen Wehrpflicht des Reichs (Vortrag des Oberstleutnants vom Generalstab Sein im Militärkasino in Helsingfors . ) Nr . 281 : Feierliche Eröffnung des Murghab-Zweiges der transkaspischen Eisenbahn . Nr. 1/1899 : Die mit Uniform verabschiedeten Generale , welche ebenso wie die früher überhaupt übrigen mit Uniform verabschiedeten Offiziere kein Schulterabzeichen tragen durften, denen alsdann im Jahre 1893 Quer-Achselstücke verliehen wurden , erhalten die Berechtigung , die gleichen Achselstücke, wie die aktiven Generale , jedoch mit besonderen Abzeichen zu tragen. Nr. 2 : Die Luftschiffer-Abteilung des Warschauer Festungs-Rayons ist Mitte Dezember formiert worden . Raswjedtschik. Nr. 426 : Die Heiraten der Offiziere .
Die
Kadetten-Läger. Die Disziplinarabteilungen. Nr . 427 : Ein Militärmuseum. Ein schwieriger Augenblick im Leben des Offiziers und seiner Familie (betrifft die traurige wirtschaftliche Lage des Offiziers nach seiner Verabschiedung, wenn ihm, wie gewöhnlich, infolge büreaukratischer Umständlichkeit erst nach einigen Monaten die Pension ausgezahlt wird. In gleicher Lage befindet sich in der Regel die Witwe eines Offiziers nach dessen Tode mit Bezug auf ihre Witwenunterstützung). Eine Bemerkung zu dem Kavallerie-Reglement. Die Beförderung der Kreistruppenchefs zu Oberstleutnants . Nr. 428 : Der fünfundzwanzigjährige Erinnerungstag an die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Aus Finnland. Die Grenzen zwischen Strategie und Taktik. Nr . 429 : Die Fesselballons in Deutschland Aus Finnland. (mit 2 Skizzen) . Der Kontrollapparat für die Richtkanoniere an den Laffeten M. 95. Die Emeritalpension für die Familien der Mitglieder der Armee. Das Dienstalter der die General17. stabs- und die militärjuristische Akademie Verlassenden . Russisches Artillerie - Journal. (Dezember.) Zum 50jährigen Dienstjubiläum des Grofsfürsten Michael Nikolajewitsch . Zur fehlerhaften Auslegung unserer Schiefsregeln . Zur Nitrierung der Kohlenwasserstoffe. Von der Gründung einer „ Gesellschaft zur Förderung der Kriegswissenschaften. " Verbindung der kegelförmigen und ringförmigen Windung bei Schrauben und ihre Anwendung bei Richtvorrichtungen .
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Journal der Vereinigten Staaten-Artillerie. (September- Oktober.) Ceuta. Mitteilung von Kapitän L. C. Scherer, vom Nachrichtenbureau des Generalstabs . Die Thätigkeit der Ingenieure im Feldzug von Santiago de Cuba. Bericht über die grofsen Manöver in Frankreich 1897. L'Italia militare e marina. Nr. 288 : Die LandesverteidigungsKommission. Nr. 289 : Abessinien in der europäischen Politik. Nr. 290 : Neue Schiffsbauten . Nr. 291 : Befestigungen am Simplon ? Nr. 3 : (Jahrgang 1899) : Die militärischen Ereignisse von 1848/49 . I. Teil 1848. Nr. 4 : Ruhmvolle Erinnerungen. Nr. 6 : Die Lage und der Truppenbefehlshaber in Eritrea. Nr. 10 : Die Beförderungsverhältnisse der Unteroffiziere . Nr. 11 : Urteil eines deutschen Offiziers über die italienische Armee (aus Internat. Revue). Nr. 14 : Die Versetzungen Die Mobilmachung und der Wagenmangel der Eisenbahnen . Nr. 16 : Das neue französische Feldgeschütz (Korrespondenz aus Lyon) . Vergl . Umschau im Märzheft. Nr . 18 u . 19 : Die Einteilung der Artillerie. Rivista Militare Italiana. ( 16. Dezember. ) Der Kampf der Die Heeresorganisation zur Zeit Montecuccolis und Louvois ' . 3 Waffen. Von Ondurmannach Faschoda.
der Offiziere .
Nr. 15 :
Esercito Italiano. Heer und Marine. —
Nr. 2 : Die italienische Oceandivision . Nr . 8 : Die Kriegsausgaben der Vereinigten Staaten .
Nr. 4 : Das stehende Heer und die Abrüstung. Nr. 5 : Die Offiziere der Carabinieri . Nr. 7: Die Neu-Einteilung des Kriegsministeriums . Nr. 8 : Die Ernährung des Soldaten im Kriege . Nr. 9 : Die Wehrsteuer. Rivista di artiglieria e genio . (Dezember. ) Die selbstbeweglichen Fuhrwerke für grofse Lasten und ihre militärische Bedeutung . Die neuen englischen Gewehrgeschosse. Mitteilungen über Drachenballons. Das Studium der Militär- Geographie mit Bezug auf eine neue Veröffentlichung (von Oberstleutnant Carlo Pollo , „ Die Anleitung zum Studium der Militär- Geographie" ). Der Libellenaufsatz vom schweizerischen Artillerie-Hauptmann Korrodi. Englische Urteile über die Schnellfeuer-Feldartillerie . ― Die Apparate der Luftschiffahrt. Revista cientifico militar. (Spanien .) Nr. 22-24 : Was lehrt der spanisch-amerikanische Krieg in Bezug auf die militärische Ausbildung der Truppen ? Rundschau über die periodische Militär- Presse (Schlufs). - Blicke auf die Ergebnisse des thessalischen Kriegs, nach Frhr. v. d. Goltz ( Schluſs) . Versuchsmarsch zur Erprobung des Schnellfeuer- Gebirgsmaterials von 7, 5 cm (Forts). Die Kavallerie mit verhängtem Zügel (Schlufs) . Nr. 1 (Jahrgang 1899) : Meinungen über die Organisation der Feldartillerie in Deutschland. Das SimsDudley-Geschütz . Übersicht der Presse und der militärischen Fortschritte.
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Memorial de Ingenieros del Ejercito. XII. Blokade und Be lagerung von Santiago de Cuba. Revista Militar. (Portugal.) Nr. 1 : Organisation der überseeischen Truppen (Forts.) . Kriegsvetenskaps Akademiens-Handlingar. (Schweden . ) 23. Heft : Rückblick auf die Geschichte der Kriegshochschule . Militaire Spectator. (Holland. ) Nr. 1 : Das Mittelmeer als Kriegs schauplatz im Frieden. Die Angriffsform der Infanterie. Militaire Gids. (Holland. ) 1. Lieferung : Expedition nach Bali 1868. II. Bücher. Die
Berliner Märztage von 1848. Die Ereignisse und ihre Uber lieferung von Dr. Wilhelm Busch , ord . Professor der Geschichte an der Universität Tübingen. München und Leipzig 1899
R. Oldenburg. Preis 2 Mk. Diese Schrift bildet den 7. Band der Historischen Bibliothek, heraus gegeben von der Redaktion der Historischen Zeitschrift. Das kleine Buch giebt auf dem engen Raum von 74 Druckseiten auf Grund aller irgend zugänglichen Quellen eine übersichtliche, klare und gewisser massen abschliefsende Darstellung jener verhängnisvollen Zeit, von der uns jetzt mehr als ein halbes Jahrhundert trennt, so daſs die kühle , objektive Betrachtung zu ihrem Rechte kommt. Nachdem der Verfasser im ersten Kapitel „Die Revolution und der Krieg die Ereignisse bis zum 24. März in grofsen Zügen ge schildert hat, behandelt er in mehreren Kapiteln die „Überlieferung“ und versucht eine „ Kritik der Quellen “ . Hier werden erörtert und nach Möglichkeit klar gestellt : Die Ereignisse vor dem Schlofs am Mittag des 18. März, die Ereignisse im Schlofs am Morgen des 19. März bis zum Rückzugsbefehl für die Truppen, der Befehl zum Rückzug der Truppen und seine Ausführung, die Leichenzüge und die Scenen im Schlufs nach dem Abmarsch der Truppen, die Fluchtpläne des Königs , Schon aus dieser Inhaltsangabe geht hervor, wie der Verfasser gerade in manche bisher noch nicht genügend aufgeklärte Partien mit der hellen Fackel der historischen Forschung hineinleuchtet. Von der Parteien Gunst und Hafs verwirrt schwankte vielfach das Bild jener Ereignisse , je nachdem die Berichterstatter ihre eigene Handlungsweise recht fertigen, oder die Demokratie verherrlichen , oder die begangenen Sünden dem und jenem in die Schuhe schieben wollten. Der Verfasser, der übrigens auf durchaus monarchischem und loyalem Standpunkte steht, läfst sich weder von Rechts noch von Links beeinflussen, sondern sucht der objektiven Wahrheit so nahe als irgend möglich zu kommen . Als zuverlässigste Quelle, wenigstens für einen Teil der Vorgänge, wird Sybels Abhandlung „Aus den Berliner Märztagen 1848 " , erschienen im Jahre 1889, bezeichnet . Dem Buch von Hans Blum „Die deutsche Revolution von 1848 und 1849 " wird im Vergleich mit Sybels Arbeit
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keine grundlegende Bedeutung zugeschrieben . Sämtliche, bisher er schienene Darstellungen teilt der Verfasser in zwei Gruppen : Berichte von Personen, die zur Regierung oder zur militärischen Oberleitung in Beziehung standen und Berichte von solchen, die sich auf die Beob achtungen mehr oder weniger zufälliger Teilnehmer und Augenzeugen berufen. Die gröfsere Bedeutung wird der ersten Gruppe zuerkannt. Leider fehlen, wie der Verfasser bekennen mufs, immer noch wesent liche Quellen . Die amtlichen Berichte sind verloren gegangen und die Führer der revolutionären Bewegung haben keine nennenswerten Auf zeichnungen gemacht. Herweghs Briefe z . B. haben fast gar keine Aus beute geliefert. Bei Erörterung der Ereignisse vor dem Schlofs am Montag, den 18. März , ist natürlich auch von den berühmten zwei Schüssen die Rede , die den Anlaſs und den erwünschten Vorwand zum Losbruch des Auf standes gaben. Verfasser stellt fest, dafs es sich um zwei zufällig losgegangene Schüsse handelte . Ein Zug sei mit fertig gemachtem Gewehr auf dem Schlofsplatz vorgegangen, wobei die sehr erklär liche Entladung erfolgte . Die beiden Schüsse gingen übrigens unschädlich in die Luft. Sehr gründlich und wohl unwiderleglich werden die Umstände klargestellt , unter denen der Befehl zur Zurückziehung der Truppen von den Barrikaden zum Schlofs erfolgte . Es unterliege keinem Zweifel, dafs der König selbst diesen Befehl erteilt hat. An der ursprünglich hierzu gestellten Vorbedingung, dafs zu vor sämtliche Barrikaden geräumt sein müfsten ,“ ist nicht festgehalten worden . Näher hierauf einzugehen , würde über den Rahmen dieser Besprechung hinausgehen. Man mufs die lichtvollen Ausführungen des Verfassers selbst nachlesen . Die natürliche und wohl unvermeidliche Konsequenz des Zurück ziehens der Truppen von den Barrikaden war nur ihr weiterer Ab marsch in die Kasernen und Kantonnements. Die Truppen, die nicht mehr kämpfen sollten , dauernd in der nächsten Umgebung des Schlosses festzuhalten, war ebenso unthunlich als zwecklos . Der Befehl zum Abmarsch in die Quartiere ist von General von Prittwitz gegeben worden ; die Anordnung war notwendig und gerechtfertigt. Bei den widerwärtigen Vorgängen mit den Leichen der gefallenen Aufrührer, die man in Möbelwagen zum Schloſs brachte, ist zu unter scheiden zwischen dieser unwürdigen Komödie und dem späteren feier lichen Begräbnis . Als der Leichenzug mit den Särgen das Schlofs passierte, trat der König freiwillig heraus und nahm den Helm ab. In dieser Handlungsweise lag keine Entwürdigung. Schliesslich bespricht Verfasser noch die Fluchtpläne, wie sie teils auf Veranlassung des Königs selbst, teils von seiner Umgebung ent worfen wurden, jedoch nicht zur Ausführung kamen . Am Vormittag des 19. März stand am Schlofsportal ein unscheinbarer Wagen zur Fahrt nach Potsdam bereit. Aber bevor die Abfahrt stattfinden konnte, 25 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 110. 3.
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nahte der Zug des Pöbels mit den Leichen der Erschlagenen und der Plan mufste aufgegeben werden . Ebensowenig kamen andere Ent würfe, sich dem Berliner Chaos zu entziehen , zur Ausführung. Wie in Kaulbachs Gemälde „Die Zerstörung Jerusalems" die herr liche Christengruppe die Seele des Beschauers inmitten der grauen vollen Verwüstung mit Licht und Hoffnung erfüllt, so heben sich aus dem düsteren Bilde der Märztage, sieghafte Hoffnung erweckend, her vor : Die Treue und die Selbstverleugnung des Heeres und die mann hafte Festigkeit des Ritters ohne Furcht und Tadel, des Prinzen von Preufsen. Wir müssen es uns versagen, weiter auf Einzelheiten einzugehen . Unsern Lesern empfehlen wir das Buch des Professors W. Busch aus voller Überzeugung zu eingehendem Studium . Niemand wird es un P. v. S. befriedigt aus der Hand legen. Briefe aus dem Feldzuge 1866. An die Gattin gerichtet von Julius v. Hartmann , Kommandeur der Kavallerie -Division der II . Armee . Mit einem Bildnis des Generals . Berlin 1898. E. S. Mittler u . S. Preis 1,40 Mk. Die Witwe des verewigten Generals veröffentlicht hier diese Privat briefe, die für die Veröffentlichkeit sicherlich nicht bestimmt waren , mit einem Vorworte, in dem gesagt wird, daſs man die militärische Ausbeute des Büchleins gering nennen werde. Wir haben dem nichts hinzuzufügen , zumal wir ferner erfahren , daſs das, was der Verstorbene zur Geschichte des Krieges 1866 beizusteuern wünschte, in einer auf Grund dieser Briefe verfafsten Schrift niedergelegt ist, die noch Jahre ruhen solle . - In wie weit diese Briefe in der That dazu beitragen können , manches Urteil zu bekämpfen , das gegen die Kavallerie- Division der II . Armee gerichtet worden ist, das möge der mit der Geschichte des Krieges 1866 genau vertraute Leser selbst beurteilen . Neu war mir die auf Seite 28 gemachte Angabe, dafs von General v. Hartmann selbst Idee und Anlage des Gefechtes von Tobitschau am 15. Juli ausgegangen sei. Nach anderen Angaben gebührt die Initiative zu demselben dem Adjutanten des Generals, damaligen Leutnant, jetzigen General der Kavallerie z . D. v. Rosenberg. (Man vergleiche die Angaben im Generalstabswerke S. 497.) Im übrigen bieten die Briefe manch Interessantes über des Generals Begegnungen mit den leitenden Per sönlichkeiten und auch von der rein menschlichen Seite vieles , was besonders diejenigen fesseln wird, die den Feldzug in Böhmen mitge 4. macht haben .
Kunz, Major a. D. Kriegsgeschichtliche Beispiele aus dem deutsch französischen Kriege von 1870/71 . Zehntes Heft : Dorfge fechte . Der Kampf um St. Privat la Montagne. Mit zwei Bei lagen in Steindruck. Berlin 1899. E. S. Mittler u . S. Preis 3 Mk. Das Schlachtfeld von St. Privat beweist dem Beschauer die Richtig
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keit des Ausspruches zur Evidenz , dafs „ein Infanterieangriff auf einen in gut gedeckter Stellung liegenden Gegner, der ein deckungsloses Schufsfeld von 2000 m vor der Front hat, so lange völlig aussichtslos bleibt, solange der Verteidiger nicht vorher durch überlegenes Feuer erschüttert worden ist." Wir müssen hier der Forderung „ erschüttert" etwas näher treten . Zweifellos war die französische Stellung in und vor St. Privat keineswegs erschüttert, als der Angriff der preufsischen Garden angesetzt wurde . Denn die deutsche Artillerie hat thatsächlich die französische vor dem Infanterieangriff nicht niedergekämpft ; die letztere schwieg vielmehr, weil sie den ungleichen Kampf auf weite Entfernung meiden wollte . Von einer infanteristischen Feuerüberlegenheit kann aber erst recht nicht die Rede sein, denn der Garde schlug ein Massenschnellfeuer von sechs sich gegenseitig überhöhenden Linien entgegen, während die eigene Waffe auch in der letzten Stellung vor dem Sturm den Gegner nicht erreichte. Der erste Angriff kostete den Deutschen 3600 Tote und Verwundete, den Franzosen kaum 1000. Haben wir hieraus nicht zu lernen ? Gewifs ! Die Feuerüberlegenheit zu erkämpfen, ist Ziel unseres , den Angrift vorbereitenden Kampfes . Artilleristisch wie infanteristisch mufs der Gegner erst mürbe gemacht werden , ehe wir, wie bei St. Privat, zum Angriffe schreiten dürfen . Wie ist diese Feuerüberlegenheit, die allein den Gegner „ erschüttern “ kann , zu er ringen ? Nicht nur allein durch das Einsetzen überlegener Artillerie , deren Wirkung sich die gegnerische dann wie die französische bei St. Privat entzieht. Nicht nur durch das Einsetzen auch des letzten Gewehres auf der sogenannten Hauptfeuerstation . Sondern durch die ganze Art und Weise, wie der Angriff vorbereitet und sodann an den Feind herangetragen wird. Hierbei kommt es nicht auf die Zahl der Gewehre an, welche eingesetzt werden, sondern es kommt darauf an . das Gelände, und wäre es das Schlachtfeld von St. Privat, so auszu nutzen , daſs man sich trotz des feindlichen Feuers an den Gegner heranarbeitet. Es ist unmöglich, von einer „Erschütterung“ zu reden, wenn das Gelände bis in seine kleinsten Fältchen nicht peinlich genau ausgenutzt wird . Hierauf ist in Zukunft noch höherer Wert zu legen und ist dabei jede Formation gestattet, sofern sie sich dem Gelände anzuschmiegen weifs. Wir gingen 1870 mit einer Bravour ohne Gleichen vor ; wir hatten aber, wie Kunz richtig sagt , aus 1866 nichts gelernt. Wir verstanden, so möchte ich noch hinzufügen, nicht, die Vorbereitungen für den Angriff. Wir hielten angreifen“ und „ entwickeln " für dasselbe , während wir jetzt wissen, dafs die Entwickelung zum Angriffe diesem selbst vorangehen muſs und dafs wir nicht eher zum Sturm vorgehen können, bis wir den Feind erschüttert haben . Möchten wir doch die Lehren der Schlacht von St. Privat beherzigen in einem neuen Kriege ! Auch in einem solchen kann es vorkommen, dafs wir bereits , wie 1870, in den ersten Schlachten die Erfahrung machen , unser Exerzier-Regle 25*
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ment stehe nicht mehr auf der Höhe der Situation . Dann wird es Not thun, schnell Abhilfe zu schaffen, sonst kostet es Ströme von Blut. Von selbst wurde „ gesprungen " als man in vernichtendem feindlichen Feuer vorging ein neues Verfahren gegen früher. Man betrachte das Gelände des Schlachtfeldes, vergleiche die Profile mit demselben und man wird zugestehen müssen , dafs ein „ ungünstigeres Angriffsfeld als das der Garden bei St. Privat sich kaum denken läfst. Und doch konnten die furchtbaren Verluste vermieden werden , wenn man es verstanden hätte, die gefechtsmäfsige Entwickelung des Angreifers aufserhalb der Wirkung des feindlichen Feuers vorzunehmen . Die 1. Garde-Infanterie - Brigade ist in enger Versammlungsformation über die Strafse St. Privat- St. Marie gegangen und hat hierbei bereits heftiges Feuer erhalten . Im übrigen ging die Entwickelung im feindlichen Feuer wie auf dem Paradeplatz vor sich : „Wann und wo hat jemals Infanterie gröfsere Tapferkeit bewiesen ! " so ruft Major Kunz von den Truppen der 1. Garde- Infanterie - Brigade aus . Und wahrlich ! Wer es mitgemacht hat, dafs die Reihen sich dichteten , während der Gegner nicht zu erreichen war, ist es nicht für den auch erklärlich , dafs das Bestreben, bis auf wirksame Schufsweite der eigenen Waffe heranzugehen, jedermann beseelte und ist es dadurch nicht auch erklärlich, dafs die Truppe nach vorne durchging ! Wie würden sich die Ereignisse wohl abgespielt haben, “ sagt der Verfasser, „ wenn vor dem Infanterieangriff der Garde die verfügbaren 14 Gardebatterien mindestens pro Batterie je 200 Granaten auf St. Privat verschossen hätten?" Den inneren Gründen dafür nachzuspüren , weshalb der Angriffsbefehl an die 1. Garde- Infanterie- Brigade erging, bevor eine einzige Granate den zu stürmenden Ort erreicht Thatsache ist , dafs auch seitens des hatte, bleibt nebensächlich. Kommandos der 1. Garde -Infanterie-Division darauf aufmerksam gemacht wurde, der Zeitpunkt für den Angriff sei verfrüht . Man war am 18. August 1870 leider sehr wenig über die Ausdehnung des französischen rechten Flügels orientiert. Es erhellt das aus den Marschzielen der einzelnen Armeekorps in erster Linie und aus dieser Unkenntnis ist auch zum Teil der verfrühte Angriff der preufsischen Garden entstanden. Man glaubte, die Sachsen hätten bereits den feindlichen Flügel und es sei höchste Zeit, nun auch seitens der Garde den Angriff des XII. Korps energischer zu unterstützen . Die persönlichen, übrigens auch von dem Herrn Verfasser mit Vorbehalt angeführten Gründe für die " Überhastung" dieses Angriffes, be dürfen hier, weil bekannt keiner Erörterung. Dafs die Aufklärung vor und während der Schlacht völlig versagte, dafs die Verbände es unterliefsen, in enger Fühlung mit den höheren Kommandostellen zu bleiben sind Fehler, die hoffentlich in Zukunft nicht mehr vorkommen werden . Möchten wir doch auch in dieser Hinsicht gelernt haben ! " Man hat den Sachsen “ , so schreibt Major Kunz, „den Vorwurf gemacht, sie hätten für ihre Umgehung zu viel Zeit gebraucht. Man
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darf aber bei solchen Dingen nicht vergessen, dafs die höheren Truppen führer während einer Schlacht niemals auch nur annähernd die Kennt nis von den Vorgängen beim Feinde haben, die dem Kritiker nach träglich in vollem Umfange zu Gebote stehen. " Selbst aber, wenn die Sachsen früher angegriffen hätten, dem preufsischen Angriffe er mangelte vor allem die Gleichzeitigkeit und einheitliche Leitung. Die 4. Garde-Infanterie-Brigade wurde um 5 %, die 1. um 53/4, das 2. Garde-Regiment zu Fufs kurz nach 6 Uhr und das 4. Garde Regiment zu Fufs nach 6 , Uhr angesetzt . So kam es, dafs die Franzosen Zeit fanden, jeden dieser Angriffe einzeln abzuweisen . Bei den Friedensschlachten wird heutzutage Gott Lob auf diese „ Gleich zeitigkeit" hoher Wert gelegt. Nur dem einheitlichen energischen Vorgehen der Gesamtheit ist der Sieg möglich . Sicherlich hätten die Franzosen auch in moralischer Hinsicht schwere Einbufse erlitten , wäre auf der ganzen Linie so angegriffen worden , wie es im einzelnen geschah . Es ist dem Herrn Verfasser, dem wir für seine klare Darlegung der Ereignisse besonders darum Dank wissen, weil er der Truppe als solcher das höchste Lob zollt, gelungen, ein Bild der Schlacht von St. Privat zu entwerfen, das der Wirklichkeit aufserordentlich nahe kommt. Der Mangel glaubwürdiger französischer Angaben mufs auch hier zu mancherlei Kombinationen führen , die aber durchaus logisch aufgebaut sind. Auch die Schilderung des Kampfes im Inneren von St. Privat, der weit hinein in die Dunkelheit mit erklärlicher Erbitterung von beiden Seiten geführt wurde, ist lebenswarm geschriehen. Wir können nicht umhin , auch dieses Heft der „ Kriegsgeschicht lichen Beispiele" als ganz vortrefflich zu bezeichnen . In diesen Dar stellungen gelingt es dem Herrn Verfasser mehr und mehr, den Leser zur Mitarbeit anzuregen und hoffen wir darum, dafs seine Mühewal tung und die Verbreitung der Kriegsgeschichte reiche Früchte für den 63. einzelnen wie für die gesamte Armee zeitigen möchte ! ,,Vortruppenkämpfe. Grundlage mit
Taktische Studie auf kriegsgeschichtlicher Beispielen für die Friedenspraxis." Von
J. Hoppenstedt , Hauptmann im Infanterie-Regiment Nr. 144 . Berlin 1898. E. S. Mittler. Preis Mk. 2.75 . Diese Schrift soll weder die Bedeutung der Einleitungskämpfe für den Gesamtverlauf der Schlacht nachweisen , noch auch eine irgendwie erschöpfende Darstellung dieser ersten Kampfphase geben . Der Herr Verfasser hatte sich vielmehr die Aufgabe gestellt, deren wichtigste typische Erscheinungen , nämlich die Kämpfe gegen Artillerie und um vorgeschobene Stellungen , sowie das Aufklärungs- und Nachrichten wesen zunächst theoretisch auf kriegsgeschichtlicher Grundlage zu erörtern um darauf, soweit es möglich, auf dem Wege der Anschauung in angewandten Beispielen der Praxis näher zu führen . Der erste Abschnitt handelt von den vorgeschobenen Stellungen .
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Nach Betrachtung von einer Anzahl kriegsgeschichtlicher Beispiele kommt Verfasser zu der eigentlichen Nutzanwendung. Wenn für die Verteidigung im allgemeinen der Grundsatz gilt, dafs, um positive Erfolge erzielen zu können , mit derselben stets das angriffsweise Ver fahren verbunden sein mufs, und mit Rücksicht hierauf schon in der Hauptstellung die Besetzung einzelner wichtiger Punkte, von welchen das Neben- und Vorterrain beherrscht wird, vorteilhafter ist, als die gleichmäfsige Verteilung der Kräfte in der ganzen festzuhaltenden Linie , so werden unter Umständen auch vorgeschobene Stellungen für die Mafsnahmen gerade eines Verteidigers von Vorteil sein können, der einen wirklichen Waffenerfolg herbeiführen und daher den Kampf mit einem Offensivstofse verbinden will. Mitunter wird der Verteidiger wohl gar nicht vermeiden können , für die zähe Behauptung seiner Stellung auch zur Besetzung von bestimmten Punkten im Vorterrain sich entschliefsen zu müssen . Diese vorgeschobenen Stellungen werden dann sicher auch eine bedeutende Rolle für die Mafsnahmen des An greifers spielen . Das Vorschieben von Truppen des Verteidigers in das Vorterrain zum Zwecke eines blofs vorübergehenden Widerstandes ist aber zu vermeiden. Im zweiten Abschnitt wird der Kampf der Infanterie gegen Artil lerie in sehr sachgemäfser und lehrreicher Weise behandelt . Die Infanterie kann jedenfalls nicht oft genug in grofsen wie in kleinen Abteilungen , solche Übungen betreiben , welche die Vernichtung gegnerischer Artillerieziele zum Gegenstand haben . Der dritte Abschnitt bespricht das Aufklärungs-, Nachrichten- und Meldewesen und zwar auf Grund der Erfahrungen , die uns die Schlacht bei Gravelotte in diesen Beziehungen bietet. Der fünfte Abschnitt endlich bringt eine Reihe vom Herrn Ver fasser konstruierter angewandter Beispiele. Die recht interessante 38. Schrift ist sehr zu empfehlen . ,,Winke und Ratschläge für die Leitung des Regiments-Kriegsspiels. " Von Karl v. Zimmermann , Oberstleutnant à la suite des 1. Grofs herzoglich Hessischen Dragoner-Regiments Nr. 23, zugeteilt dem Grofsen Generalstabe . Berlin 1898. E. S. Mittler & Sohn . Preis Mk. 1,25. Der Herr Verfasser legt seiner höchst dankenswerten kleinen Schrift das sogenannte „ Detachements-Kriegsspiel" zu Grunde, wie dasselbe innerhalb des Offizierkorps eines Regiments oder Bataillons betrieben wird. Bezüglich der Aufgabenstellung wird zunächst eine möglichste Einfachheit empfohlen . Beim Beginn einer neuen Kriegs spiels -Periode werden taktische Aufgaben, die sich im allgemeinen an ein und derselben Wegeverbindung abspielen , in der Regel den Ver hältnissen am meisten entsprechen . Bei zunehmender Gewandtheit im Spiel dürfte dann zu etwas verwickelter angelegten Aufgaben über gegangen werden.
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Die Aufgabenstellung kann ferner nach verschiedenen Grundsätzen gehandhabt werden . Vielfach wird verlangt, dafs eine Aufgabe bis in alle Einzelheiten durchgearbeitet werde, und zwar in Verbindung mit häuslichen Arbeiten der beteiligten Offiziere, schriftlicher Niederlegung von allerlei Befehlen u. s . w . Es ist dies gewifs eine sehr lehrreiche und notwendige Übung. Herr v. Zimmermann macht jedoch den sehr beachtenswerten Einwand, dafs ihre Verbindung mit dem Kriegsspiel doch eine Menge Zeit bei den Zusammenkünften wegnimmt, und be merkt sehr richtig, diese Übung lasse sich auch auf anderen Wegen neben dem Kriegsspiel erreichen. Die Anwendung des Kriegsspiel apparates auf den Plänen weist ja entschieden mehr auf ein Befehlen aus dem Sattel, auf die Übung im raschen Entschliefsen auf Grund der uns durch die Fühlung mit dem Gegner aufgedrängten Sachlage In dieser Übung haben wir unbedingt den eigentlichen Zweck und Vorteil des Kriegsspiels zu suchen . Die Stärke der Detachements mufs zweckmäfsig in einem ge wissen Verhältnis zu dem Range und Dienstalter der Parteiführer stehen. Der Herr Verfasser schlägt daher Detachements von zwei bis vier Bataillonen mit entsprechender Kavallerie und Artillerie vor, bis zur Stärke einer Division . Mit weniger als der angegebenen Minimal stärke wäre es schwer, das Spiel lehrreich und fesselnd zu machen , in gröfserem Umfange angelegte Aufgaben würden schon mehr den Charakter des grofsen Kriegsspiels tragen, bei dem die Thätigkeit der Mitwirkenden mehr in der schriftlichen Befehlsgebung als in dem Befehl aus dem Sattel läge . Sehr schätzenswert ist auch , was Herr Oberstleutnant v . Zimmer mann über den allgemeinen Gang und Verlauf des Spiels, über die Entscheidung des Leitenden und über des letzteren Hereinsprechen und seine Besprechung nach dem Spiel sagt. Die kleine, so inhalt 38. reiche Schrift ist im hohen Grade empfehlenswert. H. von Dambrowski. Herzog Friedrich Wilhelm zu Mecklenburg. Lebensbild eines deutschen Seeoffiziers. Mit 13 Heliogravüren und 37 Textillustrationen nach Originalzeichnungen von Kar Salzmann, H. von Stenglin, H. von Dambrowski u . a., sowie eine Originalaufnahme Ihrer Majestät der Kaiserin und anderen Photo graphien. Berlin 1898. Gebrüder Paetel . Preis geb. 4 Mk. Ein prächtiges Buch , welches unseren jungen Seeoffizieren und Kadetten, aber auch allen Deutschen , welche sich für die Entwickelung unserer Marine und für das „ Deutschland jenseits der See" interessieren, so recht aus dem Herzen geschrieben ist, das aber auch in so manchem jugendlichen Herzen Lust und Liebe zu dem so schweren und doch so schönen Beruf des Seemanns wecken wird. Es ist ein Denkmal für einen frischen , für seinen Beruf begeisterten , ritterlichen Prinzen , welcher das höchste leistete, was der deutsche Offizier thun kann d. h. sein Leben hingab im Dienste des Vaterlandes . Der Leser ver
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folgt in ihm den Werdegang des deutschen Seeoffiziers . Lust und Leid, Mühe, Arbeit und frohe Feste ziehen in wechselnden , stets an regenden Bildern an seinem Auge vorüber. Besonders fesselt aber auch die seemännische Erziehung, welche einem Prinzen aus einem um die Erhebung und Einigung unseres deutschen Vaterlandes hoch verdienten Fürstenhause zu teil wurde. So kann das Werk allen
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unseren Lesern auf das Wärmste empfohlen werden , umsomehr, als der ganze durch dasselbe erzielte Ertrag der Errichtung eines See mannsheims in unserem ostasiatischen Gebiete zufliefsen soll . 17. Contra Bebel und Bleibtreu .
Noch ein Wort in Heeressachen für
Ap weitere Volkskreise von A. von Boguslawski. Schall. Preis 75 Pfg .
Berlin . Alfred
Im Winter 1897/98 veröffentlichte Herr August Bebel seine Schrift " Volksheer nicht stehendes Heer" . Im März 1898 erschien als Gegenschrift ,, Volksheer nicht Volkswehr von A. von Boguslawski . Nun hat Herr Bleibtreu sich berufen gefühlt, für Herrn Bebel in die Schranken zu treten , mit einer in Stuttgart erschienenen Schrift, die den eigentümlichen Titel „ Der Zar - Befreier“ führt, sich aber als eine Verteidigung des von den Sozialdemokraten geforderten Milizsystems charakterisiert, aufserdem die unbegründetsten Angriffe gegen General von Boguslawski und andere richtet, auch über das Offizierkorps der Gegenwart in unqualifizierbarer Weise sich ergeht . Boguslawski weist diese Angriffe nachdrücklich zurück und kennzeichnet die Tendenz und Kampfweise des Herrn Bleibtreu , welcher mit mafsloser Ein bildungskraft überall einen Mifsbrauch seiner Ideen und Angriffe auf sich wittert, wo sie nicht vorhanden sind, geäufserte Meinungsver schiedenheiten aber als persönliche Verletzungen aufnimmt . Ebenso sind die im Vorwärts veröffentlichten Angriffe Bebels und seine er neuten Behauptungen über Entstehung des Krieges 1870/71 kurz und 2. scharf beleuchtet.
Auf Reitschule . Ernstes und Heiteres vom königlichen Militär- Reit Institute, mitgeteilt durch F. Freiherrn von Dincklage Campe. Hannover 1899. M. & H. Schaper. Preis geb. Mk . 8,00 . Als „Ernstes und Heiteres" bezeichnet der Herr Verfasser , der selbst ein alter Reiteroffizier ist und noch vor wenigen Jahren Kaval leriebrigade-Kommandeur war, seine Mitteilungen über die Hannoversche Reitschule, amtlich das Militär- Reit- Institut genannt, und vortrefflich hat er die Anstalt geschildert . Sein Geschick, einen schwer zu hand habenden Stoff in eine gefällige Form zu bringen, welches schon in dem aus Anlafs der Erinnerungsfeiern von 1895 von ihm herausge gebenen Werke „ Wie wir unser Eisern Kreuz erwarben “ hervortrat, hat sich von neuem bewährt . Die Mischung von Scherz und Ernst, welche in der neuen Arbeit geboten wird, hat ein in lebhaften Farben gemaltes, zugleich anschauliches und ansprechendes Bild der vielbe
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wunderten, aber auch viel geschmähten Reitschule ergeben, welches manchem Freude machen wird. Der Ernst ist durch eine Geschichte der Anstalt, von ihrer im Jahre 1817 als Reit-Institut für Offiziere zu Berlin erfolgten Begründung an bis auf den heutigen Tag, und durch eine erschöpfende Darstellung aller ihrer Einrichtungen vertreten . Wir folgen dem bald nach der Errichtung der Lehreskadron benannten Institute nach Schwedt, wohin diese 1849 als Militär-Reitschule übersiedelte, und dann nach Hannover, wo die letztere unter ihrem jetzigen Namen, bedeutend erweitert und stets wachsend, im Jahre 1866 eine neue Stätte fand ; wir erleben den Wechsel in den Grundsätzen und in den Vorschriften für die Reitkunst , deren Anwendung aus der Schulreiterei, welche irrigerweise lange Zeit als Zweck angesehen war, ein Mittel machte, um bei höchster Leistungsfähigkeit und thunlichst geringem Verbrauche von Material gröfstmöglichen Gehorsam des Pferdes zu erzwingen ; wir werden mit den vielen Persönlichkeiten eingehend bekannt gemacht, welche seit der Zeit Sohrs, des Kommandeurs der Brandenburger Husar en in den Befreiungskriegen und ersten Direktors der Anstalt, bis auf die jetzt noch in Hannover thätigen Offiziere in einflussreicher und mafsgebender Stellung an der Reitschule gewirkt haben, und lernen daneben manches Original kennen, dessen Gedächtnis aus mehr oder weniger weit rückwärts liegender Zeit auf die Mitwelt gekommen ist. Scherz wechselt dabei mit Ernst, eingestreute Anekdoten beleben die Erzählung. Der ganze Teil ist plaudersam geschrieben . Noch mehr tritt das Heitere in den Abschnitten in seine Rechte , welche von dem aufserdienstlichen Leben und Treiben der Reitschule handeln . Hier finden wir den Leutnant geschildert wie er wirklich ist und nicht wie in Romanen und auf der Bühne eine Gattung moderner Litteratur ihn uns vorführt, welche in einem jeden jungen Offizier, und dem der Kavallerie zumal, einen albernen Gecken zu zeichnen liebt, in dessen hohlem Schädel nur Raum für Pferde, Spiel und Damen der Halbwelt ist, und die mit den Wortführern der Sozialdemokratie und frommen Zionswächtern die Reitschule als ein Sodom General von Dincklage verschweigt nichts und beschönigt nichts , er räumt der Jugend ihre Rechte ein und schimpft nicht auf den Most, weil er zuweilen das Gefäfs sprengt . Zwischen beiden, dem Ernsten und dem Heiteren, dem Dienste und dem Vergnügen , mitten inne steht die Jagd. Wie ihrem Betriebe natürlich ist die Reitjagd gemeint im Lehrplane der Anstalt, in welchem sie als „ Reitübung im Gelände" erscheint, eine wichtige Stelle angewiesen ist, so hat auch das Buch ihrer liebevoll gedacht. Für die meisten Leser wird es von besonderem Interesse sein, zu erfahren, was der Herr Verfasser, selbst ein waidgerechter Jäger und wohlbewandert auf allen Gebieten des fröhlichen „ Gejaid “ , von den Schleppjagden erzählt und von den Wildjagden, vom Hundezwinger und den Borstentieren, vom Oberpiqueur Peisker und von Gastwirt Grethe.
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vom Master und vom Halali, und um so lieber wird er sich belehren lassen , als, wie überall im Buche, hübsche Bilder die Darstellung be leben und das Verständnis erleichtern . 14.
Militärstrafgerichtsordnung für das Deutsche Reich nebst Aus führungsbestimmungen . Handausgabe mit Anmerkungen und Sachregister. Bearbeitet von J. Sturm , K. S. Kriegsrat und H. Walde , K. S. Divisionsauditeur. I. Militärstrafgerichtsord nung nebst Einführungsgesetz vom 1. Dez. 1898. A. Berger. Preis 5 Mk.
Leipzig.
Das vorliegende Buch bezweckt, das Studium und den Gebrauch des Gesetzes zu erleichtern , indem es die für seine Auslegung wesent lichen Teile der Begründung des ursprünglichen Entwurfes wiedergiebt, auf die entsprechenden Bestimmungen der bürgerlichen Strafprozefs ordnung verweist, einschlagende allgemeine wie militärische Gesetze und Verordnungen zum Teil wörtlich anführt und Gesichtspunkte für die Auslegung und Anwendung des Gesetzes aufstellt. zweiten Bande sollen weitere gesetzliche Regelungen, sowie die Aus führungsverordnungen erscheinen u . v . a . , wie Formulare zu Protokollen , Entscheidungen u. s. w. Durch ein genaues alphabetisch geordnetes Sachregister wird die Brauchbarkeit dieses Handbuches noch erhöht. Wir können dasselbe sowohl Militärjuristen als allen Offizieren empfehlen, als einen zuverlässigen Ratgeber bei vorkommenden Fällen und zur Orientierung auf dem Gebiete der neuen Militärstrafgerichtsordnung. 1. Die deutsche Soldatensprache. Von Dr. Paul Horn , Privat- Dozent an der Universität Strafsburg. Giefsen. Rickersche Verlags buchhandlung . Ein sehr verdienstliches, mit grofsem Fleifs auf Grund reichen Quellenmaterials zusammengestelltes Werkchen , dessen übersichtliche Anordnung, unterstützt durch ein alphabetisches Register sämtlicher in dem Buche vorkommender Ausdrücke dem Leser in anerkennens werter Weise entgegenkommt . Dafs eine absolute Vollständigkeit nicht zu erreichen war, bemerkt der Verfasser ausdrücklich . Er wird für jede Berichtigung und Vervollständigung seines reichen Schatzkästleins sehr dankbar sein und bittet um derartige Beiträge. In den Kapiteln seines Buches behandelt der Verfasser die Soldatensprache im allge meinen Soldat und Civilist die Soldaten untereinander der Soldat und seine Vorgesetzten die Ausrüstungsstücke der Soldaten der Soldat vor der Soldat im Dienst, in und aufser der Kaserne dem Feinde ――― die Strafen der Soldaten — der kranke Soldat Mars und Venus Schelten und Fluchen Volksetymologien und Wortverdrehungen . Indem der Berichterstatter vorausschickt, dafs er seine Kenntnis der Soldatensprache durch die Lektüre der Hornschen Arbeit wesent lich bereichert hat, zumal was süddeutsche und sächsische Ausdrücke
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betrifft, möchte er das lebhafte Interesse für das hübsche Buch dadurch bethätigen, dafs er, die alphabetische Reihenfolge des Registers innehaltend, einige berichtigende und ergänzende Bemerkungen macht . Mit „Backzahn" pflegt man bei der Garde in gutmütigem Spott die Angehörigen der Linie zu bezeichnen . „ Schöneberger Engel" nannten die Berliner die „Eisenbahner" bezüglich der Lage ihrer Kaserne und des E. auf der Achselklappe . " Fummeln" halte ich für einen spezifisch militärischen Ausdruck, um intensives Putzen zu bezeichnen . „ Grenadiere " wurden in alten Zeiten die in den damaligen sehr primitiven Aborten des Berliner Kadettenhauses angesammelten Schätze genannt. Diese Grenadiere wurden „ umgestürzt“ , wenn die vierteljährliche Reinigung erfolgte. Kaldaunenschlucker" wurden zu jener Zeit die Kadetten genannt. Für „ Kommifsvermögen “ kommt auch der sehr unparlamentarische Ausdruck „ Sprunggelder" vor. Unter „ saurem Mops " , der wohl ursprünglich Kalbsbraten bedeuten mag, versteht man jetzt in der Regel gesellige Abendabfütterungen von wenig ansprechender Art . Pflaume" wurde die Kriegsdenkmünze von 1813-14-15 für Nicht - Kombattanten spottweise genannt. Diese Medaille war aus dunklem Metall und hatte eine etwas ovale Form . „ Pampsch " nennen die Kadetten ihr Frühstück, wenn sie das in die Suppe gebrockte Brot zu einem dicken Brei verrühren . In Lichterfelde gilt das aber nicht für chic . „ Polka (nicht Polker) Hauptleute" wurden die Hauptleute dritter Klasse genannt, wie sie gegen Ende der 50er Jahre bis zur Reorganisation bestanden . Diese Hauptleute hatten noch keine Kompagnien und wurden zur Führung von vakanten und von Landwehr- Kompagnien verwendet. Sie waren keineswegs die Vorläufer der heutigen Bezirks-Kommandeure oder Bezirksoffiziere . „, Rammdösig" nennt man einen sehr hohen Grad natürlicher Beschränktheit. ,,Riemchenstecher" dagegen ist ein Schlaukopf und Pfiffikus, nach einem alten Soldatenspiel so genannt. ,,Türke nennt man eine für Besichtigungszwecke eingeübte Gefechtsübung ; mit solchem .. Türken" fällt der Vorstellende „ rein“ , sobald der Besichtigende , wie jetzt allgemein üblich, eine unvermutete Gefechtsaufgabe stellt . ,,Zuviel isten nennt man spottweise die Civilisten im Gegensatz zu den Soldaten . Zu dem Kapitel ., Venus und Mars" liefsen sich noch viele Ergänzungen beibringen, die indessen für die Veröffentlichung an dieser Stelle kaum geeignet sind. Das Buch des Herrn Dr. Horn sei den Kameraden bestens empfohlen. P. v . S.
III. Seewesen . Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie . (Jahrgang 1899. ) Heft 1 : Aus den Reiseberichten S. M. Schiffe (hierzu Aus den FrageVon der deutschen Tiefsee-Expedition . 1 Tafel). bogen der deutschen Seewarte, betreffend Häfen . Porto Grande Bangkok. St. Vincent und Teneriffa als Kohlen(St. Vincent).
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plätze, v. Kapt. W. Hävecker. Häfen und Fahrten an der Küste von Brasilien, v. Kapt. H. A. Niebuhr, Führer des Dreimastschooners „Hedwig". Bemerkungen über Kema am Golf von Tomini (NordCelebes ) und die Routen vom Indischen Ozean nach den Häfen von NordCelebes . Franzer River, British Columbia, v. Kapt. C. Meyer, Führer des Schiffes „Adelaide “ . Camocim an der Nordküste von Brasilien. v. Kapt . W. Pundt, Führer der Bark „ Atalanta". Deutsche Schiffe im westindischen Orkan von Mitte September 1898. Einflufs des Windes auf die Fahrgeschwindigkeit von Dampfern , von L. E. Dinklage. Unerforschte Bank im Südatlantischen Ozean, von L. E. Dinklage. Neue Erscheinungen auf dem Gebiete der nautischen Litteratur. Die Witterung an der deutschen Küste im Monat November 1898 . Marine-Rundschau . (Jahrgang 1899. ) Heft 1 : Titelbild : S. M. S. „Geier" nach Havanna einlaufend . Die moderne Blockade , von tnisse der KriegsStärkeverhäl Kaptleut. Glatzel (mit 6 Skizzen ) . Die flotten (mit 2 Tafeln ). Jüngste Fortschritte und Neuerungen der Leuchtfeuertechnik , von F. Peck (mit 6 Skizzen). - Die Krankenhäuser Santanders (Nordspanien ) und die Fürsorge der Gesellschaft vom Rothen Kreuz ( cruz roja) für die von Cuba nach Santander krank oder verwundet zurückkehrenden spanischen Soldaten , von Dr. R. Ruge. Marinestabsarzt . Nordelbisch -Dänisches , v. Viceadmiral Batsch ( Schlufs des I. Kapitels ) . Über Wechselwirkungen elektromagnetischer Resonaten, von Dr. Rellstab (Schlufs mit 1 Tafel) . Ein neues Lehrbuch der astronomischen Navigation , besprochen von Dr. A. Marcuse . Privatdozent d. Astronomie a. d . Kgl. Universität Berlin . Skizzen vom spanisch-nordamerikanischen Krieg (Kriegsschauplatz Cuba und Porto Rico, von Korv.- Kapt. J. (5. Forts) . Hygienische und sanitäre Verhältnisse in Funchal (Madeira), von Dr. R. Ruge. Moderne Rohrverschlüsse für Schnellladekanonen , von Kaptleut. a. D. B. Weyer (mit 3 Abbildungen) Schlufs . Erfindungen : Kabelsuchanker, Schallweiser, Dampfkessel, Reaktionspropeller. Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens . Nr. 2 : Die Entwickelung des technischen Wesens der k. u . k. Kriegsmarine in den letzten 50 Jahren (Fortsetzung). Studie über den spanisch-nordamerikanischen Krieg. Erfolgreiches Artilleriefeuer zur See (Forts) . Die Zerstörung des Vereinigten Staaten- Schlachtschiffes „ Maine". -- Die deutschen Linienschiffe der Classe Kaiser Friedrich III. Das neue Divisionsboot D. 10. Fremde Kriegsmarinen. Army and Navy Gazette. Nr. 2031 : Die Versicherung für Seeleute. Fischer als Reservisten . Voraussichtlicher Wechsel im Kommando des Kanalgeschwaders . Die Verteidigung der Häfen des Bristol-Kanals . Beschleunigung des Panzerschiffbaus . Günstige Probefahrten der vergröfserten Torpedobootszerstörer. Schiefsversuche gegen eine Panzerplatte die für den japanischen Panzer „ Asahi“ bestimmt. Nr. 2032 : Der britische Handels-Dienst als eine Reserve . - Schiefsübung gegen ein altes Torpedoboot. Die deutsche Marine-
Umschau in der Militär-Litteratur. rangliste.
Nr . 2033 :
Krieg gegen Krieg.
385
Die Marine im Jahre 1898.
Probeangriff des Gustave Zedée gegen die alte „Magenta“ . Nr. 2034 : Der Bauzustand der neuen Schiffe. Panzer und Bewaffnung. Russische Neubauten. Nr. 2035 : Unterseeische Boote. Amerikanische Baupläne. Journal of the Royal United Service Institution. Nr. 251 : Die erste Belagerung von Rhodus 1480. Jahresbericht des Sekretärs des Marine-Departements Washington. Der inter-oceanische Kanal. Army and Navy Journal. Nr. 1843 : Dewey soll vor Manila seine wenige Munition für einen ev. Kampf mit den deutschen Schiffen aufgespart haben. - Was mit dem neuen Schwimmdock in Havanna anzufangen ist. --- Reorganisation der Küsten-Artillerie. Zugänge Die alte Marine und die neue. zur Marine der Vereinigten Staaten. Transport zur See . Nr. 1844 : Ehrenmedaillen für die Marine. Die Marine-Operationen . Der Nicaragua-Kanal . Armee-Transport zur See. Nr. 1845 : Prisengelder. Die Nicaragua- Kanal-Kommission. Die Flotte Die Lage auf den Philippinen . ― Die Freiheit Cubas. bei Santiago . Nr. 1846 : Die Verwendung deutscher Torpedoboote Inseln . als Depeschenboote. Von den Inseln Das Marine-Budget. Die Marine-Personal- Vorlage. Admiral Runce über die Monitors . Verminderung Torpedoboote. Nr. 1847 : Die neue Marine-Akademie . der Marine. Revue maritime et coloniale. (Dezember 1898.) Kollisionen zur See. Rettung des eingeschifften Personals . Reform des Rechnungswesens der Marine . Der spanisch-amerikanische Krieg. Die Seeschlacht bei Santiago. Schiefsregeln aus der Schlacht bei Santiago . Der „Texas" im Kampfe. Verschwinden englischer Handelsschiffmatrosen. Rivista marittima . (Januar 1899. ) Der Transport der Gebeine des Christoph Columbus. Die notwendige Armierung. -- Der Bericht Über die Anordnung von Regatten. des Admirals Cervera y Topete. -- Die Schiffahrt in den italienischen Häfen. 1897. Der Zustand der Fischerei in Italien. Mahan und Calwell. Morskoi Sbornik. (Januar 1899. ) Nr. 1 : Offizieller Teil. Die Kaiserliche Yacht „ Dershawa" ist, zu Lehrzwecken des TorpedoDetachements , in die Klasse der Schulschiffe versetzt worden und in ,,Dwina“ umgetauft. Der ,,Hafen Kaiser Alexanders III. " (Libauer
-
Hafen) wird vorläufig in die Kategorie der Kriegshäfen II. Kll eingerechnet. - Nichtoffizieller Teil : Die Russische Flotte (aus dem Englischen). Der Spanisch- Amerikanische Krieg. - Das TerritorialMeer. - Die Elektrizität auf Fahrzeugen und in Häfen. NaphtaIndustrie. Überblick über die Arbeiten der hydrographischen Expedition nach dem Brickal- See, im Jahre 1898. Erinnerungen an den Krym-Krieg (Rückzug der Fregatte ..Kagul ") ; von J. J. Tschaikowski.
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IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher. 1. Das Volk in Waffen. Ein Buch über Heerwesen und Krieg führung unserer Zeit . Von Colmar Frh . v . d . Goltz . Fünfte umge arbeitete und verbesserte Auflage. Berlin 1899. K. v. Deckers Verlag. Preis 4 Mk . 2. Köhlers Taschen- Liederbuch für das deutsche Volk. Jubiläums Ausgabe. 100. Auflage. Minden i. Wesf. W. Köhler. Preis 25 Pfg. 3. Einteilung und Dislokation der Russischen Armee nebst einem Verzeichnisse der Kriegsschiffe . Nach russischen offiziellen Quellen bearbeitet von v. C. M. Januar 1899. Vierter Jahrgang. Leipzig 1899 . Zuckschwerdt u. Co. Preis 1 Mk . 4. Grundsätze für die Besetzung der Subaltern- und Unter beamtenstellen bei den Reichs- und Staatsbehörden mit Militär anwärtern. Mit Genehmigung des Königl. Preufsischen Kriegs ministeriums unter Benutzung amtlicher Quellen erläutert von H. Hahn, Hauptmann und H. Nienaber , Geh. Sekretär im Königl. Preufsischen Kriegsministerium . Berlin 1899. E. S. Mittler u . S. Preis : Geh. 3.50 Mk. , geb. 4 Mk . 5. Die Militärstrafgerichtsordnung für das Deutsche Reich nebst dem Einführungs- Gesetze u. s. w. Wortlaut der Gesetze nebst An merkungen bearbeitet von H. Brogsitter, Landrichter. L. Schwann. Preis 2 Mk.
Düsseldorf 1899 .
6. Aus Dresdens Maitagen vor 50 Jahren. Jugend- Erinnerungen von Alexander Bucher. Dresden 1899. C. Heinrich . Preis 1,60 Mk. 7. Die Reiterei der ersten und zweiten deutschen Armee in den Tagen vom 7. zum 15. August 1870, dargestellt nach den Kriegs akten und anderen Quellen unter Anschlufs von Betrachtungen über den Kavalleriedienst im Kriege. Von v. Pelet - Narbonne, General leutnant z . D. Mit 10 Kartenskizzen und einer Karte der Umgegend von St. Avold . Berlin 1899. E. S. Mittler u . S. Preis 6 Mk. , ge bunden 7,50 Mk. 8. v. Löbells Jahresberichte über die Veränderungen und Fort schritte im Militärwesen. Herausgegeben von v. Pelet - Narbonne , Generalleutnant z. D. XXV. Jahrgang (Jubiläumsband). Das Militär wesen in seiner Entwickelung während der Jahre 1874-1898 . Zwei Teile. Berlin 1899. E. S. Mittler u. S. Preis geh. 20 Mk. , geb. in einen Band 22 Mk., in zwei Bände 23 Mk. 9. ,,Überall". Zeitschrift des Deutschen Flotten -Vereins . 1. Jahr gang, 1. Heft . Mit zahlreichen Illustrationen . Berlin . E. S. Mittler u . S. Preis 1 Mk. Im Jahresabonnement 12 Hefte 10 Mk . 10. Militärstrafgerichtsordnung vom 1. Dezember 1898 nebst dem Einführungsgesetze. Mit einem Anhang, enthaltend das Militärstraf gesetzbuch vom 20. Juni 1892. Textausgabe mit alphabetischem Sach register. München 1899. Becksche Verlagsbuchhandlung. 11. Grundlagen der Lufttechnik. Gemeinverständliche Abhand lungen über eine neue Theorie zur Lösung der Flugfrage und des
1
Umschau in der Militär-Litteratur.
387
Problems des lenkbaren Luftschiffes. Von Max Lochner (Ingenieur) . Berlin 1899. W. H. Kühl . Preis 1,60 Mk. 12. Die Ursachen der Siege und Niederlagen im Kriege 1870. Versuch einer kritischen Darstellung des deutsch-französischen Krieges bis zur Schlacht von Sedan von Woide , Generalleutnant im russischen Generalstabe . Aus dem Russischen übersetzt von Klingender, Major. Zweiter (Schlufs) Band. Zweite Auflage. Mit 6 Skizzen in Steindruck. Berlin 1899. E. S. Mittler u . S. Preis 8,50 Mk ., geb. 10 Mk . 13. Der Festungskrieg. Für die k. u. k. Militär- Bildungs-Anstalten und zum Selbstunterricht für Offiziere aller Waffen bearbeitet von Moritz Ritter von Brunner, k. u . k. Generalmajor. (Mit Holzschnitten und 1 Tafel.) Achte neu bearbeitete Auflage . Wien 1899. L. W. Seidel u. Sohn . Von 14. Die Division von Beyer im Main- Feldzuge 1866. W. v. Scherff, General d . Inf. z. D. Mit einer Übersichtskarte und zwei Skizzen in Steindruck. Berlin 1899. E. S. Mittler u. S. 15. Geschichte des Krieges von 1866 in Deutschland. Von Oskar von Lettow - Vorbeck, Oberst a . D. Zweiter Band. Der Feld zug in Böhmen . Mit 1 Operationskarte , 20 Skizzen und 9 Gefechts plänen . Berlin 1899. E. S. Mittler u. S. Preis geh. 17,50 . In Halb lederband 20 Mk . 16. Schnellfeuer-Feldkanonen. Von R. Wille, Generalmajor z . D. Erster Teil. 103 Bilder auf 7 Tafeln und im Text. Berlin 1899. R. Eisenschmidt . 17. Drei Wandtafeln für den Unterricht des Soldaten, entworfen auf Anregung des Königl . Preufs . Kriegsministeriums von Premierlt. Holtz. Berlin. E. S. Mittler u . S. Unaufgezogen 4 Mk., auf Leine wand mit Stäben und Ösen 7,50 Mk. 18. Die Heere und Flotten der Gegenwart. Herausgegeben von C. von Zepelin, Generalmajor a. D. IV. Band : Österreich - Ungarn. Das Heer von E. von Kählig, k. u . k . Generalmajor i . R. Die Flotte von R. Ritter von Jedina, k. u . k. Korvettenkapitän i . R. Berlin . A. Schall. Preis des Original-Prachtbandes 15 Mk .
Druck von A. W. Hayn's Erben, Berlin und Potsdam.
Jahrbücher
für die
deutsche Armee und
Marine.
Verantwortlich geleitet
von
E. Schnackenburg Oberstleutnant a. D.
111. Band. April bis Juni 1899.
BERLIN W. 8. Verlag von A. Bath. Mohren-Strasse 19. 1899.
ד ..
Inhalts -Verzeichnis .
Nr. 331.
Heft 1.
April.
III. Das Milizwesen und seine Schwächen. Betrachtungen über die Wehrverfassung der Schweiz IV. Der Angriff der 38. Inf.-Brigade am 16. August 1870 V. Die Entstehung des japanischen Heeres . VI. Der Feldzug in Böhmen 1866 · VII. Die Heeresreform in Portugal VIII. Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland IX . Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen . X. Umschau in der Militär-Litteratur : I. Ausländische Zeitschriften II. Bücher III. Seewesen . IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher
Nr. 332.
Heft 2.
1
20
1. Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes. (Vorträge, gehalten in der Versammlung der Generalstabsoffiziere des Militärbezirks Warschau). Von Obstlt. Borissow , Chef des Stabes der Festung Iwangorod . II. Taktik und Technik im Kriegswesen. Erläutert an Bildern aus dem See- und Landkriege von Spohr , Oberst a. D. I. Einige Betrachtungen über den Zusammenhang zwischen Taktik und Technik im Kriege
Seite
20
37 55 60 83 91 97 103 105 112 124 126
Mai.
XI. Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes (Vorträge, gehalten in der Versammlung der Generalstabsoffiziere des Militärbezirks Warschau). Von Obstlt. Borissow , Chef des Stabes der Festung Iwangorod . (Fortsetzung) . XII. Taktik und Technik im Kriegswesen, erläutert an Beispielen aus dem See- und Landkriege. Von Spohr , Oberst a. D. II. Taktik und Technik im Landkriege XIII. Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand. Eine militär-politische Studie. Von Hauptmann a. D. v. Graevenitz. XIV. Das Heerwesen Uruguays XV. Die Neuorganisation der oberen Kommandoverhältnisse in Frankreich • XVI. Tagebuch des Königl. Westfälischen Leutnants F. L. Wagner aus den Jahren 1809-1813. Von H. Heimke , Duderstadt XVII. Einiges tiber Büchsenmeisterei zu Ende des XVI . Jahrhunderts.
129
155 170 189 195 198 221
Seite 226 XVIII. Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen XIX. Umschau in der Militär-Litteratur : 229 I. Ausländische Zeitschriften • II. Bücher . 237 250 III. Seewesen . IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher 252
Nr. 333. Heft 3.
Juni.
XX. Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes (Vorträge, gehalten in der Versammlung der Generalstabsoffiziere des Militärbezirks Warschau). Von Obstlt. Borissow, Chef des Stabes 257 der Festung Iwangorod. (Fortsetzung) XXI. Taktik und Technik im Kriegswesen, erläutert an Beispielen aus dem See- und Landkriege. Von Spohr , Oberst a. D. III . Die 282 fechtende Radfahrertruppe 295 XXII. Gedanken über den Angriff auf befestigte Feldstellungen 309 XXIII. Heer und Flotte Italiens im 2. Halbjahr 1898 325 XXIV. Armee- und Marine-Nachrichten aus Russland · 329 XXV. Das Verhalten der Vorposten bei einem feindlichen Angriff 331 XXVI. Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen • 335 XXVII. Umschau auf militärtechnischem Gebiet XXVIII. Umschau in der Militär-Litteratur: 360 I. Ausländische Zeitschriften 367 II. Bücher . 384 III. Seewesen IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher 387
I. Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes . (Vorträge, gehalten in der Versammlung der Generalstabsoffiziere des Militärbezirks Warschau.) Von Oberstleutnant Borissow, Chef des Stabes der Festung Iwangorod. Die
folgenden Vorträge
behandeln,
auf Grund
der von dem
preufsischen Generalstabe herausgegebenen „ Moltkes militärische Korrespondenz in den Jahren 1864, 1866 und 1870, " die Thätigkeit des Generals von Moltke im Frieden und
im Kriege bis
zu dem
Beginn der Operationen, ohne seine Thätigkeit während dieser selbst zu berühren. Man kann die Thätigkeit des Chefs Armee
in
Frieden; 2.
folgende
Unterabteilungen
des Generalstabes
gliedern :
während politischer Verwickelungen ;
1.
einer
Thätigkeit im
3. während der
Mobilmachung ; 4. während des Transportes der Truppen ; 5. während des Aufmarsches und 6. bei Eröffnung der Operationen. Der nun folgende Überblick über die Thätigkeit Moltkes giebt uns das Material zu der Beurteilung, welche Bedeutung die Thätigkeit des Chefs des Generalstabes im Frieden besitzt. In Deutschland ruht die Stellung des Chefs des Generalstabes auf einer anderen Grundlage wie in den übrigen europäischen Armeen. In Preufsen schied im Jahre 1821 der Chef des Generalstabes aus dem Kriegsministerium aus und wurde dem König unmittelbar unterstellt. Hierdurch nahm Preufsen die Organisation an, welche Napoleon I. im Jahre 1807 nach den Erfahrungen der Feldzüge von 1805 und 1806 eingeführt hatte. Bis zu dieser Zeit war in der französischen Armee die Stellung des Kriegsministers mit der des Chefs des Stabes der Napoleonischen Armee vereinigt.¹ ) Aber die Erfahrung zeigt, dafs die Übernahme der Arbeit des Chefs des Stabes der Armee
durch den Kriegsminister
(Leboeuf 1870) und
Ersetzung desselben durch eine andere Person ( General Dejean) zu 1) Foucart, Campagne de Prusse. Prenzlow-Lubeck. Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 111. 1
Paris 1880, p . 894. 1
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
2
einer Zeit, in welcher jede Minute kostbar ist, Geschäften veranlasst. ')
Unordnung in den
Später werden wir aus der Betrachtung der Friedens-Thätigkeit Moltkes sehen, dafs es auch im Frieden praktisch ist, um die Armee immer in Kriegsbereitschaft zu halten, wenn
sich in der höchsten
militärischen Verwaltungsbehörde eine Person befindet, welche mit den laufenden Geschäften, organisatorischen und administrativen Fragen, nichts zu thun hat. Diese Person ist in der deutschen Heeresorganisation (und in der napoleonischen von 1807 bis 1815 ) der Chef des Generalstabes. Wie nötig eine solche Person sei, er kannte auch Napoleon III . und dem Umstande, dafs sie fehlte, schrieb er die mangelhafte Kriegsbereitschaft der französischen Armee Jahre 1870 zu.2 )
im
In der deutschen Heeresorganisation ist der Chef des General stabes selbständig. Dies ist aus dem Grunde nötig, damit seine Ansichten, ohne mit anderen Anschauungen vermengt zu werden, unmittelbar zu den Ohren des Kaisers, der Armee, kommen.
als des Oberbefehlshabers
Er ist befreit von jeglicher Schreiberei , welche
die Ausbildung der Truppe betrifft und meinen Kriegsdepartements liegt.
in den Händen des Allge
Die Thätigkeit des Chefs des Generalstabes besteht in der Be arbeitung der Fragen,
welche die Landesverteidigung und die Vor
bereitung der Operationen betreffen,
in der Leitung des Dienstes
des Generalstabes und der Ausbildung mandierten Offiziere. Zu den Aufgaben des
der
zum Generalstab kom
Generalstabes im Frieden gehört
die
peinlich genaue Bearbeitung aller Details,
welche die Gruppierung
und den Transport der Truppen für
wahrscheinlichen Kriege
alle
betreffen, die so ausgearbeiteten Pläne müssen immer kurrent ge halten werden.³ ) Aus „ Moltkes Korrespondenz " ) ist ersichtlich, daſs der Chef des Generalstabes alle seine Betrachtungen über die bevorstehende kriegerische Thätigkeit der Truppen,
nach ihrer Bestätigung durch
den König, dem Kriegsministerium übersandte, von welchem die selben bearbeitet und den Truppen mitgeteilt wurden. Bei Er klärung der Mobilmachung bestimmte
dann
der König,
zur Ver
meidung etwaiger Verzögerungen und Mifsverständnisse, durch Aller höchsten Befehl, 1) 2) 3) 4)
von welchem Mobilmachungstage
Lebrun, Souvenirs militaires 1866-1870 . Ebenda, S. 24. Generalstabswerk 1870-71 , S. 48.
an alle Anord
Paris , 1895 , p. 192–194.
Korrespondenz 1866 , S. 195 und Korrespondenz 1870, S. 142 .
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes.
3
nungen, betreffend die Thätigkeit der Truppen, unmittelbar von und durch den Chef des Generalstabes getroffen werden sollten. Letzterer war nur verpflichtet, dieselben dem Kriegsminister mitzuteilen. Eine solche Verfügung des Königs erging 1866 am 2. Juni , d. h. einen Monat nach der Erklärung der Mobilmachung der ersten Korps (3. Mai ), ¹ )
im
Jahre 1870
am
18. Juli , d . h.
am
dritten Mobil-
machungstage, und trat am fünften Mobilmachungstage ) in Kraft. Beide Allerhöchste Befehle von 1866 und 1870 haben denselben Wortlaut ; - ein Beweis, dafs sie im voraus fertiggestellt waren. Aus der Praxis des Jahres 1866 ist ersichtlich, dafs der Che des Generalstabes dem Ministerrat (vom 28. Februar und 28. März ) beiwohnte und über die militärische Lage Preufsens berichtete.³ ) General von Moltke wurde im Jahre 1857 zum Chef des Generalstabes ernannt. Er war der vierte selbständige Generalstabschef (Müffling 1821-1829 , Krauseneck 1829-1848, Reyher 1848-1857 ) . Die Thätigkeit des Generals von Moltke in seiner Stellung als Chef des Generalstabes beginnt nach der „ Korrespondenz " mit der Denkschrift vom 28. November 1857 über die Bundesfestung Rastatt. Wir führen hier kurz die Arbeiten Moltkes bis zum Jahre 1860 an, in welchem er die systematische Vorbereitung aller wahrscheinlichen Kriege begann. *) Nach der Bundesverfassung stellten die deutschen Fürsten im Falle eines Krieges mit Frankreich folgende Truppen auf : das 1., 2. und 3. Korps Österreich ; das 4. , 5. und 6. Korps - Preussen ; das 7. ― Bayern; das 8. - Württemberg , Baden und Grofsherzogtum Sachsen, Kurfürstentum Hessen , Nassau, Limburg Hessen ; das 9. und Luxemburg ; das 10. - Hannover, Braunschweig, Holstein
Lauenburg, Mecklenburg, Oldenburg, Lübeck, Bremen und Hamburg. nach 1815 - in den Jahren 1831 , 1848 Preuſsen machte und 1850 mobil und jedesmal zogen die Bundeskorps nach Mainz, wo die Versammlung der preufsischen Hauptkräfte stattfand . Im Jahre 1853 verlangte Österreich für seine und die süddeutschen Korps als Sammelpunkt Germersheim , Rastatt und Stuttgart . Dies führte dazu , dafs der deutsche Bund eine Armee ( Preufsen und das 9. und 10. Bundeskorps) bei Mainz, eine andere (Österreicher, das 7. und 8. Bundeskorps ) bei Rastatt aufstellte, d. h., wie Moltke sagt,5) es entstanden zwei Centralstellungen mit verschiedenen Rück1) 2) 3) 4) 5)
Moltkes Korrespondenz 1866, S. 195 und 1870 , S. 142 . Ebenda 1870, S. 142 . Ebenda 1866, S. 67 und 46 ; Generalstabswerk 1866 , S. 4 und 6. Generalstabswerk 1870, S. 48. Korrespondenz 1870, S. 3. 1*
4
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes.
zugsrichtungen auf Berlin und auf Wien.
Aus diesem Grunde kommt
Moltke bei der Erwägung, dafs Preufsen die Mobilmachung seiner Armee in 6-8 Wochen, Österreich die der seinen erst in 12 Wochen beendet hat, zu der Überzeugung, daſs bei einem Kriege mit Frankreich Preufsen nur auf sich, das 9., 10. und Teile des 7. und 8 . Bundeskorps rechnen könne. ' ) In seiner zweiten Arbeit, vom Oktober 1858, betrachtet Moltke die Beziehungen zu den kleineren Nachbarstaaten : Holland , Belgien, Schweiz und Sardinien im Falle eines Krieges Deutschlands mit Frankreich und erwähnt den Aufmarsch der preufsischen Armee und der mit ihr verbündeten Korps : Eine Defensivarmee wird am 42. Mobilmachungstage am unteren Rhein, bei Düsseldorf, aus dem VII , VIII , III und X. Bundeskorps in Stärke von 135 000 Mann gebildet. Eine Offensivarmee am Main, am 42. Mobilmachungstage , aus dem IV., V. , VI . und IX. Bundeskorps, --- in Stärke von 120 000 200 000 Mann ). Mann (mit dem 7. und 8. Bundeskorps —
Eine bei Halle und Weilsenfels, am 46. Mobilmachungstage, aus dem II. und Garde-Korps , gebildete Reservearmee - marschiert auf Düsseldorf, Frankfurt, Bamberg, Hamburg .
66 000 Mann
Breslau oder
Die Stellung der österreichischen Armee wird folgendermalsen angenommen : das 7. und 8. Bundeskorps bei Rastatt und Germersheim am 30. - 41 . Mobilmachungstage ; machungstage 150 000 Österreicher ; Österreichern marschiert ebendahin .
ebendaselbst am 84. Mobil-
eine Reservearmee von 50 000
April 1859 begann der italienische Krieg. Aus offiziellen preufsischen Quellen ist ersichtlich, dafs preufsischerseits anfangs 3, und später die übrigen 6 Korps mobilisiert wurden2)
und
am
15. Juli
der Transport der preufsischen Truppen in Stärke von 200 000 Mann nach dem Rhein beginnen sollte . Aber die kurze Dauer des Feldzuges (24. Juni Schlacht bei Solferino und 8. Juli Unterzeichnung des Waffenstillstandes in Villafranca) gab der preufsischen Armee keine Gelegenheit, am Kriege teilzunehmen. Im Frühjahr 1860 bearbeitet Moltke die Denkschriften : 1. Aufmarsch der preufsischen Armee mit Frankreich.
im Falle eines Krieges
2. Aufmarsch der preufsischen Armee mit Österreich.
im Falle
eines Krieges
1) Ebenda. 2) Wahrscheinlich VII. , VIII . und III ., und später IV. , V. , VI., II., Gardeund I. Korps . Korrespondenz 1870 , S. 14.
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes. 3. Aufmarsch der preufsischen Armee im Falle mit Rufsland. Die ersten beiden Denkschriften, jede in Stärke Seiten, sind in der „ Korrespondenz " abgedruckt, ¹ ) den Krieg mit Rufsland, wird nur erwähnt.2 )
5
eines Krieges
von
15-16
die dritte ,
über
Die genannten Denkschriften dienen Moltke als Grundlagen für seine späteren Bearbeitungen des Krieges mit Frankreich und Öster reich . Diese letzteren datieren aus der Zeit gleich nach der Thron besteigung des Königs Wilhelm I. und dem Eintritt des Grafen Bis marck in das Ministerium, als die Streitkräfte Preufsens unzureichend befunden wurden und man unter thätiger Mitwirkung des Kriegs ministers von Roon zu deren Reorganisation schritt . Bis zum Jahre 1866 wurde die Armee auf einen Friedensstand von 210 C00 Mann gebracht, d. h. verdoppelt. Nunmehr betrachten wir die Thätigkeit Moltkes (seit der Re organisation der Armee, genauer seit 1859 ) nach der zu Anfang angegebenen Einteilung der Arbeit des Chefs des Generalstabes. 1. Thätigkeit im Frieden . Die Friedensthätigkeit zerfällt in 6 Unterabteilungen : a) Aufstellung des Kriegsplanes, d . h. der allgemeinen Idee, des Mobilmachungsplanes, Transportes, Aufmarsches u. s. w.; b) Mit teilung der nötigen Daten aus dieser Aufstellung an die Bearbeiter, c) vorläufige Erwägungen über die zu ernennenden Führer und deren Stäbe ; d) Ausbildung und Leitung des Generalstabes ; e) Lösung ver schiedener Fragen, welche von anderen Mitgliedern der Staatsver waltung angeregt sind und die Landesverteidigung betreffen ; f) Samm lung von Nachrichten über den eigenen und die Nachbarstaaten. Wir führen aus der „ Korrespondenz " Beispiele an, die zeigen, wie der Chef des Generalstabes jede der genannten Arbeiten löste. A. Aufstellung des Kriegsplanes . 1. Die Bearbeitung der allgemeinen Idee verlangt zunächst die Klarstellung der politischen Lage der voraussichtlich am Kriege teilnehmenden Staaten. In Preufsen und später in Deutschland lag die Leitung der allgemeinen Politik , deren Ziel die Erreichung der dem Staate zufallenden Aufgaben auf gütlichem Wege oder mit bewaffneter Macht ist in den Händen Bismarcks . Es ist klar , dafs dem Appell
1 ) 1866 , S. 1 und 1870, S 16. 2) Korrespondenz 1870, S. 16 , Beilage zwischen dem Text und General stabswerk 1870, S. 48.
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
6
an die Waffen besondere politische und militärische Erwägungen vorangehen müssen. Diese aufzustellen ist Gegenstand der Militärpolitik , deren Leitung in den Händen des Chefs des Generalstabes Moltke lag. Moltke
orientiert Bismarck stets
(besonders
im Jahre
1866 ,
über die militärische Lage Preufsens,') teilt ihm die Rüstungen der Nachbarstaaten mit,2 ) weist auf deren Bedeutung für den Krieg hin, besteht darauf, dafs die Kriegserklärung nicht erst nach beendetem Aufmarsch des Feindes erfolge und setzt besonders Bismarck die Bedeutung von Offensiv- und Defensivbündnissen auseinander. In einem Falle , am 30. Mai 1866, bei der Frage über die Operationen in den Elbherzogtümern, teilt Moltke dem König, bei dem Militärvortrage auch die politischen Erwägungen Bismarcks mit und weist darauf hin, dafs diese Erwägungen zu Änderungen der militärischen Anschauungen führen können.³) Aus diesem Beispiel ist ersichtlich, wie einträchtig Moltke und Bismarck, zum Wohle des Staates, miteinander arbeiteten.
Wo es anderes ist, kann sich leicht das wieder-
holen, was sich mit Karl XII. und Maseppa, mit dem Marschall Leboeuf und dem Herzog von Grammont ereignete, bei welchen Strategie und Politik nicht Hand
in Hand
gingen :
Die Strategen
rechneten auf ein Bündnis zur Erlangung des Sieges, und die Politiker auf einen Sieg zum Abschluss eines Bündnisses. Ein anderer Fall gemeinsamer Arbeit
des
Chefs
des
Generalstabes
Ministers des Aufseren ist folgender : schon
vor
und
des
der Schlacht
bei
Königgrätz (3. Juli 1866 ) wendete sich die österreichische Regierung am 2. Juli -- an den Kaiser Napoleon III. mit der Bitte um Vermittelung. Am 22. Juli wurden die Operationen unterbrochen und am 26. Juli in Nikolsburg die vorläufigen Friedensbedingungen unterschrieben. Am 9. August begannen in Prag die Friedensverhandlungen. Am Tage vorher, am 8. August, teilte Moltke Bismarck seine Ansichten über eine mögliche Einmischung Frankreich mit,* ) welches in 26 Tagen 250 000 Mann zwischen Metz und Strafsburg aufstellen könne. Es ist aufserordentlich wichtig, sagt Moltke, so schnell wie möglich Frieden mit Österreich
zu schliefsen,
um
im
Osten und Westen freie Hand zu haben, wenn unsere Nachbarn uns die Früchte unseres siegreichen Feldzuges schmälern wollen . Dieses Ziel wird erreicht, wenn unsere Armee imstande ist, sich hierhin
1) 2) 3) 4)
Korrespondenz Ebenda, S. 72, Korrespondenz Korrespondenz
1866 , S. 345 . 83. 1866, S. 189. 1866, S. 345 .
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes.
und dorthin zu
wenden.
7
Wenn der Rücktransport am 22. August
beginnt, treffen bis zum 9. September 2 Armeekorps über OderbergBerlin-Köln, eins über Dresden - Leipzig- Kassel, zwei über EgerWürzburg-Frankfurt und Pilsen-Nürnberg- Stuttgart- Bruchsal , ― im ganzen 150 000 Mann bei Mainz und Mannheim ein, und bilden mit den bei Mainz stehenden Truppen und dem II. Reservekorps (90000 Mann) bei Mainz eine Armee von 240 000, mit den süddeutschen Truppen eine solche von 300 000 Mann. Zur Verwirklichung dieser Erwägungen des Chefs des Generalstabes schlofs der Leiter der preufsischen Politik Schutz- und Trutzbündnisse : am 13. August mit Württemberg, am 17. mit Baden, am 22. mit Bayern , am 23. mit Österreich. Napoleon III . trug sich zu dieser Zeit ( 22. August ) erst mit dem Gedanken an die Verstärkung der französischen Armee.') Damit ist das Zusammenarbeiten Moltkes und Bismarcks noch nicht zu Ende .
Am 13. Mai 1868 (die Schutz- und Trutzbündnisse mit den
süddeutschen Staaten waren im März 1867
veröffentlicht worden)
teilt Moltke Bismarck gelegentlich seiner Unterhandlungen mit den Militär-Bevollmächtigten von Bayern und Württemberg mit,2 ) dafs man bei dem Abschlufs der Schutz- und Trutzbündnisse mit den süddeutschen Staaten nach den Anschauungen
der damaligen Zeit
theoretisch als Grundsatz festgestellt habe, dafs von den süddeutschen Staaten nichts anderes gefordert werde, als dafs sie ihre Kontingente rechtzeitig
und vollzählig
aufstellten und die Befehle des Königs
von Preussen abwarteten. In der That, sagt Moltke, verhält sich die Sache jedoch ganz anders. Ein Schutz- und Trutzbündnis ist keine richtige Form gegenseitiger Hilfe und führt zur Aufstellung eines Koalitionsheeres. Den Unterschied zwischen einer einheitlichen Armee und einer Koalition
hat der Feldzug
1866
klar gezeigt.
Österreich wollte auf dem Hauptkriegsschauplatz 90 000 Verbündete mit seiner Armee vereinigen,
aber die Süddeutschen lehnten es ab
da jeder Staat seine Grenzen verteidigen wollte. Aber, wie die Kriegsgeschichte zeigt, mufs man mit diesen Ansichten rechnen und man kann von den Süddeutscheu nicht nur das fordern, was speziell militärische Rücksichten verlangen, sondern mufs auch darauf Rücksicht nehmen, dafs es ihren Ansprüchen auf Sicherheit ihres eigenen Landes entspricht.
Diese Sicherung ihres
Gebietes wird durch den Einmarsch überlegener Kräfte in Frankreich vollkommen erreicht. Mit einem solchen Plane sind die Süd-
1) Lebrun, S. 4. 2) Korrespondenz 1870, S. 94.
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes.
8 deutschen
ohne Frage einverstanden .
Aber ein solcher Einmarsch
erfordert politische Initiative und eine Kriegsbereitschaft, von welcher die Süddeutschen weit entfernt sind. Aus diesem Grunde mufs man auch eine defensive Verteidigung Süddeutschlands im Auge behalten. Diese kann auf zweierlei Arten bewirkt werden. 1. Durch direkte Verteidigung die Süddeutschen stellen
ihre Truppen im Schwarzwald oder an der Iller auf ; dann sind allerdings gemeinsame Operationen mit den bei Mainz stehenden norddeutschen Truppen ausgeschlossen. 2. Durch indirekte Verteidigung Württemberger, Badenser und Bayern bilden mit 2 preufsischen Korps am Neckar und Main eine linke Flügelarmee in Stärke von 140 000 Mann.¹) Wenn dann die Franzosen den Rhein überschreiten und auf Stuttgart vormarschieren, geht diese 3. Armee in die Linie Pforzheim -Calw und die Reserve- (4.) Armee nimmt ihre Stelle am linken Rheinufer ein,2) während die beiden anderen Armeen ( 1. und 2. ) die Offensive nach Westen antreten.3 ) Am
13. Mai 1868
erklärten
sich
Bayern und Württemberg
bereit, ersteres seine 2 Armeekorps bei Nördlingen und Würzburg ( eine Brigade bei Landau ) , letzteres seine Division bei Stuttgart und Ludwigsburg , Baden - eine Division bei Rastatt zu versammeln¹ ) Beim Ausbruch des Krieges 1870 wurden die bayerischen Korps nach Germersheim und Speier, die württembergische Division nach Karlsruhe und die badische nach Rastatt gezogen. Dann wurden alle Süddeutschen auf das linke Rheinufer überführt und bildeten dort mit 2 preufsischen Korps die III. Armee. Auf diese Art verwandelten Moltke und Bismarck allmählich die Koalitionsarmee in die einem einzigen Willen unterstellt war, d. h. die Süddeutschen kehrten in die Stellung zurück , welche sie in der
eine einzige,
Armee Napoleon I. eingenommen hatten. In dem angeführten Beispiel ist das Verdienst Moltkes gröfser wie das Bismarcks .
1 ) Korrespondenz 1870, S. 94. 2) In der Linie Trier-Saarbrücken-Landau. Dies erklärt die ursprüngliche Absicht Moltkes betreffs der Nummerierung der Armee, Korrespondenz 1870, S. 70, 83, 93, 99 und die Bemerkung im Text, S. 131 , dafs die Süddeutschen keine Erwähnung finden, wo sie auf dem rechten Ufer verbleiben. $) Korrespondenz 1870, S. 128. 4) Korrespondenz 1870, S. 128. Vergleiche die Stellung der Süddeutschen 1866 nach dem österreichischen Generalstabswerk über den Krieg 1876 , Bd . I. S. 128.
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
9
Um die militärische Politik Moltkes ganz zu würdigen, mufs man in dem österreichischen Generalstabswerk über "9 den Krieg Österreichs mit Preufsen und Italien im Jahre 1866 " lesen, welche Mühe der Chef des österreichischen Generalstabes v. Henikstein im Jahre 1866
umsonst
darauf verwandte zu einem dem von Moltke
erreichten ähnlichen Resultat zu gelangen. Die preufsische
militärische Politik Moltkes hatte zur Folge,
dafs Süddeutschland gleichzeitig mit Preufsen die Mobilmachung erklärte.¹ ) Als Beweis
wie vollständig die militärische Politik des Chefs
des Generalstabes mit der allgemeinen Politik des Ministers des Auswärtigen übereinstimmte, dient ein Hinweis auf den Abschlufs des Bündnisses mit Italien im Jahre 1866, dessen Grundlage darin be stand, dafs beide Staaten gleichzeitig den Krieg erklärten und auf Wien, die Hauptstadt Österreichs , vormarschierten. Es war Sache der allgemeinen Politik , ein Schutz- und Trutzbündnis zu schliefsen , um für Preufsen die Einigkeit Deutsch lands, für Italien — Abtretung der Österreich gehörenden italienischen Provinzen zu erlangen. Sache der militärischen Politik war es, dieses Bündnis in ein strategisches zu verwandeln, welches als Endziel der Operationen nicht die Besitzergreifung Venetiens, sondern die Einnahme der Hauptstadt des Gegners bezeichnete , welches gleichzeitige Kriegs erklärung und Mobilisierung aller Streitkräfte des Staates forderte, um dadurch den Nachteil, daſs man zu Anfang nicht auf einem und demselben Kriegstheater gemeinsam operieren konnte, machen." )
wett zu
Aufserdem weist Moltke den italienischen Generalstab darauf hin,
wie nötig es für die italienische Armee sei,
unter Umgehung
des italienischen Festungsviereckes ihre Operationsrichtung auf Padua und Venetien zu nehmen.³ ) In diesem Punkte stimmt der Plan Moltkes mit dem Napoleon I. im Jahre 1814 überein, welch letzterer die Richtung über Brendolo auf Mestre, Treviso angiebt. Ein Beispiel dafür, wie Moltke es verstand, die Forderungen der Politik mit denen der Strategie in Einklang zu bringen, ist seine Denkschrift aus den Jahren
1868-1869. )
In ihr verteilt
Moltke in Voraussicht eines Krieges mit Frankreich und Österreich
1) Generalstabswerk 1870, S. 83. 2) Korrespondenz 1866 , S. 47-61 . Österreichisches Generalstabswerk 1866, Teil I, S. 24, Teil II , S. 10 . 3) Korrespondenz 1866, S. 225. 4) Korrespondenz 1870, S. 98 und 107.
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
40
die 13 preuſsischen Korps¹ ) folgendermaſsen : 10 Korps gegen Frankreich, 3 Korps gegen Österreich. Baden und Württemberg, als am meisten durch Frankreich bedroht, stellen ihre Divisionen gegen dasselbe auf. Die beiden bayerischen Korps werden aus demselben Grunde gegen Österreich bestimmt. Es ist klar, dafs Moltke sich hier von den Forderungen der militärischen Politik leiten läfst, um die Bundesgenossen in Bezug auf die Gefahrlosigkeit ihres eigenen Landes zu beruhigen² ) und dafür die strategische Forderung (einer Operationslinie) fallen läſst. Der endgültige Aufmarsch aller Kräfte war folgendermalsen geplant :
Gegen Frankreich 385 000 Mann. Gegen Österreich
110 000 Preufsen in Linie Dresden-Neilse .
50 000 Bayern in Linie Altötting- Titmoning. Summa 160 000 Mann marschieren auf Wien in getrennten Gruppen und ohne direkte gegenseitige Unterstützung.³) In den Denkschriften des Chefs des Generalstabes von
1862
und 1868 ist die militärische Politik Moltkes, welche sich mit dem Hauptfeinde im Falle eines Krieges gegen mehrere Staaten beschäftigt, klar zu erkennen. Im Jahre 1862 bezeichnet er in Voraussicht eines Krieges mit Österreich und gleichzeitig mit Bayern und
dem
in Mexiko
engagierten Frankreich,
als
Hauptaufgabe :
Führung eines Schlages gegen Österreich. ) Im Jahre 1868 weist er für den Fall eines Krieges mit Frankreich und Österreich auf ersteres als den Hauptfeind hin.5) Die militärische Politik Moltkes fordert auch 1864 schnelle Abrechnung mit Dänemark, damit die Einmischung fremder Mächte unmöglich gemacht wird. ") Im Jahre 1858 stellt die militärische Politik die Beziehungen
Hollands,
Belgiens, der Schweiz und Sardiniens zu Deutschland (Preufsen und Österreich) für den Fall eines Krieges mit Frankreich fest. Moltke weist darauf hin, dafs es von der Politik abhängt, ob -Deutschland die 200 000 Soldaten dieser Staaten für oder gegen sich hat und ob es die Linie Osterode-Genf oder Luxemburg- Basel
1) Nach dem Kriege 1866 bildete Preufsen aufser seinen 9 Armeekorps (G. I. — VIII.) aus den Kontingenten der kleinen Bundesstaaten 3 Korps (IX. , X. und XI.) , das sächsische Korps war das XII. 2) Korrespondenz 1870 , S. 111. 3) Ebenda, S. 113. 4) Korrespondenz 1866 , S. 17. 5) Ebenda 1870 , S. 107 . 6) Ebenda 1864 , S. 1.
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes. zu verteidigen haben wird.¹ )
Rufsland ist
11
politisch verbündet,
aber strategisch von geringem Nutzen ( wegen seiner langsamen Mobilmachung ), wird aus diesem Grunde militär - politisch nicht in Rechnung gezogen. Dänemark und Schweden können an der preussischen Küste landen,
doch ist dieses nur mit Englands Ein-
willigung möglich . Die allgemeine Politik kann aktiv (offensiv )
oder passiv
(de-
fensiv ) sein. Ebenso die militärische Politik. Auch der Krieg kann strategisch offensiv oder defensiv geführt werden. Napoleon bevorzugte immer offensive (allgemeine und militärische)
Politik, den Offensivkrieg und die strategische Offensive. Eine offensive militärische Politik gewährt die Möglichkeit, zuerst mit den Zurüstungen zum Kriege zu beginnen, zuerst die Mobilmachung zu erklären und die Armee an dem für die strategische Offensive günstigsten Punkte zu versammeln. Deswegen mufs, wenn alle anderen Faktoren vorhanden sind, ein starkes Reich durch seine offensive militärische Politik zu einem Angriffskriege sich entschliefsen² ) und der Minister des Auswärtigen mufs dem Chef des Generalstabes ermöglichen, seinen Kriegsplan auf einer offensiven militärischen Politik aufzubauen. Bismarck verschaffte im Jahre 1866 Moltke die Grundlagen für eine offensive militärische Politik (Bündnis mit Italien),³ ) aber Moltke entschlofs sich, in dem Bewusstsein, dafs der König entschieden abgeneigt sei, einen Krieg zu führen, den die Ehre und Sicherheit Preussens nicht unbedingt erforderten ) und daſs ein Angriff Preuſsens die Feindschaft seiner Nachbarn ) errege , aus dem Kriegsplan Erwägungen, die auf eine offensive militärische Politik, mithin einen Angriffskrieg gerichtet wären, wegzulassen und alles von dem Angriff Österreichs abhängig zu machen. Ausserdem erwähnte Moltke noch in dem Plan, dafs 99 die strategische Offensive im Gegensatz zu der taktischen unzweifelhaft eine viel gröfsere Ausdehnung der Streitkräfte erfordere, als die strategische Defensive ", worin er sich
1) Ebenda 1870, S. 11. 2) Korrespondenz 1866, S. 8. 3 ) Es ist interessant in der Korrespondenz 1866, S. 52 über die Beweggründe zum Kriege und in dem österreichischen Generalstabswerk 1866, Teil I. S. 24 von der angeblichen Doppelzüngigkeit Bismarcks zu lesen. Wenn hier Bismarck sagt, dafs ,,dem König nichts so fern liegt, als einen Angriffskrieg zu führen," und gleichzeitig ein Offensivbündnis mit Italien schliefst, meint er in dem ersten Fall einen „ Angriffskrieg" , in dem zweiten eine ,,offensive militärische Politik". 4) Generalstabswerk 1866, S. 4, 12, 28 und 6. 5) Korrespondenz 1866, S. 8 .
it Moltkes als Chef des Generalstabes .
Die Thätigke
12
augenscheinlich durch den Satz von Clausewitz , dafs „ die Defensive die stärkste Form der Kriegsführung sei, "1 ) beeinflussen liefs . Eine solche unanfechtbare Behauptung begegnet uns bei Moltke nur einmal, in seiner Denkschrift vom Jahre 1860. Um die Lage Moltkes im Jahre 1866 ganz zu verstehen , man sich vergegenwärtigen,
muſs
dafs der König aufser der Abneigung
gegen den Krieg noch nicht unbedingtes Vertrauen zu Moltke hatte , da ihm dessen Erwägungen in Bezug auf Mobilmachung, Truppentransport und Aufmarsch nicht einleuchteten . Diese schwierige Lage Alles dieses Moltkes wird unten noch näher erörtert werden. führte 1866 zu einer defensiven militärischen Politik, fensivkrieg.
zu einem De-
Es ist interessant, dafs auch Moltkes Gegner, der österreichische General Krismanitsch,
seinen Kriegsplan von 1866
für die
öster-
reichische Armee auf derselben defensiven Grundlage aufbaute²) und wir sehen, wie zu Beginn des Krieges 1866 die preufsische Armee an Berlin, die österreichische an Wien klebt, ein wesentlicher Unterschied nicht nur mit den Feldzügen Napoleons,
sondern
auch
mit.
dem Krieg desselben Moltke im Jahre 1870. Die militärische Politik weist die allgemeine Politik darauf hin, 1. daſs man dem Gegner nicht erlauben darf, Rüstungen anzufangen, ohne ihm sogleich mit vollständiger Mobilmachung zu antworten, denn sonst wird nicht nur der Plan zu einem Offensivkriege unausführbar, sondern
auch die Durchführung eines Defensivplanes er-
schwert ; 2. dafs nicht jeder Staat den Rüstungen des Gegners nur mit einer teilweisen Mobilmachung antworten darf ; alles hängt von dem bei ihm eingeführten System der Mobilmachung ab ; 3. dafs man nach Erklärung der Mobilmachung Truppen befehlen
mufs ;
auch den Transport der
4. dafs man nach vollendetem Aufmarsch
nicht die Ergebnisse der diplomatischen Verhandlungen abwarten darf. Alles dies sind aus dem Feldzug 1866 sich ergebende Schlüsse (doch sind sie nicht unanfechtbar, hängen vielmehr von der Organisation der Armee ab ).
Unten wird ihre Richtigkeit bewiesen.
Im Jahre 1866 begann Österreich seine Vorbereitungen am 2. März ; in der Zeit vom 13. bis 25. April erklärte es die Mobilmachung der Südarmee, vom 25. April bis 7. Mai die der Nordarmee und zog die letztere am 10. Juni bei Olmütz zusammen , trotzdem
es
sie
zu
derselben Zeit bei Josefstadt in Böhmen ver-
einigen konnte.³ ) 1) Horsetzky, Vorträge über Strategie. Wien 1892, 8 und Vatry ,,Théorie de la grande guerre. Clausewitz." Paris 1887, Band II, S. 6. 2) Osterreichisches Generalstabswerk 1866 , I, S. 65 und 98. 3 ) Österreichisches Generalstabswerk 1866 , Bd . I, S. 107 und 145 .
13
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
Preulsen begann mit seinen Vorbereitungen am 29. März, er klärte in der Zeit vom 3. bis 12. Mai die Mobilmachung und mar schierte am 5. Juni mit seinen Streitkräften in der Linie Walden burg (Landeshut )-Görlitz-Torgau auf, obgleich diese Truppen, wenn man einen Angriffskrieg plante, am 14. Juni d. J. 42 Tage nach dem 3. Mai in den Sudeten, in der Linie Glatz -Neifse stehen konnten. ') Wenn die österreichische Armee sich bei Josefstadt versammelt hätte ( 10. Juni ), die preufsische bei Glatz 50 Werst von einander entfernt gestanden.
( 14. Juni)
hätten
sie
Wenn sich die Österreicher bei Olmütz ( 10. Juni ) , die Preufsen bei Glatz ( 14. Juni) versammelten, ander 90 Werst.
betrug ihre Entfernung vonein
Wenn endlich die Österreicher sich bei Josefstadt versammelt hätten ( 10. Juni), die Preufsen (5. Juni) in der Linie Landeshut Görlitz-Torgau, so hätte ihre Entfernung voneinander (von Görlitz aus gemessen) 110 Werst betragen. In Wirklichkeit marschierten
die Gegner aber in
einer Ent
fernung von 240 Werst voneinander auf (die Preufsen am 5. , die Österreicher am 10. Juni ) und überschritten die Grenze erst am 16. Juni. Im Jahre 1870 handelte Preufsen anders. in Frankreich die Einberufung der Reservisten .
Am 15. Juli erfolgte In der Nacht vom
15. auf 16. Juli wurde die Mobilmachung der norddeutschen Armee erklärt und nach 13 Tagen, am 30. Juli, erhielt die III. Armee den Befehl, die Offensive zu ergreifen.3) Nach alledem, was ich von der offensiven allgemeinen Politik Bismarcks, von der offensiven militärischen Politik Moltkes im Jahre 1870 angeführt habe, ist für uns die Erzählung Bismarcks, daſs er, Moltke und Roon für das Jahr 1870 Krieg vorausgesehen und dafs Bismarck die Lösung dieser Frage durch Veröffentlichung des vom König erhaltenen Telegrammes beschleunigt hätte, sehr einleuchtend.³ ) Die Offensivpolitik konnte den Moment nicht unbenutzt ver streichen lassen, in dem die preufsische Armee so gut war, dafs man mit grofser Wahrscheinlichkeit auf einen Erfolg rechnen konnte. " ) 1 ) Korrespondenz 1866 , S. 8. 2) Ebenda 1870, S. 181. (Fälschlicherweise sieht H. Michnewitsch hierin einen groben Fehler Moltkes. „ Krieg 1870–71 . St. Petersburg 1897 , Bd. I, S. 141.) 3) Michnewitsch, Krieg 1870-71 , Bd. I, S. 617. 4) Michnewitsch, Krieg 1870-71 , Bd. I, S. 618. Worte Bismarcks.
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes.
14
Bevor wir zu einer Besprechung der Arbeit Moltkes in Bezug auf den Kriegsplan übergehen, geben wir kurz ein Verzeichnis seiner schriftlichen Arbeiten von 1857-1871. November 1857. Denkschrift über einen Krieg mit Frankreich . Oktober 1858. Desgleichen. Frühjahr 1860. Denkschrift über einen Krieg mit Frankreich, Österreich und Russland. November 1861 .
Denkschrift über einen Krieg mit Frankreich.
Juni 1862. Denkschrift über einen Krieg mit Österreich, Bayern , Frankreich und Sachsen. Dezember 1862. Operationsentwurf für einen Krieg mit Danemark. Anfang der Geschichte des Krieges mit Dänemark 1848 und 1849. Juni 1863.
Denkschrift über einen Krieg mit Frankreich.
Vom Juni 1863 bis Dezember 1864 ist Moltke mit Fragen, betreffend den Krieg mit Dänemark beschäftigt. Winter 1865 und 1866. Denkschrift über einen Krieg mit Österreich (Vorarbeit ). Februar 1866. Ausarbeitung eines Vortrags für den Ministerrat vom 28. Februar in betreff eines Krieges mit Österreich. März 1866. Ministerrat.
April 1866.
Desgleichen für den am 28. März
stattfindenden
Denkschrift über einen Krieg mit Österreich und
Bayern. März bis April 1866.
Vorbereitende Arbeiten für den Aufmarsch
der Armee und den Kriegsplan gegen Österreich. 14. April 1866. Österreich .
Bericht an
den König
über
den Krieg mit
20. April 1866. Denkschrift über die Grundlagen für den ersten Aufmarsch der Armee im Falle eines Krieges mit Österreich. 27. April 1866. Österreich.
Bericht
an den König über
den Krieg mit
28. April bis 2. Mai 1866 vorbereitende Arbeiten für den Krieg mit Österreich. 4. Mai 1866 . Bericht an den König über den Krieg mit Österreich. 7. Mai 1866. gegen Österreich.
Denkschrift über
14., 25. Mai und 3. Juni 1866. denselben Gegenstand .
die Leitung der Operationen
Berichte an den König
über
Vom 3. Juni bis 4. September 1866 ist Moltke im Kriege gegen Österreich beschäftigt.
P Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes. 15. Mai 1867. mit Frankreich.
15 .
Ausarbeitung der Grundlagen für einen Krieg
16. November 1867 , 21. März und April 1868. Desgleichen. 1868. Erstes Projekt für einen Krieg mit Frankreich und mit Frankreich und Österreich. Januar und März 1869 . Umarbeitung dieses Projektes. Denkschrift über einen Krieg mit Winter 1868 und 1869. Frankreich und mit Frankreich und Österreich. Dieselbe wird in und 1870 mehreremals , zum letztenmal im Juli 1870 umgearbeitet. Sie ist enthalten im Generalstabswerk 1870 und bei uns unter der Bezeichnung ,, Memoire Moltkes" bekannt. ')
den Jahren 1869
Vom Juli 1870 bis Februar 1871 ist Moltke im Krieg in Frank reich thätig . Aufserdem stellte Moltke von 1858 bis 1882 dem Generalstab 66 Aufgaben. Alles dieses giebt in grofsen Zügen einen Begriff von der un geheuren Arbeitskraft Moltkes.
Wir gehen jetzt zur Ausarbeitung des Kriegsplanes über und zwar zur Bearbeitung der allgemeinen Idee für die Feldzüge 1864, 1866 und 1870. Moltke beschäftigt sich von 1857 an (Plan für einen Krieg mit Frankreich) und seit 1860 ( mit Österreich ) bis 1867 nur mit einem Defensivkrieg and stellt erst 1867, augenscheinlich unter dem Eindruck der Siege von 1866 , den Plan zu einem Offensivkrieg auf, den er auch 1870 bei dem Zusammenstofs mit Frankreich an wandte. Im Jahre 1858 hält er in Anbetracht der Überlegenheit Frank reichs die Verteidigung der Rheinlinie für nötig und stellt 2 Armeen auf: eine Defensivarmee am unteren Rhein bei Düsseldorf, in Stärke von 135 000 Mann, gegen die bei Lille , Valenciennes und Maubeuge stehenden Franzosen ; eine zweite Offensivarmee am Main bei Mainz -in Stärke von 200 000 Mann gegen die bei Metz, Nancy und Strafsburg stehenden Franzosen. Eine 3. Reservearmee wird bei Halle und Weifsenfels aufgestellt, um von da nach Düsseldorf, Frankfurt, Bamberg, Breslau oder Ham burg zu marschieren.2) 1 ) Korrespondenz 1870, S. 114 und Leer. S. 379. 2) Korrespondenz 1870, S. 13 .
Strategie I, Ausgabe 1893,
Die Thätigkeit Moltkes als Chet des Generalstabes.
