242 31 30MB
German Pages 766 Year 1905
Jahrbücher
für die
deutsche Armee und Marine.
Verantwortlich geleitet
von
Keim , Generalmajor.
1905 Januar bis Juni.
BERLIN W. 8. Verlag von A. Bath. Mohren- Strasse 19.
Printed in Germany
1
Inhalts -Verzeichnis .
Armee, die niederländische und ihre Kriegsgliederung Aufsess , von und zu , Hauptmann, die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz . Balck , Major, Betrachtungen zum Exerzier-Reglement für die französische Infanterie .. v. Boguslawski , Generallt., Nochmals der Schulschritt Fritsch , Hauptmann, Ueber Festungskrieg-Fragen • Frobenius , Oberstleutnt, Neues auf dem Gebiete des Festungswesens . Gefechtsausbildung, infanteristische Gentz, Leutnt. , Das dänische Exerzier-Reglement für die Infanterie . - Deutschland und England in Südafrika v. Graevenitz , Militärische italienische- deutsche Beziehungen in den letzten 40 Jahren . Hildebrandt , Oberstleutnant, Streiflichter von der algerisch-marokkanischen Grenze Invalidenversorgung und Reichswehrsteuer Kartenlupe, Die „Mikrophotoskop" Lohmann , Hauptmann, Applikatorisches Schiessen Manöver , die englischen grossen, im Herbst 1904 . Meyer, Hauptmann, Zur Schiessausbildung der Infanterie . Parst, Hauptm., Infanteristische Probleme v. Pelet - Narbonne , Generallt., Das neue Exerzier-Reglement für die Kavallerie des französischen Heeres Reisner , Frh. Studien
v.
Lichtenstern ,
General ,
Seite 308
642 381 14 434 520 61 190 695 442
198 677 325 558 50 175 271 181
Kriegspsychologische 247, 503 543 v. Pflugk- Harttung. Professor, Bernadotte im Herbstfeldzug 1813 Richter , Generalmajor, Vorbereitende Erkundung gedeckter Artillerie627 Stellungen . · 1 Rohne , Generallt., Der Optimismus in der deutschen Feldartillerie 268 Das Planschiessen der Fussartillerie . 375 Ueber die Feuerwirkung der modernen Feldartillerie 508 Nochmals die P CA ) (RE 496318
IV
Inhalts -Verzeichnis . Seite
Roskoten , Oberleutnt., Das gepanzerte Schnellfeuergeschütz und sein Munitionswagen Rüppell , Major, Vergleich der Grundsätze für die taktische Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie •
288
125
v. Sazenhofen , General d. Kav. , Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerie-Offiziers • 160, 401 665 v. Schmidt , Generalmajor, Französische und deutsche Disziplin • 41 Schulz , Hptm., Sprungweises Vorgehen beim Angriff . Schumburg, Professor, Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung und 421 , 561 Ausrüstung des Infanteristen . 302 Seelemann , Hauptm. , Umgestaltung des gefechtsmässigen Einzelschiessens Spohr , Oberst, Das Scheuen der Pferde, dessen Ursachen, Folgen und Abhilfe 457 Stieler , Generalmajor, Das gefechtsmässige Abteilungsschiessen der Infanterie und das Schiessen mit Maschinengewehren . - Ueber den Normalangriff Zeiss , Hauptmann, Zur Schiessausbildung der Infanterie v. Zepelin, General, Russland und der russisch-japanische Krieg 78, 199, 460, 575, Zobel , General, Die Remontierung der deutschen Armee und die Landespferdezucht . Zöglinge, Die von der Militärschule in St. Cyr . Zwenger , Major, Welche Nachteile hat die Einführung der zweijährigen Dienstzeit bei der Feldartillerie gezeitigt ? Durch welche Mittel können sie ausgeglichen werden Umschau 81 , 207, 386, 467, 584, Bücherbesprechungen . 98, 280, 854, 486, 608,
184 407 661 828, 709
315 58
20 716 788
1
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I.
Optimismus
Der
in
der
deutschen Feldartillerie .
Von H. Rohne, Generalleutnant z. D.
Volle
vier Jahre
sind
verflossen ,
seitdem
unsere
Versuchs-
behörden sich mit dem Rohrrücklaufgeschütz für die Feldartillerie beschäftigen. Zweimal schon - 1903 und 1904 sind die Geschütze von der Truppe erprobt und bereits nach den ersten Versuchen als völlig kriegsbrauchbar erfunden ; fast alle europäischen Staaten haben inzwischen für ihre Feldartillerie das Rohrrücklaufgeschütz angenommen . Dals in Deutschland die Versuche mit diesem Geschütz überhastet wären, wird niemand behaupten können ; viel
eher lässt sich sagen,
dafs das System des Rohrrücklaufs bei
uns sehr heftige Gegner gehabt hat, die es noch vor zwei Jahren, als es bereits überall als das Geschütz der Zukunft anerkannt war, heftig bekämpft haben, freilich mit Gründen, über deren Schwäche man staunen, ja geradezu erschrecken mufste. Man kann darüber jetzt zur Tagesordnung übergehen ; dauern,
denn es kann nur noch Wochen
daſs das Rohrrücklaufgeschütz auch in der deutschen Feld-
artillerie seinen siegreichen Einzug balten wird, nachdem die deutsche Fulsartillerie mit anerkennenswerter Geschwindigkeit und Energie damit vorangegangen ist. In
vielen Kreisen der Feldartillerie herrscht, wie auch in der
Literatur erkennbar, ein gefährlicher Optimismus, der sich darin gefällt, alle vorhandenen Einrichtungen als ganz vortrefflich, jedenfalls besser als die unserer Nachbarn hinzustellen und dadurch jeden Fortschritt erschwert. Dafs die ersten über das neue französische Feldgeschütz bekannt gewordenen Nachrichten mit grofsem Miſstrauen aufgenommen wurden , ist verständlich ; denn solche Leistungen, wie sie
das
Rohrrücklaufgeschütz
aufweist,
wurden
vorher
als
ein
unerreichbares Ideal angesehen . Aber dieses Milstrauen wich auch 1 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine No. 400.
Der Optimismus in der deutschen Feldartillerie.
2 nicht,
als man sich durch den Augenschein an den Geschützen der
deutschen Fabriken hatte überzeugen können, beim Schufs unverrückbar feststanden und Präzision
eine
ganze
Serie
Nachrichten abgeben konnten. Feldkanone 96
von
Schüssen im
dafs sie in der Tat ohne Einbufse an Schnellfeuer ohne
Man wollte nicht zugeben,
dafs die
sich überlebt hätte und behauptete mit einer merk-
würdigen Zähigkeit, dafs sie den Kampf mit den französischen Schildbatterien mit Aussicht auf Erfolg aufzunehmen imstande sei . Ein gütiges Geschick hat uns vor einem so ungleichen Kampfe bewahrt, und da Frankreich jetzt keinen Verbündeten mit voller Ellenbogenfreiheit besitzt, dagegen grofse Schwierigkeiten in seinen Offizierkorps zu überwinden hat, ist anzunehmen, dafs die Neubewaffnung der deutschen Feldartillerie ungestört wird durchgeführt werden können. Mit der Neubewaffnung allein ist es indes nicht getan ; es gilt, die sich mit Notwendigkeit daraus ergebenden Konsequenzen zu ziehen, wenn man die vollen Vorteile aus dieser Mafsregel ernten will.
Aber da stöfst man auf genau denselben blinden Optimismus,
der sich bisher in der Bewaffnungsfrage kundgegeben hat. Die Freunde des Stillstandes wollen nicht zugeben, dafs die Neubewaffnung weitgehende Änderungen in der Organisation, in den Grundsätzen
über
verfahren
die
Verwendung
erfordert.
der
Artillerie
und im
Stellen sie einen Vergleich an,
Schiefs-
so fällt das
Urteil stets zugunsten der bestehenden Einrichtungen aus, wobei sie sich freilich oft auf Gründe von sehr zweifelhaftem Werte stützen. Die wichtigste die Organisation betreffende Frage ist, ob die Batterien fortan aus vier oder sechs Geschützen bestehen sollen und ob für den Fall, dafs man sich für die Herabsetzung der Batterienstärke entscheidet , die Gesamtzahl der Geschütze innerhalb des Armeekorps beibehalten oder herabgesetzt werden soll . Die Vorzüge
der
kleinen Batterien liegen so auf der Hand,
dals sie von
niemanden geleugnet werden können , ja die bei uns ausgeführten Vergleichsversuche haben sogar mit der Feldkanone 96,,, ein für die Herabsetzung der Geschütze auf vier durchaus günstiges Ergebnis gehabt." ) Trotzdem will man die Batteriestärke nicht herabsetzen, selbst nach Einführung der Rohrrücklaufgeschütze nicht, deren gesteigerte Feuergeschwindigkeit dies noch mehr rechtfertigen würde , weil man die Zahl der Geschütze nicht vermindern will und über-
1) Mil. Wochenbl. Nr. 10/1903 „Einiges zur Aufklärung von Rohrrücklauf und Panzer“ ein Aufsatz, dem, nach General v. Hoffbauer, amtliches Material zugrunde gelegen hat.
Der Optimismus in der deutschen Feldartillerie.
3
sieht darüber, dafs Geschütze, die wegen Mangel an Raum oder an Munition nicht zur Tätigkeit gelangen - für beides ist die Wahrscheinlichkeit grölser bei der Batterie von sechs als von vier Geschützen durchaus wertlos sind. Die schon mehrfach von mir hervorgehobenen Gründe für Herabsetzung der Batteriestärke , will ich
nicht wiederholen ;
ich kann
aber nicht umbin ,
darauf hinzu-
weisen, mit welch ' fragwürdigen Mitteln diese Reform von mancher Seite bekämpft wird . Im Laufe dieses Sommers brachten mehrere Zeitschriften (Militär -Wochenblatt Nr. 95/1904 „ Die Frage der Feldartillerie im französischen Heere " , Jahrbücher für Armee und Marine Nr. 396 S. 295 „ Umschau " ) die Nachricht, die Franzosen beabsichtigten die Zahl der Geschütze ihrer Batterien im Kriege wieder auf sechs zu erhöhen . Da diese Nachrichten ohne alle Quellenangaben verbreitet sind und ich trotz eifrigsten Nachforschens in keiner französischen und ausländischen Zeitschrift eine Bestätigung dieser Nachricht gefunden habe, so mufs ich sie bis auf weiteres für durchaus falsch erklären. Die Franzosen sind viel zu klug,
die
von
ihnen
sehr
klar
erkannten Vorzüge der kleinen
Batterien wieder preiszugeben, die allein eine reiche Munitionsausstattung zulassen . Im übrigen müsste das vor kaum Jahresfrist herausgegebene Reglement vollständig umgearbeitet werden. Der Grundsatz des französischen Reglements : die Artillerie möglichst früh zu entwickeln, aber nicht mehr Geschütze in Tätigkeit zu setzen , als der beabsichtigte Zweck es fordert, ist heftig angefochten. Und doch sagt er eigentlich nur etwas Selbstverständliches ; denn es ist unter allen Umständen ein Fehler, für einen kleinen Zweck grofse Mittel , mehr als zur Erreichung desselben erforderlich sind, aufzubieten . Man kann höchstens darüber im Zweifel sein, ob die vom Reglement angegebenen Mittel für den gewollten Zweck ausreichen . Das Reglement sagt (Z. 277) : eine Batterie kann im Bz- Feuer auf allen Entfernungen eine Front von 100 m ohne Wechsel der Seitenrichtung auf Entfernungen
von
2500 m
mit
( mit
32 Schüssen) ,
Wechsel der
Seitenrichtung
eine solche von 200 m (mit 48 Schüssen) ausreichend unter Feuer balten und versteht darunter (Z. 616), dafs keine geschlossene Truppe sich ungedeckt in dem unter Feuer gehaltenen Raum aufbalten kann , ohne solche Verluste zu erleiden , dafs ihre moralische Haltung kann.
erschüttert wird und
sie
Dies bestreiten zu wollen,
den Vormarsch nicht fortsetzen ist geradezu lächerlich,
da hier-
über in Deutschland keinerlei Erfahrungen gemacht sind , während doch angenommen werden mufs , dafs diese Sätze nicht ohne gentigende Unterlage in das französische Reglement aufgenommen sind . 1**
Der Optimismus in der deutschen Feldartillerie .
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nicht, als man sich durch den Augenschein an den Geschützen der deutschen Fabriken hatte überzeugen können, dafs sie in der Tat beim Schufs unverrückbar feststanden und ohne Einbufse an Präzision
eine
ganze
Serie
von
Schüssen
im Schnellfeuer ohne
Nachrichten abgeben konnten. Man wollte nicht zugeben, dafs die Feldkanone 96 sich überlebt hätte und behauptete mit einer merkwürdigen Zähigkeit, dafs sie den Kampf mit den französischen Schildbatterien mit Aussicht auf Erfolg aufzunehmen imstande sei. Ein gütiges Geschick hat uns vor einem so ungleichen Kampfe bewahrt,
und da
Frankreich
jetzt
keinen Verbündeten
mit voller
Ellenbogenfreiheit besitzt, dagegen grofse Schwierigkeiten in seinen Offizierkorps zu überwinden hat, ist anzunehmen, dafs die Neubewaffnung der deutschen Feldartillerie ungestört wird durchgeführt werden können . Mit der Neubewaffnung allein ist es indes nicht getan ; es gilt, mit Notwendigkeit daraus ergebenden Konsequenzen zu ziehen, wenn man die vollen Vorteile aus dieser Mafsregel ernten die sich
Aber da stöfst man auf genau denselben blinden Optimismus, der sich bisher in der Bewaffnungsfrage kundgegeben hat. Die Freunde des Stillstandes wollen nicht zugeben, dafs die Neubewaffnung weitgehende Änderungen in der Organisation , in den Grundwill.
sätzen
über
verfahren
die
Verwendung der Artillerie und im SchiefsStellen sie einen Vergleich an, so fällt das
erfordert.
Urteil stets zugunsten der bestehenden Einrichtungen aus, wobei sie sich freilich oft auf Gründe von sehr zweifelhaftem Werte stützen . Die wichtigste die Organisation betreffende Frage ist, ob die Batterien fortan aus vier oder sechs Geschützen bestehen sollen und ob für den Fall, dafs man sich für die Herabsetzung der Batterienstärke entscheidet, die Gesamtzahl der Geschütze innerhalb des Armeekorps beibehalten
oder herabgesetzt werden soll .
züge der kleinen Batterien liegen so auf der Hand,
Die Vor-
dals sie von
niemanden geleugnet werden können, ja die bei uns ausgeführten Vergleichsversuche haben sogar mit der Feldkanone 96,,, ein für die Herabsetzung der Geschütze auf vier durchaus günstiges Ergebnis gehabt." ) Trotzdem will man die Batteriestärke nicht herabsetzen, selbst nach Einführung der Rohrrücklaufgeschütze nicht,
deren ge-
steigerte Feuergeschwindigkeit dies noch mehr rechtfertigen würde, weil man die Zahl der Geschütze nicht vermindern will und über-
¹ ) Mil . Wochenbl. Nr. 10/1908 „ Einiges zur Aufklärung von Rohrrücklauf und Panzer" ein Aufsatz, dem, nach General v. Hoffbauer, amtliches Material zugrunde gelegen hat.
Der Optimismus in der deutschen Feldartillerie.
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sieht darüber, dafs Geschütze, die wegen Mangel an Raum oder an Munition nicht zur Tätigkeit gelangen - für beides ist die Wahrscheinlichkeit grösser bei der Batterie von sechs als von vier Geschützen ― durchaus wertlos sind. Die schon mehrfach von mir hervorgehobenen
Gründe für Herabsetzung der Batteriestärke , will
ich nicht wiederholen ;
ich kann
aber nicht umbin,
darauf hinzu-
weisen, mit welch ' fragwürdigen Mitteln diese Reform von mancher Seite bekämpft wird. Im Laufe dieses Sommers brachten mehrere Zeitschriften (Militär -Wochenblatt Nr. 95/1904 „ Die Frage der Feldartillerie im französischen Heere ", Jahrbücher für Armee und Marine Nr. 396 S. 295 „ Umschau “ ) die Nachricht, die Franzosen beabsichtigten die Zahl der Geschütze ihrer Batterien im Kriege wieder auf sechs zu erhöhen . Da diese Nachrichten ohne alle Quellenangaben verbreitet sind und ich trotz eifrigsten Nachforschens in keiner französischen und ausländischen Zeitschrift eine Bestätigung dieser Nachricht gefunden habe, so mufs ich sie bis auf weiteres für durchaus falsch erklären. Die Franzosen sind viel zu klug,
die
von ihnen
sehr
klar
erkannten Vorzüge
der kleinen
Batterien wieder preiszugeben, die allein eine reiche Munitionsausstattung zulassen. Im übrigen müfste das vor kaum Jabresfrist herausgegebene Reglement vollständig umgearbeitet werden . Der Grundsatz des französischen Reglements : die Artillerie möglichst früh zu entwickeln, aber nicht mehr Geschütze in Tätigkeit
zu
setzen ,
als
der
beabsichtigte
Zweck
es
fordert, ist heftig angefochten . Und doch sagt er eigentlich nur etwas Selbstverständliches ; denn es ist unter allen Umständen ein Fehler, für einen kleinen Zweck grofse Mittel, mehr als zur Erreichung desselben erforderlich sind, aufzubieten . Man kann höchstens darüber im Zweifel sein, ob die vom Reglement angegebenen Mittel für den gewollten Zweck ausreichen . Das Reglement sagt (Z. 277) : eine Batterie kann im Bz-Feuer auf allen Entfernungen eine Front von 100 m ohne Wechsel der Seitenrichtung (mit 32 Schüssen) , auf Entfernungen von 2500 m mit Wechsel der Seitenrichtung eine
solche von
200 m (mit 48
Schüssen) ausreichend
unter
Feuer balten und versteht darunter (Z. 616), dafs keine geschlossene Truppe sich ungedeckt in dem unter Feuer gehaltenen Raum aufbalten kann, ohne solche Verluste zu erleiden, dafs ihre moralische Haltung erschüttert wird und sie den Vormarsch nicht fortsetzen kann .
Dies bestreiten zu wollen, ist geradezu lächerlich,
da hier-
über in Deutschland keinerlei Erfahrungen gemacht sind , während doch angenommen werden mufs, dafs diese Sätze nicht ohne genügende Unterlage in das französische Reglement aufgenommen sind . 1*
4
Der Optimismus in der deutschen Feldartillerie .
Aus den bekannt gewordenen Schiefsversuchen einer
rumänischen
Batterie von vier Kruppschen Geschützen (vgl. „ Jahrbücher " 1903 Nr. 387 „ Über Schiefsverfahren bei der Feldartillerie " ) geht hervor, dafs diese sogar einen Raum von 300 m Frontbreite mit 48 Schüssen sehr wirksam unter Feuer gehalten hat. gabe dieses Feuers
Die Ab-
spielt sich in so unglaublich kurzer Zeit ab,
dafs eine zweite gegen dasselbe Ziel in Tätigkeit gesetzte Batterie weder die Zeit abkürzen, noch die Wirkung wesentlich erhöhen könnte.
Es kommt lediglich darauf an,
für ein möglichst frühes
Eintreten der Wirkung zu sorgen, d. h. das Einschiefsen nach Möglichkeit abzukürzen, und da hat sich bei französischen Versuchen herausgestellt, was von jedem Einsichtigen niemals bezweifelt wurde, dafs
bei
gleichzeitigem Einschielsen
mehrerer Batterien
gegen ein Ziel die Batterien sich gegenseitig beim Einschiefsen stören und stets mehr Zeit gebrauchten , öfter sich auch falsch einschossen, ¹) als wenn nur eine Batterie schofs (vgl. Revue d'artillerie T. 59 S. 454 99 Le règlement du concentration des feux " ).
16 novembre et la
Es gibt immer noch Leute, die da glauben, es genüge , eine grofse Zahl von Geschützen auffabren und feuern zu lassen, während es doch lediglich darauf ankommt, in kürzester Zeit eine genügende Zahl von Geschossen in das Ziel zu bringen . „ Dals man , gleiche Leistungen auf beiden Seiten vorausgesetzt, mit drei Batterien schneller eine Batterie niederkämpfen kann als mit einer" 2) ist eben kein „,unbestreitbar richtiges Rechenexempel", wie denn überhaupt Taktik und Algebra nur wenig Berührungspunkte miteinander haben . Die französischen (und auch anderswo gemachten) Erfahrungen beweisen eben, dafs die Leistungen unter so verschiedenen Umständen nicht gleich sind, sondern dafs die eine Batterie mehr leistet als die drei . Die in Stellung gebrachten Batterien sollen nach dem französischen Reglement dort durchaus nicht untätig bleiben ; sie sollen vielmehr die ihnen zur Verfügung stehende Zeit ausnutzen , um sich auf die Eröffnung des Feuers vorzubereiten. (Festlegung der Seitenrichtung nach der Mitte des der Batterie überwiesenen Gelände¹ ) Vgl. Kunz „ Kriegsgeschichtliche Beispiele" (Heft 18 S. 11 ) . Die beiden Batterien 3 und 4/5 schiefsen auf dasselbe Ziel, die eine mit 1500 , die andere mit 2250 m Erhöhung. Getroffen hat keine Batterie . Entfernung war 2000 m. 2) Vgl. den Aufsatz " Die taktische Verwendung der deutschen im Vergleich zu derjenigen der französischen Feldartillerie " (Mil. Wochenbl. Nr. 114-116), auf den mehrfach zurückzukommen sein wird.
*
Der Optimismus in der deutschen Feldartillerie.
5
abschnitts, Ermittelung der Entfernung, wenn nötig durch Einschiefsen usw. ) Es ist dem Verfasser des in Rede stehenden Aufsatzes zugegeben, dafs es ,,für jeden Soldaten etwas ganz Unnatürliches hat, ruhig zusehen zu müssen,
wie die Kameraden nebenan in heifsem
Kampfe stehen, während man selbst die Geschütze zur Hand bat und nicht eingreifen darf" ; aber im Kriege kann der Soldat nicht seinen persönlichen Neigungen folgen, sondern hat nach der besseren Einsicht einer höheren Führung zu handeln. Wenn man jeden nur seinem Gefühl folgen lassen wollte, so wäre die Folge davon die vollständige Anarchie. Grofse Führer verschlossen sehr oft ihr Ohr hartnäckig den Bitten ihrer Unterführer um Unterstützung, die sie sicher gewährt hätten, wenn sie sich von ihrem Gefühl , nicht von ihrer besseren Einsicht hätten leiten lassen. Diese Vorbereitung der Batterien auf die Feuereröffnung wird in Frankreich sehr ernst genommen und bildet einen wichtigen Teil der Ausbildung der Offiziere. Der Verfasser des in Rede stehenden Aufsatzes nennt
das
vom französischen Reglement vorgeschriebene
Verfahren ,,umständlich" ; das ist es jedoch nur für den, der nicht damit vertraut ist. Durch vielfache Übung wird es so einfach, wie bei uns etwa das Richten mit Richtfläche .
Das hindert ihn übrigens
nicht , sich der Hoffnung hinzugeben, dafs eine „ deutsche Batterie, wenn sie vorübergehend das Feuer einstellt, sich in ähnlicher Weise verhalten wird, ohne dafs es dazu besonderer Bestimmungen im Reglement bedarf". Das ist wieder ein Optimismus , den ich nicht teile , ja kaum verstehe ; denn es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, daſs man im Kriege nur das macht, was man im Frieden gelernt hat (und leider nicht einmal das immer). Wenn hiernach die gleichzeitige Feuereröffnung aller verfügbaren Batterien , ohne dafs der Zweck es erfordert , durchaus nicht die
erwarteten Vorteile verspricht,
so kann es andererseits keinem
Zweifel unterliegen, dafs eine Batterie , die das Feuer noch nicht eröffnet hat, viel besser in der Lage ist, ihr Feuer nach einer befohlenen Richtung hin abzugeben, darauf vorbereitet hat.
namentlich, wenn sie alles schon
Diesen Grundsatz des französischen Reglements, zwar frühzeitig zu entwickeln,
die Batterien
aber erst nach Bedarf in Tätigkeit
zu setzen, halte ich für einen aufserordentlich glücklichen Gedanken . Er entspricht der Forderung nach 99 Ökonomie der Kräfte" , ohne diese zu zersplittern ; er gewährt der höheren Führung die Möglichkeit, jeden Augenblick eine kräftige Artilleriewirkung zu entfalten und eine viel gröfsere Freiheit, da die noch nicht in Tätigkeit gesetzten Batterien viel besser in ihrer Hand bleiben ; kurz, er beutet
Der Optimismus in der deutschen Feldartillerie.
6
in der glücklichsten Weise
die
durch die Steigerung der Feuer-
geschwindigkeit erzeugte Steigerung der Wirkung aus. Die Batterien brauchen sich durchaus nicht zu zeigen, da die vervollkommneten Richtmittel und das Schiefsverfahren das Feuer aus mehr oder weniger verdeckter Stellung sehr begünstigen. Im Vergleich
zu
übrigen Unterschiede
diesem fundamentalen Unterschied zwischen
dem
deutschen
sind alle
und französischen
Reglement von untergeordneter Bedeutung, und ich übergehe sie daher. Wie ein roter Faden ment der Gedanke,
dafs
zieht sich durch das französische Regledie
hohe Wirkung der Feuerwaffen den
Feind zur peinlichsten Ausnutzung aller Deckungen nötigt, und dafs deshalb die Artillerie danach streben müsse, ihr Feuer von vornherein wirksam
zu machen,
da sie andernfalls mit der Wirkung
zu spät komme . Dessen muss man bei der Beurteilung der französischen Schiefsvorschrift eingedenk sein . Daher verlangt das Reglement die sorgfältigste, ja raffinierteste Vorbereitung des Feuers (Teil 1, 620-20) .
Es legt mehr Wert darauf,
dafs
die gewollte
Wirkung in möglichst kurzer Zeit, als mit einem möglichst geringen Aufwand von Munition eintritt. Diesen Gedanken halte ich für durchaus richtig ; den Gegner kann man nur überwinden, wenn man ihn an der Entfaltung seiner Kraft hindert, indem man ihm zuvorkommt. Daher lieber Munition als Zeit verschwenden, womit aber keineswegs etwa der Munitions verschwendung werden soll . ') Ich kann mich daher mit den
das Wort geredet Grundsätzen der
französischen Schiefsvorschrift durchaus befreunden, einzelnen Satz eintreten zu wollen.
ohne für jeden
Das französische Schiefsverfahren darf als im allgemeinen Als normales Verfahren gegen bekannt vorausgesetzt werden . lebende Ziele stellt die Schiefsvorschrift den „tir progressif" hin, der durch Schnellfeuer einen Raum von 500 m Tiefe unter Feuer hält.
Alle Geschütze richten nach einem leicht erkennbaren Hilfs-
ziel, jedoch mit verschiedener vom Batterieführer befohlenen Seitenverschiebung.
Dies Verfahren hat grofse Ähnlichkeit mit unserem
Schiefsen mit Richtfläche ; da aber die Instrumente genauer arbeiten und die Franzosen im Bz- Feuer keinen Wert auf „ Strich " schiefsen legen, so ist das Einschiefsen nach der Seite ganz einfach. Das Ermitteln der Entfernung geschieht abweichend von der deutschen Vorschrift im Brennzünderfeuer ; die Gabel wird nur bis 1 ) Es ist übrigens sehr die Frage, wo mehr Munition verschwendet wird, ob bei der Abteilung, deren drei Batterien gleichzeitig auf ein ziemlich eng begrenztes Ziel feuern oder dort, wo nur eine Batterie gegen dasselbe Ziel schiefst.
Der Optimismus in der deutschen Feldartillerie.
7
200 m verengt ; dann beginnt das Wirkungsschielsen, das mit einer gegen die kurze Gabel um 100 m kleineren Entfernung anfangend auf vier um je 100 m wachsenden Schufsweiten abgegeben wird. Ob die Seitenrichtung nach jedem Schusse beibehalten oder geändert wird,
hängt von
der Breite des Zieles ab. Ein Ziel von 100 m . Breite und darunter wird von einer Batterie mit gleich bleibender Seitenrichtung beschossen ; bei breiteren Zielen (bis zu 200 m Breite) wird die Richtung nach jedem Schusse verlegt , damit die ganze Front möglichst gleichmässig unter Feuer gehalten wird. Gegen breitere Ziele müssen mehrere Batterien eingesetzt werden, oder die Teile des Zieles werden nacheinander bekämpft . Das Verfahren ist sehr einfach, da es sich ganz mechanisch abspielt ; freilich müssen der Batterieführer oder seine Gehilfen mit den Mefsinstrumenten,
insbesondere dem Goniometer und Batteriefernrohr, umzugehen verstehen, was durch Übung unschwer zu erlernen ist. Am wenigsten entspricht das Einschiefsen mit Brennzünder unseren Anschauungen und gegen dieses richten sich denn auch vorzugsweise die Angriffe . Der Verfasser des bereits oben erwähnten Aufsatzes ficht in einem anderen Aufsatz¹ ) die Behauptung des französischen Reglements (Z. 283) an, dafs die Beobachtung der BzSchüsse im allgemeinen leichter sei , weil unabhängig von der Gestaltung des Geländes (Relief und Bedeckung) und der Beschaffenheit des Bodens. Er ist der Meinung, dafs die Fälle, in denen des Zustandes des Bodens wegen die Az- Schüsse schlecht zu beobachten sind, im Kriege gar nicht oder doch nur selten vorkommen werden ; denn das Ziel kann zu seiner Aufstellung solchen Boden auch nicht gebrauchen und deshalb werden beim Ändern der Entfernung spätestens nach drei verloren gegangenen Schüssen immer wieder beobachtungsfähige Az-Schüsse erscheinen ." Hierzu ist zu bemerken , dafs Z. 296 Absatz 3 des deutschen Exerzierreglements für die Feldartillerie - jedenfalls mit Rücksicht auf die Beobachtung der feindlichen Schüsse - sagt : „ Weicher oder durchschnittener Boden vor
der Front ist günstig, wenn durch ihn die eigene Bewegungsfähigkeit
1) " Vergleich der Schiefsregeln der deutschen und französischen Feld artillerie" (Mil. Wochenblatt Nr. 122-125 ) . Beiläufig bemerkt ist, die Sp. 2478 ausgesprochene Ansicht, das Einschiefsen im Bz-Feuer sei bei direkten Brennlängenkorrekturen leichter ausführbar als bei unseren AufTiefe beobachtungsfähige satzschieberkorrekturen ganz unzutreffend . Sprengpunkte kann man ebensowohl durch Senken der Flugbahn, wie durch Vergrösserung der Brennlänge erreichen . Will man sich im Bz-Feuer einschiefsen, so mufs das Regeln der Sprenghöhe, das wir nach Beendigung des Einschiefsens vornehmen , diesem vorangehen ; das ist der einzige Unterschied.
Der Optimismus in der deutschen Feldartillerie .
8
nicht wesentlich beeinträchtigt wird."
Als die Granate noch das
Hauptgeschofs der Feldartillerie war, schwächte ein solcher Boden auch die Geschofswirkung wesentlich ab ; nachdem aber das Schrapnell deren Haupt-, um nicht zu sagen, Einheitsgeschofs geworden ist, bleibt nur noch der Vorteil bestehen, dafs durch solchen Boden die Beobachtung der feindlichen Az -Schüsse erschwert wird. Des weiteren heifst es in dem angezogenen Aufsatz : „ Die Gestaltung des Bodens aber, die die Az- Schüsse unseren Augen entziehen kann, kommt beim Bz- Feuer wohl ebenso oft zur Geltung,
da ja die Sprenghöhe erst geregelt werden mufs . Es braucht dann nur der Geländewinkel falsch geschätzt zu sein, und es dauert recht lange, bis man beobachtungsfähige Bz-Schüsse bekommt. Was aber trotzdem beim Az. mehr verschwinden würde, wird beim Bz . durch für die Beobachtung zu hohe Anfangssprengpunkte reichlich wieder ausgeglichen werden. " Diese Ausführungen treffen durchaus nicht zu und entspringen aus gänzlich irrigen Ansichten. Zunächst ist zu bemerken, daſs das französische Reglement ein Schätzen des Geländewinkels nach dem Augenmafs überhaupt nicht kennt, sondern (Z. 279) gerade ausdrücklich darauf hinweist, wie wichtig es sei, diesen Winkel genau zu messen . Während die deutsche Batterie beim Schiefsen aus völlig verdeckter Stellung überhaupt nicht in der Lage ist, diesen Winkel zu messen , besitzt die französische Batterie in dem Batteriefernrohr ein vortreffliches Mittel dazu .
Nur für den Fall,
dafs sowohl
das Batteriefernrohr
wie jedes andere Mittel zum Messen (Geschütz mit Kollimateur) versagen, wird die Möglichkeit erwähnt, ihn aus der Karte zu ermitteln, ein Fall , der in der Praxis wohl kaum vorkommen dürfte . Gerade die Unmöglichkeit, den Geländewinkel zu messen , wird den deutschen Batterien das Regeln der Sprenghöben mehr erschweren , als den französischen, worauf nachher zurückzukommen sein wird . Die
Beobachtung von Az- Schüssen
wird besonders
schwert, wenn das Ziel , wie es bei Artilleriezielen wird, auf einer Anhöhe steht. Hat es dann vor Bodenfalte, so werden dem Beobachter nicht nur auch Kurzschüsse leicht verschwinden ; er kann dann
dann er-
die Regel sein. sich noch eine Weit- , sondern nie wissen, ob
seine Schüsse vor oder hinter dem Ziele liegen. Anders aber stebt die Sache bei nicht auffindbaren Bz .- Schüssen . Auch hier weifs der Beobachter nicht, liegen ;
das hat
ob die Sprengpunkte
vor oder hinter dem Ziele
aber auch gar kein Interesse für ihn ;
er will zu -`
nächst nur beobachtungsfähige Sprengpunkte haben, die in Höhe des Ziels oder etwas höher erscheinen , und um die zu erbalten, gibt es nur eine , aber unfehlbar wirkende Korrektur : das Heben der
Der Optimismus in der deutschen Feldartillerie.
9
Sprengpunkte. Ob das nun durch einseitige Vergröfserung der Erhöhung (des Geländewinkels) oder durch Verkürzung der Brennlänge geschieht, ist vollkommen gleichgültig.
Das französische Reg-
lement regelt die Sprenghöhen in erster Linie durch Änderung der Brennlänge und nur in Ausnahmefällen durch Ändern des Geländewinkels. Während die deutsche Schiefsvorschrift (Z. 101 ) zur Beseitigung von Aufschlägen die Stellung des Aufsatzschiebers um einen Teil (rund 50 m) zu ändern vorschreibt, verlangt das französische Reglement, wenn die erste Lage nur Aufschläge ergeben hat, energische Korrekturen
um vier Teile des correcteur (Schieber
an der Tempiermaschine), die die Sprengweite um etwa 80 m ändern. In einer Anmerkung (Z. 288) wird aber bemerkt, dafs man statt einer solchen Korrektur auch den Geländewinkel um 5/1000 (rund 100 m) ändern könne.
Ja, in einem Beispiel (Nr. 8), wo ein
Schiefsen aus völlig verdeckter Stellung vorgeführt wird gegen ein Ziel, das etwa 50 m höher liegt und der Geländewinkel vorher nicht gemessen ist, ändert der Batteriechef, nachdem ein mehrmaliges Verkürzen der Brennlänge erfolglos geblieben, den Geländewinkel um 20/1000, um Sprengpunkte zu erhalten. Es ist also in der Tat nicht abzusehen, warum es bei der französischen Batterie recht lange dauern soll, ehe sie die Sprengpunkte geregelt hat. Ich meine im Gegenteil , dafs es ihr leichter sein mufs ; sie kann energische Korrekturen vornehmen , während, wie erwähnt , die deutsche Schiefsvorschrift nur Korrekturen um einen Teil vorsieht.
Ich gebe gern zu,
dafs
ein Schiefs künstler auch mit der
deutschen Batterie energische Korrekturen vornehmen kann ; er mufs sich aber stets merken , um wie viel Teile er den Aufsatzschieber
nach
dem
Übergang
zum
Brennzünder
geändert hat , weil er dementsprechend mit der Entfernung vor- oder zurückgehen mufs. Von dieser Gedankenarbeit ist der französische Batterieführer vollständig frei -- und darin sehe ich einen sehr grofsen Vorteil.
Das ist lediglich die Folge davon,
dafs das Regeln der Sprenghöhe dem Ermitteln der Entfernung vorausgeht. Richtig ist ,
dafs beim Einschiefsen mit Bz manche Schüsse,
weil zu hoch gelegen ,
nicht zu beobachten sind .
Dieser Umstand
war früher von gröfserer Bedeutung, einmal, weil die Sprengwolke früher sehr viel kleiner war, als neuerdings , und dann, weil durch die grofse Gestrecktheit der Flugbahn der modernen Geschütze die Höhenstreuung der Schrapnells wesentlich abgenommen hat. Der beste Beweis, dafs die Beobachtung der Bz-Schüsse nicht so schwierig sein kann, dürfte wohl darin liegen, dafs die schwedische und die
Der Optimismus in der deutschen Feldartillerie.
10 dänische
Feldartillerie nach Einführung der Rohrrücklaufgeschütze
auch das Einschiefsverfahren der französischen Artillerie im grofsen und ganzen angenommen haben, ganz besonders auch das Einschiefsen mit Brennzünder. Ganz unverständlich ist mir die (Sp. 2779 des Mil. Wochenbl . Nr. 124 ausgesprochene) Ansicht,,,dals die auf ein Tausendstel geregelten Sprenghöhen doch nicht immer ohne weiteres zu zugehörigen Sprenghöhen" (von drei Tausendstel) ,,übergehen , wenn der Schieber zwei höher gestellt ist ; es wird vielmehr noch manches mal ein weiteres Regeln erforderlich sein." Ich mufs gestehen, ich kann mir nicht einmal vorstellen, dafs die Sprengpunkte nicht die richtige Höhe erhalten. Ich weils zwar, dafs die Korrektur mit dem ,,correcteur" die
Sprengpunktslage
auf den
kleinen Entfernungen
stärker ändert als auf den grofsen ; der Unterschied ist aber bei weitem nicht so grofs wie die Unterschiede, die wir durch die Korrekturen mittelst des Aufsatzschiebers in den Kauf nehmen müssen.
Ob der mittlere Sprengpunkt um 2 oder 3 m höher oder
tiefer liegt, ist für die Schrapnellwirkung im höchsten Grade gleichgültig, um so mehr, wenn durch ein Streuverfahren ein Raum von grofser Tiefe unter Feuer gehalten wird . Wie befangen das Urteil des Verfassers über das französische Schiefsverfahren ist, geht auch daraus hervor, dafs er diesem die grofse Freiheit, die das Reglement dem Batterieführer gewährt, zum Vorwurf macht : ,,Das französische Reglement zeigt durch das Gestatten grundsätzlich verschiedener Arten des Wirkungsschiefsens Widersprüche in sich selbst. Das Schrapnell Bz ist ein Streugeschofs , daher ist eine gewisse Weite der Gabel logisch richtig . Die Begrenzung dieser Weite mufs durch den Haushalt an Munition beim Wirkungsschiefsen und durch die notwendig vergehende Zeit bis zu der erwartenden Wirkung geschehen . Die Franzosen aber gestatten auf der einen Seite die Weite nach Belieben auszudehnen und empfehlen auf der anderen wieder das Schiefsen auf nur einer Entfernung nach Erhalt der 50 m - Gabel ." Das französische Reglement tut damit nichts anderes, als was unsere Vorschriften überall tun , wenn sie empfehlen, das Handeln den jeweiligen Umständen anzupassen . Gerade diese Freiheit, die der Batterieführer in der Wahl der Mittel hat , ist ein grofser Vorzug des Reglements. Handelt es sich darum , dem Gegner zuvorzukommen und das wird wohl der am häufigsten vorkommende Fall sein so ist der Hauptwert auf frühzeitigen Eintritt der Wirkung zu legen ; dann ist der „tir progressif" am Platz ; so z. B. im Kampfe gegen Artillerie . Ist der Zweck erreicht, der Gegner lahm gelegt, so ist damit noch keine endgültige Ent-
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Der Optimismus in der deutschen Feldartillerie.
scheidung gefallen, da der Gegner jeden günstigen Augenblick benutzen wird, den Kampf wieder aufzunehmen. Wenn der Batterieführer gegen dieses Ziel den ,,tir progressif" wiederholen wollte, so wäre das ein Fehler, eine unnütze Munitionsverschwendung . Ebenso falsch wäre es, bekümmern.
sich nun gar nicht weiter um das Ziel zu
Hat die Batterie keinen anderen Gegner zu bekämpfen,
so wird der Batterieführer nunmehr zu dem
„,tir par salves
au
commandement du capitaine" übergehen und dabei versuchen, die 200 m-Gabel im ruhigen Feuer zu verengen, um das Ziel demnächst, wenn es nötig sein sollte, durch Feuer auf einer Entfernung oder, falls die Bildung einer Gabel von 50 m nicht gelungen , auf zwei oder auch drei Entfernungen schnell nieder zu werfen. Gerade weil sowohl Haushalten mit der Zeit, als auch mit der Munition geboten ist,
bedarf der Batterieführer der ihm gewährten Freiheit.
Übrigens ist die Weite der Gabel keineswegs in das Belieben des Batterieführers gestellt . Er soll bemüht sein, eine Gabel von 200 m zu bilden und nur, wenn ihm das nicht gelingt, kann er sich mit einer weiteren Gabel begnügen ; die Sache liegt hier genau so , wie bei der deutschen Schiefsvorschrift Der Verfasser meint (Sp . 3001 ) :
(vgl. Z. 105 Abs. 2) .
„ Es läfst sich freilich mathe-
matisch nachweisen, daſs beim „,tir progressif" eine feindliche Batterie in 4 '/2 Minuten 25 Treffer haben kann. Meiner Ansicht nach mufs hier aber betont werden, dafs die Wissenschaft wohl zu berechnen imstande ist, wie sich ein solches Schiefsen gestalten kann , niemals aber,
wie
es sich voraussichtlich gestalten
wird
oder gar mufs.
Und schliesslich setzt nicht jeder der wirklich erreichten Treffer einen Mann aulser Gefecht. " Diese Bemerkung scheint auf eine von mir in meinem Buche ,,Die französische Feldartillerie" (S. 50 ff. ) aufgestellte Rechnung abzuzielen . Ich glaube nicht, daſs jemand, der die betreffende Stelle liest, namentlich wenn er sonstige Schriften von mir kennt, auf den Gedanken kommen kann , als ob ich damit hätte sagen wollen, der „,tir progressif müsse in jedem Falle ein solches Treffergebnis liefern . Ich wollte nur die aufs Gerate wohl ausgesprochene Behauptung widerlegen, daſs dieses Verfahren gleichbedeutend mit Munitionsverschwendung sei und eine Vorstellung davon geben, was man davon erwarten dürfe.
Das war
in der Tat sehr notwendig , da darüber ganz irrige Vorstellungen berrschten. General v. Hoffbauer veranschlagte die Wirkung z. B. so niedrig, dafs er glaubte, es sei ein fünf- bis sechsmaliges Wiederholen des „,tir progressif" notwendig, um eine ausreichende Wirkung zu erlangen. Solche falschen Vorstellungen konnten, ja muſsten dann zu der Folgerung führen, dafs die deutsche Batterie mit ihrem
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Der Optimismus in der deutschen Feldartillerie.
Schiefsverfahren der französischen nicht nur gewachsen , sondern weit überlegen sei. Dieser gefährliche Optimismus hat wesentlich mit dazu beigetragen , dafs die Umbewaffnung der deutschen Artillerie sich so in die Länge gezogen hat. Dals meine Berechnung zu annähernd richtigen Ergebnissen führt, geht deutlich aus dem bereits erwähnten Schiefsversuch in Rumänien hervor. Die von mir errechneten Trefferzahlen stimmen fast genau mit den wirklich erreichten überein (vgl. den Aufsatz Schiefsverfahren bei der Feldartillerie" , Jahrbücher ,,Über 27 1903 Nr. 387 S. 615). Dieser Versuch war deshalb so interessant, weil hier zum ersten Male die beim Schiefsen nach französischem Muster erreichten Ergebnisse veröffentlicht wurden . Die schwedische Feldartillerie- Schiefsschule hat übrigens dieselbe Berechnung wie ich angestellt und die Resultate durch die Wirklichkeit bestätigt gefunden (Jahrbücher Nr. 392, 1904, S. 523). Dafs 25 Treffer nicht auch 25 Leute aufser Gefecht setzen, bedarf ich um so weniger einer Belehrung, als ich selbst Stelle gesagt habe, dafs dadurch vielleicht etwa 20 jener an Figuren getroffen werden , wobei eine gleichmässige Verdarüber
teilung der Treffer vorausgesetzt ist . Für Skeptiker will ich noch hinzufügen, daſs das Einschiefsen für den ,,tir progressif" nach meiner Schätzung 21, Minute in Anspruch nimmt und dafs das genau mit der Zeit übereinstimmt, die bei einem in Frankreich ausgeführten Schiefsen , über das die Revue d'artillerie im März 1902 (S. 460) berichtet, gebraucht ist.
Bei den
in Rumänien ausgeführten Schiefsen dauerte das Wirkungsschiefsen , für das ich zwei Minuten veranschlagt habe, einmal (tir fauchant) 52, das zweitemal (mit gleichbleibender Seitenrichtung) nur 40 Sekunden . Man kann mir hiernach wohl nicht vorwerfen, dafs ich eine für das französische Verfahren zu günstige Annahme gemacht habe . Man hätte sich übrigens sehr leicht durch ein Schiefsen mit
einer der vielen Versuchsbatterien von der Wirkung des ,,tir progressif überzeugen können ; das wäre das beste Mittel gewesen, alle hierüber herrschenden Zweifel zu beseitigen. Die im vorstehenden gekennzeichneten Anschauungen stehen keineswegs vereinzelt da und nur das war die Veranlassung für mich, sie so eingehend zu beleuchten. Sie sind bezeichnend für den verhängnisvollen Optimismus, der weite Kreise der Artillerie ergriffen hat. Unheilvoller Optimismus hat mehr als einmal die Folge gehabt. daſs die Vorbereitung auf den Krieg nicht gründlich betrieben wurde . Das haben zu ihrem grofsen Schaden im Jahre 1870 die Franzosen , 1899 die Engländer und in der allerjüngsten Zeit die Russen an
Der Optimismus in der deutschen Feldartillerie.
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sich erfahren . Auch wir verspüren die bösen Folgen in Südwestafrika am eigenem Leibe . Dals die Österreicher die Vorteile des Zündnadelgewehres verkannten, hat ihnen die Hegemonie in Deutschland und eine schöne Provinz gekostet ; wir haben mit Strömen von Blut dafür zahlen müssen, dafs unsere Infanterie im Kriege 1870 mit einem minderwertigen Gewehr gegen die Franzosen kämpfte. Die Rolle der Kassandra war von jeher eine undankbare, weil sie niemals Glauben fand . Trotzdem halte ich es für notwendig, darauf hinzuweisen,
dafs mit Einführung der Rohrrücklaufgeschütze
die Arbeit erst halb getan ist. Die neue Waffe fordert unbedingt ein für sie passendes Reglement, Schiefsverfahren und neue Grundsätze für
ihre Verwendung.
Wenn man aber alles Bestehende für
vorzüglich erklärt, so hat man ja gar keinen Grund , Änderungen vorzunehmen. Ich behaupte nicht, dafs die französischen ohne weiteres zu kopieren sind, wohl aber, dafs sie vorurteilslos und unbefangen geprüft werden müssen und die dazu erforderliche Objektivität vermisse ich in der Literatur, die , man sage dagegen was man will, spiegelt.
doch den geistigen Zustand am deutlichsten wieder-
So lange
man kein klares Bild
von der Wirkung des
Rohrrücklaufgeschützes im Schnellfeuer und speziell des französischen Schiefsverfahrens besitzt, kann man kein richtiges Urteil über die Vorschriften des französischen Reglements haben. Und dafs es an dieser Anschauung fehlt, darüber kann nach dem vorstehenden gar kein Zweifel sein. Daſs man mir nach diesen Darlegungen den Vorwurf der ,,Gallomanie" macht, sehe ich voraus, fürchte ihn aber eben so wenig, wie den anderen, dafs dadurch Beunruhigung in die Armee getragen werde. In bezug auf den ersten Vorwurf verweise ich auf meine früheren Schriften, in denen stets die vorhandenen Schwächen des französischen Geschützes hervorgehoben sind . Das hat mich aber nicht abhalten können , die Überlegenheit dieses Geschützes über die deutsche Feldkanone 96 offen auszusprechen. Das deutsche Geschütz zeichnet sich durch keinen einzigen genialen, ja auch nur neuen Gedanken aus,
während
die der Konstruktion
des französischen Geschützes zugrunde liegende Idee einen wirklich grofszügigen Charakter trägt. Der Kühnheit des Gedankens , das Geschütz unverrückbar festzustellen, steht die Genialität, mit der diese Idee verwirklicht ist, ebenbürtig zur Seite. Die Einführung dieses Geschützes bedeutet in der Tat den Beginn einer neuen Ära in der Entwickelung der Feldartillerie. sondern die
die
Ursache
Nicht die Anerkennung ,
anhaltende Verkennung dieser Tatsache ist der Beunruhigung ,
wenn
eine
solche vor-
Nochmals der Schulschritt.
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handen ist. Die Hartnäckigkeit, mit der das geleugnet wurde, nötigt zur um so lauteren Verkündigung der Wahrheit, die sich in Deutschland zwar brochen hat.
langsam,
aber dennoch unaufhaltsam Bahn ge-
Die Notwendigkeit der Neubewaffnung der Feldartillerie wird wohl von niemand mehr bestritten ; dafs diese Mafsregel Änderungen der Organisation, der taktischen Verwendung und des Schiefsverfahrens und
zwar in der von mir seit langer Zeit vertretenen
Richtung folgen werden, ist meine unerschütterliche Meinung. Nur dadurch kann die deutsche Feldartillerie den ihr abgewonnenen Vorsprung wieder einholen.
II.
Nochmals der
Schulschritt.
Von Generalleutnant v. Boguslawski.
Ziemlich spät habe ich auf Reisen den im Juli- Heft enthaltenen Artikel des Herrn Oberleutnant Wolf, betitelt der ,,Schulschritt", gelesen, der sich mit meinem unter gleichem Titel erschienenen Aufsatz in Nr. 58/1904 des M. W.-B. beschäftigt. Der Sinn des Artikels des Herrn Verfassers, kurz wiedergegeben, ist folgender. Er greift es an, dafs ich die Beibehaltung des Schulzugleich aber schrittes empfehle, - den er ganz abschaffen will das Durchdrücken des Knies bei einem Marschtempo von 114 Schritt als unmöglich bezeichne und das Durchdrücken daher aus dem Reglement gestrichen wissen will . Er behauptet zuvörderst, dafs wir damit den ,,natürlichen Gehschritt" annehmen würden ,,,wie er zu allen Zeiten und auch wohl bei den Kriegsleuten im Gefecht die Regel bildete." Er befindet sich im Irrtum.
Der Schulschritt würde immer noch
gekennzeichnet sein durch das scharfe Vorbringen des Fufses und das flache Hinsetzen desselben auf den Boden, ferner das Innehalten eines gewissen Tempos. Kein Mensch setzt nämlich beim natürlichen Gange den ganzen Fufs flach auf den Boden , sondern auch der Mann von bester Haltung tritt zuerst mit dem Hacken (Ferse) auf.
Jede
Nochmals der Schulschritt.
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Man versuche Momentphotographie beweist dies augenscheinlich . aber einmal beim Tempo von 114 Schritt das Knie ganz durchzudrücken , und man wird inne werden, dafs dies auch der beste Exerzierer niemals
getan hat.
Der Marsch könnte dann gar nicht
in dem Tempo von 114 ausgeführt werden.
Wie so manche Einzel-
heiten und längst verlassene Dinge in neue Vorschriften da und dort übernommen werden, so ist das Durchdrücken des Knies aus den preussischen Reglements des 18. Jahrhunderts in die von 1812, 1847 und 1888/89 hinüber genommen worden.
Beim Avancieren im
Tempo von 75 bis 80 Schritt in der Minute war das vollständige Durchdrücken des Knies möglich und sogar geboten. Jetzt ist es unmöglich. Nur ein leichtes, nicht vollständiges Anspannen des Kniegelenkes wird ausgeführt. Ich glaube, es würde unschwer sein, dies im Reglement zum Ausdruck zu bringen. Verfasser will nun aber den Schulschritt ganz fallen lassen. Ich habe mich mit diesem Thema schon 1872 in meinem sehr verbreiteten kleinen Buche ,,Ausbildung und Besichtigung oder Rekrutentrupp und Kompagnie" beschäftigt - was ich auch in jenem Militärwochenblatt- Artikel anfübre - und mich nach längerer Prüfung und Überlegung für Beibehaltung ausgesprochen. Der Herr Verfasser führt das oft gehörte Argument an, daſs man den Schulschritt im Gefecht nicht anwende, und dafs seine Einübung, in Anbetracht der Vermehrung der Dienstzweige, viel Zeit fortnehme, dafs man ferner die Disziplin auf andere Weise fördern könne. Er sagt : „,Anstrengende Märsche mit darauf folgendem Vorpostendienst, Exerzier- und Felddienstübungen und im unmittelbaren Anschlufs darauf Reinigen der Waffen sind auch Übungen, um den Soldaten dahin zu bringen, das gröfste Hindernis der Disziplin, den dem Menschen angeborenen Hang zur Lässigkeit zu überwinden." Hierauf erwidere ich, dafs die Nichtanwendung des Schulschrittes im Gefecht - vielleicht einzelne Fälle in den hinteren Treffen ausgenommen - von mir in jenem Aufsatz lediglich bestätigt wird , dafs dies aber kein Grund ist, ihn fallen zu lassen. Ich könnte mich einfach auf das dort Gesagte berufen , lege aber Wert darauf, auch vor den Lesern der ,,Jahrbücher" meine Ansicht darzulegen.
Auch ist noch manches andere zu sagen.
Ich betrachte
den Schulschritt, und als Vorübung den einfachen langsamen Schritt, zum ersten als eine gymnastische Übung, um den Mann in den Hüften fest zu machen, ihm einen sicheren nicht schwankenden Gang und eine aufrechte Haltung zu verleihen. Der Herr Verfasser wird doch gewifs die gymnastischen Übungen nicht verwerfen , ich halte den Schulschritt für eine ganz besonders zweckentsprechende.
Nochmals der Schulschritt.
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Zum anderen aber dient er in noch höherem Mafse als die gymnastischen anderen Übungen zur Aufrechthaltung der Disziplin, da das Gehorchen hier blitzschnell dem Kommando folgt, und die Bewegung selbst straff und schnell geschieht, endlich das Zusammenschmieden der Truppe im Tritt durch ihn erleichtert wird . Und diese straffen geschlossenen Bewegungen der Truppe werden immer notwendig bleiben . Wenn wir freilich, schon auf 3-4000 m vom Kanonenfeuer erreicht, unsere geschlossenen Formationen verlassen wollen, dann werden wir ja sehen, wieviel wir an den Feind heranbringen. Marsch-Vorpostenübungen, Gewehrputzen usw. sind keine direkten Mittel zur Einprägung oder Aufrechthaltung der Disziplin. Sie sind eine Probe auf die bereits erworbene Disziplin . Neuerdings hat ein Arzt den Schulschritt als Ursache von dem und jenem an den Beinen auftretenden Übel bezeichnen wollen. Das hätte denn doch seit 200 Jahren eher bemerkt werden müssen . Überanstrengung kann freilich auch die nützlichste Übung zu einer schädlichen machen . Zur Gewöhnung an strikten Gehorsam dienen nicht nur moralische Mittel, sondern die Genauigkeit und Straffheit unseres geschlossenen Exercitiums und unserer Formen sind auch ein wichtiges Hilfsmittel. Sie üben eine unmittelbare Einwirkung auf den Mann aus.
Die
Ausführung geschlossener Bewegungen im Tritt in der bisherigen Weise sind ohne Schulschritt aber nicht gut denkbar . Wenn es nun aber richtig ist, dafs der Schulschritt im Gefecht keine Rolle spielen wird, so fragen wir, ob dies beim Längssprung und den Übungen am Querbaum der Fall ist. Es gibt aber noch andere Momente im militärischen Leben, in denen er sehr wohl an der Stelle ist. Nicht zum ersten Male hat das scharfe Kommando : Halt ! Richt Euch ! Bataillon Marsch ! an einem
heilsen Marschtage
einen widerwilligen und widersetzlichen
Reserve- oder Landwehrtransport oder auch eine formierte Truppe mit darauf folgendem Marsch im Schulschritt in volle Ordnung gebracht.
Ich spreche hier aus mehrfacher Erfahrung.
Als das Füsilierbataillon Regiments 59 bei Wörth sehr lange untätig im Kanonenfeuer stehen mufste und sich Unruhe bemerkbar machte, liefs der Oberstleutnant Kumme auseinanderziehen und langsamen Schritt üben. Ein anderes Beispiel von der Macht strammer Exerzierausbildung : Die 10. Kompagnie Regiments 50, während der Belagerung von Paris zu der jeden Morgen stattfindenden Erkundung vorgesandt, verfehlt in der Dunkelheit die Richtung , ihre Spitzen schieben sich seitwärts, und so stöfst sie unvermutet auf den starken französischen Posten in dem Gehröft La Fouilleuse vor dem
Nochmals der Schulschritt.
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Mont Valérien . Von Chassepotfeuer empfangen , macht der vordere Zug Kehrt. Aber Hauptmann von Beyer kommandiert : ,, Ganzes Bataillon Front ! Richt Euch ! Achtung , Präsentiert das Gewehr!" Die Leute stehen wie angemauert. Der Hauptmann richtet die Kompagnie aus sodann erst : ,,Der vordere Zug schwärmen!" Die hinteren Züge gingen im strammen Tritt zurück .
Die Schützen folgten .
Das sind Extraordinaria, und wer meine schriftstellerische Tätigkeit seit dem Jahre 1868 kennt, wird wohl glauben, dafs ich unsere Taktik nicht darauf gebaut wissen will .
Wird man es mir übel
auslegen, wenn ich der jungen Generation gegenüber daran erinnere , dafs ich zuerst nach dem französischen Kriege den Grundsatz aussprach : Der Schützenschwarm ist die Gefechtsformation der Infanterie ." Aber andererseits beweisen solche Ausnahmefälle wie die oben zitierten doch die Gewalt, die ein straffes Exerzitium auf die Mannschaft ausübt. Der Herr Verfasser bringt nun in Erinnerung, daſs ich in einer früheren kleinen Schrift das Vordermannnehmen durch die ganze Kolonne als eine zwecklose nutzlose Peinlichkeit verwerfe. Die unnütze Peinlichkeit hat aber mit der Straffheit nicht das mindeste zu tun.
des Exerzitiums
Sie bringt keinen ,,Zug" in die Mannschaft,
sondern langweilt jedermann ,
und
dies ist das Schlimmste, was
passieren kann. Das Vordermannnehmen durch die ganze Kolonne ist nur dadurch entstanden, weil man es hübsch gefunden hat, derart durch die ganze Kolonne hindurchsehen zu können . Dagegen ist ohne straffe Seitenrichtung ein Zusammenhalt nicht denkbar. Auch im Treffenverhältnis müssen die vorderen Staffeln gerichtet sein, was sich natürlich im Feuer nach dem Gelände modifiziert. Ich habe stets
für die Vereinfachung der Formen gekämpft, will
aber in einer Zeit, in der durch die revolutionären Strömungen die Aufrechterhaltung der Disziplin auf das Äufserte erschwert wird, nicht aufserliche Hilfsmittel über Bord werfen, ohne einen passenden Ersatz dafür zu haben . Täuschen wir uns doch jetzt im Frieden nicht über die Einwirkung dieser Strömungen. Sie wird sich freilich erst zeigen während einer wirtschaftlichen oder äulseren Krisis . Ich kann nicht finden,
dafs ,,neben der Strenge der Formen eine
gewisse Steifheit einherzugeben pflegt".
Dieser Standpunkt ist ein
längst überwundener. Der Kommandeur, in dessen Truppe so etwas gefunden wird, wie der Herr Verfasser beobachtet haben will, müfste
gemalsregelt
werden.
Eine
Notwendigkeit
im
Exerzier-
reglement, die „ Grenzen deutlich zu ziehen, die zur Erzielung gröſserer Strammheit und Gleichmässigkeit nicht überschritten werden dürfen", liegt durchaus nicht vor. Ein Reglement soll m. E. nur Jahrbücher für die deutsche Armee and Marine. No. 400. 2
Nochmals der Schulschritt.
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sagen, wie es gemacht werden soll . Ausdruck
bringen ,
was
verboten
ist.
Keineswegs soll es zum
Das
würde
eine
unnütze
Weitschweifigkeit werden. Zur Verhütung, dafs der für das Gefechtsexerzieren gelassene Spielraum dem Geist des Reglements zuwider ausgenützt wird, sind die Vorgesetzten da.
Und so kann ich wohl
hier wiederholen, was ich vor nunmehr zweiunddreifsig Jahren gesagt habe, dafs nämlich passende Besichtigungen die Hauptsache sind - aber vor allem nicht zu viele . Besichtigungen, in denen das Schulexerzieren und die Gefechtsausbildung im Gelände zu gleicher Zeit geprüft werden, nicht auf Wochen oder Monate getrennt, durch die Einheitlichkeit der Ausbildung eben verloren geht.
wo-
Im weiteren Verlauf seines Artikels kommt der Herr Verfasser auf den Schritt, den man jetzt beim Erweisen der Ehrenbezeugungen in der Bewegung ausführen sieht und nennt ihn ebenfalls den ,,Stechschritt". Wie kann man denn einen Schritt so bezeichnen , in dem
die Fülse in die Höhe geworfen und sodann scharf zurück-
gezogen und auf das Pflaster aufgeknallt werden ? Dieser „,Honneurschritt", wie ich ihn genannt habe, ist eben - ich vermag mich nicht anders auszudrücken - ein reglementswidriger Unfug. Weiter sagt der Herr Verfasser :
dafs ich mich am Schlufs ,, in
scharfer Weise gegen die Ideologen wende, die nur Friedensverhältnisse im Auge und Kriegsverhältnisse niemals gekannt haben , oder sich nicht in sie versetzen können." Wenn er sich veranlafst
sieht,
meine
Ausdrucksweise
,,hart" zu finden,
so
hätte
er eben meinen Satz vollständig zitieren müssen. Er schliefst nämlich mit dem Worte , können' nicht ab, sondern setzt sich folgendermafsen fort ,,und vergessen, dafs der Soldat für den Krieg erzogen werden mufs, dafs er berufen ist, sein Handwerk angesichts des Todes auszuüben." Hätte er den Schlufs des Satzes gehörig beachtet, so würde er wohl inne geworden sein, dafs ich mit den Ideologen ganz andere Leute im Auge gehabt habe als Militärs , die über jene
und diese Dinge
verschiedener Meinung
sind .
Und
dies ist
um so klarer, als ich im vorhergehenden Absatz ausdrücklich von der Verkennung der Disziplin, des Gehorsams und den immer stärker werdenden Angriffen auf die strafgesetzlichen und disziplinaren Mittel spreche. Ich habe diejenigen Schriftsteller, Journalisten und Parlamentarier gemeint, die, ohne gerade Sozialdemokraten zu sein, aus falschen Humanitätsideen der Revolution den Weg bahnen , wie z. B. erst vor kurzem durch die im Reichstage angenommene Resolution betreffend Milderung des Strafmaſses des § 192 des M. St. G. B. geschah. Zwar gibt es auch Militärs, die in Reformvorschlägen
Nochmals der Schulschritt.
jetzt viel zu weit gehen, gerade bezeichnen.
19
aber als Ideologen möchte ich sie nicht
Hierbei wird auch der Wert der Kriegserfahrung gestreift. Gewifs gehört zur Ausnutzung derselben die nötige Denkkraft und Einsicht, und das alte Wort Friedrichs von dem Maulesel, der zwanzig Feldzüge unter Prinz Eugen mitgemacht, wird immer Geltung behalten. Deshalb setzte ich auch 1869 als Motto ein anderes Wort des grofsen Königs auf den ersten Teil meiner ,,Entwickelung der Taktik", welches lautet : ,,Q'importe l'expérience, si elle n'est pas digérée par la réflexion ?" Es hat nun aber in der deutschen Armee stets Männer gegeben, welche Verstand und Einsicht genug besafsen, um diese Erfahrung nutzbar zu machen . Und da möchte ich denn auf zweierlei hinweisen . Zuerst sind die eigenen persönlichen Eindrücke und der Anblick des Zustandes der Truppe in verschiedenen Phasen des Gefechts unschätzbar. Keine Friedenserfahrung kann diese auch nur entfernt ersetzen . In langer Friedenszeit ist natürlich dem
gröfsten Teil der Armee dieses Bild fremd, und so
kann man zu Maſsnahmen gelangen, welche, unter Nichtachtung der moralischen Faktoren, dem Ernstfall nicht angepasst sind . Zum zweiten begegnet man wohl des öfteren der Ansicht, dafs die vervollkommnete Technik der Waffen ganz andere Verhältnisse als 1870/71 herbeigeführt habe, und so herrscht die Neigung vor, die älteren Kriegserfahrungen in ihrem Wert herabzusetzen. Eine Begründung für diese Ansicht müfste nun vor allem durch Vergröfserung der Verluste in den neuesten Kriegen geliefert werden. Dies ist aber weder im Burenkriege noch im russisch - japanischen bis jetzt der Fall gewesen. Im Gegenteil sind die Verluste durchschnittlich hinter denen von 1870/71 zurückgeblieben, wo noch Chassepot und Zündnadel gegeneinander arbeiteten. Woran dies nun gelegen hat, dies zu erörtern ist in diesem Artikel nicht Raum . Soviel aber steht • fest, dals die psychologischen Momente in allen Kriegen die nämliche Rolle spielen werden. Und diese jeder militärischen Generation stets klar vor Augen zu halten , die Anwendung der Kriegsmittel und das Kampfverfahren ihnen anzupassen, das ist der Hauptnutzen der Kriegserfahrung.
2*
20
Welche Nachteile hat d. Einführ. d . zweijähr. Dienstzeit b. d. Feldart. gezeitigt ?
III.
Welche
Nachteile
hat
die
Einführung
Dienstzeit bei der Feldartillerie gezeitigt ? Mittel
können sie
zweijährigen
der
Durch welche
ausgeglichen oder vermindert werden?
Von Zwenger, Major und Abteilungskommandeur im Feldart.- Rgt. von Podbielski (1. Niederschl . ) No. 5 .
Durch Gesetz vom 3. August 1893 wurde neben der Einführung der zweijährigen Dienstzeit für alle Truppenteile zu Fufs auch für die
fahrende Feldartillerie die zweijährige Dienstzeit vorläufig ein-
geführt und durch Gesetz vom 25. März 1899 wurde ihr Bestehen bis zum 31. März 1904 verlängert. In ihrem Einfluss auf die Kriegstüchtigkeit der mobilen Linien-- zwar und Reservetruppenteile ist die zweijährige Dienstzeit von einem nicht als solche an sich , aber doch mittelbar günstigen Einfluss gewesen . Formationen
erhöht,
indem
Sie hat die Kriegstüchtigkeit dieser sie
für den Fall
einer Mobilmachung
mehr Reservisten der jüngeren Jahrgänge zur Verfügung
stellt als
die dreijährige Dienstzeit. Dies ist allerdings nur deshalb der Fall, weil die Mittel des Staates nicht ausreichen, um ebenso starke Jahrgänge bei einer dreijährigen Dienstzeit als Rekruten einzustellen . Denn dadurch würde die Friedenspräsenzstärke des Heeres um 1/ vermehrt , ohne dafs mehr Mannschaften der Reserve vorhanden wären. Dafs die starken Jahrgänge der Reserve günstig ins Gewicht fallen , wird klar, sobald man sich die Formationen ansieht, die ein Armeekorps nach dem Mobilmachungsplan aufzustellen hat. Ich habe zwar nach der Einführung der zweijährigen Dienstzeit zunächst wohl die bedeutend gröfseren Anstrengungen für alle Chargen bei der Ausbildung empfinden und beobachten können , aber bei den Bedienungskanonieren in der Ausbildung und im militärischen Betragen keinen Unterschied gemerkt gegen die frühere dreijährige Dienstzeit. Dagegen trat dieser Unterschied schon bei den Fahrern zutage, weil es an Leuten mangelte, die schwierigere Pferde reiten
Welche Nachteile hat d . Einführ. d. zweijähr. Dienstzeit b . d . Feldart. gezeitigt?
konnten.
Solche Leute
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hatte man unter den dreijährigen immer
einige, während dies bei den Zweijährigen nicht ganz sicher ist . Den gröfsten Teil derjenigen Leute aber, die mit Beginn des zweiten Jahres abkommandiert werden mulsten als Burschen , Fahrer bei Artilleriedepots, Ordonnanzen usw. und deshalb im zweiten Jahre wenig oder gar nicht zum Dienste herangezogen werden konnten, habe ich nach Einführung der zweijährigen Dienstzeit mit dem schmerzlichen Bedauern abgehen sehen, dafs sie nicht genügend ausgebildet und militärisch erzogen waren, und dafs sich bei einer Einziehung im Mobilmachungsfalle dieser Mangel füblbar machen müsse. Dies war bei der
früheren
dreijährigen Dienstzeit mit Dispositionsbeur-
laubungen nicht der Fall. Da konnten Leute im dritten Dienstjahre zu solchen Kommandos genommen werden. Und wenn selbst Leute des zweiten Dienstjahres, deren Ausbildung besonders gut fortgeschritten war, abkommandiert wurden, so konnten diese entweder nach einem Jahre abgelöst werden, um wieder Frontdienst zu tun oder, wo dies nicht geschah, brauchte doch die betreffende Stelle nur alle zwei Jahre mit einem Manne besetzt zu werden . Es gab somit nur halb so viel solcher Leute wie jetzt bei den Reservejahrgängen der Truppen . Daſs die Abkommandierten jetzt in manchen Kommandos alle Vierteljahre abgelöst werden, um wieder Frontdienst zu tun, würde eine vorzügliche Abhilfe dieses Übelstandes sein,
wenn die Batterie
so viele Leute hätte, dafs nun ein solcher Mann den Rest des zweiten Dienstjahres im Dienst verbliebe. Bei der grofsen Anzabl der Kommandos und dem Mangel an geeigneten Leuten dazu , wird aber ein solcher Mann oft nur von dem einen Kommando abgelöst, um bald darauf wieder zu einem anderen geschickt werden zu müssen. Bei der früheren dreijährigen Dienstzeit waren in der Batterie etwas mehr ausgebildete Leute, unter Wahl hatte.
denen
man die
Die Kommandos selbst aber müssen bleiben , denn es kommen bei dem stehenden Heere
nicht nur die Ausbildungsrücksichten in
Betracht , sondern auch die Verwaltungsrücksichten , sowohl ganzen Heeresorganismus als der einzelnen Truppenteile.
des
Die auf den Kammern lagernden und die Bestände des ruhenden Materials der Feldartillerie müssen in sachgemäfser Weise in Stand gehalten werden. Dazu sind Arbeiter nötig auf den Bekleidungs-, Geschirr-, Waffenkammern und in den Wagenhäusern der bestehenden , der Reserve- und der im Mobilmachungsfalle aufzustellenden Formationen. Freilich würde man besser die Verwaltung des Materials
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Welche Nachteile hat d . Einführ. d . zweijähr. Dienstzeit b. d . Feldart. gezeitigt ?
der erst im Kriegsfalle
aufzustellenden Formationen einschliefslich
aller Kolonnen von den aktiven Truppen abzweigen und von den Artilleriedepots eventuell unter Anstellung inaktiver Offiziere und Unteroffiziere besorgen lassen. Für die Mannschaftsküche, für die Instandhaltung der Kaserne und ihrer Höfe sowie der offenen und gedeckten Reitbahnen werden. Leute gebraucht. Die Behörden brauchen Ordonnanzen zu ihrem Dienstbetrieb und schliesslich müssen die Offizierburschen gestellt werden . Die Batterien aber können ihre im Gebrauch stände nicht im Stande halten,
befindlichen Be-
wenn sie nicht je einen Schneider,
einen Schuster und einen Sattler dauernd als Handwerker beschäftigen. Die Zeit, die der Mann bei dreijähriger Dienstzeit nach einer zweijährigen Ausbildung in solchen Kommandos
zubringt, ist für seine
soldatische Erziehung keineswegs verloren, wenn er auch waffentechnisch nicht weiter fortgebildet wird. Er lebt während dieser Zeit immerhin doch in einem militärischen Verbande und unter den militärischen Sitten- und Strafgesetzen ; der Einflufs, den dies auf die Vollendung der Befestigung der militärischen Erziehung ausübt, läfst sich allerdings nicht ziffermäfsig nachweisen ; es ist aber durchaus kein kleiner. Wenn deshalb die zweijährige Dienstzeit bei der fahrenden Feldartillerie beibehalten werden soll, so ist es dringend notwendig, Mittel und Wege zu finden, um möglichst jedem Manne auch eine wirklich zweijährige Ausbildung ohne Abkommandierung zuteil werden zu lassen ; sonst leidet die Kriegstüchtigkeit des einzelnen so sehr, dafs der Vorteil stärkerer Jahrgänge durch die mangelhafte Ausbildung einer grofsen Zahl einzelner Leute derselben mehr wie aufgehoben wird. Das Abwägen der Vorteile
auf seiten der Gesamtformationen
und der Nachteile auf seite der Einzelausbildung führt uns auf vergleichende Betrachtung von Quantität und Qualität. Die Quantität hat ihre Grenzen nicht nur in der Bevölkerungsziffer
des Landes, sondern auch in der Möglichkeit der Bewegung und Verpflegung der Massen. Die Qualität kann auch ihre Grenzen haben, die in den Fähigkeiten des einzelnen Mannes und in der möglichen Dauer der Dienstzeit zu suchen sind. Beide aber, Qualität und Quantität sollen in
möglichster Grölse
vorhanden
einem gewissen Mafse da sein, wenn zielen will.
sein und müssen bis zu
man überhaupt Erfolge er-
Die zweijährige Dienstzeit ruft aufser dem dargelegten Übelstande
Welche Nachteile hat d. Einführ . d. zweijähr. Dienstzeit b. d. Feldart. gezeitigt?
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der vielen Abkommandierungen noch andere Ausbildungsschwierig . keiten hervor. Da bei der zweijährigen Dienstzeit bei der Batterie 50-55 Rekruten eingestellt werden gegen 30 bei der früheren drejährigen Dienstzeit, diese Leute aber dasselbe lernen sollen wie früher die. 30, so ist entweder ein vermehrtes Personal an Unteroffizieren nötig oder die Dienststunden der einzelnen Dienstzweige müssen länger ausgedehnt werden . Das bedingt aber eine Überbürdung des Offizierund Unteroffizierpersonals . Es wird daber unumgänglich nötig sein , beim Unteroffizieretat der Batterie zunächst die bessernde Hand anzulegen. Denn nicht nur die durch die Mehreinstellung herbeigeführte Überbürdung der Unteroffiziere tritt ein, sondern es fällt eine Entlastung fort, die früher vorhanden war. Es ist vielfach behauptet worden,
dafs bei der früheren drei-
jährigen Dienstzeit diejenigen Leute , die im 3. Jahre dienten, in keiner Weise ein Vorbild der jüngeren Leute gewesen wären. Das stimmt in diesem Umfange nicht. Freilich werden bei der Batterie die schlechtesten Leute, die als solche bereits seit ihrem Rekrutenjahre bekannt waren, 3. Jahrgang
auch im 3. Jahre geblieben sein .
aber nur
aus wenigen Leuten bestand,
Schlechten besonders auf.
Da der
fielen
diese
Es gab aber immerhin auch eine Anzahl
recht guter Leute des 3. Jahrganges. Und wenn es auch noch so wenige gewesen wären, so waren sie als Hilfslehrer bei der Rekrutenausbildung doch eine grofse Stütze der Unteroffiziere, ganz besonders im inneren Dienst. Jetzt muss der Batteriechef auf diese Hilfslehrer verzichten, wenn er sie nicht unter den Leuten des 2. Jahrganges suchen will, die zu der Zeit selbst kaum das notwendigste gelernt haben. Die Überbürdung der Unteroffiziere verleidet aber, neben den wenig günstigen pekuniären Verhältnissen, vielen recht brauchbaren Elementen der Batterie,
namentlich im Westen des Reiches,
das
Kapitulieren; es vergrössert sich dadurch der Mangel an tüchtigen Unteroffizieren. Die nötige Zahl der Unteroffiziere mag zu erreichen sein, die Qualität ist aber im Zurückgehen begriffen . Zugleich würde
aber vielleicht eine Statistik dartun, dafs seit
Einführung der zweijährigen Dienstzeit die Invaliditätsverfahren vor beendeter zwölfjähriger Dienstzeit zugenommen haben . Eine Batterie hat einen Etat von 17 Unteroffizieren und 2 Kapitulanten, einschliefslich 1 Wachtmeister, 1 Fähnrich , 1 Quartiermeister and 1 Futtermeister. Von diesen letzteren 4 kann nur der Futter-
24
Welche Nachteile hat d . Einführ. d. zweijähr. Dienstzeit b. d. Feldart. gezeitigt?
meister zu Ausbildungszwecken verwendet werden . Von den andern 13 sind durchschnittlich 2 Unteroffiziere pro Batterie nach 12jähriger Dienstzeit bei einer Behörde
(bezw. als Schutzmann nach kürzerer
Dienstzeit) in Einarbeitung begriffen.
Aus
den Unteroffizieren der
Abteilung sind ferner folgende Kommandos zu
stellen :
2 Fahnen-
schmiede, 1 Küchenunteroffizier, 2, meist 3 Zahlmeister-Applikanten und 1 Wachthabender zur Kasernenwache . Schliefslich kann man im
Durchschnitt
1
kranken Unteroffizier
Das macht im ganzen
pro
Abteilung rechnen.
8-9 nicht zum Dienst verfügbare Unter-
offiziere oder für jede Batterie 3, dazu Wachtmeister, Ouartiermeister und Fähnrich macht 6 und die zur Einarbeitung Abkommandierten macht 8 fehlende Unteroffiziere .
Nun hat jedes Regiment bezw. de-
tachierte Abteilung noch einen Unteroffizier als Gerichtsschreiber und evtl. einen als gerichtlichen Dolmetscher kommandiert,
die dadurch
tagelang dem Dienst entzogen werden . Ein Brigadeschreiber gehört in den Etat eines der beiden Regimenter . Jede Brigade sendet für den Winterkursus 5 Unteroffiziere zur Brigadeschule zur Ergänzung des Feuerwerkspersonals und gibt aufserdem jährlich 3 Unteroffiziere an die Oberfeuerwerkerschule ab, die noch 1-2 Jahre aus dem Etat der Batterie verpflegt werden. Schliesslich ist in jeder Garnison von den Truppenteilen abwechselnd 1 Arresthausaufseher und 1 Unteroffizier in das Garnisonlazarett zu stellen . Das macht im Durchschnitt noch für jede Batterie einen abkommandierten Unteroffizier mehr.
Es
ergeben
sich
also 9 fehlende Unteroffiziere
oder 8 zur
Ausbildung verfügbare Unteroffiziere. Dazu kommen 2 Kapitulanten . Aus dieser Zahl mufs nun noch der Stallwachhabende und der Unter-
1 offizier vom Kasernen- (bezw. Abteilungs- ) Dienst und der Unteroffizier vom Batteriedienst kommandiert werden . Mit den übrig bleibenden Unteroffizieren und Kapitulanten sollen nicht nur über 50 Rekruten ausgebildet, sondern auch die Ausbildung der Leute des 2. Jahrgangs weiter gefördert werden . Schliesslich müssen die Unteroffiziere auch noch täglich mindestens eine Stunde
1 reiten .
Gut wäre
es und fast unumgänglich notwendig,
dafs die
Unteroffiziere noch ein 2. Pferd ritten, die jüngeren zu ihrer Ausbildung, die älteren, um schwierigere Pferde zurecht zu reiten . Bei vielen Truppenteilen geschieht dies auch ; dann fehlen aber die Unteroffiziere noch länger beim Rekrutendienst und es ist schwer zu entscheiden, was das gröfsere Übel ist .
Es kommt fast täglich vor,
dafs der Rekrutenoffizier während der Exerzierzeit 11/2 bis 2 Stunden lang für die Rekrutenausbildung nur 2 Kapitulanten zur Verfügung hat. Kommen dann die Unteroffiziere vom Reiten zurück, so mufs
Welche Nachteile hat d. Einführ. d . zweijähr . Dienstzeit b . d . Feldart. gezeitigt ? sehr
oft der Rekrutenoffizier gehen,
25
um seine Abteilung reiten zu
lassen, so dafs der rechte Zusammenhang leicht verloren geht. Im folgt,
allgemeinen ist
der Unteroffizier
dienstlich beschäftigt :
im Winterhalbjahr,
Vorm . 5-6 Stalldienst ;
wie
730-11 Re-
kraten-Exerzieren ; 12 Appell ; 1 ° Stalldienst ; 2-4 Rekruten-Exerzieren ; 4-5 Unteroffizier-Unterricht ; 6-7 Stalldienst ; 730-830 Putzund Flickstunde der Rekruten. Die Unteroffiziere, welche nicht zum Stalldienst bestimmt sind, haben während der Zeit die Aufsicht über die Fufsmannschaften auf den Stuben. Aufser obigen Dienst bat der Unteroffizier in der Zeit von 6º früh bis 6º abends noch 1-2 Stunden Reiten . Dazu kommt für einzelne in der Woche einige Male Administrationsschule (Russisch, Polnisch, Stenographie-Unterricht) , Kapitulantenschule, Waffenmeister-, Rofsarzt- und Meldereiter- Unterricht. Alles dieses aber wäre zu leisten, wenn nicht wie jetzt gewöhnlich 8 Unteroffiziere, sondern eine gröfsere Anzahl in die Lasten sich zu teilen hätten . Es dürfen eben bei der Feldartillerie, wo die Ausbildung eine so komplizierte ist, keine Abkommandierungen der Unteroffiziere stattfinden. Die Anzahl von Unteroffizieren , die durch den Etat als notwendig zur Ausbildung einer Batterie anerkannt ist, mufs auch dem Batteriechef wirklich zum praktischen Dienst zur Verfügung stehen.
Dieses wäre dadurch zu machen, dafs alle Ab-
kommandierten in ihrer Charge in der Batterie sofort ersetzt würden, während die Abkommandierten selbst über den Etat bezw. in einem neu aufzustellenden Etat verpflegt würden .
Es ist ja doch eigentlich
nur natürlich, dafs, wenn Zahlmeister-Applikanten, Fahnenschmiede , Abteilungsquartiermeister und dergl. nötig sind, man auch für sie Stellen im Etat auswerfen mufs. Unteroffiziere aber, die über 12 Jahre gedient haben, sollten grundsätzlich über den Etat verpflegt werden. Auf diese Weise hätte jede Batterie mindestens mehr im praktischen 3 Unteroffiziere und zwar zum Teil ältere Dienst
als jetzt und das ist die Zahl,
die
sie mindestens mehr
haben muſs, wenn die zweijährige Dienstzeit beibehalten werden soll. Mit
der Aufbesserung
des
Unteroffizieretats
allein
wird
es
aber nicht getan sein. Der Staat wird sich einer Aufbesserung der Besoldung der Unteroffiziere auf die Dauer kaum entziehen können, wenn nicht doch Unteroffizierstellen unbesetzt bleiben und das Unteroffizierkorps an Qualität merklich zurückgehen soll.
Bei freier Woh-
nung und Kleidung erhält der Unteroffizier täglich 0,77 Mk . Löhnung und durchschnittlich 0,42 Mk . Beköstigungsgeld (letzteres wechselnd). . Das macht 1,19 Mk. für den Tag.
Davon zahlt er:
26
Welche Nachteile hat d . Einführ. d . zweijähr. Dienstzeit b . d. Feldart. gezeitigt ?
1. Frühstück . 2. Frühstück
0,15 Mk . ') 0,15 99 0,35 99 0,15 99
• •
Mittagessen (ohne Getränk) . Vesper . Abendbrot
·
0,25 Sa.
99
1,05 Mk .
Zur Verfügung bleiben ihm also nur 0,14 Mk . täglich. erhält er 750 g Brot im Werte von 12 Pfg. Nach demselben Grundsatze
wie
Ausserdem
beim Unteroffiziertat müfste
man auch beim Offizieretat vorgehen. Das ergäbe bei jedem Regiment eine Erhöhung des Leutnantsetats um eine Oberleutnants- und eine Leutnantsstelle. Jede Batterie soll im Frieden 3 Leutnants (einschl . Oberleutnants) haben . Und wenn es auch zeitweise ohne diese Zahl zu machen geht, so bleibt die Vollzähligkeit an Offizieren doch sehr erwünscht. Dies trifft bei den augenblicklichen Etatsverhältnissen aber selten zu . In Preufsen z. B. ist der Etat 1551 Oberleutnants bezw. Leutnants der Feldartillerie .
Davon gehen zu-
nächst 219 Adjutanten in den Regimentern ab. Als Brigadeadjutanten, zum Militär- Reitinstitut, zu den technischen Instituten , Artillerieschule usw. sind 170 Leutnants kommandiert. Die Brigadeschulen zur Ergänzung
des Feuerwerkspersonals
erfordern
16
teilweise vom
Truppendienst befreite Leutnants . Zum Lehrgang für ältere Offiziere bei der Feldartillerie- Schiefsschule sind im Winter stets 29 Hauptleute und
(in deren Vertretung Leutnants 36 Oberleutnants,
die Batterie führen müssen)
zum Lehrgang für jüngere Offiziere
80 Leutnants kommandiert.
etwa
Das ergibt eine Summe der Abkomman-
dierten für jeden Winter von 550 Leutnants (einschl . Oberleutnants). Es verbleiben danach zum Dienst 1001 bei 438 Batterien . Davon gehen zunächst für die 18 reitenden Batterien mit hohem Etat, die 4 Leutnants im Etat haben, noch 18 ab, bleiben 983 Leutnants oder bei 331 Batterien nur 2 Leutnants. Anzahl notwendiger Kommandos
Nun
gibt
es aber noch eine
zu den Gewehrfabriken und
zur
Geschützgieſserei, zur Ausbildung im Revisionsdienst und schliefslich wird seit der Einführung der neuen Militärstrafgerichtsordnung bei jedem Regiment mindestens 1 Offizier als Gerichtsoffizier dem praktischen Dienste zum grofsen Teile entzogen. Da man aber gewifs auch bei jeder Brigade
im Durchschnitt etwa 1 Leutnant in der
1) Die Verpflegungsvorschrift rechnet allerdings nur 3 Pfg. für die Morgenkost, 3 Pfg. für den Fetteil der Mittags- und Abendkost und 10 Pfg. für den Gemüseteil und Speisezutaten der Mittags- und Abendkost und durchschnittlich 26 Pfg. für Fleisch. Fr. V. V. § 5,5.
Welche Nachteile hat d. Einführ. d . zweijähr. Dienstzeit b. d. Feldart . gezeitigt ?
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Winterperiode als längere Zeit krank rechnen kann, so ist die Etatsvermehrung um eine Oberleutnants- und eine Leutnantsstelle in jedem Regiment wohl nicht zu hoch gegriffen. Gar nicht in Rechnung gezogen ist hierbei die Rücksicht, dafs dem Offizier auch eine gewisse Zeit gelassen werden mufs , um sich selbst militärwissenschaftlich weiter zu fördern . Dazu bleibt verzweifelt wenig Zeit, und wo einem diese Zeit durch seine Vorgesetzten (vielleicht zur Vorbereitung zur Kriegsakademie) geschaffen wird, da müssen die andern umsomehr zum Dienst herangezogen werden. Die Ausbildung der Bedienungskanoniere stöfst bei den Batterien mit niedrigem Etat noch auf ganz besondere Schwierigkeiten. Diese Batterien haben nur 4 bespannte Geschütze und sollen an diesen 60 Bedienungskanoniere im Gelände und im Manöver ausbilden. Eine solche
Batterie hat also 3 Garnituren Bedienung, und der einzelne Mann kann bei dem Exerzieren in der bespannten Batterie , bei den Felddienstübungen und im Manöver immer nur jeden 3. Tag zu einer Übung mitgenommen werden. Die Übungen im Gelände sind aber nach der Exerzierausbildung die wichtigsten zur Vervollkommnung der Ausbildung. Niemals aber kann der Batteriechef mit
4 Geschützen auf dem Exerzierplatz , im Gelände oder im Manöver eine Schiefsaufgabe mit seiner Batterie in nutzbringender Weise durchmachen, da die Schiefsvorschrift auf die Batterien zu 6 Geschützen bezogen ist . Bei der dreijährigen Dienstzeit war dieser Übelstand schon vorhanden, bei der zweijährigen aber fällt er noch mehr ins Gewicht. Ich halte es bei Beibehaltung der zweijährigen Dienstzeit für dringend notwendig, was schon bei der dreijährigen Dienstzeit mehr als wünschenswert war, dafs alle Batterien schon im Frieden man
auf 6 bespannte Geschütze gebracht werden . (Sollte aber bei Annahme der Robrrücklaufgeschütze die Batterie zu
4 Geschützen gestalten , so führen ähnliche Erwägungen dazu, für 4 Geschütze und 2 Munitionswagen die Bespannung zu verlangen.) Diese Malsregel käme nicht nur der Ausbildung der Kanoniere zugute, sondern sie würde auch aufserdem ganz besonders den Dienstbetrieb bei der Schiefsübung vereinfachen. Denn da beim Scharfschiefsen für jede Batterie 6 bespannte Geschütze und 3 Munitionswagen vorhanden sein müssen, so mufs dies bei allen Batterien durch leibweise Abgabe von anderen Batterien erreicht werden. Eine Batterie zu 4 Geschützen aber tritt dann mit 4 eigenen und 5 geliehenen Gespannen auf. Die Nachteile solcher Vermischung von Teilen mehrerer Batterien springen in die Augen. Bei den Manövern und Felddienstübungen aber wäre es für alle Beteiligten vorteilhafter,
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Welche Nachteile hat d. Einführ. d . zweijähr. Dienstzeit b . d. Feldart. gezeitigt ?
wenn durch das Auftreten von Batterien zu 6 bespannten Geschützen das Gesamtbild dem der Wirklichkeit näher gebracht würde . Auf die Ausbildung
der Fahrer der Feldartillerie ist die zwei-
jährige Dienstzeit, wie bereits eingangs erwänt, direkt von nachteiligem Einflufs, so dafs es am einfachsten schiene, hier die Wiedereinführung der dreijährigen Dienstzeit für notwendig zu erklären . Es ist aber nicht angängig, dafs in ein und demselben Truppenteil zweierlei Dienstpflicht besteht. Sollten die Fahrer aber 3 Jahre dienen, so müfsten sie nach den Grundsätzen des Ersatzes für die Kavallerie schon als Fabrer ausgehoben werden. Würden die Fabrer erst bei der Batterie ausgewählt, so könnte es wohl vorkommen, dafs Leute sich absichtlich ungeschickt beim Reiten anstellten, um nicht
als Fahrer genommen
ausgehobene Leute,
zu werden .
Auch müfsten als Fahrer
die trotzdem gar nicht einschlügen, durch Ver-
fügung des Generalkommandos
im Frühjahr nach der Kandaren-
besichtigung zum Train versetzt werden können , wo sie ihre 3 Jahre voll auszudienen hätten. Der Ersatz für diese im Regiment doch höchstens 3-4 Mann müfste von der Kavallerie aus Leuten des ersten Jahrganges gestellt werden . der Reserve an Fahrern zu haben,
Der Vorteil, stärkere Jahrgänge dürfte aber überhaupt nicht ein
so grofser sein, als der des Vorhandenseins von Bedienungskanonieren ; denn die fehlenden Fahrer
könnten
bei
den, weniger grofse Fahr-
kunst verlangenden Formationen , ohne zu grofse Schwierigkeiten durch Leute der Reserve und Landwehr der Kavallerie gedeckt werden, die während einer oder mehrerer Übungen im Fahren auszubilden wären .
Ich habe die Erfahrung gemacht, dafs der Kavallerist,
welcher infolge des besseren Pferdematerials und der drejährigen Dienstzeit besser reiten gelernt hat als der fahrende Feldartillerist, in sehr kurzer Zeit zu einem brauchbaren Fahrer auszubilden ist. Überhaupt kann die Zuweisung von Reserve- Kavalleristen als Fahrer in noch grösserem Malse, als es bisher schon geschehen, den Feldartillerieformationen nur von Nutzen sein. In den siebziger Jahren stand es allerdings mit der Übung im Fahren schlechter als jetzt bei der zweijährigen Dienstzeit ; denn damals waren alle Leute im ersten Jahre Bedienungskanoniere. Im zweiten Jahre wurden die besten derselben als Fahrer ausgebildet, um im Herbst des
darauffolgenden Jahres zum Teil bereits wieder
zur Disposition entlassen zu werden . Die Fahrleistungen jener Zeit entsprachen aber auch gröfstenteils nicht den Anforderungen, die man heutzutage für den Kriegsfall stellen mufs. Wenn sich die anderen Truppen auf die Feldartillerie verlassen können sollen , so mufs auch die Ausbildung eine derartige sein , dafs z. B. Fahr-
Welche Nachteile hat d . Einführ. d. zweijähr. Dienstzeit b. d . Feldart. gezeitigt?
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leistungen, wie die der Batterien Stumpf und Vofs am Roten Berge bei Spichern als etwas normales angesehen werden können. Dabei können wir doch auch bei den Fahrern der Feldartillerie mit einer zweijährigen Dienstzeit schliefslich auskommen, wenn neben der Behebung des Übelstandes der Abkommandierungen die Ausbildung eine intensivere wird. Um dies zu erreichen , gibt es eine Anzahl Mafsregeln, von denen einige zu beregtem Zwecke wünschenswert, andere notwendig sind. Dabei müssen wir zunächst einen Blick auf die Mittel zur Ausbildung der Fahrer werfen . geeignetesten
intensive, allen stattfinden .
der
auf den für die Feldartillerie zweijährigen Dienstzeit
eine
Anforderungen genügende Ausbildung der Fahrer
Die Pferde weisen haben.
Nur
Pferden kann bei
der Feldartillerie
müssen Masse
und Blut
aufzu-
Wir brauchen ein Pferd , dafs beim Ziehen in schnellen
Gangarten und in tiefem Boden noch den Reiter bezw. dessen Gepäck zu tragen vermag. Deshalb müssen wir bei der Remontierung nach einem edel gezogenen, nicht zu grofsen Tiere trachten mit kräftigem, kurzen Rücken und tiefer Brust. Vieles ist ja darin schon besser geworden. Um aber dauernd die notwendigen Forderungen berücksichtigt zu wissen, wäre es sehr wünschenswert, wenn die Feldartillerie bei der Remonte- Inspektion des Kriegsministeriums vertreten wäre , indem sowohl beim Remonte - Inspekteur ein Feldartillerist kommandiert würde, als auch einzelne Vorsitzende der Remontierungs-Kommissionen Stabsoffiziere von der Feldartillerie wären. Ausserdem müfsten beim Ankaufsgeschäft stets jüngere Feldartillerieoffiziere zur Dienstleistung kommandiert werden. Die Ausbildung der Pferde aber und diejenige der Fahrer steht in so inniger Wechselwirkung, dafs man namentlich bei einer so kurzen Dienstzeit des Fahrers nicht die eine betrachten kann, ohne auf die andere zurückzukommen. Gut ausgebildete Fahrer konservieren das Pferdematerial und nur gut ausgebildete Fahrer können ungeschulte Pferde zum richtigen Zieben anlernen. Pferde ungeübte
Andererseits aber können nur gut ausgebildete Fahrer auf die Höhe der Ausbildung bringen.
Deshalb müssen wir danach streben, jedes Pferd in seiner Reitausbildung soweit zu fördern, als es sein Gebäude zuläfst, ohne dafs es auf Knochen und Sehnen Schaden leidet. Denn je besser ein Pferd geritten ist, desto mehr ist es Herr über seine Gliedmafsen und um so leichter wird es deshalb die beim Zuge nötige Zughaltung annehmen können .
Eine gründliche Reitausbildung aller Pferde der
30
Welche Nachteile hat d . Einführ. d . zweijähr. Dienstzeit b . d. Feldart. gezeitigt ?
Feldartillerie ist auch allein deshalb schon nötig, weil 6 Monate im Jahre die Fahrer auf diesen Pferden reiten lernen bezw. darin weiter gebildet werden sollen. Schliesslich sollen bei der Mobilmachung die jetzigen Handpferde alle unter dem Sattel neben den Augmentationspferden gehen. Um aber die Reitausbildung der Pferde auf die richtige Höhe bringen zu können, bedürfen wir der geeigneten Lehrer und Reiter. Dies sind die Offiziere und Unteroffiziere .
Die Offiziere erhalten die beste Vorbildung in dieser Richtung auf dem Militär- Reitinstitut in Hannover. Eine Vermehrung der dortigen Kommandostellen
für die Feldartillerie käme daher auch der Fahrausbildung zugute . Ferner wäre es von Vorteil, wenn auch Unteroffiziere der Feldartillerie dorthin kommandiert würden . Die Unteroffiziere bei den Batterien müssen aber mehr Zeit zum Reiten haben, so dafs ein gut reitender Unteroffizier im Winter neben seiner jungen
Remonte noch eine
schwierigeres älteres Pferd reiten kann,
alte Remonte
kruten an Unteroffizieren fehlt.
Dies
wenigstens bei jeder verfügbar sind .
3 Unteroffiziere
Batterie
oder ein
ohne dafs es bei den Re-
ist nur
dann möglich,
wenn
mehr zum Dienste
Ausserdem aber ist es notwendig, dafs der Pferde -Etat der fahrenden Batterie erhöht wird. Dieser ist unbedingt zu niedrig. Deshalb werden einmal die alten Remonten überanstrengt,
weil sie
denselben Dienst tun müssen wie die alten Pferde, zweitens werden zuviel Krümper gehalten, die ebenfalls wie die etatsmässigen Pferde Dienst tun müssen. Eine Eskadron darf höchstens 4, eine Batterie mit niedrigem Etat mufs 5 Krümper halten, um den Anforderungen des Dienstes gentigen zu können. Dadurch ergeben sich aufserdem noch unerträgliche Futterverhältnisse, denn die durchschnittliche tägliche Ration der sämtlichen etatsmäfsigen Pferde und Krümper (ausschliefslich junger Remonten) ist nun nicht ganz 4'2 Pfund Heu.
etwa 9½ Pfund Hafer und
Das ist zu wenig und darunter leidet
die Ausbildung der Fahrer, da die Pferde zu sehr geschont werden müssen, um bei dem geringen Futter nicht ihre Kräfte zu verlieren . Bei der
dreijährigen Dienstzeit war das eigentlich schon nicht an-
gängig, bei der zweijährigen mufs es jedenfalls geändert werden. Zunächst mülste eine Batterie mit niedrigem Etat nur drei, die anderen vier Krümper balten dürfen, dafür aber 2 etatsmässige Pferde mehr haben ; weiter müfsten noch soviel etatsmälsige Pferde jeder Batterie mehr gegeben werden, als sie Remonten bekommt. Die alten Remonten würden dann durch abwechselndes Einspannen geschont werden können. Es wäre dann ferner möglich, die im Felddienste notwendigen Aufklärer und Meldereiter beritten zu machen ,
Welche Nachteile hat d. Einführ. d. zweijähr. Dienstzeit b. d. Feldart. gezeitigt ?
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deren Dienst jetzt immer von Geschützführern versehen werden muſs, die zum Schaden der Ausbildung beim Geschütz ausfallen. Meldereiter und Aufklärer stehen wohl im Exerzier- Reglement, aber im Friedensetat sind Menschen und Pferde dafür nicht vorgesehen. Schliesslich wäre es dann möglich, diejenigen Fahrer, die nicht im Gespann verwendet werden, im Sommer in ihrer Reitausbildung weiter zu fördern , während sie jetzt höchstens einmal wöchentlich aufs Pferd kommen . Da aber jedes Pferd der fahrenden Batterie als Zug- und Reitpferd gehen muls, so ist es notwendig, daſs nicht wie jetzt etwa 2/3 sondern alle Pferde der Batterie die Ration für Zugpferde, d . h. also nach Satz II der Verpflegungsvorschrift, erhalten . Auch dadurch wird die Ausbildung der Fahrer gehoben, weil den Pferden dann mehr zugemutet werden könnte. Denn wenn wir auch im Interesse der Konservierung des Pferdematerials, das zur Ausbildung vieler Jahrgänge vorhalten mufs, neben guter Pflege auf den Futterzustand sehen müssen, so darf darin doch nichts geschehen, was nur für das Auge bestimmt wäre . Im Sommerhalbjahr können , bei einer sachgemäſsen Ausbildung der Fahrer und Pferde , die Pferde weder „ dick " sein, noch auch im landläufigen Sinne des Wortes trainiert. Im ersten Falle ist nicht genug für die Ausbildung geschehen, zu letzterem Zustande haben die Pferde zu wenig Futter und Blut. Die Pferde müssen darin die Mitte halten und diesen Zustand könnte man wohl mit dem Ausdruck 99 arbeitsgewöhnt" bezeichnen . Haben wir
so
die Gesichtspunkte berücksichtigt, nach denen
die Ausbildung der Fahrer bei der zweijährigen Dienstzeit durch Verbesserung und Ausbildung des Pferdematerials gehoben werden könnte, so wenden wir uns jetzt zu der Ausbildung der Fahrer selbst. Dabei kommt es zunächst auf die richtige Auswahl der Fahrer unter den Rekruten an. Bei der kurzen Dienstzeit ist es von der gröfsten Wichtigkeit, dafs der Batteriechef die zum Reiten geeignetsten herausfindet, damit die Ausbildung möglichst erleichtert wird. Es darf dabei nicht unerwähnt bleiben , dafs es bei der Truppe den Anschein hat, als ob seit Einführung der zweijährigen Dienstzeit sich unter dem Ersatz weniger zu Fahrern geeignete Leute befänden als früher. Wenn auch die Fahrer nicht besonders als solche ausgehoben werden, so läge es doch im Interesse der Kriegstüchtigkeit der fahrenden Feldartillerie , daſs die Schwierigkeiten der Ausbildung durch Zuweisung sichtigt würden. Kavallerie,
die
eines
entsprechenden
Ersatzes
berück-
Jetzt werden die zum Reiten geeigneten Leute zur körperlich
am besten
entwickelten
zur Infanterie
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Welche Nachteile hat d . Einführ. d . zweijähr. Dienstzeit b . d. Feldart. gezeitigt ?
genommen , während die Feldartillerie das bekommt, bleibt, sofern das Mindestmals von 1,62 erreicht wird.
was
übrig
Fahren und Reiten sind praktische Künste, Leistungen darin sind nur durch fortgesetzte Übungen zu erreichen . Daher mufs der Fahrer oft fahren und gründlich in den verschiedenen Gangarten und in wechselndem Gelände geübt werden . Dann wird er auch bei zweijähriger Dienstzeit gewandt im Sattel werden, bei gröſseren Anstrengungen nicht erschlaffen , auf Märschen sein Pferd nicht drücken und in der Überwachung des Pferdes so bewandert sein, dals kein Durchziehen, Scheuern oder gar Drücken durch den Handsattel vorkommen kann .
Je flotter ferner eine Batterie zu fahren gewöhnt ist, um so seltener kommen bei derselben Unglücksfälle vor, weil eben die Fahrer durch Übung zu allem geschickt geworden sind. Ich glaube auch, dafs es praktisch wäre, im Gespann das Leichttraben zur Regel zu machen und das sogenannte DeutschTraben nur auf die Reitbahn zu beschränken . Dies würde gerade bei der kurzen Dienstzeit günstig auf die Fahrausbildung wirken , weil die Fahrer von vornherein auf ihren Pferden gewandter und die Pferde selbst mehr geschont würden . Die Art der Heranziehung der Fahrer zur Fahrausbildung bietet aber Schwierigkeiten , wie sie wohl bei keiner anderen Truppe bestehen. Bei der dreijährigen Dienstzeit liefsen sich dieselben überwinden, weil dort neben der längeren Lebrzeit des einzelnen Mannes ins Gewicht fiel, dafs immer nur / der Fahrer Rekruten waren , während es jetzt die Hälfte sind. Eine Batterie mit niederem Etat - bei den anderen Etats sind die Verhältnisse wenig besser -- hat 12 Fahrer des ersten and nach Abzug der kommandierten etwa 9-10 Fahrer des zweiten Dienstjabres . Sie hat aber nur 4 bespannte Geschütze, also 12 Sattelpferde in den Gespannen.
In früheren Jahren wurde gemäfs einer kriegsministeriellen Verfügung die Ausbildung so geregelt, dafs in solchen Batterien 8 Fahrer des zweiten und 4 Fahrer des ersten Dienstjahres - letztere als Mittelreiter - waren. Jetzt nach kriegsministerieller Verfügung vom 27. Juni 1896 Ziffer 3 ' ) und der darauf bezug nehmenden kriegs-
¹) ,Bei jeder Geschütz- bezw. Wagenbespannung wird nach Beendigung der Rekrutenausbildung der jungen Fahrer mindestens 1 Fahrer des zweiten Jahrganges einzuteilen sein..
Welche Nachteile hat d. Einführ. d . zweijähr. Dienstzeit b. d . Feldart. gezeitigt ?
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ministeriellen Verfügung vom 5. Juli 1899 Ziffer 3¹) bei einer Batterie niederen Etats 8 Fahrer des ersten und nur 4 Fahrer des zweiten Dienstjahres im Gespann .
Man erzielt dadurch schneller
eine gröfsere Zahl wenigstens einigermafsen ausgebildeter Fahrer. Die Gründlichkeit der Ausbildung,
sowie die
soldatische Er-
ziehung des Fabrers leiden aber einerseits sehr darunter, und andererseits geht das Pferdematerial an Rittigkeit und Haltbarkeit zurück . Die jungen Fahrer, die eben erst leidlich sitzen gelernt haben , bekommen nach halbjähriger soldatischer Ausbildung 2 Pferde zu pflegen und deren Geschirre zu besorgen.
Dazu kommt noch ,
es unseren Leuten keineswegs leicht wird,
sich im ersten Frühjahr
dafs
im Gespann in der Beherrschung zweier Pferde zurecht zu finden . Das alles wächst dem Manne leicht über den Kopf; er leistet zu wenig und zieht sich Strafen zu. Im nächsten Winter wird er dann zwar in der Reiterei weiter gebracht, aber im zweiten Sommer ist er ― mit Ausnahme von etwa 4 Mann, die im Gespann bleiben -nur Pferdepfleger.
Er kommt sehr selten aufs Pferd, bat im vorigen
Sommer, wo ihm die Sache über den Kopf gewachsen war, schon an seinem soldatischen Selbstgefühl Schaden gelitten, und ein grofser Teil dieser Leute bildet dann keine Zierde der Batterie mehr. Ich balte
es
daher für notwendig,
dafs die zuerst genannte kriegs-
ministerielle Verfügung in folgender Weise den Verhältnissen angepaſst, wieder in Geltung träte :
dann
Im ersten Winter lernt der Rekrut reiten, im Frühjahr werden bei der Batterie mit niederem Etat (bei den anderen ent-
sprechend) die 4 besten gleich ins Gespann als Mittelreiter genommen, während die anderen im Stall als Pferdepfleger verwendet und bei jeder nöglichen Gelegenheit im Reiten weiter gebildet werden. Nach und nach wird dann im Laufe des Sommers jedem der anderen 8 jungen Fabrer Gelegenheit gegeben, 8-14 Tage als Mittelreiter zu fahren. Im zweiten Winter wird die Reitausbildung der Leute
1 ) „Das Streben, alle Fahrer möglichst zu fördern, ist anzuerkennen. Der dafür diesseits empfohlene „angemessene Wechsel “ bei der Einteilung als Gespannfahrer sollte jedoch nicht dazu führen, dafs überhaupt kein Fahrer eine vollkommene Jahresausbildung durchmacht und alle gleichmässig auf dem Standpunkt der Mittelmässigkeit verbleiben. Es erscheint vielmehr besser, den gröfseren Teil der jüngeren Fahrer für die regelmäfsigen Übungen eines ganzen Sommers im Gespann zu belassen und ihnen damit einen Grad der Ausbildung zu geben, dafs der Bedarf der Kriegsbatterie aus ihnen gedeckt werden kann. Die übrigen jungen Fahrer müssen dann durch gelegentliche Einstellung bei Ausfällen sowie durch Heranziehung im zweiten Dienstjahre soweit gefördert werden, daſs sie bei den Munitionskolonnen und Trainformationen verwandt werden können." 3 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine . No. 400.
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Welche Nachteile hat d . Einführ. d . zweijähr. Dienstzeit b. d . Feldart. gezeitigt?
vervollkommnet und im nächsten Frühjahr kommen dann davon 8 dauernd ins Gespann als Vorder- und Stangenreiter, während die anderen nur zeitweise zum Fahren herangezogen werden. Die letzteren sind diejenigen,
die im Jahre vorher am weitesten im
Fahren ausgebildet waren, oder der eine und der andere, der gar keine Aussichten gibt, ein brauchbarer Fabrer zu werden und deshalb auch als Fahrer II entlassen werden muss. Die durch zwei Winter im Reiten ausgebildeten und nebenbei im Fahren
etwas
vorgebildeten
und Geschirren im Stalle
besser
alten Fahrer werden mit Pferden fertig, bringen dem Fahren mehr
Verständnis entgegen und werden bei gröſserer Schonung des Pferdematerials mehr lernen und leisten können . Damit aber für die Übungen im Winter
genügend Fahrer vorhanden sind, müfste vor
dem Manöver für die sämtlichen jungen Fahrer, die ja schon alle als Mittelreiter gefahren haben, eventuell eine kurze Fahrübung von etwa 8 Tagen stattfinden , in der nur die bei den Felddienstübungen Im dringend notwendigen Formationen durchgenommen würden. Falle
einer Mobilmachung
würden
grundsätzlich
die
Fahrer des
ersten Jahrganges Mittelreiter, während die Vorder- und Stangenreiterstellen von solchen des zweiten Jahrganges und von den Reservisten, die als Fahrer I entlassen sind, besetzt würden. In seinen Vorschlägen zur Reorganisation der preufsischen Armee 1807 sagt Scharnhorst, man solle alles, was im Heerwesen überflüssig und
auf den Schein berechnet sich herausstellte , preis-
geben,
den Soldaten während des Friedens ausschliesslich für den Krieg vorbereiten und aus dem Heere ein Werkzeug machen, das leiste , was man von ihm verlange . Diese Grundsätze waren für
jene Zeit der Bedrängnis wörtlich zu nehmen. Heutzutage darf man auch schon einiges für das Äufserliche tun. Paraden und derartige Veranstaltungen heben die Manneszucht und den Ordnungssinn des Soldaten und machen ihn stolz auf seinen Beruf und „ der Soldat
I mufs sich können fühlen , " wenn er vor dem Feinde etwas taugen soll. Exerzierübungen aber, die nicht unbedingt nötig sind, sollte man bei der zweijährigen Dienstzeit vor den dringend notwendigen Übungen lieber zurücktreten lassen. Ich meine hier die Ziffern 234-268 des Exerzierreglements
über das Exerzieren der Abteilung . Nachdem das Exerzierreglement in Ziffer 4 der Einleitung gesagt hat : „ Die Schulausbildung am bespannten Geschütz erfolgt auch in der Abteilung, jedoch nur insoweit, wie es als Grundlage für das gefechtsmälsige Exerzieren unbedingt erforderlich ist," beginnt die Ziffer 234 : „ Der Schwerpunkt bei der Ausbildung der Abteilung liegt in den gefechtsmässigen Übungen
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nach den Grundsätzen des Teils IV; das Exerzieren nach Kommandos erfolgt nur bei den ersten zur Schulausbildung dienenden Übungen . Es sind dann zunächst die verschiedenen Formationen beschrieben und dann folgen die Schulbewegungen in der Abteilung. Aufser dem Marsch in Linie vorwärts und rückwärts , Übergang daraus in die Kolonne zu Einem und in die Zugkolonne und wieder zurück zur Linie, sowie dem Wechseln zwischen Kolonne zu Einem und aufgeschlossener Zugkolonne, dürfte wohl im Kriegsfalle , wie auch schon jetzt im Manöver keine der hier im Exerzierreglement aufgeführten Übungen angewendet werden. Das Vorgehen in Batteriekolonnen wird vorkommen, aber nicht nach Kommando und mit Das wäre nur in schulmäfsigen Zwischenräumen der Batterien. einem exerzierplatzähnlichem Gelände möglich . Statt in schulmäſsigen Batteriekolonnen gehen die Batterien auf Befehl nebeneinander, die Anfänge möglichst in gleicher Höhe, alle Vorteile des Geländes (Deckungen und Wege) benutzend, nach der einzunehmenden Stellung vor. Die verschiedenen Kolonnen sind zu Versammlungs- und Paradezwecken nötig und können auf Befehl ohne Kommando eingenommen Naturgemäfs wird aber auf die Schultibungen nach Kommando viel Zeit verwendet, um sie auch besichtigungswürdig einzu-
werden.
Es liegt auch für den Abteilungskommandeur und für den ein grofser Reiz in dem vollkommenen Exerzieren einer bespannten Abteilung. Bei der zweijährigen Dienstzeit ist aber wohl nicht die nötige Zeit dazu vorhanden, und ich möchte deshalb unter Hinweis auf Ziffer 1 der Felddienstordnung: „Die Ansprüche , die üben.
Zuschauer
der Krieg an die Truppen stellt, sind mafsgebend für ihre Ausbildung im Frieden, " vorschlagen , dafs man die Ausbildung der Abteilung unter Wegfall des gröfsten Teils der Schulübungen nur nach Teil II betriebe . Die wenigen notwendigen , oben erwähnten Schulübungen können bei der Gelegenheit zugleich durchgenommen werden . Ausserdem möchte ich für meinen Vorschlag eine bei allen Batteriechefs wiederkehrende Ansicht ins Feld führen , dafs nämlich das Abteilungsexerzieren nach Kommandos auch nicht die Ausbildung der Fahrer an und für sich fördert. Die durch Wegfall des Abteilungsexerzierens in seinem bisherigen Umfange ersparte Zeit könnte auf eine gründlichere Ausbildung der Batterien und demnächst der Abteilung im Felddienst verwendet werden. Kann aber das schulmälsige Exerzieren der Infanterie auf ebenen Exerzierplätzen völlig erledigt werden, so
bedarf die Feldartillerie,
neben dem ebenen Exerzierplatz zum Einüben der Formen noch eines Geländestücks , an dem das Einnehmen von Höhenstellungen schulmäfsig eingeübt wird . Es kommen hier sehr viele rein tech3*
36
Welche Nachteile hat d. Einführ. d . zweijähr. Dienstzeit b . d . Feldart. gezeitigt ?
nische, bei allen Höhenstellungen wiederkehrende Einzelheiten in Betracht, die selbst bei der grölsten Phantasie der Führer und Leute auf dem ebenen Exerzierplatz nicht in richtiger Weise eingeschult werden können . Bei einer Abteilung, die auf ihrem Exerzierplatz solche Stellungen nicht hat, bleibt die Erlernung dieser wichtigsten der Felddienstübungen und des Manövers
Übung auf die Tage beschränkt.