16
Der Defensivkrieg schliefst nicht die strategische Offensive aus. Wenn die Franzosen durch Belgien nach Düsseldorf, Köln, Koblenz marschieren, geht die zweite Main-Armee gegen ihre rechte Flanke .
Wenn die Franzosen über Strafsburg auf das rechte Rhein-
ufer und weiter auf Mainz oder Ulm marschieren, geht die erste Rhein-Armee nach Trier und beide preufsischen Armeen greifen die linke Flanke der Franzosen an. Preufsen muſs auf alle Fälle einen Krieg mit Frankreich selbstständig führen, da es seine Mobilmachung in 42 Tagen, Osterreich die seine erst in 12 Wochen beendet.¹ ) Seit dieser Zeit zieht Moltke schon nicht mehr die Streitkräfte des verbündeten Österreichs für den Fall eines Krieges mit Frankreich in Rechnung und erklärt im Jahre 1861 , dafs für Preufsen die Vereinigung mit den übrigen deutschen Staaten ungemein wichtig sei, sowohl in militärischer, wie auch in politischer Beziehung, um seine Hauptkräfte schnell an den Main zu schaffen, den Rest seiner Truppen aber an den unteren Rhein, nach Köln,2 ) Aachen, Trier zu dirigieren. Wenn die Franzosen nicht durch Belgien marschieren, gehen diese Streitkräfte
nach Trier.³ )
Nach Besiegung
der fran-
zösischen Armee , ist Metz und Strafsburg zu belagern und diese Belagerung durch die Feldarmee zu decken. Durch Einnahme der ehemaligen deutschen Provinzen Elsafs und Lothringen macht Preuſsen Frankreich eher einem Frieden geneigt als durch die Offensive durch Belgien, denn auf letzterem Wege kann man keine Eroberungen machen, man mufs nach dem befestigten Paris marschieren , die Regierung stürzen und diktieren .* ) In dieser Zeit
an der
Seine
oder der Loire den Frieden
beschäftigt sich Moltke
bezüglich Österreichs
ebenfalls nur mit einem Defensivkrieg. Die preufsische Armee marschiert in Linie Halle-Torgau- Spremberg- Schweidnitz auf und hat als einziges Ziel , so schnell wie möglich, unter Benutzung aller verfügbaren Eisenbahnen : die Grenze zu erreichen und das von Süden ungedeckte und nahe am Meer liegende Berlin zu schützen, um die Österreicher zu verhindern, Preufsen in 2 Teile zu teilen. Bei einer solchen Aufstellung der Armee kann man 165 000 Mann zwischen Torgau und Herzberg oder 198 000 Mann bei Dresden vereinigen. Gehen die Österreicher offensiv auf Berlin vor, so manövriert die preufsische Armee unter Benutzung der Brücken von 1) 2) 3) 4)
Korrespondenz 1870, S. 3. Ebenda, S. 37. Ebenda, S. 29. Korrespondenz 1870, S. 35 .
18
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes. Bereits im Dezember 1864 begannen die Meinungsverschieden-
heiten zwischen Preufsen und Österreich¹ ) und Moltke wandte seit März 1865 seine ganze Aufmerksamkeit auf Österreich. Die Grundlage des Aufmarsches der preufsischen Armee bleibt unverändert: die Hauptarmee marschiert in der Lausitz auf: 3 Armeekorps - 94 000 Mann bei Dresden und östlich, 3 Korps
99 000
Mann bei Görlitz und westlich ; Gesamtstärke der Hauptarmee : 193 000 Mann ; die schlesische Armee 2 Armeekorps 54 000 Mann in Linie Freiburg-Schweidnitz ; die Main-Armee -- 1 Armeekorps = 52 000 Mann,
bei Mainz.
zur Defensive in 2 Märschen bei 3 Märschen bei Jung-Bunzlau.')
Die Hauptarmee sammelt sich in Bautzen , zur Offensive
Hieraus ergiebt sich, dafs alle Erwägungen für den Aufmarsch der Armee auf der Defensive basieren, auf dem Schutz des eigenen Landes,
und nur in dem Falle,
dafs der Gegner mit der Offensive
zögert (oder geschlagen wird), marschiert die preuſsische Armee in des Feindes Land ein. Also war der Plan für einen Krieg mit Österreich 1866 derselbe, wie der 1866 für einen Krieg mit Frankreich ausgearbeitete . Der Krieg 1866 Plane geführt.
mit Österreich wurde
nach dem
erwähnten
Dazu kamen nur, wie schon oben erwähnt, allgemeine
Erwägungen über die Operationen der mit Preufsen verbündeten italienischen Armee. Nach Beendigung des Krieges 1866 mit Österreich denkt Moltke nicht mehr an einen Defensivkrieg mit Frankreich, sondern beschäftigt sich mit einem Offensiv krieg. Diese Anderung wird auch von dem preussischen Generalstab angeführt.³) Es sind 2 Bearbeitungen Moltkes vorhanden : nach der einen marschiert die Armee in
der
Linie
Luxemburg-Sierck- Saarlouis- Saarbrücken- Saargemünd auf und geht dann gegen die Linie Thionville- Metz vor ; nach dem anderen marschiert sie gegenüber der Linie Niederham-Boulay- St. Avold-Saarunion auf und geht gegen die Linie Pont-à-Mousson-Nancy vor.4) (Zweibrücken )
Zu Anfang Mai 1867 wurde die Luxemburger Frage aufgewelche nach dem Londoner Vertrag mit der Neutralisation Luxemburgs und der Zurückziehung der preufsischen Garnison aus der Stadt endete. Mitte November 1867 arbeitet Moltke seine Ansicht über einen Offensivkrieg mit Frankreich endgültig aus. Nach
worfen,
1) 2) 3) 4)
Österreichisches Generalstaoswerk 1866, Bd . I, S. 4 . Korrespondenz 1866 , S. 36. Korrespondenz 1870, S. 70. Bemerkung im Text. Ebenda, S. 70.
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes.
17
Dresden, Torgau und Wittenberg.¹ ) Für die Offensive gegen die sächsische Armee studiert Moltke den Feldzug Friedrichs II. im Jahre 1756.2) Dies ist der Kern der Erwägungen Moltkes in seiner ersten Arbeit vom Jahre 1860 für den Fall eines Krieges mit Frankreich und mit Österreich . Wie ich schon anführte, habe ich den Versuch gemacht, dieselben ersten Erwägungen des Jahres 1860 für den Fall eines Krieges mit Rufsland anzustellen, ³ ) wobei ich als Auf marschlinie der preufsischen Armee gegen uns die Linie Thorn Breslau, mit darauffolgender Versammlung der Armee bei Lowitsch annahm . Im Jahre 1862 sieht Moltke, infolge der politischen Verwicke lungen mit Kurhessen, einen Krieg mit Österreich, Bayern und Frankreich voraus . Für diesen Fall schlägt er vor, 4 Armeekorps in Stärke von 125 000 Mann bei Mainz zu
versammeln
und
auf
dem linken Rheinufer durch die bayerische Pfalz zu operieren , oder über Würzburg gegen Bayern zu marschieren. Die übrigen Streit kräfte Preuſsens - 5 Armeekorps mit 160 000 Mann, will er in Linie Elsterwerda- Görlitz versammeln und auf Dresden und Prag dirigieren. * ) Seit dem Ende des Jahres 1862 ist Moltke ausschliesslich mit der Frage eines Krieges mit Dänemark beschäftigt (nur im Juni 1863 stellt er infolge
der durch den polnischen Aufstand entstandenen
Verwickelungen eine Denkschrift über einen Krieg mit Frankreich³) auf) .
Moltke
weist hierbei als Operationsobjekt auf die dänische
Armee hin, da die Hauptstadt Kopenhagen ohne Flotte unangreifbar sei. Die Armee müsse man schnell vernichten und es ihr unmöglich machen, sich auf die Inseln zurückzuziehen. Die Dänen würden die von ihnen vorbereitete Stellung bei Schleswig besetzen, man müsse dann schnell ihre Flanken umfassen und zu dem Zweck den 25000 Dänen 60 000 Preufsen gegenüberstellen.") Es ist bekannt, dafs die Ausführung dieses Planes nicht gelang und die dänische Armee am 5. Februar 1864 ihre Stellung räumte und sich auf die Inseln
zurückzog,
wodurch der Krieg
bis zum
August 1864 hingezogen wurde .") ¹ ) Ebenda 1866 , S. 7 , 13 und 120. 2) Ebenda, S. 20. 3) Borissow,,,Von der Thätigkeit eines Armeeführers." 4) Korrespondenz 1866, S. 19. 5) Ebenda 1870, S. 43. 6) Ebenda 1864, S. 1. 7) Blom, Krieg 1864 in Dänemark. Petersburg 1895. Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 111. 1,
Warschau 1898.
2
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
19
ihr marschiert die deutsche Armee in der Linie Trier-Saarbrücken Mannheim auf und geht gegen die Linie Füllingen -Han sur Nied Baronweiler vor. Das Operationsobjekt bilden die Hauptkräfte des Feindes ;
sind sie
vernichtet,
wird die Offensive in der Paris am
meisten bedrohenden Richtung d. h. auf Pont à Mousson-Nancy fort gesetzt. Wenn die Franzosen von Lille und Mézières durch Belgien auf Aachen marschieren, so werden die Preufsen, da erstere 80 Meilen von Berlin, sie selbst aber nur 30 Meilen von Paris entfernt sind, sich gleichzeitig mit dem Eintreffen der Franzosen in Aachen in dem Argonner Wald befinden. Doch führt die Bedrohung des befestigten Paris allein zu keiner Entscheidung, sondern die deutsche Armee mufs aus der Linie Luxemburg-Pont à Mousson auf Sedan vorrücken und von da Paris und die rechte Flanke der französischen Armee bedrohen. Aus diesem Grunde geht die deutsche Armee besser aus der Linie Luxemburg -Trier-Koblenz auf Lüttich dem rechten Flügel der französischen Armee entgegen.¹) Endgültig fertiggestellt wurde der Plan zu einem Kriege mit Frankreich im Jahre 1870 in folgender Weise : 1. Marschrichtung auf Paris, da man hierbei wahrscheinlich der französischen Armee begegnet.2 ) 2. Zunächst unter Umgebung von Metz Vormarsch gegen die Linie Pont à Mousson-Luneville.³ ) 3. Ziel : Vernichtung der Hauptkräfte der französischen Armee.* ) 4. Absicht : Die französische Armee von Norden von Paris ab zudrängen.³) In Bezug auf den letzten Punkt, nämlich Umgehuug von Norden und Zurückwerfen nach Süden, oder Umgehung von Süden und Zurückwerfen nach Norden , d. h. ob man die rechte oder linke Flanke der französischen Armee umgehen soll, verschieden .
sind die Ansichten
Für eine Umgehung der linken Flanke spricht Moltke
in seiner Stabsschrift ) und der preufsische Generalstab in der Ge ―――― schichte des Krieges 1870,7) für Umgehung der rechten Flanke Moltke in seiner Geschichte des Krieges 18708) Leer,') Woide¹º) und Michnewitsch.11 ) 1 , Korrespondenz 1870, S. 70. 2) Ebenda, S. 182. 3) Ebenda. 4) Ebenda, S. 120. 5) Ebenda, S. 86 und Geschichte des Krieges 1870, S. 48 (preussische). 6) Ebenda 1870, S. 86. 7) Generalstabswerk 1870, S. 48. 8) Moltkes gesammelte Schriften, Bd . III , S. 8. 2) Leer, Strategie I, Ausgabe 1893, S. 885. 10) Woide, Siege und Niederlagen, Bd . I, S. 12. 11 ) Michnewitsch, Krieg 1870, Bd . I, S. 68. 2*
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
20
Wir persönlich neigen zu einer Umgehung von Norden, gegen die linke Flanke, und bemerken, dafs Moltke die Umgehung der rechten Flanke in dem Fall beabsichtigen konnte,
dafs
die fran-
zösische Armee ihren Vormarsch durch Belgien antrat, oder in der Linie Thionville-Metz aufmarschierte. Ein fester Plan entstand aus dieser Idee jedoch erst nach dem Vortrag Moltkes bei dem Könige in Mainz ( um den 3. August 1870), klar wurde.¹ )
als
die Lage
der Franzosen
Dies sind die allgemeinen Grundlagen, auf denen Moltke seine Pläne
aufbaute.2 )
Vergleichen wir sie
mit denen Napoleons, so
müssen wir gestehen, dafs Moltke seine Aufgaben vollkommen im Sinne der Strategie des gröfsten aller Heerführer löste . (Fortsetzung folgt. )
II. Taktik und Technik im Kriegswesen erläutert an Bildern aus dem See- und Landkriege.
Von Spohr, Oberst a. D.
I. Einige Betrachtungen über den Zusammenhang zwischen Taktik und Technik im See- Kriege. Wir leben nicht nur im Zeichen des Verkehrs, sondern auch im Zeitalter der Nervosität. Nicht zum wenigsten im Kriegswesen geltend. Kaum
hat Amerika
aber macht sich diese neuerdings auch
trotz
seiner traurigen Armeeverhältnisse,
lediglich durch seine Flotte, wie man glaubt, und deren in einigen Punkten unbestreitbare Überlegenheit über die
spanische in dem
kubanischen Eroberungskriege gesiegt, da schwillt den Engländern der Kamm, und sie gebärden sich, als ob ihre augenblickliche grofse Flottenüberlegenheit ihnen das „ rule the waves" für ewige Zeiten garantierte .
Britannia,
rule
over
1 ) Moltkes gesammelte Schriften, Bd. III , S. 8. 2) Wajenny Sbornik 1897, Nr. 6. Die Pläne Moltkes nach der „ Revue militaire de l'Etranger".
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
21
Und sie werden in diesem Wahne von allen Seiten bestärkt. Dafs es die Umstände - darunter die politische und sociale Verblendung der Spanier in erster Reihe waren , welche amerikanischen Flotte hauptsächlich ihren Sieg ermöglichten ,
der das
wird völlig übersehen . Kaum , dafs man die breite und nahe Operationsbasis der Amerikaner, welche ihnen vor allem stets die nötigen Kohlenvorräte gewährleistete, gegenüber der des entfernten und räumlich, wie finanziell, weit unterlegenen Spaniens , einigermafsen würdigt. Aber, daſs das , seit Jahren auf diesen kommenden Krieg mit dem Zaunpfahl aufmerksam gemachte Spanien Alles und Alles versäumte, was hätte geschehen müssen , das wird kaum in Betracht gezogen. War es denn nicht möglich, wenn man sich nun einmal auch strategisch defensiv verhalten, wenn man weder den im Vergleich zum spanischen ungeheuren amerikanischen Handel, noch das bei einer nur dreitägigen Eroberung alle Kriegskosten dreimal aufwiegende New-York zum offensiven Operationsziel zu machen wagte, auf Kuba genügende Kohlendepots anzulegen, um die Flotte auch flott, mindestens im Radius der strategischen Defensive zu erhalten ? Wog Kuba nicht den Preis auf, den man nur zu zahlen brauchte, um von einer stets die überlegene Qualität garantierenden deutschen Fabrik Geschütze für die Flotte
zu
erwerben, welche den amerikanischen mehr,
als ein
Paroli, zu biegen vermochten? Bot dieselbe Fabrik nicht Mittel genug, um die alten spanischen
Landbefestigungen mit Panzertürmen und Küstengeschützen zu versehen, welche die Amerikaner mit blutiger Nase auf die doppelte Entfernung zu verscheuchen geeignet waren, auf welche sie sich jetzt ungestraft und ganz gemütlich " nähern durften ? Und last not least, war man nicht in der Lage, sich mindestens mit Proviant und Lebensmitteln jeder Art so weit vorzusehen , daſs man nicht im selben Augenblicke aus Hunger und Verzweiflung Chamade schlagen mufste, wo die Amerikaner am gelben Fieber und unter den klimatischen Verhältnissen der kubanischen Regenzeit spurlos unterzugehen im Begriffe standen ? Ja, aber, so höre ich einwerfen , Sie vergessen ganz den kubanischen Aufstand ! O , nein, den vergesse ich ganz und gar nicht ! Gerade dieser hätte die Spanier schon seit Jahren darüber belehren müssen, dafs Kuba nicht blofs auf der Welt existiert, um das Giftkraut 29 Tabak" zu erzeugen und durch den Handel mit diesem Dublonen in spanische Taschen zu zaubern . Hätte man im Hinblick auf den doch seit mehr als 20 Jahren
drohenden Krieg die Fruchtbarkeit des Landes nur so weit für den
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
22 Bau
von Getreide
und
gewöhnlichen
Lebensmitteln
nutzbar
zu
machen gewulst, dafs man in dieser Hinsicht, unabhängig von Ein fuhr¹ ) existieren konnte, dann würde man wohl auch noch auf weitere Bedürfnisse der Bewohner der Perle der Antillen aufmerksam ge worden sein und bei gutem Willen auch die Mittel gefunden haben , diese zu befriedigen und damit für die Eingeborenen des Landes überhaupt erträgliche soziale Zustände herbeizuführen, wodurch dann der neueste Aufstand wohl ganz vermieden worden wäre. Darin, dafs man Klima und Bodenverhältnisse einerseits , und das verblendete Verlangen der sog. civilisierten Welt nach dem Ge nusse des Giftkrauts „ Tabak" andererseits in blinder Geldgier aus zubeuten trachtete, darin bestand die soziale und politische Sünde, der Urquell alles Bösen, dessen Sühne nun der Verlust nicht nur dieser, sondern fast aller transatlantischen spanischen Kolonien bildet. Ob diese unter der neuen amerikanischen Herrschaft besser fahren werden, oder ob sie vorläufig nur aus dem Regen unter die Traufe gekommen sind, das wird die Zukunft lehren. Hier sollte nur auf den innern Zusammenhang der Dinge auf merksam gemacht werden und darauf, dafs die Überlegenheit der amerikanischen Flotte schliesslich nur das ausschlaggebende Gewicht war, welches die Wagschale Spaniens in die Luft schnellte. Dafs dabei in der letzteren , nur der in politischen Dingen feder leicht wiegende
Stolz, aber kein irgendwie ins Gewicht fallender
Heroismus, keine die physische Schwäche kompensierende Genialität zur Geltung kam , das mufs doch ebenfalls hier hervorgehoben werden. Es fehlte an einem spanischen Tegetthoff ebenso , wie an jenen 1 ) Möchten wir Deutsche uns doch ein warnendes Beispiel daran nehmen! Zunehmend werden auch wir zu einem Industriestaate in ähnlichem Sinne , wie es für Spanien die Kolonie Kuba war. Immer mehr wuchern industrielle Be triebe empor ich erinnere nur an Sacharinfabriken, an die Fabriken chemischer Gifte, sog. Arzneimittel, an die Wein-, Bier- und Branntweinfabriken u. s . w. welche, die physische und moralische Volkskraft verwüstend, nur der Gewinn sucht ihrer Gründer dienen. Selbst die Landwirtschaft mufs grofse Länder strecken zum Taback-, Hopfen- und Cichorienbau, mufs ungeheure Quantitäten von guten Lebensmitteln, Gerste, Kartoffeln u. s. w. zur Fabrikation schädlicher Gifte hergeben. Während wir durchaus in der Lage wären, unsern Bedarf an Lebensmitteln selbst decken zu können, werden wir von Jahr zu Jahr abhängiger vom Auslande. So könnten auch wir einmal in die Lage kommen, von der Einfuhr abgeschnitten, die Erfahrung zu machen, dafs man zwar mit giftigen Genufsartikeln Geld machen, aber nicht von ihnen leben kann , dafs Land wirtschaft und Volkskraft in unmittelbarer Beziehung zu einander stehen und die Vernichtung der einen auch die Vernichtung der andern unbedingt nach sich zieht.
Taktik und Technik im Kriegswesen etc. erfindungsreichen Ingenieuren,
wie
spanische Übermacht verteidigten. Ein Tegetthoff hätte wohl
sie die
23
einst Antwerpen gegen die Mittel
gefunden ,
mit
den
schnelleren spanischen Schiffen einzelne der amerikanischen Kolosse zu rammen und, wenn es nicht anders ging, mit ihnen zusammen unterzugehen oder in die Luft zu fliegen. Genug, es kam eben vieles zusammen, um Spaniens Niederlage zu besiegeln.
Die Spanier haben sich tapfer geschlagen, aber mehr
mit jenem verzweifelten Stoicismus von Leuten, die an ihrem Dasein verzweifeln, als mit dem entschlossenen Heroismus, der alles an alles setzt. Sonst würde auch die technische Überlegenheit der amerikanischen Flotte nicht die so schnell entscheidende Rolle ge spielt haben, wie dies jetzt der Fall war. Worin Flotte?
bestand
denn
die
Überlegenheit
der
amerikanischen
Sie war der spanischen überlegen an Zahl und Gröfse der Schiffe , an schweren , wie an schnellfeuernden leichtern Geschützen , nicht zum wenigsten aber dadurch, dafs ihre Kohlenvorräte sie befähigten, von ihrer mindern Geschwindigkeit den vollen Gebrauch zu machen, während die schnelleren spanischen Schiffe infolge Kohlenmangels nicht einmal , ja 2 , der ihnen sonst möglichen Geschwindigkeit entwickeln konnten. Dabei sollen die Spanier bei ihrem letzten entscheidenden Aus fall aus St. Jago
auch
noch
entschieden
schlecht geschossen ,
die
Amerikaner eine weit gröfsere Schiefskunst gezeigt haben. Wie dies durch die Dienstverhältnisse der beiderseitigen Flottenmannschaften zu erklären ist, davon kann und darf hier abgesehen werden . Sicherlich aber hätte es für geniale Admirale Gegenmittel ge geben. Reichten die Kohlen nicht für alle Schiffe, dann mussten die besten und schnellsten mit ihnen auf Kosten der übrigen ver sehen, letztere eventuell desarmiert werden . Nur mit den Geschützen der letzteren konnten die Landbefestigungen verstärkt werden, den zum Kampfe bestimmten besten und schnellsten Schiffen musste ihre gesamte Ausrüstung erhalten bleiben. In allen diesen Beziehungen scheinen schwere Fehler begangen worden zu sein , Fehler, welche alle darauf hinausliefen, dafs man von der einzigen technischen Überlegenheit, welche man selbst besaſs, der gröfsern Schnelligkeit und Manöverierfähigkeit der spanischen Panzerkreuzer keinen Ge brauch machen konnte. Damit standen dann alle technischen Faktoren auf seiten der Amerikaner.
Ihr Sieg
konnte
unter den obwaltenden Umständen
und, nachdem sich die Spanier noch jeder Möglichkeit, die defensive
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
24
Stärke ihrer Position auszunutzen, durch den Mangel an Proviant beraubt, nicht mehr zweifelhaft sein. Man scheint nun aber auf amerikanischer,
wie namentlich auf
englischer Seite geneigt zu sein , aus diesem Resultate, zu welchem doch im ganzen weit mehr die zahlreichen Fehler des einen Teils , als die Überlegenheit des andern mitgewirkt, bezüglich der Siegesaussichten, welche sowohl die technische Überlegenheit einer Flotte ihr verleihe, als der Wirkung,
welche der Sieg zur See auch auf
den Krieg zu Lande ausübt, viel zu weit gehende Schlüsse zu ziehen . Es wäre schlimm und von unberechenbaren Folgen, wenn die technische Überlegenheit,
welche
fast immer im Gefolge der finan-
ziellen einherzuschreiten pflegt, eine solche unwiderstehliche Übermächtigkeit zu gewähren vermöchte. Sicherlich haben die ungeheuren Fortschritte der Waffentechnik die Sachlage seit den Zeiten des klassischen Altertums und des Mittelalters sehr bedeutend zu Gunsten finanziell und industriell mächtiger Staaten verändert. Indessen, dafs es, wie unsere altgermanischen Väter die ihnen an Kriegskunst und Waffen hoch überlegenen Römer mit Speer und Keule besiegten, wie die einfachen Gebirgsbewohner der Schweiz die turniergeübten österreichischen und burgundischen Ritterscharen bei
Sempach,
Granson
und Moorgarten vernichteten,
so
auch in
neuerer Zeit noch eine Taktik der Speere, Schwerter und Keulen selbst gegen schnellfeuernde Hinterlader giebt , das haben die Abyssinier jüngst noch gegenüber dem italiänischen Heere bewiesen. „ Es ist dafür gesorgt, dafs die Bäume nicht in den Himmel wachsen", und es scheint fast, als ob die Technik drauf und dran sei, die Grenzen zu überschreiten, welche namentlich für den Krieg die Anforderung, dafs seine Mittel einfach, konstant und unter allen Umständen brauchbar seien, wie für die Vergangenheit, so auch für die Zukunft gültig, gezogen hat. Da heifst es zunächst, die Amerikaner beabsichtigten, ihre Flotte mit einem Train zu versehen, der sie in ihren Operationen freier und
selbständiger machen solle.
Da seien schnellfahrende Kohlen-
hulks geplant, welche die Flotte begleiten und sie von Kohlendepots unabhängig machen sollen. Eine ganze Dampfwerkstätte soll der Flotte alle Reparaturen ermöglichen, ohne dafs diese genötigt wäre , einen Hafen anzulaufen , Proviantschiffe mit Lebensmitteln und Munition und wohleingerichtete Lazarethschiffe sollen sie begleiten, kurz ein vollendeter Seetrain soll eingerichtet werden. Nur von einem Trockendock, um auch auf hoher See Kriegsschiffe docken zu können , verlautet noch nichts .
Taktik und Technik im Kriegswesen etc. Das
alles klingt
recht -
amerikanisch.
Wo bleibt
25. da das .
bisher den Kriegsschiffen nachgerühmte : „ omnia mea mecum porto" ! Hat nicht ein Kriegsschiff seinen Proviant für viele Monate an Bord,. sogar einschliesslich der höchst überflüssigen und schädlichen alkoholischen Genüsse für Offiziere und Mannschaften ? Machen es nicht seine Dampfmaschinen und Kohlenvorräte unabhängig von Wind und Wetter, birgt es nicht in sich einen wohleingerichteten Lazarethraum ? und wird nicht die Zulässigkeit der Ausrüstung mit schwersten Geschützen einer- und schnellfeuerndsten andererseits damit be-. dafs es schwerste , wie zahlreichste Munition mit sich zu führen imstande sei ? Und diese Selbständigkeit sollte nun aufhören ? wie die Heere des vorigen Jahrhunderts an ihre Magazine, so sollte die Kriegsflotte künftig an ihre Trainflotte gebunden sein und wohl gar zu einer Bedeckung für die letztere herabsinken ?
gründet,
Das alles klingt höchst abenteuerlich, und sicherlich wird man, bei dem bisherigen Modus verbleibend, mit denselben Mitteln eine in jeder Beziehung gefechtstüchtigere und zahlreichere Flotte aufzustellen vermögen . Etwas anders ist es schon mit dem neuen Monitortypus , der seine Geschütze lediglich in bedeckten und gepanzerten Räumen, die schwersten in einem das Deck erheblich überragenden Türme zur Aufstellung bringt. Damit würde den zahlreichen nun auf Deck und in Masten thätigen Schnellfeuergeschützen ihr fruchtbarstes Ziel entund selbst wäre der Monitor befähigt , seine gewaltigen schweren Geschosse aus grofser Nähe und von erhöhtem Stande aus zu versenden.
zogen
Wenn
sich ein solcher Monitor völlig seetüchtig als schnelles
und manöverierfähiges Schiff herstellen läfst, würde damit eine Beschränkung der in den letzten Jahren so gewaltig herangewachsenen Ausrüstung mit mittleren und leichten Schnellfeuergeschützen eintreten und letzteren nur noch die Aufgabe zufallen, die Angriffe von Torpedoboten und enternden Feinden abzuwehren. Auch die Absicht, das Prinzip des vielverspotteten „, Vesuvius “, das Schleudern gewaltiger Minengeschosse, von denen jedes einzelne das
gewaltigste Kriegsschiff zu vernichten im Stande wäre , zu ver-
vollkommnen, erscheint durchaus nicht ganz aussichtslos . Immer mehr hat die Schiefstechnik die Lösung der Aufgabe, auch mit brisantester Sprengladung gefüllte Geschosse mittels Pulvergasen aus Geschützen zu entsenden, ohne ihr Krepieren im Rohr zu veranlassen, gefördert. Es erscheint jetzt keineswegs unmöglich, aus schweren Haubitzen oder Mörsern derartige Geschosse zu schleudern, deren Detonation nicht einmal im Ziele,
sondern selbst in gewisser
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
26
Entfernung vor dem Ziele im Wasser zur Zerstörung eines grofsen Kriegsschiffes ausreichen würde. Noch ganz petto.
andere Flottenerfindungen haben die Engländer in
Da soll das Dampfturbinensystem, sogar unter Kohlenerspar
nis, eine ganz kolossale Schnelligkeit und Manöverierfähigkeit zu entwickeln vermögen. Erstere soll bis auf 40 Knoten sich steigern lassen und letztere die Drehung in einem Kreise vom doppelten Radius der Schiffslänge, ein Stoppen aber aus der gröfsten Fahr schnelligkeit heraus binnen einer Minute gestatten . Einige Haken soll die Sache ja noch haben, aber die hofft man zu überwinden. Wenn man nun alle die Erfindungen und Anstrengungen ins Auge fafst, welche gemacht werden, um die Schnelligkeit der Kriegs schiffe zu steigern , wenn man an die ungeheuren Kohlenmengen denkt, die schon alljährlich durch die Kriegs- und Handelsflotten aller Länder in Rauch und Asche verwandelt werden, während doch eben diese Kohlen auch nicht unerschöpflich sind und für die Mensch heit noch einen ganz anderen Wert besitzen, als den Dampf für die Bewegung von Maschinen zu erzeugen, so fragt man sich unwill kürlich, wie man so leichtsinnig hat sein können, ganz auf eine gewaltige Kraft zu verzichten, welche
die Natur doch gratis zu
Gebote stellt, den Wind. Auf den Kriegsflotten wenigstens ist diese Kraft mit dem Fortfalle der Takelage vorläufig zur Disposition gestellt. Dals im modernen See-Gefecht nicht allein kein Segel mehr im Winde flattern darf, sondern dafs auch die bisherige hohe Bemastung, welche mit jener zusammenhing, den Gefechtsmasten weichen muſste, ist selbstverständlich. Damit war es aber doch noch keineswegs geboten, die Aus nützung des Windes für die Bewegung des Schiffes überhaupt fahren zu lassen.
Der radikale Schritt, den man in
dieser Beziehung in
der Marine gethan hat, scheint mir viel Ähnlichkeit mit dem radikalen Fallenlassen unseres Shrapnelschusses bei der Feldartillerie nach 1866 zu haben. Wie man nun drauf und dran ist, eben diesen vor 30 Jahren als überflüssig erklärten Shrapnelschufs jetzt als das alleinige Artilleriegeschofs für den Feldkrieg zu proklamieren, werden wir noch sehen. Les extrémes se touchent, die heutige Ent wickelung der Waffentechnik hat
eben etwas
sprunghaftes ,
und
so muss man hie und da auch einen Sprung zurückthun. Was die Verwertung des Windes für Schiffsbewegungen betrifft, so ist bei ihr zunächst bemerkenswert, dafs sie noch, wie fast keine Verwertung irgend einer anderen Naturkraft, auf dem primitiven Stand
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
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punkt stehen geblieben ist, den sie vor tausenden von Jahren schon erreicht hatte. Die Segelkunst hat wohl, wie namentlich die Segelyachten darthun, zugenommen, aber die Art der Verwertung des Windes als Triebkraft ist dieselbe geblieben. Das scheint nun allerdings darauf hinzudeuten , dafs diese Art der Verwertung weder einer Verbesserung an sich fähig sei, noch dafs daran zu denken sei, eine andere Art der Verwertung zu er finden. Beides aber ist sicherlich nicht der Fall. Schon vor mehr als 50 Jahren, in meiner Gymnasialzeit, wurde ich bei unserem damaligen Segelsport
auf dem Rhein
merkwürdige Thatsachen aufmerksam.
Die Beobachtung,
auf einige dafs
die
Schiffer bei steifem Wind unter dem Segel an dem Segelmast und quer über das Boot noch 1 oder 2 Bretter auf die hohe Kante zu setzen und zu befestigen pflegten, um den Wind so noch mehr aus zunützen, brachte uns auf den Gedanken, ob nicht ein festes , un durchlässiges Brett segel den Wind vorteilhafter auszunützen imstande sei, als ein Leinwandsegel. Wir lielsen uns ein solches aus sehr dünnen Tannenbrettern in der Gröfse von etwa 4 Quadratmetern fertigen.
Vergleichsversuche zeigten nun aber, dafs dieses Brettsegel
weniger leistete, als ein gleich grofses Leinwandsegel. Das wurde von uns Knaben zunächst dahin ausgelegt, dafs der Wind an der glatten und festen Brettfläche
besser abgleite,
dem blähenden Leinwandsegel finge,
während
er sich in
d . h. gegen dessen Mitte hin
anhäufe und konzentriere. Diese Auslegung blieb eine Zeitlang in Geltung.
schien plausibel und
Endlich aber wurde man darauf aufmerksam, dafs es doch selt sam sei, dafs der durch das Leinwandsegel, wie man sich mit der Hand überzeugen kann, zum Teil durchgehende Wind eine gröfsere Bewegungskraft auf das Boot
ausübe ,
als
der von dem
undurchlässigen Brettsegel absolut festgehaltene Wind . Ein gewiegterer Physiker erklärte das dahin, dafs bei dem Brettsegel, durch welches der Wind gar nicht durchzudringen vermöge, ein gröfserer Teil der Kraft durch das Zusammenpressen der hinter der Brettwand festge stauten elastischen Luftteilchen verbraucht würde, als bei dem Lein wandsegel, wo eben vermittelst des Durchpressens durch die engen Poren stets neue Windkraft zur Geltung komme. Das führte zur Erprobung durchlöcherter Segel. Und in der That ein mit etwa je einem cm grofsen, zur Sicherung gegen Zer reifsen stark umsäumten Loch, auf eine Fläche von je 10 cm Breite und Höhe (also 100 cm) versehenes Segel, leistete, wenn der Wind nicht gar zu schwach war, mehr, als ein volles intaktes Segel.
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
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Je stärker der Wind, desto überlegener erwies sich das durchlochte Segel. Doch waren sie auch dem Zerreifsen mehr ausgesetzt und über
anderweitem Segel- und Manöveriersport gerieten sie in Ver-
gessenheit. Erst als die Takelage
auf unsern Kriegsschiffen vor einigen
Jahren den niedrigen Gefechtsmasten Platz machen mufste, kamen mir diese alten Versuche aus der Knabenzeit wieder ins Gedächtnis und
erweckten in mir den Gedanken, ob sich nicht überhaupt die
der schiefen Ebene beim Segeln zur Vermehrung der Ausnutzung der Kraft des Windes verwerten lasse, z. B. durch trichterförmige Segel, etwa in nachstehender Kombination. Nehmen wir an, der Wind blase in der Richtung von A nach Theorie
B (Fig. 1 ), so
wird er, in ein trichterförmiges Segel ( vom Durch-
schnitt a b c und einem Kegelwinkel von 90° an der Spitze a) hineinblasend, auf die inneren Flächen dieses Segels überall unter einem Winkel von 45° stofsen, und, wenn das Segel, an seinem Umfange b c festgespannt, nicht nachgeben kann, den schiefen inneren Flächen entlang gleitend, sich mit grofser Kraft in der Spitze a konzentrieren. Wäre die Spitze des trichterförmigen Segels bei a festgeschlossen, so würde sich der Wind in den Trichter stemmen und endlich eine elastische Luftschicht bilden, auf welche die von hinten in der Rich-
B
-4
--A
tung A B nachdrückenden Luftteilchen eine weitere zusammenpressende Wirkung ausüben und durch ihren Druck teils den. Körper (das Boot), an welchem das Trichtersegel befestigt ist, wieder vorwärts treiben, teils die Luft durch die Poren des Segels. hindurchdrücken würden. Offenbar wird nun, wenn die Theorie des durchlöcherten Segels richtig ist, ein Maximum von Kraft auf Vorwärtstreiben des Bootes. entwickelt werden, wenn das Durchtreiben der Luft durch die Wände des Trichters in richtigem Verhältnis zur Windstärke dergestalt stattfindet, dafs möglichst wenig Kraft durch Zusammenpressung elastischen Luftmasse innerhalb des Trichters verloren geht.
der
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
a
29
Dazu würde eine an der Spitze des Trichters in der Nähe von angebrachte kreisförmige Öffnung e d, je nach der Stärke des
Windes willkürlich zu vergröfsern oder zu verkleinern , sich gewils am zweckmälsigsten erweisen. Indem
diese Öffnung dem,
schon an den schiefen Flächen des
Trichtersegels a b c wirksam gewesenen, Winde in der Richtung A B Abflufs gestattet, lässt kraft verwenden. Ordnet
sich dieser Wind aber aufs neue als Trieb-
man nämlich in geringer Entfernung von der Ausfluſs-
öffnung de bezw. in diese hineinragend,
ein neues Trichtersegel
f g h so an, dafs dasselbe mit seiner geschlossenen Spitze f der Öffnung de unmittelbar gegenübersteht, so wird der aus der letzteren strömende konzentrierte Wind offenbar das Bestreben haben, den äufseren Segelflächen f k, fh u. s . w. möglichst dicht entlang zu gleiten und wird auf diese aufs neue eine treibende Kraft in der Richtung A B ausüben. Ordnet man nun hinter diesem zweiten Trichter abermals einen in der Spitze geöffneten dritten Schirm k i 1,
aber in umgekehrter
Stellung, d. h. mit der weiten Trichteröffnung nach A gerichtet an, so wird dieser, wenn und in dem Mafse, wie der Kegelwinkel des 2. Trichters spitzer ist,
als der des 1. und 3. , den an den Aufsen-
wänden des zweiten entlang gleitenden Wind abfangen und in seinem Innern abermals in ganz ähnlicher Weise wirken, sich verdichten und schliesslich abfliefsen lassen, wie dies bei Trichtersegel 1 der Fall war . Auf ein Trichtersegel 4 kann nun der konzentriert abfliefsende Wind wieder in ganz gleicher Weise wirken, wie bei 2 u. s. w. Wie grofs die Kegelwinkel der Trichter absolut und im Verhältnis zu einander (hier sind sie vorläufig 90° bei Nr. 1 und 3, und 45 ° bei 2 und 4 angenommen) gewählt werden müfsten, welches die zweckmäfsigste Entfernung der Trichter von einander oder ob es sogar richtig wäre, dieselben mit ihren Spitzen in einander (2 in 1 und 4 in 3 ) anzuordnen, könnten nur praktische Versuche feststellen. Dafs diejenigen Trichtersegel, welche den Wind mit ihrer weiten Öffnung abfangen und, wie hier 3, wieder konzentrieren sollen, erheblich weiter, als das ihnen unmittelbar vorliegende geschlossene Trichtersegel sein und über dessen Rand genügend hinübergreifen müssen, ist von vornherein klar.
Auf die technischen Einrichtungen solcher Trichtersegel, die natürlich gestatten müfsten, dieselben aufzuspannen, zusammenzulegen, Vor- und zurückzuschieben, seitwärts zu stellen u. s . w., auch
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
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mindestens die Spitzenöffnungen zu erweitern oder zu kann und soll hier nicht näher eingegangen werden.
verengern ,
Es galt mir nur, das rohe Prinzip einer Einrichtung darzulegen, welche in weit höherem Grade, als dies die jetzt üblichen Segel thun, den Wind durch hintereinander angeordnete Einrichtungen nutzbar zu machen gestatten. Sie dürften den Vorteil haben, den das Schiff um- und überspielenden Wind im weitesten Malse nutzbar zu machen, indem sie ihm eine im ganzen weit gröfsere und manöverier barere Segelfläche bieten, damit aber bei zweckmäfsig über und seitwärts des Schiffes verteilter niederer Takelage dennoch mehr Triebkraft zu entwickeln und zugleich Schiffes zu begünstigen. Auf eine
andere
Art,
die
Balance
den Wind
und Steuerbarkeit
des
zur Bewegung des Schiffes
nutzbar zu machen, ist Nansen's an Bord der Fram zur Beschaffung von elektrischem Licht verwendete Windmühle aufmerksam zu machen geeignet. Wie Nansen auf diese Weise Rotationselektrizität in Akkumulatoren sammelte und zur Erzeugung von Bogenlicht ver wendete, so mufs es doch selbstverständlich auch möglich sein, diese Elektrizität wieder in Bewegung umzusetzen und damit zur Unter stützung der Dampfmaschinen nutzbar zu machen. Wenn ein Schiff sich aber durch Nutzbarmachung von gratis gelieferter Naturkraft auch nur auf grofsen Strecken eine Durch schnittsgeschwindigkeit von 5-6 Knoten zu verschaffen imstande ist, so wird dadurch seine Dampf- und Gefechtskraft im Falle der Not ganz entschieden gesteigert. Vor allen Dingen aber wird ein so hülflos,
wie
solches Schiff dann niemals
es unsere heutigen Kriegskolosse sind, sobald ihre
Dampfmaschine versagt. Und das ist denn doch ein äusserst wichtiger Punkt für alle, die noch nicht davon überzeugt sind, dals moderne Kriege ausnahmslos so, wie der chinesisch-japanische oder der spanisch-amerikanische verlaufen müssen, 99 schnell, wie der Wind. " Wäre Kuba gut verproviantiert oder im Stande gewesen ,
sich
auf eigenem Grund und Boden die nötigen Lebensmittel zu verschaffen , dann dürfte der spanische Stolz auch eine ganz andere Hartnäckig keit entfaltet haben und, wie es dann heute mit dem amerikanischen Kriegsruhme aussähe, das ist doch eine grofse Frage. Flotten können mit zur Entscheidung eines Krieges beitragen, sicherlich, aber entscheiden können sie ihn nicht, entscheidend ist nur der Landkrieg. Derjenige Teil aber, der einen Krieg nur mit Schreckschüssen beenden zu können glaubt, wird, wenn es sich um Überwindung eines hartnäckigen Widerstandes, zumal unter so ungünstigen klimatischen Verhältnissen, wie auf Kuba, handelt,
Taktik und Technik im Ksiegswesen etc.
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auch leicht mürbe. Bei hartnäckigem Widerstande der Spanier und Vernichtung des gerühmten amerikanischen Milizheeres durch gelbes Fieber, Cholera u. s . w. würde die Kriegsbegeisterung der republi kanischen Volksmassen wohl schwerlich lange angehalten haben, zumal wenn spanische Kreuzer und Kaper auch noch ein ordentliches Loch in den amerikanischen Handel gelegt hätten. Sieht man den Seekrieg kaltblütig als einen, wenn auch recht bedeutenden Hilfskrieg und nur als den einen Faktor des Krieges an, dessen Hauptfaktor immer der Landkrieg bleibt, dann kommt man auch zu einer ganz anderen Würdigung der schnellen Kreuzer und Kaper einer-, wie der Linienschiffskolosse vom mindestens 15000 Tonnentyp andererseits. Die Lehre, dafs, wer auf dem unendlichen Ocean die feindliche Flotte schlägt und vernichtet, auch Herr jenes unendlichen Schlacht feldes ist, ist dann nicht stichhaltig . Zunächst hat es die schwächere Flotte gar nicht nötig, sich, wie der Mahdi und seine fanatischen Scharen dem Sirdar Kitchener, so der stärkeren Flotte zur Ver nichtung
auf dem Ocean zu stellen,
das
hat schon 1870-71 die
deutsche Flotte gezeigt, indem sie sich bescheiden mit dem Schutze ihrer Küsten begnügte . Gerade die einseitige Ausnutzung einer technischen Überlegen heit, der Schnelligkeit, welche bei einem mit Panzer und schweren Geschützen armierten Linienschiff niemals möglich ist, kann die minder starke Seemacht doch befähigen, der Handelsmarine weitüberlegenen Gegners unheilbare Wunden zu schlagen.
des
Hätten sich die Spanier dies ganz klar gemacht und nicht den unter den vorliegenden Umständen kläglichsten Plan einer reinen Flottendefensive an den Küsten Kubas verfolgt, schliesslich sogar mit dem, einer Nachahmung Bazaines nicht unähnlich sehenden, frei willigen Einschliefsenlassen in den Hafen St. Jagos, dann es dem amerikanischen Handel schlecht ergehen können .
hätte
Wenn sich die schnellsten spanischen Kreuzer und schnellsten leicht armierten Handelsdampfer, statt sich zu konzentrieren, nach allen Richtungen der Windrose zerstreuten und die Oceanstrafsen der amerikanischen Handelsemporien in Angriff nahmen, welch ein anderes Bild hätte sich vor unsern Augen abgespielt ! Die Jagd der amerikanischen Panzerkolosse wäre wohl ganz vergeblich aus gefallen. So aber that man dem überlegenen Gegner denselben Gefallen, wie der Mahdi dem Sirdar Kitchener. In einem hergehen.
englisch-französischen Kriege
dürfte es doch anders
Die Franzosen haben noch aus den Napoleonischen Zeiten,
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
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wo ihre Kriegsflotten auch von den Engländern schon von allen Meeren verjagt waren, doch andere Traditionen. Ein Jean Bart und seine Kaperei, wie sehr auch beschränkt durch die damalige alleinige Bewegungskraft, den Wind, würde sicherlich unter dem Zeichen des Dampfes in weit gefährlicherem Malse wieder aufleben. Und
ob auch die stärkste Kanalflotte England vor einer fran-
zösischen Landung sichern könnte, erscheint sehr fraglich. Bei der Nähe der Küste würde eine Sommernacht hinreichen, ein beträchtliches Heer in Englands grüne Triften hineinzuwerfen. Alle Landungsplätze kann man unmöglich befestigen, und ein so enges Fahrwasser , wie der Kanal, liefse sich am Ende auch von den gröfsten Panzerkolossen durch recht gefährliche automobile Maschinen vielleicht Die in der Faschodafrage so schwer beleidigten , freihalten. kriegerischen und im Punkte der Ehre
sehr kitzlichen Franzosen
haben sich von England sicherlich nicht durch deren überlegene Flotte und imponierende Seerüstungen einschüchtern lassen , - das böse Gewissen von wegen des Deutschland seit 30 Jahren fort und fort angedrohten Revanchekrieges, die Furcht, dafs dieser endlich bei so günstiger Gelegenheit seine Spitze gegen Frankreich kehren könnte, das ist das wahre und entscheidende Motiv für die Nachgiebigkeit des stolzen Frankenreichs in der Faschodafrage. Wer sich eine fortwährende Gefahr mutwillig auf den Hals lädt, der mufs darunter leiden. Anderenfalls wäre gerade den genialen und erfinderischen Franzosen am allerletzten der Mut entfallen gegenüber den brutalen Panzerkolossen und den im ganzen doch ziemlich schlecht bewährten und berufenen Monstrekanonen der englischen Flotte . Des Menschen Geist mufs nur nicht am Hergebrachten kleben und wenn A 15000 Tonnenschiffe baut, mufs B es ihm nicht gerade mit 16000 Tonnenschiffen zuvorthun wollen . Das ist aber der heutige
nicht gerade geistvolle Lauf der Welt,
wie wir auch auf
anderen Gebieten des Kriegswesens noch sehen werden . Die
Frage,
was
denn
eigentlich
solche
Linienschiffskolosse
leisten sollen, wenn ihnen der Gegner nicht gerade seine minderstarken Schiffe zu einem Duell offeriert, scheint man sich weder präcise gestellt, noch präcise beantwortet zu haben. Als Italien zuerst mit dem Bau seines
Duilio
und Dandolo,
ungewöhnlich grofser Schiffe ,
vorausging,
Marinen ein grofses Schütteln des Kopfes,
entstand darob in
allen
und, was damals gegen
solche grofse Schiffe geltend gemacht wurde,
gilt auch heute noch.
Merkwürdiger Weise ist es aber heute gerade England , welches an
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
33
Gröfse seiner Linienschiffe alle anderen Mächte zu überbieten sucht und diese Gröfse bis auf 15000 Tonnen hinaufgeschraubt hat. Nun können solche Schiffe allerdings einen schwereren Panzer tragen, als alle anderen und ebenso eine schwerere, also auch zahlreichere Armierung.
Ihr Fassungsvermögen für Kohlen und Proviant
ist nicht nur absolut,
sondern auch relativ ein gröfseres.
Auch
mufs zugegeben werden, dafs sie im Verhältnis zu ihrem Panzerschutz und ihrer Armierung eine relativ gröfsere Schnelligkeit zu entwickeln vermögen, sowie dafs ihre Stabilität in Wind und Wetter, wie im Gefecht eine grössere ist. Diesen Vorzügen
stehen
aber nicht
minder grofse Nachteile
gegenüber. Ihr Panzerschutz kann sich nicht auf alle Teile erstrecken und läfst relativ grofse Lücken,
die um so bedenklicher sind,
Schiff überhaupt ein grofses und kostbares Ziel bietet.
als das
Namentlich
ist das Deck solcher grofsen Schiffe sehr gefährdet und wird dies noch weit mehr werden, wenn man das blindwütige Flachrennen mit Monstregeschützen von grofser Anfangsgeschwindigkeit aufgiebt, um sich Steilbahngeschützen mit brisanten Geschossen zuzuwenden. Was die schwerere und zahlreichere Armierung anbelangt, so ver
schwindet dieser Vorteil nicht nur, sondern verwandelt sich in sein Gegenteil, wenn man erwägt, dafs man für den Preis eines 15000 Tonnenschiffs 4-5 Schiffe von 4000-5000 Tonnen zu bauen vermag, welche zusammen eine zahlreichere und auch an Kaliber ebenso schwere und wirksame Armierung zu tragen vermögen, wie jener Kolofs , von dieser aber, zumal wenn es sich um einen Kampf dieser 4-5 kleinen gegen den einen grofsen handeln sollte, einen weit wirksameren Gebrauch zu machen imstande sind. Denn zwischen dem Kaliber der schwersten Geschütze einerseits und dem Fassungsvermögen des Schiffes, wie dessen Panzerschutz andererseits bestehen keine so unmittelbaren und genau abgegrenzten Beziehungen. Wenn z . B. ein 15000 Tonnenschiff mit 6-40 cm Kanonen und ihrer Munition u. s. w. ausgerüstet werden kann, so wird auch ein 5000 Tonnenschiff dieser Geschütze 2 zu tragen vermögen und 4 solcher Schiffe würden daher schon 8 dergl. ins Feuer zu bringen vermögen und zwar mit gröfserer Wahrscheinlichkeit, als der Kolofs seine 6. Noch mehr gilt dies in Beziehung auf die Armierung mit mittleren und leichten Schnellfeuergeschützen. Was den leichteren Panzerschutz der Kleinen anbelangt, so läfst sich der durch Führung des Kampfes aus gröfserer Entfernung um so mehr ausgleichen, als jene ein gröfiseres und treffbareres Ziel 3 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 111. 1
34 haben, selbst
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
allerdings bemüht sein müssen, ein recht kleines , be
wegliches und ungünstiges zu bieten. Sind sie dem Kolofs überdies an Manövrierfähigkeit, und, wie es recht wohl möglich ist, auch an Schnelligkeit überlegen, so wird sich jener im Kampfe ihnen gegenüber entschieden in schlimmerer Lage befinden, als sich etwa einst ein schwer geharnischter Kreuzfahrer gegenüber 4 oder 5 leicht berittenen Sarazenen befand. Erwägt man endlich, dafs jede schwere Havarie an der Maschine einen solchen Kolofs fast wehrlos macht, während, wenn von seinen Gegnern 1 oder 2 ausfallen, immer noch 2 oder 3 einen sehr respektablen Kampf zu führen vermögen, dafs sein grölserer Tief gang ihm den Kampf an manchen Lokalitäten verbietet, wo seine leichteren Gegner ihn führen können, auch gegenüber daſs Küstenbefestigungen die Vorteile seiner schwereren Kaliber und grölsern Stabilität durch das leicht treffbare Ziel, welches er selbst bietet, mehr als aufgewogen werden, so wird man wohl den Besitz von 4-5 schnellen und gut armierten 5000 Tonnenschiffen, dem eines solchen 15000 Tonnenkolosses vorziehen, auch wenn erstere erheblich mehr Offiziere und Mannschaften zu ihrer Besatzung erfordern . Diese werden auch bessere Dienste leisten und auch im schlimmsten Falle nicht alle miteinander untergehen . Weder die Schlacht am Yalu noch der Kampf bei St. Jago haben irgend etwas zu Gunsten der Schiffskolosse entschieden und schon bei Friedensmanövern sind das Beispiel, welches unser „ Grofser Kurfürst“ mit „ König Wilhelm " und das englische Schiff „Victoria" mit dem „ Camperdown " aufgeführt, durchaus nicht ermutigend. Kurz, bis jetzt liegt nichts vor, was zu diesem Wettkampf mit den Engländern in solcher Schiffsgröfse ermutigen könnte. Nur der blindwütige Wettkampf zwischen Panzer und Geschütz hat auch zu diesem Wettkampf im Tonnengehalt geführt.
Jede
irgendwie
durchschlagende Erfindung, sei es in Bezug auf Verwendung von Dampfturbinen, Elektrizität, Wind, See-Haubitzen oder Mörser, von Unterwasserbooten gar nicht zu reden, u. s. w., werden gerade diese Kolosse mehr als jedes andere Schiff, in ihrem Kampfwerte bedrohen, und schon diese Rücksicht allein müfste, dünkt mich, davon abhalten, dem stammverwandten Engländer auf dieser Bahn zu folgen. Es wäre für uns im Grunde nur ein Wettkampf zwischen Guineen und Doppelkronen, bei welchem sicher die ersteren siegen würden. England und seinem ungeheueren Welthandel gegenüber würden sich schnelle und viele Schiffe, selbst leicht armierte schnelle Handels dampfer, von denen wir glücklicherweise eine grofse Zahl besitzen, besser bewähren, als solche ungeheuerlichen Panzer.
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
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Sie sind auch jedenfalls für einen Torpedo treffbarer, als jedes andere Schiff. Diese einst so gefürchteten Torpedos haben zwar in den chinesisch-japanischen, wie in den amerikanisch-spanischen Kämpfen wenig mitgesprochen , und fast hat es den Anschein, als ob Scheinwerfer und der Hagel von Granaten und Shrapnels mit Schnellfeuergeschützen eine sichere Abwehr bilde, ja gegen die Überwassertorpedos scheint die Gefahr für das eigene Schiff in solchem Grade zu sprechen, dafs man geradezu schon ihre Abschaffung befürwortet. Wie dem auch sein mag, alle Staaten verbessern und vervollkommnen auch ihre Torpedoboote und Torpedobootjäger, gedenken also auch von ihnen Gebrauch zu machen. Ein solcher Torpedo aber macht, wenn er trifft , ein Loch auch in den 15000 Tonnenpanzer, das diesen ebensogut zum Sinken bringt, wie jedes kleinere Schiff. Zu treffen aber ist er entschieden besser. In Summa,
zuzugeben ist, dafs im Seekampf und demzufolge
auch in der Friedensentwickelung
der Marine
die Technik eine
gröfsere und entscheidendere Rolle auch für die Taktik spielt, als in jedem andern Zweige des Kriegswesens, dafs eben darum aber in der Marine, in dem Kampf zur See auch wieder der Mann , als solcher, gesunder Geist im gesunden Körper und die Energie , welche beide zusammen verleihen , die gröfste und entscheidende Rolle spielt : Ein Tegetthoff wiegt zehn 15 000 Tonnenpanzer auf! Ehe aber eine Marine 2. oder 3. Ranges sich auf technische Wettkämpfe überhaupt einläfst, wofür auch gerade für sie sehr zwingende Motive vorliegen, welche aber schliefslich, wie gezeigt, auch die Taktik in mafsgebender Weise beeinflussen müssen, haben sie sich vor allem die möglichen strategischen Ziele des von ihnen zu führenden Seekrieges klar zu machen. Je nachdem diese mehr oder weniger auf die Vernichtung der feindlichen Flotte, des feindlichen Handels oder der Begünstigung einer Landung und eines Landkrieges auf feindlichem Gebiete oder der schlimmste Fall hauptsächlich auf den eigenen Küstenschutz gerichtet
sind und der
Natur der Verhältnisse gemäfs gerichtet sein müssen, je nachdem wird auch die Ausnutzung der Technik eine sehr verschiedene sein können und müssen . Gielsen, 22. Dezember 1898. Nachschrift. Seit Niederschrift des
Vorstehenden im November v. J. sind
schon wieder eine Fülle von Erfindungen auf dem Gebiete der Technik in die Erscheinung getreten, welche die Richtigkeit meines Gedanken3*
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
36
ganges bestätigen. Kaum war man in den Umbau der Kesselanlagen für Schiffs- und sonstige Dampfmaschinen eingetreten, um diese den vor der Kohle manche Vorzüge zeigenden Brennmaterialien : Petroleum , Naphta und deren Rückständen anzupassen, als die Erfindung, die völlige Verbrennlichkeit der Kohle durch deren Zermahlung zu Staub und Formung von mit Luftkanälen versehenen Kohlenziegeln unter Zusatz von Wasser dieser wichtigen Angelegenheit schon wieder ein anderes Ansehen verleiht. Noch weit wichtiger erscheint die zwar schon länger gekannte, aber jetzt erst praktisch vereinfachte Zerlegung des Wassers in seine gasigen , Bestandteile : Sauer- und Wasserstoff, am weittragendsten aber die gelungene Verflüssigung der Luft , welche alle anderen Kraftquellen zu übertreffen verspricht. Entzieht sich die Bedeutung dieser und ähnlicher auf dem Boden der Physik sich bewegender Fortschritte bezüglich ihrer Tragweite für die Marine zur Zeit noch ihrer Abschätzung, so verhält sich dies schon etwas günstiger mit einer Reihe anderer der Militärtechnik im engeren Sinne angehörigen Erscheinungen: dem neuen Schiffsgeschütz der Franzosen mit angeblich wirksamerer und 20° , leichterer Munition , dem
vervollkommneten französischen
Unterseeboot,
wie
der uns gelungenen hochbedeutenden Verbesserung der Torpedos mittels eines Laufregulators, welcher selbst bei unruhiger See eine gerade Bahn bis zu 1500 m Entfernung sicher stellen soll. Namentlich die beiden
letzten Erfindungen
dürften
in ihrer
Kombination den sog. „, Mastodons" der Flotten eine äusserst gefährliche Gegnerschaft bereiten . Verlangt auch die Kriegsbereitschaft eines grofsen Staates gebieterisch die Konkurrenz mit den voraussichtlichen oder möglichen Gegnern, so darf diese doch nicht lediglich oder auch nur hauptsächlich im Wettlauf mit bekannten, schliesslich
nur durch die
Kapitalkraft bedingten Faktoren
gesucht, vielmehr mufs gerade von den weniger kapitalkräftigen Mächten alles daran gesetzt werden, die Kriegsmittel in den Vordergrund zu stellen, welche von der Kapitalkraft unabhängig sind, ja, wie die Weltgeschichte zeigt, wohl mit dem Wachsen jener eher abals
zuzunehmen pflegen, nämlich alle die,
welche geistiger und
körperlicher Energie entspringen ! Gewifs enthält der Ausspruch Napoleons I., dafs der Gott der Schlachten meist sich auf die Seite der grofsen Bataillone zu „ stellen pflege", ebenso eine
beherzigenswerte Wahrheit, wie das
Sprichwort: ,, Geld regiert die Welt. " von den Perserkriegen bis
zu
vulgäre
Aber die Weltgeschichte zeigt
unsern Tagen,
dafs der Gott der
Schlachten nicht immer auf Seiten der gröfsern Massen stand und
Das Milizwesen und seine Schwächen.
dafs das Geld nur die Welt regiert, wert ist.
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die einer solchen Regierung
Ist es richtig, dafs im Kriege immer das Unerwartete namentlich wenn es scharfsinnig erdacht ist und taktisch richtig verwendet wird - den gröfsten Erfolg verheifst, so mufs schon diese Erwägung vor allen extremen , lediglich auf routinemäfsige quantitative Machtentfaltung hinauslaufenden Mafsregeln warnen . Gerade die Seemächte 2. und 3. Ranges haben alle Ursache, ihre Aufmerksamkeit mehr der Nutzbarmachung geistigen , als materiellen Kapitals zuzuwenden.
III. Das Milizwesen und seine Schwächen. Betrachtungen über die Wehrverfassung der Schweiz .
Als uns vor einiger Zeit der geistvolle Verfasser der ,, Skizze einer Wehrverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft", der um das Wehrwesen seines Vaterlandes so hoch verdiente Oberst Ulrich Wille, in liebenswürdigster Weise Gelegenheit gab, von dem Inhalte dieses seines neuesten Werkes Einsicht zu nehmen, da wurden wir überrascht von der Fülle von Gedanken, welche uns, namentlich in den dem Werke beigegebenen Motiven , entgegentraten. Es geben dieselben nicht nur einen Einblick in die eigenartigen Verhältnisse des Milizheeres der Schweiz, sondern sie behandeln auch Grundsätze von so allgemeiner und so weittragender Bedeutung, dafs sie auch für den deutschen Offizier von hohem und belehrendem Interesse sein dürften. - Aus diesem Grunde sei es gestattet, die Ausführungen des Oberst Wille zur Grundlage eingehender Betrachtungen zu machen. Diese werden in der heutigen Zeit, wo unsere Demokratie und Sozialdemokratie immer und immer wieder bemüht sind, das Gefüge des deutschen Heeres zu lockern und das Milizsystem als das Ideal der Zukunft anzupreisen, für den Offizier wie für alle aufserhalb der Armee stehenden Kreise, denen das Wohl und die Machtstellung des Vaterlandes über der Partei steht, vielleicht nicht unwillkommen sein. Wer Augen hat zu sehen und sehen will, dem wird es zum Verständnis kommen, wie wenige parlamentarische Majoritäten der
Das Milizwesen und seine Schwächen.
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Volksabstimmungen geeignet sind, über die wichtigsten Lebensinter essen der Wehrmacht eines Staates richtig und parteilos zu entscheiden. Das heute in der Schweiz geltende Gesetz ist 99 die Militär organisation vom 13. November 1874. " Es besteht dies Ge setz
bereits
ein Vierteljahrhundert,
ein Zeitraum,
in welchem die
meisten Staaten Europas ihr Wehrgesetz nicht einmal, sondern mehr fach verändert haben. - Aber hiermit nicht genug, trug das 1874 beschlossene Wehrgesetz bereits den Stempel des Unzulänglichen an sich. Seine Entstehung beweist dies schlagend, wie aus einem kurzen Rückblick auf die militärische Geschichte der Schweiz seit der Mitte unseres Jahrhunderts hervorgeht. Durch die sogenannte
„ Mediationsakte" vom Jahre 1802
war die allgemeine Wehrpflicht und das Verhältnis , in welchem die einzelnen Kantone für das Heer beizutragen hatten, festgestellt worden. Nach der Niederwerfung Napoleons I. wurde durch den Bundes vertrag vom Jahre 1815 und das Militärreglement vom 20. August 1817 das Bundesheer in Auszug, Reserve und Land wehr gegliedert. Der Auszug und die Reserve hatten eine gleiche Stärke, die Landwehr bestand aus allen nicht zu ihnen gehörenden wehrhaften Mannschaften. Zum Bundesauszug hatte jeder Kanton 2 Mann auf 100 Seelen der Bevölkerung zu stellen. - Die zweifel haften Kriegserfahrungen der Jahre 1847 und 1848 hatten, trotzdem sich nur eigene Landeskinder gegenüberstanden, die länglichkeit der bisherigen Wehrverfassung erwiesen.
völlige Unzu
Das Gesetz vom 8. Mai 1850 für die Organisation des Bundesheeres suchte den sehr niederschlagenden Erfahrungen der Revolutionsjahre,
in
welchen eine einheitlich organisierte Bundes
armee eigentlich gar nicht bestand, Rechnung zu tragen. Aber es trug auch den Stempel des Unvollkommenen . - Wesentlich lag die Schuld daran, dafs die in jenen Jahren vereinbarte Bundesverfassung vom Jahre 1848 in sich selbst die gröfsten Widersprüche enthielt. So führte sie in ihrem Artikel 18 die allgemeine Wehrpflicht ein, stellte aber in dem folgenden Artikel eine Mannschaftsskala auf, welche thatsächlich die Heranziehung aller Wehrpflichtigen zum Dienste verhinderte. Das Bundesheer wurde aus den Kontingen ten der Kantone gebildet.
Es bestand
aus dem Bundesauszug,
zu welchem jeder Kanton von je 100 Seelen drei Mann zu stellen hatte, aus der die Hälfte des Auszuges betragenden Reserve und der Landwehr (die übrigen Streitkräfte ) . — Da die Verteilung der einzelnen Truppenkörper auf die Kantone nicht vorgesehen war, ergaben sich namentlich für die Organisation der Spezialwaffen der Reserve , die gröfsten Schwierigkeiten .
་
Das Milizwesen und seine Schwächen . 1867 wurde
daher seitens
des Bundes
39
eine Revision des Ge-
setzes vom Jahre 1850 und seiner Ergänzungen beschlossen. Doch war es nicht möglich, die Reorganisationsvorschläge in Einklang mit der Bundesverfassung zu bringen, zu deren Veränderung nur aus militärischen Rücksichten man sich nicht zu entschliefsen vermochte . Die Offiziervereine, wie der Berner und der Oberargauische , mufsten sich daher darauf beschränken, mehr oder weniger „ platonische" Wünsche auszusprechen. - Die Ereignisse der Jahre 1870 und 1871 mit ihrer warnenden Sprache sollten aber auch hierin Wandel schaffen . Man hatte in ernster Weise bei Gelegenheit der notwendigen Truppenaufstellungen, namentlich aber als sich der Krieg den Grenzen der Schweiz näherte und man durch den Übertritt der Bourbakischen Armee in unmittelbare Mitleidenschaft gezogen wurde,
die Mängel
der bisherigen Heeresorganisation empfunden. So entschlofs man sich denn endlich, mit Rücksicht hierauf, zu einer Revision der Bundesverfassung. Ja, der Bundesrat begleitete sogar seine Botschaft vom Jahre 1870 mit der bezeichnenden Ausführung, wie die mannigfachen Übelstände der Organisation des Bundesheeres so allgemein erkannt seien, dafs 99 wir sie nur aufzuzählen brauchen, um die Änderung der betreffenden Vorschriften zu rechtfertigen. “ Und wie recht der Bundesrat hatte, beweist wohl am besten u. a. der Umstand, dafs das Bundesheer u. a. 22 halbe Bataillone und 24 einzelne Infanteriekompagnien zählte , welche lediglich zur Ausgleichung der Kantonskontingente errichtet worden waren, dafs ferner die Zahl der in einzelnen Kantonen eingestellten Dienstpflichtigen weit höher war, als die gesetzlich auf 4' /, 0 der Bevölkerung festgesetzte Stärke des Bundesheeres , eine für unsere deutschen demokratischen Heifssporne gewils besonders interessante Thatsache. Die Beratungen der Kammern über die Botschaft des Bundesrates führten zu dem Verfassungsrevisionsentwurf vom Jahre 1872 ", bei welchem endlich der Übergang einiger Rechte der Kantone auf den Bund zu Gunsten der Einheitlichkeit und Leistungsfähigkeit des Bundesheeres vorgeschlagen wurde. So war bestimmt, dafs die Kantone über die Wehrkraft ihres Gebietes nur so weit verfügen dürften, als sie nicht durch gesetzliche Anordnungen des Bundes beschränkt wären, dafs die Organisation des Bundesheeres Sache der Gesetzgebung des Bundes sein solle , welcher auch die Kosten des Unterrichtes (der Ausbildung), der Bewaffnung, Ausrüstung und Bekleidung tragen werde. Dagegen sollte das Kriegsmaterial der Kantone auf den Bund übergehen, soweit es in Beständen nach den bis dahin geltenden gesetzlichen Bestimmungen vorhanden war. -Man sollte nun meinen, dafs dieser Entwurf, der doch nur
Das Milizwesen und seine Schwächen .
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Bestimmungen enthielt, welche die Selbsterhaltung geboten, freudig vom ,,Volke" Volke" begrüfst wurde . Allein der republikanische „ KantönliGeist" war mächtiger als das Gebot der einfachsten Klugheit, ja, wir möchten sagen, der Notwehr. Am 12. Mai 1872 verwarf das souveräne Volk in der Volksabstimmung den, wie ein Schweizer Schriftsteller mit Recht sagt, unter dem Rufe : ,,Ein Recht und eine Armee" zustande gekommenen Entwurf. Erst der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 war es vorbehalten, die oben erwähnten Grundsätze mit geringen Modifikationen zur Geltung zu bringen und auf ihnen die noch heute zu Recht bestehende Militärorganisation vom 13. November 1874 aufzubauen. Die Gesichtspunkte , welche die
bei dem Zustandekommen
derselben beteiligten sachverständigen Offizieren leiteten, waren neben der strengeren Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht, der angemessenen Organisation des Heeres in allen seinen Teilen und der sachgemäisen Ordnung des Verhältnisses zwischen Bund und Kantonen eine richtigere Ausbildung und Ergänzung der Offiziere und Unteroffiziere, die zweckentsprechende Organisation des Generalstabes und der Befehlsführung , verbesserter Unterricht und
sorgfältigere Aus-
bildung der Truppe. Auch sollten die Offiziere einen gröfseren Anteil an der Verwaltung des Heeres und der Aufsicht über das Fersonal und Material erhalten. Es fehlte allerdings viel daran, dafs diese Forderungen und ihre naturgemäfsen Folgerungen eine volle Berücksichtigung in der Militärorganisation vom Jahre 1874 gefunden hätten. Man hatte dem sich in der Volksabstimmung vom Jahre 1872 aussprechenden Volkswillen , richtiger dem Unverständnis des Volkes, Zugeständnisse machen zu müssen geglaubt. So trug das Gesetz vom November 1874 schon bei seinem Entstehen den Charakter der halben Maſsregeln . Von Jahr zu Jahr mufste es seinem Zwecke weniger entsprechen, und zwar um so mehr, als die Wehrverfassungen der mächtigen die Schweiz umgebenden Militärstaaten in den letzten Jahrzehnten, und zwar nach verschiedenen Richtungen hin, Verbesserungen unterzogen wurden. Dieser Gedanke Offizierkorps der
brach
sich
auch immer mehr und mehr im
Schweizerischen Armee
Bahn.
Vor etwa zehn
Jahren begannen überall in der Schweiz die ,, Offizierversammlungen" sich mit ihm zu beschäftigen, und mit geringen, auf rein politische Gegnerschaft zurückzuführenden Ausnahmen war man einig in der Verurteilung der im Gesetz von 1874 enthaltenen Mängel und in der unbedingten Notwendigkeit, dieselben zu verbessern. - Ihren
Das Milizwesen und seine Schwächen.
41
Abschlufs fand diese Bewegung in einer Delegiertenversammlung des Schweizerischen Offiziervereins im Rathause zu Bern, in welchem die höchstgestellten Offiziere der Armee noch einmal die Revision des bestehenden Militärgesetzes für unabweisbar erklärten, und man einstimmig beschlofs, dem Bundesrate die Bitte der Offiziergesellschaften um Revision des Gesetzes vorzutragen. Es begannen nun eingehende Beratungen durch militärische und parlamentarische Kommissionen, aus welchen schliesslich aber ein Gesetzentwurf hervorging , welcher und zwar nicht zum Bedauern der Anhänger der Revision Ende des Jahres 1895 von dem Volk mit grofser Mehrheit verworfen wurde. Oberst Ulrich Wille , überzeugt von der grofsen Gefahr für sein Vaterland, welche in der „,Versumpfung dieser wichtigen Frage liegen dürfte, will nun mit seiner Schrift daran erinnern , dafs eine Revision
der
Schweizerischen
Militärorganisation
eine
noch unerledigte Forderung des Eidgenössischen Heeres sei , welche von den ersten Militärs und Staatsmännern seines Vaterlandes aus den ernstesten Gründen für eine gebieterische Notwendigkeit erklärt worden ist. Uns deutschen Offizieren liegt wohl das Interesse an den Details der vom Oberst Wille vorgeschlagenen Organisation ferner. Von allerhöchstem Interesse aber sind die geistvollen Motive , mit welchen er seine Vorschläge begründet , in einer Zeit, in welcher man auch in Deutschland aus parteipolitischen oder rein doktrinären Gründen die Notwendigkeit unserer Rüstung und die Grundlagen unserer Heeresorganisation in Frage zu stellen sucht. Die Verurteilung der Schwächen des republikanischen Staatswesens wird vielleicht die in ihrem Urteile blinden Gegner unserer Monarchie und ihrer Armee, mögen sie sich nun Sozialisten, Demokraten oder Freisinnige nennen, nicht überzeugen. Aber die Blofslegung dieser schreienden und für die Wehrkraft des Staates so gefahrbringenden Schwächen wird organisation stärken .
die Verteidiger unserer Heeres-
In diesem Sinne wollen wir an der Hand der Ausführungen des Verfassers die von ihm ausgesprochenen urteilung unterziehen.
Grundsätze
unserer Be-
Schon in der Einleitung giebt er ein wenig erquickliches Bild von den Schwierigkeiten , mit welchen jeder Fortschritt in der Wehrorganisation im demokratischen Staatswesen zu ringen hat. Offen sagt er mit Bezug hierauf und dies möge unsere demokratischen Schwärmer belehren : ,,Betrachten wir die
Das Milizwesen und seine Schwächen.
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Ausführung des Gesetzes (von 1874), so sehen wir die Erscheinung. dafs dasselbe gleich von Anbeginn an, nicht nach seinem Wortlaut zur Ausführung kam, daſs Bestimmungen desselben einfach mit einer an Cynismus grenzenden Rube gänzlich miſsachtet oder in der Praxis korrigiert wurden,
dafs unendlich viel an ihm
durch Gesetze und
Verordnungen herumgeflickt wurde, dabei aber niemand wagte, sich an jene Hauptmängel heranzumachen , welche die eigentliche Unvollkommenheit des Gesetzes ausmachten , die man ganz gut kannte , die aber auch seiner Zeit das Mittel waren , das ganze Gesetz bei den Räten und dem Volke zur Annahme zu bringen . . . ." ,,Der Ausbau der sogenannten Volksrechte" lässt sich sicherlich mit dem „ Referendum " trefflich fördern, nicht so der Ausbau der „ Volkspflichten." Gegen gewisse Gesetze haben das Volk und seine Vertreter eine gewisse Abneigung , und wenn sie erkennen , dafs auf diesem Gebiete eine Änderung , eine Verbesserung der Gesetze Pflicht gegenüber dem Vaterlande sei , so suchen sie sich auf eine Art abzufinden . die dem
Scheine dient , die den guten Willen markiert , mit welchem aber der Sache nicht gedient ist :" . . . und an anderer Stelle : ,,Gar keine andere Staatsform aber verlangt für ihre Gesundheit in dem Mafse die Heiligkeit und Unantastbarkeit des Gesetzesbuchstabens, wie die Demokratie. Bei anderen Staatsformen stehen gewissermalsen Volk und Volksvertreter auf der einen und die ausübende Gewalt auf der anderen Seite einander gegenüber. Die eine Gewalt bildet das Gegengewicht zur anderen, das diese vor Einseitigkeit und dem Mifsbrauch der Macht schützt. Infolge des Entwickelungsganges der letzten Dezennien fehlt in unserer Demokratie das auf Gewicht und Gegengewicht beruhende Gleichgewicht." Wir erinnerten uns bierbei unwillkürlich der langjährigen parlamentarischen Kämpfe , welche unser grofser Kaiser Wilhelm und seine Räte um die Organisation des Heeres , durch dessen Stärke und Kraft die Einigkeit Deutschland erkämpft werden sollte , mit parlamentarischen Majoritäten geführt haben. Was wäre aus der Armee, aus unserem Vaterlande geworden, wenn dies wesentlich in Bismarck und Roon verkörperte Gegengewicht gefehlt hätte . Einen besseren Beweis, wie ihn hier ein eidgenössischer Offizier auf Grund der Erfahrungen der politischen Entwickelung seines ,,freien Staatswesens" für die Vorzüge der festen Monarchie und mit dieser für die Stetigkeit der Wehrverfassung eines Volkes führt, wülsten wir nicht zu geben.
Das Milizwesen und seine Schwächen .
43
Ebenso lehrreich ist aber auch seine Warnung, dafs ,,à as Volk", der Souverän, sich nicht in die Details des Wehrwesens einmischen , diese nicht gewisserm afsen gesetzlich festlegen solle , sondern nur die Grundlagen, die Prinzipien feststellen, die Ausführung aber den mit der Leitung der Wehrangelegenheiten betrauten Männern überlassen müsse. Auch hier exemplifiziert der Verfasser mit den ,,monarchischen Staaten", wo der Souverän seinen Willen kundgiebt , die ihm entsprechende Ausführung , die Festsetzung der Details aber seinen Dienern überlasse. Er hätte hinzufügen können, dafs es hier stets demokratische Strömungen sind, welche ihren immerhin mehr oder minder laienhaften Forderungen gerade bei den " Details" Geltung zu verschaffen suchen. Diese Fehler des bisherigen schweizerischen Wehrgesetzes abzustellen, hat sich der Verfasser bei der Abfassung seines ,, Entwurfes" zum Ziel gesetzt. Wir erfahren aus seinen ,, Motiven" , wie vortrefflich ihm
dies
gelungen. Bekanntlich spielt das Kadettenwesen als die Jugendwehr, in welcher dem Schweizer eine gewisse Vorschule für das Heer geboten wird, eine grofse Rolle. Auch bei uns sehen wir von Jahr zu Jahr namentlich aus dem Lager der Sozialdemokratie die Forderung gestellt, die Dienstzeit im Heere auf ein minimum herabzusetzen und dagegen schon dem Schüler eine militärische Vorbildung zu geben, welche nach Ansicht dieser Gegner stehender Heere reichlich die Lücken ausfüllen würde. ' ) Treffend wird hierauf von dem ,,Kenner" der Jugendwehren geantwortet (Seite 54): ,,Wir wären sonst kein Feind des Kadettenwesens, wir sind sogar überzeugt, dafs durch dasselbe in wirklich militärisch veranlagte Naturen wertvolle Keime gelegt werden können . Die verderblichen Folgen solcher Jugendwehren für das militärische Wesen des späteren Wehrmannes lassen sich bei einer hervorragend militärisch wie pädagogisch veranlagten Leitung vermeiden ; wo diese fehlt , wird die Sache unrettbar zur Spielerei mit ernsthaften Allüren. Es gar keine Institution geduldet werden , die verbietet , das Militärwesen als Spielerei zu behandeln. Eine nüchterne ernste Auffassung des Wehrwesens ist das allererste , aber auch das sicher wirkende Mittel , alle Unvollkommenheiten , die dem Milizwesen anhaften , ausdarf bei uns
1 ) In neuester Zeit hat sich Herr Bebel gerade auf diese Jugendwehren der Schweiz berufen.
Das Milizwesen und seine Schwächen.
44 zugleichen.
Sowie man irgendwie und irgendwo dilettan-
tische Spielerei , die sich als verdienstliches Werk gebärdet , in unserem Wehrwesen duldet , wird daran sofort die sich bildende ernste ,
freilich vielen unbequeme und
langweilige Auffassung im Keime verkrüppelt. " Von ganz besonderem Interesse ist das Urteil Oberst Willes über die 99 Wehrsteuer". Wir sind der Ansicht, dafs die Erhebung einer Wehrsteuer auch bei uns sehr wohl denkbar ist, ohne hierdurch auch nur im mindesten das Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht, dessen ideale Bedeutung für den Staat und das Volk wir in keiner Weise angetastet wissen wollen, zu verletzen. - Welche Ungerechtigkeit läge z. B. darin, den nicht für diensttauglich erklärten, im übrigen aber völlig gesunden und
erwerbsfähigen Sohn des Millionärs zu
einer Steuer heranzuziehen , welche etwa den Unkosten entspricht, welche dem Sohne des armen höheren Beamten mit Universitätsbildung verursacht wird dadurch, dafs er sich ein Jahr hindurch bekleiden, ausrüsten und verpflegen mufs
und
in
seinem Erwerbe,
bezw. seiner Ausbildung im Privatberufe gehemmt wird.
Fafst man
noch die thatsächlichen Störungen und die sonstigen Unkosten ins Auge , welche dem jungen Mann in seinem Reserveverhältnis , namentlich bei seinen Dienstleistungen zum und als Reserveoffizier,. erwachsen,
so erscheint eine solche Steuer nur billig,
namentlich,
wenn der Staat sie zur Unterstützung der Familien der Wehrpflichtigen und ähnlichen den letzteren zu Invalidenbenefizien u. s . w. verwendet .
gute kommenden Zwecken ,
Oberst Wille spricht es aber mit klaren Worten aus (Seite 56) , wie in dem demokratischen Staatswesen mit der ausgedehntesten persönlichen Wehrpflicht die Wehrsteuer ein selbstverständliches Recht des Staates sei : „ Das Recht des Staates zur Erhebung der Wehrsteuer gehört zu den Fundamentalsätzen der Rechte , welche dem Staate für sein Wehrwesen dem Bürger gegenüber gewährt werden. Es liegt in der Gewährung dieses Rechtes eines der grofsen Prinzipien des demokratischen Staatswesens wie
des Milizsystems,
volle
Gleichheit
aller Bürger in Rechten und Pflichten gegenüber dem Gemeinwohl. " Wenn von den Gegnern des stehenden Heeres immer die Bedeutung der Zahl gegenüber der durch
längere und
sorgfältigere
Ausbildung erreichten höheren Leistungsfähigkeit betont wird , so finden wir (Seite 58) hier von einem Offizier des Milizheeres offen bekannt, dafs die „ Leistungsfähigkeit der Truppen mehr entscheidend. sei, als ihre Zahl.
Wo dieser zulieb die Leistungsfähigkeit als ge-
Das Milizwesen und seine Schwächen.
45
ringwertiger Faktor behandelt wird, da wird die Zahl zum Hindernis der sonst möglichen Leistung." Vortrefflich ist das über die Ergänzung des Offizierkorps
und über die höheren Opfer Gesagte, welche selbstverständlich der Staat von denen zu fordern berechtigt ist, welche er zu Offizieren ernennt. Was werden unsere Schwärmer für eine ,,Demokratisierung" des Offizierkorps und für die teilweise Ergänzung desselben aus dem Unteroffizierkorps sagen, wenn sie hier ein „,freier Schweizer" belehrt (Seite 60), dafs ,,naturgemäfs die Offiziere vorwiegend aus jenen Schichten der Bevölkerung hervorgehen, welche besser gestellt sind oder durch Talente und erworbene Kenntnisse ein reichlicheres Auskommen finden als ihre anderen Mitbürger. " Mit Recht wird das verdammt.
Wie es hiermit
Protektionswesen in aber in dem
unserer Armee
demokratischen Gemein-
wesen aussieht, wird uns auch hier in recht bezeichnender Weise (Seite 61 ) gesagt : ,,Das Unvermögen der Behörden, in Personenfragen ausschliefslich nach sachlichen Gründen zu handeln, sich der Begehrlichkeit gewisser Personen zu widersetzen und gegenüber den eigenen Leuten nicht beständig Rücksichten walten zu lassen, ist ein in allen Demokratien allgemein verbreitetes , unausrottbares Übel , mit dem als mit einem feststehenden Faktor, der Gesetzgeber, der eine Personenfrage berührende Materie zu ordnen hat, mufs."
rechnen
Wer die amerikanischen und die französischen Zustände einigermaſsen verfolgt hat, wird in diesem Urteil nur die Bestätigung der dort gemachten Erfahrungen sehen . Sehr klagt Verfasser über die grofse Zahl von Offizieren, welche mangelnder physischer Rüstigkeit oder anderer Gründe wegen ihrer Stellung nicht mehr gewachsen sind. Oberst Wille fordert strenge Mafsregeln hiergegen,
verwahrt
sich freilich gegen die Nachahmung
des Systems der Altersgrenzen, weil man durch derartige Bestimmungen von allgemeiner Gültigkeit auch die tüchtigen Generale verlieren würde, welche müsse .
man doch so lange
als
möglich
ausnutzen
Scharf werden die Willkürlichkeiten bei der Einberufung der Wehrpflichtigen zum Dienst gegeifselt und getadelt, dafs weder in der Verfassung
noch in dem jetzigen Gesetze
irgendwo das Recht
des Staates zum Aufbieten in den Wehrdienst ausgesprochen oder begrenzt ist. Der Glaube, der Staat dürfe einen Bürger von heute auf morgen telegraphisch in einen Instruktionsdienst befehlen, nicht zur pflichtigen Ausbildung, sondern weil man den Mann braucht, ist allgemein verbreitet ; allerdings wird dann auch auf der andern Seite,
Das Milizwesen und seine Schwächen.
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das Nichtbefolgen eines solchen Befehls unter nichtigen Vorwänden milde beurteilt. Es ist möglich, dafs unter solchem Regime, gerade wie unter der aufgeklärten Despotie, der Bürger sich wohler fühlt als unter der Herrschaft des auf starren Rechtsbegriffen beruhenden Rechtsstaates, in dem Rechte und Pflichten fest geregelt sind,
und
in dem an ihnen kein Markten gestattet ist ; aber auf die Dauer geht die öffentliche Moral und mit dieser der Staat selbst dabei elend zu Grunde. Das ist um so eher der Fall , wenn Tyrannei und Willkür von schwachen Menschen ausgeübt werden." Auf eine scheinbar sekundäre Seite des Milizwesens, welche er aber 99 einen der dunkelsten Punkte in der gegenwärtigen Kriegs bereitschaft der Schweiz" nennt , weist Oberst Wille ganz besonders hin.
Es ist die Berittenmachung der Offiziere, welchen trotz des Vor
handenseins einer „ Pferderegieanstalt " es zur Zeit fast unmöglich ge macht ist, wenn nicht ihre Mittel, die Freude am Sport oder land wirtschaftliche Thätigkeit, letztere in gröfserem Rahmen bekanntlich eine Ausnahme in der Schweiz, sie zum privaten Halten eines Reit pferdes veranlassen, sich die notwendige Reitfertigkeit anzueignen. Mit Recht sagt aber Oberst Wille (S. 71 ) : „ Wenn der Milizoffizier seine Truppe führen mufs, so verlangt dies von ihm ganz anders als vom Berufsoffizier die Konzentration seiner ganzen Denkkraft auf diese Aufgabe.
Man darf nicht dulden , dafs man ihn in die Lage
bringt, gleichzeitig noch an etwas anderes denken zu müssen . Das mufs er aber, wenn er, besonders der ältere und etwas schwerfälliger gewordene Offizier, der vielleicht seit Jahresfrist nicht mehr geritten hatte, auf einem Pferde sitzt, das er nicht blofs nicht kennt, sondern von dem er auch annehmen darf, dafs es ungenügend geritten ist." Aus dem Kommentar zum Artikel 25 ersehen wir , daſs ―― ge wifs zum Entsetzen unserer demokratischen Reformer des Militär strafgesetzbuches -die
doch gewils
zur Zeit ein solches besitzt , welches
demokratische Schweiz sich mit allen Ver
brechen und Vergehen des bürgerlichen Gesetzbuches be fafst und für diese andere Strafen und andere Auf fassungen des Begriffes aufstellt , als im gemeinen Recht gültig sind. Scharf geifselt der Verfasser die Neigung in Ländern mit einer Milizorganisation,
sich hohe militärische Titel beizulegen und dem
gemäfs auch in den Wehreinrichtungen dieser Schwäche Rechnung zu tragen. Die Schweiz hat zur Zeit in allen ihren Kommando Stäben eine ganz unverhältnismäfsig gröfsere Zahl höherer Chargen als die meisten übrigen, namentlich als die deutsche Armee . Sehr
Das Milizwesen und seine Schwächen.
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richtig weist er darauf hin, dafs schon die in dem Mangel an praktischer Übung und Erfahrung begründete Unsicherheit der höheren Truppenführer darauf hinführen müsse, ihre Stäbe möglichst einfach und aus Offizieren niederen Ranges zu bilden. Denn der auf ungenügender Erprobung ihrer Kräfte beruhende wohl erklärliche Mangel an Selbstvertrauen dieser Führer würde
erfahrungsgemäls
leichter überwunden werden, wenn in dem Stabe nicht eine grössere Zahl höherer Offiziere vorhanden wären, welche infolge ihrer dienstlichen Stellung oder des Gewichtes ihres Urteils, auch wenn sie sich das nur selbst zumessen, Rücksichten fordern oder ihre Stimme geltend zu machen suchen . 99 Ist dann sonst noch im Lande die Behandlung aller öffentlichen Dinge durch Kommissionen zur Epidemie geworden und sind die Truppenführer aus ihrem bürgerlichen Leben dies so gewöhnt , dann sinkt der ,,, Miliztruppenkommandant,"" welcher einen Stab von Obersten um sich hat, zum Ministerpräsidenten im Kollegium der Ressortschefs herab. Statt zu befehlen, wird ,,am Rapport beraten, und der Kommandierende kommt nie zum Bewusstsein, dafs nur sein ureigener, alleiniger Wille alles leiten soll und sein Stab nichts sei als ein geschmeidiges Werkzeug. “ Geistvoll ist der Vergleich (Seite 86) der ganz verschiedenen Vorbedingungen für die Organisation der Wehrkraft eines militärischen Grofsstaates mit derjenigen der neutralen, auf ihre Milizverfassung angewiesenen Eidgenossenschaft. Treffend heifst es in dieser Beziehung : „ Während es für die zur offensiven Kriegführung berufene Armee eines Grofsstaates nur
berechtigt ist , alles was die Armee
und ihre mannigfachen Bedürfnisse anbetrifft, militärisch zu organisieren und so die Armee zu etwas Selbständigem, Unabhängigen, gewissermassen zu einem Staat im Staate zu machen, trifft dieses für die Milizarmee eines kleinen Staates nie zu . Es liegt im Wesen der Milizarmee begründet, dafs jede Bestrebung, die Milizarmee zum Staat im Staate zu machen, nur etwas Unfertiges zu Tage fördert." Wenn Oberst Wille (Seite 88 ; über die Bedeutung des Schweizer Landsturms sagt : „ Die Grundbedingung, um etwas brauchbares hervorzubringen, ist aber die Fernhaltung jeder Phrase. Solchen Institutionen ist es eigentümlich, dafs sie immer zu falschem Pathos ermuntern und doch dabei gegen die kleinsten Einflüsse des falschen Pathos so empfindlich sind, dafs sie durch diese sofort den Charakter des Ernstes verlieren,
einen Stich ins Lächerliche
bekommen und
dann, getrieben durch ihr eigenes Wesen, unaufhaltsam ins gänzlich Wertlose hinabgleiten," - so erinnern wir uns unwillkürlich dabei der Verherrlichung der Bürger- und Volkswehren seitens der Revolutionsmänner des Jahres 1848 und der Landwehren auf Kosten des
48
Das Milizwesen und seine Schwächen .
stehenden Heeres durch die Vertreter der sogenannten ,,Fortschritt partei" Preussens, der Väter des heutigen sogenannten „ Freisinns und die Sozialdemokratie. Sehr eingehend ist die Organisation der Schweizer Armee behandelt. Wir müssen es uns leider versagen , näher auf die be züglichen Ausführungen einzugehen. Wir heben nur einiges hervor.
Mit Recht wird getadelt ,
daſs während alle Verwaltungsbeamte ( Offiziere ) und Ärzte beritten sind , die Hauptleute zu Fufs gehen müssen und hierdurch in der Führung ihrer Kompagnien behindert werden, daſs bei der Infanterie der Bataillonsadjutant wohl weil er beritten ist, stets ,,Stellvertreter" des Bataillonskommandeurs ist, während der ihm doch vorgesetzte Regimentsadjutant Leutnant sein kann. - Eine der gröfsten Schwächen der Milizorganisation ist nach dem Verfasser der Umstand, dafs die höheren Führer
aller Grade
nicht durch eigene
Erfahrung genügend mit den Verhältnissen der Truppe und der niederen Führung vertraut sind , ihnen also das, was Napoleon I. Auf Seite 109 wird ,,l'habitude du commandement" nennt, fehlt. hervorgehoben, dafs keine Armee der Welt jetzt im Verhältnis soviele Offiziere höheren Grades in den Stäben habe, wie die schweizerische . Während die deutsche Division einen Hauptmann als Generalstabs offizier hat, besitzt die schweizerische zwei solche, darunter einen im Range des Regimentskommandeurs. - 99 Nichts ist verderblicher für die Truppenführungen im Gefecht, aber auch schon für die blofse Verwaltung im Frieden, als wenn die Kommandanten und die Instanzen so zahlreich sind , dafs sie zur Befriedigung ihres lobens werten Thätigkeitstriebes nicht anders können, als einander auf die Hühneraugen zu treten." Sehr treffend sind die Ausführungen ( Seite 119) ,
mit welchen
Oberst Wille das Kokettieren mit den wechselnden Strömungen der „öffentlichen Meinung" verdammt.
Die Ausbildung soll nicht den
,,sozialen und politischen Anschauungen" angepasst sein, sondern der ,,gegebenen kurzen Ausbildungszeit." - Das Verderblichste sei aber, wenn man Unvollkommenheiten, welche beim Milizsystem leicht ent stehen, aber schwerer als anderswo zu überwinden sind, als berech tigte Eigentümlichkeiten des Milizsystems oder des Volkscharakters, des nationalen Sinnes hinstelle. Es ist für den
ferner Stehenden besonders lehrreich,
es hier
von kompetenter Seite mutvoll ausgesprochen zu hören, dafs in dem politisch so freiheitlichen Gemeinwesen der Schweiz ,,die Instruktion der Truppen, so modernisiert sie auch ist, noch ganz auf den Tradi tionen der Schweizer- Regimenter in königlich niederländischen und
Das Milizwesen und seine Schwächen.
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neapolitanischen Diensten beruht, dafs alle Reglements und Vorschriften und der ganze Dienstbetrieb, heute noch davon ,, imprägniert" sind. Ja sie sind sogar mit Anschauungen von Leuten vermengt, welche sich nie die Mühe gegeben hatten, in das militärische Wesen einzudringen, denen im Grund der Sache dasselbe fremd, vielleicht sogar zuwider ist, die den Grundsatz aufstellen, die militärische Ausbildung könne als Schulung des Geistes betrieben werden , die militärische Erziehung des Charakters müsse in der Miliz einer Demokratie verpönt sein." Wer erinnert sich hierbei nicht unwillkürlich an verwandte Strömungen unseres Freisinns !" Darum stimmen wir auch voll und ganz dem Urteil Willes zu , dafs zwar das Wehrwesen eines Volkes national sein , d. h. der Kulturstufe des Volkes und den mannigfachen, mit ihr zusammenhängenden Verhältnissen entsprechen soll , dafs dies aber nie zu dem Glauben führen dürfe, den Grundbedingungen, auf welchen die Brauchbarkeit eines Heeres beruht, andern Ausdruck zu geben, je nach dem Wesen des betreffenden Volkes.') Sehr
einschneidend
sind die Vorschläge,
welche Oberst Wille
mit Bezug auf die Änderung des Instruktionsdienstes ; d. h. der thatsächlichen Ableistung
der
persönlichen Dienst-
1 ) Sehr interessant ist die folgende Begründung Willes für diese Behauptung : „ Nur das eine kann zugegeben werden, das Fehlen der Grundbedingungen wird weniger rasch verderblich bei einem Heere fanatischer Mohammedaner als bei dem feiger Chinesen. Es ist unzweifelhaft, aus einem selbstbewussten, auf hoher Kulturstufe und im allgemeinen Wohlergehen stehenden Volke, wie dem unsern, lässt sich rascher ein zuverlässiges Heerwesen von festem Gefüge erschaffen, als aus einem auf niederer Kulturstufe stehenden, bei welchem Dürftigkeit und Elend von selbst Unterwürfigkeit erzeugen, aber es ist schwerer und es ist niemals dadurch zu erreichen, dafs man dem im wohlgenährten, freien Individuum stark entwickelten Selbstgefühl Konzessionen macht und seine unschönen Nebenschöfslinge als nationale Eigentümlichkeiten respektiert. Der berühmte (??) Gneist erzählt von der Zeit, als er 1848 der Bürgerwehr zu Berlin angehörte : „Wir präsentierten zwar das Gewehr auf Kommando, aber jeder von uns war der Überzeugung, dafs eigentlich zuerst hätte darüber abgestimmt werden sollen. "" Nicht diese Art „ willigen" Gehorsams, der es immer als eine verdienstliche That seines freiwilligen , patriotischen Pflichtgefühls empfindet, zu gehorchen, kann die heutige Kriegführung brauchen ; sie verlangt jenen andern, der ohne Reflexion gewährt wird, weil er zur Gewohnheit geworden. Durch Zuhilfenahme seines Verstandes und seiner Bildung kann man dem Soldaten höherer Kulturstufe die Notwendigkeit und das Unerbittliche dieses Gehorsams klar machen und so die Grundlage schaffen, auf welcher sich die Eingewöhnung rasch und mühelos und von nachhaltiger Wirkung erzielen läſst; aber nimmer kann das Einwirken auf Verstand , Bildung und Patriotismus den Mangel der Eingewöhnung mit Zuhilfenahme starrer Formen ersetzen." 4 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 111. 1.
Drs Milizwesen und seine Schwächen.
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pflicht , macht. Sie charakterisieren zugleich hinlänglich die Schwäche der Grundlage, auf welcher das heutige Wehrwesen der Schweiz Bisher galt für die Ausbildung des wehrfähigen aufgebaut ist. Schweizers das Folgende : „ Der Infanterist') hat 47 Tage Rekrutenschule ,
6 Wiederholungskurse zu je 18 Tagen und 3 Landwehr-
wiederholungskurse zu je 7 Tagen durchzumachen, d. h. im ganzen 176 Tage, verteilt auf 24 Jahre . (Der Schweizer dient bekanntlich vom 20. bis zum 32. Jahre im „ Auszuge“, vom 33. bis zum 44. Jahre in der in 2 Aufgebote zerfallenden ,,Landwehr".) Oberst Wille schlägt nun vor, die Dauer der „ Rekrutenschule " bis auf 80 Tage zu verlängern und dagegen den Wehrpflichtigen nur zu fünf Wiederholungskursen, ein jeder in der Dauer von 15 Tagen einzuziehen, von welchen der erste sich unmittelbar an die Rekrutenschule anschliefsen soll, alle aber von dem Wehrpflichtigen bis zum Ablaufe des 25. Lebensjahres erledigt sein müssen. Motiviert wird dieser Vorschlag mit der sehr einleuchtenden Begründung , daſs bei dem jetzigen Ausbildungssystem dem Manne niemals eine genügende Ausbildung zu teil wird, er dagegen bis an sein Greisenalter durch Wiederholungskurse in seinem Berufe gestört wird , in welchem er nur ungenügend Erlerntes zu wiederholen hat. — Um dem Schweizer die Forderung der längeren Dauer der Rekrutenschule mundgerecht zu machen, will der Oberst Wille die Gesamtdienstzeit von 176 auf 155 Tage verringern und dagegen die grundlegende Ausbildung von 47 Tagen auf 95 Tage verlängern . Unseres Erachtens berücksichtigt dieser Vorschlag sowohl die Erhöhung der Wehrhaftigkeit der Armee wie die Interessen des Einzelnen. — Ein sehr wunder Punkt jedes Milizheeres ist die Beförderung Bisher findet die Beförderung der Offiziere und Unteroffiziere . ausschliefslich ,,nach der Tüchtigkeit" statt. Wer der Tüchtigste ist, bestimmen ausschliesslich die Vorgesetzten, bezw. eine zu diesem Zweck niedergesetzte Kommission. Oberst Wille ist der Meinung, dafs bei dieser Bestimmung der Gesetzgeber von einer viel zu idealen Auffassung der menschlichen Natur ausgegangen sei.
Er sagt wörtlich :
??Wir Menschen
erachten
natur-
gemäfs immer den als den Tüchtigsten, dessen Fähigkeiten wir zufällig besser kennen zu lernen Gelegenheit hatten als die der andern , die uns ferne stehen. Wenn aber die subjektive Anschauung, der persönliche Wunsch des zukünftigen Vorgesetzten bei Ernennungen und Beförderungen eine Rolle spielen darf,
dann bedarf es keiner
1 ) Für die Kavallerie und die Spezialwaffen gelten etwas abweichende Bestimmungen.
Das Milizwesen und seine Schwächen.
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weiteren Worte, um die Konsequenzen erkennen zu lassen, zu welchen das ideale Prinzip unseres Gesetzes führt. " Wir können Oberst Wille darin nur beistimmen, dafs nach den Erfahrungen aller Republiken der modernen Zeiten trotz aller theoretischen Beweise vom Gegenteil,
sei
es von Seiten dünkelhafter,
und die engbegrenzten Wände ihrer Studierstube kennender Professoren, trotz aller Deklamationen des Freisinns und seiner sozialdemokratischen Verbündeten - die Personenfragen in den demokratischen Gemeinschaften
die
schwierigsten sind,
ehesten der demokratische Staat zu Grunde geht.
dafs
an ihnen
am
Alle Vetternschaft
und alle Protektion, welche man bekanntlich so gern in allen Tonarten den Monarchien andichtet, ist nichts gegen die Trübung des freien Urteils, welche Politik, Parteiwesen, Vetternschaft und andere unedle Motive in den Republiken anrichten und welche dort schliefslich zur moralischen Zersetzung aller Verhältnisse führt. Geradezu goldene Worte sind es , mit welchen Oberst Wille über die Gefahren urteilt , welche für ein Offizierkorps dadurch heraufbeschworen werden , dafs die Beurteilung der dienstlichen Tüchtigkeit des Einzelnen nicht in die richtigen Hände gelegt ist. So hart wie diese Worte klingen, so unendlich viel Wahres liegt in
ihnen.
Namentlich aber bieten
sie jedem
Offizier,
in
dessen
Händen die absolute Gewalt über die Zukunft seiner Untergebenen gelegt ist,
eine Fülle von Anregung
und Belehrung.
Es
heifst da
zur
ernstlichen Selbstprüfung
u. a.:,,Das
sicherste Abrüstungs-
Verfahren ist Korrumpieren der Armee durch Korrumpieren des Offizierkorps. Die zum militärischen Verhältnis gehörende Unterwürfigkeit und Abhängigkeit ist, dank der Unvollkommenheit der menschlichen Natur, immer in Gefahr,
in Servilismus überzugehen,
und oben wie unten wird beständig die Neigung vorhanden sein, Servilismus und Gehorsam zu verwechseln. Es ist im militärischen Verhältnis
unvermeidlich, dafs die Zukunft des Untergebenen von
den Anschauungen des Vorgesetzten über ihn abhänge . Dies in den Schranken des unvermeidlichen Mafses zu halten, das Schicksal des Untergebenen zu schützen gegen
die Macht reiner subjektiver An-
schauungen des Vorgesetzten, ist die Aufgabe der bezüglichen Bestimmungen des Gesetzes. Versäumt dies der Gesetzgeber - geschähe es auch nur in idealem Vertrauen auf die Tugend der Menschheit -- so wird der Untergebene zur Selbsthilfe gezwungen. Diese
Selbsthilfe ist allemal
Kriecherei ,
verbunden
mit der sie
immer und überall ergänzenden, zu ihr gehörenden Unbotmässigkeit dort, wo solche ohne voraussichtlichen Schaden oder ohne Gefahr 4*
Das Milizwesen und seine Schwächen.
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der Entdeckung möglich ist.
Wenn die
Bestimmungen des
Ge-
setzes nicht den Offizieren solche Selbsthilfe unnötig erscheinen machen, so ist die Korruption unvermeidlich. - Dieser Gedanke war daher wegleitend bei alle das Avancement der Offiziere berührenden
Bestimmungen dieses
Es
Entwurfes.
ist allerdings
richtig, beim Avancement nach Anciennität hätten weder der General Hoche noch der grofse Napoleon in so jungen Jahren zu so hohen Stellen kommen können . Aber das waren damals auch andere Zeiten ; in ruhigen Zeiten wäre wahrscheinlich weder Hoche noch Napoleon entdeckt worden, da ist die Gefahr immer grofs, dafs beim Avancement ,,ausschliefslich " nach Fähigkeit Höflinge oder harmlose Leute den
wirklich Befähigtesten vorgezogen werden.
Im übrigen hat es
auch einem grofsen Talent oder einem Genie noch nie geschadet, wenn es nicht in jungen Jahren von der Woge der Anerkennung rasch in die Höhe getragen wurde." Sehr scharf wird der bisherige Gang der Ausbildung des Offiziers beurteilt. vom 13.
Nach dem „,Bundesgesetze über die Militärorganisation November 1874" mufs der Soldat, bezw. der Gefreite,
Unteroffizier u. s. w., welcher Offizier zu werden wünscht, eine sogenannte ,, Offizierbildungsschule" mit Erfolg besucht haben. Zugelassen hierzu werden
aber nur solche Individuen, welche auf
Grund ihrer Leistungen in Rekruten- und Unteroffizierschulen, sowie in Wiederholungskursen von
der Mehrheit der Instruktions-, bezw.
Truppenoffizieren " hierzu als geeignet vorgeschlagen werden. Die Ernennung zum Offizier wird für die kantonalen Truppen von der kantonalen Militärbehörde, vom Bundesrat vollzogen. Diese Art der Ausbildung so notwendige
für die Truppenkörper des Bundes
lässt die bei der kurzen Dienstzeit
systematische Heranbildung
der von vornherein zu
Offizieraspiranten bestimmten Individuen vermissen. Sie sollen gewissermalsen unter den 99 Wehrmännern " erst entdeckt werden während sie in der Ausbildung im „ Rekrutendienst" begriffen sind. Daher verlangt Oberst Wille die Einführung der Einrichtung der „ Offizieraspiranten", welche letztere sich für diese Stellung durch den Besitz der für einen Offizier notwendigen allgemeinen Bildung eignen. Er fügt hierbei u. a. hinzu , daſs man bei der Abschaffung dieser Einrichtung seiner Zeit wohl nur den Gesichtspunkt im Auge gehabt hätte, dafs die Abschaffung alles Privilegs der Bildung als Kennzeichen hingestellt werden könne, aus welchem Geiste demokratischen Empfindens dies Gesetz geflossen sei. " Wir versagen es uns, auf die Einzelheiten der Reformvorschläge für die Verwaltung einzugehen . Die heutige Militärverwaltung der
Das Milizwesen und seine Schwächen.
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Schweiz leidet nach Ansicht des Oberst Wille unter einer zu grofsen Centralisation, welche den Chef des Militärdepartements so über lastet mit Kleinigkeiten, dafs er in die Gefahr gerät, den Überblick über das grofse Ganze zu verlieren. Auch hier werden vortreffliche Anschauungen von so allgemeiner Geltung in so vorzüglicher Weise ausgesprochen, dafs wir bedauern , nicht näher hierauf eingehen zu können. ―― So heifst es auf Seite 190 : „ Die Grundlage fester Disziplin ist die genaue Begrenzung der Pflichten, der Obliegenheiten und Befugnisse, welche von Vorgesetzten gerade so respektiert werden müssen, wie von Untergebenen . Eine andere Auffassung gehört in Staatsgebilde niederer Kulturstufe." Sehr ablehnend verhält sich Oberst Wille gegen die seiner Zeit mit so viel Aufhebens ins Leben gerufenen Alpenbefestigungen. Er bekennt sich offen zu
der Anschauung,
dafs
die Gotthardbe
festigung wesentlich unter dem Einflufs von in Demokratien ( leider auch in Monarchien. D. Verf.) oft unwiderstehlich und unheilvoll wirkenden Schlagwörtern in die Hand genommen worden sei , noch bevor man über die Sache bis zum Ende nachgedacht hatte.
Die
Alpenbefestigung sei kein Schutz für die Unabhängigkeit oder für die Wahrung der Neutralität der Schweiz , sondern sie würde im Ernstfalle nur dazu dienen, die Nachbaren anzureizen, sich ihrer zu bemächtigen, um sie nicht dem eigenen Gegner in die Hände fallen zu lassen. Sie würden also geradezu dazu verführen, die Neutralität der Schweiz zu mifsachten. Dafs heute in den mafsgebenden Kreisen des Bundes die An schauung gilt, dafs die Militärs
von Beruf von
den höheren Kom
mandos im allgemeinen auszuschliefsen seien und dafs sie solche Stellungen nur vorübergehend und nur ausnahmsweise einnehmen, erschiene
uns geradezu unglaublich, wenn es (Seite 198 ) nicht ausdrücklich mitgeteilt wird . - So erhält die Forderung Willes, dafs ,,der Divisionskommandant diese Stellung als Lebensberuf zu betreiben
habe, dafs er derjenige sei, unter dem auch die ganze Friedensver waltung seiner Division steht," ihre Erklärung. wie sie treffend einer unserer be Unseren ,, Civilstrategen"
kanntesten deutschen Militärschriftsteller nannte vom Schlage eines Bleibtreu und Bebel sei die treffliche Charakteristik zur gründlichen Kenntnisnahme empfohlen, welche Oberst Wille von dem gewaltigen Unterschiede giebt, welcher im militärischen Leben zwischen „, dem Wissen" und ,,dem Können" ist. -- Planen und Kritisieren am Tische der Studierstube und an der Seite des wärmenden Ofens ist leicht. Aber die praktische Erfahrung, welche erst die Sicherheit in den an Reibungen so reichen Augenblicken der Krisen des Feldzuges
54
Das Milizwesen und seine Schwächen.
und der bangen Stunden vor der Entscheidung des Kampfes verleiht, kann alles theoretische Wissen niemals ersetzen. Nur wer diese Schule der Erfahrung und Gewohnheit durchlaufen hat, wird nicht zu schiefen und unklaren, namentlich aber nicht zu so einseitig absprechenden Urteilen gelangen, wie wir sie von jenen oben charakterisierten Schriftstellern gewohnt sind. ') In engem Zusammenhange mit diesen Vorschlägen Willes steht
die Anschauung, dafs der Oberkommandierende , der General, im Kriegsfalle für seine Mafsnahmen keinerlei bindenden Direktiven erhalten dürfe. Der General, welchem die Geschicke seines Vaterlandes anvertraut sind, soll auch in die Lage gesetzt werden, die ganze Verantwortung für seine Kriegführung tragen zu müssen.
allein tragen zu
können
und
Die jetzigen Artikel 241 und 243 des Gesetzes über die Militärorganisation stellen den Oberbefehlshaber in eine vollständige Abhängigkeit von dem Kollegium des Bundesrates in Bern, welcher ihm auch eine ,,verbindliche Instruktion über den zu erreichenden Endzweck" mitteilt. ,,Keinerlei verbindliche Instruktionen" sagt Wille - ,,bedarf unser Oberbefehlshaber, wohl aber eines weitgehenden Vertrauens."
Für das Berufsoffizier-, das „,, Instruktionskorps ", verlangt Oberst Wille eine würdigere Stellung, welche es zugleich ermöglicht, seine Kenntnisse in ausreichenderer Weise zu verwerten. Heute kann es vorkommen, dafs der Milizoffizier als Oberstleutnant ein Regiment von 12 Kompagnien befehligt, während der Berufsoffizier sogar in dem Grade des Obersten als Instruktor
in diesem, oder
in der Rekrutenschule die Ausbildung einer Kompagnie leitet. Die traurigen Folgen dieser verkehrten Verhältnisse bedürfen an dieser Stelle wohl keines Beweises. Hierzu kommt noch der empfindliche Übelstand des Mangels an einem Pensionsgesetze. Eine Folge hiervon ist es, dafs - wie Wille sagt - ,,das Instruktionskorps sich nicht genügend verjüngt und dafs um die Armee hochverdiente, bejahrte Instruktoren , um nicht zu verhungern, gezwungen sind, bei der Instruktion und in einer ihrer Verdienste und ihres Alters unwürdigen Stellung zu bleiben." Wir schliefsen hier mit Rücksicht auf den uns zur Verfügung
stehenden Raum, diese Betrachtungen über das Milizwesen und seine Schwächen. Je mehr unsere staatsfeindlichen Elemente und die ¹) Sehr treffend weist Wille auf den grofsen Unterschied hin, welcher zwischen den Feldherrneigenschaften eines Blücher und den Feldherrnkenntnissen eines Jomini ist, der niemals Gelegenheit hatte, erstere zu bethätigen.
55
Der Angriff der 38. Inf.-Brigade am 16. August 1870.
ihnen, bewusst oder unbewufst, Handlangerdienste leistenden Anhänger der demokratischen Doktrinen des sogenannten Freisinns unserer festen, man darf wohl ohne Überhebung sagen, allen Armeen mehr oder weniger vorbildlichen Heeresorganisation
der
Charakter
der
Milizverfassung geben möchten, um so wichtiger erscheint es uns, ihre Bestrebungen einmal im Lichte des wahren Wesens einer solchen zu betrachten, wie es uns ein ganz auf dem Boden dieser Verfassung stehender Offizier des Milizheeres schildert, von der Erfahrung, der hohen militärischen Bildung, dem Charakter und der Liebe zu seinem 17 . Vaterlande wie Oberst Wille.
IV. Der Angriff der 38. Inf.- Brigade am 16. August 1870, In klarer, lichtvoller Weise geschichtlichen
Einzelschriften
giebt uns
eine
Heft 25 der
eingehende
kriegs
Schilderung
des
Kampfes der Brigade Wedel auf dem linken deutschen Flügel. Diese bervorragende Studie mufs ganz besonders jeden denkenden Taktiker anregen und will ich nachstehend versuchen, zu prüfen, wie sich ein solcher Angriff unter den heutigen Verhältnissen mit Zugrundelegung der Reglements und Waffen gestalten würde . Ich verfahre hierbei nicht kritisch hinsichtlich der tragischen Episode, dies ist von berufeneren Federn schon zur Genüge geschehen. Bei St. Hilaire erhält General von Schwartzkoppen den Befehl , mit der 19. Halbdivision den feindlichen rechten Flügel, der ihm auf dem Höhenrücken westlich der Tronviller Büsche bezeichnet Auf dem Marsche zum Schlachtfeld zwischen anzugreifen. Labeuville und Suzemont wurden die beiderseitigen Artillerie- Stellungen - die französische auf den Höhen nordöstlich Mars la Tour unfern war,
einer Waldecke (Tronviller Büsche ), die deutsche nördlich der Strafse deutlich erkannt. Nach Überschreiten des Yvon Metz-Verdun Baches befahl der General den Aufmarsch östlich Suzemont und südlich der Strafse von da nach Mars la Tour.
Diesen Augenblick
will ich zum Ausgangspunkt meiner Betrachtungen machen mit der Mafsgabe, dafs bei der Gruppierung auf Plan 2 F/ 16 als bei der Brigade befindlich gedacht ist. Ich nehme ferner an, dafs sich der
Der Angriff der 38. Inf. -Brigade am 16. August 1870.
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Divisionsstab im Besitze einer neuzeitigen Karte befindet, auf Grund deren der Divisions-Kommandeur, soweit dies nicht aus eigener An schauung möglich ist, nunmehr den Befehl zum weiteren Vorgehen giebt.
Bevor indes zur Ausgabe
desselben geschritten
wird,
er
scheint es geboten, die verschiedenen Gesichtspunkte, soweit sie den taktischen Ergänzungen als Unterlage dienen, näher zu be trachten. Ein Blick auf die Karte zeigt, dafs die erste Etappe, von wo der eigentliche Angriff anzusetzen ist, in der Mulde hart nordöstlich Mars la Tour liegt . Bewegung zu setzen.
zunächst die Infanterie dahin in 2. u . II. , 1. r dürften öst Die drei Batterien G 10
Es gilt also ,
lich Mars la Tour im Anschlufs an die auf jener Seite schon im Kampf befindlichen Batterien ohne Säumen Verwendung finden, die Garde-Dragoner in nördlicher Richtung. Der mündliche Befehl würde demnach etwa folgendermafsen lauten : „ Die 38. Brigade tritt sofort an und stellt sich im Wiesengrund hart nordöstlich Mars la Tour zum Angriff in nördlicher Richtung bereit. " „Die Kavallerie- Brigade klärt über Mars la Tour auf Jarny auf. " „Die Artillerie geht östlich Mars la Tour in Stellung zur Be kämpfung der feindlichen Artillerie. " Die Ausführung denke ich mir derart, dafs die Garde-Dragoner in rascher Gangart Mars la Tour erreichen und bis zum Eintreffen der Infanterie etwa mit einer Eskadron besetzen. Die Infanterie tritt vom
rechten Flügel in Tiefkolonne an, die Bataillone dicht
aufgeschlossen, verschwindet im vorgelegenen Wasserrifs, folgt der nach Mars la Tour führenden Mulde, umgeht den Ort hart nördlich und erreicht, immer im Grund bleibend, über Waschhaus völlig un gesehen vom Feinde den befohlenen Platz. Die Artillerie über schreitet ebenfalls den Wasserrifs auf der Brücke des Weges Maria ville Ferme - Mars la Tour, wendet sich am jenseitigen Hange eine kurze Strecke östlich und erreicht in der nächsten Mulde den Wiesengrund südöstlich Mars la Tour, überschreitet die Strafse nach les Baraques und fährt auf der Höhe (Strafse nach Tronville ) ge deckt ein. Nachdem in solcher Weise die Truppen in Marsch gesetzt sind , sich der Divisions - Kommandeur, der Kommandeur der nebst Stäben auf die Höhen südöstlich Mars la Tour Brigade 38. und haben so den nötigen Vorsprung für weitere Entschliefsungen. Die hier gewonnenen Eindrücke vom Gelände, dem Feinde , sowie der im Kampfe befindlichen Nebentruppen lassen klar erkennen ,
begeben
Der Angriff der 38. Inf.-Brigade am 16. August 1870.
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dafs der Angriff nur ein von seinen Anfängen an geplanter sein kann und dafs hierzu vor allem die Herbeiführung der Feuerüberlegenheit gehört, was in erster Linie Sache der Artillerie ist. Der Geländevergleich mit der Karfe ergiebt, dafs 2 Höhenzüge in ostwestlicher Richtung durchstreichen, welche eine breite und tiefe Einsenkung begrenzen. Im allgemeinen steigt das Gelände sowohl gegen Tronville, wie gegen Nordosten allmählich ohne scheinbareDeckung an. Vom Wiesengrunde ziehen strahlenförmig in nordöstlicher, östlicher und südöstlicher Richtung Mulden zu den Höhen,. die Deckung gegen Sicht und teilweise auch gegen Feuer gewähren, auch sind die sich dazwischen erhebenden flach gewölbten Rücken gebotene Artilleriestellungen. Dieses letztere erscheint sehr wesentlich für die nachfolgenden Betrachtungen, weil es hierdurch überhaupt möglich wird , einen Angriff unter der heutigen Waffenwirkung in Erwägung zu ziehen. Die gegen 41 , Uhr nachmittags eintretende Gefechtslage bietet sich dem Auge des Divisions-Kommandeurs folgendermafsen dar : zur Rechten bemerkt er die von Tronville auf die Büsche vorgehenden Infanteriemassen der 20. Division, ihre Batterien in Stellung an der grofsen Strafse ; der Feind auf dem nördlichen Höhenzuge hat augenscheinlich auf Fortsetzung des Angriffes seinerseits verzichtet, scheint. aber weiter in nordwestlicher Richtung ausholen zu wollen, die eigenen Batterien befinden sich im Auschlusse an die der 20. Division heftigen Kampfe . Die Anlehnung nach rechts erscheint demnach gesichert, während der unmittelbare Schutz der linken Flanke durch die Infanterie selbst erfolgen mufs . Eine sich hieran schon im
knüpfende Besprechung mit dem Brigade-Kommandeur ergiebt, dafs das Angriffsfeld der Brigade im weiteren Verlaufe zwischen den Strafsen Mars la Tour-Bruville- St. Marcel in nördlicher Richtung zu suchen sei und der Angriff nur dann Aussicht auf Erfolg haben könne , wenn die Führer beim Heraustreten aus der schützenden Mulde mit sicherem Blick die entscheidenden Punkte zu finden wissen und sich mit ihren Abteilungen Schritt für Schritt und planvoll an die feindliche Aufstellung heranzuarbeiten verstehen, d. h. der Feind darf keine geschlossenen Abteilungen sehen, die vorgehenden Kommandoeinheiten müssen sich gegenseitig durch ihr Feuer unterstützen und die zurückgehaltenen Kräfte gedeckt nachgezogen werden. So muls der Angriff, verbunden mit der Geschicklichkeit in Ausnutzung des Geländes und eigener Selbstthätigkeit bis auf die Nahentfernung zur Hauptstellung hier also bis an die Einsenkung herangetragen werden. Die gesamten Angriffskräfte liegen in den Geländefalten absolut verborgen und ist hierbei selbstverständlich normaler
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Der Angriff der 38. Inf.-Brigade am 18. August 1870.
Abstand ausgeschlossen.
An einzelnen Stellen werden die Reserven
ihre Deckung hart bei den Schützen, an andren wieder weiter rückwärts finden. Von hier sind, um das Überschreiten der Schlucht zu " ermöglichen,
weitere Anordnungen zu treffen. Die Unterstützung durch die Artillerie aus rückwärtiger Stellung wird nunmehr schwierig, das Infanteriefeuer mufs an dessen Stelle treten . Ferner ist für
den Fall der Fortsetzung des Angriffs mit feindlichem Gegenangriff auf die eigene nicht angelehnte linke Flanke zu rechnen. Alles dies däfst erkennen,
dafs
die weitere Vorwärtsbewegung nur mit einem Teil der Angriffskräfte erfolgen kann, während der diesseits verbleibende den Gegner in der Front mit Feuer überschüttet, bis der Angriffsflügel am jenseitigen Hange festen Fufs gefasst hat. Dieser wird aber auch nicht se ohne weiteres die Schlucht überschreiten können . Während nämlich die vorderste Linie in dem Grund ver-
schwindet,
unterstützt die nächste Staffel dieses Vorgehen durch Feuer vom diesseitigen Rand u. s . f. Der Feind darf nicht mehr zu ruhiger Überlegung kommen . Soweit die Erwägungen . Mittlerweile hat sich die Brigade, die Bataillone nebeneinander mit Regiment 16 rechts, Regiment 57 links im Grunde und der mittleren Mulde bereit gestellt.
Unter dem Hinweis auf Infanterie-
Exerzierreglement, II. Teil 108, wonach bei Durchführung des Angriffsgefechts die Bewegungen aus vorgenommenen Entwickelungen geradeaus zu gehen haben, erhält Regiment 16 die Marschrichtung „rechter Flügel der einzelstehende Baum an der Strafse Mars la TourRegiment 57 99 Anschlufs rechts und dauernder Schutz der linken Flanke." Wenn nun gleichzeitig von 4 Bataillonen je St. Marcel " ,
2 Kompagnien mit je einer Schützenentwickelung von 100 m vorgenommen werden, so ergiebt sich von Hause aus eine Frontbreite
•
von 800 bis 1000 m, die sich wohl im späteren Verlaufe noch etwas vergrössern dürfte. Auf diese Weise findet die Brigade beim Beginn ihrer Angriffsbewegung die Gliederung nach der Tiefe . J.E.R. II. 113. Beim Herankommen an die Schlucht erhält Regiment 16 den Befehl,
als Angriffsflügel diese zu überschreiten , wäh-
rend Regiment 57 durch möglichste Feuerentwickelung von diesseits unterstützt. Ferner bleibt noch zu erwägen, ob jetzt nicht der Augenblick gekommen ist, unter geschickter Ausnutzung des Geländes ein oder zwei Batterien nachzuziehen, auch um die moralische Kraft der stürmenden Bataillone zu heben. Selbstverständlich folgt Regiment 57 , sobald Regiment 16 festen Fufs gefasst hat. Es ist endlich die Frage nicht unberechtigt,
ob,
nachdem die
Brigade Wedel in wechselseitiger Unterstützung den südlichen Höhenzug gekrönt hat, es überhaupt notwendig sein wird , auch noch den
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Der Angriff der 38. Inf.-Brigade am 16. August 1870.
nördlichen Höhenzug in Besitz zu nehmen bezw. den sich mehr und mehr auf Abwehr beschränkenden Gegner aus dieser starken Stellung heraus zu werfen, oder aber sich in abwartender Haltung auf die Behauptung des errungenen Geländes zu beschränken. Durch das Eingreifen des X. Armeekorps von Süden her dürfte die unmittelbare Gefahr der Umfassung des linken Flügels des III . Armeekorps als beseitigt gelten, so dafs schon aus diesem Grunde und weil für die nächsten Stunden keine frischen Kräfte mehr zur Verfügung stehen, von einem Überschreiten der Schlucht Abstand zu nehmen sein dürfte, einmal, um nicht noch mehr Opfer zu bringen und sich dadurch noch mehr zu schwächen, dann aber auch, um bereit zu sein, etwaigen,
wenn auch wenig wahrscheinlichen Angriffen
entgegentreten zu können .
kräftiger
In einem solchen hügeligen Gelände mit
seinen Kuppen und Einsattelungen ist die Übersicht erschwert und sind mitunter recht unliebsame Überraschungen nicht ausgeschlossen. Um
nun
einen
in
angedeutetem
Sinne
gezeichneten Angriff
durchzuführen, ist eine eingehende Schulung im Frieden eine unbe dingte Notwendigheit und sind
wir immer noch nicht in unserer
Ausbildung soweit vorgeschritten, um sagen zu können, sätze
des
die Grund
II. Teils des Exerzierreglements für die Infanterie seien
überall in Fleisch und Blut übergegangen. Wir können noch viel fach bei unseren Übungen beobachten, dafs bei den einzelnen Ge fechtshandlungen im Thatendrange nicht mehr die feindliche Feuer wirkung beachtet wird.
Die Unterführungen müssen neben voll be
rechtigter Selbstthätigkeit vor allem Besonnenheit und Zurückhaltung bewahren und des im J.E.R. II. 80 gemachten Hinweises auf den Zusammenhang mit dem Fortschritt in der Gesamtwirkung eingedenk bleiben. Im Toben des Kampfes und der Gefechtsauflösung muſs das Zusammenwirken der einzelnen taktischen Verbände durchaus gewahrt werden bis in die letzten Stadien des Kampfes unter der unausgesetzten Einwirkung der höheren Führung. Die Gefechts disziplin findet in den Kampfkrisen, bei sich steigernden Anstren gungen, Entbehrungen und Gefahren ihren wahren Prüfstein. Geistige Anspannung und energischer Wille müssen bis zum letzten Augen blick vorhalten. Und so giebt uns im Anschlufs an unser Beispiel J.E.R. II. 86 die Lehre, dafs ein Rückzug nur ausgeführt werden kann, wenn die Truppe noch Tiefengliederung hat,
dafs es aber auch falsch
wäre,
sich eine Reserve zur Deckung des eigenen Rückzuges vorzubehalten , statt sie zur Durchführung des Gefechts zu verwenden. Es darf aber auch noch hinzugefügt werden , dafs, wie eine geworfene Truppe nicht mehr die Wahl der Rückzugsrichtung hat,
auch eine ,
wenn
60
Die Entstehung des japanischen Heeres.
auch noch so kleine Reserve da nicht fehlen darf,
wo
der Kampf
ausgang zweifelhaft erscheint, soll nicht die stürmende Truppe gänz licher Vernichtung anheim fallen. Sie mufs mit der Gewissheit in den Kampf stürzen, verbrannt hat.
dafs die Führung nicht alle Schiffe hinter sich
Schliefslich erwähne ich noch eines Ausspruches Verdys im Vorwort im 2. Heft seiner Studien über Truppenführung 1872 , der auch in die Neubearbeitung 1898 unverkürzt übernommen wurde : „ Der vernichtenden Feuerwirkung gegenüber reicht auch die höchste Tapferkeit nicht mehr aus , diese mufs mehr denn je durch die In S. M. telligenz unterstützt werden u . s . w.
V. Die Entstehung des japanischen Heeres . "
Im vergangenen Jahre ist an dieser Stelle ein Vortrag über den chinesisch -japanischen Krieg gehalten worden . Hierüber jedoch will ich heute nicht zu Ihnen sprechen ; es erscheint mir aber lehr reich, nach den Umständen zu forschen, durch welche Lehnstruppen, die unter den Befehlen von meistens unter einander feindlichen Fürsten standen, Truppen, die noch vor 25 Jahren zum grössten Teile mit Schwertern, Bogen und Lanzen bewaffnet waren, in ein gleiches, nach europäischem Muster organisiertes, wohl diszipliniertes Heer umgewandelt werden konnten, das von einem im höchsten Grade geförderten militärischen Geist belebt ist. Wie Sie durch das Studium des letzten Krieges erfahren haben, hat diese Armee Proben reitung der Pläne und
einer hervorragend systematischen Vorbe einer aufserordentlichen Energie
in deren
Ausführung abgelegt ; und dies trotz der Schwierigkeiten, die mit den zu gleicher Zeit zu Wasser und zu Lande ausgeführten Opera tionen verbunden sind, in Gegenden, wie auf Korea und in der Mandschurei, wo es so zu sagen gar keine Strafsen giebt, in einem ¹) Vortrag, gehalten vor den Offizieren der Garnison Bourges von Lebon , Oberst und Kommandeur des 1. Artillerie-Regiments . (Übersetzt aus dem Dezemberheft 1897 mit Genehmigung der Leitung der „ Revue d'artillerie. ")
61
Die Entstehung des japanischen Heeres . äusserst rauhen Klima, Null sank. ')
dessen Temperatur manchmal auf 40° unter
Die Zusammensetzung des japanischen Heeres war unmittelbar vor dem Kriege mit China kurz gefafst folgendermaßsen : 6 Linien-I.-D. 1 Garde 7 Infanterie-Divisionen ;
7 Feldartillerie - Regimenter ( 40 Batterien) ; - 1 Garde = 6 Linien Fd. - Art.-Rgt. 7 Kavallerie-Regimenter (21 Eskdr.) ; 1 Garde = 6 LinienKav.- Rgt. 7 Pionier-Bataillone (20 Kompagnien). 7 Train-Bataillone ( 14 Kompagnien ) . 4 Regimenter Festungsartillerie (48 Batterien ). Die Gesamtstärke beträgt etwa 120000 Mann. Hierbei
kommt nur das eigentliche stehende, vollkommen aus-
gebildete und eingereihte Heer in Betracht. In diese Gesamtstärke sind die Reserven und die Landwehr, die beide noch unvollkommen organisiert sind , nicht einbegriffen. hat die japanische Regierung
Den neuesten Berichten zufolge
beschlossen,
eine Milliarde
aus der
chinesischen Kriegsentschädigung zur Vermehrung ihrer Streitkräfte zu Wasser und zu Lande zu verwenden. Dieser Kostenaufwand , der als ein aufserordentlicher bezeichnet wird, gehört nicht zum regelmäſsigen Budget,
sondern verteilt sich auf 20 Jahre :
mehr als die
Hälfte wird auf die Vermehrung der Flotte verwendet, etwas weniger als 500 Millionen auf die des Heeres. Von nun an wird die Zahl der Divisionen von 7 auf 12 erhöht. Doch diese Gesamtstärke weist an und für sich noch nicht auf bedeutende Thaten hin, zumal da asiatische Völker, die so verschieden von unseren europäischen sind, in Frage kommen. Vor allen Dingen ist es wichtig, den Geist, der das japanische Heer beseelt, kennen zu lernen. Um sich hierüber ein klares Bild zu verschaffen,
mufs
man sich unbedingt
in die Anfänge
dieses
Heeres zurückversetzen, und seine Beschaffenheit zu Zeiten der Lehnsherrschaft betrachten. Nun , die militärische Organisation eines Landes hängt dermafsen mit seiner politischen und sozialen zusammen, dafs man nicht leicht nur von einer allein reden kann. Japan ist ein treffendes Beispiel für diese wechselseitigen Beziehungen , denn mit seiner politischen Organisation , die in den Jahren 1868 bis 1873 eine vollständige Umwälzung erfahren hat, verhielt es sich ¹) Bekanntlich liefs der Marschall Yamagata, als ein Armeekorps mitten im harten Winter in der Mandschurei operieren musste, durch Kulis zu jedem Rastplatz Pelzmäntel bringen, die die Soldaten abends bei ihrer Ankunft im Biwak vorfanden, ohne dafs ihr Marsch dadurch veranlangsamt wurde.
62
Die Entstehung des japanischen Heeres.
ebenso wie mit seiner militärischen.
Aus einer Feudalherrschaft hat
sich das Reich im Laufe von 5 Jahren in eine absolute Monarchie umgewandelt, und das bedeutet so viel, als dafs es in diesem kurzen Zeitraum eine ähnliche Entwickelung genommen hat wie Frankreich in zwei Jahrhunderten, von Ludwig XI. bis Richelieu. Doch mufs man mit wenigen Worten von der Lehnsherrschaft reden, die in der Revolution von 1868 zu Grunde gegangen ist : dann werden Sie er kennen, dafs sie eine in der Hauptsache militärische war. Hierauf wollen wir betrachten,
weshalb diese Feudalherrschaft abgeschafft
ist, und endlich, wie es der Centralgewalt gelungen ist, ein National heer zu schaffen, das an die Stelle der Lehnstruppen trat, die nur von einem Stammesgeist beseelt waren. Die Lehnsherrschaft. Bedeutung der Sioguns. -- Das Reich war unter 300--400 Fürsten oder Daïmios geteilt,
unter denen der
Tai-kun eine Sonderstellung inne hatte , die wir nicht so ohne weiteres begreifen können. Der Tai-kun — sein richtiger Titel war Siogun - war ursprünglich etwa der Generalstatthalter des Kaisers oder Mikado . Der Titel Tai-kun, den mehrere Sioguns an nehmen, falt eine Vorstellung von unumschränkter Herrschaft in sich und war im Grunde genommen, eine widerrechtliche Aneignung. Die Sioguns , unter denen mehrere sehr tüchtig und thatkräftig waren, hatten allmählich ihre Macht derart erweitert, dafs der Mikado , wenngleich er auch noch immer der wirkliche Herrscher war , schein bar für immer auf jede Einmischung in Regierungsfragen verzichtet hatte. In der Zurückgezogenheit an seinem Hofe in Kioto (in der Geographie bekannt als Miako ) sahen ihn die Fremden wie einen Fetisch an, da er sich unter den Menschen nicht sehen liefs, und ohne jegliche wirkliche Macht. Sicherlich erinnern Sie sich noch daran, dafs die europäische und amerikanische Diplomatie irrtüm licherweise die
ersten
Verträge von 1854-66
mit dem Tai-kun ,
gewissermassen dem alleinigen weltlichen Herrscher abschlossen. In dessen war seine Macht als eines Tags der Mikado vor aller Welt die Regierung wieder in seine Hand nehmen wollte - sehr bedeutend und unangefochten.
Auf die Aufforderung des „ Sohnes
des Himmels " im Februar 1868 , die sich widerrechtlich angeeignete Herrschaft wieder zurückzugeben, dankte der Tai-kun fast unmittelbar darauf ab nach einem, wie wir noch hören werden , keineswegs ernst haften Widerstand. Sein junger Bruder, zugleich sein mutmafslicher Erbe , war während der Ausstellung 1867 in den Tuilerien mit den Herrscher familien zukommenden Ehren empfangen worden und war jetzt, nur 6 Jahre später, einfacher Unterleutnantsaspirant auf der Kriegsschule
Die Entstehung des japanischen Heeres. Yedo ;
eines Tags
sah ich ihn
unter seinen Kameraden,
63 die das
Arsenal in Augenschein nehmen wollten, das die französische Mission in seinem ehemaligen Palast, dem, der Familie Mito einrichtete , der mit Beschlag belegt war und mit seinen Gärten und seinem Park mitten in Yedo nicht weniger als 60 Hektar Raum einnahm. In Wirklichkeit wurde der Mikado von jedem Japaner immer noch als Oberherr im Reiche angesehen. Als Oberhaupt, der Sinto
Religion wurde er, wie diese lehrt, für einen Abkömmling der Götter gehalten und ist in Wahrheit seit 2500 Jahren in alleinigem Besitz des Landes ; man wird in der Geschichte unserer Könige nichts ähn liches finden, das die gewaltige Macht seines Namens zum Ausdruck bringt. Auch wenn man sieht, wie in Japan Aufstände, Bürger kriege entstehen, so steht dabei niemals das Ansehen des Kaisers auf dem Spiele, sondern das der herrschenden Partei und der augen- . blicklichen Ratgeber, die, wie die Empörer sie beschuldigen, den Kaiser hintergehen. Man errät leicht die Beschaffenheit der militärischen Organi sation in der Zeit der Feudalherrschaft. Wenn sie sich nicht aus der Macht der Verhältnisse ergäbe, so würde unsere Geschichte się genügend erklären können. Jeder Fürst hielt sich auf seine Privat kosten seine bewaffneten Leute ; die Folge davon war, dafs die Zahl. dieser „ Leute mit zwei Schwertern " , genannt Samuraïs, im gleichen Verhältnis zum Reichtum und zur Bedeutung jedes Fürsten stand. Ihre Gesamtzahl betrug mehr als 400000. Sie bildeten in dieser durch und durch militärischen Lehnsherrschaft nicht nur die Kämpfer, sondern auch die Angestellten und Beamten jeden Ranges , von den . Ihre Kaste erfreute sich höchsten Ämtern bis zu den niedrigsten eines grofsen Ansehens und stand an der Spitze aller anderen, z. B. der der Ackerbauer und besonders der der Kaufleute, die fast auf der letzten Stufe der sozialen Rangordnung standen. Noch unmittel bar vor der Revolution im Jahre 1867 fiel der bedeutendste Bankier Yedos, der Rothschild Japans, auf die Knie nieder, mit der Stirn den Erdboden berührend, ehe er einem Samuraï im Range eines. Unterleutnants seinen Sold auszahlte . Legende von den 47 Samuraïs. - Diese Kaste war ihren
Fürsten bis in den Tod ergeben ; ihr Sinn für Ehrgefühl war sehr ausgeprägt. Die, überdies sehr glaubwürdige Legende der 47 Samu raïs, die sich unter folgenden Umständen durch Aufschlitzen des Bauches den Tod gaben, kann hiervon sogleich eine Vorstellung geben: Ihrem Fürsten war eine Beleidigung widerfahren, sie fafsten den Entschlufs, ihn zu rächen. Um sicherer zum Ziele zu gelangen, und um eine günstige Gelegenheit abzuwarten,
mufsten sie vergeb
Die Entstehung des japanischen Heeres .
64
lich ihre Rachegedanken vergessen . Überdies warf noch ein Samuraï aus einer anderen Gefolgschaft ihnen einstmals Feigheit vor. schweigend liefsen sie diese nete Kurz darauf bot sich die günstige Feind ihres Fürsten . Sobald diese sie sich alle - um den Gesetzen leisten und um Den Samuraï, wissensbisse
ihr Verbrechen
Still-
Beleidigung über sich ergehen. Gelegenheit und sie töteten den Rachethat vollzogen war, gaben der japanischen Ehre Folge zu
zu
sühnen
zugleich den Tod.
der ihnen Feigheit vorgeworfen hatte,
peinigten Ge-
über die Beleidigung dieser Wackeren und er sah die
Forderung des Ehrgefühls ein, sich über ihrem Grabe zu entleiben. Das Grab dieser Krieger war noch vor 25 Jahren Gegenstand der Wallfahrt der japanischen Bevölkerung. Beachten Sie, meine Herren, der Selbstmord
ist,
wenn die Ehre nicht auf dem Spiele
steht, in Japan selten. Es ist begreiflich , daſs mit einer solchen militärischen Kaste in ihrem Fanatismus für das Kriegshandwerk und im Besitze aller Ämter an der Regierung jeder Provinz, das Reich Japan Jahrhunderte hindurch der Schauplatz von Bürgerkriegen gewesen ist ; und zum Versuch, Ordnung in diese gesetzlose Feudalherrschaft zu bringen, waren die Siogun-Ämter gebildet worden vom ersten Jahrhundert vor der christlichen Zeitrechnung an. Tapfere und heldenmütige Thaten aus diesen Kriegen würden Bände ausfüllen. Feldzug in Korea im XVI. Jahrhundert.-Unter den Kämpfen dieses langen historischen Zeitabschnittes will ich eines Feldzuges der Japaner gegen Korea und China zur Zeit der Thronbesteigung Heinrich IV. in Frankreich Erwähnung thun . Ich entnehme die Erzählung dem Admiral Layrle :
In einer äufserst unruhigen Zeit im
Jahre 1590 will ein Siogun den fortwährenden Zwisten gern ein Ende machen und alle jene durch die Bürgerzwiste kriegstüchtigen Soldaten zur Eroberung Koreas und Chinas verleiten.
Fünf Jahre
lang trifft er Vorbereitungen, um Asiens Festland mit einer japanischen Armada zu überschwemmen. Er ruft seine Feldherren zusammen, zeigt ihnen auf der Karte den Weg nach Peking, begeistert sie durch den Gedanken an die Reichtümer, die ein derartiger Feldzug ihnen einbringen mufs, und verteilt schon im voraus die Gebiete, die sie durch ihre Tapferkeit erst noch erobern sollen. Nur eine Stimme der Begeisterung herrscht unter diesen Leuten, die von früher Jugend an an Krieg gedacht haben. 300000 Mann segeln von der Westküste Japans ab .
Korea ist dreiviertel erobert
und die Armee gelangt an die Grenze der Mandschurei. Zahllose auf den Schlachtfeldern gesammelte Siegesbeute namentlich Tausende von Ohren, die Dschonken anfüllten, war schon in die
65
Die Entstehung des japanischen Heeres.
kaiserliche Hauptstadt Kioto geschickt worden, als plötzlich der Tod den Siogun in seinem Siegeszuge überraschte. Nach seinem Tode begann der Bürgerkrieg in Japan sofort von neuem und die Armee in Korea wurde von den verbündeten Fürsten
des Südens, die den neuen Siogun nicht anerkennen wollten, zurückgerufen. Dieser, meine Herren, ist in der GeDer Siogun Yeyas. schichte unter dem Namen Yeyas berühmt geblieben. Er rückt, so berichtet der Admiral Layrle, an der Spitze von 75000 Mann gegen die Verbündeten des Südens vor , die 128000 Mann aufgestellt hatten. Beide Heere sind im Besitz von Bronzekanonen und Büchsen ; doch der Fernkampf dauert nicht lange. Bald beginnt der eigentliche Kampf, Brust an Brust ; der Sieg ist, wie es scheint, nach Verlauf mehrerer Stunden noch unentschieden , als im Heere der Verbündeten Truppen abtrünnig wurden. Jetzt kann Yeyas, wie er sieht, seine numerische Schwäche ausgleichen und läfst seine Reserven vorrücken ; die Trommeln wirbeln , die Töne der Seemuscheln hallen auf der ganzen Schlachtlinie wieder ; Yeyas in eigner Person leitet diesen allgemeinen Angriff; nichts widersteht einer derartigen Gewalt, das Heer der Daïmios des Südens wird durchbrochen und das Blutbad beginnt ; es ist furchtbar. Kein Verwundeter will seinen Feinden lebend in die Hände fallen ; und wie es fast bei allen japanischen Kämpfen der Fall ist, geben sie sich selbst den Tod ; und die, welche hierzu nicht mehr die Kraft haben, bitten die Fliehenden darum. Als der Gewohnheit gemäss der Vorbeimarsch seiner siegreichen Truppen beginnt, lässt sich Yeyas, der den ganzen Tag hindurch gekämpft hat, auf der Stirn nur die „ Atsimaki“ , ¹) seinen Helm bringen und sagt, indem er ihn festbindet : „Erst nach dem Siege darf ein Feldherr solchen Kopfschmuck aufsetzen ". Noch heute zeigt man das Denkmal, das an der Stelle errichtet ist, wo Yeyas während des Vorbeimarsches stand und wo die 4000 Köpfe begraben sind, die die Soldaten im Triumph in der Ebene herumgetragen haben. Die Folge Südens war, ersten Ranges die Japan hunderte
seines Sieges und der Vernichtung der Daïmios des
dafs Yeyas sich als ein Gesetzgeber und Organisator erwies.
zwei
Es gelang ihm,
Verhältnisse zu begründen,
und einhalb im Innern ruhige und friedliche Jahr-
zusicherten,
vom Beginn des XVII. Jahrhunderts
bis
zu
der Zeit als die europäischen Mächte vor 40 Jahren den Eintritt in Japan erzwangen .
Es
würde
zu
weit führen,
den
verwickelten ,
1) Eine Art Taschentuch, das man um die Stirn knüpft, und das auf der Vorderseite eine Metallplatte trägt, um die Hiebe vom Kopfe abzuhalten. 5 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 111 1.
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Die Entstehung des japanischen Heeres.
ziemlich genauen Staatsbetrieb auseinander zusetzen , durch den Yeyas und seine unmittelbaren Nachfolger jene militärische Feudal herrschaft in Schranken zu halten wufsten, die sich bis zu dem Augenblicke so unruhig erwiesen hatte. Nur folgende Maſsregeln will ich anführen : Er erwirkte beim Kaiser, dafs die Siogun-Ämter in drei bedeutenden Familien erblich wurden, anstatt dafs sie, im Grunde genommen, dem Würdigsten, das heifst in Wahrheit dem Thätigsten oder dem Listigsten anheimfielen . er die Aussichten auf Nebenbuhlerschaft, befleckt hatten. Alle Daïmios
Hierdurch verminderte
die so oft Japan mit Blut
mufsten 6 Monate lang in Yedo residieren ;
und
während der anderen 6 Monate, wo sie in ihre Provinzen zurück kehrten, mufsten sie in Yedo einen Teil ihrer Familie zurücklassen, als wirkliche Geifseln. ¹) Eine andere, nicht minder wichtige, Mafsregel Yeyas war die Absperrung Japans. Jedem Japaner war es bei Todesstrafe ver boten, ins Ausland zu reisen ; und aufserdem sollte jeder Europäer , der den Versuch der Landung in Japan machen würde, zum Tode verurteilt werden. - Richtig hatte er den Charakter seiner Lands leute erkannt, die eine leidenschaftliche Neigung für die neuen Ideen haben, aber er konnte nicht im voraus die Flotte mit in Betracht ziehen, die eines Tages den Eintritt in Japan erzwingen sollte. Endlich liefsen die Sioguns, von demselben Grundsatze aus , die Keime der Unabhängigkeit und der gefährlichen Neuerungen zu er sticken, die 40000 Christen ermorden, die durch das Evangelium des heiligen Franz Xaver bekehrt waren. Seltsamerweise konnte diese furchtbare Verfolgung nicht gänz
lich alle Keime des Christentums in Japan vernichten, und im Jahre 1874 bestätigte uns der katholische Bischof in Nagasaki, wo wir uns gelegentlich der Aufstellung eines Verteidigungsplanes der Küsten aufhielten, er habe im südlichen Japan und besonders auf der Insel Firado, wo der heilige Franz Xaver im XVI. Jahrhundert gelandet war, 10000 Familien gefunden, die heimlich die christlichen Über lieferungen bewahrt hätten (obgleich sie nicht regelmässig einen ge weihten Priester haben konnten) und einem Gottesdienst mit mehr oder weniger veränderten Glaubenslehren abhielten. Die Unterdrückung der Lehnsherrschaft. Ich habe Ihnen 1) Ist es nicht merkwürdig, diese Mafsregel mit dem Verhalten Ludwigs XIV. zu vergleichen, der gleichfalls, da er oft an die Unruhen der France dachte, den ganzen französischen Adel an seinen Hof zog ; auf diese Weise sollte er weniger Unruhen und Gefahr verursachen, als wenn er unabhängig in seinen Provinzen verblieb ?
Die Entstehung des japanischen Heeres .
67
soeben das japanische Lehnswesen ins Gedächtnis zurückgerufen . Man muss sich nun nach den Gründen fragen, warum man vor 30 Jahren plötzlich dies Staatsgebäude hat einstürzen sehen
dessen
sämtliche Teile das Genie Yeyas verständig geordnet hatte, und der dem Lande 250 glückliche Friedensjahre gesichert hatte. Viele Erklärungen sind hierüber abgegeben worden. Man hat die Behauptung aufgestellt, der von Yeyas geschaffene verwickelte Organismus trüge die Keime der Zerstörung schon in sich selbst. Die wirkliche Deutung ist bei weitem einfacher und das Ergebnis einer grausamen That : nämlich das Erscheinen der Fremden , die Dampfschiffe
bestiegen hatten,
die sich furchtlos bis zu diesen ge
fährlichen Meeren vorwagen und an diesen unwirtlichen Küsten landen konnten.
Europa und Amerika brauchten ihres ausgedehnten Handels
wegen in gleicher Weise Japan als Handelsplatz, um durch den Stillen Ozean mit einander in Verbindung zu treten ; von Japan nun forderten sie die hierzu nötige Gastfreundschaft. Das Erscheinen der Fremden auf Japan. ―――――
Im Jahre
1853 kam der amerikanische Kommodore Perry mit vier Kriegs schiffen in der Bucht von Yedo an und wünschte durch ein Schreiben des Präsidenten der Republik der Vereinigten Staaten einen Freund schafts- und Handelsvertrag zu schliefsen. Ein eingeborener Ge schichtsscheiber erzählt in einem schwermütigen Stile dies Ereignis folgendermafsen : Man setzte dem amerikanischen Abgesandten das japanische Gesetz auseinander . Doch er wollte nichts davon hören . . . Man berichtete den Zweck der amerikanischen Mission nach
Kioto, und Befehle vom kaiserlichen Hofe
machten es den
Priestern des ,,Grofsen Tempels der Isis" ernstlich zur Pflicht, ihre Gebete für die Entfernung der Barbaren darzubringen . Doch von nun an war es um die Unantastbarkeit des ,,Bodens der Götter" geschehen, und man sollte immerfort sehen , wie die schwerfälligen schwarzen Schiffe diese Meere durchfurchten und grofse Rauchsäulen ausstiefsen. Der Kommodore Perry war mit der Nachricht abgesegelt, er würde im nächsten Jahre wiederkommen und sich die Antwort holen. Alle Daïmios griffen zu den Waffen ; man schmolz die Glocken ein, um Kanonen daraus zu giefsen , man baute Forts. Als Perry 1854 wiederkam , war man jedoch zu der Überzeugung gekommen , dafs der Widerstand unmöglich wäre und man Gefahr liefe,
einen
Feind zu erbittern, gegen den man nur mit seinen eigenen Waffen kämpfen könnte. Nunmehr beantwortete der Tai-kun den Brief des Präsidenten der Vereinigten Staaten an den Kaiser von Japan mit einem Ver 5*
68
Die Entstehung des japanischen Heeres .
trage, in dem er den Glauben liefs, er wäre mit Herrscherrechten belehnt. Nach und nach schlofs er gleiche Verträge mit den Engländern, Russen und Franzosen, und öffnete den Fremden 5 Häfen im Reiche ( 1857) . Hierin lag die Entstehung des am Anfang erwähnten Irrtums , der die Vermutung noch
aufkommen liefs ,
einen weltlichen Herrscher.
der Mikado , gebieten.
es gäbe neben dem Mikado
Andererseits jedoch unterliefs es
dieser irrtümlichen Würdigung des Tai-kun Einhalt zu
Oftmals hat man
sich über dies Schweigen am kaiser-
lichen Hofe gewundert. Doch soweit man den Charakter der Japaner und das ist keine Frage kennt, war der Mikado über die Verhandlungen der Europäer mit einem Strohmann, dessen Verträge man doch später wieder für ungültig erklären könnte, nicht erzürnt. Auf diese Weise gewann der Mikado die notwendige Zeit, sich wieder zurechtzufinden und eine Richtung in seinem Betragen zu beobachten, ohne in Verhandlungen mit jenen Barbaren aus dem Westen, deren Sitten und Denken am kaiserlichen Hofe unbekannt waren, etwas an seiner Würde zu verlieren.¹) Die Gefahren des Lehnswesens. ― Indessen sahen einige
Japaner, umsichtige Staatsmänner, ein, dafs es in Gegenwart aller dieser Fremden, die Japans Häfen in ihren Besitz bekommen wollten , unbedingt notwendig wäre, - bei Strafe der Gefährdung des eigenen Lebens - an die Stelle einer verwickelten Feudalherrschaft eine Centralgewalt treten zu lassen , die die ganze Macht des Reiches in ihrer Hand vereinigte. In der That knüpften die Daïmios sogleich , jeder für sich, mehr oder weniger offizielle Beziehungen mit den Fremden an . Dem Tai-kun wurde von der Regierung Napoleons III. eine erste militärische Mission zugesandt, und der Fürst von Satzuma wandte sich zur Ausbildung seiner eigenen Truppen an einen Franzosen , den Grafen von Montblanc, der der Armee angehört hatte ; dieser liefs verschiedene altgediente französische Unteroffiziere kommen. Alle Fürsten wurden von fremden, oft wenig gewissenhaften Kaufleuten dazu verleitet, ihr Vermögen im Ankauf von Waffen, Munition, Dampfern und den unglaublichsten europäischen Nippsachen zu verschwenden. Die Gesetzlosigkeit begann wieder ¹ ) Hierin liegt meiner Ansicht nach die wahrscheinlichste Erklärung für dieses Schweigen. Die Geschichte dieser Ereignisse wird sozusagen nicht niedergeschrieben . Bei dem zurückhaltenden Charakter der Japaner kann man, selbst wenn man mehrere Jahre in Japan wohnt, kaum genaue Auskunft über die Ereignisse und um so mehr noch über ihre Beweggründe erhalten. Andererseits kann man sich nur mit Mühe mitten in den sich oft widersprechenden Berichten, die in die Öffentlichkeit dringen, zurechtfinden.
Die Entstehung des japanischen Heeres .
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von neuem, aber bei weitem gefährlicher, als zur Zeit der blutigen Kämpfe von damals ; denn dies vollzog sich unter den Augen der fremden Mächte, von denen mehrere schon darauf hofften , aus der Zerstückelung zu erhalten.
des Reiches der aufgehenden Sonne die Siegesbeute
Der Marschall Saïgo. - Unter den Staatsmännern,
die die
Gefahr erkannten, ist ein Mann besonders interessant, der Marschall Saïgo. Er war der Truppenbefehlshaber des Fürsten von Satzuma. Diese Truppenbefehlshaber , genannt Karos, waren in gewisser Be ziehung leitende Minister, wirkliche Haushofmeister des Palastes, die die meiste Zeit hindurch wirklich die Macht im Namen ihrer Fürsten ausübten. Es erscheint mir lehrreich, durch sein Beispiel die Be deutung dieser Staatsmänner, zu gleicher Zeit Truppenbefehlshaber , vor Augen zu führen, die den Sturz des Tai-kun und das Ende der Um das wechselvolle Leben des Lehnsherrschaft vorbereiteten . Marschalls Saïgo in seiner Gesamtheit zu entwerfen, will ich in den Ereignissen vorgreifen . Im Jahre 1873 als der Marschall Saïgo , der nach der Revolution Höchstkommandierender der neuen Armee ge worden war, eines Tags bei der französischen Gesantdschaft in Yedo zu Mittag. Er trug noch die alte japanische Kleidung und unter schied sich darin von den meisten seiner Landsleute, die unmittel bar nach der Revolution die europäische Kleidung eiligst und sehr Seine weiten Ärmel liefsen seine kindisch nachgeahmt hatten. nackten Arme bis zum Ellenbogen sehen .
Sein rechter Arm zeigte
eine tiefe Narbe, ein Zeichen , dafs sein ganzer Unterarm zerschnitten gewesen war. Dies wurde uns folgendermafsen erklärt : Zur Zeit als Saïgo die Provinzen des südlichen Japan durchzog , um sich über den Plan zur Revolution mit den übrigen Karos zu verabreden, wurde er von den Abgesandten des Tai- kun verfolgt und umzingelt und mufste seine Zuflucht in einem Kloster der buddhistischen Bonzen nehmen.
Eines Nachts wurde
er entdeckt, und
die ver
kleideten Mörder drangen bis zu seinem Versteck vor. Die Bonzen klöster sind, wie unsere Klöster im Mittelalter, im allgemeinen be festigt und, so oft als ihre Lage es zuläfst, von breiten Wasser ihre Böschungen sind 10-15 m hoch. Saïgo , in der Nacht von zwei Mördern hart verfolgt, konnte sich kaum noch oben vom Walle hinabstürzen, um durch den Graben zu schwimmen ;
gräben umgeben ;
doch die beiden Mörder thaten dasselbe,
und es entspann sich im
Wasser ein Kampf, in dem es Saïgo gelang, seine beiden Gegner zu erdolchen ; doch ihm selbst wurde der Arm der ganzen Länge nach von einem Dolch durchschnitten . In seinen Voraussetzungen ahnte er - was wir jetzt in Korea
Die Entstehung des japanischen Heeres.
70
sich verwirklichen sehen dafs einstmals die Interessen Japans und des russischen Reiches auf einander stofsen mufsten ; und er bewies eine
besondere Beharrlichkeit darin,
uns nach der Stärke
der französischen Armee, die sich unter den Mauern von Sebastopol mit Ruhm bédeckt hatte, auszufragen. Sein Ende war ebenso ereignisreich, wie
sein erstes Auftreten .
bemerkte er, nicht ohne Grund,
Im gegebenen Augenblicke
dafs die Revolution zu weit ginge
und die ihr gesteckten Grenzen überschritte ;
deshalb hatte er sich
von den Sitzungen der Regierung zurückgezogen und lebte nun wieder in seiner Provinz Satzuma im äussersten Süden Japans . In der Überzeugung , ob mit Recht oder mit Unrecht -- Idas ist niemals aufgeklärt - dafs einer der Minister einen geheimen Anschlag zu seiner Ermordung gemacht hätte , stellte er sich an die Spitze zahlreicher, durch die Revolution unzufriedener, Samuraïs und erhob im Jahre 1877 die Fahne des Aufstandes, nicht wohl verstanden gegen den Kaiser, sondern gegen die Ratgeber in seiner Umgebung. An der Spitze von 40000 schlecht organisierter,
zum gröfsten Teil
noch mit ihren alten Schwertern bewaffneter Truppen, die ihm jedoch mit Leib und Seele ergeben waren, hielt er
acht Monate lang in
einem erbitterten Kampfe gegen die Regierungstruppen in der Stärke von mehr als 70000 Mann stand. militärischen Genies
ab ;
Er legte Proben eines wahren
Schritt um Schritt leistete er Widerstand ,
er entwich plötzlich, wenn er umzingelt werden sollte und gelangte durch Eilmärsche in einem bergigen, kaum wegbaren Lande auf die Flügel oder sogar in den Rücken der kaiserlicheu Armee. — Doch der Kampf war zu ungleich ; und durch einen seltsamen Umschwung der Verhältnisse sollte Saïgo durch das Regierungsheer, das er geschaffen hatte, überwältigt werden. Der Tod Saïgos. Als 18000 Mann der Seinen gefallen waren diese hatten wenigsten ebenso viel Soldaten der kaiser-
lichen Armee kampfunfähig gemacht liefs sich Saïgo , in einem letzten Treffen selbst am Schenkel verwundet, auf dem Schlachtfelde von einem seiner treuen Samuraïs den Kopf abschlagen. Dieser und etwa hundert der bedeutendsten Samuraïs wollten ihren Führer nicht überleben und gaben sich sogleich den Tod. Kurze Zeit vor dieser Katastrophe hatte ihn einer seiner alten Waffengenossen, zugleich sein Schwager und Befehlshaber der kaiserlichen Flotte,
schriftlich inständig gebeten, sich unter gleichzeitiger
Versicherung der Gnade des Kaisers, zu unterwerfen. Saïgo gab mit wahrhaft einfachen und wirklich erhabenen Worten ihm eine abschlägige
Antwort :
wärtigen Lage
Ihr würdet in unserer gegen• die Regierung bitten, ihre Gnade auf uns auszu,,Ihr sagt ,
71
Die Entstehung des japanischen Heeres.
dehnen. Das ist lächerlich . Wir führen den Kampf im Namen der Gerechtigkeit und für eine gerechte Sache, wir machen uns keine Sorgen um das Loos, das uns das Schicksal bestimmt hat. Euer Excellenz behauptet, wir könnten unsere Ehre wiedererlangen ; wir verstehen Sie nicht mehr. Wie hätten wir überhaupt unsere Ehre verlieren können, da ja die gerechte Sache ehrenvoll ist". Meine Herren ! Nach den alten Überlieferungen der japanischen Ehre konnte ein Besiegter wie Saïgo nur durch den Selbstmord auf seinem letzten Schlachtfeld enden, da der Tod ihn nicht erreicht hatte. Seine Persönlichkeit ist die volkstümlichste im heutigen Japan geblieben. Selbst in der unbedeutendsten Stadt findet man noch heute sein Bild, den man den 99 Grofsen Saïgo" nennt. Sechs
Monate
später
wurde
sein
Tod
durch
sechs
seiner
Samurais gerächt, die in Yedo, wenige Schritte vom kaiserlichen Palaste entfernt, den Minister des Innern Okubo ermordeten jenen selbst, dem man vorgeworfen hatte, er habe Saïgo töten lassen wollen.
Die Mörder lieferten
sich sogleich
der Palastwache
aus.
Und als ob das Drama in Japan immer wieder eine besonders ergreifende Gestalt annehmen sollte, wurde der auf der Strafse liegen gebliebene Leichnam des Okubo wenige Augenblicke nachher von einem anderen Minister, der sich ebenfalls in den Palast begab, erkannt und beiseite geschafft ; und dieser Minister war kein anderer als der General Saïgo, der eigene jüngere Bruder des Marschalls. Mordanschläge gegen die Europäer. Nach dieser abschweifenden Erzählung über den Marschall Saïgo , komme ich wieder auf die Ereignisse zurück , welche der Ankunft der Fremden auf Japan folgten.
Zwölf Jahre lang, von 1857-69,
wurde eine
Reihe von Mordanschlägen gegen die Europäer ausgeführt. Die Urheber waren Samuraïs , die sicherlich über die Verletzung des Reichsbodens empört waren, doch höchst wahrscheinlich besonders noch heimlich von den Fürsten des Südens, die den Sturz des Taikun beschlossen hatten,
aufgestachelt wurden ; deshalb suchten sie
diesem grofse Schwierigkeiten in den Weg zu legen.
In der That
wandten sich bei jedem Mordversuch die europäischen Mächte an den Tai-kun, den sie immer noch für den Oberherrscher hielten, um Genugthuung zu erhalten, welche er ihnen aber nicht gewähren konnte. Deshalb mussten diese europäischen Mächte von nun an selbst Zwangsmafsregeln ergreifen ; Frankreich und England landeten in Yakohama Marineinfanterie zum Schutze ihrer Landesangehörigen ; diese blieb bis 1874 da . Der Ruf „ Tod den Barbaren" war das Losungswort der Samuraïs geworden. England mufste ein Geschwader zum Bombardement der Hauptstadt von Satzuma schicken,
um für
Die Entstehung des japanischen Heeres .
72 die Engländer, nehmen.
deren Mörder noch nicht bestraft waren,
Der Fürst von Nagato
liefs
Rache zu
seine Batterien in Schimonoseki
auf die europäischen Schiffe , die in das innere japanischs Meer einzufahren suchten, feuern ; und als die Vertreter der Mächte keine Genugthuung erhielten, vereinigten sich das englische, tranzösische und holländische Geschwader zum Bombardement der Stadt Schimonoseki. - Der Name Schimonoseki ist Ihnen nicht unbekannt. Diese Stadt hat vor zwei Jahren dem Friedensschlufs zwischen China und Japan ihren Namen gegeben. Sie ist ein militärischer Platz ersten Ranges ; denn sie beherrscht den sehr schmalen Kanal, der das chinesische Meer mit dem inneren japanischen verbindet. Seltsam ist die Bemerkung, dafs die Batterien in Schimonoseki, welche vor 30 Jahren auf unsere Geschwader feuerten, unter dem Befehle eines nachher berühmt gewordenen Mannes standen, des Marschalls Yamagata, des Oberanführers gegen China.
der japanischen Armee im letzten Kriege
Der Marschall Yamagata . -
Er ist eine
die es verdient, dafs man bei ihr verweilt. Zeit war er der Truppenbefehlshaber ,
Persönlichkeit,
Zu der eben erwähnten
der „ Karo “ des Fürsten von
Nagato , wie Saïgo der ,,Karo " des Fürsten von Satzuma war. Einige Jahre später, zur Zeit der Ankunft der französischen Mission in Japan 1872 , war er Kriegsminister geworden.
Im Gegensatz zu
Saïgo , der ein heftiges und starkes Temperament besafs, hat Yamagata immer schwächlich ausgesehen. Er war ein Mann von grofser Bescheidenheit , der unter dem äufseren Scheine von Schüchternheit , eine aufsergewöhnlich grofse Energie besafs. ,,Ich bin schon zu alt dazu", sagte er mir einstmals, - es sind 25 Jahre her -- „um alles das noch zu lernen, was Ihr Euren jungen Offizieren lehrt. Auch halte ich mich besonders an eine Thatsache : nämlich den Wert eines Jeden Einzelnen richtig zu erkennen und ihn auf seinem richtigen Platz zu verwenden" . - ,,Nicht wahr, meine Herren, dies sind drei Viertel der Kriegskunst ?" Er wollte uns in eigener Person die Stellung von Schimonoseki zeigen, als 1874 einmal beinahe der Krieg zwischen China und Japan ausgebrochen wäre, und die französische Mission den Auftrag erhielt, notgedrungen
einen Verteidigungsplan
der
Küsten Japans
aufzustellen. Beim gemeinschaftlichen Durchwandeln der zerstörten Schulterwehren seiner alten Batterien, erzählte uns Yamagata, wie seine Samuraïs in provisorische Kanoniere umgewandelt und seine Geschütze veralteten Modells von unserer Schiffsartillerie zerstört wären.
73:
Die Entstehung des japanischen Heeres.
Im Juni vergangenen Jahres reiste der Marschall Yamagata durch Frankreich , um sich als aufserordentlicher Gesandter zur russischen Kaiserkrönung
nach Moskau zu begeben.
Er erhielt die
Erlaubnis , das Fort Saint- Cyr zu besichtigen. Der Zufall wollte es , dafs ich, in meiner Eigenschaft als Artilleriedirektor in Versailles, dazu kommandiert wurde, ihm die Honneurs zu erweisen . Der Marschall gefiel sich darin , die Erinnerung an alle für Japan so bedeutsamen Ereignisse wachzurufen, welche seit dem Tage, an dem er uns die alten Batterien von Schimonoseki verflossen waren ;
zeigte,.
und in seiner grofsen Bescheidenheit hatte er die
Güte, den von der französischen Armee empfangenen Lehren den gröfsten Anteil an den Erfolgen seiner Armee zuzuschreiben. Abdankung des Tai - kun.
Ich komme, meine Herren, auf
den Augenblick zurück , wo die Attentate gegen die Europäer täglich Reibungen zwischen den europäischen Mächten und der Regierung des Tai-kun herbeiführten . Dieser sah sich täglich immer mehr und mehr in Verruf gebracht ; und bald erwirkte die Partei der Fürsten des Südens, unter der Führung Saïgos und seiner Freunde, beim kaiserlichen Hofe, dafs der Mikado den Tai-kun aufforderte, seine. Macht niederzulegen . Wie ich bereits am Anfang erwähnt habe, dankte der Tai-kun fast sogleich, im Februar 1868 ,
ab und die Truppen der Fürsten
des Südens zogen, ohne ernstlichen Widerstand gefunden zu haben, in Yedo ein. Wenn auch vereinzelt, so setzten die Anhänger des Tai-kun doch den Kampf fort und zogen sich allmählich bis in den Norden Japans
zurück. Doch bei diesem Kampfe stand nicht die · Krone des Mikado auf dem Spiele , sondern es war ein Kampf zwischen zwei einflussreichen Parteien. Die Leute des Nordens,. die daran gewöhnt waren ,
seit Jahrhunderten die Macht in
Händen zu haben, konnten es nicht über sich gewinnen, Hände der Leute des Südens übergehen zu lassen. Dem Tai-kun
machte
einer
von seinen ihm sehr
den
sie in die
ergebenen
Samurais Vorstellungen, er könnte doch seine Absetzung nicht überleben und müfste sich den Bauch aufschlitzen. - Da er sah, daſs seine Bitten das Bewusstsein an die alten japanischen Überlieferungen beim Tai-kun nicht wieder wachrufen konnten , hoffte dieser sehr ergebene Freund, ihn dazu zu überreden, wenn er mit gutem Beispiele voranging.
Er versammelte seine Familie um sich und schlitzte
sich, unter der gewohnheitsmäfsigen Feierlichkeit, im Kreise aller Seinen den Bauch auf. Doch der Tai-kun liefs. sich auch noch nicht durch dieses neue Mittel überzeugen, so rührend es auch war..
74
Die Entsteh
ung
des japanis che
n
Heeres .
Er zog sich lieber auf seine prächtige Besitzung zurück, welche ihm der Mikado am Meeresstrande geschenkt hatte. Die
siegreichen Fürsten
des
Südens
hatten nun,
nach
dem
Sturze des Tai-kun , kein Interesse mehr daran, Reibungen zwischen Japan und den fremden Mächten hervorzurufen . gefühl war zu
stark überreizt,
Doch das National-
um sich sogleich wieder beruhigen
zu können ; gegen die Europäer wurden neue Attentate ausgeführt, über die man jetzt von dem wirklichen Herrscher Rechenschaft verlangte. Ich will Ihnen eines dieser Attentate, das in Frankreich einen schmerzlichen Eindruck hervorrief, ins Gedächtnis zurückrufen. Unangenehmer
Zwischenfall
mit
dem
„ Dupleix. "
Im Jahre 1869 wartete die Dampfschaluppe der französischen Korvette ,,le Dupleix " in einem kleinen Hafen des inneren japanischen Meeres auf den französischen Minister, der gerade mit der kaiserlichen. Regierung verhandelte.
Die Mannschaft der Schaluppe ging ruhig
am Ufer spazieren , als die Samuraïs des Fürsten von Tosa plötzlich herbeieilten und den Kadetten, der das Detachement befehligte , nebst zehn unserer Matrosen ermordeten . Der Kapitän Dupetit - Thonars und der
französische
Minister
forderten
eine glänzende Genugthuung. Die Regierung des Mikado konnte kein Hinausschieben der Angelegenheit einwenden, auch nicht ihre Machtlosigkeit vorschützen , wie es die Regierung des Tai-kun so oft gethan hatte. In weniger als fünf Tagen wurden zwanzig Schuldige testgenommen und zum Tode verurteilt. Da sie jedoch Samuraïs waren, hatten sie das Recht, den den Edlen vorbehaltenen, nicht entehrenden Tod des hara-kiri (des Bauchaufschlitzens ) zu sterben. Der Kapitän Dupetit-Thonars und ein Teil der Besatzung des 99 Dupleix " wohnten der Vollziehung des Todesurteils , die in einem Tempel stattfand, bei. Diese Hinrichtungen durch das harakiri vollziehen sich unter einer langen und verwickelten Feierlichkeit, die ich mit kurzen Worten zusammenfassen will : nachdem der Verurteilte sich niedergesetzt hat, entledigt er sich selbst langsam seiner Kleidungsstücke bis auf die unterhalb der Hüften ; er schlägt sie nach hinten zurück und macht mit den Ärmeln hinter den Knieen einen Knoten. Ein Freund, den er sich ausgesucht hat, reicht ihm seinen kleinen Säbel ; ehrfurchtsvoll führt er ihn an die Stirn, dann stöfst er immer mit einer feierlichen Langsamkeit die Spitze in seine linke Seite und führt sie nach der rechten und bringt sich einen Schnitt
querhinüber bei.
In diesem Augenblick
erhebt sich
plötzlich sein Freund , der alle seine Bewegungen verfolgt hat, zieht zu gleicher Zeit seinen Säbel aus der Scheide und schlägt dem Verurteilten den Kopf ab.
Die Entstehung des japanischen Heeres.
75
Es giebt in der Geschichte Japans kein Beispiel, dafs ein Samuraï während dieser Hinrichtung ein Zeichen von Feigheit gegeben hat. Ich habe in Yedo , drei Jahre nach der Begebenheit des Dupleix " erzählen hören, mehrere Verurteilte hätten, bevor sie sich den Bauch aufschlitzten, den Mut gezeigt, sich die Zunge mit den Zähnen abzubeifsen und sie vor unseren Matrosen auszuspeien. Zwei Stunden lang wohnten der Kapitän Dupetit-Thonars und das französische Detachement dieser schauerlichen Feierlichkeit bei. Elf Männern war schon der Kopf abgeschlagen. Unsere europäischen Nerven können den Anblick so lange dauernder Todesstrafen nicht ertragen. Der Kapitän Dupetit-Thonars trat, voll Abscheu und zugleich voll lebhafter Bewunderung für einen solchen Mut und solch grausame Energie , vermittelnd ein und sagte, Köpfen zufrieden, als Franzosen Begnadigung der Überlebenden.
er sei mit ebensoviel
ermordet wären,
und bat um die
Endlich wurde einige Tage später der englische Minister, als er sich in den kaiserlichen Palast begab, angegriffen, und es wurden etwa 10 Soldaten seiner Begleitung mehr oder weniger schwer verletzt. Das Sündenmals war nun voll ; die europäischen Mächte wurden immer drohender ; der Hof des Mikado wurde zum Narren gehalten.
Der Kaiser
erliefs
einen Europäer ermordete, Familie
seine Würde
eine Verordnung : jeder Samuraï, der
sollte künftighin ebenso wie seine ganze
verlieren,
seines Vermögens verlustig
gehen
und durch diese Absetzung nicht mehr der Ehre des hara-kiri teilhaftig sein. ― Die kaiserliche Regierung siedelt nach Yedo über. Anderseits sah der kaiserliche Hof, der bis dahin in Kioto geblieben war, ein, man müsse zur Sicherstellung der neuen Verhältnisse diese Residenz
verlassen,
übrigen Lande
in der man seit Jahrhunderten losgelöst vom
dastände .
Darum siedelte er nach Yedo,
der alten
Hauptstadt der Sioguns über, dem wirklichen politischen Mittelpunkt von Japan ; denn hier fand er das alte Regierungsmaterial, die mit den Geschäften vertrauten Beamten noch vor, die die Sioguns eingesetzt hatten. Aufserdem kam er auf diese Weise in die Nähe von Yokohama,
wo
alle Vertreter der fremden Mächte ihren Sitz
hatten. Im Jahre 1871 berief der Mikado alle Fürsten, alle grofsen und kleinen Daïmios nach Yedo . Feierlich erklärte er ihnen, von nun
an gingen ihre Fürstentümer wieder in den Besitz des Staates
über; künftighin würde der Mikado allein mit seinem obersten Rat die Regierung führen. Die alten Fürstentümer würden in Departements umgewandelt, die im Auftrage der Centralgewalt von Präfekten ver-
76
Die Entstehung des japanischen Heeres .
waltet würden.
Für ihre Fürstentümer würde
die Regierung den
Daïmios eine jährliche Rente zahlen und auch den Unterhalt der 400000 Bewaffneten, die sie bisher unterhalten hätten , auf sich nehmen. Eine Reihe von politischen Mafsregeln vervollständigten allmählich den Zusammenhang des alten Staatsgebäudes der Feudalherrschaft. Zu wiederholten Malen entstanden Aufstände an einzelnen Orten.
Die kaiserliche Regierung bewies grofse Geschicktheit .
Ohne weiter auf die Einzelheiten einzugehen, werden Sie erkennen, dafs eine solche politische Reform nur in dem Maíse möglich sein kann wie die Centralgewalt eine gleichartiger disziplinierte bewaffnete Macht in ihrer Hand hat.
und
besser
Die heutige Armee. Bitte um Sendung einer französischen Mission. — Das Vorhergehende führt mich dazu, Ihnen einiges über die Arbeiten der französischen Mission zu sagen ; denn ganz mit Recht um jene Macht zu schaffen, die die Centralgewalt notwendigerweise zur Bürgschaft der Sicherheit im Reiche nach Innen wie nach Aufsen haben mufste, bat die japanische Regierung im Jahre 1871 Frankreich um Sendung einer militärischen Mission. Bis dahin gab es Bataillone von Satzuma, Nagato, Tosa u. s. w. • aber kein einziger Soldat stand in unmittelbarer Abhängigkeit vom Kaiser. - Es galt nun, ein Nationalbeer zu schaffen . Man hat sich manchmal darüber gewundert, dafs die japanische Regierung sich unmittelbar nach den Ereignissen von 1870 gerade an Frankreich gewendet hat. Mehrere Gründe sind hierfür angegeben worden. Meiner Ansicht nach kommt folgender vor allen anderen in Betracht. Bekanntlich hatte der Tai-kun die Regierung Napoleons III um eine erste mititärische Mission gebeten, die man ihm auch gewährte, da man irrtümlicherweise annahm, er wäre der Diese Mission unter der Führung des Kapitäns Oberherrscher. Chanoine, der gegenwärtig Divisionsgeneral ist, mufste nach Ablauf von 18 Monaten, als Tai-kun gestürzt wurde, ihre Arbeiten einstellen und wurde nach Frankreich
zurückgerufen.
Jedoch hatte sie sich
lebhafte Sympathien unter den Stammtruppen erworben, die sie zuerst ausgebildet hatte, und von denen im Jahre 1871 auch ein Teil mit der Regierung des Mikado vereinigt wurde. Andererseits hatten unter den Truppen des Südens die Offiziere des Stammes Satzuma, wie oben erwähnt, anfänglich eine Ausbildung von einem Franzosen, dem Grafen von Montblanc und alten französischen Unteroffizieren erhalten.
77
Die Entstehung des japanischen Heeres.
Neben diesen Freunden Frankreichs gab es in der neuen Regierung eine starke deutsche Partei . Doch der Marschall Saïgo gab zu Gunsten einer französischen Mission den Ausschlag. Während der ersten Monate mufste diese Mission mitten unter vielen Hemmnissen ihre Mafsregeln treffen ; denn die Gegenpartei erklärte laut, es würde ihr vor Ablauf von sechs Monaten gelingen, sie zur Wiedereinschiffung zu bewegen. Nach Ablauf der sechs Monate war sie aber nicht nur nicht abgesegelt, sondern sie hatte tiefe Wurzeln geschlagen und erwirkte nach Ablauf eines Jahres eine Verdoppelung ihres Personals . Die Arbeiten der Mission. Sie bildete zunächst aus den verschiedenen Provinzen einen Kern von Truppen, die dazu bestimmt waren, die Stammtruppen für die Nationalarmee zu liefern. Anfangs erhielten die Truppen der südlichen Stämme , die den Beinamen der ,,kaiserlichen Garde" erhalten Mission. Daber brach sogleich ausgebildet zu
werden
hatten, nicht die Ausbildung der denn sie hatten auch den Wunsch,
und fürchteten,
übertroffen zu werden
ihre Eifersucht gegen die Truppen, die die Mission ausbildete, aus. Manchmal wären unter ihnen beinahe ernste Streitigkeiten in den Strafsen von Yedo ausgebrochen.
Als diese Eifersucht sehr überreizt
war, gestattete die Regierung ihnen die Teilnahme an der Ausbildung der französischen Mission, doch unter der Bedingung, dafs sie damit einverstanden wären, mit den Truppen, die diese bereits in der Ausbildung hatte, auf demselben Terrain und Seite an Seite mit ihnen zu manövrieren.
Dies bedeutete aber die Herbeiführung einer
Versöhnung zwischen den Lehns- und den Nationaltruppen. ging
nun nicht
ohne grofse Schwierigkeiten vor
sich.
Diese
Z. B. als
zum erstenmale zu einem gemeinsamen Vortrage für etwa 50 Artillerieoffiziere ein Rendezvous bestimmt wurde, versammelten sie sich in zwei verschiedenen Sälen.
Man musste erst beiden Parteien drohen,
jede Ausbildung würde aufhören, um sie dazu zu bestimmen,
sich
in einem gemeinsamen Saale zu vereinen. In der ersten Zeit warfen sie sich Blicke zu , die keine Freundschaft bedeuteten. Nach Verlauf von 18 Monaten konnte die Regierung diese kaiserliche Garde entlassen oder sie wenigstens umwandeln, sie, die erst ein Werkzeug zum Sturze der Macht des Tai-kun gewesen und nun eine Macht für sich im Staate geworden war.
Ein Teil der Soldaten wurde in
die Nationalarmee eingestellt ; die anderen, die Intransigenten, vergrölserten die Zahl der Unzufriedenen, die im Jahre 1877 unter dem Befehl des Marschalls Saïgo die Fahne des Aufstandes erheben sollten. Die kaiserliche Garde wurde dann von neuem mit Soldaten aus allen Provinzen des Reiches wiederhergestellt.
78
Die Entstehung des japanischen Heeres.
Das
erste Rekrutierungsgesetz.
Zu Ende des Jahres 1872
machte die japanische Regierung das erste Rekrutierungsgesetz bekannt, das unter Mitwirkung der französischen Mission ausgearbeitet war. Es führte für alle Japaner die allgemeine Dienstpflicht ein, mit drei Jahren Dienstzeit im stehenden Heere und vier Jahren in der Reserve . Alle Männer im Alter von 17 bis 40 Jahren, die nicht dem stehenden Heere oder der Reserve angehörten, sollten die Landwehr bilden . Dieses Gesetz trat, wohl verstanden, nur allmählich in Anwendung in dem Maſse, wie es die politischen Umstände und die Hilfsmittel des Budgets erforderten. Diese Grundreform. die alle Japaner zu der bis
dahin so
beneideten Ehre des Waffentragens
erhob, wurde sehr geschickt von der kaiserlichen Regierung eingereicht, nicht als eine Neuerung, sondern als eine Rückkehr zu den alten Reichsgesetzen . Bei Bekanntmachung des Gesetzes drückte sich der Kaiser in der That mit folgenden Worten aus : ,,Wir, „ Wir , Tennô ( Sohn des Himmels ) an unsere Unterthanen: "
"" Wir denken daran,
dafs
ehemals
unter der alten absoluten
und erblichen Monarchie, die Organisation des Heeres auf dem gesamten Volke Japans beruhte. .. Ohne Zweifel bestand zu jener Zeit kein Unterschied zwischen den Kriegern und den Ackerbauern. - Erst später, als die ganze militärische Macht in die Hand eines einzigen Mannes (Siogun ) gelangt war, vollzog sich die Teilung im Kasten ; es gab die Klasse der Krieger und die der niederen Leute, das heifst das Lehnswesen. Die Umwandlung unseres Reiches, die vor sechs Jahren begonnen ist und noch fortgesetzt wird, ist also die grofse Reform , 66 die seit mehr als 1000 Jahren gewünscht ist, u. s. w. . . . Die militärischen Anstalten. - Von 1872-76 wurden folgende militärischen Anstalten unter der Leitung der französischen Mission in Yedo erbaut : 1. Um dem dringendsten Bedürfnis abzuhelfen, baute man zunächst eine Unteroffizierschule, um für alle Waffen Stammtruppen zu schaffen . hervor.
In
der
ersten Zeit
2. Eine Infanterieschiefsschule .
gingen
aus ihr
auch Offiziere
Man stellte sehr bald fest, dafs
die Japaner mit ihrem wenig erregbaren Temperament gute Schützen abgeben.
Wie bei allen Völkern der gelben Rasse ist das Nerven-
system bei ihnen scheinbar weniger entwickelt als bei uns, was auf eins herauskommt, sie beherrschen es leichter. 3. Ein grofses militärisches Zeughaus
oder,
mit Konstruktionswerk-
79
Die Entstehung des japanischen Heeres. stätten für das Material, mit Patronenfabrik.
eine Waffenfabrik,
eine Feuerwerksschule
Zwei Jahre nach seiner Gründung beschäftigte
dieses Zeughaus 2500 Arbeiter mit Dampf- und Werkzeugmaschinen, die zum gröfsten Teil aus Frankreich bezogen waren. Während des Feldzuges der Japaner aut Formosa im Jahre 1874 stieg die Anzahl der Arbeiter auf 4000 . Der Kaiser und die Kaiserin nahmen nacheinander die Arbeiten im Zeughaus in Augenschein.
Der Kaiser
schien ganz besonders
erstaunt über die getriebene Arbeit der Friktionsschlagröhren.
Vor
der Kaiserin, die in jenem Augenblick kaum 20 Jahre alt war, führte man zu ihrem grofsen Entzücken die Schulexperimente über die Verbrennungen in Sauerstoff und über die Explosionsstoffe aus. Sicherlich war dies ihre erste und letzte Chemiestunde. 4. Ein Artillerieschiefsplatz wurde, 12 Meilen von Yedo entfernt, errichtet. Die Artillerie bekam, aus denselben Gründen, wie ich für die Schützen der Infanterie erwähnt habe, sehr schnell gute Richtkanoniere . Die japanischen Offiziere kommen schnell und ohne Ein planmässiges Überstürzung dazu, sich genau einzuschiefsen. Verfahren und Kaltblütigkeit sind ihre Haupteigenschaften. Der Schielsplatz wurde offiziell 1873 durch den Oheim des. Mikado eröffnet. Er wohnte Gefechtsschiefsen gegen Infanterieauf stellungen und gegen ein Feldwerk bei, ferner einem Ringelrennen , einer Übung im Nachtschiefsen, und einem Feuerwerk. Den grölsten, Eindruck auf ihn machte das Messen der Anfangsgeschwindigkeiten mit dem Chronographen Le Boulangé. 5. Eine Pulverfabrik wurde in der Umgebung richtet. 6. Zahlreiche Kasernen
wurden
erbaut.
von Yedo
er
Ihre Beschreibung ist
nebensächlich : sie sind immer mit den Einrichtungen versehen, daſs ein jeder täglich ein warmes Bad nehmen kann, aufserordentlich heifs, etwa 40 Grad. Jeder Japaner, sogar der Ärmste, nimmt täg lich ein Bad oder reibt sich wenigstens mit so heifsem Wasser ab , wie er es vertragen kann. In den kleinsten Dörfern sieht man des. Abends sich die armen Familien untereinander in den öffentlichen Bädern herumtummeln, wo jedem für eine geringfügige Summe ein Kübel voll kochenden Wassers gegeben wird . Trotz des feuchten Klimas und trotz der zahlreichen Reisfelder, in deren Mitte man lebt, kann diese heftige Reaktion , die das Blut zur Haut zieht, sehr wohl heilsam sein . Jedenfalls halten die Japaner sie für unbedingt notwendig. 7. Eine grofse Kriegsschule, die Offiziere für alle Waffen heran bilden soll, wurde 1875 eingeweiht.
Die Offizieraspiranten, die zum
80
Die Entstehung des japanischen Heeres.
gröfsten Teil
aus
den Familien
der alten
Samuraïs
abstammen,
äufserten gleich von Anfang an ein sehr lebhaftes Verlangen nach Bildung und legten von einer vortrefflichen militärischen Beanlagung Zeugnis ab. Im Jahre 1877 wurden bei dem Aufstande , in dem der Marschall Saïgo
an der Spitze der Aufständischen ein so trauriges
Ende fand, 110 Zöglinge auf den Kriegsschauplatz gesandt, um die Lücken in den Stammtruppen der kaiserlichen Armee auszufüllen. Von diesen 110 noch nicht 20 Jahre alten Jünglingen wurden 33 getötet und 35 verwundet, beredte Zahlen, die davon Zeugnis ablegen, wie lebhaft noch heute die Überlieferungen von Tapferkeit sind, die den Samuraïs zur Ehre gereichten. Endlich erhielt die französische Mission im Jahre 1874 den Auftrag,
einen Verteidigungsplan
der Küsten Japans aufzustellen.
Zu dieser Zeit wäre der Krieg zwischen China und Japan beinahe ausgebrochen. Japan hatte ein Expeditionskorps zur Besetzung der Insel Formosa entsandt, um, wie man sagte, Rache für die ermordeten japanischen Matrosen zu nehmen . Doch man hat Grund zu der Annahme, dafs dieser Zug besonders deshalb stattfand, um sich einesteils der alten Samuraïs zu entledigen, die mit der Neuordnung der Verhältnisse unzufrieden waren ; man hätte sehr gern gesehen , Hierüber ärgerte sich dafs diese sich in Formosa ansiedelten. China, und ein friedlicher Vertrag kam erst nach langen Verhandlungen zustande . Zahlreiche Samuraïs, die seit dieser Zeit den Krieg mit China wünschten, verziehen dem japanischen Gesandten diese friedliche Lösung nicht ; dieser wurde nach seiner Rückkehr von Peking der Gegenstand eines Mordversuchs bei seiner Landung in Yokohama.
Während
dieser Verhandlungen bat
Regierung die französische Mission
um Anfertigung
die japanische eines Küsten-
verteidigungsplanes . Ich will mich bei den technischen Einzelheiten dieser Arbeiten nicht aufhalten. Japans
Nur den Punkt will ich erwähnen, daſs die Küsten
sich ganz
besonders zu
einer guten Verteidigung
denn sie sind im allgemeinen abschüssig und
eignen,
unzugänglich ;
die
Anzahl der Punkte, die sich zur Befestigung eignen, das heifst, wo Flotten sich gedeckt aufstellen können, ist relativ beschränkt . Man kann also dort wirksame Verteidigungsmittel vereinigen. Würde es andererseits einer Armee trotz der Schwierigkeiten gelingen, aufserhalb dieser Verteidigungspunkte festen Fufs zu fassen, so würde sie weder Lebensmittel noch gangbare Verkehrswege in einem bergigen, aufserordentlich schwierigen Lande vorfinden. Endlich würden die Teifune (oder Cyklone), die diesen Küsten solche Gefahr bringen, die Zufuhr eines Heeres , das anderswo als auf den vor Wind und
Die Entstehung des japanischen Heeres. Wetter stellen.
geschützten Rheeden
landen
würde,
Der Charakter der neuen Armee.
unbedingt
81 in Frage
Es bleibt mir nun
noch übrig, meine Herren, ihnen einige Worte über den militärischen Geist der neuen Armee zu sagen. Wie Sie schon durch das Verhalten der jungen Unterleutnants-Aspiranten während des Aufstandes von 1877 gesehen haben, war die Tapferkeit dieses jungen Heeres keine geringere als die der alten Lehnstruppen. Sein Eifer, seine grofse Schwärmerei für das Waffenhandwerk zeigte sich ferner noch in den Friedensübungen . Ihnen die zahlreichen Thaten, durch die sich diese Gefühle offenbarten, anzuführen , würde überflüssig sein, z. B. in Manövern zweier Parteien, in den Nachtmärschen, an denen alle, Offiziere wie Soldaten, umsomehr Vergnügen fanden, je gröfser die überwundenen Schwierigkeiten waren , obgleich manchmal Unglücksfälle von Menschen oder Pferden die Folge waren. Im Jahre 1882 richtete der Mikado an sein Heer einen Aufruf, in dem man besonders erhebende Gefühle ausgedrückt findet, und in dem der Kaiser die fünf Tugenden , die den Grundstein des Geistes in seiner Armee bilden müssen, aufzählt. Ich entnehme diesem Aufruf folgende Stellen : „ Alle die , welche im Heere dienen, müssen die Treue für das Vaterland als ihre erste Pflicht ansehen ... .. Ohne Vaterlandsliebe würden sie, mögen sie noch so bewandert in Kunst und Wissenschaft sein, nur Gliedergruppen sein. Wenn sie nicht treu sind, gleichen Truppen, sogar gut organisierte , im entscheidenden Augenblick Scharen von Vögeln ... . . . - Lafst euch durch die öffentliche Meinung nicht hinreifsen und mischt euch nicht in politische Fragen; bezeugt einzig und
allein
die Treue dem Vaterlande,
die eure vornehmste Pflicht
ist, indem ihr eingedenk seid, dafs die Pflicht schwerer ist als die Berge und der Tod leichter als eine Feder . . . In zweiter Linie : „ der Soldat mufs streng die Disziplin beobachten ... Abgesehen von Fällen, in denen die Forderungen des Dienstes die Anwendung der Dienstgewalt verlangen, sollen alle bemüht sein, sich unter einander nachgiebig und freundlich zu behandeln, damit Offiziere und Soldaten für die Sache des Herrschers einig sind.
Jedes Mitglied des Heeres, das aus Nachlässigkeit gegen
die Disziplin, diese Einigkeit zerstören sollte, sei es nun aus Achtungsverletzung gegen die Vorgesetzten, oder aus Mangel an Wohlwollen den Untergebenen gegenüber, würde nur ein Gift für das Heer und 66 ein Verbrecher gegen das Volk sein . ... Die dritte Tugend ist der Mut : „ Wenn von jeher diese Tugend eine solche Ehre in unserem Reiche bedeutet hat, daſs keiner unserer 6 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd 111. 1.
Die Entstehung des japanischen Heeres,
82 Unterthanen
ohne
sie hat leben können,
Krieger, deren Beruf
es ist,
wie könnten
dann
die
sich auf den Schlachtfeldern mit dem
Feinde zu messen, nur einen einzigen Augenblick vergessen, daſs sie sie besitzen müssen !
Doch es giebt zwei Grade in dieser Tugend :
den kleinen und den grofsen Mut ( die Tollkühnheit und Tapferkeit ). Man kann wirklich nicht einen Menschen mit hitzigem und unge stümem Temperament tapfer nennen. Ein Soldat soll immer mit Überlegung handeln, er soll über seinen Charakter wachen und all sein Thun und Handeln richtig abwägen. Er soll seine Pflicht thun ohne den Feind, mag er noch so schwach sein, zu verachten, und ohne ihn, mag er noch so stark sein, zu fürchten : das ist der wahre Mut ... Ein Soldat der bei jeder Gelegenheit gern mit seiner Kraft prahlt, wird schliesslich vom Volke verachtet und wie ein Wolf angesehen . . ." In vierter Linie sollen die Soldaten 99 grofsen Wert auf die Ehre und Achtung vor der geschworenen Treue haben . . .
Ohne diese
Tugenden kann ein Soldat keinen einzigen Tag in den Reihen des Heeres bleiben . . .“ Endlich die fünfte Tugend, deren Befolgung der Kaiser befiehlt , ist die Mäfsigkeit . . . Ist die Unmälsigkeit einmal in das Heer eingerissen, so verbreitet sie sich wie eine ansteckende Krankheit, die selbst die tapfersten Leute ergreift . . ." Im letzten Kriege haben die Japaner,
obgleich
die Chinesen
für sie augenscheinlich wenig zu fürchtende Feinde waren, Gelegen heit gehabt, wie Sie wissen, hervorragende militärische Eigenschaften an den Tag zu legen. ―――― Aufser den Thaten, die in die Öffentlich keit gedrungen sind, habe ich erzählen hören, daſs mehrere Offiziere sich freiwillig getötet haben, weil sie glaubten, ihre Pflicht nicht zur Genüge gethan zu haben. Man hat mir namentlich einen Offizier rühmend erwähnt, der durch ein Unwohlsein verhindert war, an den, der Einnahme von Port Arthur vorangehenden , Kämpfen teilzunehmen , und
sich deshalb entleibte,
da er glaubte,
er wäre entehrt.
Diese
Thaten, wie die obenerwähnten gleichen im alten Japan, sind um so charakteristischer, als der Selbstmord, ich wiederhole es, bei den Japanern aus jeder anderen Veranlassung als aus Ehrgefühl aufser ordentlich selten ist. Am Schlufs dieser Übersicht über die Entstehung der japanischen Armee, mufs man sich noch die Frage vorlegen, ob die militärischen Eigenschaften, die sie in so hohem Maſse besitzt, nicht einst ver schwinden oder wenigstens sich merklich in dem Mafse vermindern werden wie ihre Stammtruppen, anstatt sich aus den alten Samuraïs zu ergänzen,
aus
allen Teilen der Bevölkerung genommen werden.
N!
Der Feldzug in Böhmen 1866.
Die Zukunft wird es zeigen.
-
83
Doch denkt man hierüber anders,
bleibt die japanische Armee immer von demselben Geiste beseelt, so wird Japan wahrscheinlich an dem Tage, wo es seine Streitkräfte zu Wasser und zu Lande im Verhältnis zu seinen 40 Millionen Einwohnern entwickelt, so wird es an jenem Tage - und es wird dann nicht mehr nur, wie heute, im eigenen Lande unangreifbar sein eine Angriffsmacht werden, mit der man sehr ernstlich wird rechnen müssen. Je nach den Umständen wird es für seine Nachbaren ein furchtbarer Gegner können.
oder ein kostbarer Verbündeter sein
Von seinen Nachbaren kommen
zunächst China und Rufsland
in Betracht ; dann England, mit Rücksicht auf die zahlreichen Kolonien, die es im äussersten Osten besitzt ; dann Frankreich, denn man darf nicht aus den Augen verlieren , dafs Formosa jetzt zu Japan gehört, das nur durch drei Tage Seefahrt von Annam und 43. Tonking getrennt ist.
VI. Der Feldzug in Böhmen 1866 . Herr Oberst von Lettow- Vorbeck hat dem ersten hefte
der Jahrbücher von 1897
im MärzBande eingehend gewürdigten
seines hochbedeutenden Werkes¹ ) verhältnismäfsig rasch den zweiten folgen lassen. Der Zeitraum von reichlich zwei Jahren, der seit Drucklegung des ersten Bandes verflossen ist, wird wenigstens dem als kurz erscheinen, der es ahnt, welche Fülle von Arbeit zu bewältigen war, ehe die vor uns liegenden 687 Seiten die Presse verlassen konnten. Denn einmal enthält dieser zweite Teil den Kernund Mittelpunkt des ganzen Werkes, den siebentägigen " Feldzug in Böhmen. Dann aber hat sich seit dem Erscheinen des ersten das Quellenmaterial in früher ungeahnter Weise vergröfsert. Zwar sind auch heute noch die österreichischen Archive dem Herrn Verfasser nicht wirklich
eröffnet worden ,
doch hat die Direktion des Wiener
1 ) Geschichte des Krieges von 1866 in Deutschland. Von Oskar v. LettowVorbeck, Oberst a. D. II. Band . Der Feldzug in Böhmen. Berlin 1899. E. S. Mittler & Sohn.
Preis geh. 17 Mk . 50 Pfg. , in Halblederband 20 Mk. 6*
84
Der Feldzug in Böhmen 1866.
Kriegs-Archivs
wenigstens gestellte Fragen eingehend beantwortet.
Vor allem aber haben die Darstellungen, einerseits aus dem Berliner, andererseits aus dem Dresdener Archiv mit grofsem Nutzen schöpfend, dann aber auch das inzwischen erschienene sehr wertvolle Friedjungsche Werk und die äusserst interessanten Aufzeichnungen des österreichischen Feldmarschall Leutnant v. Wersebe für sich verwenden können.
Die Bismarck - Erinnerungen endlich,
deren
Er-
scheinen der Herr Verfasser abgewartet hatte , sind noch in einigen Bemerkungen unter dem Strich kurz berücksichtigt worden. Aus diesem und dem früher bekannten reichen Material hat nun Oberst v. Lettow
ein Buch geschaffen ,
das
vor allem
zwei
Vorzüge aufweist : strenge Objektivität und Wahrheitsliebe einerseits ; dann aber - und dies scheint uns besonders wichtig das auf jeder Seite fest hervortretende ernste Streben, der ,,Erscheinungen Flucht" aus den Charakteren der leitenden Persönlichkeiten und aus den Eindrücken des Augenblicks auf sie herzuleiten und nicht umgekehrt nachträglich Heroen aus den Ereignissen zu konstruieren . Das sichert dem Buche dauernden Wert auch dann, wenn später noch die
eine
oder die
schliefsung weiterer Quellen als
andere Auffassung sich
nach Er-
anfechtbar erweisen sollte .
Wenn
wir neben diesen glänzenden Lichtseiten eine kleine Schattenseite andeuten dürfen, so geschieht dies durch die Bitte an den hochgeschätzten Herrn Verfasser, in dem hoffentlich bald zu erwartenden dritten Teile auch der stilistischen Feinheit der Schilderung diejenige letzte Feile angedeihen lassen zu wollen , die ein Werk verdient, das immer zu den bedeutendsten Erscheinungen unserer Militär- Litteratur zählen wird.
Der Band beginnt mit einer kurzen Charakterisierung der auf dem böhmischen Kriegsschauplatz
sich gegenübertretenden Armeen.
Die preufsische wird im Rückblick auf die jetzt bekannten Verhältnisse mit Recht als die erste der damaligen Welt bezeichnet, wenn
auch wohl nur die Infanterie ganz auf der Höhe ihrer Auf-
gabe stand.
Dafs die preufsische Kavallerie zu jener Zeit in Bezug
auf ihre Verwendung im Aufklärungsdienste, die preufsische Artillerie in Bezug auf ihr Material zu wünschen übrig liefsen, ist bekannt genug ; dafs beide aber nicht auf den Lorbeeren des siegreichen Feldzuges geruht, sondern ihre Schwächen erkannt und überraschend schnell beseitigt haben, gereicht ihnen darum erst recht zum Ruhm. Die hohe Einschätzung des preufsischen Offizier-Korps braucht heute
Der Feldzug in Böhmen 1866.
85
kaum noch begründet zu werden ; unter den erfolgreichen Zöglingen des Kadetten-Korps ( S. 7) hätte wohl vor allem Graf Roon genannt werden sollen. Auch das k. k. Heer ist nach Organisation , Bewaffnung und Ausbildung mit voller Objektivität und mit derjenigen Sympathie geschildert, die nicht nur unserem heutigen Bundesverhältnisse, sondern auch der Achtung vor dem damaligen tapfern Feinde entspricht.
In dieser Beziehung hätten wir
noch die Fortlassung
eines recht schroffen Urteils über einen hochgestellten österreichischen Führer gewünscht, das aus den Jugendjahren eines bekannten Militärschriftstellers stammt, ohne doch deshalb Anspruch auf Unfehlbarkeit erheben zu dürfen (S. 13 ). Die kleine aber vortreffliche sächsische Armee und ihr später so ruhmreicher Feldherr werden gebührend gewürdigt. Der Herr Verfasser geht dann dazu über, seine im ersten Bande gemachten Angaben über die beiderseitigen Operationspläne kurz zu wiederholen und an der Hand des nun gewonnenen Materials zu ergänzen. Hochinteressant ist es, das allmähliche Entstehen und die Wandlungen des preufsischen Operationsplanes zu verfolgen, zu erkennen, wie eng hier der Zusammenhang zwischen Politik und Strategie, zu sehen, mit welcher Genialität Moltke, der damals noch keineswegs als ,,der grofse Schlachtendenker" anerkannt war, allen Schwierigkeiten
zu
begegnen
weifs,
die die allgemeine Lage,
die
Friedensliebe des Königs, das zu jener Zeit noch recht mangelhafte Nachrichtenwesen und zum Teil auch die Ratschläge mehr oder weniger hierzu Berufener schufen. So stellt sich der preufsische Plan und Aufmarsch dar als ein Kompromiss zwischen dem militärischen Wollen und dem politischen Können,
als ein Notbehelf,
dessen Schwächen
dem am wenigsten unbekannt waren, der die ernste Verantwortung zu tragen hatte. Dafs der König selbst lange und schwer mit sich gekämpft hat , ehe er sich zu dem Entschlusse der politischen und militärischen Offensive durchzuringen vermochte, ist bekannt. Wahrhaft erhebend für den Soldaten aber ist die Schilderung, wie mit dem Augenblicke der einmal getroffenen Entscheidung aller anscheinender Kleinmut und alle Gewissensbedenken des Gott für sein Volk verantwortlichen Landesherrn überwunden sind , und der Kriegsherr allein zu Worte kommt (S. 102 ) . Auch der österreichische Operationsplan ist nur zu verstehen und zu würdigen bei voller Kenntnis der mafsgebenden Verhältnisse und Menschen. Hier bietet, wie der Herr Verfasser selbst bemerkt, auch das vorliegende Werk wohl noch nicht endgültige Schlüsse ; sehr wertvoll aber sind die Lebensbilder , die es von dem so unglücklichen und doch so hochachtbaren Feldzeugmeister Benedek, von Henikstein
und Kris-
Der Feldzug in Böhmen 1866.
86 manić
entwirft.
Benedek,
dessen
echt
soldatische
Persönlichkeit
volle Sympathie verdient, der als Korpsführer sich vorzüglich bewährt hatte, war hier vor eine Aufgabe gestellt, für die seine Gaben gerade wie 4 Jahre später ein ihm in vielem
nicht ausreichten
ähnlicher preufsischer General, Steinmetz, der in dem vorliegenden Werke noch eine so glänzende Rolle spielt. Benedek aber wusste, dafs
er seiner Stellung nicht gewachsen war,
welchem das Vertrauen zu sich selbst fehlt, verloren. "
und
ein Feldherr,
giebt sich schon halb
Die Operationen beginnen auf diesem Kriegsschauplatze mit dem Einmarsche der Elbarmee in Sachsen am 16. Juni ; erst am 22. folgte der Vormarsch der I. und II. Armee nach Böhmen. An dieser Stelle des Werkes hat der Herr Verfasser wieder in dankens werter Weise vortreffliche Charakteristiken der preufsischen Haupt quartiere eingeschaltet , von denen die Urteile über den Prinzen Friedrich Karl und die Generale v. Voigts - Rhetz und v. Stülpnagel zum
Vergleiche
mit der
Hoenigschen Darstellung
anregen.