Ich meine deshalb, es müfste bei jeder FeldartillerieGarnison eine derartige Schulstellung zu Übungszwecken zur Ver-
fügung stehen. War dies schon bei der dreijährigen Dienstzeit wünschenswert, so dürfte es bei der zweijährigen nötig sein. Das Exerzierreglement hat auch in den Ziffern 230 und 231 das Abprotzen hinter Höhen,
und den Geschützführeraufmarsch unter die
Schulübungen der Batterie
aufgenommen. Es ist also wohl auch eine Stelle des Exerzierplatzes vorausgesetzt, wo diese Übungen ohne Geländeannahme durchgenommen werden können . Der letzte Satz der Ziffer 272, dafs in Feuerstellungen, auch auf dem Exerzierplatz, die einzelnen Geschütze stets nach dem Gelände aufzustellen sind,
scheint mir
auch dafür zu sprechen ,
dafs
meine Darlegung im Geiste des Exerzierreglements gedacht ist. Die Ziffer 65 des Exerzierreglements sagt :
„ Alle Fahrer sind
mit den einfachen Verrichtungen des Geschützexerzierens soweit ver66 traut zu machen, dafs sie zur Aushilfe herangezogen werden können . Nach meinen Erfahrungen ist
das Heranziehen der Fahrerrekruten
zum Geschützexerzieren im Winter für die Batterien wegen Mangels an Unteroffizieren und fehlender Zeit mit sehr grofsen Schwierigkeiten verknüpft,
namentlich,
wenn
die Ausbildung der Fahrer-
rekruten soweit gefördert werden soll,
dafs
sie
bei der Besichti-
gung im Geschützexerzieren schon zur Aushilfe herangezogen werden sollen. Ich möchte deshalb hier den Vorschlag machen, dafs der Beginn der im Exerzierreglement vorgeschriebenen Heranziehung der Fahrerrekruten zum Geschützexerzieren wieder,
wie
es
durch die
Ausführungsbestimmungen zur A.K.O. vom 22. März 1889 (die die getrennte Ausbildung von Fahrern und Kanonieren anordnete) vom Kgl. Kriegsministerium unterm 5. April 1889 Nr. 783 bestimmt war, für das Sommerhalbjahr befohlen würde, damit im Winterhalbjahre mehr Zeit bleibt, um im Reiten und der Pferdepflege eine sichere Grundlage zu schaffen, was bei der zweijährigen Dienstzeit gerade im ersten Winter nicht intensiv genug geschehen kann . Schliesslich könnte vielleicht das Fufsexerzieren in der geschlossenen Batterie, ohne an Strammheit
zu verlieren ,
noch etwas vereinfacht werden
durch Wegfallen einiger Formationen und Übergänge. Aas den bisherigen dargelegten Erwägungen komme ich zu dem
Welche Nachteile hat d. Einführ. d. zweijähr. Dienstzeit b. d. Feldart. gezeitigt?
37
Urteil, dafs zwar die dreijährige Dienstzeit für die Ausbildung des einzelnen Mannes das Bessere ist, dafs wir uns aber, wenn bei der dreijährigen Dienstzeit aus ökonomischen Gründen die Kadres nicht vermehrt werden können, mit der zweijährigen Dienstzeit bei der fahrenden Feldartillerie begnügen dürfen , wenn die zur völligen kriegsmälsigen Ausbildung der Mannschaften erfüllt werden.
nötigen Bedingungen
1. Der Offizieretat mufs bei jedem Regiment um eine Oberleutnantsund eine Leutnantsstelle vermehrt werden . 2. Es müssen bei jeder Batterie mindestens 3 Unteroffiziere mehr zum Dienst verfügbar sein . 3. Es muls eine Einrichtung getroffen werden, die die Nachteile der Abkommandierungen im zweiten Dienstjahre wieder aufhebt. 4. Alle fahrenden Batterien müssen auf den mittleren Etat von 6 bespannten Geschützen gebracht werden. 5. Der Pferdeetat der fahrenden Batterien mufs um erhöht werden. 6. Sämtliche Pferde der fahrenden Batterien gleichmässigen Rationssatz pflegt werden.
(Satz II V.V.)
8 Pferde
müssen nach einem als Zugpferde ver-
Sollten diese Forderungen nicht erfüllt werden können, so würde ich es für notwendig halten , wieder zu der dreijährigen Dienstzeit wie bei der reitenden Artillerie zurückzukehren . Aber auch da würde sich wohl die Notwendigkeit herausstellen, entweder die Kadres zu vermehren, oder den Munitionszug der Batterien schon im Frieden zu bespannen,
damit eine genügende Zahl ausgebildeter
Mannschaften in den Reserve- Jahrgängen vorhanden wäre. Wenn aber bei dreijähriger Dienstzeit die Beurlaubung zur Disposition bliebe, dann dürfte nicht mehr nach zwei verschiedenen Gesichtspunkten dabei verfahren werden.
Es dürften nur diejenigen
entlassen werden, die durch ihre Leistungen und Führung gezeigt hätten, dafs sie ein drittes Jahr der Ausbildung eher entbehren könnten, als die übrigen Leute der Batterie. Häusliche Verhältnisse dürfen hier nicht mitsprechen . Dann würde diese Einrichtung wirklich als ein Ansporn für alle Leute wirken und somit als ein Mittel zur Beförderung der Manneszucht. Um die dritte der oben aufgeführten Forderungen erfüllen zu können, ist es nötig, Vorschläge zu machen, welche darauf hinzielen, jeden
eingestellten Mann volle zwei Jahre
ausbilden zu können .
Wie bereits früher gesagt,
mandos selbst nicht zu umgehen , wenn darin ändern liefse.
mit der Waffe sind die Kom-
sich auch vielleicht einiges
38
Welche Nachteile hat d. Einführ. d . zweijähr. Dienstzeit b. d. Feldart. gezeitigt
Ich halte es z. B. nicht für nötig, dafs die Feldartillerie die Fahrer zu den Artilleriedepots stellt. Dort fahren die Leute mit der Kreuzleine ausgemusterte Pferde im Schritt vor Kasten- und Rollwagen. Es wäre dies Kommando daher, wenn nicht an Stelle der Soldaten Zivilfuhrknechte treten könnten, eher für den Train geeignet. Der Fahrer der Feldartillerie, der den Winter über geritten, einen Sommer im Fahren vor dem Geschütz ausgebildet ist, geht durch dieses Kommando seiner Waffe als brauchbarer Mann der Reserve verloren . Die Burschen der ohne Pferde aufserhalb der Front abkommandierten unverheirateten Offiziere
könnten wegfallen und diese Offi-
ziere dafür 20 Mk. monatliche Entschädigung erhalten. Wenn sie das sonst gezahlte Burschengeld dazurechnen, können sie dafür ihre persönliche Bedienung besorgen lassen. Es würde diese Bestimmung auch in moralischer Beziehung Vorteile haben , weil die Burschen in Berlin zum Beispiel oft nicht die nötige Aufsicht haben, in zweifelhaften Schlafstellen untergebracht sind und wegen Mangels an ausreichender Beschäftigung leicht auf eine schiefe Bahn geraten können . Den verheirateten und mit Pferden abkommandierten Offizieren, sowie denjenigen, die auf eigene Kosten Pferde halten, müsste die Wahl zwischen der Geldabfindung und der Mitnahme der Burschen gestellt werden . Laut kriegsministerieller Verfügung sind die Burschen der dienstlich berittenen Offiziere dienstfrei. Offenbar ist dabei aber die Voraussetzung, dafs die Burschen die Pferde ihrer Offiziere zu putzen haben. Dies geschieht nicht immer, da die Offiziere der Feldartillerie mit Dienstpferden beritten sind, die gewöhnlich in der Kaserne stehen, während die Offiziere oft weit davon ab wohnen müssen. Ich glaube, dafs es im Interesse der Ausbildung läge, wenn die Burschen der nicht rationsberechtigten Offiziere der Feldartillerie , soweit sie sich nicht eigene Reitpferde halten , Bedienungskanoniere sein müfsten, die nach dem Ermessen der Batteriechefs zum Dienst herangezogen werden dürften. Die diesen Offizieren zugeteilten Pferde würden von seiten der Batterie gepflegt. Eine dritte Art von Kommandos bedarf nach meiner Ansicht in jedem Falle
einer Umgestaltung .
Wie
schon im
Anfange dieser
Arbeit erwähnt, kann eine Batterie wirtschaftlich nicht bestehen, wenn sie nicht ununterbrochen 1 Schneider, 1 Schuster und 1 Sattler arbeiten lässt. Je 2 solcher Handwerker fänden auch noch vollauf Beschäftigung. Von Jahr zu Jahr aber werden dienstbrauchbare Handwerker dieser Art seltener und oft sieht man auf den Handwerksstuben der Batterien Maurer und dergl. Leute, die als Schneider,
Welche Nachteile hat d . Einführ. d . zweijähr. Dienstzeit b. d. Feldart, gezeitigt? 39 Arbeiter aus Lederfabriken und dergl. Leute , Sattler
angelernt sind.
Bei
der
gröfsten
die als Schuster und Gewissenhaftigkeit der
Batteriechefs mufs doch die militärische Ausbildung dieser Leute leiden, da es für sie zu viel im Handwerk zu tun gibt . Dasselbe ist bei
den Beschlagschmieden und Schlossern der Fall.
Ein Teil
meines Vorschlages besteht deshalb darin : dafs für jede Batterie alle zwei Jahre 1 Schneider, 1 Schuster und 1 Sattler, die als Ökonomiehandwerker nach den bei den früheren Ökonomiehandwerkern des Regiments gültigen Bestimmungen ausgehoben sind, eingestellt werden ; dafs ferner für jede Batterie alle Jahre 1 Schlosser and 1 Beschlagschmied eingestellt werden.
Diese Leute sollen über
den jetzigen Etat der Batterie vorhanden sein . Sie werden nur 6 Wochen in militärischer Haltung ausgebildet, dann als Handwerker beschäftigt und nur vielleicht wöchentlich einmal in ihrer militärischen Haltung befestigt. Mein weiterer Vorschlag
geht
anderen notwendigen Kommandos, einstellung jeder wird.
Batterie
Die Batterie
dahin,
dafs
zur Deckung der
als Burschen etc. , die Rekruten-
um 2 Fahrer
und 6 Kanoniere
erhöht
entläfst dann in der Höhe des jetzigen Etats
jeden Herbst Reservisten , gebildet sind .
die
zwei volle Jahre mit der Waffe aus-
Diese könnte man vielleicht entsprechend der bereits bestehenden Einteilung der Fahrer in den Überweisungspapieren als Kanoniere I bezeichnen, während die im zweiten Jahre abkommandiert gewesenen in ihren Papieren die Bezeichnung Kanonier II bekämen. Die Kanoniere II werden bei der Mobilmachung zu den Kolonnen eingezogen. Die Erhöhung der Etats um 16 Mann (8 Rekruten)
und 7 Hand-
werker pro Batterie ist aber ein fernerer Grund für die Erhöhung des Unteroffizieretats um mindestens 3 Stellen. Nach dem Manöver,
wenn die Reserven entlassen sind, stehen
den Batterien bis zur Einziehung der Rekruten zu wenig Leute zur Pferdepflege zur Verfügung. Denn die neuen Burschen, Ordonnanzen etc.
sind bereits
abkommandiert ;
die Abteilung braucht in
dieser Zeit Leute zu besonderen Arbeiten,
Kasernenwache mufs ge-
stellt werden und dergl.
Die Pferde bedürfen aber nach dem Ma-
növer einer besonders guten Pflege . Bei der dreijährigen Dienstzeit war es für die Truppe von grofsem Wert, dafs im Monat Oktober Mann und Pferd eine gewisse Ruhezeit hatten, bis am 5. November die Rekruten kamen . Die Pferde konnten mit Schonung von den Unteroffizieren für die Rekruten wieder zurechtgeritten werden, das Rekruten-Exerzierkommando übte in Ruhe während dieser Zeit, und der Batteriechef sorgte dafür, dafs beim Eintreffen der Rekruten die
40
Welche Nachteile hat d. Einführ. d . zweijähr. Dienstzeit b . d . Feldart. gezeitigt ?
nötigen Anzüge gründlich in Stand gesetzt waren .
Zu allen diesen
Dingen bleibt jetzt, bei der Rekruteneinstellung im Oktober, keine Zeit. Aber wenn die Stärke der Jahrgänge bei der zweijährigen Dienstzeit nicht wie vorgeschlagen erhöht wird, wodurch nach Entlassung der Reserven mehr Leute zur Pferdepflege vorhanden wären , dann wäre es trotzdem besser, die Rekruten schon in den ersten Tagen des Oktobers einzuziehen. Auf die Ausbildung selbst würde aber auch bei der zweijährigen Dienstzeit eine einmonatliche Rekrutenvakanz nicht nachteilig einwirken, da bei Beginn der Ausbildung zu sowohl Personal als Material besser darauf vorund weil eine um 4 Wochen spätere Rekruten-
Anfang November bereitet wären
besichtigung bei der Feldartillerie nichts schaden würde. Die Fahr übungen können doch erst mit weichendem Schnee Ende März , Anfang April beginnen und es entsteht jetzt dadurch für die Fufsrekruten eine Zeit zwischen ihrer Besichtigung und den Beginn der Übungen im Freien, die auch entbehrt werden könnte. Vielleicht aber fielen die Ersparnisse einer einmonatlichen Rekrutenvakanz ins Gewicht gegenüber den Kosten der Erhöhung des Etats. Ich habe auch die Ansicht aussprechen hören, dafs man die Burschen etc., ähnlich wie in anderen Staaten, als solche gleich aus den zum Dienst minder Brauchbaren ausheben solle, um den Übelstand der Abkommandierungen aus der Truppe zu heben. Ich möchte mich aber dagegen erklären, da erstens solche Leute militärisch ganz wertlos sind, während die aus den Batterien abkommandierten Kanoniere II später immer noch bei den Kolonnenformationen zu verwenden sind ; zweitens ist ein Umtausch solcher Leute bei Ungeeignetheit oder schlechter Führung ausgeschlossen ; drittens entspricht eine solche Kategorie von Menschen nicht dem preufsischen, militärischen Gefühle ; viertens müfsten doch Ausbildungskompagnien, vielleicht dem Trainbataillon angegliedert, geschaffen werden, wo diese Leute erst den nötigen , militärischen Schliff erhielten und schliesslich ist diese Einrichtung zu teuer. Denn diese Leute würden zwei Jahre für die entsprechenden Kommandos aus dem Militäretat verpflegt, ohne dem Vaterlande als Reservisten zu nützen, was bei den Kanonieren II nicht der Fall wäre. Ausserdem aber mülsten die Pferdeburschen doch wie bisher gestellt werden , da sie sonst weder die nötige Ausbildung in der Pferdepflege hätten, noch die Pferde ihrer Offiziere bewegen könnten. Damit aber besonders Leute von schlechter Führung die volle zweijährige Ausbildung geniefsen , möchte ich zum Schlufs noch den Vorschlag machen, dafs bei der zweijährigen Dienstzeit jede Arreststrafe ganz oder zu einem gewissen Bruchteil der Zeit nachgedient
Sprungweises Vorgehen beim Angriff.
41
werden müfste. Ich glaube , dafs das ein sehr grofser Ansporn zu guter Führung sein würde . Dadurch würde auch die Arreststrafe denjenigen Individuen gegenüber wieder wirksam , die den mittleren Arrest nur als einige Tage des Ausruhens vom Dienste betrachten, und solche Leute gibt es in der Truppe auch. Andererseits aber ist jeder Mann, der in den Tagen nach dem Manöver der Truppe zur Verfügung steht, von besonderem Werte.
IV.
Sprungweises
Vorgehen
beim Angrift.
Von Otto Schulz, Hauptmann und Kompagniechef im k. b. 14. Infanterieregiment.
Die erheblich gestiegene Wirkung der modernen Handfeuerwaffen, welche schon auf mittlere Entfernungen gegen ungedeckt vorgehende Schützen in kürzester Zeit so gewaltige Verluste herbeizuführen vermag, dafs ihre Offensivkraft gebrochen wird, macht den Angriff über deckungslose Flächen zur schwierigsten Aufgabe für die Infanterie. Viele zweifeln überhaupt an seiner Möglichkeit. Die verschiedensten Mafsnahmen sind für denselben vorgeschlagen und versucht. Allmählich hat sich jedoch bei den ineisten Armeen die Anschauung durchgerungen, dafs die von wirksamem feindlichen Feuer bestrichenen Räume sprungweise zu durchschreiten sind. Die Dienstvorschriften
aller
grofsen
Militärmächte
enthalten dement-
sprechende Bestimmungen. Die einzige Art der Vorwärtsbewegung, welcher auch jetzt noch hier und da der Vorzug vor dem sprungweisen Vorgehen gegeben wird, ist das Kriechen. Da aber Versuche ergeben haben, dafs das Kriechen über Räume von etwa 300 m Tiefe um welche es sich beim Angriff handelt - eine ganz aufserordentliche Anstrengung ist, sehr langsam vonstatten geht und auch nicht vermag starke Verluste zu verhindern, beschränkt man es neuerdings in der Regel auf kurze Strecken und besonders
42
Sprungweises Vorgehen beim Angriff.
auf Gelegenheiten, Gegners gänzlich
wo der Mann beim Kriechen entzogen ist.
Nicht nur
die Sprünge anzuwenden, sondern haben die
Anschauungen ,
vielfach geschwankt ; doch
auch
besonders
über
dem Blick
des
die Frage, wann
wie sie auszuführen sind,
in den letzten
scheint es mir,
dafs ,
zehn Jahren ,
nachdem
Über-
treibungen nach den verschiedensten Richtungen nunmehr allmählich verschwunden sind , über diesen wichtigen Punkt der Angriffstechnik im allgemeinen gleichartige Anschauungen zum Durchbruch gekommen sind, wenn sie auch noch nicht in bestimmter Form in unseren Vorschriften zum Ausdruck gebracht sind . Das sprungweise Vorgehen wird
angewendet von der ersten
Feuerstellung bis zum Sturm. Nicht vom feindlichen Feuer be. strichene Strecken werden natürlich im Schritt durchschritten . Bis zur ersten Feuerstellung bewegen sich die Schützenlinien gleichfalls in der Regel im Schritt vor. Das beste Hilfsmittel , um vor Einnahme der ersten Feuerstellung die Verluste zu verringern, ist die Annahme sehr lichter Schützenlinien, welche durch Einschieben (event. wiederholtes)
auf die
gebracht werden . möglich sein, die
notwendig
erscheinende
Stärke
und
Dichtigkeit
Häufig wird es durch gute Geländebenutzung erste Feuerstellung gedeckt zu erreichen . Der
Wille, zur Erhöhung der Wirksamkeit der eigenen Waffe näher an den Gegner beranzugehen, mufs bei den Schützen und den Führern lebendig sein. Sache der höheren Führung ist es, bei den Schützen die Überzeugung der Berechtigung zum Vorgehen durch angemessene Verstärkung der Schützen zu fördern. Von den Führern in der Schützenlinie ist das bei den Schützen durch Nachlassen der feindlichen Feuerwirkung entstehende Gefühl der Überlegenheit und der Verringerung der Gefahr durch Anordnung eines Sprunges geschickt auszunützen. Wie stark soll nun die
den Sprung
ausführende Ab-
teilung sein ? In den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte sich die Stärke der springenden Abteilungen im Interesse der Einheitlichkeit
der Kampfeshandlung
dafs springende Bataillone waren . Die Erfahrungen
immer mehr vergröfsert,
so
selbst im Regimentsverbande zu sehen des Burenkrieges führten zum ent-
gegengesetzten Extrem. Viele wollten nur Sprünge von Gruppen, allenfalls Halbzügen. Allmählich indessen glaubte man , hierin doch zu weit gegangen zu sein. Immermehr brach sich die Überzeugung Bahn, dafs der Zug die zur Ausführung eines Sprunges geeignetste Abteilung sei, sowohl mit Rücksicht auf seine Schützenzahl als auf seine Frontbreite, die dem Führer ermöglichen , ihn auch in der zerstreuten Ordnung noch zu beherrschen und zu leiten.
Er
Sprungweises Vorgehen beim Angriff. ist aufserdem
die kleinste
Abteilung,
welche
43
einen
Offizier
zum
Führer hat, welcher durch sein Beispiel und seine persönliche Einwirkung einen starken Einfluss auf die unterstellte Mannschaft ausüben kann.
Aufserdem ist der Zugführer das Hauptorgan der Feuer-
leitung und jeder Zug gewissermaſsen eine Feuereinheit. In wechselndem Gelände kann es ja vorübergehend zweckmälsig sein, Teile eines Zuges
springen
zu lassen.
sich empfehlen, wenn ein Teil eines Zuges
Auch kann es
mit einem Nachbarzuge
eine gemeinsame Deckung inne hat, ihn mit diesem zusammen einen Sprung machen und erst wieder mit dem Hauptteile des Zuges gleichmäſsig handeln zu lassen , wenn dieser auch Deckung findet, oder wenn auch der Nachbarzug keine Deckung mehr hat . Nur dann, wenn das Feuer des Gegners wenig wirksam ist, sei es, weil die Entfernung
sehr grofs
gelitten hat oder das Gelände
ist
oder der Gegner stark
einen gewissen Schutz bietet oder
die bereits vorgeeilten Nachbarkompagnien oder flankierende Abteilungen den Gegner unter kräftiges Feuer genommen haben, erscheint der gleichzeitige Sprung mehrerer Züge angemessen. Die Ansichten über die Länge des Sprunges sind gleichfalls im Laufe der Jahre sehr bedeutenden Schwankungen unterworfen gewesen. Lange Sprünge haben den Vorteil, dafs sie das Feuer der Schützenlinie weniger oft unterbrechen und nicht so häufig an den Schützen die Anforderung stellen, die Deckung und sichere Körperlage aufzugeben und den Körper in voller Gröfse der feindlichen Kugel
aussetzen,
den Nachteil,
dafs
die
Schützen längere
Zeit dem Gegner ein grofses Ziel bieten . Ferner sind sie anstrengender und haben zur Folge, dafs der - feldmäfsig bepackte — Mann auch nach Vollendung des Sprunges
einer gewissen Zeit
bedarf, bis er zur erspriefslichen und sicheren Handhabung seines Gewehres imstande ist. Die Vorteile der langen Sprünge sind demnach mehr moralischer, die der kurzen mehr materieller Natur. Unser Reglement (vom September 1888) entschied sich für die langen Sprünge, indem es bestimmte : „Die Länge jeder einzelnen sprungweise zurückzulegenden Strecke beträgt selten mehr wie 100 Schritt (80 m) ." Die Reglements der anderen Grofsmächte , welche nach dem deutschen ( 1. September 1888) entstanden und ausnahmslos stark von diesem beeinflusst waren, folgten auch bezüglich der Länge der Sprünge in der Mehrzahl dem deutschen Beispiel. So sagt das österreichische (vom Jahre 1889) : „ Die Länge eines Sprunges hängt von den Terrain- und Gefechtsverhältnissen, sowie vom Kräftezustande der Mannschaft ab ; - bei der Schulung 60 bis 80 Schritte . "
44
Sprungweises Vorgehen beim Angriff.
Das italienische (vom 11. Februar 1892) macht ähnlich wie das österreichische - die Länge des Sprunges abhängig von dem Gelände, der Gefechtslage und dem physischen und moralischen Zustande der Truppe, fügt aber hinzu, daſs beim Einüben die Sprünge etwa 100 Schritt lang sein sollen, und legt hiermit das Normalmafs fest. Das russische (vom Juni 1897) verlangt eine Sprunglänge von etwa 100 Schritten, je nach dem Gelände". Das französische Reglement vom 15. April 1894 enthält keine Angabe über die Länge der Sprünge. Das englische vom 7. Juli 1896 kennt ein eigentliches sprungweises Vorgehen nicht, sondern verlangt ein abwechselndes Vorgehen von je zwei Zügen, von welchen stets der eine 40 bis 50 Schritt je nach der Bodenbeschaffen―― vorgeht, während der andere heit und der Entfernung des Gegners feuert. Der Burenkrieg hat nun die bis dahin geltenden Anschauungen stark
erschüttert,
ursachten.
da längere
Man glaubte
Sprünge
daher,
sehr starke Verluste ver-
nur überraschende kurze Sprünge
von 30 bis 40 m Länge, welche dem Gegner nicht gestatteten, mehr als einen gezielten Schufs abzugeben, machen
zu sollen.
Da man
gleichzeitig mit der Verkürzung der Sprunglänge auch die Gröſse der springenden Abteilung verringerte, so entstand eine aufserordentliche Zersplitterung der Gefechtseinheiten und ein regelloses Durcheinander auf dem Angriffsfelde, wobei sich die einzelnen Teile am Feuern und Laufen störten und Führung und Leitung aufserordentlich erschwert wurden, so dafs man doch Bedenken trag, diese bei
den
aufsergewöhnlichen Verhältnissen des Burenkrieges
für zweckmäſsig erkannte Ausführung des sprungweisen Vorgehens für die Fechtweise grofser Heere bei europäischen Kriegen zu übernehmen. Und allmählich nahm die Zahl der Freunde kurzer Sprünge wieder ab. Das neue französische Reglement vom Jahre 1901 nahm auch wieder gleich dem früheren keine Bestimmungen über die Sprunglänge auf, diese dem Ermessen des Führers überlassend. Geradezu allgemeines Erstaunen erregte das neue englische Reglement vom April 1902, da es nicht wie man erwartete die mit den Erfahrungen des Burenkrieges begründeten kurzen Sprünge, sondern lange Sprünge befahl. Nachdem es mit der Unterschrift
auch
die
Anschauungen
des
Höchstkommandierenden
im
Burenkriege, des somit berufensten Urteilers über die Erfahrungen dieses Krieges , enthält, dürfte wohl die Behauptung, der Burenkrieg habe die Notwendigkeit kurzer Sprünge dargetan , nicht mehr haltbar sein.
Das Reglement sagt: „ Gelände unter wirksamem und sorg-
Sprungweises Vorgehen beim Angriff.
45
fältig abgegebenem (accurate) feindlichen Feuer ist mit Sprüngen im raschesten Laufschritt zu durcheilen . Sprünge über freies Gelände sollten nicht über 80 oder 100 Yards (74 bezw. 92 m) lang Die Bestimmung sein und diese Grenze nur selten erreichen." dieses Reglements dürfte auch bei uns die allmählich wachsende Abneigung gegen die kurzen Sprünge noch vermehren. Das allerneueste Reglement, das österreichische vom Jahre 1903, enthält sich bindender Bestimmungen über die Länge der Sprünge and sagt nur : „ Die Länge der Sprünge hängt von dem Terrain und den Gefechtsverhältnissen, sowie vom Kräftezustande der Mannschaft ab und soll in der Regel zur Erreichung der nächsten Feuerstellung führen." Dies dürfte wohl der
gegenwärtig verbreitetsten Anschauung
über die Länge des Sprunges entsprechen, indem weder der kurze Sprung von 30 bis 40 m noch der lange von 80 m grundsätzlich zu bevorzugen ist,
sondern die Sprunglänge je nach Gefechtslage,
Geländebeschaffenheit und Zustand der eigenen Truppen verschieden sein wird und in jedem Einzelfalle dementsprechend zu bemessen ist. Über die Ausführung des Sprunges spricht sich unser Reglement sehr bestimmt aus. Gleichwohl sind auch hierüber im Laufe der Zeit verschiedene Anschauungen und neue Vorschläge kund geworden. Das Reglement beginnt in der einschlägigen Ziffer ( 127) : „ Kommando nach Bezeichnung der Abteilung. " Ich halte es nun für unbedingt notwendig, dafs der Sprung ― wie es ja auch das Reglement deutlich vorschreibt - kommandiert wird.
Der Ge-
brauch der Schützenpfeife, um das Feuer zu stopfen und dann den Sprang - sei es auf Zeichen, Wink, leisen Zuruf oder Kommando ausführen zu lassen, erscheint mir unzulässig. Das Pfeifen würde sich durch die ganze Schützenlinie fortsetzen und ein Aufhören des Feuers veranlassen, wodurch nicht nur die eigene Wirkung unterbrochen, sondern auch die Aufmerksamkeit des Gegners erregt würde. Da kaum Fälle eintreten werden, in welchen Abteilungen von grösserer
als Kompagniestärke
gleichzeitig
das
Feuer
einzu-
stellen haben und bei einer Kompagnie dies auch durch Kommando (welches nachkommandiert, nötigenfalls durchgesagt wird), sicher zu erzielen ist, so dürfte der Gebrauch der Schützenpfeife in der Es ist ferner vorgeSchützenlinie eine seltene Ausnahme sein . schlagen, das Kommando durch Zeichen zu ersetzen .
Wie soll aber
der auf den Gegner oder auf seine Waffe blickende Mann ein von dem in oder unmittelbar hinter der Schützenlinie liegenden Zugoder Gruppenführer gegebenes Zeichen wahrnehmen ?
46
Sprungweises Vorgehen beim Angriff .
Selbst das Kommando wird oft nur schwer gehört werden und erst durch Nachkommandieren der Gruppenführer oder gar erst durch Durchsagen von Mann zu Mann
zur Kenntnis
aller Schützen
kommen. Die Anschauung, dafs der Gegner durch das Kommando aufmerksam gemacht werde, kann sich doch nur auf die Erfahrungen auf den Übungsplätzen (besonders bei markiertem Feuer) gründen . Schon dann, wenn alle Schüsse mit Platzpatronen abgegeben werden, vermögen oft nicht einmal alle Leute des Zuges das Kommando ihres Führers zu hören. Beim Feuern mit scharfen Patronen, zumal wenn
die
Nebenzüge
und der Gegner weiterfeuern, werden
die
Kommandos zum Sprung wohl nur in seltenen Ausnahmefällen vom Gegner vernommen werden. Die Worte „ nach Bezeichnung der Abteilung " verdienen
nicht
minder sorgfältigste Berücksichtigung. Geradezu unentbehrlich ist die Bezeichnung der Abteilung, wenn bei starker Feuertätigkeit die Stimme des Führers derselben nicht durchdringt
und ein
Nach-
kommandieren oder gar Durchsagen des Kommandos nötig wird . Sehr zu beachten ist die Trennung des Kommandos in Ankündigungs- und Ausführungskommando und die zwischen beiden zu machende
(durch einen Strich im
Reglement angedeutete) Pause.
Diese soll dem Mann ermöglichen ,
zu sichern bezw. das Laden zu
beenden und zu sichern, das Visier niederzulegen und sich zum Aufstehen fertig zu machen , und den Zug- und Gruppenführern , vor die Front zu treten.
diese Dinge
sind von Wichtigkeit.
Nach Ankunft in der neuen Stellung mufs
Alle
eine schnelle Wieder-
aufnahme des Feuers möglich sein .
Deshalb sollen sämtliche Leute
mit geladenen Gewehren vorlaufen . Über die Notwendigkeit des Sicherns brauche ich kein Wort zu verlieren. Beim Gewehr 88 mufs das Visier niedergelegt werden, weil es aufgerichtet leicht verbogen werden könnte. Ob das Herunterlassen des Schiebers vor jedem Sprunge
unbedingt
nötig ist,
darüber läfst
sich streiten.
Jedenfalls erscheint es nicht unzweckmäfsig , den Mann an jedesmaliges Neustellen des Visieres in einer neuen Stellung zu gewöhnen, da das Neustellen desselben nicht viel mehr Zeit erfordert als das Umstellen , und da es immer noch besser sein dürfte , wenn ein gedankenloser Mann mit einem zu niedern als einem zu hohen Visier schiefst. Zum Fertigmachen zum Aufstehen" gehört zunächst das Schliefsen der Patrontaschen (zum mindesten mit einer Schleife), um das Verlieren der Munition zu verhüten, ferner, dafs der Mann sich zum raschen Emporschnellen vorbereitet , indem er das Gewehr in die linke Hand nimmt, die rechte Hand auf den Boden stützt und das rechte Knie leicht anzieht.
Dies ist zugleich deshalb zweck-
47
Sprungweises Vorgehen beim Angriff. mäfsig,
weil das Aufstützen der rechten Hand auf den Boden das Weiterfeuern unmöglich macht und das Anziehen der Knie dem hinter der Abteilung befindlichen Führer zeigt, dafs der Mann sprungbereit ist. Ein Aufstellen der Gewehre ist weder geboten noch zweckdienlich. Beim Eintiben des Sprunges empfiehlt sich eine
häufige Kontrolle des soeben Angegebenen und unnachsichtige Bestrafung jeder Versäumnis . Schliesslich verlangt noch das Reglement, daſs „ die Zug- und Gruppenführer vor die Front treten". Der Vorschlag, dafs diese in der Schützenlinie bleiben auch beim Vorlaufen ist, abgesehen davon, dafs er dem starren Wortlaut des Reglements zuwiderläuft, deswegen verwerflich, weil der Führer auch durch sein Beispiel seine Abteilung zum Vorgehen
anfeuern
soll,
und weil der
Führer nur, wenn er vorausläuft, seinen Leuten die neue Stellung sicher bezeichnen kann, indem er, an derselben angekommen, sich niederwirft und die Mannschaften veranlaíst, seinem Beispiel zu folgen. Fehlerhaft wäre es jedoch , wenn die Führer nach dem Durchlaufen der Schützenlinien noch einmal halten und dann erst : „ Auf ! Marsch ! Marsch! " kommandieren würden. Dieses Kommando ist von den ihren Lauf nicht unterbrechenden
oder verlangsamenden
Führern in dem Augenblick, in welchem sie die Schützenlinie durchschritten haben, zu geben. Springt ein Zug, so folgen die Gruppenführer dem Beispiel des Zugführers, sobald sie diesen vorlaufen sehen. eilenden
Sie werden ebensowenig imstande sein, den von dem voraus . Zugführer
gewonnenen
Vorsprung
einzuholen ,
wie
die
Schützen (welche sich erst erheben müssen), den der vorauseilenden Gruppenführer. Dadurch, dafs die Gruppenführer sich auf gleicher Höhe mit dem Zugführer hinlegen, wird den Mannschaften die neue Stellung genau bezeichnet. Das „Auf! Marsch !
Marsch ! " , welches
ohne Pause
zwischen
dem „ Auf! " und dem „ Marsch ! Marsch ! " zu kommandieren ist, folgt, sobald der Führer gesehen hat,
er-
dafs seine Abteilung fertig
zum Sprung ist. Es ist mit gröfster Schärfe abzugeben und mufs schon durch die Art des Kommandos die Abteilung vorreifsen . Es empfiehlt sich sogar, es zu diesem Zweck die Gruppenführer mitkommandieren zu lassen . Von der springenden Abteilung
ist raschestes Laufen zu ver-
langen. ,, Stürzen vor ! " sagt das Reglement. Genaue Richtung kann dabei natürlich nicht gehalten werden . Andererseits dürfen sich jedoch auch nicht die Züge während des Vorlaufens zu dichten ein vorzügliches Ziel bildenden - Klumpen zusammenballen.
48
Sprungweises Vorgehen beim Angriff. In der neuen Stellung angekommen , werfen
sich Führer wie
Schützen unverzüglich nieder. Darauf erfolgt ein kurzer Befehl zur Fortsetzung des Feuers seitens des Führers. Die Mannschaften haben Obacht zu geben, dass sie hinter der durch Zug- und Gruppenführer bezeichneten Linie halten und nicht über dieselbe hinaus vorprallen . Geringes Zurück bleiben ist durch Vorkriechen leicht zu verbessern . Richtung ist nur soweit notwendig, dafs kein Mann den andern in der Feuerabgabe hindert oder gefährdet bezw. durch einen andern behindert oder gefährdet wird . Sprünge sind ebenso sorgfältig zu üben ich möchte sagen, zu drillen - wie Gewehrgriffe . Nur dann , wenn durch häufiges und sorgfältiges Üben auf dem Exerzierplatze und im Gelände der Mann an die genaueste Ausführung aller beim Sprung zu beachtenden Tätigkeiten gewöhnt ist, wird machen, wie es notwendig ist .
er ihn angesichts des Feindes so Von besonderer Wichtigkeit ist das
rasche und gleichzeitige Aufstehen und Vorlaufen aller Leute , da die Erfahrungen des Burenkrieges gelehrt haben, dafs die Nachzügler besonders gefährdet waren . Wenn früher der Angriff eines Bataillons , eines Regiments oder einer Brigade pagnieweise ,
durchgeführt wurde,
wurde der Sprung meist kom-
häufig sogar noch von gröfseren Abteilungen,
nicht
selten von ganzen Bataillonen gleichzeitig ausgeführt. In diesem Falle ergab es sich meist von selbst, dafs die Sprünge von dem nicht angelehnten
äufseren (in der Regel umfassenden) Flügel be-
gonnen wurden und die inneren Abteilungen der Reihe nach folgten. Nachdem jetzt wie oben ausgeführt meist nur Züge springen, ist die Innehaltung einer stets gleichbleibenden Reihenfolge von einem Flügel aus von vornherein ausgeschlossen . Diejenigen Züge , welche sich befähigt fühlen, nach vorwärts Gelände zu gewinnen sei es nun,
dafs
das Gelände
dies
begünstigt
oder dafs
sich bei
ihnen die Feuerwirkung des Gegners weniger fühlbar macht führen jetzt einen Sprung aus. Sie erleichtern ihren Nachbarzügen , welche vielleicht weniger günstige Verhältnisse haben , das Vorwärtskommen und ermöglichen es, im Verein mit letzteren schliesslich auch denen, für welche es nur mit grofsen Schwierigkeiten und unter schweren Opfern möglich ist .
Auf diese Weise arbeitet sich
allmählich die ganze Schützenlinie an den Gegner auf die entscheidenden Entfernungen heran . Dies macht eine Regelmässigkeit in der Folge der Züge unmöglich .
Auch besteht dabei der Vorteil,
dals der Gegner niemals vorausbeurteilen kann, welcher Teil der Schützenlinie voraussichtlich demnächst einen Sprung machen wird, um diesen dann unter starkes,
womöglich konzentrisches -
durch
49
Sprungweises Vorgehen beim Angriff.
Mitwirken der Nachbarabteilungen Feuer zu nehmen. Allerdings entsteht gleichzeitig der Übelstand, dafs die in Stellung gebliebenen Züge durch vorgesprungene häufig in der Feuerabgabe behindert werden. Dies gilt namentlich für den an den bereits gesprungenen Zug grenzenden Flügel des liegenbleibenden Zuges . Dieser Umstand machte sich früher, als von einem Flügel ab eine Abteilung nach der anderen den Sprung ausführte, nur für einen Flügel eines einzigen Zuges fühlbar, jetzt jedoch, da von den verschiedensten Stellen der Schützenlinie Züge vorspringen, für die Flügel von sehr vielen Zügen .
Die beste Abhilfe ist für den liegen gebliebenen dem vorausgeeilten Zuge möglichst bald zu folgen. Hierbei werden die vorlaufenden Züge sehr oft mit ihren Flügeln in die Flügel der - bereits liegenden Nachbarzüge einschieben müssen , Zug,
dafs die Flügelgruppen der Züge (oder doch Teile derselben ) bald zu dem einen, bald zu dem anderen Zuge gehören. Ein
weiterer
Übelstand
ist,
dafs
durch
verschieden
lange
Sprünge der einzelnen bald hier, bald dort voreilenden Züge eine vielfach gebrochene Linie entsteht. Seitens der Führer ist dem durch entsprechende Bemessung der Sprunglänge soweit als möglich entgegenzuarbeiten. Gleichzeitig ist von ihnen dafür Sorge zu tragen, daſs der zur Umfassung bestimmte Flügel seinen Vorsprung behält. Häufig wird es vorkommen , dafs einzelne Züge usw. in tote Winkel kommen. In diesem Falle muſs es dem taktischen Verständnis der betreffenden Führer überlassen werden, ob sie so weit vorgehen, bis sie wieder Schufsfeld haben, sicht auf die Nachbarabteilungen
in
oder
ob sie mit Rück-
ungefähr gleicher Höhe
mit
diesen bleiben und vorläufig auf Feuerabgabe verzichten. Kleine einzelne Züge Abteilungen werden meist das letztere tun.`` Gröfsere - von mindestens Kompagniestärke - können oft wesentlich zum günstigen Fortgang des Gefechtes beitragen, wenn sie die Gunst des Geländes zum gedeckten Herangehen an den Gegner ausnützen und dadurch ihren Nachbarabteilungen das Vorgehen erleichtern . Diese Ausführungen dürften beweisen, dafs das sprungweise Vorgehen,
diese scheinbar recht einfache Art des Heranarbeitens
an den Gegner,
sowohl bei der Einübung wie
bei der praktischen
Anwendung von den Führern ein nicht geringes taktisches und infanterie-technisches Verständnis und viel Energie, und von den Schützen grofse Aufmerksamkeit, hoch entwickeltes Pflichtgefühl und tadellose Disziplin verlangt . Um aber Führer und Mannschaften zur 4 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 400.
Die englischen grofsen Manöver im Herbst 1904.
50
Überwindung der dabei auftretenden Schwierigkeiten zu befähigen , sind zahlreiche Übungen - auf den Übungsplätzen und im Gelände notwendig, und die hierzu erforderliche Zeit kann nur gewonnen werden durch Verzicht auf einige recht entbehrliche Formen, welche der Teil I unseres Exerzier- Reglements enthält .
V.
Die
englischen
grolsen
Manöver ')
im Herbst
1904.
Dals Grofsbritannien in neuerer Zeit grofse Anstrengungen macht, die Leistungsfähigkeit seines Landheeres hinsichtlich Organisation und Ausbildung auf eine höhere Stufe zu bringen, ist für denjenigen unzweifelhaft, der die Tätigkeit aller hierbei in Betracht kommenden Faktoren aufmerksam verfolgt. Zwar sind auf dem Gebiete der Organisation und einer zeitgemäisen Neugestaltung der gesamten Wehrmacht, wirklich bedeutsame Erfolge bisher noch nicht zu verzeichnen gewesen : der Brodricksche Reformplan ist nach unvollständiger Aufstellung von drei bis vier Armeekorps, die doch nur dem Namen nach solche vorstellten, und einigen Änderungen an der Spitze der Heeresverwaltung stecken geblieben, und das neue Army Scheme seines Nachfolgers Mr. ArnoldForster wird, trotz manchen in ihm enthaltenen guten Gedankens , doch bereits von vielen Seiten derart angegriffen und verurteilt, dafs ihm ebensowenig eine wirkliche Lebensfähigkeit prophezeit werden kann, wie seinem Erzeuger das Verbleiben an der Spitze des War Office , jener wohl am schärfsten kritisierten Regierungsbehörde des ganzen Vereinigten Königreiches. Mehr
aber
als
hinsichtlich der Organisation wird seit einiger
Zeit unbestreitbar auf dem Gebiete der taktischen Ausbildung des
1 ) Für den Leser genügt eine Karte des südl. Englands aus dem grofsen Atlas von Stieler, Andree usw.
Die englischen grofsen Manöver im Herbst 1904.
51
Heeres geleistet : hier ist ein tatsächlicher Fortschritt gegenüber den Verhältnissen vor dem südafrikanischen Kriege unverkennbar, eine natürliche Folge der traurigen Lehren, die dieser Feldzug dem britischen Heere gebracht hat. So haben denn auch in diesem Jahre in Grofsbritannien Manöver gröfseren Mafsstabes, und
Zusammensetzung
sowohl was die Zeitdauer als auch die Zahl der
dabei
zur
Verwendung
gekommenen
Trappen anbetrifft, bei dem 1., 2. und 3. Armeekorps stattgefunden . Eine ganz besondere Bedeutung aber mufs den vielfach kurz als Essex-Manoeuvres bezeichneten, in der Zeit vom 6. bis 16. September stattgehabten grofsen Manövern in der genannten Grafschaft zugesprochen werden, die zum ersten Mal in England nach dem Muster anderer Grofsmächte ein teilweises Zusammenwirken von Landheer und Flotte zum Ausdruck brachten. Obwohl schliefslich die Unternehmung nicht als ganz gelungen anzusehen ist, so ist doch die Tatsache, dafs eine solche überhaupt in das Werk gesetzt werden konnte, nicht ohne symptomatische Bedeutung, und erregte auch im ganzen Lande, das sonst allen militärischen Angelegenheiten gegenüber sich unglaublich gleichgültig zu verhalten pflegt, ein bemerkenswertes Interesse. Für worden :
diese
Manöver
war
folgende
Generalidee
ausgegeben
Ein rotes Inselreich befindet sich mit einer grofsen blauen Seemacht im Kriege. Eine blaue Armee, der es gelungen ist, an der Küste von Sussex zu landen , hat sich an der Südküste eine Operationsbasis geschaffen .
Die
Mobilmachung von Rot war noch nicht
vollendet, als die Landung erfolgte, aber ein starkes Truppenkorps ist seitdem in der Nähe von Redhill (südlich von London) versammelt, um Blau den weiteren Vormarsch streitig zu machen . Die Spezialidee besagte, dafs andere blaue Streitkräfte - dar-
gestellt durch das I. Armeekorps (Aldershot ; kommandierender durch eine Landung an General : Generalleutnant Sir J. French) der Küste von Essex die Operationen ihres Hauptkorps in Sussex erleichtern sollten. Die Nacht vom 5. zum 6. September war als Zeitpunkt für den Beginn des Kriegszustandes festgesetzt worden. Die für die Ausführung der Landoperationen gegebenen Bestimmungen über Verpflegung, Wasserzufuhr, Krankenversorgung usw. sowie betreffs der Quartiere der höheren Stäbe waren derart, dafs dadurch das notwendige Geheimnis über die in Aussicht genommene Gegend der Landung ziemlich enthüllt wurde: es mufste dies die Gegend von
Colchester
sein , während das Hauptquartier
des Verteidigers
Die englischen grofsen Manöver im Herbst 1904.
52 die kleine
Stadt Braintree, etwa 24 km westlich von
(Luftlinie), bilden sollte.
Colchester
Hierdurch wurde der Wert des Manövers
in mehrfacher Hinsicht unzweifelhaft beeinträchtigt.
Auffallend und
jedenfalls nicht empfehlenswert war auch die Einrichtung von „ neutralen " Verpflegungsdepots, aus denen beide Parteien gemeinsam die tägliche Verpflegung, aufser Heu und Holz, durch ihre Verpflegungskolonnen von denen jede Partei eine besafs zugeführt werden sollte. Diese Kolonnen waren während des Hin- und Rückmarsches zu bezw. von den Depots gleichfalls neutral, was bei ihnen durch eine weifse Flagge kenntlich trächtigte begreiflicher nicht wenig.
Weise
gemacht wurde. das
Auch dies beein-
Kriegsmälsige
des
Manövers
Das Expeditionskorps , aus dem 1. Armeekorps gebildet und unter dem persönlichen Befehl des Generalteutnant French stehend, bestand aus der 1. und 2. Division mit den Korpstruppen, im ganzen etwas über 11000 Mann stark, während die Truppen des Verteidigers zum Teil aus dem IV. Armeekorps (London) zum Teil aus Abgaben des II . Korps (Salisbury)
bestanden und rund 6000 Mann zählten ; bei
ihnen befand sich u . a . die 9. (Garde- ) Infanteriebrigade des II. Korps sowie 100 Mann Yeomanrykavallerie. Kommandiert wurde die rote Partei vom Generalmajor Wynne, während die Leitung des ganzen Manövers in den Händen des Chefs des Generalstabes, Generalleutnants Sir N. Lyttelton, als Director of Manoeuvres lag, und der Generalinspekteur der Heeres, der Herzog von Connaught, als Schiedsrichterchef, unter ihm General Lord Methuen (kommandierender General des IV . Armeekorps) und Generalmajor richter fungierten.
Auf dem
Marsch
des
Oliphant als Oberschieds-
Expeditionskorps
von
Aldershot nach
Southampton, der am 1. September angetreten wurde, ereignete sich in der Nacht vom 2. zum 3. September ein bemerkenswerterVorfall . Infolge eines Schusses , durch den ein unheilbar verletztes Pferd getötet wurde,
brach unter den im Lager untergebrachten Pferden des 8. und 14. Husarenregiments eine Panik aus . Etwa 600 von ihnen zerbrachen die Piketpfähle, rissen sich los, stürmten nach allen Seiten in die Nacht hinaus und rasten meilenweit davon, bis nach Southampton, Winchester, Cotley usw. Sehr viele Verluste und schwere Verletzungen waren die Folge davon und 371 von ihnen mufsten am zweiten Tage zum Teil in hoffnungslosem Znstand mittelst Sonderzuges nach Aldershot gebracht werden. General French aber sah sich durch diesen Unfall derart von Kavallerie entblöfst, dafs er am folgenden Tage telegraphisch das
1. Kings Dragoon Guards
Die englischen grofsen Manöver im Herbst 1904. Regiment heranbeordern mufste .
53
Dies Regiment war beim Eintreffen
des Befehls gerade zum Kirchenappell versammelt und stand doch bereits um 22 Uhr nachmittags im Khakianzug - den das gesamte Expeditionskorps anzulegen hatte zum Ausmarsch bereit. Am folgenden Morgen traf es in Southampton ein, um alsbald eingegeschifft zu werden.¹ ) Die Einschiffung des Detachements auf zehn gecharterten Transportdampfern begann am 5. September morgens bald nach 6 Uhr und um 1¼ Uhr verliefs das erste, gegen 6 Uhr abends das letzte Schiff, das
noch einer Reparatur am Steuer notwendig gehabt hatte,
den
Hafen. Die Seefahrt, die in zwei getrennten Geschwadern von je 5 Transportschiffen mit 3 begleitenden Kreuzern erfolgte, verlief ohne
Störung,
obwohl der
Kanal im Nebel passiert wurde.
Am
7. September morgens erreichte man den zur Landung in Aussicht gonommenen Küstenstrich zwischen Wolton on the Naze und Clacton , der in der Luftlinie etwa 23 km von Colchester entfernt ist. Bald darauf traf hier der Herzog von Connaught mit seinem Stabe, den Schiedsrichtern und fremdherrlichen Offizieren ein, besichtigte zuerst die über normal belasteten Schiffe und beobachtete sodann vom Lande aus die Ausschiffung. Die Landung vollzog sich
mit
Hilfe
der von den Kreuzern
mitgeführten Pinassen, die die Landungsboote zur Küste schleppten , in denen zunächst die Arbeiter und das Material zur Herstellung von zwei Landungsstegen herübergebracht wurden . Dann folgte ein Marinekommando von Offizieren, mit Matrosen und Seesoldaten, von denen die letzteren sowohl eine nächste Absperrungslinie gegen das rasch sich ansammelnde Publikum bildeten als auch kleine Sicherungsabteilungen gegen Westen vorschoben. Trotzdem der Strand für Landungszwecke aufserordentlich günstig war, so ging die Ausschiffung doch im ganzen nur recht langsam vor sich, wie eine vom Daily Telegraph für die tabelle zeigt.
Leistungen der 1. Division veröffentlichte Zeit-
1 ) Eine ganz ähnliche Pferdepanik (stampede nennen die Engländer diese Erscheinung nach amerikanischem Muster) fand übrigens auch bei dem diesjährigen Manöver der 7. Division im Lager bei Athey (Irland ) stand, wo sich plötzlich nachts gegen 100 Pferde erschreckt von ihren Piketpfählen losrissen und davon jagten. Doch waren hier die Verletzungen weit geringer und es gelang, alle Pferde am nächsten Tage wieder einzufangen.
Die englischen grofsen Manöver im Herbst 1904.
54
Danach wurden gelandet :
in der 99 99
99 99
99 99
1. Stunde 99
1700
100
99
2000
100
12
150
100 120
6
8.
12 99
99
99 99
99
9. 11 . 12 .
99 99
Geschütze :
2.
99
99
Pferde :
3. 5.
6.
99
Mann : 1400
150
17.
20
20 20 17 14
99 99
70
100 70
99
70
70
70 21
32
14. 15. 99
21
12 18
100
100 50
99
Fahrzeuge :
4
10 20
1
Man hatte ursprünglich angenommen, dafs die Ausschiffung des Detachements bis zum Abend beendet sein werde ; es ergibt sich den vorstehenden Angaben , wie man sich in dieser Annahme getäuscht hatte . Um keine Zeit zu verlieren, wartete der Führer die völlige Landung seines Korps nicht ab,
sondern ging mit den zuerst übergesetzten
Teilen sogleich, in vorderster Linie mit Schützenschwärmen , energisch in der Richtung auf Colchester vor, trieb die roten Vortruppen zurück und bemächtigte sich gegen Morgen der Stadt. Dafs ibm diese Überraschung mit nur einem Teil seines Detachements und trotzdem dem Gegner die Landung nicht unbekannt geblieben war, gelang, wirft kein günstiges Licht auf die Aufmerksamkeit und Energie des Verteidigers , der doch über ein ausgebreitetes Telegraphennetz zwischen Dunmow und Rivenhall, allerdings an Kavallerie über wenig mehr als verfügte .
ein Regiment und
100 Mann
Yeomanryreiterei,
Infolge der starken Ermüdung der Truppen und auch wegen Verpflegungsschwierigkeiten , die durch das rasche Vorgehen der vordersten blauen Truppenteile entstanden waren, ordnete die Leitung eine 24 stündige Waffenruhe, unter Festsetzung der beiderseitigen Vorpostenlinien, an. Nach Beendigung derselben nahm Rot eine starke Verteidigungsstellung, die von Witham bis Braintree reichte und die Hauptstrassen von Colchester auf London sperrte . Gegen diese ging General French am 9. energisch und erfolgreich zum Angriff vor, als ihm von der Leitung die Mitteilung zugestellt wurde , dafs die blaue Hauptarmee in Sussex geschlagen sei und zurückgehen müsse, und er daher mit seinem Detachement das gleiche zu tun habe.
Die englischen grofsen Manöver im Herbst 1904. Den
stark
nachdrängenden
Arrieregarden von
Gegner
geschickt
55 durch
starke
sich abhaltend, trat Generalleutnant French un-
verzüglich den Rückzug an, nachdem er zunächst seine Bagage und Nach einem seine Fahrzeuge auf Clacton zurückbeordert hatte. Ruhetag am Sonntag, den 12. , passierte er am folgenden Morgen in aller Frühe Colchester wieder und nahm, da die ungünstige Witterung die Einschiffung der Bagage und Fahrzeuge an diesem Tage unmöglich machte, zum Schutz derselben, die bereits bei Clacton versammelt waren,
mit
seinem ganzen Detachement eine starke Verteidigungs-
stellung, die er im Laufe des 13. gegen einen heftigen Angriff des Generals Wynne erfolgreich hielt. Am
folgenden Morgen begann bei
nachlassendem Wind aber starkem Regen die Einschiffung der Fahrzeuge und der 1. Division , gedeckt durch die 2. Division, deren Stellung von neuem lebhaft von Rot angegriffen wurde. Die Verladung der Pferde und Fahrzeuge erfolgte auf Prähmen, die von Dampfpinassen zu den Schiffen geschleppt wurden . Die Wagen sollten beladen sein, mufsten jedoch schliefslich, als die See bewegter wurde , teilweise entladen werden. Um 4 Uhr nachmittags begann die Einschiffung der Infanterie und wurde , nachdem sie infolge der Ebbe etwa zwei Stunden lang unterbrochen worden war, während des Abends und der Nacht mit Hilfe von Scheinwerfern der Kreuzer fortgesetzt.
Donnerstag ( 15.) morgens war das ganze
Detachement wieder an Bord , nachdem die Einschiffung der Bagage und Fahrzeuge, sowie der 1. Division bereits am Abend vorher vollendet worden war. Gegen 1 Uhr nachmittags lichtete das Geschwader die Anker und landete glücklich am folgenden Tage wieder in Southampton , von wo die Truppen mit der Bahn nach Aldershot abtransportiert wurden. Trotz der im allgemeinen sehr günstigen Darstellung , die diese für Grossbritannien ungewöhnlich grofse Kriegsübung in der Presse gefunden hat, geht aus verschiedenen Äufserungen unverkennbar hervor, dafs man im Lande , besonders aber in fachmännischen Kreisen, vielfach mit ihrem Verlauf doch nicht in allen Punkten zufrieden ist. Zunächst tadelt der britische Patriot den diesem Manöver zugrunde gelegten Gedanken , wonach eine feindliche ,, Invasion " auf den geheiligten Boden des meerumgürteten Königreiches überhaupt als möglich angenommen worden war : eine solche unnatürliche Voraussetzung sei nur geeignet , britische Flotte und in die
das Vertrauen in die allmächtige selbst nach regierungsseitlicher Er-
56
Die englischen grolsen Manöver im Herbst 1904.
klärung schüttern !
durch diese
Flotte
gewährleistete
Sicherheit
zu
er-
Vergebens betonte demgegenüber kein geringerer als der Generalleutnant Sir Neville Lyttelton selbst in einer öffentlichen Rede, dies Manöver hätte gerade den Beweis geliefert, dafs es sehr schwer für eine fremde Armee sei , Englands Boden zu betreten und fast unmöglich ihn , ohne völlige Vernichtung zu erfahren , wieder zu verlassen - eine Behauptung, die übrigens dem unparteiischen Beobachter durch den Verlauf der Übung noch keineswegs erwiesen scheint. Obwohl ferner von offizieller Stelle aus so in dem Erlafs des Generals French und bei vielen anderen Gelegenheiten - den militärischen und taktischen Leistungen der Truppen, sowie der Geschicklichkeit der Führer das denkbar höchste Lob gespendet und der hohe Wert dieser Kriegsübung nach den verschiedensten Richtungen gepriesen wurde, so lautet doch das Urteil ruhiger urteilender Fachleute auch in England in mancher Beziehung ganz anders . Diese wollen vielfach in der hier zum erstenmal erfolgten näheren Beziehung, in die das Landheer zur Flotte trat, und in der Ubung im Ein- und Ausladen gemischter Waffen , sowie in der am 7. September unmittelbar nach der Ausschiffung unternommenen nächtlichen taktischen Offensive so unnatürlich dieselbe auch für den Ernstfall erscheinen mufs den einzigen wirklichen Nutzen des kostspieligen Manövers erkennen können . Tatsächlich ist der letztere für die taktische Ausbildung der Soldaten und der unteren Führer nur sehr gering gewesen, da die Operationen zu Lande, obwohl für sie die Manoeuvres Act ausdrücklich in Kraft gesetzt war, doch sehr unter der allgemeinen Abneigung der englischen Grundbesitzer , ihr Gelände militärischer Benutzung zu überlassen , zu leiden hatten, und da die Gegend aufserdem sehr waldreich und mit Hecken und Zäunen stark durchsetzt war, so entwickelte sich vielfach eine Strafsen- und Wegetaktik , die höchst unnatürliche Gefechtsbilder hervorrief.
Dafs
die Organisation des Verpflegungswesens zu Anfang der Übung, wohl infolge des allzuraschen nächtlichen Vorgehens von Blau , teilweise versagte, was für die erschöpften Truppen sehr fatal war . schon oben erwähnt.
wurde
Die bei der Aus- und Wiedereinschiffung für Pferde und Fahrzeuge zur Verwendung gekommenen Prähme und Übersetz maschinen haben sich nicht bewährt und brachten wiederholt Tiere und Menschen in unbeabsichtigte Berührung mit den Meereswogen . Bei der zuletzt infolge der etwas bewegter gewordenen See notwendig gewordenen Entladung vieler Fahrzeuge kam zutage , dafs die Truppenanteile zum Teil recht unnötigen und unkriegsmässigen Ballast
Die englischen grofsen Manöver im Herbst 1904.
57
mitführten. Die Zahl der Landungsboote und namentlich der Schlepper für diese genügte durchaus nicht für die Stärke des Detachements und führte zu einer bedeutend zeitraubenderen Aus- und Einladung, als man höheren Ortes vorher mit Bestimmtheit angenommen hatte. Ganz aufserordentlich grofs war die Zahl der höheren Stäbe, die diesem Manöver beiwohnten : so hatte der Director of Manoeuvres einen solchen von 16 Offizieren, vom Generalmajor bis zum Captain , bei sich, der Schiedsrichterchef Herzog von Connaught einen persönlichen Stab von 5 Offizieren und die beiden ihm unterstellten Oberschiedsrichter , General Methuen und Generalmajor Oliphant , nicht weniger als 14 Schiedsrichter und 30 Schiedsrichtergehilfen um sich vereinigt. Ausserdem waren 8 Flurentschädigungsoffiziere in Tätigkeit und etwa 12 fremdländische Offiziere wohnten der Übung bei , von deutscher Seite der Militärattaché in London , Rittmeister Graf von der Schulenburg. Aus
dem
kürzlich vom Generalleutnant Sir John French dem
Heeresrat (Army Council) eingereichten Bericht über den Verlauf der Essex-Manoeuvres entnehmen wir noch folgende interessante Einzelheiten : Die Pferde- Stampede vom 4. September läfst die Ausgabe neuer Bestimmungen über die Befestigung der Pferde im Biwak notwendig erscheinen. Da sich die Prähme bei Ebbe dem Ufer nicht genügend nähern konnten , so musste die Ausschiffung der Pferde etwa 11/2 Stunden vor Eintritt der Ebbe unterbrochen werden und konnte. erst 12 Stunden nach Beendigung derselben wieder aufgenommen werden, wodurch die hierfür zur Verfügung stehende Zeit sehr verkürzt wurde . Auch war die Zahl der Fahrzeuge unzureichend, ferner die Landung an zwei weit voneinander gelegenen Stellen unpraktisch, und das nicht genügende Zusammenhalten der Wagen mit ihrem Zubehör und der Pferde
mit ihrem zugehörigen Geschirr übte auf
die Beschleunigung einen nachteiligen Einfluss aus. Dafs der Landungsplatz für das Detachement vorher festgesetzt war, wodurch dem Führer in taktischer Hinsicht die Hände gebunden wurden, bezeichnet Generalleutnant French als eine grofse Enttäuschung" . Sehr störend war auch, dafs das Betreten des Geländes vielfach verboten war. Die Leistungen der Truppen verdienten grofses Lob. Trotz der bedeutenden Anstrengungen und der kalten Nächte sei die Krankenzahl nur gering gewesen. Bedauerlich war der Mangel an Artilleriestellungen im Manövergelände ; für die Kavallerie fehlte es zwar an Attackengelände, aber im Aufklärungsdienst leistete
sie Gutes.
Ausgezeichnet waren in dieser Hinsicht
die Leistungen einer Abteilung von 50 Radfahrern, die , dem Stabe
Die Zöglinge von der Militärspezialschule in St. Cyr.
58
des I. Korps zugeteilt, lange vor der Kavallerie an das Land gesetzt wurden und sofort erfolgreich zur Aufklärung des Gegners sowie zur Sperrung der feindlichen Anmarschwege vorgingen. Auch die Tätigkeit der Pioniere war recht zufriedenstellend und ein neues Kabelfahrzeug (für Telegraph und Telephon) , das hier zum erstenmal zur Verwendung kam, bewährte sich gut; der General wünschte jedoch , dafs es zerlegbar gemacht werden könnte. Wenig zufrieden äufserte sich Generalleutnant Sir John French über die rauchlosen Manöverkartuschen, die zuweilen nicht losgegangen seien, und einen zu leisen Knall von sich gäben. Schliefslich sprach er noch seine hohe Anerkennung über die vorzügliche Disziplin aus, die alle Truppen sowohl im Dienst als auch aufserhalb desselben, der Zivilbevölkerung gegenüber, an den Tag gelegt hätten .
VI.
Die Zöglinge
von
der
Militärspezialschule
In der Umschau der Novembernummer der
in
St. Cyr. "
Jahrbücher" ist
die beabsichtigte Umgestaltung der Militärspezialschule von St. Cyr besprochen und
weiter
gemeldet,
wie nach seinem
Bericht
der
General Bazaine Hayter bestürzt gewesen ist über : „ Das kindische Benehmen der Schüler , ihre knabenhaften Antworten , den Geist
der
Unduldsamkeit ,
des
Dogmatismus
und
ihre
Gleichgültigkeit gegen wahre Wissenschaft. " Deutsche Leser werden die „Bestürzung" des französischen Generals erklärlich finden ; für einen alten französischen Offizier aber ist eben diese Bestürzung „ bestürzend " , denn für den Verfasser ist es unverständlich, daſs ein französischer General nicht schon lange die Verhältnisse in St. Cyr kennt. Er mufs wissen, dafs die Zöglinge von St. Cyr der gröfsten Mehrzahl nach nur Schüler sind, die kaum das Gymnasium ver-
1) Nachfolgende Ausführungen gehen uns von einem ehemaligen französischen Offizier zu . Die Leitung.
59
Die Zöglinge von der Militärspezialschule in St. Cyr.
lassen, von dem Soldatenberuf meistenteils gar nichts ahnen , und deren soziales Milieu öfters sie auch gar nicht das „,Volk in Waffen" zu führen vorbereitet. In der Tat, wenn man einige junge Leute, Offizierssöhne, welche die Liebe für den Soldatenstand sozusagen von Geburt ab fühlen , und die Zöglinge von la Flêche, von den Schulen ,,d'Enfants de troupe", die militärisch, wie die deutschen Kadetten, erzogen sind, ausnimmt, bat der Kandidat für St. Cyr meistens keine Vorstellung seiner Pflichten als Offizier, noch weniger von der Wichtigkeit dieser Pflichten . Wie könnte
es anders
sein ?
In
Frankreich,
wie
bekannt,
hat der erste beste Jüngling die Möglichkeit, Offizier zu werden, wenn er nur die erforderlichen Kenntnisse, um das Examen zu machen, besitzt, wozu seine , selbst arme , Familie die nötigen Opfer bringen wird. Vor 34 Jahren war die Lage nicht wie heute. Allerdings war die französische Armee kein „ Volk in Waffen" , aber eine „ Fachsoldatenarmee"; also waren die Kandidaten für St. Cyr, wie übrigens die Offizierstellen, spärlich, und die Jünglinge des niedrigen Bürgerstandes, die Söhne der Kaufleute usw. strebten nach einem anderen Ideal , als nach den ,,roten Hosen" . Nach dem Kriege 1870/71 hat die Umgestaltung der französischen Armee die Offizierlaufbahn wieder in Ruf gebracht, indem der allgemeine Dienst eingeführt worden ist. Da natürlich die Offizierstellen verhältnismässig zu.
zunahmen, nahm auch die Zahl der
Aber wie und warum ?
Kandidaten
Schon viele, die vorher niemals an den
militärischen Beruf gedacht hatten, haben sich von der Schwärmerei für den neuen Kurs hinreifsen lassen und die Prüfungen mit Erfolg gemacht. Eines schönen Morgens waren sie, so zu sagen unbewusst, zukünftige Offiziere . Aber nach und nach ist die innere politische und wirtschaftliche Lage in Frankreich unsicherer, schwankender geworden, wozu die Instabilität der Regierung, die fortwährenden Krisen, der Sturz so vieler Minister besonders beigetragen haben, so dafs viele vorher gepriesene, von der ministeriellen Gunst abhängige Berufe jetzt verlasşen sind, weil sie keine Garantie einer sicheren Existenz mehr bieten. Dagegen bleibt die Offizierlaufbahn bis jetzt (ausgenommen die hohen Chargen, für welche die Politik mafsgebend ist) vor den politischen Schrecken geschützt, und die Charge, nach dem Gesetz, ist das Eigentum des Offiziers ( le grade est la propriété de l'officier) und kann ihm nur in seltenen Fällen genommen werden.
privater Natur
60
Die Zöglinge von der Militärspezialschule in St. Cyr. Also kleine Bürger, kleine Kaufleute , die unter der wirtschaftlichen
Lage Frankreichs viel gelitten haben, träumen für ihre Sprösslinge nur von den Offizierschnüren. Dass sie den Söhnen im Gymnasium den erforderlichen Unterricht erteilen lassen, ist natürlich, wenn sie nicht ganz mittellos sind, und deshalb bekommt die Militärschule von St. Cyr manche Zöglinge , deren ,, kindisches Benehmen , knabenhafte Antworten" einen französischen General in Bestürzung setzen konnten. Und wenn der
deutsche Leser persönliche Beispiele von dem
Verfasser verlangt, da hat er zwei: Ein Verwandter von ihm ist jetzt französischer Hauptmann ; er ist der Sohn eines hohen Beamten der Forstverwaltung und von den ersten Jahren ab zu einem bürgerlichen Beruf bestimmt worden. Aber für ihn war die Prüfung für St. Cyr die zugänglichste, da er vor der Ecole forestière" oder vor der Ecole polytechnique" eine gewisse Scheu. Also ein Notfall. Zweitens hat der Verfasser einen Kavallerieoffizier gekannt, der ihm kühl vertraute , dafs er, der Sohn eines kleinen Krämers, die militärische Laufbahn, besonders bei der Kavallerie, nur angenommen hatte,
weil er nur so hoffen könnte,
eine Ehe
zu schliefsen ,
auf
welche, nach seinem sozialen Milieu , keinen Anspruch zu machen hatte. In der Tat fand er als netter Jägeroffizier eine sehr reiche Frau und . . . nahm den Abschied . Solche Beispiele sind haufenweise anzuführen ; man braucht nur die Reserveoffiziere der Kavallerie in der Rangliste zu notieren . Ja noch mehr!
Die Schule von St. Cyr dient als Notbehelf für
die abgewiesenen Kandidaten der „Ecole polytechnique", welche die schwere Prüfung nicht bestanden haben. Spielt im Examen für die polytechnische Schule die Mathematik die vorwiegende Rolle , so ist auch sie, was St. Cyr betrifft, der Hauptgegenstand, was auffallend erscheint, da St. Cyr nur die Offiziere für die Infanterie und die Kavallerie ausbildet. Für jene abgewiesenen Kandidaten bietet das leichtere Examen keine grofse Schwierigkeit, und fast immer bestehen sie es mit Erfolg, so dafs sie Offiziere einer Waffengattung werden, für welche sie von Hause aus gar nicht schwärmen . In der Schule selbst erhalten die Zöglinge eine zwar militärische, aber nach der Gymnasiumsart eingerichtete Erziehung, indem sie z . B. in Lehrstuben von ,,Adjutanten “, d . h . älteren Unteroffizieren überwacht sind und wöchentlich besondere, in der Schulsprache ,,Colles" genannte Prüfungen machen müssen, für welche eine geringe Note Also wirklich den Zögling nach der Arreststube führen kann. schülermässig und knabenhaft ! Entwickelung des Charakters und Aus-
Infanteristische Gefechtsausbildung.
61
prägung des Pflichtgefühls sind Nebensache, und die zukünftigen Führer des „Volkes in Waffen " können nach zwei Jahren einer solchen Lebensweise schwerlich Lehrer und Männer werden ! Deshalb kann man mit dem Berichterstatter der ,,Jahrbücher" einstimmen, wenn er sagt, man dürfe gespannt darauf sein, wie diese weittragende Frage eine Lösung erhalten wird .
VII.
Infanteristische Gefechtsausbildung . Erfahrungen und Vorschläge eines älteren Kompagnie chefs .
Nicht als ob noch des weiteren von der Notwendigkeit rationellster und intensivster infanteristischer Gefechtsausbildung zu reden wäre. Nicht durch die „ Sonne von Colenso " , sondern schon längst ist der Wert dieser Ausbildung in das richtige Licht getreten und das Rufen nach pointierteren Anhaltspunkten
oder präzisierteren Direk-
tiven speziell für die erste Ausbildung, d . h. diejenige des ersten Dienstjahres, ist nicht mehr verstummt. Es
kann auch nicht verstummen, denn die Erfahrungen am
Schaho bestätigen die vom Modderriver und demgegenüber muls E.R. I doch zu dürftig erscheinen . Es ist aber nicht an dem, dafs ein radikaler Systemwechsel allein das Heil zu bringen imstande ist ganz abgesehen von den grofsen Gefahren eines solchen
sondern die Grundsätze für
die Bewertung der Leistung einer Schützenlinie, unserer „ einzigen " Kampfform , stehen schon längst unwandelbar fest, im Detail aber fehlt noch der unentbehrlich nötige reglementierte Weg . Das Rückgrat " der Schützenlinie, der so notwendige innere Halt beteht vor allem in dem Bewulstsein des Schützen, von der eigenen Gefechtskraft und derjenige Schütze ,
welcher durch praktische und
theoretische bezw. applikatorische Schulung dieses Bewusstsein erlangt hat, wird nicht den moralischen Einflüssen so bald erliegen ;
Infanteristische Gefechtsausbildung.
62
nein er wird sich von seinem Platze nicht vertreiben lassen, so lange er noch Patronen besitzt, er wird den Feind ruhig herankommen lassen bis
er Gelegenheit hat
lassen, und wenn der dann wird
er
ihm seine Gefechtskraft fühlen zu
Feind ihm
diese Gelegenheit nicht bietet,
das Bestreben haben sie aufzusuchen,
d . h . näher
beranzugehen, um ihm beizukommen und seine Gefechtskraft zu verwerten. Die Notwendigkeit dieser Forderung für jeden Gefechtsschützen ist eine so dringende, dafs demgegenüber die Frage , ob dies durch Drill oder Erziehung, ob nur im Gelände oder auch auf Exerzierplätzen zu erreichen ist, zunächst in zweiter Linie erscheint. Der richtige Gefechtsschütze muls mechanisch, d . h. mit nur durch Uebung und Drill zu erreichender Gewandtheit sich aufrichten , anschlagen, laden ; er mufs dies aber auch ohne jedes Avertissement mit vollster Ueberlegung und schliefslich instinktiv ' ) tun, sobald der Gegner aufspringt und ihm nur wenige Sekunden ein gutes Ziel bietet. Er muls auf das Kommando des Führers mit nur durch Exerzierübung zu erreichender Gewandtheit sich zum Sprunge fertig machen, aufspringen und vorstürzen, oder auf Zuruf langsam kriechend oder schleichend
sich zu
bewegen geübt sein,
er muls dies aber
auch ohne Kommando mit ruhiger Ueberlegung und vollster Energie auszuführen imstande sein, er mufs sein Ziel innerhalb des gesteckten Rahmens selbst wählen, auf seine Nebenleute Rücksicht nehmen . seine Patronen einteilen usw. Was durch Drill, was durch Erziehung, was durch Übung, was durch Anschauung, was durch Belehrung erreicht werden muls, ergibt sich in der Praxis meist von selbst und sind alle müfsigen Doktorfragen darüber unnötig . Die Individualität des Mannes allein bedingt gewisse Unterschiede . Eines steht fest, dafs diese Ausbildung nicht an einem Tage bezw. in kurzer Zeit zu einem greifbaren Resultat führen kann . Es ist also eine ganze Reihe von Uebungen und Belehrungen notwendig, die wieder nur dann fruchtbar sein können, wenn sie in ein gewisses System gebracht sind (s . E.R. I , 61 , 2) .
Zweifellos besteht hier die
Notwendigkeit einer eigenen Ausbildungsvorschrift für den Gefechtsschützen. Was im einzelnen Falle im Gefecht wirklich zu geschehen hat, ist anfangs Sache der Führung und im weiteren Verlauf Sache der unteren und untersten Führung, bis schliesslich die Selbständigkeit 1 ) Vgl. „ Militärische Zeitfragen " .
10. Heft.
„Schielstaktik der In-
fanterie" von Generalmajor von Lichtenstern , sowie „ L'automatisme du tireur" par Lieutenant Lorriot. Paris, Lavauzelle.
Infanteristische Gefechtsausbildung.
63
und Selbsttätigkeit des Schützen, begründet in seinem Schützenbewalstsein, den Ausschlag gibt. Dafs speziell von der unteren und untersten Führung eine gewisse Meisterschaft in Beherrschung der Formen und Handlungen gefordert werden mufs , liegt in der Natur Andererseits erledigt sich aber auch diese Forderung der Sache. bei systematischem Betriebe von selbst. Die
Frage,
ob
eine moderne
Gefechtsausbildung und speziell
-besichtigung ein ganz besonders schwieriges Gelände bedingt, möchte ich nur insofern streifen, als es erfahrungsgemäfs auch bei den einfachsten Aufgaben in einfachstem Gelände gelingen mufs über die Gefechtsfähigkeit eines Mannes bezw. einer Reihe von solchen, d . i. einer Schützenlinie eine annähernd richtige Anschauung zu gewinnen. Voraussetzung ist gute Vorbereitung und gutes Funktionieren der Ziele. Dafs es in schwierigem Gelände - Bewegungsfreiheit vorausgesetzt -- leichter sein wird über den Gesamteindruck einer Infanterie
zu urteilen ,
ist ja selbstverständlich.
Aber je mehr Dinge
zugleich beachtet werden wollen bei Beurteilung eines Gefechtsmomentes z. B. gegnerisches Verhalten , eigene vorausgegangene Verhältnisse , Führung, störende Einflüsse usw., um so komplizierter wird das Ganze und dessen Kritik . Es ist also notwendig, die Kritik einzelner Dinge, vor allem die der Führung, auszuschalten und es kann nicht schwer sein auf Grund eines einfachen , von allen störenden Einflüssen freigehaltenen, den Schützen natürlich vorher vollkommen unbekannten Gefechtsmomentes sofort ein klares Bild über die Höhe der Ausbildung zu erhalten .
Ganz besonders möchte
ich, als leicht durchführbar, der Besichtigung von Zügen oder auch Halbzügen durch den Bataillonskommandeur das Wort reden. Die Fortschritte in der Ausbildung würden sich deutlich dokumentieren . Dazu kommt noch, dafs in schwierigem Gelände und bei komplizierten Verhältnissen
die
Aufgabe
der
Führung
in dem Mafse
wächst, dafs die Tätigkeit der Schützen hingegen als verschwindend betrachtet werden mufs, ein Moment das -- ich möchte sagen „leider" bei allen gröfseren und insbesondere bei den Herbstübungen
zu
sehr und deshalb hindernd für die Detailarbeit in Er-
scheinung treten mufs. Das
laute
Rufen
nach
Gelände
ist also nur zum Teil berechtigt, Ausbildung
und
Geländeübungsplätzen
wenn auch selbstverständlich eine
ohne Gelände und insbesondere ohne den eingehenden
durch nichts zu ersetzenden applikatorischen Geländeunterricht eine unmöglich durchführbare Aufgabe darstellt . Es ist eben nicht an dem, dafs das Gelände das Allheilmittel bildet für alle wenig oder ungenügend ausgebildeten Schützen . Das Gelände bildet stets
Infanteristische Gefechtsausbildung.
64
die Probe auf das Exempel, wie der Krieg für die Friedensausbildung ; allein Schützen , welchen die richtigen Grundsätze nicht genügend eingeprägt sind, werden, auch wenn sie viel im Gelände sich bewegen, den im richtigen System herangebildeten zweifellos nachstehen müssen. Es besteht sogar die nicht zu unterschätzende Gefahr, dafs, wie es so oft bei gröfseren , durch Fluren behinderten oder aus anderen Friedens
usw.
Rücksichten
unkriegsgemäfs verlaufenden Uebungen
sich ergibt, falsche Bilder, d . i . falsche Begriffe gezeitigt werden , welchen die korrigierende Belehrung nicht überall zu folgen imstande ist.¹)
Das Resultat
solcher Übungen in bezug auf infanteristische
Ausbildung liegt daher öfters auf negativem Gebiet. Wenn also auch durch viel Geländeübungen mit richtig vorge-
bildeten Schützen, besonders im 2. Dienstjahre, ein anderer Grad der Ausbildung erreicht werden kann, als bei durch örtliche oder andere Rücksichten bedingten Einschränkung dieser Weiterbildung, so bleibt für das
erste Dienstjahr nicht das Gelände mafsgebend, gründlich durchdachte und durchgeführte System . Nur schrittweise kann ein positives Resultat erreicht werden und E.R. I , 60 gibt in Abs . 2-5 genau die Weisungen, dals mit sondern
vielmehr
das
Hilfe kleiner Abteilungen ausgebildeter älterer Mannschaften die Begriffe in kleinen Dosen eingeimpft und demnächst auf den Exerzierplatz wieder mitgebracht werden (letzter Satz) . F.O. 26, 2 hält es für nützlicher mit kleinen Abteilungen „einzelne Gefechtsmomente zu üben" als gröfsere zusammenhängende Übungen. Das Heil liegt also nicht in der Betonung des Wortes „ mindestens " in dem Satze E.R. I, 60 , 5 99 Mindestens zweimal in der Woche" , sondern in der Festigung der Begriffe nach I , 61 , 2, d. h. in der Betonung des Systems .
Hier wird ausdrücklich gewarnt vor „ über-
eiltem Uebungsgange " und die
sorgsame und eingehende Schulung “ --zur Bedingung gemacht. Auch die ich möchte sagen skrupellose Manier den eingeübten Mann frühzeitig mit seiner Waffe hantieren zu lassen, ist in E.R. I, 59 genau vorgeschrieben, und wenn auch dem ganzen Abschnitte noch eine ganz andere Fassung bezw. Ausdehnung,
wie oben gesagt, zu wünschen wäre, so enthält
er doch das fragliche
System
angedeutet,
sogar
die
gute
Ein-
wirkung dieser Ausbildung auf die Exerzierdisziplin ist in I, 60, 5 1) Eine leicht in die Felddienstordnung aufzunehmende und leicht durchführbare Bestimmung wäre die, dafs bei unkriegsgemäfsen Bewegungen der Schützen, dieselben das Gewehr auf die Schulter nehmen ; jedenfalls ein weithin sichtbares Zeichen.
Infanteristische Gefechtsausbildung.
65
klipp und klar ausgesprochen. Diejenigen Stimmen also, welche eine Schädigung der Exerzierausbildung befürchteten, oder gar einem unmöglich durchführbaren Schützendrill das Wort redeten, haben nicht nur aus innerster Notwendigkeit heraus Schiffbruch gelitten, vielleicht ohne sich dessen bewulst zu sein sondern sie haben direkt gegen die wichtigsten Sätze unseres E.R. angekämpft.
Wenn es
sich nun um Aufstellung dieses Systems handelt, so wäre zunächst der Gefahr ins Auge zu sehen, welcher zwei Dritteile aller Systeme und Programme zum Opfer fallen , d . i. der Undurchführbarkeit. Zunächst wäre vorauszuschicken , Uebungen des allen Lagen, punkten,
einzelnen Mannes,
einfache
Laden
mit
dafs
eine ganze Reihe von
d. i . Knieen, Hinlegen, Laden in
Schützenbewegungen mit verschiedenen Zielauf ein Ziel , Aufspringen und wieder
Blick
Hinlegen, kurze Sprünge, Visierstellen usw. schon sehr frühzeitig auf jedem Übungsplatze auch innerhalb der Kasernements rudimentär geübt werden können. Eine Scheu, dem Manne sein Gewehr frühzeitig in die Hand zu geben, dürfte wohl nirgends mehr bestehen. Diese Übungen schliefsen sich am einfachsten an die für das Schulschiefsen nötigen Vorübungen, die Schiefsvorschule, und bilden nur deren Fortsetzung, die Gefechtsvorschule . Ebenso können sehr bald
zuerst in Form von Raillierübungen das Schwärmen und Sammeln in der Gruppe auf der Grundlinie, sowie einfache Bewegungen in der ausgeschwärmten Gruppe vorgenommen werden . Selbstverständlich kann von genauer Ausführung anfangs nicht die Rede sein, aber eine Schützenlinie rudimentär zu bilden, kann auch einem noch ungeübten kleinen Haufen in kurzer Zeit zugemutet werden Wo
also weite Entfernungen oder andere Umstände zu einem
Mafshalten in den Geländeübungen zwingen, kann auf diese Weise der dann folgenden Geländeausbildung rechtzeitig entsprechend vorgearbeitet werden.
Die ersten Ausmärsche geschehen am besten mit
umgehängtem Gewehr bezw. mit Übungsgewehren , die ev. zusammengesetzt bezw. weggelegt werden . Ganz besondere
Sorgfalt
erfordern
die
ersten
Vorführungen .
Was hier dem Manne gezeigt wird, mufs sich als festes Bild unmittelbar einprägen . Im Sinne des E.R. I, 60 können nur gewandtere Mannschaften des 2. Jahres verwendet werden, und da hier also nicht die Zahl der Schützen ausschlaggebend ist, sondern auch I, 60 nur von „kleinen Abteilungen " spricht, so genügen in 5 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 400.
66 den
Infanteristische Gefechtsausbildung. meisten Fällen
sogar die Abrichter oder Hilfsabrichter bezw .
beide . Eine Komplizierung des ganzen Dienstes einer Kompagnie wird dadurch jedenfalls vermieden , obwohl es andererseits auch öfters
möglich sein
wird den Dienst der Mannschaften 2. Jahres
entsprechend einzurichten , welche hier gewissermaſsen im 2. Kurs übend nach dem Grundsatze „ docendo discimus " eine Art Wiederholung durchmachen. Nehmen wir den einfachsten Fall 99 Besetzen einer Geländewelle" , so wird zunächst gezeigt, wie es unrichtig gemacht werden kann und zwar von vorwärts, d. h. vom Feinde aus gesehen - frühzeitiges Sichtbarwerden oder Stehen bezw. Knienbleiben, unnötig dichte Besetzung markanter Punkte, Nichtbeachtung der Höhenlinie usw. -in etwa 4-500 m Entfernung. Unmittelbar hierauf wird nun dasselbe in richtiger Ausführung wiederholt und die Unterschiede zwischen falscher und richtiger Besetzung erläutert . Sodann wird die Lehrabteilung unmittelbar hinter die besetzte Stellung geführt und hier noch einmal die falsche und die richtige Besetzung in nächster Nähe gezeigt, dabei die Details - rechtzeitiges Hinlegen , Ankriechen, Rücksicht auf Nebenmann, Unterschiede im Verhalten. der einzelnen Leute , um Schufsfeld zu gewinnen , Verschiedenheit des Anschlags, eventuelles Aufgeben der Deckung, Herstellen des Zusammenhangs usw. Dafs diese Voreingehend besprochen. hier etwa 1 Stunde - erfordern, sagt führungen einige Zeit schon E.R. 1, 61, 2.
Wenn nun
unmittelbar daran
anschliefsend
Schwarmübungen vorgenommen und Gruppe für Gruppe in der richtig gezeigten Weise an derselben Stelle einige Male rudimentär geübt wird, so wird sich die aufgewendete Zeit sofort bezahlt machen, indem so das Gezeigte sofort übertragen wird. Selbstverständlich mufs der Platz hierzu wirklich geeignet und ausgesucht sein, es erfordert also auch die einfachste Vorführung genaueste Vorbereitung. Dafs die Übung demnächst, d. h . an einem anderen Tage an einem anderen Platze wiederholt werden mufs, sagt E.R. I, 61 , 2 . Alsbald beginnen auch die genau angewiesenen Einzelübungen - Vorgehen auf bestimmten Zielpunkt, Kriechen, Springen , Bücken , Ankriechen an eine Erhöhung, Nieder-, Hinlegen mit Geländebenutzung ohne anfangs genaueste Ausführung zu fordern. Auch mufs Mann für Mann vorgenommen und kann irgend eine Übung höchstens zum Schlusse in der Gruppe einige Male probiert werden . ausgenommen Schwärmen Jedes längere Üben in der Gruppe und Sammeln ― solange der einzelne Mann nicht hinreichend vorgeübt ist, wäre falsch, auch müssen die einzelnen Übungen programm-
Infanteristische Gefechtsausbildung.
67
artig ' ) geordnet sein und genau den Abrichtern angegeben werden , ohne den letzteren einen zu weiten Spielraum zu lassen, dessen Grenzen sie nicht zu beherrschen imstande sein können . Wie in der Exerzierschule ist zu unterscheiden zwischen Vorübungen, Einzelübungen exakt und
Gesamtübungen .
Das
Rekrutenpensum muls
Punkt für Punkt die Grundbegriffe festlegen und den einzelnen Mann, ev. auch die Rotte, in den einzelnen Phasen des Gefechts genau
wie
die
Schiefsvorschule
zum
Schulschiefsen
vorbereiten,
schon deshalb, weil in der Zugsschule bereits ziemlich hohe Anforderungen gestellt werden müssen . Dafs also Unterabschnitte gemacht werden müssen, Pensums.
ergibt sich aus dem grofsen Umfang des
Wie der mit kriegsgeschichtlichen Beispielen speziell neuester Zeit nicht sparende theoretische Unterricht belebend und fördernd einzuwirken imstande ist, sagt schon F.O. 19 . Nach hinreichender Einschärfung der hohen Vorteile der Offensive kann sehr bald, d . h. sobald die Begriffe der Benutzung einfachster Höhenunterschiede
klar
übergegangen werden .
gelegt
sind,
zur Vorführung des Angriffs
Gerade hier jedoch wäre es durchaus un-
sachgemäfs und unfruchtbar ein ganzes Angriffsbild an einem Tage vorzuführen, da dessen einzelne Phasen viel zu verschiedene Dinge zugleich bringen müfsten. Zunächst müfste sich der Leitende begnügen von irgend einer Stellung aus das Bild einer falschen Entwickelung aus
einer Deckung heraus
ungeordnet, in Knäueln ,
ohne Rücksicht auf Feuerwirkung, dann unrichtiges Halten ohne Geländebenutzung Ausdehnung demnächst das richtige Bild hinter der Deckung, dann überraschendes, geordnetes, zielbewusstes Vorgehen, gewandtes Benutzen des Bodens. zu zeigen und dies , d . b. irgend einen bestimmten Moment sofort durch Übung wieder zu übertragen. Die Detailübungen hierzu - richtige Vorbereitung zum Sprung, gewandtes Ausführen des Sprunges, genaues Einhalten des Zielpunktes usw. können sehr bald angefügt werden . Wenn auch vom Feuergefecht, als einer Sache für sich, anfangs nur problematisch die Rede sein kann, so kann doch von richtiger Wahl des Ziels, richtiger Patronenverwendung, rechtzeitigem Visierwechsel, von Feuerverteilung eingehend gesprochen werden , stets jedoch nach dem altbewährten Grundsatze „ Ne quid nimis !" Grundsatz mufs bleiben, dafs das Gezeigte und Vorgeführte Übung umgesetzt und Eigentum des Mannes werde.
alsbald in
1) Genaueres Programm s . unter dem gl . Titel in den demnächst erscheinenden „Militärische Zeitfragen " , Heft 12. 5*
Infanteristische Gefechtsausbildung.
68
So können die Benutzung der Gelände - Gegenstände
-
Baum
s . E.R. I , 68 , Graben, Mauer, Zaun s . E.R. I , 70 — nur einzeln d. b. an einem Tage nicht mehr als 1 Gegenstand genau vorgeführt, insbesondere von der Feindesseite gezeigt s . E.R. I , 71 und so von Anfang an nur
dann richtig geübt werden, wenn der Begriff von
richtiger und falscher Benutzung hinreichend gefestigt ist. verständlich müssen die Übungen in den Anschlagsarten,
Selbstspeziell
liegend und kniend schon einigermalsen vorgeschritten sein. Ganz besonderer Wert ist hierbei der Besprechung zu widmen, dafs alle solche Gegenstände , wenn auch die Unterstützung des Anschlags durch „ Anstreichen “ wünschenswert erscheinen mufs, als Auflage doch nur dann wirklichen Gefechtswert besitzen, wenn der Anschlag selbst dadurch nicht allzusehr alteriert wird, ein Moment, das in der Praxis leider sehr oft viel zu wenig gewürdigt wird, obwohl schon E.R. I, 65 das Verhältnis zum „ Körperbau des einzelnen Mannes" betont. Wieder eine Reihe von Belehrungen und Ubungen mufs denjenigen Geländegegenständen gewidmet werden, welche eine Deckung gegen Sicht gewähren, besonders also Busch und Strauch in verschiedenster Form.
Jedenfalls mufs dies alles besprochen sein, bevor
auch nur in kleinen Gruppen an die Benutzung eines Wald- oder Busch Randes herangegangen werden kann . Bei letzterem wäre sodann speziell bei ungleichem Rande die Rücksicht auf Nebenmann besonders durch Platzpatronen zu erläutern und zu üben . Ein geeigneter „ Schützengarten “ wird sich am Rande jedes gröfseren Dafs das EntÜbungsplatzes finden bezw. leicht anlegen lassen. fernungsschätzen bezw. einprägen schon auf dem Kasernenhofe beginnt, ist nichts Neues, ebenso dafs dasselbe mit Bezielen der Schützobjekte sachgemäss zu verbinden ist - anfangs auf leicht mitführbarem Sandsack gestell - sowie Besprechung und Anwendung der Visiere. Eine weitere und stets auch von Anfang an hiermit leicht zu verbindende Übung bildet das Bezeichnen gefechtsmäfsiger Ziele. Zur Erläuterung sei ein Beispiel gestattet : Auf 150 m Entfernung von der markierten Schätzstation wird eine rote Flagge und daneben eine Rumpfscheibe aufgesteckt. Der Mann wird nun zuerst angehalten dies in seiner Sprache zu bezeichnen und sagt etwa : „ Ich sehe eine rote Flagge und daneben einen Mann . " Kommandosprache z . B. „ Halbrechts eine rote Flagge, 5 Schritt rechts davon ein kniender Schütze . Standrisier. " Mit Steigerung der Entfernung
ergibt sich
die entsprechende
Steigerung im Aufsuchen und Bezeichnen kriegsmälsig aufgestellter
Infanteristische Gefechtsausbildung.
69
Ziele und Hilfsziele. Diese Übungen können also das ganze Jahr hindurch ohne viel Zeitverlust getrieben und bis zu den schwierigsten Zielen fortgeführt werden. Was meine Erfahrungen hierin betrifft, minderwertiges so möchte ich sie dahin zusammenfassen, dafs es Rekrutenmaterial angenommen — zwar nicht vollständig, wohl aber mit etwa zwei Dritteilen der Mannschaft gelingen mufs, eine wünschenswerte Gewandtheit zu erreichen, dafs ich es aber als ein ganz zur Belebung des oft etwas monotonen Entfernungsschätzens , mit welchem die Übung stets verbunden zu denken ist, sehr hoch schätzen gelernt habe und nicht warm genug empfehlen kann, ganz abgesehen davon, dafs es eine ständige Übung für alle Dienstgrade involviert, welche stets sofort einzugreifen gezwungen sind. Über den Wert dieser Art der Zielbezeichnung neu auftretender
hervorragendes Mittel
Ziele
durch Zurufe
im Gefecht mich auszusprechen halte ich nicht
für notwendig . Ist ja doch unter allen Verhältnissen das rasche, richtige Erfassen des Zieles bereits ein Teil des Schusses. Was die Hebung des Bewulstseins von der eigenen Gefechtskraft des Schützen betrifft, so wäre ein längst geäufserter Wunsch die Erweiterung der Ziffer 174 u . ff. der Sch. V. sowie E.R. I, 73 dahin, dafs durch einfache Belehrungsschielsen, welche sogar auf dem Schiefs- . stande ohne viel Zeit und Patronen erledigt werden könnten , wirklich gefechtsmässige Belehrungen zu erfolgen haben. Z. B. a) Ein guter Schütze schiefst auf 400 m gegen 2 schützenmäfsig aufgestellte Rumpfziele (Fallscheiben)
so lange bis ein Treffer erscheint, b) dasselbe
gegen 2 Brustziele, c) dasselbe wird von 3 Schützen gleichzeitig beschossen, d) dasselbe wird auf 600 m beschossen usw. Der Einfluís Patronenzahl ,
der Zielgröfse,
der Entfernung,
der Schützenzahl,
der Zeit, der
der Zwischenräume der Ziele usw.
wären Gegenstand der Belehrung.
Auch wenn einmal ein oder das
andere Bild nicht ganz entsprechen sollte , so wäre durch Wiederholung und Belehrung leicht einzugreifen. Selbstverständlich müfsten die Begriffe nach Sch.V. 176 usw. hinreichend geweckt sein. Wenn ich noch anfüge, dafs die hohe Wichtigkeit raschen Zielerfassens und der Unterschied im Feuertempo bei rasch aufspringenden Zielen unter Anwendung von Platzpatronen zuerst richtig vorgeführt werden mufs, so ist damit wieder nur ein förmlicher Übungszweig angeschnitten, welcher das ganze Jahr hindurch, auch im 2. Dienstjahre fortlaufend zu denken ist, denn gerade hierin versagen auch sonst gewandtere Schützen merkwürdigerweise sehr oft, während gerade die aufserordentliche Wichtigkeit dieser Momente im Gefecht auch eine bedingt.
ganz besondere Schulung nicht nur rechtfertigt, sondern
Für die Rekrutenausbildung
dürfte
das
oben skizzierte
Infanteristische Gefechtsausbildung .
70 Pensum als
genügend
erscheinen ,
denn schon das ruhige, sichere
Schnellfeuer erfordert bereits eine durchaus gute und hinreichend lange Schulung, so dals es, wie schon aus E.R. I , 74 ersichtlich , gerade an der Grenze des Rekrutenpensums sich befindet.
Ebenso
bildet das rasche, selbsttätige Aufrichten des liegenden Schützen zum Schufs E.R. I , 75 eine Übungssparte für sich, welche ununterbrochene Übung erheischt und mit der Rekrutenperiode unter keinen Umständen als abgeschlossen betrachtet werden dürfte.
Der Gefechts-
moment verlangt, daſs durch den Zuruf „ Gegner gebt vor “ oder „ zurück “ alle einschlägigen Gewehre einer Schützenlinie unmittelbar in Anschlag gebracht werden. ')
Durch selbsttätiges unregelmäfsiges Handeln der
Ziele ohne viel Zeichen wird auch die feuernde Abteilung zu selbsttätigem Handeln veranlasst.
Wenn schon
auch
während
einfachere der
Schützenbewegungen und Handlungen
Rekrutenperiode
in
gröfseren
Abteilungen,
wenigstens in Halbzügen geübt werden müssen und zwar schon aus dem einfachen Grunde, weil es für den Mann notwendig ist die Schwierigkeiten speziell des Ausdehnens und Sammelns bald zu erfassen, so bleibt doch dem nach Einstellung der Rekruten formierten Zug die Hauptarbeit hierin vorbehalten. Hier gibt es einen Gefechtsdrill , durch welchen allein die exakte Ausführung des Halt, Nieder, Hinlegen, die Vorbereitung zum Sprung, der Sprung selbst auf kommandierte Entfernung oder bis zu kommandierter Stelle, Bewegungen gegen verschiedene Zielpunkte usw. gewährleistet werden können . Hierzu kommen nun sofort Übungen mit Gepäck, aus allen Formationen , auch Marsch- und Reihenkolonne bezw. Sammeln , Schwärmen mit erweiterten Zwischenräumen , verschiedenartige Besetzung einer Stellung bezw. Schulung der unteren Dienstgrade und deren Reserven, ferner Durchsageübungen Feuer durch Trommelwirbel markiert ! zusammenhängende Angriffsbewegungen mit Geländebenutzung, Feuerdisziplin und alle hierauf bezüglichen Momente, Feuerleitung, Feuerverteilung , kurz alles, was den Zug in die Hand des Führers bringt, ohne dafs der so notwendigen Selbsttätigkeit 1 ) Eine besonders empfehlenswerte Art der Scheiben bilden solche von einfachem Kalikostoff, als Schützen an Kopfende, Brust und Rumpf auf Schnurleinen befestigt, welche wieder an 2 Eckpfählen befestigt sind . Durch mehr oder weniger scharfes Anziehen der Eckpfähle nach aufsen, erhebt sich die so gebildete Schützenlinie sofort bezw. sie verkleinert sich, verschwindet. Auf diese Weise kann durch 2 Mann eine Schützenlinie von 25 Maun dargestellt und die zusammengerollten Scheiben mit den 2 Eckpfählen überallhin leicht transportiert werden . Bei nicht zu starkem Winde sind auch Darstellung von Bewegungen dieser Ziele ganz gut ausführbar.
Infanteristische Gefechtsausbildung.
71
des Schützen allzu starre Fesseln angelegt werden . Gerade hier mufs der Schütze lernen auch bei gröfstmöglicher Selbsttätigkeit in der Hand des Führers zu bleiben , was unschwer zu erreichen sein dürfte.
Speziell Durchsageübungen mit
Platzpatronen
bilden
ein
wichtiges disziplinäres Mittel. Zu besonderen Übungen uad Belehrungen sind besondere Geländeverhältnisse
zu wählen.
Eine besondere sehr wichtige Übung
ist das Benutzen von schräg zur Front laufenden Deckungen , eine Aufgabe, welcher ungeübte Infanterie nie gewachsen ist, die jedoch im Gefecht erfahrungsgemäfs nicht nur hier und da , sondern sogar sehr oft eintrifft. Die Gröfse der auftretenden Winkel bedingt lediglich
einen Ausgleich
durch
die
zu nehmenden Zwischenräume der
Schützen d. h . je kleiner der Winkel ist, um so gröfsere Zwischenräume sind zu nehmen.
Wenn (Fig. 1 ) a - b die Linie der Deckung
b
Fig. 1
a
Fig. 2 α
bezeichnet, so ergibt sich sofort, dafs bei geringer Neigung dieser Linie zur Senkrechten d . h . zur Ziellinie sich keinerlei besondere Schwierigkeiien ergeben, wohl aber dafs (wie Fig. 2) bei stärkerer Neigung dieser Deckung zur Ziellinie die Rücksichten auf den Nebenmann eine besondere Übung erfordern bis etwa bei 45 ° Neigung die Grenze der Benutzungsmöglichkeit der Deckung gegeben sein dürfte .
Demgemäfs ist besonders das Besetzen und noch mehr das
Vorgehen aus
solcher Stellung d. h. rasches Wiedergewinnen der Front, wobei der entferntere Flügel zu beginnen hat, zum Gegenstande der Übung zu machen . Weitere Spezialübungen sind notwendig für Schätzer und deren Ersatz sowie für Gefechtspatrouillen . Für letztere können die Übungen wohl dadurch am fruchtbarsten gemacht werden, wenn in Form eines Geländeunterrichts" nach Bekanntgabe der Situation und des Auftrags aus der Zahl der vorher nominierten Patrouillenführer die Patrouille ausgewählt und entsendet wird.
Die Patrouille handelt,
Infanteristische Gefechtsausbildung .
72
die Lehrabteilung folgt unmittelbar. Jeder einschlägige Moment wird besprochen bezw. von anderer Patrouille ausgeführt und wieder besprochen etwa ebenso wie der Vorpostendienst im Detail applikatorisch im Gelände den Rekruten gelehrt werden mufs . Auch der Benutzung des Geländes in verschiedenen Gefechtslagen bezw. bei verschiedener Gefechtstendenz wäre schon in der Zugsschule ein besonderes Augenmerk zuzuwenden. Daſs alle einigermalsen mit Exerzieren und Drill, Entwickelung der Formen usw. zusammenhängende Dinge, besonders das Überwinden der verschiedensten Friktionen Sache der Kompagnieschule ist, geht schon aus E.R. Einleitung 3 hervor. Fortgesetzter Weitervervollkommnung bedürfen die Übungen im Sprung, Besetzen, Feuertempo , Zielbezeichnen, Kriechen, Durchsagen . Demnächst wäre besonders die Schulung der Unterführer, das Gefecht im vermischten Verband, das ungeleitete Gefecht, das verschiedene Verhalten bei Besetzung nach verschiedener Gefechtstendenz, Momentaufgaben, Besetzen bestimmter Strecken, Gefecht in Avantgarden usw. Verhältnis, um Defilees , gegen Artillerie usw. zu betreiben . Bei Geländeübungen wäre aufser der Schulung der Dienstgrade das Besetzen nicht zusammenhängender Stellungen, gebrochener Linien und Waldränder, Zusammenhangsübungen im Wald und Busch, rasche Formationsänderung zum Zwecke der Geländebenutzung, Weiterbildung der Schätzer, seitlicher Beobachter nach E.R. I, 136 u. a. vorzüglich zu schulen . Wenn E.R. E. 3, 2. Gefechtsschule Infanterie
die
bezeichnet, so
bereits
Bataillonsschule
als
die
ist hierbei Voraussetzung,
eigentliche dafs die
eine solche sichere systematische Ausbildung er-
fahren hat, dafs sie auf jedes Avertissement richtig zu handeln imstande sein mufs. Selbstverständlich ist gerade hier das Feld für selbsttätiges Verhalten bei den verschiedensten Gefechtslagen and Momenten und zwar nicht allein für den Führer, sondern insbesondere für die Mannschaft. Belehrungen über Täuschungen des Gegners , Benutzung des Schanzzeugs, Melde- und Patrouillenwesen, Besetzen von Höhen mit toten Winkeln,
kurz Steigerung in den Gefechts-
aufgaben muſs Sache des Führers bleiben und nur diejenige Bataillonsschule erfüllt ihre Aufgabe, welche wirklich anregend und fördernd auf den ganzen Betrieb der Gefechtsausbildung,
welcher in allen
Sparten stets fortlaufend zu denken ist, einzuwirken vermag. Je länger der Rest des Jahres Zeit und Gelegenheit bietet die wichtigste Aufgabe steigern,
der Infanterie
d. i. ihre Gefechtsausbildung zu
um so mehr mufs mit allen Mitteln davon Gebrauch ge-
macht werden.
Übungen
im
kriegsstarken Verband,
angewandtes
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
73
Turnen, Übungen und Vorübungen zum gefechtsmässigen Schiefsen, Munitionsergänzung, Verstärkungsarbeiten,
Gefechtseinzelheiten
bei
Vorposten, ganz besonders eingehende Belehrungen speziell der Unterführer über Besetzen von Örtlichkeiten und deren oft zweifelhaften Gefechtswert, Übungen mit sehr schwer erkennbaren Zielen, Benutzung der Gläser, Bezielen von Geländestreifen, indirektes Feuer, Festungskrieg, Etagenfeuer, Besetzen einer Höhe, auf welcher bereits Artillerie sich befindet, Einfluss des Vorgeländes auf Wahl einer Feuerstellung, Vorteile jeden Angriffs, Übungen mit anderen Waffen usw. bilden ein Pensum, das wieder je nach Gelände- und sonstigen Verhältnissen in Unterabschnitte zu zerlegen und entsprechend zu modifizieren wäre. Nicht also äufsere Verhältnisse dürfen bindend sein für die Art der Ausbildung, durchgeführte Führer.
sondern
das gründlich durchdachte und ernsthaft
System in der Hand vollkommen damit vertrauter
Wenn es gelungen sein sollte, in vorstehendem einige An-
haltspunkte für dieses System , insbesondere für die Notwendigkeit einer richtig durchgeführten Gefechtsvorschule zu erbringen, so wäre der Zweck dieser Zeilen vollkommen erreicht. Die unendlich hohe Aufgabe moderner infanteristischer Gefechtsausbildung wird jeden Beitrag hierzu als gerechtfertigt erscheinen lassen.
VIII .
Russland
und
der
russisch-japanische
Krieg .
Von Generalmajor a. D. von Zepelin .
IX . (Abgeschlossen am 24. Dezember. ) Seit
unserem
letzten Berichte im Novemberheft
haben
sich
Ereignisse von entscheidendster Bedeutung zwar noch nicht zugetragen, d. h. , Port Arthur ist noch nicht gefallen , das zweite Geschwader des Stillen Ozeans noch nicht mit der Japanischen Flotte
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
74
zusammengestofsen und am Schaho kein entscheidender Schlag geführt worden ; wohl aber haben die Dinge einen Fortgang genommen, der der Entscheidung zudrängt. Hierzu kommt, dafs die inzwischen veröffentlichten russischen Berichte einen Einblick gewähren in die Kämpfe der letzten Monate, die uns in den Stand setzen, auch über Einzelheiten derselben zu berichten . Ergänzt werden sie durch vortreffliche
nichtamtliche
Artikel ,
wie
die
des
fleifsigen
und
geistvollen Berichterstatters des „Russkij Inwalid " auf dem Kriegsschauplatze Krassnow. Also eine Fülle von Ereignissen und Material für Berichte, deren auch nur einigermassen gründliche Verwertung bei weitem den zugemessenen Raum dieser Blätter überschreiten würde. Was Port Arthur anlangt, so sind wir in letzter Zeit wesentlich nur auf japanische Mitteilungen angewiesen, die nach früheren Erfahrungen bekanntlich einseitig gefärbt, wenn nicht öfters geradezu wahrheitswidrig sind . Anfangs November hat die Zensur zum erstenmal eingehendere Berichte der sich bei der japanischen Armee authaltenden Berichterstatter zugelassen, von denen ein Teil bereits die Heimreise angetreten hatte oder, in China sitzend, phantasievolle Schilderungen nicht erlebter Ereignisse der Welt verkündete . Zu dieser Zeit soll sich die japanische Einschliefsungslinie, von Lungwangtung im Osten über die Wolfsberge bis zur Luisa - Bucht im Westen erstreckt haben . Die Russen hatten also noch ziemliche Freiheit des Verkehrs mit Tschifu, und wir wissen, dafs diese auch von den die Blockade brechenden Dschunken reichlich ausgenutzt warde. Die russische Stellung blieb immer noch 10 bis 15 km von der japanischen entfernt ; im Südosten waren vor ihnen als vorgeschobene Stützpunkte die Höhen von Takuschan und Sakuschan besetzt, im Zentrum an der Eisenbahn waren die Russen schon auf die Forts ihrer Hauptstellung beschränkt, unter denen die jetzt in japanischem Besitze befindliche „, Wasserleitungs- Redonte “ und das „ Kuropatkin -Fort" oft genannt sind . Im Westen hatten sie die sehr wichtige , in Form eines Dreiecks vorspringende Vorstellung inne , auf denen die drei Forts des 174 m, des 180 m und des 203 m Hügels lagen . Allmählich waren der japanischen Einschliefsungsarmee auch eine genügende Zahl von Belagerungsgeschützen zugegangen . Man eroberte auf der Nord- und Nordostfront unter grofsen Verlusten und wiederholten Gegenstöfsen der tapferen Verteidiger die vorDoch scheint bisher keins der Forts der geschobenen Werke. russischen Hauptstellung in den Besitz der Japaner gelangt zu sein . Im Nordwesten hingegen gelang es zuerst den 174 m-, dann den 180 m Hügel und zuletzt das für die Beherrschung des Hafens sehr wichtige
Werk
auf dem 203 m- Hügel zu
erobern,
wodurch der
Rufsland und der russisch-japanische Krieg. Verkehr mit der Tauben-Bucht,
75
in der anscheinend auch russische
Torpedoboote lagen, erschwert worden ist, d . b. die Verbindung Port Arthurs mit der Aufsenwelt. Andererseits scheint infolge der Erschwerung der Blockade durch die Winterstürme und die Zurückziehung eines Teils der japanischen Flotte zur Ausbesserung in die heimatlichen Häfen neuerdings die Zufuhr von Lebensmitteln, warmen Decken usw. wieder reger geworden zu sein. tapfere Stoefsel noch halten kann,
Wie lange sich der
wieviel Munition
ihm noch zur
Verfügung steht, entzieht sich völlig der Beurteilung. Doch scheint er mit Lebensmitteln noch versehen zu sein. In dieser Hinsicht dürften die in der ,,NowojeWremja" veröffentlichten Mitteilungen des Lieferanten des Geschwaders des ,, Stillen Ozeans " Günsburg Dieser, der zwanzig Jahre in Japan gelebt, Glauben verdienen. und von dort aus die Versorgung der Flotte vor Ausbruch des Krieges geleitet hatte, sagt u. a. offen, dafs Herr Katsura, der Bruder des japanischen Ministerpräsidenten ihm 120 000 Tonnen Koblen durch Vermittelung der in seinem Dienst unter norwegischer Flagge fahrenden 15 Dampfer verkauft habe, von denen die letzten Sammlungen kurz nach Ausbruch des Krieges nach Port Arthur gelangten. Über die Versorgung von Proviant und warmer Kleidung sagte er wörtlich : „ Mit Lebensmitteln ist die Festung auf sehr lange Zeit versehen . Auch an Kleidungsstücken ist kein Mangel, da in meinen Niederlagen und denen der freiwilligen Flotte Materialen aller Art in grofser Masse vorhanden sind. Die Niederlagen der freiwilligen Flotte sind reich und mannigfaltig. Was ist da nicht alles zu finden ! Da sind Wäsche- und Kleidungsstoffe, Tee und Zucker, Tabak und Zündhölzchen, sogar Schnaps. Smirnow hat 10 000 Kisten Schnaps zum Verkaufe nach Port Arthur geschickt. Zu Beginn der Belagerung trafen sie dort ein und blieben in den Niederlagen."
Sollte
die
Festung
aber
auch
bis
zam
Eintreffen
des
2. Geschwaders des Stillen Ozeans möglicherweise noch in den dasselbe keine operaHänden der Russen sein , SO dürfte tionsfähige Flotte dort vorfinden ,
die sie bei den Kämpfen gegen
die japanische zu unterstützen vermöchte . Diesen Erfolg haben die Japaner durch die Eroberung des 203m- Forts erlangt. In dieser Beziehung traut man auch in Rufsland anscheinend den japanischen Bulletins . Auch wir glauben an die Richtigkeit derselben . So unerhört das Verhalten des Admirals Fürsten Uchtomskij war, als er mit seinen Schlachtschiffen am 10. August nach Port Arthur zurückkehrte, anstatt die japanische Flotte anzugreifen, um auch im Falle der eigenen Niederlage sie empfindlich zu schwächen, so wenig verstehen
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
76 wir auch
das Verhalten seines in der russischen Flotte eines sehr
guten Rufes sich erfreuenden Nachfolgers, des Admirals Wiren, den ihn übergebenen
Rest der Flotte im
Hafen
von Port Arthur in
passivem Verharren kläglich erliegen zu lassen . Die Geschichte wird das Geheimnis lösen .