( Der
Volkskrieg an der Loire VI. 283 , II . 346 , VI. 306.) Sowohl diese, wie der unvergessliche Kronprinz und General v. Blumenthal werden in und zwischen den Zeilen treu geschildert und klargelegt, wie jeder einzelne an seiner Stelle nach seiner Eigenart gewirkt hat und wie sich aus Anziehung und Reibung der Individualitäten so manches erklärt, das aus Kenntnis der Thatsachen allein unverständlich bleiben müsste. Die österreichische Heeresleitung war durch den Einmarsch der Preufsen nach Sachsen und durch die am 19. Juni erfolgte Kriegs erklärung anscheinend völlig überrascht worden. Noch befand sich die k. k. Nordarmee in einem keineswegs völlig operationsbereiten Zustande, als
gerade durch das Wiener Kabinett die Ereignisse in
Frankfurt überstürzt wurden . Ob man auch jetzt noch nicht an ein energisches Handeln Preufsens glaubte, ob immer noch trotz der so völlig veränderten Verhältnisse und Menschen die Erinnerung an Olmütz vorherrschte und abermals ein „ mutiges Zurückweichen des Starken" ohne Kampf erwartet wurde, das wird vielleicht nie völlig geklärt werden. Jedenfalls bedurfte die Armee noch mehrere Tage, um überhaupt marschbereit zu sein, dann erst konnte die Bestimmung des Marschzieles in Frage kommen. Oberst v. Lettow beurteilt, wie nicht anders zu erwarten, an der Hand reichen Materials den Ab marsch nach Böhmen an sich günstig, tadelt aber mit eben sovielem Rechte die unterlassene Sperrung der Gebirgsdefileen durch voraus
Der Feldzug in Böhmen 1866 . gesandte
Abteilungen
und
die
fehlerhafte
87
Marschanordnung,
die
namentlich die nördliche Strafse unnütz übermäfsig belastete. Das Schwanken in den Anschauungen über die nächste Verwendung der beiden bereits in Böhmen befindlichen Korps (I. und kgl . Sächsisches) , die unangenehme Enttäuschung, die die Absage der Bayern hervorrief, treten in der Darstellung klar hervor ; dafs aber Feldzeugmeister Benedek an dem einmal gefafsten Entschlusse festhielt, seine ganze Macht
an die Iser, der I. preufsischen Armee
entgegen zu führen
und sich nicht gegen die nähere II . Armee zu wenden, wird im Gegensatze zu dem österreichischen Generalstabswerk als durch die eingegangenen Nachrichten damals noch wohl begründet bezeichnet . Die
Schilderung
preussischen Armeen
wendet
sich
dann
dem
Vormarsche
der
zu und führt den Nachweis, wie äusserst vor-
sichtig sich der der I. Armee gestaltete, während bei der II., die eine wesentlich schwierigere Aufgabe zu lösen hatte, energischer Entschlufs und freudige Thatkraft überall hervortraten. Es ist nicht Zweck dieser Besprechung, den bekannten Ereignissen des kurzen Feldzuges in einzelnen zu folgen. Nur einiges besonders Charakteristische
soll kurz hervorgehoben und dabei der
Eigenart des Buches Rechnung getragen werden . Hierher gehören zunächst die beiden sich kreuzenden Schreiben Moltkes und Blumenthals vom 24. Juni ( S. 194) ; der letztere erhielt die Moltkesche Direktive, als bereits die entscheidenden Befehle für den Vormarsch der Armee durch das Gebirge
ausgefertigt waren,
aber auch hier
zeigte sich die Übereinstimmung in dem Gedankengange der beiden genialen Männer bis auf eine kleine Verschiebung der Marschstrafse des Garde-Gorps (,,sorgen Sie nur für richtige und korrekte Führung") blieb nichts zu ändern. Die am 24. Juni erlassenen Befehle selbst aber sind ein unvergänglicher Ruhmestitel für die Führung der II . Armee. Mit erklärlichem Sonderinteresse verweilt der Herr Verfasser bei dem unglücklichen Gefechte von Trautenau, das er selbst mitgemacht hat. Auch hier verleugnet sich aber seine Objektivität nicht : auf die Führung des I. Armee -Korps und seiner beiden Divisionen fallen grelle Streiflichter, die sehr mangelhafte Aufklärung, das Zerreilsen
der Verbände
und
die
mit den Sorgen des Ober-
kommandos so merkwürdig kontrastierende leichtherzige Auffassung der ganzen Lage auf preufsischer Seite werden scharf betont, aber auch das tapfere Verhalten der Truppe ebenso, wie die geschickten Mafsnahmen des Gegners voll gewürdigt. Die Krisis in den Entschlüssen des österreichischen Feldherrn vom 28. Juni vormittags, die in diesem Augenblicke noch vorhandene
88
Der Feldzug in Böhmen 1866 .
aber nicht benutzte Möglichkeit, sich mit sehr überlegenen Kräften auf den Kronprinzen von Preufsen zu werfen, und das hier ausnahmsweise einmal falsche, weil eigensinnige Festhalten an dem ursprünglich Gewollten, hebt Oberst v. Lettow klar hervor und begründet die Thatsachen aus der Charaktereigentümlichkeit Benedeks und aus dem mehr und mehr sich diesem aufdrängenden Gefühle seiner eigenen Unzulänglichkeit.
Ganz
ähnlich urteilt bekanntlich
Friedjung über diesen entscheidungsvollen Augenblick und nicht ohne menschliches Bedauern wird man sich in die Empfindungen des unglücklichen Führers hineindenken können,
auf den von allen
Seiten die Meldungen einstürmen und der nicht mehr in sich die Kraft findet, den richtigen Entschlufs zu fassen. Auch der Oberbefehlshaber der II. preufsischen Armee befand sich im gleichen Augenblicke in einer keineswegs beneidenswerten Lage. Allein mit seinem Stabe stand er auf der Höhe bei Kosteletz ; eines seiner 4 Korps war ernstlich Armee in 2 Gruppen
geteilt,
geschlagen,
der
Rest
bei Soor und Skalitz in
seiner
schweren
Kampf verwickelt, dessen Ausgang niemand voraussagen konnte ; auch das Eintreffen der Nachrichten von den Niederlagen bei Langensalza und Custozza mag auf die Stimmung des kleinen Kreises gedrückt haben. Und trotzdem welch anderes Bild, als das des österreichischen Hauptquartiers bietet das preussische nach den von Lettow übernommenen Schilderungen Verdys und Hohenlohes ! (S. 277-278. ) Am folgenden Tage hatten die Siege der Schlesischen Armee am 28. die Verhältnisse beiderseits geklärt . Benedek war nun gezwungen, die Offensive gegen die I. Armee aufzugeben, der Kronprinz
von Preufsen hatte die Defileen glücklich
und konnte seine Truppen an der Elbe versammeln. war aber auch jetzt noch und dafs dem so war,
passiert
Ganz gefahrlos
die Lage für diese Armee keineswegs
fiel nach Ansicht des grofsen Hauptquartiers
wesentlich dem langsamen Vorschreiten der I. Armee zur Last.
Die
Telegramme Moltkes vom 29. Juni 730 V. und des Königs selbst vom gleichen Tage mittags an den Prinzen Friedrich Carl enthalten. in dieser Beziehung kaum verhüllten Tadel und erzielen damit endlich das siegreiche Vorgehen gegen Gitschin. In betreff der Schlacht von Königgrätz ist die interessanteste, bisher noch nicht endgültig beantwortete Frage die, durch welche Umstände Feldzeugmeister Benedek veranlafst war, in der Bistritz Stellung, die Elbe im Rücken, die Entscheidungsschlacht anzunehmen. Der Herr Verfasser zeigt uns
auch hier die seelischen Vorgänge,
die Eindrücke, die auf den Führer einerseits durch den Zustand der Truppen, andererseits durch das bekannte Telegramm seines Kriegs-
Der Feldzug in Böhmen 1866 . herrn
einstürmen.
Er
weiteren Rückzug für nicht so nahe sieht,
weist
nach,
wie
Benedek
89. anfänglich den
unumgänglich hält, dann wieder die Gefahr endlich am 2. Juli trotz der Warnungen
Edelsheims zu dem verhängnisvollen Befehle kommt, der den Feldzug entscheiden sollte "" die Armee verbleibt morgen in ihrer Aufstellung. " Ob
er sich völlig
klar gewesen ist,
dafs er dann voraussichtlich
schlagen müsse, oder ob er geglaubt hat, noch weitere Frist für die Neuordnung seiner Truppen und zu anderen Entschlüssen zu haben, das steht freilich auch jetzt noch dahin .
Thatsächlich war ja auch
preuſsischerseits ursprünglich der 3. Juli keineswegs zum Angriff bestimmt, da durch die eigentümliche Verwendung der Kavalleriemassen der I. Armee die Fühlung mit dem zurückgegangenen Feinde vollständig verloren war und erst am Abend des 2. durch die Erkundung des Major v. Unger wieder genommen wurde .
Blitzschnell
folgten sich nun aber die Entscheidung des Königs und die Mafsnahmen der Heerführer, die zu dem glänzenden Erfolge führen sollten. Eine zweite Frage, über die ebenfalls die Ansichten vielfach auseinandergingen, ist die, ob ein Vorstofs der österreichischen Reserve gegen die I. Armee aussichtsreich
in den
gewesen sei
ersten Nachmittagsstunden des 3. Juli oder nicht.
Oberst von Lettow zeigt,
dafs nach dem thatsächlichen Stande der Dinge eine solche Offensive , wenn sie auch vielleicht vorübergehenden Erfolg gehabt hätte , doch zu einer grofsen, Sedan ähnlichen Katastrophe geführt haben würde . Die Frage der unterlassenen Verfolgung preufsischerseits wird durch die vorliegenden Betrachtungen wohl endgültig geklärt.
Alles ,
was über die Weichherzigkeit des Königs, über politische Einflüsse und dergl. gefabelt worden ist, erweist sich als haltlos. Die einfache Thatsache war, dafs man beim Schlusse des Kampfes an ent· scheidender Stelle keine Ahnung
von dem wirklichen Zustand der
Österreicher hatte, sondern bis zum nächsten Tage bestimmt glaubte, dieselben seien seit Stunden in geordnetem Rückzuge unter dem Schutze einer intakten, namentlich an Artillerie sehr starken Arrièregarde. War das richtig, dann war bei der Ermüdung der preuſsischen Truppen und bei der Vermischung fast aller Verbände heute allerdings an ein weiteres Vorgehen nicht mehr zu denken . Bei dieser Darlegung wird übrigens auch dem als Kavallerieführer viel und oft ungerecht angegriffenen General v. Hartmann eine aktenDafs auch in den preussischen teil. mässige Rechtfertigung zu teil. Hauptquartieren eine gewisse Abspannung sich fühlbar machte, dafs namentlich ein am Abend eintretender Fieberanfall Moltkes die Befehlsausgabe für den nächsten Tag beeinträchtigte , leugnet deshalb Lettow nicht. Es beweist das aber nun aufs neue, wie abhängig
*90
Der Feldzug in Böhmen 1866.
die Kriegführung von Zufälligkeiten und menschlichen Schwächen ist, denen auch der gröfste Geist unterworfen bleibt.
Die 3 letzten Kapitel des Bandes behandeln den Rückzug der Österreicher nach Olmütz , dann nach der Donau, die Verfolgung und die Friedensverhandlungen.
Von nun an tritt die Politik,
während der entscheidungsvollen Tage vom 27. Juni geruht hatte, mehr und mehr in den Vordergrund.
die
bis 3. Juli
Die Sendung
des General Gablenz, die Intervention Napoleons und die Verhandlungen Benedettis werden in ihren Wechselwirkungen klargelegt, die Meisterhand Bismarcks in der Überwindung innerer und äufserer Schwierigkeiten
gezeigt.
über die Bildung
Sehr
interessant sind die
Ausführungen
der ungarischen Legion , eine Maſsregel, die be-
kanntlich auch in preufsischen Militärkreisen stark angegriffen wurde. Der Herr Verfasser erklärt sie uns als einen Akt der Notwehr, als politischen Schachzug gegen das österreichische Doppelspiel mit Frankreich und glaubt, dafs sie nicht ganz einfluſslos auf den schnellen Abschlufs der Friedens-Präliminarien gewesen sei. Die Zustimmung Kaiser Franz Josephs zu letzterem ohne nochmaligen Appell an das Waffenglück leitet Oberst v. Lettow in Übereinstimmung mit Friedjung von einem Vortrage Johns beim Kaiser her, in dem der Zustand der Nordarmee nach dem bösen Rückzuge über die Karpathen wahrheitsgetreu geschildert worden sei .
Wir haben versucht,
in Vorstehendem
einige besonders inter-
essante Kapitel aus dem wertvollen Bande kurz zu skizzieren, nicht, um das Lesen desselben entbehrlich zu machen, sondern um dringend dazu aufzufordern . Wer taktische Belehrung sucht, und Studien über Heerführung im grofsen machen oder den Wegen der Diplomatie und der hohen Politik nachgehen will, wird über alles dies klare und zuverlässige Angaben in dem Lettowschen Buche finden, das zwar wohl noch nicht wie desselben Herrn Verfassers verdienstvolles Werk über den Feldzug 1806-1807 das abschliefsende Wort über den grofsen deutschen Krieg gesprochen haben wird -dazu liegen uns die Ereignisse desselben zeitlich und menschlich noch zu nahe - das aber jedenfalls das richtigste Bild der That5. sachen nach dem heutigen Stande unseres Wissens giebt .
Die Heeresreform in Portugal.
91
VII.
Die Heeresreform
in Portugal.
Nach dem Inhalt der Rede, die der Kriegsminister Oberst Sousa Telles beim Antritt seines Amtes an die Offiziere der Garnison Lissabon richtete ,
war zu erwarten,
vorschlagen wollte, vorlage,
die
eine
er am
dafs die Heeresreform, die er
durchgreifende
sein würde.
Die Gesetz-
14. Januar der Kammer überreichte, täuscht
diese Erwartung nicht, sie ist zudem das ureigenste
Werk
des
Kriegsministers , in welches bis zur Vollendung nicht einmal seine Untergebenen im Kriegsministerium Einsicht erhielten. Haushaltend mit
den relativ beschränkten Mitteln,
welche die
Finanzlage Portugals zur Verfügung stellt, Rücksicht darauf nehmend , dafs es in der Hauptsache doch wohl Verteidigungskriege sein werden, die Portugal auf dem europäischen Kontinent zu führen haben könnte, bemüht von dem vorhandenen Heeresrahmen möglichst viel zu benutzen, dabei aber Schulung und Bereitschaft zu steigern und auf weitere Teile der Nation auszudehnen , ohne Mehrkosten eine gröfsere Streitkraft sicher zu stellen, verdient die Reform unsere Beachtung und wäre es dringend erwünscht,
dieselbe, wie es auch
zu hoffen steht, in die Wirklichkeit übergeführt zu sehen . Finanzielle Rücksichten, besonders auch solche auf die Gewinnung der nötigen Mittel für die Schulung der Reserven und die Bereitlegung der Bekleidung, Waffen, Ausrüstung für die dem mobilen Heeresrahmen von heute in Zukunft hinzutretenden Truppenteile , verbeten, mit Die neue dem Loskauf (vemissörs ) tabula rasa zu machen. Gesetzgebung legt ja aber auch im Frieden, wie wir sehen werden, den
zur Reserve überschriebenen Losgekauften Übungspflichten auf,
eine Einstellung
der sämtlichen Dienstfähigen
und Abkömmlichen
verbietet, selbst bei 2 jähriger Dienstzeit, wie sie die Reform in der Praxis einführt, wobei aber nominell die 3 jährige beibehalten wird, die Finanzlage. Der Reformgesetzentwurf sagt in seiner Begründung : die definitive Beurlaubung von so viel Leuten, als ohne Schädigung des Dienstes möglich ist, nach 2 Jahren zur Reserve, empfiehlt sich als die häufigere längere Beurlaubung behufs
entschieden mehr,
Nichtüberschreitung der budgetären Mittel im Laufe von 3 Dienstjahren, da dann wenigstens 2 ununterbrochene Ausbildungsjahre sich ergeben. Die Dienstzeit in der II. Reserve wird von 6 auf 9 Jahre erhöht, so dals total 15 Jahrgänge für die mobile Armee zur Verfügung stehen, da die Dienstdauer in der aktiven Armee 3 und in
Die Heeresreform in Portugal,
92 der I. Reserve
ebenfalls 3 Jahre
beträgt.
Zweckmäsfsig wird hier
gleich auch das Neue in Bezug auf Schulung der Reserve beleuchtet. Die Leute,
welche ,
ohne
im
aktiven Heer gedient zu haben, der
II . Reserve angehörten, erhielten bisher durchaus keine Schulung. Das wird nun wesentlich anders . Die Leute der I. Reserve sind im Frieden zum Dienst verpflichtet, wenn die Rücksicht auf die öffentliche Ruhe es erfordert und zu 2 Übungen von je 30 Tagen Dauer ; die Leute der II. Reserve , die im aktiven Heer gedient, haben vom 4. bis 12. Dienstjahre 2 Übungen von je 20 Tagen , diejenigen , die nicht im aktiven Heere dienen, im 1. bis 3. Dienstjahr zu einer Übung von 30 Tagen und vom 4. bis 12. Dienstjahr zu 3 Übungen von je 20 Tagen verpflichtet. Das Territorium des Reiches wird,
soweit der Kontinent in
Frage kommt, in 4 Territorialdivisionen eingeteilt,
die anliegenden
Inseln bilden aufserdem 2 Militärkommandos, dasjenige der Azoren und von Madeira. Jeder Territorialdivision entsprechen in Bezug auf Rekrutierung, Unterbringung und Mobilmachung die Truppen einer Division, die nicht den Divisionen unterstellten Truppen werden auf das Reich nach den Interessen des Dienstes verteilt. Jedem Re krutierungs- und Reserve- Distrikt entspricht
ein
aktives und
ein
Reserve-Regiment, alle Distrikte wirken bei Ergänzung and Mobil machung der übrigen Truppen mit. Die permanenten Kadres der Reserve - Regimenter bilden im Frieden das Personal der Rekrutierungs und Reservebezirke und werden die letzteren 27 wie wir sehen werden
von je 9 Obersten , Oberstleutnants und Majors komman
diert , die
dem aktiven Kadre der Infanterie angehören.
In jedem
Divisionsbezirk wird eine Musterungskommission für Reit- und Zug tiere, sowie Fahrzeuge geschaffen, an der Spitze derselben stehen 2 Oberste, 2 Oberstleutnants der Kavallerie . Wir weisen hier auch gleich darauf hin, dafs das ganze Aushebungsgeschäft, von dem bisher noch die Verteilung des auszuhebenden Rekrutenkontingents dem Ministerium des Innern
unterstand , an das Kriegsministerium
übergeht. Nun ist auch die Anordnung, dafs Studenten nur 6 Monate zu dienen brauchen, wenn sie nach Ablauf dieser Frist die Quali fikation zum Reserveoffizier erwerben . Der Dienst des Generalstabs wird durch das bisherige (ge schlossene ) Generalstabskorps versehen, das aber durch Offiziere aller Waffen mit dem Brevet des Generalstabskursus ergänzt wird. Das Kriegsministerium und die Heeresverwaltung sollen reorganisiert werden.
Um die Ungleichheiten in der Beförderung bei den einzelnen
Waffen an einer Stelle wenigstens möglichst auszugleichen, sollen innerhalb des Minimal-Etats zwar die Vakanzen in den Brigade
Die Heeresreform in Portugal.
93
generalsstellen nach wie vor nach dem Dienstalter als Oberst besetzt werden, die darüber hinaus entstehenden Vakanzen (7) aber unter Berücksichtigung des allgemeinen Dienstalters, berechnet vom Eintritt in die Kurse der höheren Militärschulen. Um die heute existierenden Ungleichheiten wenigstens bei der Pensionierung zu beseitigen, wird durch ein besonderes Gesetz ein Ausgleich, ebenfalls auf Grund des Eintritts in die Kurse der höheren Militärschule geschaffen. Geben wir nun
auf die Organisation des Heeres selbst näher
ein, so werden wir dabei einige prinzipielle Änderungen finden, vor allem das dauernde Bestehen von Divisionsverbänden aus allen Waffen gemischt . Für ein kleines Heer empfiehlt sich die Gliederung in Divisionen ohne Zweifel, zumal die aufserhalb des Divisionsverbandes stehenden Truppen die Möglichkeit geben, einzelne Divisionen zu verstärken.
Die Division, ausgestattet mit den nötigen
Elementen zur Führung eines selbständigen , längeren Kampfes bildet die strategische Einheit, die Friedensorganisation entspricht der Kriegsorganisation. Wenn es im Kriege für uns nicht notwendig erscheint, eine dauernde Gruppierung in Armeekorps vorzunehmen , so hat dieselbe auch im Frieden keine Berechtigung, sagt die Be gründung, was allerdings nicht ausschliefst, daſs man eventuell mehrere Divisionen für einen bestimmten Zweck zusammenfafst um ihnen durch die nicht dem Divisionsverband angehörenden Truppen die Schlagkraft von Armeekorps zu geben .
Die Friedensorganisation
deckt sich mit derjenigen im Kriege, ja auch in der Division werden dem Kommandeur, ohne dafs ein Zerreifsen von Brigadeverbänden erforderlich wird, Verfügungstruppen gegeben, die er im Sinn von Reserven und auch zu Spezialzwecken verwenden kann, die höheren Verbände werden dauernde. Die Verfügungstruppen des Divisions kommandeurs, die im Verbande der Division selbst stehen ,
werden
gebildet durch ein Jäger-Regiment, das abweichend von den Infanterie Regimentern, 3 Bataillone aufweist . Bisher bestehen bekanntlich 12 Jäger-Regimenter zu je
2
Bataillonen ,
Summa 24 Bataillone ,
von denen aber das als Truppe, wie auch Infanterie-Regiment 10, strafweise aufgelöste 9. nur noch als Kadre figurierte. In Zukunft sollen nun 4 Jäger-Regimenter zu 3 = 12 Bataillone bestehen, so dafs also 24 Infanterie-, 4 Jäger-Regimenter, 3 Regimenter für die anliegenden Inseln = 31 Regimenter existieren würden, 5 Re gimentsstäbe, faktisch nur 3, und, da ( 2 X 24 ) = 48 + (4 X 3) = 12 + (3 × 2) = 6, zusammen 66 Bataillone statt früher 72 vorhanden sind, 6 Bataillone, faktisch nur 2 , aufgelöst wurden.
Der
Bestand an Leuten, der aufzulösenden Jägerbataillone kommt den bleibenden Bataillonen zu gute,
die Kadres finden Verwendung für
Die Heeresreform in Portugal.
94
die zweckmäſsige, feste Einrahmung der Reserven. der abweichenden Organisation achtung.
In
dem
relativ
Die Begründung
der Jäger-Regimenter verdient Be-
kleinen portugiesischen Heere entspricht
die Division dem Armeekorps
gröfserer Armeen.
Im Kriege,
sagt
die Begründung, ergiebt sich vielfach die Notwendigkeit, einige aktive Bataillone für Nebenaufgaben zu verwenden, ohne die so wie so schon nicht zu starken Divisionen zu schwächen. Dazu sollen, ebenso, wie als Verfügungstruppen des Divisionskommandeurs, die Jäger dienen, die, bei der Schwäche der Kavallerie, manchmal auch Aufgaben des Aufklärungsdienstes
zu
übernehmen haben werden,
für welche sie eine Spezialausbildung erhalten. Regimenter zu 3 Bataillonen
Die Gliederung in
erspart auch Stäbe,
sie würde auch
auf die ganze Infanterie Anwendung finden, wenn nicht Spezialrücksichten vorlägen, da sowohl ökonomische Gründe, wie auch die noch festere Einrahmung der Reservetruppen dafür sprächen. Gruppiert man aber alle Infanterie-Regimenter zu 3 Bataillonen, so hätte man im Frieden keine Kasernen, beabsichtigte Organisation
um sie unterzubringen und wenn die
der Reservetruppen
nicht die
gehofften
Erwartungen ergäbe, so würde eine sehr beträchtliche Verminderung in der Zahl der Offiziere und eine Schwächung in der militärischen Organisation des Landes eintreten. Man ist darum bei der Infanterie bei der bisherigen Gruppierung in 2 Bataillone geblieben, will bei den Jägern das Funktionieren der Regimenter zu 3 Bataillonen erproben und später, wenn die Ergebnisse gute sind, die Organisation der Reserven modifizieren und eventuell alle Regimenter zu 3 Bataillionen formieren. Die Jägerregimenter sollen auch, wie bisher, die Versuche in Bezug auf Verbesserung der Organisation und Bewaffnung durchführen . Die Reorganisation der Reservetruppen stellt eine sehr wesentliche Verbesserung dar, die, wie die Begründung richtig bemerkt, um so mehr Beachtung verdient, weil bei kleinen Heeren die Reserveformationen den Faktor bilden, der ihnen ermöglicht, auch grösseren Mächten erfolgreich Widerstand zu leisten und die militärische Gesetzgebung Portugals in Bezug auf sie bisher Mängel aufwies. Das alte System gab in den „ Milizen und Ordonnanzen " brauchbare Reservekräfte, die 1832 aufgelöst, durch die Nationalgarde nur mangelhaft ersetzt wurden. 1849 beschlofs man Reservetruppen in mehr modernem Sinne zu errichten, verschob aber die Ausführung bis zum Erlafs eines neuen Rekrutierungsgesetzes, das 1855 erfolgte. Damals bestimmte man, dafs die Leute, die im aktiven Heer gedient hatten, 3 Jahre der Reserve man
angehören sollten.
1868 (9.9 .) setzte
die Pflichtigkeit in der Reserve für jeden dienstfähigen Portu-
Die Heeresreform in Portugal.
95.
giesen fest, aber erst 1884 bestimmte die Heeresreform die heutige Einteilung, die den gehegten Erwartungen nicht entsprochen hat. Die Reserveformation wurde mit den aktiven Regimentern in enge Verbindung gebracht und sollte im Kriege in deren Rahmen ein treten, um die normierte Stärke von 120000 Mann für das mobile Heer zu ergeben. Das war eine besonders für den Krieg nicht empfehlenswerte Mafsnahme. Das aktive Heer, sagt die Begründung, kann schnell mobil machen und die 1. Staffel der Operationskräfte bilden , die Reserven brauchen mehr Zeit zur Mobilmachung, erst später kann mit ihnen als 2. Kräftestaffel gerechnet werden, beide Staffeln unauflöslich an einander binden zu wollen, hiefs also die Verwendung des aktiven Heeres verzögern. Hierzu kam, dafs man die Leute der II. Reserve , die, soweit sie nicht im aktiven Heer gedient, keinerlei Ausbildung erhalten hatten , nicht in den Regimentern mit denen des aktiven Heeres mischen konnte ; statt 120000 Mann,. welche die bisherige Organisation versah, konnte nur die Kraft sofort verwendet werden, welche den mobilen aktiven Formationen entsprach, 83000 Köpfe, die übrigen 37000, die zu Reserveformationen, bestimmt waren, vermochte man nur in Ersatzeinheiten einzureihen. Die neue Organisation im Verein mit der darin vorgesehenen Schulung der Reserven erlaubt das aktive Heer mit 84000, die Reserve-Formationen mit 64000 Mann mobil zu machen, schafft eine wirkliche II . Staffel für die Operationskrise , Summa 148000 Mann gegenüber 83000 ; die erste Staffel in 4 aktive Divisionen und Er gänzungstruppen divisionen.
derselben,
die II. Staffel in 4 Reservefeldreserve-.
Die anliegenden Inseln, die Azoren und Madeira, sollen zweck mäfsigerweise durch eigene Truppen in die Lage versetzt werden , sich selbst zu verteidigen und in ihren Bezirken die nötigen Kräfte für die aktiven und Reserveformationen besitzen. Im Frieden be stehen diese Kräfte aus 2 Infanterie-Regimentern à 2 Bataillonen für die Azoren , für Madeira, 2 Kompagnien Fuſsartillerie für die Azoren, 1 für Madeira, entsprechend werden auch 3 Regimenter In fanterie , 3 Festungsartilleriekompagnien der Reserve formiert. Was das Kontinentalheer anbetrifft, so setzt sich dasselbe zu sammen : 1. aus Generalität und Generalstab, 2. den verschiedenen Waffen, 3. aus den allgemeinen Dienstzweigen (Kriegsministerium , Ver waltung, Kommandobehörden , Fiskal- und Munizipalgarde, Militärschulen, Militärjustiz und Militär-Tribunale, Sanitäts und Veterinärdienst, Zeug-
und Feuerwerks-
wie Bauwerk
Die Heeresreform in Portugal.
96 korps ,
Militär- Sekretaire,
Geistlichkeit,
Piqueurs ,
Musiker,
Hilfs- und pensioniertes Offizierkorps, Invaliden ), 4. den Reserven, Die Truppen der verschiederen Waffen bilden : a) 4 aktive Divisionen, b) Kavallerie- , Artillerie- und Ingenieurtruppenteile, den Divisionen unterstehen ,
die
nicht
c) aktive Truppen auf den umliegenden Inseln, d) Reserve -Truppen. Jede aktive Division umfasst : 2 Infanterie-Brigaden zu je 3 Regimentern à 2 Bataillone , 1 Jäger-Regiment zu 3 Bataillonen ( 15 Bataillone ) , 1 Kavallerie-Regiment zu 4 Eskadrons (4 Eskadrons ), 1 Abteilung zu 4 Batterien (4 Batterien à 6 Gesch)., 1 Kompagnie Sappeur- Mineure ( 1 Kompagnie). Die 4 Divisionen zählen also 24 Infanterie- Regimenter, 4 JägerRegimenter mit zusammen 60 Bataillonen, 4 Kavallerie -Regimenter = 16 Eskadrons, 16 Batterien, 4 Ingenieurkompagnien . Aufserhalb des Divisions- Verbandes : 2 Brigaden Kavallerie zu je 2 Regimentern à 4 Eskadrons, 2 Regimenter Feld- Artillerie à 8 Batterien in 2 Abteilungen, aufserdem je eine Abteilung reitender und Gebirgsartillerie, 2 Pontoniers-, je 1 Eisenbahn- und Telegraphenkompagnie, 2 Regimenter Festungsartillerie à 2 Bataillone. Für Feldzwecke davon 16 Eskadrons, 16+ 2 (reitende) + 2 (Gebirgs- ) = 20 Batterien, 4 Geniekompagnien . Hierzu sind noch die oben angegebenen Truppen für die Azoren und Madeira zu rechnen. Bei der Kavallerie fallen 2 der bisherigen 10 Regimentsstäbe fort, die Zahl der Eskadrons wächst dadurch, dafs jedes der 8 bleibenden Regimenter davon 4 erhält, um 2, Frieden 16 + 20 = 36 vorhanden.
auf 32, Batterien
sind im
Feldreserve - Truppen werden formiert : 24 Infanterie- Regimenter à 2 = 48 Bataillone, 8 Gruppen Kavallerie zu 2 Eskadrons = 16 Eskadrons, 4 Abteilungen à 4 Batterien = 16 Batterien, 2 Sappeur-, je 1 Pontonier-, Eisenbahn- und Telegraphenkompagnie = 5 Kompagnien , 2 Bataillone Festungsartillerie = = 2 Bataillone. Aufserdem sind die oben angeführten Reserveformationen auf den Azoren und Madeira zu erwähnen. Die Zahl der Divisionskriegsräte
sinkt auf 3, Sanitäts- und
Veterinärdienst, Sekretariat, Zeug- und Feuerwerks -Personal, Geistlichkeit und Piqueurs erfahren eine Reform.
Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland .
97
Man kann nur wünschen, dafs es dem für das Heer sich aufserordentlich warm interessierenden König Dom Carlos, der den Plan seines Kriegsministers nicht nur voll billigt, sondern auch wesentlich beeinflusst hat, gelingen möge, Streitkräfte,
die Reform,
die nicht nur grössere
sondern auch gründlicher geschulte,
schneller bereite ,
zweckmässiger gegliederte Wirklichkeit überzuführen.
zur Verfügung stellt , baldigst in die Oberst Sousa Telles ist der Mann dazu , 18. die Vorzüge der Reform voll zu verwerten .
VIII . Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland, (Schnellfeuergeschütze
Flotten-Nachrichten.)
General Engelhardt, der Erfinder der
Schnellfeuer- Laffete
C/95 für das leichte und reitende Feldgeschütz , veröffentlicht im „ Russ. Inv.“ einen Aufsatz zur Frage der SchnellfeuerArtillerie ", der ein Bild über den augenblicklichen Standpunkt dieser Frage in Ruſsland giebt. Ausgehend von den desiderata des Generals Wille, " welcher für das Zukunftsgeschütz eine Anfangsgeschwindigkeit von 2600 Fuls, bei einem 16 Pfd. schweren Schrapnel, verlangt" , ist General Engelhardt der Ansicht, dafs die Verwirklichung dieser desiderata in einer anderen, an das Zukunftsgeschütz zu stellenden, Forderung, nämlich der Feuergeschwindigkeit, ein Hindernis findet ; letztere verlangt eine möglichst unbewegliche Laffete. „ Bei dem augenblicklichen Gewicht des Feldgeschützes, welches nicht weiter vergröfsert werden
kann,
ohne die Beweglichkeit der
Artillerie zu vermindern, ist es unmöglich, ein Schnellfeuergeschütz mit einer Anfangsgeschwindigkeit von 2600 Fafs , bei einem Geschofsgewicht von 16 Pfund , auf einer Laffete ohne Rücklauf herzustellen . Unter diesen Bedingungen sind Feuergeschwindigkeit und grofse Anfangsgeschwindigkeit nicht in Einklang zu bringen. " Kurz, die in anderen Staaten mit Schnellfeuergeschützen gemachten Versuche berührend, scheint dem General diese Frage am günstigsten in Frankreich gelöst zu sein. Ohne das Geschütz jedoch. sowie sein Gewicht und sein Geschofs, genau zu kennen, spricht er 7 Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 111. 1.
Armee- und Marine-Nachrichten aus Russland.
98
die Überzeugung aus, dafs bei der angenommenen Länge der Laffete, Geschofsgewicht gegen 15 Pfund beträgt, die Anfangsgeschwindigkeit 1600 Fufs nicht übersteigen kann. „ Bei kurzer
wenn das
Laffete ist die Feuergeschwindigkeit mit grofser Schufsweite nicht zu vereinen ; letztere zu erhöhen, liegt augenblicklich auch keine Notwendigkeit vor, da die Gewehrschufsweite 800 Ssashen (ca. 1700 m ) nicht übersteigt, während die Schufsweite des Schrapnels bei dem neuen Zeitzünder bis zu 2500 Ssashen (5200 m) reicht. " Zu den ersten Versuchen mit Schnellfeuergeschützen in Rufsland übergehend, fährt General Engelhardt fort :
99 Der erste Versuch,
en gros zur Schnellfeuer-Artillerie überzu-
gehen, wurde bei uns in Russland gemacht ; die Ausarbeitung dieser Frage fiel auf mein Teil, jedoch wurde sie in vielen Beziehungen nicht völlig
befriedigend gelöst ;
als Urheber dieser Sache erlaube
ich mir auf die von mir gemachten Hauptfehler hinzuweisen. Unsere leichten Geschütze auf Laffeten M/95 können mit Granaten, bei Anwendung des neuen Zünders - auch mit Schrapnels, vier Schufs in der Minute abgeben,
anstatt 1 bis 2 Schufs auf Laffeten C/ 77.
Eine weitere Erhöhung der Feuergeschwindigkeit war unmöglich, da wir damals keine Fabrik besafsen, welche Metall-Hülsen anfertigte und weil aufserdem keine Zeit zur Ausarbeitung eines neuen Verschlusses und einer Metallpatrone
vorhanden war, da die
gestellten 7. und 8. Batterien der Brigaden neuen Laffete versehen werden sollten.
neuauf-
unverzüglich mit der
Die 7. und 8. Batterien traten in den Verband der Brigaden, wobei die bei den übrigen Batterien vorhandenen Räder, Achsen und Munitionswagen beibehalten werden sollten.
Unsere Räder haben auf
den Achsen Spielraum, die Laffete aber mit Pflugschar und Puffervorrichtung hat keinen Rücklauf, sondern springt bei den Schüssen nur ein wenig in die Höhe, wobei die Räder sich Geleise machen, in welche sie beständig zurückfallen ; die Achse aber verschiebt sich, infolge des Spielraumes der Räder, bald ein wenig nach rechts , bald nach links , wodurch eine Stauung der Schüsse hervorgerufen und eine, die Schiefsgeschwindigkeit verzögernde, Verbesserung der Richtung erforderlich wird. Ein anderer, nicht durch die Umstände hervorgerufener, sondern von mir durchgelassener Fehler bezieht sich auf die Beweglichkeit des ganzen Systems ; für die 7. und 8. Batterien waren nämlich die bisherigen Abmessungen der Geschofskasten (welche letztere zur Aufnahme sowohl von Geschossen für leichte, als auch für schwere Geschütze
eingerichtet waren),
beibehalten worden.
wie überhaupt der ganzen Protze
Infolge Anbringung der Pflugschar wurde
die
Armee- und Marine-Nachrichten aus Russland.
99
Laffete schwerer, während die Protze ihr bisheriges Gewicht bei behielt; hätte ich die Protze der reitenden Artillerie angenommen, so wäre das System leichter, als das des Geschützes C/77 ausge fallen. Derselbe Fehler wiederholte sich bei der Konstruktion der Munitionswagen. Bis heutigen Tages sind in Europa folgende Systeme von Schnell feuerlaffeten bekannt : 1. Die Laffete meines Systems C/95, mit Pflugschar und Puffer vorrichtung, welche einen Rücklauf von ungefähr ein Fufs zulässt. Die Pflugschar gestattet der Laffete bis zu einer gewissen Grenze zurückzurollen und veranlasst sie vermittelst der Puffervorrichtung wieder auf ihren Platz zurückzukehren. Nach diesem Modell werden auch die österreichischen Feldlaffeten umgeändert . 2. Die Kruppsche Laffete mit Pflugschar meinigen durch gröfseren Gang unterscheiden. durch stählerne Federn ersetzt.
soll sich von der Der Kautschuk ist
3. Die Laffete Darmencier, gleicher Konstruktion wie die beiden vorhergehenden, hat eine Pflugschar mit hydraulischem Kompressor und gestattet einen federnden Rücklauf bis zu zwei Fufs. 4. Die neue deutsche Laffete, deren Rücklauf durch eine starre Pflugschar und durch Seilbremsen begrenzt wird.
Derartige Vor
richtungen konnten nur infolge der geringen Anfangsgeschwindigkeit (unter 1600 Fufs ) angenommen werden. 5. Die französischen Laffeten für die 12 cm-Feld-Haubitze , das 15 cm-Belagerungs-Geschütz und aller Wahrscheinlichkeit nach die neue
Feld-Laffete.
Die
Laffete
mit
beweglichen
oberen
Wänden
hat, dank der Pflugschar, gar keinen Rücklauf; nur das Rohr gleitet innerhalb des Rohrlagers zurück ; diese Bewegung wird durch einen hydraulischen Kompressor und durch komprimierte Luft verzögert, welche sich nach dem Schufs wieder ausdehnt und das Rohr auf seinen Platz bringt . Im Verlaufe von vier Jahren bin ich behufs Konstruktion eines neuen Schnellfeuergeschützes in zwei Privat-Fabriken (Putilow und Alexandrow) beschäftigt gewesen. Die Grundlage für jedes Schnell feuergeschütz ist eine Laffete ohne Rücklauf. In diesem Falle baute ich auf den Ideen des Generals Wille weiter und versuchte ,
bei
dem bestehenden Geschofsgewicht von
16 Pfund, eine möglichst grofse Anfangsgeschwindigkeit zu erreichen . Die erlangten Resultate waren folgende : Geschofsgewicht 15 ' , Pfund (6,35 kg) ,
bei
einem Kaliber von 3 Zoll ( 7,5 cm) ;
Anfangsge
schwindigkeit 2000 Fufs (670 m) ; Gewicht des Geschützes = 23 Pud¹)
1) 1 russ. Pfund = 409,5 Gramm ; 1 Pud (40 russ . Pfund) = 16,38 kg. 7*
Armee- und Marine-Nachrichten aus Russland .
100
(377 kg) ; Gewicht des ganzen Systems = 105 Pud (1720 kg ) ( mit 36 Geschossen in der Protze). Da ich bereits 25 Jahre mit Kautschuk arbeite, so
habe
ich
mit voller Zuversicht und Überzeugung dieses Material gewählt und mich nicht für Spiralfedern ( die nicht immer ganz zuverlässig sind) , auch nicht für pneumatische Kompressoren, - welche kompliziert sind, in Rufsland etwas neues bilden und dem Einflusse rauhen Klimas nicht widerstehen , entschieden. In Frankreich ist die Pneumatik mit grofsem Erfolg angewandt worden, und komprimierte Luft hat sich dort, als Motor, vollkommen eingebürgert (tramways, petits bleus). Konstruktion
Die Laffete meines neuen Systems ähnelt bez. ihrer am meisten der Nordenfeldschen Laffete und besteht
aus einer kleinen Laffete, welche auf einer Räderlaffete beweglich ist. Durch Kautschuk-Puffer wird die kleinere Laffete mit Rohr beim Schuls im Rücklauf aufgehalten und wieder an ihren Platz vorgebracht; zur Regulierung der Thätigkeit der Kautschuk- Puffer und zur Milderung des Gegenstofses ist ein hydraulischer Regulator angebracht... . “ Als Geschofs ist eine Metallpatrone in Aussicht genommen. Um die erforderliche Erhöhung der Geschofszahl, ohne Vermehrung der Pferde , ermöglichen zu können , hat General Engelhardt in der Bastianschen Fabrik in Petersburg ein neues Munitionswagen- Modell konstruiert ; der bisherige sechsspännige, vierräderige Munitionswagen fafst 80 Geschosse ; der neue Munitionskarren des Generals Engelhardt ist zweiräderig, wird nur mit 2 Pferden bespannt und führt 40 Geschosse, so dafs mit 6 Pferden 120 Geschosse, d. h. 1 '/, mal mehr als bisher, transportiert werden können. Ferner schlägt General Engelhardt vor, dafs die Zahl der Geschütze der Batterien von 8 auf 6 vermindert werden, und die hierdurch frei werdenden 12 Pferde jeder Batterie zur Bespannung von 6 Munitionskarren verwandt werden sollen, wodurch die Geschofszahl der Batterie sich noch erheblich erhöhen würde, ohne Vermehrung der Zahl der Pferde und ohne Schwächung des Feuers der Batterie, da es unzweifelhaft ist, dafs eine Schnellfeuer-Batterie zu 6 Geschützen im Kriege eine weit gröfsere Zahl von Schüssen abgeben wird, als die heutige Batterie zu 8 Geschützen. " General Engelhardt hat mit seinem Geschütz 16 gezielte Schufs in der Minute abgegeben ; das französische Geschütz soll 22 Schufs in der Minute verschiefsen können ; 99 die Franzosen schiefsen aber gegen Flächen, ohne sich zu bemühen , die Schüsse der ganzen Batterie auf einer Scheibe zu vereinigen, - unter diesen Bedingungen würde
aller Wahrscheinlichkeit nach
gebnisse haben. "
meine Laffete
dieselben Er-
Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland. Dem Äufseren nach fällt die Laffete des Generals E. ,
101 wie er
diese Länge aber
durch ihre ungewöhnliche Länge auf ; wird bedingt durch die von General E. für erforderlich gehaltene Anfangsgeschwindigkeit von 2000 Fufs ( 670 m) ; bei der augenblicklich üblichen Länge der Laffete würde er sich mit einer Anfangsgeschwindigkeit von 1500 Fufs (500 m) haben begnügen müssen,
zugiebt,
bei welcher Geschwindigkeit nach Ansicht des Generals E., die Wirkung der Schrapnel-Kugeln auf weitere Entfernungen eine ungenügende sein würde . Das Modell des Engelhardtschen Schnellfeuer- Geschützes unterliegt augenblicklich der Prüfung der Kommission für die Umbewaffnung der Artillerie, endigen wird.
zu
welche
binnen
kurzem ihre Arbeiten be-
Während früher die Unterbringung der russischen Truppen viel wünschen übrig liefs, sind in neuerer Zeit, namentlich in den
Grenzbezirken, grofsartige Kasernenbauten entstanden , welche mit allen Einrichtungen der Neuzeit versehen sind . In den polnischen teils wohl aus Gouvernements wurden jedoch diese Kasernen, nicht innerhalb, sondern politischen, teils militärischen Gründen , in der Nähe bewohnter Ortschaften erbaut ; diese so entstandenen Stab " genannt werden , erhielten Bezeichnungen, welche mit der Geschichte der betreffenden Truppenteile in enger Verbindung stehen . Durch Allerhöchsten Prikas vom 23. Dezember 1898 sind fol-
Militär-Kolonnen, welche
gende im Bau befindliche Kriegsschiffe benannt und in die Listen der Fahrzeuge der Flotte aufgenommen worden : 1. Geschwader - Panzerschiffe : In St. Petersburg
auf der
Baltischen Werft ,, Pobjėda " (Sieg) ; in Nordamerika , in Philadelphia ,, Retwisan" ; in Frankreich, in Toulon, bei den Forges et Chantiers de la Méditerranée
,, Caesarewitsch ".
2. Kreuzer : In Frankreich , in Toulon , bei den Forges et Chantiers de la Méditerranée ་་ Bajan" ; in Nordamerika, in 29 Warjag" ; in Deutschland : a) in Stettin, auf der Philadelphia Werft des Vulkans ,,Bogatyr" ; b) in Kiel, auf der GermaniaWerft, ― Asskold" und c) in Elbing, bei Schichau - „99 Nowik". 3. Torpedojäger ( minonósszy ). In Deutschland, in Elbing, auf der Schichauschen Werft, vier Torpedojäger von 350 t „Kitt( Walfisch ) , ,,Sskatt" (Roche ), Delphin " und „Kassatka" (Schwalbe) ;
in England,
in Birkenhead,
auf der Werft von Laird,
ein Torpedojäger von 350 t , Ssom" (Wels) ; in Frankreich, in Havre, bei den Forges et Chantiers de la Méditerranée drei Torpedojäger von 312 t
,,Ossjótr" (Stör),
„,Kefal" (Turmfisch)
und
102
Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland.
Lossos" (Lachsforelle) ; in Havre, auf der Werft Normann, 2 Tor pedojäger von 312 t , Forell" und Sterljäd " (Sterlet) ; in St. Petersburg, auf der Newski-Werft, 4 Torpedojäger, Typus des ,,Ssokol" (Falke), „Gawara" ( Krähe ) , „,Worón" ( Rabe ), „ Filin' (Uhu) und Ssowa" (Eule). 4. Transportschiffe : in Petersburg, auf der Baltischen Werft
„Jenissei". Von den vier bei Schichau in Elbing im Bau befindlichen Torpedojägern soll einer zum 1. Januar 1900, die übrigen im Juni desselben Jahres fertiggestellt sein ; dieselben werden eine Länge von 200, eine Breite von 23 und einen Tiefgang von 11. Fuls haben; die Wasserverdrängung beträgt 350 f ; durch 12 wasserdichte Querschotten wird jedes Fahrzeug bis zum Oberdeck in 13 Zellen geteilt; die Schnelligkeit ist auf 27 Knoten berechnet. Der Preis eines jeden Fahrzeuges beträgt ( ohne Gefechts - Ausrüstung ) 472 000 Rubel. In der Zusammensetzung der Geschwader in auswärtigen Gewässern treten im Jahre 1899 einige Änderungen ein ; das Ge schwader im Stillen Ozean wird verstärkt durch das Geschwader panzerschiff „ Petropawlowsk", den Kreuzer I. Klasse ,,Admiral Nachimow", den Kreuzer II . Klasse ,,Rasboinik" und das Hochsee Kanonenboot „Giljak ", während der Kreuzer II. Klasse „ Kreisser“ in die Heimat zurückkehrt, somit wird das Geschwader aus 3 Ge schwaderpanzerschiffen , 7 Kreuzeru I. Klasse, 2 Kreuzern II. Klasse, 7 Kanonenbooten, 2 Torpedokreuzern und 1 Transportschiff, zu sammen 21 Fahrzeugen bestehen, welche noch durch die Torpedo Fahrzeuge der sibirischen Flotille bedeutende Verstärkung erfahren können. Das Geschwader im Mittelmeer wird, wie bisher, aus einem Geschwaderpanzer, 2 Kanonenbooten, einem Torpedokreuzer und 2 Torpedobooten znsammengesetzt sein ; an Stelle der in die Heimat zurückkehrenden Kanonenboote ,,Donez " und ,,Grosjaschtschi" und des Torpedokreuzers ,,Possadnik" treten die Kanonenboote 77,Terez“ und „, Chrabry", sowie der Torpedokreuzer „ Abrjok“ . V. T.
103
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
IX . Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
Vom Regimente Teuffenbach. Der Name „ Tiefenbacher" hat durch Friedrich von Schiller einen übelen Klang bekommen. Der Dichter hat in Wallensteins Lager aus „ Teuffenbach" „ Tiefenbach" gemacht - eine Schreibart, welche auch sonst vorkommt und seit dieser Zeit ist ein Tiefenbacher der Philister unter den Soldaten. Neuere Forschung aber hat nachgewiesen, dafs die Tiefenbacher keineswegs Gevatter Schneider und Handschuhmacher waren, sondern ebenso brave und tüchtige Soldaten, wie es im kaiserlichen Heere nur gab,
die
sehr wohl wufsten, was Brauch ist im Krieg,
und
denen die Garnison Brieg nur angedichtet worden ist, weil das Wort sich auf Krieg reimte. - Das Regiment wurde laut Patent vom 10. März 1619 aus fünf ein Jahr zuvor errichteten selbständigen Fähnlein gebildet und hatte den nachmaligen Oberst-Feldmarschall Rudolf Freiherrn von Teuffenbach zu Tiefenbach zum Oberst-Inhaber. 1621
wurde
es auf zehn Fähnlein gebracht,
1622 wieder auf fünf
reduziert, 1623 wurde ihm das Regiment Fürstenberg inkorporiert, 1631 wurden ihm zwei Fähnlein vom Regimente Anhalt untergestolsen, 1649 wurde es, als der dreifsigjährige Krieg zu Ende war, selbst reformiert und aufgelöst.
Nachdem Teuffenbach General- Land-
Haus- und Zeugmeister geworden war und, ein Held von Nördlingen, nicht mehr im Felde diente , gab er 1643 das Regiment an den Obrist Freiherrn Valentin von Riedesel ab, 1645 erhielt es der aus bayerischen Diensten übergetretene
Feldmarschall,
Leutnant Hans
Wilhelm von Hunolstein , 1648 der eben daher gekommene Feldzeugmeister Johann von Reischenberg (meist Rauschenberg genannt). Unter verschiedenen Regimentskommandanten focht es 1620 in der Schlacht
am
Weifsen Berge ;
1621
bis 1624 in Ungarn, wo bei
Tyrnau 16 Fähnlein samt dem Oberstleutnant Wangler in Gefangenschaft gerieten ; 1626 an der Dessauer Brücke, wo es sich so auszeichnete, dafs der Kommandant ein kaiserliches Dankbriefel erhielt ; 1627 kam es nach Mecklenburg ; 1628 erlitt es vor Stralsund, der mit Ketten am Himmel gefesselten Feste, so schwere Verluste, dafs es fast aufgerieben war ; 1630 und 1631 focht es in Italien, 1632 bei Nürnberg,
1634
vor Regensburg und bei Nördlingen,
wo sein
Verhalten dem Kommandanten wiederum ein Dankbriefel eintrug; 1635 stand es am Oberrhein, 1636 bis 1639 ebendort und am Niederrhein, 1641 in Westfalen , 1642 unter Hatzfeld in Norddeutschland ; 1642 und 1643 befand sich das Regiment beim Hauptheere unter
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
104 Gallas ;
1645
kämpfte
es
bei Jankau in Böhmen ; 1646 bis 1647
dort und in Bayern ; seinen besten Waffengang machte es 1648 bei Zusmarshausen. Wo bleibt da die Zeit in Brieg zu vergessen, was Brauch ist im Krieg?
-
Lange Zeit war die Ansicht verbreitet,
dafs aus den Tiefenbachern das heutige 11. Infanterie- Regiment hervorgegangen sei, welches im Sommer 1898 in Budweis den Tag feierlich beging, an welchem vor fünfundzwanzig Jahren Prinz Georg von Sachsen zu seinem Inhaber ernannt worden war. Es ist aber jetzt festgestellt, dafs dieses Regiment ebenso wenig wie ein anderes des K. und K. Heeres mit den Tiefenbachern irgend welche Stamm14. verwandtschaft hat. (Armeeblatt 1898 , Nr. 35. ) Die wissenschaftliche Bildung der Offiziere Friedrich Wilhelms I. lag sehr im Argen. von Saldern,
Küster, der Biograph des preussischen General
versichert, der König habe
von dem damals ( 1739 )
20jährigen Leibgarde Fähnrich v. S. gesagt :
„ Ich fürchte, ich fürchte,
S. wird auch ein französischer Fladderkopf, denn er liest schon französische Zeitungen!" - Wie nachteilig Friedrich Wilhelms I. Verachtung der Wissenschaften auf die Offiziere der Armee gewirkt hat, spricht der „ Grofse König", sein Sohn, mit Bedauern in dem Briefe an d'Argens vom 14. Oktober 1762 aus. 355 ) :
Er sagt daselbst ( Oeuvres XIX,
„ Ich erinnere mich, dafs zu Zeiten meines Vaters das Studium
unterdrückt wurde, daſs wissenschaftliche Kenntnisse gewissermalsen für einen Schandfleck galten. Das machte die Jugend denselben abhold und hielten sie es für eine verbrecherische Handlung,
die Grenzen ihrer
Kenntnisse zu erweitern und sich um Aufklärung zu bemühen.
Ich
spüre die üblen Folgen noch jetzt ; aber das sind nicht Sachen , die ich sofort ändern kann. Der Geist der Nation muss eine andere Richtung nehmen. — Sie wissen, was ich gethan habe, um die Jugend zum Studium
und zu ernstem Fleiſse zu ermuntern.
Aber
Ausschweifung, Hang zur Frivolität und Trägheit sind Hindernisse, die ich nicht habe überwinden können. " Schbg. Während der Schreckensherrschaft der ersten französischen Republik endeten auf dem Schafott von den Führern der Revolutionsheere die Generale : Rouxel de Blanchalande, Gouverneur der Inseln unter dem Winde, am 15. April 1793 ; Miaczinski am 22. Mai ; Custine, welcher Mainz übergeben hatte, am 27. August ; Brunet, der in Italien kommandiert hatte, am 17. November, Honchard, der Befehlshaber in den Niederlanden,
am 16.
des nämlichen Monats ;
Biron, welcher aus der Vendée abberufen war, am nächsten Neujahrstage ; Marée, welcher auf demselben Kriegsschauplatze nichts hatte ausrichten können, am 28. Februar 1794 ; O'Moran, Chancel, Davaisnes, deren Köpfe
gleichzeitig
am 6. März fielen ; Duret von der Alpen-
Umschau in der Militär-Litteratur.
105 .
armee nebst Dillon , Claude Souchon und Beysser von der Westarmee, welche vier dieses Schicksal am 13. April erlitten ; de Beauharnais, der Gemahl der späteren Kaiserin Josefine, nachträglich der Mitschuld an der Übergabe von Mainz angeklagt, am 23. Juni ; de Flers ,
aus.
den Ostpyrenäen kommend, am 21. Juli ; de Gouy d'Arsy und der Irländer Thomas Ward von der Nordarmee am 23. dieses Monats.. Sie alle mufsten sterben, weil ihren Waffen der Erfolg gefehlt hatte oder, weil die Volksvertreter sie als Anhänger der Monarchie ver dächtigten. Dann kam der 27. Juli, der 9. Thermidor. Er befreite Kellermann, den Sieger von Valmy und Hoche , der zu Groſsem auf bewahrt blieb, aus dem Kerker, in welchem sie dem nämlichen. Schicksale entgegensahen, dem ihre Kameraden zum Opfer gefallen, waren. Le Gaulois Nr. 6177, welchem diese achtzehn Namen ent nommen sind, hält das Verzeichnis nicht für abgeschlossen. Wir können einen der bekanntesten hinzufügen, den eines Deutschen, des. greisen Marschall Luckner, welcher am 4. Januar 1794 guillotiniert wurde , als er so unvorsichtig gewesen war, von seinem holsteinischen Gute nach Frankreich zurückzukehren, um rückständige Forderungen einzutreiben. 14. Friedrich d. Gr. wollte keine Italiener als Offiziere in seiner Armee. Als im Jahre 1772 das Füsilier- Regiment v. Rossière er richtet wurde , wünschten viele italienische Edelleute in demselben, als Offiziere angestellt zu werden. Der König erwiderte dem Regiments-Chef: zum Beweise die
„Ich halte viel von den Italienern und kann Ihm grofsen Summen anführen,
die Ich ihnen für ihr
Singen in den Opern und für ihr Tanzen in den Ballets bewillige. Nur aus dem Militär müssen sie wegbleiben, denn da kommt's nicht Schbg.
auf Singen und Springen an. "
X. Umschau in der Militär- Litteratur. I. Ausländische Zeitschriften. Streffleurs österreichische militärische Zeitschrift. (Februarheft:). Die Staatenverteidigung und die Fortifikation am Ende des XIX . Jahr
106
Umschau in der Militär-Litteratur.
hunderts. - Zusammengewürfelte Gedanken über unsere Reglements. - Das deutsche Feldartillerie-Material C/96. -- Anleitung für den Gebrauch der Armee- und Macao - Scheiben . -- Praktische Winke für das Studium der Kriegsgeschichte (d . Jahr 1812 vom kais. russ . General Skugarewski) . Omdurman (aus dem englischen von Slatin-Pascha). Vaterländische Lorbeerblätter. (Märzheft.) Erwärmung der Not- Flufsübersetzungs-Übungen in Rufsland . - Besprechung unterkünfte. — der Dispositionen des österreich . X. Armeekorps für den 27. Juni 1866, welche zum Gefecht von Trautenau geführt haben . - Der Fessel- Ballon im Dienste des höheren Führers im Feldkriege. - Die Friedenskonferenz . - Artilleristischer Epilog zu den Ereignissen von Sant Jago. Walddurchstreifungen . - Eine britische Kolonial-Armee. - Die Niederwerfung der Mahdisten . -- Der Transportdienst im Tirah- Feldzuge.
Lord Kitchener von Khartum .
Organ der militärwissenschaftlichen Vereine. LVIII. Bd. 1. Heft : Der Marsch der Infanterie . Eine Betrachtung vom Standpunkte unserer reglementären und sanitären Vorschriften. Die Verpfändung der Zipser Städte . Armeeblatt. (Österreich. ) XVIII. Jahrgang. Nr. 5 : AbrüstungsPhantasien . - Eine Geschichte der Geniewaffe. - Ein österreichischer Krieger. II. (Forts. in Nr. 6) . Nr. 6 : Vorschulen der Armee. Dekorations-Fragen. Die Abrüstungs-Utopien und die Unterseeboote. Der Schlufsakt von Königgrätz (bezieht sich auf das Lettowsche Buch „ Geschichte des Krieges von 1866. " II . Bd .) . Nr. 7 : Der Wert der Kriegserfahrung. General-Auditor Damianitsch (Nekrolog) . - Der Schluſsakt von Königgrätz . Nr. 8 : Bürgerliche Freiheiten der Offiziere . Ein neues Landesverteidigungssystem in Deutschland . — KavallerieRegimenter zu 4 Eskadrons. Die japanische Armee heute und in der Zukunft. — General Miles über den spanisch-amerikanischen Krieg . Militär-Zeitung. (Österreich. ) Jahrgang 54. Nr . 4 : SelbstDas Nachtmahl des Soldaten . Nr . 5 : ständigkeit. -- Abrüstung ? Aktuelle artilleristische Fragen. Das zweite Bureau vom Generalstab der französischen Armee . Warum unterblieb die Verfolgung durch die preufsische Kavallerie nach der Schlacht bei Königgrätz ? Nr. 6 : Der Wert des kriegsgeschichtlichen Studiums. Unser Monturwirtschaftssystem. Nr. 7: Können wir abrüsten ? Die Geschichte der Geniewaffe. ---- Unsere Regimentsmusikkapellen . Journal des sciences militaires . (Februar 1899. ) Am Vorabend von Jena (von General Lewal) . - Das Somme-Thal vom miliFriedrich der Der unvermeidliche Krieg. tärischen Standpunkte . Grofse (Forts .) . - Die Militär-Luftschiffahrt in Frankreich und im AusEntwurf eines lande (Forts .). - Die Reform der Militärrechtspflege . Der österreichische ErbfolgeExerzierreglements für die Infanterie. krieg (1740-1748 ) . Schlesischer Feldzug 1741-1742. Revue militaire universelle. 1. Februar 1899. Nr 83 : Die
Umschau in der Militär-Litteratur.
107
Ursachen einer militärischen Niederlage (Forts .) . - Die Königin des Weges (Zweirad) (Forts. ). Die Elfenbein-Küste (Schlufs). Revue du cercle militaire. (Jahrgang 1899) . Nr. 4 : Die Schlacht von Omdurman (mit Kroki). - Die Aufklärer der Artillerie (Schlufs in Nr. 5 ) . - Die Verproviantierung und (Material)-Ergänzung der russischen Armee im Felde (Forts . in Nr. 5 , 6, 7 , 8). Nr. 5 : Der Auto— mobilismus und die Militär-Transporte im Felde. Bericht über das Kriegsbudget. Nr. 6 : Anmerkung über den Unterricht in der MilitärGeographie. Operationen auf der Verbindungslinie einer Armee im Felde (Schlufs in Nr. 7). Das militärische Jahr in Deutschland, Österreich und Italien (Schlufs in Nr. 7) . Nr. 7 : Die Handfeuerwaffen M. 1895 in Österreich -Ungarn . Nr. 8 : Fechtende Radfahrer. Die ' Reserve-Offiziere in Österreich. Das Dienstalter der deutschen Offiziere. Revue d'Infanterie. (15. Februar.) Nr. 146 : Geschichte der fanterie in Frankreich (Forts .) . Ausrüstung und Belastung der fanterie (Schluſs). Anweisung für den Führer einer kleinen Nacht operierenden Infanterie- Abteilung . Berittene Infanterie
InInbei im
südlichen Algier und in der Sahara. Revue de Cavalerie . (Januar 1899.) Zerstreute Ordnung. Spanien. - Zugweise Ausbildung . - Von Bautzen bis Pläswitz Mai 1813 (Forts . ). -- Die Remonte-Preise . - Studie über die Überanstrengung des Pferdes (Forts.). - Reorganisation der Offizier-Kavallerieschule St. Petersburg . Revue d'Artillerie. (Februar 1899.) Das Kruppsche Feldartillerie-Material (1892 bis 1897). - Studie über die Ausbildung der Kadres zu Erkundungen der Artillerie (Forts . ) . - Die Artillerie in der Schlacht von Omdurman . - Studie über die allgemeine Theorie des Stahls (Schlufs) . Revue du Génie militaire. (Februar 1899. ) Anleitung zu den Analyse praktischen Übungen des Genie-Dienstes im Felde (Schlufs) . Einflufs und Auszüge aus dem Briefwechsel Vaubans (Forts .) . metallischer Armierungen auf die Eigenheiten des Mörtels und Betons , Vorschrift über den Bau von Fahrstrassen auf Madagascar. La France militaire. Nr. 4465 : Der Verrat. Bespricht die Vorlage, betreffend Todesstrafe in schwereren Fällen . „ Wenn es sich um das Interesse der nationalen Verteidigung handelt, so liegt nichts daran , wenn untergeordnete Personen von dem Räderwerk der riesenhaften Jeder Mann, der Kriegsmaschinen ergriffen und zermalmt werden . einen vereinzelten Justizfall dem höchsten Interesse voranstellen will, ist des Namens eines Bürgers unwürdig, ihm fehlt der Begriff und das Die Kriegsmarine 1898. II. Gefühl des patriotischen Opfers. " 20 Nr. 4466 : Die Kriegsmarine . III. Nr. 4467 : Kriegs-Aussichten , neue Kompagnien Marine- Infanterie werden aufgestellt : 4 Cherbourg, 2 Brest, 4 Lorient, 4 Rochefort, 6 Toulon . Nr. 4468 : Unsere Marinesoldaten (nos marsouins) . Nr. 4469/70 : Kriegs-Aussichten . Nr. 4471 :
108
Umschau in der Militär-Litteratur.
Die Topographie und der Krieg. Nr. 4472/5 : Kriegs-Aussichten. Nr. 4476 : Der Entwurf von Montfort. Alte Soldaten als Kapitulanten. Nr. 4477 : Verteidigung von Corsika. Nr. 4478 : Homogene Flotte II. Nr. 4479 : Verteidigung der Küsten . Zu sichernde Punkte. Landungen. Le Progrès militaire . Nr. 1904 : Bericht über das Budget. III. Nr. 1905 : Dasselbe. IV. Freiwilliger Eintritt auf Zeit (Kriegsfreiwillige). Am 15. Februar hat die Artillerie ihre gesetzliche Stärke von 620 Batterien erreicht (105 Fufs-, 430 fahrende, 14 Gebirgs- , 52 reitende Batterien ; ferner 7 Fufs- und 12 fahrende (Gebirgsbatterien) für Afrika) . Nr. 1907 : Inspektionen und Armee- Inspekteure. - Studie über Konserven. Nr. 1908 : Die eingeschriebenen Küstenwächter . -
Remontierung 1899. Nr. 1909 : Die Truppen auf den Verbindungslinien. - Die Verwaltungs-Offiziere. - Herstellung von Konserven. Nr. 1910 : Technische Stäbe. - Radfahrer und Kavalleristen. Nr. 1911 : Gestüte und Remonten. Die Militär-Reformen im 99 Reichstage". Nr. 1912 : Die Armee-Inspekteure. Nr. 1444 : Die Neutralität Belgiens . La Belgique militaire . Nr. 1445 : Fahrrad und Automobile. Die automatischen Pistolen System Bergmann. Nr. 1447 : Physische Geographie und Militärgeographie. Die Mitrailleuse im Felde. Nr. 1448 : Der französisch- deutsche Krieg 1870/71 . --- Das neue deutsche Infanteriegewehr. Bulletin de la Presse et de la Bibliographie militaires. Nr. 353 : Engländer und Russen in Centralasien (Forts. in Nr. 354) . Studie über das Schiefsen der Infanterie (Forts . in Nr. 354). - Nr. 354 : Erkunder und Aufklärer der Infanterie. Revue de l'Armée belge. (November - Dezember 1898. ) Einige Betrachtungen über die Verteidigung von Festungen . Gelegentlich - Die neue der Armierung eines Sectors der Festung Tirmonde (Forts .) . Gedanken über ZielMilitärprozefsordnung. Das Plastomenit. Apparate. Verbindungsposten, Aufklärer im Gelände und des Zieles. - Die Kriegskunst auf der Brüsseler Ausstellung (Forts. ) . Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen. (Januar 1899. ) Über die Verwendung der Landsturmpioniere . Unsere Kavallerie beim Jahresabschlufs 1898. Divisionsmanöver in Algier 1898. Eine Angriffsübung auf befestigte Feldstellungen, ausgeführt bei Donaueschingen im September 1898. Revue militaire suisse. (Februar 1899. ) Für die Manöver. ------- Korps-Artillerie. Der preufsische Grofse Generalstab. - Schiefsbericht der Kruppschen Fabrik. - Marschübungen für Offiziere. Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie . (Januar 1899.) Schiefsübungen der Feldartillerie. - Schiefsbericht Nr. 89 von Fr. Krupp. Allgemeine Schweizerische Militär-Zeitung. Nr. 4 : Erinnerungen an das Jahr 1799 (Schluſs) . Die Krankenträger - Übungen im Beitrag deutschen Heere . Nr. 5 : Die Heeresfragen in Deutschland. zur Frage der Korpsartillerie. Nr. 6 : Die französischen Belagerungs-
Umschau in der Militär-Litteratur. artillerie-Manöver im Lager von Châlons 1898. ―
109 Die deutsche In-
fanterie- Schiefsschule 1899. Nr. 7 : Der heutige Stand der Schnellfeuergeschützfrage in Frankreich. Über die Milizen . Nr. 8 : General Graf Caprivi. -- Die 28 Tage des französischen Reservisten . Das
neue belgische Reglement . The Army and Navy Gazette.
Nr. 2032 : Waffenhandel.
Be-
handelt den fortgesetzt vom Persischen Golf aus betriebenen Handel mit Waffen mit den indischen Grenzstämmen. Offizierdienststellen aufserhalb des Regiments . Die pekuniäre günstige Lage der Offiziere in Indien und Ägypten wird geschildert. Die Auswahl der Unteroffiziere. Es soll hierbei nicht mit der genügenden Sorgfalt vorgegangen sein. Der Gesundheitszustand der Dienstpferde . Nr. 2033 : Das militärische Jahr 1898. Umfassende Zusammenstellung der Erlebnisse und Veränderungen des englischen Heeres in diesem Jahre . Krieg gegen Krieg . Betrachtung über den russischen AbrüstungsVorschlag. Ayrshire Yeomanry Cavalry. Geschichte der 1793 errichteten freiwilligen Reitertruppe. Nr. 2034 : Der Gedaref- Feldzug. Schildert den Schlufs des Sudan-Feldzuges . ― Der griechische Kronprinz über den letzten Krieg gegen die Türken . Röntgen- Strahlen im Dienste des Militär- Sanitätswesens . - Die Verteidigung des Tayflusses. Nr. 2035 : Das nordamerikanische Heer im letzten Kriege. Polizei-Truppen Betrachtung über die Organisations - Verhältnisse. für Afrika. Journal of the Royal United Service Institution. Nr. 251 : Die gegenwärtige Lage der indischen Grenze . Strategische Betrachtung über die Anmarschlinien eines russischen Heeres gegen diese. - Die Umwandlung der Volunteer-Fufsartillerie zur Feldartillerie . Vorschläge zu dieser Organisation mit besonderer Berücksichtigung der Beschaffung des erforderlichen Pferdematerials . ― Die erste Belagerung von Rhodus - Die Transsibirische Eisenbahn . 1480. Kriegsgeschichtlicher Vortrag. — Geographisch-technische Darstellung. - Der Inter-Oceanische Kanal . Betrachtung über den Nicaragua-Kanal. --- Vergleichende Zusammenstellung der Kosten der gegenwärtigen Armeen . Army and Navy Journal. (Newyork.) Nr. 1845 : Die ReorganiDas Armysation der Armee. Die Lage auf den Philippinen. Jürgensen Magazingewehr. Die Freiheit auf Kuba. Nr. 1846 : Die Miliz für Landes- Verteidigung . Wirkungen des Friedensabschlusses. Die Organisation der Artillerie. Nr. 1847 : Das Verlangen nach Beseitigung der Truppen-Kantinen . Nr. 1848 : Die Anklagen gegen General Eagen . Nr. 1849 : General Wheelers Feldzug auf Kuba. Russischer Invalide. Nr. 16 : Bezeichnungen der in den Grenzbezirken in den Jahren 1892-1896 entstandenen Kasernen- Städte Nr. 18 : Zur Frage der Schnellfeuergeschütze ; von General Engelhardt (siehe Aufsatz : „Armee- und Marine - Nachrichten aus Rufsland “) . Nr. 19 u. 28 : Briefe aus Frankreich . Nr. 20 : Einstellung der Rekruten aus der inländischen Bevölkerung Transkaukasiens und den Fremd-
110
Umschau in der Militär-Litteratur.
völkern des Terek- und Kuban- Gebietes, im Jahre 1897.
Nr. 21 :
Die
Dislokation der deutschen Armee ; von S. Tschistjakow. Nr. 23 : Ergebnisse der Ableistung der Wehrpflicht in den finnländischen GouverneDie Zahl der Wehrments, während der Jahre 1882-1897. pflichtigen betrug im Durchschnitt jährlich 21,404, von denen 19,038 sich der Musterung zu stellen hatten ; von letzteren wurden 10,630 (55,8 % ) als gänzlich dienstuntauglich, 423 (2,2 % ) als zeitig dienstuntauglich erklärt , 1,762 (d. h. 9,2 %) wurden alljährlich als Rekruten eingestellt. Auffällig grofs ist die Zahl der Dienstuntauglichen , welche im übrigen Ruſsland , einschl. der zeitig Dienstuntauglichen und Zurückgestellten, nur 31,6 % der Wehrpflichtigen beträgt ; dagegen beträgt die Zahl der eingestellten Analphabeten nur 2,4 % gegen ca. 70 % im übrigen Rufsland . Nr. 25 : Auf Grund früherer Befehle sind im Dezember 1898 bezw . Anfang Januar 1899 formiert worden : Das 20. Sappeur-Bataillon (in Olita), die 1. Ersatz-ArtillerieBrigade, die reitende Gebirgs Artillerie - Abteilung (in Kijew), die 4., 5. und 6. Batterie der kauk. Res. - Art.- Brig. , ferner die Abteilungsstäbe der kauk. Res . -Art. -Brig., der 5. und 6. Res. - Art. - Brig.; das Gebirgs-Artillerie- Regiment (Kijew) ist aufgelöst worden. Nr. 33: Das Turkestaner Sappeur-Halbbataillon ist Mitte Januar in ein Bataillon verwandelt worden. Raswjedtschik. Nr. 430 : Vorkommnisse im Wachtdienst. - Das Photographieren vom Luftballon aus. Die Ausrüstung der Orenburger Kasaken für den Dienst. - Die Offizier- Kasinos . Nr. 431 : Aus Finnland . Die Ergänzung der jüngeren Offiziere der Festungsartillerie. Die Aufnahme von Kasaken in den Dienst bei einem andern Heere. - Die Ergänzung der Stabsoffiziers -Vakanzen bei der Infanterie. Nr. 432 Bild und Mitteilungen über die Thätigkeit des Kontreadmiral Skrydloff auf Kreta. ―― Der Eintritt in das Kadettenkorps. Aus Finnland. — Billige Eisenbahnen. Das Reglement für die reitende Artillerie . Die Jagdkommandos im Süd - Ussuri- Gebiet. Die PraNr. 433 : porschtschiki (Fähnriche) der Reserve bei der Infanterie. Die Memoiren Langerons. Die bulgarische Militärlitteratur. Der Kreuzer Herzog von Edinburgh ". Die Vereinfachung der Einberufung der Reservisten . ― Toledo. Wajennüj Ssbornik. 1899. (Januar.) Vom Kriege (das von General Woide übersetzte Werk des Generals v. Clausewitz) . I. Die Verteidigung von St. Petersburg in den Jahren 1704-1705 . I. Bemerkung zu dem Artikel : Die Expedition gegen die (Mit Skizze .) Achal-Teke im Jahre 1879 im letzten Oktoberheft des Wajennüj Ssbornik. Die Aufgaben der Politik im Dienste der Strategie. I. Die Disziplin in ihrer Anwendung. Die Verpflegung der Truppen im Felde . - Die Feldgymnastik und ihre Stelle in der Ausbildung der Truppen . Über nächtliche Biwaks im Winter unter Zelten. - Die Militärlehranstalten Österreich-Ungarns . Kurze Schilderung des Aufstandes an der Nordwestgrenze Indiens im Jahre 1897. I. Die Infanterie-
Umschau in der Militär-Litteratur .
reglements der nichtrussischen Armeen . ―
111
Übersicht über die Thätig-
keit der westeuropäischen Armeen im Jahre 1898. (Februar.) Vom Die russische Armee im Kaukasus und Asien (aus dem Kriege. I. Werke des Generals von Zepelin „ Die Heere und Flotten der GegenDie Verteidigung von St. Petersburg in den Jahren 1704 wart." bis 1705 (Schlufs). - Die Aufgaben der Politik im Dienste der Strategie. Die (Schlufs) . - Die Organisation des Feldwachtdienstes . I. ) . Skizze (Mit I. Lagern. Cernierung von Festungen und befestigten Einige Worte über das Dienstpersonal des Kadettenkorps . - Zur Unter-Kurze SchilNoch zur Altersgrenze der Offiziere . offizierfrage. derung des Aufstandes an der Nordwestgrenze Indiens im Jahre 1897 . II. (Mit Plan . ) - Die Infanteriereglements der nichtrussischen Armeen . Nr. 1 (1899) : Schiefsmethoden Russisches Artillerie - Journal. en . Schnellfeuer-Laffet -Artillerie. Aus Anlaſs Fuſs deutschen der Von den Lohnarbeitern der techmikroskopischer Untersuchungen . nischen Anstalten der Artillerie . L'Italia militare e marina. Nr. 20 : Die Kadres der Territorialmiliz. Nr. 21/22 : Die Reorganisation in der Waffe der Artillerie. Die Lage der Offiziere in Frankreich und Italien . Nr. 27 : Maconnen, Martini und der Gouverneur von Eritrea. Nr. 30 : Die Wehrsteuer. Nr. 31 : Heer und Marine. Nr. 32 : Die Rekrutierung und die Beförderungsverhältnisse der Offiziere . Nr. 33 : Die französischen MilitärSpione. Nr. 34 : Radfahrer-Infanterie. Nr. 36 : Die Militärpferde auf der Ausstellung von Turin . Rivista Militare Italiana. (1. Februar.) Vom untern Po bis zum Isonzo (Kritische Studie über den 2. Teil des Feldzugs 1866. ) - Die Ausbildung der Rekruten . Das Gefecht der 3 Waffen . Esercito Italiano. Nr. 15 : Die Organisation der Artillerie. Nr. 16 : Die Organisation der Artillerie und des Genies. -- Die Ergänzung der Landsturm - Offiziere . Nr. 17 : Die Kosten der Organisation der Artillerie und des Genies . Nr. 18 : Die Pflichten der Leute des Beurlaubtenstandes. Nr. 19 : Remontierung und Pferdezucht in Italien . Nr. 20 : Das Gesetz betreffend die Nichtpfändbarkeit der Gehälter. Nr . 21 : Zulassungen zu der Militärschule 1899 . Rivista di artiglieria e genio. (Januar.) Beitrag zum Studium Pneuunseres Gebirgsartillerie - Materials. - Telemetrische Utopie. matische Stiefeln . Die Belagerung von Strafsburg 1870 (Forts.) . Die Feldhaubitze nach General Rohne . Revista cientifico militar. (Spanien .) Nr. 2 : Meinungen beDas züglich der Organisation der Feldartillerie in Deutschland . Land der Yankees im 24. Jahrhundert. Eine Satire. - Vorträge über Angriff und Verteidigung der Festungen und Befestigungen. Memorial de Ingenieros del Ejercito . (Spanien .) Nr. 1 : Aluminium als elektrischer Leiter. Praktische Schule des 4. SappeurMineur-Regiments.
112
Umschau in der Militär-Litteratur .
Revista Militar. (Portugal. ) Nr . 3 : Die Generalität . Jäger von 1811. Die Streitkräfte in den Kolonien (Forts . ).
Die
Krigsvetenskaps Akademiens-Handlingar. (Schweden . ) 1. u . 2. Heft : Das dänische Kriegsbudget. - Übersicht über die Mobilmachung in der Türkei und Griechenland 1897. Militaire Spectator. (Holland . ) Nr. 2 : Das Schiefsen der FestungsGeneral Desaix. 'artillerie.
II. Bücher. Die Trophäen des Preufsischen Heeres in der königlichen Hof- und Garnisonkirche zu Potsdam. Auf Allerhöchsten Befehl Sr. Maj. des Kaisers und Königs herausgegeben vom kgl. Kriegsministerium . Bearbeitet durch G. Lehmann , Wirkl . Geh. Kriegsrat . Mit 24 Tafeln im Lichtdruck. Berlin . E. S. Mittler & Sohn. Preis 6 Mk. , geb. 7,75 Mk. Dem grofsen Fahnenwerke „ Geschichte der königlich preufsischen Fahnen und Standarten " schliefst sich das vorliegende als eine erwünschte Ergänzung an. Den äusseren Anlafs gab die im vorigen Jahre vollzogene Erneuerung der Potsdamer Garnisonkirche. Aber das Werk bietet mehr als der Titel besagt ; es will eine Art von Geschichte der Trophäen des preufsischen Heeres sein, sowohl der noch vorhandenen als auch der nicht mehr vorhandenen aber doch nachweisbaren. Die „Einleitung" giebt Aufschlüsse über den Verbleib der älteren , in der „ Rüstkammer" zu Berlin aufbewahrt gewesenen Trophäen, die im Jahre 1760 in Feindes Hand fielen, soweit sie nicht nach Spandau in Sicherheit gebracht waren. Der hier gemachten Angabe, es seien 277 Fahnen und 75 Standarten, die im Zeughause aufbewahrt wurden. in Feindes Hand gefallen, widerspricht der Bericht Tottlebens an seine Kaiserin, vom 18. Oktober 1760 ; er nennt in demselben nur „48 alte und neue Fahnen. " als im Zeughause gefunden. Es ist kein Grund. die Richtigkeit dieser Zahl zu bezweifeln , da Siegesberichte eher zu übertreiben als zu verkleinern pflegen . Jedenfalls bedarf die Verschiedenheit dieser Angaben der Aufklärung . Nach dem Hubertsburger Frieden wurden die in Spandau verwahrt gewesenen Trophäen, mit den Beständen des Magdeburger Zeughauses vereint, in der Berliner Garnisonkirche aufgehängt. In der Katastrophe von 1806 sind dieselben wahrscheinlich verloren gegangen . Die der späteren Zeit (1806-1815) angehörenden Siegeszeichen wurden 1816 in die Garnisonkirche zu Potsdam überführt, dann durch diejenigen der Feldzüge 1848 , 1864, 1866 und 1870/71 vermehrt, sämtliche im vergangenen Jahre ausgebessert und neu geordnet . 34 der hier aufbewahrten Fahnen und Standarten, ferner 15 Adler aus den Kriegen 1807-1871 sind auf den beigefügten Lichtdrucktafeln bildlich dargestellt. Der begleitende Text weist nach, bei welcher Gelegenheit und durch wen die betreffenden Siegeszeichen erobert worden sind.
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Von den drei Anlagen giebt Anlage 1 einen „ Auszug aus dem Verzeichnisse der Rüstkammer", 69 Fahnen und Standarten (nicht mehr vorhanden) von der Zeit der Schwedenkriege bis zur Schlacht bei Mollwitz . Anlage 2 ist ein „ Verzeichnis der von preufsischen Truppen in der Zeit von 1741 bis 1794 eroberten Fahnen , Standarten und Pauken." Der Herr Bearbeiter sagt, er könne für die Vollständigkeit dieser Übersicht nicht einstehen. Manche der hier gemachten Angaben wird überdies auf begründeten Widerspruch stofsen. - Als Eroberer einer der bei Hohenfriedberg eroberten Standarten wird ein Reuter Anton Garck von „ Schmettau z . Pf. " genannt . Ein Regiment „ Schmettau zu Pferd" gab es 1745 nicht, das Regiment, welches gemeint ist, führte den Namen Gefsler, erst 12 Jahre später (nach Gefslers Tode) bekam es den Namen Schmettau (vergl. auch Douceur-Gelderliste bei P. Seidel „ Ein Beitrag zur Ordensgeschichte Friedrich d. Gr. „ Jahrbücher f. d. d . A. u. M. " Februar 1894) . Die Zahl der bei Leuthen eroberten Fahnen und Standarten wird hier auf 55 beziffert. Sämtliche Berichte und Briefe des Königs sprechen aber nur von 51 ; an Prinz Heinrich schreibt er (Polit . Corresp . Friedr. d . Gr. XVI. 117) am 22. Dezember 1757 , nach dem Fall von Breslau : „ Nous avons pris ici 12 drapeaux qui font, avec ceux de la bataille 63. Von 51 Siegeszeichen spricht der König auch in der Histoire de la guerre de 7 ans (Oeuvres IV. 169) . Dieselbe Zahl nennen Ollech, Schöning, Tempelhoff, Kutzen und das Werk des Generalstabes . Die Nachricht, daſs am 12. Februar 1758 „ 55 Fahnen und Standarten aus der Schlacht von Leuthen nach Berlin gekommen seien," habe ich ebenfalls in den Berliner Zeitungen vom Februar 1758 gefunden. Aber wodurch ist bewiesen, dafs unter diesen 55 nicht auch einige von der Eroberung Breslaus stammende waren ? - Von den 8 bei Stoecken - Drebber (23. Februar 1758) erbeuteten Standarten entfielen 5 auf das Regiment Ruesch-Husaren, was hier nicht vermerkt ist, auch nicht, dafs der König dem Regimente gestattete, dieselben bei den Revuen im Frieden zu führen (vergl. Mackensen, Gesch . d. Leib-Husaren-Regimenter) . Für Zorndorf werden hier 20 russische Fahnen als das „Maximum" der Siegeszeichen bezeichnet. Der König spricht in seinen Briefen und Berichten unmittelbar nach der Schlacht einmal von 25, ein anderesmal von 24, in den Oeuvres (IV. 205) aber von 27, so auch Tempelhoff, Etzel und das Generalstabswerk. Diese letztere Zahl dürfte folglich m. E. als das „ Maximum " zu bezeichnen sein. Bezüglich des Gefechts bei Rhein - Türkheim (30. März 1794) wird erwähnt : „Zwei Fahnen, eine vom Regiment Nassau, eine von den Volontaires des Vosges, durch Anspach-Bayreuth-Dragoner erobert. Diese eine mit 96 auf dreifarbigem Tuche und einer Lilie in der Fahnen schenkte Friedrich Wilhelm II. dem Prinzen Louis, seinem Spitze 8 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 111. 1.
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Sohne, unter dessen Führung das Regiment die Attacke gemacht hatte." Hierzu ist zu bemerken , dafs diese Fahnen dann in den Besitz des Prinzen Friedrich (Sohnes des Prinzen Ludwig) und nach dessen Tode in den der Prinzen Georg und Alexander, dessen Söhne, übergingen. Diese Fahnen sind noch vorhanden und befinden sich in der Waffenhalle des Palais Sr. königl. Hoheit des Prinzen Georg v. Preuſsen . Beide Fahnen sind vorzüglich erhalten, eine genaue Beschreibung der selben befindet sich im Maihefte 1898 unserer „Jahrbücher“ (Nr. 320 S. 229). Die Angabe, daſs eine dieser Fahnen dem „ Regiment Nassau" gehört habe, bedarf insofern der Berichtigung, als es zu jener Zeit in der republikanischen Armee überhaupt Regiments - Verbände nicht mehr gab, man hatte die Bezeichnung „Regiment" , als zu „ aristo kratisch", unterdrückt und durch „ Halb -Brigade" mit fortlaufender Nummer ersetzt ; es handelt sich hier wahrscheinlich um die Fahne der 96. Halb - Brigade , die alten 99 Regimenter" hatten keine Nummern. Möglich ist es, dafs diese Fahne dem ehemaligen Regiment Nassau gehörte und durch neue Inschrift nebst Nummer zeitgemäfs „ aptiert" worden war. Die Inschrift lautet : „Discipline, Obéissance à la Loi. “ .Die andere Fahne gehörte dem 4. Vogesen- Bataillon . Inschrift : „ Peuple Français. Vivre libre ou mourir. Département des Vosges . 4ième Ba taillon." Anlage 3 enthält die „ Gegenwärtige Aufstellung der Trophäen“ in der Garnisonkirche zu Potsdam ― es sind im ganzen 137 Fahnen , bezw. Adler und Standarten, ferner 4 Fahnenbänder. Schbg. Die Heere und Flotten der Gegenwart. Herausgegeben von C. v. Zepelin , Generalmajor a. D. IV. Band. Österreich-Ungarn . Das Heer , von E. v. Kählig , k. u . k. Generalmajor i . R. Die Flotte , von R. Ritter von Jedina , k. u . k. Korvettenkapitän i. R. Berlin . A. Schall. Preis 15 Mk. Den ersten drei Bänden Deutschland, Grofsbritannien und Irland, Rufsland hat die rührige Verlagsbuchhandlung von A. Schall nun den vorliegenden rasch folgen lassen . Derselbe hat zwei Angehörige des österreichich-ungarischen Heeres bezw. der Flotte zu Verfassern. Dies gewährt den Vorteil, dafs denselben die genaueste Kenntnis des zu behandelnden umfangreichen Stoffes eignete, die Zuverlässigkeit des hier Gebotenen folglich aufser Zweifel ist. In wie weit die kritische Seite der Darstellung dabei zu kurz gekommen sein mag, bleibe dahin gestellt. Der Verfasser des Heerwesens teilt seinen Stoff in vier Haupt abschnitte . Den ersten führt er ein durch eine sehr gediegene, uns besonders erfreuende „Geschichtliche Einleitung" , von den ältesten Zeiten, d. h. dem Tode Kaiser Maximilians I. bis zum Jahre 1848 ; daran schliefst ein besonderes Kapitel „ Die Entwickelung des Heeres vom Jahre 1848 bis zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1868. " Letzteres Jahr ist epochemachend für Österreich- Ungarns Heer und
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In 8 weiteren der Ausgangspunkt des grofsen Reformwerkes. Kapiteln werden nun das Wesen des neuen Wehrgesetzes, die Rekrutierung, Entlassung u. s. w. , dann die Pferdebeschaffung, Mobilisierung, genau dargestellt, daran schliefsend die Gesamtstärke des Heeres und der Landwehr, Gliederung und Leitung der bewaffneten Macht, Stäbe , Behörden u. s . w. Der zweite Abschnitt schildert die Waffengattungen, die Armee im Felde, Organisation und Ausrüstung für den Gebirgskrieg, Einteilung und Personalverhältnisse der Offiziere , Unteroffiziere und Mannschaften, Adjustierung, Bewaffnung und Ausrüstung u. v. a. Der dritte Abschnitt beschäftigt sich mit der Taktik, dem Felddienste, der Ausbildung, den Militärbildungsanstalten , den Hilfszweigen der Führung, Garnisonen, Dienstbetrieb und den Festungen , der vierte mit der Verwaltung, dem Justizwesen , Sanitätswesen , Seelsorge, Invalidenversorgung und den „ Moralischen Faktoren " . Dem Allerhöchsten Kriegsherrn und seinen Beziehungen zur Armee ist ein warm empfundenes Schlufskapitel gewidmet, sein Bildnis schmückt das Titelblatt des Werkes .
Der „ Anhang" enthält die Einteilung des Heeres
nach dem jetzigen Stande und eine Karte mit den Truppenstandorten vom Jahre 1898. Wir bekennen gern, dafs diese Darstellung des uns verbündeten Heeres nicht nur auf Zuverlässigkeit begründeten Anspruch erheben darf, sondern auch eine ungemein fesselnde, stellenweis selbst poetisch angehauchte ist (man lese z . B. das Kapitel „die Mannschaft im allgemeinen"). Wir erstatten dem Herrn Verfasser für dieselbe gern unseren Dank, denn sein Werk ist ein in jeder Beziehung gelungenes . Das Gleiche gilt der Darstellung der „ Flotte" , deren Bearbeiter in der Militär- Litteratur bereits rühmlich bekannt ist. Er konnte sich
kürzer fassen wie sein Herr Kollege der Landarmee . Sehr zweckmässig leitet auch er seine Arbeit mit einer „ Geschichtlichen Übersicht" ein, der wir entnehmen , dafs die Anfänge der gegenwärtigen Flotte bis in das Jahr 1814 hinaufreichen . Venedig war damals das Centrum der Kriegsmarine, jetzt ist es Pola. In 5 Kapiteln erhalten wir ein vollkommenes Bild der Organisation , des Personales , der Administration, des Flottenmaterials, sowie des Dienstes an Bord und am Land. Die österreichisch-ungarische Flotte ist an Zahl und Gröfse der Schiffe derzeit die achte im Range hinter den Marinen von England , Frankreich, Italien , Rufsland, Deutschland, Vereinigten Staaten und Japan. Ein ausführliches, alphabetisches Sachregister beschliefst das Werk, das durch mehr als 100 beigefügte Licht- und Buntdrucke (enthaltend Porträts, Uniformbilder, Truppenübungen, Schiffstypen, Landschaftsbilder u . v. a.) zu einem Prachtwerke ersten Ranges wird . Text und Illustrationen ergänzen einander in der glücklichsten Weise. 1. Aus dem Leben König Karls von Rumänien . Aufzeichnungen eines Augenzeugen. Stuttgart 1894 und 1897. Cottasche Buchhandlung . 8*
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Der ungenannte Verfasser dieses dreibändigen (über 1400 Druck seiten füllenden) biographischen Werkes ist zweifellos in der nächsten Umgebung König Karls zu suchen. Es mufs eine Persönlichkeit sein, die dessen volles Vertrauen geniefst. Nur im vollen Einverständnis mit dem Könige kann der Verfasser diese umfangreichen Aufzeich nungen gemacht und die hier veröffentlichten zahlreichen Briefe hoher und höchster Persönlichkeiten (der fürstlichen Verwandten , der Kaiser Wilhelm, Napoleon , Alexander II ., des deutschen Kronprinzen und sonstiger berühmter Zeitgenossen) eingesehen und benutzt haben. 99Von Jugend auf, durch eine lange Reihe von Jahren, " sagt der Verfasser in der „Einleitung“, „ habe ich die Gestalt König Karls von Rumänien mit beobachtendem Auge verfolgt. Besser als manch anderer Mann kann ich deshalb ein Bild dieses Mannes entwerfen, welcher der Staaten gruppe Europas ein neues Glied zugeführt und die Grenze des west lichen Kulturbereiches nach Osten verschoben hat." Eine stylgerechte Biographie sind diese Aufzeichnungen nicht ; sie geben in der „Einleitung" über den Lebensgang König Karls bis zur Thronbesteigung nur Weniges in dem 1. Kapitel „König Karls Jugendjahre ", dem als zweites einleitendes Kapitel ein solches über „ die rumänischen Dinge vom Erwachen des nationalen Geistes in den Donaufürstentümern bis zur Thronbesteigung des Fürsten Karl" bei gefügt ist . Der übrige Teil des 1. Bandes , den ein Porträt des Königs schmückt, umfafst die Zeit von der Wahl des Prinzen Karl von Hohenzollern zum Fürsten von Rumänien im März 1866 bis zur Reise nach der Krim im September 1869. Der 2. Band begreift in sich die dann folgenden Jahre bis zum Schlufs des Jahres 1875 , der 3. die Zeit des russisch-türkischen Krieges bis zum Frieden von San Stefano . Mit dem Jahre 1878 schliefst das Werk folglich ab. Alle in diesen 12jährigen Zeitraum fallenden Ereignisse werden in tagebuchartiger Form hier auf das Genaueste registriert. Besonderen Wert erhalten diese „ Aufzeichnungen " aber durch die wortgetreue Wiedergabe der schon erwähnten Briefe, ferner aller irgendwie bedeutsamen diplo matischen und militärischen Aktenstücke zur rumänischen Geschichte der Jahre 1866-1878 . Durch diese Briefe und Urkunden, die für die Zeitgeschichte von höchstem Werte sind, gewinnen diese Aufzeich nungen die Bedeutung eines geschichtlichen Quellenwerkes ersten Ranges. Vom militärischen Standpunkte ist der den russisch -türkischen Krieg behandelnde 3. Band der wichtigste. König Karl hat an diesem Kriege, an der Spitze seines Heeres, bekanntlich den erfolgreichsten und ruhmreichsten Anteil ; es ist also Selbsterlebtes, über das hier berichtet wird. Ich möchte diesen, 562 Seiten füllenden Band wenn nicht eine Geschichte dieses Krieges , so doch einen überaus wichtigen und unentbehrlichen Beitrag zu einer solchen nennen , an der zu künftige Historiker unmöglich vorüber gehen können . Zu bedauern
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ist nur, dafs diesem Bande keine Karten beigegeben wurden ; der kriegs geschichtliche Wert desselben würde durch solche erheblich gesteigert 1. worden sein . 4 Das Volk in Waffen. Ein Buch über Heerwesen und Kriegführung unserer Zeit . Von Colmar Freiherr v. d. Goltz . 5. umge arbeitete und verbesserte Auflage . Berlin 1899. R. v. Deckers Verlag. Preis 4 Mk. Das nun in 5. Auflage vorliegende Buch des berühmten Verfassers gehört zu den wenigen militärischen Werken, denen man klassischen" Wert beimessen mufs. Längst schon hat es sich wohl begründeten Weltruf erworben , ist in alle Sprachen übersetzt worden und ist Lehr und Lernbuch für Heerwesen und Kriegführung, weit über die mili tärischen Kreise hinaus geworden. Zu seinem Lobe weiteres sagen, hiefse nur Bekanntes wiederholen . Wir begnügen uns, hier das Er scheinen der 5. Auflage bekannt zu geben . In der Vorrede weist der Herr Verfasser hin auf die hohe Be deutung der Stärke zur See für die Weltherrschaft, bewiesen durch das Beispiel des spanisch-amerikanischen Krieges . Wenn aber Goltz meint, dafs Untersuchungen über die politische und weltgeschichtliche Bedeutung der Seemacht, welche an diesen Krieg anknüpfen, hätten fortbleiben müssen, da sie das zu überschauende Gebiet allzusehr er weitert hätten, so können wir diese Entsagung nur aufrichtig bedauern. Es wäre in höchstem Grade interessant, das Urteil eines so begabten, scharfsinnigen Kritikers, wie Goltz es ist, über diese epochemachenden Ereignisse zu vernehmen . Hoffentlich bleibt er uns dasselbe in einer 4. zukünftigen Auflage nicht schuldig. Gefecht und Kampf. Ein Beitrag zur Frage der Schlachtentaktik. Von Grapow. Hauptmann und Kompagniechef im 6. Pommer schen Infanterie-Regiment Nr. 49. Mit zwei Anlagen in Steindruck. Berlin 1898. E. S. Mittler & S. Preis 3,50 Mk. Verfasser des Vorstehenden tritt hierdurch mit einer Neuerung in die Welt, indem er eine Unterscheidung zwischen Gefecht und Kampf macht, eine Unterscheidung , welche trotz ihrer zuerst an scheinenden Spitzfindigkeit bei näherer Beschäftigung mit dieser Schrift sich doch als so treffend und unabweisbar aufdrängt, dafs die von ihm dadurch gekennzeichneten Begriffe wohl verdienen dürften , einen wissenschaftlichen Freibrief zu erlangen . Er stellt nämlich der Ge fechtslehre eine Kampflehre gegenüber und bezeichnet erstere als Lehre vom Gebrauch der verschiedenen Waffengattungen und Kampfarten für Zwecke des Gefechts , die Kampflehre dagegen als Lehre von den seitens der verschiedenen Waffengattungen in den verschiedenen Kampfarten anzuwendenden Formen (Verfahren) . Den Führer eines selbständigen , noch so kleinen Heeresteils bezeichnet er sonach als Gefechtsleitenden , seine Gefechtsunterführer aber als Kampf Sache des Ge leitende auch gegenüber ihren Kampfunterführern .
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fechtsführers würde es daher sein, in seinem Gefechtsbefehl seinen Unterführern bestimmte Aufgaben zuzuweisen, in deren nicht zu über schreitenden Rahmen ihnen die freie Verfügung zur Erteilung ihrer Kampfbefehle zusteht . - In diesem Sinne werden Angriffsgefecht und Angriffskampf, Gefechtsgliederung und Kampfgliederung, Gefechtsfront und Kampffront, Gefechts- und Kampfmittel etc. unterschieden. Wenn im übrigen die in streng-logischer Schlufsfolgerung klare, wenn auch etwas ermüdende Besprechung aller nur denkbarer Formen und Stadien des Gefechts einem erfahrneren Taktiker auch formell nicht viel neues bringt, so eröffnet sie doch durch die konsequente Durchführung obiger Unterscheidung erheblich neue Gesichtspunkte , welche durch die Einfügung eines praktischen Beispiels und zweier Karten eine nähere Erläuterung finden . Hiernach läfst es sich nicht leugnen, in wie hohem Maſse die anscheinend rein theoretische Unter scheidung zwischen Gefechts- und Kampfbegriff geeignet ist, Klarheit für unser Handeln als Truppenführer zu schaffen und ein sehr will kommenes Mittel bietet, um über so manche Unsicherheiten hinweg zuhelfen, die in der Armee, speziell seit Einführung des jetzigen Reglements bezüglich aller Fragen über Befehlserteilung resp. Selbst ständigkeit der Truppen-Unterführer entstanden sind und noch bis auf den heutigen Tag eine absolute Klärung nicht erfahren haben ! Ein augenscheinlicher Anhänger Scherffscher Lehren stimmt Ver fasser auch mit Schlichting, Boguslawski und Meckel bezüglich der Tiefengliederung des Infanteriekampfangriffs , den er am eingehendsten behandelt, überein , doch setzt er sich mit ersterem dahin in Wider spruch, dafs er einen Infanterieangriff auch über freie Ebene , bei Tage ohne Erschütterung des Feindes durch Artilleriefeuer für ausführbar hält, während General von Schlichting ihn einfach verbieten will ! Nun, bei Gott ist kein Ding unmöglich ! - Doch erscheint uns die Anforderung des Verfassers etwas kühn und zu gewagt, wenn er (Seite 18) die 3- oder 4 fache Überlegenheit des Angreifers und 7 Mann in der Tiefengliederung auf einen Schritt der Frontbreite des Frontal angriffs fordert, um gegen 2 Mann des Verteidigers mit überlegenen Kräften in die feindliche Stellung einzudringen ! Indem er beim Durch schreiten eines feindlichen Schufsfeldes von 1200 m darauf rechnet, doch noch mit 2 Mann pro Schrittbreite in die feindliche Stellung zu gelangen, setzt er also einen Verlust von 5 auf 7 Mann voraus. Das würden in 35 Minuten etwa 75 % bedeuten, eine Verlust-Ziffer, die wohl schwerlich irgendwo in der Praxis erreicht worden ist, also selbst die ungünstigsten Verhältnisse vorausgesetzt auch als Faktor in einer theoretischen Untersuchung kaum in Ansatz gebracht werden Wenn wir uns indess über diese Frage hinwegsetzen, so können dürfte ! wir doch den übrigen Ausführungen des Verfassers fast ausnahmslos nur freudig zustimmen und heben als besonders bemerkenswert hier noch zwei Sätze aus seiner Schlufsbetrachtung (S. 131 u. 132) hervor, worin es heifst :
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„ Dafs wohl die Gefechtslehre in das Gebiet der freien Lehre , in den Unterricht und in die Litteratur zu verweisen ist, dafs jedoch die Kampflehre ihren Platz in den Exerzierreglements der drei Waffen finden mufs . Wie es bei der Kavallerie und Artillerie schon der Fall ist, mufs auch die Infanterie genaue Vorschriften für die Ausübung der verschiedenen Kampfarten gegen die verschiedenen Waffengattungen in ihrem Reglement vorfinden . Zum wenigsten über die bei jeder Kampfart in Betracht kommenden Grundsätze mufs volle Einigkeit durch die ganze Armee bestehen." Ferner : „ Als wichtigster Teil eines In fanterie-Exerzier-Reglements ergiebt sich sonach die Angriffs- Kampf vorschrift. Eine solche Vorschrift braucht vor der Angabe eines Schemas nicht zu scheuen , sofern nur die für das gewählte Schema mafsgebenden Grundsätze klargelegt werden und kein Zweifel darüber belassen wird, dafs das Schema nicht gegeben ist, um es überall an zuwenden, sondern um nach Umständen davon abzuweichen !" Es bedarf wohl nur vorstehender kurzer Hinweise, um das vor liegende Buch allen strebsamen Militärs als etwas Eigenartiges und höchst Beachtenswertes zu empfehlen ! Möchte die vom Verfasser an gekündigte Fortsetzung, welche anscheinend die hochwichtige Frage der Reglementarisierung des Infanterie-Kampfes behandeln soll, nicht v. M. zu lange auf sich warten lassen ! Der Cäsar-Ariovistsche Kampfplatz, von C. Winkler , Baurat und Konservator der historischen und Kunstdenkmäler des Elsafs . Mit Karten und perspektivischen Ansichten . Zweite vermehrte Auflage. Colmar, J. Waldmeyer. Der gelehrte und ortskundige Professor ist nach sorgfältigem kritischem Studium der Kommentarien Cäsars und auf Grund seiner an Ort und Stelle gemachten Beobachtungen zu der Überzeugung ge kommen , dafs die Schlacht zwischen Cäsar und Ariovist im Jahre 58 n. Chr . in der Gegend zwischen Epfig- Stotzheim und Ittersweiler stattgefunden hat. Im ersten Abschnitt seiner Schrift führt er die bezüglichen Stellen aus den Kommentarien an und erörtert sie in Kürze analytisch . Im zweiten Abschnitt giebt er hierzu technische Erläuterungen und baut darauf die Schlufsfolgerungen , welche zu der oben erwähnten Fest legung des Schlachtfeldes führen . Endlich wird auf Grund neuerer Forschungen, die im letzten Vierteljahr 1898 stattgefunden haben, ein Nachtrag gegeben, der u. a. von unzweifelhaften Spuren eines Lager platzes berichtet. Schliesslich stellt der Verfasser zwei Hypothesen auf: nach der ersten war das Lager Cäsars nordöstlich Epfig, das Ariovists nördlich Ittersweiler ; nach der zweiten das römische Lager bei Hütt Verfasser hält die zweite bühl , das gallische bei Blienschweiler. Annahme für wahrscheinlicher, der Kampf würde sich in diesem Falle im Thale des Scheernetz-Baches abgespielt haben . Die beigefügten Skizzen fördern wesentlich das Verständnis.