Heute wissen wir
nur, dafs nach dem unter den Geschossen des Feindes in Port Arthur gedruckten „ Nowy Kraj " bereits Ende des Juli Marinebatterien auf den Wällen der Festung in Tätigkeit waren ; ja sogar die sich hierbei auszeichnenden Marineoffiziere namentlich aufgeführt wurden. Ob die Behauptung richtig ist, dafs die russischen Kriegsschiffe schon zum Durchbruchsversuche am 10. August mit verminderter Geschützzahl ausgelaufen seien , dabingestellt.
wie die
Nowoje Wremja " behauptet,
sei
So bat man in Port Arthur ungeachtet der Lehren von Ssewastopol die Reste des Geschwaders des Stillen Ozeans hingeopfert, wie einst in jener Festung die Kriegsschiffe der Flotte des Schwarzen Meeres. Was nun die Ausreise der Flotte des Baltischen Meeres , des II. Geschwaders des Stillen Ozeans , anlangt, so ist es in seinen zwei Abteilungen sowohl während seiner Fahrt Mittel-
und
Rote Meer wie
längs
der
Westküste
durch das
Afrikas
ohne
diplomatische Schwierigkeiten bis an den Indischen Ozean gelangt, wenigstens mit der Abteilung Fölkersahm, während die Abteilung unter Admiral Rostjestwenskij mit ihrem Gros noch weiter zurück Interessant an diesem "" Marsche zum Kriegszu sein scheint. schauplatz" war das Verhalten der Neutralen. Wir haben schon früher darauf hingewiesen, wie ein allgemein gültiges internationales Seekriegsrecht nicht besteht, wie das Verhalten der Neutralen nur durch die von jedem derselben bei Beginn eines Krieges zu erlassenden Neutralitäts - Erklärungen geregelt wird. ')
Aus ihnen allen aber konnte man den Grundsatz ableiten, dais die unerlässliche Ausrüstung an den für die Seefahrt erforderlichen Artikeln, wie Heizmaterial, Proviant und Wasser bis zur Erreichung des nächsten Heimatshafens genommen werden dürfe, dafs man ferner zwischen „ Seefahrt im Kriege " (d . h . Überbrückung des Raumes bis zum Kriegsschauplatz) und „ der militärischen" Aktion unterscheiden mufs, die einer Operationsbasis bedarf. Für die erstere kann die kriegführende Macht die Benutzung neutraler Häfen verlangen.
1) Wie verschieden dieselben sind, beweist die Zusammenstellung der von 1854 bis 1904 von den bedeutenderen Mächten erlassenen Neutralitäts97 an der Zahl, kaum eine mit der anderen völlig identisch . erklärungen
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
77
Die rusissche Auffassung spiegelt sich wieder in einem Artikel des „Journal de St. Petersbourg", in dem darauf hingewiesen wird, dafs keine internationale Bestimmung den neutralen Staaten verböte , dem russischen Ersatzgeschwader ein beliebiges Quantum Kohle zu verabfolgen und es beliebig lange in seinen Häfen verweilen zu lassen. Dann heifst es in demselben weiter: „Ist dies einmal festgestellt, so haben wir das Recht, ein für alle mal alle Anklagen zurückzuweisen, die man gegen irgend eine Nation erheben könnte, die es für richtig hielte, unseren Schiffen auf ihrer ganzen Fahrt die nötigen Kohlen zu geben . Da andererseits das Mafs der Zugeständnisse , die den russischen Schiffen gemacht worden, vollständig von den Gesetzen des betreffenden Staates abhängt, so haben wir das Recht, zu verlangen dafs keine einzige Macht durch Ratschläge oder Drohungen eine Regierung zu veranlassen suche, das Mafs der an uns gewährten Hilfe einzuschränken . Eine wirkliche Verletzung des Rechtes der Neutralen wird niemals in der Quantität der Kohlen oder in der Zahl der Tage, in der wir das Asylrecht benutzt, bestehen können, aber das Recht der Neutralen wird schwer verletzt, sobald eine dritte Macht etwas anraten oder verbieten und hierdurch die Fahrt unserer Schiffe verhindern will." Der Erfolg hat den oben ausgesprochenen Anschauungen Recht gegeben. Freilich hat Japan, wenigstens seine Presse, alles getan , um durch Proteste bei den Neutralen Rufsland Schwierigkeiten zu machen, obwohl es sich selbst in reichem Maſse auf die Inanspruchnahme der Neutralen mit Lieferungen stützt. Ganz abgesehen von den andauernden Zufuhren aller Art aus neutralen Häfen ist es bisher unbestritten , daſs in Amerika die Lake Torpedo Boat Comp. in Bridgeport, Connecticut und die Fore River Ship and Engine Comp. in Quincy Point, Massachussets, eifrig damit beschäftigt sind, Unterseeboote auch für Japan zu liefern. Sehr gespannt war die europäische militärische Welt darauf, wie sich die Durchfahrt der Russen durch den Suezkanal vollziehen würde,
um so mehr da die abenteuerlichsten Gerüchte über Atten-
tate der Japaner durch
die Luft schwirrten und man sich daran
gewöhnt hatte, wenigstens in gewissen Kreisen Englands, in Ägypten ein völlig von England abhängiges Land zu sehen. Dies aber hatte nach dem Erlasse des Gouverneurs von Malta den ausreisenden russischen Schiffen jedes Gastrecht verweigert. Die Durchfahrt durch den Kanal ging aber wider Erwarten glatt von statten. Die Kanalverwaltung hielt sich genau an die Konstantinopeler Konvention.
Die ägyptische Regierung hatte alles ge-
tan, um die russische Flotte zu schützen, die Ankerplätze bewachen und die Schiffe durch Patrouillen während ihrer Fabrt durch den Kanal zu
beiden Seiten desselben begleiten lassen.
Die russische
Marineverwaltung hat übrigens in hervorragender Weise für einen
78
Ruisland und der russisch-japanische Krieg.
Trost gesorgt,
der auch bei weniger grofsem Entgegenkommen der
Neutralen den Marsch der Flotte sicher stellte . Vorratsdampfer,
von denen
einzelne
Man hatte 12 grofse
im Auslande
gekauft waren ,
dem Geschwader zugeteilt, die Proviant, Munition und Verpflegung führen sollen. Die Kohlenversorgung geschieht durch den Frachtverkehr
einer grofsen Zahl von gecharcherten fremden Dampfern ,
die sowohl englische wie westfälische Kohle heranschaffen und das russische Geschwader, bezw. dessen Abteilungen in den hierfür angewiesenen Häfen erwarten. Nachrichten aus England nennen 36 deutsche, meist der Hamburg-Amerika- Linie angehörige, 13 englische , sowie je einen dänischen , norwegischen, russischen und italienischen Dampfer. Diese Versorgung soll bisher tadellos funktioniert haben. Aufser diesen Schiffen stehen dem Geschwader eine Anzahl von Schiffen zur Verfügung , die man Werkstattschiffe zur Ausführung von Reparaturen nennen könnte, wie die „ Kamtschatka " und der „ Okean “ , ein Lazaretschiff usw. Auf die
Gefechtskraft des 2. Geschwaders und seine nächsten
Ziele wollen wir heute nicht näher eingehen, wo seine Abteilungen noch weit entfernt von ihrer Vereinigung sind und über die Ziele der Japaner, bezw. ihren Versammlungsort noch wenig bekannt geworden ist. Wir verweisen in dieser Beziehung auf den geistvoll geschriebenen Artikel des Freiherrn von Maltzahn im Dezemberheft der " Marine- Rundschau " ,, Die Aufgabe der nach den ostasiatischen Gewässern entsandten russischen Ostseeflotte".
Dagegen halten wir
es für notwendig, auf die Verstärkungen einzugehen , die entweder bereits von Kronstadt abgesandt sind oder dort vorbereitet werden. Man rechnet im
allgemeinen in Rufsland , wie erwähnt, nicht man glaubt, dafs Admiral
mehr mit dem Port Arthur- Geschwader,
Rostjestwenskij seine beiden Abteilungen etwa bei Diego - Suarez an der Nordküste von Madagaskar vereinigen werde, von wo aus nach Ablauf des notwendigen Aufenthaltes (ein sehr relativer Begriff ) man . etwa Ende Januar in den japanischen Gewässern eintreffen könne. Man hat nun schon jetzt ein Verstärkungsgeschwader abgeschickt, das aus dem grofsen Kreuzer „ Oleg" , dem kleinen Kreuzer ,,Isumrud", den drei Hülfskreuzern ,,Terek",,,Dnjepr " und ,, Rion " sowie fünf Torpedobooten besteht und am 6. Dezember von Tanger nach Port Said weiterfuhr, nachdem mehrere seiner Schiffe Havarien erlitten hatten. Die öffentliche Meinung verlangt, und ihr Verlangen scheint mit den Anschauungen der mafsgebenden Kreise
der Marineverwaltung
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
79
übereinzustimmen, aber noch die Absendung eines dritten Geschwaders. Unter den in Betracht kommenden Schiffen der Baltischen Flotte werden in erster Linie
die Panzerschiffe „ Imperator
Alexander II." und ,, Imperator Nikolaj I. " genannt, die allerdings schon 1887 bezw. 1889 vom Stapel gelassen wurden, sowie 3 Küstenpanzer der „ Admiral Senjawin"- Klasse genannt. Andere Stimmen machen auch darauf aufmerksam, dafs der Schwarze Meer-EngenTraktat, da er als an ihm unbeteiligt, Japan nicht bände, auch Rufsland die Freiheit geben müfste, die Flotte des Schwarzen Meeres zum ,,Dritten Geschwader" heranzuziehen. Uns scheint die letztere Frage vorläufig nur eine akademische Bedeutung zu haben. Was nun die mandschurische Armeé anlangt, so rollen ihr unablässig Verstärkungen zu . Es klingt paradox, ist aber tatsächlich durch die Ertahrungen des Krieges bestätigt, dafs die Leistungsfähigkeit der nach dieser Richtung beim Beginn des Krieges recht minderwertigen Bahn durch den Krieg in wesentlicher Weise gefördert ist . Wir erinnern nur an die Vollendung der Baikal-Umgehungsbahn , an die Einrichtung von weit über
100 Zwischenstationen (Rasjäsdü ),
an die Vermehrung des rollenden Materials jenseits des Baikal und die soeben in Erwegung gezogene Legung eines zweiten Geleises . Seit den Oktoberkämpfen sind General Kuropatkin nun aufser dem VIII . Europäischen Armeekorps grofse Nachschübe von Reservisten , etwa in der Kopfstärke zweier Armeekorps, die 1. bis 5. Europäische Schützenbrigade, das XVI. und IV. Armeekorps, eine Kavalleridivision und eine gröfsere Anzahl neu errichteter Schnellfeuergebirgsbatterien, verschiedene technische Truppen und neuerdings noch eine kombinierte Kaukasische Kosakendivision zugeteilt worden. Es läfst sich schwer übersehen, wann diese Truppen sämtlich auf dem Kriegsschauplatze angekommen sein werden. Die Einteilung in drei Armeen zur Erleichterung der Führung ist zwar bisher in ihren Einzelheiten noch nicht bekannt geworden . Die drei hierfür bestimmten Generale Linewitsch, Grippenberg und Baron Kaulbars sind,
nachdem der letztere soeben in Mukden ein-
getroffen ist, beim Oberkommandierenden vereinigt. Das Ergreifen der Offensive seitens der Russen, ehe sie nicht über eine den Sieg sichernde Übermacht verfügen, erscheint unwahrscheinlich , SO wünschenswert auch der Entsatz Port-Arthurs sein mufs, dessen Entwenn das satz zur See doch auch noch in weiter Ferne steht
Ergebnis des Eingreifens des 2. Geschwaders Rufsland wirklich die Seeherrschaft verschafften sollte.
80
Rufsland und der russisch -japanische Krieg. Wäre aber auch in diesem Falle der strategische Gedanke nicht
vielleicht berechtigt, die japanische Armee weit von ihrer Operationsbasis , der See, von der Rückzugslinie dorthin abzudrängen und zu vernichten ? Die Natur des Kriegsschauplatzes bindet beide Gegner, namentlich die Russen an die Eisenbahnen .
Auch dieser Umstand gibt der
Kriegführung das Schleppende, oder
wie
zurzeit,
den
Charakter
des Positionskrieges . Hierzu kommt nun jetzt noch das Eintreten des überaus rauhen Mandschurischen Winters . Bei den Verhältnissen des Kriegsschauplatzes ist ein Unterbringen von Truppen in Kantonnements, ganz abgesehen von der augenblicklichen Kriegslage, unmöglich oder doch kaum durchzuführen . Man hat rassischerseits die Truppen daher in Erdhütten
untergebracht
und sucht andauernd
warme Bekleidung , namentlich die Halbpelze (Poluschubu ) und Filzstiefeln aus allen Teilen Sibiriens und aus europäischen Depots , auch aus denen des Roten Kreuzes, heranzuziehen . Nicht unwichtig ist aber auch die Veränderung,
welche der Winter
in der Etappenver-
bindung auf den Wasserstrafsen der Mandschurei,
namentlich dem
Amur, dem Sungari, dem Ussuri, hervorgerufen hat. Diese wurden im Sommer andauernd zur Evakuierung der Verwundeten und zum Heranschaffen von Verpflegung und Armeebedürfnissen benutzt.
Auf
den von vielen Dampfern geführten Lazarettschleppzügen, auf denen mehrere Tausend Lagerstellen eingerichtet waren, wurden Kranke und Verwundete zu den Sanitätsstationen des Roten Kreuzes, namentlich ins Ussurigebiet geschafft. Andererseits hat der Winter über die in dem wege- und brückenlosen Lande empfindliche Hindernisse für die Operationen bildenden Gewässer Brücken geschlagen, durch die die taktische Bedeutung dieser Hindernisse völlig geändert wurde . Zur vollen Geltung kommen alle
diese militärgeographischen
Momente allerdings erst im ganzem Umfange beim Wiederbeginn des Bewegungskrieges.
Umschau.
81
Umschau.
Österreich-Ungarn. Schon im Aprilheft v. J. haben wir berichtet, dafs in Osterreich Zur Redie Umwandlung der bisherigen Artillerieregimenter von 4 Batterien organisation der Feldzu je 8 Geschützen, in solche von 6 Batterien zu je 6 Geschützen artillerie. geplant sei ; dies allein würde also bei einem Bestande von 56 Regimentern einen Geschützzuwachs von 224 Stück bedeuten . Nach den neuesten Nachrichten ist aber eine bedeutend gröfsere ArtillerieEs soll nicht nur für jedes der 14 Armeevermehrung geplant. korps (das 15. hat nur 11 Gebirgsbatterien, keine Feldartillerie) ein Haubitzregiment aufgestellt werden , sondern nach den Erklärungen, welche der ungarische Ministerpräsident Graf Tisza am 12. November v. J. abgab, ist die Aufstellung selbständiger Feldartillerie für die 8 österreichischen Landwehrdivisionen sowohl, wie auch für die 7 Truppendivisionen ungarischer Honwed beschlossen worden. Der wird ohne weiteres klar, wenn Landwehren seit ihrer 1868 erfolgten Aufstellung sich aus kleinen Anfängen zu kriegsgemäfs organisierten Verbänden entwickelt haben, die im Kriegsfalle nicht in zweiter, sondern im eigentlichen Heeresverbande selber in erster Linie VerTrotzdem mufsten sie bisher zu ihren wendung finden sollen. groise man
Vorteil dieser
bedenkt,
dafs
Mafsnahme
beide
das dritte Divisionsartillerie - Regiment der Artilleriesen borgen , und ihre Führer waren nicht gewissermal brigaden die drei Hauptwaffen in ihren Verbänden dauernd in der Lage, Über die endgültige Art und die Gröfse vertreten zu sehen . verschieden. die Nachrichten der Artillerievermehrung lauten Manövern
Als die wahrscheinlichste Lösung des Exempels ergibt sich aus einschliefslich ihnen folgende : Österreich Ungarn hat z . Z. der beiden Landwehren und ausschliefslich des 15. Armeekorps 44 ,,Truppendivisionen", die mit Feldartillerie bedacht werden müssen. Bisher standen hierzu 56 Regimenter zur Verfügung, von ein Korpsartillerie-Regiment, jede Division (die Landwehr leihweise) ein Regiment erhielt ; bei dieser Verteilung fehlten im ganzen noch 2 Regimenter. Jetzt sollen nach dem neuen Organisationsplan 85 Regimenter aufgestellt werden , eingeschlossen Von diesen 14 Haubitz- und 15 Landwehrartillerie - Regimenter. erhalten: Jedes der 14 Korps 1 Artillerie- und 1 Haubitzregiment 6 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 400. denen jedes Korps
Umschau.
82
(Heer und Landwehr) 1 Regiment = Hiernach würden noch 13 Regimenter Im Bestimmung verlautet noch nichts.
= 28 Rgtr. Jede Division 44 Rgtr., Summa 72 Rgtr. übrig bleiben ; über ihre
Heere würde dann jedes Armeekorps 4 Artillerieregimenter haben und hiermit auf den Standpunkt kommen , der in Deutschland schon seit einigen Jahren erreicht ist. Die Landwehrdivisionen würden hierbei,
da die
übrig
bleibenden 13 Regimenter für ihre völlige
Komplettierung nicht ganz ausreichen, vorläufig noch je 1 Regiment haben . Will man die deutsche Artilleriezuteilung an die Divisionen voll erreichen, so wären 244 = 88 Regimenter erforderlich, und es müfsten also neben den vorgenannten 85 noch drei weitere aufgestellt werden. Legt man die zuverlässig gemeldete Zahl von 85
Regimentern
zugrunde
und
rechnet
man
auch die
Haubitz-
regimenter zu 36 Geschützen, so würde Österreich- Ungarn seine jetzigen 1792 Geschütze um 1268 zu vermehren haben und hiermit W. die Zahl von 3060 erreichen .
Zweijährige Die Erklärungen, die Ministerpräsident Tisza im ungarischen Dienstzeit. Abgeordnetenhause über die Revision des Wehrgesetzes abgegeben Neubildungen. hat, enthalten neben Erwartetem und Bekanntem auch wesentlich Neues.
Dafs in dem neuen Wehrgesetz die
geplant war,
2jährige Dienstzeit
wufste man, dafs bei 2jähriger Dienstzeit, die für die
beiderseitigen Landwehren
übrigens
schon besteht, man mit einem
Rekrutenkontingent von wenig über 103 000 Mann für das gemeinsame Heer nicht ausreichen kann, vielmehr eine bedeutende Vermehrung des Kontingents eintreten mufs und -- bei 50 000 dienstfähigen und abkömmlichen Leuten, die jährlich der Ersatzreserve überwiesen werden auch ohne Härte kann, ebenso dafs das Ausbildungspersonal eine übrigens schon bei den Unteroffizieren begonnene Steigerung zu erfahren hat, betrachtet man als naturgemäſse notwendige Folge. Wenn der Ministerpräsident Tisza weiter bemerkt, Neuformationen würden nur bei der Artillerie eintreten , so hätte er zwar zweckmäfsig gehandelt, hinzusetzen zunächst" , im übrigen aber ist auch das begreiflich , wenn man die Mehrkosten berücksichtigt, sowie festhält, dafs der normale Friedensstand bei den Kompagnien des gemeinsamen Heeres 93 , bei den Landwehrkompagnien 55 bezw. 52 Mann aufweist und in umfassendem Mafse
also
eine Auffüllung
eintreten kann, im Interesse der Schulung
und der aktiven Kerne für mobile Truppenteile auch mufs, bevor man an Neubildungen bei der Infanterie zu denken braucht. Auf die Dauer werden sie
aber bei
2jähriger Dienstzeit nötig sein,
Umschau.
83
um die Masse der Reservisten, 8 sehr viel stärkere Jahrgänge , bei der Mobilmachung sofort nutz- und einsetzbar zu machen. Daſs man bei der Artillerie des gemeinsamen Heeres Neubildungen vornehmen müsse, war auch vorauszusehen und schon in dem bereits genehmigten Plan für die Aufstellung von 42 leichten- Feldhaubitzbatterien , sowie in demjenigen für die Reorganisation der fahrenden und Gebirgsartillerie enthalten. Aus Regimentern zu 4 Batterien à 8 Geschützen bei der Mobilmachung sollen ja solche zu 6 Batterien à 6 Geschützen werden. Neu war dagegen in der Erklärung Tiszas die Zuteilung von Divisionsartillerie an die Landwehr und Honved- Divisionen schon im Frieden .
Wohl bestanden
auch bis jetzt im Frieden 14
dritte Divisionsartillerieregimenter zu 4 Batterien bei 14 Korps , mit ihnen und mit den Gebirgsbatterien sollten die 8 Landwehr - Divisionen Cis die 7 Honved-Divisionen Transleithaniens bei der Mobilmachung ausgerüstet werden. Aber diese Regimenter gehörten dem gemeinsamen Heer an, rein militärisch schon deshalb , weil bei den beiderseitigen Landwehren
die 2jährige,
bei der Feldartillerie
aber die
3jährige Dienstzeit zu Recht bestand . Die politischen Gründe dafür, dafs der Landwehr-Artillerie im Frieden nicht gegeben wurde, wollen wir hier nicht berühren, wohl aber kurz hinweisen auf die Erscheinung der ungewöhnlich grofsen Freude der Magyaren darüber, dafs ihre Landwehr nun durch Zuweisung von Artillerie schon im Frieden zu einer
ungarischen Armee"
Freude,
aus
allen
Waffen werden soll,
eine
die sie gern einige tausend Rekruten und einige Millionen
Heereserfordernis
mehr jährlich bewilligen
lassen wird.
Mit der
Einführung der 2jährigen Dienstzeit für die Fufstruppen und die fahrende Artillerie im gemeinsamen Heere wird die aktive Dienstdauer für diese Waffen derjenigen der Landwehren gleich , die drei Bestandteile der Wehrkraft nähern sich also auf diesem Boden, auch die Landwehr kann nun ihre Artillerie ausbilden. Zur Deckung des Bedarfs an Divisionsartillerie für 15 Landwehrdivisionen bedarf man 6 mal 15 = 90 Batterien. der
Einfache Überweisung der Batterien
14 bestehenden dritten Divisions- Regimenter, 4 mal 14 = 56,
ist bei der scharfen Trennung des
gemeinsamen Heeres und der
beiden Landwehren , mit allem Personal nicht möglich , die Landwehren müssen auf Grund des Heereserfordernisses der beiden Reichshälften eigene Batterien aufstellen . Aus dem „ Nichts " ist das aber nicht möglich. Man wird also doch wohl Offiziere und Unteroffiziere des gemeinsamen Heeres von diesem zu den beiderseitigen Landwehren versetzen müssen , auch wohl einen Jahrgang an Mannschaften, und ebenso dürften die Landwehren dem gemeinsamen Heere gerittene 6
·
Umschau.
84 Pferde abkaufen müssen.
Die
näheren Mafsnahmen
nach dieser
Richtung werden erst später bekannt werden, und sich dann auch ergeben, ob man, wie bisher bei jedem mobilen Armeekorps mit einer Landwehrdivision als dritte rechnen, oder aber die Landwehr bei der Mobilmachung zu eigenen Korps vereinigen will . Letzteres will uns unwahrscheinlich dünken . Die Gliederung dürfte sich so gestalten, dafs man bei mobilen Korps zu 3 (darunter cine Landwehr- ) Divisionen, 3 Divisions -Regimenter à 6 Batterien, sowie ein Korpsartillerie - Regiment zu 3 Kanonen- und 3 Haubitz- Batterien, Summa 18 24 Batterien haben würde. Italien .
Reservisten, Die in einer Reihe der gröfseren oberitalienischen Städte zu Tage Aufgetretenen Bewegungen bei den einbeorderten Reservisten Jahrgangs wiegelung, Folgen. 1880 beweisen, daſs die sozialistische Propaganda doch auch in Heereskreise hineinreicht, die Notwendigkeit der vom Kriegsminister angeregten Gegenpropaganda und die Richtigkeit der Einsicht des Senats , der sich 1890 einer bezirksweisen Rekrutierung und dem Aufgeben der Garnisonwechsel widersetzte , welche die Kammer schon beschlossen und der Kriegsminister zuzugeben vielleicht auch geneigt gewesen wäre. Es liegt einige Wahrscheinlichkeit vor, da Unruhen von den Sozialisten und Anarchisten immer in der Zeit der forza minima vorlagen , dals man, wie ja auch schon früher im Parlament vorgeschlagen worden, die Zeit der Rekrutenvakanz dadurch abkürzt, dafs man die Rekruten der Fufstruppen in zwei Raten einberuft, die Leute, die nur ein bezw. zwei Jahre zu dienen haben werden, zum November, der Rest zum März. Von anderer Seite wird behauptet, daſs man die einbeorderten Reservisten, Jahrgang 1880 , zum 15. Dezember entlassen und den Rekrutenjahrgang 1884 aller Waffen noch vor Ende Dezember einstellen werde. Das ist möglich, wenn man die Geldfrage
löst.
Garnisonwechsel
sind für
1905
wieder in
Aus-
sicht genommen, sie erstrecken sich auf 10 Infanteriebrigaden , 20 Infanterie-, 9 Bersaglieri-, 2 Kavallerie- Regimenter. Eine erste Folge
der Unruhen ist
schon die Schaffung von sog.
zugeteilten
Carabinieri , die durcb Erlafs vom 28. Oktober 1904 erfolgt ist. Nach Artikel 1 können zur Ergänzung der Carabinieri auf ihre Vollzahl Leute der Infanterie und Kavallerie als sog. „, zugeteilte Carabinieri " kommandiert werden, nach Artikel 2 , erstens : nach Einvernehmen des Ministers des Innern mit dem Kriegsminister auch zulässig, den normalen Stillstand zu überschreiten. Diese zugeteilten Carabinieri unterstehen den Carabinieri höheren Dienstgrades und im
Polizeidienst
auch den
einfachen Carabinieri,
sie behalten die
Umschau.
85
Uniform ihrer Waffe mit einigen, noch zu bestimmenden Abzeichen und werden mit den Carabinieri kaserniert. Die Mehrkosten entfallen auf das
Budget des
Ministeriums des
Innern .
Die Ausführungs-
bestimmungen des Kriegsministers setzen fest, dafs die zugeteilten Carabinieri den auf drei Jahre eingestellten Leuten von guter Führung und der nötigen Intelligenz, die sich freiwillig melden, zu entnehmen sind . Reichen die freiwillig sich meldenden Leute nicht aus, so können auch welche kommandiert werden, in keinem Falle aber Leute, die noch nicht voll ein Jahr geschult sind.
Normal sind 800
dieser zugeteilten Carabinieri jetzt erforderlich. Das
militärgeographische Institut hat folgende Einteilung
balten : a) Direktion, b) geodätische,
er-
Militär-
c) mechanische, d) trigonome- geographisches Institut.
trische, e) topographische, f) Kunstdruck, g) phototechnische , h) Verwaltungs - Abteilung. Alle Abteilungen sind in Sektionen geteilt. Die Beamten werden im Range dem Unterleutnant bis zum Oberstleutnant
gleich gestellt. Im Kriegsministerium ist eine Bestimmung ausgearbeitet worden, Offiziere und Unterdie die 1883 befohlene jährliche Meldung der Subalternoffiziere a. D. offiziere a. D. im Oktober bei einer Militärbehörde aufhebt. Diese Anordnung war
für diese
Offiziere
eine
Last und
ihr Zweck
erkennbar.
nicht recht 18
Frankreich. Es ist bezeichnend, dafs ,,France militaire" sich veranlasst sieht, Gerüchte über Gerüchten über Minderwertigkeit französischen Kriegsmaterials ent- Waffenvergegenzutreten, die in einer Reihe französischer Zeitungen verbreitet besserungen. wurden. Nach ihnen sollte das vielgerühmte Geschütz- Material 97 über- Eine 10,5 cm 1. F. H. holt und zum mindesten umfangreicher Aptierungen bedürftig und auch der Ersatz des Gewehrs 86 durch ein ganz modernes Modell bereits in Erwägung gezogen sein. Für beide Zwecke sollte der Minister erhebliche Ergänzungskredite verlangt haben.
In dem Dementi der
,,France militaire" wird nach wie vor die unbedingte Superiorität des Materials 97 über alle bei anderen Staaten eingeführten Systeme hervorgehoben und ein bevorstehender Ersatz des Gewehrs durch ein neues Modell durchaus bestritten. Interessant wird die Notiz dadurch, dals sie die Einführung einer leichten Feldhaubitze als fest beschlossen hinstellt. Ihre Konstruktion soll völlig durchgearbeitet sein ; die Haubitzerfolge im fernen Osten sollen die Ausreifung des Planes beschleunigt haben, zu dessen Durchführung die obengenannten Ergänzungskredite bestimmt sind. Es verlautet, dafs das 10,5 cm-Kaliber angenommen ist, und dafs jedem Armeekorps drei W. Batterien zugeteilt werden sollen.
Umschau.
86 Wechsel im
Das
bedeutendste
Ereignis
der
Berichtzeit bildet
zweifellos
Kriegs- der Wechsel im Kriegsministerium . Nach rund fünfjähriger Amtsministerium . führung ist General André von seinem Posten zurückgetreten und zwar, wenn man genauer zusieht, nicht durchaus freiwillig. Das Verfahren Andrés , seine Organe aus durchaus nicht immer reinlich fliefsenden Privatquellen Auskünfte über Offiziere der Armee einziehen zu lassen, und diese bei Beurteilung der Eignung der Offiziere zur Beförderung zu benutzen, wird auch unter den zweifellos eigentümlichen französischen Verhältnissen niemand billigen wollen . Grofse Verdienste um die französische Armee sind sehen von diesen zweifellosen Mifsgriffen , dem
aber, abgescheidenden
Kriegsminister nicht
abzusprechen . Sie liegen besonders auf dem Gebiete der Organisation der Streitkräfte und der kriegsgemäfsen Schulung der Truppen während des ganzen Ausbildungsjahres . Gerade auf dem letzteren Gebiete ist man auf Andrés Betreiben in die Bahn des raschen Fortschrittes eingebogen. dieser Richtung
nur darauf hinzuweisen,
Wir brauchen nach
dals
selbst während der Rekrutenvakanz gröfsere gemischte Verbände gegeneinander manöverierten, Übungen im Munitionsersatz in gröfserem Mafse — bei denen eine Divisions- und eine Korpsartillerie formiert waren (ein Beweis für die Richtigkeit unserer Behauptung für das Bestehenbleiben der Korpsartillerie auch noch nach dem Erlafs vom 12. Juni 1904 , der je ein Regiment im Frieden jeder Division unterstellt, ebenso wie das Verbot des Kriegsministers, aus den Mobilmachungsplänen die Bezeichnung Korpsartillerie zu streichen und eine weiter unten zu berührende Neuerung
) stattfanden, in derselben Zeit auch in gemischten Verbänden scharf geschossen wurde , man das Scharfschiefsen der Artillerie zum grofsen Teil in das Gelände verlegte , vor den Herbstübungen
stärkere gemischte Verbände in gröfserer Zahl auf den Truppenübungsplätzen im Zusammenwirken der verbundenen Waffen auf den Gefechtszweck hin schulte. Die grofsen
Herbstübungen trugen in diesem Jahre zweifellos mehr als je vorher den Stempel der Kriegsmäfsigkeit, auch war der Dienst im Rücken der Armee kriegsgemäfs bei ihnen geregelt. An die Stelle des Strebens nach Bildern bei den grofsen Herbstübungen ist unter André eine sachgemäfse Durchführung der Operationen und Kämpfe getreten und den Führern Freiheit der Entschlüsse gelassen worden . Während der Amtsführung Andrés sind mehrere zweckmässige Reglements in die Hand der Truppen gelangt, zuletzt noch ein Neuabdruck des Exerzier- Reglements für die Kavallerie von 1899 , den man wegen vieler Neuerungen als eine Neubearbeitung bezeichnen . kann und das neue Exerzier-Reglement für die Infanterie vom
Umschau.
87
3. Dezember 1904 wurde auch noch unter seiner Amtsführung bearbeitet. Als erster hat André auch ein Zusammenwirken von Heer und Flotte bei den Landungsmanövern herbeigeführt. Auf dem Gebiete der Organisation haben wir neben wichtigen Mafsnahmen für die Ausgestaltung der Kolonial- Truppen, auf die wir unten noch zurückkommen , zu nennen : die Neugliederung der Kavallerie unter Vermehrung der Divisionen, Unterstellung der Feldartillerie unter die Divisionen (s. auch unten), Änderung der Programms für St. Cyr und die polytechnische Schule, Steigerung der Iststärken der Komdurch Auflösung von vierten Bataillonen, die nur aus ein oder zwei Kompagnien bestanden , Vermehrung der kapitulierenden Unteroffiziere, bezirksweise Einstellung der zwei oder drei Jahre dienenden Rekruten, wie diese schon für die nur ein Jahr dienenden
pagnien
Leute und für die Ergänzung bei der Mobilmachung üblich, Neueinteilung der Aufgaben des Generalstabes usw. Noch vor seinem Rücktritt hat General André auch in bezug auf Bewaffnung und Gliederung der Feldartillerie noch eine weitere wichtige Entscheidung getroffen.
Wie im letzten Bericht gemeldet,
bat der Budgetausschuss der Kammer schon vor einiger Zeit im Prinzip die Ergänzungskredite zum Heereserfordernis 1904 in Höhe von rund 14,8 Millionen genehmigt. ) da
Er wollte nur diese Kredite,
sie zum Teil jährlich wiederkehrten ,
in das Budget selbst auf-
genommen haben und dazu mufs der Finanzminister, da das Gleichgewicht im Staatshaushalt dann nicht bestand, sich über die Mafsnahmen zur Deckung äufsern. General André legte seinerseits grofsen Wert auf die durch das Parlament,
baldige Bewilligung der Ergänzungskredite um in die Massenherstellung einer
leichten Feldhaubitze eintreten zu können, deren Modellgeschütz fertig und erprobt ist.
Aus den bisherigen Erfahrungen des russisch-
japanischen Krieges hat man im Kriegsministerium die Überzeugung gewonnen, dafs ein Kampf gegen befestigte Feldstellungen ohne ein Steilfeuergeschütz
nicht
mit
Erfolg
durchgeführt
werden
kann.
Andererseits glaubt man nicht auf ein rechtzeitiges Eintreffen der 12 cm-Haubitze und der 15,5 cm-Haubitze der schweren Artillerie des Feldheeres bei Kämpfen gegen Feldstellungen unter allen Umständen rechnen zu können. Eine neue wirklich leichte Feldhaubitze wird daher als ein unabweisbares Bedürfnis betrachtet. Soweit verlautet, soll
die
neue Feldhaubitze
10,5 cm- Kaliber
nach dem Robrrücklauf- System mit Schutzschilden
aufweisen ,
konstruiert sein
1 ) Ein weiterer Ergänzungskredit, von dem rund 10,5 Millionen auf das Expeditionskorps in China entfallen , zum Heereserfordernis 1904, liegt noch vor.
Umschau.
88
und zunächst in drei Batterien der Korpsartillerie jedes Armeekorps hinzutreten. Ob man diese drei Batterien neu aufstellen, oder ob man zunächst drei Kanonenbatterien in leichte Feldhaubitzbatterien umwandeln will, kann noch nicht mit Bestimmtheit gesagt werden . Trifft es aber zu, was man in französischen Heereskreisen berichtet, dafs nämlich die leichten Feldhaubitzbatterien nur Granaten führen sollen, - die dann bei den Kanonenbatterien wegfielen, so wäre es wohl unwahrscheinlich, dafs man die Haubitzen, die dann doch in der Hauptsache für Sonderaufgaben bestimmt und keine Schnellfeuergeschütze im Sinne der Kanonen wären,
mit solchen in einem
Selbstverständlich wird die Errichtung von Verbande vereinigte. leichten Feldhaubitzbatterien auch Änderungen in der Zusammensetzung des Artillerie-Parks des Armeekorps nach sich ziehen. Noch unter Andrés Amtsführung in den ersten Tagen des November hat 13. Artilleriebrigade in der Gegend von Clermont Ferrand Übungen im Munitionsersatz in grofsem Maſse durchgeführt, wobei eine Divisions- und Korpsartillerie gebildet und die Batterien übrigens
die
mit ihren Munitionszügen , den in den Abteilungen vereinigten Staffeln versehen und die drei Staffeln des Artillerieparks zur Darstellung gebracht waren. Die Ergänzung der Munition wurde kriegsgemäls durchgeführt, von den feuernden Batterien bis zur dritten Staffel des Artillerieparks des Korps mafs man rund 7 km Tiefe. Spricht diese Übung, wie auch eine Antwort André's - auf eine Anfrage, die dahin lautete, dafs die Bezeichnung „ Korpsartillerie" aus den Mobilmachungsplänen nicht zu streichen sei, sowie die zwischen den Zeilen der Antwort des Kriegsministers lesbare Tatsache, dals bei der Mobilmachung die Stäbe der beiden den Divisionen im Frieden unterstellten Regimenter bei diesen bleiben und Abteilungen zur Korpsartillerie abgeben sollen, für die Beibehaltung der „ Korpsartillerie " im Kriege, so sprechen die von General André noch erlassenen und eben bekannt gewordenen Ausführungsbestimmungen zu dem Erlafs vom 12. Juli 1904 wenigstens nicht dagegen. Diese ordnen an, dafs die Feldartillerieregimenter den Divisionskommandeuren unmittelbar unterstellt werden, die auch für
Bestimmungen
ihre kriegsgemäſse Ausbildung verantwortlich sind . Die Generale, versuchswelche die Artillerie der Korps kommandieren, treten weise, wie ja auch der ganze Erlafs vom 12. Juli 1904 als Versuch zu den Regimentern in die Stellung von Inspekbezeichnet wird teuren, die durch Besichtigungen und Berichte die kommandierenden Generale über den Stand der Schulung der Regimenter zu unterrichten haben, wodurch die kommandierenden Generale befähigt werden, für Einheit der Gesichtspunkte bei der Schulung zu sorgen.
Umschau.
89
Die Artilleriegenerale der Korps hören also im Frieden auf, eigentliche Truppenkommandeure zu sein. Sie werden aber im Verein mit den Generalkommandos die Vorarbeiten für die Kriegsgliederung der Artillerie des Armeekorps zu besorgen haben. Der Nachfolger des General André, Berteaux, der, wenn auch Offizier des Beurlaubtenstandes, doch als Zivilkriegsminister zu betrachten ist, darf nicht als eine unbekannte Gröfse angesehen werden . Als mehrfacher Berichterstatter für das Kriegsbudget, sowie als Berichterstatter des Armeeausschusses der Kammer für den Gesetzentwurf betreffend die zweijährige Dienstzeit, ist er vielfach hervorgetreten und hat nach mancher Richtung bin auch militärisches Sachverständnis bewiesen. Die Frage, inwieweit ihn früher abgegegebene Erklärungen auch als Kriegsminister binden, so z. B. seine Ansicht von der Notwendigkeit zweijährigen Dienstes im Mannschaftsstande für die Zöglinge der Militärschulen als Mittel für die Republikanisierung der Armee, seine im Ausschuls vertretene Ansicht von nur 662 , Proz. an kapitulierenden Unteroffizieren , 33 , Proz . an kapitulierenden Korporalen als Bedarf, wollen wir hier nicht erörtern. Nach Erklärungen seines Nachfolgers als Berichterstatter für den genannten Gesetzentwurf Gouzy ist der Kammerausschuss ja gewillt, dem Senate das gröfste Entgegenkommen zu beweisen und denkt sich mit ihm auf zweimal 21 Tage Übung für die Reservisten, einmal sieben für die Landwehrleute, sowie auf ein Jahr Mannschaftsdienstzeit für die Zöglinge der Militärschulen, dagegen zwei Jahre für die Zöglinge der grofsen Zivilschulen zu einigen . Damit wären dann zwei strittige Punkte erledigt.¹) Berteaux, der zweifellos mit Hochdruck den Übergang zur zweijährigen Dienstzeit betreiben wird, hat durch seinen Erlafs vom 18. November an die Armee und durch seine Erklärungen über die Änderung des Systems der Beförderungslisten einen guten Eindruck gemacht. Der Grundsatz, die Beförderungsvorschläge aufzubauen auf den Durchschnitt der Ergebnisse der Eigungsberichte aller Vorgesetzten, die von André geschaffene Allmacht des Kriegsministers in der Aufstellung der Beförderungslisten, aber auch die Klassierungskommissionen mit geheimer Abstimmung zu beseitigen , die Beurteilungen der Offiziere dabei bekannt zu geben, kann nur Billigung finden und schliefst private Einflüsse von aufserhalb der Armee stehenden Personen und auch die Schaffung von Koterien im Offizierkorps selbst 1) Während des Druckes hat der Armee-Ausschufs des Senats Beschlüsse als endgültige gefasst, die sich auch mit diesen entgegenkommenden Absichten der Kammer und Einigungsvorschlägen Berteaux nicht decken . S. n. Bericht.
Umschau.
90 aus.
Die
nächste Zukunft dürfte
Wechsel im Kriegsministerium
schon erkennen lassen ,
wirkt, vielleicht wird
wie der
auch wieder
einmal die Frage angeschnitten, ob sich auch der Zivilkriegsminister im Kriege als der eigentliche Oberführer betrachtet, an dessen Seite der Chef des Generalstabes der Armee zu bleiben hat. Wir wollen heute auf diese Frage nicht weiter eingehen.
Der letzte von General André der Kammer überreichte Offiziere über den Gesetzentwurf , den auch der neue Kriegsminister kaum unter Etat. den Tisch fallen lassen wird , weil er auf das Budget nicht unwesentlich einwirkt, betrifft die Beseitigung der über den Etat vorhandenen Offiziere . Nach der Begründung des Kriegsministers sind gegenwärtig 546 Leutnants und Unterleutnants der Infanterie und 14 des Genies, zusammen 560 über den Etat vorhanden, für deren Besoldung der Staat jährlich rund 1,5 Millionen aufwenden mufs . Als einziges Mittel , diesen Überschufs zu beseitigen, wendet man bis jetzt die Verminderung der Zulassungen zu den betreffenden Militärschulen an. Diese kann aber, wenn man berechtigte Interessen nicht schädigen und die Neigung der jungen Leute zum Soldatenberuf nicht abschwächen will, nicht gut über 50 im Jahre betragen (St. Cyr Zulassungen diesmal 350 , St. Maixant 180 von 327, die eigentlich aufnahmefähig, Polytechnische Schule 160) können . Auf diesem Wege braucht man aber zur Beseitigung des Überschusses 11 Jahre und gäbe rund 10,5 Millionen aus . Der Gesetzentwurf will die Beseitigung aber mit einem Schlage bewirken und dazu mufs, wenigstens vorübergehend, das Gesetz von 1831 geändert werden. Der Kriegsminister schlägt daher vor, so viele Bataillonskommandeure und Hauptleute der Infanterie, als Leutnants und Unterleutnants , über den Etat vorhanden sind, mit 25 bis 29 Dienstjahren in den vorläufigen Ruhestand zu
versetzen und zwar mit einer Pension , die
den Mindestbezügen nach 30jähriger Dienstzeit entspricht, für jeden Feldzug vermehrt um 1/20 des Unterschiedes zwischen Maximum und Minimum der Pension . Diese auf Antrag erfolgende Versetzung in den vorläufigen Ruhestand des Gesetzes bewirkt sein.
soll bis ein Jahr nach Bekanntgabe Die durch sie eintretenden Vakanzen
werden nicht durch Neubeförderungen, sondern durch Offiziere gleichen Dienstgrades des „ cadre complementaire " der Infanterieregimenter besetzt, eine Beschleunigung der Beförderung tritt also unmittelbar nicht ein. Die in den vorläufigen Ruhestand tretenden Offiziere bleiben noch bis zum vollendeten 35. Dienstjahre zur Verfügung des Kriegsministers , so dafs man mit ihnen bei der Mobilmachung rechnen kann. Man erspart dadurch die aktive Besoldung, mufs sie aber
Umschau .
91
mit Pension in Ansatz bringen, trotzdem würden , nach der Begründung, noch im ganzen 5-6,7 Millionen erspart. Einen Beweis dafür, dafs man im Kriegsministerium nicht Übungen daran denkt , den Beschlufs der Kammer , betreffend die Ver- des Beurlaubtenkürzung der Übungen der Reservisten und den Fortfall der- standes 1905. jenigen der Landwehrleute, als einen endgültigen zu betrachten, kann man in den eben bekannt gegebenen Bestimmungen für die Übungen der Leute des Beurlaubtenstandes 1905 sehen. Nach diesen werden einberufen 1. die sog. „ Disponibeln " des Jahrganges
1901 ,
die
auf Grund
Rekrutierungsgesetzes von 1889 blieben, 2. die Reservisten der Waffen der Heimatarmee,
der Artikel
21 ,
22 ,
23
des
nur ein Jahr unter den Fahnen Jahrgänge 1895 und 1898 aller
Jahrgänge 1895 und 1900 in Algerien
und Tunesien, Jahrgänge 1894 und 1898 der Kolonialtruppen , 3. die Landwehrleute der Jahrgänge 1888 und 1889 aller Waffen in den Korpsbezirken
mit ungerader Nummer,
waltung und der Sanitätstruppen ,
1889 des Trains, der Ver-
4. zu Appells die Landsturmleute
des Jahrgangs 1884 und die Leute der Hilfsdienste der Jahrgänge 1884, 89, 94, 98 und 1902 ; die Zeit der Einbeorderung haben die kommandierenden Generale zu regeln, die zu den Manövern einzubeordernden Reservisten sollen spätestens mit dem ältesten Jahrgang entlassen werden. Bei der Marine werden üben : 1. die Reservisten der Jahrgänge 1896 und 1898 der Flotten-Equipage bezw. die Freiwilligen, die sich bis zum 31. Dezember 97 bezw. 31. Dezember 1899 verpflichtet hatten , 2. die Reservisten , die 1904 Aufschub erhielten.
einberufen ,
Ergänzung der Kolonialtruppen und Neuordnung ihrer serven in Indochina haben durch Erlafs des Präsidenten
einen
Re- Kolonialder truppen.
Republik vom 1. November 1904 nicht unwesentliche Änderungen erfahren, die von dem Gedanken getragen sind, die Verteidigung der Kolonien nach und nach soweit als möglich in die Hand von
eingeborenen,
durch französische
eingerahmten Formationen zu
Offiziere
legen und
und Unteroffiziere
dadurch von den eigent-
lichen französischen Kolonialtruppen möglichst viel für den Einsatz in einem europäischen Kriege verfügbar zu haben. Bleiben wir zunächst bei der Ergänzung, so bestimmt der erste Erlafs , dafs sie in Annam und Tonkin erfolgen kann 1. durch Aushebung besser gesagt, Konskription, 2. durch freiwilligen Eintritt, 3. durch Kapitulationen. Die Dauer des aktiven Dienstes beträgt gewöhnlich 5 Jahre , kann aber durch wiederholte freiwillige Verpflichtungen bis zu 20 Jahren im ganzen ausgedehnt werden und gibt dann Anrecht auf Das Gebiet von Annam und Tonkin wird in Reeine Pension.
Umschau.
92
krutierungs- und Reserve-Distrikte eingeteilt, von denen jeder einem eingeborenen Infanterietruppenteil entspricht. Diese Einteilung ordnet der Generalgouverneur von Indochina an, der auch die Höhe des jährlichen Rekrutenkontingents bestimmt. Die in Tonkin stehenden Eingeborenen-Batterien, Genieformationen und Eskadrons entnehmen ihren Ersatz aus den Bezirken, in denen sie untergebracht sind, bezw. aus den nächsten anderen. Die Rekrutierung durch Aushebung (Konskription) geschieht nach den annamitischen Geflogenheiten, die Einzelheiten regelt der Generalgouverneur, der auch den Zeitpunkt der einmaligen jährlichen Aushebung, sowie das Rekrutenkontingent und seine Verteilung auf die Provinzen bestimmt, die weitere Verteilung geschieht durch die Chefs der Provinzen , die von jeder Ortschaft zu stellende Quote wird durch die bei jedem Infanterieregiment bestehende Aushebungskommission der dienstfähigen Leute von 21 bis 28 Jahren (annamitisches Alter) entnommen und zwar nach den jährlich von dem Oberkommandierenden festzusetzenden Anforderungen für die einzelnen Waffen. Dienstfähige Leute im Alter von 21-28 Jahren können zu jeder Zeit eine 5jährige, freiwillige Dienstleistung eingehen . Nach Ablauf von 5 Jahren aktiver Dienstzeit können Eingeborene von guter Führung mit Genehmigung ihrer Vorgesetzten neue Verpflichtungen auf 1, 2 und 3 Jahre eingehen.
Der Oberkommandierende bestimmt jedes Jahr das mit Rücksicht auf den Bedarf und die Mittel des Budgets zulässige Maximum an Kapitulanten für jeden Truppenteil. Sie erhalten eine Prämie und eine Soldzulage und, wie schon oben bemerkt, nach 20 Jahren eine Pension . Die
eingeborenen Reserven in Indochina weisen nach dem 2. Dekret 2 Klassen auf, die Reserven der aktiven Armee und die sog. „garde sédentaire ", letztere zunächst bestimmt zum Schutz der Etappenlinien für den Dienst im Rücken der Operationstruppen und zur Besetzung fester Plätze . Die Zugehörigkeit zur Reserve der aktiven Armee dauert für alle Eingeborenen, die gedient haben, so lange, wie der Unterschied zwischen ihrer aktiven Dienstzeit und 15 Jahren beträgt, an diese 15 Jahre schliefsen sich dann noch 5 Jahre Pflichtigkeit in der garde sédentaire, die Reserven der eingeborenen Infanterieregimenter und der selbständigen Bataillone werden bezirksweise einberufen, die Reservebezirke decken sich mit den Aushebungsbezirken, ebenso entnehmen die Eskadrons, Batterien und Genieformationen ihre Ergänzung an Reserven denselben Bezirken, wie ihre Rekruten . Die Leute der aktiven Reserve und der garde sédentaire haben bei allgemeiner oder teilweiser Mobilmachung ibre Truppenteile in der zulässig kürzesten Zeit zu erreichen. Der
Umschau.
93
Generalgouverneur ordnet die Mobilmachung, die Einbeorderung einer oder mehrerer Jahrgänge, sowie auch die Einberufung zu Übungen nach Rücksprache mit dem Oberkommandierenden an. Die garde sédentaire hat im Frieden keine Übungspflicht, kann aber zu Kontrollappells in dem Hauptort der Provinz berufen werden . Unteroffiziere, Korporale , und Brigadiers an Eingeborenen , die in den Beurlaubtenstand übertreten, behalten ihre Dienstgrade, auch können die Truppenkommandeure bei Entlassung eines Jahrgangs Beförderungen vornehmen nach dem Bedarf bei der Mobilmachung.
Vom Moment der
Einberufung ab unterstehen die Leute des Beurlaubtenstandes , die eingeborenen Reserven den Militärgesetzen. Von Marseille sind zur Verstärkung der Truppen in Tonkin 15 Offiziere, 668 Mann und ein grofses Quantum von Munition Anfang November abgegangen . General Pedoya, der in einer Broschüre auf die Schäden der Die Unter2jährigen Dienstzeit in der Form, wie sie die Kammer anzunehmen offizierfrage. beschlossen, hinweist, hat an die Mitglieder des Armee-Ausschusses des Senats einen offenen Brief gerichtet, der die Unteroffizierfrage betrifft. Aus seiner Feder sind auch wohl die beiden Artikel in der „France militaire" hervorgegangen , die „, Engagement des Gradés " überschrieben sind und von denen einer ziffermäfsig nachweist, dafs ein kapitulierender Unteroffizier, der im ganzen 15 Jahre diene, dem Staate jährlich etwa 2841 Francs koste , wenn er in Afrika diene, im
sogar
4120 Francs.
übrigen anerkennend ,
dafs der
Der genannte General kommt, Armeeausschufs
des Senats an
seiner Vorlage mit 75 Proz. kapitulierenden Unteroffizieren (wodurch gegen den heutigen Bestand 6000-7000 mehr zu rechnen wären ) and 50 Proz . kapitulierenden Korporalen festhalte, zu Änderungsvorschlägen, die wir hier nicht näher beleuchten wollen. Da aber zwischen Armeeausschufs des Senats und Armeeausschufs der Kammer eine Einigung in dieser wichtigen Frage noch nicht erreicht ist, der Nachfolger Berteaux als Berichterstatter für den Gesetzentwurf betreffend die 2jährige Dienstzeit, diesen Punkt auch nicht unter denjenigen nennt, in welchen er eine Einigung für leicht hält, so erscheint es angezeigt, die Kapitulantenfrage hier nochmals zu streifen. Gegenüber den Sätzen des Senats will die Kammer bekanntlich nur 66 % an kapitulierenden Unteroffizieren, 33 lierenden Korporalen und Brigadiers bewilligen .
% an kapituBei 3jähriger
Dienstzeit mochte der Prozentsatz der Kammer, der übrigens auch nicht voll erreicht wurde,
genügen, da man den Rest an Unter-
offizieren und Korporalen bis konnte, die
zum vollen Etat Leuten
wenigstens im 3. Dienstjahre
entnehmen
als Ausbildungspersonal
Umschau.
94
verwendbar waren .
Bei 2jähriger Dienstzeit und Annahme der Be-
schlüsse der Kammer, 2/3 der Korporale
würde
man
des Sollstandes
aber für 1/3 der Unteroffiziere , mit Leuten rechnen müssen , die
erst im 2. Jahre dienen , also selbst noch nicht genügend durchgebildet worden sind, erst recht also als Lehrpersonal nicht Verwendung finden können. Dafs man bei 2jähriger Dienstzeit aber eines vermehrten Personals an längerdienenden Unteroffizieren und Korporalen bedarf, wird niemand bestreiten wollen. Wenn man das Budget 1904 zur Grundlage nimmt, das mit 43 000 Unteroffizieren , 48 000 Korporalen und Brigadiers rechnet , so ist es doch wohl ein gewaltiger Unterschied , ob man 3/4 = rund 32 000 Unteroffiziere . oder /3 = rund 29 000, 50 % = 24 000 oder 1/3 = 16 000 kapi-
tulierende Korporale als Ausbildungspersonal hat. Nach den Erklärungen des Kriegsministers André wird man 1905 rund 26 000 kapitulierende Unteroffiziere besitzen. KavallerieÜber den Neuabdruck des Exerzierreglements für die Kavallerie Exerzier- von 1899, der durch Erlafs vom 1. September 1904 in Kraft gesetzt Reglement. worden und, wie oben schon bemerkt, fast eine völlige Neubearbeitung darstellt, verbietet uns der Raummangel heute eingehend zu berichten . Wir weisen aber darauf hin, dafs die Abschnitte Gebrauch des Karabiners und Gefecht zu Fufs besonders durchgreifend geändert sind, schon weil das Reglement von 1899 sich nicht mit der Instruktion für das Schiefsen der Kavallerie vom 7. September 1903 deckte, der Artikel „ Feuer" nunmehr eine Feuerart enthalten konnte und man darauf bedacht sein mufste , den Karabinerschützen in der Ausnutzung der Deckungen des Geländes gründlicher zu
schulen ,
endlich darauf, dafs man von der Entwickelung auf den Führer abgegangen und wieder die Grundeinheit für die Entwickelung angenommen hat. Marine.
Unsere schon im letzten Bericht ausgesprochene Behauptung, dafs nämlich der Marineminister Pelletan zweifellos / Politiker und 14 Marineminister, bei der Beratung des Marinebudgets im Parlament schwere Stunden erleben würde, hat in der diesmaligen Berichtszeit an Wahrscheinlichkeit wieder bedeutend gewonnen . Man kann sogar mit einiger Sicherheit aussprechen , daſs Pelletan in absehbarer Zeit dem General André folgen wird . Der Berichterstatter für das Marinebudget in der Kammer, Bos, ist ein persönlicher Freund Pelletans . Trotzdem erschienen, so viel schon jetzt bekannt, in seinem Bericht nicht zu unterdrückende Anklagen gegen die Amtsführung Pelletans , die im Verein mit den Feststellungen des aufserparlamentarischen Ausschusses , Feststellungen zum Teil ganz eigentümlicher Art, den Sturz des Marineministers herbeiführen dürften . Bos spricht unver-
Umschau. blümt aus,
dafs
95
die französische Flotte in 3-4 Jahren von der
deutschen überholt (??) sein werde, weil man in Deutschland folgerichtig nach einem Plane baue, in Frankreich dagegen Stillstand und Zögern im Schiffsbau eingetreten seien. Einen der Gründe für diese Verzögerung in den Bauten erblickt Bos in dem von Pelletan eingeführten Achtstundentag. Seltsamerweise hat sich übrigens Pelletan jüngst einem Journalisten gegenüber über Widerspenstigkeit der Arsenalarbeiter beklagt, die er doch eigentlich durch sein Verfahren grofsgezogen , wenigstens begünstigt hat. Wir brauchen hier wohl nicht zu wiederholen , welche Zugeständnisse Pelletan den Arsenalarbeitern, Syndikaten gemacht hat, darauf aber müssen wir mit Doumer, Yacht,
Temps
Arsenale
und Petit Var hinweisen ,
Dank Pelletans Konzessionen
dafs
nicht
die
französischen
allein langsamer und
kostspieliger bauen , als die Arsenale in Deutschland , England, Italien , sondern besonders
viel langsamer und teurer als die französischen
Zivilwerften. Pelletan trägt nun die Folgen seines Erlasses vom 25. Oktober 1902 und seiner steten Inschutznahme von Arsenalarbeitern gegenüber den Vorgesetzten, das Marinebudget und der Staat aber merken die Wirkung in den Kosten, die bei grofsen Linienschiffen um mehrere Millionen höher sind , als bei britischen und in der Bauzeit, die stellenweise fast das Doppelte der britischen erreicht .
Dafs
Doumer, früher Pelletans Schützling, gegen den Marineminister scharf Front macht und ihm seine verfehlte Wirtschaft aufs Butterbrot gibt, muls
die Wirkung
der Berichte
des
aufserparlamentarischen Aus-
schusses noch nachhaltiger machen . Aus den Ergebnissen der Ermittelungen der aufserparlamentarischen Kommission hat Doumer in dem
genannten Ausschusse
den die Kammer bekannt zu gebenden
Schlufs gezogen, dafs in der Kesselfrage sehr grobe Verfehlungen der Verwaltung Pelletans vorliegen , die dem Staate nutzlos über 2,4 Millionen gekostet.
Die Marine wird Pelletan nicht vermissen. 18 Russland .
Neues Im Anschlufs an die im Novemberheft v. J. gebrachten Nachrichten über das russische Feldartillerie -Reglement ist jetzt zu Reglement für die melden, dafs auch die Gebirgsartillerie an Stelle des alten Regle- Gebirgsments von 1887 ein neues erhalten hat. Allerdings ist es noch auf artillerie . das alte Material zugeschnitten. Dessen Ersatz durch neues ist aber beschlossen, und das einzuführende Material ist, wie die neuesten Nachrichten melden, bereits durch 12 Schnellfeuer - Gebirgsbatterien auf dem ostasiatischen Kriegsschauplatz vertreten .
So ist
es ein Vorzug des Reglements, dafs es sich auch dem neuen Material
96
Umschau.
leicht anpassen läfst ; sein ungleich wichtigerer allerdings der, dals sein Grundcharakter möglichste Vereinfachung, der Formationen sowohl, wie auch der Verwendung ist. Es kennt nur noch eine Gefechts- und eine Marschformation ; in letzterer sind die Geschütze entweder in der bekannten Weise zerlegt auf Tragetieren verladen , Dieser Art wird aus oder gefechtsbereit montiert aufgeprotzt. naheliegenden Gründen entschieden der Vorzug gegeben, die erstere Auch bei der Gebirgssoll nur im Notfalle angewendet werden. artillerie bilden jetzt Geschütz und Munitionskarren eine zusammengehörende Gefechtseinheit ; dem Übergang von dem auf Tragtiere verteilten in das zusammengesetzte aufgeprotzte Geschütz ist besondere Aufmerksamkeit geschenkt worden . Da die Geschützprotze keine und der Munitionskarren auch nur eine beschränkte Zahl von Geschossen aufnehmen kann, kann im Gefecht ein Munitionslasttier in W.
der Nähe des Geschützes aufgestellt werden.
Schweden.
Schiefs-
Im vergangenen Jahre haben in Schweden Schiefsversuche gegen versuche Schildbatterien stattgefunden, die interessant sind sowohl durch ihre gegen Geschütz- Anlage, als auch durch die gezeitigten Ergebnisse. Bei uns haben schilde. die Schiefsen - wenigstens die Truppenversuche, soweit sie bekannt geworden -
lediglich darauf abgezielt,
durch
entsprechende Än-
derungen des Schiefsverfahrens hinter die Schilde zu fassen, deren Qualität hierbei weniger zur Geltung kam. In Schweden hat man Schilde von weichem und hartem Stahl und von verschiedener Dicke verwendet ; wie weit besondere Spezialstahle hierbei benutzt wurden, ist allerdings nicht bekannt geworden. In französischer Art wurden beschildete Protzen zum Markieren der Munitionswagen neben die Geschütze gestellt ; zwei hiervon enthielten je 20 Sprenggranatpatronen, mit den Spitzen abwechselnd nach vorn und hinten gerichtet.
Die
Ergebnisse waren folgende : Bei weichen 4 mm-Platten erzeugten die Schrapnellkugeln Aufbauchungen ;
die
zusammengehaltenene Garbe
eines dicht vor dem Geschütz springenden Geschosses bauchte den ganzen Schild auf, auch rissen Sprengstücke in die weichen Platten grössere Löcher, als in die harten , von denen die Kugeln ohne bemerkenswerte Eindrücke abprallten . Wichtig erscheint namentlich , dafs die Scharniere und Nieten der harten Platten sich den weichen gegenüber als erheblich widerstandsfähiger erwiesen. Dafs die Feldartillerie nicht imstande ist, Schilde von einer Stärke zu tragen, die gegen gröfsere Sprengstücke oder gar Volltreffer schützt, konnte schon früher als erwiesen gelten ; auch der schwedische Aluminium-
Umschau.
97
zünder kann scheinbar bei kleinen Sprengweiten Durchschläge erzeugen. Bei den Schiefsversuchen mit dem Gewehr wurden neben den gewöhnlichen Geschossen auch solche aus massivem Stahl verwendet. Dafs deren Superiorität im Durchschlagen von Schilden von neuem bestätigt wurde, kann nicht Wunder nehmen, ändert aber an ihrer sonstigen negativen Bewertung für die Praxis nichts . Platten von 5 mm Stärke schützten gegen Bleikugeln auf allen Entfernungen , gegen Stahlkugeln erst von 500 m an. Ungleich wichtiger erscheint aber die in Schweden gewonnene Überzeugung, dafs Granaten und Schrapnells für die Bekämpfung von Schildbatterien als gleichwertig zu
erachten
sind ,
und
dafs
nur Volltreffer nennenswerte
Wirkung hervorzubringen vermögen . Allerdings scheint man nicht, wie bei uns, Kastenscheiben verwendet zu haben, sonst wäre die Wirkung der unmittelbar hinter, oder besser am Schild springenden Granaten mit ihren seitlich geschleuderten Sprengstücken wohl mehr hervorgetreten. Die wichtigste Beobachtung ist aber zweifellos die, dafs die vielfach geäulserte Furcht vor der Explosion
eines stark
getroffenen Munitionswagens nicht so begründet erscheint, wie man zumeist annimmt . Mehrfach schlugen Sprengstücke in die gefüllten Protzkästen, in dem einen sprang eine Granate, in dem anderen ein Schrapnell .
Trotzdem
sprang
wurden z . T. zerschlagen, ihre
keines der Geschosse, Zündschrauben
sondern sie
zerdrückt
und
die
Patronenhülsen aufgerissen , so dafs das Pulver umberflog ; lediglich eine Hülse kam zur Explosion, aber auch ohne nennenswerten Effekt. Allerdings wurde keine Zündschraube von hinten getroffen, was wohl gröfsere Wirkung erzielt haben würde, aber durch entsprechende Geschofspackung vermieden werden kann. Demgegenüber erinnert man sich, daſs anderwärts allerdings erheblich andere Wahrnehmungen gemacht wurden. Es sei nur an die Explosion des Munitionswagens bei dem österreichischen Versuchsschiefsen auf dem Steinfelde im W.
Sommer v. J. erinnert. Bulgarien.
Je zwei Infanteriedivisionen, Feldartillerieregimenter und Gebirgsbatterie -Divisionen , ferner eine Haubitzbatterie, vier Kavallerieregimenter und zwei Halbregimenter Divisionskavallerie , sowie endlich zwei Pionierbataillone und eine Genie · Halbkompagnie wurden Ende September v. J. zu gröfseren Herbstübungen zusammenÜber den Gang der Manöver ist nur zu sagen, dafs sie gezogen. von Übungen im Brigade- und Divisionsverbande Reihe mit einer begannen, durch welche die frisch zusammengestellten TruppenverAm 3. Oktober hatten dann die bände gefestigt werden sollten. 7 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine, No. 400.
Herbstmanöver.
Literatur.
98
Nord- und Südpartei die ihnen zugewiesenen Rayons zu erreichen, von denen aus am 5. die sechstägigen Schlufsmanöver begannen, die am 10. mit einer grofsen Revue durch den Fürsten abgeschlossen wurden. Interessant ist die Komplettierung der Truppen für diese Übungen . Die vier jüngsten Jahrgänge des Beurlaubtenstandes waren einberufen und wurden den Truppen wie im Mobilmachungsfalle zugeteilt. Demgemäss teilten die aus zwei Bataillonen bestehenden Infanterieregimenter ihre Bataillons- und Kompagnieverbände , ergänzten sie durch Reserven und formierten sich so zu vier Bataillonen. Die mobile Infanteriekompagnie hatte drei Offiziere, die Kopfzahl der Mannschaften schwankte und betrug im Durchschnitt 78. Auch die Kopfzahl der vier Eskadrons eines Kavallerieregiments schwankte, 112 im Mittel betragend. Die Feldartillerieregimenter waren zu 6 Batterien zu 4 Geschützen und 16 Munitionswagen formiert, die Die GebirgsbatterieBatterien zählten 88 Mann und 59 Pferde . Divisionen rückten Munitionstragetieren Haubitzbatterie
mit 3 Batterien zu 4 Geschützen und 16 aus, Besetzung 97 Mann, 49 Pferde. Die
endlich, zu 6
Geschützen
und 2
Munitionswagen,
hatte 119 Mann, 79 Pferde . Die Pionierkompagnie hatte 65, die mit 15 km Telegraphen- und 5 km Telephonleitung ausgerüstete W. Genie- Halbkompagnie 25 Mann.
Literatur.
1. Bücher. Kriegskunst in Aufgaben. Von G. v. Alten , Generalleutnant z . D. II. Heft. Vorposten , Märsche und Marschsicherung, mit 2 Kartenbeilagen in Steindruck. Berlin 1904. E. S. Mittler & Sohn. In vorliegendem II. Heft, welches in der angenommenen Kriegslage Fortsetzung des I. Heftes ist, tritt zunächst eine vom Armeekorps vorgeschobene Kavalleriebrigade auf, welche den Feind aufsucht, findet und sich für die Nacht der gröfseren Sicherheit halber seitswärts herauszieht. Zur Schonung der Kräfte wird Ortsunterkunft mit der Bestimmung gewählt, dafs bei feindlichem Angriff der Ort zu ver-
Literatur.
99
teidigen ist. Die Vorposteneskadrons bleiben beim Gros in den Ortschaften und schieben Feldwachen vor. Die eigentliche Sicherung übernehmen weit, 1 /2-2 Meilen , nach verschiedenen Richtungen vorgeschobene Züge. Zur Unterkunft für nur eine Nacht ist auf diese Weise ein sehr komplizierter und Kräfte raubender Sicherungsmechanismus eingerichtet, der m. E. keinen Vorzug vor unseren Vorpostenbestimmungen verdient. Das nächtliche Patrouillieren wird verworfen und dem Bestreben der Vorzug eingeräumt, sämtliche nach dem Feinde zu führenden Wege dauernd zu besetzen, besonders um dem Feind die Einsicht in die diesseitigen Verhältnisse unmöglich zu machen . ist aber einem energischen Gegner gegenüber ein um so aussichtsloseres Vorhaben, je weiter und umfangreicher der äufsere Sicherheitsbogen gespannt ist. Weder bei Tage noch bei Nacht kann man kühnen Patrouillen das Durchdringen durch die Sicherheitsmafsnahmen des Gegners absolut verwehren , ebensowenig, wie man eine ruhende Truppe oder die vorderen Abteilungen im Marschverhältnis vor Überfällen und ungünstigen Gefechten absolut schützen kann . Hier handelt es sich vielmehr darum , die Sicherheitsveranstaltungen so einzuschränken, dafs sie nicht durch übermäſsigen Kräfteverbrauch aufser Verhältnis mit der wahrscheinlichen Gefahr geraten. Den Kavalleriefeld wachen will Verf. die Pferde nehmen , weil sie Leute zur Pflege und zum Halten beanspruchen, welche beim Feuergefecht ausfallen und dies wird an einem etwas drastisch, mit völliger Panik endenden Rückzug einer Kavalleriefeldwache anschaulich gemacht. Ich glaube, es würde genügen , wenn man unter Umständen , wo z . B. ausnahmsweise für die Pferde kein Schutz gegen feindliche Geschosse im Gelände zu finden wäre, gestattete, dafs sie zurückgeschickt werden . Grundsätzlich die Kavalleriefeldwachen in Infanteriefeldwachen zu verwandeln, wie es Verf. vorschlägt, widerspricht zn sehr dem Grundsatz , daſs das Pferd zum Kavalleristen gehört. Die Nachteile der gröfſseren Ermüdung des Pferdes und der verminderten Feuerkraft müssen mit in den Kauf genommen werden . Aufser vielen anderen recht beachtenswerten Vorschlägen tadelt Verf. die Bestimmung der Felddienstordnung, dafs bei den Vorposten im Befehl gesagt werden mufs , wo bei feindlichem Angriff der erste Widerstand geleistet werden soll , da dies eigentlich im Widerspruch mit dem freien Geist stehe, welcher unsere sonstigen Bestimmungen für den Felddienst durchzieht und weil man nie wissen könne, wie der Feind angreife. Ich glaube im Gegenteil, dafs diese Bestimmung der Erfahrung ihre Entstehung zu verdanken hat, dafs bei allen NachtSO gefechten und um solche handelt es sich ja vorzugsweise wenig wie möglich befohlen werden darf und dafs jede Stelle sofort weifs, was sie zu tun hat. Ausserdem zwingt die Vorschrift dazu , die Möglichkeiten eines feindlichen Angriffs genau vorher zu durchdenken und die entsprechenden Mafsregeln in aller Ruhe bei 7*
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Literatur.
Dafs diese vorangehende Gedankenarbeit , auf Tage zu treffen . welche Verf. mit Recht den höchsten Wert bei allen Kriegslagen legt im Vorpostendienst, nach anstrengenden Märschen, auch immer vorgenommen wird, kann man bei länger dauernden Kriegen, welche unter den geschulten Offizieren stark aufräumen , nicht immer als selbstverständlich annehmen. Demnächst unterzieht Verf. die technischen Erfindungen unserer Zeit einer Prüfung, inwieweit sie den Nachrichten und Befehlen beschleunigte Beförderung sichern können . Dem Selbstfahrer und dem Motorrad werden dabei allein wirkliche Kriegsbrauchbarkeit zugesprochen bezw. werden sie als Hauptmittel anerkannt. Dabei scheinen aber nur unsere europäischen Kriegsschauplätze in Betracht gezogen zu sein . Die Kriege in Südwestafrika und „ im fernen Osten" werden mit ausgiebigster Benutzung aller neueren technischen Hilfsmittel geführt, besonders auch der Funkentelegraphie. Im 2. Abschnitt wird die Gliederung und Sicherung des Marsches eines Armeekorps erörtert. Dem Vorschlage, in die Avantgarde der Division eine Infanteriebrigade statt des bisher üblichen Regimentes zu nehmen , steht entgegen, dafs die bisherige Einteilung dem Divisionskommandeur beim Zusammenstofs mit dem Gegner besser ein einleitendes Gefecht ermöglicht und ihn nicht gleich von Anfang an mit der Hälfte seiner Infanterie ins Gefecht zieht. Das Kräfteverhältnis der schwächeren Avantgarde zum stärkeren Gros beruht auf ältester Kriegserfahrung und hat sich als solches bewährt. Die vorgeschlagene Ernennung eines ständigen Kommandeurs für das Gros, möchte ich nach meiner Erfahrung als Brigadeadjutant im Kriege 1870/71 für den Marsch befürworten, im übrigen verwerfen. Es ist durchaus unbillig, wenn der Divisionskommandeur mit seinem reichlich bemessenen Stab, die Sorge für Unterbringung der Truppe, Anordnung des Biwaks, Befehlsempfang für das ganze Gros etc. auf den Brigadekommandeur abwälzt, welchen der gröfste Teil desselben gar nichts angeht. Der Fall, dafs der Divisionskommandeur bei der
Nähe des Feindes persönlich rekognoszieren will, ist ein recht seltener im Lauf eines Krieges und dann kann ja, wie unsere Bestimmungen dies vorsehen, der Brigadekommandeur ihn vertreten. Zuletzt wird der Übergang der Armeekorps zur Ruhe und der Vorpostendienst gemischter Truppenverbände besprochen. Verf. tritt dabei u . a. für möglichst geringe Zuteilung von Kavallerie an die Divisionen ein, damit die Korpskavallerie möglichst stark und geschlossen vorwärts verwandt werden könne . Das ist in der Theorie gewils empfehlenswert, in der Praxis zeigt sich schon in den grofsen Manövern, dafs den höheren Truppenführern nur zu oft die losgelassene Kavallerie aus der Hand kommt. Diese Erscheinung mag wohl auch der Grund dazu gewesen sein , daís entgegen der napoleonischen Verwendung der grofsen Kavalleriekörper wir und die anderen europäischen Armeen um die Mitte des 19. Jahrhunderts wieder zu der Zuteilung der
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Kavallerie als Reservekavallerie zu den Marschkolonnen der Armeekorps und hinter denselben gekommen waren. Aus diesen Erwägungen erscheint eine noch weiter gehende Verminderung der Divisionskavallerie, als sie bei uns jetzt vorgesehen ist, mir nicht rätlich . Unter den vielen sehr bemerkenswerten Verbesserungsvorschlägen , welche Verf. bezüglich der Anordnungen für Märsche, Sicherung und Vorposten macht, möchte ich einen besonders hervorheben , nämlich den, daſs die Verbindung grundsätzlich von vorn nach hinten und nicht umgekehrt aufrecht zu erhalten sei. Ein nach vorne durchgehender Avantgardenzug einer Eskadron kann von dieser, wie ich dies im Jahre 1864 erlebt, nicht mehr auf die Unterstützung seiner Eskadron mit Sicherheit rechnen . Es entspricht auch durchaus dem Grundsatz, dafs der Schwache sich an den Starken anzulehnen hat, wenn die schwachen vorderen Spitzen und Abteilungen angewiesen werden , ihrerseits für die Verbindung mit ihren Unterstützungsabteilungen, mögen sie eine Gröfse haben, wie sie wollen, zu sorgen . Die vorliegende Arbeit des Generalleutnants von Alten ist in der eingehenden Art ihrer Besprechungen , in der Klarlegung und Präzisierung der einzelnen Momente, welche zur Aufgabestellung führen , mit den berühmten Verdyschen Studien über 1866 zu vergleichen . Zu bedauern ist, dafs sie keine Anlehung an eine kriegerische Begebenheit gefunden hat, sondern dafs alles frei erfunden ist. Verf. meint, er habe aus der Geschichte nichts Brauchbares gefunden. Immerhin ist das Werk hochinteressant und belehrend besonders für jüngere Offiziere aller Waffen . v. Twardowski.
Die Ausbildung der Infanterie . Zeitgemäfse Erörterungen gemäfs den Anforderungen des heutigen Gefechts und den Veränderungen im sozialen Leben von Freiherr von Meerscheidt - Hüllessem , General der Infanterie z. D. Dritter Teil. Die Herbstübungen.
Berlin 1904.
E. S. Mittler u. Sohn .
Wir begrüfsen jede Erörterung über militärische Fragen besonders dann freudig, wenn sie uns auf Dinge aufmerksam macht, welche abänderungsbedürftig sind . Denn wie überall, so gilt es auch in militärischen Dingen , nicht stehen zu bleiben , sondern fortgesetzt darüber zu wachen, dafs man veränderten Umständen rechtzeitig Rechnung trägt. Mit Althergebrachtem zu brechen ist ja für jeden Gewohnheitsmenschen schwer ; das mufs aber überwunden werden und wird auch dann leichter sein , wenn die Einsicht obgesiegt hat, dafs eine Änderung eintreten mufs. Diese Einsicht wird aber nur dann Allgemeingut werden können , wenn nicht nur am Alten gerüttelt wird, sondern wenn auch die Mittel und Wege auseinandergesetzt werden, wie Abhilfe zu schaffen sei. In den vorangegangenen beiden Teilen seiner Arbeit hat der Herr
Verfasser mancherlei bemängelt und gewifs in vieler Hinsicht mit Recht ; die Mittel und Wege für eine Änderung hat er uns aber dort
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wie in dem vorliegenden dritten Teil „ Die Herbstübungen “ nur spärlich und nicht durchgreifend genug auseinandergesetzt. Wer wäre nicht mit ihm der Ansicht, dafs unsere Gefechtsausbildung vielfach unter den zu hohen Anforderungen im formalen Exerzieren leide ! Wer möchte nicht gleich ihm so manches in dieser Beziehung streichen ! Gibt es nicht heutzutage genug einsichtige Vorgesetzte, die tatsächlich nur das von der Truppe fordern , was sie im Ernstfalle braucht ! Aber wenn diese Einschränkungen im formalen Exerzieren zugebilligt werden, so müssen wir auf der anderen Seite fordern , daſs die gefechtsmäfsige Ausbildung gesteigert werde . Hier darf es nicht nur heifsen , es müsse anders , es solle besser werden, sondern wir können und dürfen erwarten , daſs uns auch greifbar auseinandergesetzt wird, wie es anders, wie besser werden könne . Da genügt es füglich nicht, allgemein bekannte Wahrheiten gewissermassen zu pointieren . sondern an diese Erörterungen mit positiven Vorschlägen anzuknüpfen . Geschieht dies nicht, dann geht der gewollte Zweck der ganzen Auseinandersetzung verloren. Wir fühlen wohl, dafs viel Wahres in den. „Erörterungen “ liegt, aber wir fühlen uns nicht völlig befriedigt. Beim eingehenden Studium dieses ,,Dritten Teiles" , der in seinem ganzen Aufbau in seiner lehrgemäfsen Fassung uns am meisten anspricht, kommen wir eigentlich nur zu dem Schlufs , ein kurzgedrängtes , aber durchaus nicht erschöpfendes Lehrbuch vor uns zu haben. Dieser Teil über die „Herbstübungen " enthält bereits das Regiments- und Brigade-Exerzieren , die auch nach unserer Ansicht mit hinzugehören . Denn sie sind wesentlich dazu bestimmt, Führer und Truppe für das Manöverieren in der Periode der Herbstübungen vorzubereiten . Es liegt in der Natur der Sache, dafs Wiederholungen nicht zu vermeiden waren ; auf manche Punkte hätte aber etwas mehr Betonung gelegt werden müssen . Wir können uns auch mit dem Abschnitt Herbeiführung der Feuerüberlegenheit und mit dem über den „ Sturm" nicht einverstanden erklären : auch bei der „ Brigade" will uns manches nicht in den Sinn, wie der Abschnitt über „ Versammlungsformationen ete." und über den Markierten Feind". Das mögen aber schliefslich lediglich Ansichtsverschiedenheiten sein. Ein grundsätzlicher Unterschied liegt aber darin, dafs überall zwar von der Notwendigkeit der Parade für Kaisermanöver etc. die Rede ist, aber zugleich gefordert wird, ,, man mufs nur einen Maſsstab anlegen, der der veränderten Ausbildungsweise entspricht und demgemäss sein militärisches Auge schulen . " Soll das ein Aufgeben der Strammheit der Truppe bedeuten ? Fast will es uns so scheinen . Denn an anderer Stelle ist gesagt : ,,Suchten wir bisher die Güte des Parademarsches in seiner unvergleichlichen Straffheit, so beurteilen wir ihn künftig nach der kriegerischen Gesamterscheinung der defilierenden Truppen und in der präzisen militärischen Haltung und dem stolzen selbstbewussten Ausdruck des einzelnen Mannes." Wir sind aufserstande , dieser Auffassung zu folgen , können auch die
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präzise militärische Haltung und den stolzen selbstbewussten Ausdruck uns nicht ohne Straffheit denken . Der Abschnitt „Das Manöver" enthält aus reicher persönlicher Erfahrung heraus viel Beachtenswertes . Über Anlage der Manöver“ hätte füglich etwas mehr gesagt werden können . Wenn der Herr Verfasser anscheinend ein Freund nächtlicher Unternehmungen ist, so bleibt das Ansichtssache. Darin dürfen wir ihm aber zustimmen, daſs heutzutage in dieser Hinsicht sehr wenig, und wir fügen hinzu „ zu wenig geschieht. Und da wir die nächtlichen Unternehmungen doch in den Bereich unserer kriegerischen Tätigkeit zu ziehen haben , sollten wir im Frieden ihre vielen Friktionen nicht völlig aufser acht lassen , sie also auch üben . Den Abschnitten ,,Fürsorge für die Offiziere" und Leitende Gesichtspunkte über militärische Erziehung und Ausbildung" fühlt man den erfahrenen und wohlwollenden Vorgesetzten nach und wir können nur wünschen , dafs sie viel gelesen und beherzigt werden möchten . Wir möchten überhaupt zum Schluſs trotz vielfacher Gegensätze und trotz des Gefühles, nicht voll und ganz befriedigt zu sein wegen des Mangels an positiven Vorschlägen, doch dahin resümieren, daſs wir hoffen, das Werk möge dazu beitragen, alle Kreise darauf hinzuweisen, dafs an vielen Stellen Änderungen eintreten müssen , soll 63. die Armee kriegstüchtig bleiben. Die wachsende Feuerkraft und ihr Einflufs auf Taktik, Heerwesen und nationale Erziehung . Von Generalleutnant z . D. von Reichenau . Berlin 1904. Vossische Buchhandlung. Mit glücklichem Griff hat der Herr Verfasser zum Stoffe seiner Darlegungen die wachsende Feuerkraft gewählt ; denn sie ist es , die das höchste Interesse des Taktikers erweckt oder vielmehr erwecken sollte. Ist es doch eine immer wiederkehrende beschämende Erscheinung, dafs sich die Taktik der voranschreitenden Technik nur widerwillig und notgedrungen anpafst, statt dafs umgekehrt der Taktiker es wäre, der forderte und verlangte und der Techniker sich bemühte , den taktischen Anforderungen gerecht zu werden. Von Reichenau erhebt nun solche Ansprüche an die Technik, von deren Erfüllung er sich im Kampfe einen erhöhten materiellen und moralischen, also taktischen Erfolg verspricht. Wohl nicht in allen Punkten wird ihm von allen beigestimmt werden ; aber dafs er stets die fortschreitende Entwickelung im Auge behält, sichert schon seinem Werke die ernsthafteste Beachtung. Der General widmet seine glänzende Feder nicht blofs technischen Verhältnissen , er verhehlt sich auch nicht, dafs unsere gesamte Lebensentfaltung wesentlich von der früherer Jahrhunderte abweicht. Aus materiellen wie aus kulturell- psychischen Gründen muss die Arbeit der Armee in neue Formen gegossen werden , die den neuen Kräften und den neuen Gedanken entsprechen . Der Inhalt des Buches ist demnach ein vielseitiger und reichhaltiger ; er
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umfasst die Vervollkommnung der Waffen und die allgemeinen Grundsätze ihres Gebrauch, die Taktik der Infanterie, der Feldartillerie, der Kavallerie und der verbundenen Waffen , ferner die Ausbildung , die Bekleidung und Ausrüstung und endlich die nationale Erziehung. Auch das Werk des Herrn v. Reichenau geht von den Erfahrungen des südafrikanischen Krieges aus. Die Schiefsleistung der Buren schätzt er, hierin der neuesten Strömung folgend, nur gering . Lediglich durch das Vertrauen auf die Leistung ihrer Gewehre, nicht aber durch ihr Können als Schützen hätten sie ihre Siege errungen . Das ist ein Irrtum. Doch möchte ich natürlich nicht in Abrede stellen , dafs auch die Buren , zumal der jüngere Nachschub, gar häufig der menschlichen Schwäche unterlagen und hastig und übereilt geschossen haben. Meine Behauptung ihrer militärisch unerreichten Schiefskunst bezieht sich auf das Ganze und Grofse . Die triftigsten Gründe sprechen gegen die Annahme geringer Schiefsfertigkeit dieser geborenen Jäger und Schützen ; wird sie doch schon durch die Erfahrungstatsache widerlegt, dafs sich nur der Schütze ein dauerndes Vertrauen auf die Wirkung seiner Waffe bewahrt, der sie auch treffsicher zu gebrauchen versteht. Im Kriege pflegen überhaupt psychische Kräfte ohne genügende materielle Grundlage nicht lange vorzuhalten. Dem Herrn Verfasser ist voll zuzustimmen, dafs er bei der Infanterie die Einführung von Selbstladern befürwortet. Erst der Selbstlader ist ein wirkliches Schnellfeuergewehr, weil nur diese Waffe eine rasche Aufeinanderfolge der Schüsse gewährt, ohne dafs für den Schützen die Möglichkeit präzisen Schiefsens notwendigerweise eine Einbuſse erfährt. Ebenso berechtigt ist die Forderung Reichenaus , der Kavallerie eine Feuerwaffe zu geben, deren Leistungsfähigkeit nicht hinter dem Infanteriegewehr zurücksteht. Auch er erklärt eine Panzerung der Geschütze für unabwendbar . Nicht blofs aus physischen . sondern auch aus psychischen Gründen . Es ist nur zu natürlich , daſs die Bedienungsmannschaft eines ungepanzerten Geschützes gegenüber einer solchen, die von Schilden gedeckt wird, von dem niederdrückenden Bewusstsein beherrscht werden mufs, sehr erheblich im Nachteil zu Als die Frage der Panzerung der Geschütze im Vordergrund des militärischen Interesses stand , wurde von denen , die gegen die Einführung von Schilden sprachen , der psychologische Standpunkt ironisch abgetan : es höben sich hier, wie bei anderen taktischen Fragen, psychologische Gründe und Gegengründe auf, daher lasse sich in der Taktik mit psychologischen Argumenten nichts beweisen. Die so sprachen , bewiesen aber doch eines : ihr mangelndes Verständnis für die Tatsachen des inneren , seelischen Geschehens . Von Reichenau tritt lebhaft für die Schaffung eines artilleristischen Einheitsgeschosses ein, das sowohl der Verwendung im Aufschlag, wie auch im Brennzünderschufs gerecht werden soll . Es ist die kleinkaliberige Granate , für deren Einführung er schon so oft eine Lanze gebrochen hat. Von dem Gebrauch brisanter Ladungen erwartet er sich erhebliche Vorteile
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sowohl in bezug auf gute Beobachtungsfähigkeit im Aufschlag auf jedem Boden und auf jeder Entfernung, als auch hinsichtlich der Vergröfserung der moralischen Wirkungsfähigkeit des Feuers. Bei der Besprechung der Taktik der Infanterie nimmt er zu verschiedenen aktuellen Fragen Stellung . Überall vertritt er den Standpunkt des Fortschritts , der durch " die wachsende Feuerkraft" seine Richtung erhält. Grofsen Wert legt er der ausgedehntesten Anwendung des Kriechens der Schützenlinien und der Unterstützungsabteilungen bei. Anderseits hebt er den Nutzen erhöhter Beweglichkeit hervor, indem er für tunlich ausgedehnte Anwendung von Fahrrädern und Motorfahrzeugen eintritt. Nicht allgemeine Zustimmung wird seine Befürwortung der Einführung jenes Mitteldinges zwischen Kavallerie und Infanterie, der berittenen Infanterie finden , von der er jeder Division einige Kompagnien zugeteilt haben möchte. Ich wenigstens halte dafür, dafs man es auf europäischen Kriegsschauplätzen bei wirklich zeitgemäfser Ausbildung und Ausrüstung der Kavallerie vermeiden kann, der Infanterie noch mehr, als es ohnehin schon geschieht, die besten Kräfte zu Sonderformationen zu entziehen. Der Herr Verfasser betont mit sichtlicher Genugtuung, dafs in der Ära der Feuertaktik der mächtigsten der Feuerwaffen ," der Artillerie, eine ganz bedeutende Rolle zufallen mufs, um so mehr, als ihre Wirkungsfähigkeit durch die Anwendung von gepanzerten Rohrrücklaufgeschützen noch wesentlich vermehrt werden wird. Die Zukunft gehöre unter den Schufsarten dem Aufschlagschufs der Granate wegen des einfachen Schiefsverfahrens, das er gestattet und wegen seiner gesteigerten materiellen und moralischen Wirkung . Es fehlt. mir der Raum, auf die interessanten Ausführungen Reichenaus in dieser Richtung näher einzugehen. Ich möchte nur noch sagen , dafs die Artillerie, so sehr auch der japanisch- russische Krieg ihre hohe Bedeutung zutage treten läfst, doch auch in diesem neuesten blutigen Experimente nirgends tatsächlich die Entscheidung gebracht hat. Überall entscheidet bei diesen braven Truppen in Ostasien der Kampf auf nahe Entfernungen , d . h. die Infanterie mit ihrer rein menschlichen Fähigkeit, sich in der Stellung wie in der Bewegung jeder Bodengestaltung anzuschmiegen und bei jeder Witterung und Beleuchtung, bei Tag und bei Nacht, kämpfen zu können . Daher mufs die schliefsliche Bewältigung der gegnerischen Infanterie der Angelpunkt und das Endziel aller taktischen Handlungen auf dem Schlachtfelde. sein. Erst durch diesen leitenden Gesichtspunkt wird die notwendige taktische Einheitlichkeit und Folgerichtigkeit erreicht. Selbstverständlich huldigt Generalleutnant von Reichenau einer modernen Verwendung der Reiterei . Mit den trefflichen Worten : „Schnell, ausdauernd, gewandt zu Pferd und sicher im Schufs, das ist das Ideal des Zukunftskavalleristen !" schliefst er den allgemeinen Teil seiner reiterlichen Betrachtungen. Es ist mir leider nicht möglich, auch auf andere Punkte des reich-
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haltigen Buches hier einzugehen, das verschiedene Seiten des militärischen und nationalen Lebens in immer eigenartiger Weise beleuchtet und besonders allen denen bestens empfohlen werden kann , die sich für den Tiefgang der Entwickelung interessieren . Karl Reisner Frhr. v. Lichtenstern. Was fordert die Instruktion zum Reitunterricht der Kavallerie? (1. Teil.) Für Lehrer und zum Selbststudium . - Mit Anhang über die Ausbildung von Reiter und Pferd bei der Feldartillerie . Von Brück , Hauptmann und Batteriechef. Vofsische Buchhandlung. Der Verf. will in dieser Schrift nicht neue Theorien aufstellen oder zu solchen , die neu aufgetaucht sind, Stellung nehmen , er beabsichtigt vielmehr, den Reitlehrern in enger Anlehnung an die Instruktion einen Führer durch diese zu geben . - In dem Anhang sucht der Verf. auf Grund seiner Erfahrungen als Batteriechef die Ziele der Ausbildung bei dieser Waffe näher zu beleuchten . Verf., in dem der Leser sehr bald den erfahrenen Reiter und Reitehrer erkennt, gibt im ersten Teil der Schrift mehr als der Titel erwarten läfst, wir finden nicht nur eine Beantwortung der gestellten Frage, sondern ein Kompendium der Reitinstruktion , insofern der Verf. einzelne Unklarheiten zu beseitigen sucht, die Instruktion aber auch im Sinne des von der Vorschrift Angestrebten dort zu ergänzen bezw. zu erweitern versucht, wo er glaubt, Lücken zu bemerken . Dafs die Vorschrift, wenn man auch mit den grundlegenden Gedanken , überall einverstanden ist, in der Redigierung auch in der Art der Darstellung des Angestrebten nicht immer glücklich ist , ist eine Empfindung vieler, die von ihr Gebrauch zu machen berufen sind. Ein solches Kompendium aus sachkundiger Feder, wie es hier vorliegt, ist daher durchaus erwünscht, wenn auch nicht jeder Lehrer den darin zutage getretenen Ansichten überall zustimmen wird. - Das dürfte z. B. der Fall sein , wo Verf. den wechselseitigen Gebrauch der Zügel schnell hintereinander, d. h. also Riegeln , um ein Pferd zum Kauen zu veranlassen , empfiehlt. ❤ In einzelnen Dingen werden auf diesem Gebiet die Ansichten immer auseinander gehen, denn jeder macht seine persönlichen Erfahrungen und kommt zu abweichenden Schlüssen . Den einzelnen Abschnitten der Reitinstruktion folgend knüpft der Verf. an deren Inhalt seine Betrachtungen . Der zweite Teil befafst sich ausschliefslich mit der Ausbildung von Reiter und Pferd bei der Feldartillerie. -- Dem 1. Kapitel über die Endzwecke der Ausbildung von Reiter und Pferd ist zu entnehmen, daſs an die Ausbildung der Fahrer auch in der Beherrschung des Pferdes als Reiter recht erhebliche Ansprüche zu stellen sind, denen Verf. aber auch bei der kurzen zweijährigen Dienstzeit der fahrenden Artillerie - Im 2. Kapitel wird die Reitausbildung genügen zu können glaubt. des Offiziers, der Unteroffiziere, sowie der Manschaften in einer Weise
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erörtert, die ersehen läfst, dafs dem Verf. mehrjährige praktische Erfahrungen auf diesem Gebiete zur Seite stehen .
Handbuch für bespannte Batterien und Bespannungsabteilungen der Fufsartillerie. Von Wilhelmi , Oberltn . Fufsart.-Regts. 10. Mit zahlreichen Abbildungen im Text. Berlin 1904. E. S. Mittler & Sohn . Es wäre überflüssig, über die neuerdings so gesteigerte Bedeutung der schweren Artillerie des Feldheeres hier neue Betrachtungen anzustellen ; neidlos mufs auch der Feldartillerist anerkennen, dafs die Fufsartillerie die in sie gesetzten Erwartungen reichlich erfüllt hat, als sie, wie die Allerhöchste Ordre sagte, „ als vollbefähigt den fechtenden Feldtruppen zugeteilt" wurde. Ohne Zweifel werden die Bespannungsabteilungen bald noch vermehrt werden ; ohne Zweifel ist es aber auch jetzt schon von höchster Bedeutung, dafs sich „Kompagniechefs und Batterieführer mit dem ganzen Wesen, der Art der Verwendung, Beschirrung, Einteilung der Pferde, sowie dem, was man diesen einerseits zumuten darf und anderseits unbedingt von ihnen verlangen mufs, vertraut machen" . Dies zu fördern , ist der Zweck des vorliegenden, recht geschickt und recht inhaltreich zusammengestellten Buches. Greifen wir aus ihm einige allgemein interessante Punkte heraus, so ist die Hoffnung zu teilen , dafs die bekanntlich in der Eifel angestellten Züchtungsversuche ein etwas leichteres kaltblütiges Pferd ergeben werden, als es der jetzige schwere Holsteiner ist, und dafs wir so das „ Zukunftspferd der schweren Artillerie des Feldheeres" , wie es einst von mafsgebender Seite genannt wurde, erhalten werden . Ohne Zweifel ist es ferner z. Z. ein wunder Punkt, dafs die zur Berittenmachung der Offiziere und Unteroffiziere , sowie die zur Reitausbildung der Rekruten dienenden Pferde anderweitig ausrangierte Tiere sind , denen dann bei Sommerübungen im Aufklärungsdienst häufig Leistungen bis zu 70 km , vielfach unter nicht allzu geübten Reitern , zugemutet werden . Bei dem Kapitel „ Meldereiter" (Ziff. 218) hätte der Verfasser vielleicht mehr auf die Wichtigkeit der Ausbildung von Fufsartilleristen für diesen Zweck hinweisen können . Denn zweifellos ist die Übermittelung von Befehlen und Meldungen durch eigene Leute stets die beste und zuverlässigste, zumal hier , wo in der Waffe vielfach Ausdrücke und Bezeichnungen eingebürgert sind , die den aufserhalb stehenden Mannschaften fremd und unverständlich sind, so dafs Mifsverständnisse häufig vorkommen. Die Ausstattung mit brauchbaren Reitpferden wird also reichlicher werden müssen ; ist es doch jetzt schon vielfach „Usus" , dafs die Einjährigen Reitunterricht nehmen , und dafs halbwegs „reitfertige" Unteroffiziere doppelt begehrt sind. Dies zwei Punkte, zu deren Erwägung das Lesen des Buches anregte ; im übrigen wird seine übersichtliche und umfassende Zusammenstellung der verschiedenen einschlägigen Vorschriften es als praktischen Ratgeber für Batterieführer und Leutnants W. der Fufsartillerie willkommen sein lassen.
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Die Unteroffizierschule in Marienwerder 1879-1904.
Auf Befehl
des Kommandeurs bearbeitet von Pagenstecher , Leutnant und Adjutant. Mit vier Lichtdrucktafeln . Berlin 1904. E. S. Mittler & Sohn . Das 25jährige Jubiläum der Unteroffizierschule Marienwerder liefs den vorliegenden Rückblick auf die Erlebnisse und die erfolgreiche Tätigkeit dieser Lehrtruppe erstehen . In stiller, rastloser Friedensarbeit hat diese Unteroffizierschule der Armee erspriefsliche Dienste geleistet und mehr als 4000 Unteroffizieraspiranten ausgebildet und den Regimentern überwiesen. Für alle Offiziere, die in Marienwerder tätig gewesen sind, werden die genauen Nachweisungen und Personalnotizen ebenso von Interesse sein, wie die hübschen Abbildungen . Eine kurze Geschichte der Stadt Marienwerder ist dem Büchlein vorangeschickt. G. P. v. S. Unter Graf v. Haeseler. Persönliche Erinnerungen von Pertev Bey, Oberst im osmanischen Generalstabe und Lehrer an der osmanischen Generalstabsschule . Berlin 1904. E. S. Mittler & Sohn . „Welch ein Mann ! " mufs man unwillkürlich wieder ausrufen angesichts der geradezu begeisterten Schilderung, die hier ein hoher türkischer Offizier von dem Wirken und Schaffen des unvergesslichen Bildners und Führers des lothringischen Armeekorps entwirft. Pertev Bey tat zunächst Dienste als Leutnant im Regiment 67 und erfreute sich schon damals der liebenswürdigsten Aufmerksamkeiten seitens Später hatte er des von ihm hochverehrten Korpskommandeurs . Gelegenheit, die Manöver des XVI . Korps 1895 und 1896 mitzumachen und wurde auf seinen dringenden Wunsch noch einmal 1901 zu den Herbstübungen nach Metz kommandiert. Die enthusiastische Bewunderung, mit welcher der Verf. seinen Helden schildert, hat für den deutschen Leser einen eigenartigen Reiz . Man wird warm bei seiner Darstellung, mag er die umfassende militärische Tätigkeit des Grafen Haeseler preisen , mag er der vielseitigen Belehrung gedenken , die jedem Teilnehmer an den kriegsgemäfsen, interessanten Übungen, jedem Hörer der eingehenden und geistvollen Besprechungen zuteil wurde, oder mag der dem verehrten Generaloberst persönlich nahe stehende Verfasser die Bedürfnislosigkeit, die Unermüdlichkeit, die persönliche Liebenswürdigkeit seines Gönners . dessen Fürsorge für die Mannschaft uns in drastischen und lebenswahren Beispielen vor Augen führen . Graf Haeseler, in jedem Zuge. in jeder Eigenheit, in allen Charaktereigenschaften dem Verf. sympathisch, wird dadurch auch dem Leser von neuem teuer und wert, zumal es der türkische Oberst, der ein vortreffliches Deutsch schreibt, versteht, auch die scheinbar unbedeutenderen Einzelheiten anmutig und fesselnd darzustellen ! Der Raum dieser kurzen Besprechung gestattet nicht,
Stichproben aus dem lesenswerten Buche zu geben , obschon
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rastlosen zielbewussten Lehrmeister mitgearbeitet haben an der Kriegstüchtigkeit und Kriegsbereitschaft des lothringschen Armeekorps, wird es wieder lebhaft in die Erinnerung gerufen, wie eben diese unbedingte Kampfbereitschaft seiner Truppen das einzige Ziel alles Lebens und Strebens für Graf Haeseler war, der gar nicht zu begreifen vermochte , wie der rechte Soldat noch für irgend etwas anderes Interesse haben könne, sobald die Ausbildung und kriegerische Erziehung der Truppe in den Vordergrund trat. Und sie war immer an der Tagesordnung , bei Tag und bei Nacht, im heifsen Sommer und im unwirtlichsten Winter. Doch auch allen anderen Kameraden des deutschen Heeres seien diese persönlichen Erinnerungen" warm empfohlen . Denn sie predigen in beredter Sprache die alte und doch immer wieder beherzigenswerte Wahrheit, dafs man den Führern , den Offizieren und der Truppe die gröfsten Anstrengungen und Leistungen zumuten kann , wenn man noch viel gröfsere Anforderungen an sich selbst stellt und frohen Mutes erfüllt, wenn man nie die Person , sondern immer G. P. v. S. nur die grofse Sache im Auge hat . Die strategische Bedeutung der Schlacht bei Dresden . Von Dr. Franz Lüdtke. Berliner Inaugural- Dissertation . Berlin 1904. Selbstverlag. 3, Mk. Es ist in den letzten Jahren scheinbar Mode geworden , dafs sich die jungen Doktoranden der philosophischen Fakultät zur Erlangung des Doktorhutes ein Thema aus der Strategie der Kriege des 19. Jahrhunderts wählen . Zur Behandlung strategischer Fragen gehört offenbar nicht viel ; die militärischen Kenntnisse eines Einjährigen , oder wenn es hoch kommt, eines Unteroffiziers der Reserve, ein bis zwei Semester Kollegien bei Prof. Delbrück, das mehr oder minder eingehende Studium eines Abschnittes aus der Geschichte eines Feldzuges und ein paar Schlagdas reicht schon aus und gibt eine genügende worte aus Clausewitz Basis für die Lösung von Problemen und Beantwortung von Fragen , die man in militärischen Kreisen wunderbarerweise für ungemein schwierig und eine Fülle praktischer und theoretischer Kenntnissen erfordernd hält. Auf dieser Basis beruht die im vorigen Jahre erschienene Schrift des Dr. Kaulfufs über die „ Strategie Schwartzenbergs am 13. , 14. und 15. Oktober 1813 ", auf gleicher Grundlage ist die vorliegende Studie des Dr. Lüdtke über „Die strategische Bedeutung der Schlacht bei Dresden" aufgebaut. Beide Schriften sind sich darin ähnlich, dass sie mit einer unsäglichen Geringschätzung auf die Forschungsergebnisse anderer Schriftsteller , insbesondere Theodor von Bernhardis herabblicken und mit einem unglaublichen Selbstbewufstsein alles für falsch oder „absurd “ erklären, was ihren Anschauungen zuwiderläuft. Wir gehen auf eine Widerlegung der in vores würde liegender Broschüre entwickelten Ansichten nicht ein , dies doch nichts nützen . Der Verfasser glaubt, wie er am Schlusse
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seiner Schrift bescheiden ausspricht, den Beweis geliefert zu haben , dafs unsere ganzen bisherigen Darstellungen der Vorgänge bei Dresden auf Verständnislosigkeit beruhen, dafs er - Dr. Franz Lüdtke - die Legende, die aus einfachen Rückzugskämpfen das Bild einer zweitägigen Schlacht, aus den Verlusten eines Flügels das einer Gesamtniederlage , aus einem wohlberechneten , programmmässigen einen erzwungenen Rückzug wob , aus unseren Geschichtswerken beseitigt und nachgewiesen habe, dafs von der böhmischen Armee durch ihren Zug nach Dresden unter schwierigen Verhältnissen eine bedeutsame Mission bestmöglichst erfüllt wurde. Lassen wir ihn bei seinem Glauben ! F. Chronik des österreichischen sechsten Kürassierregiments, 1701 bis 1867. Derzeit Dragonerregiment Albrecht Prinz von Preuſsen Nr. 6. Von Othmar Kovařik , Oberleutnant im K. K. Landwehrinfanterieregiment Nr. 13. Berlin u . Leipzig 1904. Friedrich Luckhardt. 8º , VIII und 150 Seiten . (Preis Mk. 3,60 . ) Das Buch bietet nicht das, was der Titel erwarten läfst. Im Äufseren freilich gleicht es einer Chronik, denn den Mitteilungen über die Ereignisse eines jeden Jahres geht seine Zahl voran , aber über die Ereignisse ist nicht in der schlichten , alle wichtigen Vorkommnisse erwähnenden und sie in gleicher, ihrer Bedeutung entsprechenden Ausführlichkeit berichtet wie es das Wesen einer Chronik bedingt und es ist keineswegs alles erwähnt, was in eine solche gehört . Das eine Mal wird der Leser in das Getümmel einer Schlacht geführt, ohne dafs er weifs, um welchen Krieg es sich handelt und wie das Regiment dahingekommen ist, dessen Tätigkeit dann mit hochtönenden Worten erzählt wird ; ein anderes Mal ist die Teilnahme an einem Feldzuge in einer Zeile erledigt oder es heifst für fünf Jahre z. B. ,, Friedensgarnisonierung zu Prefsburg" ; an anderer Stelle ist die Rolle , welche das Regiment während des betreffenden Jahres im Felde gespielt hat, voll und ihrer Wichtigkeit entsprechend geschildert ; meist sind aber nur einzelne Auftritte herausgegriffen ; die Friedensarbeit hat wenig Beachtung gefunden . Manches über Organisation , Uniformierung, Bewaffnung und dergleichen ist in orientierenden Vorbemerkungen" enthalten , welche über die Verhältnisse bei den Kürassieren überhaupt Auskunft geben ; dem Leser bleibt überlassen , sich herauszusuchen. was für das Regiment gilt. In Begleitworten, welche der Arbeit vorangeschickt sind, entschuldigt der Verfasser ihre Mängel mit der die Kräfte eines einzelnen übersteigenden Gröfse seiner Aufgabe und mit der Schwierigkeit, die Unterlagen für ihre Lösung zu beschaffen . Aber werden Regimentsgeschichten nicht fast immer nur von einem Verfasser geschrieben und bieten nicht die zahlreichen Druckwerke , welche sich mit der Vergangenheit des K. und K. Heeres beschäftigen, allein schon Quellen genug, um aus ihnen die Geschichte eines Regiments zusammenzustellen , so dass ihr Verfasser nicht einmal nötig hat, sich mit einem
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mühsamen Studium von Urkunden und mit dem Forschen in Archiven zu befassen ? In der Chronik wird zuerst von der Herkunft des Regiments berichtet, welche auf die Piccolomini - Kürassiere des Dreifsigjährigen Krieges zurückgeführt ist . Als diese, damals Caprara- Kürassiere, im Jahre 1701 aufgelöst wurden , gingen an demselben Tage aus ihnen zwei neue Regimenter hervor, von denen das eine bis zum Jahre 1867 als Kürassierregiment bestanden hat und dann in das jetzige 6. Dragonerregiment Prinz Albrecht von Preufsen umgewandelt ist. Zuerst hiefs es Jung- Darmstadt. Als solches hatte es am Rhein gegen die Franzosen, in Ungarn gegen die Türken, in Italien gegen Franzosen, Spanier und Sarden gekämpft ; im Jahre 1737 wurde Graf Miglio Inhaber , dessen Namen es während des Österreichischen Erbfolgekrieges auf dem letztgenannten Kriegsschauplatze führte, bis es im Jahre 1745 zu SchmerzingKürassieren wurde . So hiefs es während des ganzen Siebenjährigen Krieges, in welchem es bei Kolin und Leuthen , bei Hochkirch, Maxen , Liegnitz , Reichenbach und auf vielen anderen Schlachtfeldern focht ; als der Krieg zu Ende ging, war es d'Ayassa-Kürassiere geworden , 1779 ward es Jacquemin -Kürassiere, die wieder gegen die Türken und gegen die Franzosen zu Felde zogen . Den letzteren standen sie seit 1793 als Mack-Kürassiere, seit 1802 ihre heutige Nummer führend, bei Würzburg und bei Hohenlinden hervorragend sich auszeichnend , gegenüber bis nach der Kapitulation von Ulm, welcher sie sich durch den Ritt nach Böhmen unter dem Erzherzoge Ferdinand entzogen hatten , Feldmarschallleutnant von Gottesheim, 1809 aber Fürst Moritz Lichtenstein Inhaber wurde. Sein Name war der ihrige im Feldzuge von 1809 und während der Befreiungskriege, bei Hanau und in Frankreich ; es hat ihn bis 1819 und dann 42 Jahre lang den des General Graf Ludwig Wallmoden geführt, unter welchem es in den Kämpfen gegen die Ungarn im Jahre 1849 rühmend genannt wird . Als Hessen -Kürassiere hat das Regiment bei Nachod und bei Königgrätz seine Kürassierlaufbahn ehrenvoll beendet. Freund und Feind geben ihm das Zeugnis und der hier kurz skizzierte Inhalt der Chronik beweist, dafs immer 14. die Söhne der Väter wert waren .
Das Mittelmeergebiet, seine geographische und kulturelle Eigenart . Von Alfred Philippson . Leipzig 1904. Ein bedeutsames Werk von hervorragendem Interesse liegt hier vor. Es ist eine neue umfassende Übersicht über die wesentlichsten Eigenschaften des von seiner Umgebung sich einheitlich abhebenden Mittelmeergebietes, sowohl seiner Natur nach als auch nach den. Bedingungen, die es der menschlichen Kultur darbringt. Dies Gebiet ist aber keineswegs in sich gleichartig gestaltet, sondern vermittelt als Ganzes den sich innerhalb der Mittelmeerzone schrittweise vollziehenden Übergang, der zum Ausdruck kommt in Boden und Klima, in Vegetation und kultureller Entwickelung, in Wirtschaft und Siede-
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lung. Daher nur konnte ein Übergreifen der alten Kultur und Geschichte der Mittelmeerländer in das mittlere und nördliche Europa ermöglicht werden. Als Kern der Arbeit schält sich der Gedanke einer ursächlichen Verknüpfung der menschlichen Erscheinungen mit der Natur ihres Schauplatzes heraus . Der Schilderung des geologischen Aufbaues und der geschichtlichen Überlieferungen folgt eine Besprechung der Unterschiede des mediterranen West- und Ostbeckens , der Enstehung des Mittelmeers durch Einbrüche (Versenkungen an kontinentalen Bruchspalten), der Küstenlage und ihrer Verschiebungen, des Bodenrelifs und der klimatischen Verhältnisse . Nachdem hiervon das Hauptsächlichste und zum Verständnis Notwendige vorgeführt, wird das Mittelmeergebiet als Kulturbrücke vom Morgen- zum Abendlande behandelt. und zwar nach Pflanzen- und Tierwelt, Bevölkerung, Staatenbildungen mit ihrem Werden und Vergehen , Religion , Verkehr und Handelsbeziehungen. Die reiche geographische Gliederung der Mittelmeerküsten begünstigte von jeher aufserordentlich das Entstehen vieler Kulturmittelpunkte und forderte die Nationalitäten auf , miteinander in Verkehr zu treten . In anregender und nicht minder lehrreicher Weise wird dieser Werdegang dargelegt . In hohem Grade bemerkenswert sind die grundlegenden Betrachtungen des IX . Abschnitts in betreff der sozialen Verhältnisse, wie auch der Wirtschafts- und Siedelungs- Geopraphie, besonders als wichtige Fingerzeige auf Lebensweise und Volkscharakter der mediterranen Völker. Nur einmal vermag man dem Verfasser nicht unbedingt zu folgen , wenn es S. 45 heifst : „ ... die seichten Nordgolfe (vornehmlich doch wohl Asowsches Meer !) greifen durch diese Gebirgsgürtel (welche ?) hindurch in die grofse russische Tafel ein ." Dies geschieht ja lediglich durch die Manytscheinsenkung in der pontokaspischen Niederung und zwar weit nördlich der Gebirgszüge des Kaukasus und seiner Vorberge. Das auf der Grundlage eingehenden Studiums und grofser Sachkenntnis in ansprechendem Stil geschriebene Buch wird niemand ohne reichhaltige und dankenswerte Belehrung daraus gewonnen zu haben , aus der Hand legen . Wer sich über das Mittelmeer und seine Einwirkung im Weltverkehrsleben orientieren will, wird aus diesem Buche einen völlig richtigen Eindruck erhalten . Eine gröfsere Anzahl beigefügter Ansichten und Karten erhöhen den Wert des Buches , dessen Hildebrandt. weiteste Verbreitung zu wünschen bleibt. La fortification passagère et la fortification mixte ou semi-permanente, par V. Deguise , Major du génie, professeur de fortification a l'école d'application de l'artillerie et du génie. Bruxelles 1904. Polleunis & Ceuterick. Preis Fr. 20, - . Deguise schien schon zu Lebzeiten Brialmonts sich zu dessen Nachfolger in der Literatur der Befestigungskunst vorbereiten zu wollen, und im Umfang seiner Bücher übertraf er ibn von Anfang an, denn
Literatur.