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Wer sich für die Ereignisse des Gallischen Krieges interessiert, wird in den geistvollen Ausführungen des Verfassers Anregung und Belehrung finden . Zwei Briefe des bekannten französischen Oberst Stoffel bringen zustimmende Äufserungen dieses Offiziers. P. v. S. Freiherr von Tettau, Hauptmann . Die russische Armee in Einzel schriften . Teil I : Taktik und Reglements . Heft 1 : Das Ge fecht der russischen Infanterie. AufGrund des Exerzierreglements vom Jahre 1897 bearbeitet. Mit Abbildungen im Text. Berlin 1899. Liebel. Preis 2 Mk. Der Name des Verfassers ist auf diesem Gebiete der Militärlitteratur wohlbekannt und mit Recht anerkannt. — Die vorliegende Arbeit soll gewissermassen eine Ergänzung bilden zu den vorhandenen, um fassenden Schilderungen der russischen Armee , wie solche z . B. „Heere und Flotten " bietet. Der Offizier, welcher sich in ein zelne Fragen der russischen Ausbildung und Kampfweise , sei es aus Anlafs der Winterarbeiten oder eigener eingehender Studien halber, vertiefen will, soll in den v. Tettauschen Einzelschriften das genügende Material finden . Hierzu kommt, daſs , wenn auch in unserem Offizierkorps in neuerer Zeit die Erlernung der russischen Sprache sehr gefördert ist, die Beschaffung der russischen Vorschriften im Original auch dem das Russische beherrschenden Offizier oft sehr schwer, zuweilen ganz unmöglich ist. Teil I wird nur die Taktik und die Reglements behandeln ; und zwar werden die einzelnen Hefte bringen aufser dem Gefecht der Infanterie die Kavallerie- Reglements vom Jahre 1896, die Gefechts- und Schiefsvorschriften der Artillerie, welche be kanntlich teils in der Umarbeitung, teils im Erscheinen begriffen sind, die Verordnungen über den Felddienst und die allgemeinen Vorschriften über Ausbildung und Dienstbetrieb. - Da jedes Heft für sich abge schlossen und käuflich ist, wird es dem Offizier möglich , sich für den jedesmaligen Zweck die betreffenden Quellen ohne Schwierigkeiten zu verschaffen. - Die Absicht des Herrn von Tettau ist es, falls sein Plan Anerkennung in den mafsgebenden Kreisen findet, in einem 2. Teil die Organisation, die Wehrpflicht, Ausrüstung, Bekleidung und Bewaffnung u . s. w. schildern . Wir können dem Verfasser für seine treffliche Arbeit nur unsere besondere Anerkennung aussprechen . Zu wünschen wäre es, dafs er der Anführung einiger russischer mili tärischer Wendungen zur Erläuterung der deutschen Bezeichnungen 17. in Zukunft noch einen gröfseren Umfang gebe. Gesammelte Briefe eines alten Offiziers an seinen Sohn .
Eine Dar
legung der Berufs- und Standespflichten unter Zugrundelegung der Kriegsartikel und der Verordnung über die Ehrengerichte vom 2. Mai 1874 nebst den ergänzenden Bestimmungen vom 1. Januar 1897. Ein Wegweiser zu strenger Selbstzucht und Selbsterziehung. Von S. K. Berlin . Richard Schröder (E. Döring) . 1898. 5 bezw. 6 Mk.
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Ein treffliches, im altpreufsischen Sinne geschriebenes Buch , das in keiner Offizier-Bibliothek fehlen sollte und welches sich eignet, von den Eltern dem in die Armee tretenden Sohne auf seinen Weg mitVon christlich-ritterlicher Gesinnung getragen; gegeben zu werden. enthält es goldene Worte. — Wir können uns hier nur auf weniges beschränken . Voll und ganz stimmen wir dem Verfasser bei , wenn er z. B. auf die Gefahren hinweist, welche dem Offizierkorps drohen, wenn es nicht das heute sich immer breiter machende Geldprotzentum in jeder Gestalt von sich zurückhält, und sei es auch nur in der Gestalt der „ Geldehen “ . Denn gerade diese nicht durch Erziehung und Sitte oder weibliche Anmut des Offiziers würdigen Weiber vergiften in erster Linie den bescheidenen , ritterlichen Sinn und den guten Ton des Offizierkorps . Zum Verbrecher an seinem Offizierkorps wird aber geradezu der Vorgesetzte, welcher „ der Repräsentation " wegen, oft nur der eigenen, die Augen verschliefst vor solchen und ähnlichen Auswüchsen . Ebenso treffend schildert er die wahre Kameradschaft, die sittlich-religiösen Grundlagen, welche allein den Offizier in den schwierigsten Lagen des Lebens aufrecht erhalten können, die Pflichten gegen die Untergebenen und alle die hohen Der Aufgaben, welche unser Stand seinen Mitgliedern auferlegt. Ton der Briefe ist natürlich nicht nur weit entfernt vom Standpunkte des moralisierenden Predigers, sondern gekleidet in die warmen Worte eines treusorgenden , die Lehren des eigenen Lebens übermittelnden 17. Vaters.
Lose Blätter aus dem Notizbuch eines Infanteristen. Bock von Wülfingen , Generalmajor z. D. H. Lindemann. Preis 75 Pf.
Von Ernst
Hannover 1899.
Diese Aufzeichnungen eines alten Offiziers sind in der Hauptsache ein auf praktischen Erfahrungen beruhender Kommentar zum Reglement. Die 11 „Blätter" behandeln folgende Themata : Die Stellung, das Rühren, der Marsch, Griffe mit dem Gewehr, der Schütze, das Rekruten-Lehrpersonal, der Zug, die Kompagnie, das Bataillon, das Regiment und allgemeines über den Dienstbetrieb, die Parade . Es sind zum gröfsten Teile alte Wahrheiten aus dem Wesen des Frontdienstes, die hier geboten werden, doch aber den Neulingen in der betreffenden Dienststellung von Wert sein werden ; solchen sei das durchaus zweckmäfsige und handliche Büchelchen bestens empfohlen . 4. Der bayerische Soldat im Felde. 2. vermehrte Auflage. Im Auftrage des k. Kriegsministeriums bearbeitet vom Kriegsarchiv. Als Mannschaftslesebuch herausgegeben vom Kriegsministerium München 1898. Im Auftrage und mit Unterstützung des Königs Maximilian II. von Bayern hat im Jahre 1853 der damalige Oberleutnant Johann Heil-
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mann¹) unter dem obigen Titel ein Mannschaftslesebuch verfasst, das die wackersten Einzelthaten aus den Kriegsjahren 1805 bis 1815 schilderte. Das Büchlein war bei der Mannschaft sehr beliebt, ist heute aber vergriffen . „ Dieser Umstand, die neuestens erfolgte Er richtung von Mannschaftsbibliotheken und die 25jährige Erinnerungs feier an die ruhmvollen Leistungen im deutsch-französischen Krieg sind die Ursachen gewesen , welche das Kriegsministerium veranlaſsten , das Kriegsarchiv zu beauftragen, Heilmanns Buch neu zu bearbeiten und zwar unter Einbeziehung der Feldzugsjahre 1793-1801 , 1849, 1866 und 1870/71 , so dafs nunmehr die bayerische Soldaten geschichte aus einem vollen Jahrhundert nach Mafsgabe der ver liehenen Auszeichnungen vorliegt.“ Ein längeres " Vorwort" spricht den Wunsch aus , dafs das Buch nicht nur den jungen Soldaten zusagen möge, sondern auch den „älteren Standesgenossen mit entwickeltem militärischen Sinne", d . h. den Offizieren. Dies wird sicher der Fall sein ; denn das Buch ist, auch was die ergänzten Zeiträume betrifft, nach Heilmanns Muster flott und anregend geschrieben . Die Liebe zur bayerischen Kriegsgeschichte wird durch dieses Buch gewifs allseitig gefördert. ―――― Ich kann nur nicht beistimmen, dafs der Humor grundsätzlich ausgeschlossen wurde , weil, wie das Vorwort sagt , der Gegenstand zu ernst sei. Meiner Ansicht nach sollte ein Mannschaftslesebuch dieser Würze nicht ent behren ; denn es giebt thatsächlich einen Soldatenhumor, welcher der schriftlichen Überlieferung wert ist und einen grofsen erzieherischen Wert hat. Das 1. Bändchen führt in 7 Abschnitten die Kriegsperiode von 1792-1815 vor, jeder Abschnitt ist mit einem kurzen Abrisse der Kriegsgeschichte eingeleitet ; es enthält 394 Einzelnummern, davon entfallen 117 auf das Feldzugsjahr 1809. Jeder Absatz hat eine treffende Überschrift, z . B .: Freiwillige vor ! Ein treuer Kamerad u. s. w. Es sind übrigens nicht nur hübsche Thaten von Unter offizieren und Soldaten aufgeführt, sondern es laufen dazwischen auch, besonders zahlreich in den noch von Heilmann bearbeiteten Ab schnitten, kurze Schilderungen hervorragender von Offizieren ausge führter Waffenthaten oder auch für den Soldaten fafsliche Gefechts berichte. Das 2. Bändchen enthält 135 Absätze und behandelt die Jahre 1849 und 1866.
Das 3. Bändchen, 1870-71 , soll demnächst folgen.
Schon jetzt dürfen wir sagen, daſs das rührige bayerische Kriegs archiv mit dieser Arbeit einen guten Griff gethan hat . Die bayerische Armee wird diese Gabe dankbar annehmen und der Erfolg wird nicht 47. ermangeln.
1 ) Derselbe war auch ein eifriger Mitarbeiter der Jahrbücher und starb 6. November 1888 als Generalleutnant z. D. in München .
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Die Militärstrafgerichtsordnung für das Deutsche Reich nebst dem Einführungsgesetze etc. Wortlaut der Gesetze nebst Anmerkungen, bearbeitet von H. Brogsitter , Landrichter. Düsseldorf 1899. L. Schwann . Preis 2 Mk. Das vorliegende Werk ist die Nr. 7 der Schwannschen Hand Ausgaben deutscher und preufsischer Gesetze . Es enthält ebenfalls das Gesetz, betreffend die Dienstvergehen der richterlichen Militär Justizbeamten und die unfreiwillige Versetzung derselben in eine andere Stelle oder in den Ruhestand. Dem Wortlaut der Gesetze sind
"
kurze Bemerkungen beigefügt und Hinweise auf die gleichlautenden oder ähnlichen Bestimmungen der bürgerlichen Strafprozefsordnung. Ein ausführliches Sachregister erleichtert das Nachschlagen. Demselben Zwecke dient ein im Beckschen Verlage (München) erschienenes Werk: Militärstrafgerichtsordnung vom 1. Dezember 1898 nebst dem Einführungsgesetze . Dasselbe hat einen Anhang, enthaltend , das Militärstrafgesetzbuch " vom 20. Juni 1872 und ist lediglich eine Textausgabe mit alphabetischem Sachregister. Beide Handbücher entsprechen vollkommen dem Zwecke und seien hiermit empfohlen . 4. Scheinwerfer und Fernbeleuchtung. Von F. Nerz in Nürnberg.
Mit 36 Abbildungen . Enke.
Stuttgart 1899.
Verlag von Ferdinand
Die Schrift bildet das 10. und 11. Heft der Sammlung elektro technischer Vorträge, herausgegeben von Prof. Dr. Ernst Voit. Das Thema, welches dem Verfasser zugeteilt wurde, ist ein ungemein zeit gemäſses und interessantes . In den Mitteln , um von einem gegebenen Punkte aus entfernte unzugängliche Plätze so zu beleuchten, daſs man einzelne Gegenstände unterscheiden kann, ist man heute schon sehr weit gekommen . Im See- und Festungskrieg sind sie unentbehrlich, sie ragen auch schon in den Bewegungskrieg hinein . Vorliegende Darstellung, in streng wissenschaftlichem Gewande wendet sich vor zugsweise an den Fachmann, aber auch jeder denkende Militär wird in derselben ein willkommenes Mittel erblicken, um sich über diese wichtigen Einrichtungen, welche noch weiterer Vervollkommnung ent gegen gehen, zu belehren . In diesem Sinne empfehlen wir die Ab handlung den Lesern der Jahrbücher. Sie ist reich mit guten Bildern 12. ausgestattet. Uniformenkunde. Lose Blätter zur Geschichte der Entwickelung der militärischen Tracht. Herausgegeben, gezeichnet und mit kurzem Texte versehen von R. Knötel. Bd. IX. Heft 7--10 . Preis jeden Heftes 1,50 Mk. Rathenow 1898. M. Babenzien . Heft 7 : Bayern : Ulanen 1813-22 u . 1865. Kürassiere 1864 . Sardinien : Infanterie. Regt. Nizza. Regt. Sardegna. Regt. Vercelli. Um 1758. - Westfalen : Linien -Infanterie 1812. Heft 8 : England : Schwarzburg Stabs-Kavallerist (Cavalry Staff Corps) 1815 .
124
Umschau in der Militär-Litteratur.
Rudolstadt : Füsilier, Trommler 1848. Füsilier - Bataillon 1866. Preufsen : 2. Leib - Husaren - Regiment 1835. Schweiz : Scharf schützen und Scharfschützen- Offizier 1862. Heft 9 : Schwarzburg Sondershausen : Füsilier-Bataillon 1866. - Hannover: Reitende Artillerie 1840. Österreich - Ungarn : Wiener Bürgermilitär 1848. -Hessen- Kassel : Leib-Dragoner- Regt . 1832-1845 . - England : Linien-Infanterie 1811. Heft 10 : Republik Ragusa : Municipal Soldaten (Soldati panduri municipali). Offizier-Pandur 1780-1806 . Sachsen - Koburg - Gotha : Das Herzoglich Koburg - Gothaische In fanterie-Bataillon bei Eckernförde am 5. April 1849. Dasselbe bei Langensalza am 27. Juni 1866. Braunschweig : Husaren - Regt . 1859.
4. III. Seewesen. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. Heft 2 : Aus den Reiseberichten S. M. Schiffe (hierzu Tafel II). - Vergleichs lotungen S. M. Schiffe mit Lotröhren neuer und alter Konstruktion, mitgeteilt von der Nautischen Abteilung des Reichsmarineamts . Aus den Fragebogen der deutschen Seewarte, betreffend Hafen Sidney. Einige Bemerkungen über Puntarenas und China am Golf von Nicaya und Pitahaya an der Westküste von Costa- Rica, von Kapt. B. Lüders , Schiff India“. Portland, Oregon von Kapt. H. Rickert, Führer der Bark „Palaman . “ Dämmerungsstreifen am 13. September 1898 in Norddeutschland. -- Ein Verfahren zur harmonischen Analyse erd magnetischer Beobachtungen nach einheitlichem Plane, von A. Nippoldt , jun . , Assistent am Meteor. Magnetischen Observatorium zu Potsdam . Einige Beobachtungen über Luftdruckschwankungen an Bord. Segel handbuch des Englischen Kanals. II. Teil , die französische Küste. Die Selbstentzündung von Heu, Steinkohlen und geölten Stoffen . Riouw- und Lingga-Archipel. Logleine aus Aluminiumbronze für Patentlogs. - Die Witterung an der deutschen Küste im Monat Dezember 1898.
1
Marine-Rundschau. Heft 2 : Zum 27. Januar (mit einem Bildnis Sr. Maj . des Kaisers). Die Fahrt S. M. Yacht Hohenzollern " nach
}
dem heiligen Lande, von Leutn . z. S. von Natzmer (mit 11 Abbildungen). Die - Der spanisch-nordamerikanische Krieg und seine Lehren . Verwendung der Elektrizität auf Kriegsschiffen, von Uthemann , Marine baurat (mit 19 Skizzen). Korrektionen der Unter- und Aufsen-Weser, von Baurat H. Bücking (mit 3 Tafeln ) . -— Skizzen vom spanisch- nordameri kanischen Krieg (Kriegsschauplatz Cuba und Portorico) von Korv. Kap. J. (4 Fortsetzung mit 1 Karte). -- Thätigkeit der Marine bei Nieder werfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90 . Eine Flotte der Jetztzeit, von Rudgard Knipling (mit Autorisation des Verfassers über tragen aus dem Englischen durch F. Lavand). Besprechung der Aufsätze des Kapitäns A. T. Mahan in den „ Times" (Abschnitte I, II und III) von M. Galster. Thätigkeit des Fischereikreuzers S. M. S.
I
Umschau in der Militär-Litteratur.
125
Desgl. während November Olga" während des Monats Oktober 1898 . Reflexionen über die Annexion der Philippinen . 1898. ――― „Manfordei" . ――――――― Über die veränderte Weltlage durch den amerikanisch -spanischen Krieg und die Erwerbungen in China. ―――――― Lehren aus dem amerikanisch — Erfindungen . spanischen Krieg für Frankreich. Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens .
Nr. 3: Die Ent
wickelung des technischen Wesens der k. u. k. Kriegs-Marine in den letzten 50 Jahren (Forts.). Die Forschungsfahrt S. M. Schiffes „Pola " im Roten Meere 1897 auf 1898. Erfolgreiches Artilleriefeuer zur Fremde Kriegsmarinen. See (Schlufs). Army and Navy Gazette. Nr. 2036 : Die Flotte der Vereinigten Staaten bei Manila. - Kollision zwischen dem englischen Panzer „ Colling wood" und dem Kreuzer „ Curacoa . “ Weiteres über die französischen Unterseeboote . Sampsons Besuch in Havanna. Nr. 2037 : Irland und die Marine. - Kauffartei-Matrosen und die Marine. Die Überführung der Gebeine des Columbus. ――― Ursache der Kollision zwischen Colling wood" und „Curacoa “. Italienische Schiffsneu bauten. Nr. 2038 : Die Marine-Vorlage. Die beabsichtigte Seeunfall Versicherung. -- Die gröfste bisher gemessene Meerestiefe von dem „Ponguin" mit 9524 m gemessen . - Die amerikanischen Kriegsschiffe auf den Philippinen . ――――― Nr. 2039 : Die Bemannung der Marine. Die neue " Turbinia" bald fertig. ――――― Probefahrten der „ Ariadne- Classe“ . Beabsichtigter Stapellauf eines Panzers „Royal Arthur" zur 1000-Jahr Feier des Bestehens der englischen Marine. Journal of the Royal United Service Institution . Nr. 252 : Titelbild: Das französische Schlachtschiff I. Cl. „ Bouvet" . - Anhang Das „Jane“ zum Bericht des Vorstandes des Navigations - Bureaus. ― Marinekriegsspiel . Die Belagerung und Einnahme von Belle-Isle 1761 . Marine-Nachrichten . Army and Navy Journal. Nr. 1848 : Marine- Personal. Ein richtung Havannas als amerikanische Marinewerft. Der französische Marineetat von 1899, der gröfste bisherige in der neueren Geschichte Frankreichs. - Die französischen Unterseeboote (von Leutn. Darios erfunden) . - Marine, Armee und Marineinfanterie-Gehälter. Stapel lauf der Albany . Der Nicaragua- Kanal . - Die neue Marineliste. Fort von den Philippinen . Dreischrauben-Kriegsschiffe . Die Marine-Personal-Vorlage . Nr. 1849 : Die Marine im Senat. Marine Personal. Das Kriegsgericht über General Cagan. Die Geschichte Indiana". ---- Offizielle Yachten . Nr. 1850 : Marine-Munition der während des Krieges . Die Militärgeographie Europas . ―――― Unsere Kohlenstationen . Die Streitfrage um das schlechte Fleisch. ― Schnellladekanonen und rauchloses Pulver. ――――――――― Röntgenstrahlen im Kriege. Nr. 1851 : Das Fechten bei Manila. Änderungen zur Marine Personal- Vorlage. Ein neues japanisches Schlachtschiff. - Die spanischen Kriegsschiffe . ― Neue Trockendocks.
126
Umschau in der Militär-Litteratur.
Morskoi Sbornik (Russischer Marine- Sammler). (Februar) Nr. 2: Offizieller Teil : Benennung der im Land befindlichen Kriegsschiffe (siehe Aufsatz „Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland) . Nicht offizieller Teil : Die russische Flotte (aus dem Englischen) . - Nelson nach seinen letzten Biographien. - Der spanisch-amerikanische Krieg. Die Zukunft der amerikanischen Flotte. ― Probefahrten des japanischen Panzerschiffes „Yashima “ . Bemerkungen über Hydrographie und Meteo rologie des Stillen Ozeans.
IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher. 1. Geschichte des Feldartillerie-Regiments Prinzregent Luitpold von Bayern (Magdeburgischen ) Nr. 4. Im Auftrage des Regiments zusammengestellt von Rogge , Hauptmann . Mit Abbildungen, Karten und Plänen. Berlin 1898. E. S. Mittler u. S. Preis 10 Mk. 2. Die russische Armee in Einzelschriften. Von Freih . von Tettau , Hauptmann . Teil I : Taktik und Reglements . Heft 1 : Das Gefecht der russischen Infanterie. Auf Grund des Exerzier Reglements vom Jahre 1897 bearbeitet. Mit Abbildungen im Text. Berlin 1899. Liebelsche Buchhandlung. Preis 2 Mk. 3. Die Anstellung im Reichsbankdienst sowie die Berufswahl als Bankbeamter, Versicherungsbeamter, Kaufmann. Bearbeitet und im Selbstverlage herausgegeben von H. Lorenz . Kommissionsverlag : Nahmmachers Verlagsbuchhandlung. Preis 50 Pf. 4. Die Berufswahl der Militär- Anwärter. Ein Ratgeber für Avancierte der Armee und Marine zur Vorbereitung für die Beamten laufbahn. Im Selbstverlage herausgegeben von H. Lorenz. 5. Auflage . 1898. Berlin . Kommissionsverlag. Nahmmachers Verlagsbuchhand lung. Preis 1,25 Mk. 5. Statistik der Sanitätsverhältnisse der Mannschaft des k. und k. Heeres im Jahre 1897. Über Anordnung des k. und k. Reichs Kriegsministeriums bearbeitet und herausgegeben von der III. Sektion des k. und k. technischen Militär-Comité. Wien 1898. K. k. Hof- und Staatsdruckerei. 6. Uniformenkunde. Lose Blätter zur Geschichte der Entwicke lung der militärischen Tracht. Herausgegeben , gezeichnet und mit kurzem Texte versehen von R. Knötel. Band IX . Heft 9 und 10 . Rathenow 1898. M. Babenzien. Preis jeden Heftes 1,50 Mk. 7. Taktische Ausbildung der Sanitäts-Offiziere. Von v. Oven , Major. Teil II . Mit Skizzen im Text und 1 farbigen Signaturentafel. Berlin 1899. R. Eisenschmidt. Preis 1,50 Mk. 8. Der Infanterie-Unteroffizier im innern und im Garnison Dienst als Merkbuch für das Gedächtnis von Spohn , Major. Berlin 1899. R. Eisenschmidt. Preis 1 Mk.
9. Der kleine Krieg und der Etappendienst. Von Georg Cardi nal von Widdern , kgl. preuſs. Oberst a . D. Teil I-III . 2. Auflage
Umschau in der Militär-Litteratur. völlig neu bearbeitet und erweitert. Preis 8,40 Mk.
Berlin 1899.
127 R. Eisenschmidt.
10. Der Krieg um Cuba im Sommer 1898. Nach zuverlässigen Quellen dargestellt von M. Plüddemann , Kontre-Admiral z. D. Mit zahlreichen Abbildungen . Zweite Lieferung. Berlin 1899. E. S. Mittler u. S. Preis 3,40 Mk. 11. Aide-Mémoire de l'officier de marine de Ed. Durassier, continué par Ch . Valentino . 12. année . 1899. Paris . H. CharlesLavauzelle. Preis 5 Frcs. 12. Dienstalters-Liste des rofsärztlichen Personals der deutschen Armee. Nach amtlichen Quellen zusammengestellt von Oberrofsarzt König . Sonderabdruck aus : „Zeitschrift für Veterinärkunde." 1898. 12. Heft. Preis 75 Pfg. 13. Fingerzeige für den Rekrutenoffizier der Feldartillerie.. Von Carp , Major. Dritte, auf Grund der neuesten Dienstvorschriften bearbeitete und vermehrte Auflage. Berlin 1899. E. S. Mittler u . S. Preis 1 Mk. 14. Handbuch für die Einjährig- Freiwilligen sowie für die Reserve- und Landwehr- Offiziere der Feldartillerie. Bearbeitet von Wernigk , Hauptmann . Sechste, neu bearbeitete Auflage. Mit zahl-. reichen Abbildungen. Berlin 1899. E. S. Mittler u . S. Preis 5,40 Mk.. 15. Russisches Übungsbuch . Im Anschlufs an seine „Russische Sprachlehre" zusammengestellt von A. Fischer , Professor. Zweites Heft. Berlin 1898. E. S. Mittler u. S. Preis 40 Pf. 16. Anleitung zur technischen Ausbildung der Rekruten der königl. preufsischen Eisenbahnbrigade. (A. Rk.) . Berlin 1898. E. S.. Mittler u. S. Preis 1,60 Mk.
17. Grundsätze für die Leitung des Festungskriegsspieles mit Beispielen nach der Kriegsgeschichte von Kunde , Oberst z . D. Berlin .. 1899. E. S. Mittler u. S. Preis 4 Mk. 18. Geschichte des Westfälischen Fufsartillerie-Regiments Nr. 7.. Auf dienstliche Veranlassung bearbeitet von Lindenborn , Premier-. leutnant. Aufgestellt im Jahre 1898. Köln 1898. Schmitzsche Buchhandlung. 19. Beiträge zur Geschichte der k. und k. Genie-Waffe . Nach den vom k. und k. Obersten des Genie- Stabes H. Blasek hinterlassenen Manuskripten und Vorarbeiten im Auftrage des k. und k. Reichs-Kriegs-. Ministeriums zusammengestellt und bearbeitet durch Franz Rieger,. k. und k. Oberst. I. Teil. Mit 13 Plänen. Wien 1898. In Kommis- . sion bei L. W. Seidel. 20. Schiefsübungen der Feldartillerie. Frauenfeld 1899. J. Huber. Preis 65 Pf.
Von Major Habicht.
21. Beitrag zur Frage der allgemeinen Abrüstung und des internationalen Schiedsgerichtes von W. Kiparski , vereid. Rechts-anwalt. Berlin 1899. Puttkammer u . Mühlbrecht. Preis 80 Pf.
128
Umschau in der Militär-Litteratur.
22. Direktorium, Konsulat und Kaiserreich. 1795-1815 . Von Paul Lacroix. Übertragen von O. Marschall von Bieberstein . Anhang : „Napoleon in der Karikatur. “ 15. bis 20. Lieferung . Leipzig 1898. H. Schmidt u . C. Günther. Preis jeder Lieferung 60 Pf. Bearbeitet von 23. Justus Perthes' deutscher Armee- Atlas. P. Langhans. Mit Begleitworten von Major a. D. Th . Toegel. Gotha. J. Perthes. Preis geb. 1 Mk. 24. La Guerre Hispano-Américaine de 1898. Par le capitaine Ch . Bride. Paris 1899. Librairie militaire R. Chapelot u. Co. Preis 5 Frcs. 25. Sanitäts- Bericht über die königlich bayerische Armee für die Zeit vom 1. April 1894 bis 30. September 1896. Bearbeitet von der Medizinal-Abteilung des königl. bayerischen Kriegsministeriums . Mit 3 graphischen Darstellungen , 1 Abbildung und 3 Lageplänen. München 1898. Gedruckt im kgl. bayerischen Kriegsministerium . 26. Der Krieg. Von Johann von Bloch. Übersetzung des russi schen Werkes des Autors : Der zukünftige Krieg in seiner technischen, volkswirtschaftlichen und politischen Bedeutung. Band I , III und VI. Berlin 1899. Puttkammer u. Mühlbrecht. 27. Die Wahrheit über die Schlacht von Vionville-Mars la Tour auf dem linken Flügel von Fritz Hoenig . Mit 1 Übersichtskarte, 5 Plänen und 4 Skizzen . Berlin 1899. Militär- Verlag R. Felix . Preis 5 M, 28. Beschreibung des Telemeters Paschwitz. Druck von M. Wasner, Regensburg.
Druck von A. W. Hayn's Erben , Berlin und Potsdam.
XI . Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes . (Vorträge, gehalten in der Versammlung der Generalstabsoffiziere des Militärbezirks Warschau . ) Von
Oberstleutnant Borissow , Chef des Stabes der Festung Iwangorod. (Fortsetzung.) In Bezug auf die Thätigkeit des Chefs des Generalstabes bei Abfassung des Kriegsplanes haben wir schon 2 Unterabteilungen betrachtet, nämlich: 1. in Bezug auf Festlegung der politischen Grundlage, auf welcher der Kriegsplan basiert ; 2. in Bezug auf die Bearbeitung der allgemeinen Idee. Jetzt gehen wir zu der Betrachtung der abteilungen dieser Arbeit über. 3. Bearbeitung der allgemeinen Aufmarsches der Armeen ;
übrigen
Grundlagen
des
9
Unter
Planes
des
4. In Einklang bringen der für die Mobilmachung der Armee , die Vorbereitung der Eisenbahnen und den Transport der Truppen nötigen Zeit ; 5. In Einklang bringen des Zeitpunktes der Erklärung Krieges mit der Mobilmachung ; 6. Aufstellung des Mobilmachungsplanes ;
des
7. Bearbeitung der Truppentransporte ; 8. Bearbeitung des Entladens und Aufmarsches ; 9. Bearbeitung deren Deckung ; 10. Bearbeitung des allgemeinen Zwecks der Mobilmachung ; 11. Bearbeitung der Operationen nach beendetem Aufmarsch. Alles dies zusammen bildet den Kriegsplan . 3. Die Bearbeitung der allgemeinen Grundlagen des Planes des Aufmarsches der Armee besteht aus der genauen Feststellung der Aufmarschlinie,
der Bestimmung
der Sammelpunkte der Korps
an dieser Linie , der Bestimmung der Ausschiffungspunkte, der Reihen folge der Truppentransporte und der Zusammensetzung der Armeen. 9 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 111. 2.
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
130
Moltke hat den Aufmarsch der Armee in folgenden 6 ver schiedenen Arten bearbeitet :
a) Am Rhein marschieren 8 Armeekorps in 2 Gruppen zu je 4 Korps auf, eine bei Düsseldorf, die andere bei Mainz , die übrigen 2 Korps bilden eine Reservearmee bei Halle -Weifsenfels . Dieser durch aus passive Aufmarschplan ist im Jahre 1858 , zu Beginn der Thätig keit Moltkes abgefaist . b) Schon 1860 geht Moltke zu einer aktiveren Anschauung über : das VII. Armeekorps sammelt sich bei Aachen, das VIII. bei Trier, das IV. marschiert über Köln nach Euskirchen das III ., V. , VI. G. I. und II. Korps versammeln sich bei Mainz und Frankfurt. Wenn die Franzosen nicht durch Belgien marschieren, rücken das IV. und VII. Korps nach Trier und die Armee marschiert in der Linie Trier Mainz auf.
Da die Mobilmachung und der Transport von 4 Armee
korps die ersten 4 Wochen in Anspruch nimmt (im Jahre 1863 auf 4 Eisenbahnlinien ), so ist noch Zeit, die Marschrichtungen der übrigen Korps zu bestimmen. ' ) c ) Die Lage Berlins nahe der österreichischen ( sächsischen ) Grenze, die weite Entfernung der zu derselben führenden Eisen bahnen von einander, der Wunsch,
so
schnell wie
möglich Streit
kräfte zur Deckung Berlins und zur Verteidigung Schlesiens aufzu stellen und daraus folgend das Bestreben, bahnen auszunutzen, alles
dieses nötigte
die vorhandenen Eisen Moltke
im Jahre
1866,
zuerst die Korps an den Endpunkten der Eisenbahnen auszuschiffen, wodurch dieselben in der ersten Zeit längs der ganzen Grenze zer streut waren, und sie sammenzuziehen .
dann
erst per Fulsmarsch in Gruppen zu
Somit befanden sich die Ausschiffungspunkte in der Linie Zeitz Cottbus-Neifse, während der strategische Aufmarsch der Armee im Falle der Defensive durch einen Marsch auf Bautzen, im Falle der Offensive durch einen Vormarsch auf Jung-Bunzlau stattfinden sollte. Die getrennte Aufstellung der Armee nach der Ausschiffung wurde also durch ein Zusammenziehen nach vorwärts wieder gut gemacht.2) Diese Art des Aufmarsches ist ein Resultat der defen siven militärischen Politik. d) In der Denkschrift vom Jahre 18683) nimmt Moltke den Auf marsch des rechten Flügels, VII. und VIII . Korps bei Wittlich, den der Hauptarmee : III., IV. , X. und G.-Korps bei Neunkirchen und Homburg, den
des linken Flügels ,
1 , Korrespondenz 1870, S. 56. 2) Korrespondenz 1866, S. 187 . 3) Ebenda 1870 , S. 98.
V. und XI. Korps
bei
Landau
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
131
(wo die Bayern standen), den der Reserve-Armee : IX., XII. , I., II . und VI. Korps vorwärts Mainz an. Diese Streitkräfte werden über Köln
und Mainz herangeführt.
Dieser Aufmarsch entspricht der
Aufstellung der französischen Armee in Linie Metz- Strafsburg. Wenn aber die Franzosen aus der Linie Lille-Mézières durch Belgien auf Aachen und Köln marschieren , erreichen sie Aachen zu derselben Zeit,
wie
die aus der Linie Wittlich-Landau über Luxemburg und
Pont à Mousson vorgehende deutsche Armee den Argonner Wald. Doch führt eine blofse Bedrohung des befestigten Paris von dort aus kaum zur Entscheidung.
Die deutsche Armee wendet sich besser aus der
Linie Luxemburg-Pont à Mousson gegen Sedan und bedroht von da aus Paris und die rechte Flanke der französischen Armee. Weniger riskant für die deutsche Armee ist es, aus der Aufmarschlinie Wittlich-Landau auf Lüttich den Franzosen entgegen zu gehen. Zu diesem Zweck mufs die Aufmarschlinie Wittlich-Landau gegen die Linie Luxemberg-Trier-Koblenz vertauscht werden und
um dieses
zu bewerkstelligen genügt es , die Transporte teils bei Koblenz ( Köln ) zu unterbrechen, teils von Mainz über Bingen nach Koblenz zu leiten. Infolge
dieser
Anordnung
werden versammelt :
der rechte Flügel
(jetzt Avantgarde ) bei Stadtkyll , die Hauptarmee in der Linie Luxemburg-Trier, der linke Flügel bei Zell (ohne XI. Korps ) , die Reservearmee bei Koblenz. Von hier aus schliefsen die Truppen enger zusammen zur Linie Malmédy - Montjoie zum Vormarsch auf Lüttich. Dieses ist ein vorzügliches Beispiel eines Aufmarsches nach zwei Fronten ; doch kann man gleichzeitig versichert sein, dafs Napoleon I. es vorgezogen haben würde, auf Sedan zu marschieren und die französische Armee zur Schlacht mit dem Rücken nach der Nordsee zu zwingen . e ) In der letzten Denkschrift (vor dem Kriege 1870) bezeichnet Moltke ' ) als Aufmarschlinie die Linie Wittlich-Neunkirchen- HomburgLandau-Rastatt,
mit Avantgarden
Saarbrücken und am Klingbach. Armeen am
bei Trier , Schweich, In
19. Mobilmachungstage
Die Franzosen können
am
Saarlouis,
dieser Linie marschieren die ( die III. Armee
am 16. )
auf.
fünften Tage bei Metz 150 000 Mann
vereinigen und am achten Tage die Grenze überschreiten. In diesem Falle weicht die II. Armee aus der Linie Neunkirchen-Homburg auf Mainz zurück und am 14. Mobilmachungstage liefern 200 000 Deutsche eine Schlacht in einer Stellung bei Marnheim. Diese
Bearbeitung
des
Aufmarsches
der Armee
zeigt ,
1) Korrespondenz 1870 , S. 114.
9*
dafs
132
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes.
Moltke es für das beste hielt, möglichst nahe am Feind aufzu marschieren und im Notfalle auszuweichen. Thatsächlich wurde der Krieg (die Mobilmachung) 1870 in der Nacht vom 15. auf 16. Juli erklärt und der Aufmarsch der II. Armee in der Linie Neunkirchen Homburg befohlen . Ausschiffung
Am 23. Juli erhielt
die II. Armee Befehl, ihre
am Rhein zu bewerkstelligen und kriegsmäfsig vorzu
marschieren ; jedoch wurden nach Mafsgabe des Vorschreitens der Truppen auch die Ausschiffungspunkte vorverlegt. ) Im allgemeinen ist der Aufmarsch im Jahre 1870 besser zu beurteilen wie der vom Jahre 1866 . f) Im Falle eines gleichzeitigen Krieges mit Frankreich und Österreich stellte Moltke die Hauptkräfte gegen Frankreich auf ( 10) preufsische Korps, Badenser und Württemberger), gegen Österreich das I. und II. Armeekorps , die 1. und 3. Landwehr- und die 2. Kavallerie- Division , in Summa 83000 Mann bei Dresden, das VI . Armee korps
und
die 1. Kavallerie-Division 30000 Mann bei Görlitz und
liefs alle diese Truppen ( 113 000 Mann) in der starken Linie Stolpen Bautzen zusammenschliefsen mit der Absicht, sich auf den aus dem Lausitzer Gebirge vormarschierenden Gegner zu stürzen.2) Die Bayern ( 60000 Mann ) sollten am Inn aufmarschieren. Zur Bedrohung Österreichs wurden das I. , II . und VI. Korps bestimmt, da man auf sie in der ersten Zeit noch nicht rechnen und sie der gegen Frankreich bestimmten Armee noch nicht zuteilen konnte.
Denn unter den damaligen Verhältnissen" ) wären die Eisen
bahnen bis zum 21. Mobilmachungstage mit dem Transport der andern Armeekorps beschäftigt gewesen . ) Nach einer abschliefsen den Rechnung konnte Deutschland einschliefslich der Bayern, der Garde- und 2. Landwehr-Division , über 200000 Mann gegen Österreich aufstellen. Bei der Kriegserklärung im Jahre 1870 hielten sich die ge nannten Korps sowohl gegen Frankreich, wie gegen Österreich bereit. Das I. und II . Korps wurde nach Berlin herangezogen, das VI. nach Görlitz und Breslau, die 1. und 3. Landwehr-Division in Schneide mühl, Magdeburg, bahn echeloniert.
Stettin , Glogau, Posen und Tilsit an der Eisen
Nach den angeführten Fällen des nach Moltkes Plänen voll zogenen Aufmarsches der Armee müssen wir uns mit dem dritten Fall beschäftigen ( Krieg 1866 ) , 1) 2) 3) 4)
in welchem
Korrespondenz 1870, S. 182. Ebenda, S. 119. In den Jahren 1868 und 1869. Generalstabswerk 1870.
der Wunsch die vor
6
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
133
handenen Eisenbahnen auszunutzen, um die Versammlung der Armee an der Grenze zu beschleunigen, dazu zwang, auf alle Ausschiffungspunkte
zu
verteilen
die Armee anfangs
und sie dann erst durch
Fufsmärsche in strategische Gruppen zu vereinigen.
Eine derartige
Anordnung setzte Moltke bei den Franzosen voraus, welche die Aus schiffung nach der Anlage ihres Eisenbahnnetzes bei Metz und Strafsburg in zwei durch die Vogesen getrennten Gruppen vornehmen und von da mit Fulsmarsch die Aufmarschlinie erreichen mussten.¹ ) Moltke sagt, ) dafs die gegen Frankreich aufgestellten Streit kräfte nur in mehreren Armeen geteilt operieren können . Die Stärke einer jeden dieser Armeen mufs der ihr gestellten Aufgabe entsprechen. Die Verteilung der einzelnen Korps auf die Armeen hängt von der Schnelligkeit ihres Eintreffens an den Sammelpunkten ab. Aus diesem Grunde kann die einmal vorgenommene Teilung einer grofsen Armee in kleine und die Zuteilung der einzelnen Korps zu denselben nicht ohne einschneidende Störung der genannten Grundlagen geändert werden. Aus der Praxis Moltkes kann man folgende Schlüsse Armeen ziehen :
auf die Verteilung der
einzelnen Korps auf die
a) Ein Armeekorps wird der Armee zugeteilt, welche es am leichtesten erreichen kann ( das III. Korps 1858 nach Düsseldorf),³) b) oder welche
an dem Punkte aufmarschiert, an welchen es
voraussichtlich vor der allgemeinen Mobilmachung zur Verstärkung der Grenztruppen vorgeschoben werden muſs . c) Ein Armeekorps kann je nach seiner geographischen Lage der einen oder der anderen Armee zugeteilt werden ( auch III. Korps im Jahre 1858 ) . d) Im Jahre 1866 wurde das Gardekorps samen Mobilmachung, in die 2. Linie gestellt. *) e) Infolge des Mangels an Eisenbahnlinien
infolge seiner lang
bildeten im Jahre
1870 das I. , II . und VI. Armeekorps die Reservearmee und wurden als die östlichsten Korps später abtransportiert ( vgl. Punkt c). f) Aus politischen Gründen wurde das sächsische XII. Korps im Jahre 1870 von Dresden an die französische Grenze transportiert, 5) obgleich die Deckung Dresdens, wenn auch nur durch eine Division, unbedingt nötig war.
Möglicherweise
sprach hier bei Moltke
die
1 ) Korrespondenz 1870, Seite 86 und 123, G. Martynow, „ Strategie zur Zeit Napoleons." St. Petersburg 1894 S. 34. 2) Ebenda 1870 , S. 125 und Generalstabswerk 1870 , S. 52. $) Korrespondenz 1870, S. 14 . 4) Ebenda 1866 , S. 109 . 5) Ebenda 1870, S. 109 und 117.
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes.
134
Erinnerung an die Teilnahme der Sachsen österreichischen Armee im Jahre 1866 mit.
in
den
Reihen
der
Als Schlufs der Betrachtung der Bearbeitung der allgemeinen Grundlagen des Aufmarsches führen wir noch einige Besonderheiten in der Organisation der Armee 1866 und 1870 an. 1866
stellte
Moltke
3 Armeen
auf: die Elbarmee,
14. Division und dem VIII. Korps, die I. Armee
aus
der
aus dem III. und
IV. Korps und die II. Armee aus dem V. und VI. Korps bestehend. Die Korpskommandos des III . und IV. Korps wurden aufgelöst und die 4 Divisionen dem Oberkommando der I. Armee unmittelbar unterstellt.¹ ) In den Denkschriften
über einen Krieg
Moltke die Bildung von 4 Armeen vor,
mit Frankreich sieht
welche im Jahre 1870 fol
gendermassen aufgestellt werden : auf dem rechten Flügel die I. Armee, im Centrum die II., auf dem linken Flügel die III., in zweiter Linie hinter der II. die IV. Armee als Reserve.
Er beabsichtigt , wenn die
Franzosen über den Rhein gehen und auf Stuttgart marschieren , die III. Armee in die Linie Pforzheim-Calw (westlich von Stuttgart ) vor zuschieben, die IV. Armee an ihre Stelle rücken und gemeinsam mit der I. und II . Armee den Vormarsch nach Westen antreten zu lassen.
Dadurch erklärt
aus dem Jahre 18672) II. steht.
sich,
warum nach Moltkes Erwägungen
die IV. Armee
auf dem
linken Flügel der
4. Der Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkte der Mobil machung der Truppen, der Vorbereitung der Eisenbahnen und dem Transport der Truppen besteht darin, daſs die zur Vorbereitung der Eisenbahnen für den Transport grofser Massen nötige Zeit nicht die zur Mobilmachung (Komplettierung) der Truppenteile erforderliche überschreitet, so dafs die Transporte der mobilen Truppenteile an die Grenze unmittelbar auf den Transport der Komplettierungs mannschaften folgen .
Deswegen müssen die Anordnungen für die
Mobilmachung mit denen für den Transport grofser Truppenmassen zusammenfallen . Im Jahre 1866
waren zu der Mobilmachung 9 Tage, zur Vor
bereitung der Eisenbahnen 8-10 Tage, zum Transport eines Korps an die Grenze 9-12 Tage, im ganzen 19-22 Tage erforderlich. Im Jahre 1870
zur
Mobilmachung 8 Tage,
zur
Vorbereitung der
Eisenbahnen 8 Tage, zum Transport eines Korps an die Grenze 312 bis 5 ,2 Tage, zusammen 11 ,-13 , Tage. Im besonderen mufste Moltke 1866 mit einer ganzen Reihe von 1) Korrespondenz 1866, S. 194 und Generalstabswerk 1866, S. 26. 2) Ebenda 1870, S. 70 und 128.
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes.
135
Schwankungen kämpfen und speziell den König darauf aufmerksam machen, dafs es unbedingt nötig sei , im Moment der Mobilmachungs Erklärung Anordnungen für den Transport¹ ) zu treffen, mit anderen Worten, den Mobilmachungsbefehl gleichzeitig mit dem Transport befehl zu erlassen. 5. Der Zusammenhang zwischen der Zeit der Kriegserklärung und dem Erlassen des Mobilmachungsbefehles braucht nur darin zu bestehen, dafs , sobald die Armee bereit ist, die Diplomatie die Er öffnung der Operationen nicht aufhalten darf, wie dieses 1866 mit Moltke der Fall war , wo die Armee am 5. Juni an der Grenze aus geschifft war, die Diplomatie ihr aber erst am 16. Juni die Möglich keit gewährte, die Grenze zu überschreiten.2) 6. Der Mobilmachungsplan, d. h . die Art der Überführung der Truppen auf Kriegsfuſs kann sehr verschieden sein. Die Regimenter können sich an ihren Friedensstandorten aus ihren Rekrutierungs bezirken komplettieren ( Preuſsen) oder aus anderen Gegenden ( Öster reich 1866 )
oder
immobil an die Grenze transportiert werden und
dort ihre Komplettierungs-Mannschaften erhalten (Frankreich 1870). Jede dieser Arten hat ihre Vor- und Nachteile und in Zukunft wird man wahrscheinlich ein gemischtes System anwenden, wie es die Österreicher zum Teil schon 1866 thaten, indem sie nach der 2. und 3. Art handelten und einen Teil der Komplettierungsmannschaften der bei Olmütz versammelten Armee zuführten." )
Moltke
sagt im
April 1866 , * ) dafs bei allen Korps die Mobilmachungs-Tableaus um gearbeitet, die Kriegsbereitschaft beschleunigt wurde. Hierbei wurde die Zahl der für die Mobilmachungs-Arbeiten nötigen Tage verringert, der Zeitpunkt der Bereitschaft nicht mehr nach dem Eintreffen des letzten Reservemanns bestimmt, und die Pferde per Bahn
zu den
Mobilmachungsorten der Truppenteile befördert. Diese Malsregeln wurden getroffen, damit die mobilen Truppenteile nicht auf ihre Ein schiffung zu warten brauchten und andererseits , die Eisenbahnen nicht unbenutzt blieben . 7. Der Transportplan.
Um die Benutzung des Eisenbahnnetzes
Deutschlands in seiner ganzen Ausdehnung zu zeigen, nehmen wir das Jahr 1870 an, in welchem 13 Armeekorps aus Norddeutschland auf folgenden 6 Linien transportiert wurden :
1) Korrespondenz 1866 , S. 154. Generalstabswerk 1870, S. 57 und 58 . Generalstabswerk 1866 , S. 22 und Anlage 2. Korrespondenz 1864 , S. 16 . 2) Korrespondenz 1866, S. 179. 3) Österreichisches Generalstabswerk 1866 , Bd . I, S. 116. Anmkg. 4) Korrespondenz 1866, S. 150.
136
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes.
Linie A. Berlin-Hannover-Köln-Bingen- Neunkirchen . Linie B.
Hamburgmburg -Lehrte-LeipzigLehrte - Leipzig | Ha Halle-Börsum-
KreiensenWetzlar - KoPaderbornblenz -MosbUnnaach.
Linie C. Berlin-Halle- S Nordhausen- Göttingen-KasselCorbetha-Erfurt-Bebra-
Gunters-
hausen-Frankfurt- Darmstadt-Mannheim- Neustadt-
Kaiserslautern- Homburg . Linie D. Dresden -Leipzig-Corbetha-Erfurt- Bebra- Fulda- HanauFrankfurt-Castel. Linie E. Posen-Lissa-Hansdorf- Kohlfurt-Görlitz-Dresden-Leipzig-
Hof-Bamberg-Würzburg- Aschaffenburg-Darmstadt-MainzLudwigshafen-Neustadt- Landau. Linie F. Rheine-Münster-Hamm -Unna-Dortmund-Hagen- Düsseldorf-Neufs-Köln-Düren-Call. Aufser diesen 6 Hauptlinien waren noch 4 Nebenlinien vorhanden, die zum Antransport von Truppen aus den nördlichen Provinzen Preussens zu den Hauptlinien dienten. Linie G. Dirschau-Bromberg-Kreuz -Küstrin. KönigsbergDanzigBerlin. Frankfurt-Görlitz-Dresden (für I. , II. und VI. Korps Linie H.
Linie I.
im Falle eines Krieges mit Osterreich) . Angermünde-Berlin. ་ Stralsund-Pasewalk| Stolp- StettinFlensburg-Neumünster-StettinPasewalk-Kleinen-
LübeckHagenow-
Hamburg .
Linie K. Oldenburg - Breslau- } Liegnitz -Kohlfurt-
Königszelt-Lauban-Kohlfurt. } Görlitz. Zum Transport der süddeutschen Truppen dienten : ¹ ) Linie I.
Passau-Regensburg-Schwandorf-Nürnberg- WürzburgMosbach-Heidelberg-Wiesloch.
Linie II. Lindau- Kempten -Augsburg- Nördlingen- Goldshöfe-Krailsheim - Heilbronn -Meckesheim- Neckargemünd . Linie III . Passau- Straubing-München- Augsburg- Ulm - StuttgartMühlacker- Karlsruhe. Bruchsal.
Von den genannten Linien hatten die Linie B., D. und F. eine
1) In dem preufsischen Generalstabswerk 1870, S. 57 ist Linie I- III und umgekehrt genannt.
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
137
geringe Transportfähigkeit. Von den 6 nördlichen Hauptlinien führten nur 4 über den Rhein : A., C. , E., F. Die Befördernng der Truppen geschah im Jahre 1870 folgendermafsen : auf Linie A. 99
99
99
..
II. Armeekorps. III., X. und ' /, I., B. ----- 1/2IX . C. IV., G. , XI . und 1/2I. , II. D. ― XII. und Teile des XI.
99 35
"
99
99
E. V., VI. und Teile des XI. F. — VII. (vergl. Tabelle auf Seite 137) .
Schema der 1870 benutzten Eisenbahnlinien.
F VII. II.
X.
I.
III.
Düsseldorf F
A Call Köln
II. I.
IX
G IV.
B XI. Bingen
VIII.
C Mosbach
XII. D
XI.
Mainz Kastel
E XI.
Mannheim
I
V.
VI.
II. Bayr.
Trier Würzburg
Speier Neunkirchen
Heidelberg Meckesheim II
E
I. Bayr. ジンジン
München
Homburg Landau
Germers- Bruchsal Bad . Würt. heim III.
I. Bayr. München
Karlsruhe
Aus einzelnen Angaben kann man den Schlufs ziehen, dafs die Bezeichnung der Linien A. , B. , u. s. w. erst 1869
erfolgt ist,
da
138
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes.
Moltke in seiner Denkschrift 1868 die Linien noch nach den von ihnen berührten Orten nennt.¹ )
Ich bemerke hier gleichzeitig, dafs die im
Jahre 1875 in Deutschland erfolgte Einführung von EisenbahnLinienkommissionen und deren Benennung mit Buchstaben sowie das Übereinstimmen dieser Buchstaben mit denen der obengenannten Linien (z. B. fällt die Linienkommission
A. in
Hannover augen-
scheinlich mit Linie A. zusammen, zu der Annahme berechtigt, dals bis jetzt (wenigstens aber bis 1886) im allgemeinen die obenerwähnte Bezeichnung der Linien beibehalten ist.") Im Jahre 1863 rechnet Moltke , daſs Preufsen zur Versammlung seiner Armee an der französischen Grenze, über 3 zusammenhängende Linien von Osten nach Westen und eine von Norden nach Süden verfügt.
Es ist anzunehmen,
dafs darunter die späteren Linien A.,
B. , D. und C. zusammen (da die Verbindung Nordhausen-Göttingen und Fulda-Hanau noch nicht existierte ) und E. gemeint sind.³) Im Mai 1867 rechnet Moltke auf dieselben 4 Linien wie 1863. besteht aber
auf dem Bau
Nordhausen-Göttingen ,
der
Teilstrecken
Fulda- Hanau ;
Börsum- Halberstadt,
dadurch entsteht
eine fünfte
Linie und somit sind 1870, die fünf Linien A. , B., C., D. und E. (und eine sechste F. ) vorhanden. +) Im Jahre 1868 nimmt Moltke den Transport der ersten Periode (vom
1.
bis
22. Mobilmachungstage ) schon
auf allen
genannten
6 Linien an. Es erhellt daraus , dafs zu dieser Zeit in den preussischen Transportplan die angeführte Teilung des Eisenbahnnetzes schon eingeführt war. )
Der Unterschied zwischen dem
planten und im Jahre folgender :
im April 1868 ge-
1870 wirklich ausgeführten
Transport ist
(Armeekorps und Tag des Eintreffens) 1868 1870 Linie A. III. am 22. III. am 19 . G. am 30.
X. am 19 . 1½ I. am 22 . 1 , II. am 29 .
Linie B.
X. am 22.
1/2 IX. am 20.
Linie C.
IX. am 30. IV . am 22.
IV . am 19.
1) Korrespondenz 1870 , S. 57 , 90 zum Vergleich S. 158 . 2) Pierron, Les méthodes de guerre. Paris 1893, S. 2. -3 . Teil 975. 3) Korrespondenz 1870. 4) Korrespondenz 1870. 5) Ebenda.
Ausgabe I,
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes.
'139
XI. am 13.
I. am 30.
G. am 19 . ¹ , I. am 22. 1 ,2 II. am 29. XII. am 20.
Linie D.
II. am 22. XII. am 30.
Linie E.
V. am 22. XI. am 22.
VI. am 27.
12. A. - Korps
13. A. -Korps
V. am 16 .
(einschl . VII u. VIII .) am 30. Tag.
(einschl. VII. u. VIII .) am 29. Tag .
folglich besteht ein bedeutender Unterschied
nur darin,
dafs 1868
von 13 Armeekorps 8 am 22. Mobilmachungstage an der Grenze stehen und 5 in zweiter Linie folgen, - 1870 aber von ebensovielen Armeekorps 10 am 20. Mobilmachungstage und 3 in zweiter Linie folgen. ' ) Nach Angabe
an der Grenze
stehen
des preufsischen Generalstabes2) wurde es 1870
in Preufsen ermöglicht,
dafs der Transport der mobilen Truppen-
teile unmittelbar auf den Transport der Komplettierungsmannschaften folgte . Die tägliche Zugzahl auf eingleisigen Bahnen betrug 12, auf zweigleisigen 18. Die Zahl der Achsen in den einzelnen Zügen wurde so vermehrt, dafs transportieren konnte.
man
ein Korps in 5 ' , und 3 , Tagen
Die subtilste Inanspruchnahme aller nach dem Kriegsschauplatz führenden Eisenbahnlinien ermöglichte es, dieselben mit allem rollenden Material so auszunutzen, dafs auch nicht eine, wenn auch nur kurze Zeit , unbenutzt blieb. Um dieses zu ermöglichen mufste natürlich jede neu eröffnete Linie unmittelbar nach ihrer Inbetriebsetzung berücksichtigt werden. Dies erforderte eine ununterbrochene Umarbeitung der für jeden einzelnen Truppenteil im Frieden aufgestellten Fahrtdisposition. Diese Arbeit wurde dadurch noch komplizierter, dafs jede Beschleunigung in der Mobilmachung der einzelnen Truppenteile unbedingt die Aufstellung eines neuen Fahrplans für alle Truppen erforderte, damit man alle vorhandenen Linien von dem Augenblick an ausnutzte, in welchem die Truppen zum Abtransport bereit waren. Im allgemeinen wurde als Regel festgesetzt, den Truppen und dann die Trains
zu befördern ;
erst die fechtendie Vermengung
1) Korrespondenz 1870, S. 90 u . 127, fast 11 Armeekorps am 22. Tag und ? in 2. Linie. 2) Generalstabswerk 1870, S. 57. Korrespondenz 1866 , S. 173 .
140
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
von Truppen verschiedener Korps auf einer Linie wurde nach Möglichkeit vermieden , der Transport eines Korps gleichzeitig auf mehreren Linien des schnelleren Aufmarsches wegen aber gestattet. Um keinen Mangel an technischem Eisenbahnpersonal zu leiden, wurden die Eisenbahn - Angestellten später einberufen. Das für den Transport nötige rollende Material war im Überflufs vorhanden. Für der ersten 10 Korps hätten 3. der vorhandenen der Lokomotiven ausgereicht, selbst wenn jede Waggons und von ihnen nur einmal benutzt worden wäre . den Transport
Die Marschrouten und die Fahrttableaux waren für die Mobilmachung vorbereitet und wurden den Armeekorps am 2. Mobilmachungstage übersandt. ' ) Der Transport der Korps nach der Grenze erfolgte nach den Fahrt- und Marschtableaux und den Fahrtdispositionen . Unter Benutzung der Form des preufsischen Generalstabes ) kann man sich die Fahrttaubleaux aller Armeekorps zur Versammlung in der Aufmarschlinie so konstruieren, wie sie voraussichtlich im Juli 1870 gewesen sind." ) hierbei muss man berücksichtigen, dafs der Truppentransport sehr erleichtert wird , wenn die Truppen unmittelbar aus ihren Standquartieren zu den geeignetsten Einschiffungspunkten dirigiert werden, anstatt sie erst für den späteren Transport in gröfsere Massen zusammenzuziehen , wie im Jahre 1866 , wo dies durch besondere politische Erwägungen bedingt wurde. *) Ein solches Versammlungstableau gewährt die Möglichkeit zu sehen, wieviel Truppen an jedem Mobilmachungstage an der Grenze stehen werden. Aus einem solchen Tableau konnte Moltke , unter Festhaltung, dafs die 1. Armee aus dem VII. und VIII., die 2. aus dem III., IV. , X. und G., die 3. aus dem V., XI. , die 4. aus dem IX. und XII. Korps bestand, ) 2. Armee leicht berechnen . ")
im
Juli 1870 z. B. die Stärke der
Eskadrons - Batterien, am 10. Mobilmachungstage : 8 Btl. 8 ,, (einschl.) : 39 99 24 99 12. 99 99 76 64 99 27 22 15. 99 99 104 99 84 46 19 ": 17. 99 "" 108 104 19 . 60 "9 21 99 "" 99 einschliesslich der I. Trainstaffeln aller 4 Korps . Besonderen Wert erhalten, wie wir noch später sehen werden , diese Berechnungen in der aufregenden Mobilmachungszeit selbst. 1) Generalstabswerk 1870, S. 58. 2) Pierron, Les méthodes de guerre. Paris 1893. I, 3, S. 982–985. 3) Korrespondenz 1870, S. 126-128. 4) Generalstabswerk 1866, S. 22. 5) Korrespondenz 1870, S. 126 . 6) Ebenda S. 124.
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes . Mit einem allein kann
Tableau
141
zur Versammlung in der Aufmarschlinie
sich nun der Chef des Generalstabes nicht begnügen.
Wenn in ihm auch Ort und Zeit der Einschiffung der Korps an ihren Standquartieren, Ort und Zeit der Ausschiffung und Ort und Zeit des Eintreffens , zuweilen per Fufsmarsch, an den Versammlungs punkten der Aufmarschlinie angegeben ist, so ist dieses Tableau doch kein Aufmarschtableau der Armee, welch letzteres im Frieden nur vorläufig aufgestellt wird ; denn
endgültig kann es nicht abge
fafst werden, da es unaufhörlichen Veränderungen je nach dem je weiligen Operationsplan und den während des Transportes vom Feinde eintreffenden Nachrichten unterliegt, für den Transport selbst aber Daten, wie sie das Versammlungstableau enthält, nötig sind. Andererseits wird das Aufmarschtableau nur von dem Chef des Generalstabes aufgestellt, weshalb General von Moltke es auch ganz geheim hält und nur den Abteilungschefs des grofsen Generalstabes mitteilt.¹) 8. Den Ausschiffungs- und Aufmarschplan kann man sich kon struieren , indem man die vorhandene Marschtafel des Generals Moltke² ) und die Angaben über die Ausschiffungspunkte benutzt. Nach Moltkes Berechnung vom 6. Mai 1870 , also fast 11 , Monate vor dem Krieg, beendet die zweite Armee ihren Aufmarsch am 19. Mobilmachungstag ( ohne Trains ), die vierte erst am 24. Mobil machungstag.3) In Anbetracht der dem Kavalleriekorps der II. Armee gestellten Aufgabe,4 ) ist darauf hingewiesen, daſs bei den Korps dieser Armee die Kavallerie grundsätzlich vor der Artillerie zu befördern ist ; bei den anderen Armeen ist das umgekehrte der Fall.
Im Folgenden betrachten wir das Fahrt- und Marschtableau und den Ausschiffungs- und Aufmarschplan der preufsischen Armee für den Krieg mit Österreich ( im Jahre 1866 ). Es ist anzunehmen , dafs Anfang April 1866 folgendes Fahrt und Marschtableau³ ) bestand : 1) Korrespondenz 1870, S. 131 . 2 ) Ebenda S. 135 . 3) Ebenda S. 133. 4 ) Ebenda, S. 113 . 5) Zusammengestellt nach Korrespondenz 1866, S. 97 u. 104 u. Anlage 2 des Generalstabswerk 1866.
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes.
142
I. Armeekorps
fährt
von Königsberg über
Küstrin, Frankfurt, Guben, Kohlfurt, Linie G. des Jahres 1870).
Bromberg,
Kreuz,
Görlitz nach Greiffenberg (auf
II. Armeekorps aus Pommern über Stettin, Kreuz , Posen, Lissa, Breslau, Brieg nach Neisse, und per Fufsmarsch nach Glatz . III.
Armeekorps
von Brandenburg
über Wittenberg , Anger
münde , Landsberg, Berlin, Frankfurt, Guben, Kohlfurt nach Görlitz. IV. Armeekorps von Magdeburg über Berlin, Herzberg und per Fufsmarsch nach Elsterwerda.
Jüterbog
nach
V. Armeekorps von Kreuz über Posen, Breslau nach Königszelt und per Fulsmarsch nach Landeshut. VI. Armeekorps per Fufsmarsch nach Landeshut. VII. Armeekorps von Düsseldorf und Münster über Kassel und
Eisenach nach Zeitz. VIII. Armeekorps von Koblenz über Köln, nach Halle. Garde - Korps werda.
Minden, Magdeburg
per Fufsmarsch nach Spremberg
und Hoyers
Zum Transport eines Armeekorps mit allen zugehörigen Teilen waren , wenn man den Friedensverkehr nicht ganz unterbrechen wollte und einige Züge der Intendantur überliefs , je nach der Be schaffenheit der Strecke 9--12 Tage erforderlich, einerlei ob es sich um kleine oder grofse Entfernungen handelte. Es war wünschens wert, auf jeder Linie nicht mehr wie ein Korps zu befördern , da der Transport eines jeden weiteren Korps auf derselben Linie die allgemeine Versammlung um 9-12 Tage hinausschob. ') So lagen die Verhältnisse im Jahre 1866. Im Jahre 1870 rechnete man bekanntermaſsen für den Transport eines Korps 31 , bis 51/2 Tage und unterbrach einige Tage vor dem Beginne des strategischen Transports die Bewegung von Güterzügen , während man Passagier züge am dritten Tage nach Beginn der Truppentransporte wieder fahren liefs, allerdings nur mit der Schnelligkeit von Militärzügen.2) Moltke berechnete 1866 die Beendigung der Ausschiffung am 23. Mobilmachungstage an folgenden Punkten.³) I. Armee : VII. Korps-Zeitz ; VIII. -Halle . II. Armee : IV. Korps-Elsterwerda ; G. -Spremberg ; III . -Görlitz . III. Armee : I. Korgs- Greiffenberg ; V. -Landeshut ; VI. -Landes hut ; II. Glatz. Dies
waren
jedoch
nur die
1) Generalstabswerk 1866, S. 22. 2) Pierron S. 946. 3) Korrespondenz 1866 , S. 104.
Ausschiffungspunkte,
nicht der
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
143
strategische Aufmarsch. Den Aufmarsch wollte er durch Vorwärts bewegung bewirken ( ,,das Korrektiv ist die Konzentration nach vorne",¹ ) nämlich durch Versammlung von 190000 Mann in 5 Märschen bei Dresden,
von
220000
Mann in 9 Märschen bei
Schluckenau (oder Bautzen) oder Jung-Bunzlau, Münchengrätz , Turnau gegen Gitschin oder Königgrätz.2) Wir werden diese Frage näher betrachten, wenn wir von dem Operationsplan nach Beendigung des Aufmarsches sprechen. Es ist
sehr wichtig , die Begriffe „ Ausschiffungslinie“ und „ Aufmarschlinie“ streng auseinanderzuhalten, damit man Mifsverständnisse vermeidet, denen auch Moltke 1866 von allen Seiten ausgesetzt war ( ich er innere nur an den Brief Steinmetz vom 29. Mai 1866 anlässlich seines Gesprächs mit dem Kronprinzen ), in dem man ihn beschuldigte, den Aufmarsch der Truppen auf eine 60 Meilen lange Strecke ver zettelt zu haben.3 ) Zum Schlufs der Besprechung der Eisenbahnfrage, erwähnen wir, welche Bedeutung ihnen Moltke beilegte. Im Jahre 1867 legte er Pläne zur Verstärkung der Festung Saarlouis zur Seite und sagte, die Beschleunigung des Baues von Eisenbahnen sei viel wichtiger, als Fortifikationsarbeiten. Damals wies er darauf hin , daſs der Bau der Teilstrecken Börssum-Halberstadt, Halle-Nordhausen(von Hersfeld-Fulda-Hanau, das Heiligenstadt an)-Göttingen, oder Legen eines zweiten Geleises auf der Strecke Bebra-Guntershausen statt 4-5 durchgehende Linien ergeben würde und die für den Aufmarsch nötige Zeit von 6 auf 4 Wochen verringern würde . * ) Später wies Moltke einmal darauf hin , dafs mit dem Bau einer Linie über Lauterburg (nach 1870 ) der Aufmarsch der Armee um 2 Tage beschleunigt würde . ) So grofs war die Bedeutung der Eisenbahnen in den Augen Moltkes . 9. Plan zur Deckung der Ausschiffung und des Aufmarsches. Die Deckung der Ausschiffung und des Aufmarsches der Armee an der französischen Grenze war von Moltke folgendermafsen ge plant : Es stehen bei Trier 4 Bataillone , 4 Eskadrons und 1 Batterie des VIII . Korps , welche im Falle einer gegnerischen Offensive in eine Stellung bei Schweich oder Wittlich zurückgehen und die Versammlung der I. Armee decken ; am 14. Mobilmachungstage treffen Verstärkungen vom VIII. Armeekorps ein ; bei der Festung
1) 2) 3) 4) 5)
Ebenda S. 187. Ebenda S. 58, 105 und 187. Korrespondenz 1866, S. 188. Ebenda 1870, S. 73. Pierron S. 972.
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
144
Saarlouis (am zweiten Mobilmachungtage die Garnison in Stärke von 6 Bataillonen und 1 Eskadron) und Saarbrücken - 2 Bataillone und 4 Eskadrons ; im Notfalle weichen sie auf Neunkirchen aus , woselbst am 10. Mobilmachungstage die ersten Teile des III. Korps eintreffen; bei Landau eine bayerische Brigade ; am 10. Mobilmachungstage treffen
hier Teile
des
XI. Armeekorps
ein.
Durch
diese Avantgarden wird die Versammlung des VIII . Korps und die Zufuhr auf den Eisenbahnen (Neunkirchen-Bingen oder Nahe - Bahn , Homburg-Mannheim, Neustadt-Landau gesichert und gleichzeitig die Grenze bezeichnet, bis zu welcher man die Truppen ohne Gefahr ausschiffen kann. ' ) Falls die Franzosen offensiv werden (am 8. Mobilmachungstage mit 150000 Mann ), weichen die Deutschen zurück : Die II. Armee in eine Stellung bei Mannheim, den rechten Flügel am Donnersberg, die IV. Armee stöfst zu ihr, wodurch am 18. Mobilmachungstage 600000 Mann 100000 Mann vereinigt sind . Die 1. Armee marschiert von Wittlich über den Hundsrück die linke Flanke der französischen Armee.
nach Lauterecken , in Die III. Armee wird
nach der Stellung der I. herangezogen.2) Im Jahre 1866 wurde in dem am 28. März einem Monat vor der Mobilmachungserklärung stattfindenden Ministerrate beschlossen, Abteilungen aus allen 3 Waffengattungen (die Bataillone in Stärke von 686 Mann längs der Grenze aufzustellen
und zwar : von der
7. Division bei Torgau, der 5 bei Görlitz, der 9. bei Freiburg, der 11. bei Frankenstein und Glatz, der 12. bei Neifse . Alles dieses komplizierte die Mobilmachung dieser Truppenteile.³) Im Falle eines Krieges mit Frankreich erhielten die Festungen ihre volle Garnison : Saarlouis am 2., Mainz am 13., Koblenz am 17., Köln am 15., die Küstenfestungen am 14. - 15. Mobilmachungstage. * ) 10. Allgemeines Resultat der Mobilmachung. Als
Schlufsresultat
ist die Arbeit des preufsischen
stabes in Bezug auf die Beschleunigung merkenswert.5)
General-
der Mobilmachung be-
Im Jahre 1857 wird die Aufstellung der preufsischen Armee bei Mainz in der Zeit von 42-56 Tagen für möglich gehalten . Im Jahre 1858 die von 6 Armeekorps in der Linie Düssel-
1 ) Korrespondenz 1870, S. 126-128 und 100 . 2 ) Ebenda S. 91 , 102, 103 und 128 . 3) Korrespondenz 1866 , S. 89. Generalstabswerk 1866 , S. 6. 4) Ebenda 1870, S. 163. 5) Ebenda S. 3, 14 , 29, 58 , 73 , 82 , 90, 103 und 124 .
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
145
dorf-Mainz in 30-42 Tagen, von 2 Armeekorps bei Halle-Weiſsenfels in 40-46, der ganzen Armee also in 46 Tagen. Im Jahre 1860 die der ersten Staffel - 5 Armeekorps der
Linie
Aachen-Trier-Mainz-Frankfurt in
33
Tagen ;
in
die der
2. Staffel - 2 Armeekorps - bei Frankfurt a. Main in 47 Tagen ; ebenda in 60, der ganzen die der 3. Staffel 2 Armeekorps Armee also in 60 Tagen . Im Jahre 1863 wird erklärt, dafs 7 Armeekorps in Koblenz -Trier-Mainz in 35 Tagen versammelt sein können . Mitte 1867 sollen sich 7 Korps
am Rhein in 30, die
Linie
übrigen
sechs in 42 , die ganze Armee also in 42 Tagen versammeln. Ende 1867 hält man die Versammlung von 8 Korps in der Linie Trier-Neunkirchen-Mannheim
in 25 Tagen,
die
der übrigen
2 Korps in 32 Tagen für möglich. April 1868 nimmt man an, dafs sich in der ersten Periode, bis zum 22. Mobilmachungstage 8 Korps , die übrigen 31 , Korps bis zum 30. Tage versammeln. In den Arbeiten von 1868 und 1869 wird die Versammlung von 10 Armeekorps in 20 Tagen beschlossen. Am 22. kann die Offensive treffen.
beginnen und am 23. und 24. können alle Trains ein
In der Denkschrift 1870 wird die Versammlung von 10 Korps in 20 Tagen, das Eintreffen der Trains bis zum 24. Tag festgesetzt. Eine Umarbeitung dieser Denkschrift im Juli 1870 beschliefst die Versammlung von 10 Korps in 18, das Eintreffen aller Trains in 20 Tagen.¹) Thatsächlich verlief der Aufmarsch im Jahre 1870 folgender maſsen: vom 22. bis 29. Mobilmachungstage wurden die letzten drei Armeekorps bis St. Avold transportiert. Der Aufmarsch der Armee war also am 29. Mobilmachungstage beendet, ungeachtet des durch den
Rücktransport der in den am 20. und 22. Mobilmachungstage
(4. und 6. August) bei Weifsenburg , Wörth und Spicheren stattge fundenen Schlachten gemachten Verwundeten und Gefangenen ver ursachten Aufenthaltes .") In 10 Tagen wurden 334000 Mann und 100000 Pferde transportiert. Für den
Feldzug
1866
gegen
Österreich
beabsichtigte
der
preufsische Generalstab am 23. Mobilmachungstage die Korps an der Grenze auszuschiffen und am 42. 200000 Mann bei Königgrätz zu vereinigen,³)
d. h. wenn man die Erklärung der Mobilmachung am
1) Generalstabswerk 1870, S. 52. Das Memoire weist kleine Unterschiede in den Zeiten gegenüber der Korrespondenz 1870, S. 126 auf. 2) Pierron, S. 947. 3) Korrespondenz 1866, S. 104, 105. 10 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd 111. 2
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes.
146
1. Mai (gleichzeitig mit der österreichischen ) annahm, am 11. Juni bei Königgrätz einzutreffen, während die Österreicher erst am 10. Juni bei Olmütz vereinigt waren. Da's dies nicht genau zutraf, war nicht Schuld des Generalstabes, sondern des Leiters der Politik.
11. Operationsplan nach Beendigung des Aufmarsches. Zu den Aufgaben des Generalstabes im Frieden, sagt Moltke. ') gehört die sorgfältigste Bearbeitung der auf die Gruppierung und den Transport der Truppen für alle wahrscheinlichen Kriege bezüg lichen Details. Diese Pläne müssen immer bereit sein. Da in diesem Falle gleichzeitig mit den
militärischen
Erwägungen
noch viele
politische und geographische in Betracht gezogen werden müssen , können diese Pläne lange vor dem Kriege angefertigt werden und die auf ihnen fufsenden Anordnungen müssen zu dem gewünschten Resultate führen, selbstverständlich vorausgesetzt,
dafs die
Mobil
machung und der Transport der Truppen richtig organisiert ist. Dagegen sind Fehler, welche in der ersten Versammlung des Heeres gemacht werden, gut zu machen.
schwer im Verlauf des ganzen Feldzuges wieder
Vollständig anders verhält es sich mit der weiteren Aufgabe der Strategie, betreffend die Verwendung der bereitgestellten Mittel im Kriege.
Hier stöfst unser Wille sehr bald auf den unabhängigen
Willen des
Gegners.
Dessen
Wille kann zwar auch beschränkt
werden durch rechtzeitiges und entschlossenes Ergreifen der Initiative , endgültig gebrochen werden kann er aber durch nichts anderes als die Schlacht. Die materiellen und moralischen Folgen jeder gröfseren Schlacht sind so ungeheuer grofs, dafs sie die Situation vollkommen verän dern und folglich neue Grundlagen für die folgenden Anordnungen schaffen. Kein Operationsplan kann mit Sicherheit den ersten Zu sammenstofs mit der Hauptmasse des Feindes voraussehen. Nur ein Laie kann denken , dafs der ganze Feldzug nach einem vorher aus gearbeiteten Plan ohne Abweichungen geführt wird und dafs dieser ursprüngliche Plan in allen seinen Einzelheiten bis zu Ende festge halten werden kann . Natürlich läfst der Feldherr sein Hauptziel niemals aus dem Auge und läfst sich nicht durch häufige unvermeid liche Abweichungen von ihm verwirren, aber er kann nicht vorher mit Sicherheit den Weg bestimmen , erreichen hofft.2)
auf welchem er sein Ziel zu
Alles dieses sind Moltkes eigene Worte. 1) Generalstabswerk 1870, S. 48 . 2 ) Kriegsgeschichtl. Einzelschrift Nr. 13, S. 1 , 2. 3) Korrespondenz 1870 , S. 22.
Wir müssen, sagt er, ³)
147
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
den Ort der ersten Versammlung unserer Streitkräfte so bestimmen, dafs wir einen Angriff von Lüttich (Maubeuge,
Valenciennes und
Lille), Metz und Strafsburg (Mannheim) entgegentreten können. Denn bei der Erklärung der Mobilmachung können wir nur wissen, dafs sich die französische Armee bei Maubeuge, Valenciennes, Lille und hinter der Seine bei Nancy versammelt.
Ob die Franzosen aber von Nancy
auf Metz oder auf Strafsburg vorgehen, erfahren wir nicht. Wir haben gesehen, dafs Moltke aus diesem Grunde die Auf marschlinie Wittlich- (Trier)-Neunkirchen- Landau zur Offensive gegen die Linie Metz- Strafsburg, die Aufmarschlinie Luxemburg - Trier-Koblenz zur Offensive stimmte.
gegen die Linie Malmedy-Monjoie gegen Lüttich be
Der Aufmarsch in der
Linie
Trier-Neunkirchen- Landau bean
spruchen 19 Tage ; am 21. Mobilmachungstag waren schon 484000 Mann versammelt, während die Franzosen an diesem Tag erst 300000 Mann in Linie Luxemberg-Weifsenburg vereinen können. ' ) Unmittelbar nach vollendetem Aufmarsch geht die preufsische Armee zur Offensive über. Ihre Aufgabe ist einfach. Sie besteht darin, den Vormarsch so geschlossen wie möglich auf französischem Boden fortzusetzen, bis sie auf die französische Armee stöfst und alsdann eine Schlacht zu liefern. Die allgemeine Richtung dieser Offensive geht auf Paris, da man hierbei wahrscheinlich die französische Armee antrifft.
Auf dem geraden Weg von der Pfalz nach Paris liegt Metz .
Die preulsische Armee umgeht es links und begnügt sich mit seiner Beobachtung. Wenn es vorher nicht zu einer Schlacht kommt, wird die Offensive gegen die Mosellinie von Pont à Mousson bis Luneville fortgesetzt und hier erfolgt dann voraussichtlich der entscheidende Zusammenstols.2) Wie wir schon gesagt haben,
beabsichtigte Moltke
schon im
Jahre 1867 die Offensive gegen die Mosel aus der Linie Luxemburg ( damals preussischer Garnisonort) -Sierk- Saarlouis- Saarbrücken und zwar a) gegen die Linie Thionville -Metz ; dann werden am dritten Tage nach Überschreiten der Grenze drei preufsische Armeen in der Linie Thionville-Courcelles stehen, die vierte im Vormarsch über Zweibrücken, Saargemünd nach Mörchingen begriffen sein ; b ) gegen die Linie Pont à Mousson-Nancy ; dann werden am fünften Tag drei preufsische Armeen in der Linie Metz- Pont à Mousson, Nomény, Château - Salins , Moyenvic stehen , die vierte im Vormarsch über Zweibrücken- Saargemünd auf Dieuze begriffen sein.3)
1 ) Ebenda S. 126 , 131 . 2 ) Korrespondenz 1870 , S. 132. 3) Ebenda S. 70. 10
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
148
Die zweite Armee sendet am 22. Mobilmachungstage ein aus Eskadrons 76 der 4 Kavallerie - Divisionen bestehendes Kavalleriekorps, nur durch Infanterie unterstützt, über Saarbrücken- St. Avold gegen Thionville -Metz- Nancy vor. Die dritte Armee sendet ebenfalls Kavallerie in Richtung auf Strafsburg und kann selbst in dieser Richtung vorgehen, wenn die Franzosen auf das rechte Rheinufer übergehen.¹ ) Wir bemerken hier, dafs General Frossard in seinem Napoleon III . vorgelegten Plane vorschlägt, die französische Armee im Falle eines Miſserfolges in der Linie Saargemünd - St. Avold- Öttingen in die Linie Metz- Seineflufs und weiter nach Luneville und Langres zurückzunehmen.2) Nach Aufstellung der allgemeinen Idee des Krieges, der allgemeinen Grundlagen des Kriegsplanes finden wir bei Napoleon und Moltke eine Reihe von Erwägungen, in welchen diese Feldherren ( nur für sich persönlich) den Plan für die ersten Operationen nach beendetem Aufmarsch betrachten. Diese Erwägungen weisen auch für einen und denselben Feldzug bisweilen einige Verschiedenheiten auf. So arbeitete z. B. Napoleon für den Feldzug 1805 bis zum Moment des Rheinübergangs vier verschiedene Pläne
aus, wie die
Operationen nach beendetem Rheinübergang weiter geführt werden sollten (entweder Aufmarsch in Linie Donauwörth- Regensburg oder Ulm-Nördlingen [Weifsenburg] oder Giengen-Dillingen oder Donauwörth-Ingolstadt ). Ebenso arbeitet Moltke von 1867 bis 1870 vier verschiedene Pläne aus.³ )
Den ersten im Jahre 1867 über den Vormarsch der
vier Armeen aus der Front Luxemburg- Saargemünd gegen die Linie Thionville-Courcelles -Mörchingen.
Den zweiten, auch 1867 , aus der
Front Sierck-Zweibrücken ( Saarunion) gegen die Front MetzPont à Mousson - Moyenvic- Dieuze. Den dritten, im Mai 1870, 40 Tage vor der Kriegserklärung, aus der Front Trier- Neunkirchen-Zweibrücken-Landau gegen die Linie St. Barbe- Pont à Mousson-Nancy- Luneville-Finstingen.
Den vierten, Ende Juli 1870 ,
15 Tage nach erfolgter Kriegserklärung, - aus der Front RehlingenLinie
Rehlingen- Saar-
louis-Saarbrücken- Saargemünd - Saarunion -Finstingen .
Saarlouis-Alzey-Mannheim-Landau gegen die
Alle diese ver-
schiedenen Pläne sind , ähnlich der von Napoleon 1805 aufgestellten
1) Korrespondenz 1870, S. 102, 182 und 122. 2) Michnewitsch,,,Krieg 1870". St. Petersburg 1897. Derrécagaix la guerre moderne" . Bd. I, S. 347 . 3 ) Korrespondenz 1870 , S. 70, 135 , 183 .
Band I, S. 79 und
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes.
149
Tabelle, ') in Form von Marschrouten für jedes Armeekorps abgefalst und die letzten beiden tragen die Bezeichnung ,,Marschtafel". Die dritte ist, wie wir unten auseinandersetzen werden, vom General von Moltke für seine Abteilungs-Chefs geschrieben. Zur Kategorie dieser ,,Varianten" aber defensiven Charakters gehören auch alle in der Korrespondenz unter Nr. 30-35 von Moltke
angestellten Erwägungen über die Versammlung der
deutschen Armee im Falle einer plötzlichen Offensive der Franzosen Für den Krieg mit Österreich 1866 wurde ein Operationsplan
nach Beendigung der Ausschiffung (nicht des Aufmarsches) aufgestellt. Im Jahre 1860 schlägt Moltke vor, die Armee ( Hauptkräfte ) aus der Ausschiffungslinie Halle-Torgau- Spremberg- Schweidnitz zwischen Torgau und Herzberg (zur Defensive) oder bei Dresden zu versammeln . 1862 denkt Moltke an den Vormarsch von Dresden nach Prag ; im Winter 1865-66 zur Defensive nach Bautzen, zur Offensive nach Jung-Bunzlau und bemerkt, dafs der Marsch aus der Lausitz über Prag
und Iglau nach Wien bequemer ist, als der Marsch aus Schlesien, da er keine lange Belagerung nötig macht und nur die Beobachtung von Olmütz und Brünn verlangt. Am 3. April 1866 schlägt Moltke vor, die Offensive von Dresden und Görlitz auf JungBunzlau am 35. Mobilmachungstage anzutreten und am 42. Tage
weiter gegen die Linie Königgrätz-Jaromer oder im Falle des Einmarsches der Österreicher in Sachsen , am 35. Mobilmachungstage schnell nach Königgrätz und weiter auf Iglau zu marschieren.2) Wie aus dem am 3. April 1866 von Moltke aufgestellten MarschTableau oder richtiger Aufmarsch-Tableau ersichtlich, werden das VII. Korps von Torgau , das VIII . von Schkeuditz ( über Leipzig) nach Dresden gezogen ( 60000 Mann ) 3 ) und bringen die zur Schlacht nach Königgrätz marschierende Armee auf 150000 Mann, so daſs an ihr auf der Front Königgrätz-Jaromer 264000 Mann teilnahmen. So wie für den Krieg 1870 begegnen wir auch für den Feldzug 1866 in der Korrespondenz von Moltke ontworfenen Plänen , über den Verlauf der Operationen nach beendetem Aufmarsch. Hier finden wir 8 verschiedene Annahmen der Aufmarsch- und teilweise auch Ausschiffungspunkte, nämlich :+) im Jahre 1860 :
I. A.-K. Jüterbog ; II . Wittenberg ; III. Torgau und
Herzberg ; IV. Delitzsch und Halle ; V. Spremberg ; VI . Striegau und Schweidnitz ; G. Baruth . 1) 2) 3) 4)
Borissow, Hypothetische Operationslinien, 25. Korrespondenz 1866, S. 7, 19, 35, 36, 58 , 103. Ebenda 1866 , S. 98, 104, 143. Ebenda S. 7 , 35, 104, 143, 119, 133, 135 , 146 , 153 , 172 .
150
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
Im Winter 1865/66 : I. , II. und III. A.-K. Görlitz; G. IV und VII. A.-K. Dresden ; VI. Freiburg und Schweidnitz ; VIII. Mainz . Am 3. April 1866 : I. A.-K. Greiffenberg, II. Glatz, III. Görlitz , IV. Elsterwerda, V. und VI . Landeshut, VII. Torgau oder Mühlberg, VIII. Schkeuditz, G. Spremberg. Am 14. April 1866 : I. Liegnitz oder Greiffenberg, II. Breslau oder Neifse , III . Görlitz , IV. Herzberg, V. Schweidnitz , VI. Landeshut und Neifse, VII. und VIII. am Main oder an der Elbe, G. Calau oder Sonnenwalde. Am 20. April 1866 : I. Greiffenberg, II . Frankenstein , III. Görlitz, IV. Herzberg, V. Schweidnitz , VI. Schweidnitz und Neifse , VII. Halle , VIII. Zeitz , G. Spremberg. Am 27. April 1866 : I. Frankenstein, II. Schweidnitz, III . Görlitz, IV. Mühlberg, V. Schweidnitz, VI. Schweidnitz und Neilse, VII . Elsterwerda, VIII . Halle, G. Spremberg. Am 2. Mai 1866 : I. Frankenstein oder Görlitz, II. Görlitz. III. Görlitz oder Spremberg, IV. Torgau und Mühlberg, V. Schweidnitz, VI. Schweidnitz und Neifse, VII. Herzberg, Elsterwerda oder Halle, VIII. Corbetha, G. Spremberg oder Senftenberg. Am 4. Mai 1866 : III. Cottbus , IV. Torgau, V. Schweidnitz , VI. Neifse , G. Berlin, I. Görlitz, II . Herzberg, VIII. und 1 , VII. Zeitz und Halle , 1/2 VII. Minden . Hierbei ist interessant, dafs Moltke im Verlauf eines Monats --vom 3. April bis 4. Mai die Versammlungspunkte der Korps sechs Mal ändert. Es findet dies seine Erklärung in der von uns oben auseinandergesetzten Lage Moltkes. Was nun die Änderungen des Operationsplanes nach dem Aufmarsch oder der Ausschiffung anbetrifft, so bezeichnet der im Winter 1865/66 aufgestellte Plan als Marschziel : Jung- Bunzlau. Am 3. April 1866 bezeichnet er genauer in Form von Marschtableaux die Versammlung am 35. Mobilmachungs- oder 12. Feldzugstage in der Linie Weifswasser- Reichenberg-Landeshut- Glatz, am 13. Feldzugstage in Linie Jung- Bunzlau-Turnau-Tannwald - LandeshutGlatz und wenn der Feind um diese Zeit an dem Strafsenknotenpunkt Gitschin versammelt steht, marschiert die preufsische Armee auf in der Linie Sobotka- Starkenbach . Am 40. Mobilmachungstage versammelt sich die Armee bei Chlumetz - Smidar- Horitz -KöniginhofHoricka-Nachod, und und hat hat am am 42. Mobilmachungstage zu einer Defensivschlacht bei Königgrätz 90000, zu einer Offensivschlacht bei Jaromer 114000 Mann zur Verfügung. Wenn dagegen eine österreichische Division in Stärke von 16000 Mann von Tetschen nach Dresden marschiert, trifft die preufsische Armee am 24. Mobilmachungs-
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
151
oder 1. Feldzugstage in der Linie Grofsenhain-Kamenz- Görlitz Greiffenberg- Landeshut-Glatz , am 3. Tag in Linie Dresden-Sohland Schluckenau-Greiffenberg- Landeshut- Glatz, am 11. Tag in Linie Melnik -Gitschin- Neu- Paka- Landeshut-Glatz, am 12. Tag in Linie Prag Chlum-Horitz -Pilnikau-Trautenau-Glatz , am 40. Mobilmachungstage in Linie Chlum -Horitz- Königinhof- Horitzka-Nachod ein und hat für den am 32. Mobilmachungstage stattfindenden Kampf bei Königgrätz 60000 und bei Jaromer 114000 Mann zur Verfügung. Am 14. April 1866
beschliefst
Moltke die Versammlung in Linie Jung- Bunzlau Am 29. April 1866 hält er es für möglich, am 30. Mobil nachungstage bei Münchengrätz 114000 Mann (IV., VII., '/, VIII. ind G. Korps ) gegen 100000 Österreicher und bei Josefstadt 30000 Mann ( I. , II . , 1 , III., V. und 1 , VI. Armeekorps) gegen 00000 Österreicher zu vereinigen.
Turnau .
Am 14. Juni 1866 bezeichnet er
als
Schlüsselpunkt Gitschin,
im 19. Juni weist er von neuem auf ihn hin, und am 22. Juni be richnet er Gitschin als bestimmten Vereinigungspunkt für die rmeen.¹) Aus den am 3. April 1866 aufgestellten
Marschtableaux kann
an den Schluſs ziehen, dafs schon im Winter 1865/66 Gitschin als af Jung-Bunzlau-Turnau folgender Versammlungspunkt für die aus ördlicher Richtung und aus Schlesien vormarschierenden Armeen bestimmt war.2 ) Es ist klar, wie sehr der von Moltke 1866
angeordnete
Auf
arsch der preufsischen Armee aus dem Rahmen der in der Feld Errnpraxis am häufigsten anzutreffenden Ansichten über den Auf arsch herausspringt. esonderen Kapitel.
Deshalb behandeln wir diese Frage in einem
Die Praxis Moltkes im Jahre 1864 giebt schon ein Beispiel für en Operationsplan nach Beendigung des Aufmarsches . Die Operationen ggen die Dänen begannen am 1. Februar, aber schon am 13. Januar vrfafste Moltke auf Grund seiner Arbeiten aus den Jahren 1862 td 1863 ein genaues Programm für die am 1., 2 , und 3. Tag nach Föffnung der Feindseligkeiten vorzunehmenden Operationen . Moltke szt, dafs er dieses nur in Anbetracht der besonderen Wichtigkeit dser Tage und nur für sich selbst³) gethan habe, dem Höchst knmandierenden giebt er nur den Ausgangspunkt an und läfst ihm 1) Korrespondenz 1866, S. 36, 58, 103-105 , 124, 142, 224, 230, 234. 2) Es ist interessant, damit den Feldzug Friedrich des Grofsen im Jahre 17 zu vergleichen. 3 ) Korrespondenz 1864, S. 66 Anmkg. Blom, ,,Krieg 1864". Petersburg 18; S. 64.
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes .
152
danach volle Selbständigkeit.
Die ganze Aufgabe der Österreicher
und Preufsen besteht darin, die dänische Armee zu vernichten, denn die Hauptstadt Dänemarks, Kopenhagen, kann man ohne Flotte nicht in Besitz nehmen. Zu diesem Zwecke mufs man die dänische Armee in den Danewerken (bei Schleswig) umfassen und sie nicht auf die Insel zurückweichen lassen. Die 35000 Mann starke dänische Armee war aufgestellt von Die Hauptarmee der der Mündung der Schlei bis Friedrichsstadt. 27000 Manı GablenzKorps Verbündeten : Das II. österreichische über Rendsburg marschieren , das III. preussische Korps 11000 Mann — ihr folgen. Die Flankenarmee : Da 1. preuſsische Korps Prinz Friedrich Karl, Chef des Generalstabe sollte von Kiel nac Oberst von Blumenthal - 32000 Mann sollte Mulbe
Missunde marschieren . Im ganzen waren es 70000 Mann unter den Oberbefehl des Generals von Wrangel, Chef des Generalstabes Genera Vogel von Falckenstein. Am ersten Tag wird die Eider überschritten.
Am zweiten Ta
marschiert die Flankenarmee nach Missunde und geht über di Schlei. Am dritten Tag wird die dänische Armee in Front und Rücken angegriffen.
Dies ist mit kurzen Worten das Programm, das Moltke genaue ausführt. Das am 17. Januar 1864 aufgestellte Programm wurd auf Befehl des Königs von Preufsen Wrangel mitgeteilt. ' ) In Wirk lichkeit verlief der Feldzug folgendermalsen : überschritten die Verbündeten di Am 1. Tag - 1. Februar Eider ; am 2. Tag - 2. Februar — griff die Flankenarmee Missund 3. Februar fande! an und wurde zurückgeschlagen ; am 3. Tag die Gefechte der Hauptarmee mit dem dänischen Centrum bei Ober Selck und Jagel statt ; am 4. Tag — 4. Februar— rekognosziert die Flankenarmee und entschlofs sich in der Nacht vom 5. zum ( bei Arnes und Kappeln über die Schlei zu gehen ; die Hauptarme wollte am 6. das Centrum angreifen; am 5. Tag 5. Februa abends — begann die dänische Armee den Rückzug auf Flensburg Somit gelang es nicht, die dänische Armee zu umfassen. Dieses Programm Moltkes kann als Beispiel für die Abfassun eines Operationsplanes dienen , dessen Ausführung nicht dem Ve fasser, sondern einer dritten Person obliegt, wie es in der Prax häufig vorkommt - z. B. mufste im Jahre 1866 Benedek den Pla Krismanitsch ausführen. Als Schlufs der Betrachtung über die Bearbeitung eines Krieg
1 ) Korrespondenz 1864, S. 1 , 70 und 72. Blom, „ Krieg 1864". S. 26 und
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes . planes führen wir Moltkes Vermutungen
153
über die wahrscheinlichen
Operationen der Österreicher und Franzosen 1866 und 1870 an, denn diese bilden eine der Grundlagen, auf denen ein Kriegsplan sich aufbaut. Moltke
betrachtet von
1860-1868
als
mögliche Vormarsch
richtungenfür die französische Armee 1. von Valenciennes und Maubeuge durch Belgien anf Aachen und Köln, oder 2. von Metz und Strafs burg
auf Mainz ,
oder 3. Überschreiten des Rheines bei Strafsburg
und Rastatt und Fortsetzung des Marsches längs des Main, um die Rheinlinie zu umgehen und Nord- und Süddeutschland zu trennen . Unter Ausnutzung der vorhandenen Eisenbahnen können die Franzosen in folgender Weise aufmarschieren : 40 000 Mann bei Lille gegen Belgien und Antwerpen. 80 000 Mann bei Valenciennes und Maubeuge gegen Köln.
40-45000
Mann bei Metz.
100-115000 Mann bei Weifsenburg und Nancy hinter der Seine. Mann bei Strafsburg . 90000 Sa. 350000
Bitsch
oder bei
Mann,
wobei die letztgenannten 3 Armeen ( bei Metz, Nancy und Strafsburg ) aus 7 Armeekorps bestehen ; das 2. und 3. Korps erreichen die Grenze mit Fufsmarsch, das 1., 4. , 5., 6. , 7. Korps mit der Eisen bahn¹ ) für das Bereitstellen der Truppen zum Transport sind 14 Tage erforderlich.2 ) Am 21. Tage können bei Metz und Strafsburg 112000 Mann, am 26. 205000 Mann , bei Aachen am 31. Tage 80000 Mann ver sammelt sein. Die Landung von 60000 Franzosen von Cherburg in Rügen (am Greifswalder Bodden ) ohne gleichzeitige Einnahme von Stralsund und Stettin hat keinen Zweck. Dasselbe Resultat würde eine Landung in der Elbmündung bei Glückstadt und ein Vormarsch auf Hamburg zur Verbindung mit Dänemark haben.3) 1868 kommt Moltke zu der Überzeugung , dafs der Vormarsch eines Teiles der französischen Armee durch Belgien auf Köln Mifs verständnisse mit England hervorrufen, die französische Armee durch Beobachtung der belgischen Armee schwächen und in eine für Preufsen am wenigsten gefährliche Richtung führen würde . Der Vormarsch der französichen Hauptkräfte
aus der
Linie Lille-Mézières durch
1 ) Korrespondenz 1870, S. 3, 30, 27, 32 , 50, 104. 2) Ebenda S. 50. Nach der Berechnung des Marschall Niel waren 12 Tage nötig. Generalstabswerk 1870, S. 13. 3) Ebenda 1870, S. 20.
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes.
154
Belgien hat aufserdem zur Folge, dafs sie die deutsche Grenze 10-14 Tage später erreichen, als bei einem Vormarsch aus der Linie Metz - Strafsburg ;
eine etwaige Mitwirkung der Süddeutschen
wird damit unmöglich gemacht ;
die Armee wird um 80000 Mann ,
die vor Antwerpen zurückgelassen sind, geschwächt und das Mifs trauen Englands wird erregt. Er nimmt daher als das Wahrscheinlichste an, dafs die Franzosen in Linie Metz - Strafsburg aufmarschieren , den Rhein überschreiten und unter Basierung auf Süddeutschland nach der Elbe marschieren . ' ) (Vgl. Feldzug Napoleons I. im Jahre 1806. ) Hierzu konnte Napoleon III. auch das zu erwartende Bündnis mit Österreich bestimmen, das Moltke im September 1867, nachdem er Napoleons Reise nach Salzburg erfahren hatte, in Erwägung zog.3) In Bezug auf die möglichen Operationen der österreichischen Armee in einem Kriege mit Preufsen ( 1860-1866 ) geht Moltke von der Erwägung aus, dafs das Endziel der österreichischen Offensive die Einnahme Berlins ( 20 Meilen von der Grenze ) und der Weiter marsch auf Stettin sein wird, um Preufsen in 2 Teile zu spalten. Die Hauptarmee geht durch die Lausitz, eine Nebenarmee über Trautenau
auf Liegnitz,
um
durch Besetzung von Schlesien den
Rücken und die rechte Flanke der Hauptarmee zu decken . Zu diesem Zwecke versammeln sich die österreichischen Streitkräfte in Linie Prag-Pardubitz -Olmütz , gedeckt durch das vor ihnen liegende Josefstadt und Königgrätz.³ ) Es ist interessant
zu
lesen,
dafs
der österreichische
General
Krismanitsch in seinem Plan für den Krieg 1866 die Versammlung der Armee bei Olmütz und von da den Vormarsch an die Iser in die Linie Jung-Bunzlau- Münchengrätz - Königinhof-Josefstadt und weiter über Trautenau nach Schlesien oder gegen die in Linie Görlitz - Lauban stehende preufsische Armee beschliefst.*) Hiermit schliefsen wir die Betrachtung der Bearbeitung des Kriegsplanes und gehen nun zum folgenden Zweig der Thätigkeit des Chefs des Generalstabes im Frieden über. (Fortsetzung folgt.) 1) 2) 3) 4)
Korrespondenz 1870 , S. 105, 122. Ebenda S. 79. Ebenda 1866 , S. 9, 10, 121 , 132. Österreichisches Generalstabswerk 1866, Bd . I, S. 97 .
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
155
XII . Taktik und Technik im Kriegswesen, erläutert an Beispielen aus dem See- und Landkriege.
Von Spohr, Oberst a. D.
II. Taktik und Technik im Landkriege. Als der damalige Prinz von Preufsen, späterer Kaiser Wilhelm I., 1839 sich der Dreyseschen Idee des Zündnadelgewehrs annahm , geschah dies in durchaus scharfsichtiger Auffassung einer wirkungs vollen Feuertaktik der Infanterie. Dals Weit- und Schnellschiefsen bei einer guten Trefffähigkeit auf die fernungen ,
damals
entscheidenden Ent
dafs schnelle und leicht herzustellende Feuerbereitschaft
der neuen Feuertaktik endgültig zum Siege über die , durch Feuer lediglich vorbereitete , Stofstaktik des Bajonetts verhelfen müfsten,
das war der dem Zündnadelgewehr zu Grunde liegende
taktische Gedanke .