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bei mindestens gleicher Bogenzahl gestattete der Ersatz des opulenten Drucks, wie er die Brialmontschen Werke auszeichnet, durch einen kaum den halben Raum beanspruchenden Satz die zwiefältige Ausnutzung des Raumes . Schon damals wie noch jetzt Lehrer an der école d'application de l'artillerie et du génie, begann er seine schriftstellerische Laufbahn mit einer ,,fortification passagère" im Jahr 1893 und liefs dieser im folgenden Jahre die ,,applications de la fortification passagère" folgen. Im Jahre 1896 erschien seine „,fortification permanente" und 1898 die ,, attaque et défense des forteresses," in welcher auffallenderweise der ganze Abschnitt ,,du blocus" wörtlich aus den ,,applications" abgedruckt war. Auch Brialmont hat ja in seinen zahlreichen Werken die wiederholte Behandlung des gleichen Stoffes nicht vermeiden können, aber seine hohe Begabung und sein unermüdliches Bestreben, nicht nur die Entwickelung aller Gebiete des Befestigungswesens stetig zu verfolgen, sondern auch selbsttätig durch seine Schriften und Entwürfe zu fördern , liefs ihn nie sich wiederholen , sondern immer neue Gesichtspunkte auch für bereits bearbeitete Stoffe finden . Es würde nichts dagegen zu sagen sein, wenn Deguise jetzt, nachdem die erste Auflage seiner ,,fortification passagère" vergriffen oder veraltet war, eine entsprechend verbesserte, umgearbeitete oder auch ergänzte Neuauflage hätte folgen lassen ; aber es ist überaschend, dafs er einen neuen Titel gewählt hat, um ein scheinbar neues Werk zu bringen, das mit Ausnahme des ersten Teils und einiger Zusätze die altbekannten Gedanken und Erörterungen , nur hier und da verändert, Ganz besonders gilt dies von dem vielfach aber wörtlich enthält. Abschnitt ,,blocus d'une forteresse," welcher nun schon zum dritten Male unverändert Verwendung findet. Zwei Kapitel der ,,applications contemporaines ", welche den dritten Teil des Buches füllen , sind abgekürzte und dadurch noch dürftigere Wiedergaben aus dem bereits sehr mageren Buch von 1894. Der Lehrer an der Hochschule hat in diesen zehn Jahren merkwürdigerweise keine Veranlassung wahrnehmen können, um diesen , meines Erachtens wichtigsten Teil zeitgemäſs neu zu bearbeiten . Neu sind in diesem nur die zwanzig Seiten der ,,Fortification mixte ou semi-permanente", welche Veranlassung zu der Erweiterung des Titels gegeben haben . Deguise bespricht hier die Anlage einer Behelfsfestung, derartige Stützpunkte im Gürtel einer Fortfestung, die behelfsweise Anlage einer Stadtumwallung bei vorhandenem Fortgürtel und einer Zwischenstellung. Das ist ein so umfangreicher Stoff, dafs ihm wohl von den 33 Druckbogen etwas mehr als 20 Seiten hätten gewidmet werden können, zumal der Titel direkt darauf hinweist. Die schwierigste Aufgabe stellt bekanntlich bei der Behelfsbefestigung die Herstellung der Hohlbauten in einer gegen schwere Geschütze sichernden Konstruktion, und auch Deguise räumt ein , dafs es fast niemals gelingen werde, dies Ziel vollständig zu erreichen , da die allein allen AnfordeJahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 400 . 8
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rungen genügenden Betonbauten die Beschaffung umfangreichen Baustoffes, eine geraume Zeit zur Herstellung und eine noch viel längere zur Erhärtung bedürfen . Es kann daher nur als ein Widerspruch betrachtet werden, wenn er für Behelfsstützpunkte Entwürfe in Vorschlag bringt, die sich durch zweigeschossige Betonbauten und durch Panzertürme charakterisieren und in nichts als in der Beschränkung des Unterkunftsraumes auf ein dürftigstes Minimum von permanenten Werken neuen Stils unterscheiden. Als Behelfsbauten können nur die auf Seite 510 vorgeschlagenen betrachtet werden, deren aus drei Eisenschienenlagen und vier Meter hohem Pflastersteinlager gebildete Decke auf einer Konstruktion von 35 cm starken Hölzern ruht. Die zu tragende Last würde jedenfalls eine bessere Fundierung erfordern , als nur in einer Richtung gestreckte Schwellen, die Beschaffung grofser Holzmassen von solcher Stärke wird nicht leichter sein , als die des Zementes, und die Konstruktion bietet auch in anderen Richtungen so viel Bedenkliches, dafs sie kaum anwendbar erscheint. Dieses Kapitel bietet demnach so wenig für den Behelfsbau Verwertbares, dafs es die Erweiterung des Titels kaum rechtfertigt. Der zweite Teil behandelt die Elemente der Feldbefestigung in unerquicklicher Breite . Auch jetzt kann Deguise sich von der Hochschätzung der Schanzen , durch die sein Buch im Jahre 1893 schon . auffiel, nicht lossagen. Er ist eifrig bestrebt, ihnen eine einigermaſsen annehmbare Form zu geben und kommt dadurch zu darmartigen Gebilden bis zur Länge von 430 Meter, deren vordere und rückwärtige Brustwehren nur durch einen gemeinsamen inneren Einschnitt geschieden sind. Die wissenschaftlich begründete, gekünstelte Konstruktion, welche er an Stelle der einfachsten Anpassung an das Gelände stellt, wird wohl keinen Anklang finden . Nun, der erste Teil ! der ist ganz neu ! Eine geschichtliche Studie, die sich aber nicht auf die geschichtliche Entwickelung der Feld- und Behelfsbefestigung beschränkt, sondern diese nur im Anschluſs an die Geschichte der permanenten Befestigung behandelt. Dagegen liefse sich manches sagen, aber das ist schliesslich Geschmackssache, ob ein Lehrer diese in das eine oder in das andere seiner doch zusammen ein Ganzes bildenden Lehrbücher aufnehmen will. Uns kommt es auf den Inhalt an. Und da überrascht zunächst, dafs sich Deguise den Lokalpatriotismus von dem Italiener Rocchi angeeignet hat. Da aber Belgien erst in neuester Zeit dank der Bedeutung Brialmonts und seiner Schöpfungen eine selbständige Rolle gespielt hat, unterzieht er die Italiener und die Niederländer seiner Betrachtung . Der italienische Erbauer von Antwerpen erscheint ihm so bedeutend, daſs er „ n'hésite pas à placer Pacciotto d'Urbino à la tête des grands ingénieurs italiens du XV et du XVIe siècle, " womit die Italiener wohl bei aller Achtung vor Pacciotto nicht einverstanden sein werden . Selbstverständlich ist die Entwickelung des Bastions ebenso einseitig dargestellt, wie von
Literatur.
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Rocchi. Dann geht er zu Vauban, que les circonstances n'ont pas permis de s'attacher entièrement au problème de la rénovation de l'art défensif," und welcher der Festungsartillerie empfahl, ihre Munition nicht beim Fernkampf zu verschwenden , dabei aber nicht etwa die Bedeutung des Fernfeuers für die Verzögerung des Angriffs übersah, sondern Munition sparen wollte, „ parceque les forteresses sont tellement nombreuses en France, au XVIIe siècle, que chacune d'elles ne dispose que de faibles ressources en artillerie." Dann stellt er Cormontaigne und Brialmont einander gegenüber und entwickelt die Idee der grofsen Gürtelfestung aus einem Vorschlage Vaubans, Paris mit einer doppelten Umwallung zu versehen . Rogniat ersetzte in seinem Projekt deren eine äufsere durch vier selbständige Werke, und Thiers erweiterte diese zum Fortgürtel . Brialmont schuf gewissermassen als Schlufsstein des Gebäudes die Musterbefestigung von Antwerpen . Von der ganzen Entwickelung der Polygonalbefestigung und von der Verstärkung der Festungen durch Systeme detachierter selbständiger Werke seit dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts in Deutschland und in Österreich kein Wort. Ein Beweis, wie man Geschichte fälschen kann durch beEs ist liebiges Übergehen wichtiger Momente und Zeitabschnitte. wahrlich nicht verletzte Eigenliebe , welche uns gegen eine derartige Geschichtsschreibung protestieren lässt. Betrachten wir das umfangreiche Werk im ganzen , so können wir ihm trotz des schönen Atlas, mit dem es ausgestattet ist, einen entsprechenden Wert nicht beimessen . Frobenius .
Organisation und Dienstbetrieb der Kaiserlich deutschen Marine. Auf Veranlassung der Inspektion des Bildungswesens der Marine als Leitfaden für den Unterricht in Dienstkenntnis bearbeitet von Ferber, Korvetten kapitän z . D. Vierte, neu bearbeitete Auflage. Berlin 1903. E. S. Mittler & Sohn. Der Inhalt des Büchleins ist, wie das Vorwort ausführt und seine Bestimmung angibt, ein Leitfaden in der Dienstkenntnis für den in die Marine eintretenden Offizieranwärter. Für den Offizier selbst bietet das Werk naturgemäfs nichts Neues . Immerhin sind darin alle fundamentalen Punkte, welche die Organisation und den Dienstbetrieb der Marine betreffen , in knappen Worten , übersichtlich geordnet, zu finden, so daſs das Buch sowohl als Leitfaden für den Unterricht in der Dienstkenntnis, d . h . als Extrakt der letzteren, wie auch als Nachschlagebuch für den Offizier selbst dienen kann. Das Werk behandelt zunächst den Begriff des Staates und seiner Formen, erörtert kurz die Heeresorganisation und anschliefsend daran diejenige der Marine, erwähnt die wichtigsten Gesetze und Verordnungen , den politischen Dienst und die seerechtlichen Grundsätze , um nach einer Besprechung des Schriftwesens, der Inventarien- und Materialienverwaltung an Bord , die Gebührnisse, die Kleiderwirtschaft des Marine8*
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Literatur.
personals, die Wirtschaftführung in den Messen und schliefslich den Frontdienst in allen seinen Einzelheiten zu behandeln . Dem Laien wird das Buch die Handhabe bieten , einen Einblick in die Organisation und den Dienstbetrieb der Marine zu gewinnen . Les flottes de Combat en 1903 .
Par le Commandant de Balincourt.
Paris. Libraire -Militaire Berger Levrault & Cie. Das in handlicher Form erschienene Buch enthält in durchaus neuer, origineller Weise eine Zusammenstellung sämtlicher Seestreitkräfte aller Kriegsmarinen . Nach einem kurzen Vorwort über den allgemeinen Bestand jeder einzelnen Marine folgen die sämtlichen Schiffs- und Fahrzeugtypen in Skizzen mit den Angaben über Panzerstärke, Armierung (Geschütz und Torpedo), Kohlenfassungsvermögen und Geschwindigkeit auf der Nebenseite, wobei auch die Zahl der einzelnen Schiffe jedes Systems angegeben ist. Hierdurch wird das Buch sehr übersichtlich in seinem Inhalt. Die Abbildungen sind recht gut. Für Freunde der Flotte, wie auch für den Seeoffizier selbt bildet das Werk ein sehr willkommenes Nachschlage- und Informationswerk.
Pierre Lehautcourt. Histoire de la guerre de 1870/71 . Tome IV . La retraite sur la Moselle. Borny-Paris. Berger- Levrault. 1904. Der vorliegende vierte Band des bekanntlich unter einem Pseudonym schreibenden hochbedeutenden französischen Schriftstellers behandelt den Rückzug der Rheinarmee von der lothringischen Grenze nach Metz und die Schlacht von Borny am 14. August 1870. Auch dieser Band zeigt alle Vorzüge der früheren Werke Lehaut courts, eine geradezu erstaunliche Belesenheit, einen Sammelfleifs allererster Ordnung und die Gabe, aus einem Berge von Quellen recht verschiedenartiger Herkunft und von mitunter noch verschiedenartigerem Werte ein übersichtliches und klares Bild der Ereignisse zusammenzustellen . Sehr vorteilhaft hebt sich Band 4 von seinem Vorgänger ab, der die Schlacht von Wörth behandelte . Für Wörth ist nun einmal in Frankreich General Bonnal mafsgebend, das französische Generalstabswerk folgte ihm in sehr wichtigen Punkten , auch Lehaut court hat nicht vermocht oder nicht gewollt, sich dem Einflusse Bonnals zu entziehen. Daher stammten manche schiefe Auffassungen , manche keineswegs der Wahrheit entsprechende Schilderung der Ereignisse. General Bonnal ist zweifellos einer der geistreichsten französischen Militärschriftsteller, indessen kommt es bei einem kriegsgeschichtlichen. Schriftsteller mehr auf seine Wahrheitsliebe und Objektivität an, als auf seine Genialität. Erstere beiden Eigenschaften nehmen den ersten Platz ein, die Genialität rangiert hinter ihnen . Bei General Bonnal ist es leider umgekehrt, seine echt französische Phantasie spiegelt ihm Trugbilder vor, diese bringen ihn zu falschen Anschauungen , zu
Literatur.
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einer Darstellung der Ereignisse, die der Wahrheit mitunter geradezu ins Gesicht schlägt. Es ist für die Franzosen kennzeichnend, dafs selbst Lehaut court dem General Bonnal folgte. Das alles ist in Band 4 ganz anders und unvergleichlich besser. Interessant ist, dafs Lehaut court, der selbst ein höherer Offizier des französischen Heeres ist, sich nicht scheut, die Stärkeberechnungen des französischen Generalstabswerks gründlich zu berichtigen . Die Kartenbeilagen sind zwar nicht besonders gut, sie genügen aber allenfalls ihrem Zwecke.
Das französische Generalstabswerk über den Krieg 1870. Wahres und Falsches . Von E. v. Schmid , kgl württ. Oberstleutnant a. D. Heft 4. Oberstleutnant v. Schmid setzt in diesem Hefte sein verdienstliches Werk sehr glücklich fort. Heft 4 behandelt den Rückzug der französischen Rheinarmee nach Metz und die Schlacht von ColombeyNouilly am 14. August. Der Herr Verfasser ist aufserordentlich fleifsig, er schreibt klar und übersichtlich, hebt überdies besonders Wichtiges noch durch starken Druck hervor, kurz, er erleichtert dem Leser das Verständnis der Ereignisse sehr. Dabei ist der Verfasser durchaus objektiv und hat das besondere Verdienst, Entstellung der Wahrheit und Übertreibungen von französischer Seite gründlich zu brandmarken. Die Schlacht von Colombey-Nouilly am 14. August 1870 wird durch nicht weniger als sieben sorgfältig gezeichnete Skizzen erläutert. Heft 4 ist gut und kann bestens empfohlen werden . Hermann Kunz.
II. Ausländische Zeitschriften . Streffleurs Österreichische Militärische Zeitschrift. (Dezember). - FeuerGeschichte der Befreiungskriege. - Taktik der Feldartillerie. wirkung und Distanzmesser. -- Grössere Herbstmanöver der fremden Russisch-japanischer Krieg. Armeen.
Revue d'histoire. von Sachsen (Forts.).
(November.) Die Feldzüge des Marschalls Der Feldzug 1800 in Deutschland (Forts .) ..
Literatur.
118
Der Krieg 1870/71 . - Tagebuch des 18. August 1870 in Lothringen (Forts.): Journal des Sciences militaires. (November) . Studie über die Wirksamkeit des Infanteriefeuers (Forts .). - Die Handfeuerwaffen der bedeutenderen Heere und ihre Munition. Studie über die Disziplin . — Erziehung und Ausbildung der Kompagnie für den Felddienst. Revue d'infanterie . (Dezember). Das Heer der Zukunft (Forts.). Die deutsche Turnvorschrift für die Infanterie (Forts.). Lösung einer taktischen Aufgabe . (Forts.). Revue militaire
des armées
Beförderungsverhältnisse
im
Mafsregeln gegen strenge Kälte étrangères .
deutschen
Die ( Dezember.) Das neue
Heere 1904.
englische Kavallerie- Exerzierreglement (Schluſs) . La France militaire. (November.) Die ersten Lehren aus dem russisch-japanischen Kriege, General Lamiraux 1/2 , 16. - Die Frage der Etatsstärke, General Prudhomme 3. - Das friedliche Eindringen Frankreichs in Marokko von Mireval. Der moralische Fortschritt des Soldaten (Rückgang des Alkoholismus) 5. - Aus Madagaskar : Erfolge der Verwaltung des Generals Gallieni 6/7.- Die Rolle der Armee in Marokko 8. - Die grofsen Übungen und die Instruktionslager, General Luzeux 5, Das neue Die Erziehung des Soldaten (Forts . ) 10, 16, 17 , 19. 18. Exerzierreglement der Kavallerie 9, 12, 16, 17, 23, 25 , 29. - Die Marokkanische Frage. Die Division Orlow während der Schlacht bei Lyau-Yang (Ein Interwiew des Generals Orlow nach der Novoié Wrémia) 12. ,,Hütet Euch !" von Oberst Thomas (Klage über den Verfall des militärischen Geistes) . -- Die Lage unserer Streitkräfte im Die Einführung von Osten 13/14. Die Ergänzung der Artillerie. Feldhaubitzen in Sicht. - Der Minenkrieg von Major Devrez 16.Die Erstickungsfackeln Voraussetzung, dafs in Deutschland Versuche mit solchen angestellt werden und Vorschläge wie ihnen im Festungskriege zu begegnen von Major Devrez 20/21 . - Die Absichten des Kriegsministers 25. -- Die Erhöhung des Kontingents (körperliche Untauglichkeit der überzählig eingestellten 17000 Mann) 26. Die Befestigungen (Rapport des Herrn Gervais) 29. Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens. ( 11. Heft. ) Nachruf an den k. und k. Feldmarschallleutnant Ritter von Brunner. Umbau und Erweiterung des Elementarschiefsplatzes bei Bruck a. d. L. - Hilfsvorrichtung zum Richtapparate. - Japanischtechnische Vorschriften . Die Militär-Luftschiffahrt in den verschiedenen Staaten Europas. Kalorimetrische Messungen der Verbrennungswärme verschiedener rauchloser Pulversorten. Luxfer-Elektroglas und Elektroglasfliesen . Allgemeine Schweizerische Militärzeitung. Nr. 46. Die Kriegslage. -- Zur Bekleidungs- und Ausrüstungsfrage. - Zimmerleute bei
Literatur. der Infanterie. -
119
In dem Abschnitt „ Ausland " finden sich interessante,
der „Vedette" entnommene Angaben über das neue Maschinengewehr für die dänische Kavallerie. - Nr. 47. Zum Entwurf einer neuen Militärorganisation . - Moderne Taktik : Betrachtungen , angeknüpft an die letzten Auslassungen des Generals Dragomirow über den Wert der Bajonettangriffe. General Stössel und General Kaulbars. Nr. 48. Kreisinstruktor und Divisionär. Vorschläge zur Hebung des aufserdienstlichen Schiefswesens. Unter „ Ausland" werden Angaben über den französischen, auch anderwärts erwähnten „ roulesac“, einen kleinen Tornisterkarren, gemacht. Nr. 49. Zur neuen Militärorganisation. Der neue französische Kriegsminister. Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. (November. ) Budget des Militärdepartements für 1905. Der sibirische Schienenstrang als Etappenlinie im russisch-japanischen Kriege 1904 (Forts .) . - Zur Reorganisation der Feldartillerie. Unser neues 7,5 cm Rohrrücklaufgeschütz . Das Kapselschiefsen der österreich-ungarischen Armee. Ein automatisches Gewehr zur Bewaffnung der Feldartillerie (dem deutschen Offizierblatt entnommen). Vorteile und Nachteile des gewohnheitsmäfsigen Eindeckens und Bandagierens der Pferde (dem Mil. W. Bl. entnommen) . Revue d'artillerie . (Oktober. ) Theorie der Deformationslafetten mit elastischem Zwischenmittel und Lafettenschwanzsporn ; ein etwas umständlicher Titel, der einfacher heifsen könnte " Theorie der Rohrrücklauflafetten " , denn dafs diese ein elastisches Zwischenmittel und Der einen Schwanzsporn haben, ist eine conditio sine qua non . --geprefste Stahlblock. Explosion an Bord des Marco-Polo ; verschiedene, der italienischen Presse entnommene Angaben . Japanische Pulverund Waffenfabriken . (November.) Bemerkungen über Entfernungsmesser. Theorie der Rohrrücklauflafetten . S. oben (Forts .). Versuche über die mechanische Wirkung des Peitschenschlages . Revue du génie militaire. (November.) Die Arbeiten der Feldbefestigung und die modernen Feuerwaffen (Schlufs) . - Probe-Ventilation und Heizung der neuen Kasernen. ― Nekrolog des General Derendinger. Belagerung von Port Arthur (Auszug aus Frobenius ' Artikel im Mil. W. Bl.). -Steinerne Brücken mit Längenausschnitt (Luxemburg, Toulouse).
Theorie des Rivista di artiglieria e genio . (November .) armierten Zements bei ungewöhnlicher Belastung. ―― Beitrag zur Unterricht Lösung des militärischen Problems (Heeresorganisation). des Personals der Küstenartillerie . - Standhaftigkeit hoher freistehender Mauern gegen Winddruck. - Die englische Tibet-Expedition (Schlufs). --- Beaufsichtigung der Rekruten. Das japanische Feld- und Gebirgsartillerie-Material. -Widerstand fester Körper, gebogen durch dynamischen Druck. - Telemeter auf horizontaler Basis der Fabrik Betlehem ,
120
Literatur.
Die schwere Artillerie in der Schlacht bei Liaojang. land : Reorganisation des Heeres und der Bewaffnung. Neues Reglement der schweren Feldartillerie .
--
GriechenEngland :
Wajennüj Ssbornik. 1904. Nr. 11. Aus den Briefen eines Teilnehmers an den Feldzügen der Jahre 1854/55. Bemerkungen über die französiche Armee. Die heutige Bedeutung der Erbauung und der Verwertung provisorischer Befestigungen . - Die körperlichen Strafen im Heere und ihre Abschaffung. --- Die Sorge für die Kranken und Verwundeten im Felde. An der afghanischen Grenze . Übersicht über die kriegerischen Ereignisse vom 24. September bis 24. Oktober. ― Beilage Geschichte des Krieges 1829 in der Türkei . Morskoj Ssbornik. 1904. Nr. 11. Einige Ergänzungen zu dem Artikel : „ Die Verteidigung Ssewastopols nach dem Meere hin während der Belagerung 1854/55" . ―― Die Entwickelung der Flotte der Nordamerikaner. Osten.
Chronik : Die Operationen zur See im fernen
Rufskij Invalid . 1904. Nr. 259. Der „ Tod " der Batterie des Oberst Smolenskij , eine Episode aus der Schlacht am Schaho. Gefangene und Vermifste. - Nr. 261. Bemerkungen aus dem Feldzuge. Nr. 262. Zum Vorpostendienst mit Hunden. Nr. 263. Zum 25jährigen Erinnerungstag zur Westnik ".
Gründung des
„ Istoritscheskij
Journal der Vereinigten Staaten- Artillerie. (September - Oktober. ) Die Entwickelung der Unterseeboote ; in wieweit löst der Laketypus das Problem. Unterseeboote. - Der Gebrauch der Feldartillerie und die Notwendigkeit einer Reorganisation der unsrigen . Der Gebrauch des Artilleriefeuers . ―― Der Mindestzwischenraum einer Batterie und ihre Maskierung. - Vorschlag einer Methode zur Berechnung der Gefahrzone bei Schiffen .
III. Seewesen.
Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. Nr. XII . Betrachtungen über den russisch-japanischen Krieg (achte Fortsetzung). Ausbildung der Schiffsbemannungen im Maschinendienst. - Börresens Unterseeboote und die Kriegführung mit der TorTorpedo-Virator. pedowaffe. -- Neuere Flufskanonenboote.
Literatur.
121
Army und Navy Gazette. Nr. 2338 : Der seemännische (Marine) Horizont. (Der Aufsehen erregende, scharfe Artikel gegen Deutschland mit der Forderung der Einstellung einer weiteren Verstärkung der deutschen Flotte.) - Die Frage der Munitionsversorgung. Nr. 2339 : Konterbande und Neutralität. - Die Notwendigkeit einer anderen Organisatien der Geschwader und eine Änderung ihrer Stützpunkte. Über die Zustände beim russischen Schwarze - Meergeschwader. Nr. 2340 : Unsere deutschen Kritiker (des Artikel in Nr. 2338). Die Frage des Turbinenantriebes für Kriegsschiffe. Stapellauf der Deutschland.
Nr. 2341 :
Das Reich und die Flotte . Der Unfall bei den Das deutsche Marinebudget .
Minenübungen in Portsmouth.
Revue maritime. Gas- und Petroleummotore.
Veröffentlichungen
des hydrographischen Amts.
IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher. (Die eingegangenen Bücher erfahren eine Besprechung nach Mafsgabe ihrer Bedeutung und des veifügbaren Raumes. Eine Verpflichtung , jedes eingehende Buch zu besprechen, übernimmt die Leitung der „Jahrbücher“ nicht , doch werden die Titel sämtlicher Bücher nebst Angabe des Preises sofern dieser mitgeteilt wurde - hier vermerkt. Eine Rücksendung von Büchern findet nicht statt. ) 1. Grouard, la critique de la campagne de 1815. Chapelot & Cie . Frcs. 6.
2. Cugnac, la campagne de Marengo.
Ebenda .
Paris 1904.
Frcs. 5.
3. Sauzey, les Allemands sous les aigles françaises. II. Le Contigent badois. Ebenda. Frcs . 6. 4. Bonnal, l'art nouveau en tactique.
Ebenda .
5. Bartelts, Militärtaschenschematismus. Mk. 1,20. 6. Kaučič, Georg Frhr. von Vega.
Frcs . 3,50.
Wien 1904.
Wien 1904.
B. Bartelt.
Selbstverlag.
7. Schmid & Philipps, Stammliste der Offiziere des Infanterieregiments Vogel von Falckenstein (7. Westfäl. ) Nr. 56. Oldenburg 1904. G. Stalling. 8. Die Wehrmacht Bulgariens auf Grundlage ihrer Entwickelung dargestellt. Wien, 1904. L. W. Seidel & Sohn. Mk. 2,50.
Literatur.
122
9. Griepenkerl, Taktische Unterrichtsbriefe zur Vorbereitung für das Kriegsakademieexamen , taktische Übungsritte. Kriegsspiel und Sechste Auflage. Manöver. Berlin 1905. E. S. Mittler & Sohn . Mk. 8. 10. Becker, Der Bataillonskommandeur im äufseren und inneren Dienst. Berlin 1905. Ebenda. Mk . 2,80. 11. v. Wedel, Der Kompagniechef. Ein Ratgeber für Erziehung. Ausbildung, Verwaltung und Besichtigung der Kompagnie. Berlin 1905. Ebenda. Mk. 4. 12. Bödiker, Familien-Telegraphenschlüssel für Deutsche im Auslande. Dritte Auflage . Berlin 1905. Ebenda . Mk. 5. 13. Bornemann, Marschtafel der deutschen Heeresteile im Kriege 1870/71 . Vom 31. Juli bis zum Waffenstillstand. Oldenburg 1904 . G. Stalling . 14. Dienstaltersliste der Offiziere der Kgl. Preufsischen Armee und des XIII . (Kgl. Würrttemberg.) Armeekorps . Abgeschlossen am 1. November 1904. Berlin . E. S. Mittler & Sohn . Mk . 4. 15. Sievers, Asien.
Leipzig 1904.
Bibliog. Institut.
16. Mit der Schutztruppe durch Deutschafrika. Wilhelm Köhler. Mk. 2,50.
Mk. 17 geb. Minden 1905.
17. Darstellungen aus der bayerischen Kriegs- und Heeresgeschichte. Herausgegeben vom K. B. Kriegsarchiv. Heft 13. München 1904. J. Lindauersche Buchhandlung . Mk. 2,50 . 18. Busch, Das deutsche grofse Hauptquartier und die Bekämpfung von Paris 1870/71 . Stuttgart 1905. J. G. Cottasche Buchhandlung Nachf. Mk. 2. 19. Bismarcks Briefwechsel mit dem Minister Freiherrn von Schleinitz. 1858-1861 . Ebenda. Mk . 3.
20. Buxbaum, Seydlitz. Babenzien . Mk. 1,50.
Dritte Auflage.
21. Deutsch-nautischer Almanach Pickardt. Mk. 2,50. 22. Veltzé, Österreichs Thermopylen . Mk. 1,50.
1905.
Rathenow 1905.
Berlin 1905.
Wien 1905.
M.
Boll &
C. W. Stern .
23. Carol 1. (König von Rumänien ). Nikopolis 1396-1877-1902 . Breslau 1905. S. Schottländer. Mk. 0,60. 24. Wagner, Unter dem schwarzen Adler. schmidt. Mk. 3.
Berlin 1905.
25. Die letzte Operation der Nordarmee 1866. Seidel & Sohn . Mk. 10, -.
R. Eisen-
Wien 1905. L. W.
Literatur. 26. Recht verlangen wir, nichts als Recht. deutschen Zivilmusiker. Berlin 1905 .
123 Ein Notschrei der
27. Korzen-Kühn, Waffenlehre . Heft 1 : Schiefswesen. Mk. 4. Heft 7 : Handfeuerwaffen. Mk. 5. Heft 9 : Gebirgsgeschütze. Mk. 4. Wien 1905. L. W. Seidel & Sohn. 28. v. Guionneau, Geschichte des 1. Hannov. Dragoner-Regiments Mk. 16 . Nr. 9 von 1805-1904 . Berlin 1904. E. S. Mittler & Sohn .
Druck von A. W. Hayn's Erben, Berlin und Potsdam.
IX .
Vergleich der Grundsätze
für
die
taktische Verwendung
der deutschen und französischen Feldartillerie .
Von Rüppell, Major und Abteilungskommandeur im Bergischen FeldartillerieRegiment Nr. 59.
Eine der wichtigsten Fragen, welche die neueste Militärliteratur beherrschen, ist die der Neubewaffnung unserer Feldartillerie mit modernen Schnellfeuergeschützen .
Zweifellos
wird der durch
sie
bedingte bedeutende Fortschritt in der Leistungsfähigkeit der Feldartillerie nicht verfehlen, einschneidende Änderungen auf dem Gebiet der taktischen Verwendung derselben nach sich zu ziehen .
Es ist
daher von mehr als theoretischem Interesse, es ist von hohem praktischen Wert, die Grundsätze, welche das neue französische Reglement für die taktische Verwendung der Schnellfeuergeschütze aufstellt, mit unseren Grundsätzen für den Gebrauch der Feldartillerie zu vergleichen. Die charakteristischen Eigenschaften , welche das neue französische Material dem vorhergehenden und auch unseren Geschützen gegenüber auszeichnen und aus denen die Franzosen in systematischer Weise die Neuerungen im Gebrauche ihrer Feldartillerie hergeleitet haben , sind die grofse Feuergeschwindigkeit infolge des Rohrrücklaufes und der Schutz der Bedienung durch die Stahlschilde. Wir können in die Untersuchung der taktischen Grundsätze nicht eintreten, ehe wir eine Reihe von organisatorischen Fragen betrachtet haben, welche auf das taktische Gebiet hinübergreifen und von entscheidender Bedeutung für die taktischen Grundsätze sind. 9 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 401.
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie .
126
Dazu gehört in erster Linie die Geschützzahl der Batterie. Bekanntlich haben
die Franzosen bei Einführung der Schnellfeuer-
geschütze die Zahl derselben pro Batterie auf 4 herabgesetzt . Es würde zu weit führen , alle die für und gegen diese Neuerung in der Militärliteratur der letzten Jahre angeführten Gründe aufzuzählen . Für die Franzosen war in letzter Instanz
die Unmöglichkeit der
Feuerleitung einer Batterie von 6 Schnellfeuerkanonen maſsgebend. ,,Diese
Feuerleitung, "
Artillerietaktiker,
geht
sagt
Rouquerol,
über
Kräfte eines Batteriechefs " .
die
einer
physischen
ihrer
namhaftesten
und intellektuellen
Es mag zugegeben werden, daſs hieran
das französische Schiefsverfahren wohl einen Teil der Schuld trägt. Jedenfalls besitzt die Einteilung einer Schnellfeuerbatterie zu 4 Geschützen so wesentliche Vorzüge,
dafs wir wohl über kurz oder
lang dem Beispiel der Franzosen folgen werden, besonders, wenn wir unsere Kanonen mit Rohrrücklauflafetten und Stahlschilden versehen haben.
Mit Rücksicht
auf die
von
der Artillerie
eines
Armeekorps beanspruchten Frontbreite und auf die der gesteigerten Wirkung des Schnellfeuergeschützes gegenüber in noch höherem Maſse als früher gebotene völlige Ausnützung des Geländes ist jede Verminderung der Geschützzahl vorteilhaft, wenn damit keine gleichzeitige Verminderung der Artilleriewirkung verbunden ist. Für diese kommt es keineswegs auf die Zahl der Geschütze, sondern auf die Zahl der Geschosse an, welche auf das Ziel geschleudert werden. Die grofse Feuergeschwindigkeit ermöglicht einer kleinen Batterie von 4 Geschützen nach richtigem Einschiefsen - eine derart vernichtende Wirkung gegen jedes Ziel auszuüben, dafs eine Steigerung derselben nicht notwendig ist. Unter allen Umständen ist die Zabl von 4 Geschützen und das wird auch von den Gegnern der kleinen Batterien zugegeben -für reitende Batterien der Kavalleriedivisionen völlig ausreichend und die Einteilung der 12 Geschütze einer Kavalleriedivision in 3 Batterien der in 2 Batterien aus so gewichtigen Gründen vorzuziehen, dafs wir zu dieser Gliederung greifen müfsten, wir für die wollten.
übrige Feldartillerie
selbst wenn
die grofsen Batterien beibehalten
Wie bei uns haben die Franzosen ihre Batterien in Abteilungen von 3 Batterien zusammengestellt.
Die Abteilung ist auch bei ihnen
die taktische Einheit , die Batterie die Schiefseinheit. Den Infanteriedivisionen werden von den Franzosen 2 Abteilungen zugeteilt. Der Rest der Feldartillerie von 3-4 Abteilungen wird als Korpsartillerie den Generalkommandos unterstellt. So verfügt das französische
Armeekorps über
84 bezw. 96 Geschütze, denen
ein
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie.
deutsches
Korps
144 Geschütze
entgegenzustellen vermag.
127
Diese
scheinbare Überlegenheit der deutschen Artillerie erscheint in einem anderen Lichte, wenn man die Munitionsausrüstung in Betracht zieht, die beim deutschen Armeekorps 26112 , beim französischen 26208 bezw. 29952 Geschosse beträgt. Die
Gründe, welche bei uns
artillerie geführt haben, sind in Verwendung im Feldzuge 1866 Artillerie entstandenen Abneigung Korpsartillerie hervorgegangen .
zur Abschaffung
der Korps-
erster Linie aus ihrer fehlerhaften und der dadurch innerhalb der gegen den Begriff und Namen So ist unsere heutige Friedens-
Organisation, die als solche zweifellos eine vortreffliche ist, unter dem leitenden Gesichtspunkt der Abschaffung der Korpsartillerie entstanden. Über die Zweckmässigkeit dieser Mafsregel ist viel gestritten. Auch bei uns hat es an namhaften Verfechtern der Korpsartillerie nicht gefehlt. Es mag nur der Name Hohenlohe genannt werden, welcher unbedingt ihre Beibehaltung verlangte. Mehr noch als bei uns wird der Korpsartillerie von den Franzosen das Wort geredet. Langlois, wohl ihr bedeutendster ArtillerieTaktiker, hält sie für so unentbehrlich, ,,dals man sie schaffen müfste, wenn sie nicht existierte". Er nennt ihre Rolle in der Schlacht die des balancier's. Rouquerol betrachtet sie als den régulateur der Kräfte in der Hand des kommandierenden Generals . Beide halten unser System für unbedingt verwerflich. Die Notwendigkeit der Korpsartillerie zur Führung eines Verteidigungskampfes wird auch bei uns von den meisten ihrer Gegner zugegeben. Zur Bildung derselben in diesem Falle den Divisionen einen Teil ihrer Artillerie zu nehmen, ist unzweckmässig. Ich schliefse mich den französischen Ansichten durchaus an, indem ich die Korpsartillerie als ein, wenn nicht unbedingt notwendiges, so doch in hohem Mafse wünschenswertes Machtmittel in der Hand des kommandierenden Generals betrachte und es für geboten halte, sie bei uns wieder aufleben zu lassen . Zu ihrer Bildung sind in erster Linie die Haubitzen geeignet. Formiert man aus jeder Haubitzabteilung ein Regiment zu 2 Abteilungen als Korpsartillerie und ergänzt das Regiment, dem die Haubitzabteilung genommen ist , zu 2 Kanonenabteilungen, so sind allerdings 6 Batterien pro Armeekorps neu aufzustellen. Werden gleichzeitig aber alle Batterien zu 4 Geschützen formiert, so wird die Zahl der Geschütze des Armeemit Leichtigkeit zu korps von 144 auf 120 herabgesetzt. Bei gleicher bezw. noch gröfserer Munitionsausrüstung erreichender der Batterie würde dadurch die Gefechtskraft der Artillerie eine be9
128
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie.
deutende Steigerung erfahren und die Plazierung der Batterien im Gelände wesentlich erleichtert werden . Über Steilfeuergeschütze der Feldartillerie
der
Franzosen
sind nur spärliche Nachrichten in die Öffentlichkeit gelangt. Die mit der kurzen 120 mm - Kanone ausgerüsteten Batterien bilden im Frieden einen Teil der Feldartillerie.
Im Kriege werden sie der
schweren Artillerie des Feldheeres zugeteilt.
An die schweren Ge-
schütze der Fufsartillerie gefesselt, sind sie hinter die fechtenden Truppen gebannt und können ihre Beweglichkeit nicht ausnutzen, um frühzeitig auf dem Schlachtfelde zu erscheinen. Die Einteilung der Batterie hat bei den Franzosen durch die Einführung des neuen Materials eine völlige Umgestaltung erfahren. Die grofse Feuergeschwindigkeit des Geschützes und der daraus folgende starke und rasche Munitionsverbrauch haben zu einer dauernden Zuteilung von einem Munitionswagen zu jedem Geschütz geführt. Beide sind voneinander unzertrennlich und erscheinen beim Exerzieren, Manövrieren und Schielsen stets unmittelbar hinter- oder nebeneinander. Die vier Geschütze nebst den zugehörigen Munitionswagen bilden mit 2 Munitionswagen „des ersten Ersatzes " die Schiefsbatterie . Die übrigen 6 Munitionswagen der Batterie gehören zu ihrer Gefechtsstaffel . In der Abteilung werden wie bei uns die Schielsbatterien und die Gefechtsstaffeln zusammengefalst. Der Unterschied zwischen der französischen und unserer Einteilung besteht darin, dafs die unter Hinzurechnung französische Batterie über 12, die deutsche der 1. Vorratswagenprotze (= etwa 1/2 Munitionswagen) und der 3'/2 auf jede Batterie entfallenden Munitionswagen der leichten Kolonne über 10 Munitionswagen verfügt. Bei der französischen Gefechtsbatterie befinden sich 6, bei der deutschen 3 Munitionswagen. Schlufs der
Abteilungen
folgen
bei
den
Franzosen
die
übrigen
6 Munitionswagen, bei uns 3 und die 1. Vorratswagenprotze mit Munition . Der Rest unserer Munition bei den leichten Munitionskolonnen befindet sich am Schlufs der fechtenden Truppen der Division . Die französische Batterie besitzt
bei gleicher Zahl der
Munition
führenden Fahrzeuge mit ihren 1248 Schufs eine gröfsere Gefechtskraft als die deutsche mit 1088 Schuls und den weiteren Vorteil, die Munition in gröfserer Nähe und nur auf 2 Stellen verteilt zu haben. Die französische Gefechtsbatterie führt 672 , die deutsche 480 Geschosse. Am Schlufs der Abteilung befinden sich pro Batterie bei den Franzosen 576 , bei uns 300 Schufs. Weiter dahinter führen die deutschen leichten Kolonnen nach jeder Batterie 308 Schufs nach . Der Nachteil der Verlängerung der Marschkolonne
der fechtenden
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie.
129
Truppen und der Verzögerung des Aufmarsches der hinter der Artillerie marschierenden Infanterie bei den Franzosen kann, da es sich bei der Infanteriedivision nur um etwa 800 m Marschlänge mehr handelt,
nicht als
erheblich
erscheinen .
Im Interesse eines rechtzeitigen und gesicherten Munitionsersatzes schon die Einführung von Schnellfeuergeschützen bei unseren Gegnern wird uns zu einem schnelleren und stärkeren Munitionsverbrauch veranlassen halte ich es vorläufig für geboten, unsere leichten Kolonnen ihren Regimentern folgen zu lassen . Nach Einführung von Schnellfeuergeschützen auch bei uns werden wir unbedingt gezwungen werden , die Marschordnung unserer Artillerie einer gründlichen Änderung zu unterziehen und nach dem Beispiel der Franzosen eine engere Verbindung der Geschütze mit ihrer Munition herbeizuführen . Die taktischen Formationen der Batterie sind von den Franzosen auf ein Minimum reduziert, aber völlig ausreichend.
Die
französische Batterie kennt aufser der Kolonne zu Einem, bei welcher jedem Geschütz der zugehörige Munitionswagen vorangeht, die Doppelkolonne, bei welcher sich die Munitionswagen dicht neben den in Kolonne zu Einem formierten Geschützen befinden. Die beiden Munitionswagen des ersten Ersatzes folgen in allen Formationen dicht aufgeschlossen, bei der geöffneten Linie den beiden Flügelgeschützen. In der Feuerstellung befindet sich der zugehörige Munitionshinterwagen abgeprotzt dicht neben dem Geschütz . Diese Aufstellung ist gewählt, um die Versorgung des Geschützes mit Munition zu erleichtern und um den Schutz der Munitionswagen, Kanoniere durch den panzerartigen Boden des mit diesem nach dem Feinde zu gedrehten Hinterwagens voll ausnutzen zu können. Bei verdeckten Stellungen , in denen die Gefabr für den Munitionshinterwagen, durch Volltreffer in die Luft gesprengt zu werden, gering ist und in denen die Sichtbarkeit der Batterie durch die neben den Geschützen stehenden Wagen nicht vergrössert wird, ist diese Aufstellung nicht unzweckmässig. Bei offenen Stellungen ist ein Platz 10 bis 20 Schritt hinter den Geschützen wohl zweckmäfsiger. Die Versorgung des Geschützes mit Munition kann dabei vielleicht auf kleinen Schlitten oder dgl. erfolgen, ohne die Mannschaften aus der Deckung treten zu lassen . Ob bei der Explosion eines Munitionsbinterwagens 10 bis 20 Schritt hinter der Batterie diese weniger in Mitleidenschaft gezogen wird
als bei
seiner Stellung
dicht neben
dem Geschütz, mag dahin gestellt bleiben. Für die französische Abteilung bilden die
Haupt Manövrier-
formationen die Kolonne zu Einem, die Doppelkolonne und die Ab-
130
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie.
teilung in Batteriekolonnen, bei welch' letzteren die Batterien auch in Doppelkolonne formiert sein können. Die Marschgeschwindigkeit allein marschierender Artillerie ist bei nicht schwierigem Boden auf 8 km in der Stunde festgesetzt: Das ist besonders für längere Märsche eine recht gute Leistung. Die Franzosen betonen, dafs die Hauptanstrengung der Pferde durch welches sie tragen, bedingt ist und dals man daher schnell marschieren müsse, um die Zeit, in welcher die
das Gewicht des Reiters,
Pferde dieser Anstrengung unterworfen sind, abzukürzen . Zur Erleichterung
des Marsches und
um
die Truppe in der
Wahl der Gangarten vom Gelände unabhängiger zu machen , zerlegen die Franzosen jede Kolonne allein marschierender Artillerie von mehr als 10-12 Fahrzeugen in mehrere Teile. Dann kann jeder Teil unabhängig von dem andern seine Gangart ändern, wenn das Gelände es erfordert oder gestattet, während der hinter ihm befindliche noch die bisherige Gangart beibehält. Zweifellos ist diese Mafsregel für Friedensverhältnisse durchaus praktisch, für den Krieg kaum von Bedeutung.
Sie verwöhnt aber
die Truppe, welche das im Felde notwendige Marschieren in grösseren Artillerieverbänden nicht lernt. Bei langen Anstiegen können bei der französischen Batterie die Fahrer absitzen. In der Praxis von vielen Batteriechefs auch bei uns befolgt, ist diese Bestimmung so zweckmäfsig, dafs sie in unser Reglement aufgenommen zu werden verdient. Beim Marsch
gemischter Waffen
wollen
die
Franzosen
den
Avantgarden stärkere Kolonnen grundsätzlich Artillerie zuteilen und sie im allgemeinen nahe der Tete halten . Unsere Felddienstordnung sagt zweckmäfsiger : „ Ob und in welcher Stärke Feldartillerie der Avantgarde zuzuteilen ist, unterliegt der Beurteilung des höheren Führers. " Die Artillerie des Gros
gehört nach französischer
Ansicht
nahe an die Spitze. Rouquerol will bei starken Kolonnen sie sogar statt in die grofsen Verbände, zu denen sie gehört, an die Spitze derselben oder gar in den Raum zwischen Avantgarde und Gros nehmen. Letzteres ist übertrieben, das Vornehmen in den Kolonnen nach vorn aber im Interesse einer raschen Entwicklung der Artillerie wünschenswert. Nach Einführung des neuen französischen Materials glaubte man bei uns vielfach, daſs Frankreich zu einer völlig neuen Artillerietaktik übergegangen sei . Allerdings gab es bei unseren Nachbarn Heifssporne, welche in chauvinistischer Überschätzung der Wirkung des neuen Materials die bisher unumstöfslichen Dogmen der Massen-
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie .
131
verwendung der Artillerie und der Vereinigung ihres Feuers durch die gewaltige Wirkung des Schnellfeuergeschützes ersetzen zu können und die Zeiten der Bataillonsgeschütze wiedergekehrt glaubten . Allmählich haben sich jenseits der Vogesen die Ansichten etwas geklärt und sich unseren Grundsätzen wieder mehr genähert. Die alten Fundamentalprinzipien der Massenverwendung und der Feuervereinigung werden auch von dem neuen französischen Reglement, wenn auch in etwas dem Schnellfeuergeschütz angepasster Form, aufrecht erhalten. Während bei
uns
das gleichzeitige Einsetzen einer möglichst
grofsen Zahl von Batterien zur schnellen Erreichung artilleristischer Überlegenheit angestrebt wird, wollen die Franzosen - 99 Ökonomie der Kräfte" ist das Schlagwort - nur soviel Batterien einsetzen , als es zur schleunigen Erreichung des Gefechtszweckes notwendig ist. Ihre Zahl hängt ausschliesslich von der Frontbreite des zu bekämpfenden Zieles ab und bestimmt sich danach, dafs eine Batterie auf mittleren Entfernungen (2500 m) im einfachen Bz -Feuer eine Front von 100 m, im nähenden eine solche von 200 m wirksam bekämpfen hann. Mehr Geschütze als nötig einzusetzen, halten die Franzosen für einen Fehler. Man würde Munition vergeuden und eine Artilleriekraft aus der Hand geben und zu anderer Verwendung nicht verfügbar haben,
weil die gesteigerte Wirkung der Schnell-
feuerkanonen einmal eingesetzte Batterien nahezu unbeweglich macht. Die nicht eingesetzten Batterien sollen als Reserve zurückgehalten werden und diese ist nach französischer Ansicht nötig, weil die auf beiden Seiten in den Kampf getretenen Batterien sich gegenseitig and nacheinander vernichten werden und der Artillerie der Sieg zufallen wird, welche die letzte intakte Batterie in die Wagschale zu werfen vermag. Besonderen Wert legen die Franzosen darauf,
bei Beginn des
Kampfes nach Eröffnung des Artilleriefeuers einige Batterien in Bereitschaft zu halten, um feindlicher Artillerie, die dann in Tätigkeit treten wird, sofort antworten zu können . Die zur Verfügung bereiten Batterien sollen nicht im Sinne der früheren Artilleriereserve zurückgehalten, sondern in Masse bereit gestellt werden und ihr Feuer vorbereiten, um dasselbe in jedem Augenblick eröffnen zu können. So setzt das französische Reglement an
Stelle
unseres
Prinzips
der
Massenverwendung
das
der
Massenbereitstellung und beugt der Gefahr vor, beim Einsatz anzureichender Kräfte den mifslichen Kampf gegen die Überlegenheit führen zu müssen. Die bereit gestellten Batterien teilen die Franzosen in batteries
132
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie.
en position de sur veillance und
in batteries
en position
d'attente ein , je nachdem dieselben abgeprotzt in der Stellung oder aufgeprotzt hinter der wahrscheinlichen Stellung warten. Von den Führern beider Arten von Batterien verlangt das französische Reglement, dals sie das Schiefsen nach allen Punkten, an denen ein Auftreten des Feindes zu erwarten ist, so weit wie möglich vorbereiten und das ihnen überwiesene Gelände sorgfältig beobachten. Zur Vorbereitung des Schiefsens gehört auch das Festlegen der Entfernungen nach den wichtigsten Punkten. Die Verwendung einzelner Züge ist auch bei den Franzosen Ausnahme, um von beschränkter Stellung aus Wege , Defileen usw. mit vernichtendem Feuer zu beherrschen. Wenn die Franzosen etwas weiter gehen und die Verwendung einzelner Geschütze gestatten, so verleiht ihnen dazu die gesteigerte Wirkung ihres Geschützes ein unbestreitbares Recht.
Im allgemeinen lässt sich gegen den Grundsatz der Ökonomie der Kräfte nichts einwenden, vorausgesetzt, dafs er nicht zum tropfenweisen Einsatz der Artillerie und zum fortgesetzten Kampf der Minderheit gegen die Überlegenheit führt. Das aber wollen die Franzosen durch die Massenbereitstellung vermeiden. Sie erstreben wie wir die Feuerüberlegenheit von Anfang an. Es ist zweifellos ein richtiger Grundsatz, nur soviel Gefechtskraft einzusetzen, wie zur Erreichung eines bestimmten Gefechtszweck es notwendig ist. Die Gefahr, welche aus dem Einsatz ungenügender Kräfte entstehen kann, wird durch richtige Verwendung der bereitgestellten Batterien vermieden. Für eine mit Schilden versehene Artillerie ist diese Gefahr überdies nicht so sehr grofs , da sie im Kampf gegen die Überlegenheit das Feuer einstellen und die Bedienung hinter den Schilden decken kann, ohne erheblichen Verlusten ausgesetzt zu sein. So erscheint das Prinzip der Ökonomie der Kräfte, wie es die Franzosen zur Anwendung bringen wollen, ohne Bedenken. Es ist aber für sie eine Notwendigkeit . Bei Schnellfeuergeschützen ist die Gefahr der Munitionsvergendung eine besonders grofse. Werden bei Beginn des Gefechtes mehr Batterien als notwendig eingesetzt, so wird auch sicherlich mehr Munition als notwendig verbraucht, die später vielleicht im entscheidenden Augenblick fehlt. Es ist daher ein durchaus richtiger Grundsatz des französischen Reglements, einer unnützen Munitionsvergeudung dadurch vorzubeugen, dafs es nicht mehr Batterien als nötig einsetzen will. Als Anbalt für die Zahl der einzusetzenden Batterien die Frontbreite des Zieles zu betrachten, erscheint nicht unzweckmässig. Allerdings wird diese oft nicht mit Genauigkeit festgestellt werden können, da sie abhängig von der meist vorher
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie . nicht genau zu bestimmenden Entfernung ist. Ausdehnung
133
Dazu kommt, dafs die
des Ziels meist nicht vor dem Auffahren, sondern erst
im Laufe des Kampfes bestimmt werden kann. Aber in diesem Fall haben die Franzosen in den schufsbereit dastehenden Batterien en position de sur veillance das Mittel,
jederzeit
eine der als gröfser
erkannten Front des Feindes entsprechende Artilleriekraft in Tätigkeit zu bringen . Aus Kräfte
demselben
Streben
wie
das
Prinzip der Ökonomie der
sind die von den Franzosen angeommenen Grundsätze über
die Feuervereinigung zur Erzielung grölster Wirkung hervorgegangen. Sie wollen dieses Prinzip nicht beseitigt wissen , es aber auf das für den Erfolg notwendige Mafs beschränken.
In diesem
Sinne ist es zu verstehen, wenn das französische Reglement ausdrücklich betont : „Das Schiefsen der Artillerie erreicht sein Maximum an Kraft durch die Feuervereinigung," und wenn die französischen Militärschriftsteller erklären : „ Die Schnelligkeit des Feuers ersetzt die Feuervereinigung" und : „ Das konvergierende Feuer ist divergent geworden." Ist die Feuergeschwindigkeit des neuen französischen Geschützes 5-10mal so grofs als die der bisherigen Kanonen, so kann ein bestimmtes Ziel von einer Batterie mit einem Geschofshagel überschüttet werden , zu dem früher 5-10 Batterien ihr Feuer vereinigen mussten. Die Feuervereinigung wird daher in vielen Fällen überflüssig. Das schliefst nicht aus, dafs auch von den Franzosen zuweilen - z. B. gegen ein besonders gefährliches Ziel, gegen einen Stützpunkt, gegen die Stellung, die der Feind in Besitz nehmen will oder genommen hat die Feuervereinigung mehrerer Batterien zur Erzielung höchster Wirkung ausgenutzt wird . Eine
unnötige
Feuervereinigung führt zur Munitionsverschwendung,
und diese ist auf jede Weise zu vermeiden . Wenn die Franzosen auch hier nur das zur Erreichung des Gefechtszwecks nötige Mafs einsetzen wollen und das Prinzip an Gefechtskraft - Munition der Ökonomie der Kräfte auf die Munition übertragen, so kann das nur als durchaus berechtigt bezeichnet werden. Für uns ist die Frage, ob wir das Prinzip der Ökonomie der Kräfte von den Franzosen annehmen sollen, in entschieden verneinendem Sinne zu beantworten, so lange unsere Artillerie noch mit dem Material 96 bezw. 98 ausgerüstet ist. In der Massenverwendung und Feuervereinigung finden wir
am besten das Mittel,
dem überlegenen französischen Geschütz erfolgreich entgegentreten zu können . Haben wir erst unsere Geschütze mit Robrrücklauflafetten und Stahlschilden versehen, so wird die Rücksicht auf den
134
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie.
Munitionsverbrauch uns mit zwingender Notwendigkeit zu einer gewissen Modifikation jener Grundsätze führen . In dem Kapitel „Erkundung" finden wir auch in dem neuen französischen Reglement keine wesentlichen von den unsern abweichende Ansichten . Der Wert einer sorgfältigen, verdeckten und schleunigen Erkundung der Feuerstellung wird wie bei uns voll erkannt. Nur hinsichtlich des Zeitpunktes der Erkundung der Stellung durch die Unterführer weichen die französischen Ansichten etwas von den unsern
ab .
Während
bei uns im Divisionsverbande ein
Begleiten des Artilleriebrigadekommandeurs durch die Regimentskommandeure empfohlen wird, will das französische Reglement zu der Erkundung durch den Artilleriekommandeur oft ,,mit Nutzen" die Abteilungskommandeure heranziehen . Noch schärfer tritt der Gegensatz beider Anschauungen betreffs der Batterieführer hervor. Das deutsche Reglement will dieselben nicht früher vorgeholt wissen, als zu ihrer Unterweisung unbedingt notwendig ist. Die französischen Batterieführer werden zum Abteilungskommandeur vor geholt, sobald dieser die Befehle des Artillerieführers bekommen hat. Das frühere Vorholen der Batterieführer bei den Franzosen mag zum Teil durch die bei ihnen notwendige längere Vorbereitung des Schielsens bedingt sein, doch scheint die Forderung unseres Reglements nicht mehr den heutigen Verhältnissen zu entsprechen . Zuzeiten, als kundenden zu decken, vorkommen
die Artillerie ungedeckt in Artillerieführer selbst keinen war es gar nicht notwendig, zu lassen und zweckmäfsig,
Stellung ging und die erWert darauf legten, sich die Batteriechefs frühzeitig dies möglichst spät zu tun,
um die einzunehmenden Stellungen nicht zu früh zu verraten. Heute , wo der gröfte Wert auf verdecktes Instellunggehen und auf sorgfältigste Ausnutzung des Geländes gelegt wird, ist eine weit eingehendere Erkundung, auch der feindlichen Stellung, als früher notwendig. Die Batteriechefs müssen daher frühzeitiger vorn erscheinen , sie können es auch, ohne die Stellung dem Feinde zu verraten, weil sie sich selbst bei der Erkundung sorgfältig den Blicken des Feindes zu entziehen gelernt haben. Wenn nach der weit gefafsten Bestimmung unseres Reglements auch den heutigen Verhältnissen noch Rechnung getragen werden kann, so bringt sie doch zum Ausdruck , dafs ein zu frühzeitiges Vorholen der Batterieführer ein Fehler sei. Den heutigen Verhältnissen dürfte es mehr entsprechen , den Fehler zu betonen, der in einem zu späten Vorkommen derselben liegt. Mehr noch als in dem vorhergehenden tritt in dem französischen Reglement von 1903 wie in der französischen Fachliteratur die Vor-
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie.
135
liebe für indirekte Stellungen , wie wir, oder für den tir masqué, wie die Franzosen sagen, hervor. Das Streben, sich zu decken , jede Geländefalte zum Schutz
gegen das feindliche
Feuer aufzu-
suchen, sich dem Gegner nach Möglichkeit nicht zu zeigen, hat mit der Steigerung der Feuerwirkung der modernen unendlich an Berechtigung gewonnen. vernichtet.
Schnellfeuerwaffen
Wer sich nicht deckt,
wird
Die Franzosen verlangen daher, dafs die Artillerie sich, ganz besonders bei Beginn des Gefechts, völlig verdeckt aufstellt, so dafs sie vom Feinde möglichst nicht erkannt wird.
Welch grofsen
Wert sie hierauf legen, geht aus der Bemerkung ihres Reglements hervor : ,, Man darf nie vergessen, dafs eine Stellung, die zu einer gewissen Zeit vortrefflich war, gefährlich wird, sobald sie vom Feinde entdeckt ist." Daneben erkennen
die Franzosen die gebieterische Pflicht der
Artillerie an, „ de renoncer sans hesiter, lorsque cela sera avantageux, au défilement lequel perd de son importance au fur et à mesure des progrès du combat." Betreffs des Grades der zweckmälsigen Deckung weichen die unsrigen erheblich ab.
französischen Ansichten von den
Ausgerüstet mit einem und geübt in dem
Gebrauch eines vorzüglichen Richtgeräts für den tir masqué, kennen die Franzosen keine Schwierigkeiten, aus indirekter Stellung zu schielsen. Mit guten Richtinstrumenten kann nach ihrer Meinung die Frage des indirekten oder direkten Richtens nicht in Betracht kommen. Der einzigste Grund, welcher den tir masqué beschränkt , liegt nach französischer Ansicht in dem Nachteil, dafs man die Abhänge vor der deckenden Kante nicht bestreichen kann. Gewifs isf das ein Beweis des grofsen Vertrauens, welches die Franzosen auf ihr Richtgerät setzen. ihnen von indirektem
Sogar in ungedeckten Stellungen wird bei Richten Gebrauch gemacht, 99 das kostbare
Vorteile für die Bezeichnung der Ziele, wie für die Verteilung und Ausführung des Feuers besitzt." Das direkte Richten soll auf Nabziele und sehr sichtbare Ziele , besonders gedecktem Aufmarsch, beschränkt bleiben .
unmittelbar nach un-
Unsere Art der verdeckten Aufstellung so ,
dafs das Geschütz
gedeckt ist, der Richtkanonier aber noch stehend hinter dem Lafettenschwanz das Ziel seben kann, halten die Franzosen für die schlechteste . Man mufs," sagt Rouquerol , 29 um sie anzunehmen, hypnotisiert sein durch das direkte Richten ." Für die beste Deckung wird von den Franzosen diejenige gehalten, welche zwischen 1,50 m und 2 m liegt, d . h. den stehenden Mann bezw. das Pferd ohne Reiter der Sicht des Gegners
entzieht .
Sie ergibt günstige Verhältnisse beim
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie .
136
Abprotzen und beim Vorbringen der Geschütze, für die Deckung derselben gegen das feindliche Feuer, für die Beobachtung des Zielfeldes durch den Batteriechef und für seine Verbindung mit der Batterie .
Man kann dagegen mit Recht einwenden, dafs bei dieser
Aufstellung die Geschütze zum Eingreifen in das Infanteriegefecht eine gröfsere Strecke vorgebracht werden müssen, dafs dies häufig schwierig,
zeitraubend
und mit Verlusten verbunden ist .
Das ist
gewifs richtig . Aber ist es nicht besser, dafs man zum Eingreifen in das Infanteriegefecht überhaupt noch Geschütze vorbringen kann, wenn auch mit Mühe und Zeitverlust, als dass man sie vorher der Vernichtung durch die feindliche Artillerie ausgesetzt hat ? Überdies ist es wohl nicht ausgeschlossen ,
auch aus verdeckter Stellung
bewegliche Infanterieziele zu beschiefsen , solange die Geländeverhältnisse dem Geschofs in seiner Flugbahn keine Hindernisse bereiten. Jene Ziele werden im allgemeinen durch lange Schützenlinien gebildet. Eine genaue Seitenrichtung braucht daher nicht unbedingt gefordert zu werden . Es kommt in erster Linie auf genaue Zünderstellung an, und diese hat mit der verdeckten oder nicht verdeckten Aufstellung nichts zu tun . Demnächst handelt es sich um
die
entsprechende Regelung der Sprengböhen.
Im wech-
selnden Gelände ändert sich ja natürlich bei beweglichen Zielen der Geländewinkel und damit beim Schiefsen mit der Libelle auch die Sprenghöhe, die dauernd zu regulieren bliebe.
Wenn man bedenkt,
daſs der Infanferieangriff im allgemeinen langsam vorwärts schreitet, so erscheint auch diese Schwierigkeit nicht allzu grofs . Es bleibt nur die bei uns fast unüberwindliche Aversion zu beseitigen, bewegliche Ziele aus verdeckter Stellung zu beschielsen . Es soll damit keineswegs dem Prinzip das Wort geredet werden , den Kampf gegen die feindliche Infanterie grundsätzlich aus verdeckter Stellung zu führen . Im Gegenteil ! Wenn man kann, soll man es nicht tun. In besonderen Fällen aber, in denen das Vorbringen der
Geschütze mit Rücksicht auf Bodenverhältnisse ,
Ver-
luste, feindliches Feuer, gegebene Zeit nicht möglich ist, und in denen die Geschosse über die deckende Höhe hinweggehen, müssen wir auch aus verdeckter Stellung feindliche Schützenlinien, auch in Bewegung, unter Feuer nehmen können. Dazu müssen wir uns schon im Frieden daran
gewöhnen
Artilleristen herrschenden Ansicht,
und mit der bei dafs bewegliche
deckter Stellung gar nicht bekämpft werden können, räumen.
sehr vielen
Ziele
aus ver-
endgültig auf-
Noch eine andere ernste Mahnung ergibt sich für uns aus dem Vorstehenden.
Die Franzosen schiefsen mit ihren vorzüglichen Richt-
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie .
137
geräten aus völlig verdeckter Stellung auch in gröfseren Verbänden. Wir kommen in Verlegenheit, wenn wir mit unserer mangelhaften Richtfläche ein Schiefsen im Abteilungsverbande ausführen sollen. Daher erklärt sich zum Teil unser Widerwille gegen völlig verdeckte Stellungen. Besäfsen wir ein aus indirekter Stellung sicher funktionierendes Richtgerät, so würde jener Widerwille mit der Zeit verschwinden. Gewifs entspricht das Verstecken hinter Höhen nicht dem frischen, fröhlichen Soldatengeist, der dem Feinde offen entgegengeht und ihn schlägt, wo er ihn findet. Aber die gewaltig gesteigerten Wirkungen der Schnellfeuerkanonen zwingen uns mehr als je zu indirekten Stellungen. Die Artillerie, welche sich zum Artilleriekampfe heutzutage nicht verdeckt aufstellt, ist so gut wie vernichtet. Lernen wir daher von den Franzosen, ehe es zu spät ist und schliefsen wir nicht in blinder Selbstüberschätzung vor unleugbaren Tatsachen die Augen ! Die Franzosen sind uns über im Schiefsen aus verdeckten Stellungen. Geben wir daher unserer Feldartillerie ein Richtgerät , das aus indirekter Stellung sicher funktioniert und lehren wir sie, mit demselben umzugehen und Vertrauen zu ihm zu fassen. Jede Neuerung, besonders wenn sie gesteigerte Arbeit bedingt, wird in militärischen Kreisen ablehnend begrüfst . Hier aber liegt eine unbedingte Notwendigkeit vor, und unsere Artillerie wird im Ernstfall dem unendlichen Dank wissen, der ihr ein brauchbares Richtgerät für das indirekte Richten Ob gegeben und sie gezwangen hat, seinen Gebrauch zu erlernen . wir dann von ihm denselben ausgedehnten Gebrauch machen werden wie die Franzosen und es auch in ungedeckten Stellungen in der Regel verwenden, ist eine Frage, die ich nicht bejahen möchte , deren Beantwortung zunächst aber noch unwesentlich ist. Um die Batterien der Sicht des Feindes nach Möglichkeit zu entziehen, haben die Franzosen ihr Feldartilleriematerial mit einem grauen Anstrich versehen . Das erscheint als eine Frage von untergeordneter Bedeutung. Sie ist es aber nicht. Den modernen Feuerwaffen gegenüber beruht der wirksamste Schutz darin , sich möglichst unsichtbar zu machen. Es darf nichts versäumt werden , um nach dieser Richtung das Möglichste zu leisten . Eine Nachlässigkeit hierin wird sich im Kriege schwer rächen. Zweifellos gibt es keine Farbe, die der Forderung, bei jeder Beleuchtung und bei jedem Hintergrund möglichst wenig sichtbar zu sein, völlig entspricht. Jedenfalls ist die blaue Farbe unserer Geschütze davon Fort daher mit dem blauen Anstrich der Kanonen, der kein anderes Verdienst hat als seine historische Bedeutung ! weit entfernt .
Ein weiteres Mittel, die feindliche Feuerwirkung abzuschwächen,
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie.
138
erblicken die Franzosen in dem Vermeiden langer Artillerielinien , die dem Feinde das Einschielsen erleichtern und der Vernichtung durch feindliches Feuer in höherem Mafse ausgesetzt sind als einzelne Artilleriegruppen . Das lässt sich nicht bestreiten . In vielen Fällen wird aber das Gelände die Aufstellung der Artillerie nur in langen Linien gestatten . Wo dasselbe eine gruppenweise Plazierung ermöglicht, wird diese oft zweckmäfsig sein, vorausgesetzt, dafs der Abteilungsverband dabei gewahrt wird . Die Feuerleitung im einzelnen wird sich, wie wir an anderer Stelle sehen werden , wesentlich auf die Abteilungen beschränken . Der räumlichen Trennung derselben stehen daher nach dieser Richtung erhebliche Bedenken . nicht entgegen . Der Einwand, dafs bei der dadurch bedingten Staffelung der Abteilungen der Bedarf der Artillerie an Frontbreite noch gesteigert werde, ist nicht zutreffend . Unser Reglement gestattet das Überschiefsen eigener Truppen und die Bildung zweier Geschützlinien hintereinander.
Es liegt daher kein Grund vor, die
Forderung der Nummer 297. 2.: „ Bei gestaffelter Aufstellung ist der Abstand nicht gröfser als der Zwischenraum zu bemessen " in vollem Umfange aufrecht zu erhalten . Schliefst der Abstand eine direkte Gefährdung der vorderen Linie auch der Protzen und Staffeln , die e . F. nach dem äufseren Flügel hin verschoben werden können , aus, so ist die Gröfse des Zwischenraums unwesentlich. Betreffs der Entfernungen vom Feinde, auf welchen die ersten Artilleriestellungen zu wählen sind, hat das neue französische Exerzierreglement als Konzession für die
gesteigerte
Wirkung der
Schnellfeuergeschütze die in dem alten Reglement enthaltene Bestimmung 99 nicht über 3000 m" fortfallen lassen . Mehr als früher wird die
Entfernung der ersten Aufstellung der Artillerie von den
Verhältnissen und besonders vom Gelände abhängig sein und die Grenze von 3000 m unter Umständen mehr oder weniger übersteigen. Die vernichtende Wirkung der modernen Geschütze wird öfter als früher ein Herangehen auf entscheidende Entfernungen verbieten.
Das haben der griechisch-türkische und besonders auch der
Transvaalkrieg gezeigt.
Die
nicht so selten vorkommenden -
Manöverbilder, auf denen angesichts einer in Stellung und im Vollbesitz ihrer Feuerkraft befindlichen feindlichen Artillerie Batterien in offenem
Gelände
auf Entfernungen unter 2000 m in Stellung
gehen, sind in Wirklichkeit unmöglich, die so auffahrenden Batterien vor Abgabe ihres ersten Schusses dem Untergange geweiht. Die gröfsere Entfernung der ersten Stellung der Artillerie bat allerdings den grofsen Nachteil , dafs unter Umständen zur Herbeiführung der Entscheidung auf nähere Entfernung herangegangen und
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie. ein
dazu
stets unerwünschter,
139
meist schwieriger Stellungswechsel
vorgenommen werden muls. Nur selten wird es bei diesem gelingen, vom Feinde unbemerkt aufzufahren , denn die Artilleriestellungen sind meist durch das Gelände gegeben und werden vom Feinde , sobald er das Verschwinden der Batterien aus der entStellung bemerkt hat, schart beobachtet. Wenn daher auch die gröfsere Entfernung den Vorteil bietet, leichter vom Feinde unbemerkt in die erste Stellung gehen und ihn mit der Feuereröffnung überraschen zu können, so behält doch das in unserem
fernteren
Reglement ausgesprochene Prinzip : „, so nah als es die Verhältnisse gestatten" unter allen Umständen auch den Schnellfeuerkanonen gegenüber Geltung . In der Ausnutzung der für die Artillerie in der Schlacht zur Verfügung stehenden Front weichen die Bestimmungen des französischen Reglements nicht unwesentlich von den unseren ab . Während das deutsche Reglement darauf hinweist, dafs es in gröfseren Verbänden geboten sein kann, auf eine angemessene Beschränkung der Frontausdehnung Bedacht zu nehmen, um nachträglich eintreffende Artillerie ohne Mischung der Verbände in Stellung zu bringen," betont das französische Reglement die Notwendigkeit, die ganze verfügbare Front auszunutzen. Natürlich ist es zweckmässig, die ganze zur Verfügung stehende Front auszunutzen, denn um so besser kann die Plazierung der Batterien im Gelände erfolgen, um so gröfser können die Zwischenräume, um so geringer werden die Verluste sein. Diesen Vorteilen gegenüber stehen der Nachteil der Erschwerung der Feuerleitung und die Schwierigkeit für die zuerst in Stellung gehenden Batterien, in der Ausnutzung des verfügbaren Raumes das richtige Mals zu halten, so dafs sie die später eintreffenden nicht in der Entwickelung hindern. Angesichts der reichen Dotierung der modernen Armeen mit . Artillerie scheint diese Gefahr besonders grofs, dafs französische Verfahren wenig nachahmenswert und die Mahnung unseres Reglements durchaus zweckmässig . Die Grundsätze der Franzosen über den Vormarsch und das Einrücken in die Feuerstellung sind im allgemeinen dieselben wie bei uns. Im besonderen wird auch bei ihnen die Notwendigkeit einer
sorgfältigen Deckung im
Gelände
und
einer
gründlichen
Aufklärung voll gewürdigt. Die reiche Ausstattung der französischen Batterien und Stäbe mit Berittenen erleichtert diese Aufgaben wesentlich. Es mag nur hervorgehoben werden , dafs die französische Batterie zu 4 Geschützen und 12 Munitionswagen über 30 ,
die
deutsche
zu 6 Geschützen und 6 Munitionswagen über 20
140
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie.
berittene Unteroffiziere und Gefreite verfügt. Dieser Etat ermöglicht es den Franzosen, dauernd 3 Berittene pro Batterie als Aufklärer, 3 zur Begleitung des Batterieführers and 1 zur Verbindung mit der Abteilung einzuteilen , so dafs der Abteilungskommandeur über 3 Offiziere und 13 Berittene verfügt .
Mit
diesen Mitteln haben die
Franzosen eine vortreffliche Organisation des Aufklärungs- und Verbindungsdienstes eingerichtet, ohne der Truppe Chargen nehmen zu müssen zu Zeiten, in denen sie dieselben dringend bedarf. Mit Recht wird in unserer Militärliteratur darauf aufmerksam gemacht, dafs die Ausstattung der deutschen Batterien mit Berittenen durchaus nicht ausreicht, und dafs nach den notwendigen Abkommandierungen für die Zwecke der Aufklärung und Verbindung so gut wie nichts übrig bleibt. Können wir auch nicht die reiche Ausstattung der französischen Batterie erreichen, so ist es doch dringend notwendig, unseren Etat um wenigstens 2 Berittene pro Batterie zu erhöhen, damit uns im Felde nicht die schwersten Nachteile aus der übel angebrachten Sparsamkeit erwachsen. Charakteristisch für das Instellunggehen der französischen Batterien ist die
etwas langwierige Vorbereitung des Schiefsens .
Sie ist eine
Folge des indirekten Richtens.
französischer
Seite
darauf aufmerksam
Mit Recht wird von
gemacht,
dafs,
falls
die
Batterien dem Feinde verborgen geblieben sind, die länger dauernde Vorbereitung des Schielsens ohne Nachteil sei . In der Hauptsache komme es darauf an, dafs der Feuereröffnung möglichst schnell der Eintritt der Wirkung folge ,
und dieses werde durch eine
sorgfältige Vorbereitung des Schiefsens garantiert . Auf diese legen die Franzosen den gröfsten Wert. Daher haben sie auch ihre Batterien mit dem Batteriefernrohr und Entfernungsmesser ausgerüstet. Beides ist gleich wichtig. Wer ( unser Scherenfernrohr längere Zeit in Schiefsübung und Manöver benutzt und durch dasselbe sehen gelernt hat, weifs, wie unendlich dasselbe die Beobachtung des Zielfeldes und das Erkennen selbst einzelner vorsichtig beobachtender Offiziere auch auf gröfseren Entfernungen dem gewöhnlichen Glase gegenüber erleichtert.
Das ist aber von höchster
Bedeutung, da die frühzeitige Entdeckung des bevorstehenden Erscheinens der feindlichen Artillerie und ihrer späteren Stellung entscheidend für den Artilleriekampf sein kann.
Es ist daher eine un-
abweisbare Forderung, alle unsere Batterien und Stäbe mit Scherenfernrohren auszustatten und auch hier nicht wieder die falsch angebrachte Sparsamkeit den Sieg über das als richtig Erkannte davon tragen zu lassen. Die Zeiten. " schreibt der Berichterstatter der Löbelschen Jahres-
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie. berichte,
in denen das Wort berechtigt war :
141
Die Granate ist der
beste Entfernungsmesser , sind vorüber. " Ganz gewils ! Bei den Wirkungen der Schnellfeuergeschütze kommt mehr als früher alles darauf an , der Feuereröffnung schleunigst die Wirkung folgen zu lassen. Dazu ist die Kenntnis der Entfernung nötig. Ihr Abgreifen auf der Karte ist in vielen Fällen unsicher, das Schätzen derselben ist es noch weit mehr, und das Einschiefsen oft schwierig , stets mit Zeitverlust verbunden . Ein guter Entfernungsmesser gehört daher zur Ausrüstung der Feldartillerie , wenigstens der Abteilung. Dafs die Technik ihn zu konstruieren vermag, beweist seine Einführung bei den meisten Armeen der europäischen Mächte . Das Abprotzen erfolgt bei den Franzosen nur nach vorwärts oder nach der Flanke . Letzteres wird beim Einnehmen verdeckter
Stellungen bevorzugt. Zum Einrücken in die Stellung sitzen die Fahrer,
wenn nötig,
ab. Das ist zweckmässig und geschieht auch bei uns, obwohl es nicht ausdrücklich im Reglement bestimmt ist. Eine Aufnahme in dasselbe ist jedoch kaum erforderlich , vielleicht bei einer Neubearbeitung zweckmälsig. Das Schiefsverfahren der Franzosen basiert auf einem vollkommen anderen Grundsatz
als das unsrige.
Folge der Feuergeschwindigkeit
ihrer neuen
Auch das ist eine Geschütze
und des
durchaus berechtigten Strebens, diese nach Möglichkeit voll und ganz auszunutzen . Die Grundgedanken , auf welche das französische Schiefsen aufgebaut ist, sind die, ,,dafs die Artillerie nicht den kleinen Zweck, einen Munitionswagen zu zerstören oder einige Menschen zu töten, zu erfüllen habe, sondern den grofsen, entscheidenden , das Gelände, welche der Feind besitzt und das, auf welchem er vorgehen will, mit Feuer zu bedecken und zu durchfarchen" und ,,dals
eine
schnell
einer langsamer erzielten , ziehen ist."
erreichte,
sichere,
ausreichende Wirkung
unsicheren, wenn auch besseren,
vorzu-
Unserem Schiefsverfahren wird von den Franzosen der Vorwurf gemacht, dafs die
Vermehrung der Feuergeschwindigkeit der Ge-
schütze zu keiner Änderung unserer Schiefsmethoden geführt habe, und dafs wir die Präzision unserer Kanonen auszunutzen suchten, um Punkte zu treffen, statt Räume zu bestreichen. Bei dem am häufigsten vorkommenden Schielsen mit Schrapnell Bz gegen sichtbare Ziele ist das Verfahren der Franzosen das folgende : Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 401.
10
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie.
142
Die Ermittelung der Entfernung erfolgt in der Regel unter Verteilung des Feuers auf allen Entfernungen im Bz - Feuer mit Lagen ,
in denen die einzelnen Schüsse mit 2-3 Sekunden Pause
aufeinanderfolgen. Die Gabel wird in der Regel nur auf 200 m verengt. Mit einer Entfernung beginnend, welche um 100 m kleiner ist als die kurze Gabelentfernung, wird dann
auf 4 um je 100 m
wachsenden Entfernungen Schnellfeuer abgegeben, bei welchem jedes Geschütz auf jeder Entfernung 2 Schufs verfeuert. Dem Schnellfeuer ,,Rafale" folgt dann im allgemeinen eine Pause. ,,Le tir s'exécutera par rafales et par intermittence." Statt der Pausen kann, wenn nötig, ein langsames Feuer unterhalten werden. Man erkennt, dafs das ganze Verfahren von den beiden Gesichtspunkten geleitet ist, möglichst schnell und möglichst sicher zur Wirkung zu gelangen.
Die Mittel, schnell zur Wirkung zu kommen, liegen in 1. der Verengung der Gabel nur auf 200 m, 2. der Ermittelung der Entfernung im Bz - Feuer, 3. der Feuerverteilung von Beginn des Schiefsens an. Die sichere Wirkung wird garantiert durch 1. die Ermittelung der Entfernung im lagenweisen Feuer und 2. die Ausführung des Wirkungsschiefsens auf 4 Entfernungen, Durch das höhen von
Einschiefsen mit Bz
1000 der Entfernung
bei mittleren Spreng-
ist die Möglichkeit gegeben,
das Regeln der Sprenghöhen schon während der Entfernungsermittelung vorzunehmen und beim Übergang zum Wirkungsschiefsen die normalen Sprenghöhen von 3/1000 der Entfernung durch eine einfache Schieberkorrektur zu erreichen. Das bei uns nach Bildung der Gabel notwendige Regeln der Sprenghöhen fällt daber bei den Franzosen fort. Man hat dies Verfahren als unzweckmäfsig bezeichnet, weil die Beobachtung der Bz- Schüsse schwieriger sei , als die der Az- Schüsse. Das französische Reglement sagt : "L'observation des coups fusants est généralement plus facile, parceque elle est indépendante des accidents , des formes et de l'état du sol. " Die Franzosen sind vom Einschielsen mit Az zu dem mit Bz übergegangen, beides .
sie kennen
Die Behauptung ihres Reglements kann von uns nicht als
falsch bezeichnet werden, die wir im Einschiefsen mit Bz eigentlich gar keine Erfahrung haben. Unsere Abneigung dagegen rührt aus der Zeit der Schrapnells mit den kleinen Sprengladungen und kleinen Rauchwolken, die nicht beobachtungsfähig waren und mit den unregelmässig funktionierenden Zündern . Daher wurde seinerzeit der
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie.
143
Fortfall des zugweisen Einschiefsens mit Bz überall freudig begrülst. Heute liegen die Verhältnisse anders . Das Schrapnell, mit Rauchentwickler versehen , liefert eine beobachtungsfähige Rauchwolke . Das Einschiefsen mit Bz, das die gleichzeitige Regelung der Sprenghöhen gestattet, erscheint daher in völlig anderem Lichte. Man versuche es ! Nur die Praxis kann entscheiden, Praxis auf breiter Grundlage, denn alles Neue stöfst auf Opposition, und hier gilt es, alte Vorurteile zu überwinden. Die Verteilung des Feuers von Beginn des Schiefsens an auf alle Entfernungen ist eine Konzession, welche dem lagenweisen Einschielsen gemacht werden musste. Wollte man dabei das Feuer der Batterie auf einen Punkt vereinigen, so würde der am Ziel durch die eigenen Geschosse entstehende Rauch die Beobachtung der späteren Schüsse der Lage so sehr erschweren, dafs der Vorteil der grölseren Sicherheit des lagenweisen Einschiefsens verloren ginge . Die Feuerverteilung von Anfang an beschleunigt den Eintritt der Wirkung dadurch,
dafs sie das seitliche Einschiefsen gleichzeitig mit der Er-
mittelung der Entfernung gestattet. Sie bringt allerdings in vielen Fällen die Gefahr mit sich, dafs bei schlecht sichtbaren Zielen ein Teil der Schüsse nicht in Verbindung mit dem Ziel gebracht werden kann .
Die Franzosen gestatten in diesem Falle einzelne Geschütze
schweigen zu lassen und das Einschiefsen e . F. nur mit einem GeDurch die mit Feuerverteilung abgegebenen schütz auszuführen. Lagen kann
ein schwer sichtbares Ziel
dagegen unter Umständen
sichtbar werden. Beim Schiefsen in grofsen Verbänden steigert das Einschiefsen mit verteiltem Feuer zweifellos die Gefahr der Verwechselung der
eigenen Schüsse mit denen
einer Nachbarbatterie .
Ob diesem Übelstand in zweckmäfsiger Weise durch häufigeres Einschielsen mit nur einem Geschütz vorgebeugt werden kann, dahingestellt bleiben.
mag
Die Ermittelung der Entfernung im lagenweisen Feuer verleiht der Gabelbildung eine gröfsere Sicherheit.
Sie schliefst eine
falsche Gabelbildung infolge falscher Beobachtung möglichst aus und vermeidet eine falsche Gabelbildung infolge ungünstiger Streuungen der Geschosse nahezu völlig . Man hat gegen das lagenweise Einschiefsen
eingewandt, dals
es unserem Verfahren gegenüber den Eintritt der Wirkung verzögere . Das kann so bedingungslos nicht zugegeben werden . Die Schüsse folgen in den einzelnen Lagen mit 2 bis 3 Sekunden aufeinander. Das gibt allerdings bei 3 Lagen einen Mehrverbrauch an Zeit von 18 bis 27 Sekunden. Dem gegenüber kommt die Zeit in Fortfall, die bei uns durch fraglich beobachtete Schüsse fraglich beobachtete 10
144
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie.
Lagen sind seltener - und nach der Gabelbildung zum Regeln der Sprenghöhen , sowie e. F. zum seitlichen Einschiefsen erforderlich ist. Das dazu meist mehr unbestreitbar.
als 1/2 Minute
an Zeit verbraucht wird ,
ist
Durch das Wirkungsschiefsen auf 4 Entfernungen wird der Eintritt der Wirkung
mit Sicherheit garantiert.
Ein Teil
der
auf den 4 Entfernungen abgegebenen Schüsse bat, bei sonst richtigem Verfahren, stets, ein Teil allerdings in allen Fällen keine Wirkung. Bei unserem Schiefsen können ,
auch bei ganz richtigem Verfahren,
unter Umständen beide Lagen ohne jede Wirkung bleiben. Man wirft dem französischem Schiefsen vor, daſs es
zu viel
Munition beanspruche. Durch das Ermitteln der Entfernung im lagenweisen Feuer würden unter günstigen Verhältnissen auf jeder Entfernung 3 Schüsse zu viel abgegeben. Unter diesen Umständen gestatten die französischen Schiefsregeln
ein Abweichen von
dem
lagenweisen Laden. Andererseits erspart das lagenweise Laden alle die Schüsse, die bei uns durch fragliche Beobachtungen der Einzelschüsse, zum Regeln der Sprenghöhen und zum seitlichen Einschielsen erforderlich sind, so dafs es immerhin fraglich ist, auf welcher Seite in der Regel beim Einschielsen der gröfsere Munitionsverbrauch liegt . Das Wirkungsschiefsen auf 4 Entfernungen ist in gewissem Sinne Munitionsvergeudung, denn ein Teil der Munition muſs wirkungslos bleiben . Es scheint aber doch, als ob eine sichere Wirkung bei geringerer Ausnutzung der Munition einer unsicheren mit besserer Ausnutzung derselben vorzuziehen ist. Dem gröfseren Verbrauch an Munition haben die Franzosen durch reichlichere Ausrüstung mit derselben, die der Ersatz der beiden fortgefallenen Geschütze durch Munitionswagen ermöglicht hat, Rechnung getragen. In den Löbellschen Jahresberichten wird gegen das französische Schiefsverfahren der Vorwurf erhoben, dafs die Batterien während der Rafalen einfach durchgingen .
Will man mit Schnellfeuer-
kanonen kein Schnellfeuer abgeben , dann behalte man lieber die alten Kanonen und schiefse langsam. Hält man aber Schnellfeuer in gegebenen Momenten für zweckmässig, so muſs man sich darin finden , dafs während desselben eine Einwirkung auf die Batterie nicht möglich ist.
Sie ist dann aber auch gar nicht nötig.
In der durch das französische Reglement festgesetzten Schufszahl liegt die sichere Gewähr, dafs die Batterie dem Führer nicht durchgeht, sondern dafs er sie nach dem Schnellfeuer wieder mit Leichtigkeit in die Hand bekommt. Der Batterieführer weifs ja vor dem Loslassen des Orkans, dafs er ihn nicht zurückrufen kann und mufs
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie. sich darüber klar sein, ihn in richtiger Weise anzusetzen. falls sind allerdings 32 Schufs verloren.
145
Anderen-
Die Feuerverteilung beim Schielsen mehrerer Batterien auf dasselbe Ziel nehmen die Franzosen in der Regel derart vor, dals sie den einzelnen Batterien getrennte, wenn schnitte des Zielraumes zuweisen .
auch kleine Ab-
Die superposition des feux kommt
bei ihnen nur ausnahmsweise vor. Die Abneigung dagegen hat ihren Grund wohl in dem Umstand, dafs ihr Schiefsverfahren auf allen Entfernungen die Verteilung des Feuers über das ganze Ziel gleich bei Beginn des Schiefsens vorschreibt. Dabei müssen sich die Batterien gegenseitig aufserordentlich behindern. Tatsächlich haben die Franzosen durch Versuche festgestellt, dafs beim Schiefsen zweier Batterien auf den Zielraum einer Batterie kein besseres, sondern ein schlechteres Resultat erreicht wurde. Die allein schiefsende Batterie erzielte 45 %, beide zusammen erzielten 51 % Treffer, aber in sehr viel längerer Zeit und mit sehr viel mehr Munition. Die Einteilung
der Front des
gemeinsamen Ziels mehrerer
Batterien in kleine Abschnitte hat ohne Frage ihre grofsen Nachteile . Wird dann eine Batterie auf ein anderes Ziel gelenkt, so muís eine neue,
die Wirkung beeinträchtigende Feuerverteilung vorgenommen
werden. Ähnlich liegen die Verhältnisse, wenn eine Batterie ihr Feuer auf ein schon von einer anderen beschossenes Ziel lenkt. Es ist zweckmälsiger, die Einschiefspunkte möglichst weit voneinander zu wählen und nach dem Einschielsen das Feuer über das ganze Ziel zu verteilen. Im Salven- und Flügelfeuer, unter Umständen im Az- und Bz-Feuer ist ein Mittel zum Auseinanderhalten der Schüsse gegeben. In dem Streben, ihr Schiefsverfahren recht einfach zu gestalten and in ihrer Ahneigung gegen ein genaues Einschiefsen, haben die Franzosen auf die Anwendung der Granate Bz verzichtet. der Wirkung derselben gegen Ziele
dicht
Von
hinter Deckungen ver-
sprechen sie sich wenig Erfolg. Wenn wir die meist recht geringen Wirkungen unserer Granat - Bz - Schiefsen in den Schiefsübungen unter relativ günstigen Bedingungen - betrachten, erscheint es kaum mehr fraglich, dafs das in letzter Zeit wiederholt aufgetretene Verlangen nach Beseitigung der Granaten bei den Kanonen berechtigt ist.
Mit ihnen würde ein recht kompliziertes, wenig kriegsmäfsiges
Schiefsverfahren aus den Schiefsregeln verschwinden . So lange wir keine Haubitzen hatten, besafs die Forderung nach Granaten bei der Feldartillerie eine gewisse Berechtigung . Heute stehen für Ziele dicht hinter Deckungen die vielen Haubitzgranaten zur Verfügung. Überdies wird in vielen Fällen die Frage der Bekämpfung solcher
146
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie.
Ziele am besten durch den Truppenführer gelöst, der durch energisches Vortreiben der Infanterie den Verteidiger aus der Deckung hervorlockt. Nach Einführung von Schnellfeuergeschützen werden wir unsere Schiefsregeln
einer
eingehenden Prüfung
und vielleicht
einer um-
fassenden Umarbeitung unterziehen müssen . Die französischen Schiefsregeln sind ohne Zweifel in geistvoller Weise ihrem neuen Material angepasst und enthalten entschieden Gutes. vor allem
Beachtenswert erscheinen
das Einschielsen mit Bz, das Einschiefsen mit Lagen, das Wirkungsschiefsen auf 4 Entfernungen und die Abgabe desselben im Schnellfeuer. Die Bestimmungen über Feuerleitung , Zielwechsel und Beobachtung des Zielfeldes stimmen im französischen und deutschen Reglement im
allgemeinen überein.
Was
die Feuerleitung
an-
betrifft, so scheint es beinahe, als ob hierin die Folgerungen aus der Einführung der Schnellfeuergeschütze von den Franzosen und ganz gezogen sind .
nicht voll
Einem geschickten Gegner gegenüber werden
die Momente, in denen er durch Artilleriefeuer faſsbar ist, häufig sehr flüchtige sein, und oft wird es der Initiative der Unterführer bis zum Batterieführer herab bedürfen, um
dieselben auszunutzen.
Das Überbringen von Befehlen im Gefecht ist mit Schwierigkeiten verbunden . Reiter sind dazu in der Feuerlinie selten zu verwenden, Fufsgänger brauchen lange Zeit.
So wird der Befehl häufig zu spät
kommen. Die Bestimmungen unseres Reglements, nach welchen der Batterieführer selbständig nur dann Zielwechsel anzuordnen hat, wenn Gefahr droht , der Abteilungskommandeur nur bei plötzlichen Änderungen der taktischen Lage, bedürfen daher einer Erweiterung, durch die aber andererseits einer völligen Anarchie in der Wahl der Ziele vorgebeugt werden mufs. Vielleicht ist es zweckmäfsig, die Feuerleitung unter Umständen darauf zu beschränken, nicht bestimmte Ziele , sondern bestimmte Zonen zuzuweisen, innerhalb derer jedes sich zeigende Ziel unter Feuer genommen werden kann. Die Feuergeschwindigkeit der Schnellfeuergeschütze, welche zum Wechsel von Feuertätigkeit mit Feuerpausen zwingt, bietet die Garantie, dafs die von der höheren Leitung besonders zugewiesenen Ziele dabei doch in genügender Weise bekämpft werden. Dem Kapitel über die Beobachtung des Schlachtfeldes ist im französischen Reglement ein relativ breiter Raum gegeben. Sie wird im besonderen den Abteilungskommandeuren in der ihnen
147
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie. zugewiesenen Zone
zur Pflicht gemacht.
Hierzu
steben denselben
ihr reicher Stab und die grofse Zahl der Aufklärer zur Verfügung. Es ist höchst charakteristisch, dafs das französische Reglement als Haupt- und wesentlichen Zweck (surtout et essentiellement) dieser Überwachung des Schlachtfeldes die Möglichkeit für die Artillerie hinstellt, den anderen Waffen ohne Zögern zu Hilfe zu kommen und schleunigst ein wirksames Feuer gegen alle sich zeigenden Ziele zu richten. Es zeigt sich hier der grofse Wert, den die Franzosen auf das innige Zusammenwirken der verschiedenen Waffen legen. Obige durchaus zweckmässige und berechtigte Forderung des französischen Reglements ist in sofern beachtenswert,
als sie beweist, dafs mit der Pflicht der Überwachung des Schlachtfeldes den Abteilungen auch die Feuerleitung innerhalb der ihnen überwiesenen Zonen selbständig übertragen werden mufs, und dafs der von mir oben gemachte Vorschlag, betreffs Erweiterung der Bestimmungen unseres Reglements über Feuerleitung, nicht unberechtigt ist. Über das Überschiefsen eigener Truppen sagt das neue
französische Exerzierreglement : „ Die Artillerie schiefst gewöhnlich über die befreundeten Truppen hinweg, aber die Geschosse müssen in hinreichender Höhe über sie hinweggehen . "
Es fügt hinzu,
dafs als gefährdet für die eigenen Truppen die Zonen bis 500 m vor den Geschützen und bis 500 m diesseits des Zieles zu betrachten seien.
Diese Zahlen sind nicht zweckmälsig. Geländeverhältnisse und Zielentfernung sind dabei von ausschlaggebender Bedeutung. In Stellungen mit guter Übersicht sind unter günstigen Umständen die Grenzen oft erheblich kürzer zu ziehen. Stellt dann aber die Artillerie das Feuer schon ein, wenn die eigene Infanterie bis auf 500 m an den Feind gelangt ist, so entbehrt die letztere unter Umständen ohne Not die Feuerunterstützung durch ihre Batterien in den entscheidenden Momenten, in denen sie dieselbe am dringendsten bedarf.
Wortlaut unseres Reglements ist zweifellos zweckmässiger, gewährt eine gröfsere Freiheit des Handelns.
Der
denn er
Der Munitionsersaiz erfolgt bei den Franzosen nach denselben Grundsätzen wie bei uns . Mit Rücksicht auf die Feuergeschwindigkeit der französischen Geschütze ist für dieselben
eine
erheblich grölsere Munitionsausrüstung in der Feuerlinie vorgesehen . Aufser den vier zu den Geschützen gehörigen Munitionshinterwagen werden die beiden Hinterwagen der Munitionswagen des „ ersten Ersatzes" auf einem Flügel der Batterie bezw. 15 m hinter dem entgegengesetzten Flügelgeschütz aufgestellt. Die französische Batterie verfügt damit in der Feuerlinie über 288, in den beiden Munitionswagen des
ersten Ersatzes über 144, im ganzen über 432 Schufs,
148
Verwendung der deutschen und fransözischen Feldartillerie .
während der deutschen Batterie in ihren drei Munitionshinterwagen nur 156 Schufs zur Verfügung stehen .
Die Schwerfälligkeit des einmal
hochgeklappten französischen Munitionshinterwagens und seine Stellung in der Feuerlinie neben den Geschützen machen ein Auswechseln derselben, wie es bei uns zum Munitionsersatz geschieht, unmöglich . Zum Munitionsersatz eilen in den Feuerpausen alle Bedienungsmannschaften, mit Ausnahme der Richtkanoniere, zu den beiden Hinterwagen des ersten Ersatzes.
Jeder empfängt hier 2 Patronen, die er
zu dem Hinterwagen seines Geschützes trägt. Dies Verfahren wird Leere Hinterwagen der wiederholt, bis der Bedarf gedeckt ist. Munitionswagen des Staffel ausgetauscht .
ersten Ersatzes werden wie bei uns
aus der
Die 10 Protzen der französischen Schiefsbatterie nehmen, wenn sie nicht mit der Staffel vereinigt werden, für gewöhnlich 100 m, die Staffel nicht mehr als 500 m hinter der Feuerlinie Aufstellung . So befinden sich bei den Franzosen in der feuernden Batterie etwa 1/3, 100 m dabinter etwa 1 und nicht über 500 m hinter der Feuerlinie etwa 12 der gesamten Munitionsausrüstung der Batterie. Bei uns sind in der Feuerlinie etwa 6 , 300 m dahinter etwa ½ und 600 m hinter der Batterie etwa 1 ,3 der Munitionsausrüstung vorhanden. Der Abstand der französischen Protzen von 100 m ist zu gering, um dieselben dem gegen die Batterie gerichteten Schrapnellfeuer zu entziehen. Die Vereinigung derselben mit der Staffel, welche als unter Umständen vorteilhaft bezeichnet wird, ist es nur, wenn ihre Aufstellung gegen die Sicht des Feindes völlig gedeckt ist . Anderenfalls mufs die Ansammlung so vieler Pferde und Fahrzeuge an einer Stelle als höchst bedenklich erscheinen. Vor einem Stellungswechsel sollen die französischen Batterieführer die Schiefsbatterie mit vollem Munitionswagen ausstatten. Diese Bestimmung verdient wegen ihrer Zweckmässigkeit und aus dem Grunde Aufnahme in unser Reglement, weil die rechtzeitige Sorge für frische Munition vor einem Stellungswechsel in der Hitze des Gefechts vom Batterieführer um so leichter vergessen werden kann, wenn ihn an diese Pflicht eine ausdrückliche Bestimmung des Reglements nicht besonders erinnert. Der gröfsere Munitionsvorrat in der französischen Feuerlinie verleiht dieser eine erhöhte Gefechtskraft. Im Kampfe mit Schnellfeuergeschützen werden auch wir zu einem rascheren Munitionsverbrauch gezwungen werden.
Die 156 Schufs der drei Munitions-
hinterwagen der Gefechtsbatterie sind bald zu Ende. Das Auswechseln derselben im feindlichen Feuer ist aber nicht so einfach, wie es bei
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie. den Friedensübungen erscheint.
Ich halte es für
149
in den meisten
Fällen entschieden einfacher und weniger verlustreich, gleich beim Abprotzen hinter jedem Geschütz einen Munitionshinterwagen aufzustellen. Nach Einführung von Schnellfeuergeschützen werden wir zu einer derartigen oder ähnlichen Mafsregel sowieso gezwungen werden. Es sei an dieser Stelle eine Bemerkung gestattet, die
taktischen Grundsätze der Feldartillerie nur
welche auf
mittelbar Bezug
hat. Bei unseren Haubitzen sind sämtliche Schrapnells in den Protzen verpackt. Wird eine Haubitzbatterie wie eine Kanonenbatterie verwandt, so zwingt dies zum Abspannen der Munitionswagenprotzen oder zum Herausnehmen ihrer Geschofskörbe. Beides hat schwere Nachteile. Besonders dauert das Abspannen sehr lange und ist im feindlichen Feuer schwierig. Setzt man zugunsten der Schrapnells die Zahl der Granaten der auf 182 herab, so können sie in den Protzen
Batterie von 192
untergebracht und sämtliche Munitionshinterwagen mit Schrapnells gefüllt werden . Beim Gebrauch der Granaten ist im allgemeinen mehr Zeit und meist auch mehr Deckung vorhanden und das Abspannen bezw. Auspacken der Körbe leichter auszuführen . An die Spitze der Bestimmungen über Stellungswechsel setzt unser Reglement die Worte : „Jeder Wechsel der Feuerstellung unterbricht die Wirkung. zweck
ihn
Er ist nur da vorzunehmen, wo der Gefechts-
bedingt. "
Das französische Reglement beginnt :
„ Der
Stellungswechsel ist oft nützlich, wenn die Verhältnisse sich geändert haben, welche das Einnehmen der Stellung bedingten. Man darf nicht vergessen, dafs eine einige Zeit innegehabte Stellung gefährlich wird, wenn der Feind sie hat entdecken können. “ In
dem
Streben
Feuerwirkung ,
das
nach sich
Abschwächung
der
feindlichen
als leitender Faden neben dem
nach
Ausnutzung der eigenen Feuerkraft durch ihr Reglement zieht, haben die Franzosen eine uns bis dahin unbekannte Art von Stellungswechseln geschaffen zu dem Zweck, die Batterien dem feindlichen Feuer zu entziehen . Ich glaube, dafs diese Stellungswechsel oft nicht auszuführen und meist verlustreicher sein werden als das Ausbarren e. F. hinter den Schilden - im feindlichen Feuer. An anderer Stelle wird von französischer Seite betont,
dafs die grofse
Feuervirkung der modernen Geschütze die ins Gefecht getretenen , im Feuer befindlichen Batterien unbeweglich mache. Die Forderung des Stellungswechsel, um sich dieser Wirkung zu damit im Widerspruch.
Auch
zum
Zweck
der Erhöhung
entziehen,
steht
der eigenen Wirkung
150
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie .
verlangen die Franzosen von ihrer Artillerie
Stellungswechsel in
umfangreichem Mafse . Zur Vorbereitung des entscheidenden Angriffs soll eine räumliche Massenvereinigung der Artillerie vor dem Angriffsobjekt erfolgen, zur Begleitung des Infanterieangriffs ein grösserer Teil der Artillerie vorgeben . Die Franzosen scheinen die Beweglichkeit ihrer Artillerie auf dem Schlachtfelde zu überschätzen. Die Leistungen der modernen Kanonen machen Stellungswechsel zur Erhöhung der eigenen Wirkung mehr als früher entbehrlich. Ich möchte daher die den französischen Ansichten widersprechende oben angeführte Einleitung unseres Reglements zum Kapitel „ Stellungswechsel" trotz Schnellfeuerkanonen nicht vermissen.
Über die Vorbereitung der Stellungswechsel sagt das französische Reglement : „ Die Stellungswechsel werden durch die Artillerie- und Abteilungskommandeure vorbereitet. " Sobald die Batterien in Stellung sind, lassen die Abteilungskommandeure durch die Aufklärer die Ausgänge und die Wege nach den verschiedenen Richtungen erkunden , nach denen die Batterien gezwungen sein können vorzugehen . In der Praxis auch bei uns geübt, verdienen diese Bestimmungen eine Aufnahme in unser Reglement. Über die Bildung zweier Geschützlinien hintereinander enthält das
neue französische Reglement keine Vorschriften .
Aus
der Bemerkung Rouquerols, dafs Steilfeuergeschütze den Vorteil auf den Schlachtfeldern böten, da, wo es an Platz für die Artillerie fehlt ,
eine
zweite
Geschützlinie
hinter
den Kanonen
zu
bilden,
scheint hervorzugehen, dafs man in Frankreich die Bildung zweier Linien von Kanonenbatterien nicht für zweckmäfsig hält. Trotz der mannigfachen Nachteile , Artillerie aufzustellen, im Gefolge hat, Schwierigkeiten
in der
für
den
welche diese Art , es sei nur an
Munitionsersatz
die die
nötigen Tiefen-
gliederung der vorderen Linie, in der Feuerleitung, der Befehlsübermittelung und Beobachtung erinnert werden wir unter Umständen nicht ohne dieselbe auskommen . Beim Angriff wird allerdings die Artillerie meist ihre erste Stellung in einer Linie einnehmen. Mehrere Linien hintereinander werden dann aber unter Umständen durch Vorgehen eines Teils der Batterien, sei es zur wirksameren Bekämpfung der feindlichen Artillerie, sei es zur Vorbereitung oder Begleitung des Infanterieangriffs sich ergeben. In der Verteidigung , besonders in vorbereiteten Stellungen, wird das Bilden zweier Geschützlinien hintereinander häufiger vorkommen können und müssen . Die Möglichkeit dazu wird hier eher geboten, weil das ausgewählte Gelände diese Art der Aufstellung öfter begünstigt, und weil durch Bereitstellen ausreichender
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie .
151
Munition die Schwierigkeiten der Tiefgliederung zum Teil gehoben werden können.
Die Notwendigkeit ergibt sich,
weil in vielen
Fällen nur in der Aufstellung in 2 Linien für die Verteidigung das Mittel liegt, dem umfassenden Angriff eine ebenbürtige Artilleriekraft entgegenzustellen. Die knappe Fassung unseres Reglements : „Bei Raummangel kann, wenn das Gelände dies begünstigt, die Aufstellung zweier läfst völlige Geschützlinien hintereinander von Nutzen sein ," Freiheit auch nach den eben erörterten Grundsätzen den Geländeund den taktischen Verhältnissen entsprechend zu handeln .
Zwei Grundgedanken beherrschen die Prinzipien, welche das französische Reglement für den Kampf der verbundenen Waffen aufstellt : Nur durch das innigste, beständige Zusammenwirken der verschiedenen Waffen ist ein Erfolg in der Schlacht zu erreichen und nur der rücksichtslosesten Offensive ist dieser Erfolg beschieden. Beides wird als Folge aus der Einführung der Schnellfeuergeschütze hergeleitet. Die formidable Wirkung derselben zwingt jede in ihren Bereich getretene Truppe zur sorgfältigsten Ausnutzung auch der geringsten Deckung und macht sie in dieser unbeweglich. Eine Vorwärtsbewegung ist nur durch gleichzeitige und gemeinsame Anstrengung der verschiedenen Waffen zu erreichen und deshalb zwingt das Schnellfeuergeschütz mehr als je vorher zu innigem Zusammenwirken derselben. Um den Angriff die Möglickeit des Fortschreitens zu schaffen , ist
es
nötig,
die gewaltige Wirkung der feindlichen Feuerwaffen
durch überlegenes Feuer zu dämpfen, zu paralysieren .
Dazu ist das
Schnellfeuergeschütz, die Waffe der „ neutralisation par excellence " ganz besonders geeignet. Daraus folgt, dafs das Schnellfeuergeschütz die Offensive in hohem Mafse begünstigt , und dafs diese daher allein Erfolg in der Schlacht verspricht. Ohne die letzten Folgerungen auf ihre absolute Richtigkeit zu prüfen, können wir beiden Grundsätzen der Franzosen aus tiefster Überzeugung beistimmen und wünschen, dafs der erste derselben uns noch mehr in Fleisch und Blut übergehe.
In dem Kapitel „ Angriff auf befestigte Feldstellungen" unseres Reglements finden wir die Bestimmung, dafs " es eine Hauptaufgabe
152
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie .
der Führung sei, die allmähliche Entwickelung der Infanterie mit dem durch das Artilleriefeuer gewährten Schutz in Einklang zu bringen .
Diese Übereinstimmung
der Tätigkeit beider Waffen ist
aber nicht nur beim Angriff auf befestigte Feldstellungen, sondern stets und überall nötig. Jene Bestimmung dürfte daher zweckmässig unter die allgemeinen Grundsätze aufzunehmen sein . An die Spitze derselben sind aber in grofsen Lettern die Worte der Nr. 345 in etwas abgeänderter Form zu setzen : „ Die Artilleriewirkung wird am ergiebigsten sein, wenn gleichzeitiges Vorfühlen und Anfassen der
eigenen Infanterie
zwingt." Das
den
Zusammenwirken
Feind der
zum
Zeigen
verschiedenen
Waffen
französischer Ansicht von Beginn des Gefechtes Der Artilleriekampf mufs
seiner Truppen hat
nach
an zu erfolgen .
daher aufhören eine
besondere
Phase des Gefechtes zu bilden. Die Hauptaufgabe der Artillerie ist die Vernichtung der feindlichen Infanterie und der Artilleriekampf nur soweit zu führen, wie es die Erfüllung dieser Aufgabe erfordert Er darf dann aber nicht ohne Mitwirkung der Infanterie ausgefochten werden, sondern mufs in dem tatkräftigsten Eingreifen derselben Unterstützung finden. Das sind durchaus berechtigte Forderungen. Der Artillerie-
kampf wird sich aber oft als besondere Phase der Schlacht aus dem Gange der Gefechtsentwickelung heraus von selbst ergeben. Das Prinzip , die Infanterie gleichzeitig mit der Artillerie einzusetzen und „ den Kampf nicht in eine gesonderte, langwährende Artillerievorbereitung und nachfolgenden Infanterieangriff zu trennen" ist zweifellos für jeden Angriff durchaus richtig. Man kann aber nicht stets alles gleichzeitig entwickeln und wird häufig die Artillerie unter dem Schutze schwächerer Infanterie einsetzen müssen, weil sie zuerst zur Hand ist.
Daraus entsteht von selbst ein Artillerieduell
als Einleitung der Schlacht. haltsame
Entwickelung
der
Es möglichst abzukürzen durch unaufInfanterie ist Sache der Führung.
Nimmermehr darf die Infanterie den untätigen Zuschauer bei diesem Artilleriekampf spielen. Der Artilleriekampf wird auch nach Ansicht der Franzosen nicht mehr wie früber mit der entschiedenen Unterlegenheit der einen, dann endgültig zum Schweigen verurteilten, Artillerie endigen . Er wird zäher, schwankender, länger dauernd werden und gröfsere Munitionsmengen beanspruchen. Das ist eine Folge der Schilde . Zeigt sich heute die überlegene Wirkung des feindlichen Schnellfeuers, so deckt sich die Bedienung auf Befehl des Batteriechefs hinter den Schilden, läfst den Orkan des feind-
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie .
153
lichen Blei- und Eisenhagels wirkungslos über sich hinwegbrausen and nimmt zu gelegener Zeit das Feuer mit nahezu ungeschwächten Kräften wieder auf. Deshalb ist es ein grofser Fehler, vor dem das französische Reglement ausdrücklich warnt, zum Schweigen gezwungene feindliche Batterien als niedergekämpft zu betrachten und von einer scharfen Beobachtung derselben abzusehen. Interessant ist es, wie die Franzosen sich den Kampf gegen eine Schildbatterie denken. Steht sie verdeckt, so ist ihr nach französischen Ansichten so gut wie gar nicht beizukommen . Steht
sie unverdeckt, so wird sie mit Schrapnell- Bz überschüttet, bis sie das Feuer einstellt. Dann sollen unter dem Schutze einiger stehenübrigen Batterien die Entfernungen bleibender nähere auf (1500-1800 m ) herangehen und die feindlichen Schilde mit Az zerschmettern . Zweifellos ein einwandfreies Verfahren, wenn über die nötige Zahl von Batterien verfügt ! Besonderen Erfolg
gegen Schild batterien versprechen
sich die
Franzosen von schrägem bezw. Flankenfeuer , das ihr Reglement mehrfach empfiehlt. Dagegen läfst sich nichts einwenden, sobald eben ein schräges oder Flankenfeuer möglich ist . Das ist aber nur in kleinen Verbänden der Fall, in der grofsen Schlacht im allgemeinen nicht. Verdeckt stehende Schildbatterien sind mit unseren heutigen
Geschossen allerdings nur mit geringem Erfolge zu bekämpfen, freistehende nur mit einem erheblichen Aufwande an Munition und was schlimmer ist an Zeit. Die verdeckt stehenden Batterien kann das energische Vorgehen der Infanterie schon zu Beginn des Artilleriekampfes , der drohende Infanterieangriff zum Verlassen der Deckungen zwingen. In beiden Fällen kann vielleicht der Geschofskonstrukteur das Mittel zur wirksameren Bekämpfung Die ihm obliegende Aufgabe kann hier nur kurz angedeutet
liefern .
werden. Das Durchschlagen der Schilde durch die Schrapnellkugeln scheitert an ihrer geringen Querschnittsbelastung und ihrer ungünstigen Form. In Nr. 118 des Militär-Wochenblattes vom Jahre 1902 habe ich bereits den Vorschlag gemacht, zur Füllung der Schrapnells statt der Kugeln Pfeilgeschosse zu verwenden. Die grofsen Bedenken, welche einer solchen Konstruktion entgegenstehen, verkenne ich nicht ; trotzdem empfehle ich nochmals einen praktischen Versuch. Es würde ja schon ein grofser Erfolg sein , wenn nur ein Teil der Pfeilgeschosse in regelmässiger Flugbahn das Ziel erreichte . Ein anderes Mittel zur Bekämpfung von Schildbatterien findet sich vielleicht in dem im Bogenschufs verfeuerten Schrapnell - Bz
154
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie.
der Haubitze . Es darf nicht verkannt werden, dafs auch diesem Vorschlage erhebliche Bedenken entgegenstehen. Die steil einfallenden Schrapnellkugeln haben eine geringe Tiefenwirkung. Daher ist ein genaues Regeln der Sprengweiten erforderlich. Wird sich dasselbe in kriegsmäfsig einfacher Weise genügend schnell ausführen lassen? Der heutige Brennzünder des Geschosses reicht für den Bogenschufs bei weitem nicht aus. Ist die Konstruktion eines für den Flachbahn- und den Bogenschufs verwendbaren Brennzünders möglich, ohne die Gewichtsverhältnisse des Schrapnells in unzulässiger Weise zu stören ? Die Vorliebe der Franzosen für die Offensive tritt äufserlich dadurch in die Erscheinung, dafs das französische Exerzierreglement fast ausschliefslich vom Gebrauch der Feldartillerie beim Angriff spricht.
Von
der Verteidigung handeln nur sieben Zeilen ,
welche die Ausnutzung der vorhandenen Zeit zur Vorbereitung des Schiefsens sowie zur Erkundung der wahrscheinlichen Stellungen vorschreiben und die Feuereröffnung ohne ausdrücklichen Befehl des Truppenführers verbieten . Allerdings hat dies seinen Grund darin, dafs die Franzosen keinen Unterschied in der Verwendung der Artillerie beim Angriff und in der Verteidigung kennen , „Der Gebrauch der Artillerie ist denselben Prinzipien unterworfen, ob es sich um Angriff oder Verteidigung handelt. Jeder Kampf setzt sich aus einer Reihe von Einzelkämpfen zusammen und zeigt abwechselnd
Erfolge
und
Mifserfolge ,
Angriff und
Verteidigung .
Deshalb ist es nicht rationell, nach einer allgemeinen Gewohnheit den Fall der Offensive und der Defensive im Gebrauch der Artillerie zu unterscheiden . " In diesen Worten Rouquerols liegt wohl etwas Wahres.
Durch
die Schilde ist der Artillerie eine gesteigerte Defensivkraft verliehen , die sich hauptsächlich dadurch beweist, dafs auch die Angriffsartillerie der Festsetzung der Nr. 359,, unseres Reglements Rechnung tragen und sich überlegener Artillerie gegenüber der feindlichen Feuerwirkung vorübergehend hinter
den Schilden
entziehen kann .
Im übrigen bieten Angriff und Verteidigung auch für den Gebrauch der Artillerie so verschiedene Bedingungen, dafs ich Rouquerols Ansichten nicht beizustimmen vermag und die Trennung unseres Reglements für richtiger halte. Die Schlacht selbst wird von den Franzosen in Einleitung. Vorbereitung, Entscheidung und Beendigung eingeteilt. Die Einleitung des Kampfes fällt den Avantgarden zu . Ihre Batterien sollen sich dazu im Gelände verteilen und so verdeckt wie möglich auffahren . Sie sollen vermeiden, sich in ganzer Stärke
155
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie. zu engagieren und sich Reserven halten.
Sie sollen von ihrer Be-
weglichkeit Gebrauch machen, um sobald wie möglich die Stellung zu wechseln, wenn ein Schiefsen den gesuchten Zweck erreicht hat. Eine Verteilung der Batterien im Gelände ,
welche bei
den Avantgardenkämpfen meist möglich ist, erschwert ihr Auffinden durch den Feind , vermindert die Verluste, kann unter Umständen den Gegner durch die gröfsere Front über die Stärke der entwickelten Artillerie täuschen , ihn vielleicht veranlassen , selbst stärkere Kräfte zu entwickeln und so der Avantgarde ihre Aufgabe der Erkundung der feindlichen Kräfte erleichtern . Sie erschwert dagegen die Befehlsführung wie die Feuerleitung und birgt die Gefahr der Vermischung der Verbände beim Einrücken der Batterien des Gros. Sie kann unter Umständen zweckmäfsig sein ; als Regel möchte ich sie nicht empfehlen. Das auf die Avantgarden artillerien angewandte Prinzip der Ökonomie der Kräfte rückt die Motive, aus denen die Bei AvantgardenFranzosen es herleiten, in ein helles Licht. kämpfen sind die Verhältnisse beim Feind meist wenig geklärt. Es kann jeden Augenblick die Notwendigkeit eintreten, gegen unvermutet erscheinende Ziele Batterien einzusetzen. Bereits im Feuer stehende
sind aber
meist gebunden
und zu anderer Verwendung
nicht verfügbar. Daher soll die Avantgardenartillerie sich Reserven halten. Diese sind aber zur sofortigen Verwendung bereit gestellte , meist schufsbereit in der Feuerstellung stehende Batterien.