Er wurde von 1839 bis 1864 mit vollster Folge
richtigkeit festgehalten und in seiner Ausführung
vervollkommnet,
unbeirrt durch die Spöttelei der Taktiker und Ballistiker sämtlicher Grofsmächte. Weder der Spott über das ,, Preufsische Kindergewehr" , die ,,Erbsenknallbüchse" und wie man das Zündnadelgewehr damals sonst noch zu taufen beliebte , noch die ,
von
einseitigen Erfolgen
in Bezug auf Trefffähigkeit und Tragweite gekrönten , Konstruktionen eines Thouvenin , Minié , Lorenz u . s . w., noch die theoretischen Aus führungen von Ballistikern, wie
Plönnies und Weigand , waren im
Stande, den hohen Protektor Dreyses in seinen Bestrebungen im mindesten irre zu machen. In aller Stille und ohne viel Aufheben vollzog sich die allmähliche Bewaffnung der Preussischen Armee mit dem neuen Gewehr, und die Anpassung der neuen ,,Kompagnie-Kolonnen-Taktik" an dasselbe. Nichts destoweniger darf man nicht glauben ,
dafs die
felsen
festen Überzeugungen und selbst die mafsgebende Stellung des in zwischen auf den preufsischen Thron gelangten Königs Wilhelm I. imstande gewesen wären, nun auch mit einem Schlage mit den selben Überzeugungen das gesammte Offizierkorps der Armee zu durch dringen.
Dafs das Minié- Gewehr wegen seiner gröfseren Wirkungs
weite und etwas besseren Trefffähigkeit auf mittlere Entfernungen noch lange hohe Anhänger und Verteidiger in der Infanterie besaſs, und dafs in der Mitte der 50er Jahre einige Zeit hindurch die Be
156
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
strebung und die Gefahr bestand , durch allgemeine Einführung des selben das Zündnadelgewehr wieder zu verdrängen, ist bekannt. Dafs aber auch noch nach erfolgter Gesamtbewaffnung der Freufsischen Armee mit dem Zündnadelgewehr die Zweifel, ob sich dasselbe in einem ,,grofsen Kriege", d. h. im Kriege mit einer
europäischen Grofsmacht bewähren würde, nicht verstummten, davon erlebte ich persönlich einige durchschlagende Beweise. Noch im Herbste 1864, als das Zündnadelgewehr bereits seine erste ernstliche Probe im Kriege mit Dänemark bestanden , als das mit Recht als Probe auf das Rechenexempel viel
citierte
Gefecht
von Lundbye schon stattgefunden, hatte ich, damals Hauptmann im 8. Feldartillerie- Regiment, bei Gelegenheit der Generalstabsreise 8. Armeekorps , mit dem Leiter derselben, Oberst von Kameke, dem späteren Kriegsminister, einen Ansichtsaustausch bezüglich einer Defiléeverteidigung durch Infanteriefeuer, der mich bewog, auf das Gefecht der französischen Garde - Voltigeur-Division Camou um den Besitz der Brücke von Turbigo in der Schlacht von Magenta hinzu weisen und die Behauptung aufzustellen , daſs, wenn die beiden diese Brücke verteidigenden österreichischen Bataillone mit Zündnadel gewehren bewaffnet gewesen wären, der Division Camou die Wegnahme der Brücke nicht gelungen sein würde. Ich begründete dies damit, dafs, da dieselbe bei einem fünfmaligen Sturme auf die Brücke gegenüber dem Österreichischen, höchstens zu drei Schufs in zwei Minuten befähigten Gewehr / ihres Bestandes an Toten und Ver wundeten verlor, sie gegenüber einem Gewehr, welches, wie unser Zündnadelgewehr ,
5 Schüsse in einer Minute
abzugeben imstande
gewesen wäre, schon in den drei ersten Stürmen einen gröfsern Verlust erlitten haben würde, als nunmehr ihr Gesamtverlust betrug, und demnach nicht mehr befähigt gewesen wäre, auch nur zu einem vierten Sturme überhaupt anzusetzen . Oberst v. K. wollte meiner Ausführung keine Beweiskraft zugestehen , sondern meinte, dafs die feindlichen Verluste nicht selten im umgekehrten Verhältnis zur ent wickelten Feuerschnelligkeit des Gegners stehen würden. Erst 1866 bei einer zufälligen Begegnung am 4. Juli nach der Schlacht von Königgrätz sagte mir der inzwischen zum Generalmajor avancierte Herr v. K., indem er mir die Hand drückte : ,, Sie haben doch Recht gehabt, ich habe recht oft an Ihre Beweisführung hin sichtlich des Gefechts von Turbigo denken müssen." Und endgültig wurden in der That die Ansichten über den Wert des Schnellfeuers der Infanterie auch im preufsischen Offizier Noch am korps erst durch den Krieg von 1866 berichtigt. Vorabende dieses Krieges standen nicht nur unsere Gegner, die
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
157
sondern auch noch manche höhere Offiziere unserer Armee unter dem Eindrucke der französischen Stofstaktik von 1859. Österreicher,
Ich war Zeuge, dafs eines Abends im Mai 1866 im Civilkasino in Coblenz, als die Mobilmachung der gesammten Armee schon ausge sprochen war, mehrere höhere Infanterie- Offiziere gelinde Zweifel ob und wie das Zündnadelgewehr nunmehr seine Probe Ich entgegnete unter in einem grofsen Kriege bestehen würde. Hinweis auf das Gefecht bei Lundbye, erfuhr aber die Entgegnung, äufserten,
dals solche ,,in kleinen Verhältnissen
und gegenüber einem
recht
erlangten Resultate
nicht
unzweckmässigen Verfahren des Gegners beweisend seien " u. s. w. Wie
diese Ansichten
sich
dann
im
Verlaufe
des Feldzuges
wandelten, ist ebenso bekannt, wie die dann 1867 folgende merk würdige Periode , wo man den ,,Hinterlader" in den Himmel erhob und es fertig brachte, denselben auch gegen den 19Hinterlader" stets siegreich sein zu lassen, sofern er sich nur in preufsischen Händen befand . Ich trat diesen Ausführungen damals in einem ,,Hinterlader gegen Hinterlader , ein anderes Bild" betitelten Aufsatze im Militär-Wochenblatt entgegen, in welchem ich Grundsätze über das künftige Feuergefecht der Infanterie entwickelte, die sich allmählich durchschlagend allerdings erst durch den Krieg von 1870/71 und nach demselben die allgemeine Anerkennung er warben und heute gröfstenteils auch in unsern reglementarischen Be stimmungen wiederzufinden sind. Ich erwähne dieses alles hier nur deshalb, um daran zu erinnern, wie allerdings die taktischen Folgen kriegstechnischer Ein richtungen endgültig immer erst durch den Krieg selbst festgestellt werden, dafs sie aber in ihrer Wesenheit auch schon eine sorgfältige Analyse aller einschlägigen Verhält nisse annähernd festgestellt werden können, und dafs derjenige am besten fährt, der eine solche Analyse bereits vorher im Frieden ohne Vorurteil und recht sorgfältig vornimmt. vorher durch
Dafs man sich dabei hüten mufs , unter wesentlich anderen Ver hältnissen erkämpfte taktische Erfolge - wie z. B. die der franzö sischen Stofstaktik 1859 gegenüber dem langsam schiefsenden, wenn auch gut treffenden österreichischen Vorderlader auch ganz neuen veränderten technischen Einrichtungen gegenüber als mafsgebend in Rechnung zu stellen , beweisen eben die Erfahrungen der Dänen 1864 und der Österreicher 1866 gegenüber unserem Zündnadelgewehr. Wie nun die Erfolge des Zündnadelgewehres zur allgemeinen Einführung schnellfeuernder Hinterlader in allen Armeen führten , übergehe ich als bekannt.
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
158
Natürlich war es, dafs man dabei Vervollkommnungen nach drei Richtungen hin erstrebte : 1. in Bezug auf Feuerschnelligkeit bezw. leichte und schnelle Herstellung der Feuerbereitschaft, 2. in Bezug auf Flugbahn- Rasanz und 3. auf Trefffähigkeit. Während die erste Tendenz sehr bald zur Einführung von Repetiergewehren, und zwar zuerst bei uns und in bekanntlich etwas übereilter Weise, führte, trat infolge der unter 2 und 3 genannten Bestrebungen die Kaliberfrage in den Vordergrund . Völlig scheint die letztere auch bis heute, wo die inzwischen allgemein gewordene Einführung des rauchlosen oder rauchschwachen Pulvers
einen
neuen
für
Faktor zur Geltung brachte, zu sein.
die
Taktik
aufserordentlich
wichtigen
noch nicht zum Abschlufs gekommen
Es erscheint deshalb nicht überflüssig, ihr hier, wo es sich um den Einflufs technischer Einrichtungen auf die Taktik handelt, einige abwägende Ausführungen zu widmen. Jedem erfahrenen Soldaten muiste von vornherein klar sein, dafs die Vorzüge des kleinen Kalibers : gestrecktere Flugbahn , gröfsere Durchschlagskraft und Trefffähigkeit, mehr Munition bei gleichem Gesamtgewicht derselben, ihre Grenze finden würden sowohl in einer bestimmten zur sicheren und andauernden Aufsergefechtsetzung des Gegners erforderlichen Masse des Geschosses, wie in den technischen
Schwierigkeiten der inneren
Einrichtung des Laufes, der
Einrichtung der Patrone u. s. w. Bei dem Streben nach grofser Flugbahnrasanz wird in der Regel übersehen, dafs diese, ob zwar sie mit Erhöhung der Durchschlagskraft und Wirkungsweite Hand in Hand geht,
doch sobald sie eine
gewisse Grenze überschreitet, keineswegs eine proportionale Erhöhung der Gefechtswirkung im Gefolge hat. Während Schätzungsfehler in der Entfernung in höherem Grade durch eine rasantere Flugbahn ausgeglichen werden, als durch eine weniger rasante, stehen diesen Vorzügen doch da, wo sie lediglich durch Verminderung des Kalibers unter ein gewisses Mafs erreicht sind, auch erhebliche Nachteile entgegen. Wenn die Kruppsche Fabrik mit Beziehung auf die von ihr konstruierten Feldgeschütze ausführt, dafs die anscheinend günstigeren Verhältnisse kleinerer Seelenweiten mit verhältnismäfsig schwereren Geschossen und gröfseren Mündungsgeschwindigkeiten bei näherer Betrachtung vor den damit verbundenen Nachteilen verschwinden. dafs die Unterschiede im Patronengewicht nicht proportional dem Geschofsgewicht bleiben, d. h. dafs das tote Gewicht ( Patronenhülse etc. ) bei der kleinen
Seelenweite wächst,
ebenso wie die Brennlängen-
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
159
streuungen infolge der gröfseren Geschofs- und Umdrehungsgeschwindigkeit wachsen", so findet dieses alles mutatis mutandis auch auf Gewehre Anwendung. Die Patronen werden länger und verletzlicher, geringe Versehen oder sonstige Gewichtsunterschiede in vermehren noch die ohnedies gröfseren Längen-
der Pulverladung
streuungen und nicht zum wenigsten verringert sich auch die Stetigkeit der Flugbahn gegenüber seitlichen Luftströmungen. Die durch letztere hervorgebrachten Abweichungen des Geschosses haben aber zugleich wieder Abweichungen desselben von seiner tangentialen Lage zur Flugbahn im Gefolge , welche auch die Längenstreuungen beträchtlich vermehren. Praktisch gesprochen, die Überlegenheit theoretisch ermittelter kleinster Kaliber in Bezug auf Trefffähigauf den Friedensschiefskeit und Durchschlagskraft ist plätzen an sonnigen und windstillen Tagen vorhanden.
Wie sie sich.
im Felde gestalten wird, darüber liegen zwar noch keine genügenden Erfahrungen vor, doch sprechen eine Menge von Umständen dafür, dafs mit dem Kaliber von 8 mm wohl die untere Grenze der praktischen Brauchbarkeit eines Infanteriegewehres erreicht ist. Die Diese Umstände sollen hier nur kurz registriert werden. grofse Überlegenheit, welche das Chassepotgewehr durch sein Herabgehen auf 11 mm Kaliber über unser Zündnadelgewehr davontrug man denke an das erste Auftreten des Chassepots bei Mentaua, wo es bekanntlich ,, Wunder verrichtete" hat sich nicht in gleichem Malse mit der weiteren Herabsetzung des Kalibers auf 8, auf 7,9 und auf 6,5 mm auf diese kleineren Kaliber übertragen.
Ja, es ist
die Frage, ob, wenn das damalige Chassepotgewehr zugleich mit dem rauchschwachen Pulver und der Metallpatrone in die Erscheinung getreten wäre , von einer nennenswerten ballistischen Überlegenheit der neuen Kaliber noch die Rede sein könnte . Es sind freilich mit einem Gewehr, welches mit unserem Armeegewehr im
wesentlichen identisch sein dürfte,
im chilenischen In-
surrektionskriege recht günstige Erfahrungen gemacht worden, doch war dies der Fall gegenüber einem minderwertig bewaffneten und unausgebildeten Gegner, wie seiner noch minderwertigeren Taktik. Dagegen haben gelegentlich bei Wind und Sturm stattgehabte Schiefsübungen im Gelände die geringere Stabilität schon dieser kleinkalibrigen Geschosse gegenüber seitlichen Windströmungen trotz ihrer bedeutend gröfseren Mündungsgeschwindigkeit unliebsam empfinden. lassen. Nicht minder sind aus Afrika einzelne Vorkommnisse bezüg lich seiner Wirkung auf gröfseres Wild veröffentlicht worden, welche wieder auf die Möglichkeit von Verwundungen, z. B. von Pferde hinweisen, wodurch diese zwar schwer verletzt, aber trotzdem Lici :
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
160
sofort aufser Gefecht gesetzt werden , so dafs es nicht ausgeschlossen erscheint, daſs eine Kavallerieattacke trotz zahlreicher verwundeter Pferde dennoch zum Einhauen auf Infanterie gelangen könnte . Die Erfahrungen, welche die Italiäner in Erythraea gegenüber den
Abyssiniern
gemacht,
widersprechen dem nicht.
Zwar wurde
nachträglich behauptet, dafs man den schon mit dem neuen 6,5 mm Mannlicher- Gewehr bewaffneten Bataillonen bei ihrem Abgange nach Afrika, um die Einheitlichkeit der Bewaffnung aufrecht zu erhalten , dieses habe.
Gewehr wieder abgenommen und durch das ältere ersetzt Sehr wahrscheinlich klingt dies nicht, denn schon der ge-
rechtfertigte Wunsch, das neue Gewehr im Ernstfalle zu erproben, spricht dagegen. Viel eher ist anzunehmen, dafs man die gemachten unliebsamen Erfahrungen nicht an die Öffentlichkeit gelangen lassen wollte : hat aber in der That das ältere Gewehr mit seinem 10,5 mm Kaliber jene
unzureichende
Resultate gegenüber den Abyssyniern
ergeben, dann würde das noch mehr gegen weitere Herabsetzung des Kalibers sprechen . Dafs auch die Spanier gegenüber den kubanischen Insurgenten keine überwältigenden Resultate mit ihrem 7 mm Gewehr erreicht haben, steht fest. Endlich haben die Engländer gegenüber den aufrührerischen Stämmen an den Grenzen Afghanistans die Ergebnisse ihres LeeMetford- Gewehres ( 7,7 mm Kaliber) sogar so minderwertig gefunden , dafs sie zu einer besonderen Zurichtung ihrer Geschosse durch Abschneiden der Mantelspitze desselben, dem sog. Dum-Dum- Geschofs , ' ) ihre Zuflucht nahmen und neuerdings ein Geschofs mit Hohlspitze des Mantels , das Hythe - Geschofs einführen. dafs
Es steht aufser Zweifel,
durch die Aufblätterung des so an der Spitze des Geschosses
freigelegten Weichbleis
sehr
schwere,
Weichteile und Knochen in
weitem Umfange zerreifsende und zertrümmernde Wirkungen hervorgebracht werden. Dieselben tragen einen so grausamen Charakter. dafs sie einer hervorragenden chirurgischen Autorität, dem Geheimen Rat Dr. v. Esmarch, zu dem Vorschlage Veranlassung gegeben haben, auf der demnächst in Aussicht stehenden Abrüstungskonferenz das Verbot derartiger Geschosse in europäischen Kriegen Satzung des Völkerrechts festzustellen.
als
eine
Es spricht gewifs vieles für diesen Vorschlag, nur kaum Etwas für seine Beschränkung auf europäische Kriege oder Kriege unter 1 ) Auch die Anwendung von Halbmantelgeschossen bei der MauserSelbstladepistole bei ihrem Gebrauch gegen Wild spricht dafür, dafs man dessen ganz ummantelten Geschofs die genügende Verwundungskraft nicht zutraut. (S. M.-W.-Bl. Nr. 4, 1899, Sp. 89, 90.)
Taktik und Technik im Kriegswesen etc. civilisierten Nationen.
161
Denn , dafs man wilde Völkerstämme Afrikas,
Asiens u . s . w. aufserhalb des Völkerrechts stellen sollte, wohl anzunehmen.
ist nicht
Immerhin wird es gut sein, wenn dem Esmarchschen Antrage auch taktisch-ballistische Zweckmäfsigkeitsgründe und daran fehlt es nicht.
zur Seite stehen,
Das Dum-Dum- Geschofs verliert durch eben
die Deformation
seiner Spitze auch den gröfsten Teil seiner Durchschlagskraft.
Diese
gegenüber den wilden Stämmen Indiens und ihrer irregulären Fecht weise weniger in Betracht kommend, würde in europäischen Kriegen doch ihre Bedeutung behalten. Ganz abgesehen davon, dafs Treffer mit Preller bei dem Dum-Dum- Geschofs fast ausgeschlossen erscheinen , würde bei demselben auch die Durchschlagskraft durch leichte Mauern , Erddeckungen, Bäume (bei Waldgefechten ) nahezu verloren gehen . Bei der Ausdehnung
des heutigen zerstreuten Gefechts
und der
Rolle, welche die erwähnten Deckungen in demselben spielen, ist das aber durchaus nicht gleichgültig. Der Vorteil, in einem Gefecht, wo in vielen Fällen nur der Kopf des Schützen oder noch ein Teil seiner Brust (Schulter) sichtbar ist, dessen Körperteile durch eine grausame Verwundung noch schwerer und unheilbarer zu
verletzen,
erscheint taktisch gering gegen die
Aufgabe eines so grofsen Teils der Durchschlagskraft, welche zahl reichere Verwundungen und Aufsergefechtsetzungen mittels Durch schlagen der den übrigen Körper der Schützen deckenden materiellen Hindernisse in Aussicht stellt. Wenn man also auch kein allzu grofses Gewicht auf die Möglich keit, mehrere hintereinanderstehende Gegner zu durchschlagen, legen will, obgleich diese Möglichkeit doch bei jeder Überraschung einer noch nicht in Gefechtsformation befindlichen Truppe, namentlich aber auch gegenüber der Kavallerie, eine Rolle spielen wird, so ist es doch sicher nicht gerechtfertigt, auf diese Durchschlagskraft gänzlich zu verzichten, um die Verwundung des einzelnen Gegners gefähr licher zu gestalten. In allen Orts- und Stellungskriegen, in allen unter Benutzung von Geländebedeckungen und Deckungen stattfindenden Gefechten dürfte der sich des Dum-Dumgeschosses bedienende Teil gegenüber einem gleich gut bewaffneten, aber mit
nicht deformierten klein
kalibrigen Geschossen kämpfenden Gegner den Kürzern Ähnliches wird wohl auch vom Hythe-Geschofs gelten.
ziehen.
Dagegen wirft die Geschichte des Dum-Dumgeschosses doch einiges Licht auf die namentlich von chirurgischer Seite aufge stellten Behauptungen von der Furchtbarkeit der Verwundungen der 11 Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 111. 2.
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
162
kleinkalibrigen Geschosse überhaupt. Wären diese in der That so furchtbar, wie sie die chirurgischen Berichte schildern, woher dann die
Erscheinungen im
abyssinischen ,
Kriege ? Warum denn überhaupt Geschofs? Diese
kubanischen
das Dum-Dum-
chirurgischen Erfahrungen gründen
und
indischen
und das Hythe-
sich fast durchweg
auf Schiefsversuche gegen Tierleichen und sind daher meiner Ansicht nach nicht mafsgebend. Denn der tote, seiner gesamten lebendigen Elastizität beraubte Körper verhält sich ganz anders gegenüber ihn durchdringenden Geschossen, als das elastische in voller Spannkraft befindliche Gewebe
des
lebenden
Körpers .
Auch theoretisch ist
nicht abzusehen, warum ein Geschofs mit geringerem Durchmesser und gröfserer, also besonders auf seiner Geschwindigkeit beruhender , Durchschlagskraft, einen Knochen oder eine Muskel mehr zertrümmern bezw. zerreifsen solle , samer bewegendes
Geschofs .
als ein gröfseres sich lang-
Die Erklärung,
dafs
gröfseren Umdrehungsgeschwindigkeit herrühre ,
ist
dieses von der nicht zutreffend,
denn thatsächlich steht letztere in genauester Beziehung zu der Fortbewegungsgeschwindigkeit und je mehr sie ihren Zweck, Erhaltung des Geschosses in seiner tangentialen Lage zur Flugbahn, erfüllt, um so glatter mufs sich der durch dessen Durchschlagskraft erzeugte Schufskanal gestalten . Das
stimmt auch mit der
Erfahrung :
Ich
habe eine Menge
Wunden, sowohl durch Chassepotgewehre, wie durch Zündnadelgewehre verursachte im Kriege von 1870/71 zu sehen Gelegenheit gehabt.
Durchschnittlich machten die letztern den gefährlichern Ein-
druck, wenn auch die ersteren von der bedeutend gröfseren Durchschlagskraft der Chassepotgeschosse Zeugnis ablegten , Wer erinnert sich nicht der ebenfalls auf chirurgischen Veröffentlichungen beruhenden Angaben über die furchtbaren Deformationen, welche das Chassepotgeschofs im menschlichen Körper hervorbringen sollte, vor dem Kriege von 1870/71 ? Da hiefs es, dafs die Ausgangsöffnung der vom Chassepotgewehr verursachten Schufskanäle 4-5--6 ja 8 mal so grofsen Durchmesser aufweisse, als seine Eingangsöffnung. Nun habe ich unter den vielen von mir bei Menschen und Pferden 1870/71 gesehenen derartigen Verwundungen keine einzige
gesehen,
bei welcher die Ausgangsöffnung eine auf-
fallende Vergröfserung gegenüber dem Eingange des Schufskanals gezeigt hätte . Auch die in unseren Lazarethen erhaltenen Heilresultate bestätigen dies. Wenn z. B. bei einem Offizier eine durch das
Muskelfleisch beider Oberschenkel durchgehende allerdings auf eine
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
163
Entfernung über 1000 m erhaltene Chassepotwunde zunächst rasch und unter Hinterlassung nur kleinerer Narben an den Ein- und Ausgangsöffnungen heilte, nach etlichen Jahren sich aber in dem einen Schenkel wieder öffnete und
ein Stückchen Hosenzeug
ausspie,
so
beweist dies einerseits die glatte Durchschlagung dieser Muskeln und die geringe Zerreifsung derselben im Innern der Wunde,
anderer-
seits dafs letztere nicht einmal durch den Transport eines Stückchen Hosenzeuges ins Innere des Schufskanals durch das Geschofs erheblich vergröfsert worden war. Wie viele durch Beinschüsse mittels des Chassepotgewehres verwundete Soldaten haben sich nicht 1870/71 durch oft recht erhebliche Märsche noch nach den Verbandplätzen oder ins Quartier geschleppt? Und welcher Widerspruch ! Als das um 3,1 mm kleinere Kaliber bei uns angeführt wurde, da konnte man die Humanität dieser Geschosse, die den menschlichen Körper zwar leicht durchschlagen, aber auch ebenso nur leicht heilende Wunden verursachen sollten, nicht genug rühmen , während es sich seit einigen Jahren mit einmal umgekehrt verhalten soll ! Nur ein paar gegenteilige Beispiele aus der Praxis, welche mir gut, das zweite von einem Augenzeugen, bezeugt erscheinen. Da ging
auf der Wache
einer grofsen
durch Unvorsichtigkeit eines Soldaten ein los . Anscheinend war niemand verletzt.
deutschen Garnison
scharfgeladenes Gewehr Der Unteroffizier der
Wache apostrophierte den unvorsichtigen Soldaten mit den Worten: „ Sie werden natürlich bestraft werden, können aber von Glück sagen, dafs nichts passiert ist. " Eine halbe Stunde später fällt der Unteroffizier tot vom Stuhl. Das Geschofs war ihm durch den Unterleib gegangen . In einer andern grofsen Garnison ging bei einem Manöver plötzlich ein scharfgeladener Schufs los, verwundete einen Unteroffizier, durch dessen Schulter durchgehend, und zerschmetterte dann einem Soldaten den Oberarm. Der Unteroffizier wurde in 8 Tagen, der Soldat in einigen Wochen dienstfähig hergestellt. Ähnliche Erfahrungen wurden auch aus dem chilenischen Kriege bezüglich der vom 8 mm Gewehr verursachten Wunden berichtet. Im allgemeinen scheinen Theorie stimmen,
und Praxis darin übereinzu-
dafs die kleinkalibrigen Geschosse infolge ihrer grössern
Durchschlagskraft Knochen wie Muskeln leichter durchbohren, daſs die von ihnen im Innern derselben angerichteten Zerstörungen aber geringer sind, als die von gröfseren Geschossen mit geringerer Geschwindigkeit. Dafs es dabei indessen auf die Richtung des einschlagenden Geschosses, die Beschaffenheit der Körperteile und ihrer 11*
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
164
Bedeckungen, Bekleidung, Ausrüstungsstücke u . s . w. ankommt, ist natürlich. Doch dürften z. B. auch die schnelleren und durchschlags fähigeren Geschosse weniger Bekleidungs- und Ausrüstungsstücke in die Wunden mit hineinreifsen, als gröfsere und sich langsamer be wegender. Ich neige mich daher zu der Ansicht, dafs in der That diese kleinkalibrigen Geschosse insofern der Humanität dienen , als sie mehr aufser Gefecht setzen, als töten und verstümmeln, dafs daher das Verhältnis der Verwundeten zu den Toten in künftigen Kriegen bedeutend wachsen wird . Es liegt aber in militärischer Beziehung die Gefahr vor, dafs durch fernere Herabsetzungen des Kalibers auch die Zahl derjenigen Verwundungen bedeutend zunehmen wird, welche nicht aufser Gefecht setzen und damit, namentlich Kavallerie-Angriffen ge genüber, die nötige Defensivkraft vermissen lassen. Ich bin der Überzeugung, daft mit dem Kaliber von 8 mm. also ungefähr mit dem unseres Armeegewehres die untere Grenze des kriegsbrauchbaren Kalibers erreicht ist, und dafs alle die jenigen modernen Gewehre, welche noch unter dieses Kaliber herab gegangen sind, im Kriege die Erfahrung machen werden, dafs sie reelle Vorteile für ideologische aus der Hand gegeben haben. Die etwas rasantere Bahn wird mit einer aufserordentlich verminderten Stabilität gegenüber seitlichen Windströmungen erkauft, durch welche die Trefffähigkeit auf gröfsere und schon auf mittlere Ent fernungen mehr gemindert wird, als sie infolge der etwas gröfseren Rasanz zugenommen hat. Da die Widerstandsfähigkeit der Flug bahn gegen seitliche Luftströmungen mit dem Quadrate des Kalibers abnimmt, also sich beim älteren Chassepotgewehr , zum Lebelgewehr, zu unserem Gewehr, zum spanischen Mauser- , zum italienischen Mannlicher- Gewehr wie 112 : 82 : 7,92 : 72 : 6,52 = 110 : 64 : 62 : 49:42 verhält und bei einem 5 mm Gewehr gar nur 25 betragen würde, man aber im Kriege bei jedem Wetter, bei Sturm und Regen und ungünstigem Winde jeder Art schlagen mufs, so fällt auch dieser Punkt sehr ins Gewicht. Was die Möglichkeit, den Mann bei gleichem Gewicht beim
kleineren Kaliber mit mehr Munition auszurüsten, betrifft, so ist die selbe nicht zu überschätzen. Ich habe im 10. Beiheft zum Militär wahr „Über den Aufsatze: Wochenblatt von 1881 in dem scheinlichen Verbrauch von Kleingewehr-Munition im Festungskriege zunächst nachgewiesen, dafs schon im Kriege von der Zukunft 1870/71 der Infanterist im Mittel nur die Aussicht hatte, in rationeller Weise etwa 60 Patronen ( im Durchschnitt ) zu verbrauchen,
Taktik und Technik im Kriegswesen etc. er selbst
bis
aufser
Infanteristen mit
100
Eine Ausrüstung des
Gefecht gesetzt war. Patronen übersteigt
165
daher schon den wahr-
scheinlichen Munitionsverbrauch desselben, bevor er selbst verbraucht ist , um 40 Patronen, vorausgesetzt , dafs man an vernünftigen Gefechtsgrundsätzen, wie sie bei uns üblich sind , festhält, und nicht auf utopische Resultate durch verschwenderisches Feuer ausgeht. Im allgemeinen hat die Kriegsgeschichte auch demjenigen, der mit seiner Munition ökonomisch verfuhr, Recht, gegeben.
Diese Ökonomie der Munition wird aber bei der Verkleinerung des Kalibers noch sehr beeinträchtigt durch die leichte Verletzlichkeit der dünnen und langen Patronen beim Transport. Das alles liegt für jeden Sachverständigen so sehr zu Tage und mufs sich bei allen gewissenhaften Proben der mafsgebenden Schiefsschulen und Waffenkommissionen so sicher ergeben haben, zum Schlufs wohl nach die Frage beantwortet werden muſs : wie es denn eigentlich zugehe, dafs die Kaliberfrage auch beim Gewehr noch immer nicht zur Ruhe kommen will ? dafs
Die Antwort ist nicht schwer !
Jede neue Erfindung, jede neue
Konstruktion, die eingeführt wird , wird an dem Erfinder oder Konstrukteur belohnt, oft genug über Verdienst. Es liegt auf der Hand, dafs das zur eifrigen Arbeit in der Richtung eines, wenn auch nur scheinbaren,
Fortschrittes anspornen mufs, und dafs heutzutage weit mehr Selbstverleugnung und Überzeugungstreue dazu gehört, das Bestehende für gut und nicht verbesserungsbedürftig wenn
auch vielleicht nur in einer Richtung
zu erklären, als in die grofse
Posaune zu blasen, welche einen Fortschritt sogar in Richtungen für nötig erklärt, in welchen man aller Wahrscheinlichkeit nach schon die vernünftige Grenze überschritten hat. Wenn die Chirurgie
dieses Bestreben
ihrerseits unterstützt, so
benimmt gerade sie sich dabei so widerspruchsvoll, dafs sie wenig Vertrauen verdient. Wird ein kleinkalibriges Gewehr eingeführt stimmt sie ein Hosianna Wird
ein weiteres
an über die
Herabgehen
humane" Erfindung
im Kaliber
beanstandet ,
weil
man ihm die Kraft, definitiv aufser Gefecht zu setzen, nicht zutraut so versucht sie nachzuweisen, welche
entsetzlichen Wunden gerade
dieses kleinere Kaliber mache. Abyssinier, Cubaner, Filippiner und die Tiger und Gazellen Afrikas sprechen freilich nicht dafür. Die Chirurgie hat auch vielleicht noch andere Nebenabsichten. Was sollte aus ihren gerühmten Autoritäten werden,
wenn
die Mehrzahl
der Wunden bei den einfachsten Verfahrungsweisen, die jeder Unter-
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
166
offizier, ja jeder einfache Soldat bald erlernen kann, und die Armeeleitung dieses erkännte !
heilen sollte
Und zuletzt, aber nicht am wenigsten, was hätte die grofse Privat -Waffenindustrie davon, die schon eine gewaltige Macht im Staate darstellt, wenn die fortwährenden Neubewaffnungen endlich zum Stillstande kämen , der Taktiker endlich an Stelle des Technikers träte und an dem Ausbau der Taktik der neuen Waffen denken könnte ! Mit dieser ungeheuren Kapitalmacht der Privatindustrie aber mufs gerechnet werden. Da ist es
denn sehr hübsch,
wenn einmal andere neue und,
wenn sie sich bewähren, auch zum Teil wichtigere und wirkungs vollere Erfindungen die bereits langweilig gewordene und in ausge tretenen Geleisen sich mit geistloser Routine bewegende Kaliber frage ablösen ! Erfindungen , Beschäftigung verheiſsen. Wenn diese Erfindungen
die jener Industrie weit lohnendere sich als so ausführbar , wirksam
und wichtig , wie man sie momentan
ansieht oder erscheinen zu
lassen versucht, bewähren , würden wir es vielleicht erleben, daſs, falls das erreichte kleinste Kaliber sich in dieser Beziehung als ein Hindernis für jene Erfindungen herausstellt, man sich mit derselben Frische, Zuversicht und Unbekümmertheit wieder auf die verlasseuen 9 , 10, 11 mm Kaliber hinaufarbeiten würde . Freilich auch
umgekehrt ! nämlich,
neue Erfindung begünstigt, um so mehr als auch
wenn
das kleinere Kaliber die
dann wird es im Gefolge derselben nur
an und
für sich notwendig gepriesen
werden, trotz aller der oben dargelegten Nachteile. bei den Schnellfeuergeschützen ganz ähnlich . und
Nur die
War es doch
immer etwas Neues, Effektvolles, wobei die Technik Waffenindustrie verdienen kann ! Der Taktiker wird
dann schon, wie überhaupt in den letzten Jahrzehnten, bescheiden im Fahrwasser der Technik weiter segeln und lavieren . Was hat denn nun die letztere auf dem Gebiete der Feuerwaffen wieder Neues oder Grofses in Aussicht? In der That scheinen zwei Probleme jetzt gelöst zu sein, welche schon längere Zeit auch die Taktiker beschäftigten und deren Tragweite zur Zeit noch nicht völlig zu übersehen ist. Das erste wurde von mir schon 1871 in einem Beihefte des Militärwochenblattes betiteltem Aufsatze
in einem ,,Repetirgewehr oder Hinterlader ?" formuliert, indem ich mich dort für ein
Repetiergewehr nur unter der Bedingung aussprach, daſs der Rück stofs des abgefeuerten Schusses zugleich das Laden des neuen besorge.
Diese Bedingung hielt der damalige Schriftleiter des Militär
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
167
wochenblattes, Oberstleutnant Borbstädt, für eine solche, deren Lösung vielleicht erst in einer sehr fernen Zukunft gelingen möchte . scheinen schon mehrere Konstrukteure dieselbe gelöst zu von denen Maxime der bekannteste ist. Da indessen noch von keiner Seite
Heute haben ,
über die Einführung dieser
Erfindung etwas verlautet, so scheint es mit ihrer Kriegsbrauchbarkeit wohl noch Anstände zu haben. Ihre Bedeutung liegt keineswegs in der Schnelligkeit, mit welcher ein solches Gewehr seine Schüsse zu verfeuern imstande ist - diese dürfte bei den jetzigen Repetirgewehren schon mehr als genügen sondern in der, ohne Inanspruchnahme der Körperkraft des Schützen erfolgenden Herstellung der Feuerbereitschaft in jeder Körperlage des Schützen mit gleicher Leichtigkeit. Dafs dadurch die Fähigkeit desselben , ruhiger zu zielen und ohne Ermüdung länger im Feuer auszuhalten , bedeutend gesteigert werden würde, liegt auf der Hand. Zu erfüllende Bedingungen sind : völlige Gefahrlosigkeit für den Schützen selbst, wie für seine Neben- und Hinterleute , Ausschlufs irgend welcher Ladehemmungen, die nicht sofort durch den Schützen selbst wieder zu beseitigen sind, Leistungen.
bei
voller Erhaltung der bisherigen ballistischen
Werden diese Bedingungen erfüllt, so wird ein solches Repetirgewehr sich andern Systemen entschieden überlegen zeigen. Eine zweite Erfindung ist die des französischen Obersten Humbert, welche den Schufs aus Gewehren , wie Geschützen
ohne
Knall und Feuererscheinung abzugeben gestatten soll unter teilweiser Aufhebung des Rückstofses. angebrachte Klappe
Durch eine in der Nähe der Mündung
(beim Geschütz) bezw .
Kugel (beim Gewehr),
welche
eine bewegliche kleine
beide in dem Augenblick,
wo das
Geschofs die Mündung verlässt, durch die Pulvergase selbst zum Verschliefsen der Mündung nutzbar gemacht werden, sollen die Pulvergase auf einen andern rechtwinklig zur Seelenachse aus dem Laufe Hierdurch soll sowohl die führenden Weg angewiesen werden. Feuererscheinung vermieden ,
als auch dadurch, dafs die Luft erst,
nachdem die Pulvergase auf dem geteilten Wege die Seele verlassen, infolge der nun wieder die Mündung freigebenden Klappe bezw. Kugel in den Lauf einströmt , auch der Knall verhindert werden . Ein Schiefsversuch mit einem derartig eingerichteten 3,7 cm Geschütz soll die Richtigkeit des Gedankenganges des Obersten Humbert ,,im allgemeinen bestätigt haben, obgleich die Ergebnisse noch nicht zu voller Zufriedenheit ausfielen." So berichtete die deutsche Heereszeitung nach der Revue d'artillerie unter dem 4. Januar d. J:
Taktik und Technik im Kriegswesen etc.
168
Es ist nun sehr wahrscheinlich, dafs auch bei weiterer Vervoll kommung der Einrichtungen des Obersten Humbert weder die Feuererscheinung beim Schufs, noch der Knall vollständig ver mieden werden können, sondern dafs man sich in beiden Beziehungen ähnlich wie beim „ rauchlosen " Pulver mit der Rauch-Verminderung, so auch hier mit der Verminderung der Feuererscheinung
und des
Knalles zu begnügen gezwungen sein wird. Selbst aber, wenn es gelänge , diese beiden Erscheinungen gänzlich zu beseitigen, so erscheint mir das für den wirklichen Kriegs
wert der betr. Waffen ein höchst zweifelhafter Vorzug. Wenn das rauchschwache Pulver hauptsächlich den Vorteil brachte, die eigene Gefechtssphäre von Pulverrauch frei zu halten und dadurch dem Massen- und Schnellfeuer eine Wirkung zugestatten, wie sie früher nicht möglich war, so wurde der ihm zugeschriebene zweite Vorteil, die eigene Feuerlinien dem Feinde nicht zu verraten , wieder eingeschränkt durch die Feuererscheinung und den Knall . Diesem will nun die neue Erfindung abhelfen. Die Frage,
ob eine solche absolute Verschleierung des Feuer
gefechts nützlich sei , erscheint mir nun ebenso wichtig, wie bis jetzt wenig geklärt.
Nur für Räuber und Buschklepper, die ihr Thun
und Treiben absolut und vor jedem Auge, am besten selbst vor ihrem eignen, verbergen möchten, dürfte sie unbedingt zu bejahen sein. Im Kriege dagegen erscheint es schon bedenklich, ganz all gemein die Kenntlichkeit der eignen fechtenden Linien nur von der Erkennbarkeit ihrer Uniform
und
Ausrüstung abhängig machen zu
wollen . Dafs die neue Erfindung abermals , wie fast alle Ver besserungen der Feuerwaffen vorzugsweise der taktischen Defensive zu gute käme, wäre kein Fehler. Dafs sie aber auch die oft so nützlichen Scheinangriffe und Demonstrationen sehr erschweren würde, ist schon bedenklicher.
In Rückzugsgefechten und überall da,
wo
es darauf ankäme, den Gegner nur einzuschüchtern, ihm glauben zu machen, dafs er mit einer gröfseren Macht zu thun habe, als wirklich der Fall ist, würde man Feuererscheinung und Knall schmerzlich vermissen. Wären beide Teile mit solchen Feuerwaffen ausgerüstet, so müfste schon die
erforderliche
Vorsicht,
um das
Schiefsen auf die eigenen Truppen zu vermeiden, wieder zum Be ginn des Gefechts auf nähere Entfernungen und damit zu grofsen Verlusten führen. Das Marschieren nach dem Kanonendonner wäre ganz unmöglich und der Angriff einer umgehenden Truppe würde sich zwar dem Feinde im ersten Augenblick empfind licher fühlbar machen, dem eigenen Heere aber vielleicht gänz Weder unsere Kronprinzliche Armee lich verborgen bleiben.
Taktik und Technik im Kriegswesen etc. bei
169
Königgrätz, noch die Sachsen bei Gravelotte hätten
sich der
Armeeleitung sowohl, wie den nächstkämpfenden eigenen Truppen lediglich durch Adjutanten und Meldereiter ( in Zukunft vielleicht durch Telegraph oder Telephon ) anmelden können . Die moralische Depression
durch das Getöse und Geblitze des
Feuergefechts, einer der wichtigsten Faktoren der bisherigen Kriege, würde aufhören, sich geltend zu machen , und, wenn auch im Beginn eines Kampfes gröfsere Vorsicht walten würde, so scheint mir doch, dafs im Fortgange das Feuergefecht viel von dem Charakter des Ge fechts mit der blanken Waffe in antiker Zeit annehmen und zu furchtbaren Verlusten beiderseits führen würde .
Mitten in solchem
Gefecht, dessen Leitung durch die Führer aufserordentlich erschwert wäre, würde das fatalistische Gefühl sich geltend machen und nutz lose, mit der gänzlichen Vernichtung des einen Teiles aber auch dem andern Teil zweiflungskämpfe würden an
endigende,
grofse Verluste verursachende Ver die Stelle früherer schneller Ent
scheidungen treten . Ob damit etwas gewonnen wäre ? Das wird sich leichter ent scheiden lassen, wenn wir einmal die Sachlage betrachten, wie sie sich ergeben würde , wenn nur einer der beiden Teile über weder Feuer noch Knall verursachende Waffen verfügte. Dann scheint der Vorteil sich durchaus ceteris paribus auf die Seite des im Besitze der knallenden und blitzenden Waffe be findlichen Teiles zu neigen. Dals er gegenüber dem tierischen Teile der gegnerischen Armee , gegenüber den Pferden von Kavallerie und Artillerie im Vorteile ist, wird Biemand bestreiten.
Und,
wer das
menschliche Herz kennt,
wird wohl auch zugeben, dafs es ebenfalls für das Herannahen des blitzenden und tosenden Feuergefechtes
empfänglich ist.
bei Sedan eingekreisten Franzosen würden ,
schon,
Die
weil den nicht
unmittelbar von Verlusten betroffenen Truppenteilen der Eindruck der sich in geometrischer Progression steigenden Gefahr entgangen wäre, wohl an vielen Punkten verzweifelten Widerstand geleistet haben . Bezüglich des Gewehres möchte ich daher den Nutzen der neuen Erfindung noch geringer anschlagen, als beim Geschütz . Beim letzteren könnte es vielleicht von Vorteil sein ( man denke namentlich an das Bombardement von Festungen), dafs die eigene Stellung durch kein Aufblitzen, durch keinen Knall eines Schusses verraten würde . Dann wird der Fesselballon ihre Stellung auszukundschaften und festzustellen haben. Beim Gewehr, dessen Träger seine Gegner und zwar erst recht, wenn seine Waffe eine feuer- und knalllose ist ,
170
Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand.
sehen und erkennen , also auch für ihn hinwiederum fafsbar und erkennbar werden mufs, erscheint der Vorzug sehr gering. Stellt man sich die Schlachten von Königgrätz , Gravelotte, Sedan von einem Teile, als mit feuer- und knalllosen Waffen geschlagen vor, so wird man nicht anstehen, demjenigen Teil, welcher diese Waffe zu führen bestimmt gewesen wäre,
als in Nachteil be-
findlich zu erkennen, im Nachteil deshalb , weil einerseits die Leitung des Gefechts bei ihm bis zu den Führern der Regimenter herab entschieden erschwert gewesen wäre und weil er sich anderseits zweier auf die Moral und Einbildungskraft des Gegners kräftig einwirkender Faktoren beraubt gesehen hätte. Ich glaube daher kaum, dafs diese neue Erfindung, selbst wenn es gelänge, die ihr entgegenstehenden sicherlich recht erheblichen. Hindernisse
technischer
kunft haben wird,
es
Natur müfste
völlig
zu
denn sein,
überwinden , dafs
eine
Zu-
sie bis zu dem
Grade vervollkommnet würde , um bei derselben Waffe beliebig in oder aufser Funktion gesetzt werden zu können. Bis dahin aber wird sicher noch viel Wasser den Rhein hinablaufen. Ist aber, Abschlufs
wie
mir
gebracht, und
scheint, sind
die Kaliberfrage
damit kleinere
einstweilen zum
nützliche technische
Verbesserungen, eine Verbindung des Einzelladers mit der Magazinladung, Erleichterung der Patronen (Aluminiumhülsen), Verbesserung des Pulvers u. dergl. in den Vordergrund getreten, so kann die Taktik im allgemeinen mit gegebenen Verhältnissen rechnen und sich demgemäls ausbauen. Schwierigkeiten dürfte in dieser Beziehung dann nur die eigentümliche Lösung bereiten, welche die Neubewaffnung der grofsmächtilchen Feldartillerieen Europas teils gefunden hat , teils zu finden im Begriffe steht.
XII . Die Strafsenkämpte des 6. bis
9. Mai 1898 in
Mailand.
Eine militärisch-politische Studie . Von Hauptmann a. D. von Graevenitz .
Seit Kommune
dem
Kampf der Pariser Regierungstruppen
haben
glücklicherweise
nirgends
gegen die
ernsthaftere Strafsenkämpfe von Truppen gegen aufrührerische Teile der Bevölkerung
Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand . stattgefunden.
171
Erst die Tage des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand
bieten, ohne sie mit der ungleich bedeutenderen und erfolgreicheren Erhebung der Kommune vergleichen zu wollen, wieder Beispiele, wie die verhängnisvolle und verantwortliche militärische Aufgabe der Niederwerfung eines Aufstandes im eigenen Lande anzupacken und durchzuführen sei . Seit einiger Zeit liegen überdies für diese Tage amtliche Berichte des kommandierenden Generals des III. Korps Bava- Beccaris und des Kommandeurs der Mailänder Division Del Mayno vor, welche Ende Mai und unter dem Eindruck der Ereignisse geschrieben erst im November des vorigen Jahres vor Eröffnung des Parlaments veröffentlicht sind. Sie bieten das nötige Material für eine eingehendere Schilderung der Vorgänge in militärisch-politischer und rein militärischer Beziehung, liefern insbesondere ein Bild des neuzeitlichen Strafsenkampfes und italienischer Heeresgeschichte dar.
stellen
aufserdem
ein
Stück
Vorgeschichte. Unruhen im Oktober 1897 in Rom ( Piazza Navona ) dann zu Beginn des Jahres 1898 auf Sizilien, in den Marken und in der Macerata, in Florenz und in Gallipoli , in den Reisgebieten des Basso Bolognese, endlich
in Faenza, Foggia , Bari
und Minervino
zeigten
die politische Unterwühlung des italienischen Bodens, schienen aber auf die verschiedensten Ursachen, auf die Handhabung der Einkommensteuer, auf Arbeitsmangel, auf einen Reisarbeiter- Streik, auf hohe Brotpreise zurückgehend ,
für
die
besten gestellte Provinz der Lombardei Industriecentrum Mailand
reiche und materiell
am
mit ihrem Wohlstands- und
nicht von unmittelbarer Bedeutung .
Hier
entsprachen in gesunder, sozialer Entwickelung schon lange hohe Arbeitslöhne reichlicher Arbeitsgelegenheit und eine Reihe genossenschaftlicher Einrichtungen hielten auch in kritischer Zeit die Preise der notwendigen Hilfsmittel in erträglichen Grenzen. Trotzdem hatten, wie General Bava in seinem Bericht einleitend bemerkt, die Militärbehörden in Mailand nicht das Gefühl der Sicherheit. Hier genossen, Dank der Nachgiebigkeit der örtlichen Behörden und der Regierung in Rom die staatsfeindlichen Elemente und Parteien des Radikalismus und unversöhnlichen Klerikalismus
von jeher aufser-
ordentliche Bewegungsfreiheit, fühlten sich in ihrer wenn auch unnatürlichen Verbindung stark und hatten fast ungehindert ihre Machtmittel, Presse und Vereinthätigkeit entwickeln dürfen . General Bava
stellt in
letzterer Beziehung
radikale und republikanische
Blätter wie den „ Secolo " und die ,,Italia del Popolo" in eine Reihe mit dem „ Osservatore Cattolico,"
dem Organ des norditalienischen
172
Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand .
unversöhnlichen Klerikalismus
mit dem streitbaren Erzbischof von
Mailand, Kardinal Ferrari an seiner Spitze, stellt radikale republi kanische, sozialistische und anarchistische Vereine, welche die Arbeiter massen der Industrie-Viertel und Vorstädte Mailands politisch organisiert haben,
in eine Reihe mit
vereinen , welche die
den Diözesan- und Parochial
Landbevölkerung ihren staatsfeindlichen An
Anschauungen dienstbar gemacht haben. So ist die innere Stadt Mailand , der Sitz der Civil- und Militärbehörden , denen der Schutz
der
öffentlichen Ordnung in Stadt und Land
anvertraut ist , von einem doppelten unheilbrütenden Be völkerungsringe umschlossen . Trübe Tage, wie die des Ein treffens der Unglücksbotschaften von Adua, wo man es unternahm , das Abrücken von Verstärkungstruppen nach Afrika durch Aufreilsen der Schienen zu verhindern, wo man versucht hatte, den Municipal palast zu überrumpeln, aufreizende Prefsartikel, Volksversammlungs beschlüsse und Tagesordnungen hatten genugsam bewiesen, dafs die Waffen des Umsturzes geschliffen waren und man eine günstige Gelegenheit ersehnte, um sie zu erproben. Die Einberufung von Verstärkungen aus der beurlaubten Jahresklasse 1873 , welche An fang Mai von der Regierung auch für Mailand und Umgebung ver fügt wurde, legte nach General Bavas Ansicht zu früh die Lunte an die noch nicht völlig vorbereitete Mine. Als Mittel weiterer Auf reizung der Massen war die Mafsregel willkommen, das Signal zum Losschlagen sollte sie jedoch noch nicht sein , vielmehr war, wie von anderer Seite versichert wird, der 10. Mai, der Tag der grofsen Frühjahrsrennen dafür in Aussicht genommen ; an diesem Tage wäre nach italienischer, unsern deutschen militärischen Anschauungen durchaus widersprechende Sitte der gröfste Teil der Garnison für Absperrungs- und Sicherheitsdienst und aufserhalb der Stadt in An spruch genommen gewesen. Es darf nach dem Bericht als eine glückliche Fügung bezeichnet werden, dafs die Erregung über jene Einberufungen den verfrühten Ausbruch des Aufstandes vor Abschlufs seiner Organisation herbeiführte. Die militärische Lage in Mailand und Umgebung. Zu den berechtigten Befürchtungen des Generals Bava, in Mailand selbst die öffentliche Ordnung schützen zu können , gesellten
sich
Besorgnisse
in
Bezug
auf
die
Gärung
im
weitern Bezirk des Korps. Auch hier in den Fabrikgegenden von Monza, Gallarate, an der Adda, am Serio, in den Provinzen Bergamo und Brescia, besonders aber in Varese, Lecco und Monza, der Sommerresidenz des Königs, wurden für den Zeitpunkt der Ab
173
Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand. reise
der Reservisten
Unruhen
erwartet.
Garnisonen von Brescia und Bergamo
Und
dabei waren
die
soeben um je ein Bataillon
verringert worden , welche zur Verstärkung der Garnison von Neapel abgegangen waren. Eine Berechnung der verfügbaren Truppenstärken , welche General Bava im Hinblick auf die Lage der Dinge wie von den anderen Truppenteilen seines Korps so auch von denen der Garnison Mailand schon Anfang April sich hatte einreihen lassen, würde an und für sich ein wertvolles Dokument für die Kenntnis des uns verbündeten Heeres sein . Denn einerseits hefteten sich s. Zt. die
schärfsten Bemängelungen der
Pellouxschen
Reorgani
sationsvorschläge an die geringe Stärke seiner Truppenteile, anderer seits gibt jene dem Bericht beigefügte Nachweisung zweifellos ein rückhaltloses und ungeschminktes Bild der Stärkeverhältnisse. Einer eingehenden Feststellung der Truppenstärken auf Grund dieser Be rechnung der italienischen Stärketabellen (Tabelle graduali e parlamentarischen Kostenvoranschlags für numeriche ) und des 1899/1900 stellten sich aber eine Reihe von unüberwindbaren Schwierigkeiten entgegen. Das italienische Heer befindet sich trotz der Neuschöpfung der Grundlagen durch die Heeresreorganisation doch und gerade in Hinsicht auf die neuen Einrichtungen noch in einer Art von Versuchsstadium ; so scheinen z . B. die distretti noch mancherlei tiefer gehende Änderungen zu verlangen. Für die Ein der Rekruten in die Truppenteile ist kein einheitlicher Termin vorgesehen ; in Mailand ist sie im vorigen Jahr bei den In fanterieregimentern etwa am 17. März geschehen . Ferner ist die Ausstattung der Regimenter mit Mannschaften eine sehr ungleiche : stellung
Die politischen Verhältnisse bedingen es geradezu, auch im Hinblick auf die Unruhen der letzten Jahre in Rom, Neapel, Mailand, die Truppenstärken der grofsen Städte auf Kosten der anderen Garni So ist z. B. die neuerdings und anstatt im März schon jetzt angeordnete Mafsregel der Einberufung der zwei Mal Zurückgestellten ( rivedibili ) der Jahresklasse 1878 nur den grofsen sonen zu erhöhen .
Städten zu gute gekommen . So ist es mir trotz liebenswürdigstem Entgegenkommen der in Frage kommenden Persönlichkeiten, das ich , wie ich hier dankbar bemerken möchte, überall bei Truppenteilen und Behörden in Italien gefunden habe, nicht gelungen, eine Anzahl Unklarheiten aufzuhellen , welche die Vergleichung der Mai länder Berechnung und der anderen amtlichen Nachweisungen er giebt. Die Infanterie-Regimenter erscheinen auffallend stark, die
von
anderen Truppenteile auffallend schwach oder sie müssten im Gegen satz zur Infanterie etwa die Hälfte ihrer Stärken zum Schutz der
Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand.
174
Kasernen bestimmt haben?
In Mailand bedauerte
man auf meine
Anfrage hin, die betreffenden Stärkeangaben, Kasernen-Dislokationsverhältnisse aus dienstlichen Gründen nicht bekannt geben zu können , in Rom wurde versichert, dafs für die Beurteilung der besonderen Verhältnisse von Mailand das nötige Material fehle ; ein Militärplan von Mailand, welcher die sämtlichen in der Mailänder Nachweisung angeführten Kasernen angiebt, ist nicht vorhanden.
Dagegen konnte
ich feststellen, dafs die vom „ Esercito " wiedergegebene Berechnung nicht etwa Druckfehler enthält . Übrigens scheint das Interesse für das
eingehende
militärische
italienischen Heer
ein
gröfsere Arbeit darüber.
Studium
sehr
der
Mailänder
geringes zu sein.
Ich
begnüge
Kämpfe
Ich kenne
im
keine
mich demgemäfs, die Mai-
länder Nachweisung unter eigener Anfügung der Spalten 5 , 6 und 7 wiederzugeben. Was die
Anordnungen der Militärbehörde vor Ausbruch der Unruhen betrifft, so mag erwähnt werden, dafs bereits am 30. April seitens des Korpskommandos ein Einvernehmen zwischen Militär- und Civilbehörden zwecks einheitlichen Handelns angeregt wurde ,
dafs man
aber andrerseits die Infanterie -Truppenteile älteren Stabsoffizieren und Obersten unterstellte, um bei einem solchen Zusammenwirken die Leitung der Dinge nach jeder Richtung hin in der Hand zu behalten ; dafs vom 4. Mai an der Dienst aufserhalb der Exerzierplätze
und der Stadt nach Möglichkeit
eingeschränkt wurde , und
von den verfügbaren Truppen eine Abteilung zur Verfügung der Polizeibehörde und eine zweite als Reserve bereitgehalten wurde ; am 2. Mai
hatte
eine telegraphische Anweisung des Ministers des
Innern die Präfekten ermächtigt, nötigenfalls die Aufrechterhaltung der Ordnung den Militärbehörden zu übertragen. Am 5. Mai wird von General Bava, da die Anzeichen von Unruhen bedrohlicher werden,
die
Heranziehung
des
5.
Regiments
Alpini
aus
seinen
Sommergarnisonen in den Alpen und die Entsendung von 2 kleineren Abteilungen desselben nach Varese
und Lecco
befohlen ;
die für
Mailand verfügbare Truppenstärke wächst somit bedeutend . Ausbruch der Unruhen. Bereits für den frühen Morgen des 6. Mai , für die Zeit der Eröffnung der Fabriken fürchtete man den Ausbruch ernsthafter Unruhen, thatsächlich brachte ihn Tages.
aber
erst der Nachmittag dieses
In der nördlich der inneren Stadt gelegenen Strafse Napo
Distrikt Mailand
Princ E . ugenio Savoia di 128 Simpliciano S. 80 Girolamo 76 S. Distretti Caserma32 261 183 193 32 4270
665
375
Vittore S.
S)|8 ( ommerperiode W435 )( interperiode
403 250
993
1266
1374
Verfügbare nach Stärke oKasernen , hne geordnet Aus ihr und Rekruten und bildungspersonal für der Anrechnung ohne Kasernen die nötigen Sicherheitsmannschaften
. 4
650
. 3
Montebello268
S. Luca 180 Eustorgio S. 73 Caserma Alpini
409
"
743
58. Inf egt .-R
Medici
deren Kasernen
Francesco San 677
. 2
57. Inf R .- egt
47. Inf .-Regt
Truppenteile .
und Regimenter
Bersagl 2.egt .-R .)(24.. Batl 17 Alpini R .-5.egt 4).( 4. 5 5omp K .Lancieri Regt 9Firenze )(. C. avalleria Regt Lodi Reitendes Artillerie Regt .
. 1 . 5
Quartiernachweisungen 1)N0. den ach 20. vom 2Oktober resp .1897 1898 April
. Depos
. 6 Truppenstärke M(.uU) ntoff annsch Stärke den nach tabellen oa)hne Depot it ADepot .(b)mrtigl mit .auch )Regt treno
1 )a278 1)b843 Mailand 1 )a278 1)b343 Mailand 1 ) a278 1 )b343 Mailand 1 )a278 1 )b316 Nach den aus Rückkehr )1632 a (s.S.174 )Sommerquartieren Mailand Mailand 9 )a04 9 )b65 .Schwdr.Gallarate 1.2 9 )a04 9 Mailand 6. 3. 5. 4. )b65 erona V1.2 ,.Batl )696 a .6.ailand 1b MBatl 3.4.5 Mai ) 105 land .tCreno omp 1.2.3 t4. Verona . reno Comp Mailand
Mailand
nach Stärke Verfügbare Kasernen geordnet ,nach , Rekruten der Einstellung Garnison¹ )iIn n der Abzug unter jedoch für die Kasernen nötigen Sicherheitsmannschaften
Kommand o Division Mailand .der Verfügbare Stärke Garnison der Mailand Bfür edürfnisse äufseren des Dienstes .ev
881
891
891
1186
1072
1102
1102
1102
Truppenstärke annsch MU.)u( ntoff dem nach Kostenvor 1899/1900 für anschlag unter Anrechnung von Beurlaub vorzeitigen Tungen , odesfällen etc.
. 7
Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand.
175
176
Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand.
Torriani ergab sich die Notwendigkeit, die Gummiwarenfabrik Pirelli zu schützen, auf welche der Angriff einer erregten Menge mit Zertrümmerung von Fensterscheiben und Läden bereits begonnen hatte. Ein Teil des II . Bataillons des Regiments 47 , in der Stärke von 2 Kompagnien zu insgesamt 152 Mann löste dort um 41 , Nachm. eine Abteilung des 47. Regiments ab, welche notgedrungen für kurze Zeit seine eigentliche Aufgabe, den Schutz des nahegelegenen Hauptbahnhofs hatte aufgeben müssen . Es gelang verhältnismäſsig leicht, an der Fabrik Pirelli die Ruhe wiederherzustellen und zu verhindern, dafs die etwa 2400 Arbeiter der Fabrik nach Schlufs der Arbeit um 6 Uhr gemeinsame Sache mit der vor der Fabrik angesammelten Menge machten.
Der gröfsere Teil
der Abteilung der
57er wird deshalb zum Empfang von Lebensmitteln nach der nahegelegenen Trabrennbahn zurückgezogen. Sehr viel ernster gestaltet sich jedoch die Lage, als gegen 6 , die Polizeistation in der via Napo Torriani von etwa 1000 Aufständischen - nach Schätzung des Bataillonsführers Major Montuori - angegriffen wird . Es gelingt einzelnen Aufständischen, bis zur Höhe des 1. Stockwerks heraufzuklettern und das königliche Wappen herabzureifsen ; vor der Thür des Gebäudes werden brennbare Gegenstände angehäuft. Der Polizeibeamte, dem 2 kleinere Truppenabteilungen zur Verfügung gestellt sind, läfst diese aus der belagerten Thür heraustreten und Feuer geben. Da das nicht den gewünschten vollen Erfolg erzielt, begeht er die Unklugheit, in überstürzter Weise den Befehl zum Rückzug in die Kaserne zu geben; in dem nun entstehenden Tumult bleiben einzelne Soldaten in der Gewalt der wütenden Menge . Glücklicherweise trifft in diesem Moment der Rest der beiden Kompagnien unter Major Montuori ein , ein energischer Angriff, der den Aufständischen etwa 10 Tote und Verwundete kostet, während auf der anderen Seite ein Sicherheitswachmann durch einen Revolverschufs tödlich getroffen und 1 Offizier und 7 Mann verwundet werden, befreit die eingeschlossenen Soldaten und die Aufständischen werden zerstreut.
Die Führung des Kampfes auf Seiten der Aufständischen . Bei der räumlichen Unmöglichkeit, die weiteren Zusammenstöfse in den Strafsen von Mailand vom 6. bis 9. Mai so eingehend zu schildern wie diesen ersten, für den überdies ein besonderer Bericht des Major Montuori vorliegt, möchte ich einerseits charakteristische Zeichen dieses Kampfes hervorheben, andererseits diejenigen andrer Kämpfe anführen, welche für die der zusammenfassende Ausdruck
Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand .
mag gestattet sein
Taktik und Strategie
177
auf seiten der Auf
ständischen in Betracht kommen . Weder bei dem Angriff auf die Fabrik Pirelli noch auf die Polizeistation ist auch nur im Ent ferntesten von Brotmangel , von Brot- und Getreidepreisen die Rede , dagegen findet der Hals gegen die Besitzenden und die staatlichen Gewalten, die Angelpunkte jeder Revolution , sofort seinen Ausdruck , am schärfsten in der Beseitigung des königlichen Wappens . Es fehlt nicht die bekannte traurige Erscheinung des italienischen Lebens , dafs die Zuchtlosigkeit unreifer Burschen der mittleren und höheren Stände , die sich Studenten nennen dürfen , und denen man mit dem Feuer der Revolution zu spielen erlaubt, ernste Folgen nach sich zieht. Im vorliegenden Falle hat die Nachricht von dem Tode des Studenten Mussi im Strafsenkampf zu Pavia die Gärung in Mailand geschürt, wie sie das Signal zum Strafsenkampf in Neapel gegeben hat ; bei späteren Kämpfen an der Porta Ticinese werden mitten unter der Arbeiterbevölkerung auch Studenten verhaftet . Es fehlt nicht der politische Agitator, der sozialistische Abgeordnete de Turatis , der am richtigen Punkt und zur richtigen Zeit zur Stelle ist, um das Volk mit der Behauptung aufzureizen , die Truppe suche Gelegenheit zum Gebrauch der Schufswaffen . Es findet sich, wie überall bei Ausbruch von Unruhen in Italien , in dem Bilde des ersten Kampfes auch der dem Ernst der Lage nicht gewachsene Polizei beamte , der die ihm unterstellte Militärmannschaft nicht richtig zu verwenden weifs und die Autorität der Behörden schädigt , bis das energische Eingreifen des Offiziers den verfahrenen Karren wieder herauszieht . Es fehlt endlich schon hier nicht, trotz des italienischen Verbots des Waffentragens, welches z. B. für das Tragen von Revolvern ohne polizeiliche Erlaubnis Gefängnisstrafe bis zu 4 Monaten vorsieht, der Gebrauch der Schufswaffe namentlich des überall vorhandenen Revolvers auf Seite der Aufständischen , was u. a. die Sektion der Leiche des beweist.
gefallenen Sicherheitswachmanns
In den späteren an Heftigkeit und Erbitterung zunehmenden Kämpfen tritt auf Seite der Aufständischen nach den Berichten be sonders das Geschick hervor , mit dem der Barrikadenbau als Waffe des Aufstandes benutzt wird. Die Barrikade der Porta Venezia ist z. B. aus 7 Pferdebahnwagen, einem Karren mit Fässern und Möbeln gebildet. In den Wagen sind Frauen und Kinder postiert, um die bewaffnete Macht durch moralischen Druck vom Angriff und Gebrauch der Feuerwaffe abzuhalten ; Frauen und Kinder stehen übrigens auch in Bezug auf Fanatismus , Verrohung und unflätige Beschimpfung der ihre Pflicht erfüllenden Soldaten 12 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 111. 2.
178 überall in
Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand. erster Linie.
zweite schwächere
Hinter
dieser
aus Möbeln errichtet,
ersten Barrikade ist
eine
die anstofsenden Häuser
und Dächer sind von den Aufständischen besetzt, welche mit Steinen, Ziegeln und einzelnen Feuerwaffen (auch Gewehren) den Kampf gegen die anrückenden Truppen aufnehmen. Vor der Barrikade der Porta Ticinese sind Drähte gespannt, um die anrückende Kavallerie aufzuhalten. Vor einer anderen in derselben Strafse ist ein breiter und tiefer Graben
ausgehöhlt.
Über
die
Taktik
des
Barrikaden-
baus in dieser Gegend schreib General del Mayno wörtlich : „ Ich mufs die besondere Geschicklichkeit der Aufständischen in der Auswahl des Widerstandspunktes im Lauf des Corso Ticinese und in den Einzelheiten der Ausführung hervorheben . Man hatte die Strecke des Corso Porta Ticinese gewählt, wo die Säulenvorhalle von San Lorenzo ihn der Länge nach einengt, und wo dicht dabei in noch höherem Mafse die Brückenpfeiler die Strafse zum Defilee gestalten. Die unmittelbare Nähe des Kanals, welcher die Operationen erschwert ; die starken Barrikaden, denen stets schwächere vorgelagert sind, die aber immerhin stark genug sind, um die Truppen zu kürzerem Halt zu zwingen ; der Bau von Barrikaden in den nahen Querstrafsen S. Giacomo,
Mora und Piopette um Flankendeckung
zu schaffen : das alles ist ein absoluter Beweis eines wohl überlegten und durchdachten Planes (piano prestabilito e ben studiato) und zeigt aufserdem, dafs man es mit Männern zu thun hatte, die taktische Erfahrungen hatten und den Widerstand zu leiten und zusammenzufassen wussten. “ Ähnliche Bemerkungen knüpft Generalleutnant del Mayno an die Schilderung des Barrikadenbaus im Corso Garibaldi, wo 8 Barrikaden hintereinander zur Anwendung kommen. Es mufs an dieser Stelle derauf hingewiesen werden, dafs die Anklagebehörde im Verlauf des später seitens des Militärgerichts gegen den sozialistischen Abgeordneten und Ingenieur de
Andreis
angestrengten
Prozesses einen in seinem Besitz vorgefundenen Stadtplan mit Aufzeichnungen von
seiner Hand
als Beweisstück
Vorbereitung des Barrikadenbaues
einer
planmäſsigen
zu verwerten versuchte .
Es er-
wies sich jedoch, dafs dieser Plan und seine Einzeichnungen für Elektrizitätsanlagen bestimmt waren . Als einen ferneren Anhaltepunkt dafür, dafs der Aufstand durch besondere Anweisungen bereits vorbereitet war, bezeichnet Generalleutnant Del Mayno die Thatsache, dafs für den Aufklärungs- und Nachrichtendienst der Aufständischen sofort Radfahrer in Thätigkeit treten. Zur weiteren Charakteristik der Kampfesmethode auf dieser Seite sei noch erwähnt :
Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand.
179
Die Plünderung der Paläste Moricotti und Saporiti und anderer Häuser im Anschlufs an den Barrikadenbau in ihrer Nähe , Versuche an ein Fouragemagazin und ein Zollamt Feuer anzulegen und den Gasometer zu zerstören , Unternehmungen, um durch Zerstörung von Telegraphen, Aufreifsen von Schienen namentlich an den Kreuzungspunkten den Eisenbahnbetrieb , die Entsendung und die Ankunft von Truppenabteilungen zu verhindern, Arbeitseinstellungen und Ausübung von Zwang gegen Arbeitswillige, namentlich gegen das Eisenbahnunterpersonal und die Lokomotivführer.
Die Beschlagnahme
eines
Rundschreibens
im Vereinslokal der
bei Gesozialistischer Leitung ferner lieferte Vereins legenheit der behördlichen Schliefsung dieses stehenden Lega
unter
ferroviaria
den Beweis , dafs ein ,,allgemeiner Eisenbahnstreik" zu den sorgfältig erwogenen und vorbereiteten Waffen deraufständischen Parteien gehörte . In diesem Rundschreiben war ausgesprochen , dafs der allgemeine Streik des Eisenbahnpersonals mit dem Moment als erklärt anzusehen sei, in welchem der Präsident der Lega , der sozialistische Abgeordnete Nofri verhaftet oder der Verein behördlich geschlossen würde. Die Regierung begegnete der Gefahr dieses Schlages , der bei der Lage der Dinge ein vernichtender gewesen wäre, zunächst mit dem militärischen Schutz der Lokomotivführer und des sonstigen Personals, welches den Dienst weiterzuthun geneigt war, dann mit der Militarisierung des Eisenbahnpersonals, d . h. sie berief das Personal von 5 in Frage kommenden Linien, darunter der Mittelmeerund der adriatischen Bahn, an Ort und Stelle ihres bürgerlichen Berufs zum Militärdienst ein. Die Streikvorkämpfer und diejenigen, die dem Druck der sozialistischen Führer zu streiken nachgegeben hätten, besannen sich, nunmehr dem Militärgesetz unterstellt , zweimal, ehe sie mit dem Verlassen ihrer bürgerlichen Dienststellung auch das Verbrechen der Desertion oder Gehorsamsverweigerung begingen. Die Mafsregel, welche der greise Crispi als eine im besten Sinne des Wortes staatsmännische bezeichnete und die auf den damaligen Unterstaatssekretär im Kriegsministerium, Generalleutnant Afan de Rivera zurückgeht, ist bekanntlich im Juli 1898 in eine gesetzliche Einrichtung umgewandelt worden, und wird vielleicht in Frankreich Nachahmung finden. Die eben besprochenen Mafsregeln führen auf die Verteidigungsmafsregeln und auf 12*
Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand.
180
Die Durchführung des Kamptes seitens der Militärbehörden und Truppen. Für diese Betrachtung erscheint ein Blick auf einen Stadtplan von Mailand nötig, den ja sowohl der Baedeker von Norditalien wie auch unsere grofsen Konversationslexika in genügender Deutlichkeit darbieten.
Das heutige Mailand wird, sieht man von den Vorstädten,
den corpi santi ab, durch ein Polygon gebildet , von dem 7 Seiten durch breite Avenuen, Viali z. B. Viali di Porta Venezia , di Porta Vittoria etc. gebildet werden ; nur im Nordwesten, wo die Parkanlagen des Parco Nuovo und des Castello in die Polygonform einschneiden , fehlt diese scharfe Abgrenzung. An den meisten Seiten laufen mit den Viali noch die zu Promenaden umgewandelten Bastioni paralell, welche die alten Wälle von 1549 bezeichnen . In den Eckpunkten der Polygonseiten liegen Thore, welche, da Reste der alten Befestigungen noch erhalten sind, die einzigen Zugänge zur inneren Stadt bilden. In derem Inneren lässt sich ein zweites kleineres Polygon erkennen, dessen Abschluss, der innere Kanal ( Naviglio), den Befestigungen entspricht, mit denen s . Zt. Friedrich Barbarossa zu thun hatte. Im innersten Kern der Stadt liegen fast alle wichtigeren Regierungs-
und Verwaltungsgebäude,
Museen ,
Post, Banken
etc.
gruppiert um die 3 Plätze del Duomo, della Scala, San Fedele , aur denen das Verkehrsleben der reichen Stadt sich am stärksten ent wickelt.
Ausserhalb der zuerst genannten Grenzen
der Viali
und
Bastioni erstrecken sich die corpi santi, die gewerblichen und ArbeiterViertel mit zahlreichen Fabriken, hier liegt auch der so wichtige und dauernd bedrohte Hauptbahnhof, von dem fast alle oberitalienischen Eisenbahnen ausstrahlen, während die Kasernen meist innerhalb dieser Grenzen geblieben , aber mehr an ihrem Rande verteilt sind . Am Morgen des 7. Mai ,
als nach den Vorgängen in der Vor-
stadtstrafse Napo -Torriani die Civilbehörde der Militärbehörde ihre Absicht mitteilt, der letzteren die Aufgabe der Wiederherstellung der Ordnung in vollem Umfange zu übertragen, waren die Thore zum Teil bereits in den Händen der Aufständischen, die Arbeiter sämtlicher Fabriken etc. waren in den Ausstand getreten, bei Porta Venezia wird die erste Barrikade errichtet :
der grofse Vorteil, den
die abgeschwächt noch erhaltene , fortifikatorische Begrenzung der inneren Stadt für ihre Verteidigung geboten hätte, ist verloren gegangen. General Bava überträgt dem General del Mayno den Oberbefehl über die verfügbaren Truppen und letzterer schlägt seinen Sitz im Mittelpunkt der Stadt, im Quästurgebäude an der Piazza San Fedele auf. Erst mittags ein Grund für dieses vielleicht verhängnisvolle Zögern der Civilbehörden wird nicht angegeben
geht
181
Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand. die Leitung der Dinge thatsächlich
auf die bewaffnete Macht
über.
Jetzt war nicht einmal mehr daran zu denken , den Aufständischen den Eintritt in die innere Stadt zu verwehren, bald trifft z. B. die Nachricht ein ,
dafs in der von
Südwesten
nach dem Domplatz
führenden Strafse Torino nur noch wenige 100 m vom Platz entfernt sich Barrikaden erheben . Die Generale Bava und del Mayno entschliefsen sich deshalb , in richtiger Würdigung auch der topographischen Verhältnisse, jede Zersplitterung der verfügbaren Kräfte möglichst zu vermeiden, letztere auf den genannten 3 Plätzen des Stadtcentrums zu sammeln, und entfernte Punkte, nur wenn sie besonders wichtig und andrerseits bedroht sind , durch Entsendung von Abteilungen zu decken. Für den Rest des Tages des 7. Mai stellt man sich die Aufgabe, unter steter Festhaltung des Domplatzes durch excentrische Vorstöfse die innere Stadt wieder in die Gewalt zu bekommen, die weiteren Mafsregeln zielten
darauf hin
und
er-
reichten das Ergebnis , dafs am 8. Mai wieder die Thore und die Linie der Bastione besetzt werden konnten . Dann konnte am 9. sich die Besitzergreifung der Vorstädte und die Sicherung der Eisenbahnlinien anschliefsen. Den Abschlufs hat dann am 10. die Wiedereröffnung der gewerblichen und industriellen Anstalten unter dem Schutz der Waffen gebildet. Man darf wohl annehmen, dafs dieser Grundplan eines excentrischen Vorgehens , mag er von vornherein festgelegt worden sein , oder sich erst im Verlauf der Ereignisse zu voller Klarheit ausgebildet haben , den Verhältnissen der meisten modernen Grofsstädte entsprechen wird.
Bei ihm waren
einerseits die
militärischen Ver-
stärkungen von aufserhalb in Rechnung zu ziehen, die nach den getroffenen Verfügungen für den 8. und 9. Mai zu erwarten waren und die schliesslich die Garnison auf die Höhe von 36 Bataillonen, 6 Schwadronen und 4 Batterien gebracht haben, andrerseits der Zuzug, den die Aufständischen von der allmählich ebenfalls in den Aufstand eingreifenden Landbevölkerung der näheren und weiteren Umgebung erhielten. Noch am Abend des 7. Mai erfolgt gemäfs Anweisung aus Rom die Verkündigung des Belagerungszustandes für Stadt und Provinz Mailand. General Bava als nunmehriger Kgl . Kommissar mit fast unbeschränkter Machtvollkommenheit¹ )
erläfst
eine
entsprechende
1) Italien ist das einzige Land in Europa, welches über kein Gesetz über den Belagerungszustand in Friedenszeiten verfügt. Die militärischen Strafgesetze sehen nur den Fall vor, dafs sich der Feind im Lande befindet. Sie sind trotzdem für den Mailänder Aufstand wie in früheren Zeiten von Erhebungen (so z. B. von Crispi in Sizilien) in Anwendung gebracht. Jetzt ist seitens des
182
Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand .
Verfügung an die Einwohner. Die 3 Hetzblätter Secolo , Italia del Popolo und Osservatore Cattolico werden unterdrückt, ihre Redakteure verhaftet, gleichzeitig erhält die Quästur Auftrag, zur Verhaftung sämtlicher Persönlichkeiten zu schreiten , von denen eine Förderung des Aufstandes zu erwarten war, namentlich der sozialistischen und republikanischen Abgeordneten. ') Ebenso werden sämtliche sozialistische und republikanische Vereine aufgelöst . Die Berichte geben nicht an, ob aufser dem erwähnten Rundschreiben der Lega ferroviaria Material beschlagnahmt ist, welches eine planmälsige vorherige Organisation des Aufstandes beweist. Soweit bekannt geworden ist, haben auch die Verhandlungen der Militärgerichte für diese Annahme keine weiteren Anhaltepunkte geliefert. Besondere Vorsichtsmafsregeln werden von nun an für folgende Anstalten u. s. w. getroffen : den Hauptbahnhof, das Zuchthaus, die Gefängnisse, die Gas- und Elektrizitäts- Anstalten, die vom Mittelpunkt der Stadt ziemlich entfernt liegende Präfektur. Für den Waffengebrauch der Infanterie wurde
aufser dem
Hinweis auf Energie, wenn er überhaupt nicht zu umgehen sei, verfügt, dafs nur Salvenfeuer und zwar im allgemeinen
gliederweises
anzuwenden sei ; das Schützenfeuer (fuoco a volontà ) wurde verpönt. Zur Säuberung der flachen Dächer von den Aufständischen werden besondere Schützenabteilungen
auf sie hinauf entsendet ;
diese bei
der Bauart der italienischen Häuser so wichtige Mafsregel wird bei etwaiger Wiederholung von Strafsenkämpfen wahrscheinlich schon früher angeordnet werden als es in den Maitagen geschehen ist. Bei der Umgebung der Barrikaden , um ihre Verteidiger im Rücken zu fassen, erweist es sich einmal als sehr wertvoll, einen aus Mailand stammenden Sergeanten, der die engen Gälschen des Südwestens der Stadt kennt, als Führer an der Spitze zu haben. Der Ernst der Lage am 7. morgens, der Eintritt sämtlicher Arbeiter in den Ausstand , so dafs der Bavasche Bericht die Summe der Gegner auf etwa 60000 bemifst, läfst die Ausrüstung der Protzen des Artillerie-Regiments mit scharfer Munition geboten erscheinen, was um 71 , Uhr morgens beendet ist . Die Berichte erwähnen das Eingreifen von Artillerie am Korso Garibaldi, an der Porta Garibaldi un der Porta Ticinese , an letzteren beiden Stellen unter ausdrücklicher Hervorhebung,
dafs vorherige Kavallerieangriffe und Infanteriefeuer
Ministeriums Pelloux ein entsprechendes Gesetz ausgearbeitet worden und wird der Volksvertretung vorgelegt werden. 1) Also Mafsregeln, die nach neueren Zeitungsmeldungen zum Entsetzen der Sozialdemokratie auch von den deutschen Behörden für den Fall ernsterer Unruhen in Aussicht genommen sind.
Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand.
183
den Barrikaden gegenüber nicht zum Erfolg geführt habe. die
Anweisung
ausgegeben ,
zunächst
durch
Es war
Blindschüsse
(mit
Schwarzpulver) moralische Wirkung zu erzielen, erst dann zum Kartätschfeuer zu greifen. An der Porta Garibaldi sind nach mir gewordener Mitteilung auch auf 0 tempierte Shrapnels verwendet. Die Meldung von dem Vormarsch zahlreicher starker Banden. von den Vorstädten und 91 ,
in der Richtung
den
nördlich
gelegenen Thoren
auf den Domplatz und
gegen
die Bedrohung des
Hauptbahnhofs läfst die Konzentrierung der gesamten Kavallerie und zwar auf dem Largo Cairoli im Nordwesten der Stadt angebracht erscheinen, weil von dort aus durch die breiten Viali ein Vorgehen dieser Waffe nach allen Richtungen hin erleichtert ist . Teile dieser Kavalleriemasse kommen denn auch bei dem Schutz des Bahnhofs und auch später zur Verwendung der blanken Waffe, als es sich darum handelt, eine Barrikade im Korso Venezia im Rücken zu fassen, während ein Bataillon 47 er sie von vorn angreift.
Auf der-
artiges erfolgreiches Zusammenwirken von Infanterie und Kavallerie wird verschiedentlich hingewiesen.
Da dem Vorrücken der Kavallerie
der Pferdebahnverkehr vielfach Schwierigkeiten bereitet, wird um 1130 vormittags seine Einstellung verfügt . Ebenso wird im Hinblick auf die Verwendung des Zweirads durch die Aufständischen sein Gebrauch für Nichtmilitärs verboten. Der echt italienischen Neugierde unbeteiligter Zuschauer wird durch die Anordnung ein teilweiser Riegel vorgeschoben , dafs die Fensterläden der Häuser überall da zu schliefsen seien, wo die Truppe mit Aufständischen ins Gefecht gerät. Es bleibt endlich zu erwähnen, dafs, als gegen Abend des 8. die innere Stadt wieder im Besitz der Truppen ist, Generalleutnant del Mayno die polygonale Umfassungslinie der Stadt in 4 Abschnitte zerlegt und die für ihre Besetzung erforderlichen Truppen 4 Kommandeuren unterstellt. Der 9. und 10. Mai. Obgleich mit den Kämpfen des 8. Mai die Kraft des Aufstandes gebrochen. und die Behauptung der Stadt auch im Hinblick auf die noch zu besprechende Ankunft von Truppen aus Piacenza und Alessandria gesichert erscheint, bringt der 9. Mai doch noch eine Episode eines ernsthafteren Strafsenkampfes, den sogenannten Klostersturm an der östlich gelegenen Porta Monforte . Gegen 2 Uhr hatten sich in den Häusern in der Nähe dieses Thors Aufständische in Menge eingenistet und beschossen von dort aus die anrückenden Truppen. Besonders lebhaft war das Feuer aus dem dem Thor gegenübergelegenen , mit hoher Mauer umgebenen Kapuzinerkloster.
184
Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand.
Da der Eintritt in den Hof und das Gebäude nicht anders erzwungen werden kann, legen zwei Geschütze Bresche in die Umfassungs mauer, die Truppen dringen durch dieselbe ein und nehmen 60 zum Teil der Hefe
des Volkes angehörige Personen, zum Teil Mönche
gefangen. Am 10. Mai wird
an
den meisten Stellen die Arbeit wieder
aufgenommen, Dank den Anordnungen
zum
Schutz
der Arbeits
willigen, deren Ausführung den Abschnittskommandeuren übertragen wird. Kavallerieabteilungen werden in die nähere Umgebung ent sendet, um auch dort die gutgesinnten Elemente zu unterstützen und zu ermutigen, den schlechten zu zeigen, dafs die Aufmerksamkeit der Militärbehörde noch nicht nachgelassen hat.
Ereignisse aufserhalb Mailands vervollständigen das Bild einer allgemeinen Erhebung, die wohl für kürzere oder längere Zeit eine „ Republik der Lombardei " nach Schweizer Muster heraufgeführt hätte, wenn sie infolge längerer und
eingebenderer
Vorbereitung
oder
geringerer
bei
ihrer
Be
kämpfung angewendeter Energie zu Erfolgen gelangt wäre. Die unmittelbar dem Ausbruch der Unruhen in Mailand folgende Organi sation des Zuzugs von italienischen, in der Schweiz sich aufhalten den Arbeiterbanden über die Schweizer Grenze in der Richtung auf Mailand ist zweifellos eine der stärksten Beweise , welche die italie nische Regierung für ihre Auffassung ins Feld führen kann, dafs in gewissem Sinn der Mailänder Aufstand ein vorbereiteter war. Zum mindesten mufs angenommen werden, dafs italienische revolutionäre Ausschüsse in der Schweiz seit lange thätig gewesen sind und dafs die Ereignisse sie, um einen ganz vorsichtigen Ausdruck zu ge brauchen, nicht überrascht haben. In militärischer Beziehung inter essieren übrigens mehr die von Rom und Mailand aus getroffenen Abwehrmafsregeln.
In erster Linie gehört dahin die am 11. d . M.
erfolgende Erklärung des Belagerungszustandes für die Mailand von der Schweiz trennende Provinz Como, welche die Überwachung der Grenze und der Provinz mit dem erforderlichen Nachdruck ermög lichte, und dann die Einrichtung einer fliegenden Kolonne von 4 Bataillonen, 1 Batterie und 4 Schwadronen für die Provinz . Eine andere fliegende Kolonne beider Waffen war in Brescia bereits am 9. gebildet und wirkt in westlicher Richtung auf Treviglio und Cassano vorgehend zur Aufrechterhaltung der Ruhe.
Die Provinzen
Como und Brescia werden im übrigen in 4 Militärzonen geteilt und besondere
Verfügungen
regeln
Kolonnen innerhalb dieser Zonen.
den
Dienst
kleinerer
Wichtiger aber als
fliegender alle
diese
Die Stralsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand. und noch andere
185
die Versöhnung der Gemüter bezweckende Mafs
regeln war jedenfals der Eindruck, den die energische und schnelle Niederwerfung
des Aufstandes in der Hauptstadt auf die Provinz
gemacht hat ; namentlich wird so der Gefahr der Erklärung eines allgemeinen Streikes der lombardischen Arbeiterbevölkerung vorge beugt.
In
einer Reihe
von
Orten kommt
es trotzdem zum Ein
schreiten der Truppen, in Monza und Luino sogar zum Gebrauch der Kugel . Den von allen Seiten eingehenden Bitten von Gemeinden und Garnisonvorständen um Entsendung von Hilfstruppen konnte bei der Lage der Dinge in Mailand , abgesehen von Entsendungen nach Monza und Luino, nicht entsprochen werden, im Gegenteil muſste General Bava daran denken, durch Heranziehen von Truppen aus anderen Garnisonen der aufs äufserste namentlich durch Wacht- und Patrouillendienst, Biwakieren auf den Strafsen angestrengten Garnison von Mailand
Erleichterung zu verschaffen.
Demgemäfs wurde am
8. Mai den 2 Abteilungen aller Waffengattungen, die auf Anordnung des Kriegsministeriums sich von Piacenza und Alessandria her unter General Marras bei Rogoredo
und unter General Riva Palazzo bei
Abbiategrasso¹ ) gesammelt hatten, der Befehl erteilt, unter möglichster Beschleunigung nach Mailand vorzurücken. Die Benutzung der Eisenbahn von den nur wenige Kilometer von Mailand entfernten Punkten schien nicht mehr gesichert, und so gelangen die Truppen in kriegsmässigem Vormarsch am 8. abends in Mailand an. Die Erwähnung des vielfachen Eingreifens von Abteilungen des Rothen Kreuzers lenkt den Blick auf
die Opfer des Aufstandes. Die Berichte gehen nur auf die Toten und Verwundeten auf militärischer Seite ein und beziffern ihre Zahl auf 1 Toten, den Soldaten der 8. Kompagnie 92. Regiments Tomasetti Graziantonio , der im Kampf im Korso Garibaldie am 8. fiel, und auf 48 Ver wundete, darunter 4 Offiziere ; aufserdem ist, wie erwähnt, 1 Sicher heitswachmann gefallen , 4 wurden verwundet. Über die Zahl der auf Seiten der Aufständischen Gefallenen und Verwundeten sind viel auseinandergehende Angaben gemacht worden.
Sie mit Sicherheit
festzustellen, war auch den Behörden nicht möglich, weil viele Ver wundete es aus guten Gründen vorzogen, ihre Verletzungen nicht bekannt werden zu lassen . Der Bericht Bava weist darauf hin, dafs der vorsichtige nach Möglichkeit eingeschränkte Waffengebrauch die Zahl der Toten und Verwundeten auf gegnerischer Seite verhältnis
1) Der Bericht verwechselt beide Kolonnen resp. ihre Führer.
186
Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand .
mäfsig niedrig gehalten hätte, immerhin wird man kaum fehlgreifen . wenn man sie nicht geringer als 400 annimmt. Die Verwundungen werden nach den Nachrichten, welche über die Wirkungen des neuen italienischen 6,5 mm Gewehrs M. 91 ( Carcano - Mannlicher ) bekannt geworden sind, in vielen Fällen tödliche gewesen sein. Das lange dünne aus mehreren Teilen bestehende Balestitgeschofs durchschlägt die Muskeln mit kleinem Einschufsloch, zerreifst aber die Gewebe in gröfserer Ausdehnung und tritt in breitem Schufskanal heraus . Findet die Kugel ein kräftiges Hindernis , dann teilt sie, wohl in folge der erhöhten Fluggeschwindigkeit ihre Bewegung, in Molekular bewegung umgesetzt, dem hindernden Gegenstande mit. Wenn es sich z . B. um Kopfschüsse handelt, sucht der Inhalt der Gehirnmasse gewaltsam nach allen Seiten zu entweichen und hebt die ganze Schädeldecke ab. Beim Auftreffen auf Knochen zerplatzt die Kugel und
wirkt sprenggeschofsartig. Amputationen sind fast niemals rätlich und erfolgreich. Möchten die furchtbaren Wirkungen , welche moderne kleinkalibrige Schufswaffen hervorbringen, die Folge haben , dafs in allen Staaten und in allen Bevölkerungsschichten die Scheu davor wachse, die bewaffnete Macht zum Einschreiten und zum Waffengebrauch zu veranlassen! Zu den Opfern des Aufstandes Mailänder Militärgericht Verurteilten.
gehören
Eine kurze Statistik ergiebt folgendes :
auch die durch das Vom 24. Mai
Anfang August sind 122 Prozesse durchgeführt worden,
ab bis
an denen
803 Angeklagte , darunter 224 Minderjährige und 26 Frauen beteiligt waren. Der Gerichtshof sprach jedoch 135 Angeklagte frei . Über die übrigen 668, darunter 17 Frauen, wurden insgesamt 1398 Jahre 3 Monate und 2 Tage Kerker, 90 Jahre 1 Monat und 6 Tage Arrest. 307 Jahre Polizeiaufsicht und Geldstrafen in der Höhe von 33,952 L. verhängt. Am Jahresschlufs ist von König Umberto ein Gnadenerlafs unterzeichnet, welcher alle Freiheitsstrafen bis zu 2 Jahren aufhebt. Freiheitsstrafen über 2 Jahre werden um 2 Jahre herabgesetzt. Für Frauen und mehr als 70 Jahr alte Greise sowie für Minderjährige unter 18 Jahren tritt entweder Straferlafs oder Herabminderung um 3 Jahre ein.
Rückfällige sind von dem Strafnachlafs ausgeschlossen.
Die Verurteilung von Frauen und Minderjährigen in gröfserer Anzahl durch das Mailänder Ausnahmegericht wie durch die
von Florenz
und Neapel hat der radikalen Agitation , welche dem Könige und der Regierung einen Gnadenerlafs im weitesten Umfange entreifsen wollten, zu einer besonderen Waffe dienen müssen. Diese Zeilen wiesen darauf hin , dafs die Teilnahme von Frauen und Minderjährigen am Kampf und am Beschimpfen und Aufreizen der bewaffneten
Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand .
187
Macht ein charakteristisches Zeichen der Mailänder Maitage waren und sich Paralellen dafür wohl auch in anderen modernen Strafsenkämpfen² ) finden dürften . Dem Verhalten der Truppen widmen die Berichte Bava-del Mayno warme Worte der Anerkennung und auch alle sonstigen Berichte und Wahrnehmungen von Augenzeugen und Thatsachen stimmen damit überein,
dafs
die
Truppen
und zwar in gleicher Weise die erst in Folge der Unruhen in die Kompagnie etc. eingestellten noch unvollkommen ausgebildeten Rekruten, die älteren Mannschaften und die eingezogenen Urlauber das höchste
Lob verdienen sowohl in Bezug
auf Ausdauer und
Überwindung von physischen Anstrengungen wie Ruhe und Mässigung auch gegenüber den empörendsten Aufreizungen und namentlich in Bezug auf Disziplin und militärische Zuverlässigkeit. Den Rekruten mufsten in höchster Eile und selbst in nächtlichen Exerzitien noch die erforderliche
Kenntnis der Waffe
beigebracht werden,
da
sie
zunächst nur die neuerdings in die italienische Armee eingeführte ausgedehnte gymnastische Vorbildung erhalten hatten. Fast alle Truppenteile kampierten Nächte lang auf dem blofsen Strafsenpflaster. Es mufs ferner hervorgehoben werden, dafs die einberufenen Urlauber zum Teil der Provinz und sogar der Stadt Mailand angehörten und also in den gegenüberstehenden Reihen Väter und Brüder, Weiber und Schwestern wufsten . Es mufs berücksichtigt werden , dafs die Einberufung der älteren Jahresklassen zur Zeit der Unruhen in technischer Beziehung recht ungünstige Verhältnisse
traf.
Die
Neuordnung der Mobilmachungseinrichtungen nach dem Pellouxschen Gesetz, die Umwandlung der Truppendepots zu Hauptträgern der Mobilmachung an Stelle der Distriktskommandos war aus Ersparnisrücksichten noch nicht völlig durchgeführt, die neuen Einrichtungen hatten sich noch in keiner Weise eingelebt. Da den Gemeinden die Einberufungslisten noch nicht zugegangen waren, wurden die Einberufenen den Distrikten überwiesen und von diesen uneingekleidet an die Truppendepots überwiesen.
Dieser unter
den
obwaltenden
Umständen disziplinarisch besonders bedenkliche Übergang hat sich überall anstandslos vollzogen, die Einkleidung und Ausrüstung und die Einstellung in die Truppenteile ist speziell in Mailand am 6. Mai resp. in der Nacht vom 7. zum 8. ohne irgendwelche Zwischenfälle erfolgt.
Erwägt man endlich noch,
Mannschaften dauernden
auch die gewifs
Militarisierung
2) Erfurt 1898.
des
dafs die Disziplin
schwere
entlassener
Probe der lange Monate
Eisenbahnpersonals
bestanden
hat.
188
Die Strafsenkämpfe des 6. bis 9. Mai 1898 in Mailand .
I endlich, dafs die umfassenden Einberufungen von etwa 60000 Ur laubern aus den Jahresklassen 1872, 73, 74 und von 2 Jahrgängen Karabinieri für die verschiedensten Teile des Landes einer teilweisen Mobilmachung gleich gerechnet werden können , so wird das zusammen fassende Urteil berechtigt erscheinen : Das uns verbündete italienische Heer hat durch das Verhalten eines grofsen Bruchteils desselben bewiesen , dafs es den tiefernsten disziplinaren Anforderungen , welche unsere Tage der sozialistischen und anarchistischen Propaganda an ein modernes Volksheer stellen , nach jeder Richtung hin ge wachsen ist , und dafs es auch über einen ausreichenden Grad von Schlagfertigkeit verfügt. Was den Anteil
des
italienischen Offizierkorps an der Nieder
werfung des Aufstandes betrifft, so braucht nur an das Friedericia nische Wort „ der Geist der Armee steckt in den Herren Offiziers " erinnert zu werden. Die Anerkennung, dafs Ruhe und Mäfsigung auch gegenüber den empörendsten Aufreizungen bewahrt worden ist, gebührt natürlich in erster Linie den Offizieren, den Repräsentanten des Heeres einer verhetzten Menge gegenüber. Dafs endlich die obere Leitung durch Raschheit des Entschlusses und Thatkraft und Strenge am richtigen Ort das Richtige getroffen hat, beweist wohl am besten der wütende Hafs, mit dem die demo kratische und klerikale Presse seit den Maitagen den „ Diktator von Mailand" den Generalleutnant Bava- Beccaris beehrt. Durch alle Auslassungen von dieser Seite geht das Bestreben, den Aufstand als eine vereinzelte Erscheinung, als unvorbereitet, als unbedeutend, die Abwehrmafsregeln
aber
als künstlich aufgebauscht
erscheinen zu
lassen. Es ist sicher aufserordentlich schwierig, bei so komplizierten Erscheinungen des Völkerlebens wie die Mailänder Maitage sie dar stellen, bis auf den tiefsten und letzten Grund der Ereignisse zu blicken . Aber niemand wird die Richtigkeit des Gedankens an greifen können, den Generalleutnant Bava in seinem die weitere Entwickelung der Dinge
übrigens
sehr pessimistisch beurteilenden
Schlufswort aufstellt und der überall Geltung hat :
nur schnelle
und entschlossene Niederwerfung einer ungesetzlichen Erhebung in ihren ersten Anfängen beschwört die Gefahr einer Schreck ensherrschaft , deren Beseitigung viel mehr Blut und Opfer auf beiden Seiten kostet , als ein Über mafs von Energie im Anfang. Am klarsten lehren das wohl die. Märztage des Jahres 1848 in Berlin und die Geschichte der Kom mune 1871 .
Rom , Januar 1899.
1
Das Heerwesen Uruguays.
189
XIV .
Das Heerwesen Uruguays .
Die nach ihrer räumlichen Ausdehnung kleinste der südameri kanischen Republiken, ist durchaus nicht auch diejenige, welche ge ringeres Interesse als die anderen, bei allen denen beanspruchen kann, die in einer engen Verbindung jener Länder mit unserem Vaterlande wichtige Vorteile für Handel und Industrie sehen und den Wunsch hegen, dafs die deutsche Auswanderung
sich
lieber
dahin
ziehen möchte , als nach Ländern , in denen sie ihr Volkstum aufgeben mufs, inmitten von Menschen, denen alles Verständnis für deutsche Art und Tüchtigkeit abgeht. Will man aber selbst der Thatsache, dafs, infolge verschiedener Wahlen,
die
Aussichten
für das
Deutschtum
in Uruguay besser
geworden sind, keinen Wert beilegen, so würde das militärische Moment für die Leser dieser Zeitschrift allein genügen, ein gewisses Interesse zu rechtfertigen
Zum Teil läfst
sich
solches
durch die hohe soldatische Beanlagung des dortigen Volks.
begründen Geradezu
erstaunlich bleibt, wie trotz der vielen inneren Kämpfe die Lebens kraft eine so hohe ist, dafs man wohl sagen möchte : die Rasse ist nicht tot zu kriegen . die
gebundene
Daher mufs man es umsomehr beklagen, dafs
Energie
in Revolutionen
und Aufständen verpufft,
statt sich auf kulturelle Aufgaben zu werfen ; in letzterer Hinsicht sind die Fortschritte daher auch natürlich nur geringe ! Uruguay zählt 877000 Einwohner, welche auf ein Gebiet von 186 920 km zerstreut, meist in zahlreichen Landstädtchen und und Haziendas leben . Die Hauptstadt hat 175000 Einwohner, einzige noch erwähnenswerte Canelones 20000 Einwohner.
die
Die Verwaltung des uruguayischen Heeres erfolgt durch das Kriegsministerium, welchem ca. 30 Offiziere und höhere Beamte zu geteilt sind. Die sehr genau geführten Etats weisen auch Portiers und Ordonnanzenstellen nach. Den 3 vorhandenen Sektionen ist eine solche für die Marine angeschlossen , eine technische, besonders auf geführte zählt 6 Offiziere der Marine, Ingenieure etc. Das Truppenkommando wird durch den Generalstab ausgeübt Dieser zählt ca. 24 Offiziere der verschiedensten Chargen und ist in 7 Sektionen eingeteilt.
Unter ihm stehen direkt der Sanitätsdienst,
die Kommission für Offiziersqualifikation und die aktiven Generale mit : 1 General- Leutnant, 6 Divisions- und 11 Brigade- Generalen. An Truppenteilen sind vorhanden : a) 1 Artillerie - Regiment aus 1 Stab, 2 Batterie-Kommandanten,
Das Heerwesen Uruguays .
190
12 Offizieren, 47 Unteroffizieren, 9 Trompetern, 144 Mann , dazu verschiedene Beamte, 1 Volksschullehrer etc. Für die Pferde sind nur 400 Peso jährlich ausgeworfen. ') Früher bestanden 2 ArtillerieRegimenter, doch sind diese nach dem am 4./7 . 1898 stattgehabten Militäraufstand aufgelöst worden , aus der Fufsartillerie entstand ein Jäger - Bataillon , aus der reitenden Artillerie das 5. KavallerieRegiment. b) 4 Jäger - Bataillone à 5 Kompagnien , bestehend aus je 1 Stab , 5 Kapitäns, 18 Leutnants, 53 Unteroffiziere, 8 Tambours und Hornisten , 339 Soldaten , verschiedenen Beamten, darunter 1 Musik-Meister für die Kapelle, 1 Volksschullehrer etc. Die Infanteriestehen sämtlich in Montevideo , jedoch sind stärkere Detachements in allen 19 Departements verteilt (desgl. auch die Kavallerie) und haben Städte wie Salto, Mercedes, u . s . w. somit auch eine Garnison. Bataillone
c ) 5 Kavallerie - Regimenter , 1 Eskorten-Eskadron (44 Pferde ), Die Regimenter setzen
sich zusammen aus je 1 Stab, 3 Kapitäns,
11 Leutnants, 33 Unteroffizieren, 12 Trompetern , 261 Soldaten , verschiedenen Beamten. Das 5. Regiment hat ein dem Pferdebestand sieht es sehr schlecht aus .
Musikkorps .
Mit
Auch ist ein Grenz-Regiment vorhanden . Die gesamte Kavallerie steht unter einer Inspektion, von deren Einwirkung jedoch nicht viel zu spüren ist. Das Pferdematerial ist spanisch-arabischen Schlages, etwas klein und unansehnlich , aber recht ausdauernd. Die Tiere bringen Sommer und Winter meist im Freien zu, die Behandlung derselben ist keine gute. d) Die Besatzung der Festung General Artigas , aus 6 Offizieren, 14 Unteroffizieren, 49 Soldaten und einigen Beamten. Diese Festung ist von den Spaniern erbaut und liegt an der Stadt Montevideo, deren Häuser nahe heranreichen, 142 m über dem Meere, sie ist daher nur für innere Unruhen von Bedeutung und zur Aufnahme von Militär-Gefangenen bestimmt. Die Ausrüstung ist mit modernen Geschützen versehen. Es sind 2 Armstrongs cal. 7 , 6 Krupp cal. 7,8, 4 Haubitzen à 24 , 2 Mitrailleusen und 10 ältere Geschütze vorhanden.