Bedenkt
man, daſs die Forderung des französischen Reglements nach Reserven verdeckt -- in Stellung geebensogut lauten könnte : „Die gangene
Avantgardenartillerie
hat
das
Feuer
nur
mit
so
viel
Batterien zu eröffnen, wie zur Erreichung des bestimmten Gefechtszweckes nötig sind," so kann man gegen das Prinzip der Ökonomie der Kräfte auch bei der Avantgarde nichts einwenden. Zu verlangen ist allerdings, dafs die Reserven sich möglichst en position de surveillance befinden, denn gerade hier ist ein überraschendes Auftreten neuer Ziele möglich und ein sofortiges Einsetzen neuer Batterien gegen dieselben oft nötig. In gewissem Zusammenhange mit dem Prinzip der Ökonomie der Kräfte steht die Forderung an die Avantgardenbatterien, grundsätzlich so verdeckt wie möglich aufzufahren. Zweifellos sind
die Rücksichten auf Deckung gegen das feindliche Feuer und auf Erschwerung der feindlichen Erkundung mit mafsgebend gewesen. In offenen Stellungen ist aber das Prinzip der Ökonomie der Kräfte mit den hier nötigen Batterien en position de surveillance nicht durchzuführen . Daher „ so verdeckt wie möglich !"
156
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie. Das verdeckte Auffahren bedeutet stets eine Verzögerung in der
Feuereröffnung .
Avantgardenbatterien werden oft durch ungedecktes
Auffahren und schleunigste Feuereröffnung grofse Erfolge erreichen können . Es ist daher bedenklich, ihnen grundsätzlich ein Auffahren so verdeckt wie möglich zur Pflicht zu machen . Die häufigen Stellungswechsel der Avantgardenbatterien halte ich, wie bereits an anderer Stelle bemerkt, nicht für kriegsmäfsig . In Friedensmanövern, wo die Verluste fortfallen. und eigene Wirkung nicht hervortritt, mögen das Erscheinen der französischen Avantgardenbatterien
in völlig
verdeckter Stellung, ihr dort ab-
gegebenes Schnellfeuer und ihr darauffolgendes Verschwinden, um an auderer Stelle dasselbe Spiel zu wiederholen, äusserst effektvoll und der rapidité und der puissance du tir des neuen Materials zu entsprechen scheinen. Als Regel für den Krieg hingestellt, will mir dies Verfahren fast wie eine Spielerei vorkommen . In der Entwickelung der Batterien des Gros zur Durchführung des Vorbereitungskampfes erstreben die Franzosen wie wir Gleichzeitigkeit, Überraschung und Feuerüberlegenheit von Anfang an. der
Besonderen Wert legen sie darauf, durch die anderen Waffen Artillerie eine zône de sécurité et de manoeuvre za
schaffen, ehe sie in Stellung geht. Unserer Artillerieentwickelung , wie sie die deutschen Manöver zeigen, wird von den Franzosen vorgeworfen, dafs sie vielfach übereilt und ohne genügenden Infanterieschutz erfolgt. Dieser Vorwurf ist nicht ganz unberechtigt . Er sollte uns eine ernste Mahnung sein, jede Überstürzung bei der Entwickelung unserer Artillerie auch im Frieden zu vermeiden . Was wir uns hier angewöhnen, werden wir auch auf den Krieg übertragen. Eine übereilte Entwickelung der Artillerie ohne den durch unser Reglement vorgeschriebenen
genügenden Schutz
durch vor-
geschobene Infanterie gegen das Feuer gegnerischer Infanterie gefährdet die Sicherheit der eingesetzten Batterien und birgt die Gefahr, dafs die Masse der Artillerie nach ungenügender Erkundung in
falscher
Richtung
oder
gegen
einen
Schleier
schwacher Truppen in Stellung gebracht wird . Von den Aufgaben, welche der Artillerie
vorgeschobener in
dem Vor-
bereitungskampf zufallen, führt das französische Reglement als erste die Unterstützung der Infanterie, erst in zweiter Linie den Kampf mit den feindlichen Batterien an. Das ist charakteristisch, denn es wird dadurch zum Ausdruck gebracht, welche von den Franzosen für die erste und die Hauptaufgabe der Artillerie gehalten wird.
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie.
157
Beim Entscheidungskampf unterscheiden die Franzosen die besondere Vorbereitung und die Ausführung. Die von ihnen bierfür gegebenen Grundsätze sind im allgemeinen die gleichen wie bei uns, doch halten die französischen Taktiker für die besondere Vorbereitung eine räumliche Vereinigung der Masse der Artillerie in grofsem Stil vor dem Angriffspunkt für möglich und für notwendig.
Dies Wiederaufleben der Napoleonischen Ideen von der
Verwendung der Artillerie, wie sie z. B. die Schlachten von Wagram und Lützen zeigen, ist auf unsere heutigen Heere nicht zu übertragen, einmal, weil die Konzentration der Masse in dem Feuer der heutigen Geschütze erheblich schwieriger und zweitens, weil die Artillerie beute bedeutend zahlreicher geworden ist. Wenn Langlois zum entscheidenden Angriff gegen eine Front von 1500 bis 2000 m 50 bis 100 Batterien vereinigen will, so mufs man sich unwillkürlich fragen : finden?"
„Wo sollen alle diese Batterien Platz
Die grofsen Schufsweiten unserer Geschütze ermöglichen ein Massenfeuer anf das Angriffsobjekt, wie es in unserem Reglement vorgesehen ist, auch ohne räumliche Vereinigung. Das schliefst natürlich nicht aus, dafs unter Umständen einzelne Batterien oder Abteilungen Stellungswechsel vornehmen, um an diesem
Kampfe
überhaupt oder unter günstigeren Bedingungen teilnehmen zu können , und dafs die Artillerielinie durch noch nicht in Tätigkeit gewesene Batterien der Korps zweiter Linie usw. verstärkt wird. Mit der besonderen Vorbereitung des entscheidenden Angriffs wollen die Franzosen den Feind überraschen und den Angriffspunkt nicht durch vorzeitige Beschleunigung des Feuers verraten. Durch die von ihnen geplante Vereinigung von Artilleriemassen vor der Angriffsfront zu Beginn der besonderen Vorbereitung wird diese Überraschung des Feindes in vielen Fällen in Frage gestellt. Die
Trennung
der
scheidenden Angriff ist bei
Rollen
für
die
den Franzosen
Artillerie
beim
ent-
schärfer als bei uns .
Während der besonderen Vorbereitung teilen sie ihre Artillerie in batteries de brèche , zur Beschiefsung der Einbruchsstelle , und in contre - batteries , zum Kampf mit der wieder auftretenden feindlichen Artillerie ein. In dem Zahlenverhältnis beider Arten von Batterien hat das Schnellfeuergeschütz eine erhebliche Abweichung von unseren Bestimmungen herbeigeführt. Unser Reglement sagt : ".... so mufs trotzdem die Hauptfeuerkraft zur Unterstützung des Infanterieangriffs eingesetzt bleiben . " modernen Geschützen gegenüber zu
Zwei Gründe zwingen den einer grösseren Zahl von
Kontrebatterien. Die Schilde ermöglichen Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 401.
einer gröfseren Zahl 11
158
zum
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie.
Schweigen gezwungener feindlicher Batterien die Wiederauf-
Die Wucht ihres Schnellfeuers zwingt zur schleunigen, energischen Bekämpfung. Bei einem Beispiel in seinen ,,Consequences tactiques" teilt Langlois von 33 Batterien 18 als batteries de brèche und 15 als contre-batteries ein. Schnellfeuernahme des Kampfes.
geschützen mit Stahlschilden gegenüber werden auch wir zu einer ähnlichen Einteilung greifen müssen . Zu den beiden genannten Rollen treten bei der Ausführung des entscheidenden Angriffs zwei weitere : die batteries d'accompagnement und die batteries d'encadrement. Beide gehen zur Unterstützung der Infanterie mit dieser vor, die batteries d'encadrement mit dem ausgesprochenen Spezialzweck , einem Vorgehen des Feindes gegen die Flanken des Angriffs entgegenzutreten . Über die Stärke der den Infanterie angriff begleitenden
Artillerie
bestimmt unser Reglement : „ Um den Angriff der Infanterie zu erleichtern, empfiehlt es sich, ihr Vorgehen durch einzelne Batterien oder Abteilungen begleiten zu lassen. " Das französische Reglement sagt im Gegensatz hierzu : „Diviser l'artillerie qui a coopéré à la préparation spéciale en deux fractions. " Hier eine Zweiteilung, bei uns einzelne Batterien oder Abteilungen ! In dem oben angeführten Beispiele teilt Langlois 10 batteries d'accompagnement und 12 batteries d'encadrement ein. In dem Streben, den Offensivgeist auf das Äufserste zu treiben, gehen die Franzosen hier zu weit.
Das Begleiten des Infanterie-
angriffs durch solche Artilleriemassen ist unter normalen Verhältnissen nicht möglich. Die Mehrzahl der Batterien wird unter dem feindlichen Gewehrfeuer zusammenbrechen , ohne zu Schufs zu kommen. Wir wollen gewils die Nr. 344 unseres Reglements bestehen lassen und, wenn es sein mufs, auch das schärfste Infanteriefeuer nicht scheuen. Wir wollen aber bei der Unterstützung des Infanterieangriffs stets bedenken, dafs wir unserer Infanterie mehr nützen , wenn wir sie aus weiter rückwärts gelegenen Stellungen mit wirksamen Feuer als mit den im feindlichen Feuer zusammenbrechenden Geschützen begleiten.
Artillerie gehört nicht in die Schützenlinien,
um so weniger, je vollkommener die Schufswaffen geworden sind . Die Vervollkommnung des Gewehres nimmt uns die Möglichkeit, erfolgreich in der Schützenlinie aufzutreten, das vervollkommnete das Herangehen Geschütz macht auf die nächsten Entfernungen
überflüssig.
Es
bleibt als Zweck nur die moralische
Unterstützung. Daſs aber eine Schützenlinie moralisch nicht gestärkt wird, wenn sie ihre Batterien unter dem feindlichen Feuer zusammenbrechen sieht, liegt auf der Hand .
159
Verwendung der deutschen und französischen Feldartillerie.
Den französischen Ansichten über die Begleitung des Infanterieangriffs in ihrer Übertreibung können wir uns in keinem Falle anschliefsen. Die Grundsätze der Franzosen für den weiteren Verlauf des Kampfes im Falle des Gelingens wie des Mifslingens des Angriffs, bei der Verfolgung und beim Rückzug unterscheiden sich von den unserigen im wesentlichen nicht. Das Kapitel : „ Angriff auf befestigte Feldstellungen “ unseres Reglements fehlt bei den Franzosen ganz . Es wird dies damit begründet, dafs jedes Schlachtfeld sich aus Stützpunkten, Örtlichkeiten, Befestigungen, natürlichen und künstlichen Hindernissen zusammensetze,
und dafs daher die für den Angriff auf befestigte
Feststellungen zu gebenden
Vorschriften auf jeden Angriff anzu-
wenden seien . Ich kann dem nicht unbedingt zustimmen. Eine Anzahl unserer für den Angriff auf befestigte Feldstellungen gegebenen Bestimmungen haben gewifs heuzutage für jeden Angriff Gültigkeit. Der Angriff auf befestigte Feldstellungen bietet aber andererseits
so viele
besonderere
Verhältnisse,
dafs
eine
völlige
Streichung des Kapitels nicht ratsam ist. ihre
Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dafs die Franzosen taktischen Grundsätze in durchaus durchdachter Weise dem
neuen Material angepasst, und dafs sie den beiden Hauptmomenten, welche dasselbe auszeichnen, der durch die grofse Feuergeschwindigkeit erhöhten Offensivkraft und der gröfseren Defensivkraft infolge der Schilde nach jeder Richtung hin Rechnung zu tragen gesucht haben. Für uns steht die Einführung eines neuen Materials in nächster Zeit bevor.
Mit demselben
erwächst auch
uns
die
Pflicht,
die
Grundsätze für die taktische Verwendung der Artillerie den Schnellfeuergeschützen mit Stahlschilden anzupassen .
Prüfen wir daher die
Neuerungen der Franzosen sorgfältig auf ihre Brauchbarkeit für uns . Vieles,
was
uns
auf dem ersten Blick fremd und unzweckmäſsig
erscheint, gewinnt im Lichte anderes Aussehen.
der Schnellfeuergeschütze
ein völlig
11*
160
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerie-Offiziers . X.
Erinnerungen
und
Erwägungen
eines
alten
Kavallerie-Offiziers . Von General der Kav. z. D. , General-Adjutant Freiherr v. Sazenhofen.
III . Der Fortschritt im allgemeinen ,
wie auch in der Truppen-Ver-
wendung und Führung, insbesondere aber für die Kavallerie, ist nur denkbar, wenn auf den vorausgegangenen Erfahrungen weiter gebaut wird. Das Studium der Kriegsgeschichte bietet zwar eine wesentliche Grundlage ; es sind aber bei demselben verschiedene Schwierigkeiten nicht zu verkennen, welche sich für die Beurteilung der taktischen und Gefechts-Verhältnisse bemerklich machen. Diese Momente herauszufühlen, ist für die Kavallerie von hoher Bedeutung, kann nur bei tieferem Verständnisse der Waffeneigentümlichkeiten gewonnen und dann auch in der Praxis verwertet werden. Nachdem die Kriege in neuester Zeit sehr selten geworden sind, müssen die Erfahrungen
aus früheren Kriegen an Bedeutung ge-
winnen und schon im Frieden verwertet werden.
Erfahrungen und
Gesichtspunkte nicht mit den Persönlichkeiten zu begraben, welche in der Lage waren, dieselben zu finden, scheint immerhin von Bedeutung. Friedensübungen, welche auch für die Kavallerie ganz entsprechend geleitet sind, bieten hierfür eine fortlaufende Gelegenheit , namentlich wenn die Organisation derartig ist, dals Leitung und Führung, dafs die Truppenverbände längere Zeit gleich bleiben. Für die Kavallerie ebenso, wie für die anderen Waffen . Wir übergehen die Übungen diesseits und jenseits der Grenzen vor dem Jahre 1870, obgleich dieselben mindestens teilweise darüber Zeugnis zu geben vermöchten,
wohin man unter Umständen gerade
in Beziehung auf die Kavallerie gelangen kann, wenn der Fortschritt nicht nach jeder Richtung angestrebt bleibt ; wie namentlich auch die Epoche 1762-1792 zur Evidenz zu beweisen vermag. Die Folge hiervon war aber, dafs grofse Kavallerie- Angriffe von den Schlachtfeldern der Revolutions-Kriege verschwanden, trotzdem die Verhältnisse bei den Gegnern geradezu die glänzendsten Erfolge in sichere Aussicht gestellt haben.
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerie-Offiziers .
161
Anstatt weiterer theoretischer Behandlung dieses Themas , gehe ich zu Betrachtungen einzelner Übungstage über. Bei einer gröfseren Truppenübung erhält die Kavallerie -Brigade der einen Partei den Befehl : „an den rechten Flügel za reiten und dort die abfahrende Artillerie des Gegners anzugreifen " . Da angelangt,
konnte diese Brigade ,
im Terrain
ziemlich gedeckt,
eine
umfassende Bewegung ausführen, die gleich starke Bedeckung jener Artillerie angreifen, sich hierdurch in eine günstige Gefechtslage versetzen.
Mit Bewältigung der Bedeckung war auch die Artillerie
verloren. Der Befehl aber lautete ganz bestimmt zum Angriffe in einem genau bezeichneten Momente. Es könnte hier zwar eingewendet werden, dafs der Führer sich in solchen Fällen durch einen Befehl nicht gebunden halten sollte . Wir bemerken jedoch, es bleibt unbedingt besser, schon bei Friedensübungen Befehle zu geben , welche der Initiative des Kavallerieführers eine Einschränkung nicht auferlegen. Wollte man in jedem Falle eine Attacke der Brigade sehen, hätte der Befehl lauten sollen : „Die Kavallerie an den rechten Flügel und reitet dort eine Attacke ". In der ersten Zeit nach 1870 war noch ziehung auf die Kavallerie
überhaupt,
vieles unklar in Be-
insbesondere
aber über die
Taktik von Kavalleriedivisionen . Die Taktik und die Angriffe auf Kavallerie und Artillerie hatten bald festere Grundsätze gewonnen. Für die ersteren waren die lange in Vergessenheit geratenen Prinzipien, welche in den Dispositionen vom 25. Juli 1744 festgesetzt wurden, auch für alle Zukunft von höchstem Werte ; bei Kanitz, Nachrichten und Betrachtungen, heilst es :
„ der Kern derselben
dieser Dispositionen wird, solange es Reiterei gibt, seinen Wert behalten". Die Bewaffnung der Kavallerie mit Lanzen kann die Bedeutung jener Prinzipien nur erhöhen.
Die Lanze ist bei dem
festgeschlossenen Angriffe unstreitig die Königin der Waffen ; im Handgemenge verliert sie diesen Rang, um denselben bei der Verfolgung wieder einzunehmen . Attacken, welche nicht festgeschlossen and mit gröfster Vehemenz auf den Gegner stolsen, werden stets zu andauernden Handgemengen führen, in welches sich alle Abteilungen stürzen ; es ist dann selbstverständlich, dafs allgemeine völlige Auflösung und das Aufhören jeder Leitung unvermeidlich eintreten muſs . Nur sehr selten finden wir eine Schilderung solcher Verhältnisse , wie sie der Beobachter des grofsen Kavalleriekampfes bei Stresetitz in der gleichnamigen Schrift veröffentlicht hat.
Die genannten Dis-
positionen, wie alle Traditionen stellen andere Gesichtspunkte und Ziele auf.
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerie- Offiziers.
162
Für die Angriffe auf Artillerie waren schon in den ersten Bestimmungen Prinzipien aufgestellt. Für Angriffe auf Infanterie wechselten im Laufe der Zeit mehrfach Formen und Grundsätze. Gegen Ende der 70er Jahre führte der Kommandeur unserer Kavallerie-Division unter anderem einmal die Division --- 3 Brigaden in Zugskolonnen gedeckt in einer Terrain-Vertiefung gegen den
nebeneinander Flügel
einer kämpfenden
verlassen werden musste,
Infanterielinie.
Als die deckende Mulde
brachen die 3 Eskadrons an der Tete im
Galopp vor, nahmen ihre Objekte und
gingen zum Angriffe über ;
3 folgende Eskadrons setzten sich in gleicher Weise auf die Zwischenräume der ersten u. s. w. Das damals noch rauchstarke Pulver und insbesondere
der
aufgewirbelte Staub
des Hagenauer Platzes
verdeckten diese Bewegungen , während neue Eskadrons aus dichten Staubwolken vorbrachen . Wir waren samt und sonders begeistert über die Ausnützung wegungsform
der Verhältnisse .
einer Kavalleriedivision
Regimentskolonnen". brauch.
Zu jener Zeit war die Be„ Brigaden
hintereinander in
Doppelkolonnen kamen erst weit später in Ge-
Ideen-Taktik von Bismarck : ,,Die Phantasie des Obergenerales der Kavallerie ist das Schaffende und Zwingende, aus dem die Taten hervorgehen. Die Reiterei kann nichts als passiv sich verhalten bis die Genialität des Generales sich ihr naht usw.; der Verstand reicht hier nicht aus usw. " - Wir möchten hinzusetzen, Initiative, Genialität und Erfahrung sind wichtiger wie alle Exerzierformen, wie alles Studium, alle Gelehrsamkeit. Jene Eigenschaften müssen mit allen Mitteln gefördert werden, während zahlreiche feststehende Formen für die grofsen Verbände insbesondere in allen jenen Fällen vielfach hindernd sind, in welchen Gefechts- und Terrain-Verhältnisse deren volle Anwendung nicht gestatten; hier können lediglich jene Eigenschaften des Führers und der Unterführer über Schwierigkeiten hinweghelfen.
Übungen werden um so nützlicher, je mehr sie den
Unterführern Gelegenheit zu selbständigen Entschlüssen geben .“ Im allgemeinen sind bei diesen Angriffen andere Prinzipien maſsgebend, wie bei
Angriffen
auf Kavallerie.
Die Möglichkeit,
den
Stofs mehrmals zu erneuern, die Wirkung des feindlichen Feuers za beschränken, Spezial- und Haupt- Reserven entsprechend zu verwenden, erfordert in den meisten Fällen andere Formen und grössere Abstände für die Reserven können zur Anwendung kommen. Nunmehr noch ein paar Betrachtungen über Truppenübungen, welche gegen 20 Jahre später stattfanden . Die Kavalleriedivision ist einer Infanteriedivision unterstellt und Tagesaubruch die feindlichen Vorposten
erhält den Befehl : „ mit In zwei anzugreifen".
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerie-Offiziers .
163
Kolonnen geht die Kavallerie gegen die Vorposten vor und die befohlenen Angriffe werden mit zweifelhaftem Erfolge ausgeführt.
Wir
vermuten, daſs der Befehl zur Aufklärung der Wege gegen den Feind weit zweckmässiger gewesen wären und in jeder Hinsicht in dem speziellen Falle auch genügt hätte. Die Initiative des Führers der Kavallerie beruht insbesondere auf dem entschlossenen Draufgehen, „ wenn günstige Momente für den Angriff sich bieten". Nachdem die Schiedsrichter ein paar Eskadrons aufser Gefecht gesetzt hatten, geht die Kavalleriedivision vor und an den linken Flügel der von der Infanterie besetzten Stellung . Der Charakter des Geländes ist stark bewaldet. Die Kavalleriedivision findet vorzügliche Deckung ; deren Führer gewinnt einen Punkt, von welchem der Vormarsch des Gegners beobachtet werden kann, etwa auf 1/2 km vor der Division . Die Meldungen , durch welche die Anmarschstrafse des Gegners führt, haben auf Seite der Kavalleriedivision eine 600 bis
800 Schritte
breite
Unterbrechung ;
auf derselben steigt das
Terrain gegen jene Strafse bis auf einige hundert Schritte vor derselben mässig an. Die Avantgarde und die Tetenbataillone des Gros haben die bezeichnete Waldblöfse bereits passiert ; nur die Helmspitzen der Berittenen zeigten sich.
Nachdem auf der ganzen Strecke Helm-
spitzen mit gleichen Abständen wahrzunehmen sind, gibt der Führer der Kavallerie das ,,Zeichen" „ Anreiten". Die Division geht im Trabe über die Anböhe herunter, hinter welcher sie Deckung fand, um eine Waldecke herum, nimmt Direktive auf den Führer ; dieser gibt das Zeichen : nächsthöhere Formation" erstes Treffen Eskadronskolonnen sodann Galopp. Vollständig unbemerkt erreicht die Kavalleriedivision das Ende der flachen Böschung diesseits der Strafse und ist im nächsten Momente in der Artilleriekolonne. Schiedsrichter ist keiner zur Stelle , nur der sichtlich überraschte gegnerische Führer. In diesem Momente wäre es für die Kavalleriedivision wichtig gewesen , dafs der Führer Gelegenheit gefunden hätte, darüber Anregung zu geben, was mit den Geschützen, Bespannungen usw. zu geschehen habe, wie zweites Treffen, Reserven oder Teile derselben hätten verwendet werden können usw. Hierfür müfste eine kleine Gefechtspause eintreten , wie überhaupt bei jedem Angriffe eines grofsen Kavallerie - Verbandes auf Infanterie oder Kavallerie. Die Kavalleriedivision geht hierauf zurück und hält an dem linken Flügel der Stellung, verdeckt hinter einem mit Hochholz bestandenen Waldstreifen ; eine Brigade am Ende dieses Waldes in Richtung gegen den Feind. Der Führer der Kavalleriedivision steht auf einer Anhöhe, welche das ganze Gefechtsfeld beherrscht.
Die
164
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerie-Offiziers.
feindliche Avantgarde war schon länger im Gefechte gegen die günstige Stellung, auch das Gros ist bereits in das Gefecht getreten . Mehrmals schickt nunmehr der Divisions- Führer zur Kavallerie : ,,deren Führer solle sich zu ihm verfügen".
Antwort : ,,kann unmöglich die
Division verlassen, nachdem im geeigneten Momente der Angriff beschlossen und vorbereitet ist". Die Flügelbatterie des Gegners nimmt nunmehr die Fronte gegen die Kavallerie ; der Grund wird sofort bemerkt : die Kavallerie hatte ihre verdeckte Stellung verlassen, um nach Passieren
des Waldes sich zum Angriffe zu formieren.
Nach der kurzen Bemerkung, dafs diese Formation unbedingt während des Vormarsches zum Angriffe hätte gewonnen werden müssen, erhielt jene Brigade am äussern Flügel den Befehl, ein Paar Eskadrons durch die vorliegende Waldung in den Rücken der feindlichen Stellung zu beordern. Der Rest nimmt an dem Angriffe teil, welcher nunmehr von den 3 Brigaden mit Zwischenräumen auf die Flanken der im Gefechte befindlichen Gegner ausgeführt wird. situation, welche für die eigene Partei
Die Gefechts-
durchaus als sehr günstig
erkannt werden mufste, hätte zwar den Angriff der Kavalleriedivision im Ernstfalle keineswegs geboten ; immerhin war aber für das längere Abwarten, gerade wegen der wiederholt angeführten Verhältnisse bei den Friedensübungen kein
Grund gegeben .
Die Möglichkeit, den
Angriff in Flanke und Rücken der gegnerischen Division auszuführen, bei einem Rückzuge derselben ein Festsetzen an der Waldlisiere zu verhüten, boten ausreichenden Grund für den Angriff. Auch nach diesem Angriffe wäre eine Besprechung der Situation sehr nützlich, ja notwendig gewesen, gerade so wie nach dem vorerwähnten, da die Bewegung im Ernstfalle soweit wie möglich hätte fortgesetzt werden müssen. An diesem Übungstage hatte die Kavalleriedivision dreimalige Gelegenheit zur Gefechtstätigkeit ausgenützt ; mehr wie sie während manchen Feldzuges ohne diese Friedensvorbereitung ausgenützt wurde. Bei einem andern Übungstage waren zwei Infanteriedivisionen im lebhaften Feuergefechte begriffen ; die Kavalleriedivision näherte sich dem Gefechtsfelde und konnte eine Terrainmulde zur verdeckten Annäherung benützen.
Nach einiger Zeit der Gefechtsdauer wurden
die beiden Brigaden an der Tete zum brigadenweisen Angriffe auf die feindlichen Flügel befohlen, während die dritte Brigade im räumigsten Galoppe um diese Flügel herum, im Terrain ziemlich gedeckt, in den Rücken der Stellung
und dort eskadronsweise ein-
schwenkend, zum Angriffe geführt wurde. Die im Rücken angegriffenen Abteilungen waren sichtlich überrascht, der Führer der angegriffenen Division unverkennbar in höherem Grade unangenehm
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerie- Offiziers .
berührt.
165
Um die Initiative der Kavallerieführer zu erhalten und zu
fördern, bedarf die Kavallerie mächtiger Stütze ; damit diese Übungen eine Schule für jede Waffengattung sein können, mufs auch in Rücksicht auf die Kavallerie tunlichste Fürsorge getroffen werden. Die mehrerwähnte Besprechung der Situation gehört mit zu dieser Fürsorge. Der Befehl für die Infanteriedivision A lautete : „die Avantgarde rückt verdeckt an die Höhe westlich der Mühle X, das Gros nimmt Bereitstellung seitwärts-rückwärts des rechten Flügels, die zugeteilte rückwärts des linken Kavalleriedivision (etwa 1 km) seitwärts Flügels der Avantgarde ; die Kavalleriedivision wäre wohl ebensogut bei dem Gros zu vereinigen gewesen, während in der linken Flanke Patrouillen und Soutien genügt haben würden . Die Avantgarde bat auf 5-600 Meter vor der Fronte, bis zum Kamme der Höhe diesseits der Mühle, vorzügliches Schufsfeld ; deren Artillerie kann die Anmarschstrafse des Gegners vom Austritte aus einem grösseren Waldkomplexe, auf die Strecke von etwa 1 km bis in die Nähe jener Mühle unter Feuer nehmen. Auf einer Seite ist diese Stralse von einem Waldstreifen begleitet ; ein gleicher Waldstreifen zieht auf etwa 1 km bis über die linke Flanke der Avantgarde. Die gegnerische Avantgarde hat die Mühle X erreicht und führt das Gefecht von dem Kamme der Höhe westlich dieser Müble. Aufklärende Kavalleriepatrouillen des Gegners haben sich in der rechten Flanke der Avantgarde und vor dem Gros der Division A gezeigt. Das Gros dieser Division sollte nunmehr auf einer Strafse gegen den linken Flügel des Gegners umfassend vorgehen. Dieser Vormarsch schien dem Divionsführer zu weit ausholend angeordnet und er beschlofs ,
einen
näheren
Feldweg
zu
wählen,
welcher
durch
Terraingestaltung und mehrere Waldparzellen gute Deckung dieser Bewegung versprach. Zugleich war an die Kavalleriedivision der Befehl ergangen : auf der Strafse über Y and Z den rechten gegnerischen Flügel zu umfassen.
Die Kavallerie setzt sich in Bewegung,
findet alsbald eine Kavalleriebrigade vor sich ; diese weicht dem Angriffe aus, und die nachrückende Kavallerie kommt in das Feuer aus den Waldungen, welche jene Strafse zu beiden Seiten begleiten. Bei der geschilderten Situation wurde die sorgfältigere Prüfung des Befehls für die Kavallerie übersehen ; es war entschieden unrichtig, in diesem Falle den Weg zu bestimmen, auf welchem die Kavallerie vorrücken sollte,
anstatt einfach das Endziel der Bewegung anzu-
geben. Es blieb aufserdem nicht tunlich , zu ermitteln , ob die Kavallerie division durch rechtzeitige Aufklärung schon aus der Bereitschaftstellung , über den Vormarsch feind-
166
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerie -Offiziers .
licher Infanterie in den bezeichneten Waldstreifen unterrichtet war. Die Umgehungsbewegung durch das Gros der Divi-
sion A war vollkommen unbekannt geblieben , wie der Führer des Gegners konstatierte . Nachdem jedoch gegnerische Kavalleriepatrouillen schon frühzeitig vor der Avantgarde und dem Gros von Division A sich gezeigt hatten, ist dieser Umstand nur dadurch zu erklären, dafs diese Patrouillen mit der Meldung über ihre Wahrnehmungen
zurückeilten , anstatt einen Reiter mit dieser Meldung abzuschicken , von einem geeigneten Punkte insbesondere das Gros weiter zu beobachten . Für die Leitung bleibt es recht oft nicht möglich, derartige Details zu erkennen, wenn ihr nicht ausreichend geschulte Gehilfen zur Verfügung stehen. Solche Übungen bieten mithin eine Fülle von sehr wichtigen Momenten für die Befehlserteilung an die Kavallerie und deren Tätigkeit überhaupt ; sie zeigen aber auch gerade für die Besonderbeiten der Kavallerie manche nicht unwesentliche Lücke . Seit Jahren haben diese Übungen unstreitig einen sehr hohen Wert erreicht ; wie dieselben für die kriegsmäfsige Tätigkeit der Kavallerie in grofsen Verbänden weiter fortschreiten könnten, erscheint von besonderer Wichtigkeit .
In dieser Beziehung dürften sich eine zweckmässige Organisation im allgemeinen , wie der Stäbe und Auswahl der Schiedsrichter vorausgesetzt nachstehende Punkte für
sorgfältigste Beachtung empfehlen : I. Befehle für die grofsen Kavallerieverbände sollten die Initiative der Führer in keiner Weise mehr einschränken , wie unbedingt geboten.
Auch der ausnahmsweise gegebene Befehl zum
Angriffe sollte als Regel Zeit und Objekt für denselben dem Kavallerieführer überlassen, namentlich wenn der Befehlgebende sich nicht an Ort und Stelle befindet. II. Seit langer Zeit besteht die unstreitig ganz zutreffende Norm, dafs nach dem Spruche der Schiedsrichter bei einem Zusammenstols mit Kavallerie, der geschlagene Teil zurückgehen mufs bis zur Aufnahme ,
dafs
der Sieger hierbei die Verfolgung markiert.
Es muss sich empfehlen, dafs der geschlagene Teil auch nach der Aufnahme noch mindestens eine halbe Stunde aufser Gefecht gesetzt bleibe. Jene Bewegungen können füglich im Trabe ausgeführt werden ; das Gleiche gilt auch bei dem Zurückgehen nach einem abgeschlagenen Angriffe auf Infanterie.
Daran hat es wohl
nie gefehlt, dafs dieses Zurückgehen wie das Verfolgen im Ernstfalle in der schärfsten Gangart ausgeführt wird . III. Bei erfolgreichen Angriffen , namentlich auch auf Infanterie und Artillerie, sollte dem Führer der Kavallerie" Gelegenheit
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerie- Offiziers. geboten werden,
167
mindestens mit den Unterführern sofort die Situ-
ation zu
erörtern, das weitere Verhalten aller Abteilungen anzugeben. Bei diesen Übungen bietet es zumeist grofse Schwierigkeiten, dieses Verhalten wirklich darzustellen. Ohne solche Schulung werden aber im Ernstfalle jene Erscheinungen 99 bis zur Vernichtung herumjagende Reiterschwärme" wieder auftreten. Unter jenen Bedingungen wird ein grofser Kavalleriekörper für seine Tätigkeit vorbereitet sein können, ohne die anderen Waffen zu benachteiligen. Selbst bei einer flüchtigen Durchlesung der mehrfach genannten Dispositionen vom Jahre 1744 kann es nicht entgehen, dafs dieselben Grundsätze aufstellen für die Reiter, Eskadronschefs und Treffenführer,
welche
auch heute sogar in höherem Grade wie damals, mafsgebend genannt werden müssen. Insbesondere bei einem glücklichen Angriffe der Kavallerie ist es von der höchsten Bedeutung, dafs ein jeder wisse, welche Aufgabe ihm zufällt. Während der Aufregung des Kampfes müssen hier rasche Entschlüsse gefafst und kavalleristisch durchgeführt werden. IV. Bei Übungen wird das Feuergefecht meistens in weit kürzeren
Zeitabschnitten durchgeführt wie im Kriege. Die Krisen in Gefechte zeigen sich weder bei Infanterie noch Artillerie.
diesem Unter-
nimmt die Kavallerie einen Angriff, so mufs der Führer über die Gründe Annahmen welche seine Initiative veranlasst haben, jedenfalls gehört werden ; selbstverständlich dürfen bei dem Urteile diese Momente nicht unberücksichtigt bleiben. V.
Sachgemässe Verfolgung nach der Entscheidung von Ge-
fechten muſs Übungssache werden . Die Verfassung des Rückzuges könnte durch Flaggen markiert werden, während nach der vorausgegangenen Übung geschlossen zurückmarschierende Truppen unberücksichtigt bleiben
könnten .
Die Bestimmungen in den mehr er-
wähnten Dispositionen vom Jahre 1744 scheinen auch hier von grofser Wichtigkeit. Unterführer, alle Offiziere und Mannschaften müssen fortlaufend auf die wichtigsten Punkte hingewiesen werden , um nicht im Kriege für solche Situationen gänzlich unvorbereitet zu sein . VI. Die Ausdehnung des Gefechtsfeldes bei diesen Übungen ist selbstverständlich meistens viel geringer wie im Kriege. Der Kavallerieführer kann in der Regel dieses Gefechtsfeld vollständig übersehen, die Beobachtung durch Offiziere seines Stabes ist sohin nicht geboten. Sind jedoch die Stäbe sachgemäls formiert könnten Übungen in dieser Richtung zu jeder Zeit vorgenommen werden, nachdem in kürzeren Zügen die allgemeine Situation festgestellt worden ist.
168
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerie- Offiziers . VII.
War es nicht tunlich,
die unter Ziffer III angeführten
Punkte durchzuführen, so mufs es sich empfehlen, hierfür Gelegenheit zu bieten nach Beendigung der grofsen Truppenübungen . Über die Tätigkeit der grofsen Kavallerieverbände werden die
Anschau-
ungen sehr natürlich weit auseinandergehen, weil die wiederholt angeführten Sehwierigkeiten bei den Übungen, ebenso wie die Interessen der verschiedenen Waffengattungen, nur sehr selten ein übereinstimmendes Urteil herbeiführen werden . Mehrere höhere Kavallerieoffiziere im Stabe der Übungsleitung, könnten als Schiedsrichter die Bewegungen der Kavalleriedivisionen begleiten und der Leitung über alle Vorkommnisse Meldung erstatten.
Bei dieser Leitung einen In-
spekteur oder Divisionskommandeur der Kavallerie zuzuteilen,
mufs
sich besonders empfehlen. Unter diesen Voraussetzungen können in absehbarer Zeit gleiche Prinzipien und Anschauungen über die Kavallerie wie in der Kavallerie erzielt werden. VIII. Für die hohe Bedeutung der fortlaufenden unausgesetzten Beobachtung des Gegners durch Patrouillen scheint es besonders nützlich, wenn dieselben Tag und
Nacht , vielleicht bis zum
Schlusse der grofsen Übungen dieser wichtigen Aufgabe obliegen, wenn sie zwischen benachbarten Garnisonen auch während der verschiedenen Übungsperioden, nach den gleichen Prinzipien in Tätigkeit treten. Der Verfasser von
Nachrichten und Betrachtungen über Taten
und Schicksale der Reiterei " spricht sich über Verwendung der Kavallerie bei Beginn des Feldzuges 1809 für die Aufklärung des Gegners sehr zutreffend aus, und fügt an : „Die Gefechte sind dann nicht Zweck, sondern nur Mittel usw. Der Offizier, welcher einige zuverlässige Leute vor sich, der Husar, der ein tüchtiges Pferd unter dem Leibe hat,
mufs sich nirgends
für allzu exponiert halten, und überdem hat die Selbständigkeit und Beweglichkeit einer solchen Situation soviel Reiz für ein kriegslustiges Gemüt, dafs sich solche ,verlorenen Kinder bei aller Gefahr und Mühe ihres Herumtreibens sich häufig besser befinden, wie ihre Kameraden in dem ermüdenden Einerlei der Reserven etc." Die Lust und das Verständnis für diesen wichtigen Dienst muls durch entsprechende Übung im Frieden geweckt und erhalten werden, um nicht verloren gehen zu können, wenn
manche Unterführer im
langen Frieden sich dann vielleicht nur schwer entschliefsen, solche ,,verlorene Kinder" zu besitzen. IX. Ein alter Grundsatz fordert, dals namentlich die Kavallerie ganz und vollständig schon
im Frieden für den Krieg vorbereitet
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerie-Offiziers.
169
sein mufs , wenn sie ihre Aufgaben wirklich erfüllen soll. Wenn auch für die anderen Waffen der gleiche Grundsatz von hoher Bedeutung ist, so besteht doch ein mächtiger Unterschied gegenüber der grofsen Kavallerieverbände . Nach einem Gefechte des Jahres 1866 nächtigten wir in einem Bauernhause . In einem Nebenzimmer befanden sich zahlreiche Soldaten eines Infanterieregimentes in lebhafter Unterhaltung über das Gefecht. Plötzlich war eine Stimme zu hören : ,,jetzt war ich schon dreimal dabei ; wir haben niemals das ausgeführt, was auf dem Exerzierplatze geübt wurde . Die Sache ist einfach so , schiefsen wir öfter und erfolgreicher wie der Gegner, geht es vorwärts, im anderen Falle aber rückwärts. " Dieser Gedanke hatte immerhin etwas Wahres . Zu allen Zeiten blieb die Aufgabe des stärkeren und sichereren Feuers ein wichtiger Punkt bei dem Gefechte der Infanterie und Artillerie . Auch in anderen Feldzügen scheint die Praxis schon nach kurzer Zeit dahin geführt zu haben, dafs man lernte, sich nach den Verhältnissen zu richten und nicht pedantisch an Formen festzuhalten, welche nur ganz allgemeinen Wert besitzen, Während die anderen Waffen in öfteren Gefechten,
selbstverständlich sogar
durch den Impuls von
Unterführern sich diese Eigenschaft aneigneten, bleibt bemerkenswert, dafs auch Kavallerie in kleineren Verbänden mit Glück eingegriffen hat. Die Schwierigkeit des Eingreifens nimmt aber natürlich mit der Gröfse der Verbände ganz wesentlich za , wenn nicht
alle Vorbedingungen
erfüllt sind.
Werke über die Kriegs-
geschichte ,, ergänzt durch Erzeugnisse der Fachliteratur aller Zeiten und durch die Erfahrungen bei Trappenübungen ," sind allerdings imstande, Aufklärung zu geben . X. Als allgemeine Regel für Verwendung und Führung der grofsen Kavallerieverbände in Gefechten und Schlachten kann für alle Zeiten erkannt werden. 1. gedecktes Abwarten eines günstigen Momentes für den Angriff, dann 2. sich zeigen und attackieren. Diese beiden Regeln sind heute ebenso durchführbar wie früher, wie in aller Zukunft. Hierbei ist zu bemerken : Zu 1 : Das verdeckte Abwarten ist heute
höchstens
etwas
schwieriger wie früher ; die Geschichte der Kriege zeigt jedoch, dafs die günstigen Momente für den Kavallerieangriff mit Vervollkommnung der Feuerwaffen eher zu- wie abgenommen haben. In Zukunft wird diese Erfahrung bei jedem länger dauernden Feuergefechte unbedingt noch häufiger gemacht, vielfach auch ohne be-
170
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerie- Offiziers .
sondere spezielle Wahrnehmungen vorausgesetzt werden können . Die Beobachtung des Gefechtsfeldes ist für den Führer der Kavallerie unbedingt erschwert, ebenso dessen Befehlsübermittelung an die Truppe. Bei sachgemäfsen Übungen sind diese Schwierigkeiten ohne jeden Zweifel zu überwinden . Zu 2 : Diese allgemeine Regel ist ebenso durchführbar in kunft, wie früher und heute.
Zu-
In dieser Beziehung handelt es sich
höchstens gegen früher um das Zurücklegen wesentlich gröſserer Entfernungen. Gerade in dieser Hinsicht ist der Fortschritt sehr bedeutend, welchen die Kavallerie in Dauer und Räumigkeit der Gangarten in der neuen Zeit gemacht hat. Starke und gefechtsfähige Reserven sind für grofse Erfolge wichtiger wie je. Bei Angriffen der grofsen Kavallerieverbände in der Schlacht werden die gröfseren vor dem eigentlichen Angriffe zurückzulegenden Distanzen insbesondere gegen Infanterie und Artillerie zu bewältigen sein, während die Hauptreserve gerade in diesen Fällen nicht auf dem kürzeren Abstande zu folgen braucht, wie dieser bei der Attacke auf Kavallerie angezeigt ist. Unter dieser Voraussetzung kann die Reserve längere Zeit im Trabe sich bewegen und wird dadurch gefechtsfähiger bleiben. Selbstverständlich werden die zu bewältigenden Distanzen dann gröfser sein, wenn die Kavallerie nicht durch das Terrain gedeckt den offensiven Bewegungen der Infanterie folgen kann und so lange das Feuergefecht auf gröfsere Entfernungen geführt wird. Bewegt der Gegner grofse Kavallerieverbände gegen die Stellung der kämpfenden Infanterie und Artillerie , wird es meistens vorteilhaft bleiben,
wenn der
Gegenangriff durch die Kavallerie erst in
späteren Momenten jener Bewegungen
erfolgt.
Nur dann,
wenn
dieser Gegenangriff flankierend erfolgen kann, dürfte sich eine frühzeitigere Bewegung empfehlen . In der erstangeführten Lage wird der Gegner länger unter dem Feuer zu leiden haben, die eigene Bewegung dagegen nur in sehr geringem Mafse
durch das gegne-
rische Feuer. Im zweiten Falle wird die gegnerische Kavallerie unter dem Fener der Artillerie wenigstens mit einem Teile der Kräfte eine Frontveränderung vornehmen müssen, wobei grofse Verluste sehr wahrscheinlich sind. Auch hier ist zu erkennen, dafs es in der Taktik der Kavallerie vor allem auf das entschlossene Ausnutzen der allgemeinen Lage ankommt, dafs bei den Übungen und dem Urteile über dieselben, diese Punkte von der gröfsten Bedeutung bleiben. Je mehr die allgemeine Organisation der Armee wie der Kavallerie, je mehr die Übungen - nach den früher gegebenen Ge-
171
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerie-Offiziers .
sichtspunkten — eine sinngemälse Anwendung kavalleristischer Grundsätze fördern, um so sicherer steht zu erwarten, dafs ein kommender Krieg grofse Kavallerieangriffe mit sehr folgen sehen wird. XI.
Um grofse,
bedeutenden direkten
Er-
sehr bedeutende Leistungen der Truppe
wie
einzelner Berittener zu ermöglichen, wissen Vorbereitung . fich
bedarf es unbedingt einer ge-
Diese Vorbereitung kann aber selbstverständ-
nur in einer regelmässig geforderten Durchschnittsleistung in
Dauer und Räumigkeit der Gangarten bestehen. Trab,
8-10 Minuten gesteigert bis
leistung, 4-5 Minuten räumiger
30 Minuten ruhiger
zur gröfstmöglichen
Galopp,
diese
Gesamt-
Dauerleistung in
besserer Jahreszeit nach und nach gesteigert bis auf 10 und 20 Minuten Trab, 8-10 Minuten Galopp, auch diese Gangart während 2 oder 3 Minuten an Räumigkeit gesteigert bis zur gröfstmöglichen Gesamtleistung, ist die allein nützliche Vorbereitung für jede aufsergewöhnlich grofse taktische Ausbildung .
Leistung ,
ebenso wie für die
Ein weiterer ganz wesentlicher Punkt für die Erhaltung der Pferde liegt in der Pflege, Futterbeschaffung und in der Verminderung des zu tragenden Gewichtes . Patrouillen und kleinere Truppenverbände werden wohl überall Futter finden und auch das zu tragende Gewicht können Patrouillen durch Zurücklassen von jedem welches
nicht
absolut
nötig
ist,
erleichtern .
Stücke ,
Rosenbergs
zu-
sammengewürfelte Gedanken weisen die Wichtigkeit dieser Punkte zur Evidenz nach in den Abschnitten Pferdepflege and Futter" und „ Über das Gewicht des Soldatenpferdes". Für
die Erhaltung der Massen sind möglichste Erleichterung des
Gewichtes und sachgemäfse Verwendung der verschiedenen Futtermittel absolut geboten und auch für dieselben entsprechende Bewegungsfreiheit zu ermöglichen. Hierin dürfte noch recht viel erreicht ,
dem verdienten , hervorragenden Reiter und Ka-
valleristen ein lebendiges Denkmal gesetzt werden können! Vom Kavallerieführer bis herab zum letzten Reiter können nur bereits geläufig gewordene Prinzipien zum Ziele führen,
Prinzipien,
welche für die Tätigkeit der Kavallerie überhaupt, wie auch für die rasch wechselnden Episoden eines jeden Reiterkampfes, durch zweckmäſsige Übungen im Frieden geläufig geworden sind. Weder Studium der Kriegsgeschichte, noch Wissenschaft und Gelehrsamkeit, weder die Beherrschung einzelner Details, noch die rücksichtsloseste Tapferkeit für sich allein , können an dieses Ziel führen, wohl aber das Bestreben , jene Prinzipien, insbesondere aus der Fachliteratur der letzten 150 Jahre," zu erfassen und
172
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerie-Offiziers.
in fortlaufenden Übungen bringen .
zum
allgemeinen Verständnisse
Fehler werden gemacht,
solange
Menschen
aus diesen Fehlern zu lernen, bleibt die Aufgabe. gabe bei den Friedensübungen gelöst, erfüllt.
haben
zu
existieren ;
Wird diese Auf-
diese ihren Zweck
,,So war es zu allen Zeiten, seitdem es Kavallerie gibt, so wird es bleiben, bis Infanterie unsere Pferde besteigt, oder aber Aufklärer und Meldereiter zu sein, die einzige Aufgabe für Kavallerie wird. “ Die deutsche Kavallerie wird heute in jeder Hinsicht von keiner anderen übertroffen, damit sie jedoch auch in Beziehung auf die Schlachtentätigkeit der rahmbedeckten Kavallerie Friedrich des Grofsen an die Seite gestellt werden kann,
dahin mufs die Waffe
insbesondere bestrebt bleiben .
Bestreben
An diesem
mitzuwirken,
scheint auch heute wie zu allen Zeiten die Aufgabe aller Waffengenossen zu sein, welche sich Interesse für die Kavallerie bewahrt haben, welche in der Lage wären, Erfahrungen zu sammeln. Die Geschichte der Kavallerie zeigt ohne jeden Zweifel, dafs für diese Waffe besondere Schwierigkeiten für ihre Organisation , Erziehung,
Verwendung und Führung bestehen ,
welche nur in den
Eigentümlichkeiten derselben und in Vorurteilen gesucht werden können. Waren in manchen Zeitabschnitten Mängel bei der Kavallerie nicht zu verkennen, so kann der Grund einzig und allein darin gefunden werden, dafs jene Eigentümlichkeiten und deren volle Beachtung mehr
oder weniger unberücksichtigt geblieben sind .
Waffe , welche in der Hauptsache
Eine
nur für die Offensive geschaffen
ist, bei welcher der Entschlufs zur Handlung, die Handlung selbst und deren Folgen in die kürzesten Zeitabschnitte zusammengedrängt sind, kann unmöglich mit irgend einer anderen verglichen werden ; eine solche Waffe braucht selbstverständlich eine diesen Eigentümlichkeiten ganz entsprechende Berücksichtigung nach jeder Richtung. Das Material ist
unbedingt ganz
entsprechend in der Truppe
wie bei den Führern . Die jungen Offiziere sind frisch, tätig und schneidig ; mindestens ebenso wichtig wie alle Wissenschaft ist natürlicher Verstand, praktischer Sinn und Entschlossenheit. Wird bei der wissenschaftlichen Vorbereitung nicht sorgfältigst darauf geachtet, dafs diese Eigenschaften in den Vordergrund gestellt bleiben,
kann
das Resultat keineswegs genügend sein . Wird dieser Punkt nicht übersehen, bleiben die Eigentümlichkeiten der Waffe beachtet, so ist die Grundlage geschaffen, auf welcher Fübrer Offiziere für ihre Stäbe zu erwarten sind . Wer immer in der Praxis
sowohl
selbst kennen gelernt hat,
wie
die
welche
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerie- Offiziers.
173
Arbeit und Mühe es kostet, um sich aus eingewurzelten , wenn auch noch so gelehrten Theorien usw. in jahrzehntelangem Streben durchzuarbeiten zu den
allein zweckentsprechenden einfachen,
alten und
praktischen Prinzipien für Erziehung, Verwendung und Führung der Kavallerie, muls sich klar darüber sein, dafs nur in dem Bestreben Verständnis für jene Prinzipien zu wecken die Schule beginnt, welche nie und nimmer absolviert werden kann , welche nur von Kavalleristen für Kavalleristen geleitet, das
richtige
Erfolg verspricht.
Das Gleiche gilt für
Erfassen der Kriegsgeschichte, der bezüglichen Vor-
schriften und Beurteilung kavalleristischer Tätigkeit bei den Truppenübungen.
Die
Frage ,
inwiefern
diese
Bedingungen
in
richtige
Bahnen geleitet worden sind, konnten wir unmöglich als gelöst betrachten. In füheren Aufsätzen haben wir nicht unterlassen, diesen Punkten besondere Rücksicht zuzuwenden und dabei wiederholt gesehen,
daſs verschiedene Umstände
hindernd
einwirkten ;
waren wir auch bestrebt, den Weg zu skizzieren, Ziel erreicht werden könnte .
zugleich
auf welchem das
Der alte Spruch : "grau ist alle Theorie" usw. hat wohl nirgends gröfsere Bedeutung wie bei der Kavallerie, vom Unterricht im Reiten bis zur Führung grofser Verbände der Waffe . Die eigentliche Hochschule für die Kavallerie bleibt die praktische Tätigkeit unter kavalleristischer Leitung.
Schon die Vorbereitung für die Hochschule
verlangt genaues Verständnis der Waffen- Eigentümlichkeiten ; sie wird um so wertvoller sein, je mehr bei derselben die einfachsten Prinzipien zum klaren Verständnisse gelangen . Im erhöhten Malse gewinnen diese Punkte Bedeutung bei allen taktischen Übungen der grofsen Verbände und bei den grofsen Truppenübungen. Bei einzelnen Gefechtstagen und einigen Übungstagen haben wir angeführt, welche Tätigkeit von der Kavallerie beider Parteien wirklich ausgeführt wurde, was allenfalls von jeder Partei hätte geschehen können . Wir haben hierbei auch zu erkennen vermocht, dafs in vielen Fällen verschiedene Lösung der Aufgabe möglich war, dafs die Bewegungen des Gegners, wenn Kavallerie, die Verfassung derselben, wenn Infanterie usw., von der gröfsten Bedeutung werden. Nach unserer Erfahrung und innerster Überzeugung sind in kavalleristischer Beziehung alle Schulen bis zu der Hochschule hinauf ohne besonderen Wert, wenn sie nicht den mehrfach angeführten Gesichtspunkten nahezu vollkommen
entsprechen,
wenn nicht eine zweck-
entsprechende Organisation die Möglichkeit bietet, daſs die kavalleristische Tätigkeit kavalleristisch geleitet wird. Wohl sehr lehrreich sind im allgemeinen die in dem ersten Teile dieser Aufsätze erörterten Verhältnisse bei dem 2. bayrischen 12 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 401 .
174
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerie - Offiziers .
Armeekorps in der Schlacht von Wörth. Ein ganzes Menschenalter war vergangen, um Tatsachen wissenschaftlich nachzuweisen, welche bei ruhiger Erwägung der Verhältnisse kaum hätten zweifelhaft sein können . Die mindestens zum Teile wissenschaftliche Kritik brachte Bedenken und ganz unbegründete Beschuldigungen . Ähnliche Kritiken brachten den Vorwurf der Unfähigkeit für die Kavallerieführer ; man sprach oder schrieb von nutzlosen Balgereien der Kavallerie auf den Flügeln, von dem grofsen Vorteile, welcher einer Armee durch Aufhebung der grofsen Kavallerieverbände - diesem Ballaste der Heere -- erwachsen würde, vor der Unmöglichkeit, grofse Kavalleriemassen unter den heutigen Verhältnissen zur Tätigkeit zu bringen usw. usw. Diese Kritiken sind ein sprechendes Zeugnis dafür, wie wenig man mitunter die Waffe und ihre Eigentümlichkeiten verstanden hat. Immerhin konnten selbst diese Anschauungen der Kavallerie und der Armee zum Nutzen gereichen, wenn man durch dieselben gerade in der Kavallerie angeregt wurde , die Ursachen mancher Erscheinung zu ergründen und zu beseitigen . Diese Gesichtspunkte waren die Gründe, welche meine Aufsätze veranlasst haben. Theorie und hohe Wissenschaft beim Reiten, im taktischen und strategischen Aufklären, wie auch für die Tätigkeit der Kavallerie im Gefechte und nach demselben, konnte nur dann bemerklichen Fortschritt bringen, wenn sie mit praktischer Tätigkeit verknüpft war, wenn sie den Eigentümlichkeiten der Waffe entsprach.
Das,
was Rosenberg z. B. über Sitz, Führung und Reiten überhaupt gelehrt hat, entspricht den Eigentümlichkeiten der Waffe und übertrifft weitaus viele, wenn auch noch so gelehrte Abhandlungen und Instruktionen. Die taktische Aufklärung war bei den Truppenübungen jährlich praktisch geübt.
Die Kavallerie hat
aber
auch in dieser
Aufklärung vollkommen entsprochen ; sie war die einzige von allen Aufgaben der Kavallerie, erfreuen hatte .
welche sich
einer praktischen Schule zu
War diese Vorbereitung auch für die Gefechtstätigkeit
nach praktischen Gesichtspunkten durchgeführt, so wären Beispiele wie insbesondere Möckern und auch Adua mit aller Bestimmtheit kaum vereinzelt geblieben ;
wohl aber wären sie und zwar heines-
wegs selten, in allen Kriegen seit 110 Jahren zu konstatieren gewesen. Infanterie und Artillerie haben durch die Vervollkommnung der Feuerwaffen von Gefechtskraft ganz aufserordentlich gewonnen ; die Kavallerie wird mindestens ebensoviel gewinnen , wenn sie endlich wieder nach ihren Eigentümlichkeiten verwendet wird , wenn sie die alten Prinzipien den neuen Verhältnissen anpalst, diese Prinzipien noch mehr wie in früheren Zeiten zu verwerten lernt. Diese Prinzipien haben
Zur Schiefsausbildung der Infanterie.
175
wir mehrfach angeführt ; gerade wegen ihrer ganz ungewöhnlichen Einfachheit scheint es schwierig, dafs dieselben verwertet werden , scheint es noch weit schwieriger, dafs sie sich allgemeinster Anerkennung erfreut haben und erfreuen werden. Kann dies nicht erreicht werden, dann allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dafs jene Kritiken, unfähige Führer, nutzlose Balgereien auf den Flügeln oder vor der Fronte, Ballast der Heere , die Unmöglichkeit der Verwendung grofser Kavalleriemassen im Gefechte oder bei der Verfolgung , auch in Zukunft auftreten können .
,,Seit bald 110 Jahren hört man bei jeder Vervollkommnung in der Taktik oder Bewaffnung der andern Truppengattungen die Frage : ,,,,glaubt ihr noch immer an eure Kavallerie ? Arbeiten, in Theorie und Praxis unablässig daran,
dafs die
arbeiten und wir zweifeln nicht
deutsche Kavallerie
in einem kommenden Kriege
diese Frage beantworten kann, durch tüchtige Angriffe mit direkten Erfolgen !
XI.
Zur Schiefsausbildung
der
Infanterie .
Von Meyer, Hauptmann und Adjutant der K. S. 2. Inf.-Brig. No. 46.
Vom Punktschiefsen . Wie schon früher erwähnt, gibt es nach den jetzt geltenden Grundsätzen unserer schulmässigen Schiefsausbildung zwei Gruppen von Übungen, solche , bei denen eine Mindestleistung des einzelnen Schusses, und solche,
bei denen eine Gesamtleistung aller Schüsse
verlangt wird. Ich glaube, dafs sowohl die Fähigkeiten unserer Leute, wie auch die vortrefflichen Leistungen unseres Gewehrs es vollständig rechtfertigen würden, wenn wir bei allen Übungen , selbst bis einschliesslich 600 m, für jeden Schufs eine Mindestleistung fordern würden, das heifst, ich bin für Punktschiefsen unter allen Umständen ,
und will versuchen, dies zu begründen . 12*
Zur Schiefsausbildung der Infanterie.
176
Beim Punktschiefsen kommt es darauf an,
alle gegen ein und
dasselbe Ziel abgegebenen Schüsse auf einem möglichst engen Raume zusammenzuhalten . Die Streuung der Waffe , die Einflüsse der Beleuchtung und Witterung, die momentane körperliche nnd seelische Disposition des Schützen müssen durch den Willen und die Geschicklichkeit des Mannes in ihren nachteiligen Wirkungen paralysiert werden. Es ist klar, dafs für die Erziehung und Ausbildung des Mannes, für die Stärkung seines Charakters und seiner Willenskraft der Wert dieses Punktschiefsens eben darin und nur darin liegt, dafs auch nicht ein einziger Schufs ungenügend sein darf. Wie oft sehen wir,
dafs bei Übungen,
die
nur
eine
Gesamt-
leistung aller Schüsse verlangen, leichtsinnige und gleichgültige Leute, welche z. B. mit den ersten drei Schüssen die erforderliche Ringzahl erreicht haben, plötzlich nachlassen und mit den letzten Schüssen ganz schlechte Resultate zeitigen. Diese Leute würden meist nicht nachlassen, wenn überall Punktschiefsen Grundsatz wäre ! Und weiter:
auch die gewissenhaften,
sorgfältig
schiefsenden
Leute gehen mit einer gewissen Sorglosigkeit an diejenigen Übungen heran , welche nur eine Gesamtleistung aller Schüsse fordern. Es kann eben bei diesen der eine Schufs gut machen, was der andere verbrochen hat, und das darf nicht sein, denn es ist ein Zugeständnis an die menschliche Schwäche, der gerade im militärischen Beruf jede Existenzberechtigung versagt werden muſs. Und endlich : es bilden doch die Hauptübungen,
die nach und
nach auf weitere Entfernungen und auf mehr gefechtsmässige Ziele erledigt werden, den Übergang zur Schiefstätigkeit auf dem Schiefsplatz
und einst vor dem
Feinde !
Warum sollen wir gerade bei
diesen Übungen in unseren Anforderungen an die wichtigste Leistung des Mannes nachlassen? Denn es ist doch rein menschlich, dafs sich das
Gefühl, es komme hier und da einmal auf einen Schufs
nicht an, vom
Schiefsstand
auf das gefechtsmässige Schiefsen und
auf das Gefechtsfeld überträgt . bedenklich.
Dies zuzulassen, ist aber doch sehr
Die besonderen Übungen, welche die höheren Vorgesetzten alljährlich anzusetzen haben und die Übungen zur weiteren Ausbildung, welche der Kompagniechef festsetzt, werden zwar wohl durchweg nach dem Grundsatz des Punktschiefsens ausgewählt. Aber besonders die letzteren sind in ihrer Zahl sehr beschränkt,
weil sie
nur von beim Schulschiefsen ersparten Patronen geschossen werden können, also in umfangreicherem Mafse um so mehr ausgeschlossen
Zur Schiefsausbildung der Infanterie.
177
sind, je schlechter der Ersatz und je weniger geschickt und erfahren das Ausbildungspersonal ist. Nach alledem glaube ich also sagen zu dürfen : wir müssen für jeden einzelnen Schufs aller Schulübungen eine Mindestleistung verlangen ; wir brauchen das Punktschiefsen . Hierzu bedarf es jedoch einer Umgestaltung mehrerer der jetzt gebräuchlichen Scheiben. Ring-, Ringbrust- und Ringkopfscheibe sind selbstverständlich für das Punktschiefsen vorzüglich geeignet. Bei der Rumpf-, Brust- und Kopfscheibe müfste eine verschiedene Bewertung der Treffer eintreten, je nach ihrem Sitz im Ziel. Jetzt gelten alle Schüsse gleich viel, wenn sie nur die Figur treffen, ob sie mitten im Gesicht, oder hoch oben in der Mütze oder an äufsersten Ecke der Achsel sitzen, ist gleichgültig . Das möchte anders gehandhabt werden. Wir prägen den Leuten den Grundsatz ein, dafs der Schütze stets bestrebt sein mufs, das Ziel in seinen breitesten Teil zu treffen : gelingt dies dem Mann mit einem Schufs, so ist es nur recht und billig, dafs dieser Schufs höher bewertet wird, als ein anderer, der ganz am Rande sitzt. Schneiden wir also die Bilder aus der Ringbrust- und Ringkopfscheibe aus und benutzen diese als Brust- und Kopfscheibe . Dann haben wir Ringe, nach denen das Anzeigen erfolgt und die Bedingung gestellt werden kann. So würde die Kopfscheibe an ihren untersten Ecken die Bezeichnung 7 tragen, die Mütze reicht bis in die 9 hinein, der beste Schufs ist die 12 Dann wäre z . B. für die 5. Übung der mitten im Gesicht. ') 1.
Klasse
der
Infanterie
als
Bedingung
zu
stellen :
5
Schuls,
26 Ringe. Wir können hier nicht den Ausdruck gebrauchen : „ Kein Schuls unter ...", denn zunächst mufs überhaupt erst einmal die Figur getroffen werden, die Kleinheit des Zieles und die Einflüsse der Witterung und Beleuchtung läfst uns zufrieden sein, wenn z. B. auch nur die äufserste Ecke der Figur, die 7 , getroffen wird. Dann aber muss sich der Schütze bessern, denn noch war nicht das Ideal erreicht, nämlich : das Ziel in seinen breitesten Teil zu treffen. Er mufs mit dem nächsten Schufs einen höher und mehr nach der Mitte zu gelegenen Punkt der Scheibe treffen : eine 9 kann also wohl erwartet werden und mit dem darauffolgenden Schuls eine 10. Noch ist aber hiermit der Gefahr nicht vorgebeugt, dafs der Mann, wenn er mit den ersten drei Schufs die erforderliche Ringzahl erreicht hat, die letzten Patronen sorglos und leichtsinnig ver1) Das alles vielleicht auch unter Anwendung ovaler Ringe, entsprechend meinen Vorschlägen in dem Aufsatz : Streuung, Schulübung und Schulscheibe in Nr. 888 der Jahrbücher.
Zur Schiefsausbildung der Infauterie .
178 schiefst ;
andererseits kann man unmöglich von jedem Schufs einen Treffer verlangen. Deshalb könnte man die Bedingung so formulieren : 5 Schufs, mit den letzten 3 Schufs 26 Ringe. Dann dürfen die ersten beiden Schüsse vorbeigehen, müssen jedoch peinlichst beobachtet werden, um vollste Klarheit über den bei der betreffenden Witterung und Beleuchtung zu wählenden Haltepunkt zu Das Zugeben von Patronen bleibt hierdurch unberührt. Ich weifs,
schaffen.
dafs mein Vorschlag eine gewisse Erschwerung für
die Praxis insofern enthält,
als
eine gewisse Anzahl von Schützen,
die jetzt mit mehreren Schüssen gerade noch den Rand des Zieles streifen, und somit erfüllen, dann nicht mehr durchschlüpfen könnten und die Übung wiederholen müfsten. Ich bin aber auch überzeugt, dafs
die Durchführung meines
und das Interesse würden .
der Leute
Vorschlages die Gewissenhaftigkeit und
somit ihre Leistungen erhöhen
Bei der Rumpfscheibe würde ich die Anbringung langgestreckter ovaler Ringe empfehlen, etwa derart, dafs die 12 ungefähr vom 2. Knopf bis zur Hand, die 11 vom 1. Knopf bis zum Leibriemenschlofs, die
10 vom
Kragen
bis ziemlich zum unteren Rand der
Scheibe reicht usw., die wagerechte Breite jedes Ringes aber nach wie vor 5 cm beträgt. Denn hier ist ein Schufs, der ins Koppelschlofs geht, ebenso zu loben, wie einer, der am 2. Knopf einschlägt, beide treffen den breitesten Teil des Zieles . Was das Punktschiefsen gegen die verschiedenen Arten der Sektionsscheibe betrifft, so mufs, wollen wir zur Konstruktion einer geeigneten Scheibe gelangen, zunächst untersucht werden, was mit den Schulübungen gegen die Sektionsscheiben erstrebt wird. Die Sektionsscheiben 400, 500 und 600 stellen, zur Überleitung auf gefechtsmässige Ziele feindliche Schützenlinien - mehrere nebeneinander liegende Infanteristen dar.
Welches ist der beste Schufs
gegen eine solche Scheibe ? Offenbar derjenige, welcher die mittelste Figur mitten in ihren breitesten Teil, die Brust, trifft. Die Treffer in der rechten oder linken Figur können für die Ausbildung der Mannschaften ' ) nicht
als jenem gleichwertig betrachtet werden .
Denn wenn der Schütze den Haltepunkt nach rechts oder links verlegt, um eine der seitlichen Figuren zu treffen, so kann infolge der Streuung der Schufs an der Scheibe vorbeigehen,
ohne Schuld des
1 ) Es ist hier, wohl verstanden, nicht die Rede vom Schielsen langjährig geschulter, vollkommen gewandter und sicherer Schützen ! Wenn bei einem Schiefsen nach Punkt 120 oder 122 der S.V. einmal absichtlich das Treffen der rechten oder linken Figur einer Sektionsscheibe angestrebt wird, so ist das für solche Schützen eine sehr interessante Übung.
179
Zur Schiefsausbildung der Infanterie.
Schützen. Dieses Risiko soll aber der Schüler gar nicht auf sich nehmen, er soll sicher gehen. Das tut er nur, wenn er, unter Berücksichtigung der Eigentümlichkeiten seiner Waffe, und der Beleuchtung den Haltepunkt so wählt,
der Witterung
dafs der Treffpunkt
in die Mitte der ganzen Scheibe zu liegen kommt. Man könnte sagen, dafs es gleichgültig sei, welche der drei Figuren einer Sektionsscheibe man trifft, weil es einer wirklichen Schützenlinie gegenüber ja auch nicht darauf ankomme, ob der eine oder der andere Gegner zuerst getroffen werde. Das dürfte jedoch kaum stichhaltig sein. Denn die Sektionsscheibe bleibt doch immer Schulscheibe, gegen die sich der Schütze seinen Haltepunkt je nach den Verhältnissen selbst sucht, die wirkliche Schützenlinie ist ein gefechtsmässiges Ziel, gegen welches, solange die Feuerleitung dauert, Ziel
aufsitzen
zu
halten
ist,
oder der Haltepunkt befohlen wird,
was zum Zusammenhalten der Garbe unumgänglich ist. halb
kann man jenen Vergleich
haben ja
auch weitaus
die
gar nicht anstellen.
meisten
der
Schon desUnd dann
auf einem Schlachtfeld
feuernden Infanteristen stets mehrere nebeneinanderliegende Feinde zum Ziel, schiefsen also meistens gegen eine gegen die Sektionsscheibe.
mittelste " Figur,
wie
Nun ist weiter zu bedenken, dafs die Breite der Querbänder der Sektionsscheibe 400, 500 und 600 genau den Höhenstreuungen der Waffe auf den betreffenden Entfernungen entspricht. Hat der Schütze also erst einmal einen Schufs auf Querband 1 - natürlich ruhiges und sicheres Abkommen vorausgesetzt nicht unvorhergesehene Fälle ,
so mufs er, wenn
wie Beschädigung der Waffe,
plötz-
liche starke Windstöfse etc. eintreten, unbedingt mit dem nächsten Schuls entweder Querband 2 oder das andere Querband 1 - wenn er nämlich zu viel korrigiert - treffen. Der dann folgende Schufs kann nur noch im Querband 2 sitzen . ') Hierauf können wir nun die Anordnung der Ringe
stützen,
deren Anbringung zum Punktschiefsen gegen die Sektionsscheiben nötig ist. Wir legen das Bild der Ringe von der Ringscheibe2 ) auf die mittelste Figur der Sektionsscheiben derart auf, dafs die 12 genau so zu liegen kommt, wie bei der Ringbrustscheibe. Dann grenzt Ring 1 beiderseits gerade an die äufseren Figuren, und die Breitenstreuungen reichen, mit der 12 als mittelstem Treffpunkt auf 400 m bis in die 8, auf 500 bis in die 7 , auf 600 in die 6 hinein. Das 1) Ich erwähne hier, wie bei früherer Gelegenheit, dafs praktischer das obere Querband mit 1, das untere mit 2, das mittlere mit 3 zu bezeichnen wäre, vgl . Heft 383. 2) Oder mein Bild mit ovalen Ringen, vgl. Nr. 888.
Zur Schiefsausbildung der Infanterie.
180
Streuungsbild zeigt also, daſs man zwar keine Figur verlangen kann, wohl aber ein gewisses Ringminimum zu erreichen ist. Da aber bei den Übungen gegen die Sektionsscheiben die Beleuchtungs- und Witterungsverhältnisse schon ganz erheblich mitsprechen, so könnte man die Bedingungen in ähnlicher Weise formulieren, wie es oben für die Brustscheibe dargelegt ist. Jetzt ist z. B. für
die
11.
Übung
der 2. Klasse die Be-
dingung ,, 4 Treffer 6 Punkte" gestellt. Nehmen wir an, der Schütze trifft mit dem ersten Schuls die äufserste rechte Ecke des oberen Querbandes 1. im Querband 1,
Wir nennen diesen Schuls meinetwegen einen Treffer rechts (+ ), wir gestehen dem Schützen zu,
daſs
er zwar die Scheibe getroffen hat, wir sagen aber gleichzeitig dieser Bezeichnung, dafs der Schufs nach den Grundsätzen Punktschiefsens
absolut nicht genügt.
besser werden ;
sitzt er im Querband 1 innerhalb der in
Der nächste
Schafs
mit des mufs
dasselbe
hineinragenden Ringe, z. B. 4, so ist dies schon eine Besserung, ebenso wenn er in Querband 2 aufserhalb der Ringe sitzt, z . B. 2+, d. b. Treffer im Querband 2, links der Ringe ; ob hierbei eine Figur getroffen ist, ist gleichgültig. Beim dritten Schufs muís der Schütze in seiner Selbstkorrektur soweit gekommen sein, dafs er einen Ring im Querband 2 trifft usw. Wir rechnen nun einen Treffer im Querband 1 aufserhalb der Ringe gar nicht ( +), er dient nur zum Erschiefsen des Haltepunktes, ein Treffer in den Ringen des Querbandes 1 gilt 1, ein Treffer im Querband 2 aufserhalb der Ringe 2, ein Ring im Querband 2 gilt stets 2 mehr als seine Nummer besagt (oder man bezeichnet die bis 12).
Ringe mit 3 bis 14,
statt mit 1
Nun wären die 4 Treffer 6 Punkte jener 11. Ubung der 2. Klasse nach unserer neuen Methode umzuwandeln.
Die Breitenstreuung ge-
stattet mit jedem Schufs eine 8, die Höhenstreuung eine 6, es wird also vom 3. Schufs ab mindestens eine 4 mit jedem Schuls zu leisten sein, und zwar im Querband 2. Wir stellen also die Bedingung : 5 Schufs, 4 Treffer, vom 3. Schufs ab kein Schufs unter 4, ¹ ) oder milder: 5 Schufs, 4 Treffer, mit den letzten 3 Schufs 18 Ringe. Auch hiermit träte gegen früher eine Erschwerung im praktischen Betrieb des Schulschiefsens ein. Der Ausbildung würde aber kaum eine wesentlich grüfsere Arbeitslast zufallen
als
bisher,
vielmehr würden die neuen Bedingungen von selbst den schiefsenden Mann zu gröfserer wissenhaftigkeit,
1) Gilt 6.
Gewissenhaftigkeit bringen,
zu derselben Ge-
mit der er jetzt schon seine Vorübungen erledigt.
Das neue Exerzierreglement für die Kavallerie des französischen Heeres .
181
Vorstehende Ausführungen sollen nur einen Weg zu weiterer Vervollkommnung und Vertiefung unserer Schiefsausbildung andeuten, keineswegs aber soll behauptet werden, dafs dieser Weg der einzige oder auch nur der beste sei. Ich glaubte ihn aber an dieser Stelle besprechen zu sollen, weil mich die Bedürfnisse der Praxis auf die vorstehend ausgeführten Gedanken gebracht hatten und die Praxis doch der beste Lehrmeister bleibt,
XII.
Das
neue
Exerzierreglement
für die
Kavallerie
des
französischen Heeres . ")
Von v. Pelet-Narbonne, Generalleutnant z. D.
Eine Verfügung des Präsidenten der französischen Republik vom 1. September 1904 bringt für das Kavallerie- Exerzierreglement vom 12. Mai 1899 eine Anzahl so erheblicher Änderungen, dafs die erfolgte Neuausgabe der Vorschrift als eine Neuschaffung anzusehen ist, wenngleich die Datierung des Buches eine Änderung nicht erfahren hat, dem Titel wurde das Datum der Neubearbeitung zugefügt. Die
Die wichtigsten Änderungen mögen hier angeführt werden . Anforderungen an die Einzelnausbildung des Mannes
erfuhren eine weitere Vereinfachung, indem die Wendung halbrechts (links) fortgefallen ist. Mehrfache Änderungen sind für den Gebrauch des Karabiners beliebt worden, in erster Linie, weil es notwendig geworden war, die Bestimmungen des Reglements in Einklang mit der Schiefsvorschrift vom 7. September 1903 zu bringen. Bemerkenswert ist, dafs der Anschlag stehend künftig als Ausnahme zu betrachten ist, der Anschlag knieend oder liegend als Regel, sowie dafs die Salve als Feuerart verschwunden ist, die früher im Schiefsdienst des Heeres so bevorzugt wurde. Der 1) Bei Charles Lavauzelle, Paris.
182
Das neue Exerzierreglement für die Kavallerie des französischen Heeres .
einzelne Reiter zu Fufs hat die Weisung, nur dann zu feuern, wenn er den Befehl hierzu erhalten hat, wenn er za seiner Verteidigung hierzu genötigt ist, oder wenn ihm kein anderes Mittel bleibt, das Anrücken des
Gegners zu melden.
Augenscheinlich soll dem vor-
gebeugt werden, dafs durch voreiliges Feuern eine Vorpostenstellung sich verrät. Die Vorschrift fordert, dafs durch eingehende fortgesetzte Übungen der
Reiter mit
seiner Schufswaffe völlig vertraut
werde , und dafs die Eigenschaft der Schnellfeuerwaffe lediglich durch die Schnelligkeit des Ladens , nicht durch Übereilung beim Zielen oder Losdrücken - Abreifsen - in die Erscheinung trete. Die Einzelnausbildung des Reiters zu Pferde hat - wohl im
Hinblick auf die bevorstehende Einführung der zweijährigen Dienstzeit, weitere Vereinfachungen erfahren . Neben dem Gange auf zwei Hufschlägen wurden nicht nur die Wendungen auf Vor- und Hintersondern auch die Volte und die halbe Volte , ja das Reiten auf halber Bahn beseitigt, und zwar unter dem Beifall des Kritikers in der France militaire, der für den Kavalleristen eine Ausbildung wie für die Pikeure fordert, die auch nur geradeaus vorwärts reiten. Bei diesem Vergleich wird übersehen , dafs der Pikeur seine beiden
hand,
Hände zur Führung des Pferdes benutzen kann und keinem Gegner im Einzelkampfe sich zu stellen hat. Sonderbarerweise erscheinen diese bei der Ausbildung des Mannes beseitigten Übungen wieder in dem Abschnitt über die Ausbildung des Pferdes . Da fragt man sich allerdings mit dem Kritiker in dem genannten militärischen Blatte, wie ein Reiter, dem jene Reitübungen nicht gelehrt worden sind, solche als Dressierer anzuwenden imstande sein soll . Das Blatt wünscht ihre Beseitigung auch für Dressurzwecke . Abgesehen von den kurzen Kapiteln des Exerzierreglements über Ausbildung des Mannes und die Dressur der Pferde, die ein näheres Eingehen auf die Mittel, durch die das Ziel zu erreichen ist, vermissen lassen, besitzt die französische Kavallerie keine Reitinstruktion, obgleich
dieser Mangel immer wieder hervortritt, und
eine
solche besondere, vom Exerzierreglement abzutrennende Vorschrift wiederholt von der Waffe gefordert worden ist. Die durchgreifendste Änderung, die das neue Reglement bringt, bezieht sich auf das Gefecht der Kavallerie zu Fufs. Diese Während Änderungen verdienen unsere ganze Aufmerksamkeit. einerseits
die
entschiedenen Übertreibungen vermieden werden, die
sich inbezug auf diese Kampfart im englischen Reglement finden, trägt die französische Vorschrift doch der Bedeutung, die das Fufsgefecht der Reiterei neuerdings wieder mehr gewonnen hat, voll Rechnung. Der Kampf zu Pferde soll nach wie vor die Haupt-
Das neue Exerzierreglement für die Kavallerie des französischen Heeres.
kampfform
für
die
Kavallerie
bleiben.
sind
Damit
alle
183
die
Strebungen beseitigt, die in Frankreich mit mehr Lärm als Sachverständnis auf eine Umwandelung der Kavallerie zu einer berittenen Die Richtung, die die neue Vorschrift gibt, Infanterie hinzielten. wird ersichtlich durch folgende Weisung in dem Kapitel über den Gebrauch der Kavallerie im Gefecht, wo es heifst : „Die Kavallerie kämpft zu Fufs, wenn die taktische Lage oder das Gelände sie am Kampfe zu Pferde hindern , sowie, wenn das Feuergefecht den Erfolg des Gefechts zu Pferde zu unterstützen geeignet scheint. Sie wendet das Feuergefecht stets dann an, wenn es Vorteile zur Erfüllung ihrer Aufgabe bietet, doch darf es nie ein Mittel sein, um sich dem Kampfe Mann gegen Mann zu entziehen “ . (De se soustraire au corps à corps) . Es ist also dem Führer freie Wahl gelassen, ob er durch den Kampf zu
Fufs
oder zu Pferde seinen Zweck erreichen will .
Der
Schlufssatz der angeführten Stelle läfst aber auch erkennen, daſs man Vorsorge treffen will, dafs eine übertrieben häufige und unzeitgemässe Anwendung des Fufsgefechts die Kavallerie anzubeifsen entwöhnt. Es ist so voll und ganz auch dem offensiven Geiste Rechnung getragen, der dem Gefecht der Reiterei stets den Stempel aufdrücken mufs . Das
Reglement
zwischen dem
kennzeichnet
ferner
den
Unterschied ,
der
Feuergefecht der Infanterie and dem der Kavallerie
besteht, indem es darauf hinweist, dafs bei dem angriffsweisen Verfahren die Kavallerie nicht wie die Infanterie ein allmähliches Vorschreiten des
Angriffs
unter Gliederung der Kräfte in Aussicht zu
nehmen hat, sondern durch die Plötzlichkeit des Angriffs unter sofortiger Ausnutzung der ganzen verfügbaren Feuergewehre den Erfolg suchen muſs. Das Reglement gibt zum Schlufs des Abschnitts über das Fufsgefecht folgende wichtige, rekapitulierende Leitsätze . ,, 1. Ausnutzung der Schnelligkeit, um vom Feuergefecht Vorteil zu ziehen, so dals das Feuer, wenn irgend möglich, raschend eröffnet wird. 2. Der Erfolg beim
stets über-
Angriff ist nicht durch stufenweises Vor-
gehen, sondern durch die Plötzlichkeit und Heftigkeit des Feuers zu suchen. 3. In der Verteidigung sind die nutzen, die das Gelände bietet.
Hilfsmittel sorgfältig auszu-
4. Für die Sicherung der zu Fuls Kämpfenden und der Handpferde ist stets Sorge zu tragen."
184
Das gefechtsmässige Abteilungsschiefsen der Infanterie etc. Das
Gefecht zu
Fufs ist nach der neuen Vorschrift auch vor-
gesehen, wenn es gilt eine Vorposten- oder Deckungslinie zu durchbrechen. In der Defensive kann das Fufsgefecht angewendet werden, um zu halten.
wichtige
Stellungen bis zum Eintreffen der Infanterie
Für die Bewegungen zu Pferde ist für die Eskadron der Aufmarsch nach beiden Seiten und für diese und das Regiment die Entwickelung
auf die Person des Führers festgesetzt.
Im übrigen
gibt bei den Bewegungen die Richtungseskadron und das Richtungsregiment die Marschrichtung an. In der Doppelkolonne im Regiment halten die beiden Halbregimenter, ihre Eskadrons in gleicher Höhe, hintereinander. Die „ Kolonne in Eskadrons" wird aus der Linie, der Kolonnenlinie (unsere Eskadronskolonnen) und der Masse (unsere Regimentskolonnen) durch Abschwenken mit Zügen entweder auf vollen oder halben Abstand oder aufgeschlossen gebildet. Beim Sammeln nimmt die zuerst anlangende Eskadron ihren Platz hinter den Kommandeur und wird Richtungseskadron. Die sonstigen Änderungen sind nicht so bedeutungsvoll, um hier Erwähnung zu finden.
XIII .
Das gefechtsmässige Abteilungsschiefsen der Infanterie und
das
Schielsen
mit Maschinengewehren. ") Von
Generalmajor Stieler.
Die Theorie des Schiefsens, welche seit einigen Dezennien dem Taktiker ihre Geleitschaft in vollen Akkorden aufuötigte, hat, trotz ibrer greifbaren Erfolge, sich ihre Herrschaft schwer zu erkämpfen. Der mathematische Aufbau der Beweisstücke wird von dem sogenannten 1) Studie von H. Rohne, Generalleutnant z. D. Vierte, gänzlich umgearbeitete Auflage . Mit sieben Abbildungen. Berlin 1905. Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung, Kochstrafse 68–71 .
Das gefechtsmässige Abteilungsschiefsen der Infanterie etc. Praktiker in Wasserstiefeln
nur mit
Unbehagen betrachtet.
185 Der
schönste mathematische Rhythmus liegt bei diesen immer noch im Unter diesem Zeichen erfochten Tambour, Hurra und Bajonett. wir und unsere Altvorderen alle Siege und ist Preufsen grofs geworden. Gegen diese hat der moderne Theoretiker allerdings einen schweren Stand. Wir müssen uns aber in den Gedanken endlich hineinleben, dafs wir, so sehr wir
auch
das
einzelne Individuum
geistig wecken und zu selbständigem Handeln erziehen, in der gemeinsamen zielbewussten Gefechtstätigkeit, in der Massenleistung unserer infanteristischen Waffe den Höhepunkt unserer kriegerischen Darüber hinaus kommt auch der Ausbildung zu suchen haben. ritterlichste Schneid nicht hinweg . In den weitaus meisten Fällen habe ich gefunden, dafs das zähe Festhalten am Alten in der Unfähigkeit lag, die auf wissenschaftlichen Folgerungen aufgebauten Neuerungen zu verstehen. General Robne gehört zu den bahnbrechenden Pionieren auf dem Gebiete
der Schiefslehre .
Der verständnisvolle Taktiker wird gute
Geschäfte machen, wenn er sich in das, wohl nicht nach jedermanns Geschmack überaus detaillierte Formelwesen Rohnes hineinarbeitet und wenn er die Schiefsergebnisse des Friedens im Gesichtspunkte kriegerischer Ereignisse und Einflüsse beleuchtet. Mit Zahlen und Tabellen entscheidet man gewifs keine Schlacht. Die Gruppierung dieser Trefferzahlen auf dem Schufsfelde, die Berechnung der Trefferprozente, die Zahlen,
welche uns dazu führen ,
die einzusetzenden
Truppenstärken und Munitionsmengen zu bestimmen, alles dies sind Fingerzeige, die dem Taktiker seine Sicherheitsanordnungen diktieren, die ihm Gefechtsformen vorschreiben, die ihm den Beginn des Feuerkampfes,
dessen
Ausgestaltung
und
Durchführung in
gewaltiger
Sprache zuweisen . Wehe dem Truppenführer, der sein Ohr dieser Sprache verschliefst ! Vor uns liegt Rohnes vierte gänzlich umgearbeitete Auflage seiner Abhandlung über „ Das gefechtsmälsige Abteilungsschiefsen der Infanterie ", eine wissenschaftlich vertiefte, ernste Arbeit, für welche jeder Soldat, der Passion für seinen Beruf hat, dem verdienstvollen Herrn Verfasser nur aufrichtig dankbar sein kann. Schiefstechnische Bei der and mathematische Vorkenntnisse sind vorauszusetzen . Wirkung des
gefechtsmässigen Abteilungsschiefsens
verbreitet sich
die Schrift über die Einflüsse der Geschofsstreuung (Präzision ) , der Schätzungsfehler, der Gröfse und Beschaffenheit des Zieles , des Geländes, der Feuergeschwindigkeit, spricht über Feuerverteilung und kommt dann zu dem „eigentlichen taktischen Problem", der Erringung der Feuerüberlegenheit. Das ist des Pudels Kern . Mit Schlagworten,
186
Das gefechtsmässige Abteilungsschiefsen der Infanterie etc.
man dürfe nie
mit Minderheiten kämpfen , den Kampf nie zu früh ,
dann aber mit überwältigender Kraft beginnen, man solle Munition ersparen, voll einsetzen, ergänzen, kommt man nicht allzuweit. Der Herr Verfasser beschränkt sich demgemäfs nur auf rein theoretische Erörterungen über die Zahl der Gewehre, über Verringerung der Treffflächen , richtiges Entfernungsschätzen und Frontausdehnung. Wem die Anlage eines gefechtsmässigen Abteilungsschiefsens und dessen Durchführung obliegt, findet in dem II . und III. Abschnitt der Broschüre wertvolle Direktiven . Das Schiefsen mit Maschinengewehren im IV. Teil bietet keine Veranlassung zu besonderen Bemerkungen . Ich möchte aber doch, ehe ich meine kritische Wanderung durch das vortreffliche Werk beende, noch an einzelnen Aussichtspunkten Umschau halten . Der vorzugsweise vom Herrn Verfasser
eingenommene Stand-
punkt ist der rein theoretische. Dagegen habe ich selbst nichts einzuwenden und ziehe meine Schlüsse. Nur befürchte ich , dafs die Gegner wissenschaftlicher Abhandlungen bei zu sorgsamem Eingehen auf alle theoretischen Möglichkeiten
in der erwarteten Gefolgschaft
versagen. Gewifs ist es von Wert zu wissen, wie die Schiefsleistungen durch die Ausbildung der Schützen gehoben werden können.
Die
Tabellen über die Schielsergebnisse vorzüglicher", „ mittlerer" und ,,schlechter Schützen " sind nicht nur hochinteressant, sondern sie geben uns auch den Sporn, der uns - trotz der zweijährigen Dienstzeit -— nicht stillstehen läfst in unentwegter Weiterarbeit. Es ist jedoch ohne weiteres einleuchtend, auch in der Schrift hervorgehoben, dafs die geringere Streuungsfläche
der Geschofsgarbe
besserer Schützen
bei einem wesentlichen Entfernungsschätzfehler das Treffresultat mehr ungünstig beeinflufst,
als die gröfsere Streuung schlechter Schützen,
deren unpräzises Schiefsen mehr die Bahnen des Zufalles erschliefst. Nun sind aber weiterhin die guten oder besten Schützen nicht immer die besten Entfernungsschätzer, bieten auch nicht die absolute Garantie, dafs sie im Ernstfalle den psychischen Einflüssen den gröfsten Charakterwiderstand entgegenbringen.
Im Kriege und das ist unser vornehmster Lehrmeister, gibt es keine taktische Gliederungen nach der
Schiefsqualität ;
die Entscheidung
liegt in
der Durchschnitts-
leistung der vorzüglichen “ , „ mittleren “ und „ schlechten Schützen “ . Mit diesen Zahlen allein hat der Taktiker zu rechnen. Nicht aber darf er diese Zahlen als garantierten kriegerischen Erfolg in seine Gefechtsaufgaben hineinlegen ; sie bieten ihm nur Vergleich und Anhalt. Einen zweiten, meines Erachtens nach sehr möchte ich berühren.
Der Herr Verfasser fragt,
wichtigen Punkt ob „ viele Übung“
im Schätzen ,, sehr grofse Fortschritte" ermögliche . Ich bejahe diese
3
Das gefechtsmässige Abteilungsschiefsen der Infanterie etc.
187
Frage unbedingt unter einer Voraussetzung, dafs ein vertieftes Verständnis, welches von Kasernenhöfen, Exerzier- und Schiefsplätzen sich loslöst und in unbekanntem Gelände seine Herrschaft antritt, vorhanden ist. welche nicht
Man dulde keine Übung , auch nicht die einfachste, mit dem Gewehr in der Faust - den zielaufsuchenden
Blick in das Gelände richtet und in dem ständigen Anschätzen der Entfernungen ihre wichtigste Kriegsaufgabe sieht . Die Wege zum Exerzierplatze, zum Scheibenstande, zu den Geländeübungen bieten überall Gelegenheiten genug zum Aufbau unerwarteter Ziele .
Melde-
karten, stets zur Stelle, werden ausgefüllt und zur Kontrolle eingereicht. Diese fortgesetzte geistige Inanspruchnahme belebt, hebt das Interesse und ungeahnte Fortschritte sind mit Sicherheit zu erwarten . Nicht nur die Schiefsschule, deren Arbeit sich vielfach in bekannten Lokalitäten abspielt, sondern auch die den Truppenübungsplätzen benachbarten Regimenter zeigen oft frappierende Schätzfertigkeiten und Sehfähigkeiten .
Aber abgesehen von diesen bevorzugten gibt
es Regimenter, bei denen der Schiefsdienst höher als das präsentierte Gewehr gesetzt wird, die verblüffende Erfolge in verhältnismälsig kurzer Zeit aufweisen. Dort stehen auch nicht die Vorposten wegen einer Windmühle,
eines einzelnen Baumes,
einer wertlosen Brücke .
Ihr Blick wird unausgesetzt gestählt für die Forderungen des Ernstfalles. Wo steht der Feind? Auf welchen Wegen, von welchen Geländeobjekten kann er also erwartet werden ?
Mit welchen Visieren
werde ich ihn empfangen? Da werden alle wichtigen Entfernungen bei Besprechung der Gefechtsaufgabe festgelegt . So werden die Felddienstübungen, die Manöver zur ständigen Augengewöhnung , zum Zielansprechen und Entfernungsschätzen ausgenützt. Wieviel kostbare Zeit ist schon vertrödelt worden durch rein stumpfsinnige Marschleistungen,
wenn diese auch einem strategischen Problem dienstbar
gemacht waren. Darin suche ich die Selbständigkeit des Einzelnen ,
dafs sein
Geist fortwährend spekuliert, welche Anforderungen an ihn herantreten können . Unterschätze man doch nicht die Gestaltungsfähigkeit der Psyche ; wer mit seinen Ansprüchen an sie nicht locker läfst, erreicht grofsartige Resultate. Nach dieser Richtung bilden wir unsere Lehrer aus, deren persönlicher Einfluss sich nicht nur bei dem Schiefsdienste auf den Scheibenständen beschränkt, sondern die auch, ohne quälende Langeweile zu verbreiten, es verstehen, dem Manne den offenen Blick auf das Gelände bis zur Leidenschaftlichkeit zu schärfen. Wir sind uns alle klar, dafs das alte Sprichwort : „ Si duo faciunt idem non est idem" sich bei den Leitern des Schiefsdienstes
ganz
besonders bestätigt.
Gebe man zwei Offizieren der-
188
Das gefechtsmäfsige Abteilungsschiefsen der Infanterie etc.
selben theoretischen Veranlagung, derselben Fertigkeit im Zielerkennen, Ansprechen, Abschätzen
mit gleich sachgemässer Feuerleitung und
Feuerzucht die ganz gleiche Mannschaft, so wird der Charakter des Führers seinen suggestiven Einfluss geltend machen. Die Ruhe und der Ernst, das seelische Gleichgewicht, ausgedrückt in Haltung und Stimme des Einen, zeigen im Treffergebnis sein Übergewicht über den, dem es an der nötigen Selbstzucht noch fehlt.
Auf diese psycho-
logische Erziehung der Lehrer mufs gröfserer Wert gelegt werden. Diese Einwirkung zeigt sich auch auf den Gängen durch das Gelände, ohne dafs man befürchten muls , den Geist der Leute zu ermüden, den Humor zu verscheuchen und die Gesangsfreudigkeit auf dem Rückmarsche zu beeinträchtigen . Einen weiteren Punkt der Erörterung bietet des Herrn Verfassers Abhandlung über
das infanteristische Einschiefsen .
Die Frage,
ob das Einschielsen der Entfernung praktisch bezw. möglich ist, wird meines Erachtens nach zu oft und zu lebhaft ventiliert. Unser Standpunkt, der den Exerzier- und Schiefsplatz , auch Spandau and Jüterbogk verläfst, der die Aufgaben der Schlacht im Auge hat, geht nur mit vielen Bedenken der Erörterung dieser Frage entgegen. Wie naiv denkt man sich hierfür ein Gefechtsfeld ! Nahe Entfernungen. Kopf-, vielleicht auch noch einige Brust- und Rumpfscheiben .
Sandiges
Vorgelände . Salven. Nicht übereiltes Eingabeln . Und so fort. Nein , das gibt's nicht ! Der Gegner des Ernstfalles wehrt sich sofort seiner Haut und schiefst wieder. Auch dann noch Salven? Vielleicht erreichen wir es noch beim Stillstande der Operationen, beim Festungskriege aus deckendem Gelände. Aber auch da nicht auf allen Teilen des Schlachtfeldes, auf dessen gewaltige Sprache wir hören und wo wir Schiefsschulerinnerungen abstreifen müssen .
Und
bei weiten Entfernungen und wechselvollem Gelände versagt meistens die Beobachtung des Einschiefsens ganz, wenn nicht die Unruhe des Gegners unsere Schiefserfolge signalisiert. Dann aber sind wir schon mitten im Gefechte, nicht mehr beim Einschiefsen . - Man hofft nun wenigstens der Artillerie
durch Einschiefsen
erfolgreich zu Leibe
gehen zu können. Haben wir uns aber in 2-3 Minuten nicht richtig gegabelt, so ist sie uns über, wenn sie nicht in unser Nahfeuer bineingerannt ist. Bei der Rasanz unserer kleinkalibrigen Geschofsbahnen gabeln wir uns
aber dann erst recht nicht.
Scharfe Glas-
beobachtungen aus der Gefechtslinie und von seitlichen Beobachtern ersetzen das sehr Fragliche des munition- und zeitvergeudenden Einschiefsens.
Für den I. Teil, der von der Anlage von Abteilungsschiefsen spricht, möchten wir uns auch noch eine Bemerkung erlauben .
Unser
Das gefechtsmäfsige Abteilungsschiefsen der Infanterie etc. Munitionsetat ist sehr beschränkt.
189
Nicht wie die Schiefsschule können
wir mit vollen Händen in den Patronenkasten hineingreifen .
Da
bedarf es bei den Gefechtsschiefsen kluger Berechnung und Einteilung. Wir können uns den Luxus, eine verfehlt eingefädelte Übung bis zur letzten Patrone
ausspielen zu lassen, nicht gönnen.
wesentlich verschätzt, so
mufs nach
Ist das Ziel
einiger Zeit Einhalt geboten
werden, um den Mifserfolg festzustellen und den Rest der Übung weiterhin lehrreich und kriegsausbildend zu gestalten. Das Weiterschiefsen mit zutreffendem Visier ergibt dann die Schiefsfertigkeit. Den erhobenen Einwand, dafs durch Bekanntgabe der richtigen Entfernung der Wert folgender Übungen
allzusehr leide , erachte
ich
nicht zu tragisch. Wer es versteht, Übungen anzusetzen, bringt aufserordentlich viel Variationen durch Wechsel von Entfernungen , Schufsrichtungen und Zieldarstellungen in die gestellten Aufgaben und in der nur zweijährigen Dienstzeit kommt leider der Mann nicht zu oft auf den Truppenübungsplatz . Auf den sämtlichen Schiefsplätzen, auf denen wir dienstlich tätig waren, haben wir bei der kurzen Benützungsfrist diese Unzuträglichkeiten öder Lokaltaktik nicht empfunden. Zum Schlusse möchte ich noch bemerken, so sympathisch mich auch alle theoretischen Exkursionen des Herrn Verfassers anmuten, dafs ich mit der auf Seite 74 ausgesprochenen Ansicht, „ auf Entfernungen über 800 Meter dürfe nur ausnahmsweise auf Schützenziele " gefeuert werden, nicht übereinstimme. Ich glaube vielmehr, dafs bei der Leistungsfähigkeit unserer Waffe, der vorzüglichen , sich noch steigernden Schiefsfertigkeit und Feuerdisziplin unserer Mannschaft einesteils, andernteils aber durch die souverän sich geltend machenden psychischen Faktoren, gegenwärtig die 800-1000 MeterEntfernung auf dem gröfsten Teile des Schlachtfeldes auf heftigen Schützenkampf zu rechnen hat. Die geringen Trefferprozente und die Munitions - Ergänzungsfrage dürfen uns nicht abhalten, spätestens an der Grenze der mittleren Entfernungen in den Feuerkampf zu treten . Rohnes neueste literarische Erscheinung inauguriert das neue Jahr, in dem es erscheint. Möchten die ernsten und lehrreichen Studien dieses hervorragenden Forschers vorbildlich sein für die kommenden Geistesarbeiten und mögen sie Segen bringen in der Hand des Soldaten, der nicht in chinesischer Selbstgefälligkeit rasten will auf den trocken gewordenen Lorbeeren seiner Altvordern .
Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 401.
13
190
Das neue dänische Exerzierreglement für die Infanterie.
XIV .
Das neue dänische Exerzierreglement für die Infanterie .
Von Gentz, Leutnant im 2. Lothr. Infant.- Regiment Nr. 131.
Wie sehr sich in allen Armeen das Bestreben geltend macht, veraltete Formen zu beseitigen und sich die Erfahrungen der jüngsten kriegerischen Ereignisse zunutze zu machen, zeigt u . a. auch der im Frühjahr vorigen Jabres für die dänische Infanterie erschienene Derselbe spricht in Entwurf zu einem neuen Exerzierreglement. vielen Punkten dieselben aus dem südafrikanischen Kriege gezogenen taktischen Folgerungen aus, die für unsere Armee im Heft 33 der Kriegsgeschichtlichen Einzelschriften " des grofsen Generalstabes niedergelegt sind ; weicht aber in einzelnen Punkten nicht unwesentlich von den dort ausgesprochenen Ansichten ab . Und zwar verdienen diese abweichenden Ansichten Beachtung, da sie taktische Fragen berühren , die auch bei uns noch nicht als gelöst betrachtet werden können . Das neue dänische Reglement hält auch heute noch den Frontalangriff für möglich .
Aber es will ihn nur als die Ausnahme
an-
gesehen wissen und gestattet ihn nur in den folgenden Fällen : Wenn der Feind oder die feindliche Stellung schwach sind, wenn das Gelände für den Angreifer günstig ist
oder die Flügel der feindlichen
Stellung an unpassierbares Gelände angelehnt sind, welches einen gleichzeitigen Flankenangriff nicht ermöglicht. In der Regel aber soll der Frontalangriff mit einem Flankenangriff kombiniert werden . Bei der Durchführung des Angriffs wird der Schwerpunkt vollständig auf die Feuerwirkung gelegt.
Der Sturm
darf nur vorgenommen
werden, wenn es nicht gelingt, den Verteidiger durch Feuer allein zurückzuzwingen und er namentlich gleichzeitig erschüttert erscheint, und wenn der Sturmangriff in durchgeführt werden kann.
einem
Zuge ohne
Unterbrechung
Während sich bei uns das Bestreben geltend macht, die Grenzen für den Beginn des Feuergefechts und für die Hauptfeuerstellung weiter zurückzulegen in Würdigung der gröfseren Leistungen des modernen Gewehres und unter Berücksichtigung der im südafrikanischen Kriege gemachten Erfahrung, dafs die Entfernungsgrenzen, innerhalb derer die heutigen Gefechte sich abspielen, sich gegen
Das neue dänische Exerzierreglement für die Infanterie.
191
---früher erheblich erweitert haben " 1) ment merkwürdigerweise 400 (!) m gelegt wissen.
will das neue dänische Regle-
die Hauptfeuerstation zwischen 600 und Es sagt : „ Bedingung dafür, dafs der An-
griff durchgeführt werden kann , ist, daſs es dem Angreifer gelingt, die Feuerüberlegenheit zu gewinnen . Er muls deshalb versuchen, auf 400 bis 600 m heranzukommen, wo die bessere Kenntnis der Entfernungen seitens des Verteidigers keine wesentliche Bedeutung mehr hat."
Das ist doch wohl eine Verkennung der Wirkung des
weittragenden Gewehrs und der dadurch dem Verteidiger gegebenen Feuerkraft sowie der im südafrikanischen Kriege wiederholt hervorgetretenen Schwierigkeiten bei der Nachführung von Unterstützungen für die vordere Gefechtslinie, die sich im Ernstfalle schwer rächen dürfte . Ein mir bekannter dänischer Offizier, dem ich die Übersetzung des
neuen Reglements verdanke,
dieses Passus des Reglements, ,,Versuchen
schreibt mir zur Rechtfertigung
dafs der Schwerpunkt auf das Wort
gelegt werden müsse und fährt dann fort : „ Die Haupt-
feuerstellung auf 600 bis 400 m ist als Ideal hingestellt, das zu erstreben ist. Man ist in unserer Armee jedoch allgemein davon überzeugt, dafs diese Entfernung nur dann erreicht wird, wenn das Gelände besonders günstig ist. " Über den Zeitpunkt der Feuereröffnung sagt das neue Reglement weiterhin, dem Sinne nach in Übereinstimmung mit dem deutschen Reglement, derselbe sei abhängig vom Gefechtszweck, der Gefechtslage und dem Gelände. Grenzen für den Beginn des Feuers werden, ebenso wie in unserm Reglement, nicht angegeben . Dagegen wird gesagt, dafs auf Entfernungen über 1000 m in der Regel nur grofse Ziele, deren Entfernung bekannt ist, beschossen werden sollen.²) Das Hauptbestreben beim Vortragen des Angriffs soll sein, die Hauptfeuerstation mit möglichst geringen Verlusten zu erreichen. Hier soll die Schützenlinie ihre volle Stärke haben. Das Reglement sagt:
99 Wo grölste Feuerkraft erreicht werden soll, mufs jede Gruppe der Schützenlinie ihre gröfste Dichtigkeit haben (ein Schütze pro Meter) " . Im übrigen soll sich die Dichtigkeit der Linien nach denselben Umständen richten, wie sie für die Feuereröffnung als malsgebend angegeben wurden (Gefechtszweck, Gefechtslage, Gelände) . Auch das dänische Reglement zeigt das Bestreben, die Hauptfeuerstation mit 1 ) Heft 38 der Kriegsgesch. Einzelschriften (S. 105) . 2) Vergl. uns. Schiefsvorschr. f. d. Inf. (VII. B. 138) : „Das Feuer über 1000 m .... darf daher nur gegen solche Ziele angewendet werden, welche vermöge ihrer Höhe und gleichzeitigen Ausdehnung nach Breite und Tiefe günstige Trefflächen bieten. “ 13*
192
Das neue dänische Exerzierreglement für die Infanterie.
dünnen Linien zu erreichen,
dort aber der Schützenlinie die gröfst-
mögliche Dichtigkeit und Feuerkraft zu geben.¹ ) Es gestattet wie auch unser Exerzierreglement (II. 93) in gewissen Fällen zu diesem Zweck
einen Teil der zum Gefecht entwickelten Züge
als Soutiens zwischen der vordersten Linie und der Kompagnie Reserve zurückzuhalten . Das Reglement sagt : „Es wird von den Verhältnissen abhängen, einen wie grofsen Teil seiner Stärke die Kompagnie zur Einleitung des Gefechts entwickeln mufs. Während 1/4 der Kompagnie 2) für die isolierte Kompagnie oft das Geeignete sein wird, kann die im Verbande fechtende Kompagnie mit Vorteil oft sogleich zwei Züge vorschicken . Diese können dann, wenn sie eine lichte Schützenlinie entwickeln, jeder einen Teil zwischen der Schützenlinie und der Kompagniereserve zur unmittelbaren Unterstützung für die Schützenlinie zurückhalten . "
oder
Das Heranführen der Verstärkungen geschieht in Schützenlinie ausnahmsweise in geschlossener Formation. Dabei fordert
das Reglement, dafs der Kompagniechef solange wie möglich ein Vermischen der Züge vermeide. Das bisher in Gebrauch befindliche alte dänische Reglement kannte als Gefechtsformation aufser der geschlossenen und aufgelösten Ordnung noch die 99 Linie zu einem Gliede" (eine Handbreit Zwischenraum von Ellbogen zu Ellbogen) . In den neuen Entwurf ist diese Formation nicht mit übernommen worden.
Über die Länge der Sprtinge wird gesagt,
dass
sie von
der Wirkung des feindlichen Feuers und von den Kräften der Schützen abhängt. Die Sprünge sollen so lang wie möglich sein ; doch soll berücksichtigt werden, dafs der Schütze nach Ausführung des Sprunges noch in der Lage sein mufs,
sein Gewehr richtig
zu gebrauchen.
Nur ausnahmsweise sollen die Sprünge daher länger als 50 m sein. In Übereinstimmung mit dem neuen englischen Exerzierreglement³) wird gefordert, die Sprünge sollen so schnell ausgeführt werden, dafs der Feind nicht Zeit bekommt, die vorspringenden Schützen unter lebhafteres Feuer zu nehmen .
Über die Gröfse der springenden
Abteilungen sagt das neue Reglement : „ Die Bewegungen der Schützen1) Vergl. Heft 38 d. Kriegsg. Einzelschr. (S. 67) : „ Für die Annäherung günstig erwies sich die lichte Schützenlinie zur Durchführung des Feuerkampfes als ungeeignet. Es wird nötig sein, ihr durch baldiges Nachfüllen ... eine solche Stärke und Dichtigkeit zu geben, dafs sie zur Führung eines von Anfang an kräftigen Feuergefechts befähig ist. " 2) Die dänische Inf.-Kompagnie hat vier Züge. Die besteht aus (Kriegsstärke) : 4 Offizieren, 12 Unteroffizieren (6 aktiven und 6 der Reserve), 25 Unterkorporalen, 225 Gemeinen . 3) Infantry Training (Sect. 158. V) : „At decisive ranges a rush should not be so long, that the enemy has time for aimed fire
Streiflichter von der algerisch-marokkanischen Grenze.
193
linie sollen, wenn die Kompagnie , encadriert ist, so lange als möglich in der ganzen Kompagnie gemacht werden . Wo dies nicht möglich ist, hat eine zweckmässige Bewegung in Zügen oder Gruppen stattzufinden. Dieselbe mufs sich stets nach den Verhältnissen , besonders dem feindlichen Feuer und dem Gelände richten. Wenn die Kompagnie gröfsere Bewegungsfreiheit hat, und namentlich wenn sie allein kämpft, wird die letztgenannte Art die gewöhnlichere sein. Einübung eines bestimmten Schemas für die Bewegung ist nicht statthaft. " An anderer Stelle fordert das Reglement, dafs die springenden Teile der Schützenlinie im allgemeinen so grofs sein sollen, als es die Gleichzeitigkeit in der Ausführung der Bewegung erlaubt. Von der Verteidigung wird gesagt, dafs
die reine Defensive
ohne Gegenstöfse keinen entscheidenden Erfolg geben kann (vergl. uns. E. R. II , 85). Ferner heifst es im Abschnitt „ Verteidigung ", nicht ganz im Einklang mit dem vorher über den Frontalangriff Gesagten :
„ Wenn die Munition reichlich ist und dem Angriff mit
Ruhe und Festigkeit begegnet wird, wird jeder Frontalangriff zum Stehen gebracht werden können. "
(Vergl. uns. E. R. II . 58 u . 59. )
XV.
Streiflichter
von
der
algerisch- marokkanischen
Grenze .
Militär- geographische Skizze. Von Oberstleutnant a. D. Hildebrandt.
Obwohl die kriegerischen Ereignisse im fernen Osten heute im Vordergrunde des Allgemeininteresses stehen, so bleiben doch die Blicke der gebildeten Welt immer aufs neue mit erhöhter Aufmerksamkeit auf die Zukunft Marokkos gerichtet, wo die Verhältnisse über kurz oder lang einen akuten Charakter annehmen werden. Nimmt
man die Karte
zur
Hand , so
erweist das Bild der
plastischen Gliederung Marokkos sehr deutlich, dafs das Land durch den massiven Aufbau des Hohen Atlas, jener mächtigen, schroffen Erhebung mit ihren schneebedeckten Gipfeln, ganz bestimmend in zwei Hauptabschnitte geteilt ist. Es sind dies der vom Atlantischen- und Mittelmeer umspülte nordwestliche und der binnenländische südöstliche Landesteil. Jener, das eigentliche Regierungsland , dessen
194
uralter
Streiflichter von der algerisch-marokkanischen Grenze.
bei
Besitz
eintretendem
Zusammenbruche
des
morschen
Scherifreiches gegen jede Invasion von Arabern und Berbern fanatisch gehalten werden wird, dieses vorwiegend nur unter politischer und religiöser Oberhoheit des Sultans stehend, aber gleichwohl jeder Zwischen letzterem Gebiet und europäischen Kultur unzugänglich. natürliche Sicherheit bietende keine aber es dem algerischen gibt Abgrenzung, die Scheidelinie der leicht ineinander übergehenden Landstriche von gleichartiger Oberflächenform trägt lediglich den Charakter einer politischen Grenze. Die zusammenhängenden Bergketten des Hohen Atlas überflügeln in ihrem nordöstlichen,
bis zum Sebscha Tigri reichenden
Verlaufe den aus Algerien nach Marokko hinübergreifenden AbDiese Lücke zwischen schlufs des sabarischen Randgebirges . den auseinander weichenden und niedersteigenden Hängen beider Erhebungssysteme ( 1-2 w. L. v. Gr. und 32-33º n. Br.) umfalst im allgemeinen den im südöstlichen Marokko belegenen Teil des ausgedehnten , viel verzweigten Hochtals vom Wadi Saura,
eines
nur
periodisch
wasserreichen,
sich
im
Sande
der
Sahara verlierenden Rinnsals, und bildet einen weiten Zugangsraum aus dem zerklüfteten Felsgewirr des mittleren , marokkanischalgerischen Grenzgebietes sowohl nach West- und Nordmarokko , als Westlich führt die für vornehmlich nach dem innern Nordafrika . militärische Zwecke brauchbare Atlaspafsstrafse Tisint el Riat nach Fes, nördlich bieten die stark bewohnten Ufer der Mulaja und ihres rechtsseitigen Nebenflusses Ued Sa ausreichende Wegbarkeiten . In der mannigfach gegliederten Bodengestaltung des südwärts abstufenden Berglandes finden sich offene Pforten, durch welche gangund neben den durchschluchteten Talfurchen der ebenfalls meist trockenen, dem Sauraeinschnitt angehörigen Wadis Sir und Zusfana zur Sahara ziehen . Während man sich am Sir jenen bei den französischen Unternehmungen der letzten Jahre viel genannten
bare Wege in
Landstrichen von Tafilet nähert, ist der letztere Strafsenzug besonders wichtig als Anschlufslinie der geplanten, teilweise sogar schon im Bau begriffenen, für die französische Vorbewegung in Nordwestafrika strategisch gebotenen Transsenegalbahn an das algerische Eisenbahnnetz. Vom Küstenplatz Arzëu am Mittelmeer ausgehend, wird dieser Schienenweg an der Oase Figig vorbei, weiterhin über Igli durch die Tieflandstellen der Saura nach Tuat führen und von dort, unter Benutzung verschiedener Oasengruppen den Wüstengürtel durchquerend , die altberühmte Handelsstadt und Kreuzungspunkt vieler Karawanen, Timbuktu am Niger, erreichen. Über Tuat führt der natürlich geDorthin eignetste und kürzeste Weg aus Algerien zum Niger.
Streiflichter von der algerisch-marokkanischen Grenze.