Aufser dieser ist Uruguay nur noch im Besitz
zerfallenen Befestigung St. Teresa (Departement Rocha). Leuchtturme
versehen ,
dient Festung
General
Artigas
einer
Mit einem nunmehr
friedlichen Zwecken, ihren Namen hat sie vom berühmten General José Geroacio Artigas, der sich im Unabhängigkeits -Krieg sehr auszeichnete.
1) 1 Peso = 4,35 Mark.
Das Heerwesen Uruguays.
191 die
40 Kadetten dient
e) Zur Ausbildung von ca.
Kriegs-
Akademie , in welcher militärischer und allgemein wissenschaftlicher Unterricht erteilt wird. Im Jahre 1885 errichtet, nimmt sie Zöglinge von 15-20 Jahren auf, welche ein Eintrittsexamen bestehen und Der auch sonst für den militärischen Beruf geeignet erscheinen. dann wird und Unterricht ist für die ersten 4 Jahre ein gemeinsamer erteilt . Die Aspiranten für Infanterie und Kavallerie bleiben 5 Jahre, die für Artillerie und Ingenieure 7 Jahre in der Anstalt und treten dann als Offiziere in die Armee über.
waffenweise
f) Der
Artillerie
Park
Beide sind in guter Verfassung gerüstet.
und
Artillerie
Werkstätten.
und mit reichlichem Material
Die Listenführung ist,
wie
in Uruguay überhaupt,
aussehr
penibel, daſs aber selbst die Stunden an jedem Tage veröffentlicht werden, an denen die einzelnen Offiziere und Aufseher Dienst thaten, wann sie krank waren, fehlten etc., das ist doch sehr weitgehend. g) Schliefslich sind hierher auch die Polizeitruppen zu zählen, welche aus Eskadrons in der Stadt Montevideo und in der Umgegend, sowie aus dem Stadt-Bataillon bestehen . Erstere sind stark : 2 Chefs, 1 Kapitän, 10 Leutnants, 7 Fähnriche, 34 Unteroffiziere , 16 Musiker, 240 Soldaten. Das Stadt-Bataillon zählt : 2 Chefs, 5 Kapitäns , 27 Leutnants,
56 Unteroffiziere,
daten, 1 Musikkorps. für die Offiziermesse Einrichtung
dieser
8 Hornisten und Tambours,
239 Sol-
Dem Gebrauch des Heeres entsprechend, wird ein staatlicher Beitrag gezahlt, wie denn die Truppe ganz
militärisch
geordnet
ist,
da
auch oft in solcher Richtung gebraucht wird und es, dank
sie dem
schneidigen Chef, noch vor kurzem möglich war, in 12 Stunden einen grofsen Militäraufstand zu unterdrücken, bei welchem 2 , seitdem aufgelöste, Artillerie-Truppenteile beteiligt waren. Auch in den übrigen Orten ist eine meist gut organisierte Polizei vorhanden und notwendig, vielfach wird eine Musikkapelle gehalten, deren Vorträge gute Beziehungen zwischen Polizei und Regierten pflegen ; mir scheint das kein übel angewendetes Geld zu sein, das man für solche Zwecke ausgiebt.
Es gilt für diese, was auch für die Militär- Musik-Kapellen
zutrifft, sie sind recht gut ; deutsche Weisen sind bevorzugt. h) Ein Invaliden - Korps besteht aus : 5 Stabsoffizieren, 26 Kapitäns , 31 Leutnants ,
157 Unteroffizieren und Soldaten ,
Witwen und Waisen werden jährlich
521477 Peso
gezahlt.
für Bei
dieser Gelegenheit möchte ich bemerken, dafs Uruguay mit einem jährlichen Budget von 15973545,97 Peso arbeitet, wovon 1918030,77 auf das Ministerium des Krieges und der Marine entfallen. Aufserordentlich teuer kommt der Republik die Regierung zu stehen. Kammern und Senat beanspruchen 341114,39,
Die
die Präsidentschaft
Das Heerwesen Uruguays .
192
67241,60 Peso ; über erstere Zahl darf man sich nicht wundern, wenn man sieht, dafs 69 Abgeordnete in der Zeit vom 14./2.-30./6 . 1899 78200 Peso erhalten sollen, cirka ebensoviel wie ein Kavallerie- Regiment im ganzen Jahr. Auch findet man bei allen Offizieren und Beamten einen Sold-Abzug von 10 %, nur die Männer der Worte (und in Süd-Amerika wird,
wenn möglich,
noch mehr geredet als
in
anderen Ländern) sind davon befreit. Der Ersatz des Heeres liegt noch sehr im Argen, er findet durch Anwerbung ( Freiwillige) und Verurteilte, welche auf diese Weise ihre Strafe erledigen, statt, in Kriegszeiten oder besser bei Revolutionen wird, wie das auch in anderen Staaten Süd-Amerikas üblich ist, alles (besonders im Innern des Landes) aufgegriffen und in die Uniform gesteckt. Um auch die Nationalgarde zu den Waffen zu rufen, bedarf es eines vom Parlament genehmigten Dekrets. dienstpflichtig. gewöhnlichem,
Es sind dann alle Männer von 18-45 Jahren
Zu Zeiten hatte die Republik auf obigem, nicht unWege 25000 Mann unter den Waffen. Von den
Friedenszeiten mufs leider konstatiert werden,
dafs die Etats
meist
nur zur Hälfte gefüllt sind, bei Revuen hilft man
sich durch Entdavon leihen von Mannschaften aus und die liquidierte Löhnung schweigt man am besten ! In einem vom Parteileben beherrschten Lande erscheint es wie selbstverständlich, dafs das Offizierkorps nicht
auf der Höhe ist, es geht da zuviel nach Gunst und politischer Streberei ; ein Teil der Offiziere soll nicht in alle Geheimnisse des Lesens und Schreibens eingedrungen sein. Die Kommandeure sind in erster Hinsicht Personen, um deren Gunst man wirbt, kurz , es ist auch in dieser Richtung so ganz
anders
als in Deutschland.
In
Europa würde Griechenland in Vergleich zu stellen sein ! Grofsen Wert legt man auf die Verpflegung des Soldaten, welche vom Staat eingekauft wird und aus folgenden Artikeln besteht : 1. Frühstück : 300 g Kaffee, 50 g Zwieback ; 2. Frühstück : 150 g Brot, 100 g Reis, 100 g Erbsen , 150 g Fleisch ; Mittagessen : 125 g Brot, 250 g Fleisch, 120 g Reis, 150 g Nudeln, 150 g verschiedener Gemüse . Die Offiziere essen gemeinsam in der Messe, für welche staatlich beträchtliche Zuschüsse gemacht werden (Infanterie- Bataillon 3600 Peso , Kavallerie - Regiment 1800 Peso) . Interessant ist ein Einblick in den Dienstbetrieb der Truppen welcher ungefähr in folgender Weise vor sich geht :
Sommer
Reveille, Kaffeetrinken, Trommelsignal. 5 , Uhr Instruktion bis 7 5 Apell der Wache, 512 desgl. der aufziehenden Wache, 7 Fechten der Offiziere, 8 Unterricht derselben , 8 Apell, 81 , Lebensmittelempfang, 9 Frühstück, 10 Essen der Offiziere, Siesta ; 3 Trommel-
Das Heerwesen Uruguays .
193
signal, 3—4¹ , Instruktion , 4/2 Lebensmittelempfang , 5 Antreten der Kompagnien zum Appell, 51 , Apell, Baden , Essen, freies Ausgehen der Mannschaft, 6 Essen der Offiziere, 7 den Arrestanten werden . Befehle vorgelesen und der ganzen Kompagnie, wenn diese konsigniert ist, um 8 Schlufs dieser Stunde, 9 Retraite, 10 Ruhe. Im Winter ist der Dienst ähnlich, er beginnt dann um 61 , 2 Uhr und Ruhe tritt um 9 Uhr abends ein. Wirklicher Dienst ist somit nur 3 Stunden täglich ( sog. Instruktion) ; unendlich viel Zeit wird mit Appells ver loren. In dieser Beziehung ist, wie in manchem andern, eine grofse Ähnlichkeit mit französischen Armee-Sitten unverkennbar, was auch in Er scheinung tritt durch das fortwährende Blasen und Trommeln von Signalen , das Äufsere des Mannes etc. In der Militär-Akademie wird von fremden Sprachen nur die National- Bibliothek zählt 444 Bände französisch gelehrt, in französischer Sprache, in englischer nur 9, deutsch ist unter Auch werden , und das be ,,verschiedenen Idiomen " verborgen . rührt wieder die oben erwähnte Ähnlichkeit, viele statistische Zusammenstellungen gemacht, ich habe hiervon reiches Material übersende . ich auf Wunsch gern das (natürlich spanisch), Die Infanterie Uruguays ist mit dem Mauser-Repetier- Gewehr aus gerüstet, Reservebestände und Munition sind zahlreich und genügend vorhanden, die Kavallerie führt den gleichen Karabiner. An Ge schützen hat die Feld-Artillerie Krupp-Kanonen, auch sind solche von Bange und Canet in den Beständen, desgl. Nordenfeld-Mitrailleusen . Für die Nationalgarde müssen eventuell noch Remington -Gewehre ver wendet werden. Die Uniform ist durch ein detailliertes Reglement vorgeschrieben , die Offiziere richten sich aber nicht immer nach seinen Bestimmungen . Es verlautet, dafs die Uniformen vereinfacht werden sollen. Diese bestehen für die Infanterie aus dunkelblauem Rock mit grünen Ab zeichen, roten Hosen, weifsen Kamaschen und desgl. Handschuhen , rotem Kepi mit grünem Rand, mit National- Kokarde und Bataillons Nummer. Zu der, der französischen Uniform sehr ähnlichen, wird schwarzes Lederzeug getragen. Im täglichen Dienst erscheint die Mannschaft in dunkelblauen Jacken und Hosen mit grünen Abzeichen. Die Offiziere, welche in Tracht und Haltung den französischen eben falls sehr gleichen, haben Epaulettes mit goldenen Franzen, die Stabs offiziere breite goldene Streifen an den Hosen, Die Kavallerie reich verzierten Chabraken.
am Kepi und den trägt dunkelblaue
Dollmans mit 7 Litzen, rote Hosen, rotes Kepi, die Eskorten-Eskadron führt Lanzen mit rotem Fähnchen. Durchweg dunkelblau ist die Artillerie uniformiert, ebenfalls mit stark französischen Anklängen. 13 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 111. 2.
Das Heerwesen Uruguays.
194 Blau mit weifsen
Abzeichen ,
Stahlhelm
mit Rofshaarbusch kenn-
zeichnet die Polizei, welche aufserhalb der Stadt und im gewöhnlichen Dienst ein Kepi trägt. Besonders reich ist die Generalität gekleidet, mit Dreimaster , goldenen Stickereien und solchen Hosenstreifen. Nähere Details hierüber würden zu weit führen ; es finden sich sehr gute Abbildungen der Armee im Annuario
Estadistico
1896 ;
für
Süd-Amerika eine seltene Ausnahme, von wo Soldaten- Typen zu erhalten im allgemeinen kaum möglich ist. Im Sommer werden Leinenanzüge angelegt. Die Stärke der Leutnant ,
6
Armee
Divisions - Generale ,
Uruguays 11
ist :
1
General-
Brigade - Generale ,
274
Offiziere , 580 Unteroffiziere , 3152 Mann ( dabei 40 Kadetten ). Aufserdem werden bei den Behörden, in Lazaretten, dem ArtilleriePark etc. noch eine Anzahl pensionierter und aggregierter Offiziere und abkommandierter Unteroffiziere verwendet. Die hohe Zahl der Generale kann nicht auffallen , sie findet sich in fast allen Ländern spanischer Rasse . Es giebt noch sehr viele inaktive aufserdem, welche beim Obersten Gerichtshof, dem Apellationstribunal etc. Verwendung finden.
Bei den Musikkapellen und Spielleuten
können Knaben ,
welche 12 Jahre alt sind, freiwillig eingestellt werden, dazu der Erlaubnis des Vaters oder Vormunds.
es
bedarf
Die Marine Uruguays ist wenig bedeutend, sie setzt sich zusammen aus : 4 Kanonenbooten mit : 19 Offizieren, 6 Beamten, 132 Heizern und Matrosen und 10 Dampfern, Hafen- und Zolldienst bestimmt.
letztere für den Küsten- ,
Zum Schlufs möchte ich nicht unterlassen , zu bemerken, daſs die Truppen der Republik, zumeist aus Farbigen bestehend, einen recht guten Eindruck machen - das Material ist eben ausgezeichnet. Manches würde noch viel besser sein, wenn nicht fortwährende Aufstachelungen seitens Argentiniens das Land verhinderten, zur Ruhe zu kommen. Ebenso wäre es auch angebracht,
sich mit
der Verbesserung der
Disziplin im Heere eingehend zu beschäftigen . Im Monat Dezember spielte sich beim 3. Kavallerie-Regiment eine Revolte ab, bei welcher 1 Offizier getötet wurde, zu gleicher Zeit wurden in Montevideo 2 Offiziere,
7 Korporale und
eine Anzahl Soldaten
der sonst vor-
trefflichen Polizeitruppe wegen Aufwiegelung ihrer Kameraden verhaftet, kurz es herrschte Unruhe und damit politische Unsicherheit aller Arten. Die 3 im Hafen der Hauptstadt, zunächst nur zum
Besuch
weilenden
nordamerikanischen
Kriegsschiffe ,
für den sein Vaterland und die Unabhängigkeit
sollten
liebenden Bürger
Uruguays eine deutliche Sprache reden : die tüchtige Volkskraft zusammenzuhalten, sie militärisch auszubilden und damit brauchbar zu machen für Kämpfe, welche nicht ausbleiben können .
Die Neuorganisation der oberen Kommandoverhältnisse in Frankreich. 'Wie wenig man
195
sich in Uruguay der Gefahren bewufst ist,
welche über kurz oder lang der Selbständigkeit des Landes drohen, zeigt erneut ein in jüngster Zeit herausgekommener Erlafs der Regierung, nach welchem am Militär-Budget 50000 P. Ersparnisse gemacht werden sollen . Fasst man die finanzielle Lage ins Auge, so sind solche gewifs am Platze ; immerhin dürfte man aber annehmen, dafs die Erfahrungen des amerikanisch- spanischen Krieges zeigten, in wie unglückliche Verhältnisse ein Land kommt, das auf einem Gebiete Ausgaben vermeidet, deren Unterdrücken mit der Ehre und dem materiellen Rückgang bezahlt werden müssen. Für derartige Bestrebungen bietet sich auf anderen Gebieten des Budgets reiches Feld, warum sprechend
sucht man gerade grofsen Worten so wenig entdie Rüstung zu schwächen, deren Mängel sich nicht von heute auf morgen verbessern lassen und die an sich schon T. kaum an zu grofser Stärke krankt.
XV.
Die
Neuorganisation
der
oberen Kommandoverhältnisse
in Frankreich.
Wenn man die Dekrete Billots vom März 1898 und das neue Dekret Freycinets vom 2. August 1899, beide die „ Armee -Inspektionen " betreffend, vergleicht, so treten doch auch Unterschiede prinzipieller Natur hervor, die man gut thut, nicht zu übersehen . Freycinet schafft freilich unter modernen Namen und mit den nötigen Vorkehrungen, um nicht einer Verletzung des Gesetzes von 1873 geziehen werden zu können, Armee-Oberkommandos und einen Generalinspekteur der Armee in dem designierten Generalissimus für den Krieg. Artikel 7 des Gesetzes von 1873 bestimmt aus politischen Gründen, dafs im Frieden die Armeekorps nicht dauernd zu Armeen zusammengefasst werden sollen.
Um aber den Armee-Oberkomman-
dierenden die Möglichkeit zu geben,
mit den Truppen,
die
sie im
Krieg führen sollen, im Frieden in Verbindung zu treten, hatte man schon seit längerer Zeit die Mitglieder des oberen Kriegsrats mit besonderen Missionen betraut (seit 1890). Um diese Mafsnahmen, die durch Dekret erfolgt waren , zu legalisieren, brachte Billot 1897 den Gesetzentwurf, betreffend die Neuordnung der höheren Kommando13*
196
Die Neuorganisation der oberen Kommandoverhältnisse in Frankreich .
verhältnisse ein,
der
von
der
Armee
nicht
angenommen
Billot sucht sich nur, ohne Verletzung des Gesetzes durch Dekrete zu helfen. Politische Gründe, aber Ansichten des Generals Billot diktierten den Inhalt März 1898. Diese schufen Generalinspektionen ,
wurde.
von 1873 , wieder auch militärische der Dekrete vom aber diese
ent-
sprachen nicht den 99Armeen " im Kriege, denn ihre Besichtigungsbezirke sollten von Jahr zu Jahr, wenigstens zum Teil, eben mit Rücksicht auf das Gesetz von 1873, wechseln und enhielten im übrigen durchaus nicht die Verbände, die im Kriege die „ Armeen " ausmachen sollten, für deren Führung die betreffenden Mitglieder des oberen Kriegsrats designiert waren. Der designierte „ Generalissimus " der Armee hatte , solange Saussier als solcher zu betrachten war, volle Freiheit, alle Truppen des Heeres bei den Manövern
zu
besichtigen.
Das
änderte
sich,
als
Billot
Kriegsminister geworden und Jamont den General Saussier ersetzt hatte .
Billot war nämlich der Ansicht, dafs die Leitung des Krieges
durch die Regierung und speziell durch den Kriegsminister zu erfolgen habe, es in Frieden und Krieg nur einen Generalissimus , nämlich den Kriegsminister, geben dürfe . Der Ausflufs dieser Ansicht und auch politischer Erwägungen kam in den Dekreten Billots vom März 1898 dadurch zum Ausdruck, daſs dem nur als „ Oberkommandierenden der Hauptarmee " betrachteten General Jamont die Möglichkeit genommen wurde, den Manövern beliebiger Verbände beizuwohnen,
indem
er
eiuen
eigenen Besichtigungsbezirk von einigen
Korps, 2 Kavalleriedivisionen und eiuigen festen Plätzen erhielt, genau wie die übrigen Armee-Inspekteure. Er hörte damit nach jeder Richtung auf, auch nur temporär im Frieden Vorgesetzter von Armee-Inspekteuren zu sein und vermochte einen direkten Einfluss. auf die Sicherstellung der Gleichmässigkeit der Ausbildung und der Kriegsbereitschaft der Armee nicht zu üben. Das musste sich Billot als Kriegsminister
also
wohl
selbst vorbehalten haben,
mit
welchem Erfolge, das haben die den offiziellen Reglements und Vorschriften widersprechenden Sonderinstruktionen von Armee-Inspekteuren 1898 bewiesen . Billot hat auch nicht berücksichtigt , dals der Kriegsminister in Frankreich doch keine stabile Person ist, das Jahr 1898 hat allein wieder fünfmaligen Wechsel im Kriegsministerium und zweimaligen in der Person des Chefs des Generalstabs der Armee gebracht. Die Armee hat also fünfmal ihren eigentlichen Kriegsherrn gewechselt und zweimal Civilkriegsminister an ihrer Spitze gesehen, die doch unmöglich als Generalissimus im Kriege fungieren könnten. Freilich giebt es ja auch bei uns Civilstrategen, die Moltke als Stümper betrachten, warum also nicht in Frankreich !
Die Neuorganisation der oberen Kommandoverhältnisse in Frankreich .
197
Freycinets Dekret vom 2. März 1899 beruht auf anderen Ansichten . Die Armee-Inspektionen werden nach ihrer Abgrenzung permanente , die Mitglieder des oberen Kriegsrats , die zur Führung von Armeen im Kriege designiert sind, sollen im Frieden auch dauernd Inspekteure der zu diesen Armeen gehörenden Korps sein. Die der Korps einzelnen Armee - Inspektionen an die Zuweisung (voraussichtlich
6)
wird
allerdings
beabsichtigte Zusammensetzung aber darüber sieht Freycinet
der mit
auf
die
für
den
Krieg
Armeen Schlüsse erlauben , Rücksicht auf die Vorteile,
die sich sonst durch die neue Anordnung ergeben, hinweg. Diese Vorteile kommen erst recht zum Ausdruck, wenn Freycinet die von ihm schon kundgegebene Absicht ausführt, den Armee-Inspekteuren dauernd ihren Wohnsitz im Bezirk ihrer „ Armee " anzuweisen , nicht mehr in Paris. Die Mitgliedschaft des oberen Kriegsrats würde für dieselben, wenn auch ihre Etatsstelle, so doch Nebenamt das Armee- Oberkommando Hauptamt.
Sie wären in der Lage, jederzeit
Direktiven zu geben, ohne dabei in die Befugnisse der für die Ausbildung und Bereitschaft ihrer Korps verantwortlich bleibenden kommandierenden Generäle einzugreifen , lebten sich mit den ihnen unterstellten Führern ein, wie auch diese und sie selbst mit den Stäben der Armee- Oberkommandos, welche den Armee -Inspekteuren jährlich eine Zeitlang zur Verfügung gestellt werden. Das Dekret vom 2. März 1899 bringt die Armee-Oberkommandierenden in ein dauerndes Vorgesetzten-Verhältnis zu den kommandierenden Generälen, es giebt ihnen Kommandogewalt.
Sie sind berechtigt, zu jeder Zeit
ihre Korps zu besichtigen , Probemobilmachungen, Probe-Armierungen und Garnison - Manöver anzuordnen, wohnen den Manövern ihrer Korps bei und leiten dieselben, wenn
2 von diesen gegeneinander
oder vereint gegen ein drittes operieren, haben dem Kriegsminister zu berichten und sich dabei auch über die Qualifikation der Führer auszusprechen und sind berechtigt, auf Fehler hinzuweisen und deren Abstellung zu verlangen . Sie gewinnen auch auf die Beförderungsvorschläge einen gröfseren und mehr, als früher, berechtigten Einfluss . Die Leitung gröfserer Manöver, bezw. die Führung der Armee-Abteilungen, ist aufserdem für sie selbst eine gute Übung, ebenso wie für ihre Kriegsstäbe .
Man erkennt leicht die grundlegenden Unter-
schiede zwischen diesen Bestimmungen und denjenigen der Dekrete vom März 1898. Freycinet scheint die Gefahr einer Verletzung des Gesetzes von 1873 weitherziger aufzufassen. Dies tritt namentlich auch bei der Bemessung des Wirkungskreises
des
Vice-Präsidenten
eigene Armee-Inspektion
wird
des
oberen Kriegsrats hervor.
Eine
demselben nicht zugeteilt, Freycinet
198
Tagebuch des Kgl . Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
betrachtet den General Jamont wieder als designierten Generalissi mus der Armee im Kriege. Das Dekret bezeichnet denselben zwar als Untergebenen des Kriegsministers, das ist aber mehr facon de parler in Rücksichtnahme auf das Vermeiden des Vorwurfs einer Verletzung des Gesetzes von 1872 ,
sowie
das Bestreben,
die An
sichten etwa folgender Kriegsminister nicht zu präjudizieren , denn der designierte Generalissimus
hat das Recht,
zu jeder Zeit jede
Truppe und jeden festen Platz zu besichtigen, allen Manövern bei zuwohnen und zu seinen Besichtigungen die Armee- Inspekteure und den Chef des Generalstabs der Armee heranzuziehen . Der designierte der Generalissimus ist thatsächlich permanente General inspekteur der Armee ( freilich ohne diese Bezeichnung) und als solcher
auch
Generalstabs
Vorgesetzter im
der
Armee-Inspekteure ,
der
Chef des
grofsen Hauptquartier begleitet ihn bei
seinen
Besichtigungen. Er ist in der Lage, auf das Schmieden der Waffe, die er im Kriege gebrauchen soll, einen bestimmenden Einfluss zu üben,
die
ihm unterstellten Führer nach ihrer Eigenart und ihrem
Können zu beurteilen. Die Wünsche der Armee, die Stellung des permanenten Generalinspekteurs legalisiert zu sehen, wird Freycinet, der 1890 auch die besondere Mission der Mitglieder des oberen Kriegsrats als Kriegsminister angeschnitten hat, freilich kaum er 18. füllen können.
XVI. Tagebuch des Königlich Westfälischen Leutnants F. L. Wagner aus den Jahren 1809 bis 1813. ") Von H. Heimke- Duderstadt . I. 1809 und 1810. Im Jahre 1809 am 18. Februar erhielt das Infanterie-Regiment Deutschmeister ,
in welchem ich als Fähnrich diente, den
Befehl,
1 ) Anmerkung der Leitung. Das Original dieses Tagebuches befindet sich im Besitz des Herrn Kaufmann Ludw. Meyer zu Duderstadt. Dasselbe wurde Herrn H. Heimke zum Zwecke der Veröffentlichung überlassen und den ,,Jahrbüchern" zur Verfügung gestellt.
Tagebuch des Kgl. Westfälischen Leutnants F. L. Wagner. gegen Bayerns Grenze sich in Marsch zu setzen.
199
Voll hohen Mutes ,
begleitet von den braven Bürgern Wiens, verliefsen wir am 20. Februar die Stadt und setzten unseren Marsch über Purkersdorf nach Pölten, Ens, Ebersberg an der Traun nach Linz fort, den 2. März eintrafen und den 3. Ruhe hielten.
wo wir
Am 4. frühmorgens wurde auf Befehl unseres kommandierenden Generals, des Herrn Feldmarschall-Lt. von Hiller , auf dem Marsche nach Efferding ein Mädchen aus München in Mannestracht als Spion arretiert und nach kurzer Untersuchung, während welcher man mehrere Pläne und Briefe bei ihr fand, der Donau aufgehängt. über Grieskirchen
an einem Eichenbaum an
Von Efferding setzten wir unseren Marsch
nach Neumark
ruhig fort und bezogen in der
Umgegend von Neumark Kantonierungsquartiere ,
wo wir bis zum
3. April ruhig stehen blieben. An diesem Tage formierte sich auf dem Marsche nach Braunau die Brigade und bezog gegen Abend ein Biwack vor der Stadt, am 4. und 5. trafen mehrere Regimenter ein, so dafs wir am 5. gegen Mittag ein Korps von 52000 Mann unter dem Befehl des Feldmarschalls von Hiller in gedrängter Masse zusammenstanden. Am Abend gegen 5 Uhr erschien Erzherzog Karl ,
hielt eine
Rede, feuerte die Truppen an und empfahl, Bayern als ein befreundetes Land zu betrachten. Den 6. des morgens 6 Uhr setzte sich das Korps in Bewegung und überschritt den Inn. Kaum waren wir einige 1000 Schritt auf der Strafse nach Neuötting vorwärts gegangen, als unsere , die Avantgarde bildenden Husaren einige bayrische Chevaulegers gefangen zurückbrachten , welche aber der General Hiller sogleich in Freiheit zu zurückschickte .
setzen befahl, sie beschenkte und
Am 9. April gegen Mittag erreichten wir die Höhen von Neu-
Über das Leben des Leutnants Wagner haben wir folgendes in Erfahrung bringen können : Derselbe wurde im Dezember 1789 zu Duderstadt geboren und besuchte wahrscheinlich dort das bischöfliche Progymnasium. Er nahm dann österreichische Dienste und zwar im Infanterie-Regiment ,,Deutschmeister", focht 1809 gegen Napoleon bei Aspern, wurde daselbst verwundet und in Kriegsgefangenschaft geführt. 1810 trat er in westfälische Dienste, nahm am Feldzuge 1812 beim Korps des Königs Jerôme Teil, sodann am Feldzuge 1818. Nach der Schlacht bei Leipzig trat er in preufsische Dienste. Im Jahre 1815 wurde er als Sekonde-Leutnant beim Ersatz - Bataillon 12. Infanterie - Regiments (jetzige ,,Grenadier- Regiment Prinz Karl von Preufsen" 2. Brandenburgisches Nr. 12 ) angestellt ; 1820 zum Premier-Leutnant, 1830 zum Kapitän und Kompagnie-Chef befördert. Am 29. März 1841 wurde W. zur Disposition gestellt und lebte als Pensionär in Sorau, wo er verstorben ist (Todesjahr unbekannt) .
200
Tagebuch des Kgl . Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
ötting und sahen zu unserem Erstaunen, dafs die Bayern, unsere ge glaubten Freunde, die Brücke, die von Neuötting über den Inn führt, in Brand gesteckt hatten und auf der Strafse nach Landshut zurückgingen. Daher musste das ganze Armee-Korps in und um Neuötting unter gebracht werden. In dem kleinen Städtchen waren 2500 Mann nebst aller Generalität einlogiert. In dem Hause eines Bierbrauers logierte das ganze 2. Bataillon nebst zwei Schwadronen Husaren von Kienmeyer. Gegen 10 Uhr abends war die Brücke wieder her gestellt und die Avantgarde ging über dieselbe. Ihr folgte die 1 . Division, und endlich den 10. gegen 7 Uhr passierte auch die 3. Division den Flufs. Nun ging der Marsch auf Landshut, welches, wie es hiefs, die Bayern verteidigen wollten. Am 16. abends kamen wir vor Landshut an. Biwak einige
hundert Schritte vor
Uns wurde
dem Regensburger Thor
ein
ange
wiesen, Pikets und Vorposten ausgesetzt, und so blieb alles ruhig bis 3 Uhr morgens, wo wir plötzlich durch einen furchtbaren Kanonen donner aufgeschreckt wurden. Die Stadt wurde bis gegen 7 Uhr beschossen, dann aber durch die Regimenter Ducka, Chaturinsky und das 9., 10. und 13. Jägerbataillon gestürmt. Gegen 9 Uhr waren wir Meister der Stadt und 600 Bayern streckten auf dem Domplatz das Gewehr. Gegen Abend brachen wir auf Pfaffenhofen auf, griffen am 18. April die dort stehenden bayrischen und badischen Truppen an, und nach einem kurzen Widerstande zogen sie sich auf der Strafse nach Neustadt an der Donau zurück. Kaum hatten wir uns einige Stunden vorwärts von Pfaffenhofen gelagert, als wir plötzlich aufbrechen muſsten, und rechts abmarschiert, den Weg nach Abendsberg einschlugen. Nachdem wir ohngefähr vier Stunden marschiert waren, hörten wir immer deutlicher ein heftiges Kanonenfeuer aus der Gegend von Abendsberg und zugleich durch zurückgekommene Blessierte die Nachricht, dafs Erzherzog Ludwig von München aus auf der Strafse nach Ingolstadt vorgedrungen, bei Abendsberg aber auf die Armee von Napoleon gestofsen und von derselben angegriffen und nach Sahor zurückgeworfen sei .
Dieses
war ungefähr noch 3 Stunden von uns entfernt. Wir gingen dennoch in starkem Schritt durch Pfefferhausen, einem grofsen Dorfe auf der Strafse nach Sahor , passierten den Sahorbach, und kaum war dies geschehen, als sogleich 6 Regimenter Kavallerie eine Seitenbewegung gegen Sahor machten, um den Feind im Rücken anzugreifen .
Dieser
aber, durch die von uns geschlagenen bayrischen Truppen von unserer Ankunft benachrichtigt , zeigte sich in der Ebene von Sahor mit starken Infanteriemassen und fing an, die Kavallerie mit Granaten zu beschiefsen . Still und ruhig trabten wir hier unserm Schicksal
Tagebuch des Kgl. Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
201
entgegen, nahmen die uns angewiesenen Positionen ein,
und unsere Jäger und Tirailleurs durchwateten den im Thal fliefsenden Sahor bach, vertrieben den Feind aus einem jenseits gelegenen Walde und verfolgten denselben bis in die Ebene von Sahor. Endlich entwickelte der Feind gegen unsere Tirailleurlinie eine dreimal stärkere, wodurch die unsrige gezwungen wurde , sich nach dem vor uns liegenden Walde zurückzuziehen. Hier entspann sich nun ein furchtbarer Kampf, der Brigade- General Graf v. Weifsen wolf hatte diesen Wald durch das 13. Jägerbataillon besetzen lassen ; das zu Tirailleurs aufgelöste 2. Bataillon warf sich ebenfalls in denselben, und beide vereint machten ein mörderisches Büchsenfeuer auf den stürmenden Feind.
Dreimal versuchten die Franzosen,
nehmen, und jedesmal wurden
den Wald mit Sturm zu
sie mit grofsem Verluste
zurück geschlagen. Endlich gegen 8 Uhr abends , nachdem wir 40000 Mann gegen einen dreimal überlegenen Feind unter der Anführung Napoleons 6 Stunden lang stehend gefochten hatten, traten wir in der schönsten Ordnung den Rückzug über Pfaffenhausen und Pfaffen hofen nach Landshut an, wo wir den 19. April früh um 10 Uhr auf jenseitigen Anhöhen ein verschanztes Lager bezogen. Hier genossen wir aber der Ruhe noch lange nicht.
Nachdem
sich das Armeekorps des Erzherzogs Ludwig mit dem unsrigen vereinigt hatte, erfuhr der Feldmarschall, dafs Napoleon an Lands hut mit der grofsen Armee vorbeigegangen sei und zwei Armeekorps gegen uns stehen gelassen habe . Zwei Brigaden von uns, worunter die von Weiſsenwolf, wurden beordert, die Armee des Erzherzogs Karl bei Regensburg zu verstärken. Der F.-M. Hiller wurde in seiner Position in und um Landshut von den Franzosen angegriffen ; nach einer tapferen Gegenwehr Landshut von ihnen genommen. Die Österreicher aber, welche mit Ordnung aus der Stadt abgezogen waren, hatten sich von einem Ufer des Inn bis zum anderen um die Stadt, welche
bereits
an mehreren Orten brannte,
aufgestellt und
beschossen diese, sowie die Brücken , welche die Franzosen über den Inn schlugen, so sehr mit Granaten, dafs die ganze untere Stadt sowie die Brücken der Franzosen niederbrannten, wodurch dieselben , von weiteren Stürmen abgehalten, sich einen anderen Übergangs punkt über den Inn suchen mufsten, der Feldmarschall Hiller aber Zeit gewann, seine Retirade ruhig fortzusetzen. Die beiden detachierten Brigaden kamen in der Nacht vom 19 . zum 20. nach einem ermüdenden Marsche bei Regensburg an und wurde uns durch den General Meyer diesseits der Donau, seitwärts des bayrischen Hofes, unserer Artillerie
eine Position
angewiesen,
so
dafs wir
mit
und kleinem Gewehr sowohl das jenseitige Ufer,
202
Tagebuch des Kgl. Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
als auch die Brücke sehr gut bestreichen konnten,
auch waren es
unsere Batterien, welche nach dem Abzug der Österreicher vom jen seitigen Ufer durch ihr Granatenfeuer den bayrischen Hof in Brand setzten und die Franzosen dadurch nötigten , denselben zu verlassen . Gegen 7 Uhr
abends ,
nach
neunmaligem Sturm ,
gelang es
endlich den Franzosen, mit Aufopferung von Tausenden die Brücke zu nehmen.
Aber welch schrecklicher Kampf begann jetzt in und
um die Stadt. Bis gegen 10 Uhr abends schlug man sich in allen Strafsen. Jede derselben mufste von den Franzosen mit Sturm ge nommen werden, und beinahe hätten die Österreicher in Regensburg den Franzosen ein zweites Saragossa bereitet.
Endlich um 11 Uhr, nachdem sich alle Truppen zurückgezogen hatten, traten wir unseren Rückzug nach Straubing an, wo wir am 21. in der schönsten Ordnung durchzogen und jenseits der Stadt biwakierten, ohne von den Franzosen beunruhigt zu werden. Den 22. passierten wir Passau und gingen am 23. April morgens 10 Uhr bei Scharding über den Inn. Nachdem die ganze Armee diesen Flufs passiert war, wurde die Brücke verbrannt und wir setzten unseren Marsch ruhig fort. Bei Neumark wurde ein Korps Franzosen vou 10000 Mann in der Nacht des 27. April überfallen , ein grofser Teil derselben niedergestofsen, 30 Kanonen nebst Munitions wagen, zwei Kassen und viele Bagagewagen erbeutet und 2000 Ge fangene gemacht.
Bei Efferding vereinigten sich unsere beiden Bri
gaden wieder mit dem Armeekorps von Hiller und wir setzten unseren Marsch ruhig fort, gingen durch die Stadt über die Donau und be zogen ein Lager zwischen Enzersdorf, Aspern und Eslingen. Hier erhielten wir alle möglichen Arten von Verstärkungen, und in wenigen Tagen sahen wir unser Regiment ebenso stark, als wir ausmarschiert waren. Wien wurde nun durch Kapitulation an die Franzosen übergeben , und die gesamte Armee versammelte sich bei Enzersdorf in einer so vorteilhaften Position und den Franzosen so schrecklicher Nähe, dafs alle Bewegungen wie gelähmt wurden. hier entscheiden, und die wurde so tapfer und brav und
Nur eine Schlacht muiste
am 20. und 21. Mai
geschlagen ,
unerschrocken von den Österreichern,
so
wütend von den Franzosen, wie wohl wenige geschlagen waren. Auf allen Punkten wurden die Franzosen geworfen und endlich am 21 . völlig in die Flucht geschlagen.
Ich wurde beim Anfang der Schlacht
im Sturm von Aspern blessiert und von den Franzosen zum Ge fangenen gemacht, doch traf mich noch als Gefangener ein ziemlich glückliches Los . Denn ich geriet in die Hände eines französischen Wachtmeisters vom 18. Chasseurregiment, welcher mich sehr menschlich
Tagebuch des Kgl. Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
203
behandelte, mir aufser einer goldenen Uhr nichts abnahm, mich zu rückführte und durch einen französischen Arzt verbinden liefs . Den 20. gegen Morgen wurde ich mit den Blessierten nach Wien und von da ohne Aufenthalt zu Wagen nach Frankreich eskortiert. Wir gingen über St. Pölten, Ens, Linz , Efferding, Scharding, Regens burg,
Neustadt a. d. Donau, Ingolstadt, Neuburg, Donauwörth, Dillingen, Günzenburg, Ulm, Geislingen, Göppingen, Stuttgart, Pforz heim, Durlach , Rastadt, Strafsburg, Hagenau, Pfalzburg. Hier wurde mir von dem Chirurgien Major Boquit die Kugel aus dem linken Schulter blatte geschnitten, und , nachdem ich bis zum 15. September ruhig das Bett gehütet hatte,
wurde ich mit noch 36 Offizieren über Hagenau, Strafsburg, Rofshelm, Raon l'Etappe, St. Dié, Corciena, Kaisersberg, Kolmar, Sulz, Belfort, Rougemont, Baune, Bésançon nach Dôle gebracht, allwo ich bis zum 3. November im Lazarett blieb.
Von da wurden wir über Auxonne , Genlis nach Dijon gebracht, aber auch hier war keine Ruhe für uns, indem Dijon zu sehr mit Bles sierten und Gefangenen angefüllt war. So schickte uns der dortige Kommandant über Nuits, Beaume, Chagny nach Châlons sur Soane , von dort im Februar nach Mayon und endlich von hier nach Lyon. Am 28. März 1810 wurden wir wieder über Pont d'Ain, Bourge, Coligny, St. Amour, Cansence, Lons le Saulnier, Poligny, Salins, Attigny, Bésançon, Baune, Rougemont, Belfort, Thann, Sulz, Kolmar, Schlett stadt, Barry nach Strafsburg gebracht. Hier wurde uns
endlich bekannt gemacht,
dafs wir in
unser
Vaterland zurückkehren würden . Wir wurden einquartiert und auf den 18. April morgens um 8 Uhr auf den Place d'armes bestellt, um über den Rhein zu gehen. Voller Freude versammelten wir uns zur bestimmten Stunde, als um 8 Uhr der Kommandant nebst mehreren Gendarmen erschien und mehrere Offiziere, welche geborene Bayern, Hessen, Hannoveraner, Braunschweiger, oder überhaupt aus Rhein bundsprovinzen gebürtig waren, namentlich aufrief und uns bekannt machte, dass wir durch Gendarmerie in unser Vaterland geführt werden würden.
Dies geschah den 19. April.
Begleitet von 2 Gendarmen wurde ich, der Kapitän von Schröder und mehrere andere zurück nach Hagenau eskortiert, von da nach Weifsenburg, Landau, Obersheim, Worms, Mainz, Höchst, Frankfurt, Friedberg, Giefsen, Marburg, Josbach und Fritzlar nach Kassel, wo wir auf Befehl des Kommandanten in sperrt wurden.
die dortige Citadelle einge
Nachdem wir hier 5 Tage ohne Verhör gesessen hatten, wurden wir am 12. Mai, morgens früh um 9 Uhr, vor den Kriegsminister geführt, welcher uns frug, ob der von Seiner Majestät dem König
204
Tagebuch des Kgl . Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
erlassene Aufruf an die in auswärtigen Diensten stehenden Landeskinder bekannt sei, welcher im Jahre 1808 erlassen worden. Wir verneinten solches.
Da sagte der Kriegsminister, dafs wir nach dem
Gesetz, da wir gegen unser Vaterland
gefochten hätten, den Tod
.verdienten. Seine Majestät der König hätten uns aber aus besonderer Gnade alle Strafe erlassen. Es solle unsere einzige Strafe sein, von unten auf in der Armee zu dienen . Wir wurden sogleich, aufser dem Kapitän von Schröder, welcher seiner Blessierung wegen nicht mehr dienen konnte, in verschiedene Regimenter verteilt, und mich traf das Los zum siebenten Regiment. Ich wurde sogleich durch eine Ordonnanz zum Kommandeur des Regiments ,
Oberst Chabert, geführt, welcher mich sehr freundlich
empfing, mein Schicksal bedauerte und mich zum Sergeant - Major der zweiten Voltigeurkompagnie ernannte . 1811. Endlich am 15. Februar 1811 wurde ich zum
,,adjudant sous-
officier" ernannt, als überkomplett nach Braunschweig auf Rekrutierung · geschickt. Hier hatte ich das Vergnügen, einen würdigen deutschen Mann, Herrn Kapitän von Kampe , kennen zu lernen , auch traf ich einen Leidensgefährten , Herrn Kapitän Schröder , daselbst wieder. Die vielen ungewohnten Bureauarbeiten abgerechnet, lebte ich daselbst drei Monate lang sehr vergnügt, besonders in dem Hause des Herrn Bonstaedt am alten Markt in der Kannengiefserstrafse, am meisten aber in der Gesellschaft des Herrn Hauptmann Ebeling und dessen Familie. Im Juli wurde ich nach Hannover versetzt und machte die sehr schätzbare Bekanntschaft des Herrn Senator, und ich mufs gestehen, ich habe in dieser Familie den Himmel meiner Jugend verlebt. Aber auch hier rifs mich das Schicksal wieder fort, und ich mufste zu Ende August nach Göttingen. Hier traf ich den Kapitän von Scriba , einen sehr artigen und gebildeten Mann, welcher bald mein Freund wurde. Derselbe wurde aber im Monat September nach Hannover versetzt und starb auf der Reise im Alter von 28 Jahren . Zu Göttingen erwarb ich mir zu Freunden den Instrumentenmacher Eisenbrand , Dr. jur. Jordan , Buchhändler Kübbler und mehrere andere würdige Bürger, in deren lehrreicher und angenehmer Gesellschaft ich fast täglich zubrachte. Von hier aus besuchte ich zweimal meinen Vater, welchen ich seit 1803 nicht gesehen Die Freude , diesen guten Vater wieder gesund zu sehen , hatte. sowie die seinige, mich wohl und gut wiederzufinden , mag ich nicht beschreiben . Im November wurde das Regiment, welches bis dahin im Lager
Tagebuch des Kgl. Westfälischen Leutnants F. L. Wagner .
205
zu Katharinenthal gestanden hatte, nach Nordhausen, Duderstadt und Osterode verlegt, und ich zum zweiten Bataillon, welches in Duderstadt stand, einzutreten beordert. Hier hatte ich nun das Vergnügen , bei meinem Vater bis zum 3. März 1812 zu logieren. 181.2 . Am 4. März rückte das 2. Bataillon des Regiments aus Duderstadt aus nach Kleinwerder, 9 Stunden in einem sehr schmutzigen Wetter und auf grundlosen Wegen . Den 5. nach Nordhausen, 1 Stunde.
Hier wurde
bis
spät in die Nacht das Regiment neu
eingekleidet und jeder Soldat mit drei Paar Schuhen bepackt, und so marschierten wir am 6. nach Berge in Sachsen, 6 Stunden, den 7 . nach Sangerhausen, 8 Stunden. Den 8. nach Heimstadt bei Eisleben, 8 Stunden, den 9. nach Halle, 5 Stunden, den 10. nach Zorwig, den 11 . nach Kleinwilknitz, 1 , Stunde von Köthen, 4 Stunden. Hier bekam ich ein gutes Quartier bei dem Herrn Pastor, einem sehr guten und allgemein anerkannt braven Manne. Den 23. März marschierten wir nach Rosenfelde, 4 Stunden. Durch die schlechte Anstalt unseres Generalstabes wurden in diesem kleinen Dorfe zum Ruin der Bauern 2000 Mann einlogiert. Den 24 . durch die schöne Stadt Dessau über die Elbe gesetzt, den 25. nach Möckau,
6
Stunden ,
den
26. nach Bottendorf
5 Stunden, den 27. nach Luckau,
29. nach Wüstenhein in der Unterlausitz , nach Drebkow,
6
durch Jüterbogk ,
6 Stunden, den 28. Ruhetag, den
Stunden, den 31.
6 Stunden, den 30. März
nach Kölbern bei
Muskau,
6 Stunden, den 2. April nach Tribel , 8 Stunden, ein kleines , an einer Anhöhe schön erbautes Städtchen, welches aber den Tag vorher mit 6000 Italienern belegt gewesen war, worüber die Einwohner sehr klagten. Lebensmittel waren für Geld kaum zu haben . Den 3. nach Sagan, 10 Stunden, den 4. April nach Sprottau, 4 Stunden,
den 5 .
nach Neustadt, 5 Stunden, den 6. nach Grofsglogau, 7 Stunden, eine starke Festung an der Oder, welche mit sächsischen und polnischen Truppen belegt war. Den 7. nach Fraustadt, 8 Stunden, die Neustadt daselbst nebst einer modernen Kirche von Friedrich Wilhelm III. erbaut.
Viele Windmühlen daselbst ,
99 an der Zahl .
Nach
einer
Sage der Bürger ist es unmöglich, noch eine zu erbauen, denn das, was am Tage erbaut wird, soll in der Nacht zerstört werden . Den 8. nach Lubonia in Polen, 8 Stunden, elendes Dorf.
Den 9. Gostina,
eine arme Stadt mit einem grofsen und sehr reichen Kloster, 4 Stunden . Den 12. nach Lobesch, 12 Stunden, den 13. nach Rambzien, 12 Stunden, schlechtes Dorf, beim Edelmann Läuse im Bett ; auf blofsem Stroh geschlafen.
Den 15. durch Halisch nach Rokamin, schlechtes Quartier
206
Tagebuch des Kgl. Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
beim Prediger ; 12 Groschen.
guter Ungarwein in
der
Stadt ,
die
Flasche
zu
Zusammenziehung des Armeekorps, 25 000 Mann stark, Revue vor Hieronymus ; den 16. nach Dobra durch Widowa marschiert, 22 Stunden; unrichtige Angabe des Generalstabes. chen Dobra ;
Dorf und Städt
100 Mann nebst 1 Offizier und 2 Sergeanten von der
Kompagnie vor Ermüdung zurückgeblieben. Um 1,3 Uhr morgens im Quartier angekommen, 2 Offiziere, 2 Sergeanten und 40 Mann. Um 4 Uhr morgens ausmarschiert. Hier wurde ich aus zu grofser Anstrengung ohnmächtig. Die zurückgebliebene Mannschaft kam erst den 7. gegen Abend.
Ruhe bis zum 21. , den 22. nach Witow,
13 Stunden ; Ruhe bis zum 27., nach Kutzenika , 6 Stunden ; den 28 . nach Barkowitz, 6 Stunden ; den 29. nach Gorschina, 3 Stunden ; den 30. nach Bialitzin, 6 Stunden, elende Stadt . Den 2. Mai nach Babe, 6 Stunden. Durch Petrikau marschiert, allem Anschein nach eine wohlhabende Stadt mit vielen schönen Gebäuden, Strafsen und grofsem Marktplatz.
einigen
schönen
Den 3. nach Zawarda, 6 Stunden.
Bei Herrn Unterpräfekt von Orschetzky logiert ; gutes Quartier, schöne Mädchen. Den 4. nach Ossa, Rawa passiert. Schlechte Städte , viele Juden, wie überall. Den 5. nach Grofs-Zeucky, 10 Stunden, deutsche Kolonie, rein liches und gutes Quartier bei einem Salzburger ; den 6. nach Dombrowka, 6 Stunden ; den 7. nach Glonzini, 10 Stunden, schlechte Dörfer. Den 8. nach Czonniew bei Gora an der Weichsel , ein schönes romantisches Thal nahe bei der alten Stadt Czeysch, wovon die Polen sagen, dafs sie der Sitz mehrerer
ihrer Könige
gewesen
sei. Noch liegen hier die Ruinen eines Schönheit und Pracht ver ratenden Schlosses . Hier hat der König von Preufsen den Katholiken eine schöne Kirche bauen lassen ; wohlfeiler Ungarwein, guter War schauer Liqueur.
Den 1. und 2. Pfingsttag kein Brod.
Zu Czonnien
logierte ich mit meinem Kapitän bei dem Edelmann Roschinsky, zwar ein
schlechtes
Quartier,
aber durch die
Gegenwart der
Tochter
meines Wirtes äusserst angenehm. Häufige Spazierfahrten auf der Weichsel mit ihr. Vergnügungsreise nach Warschau . Den 27. Mai durch Gora ins Lager an der Weichsel, wo unser Regiment bis zum 4. Juli den dortigen Brückenkopf erbauen musste. Den 5. Juli die Weichsel passiert, ins Lager von Okoniew, 9 Stunden. Vereinigung des 8. Armeekorps und unter dem Befehl des Königs und Vandamme's. Im Lager gestanden bis zum 16. , Revue vor Napoleon ;
durch Sachsen
abgelöst.
Den 17. Lager bei Sirock,
9 Stunden. Den 18. Lager bei Pultusk, den Bug passiert, 7 Stunden. Den 19. Revue, den 20. Lager bei Rohan, 7 Stunden ; den 21. durch
207
Tagebuch des Kgl. Westfälischen Leutnants F. L. Wagner . Ostrolenka
nach Nowogrod ,
Kolnow, 8 Stunden ;
9 Stunden .
Den
23.
nachts
den 24. nach Szuzscizyn, 2 Stunden.
nach
Den 27.
nach Raygrod, 7 Stunden ; den 28. bei Augustowo, 6 Stunden ; den 30. bei Lipsk, 9 Stunden ; den 1. Juli bei Rakowice, 4 Stunden ; den 2. Gefecht von Grodno zwischen unseren Husaren und russischen Kosaken.
Die
Russen gehen über den Niemen
durch
Grodno. Nachdem einige Brücken über diesen Flufs geschlagen waren , marschierte das ganze Korps in Parade durch die Stadt.
5 Stunden
jenseits derselben bezogen wir ein Lager, wo wir bis zum 6. stehen blieben. Den 7. nach Ostrina, eine beständige schwarze Sandwüste ohne Busch und Bäume und ohne Wasser ; kein Dorf in einer Ebene von 7 Stunden zu sehen und schuhtief geschlossen im Sande marschieren bei einer Hitze, die kaum in Spanien so stark sein kann . Dieser Marsch kostete uns 1 Offizier, 5 Unteroffiziere und über 100 Mann, welche teils tot zur Erde stürzten, teils sich selbst aus Mutlosigkeit und Verzweiflung erschossen.
Den
8. nach Wahlisky,
6 Stunden ,
Vereinigung mit den Polen unter Poniatowsky. Gefecht mit den Russen, die Avantgarde wird von den Polen geworfen und der Feind dieselbe Nacht bis Lebiodow, 8 Stunden weit, verfolgt. Bielitza , 8
Stunden ;
Nowogrodeck,
den
10 Stunden ;
10.
bei
den
Nowiny,
den
Den 9. bis
11.
nachts bei
12. nach Korelitschy,
8 Stunden ;
den 13. nach Myr, wohlhabende Stadt, 6 Stunden ; den 14. nach Grodseya und von da nach Neswitsch, 12 Stunden. Hierselbst Un einigkeit zwischen dem König und Vandamme. poleons
gehen beide
zurück.
Hieronymus
Auf Befehl Na
nimmt mit thränenden
Augen Abschied von dem Armeekorps und fordert uns auf, in jedem Kampfe den westfälischen Waffen Ehre und Respekt zu verschaffen. Der General Junot , Duc D'Abrantes erhält das Kommando . Mein treuer Freund Nagel, Adjutant beim 2. Bataillon , stirbt am Nerven fieber.
Er war aus Halberstadt gebürtig, ich weinte an seinem Bette
eine Thräne , Hilfe war unmöglich. Er starb in einer glücklichen Zeit, denn sein schwacher Körperbau hätte alle Gefahren der Retirade nicht überstanden. Den
16. Juli
nach Weleschino ,
7
Stunden ;
den
17.
nach
Peroschewo, 8 Stunden ; den 18. nach Terpiathewitschy, 12 Stunden ; den 19. nach Woromtschy und Turez, 10 Stunden ; den 20. nach Dukora, 7 Stunden ; den 21. nach Tschermore, 12 Stunden ; den 22 . Schmolewitzki, 8 Stunden , kein Brot, kein Fleisch. Den 23. nach Schodyn ; den 24. über die Beresina nach Borisow, 8 Stunden ;
den
25. nach Loschnitza, 9 Stunden und Kranky, 4 Stunden. Den 26. nach Bober, 5 Stunden und Moldarska, 4 Stunden ; den 27. durch
208
Tagebuch des Kgl. Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
Toloschiz nach Kochanow, 10 Stunden ; den 28. nach Alexandria am Dniepr, einem schiffbaren Flufs, 200 Schritte breit, Vorpostengefecht. Die Russen werden aus Alexandria vertrieben und
gehen über
den Fluſs zurück nach dem jenseits gelegenen Städtchen Copis . Es wurde eine Furth entdeckt und zwei Regimenter Kavallerie beordert, durch den Flufs zu gehen und die Kosacken aus Copis zu vertreiben . Die 2. Voltigeurkompagnie des 7. Regiments wird der Kavallerie zur Unterstützung gegeben. Dieser Order gemäfs bestiegen wir sieben kleine Kähne. Ich bin der erste mit einem Unteroffizier und 16 Mann, der vom Lande abstöfst, ohne die Gefahr zu bedenken , mit einem überladenen Kahne sich in einen reifsenden Strom ohne Ruder und Stange zu wagen.
Dennoch treibt uns der Strom glücklich
nach
dem jenseitigen Ufer. Ich glaube das Wasser am Ufer nicht sehr tiet, springe aus dem Kahn und finde keinen Grund. Nur die Geistesgegenwart und mein leichter Anzug retteten mich hier vom augenscheinlichen Tode. Ich suchte durch Schwimmen das Ufer zu erreichen, und es gelang mir, indem ich nicht über fünf Schritt davon entfernt war. In weniger als 5 Minuten kamen auch die übrigen Kähne an. Wir machten, nun 80 Mann, einen Angriff auf die vor der Stadt stehenden Kosaken.
Aber kaum
waren
einige
Schüsse
gefallen, als sie sich in die Stadt zurückzogen. Wir griffen hierauf vereint mit der Kavallerie die Stadt an. Allein die Kosaken, welche ohne Infanterie waren , verteidigten diese nicht , sondern verlielsen sie . Unsere Kavallerie machte im Verfolgen noch 20 Gefangene und wir besetzten das sich in Copis befindliche Magazin, was unserem Armeekorps sehr gut zu statten kam. Bei Alexandria blieben wir bis zum 5. August stehen. Den 6. marschierten wir von da in das Lager bei Orscha. Eine der schönsten Strafsen Europas führt dorthin und von da nach Dombrowna . Sie ist 20 Schritte breit, von Kiessand gebaut und zu beiden Seiten mit einer doppelten Reihe Pappeln besetzt, sehr hoch sind und einen immerwährenden Schatten geben.
welche
Den 10. gingen wir von Orscha nach Dombrowna, einer niedlich gebauten Landstadt mit einem runden,
sehr
schönen und grofsen
Marktplatze, in dessen Mitte eine Dreifaltigkeitssäule steht. Alle Gebäude rings um den Platz sind Kaufmannsbuden . Den 11. verliefsen wir die grofse Strafse von Smolensk und gingen nach Bujanowe, 8 Stunden ; den 13. nach Archangelskoye. Hier wurde die 2. Division von uns nach Sobolotze und die dortige Gegend detachiert, zum Sammelplatz auf den 15. aber Pronina bestimmt .
Wir marschierten
am 14. nach Pronina , 9 Stunden ; und, obgleich der kommandierende General Junot nur 21 , Stunden von Sobotze bis Pronina hatte, so
Tagebuch des Kgl. Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
209
warteten wir doch von 7 Uhr morgens bis 3 Uhr mittags vergebens auf ihn. Endlich gegen 8 Uhr abends kam er an und befahl sogleich, nach Smolensk aufzubrechen , von wo wir noch 18 Stuuden entfernt waren . Doch schien es ihm auch hiermit nicht rechter Ernst zu sein, indem er beinahe bei jedem Busch,
deren wir
sehr viele
antrafen, eine Stunde halten liefs, um denselben gehörig abpatrouillieren zu lassen. So brachten wir bis zum 16. gegen 8 Uhr früh auf einem Marsche von nicht 4 Stunden zu . Wir bezogen endlich in der Gegend von Warschowitzky ein Biwak, in dem die 1. Division Front gegen Smolensk, die 2. aber Front gegen die Strafse nach Julnia machte. So blieben wir bis gegen 9 Uhr morgens des 19. August stehen. Schon in der Nacht hörten wir eine heftige Kanonade von Smolensk her, und man sagte, es seien drei Kouriere an Junot mit der Ordre zum Aufbruch gekommen, was aber nicht eher als gegen 1,10 Uhr geschah.
Wir gingen nun
in 2 Kolonnen, die erste den geraden Weg, die andere über Droschina nach Adamowa. Hier vereinigten wir uns wieder, um das schönste, aber auch schrecklichste Schauspiel der Welt zu sehen . Smolensk, an allen Orten im Feuer stehend, wurde aus mehr als 300 Stück Geschütz beschossen .
Kein Vesuv und kein Aetna gleicht
dem feuerspeienden Berge Napoleon. Hier schienen Bomben und Granaten den Untergang der Welt beschleunigen zu wollen. Hierzu kam das Geschrei der Stürmenden, das Wehklagen der Verwundeten und der unglücklichen Einwohner.
Meine Feder verstummt.
Glücklich
waren wir ; wir kamen nicht zum Sturm, woran das Zögern unseres Generals Schuld war. Den 18. früh in aller Stille passierten wir rechts von Smolensk bei Woronzi den Dniepr, um den Russen den Rückzug abzuschneiden. Aber durch das glückliche Zögern des Herzogs von Abrantes kamen wir auch hier zu spät, und wurde der Plan Napoleons vereitelt. Zwar holten wir noch die feindliche Arriergarde bei Lutschinowa ein, welche sich auch stellte und schlagfertig zeigte.
Allein nach
einem zweistündigen Tirailleurgefecht,
wobei sich besonders unser Jägerkorps , dessen Chef, der Oberstleutnant von Hesberg dort blieb, und die Husarenbrigade unter Hammerstein auszeichnete, zurück.
zog sich der Feind fechtend in Ordnung
Nach beendigtem Gefecht bezogen wir
seitwärts des Schlacht-
feldes ein Lager, in dem wir bis zum 21. August stehen blieben. Während dieser Zeit wurden auf Befehl des Divisionsgenerals von Ochs die beiderseitigen Toten von uns begraben. Am 22. marschierten wir nach Spotawo, 6 Stunden ; den 23. nach Michalewka ; den 24. nach Uswiatge ; den 25. nach Dorogobusch. Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 111. 2
Wir kamen 14
210
Tagebuch des Kgl. Westfälischen Leutnants F. L. Wagner .
abends 10 Uhr bei der Stadt an.
Der ganze untere Teil derselben
längst des Dnieprs stand in Flammen . Das Schreien und Wehklagen der unglücklichen Einwohner und das Fluchen der plündernden Fran zosen hörte man auf eine Stunde Weges. Wir bezogen vor der Stadt ein Biwak. Den 27. nach Rakowo, nach Semlewo, ein kleines Städtchen, welches wie alle Dörfer auf der Strafse von den vor uns hinziehenden Franzosen bis auf den Grund abgebrannt war. Den 30. nach Kneginkino ; den 31. nach Wiatzma eine imposante Po sition, welche die Russen, ohne sie zu verteidigen, verlassen hatten. Die Stadt ist ihrer Gröfse nach mit Halberstadt zu vergleichen. Dies seits des Flusses waren alle Häuser von Holz , jenseits aber die Strafsen nach der Schnur gebaut ; die Häuser von Stein, weils beworfen, die Fenster mit grünen Jalousien versehen. Sie hat mehrere kostbare und reiche Schlösser und Kirchen. Bei unserer Ankunft war sie menschenleer, viele Häuser abgebrannt, Kirchen, Klöster und Häuser von den Franzosen ausgeplündert und die Stadt in Pferdeställe verwandelt.
schönsten Kirchen
Am 1. September nach Federowskoie ; abgebrannt.
der
Den 2. nach
Metina, desgleichen ; den 3. nach Solemischtsche ; den 4. nach Gschat Gschat, etwas kleiner als Triatzma , ebenso gebaut, gleiches Schicksal. Den 5. im Biwak bei Durickin. Schon bei unserem Ausmarsch hörten wir zu unserer Rechten ein heftiges Kanonenfeuer und konnten nach einigen Stunden Marsch deutlich sehen, wie sich die Russen von Grudnera nach Kolotzkoie und Worodina fechtend zurückzogen. Das Gefecht dauerte vor uns rechts und links bis spät in die Nacht und schien stets an Heftigkeit zuzunehmen. Das kleine Ge wehrfeuer dauerte die ganze Nacht fort, den 6. mit Tagesanbruch stieg es von Minute zu Minute und wurde besonders in Koloskoie, welches die Russen besetzt hielten und tapfer verteidigten, sehr stark. Endlich gegen Mittag verliefsen die Russen diese Position, bekamen die Ordre, der Armee zu folgen .
und wir
Wir setzten unseren Marsch über Borodino und Kolotzkoie, welche beide in Brand standen und mit Toten und Blessierten wie besät waren, fort, machten vorwärts von Kolotzkoie einen kurzen Halt, schwenkten dann rechts von der Strafse ab und nahmen eine Stellung rechts von Borodino. tember,
Kurz vor Tagesanbruch, am 7. Sep
hiefs es plötzlich im Biwak :
Auf,
auf,
ans Gewehr !
Die
ganze Arme formierte sich in ordre de bataille, und kaum konnte man sehen, als jeder Kapitän einen Kreis formieren liefs und eine Proklamation , ohngefähr folgenden Inhalts, vorlas : „ Soldaten, hier ist die Schlacht, nach welcher ihr so lange begehrt habt.
Von nun an
hängt der Sieg von euch ab ; er ist nötig, er giebt uns Überfluſs an
211
Tagebuch des Kgl. Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
allem, gute Winterquartiere und eine glückliche Rückkehr ins Vaterland. Führt euch so , wie in den Schlachten von Austerlitz, Friedland , Witepsk und Smolensk ; und die Nachwelt wird von euch sagen, daſs auch ihr in der grofsen Schlacht waret, die unter den Mauern von Moskau geschlagen wurde . " Napoleon. Schlag 7 Uhr fiel ein Signalschufs , und die Schlacht nahm ihren Anfang. Ich war nie in einem schrecklicheren Feuer, als hier. Mehr als 1000 Kanonen donnerten gegeneinander. Batterien von 30 Piècen wurden gestürmt und wieder verloren. Von der Schlacht selbst weifs ich
nichts zu
sagen.
Von
beiden Seiten
geschahen Wunder der
Tapferkeit. Aber endlich wichen die Russen zurück ; nicht fliehend, wie die Franzosen sagen, sondern in einer solchen Ordnung und Ruhe, daſs wir alle darüber erstaunten . Wir biwakierten in der grofsen Redoute, welche wir unter der Anführung des Generals Montbrun erstürmten, und welcher seinen Tod dabei fand. - Mitten unter den Toten und Blessierten, ohne alle Lebensmittel. unsere Soldaten zum
erstenmal Pferdefleisch.
Hier kochten
Der Hunger machte
es schmackhaft . Am 8. morgens waren wir erst imstande , das Schreckliche des Schlachtfeldes zu übersehen. Mehr als 40000 Tote und
schwer Blessierte von beiden Teilen lagen
auf dem Boden
dahingestreckt. In der grofsen Schanze des linken russischen Flügels sah ich mehrere Artilleristen, welche noch im Tode mit der einen Hand ihre Kanone
angefafst hielten.
Unser Verlust war
ebenfalls
schrecklich. Das 7. Regiment ging mit 1600 in die Schlacht, und am 8. morgens zählten wir kaum noch 700 Mann , Am
9. gegen
10 Uhr brach die französische
Armee
gegen
Moskau auf. Das 8. Armeekorps aber erhielt die traurige Bestimmung, noch drei Tage auf dem Schlachtfelde ohne alle Lebensmittel stehen zu bleiben. Endlich am 12. gegen Abend erhielten wir die Ordre, gegen Mosaisk vorzurücken und dort bis auf weiteren Befehl zur Sicherung der Strafse nach Moskau
stehen zu bleiben.
Unser
Regiment traf aber das traurige Los, zurück nach Kolotzkoie
zu
marschieren und das in der dortigen grofsen Abtei etablierte Lazarett zu bewachen. Gott, welcher Anblick stellte sich uns dar, als wir diese Mördergrube betraten. In jedem Hause, in jeder Scheune , in jedem Stalle lagen die blessierten und verstümmelten Russen, Franzosen, Deutsche, Italiener, Spanier und Portugiesen zu Hunderten beisammen. Man zählte in der Abtei und in den Gebäuden des Fleckens über 13000 dieser Unglücklichen, und keine Ärzte, keine Medizin, keine Bandagen und keine Lebensmittel, ihr Bedürfnis zu befriedigen. Daher rifs auch in den ersten Tagen das Sterben so sehr ein, dafs unsere Soldaten bei dem besten Willen nicht imstande 14*
212
Tagebuch des Kgl. Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
waren, soviel Gruben zu machen, begraben.
als nötig waren, die Toten
zu
Brunnen, Keller und alles, was sich dazu eignete, wurde
mit Toten angefüllt . Unser Regiment selbst litt die schrecklichste Not, und Pferdefleisch war die tägliche Kost. Alle nur möglichen Versuche, Lebensmittel herbeizuschaffen, wurden gewagt ; einige glückten, und des Angeschaffte Hunger von 10000 Blessierten und Kosacken allarmierten uns
reichte
aber nur
nicht hin , um
unseres Regiments
zu
beinahe täglich und hoben
den
stillen.
alle
aus-
gesandten Fourageurs, einige ausgenommen, auf. Hunger, Seuchen und der Feind wüteten so sehr im Regiment, daſs dasselbe in wenigen Tagen auf 500 Mann zusammengeschmolzen war. Schrecklich war es, zu sehen, wie jeden Morgen 2 auch 300 Tote aus der Abtei herausgeschleppt wurden, um sie in den Brunnen und in den dazu dazu angefertigten Gruben zu beerdigen. Am 26. September starb der General Tharau an seinen Wunden und wurde hinter der Abtei
an
einem
Fichtenbaume
beerdigt.
Überall
nichts
als
Leichen.
Täglich arbeiteten 200 Mann vom Regiment an Gruben, um die Gestorbenen unter die Erde zu bringen. Aber die Mattigkeit derselben erlaubte ihnen nicht, den Toten die letzte Wohlthat zu erzeigen. Dies schreckliche Bild des Elends und des Todes übersteigt die Ich aber fühle mich zu Kraft und den menschlichen Glauben. schwach, um es zu malen. weit
Alles dieses Vorhergesagte war aber nur das Vorspiel von einer schrecklicheren Zukunft, Mit Anfang Oktober wurde die
nächtliche Kälte so stark, dafs ohne Feuer in den Baracken nicht mehr zu bleiben war. Vieh und Pferde wurden am Morgen tot auf der vor der Abtei liegenden grofsen Wiese gefunden. Brot und Branntwein war nicht mehr zu haben. Und, wenn ja ein polnischer Marketender etwas anschaffte, so war der grofse Haufe nicht stande, es zu bezahlen .
Ich selbst habe ein halbes Brot,
im-
ungefähr
3 Pfund, mit einem Napoleond'or bezahlt. Nachrichten von der Armee erhielten wir gar nicht, und unsere Lage war so verzweifelt, dafs mehrere Seldaten sich selbst das Leben nahmen. Am 16. Oktober brachten die von Moskau nach Polen zurückgeschickten Kranken und unberittenen Kavalleristen und Artilleristen aller Truppengattungen die Nachricht eines Waffenstillstandes und baldigen Friedens mit, berichteten aber auch zugleich den erbärmlichen Zustand der Armee. Gerne wären wir mit diesem 15000 Mann starken Schwarm der Heimat zugezogen,
aber noch war
es der Wille
des grofsen
Tyrannen nicht. Täglich bis zum 22. gingen Detachements von 500 bis 1000 Mann ohne alle Ordnung den Weg nach Polen. Jedem dieser Menschen konnte man Not und Elend auf der Stirn lesen und ihr
Tagebuch des Kgl. Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
213
erbärmlicher Zustand bewies das Gegenteil von Napoleons prahlenden Tagesbefehlen. Am 20. erfuhren wir, dafs Napoleon am 19. Moskau verlassen habe und mit der Armee gegen Kaluga marschiere . Am 25. erhielten wir die Nachricht von einer vorgefallenen Schlacht, aber nicht, zu wessen Vorteil dieselbe ausgefallen sei. Endlich am 28. Oktober gegen 5 Uhr abends kam unser würdiger General Ochs mit dem Freudengeschrei zu uns ins Lager gesprengt : Auf Kinder, es geht zurück, macht euch fertig, morgen früh kommen unsere Kameraden. O, wie schnell waren wir fertig, jeder Soldat hatte rasch sein bischen Habe auf dem Rücken, als ginge es schon heute vorwärts. Endlich am 29. gegen 10 Uhr trafen alle unsere noch übrigen Kameraden in einem zwar traurigen, aber doch noch besserem Zustande wie die Franzosen bei uns ein.
Alle
waren
wir
beinahe jeder Soldat hatte zwei Mäntel.
noch gut montiert, und
Gegen 4 Uhr abends, nach
dem wir noch einen Reservepark von 500 Munitionswagen in die Luft gesprengt hatten, traten wir mit Gott unseren Weg nach der Heimat an. Das Hospital, worin ungefähr noch 2000 Blessierte sein mochten, wurde der Grofsmut des Siegers ohne alle Unterstützung überlassen .
noch
Die Nacht vom 29. auf den 30. lagerten wir, das ganze Korps 8000 Mann stark, in einem Walde zwischen Durickin und
Grudnewa ; den 30. Gschat; den 31. bei dem abgebrannten Dorfe Mitina. Hier hörten wir eine heftige Kanonade aus der Gegend von Kolotzkie und erfuhren durch einzelne Flüchtlinge, dafs der Prinz v. Eckmühl und der Prinz Eugen von dem russischen General Miloradowitsch angegriffen und geschlagen seien. Am 1. No vember lagerten wir bei Sluckino , den 2. gingen wir durch Wiazma in die Gegend von Kaluga. Hier blieben wir bis gegen Abend stehen und verzehrten das Fleisch von dem in Wiazma vorgefundenen Vieh und erfuhren zugleich, dafs unser Korps die Avantgarde der reti rierenden Armee mache. Gegen 4 Uhr abends brachen wir, von beständigem Kanonendonner aus der Ferne begleitet, auf und gingen bis Knezinkino . Den 3. lagerten wir bei dem abgebrannten Städtchen Semlewo. Den 4. bei Slawkowo ; den 5. bei Dorogobusch. Hier fanden wir einen Vorrat an Lebensmitteln , welchen der General von Ochs sogleich in Beschlag nehmen und an das Korps regel mäfsig verteilen liefs, sodafs jeder Soldat auf 2 Tage volle Portion erhielt. Auch verkauften die Juden Brot, Branntwein und Fleisch, wovon viele von uns etwas unter Lebensgefahr erhielten. Den 6. frühmorgens verliefsen wir Dorogobusch und lagerten bei Milhabroka. Hier fiel der erste Schnee in so grofsen Flocken,
214
Tagebuch des Kgl . Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
wie ich sie nie gesehen habe, und in wenigen Stunden waren Erde und Bäume wie mit einem weifsen Tuche überzogen. Hier verlor ich meine Freunde
und Verwandten,
die
Doktores Meilhaus
Gundermann aus Heiligenstadt, wie und auf was für Art,
und
kann ich
nicht sagen. Auch starb dieselbe Nacht mein Bursche, der Voltigeur Bérok und mehrere Soldaten . Den 7. November machten wir in einer furchtbaren Kälte, 18 Stunden bis Smolensk, durften aber nicht in die Stadt, sondern mufsten in der Vorstadt diesseits des Dnieprs uns lagern. Den 8. marschierten wir über den Dnieper, um die Stadt nach Adamowa und von da nach Droschina, um die Strafse von Julnia zu beobachten.
Hier blieben wir stehen bis zum 10., gingen dann
wieder zurück nach Smolensk und lagerten uns zum zweitenmal zwischen Adamowo und der Stadt. Hier liefs der General alles Geld, was noch in den Kassen war, an Offiziere und Soldaten verteilen und gab den Befehl, sowohl die Kassen als die Bagagewagen zu verbrennen. Den 12. marschierten wir nach Kovitzia, den 13. nach Krasnoie . Hier wurden wir zweimal von Kosaken angefallen.
Da wir in ge
schlossenen Kolonnen marschierten und sie einige mal von unserer Artillerie mit Kartätschen begrüfst wurden, so liefsen sie uns ruhig unseren Weg fortsetzen . Den 14. gegen 9 Uhr verliefsen wir Krasnoie und gingen bis Lyady, wo vor unserer Ankunft schon Kosaken gewesen waren
und ein
sich
dort befindendes Magazin
verheert hatten, wovon aber doch ein grofser Teil Mehl und Zwie back geniefsbar war. Auch verkauften uns die Juden für bares Geld etwas Branntwein.
Von hier
aus ging ich
am 15. mit dem
Leutnant Spiegel von Desemberg und dem Sergeant - Major Wille nebst 38 Mann in die Gegend von Rasasna, um Lebensmittel zu holen.
Das Korps aber,
welches
ungefähr
noch 3000 Mann war,
hielt in Lyady den 18. Ruhe. Wir trafen richtig ein Dorf, wo wir Lebensmittel in Überfluſs fanden, requirierten 2 Wagen und 4 Pferde , beluden selbige mit
Brot ,
Mehl ,
2
kleinen Tonnen Branntwein ,
2 Schweinen, welche erschossen, abgebrannt und ausgeweidet wurden , und 4 Stück Vieh . Mit diesem Proviant machten wir uns am 16 . in die Gegend von Dombrowna auf, hatten uns aber so sehr von der grofsen Strafse entfernt, daſs wir genötigt waren, in einem Walde zuzubringen und erst am 17. in dem Augenblick Dombrowna er reichten, als der geschlagene Napoleon von Krasnoie geflohen kam. Allein unser Korps trafen wir nicht mehr. Dieses war am Mittag aufgebrochen und nach Orscha marschiert.
Den 18. nachts langten auch wir daselbst an und wurden am 19. gegen Mittag erst dann über die Brücke gelassen, als wir den Garde
Tagebuch des Kgl. Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
215
Gendarmen Napoleons, welche an der Brücke die Aufrechterhaltung der Ordnung handhabten, einen Wagen mit Lebensmitteln abgaben. Den 20. mussten wir in Orscha verweilen, denn Napoleon hatte den Befehl gegeben,
dafs
werden sollten,
um die
alle
Offizier- und Wagenpferde
genommen
noch übrigen Kanonen und Pulverwagen
weiter zu bringen. Warum die Russen die furchtbare Position bei Dombrowna und Krasnoie nicht benutzt haben, ist ein Rätsel. Denn unmöglich wäre
es den Franzosen gewesen, weder die Höhen bei
Dombrowna zu ersteigen, noch den Dniepr bei Orscha zu passieren, und sicher hätte Napoleon am Dniepr die Waffen strecken müssen. Am 21. November verliefsen wir Orscha und gingen bis Kochanow , den 22. nach Tolotschin, den 23. nach Rabhoncka und endlich am 24. erreichten wir in Bober unser Regiment, welches noch in allem aus 30 Offizieren und ungefähr aus 120 Unteroffizieren und Soldaten bestand. Allgemeine Freude erregte unsere Ankunft, noch mehr aber die mitgebrachten Lebensmittel.
zu
Denselben Tag wurde aus dem ganzen Armeekorps /, Bataillon 3 Kompagnien à 30 Rotten formiert, welche alle Fahnen
des Korps, aufser der des 1. Bataillons 6. Regiments, welche bei Werega verloren gegangen war, an der Spitze führten. Denselben Tag marschierten wir noch bis Natscha, wo wir gegen Mitternacht ankamen. Den 26. des Morgens um 7 Uhr brachen wir von da auf, gingen nach Barisow, schwenkten dann rechts, und gingen über Wiselewo, bei welchem Dorfe wir die Nacht über in einem Walde biwakierten und dann am 27. morgens ging ein jeder, wohin er wollte. Früher schon bei Natscha hatten sich die aus dem Korps formierten 3 Kompagnien wieder aufgelöst. Die Fahnen waren von den Stielen abgeschnitten und von jedem Bataillon der Chef oder ein Offizier trug dieselbe bei sich. Ich war mit 10 Voltigeurs, dem Rest der Kompagnie, bis an die Brücke der Beresina gekommen. Da ich aber einzeln den Übergang zu schwer fand, schlofs ich mich an das 4. Bergische Infanterie- Regiment an, teilte meine Voltigeurs mit der Erlaubnis eines Kapitäns bei den Sektionen ein, stellte mich mit gezogenem Säbel an die Spitze einer
derselben,
und so kamen wir glücklich
über den Flufs . Das traurige Gemälde der allgemeinen Niederlage der französischen Armee bin ich nicht im Stande darzustellen ! Auch wir verloren hier mehrere
sehr brave Offiziere, welche teils
erschossen, teils auf der Brücke gerädert oder in den Flufs hineingestofsen wurden. Das schrecklichste Schauspiel stellte sich unseren Augen aber am 28. November dar. Die den Russen entgegengeworfenen Truppen waren von
denselben geschlagen und zerstreut,
216
Tagebuch des Kgl . Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
und nun drangen dieselben in Massen gegen die Beresina vor. An der Brücke aber stand Murat , der König von Neapel , gleich dem Cerberus mit gezogenem Schwert, und schlug die Unglücklichen , welche die Brücke passieren wollten, zurück, um den noch wenigen armierten Truppen, vorzüglich aber seinen, mit dem Raube Moskaus beladenen Wagen Platz zu machen. Da aber das Feuer immer heftiger wurde, so floh auch er endlich, und die Brücken wurden in Brand gesteckt. Mehr als 25000 Mann, beinah alle Bagage , Artillerie und Munitionswagen waren noch jenseits des Flusses und fielen den Russen in die Hände . Den 28. ging ich mit meinen 8 Voltigeurs über Zembien nach einem im Walde gelegenen Dorfe, wo wir das erste Mal wieder in einem Hause zubrachten und ordentliche Nahrungsmittel zu uns nehmen konnten. viantiert
hatten,
Nachdem
wir uns hier auf einige Tage verpro
setzten wir am 29. unseren Marsch über Camen
nach Petschewitzi fort ; am 30. gingen wir nach Jlia und von da nach Wileika an der Wilia, wo wir am 1. Dezember zu unserem 4. Linien Regiment kamen, welches vereint mit dem 4. Schweizer- Regiment und den Bayern unter Kommando des Generals Wrede die feste Position daselbst halten sollten . Ohne uns aufzuhalten, setzten wir am 2.
unsern Marsch über Woistom fort,
nach Danuschew, wo
gingen über die Wilia
wir die Nacht bei einem Edelmann sehr gut
aufgenommen und verpflegt wurden.
Von ihm erfuhren wir, daſs
wir am sichersten über Orschiniana gingen, wohin wir auch am 3. aufbrachen, in Narbontowschina aut der grofsen Strafse aber über Nacht bleiben mufsten. Hier trafen wir wieder einzelne Franzosen, welche uns sagten, dafs Napoleon die Armee verlassen habe. In Smorgony, sehr früh, brachen wir in der gröfsten Kälte , denn sie war 22 Grad unter dem Gefrierpunkt, auf und gingen nach Osch niyana am 5. Dezember. Hier trafen wir die unglücklichen Garden Murats, 2 Kavallerie Regimenter und
ein Infanterie-Regiment zu 4 Bataillonen, welche
von Wilna gekommen waren, um Napoleon in Empfang zu nehmen und dorthin zu begleiten. Aber schon unterwegs war die Hälfte dieser unglücklichen Südländer erfroren. In der Nacht vom 5. auf den 6. erschienen Kosaken vor Oschniana und allarmierten die unglücklichen Reste dieser Truppen, doch ohne einen weiteren An griff zu machen, zogen sie sich wieder zurück. Den 6. Dezember um 8 Uhr traten wir unseren Weg nach Wilna an, mufsten aber der schrecklichen Kälte wegen in einem Dorfe neben der grofsen Strafse liegen bleiben. Das Elend und Grausen
Tagebuch des Kgl. Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
217
erregende Leiden, welches sich auf unserem Wege vor Augen stellte , übersteigt alle menschlichen Kräfte.
Nach dem Abgang Napoleons
löste sich die ganze Armee auf. Nur Trupps von 20-100 Mann sah man gemischt von allen Regimentern auf der Strafse einher ziehen. Wo wir auf eine Hütte, ein Haus, oder ein schon nieder gebranntes stiefsen, da sah man auf erfrorene und halb verbrannte Kadaver,
andere
wahnsinnig
sitzen
und
das Fleisch ihrer toten
Kameraden geniefsen, oder sich selbst, Hände und Füfse, welche schon erfroren waren . Sterbend rechts und links neben der Strafse lagen die Eroberer des halben Europas erstarrt, abgemattet und er froren an Händen und Füſsen, und schrieen zu den Vorübergehenden : „ Oh, je vous en conjure, par tout ce que vous avez de plus cher, ne m'abandonnez point à l'ennemi au nom de l'humanité, accordez moi le faible secours, que je vous demande, aidez-moi, à me relever." Jedes Biwak stellte ein schreckliches Schlachtfeld dar. Endlich am 8. Dezember erreichten wir Ronkoni, von welchem Dorfe nichts als einige elende Scheunen noch standen, die aber so mit Kadavern angefüllt waren, dafs kein Lebendiger sich drin aufhalten konnte. Wir waren dennoch gezwungen, die 3 Stunden bis Wilna znrückzu legen, wo wir glücklich um 7 Uhr abends ankamen und vor Wilna noch
einige
100
Napoleonsdor aus
dem Tresor
erbeuteten.
Bis
hierher hatte ich von meinen 10 Voltigeurs 4, nämlich Schultz , Bereck, Reufsner und Winkler verloren. In Wilna verliefen sich noch 2 Mann, so dafs ich nur noch 4 behielt. Am 9. früh wollten wir Wilna verlassen , wurden
aber vor den Thoren in die Stadt
zurückgewiesen. Endlich gegen 2 Uhr nachmittags gelang es uns, aus der Stadt zu kommen ; und kaum hatten wir das Feld erreicht, als die Russen in die Stadt eindrangen. reichten wir einen kleinen Berg,
wo
Gegen 5 Uhr abends er
der ganze Rest der Equipage
Napoleons , des Schatzes und des Raubes aus Moskau stehen blieb, da die entkräfteten Pferde nicht imstande waren, die Wagen den Berg hinanzuziehen. Alles, was an Artillerie, Bagage und Train die Beresina glück lich passiert war, blieb hier stehen und fiel den Russen in die
Wir setzten ohne Aufenthalt unseren Weg nach Neu-Trocky die ganze Nacht hindurch fort, nahmen unterwegs dem Bedienten eines Generals, welcher 9 Pferde führte, 3 davon ab, und kamen Hände .
am 10. früh nach einem kurzen Aufenthalte in Trocky an, während dessen wir etwas Zwieback und Mehlsuppe mit einem kleinen Glase Branntwein genossen, welchen wir noch in Wilna, die Flasche mit 1 Napoleond'or bezahlt und aufbewahrt hatten. Darauf setzten wir Bewegung nach Zismorie fort, hielten uns einige Stunden
unsere
218
Tagebuch des Kgl . Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
dort auf und setzten dann unseren Weg nach Kowno fort, wo wir am 11. um 8 Uhr morgens ankamen . Hier versahen wir uns mit Lebensmitteln, 12. mittags,
als
gingen sodann,
den
schon die Russen anfingen, Kowno zu beschiefsen ,
über den Niemen, brachten die Nacht in einem Dorfe zu, dessen Name mir unbekannt blieb, gingen sodann am 13. früh über den Niemen zurück auf die Strafse nach Georgenburg. Hier mietete ich einen Juden mit einem Schlitten, welcher mich und den Voltigeur Friedrich, der mir allein von Kowno aus hierher gefolgt war, wohl behalten am 14. abends nach Ragnit brachte. Hier bezahlte ich dem Juden die letzte Hälfte der akkordierten 20 Th., und für 3 Th. brachte er uns noch am nämlichen Abend nach Tilsit. Die Freude , endlich wieder nach tausend überstandenen Gefahren auf deutschem Boden gesund und wohlbehalten angekommen zu sein, bin ich nicht imstande zu beschreiben. Nachdem ich mich gereinigt, reine Wäsche und Civilkleider für
mich und meinen Voltigeur Friedrich
besorgt hatte, nahm ich am 16. früh morgens Extrapost nach Labiau. Hier musste ich meinen Friedrich, der häufig von einer heftigen Diarrhoe befallen wurde , zurücklassen. schied von diesem
Ich nahm mit Thränen Ab
Leidensgefährten und setzte meinen Weg
mit
Extrapost nach Königsberg fort, wo ich am 17. gegen 11 Uhr morgens ankam . Hier wartete ich vergebens bis zum 19. auf Pferde, und sah mich endlich genötigt, meinen Weg zu Fufs nach Branden burg fortzusetzen. von Brandenburg, Hier blieb ich den mich wohlbefinde
Den 20. mietete ich in Happenbrück, 1 Stunde einen Bauernwagen für 15 Th. bis Braunsberg. 21., schrieb an meinen Vater, daſs ich noch lebe, und am 13. Februar zu Hause zu sein gedenke.
Am 22. Dezember nahm ich Post nach Elbing und von da nach Marienburg ; den 23. über Stum nach Marienwerder.
Hier musste ich
wieder wegen Mangels an Pferden am 24. liegen bleiben. Den 25 . mit der Post nach Graudenz, den 26. mit der Post nach Culmsee, den 27. nach Thorn.
Diese Stadt und Festung war dem 8. Korps
als Sammelplatz angewiesen . Allein von dem ganzen Armeekorps sammelten sich kaum 80 Offiziere und nicht voll 60 Unteroffiziere und Soldaten. Dies war der Rest von 25000 Mann auserlesener Truppen, der Blüte des Königreiches Westfalen. Den 28. kamen ungefähr 200 Ersatzmannschaften aus Westfalen nach Thorn, um die Armee zu komplettieren. Da aber keine Armee mehr existierte, so kam endlich am 2. Januar 1813 der Befehl, Thorn zu verlassen, und uns nach Posen zu begeben.
Tagebuch des Kgl . Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
219
1813. Wir gingen demnach am 3. nach Gzickowo , den 4. nach Inowrazlaw, den 5. nach Stoerselsio , den 6. nach Gnesen unà den 7. nach Posen. Nachdem hier am 8. und 9. aus dem noch gefundenen Teil des Armeekorps und der Ersatzmannschaften das 4. und 5. Regiment neu formiert war, so trat der Rest den Weg nach Westfalen an. Ich bat mir von dem General Bernard die Erlaubnis aus, mit Extrapost nach Magdeburg fahren zu dürfen, was mir auch bewilligt wurde. Am 10. fuhr ich nach Pinne, den 11. nach Meseritz , den 12. nach Landsberg an der Warthe ; den 13. blieb ich in Landsberg und ging am 14. an Küstrin vorbei nach Berlin. Hier blieb ich bis zum 22., teils um mich zu erholen , teils um die schöne Stadt zu besehen.
Am
23. fuhr ich mit Extrapost nach Brandenburg, den
24. über Ziesar nach Magdeburg. Hier blieb ich bis zum 29. , be suchte mehrere Unbekannte, Herrn B. und G., sowie die Schwestern meines Freundes R., ging dann am 30. mit der ordinären Post über Wanzleben und Hadmerleben nach Halberstadt, wo ich am 1. Februar ankam und mich den 2. daselbst aufhielt. Den 3. fuhr ich mit einem Schlitten nach Elbingerode, den 4. über Ellrich und Stöckey nach Duderstadt, wo ich abends um 1,9 Uhr mich in die Arme meines Vaters und meiner Schwester warf. Bis zum 16. Februar hielt ich mich bei meinem Vater auf. Am 17. ging ich mit Post über Göttingen nach Münden zum Depot des Regiments , von wo wir am 26. d. M. über Kassel nach Homburg marschierten. Dann am 22. März wurde ich nach Kassel beordert und bei dem dort neuorganisierten 2. Leib-Garderegiment als Premier-Leutnant angestellt. Am 5. April bezogen wir das Lager vor dem Kölnischen Thore zwischen Kassel und Wilhelmshöhe. Hier fingen unsere Wesfalen zuerst an, zu den stolz uns nahen den Preussischen Freiwilligen , die sich in der Gegend um Nordhausen und Heiligenstadt aufhielten, Truppen abzugeben. Am 8. Juni marschierten wir nebst dem 1. leichten Bataillon, 2. Eskadrons Chevaulegers und 2 Fufsbatterien nach Göttingen , Northeim, Seesen , Salzgitter, Braunschweig, biwakierten die Nacht vom 12. auf den 13. Juni auf dem dortigen Exerzierplatz. Am 13. aber erbauten wir auf der Bilterheide, /, Stunde von Braunschweig entfernt, ein Lager, worin wir bis zum 17. recht frohe und angenehme Tage unter den bicderen Braunschweigern verlebten. Dieses Lager glich mehr einem grofsen Markte, als einem Aufenthalt von Kriegern. Am 17. früh verliefsen wir das Lager und die Braunschweiger, und marschierten über Hassen nach Halberstadt, wo wir am 18. mit dem 1. und 3. leichten Bataillon und dem 1. und 2. Hularen- Regi
1
220
Tagebuch des Kgl. Westfälischen Leutnants F. L. Wagner.
ment zusammentrafen, um den Einzug des Königs Hieronymus zu verherrlichen, welcher abends um 5 Uhr unter dem erkauften Jubel des Pöbels seinen Einzug hielt. Am 19. marschierten wir weiter nach Quedlinburg, und von da nach einigen Stunden Ruhe nach Aschersleben, um , wie es hiefs, die dort herumstreifenden Kosaken und Freiwilligen über die Elbe Den 20. Juni Vereinigung der Division bei zurückzutreiben. Aschersleben, Marsch nach Bernburg, Standquartier daselbst bis zum 27.; Marsch nach Könnern. Am 28. 1. Bataillon in Halle , 2. in Brackstaedt, den 30. zurück nach Könnern, den 1. Juli nach Halle, Kantonierungsquartiere daselbst bis zum 21. Juli. Am 16. Juli passierte Napoleon Halle, um von Magdeburg nach Dresden zurückzukehren. Er war über das Betragen der Einwohner beim Passieren der Russen und Preufsen sehr unzufrieden und soll gesagt haben: ,,Je ne passerai le Rhin, sans avoir brûlé la ville de Halle." Besonders aufgebracht war er auf den berühmten deutschen Mann, den Kanzler Niemeyer, weil dessen Sohn und mehrere Studenten preufsische Dienste genommen hatten. Den 22. Juli Marsch von Halle nach Leipzig. Arzighi.
Den 23. Revue daselbst vor dem Herzog von Padua
Am
24. Marsch nach Eulenburg, am 25. nach Festung
Torgau, den 26. nach Strehlen, den 27. nach Meiſsen, den 28. Dresden ; Kantonierungsquartier in der Neustadt. Viel Dienst, häufige Desertion. Bis zum 20. August war das Regiment von 2000 bis auf 1400 Mann geschmolzen.
Schlacht von Dresden ,
Napoleon kam in der Nacht vom drängten Dresden zur Hilfe.
den 25. und 26. August.
2. mit allen Garden dem be
Die grofse Österreichisch-Russisch- Preussische Armee gab die teuer erkauften Vorteile wieder auf und zog sich nach Böhmen zurück . Drei Bataillone Österreicher streckten auf der Strafse von Meifsen in der Entfernung einer Stunde von Dresden gegen sämtliche Kavallerie unter Murat das Gewehr. Sie waren nicht imstande einen Schufs
zu thun, sie hatten keine Kavallerie und waren von
der Armee abgeschnitten. Dienste nahmen.
Es waren meistens Polen, die französische
Wenige Tage nach der Schlacht bei Dresden erhielten wir durch unsere Fouragiere die Nachrichten von der Schlacht an der Katzbach und bei Grofsbeeren. Schon am 8. September hatten wir Deutschen bestimmte Nachrichten von der Schlacht bei Kulm. In
Dresden
war
jetzt Mangel
an
allen
Lebensmitteln.
Die
Offiziere und Soldaten wurden mit 1. Portion verpflegt, welches die Desertion noch vermehrte. Im
Monat September machte Napoleon viele,
aber,
wie
es
Einiges über Büchsenmeisterei zu Ende des XVI. Jahrhunderts.
221
schien, sehr unsichere und ungewisse Bewegungen gegen Böhmen und Schlesien. In der Nacht vom 6. bis auf den 7. Oktober • verliefs Napoleon Dresden, um nach Leipzig zu gehen. Ihm folgten am 7. früh aber seine Garden und der König von Sachsen. Am 8. , 9. und 10. nahmen mehrere Korps dieselbe Direktion . In Dresden verblieben 25000 Mann unter dem Feldmarschall St. Cyr. Den 11. aber griffen die Russen und Preufsen die Redouten auf der Strafse bei An eben Bautzen an, zogen sich aber gegen Abend zurück. diesem Tage griffen die Österreicher bei Pirna an, und schlugen die Franzosen bis unter die Mauern von Dresden zurück. Alles dieses waren nur Scheinangriffe , um den Marsch der Alliierten zu maskieren. Am 14. Oktober nahmen Österreicher und Russen das Am 15. morgens machten 8000 Mann einen Ausfall, um Lebensmittel aus der Gegend von Meifsen aufzutreiben. Auch ich nebst den Leutnants Bott, von Stier und Schaumburg wurden Dorf Plauen.
diesem Detachement mit 170 Mann beigegeben, um Lebensmittel für unser Regiment anzuschaffen. Wir schlugen den Weg nach Moritz burg und Grofsenhain ein , um, wie wir uns unterwegs vereinigt hatten, nach Berlin zu gehen. Nachdem wir durch das Gebirge von den Franzosen getrennt waren, machte ich den Soldaten unseren Entschlufs bekannt, worin alle mit Freuden einwilligten. Ich schickte sogleich den Leutnant Schaumburg vorauf nach Moritzburg, um dem Österreichischen General unsere Ankunft zu melden und um die Er laubnis, frei durchzumarschieren , nachzusuchen, was uns sofort be willigt wurde . In Moritzburg nahmen 100 Mann mit Gewehr und Waffen österreichische Dienste. Gegen Abend kamen wir mit dem Reste unserer Leute in Grofsenhain an, gingen den 6. nach Dobrilugk, am 18. nach Jüterbogk, am 19. nach Luckenwalde, am 20. nach Trebbin, am 21. nach Teltow und den 22. 10 Uhr morgens kamen wir endlich in Berlin an .
(Hier bricht das Tagebuch ab .)
XVII. Einiges über Büchsenmeisterei zu Ende
des
XVI. Jahrhunderts.
Bekanntermalsen lag im Mittelalter, sowie zu Anfang der Neu zeit, die Erzeugung der Geschütze und Handfeuerwaffen
zumeist in
222
Einiges über Büchsenmeisterei zu Ende des XVI. Jahrhunderts.
den Händen bürgerlicher, zünftiger Meister. Diese, die Stückgieſser (in einzelnen Fällen zugleich Büchsenmeister) , oft sehr tüchtige Leute, leisteten nicht nur in technischer Beziehung, wie im Gielsen, Schmieden, Ausschmücken und Gravieren des Geschützrohres, im Ornamentieren desselben, sowie der Henkel, Traube und dgl., für die damalige Zeit geradezu Erstaunliches, sondern stellten zumeist auch in wissenschaftlicher Beziehung ihren Mann. Diesfalls ragen besonders die „ Büchsenmeister" hervor, die sich lediglich mit der Geschützbedienung befafsten . Einer der interessantesten Büchsen meister am Ausgange des
XVI. Jahrhunderts war Franz Joachim
Brechtel in Nürnberg, das nebst Augsburg sich rühmen durfte, schon damals eine der ältesten und bedeutendsten Stückgiefsereien zu be sitzen. Die Nürnberger Giefserei mufs schon im XIV. Jahrhundert bestanden haben, da sich die von Konrad von Jungingen, Hoch meister des deutschen Ordens, im Jahre 1401 zu Marienburg in Westpreufsen angelegte Stückgiefserei , jene zum Vorbilde nahm. Franz Joachim Brechtel legte sein artilleristisches Wissen in einem, aus zwei Teilen bestehenden Buche nieder, das er, als Württemberger Unterthan, im Jahre 1591 seinem Landesherrn, dem „Herrn Herrn Ludwigen Hertzog zu Würtenberg und Teck, Graven zu Mümppelgart etc. etc." in einer eilf Seiten langen Vorrede dedi zierte. Eigentümlich erscheint dabei, dafs das Buch erst im Jahre 1599 beim Paul Kauffmann in Nürnberg im Druck erschien, während Herzog Ludwig von Württemberg ( 1568 - 1593 ) bereits am 8. August 1593 verstorben war. Ein gedrucktes Exemplar dieses Dedikationswerkes dürfte daher nie in die Hände des Herzogs ge langt sein. Der volle
Titel
Franz
Joachim
Brechtels
Buch
lautet :
Buechsenmeisterey ! Das ist Kurtze , doch eigentliche Er klerung deren Ding , so einem Buechs'enmeister fuernemlich zu wissen von noeten. Als : der rechte Gebrauch des grossen Geschuetzes ,
was damit auszurichten moeglich . Welchergestalt mit demselbigen dem Feind jederzeit ein abbruch gethan und einer belaegerten Vestung die wehren genommen , und das Gemeuer zum sturmm beschossen
werden moege. Item hergegen , mit was vortheil man ein solch benoetiget ort , vor allem anlauff beschuetzen und auffenthalten koenne . Sampt getreulicher Unter weisung mancherley Feuerwerck , wie derselben eines theils zum ernst , anders theils aber zum schimpff und lust bereittet , zugericht und gebraucht werden solle. Mit sonderm Fleifs erkundiget, colligirt und
allen denen ,
so
Einiges über Büchsenmeisterei zu Ende des XVI. Jahrhunderts .
223
zu dergleichen sachen lust haben , zu gutem in truck ver fertiget, Durch Frantz Joachim Brechtel. 1599. " Der langatmig- schwulstige Titel entspricht den Anforderungen des damaligen Zeitgeistes, der in bombastischer Anführung der Vor züge des betreffenden Druckwerkes nie genug thun zu können glaubte. Trotz alledem ist die Schreibweise Brechtels verständlich, ja präg nant,
und man zollt beim Lesen des Buches dem alten Büchsen
meister ob seinem damaligen Wissen alle Anerkennung. Zweifellos war sich Brechtel seines besonderen Wissens wohl bewulst, denn in der Vorrede bemerkt er, wenn auch recht bescheiden, dafs
er sich
seine Kenntnisse nicht nur daheim , sondern auch in Leipzig und den Niederlanden , sowie auch „,Anno 1583, als er die fuernemsten Vngerischen Graentzheuser und Vestungen nacheinander besichtiget, so viel die Buechsenmeisterey anlanget" erworben, da er hierbei ,,vilerley sachen erfaren und adnotirt" habe. Wie es in der Natur der Sache liegt, war unser alter Büchsen meister nicht allein im Geschützwesen, sondern in allen, mit der Verteidigung eines festen Platzes und dem Angriffe auf denselben verbundenen Agenden, vertraut und verabsäumte nicht, auch diesfalls seine Erfahrungen schriftlich niederzulegen. Es würde jedoch zu weit führen, hiervon mehreres anzuführen. Vielmehr soll lediglich im Nachfolgenden ,,Das fünffte Capitel", welches von der „ Benen nung alles grossen Geschuetzes, auch wie schwer jedes eine Kugel fuere", des, ihm innewohnenden, besonderen Interesses wegen, hier angeführt werden: „Aller geschlecht grosser Büchsen
oder Geschofs, sie
werden
genennent wie sie woellen, so ungefehrlich in und vor den be satzungen, zu faellung der gemaeuer und anderen gebraucht, und auff den aexten¹ ) abgeschossen werden, sein fuernemlich achte, unter welchen die vier ersten, über jre sonderbare und hernach vermeldte namen, von defs gebrauchs wegen, samptlich in gemein Maurbrecher, die andern vier aber feldgeschuetz heissen. Maurbrecher.
I.
Und ist dafs
erste
unter obbemelten ge
schlechten, die „ Scharpffe metz ", schiesset gewölich 100. auch et wan mehr oder minder pfund eisen. II. „ Canon“, das ander geschlecht welches man auch „ Basilisc“ und ,,Notbuechs" nennent, schiesset ungefehrlich 75 pfund eisen. III. Die „ Singerin" ,
defsgleichen
die
,,Nachtigal" welche
am
Ror zwen schuch lenger, schiessen zugleich bei 50 pfund eisen . IV. Die ,,Quartana", ,,Carthauna" oder „,Viertlbuechsen", fueret 25 auch etwan merer pfund eisen. 1) Achsen - Lafetten.