195
nähert sich bereits eine diesen Flufs mit dem Senegal verbindende Eisenbahn. Auch die Abzweigung eines grofsen Schienenweges von Tuat zum Tsadsee ist vom französischen Kolonialministerium vorgesehen, so dals der ungeheure Länderkomplex von Senagambien und der westlichen Sahara künftig mit eisernen Banden an FrankNach den reichs algerischen Machtbereich gefesselt sein wird. neuesten Durchforschungen der westlichen Sahara herrschen über deren Bodenbeschaffenheit heute weit günstigere Anschauungen als bisher. Weniger Stein- und Sandwüste als vielmehr Gebiete von grofser landwirtschaftlicher Mannigfaltigkeit wechseln oft mit fruchtbareu Oasen und grünen Triften. Jene ausgeweitete Hochmulde an der oberen Saura südlich des Tigri Schott, seiner geographischen Lage nach das Herz der westlichen Berberei in unmittelbarer Berührung mit der Westgrenze Algeriens, von zahlreichen Wasserfäden der in benachbarten Gebirgszügen angesammelten Feuchtigkeit durchzogen, bietet einen Unter wirtschaftlich und strategisch höchst verwertbaren Boden . günstigen klimatischen Bedingungen gedeihen dort herrliche Laubwaldungen, man sieht trotz dürftiger Betriebsmittel des Ackerbaues Getreide-, namentlich Maisfelder, auch würde in den fruchtbarsten und mildesten Gegenden Obst- und Weinbau gepflegt werden können. Das Gelände ist den Franzosen bekannt, die im Interesse der geographischen Erschliefsung Nordafrikas es sich immer angelegen sein liefsen, Neben- und Hinterländer Algeriens zu durchforschen . In militärischer Beziehung steht der Raum für eine grofsartige Bereitschaftsstellung
bei
etwa
notwendig
werdendem
Einschreiten
in
Marokko zur Verfügung, ebenmäfsig eine Operationsbasis für die französische Machtentfaltung in Nordwestafrika. Die Angliederung eines so vorteilhaften Stützpunktes mit geeigneten Ausfalltoren für Unternehmungen zur Erweiterung des französischen Kolonialreiches erscheint als ein begehrenswertes und in irgendwelcher Form auch erreichbares Ziel.
Aber sei es als Einflufsgebiet, Kondominat
oder
Protektorat wie in Tunis , auf aufserordentliche Schwierigkeiten wird jeder Umgestaltungsversuch stofsen, weshalb in abwartender Haltung freie Hand vorbehalten bleiben mufs. Obwohl die staatlichen Verhältnisse in Marokko eigenartig mittelalterlich sind und ihre Unvereinbarkeit mit dem heutigen Leben auch die Ursache des Endes von Marokko sein wird, so ist der Islam doch noch viel zu kräftig im Volke wie im Herrscherbause, um , selbst bei dem sichtlichen Verfall und der inneren Zerrüttung des Landes mit dem verhalsten Nachbar überhaupt verhandeln zu wollen. Wenn Katharina II. von Rufsland bei der Teilung Polens sagte , dafs letzteres für die Nachbarreiche ein Land zu sein scheine , in dem man sich nur
196
Streiflichter von der algerisch -marokkanischen Grenze .
bücken brauche , um etwas aufzuheben, so wird selbst die geringste Landabbröckelung von Marokko auf zähesten Widerstand stofsen , ein „ Similis simili gaudet " liegt für Frankreich hier nicht vor ! Auch zur Abwehr fortdauernder Feindseligkeiten der räuberischen Stämme in den Grenzbezirken ist es für die Franzosen eine fast unabweisliche Notwendigkeit ,
sich
dauernd
im
eigensten Gebiete
dieser Friedensstörer festzusetzen . Gerade die beherrschende Stellung im Saura - Hochtal würde sich dazu eignen. Auf Grund eines früheren Vertrages mit Marokko, kraft dessen, falls die Macht des Sultans
nicht
französische
ausreicht
Streitkräfte
zur Niederhaltung jener wilden die
Grenze
überschreiten
Banden ,
und Ordnung
schaffen sollen, könnte dies gegebene Recht praktisch ausgeübt werden, schon um neue Überfälle zu verhindern . Bedeutsam genug um die Überzeugung zu gewinnen, dafs die beste Sicherheitsmalsregel darin bestehe, die Westgrenze von Algerien bis ins Hochtal der Saura auszudehnen . Freilich käme es dann, wie bereits erwähnt, zum heftigen Kampfe mit einer kriegerischen und verwegenen Bevölkerung, der vielleicht, wie bei der Eroberung von Algier , einen jahrzehntelangen Krieg entflammen könnte. Wer mit marokkanischen Verhältnissen vertraut ist, weifs , dafs die Franzosen auf friedlichem Wege bisher nichts erreicht haben und dafs sie andere Mittel ergreifen müssen, wenn sie nicht auf Geltendmachung ibres Einflusses und Ansehens in Marokko verzichten wollen. Diese Mittel können nach Lage der Verhältnisse nur äusserst energische sein, denn allen anderen würden die Marokkaner einen passiven Widerstand entgegenJedenfalls mufs ausetzen und sie damit unwirksam machen. erkannt werden, dafs Frankreich im algerisch-marokkanischen Grenzlande ein ernstes Wort zu sprechen hat, sogar das südöstlich vom Hohen Atlas liegende Landgebiet von Marokko als künftiges Erbe ansehen darf. Die militärische Besetzung der weitgreifenden SauraPosition könnte als Vorbereitung gelten. Auch drängt sich die Betrachtung auf, dafs zur Besitznahme dieses Landstriches schon die letzten Vorgänge in der Figig- Oase hätten führen können. Lediglich um den Überfall, dem der Generalgouverneur Jonnart und dessen Begleitung dort ausgesetzt waren, zu sühnen und die widerfahrene Unbill zu bestrafen . Figig steht nominell unter der Herrschaft des Sultans von Marokko, der aber niemals imstande gewesen, den dortigen Einwohnern seinen Willen zu diktieren und der jetzt angesichts der inneren Wirren noch viel weniger Einflufs als sonst auf diese Stämme auszuüben vermag. Der Hauptbestandteil des marokkanischen Volkes, das Berberelement , weist trotz jetziger Unkultur, heute noch genau dieselben Charakter-
Streiflichter von der algerisch-marokkanischen Grenze.
197
eigenschaften auf, die es zeigte, als es zuerzt in der Geschichte des Altertums erschien und über eine ungeschwächte, nicht zu unterschätzende Lebenskraft verfügte . Die Berber haben von jeher mit einer überraschenden Energie und mit tollkühnem Mut gegen alle Kulturvölker gekämpft, durch welche ihre Unabhängigkeit gefährdet wurde. Karthager, Römer, Byzantiner, Araber, Türken, Spanier und neuerdings Franzosen haben den Widerstand der ihnen taktisch in keiner Weise gewachsenen Berber mehrfach erst nach langem Kampf brechen können. Vollends die westlichen Mauretanier und. Maghrebiner, die heutigen Marokkaner, welche Wesen und Typus der Berber am reinsten bewahrten, sich zu allen Zeiten, in allen. Kriegen als
die zähesten und tapfersten Krieger erwiesen, haben
durch die Jahrtausende ibres geschichtlichen Lebens ihre Freiheit bis auf den heutigen Tag bewahrt und den bestgeschulten Truppen weit überlegener Gegner oft genug schwere Niederlagen beigebracht. Von Jugend auf an die gröfsten Strapazen gewöhnt, anspruchslos und nüchtern, dazu leicht fanatisierbar für politische und religiöse Ideen, von aufserordentlicher Liebe für ihren heimatlichen Boden,. aber von unüberwindlichem Freiheitsdrang beseelt, würden sie auch beute mit Todesverachtung jede Invasion grimmig zu bekämpfen suchen. Ein Angriff auf ihre alten Heiligtümer würde sogar die ganze mohammedanische Welt Nordafrikas zum Aufruhr bringen, eine levée en masse, den allgemeinen Religionskrieg gegen die AndersMan darf den Entwickelungsgang gläubigen heraufbeschwören. dieses eigenartigen Volkes nicht aufser acht lassen, wie es zu geschehen pflegt, wenn die verschiedenen Möglichkeiten einer Lösung der marokkanischen Frage ins Auge gefasst werden. Wenn ohne Beachtung der nur wenig bekannten Geschichte des maghrebinischen Volksstammes angenommen wird, dafs es nur eines europäisch ausgebildeten Truppenkorps bedürfe , um das marokkanische Reich zu zertrümmern und den Widerstand seiner Bewohner zu brechen , ist
dies
ein grofser Irrtum,
so
der unter Umständen verhängnisvoll.
werden könnte. Es bedarf einer vollen Würdigung der Zustände des alten Scherifreiches und seiner geistlichen Machtfülle . Die Erfahrungen, welche die Franzosen seit 1830 in Algier, namentlich in den Kämpfen um die kleine Kabylie und gegen Abd el Kader und auch die, welche Spanien im Feldzuge 1859/60 gemacht haben , dürfen nicht unberücksichtigt bleiben. Ein letzter Krieg mit Marokkowird zweifellos à outrance ausgefochten werden . Freilich ist das stehende marokkanische Heer an Zahl
ver-
hältnismälsig gering, eine völlig zuchtlose Schutztruppe des Sultans, ohne militärische Bedeutung, wie es sich auch aus den niedrigen
Streiflichter von der algerisch-marokkanischen Grenze.
198
Volksschichten rekrutiert.
Diese Regierungstruppen sind dann auch
für die Beurteilung der Wehrkraft des Reiches wenig von Belang. Der Schwerpunkt der militärischen Stärke liegt vielmehr in den ungezählten Scharen
der Hilfstruppen, welche von den
Stämmen im Kriegsfalle,
zumal gegen äufsere Feinde,
einzelnen
aufgebracht
werden, einem Umstande, dem im Auslande wohl nicht die Bedeutung zugemessen wird, die er tatsächlich hat. Wenn auch Tunis nach Überwältigung der räuberischen Krumios 1881 unter französische Schutzherrschaft gestellt werden konnte, so läfst sich jener Erfolg in betreff einer algerischen Grenzerweiterung ins obere Saura-Gebiet hinein, gegenüber den ungleich bedeutenderen Machtverhältnissen Marokkos
nicht ebenso glatt vollziehen.
Sollte
der Sultan wirklich gegen den Willen der geistlichen Behörden des Landes ein Abkommen mit einer christlichen Macht treffen wollen, so würde
ohne weiteres
ein Aufstand der Bevölkerung entstehen.
Berber wie Araber sind zu freibeitsliebend und selbständig, als dafs sie sich unweigerlich den Anordnungen ihres obersten Kriegsherrn fügen würden, wenn sie nicht aus eigener Überzeugung die Sache, der sie ihre Kraft widmen sollen, billigen können. Wie Frankreich vermöge bestem
Ankergrunde
seiner grofsen und geräumigen, auf
angelegten Kriegshäfen
Toulon,
Algier
und
Biserta das Westbecken des Mittelmeeres beherrscht und gleichzeitig den angloindischen Seeweg flankiert, so würde jene aus Algerien keilartig in das südöstliche Marokko vorgeschobene strategische Stellung ganz Marokko bedrohen und zugleich jeden Wettbewerb überwachen. Wie ferner der maritime Kanal des deux mers die ungestörte Verbindung der atlantischen und mediterranen Flotte Frankreichs bewirkt, so wird aus fester Schranke an der oberen Saura ein französischer Vormarsch in das Innere Nordafrikas gedeckt und die Verbindung Algeriens mit Senegambien gesichert. Nachdem sich die Dinge in Marokko infolge andauernder innerer Wirren immer bedenklicher zugespitzt, auch eine Regelung dieser Mifsverhältnisse kaum mehr möglich erscheint und somit die Unabhängigkeit des alten Scherifreiches auf die Dauer nicht zu erbalten ist, so hat man Frankreich als auf weite Strecken benachbarte Macht (englisch - französisches Abkommen vom 8. April 1904) freie Hand gelassen über die Ruhe von Marokko in wirtschaftlicher und militärischer Beziehung zu wachen . Wenn die Franzosen inzwischen dem vorschwebenden Ziele ihres nordwestafrikanischen Kolonialreiches
durch
südwärtige Vorstöfse zum Niger
näher zu
kommen suchen, so lassen sie einen anderen leitenden Gesichtspunkt
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
199
nicht weniger aufser acht, nämlich ein in westlicher Richtung verlängertes Algerien mit der natürlichen Begrenzung des Hohen Atlas. Freilich können noch Jahre vergehen, bis die brennende marokkanische Frage ihre endgültige Lösung finden wird, aber wenn jener Zeitpunkt auch heute noch nicht abzusehen ist, so dürfte die Heeresleitung in Algerien schon jetzt ihr Augenmerk auf den strategischen Wert des Saura-Hochtals gerichtet haben, um im entscheidenden Momente zahlreich verfügbare Kräfte dorthin in Bewegung zu setzen. Alsdann werden sich bei entsprechend militärischer Ausnutzung dieses dominierenden Geländeabschnittes dessen wirksame Vorzüge geltend machen.
XVI.
Russland
und der
russisch-japanische
Krieg.
Von Generalmajor a. D. von Zepelin.
X. (Abgeschlossen am 26. Januar . ) Wir begannen unseren Januar-Bericht mit dem Hinweise darauf dals zwar entscheidende Schläge noch nicht gefallen wären, aber die Ereignisse zu solchen hindrängten. Einer dieser Schläge getroffen. Port Arthur hat sich geben.
ist gefallen
und hat Ruisland
daſs
schwer
an der Wende des neuen Jahres über-
Generalleutnant Stössel,
der tapfere
Verteidiger
des
mit
Aufbietung so vieler Kosten zum Stützpunkt der russischen Macht am Koreanischen Meere gemachten Waffenplatzes hatte nach Erstürmung der Forts Ssungsuschan und Erlungschan eingesehen, daſs die Japaner das Innere der Festung in solchem Mafse beherrschten, dafs ein weiterer Widerstand unmöglich, ein Opfer gegenstandslos sei . Er beschlofs die Übergabe.
an Menschen
Wir sind über die tatsächlichen Zustände in der gefallenen Feste auch heute
nur durch die
dürftigen,
ziebung unzuverlässigen Zeitungsnachrichten
in mehr als einer Beorientiert ; wir kennen
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
200
weder die genaue Stärke derselben .
Lage
der Befestigungen zueinander, noch die
Wir wissen als zuverlässig nur aus der Meldung des Generals Nogi nach Beendigung der Übergabe, dafs von den Russen „, 59 permanente Befestigungen “ ausgeliefert sind. Doch fehlt die Erläuterung, was alles unter dem Begriff einer selbständigen Befestigung zu verstehen ist. An Geschützen aller Kaliber wurden 546 übergeben, von denen 54 grofsen, die weit überwiegende Mehrzahl aber kleinen Kalibers ; über 82600 Granaten, 35252 Gewehre ,
an Geschossen (Granaten) 1920 Pferde usw.
Hierzu kommen noch die die,
abgesehen
Schiffen aus
von
im Hafen befindlichen Kriegsschiffe ,
den versenkten
oder
gewaltsam
zerstörten
einer gröfserenteils aus Kanonenbooten und Torpedo-
jägern gebildeten Flotille bestehen , und eine Reihe von kleineren anscheinend nicht im gebrauchsfähigen Zustande befindlichen Dampfern. Dafs die Zahl der Verwundeten und Kranken, die in Lazaretten liegen, in denen es sowohl an Schutz gegen die Geschosse des Feindes , wie auch an den erforderlichen Heilmitteln fehlt, über 10000 beträgt, bekannt.
ist freilich nur aus unkontrollierbaren Nachrichten
Dieser Umstand soll aber sehr wesentlich den General Stössel zur Abschliefsung der Kapitulation veranlafst haben . ') Wir erwähnen alle diese Daten nur, weil sie zum Anlaſs für eine Polemik in der russischen Presse dienen , die nach dem „ berühmten Beispiel " anderer Nationen, namentlich aber unserer Nach1 ) Während wir diese Zeilen niederschreiben, brachte die japanische Presse den detaillierten Bericht des Generals Nogi über die Übergabe, aus denen sowohl die Stärke der überlebenden Garnison Port Arthurs , wie auch die einzelnen Truppenteile, die sie bildeten und über die man bisher noch nicht ganz genau orientiert war, ersichtlich ist. Hiernach sind gefangen : 8 Generale, 4 Admirale, 57 Obersten und Stabsoffiziere, 100 Schiffskapitäne bezw. Kommandanten , 531 Hauptleute und Leutnants des Landheeres, 200 Leutnants zur See und Marinebeamte, 99 Beamte der Armee, 109 Stabsärzte , 20 Militärgeistliche , 22434 Unteroffiziere und Mannschaften des Landheeres, 4500 Marinemannschaften, 8645 Nichtkombattanten des Landheeres und 500 solcher der Marine. Ausserdem die Kranken und Verwundeten in den Lazaretten. Von Truppenteilen , denen die Gefangenen angehören, werden genannt: Das 5. , 13., 14 , 15. , 16. , 25. , 26. , 27. und 28. Ostsibirische Schützenregiment, das 7. und 8. Reservebataillon , sowie kleinere Teile des 10., 11. und 12. Schützenregiments, verschiedene Artillerie-Körper, von denen die Mehrzahl die Artillerie des Kwantun-Festungsbezirkes bildete.
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
201
baren jenseits des Rheins bei nationalen Unglücksfällen, vorzugsweise aber bei Niederlagen im Kriege nicht der Nation als solcher eine Schuld beimessen, sondern nach Personen suchen, auf deren Schultern sie alle Schuld abwälzen können . So hier sogar auf den, bisher zum Nationalhelden gestempelten General Stössel. Diese pessimistische Stimmung , ja man könnte sagen,
diese
moralische Depression der russischen Presse sticht grell ab gegen die Überhebung , welche sie vor der erlittenen Niederlage zur Schau trug.
Sie hat aber noch eine Kehrseite im Gefolge.
Man sucht die
Heeresleitung nach allen Richtungen hin wegen mangelhafter Sorgfalt in der Verpflegung , Bekleidung und der Einrichtung der Sanitätseinrichtungen anzugreifen . Man erschüttert hierdurch das Selbstvertrauen des Volkes und der Soldaten. Nun ist es ja kein Geheimnis, dals in früheren Feldzügen des russischen Heeres in dieser Hinsicht arg gesündigt ist, auch noch im letzten russisch-türkischen Kriege. Die Sorge der Angehörigen der auf dem unwirtlichen mandschurischen Kriegsschauplatze, viele , viele Tausende von Werft von der Heimat entfernten Soldaten, mit denen die briefliche Verbindung natürlich sehr erschwert, ist völlig berechtigt. Aber diese offenen und häufigen Anschuldigungen in der unter der Zensur stehenden Presse sind doch eine in Rufsland auffallende Erscheinung. Sie geben für die inneren Zustände Ruſslands zu denken.¹) Die Regierung ist schon im Hinblick auf die durch politische Agitationen erregte Stimmung des Volkes, bestrebt, durch Untersuchungen den Tatbestand festzustellen und
erläfst öffentliche, auf-
klärende, den Stempel der Wahrheit an sich tragende Erklärungen. Ob man ihnen glaubt, stehe dahin ! Sind diese Nachrichten vielleicht zum Teil durch übertriebene Darstellungen in Feldbriefen der Mitglieder der Armee, Sanitätskolonnen usw. in die Presse gelangt, beruhten sie vielleicht auf aus irgend einem Teile des Kriegsschauplatzes stattgehabten Vorkommnissen, so darf man doch nicht vergessen, wie viel Schwierigkeiten auch die vollkommenste Heeresleitung zu überwinden hat , um eine grofse, zehntausend Kilometer von ihrem Mutterlande,
als welches
im Sinne einer genügenden Operationsbasis doch immer nur das europäische Rufsland angesehen werden kann, entfernte Armee auf einem
wegelosen,
sehr ungenügende
Unterkunft und
Verpflegung
bietenden Kriegsschauplatz operationsfähig zu erhalten.
1) Inzwischen hat der Ausbruch der Revolution bewiesen, wie weit die Dinge im Zarenreiche in dieser Beziehung gediehen sind.
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
202
Die einzige
Schienenstralse
vollendenden Überlandweges
der
nach
Art
eines
schnell zu
erbauten Sibirischen Eisenbahn mufs
Anforderungen genügen , denen bei verhältnismälsig geringen Entfernungen in kultivierten Ländern des zentralen und westlichen Europas ein ganzes Netz von Eisenbahnen dient. Kein Wunder,
dafs
das Schicksal der
auch
noch unter den
Unbilden des mandschurischen Winters leidenden Truppen in ihren Erdhöhlen kein allzu beneidenswertes sein kann. Der Krieg ist eben ein rauhes Handwerk ! Soweit die Stimmung des russischen Volkes mit Bezug auf den Krieg ! Sie zeigte sich schon im Februar des vergangenen Jahres , als die ersten Nachrichten von den Unglücksfällen vor Port Arthur eintrafen.
Damals, also ehe noch die Erfolge der Japaner zu Lande
dem Kriege eine bis dahin nicht geahnte Wendung gegeben hatten, begann sich die „ Nowoje Wremja " mit der Frage zu beschäftigen, welchen Einfluís der Krieg auf die innere staatliche Lage ausüben würde. Man begann die Parallele zwischen Ssewastopol und Port Arthur zu ziehen. Man sagte geradezu : „ Port Arthur ist nichts Neues in der russischen Geschichte. Port Arthur ist einfach die zweite Auflage von Ssewastopol, und zwar eine unveränderte ... Der Verlust von Ssewastopol übte auf den Gang der russischen Geschichte einen wohltätigen Einflufs, folglich wäre auch der Verlust Port Arthurs für die russische Gesellschaft erwünscht . . . . Auf Ssewastopol
folgten
die
sechziger
Jahre
(die
Reformen
Kaiser
Alexanders II . ) , nach Port Arthur würden die zehner Jahre folgen . . “ Welches Moment der Schwächung der Führung des Krieges in einer solchen Stimmung des Volkes liegt , bedarf wohl keiner Erörterung.
War dies schon beim Beginn
des Feldzuges, als Rufsland noch über sein ganzes Geschwader des Stillen Ozeans gebot und noch keine Niederlagen zu Lande erlitten hatte, der Fall, so sind die Angriffe auf Armee und Flotte, welche wir heute in den russischen, doch die Zensur passierten Blättern finden, teilweise ganz derer würdig, die die französische Presse zur Zeit der Niederlagen der Kaiserlichen Armee bot. Geradezu empörend sind die Ausfälle, die von der „ Birshewüja Wedomosti" gegen den Generaladjutanten Stössel und die vierhundert Offiziere geschleudert werden, die gegen Verpfändung des Ehrenwortes, nicht mehr in diesem Kriege gegen Japan zu dienen , in die Heimat zurückkehren . Die Motive, die die letzteren veranlaſsten, die Heimat aufzusuchen, können so verschieden sein, dafs es in hohem Grade leichtsinnig ist, auf sie einen Stein zu werfen . abgesehen von
der
Öffentlichkeit
völlig
Ganz
entzogenen Erwägungen
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
203
privater Natur, darf man nicht übersehen, dafs die Behandlung der russischen Offiziere in der Gefangenschaft nach den hierüber bekannt gewordenen Mitteilungen keine besonders gute zu sein scheint. Hierzu kommt, dafs die Lebensführung des Japaners bis zur Ernährungsweise hinab eine von den europäischen Völkern so abweichende ist, dafs schon allein hierdurch der russische Offizier den Wunsch haben. konnte, nicht Gefangener im Inselland zu sein. endlich schwer,
Es ist ja ganz un-
über die Frage der Rückkehr Gefangener in
die
Heimat unter Abgabe des Versprechens, in dem Feldzuge nicht mehr gegen den Feind zu dienen, in akademischer Weise ein Urteil zu fällen. Man muss zunächst die Frage so stellen : „Kann der Offizier in der Gefangenschaft seinem Vaterlande bessere Dienste leisten, wie in der Heimat " ? Das kann doch nur dann der Fall sein , wenn er in der Gefangenschaft die Möglichkeit findet, zu entfliehen und nicht gezum vaterländischen Heere zu gelangen, in dem er bunden durch das Ehrenwort von neuem Dienste leisten kann. Eine Flucht aus dem insularen Gefängnis in Japan erscheint fast ausgeschlossen, mindestens aber sehr schwer. Auch scheuen sich die Japaner nicht, dürfen wir der über einen Spezialfall eingegangene Nachricht trauen, Offiziere bei wiederholtem Fluchtversuch zu lebenslänglicher Gefängnisstrafe zu verurteilen. Und bei dieser Sachlage nimmt ein russisches Blatt, die schon bei der Beschuldigung des Generals Stössel durch ihren Mitarbeiter, den General Geilsmann, erwähnte „ Birshewüja Wedomosti " keinen Anstand, eine indirekte schmähliche Verdächtigung des erstgenannten tapferen Generals und der mit ihm nach Rufsland zurückkehrenden Offiziere auszusprechen, in der es u . a. heiſst : „ Dreihundert (anscheinend vierhundert und mehr) Offiziere schreibt ein Blatt haben sich geweigert, das Versprechen abzugeben, dafs sie in einer Zeit, wo unsere Armee für Ruislands Ehre und Gut kämpft, zur Tatenlosigkeit verurteilen würde. Sie haben die japanische Gefangenschaft der Freiheit vorgezogen und nicht das . Schicksal ihrer Untergebenen, ihrer Brüder, bei der Verteidigung Port Arthurs teilen wollen. Vor dem treulosen Gotte des Krieges haben sie sich gebeugt, aber sie sind sich selbst und dem Gebote ihres Gewissens treu geblieben, und von jetzt ab sind ihre Namen nicht nur jedem russischen Herzen teuer, sondern auch unsterblich geworden im russischen Gedächtnis. Noch sind die Namen dieser Helden nicht bekannt gemacht. Wir wissen nur, dafs die Generale Fock, Gorbatowskij , Nikitin und Admiral Wirén dazu gehören ; wir wissen auch, - das sagt uns unser Gefühl, (?) dafs General Kondratenko ebenso gehandelt hätte, er, der die Seele der Verteidigung Port Arthurs war, der Quell des Mutes und der Trost für alle, die mit ihm in Be-rührung kamen. Aber die Zeit wird kommen, wo ihnen die Sonne-
204
Russland und der russisch-japanische Krieg. der Freiheit in Rufsland leuchtet, und ganz Rufsland mit Begeisterung die Männer begrüfst, deren Blut, deren Leiden und deren Geduld den russischen Namen verherrlicht Sie geben Rufsland ein lichtes, grofsartiges Vorbild ; sie sind die wahren Helden ! " Die Bedeutung des Falles von Port Arthur in diesem Augen-
blicke ist um so schwerwiegender für Rufsland als das 2. Geschwader des Stillen Ozeans gerade in diesem Augenblicke im Indischen Ozean angekommen ist und nun weder einen Stützpunkt für seine Operationen noch ein kampffähiges russisches Geschwader mehr vorfindet. Denn die im Eise von Wladiwostok eingeschlossenen wenigen Schiffe des Admirals Jessen
scheinen
zur Passivität ver-
urteilt zu sein, und ohne jede Schwierigkeit gelingt es den Japanern, die der russischen Festung Vorräte aller Art, namentlich Kohlen, zuführenden Handelsdampfer als Prisen aufzubringen . In Japan müfste man mit Recht von dem nahenden russischen Geschwader eine Störung seines Exporthandels befürchten, der ihm allein die Möglichkeit bietet , die Kosten für den Krieg durch innere Anleihen aufzubringen. Augenscheinlich hat Japan bisher aber wenig nach dieser Richtung zu leiden gehabt. Die russische Flotte scheint einstweilen in den Gewässern des dem
befreundeten
Frankreich
gehörenden
Madagaskar
eine
ab-
wartende Stellung nehmen zu wollen. Frankreich gewährt bekanntlich den Schiffen der kriegführenden Mächte einen uneingeschränkten Aufenthalt in seinen Gewässern, jedenfalls aber wird es besondere Rücksichten dem Bundesgenossen " gegenüber zu nehmen wissen . Was die Insel Madagaskar anlangt, so ist sie, nachdem Frankreich im Jahre 1895 die Hovas besiegt hatte, 1897 nach Absetzung der Königin von diesem Reiche annektiert worden, und die mit Naturschätzen reich gesegnete Insel eine französische Kolonie. Sie ist von bedeutender Grölse , 591500 qkm , d. h. um etwa 50000 qkm gröfser als das Deutsche Reich. Für eine Flotte bietet sie neben den Produkten, namentlich an Fleisch, auch eine Reihe von guten Ankerplätzen an ihren Küsten, denen allerdings zum Teil Korallenriffe vorgelagert sind.
Am freiesten von solchen ist die im
Norden liegende Bai von Diego- Suarez. Sie dringt 10 Kilometer tief in das Land ein und ist etwa eben so breit. Die Bucht ist zur Aufnahme einer Flotte sehr wohl geeignet, da sie
einen guten
Ankergrund und eine bequeme Einfahrt hat und gegen das Andrängen der Wellen des Meeres
bei hohem Seegang geschützt ist.
Die den Hintergrund der Bucht bildenden Mangrove-Wälder schützen gegen das Binnenland.
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
205
Die Ostseite der Insel ist weniger gegliedert als die Westseite, enthält aber einige gute Häfen und Buchten wie die von Antongil und die Häfen von Tamatave und Vohémar. Sie ist im allgemeinen schwer zugänglich, da den vielen Flufsmündungen Barren vorgelagert sind. Gute Ankerplätze bieten die Inseln Nossi- Bé auf der Sehr hinderlich für die West- und St. Marie auf der Ostseite. sind die beMeerbusens Schiffahrt in diesem Teile des Indischen Ozean Indischen im sonders in den Monaten Januar und Februar herrschenden Wirbelstürme .
Es soll ihre Kraft so grofs sein,
dafs
sie oft grofse Schiffe gegen den Strand werfen . Das tropische Klima bestimmt im Vereine mit den Passaten den Charakter der Vegetations- und Gesundheitsverhältnisse. Madagaskar hatte früher in der letzteren Beziehung keinen besonders guten Ruf.
Man
nannte
es
den Kirchhof der Europäer " .
Die französischen Truppen haben während des
letzten Feld-
zuges stark an Fieber und Dyssenterie gelitten, wogegen durch die Waffen des Feindes nur wenige Mann starben. Namentlich ungesund sind die sumpfigen Teile an der Küste . Ob die russische Flotte tatsächlich während der Zeit, bis das augenblicklich in den Ostseehäfen ausgerüstete 3. Geschwader eintrifft, in den Gewässern Madagaskars verweilen wird, sei dahin gestellt. Die Stimmen mehren sich, die behaupten, sie werde nach Rufsland zurückkehren. Japan soll bei Frankreich vorstellig geworden sein wegen der Begünstigung seines Gegners, auch mehren sich die Anzeichen, dafs man in Frankreich in weiteren Kreisen über das längere Verweilen der Bundesgenossen in den französischen Gewässern beunruhigt wird.
Man befürchtet vielleicht nicht mit
Unrecht, dafs Japan die Ruhe des Gegners in den neutralen Gewässern nicht schonen wird und Frankreich hierdurch in eine peinliche Lage gebracht werden könnte . Die öffentliche Meinung, der augenblickliche kommandierende Admiral in Wladiwostok , Skrydlow und andere Stimmen aus dem Seeoffizierkorps
fordern
die
möglichst beschleunigte
Absendung
des
3. Geschwaders , das aus allen noch in der Ostsee zur Verfügung stehenden Kriegsschiffen gebildet werden soll . Freilich darf hierbei nicht vergessen werden, dafs die meisten dort noch vorhandenen Schiffe den Anforderungen des heutigen Seekrieges nicht entsprechen . Die „ Slawa" , der „ Imperator Pawel 1 " und der „ Andrej Perwosswannüj " sind, die einzigen modernen Linienschiffe, noch im Bau. Alle anderen Linienschiffe sind veraltet. Die aus den Jahren 1894 bis 1896 stammenden Küstenpanzer dürften den Anforderungen der heutigen Seeschlacht kaum genügen. Dasselbe gilt von den 14 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 401.
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
206 Kreuzern .
Auf
die
Schwarze
Meer - Flotte, darf
man ,
bei Be-
achtung der Bestimmungen des sogenannten „ Meerengen- Traktats ", nicht rechnen . Es sei daher dahin gestellt, ob diese Verstärkung einen Zuschufs an Kraft und nicht zugleich ein Impediment für die unter dem Kommando des Admirals Roshestwenskij vereinigten russischen Seestreitkräfte sein würde, um so mehr, da schon der personelle Teil seines
Geschwaders,
namentlich das Maschinisten-
personal, nicht allen Anforderungen entsprechen soll. Für den Landkrieg hat der Fall Port Arthurs die wichtige Bedeutung, dafs die Belagerungsarmee des Generals Nogi
für die
Verwendung am Schaho frei wird . Die genaue Stärke der Truppen Nogis ist bisher nicht bekannt geworden. Sie sollen vier Divisionen stark gewesen, nach anderen Berichten sogar noch durch improvisierte Formationen verstärkt worden sein . Man darf annehmen,
daſs,
nachdem
den
Truppen
die
not-
wendigste Zeit zur Vorbereitung für den Abmarsch gegeben wurde, diese in Bewegung nach dem Norden gesetzt sind. Auch wird behauptet, dafs schwere Artillerie, welche zur Belagerung verwandt wurde, auf der Eisenbahn nach Ljaojan transportiert wurde. Anscheinend hat die russische Heeresleitung, veranlafst durch das Herannahen der Truppen Nogis,
einmal die Zerstörung, bezw .
Beunruhigung der Bahn Port Arthur- Ljaojan, dann aber die Herbeiführung einer Entscheidung am Schaho vor dem Eintreffen der Verstärkungen der Japaner beschlossen.
Wenigstens würde
naheliegendste Erklärung für die Unternehmung der abteilung des Generaladjutanten Mischtschenko sein.
dies
die
Kavallerie-
Es ist demselben allerdings gelungen, die Eisenbahn an einzelnen Stellen zu zerstören, dauernde Erfolge scheint dieser Raid aber nicht gehabt zu haben. anDie Japaner hatten vielmehr scheinend so energische Gegenmafsregeln getroffen, das General Mischtschenko zu so beschleunigter Umkehr gezwungen wurde, dafs er eine gröfsere Anzahl Maroder in der Hand des Feindes zurückzulassen genötigt wurde. Gleichzeitig mit der
Absendung des Generals Mischtschenko ,
der mit seiner Abteilung weit nach Westen ausgeholt haben soll, erklärte die russische Regierung, die Neutralität Chinas nicht mehr beachten zu können. Ob der Grund hierfür in dem Bestreben gesucht werden mufs, den Hunho nicht mehr als die westliche Grenze der Operationen betrachten zu müssen , oder ob, wie russische Quellen behaupten,
die immer deutlicher hervortretende Unterstützung der
Japaner durch die Chinesen, sei es bei den Zerstörungsversuchen an der Ostchinesischen Bahn, sei es durch Bildung von Chunchusen-
Umschau.
207
banden , sei es endlich durch die mangelhafte Erfüllung der Pflichten des Neutralen gegenüber den russischen abgerüstet in ihren Häfen liegenden Kriegsschiffen, der Grund hierzu gewesen ist, sei dahingestellt. Es wird schon die nächste Zukunft lehren, wer von den beiden kriegführenden Teilen Wendung ziehen wird,
den
gröfsten
namentlich
Vorteil aber, ob
von
dieser neuesten
die Japaner den Zu-
wachs an Kräften, welche ihnen durch die Armee Nogis wurde , zur Ergreifung der Offensive benutzen werden, falls dies nicht seitens der Russen vor Ankunft dieser Verstärkungen geschähe. Von Wladiwostok aus scheinen die Russen längs der Küste eine Diversion
nach Korea hinein
zu
unternehmen ; jedenfalls
werden
Kämpfe bei Hamheung gemeldet. Während in letzter Zeit wiederholt die Wegnahme von mit Konterbande befrachteten Schiffen, die nach Wladiwostok bestimmt der japanischen Kreuzer gemeldet wird, berichten
waren, seitens
Telegramme aus China von der Bewegung eines japanischen Geschwaders in der Richtung auf den Indischen Ozean.
Umschau.
Italien. Das eben dem Parlament überreichte Heereserfordernis für 1905/06 HeeresEine Er- erfordernis wird in Armeekreisen einige Enttäuschung hervorrufen. 1905/6. höhung der Budgets- bezw. Durchschnittsiststärke an Mannschaften ist in demselben nicht vorgesehen . Nach den Mafsnahmen, die man im Dezember durchgeführt, nach den Anordnungen, die man getroffen , hatte man aber die Berechtigung , eine Steigerung zu erwarten und die Erklärungen des Ministerpräsidenten über die notwendige ,,konstante Stärke " des Heeres in der Kammer war geeignet, diese Erwartung zu bestärken . Nun arbeitet man allerdings im Kriegsministerium mit Hochdruck an der Fertigstellung eines neuen Rekrutierungsgesetzes , das für alle Fufstruppen die Dienstzeit gleich gestalten - (d. h. auf 2 Jahre herabsetzen soll, wobei zu 14*
208
Umschau .
bemerken ist, dafs man ja auch jetzt dem Kriegsministerium die Befugnis gelassen hat, von den auf 3 Jahre ausgehobenen Leuten einen Teil nach 2 Jahren zu entlassen . Für den Jahrgang 1884 [s. u. ] hat er den Prozentsatz der nur 2 Jahre unter den Fahnen bleibenden Leute auf 48,17 % der am 1. Dezember 1904
in den Listen vor-
handenen festgesetzt) - und die Überweisungen zur III . Kategorie wesentlich herabmindern soll . Dadurch kann zwar die Zahl der jährlich einzustellenden Leute wachsen, man also in jedem Jahrgang mehr Leute schulen , die Durchschnittsiststärke würde aber, wenn sie wachsen solite, eine Steigerung des Kriegsbudgets erfordern und diese tritt, wie schon bemerkt, im Voranschlage für 1905/06 nicht ein . Vom 15. Dezember ab hat man die am 6. Oktober zur Sicherstellung der öffentlichen Ruhe einbeorderten 60000 Mann Reservisten, Jahrgangs 1880 , in die Heimat entlassen und gleichzeitig berief ein Erlafs des Kriegsministers den Rekrutenjahrgang 1884 aller Waffen zum 27. Dezember bezw. 5. Januar 1905 zu den Distrikten ein , von denen er am 7. bezw. 14. Januar 1905 zu den Regimentern abgeht. Damit würde die Zeit der Rekrutenvakanz, der Forza minima für dieses Jahr bedeutend abgekürzt und man nahm im Heere an, dafs die 99Forza minima ", die zunächst als eine Abhilfe in einer schwierigen Finanzlage angewendet, später zu einem dauernden Übel geworden, nach den gemachten Erfahrungen, ebenso wie der Gedanke bezirksweisen Ersatzes und des Verzichtes auf Garnisonwechsel nun dauernd aufgegeben sei . Darum ist der Voranschlag für das Heereserfordernis 1905/06, wie oben schon bemerkt, eine Enttäuschung. Der Voranschlag bleibt mit 275 Millionen Lire, einschliesslich Pensionen (rund 35 Millionen), völlig im Rahmen des sog. „ konsolidierten Budgets". Zieht man die Beträge für Pensionen, Carabinieri Reali (soweit sie vom Kriegsbudget zu zahlen sind, ohne die Zuschüsse vom Ministerium des Innern , die durch das Gesetz betreffend Vermehrung der Carabinieri und der Schutzmannschaften in Städten jetzt eben um 25 Millionen erhöht worden sind ) und die nationalen. Schiefsvereine ab, so bleiben für das eigentliche Heer rund 206 Millionen übrig. Von diesen entfallen auf das Ordinarium rund 190, auf das Extraordinarium rund 16 Millionen . Von diesen 16 Millionen kommen 1905/06 allein 14 auf die Umbewaffnung der Artillerie, für welche bis Ende des Finanzjahres 1905/06 im ganzen dann die vorgeschenen 60 Millionen aufgewendet sein werden . Für die übrigen aus dem Extraordinarium zu bestreitenden Arbeiten und Zwecke der Landesverteidigung, besonders auch für Befestigungen bleiben davon nur 2 Millionen übrig. Der Voranschlag rechnet mit 400 Hauptleuten der Infanterie auf Spezialwartegeld, 700 Leutnants und Unter-
Umschau.
209
leutnants . Das Zurückgehen der Meldungen für Militärschulen , besonders auch an Offizieranwärtern für die Infanterie hat übrigens den Kriegsminister veranlafst, eine Wettbewerbs - Prüfung für 50 Unterleutnantsstellen der Infanterie aus der Klasse der Ersatz- (Reserve-) Offiziere auszuschreiben. In die unten verzeichnete Budget- bezw . Durchschnittsiststärke sind die 60000 Mann, die man aus dem Beurlaubtenstande zu Übungen einzubeordern beabsichtigt, nicht eingerechnet. Wir stellen die Zahlen für 1904/05 den im Voranschlag für 1905/06 enthaltenen gegentiber:
1904/05
1905/06
Budget- Durchschnitts- Budgetstärke stärke iststärke
Offiziere Mannschaften
Offizierspferde Mannschaftspferde
13923
13974
13673
207 162
265901 11564
207 162
8154 36906
40351
Durchschnittsiststärke
13860 265901
9401 ')
11567
37 3942)
40351
Am 16. Dezember 1904 waren die designierten Armee - Oberkommandierenden und der Chef des Generalstabs zum Vortrage beim Könige befohlen. Es handelte sich um Beratung der Fragen der Landesverteidigung. Die Zahl der Lokalassistenten des Genies ist von 236 auf 263 , die der Sekretäroffiziere von 1475 auf 1805 vermehrt worden. Vom 15. Dezember ab hat man mit der Entlassung der auf 3 Jahre eingereihten Leute Jahrgangs 1881 der Kavallerie und derjenigen Jahrgangs 1882 begonnen , die nur 2 Jahre zu dienen brauchen. Bei der Spezialistenbrigade hat in Rom am 18. Dezember ein Luftschifferkursus von 3 Monaten Dauer für Genieoffiziere begonnen.
Nach den Erklärungen des Schatzmeisters Luzzatti zum
Budget 1904/05 betragen die Kosten der Einberufung des Reservistenjahrgangs 1880 (vom 6. Oktober bis 15. Dezember) und die Abkürzung der Rekrutenvakanz 11 Millionen Lire, für das Expeditionskorps in China sind 984000 Lire, für Marineausgaben zu diesem Zwecke 4,06 Millionen aufgeführt. Der Marineminister Mirabello , der übrigens sofort nach Wiederbeginn der Tagung nach Weihnachten den Gesetzentwurf betreffend Einstellung
des Jahrgangs 1884
in die Marine
unter
nicht
un-
bedeutender Vermehrung der Leute I. Kategorie einbringen will , hat der Kammer den Gesetzentwurf betreffend die Steigerung der Besoldung der Subalternoffiziere überreicht. Danach tritt eine 1) Steigerung durch die gröfsere Zahl der berittenen Hauptleute der Infanterie. 2) Mehrbedarf für Artillerie bei dem neuen Material.
Marine .
Umschau.
210
Vermehrung des Grundgehalts um je 200 Lire ein, so dals Linienschiffsleutnants 3400, Leutnants z. S. 2400 und Unterleutnants z. S. 2000 Lire erhalten . Diese Besoldung kann bei 6jährigem Verbleiben in demselben Dienstgrade um 300 Lire erhöht werden, so dass sich als Maximum
4000
bezw. 3000
und
2400 Lire
ergeben .
Dafür
fallen aber die bisherigen Solderhöhungen nach 6 Jahren in demselben Dienstgrade fort. Der Marineminister verpflichtet sich, diese Mehrbeträge im Rahmen des sog. konsolidierten Budgets zu ersparen und dabei
das
Kapitel
Schiffsersatzbau nicht zu schmälern. ' )
Vom 2. Januar 1905 ab beginnen in der Marine die nach und nach zu bewirkenden Entlassungen der Leute Jahrgangs 1880 mit 4jähriger Dienstverpflichtung, sobald diese Leute 45 Monate Dienstzeit hinter sich haben. Bei Schichau, Elbing, laufen demnächst zwei für die italienische Marine gebaute Torpedobootsjäger ab . Die Zahl der Offiziere,
die,
in
besonderer Verwendung befindlich ,
die sonstigen
Bedingungen für den Borddienst vor einer Beförderung nicht erfüllt zu haben brauchen, ist auf 1 Kontreadmiral, 5 Kapitäns zur See, 7 Fregatten-, 5 Korvettenkapitäns und 12 Linienschiffsleutnants fest18 gesetzt worden .
Frankreich. Der Stand Dem von der „Marine française " kürzlich veröffentlichten Bericht der französi- des Kontreadmirals Campion an die zur Prüfung der Verwaltung des schen Marine- Marineministers Pelletan eingesetzte extraparlamentarische Kommission artillerie. über die : ,,Défense navale de la France 1894-1904" ist über das Material der Marineartillerie folgendes zu entnehmen : 1. Rohre. Seit dem Jahre 1893 gelangten nacheinander 4 verschiedene Modelle zur Annahme, nämlich Mod . 1893 , Mod . 1893—96 , Mod. 1893-96 M. , 2) Mod . 1902. Das Mod . 1893 umfasst Kaliber von 100-138,6-164,7-194-240-274,4-305 mm. Mod. 1893-96 umfafst Kaliber von 164,7 bis 305 mm, Mod. 1893-96 M. solche von 164,7 und 305 mm . Für das Mod . 1902 scheinen Kaliber von 100 bis 305 mm in Aussicht genommen zu sein, jedoch sind von diesem Modell bis jetzt nur Rohre von 194 mm fertiggestellt, während von den Kalibern von 100 mm, 164,7 und 240 Proberohre vorhanden sind.
Beim Mod . 1893 existiert nach dem ,,Aide -Mém. de l'officier
de Marine 1903" auch noch ein 34 -cm Kaliber. Nichtsdestoweniger geht aus obigem hervor, was auch in dem obengenannten Bericht ausdrücklich hervorgehoben wird,
1 ) Unterdes genehmigt. = " Modifié " , d . h. geändert. 2) M. 1
dafs man
neuerdings
auch in
Umschau.
Frankreich der Ansicht ist , Kaliber für Schiffsgeschütze nannten 4 Modelle
211
dafs 30,5 cm als gröfstes anzusehen sei. Die vorge-
verdanken ihre Entstehung verschiedenen Er-
wägungen und Absichten .
Das Mod. 1893 sollte den Rohren von
1887 and 1891 gegenüber bei gleicher Inanspruchnahme eine gröfsere Widerstandsfähigkeit aufweisen. Man erreicht dies durch zweckmässige Verbesserung der Rohrkonstruktion : Anwendung von Rohrelementen von mässiger Dicke , die gleichmäfsig durchgearbeitet werden konnten, möglichste Trennung des Längswiderstandes vom Querwiderstande durch Anwendung eines besonderen Ringes im Rohrbodenstück, in welchen das Muttergewinde für die Verschlufsschraube eingeschnitten war. Besonders diese letztere Maſsnahme soll sich gut bewährt haben. Das Mod . 1893-96 hat Rohre ähnlicher Konstruktion wie die vorgenannten. Jedoch suchte man hier
die
Anfangsgeschwindigkeit
zu
erhöhen ,
indem
man
unter Beibehaltung der Ladedichte den Ladungsraum verlängerte, um eine gröfsere Ladung anwenden zu können. Es ergab sich daraus eine Steigerung des Gasdrucks, der 3000 kg cm² erreichen können soll . Der verlängerte Ladungsraum hatte anfänglich Schwierigkeiten beim Ansetzen des Geschosses zur Folge . (Schon im vorigen Herbst gelegentlich des Anschiefsens der schweren Artillerie Mod . 1893-96 des ,,Henri IV" und des „ Requin" wufste die Presse über derartige auffallende Schwierigkeiten zu berichten . Es hiefs damals, dafs die Rückstände des Pulvers und des Kartuschbeutels die
Verschleimung des
Gleiten des
Geschosses
Ladungsraumes bewirkten und damit das beim Ansetzen verhinderten.)
Diese Übel-
stände sollen gegenwärtig durch ein vorhergehendes Einfetten des Ladungsraumes behoben werden ; die Ladedauer soll dadurch nicht in nennenswertem Mafse erhöht werden. (?) Das Mod . 1893-96 M. entstand aus Rohren des Modells 1893-96, die gemäfs der Erwägung abgeändert wurden, dafs die Gasdrücke im Geschützrohr umso regelmässiger sind , je kleiner das Verhältnis der Länge des Ladungsraumes zu seinem Durchmesser ist. innerhalb gewisser
Grenzen
Diese Erwägung stellte
eine höhere Geschwindigkeit für den
gleichen Maximalgasdruck , und damit eine höhere Robrausnutzung in Aussicht. Da jedoch die Rohre vom Mod . 1893-96 schon in der Herstellung weit vorgeschritten waren, mufste man sich damit begnügen, die verbesserte Anordnung nur in beschränktem Malse anzuwenden.
Beim Mod . 1902 sind dagegen die Vorteile der ge-
änderten Form des Ladungsraumes in vollem Mafse ausgenutzt worden. Im Jahre 1903 wurde beschlossen , die vier neuen Panzerschiffe
,,Liberté",
" Justice",,,Vérité"
und " Démocratie " mit Ge-
Umschau.
212
schützrohren Mod. 1902 zu armieren. Gâvres
mit
Bei den Versuchsschiefsen in
einem 164,7 -mm-Rohr Mod . 1902 soll die erhoffte An-
fangsgeschwindigkeit des Kappengeschosses erreicht worden sein . (Nach anderer Quelle soll bei diesem Geschütz betragen : die Rohrlänge L/50 bei 9500 kg Rohrgewicht, das Geschofsgewicht 52 kg ; der Gasdruck ist nicht angegeben. ) Bemerkenswert erscheint, dals man
bei
den
beiden
letztgenannten
Modellen
der französischen
Marineartillerie für das Kaliber von 164,7 mm auf die Verwendung von Metallhülsen wiederum verzichten zu müssen glaubte .
Als
Grund dafür wird in dem französischen Bericht angeführt, dafs der Gebrauch der Hülsen hinsichtlich der Schnelligkeit des Ladens nur dann von Vorteil sei, wenn verbundene Munition in Form einer Patrone verwendet werde . Wenn aber Geschofs und Hülsenkartusche getrennt, eine
oder sogar Geschofs ,
Hülsenkartusche
Mod. 1893-96
Beutelkartusche und
dahinter,
noch
wie
beim 164,7 mm - Geschütz
angewendet würden (!) ,
so sei es zum schnelleren
Laden günstiger, von der Anwendung von Hülsen Abstand zu nehmen . Der französische
Bericht
gibt
sodann
eine Tabelle der mit
Kappengeschossen in den Rohren Mod . 1893 bis Mod . 1902 erreichten Anfangsgeschwindigkeiten. Sie variieren zwischen der niedrigsten Zahl von 710 m Anfangsgeschwindigkeit des 100 mm-Rohres Mod . 1893 bis zu den schon erwähnten 925 m Anfangsgeschwindigkeit, die für die
164,7
und 194 mm- Rohre Mod. 1902 angeführt wird .
Die Erhöhung der Anfangsgeschwindigkeit sei und bleibe das von der französischen Marineartillerie angestrebte Ziel. Diese Erhöhung sei mit einer gestreckteren Flugbahn verbunden und könne auch eine Herabsetzung der Kaliber der schweren Artillerie zur Folge haben. Über
die sogenannte leichte Artillerie , welche die Kaliber
von 37 , 47 und 65 mm umfafst, sagt der französische Bericht nur einige Worte. Diese Geschütze feuern mit Anfangsgeschwindigkeiten von 388, 650 und 750 m. Auf Grund der Versuchsergebnisse mit einer 100 mm- Probekanone sei man mit an den Entwurf von 47 und 65 mm- Geschützen herangegangen, die eine Anfangsgeschwindigkeit von 875 m ergeben sollen. Aus anderen Quellen geht hervor, dafs man das 47 mm- Geschütz System Hotchkifs der französischen Marine
als
halbselbsttätiges
Geschütz aptiert.
Das Geschütz wird
hiernach als ,,semi automatique transformé" bezeichnet werden .
Zum
Vergleich mit diesen aptierten Geschützen hat die Firma Hotchkiſs im Laufe des Jahres 1903 einige neue halbselbsttätige Geschütze kleinen Kalibers geliefert. Die Versuche mit diesem Material er-
Umschau.
213
strecken sich auch auf die Erprobung des Verschlusses (Fall- KeilVerschlufs von Hotchkifs und exzentrischer Schraubenverschlufs) .
(Fortsetzung folgt.) W.
Die Begeisterung, die nach den ersten Erklärungen und dem Kriegsminister Erlals des neuen Kriegsministers Berteaux für diesen in der Armee Berteaux aufzuflammen schien - was nach den Enthüllungen über das von und sein André nicht nur geduldete, sondern wie jetzt festgestellt, veranlafste Programm. Angebersystem
nicht verwunderlich
erscheint
schon
wesentlich
gedämpft, nachdem Berteaux jüngst bei einem Bankett der radikalsozialen Partei ausgesprochen, er werde ganz in dem Sinne Andrés weiterarbeiten und nachdem eine Bestrafung der Angeber selbst bei wissentlich falschem Inhalt ihrer Zettel bis jetzt nicht erfolgt ist.
Er-
ledigt sind die Folgen der Angebereien , besonders auch aus dem Offizierkorps heraus über Vorgesetzte und Kameraden, zweifellos noch nicht, eine ganze Reihe von Zweikämpfen hat sich schon abgespielt und weitere werden folgen. Mit der Versetzung von Angebern in andere Truppenteile ist die Sache auch nicht abgetan, der Rifs im fran-zösischen Offizierkorps ist nicht so einfach zuzukleistern. Die „ camaraderie affectueuse ", die
„ confiance mutuelle ", die
„ Tolérance
et
solidarité indispensable " , die Berteaux in allen Gliedern der Armee bestehen sehen möchte, sind noch recht weit von der Verwirklichung entfernt und bis jetzt hat der Kriegsminister selbst noch nicht besonders viel dazu beigetragen, sie zu schaffen. ' )
Einen guten Ein-
1) Während der Bericht unter die Presse, hat das Kabinett Combesdemissioniert. Einen Grund für den Sturz bildeten die Angebereien und das bisherige Unbestraftbleiben der Angeber. Auch der kommandierende General des IX. Korps, Peigné, seit 14. Oktober Mitglied des oberen Kriegsrates , hat sich nachweislich von Freimaurern Angebezettel liefern lassen und von ihnen bei der dienstlichen Beurteilung von Offizieren seines Korps Gebrauch gemacht. Berteaux hat unterdes das Angebersystem wiederholt verurteilt und als Mittel des Kriegsministeriums zur Wiedergewinnung des Vertrauens des Offizierkorps und zur Beseitigung der scharfen Zwiste in ihm durch drei Erlasse vom 13. Januar 1905 (s . n . Bericht) den Offizieren 1. Beseitigung aller Angebereien und der geheimen Notizen zu ihren Personalberichten garantiert, 2. ihnen Einsicht in ihre Personal- und Eignungsberichte zugesagt, 3. eine Bürgschaft dafür geschaffen, dafs die im Kriegsministerium liegenden Berichte buchstäblich mit den bei den Regimentern aufbewahrten übereinstimmen. Man kann über die Einsicht der Offiziere in ihre Eignungsberichte und die Rückwirkung auf die sie ausstellenden Vorgesetzten verschieden denken. Durch seine neueren Mafsnahmen zur Beruhigung des Offizierkorps und aus anderen Gründen hat
Umschau.
214
druck haben aber Berteaux' Erklärungen betreffend ein neues System der Aufstellung der Beförderungslisten gemacht, wenn man vielfach in den Armeekreisen auch nicht alle Punkte dieser Erklärungen für zweckmässig ansieht. Berteaux will weder die Klassierungs - Kommission, noch die von André geschaffenen, von Galliffet schon angebahnte Allmacht des Kriegsministers über die Beförderung der Offiziere bestimmen lassen, sein System geht einen Mittelweg und dies System will er schon bei den Beförderungen 1905 zur Anwendung bringen. Daraus ergibt sich eine ziemlich durchgreifende Neuarbeit für alle Kommandostellen, da die Eignungsberichte ja schon eingereicht waren und auch für das Militärkabinett des Kriegsministers. Wir werden aber weiter unten sehen, dafs nach anderer Richtung hin durch Dezentralisation die Arbeitslast des genannten Kabinetts erleichtert wird . Nach jenen Äufserungen soll die Beförderung erfolgen auf Grund der von den Vorgesetzten dem betreffenden Offizier zugestandenen Eignungszeugnisse. Bis das dem Parlament noch von André vorgelegte neue Beförderungsgesetz, das bekanntlich darauf durch Verpatentierungen auf Grund guter Eignungsberichte die brauchbaren Elemente rasch an die Spitze der Altersliste ibres Dienstgrades zu bringen und dann nach dem Dienstalter zu befördern, binzielt,
genehmigt ist, will Berteaux, dals jeder Offizier von seinen Vorgesetzten eine zwischen 1 und 20 liegende Eignungsnummer erhalten soll. Diese Nummer wird beim Regimentskommandeur mit 1 , Brigadekommandeur mit 2, Divisionskommandeur mit 3, kommandierenden General mit 4, Kriegsminister mit 5 multipliziert, der Durchschnitt der Eignungsnummern , d. h. ihre so erreichte Gesamtzahl , geteilt durch die Zahl der beurteilenden Vorgesetzten, ist dann mafsgebend Dazu lassen sich Beförderungsliste . will, indem er Kriegsminister Der . mehrere Bemerkungen machen beurteilen 5-100 von also sich den höchsten Multiplikator vorbehält, Unserer bleiben. Stelle mafsgebende die doch kann, augenscheinlich Generälen den von Ansicht nach ist er aber, abgesehen höchstens für
die
Eintragung
in der
4 und Regimentskommandeuren, nicht in der Lage, die Offiziere zu kennen und mafsgebend zu beurteilen . Die Aufgabe, aus den Eignungsberichten der Vorgesetzten den nötigen Anhalt als Grundlage für sein Urteil zu gewinnen, mufs er seinem Militärkabinett überlassen und da wird es doch zweifelhaft bleiben, ob mit der nötigen Unparteilichkeit verfahren wird. Am besten mufs seine Offiziere der Regimentskommandeur kennen, ihm
müfste also auch der höchste
Berteaux zweifellos noch die meiste Aussicht, in einem neuen Kabinett auf seinem Posten zu bleiben, was bei Pelletan als völlig ausgeschlossen betrachtet werden mufs.
Umschau.
215
Multiplikator zugestanden werden.
Im übrigen müfste bei dem
System doch auch das Alter im Dienstgrade berücksichtigt werden und ebenso das Lebensalter, weil die Altersgrenze besteht. Es hat keinen Zweck, Hauptleute, die 2 Jahre in diesem Dienstgrade, auf die Beförderungslisten zu setzen und ebensowenig Offiziere, die dicht vor der Altersgrenze stehen. Vereinzelt wird in Armeekreisen auch die Rückkehr zu dem System der Klassierungskommissionen verlangt, so wenigstens, dafs diese Kommissionen den Durchschnitt der Eignungsurteile bestimmen sollen. In den Erklärungen des Kriegsministers ist angenehm aufgefallen , dafs den Offizieren die über sie gefällten Urteile bekanntgegeben werden sollen . Im Kriegsministerium arbeitet man im übrigen jetzt mit Hochdruck daran, ein neues Beförderungsgesetz - in welchem sich vieles aus dem jetzt schon vorliegenden Andréschen, aber auch manches Neue im Sinne der eben entwickelten Absichten Berteaux finden wird , sowie ein neues Kadregesetz fertig zu stellen .
Über den Inhalt
des letzteren ist bis jetzt noch nichts bekannt geworden, dafs es aber bei Einführung der zweijährigen Dienstzeit nötig werden würde, bat Berteaux
richtig
erkannt.
Damit kommen wir zur Stellung
des neuen Kriegsministers zum Gesetzentwurf betreffend die zweijährige Dienstzeit. Der Armeeausschufs des Senats bat in den strittigen Punkten jetzt seinen endgültigen Entschlufs gefafst, sie kommen in dem schon fertig gestellten Bericht Rolland zum Ausdruck und der Senat hat beschlossen, sie in der ersten Sitzung nach Weihnachten im Plenum zu beraten . Den Vorschlägen, die Berteaux dem genannten Ausschusse behufs Herbeiführung einer Einigung gemacht,
entsprechen sie nicht überall.
Dals
Berteaux mit dem Inkrafttreten der zweijährigen Dienstzeit für die Aushebung des 1905 einzustellenden Rekrutenkontingents noch nicht rechnet, geht klar daraus hervor, dafs er an die Präfekten schon die Weisung gerichtet, die Losung baldigst zu bewirken und mitgeteilt hat, dafs das Aushebungsgeschäft möglichst früh beginnen werde. Dagegen hat er aber auch und das liegt im Sinne des Gesetzentwurfs betreffend die zweijährige Dienstzeit, der anordnet, dafs der erste nach Bekanntgabe des Gesetzes zur Einreihung gelangende Rekrutenjahrgang schon im Oktober eingestellt werden soll - erklärt, der Rekrutenjahrgang 1904 werde schon im Oktober 1906 unter die Waffen treten . ')
Hier sei auch gleich auf die Mafsnahmen .
1) Die Entlassung des Jahrgangs 1904 würde dagegen, wie wir im nächsten Berichte beweisen werden , schon nach zweijähriger Dienstzeit eintreten müssen, wenn vor April 1905 das Gesetz genehmigt würde, da man sonst einen Jahrgang nach dem Gesetz von 1889 und zwei Jahrgänge
Umschau.
216
hingewiesen, da Berteaux vorgeschlagen hatte, um den Überschufs von rund 20000 Mann über die Budgetstärke, welchen die diesjährige Rekruteneinstellung ergeben reichenden Mehrkosten zu beseitigen .
hat und die 9 Millionen erWir betonen Budgetstärke ,
d. h. die Stärke, für welche im Budget Mittel für das ganze Jahr ausgeworfen werden, weil man diese im deutschen Reichstag wieder einmal mit der Durchschnittsstärke verwechselt hat, die wesentlich (um rund 30000-50000 Mann) höher ist, ohne deshalb zu allen Zeiten die Höhe der Stärke des Kadregesetzes ( Etatsstärke rund 605000) zu erreichen . Berteaux schlug dem Budgetausschuss vor : 1. die Prozentzahl der Beurlaubten von 8 % erhöhen ;
auf 10 % zu
2. die vom Kriegsminister zu bestimmenden Familienstützen von 300 auf 1000 zu bringen ; 3. 8400 Mann, die mit kleinen Fehlern behaftet, in die Heimat zu entlassen. Der Budgetausschufs erklärte sich nur mit der an letzter Stelle aufgeführten Mafsnahme einverstanden . (Billiger wäre es dann gewesen, vor der Abreise der Rekruten zu den Truppenteilen sie noch einmal einer ärztlichen Untersuchung zu unterwerfen und 8400 Leute gleich zu Hause zu lassen .) Damit bleibt dann immer noch ein Überschufs von 11600 Mann , der rund 6 Millionen Mehrkosten verursacht und,
in die
Iststärke übertragen,
rund
14000 Mann
ergibt. Kehren wir nun zu Berteaux' Verhandlungen mit dem Armeeausschufs des Senats zurück . Der Kriegsminister empfahl hier eine Einigung auf 2 X 21 Tage Übungen der Reservisten, 1 X 8 Tage der Landwehrleute, der Armee - Ausschufs des Senats blieb unerschütterlich bei 2 X 28
bezw.
1 X 13 Tagen.
Generalgouverneur von Nordafrika legten
sich
Berteaux und der für
nur
einjährige
Dienstzeit der Algerier und Tunesier ins Zeug, der Armeeausschufs setzte 2 Jahre fest , der Kriegsminister empfahl die Annahme des Beschlusses der Kammer, der Aushebung eine Musterung vorausgehen zu lassen, der Armeeausschufs des Senats verwarf ihn .
Berteaux
würde sich mit 2/, der Unteroffiziere , ' /, der Korporale an Kapitulanten begnügen, der Armeeausschufs des Senats bleibt beim Beschlusse des Senats ,
/, bezw. 12 zu verlangen .
In Heereskreisen bezeichnet
man die Forderung des Senats sogar noch als zu gering und General nach dem Gesetz, betreffend die zweijährige Dienstzeit, unter den Fahnen haben würde und die beiden letztgenannten ja schon die heutige Durchschnitts-Iststärke ergeben sollen.
Umschau.
217
Luzeux schreibt in einem Fachblatte, der Widerstand der Kammer -- die man aus gegen eine ausgibige Vermehrung der Kapitulanten Geldrücksichten dort kaum über den heutigen Stand hinausbringen wolle beweise deutlich , dafs die Kammer zugleich mit einer Verkürzung der Dienstzeit auch eine Verringerung der Durchschnittsstärke anstrebe . - Besser ist eine Einigung von Kriegsminister und
Armeeausschufs des Senats in der Frage der grofsen Schulen im Mannschafts-
Dienstzeit der Zöglinge der sog.
stande gelungen, eine andere Frage ist nun allerdings die, ob die Kammer bei ihrem starren Festhalten an der Gleichheit vor dem Rekrutierungsgesetze mit der Lösung einverstanden sein wird. Die Zöglinge von St. Cyr sollen ein Jahr im Mannschaftsstande dienen, ebenso die Polytechniker, die sich der aktiven Offizierlaufbahn widmen . Die Zöglinge der anderen grofsen Schulen würden 1 Jahr im Mannschaftsstande dienen, dann die Schule beziehen und am Schlufs derselben noch ein Jahr als Reserve-Offizier zu dienen haben, nachdem sie in den Schulen auch militärisch weiter gebildet worden sind . Sie haben nur eine zweimalige Übung in der Reserve zu absolvieren. Um aber die Gleichheit vor dem Rekrutierungsgesetz zum Ausdruck zu bringen , hat der Armeeausschufs des Senats hinzugefügt, dafs auf ihren Antrag alle Lente, die ein aktives Dienstjahr vollendet, einer Prüfung behufs Nachweisung der Eignung zum Reserve offizier - Aspiranten unterworfen werden können . Bestehen sie diese Prüfung, die man naturgemäfs nicht allzuleicht machen wird, so können sie nach Bedarf zu Reserve offizierAspiranten ernannt werden , erhalten als solche im ersten Semester des 2. Jahres
eine Sonderausbildung und können, wenn sie am Schlusse des 1. Halbjahres eine neue Prüfung bestehen, das 2. Semester als Unterleutnants der Reserve dienen . Sie sind zu 3 Übungen in der Reserve verpflichtet. Auf diese Weise dienen die Leute. 2 Jahre, man hat die Möglichkeit, soviel Reserveoffiziere zu ernennen , als man braucht und erschliefst nominell allen Dienenden die Möglichkeit , auf diese Weise ihre 2 Jahre zu absolvieren , während man durch die Bestimmungen für die Prüfungen und durch den Zusatz nach Bedarf" es in der Hand hat, sich die brauchbarsten Elemente auszuwählen . ') Wir haben oben auf eine von Berteaux schon angeordnete Entlastung des Kriegsministeriums hingewiesen, die Dezentralisation eintritt.
durch eine
Es handelt sich um einige Änderungen
1 ) Auf den Wortlaut des Berichtes Rolland , der die Beschlüsse des Senats-Armeeausschusses auch begründet , kommen wir im nächsten Bericht zurück, er enthält eine Reihe von interessanten Aufschlüssen.
Umschau.
218
der Ordonnanz von 1838 betreffend die Beförderungen. Bisher erhielten alle beförderten bezw. versetzten, oder in eine neue Dienststelle tretenden Offiziere vom Kriegsministerium
eine Bestallung
(lettres de service ), die ihnen gewissermafsen als Belag für das Anrecht auf den neuen Dienstgrad, die neue Stelle und auf die Umzugs- und Bekleidungsentschädigung diente . Diese lettres de service " sollen in Zukunft im
Frieden nur noch Generalen und Regimentskom-
mandeuren gegeben werden . Da die Beförderungen und Versetzungen vollinhaltlich im Journal officiel erscheinen, so haben die bisherigen Kommandeure der betreffenden Offiziere aus dem genannten Journal Auszüge zu machen und diese in die Personalbogen der Offiziere einzutragen. Versetzte Offiziere übergeben diese Personalbogen ihren neuen Kommandeuren. Bei der Beförderung der Zöglinge der Militärschulen machen die Kommandeure der Truppenteile, bei dem sie ein Jahr Dienst getan, die Auszüge und benachrichtigen sowohl die jungen Offiziere , wie auch den neuen Truppenteil. Die Entlastung für das Kriegsministerium liegt auf der Hand. Bei Versetzungsanträgen von Offizieren aus persönlichen Gründen muss das Einverständnis der beiden Kommandeure vorhanden sein , sind nun die Stellen nicht einverstanden, so haben sie die Gründe dafür anzugeben.
Die Entscheidung liegt beim Kriegsminister.
Beförderungen
werden jedesmal am 25. des letzten Monats jeden Quartals bekannt gegeben, Versetzungen zweimal in jedem Monat, am 10. und 28 . Der Erlafs vom 22. November bestimmt weiter, dafs es im Kriege bei den bisher bestehenden Bestimmungsn bleiben soll.
Neues
In Gegenwart einer gröfseren Anzahl von Mitgliedern des ParlaKüsten- ments hat der Kriegsminister Berteaux jüngst in Havre in der Küstengeschütz. batterie la Hève ein neues 24 cm - Küstenschnellfeuergeschütz von 10 tons Gewicht, das
163 kg schwere Geschosse
mit 500 m
Anfangsgeschwindigkeit verfeuert und vom Hauptmann Tourniér konstruiert ist, im Feuer vorführen lassen. Das Geschütz nützt den Rohrrücklauf zum automatischen Laden aus und gibt 12 Schüsse in derselben Zeit ab, wie das auch vorgeführte 19 cm-Küstengeschütz einen . Man schofs bis über 8000 m. Zur Bedienung des Kolosses waren nur 3 Mann erforderlich, einer der richtet, sehr einfachen Verschlusses,
einer zum Öffnen des
der dritte zum Abfeuern .
In den be-
züglichen Berichten findet sich eine etwas unklare Bemerkung. heifst dort nämlich, dafs der Mann, der abfeuert,
Es
eine Maske und
eine Hüllé tragen müsse , um nicht durch 39 das unverbrannte , beim Luftzutritt sich entzündende und eine grofse Rohflamme ergebende Pulver" verbrannt zu werden . Das mülste dann doch als ein sehr schwerer Übelstand bei dem neuen Geschütz angesehen werden .
Die
Umschau.
219
Durchschlagskraft soll nach den Berichten so grofs sein, dafs keiner der modernen Panzer Widerstand leistet. Die Kosten jedes Geschützes werden auf 500,000 Frank angegeben , und der Bedarf an solchen Geschützen für die Küstenverteidigung auf 100. Die bei den Versuchen anwesenden Parlamentarier erklärten, es werde keine Schwierigkeiten haben, vom Parlament die nötigen (50 Millionen) Mittel zu erhalten . ') Wie für Anam - Tonkin , so ist auch für Westafrika die Kolonialtruppen . Rekrutierung von Eingeborenen neu geregelt worden . Die Ergänzung findet statt 1. durch freiwilligen Eintritt auf 2 bezw. 4 Jahre, 2. durch
Kapitulationen auf 1 , 2 and 3 Jahre.
Die Freiwilligen erhalten mit
dem Moment der Verpflichtung eine Prämie, Kapitulanten wird eine Prämie gewährt, die zur Hälfte mit dem Moment der Kapitulation , zur Hälfte mit dem Eintritt in die Kapitulationszeit zahlbar ist und aufserdem eine Soldzulage . Eingeborene Unteroffiziere können auch über 15 Jahre im Dienst als Kommissionierte bis zum 25. Dienstjahre behalten werden und können dann eine Pension verdienen, Korporale dagegen bleiben nicht länger als 15 Jahre . Die Freiwilligen sollen sich normal auf 4 Jahre verpflichten . Die Zahl der auf 2 Jahre einzustellenden Freiwilligen und der Kapitulanten wird in der Höchstzahl jährlich nach den Mitteln des Budgets durch den Generalgouverneur bestimmt. Freiwillige und Kapitulanten können auch aufserhalb Westafrikas Verwendung finden, sie erhalten in einem solchen Falle einen zweimonatlichen Sold als Entschädigung . Eingeborene Offiziere sind nach 25 Dienstjahren zum Empfang einer Pension berechtigt. Das Gebiet von Westafrika wird in eine Anzahl von Reservebezirken geteilt.
Die eingeborenen Reserven setzen sich zusammen
aus 1. den eingeborenen Leuten, die die übernommene Dienstpflicht binter sich gebracht haben, 2. den Kapitulanten, die ausgedient haben , 3. den Leuten im Alter von 20-30 Jahren, die von den Kommissionen in die Klasse der Hilfsreserven eingeschrieben worden sind. Die Pflichtigkeit in der Reserve dauert 5 Jahre für die ausgedienten Leute und die der Hilfsreserve, für die übrigen Leute be trägt sie den Unterschied zwischen ihrer aktiven Zeit und 15 Jahren . Während ihrer Zugehörigkeit zur Reserve können die Leute durch den Generalgouverneur unter die Fahne berufen werden 1. bei einer allgemeinen Mobilmachung, 2. bei einer teilweisen Mobilmachung für eine Expedition aufserhalb des französischen Gebiets, 3. zu Übungen 1 ) Wie Berteaux bei einem Bankett seinen Wählern erklärte, hat man jetzt auch ein Gebirgsgeschützmodell, das den Gebirgsgeschützen aller Mächte überlegen ist.
Umschan.
-220
oder Appells. Mit dem Moment der Einbeorderung unterstehen sie den Militärgesetzen .
Neue Dem Neuabdruck des Exerzierreglements für die Kavallerie ist baldigst das freilich lange schon erwartete, dasjenige vom 8. Oktober Reglements ersetzen bestimmte
Exerzierreglement
für die
Infanterie gefolgt, ein Erlafs vom 3. Dezember 1904 hat es in Kraft gesetzt. Von einem Ausschusse unter Vorsitz des kommandierenden Generals des V. Korps Millet ausgearbeitet, hat das neue Reglement den berechtigten Wünschen und den Erfahrungen, welche die Truppenteile mit dem Reglement von 1902 gemacht und in ihren Berichten. niedergelegt, Rechnung getragen, so dafs man sagen darf, das neue Reglement ist dasjenige , welches sich die Infanterie selbst gewünscht hat.
Klar,
kurz ,
eine ganze
Reihe von Verein-
fachungen bringend, die kriegsgemäfse Schulung
durchaus
in den Vordergrund stellend , betonend, dafs die Truppe nur das im Frieden lernen müsse, was für den Krieg Wert hat ,,einziges Ziel der Ausbildung der Truppen ist die Vorbereitung auf den Krieg" ,
heilst es im 1. Paragraphen, I. Artikel, I. Abschnitt - ,
bedeutet das neue Reglement einen sehr wesentlichen Fortschritt. Dafs das Reglement gerade jetzt, wo man vor der Einführung der 2jährigen Dienstzeit steht, in die Hand der Truppe gelangt, lässt sich nur als weise Mafsnahme bezeichnen . Der nur drei Seiten umfassende Bericht des Ausschusses und auch der das Reglement in Kraft setzende Erlafs sprechen zudem aus , dafs Exerzierreglements Änderungen erfahren müssen, wenn Vervollkommnungen der Bewaffnung oder aber Verschiebungen in der Dauer der Dienstzeit eintreten. Vereinfachungen der Ausbildung und auch Änderungen im Kampfesverfahren , besonders Beseitigung der Zweifel und Verschiedenheit der Ansichten über das Angriffsverfahren in provisorischem Reglement vom Oktober 1898 und Note des Generalstabes vom Dezember 1902 sind die Ziele der Änderungen des neuen Reglements . der
Die Vereinfachung der Ausbildung
Beseitigung
aller
Formen
wird gesucht
und Bewegungen,
die
für
in
den
Krieg keinen Wert haben, wobei aber die Disziplin auch bei kurzer Dienstzeit dadurch erhalten und gefördert werden soll,
dafs die
beibehaltenen Formationen
mit grofser Strammheit
geübt werden, man also keineswegs auf die Exerzierdisziplin verzichtet. Eine Vereinfachung der Schulung sieht man auch darin, das grofse Freiheit in der Wahl der Mittel zur Erreichung des Zieles gelassen wird . Die den Führern aller Grade gelassene Selbständigkeit soll deren persönliche Eigenschaften weiter ausbauen . Das neue Reglement vereinfacht noch die Vorschriften desjenigen von 1902 ,
Umschau.
221
bringt sie in eine mehr methodische Ordnung und betont Entwickelung der Selbsttätigkeit und Entschlufsfähigkeit der Führer aller Grade, grofse Schnelligkeit und Elastizität in Entwickelung und Kampfesformen. Änderungen oder Ergänzungen der Weisungen des Reglements durch Sondervorschriften sind verbeten. Dieses bietet die Mittel, „ die Truppen zu schulen und im Felde zu führen, " lesen wir fett gedruckt, dabei soll das Schema vermieden, jedesmal im Gefecht nach der Lage gehandelt werden. ,,Eine kriegsfertige Infanterie mufs vor
allem manövrierfähig
sein, d. h. in jedem Gelände fähig sein, sich gewandt und schnell zu bewegen, ihre Formen den Verhältnissen anzupassen, den unerwartetsten Lagen mit den einfachsten Mitteln zu entsprechen , ohne Ordnung und Zusammenhang zu verlieren." Dieser Satz der Einleitung bezeichnet klar das Ziel, das der Truppenschulung gesteckt wird. Der Bericht des Ausschusses für die Ausarbeitung ments gibt in 3 Gruppen die Folgen an,
des
Regle-
welche die neuen Waffen
für die Kampfesführung haben müssen und weist auf die Bestätigung ihrer Richtigkeit in dem jüngsten Kriege bis in den russisch-japanischen hinein hin : 1. gröfsere Schwierigkeit in dem Erkennen der Kräftegliederung des Gegners bei Beginn des Kampfes (rauchschwaches Pulver, weiter reichende Feuerwirkung, gründlichere Ausnutzung des Geländes und seiner Deckungen durch den Gegner, daher langsameres und komplizierteres Verfahren der Aufklärungsabteilungen) . Diese sind durch den Burenkrieg und durch das, was man bis jetzt vom russisch-japanischen Kriege weiſs, bestätigt worden, 2. das Vorhandensein von Schnellfeuerwaffen auch beim Gegner, die in kurzer Zeit durchaus erschütternde Wirkungen hervorbringen können, damit ganz aufserordentlich gestiegene Gefabr für Truppen, die sich namentlich in geschlossenen Formationen ungedeckt zeigen, die Notwendigkeit, Formen zu wählen , die sich dem Gelände anschmiegen, Ersatz der alten dichten Schützenlinien durch Schützengruppen, die unregelmäſsig auf der Kampfesfront verteilt sind, langsameres Vorschieben von einer Deckung zur anderen, sorgfältigere und mehr methodische Vorbereitung des Angriffs, gedecktes Versammeln und Bereithalten der für den entscheidenden Stofs bestimmten Truppen (also doch einen Rückfall in das Alte ) , 3. gröfsere Wirkung des Feuers der Infanterie , gröfsere Gefahr zu starken Patronenverbrauchs und des Verschiefsens, gröfsere Schwierigkeit im Ersatz der Patronen während des Kampfes, daher unter normalen Verhältnissen die Anwendung kurzer, heftiger Feuerstöfse (rafales) . Die Notwendigkeit der Ausnutzung des Geländes ,,der Gebrauch des 15 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 401 .
Umschau.
222
Spatens" waren schon in früheren Reglements betont.
Der Bericht
also unter den Änderungen des Reglements von 1902 nicht mehr hervorzuheben. Die Notwendigkeit kurzer, heftiger Feuerstöfse liefs erwarten, dafs die begrabene ,,Salve" wieder auferstand und dies geschieht auch in dem Abschnitt „ Schule des Zuges" , aber ihre Anwendung wird auf besondere Verhältnisse, Nachtgefechte, brauchte
sie
Verhältnisse , in denen der Führer die Truppen besonders fest in die Hand haben will, beschränkt, der Reglementsausschufs hat damit in der Truppe geäufserten Wünschen Rechnung getragen, ebenso beim Feuer mit bestimmter Patronenzahl (also 4 Feuerarten im ganzen). Das Reglement von 1902 umfafste in 3 Bändchen 252 Seiten und aufserdem eine starke Anlage mit Figuren, das neue Reglement weist 106 etwas grölsere Seiten auf und dabei die Figuren im Text. Wir sind hier naturgemäfs nicht in der Lage, die einzelnen Abschnitte des Reglements ihrem Inhaht nach wiederzugeben, können uns vielmehr nur darauf beschränken, • die Neuerungen gegenüber Reglement von 1902 hervorzuhebeu und die leitenden Grundgedanken zu streifen. Abschnitt I ( 10 Seiten) handelt von den allgemeinen Regeln und Methoden der Ausbildung. Artikel 1 und 2 dieses Abschnittes sind eine Wiederholung der gleichen Artikel des Reglements von 1902. Artikel 3 des genannten Reglements ist durch einen neuen ersetzt. Dieser lautet : „ Die Manöverierfähigkeit einer vorher durch Schulung auf dem Exerzierplatze disziplinierten Infanterietruppe wird gefördert durch häufige Bewegungen und Gefechte in wechselndem Gelände und unter Verhältnissen , die an Schwierigkeit zunehmen." Damit sind die beschränkenden Vorschriften des früheren Reglements gefallen. Selbstverständlich muls eine Truppe, um dort gründlich die verschiedenen Formen zu üben, auf den Exerzierplatz gehen, der Hauptwert liegt aber auf der Schulung im Gelände, das allerdings durch die Kulturen vielfach beschränkt wird. Das Reglement schreibt vor, dafs die Bewegungen korrekt und mit Strammheit ausgeführt werden, es schreibt aber nicht mehr vor, dafs für das reglementarische Exerzieren ein bestimmter Zeitraum festgehalten werde, läfst vielmehr dem Führer volle Freiheit. Mitte März überzeugen sich die Regimentskommandeure, ob die Rekruten soweit vorgebildet sind, dafs sie in eine mobile Einheit eingestellt werden können. Die sehr eingehend behandelten Grundsätze für die Heranbildung des Kadrespersonals sind dieselben geblieben, das neue Reglement betont nur noch schärfer die Verantwortlichkeit der Truppenführer für die Schulung ihrer Einheiten einerseits, die ihnen gelassene Selbständigkeit anderseits.
Umschau.
223
Der Regimentskommandeur ist auch für die Förderung des Verständnisses seiner Offiziere, für die Kampfesweise der anderen Waffen verantwortlich und das entspricht nur der später unterstrichenen Bedeutung des Zusammenwirkens aller Waffen auf den Gefechtszweck hin für den Erfolg im heutigen Kampfe . Die Methoden der Ausbildung haben eine neue Redaktion erfahren, legen das Schwergewicht auf die Einzelschulung als Grundlage für alles
übrige
und auch das Ausbildungsprogramm, weil durch dieses, dafs für jede Woche aufgestellt wird, das Ausbildungspersonal bezüglich der gemachten Fortschritte auf dem Laufenden
erhalten wird,
und
sich
vorbereiten kann . In jeder Ausbildungsperiode soll den niedern Einheiten ab und zu Zeit gegeben werden, in ihren engeren Rahmen das Gelernte wiederholen und Disziplin und Zusammenhang zu führen . Das Reglement bestimmt,
dals auch die alten Leute die Einzelaus-
bildung noch einmal durchmachen und von der Ausbildung des Zuges aufwärts in diesen eintreten. Die Weisungen für die Ausbildung der Reserveoffizieraspiranten übergehen wir hier. Aus Artikel 4 heben wir bezüglich Kommandos und Signale nur hervor, dafs der Bataillonskommandeur sein Bataillon in den meisten Fällen durch Zeichen und Befehle,
nicht durch Kommandos , leitet .
Abschnitt II,
Einzelausbildung umfafst 20 Seiten, betont nochmals die Wichtigkeit der Einzelschulung, hat an einigen Stellen gegenüber dem Reglement von 1902 eine neue Redaktion erfahren und legt besonderen Wert auf die Anerziehung des Vertrauens zum Führer und zur freiwilligen Unterordnung, die den Soldaten in allen Lagen ohne Besinnen folgen läfst. thode der Ausbildung,
Der Abschnitt behandelt in Artikel 1 die MeArtikel 2 Bewegung ohne Waffen, Artikel 3
Bewegungen mit der Waffe (einschliesslich Laden, Entladen, Sichern, Anschlagsübungen, Zielen, Feuern, Bajonettfechten), Artikel 4 Ausbildung länge,
des
Schützen für das Gefecht,
Marsch bei 75 cm Schritt-
120 Schritt in der Minute, kann auf 124 Schritt gesteigert
werden, Laufschritt bei 90 cm Schrittlänge 180 in der Minute,
mit
Gepäck 170 bei 80 cm Schrittlänge .
den
Es wird davor gewarnt,
Laufschritt zu ausgiebig anzuwenden , jedenfalls nur für kurze Strecken , zum Durchüben von eingesehenen Geländestücken usw. Abschnitt III ( 17 Seiten)
Schule des Zuges ,
hat folgenden
Inhalt : Gang der Ausbildung, Artikel 2 : Formationen des Zuges (Linie in 2 Gliedern , Kolonne zu Vieren , Marschkolonne, Marsch ohne Tritt, Versammlungsformationen), Artikel 3 : Bewegungen des Zuges in Linie, Marsch in Front, Schrägmarsch, Laufschritt, Wendungen, Veränderung der Marschrichtung, Knien, Hinlegen , Auf, Bewegungen mit Waffen , Artikel 4 : Übergang aus der Linie in die 15*
Umschau.
224
Kolonne und umgekehrt, Bewegungen in der Kolonne, Artikel 5 der Kampfe ist ein aufserordentlich wichtiger, weil er die
Zug im
grundlegenden Weisungen bezw. Fingerzeige für
das
Gefecht, An-
marsch, Erkundnng, Vorbewegung, Feuerarten, Anlauf, VerfolgungsSchon hier wird klar die feuer, Ordnen der Verbände bringt. Überzeugung von der Notwendigkeit des Angriffs und der Erzielung der Feuerüberlegenheit, wenn dieser glücken soll, ausgesprochen. In bezug auf Formationen spricht sich der Abschnitt auch eingehend aus, während Abschnitt IV auf 18 Seiten die früheren Bestimmungen für die Ausbildung der Kompagnie (in welcher die Schulung der Mannes ihren Abschlufs findet), des Bataillons und der höheren Einheiten zusammenfalst, Artikel 5 : Bewegungen der Kompagnien, des Bataillons und der höheren Einheiten (Einrichten . Marsch, Änderungen der Marschrichtung, Übergang aus einer Formation in andere Versammlung, Bewegungen des Regiments und der Brigade), befolgt auch den Grundsatz, nur Formen zu bringen, die für den Anmarsch an das Gefechtsfeld und auf diesem selbst Wert haben können. Vom Bataillon aufwärts kann man eigentlich nur noch vom Gefechtsexerzieren sprechen. — Aufserordentlich wichtig ist wieder der Abschnitt „ Gefecht der Infanterie", der auch den Kampf der verschiedenen Waffen eingehend beleuchtet. Raummange! verbietet uns heute, auf diesen Abschnitt so ausgiebig einzugehen , wie dies zum Verständnis nötig . Wir werden dazu im nächsten Bericht Gelegenheit haben. Für heute müssen wir uns mit einer Inhaltsangabe der einzelnen Kapitel begnügen . Artikel 1 : Eigentümlichkeiten der Kampfesaufgaben der Infanterie und moralische Faktoren. Artikel 2 : Vorbereitende Anordnungen für das Gefecht. Artikel 3 : Das Gefecht selbst und zwar A) Angriff: Gliederung der Kräfte,
Entwickelung,
Bewegung vorwärts, Erkämpfung der Anlauf (wozu der Impuls jetzt auch von der Feuerlinie gegeben werden kann), Verfolgung, Abbrechen des Gefechts, Ordnen der Verbände, Rückzug, B) Verteidigung und Erkundung, Gliederung der Kräfte , Verteidigen von Stützpunkten, Feuerleitung, Gegenstöfse, Übergang zur Offensive, Artikel 4 : GeFeuerüberlegenheit,
fechte unter besonderen Verhältnissen , z. B. Nachtgefechte, Artikel 5 : Kampf der Infanterie im Verbande mit anderen Waffen, wobei die Notwendigkeit des Zusammenwirkens auf den Gefechtszweck nachdrücklich betont wird, Artikel 6 : Sonderaufgaben der Kompagnie, des Bataillons und der höheren Einheiten . 3 Anlagen, zusammen 4 Seiten , behandeln in der Hauptsache Ehrenbezeugungen . Wir haben nur durchaus modernen Forderungen Rechnung tragendes Reglement vor uns,
das der Rücksicht auf kriegsgemäfse Schulung
Umschau.
alles übrige unterordnet und zum Nachdenken anregen.
225
dessen Fingerzeige für das Gefecht
Aus dem Neuabdruck des Exerzierreglements für die Kavallerie müssen wir kurz noch nachtragen, daſs es in den allgemeinen Weisungen für
den
Kampf von Kavallerie gegen Kavallerie,
Ver-
wendung der Kavallerie im Gefecht überhaupt sowie ihrer reitenden Batterie, Kampf gegen Infanterie und Artillerie wesentliche Änderungen nicht vorgenommen hat.
Bezüglich des Fufsgefechts finden
wir dagegen einige Neuerungen. Das Reglement bleibt dabei, daſs die Kavallerie normal zu Pferde kämpft, aber es weist auch dem Fulsgefecht seine Stellung an .
Gefechtsmässiges Abteilungsfeuer war
bis jetzt der Kavallerie nicht recht zum Verständnis gelangt. Im früheren Reglement mufste man die Weisungen für das Fufsgefecht in dem Abschnitt Schule der Eskadron zusammensuchen , jetzt erscheinen sie im
Zusammenhang im Kapitel „,Verwendung der Ka-
vallerie im Gefecht" . Die Kavallerie, sagt das Reglement, wählt das Fulsgefecht dann, wenn Gelände oder taktische Lage sie hindert, zu attackieren und auch um die Wirkung der Attacke vorzubereiten. Sie hat also immer zum Fufsgefecht zu greifen, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben nützlich ist, nie aber um sich dem Anreiten zu Pferde zu entziehen. Der Unterschied zwischen dem Feuergefecht der Infanterie, das gewährt werden kann und dem der Kavallerie,
das von vornherein und möglichst überraschend seine
gröfste Stärke erreichen mufs, tritt im Reglement deutlich hervor. Die Natur des Falsgefechts zeichnet das Reglement durch folgende Striche : 1. Ausnutzung der Beweglichkeit zum Nutzen des Feuers, das, wenn irgend möglich, überraschend beginnen mufs. 2. Suchen des Erfolges nicht durch allmählichen Kräfteeinsatz, sondern in
der
Plötzlichkeit des
Angriffs mit stärkster Feuerentwickelung.
3. Ausnutzen der Hindernisse und Deckungen des Geländes in der Verteidigung. 4. Wachen über die Sicherheit der Fechtenden und ihrer Pferde.
Das Kapitel Verwendung der Kavallerie während der
Schlacht und nach derselben hat keine Änderungen erfahren .
Man
wirft dem Reglement, das nur von der 2. Direktion ohne Befragen des technischen Kavallerie-Komitees bearbeitet worden, vielfache Unklarheiten vor. Die Beförderungen zum Jahresschlufs haben sich auf 5 Divisions- , 6 Brigadegenerale und einen Brigadegeneral der Kolonialtruppen erstreckt, aufserdem ist General Tournier, früher kommandierender General des 13. Korps, der wegen der bekannten Geschehnisse in Clermont Ferrand in die Disponibilität versetzt worden war, wieder aktiv verwendet worden.
Beförderungen.
Umschau.
226
Marine.
In Rochefort legt man 4, in Cherbourg 6 neue Unterseeboote in Bau, alle desselben Typs 44 Tons Deplazement. Sie werden von 1-10 numeriert und erhalten alle den Namen Guêfe. Ob die Nachricht, nach welcher Admiral Mallarmé,
der, seit der Marine-
minister Pelletan ihm die Möglichkeit entzogen,
gegen die Unver-
schämtheiten eines gleichzeitig als beigeordneter Syndikus fungierenden Untergebenen (Goude) einzuschreiten, inisponiblitiert, des
an die
als Nachfolger
Spitze der Kreuzerdivision des Mittelmeeres
tretenden
Vizeadmirals Campion Chef des Admiralstabs werden soll, sich bestätigen wird, ist uns nach den wahrheitsgetreuen Erklärungen Mallarmés im aufserparlamentarischen Ausschusse mehr als zweifelhaft. Pelletan pflegt nicht zu vergessen, wenn sich Offiziere gegen ein Unrecht von seiner Seite oder eine Schädigung ihrer Autorität zur Wehre setzen, das hat Admiral Ricnairné, der sich eben veranlasst sah, vor Erreichen der Altersgrenze seinen Abschied zu erbitten und in welchem die Marine einen ihrer tüchtigsten Offiziere verlor, erfahren und wird auch Mallaerné erfahren. Pelletan hat zwar mit Hilfe des Ministerpräsidenten im Plenum der Kammer in der Frage des grofsen Ausstandes in Marseille jüngst noch einmal obgesiegt, befestigt ist aber seine Stellung auf die Dauer nicht. Die aufserparlamentarische Untersuchungskommission dürfte ihm, nachweisend , dafs die französische Marine unter seiner Verwaltung abwärts gegangen ist, sein Grab graben. dem Ausschusse,
Pelletans früherer Freund Doumer bat in
auf Grund alter Erhebungen in der Kesselfrage,
unwiderlegt die Erklärung abgegeben, man habe grobe Fehler der Verwaltung vor sich, die dem Staate nutzlos 2,4 Millionen gekostet. Pelletan hat durch Verkleinerung und Anschwärzen von Untergebenen, die zweifellos in bezug auf die Schiffsbautechnik mehr verstehen als er, erfolglos versucht, sich rein zu waschen, er ist im Ausschufs von diesen dabei gründlich abgeführt worden . gestehen müſsen,
Er hat unter anderem zu-
dafs er 13 Tauchboote von
dem Bauplan seines
Vorgängers gestrichen, er steht im Widerspruch mit sich selbst, wenn er jetzt 99defensive Unterseeboote " von 44 Tons Deplazement baut, nachdem er früher erklärt, solche von 60 Tons reichten für den Zweck nicht aus. Für die Pelletan unterstellten Offiziere müssen sich unhaltbare Verhältnisse ergeben, wenn er noch lange am Ruder bleibt und der aufserparlamentarische Ausschufs dürfte der Volksvertretung überzeugend darlegen, dafs dies auch im Interesse der Entwickelung der Marine, vermutlich auch der Einheit der Ansichten in bezug auf Bau gefechtskräftiger Schiffe nicht wünschenswert ist. 18
Umschau.
227
Grolsbritannien . Über das neue englische Feldgeschütz haben die „ Jahrbücher" Neubewaffnung der zuletzt im Januarheft v. J. berichtet. Über die Entwickelung undFeldarllerie Lösung der Umbewaffnungsfrage lassen sich jetzt, nach Klärung der vielen, einander oft direkt widersprechenden Meldungen folgende Angaben machen : Sofort nach seiner
Rückkehr aus Südafrika widmete sich der
zum Oberkommandierenden ernannte Lord Roberts mit Unterstützung des Kriegsministers Brodrick der Umbewaffnung der Armee mit besonderem Interesse. Eine unter Generalmajor Marshall zusammentretende Kommission stellte schon 1901 als leitenden Gesichtspunkt auf,
dals
der
15-Pfünder
der
fahrenden
Artillerie
durch
einen
1812-Pfünder zu ersetzen, ¹ ) das alte 12 -Pfundkaliber der reitenden Artillerie jedoch beizubehalten sei. Im Herbst 1902 wurden von verschiedenen
Firmen Schnellfeuer- Versuchsgeschütze dieser Kaliber
geliefert, doch befriedigte trotz mancher grofsen Vorzüge keines von ihnen vollkommen, und aufserdem wollte man Schiefsversuche mit ganzen
Batterien anstellen.
Armstrong und Vickers erhielten dem-
gemäls den Auftrag, je 2 Versuchsbatterien (fahrende und reitende) zu liefern mit Geschützen, die durch eine Kombination der Vorzüge der ersterprobten wesentlich verbessert werden sollten. Die im Herbst 1903 gelieferten und erschöpfenden Versuchen unterworfenen Batterien entsprachen den Anforderungen vollkommen -- Angaben über die Leistungen finden sich im vorjährigen Januarheft
, und
somit konnte die Versuchskommission im März 1904 ihre endgültigen Einführungsvorschläge machen. Obwohl aber schon 2/2 Jahre seit der ersten Inangriffnahme der Dinge verstrichen waren, und obwohl keinerlei Zweifel an der Vortrefflichkeit des neuen Materials mehr laut wurden, wurde
befremdlicherweise auch jetzt noch nicht mit
schleuniger Massenanfertigung Gründe, unter ihnen als erster Geldmangel im Mutterlande. Beschlufs , zunächst das seinen
begonnen . Bestimmend waren zwei der durch den Krieg hervorgerufene Man fand einen Ausweg durch den Bedarf selbst bezahlende Indien mit
dem neuen Material zu versehen, zumal dessen Streitkräfte die erste Gefechtslinie bilden. 18 fahrende und 3 reitende Batterien wurden für Indien bestellt und sollen im laufenden Jahre geliefert werden . Der Rest des Bedarfes soll in Indien selbst erzeugt werden , dessen Werkstätten z. Z. hierfür
eine
bedeutende
Erweiterung
erfahren.
Bis 1907 hofft man, die Neubewaffnung der indischen Artillerie zu 1) Auch hier trat also unter dem Eindruck der frischen Kriegserfahr-ungen das Bedürfnis nach Steigerung der Wirkung in den Vordergrund .
Umschau.
228 beenden. 192
Schlimmer aber war der zweite Verzögerungsgrund.
Der
Wechsel im Kriegsministerium begünstigte das nochmalige Vorbringen einer der Marshall-Kommission widersprechenden Ansicht, nach welcher an Stelle der vorgeschlagenen 2 Geschütze ein 14Pfünder als Einheitsgeschütz für die fahrende und reitende Artillerie treten sollte. Die endgültige Entscheidung wurde hierdurch bis zum August 1904 verzögert, fiel dann aber zugunsten der KommissionsMit Recht weisen englische Zeitungen auf die Notvorschläge. hin, wenigstens jetzt unverzüglich mit der Massenanfertigung zu beginnen und etwa entgegenstehende pekuniäre Schwierigkeiten schleunigst zu überwinden. Denn das gegenwärtige englische Artilleriematerial sei , mit Ausnahme der s. Z. in Deutschland angekauften 18 Batterien Ehrhardtscher Geschütze, nicht nur veraltet, sondern auch durch die Inanspruchnahme im Burenkriege wendigkeit
unbrauchbar geworden. obwohl sie hinsichtlich
Und auch die Ehrhardtgeschütze liefsen, der Schufsweite und Feuergeschwindigkeit
genügten, in anderen Beziehungen zu wünschen übrig . Es verlautet denn auch, dafs entsprechende Aufträge aufser an die Staatswerkstätten an die Firmen Armstrong, Vickers-Maxim und Chamell u . Cie. schon gegeben worden sind . Benötigt werden zunächst 17 reitende und 90 fahrende Batterien. Der Preis der vollständig ausgerüsteten ersteren wird auf 400000, der der letzteren auf 480000 Mk. beziffert, so dafs die Gesamtkosten 50 Millionen Mk. betragen würden. Die 19 Times" hofften in einem Artikel vom 15. Dezember v. J. , daſs bei ernsthafter Inangriffnahme der Fabrikation am 1. April 1905 diese binnen 2 Jahren bewältigt sein, und dafs dann England wieder, entgegen dem jetzigen bedenklichen Zustande, mit einem auf der Höhe der Zeit stehenden Material ausgerüstet sein werde. Eine zweite Kommission beschäftigte sich ferner mit der Konstruktion eines neuen Geschützes für die schwere Artillerie des Feldheeres und soll zum Annahmevorschlag einer 12,7 cm-Kanone in RücklaufDie Versuchsschiefsen mit dem Modelllafette gekommen sein. geschütz sollen vortreffliche Erfolge bis zu 10000 Yards (9143 m ) ergeben und bereits zur Bestellung einiger weiterer Geschütze dieses Systems geführt haben. Endlich bearbeitet eine dritte Kommission z. Z. den Ersatz der nicht mehr befriedigenden 15 cm-Haubitze durch ein neues Geschütz, doch scheint man die Lösung dieser Frage nicht für so dringlich anzusehen, und über ihren augenblicklichen Stand W. ist Genaueres noch nicht in die Öffentlichkeit gedrungen.
Flotte .
Sicherstellung sofortiger Bereitschaft aller verwendbaren Schiffe, auch wenn sie gerade nicht im aktiven Dienst, ist das Ziel der
Umschau. hochwichtigen Neugliederung
der
nicht mehr absolut brauchbares,
229 Was
britischen Flottenkräfte.
modernes Kampfinstrument, wird
ausgeschieden. „ Flotte im Dienst auf See" , „ Flotte im Dienst in der Reserve" heifsen die beiden Kategorien. Der Schwerpunkt des Flottenaufgebots verschiebt sich aus dem Mittelmeer in die Nordsee , vier Linienschiffe kommen vom Mittelmeer in die Nordsee. Die Heimatflotte wird zur „Kanalflotte" , während das Kanalgeschwader (u. a. 8 Linienschiffe) fortan atlantisches Geschwader heifst und Gibraltar als Basis erhält. Dauernd im Seedienst sind von der Nordsee
bis
Gibraltar
Panzerkreuzergeschwader
28 hochmoderne Nr. 1
Linienschiffe,
mit 6 Kreuzern in
die
3
starke
Nordsee,
2 ebenso starke im atlantischen Ozean, 3 im Mittelmeer bilden eine gewaltige Verstärkung der genannten Flotte (Mittelmeer behält 8 Linienschiffe), zumal die modernsten Panzerkreuzer an Kampfwert unseren Linienschiffen gleichkommen.
Rechnen wir hinzu, dafs den Linien-
schiffsgeschwadern noch eine grofse Anzahl von kleineren Kreuzern beigegeben wird,
so erkennt man leicht die bedeutende Steigerung
der Flottenkräfte in den europäischen Gewässern und die Verschiebung des Schwerpunktes, die wir nicht unbeachtet lassen können . Die an den wichtigsten Punkten gehäufte Gefechtskraft kann dabei in sehr kurzer Zeit auf einen Punkt vereinigt werden. Gewaltige Massen von Kreuzern beherrschen die wichtigsten Handelsstrafsen. Die auf die 3 Häfen Portsmouth, Plymouth und Chatham verteilte Flotte im Dienst in der Reserve hat 2 5 der Besatzung an Bord, dazu treten bei der Mobilmachung die Hälfte der übrigen / aktiven Leute und nur die andere Hälfte aus Reservisten . aufserordentlich (6 Linienschiffe,
bereites Geschwader für 6
grofse
Kreuzer)
aus Ein
besondere Vorkommnisse
in denselben
Häfen verdient
unsere besondere Beachtung. Die in 24 Stunden bereite Flottenkraft ist auf das Dreifache verstärkt worden. 18
Belgien. Im vorjährigen Augustheft berichteten die Jahrbücher, dafs dem Neubelgischen Kriegsminister ein Nachtragskredit bewilligt worden sei bewaffnung der Feldzum Ankauf je einer Rohrrücklauffeldbatterie der Systeme Krupp artillerie. und St. Chamond, Wie jetzt aus Belgien berichtet wird, ist das Material der Essener Gufsstahlfabrik Mitte Dezember v. J. auf dem Schiefsplatz
Brasschaet eingetroffen,
das der französischen Fabrik wurde in den ersten Januartagen erwartet. Nachdem die Geschütze auf dem genannten Schiefsplatz einem Kontroll- und Sicherheitsschiefsen unterzogen sein werden, sollen sie umfangreiche Versuche
Literatur.
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bei der Truppe durchmachen . Zwei hierfür ausgesuchte Batterien (31. und 32. fahrende, beide in Louvain stehend) werden das Kruppsche, beziehungsweise das französische Material übernehmen und sollten Ende Januar ihre Bedienungen mit diesem in Brasschaet einexerzieren, um es in dem Mitte Februar beginnenden Schiefskursus zahlreichen Schiefsversuchen zu unterziehen. Nach der Rückkehr
in die Garnison sollen ausgedehnte Fahrversuche folgen ;
ferner sollen die
Batterien
an
allen
Übungen und Manövern der
dritten Division, bei Louvain sowohl, als auch im Lager von Beveerloo , und endlich auch mit den anderen Batterien des 4. Regiments an einer Schiefsperiode der feldmäfsigen Übungen zu Brasschaet teilnehmen.
Die
„ Belgique Militaire" gibt der Hoffnung
Ausdruck, dafs diese umfangreiche Erprobung zu einer endgültigen Entscheidung führen, und dafs die Frage der artilleristischen NeuW. bewaffnung Belgiens Ende des Jahres gelöst sein werde .
Literatur.
I. Bücher. Aus drei Kriegen 1866, 1870/71 , 1877/78. Von von Lignitz , General der Inf., Chef des Füs.- Regts. v. Steinmetz, mit 10 Karten und Skizzen in Steindruck. Berlin 1904. E. S. Mittler und Sohn. Verf. gibt im vorliegenden Werk einen Auszug aus seinen Tagebüchern, welche er in den genannten drei Kriegen geführt hat. Überall treten seine scharfe Beobachtungsgabe, sein treffendes Urteil über die jedesmalige Kriegslage und die aus derselben herzuleitenden Folgerungen hervor. Ohne jede Ruhmrederei tritt er durch die einfache Beschreibung seiner Erlebnisse uns als hervorragender Feldsoldat mit kühnem Wagemut und Freude an der Gefahr entgegen. Als solcher hat er auch die äufsere Anerkennung durch Verleihung der höchsten Kriegsorden, Eiserne Kreuz I. Kl. , Orden pour le mérite , St. Georgs-Orden und viele andere gefunden. Den Feldzug von 1866 machte Gen. v. Lignitz in Böhmen als Komp.-Chef beim Westf. Füs.-Regt. Nr. 37 mit und nahm an den -Gefechten bei Nachod, Skalitz und der Schlacht bei Königgrätz Teil.
Literatur.
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Auf 25 Druckseiten werden die recht interessanten Erlebnisse erzählt. Im Krieg 1870/71 kam er als Generalstabsoffizier beim IX. Armeekorps zu bedeutungsvollerer Tätigkeit, deren Schilderung besonders die Teilnehmer an dem Feldzug ansprechen wird . Sein selbständiges, ihm von seinem kommandierenden General von Manstein zunächst sebr verübeltes Eingreifen am 16. August, als er das 11. Inf.- Regt . und die 18. Division ohne Befehl dem III. Armeekorps zur Unterstützung sandte, ist schon in den „Kritischen Tagen" von Kardinal v. Widdern gewürdigt. Vom 18. August 1870 erfahren wir, dafs Gen. v. Manstein zu dem voreiligen, verhängnisvollen Vorschicken der Artillerie des IX. Korps gegen Amanvillers durch die irrige Annahme verleitet wurde , dafs das anscheinend so sorglos kochende französische Lager nur noch eine Arrieregarde sei, während die Haupttruppen bereits Tags zuvor abmarschiert seien. Ebenso erhalten wir hier von einem Augen- und Ohrenzeugen eine Erklärung für den vorschnellen Angriffsbefehl an das Gardekorps von dessen kommandierendem General (im Einverständnis mit dem Ober-Komm. II . Armee) gegen St. Privat , ohne Artillerievorbereitung : „man hatte geglaubt, das Dorf sei kaum noch schwach besetzt" ! So glänzend der 16. August für die Kavallerie, so unglücklich war der 18. August für sie, aber nicht durch Schuld der Truppe, sondern lediglich durch die der Führung, keine Aufklärung , keine Verbindung der Korps unter einander in irgend welchem genügenden Mafse! Hervorragende Dienste konnte v. Lignitz leisten.
dann im Loire- Feldzug
Der russisch- türkische Krieg nimmt mit zwei Drittel den meisten Raum ein . Verf. machte ihn als Militärattachee auf russischer Seite mit. Wie es mit den Regeln der Neutralität vereinbar war, daſs er als aktiver preufsischer Offizier sich unausgesetzt in vorderster Linie befand und helfend eingriff, wo er konnte, darüber erhalten wir keine Auskunft. Den Übergang über die 4000 ' breite Donau bei Simnitza machte er im vordersten Boote mit, ging dann mit Gurko über den Balkan, kehrte zurück zu den Kämpfen um Plewna und ging dann wieder über den Balkan bis vor Konstantinopel vor. Mit tiefer Verachtung spricht er von den mordgierigen Bulgaren, welche den Vergleich mit den Türken in keiner Weise aushalten konnten . Der Fall von Plewna ist hauptsächlich dem Umstand zuzuschreiben, dafs Osman Pascha 300 türkische Familien bei seinem Ausfall zur Durchbrechung der Einschliefsungslinie mitnahm , um sie vor der sicheren Ermordung durch die Bulgaren zu retten. Diese, hauptsächlich Greise, Frauen und Kinder auf Wagen, trennten die Kolonnen und verhinderten den rechtzeitigen Aufmarsch zur Abwehr des russischen Gegenangriffs .
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Literatur.