224
Einiges über Büchsenmeisterei zu Ende des XVI. Jahrhunderts. Und obwol etliche Buechsenmeister, der ,, Singerin", den namen
Viertlbuechs geben, so ist doch unzweiffenlich, das die ,, Quartana” defs wegen disen namen hat, dieweil sie eine kugel eines viertl Centners schwer schiesset. Feldgeschuetz. V. Das fuenffte unter allen, das erste aber unter dem geschlecht der Feldgeschuetz ist die ,,Vest" oder „, Not schlangen", so man auch „ Drachen " nennent, schiesset ungefehrlich 16. bifs inn 18. pfund eisen . VI. Die „ Schlange " aber beyleuffig 8 pfund eisen. VII. „ Falcona " oder „, halb Schlange " , schiesset ungefehrlich ein eisene Kugel 4. bifs in 5. pfund schwer. VIII . Ein „ Falconet " scheust gewoenlich 2. pfund bley. Und ob wol vor alters die Buechsengiesser, bey erzelten achterley geschlechten grosser geschuetz gebliben, und die Buechsenmeister sich an denselbigen haben begnuegen lassen, so sein doch hernacher, aufs genugsamen ursachen, vil und mancherley stueck unterschiedlichs gewichts, beides an Ror und Kugel, gegossen und mit sonderbarn namen benennent worden. Damit nun ein anfahender diser kunst, die ordnung aller sort grosser Stueckbuechsen wie derselben kugel, die
sie fueren,
je
von fuenff zu fuenff pfunden auffsteigen,
und
jetziger zeit, ungefehrlich von den fuernemsten Buechsenmeistern ge nennet worden, auch zu erkennen wisse , hab ich dieselben nach ordnung folgends gesetzet. Verzeichnus aller sort grosses geschuetzes . Und woellen abermals die ,, scharpffe Metz " zn einem nemen, welche wie vor gemelt, 100. pfund eisen schiesset. Die 99halbe scharpffe Metz "
anfang
aber scheust bey 95. pfund eisen.
Ein ,,Trometern" fueret 90. pfund eisen. Item ein ,,gantze Doppelte Carthauna" 85 pfund eisen. Ein halb doppelte Carthauna" 80. pfund eisen. Ein 27 Falckkugel" aber wiget 75. pfund eisen. Item ein ,,Doppelte Quartier Carthauna" 70. pfund eisen. So schiesset ein „,Aff“ 65. pfund eisen. Die ,,Carthauna" aber 60. pfund eisen. Item ein ,,Pueffel" scheust 55. pfund eisen. Ein "1 halbe Carthaun" fueret ein eisene Kugel 50. pfund schwer. Ein „Nachtigal" 45 pfund eisen. Die Buechs „ Basilisck" genannt, scheust 40 pfund eisen. Ein ,,Quartir Carthaun" 35 pfund eisen. Item ein ,,gantze Notschlang" scheust 30 pfund eisen. Eine Ein
halbe notschlang" aber 25. pfund. gantze Feldschlang", fueret 20. pfund eisen.
Einiges über Büchsenmeisterei zu Ende des XVI. Jahrhunderts.
225
So fueret eine ,,halbe Feldschlang" 15. pfund eisen. Die 19Quartirschlangen" scheust 10. pfund eisen. Item ein ورFalckona" 5. pfund eisen. Endlich ein ,, Falckonet" scheust ungefehrlich 11/24 pfund eisen, oder zwey pfund pley. die uebrigen geschofs,
Aufserhalb diser Ordnung seind und folgen als „ Stein"- und
Feurpuechsen", " Streu"-,
„ Hagel“ und „ Orgelgeschuetz ", ,,Serpentin"- und „,Boeckbuechsen“ , „doppel "- und ,,halbe hacken", „ Muscöten" und anders Handgeschofs sampt dem werfzeug, als ,,Mörser" ,,Narren" oder „, Boeler" mancher ley sorten.
Demnach aber an rechter proportion eines jeden stueck
geschuetzes nit wenig, sondern trefflich vill gelegen, Soll ein fleissiger Buechsenmeister, ehe und zuvor er seine vorhabende gewise schuefs zu volbringen gesinnet, ein jede Buechs, welche jm zugebrauchen untergeben wirdt, fleissig abmessen , und auff folgende weifs besich tigen, ob nemlich solche gerecht, und einem proportionirten Ror gleich sey, oder wie fern und inn welcher gestallt, sie von solchen abweich, damit er sich, im laden und richten, gefundenem fehl zu und nachzugeben, verstendig zu verhalten wisse . In einem spätern Kapitel führt Brechtel zu Vergleichungszwecken an, die ,,Respondierung wichts auff mererley gleich : 108 Antorff,
und vergleichung des
Nürnbergischen ge
art". U. zw. 100 Pfd. Nürnbergisch sind 104 Augspurg, 148 Ancona, 150 Bern,
139--140 Bolonia, 100 Botzener (grofs gewicht) , 128 Breslau, 160 Catalonia , 102 Cöln, 108 Costnitz, 126-127 Cracau, 98 Cur, 122 Dantzig, 144 Ferrar,
142 Florentz , 100 Frankfurt,
Genua,
90
110-111
Jenff,
Kremps,
110
Leiptzig,
152-153 120
Lion,
112 London, 108 Lubeck, 128 Lublin, 142 Luca, 155-156 Mayland, 161 Parma, 92 Prag, 90 Saltzburg , (grofs gewicht), 108 Ulm, 90 Wien.
104 Strafsburg,
106 Venedig
Zum Schlusse mögen einige artilleristische Curiosa Erwähnung finden, die in der 99 Büchsenmeisterey, gedruckt zu Frankfort am Mayn bey Christian Egenolffs Erben im Jahre 1597" - Autor un genannt der Nachwelt, weniger zu deren Nutz und Frommen als zum heiteren Ergötzen überliefert wurden. In „ zwölff Regeln und Fragstueck, Buechsenmeisterey belangend " , wird als Frage 1 aufgeworfen :
„ Ob das fewer den stein aufs der
Buechsen treibe, oder der Dunst, der von dem fewer gehet." Ant wort: ,,Etliche sprechen, das feur hab die krafft den stein zu treiben, aber der Dunst hat die krafft, den stein zu treiben. Ein pfund gutes pulvers thu in ein weinfafs, vermach es wol, dafs kein Dunst davon kommen moege, dann zu dem Zuendloch, da du es an Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd . 111.2 15
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
226
zuenden wilt, und so es angezuendet wird, so ist hand verbrunnen, und zerbricht der Dunst das fals. Frage 2 :
„ Ob
stein zu treiben. "
Salpeter oder Antwort :
Schwefel
die
das pulver zu
Krafft hab,
den
Sie
beide, dann wann das pulver entzuendet wirdt in der Buechs, so ist der Schweffel als hitzig und der Salpeter ist kalt, dafs die hitz die kält nicht leiden mag, noch die kälte die hitze, seynd zwey widerwertige Ding, also mag jetweders dafs ander nicht leiden, tringen von einander mit dem stein." Man mag hieraus den Standpunkt ersehen, auf welchem sich die damaligen Chemiker oder besser Alchymisten befanden, deren spätere Nachfolger in Phlogiston den Stein der Weisen gefunden zu haben glaubten, bis zwei Jahrhunderte
später der unglückliche Lavoisier
die Phlogistiker samt ihrer Phlogisterei wie ein Wirbelwind hinwegfegte und der Begründer der modernen Chemie wurde . Am unterhaltendsten von allen derlei Curiosa wie die vorangeführten, wirkt jedoch die hier folgende Vorschrift : ,,Wie sich der, so mit pulver umbgehet, halten soll." Der Dunst und Dampf ist ein recht gifft dem menschen , und ist doch Salpeter, Schwefel und Kol, keins sonderbar dem menschen schedlich zu (ge)niessen, und wenn sie under einander kommen , so schaden sie dem haupt und dem hertzen, und besonders so fuellet es die leber,
wann
dann der aller groest schadt daran,
ist der
dunst, und dampff, der von dem verbrunnen pulver geht. Sihe, dafs du nit nuechtern damit umbgangst, huet dich vor zu viel wein , solt linde kost niessen, dann wann du zu viel mit dem zeug umbgehst, so gewinnest du gern die läme ; Vor essig und eyern huete dich, Was feucht und kalt ist, magstu wol niessen, was hart und trucken ist, vor dem huete dich. Zdenko Anderle , Oblt. a. D.
XVIII . Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
Die Remontierung der preufsischen Kavallerie im vorigen Jahrhundert. Die Pferde der Kürassier - Regimenter kamen zur Zeit Friedrich Wilhelms I., auch später, meist über Celle aus Hannover, Holstein und Jütland. Im Jahre 1717 wurden zu Halber-
227
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
stadt jährlich drei Pferdemärkte eingeführt, da der König die Armee im Inlande remontieren wollte . Als aber bald der Besuch dieser Märkte nachliefs, schlug der damalige Kommandeur des Regiments zu Pferd v. Anhalt ( Nr. 6 ) , Oberst du Vigneul, dem König vor , in Gemeinschaft mit dem Halberstadter Kommissariat, dafs den Regimentern befohlen würde, auf den dortigen Märkten ihre Remonten zu kaufen.
Aber das Zusammendrängen so vieler Regimenter zum
Kauf-Wettbewerb auf diesen Märkten hatte üble Folgen ; die Märkte gingen allmählich ein und die Regimenter wurden wieder zum Ankauf ihrer Remonten ins Ausland verwiesen. (Georg Christ. von Natzmer, Chef der weifsen Husaren S. 7. ) - Das Minimalmafs für Kürassier- und Dragoner-Pferde
war 5 Fuls 3 Zoll,
bezw. 5 Fufs
2 Zoll . Alle Kürassiere ritten Rappen oder Schwarzbraune. Die Pferde für die Husaren und Bosniaken wurden in der Ukraine , Moldau und Wallachei freihändig gekauft. Von jedem Regiment wurden 3 Offiziere, 5 Unteroffiziere und 20 Gemeine jährlich auf Remonte- Kommando geschickt. Das „ Ökonomie-Reglement für die Husaren- Regimenter" , d . d. Potsdam, den 26. August 1752 bestimmte hierüber Folgendes : „Die Regimenter können die Pferde selbst in der Ukraine und Wallachei durch Offiziere oder durch Rofshändler
ankaufen lassen.
Wenn
aber
die
Pferde - Lieferanten
Juden sind, so müssen die Pferde unter dem Namen eines Christen durch Polen geführt werden, weil nach den polnischen Gesetzen die -Juden nicht mit Pferden durch Polen passieret werden sollen." Der älteste Offizier, gewöhnlich ein Rittmeister, hatte den Einkauf und erhielt die Gelder auf Gewinn oder Verlust. In den späteren Regierungsjahren des Königs wurden die Remonten von Unternehmern geliefert und nur von den Offizieren an der polnischschlesischen Grenze bei Woischnik aus den Heerden wilder Pferde ausgesucht. Das Minimalmafs der Husaren - Pferde war 4 Fuls 10 bis 11 Zoll ; der feste Preis hierfür 15 Dukaten. Schbg. Ein Zeitbild aus der bayerischen Armee, wie sie im Jahre 1772 war, bietet der Bericht, welchen Oberst Schober, der Kommandant des
in
Burghausen
garnisonierenden
Infanterie-Regiments
Graf
Holnstein über einen seiner Offiziere, den Oberleutnant Spizl erstattete . Spizl, ein ehemaliger Feldwebel, der trotz des obersten Widerspruches kurz zuvor vom Unterleutnant zum Oberleutnant befördert worden war, hatte damals seine ganz neue Uniform samt den Offiziers- Insignien verpfändet. Spizls versoffene Ehefrau war das böse Prinzip in der Ehe, an ihrer Verschwendungssucht scheiterten die Bemühungen des Regiments, die Vermögensverhältnisse Spizls durch Kommandos und dergleichen zu bessern. Der Oberst 15*
228
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
vor, dem Kurfürsten die Frau in einem Spitale durch Schulden Abzüge bis die gedeckt verwahren, seien, das Gesuch wurde jedoch abgelehnt. Dagegen wurde schlug
zu
Spiz
aufgegeben,
die Wirtschaft selbst in
seinem Weibe kein Geld zu
die Hand zu nehmen,
verabfolgen und die Bürgerschaft
zu
verständigen, dafs sie diesem nichts borge . Das half aber nichts, Frau Spizl verlegte sich auf das Betteln bei der Noblesse, und ebensowenig führte es zum Zweck, dafs sie im sogenannten Diätenzimmer des Schlosses mit gnädigst ausgeworfenen täglichen zwölf Kreuzern safs und schwitzte, weil bei der doppelten Wirtschaft nichts für die Gläubiger erübrigt werden konnte. Spizl, welchem nachgerühmt wurde, dafs ihm in dienstlicher Hinsicht nicht das mindeste ausgesetzt werden könne, obgleich ihm wegen Unregelmässigkeiten bei Auszahlung der Löhnung die Geldwirtschaft abgenommen war und er seinem Feldwebel achtundzwanzig Gulden abgeborgt hatte, im Dienst, bis er im Jahre 1780 quittierte.
blieb
Einen anderen Beitrag zur Kenntnis der Verhältnisse liefert ein Erkenntnis des Oberauditoriats bei einem Streite zwischen einem Fähnrich und einem Ladendiener . Dieser hatte jenen im Jahre 1764 in einer Trinkstube geohrfeigt. Die Sache wurde anhängig gemacht und das Urteil lautete, dafs der Kaufmann dem Offizier auf der Hauptwache kniefällig
Abbitte
thun,
dann zwei Stunden auf dem
Esel reiten und drei Tage im Taschenturme sitzen solle. Der Fähnrich gab sein Dekret ab, that sechs Wochen lang Dienst als Gemeiner, Gefreiter, Unteroffizier und Feldwebel, Dekret zurück und war von neuem Fähnrich. (Auvera, Geschichte Bayreuth 1898 ).
des
K. Bayer.
erhielt dann sein
7. Infanterie- Regiments I. 14.
Die Verpflegung , welche der im Jahre 1809 in Sachsen einrückenden Heeresabteilung des K. K. Generals am Ende von den Quartiergebern zu gewähren war, bestand aus Seitel oder 1. Mafs Branntwein zum Frühstück ; 2 Pfund Brot,
Suppe,
/, Pfund
Rindfleisch, Zugemüse oder Mehlspeise, 1 , Kanne Bier zu Mittag; einer warmen Speise und 1 , Mafs oder 1 , Kanne Bier zum Nachtmahle . „ Ein Mehreres darf die Mannschaft nicht prätendieren, aufser der Quartierträger will aus eigenem Antriebe etwas mehreres derselben zum Guten thun. " (Organ der militär. 6. Heft, Wien 1898).
wissenschaftlichen
Vereine,
LVII.
Band, 14.
Als im Jahre 1806 das Dragoner- Regiment König von Bayern Nr. 1 , das jetzige 1. Brandenburgische Dragoner-Regiment Nr. 2 , in das Feld rückte, waren unter der Mannschaft, welche 710
Umschau in der Militär-Litteratur.
229
Köpfe zählte , 390 Ausländer und nur 320 Inländer; 470 Dragoner waren verheiratet ; die Menge ihrer Kinder war genau so grofs, wie die der beweibten Reitersleute. Von diesen hatten 374 bereits die Rheinkampagnen, 153 auch den holländischen Feldzug, 75 den Bayerischen Erbfolgekrieg mitgemacht und 4 hatten schon im Siebenjährigen Kriege gefochten. Unter den letzteren befand sich der Quartiermeister Johann Schmidt, welcher seit 1756 diente. Solche Zustände mufsten um so schwerer in die Wagschale fallen, als diese alten Soldaten gegen die jugendkräftigen, für ihr Vaterland und die nationale Sache begeisterten , von einem genialen Feldherrn, den sie vergötterten und der zugleich ihr Kriegsherr war, geführten französischen Truppen zu kämpfen hatten. Die Verhältnisse, welche bei den Dragonern bestanden, waren durch eine Vorschrift König Friedrichs des Grofsen sanktioniert, welcher 1742 befohlen hatte, dafs alte Reuter und Dragoner bei Cassation nicht abgeschafft werden sollten ; die Generale hatten dieselben vielmehr mit allem Fleiſse bei den Regimentern zu konservieren . (E. Soehlke. Das Dragoner- Regiment Ansbach, 1689 bis 1896 , Berlin 1898 ). 14.
XI. Umschau in der Militär - Litteratur .
I. Ausländische Zeitschriften . Organ der militärwissenschaftlichen Vereine. LVIII. Bd. 2. Heft : Das abgeänderte 9 cm Feldgeschütz M. 75 und die Neu-Organisation der Feld-Artillerie. Die Entwickelung des Beleuchtungswesens in den letzten Decennien. Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und GenieWesens. (Jahrgang 1899. 2. und 3. Heft.) Zur Theorie der hydraulischen Geschützbremsen . Ein Apparat zur Veranschaulichung des Fehlerverteilungsgesetzes . Festungen und Festungsbahnen. Armeeblatt. (Österreich . ) Nr. 9. Die Dienstsprache der Armee . Die japanische Armee heute und in der Zukunft. (Forts . in Nr. 10. 11). Was eine Regimentsgeschichte Nr. 10. Veteranen und Krieger. General-Auditor von erzählt. I. - Die Militär-Justiz in Frankreich . Sauer-Csáky . Nr. 11. Werden die Gagen erhöht ? Zur Schaffung eines Reconvalescentenheim für Soldaten . Die diesjährigen Waffen-
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Umschau in der Militär-Litteratur.
Nr. 12. Die Lasten der Wehrmacht. - General v. Brunner, Generalleutnant v. Müller und die Kapitulation von Strafsburg 1870. Reisebriefe aus Ostasien.
übungen.
Militär-Zeitung. (Österreich . ) Nr . 8. Militär- Radfahrer im Aufklärungsdienste . Unser Monturwirtschaftssystem . II. Nr. 9. Die Armeesprache . Radetzky. - Die Pferdezucht in Frankreich . Nr. 10. Oesterreich-Ungarn in China? Der Limito -Rauchtabak. Nr. 11. Zur Gagenfrage. Journal des sciences militaires. (März 1899.) Am Vorabend von Jena (Schluſs) . Truppeneinteilung und Felddienst. Napoleonische Grundsätze . Militärisches Repertorium (Forts .) . - Friedrich d. Gr. (Forts.). Entwurf eines Exerzierreglements für die Infanterie . - Beförderung der Zukunft und Verjüngung der Cadres der Armee. Die Milizen von Grenoble in Savoyen und der Dauphiné (1690 bis 1694) . Studie über Ausbildung und Reglements der Feldartillerie. Revue militaire universelle . Nr. 84. Die Ursachen einer militärischen Niederlage (Forts .) . Die Königin des Weges (Fahrrad. Forts .). - Untersuchungen über simulierte Krankheiten und freiwillige Zusammensetzung Verstümmelungen, beobachtet von 1859 bis 1896. und Organisation der englischen Kolonialarmee . Revue du cercle militaire. Nr . 9. Befehlsgebung und Kritik bei den Manövern . Englische Manöver bei Salisbury 1898 (Schluſs in Nr. 10 ) . Schnellfeuer- Artillerie in Rufsland . Nr . 10. Vorbereitung des Zuges auf seine Bestimmung als Gefechtseinheit durch das Feuer. Medizinische Statistik der französischen Armee 1896. Das Marinebudget (beträgt 302065944 " Frs . ) . Nr. 11. Kriegsspiel bei den Truppenteilen. — Ein Garnisonvortrag. - Die französisch-italienischen Alpen (Forts . in Nr. 12) . Nr. 12. Ausländische Taktik. Deutschland . Arbeit auf der Karte (Forts .) . Carnet de la Sabretache. Revue militaire rétrospective. (Januar 1899). Reisetagebuch des General Desaix . Italien und Schweiz Ein Wort über Napoleon . (1797) . Schluſs . General Lasalle in Warschau (August - September 1807) . - Reglement für die Armee Dumouriez's 1792. (Februar 1899) : Briefe aus dem Jahre 1812 (zwei nicht veröffentlichte Briefe des Kaisers) . Neuheiten, die Artillerie betreffend (1793). Die französischen Garnisonen der venetianischen Staaten ( 1796-1797) . — Das 1. Regiment „ Chasseurs d'Afrique “ in Gallipoli (Mai 1854). Revue d'Infanterie. (März 1899) . Grundsätze und Taktik des Nachtgefechtes . Geschichte der Infanterie in Frankreich (Forts .). Anleitung für den Führer einer kleinen bei Nacht operierenden Infanterie - Abteilung. Berittene Infanterie im algerischen Süden und in der Sahara (Schluſs) . Divisions-Kavallerie . Revue de Cavalerie. (Februar 1899) . Vorschläge über die Beförderung . Nochmals die zugweise Ausbildung. Spanien. Das Blutpferd . - Briefe eines Artilleristen an einen Kavalleristen
Umschau in der Militär-Litteratur.
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bezüglich des Exerzier-Reglements der bespannten Batterien . Studie über Überanstrengung des Pferdes (Schlufs). Revue d'Artillerie. (März 1899.) Taktische Planstudie . ExamenAufgabe für die Aufnahmeprüfung zur höheren Kriegsschule 1899. Beweglichkeit des Artilleriematerials während der Kriege der Revolution und des Kaiserreichs . Studie über die Vorbildung der Cadres zu artilleristischen Erkundungen (Schlufs) . -- Studie über die Luftschifffahrt. Das Material der österreichischen Festungsartillerie (Schlufs) . Revue du Génie militaire. (März 1899. ) Analyse und Auszüge aus dem Briefwechsel Vaubans (Forts.). - Neue Befestigungsarbeiten in Gibraltar. --- Über Widerstandsfähigkeit und Dehnbarkeit des Portland-Cementes . Verwendung von Minen bei Feldwerken der österreichisch-ungarischen Armee. La France militaire. Nr. 4480. Eindrücke im Ausland . Ein Franzose, der lange an fremden Zeitungen mitgearbeitet hat, schildert, in welchem Grade das Ansehen Frankreichs im Ausland durch die Dreyfufs -Affäre gelitten hat. Nr. 4481. Die französische Artillerie . Richtet sich gegen das Urteil, welches der preufsische Kriegsminister in der Budget-Kommission über das französische Geschütz gefällt habe, „ es habe sich nicht bewährt." Nr. 4484. Der Präsident und die Armee. Nicht sehr schmeichelhaft für den neuen Präsidenten . Nr. 4485. An der Ost- Grenze . Falsche Nachrichten über beabsichtigte deutsche Truppenverstärkungen ! Nr. 4488. Taktische Lösungen. Nr. Deutsche Festungen . Nr. 4490. 4489. Die Gefahr der Theorien. I. Die Gefahr der Theorien . II. Nr. 4491. Verteidigung der Küsten und Kolonien . Nr. 4492. Die Gefahr der Theorien . III. - General Gallieri's Zurückberufung wird dem Bedürfnis nach Erholung zugeschrieben . Die RekruNr. 4493. Taktische Lösungen. Wettbewerb von 1898. tierungs-Bureaus . I. Annahme der Befehlshaber. - Unsere Artillerie . Das technische Artillerie-Komitee hat sich dafür ausgesprochen , die Zahl von 6 Geschützen bei der Batterie und die Zahl der Batterien per Armeekorps beizubehalten . Jedes der beiden Divisions - Regimenter soll 6 fahrende Batterien, in 2 oder 3 Abteilungen gegliedert, behalten , Die ein drittes Regiment als Korps -Regiment gebildet werden. Kavallerie-Divisionen sollen pro Brigade 1 Batterie, im ganzen drei haben . Die Anfertigung des neuen Materials ist soweit vorgeschritten , dafs man mit der Organisation ins Klare kommen mufs. Nr. 4496 . Deutsche Kavallerie. Die Zahlen der deutschen Budget-Kommission, welche die Kriegsformationen des Drei- und Zweibundes einander gegenüberstellen , werden als gewagt hingestellt, sicher seien nur die Friedensformationen , welche richtig gegeben werden . Nr. 4497. Verteidigung der Küsten und Kolonien . Nr. 4498. Unsere Kolonien . Die Rekrutierungs -Bureaus . Zulassung der Hauptleute der festen Kadres . Nr. 4499. Unsere Eisenbahnen . Das rollende Material. Nr. 1913. Garnisonwechsel . - Die ArLe Progrès militaire.
tillerie-Truppen .
Nr . 1914. Die Armee-Inspekteure und die General-
Umschau in der Militär-Litteratur.
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Inspektion. Gestüte und Remonten . II. Nr. 1915. ArtillerieformaEntwurf Fleury - Ravarin über die Küstenverteidigung. tionen. Nr. 1916. Drei Artillerien . - Zweiter Entwurf über die KüstenverNr. 1917. Das Kriegsbudget (Forts. in Nr. 1917). teidigung. Oberbefehl und Beförderung. Nr. 1918. Einjährige Dienstzeit. Gebirgsartillerie. Der Sanitätsdienst vor dem Parlament. Nr. 1919. Schnellfeuer-Artillerie und ihre Folgen . - Die Militär- Tierärzte.
-
Nr. 1920. Die Winterarbeiten (der Offiziere ), Klage über deren verfehlte Veranlagung . Der Sanitätsdienst der Kolonial-Armee .
La Belgique militaire. Nr. 1449. Die Umwallung von Antwerpen. Nr. 1450. Merxplas , Unteroffizierschule . Militärversicherungs-Kasse. - Die Umwallung von Antwerpen . Nr. 1451. Die Umwallung von Antwerpen. Der Automobilismus in seiner militärischen Verwendung. Nr. 1452. Die Befestigungen von Antwerpen 1899 und die grofse Abkürzung der Schelde . - Radfahrer und Kavalleristen . Bulletin de la Presse et de la Bibliographie militaire. Nr. 355. Engländer und Russen in Central- Asien (Forts. in Nr. 356) . -- Studie über das Schiefsen der Infanterie (Forts. in Nr . 356) . Nr. 356. Über die Notwendigkeit, die Truppen zu „trainieren ", im Hinblick auf zukünftige Kriege. Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen. (Februar 1899.) Bundesrat Oberst Emil Welti † . Der militärische Vorunterricht. III . Stufe. Über die Verwendung der Landsturmpioniere (Schlufs). --- Unsere Kavallerie beim Jahresabschlufs 1898 (Schlufs). Rück- und Ausblicke . Der Weserübergang durch das X. Armeekorps während der Kaisermanöver 1898 . Schnellfeuer-GebirgsRevue militaire suisse. (März 1899.) kanone 76 mm 5. Die AnKleine Vorschläge für Dauerritte . Die englischwendung der Automobilen bei Militärtransporten . egyptische Sudan-Expedition 1898 (Schlufs). - Übungsmarsch für Offiziere. Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie .
(Februar
1899. ) Die Sicherung der Artillerie gegen überraschenden Angriff oder Nahangriff überhaupt. Mafsstab für Stichscheiben. Das neue französische Feldgeschütz . Extrabeilage : Die Resultate der Artillerie feldmäfsigen Schiefsübungen der schweizerischen im Jahre 1898 . Allgemeine Schweizerische Militär-Zeitung. Nr . 9. Eröffnung des Feldzuges 1799 in der Schweiz (Forts. in Nr. 10-11). Der Gesundheitsdienst in der Armee . Das argentinische und das chilenische Heer. Nr. 10. Die Verjüngung der Truppenführung. - Nr. 11. Die deutsche Militärvorlage im Reichstage. - Eine Verstärkung der österreichisch- ungarischen Armee. Nr. 12. Die Lehren des Truppenzusammenzuges vom Jahre 1898 . Army and Navy Gazette. Nr. 2036. Die Organisation der Ar-
Umschau in der Militär-Litteratur.
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tillerie. Der Vorschlag, die nur in Batterien eingeteilte Artillerie in gröfsere Verbände zu bringen, ist abgelehnt. - Wir brauchen uns nicht zu fürchten . Es wird behauptet, dafs England, selbst bei Annahme der Abrüstungsvorschläge des Zaren weder die Armee noch . - Die die Flotte vermindern kann . Das Fuhrwesen im Heere. Verbesserung der Feuerwaffen. - Militärisches Radfahren . Militärische Fahrräder sollen ungelötete Rahme, undurchdringliche Reifen und keine Veröffentlichung des Kette haben . Nr. 2037. Die Herbstmanöver. Berichts des Höchstkommandierenden über die letzten Manöver in Wiltshire. Die Vereinigung vom roten Kreuze. --- Geschichte der Errichtet 1818-1819. Die Lamarkshire Yeomanry Kavallerie. Kritische Herbst-Manöver 1898. Nr. 2038. Die Salisbury- Manöver. OberstBetrachtung über die Leistungen der einzelnen Waffen.
-
Die Berliner leutnant Elmslie's Vortrag über zukünftige Kriege. Akademie für orientalische Sprachen. Die Einrichtung einer solchen wird für England empfohlen. Operationen in Westafrika . — Haubitzen, Schnellfeuer- Geschütze und die Taktik. Armee- Signalwesen . Nr. 2039. Über Manöver-Leitung. Die Schiefsausbildung in Indien. - Der Tod des Präsidenten Faure. ― Die deutsche Heeres-Vorlage. Journal of the Royal United Service Institution . Nr. 252. Die Ausbildung des Bataillons zum Angriff. Vortrag des Majors Sir K. Calleton . Eine taktische Betrachtung . Belagerung und Einnahme. von Belle Jsle 1761. Aus dem Tagebuche eines Mitkämpfers , Leutnant Bernard Holbrooke. - Die zukünftige Organisation der deutschen Artillerie. Journal of the United Service Institution of India. Nr. 134. Der erste Sikh-Krieg 1845-1846 . Von Oberstleutnant Sinclair. Von der Senegal- Grenze bis Ugmuda . Reisebeschreibung eines englischen Offiziers . Der dritte Burmesische Krieg 1885-1887 . - Die Beweglichkeit und persönliche Ausbildung unserer indischen Kavallerie. Blanke Waffen und Fechtkunst in Indien . Armee-Sanitätswesen im Gebirgskriege . Army and Navy Journal. (Newyork.) Nr. 23. General Wheelers Feldzug in Kuba. Die Heeresvorlage. Bespricht die Neuorganisation des amerikanischen Heeres, wie sie dem Kongrefs vorliegt . - Die verdorbenen Fleisch- Lieferungen. Nr. 24. General Shafters Antwort auf die ihm gemachten Vorwürfe. --- Die Kämpfe bei Manila. Das Kriegsgericht über den General Eagan. Der Friedensschlufs und seine Folgen . Der Nährgehalt der Speisen . Nr. 25. Bericht der vom Präsidenten eingesetzten Kommission zur Untersuchung der Thätigkeit des Kriegsministeriums während des Krieges gegen Spanien. -- Leutnant Castners Erlebnisse In Alaska . Unsere Offiziere auf den Philippinen . Biographische Charakteristik der dort kommanDas dierenden Generale. Nr. 26. Unsere militärischen Mängel. Gathemme-System über das Schiefsen mit starken Sprengstoffen. Der Höchstkommandierende . Bespricht dessen Verhältnis zum Präsidenten der Republik.
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Umschau in der Militär-Litteratur.
Russischer Invalide . Nr. 37. Von den Fahrzeugen der sibirischen Flottille werden im Jahre 1899 in Port Arthur 4 Torpedoboote 1. Klasse in Dienst gestellt ; aufserdem in Wlodiwostok zu Versuchen bezw. Übungen 7 Torpedoboote 1. Klasse, sowie das Transportschiff Aleut mit 8 Torpedobooten 2. Klasse ; diese Schiffe würden also im Bedarfsfalle noch eine weitere Verstärkung des Geschwaders im Stillen Ocean (s . April-Heft „Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland " ) bilden können. Nr. 46. Vakanzen-Beförderung der Front-Kapitäns und -Rittmeister zum ersten Stabsoffizierrang (padpalkownik) am 26. Februar 1899. Von der Infanterie wurden befördert 132 Kapitäns (davon 5% = 8 für besondere Auszeichnung, der Rest zur Hälfte [62 ] nach dem Dienstalter, zur anderen Hälfte „ nach Auswahl " ) ; hiervon standen 66 im Alter zwischen 45 und 50 Jahren, 60 zwischen 40 und 45 Jahren, 6 unter 40 Jahren ; von den Beförderten hatten 2 höhere (akademische) Bildung, nur 20 mittlere (Kriegsschulen-) und 110 niedere (Junkerschulen-)Bildung ; dafür hatten 86 an Feldzügen teilgenommen, 46 besafsen Kriegsauszeichnungen . Von den 23 zu Oberstleutnants beförderten Rittmeistern waren nur 4 über 45 Jahre , 14 zwischen 40 und 45 Jahren. 5 unter 40 Jahren ; 1 hatte akademische , 5 mittlere, 17 niedere Vorbildung genossen . Auffällig grofs in dieser Übersicht ist die unverhältnismäfsig hohe Zahl von Stabsoffizieren mit niederer Bildung (d h. solcher, die als Ersatzrekruten eingestellt und nach dem Besuch von Junkerschulen zu Offizieren befördert sind ; ) es hat dieses seinen Grund darin, dafs die Garde und die Spezialwaffen (Art. und Ing .) , welche ausschliefslich ihren Offizier-Ersatz aus den Kriegs schulen erhalten , ihr besonderes Avancement haben und in obiger Zusammenstellung nicht berücksichtigt sind . Nr. 49. Ein Befehl des Chefs des Generalstabes erklärt es für unnormal, dafs die meisten Generalstabsoffiziere nach Führung einer Kompagnie oder Eskadron ihre ganze übrige Zeit bei Stäben und Behörden verbringen . Der Chef des Generalstabes will nun beantragen , dafs in Zukunft nur solche Persönlichkeiten zu Divisions-Kommandeuren ernannt werden ―― In sollen , welche ein Regiment und eine Brigade geführt haben . Port Arthur hat in Gegenwart des Oberbefehlshabers des Mil . - Bez . Priamur am 16./28 . März aus den Geschützen der neuerrichteten Küsten-Batterien, sowie der an diesem Tage eingeweihten Batterie auf dem „ goldenen Berge“ ein Scharfschiefsen stattgefunden, welches „ vor zügliche Resultate" ergeben hat . Nr. 55. Ansicht eines Front Offiziers über die Lanze und über das Schiefsen vom Pferde . Ver fasser erkennt die unbedingte Überlegenheit der Lanze in der geschlossenen Attacke über den Säbel an ; man möge dem Soldaten noch so sehr einreden, dafs die Lanze leicht mit dem Säbel zurück zuschlagen sei, wenn er aber vor sich zwei Reihen auf sich gerichteter Lanzen sehe, würde er schwerlich davon überzeugt sein , daſs man alle zurückschlagen könne . Die Einführung der Lanze in der russischen Kavallerie sei daher eine gebieterische Forderung. Glaube man aber.
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dafs das russische Kavallerie- Pferd dem ausländischen, namentlich dem deutschen, so wie so in der Attacke unterlegen sei , dann bedürfe die russische Kavallerie der Lanzen allerdings nicht, dann müsse sie aber im Manöverieren in zerstreuter Ordnung und im Schiefsen vom Pferde ausgebildet werden . 1899. Nr. 3. Vom Kriege (das ClauseWajennüj Ssbornik. Das witzsche Werk) . Übersetzung vom General von Woyde III. n Kalerasch-Detachement im Kriege 1877-78 , Erinnerunge eines Augenzeugen . Mit Plan . - Die Thätigkeit des Chefs des Generalstabes nach der Praxis eines Napoleon und eines Moltke. (Organisation einer Zum Projekt eines „Infanteriegrofsen Armee und ihre Leitung. ) Exerzier-Reglements" und „der Verordnung über das Gefecht der Infanterie" . V. - Zur Frage über die Entwickelung ganzer KomDie Organisation des Feld- und Sicherpagnien als Schützen . heitsdienstes . II. Die Blokade von Festungen und befestigten Lagern. Schlufs . Mit Skizzen . Über das Gruppenschiefsen in der Feld-
Die Regelung der Verpflegung der Truppen im Kriege . artillerie. - Über die Offizierstellungen aufser der Front. - Das Personal der regulären Kavallerie. - Bemerkung über die Führung der Verwaltungsgeschäfte der Kompagnie. - Übersicht über den Aufstand im Jahre 1897 an der Nordwestgrenze Indiens . III. Raswjedtschik. Nr. 43. Aus Finnland . - Aus dem Soldatenleben. Ein neuer vom Oberleutnant des Leibgarde-Regiments Wolynien Smerdow vorgeschlagener Tornister. Das Abzeichen für die Offiziere, welche die Offizier- Kavallerieschule besuchten . Vom Mangel an Offizieren in der Artillerie . Die Vereinfachung des Schreibwesens bei den Truppon. - Schwimmübungen ganzer Truppenteile der Kavallerie. -- Die orientalischen Sprachen. Verfasser fordert zu einer besseren Vorbereitung für die Kenntnis der orientalischen Sprachen auf, und zwar der wirklich in Asien gesprochenen, neben welchen wegen der Vorherrschaft des Englischen vor den europäischen Sprachen auch dies zu lehren wäre. Der bisher für den Unterricht der Östlichen Sprachen " allein vorhandene „ Kursus der Östlichen. Sprachen" genügte nicht, weil jährlich nur 5 Offiziere zugelassen und auch nur das Türkische, Arabische, Persische und Französische gelehrt werden . Nr. 435. Beantwortung von Streitfragen aus dem Wachtdienst durch General Dragomiroff. Die Jubiläumsfahnen. Neue Kasakenheere am Amu Darja und Syr Darja (?). Nr. 436. Die Der Russen auf Kreta. Die Gehaltsverhältnisse der Offiziere.
Feldzug gegen Chiwa. Nr. 437. Biographie und Bild des bekannten Militärschriftstellers , Topographen und Geographen, Generalleutnants Strelbitzky, welcher am 17. März d. J. sein 50jähriges Jubiläum feierte. Die schnellfeuernde Feldartillerie. - Die Truppenschule . — Einer Fahrrad-Komvon den Gründen der Unsicherheit beim Schiefsen . mandos. Russisches
Artillerie - Journal.
Nr. 2.
Artilleristische
Einzel-
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Schnellfeuer-Laffeten (Schluls) . heiten des siebenjährigen Krieges . Zur Frage der taktischen VorVom Personal der Richtmeister. bereitung der Feldartillerie . - - Schiefsen nach Drachen . Artillerie-Journal der Vereinigten Staaten. (November - Dezember 1898.) Korrekturen beim Einschiefsen nach dem Gabelsystem. Entfernungsmesser für Küstenartillerie, auf wagerechter General Grundlinie beruhend . - Die leichte englische Artillerie. Blancos Anweisungen zur Abwehr von Landungsversuchen nordDie neue amerikanischer Unternehmungen an der Küste von Kuba. Feldartillerie. L'Italia militare e marina. Nr. 38. Ein neuer Vorschlag zur Heeres - Einteilung . Nr. 39. Eine Studie des Oberstleutnants und Lehrers der Applikationsschule für Artillerie und Genie Hugo Allason über „ Anwendung der Artillerie im Kriege " ist bei E. Voghera erschienen . Nr. 44. Die Gesetze über Beförderung in Heer und Marine. Nr. 49. Ein Mobilmachungsversuch. Nr. 50. Das Material der Feldund Gebirgsartillerie . Nr. 51. Die Waffenfabriken und ihre Beziehungen zu den aufserordentlichen Militär-Ausgaben. Rivista Militare Italiana. ( 1. März .) Tolstoi und der Krieg. Die Krankenstatistik Die lokalen Hilfsquellen für Verpflegung .
im österreichisch-ungarischen Heere. Esercito Italiano. Nr. 26. Pelloux und die politischen Vorsichtsmafsregeln . Nr. 27. Die Civilversorgung der Unteroffiziere . Die Aushebung Jahrgang 1879. Nr. 28. Die Organisation der Feld - Artillerie. Nr. 30. General Bava Becceria. Nr. 31. Groſse Manöver 1899. Nr. 32. Die Subalternoffiziere der Intendantur. Nr. 33. EisenbahnStationskurse . Nr . 34. Die Feldartillerie . Rivista di artiglieria e genio . (Februar.) Alfred Krupp . Von Oberstleutnant Mariani . Graphische Tafeln zur Korrektur der Fehler, welche dem Höhenunterschied zwischen Batterie und Scheibe zu verdanken sind . Denkschrift über das Erdbeben von Rieti. Rotations- Pistolen oder selbstthätige Pistolen . Die Taubheit der Kanoniere. - Von einigen Verträgen über Waffenlieferung im 17. Jahrhundert. - Die Belagerung von Strafsburg 1870 (Schlufs ). - Einige Anwendungen der Wahrscheinlichkeits - Rechnung zum Schiefsen einer Batterie. Vom Oberleutnant Calichiopulo. Revista cientifico militar. (Spanien. ) Nr. 3. Ansichten über die Organisation der Feldartillerie in Deutschland. - Versuchsmarsch etc. -- Die optische Telegraphie in den Kriegen der Gegenwart und Nr. 4. Die optische ihre Anwendungen in einem Zukunftskriege. Versuchsmarsch etc. Manöver mit ScharfTelegraphie etc. schiefsen in Rufsland. Memorial de Ingenieros del Ejercito . tische Telegraphie ,
(Spanien . )
Nr. 2. Op-
Revista Militar. (Portugal.) Nr. 5. Der Remontierungsdienst. Die Jäger von 1811. Organisation der Truppen in den Kolonien.
Umschau in der Militär-Litteratur.
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Krigsvetenskaps Akademiens -Handlingar. (Schweden .) Heft. 4. Das dänische Kriegsbudget (Schlufs). Norsk Militaert Tidskrift. (Norwegen. ) Heft 2. Notizen zum Feldzug auf Kuba. 2. Militaire Spectator. (Holland . ) Nr. 3. Zwei neue Feldschnellfeuerkanonen (Vickers und Maxim) . - Zusammenstellung der Offlzierkadres. Militaire Gids . (Holland .) 2. Lieferung. Scheidung der Ausbildung von Fahrern und Kanonieren bei der Feld- Artillerie .
II. Bücher. v. Löbells Jahresberichte über die Veränderungen und Fortschritte Herausgegeben von v. Pelet - Narbonne im Militärwesen. Generalleutnant z . D. XXV. Jahrgang (Jubiläumsband) . Das Militärwesen in seiner Entwickelung während der Jahre 1874-1898 . Zwei Teile. Berlin 1899. E. S. Mittler & S. Preis geh. 20 Mk., geb. in 1 Bd . 22 , in 2 Bd. 23 Mk. Dieser zwei stattliche Bände (1016 Seiten) füllende XXV. Jahrgang der bekannten „ Jahresberichte" kann eigentlich auf den Namen eines Jahresberichtes" keinen Anspruch erheben, denn er behandelt. nicht die Veränderungen und Fortschritte des abgelaufenen Jahres sondern gewährt einen Überblick über die Entwickelung von 24 Jahren. Ob es zweckmäfsig war, deshalb den diesjährigen Jahresbericht ausfallen zu lassen, bleibe dahin gestellt ; jedenfalls wird der nächstjährige mit den Veränderungen von zwei Jahrgängen rechnen müssen , also vermutlich sehr stark werden . Abgesehen von diesen formellen Bedenken ist der vorliegende Jubiläumsband eine ausgezeichnete , in der Militär-Litteratur einzig dastehende Leistung, deren Wert ihn über das sogenannte „ aktuelle" Interesse empor hebt. An der Hand dieser von bewährten Mitarbeitern verfassten Berichte ist es möglich, den grofsartigen Fortschritt auf allen Gebieten des Heerwesens der Neuzeit Der Herr Herausgeber hat in einem zu übersehen und zu würdigen. den Berichten vorangestellten Kapitel, Zur Einführung", selbst das Fazit der Umwälzungen im Kriegswesen der letzten 25 Jahre gezogen und dieser Charakteristik eine Fülle eigener Gedanken hinzugefügt . Versäume niemand, dieses „ Einführungs" -Kapitel aufmerksam zu lesen ; es ist nicht nur der geistige Niederschlag der abgeschlossenen 24 Bände, sondern mehr noch eine selbständige und geistvolle Studie über das militärische Vierteljahrhundert, auf das der Jubiläumsband zurückblicken kann .
Auf die einzelnen Berichte näher einzugehen müssen wir uns versagen. - Der 1. Teil (Band) enthält die „Berichte über das Heerwesen der einzelnen Staaten " , nämlich des Deutschen Reiches , Belgien, Bulgarien und Ostrumelien , Dänemark, Frankreich, Griechenland, Grofsbrittanien , Italien, Japan , Montenegro, Niederlande ,
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Norwegen, Österreich-Ungarn , Portugal, Rumänien, Rufsland , Schweden, Schweiz, Serbien , Spanien , Türkei, Vereinigte Staaten ( dazu einzelne Nachträge) . Auf Vollständigkeit kann demnach dieser Teil nicht Anspruch machen, da von den aufsereuropäischen Staaten nur Japan und die Vereinigten Staaten von Nordamerika Berücksichtigung fanden , die übrigen amerikanischen Republiken , ferner Ägypten , Congostaat, Abessinien und die afrikanischen Republiken , dann China und die anderen asiatischen Heerwesen nicht. Der 2. Teil enthält die „ Berichte über die einzelnen Zweige der Kriegswissenschaften und des Heerwesens ." Wenn der 1. Teil eine überwiegend statistische Bedeutung hat, wird man den i . höher bewerten müssen . Hier galt es nicht allein, den vorhandenen Stoff zu sichten und aneinander zu reihen , sondern Selbständiges zu schaffen ; es sind taktische und militärtechnische Studien über den Zeitraum von 1874-98 . Man darf wohl behaupten, dafs keiner dieser Berichte seiner Aufgabe nicht im vollen Mafse gerecht geworden wäre . Es sind die Berichte über Taktik der Infanterie und die Thätigkeit der verbundenen Waffen, Taktik der Kavallerie , der Feldartillerie , das Festungswesen (enthaltend die Entwickelung der Ansichten über den Wert der Festungen , die Lehren des Festungskrieges, den Festungsbau und die Landesverteidigung , die Küstenbefestigung). Es folgt das Pionierwesen, das Militär-Telegraphenwesen, die Handfeuerwaffen , das Material der Artillerie, die Militär-Luftschiffahrt, das Militär-Eisenbahnwesen, das Militär-Brieftaubenwesen, die Entwickelung des MilitärRadfahrwesens, die Übersicht über die Erfindungen und Entdeckungen auf militärtechnischem und chemischem Gebiete (ein besonders dankenswerter und gewifs sehr mühevoll gewesener Bericht) . — Eine Neuheit ist der Bericht über die Verwendung von Seestreitkräften , mit besonderer Berücksichtigung gemeinsamer Operationen mit Landheeren." Man darf wohl hoffen, dafs dieser Bericht ein ständiger sein werde, denn die Kriegführung zu Lande und zur See stehen in Wechselwirkung ; das bekannte Wort : „Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser" hat durch die kriegerischen Ereignisse des abgelaufenen Jahres eine sehr ernste Bedeutung gewonnen. Es folgen die Berichte über das Militär-Erziehungs- und Bildungswesen, ferner das Kriegs- und heeresgeschichtliche Schriftwesen . Den Beschlufs macht ein sehr sorgsam bearbeitetes alphabetisches Namen- und Sachregister, durch das dem Werke auch die Bedeutung eines bequemen Nachschlagebuches verliehen wird . Der Vollständigkeit halber hätten wir gewünscht, dafs auch ein Bericht über den Stand der Militär-Kartographie und des Militärjustizwesens diesem 2. Teile eingefügt worden wäre . Vielleicht empfiehlt sich deren Berücksichtigung in den folgenden Jahrgängen (bezüglich der Kartographie ist dies in einem der früheren Jahrgänge bereits geschehen). Welcher Wert dieser Jubiläumsband als Studienmaterial besitzt,
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bedarf keiner Auseinandersetzung, es liegt auf der Hand. In Rück sicht auf die „ universale" Bedeutung des Bandes wurde er mit lateinischen Lettern gesetzt. Möge dies, wie bei anderen wissenschaft lichen Werken, auch bei den zukünftigen Jahrgängen so bleiben . — Dieser Jubiläumsband ist Sr. Exzellenz dem Chef des Generalstabes , Grafen v. Schlieffen , in Anerkennung seiner hohen Verdienste um die 1. Förderung desselben zugeeignet. Die Division von Beyer im Main-Feldzuge 1866. Von W. v. Scherff , General der Infanterie z . D. Mit einer Übersichtskarte und zwei Skizzen in Steindruck. Berlin 1899. E. S. Mittler & Sohn . Der vielbewährte Verfasser war als zweiter Generalstabsoffizier der Division Beyer besonders berufen, die Thätigkeit dieser Division zu schildern und insbesondere auch die Schwierigkeiten klarzustellen , mit denen gerade diese Division in der ersten Periode ihrer Operationen zu kämpfen hatte. Schon im Winter 1866-67 hatte Herr von Scherff auf Grund der Kriegsakten der Division und des von ihm geführten Befehls- und Tagebuches die Geschichte der Division niedergeschrieben und die Zustimmung des Generals von Beyer und anderer höherer Führer erlangt . Von mafsgebender Stelle wurde indessen die Ver öffentlichung als noch nicht zeitgemäfs erachtet. Seitdem sind nun eine Reihe von Schriften erschienen , die sich mit der Main- Armee beschäftigen, so aufser dem preufsischen und bayerischen General stabswerk die Arbeiten von Lettow-Vorbeck und Hönig, sowie „ die Teilnahme der Truppen unter Kommando des Generalmajors von Beyer an dem Feldzuge in Westdeutschland 1866. “ Die teilweise ungünstige Beurteilung, die in jenen Schriften das Verhalten der Division gefunden hat, zumal in der ersten Periode des Feldzuges gegen Kurhessen und die Hannoveraner ――― ist nach Scherff auf die Unterschätzung der Schwierigkeiten zurückzuführen , die gerade in jenen Tagen von der höheren Führung zu überwinden waren. Jetzt konnte und mufste der Verfasser die damals beanstandete Veröffentlichung ins Leben treten lassen . Den Text seiner ursprüng lichen Arbeit hat er fast nicht geändert, Zusätze und Bemerkungen teils eingeklammert , teils in Anmerkungen unter den Text verwiesen. Diese Anmerkungen enthalten auch einige Auseinandersetzungen über Auffassungen, die von denen anderer Berichterstatter abweichen . Verfasser gliedert seine Berichterstattung in drei Hauptabschnitte : Die Operationen gegen Kurhessen und die Hannoveraner bis 30. Juni -die geplante Trennung des 7. und 8. Bundeskorps und ihre Ver treibung vom rechten Mainufer bis 20. Juli der Zug gegen Würz burg 21. Juli bis 2. August. In knappgehaltener, lichtvoller, ungemein fesselnder Darstellung schildert General von Scherff, wie die recht bunt zusammengesetzte Division Beyer sich allmälig zusammenfand, wie sie ihren Taufnamen erhielt und wie sie nun unter einem wahren Kreuzfeuer von Befehlen ,
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Gegenbefehlen, wahren , halbwahren and falschen Nachrichten ihre vielverschlungenen Wege zu wandeln hatte, bis sie nach der Kapitulation von Langensalza der Main -Armee eingegliedert wurde und nunmehr bestimmtere und weniger undankbare Aufgaben zu lösen hatte. Auffallend erscheint die anfangs festgehaltene Truppeneinteilung : Avantgarde, Gros, Reserve. Hierfür ist die Unklarheit der Situation ein um so näher liegender Erklärungsgrund, als nicht nur Avantgarde und Gros, sondern auch die Reserve genötigt waren, Vorposten auszusetzen . Welchen Mifserfolg zu spät eintreffende Gegenbefehle haben können. davon nur ein drastisches Beispiel : In Kassel traf 312 Uhr nachmittags ein Telegramm des General von Falckenstein ein , wonach unter Festhaltung von Kassel eine Konzentration um Ötmanshausen erfolgen sollte . Um 412 Uhr wurden die entsprechenden Befehle für Reserve, Avantgarde, und Gros ausgefertigt. Reserve und Avantgarde sollen Kehrt machen, das Gros auf Allendorf und Eschwege marschieren . Der zur Reserve entsandte Adjutant verreitet sich beim Ausgang aus Kassel. Die Reserve erhält den Befehl erst, als ein plötzlich losbrechendes heftiges Gewitter alle Bewegungen verzögert. Am späten Abend gelangt die Reserve in ein Bivak bei Kauffungen. Die Avantgarde wird erst 9½ Uhr abends von Hauptmann von Scherff in Dransfeld, 32 Meilen von Kassel, eingeholt, wo sie Quartiere bezogen hat und bei dem strömenden Regen den befohlenen Rückmarsch nicht mehr anzutreten vermag . Wichtige Meldungen (über die Bewegungen der Hannoveraner ) des General von Glümer ( Gros) waren nach dem ursprünglich in Aussicht genommenen Divisionsstabsquartier Münden gerichtet worden und von dort unverrichteter Sache zurückgekommen . Das Gros, erst am 23. morgens in seinem Marsche „aufgefangen“ , macht Kehrt und zieht langsam und verstimmt, nun schon den achten Tag ohne Rast und Ruhe und ohne einen Feind , das Werrathal wieder aufwärts . Diese herausgegriffene Episode soll zeigen, wie es ohne Verschulden des Führers der Division Beyer erging und wie der Verfasser in kurzen Zügen die Situation klarlegt. Im zweiten Hauptabschnitt, der die Zeit vom 1. bis zum 20. Juli Über umfafst, heifsen die Kapitelüberschriften „ Bis Schlüchtern Hammelburg bis vor Schweinfurt - Bis Frankfurt und Hanau . “ In diese Periode fallen bekanntlich die Gefechte von Hünfeld und Hammelburg, auf die wir hier nicht eingehen wollen. Wohl aber Herrn Verfassers Auffassung der allgemeinen Kriegslage werden. Nach den Moltkeschen Direktiven war Bayern als der süddeutschen Koalition bezeichnet worden . Bei einer
mufs des erwähnt der Kern Offensiv-
bewegung über Kassel direkt auf Frankfurt stehe zu besorgen, daſs sich das 8. Bundeskorps nach Mainz wende und man dann keinen Gegner im Felde vor sich haben werde. Es sei daher ratsam, den Weg über Fulda nach Schweinfurt einzuschlagen. Man könne sicher
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sein, die bayerische Armee zu treffen, wenn man sie im eigenen Lande aufsuche , und dürfe hoffen, durch die gewählte Richtung die Vereinigung des 7. und 8. Korps zu verhindern . - - Trotz voller Würdigung des dieser Direktiven zu Grunde liegenden Hauptgedankens brachte man am 7. Juli im Stabe der Division Beyer nach reiflicher Erwägung der Kriegslage die Ansicht zum Ausdruck, dafs zur Zeit ein Vorgehen auf Frankfurt in jeder Beziehung mehr Erfolg verspreche , als der Vormarsch gegen die fränkische Saale. Während Hauptmann Hoenig für die Zweckmäfsigkeit der Operationen gegen die Saale eintritt, glaubt der Verfasser auch heute noch Anfang Juli daran festhalten zu sollen, dafs damals die Operationen gegen Frankfurt unbedingt gröfsere Erfolge eingetragen hätten . Der Zug gegen die Saale habe es ermöglicht, dafs die beiden glücklich getrennten feindlichen Heerteile sich schliesslich dennoch bei Würzburg vereinigen konnten . Die Gefechte an der Saale seien keineswegs Entscheidungskämpfe gewesen, wie Hoenig sie bezeichnet . Es sei militärisch und politisch angezeigt gewesen, sich am 8. Juli gegen den greifbaren Gegner zu wenden und dadurch den schwerwiegendsten Irrtum in der Führung des Mainfeldzuges zu vermeiden. Die eingehende Begründung der Scherffschen Auffassung mögen unsere Leser im Buche selbst nachlesen . Es schien aber geboten, auf eine so wichtige strategische Frage hinzuweisen, deren Erörterung entschieden den Kernpunkt des ganzen zweiten Hauptabschnittes unseres Buches bildet. Im letzten Hauptabschnitt 21. Juli bis 2. August - lauten die
Kapitelüberschriften : „ Bis zur Tauber
Das Gefecht von Helmstadt Bis Würzburg" . Im Gefecht von Helmstadt schätzt General von Scherff die preufsischen Kräfte, 12 Bataillone, 6 Schwadronen, 7 Batterien auf nicht viel über 10000 Mann, während er die Bayern , 31 Bataillone, 11 Schwadronen , 10 Batterien, auf ca. 24000 Mann veranschlagt. Der bayrische Verlust war doppelt so grofs als der preufsische . Sowohl der Bericht über das Gefecht von Helmstadt als auch die Schilderung der Ereignisse vor Würzburg fesseln den Leser durch Klarheit und Anschaulichkeit. Nach dem 3. August bezog die Division Quartiere zwischen Main , Rhein und Neckar mit dem Stabsquartier Darmstadt. Wie die Teile der Division sich allmälig und stückweise zusammengefunden hatten , so löste sich mit dem Fortschreiten der Friedensschlüsse ein Teil nach dem andern von der Division ab, um neuen Bestimmungen entgegenzugehen . „Von der Division Beyer, " so schliefst der Verfasser, „blieb nichts als der Name und das Bewusstsein, das ihre Glieder mitgenommen haben in die fernsten Garnisonen : in treuer, unermüdlicher Pflichterfüllung und in zäher, ausdauernder Tapferkeit, auch da, wo ihnen die glänzenden Gefechte versagt geblieben waren , mitgewirkt zu haben am grofsen Werke des Jahres 1866 und diesen Namen mit 16 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Bd. 111. 2.
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Ehren eingezeichnet zu haben in die Annalen des „Main-Feldzuges" , den Seine Majestät durch seine eigene Denkmünze gnädigst auszu zeichnen Allerhöchst sich veranlafst gesehen hat!" In den Anlagen werden preufsische und bayerische Ordre de bataille und Verlustlisten gegeben . Eine Übersichtskarte und Skizzen von Hammelburg und Helmstadt kommen dem Verständnis zu Hilfe. Den Kameraden kann das eingehende Studium der trefflichen Scherff P. v. S. schen Monographie dringend empfohlen werden . In und vor Verdun während der Belagerung der Festung im Jahre 1870. Nach deutschen und französischen Quellen und auf Grund eigener Anschauung bearbeitet von Hans Klaeber , Oberstleutnant a. D. , Dresden, C. Heinrich , 1898 . Wer das Glück hatte, nach Beendigung des Feldzuges 1870/71 während der Okkupationszeit Wochen und Monate lang im schönen Frankreich zu leben, mag gewifs den Stätten, wo er damals geweilt, sein Leben lang ein besonders reges Interesse bewahren . So spricht auch aus der obigen kleinen Schrift die Anhänglichkeit an eine alte Garnison und steigert dem Leser das Interesse an den Schilderungen des Oberstleutnant Klaeber, der in anschaulicher und lebendiger Form uns die Schicksale der Festung Verdun im französischen Kriege vor Augen führt. Verdun , die alte ehemalige deutsche Reichsstadt, ist schon mehrfach der Schauplatz kriegerischer Ereignisse gewesen . Zuletzt war sie 1792 durch die Preufsen unter dem Herzog von Braunschweig bombardiert worden, bei welcher Gelegenheit auch Goethe, der den. Feldzug im Gefolge des Herzogs von Weimar mitmachte, in ihren Mauern weilte. Bei Ausbruch des Krieges 1870 galt die Stadt zwar bei den Franzosen als eine Festung ersten Ranges, doch litt sie an dem Mangel, dafs die Höhen , die auf beiden Maas- Ufern die Stadt beherrschen, noch nicht wie heute in die Befestigung hineingezogen waren, sondern noch dem Angreifer gute Positionen darboten . Nach dem Verdun am 24. August 1870 durch die Feldbatterien des XII. (sächsischen) Armeekorps ohné nennenswerten Erfolg beschossen worden war, wurde es im September durch das Detachement v. Bothmer eingeschlossen und hatte vom 13.- 15 . Oktober eine heftige Beschiefsung aus mit französischen Geschützen armierten Belagerungsbatterien aus zuhalten, der es tapfer stand hielt. Als sich die Deutschen nunmehr zum förmlichen Angriff anschickten , kapitulierte die Festung unter dem Eindruck des Falles von Metz und der Kapitulation der Rhein Armee, die ihre letzte Hoffnung gebildet hatte . Alle diese Ereignisse läfst uns der Verfasser miterleben , indem er uns teilnehmen läfst an all den Stimmungen, Hoffnungen und Enttäuschungen, die das Leben. in einer vom Feinde umschlossenen Festung mit sich bringt. Gleich zu Beginn des Krieges trat es der Bevölkerung Verduns sichtbar vor Augen, dafs sich das Schicksal zu Ungunsten des sieggewohnten Frankreich gewendet hatte : der Kaiser Napoleon passierte auf der
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Rückreise von der Grenze nach Châlons am 16. August die Stadt. Der lange kaiserliche Zug, der düster und schweigsam die Stadt durchzieht, ist doch mit dem Trofs von Stallmeistern, Dienern und Kutschern in goldstrotzenden Uniformen und mit einer an 2 km langen Reihe von Luxus- und Küchen -Wagen glänzend genug, um den Unwillen der Menge zu erregen , die den Kaiser den Ereignissen sich entziehen sieht, die sie selbst seinetwegen über sich ergehen lassen muss. Wir hören dann weiter von den Erfolgen, welche die nach Auſsen hin aufserordentlich thätige Besatzung unter ihrem tapferen Kommandanten Guerin de Waldersbach gegenüber den einzelnen vor der Festung erscheinenden deutschen Truppen davonträgt und die immer wieder den sinkenden Mut der Bevölkerung aufs neue beleben , hören von den Schwierigkeiten, mit denen der Kommandant zu kämpfen hat, von der Fahnenflucht der Zuaven und Turkos, von Auflehnung der Bevölkerung und von dem tapferen Verhalten des Kommandanten allen Versuchungen gegenüber. Auch die Thätigkeit der Deutschen vor der Festung erfährt eine erschöpfende Darstellung, wobei sich der Verfasser für die Thätigkeit der Belagerungs-Artillerie an die bekannte Schrift : 99 v. Hellfeld, die Cernierung und Beschiefsung von Verdun " und für die Infanterie an die Regimentsgeschichte des 5. Rhein. Inf. -Regts . Nr. 65 anlehnt. Einige Photographien und zwei Pläne begleiten das Werkchen , das jedem empfohlen sein mag, der sich in unterhaltender Weise über die Belagerung Verduns belehren will. Der Krieg in Cuba im Sommer 1898. Nach zuverlässigen Quellen dargestellt von M. Plüddemann , Kontre-Admiral z . D. II . Lieferung. Berlin 1899. E. S. Mittler & Sohn . Mit der zweiten Lieferung liegt das ganze Buch abgeschlossen vor Die schon gelegentlich der Besprechung des ersten Teiles im Februarhefte dieser Jahrbücher ausgesprochene Ansicht, dafs wir es hier mit einem aufserordentlich klar und anschaulich geschriebenen Werke zu thun haben, finden wir durch den Inhalt des zweiten Teiles in vollstem Maafse bestätigt . Während der erste Teil vorzugsweise die Vorgeschichte des Krieges und die Schilderung der beiderseitigen Streitkräfte enthielt, führt uns der zweite Teil mitten in den Krieg hinein . Die Seeschlacht von Cawite und die Landkämpfe bei Manila machen den Anfang, um dann auf den Kriegsschauplatz auf Cuba überzugehen. Recht interessant sind hier zunächst die Schilderungen der Vorbereitungen der Amerikaner, um eine Armee von 100000 Mann aufzustellen. Obgleich es weder an Geld, noch an Menschen , noch am Eisenbahnwesen fehlte, stiefs die Mobilmachung überall auf die grössten Schwierigkeiten, da für einen Krieg so gut wie nichts vorbereitet war. Zum Glück für die Amerikaner machte sich der Zeitverlust nicht weiter nachteilig bemerkbar.
Das Einschiffen und die Landung wurden 16*
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in der denkbar fehlerhaftesten Weise ausgeführt, letztere gelang nur durch die immer noch grösseren Fehler der Spanier und deren Mangel an jeglichen Angriffsunternehmungen . Die kriegerischen Operationen fanden nach der Schlacht von El . Caney und der Vernichtung der spanischen Flotte ein baldiges Ende. Mit einer allgemeinen Betrachtung über die Kriegszustände und einer vollständigen Schiffsliste der in den Kriegsoperationen verwendeten Geschwader schliefst das Buch. Aufser zahlreichen Übersichtskarten sind recht hübsche Ansichtsbilder der Landschaften, Schiffsbilder und Porträts in den Text aufgenommen. D. Geschichte des Feldartillerie-Regiments Prinzregent Luitpold von Bayern (Magdeburgisches) Nr. 4. Im Auftrage des Regiments zusammengestellt von Rogge , Hauptmann à la suite des RegiBerlin 1898. ments . Mit Abbildungen, Karten und Plänen . Mk. 10 Preis E. S. Mittler u. Sohn. Die Feldartillerie ist nicht allzureich an Regimentsgeschichten. Selbst die vor der Verdoppelung von 1872 bestandenen eigentlichen Stamm-Regimenter verfügen nur zum Teil über eine bis zur Gegenwart durchgeführte Darstellung ihrer geschichtlichen Entwickelung. Vor den jüngeren Regimentern liegen solche der Nrn. 16, 17 , 18, 19, 21 , 27 vor, von Nr . 18 sogar schon in der 2. Auflage. Das Feldartillerie-Regiment Prinz Luitpold verfügte bisher nur über eine zur Erinnerung an das 75jährige Jubelfest am 28. Februar 1891 verfasste Offizier- Stammliste nebst Ranglisten des Regiments von 1816 bis 1891 von Balcke, damals Hauptmann und Batteriechef im Regiment. Der Entschlufs des Regiments, die Abfassung einer Geschichte in Auftrag zu geben, hat unter einem günstigen Stern gestanden . Nur wenige Monate trennen uns von dem Augenblick, wo die alte Nr. 4 , heute schon die Nährmutter von Nr. 19 , in noch 4 weiteren Regimentern , Nr. 40, 55 , 74 und 75 vertreten sein wird . Die späteren, nur 6 Batterien zählenden Regimenter sind in materiellen und geistigen Mitteln weniger reich ausgestattet als heute diejenigen von 11 bis 13 Batterien, in die frühere Geschichte teilen sich eine viel gröfsere Zahl von Truppenteilen und es wird immer schwieriger, die Geschichte der Stämme, auf welche das Regiment Anspruch hat, auszuscheiden . Es war aber nicht nur in dieser Hinsicht, dafs die Wahl des Augenblicks eine glückliche zu nennen ist. Wir sehen sie auch in der Person des Bearbeiters , in der Umgrenzung des Stoffes . Hauptmann Rogge hat, wie es schon sein Dienstgrad erkennen läfst, an unsern letzten Kriegen nicht teilnehmen können , wir vermissen dies aber in den Schilderungen der Anteilnahme des Regiments und seiner Stammtruppenteile nicht. Die Darstellung ist anschaulich, lebhaft und in dem Maafse belehrend, wie man es in einer Regimentsgeschichte, die kein Lehrbuch sein soll, beanspruchen darf. Der Verfasser spricht nicht blofs zum Verstande , er spricht auch zum Herzen und dies ist in einem solchen Werke, welches die Überlieferungen einer glorreichen Geschichte wach er-
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halten und die späteren Geschlechter zur Nacheiferung anfeuern soll, ein wesentliches Erfordernis . Auch die Zeiten des Friedens , die allem Anschein nach fernerhin die Regel bilden , finden die gebührende Be rücksichtigung . Wenn wir die Stammlisten der Offiziere in dem Werke selbst vermissen, so erklärt sich dies durch das Vorhandensein einer solchen in besonderer Ausgabe, die allerdings sehr wenig ver breitet ist. Der Verfasser hat der Bearbeitung ein sehr sorgfältiges und umfassendes Quellenstudium vorangehen lassen . Wir finden darunter eine grofse Zahl Geschichten von Truppenteilen, welche mit dem Regiment Seite an Seite vor dem Feinde gestanden haben . Als eigentliche Vorarbeiten finden wir die Darstellung der Thätigkeit einzelner Batterien in den Kriegen, auch 2 Geschichten des Tochter- Regiments Nr. 19. Die Ausstattung mit Karten und Skizzen ist eine sehr reich haltige und gut ausgeführte. Es sind dabei auch die Reserve- Bildungen des Regiments berücksichtigt, wie die Karte von der Schlacht an der Lisaine beweist . Vom erhabenen Chef und Namengeber des Regiments , dem Prinzregenten Luitpold von Bayern, ist ein prachtvolles Licht druckbild mit Faksimile seiner Unterschrift dem Titel vorgebunden, Der Waffengenosse des Regiments aus 1870/71 hat auch die Widmung des Werkes angenommen . 12. Geschichte des Westfälischen Fufsartillerie - Regiments Nr. 7. Auf dienstliche Veranlassung bearbeitet von Lindenborn , Premier leutnant. Aufgestellt im Jahre 1898. Köln 1898. Schmitzsche Buchhandlung. Verfasser giebt im 1. Kapitel auf 6 'Seiten eine sehr kurzgefafste Darstellung der Entwickelung der deutschen Festungs- und Belagerungs Artillerie das 2. behandelt die „ Bekleidung und Bewaffnung der Fufs artillerie mit Handwaffen" . Dann erst folgt eine nur 12 Seiten füllende „Allgemeine Geschichte des Regiments" , das den 1. Juli 1864 als seinen Gründungstag betrachtet. Es wurde als „Westfälisches Festungs artillerie-Regiment Nr. 7 " in 2 Abteilungen zu je 4, seit 1866 zu je 5 Kompagnien errichtet. Zu kriegerischer Verwendung kam das Regiment erst im Feldzuge 1870/71 ; vor Paris, Strafsburg, Schlettstadt, Neu-Breisach, Belfort haben die einzelnen Kompagnien, deren Zahl im Kriege auf 16 gebracht wurde , ehrenvoll gekämpft. Näheres über deren Beteiligung am Feldzuge giebt das 4. Kapitel „ Geschichte der einzelnen Kompagnien " . Der „Anhang" enthält ein Verzeichnis der Kommandeure , der Garnisonen, Ranglisten , Verlustlisten u . s. w. Ganze ist auf 86 Seiten kleinen Formates zusammengedrängt und giebt allgemeine Auskunft über Leben und Thaten des Regiments in den abgelaufenen 34 Jahren seines Bestehens. Mir will es aber scheinen, als ob der Herr Verfasser, bei Benutzung von Kriegstagebüchern und Privatbriefen von Teilnehmern des Feldzuges vielleicht ein lebens volleres Bild hätte entwerfen können . Anscheinend hat ihm solches Material gefehlt, die Folge ist eine gewisse trockene Kürze der Dar
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stellung, welche in Truppengeschichten , die doch auch für Unteroffiziere und Mannschaften geschrieben sind, m. E. nicht am Platze ist. Der 2. gegenwärtige Standort des Regiments ist Köln . Beitrag zur Frage der allgemeinen Abrüstung und des internationalen Schiedsgerichtes. Von W. Kiparski , Rechtsanwalt. Berlin, Puttkammer & Mühlbrecht 1899 . Das Lesen der bezeichneten Broschüre hat uns eine recht heitere Stunde bereitet, da sie eine, vom Herrn Verfasser gewifs nicht beab sichtigte Parodie auf die gegenwärtig so sehr gefeierte Idee des ewigen Friedens enthält und die Undurchführbarkeit derselben erweist. Der Herr Verfasser will durch Gründung eines Staatenbundes den Krieg aus der Welt schaffen . Das an der Spitze des Staatenbundes stehende Tribunal, welches auch die Streitigkeiten unter den Staaten zu entscheiden hätte, soll aus den Staatsoberhäupten bestehen . Als Reservemitglieder soll eine Anzahl fremder Fürsten und Kirchen herren bestimmt werden. Jeder Souverän müfste auf einen Teil seiner Souveränität verzichten . Hierbei wird geltend gemacht, daſs eine absolute Souveränität bei den christlichen Staaten schon wegen des Glaubens an Gott ausgeschlossen ist ( S. 23) . Hat sich denn der Herr Verfasser nicht der schönen Worte Christus : „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ und „ Gebet Gott, was Gottes ist, und dem Kaiser, was des Kaisers ist" erinnert ? Vom Patriotismus hat der Herr Verfasser keine rechte Vorstellung. Wir staunten , als wir ( S. 10) lasen , dafs es dem einzelnen Staatsan gehörigen gleichgültig sein kann , ob sein Land grofs oder klein, ab hängig oder unabhängig ist, und dann „für seine Ideale Gut und Blut herzugeben, ist etwas viel verlangt. " Den Nationalstolz hält der Herr Verfasser für Egoismus , da er auf die Liebe zur eigenen Art heraus kommt (S. 33) . Sehr schlecht zu sprechen ist der Herr Verfasser auf die Soldaten . Nach der humanistischen Auffassung erscheinen die Soldaten , so meint der Herr Verfasser (S. 18) , unnütz und sollen der Vergessenheit anheim gegeben werden . An Stelle des Heeres soll eine internationale Sicherheitspolizei eingeführt werden. Diese gemeinsame Schutztruppe soll in Afrika stationiert werden, um im Bedarfsfalle herangezogen zu werden (S. 36) . Risum teneatis amici ! Eine ernste Widerlegung der 45. Ausführungen der Broschüre erscheint uns nicht nötig. Taktische Ausbildung der Sanitäts- Offiziere. Von v. Oven , Oberst leutnant und Abteilungschef im Grofsen Generalstab . Teil II. Mit Skizzen im Text und 1 farbigen Signaturentafel. Berlin 1899. Verlag von R. Eisenschmidt . Im ersten Teile dieser Schrift (vergl. Novemberheft 1898 ) hatte der Verfasser versucht, die Form und die Grenzen festzustellen, inner halb deren die taktische Ausbildung von Sanitätsoffizieren abzuhalten
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ist.
Im vorliegenden zweiten Teile soll näher dargelegt werden, welcher Art die eigene Vorbereitung und Teilnahme des Sanitätsoffiziers bei dieser Ausbildung sein muſs . Die einzelnen Abschnitte umfassen : Schriftlicher Verkehr , Kartenlehre und Krokieren , Ordre de bataille und Truppeneinteilung , Bagagen , Munitionskolonnen und Trains , Marschtiefen und Aufmarschzeiten . Am Schlusse sind eine Anzahl zweckmäfsig zusammengestellter Übungsaufgaben zugefügt. Die Begriffe , um welche es sich hier handelt, sind in unsern Dienstvorschriften , besonders in der Felddienst- Ordnung, enthalten , aber dem Sanitäts - Offizier wird es schwer gelingen, sie alle herauszufinden und sich für seinen Gebrauch zurecht zu legen . Diese Begriffe sind ihm aber notwendig, will er dem Ausbildungsunterricht folgen können, und so hat es Verfasser für erforderlich gehalten , dieselben hier nochmals zusammenzustellen . Es war ein sehr guter Gedanke , auch hier den applikatorischen Weg zu beschreiten und die Übungs -Aufgaben anzuschliefsen . Das gut ausgestattete Büchlein wird in den Kreisen der Sanitäts-Offiziere ein freundliches Willkommen 12. finden. Statistik der Sanitätsverhältnisse der Mannschaft des k. und k. Heeres im Jahre 1897. Über Anordnung des k. und k. ReichsKriegs-Ministeriums bearbeitet und herausgegeben von der III. Sektion des k. und k. technischen Militär-Comité. Wien 1898. K. k. Hof- und Staatsdruckerei. Alljährlich mit gewohnter Pünktlichkeit erhalten wir dieses mit staunenswertem Fleiſse und gröfster Übersichtlichkeit hergestellte Werk, das, seines auf genauesten Berichten fufsenden Inhaltes halber, in erster Stelle für unsere militärärztlichen Kreise von hohem Werte ist. Aber auch für Berufsstatistiker sind diese Aufzeichnungen und Tabellen über die Sanitätsverhältnisse der Korps- und Truppengattungen, Garnisonorte, Nationalitäten, Krankenbewegung, Krankheitsformen, Morbilität und Mortalität u. s . w. eine reiche Fundgrube des Studiums , zu welchem Zwecke wir es den beteiligten Kreisen warm 3. empfehlen möchten . Aus Dresdens Maitagen vor 50 Jahren. Jugend - Erinnerungen von Alexander Bucher. Dresden 1899. C. Heinrich. Preis 1,60 M. Im Mai dieses Jahres werden 50 Jahre vergangen sein, seit dem fluchwürdigen, mit einer Frivolität sondergleichen in das Werk gesetzten Dresdener Maiaufstande, der mit Hilfe preufsischer Truppen energisch zu Boden geschmettert wurde . Die vorliegenden Blätter beanspruchen nicht, eine „ Geschichte" desselben zu sein , denn eine solche ist u. a. bereits in dem trefflichen Werke „ v. Montbé , der MaiAuch unsere Aufstand in Dresden 1850 geschrieben worden. „Jahrbücher" haben sich mit demselben vom rein militärischen Standpunkte beschäftigt in einem „Rückblick auf die Maitage 1849 in Dresden "
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von Generalleutnant v. Meyerinck (Jahrbücher f. d . d . A. u . M. 1897 . Septemberheft) . Juli Der Verfasser, augenscheinlich ein ehe maliger sächsischer Offizier, will in diesen „Erinnerungen “ lediglich den jüngeren Leuten ein Bild geben von dem, wie es damals in Dresden aussah und welche schwere Tage die Stadt und ihre Be wohner durchzumachen hatten . Es ist Selbsterlebtes zum gröſseren Teile, was uns hier vorgetragen wird. Darin besteht der Vorzug der Bucherschen „Erinnerungen" , die somit als ein wertvoller Beitrag zur Geschichte jener Tage bezeichnet werden dürfen . - Der Ausbruch der Revolution traf sowohl die Regierung als auch die Truppen gänz lich unvorbereitet. Nichts war geschehen, um den kommenden Ereig nissen, die sozusagen „ in der Luft" lagen, die Spitze zu bieten . Ohne die schleunigst herangezogenen preufsischen Bataillone wäre es den schwachen Kräften der sächsischen Truppen schwerlich gelungen , des Aufstandes Herr zu werden, der doch nach ungefährer Berechnung über 10000, teilweise sehr gut bewaffnete Streiter zu verfügen hatte. Auch vom militärischen Standpunkte bieten diese Blätter vieles sehr Lehrreiche . Gleichzeitig aber gewinnt man, wenn jene Zeiten mit der Gegenwart in Vergleich gestellt werden, die Überzeugung, dafs weder Regierung noch Truppen von Ereignissen , wie die geschilderten, heut zutage jemals wieder wie in jenen blutigen Maitagen überrascht werden könnten . In dieser Hinsicht hat man doch wohl allerorts aus denselben die gebührende Lehre gezogen. in Vergessenheit geraten.
Möge dieselbe niemals 1.
Direktorium, Konsulat und Kaiserreich 1795-1815 . Von Paul Lacroix. Übertragen von Oskar Marschall von Bieberstein . Mit Anhang : Napoleon in der Karikatur. " 15. - 20. Lieferung (Preis jeder Lieferung 60 Pfennige) . Leipzig 1898. H. Schmidt und C. Günther. Mehrfach hatten wir schon die Gelegenheit, auf das rüstige Fort schreiten dieses Prachtwerkes, das etwa 600 Illustrationen der Werke berühmtester Meister enthalten wird, die Aufmerksamkeit zu lenken . Mit der 15. Lieferung beginnt der II . Teil des Werkes 99Wissenschaften und Litteratur" und zwar : 12. Kapitel „ Die Wissenschaften “ , 13. „Die Litteratur", 14. „Die Romane", 15. „ Die Poesie", 16. „Die dramatische Kunst" . Text, Druck und Ausstattung dieser Lieferungen sind vorzüg lich und gereichen der Firma Schmidt u . Günther zu hoher Ehre . 4. Justus Perthes Deutscher Armee- Atlas . Bearbeitet von Paul Lang hans . Mit Begleitworten von Major a. D. Th . Toegel. Gotha. 1899. 7. Perthes . Preis geb. 1 Mk. Der Herr Verfasser hat seinem im vorigen Jahre erschienenen „ Deutschen Marine- Atlas “ nun den vorliegenden, zur Orientierung auf dem Gebiete des Heerwesens ausgezeichnet brauchbaren „ Deutschen Armee-Atlas " folgen lassen. Derselbe ist nicht nur eine Dislokations
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karte des deutschen Reichsheeres , sondern berücksichtigt auch die Heere und Grenzgebiete unserer Nachbarstaaten , ist also für militär politische Studien von besonderem Werte. Zeigen doch die Karten vollständig sowohl das östliche wie das westliche Kriegstheater mit ihren Befestigungen, militärisch wichtigen Verkehrsverbindungen und -Hindernissen und den Standorten der Truppen : im Osten bis Dünaburg und Tschernowitz, im Westen bis Paris, im Norden bis Kopenhagen, im Süden bis an die Polinie . Überaus belehrend ist die Darstellung der Heere Mitteleuropas nach Stärke und Waffen in Armeekorps , der Kommandositze und Territorialgrenzen der letzteren . Besonderes Ge wicht legt der Atlas auch auf die klare und erschöpfende Darstellung des ausländischen Festungswesens . Lagepläne sämtlicher deutscher Festungen und Truppenübungsplätze, Militärpläne von Berlin , München und Dresden, Organisationskärtchen der Armee-, Ingenieur-, Festungs und Pionier- und Fufsartillerie-Inspektionen , der Artillerie- und Train depot- Direktionen, der Linienkommissionen, des Militärbauwesens, der Landgendarmerie u. a. m. vervollständigen den Atlas. Die von Major Toegel verfassten Begleitworte ergänzen die Karten auf das Trefflichste . Dieselben behandeln : Das deutsche Reichsheer nach seiner Gliederung, seinen technischen und Verwaltungsbehörden, sein Ausbildungs- und Erziehungswesen , seine technischen Anstalten ; die Einteilung des Reichsheeres ; Namen deutscher Truppenteile ; Militär-Konventionen ; die Friedenspräsenzstärke des Reichsheeres von 1871 bis 1899 ; Friedens stärke des deutschen Heeres nach Waffen , Staaten und Chargen ; Friedens stärke der Heere Mittel- Europas nach taktischen Einheiten und Kopf zahl ; Stärke der taktischen Einheiten in den Hauptheeren ; die neue Militär- Vorlage von 1899 ; Mobilmachung, Kriegsstärke und Kriegs formationen der europäischen Heere ; Festungswesen und Landesver teidigung der mitteleuropäischen Staaten ; Feuerwaffen und Uniformen. der Hauptheere Europas ; die Militärbudgets der gröfseren Staaten für die Landheere. Der Deutsche Armee-Atlas " ist demnach nicht allein für den Militär, sondern auch für Politiker, Parlamentarier und Zeitschriften ein ausgezeichnetes und zuverlässiges Orientierungsmittel, das wir 1. gern empfehlen . Der Infanterie-Unteroffizier im inneren und im Garnisondienst als Merkbuch für das Gedächtnis von Spohn , Major. R. Eisenschmidt. Preis 1 Mk .
Berlin 1899 .
Dieses Büchelchen belehrt in allgemein verständlicher Weise den Unteroffizier über seine Pflichten und Befugnisse im inneren Dienste, es ist auf Grund praktischer Diensterfahrung geschrieben und wird unseren jüngeren Unteroffizieren ein zuverlässiger Ratgeber sein. Sein Wert als Nachschlagebuch wird durch ein alphabetisches Sachregister erhöht ; da es mit weifsem Papier durchschofsen ist, kann es auch als Notizbuch benutz werden . 4.
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Anleitung zur technischen Ausbildung der Rekruten der königlich preufsischen Eisenbahnbrigade. Berlin 1898. E. S. Mittler & S. Preis 1,60 Mk . Der hier behandelte Lehrstoff ist in 7 Abschnitte gegliedert : Werkzeuge und Geräte , Oberbau , Weichen und Kreuzungen, Rampenbau, Bahnhofsanlagen , Brückenbau und Feldbahnbau ; das Verständnis des Textes wird durch zahlreiche Figuren-Tafeln erleichtert. Die bereits vorhandenen Dienstinstruktionen boten die Grundlage dieser „ Anleitung", in welcher die dem Rekruten einzuprägenden Zahlen sehr zweckmässigerweise durch fetten Druck besonders kenntlich gemacht sind. Für das ausbildende Personal (Offiziere und Unteroffiziere) wird dieses, einem wirklichen Bedürfnis entsprechende Handbuch, ein 3. wesentliches Lehr-Hilfsmittel werden.
Hahn (Hauptmann) und Nienaber (Geh . exped . Sekretär), Die Anstellungsgrundsätze. I. Teil : Grundsätze für die Besetzung der Subaltern- und Unterbeamtenstellen bei den Reichs- und Staatsbehörden mit Militäranwärtern . Mit Genehmigung des königlich preufsischen Kriegsministeriums unter Benutzung amtlicher Quellen erläutert. Berlin 1899. E. S. Mittler u. Sohn . Preis 3,50 Mk., geb. 4 Mk . Dieses Werk soll eine leichte und schnelle Übersicht über die hier einschlagenden Vorschriften ermöglichen und deren richtige Auslegung und Anwendung erleichtern . Es wird allen Militäranwärtern . sowie Behörden und Bureaus ein zuverlässiger Ratgeber sein . — Der noch ausstehende II . Teil wird die besonderen Vorschriften für die einzelnen Dienstlaufbahnen behandeln . 4.
III . Seewesen. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. Heft 3. Aus den Reiseberichten Seiner Majestät Schiffe (hierzu Tafel 3 u . 4) . - Von der deutschen Tiefsee-Expedition . Aus den Fragebogen der deutschen Seewarte, betreffend Häfen . Rio Grande do Sul und San José do Norte (Brasilien). -Porto Alegre (Brasilien). Reise der deutschen Viermastbark „Pindos “ von Kangun nach dem Kanal. Vom Führer des Schiffes Kapt. R. Auhagen. Seglerfahrten von Nord nach Süd über den Äquator im Atlantischen Ocean im Dezember 1897 . Von L. E. Dinklage. - Bestimmung der Niedrigwassermarken im St. Edvardo Mazelle : Meteorologia ed Oceanografia. Lorenz-Golf. Riouw- und Lingga-Archipel (Schlufs). Marine-Rundschau. Heft 3. General Graf Caprivi
.
Die
Kriegsmarinen im Jahre 1898 von Marine Baumeister Süfsenguth (mit 13 Skizzen). Einige Kapitel der Theorie der modernen Schiffsmaschine. Von L. Gümbel (mit 1 Tafel). Über Akkumulatoren . Von Georg Voigt,
Maschinenunteringenieur der kaiserl. Marine (mit
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5 Skizzen) . Mitteilungen und allgemeine Bemerkungen über neuere , im Interesse der Marine ausgeführte geographisch-astronomische Ortsbestimmungen . Von Dr. Adolf Marcuse . -- Die Verwendung der Elektricität auf Kriegsschiffen (Schlufs) . - S. M. Kanonenboot „Albatross" von Geh. Admiralitätsrat Koch . ― Eine Flotte der Jetztzeit (Forts .) . - Thätigkeit der Marine bei Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika 1888/90 ( 1. Forts .) . -- Erfindungen. Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. Nr. 18. Die Entwickelung des technischen Wesens der k. und k. Kriegsmarine in den letzten 50 Jahren (Forts . ) . Kundschafter - Dienst zur See. Fremde Kriegsmarinen . Der White Star liner „ Oceanic" . Der russische Eisbrecher „ Ermack " . Army and Navy Gazette. Nr . 2040. Die Gesundheit der Marine Das Vorgehen des Lord Curzon of Kedleston in der MascatFrage. - Über die englische Marine . Veröffentlichungen von Kapt.Lieut. Weyer in den „Alldeutschen Blättern " . Nr. 2041. Nahrungsmittelzufuhr im Kriege. - Kreuzer-Taktik. Kapitän Mahan über die Kreuzer. Nr. 2042. Das Marine-Budget . - Stapellauf des „ Implacable “ . Gewehrschiefsen .
Neue Schiffsnamen .
Französische Marine-
Landungs-Manöver bei Ajaccio. Über die Explosion in Lagoubran . - Admiral Schleys Rechtfertigung . Army and Navy Journal. Nr. 1852. Der Manila-Feldzug. Unsere Offiziere auf den Philippinen . - Der Friedensvertrag mit Spanien . Nr. 1853. Wie viel Offiziere auf je 1000 Mann in den einzelnen Marinen kommen . Das Gathmann- System des Feuerns starker Explosivstoffe . Admiral Schley bei seiner Selbstverteidigung. Untersee- Boote . - Der Manila-Feldzug. Unsere Befestigungen. Nr. 1854. Zum ersten Mal ein Admiral (Dewey) in der amerikanischen Marine. Bemerkenswerte Briefe Cerveras. Die Fleischuntersuchung. Die Lage auf den Philippinen . Die Lage bei Ilo -Ilo. Nr. 1855. Seeküsten - Befestigungen. Verfahren. Die neuen Schiffe. — neue Konstruktionsplan .
Das Kruppsche PanzerplattenDie Fleischuntersuchung, Der
Revue maritime et coloniale. (Januar 1899. ) Einführung in das Studium der Seetaktik. — Reform der Besoldung der Marine (Forts .) . — Der Schutz des englischen Handels in Kriegszeiten . — Die Taktik in den grofsen Seeschlachten . - Der Torpedo, seine Geschwindigkeit, sein Wirkungsradius und seine zerstörende Kraft. (Februar 1899.) Reform der Besoldung der Marine Schluſs) . — Studie über den ärztlichen Dienst an Bord angesichts des Kampfes. — Der spanisch-amerikanische Krieg. - Die Torpedoboote. Die kaiserlich deutsche Marine. — Flüssiger Brennstoff. - Die Semaphore im Kundschafterdienst. Rivista marittima. (Februar 1899. ) Schiffs- Evolutionen . -
Die Auswanderungs - Politik Das Kriegsgericht und seine Befugnisse . Die Maschinen in Italien während der letzten drei Jahrzehnte.
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eines Seekrieges .
Ein Über die Entfernungsschätzung auf See. Die Autograph des Galileo- Galilei . Mahan und Callwell (Schlufs) . Reform des Prämiengesetzes für die französische Handelsmarine. Der neue „Mercantile Marine Fund Act". Der „Oceanic " mit Abbildung . Sportsegeln. Der Orkan vom 27. November 1898 am Hafen von Genua. Die Küstenbefeuerung des Roten Meeres. Aide-Mémoire de l'officier de marine pour 1899, de E. Durassier, continué par Charles Valentino , 12º année . Volume de 894 pages, Prix 5 francs . Paris , Henri- Charles-Lavauzelle, éditeur. Der spanisch-amerikanische Krieg, nicht minder der englischfranzösische Konflikt anlässlich des Faschoda-Falles haben die Bedeutung der maritimen Streitkräfte für die grofse Landesverteidigung in der schlagendsten Weise bewiesen . Wer zur See nicht ein Machtwort sprechen kann, mufs sich auf nationale Demütigungen, Verlust seines Kolonialbesitzes und seiner Weltmachtstellung unbedingt gefafst machen. Das Studium der Entwickelung der Seestreitkräfte aller Staaten steht darum im Vordergrunde des Interesses in militärischen wie politischen Kreisen , denn „unsere Zukunft liegt auf dem Wasser." Diesem Studium kommt das jetzt schon zum 12. Male erscheinende „Aide-Mémoire" in ausgiebigster Weise zu Hilfe . Es giebt genauen Aufschlufs über Stärke, Entwickelung und Bewaffnung der Kriegsmarinen aller Staaten und ist für genannten Zweck ein unentbehr2. liches Hilfs- und Nachschlagebuch .
IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher. 1. N. T. Mahan. Der Einflufs der Seemacht auf die Geschichte. 1783-1812 . Die Zeit der französischen Revolution und des Kaiserreichs . Auf Veranlassung des kaiserlichen Ober-Kommandos der Marine übersetzt von Vice-Admiral Batsch ( 10. Lieferung) und Vice-Admiral Paschen ( 11. Lieferung) . Berlin 1899. E. S. Mittler u. S. 2. Leitfaden für den Unterricht in der Feldkunde. (Terrainlehre, Planzeichnen und Aufnehmen) auf den königlichen Kriegsschulen . Auf Veranlassung der General-Inspektion des MilitärErziehungs- und Bildungswesens bearbeitet. 10. Auflage. Berlin 1899 . E. S. Mittler u . S. Preis 3,30 M. 3. Leitfaden für den Unterricht in der Befestigungslehre und Auf Veranim Festungskrieg an den königlichen Kriegsschulen . lassung wesens Preis 6 4.
der General-Inspektion des Militär-Erziehungs- und Bildungsausgearbeitet. 9. Auflage. Berlin 1899. E. S. Mittler u . S. M. Sonderabdrücke aus v. Löbells Jahresberichten über die
Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen. Herausgegeben von v. Pelet - Narbonne , Generalleutnant z. D. XXV. Jahrgang : a) Taktik der Infanterie und die Thätigkeit der verbundenen Waffen. 1874-1898 . Von Keim , Oberst. b) Taktik der
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Kavallerie. 1870-1898 . Von v. Brixen , gen. v. Hahn , Major. Von H. Rohne , 1874-1898 . c) Taktik der Feldartillerie. d) Festungs- und Pionierwesen , Militär Generalleutnant. telegraphie . 1874-1898 . Von Frobenius , Oberstleutnant a. D. Berlin 1899. E. S. Mittler u . S. 5. Die deutsche Marine. Unter Zugrundelegung des neuen Flottengesetzes bearbeitet von Luiz Freiherrn v. Liliencron , Ober E. S. leutnant. Mit Illustrationen von W. Stöver. Berlin 1899. Mittler u. S. Preis 40 Pf. 6. Kriegschirurgische Erfahrungen aus dem griechisch-türki schen Kriege 1897. Von Dr. Korsch , Oberstabsarzt. Unter Mit wirkung von Dr. Velde , Stabsarzt. Berlin 1899. E. S. Mittler u . S. Preis 1,50 M. 7. Biographische Volksbücher. (Nr. 70-73. ) Prinzadmiral Adalbert. Von G. Wislicenus , Kapitänleutnant a. D. Mit 14 Ab bildungen. Preis 1 M. , gebd. 1,25 M. Leipzig 1899. R. Voigtländers Verlag . 8. Militärstrafgerichtsordnung vom 1. Dezember 1898 nebst dem Einführungsgesetze . Handausgabe mit Einleitung und Erläute rungen von Dr. G. Weigel , Stabsauditeur . München 1899. Becksche Verlagsbuchhandlung. Preis 3,50 M. 9. W. Roths Jahresbericht über die Leistungen und Fort schritte auf dem Gebiete des Militär- Sanitätswesens. Herausgegeben von der Redaktion der Deutschen militärärztlichen Zeitschrift. XXIII . Jahr Bericht für das Jahr 1897. Supplementband zur Deutschen militärärztlichen Zeitschrift. Berlin 1898. E. S. Mittler u . S. Preis 3,60 M. 10. Précis de quelques campagnes contemporaines par le com mandant E. Bujac . III. Egypte et Soudan . Paris . H. Charles Lavauzelle .
Preis 7,50 Frcs .
11. Le Lieutenant-Colonel Henry ? Paris 1899. Stock, éditeur. 12. General Enrico Della Rocca. 1807-1870. Lebenserinnerungen zur Geschichte der Einigungskämpfe Italiens . Mit Genehmigung des Verfassers übersetzt und bearbeitet von L. v. Bodenhausen . Berlin 1899. E. S. Mittler u. S. Preis 6 M., gebd . 7,50 M. 13. Geschichte des Königreichs Hannover. Unter Benutzung bisher unbekannter Aktenstücke von W. v. Hassell. Zweiter Teil. Erste Abteilung : Von 1849-1862 . M. Heinsius . Preis 9 M.
Mit drei Porträts .
Leipzig 1899 .
14. Kriegsgeschichtliche Einzelschriften. Herausgegeben vom Grofsen Generalstabe . Abteilung für Kriegsgeschichte . Heft 26. Der Kampf um Candia in den Jahren 1667-1669 . Von Bigge , Oberst. Mit 7 Karten, Plänen und Skizzen in Steindruck. Berlin 1899. E. S. Mittler u . S. Preis 2,25 M. 15. Geschichte des Infanterie - Regiments
(6. Brandenburgisches) Nr. 52.
von
Alvensleben
Bearbeitet von Berkun , Major z . D.
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Umschau in der Militär-Litteratur.
Zusammengestellt von v. Schwemler , Hauptmann . Bildnissen, Karten und Plänen . Berlin 1899. E. Preis 9 M.
Mit Abbildungen, S. Mittler u . S.
16. Geschichte des 3. Badischen Dragoner-Regiments Prinz Karl Nr. 22. Verfafst von Sostmann , Leutnant. Mit einem Bildnis des hohen Chefs, 2 Übersichtskarten und 8 Skizzen im Text. Berlin 1898. E. S. Mittler u . S. Preis 7 M. 17. Planzeichnen-Vorlagen (1 : 25000) nach den Musterblättern der königl. Landesaufnahme, zum Gebrauch für Offiziere, OffizierAspiranten, Unteroffiziere und Einjährige . Zusammengestellt und gezeichnet von Glück , Hauptmann . 6 Blätter mit Erläuterungen . 2. Auflage. Stuttgart. Strecker und Moser. Preis 1,50 M. Übersetzt und durch 18. Die französische Schiefsvorschrift. Anmerkungen erläutert von K. Leipzig 1899. Zuckschwerdt u. Co. Preis 2 M.
19. Feldbefestigung. Drei taktische Aufgaben für deren Anwendung, mit Bearbeitung und Besprechung. Von A. Krisak , Oberleutnant. Mit 6 Skizzen in Steindruck. Berlin 1899. E. S. Mittler u . S. Preis 2,25 M. 20. Die Kämpfe der kaiserlichen Schutztruppe in DeutschSüdwestafrika in den Jahren 1894-1896 sowie die sich hieraus für uns ergebenden Lehren . Vortrag, gehalten in der Militärischen Gesellschaft zu Berlin am 19. Februar 1898 von Leutwein , Major. Mit einer Skizze. Berlin 1899. E. S. Mittler u. S. Preis 60 Pf. 21. Geschichte des Oldenburgischen Infanterie-Regiments Nr. 91 . Auf dienstliche Veranlassung für die Mannschaften des Regiments bearbeitet von v. Rohr , verstorbenem Oberstleutnant und bis auf die Neuzeit vervollständigt von Frhr. V. Puttkamer , Hauptmann . Oldenburg u . Leipzig.
Schulzesche Hof-Buchhandlung.
Preis 1 M.
22. Geschichte des 6. Badischen Infanterie-Regiments Kaiser Friedrich III. Nr. 114 im Rahmen der vaterländischen Geschichte und der Spezial- Geschichte von Konstanz populär dargestellt . Auf Befehl des königl. Regiments verfafst von Waenker v . Dankenschweil. Zweite Auflage . Bearbeitet von Keller, Hauptmann . Mit Abbildungen, Skizzen im Text und zwei Karten in Steindruck. 1898. E. S. Mittler u. S. Preis 3 M.
Berlin
23. Der Dienst des Truppen-Generalstabes im Frieden. Von v. Janson , Generalleutnant. Berlin 1899. E. S. Mittler u . S. Preis 3,50 M. 24. Das gefechtmäfsige Abteilungsschiefsen der Infanterie. Welche Wirkung hat es und wie werden die Aufgaben dafür gestellt ? Von H. Rohne , Generalleutnant. Dritte, gänzlich umgearbeitete Auflage . Mit 7 Abbildungen. Berlin 1899. E. S. Mittler u . S. Preis 1,50 M. 25. Souvenirs du Lieutenant Général Vicomte de Reiset . 1775
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bis 1810. Publiés par son petit- fils Le Vte de Reiset. Avec un beau portrait en héliogravure. Paris 1899. Calmann Lévy. 26. Dictionnaire militaire. Encyclopédie des sciences militaires redigée par un comité d'officiers de toutes armes. 13e livraison : Hausse-Intendance . Librairie militaire Berger Lereault et Cie . ParisNancy 1898. Preis 3 Frcs . 27. Kriegervereine gegen Sozialdemokratie. Ein Mahnwort an die gebildeten Stände von Prof. Dr. A. Westphal. Zweite , gänzlich umgearbeitete Auflage. Herausgegeben vom Vorstande des Preussischen Kriegerverbandes . Berlin 1899. Im Selbstverlage des Preussischen Landes-Kriegerverbandes . 28. Handbuch für die Offiziere des Beurlaubtenstandes der Infanterie . Dritte, nach den neuesten Dienstvorschriften bearbeitete Auflage. 13 Hefte in Leinwand-Futteral. Berlin 1899. E. S. Mittler u. S. Preis 5 M. 29. Taktisches Handbuch von Wirth , Hauptmann. Mit Tabellen, 64 Zeichnungen und 1 Skizze . Zweite verbesserte und stark vermehrte Auflage. Berlin 1899. Liebelsche Buchhandlung. 30. Überall. Zeitschrift des deutschen Flotten- Vereins. 3. Heft. März . Berlin. E. S. Mittler u. S.
1899.
Von 31. Strategisch-taktische Aufgaben nebst Lösungen. H. v. Gizycki. Heft 5 (Preis 3 M.) und Heft 6 (Preis 1,50 M.). Fünfte Auflage . Leipzig 1899. Zuckschwerdt u. Co. 32. Meinholds Juristische Handbibliothek. Redigiert von Max Hallbauer. Textausgabe Band 7b Militär - Strafgesetzbuch. mit Anmerkungen, Verweisen auf die Entscheidungen des Reichsgerichts , sowie die Reichs- Militärstrafgerichtsordnung und ausführlichem Sachregister. Von H. Walde , k. sächsischer Divisions-Auditeur. Leipzig 1899. A. Berger. Preis 1,80 M. 33. Taktische und strategische Grundsätze der Gegenwart. Von v. Schlichting , General der Infanterie z. D. Dritter Teil . Truppenführung (Forts.). Zweites Buch : Die Taktik im Dienste der Operationen. Mit vier Kartenbeilagen in Steindruck. Berlin 1899. E. S. Mittler u . S. Preis 6 M.
Druck von A. W. Hayn's Erben , Berlin und Potsdam.
XX.
Die Thätigkeit Moltkes als Chef des Generalstabes . (Vorträge, gehalten in der Versammlung der Generalstabsoffiziere des Militärbezirks Warschau. ) Von Oberstleutnant Borissow , Chef des Stabes der Festung Iwangorod.
(Fortsetzung .) B.
Mitteilung der notwendigen Angaben aus dem Kriegsplane an die Unterorgane.
Die Bearbeitung des Kriegsplanes im detail ist natürlich Sache der Abteilungschefs des Grofsen Generalstabes und Moltke selbst erteilt ihnen die Anweisungen, wie es zu geschehen hat. Unter anderem ist in hohem Grade interessant, wie Moltke sich am 6. Mai 1870 den Vormarsch der Armee gegen die Mosellinie ausgeführt denkt.¹) Moltke entwickelt in diesem Hinweis seinen ganzen Kriegsplan,
und fordert , dafs die Märsche der II. und IV. Armee auf folgender Grundlage angelegt würden : Variante am 23. Mobilmachungstage. Saarburg VIII . A.-K. O 4 Kav.-Div . = 76 Es.
Merzig VII. A.-K. O
III. A.-K.
G.-K.
O St. Avold
I. Armee
O
Forbach