Die Rückschläge, welche die Russen immer wieder bei Plewna erfuhren , kommen auf dieselbe Ursache hinaus, wie jetzt die der Japaner bei Port Arthur, nämlich Überschätzung der Wirkung von der modernen Artillerie auf gut angelegte Befestigungsanlagen, seien dieselben nun passagerer oder permanenter Natur. Gut, wenn andere solche Erfahrungen machen und nicht wir selbst ; die Neigung zum abgekürzten Verfahren ist auch bei uns reichlich vertreten ! Von Plewna sagt Verf.: Weder nach der Karte noch nach dem Augenschein hätte man sich hier eine Defensivstellung gewählt und noch dazu mit einem Defilee im Rücken . Es war eine Zufallposition : die Kunst und die Tüchtigkeit der Verteidiger machte sie uneinnehmbar. Im ganzen urteilt General v . Lignitz über die russische Armee sehr günstig, bis auf die Leistungen der Kavallerie, die ja auch im jetzigen Krieg wieder als sehr gering erscheinen . Als Eigentümlichkeit . des russischen Soldaten führt er dessen Abneigung gegen Erdarbeiten zum Schutz gegen feindliche Geschosse und die Unbilden der Witterung an. Die Türken waren darin viel geschickter. Diese Abneigung oder Indolenz trat auch bei uns im französischen Kriege sehr hervor, besonders bei den Belagerungen . Als Beispiel wie anschaulich Verf. schreibt, sei folgende Stelle angeführt : „ Der Prinz von Battenberg suchte mit Hieb zur Erde ein Huhn zu erlegen , das Pferd sprang zur Seite, das Huhn entfloh und wo es gesessen, lag jetzt der Prinz mit dem Säbel in der Faust. Als Jäger zu Fufs war ich glücklicher und erlegte eine junge Gans. Wir rupften dieselbe, nahmen sie aus und steckten sie an einer Bohnenstange in ein brennendes Haus, durch schnelles Umdrehen der Stange verhinderten wir ein Verkohlen und erzielten in kurzer Zeit einen Braten, so delikat, wie wir ihn noch selten genossen hatten.“ Die Erinnerungen des General v. Lignitz an seine drei Kriege wird jeder Leser mit Befriedigung aus der Hand legen. v. Twardowski . Georg Engelhardt von Löhneysen , ein Meister deutscher Reitkunst vor dreihundert Jahren. Von W. von Unger , Oberst und Kommandeur der 20. Kavalleriebrigade . 55 S. 8°. 29. Heft von „Unsere Pferde " , Stuttgart, Verlag von Schickardt & Ebner(Konrad Wittwer) 1904. Dafs der alte biedere Löhneysen, den sein eigenes Zitat aus dem Plutarch : „ Adel sei nichts ohne Tugend : Reichtum, Ehre und Gesundheit seien vergänglich, Tugend und Weisheit allein unsterblich“ am. besten charakterisiert, noch einmal aus der Dunkelheit seines Jahrhunderts ans Licht des zwanzigsten gestellt wird, hat er vor allem dem Forschungstriebe, der bewundernswerten Geduld und Nachsicht des Herrn Verfassers der vorliegenden Broschüre zu danken . In der Tat, wenn man bedenkt, dafs das Werk Löhneysens nicht weniger als 800 Seiten umfafst, und, wie es im Grunde nur die un-
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säglichen Schwierigkeiten, mit denen die Reitkunst zu seiner Zeit, teils infolge der sehr primitiven äufseren Mittel, teils und am meisten infolge des mystischen Aberglaubens und der tiefen Unwissenheit der damaligen Zeit zu kämpfen hatte, in halb komischer, halb trauriger Weise beleuchtet, wie ferner die wenigen , inzwischen wissenschaftlicher und kritischer gewürdigten aber auch damals bereits erkannten Wahrheiten der Reitkunst von einem ungeheuren Wust von mystischen Aberglauben überdeckt werden , so mufs man die Geduld , in diesem Wust nach einem auch heute noch brauchbaren Kern zu suchen, ganz besonders anerkennen. Dals sie durch eine besondere Ausbeute belohnt worden sei, wird schwerlich irgend ein Leser empfinden. Die Aufgabe der heutigen Zeit besteht nicht darin , alte abergläubische und mystische Anschauungen in der Reitkunst wieder aufzuwärmen, sondern dieselbe auf eine klare, wissenschaftliche, der anatomischen Mechanik, der Physiologie und Psychologie des Pferdes entnommenen Grundlage zu stellen . Und in dieser Beziehung würde uns ein Zurückgreifen auf den alten Löhneysen nur den Krebsgang gehen lassen . Man sehe nur die Auslese abergläubischer Anschauungen an, welche der Oberst v. Unger S. 6 über die Bedeutung der Abzeichen bei Pferden und S. 11 , 12 und 13 über die von ihm verwendeten Kandaren und Gebisse vorführt. Dabei laufen dem Herrn Bearbeiter selbst einige recht bedauerliche Irrtümer unter. So die Angabe (S. 11 unten), dafs sich bei dem früheren gebrochenen Gebifs der preussischen Dienstkandare die Scheren „ immer parallel " bleiben. Das war und konnte nicht der Fall sein . Die Unterbäume näherten sich mit dem Zügelanzuge umsomehr einander, als sich das Gebifs brach. Wer diese unglückliche Kandarenkonstruktion , die zu wunden Stellen und wahrhaften Löchern im harten Gaumen der Pferde ganzer Truppenteile führte, noch selbst bei Mobilmachungen in Gebrauch gehabt hat, weiſs davon ein Lied zu singen . Ebenso unzutreffend ist die Anschauung, dafs es für die Schärfe der Wirkung nichts ausmache, ob die Scheren mehr nach vorn oder mehr rückwärts gebogen seien und dafs „ der Abstand des Punktes , an dem der Zügel zieht, von dem Punkte, wo das Gebifs auf den Laden liegt, das allein Mafsgebende sei". Dann würde schliesslich der wagerecht zur Gebifsstange liegende Unterbaum dieselbe Wirkung haben, wie der senkrecht stehende. Diese Anschauung verstöfst bedenklich gegen die Gesetze des Hebels , in specie des Winkelhebels . In der Mathematik und Mechanik gibt es aber kein Meinen und Glauben, sondern nur ein positives Wissen. Und daran , dafs „ die alte Kandare ein Marterwerkzeug erster Klasse war" , ändert es gar nichts, dafs das Mundstück ein gebrochenes Trensengebifs hatte. Das verschärfte nur die Wirkung durch die scharfe Stütze, welche das Gebifs in seinem Brechpunkte am harten Gaumen des Pferdes nahm. In Verbindung mit den Fufs- (bis 281/4 cm langen) Anzügen konnte das die Pferde nur
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hinter dem Zügel gehen lassen , was auch die Absicht jener Zeit war, die dann , wenn ihr dies zu viel wurde, wieder zu neuen Quälereien griff (s. 20). Auch die Vorteile des „ Kappzaums“ überschätzt der Herr Verfasser (S. 9-11 ) und übersieht dessen Nachteil, die Elastizität des Unterkiefers auszuschalten . Ich verweise in dieser Beziehung auf meine Schrift : „Die Zäumung für Reit- und Kutschpferde" (Hannover bei Schmort & v. Seefeld) in welcher S. 11 und 23f. Vorund Nachteile des Kappzaums genau gewürdigt sind. Ganz unzutreffend ist aber die vergleichende Würdigung vom Zirkel im freien Felde und viereckiger Reitbahn . Die letztere, umschlossen , was vorausgesetzt werden mufs, ist dem Zirkel zur Dressur des Reitpferdes weit überlegen , und gerade das dem Herrn Verfasser so bedenkliche Eckenpassieren trägt zur Schulung des Pferdes am meisten bei, worauf hier des Raumes halber nicht näher eingegangen werden kann. Alles, was uns S. 23 bis 50 über „ niedere Schule“, „ schwierige Pferde", legsschule" und „hohe Schule" vom alten Löhneysen vorgeführt wird, würde, noch schärfer kritisch gesichtet, in einer „Geschichte der Reitkunst" sich gut ausnehmen, besonders, wenn die vielen abergläubischen Meinungen des mittelalterlichen Stallmeisters es sei hier nur das „ Ziehen der Mähne nach der harten Seite , um das Pferd dorthin leichter zu wenden “ ( S. 35 ) , der Gebrauch von „Artemiswurzel zum Waschen" , das „Einbinden von Artemiswurzel unter Schopf und Schwanz und in das hohle Gebifs " , das „Einschlagen der Hufe in Kuhmist mit Salz und Essig" , das „Einstreichen einer Salbe von Knoblauch, Alandt und Meisterwurz in die Nasenlöcher" oder „Einspritzen von Rosenwasser in dieselben", das Untermengen einer Handvoll Gamswurz (doronicum romanum) unter das Futter (S. 42) erwähnt als solche zur Warnung vor noch heute bestehendem ähnlichem Unsinn ausdrücklich gekennzeichnet würden . So, wie uns diese Dinge jetzt vorgeführt werden, vermögen uns selbst immerhin durchaus treffende, sachverständige Bemerkungen des Obersten v. U. so S. 28 über das planlose Umhertummeln der Pferde beim sog. „ Durcheinanderreiten " , wobei meist der Wille der Pferde tonangebend sei, über „ die vermeintliche Unzulässigkeit des Rippenbiegens beim Schenkelweichen“ (S. 32), die vielen Fehler beim heutigen 99 Schulter herein" (S. 33), die vortrefflichen Bemerkungen über Behandlung scheuender Pferde (S. 41 ) und den Gebrauch der Säulen (Pilaren) (S. 48) usw. nicht ganz über die Empfindung hinwegzuheben , dafs der alte Löhneysen doch eigentlich zum alten Eisen gehöre und ihm schon Xenophon (s . S. 43) erheblich über gewesen sei. Wenn der Herr Verfasser S. 47 den „Piaff" ganz allgemein als eine schwunglose Gangart bezeichnet, so mufs er einen Piaff, wie ihn ehemals der alte Kunstreiter Wollschläger ritt , unter dem der Rücken
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seines arabischen Schimmelhengstes Almansor dabei in halbfufshohen Wellen wogte, wohl nie gesehen haben. Meinen vollen Beifall aber besitzt der Schlufs des Schriftchens (S. 51-53) . Das, was dort über den Wert der „ hohen Schule “ für Jagd- , Renn- und Kriegsgebrauch gesagt wird , unter dem durchaus richtigen Hinweis , dafs die Ausbildung in ihr nicht an die vier Wände der Reitschule, an besondere Kunstkniffe, an Pilaren und Chambrière gebunden sei, finde ich sehr beherzigenswert und sage dazu : bravo Sp. Der Pferdekauf. Ein Ratgeber für Käufer und Verkäufer. Von Dr. Paul Goldbeck , Oberveterinär im Feldartillerieregiment von Podbielski (1. Niederschlesischen) Nr. 5. Mit 10 Tafeln - Abbildungen . Berlin 1905. Ernst Siegfried Mittler und Sohn . Kl. 8 °. X und 166 S. (Preis Mk. 2,75, geb. M. 3,60. ) Unter einem Ratgeber beim Pferdekaufe verstehe ich eine Anleitung wie man verfahren soll, um ein für die ihm zugedachte Bestimmung geeignetes Tier zu erwerben und sich dabei vor Schaden zu bewahren, welche also lehrt, wie namentlich der Käufer sich beim Pferdehandel zu benehmen hat . Da der Herr Verfasser des hier zu besprechenden Buches im Vorworte sagt, dafs kein Werk vorhanden sei, welches die Wissenschaft des Pferdehandels umfassend behandelt und dafs er diesem Mangel abzuhelfen beabsichtige, die hippologischen Kataloge aber ganze Seiten mit den Titeln von Büchern der oben bezeichneten Art füllen, so mufs er andere Ziele im Auge gehabt haben, und in der Tat heifst es in dem Vorworte weiter, dafs die Arbeit vornehmlich dem jüngeren Tierarzte und dem Pferdehändler dienen soll . Den Wert zu ermessen , den sie für diese Kreise hat, mufs ihnen überlassen bleiben . Für die aufserhalb derselben stehenden ist er nicht grofs . Den Inhalt des Buches bildet hauptsächlich derjenige Unterrichtsstoff, der in den vom Äufseren des Pferdes handelnden Werken bearbeitet zu sein pflegt. Es heifst freilich auf Seite 26, dafs nicht die Zahl der Lehrbücher über „Exterieur" vermehrt, sondern das Hauptgewicht auf die praktischen Punkte der Beurteilungslehre gelegt werden solle , aber das was folgt ist eben eine Beschreibung des Äufseren des Pferdes, in welcher die Nomenklatur die Hauptrolle spielt, die Beurteilungslehre sich mit einem so bescheidenen Platze begnügen mufs, dafs der Untersuchung der Augen mit keinem Worte gedacht ist, und die Altersbestimmung auf Grund der Beschaffenheit der Zähne sich an nachstehendem Bescheide genügen lassen mufs : „Daſs an dem Aussehen der Schneidezähne auch das Alter der Pferde erkannt werden kann, braucht hier nur angedeutet zu werden. Man braucht hier gar nicht so ängstlich zu sein ; das Versprechen, welches der Verkäufer in dieser Hinsicht gibt, mufs er auch unbedingt halten , und man hat dann immer noch Zeit ihn zu belangen, falls der Sachverständige konstatiert, dafs ein Pferd älter ist, als versprochen ;" ich
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halte für richtiger vorher ins Maul zu sehen und das Prozessieren , wenn es irgend vermieden werden kann, überhaupt zu unterlassen. Der Verhältnislehre jener grauen Theorie, welche ein Urteil über die Schönheit des Pferdes durch Messen von Linien und Winkeln erhalten will, der Settegastschen Parallelogrammform, der Lehre vom goldenen Schnitt, dem Verfahren von Pinter von der Au und von Nathusius ist ein breiter Raum gewidmet und Dr. Goldbeck hat ihre Untersuchungen durch eigene in Tabellen nachgewiesene Messungen sowie durch eine Anleitung zum Punktierverfahren weiter ausgeführt. Dem Bedürfnis des Pferdehändlers ist durch statistische Nachrichten und durch Mitteilungen über die den Handel betreffenden gesetzlichen Bestimmungen Rechnung getragen. Dafs der Cob zu den Wagenpferden gerechnet wird (S. 15), ist ungewöhnlich und entspricht nicht dem Gebrauche, welcher in der Regel von seinen Diensten gemacht wird ; der Polopony ist nicht ein. Produkt des Polospieles (S. 17) , sondern er wird bei diesem benutzt ; ob man einen Karrengaul oder ein Rennpferd vor sich hat (S. 52), weifs man ohne die Nasenlöcher zu betrachten . Hübsch sind die Darstellungen der verschiedenen auf den Tafeln abgebildeten Pferdeschläge. Der Behauptung, dafs 99 der beste Ratgeber beim Pferdekaufe ein erfahrener Tierarzt sein soll, wenn er reiten und fahren kann“ , vermag ich nicht zuzustimmen ; ich ziehe einen gewiegten Reiter und bewährten Kutscher vor ; der Tierarzt mag hinterher seines Amtes walten, wenn es sich um das Alter und den Gesundheitszustand des 14. Pferdes handelt. Kriegsgeschichtliche Beispiele aus dem deutsch-französischen Kriege 1870/71 . Von Kunz , Major a. D. Achtzehntes Heft. Berlin 1904. E. S. Mittler u. Sohn. Preis 5 Mk. Die Einzeldarstellungen aus dem Kriege 1870/71 von Major Kunz behalten ihren praktisch-lehrhaften Wert auch angesichts des südafrikanischen und ostasiatischen Krieges. In ersterem lagen vielfach abnorme, auf europäische Kriege nur mit Vorsicht anzuwendende Verhältnisse vor und was die Geschehnisse in Ostasien angeht, so werden noch Jahre darüber vergehen, ehe man denselben taktisch so eingehend in den Leib sehen kann, wie das Major Kunz in seinen Auch das 18. Heft bringt Schriften in vorbildlicher Weise tut. höchst bemerkenswerte Fingerzeige über kriegsmäfsige Verwendung und taktische Bedeutung speziell der Feldartillerie , wie sie die Schlacht von Wörth lehrt. Gerade dieses Thema erscheint mir aktuell" - wie der Deutsche zu sagen pflegt -, aber besonders denn es kann auch nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, daſs unsere numerische und technische Überlegenheit an Feldartillerie im Kriege 1870/71 ein Hauptfaktor des Sieges gewesen ist. Ebenso wie sich diese Bedeutung der Feldartillerie auch bereits im russischjapanischen Kriege erwiesen hat. Technische Überlegenheit mufs aber
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schon im Frieden vorbereitet und gesichert sein, wie es eben auf deutscher Seite 1870 der Fall war. Dafs aber eine technisch minderwertige Artillerie die Stimmung und Zuversicht der ganzen Armee ungünstig beeinflufst, weist Major Kunz treffend nach und fafst es dann in dem Satze zusammen : „Die französische Armee war sich bewufst, eine minderwertige Artillerie zu besitzen und dieses lähmende Bewusstsein hat in grofsartiger Weise zu dem Erfolge der Deutschen beigetragen." Dafs aber heutzutage eine Artillerie , welche keine Rohrrücklaufgeschütze besitzt , „ eine minderwertige Artillerie" darstellt , über diese Tatsache lassen sich ernsthafte Militärs , welche die bezüglichen Verhältnisse kennen , durch die schönsten Redensarten nicht mehr hinwegtäuschen. Interessant ist es auch, an der Hand der Kunzschen Darstellung die Tätigkeit der Pioniere in der Schlacht von Wörth zu verfolgen . Überall sehr viel Eifer und Schneid, aber leider infolge mangelhafter Verwendung dieser Truppengattung wenig Leistungen. Dieses verfehlte System hatte schon Moltke an der Hand des Krieges 1866 nachgewiesen und kritisiert aber ohne praktischen Erfolg. Es gehörte eben zu der „Tradition “ , die Pioniere, wie Major Kunz richtig bemerkt, als „quantité néglegeable" anzusehen . Warum, ist und bleibt unverständlich. Jedenfalls mufste die Armee selbst unter solchen Veilletäten leiden. Auf französischer Seite hat man die Genietruppen ungleich verständiger zu verwenden gewufst. Als sehr hübsche und lehrreiche kriegsgeschichtliche Kleinmalerei möchte ich die Abschnitte „ Die französische Kavallerieattacke bei Morsbronn “ und „Zum StrafsenKeim . kampf in Wörth " bezeichnen. Weifsenburg und Wörth. Darstellung des Kampfverlaufes als Vorbereitung zum Besuche der Schlachtfelder. Von Steiner, Hauptmann und Lehrer an der Königl. bayerischen Kriegsschule. München 1904. Die Königl. bayerische Kriegsschule besucht jedes Jahr die Schlachtfelder von Weifsenburg und Wörth. Um den Fähnrichen den Besuch der Schlachtfelder möglichst nutzbringend zu gestalten, ist der Königl. bayerische Hauptmann Steiner dienstlich veranlafst worden, das vorliegende kleine Büchlein zu schreiben. Sehr richtig hält sich der Herr Verfasser von jeder Art von Kritik fern. Das Büchlein entspricht seinem Zweck vollkommen, es wird auch jedem anderen Besucher der Schlachtfelder gute Dienste leisten . Die Kartenbeilagen sind vortrefflich . Ich habe nur wenig Ausstellungen zu machen. Die Kürassierbrigade Michel attackierte nicht mit 10, sondern nur mit 9 Eskadrons. Dafs die Attacken der Kürassierdivision de Bonnemains den Franzosen keinen Gewinn brachten, vermag ich nicht zu unterschreiben . Der Angriff des 1. Turkoregiments erfolgte nicht nach Beendigung der 16 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 401.
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Kürassierattacken , er fiel zwischen die Attacken des 1. Kürassierregiments, die bei seinem Beginn allerdings beendet waren, und die Attacken der drei übrigen Kürassierregimenter. Dieser Punkt ist von entscheidender Bedeutung, er wird hoffentlich in einer neuen Auflage recht bald berichtigt werden. Im übrigen ist das kleine Buch vortrefflich, ich wünsche ihm weiteste Verbreitung und kann es nur sehr warm empfehlen . Hermann Kunz. Das Treffen von Blumenau-Prefsburg am 22. Juli 1866. Eine kriegsgeschichtlich - taktische Studie von Fritz Schirmer , k. u. k. Hauptmann im Generalstabskorps. Mit 4 Beilagen und 13 Skizzen. Wien (Seidel u. Sohn) 1904. Die Zahl der durch einen Waffenstillstand abgebrochenen Gefechte ist in der Kriegsgeschichte gering. Sehr selten nur unterbricht das Signal, das die Übungen des Friedens beendet, auch im blutigen Ernstfall das Ringen zweier Gegner. Schon aus diesem Grunde ist das Gefecht von Prefsburg, der letzte Waffengang in dem Feldzug von 1866, von allgemeinem Interesse, lehrreich nicht minder in der Art seines Entstehens wie seiner Durchführung. In überaus anschaulicher, klarer Weise schildert Hauptmann Schirmer die allgemeine Kriegslage, wie sie sich aus dem Rückzug der Nordarmee von Königgrätz nach Olmütz, ihrem Abmarsch über die Karpathen in das Waagtal und dem Vormarsch der Preuſsen nach Mähren entwickelt hatte. Deutlich zeigt er die Genesis des Gefechts von Prefsburg. Wir sehen die Erkundung der Verteidigungslinie der Brigade Mondel durch die Generale Fransecky, Bose und Stülpnagel am 21. Juli, wir erfahren , wie Bose, die Seele und der eigentliche treibende Geist zu dieser letzten kriegerischen Handlung des siebenwöchigen Feldzugs, mit seinem Vorschlag, durch einen Nachtangriff die Stellung zu nehmen , nicht durchdringt, wie sich der Generalleutnant v. Fransecky nur bereit findet, die Genehmigung des Oberkommandos für eine Umgehung der österreichischen Stellung durch die Brigade Bose am Morgen des 22. Juli zu erbitten . Um 8 Uhr abends reitet der Hauptmann Graf Haeseler mit diesem, vom General v. Stülpnagel niedergeschriebenen Vorschlag einer „ scharfen Rekognoszierung" von Stampfen nach Ebenthal, um 315 Uhr am nächsten Morgen kehrt er, nachdem er in 714 Stunden über 60 km zurückgelegt hatte, mit der Genehmigung des Oberkommandos zurück, Eine halbe Stunde später erläfst der General v. Fransecky seine Befehle. Um etwa 7.30 Uhr vorm. wird er von dem abgeschlossenen Waffenstillstand mit der Weisung verständigt, die Waffenruhe um 12 Uhr mittags eintreten zu lassen. Das preufsische Generalstabswerk sagt von diesem Augenblick : General v. Fransecky stand in lebhaftem Gefecht. Die in verschiedene Richtungen entsandten Umgehungsabteilungen konnten augenblicklich nicht, und auch nicht ohne Gefahr für das Zentrum zurückberufen werden . Man durfte sich den besten Erfolg
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von den eingeleiteten Mafsregeln versprechen. Der General, völlig berechtigt, während der ihm noch verbleibenden Stunden bis Mittag frei zu handeln , sah sich nicht veranlafst, den begonnenen Kampf früher zu unterbrechen ." Der Verfasser zeigt hierzu , wie es in erster Linie die Rücksicht auf Bose war, die den General zur Fortsetzung des Kampfes trieb , weil dieser in seiner isolierten Lage sich vielleicht gerade in Verhältnissen befand, die mit einer Niederlage für ihn und vielleicht gar mit Gefangennahme endigen konnten, wenn unsererseits die Angriffsbewegung eingestellt wurde. " Wertvoll ist auch die frische Darstellung der taktischen Einzelheiten jenes Gefechtes, das sich in eine Reihe von Einzelkämpfen auflöste, sowie die daran geknüpfte Betrachtung. Gegen die Teilung in zwei Kolonnen - die östliche unter seiner eigenen Führung, die westliche unter Oberst von Avemann zu der sich General von Bose mit Rücksicht auf das Waldgelände veranlafst sah, führt der Verfasser das Urteil des Oberst von Cardinal an , der die Ansicht vertritt, der General sei mit einer Kolonne nicht später am Gemsenberg eingetroffen . Überhaupt hat Hauptmann Schirmer mit grofsem Fleifs alle einschlägigen Quellen sorglich geprüft und mit grofser Unparteilichkeit ein für die Geschichte des Feldzuges von 1866 sehr wertvolles Werk geschaffen , das durch F. ein vortreffliches Kartenmaterial wirksam unterstützt wird. Das französische Ostheer unter Bourbaki vom Anbeginne bis zum Gefechte von Villersexel ( 19. Dezember 1870 bis 9. Januar 1871 ) unter besonderer Berücksichtigung der verschiedenen Operationspläne , jedoch mit Ausschlufs der Gefechte. Von Hermann Varnhagen . Berlin 1904. R. Eisenschmidt. Der Herr Verfasser hat schon mehrfach über die Kämpfe der französischen Ostarmee geschrieben , er ist ein sehr sorgfältiger Geschichtsschreiber, seine Schriften verdienen volle Beachtung , Das vorliegende Buch behandelt, seinem Titel entsprechend, den Beginn der französischen Operationen unter dem General Bourbaki im Südosten Frankreichs . Ein ausführliches Verzeichnis der sehr zahlreichen französischen Quellen ist besonders wertvoll, weil es vom Verfasser mit treffenden Bemerkungen versehen worden ist. Die Entstehung der verschiedenen Operationspläne für die französische Ostarmee wird klar auseinandergesetzt, ebenso der Transport des 18. und 20. Armeekorps und die Operationen bis zum 9. Januar 1871. Das Buch bringt viel Neues und ist höchst interessant geschrieben , Bis zum Erscheinen des den Feldzug der Ostarmee behandelnden Teiles des französischen Generalstabswerks wird man die Schrift Varnhagens für die strategische Seite des Feldzugs auf Seite der Franzosen als die beste bezeichnen dürfen . Interessant sind die Daten über Abfahrt und Ankunft der einzelnen französischen Truppenteile auf S. 28-33, ferner die Bewegungen von 16*
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Stäben und Truppenkörpern der Ostarmee vom 19. Dezember 1870 bis 9. Januar 1871 auf S. 81–94. Hermann Kunz. Ich empfehle die Schrift auf das beste. Etzel,
Die Befehlsgebung der Sanitätsoffiziere im Felde . Berlin 1904 . E. S. Mittler und Sohn . Die Zahl der Hilfsbücher in der Sanitätstaktik, der Lehre von der Anwendung und Verwendung der Feldsanitätsformationen ist keine geringe, Offiziere und Sanitätsoffiziere haben sich einzeln und vereint mit der Lösung sanitätstaktischer Aufgaben beschäftigt ; applikatorische Schriften sind besonders in Österreich erschienen . Die Literatur bei uns ist in der letzten Zeit etwas abgeebbt, vermutlich, weil dem Vernehmen nach eine Neubearbeitung der grundlegenden Kriegssanitätsordnung von 1878 bevorsteht. Major Etzel, Generalstabsoffizier, Lehrer an der Königlich bayrischen Kriegsakademie hat es unternommen, das zusammenzustellen , was dem Militärarzt naturgemäfs am schwersten fällt und auf Grund der bisherigen Bestimmungen sich zerstreut und versteckt findet - nämlich die Befehlsgebung. Ist der Militärarzt imstande eine von ihm gewollte Direktive in den Befehl umzusetzen, so dafs der Truppenführer den richtig gefafsten Befehl alsbald geben An kann, so wird auch dem letzteren seine Aufgabe erleichtert. letzter Stelle wird doch der Sanitätsoffizier die Verantwortung für die sanitätstaktischen Anordnungen tragen, da der Truppenführer vollauf mit seinen Aufgaben beschäftigt ist. Etzel hat es verstanden bis in das einzelne hinein die für den Kriegssanitätsdienst notwendigen Befehle zu sichten und legt sie kurz und klar dar für den selbständigen Divisionsarzt, für den Truppenarzt, für die Sanitätskompagnie, für das Feldlazarett, für den Etappengeneralarzt vor dem Gefecht, im Gefecht und nach dem Gefecht, so dafs wir sozusagen das Sanitätspersonal und Material auf Schritt und Tritt begleiten können . Der Wert des Werkes liegt m. E. hauptsächlich in der klaren, einzelne gehenden Anordnung über alle in Betracht kommenden ins bis Verhältnisse, so dafs das Werk ein sicherer Führer bei Winterarbeiten und Kriegssanitätsspielen sein wird, für das wir Militärärzte dem VerDer Sanitätsoffizier kann seine fasser nur dankbar sein können . aber nur erfüllen , wenn ihn Felde im wichtigen Aufgaben als Arzt Lage versetzt, zur rechten die in Administration und die Organisation Zeit und am rechten Ort gedeihlich zu wirken. Damit dies möglich sei, soll der Befehl, der die Sanitätsformationen an ihre Plätze und - bis zu ihrer Tätigkeit weist, sachgemäfs sein. Die Anleitung dazu Weise. hinein in die Details gibt das Etzelsche Buch in vorzüglicher Oberstabsarzt Neumann - Bromberg. Einteilung und Dislokation der russischen Armee nebst Übersichten über Kriegsformationen und Kriegsetats und einem Verzeichnis der Kriegsschiffe . Nach russischen offiziellen und anderen Quellen
Literatur.
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bearbeitet von Major von Carlowitz - Maxen . 1. Oktober 1904. 15. Ausgabe. Berlin 1904. Zuckschwerdt & Comp. Die Vortrefflichkeit der Arbeit des Herrn von Carlowitz-Maxen ist in diesen Blättern so oft anerkannt, dafs wir uns auf die Bemerkung beschränken dürfen, dafs die gerade zur Zeit so aktuelle Neuausgabe ganz auf der Höhe des Wertes der früheren steht. Wir bemerken nur ergänzend, dafs, nachdem das 2. Geschwader des Stillen Ozeans die Ausreise angetreten hat, in Libau ein neuer schwimmender Verband zur Verteidigung der Küsten gebildet worden ist, bestehend aus den Linienschiffen Imperator Nicolaj I“ ( Flaggschiff) , den Küstenpanzern „ Admiral Tschitschagoff“ , „Admiral Spiridoff", den Torpedofahrzeugen „ Prytküj “ , „ Pylküj “ , „ Protsiknüj “ und „Ridnüj " , dessen Befehl Kontreadmiral Iretzkoj übernommen hat und der zum Teil in den Verband des geplanten 3. Geschwaders des v. Z. Stillen Ozeans treten wird. Die
Entwickelung der rumänischen Armee seit dem Feldzug 1877/78 . Von Georg Kremnitz , Leutnant im Feldartillerieregiment Generalfeldzeugmeister (2. Brand .) Nr. 18. Breslau . Schles. Verl.-Anst. v. S. Schottlaender.
Verf. gibt in vorliegender etwa 50 Seiten starken Schrift ein übersichtliches Bild von den Fortschritten , welche die rumänische Armee in den letzten 36 Jahren gemacht hat. Andere Quellen, als die einschlägige Literatur haben ihm nicht zur Verfügung gestanden. Im ganzen stellen sich die Fortschritte als Übergang von dem alten territorialen zum permanenten System dar. Planmässig sollen nach dem Gesetz von 1882 4 Armeekorps und 1 Kavalleriedivision mit 120 Bataillonen , 76 Eskadronen , 48 Feldbatterien in einer Stärke von 150 000 Mann, 286 Geschützen im Kriegsfall aufgestellt werden. Der rege Fortschritt in allen Zweigen der Organisation , bei welcher das preussische System sichtlich bevorzugt ist, läfst erwarten , daſs die rumänische Armee unter ihrem Hohenzollern-König in einem neuen Krieg eine ebensolche schwerwiegende Rolle zu spielen berufen v. T. sein wird, wie 1877/78 im russisch-türkischen Feldzug.
II. Ausländische Zeitschriften. Streffleurs Österreichische Militärische Zeitschrift. (Januar.) Die erste leichte Kavalleriedivision vom 3. - 15 . Juli 1866. -- Über Das Geschwader Rozestwenskis. moderne Artillerieverwendung. Montenegros Die englische Tibet-Expedition. - Die serbische Armee. Wehrmacht. -- Russisch-japanischer Krieg.
242
Literatur.
Revue d'histoire. Die Feldzüge des Marschalls von Sachsen (Forts.) Der Feldzug 1870/71 : Tagebuch des 18. August 1870 in Lothringen (Forts.).
Journal des sciences militaires. (Dezember.) Die Verteidigung der Kolonien (Schlufs). -- Die Lehren des russich-japanischen Krieges . -- Geschichte der Taktik der französischen Infanterie von 1791-1900. - Der Rittmeister innerhalb seiner Schwadron. Der österreichische Erbfolgekrieg (Forts.) . Revue militaire des armées étrangères. (Januar.) Die Feldgeschützfrage in den fremden Heeren (Forts.) . - Die deutschen Kaisermanöver 1904 (Forts.) . - Das italienische Kriegsbudget I. -- Die Neuorganisation des spanischen Heeres. Die Reorganisation von La France militaire. (Dezember.) Französisch -Ostafrika von Oberstleutnant Peroz . 1. - Die Schüler von La Fleche (les Fléchois) von Miraval. 3. - Die ersten Lehren des russisch-japanischen Krieges von General Lamiraux. 7 , 20. - Unterdrückung der Kriegsgerichte (gegen diese Absicht) von Paul. 8. -Das neue Reglement für die Kavallerie (Forts .) . 9. Marokko, die künftigen Eisenbahnen . 11/12. - Das neue Exerzierreglement für die Infanterie vom 3. Dezbr. 1904 1,25 Fr. bei Charles Lavancelles , Paris , Inhaltsverzeichnis ; Besprechung. 18/19 , 20 , 21 , 22 , 23, 24 , 28 , 30, 31. Im Süden von Algier - Ereignisse daselbst im Jahre 1904. 14. --- Überzählige Offiziere. 15. - Widersprüche über Erziehung zur Initiative General Prudhomme . 16, 22, 23. Die dreizehn Tage projektierte Übungszeit für die Territorialarmee. 16. Englische Meinungen über die Soldatenreiterei . 17. Die Versuche in Hève bei Havre mit dem neuen 240 mm Geschütz des Hauptmann Tournier. 20. - Eine Lücke in dem Gesetz der zweijährigen Dienstzeit - General Luzeux. Das neue Geschütz von 240 mm . 21 . Die Vereinigung der Kolonial- und der Das Heeresbudget. 23. Das Gesetz über die zweijährige Dienstzeit algerischen Truppen . Die marokkanische Armee perioden. 24, 25. Ausbildungs und die Die Sterblichkeit im Heere. 30. Die Pioniere. 28. 1905. 27. Revue de Cavalerie . (November.) Die neuen Grundsätze im englischen Exerzierreglement für die Kavallerie. -- Briefe an Plock (Forts .). Die Kavallerie und die Armeeleitung. Die deutsche Befehlsführung vom 15. Juli bis zum 18. August 1870. - Die Bedeutung des moralischen Elements im Kriege. - Die deutsche Armee. - Die Befehlshaber, der Offizier. -- (Dezember.) Der Kavalleriedienst im Kriege, die deutsche Reiterei in den Tagen von Coulmiers Übersetzung der Schrift des Generalleutnants von PeletNarbonne . Die Grundsätze des neuen Reglements für die englische Kavallerie (Forts.) . Einige Betrachtungen über die Verlegung des Schwergewichts beim Pferde, über das Gleichgewicht und die Reiterhülsen vom niederl. Generalleutnant van Helden. - Das Regiment
Literatur.
243
von Garsion 1631-1659.
Das neue Exerzierreglement, Verzeichnis der Veränderungen des Reglements vom 12. Mai 1899.
Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens. 1904, Heft 12. Über den Turnus der Verpflegungsstaffeln. - Das Beleuchtungserfordernis von Schul- und Arbeitsräumen auf Grund von Messungen mit dem Weberschen Photometer. --- Automatische Schnellfeuerkanone System Hotchkiſs . --- Über die schwere Artillerie des Feldheeres in Grofsbritannien. Die neue Umgehungsbahn in Mainz.
Allgemeine Schweizerische Militärzeitung. Nr. 50. Die jüngsten Kämpfe bei Port Arthur und ihr Ergebnis. - Die Neuregelung der Avancementsverhältnisse in der französischen Armee. Marschall Oyama. Die neuen Ausrüstungsänderungen bei der österreichischungarischen Infanterie- und Jägertruppe. Nr. 51. Zur neuen Militärorganisation. - Der Rücktritt des Generals de Négrier. - Der Minenkrieg in erneuter Bedeutung. - Unter „Ausland" werden interessante Angaben über das für das Lebel- Gewehr eingeführte D- Geschofs, ein Vollgeschofs aus Kupfer, gemacht. Bei gleichzeitiger Einführung eines leistungsfähigeren Pulvers soll die Leistung des Gewehrs erheblich gesteigert worden sein, ohne dafs eine andere Änderung wie die des Visiers nötig gewesen wäre. Nr. 52. Die Kriegslage in der Mandschurei , Voluntas populi suprema lex. - Die Ausrüstung des japanischen Gardeinfanteristen . --- Kriegsminister Ottolenghi. - Die Vernichtung Zur des Port Arthur- Geschwaders. Nr. 53. Zum Jahreswechsel. neuen Militärorganisation . Schiefsübungen aufser Dienst. Nr . 1 1905. Port Arthur. Die Eroberung des Nordforts von Tungkikwanschan . - Ordonnanzschuhe. Beilage zur Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitung 1904. IV. Heft. Radfahrende Infanterie. Revue d'artillerie . (Dezember.) Theorie der Rohrrücklauflafetten (Forts .). - Das Material der japanischen Feld- und Gebirgsartillerie. Eine gut illustrierte, interessante und erschöpfende Besprechung des japanischen Materials . - Aufstellung eines russischen Zentralkomitees für die Festungen als Ersatz der Kommission für die Festungsarmierung von 1892. Revue de l'armée belge. (September - Oktober.) Die Deformationslafette ; ihre mechanische Theorie, ihre Konstruktion und ihre Leistung (Folge) . Theorie der Kolonisation im 19. Jahrhundert und Rolle des Staats in den Kolonien (Folge). - Übungen einer Armeedivision
im
Gefechtsverbande 1903.
Das neue
Repetiergewehr
Mauser 1904, mit 5 Blättern und einer vergleichenden Tabelle der Gewehre der verschiedenen Staaten . — Studie über einige das Infanteriefeuer betreffende Angaben . - Bemerkungen zu dem russisch-japanischen siehe Juli-AugustKrieg. - Über den Widerstand von Prismen, Nummer, in deren Aufsatz ein Irrtum vorhanden war, der hier berichtigt wird.
244
Literatur.
Rivista di artiglieria e genio. (Dezember.) Der neue SimplonEisenbahntunnel. - Verfahren mit dem „casotto telemetrico" (BehelfsEntfernungsmesser) der hohen Küstenbatterien. - Belagerung des Fort Bard im Jahre 1800. Bergmanns Maschinengewehr Modell 1902. Selbstfahrer-Haubitzbatterie von 150 mm in Portugal. Erprobung der Metalle durch Stofs auf Biegung und Zug. - Das Brückenmaterial der deutschen und österreichischen Kavallerie. - Das neue französische Notizen : Österreich-Ungarn : Vermehrung der Feldartilleriereglement. Feldartillerie . Festungsübung zu Krems. Deutschland : Neue Vorschrift für Maschinengewehrabteilungen. Gebirgsartillerie. Angriff einer befestigten Stellung mit Scharfschiefsen . Japan : Pulver- und Waffenfabriken. Rumänien : Neubewaffnung und Organisation der Feldartillerie. Aufstellung neuer Rufsland : Vorschrift für den Signalistendienst. Brieftaubenstation in Wladiwostok. Gebirgsbatterien für Ostasien . Luftballon in Port Arthur. Vereinigte Staaten : Reorganisation der Feldartillerie. Wajennüj Ssbornik. 1904. Nr. 12. Prinz Eugen Beauharnais an der Spitze der grofsen Armee. - Die Schlacht an der Alma. Mitteilungen über die französische Armee (Schlufs) . Die Sorge für die Erkrankten und Verwundeten im Kriege. Aus einem Feldzugs-Journal vom 8. Juli bis zum 31. Juli 1904. Der Krieg mit Japan bis zum 25. November. Morskoj Ssbornik. 1904. Nr. 12. Das zweihundertjährige Bestehen des Gebäudes der Haupt-Admiralität. Das Kriegsmaterial auf der Weltausstellung. Die Chronik der kriegerischen Ereignisse zur See im fernen Osten. Journal der Vereinigten Staaten - Artillerie. (November - Dezember. ) Küstenverteidigung. - Kriegslehren für die Küstenartillerie. Japanische Instruktion über die Gefechtsverwendung der Artillerie. Die Feldgeschützfrage in den fremden Armeen.
III. Seewesen. Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. Nr. 1 (1905). Betrachtungen über den russisch-japanischen Krieg (Neunte Fortsetzung). Das Die Kielwasserlinie im Kampf gegen die Kielwasserlinie. deutsche Linienschiff neue „Braunschweig“. Army and Navy Gazette. Nr. 2342: Aufgabe der vereinigten Neutralität. ---- Das Anschiefsen eines englischen Handelsdampfers durch einen Torpedobootszerstörer. Die neuen 33 Knoten-Torpedobootszerstörer. Nr. 2343 : Marine - Evolution (die neue Organisation). KohlengasNr. 2344 : Die Disziplin an Bord im Jahre 1903.
Literatur.
245
Explosion auf dem Linienschiff „Majestie" . Nr. 2345 : Das Marinejahr. - Die Zukunft Rosyth's, der neuen Flottenbasis im Firth of Forth. Schliefsung der 3 Werften in Halifax, Jamaica und Esquimault. Über den Artikel des Grafen Reventlow im „Überall “ .
IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher. (Die eingegangenen Bücher erfahren eine Besprechung nach Maſsgabe ihrer Bedeutung und des verfügbaren Raumes. Eine Verpflichtung , jedes eingehende Buch zu besprechen, übernimmt die Leitung der Jahrbücher“ nicht , doch werden die Titel sämtlicher Bücher nebst Angabe des Preises - sofern dieser mitgeteilt wurde - hier vermerkt. Eine Rücksendung von Büchern findet nicht statt.) 1. Walter, Handbuch für den Regiments- und Bataillonsschreiber, Abteilungsschreiber, Feldwebel und Wachtmeister. Berlin 1905. E. S. Mittler & Sohn . Mk. 1,25. 2. v. Meerscheidt -Hüllessem, Die Handhabung der Disziplinarstrafgewalt. Berlin 1905. Ebenda. Mk. 1,25. 3. Spohr, Die Logik in der Reitkunst. II. Teil. Stuttgart 1904. Schickhardt & Ebner. Mk. 1,50. 4. v. Suttner, Der Frauenweltbund und der Krieg. Vofsische Buchhandlung. Mk. 1,20. 5. Schön, Der Kriegsschauplatz in Ostasien. Luckhardt. Mk. 5 , - .
Berlin 1904.
Leipzig 1904.
Fr.
6. v. Horsetzky, Kriegsgeschichtliche Übersicht der wichtigsten Feldzüge in Europa seit 1792. Mit Atlas. 6. Auflage. Wien 1905. Seidel & Sohn . Mk. 22, -. 7. Raven, Der Offizier als Dolmetscher. Übungsstücke für die Vorbereitung zur Dolmetscherprüfung. I. Teil : Russisch. Berlin 1905. R. Eisenschmidt. Mk. 4,50. 8. v. Briesen, Taktische Entwickelungsaufgaben für Kompagnie, Bataillon, Regiment und Brigade. 4. Aufl. Ebenda. Mk. 2. 9. Korzen und Kühn , Waffenlehre. Heft 10. Feldkanonen . Wien 1905. L. W. Seidel & Sohn . Mk. 6, - . 10. v. Holzing-Berstett, Der junge Moltke. Potsdam 1905. A. Stein . Mk. 1,25. 11. v. Ditfurth , Gymnastik und ihre militärische Verwertung.. Berlin 1905. E. S. Mittler & Sohn . Mk. 0,75. 12. Immanuel, Die französische Infanterie. Ausbildung und Gefecht nach dem endgültigen Exerzierreglement vom 3. Dezember 1904. 1905. Ebenda . Mk. 1,80. 13. Das Mikrophotoskop, die neue Generalstabskartenlupe. Ebenda. 14. Der neue Militär-Pensions-Gesetzentwurf vor dem Richter-stuhle des deutschen Volkes. Stuttgart 1905. Nationaler Verlag. Mk. 0,60 .. 15. Immanuel, Der russisch -japanische Krieg. 2. Heft. Berlin 1905.R. Schröder. Mk. 2,50. 16. Müller, Zur Schlacht bei Chotusitz .
Berlin 1905.
E. Ebering,.
Druck von A. W. Hayn's Erben, Berlin und Potsdam,
XVII .
Kriegspsychologische
Studien.
Von Karl Reisner Freiherrn von Lichtenstern, Generalmajor z. D.
I. Psychologisches aus dem japanisch - russischen Kriege . ') Um die beiden zurzeit in Ostasien kämpfenden Armeen nach ihrer psychologischen Eigenart, nach ihrem militärischen Werte und nach ihren bisherigen Leistungen, soweit sie sich übersehen lassen, zu würdigen, mufs ich mir Ihre Geduld für eine Betrachtung derjenigen hauptsächlichen Eigenschaften und Faktoren erbitten , die im modernen Kampfe ausschlaggebend sind. Häufig wird die Ansicht vertreten, der heutige Kampf erfordere nicht mehr den gleichen Grad von Mut und mannhafter Unerschrockenheit, wie ehedem . Es sei doch etwas anderes gewesen, damals, als man im
Handgemenge dem Gegner ins Weilse des Auges schaute,
als jetzt, wo der Schütze hinter der Deckung mehr oder weniger geborgen, aus weiter Entfernung dem Feinde das tödliche Geschofs entgegenschicke. Heute gebe es keine Helden mehr . . . SO lautet gewöhnlich das Urteil solcher, die sich in Feuilletons in allgemeinen kriegspsychologischen Betrachtungen ergehen . Wer aber fachmännisch das Einzelne und Sachliche ins Auge fafst, kommt zu einem ganz anderen Ergebnis. Allerdings ist der Charakter
des
kriegerischen Mutes in den
verschiedenen taktischen Epochen ein verschiedener und durchaus unzutreffend ist die auch oft gehörte Behauptung, im Kriege änderten sich nur die Waffen , die seelischen Äufserungen der Kämpfenden 1) Vortrag, gehalten in der Psychologischen Gesellschaft in München. 17 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 402.
Kriegspsychologische Studien.
248
dagegen, ihre psychische Stärke und Schwäche , seien der ruhende Pol, das sich stets gleichbleibende Element . Auch der gegenwärtige Feldzug bietet natürlich den Anhängern dieser Meinung nichts Neues. Sie halten an dem Axiom fest, dafs der Erscheinungen Flucht vor militärischen Dingen Halt macht und gleichen den Astronomen vergangener Zeiten, welche die Bewegungen der Erde leugneten , weil sie sie nicht persönlich an sich verspürten . Die Forderungen, die der moderne Kampf an die militärischen Eigenschaften stellt, sind solche , dafs dem , der sie erfüllt, der höchste kriegerische Preis zuerkannt werden mufs. Die Streiter in den ebemaligen Nahkämpfen konnten ihren Mut bis zu einem erheblichen Grade aus dem Vertrauen in die eigene Kraft und Geschicklichkeit schöpfen. Ein starker und gewandter Mann durfte sich sagen, er werde die ihm entgegentretenden Feinde überwältigen. Dieses Bewusstsein gab seiner Tapferkeit einen persönlichen Charakter ; und insofern verbürgt ein den früheren Kriegen der Mut der einzelnen den Sieg . Bei fortschreitender Organisation des Gefechtes verlor sich der einzelne in der geschlossenen Abteilung , in der immer mehr mechanischer Gehorsam den persönlichen Mut ersetzen muiste. Der typische Soldat des 18. Jahrhunderts war der gedrillte Mann, der mehr passive, als aktive militärische Eigenschaften besals. Damals wurde der Herdentrieb im Soldaten systematisch ausgebildet : Fühlung
und
Richtung wurden unablässig
maschinenmässigen
Sicherheit
gefestigt.
gefordert und bis zur
Heute ist
wieder in der entscheidenden Hauptwaffe der Heere, in der Infanterie, eine individualisierende Dezentralisation des Kampfes eingetreten . Denn die heutige Kampfform ist die weitmaschige Schützenlinie, in welcher der vorwiegend mechanische Gehorsam nicht mehr bindende und treibende Kraft genug besitzt. Die einzelnen müssen sich jetzt aktiv am Kampfe beteiligen ! Die „ Fühlung" hat sich zum „ Anschlufs " erweitert und die Richtung ist ganz fallen gelassen worden. Man sollte daher meinen, dafs die psychische Lage der einzelnen abermals den persönlichen Charakter annehme, der den einstigen Nahkämpfen von Mann gegen Mann eigen war.
Allein das ist doch
nicht der Fall.
Der beständigen psycho-physischen Wechselwirkung im Kriege entsprechend , hat die äuſsere Umgestaltung , die neue Form des Kampfes, zugleich seine innere Verfassung geändert. Wenigstens wird dies dort der Fall sein, wo zwischen den äufseren und inneren Verhältnissen der Schlacht jene Übereinstimmung besteht, die allein zu sicheren und höchsten Leistungen befähigt. Das unterscheidende Merkmal zwischen der psychischen Lage
der heutigen Schützen und der ehemaligen Nabkämpfer besteht nun
Kriegspsychologische Studien. darin ,
dafs
die
Schützen
249
aus ihren persönlichen kriegerischen
Vorzügen keine Gewähr mehr für ihre Sicherheit ableiten können . Im Gegenteil ; die Chancen für die tapfersten und gewissenhaftesten Schützen, die den Gegner scharf aufs Korn nehmen, sind sehr ungünstige geworden : gerade die Tapfersten laufen vor anderen Gefahr, ihr Leben einzubüfsen . Im heutigen Fernkampf ist es dem einzelnen wohl möglich, durch seinen treffsicheren Schuls eine Wirkung beim Gegner hervorzubringen, nicht aber, durch seine Waffe sich selber von der Komzu schützen. Nur wenn die Abteilung als solche , in der sich ein Schütze befindet, bis zum Armeekorps die Überlegenheit über das feindliche Feuer erringt, wird auch der einzelne verhältnismäfsig sicher sein. Aber dieser Zustand der Über-
pagnie
mit Ausnahme überraschender Feuerüberfälle legenheit tritt sogleich ein, er kann erst das Ergebnis einer längeren natürlich nicht Durchführung des Feuergefechtes sein. An den heutigen Schützen tritt sonach eine Doppelaufgabe heran : er soll als Individuum selbsttätig handeln und sich zugleich opfern . Wahrlich , eine vielverlangende Aufgabe! Um sie erfüllen zu können, reicht weder persönlicher Mut, noch höhere ethische Motive müssen hier mechanischer Gehorsam hin, -
für das ganze
einsetzen : Anhänglichkeit an die Vorgesetzen und unbedingtes Vertrauen auf sie, das Gefühl für die Ehre des Truppenteils , eigene Die Ansoldatische und männliche Würde , Liebe zum Vaterland . forderungen, die an die ethischen Qualitäten der Heere gestellt werden , sind daher heutzutage entschieden höhere, als früher. Wenn auch die Auslese im einzelnen eine ungünstigere ist, d. h. wenn auch die besten Elemente jetzt weniger Aussicht haben, den Kampf zu überleben, als ehedem, so liegen doch heute in der ethischen Überlegenheit einer Armee mehr Garantien für den Sieg, als es zu irgend einer anderen Zeit der Fall war. Daraus ergibt sich auch,
dafs die schliefsliche Auslese
die Auslese im grofsen
die ungünstige Auslese im kleinen, wie sie im einzelnen Kampfe stattfindet, weit überbietet : am Ende gewinnen nicht blofs, wie natürlich, die lebenskräftigeren , sondern auch die moralisch höher stehenden Heere und Völker die Oberhand und das Übergwicht. Darin darf man denn auch das letzte und höchste Ziel erblicken, das dem blutigen Ringen der modernen , sonst sich ebenbürtigen Nationen um die Oberherrschaft zugrunde liegt. Der Einfluss der heutigen Waffenwirkung auf die seelische Beschaffenheit der Kämpfenden berührt aber auch noch eine andere psychische Seite des Kampfes . Ehedem war der Wille von Führer und Mannschaft einheitlich und unbeeinflusst von Nebenrücksichten 17*
Kriegspsychologische Studien.
250 unmittelbar
auf die
Erreichung des
Linien und Kolonnen
schritten
Kamptzieles gerichtet .
unaufbaltsam
vorwärts,
um
Die
den
Gegner durch den Kampf aus nächster Entfernung aus seiner Stellang zu werfen .
Heute
aber erleidet diese gewissermalsen gerad-
linige Äufserung des Kampfeswillens eine beträchtliche Ablenkung und Abschwächung. Die statistisch nachgewiesene Abnahme der Verluste in den modernen Gefechten ist der materielle Ausdruck davon. Vorsicht und vielseitige Erwägungen müssen einem erfolgreichen Angriffswillen beigemischt sein : aufser der Bedachtnahme auf ausgiebige und wirksame Abgabe des Feuers gewinnt die Rücksicht auf tunlich geschütztes Vorgehen im Gelände, auf Deckung in den Feuerstellungen usw. eine immer gröfsere Bedeutung. Die Leere des Schlachtfeldes, d. h. die Unsichtbarkeit, die sich heute die Kämpfenden zu geben vermögen, ist das hauptsächlichste charakteristische
Merkmal modern
durchgeführter
Gefechte.
Das
rauchschwache Pulver und die Fähigkeit der Schützen, sich in ihren lockeren Linien ganz und gar den Unebenheiten des Bodens anzuschmiegen, bilden die Voraussetzungen dieser Unsichtbarkeit. Sie schafft für den Gegner eine Sphäre peinlichster Unsicherheit, gestattet eine möglichst unbeirrte Ausnützung der Schufswaffe und vermindert sehr wesentlich die Verluste. Die Einwirkung der modernen Bewaffnung auf das innere Wesen der Kämpfenden erstreckt sich selbst auf die intimsten psychischen Vorgänge. - Der heutige Schütze sieht sich im Kampfe durch die sachgemässe Handhabung seines verfeinerten Gewehrs einer starken inneren Stütze früherer Epochen beraubt. Früher wurden Zorn und Wut als die dem Kampf entsprechenden Affekte angesehen und die Militärs
aller
Grade trugen diesen Instinkten volle Rechnung. In Stofstaktik begleiteten schmetternde Musik, und wehende Fahnen den Angriff der ge-
der Kolonnen- und dröhnende Trommeln
schlossenen Truppenkörper ; mächtig treibende Gefühle sollten den Willen stärken und Schwächeanwandlungen ableiten ; halb besinnungslos warf man sich auf den Feind . - Im heutigen Schützengefechte hätte eine völlige Umwertung des psychischen Zustandes der Kämpfenden einzutreten. Auch hier folgt der Krieg nur der allgemeinen Entwickelung der Kultur, die als ein untrügliches Zeichen der Bildung zu ruhiger Selbstbeherrschung und zum Zurückdrängen
des allzu lebhaften Gefühlslebens führt. - Welch schwieriges praktisches Problem ! Nicht blofs persönlicher Mut und mechanischer Gehorsam treten im Kampfe in den Hintergrund, -
es ist auch der Wert heftig treibender Gefühle in das Gegenteil verwandelt. Zu kämpfen, ohne sich dabei durch wilde Affekte des
Kriegspsychologische Studien .
251
Zorns zu berauschen, zu betäuben und sich über die niederdrückenden Gemütsbewegungen der Angst und des Schreckens hinwegzuhelfen, scheint gegen die Natur des Kampfes auf Leben und Tod selbst zu gehen, und doch ist gerade ein gewisser Gleichmut, Überlegung und kühle Berechnung der Kämpfenden die unerlässliche Voraussetzung einer wirksamen Handhabung des modernen Gewehres und damit des Sieges geworden. Nicht dafs völlige Ruhe, die sich der Apathie und Willenlosigkeit nähern würde, nötig oder auch nur wünschenswert wäre, aber es darf nicht mehr jene Linie des Gefühls überschritten werden, die noch einen treffsicheren Gebrauch der vervollkommneten Schufswaffe zuläfst. Eine innere und äufsere Sammlung , ein gewisses Verhalten der Kraft bei höchster Steigerung des Selbstgefühls und der Selbstachtung erscheint als die sicherste Grundlage der erfolgreichen Durchführung des modernen Schützenkampfes . Nur die Armee einer kulturell hochstehenden Nation vermag diesen somit in dreifacher Richtung gesteigerten Anforderungen zu entsprechen. Wer kommt nun diesem militärischen Ideal näher :
die Japaner
oder die Russen? Ohne Zweifel die Japaner. In dem kurzen Zeitraum von dreifsig Jahren hat sich Japan aus einem politisch ohnmächtigen Feudalstaat zu einer Grofsmachtstellung emporgeschwungen. Das schöne Werk „ Unser Vaterland Japan, geschrieben von Japanern ", gibt über diese Wandlung eingehende Auskunft. Weise das Buch vielleicht auch die Japaner
Wenn begreiflicher in allzu günstigem
Lichte erscheinen läfst, so wurden seine Ausführungen und Schilderungen doch durch die bisherigen Kriegsereignisse
nicht widerlegt.
Es sei gestattet, hier einige der Bemerkungen des Professors Inazo Nitobe anzuführen, die das japanische Heer unserem Verständnis näher bringen. Der Samurai, der japanische Ritter, ist nicht mehr, aber seine Tugenden und Lehren haben die Feudalzeit überlebt und gelten noch heute im Moralkodex des „ Bushido “ als die herrschende moralische Macht. Die Ritterlichkeit, der kämpfenden Ritter Art das Bushido ist der Inbegriff der ethischen Ideen Japans, der Inhalt der moralischen Instinkte der japanischen Rasse und ihr in Fleisch und Blut übergegangen. Der Japaner ist von der Idee der Ritterlichkeit beherrscht, bewegt sich in ihr und schöpft aus ihr seine Daseinsbedingungen . Seinem Namen entsprechend , fufst Bushido auf Mannhaftigkeit und Männlichkeit, den Tugenden, an deren edlem Kern wechselnde Kulturformen nichts zu ändern vermochten ; es stellt eine Vorschrift für die Ritterwürde oder ein Bushido verlangt Selbstbeherrschung Gesetzbuch der Ehre dar. und Gleichmässigkeit des
Temperamentes unter den schwierigsten
Kriegspsychologische Studien .
252
Verhältnissen in Krieg oder Frieden , Besonnenheit und Geistesgegenwart in plötzlicher Gefahr, Seelenstärke in Zeiten von Widerwärtigkeiten und des Glückswechsels . Stoizismus ist das beharrlich verfolgte Ziel japanischer
Selbstzucht.
Dieser japanische Stoizismus macht aber
nicht unempfindlich gegen Entebrung und zugefügte Schmach ; noch heute verübt nicht selten der an seiner Ehre gekränkte Japaner an sich den merkwürdigen Selbstmord des Harakiri. Als höchste Postulate
des
Moralgesetzes gelten
wodurch
der Japaner
dem
auch Eltern- und Kindesliebe,
zuweitgehenden
Individualismus
und
Egoismus der modern entwickelten Welt entgegenzutreten unternimmt. Es soll neben der nachdrücklichsten Förderung der Energie auch jene heilsame Willensbindung herbeigeführt werden , welche durch die Rücksichtnahme auf andere, auf das Gemeinwohl entsteht. In der Vereinigung mit der Religion des Shintoismus, die in der Verehrung der Natur und der Ahnen beruht, erheben sich die ethischen Gebote des Bushido zur Religion, die, gleich dem Samurai, dahinschwinden und, wie die Japaner annehmen , in einem gröfseren, höheren Moralgesetz aufgeben wird, heute aber noch ihre volle Herrschaft ausübt. Aus all dem geht hervor, dafs der Charakter, die geistige Veranlagung und die Nationalerziehung der Japaner mit den modernen militärischen Anforderungen sehr wohl im Einklang stehen. Sie besitzen in hohem Grade Todesverachtung, Hingabe an das Gemeinwohl, Intelligenz, Vorsicht und Umsicht, Gewandtheit und Findigkeit im Gelände. Der Nationalcharakter der Russen ist uns geläufiger. Ihre reiche Literatur hat uns tiefere Blicke in das Innenleben dieses interessanten Volkes und in die slawische Eigenart überhaupt tun lassen .
Auch
der jetzige Feldzug hat Erscheinungen zutage gefördert, die allgemeine Bewunderung gefunden und uns mit hoher Anerkennung für die
russischen
militärischen Tugenden erfüllt haben.
Leider
sind
diese militärischen Eigenschaften nicht mehr ganz im Einklang mit den Forderungen der modernen Zeit.
Man ist in Rufsland in dem
verhängnisvollen Irrtum befangen, gegenüber dem kulturellen und technischen
Fortschritt, in dem alle
anderen grofsen Heere mebr
oder weniger begriffen sind, in innerer Unbeweglichkeit verharren zu dürfen. Ich habe es hier versucht, die heute stattgefundene Umwertung militärischer Werte klarzulegen, die uns verstehen läfst, aus welchen Gründen dieses todesmutige Ausharren und Vorgehen, diese rücksichtslose Aufopferung des Lebens, dieser blinde und fraglose Gehorsam von so wenig Erfolg begleitet waren .
Kriegspsychologische Studien.
253
Der russische Offizier ist von dem unserigen nicht unwesentlich verschieden. Seine vielfach ursprüngliche und ungebundene Expansivkraft befähigt ihn zur vollen Ausgabe seiner reichen Natur, verleitet ihn aber auch häufig, die Schranken zu überschreiten, die anderswo für unüberschreitbar gelten.
Ich weifs nicht, inwieweit die Schilde-
rungen berechtigt sind, nach denen Trunksucht und Spielwut im Leben der Offiziere eine allzu grofse Rolle einnehmen . Während uns das nicht blofs tapfere, sondern auch stolze und würdige Verhalten der russischen Offiziere in Port Arthur gröfste Achtung einflöfste ,
würde
es ein seltsames Streiflicht
auf die Kluft zwischen
unseren und ihren Anschauungen werfen, wenn der unlängst in der Presse veröffentlichte Befehl General Stöfsels authentisch wäre, die Offiziere möchten enthalten.
sich
des
Schnapsverkaufs
Wie in ihrer Romanliteratur,
an die Mannschaften
sind die Russen auch auf mili-
tärischem Gebiete feine Psychologen.
Ausbildung und Taktik der
russischen Armee sind dem Volkscharakter angepasst. Es liegt darin ibre Stärke und ihre Schwäche . Ein patriarchalischer Zug geht durch das Ganze. Was Väterchen Zar " dem von den modernen Ideen unberührt gebliebenen Muschik ist, das ist jedem einzelnen Soldaten sein Offizier. Der russische Soldat blickt auf seinen Führer, er erwartet alles von ihm, er setzt das höchste Vertrauen in ibn , er ist bereit, ihm durch Gefahren aller Art hindurch in den Tod zu folgen.
Aber dieser Gehorsam ist ein blinder und rein passiver,
seine Wirkung versagt in dem Augenblick, in dem eigene
Beur-
teilung und Entschlufsfähigkeit notwendig wären.
Hier kommt die
allgemeine Rückständigkeit der russischen Kultur
zum Durchbruch,
deren Widerspiel auch die Rückständigkeit der russischen Taktik bildet. ') Noch heute, in der Zeit des rauchschwachen, kleinkalibrigen Mehrladers und der Schnellfeuergeschütze, wird dem russischen Infanteristen das Axiom :
„ Schiefse wenig, mit
dem
Bajonett stofs
tüchtig zu !" gelehrt. Bis zu welchem Grad von Hilflosigkeit dieser Grundsatz führt, beweist u . a. schlagend der bekannte Ritt Mischtschenkos nach Inkou (Januar dieses Jahres), wo die Kosaken nicht an die von japanischer Infanterie besetzte Eisenbahnstation herankommen konnte, weil ihnen - Bajonette fehlten. Als ob die Gewehre nicht losgingen, wenn man sie dem Gegner auf die Brust setzt und dazu ein Abstand von hunderten von Metern notwendig wäre ! Der russische Krieger bringt eben seine hervorragenden militärischen Eigen-
1) Siehe meinen Artikel in der 29 Woche" 1904, Heft 42 .
254
Kriegspsychologische Studien.
schaften weit besser in einer mehr zusammengedrängten Ordnung, als in ausgedehnten Schützenlinien , die eine gewisse Vereinzelung und Individualisierung der Kämpfenden mit sich bringen, zur Geltung. „" Man schlägt mit der Faust und nicht mit auseinandergespreizten Fingern !" ist ein anderer der in Rufsland vielbewunderten drastischen Aussprüche Dragomirows . Dieser General scheint zwar
in jüngster Zeit
angesichts der
Milserfolge in Ostasien seine Ansichten etwas geändert zu haben , allein auch in den neuen militärischen Aphorismen, die von ihm veröffentlicht wurden, ist er doch dem Grundgedanken treu geblieben, Er nennt daſs das Bajonett das entscheidende Kampfmiftel sei. es „ den Repräsentanten des Willens , der moralischen Energie, der Selbstverleugnung, des heiligen Wahnsinns " usw. Die russische Vorliebe
für den Stofs
zieht aber noch weitere Kreise.
Sie
mit der
drückt,
blanken Waffe
psychologischen
Ge-
setzen folgend, ihrer gesamten Taktik den Stempel auf, die hierdurch einen allzu vereinfachten und plumpen Charakter annimmt. Die Russen huldigen der übrigens auch in anderen Armeen noch immer nicht genügend überwundenen Massentaktik, während gerade
heute
die Qualität der einzelnen Kämpfenden den höchsten Gefechtswert Die tiefgeschichtete russische Gefechtsordnung vermag gewinnt. aber keine lebendige Kraft mehr zu äufsern. Denn während beutzutage die Durchschlagskraft einer Kugel genügt, um mehrere hintereinander stehende Leute zu durchbohren, kann nur eine seichte und dünne Linie von ibrer Schufswaffe wirksamen Gebrauch machen. ,,Immer geradeaus und alles , über den Haufen geworfen, was im Wege steht ! " scheint auch in Ostasien, wie 1877 vor Plewna, das Grundmotiv russischer Bewegungen in der Schlacht zu sein . Vom Feinde erwarten sie ein ähnliches allzu kunstloses Verfahren . Kamen sie doch jedesmal mit ihren
hinter der Mitte
der Gefechts-
front aufgestellten Reserven zu spät, wenn die Japaner den Lorbeer des Sieges durch umfassende Angriffe auf die Flügel zu erringen wufsten.
Die Stofstaktik ist in Ostasien auf der ganzen Linie gescheitert. Nicht blofs auf infanteristischer, sondern auch auf kavalleristischer Seite . Dals die so überaus zahlreiche russische Reiterei auf dem Gefechtsfelde gar keine Kraftäufserung zustande brachte, sollte denen zu denken geben, die sich von den heutigen tagelangen, die Kräfte der Infanterie
allerdings in hohem Grade verbrauchenden Feuerkämpfen die Wiederkunft der glänzenden Tage eines Seydlitz er-
Kriegspsychologische Studien.
255
warten. Allein es fehlt der Kavallerie heute an einem genügend kompakten Angriffsobjekt . Die dünnen feindlichen Schützenlinien , denen sich kein Pulverrauch mehr vorlagert,
schmiegen sich,
aus
gröfserer Entfernung schwer sichtbar, ganz und gar den Bedeckungen und Unebenheiten des Bodens an ; wohin wollen denn die massierten Geschwader der Kavalleriedivisionen
ihre zermalmenden
Stöfse richten ?
Gehen wir nun zur Charakterisierung der Grundzüge des blutigen Kampfspiels zwischen den beiden geschilderten, so verschieden gearteten Nationalitäten über, so glaube ich in dem bisherigen Verlauf des Feldzugs nur eine Bestätigung meiner Grundanschauungen erblicken zu sollen, die dahin gehen : 1. daſs es sich im Kriege
zwischen
zivilisierten Nationen nicht
um die Vernichtung des Gegners handelt, 2. dafs der Kriegszweck ein in letzter Instanz psychischer ist, da er auf Beugung oder Brechung des feindlichen Willens gerichtet erscheint, und 3. dafs das
Beugen
oder
Brechen des Willens
auf zwei
ver-
schiedene Hauptarten erfolgen kann entweder schlagartig und lähmend , oder den Gegner und seine Kampfmittel allmählich verbrauchend , erschöpfend , aufzehrend . Denn was zunächst die beiden
ersten Punkte
anbelangt,
dafs
nämlich der Ausgang eines Krieges zwischen zivilisierten Nationen nicht durch die materielle Vernichtung des Gegners, sondern durch das psychische Mittel des Beugens oder Brechens des gegnerischen Willens herbeigeführt wird,
so sind die Gefechte in Ostasien trotz
der entgegenstehenden Nachrichten phantasievoller Reporter unblutiger verlaufen, als die der vorausgegangenen Kriege. Es trat auch hier wieder zutage, dafs die Verluste
um so geringer werden, je mehr
die Vervollkommnung der Feuerwaffen fortschreitet. Nach den Angaben des Militär- Wochenblatts ' ) betrugen die russischen Verluste an den beiden Gefechtstagen des 14. und 15. Juni bei Wafankou rund 9 v. H. , die der Japaner sogar nur 3 v. H. der Gefechtsstärke.
In den Kämpfen bei Liauyang, die vom 24. August
bis 7. September dauerten, berechneten sich die beiderseitigen Ver-
1 ) Ich entnehme die zahlenmäfsigen Angaben über den Krieg den betreffenden Artikeln des Militär-Wochenblatts.
Kriegspsychologische Studien.
256
luste blofs auf 9 bis 12 Prozent.
In der Schlacht am Schiliho und
Schaho, die am 8. Oktober ihren Anfang nahm und erst am 20. Oktober endgültig ihren Abschlufs fand, erlitten die Russen eine Einbufse von etwa 17 % und die Japaner nur 10 %. Das MilitärWochenblatt erinnert hierbei daran, dafs wir im Jahre 1870 in der gleichen Zahl von Stunden
ähnliche und gröfsere Verluste erlitten, als jetzt die Russen und Japaner in ebensoviel Tagen. So bezifferten sich auf deutscher Seite die Verluste bei Wörth auf 11,3 %, bei Spicheren auf 13 % und bei Mars la Tour auf 22,4 %. Wenn man die lange Dauer der einzelnen Kämpfe in Ostasien
in Betracht zieht, die natürlich bei der Bewertung der Höhe der Verluste sehr wesentlich ins Gewicht fällt, so erweisen sich die ostasiatischen Verluste sogar zum Teil noch geringer, als die im Burenkriege. Ich habe es im vorigen Jahre an dieser Stelle in meinem Vortrag „ Burenkrieg und Qualitätsschiefsen “ 1) versucht, die geringen Verluste in Südafrika auf die grofse Schiefsfertigkeit und die rationelle Schiefstaktik der Buren zurückzuführen und habe den Satz aufgestellt, dafs der Sieger dem Besiegten um so weniger Verluste beibringe, je mehr er die Fähigkeit dazu besitze. Die Militärliteratur ist im allgemeinen anderer Anschauung ; sie pflegt den taktisch-technischen Vorgängen in der Schlacht eine weit grölsere Bedeutung, als' den taktisch-psychologischen beizulegen . Einzelne Stimmen schreiben die geringen englischen Verluste in Südafrika lediglich einer gewissen Verlustscheu der Engländer zu, die aus ibren Kolonialkriegen stamme, in denen man möglichst wenig Leute opfern wolle . Unterliegen die Japaner und Russen vielleicht auch der 99Verlustscheu"? Gewifs nicht. Sie stehen nur unter dem Gesetze der abnehmenden Verluste bei zunehmender Gefährlichkeit der Waffe . Die Ursachen der geringen Verluste in Ostasien sind freilich etwas andere , wie jene in Südafrika. Sie lagen, wie es scheint, hauptsächlich darin,
dafs
die Russen zwar da, wo
sie die Ent-
scheidung suchten, infolge ihrer rückständigen Taktik sich schweren Verlusten aussetzten, aber an den Punkten,
an denen die Japaner
die Entscheidung suchten und fanden, vor deren geschickter moderner Taktik ohne allzu grofsen Widerstand zurückwichen, so dass im ganzen wenig Verluste entstanden.
sein .
Typisch hierfür scheint mir die Schlacht von Wafankou zu Die Russen gingen hier am zweiten Schlachttage zur Um-
1) ,,Schiefstaktik der Infanterie".
Berlin 1904.
A. Bath ,
Kriegspsychologische Studien.
257
fassung des rechten japanischen Flügels, die Japaner, entgegengesetzt, zu einer solchen des rechten russischen Flügels vor. Wer rascher und gründlicher eine Entscheidung am gegnerischen Flügel herbeizuführen vermochte, mufste Sieger werden. Das Angriffsverfahren Die in erster Linie vorgebenden der Russen war ein veraltetes. Schützenregimenter Nr. 2 und 3 erlitten dementsprechend 30 % Verlust. Bei dieser bedeutenden Höhe der Verluste nahm der russische Angriff naturgemäss ein langsames Tempo an. Die Japaner dagegen gingen sehr gewandt unter Vereinigung von Infanterieund Artilleriefeuer gegen den rechten russischen Flügel vor, der unter dem Eindruck des geschickten und wirkungsvollen japanischen Verfahrens ziemlich rasch zurückwich. Schon mittags bedrohten die Japaner die Rückzugslinie der Russen derart, dafs Stackelberg den allgemeinen Rückzug anbefehlen musste . Der russische Gesamtverlust betrug infolgedessen, wie schon gesagt, fechtstage nur 9 Prozent. Bei anderen Gefechten mag,
besonders
für die
beiden Ge-
auf japanischer Seite,
die grolse Vorsicht, zu der die heutigen Feuerwaffen die Kämpfenden veranlassen, die Ursache der geringen Verluste gewesen sein. Zuverlässige Mitteilungen vom Kriegsschauplatz berichten , dafs sich die Japaner bei ihren häufigen Frontalangriffen mit aufserordentlichem Geschick vor den Blicken des Gegners zu verbergen wissen, „, wie die Katzen und Schlangen vorwärts kriechen, " sich nur in kleinen Sprüngen vorbewegen und sich gerne mit dem Spaten eingraben, so dafs ibre Offensive vielfach sozusagen einer sich vorschiebenden Defensive gleicht. In den Nachtkämpfen, zu denen sie, bei ihrer numerischen Schwäche, oftmals ihre Zuflucht nehmen, tritt ohnedies das materielle Element wesentlich zurück und das moralische mehr noch als sonst in den Vordergrund. Einen besonders deutlichen Beweis dafür, dafs heute nicht mehr, wie in alten , vergangenen Zeiten, der Endzweck eines Kampfes die Vernichtung des Gegners, ist, liefert auch Port Arthur.
sondern nur das Beugen seines Willens Hatte doch General Stössel versprochen,
er werde die Festung bis zum gänzlichen Verbrauch seiner Truppen und Kriegsmittel halten : solange er noch einen Mann und eine Patrone zur Verfügung habe. " In der Tat wurde um diese Festung mit jener Tapferkeit und Hartnäckigkeit gestritten, die den Kämpfen um befestigte Örtlichkeiten und Werke eigentümlich ist. Verteidiger gerne
die
Solche feste
Plätze
rufen im
Vorstellung der Unüberwindlichkeit hervor.
Das Verlassen räumlich scharf abgegrenzter Örtlichkeiten bedarf auch
Kriegspsychologische Studien.
258
einer gröfseren Entschlufskraft, während es in der offenen, sozusagen flüssigen Feldschlacht innerlich ungleich leichter ist, eine Stellung zu räumen, um vielleicht weiter rückwärts erneut Widerstand zu leisten. Trotz dieser, einer Verteidigung fester Plätze „ bis zum letzten Mann " verhältnismässig günstigen Umstände hielt Stössel sein Versprechen nicht.
Als er vom 2. Januar ab Port Arthur den Japanern
übergab, konnte die Münchener „ Jugend " spotten, er habe die Festung bis zu den letzten 24 369 Militärpersonen, bis zu den letzten 546 Geschützen mit 82670 Granaten und 35252 Gewehren und bis zum letzten Atemzuge des Generals Kontradenko gehalten . (Wieviel Infanteriemunition bekannt geworden .)
dem
Eroberer
übergeben
Man war in weiten Kreisen enttäuscht.
wurde,
ist
nicht
Man hatte sich vielfach
die Verteidigung der Seeveste zäher und rücksichtsloser vorgestellt. In sieben Monaten der Belagerung hatte sie einschliefslich der Schlacht von Kintschou und aller anderen so zahlreichen Kämpfe im Vorgelände
an Gefallenen und
an Krankheit Verstorbenen nur
50 % ihrer anfänglichen Stärke eingebüfst. Man schlofs daraus, dafs sich Port Arthur bei festerem Willen des Generals Stössel noch eine geraume Zeit hätte halten können. - Der Widerstand wäre aber auf alle Fälle nur noch ein ganz kurzer gewesen. Die Ursache der Übergabe war in erster Linie die technische Vollkommenheit der heutigen Waffen. Denn nach der Einnahme der Forts der Nordfront hätten die
schweren Geschütze,
welche die Japaner zur
Verwendung brachten, eine Behauptung der Stellung zwischen den Forts und der Stadt, der sogenannten Zwischenstellung, unhaltbar gemacht. Auch fehlte es den Belagerten zum Teil an Lebensmitteln und an Medikamenten . Skorbut herrschte in schrecklicher Weise. Ein weiterer Kampf um die Festung hätte somit nach der Überzeugung Stössels nichts anderes bedeutet, „ als tapfere Leute nutzlos und hoffnungslos in den Tod zu senden". Unter solchen Umständen wird in unserer Zeit humaner Anschauungen eine Festung übergeben, um dadurch einem Gemetzel vorzubeugen, welches das Schicksal des Platzes doch nicht mehr zu ändern vermöchte . Um
nun den dritten der von
mir ausgesprochenen Sätze zu
wiederholen, so beruht nach meiner Meinung das Beugen oder Brechen des feindlichen Willens auf zwei verschiedenen Hauptvorgängen : es erfolgt entweder schlagartig und lähmend , oder es werden die Kräfte und Kampfmittel des Gegners allmählich verbraucht , erschöpft, aufgezehrt.
Kriegspsychologische Studien.
259
Die mit dem Fall von Port Arthur abgeschlossene erste Periode des ostasiatischen Feldzuges lälst diese beiden Hauptkampfarten vielfach drastisch hervortreten . Obgleich Kuropatkin fast immer, namentlich an Artillerie, den Japanern numerisch überlegen war,¹) ging er doch von der Tendenz aus, vor allem Zeit zu gewinnen, um das Eintreffen einer genügenden Truppenmacht aus der Heimat abzuwarten und mit ihr sodann entscheidende Schläge auszuführen. Bis dahin wollte er Entscheidungen ausweichen und ging vor den Angriffen seiner Gegner von Stellung zu Stellung zurück . Mit dem Zwecke des Zeitgewinns verband er den anderen, die Japaner möglichst zu ermüden, zu erschöpfen, aufzureiben. Konsequent wurde aber dieser Plan nicht durchgeführt. Es scheint mafsgebenden Faktoren widerstrebt zu haben, Port Arthur seinem Schicksal zu überlassen.
General Baron Stackelberg wurde
daber ausersehen, mit einer Streitmacht, die wegen der vielen Detachierungen Kuropatkins nach und nach nur auf 40000 Mann gebracht werden konnte, den in der Festung Eingeschlossenen Hilfe zu bringen. Wir haben schon gehört, wie sein bei Wafankou geführter Schlag durch einen weit wirksameren seitens der Japaner pariert wurde . Auch in der Schlacht bei Liauyang brach Kuropatkin mit seinem bisherigen hinhaltenden Verfahren . Als er sich durch Kuroki in seinem Rückzug auf Mukden bedroht sah, drängte sich ihm die Notwendigkeit auf, den Feind durch einen kräftigen Schlag zurückzuwerfen. Aber dieser plötzliche Wechsel in der Methode, der durch keinerlei Maísnahmen - (Bereitstellen starker Reserven am rechten Ufer des Taitszeho) - vorbereitet war, scheiterte an Friktionen in der Befehlsgebung .
Er scheiterte aber auch an dem Verhalten der
Truppe : die Vorstellung des beständigen Zurückweichens vor dem Feinde hatte sich in der breiten Masse des russischen Heeres festgesetzt und die Offensivkraft geschwächt. Charakteristisch hierfür ist das Verhalten einer russischen Batterie, die den Angriff ihrer Infanterie nicht begleitete, weil dadurch ihr 29 später doch eintretender Rückzug" hätte gefährdet werden können . mattet
durch den so
lange
Erschüttert und er-
und fast ununterbrochen andauernden
Kampf standen die Truppen Kuropatkins bei Liauyang von ferneren Offensivstöfsen ab und traten den Rückzug auf Mukden an . Aber auch die Japaner waren nicht imstande, den Offensivstofs gegen die russische Rückzugslinie wirksam fortzusetzen . Auch sie
1) Militär-Wochenblatt, No. 159, 1904.
260
Kriegspsychologische Studien.
waren, bei ihrer verhältnismässigen numerischen Schwäche,
durch
die schweren Angriffe gegen die russischen Befestigungen in hohem Maſse erschöpft. Immer wieder mussten sie davon abstehen, einen empfindlichen Schlag gegen ihre Feinde zu führen und einen ganzen Sieg zu erringen. Etwa ein Monat nach der Schlacht von Liauyang, anfangs Oktober, trat ein Wechsel in der Tendenz Kuropatkins ein. Das ungeduldige Vaterland erwartete irgend einen greifbaren Erfolg von dem Das Heerführer, auf den es so grofse Hoffnungen gesetzt hatte. Jahr 1812 lässt sich eben beute schwerlich mehr kopieren. Die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse haben sich seither zu sehr verändert. Jetzt schien auch Kuropatkin zu glauben, dafs er die nötige zahlenmälsige Stärke besitze, um mit Aussicht auf sicheren Erfolg einen Schlag gegen die Japaner ausführen zu können . Die russische Überlegenheit betrug in der Tat 78000 Mann und 274 Geschütze. Der trompetenstolsartige Armeebefehl, mit dem Kuropatkin urbi et orbi und natürlich auch dem Feinde seine offensive Absicht vorher enthüllte, steht in der Kriegsgeschichte vereinzelt da. Es kam zur Schlacht am Schiliho und Schaho. Ähnlich wie bei Wafankou richteten die Russen ihren entscheidenden Schlag gegen den rechten japanischen Flügel, während die Japaner ihrerseits mit grofser Entschlossenheit sogleich zum Gegenangriff gegen den rechten russischen Flügel schritten . Da die Russen im Gebirge, die Japaner Ebene dicht bewachsenen aber der Hauptsache nach in der vorgingen, so war es natürlich, dafs der japanische Schlag rascher und energischer zur Wirksamkeit gelangte, als der russische, der in dem schwierigen Gelände ins Stocken geriet . ') Schliefslich musste der linke russische Flügel, der die Entscheidung bringen sollte, zurückgenommen werden, um dem rechten Flügel und der Mitte, die von den Japanern hart bedrängt waren, unterstützend zu Hilfe zu kommen. Zahlenmäfsig unterlegen, wie die Japaner waren, hatten sie trotz der viel geringeren Verluste, die sie erlitten, nach der Vereinigung der russischen Armee keine Möglichkeit mehr , Umfassungen auszuführen . Es entstanden hin- und herwogende Frontalkämpfe, die abermals mit beiderseitiger Erschöpfung der Kräfte endeten . In der Festung Port Arthur lag in der ersten Periode des Feldzuges, in Widerspruch mit der herrschenden Theorie, der moralische und materielle Schwerpunkt des Kampfes zwischen Russen und Ja-
1 ) Siehe die trefflichen Ausführungen hierüber in den „ Vierteljahrsheften für Truppenführung und Heereskunde " . 1905. Erstes Heft.
Kriegspsychologische Studien.
261
panern. Japan hatte es als bitteren Schimpf empfunden , als es vor zehn Jahren das am 10. November 1894 den Chinesen im Kampfe abgenommene Port Arthur den Russen ausliefern mulste . Ein japanischer Oberst äufserte vor dem unlängst erfolgten Fall der Feste, dafs nach ihrer Rückeroberung bei den Japanern kein Name unter der Sonne so berühmt sein werde als Port Arthur ; die Einnahme dieser Festung werde in der öffentlichen Meinung Japans die Krone des Feldzuges sein . Aber auch den Russen war die Festung das greifbare Symbol ihrer Macht und Vorherrschaft in Ostasien. Im vergangenen Sommer
erzählte mir
eine deutsche Dame ,
dafs man
ihr in der ganzen Krim, die sie bereiste , sagte, der Fall von Port Arthur werde die in Rufsland bestehende Gärung zur Revolution treiben .
Diese Prophezeiung war , wie sich herausstellte, nicht aus
der Luft gegriffen . Die Menschen pflegen ja bekanntlich den Besitz plastisch bedeutsamer Objekte besonders hoch zu werten , und so ist es natürlich , daſs Port Arthur die Phantasie der Völker und Stämme Ostasiens ganz besonders beschäftigte . Von Port Arthur aus vermag Japan seinen Einfluss nach der Mandschurei, wie nach Korea und nach der chinesischen Seite hin auszuüben.
Die gröfste materielle Bedeutung hatte es aber während
der abgelaufenen Feldzugsperiode als Flottenstützpunkt. Im Hafen von Port Arthur barg sich die russische Flotte, deren Vernichtung für die Japaner noch weit wichtiger war, als die Besitznahme der Seefeste selbst. Würde Rufsland die Seeherrschaft erringen, so wäre die japanische Kriegsmacht von der Verbindung mit dem Mutterlande gänzlich abgeschnitten ; ihrer natürlichen Hilfsquellen beraubt, würde sie von dem Feinde auf dem asiatischen Festlande erdrückt werden . Die Seeherrschaft bildet sonach für das Inselreich Japan die Voraussetzung des Kampfes schurei. Die Belagerung
Port Arthurs
um Korea und die Mand-
nahm
aber einen wesentlichen
Teil der japanischen Streitmacht in Anspruch, der im Kampfe mit der russischen Landmacht ausfiel. Es war daher ein wichtiges Interesse der japanischen Heerführung , dafs die Festung möglichst bald falle und die Flotte möglichst schnell vernichtet werde . Die Schläge, die Japan gegen die russische Flotte austeilte, waren von Beginn des Kampfes an ― heute vor einem Jahre¹ ) -- treffsicher und erfolgreich genug. Aber auch die , welche Japan gegen Port Arthur führte, waren, nachdem einmal der Kampf im Vorgelände
1 ) In der Nacht vom 8./9 . Februar 1904.
Kriegspsychologische Studien.
262
begonnen hatte, hart und scharf, ja sie überschritten zum Teil das Mals des Zulässigen in der modernen Kriegführung. Es fehlte in der Übereilung und Überstürzung, die sich dabei geltend machten, den Stürmen der Infanterie an genügender artilleristischer Vorbereitung. ! Sie milslangen. Endlich beschritt man rationellere Bahnen. Artillerie und Ingenieurtruppen vollbrachten die vorbereitenden Zer- 1 störungsarbeiten.
Dann erst folgten die
die wie Hammerschläge fielen.
auf die
schon
Stürme
der
Infanterie,
erschütterten
Belagerten
Das beschiefs
Gebrochen durch den langen Kampf und materiell nahezu auf.
Beobach
gerieben, gab die Widerstandskraft der Verteidiger nach ; die Feste ergab sich.
aus Mel Zu
Dies ist die Frage, die immer
des Kal
und immer aufgeworfen wird . Es ist mifslich zu prophezeien. Ich möchte mich aber der Ansicht zuneigen, dafs der Charakter gegenseitiger Ermüdung und Erschöpfung, der bisher in Ostasien den
Wie wird nun der Krieg enden ?
itenlä
Feldschlachten
eigen war, dem
ganzen
Kriege den Stempel auf-
drücken wird. Die Japaner dürften, besonders an Offizieren, zu schwach sein, um energische, entscheidende Schläge auszuteilen. Und den Russen scheint, aus Mangel an taktischer Fertigkeit, die Fähigkeit hierzu zu fehlen . Gelänge es ihnen auch, die Japaner zurückzudrängen, so könnte man sich doch nicht vorstellen, daſs sie imstande wären, über den Jalu hinüber siegreich in Korea einzudringen, oder die Kwantunghalbinsel mit Port Arthur wieder einzu-
* gena ngetra del be bane
ach B Jaten Sann d
sric chtkr
nehmen. Die neuesten Vorgänge legen übrigens den Gedanken nahe, dafs für das Ende des blutigen Waffenganges Gründe bestimmend
ird a renn
sein werden, die aufserhalb des Reinmilitärischen liegen.
cert
it de er fe eise
pf
Das Planschiefsen der Fufsartillerie.
263
das
XVIII .
e in den
Das Planschiefsen der Fufsartillerie .
ng. til-
Von
er-
H. Rohne, Generalleutnant z . D.
Erie, rten
Das
Planschiefsen" bezweckt, Ziele im Festungskriege zu
beschiefsen, die weder von der feuernden Batterie noch von deren
&of 臭 密 est
Beobachtungsstande aus zu sehen sind, deren Lage also lediglich aus Meldungen (von Vorposten , Ballon usw. ) bekannt ist. Zu diesem Zweck ist jede Batterie mit einem genauen Plan des Kampffeldes versehen , der in numerierte Quadrate von 500 m Seitenlänge eingeteilt ist. Die Lage der Batterie ist auf dem Plan so genau wie möglich in Festungen meist trigonometrisch eingetragen. Soll nun ein von der Batterie aus nicht sichtbares Ziel beschossen werden, so wird dessen Lage der Batterie durch genaue
Beschreibung z. B. „Waldblöfse östlich des Weges von A nach B “ , „ Nordausgang von C " usw. oder durch Angabe der Koorinaten des Ziels nach Länge und Breite mitgeteilt. Aus dem Plan
kann der Winkel, den die Richtung auf das Ziel mit der auf einen Hilfsrichtpunkt gemessen werden und den Geschützen mit Hilfe des Richtkreises,
der wagerechte Winkel bis auf
16 Grad ziemlich ge-
nau mifst, die Seitenrichtung gegeben werden . Die Zielentfernung wird auf dem Plan abgegriffen, die ihr entsprechende Erhöhung und Brennlänge die erstere nötigenfalls um den Geländewinkel korrigiert
aus der Schufstafel entnommen ;
die Höhenrichtung wird
mit dem Quadranten gegeben .
Nach der Schiefsvorschrift soll von der festgestellten Entfernung und Seitenrichtung ausgehend lagenweise gestreut werden . Sind die Tageseinflüsse nicht bekannt, so empfiehlt sich, einen Raum, dessen Tiefe nicht unter 1/10 der Entfernung beträgt, unter Feuer zu nehmen (Sch.V.Z. 173) . Ein Streuen nach der Seite sieht die Schiefsvorschrift nicht vor. Ohne eine Batterie von sechs Geschützen eine Front von
Streuen kann
120 m mit Sicherheit gleichmässig unter Feuer halten. ') Darüber, in welchen Grenzen gestreut werden soll, wenn die Tageseinflüsse bekannt sind, äufsert sich die Schiefsvorschrift nicht; sie empfiehlt dem Batterieführer aber,
die
Abmessungen des
unter Feuer
zu
¹ ) Bei einem Kegelwinkel von 22 Grad beträgt die Ausbreitung der Garbe bei einer Sprengweite von 100 m etwa 20 m. Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 402. 18
Das Planschiefsen der Fufsartillerie.
264
nehmenden Raumes nach Möglichkeit einzugrenzen (Sch.V.Z. 167) . Nach Z. 154 der Sch. V. soll das lagenweise Vorgehen im Bz-Feuer um je 50 m erfolgen. Die bei diesem Schiefsen erreichte Wirkung soll recht oft nicht befriedigend ausgefallen sein ; über die Ursachen des Mifserfolges gehen aber die Ansichten auseinander. Die einen glauben, die Wirkung durch Einschränkung, die anderen durch Vergröfserung des zu bestreuenden Raumes steigern zu können . Ein näheres Eingehen auf diese Fragen ist daher wohl gerechtfertigt. Bei
meiner Untersuchung
nehme
ich
an,
daſs nur lebende
Ziele und Schrapnellfeuer in Betracht kommen und setze ferner voraus, dals , was im Frieden ja die Regel, im Kriege höchst wahrscheinlich die Ausnahme ist, die der Batterie zugegangenen Mitteilungen über die Lage des Ziels richtig sind. Wird auf einer Entfernung von 4000 m geschossen, so wird nach der Sch.V. ein Raum von 400 m Tiefe, bei 120 m Breite, also eine Fläche von 48000 qm unter Feuer genommen . Nehmen wir eine Batterie von sechs 10 cm-Kanonen an, so müssen , wenn lagenweise um 50 m vorgegangen wird, acht Lagen, also 48 Schrapnells verfeuert werden. Das Schrapnell der 10 cm-Kanonen ist mir nicht bekannt ; da es aber etwa anderthalbmal so schwer ist, wie das der
1.
Feldhaubitze,
welches
500
Kugeln
enthält,
so
wird
man
jedenfalls nicht zu hoch greifen, wenn man 600 Kugeln annimmt. Es würden also durch dieses Feuer 28800 Kugeln auf den unter Feuer zu nehmenden Raum ausgestreut. Wenn man nun annimmt, dals so
etwa 15 % der Kugeln aufserhalb des Raumes aufschlagen , würden
auf
das
Quadratmeter der wagerechten
Treffläche
etwa 0,5 Kugeln im Durchschnitt entfallen . Bei einer Schufsweite von 4000 m hat man mit einem Fallwinkel von etwa 10 ° zu rechnen ; in der senkrechten Treffläche würden auf je 1 qm also das 5,1fache¹ ) d. h. 2,85 Treffer entfallen. ")
Jede innerhalb des stellte Figurscheibe
unter Feuer genommenen Raumes aufge-
(Treffläche 0,56 qm) würde mithin auf 4000 m
von durchschnittlich 2,85 ,
0,56
oder
1,6
( auf 5000 m etwa 1,0)
Kugeln getroffen werden. Nach Anlage 10 meiner „Schiefslehre für die Feldartilleri e" würde man, eine gleichmässige Verteilung des Feuers vorausgesetzt, auf 80 % (auf 5000 m 63 %) aufser Gefecht gesetzter Figuren rechnen dürfen . Ich weils sehr wohl, dafs 1) cotang 100 — 5,1 . 2) Auf 5000 m würden, wenn man eine ähnliche Rechnung anstellt, nur 1,9 Treffer zu erwarten sein.
Das Planschiefsen der Fufsartillerie.
265
ein solches Ergebnis in der Praxis niemals erreicht werden kann, da die Voraussetzungen nie ganz zutreffen werden. Weder ist auf eine völlig gleichmässige Verteilung der Treffer zu rechnen, noch ist anzunehmen, dafs alle Schrapnells in der Luft springen ; mit einzelnen Aufschlägen mufs man immer rechnen und natürlich die
Wirkung
sehr
beeinträchtigt.
Aber
dadurch wird andererseits ist
ein solches Treffergebnis mehr als ausreichend und zur Erreichung des Zwecks durchaus nicht erforderlich . Man darf sich unbedenklich mit einer geringeren Dichtigkeit der Treffer begnügen und mit der zur Verfügung stehenden Munition einen grölseren Raum unter Feuer zu nehmen, damit die Gefahr verringert wird, dafs alle Geschosse das Ziel fehlen . Es entsteht die Frage, wie grofs der unter Feuer zu nehmende Raum sein mufs, damit das Ziel sich mit grofser Wahrscheinlichkeit darin befindet. die gröfste
Die Sch.V. berücksichtigt eigentlich nur eine, freilich
Feblerquelle,
die
aus den Tageseinflüssen hervorgeht.
Es muss aber hervorgehoben werden, dafs die Änderung der Schufsweite um 5 % der Entfernung keineswegs schon das äufserste Mafs vorstellt (S. Heydenreich, Lehre vom Schufs I , S. 56) . Solche Abweichungen können schon allein Folgen der vom Mittel abweichenden Temperatur sein . Die Schufsweite kann aber durch starken, mit oder gegen die Schulsrichtung wehenden Wind auf 4-5000 m um 80-100 m verändert werden ; atmosphärische Niederschläge können die Schufsweite erheblich verkürzen ; dazu kommen noch Abweichungen des Barometerstandes, die ganz besonders auf die Lage des Sprengpunktes von Einflufs sind . Starker Seitenwind kann den Treffpunkt auf 5000 m sehr wohl um 50 m nach rechts oder links verlegen . - Dazu treten noch Fehler des Plans , so dals selbst
bei richtiger Angabe der Koordinaten des Ziels Fehler von
vielleicht
100
m
in
bezug auf die
Schufsweite
und Seiten-
richtung vorkommen können . Ich glaube daher, dafs wenn man eine gewisse Sicherheit haben will, man einen Raum unter Feuer nehmen mufs , dessen Breite etwa 10, dessen Tiefe etwa 20 % der Entfernung beträgt. Es fragt sich nun, welcher Aufwand von Munition erforderlich und welches Verfahren einzuschlagen ist, um einen Raum von dieser Gröfse gleichmässig unter Feuer zu halten. -- Bei einem Schiefsversuch in Rumänien haben vier 7,5 cm -Geschütze einen Raum von etwa 300 m Breite recht gleichmässig unter Feuer gehalten ; es fiel jedem Geschütz eine Front von 75 m zu. Sollen sechs 10 cm- Geschütze eine Front von 400 (500) m unter Feuer halten , so entfällt auf jedes Geschütz eine Breite von je 67 (83 ) m : In Berücksichti18*
Das Planschiefsen der Fufsartillerie .
266
gung des gröfseren Kalibers wird man die Aufgabe für eine Batterie von sechs Geschützen nicht als zu schwierig bezeichnen können . Bei der Feuereröffnung sind die Geschütze so einzurichten, dafs die Flug0 bahnen am Ziel um je 67 (83) m¹ ) etwa 17/16 ° entsprechend auseinander fallen ; ändert man nach Abgabe der ersten und zweiten ― Lage die Seitenrichtung um je 5/16 bis °/16 ° 22 (27) m entsprechend - so wird die Front gleichmässig unter Feuer genommen. Nach Abgabe der dritten Lage geht man mit der Erhöhung und Brennlänge um 200 m vor, gibt die vierte Lage mit derselben Seitenverschiebung wie
die dritte ab und verlegt bei der fünften und sechsten die Sprengpunkte wieder um dasselbe Mafs nach der andern Seite . In dieser Weise ist fortzufahren derart, dafs man bei Schufs-
weiten von rund
4000 m
auf acht (bei solchen von 5000 m auf zehn) verschiedenen Entfernungen schielst. Das hier vorgeschlagene Schiefsverfahren entspricht ganz dem „ tir progressif avec fauchage" der französischen Feldartillerie . Dafs man um 200 und nicht, wie die Schiefsvorschrift empfiehlt, um 50 m vorgeht, ist mit Rücksicht auf die Wirkung durchaus zulässig.2) Die Feldartillerie , deren Schrapnells kaum halb so viel Kugeln aufnehmen und daher eine geringere Tiefenwirkung haben, geht seit mehr als zwanzig Jahren um 100 m vor und niemals ist hiergegen ein Bedenken aufgetaucht. Jedes Geschütz verfeuert also anf 4000 m 12 (auf 5000 m 15), die Batterie also 72 (90) Schrapnells, die einen Raum von 320000 (500000) qm Fläche mit 43200 ( 54000) Kugeln bestreuen . Auf je 1 qm der wagerechten Treffläche entfallen mithin, wenn man wie oben 15 % der Kugeln als aufserhalb des Raumes fallend, annimmt, 0,11 (0,09) Treffer ; auf je 1 qm der senkrechten Fläche also
0,62
Raumes
(0,3) Kugeln. aufgestellte
Innerhalb des unter Feuer genommenen
Figurscheiben
würden
durchschnittlich
0,37
(0,17) mal getroffen sein , d . h. man dürfte auf etwa 31 ( 16) % aufser Gefecht gesetzten Mannschaften rechnen . Man wird zugeben, dals das Resultat, auch wenn es in Wirklichkeit nur halb so grofs ausfiele, doch sehr befriedigend genannt werden müsste, weil damit der gewollte Zweck erreicht sein würde. Solchen sehe ich hier nicht in der Vernichtung des Gegners , sondern nur darin , ihm die Benutzung dieses Geländes unmöglich zu machen. Vielleicht könnte
dieser Zweck auch mit nur vier Geschützen erreicht
werden, deren Flugbahnen
dann
entsprechend
weiter auseinander
1 ) Die eingeklammerten Zahlen gelten unter Annahme einer Schufsweite von 5000 m. 2 ) Die Wirkungstiefe des Schrapnells mit 600 Kugeln kann gegen aufrechte Ziele auf mindestens 250 m veranschlagt werden.
Das Planschielsen der Fufsartillerie .
267
gehen müfsten ; es müfsten alsdann die Sprengpunkte nach der Seite geschützweise um etwa 10/16 verlegt werden.
Es würden dann nur
, der Schufszahlen , also 48 ( 60) Schrapnells verfeuert und natürlich auch nur 2/3 der Treffer erreicht. Immerhin würde die Prozentzahl der aufser Gefecht gesetzten Mannschaften noch ausreichend sein, um den beabsichtigten Zweck zu erreichen. Das Verfahren kann ganz einfach sein. Die Geschütze
parallel gerichtet
sein ;
ergibt sich aus
dem Plan,
mögen
dafs alle Ge-
schütze die Richtung z. B. um 150/16 ° nach links schwenken müssen , so würde diese Richtung nur vom dritten Geschütz genommen werden ; das zweite und erste schwenken um je 1/16 weniger , das vierte, fünfte und sechste aber um je 17/16 mehr nach links . Das lässt sich im Kommando ganz leicht ausdrücken ; es braucht nur kommandiert zu werden : „ erstes Geschütz 116 ! geschützweise 17 mehr!" Da es auf mathematische Genauigkeit gar nicht ankommen kann, dürfte man auch Abrundungen vornehmen, z. B.: „erstes Geschütz 120 ! geschützweise 15 mehr ! " wodurch dann allerdings ein um etwa 50 (auf 5000 m 60) m schmalerer Raum unter Feuer gehalten würde. Die aus dem Plan entnommene Zielentfernung sei 4200 m. Die Tageseinflüsse auf die Brennlänge müssen wenigstens annähernd schon bekannt sein ; sonst mufs man sie mit einem Geschütz schnell erschiefsen. Unter allen Umständen empfiehlt es sich eine Brennlänge zu wählen, die etwa doppelt so hohe Sprenghöhen ergibt als die Schufstafel angibt ; dadurch vergrössert man die „ Flugweite" and Tiefenwirkung und schützt sich gegen wirkungslose Aufschläge. In dem gewählten Beispiel würde man lagenweise mit der Erhöhung für 3900 (Brennlänge 3850) m beginnen, mit dieser drei Lagen abgeben und nach jedem Schufs die Lage des Sprengpunktes um 5/16 oder
16 nach rechts verlegen. Mit der vierten Lage würde man die Schufsweite um 200 m vergrössern, diese mit der innehabenden Seitenverschiebung abgeben, mit der fünften und sechsten Lage die Sprengpunkte wieder nach links verlegen und so fortfahren bis 4600 m. So hält man den Raum von 3900 bis 4600 m in einer Breite von 400 m ziemlich gleichmässig unter Feuer. Es empfiehlt sich dringend , ja ist eigentlich durchaus geboten, nicht bloss solche Ziele zu beschiefsen, deren Lage dem Übungsleiter bekannt ist, sondern auch solche, die durch Beobachter (vom Ballon oder von vorgeschobenen Punkten aus) erkundet und auf dem Plan bezeichnet sind. Die Ziele mögen bei den ersten Übungen sehr leicht erkennbar aufgestellt werden, da es in erster Linie nicht darauf ankommt, sie zu entdecken , sondern zunächst nur ihre
Das Planschiefsen der Fufsartillerie.
268
Lage auf dem Plan festzulegen. Nur so ist es möglich zur Klarheit darüber zu gelangen, mit welchen Fehlern man hierbei zu rechnen hat. sich
Auf Grund persönlicher Erfahrungen fürchte ich, daſs man über die Gröfse oder richtiger wohl Kleinheit dieser Fehler
Erwartungen hingibt, die ganz unberechtigt sind. Sehr zweifelhaft ist mir, ob das Planschiefsen , wie meist angenommen wird, gegen Truppen in Bewegung Erfolg verspricht. Ich neige der Ansicht zu, dals von dem Augenblick, wo das Ziel erkundet ist,
bis
zur
Feuereröffnung so viel Zeit vergeht,
daſs der
erste Schufs es schon gar nicht mehr erreicht. Truppenmassen von grofser Marschtiefe (Brigaden), die zum Durchschreiten bestimmter Punkte viel Zeit gebrauchen , werden schwerlich im Feuerbereich der Festung auftreten . Die vorgeschlagenen Übungen können auch hierüber Aufklärung schaffen . Eine grofse Feuergeschwindigkeit halte ich für diese Art von Schüssen nicht nur für unnötig , sondern geradezu
für nachteilig. Wenn man dem Feinde die Benutzung eines bestimmten Geländes untersagen will, so ist es nicht zweckmässig, Hunderte von Geschossen in kurzer Zeit darauf zu verfeuern ; denn dann wird er sich dem Feuer durch Hinwerfen oder Aufsuchen von Deckungen entziehen und nach Einstellung des Feuers seinen Zweck weiter verfolgen . Besser ist es , ihn fortwährend zu beunruhigen und zu dem Zweck das Feuer mit unregelmälsigen Pausen und in unregelmässiger Ordnung über das Gelände zu verteilen . Das oben Verfahren soll nur schematisch andeuten , wie das Gelände unter Feuer gehalten wird ; die Reihenfolge der einzelnen Schüsse bleibt dem Batterieführer überlassen. Ist alles wohl vor-
beschriebene
bereitet, so kann das Feuer auch in der Nacht fortgesetzt werden. Die deutsche Fufsartillerie hat es im Kriege 1870/71 nicht verstanden, ihre Feuergeschwindigkeit der Gefechtslage anzupassen und hat meist zu schnell geschossen ; das geht deutlich aus dem Werke des Generalleutnant v. Mueller über ihre Tätigkeit vor den französischen Festungen hervor. Seitdem hat sie gelernt, schnell, ja sehr schnell zu feuern ; aber dafs man unter Umständen auch langsam zu feuern verstehen mufs , dafs wird ihr wenigstens auf den Schielsübungen nie zum Bewusstsein gebracht. Man wird gegen diese Vorschläge einwenden, dafs die hiernach ausgeführten Schiefsen zu viel Munition kosten würden und daher im Frieden nicht geübt werden könnten. Das trifft aber durchaus nicht zu, wenn man die Übunge n richtig anlegt , d. h. nur das
Schwierigste daran übt . Das ist unbedingt die Festlegung der ersten Richtung . Gibt man dann auf der kürzesten und auf der
Das Planschiefsen der Fufsartillerie .
269
weitesten Entfernung je eine Lage ab, so können die Beobachter am Ziel wahrscheinlich erkennen, ob das Ziel richtig eingeschlossen ist, d. h . ob die erste Lage vor , die zweite hinter dem Ziel lag und ob die Seitenrichtung im allgemeinen richtig war. Eine weitere Fortsetzung des Schielsens hat eigentlich keinen Zweck ; statt dessen könnte der Batterieführer eine Tabelle aufstellen, in welcher Weise das Schiefsen fortgesetzt würde.
Unter Umständen wird
man vom
Beobachtungsstand der Batterie aus erkennen können, dafs die erste Lage unbedingt vor oder die zweite hinter dem Ziele lag ; dann mag man dem Batterieführer freistellen, zu ermitteln, ob er den unter Feuer zu nehmenden Raum noch enger eingrenzen kann . Die französische Schiefsvorschrift der Fufsartillerie kennt ein Planschiefsen ohne alle Beobachtung nicht. Es ist dort ein Verfahren vorgesehen,
das
dem unsrigen ähnlich ist und angewendet
werden soll, wenn ein Ziel nur zeitweise (intermittent) zu sehen ist. In diesem Fall wird der Batterie aufser dem eigentlichen Ziel, dessen Lage vom Ballon etc. aus erkundet ist,
noch ein Hilfsziel
(nicht Hilfsrichtpunkt) angegeben, das dem eigentlichen Ziele möglichst nahe liegt und vom Beobachtungsstand der Batterie aus deutlich zu sehen ist. Gegen dieses Hilfsziel schiefst sich die Batterie ein und überträgt dann das Feuer Berücksichtigung des Höhenunterschiedes
gegebenenfalls unter mit Hilfe des Plans
auf das eigentliche Ziel. Durch das Einschiefsen werden die Tageseinflüsse ermittelt, brauchen also beim Streuen nicht mehr berücksichtigt zu werden.
In welchen Grenzen man streut, hängt vor-
nehmlich davon ab, mit welcher Sicherheit die Lage des Ziels ermittelt ist. Meist wird dafür nur eine gewisse Zone festzustellen sein ; dann wird das Feuer über die ganze Zone verteilt, wobei man deren Tiefe noch um die doppelte mittlere Längenstreuung nach beiden Richtungen hin vergrössert. Ähnlich verfährt man hinsichtlich der Breite. -- Sobald als möglich soll das Schiefsen vom Ballon aus kontrolliert werden. Nach Genehmigung des Gruppenkommandeurs werden zu diesem Zweck mit Aufschlagzünder zwei Salven von Halbbatterien mit einer Feuerpause von etwa 5 Sekunden abgegeben. Alle Geschütze nehmen die Seitenrichtung auf die Mitte des eigentlichen Ziels. Die erste Salve wird abgegeben mit einer Erhöhung, die der weiten Streugrenze, die zweite mit einer solchen, die der kurzen Grenze entspricht. So erhält man zwei Gruppen von Schüssen, die sich deutlich von den Schüssen anderer Batterien abheben und um ein bekanntes Mals (der Tiefe des unter Feuer zu nehmenden Raumes) auseinander liegen, das dem Beobachter als Einheit für die Beurteilung der Lage der Salven zum Ziel dient.
Das Planschiefsen der Fufsartillerie.
270 Meldet
z.
2 Längen,"
B.
der
Beobachter
so heifst das,
„ 1.
Salve
kurz,
2.
die erste weitere Salve
Ziel und um sie ins Ziel zu bringen,
Salve
kurz,
lag vor dem
ist eine Erhöhung
nötig, die
um den doppelten Unterschied der Erhöhungen beider Salven gröſser ist. War z. B. die erste Salve 0 die zweite mit 14°/16 ° abgegeben ,
mit einer Erhöhung von 15/16 °, so würde die Erhöhung für die
nun folgenden Salven 18 bezw. 17 ° betragen müssen ; dann ist Aussicht vorhanden, dafs die erste hinter, die zweite vor dem Ziel einschlägt und man hätte nunmehr zwei nicht allzuweit auseinander liegende Grenzen für den unter Feuer zu nehmenden Raum . ähnlicher Weise verbessert.
wird
auch
In
die Seitenabweichung kontrolliert und
Die Kontrolle soll solange fortgesetzt
werden,
Ziel eingegabelt ist. Die französische Schiefsvorschrift verzichtet also
bis das
grundsätzlich
darauf, Ziele in Bewegung, gegen die nicht fortdauernd beobachtet werden kann, zu schiefsen. Ein Urteil über dieses Verfahren läſst sich nur auf Grund wirklich durchgeführter Versuche abgeben . Zweifellos aber trägt es dazu bei, der Munitionsverschwendung, die beim Schiefsen ohne Beobachtung sehr leicht eintritt, vorzubeugen . Das Haushalten mit der Munition ist im Festungskriege ganz besonders geboten. Abgesehen von dem oben betrachteten Fall,
wo die Anwesen-
heit des Feindes in einem bestimmten Gelände gemeldet ist, kann das
Planschiefsen noch angewendet werden
Kommunikationen,
1.
gegen
die der Feind benutzen mufs ,
bestimmte
2. gegen nicht
einzusehende grofse Geländestrecken , die er voraussichtlich für seine erste Artillerieaufstellung braucht. Zu 1. Hier wird es wünschenswert ,
den unter Feuer
zu
nehmenden Raum möglichst einzuschränken , damit man mit der verfügbaren Munition ein um so wirksameres Feuer unterhalten kann. Ohne Streuen ist aber trotzdem nicht auszukommen . von
Zu 2. Nimmt man an, dafs die Artilleriestellung in eine Zone 1000 m Tiefe liegen kann und die Angriffsfront gegen ein
Haupt- und zwei Nebenforts eine Breite von 6-7 km hat, so wird man eine recht grofse Munitionsmenge aufwenden müssen, um dem Feinde das Arbeiten in diesem Gelände zu untersagen. Aus dem Vorstehenden geht hervor, dafs eine Batterie eine Front von etwa 500 m Breite unter Feuer nehmen kann ; danach würden also 12 bis 14 Batterien für diesen Zweck erforderlich sein . Um einen Raum von 1000 m Tiefe unter Feuer zu halten, würde jede Batterie mindestens 90 Schrapnells verfeuern müssen . Nimmt man an, dafs auf jeden Punkt alle drei Stunden ein Schufs fallen mufs, so ergibt
Infanteristische Probleme.
271
sich, daſs in einer Nacht von zwölf Stunden jede Batterie 360 Schrapnells, alle Batterien zusammen also 4320-5040 Schufs, sagen wir rund 4500 Schufs verfeuern mufs. Bei 10 cm- Geschützen (Schrapnell 18 kg) würde das ein Gewicht von über 1600 Zentnern ausmachen. Ob eine solche Munitionsmenge für diesen Zweck verfügbar gemacht werden kann, entzieht sich meiner Beurteilung. Jedes Geschütz müfste in jeder Nachtstunde 5 Schufs abgeben.
XIX .
Infanteristische Probleme. Von Parst, Hauptmann im bayerischen 21. Infanterie - Regiment.
Man
hört
und
liest
heutzutage
nicht
selten
den
Ausdruck
„schiefstaktisch" : aus „ schiefstaktischen " Gründen sei dieses oder jenes angeordnet worden, in „ schiefstaktischer" Malsregel so und so zu beurteilen.
Hinsicht sei
jene
Taktik und Waffenlehre oder Truppenführung und Feuerwirkung stehen von altersher in so inniger Wechselwirkung, daſs eine Führermaſsregel (also eine taktische) nicht erst aus „, schiefstaktischen" Gründen Eine taktische ihre Berechtigung herzuleiten nötig haben sollte . Mafsnahme, welche auf ein Feuergefecht nur irgend Bezug hat, kann -- so möchte man wenigstens meinen nur dann als eine richtige bezeichnet werden, wenn sie
der eigenen
und feindlichen Feuer-
wirkung genügend Rechnung trägt. Dals die möglichste Geltendmachung der eigenen Feuerwirkung, oder mit dem reglementären Ausdruck gesprochen, das Streben nach. Erringung der Feuerüberlegenheit das a und der modernen Infanterietaktik geworden ist, ist eine Erscheinung der neuesten Zeit. Die dominierende Stellung,
welche der infanteristische Feuerkampf
im modernen Gefechte einnimmt, begründet immer mehr die Richtigkeit des Ausspruches : „ Taktik ist Schiefsen und Schiefsen ist Taktik ".
Infanteristische Probleme.
272
Steht unsere Infanterietaktik in dieser Hinsicht auf der Höhe der Zeit? mit der gehalten .
Ich glaube : nein. Entwickelung
der
Nur deshalb, glaube ich ,
Unsere Infanterietaktik bat vor allem Feuertechnik
nicht
gleichen
können wir den Ausdruck
Schritt
schiefs-
taktisch noch nicht entbehren, obwohl er unrichtig ist, weil er diejenige Taktik, welche mit dem Schiefsen zu tun hat, von der übrigen Taktik trennt. Zur Ermöglichung systematischen Fortschreitens unserer Infanterie auf dem Wege zur Vollkommenheit dürfte eine Ergänzung, vielleicht auch eine teilweise Umarbeitung unseres Exerzier- Reglements das unentbehrlichste Mittel sein. Dafs das Reglement vom Jahre 1888 nicht mehr modern genug sein kann, erwähnt und begründet Oberst von der Goltz in seinem Aufsatze Deutsche Infanterie voran! " Jahrbücher 1904 Nr. 397. so dass ich mir ersparen kann, darauf näher einzugehen. Dafs im besonderen unsere Infanterie noch zu wenig versteht , ihre moderne Bewaffnung den taktischen Zielen entsprechend anzuwenden und voll
auszunützen ,
möchte
ich durch die Betrachtung zweier taktischer Probleme zu beweisen versuchen. Diejenige Arbeit, welche die Infanterie im Gefechte mit dem
Gewehr an der Wange vollführt, ist ebenso wie die Entwickelung der Feuertechnik Kleinarbeit ; sie liegt in den Händen der Zugund Kompagnieführer ; diese liegen im Gefechte in der Schützenlinie, sie also können unmittelbar erkennen, was der Feuerwirkung zu gute kommt: das ist es, was mir den Mut gibt, mit dieser Arbeit an die Öffentlichkeit zu treten. Das gröfste und wichtigste infanteristische Problem ist und bleibt wohl für alle Zeiten der Infanterieangriff. Zur Lösung dieses Gesamtproblems gibt es keinen Schlüssel. Die Anschauung aber hat sich aus dem Widerstreit der Meinungen als Axiom durchgerungen, dafs die Grundbedingung für das Gelingen des Angriffes gegen einen legene Feuerwirkung
standhaften Gegner
des Angreifers ist,
die über-
dafs wirksames Feuer
allein uns das Herankommen ermöglicht ,
die
für
das Vor-
gehen angewendeten Formen aber von untergeordneter Bedeutung sind. Ich behaupte nun, dafs unter gewissen Umständen die Möglichkeit vorhanden ist, das Angriffsfeuer mit Mitteln zu verstärken, welche nach meinen Beobachtungen wenigstens, nicht zu würdigen
mau,
scheint, dafs also jenes Gesamtproblem in einzelnen Teilen besseren Lösung zugeführt werden könnte .
einer
Infanteristische Probleme. Ich will sogleich ich meine.
mit einem
273
einfachen Beispiel erläutern , was
Das Profil des Geländes trage den Charakter wie nachstehend gezeichnet.
a
Der Verteidiger stehe bei a, der Angreifer habe die Erhebung bei b erreicht, eröffnet hier sein Feuer und entschliefst sich sodann , mit sprungweisem Vorgehen sich der feindlichen Stellung zu nähern. Die der Schützenlinie
folgenden Unterstützungen sind unter Ausnützung der vorhandenen Deckung ganz nahe an die erstere herangegangen. Sollen diese Unterstützungen, nachdem die Schützenlinie das Vorgehen begonnen hat, in der Deckung hinter b solange liegen bleiben, als die Rücksicht auf die rechtzeitige Unterstützung der vordersten Linie es gestattet ? (E.R. I. 188. ) Ich meine nun, das sollen sie aus 99 schiefstaktischen" Gründen nicht tun! Die Unterstützungen sollten vielmehr schon vor dem Beginn des Vorgehens der ersten Linie sich entwickelt bereit halten, den Platz jener einzunehmen, um selbst das Feuer zu eröffnen, sobald die vorderste Linie im toten Winkel der nunmehrigen zweiten Feuerlinie angelangt ist. Erscheint es zulässig, nach dem Hinwerfen der vordersten Linie von aus noch zu feuern, dann hätten wir als Resultat eines solchen Verfahrens : 1. Während des Sprunges der vordersten Linie hört nicht oder doch nur einen kurzen Moment auf und 2. es erfolgt auf gleichem Raume eine seitens des Angreifers .
das Feuer
verstärkte Feuerwirkung
Das Etagenfeuer ist uns für die Verteidigung schon längst bekannt, warum sollen wir denn anstehen, es auch für den Angriff anzuwenden? In der Verteidigung hindert uns meist der Mangel an Schützen an der Anordnung mehrerer Etagen, beim Angriff fällt dieser Mangel in der Regel fort. Wie lange soll sodann die Unterstützung beib verbleiben? Antwort : Bis die Verstärkung der vordersten Linie notwendig wird . Sofort aber hätte an deren Stelle die nachfolgende Staffel zu treten, vorausgesetzt, dafs das unterdessen erfolgte weitere Vorgehen der ersten Linie ein Überschiefsen noch zulässt. Durch solches Verfahren, meine ich, wird der Forderung unseres Reglements , möglichst viel Gewehre ins Feuer zu bringen, ausgiebiger
Infanteristische Probleme.
274
entsprochen wie bisher und damit das Ziel „ Herbeiführung der Feuerüberlegenheit " (II. 82) gefördert ; denn es würde auf gleichem Raume stellenweise die gebracht.
doppelte
Zahl von
Gewehren ins
Feuer
Die Tiefengliederung würde nicht blofs zum Zwecke der Bereitstellung der Kräfte sondern auch zu einer intensiveren Ausnützung der realen Angriffskraft (des Feuers) Anwendung finden. Wer wäre hier nicht versucht zu denken : das wäre ein wirkliches Fechten aus der Tiefe ? In II. 42 sagt das E.R.: „ Am meisten wird die ununterbrochene Vorwärtsbewegung
begünstigt,
wenn
legenes Feuer aus flankierender feindliche Feuer niederzuhalten. " zeichnete Verfahren
es möglich ist,
durch über-
oder überhöhender Stellung das Hier ist also das von mir be-
bereits angedeutet.
Jedoch ist hier das Feuer
aus überhöhender Stellung lediglich als Mittel zur Begünstigung der ununterbrochenen Vorwärtsbewegung bezeichnet. Ich möchte es aber nicht blofs hierzu und zur Erleichterung des Vorgehens überhaupt, sondern zur Gewinnung der Feuerüberlegenheit angewendet wissen , im Verfolg des bereits hervorgehobenen Satzes, Hinschiefsen dem Angriff am förderlichsten ist.
dafs gut und stark
In meinem Beispiele braucht man sich nun nicht gleich eine Geländewelle von derartiger Ausdehnung vorzustellen , dafs sie einer ganzen Brigade Deckung und Feuerstellung gewährt ; nur eine einzige Kompagnie und deren Nachfolgerin den Feind, wenn solches Gelände vorfinden,
auf dem Wege gegen sollten die Gelegenheit
zur, wenn auch nur lokalen Überlegenheit an Zahl der tätigen Gewehre ausnutzen ; ist aber das Gelände derart, dafs es gröfseren Truppenkörpern jenes Verfahren ermöglicht, dann ist damit sicherlich eine grofse Chance für den Erfolg gewonnen. Man kann aber in Ausbeutung dieses Gedankens noch weiter gehen, indem man da, wo die Gestaltung des Geländes ein Überschiefsen eigener Feuerlinien
in gröfserer Frontbreite gestattet,
bei
der Entwickelung zum Feuergefechte die zweite Gefechtslinie so stark macht, dals sie den vorhandenen Geländevorteil ganz auszunützen erlaubt, d . h.dafs die vorhandenen Geländewellen nicht blofs von einzelnen Gruppen der zweiten Linie (Kompagnien) sondern in ihrer ganzen Linie besetzt werden können. Man mufs hierbei nicht an eine nahezu gerade und genau parallel zur Verteidigungsfront laufende Linie denken, sondern diese Linie kann stellenweise schräg und in Absätzen, Staffeln bildend, verlaufen. Der Gedanke, die Feuerüberlegenheit aus einer „ Hauptfeuerstellung zu gewinnen, ist sicherlich vortrefflich, wenn dessen
Infanteristische Probleme.
275
schematische Anwendung vermieden wird und wenn er da zur Ausführung kommt, wo das Gelände eine solche Stellung bietet. Ist eine Geländeerhebung vor der Front des Gegners vorhanden, mittelst derer die feindliche Stellung aus zwei hintereinanderliegenden Feuerlinien beschossen werden kann, dann mufs folgerichtig planmälsig an die volle Ausnützung gegangen werden .
Eine solche Hauptfeuer-
stellung garantiert dann geradezu die Feuerüberlegenheit. Auf diese Weise haben wir die Möglichkeit, auch einer
dicht
besetzten Verteidigungsstellung gegenüber ohne Flankierung die Feuerüberlegenheit durch Verwendung der doppelten Zahl von Gewehren uns zu sichern und damit die schielstechnischen Vorteile der Verteidigung zu übertreffen . Denn - abgesehen von dem Hilfsmittel der Flankierung -
hat der Angreifer anderenfalls nur die Möglich-
keit, dem Verteidiger die gleiche Zahl von Feuergewehren gegenüber zu stellen und wenn die moralische Überlegenheit nicht vorhanden ist und die mufs nicht immer auf Seite des Angreifers sein, erübrigt dem Angreifer nur, seine allenfallsige Überlegenheit an Zahl nach und nach dazu auszunützen, dafs er seine Feuerlinie möglichst fortgesetzt auf der gleichen Stärke erhält durch Ersetzung der Verluste mittelst fortwährender Nachfüllung der vordersten Linie, während nach
meiner
Meinung
eine
vorhandene
numerische
Über-
legenheit im gegebenen Falle zur absoluten Überlegenheit an Zahl der tätigen Feuergewehre Verwendung finden könnte . Dafs da, wo der entscheidende Angriff gelingen soll , die Überlegenheit an Zahl der Kämpfer vorhanden sein mufs, dürfte ohne weiteres zuzugeben sein ; es ist eben die Aufgabe der Truppenführung, die lokale Überlegenheit am richtigen Punkte zustande zu bringen ; diese voll auszunützen ist dann die Aufgabe der Unterführer . Aufserdem stöfst auch die weitausholende Umfassung meist auf eine neue Front des Gegners, so dafs schliefslich fast immer doch der Frontalangriff die Entscheidung bringen mufs. Ganz ähnlich lässt sich verfahren beim Angriff aus einem Lauf- oder Schützengraben im Kampfe Stellung.
gegen eine befestigte
Ist es beispielsweise der Infanterie des Angreifers gelungen, sich in der Nacht vor der Front des Verteidigers einen Schützengraben zu schaffen, und in demselben am Morgen die Sturmtruppen bereit zu stellen, so bleibt ihm noch die schwere Aufgabe, jene Strecke im feindlichen Feuer zu durchschreiten. Eine Vorbereitung des Sturmes
durch Beschiefsen der feindlichen Stellung mit Infanterie-
feuer erscheint völlig zwecklos, da der an Zahl
viel schwächer an-
zunehmende Verteidiger nicht darauf reagieren, sondern wohlweislich
Infanteristische Probleme.
276
in der Tiefe seines Grabens sich versteckt halten wird .
Wollen wir
in unserem Beispiel ferner annehmen, dafs auch das Artilleriefeuer einen sichtbaren Erfolg nicht zutage fördert : Soll nun zum Sturm die ganze, im Schützengraben dichtgedrängte Masse mitsammen die Brustwehr überklettern
und sich dem nun plötzlich aufflammenden
feindlichen Feuer preisgeben? Ist der Gegner fest genug, so kann ein solcher Sturm, mit je dichteren Massen er unternommeu wird, um so eher scheitern , weil die in kürzester Zeit eintretenden Massenverluste den inneren Halt der Truppe zu erschüttern geeignet sind. Wenn dagegen nur die vorderste Linie die Brustwehr überklettert und sich nach ganz kurzem Sprunge,
eventuell ganz nahe vor die
Brustwehr hinwirft, gleichzeitig die zweite Linie die Brustwehr besetzt, so könnten wesentliche Verluste nur während des Herauskletterns der ersten Linie eintreten , wenn nicht auch der Verteidiger Zeit brauchte ,
an seine Brustwehr heraufzusteigen und das
Feuer
zu eröffnen. Zeigt er sich jetzt, dann wird er aus zwei Etagen so überlegen beschossen, dafs der Erfolg des Sturmes gesichert ist. Zeigt er sich aber immer noch nicht, dann hat der Angreifer schon etwas Raum gewonnen, seine vorderste Linie kann, weil nicht allzudicht,
mit mehr Erfolg sprungweise
weiter vorgehen; das Über-
klettern der Brustwehr seitens der zweiten Linie erfolgt sodann gedeckt durch das Feuer der vorderen Linie. Senkt sich das Gelände zwischen
dem Schützengraben des Angreifers
und
der Ver-
teidigungsstellung, dann kann die zweite Linie des Angreifers vielleicht auch das Vorspringen der ersten Linie, diese überschiefsend, mit ihrem Feuer decken . Die Möglichkeit des Etagenfeuers beim Angriff über welliges Gelände ist vor allem begründet in der vergröfserten Tragweite unseres Gewehres und in der Zunahme der Wirkung des Massenfeuers auch auf groíse Entfernungen . Die Versuche unserer Schiefsschulen beweisen uns bekanntlich, dafs unser Feuer auch auf Entfernungen jenseits 1000 m , selbst gegen niedrige Ziele, eine gute Wirkung hervorzubringen imstande ist. Vielleicht ist die Kenntnis dieses Umstandes noch nicht allgemein genug verbreitet, und ist dies Schuld daran, dafs unsere Waffe noch nicht genügend ausgenützt wird.
Vielleicht aber ist es die Scheu vor dem Überschiefsen eigener
Truppen, ein Kapitel, welches ich sogleich erörtern werde. Vorher aber möchte ich noch im weiteren Verfolge meiner Idee dem nachstehenden Gedanken Raum geben . Es ist ein unbestreitbar richtiger Grundsatz, von Haus aus so nahe an den Verteidiger in einem Zuge heranzugehen, als die feindliche Feuerwirkung dies nur irgend gestattet.
Ein weiterer Grund-
Infanteristische Probleme.
277
satz besagt: Ist man schliefslich gezwungen, das Feuer des Verteidigers zu erwidern, dann gleich mit tunlichster Kraft! Betrachten wir nun
noch
einmal das mit
dem gezeichneten
Profil illustrierte Beispiel und nehmen wir diesmal an, die vorderste Linie des Angreifers sei erst nach Überschreiten der Höhe b zur Feuereröffnung
gezwungen
worden, dann
könnte,
im Verfolg der
gleichen Idee, gleichzeitig mit dem Feuer der vordersten Linie von der Höhe b aus das der zweiten Linie beginnen . Gerade für diese Gelegenheit haben wir ja in unseren Entfernungsmessern ein vortreffliches Mittel,
uns eine günstige Feuerwirkung zu sichern ;
hier
ist die Zeit und die Möglichkeit zum Messen gegeben. Nun zum Thema Überschiefsen ! Man kann natürlich verschiedener Ansicht sein, bis zu welcher Gefahrsgrenze
ein
Überschiefsen
eigener
Truppen vom
allgemein
menschlichen Standpunkt und von der Rücksicht auf die Erhaltung der eigenen Kräfte zulässig ist ; auch wäre in Betracht zu ziehen, welchen psychologischen Eindruck das Überschiefsen auf die Überschossenen äufsert. Zunächst läfst sich wohl sagen, dafs es auf ein wirksames Kampfmittel verzichten hielse, wollte man das Überschiefsen überall da vermieden wissen, wo nur irgend eine Möglichkeit eigener Verluste vorliegen würde ; nur müfste diese Möglichkeit eng begrenzt sein , etwa auf Fälle aufsergewöhnlicher Unachtsamkeit eines Schützen oder auf den Fall, dafs ein Schütze, während er im Anschlag liegt, derart von einem feindlichen Geschosse getroffen wird, dafs ihm die Gewehrmündung herabfällt, z. B. beim Anschlag liegend freihändig in die linke Hand oder in den Arm. Unglücksfälle
solcher
und ähnlicher Art sind überhaupt im Kriege
nicht zu vermeiden : c'est la guerre . Will man aber in der Vorsicht noch weitergehen, dann kann man das Überschiefsen auf die Momente beschränken, wo die vordere Linie sich im toten Winkel der zweiten befindet. Und welchen Eindruck macht wohl ein vernünftiges Überschiefsen
sagen wir kurz
auf die Überschossenen ?
Ich meine un-"
gefähr denselben wie das Feuer der liegenbleibenden Abteilungen beim sprungweisen Vorgehen . Es wird vielleicht als wertvoller Kameradschaftsdienst empfunden und ist geeignet den Offensivgeist zu heben. Dagegen ist ohne weiteres zuzugeben, dafs rücksichtsloses, eigene Verluste nicht beachtendes Überschiefsen den Offensivgeist vernichtet und moralisch verderblich wirkt. Es
muss
auch die
Gefahr hintangehalten
werden,
daſs Ab-
teilungen von eigenen Truppen aus Unkenntnis beschossen werden, durch vorherige Bekanntgabe der Lage an die zum Überschiefsen
Infanteristische Probleme.
278
bestimmten Abteilungen, wenn diese nicht selbst schon das Vorgehen ihrer Kameraden aus nächster Nähe gesehen haben. Das Überschiefsen vorgehender oder vorgegangener Abteilungen
mag vielleicht manchmal recht bedenklich aussehen, ist es aber in der Tat dann nicht, wenn die überschiefsende Abteilung ihre Feuerstellung richtig wählt, das heifst, wenn sie nur soweit auf die Höhe hinaufkriecht, dafs sie eben noch darüber hinwegschiefsen kann ; denn sie ist dann nicht auf der Höhenlinie selbst, sondern hinter dieser,
und ein Hinabschiefsen in die davorliegende Senkung ist dann gar nicht möglich. Und gerade im Ernstfalle, glaube ich, können wir uns darauf verlassen, dafs das Einnehmen der Feuerstellung auf dem Kamme einer Geländewelle richtig ausgeführt wird, weil jeder einzelne Schütze durch das feindliche Feuer darauf aufmerksam wird, ein Zwangsmittel, dessen Feblen im Frieden ab und zu die Mannschaften auf die nötige Vorsicht vergessen läfst. Aufserdem bedenke man, daſs fast alle Hänge konvex geböscht sind, ein Umstand, welcher stets einen toten Winkel schafft bekanntlich ein empfindlicher Nachteil jeder Höhenstellung für den Verteidiger, welcher dagegen vom Angreifer zum Vorteil ausgenützt werden kann . Noch weniger gefährlich erscheint mir das Überschiefsen aus einem Schützengraben, weil im Ernstfalle kein Schütze sich weiter als zum Schiefsen notwendig über die Brustwehr erheben wird, wodurch ein die vorgegangene Linie gefährdendes Senken der Mündung unterbleiben wird. Jedenfalls aber ist hierbei das Überschiefsen der vorderen Linie stets solange zulässig, als sich jene im toten Winkel der zweiten Linie befindet, und das ist der Fall, wenn die vordere Linie sich am Fufse der überkletterten Brustwehr oder ganz nahe davor oder in einer vor dem Schützengraben liegenden Geländesenkung befindet. Wenn wir aber bei Friedensübungen sehen, wie einzelne Schützen, in der Absicht, eine vorhandene Deckung z. B. einen "Erdhaufen - auszunützen, mehrere Schritte hinter ihren Kameraden sich hinlegen schiefsen,
und
zwischen ihnen
durch oder
über sie hinweg-
ferner wie beim sprungweisen Vorgehen die den vor-
stürzenden benachbarten Teile der Schützenlinie geradeaus weiterschielsen, hart vorbei an ihren Kameraden, wie Schützen, welchen vorgesprungene Linien vor die Front gekommen sind, dann noch weiter feuern, wenn die vorderen Schützen nur so viel tiefer liegen, dafs sie eben noch darüber hinwegzielen können , alles entweder in bester Meinung und in Überschätzung Schielsen,
da
und
ihrer
eigenen Fertigkeit im
dort aber auch aus Stumpfsinn,
so müssen wir
Infanteristische Probleme.
279
gegen ein solches Verhalten mit allem Nachdruck einschreiten, denn die hieraus entstehenden Verluste würden im Ernstfalle zur Folge baben, daſs wir niemanden mehr vorwärts bringen. Unerlässlich ist hierbei die eingehende Belehrung der Mannschaften. Aus diesem Grunde besonders halte ich es für unentbehr-
lich, das von mir befürwortete Verfahren im Frieden häufig zu üben , um den Mannschaften klar zu machen, in welchen Fällen ein Überschiefsen vorderer Abteilungen für die letzteren gefahrlos ist, ferner weil wir zur Anwendung des Etagenfeuers umsichtige Unterführer brauchen. Doch darf man sich die Sache auch nicht allzu schwierig vorstellen, weil es sich immer nur um ein Überschiefsen auf kurze Entfernungen handeln kann. Da ich auf den Einwurf gefalst sein mufs , dafs die von mir befürwortete erhöhte Ausnützung der Feuerkraft des Angreifers durch Überschiefsen aus überhöhender Stellung wegen der Gefährdung
der
vorderen Linie
zu
verwerfen
sei,
möge
man mir hier
gestatten, darauf hinzuweisen, dafs das Begleiten des sprungweisen Vorgehens durch das Feuer der Nachbarabteilungen für die springende Abteilung immer gefährlich ist.
(Wir brauchen das nicht zu ver-
heimlichen, weil es ganz offenbar ist), und dennoch geht man nicht davon ab, weil der Krieg jene Rücksichtslosigkeit (wie noch so manche andere) fordert. Daher hätte wohl mein Verfahren das gleiche Anrecht auf Zulassung zu erwarten , zumal es bei umsichtiger Unterführung weniger gefährlich ist. Auch das Überschiefsen der Infanterie durch die Artillerie möchte ich - der Kürze halber nur ganz nebenbei
erwähnen.
Diese Gedanken sind mir nicht etwa am Schreibtisch gekommen , vielmehr haben sie sich mir lediglich durch die eigene Beteiligung an den Gefechtsübungen
auf dem Übungsplatze meiner Garnison
und auf dem der Standorte Nürnberg und Fürth,
wie während der
Manöver geradezu aufgedrängt. Ich habe deren Ausführbarkeit besonders auch während der Belagerungsübung meines Armeekorps (III. B.) 1903 bei Ingolstadt wie auch bei Übungsritten, sodann wieder bei den diesjährigen grölseren Truppenübungen ( 1904) in Gedanken geprüft. Wer sich mit der Nachprüfung befassen will, wird mir wahrscheinlich zugeben, dafs in welligem Gelände, auch da wo die Böschungen nicht steil sind, ein Überschiefsen viel häufiger möglich ist als man glauben möchte. Bei den diesjährigen Herbstübungen ist es übrigens einmal vorgekommen, dafs zwei Schützenlinien übereinander, die eine nahe am Fulse eines tiefen, schluchtartigen Tales, die anderen bedeutend höher eingenistet waren. Zu dem ursprünglich geplanten Angriff ist 19 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 402.
Infanteristische Probleme.
280
es allerdings nicht gekommen . schnittenen Gebirgsgelände
Es war dies in dem stark durch-
bei Falkenstein in der Oberpfalz ,
Das dafs uns die Tatsache des Etagenfeuers erst nach einiger Zeit zum Bewusstsein gekommen ist und dafs die Anordnung desselben sich eigentlich durch Zufall ergeben hatte. Interessanteste
war aber dabei ,
Ist es unbescheiden, oder die Sache selbst nicht wichtig genug, den Vorschlag zu machen, dafs Versuche mit scharfer Munition angestellt würden, ob und inwieweit beim Etagenfeuer die vordere Linie gefährdet ist, wobei diese durch eine entsprechende Scheibenaufstellung zu markieren wäre ?
Ein anderes Problem : „ Das hinhaltende Gefecht." Ich meine damit das Gefecht, welches wir, sei es von ein und derselben Stelle aus oder doch ohne zunächst Aussicht auf die Möglichkeit offensiver Entscheidung zu haben, viele Stunden hindurch zu führen gezwungen sind, entweder auf Befehl der Führung, um das Eingreifen anderer Kräfte an anderer Stelle abzuwarten oder weil wir zu schwach sind, um unsern Gegner zu werfen . Wie soll sich hierbei die Infanterie verhalten? Im besonderen, wie soll sie mit ihrer Munition zurechtkommen ; was fordern hier also die „munitionstaktischen" (ich bitte um Entschuldigung !) Rücksichten? Zur Beantwortung dieser Frage mufs vor allem irgendwie und wenigstens ungefähr festgestellt werden, wie lange die vorhandene Munition ausreicht. Bei einem Feuertempo
von 3 Schufs in der Minute sind 120
Patronen in 40 Minuten verfeuert, oder sagen wir, der Schütze macht dazwischen soviel Pausen als die Rücksicht auf seine Muskelkraft erfordert, dann dürfen wir rechnen, dafs er in etwa einer Stunde mit seiner Taschenmunition zu Ende ist. Nun hat er noch 60 bis 70 Patronen aus dem Patronenwagen und könnte demnach noch etwa 1/2 Stunde damit schiefsen . Rechne ich zwei Schufs pro Minute, wogegen weniger Ruhepausen notwendig sind, dann sind 190 Patronen in einer Stunde 25 Minuten und einschliesslich jener Pausen in 1 Stunde 45 Minuten verschossen . Nun könnte jemand so rechnen : Taschenmunition • · aus dem Patronenwagen nach Wiederauffüllung derselben von Gefallenen .
120 Patronen, 70 99 70 99 10 99
so ergebe dies
270 Patronen.
Infanteristische Probleme. verschiefst
Der Schütze
2
281
Patronen in
der Minute ,
durch-
schnittlich nach jeder Viertelstunde Feuerns wird eine Feuerpause von fünf, nach jeder Stunde eine Feuerpause von 15 Minuten eingelegt. Damit reicht dann der Schütze etwas über drei Stunden . Diese Zahl
aber ist imaginär ;
schon vor dem Eintritt in verbraucht; treffen ;
die Patronenwagen
erreichen
sie
denn der Schütze hat meist
das hinhaltende Feuergefecht Munition werden
ein zweites mal nicht ein-
nach der Neufüllung
das Gefechtsfeld noch
rechtzeitig, dann werden sie wohl den Truppen zugewiesen, welche die Entscheidung herbeizuführen haben ; ein Feuertempo von nur 2 Schuls in der Minute lässt sich im Ernstgefechte auf die Dauer nicht durchführen ; ein gänzlicher Verbrauch der Munition wäre unzulässig . Damit glaube ich
als ungefähren Anhaltspunkt feststellen zu
können, dafs wir im andauernden , nur durch kurze Erholungspausen unterbrochenen Feuer vor Ablauf von zwei Stunden unsere Munition erschöpft haben werden. Dem lielse sich nun entgegnen, daſs nicht von Anfang an sämtliche Schützen sich in der Feuerlinie befinden werden, dals also das Feuer der vorderen Linie durch Einschieben von Verstärkungen genährt und
dessen Dauer
damit vergröfsert wird.
Was soll aber
mit den von Anfang an in der Feuerlinie liegenden Mannschaften sein? Sollen sie schliesslich ohne zu feuern dem gegnerischen Feuer preisgegeben bleiben oder abgelöst werden ? Beides ist doch untunlich, Oder sollen die einschiebenden Verstärkungen ihre Munition zum Teil an die schon länger im Feuer befindlichen Leute abgeben? Dann sind sie mit ihrem kleineren Munitionsquantum auch eher am Ende, die Feuerdauer wird also wieder nicht verlängert. Ferner kommt in Betracht, dafs die Treffläche des feuernden Schützen eine wesentlich gröfsere ist als die des flach, dem Kopfe,
am Boden liegenden Mannes.
auch mit
Ferner : Je längere Zeit
wir uns dem feindlichen Feuer preisgeben, desto längere Zeit hat jener, uns Verluste beizubringen ; je mehr wir unsere Feuerwirkung der Zeit nach zusammendrängen, desto gröfser ist unser moralischer Eindruck auf den Gegner (s. E.R. I. 132 Abs . 2) . Hiermit komme ich auf die Frage : Ist der Gedanke ,
den Gegner mit Feuer lediglich zu
„ beschäftigen " richtig und wie denken wir uns überhaupt ein solches „ Beschäftigen" ? Wahrscheinlich würde ein ganz langsames Feuer ―c es
müfste, um
bis zu
4 Stunden
Minute reduziert werden,
wenn
zu reichen auf etwa 1 Schufs pro es überhaupt möglich wäre, ein 19*
Infanteristische Probleme.
282 solches Tempo
durchzusetzen - nur ganz geringe materielle und
gar keine moralische Wirkung vorräte
erschöpfen,
würde
erzeugen
und
doch die Munitions-
also
eine grofse Ausgabe an Kraft bedeuten, welcher fast gar kein Nutzen gegenüberstände. Gleichzeitig würden unsere Schützenlinien sich dauernd dem feindlichen Feuer preisgeben. Je
schneller wir aber schiefsen, in desto kürzerer Zeit führen
wir den mit der aufgewendeten Patronenzahl erreichbaren Erfolg herbei und setzen uns gleichzeitig umso kürzer der feindlichen Feuerwirkung aus. Also schon aus der Wechselwirkung zwischen Feuergeschwindigkeit und Feuererfolg,
also aus feuertechnischen, um nicht zu sagen
,, schiefstaktischen " Gesichtspunkten müssen wir zur Klarheit darüber kommen, dafs unter allen Umständen , mag der Zweck des Feuergefechtes , wolle , das
welches
Feuer stets
abzugeben ist , welche Schiefsen ermöglicht .
wir mit
eingehen , derjenigen
eben
noch
Natürlich wird auch bei Festhaltung
sein ,
welcher er
Geschwindigkeit
gutes ,
wohlgezieltes
dieses Grundsatzes
das
Feuertempo ein wechselndes sein, beeinflusst durch Umstände, deren Aufzählung ich hier der Kürze halber unterlassen zu dürfen glaube . Ich möchte nur hervorheben, dafs das nachobigem Grundsatze sich ergebende und von den obenerwähnten Ursachen beeinflusste Feuertempo aus besonderem Anlafs, z. B. während des Sprunges einer Nachbarabteilung oder während des Voreilens von Unterstützungen in unsere Schützenlinie also auf kurze Dauer durch Beschleunigung sein mufs.
des
Anschlages
und
des
Ladens
steigerungsfähig
Demnach mufs die künstliche Herabsetzung des Feuertempos , sie ausführbar wäre, taktisch - um nicht zu sagen
selbst wenn
,,schiefs- und munitionstaktisch " - unrichtig sein. Ich meine also : Haben wir uns einmal entschlossen , unsere Kugeln mit dem Gegner zu kreuzen , dann sollen wir es mit aller Kraft und allem Nachdruck tun, um den Gegner in möglichst kurzer Zeit nieder zu
kämpfen oder ihn zu zwingen, sich gegen unser Feuer zu decken und sein eigenes Feuer einzustellen ― oder wir fassen jenen Entschlufs wegen zu grofser Entfernung, zu ungünstiger Ziele oder wegen Aussichtslosigkeit gegenüber einem allzumächtigen Gegner nicht, dann unterlassen wir das Schiefsen gänzlich und decken uns, bereit, den Geguer, wenn er unternehmungslustig werden und uns günstige Ziele zeigen sollte oder wenn er abziehen wollte , mit wohlvorbereitetem Feuer heimzuschicken bezw. festzunageln .
Infanteristische Probleme. Mit anderen Worten : Wollen
283
wir unseren Gegner blofs
festhalten , nicht niederkämpfen , dann stellen wir hierzu die Kräfte bereit , um sie erst einzusetzen , wenn der Gegner abziehen oder uns angreifen will ein gewiſs nicht neuer taktischer Gedanke, dessen Richtigkeit aber besonders deutlich in die Augen springt, wenn man ihn vom Standpunkt der modernen Feuerwirkung betrachtet. Nun aber liefse sich dem ein gewichtiges Bedenken entgegenhalten: In sehr vielen Fällen verlangt die Führung von der demonstrierenden, mit möglichst schwachen Kräften dotierten Gefechtsfront, dafs sie dem Gegner nicht nur einen Durchbruch an dieser Stelle unmöglich mache, sondern dafs sie ihn andererseits nach Möglichkeit auch daran verhindere, seine Kräfte unserer hinhaltenden Gefechtslinie gegenüber zugunsten des entscheidenden Gefechtsfeldes zu verringern . Ist es da nicht notwendig, dafs wir dem Gegner durch fortwährende Beschäftigung zeigen, dafs wir da sind ? ―― Aber ich glaube, dieser Zweck kann auch meist keine Regel ohne Ausnahme durch andere Mittel erreicht werden . Ich meine nämlich, es ist lediglich notwendig, jeden Versuch des Gegners zu solchen Kräfteverschiebungen ehestens zu hintertreiben, indem wir alsbald nach dessen Gewabrwerden durch Feuer, oder durch partielles Vorgehen, durch Drohung mit einem Angriff die gegnerischen Kräfte an ihrem Platze festhalten. Dazu nun besitzen wir ein modernes Mittel in der Infanterieoffiziers -Patrouille . Ich glaube, dafs Patrouillen vor der Front im Gelände geeignet eingenistet und mit dem modernen Hilfsmittel der Winkerflaggen ausgerüstet, imstande sind, uns rechtzeitig von derartigen Absichten des Gegners in Kenntnis zu setzen . Auch ohne Winkerflaggen liefse sich zur Not auskommen, indem jene Patrouillen durch Abgabe von Schnellfeuer oder durch andere einfache Zeichen uns aufmerksam machen. Ich denke dabei an eingegrabene , auch nach rückwärts --- gegen das Feuer der eigenen Truppen gedeckte Patrouillen, „ Patrouillennester" . wie sie in dem Vortrage des Major Balck 99 die Lehren des Burenkrieges für die Gefechtstätigkeit der drei Waffen" - Beiheft 7 zum Militär-Wochenblatt 1904 beschrieben sind. Lernen wir doch aus dem geradezu klassischen Beispiele, das uns die Buren gegeben haben, welche es, zum äussersten Haushalten mit ihrer Munition gezwungen,
so vorzüglich verstanden haben, ihr
Feuer für jene Momente aufzusparen,
wo es am wirksamsten war!
Lernen wir gleichzeitig von den Buren, uns nur dann dem feindlichen Feuer auszusetzen, wenn wir selbst zur Feuerabgabe gezwungen
Infanteristische Probleme.
284
sind oder den Entschlufs fassen, nicht gesagt zu
sein braucht,
den Feind zu vernichten , womit
dafs wir alle Feinde totzuschieſsen ,
sondern lediglich dessen moralische Kraft zu brechen trachten ! Wenden wir also auch im hinhaltenden Gefechte unser Feuer so an, dafs der gegnerische Wille gebrochen wird und nicht so, dass wir lediglich aus der Zahl der versendeten Kugeln eine vielleicht genügend erscheinende Zahl von Treffern uns zu sichern bemühen , ohne dabei
zu
berücksichtigen,
auf welche Zeitdauer sich dieser
Trefferfolg erstreckt. Es haben doch auch diejenigen Armeeteile, denen die Rolle des Hinhaltens zugewiesen ist, bei der Erringung des Sieges mitzuwirken, ebenso wie deren Unterliegen den Sieg des ganzen gefährden kann :
so
sollen
auch sie den Kampf so führen,
wie jede Truppe, welche den Sieg anstrebt, also bedenken, daſs „ das Ergebnis einer Schlacht kein Rechenexempel ist " . Wer die hochbedeutsamen Aufsätze des Generalmajors Frh. von Lichtenstern über die Psychologie
im Kriege, speziell den Aufsatz „ Burenkrieg und Qualitätsschiefsen " im Aprilheft 1904 dieser Jahrbücher -woraus ich eben zitiert habe gelesen hat, kann unmöglich einen Erfolg erwarten von Schützenfeuer.
einem ununterbrochenen, künstlich langsamen
Ob wir nun soweit gehen dürfen wie die Buren, während des Gefechtes hinter der Front abzukochen, möchte ich allerdings sehr dahin gestellt sein lassen, aber an die Abgabe von Wasser an die in Deckung liegenden Schützen werden wir schon denken dürfen. Nun bat es
sich ja bei den Kämpfen der Buren,
welche ich im
Auge babe, um Verteidigungsgefechte gehandelt ; es hindert uns aber nichts daran, dasselbe Verfahren (im grofsen und ganzen) da anzuwenden,
wo wir
auf voraussichtlich langes Aushalten angewiesen
sind, gleichgültig, ob sich an dieses schliefslich ein Vorgehen anreiht oder nicht; ja gerade wenn das erstere beabsichtigt ist, brauchen wir umso notwendiger eine gröfsere Reserve an Munition . Auch in dem Falle, wo wir deckungslos natürlich
gröfsere Entfernung wäre
es besser,
dem Feinde
gegenüber aushalten
flach an den Boden geschmiegt,
auf
müssen,
kleine Verluste
ohne eigenes Feuer zu ertragen, wenn der Gegner jenes Verfahren des „ Beschäftigens " einschlägt, als nahezu nutzlos unsere Kampfmittel auszugeben und unsere Verluste (durch das vergrösserte Ziel beim Feuern) gleichzeitig zu vermehren. Macht es aber der Gegner uns nach und schweigt hüben wie drüben das Feuer, was tut das ? Es beeinträchtigt höchstens das Bild für den Schlachtenmaler. Für durchaus zulässig, auch zweckmässig , vielleicht sogar notwendig zur Erhaltung der moralischen Kraft der Truppe möchte ich
Infanteristische Probleme .
285
es bezeichnen, wenn dieselbe in solcher Lage ihr Schweigen zeitweise durch ein überraschendes , kräftiges, aber kurzes Feuer unterbricht, vorausgesetzt, dafs man das Abbrechen des Feuers nicht für unmöglich erachten mufs ;
ich wäre geneigt an diese Unmöglichkeit
nicht zu glauben, dagegen bin ich fest überzeugt von der Unmöglichkeit der künstlichen Verlangsamung des Feuertempos etwa durch den fortwährenden Zuruf aller Dienstgrade „ langsamer feuern ! " oder durch den Feuerwechsel in der Rotte (E.R. I, 134 letzter Absatz). Damit komme ich auf die Ergründung der Ursache, warum da und dort noch der Gedanke von dem hinhaltenden (d . b. langsamen) Feuer sich behauptet. Hieran meine ich, trägt jene eben zitierte Stelle unseres Exerzierreglements die Schuld, deren Vorhandensein offenbar die allgemeine Erkenntnis des Wesens des modernen Feuergefechtes hemmt. Für die Durchführung
des hinhaltenden Gefechtes, welche sich
nach dem Gesagten charakterisieren liefse als ein Gefecht, bestehend aus einzelnen Feuermomenten, im Gegensatze zu jenem anderen, welches ein Feuergefecht mit einzelnen Feuerpausen wäre (wie es nicht sein sollte), ist nun aber eines unerlässlich : die Ausnützung der reichlich vorhandenen Zeit zur eingehendsten Vorbereitung der Feuermomente . Je gründlicher und verständiger diese erfolgt, desto wirksamer das Feuer, je weniger planmälsig aber hierbei verfahren wird , desto mehr qualifizieren
sich
solche
Feuermomente
(die Fälle ,
wo der
Gegner günstige Ziele bietet, bis zu einem gewissen Grade ausgenommen) als Munitionsverschwendung. Zur gründlichen Vorbereitung der 29 Feuermomente" gehören : 1. Die Verbesserung der anfänglich gewonnenen Stellung. Diese kann sich erstrecken auf einzelne Gruppen , Züge, Kompagnien, oder
auch auf ganze
Bataillone,
eventuell Regimenter und
Brigaden ; dabei ist der Gebrauch des Spatens nicht zu vergessen. Alle Organe vom Gruppenführer angefangen, bis eventuell einschliesslich Brigadekommandeur müssen zusammenwirken, um die vollste Ausnützung des Geländes zur Erhöhung der eigenen und Verminderung der feindlichen Feuerwirkung sicher zu stellen. Diese Tätigkeit wird sich äuſsern in kurzen Sprüngen einzelner Teile der Schützenlinie, da im Zurückkriechen, dort im Herausnehmen von Schützen, hier in Verstärkung der vorderen Linie. 2. Die genaue Erkundung der feindlichen Stellung. 3. Die Festlegung der Entfernungen . 4. Die Bestimmung der Visiere . Zu diesem letzteren
Zwecke
Infanteristische Probleme.
286 darf man
sich
mit Schätzungen nicht genügen lassen ;
auch
die Messungen sind zur Feststellung des Tagesvisiers womöglich zu ergänzen durch Einschiefsen . Hierwegen möchte ich mir erlauben,
auf meinen Aufsatz in der kriegstechnischen Zeit-
schrift, VII . Jahrgang, Heft 5 „Zur Technik des Einschiefsens der Infanterie" zu verweisen. Hier (beim hinhaltenden Gefechte) meine ich , wäre es möglich und angezeigt, mittelst ausgesuchter Schützen das Tagesvisier festzustellen , um der immer wieder zu betonenden Forderung gerecht zu werden : möglichst
geschlossene Geschofsgarben ans Ziel zu bringen.
dortigen Ausführungen
Meine
möchte ich hier durch meine Erfahrungen
beim gefechtsmässigen Schiefsen ergänzen, welche dahin gehen , daſs getibte Beobachter bei nur annähernd günstigen Boden- und Witterungsverhältnissen auf Grund der Beobachtung nur weniger Schüsse, welche von ausgewählten Schützen abgegeben werden , das zutreffende Visier genau zu ermitteln vermögen . Es frägt sich vielleicht, ob wir auch im Ernstgefecht auf ein annähernd so ruhiges und sicheres Schiefsen der Scharfschützen " rechnen können . Aber ich meine, in dem Stadium, wo das Gefecht zum Stehen gekommen ist, und wo bei uns das Feuer entweder noch gar nicht aufgenommen oder wieder eingestellt worden ist (vielleicht auch beim Gegner),
wird die
wunden sein und
psychische Erregung
mehr
oder
minder über-
wir werden innerhalb jedes Zuges
oder jeder
Kompagnie soviel herzhafte Schützen haben, als wir zum Einschiefsen mittelst Schützenfeuer brauchen . Ich kenne ja den Krieg nur aus Büchern und aus Erzählungen von Mitkämpfern verschiedener Grade . Aber ich glaube darnach doch das eine behaupten zu dürfen, dafs die psychologische Einwirkung des Ernstgefechts auf die Schützen nicht nur hinsichtlich des einzelnen Individuums, sondern auch hinsichtlich der einzelnen Phasen eines Gefechtes und eines ganzen Krieges eine wechselnde ist. sagen,
die
Tiefe
Deshalb der
möchte
Geschofsgarbe
ich
es für unrichtig halten zu
einer
Abteilung
betrage
im
Kriege das doppelte, dreifache etc. wie im Frieden, sondern richtiger dunkt mir: im starken feindlichen Feuer, im hin- und herwogenden Gefechte, im allerersten Gefechte beträgt die Garbentiefe das Vielfache der Friedensgarbe ; ist das Gefecht stabil geworden, Verluste
sind
die
diesseits gering, haben wir Siege hinter uns, dann ist die
Garbentiefe weit geringer als unter den ebenerwähnten Verhältnissen . wie erwähnt ― glauben, dafs ein Erschielsen
Darum möchte ich
der Visierstellung in dem beregten Falle mittels ausgewählter Schützen erfolgreich und zur Ergänzung der Schätzungen und
Infanteristische Probleme.
287
Messungen sehr wertvoll sein kann im Interesse der Geschlossenheit der Geschofsgarbe, welche wir im Gegner zusenden wollen .
geeigneten
Momente
unserem
Nebenbei möchte ich bemerken, dafs Übungen im hinhaltenden Gefechte im Frieden sehr notwendig sind und wert wären, zeitgerecht auch zum Gegenstand von Besichtigungen gemacht zu werden . Es brauchte hierzu
beispielsweise
ein Bataillon nur
angewiesen
zu
werden, eine von rückwärts zu bezeichnende Stellung einzunehmen mit dem Zusatze,
dasselbe habe
in dieser das erst nach längerer
Zeit zu erwartende Eingreifen anderer Abteilungen abzuwarten. Hat das Bataillon die Stellung erreicht, dann mufs innerhalb desselben die obenerwähnte Tätigkeit beginnen. Dabei wird sich zu zeigen haben, ob und welches Verständnis bei den Dienstgraden für die Ausnutzung des Geländes, für die Feuertechnik , für dle Führung des hinhaltenden
Gefechtes
überhaupt vorhanden ist.
Natürlich
wäre
eine geeignete Kriegslage zu geben, der Gegner, wenn möglich durch Volltruppen darzustellen . Resumierend will ich also für das hinhaltende Gefecht ein Verfahren befürworten, welches sich kennzeichnet durch Feuermomente, deren Wirkung durch die sorgfältigsten und eingehendsten Vorbereitungen zur äussersten Ausnützung von Schütze und Waffe, durch die vollste
Verwertung
der
Errungenschaften
unserer
modernen
Feuertechnik auf das höchstmögliche zu steigern ist und spreche gegen das, im Ernstgefechte unmögliche langsamste Feuer, welches den Gegner beschäftigen soll, für die möglichste Deckung der Schützen in den Zeiträumen, innerhalb deren wir zu schiefsen nicht für angezeigt halten, gegen die stunden- und tagelange Preisgabe unserer Infanterie,
ohne dafs diese selbst erfolgreich wirken kann,
für rationellen Munitionsverbrauch durch kräftiges, auf kurze Momente zusammengedrängtes Feuer, gegen den Aufbrauch der Munition in unausgesetztem, eines bestimmten Zweckes entbehrenden und wirkungslosen Feuers.
Wenn dereinst unser Reglement und unmöglich zu unterdrücken vermag ich ausbildung
des
Infanterieoffiziers
unsere
ein Wunsch, welchen eine erweiterte SpezialInfanterie
befähigt,
die
moderne Feuertechnik richtig zur Anwendung zu bringen, also wirklich moderne Taktik zu treiben, dann werden wir damit einen weiteren und grofsen Vorsprung vor allen anderen Infanterien erreichen.
288
Das gepanzerte Schnellfeuergeschütz und sein Munitionswagen.
XX.
Das gepanzerte Schnellfeuergeschütz und sein Munitionswagen. Von
Roskoten, Oberleutnant im Mindenschen Feld artillerie-Regiment No. 58.
Das
Rohrrücklaufgeschütz
mit Schilden ist nunmehr von fast
allen Staaten angenommen und in der Einführung begriffen , bei einigen wenigen steht seine Einführung in nicht zu ferner Zeit bevor. Hiermit ist aber erst der erste Schritt getan. Die Schilde und die gesteigerte Feuergeschwindigkeit bringen eine Fülle von gänzlich neuen Gesichtspunkten, von denen die Frage der Munitionsversorgung in technischer, organisatorischer und taktischer Hinsicht voranzustellen ist. Ob die Munitionswagen auch zu panzern seien und neben die Geschütze gestellt werden müssen oder ob sie, wie es jetzt geschieht, hinter den Geschützen Aufstellung finden sollen, diese Frage ist in ihrem Für und Wider so eingehend in der Fachpresse erörtert, daſs ich darauf noch einmal einzugehen nicht für erforderlich halte. Es mag genügen, wenn ich als Grundlage für die nachfolgenden Betrachtungen festlege, daís nach meiner Ansicht der Panzer des Geschützes und an dessen Notwendigkeit wird doch jetzt kaum wohl noch jemand zweifeln - uns die Panzerung der Munitionswagen und damit ihre
Aufstellung in der Feuerstellung neben
dem Geschütz aufzwingt. Nur so ist es möglich, die Deckung der Schilde auch für den Munitionsersatz auszunutzen und die dagegen angeführten Nachteile , wie vermehrte Sichtbarkeit der Batterie, Gefährlichkeit der Volltreffer treten gegen diese gebieterische, logische Forderung in den Hintergrund. Ein Umblick entschieden
haben,
auf diejenigen zeigt
auch ,
Staaten, die diese Frage bereits dafs
fast
alle den angedeuteten
Grundsätzen gefolgt sind, nur das Wie ? ist verschieden. Frankreich hat dem Kippsystem der Munitionshinterwagen den Vorzug gegeben. Der Boden des Wagenkastens ist gepanzert, ebenso der Deckel, der aus zwei Türen besteht. Ist der Hinterwagen abgeprotzt, so wird er nach hinten umgekippt, so daſs der gepanzerte Boden nach vorn zeigt, während die Bedienung hinter
289
Das gepanzerte Schnellfeuergeschütz und sein Munitionswagen.
dem Wagen und dem wie Schranktüren geöffneten Deckel Schutz findet, sogar in gewisser mark ist Frankreich
Beziehung gegen Flankenfeuer.
falls für das Kippsystem entschieden. dals
Däne-
auf diesem Wege gefolgt und hat sich ebenDieses hat aber den Nachteil,
zu der Tätigkeit des Abprotzens für die Bedienung noch die
des Kippens binzukommt, also mehr Zeit und Kräfte gebraucht werden, dals aufserdem ein Bewegen des einmal gekippten Wagens schwieriger ist als wenn der Wagenkasten wie sonst auf der Achse ruht. Somit ist wohl eine andere Art der Konstruktion vorzuziehen, die
dies
Kippen vermeidet.
Hierbei ist die
vordere Wand des
Wagenkastens gepanzert, ebenso die darüber hinausragende Lehne, während die Rückwand, die ebenfalls aus Panzerblech besteht, pach hinten senkrecht heruntergeklappt werden kann und sich dabei soweit verlängert, dafs sie den Boden erreicht, also den dahinter knienden Leuten völligen Schutz gewährt.
Für dieses System ,
mit
mehr oder minder grofsen Abweichungen, haben sich u . a. die Schweiz , Schweden , Holland , Türkei , Rumänien entschieden. Nicht gepanzert sind die norwegischen Munitionswagen, weil hier auch die Schilde aus Gewichtsrücksichten ¹ ) nicht ständig an der Lafette angebracht sind, darfsfalle angebracht werden.
sondern lose mitgeführt und im Be-
Merkwürdigerweise hat Nordamerika , das für seine Lafette dreiteilige Schilde von 5 mm Dicke angenommen hat, auf die Panzerung der Munitionswagen verzichtet, wichtsrücksichten,
denn der ausgerüstete
wohl ebenfalls aus Geaufgeprotzte
Munitions-
wagen, der allerdings 106 Patronen enthält, wiegt 1835 kg. Eine weitere, wichtige Frage ist die der Geschofsverpackung. Da sei zunächst darauf hingewiesen, dafs sich sämtliche genannten Staaten für die Vereinigung von einer Patrone entschieden haben. ersten Bestrebungen
Geschofs und Metallkartusche in Dieser Gedanke ist schon bei den
zur Konstruktion
von Schnellfeuergeschützen
hervorgetreten, weil eben dadurch die Ladeschnelligkeit bedeutend gesteigert wird . In Deutschland hat man aus Gründen, deren Erörterung nicht hierher gehört, bei Konstruktion des Geschützes 96 davon Abstand genommen
und die
Trennung von Geschofs und
Kartusche beibehalten . Beim Zukunftsgeschütz werden wir aber die Patrone ihrer bedeutenden Vorteile wegen annehmen müssen, das Schnellfeuergeschütz macht ihre Einführung absolut notwendig. In der Verpackung der Patronen treten bemerkenswerte Unter¹) Das norwegische Geschütz (Ehrhardt-Geschütz) wiegt ohne die 25 kg schweren Schilde abgeprotzt 1002 kg, aufgeprotzt und ausgerüstet ohne Mannschaft 1885 kg.
Das gepanzerte Schnellfeuergeschütz und sein Munitionswagen.
290 schiede
hervor.
In
Frankreich sind dieselben einzeln gelagert
und zwar so, dafs sie beim gekippten Wagen wagerecht liegen und nach hinten herausgezogen werden können. Der nordamerikanische Munitionswagen zeigt ebenfalls Einzelverpackung der Patronen in Patronenlagern , und zwar, da er nicht gekippt wird, auch beim Fahren in wagerechter Lage . Senkrechte Zwischenwände im Wagenkasten haben geflanschte Löcher. Die Flanschen der Löscher in der hinteren Zwischenwand bilden Widerlager für den Rand der Patronenhülse, während die Tür des Kastens sich gegen den Patronenboden legt und so die Munition festhält. Diese Tür ist durch eingepreſste , senkrechte , wellenförmige Rippen versteift. Letztere haben einen derartigen seitlichen Abstand, dafs sie den Patronenböden gegenüberstehen Zündhütchen bilden.
und
dadurch einen Schutz für das
Andere Staaten sehen von der Einzelverpackung ab und haben der Vereinigung mehrerer Patronen in Körben den Vorzug gegeben. So hat Dänemark , das hierin dem französischen Vorbild nicht gefolgt ist, geflochtene Körbe für je 4 Patronen. Die Spitzen der Geschosse sind hierbei mit Überzügen gegen Schütteln versehen, die Patronen so gelagert, dafs sich die Spitze einer Patrone gegen den Boden einer anderen legt . In Norwegen werden dieselben zu 4 mit Hilfe einer Kokosmatte in geflochtene Patronenkörbe gepackt und mit einem Riemen während des Fahrens festgehalten . Die Körbe sind oben offen und so eingerichtet,
dafs immer 2 Patronen , mit Spitze und Boden abwechselnd, aufeinanderliegen können. An beiden Enden und an den Seiten sind die Körbe durchbrochen , um sie leichter handhaben zu können . An der Kokosmatte ist auf der
oberen Seite ein Handgriff befestigt, so dafs die Patronen leicht aus dem Korbe zu nehmen sind. Welche dieser beiden grundverschiedenen Arten der Geschofsverpackung den Vorzug verdient, müfsten wohl erst gründliche Versuche erweisen . Die Einzelverpackung hat den Vorzug der Einfachheit der Einrichtung für sich, indem sie keine besondere Ausrüstung , wie Hüllen
und
Körbe,
nötig macht und indem zur Schafsbereit-
machung der Patrone weniger Handgriffe nötig sind . Die Korbverpackung hat dagegen den Vorteil, dafs sie den Munitionsersatz, der in Zukunft nur durch Herantragen der Munition wird ausgeführt werden können, erleichtert, indem 4 Patronen von einem einzelnen Mann auf einmal bequem getragen werden können. Auch scheinen die Körbe und Matten eine besser federnde und haltbarere Lagerung zu geben als geflanschte Blechwände oder gar - wie es die Türkei bat w die für einen Feldzug doch sehr diffizile Lagerung in Gummi-
Das gepanzerte Schnellfeuergeschütz und sein Munitionswagen.
291
ringen. Allerdings kann andererseits nicht geleugnet werden, dafs die amerikanische Art der Verwendung nur eines Kastens mit nur einem Munitionsfache über der Achse einen dauernd gut ausbalancierten Munitionswagen bietet. Zum Abschlufs der technischen Betrachtungen seien einige bei einzelnen Staaten besonders hervortretende Konstruktionen erwähnt. So lässt sich beim dänischen Munitionswagen ein langes, schmales Schild auf dem Hinterwagen aufrichten, welches mit Sehschlitz versehen ist und den Beobachtenden deckt. Die praktischen Amerikaner haben auch am Munitionshinterwagen noch einen Protzhaken Es ist dies eine Einrichtung, die schon jetzt der angebracht. Zugmaschinen Rechnung trägt, indem dadurch ermöglicht wird , mehrere Hinterwagen aneinander zu hängen. Bei der so geringen Vermehrung des Gewichts, die dieser Protzsteigenden Verwendung von
haken mit sich bringt, kann aus begreiflichen Gründen die Nachabmung dieser Konstruktion nicht genug empfohlen werden . Ferner sind an dem jetzt zur Einführung gelangenden amerikanischen Feldgeschütz unter jedem Achssitz der Lafette 2 Stahlröhren angebracht, die an ihren vorderen Enden als Fufstritte für die Kanoniere ausgestaltet sind. Jede Röhre kann eine Patrone aufnehmen und man hat dadurch bei jedem Geschütz für den Notfall 4 Schufs zur Hand. Die hierdurch herbeigeführte Gewichtsvermehrung der Lafette beträgt 34 kg, so dafs ihr Gewicht mit Schild auf 593 kg, das des aufgeprotzten Geschützes auf 1724 kg steigt, was man bei einem Kaliber von 7,62 cm als sehr niedrig bezeichnen mufs. Das Bestreben, Höhe
Apparates durch
verdeckt
zurückzublicken,
abzuprotzen,
wie es die
erfordert, wird
ein
also
gröfsere
weiter hinter der
Schwerfälligkeit
des
Bewegen der Munitionshinterwagen
die Mannschaften häufiger nötig machen .
Infolgedessen sind
Langtaue auch bei den Munitionswagen und eine Vorrichtung zum schnellen Anbringen derselben erforderlich. Neben diesen technischen Fragen treten weiter solche organisatorischer und taktischer Natur hervor. Der Umstand, dafs neben jedem Geschütz ein Wagen stehen muls, würde die Zahl der Fahrzeuge der „ Gefechtsbatterie" von 9, wie es jetzt ist, auf mindestens 12 (6 Geschütze und 6 Munitionswagen) erhöhen. Ich halte es aber nicht für möglich, dafs ein Apparat von 12 6spännigen Fahrzeugen in allen Fällen , also auch unter schwierigen Verhältnissen, als Kommandoeinheit verwendet werden kann .
Man versuche das, was hier die Theorie in richtiger Voraus-
sicht bereits verneint, in der Praxis, man wird erst recht ein „unmöglich
als Antwort erhalten .
So ist diese notwendige Zuteilung
292
Das gepanzerte Schnellfeuergeschütz und sein Munitionswagen.
je eines Wagens zu jedem Geschütz der hauptsächlichste Grund, den Befehlsverband zu verkleinern, die Zahl der Geschütze der Batterie von 6 auf 4 herabzusetzen, insbesondere, wo die gröfsere Feuerschnelligkeit des einzelnen Geschützes dies gestattet. Die vielfachen Vorteile der 4- Geschützbatterie brauche ich hier nicht mehr hervorzuheben, sie sind in der Fachpresse genügend erörtert, ebenso wie ihre vermeintlichen Nachteile.
Ein Zweites kommt hinzu .
Das moderne Schnellfeuergeschütz
bedarf zur Ausnutzung seiner Eigenart einer gröfseren Menge von Munition. Und da es unter Umständen in kurzen Momenten eine erhebliche Zahl Geschosse braucht, so ist weiter zu fordern, dafs nicht
nur die
Munition
für das einzelne Geschütz bedeutend ver-
mehrt wird, sondern, dafs sie auch nicht mehr als leichte Munitionskolonne, wie bei uns, etwa 7 km weiter hinten ist, sondern in unmittelbarerer Verbindung selbst
oder
wenigstens
mit
den Geschützen, also in der Batterie am Schlufs einzelner Artillerie-
zum Teil
verbände, vielleicht als Abteilungs- oder Regimentsstaffel. Auch hier ist ein Umblick auf einzelne Staaten, welche diese Frage bereits gelöst haben, interessant, soweit überhaupt zuverlässige Angaben erhältlich sind, indem überall dieses Bestreben nach Vermehrung der Munitionswagen ersichtlich ist. Zahl der Munitionswagen Staat
Bemerkungen
12
2025
8
96
96
312
10
21/2
100
290
12
8
106
358
61)
11/2
120
224
4
10
21/2
112
324
6
6
12
100
221
6
6
22
2
12
2
104
248
Frankreich
4
Schweiz
4
Nordamerika
4
Dänemark
4
6
Schweden
4
6
Norwegen
61)
Holland
61)
6
6
1)Noch nicht sicher. Vermehrung wahrscheinlich. 1) Tragbare Schilde. 1) Noch nicht sicher. Organisation zu 4 wahrscheinlich.
Die Amerikaner haben also in der für jedes Geschütz in der Batterie mitgeführten Schulszahl die Franzosen noch übertrumpft. Demgegenüber haben wir jetzt, die leichten Munitionskolonnen mitgerechnet, etwa 1/2 Wagen und etwa 164 Schufs für jedes Geschütz in der Batterie. Dies ist zu wenig und es kann daran die 1) Geschützprotzen mitgerechnet.
Das gepanzerte Schnellfeuergeschütz und sein Munitionswagen. Tatsache nichts ändern,
293
dafs nach einer Berechnung des General
Rohne¹) wir von allen Staaten im Armeekorps einschliefslich aller Munitionskolonnen die gröfste absolute Schufszahl haben. Es liegt auf der Hand, dafs hier beim Zukunftsgeschütz Wandel geschaffen werden mufs . Ich glaube nach dem Vorhergesagten nicht fehlzugehen, wenn ich als Mindestzahl der für jedes Geschütz in nächster Verbindung mit diesem mitzuführenden Munitionswagen für weiteren Ausführungen die Zahl 212 festlege. Legt man
die die
Batterie von 6 Geschützen zugrunde, so würde dieselbe 19 Fahrzeuge zählen, nämlich : Gefechtsbatterie : 6 Geschütze
6 Mun.-Wagen 12 Fahrzeuge Staffel: 6 Mun .-Wagen 1 Vorrats-Wagen 7 Fahrzeuge Summe: 19 Fahrzeuge , wobei der Rest von 3 Wagen für jede Batterie als leichte Munitionskolonne angenommen ist. Eine „ Batterie" von 19 Fahrzeugen ist aber ein Unding, hierdurch ist also der zweite, zwingende Grund gegeben, die Batterie zu 4 Geschützen zu organisieren . Mit der
einfachen
Erfüllung
dieser unabweisbaren Forderung
ist aber die Frage noch nicht gelöst, es sind auch mancherlei Nachteile zu überwinden. Wenn die 36 Geschütze eines Regiments nun nicht mehr in 2 Abteilungen zu 3 Batterien à 6 Geschütze, sondern in 3 Abteilungen zu 3 Batterien à 4 Geschütze organisiert würden, so würde das für jedes Regiment eine Vermehrung um einen Abteilungsstab und 3 Batterien
ergeben .
Dies würde aber,
selbst wenn man in
Rechnung zieht, dafs die jetzt im Frieden 6 bespannte Geschütze zählenden Batterien den Überschufs an Pferden abgeben könnten , so hohe Kosten verursachen, dafs an die Durchführung dieses Gedankens kaum zu denken ist. Lehrreich ist ferner ein kurzer zahlenmälsiger Vergleich, wie gegenüber der jetzigen Organisation die Marschkolonnen aussehen werden, wenn
man der Forderung von 22 Wagen pro Geschütz
nachgibt. Legt man für das 6spännige Fahrzeug die Länge von 20 m einschliesslich der rückwärtigen Abstände zugrunde, so ergibt sich in runden Zahlen für das Armeekorps 81 , km Artillerie, die
1) Deutsches Offizierblatt 1904, Nr. 82.
294
Das gepanzerte Schnellfeuergeschütz und sein Munitionswagen.
Munitionskolonnen
leichten
mitgerechnet. Die Vermehrung Munitionswagen auf 21/2 pro Geschütz würde ergeben :
der
à 20 m = 2880 m
144 Geschütze
360 Mun.-Wagen à 20 m = 7200 m 10080 m Artillerie, also etwa 2 km Artillerie mehr. Hierbei habe ich in der Berechnung den Vorratswagen ganz weggelassen, da die im Gefecht nötigen Vorratsstücke
ganz
gut bei
der grofsen Zahl der Munitionswagen
auf diesen mitgeführt werden können . Bei einer solchen Verlängerung der an und für sich schon so grofsen Artilleriekolonnen spricht der Taktiker mit Recht ein energisches „ Nein " . So stehen sich Forderung und Gegenforderung schroff gegenüber. Auf der einen Seite Organisation der Batterie zu 4 Geschützen, Vermehrung der Munitionswagen anderen Seite bedeutende der Marschkolonnen .
auf 21/2 pro Geschütz,
auf der
Erhöhung der Kosten und Verlängerung
Man hat nun aus diesem Dilemma eine glückliche Lösung dadurch zu finden geglaubt, dafs man die Batteriezahl beibehalten, dafür aber die Zahl der Geschütze in der Batterie auf 4 herabsetzen wollte ,
(also 96 statt 144 Geschütze im Armeekorps), mit der Be-
gründung,
dafs
schnelligkeit
das
Zukunftsgeschütz
imstande
sei,
wenn
durch seine gröfsere Feuer-
ihm
mehr
Munition
zugeführt
würde, mit Vieren dasselbe zu leisten als 6 Geschütze des jetzigen Typs . Das klingt sehr schön und mit einem Schlage wäre man allen Schwierigkeiten wäre gelöst, für die
aus dem Wege gegangen : Die Kostenfrage wegfallenden Geschütze könnte man ferner
ohne Schaden für die Länge der Marschkolonnen Munitionswagen einstellen . Schliesslich hat man noch als besonderen Vorteil angeführt, Zahl
dafs durch diese Verminderung der Geschützzahl die bei der von
144
Geschützen pro
Armeekorps
zu grofse
Frontaus-
dehnung der Artillerie auf das richtige Mafs zurückgeführt würde. Von den verschiedensten Seiten, selbst von hervorragenden Artilleristen , sind Zweifel ausgesprochen an der Möglichkeit, diese Artilleriemenge placieren zu können . So viele Vorteile diese Lösung durch die Herabsetzung der Gesamtgeschützzahl auch zu bringen scheint, ich kann mich dieser Ansicht doch nicht anschliefsen . Was zunächst die Frontausdehnung betrifft, so sehe ich darin keinen Grund , von neuem eine Verminderung der Geschützzahl zu fordern . Wenn unsere oberste Heeresleitung vor wenigen Jahren die Zahl der Geschütze auf 144 für das Armeekorps fest-
Das gepanzerte Schnellfeuergeschütz und sein Munitionswagen.
295
setzte, so hat sie auch diesen Gesichtspunkt der Frontausdehnung reiflich erwogen und zugunsten der genannten Zahl entschieden. Es ist also kein Grund vorhanden, wieder einen Schritt rückwärts zu tun. Umsomehr, als die Schilde ohne gröfsere Nachteile unter Umständen ein Verkleinern der Zwischenräume zwischen den Geschützen gestatten und ferner, als infolge der verbesserten Richteinrichtungen, die das indirekte Schiefsen erleichtern, die Artillerie jetzt an Stellen stehen kann, wo sie es früher, als sie nur direkt schofs, nicht konnte. Hat unsere Feldartillerie nicht oft genug beim Scharfschiefsen in gröfseren Verbänden gezeigt, dafs sie auch schiefsen und treffen kann, wenn auch nur wenige Geschütze einen Teil des Und wenn man auf Frankreich hinweist, Zieles sehen können ? das ja - wohl der Not gehorchend - bei Einführung seines Rohrrücklaufgeschützes die Gesamtgeschützzahl herabgesetzt hat, so verfolge man die Neu- und Umorganisationen in diesem Staate , die das sichtliche Bestreben zeigen, soweit es die vorhandenen Mittel an Geld und Mannschaftsersatz erlauben, sich unserem Vorbild zu nähern. ') Schliesslich sei noch darauf hingewiesen , dafs gerade die neuesten Kämpfe in Ostasien wohl genügend dargetan haben, welch hoher Wert einer zahlreichen , gut schiefsenden und kräftig eingesetzten Artillerie beizumessen ist. Der Ausweg aus den angeführten , einander entgegenstehenden Forderungen mufs also auf einem anderen Wege gesucht werden .
Bevor ich darauf genauer eingehe, muls ich kurz die schon viel erörterte Haubitzfrage berühren . Ich habe schon an anderer Stelle 2) darauf hingewiesen, dafs nach meiner Ansicht mit Einführung des Rohrrücklaufgeschützes eine so enge Vereinigung der leichten Feldhaubitze mit dem Schnellfeuergeschütz, wie es jetzt im Regimentsverbande der Fall ist, nicht mehr möglich erscheint . Ich habe daraus die Folgerung abgeleitet, die leichte Feldhaubitze abzutrennen, für sich zu organisieren und ---- auch im Frieden schon direkt dem Generalkommando zu unterstellen.
Die mannigfachen
Vorteile dieser Organisation, auf die ich an genannter Stelle ausführlich hingewiesen habe, kann ich hier nicht wiederholen . Sollte aber durch das jetzt mehrfach erwähnte 12 cm Kaliber eine Einheitsfeldhaubitze für die Feldarmee zu schaffen sein, indem dadurch die Fuſsartillerie als dauerndes Anhängsel
aus
der Feldarmee ver—
schwindet und nur gegen Sperrbefestigungen Verwendung findet, so treten diese Vorteile nur noch mehr in die Erscheinung. 1) Vgl. Mil. -Woch. - Blatt 1904, No. 95 . 2) Jahrb. f. Armee und Marine, 1904 , März, Seite 380. Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 402.
20
296
Das gepanzerte Schnellfeuergeschütz und sein Munitionswagen. Durch ein solches Verschwinden der leichten Feldhaubitze aus
dem Regimentsverband würden von den 144 Geschützen eines ArmeeDafs für diese die Organisation in korps 126 übrig bleiben. Batterien zu 4 Geschützen
die
einzig
ich genügend nachgewiesen zu haben.
mögliche
sein kann, glaube
Dividiert man die genannte
Zahl durch 4, so ergeben sich 32 Batterien (= 128 Geschütze ) und dies legt von selbst den Gedanken nahe , die bisherige 3 - Teilung des Abteilungsverbandes zu verlassen und je 4 Batterien zu einer Abteilung zu vereinigen. Es würde sich hieraus an Artillerie ergeben für die Division 1 Brigade = 2 Regimenter = 4 Abteilungen = 16 Batterien 64 Geschütze . Da wird mir zunächst der Einwurf gemacht werden, einigung von 4 Batterien zu einer Abteilung ,
die Ver-
wie wir es früher ja
gehabt haben, sei für Frieden und Krieg unpraktisch, weil zu grols, habe sich ja auch nicht bewährt, deshalb sei man zur 3 - Teilung übergegangen. Dass eine Abteilung von 4 X 6 = 24 Geschützen ein unhandliches Ding gewesen ist,
will ich gerne zugeben.
Folgt
denn aber daraus, dafs dies bei 4 X 4 = 16 Geschützen ebenfalls der Fall ist? Ich denke doch, diese letztere Organisation ist zum mindesten nicht unhandlicher als die jetzige von 3 X 6
18 Ge-
schützen. Und wenn man weiter sagt, dafs mit der Vermehrung der Befehlseinheiten unter einem Kommando, also der Batteriechefs von 3 auf 4, die Schwierigkeiten der Befehlsübermittelung wachsen, die Reibungen zunehmen würden , so vermag ich dem nicht beizustimmen. Die vielen jetzt hervortretenden Reibungen liegen vielleicht gerade darin, daſs der ganze Apparat zu umfangreich , zu schwerfällig ist . Und ist es, solange wir keine Kadres für Reserveformationen im Frieden haben , bei den vielen Abgaben von aktiven Offizieren im Mobilmachungsfall nicht mit Freude zu begrüfsen, wenn derselben hierdurch schon im Frieden vergrössert wird? Die vorgeschlagene
Organisation
hat
aber
noch
die Zahl
andere
be-
merkenswerte Vorteile im Gefolge . Da eine Vermehrung der Abteilungsstäbe vermieden wird und die in jedem Regiment neu zu formierenden 2 Batterien zum gröfsten Teil aus Abgaben von den mit versehenen und einzelnen reitenden 6 bespannten Geschützen Batterien gebildet werden können, so sind die Mehrkosten nicht so hoch, als es den Anschein hat. Man vergleiche nur die jetzigen mit den für die Neuorganisation zugrunde zu legenden Zahlen . Auch das Gespenst der
zu
grofsen Frontausdehnung
der Artillerie wird
ein wenig verblassen , wenn man bedenkt, dafs nunmehr die leichten Feldhauhitzen am Schlusse der fechtenden Truppen des Armeekorps folgen werden und somit zunächst nur 128 Geschütze zu placieren
Das gepanzerte Schnellfeuergeschütz und sein Munitionswagen.
297
sind , die für die erste Feuerentwickelung reichlich genügen . Für die später nach vorn zu ziehende Feldhaubitzabteilung wird sich an entscheidender Stelle immer noch ein Platz finden, wo sie ein gewichtiges Wort mitsprechen und als eine Art Korpsartillerie der Absicht des kommandierenden Generals kräftigen Ausdruck verleihen kann. Auch für die Marschtiefen ist dieses Zurückhalten der leichten Feldhaubitzen von grofsem Vorteil . Nimmt man die Batterien zu 4 Geschützen und 10 Munitionswagen, also 14 Fahrzeugen an, so ergibt sich für die Batterie 14 X 20 = 280 m Marschlänge , für das Armeekorps 32 X 280 = 8960 m, also rund 9 km Artillerie, somit nicht ganz 1 km mehr als wir jetzt, die leichten Munitionskolonnen eingerechnet, haben . Dafür ist der Vorteil erreicht, dafs die gesamte Munition weiter vorn ist und so in unmittelbarer Verbindung mit den Geschützen bleibt. Ein weiteres Mittel, diese immerhin noch sehr beträchtliche Länge der Artilleriemarschkolonnen zu verkürzen, liegt meiner Ansicht nach
in der vermehrten Anwendung
unserer jetzigen aufgeschlossenen Zugkolonne entspricht, indem Geschütz und Wagen, die je ein untrennbares Ganzes bilden sollen, als „ Doppelkolonne " nebeneinander marschieren .
einer Formation,
die
Diese Formation hat sehr viele Gegner, indem man ihr Unhandlichkeit, Entwickelungsschwierigkeit vorwirft und indem man behauptet, dafs man sie bei Engen und Übergängen doch aufgeben müfste . Demgegenüber möchte ich für das Abprotzen gerade diese Formation als die am meisten anzuwendende erklären, wie ich weiter unten näher ausführen werde. Und weiter möchte ich fragen : Was ist wohl das Häufigere im Laufe eines Feldzuges : dafs die Artillerie gröfsere Strecken auf Strafsen marschiert, die auch in ihren Übergängen so breit sind , dafs sie diese Formation gestatten, oder dafs sie dauernd auf so engen Wegen sich zu bewegen hat, dafs nur die Kolonne zu Einem möglich ist? Will man deshalb, weil es hier und da vorkommen kann, dafs die Doppelkolonne einmal nicht anwendbar ist, dieselbe gänzlich ausscheiden, wo sie doch so in die Augen springende Vorteile bringt ? Und ist sie nicht mehr anwendbar, wie es wohl beim Vormarsch zum Gefecht der Fall sein kann, kann da die Infanterie nicht Platz machen für ihre ihr so nützliche Schwesterwaffe ? Neben diesen Vorzügen
der vorgeschlagenen Organisation, die
eine einigermalsen günstige Lösung der widerstreitenden Forderungen ermöglichen, ist noch auf einen Hauptvorteil hinzuweisen, der so in die Augen springend ist, dafs er uns meines Erachtens zwingen mufs, dieser Organisation den Vorzug zu geben. der Friedensausbildung .
Derselbe liegt in
20*
298
Das gepanzerte Schnellfeuergeschütz und sein Munitionswagen.
Schon jetzt ist es, trotz des Strebens, recht häufig in kriegsstarken Verbänden zu üben, nur unter grofsen Schwierigkeiten möglich, den so schweren Ersatz an Munition, Mannschaften, Pferden und Material durchzuüben, schon jetzt basiert die taktische Ausbildung einer Batterie, die im Kriege 13 Fahrzeuge zählt, auf 6, teilweise nur auf 4 bespannten Geschützen, schon jetzt muls ein gerade bei der Feldartillerie Phantasie
sich stets
besonders
fühlbarer Nachteil - die
einen ganz bedeutenden Teil ergänzen .
soll es werden, wenn der gepanzerte Munitionswagen
Wie
neben der
Lafette stehen mufs, wenn Geschütz und Wagen untrennbar sind? Ein kriegsmässiges Einüben der
taktischen Formen nach beendeter
Fahrausbildung ist ohne die Munitionswagen kaum möglich . den 4 im Frieden bespannten Geschützen einer Batterie
Aufser
auch noch
die 4 dazu gehörigen Munitionswagen bespannt zu erhalten , das ist wohl eine nie erfüllbare Hoffnung. So bleibt nur übrig, dafs die Batterien für das Bespanntexerzieren sich mit den Gespannen wechselseitig aushelfen. nicht möglich
Dies würde
sein,
bei
der 3 - Teilung in der Abteilung
eine Batterie wäre stets „ kaltgestellt" ,
es ist
nur zu erreichen durch die Vereinigung von 4 Batterien zu einer Abteilung. Dadurch ist es auch erleichtert, innerhalb der Abteilung eine kriegsstarke Batterie zu bilden ( 14 Fahrzeuge), das Regiment kann 2 Batterien,
die Brigade
zur Zeit der Übungen in gröfseren
Verbänden eine Abteilung leicht und schnell formieren,
vielleicht
nach einer Übung an Ort und Stelle, wobei die Munitionswagen durch Geschütze mit Flaggen markiert werden können .
Auf diese Weise
kann auf dem für die Feldartillerie besonders wichtigen Gebiet des Munitionsersatzes schon im Frieden in genügender Weise das unbedingt Erforderliche vorgeübt werden. Es sei hier darauf hingewiesen, dafs die Franzosen in ihren neuesten Vorschriften diesem Gesichtspunkte weitgehende Beachtung geschenkt haben . Der Munitionsersatz wird häufig in grofsem Stile geübt, wozu die Gespanne der gesamten Artillerie eines Armeekorps zusammengezogen werden
können
und
wobei
sogar
die
Munitionskolonnen
beider
Staffeln durch einzelne Wagen markiert werden. Aber auch der Munitionsersatz selbst wird sich anders gestalten. Schon jetzt möchte ich das Einfahren gefüllter Munitionswagen neben die 10 Schritt hinter der Feuerlinie stehenden Wagen für eine im feindlichen Feuer sehr gefährliche, wenn nicht unmögliche Mafsregel erklären. Wenn der Munitionswagen neben der Lafette in der Feuerlinie steht, wird es natürlich erst recht zur Unmöglichkeit. Der Munitionsersatz mufs also auf andere Weise ausgeführt werden. Ein Mittel liegt meiner Ansicht nach darin, gleich im Anfang, also
Das gepanzerte Schnellfeuergeschütz und sein Munitionswagen. beim Auffahren,
soviel Munition
299
als irgend möglich in der Batterie
niederzulegen. Dies führt dazu, dem französchen Vorbild zu folgen und der Gefechtsbatterie aufser den 4 Munitionswagen für die 4 Geschütze noch 2 weitere zuzuteilen , von denen der eine praktisch zur Deckung des Batterieführers verwendet wird, der andere in zweiter Linie Aufstellung
findet .
Wenn
es irgend die
Zeit und
Deckung erlaubt, ist auch ein Auspacken der Protzen der Munitionswagen beim Abprotzen in Erwägung zu ziehen, vielleicht auch ein Einfahren von zwei Munitionshinterwagen mit Hilfe des Protzhakens am Hinterwagen nach amerikanischem Vorbild. Ist aber ein weiterer Munitionsersatz nötig, so mag in einzelnen , besonders günstigen Fällen ein nahes Heranfahren der Wagen , die dann durch Mannschaften vorgebracht und ausgetauscht werden , möglich sein. Im allgemeinen aber glaube ich doch, dafs die einzige Möglichkeit ferneren Munitionsersatzes im Her antragen durch Mannschaften liegt, was, wie vorn erwähnt, sehr für die Annahme von Patronenkörben für 4 Patronen spricht. Es ist besser, wenn hierbei einige Verluste eintreten, als wenn durch Vernichtung der Gespanne, wie es beim Einfahren ja nicht ausbleiben kann, ein Teil der Batterie bewegungsunfähig wird. Auch bei der Infanterie hat man sich nach langem Sträuben für diese Art der Munitionsversorgung der vordersten Feuerlinie entschliefsen müssen . Dals man natürlich versuchen wird, einmal jede Gefechtspause für den Ersatz an Munition und Mannschaften auszunutzen, und ferner unter Benutzung jeder Deckung die Wagen so nahe als irgend möglich vermittelst der Gespanne heranzubringen , ist selbstverständlich, besonders, wo das moderne Streufeuer dazu zwingen wird, Protzen und Staffeln weiter zurück aufzustellen . ¹) Schliesslich erübrigt noch, kurz die taktischen Grundformen der Batterie, die durch die Panzerung und Vermehrung der Munitionswagen ebenfalls wesentlich beeinflusst werden, zu betrachten. Dafs ich mir die „ Gefechtsbatterie " aus 4 Geschützen und 6 Munitionswagen bestehend denke, habe ich oben bereits erwähnt. Es würden nun für jede Batterie noch 4 Munitionswagen nebst einigen Vorratspferden als „ Staffel " übrig bleiben . Diese Staffeln marschieren abteilungsweise vereinigt unter einheitlichem Kommando wohl am besten am Schlufs der Abteilung. Nur so ist meiner Ansicht nach gewährleistet, dafs die Munition rechtzeitig zur Stelle ist. Über ihre Aufstellung im Gefecht lassen sich bindende Regeln nicht geben, ich möchte nur als Grundsatz festlegen , dafs
sie wegen des Streu-
¹) Vgl. meinen Aufsatz : „Schnellfeuergeschütz und Streuverfahren “ im Mil.-Wochenblatt 1904, Nr. 7 und 14.
300
Das gepanzerte Schnellfeuergeschütz und sein Munitionswagen.
feuers mindestens 500 m, sind.
aber auch
nicht weiter, zurückzuhalten
Ob sie ihren Batterien zugeteilt und mit deren Protzen ver-
einigt werden
oder zusammen an anderer Stelle
jedem einzelnen Falle scheiden müssen.
bleiben, wird in
der Befehl des Abteilungskommandeurs ent-
Was die Formen der Batterie für das Einnehmen der Stellung betrifft, so
sind hier zwei grundverschiedene Wege möglich
ent-
weder dem französischen Vorbild zu folgen und Wagen und Geschütz als untrennbares Ganzes zu betrachten, also sie zusammen in Stellung gehen und abprotzen zu lassen, oder unsere jetzige Art beizubehalten und erst die Geschütze, dann die Munitionswagen gewissermalsen als Munitionszug einfahren zu lassen. Wenn diese letztere Art auch den Vorfeil der leichteren Beweglichkeit und gröfseren Einfachheit zu haben scheint, so möchte ich mich doch für die erstere Art aussprechen.
Ob Deckung vorhanden ist oder
nicht, es mufs stets darauf ankommen, die Zeit des Abprotzens möglichst abzukürzen und dies ist nur durch gleichzeitiges in- Stellunggehen von Geschütz und Wagen zu erreichen . Ein späteres Einfahren ist wohl jetzt möglich, wo die Wagen 10 Schritt hinter den Geschützen stehen, wenn es auch jetzt schon manche Nachteile hat, in Zukunft aber, wo die Wagen in der Feuerlinie stehen müssen, ist es meiner Ansicht nach ausgeschlossen . Freilig ist dazu nötig, dals vor dem Abprotzen Geschütz und Wagen jedesmal erst nebeneinander fahren .
Daraus folgt, dafs diejenige Formation, bei welcher
sich Geschütz und Wagen schon nebeneinander befinden, also die „ Doppelkolonne", für das Abprotzen die günstigste ist . Dies kann natürlich in der Doppelkolonne nur nach der Flanke geschehen und dieser Umstand wird in Verbindung mit dem Streben nach vermehrter Deckung
zur Folge haben,
dafs
der Flankenmarsch in
Doppelkolonne hinter der Höhe die häufigste Art des Abprotzens werden wird . Für die Entwickelung aus der Kolonne zu Einem, sei es nach der Flanke oder nach vorn durch Aufmarsch, mufs jedesmal
erst
die
Doppelkolonne
für
das
Abprotzen
hergestellt
werden, was unstreitig die ganze Bewegung schleppend und schwerfällig macht . Damit mufs man sich aber abfinden, der durch die Panzerung erreichte Vorteil mufs eben mit manchem Nachteil erkauft werden. Die Bewegungen der Batterie können demnach nur die denkbar einfachsten sein : Kolonne zu Einem, Doppelkolonne , geöffnete Batterie, Schliefsen , Öffnen, Abprotzen nach vorwärts, rückwärts und nach der Flanke . Genauer auf diese reglementarische Frage einzugehen , ist hier nicht der Ort, die gegebenen Andeutungen mögen genügen, um ihre Wichtigkeit klarzulegen.
Das gepanzerte Schnellfeuergeschütz und sein Munitionswagen.
301
Daſs bei allen diesen Bewegungen nicht nur, sondern auch beim Schiefsen die Tätigkeit des Zugführers im heutigen Sinne nicht mehr möglich ist, darauf habe ich schon mehrfach ¹ ) hingewiesen . Jedes „ Geschütz ", bestehend aus Kanone und Munitionswagen, mufs einen Offizier oder Offizierdiensttuer als Führer haben, für die Bewegungen, weil sie schwerfälliger sind , für das Schiefsen, weil er die deckenden Panzer nicht als einziger fortwährend verlassen kann, um seinen Einfluss auf 2 Geschütze geltend zu machen. Ich fasse meine Ansichten über die Munitionswagenfrage beim Schnellfeuergeschütz folgendermalsen zusammen : 1. Die Munitionsbinterwagen müssen gepanzert werden und neben dem Geschütz Aufstellung finden. 2. Der Korbverpackung von 4 Patronen gleichzeitig
ist vor der
Einzelpackung der Vorzug zu geben. 3. Auf jedes Geschütz sind mindestens 21/2 Munitionswagen zu rechnen. Die leichten Munitionskolonnen fallen fort. 4. Die Batterie mufs zu organisiert werden.
4 Geschützen und 10 Munitionswagen
5. Die leichten Feldhaubitzen sind abzutrennen, dafür Abteilung 4 Batterien = 16 Geschütze. 6. Hierdurch wird erleichtert.
besonders
erhält die
die Friedensausbildung wesentlich
7. Der Munitionsersatz kann nicht mehr durch Heranfahren der Wagen zum
Austausch
ausgeführt werden,
sondern
ist im
weiteren Verlaufe des Kampfes im feindlichen Feuer nur noch durch Herantragen möglich. 8. Geschtitz und Wagen müssen ein untrennbares Ganzes bilden, Auf diesem Grundsatz bauen sich die taktischen Formationen der Batterie auf, die die denkbar
einfachsten sein müssen.
1) Mil.-Wochenblatt 1904, Nr. 7 u. 14, Kriegstechn. Zeitschr. 1904, III, „Einzelwendung von Schnellfeuergeschützen ".
Umgestaltung des gefechtsmälsigen Einzelschiefsens .
302
XXI.
Umgestaltung
des
Einzelschielsens . '
gefechtsmälsigen
Von Hauptmann Seelemann , Kompagniechef i . Grenadier-Reg. Prinz Karl v. Preuſsen ( 2. Brandenb.) Nr. 12.
Vor kurzem übte der ältere Jahrgang meiner Kompagnie im Gelände das Verhalten der Rotte im Gefecht, verbunden mit der Vorübung zum gefechtsmässigen Einzelschielsen .
Ich wies den Auf-
sichtführenden darauf hin, dafs dies verschiedene und zweckmässig auseinander zu haltende Vorübungen seien. ich diese
Notwendigkeit.
Innerlich aber bedauerte
Denn sehr zu wünschen wäre die Aus-
führung des schon häufig angeregten Vorschlags, das Einzelschiefsen in der bisherigen Form in Fortfall zu bringen und dafür die Ausbildung des einzelnen Schützen zum Gefecht mit allen seinen Einzelbeiten recht gründlich zu betreiben , ehe man an die Zusammenstellung der Rotte schreitet. Welche Vereinfachung würde dies für die Ausbildung des Rekruten, überhaupt des einzelnen Infanteristen bedeuten. Jedesmal mufs ich besonders hieran denken, wenn der Mann bei der Rekrutenbesichtigung nach einer „ Treffwahrscheinlichkeitsgrenze " gefragt wird, obwohl Ziffer 156 der jetzigen Schiefsvorschrift nur noch verlangt, dafs der Lehrer dieselbe kennen muſs. Man wird mir entgegnen, dafs ja die Frage des Einzelschielsens sind,
dafs
betreffend Fortfall
wiederholt geprüft und Berichte eingefordert
man aber auf
Grund
reiflicher Überlegung, besonders
nach Anhörung der Schiefsschule, zur Beibehaltung dieses Schiefsens gekommen ist. Ohne den Inhalt jener Berichte zu kennen , kann ich mir denken, warum seitens mancher Truppenteile für die Beibehaltung des Einzelschiefsens eingetreten wurde . War man doch der Ansicht, dass nur beim Einzelschiefsen der Mann sich all jene Eigenschaften aneignen könnte, welche ihn sodann zu einem selbständigen und gewandten Schützen machten. Man unterschied Ausbildung im Einzelschielsen und Ausbildung der Gruppe für das Gefecht ; nicht überall wurde
1 ) Diese Arbeit war schon im Dezember bei der Leitung eingegangen . Nachdem die A.C.O. vom 27. Januar 1905 nunmehr die Einschränkung des bisherigen Einzelschiefsens anordnet, können nachfolgende Ausführungen als Vorschlag für die vorzunehmenden Abänderungen gelten.
Umgestaltung des gefechtsmässigen Einzelschiefsens .
303
vor Zusammenstellung der Gruppe die Ausbildung der Rotte bis ins einzelne gründlich betrieben. Und dafs die Schiefsschule, welcher zur
Ausbildung in der Technik des Schiefsens auf allen Gebieten
nicht nur vollauf Zeit, sondern auch reichlich Mittel zur Verfügung stehen, über welche die Truppe in diesem Umfange nie verfügen kann, für die Beibehaltung des Einzelschiefsens eintrat, kann ich sehr wohl verstehen.
Trotz alledem scheint es mir jetzt von neuem angebracht, auf die Vorteile hinzuweisen, welche durch den Fortfall des gefechtsmälsigen Einzelschiefsens in seiner jetzigen Form für die Ausbildung des einzelnen Infanteristen im Gefecht zu erhoffen sind. Die letzten Jahre haben manchen Umschwung in der Schulung für das Gefecht gebracht. Mehr und mehr ist die Wichtigkeit, den einzelnen Mann für die Tätigkeit in der Schützenlinie auszubilden , hervorgetreten. Die stets gleichen , mechanischen Bewegungen des einzelnen werden eingedrillt, während der Schütze zu den Handlungen, bei welchen eigenes Nachdenken erforderlich ist, durch klare Belehrung vorgebildet wird. Von beachtenswerten Seiten wird darauf hingewiesen,
dafs
für solch
sorgfältige
Ausbildung mehr Zeit zur
Verfügung stehen muſs , dafs vor solcher Schulung selbst das Exerzieren, die Vorübung für die Bewegung in geschlossener Formation etwas zurücktreten sollte . Diesen Forderungen kommen auch bereits Hilfsbücher und Leitfäden nach, die wir als Anhaltspunkte unseren Rekrutenoffizieren in die Hand geben . So sagt v. Brunn im Vorwort zur eben erschienenen 7. Auflage seiner „ Anbaltspunkte für die Rekrutenausbildung" : 99 .. Um dies auch äufserlich zum Ausdruck zu bringen (nämlich die Bedeutung der Gefechtsausbildung), ist der Abschnitt ,Gefecht schon von der 3. Woche ab vor den Abschnitt ,Exerzieren' gesetzt worden. " Wird nun die Notwendigkeit, den Infanteristen für das Gefecht „einzeln" auszubilden, ehe er zur nächst gröfseren Einheit zur Rotte " zusammengestellt wird, überall anerkannt, so ist also diese Einzelschulung für das Gefecht noch neben der Ausbildung für das Einzelschiefsen zu betreiben .
Läfst sich beides aber nicht vereinigen ? Ohne Verwirrung der Begriffe für den Rekruten wird dies nicht leicht möglich sein . Der einzelne Schütze in der Abteilung hält fast stets „ Ziel aufsitzen" und schiefst, ohne lange zu zaudern. Beim Einzelschiefsen aber mufs der Mann erst noch in die Überlegung eintreten , ob er noch einen Treffer erwarten kann, und er wird dann seinen Halte-
Umgestaltung des gefechtsmäfsigen Einzelschief'sens .
304 punkt je
nach Entfernung
und Flughöhe wählen.
Die Kürze der
zweijährigen Dienstzeit erheischt mit gebieterischem Ernst, Einfachbeit in der Ausbildung für den Krieg, und das Exerzierreglement sagt: „ Einfach ist die Ausbildung, wenn der Soldat auf dem Gefechtsfelde nichts von dem abzustreifen hat, was er auf dem Exerzierplatze gelernt hat ". Ob hier in betreff der jetzigen Ausbildung für das Einzelgefechtsschiefsen nicht Vereinfachung eintreten kann, bedarf ernster Untersuchung. Ich möchte behaupten, daſs das Schieſsen in der bisherigen Art ganz fortfallen kann und werde den Nachweis zu bringen versuchen, dafs all die Eigenschaften, welche der Mann beim Einzelschiefsen erwerben soll , ihm auch durch die Ausbildung in der vorzuschlagenden, sehr viel einfacheren Form anerzogen werden können. In Ziffer 153 der Sch.-V. wird betont, daſs das Einzelschieſsen dem Schützen Gelegenheit bieten soll, bei kriegsgemäſsem Verhalten die Ausnutzung des einzelnen Gewehrs gegen feldmälsige Ziele durch richtige Wahl des Visiers und Haltepunktes, genaues ruhiges Abkommen zu erlernen.
Zielen und
Das rasche und sichere Laden, die kriegsgemässen Anschlagsarten, das blitzschnelle Vorspringen und Hinwerfen usw. wird auch für die Schützenlinie im einzelnen sorgfältigst eingeübt . Welche grofse Bedeutung hierbei die ausgiebigste Geländeausnutzung hat,
wird dem
Manne praktisch gelehrt. Dafs diese Bedeutung in jetziger Zeit sich stetig noch steigert, erkennen wir aus den vielfach sich erneuernden Vorschlägen und Erörterungen zur Frage, wie der vom Gegner unter Feuer genommene Raum unter Vermeidung allzagrofser Verluste, besonders auf mittleren Entfernungen, durchmessen werden soll. Wir erziehen
den einzelnen Soldaten zu einem gewissen Ver-
ständnis und zur gewissen taktischen Beurteilung des Geländes aber doch viel besser, wenn er sich als kleinsten Teil einer Schützenlinie anzusehen hat und er an einer gegenüber aufgebauten feindlichen Linie lernt, sich dieser unter möglichster Anschmiegung an das Gelände zu nähern, Mag man, vom einfachsten ausgehend, den Rekruten anfangs allein im Gelände vorgehend sich denken lassen, sehr bald mufs man einen Schritt vorwärtsgehen, das heifst, er wird die Ausnützung des verfügbaren Terrains zum Vorwärtskommen unter Einschränkung und mit Berücksichtigung der Nachbarn in der Schützenlinie erlernen müssen . Denn als einzelner Mann kommt er ja im Ernstfall doch sehr selten zu solcher Handlung. Vielleicht als Patrouille . Aber diese soll doch in erster Linie beobachten, in zweiter erst schiefsen.
Mufs er aber in dieser Eigenschaft schiefsen,
Umgestaltung des gefechtsmässigen Einzelschiefsens .
305
dann wird er es selbst dann tun, wenn das Ziel nicht mehr innerhalb der Treffwahrscheinlichkeitsgrenze liegt. Die richtige Wahl des Visiers ist allein ausschlaggebend für die Resultate. Der Mann lernt daher beim Einzelschiefsen nach geschätzter Entfernung
selbständig das
entsprechende Visier stellen.
Beim Abteilungsschiefsen bedarf es dieser selbständigen Handlung nicht, wird man mir einwenden, denn dort wird das Visier befohlen ! Statt einer Antwort weise ich auf ein Bild des Gefechtsfeldes hin, das nicht gerade selten ist. Mit weitem Zwischenraum vorgehende Schützen verstärken eine vordere, enge, im heftigen Feuer liegende Schützenlinie, in welcher keine Kommandos mehr verständlich sind . Wird der mühsam seinen Platz suchende , einschiebende Schütze grundsätzlich erst an richtig gestelltes Visier denken , ehe er sich an dem Feuer beteiligt? Auch ohne besonderen Befehl ? Sicherlich ja, wenn die Ausbildung des einzelnen Mannes
zum
selbständigen Stellen des Visiers, wie dies
ja fürs ungeleitete Feuer auch vorgeschrieben ist, eine recht gründliche war. Diese Selbsttätigkeit im heftigsten Feuerkampf wird aber nur erreicht, wenn dem Schützen, zuerst stets nur einzeln, später innerhalb einer kleinen
Abteilung
die verschiedensten Ziele aller
Waffengattungen auf den wechselndsten Entfernungen vorgeführt werden. Nun ist aber die Auswahl in solchen Übungen eine ganz andere als die Vorübungen für das gefechtsmässige Einzelschiefsen. Denn da bei letzteren die Ziele im allgemeinen auch in den Treffwahrscheinlichkeitsgrenzen liegen müssen, so sind sie schon dadurch in ihrer Mannigfaltigkeit beschränkt ; auch zieht die noch dazu den Leuten bekannte Länge des Gefechtsstandes von vornherein festliegende Grenzen.¹) Da das Stellen der Visiere naturgemäls erst nach stattgehabtem Schätzen der Entfernung erfolgt, so wird hierbei durch die grössere Verschiedenartigkeit in Zielart und Entfernung auch eine bessere Ausbildung des einzelnen in diesem Dienstzweige erreicht. Hierbei bietet sich schon Gelegenheit, die befähigteren Schätzer von den weniger veranlagten zu scheiden und den Grund für die Ausbildung
der „ Entfernungsschätzer "
zu legen ,
welche Leute
auf Grund sorgfältiger Einzelausbildung später nachhaltige Stützen der Zugführer werden sollen . Ganz besonders vereinfacht wird die Frage über den Haltepunkt 1) Zwar ist in Ziffer 158 der Sch.-V. auf die Zweckmässigkeit, das Einzelschiefsen im Gelände abzuhalten, hingewiesen. Trotzdem wird dasselbe, wahrscheinlich aus Mangel an Mitteln, in vielen Garnisonen auf den Schiefständen erledigt .
306
Umgestaltung des gefechtsmäfsigen Einzelschiefsens .
bei der vorgeschlagenen Umgestaltung
des Einzelschiefsens .
Der
Mann soll bei diesem Schiefsen denselben Haltepunkt wählen , wie er ihn für das Schulschiefsen erschossen, beziehungsweise festgelegt hat.
Je nach der Eigentümlichkeit seines Gewehrs wird der Halte-
punkt also von der durch die Flughöhentabelle bedingten Vorschrift etwas abweichen müssen.
Es gehört für den jungen Rekrutenoffizier
schon gründliche Beherrschung des Stoffes und eine besonders praktische fafsliche Art und Weise, um diese Gelehrsamkeit beim Unterricht dem Rekruten beizubringen . Läfst sich der Offizier hierbei verleiten vom Kern der Sache abzuschweifen, indem er sich zum Beispiel auch über Höhen- und Seitenstreuung verbreitet, so ist häufig die Verwirrung da. Für das Schulschiefsen selbst bleibt eine derart präzise Festlegung des Haltepunkts notwendig, da wir kein Gewehr haben, das Sind diese auf allen Entfernungen dahin trifft, wohin man zielt. Haltepunktbelehrungen Nutzen?
aber
auch
für das
Gefechtsschiefsen von
Im eigentlichen Gefecht braucht zu Beginn der Mann kaum Wenn der Gegner einen anderen Haltepunkt als ,,Ziel aufsitzen". nicht gerade in der Bewegung sich befindet, sieht man von ihm nur wenig, fast gar nichts .
Jeder Versuch , auf solche kleinen Ziele den
Haltepunkt zu verlegen, verbietet sich auf weiteren Entfernungen von Will man selbst, es muís einfach ,,Ziel aufsitzen" gehalten werden . aber die Präzision des einzelnen Schusses auf nähere Entfernung zur Geltung bringen, was durchaus sinngemäfs ist, so wird der Haltepunkt durch Kommando des Führers freigegeben. Der einzelne Schütze lernt nun durch die Beachtung wirksamer Witterungseinflüsse,
seltener infolge Beobachtung des Geschofsein-
schlages seinen Haltepunkt „ Ziel aufsitzen“ selbständig verändern. Wenn zum Beispiel feindliche Schützen innerhalb 400 m mit weiten Zwischenräumen gegenüber liegen und das Gelände bietet Gelegenheit zur Beobachtung des Geschofsaufschlages, so wäre es doch ein Unding, wenn der Mann seinen Schufs immer wieder rechts neben dem Kopfziel einschlagen sieht, er aber den Haltepunkt nicht ändern darf, weil es nicht befohlen ist.
Ist der Haltepunkt auf solcher Entfernung
aber freigegeben, dann hält der Mann
etwas links an,
wahrschein-
lich weil infolge linksseitigen Windes das Geschofs heute stark nach rechts abweicht und, da der feindliche Nachbarschütze nicht dicht daneben liegt,
der Schufs stets in den freien Zwischenraum
trifft.
Welche Fülle von Belehrung für die Ausbildung des einzelnen Schützen als Teil einer Schützenlinie ist hier geboten ! Auch glaube ich, dals das Verständnis für die Ballistik an der Hand derartiger Vor-
Umgestaltung des gefechtsmäfsigen Einzelschiefsens. führungen
aus
dem Abteilungsschiefsen ,
bei
Lehrer wie
Schützen rascher und nutzbringender gefördert würde, Vorübung des Einzelgefechtsschiefsens.
als bei der
All das, was
sowohl
307
die Ziffern 153 bis 156 der Schiefsvorschrift für
die Ausbildung im gefechtsmässigen Einzelschiefsen verlangen , kann auch in der vorgeschlagenen Weise der Ausbildung zur Darstellung kommen. Gerade bei dem hohen Werte, den die sachgemässe Ausnutzung der Unebenheiten des Bodens für die Schützenlinie in Zu. kunft hat, wird der einzelne Mann , ehe er in die Rotte und Gruppe Sodann wird, ganz eintritt, lernen müssen, selbständig zu handeln . besonders nach Zusammenstellung zweier Leute zur Rotte, ihre Ausbildung auf das
sorgfältigste, sowohl im Drill für die mechanischen
Bewegungen, als auch in der Erziehung zum selbständigen Handeln vorgenommen werden können . Wenn nun nach gründlicher Vorbereitung durch Platzpatronen, ein gefechtsmässiges Rottenschiefsen mit scharfen Patronen als erster Abschnitt des Abteilungsschiefsens im Gelände, oder nur ganz ausnahmsweise auf einem Schiefsstande an die Stelle des Einzelschiefsens tritt, so wird dies für die gefechtsmässige Ausbildung der Infanterie ein grofser Nutzen sein. Beim Gruppenschiefsen ist die Abteilung meist schon zu grofs , als dafs sich der Leitende mit dem einzelnen Schützen eingehend beschäftigen könnte.
Namentlich wenn, wie dies häufig beobachtet
wird, die der einzelnen Kompagnie zur Verfügung stehende Zeit dazu zwingt, die Gruppen stärker zu machen, als man sie für gewöhnlich einteilt. Beim Rottenschiefsen dagegen ist Gelegenheit, sich jedem Manne besonders zu widmen. Hier ist es viel besser möglich , die Beobachtung des einzelnen Schusses zu üben und zu prüfen, ob die Augen der Rotte für das Erkennen kleinster Ziele geschärft sind . Reichen aber die Augen zum Erkennen nicht mehr aus, dann wird die Verbesserung derselben durch richtige Benutzung von Ferngläsern , namentlich beim älteren Jahrgange, gelehrt. Die Anwendung von Fallscheiben ist hierbei sehr belehrend . Je mehr Zeit einer Kompagnie zu einem derartigen Schiefsen zur Verfügung steht, je nutzbringender wird sich dasselbe für die Mannschaft gestalten. Ziffer 153 der Schiefsvorschrift besagt im letzten Abschnitt, „ dals das Einzelschiefsen an den Lehrer erhöhte Anforderungen stellt, die aufgewandte Mühe würde sich jedoch durch die Erreichung des erwähnten Zwecks voll bezahlt machen". Ich glaube, dafs bei der vorgeschlagenen Änderung für die wirkliche Praxis ,
das Resultat ein noch lohnenderes und das ist für den Kampf des Einzelnen als
Die niederländische Armee und ihre neue Kriegsgliederung .
308
kleinsten Teil einer grofsen Schützenlinie, bezahlt machen wird.
sich noch ganz
anders
Wir wissen, dafs gerade in der deutschen Armee, die Bedeutung der individuellen Erziehung des Infanteristen für das Gefecht ganz besonders gewürdigt wird . Gerade deshalb erscheint auch hier eine weitere Vereinfachung in der Ausbildung des einzelnen Mannes sehr erwünscht.
XXII .
Die niederländische Armee und ihre neue Kriegsgliederung.
Am 10. September 1904 hat die Königin im Lager von Milligen mit einer Ansprache , die bei der jungen Herrscherin nicht nur Liebe, sondern auch Verständnis für das innere Wesen der Armee und ihre Aufgaben geben.
erkennen liefs ,
dem 9. Regiment seine Fahne über-
Das 10. Regiment besteht schon , mit dem Regiment Grena-
diere und Jäger im Haag sind also 11 von den 12 Regimentern, aus denen nach der neuen Gliederung der Kern der Feldarmee bestehen soll , schon vorhanden . Wenn man einen Blick in den Kriegsbudgetvoranschlag für 1905, der im ganzen 27026684 Gulden, also 212664 Gulden mehr, als der für 1904 ohne die durch Sonderkredit be-willigten Ausgaben für die Umbewaffnung der Feldartillerie fordert und besonders in die ihn begleitende Begründung des Kriegsministers Bergoansius wirft, so erkennt man, dafs 1905 nicht nur der Stab für eine 4. Division, sondern auch das 12. der aktiven Infanterieregimenter zu 4 Friedensbataillonen (Nr. 11 ), die Dank den 66000 Mann der 1905 in Betracht kommenden Milizjabrgänge auch ihre
(s. a.) vorgesehene Kriegsausgestaltung erhalten können,
eine neue Feldeskadron Husaren (unter Beseitigung
einer Depot-
eskadron, während 2 Depoteskadrons in Depots zur Ausbildung von Remonten verwandelt werden) , so dafs man die 16 Feldeskadrons für die vorgesehenen 4 Husarenregimenter hat, den Stab des 4. aber erst
1907 formiert,
endlich 1 Abteilung
zu 2 fahrenden Batterien,
Die niederländische Armee und ihre neue Kriegsgliederung.
309
die zum 3. Regiment tritt, wofür dieses eine Abteilung zu 3 Batterien als Stamm für das neue 4., dessen andere Abteilung bis 1907 gebildet sein soll, - zur Aufstellung gelangen . Zu Anfang 1906 , d. h. in dem Moment, in welchem die Umbewaffnung mit dem 7,5 cm Rohrrücklaufgeschütz durchgeführt sein soll, kann man also mit 4 aktiven Divisionen rechnen , von denen die 4. zunächst an Artillerie nur 3 Batterien hätte .
Bei der Mobilmachung
ergänzen sich, wie
ebenfalls aus der Begründung des Heereserfordernisses zu ersehen , die 4 aktiven Bataillone (unter Abgabe je 1 Zuges pro Kompagnie, wofür jedes Bataillon 2 neue Kompagnien formiert) auf 6 Bataillone 48 Bataillone werden zu 72. Die 4. Bataillone sind bestimmt für der Besetzung der befestigten Linien, die VI . zur Bewachung derselben bezw. zu besonderen Aufträgen,
bis sie
durch Landwehrbataillone
abgelöst werden, deren Ziffer, früher als 1906, wie vorgesehen, schon 1905
auf 24 kommt und von denen nach Durchführung der neuen
Gliederung jeder der 48 Landwehrbezirke eins liefern soll, aber erst mit dem allmählichen Wachsen der Zuweisungen an die Landwehr (am
1. August 1905 findet die 3. Zuweisung
statt)
liefern kann ,
Nach Durchführung der neuen Heerordnung, die übrigens von 1906 ab jährlich auch Übungen von jedesmal 3 Jahresklassen der Landwehr erlauben wird , können planmässig auch 25 Landwehrbataillone zur Feldarmee berangezogen werden, auch rechnet man mit der Entwickelung eines Reservebataillons bei jedem Infanterieregiment . In den amtlichen Angaben über die Stärke des mobilen Infanterieregiments hat man anscheinend ein VI. Bataillon noch nicht berücksichtigt, wohl aber findet man bei „ Grofser Train einer Division " die Bemerkung : ,,Ist das VI. Bataillon nicht bei den Regimentern eingeteilt, so vermindert sich jede Infanteriemunitionskolonne um 2 Patronenwagen.“ Darnach zu schliefsen, rechnet man also doch in Zukunft mit sechs Bataillonen bei dem mobilen Regiment und würde sich dann statt der 4 Divisionen der Zukunft an Infanterie die Stärke von 4 Armeekorps beim Feldheere
ergeben können .
Wir sagen an Infanterie,
denn bei den übrigen Waffen kommt man nicht auf die gleiche Stärke und selbst für 4 mobilen Divisionen scheint die in der neuen Gliederung vorgesehene Feldartillerie nach heutigen Begriffen recht schwach bemessen, 6 Batterien pro Division , die allerdings , wie wir hier gleich bemerken wollen , auch bei der Bewaffnung mit dem Robrrücklaufgeschütz 6 Geschütze behalten
sollen !
Man gibt
Grund für die vorgesehene geringe Stärke der Feldartillerie wärtig erprobt man übrigens auch leichte Feldhaubitzen -
als
gegenan :
Die niederländische Armee und ihre neue Kriegsgliederung.
310
1. Die Kostspieligkeit der Waffe. 2. Die Mehrausgaben , die erforderlich würden , da man die Milizen bei der Feldartillerie doch 18 Monate (reichlich kurz , besonders für die Heranbildung brauchbarer Richtkanoniere) unter den Waffen behalten müsse . 3. Die Tatsache ,
dafs
man sich doch fast immer in der Ver-
teidigung befinden würde und in sehr vielen Gegenden das System auf wenige Hundert Meter einander folgender Knicks und Hecken die Verwendung starker Artillerie nicht gestatte. Dem letzten Punkt lässt sich manches entgegenstellen, besonders auch das , dafs es auch in den Niederlanden Landstrecken gibt, in denen eine Offensive nicht nur möglich, sondern auch geboten ist und namentlich in dem Gebietsteile östlich der Yssel. Bei der Gliederung der Feldarmee in ein Hauptquartier (Stab, Eisenbahn, Intendantur, Sanitätsabteilung, Kommandeure für Kavallerie : Artillerie, Genie, Stabswache, grofse Bagage, Train, Telegraphenabteilung mit 7 Wagen, Eisenbahnabteilung mit Eisenbahnkompagnie, 8 Wagen, Pontonabteilung mit Pontonierzug und 21 Wagen, davon 18 Ponton- und Bockhackets) und 4 Divisionen ist nun zu unterscheiden, ob eine selbständige Kavalleriebrigade aus 4 Regimentern (die an die Divisionen dann mindestens je eine Eskadron
abzugeben haben) und die beiden reitenden Batterien (die
im Frieden ein selbständiges Korps bilden), 1 Kavallerie- und 1 Artilleriemunitionskolonne zur Aufstellung kommt, oder nicht, der Kriegsminister kann darüber bestimmen. Im ersteren Fall dürfte der Kavallerieinspekteur wohl den Befehl über diese selbständige Brigade übernehmen und fällt der Kommandeur der Kavallerie im Hauptquartier fort. Den Divisionen sind, da ein Korpsverband in den bisherigen amtlichen Gliederungen nicht besteht (wenn man bei den Manövern in Nordbrabant in diesem Jahre auch an den beiden letzten Tagen die 2. volle Division auf dem rechten bezw. linken Flügel einer markierten im Korpsverbande eingesetzt hat, damit wohl andeutend , eine Vereinigung zu Armeekorps für Feldzwecke nicht ausgeschlossen ist), auch Train und Kolonne unterstellt. dafs
Jede Division setzt sich aus Stab (dem auch dauernd die sonst zu
Train rechnende
Telegraphenabteilung
mit
einem
Zag Tele-
graphisten, 2 Stations-, 2 Kabel-, 1 Telegraphen- und 2 Telephonwagen, Artillerie- und Geniekommandeur, Intendantur- und Sanitätsdienst, Stabswache und grofse Bagage zugeteilt sind und der 230 Köpfe, 146 Pferde zählt), - 3 Infanterieregimentern, 1 Regiment bezw. 1 Eskadron (je
nachdem eine
selbständige Kavalleriebrigade ge-
Die niederländische Armee und ihre neue Kriegsgliederung .
311
bildet wird oder nicht) Husaren, 1 Regiment Feldartillerie (wenn keine selbständige Kavalleriebrigade gebildet wird, bei der 2. Division aufserdem auch noch 2 reitende Batterien), eine Feldkompagnie Pioniere, sowie grofse sammen.
Bagage,
endlich Kolonnen und Trains zu-
Das Infanterieregiment zu 4 Bataillonen hat eine mobile Stärke von : 86 Offizieren, 4814 Mann , 140 Pferden, 49 Fahrzeugen , bei 5 Bataillonen vermehrt sich diese Stärke um 21 Offiziere , 1047 Mann, 30 Pferde, 12 Fahrzeuge und bei 6 Bataillonen auf 128 Offiziere , 6808 Mann, 73 Fahrzenge, also eine Masse, die einer Brigade gleichkommt und unmöglich von einem Regimentskommandeur übersehen und im Gefecht geleitet werden kann, zu deren Zerlegung man also gezwungen sein würde . Aus einer Division zu 3 Regimentern würde also eine solche zu 6 Regimentern, die allein an Infanterie rund 21000 Mann aufwiese. An Fahrzeugen zählt der Regimentsstab nur einen Packwagen,
der Bataillonsstab 2 zweiräderige Patronen-
wagen (dabei auch ein Packpferd für Patronennachschub) , die von der Munitionskolonne abgegeben werden , 1 Krankenwagen, 1 Packwagen, jedes Bataillon je 2 (ebenso Regimentsstab), jede Kompagnie 1 Radfahrer. Patronen- und Krankenwagen rechnen zur kleinen Bagage. Diese besteht bei den Kompagnien nur aus 1 fahrbaren Krankentrage , während die grofse Bagage 1 Kompagnie- Pack- und 1 Lebensmittelwagen umfasst. Da der Friedensstand der Kompagnie nur einen Hauptmann, 1 Leutnant des aktiven Standes zählt, so müssen bei der Mobilmachung jeder derselben 2 Milizleutnants, aufserdem 16 Milizsergenanten, bezw. Korporale überwiesen werden gegen 11 Unteroffiziere bezw . Korporale des aktiven Standes. An Patronen trägt der Mann bei sich 120, jeder der beiden Patronenkarren des Bataillons enthält 23 040 Patronen, d . h . 54 pro Gewehr (213 pro Kompagnie).
Im Kompagnie-Packkarren (grofse
Bagage, daher auf dem Gefechtsfeld doch kaum zu rechnen ) 5160 Patronen (24 pro Gewehr), zusammen 198. Rechnet man dazu den Vorrat in der Infanteriemunitionskolonne, die pro Regiment in den Munitionskolonnen der Division vertreten ist, so kommt man auf 307 Patronen pro Gewehr. Das bei den Patronenkarren des Bataillons für deren rechtzeitiges Heranziehen und Ergänzen der Bataillonskommandeur verantwortlich bleibt, - befindliche Packpferd ist bestimmt, dann
Patronen zu
der
2.
Linie
vorzubringen, wenn die
Patronenkarren nicht weit genug folgen können , der Inhalt der Patronenkarren wird dann auch den Leuten im 2. Treffen ausgehändigt. Das 6,5 cm (Mannlicher-) Gewehr von 1,287 m Länge, 4,21 Gewicht ohne Seitengewehr, rechnet kleine Entfernung bis Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 402. 21
312
Die niederländische Armee und ihre neue Kriegsgliederung .
600 m,
mittlere
von 600-1200 m,
über
800 m feuert
man mit
2 Visieren, von 400-600 gebraucht man Visier 500, unter 400 m Standvisier 300 m. Dieselbe Einteilung der Entfernungen gilt beim Karabiner, den man auf 0,95 verkürzt hat und der 3,26 kg schwer, auf dem Rücken getragen wird . Die Kavallerie wendet über 600 m 2 Visiere an. Normale Schrittlänge bei Infanterie 75 cm . Auch bei der Kavallerie ist das Tempo kurz, 100 m im Schritt, 200 m im Trab, 400 m im Galopp in der Minute . Bei Attacke gegen Infanterie wird auf 1500 m in Galopp, auf 100 m zu Marsch Marsch übergegangen. Das Husarenregiment zu 4 Eskadrons,
das
reichlicher als die
Infanterie mit Stabsoffizieren ausgestattet, da es aufser dem Regimentskommandeur noch 2 Majors oder Oberstleutnants aufweist, hat einen Stab von 32 Köpfen, 37 Pferden, als kleine Bagage nur Ordonanzen , eventuell auch Patronenwagen von der Kavallerie - Munitionskolonne , als grofse Bagage 1 Packkarren, die Eskadron 154 Köpfe (5 Offiziere), 155 Pferde, 4 Fahrzeuge stark, als kleine Bagage Ordonnanzen, Beschlagschmiede , 1 vierspännigen Vorratswagen, als grofse Bagage 1 Pack-, 1 Lebensmittel-, 1 Futterwagen. Stärke des ganzen Regiments 648 Köpfe, 657 Pferde, 17 Fahrzeuge . Den Angaben über die Kriegsstärke des Feldartillerieregiments der Divisionen seien zunächst die nötigen Daten über das neue geschickt:
Kruppsche
7,5 cm Rohrrücklaufgeschütz voraus-
Bei 7,5 cm Kaliber und 30 Kaliber - Länge wiegt das Rohr 350 (gegen 450 des alten), die Lafette 600 kg, Feuerhöhe 0,98 m, Bodendruck der Lafette 71 kg, ausgerüstete Protze 800 kg, Fahrzeuggewicht 1750 (gegen 2150) kg. Jede Protze enthält 10 Patronenkörbe zu 4 Patronen, Granate und Schrapnell wiegen je 6 kg, Schrapnell mit 270 Kugeln von 11 gr Gewicht, Gewicht der ganzen Patrone 7,65 kg, Pulverladung 445 gr, Sprengladung des Schrapnells 75 gr, Anfangsgeschwindigkeit 500 m (gegen 460 m) . Der Zünder des Schrapnells reicht bis 5600 m, Granaten können bis 6400 m Schufsweite verwendet werden. Der ausgerüstete Munitionswagen wiegt 1800 kg. Man kann bis zu 20 Schufs in der Minute erreichen . Die Nickelstahlschilde
des
Geschützes
sind
3,4 cm
stark
und
werden
auf
300 m von Gewehrgeschossen nicht durchschlagen, die Panzerung der Munitionswagen weist 3-4 cm Stärke auf. Protzen enthalten je 40, Munitionshinterwagen je 64 Schuls. Schufszahl pro Geschütz bei der Batterie unmittelbar 248 (gegen 154 früher), in der Munitionskolonne 88 Schufs. Die Einfallwinkel sind durchweg kleiner als bei dem alten Geschütz.
Die niederländische Armee und ihre neue Kriegsgliederung . Die
Gefechtsbatterie
6 Geschütze
auf,
dazu
weist
kommen
auch bei der
9 Munitionswagen .
313
Neubewaffnung An sonstigen
Fahrzeugen verfügt die Batterie
über 1 Pack-, 1 Gerätewagen, je einen Lebensmittel- und Futterwagen. Die Gliederung in kleine und grofse Bagage für die neue Batterie ist noch nicht bekannt. Jede Stärke der Batterie 142 Köpfe, 144 Pferde, 19 Fahrzeuge. Mobile Abteilung verfügt über eine leichte Munitionskolonne mit 9 Munitionswagen, so dafs auf jede Batterie noch 3 Wagen kommen und mit dem Munitionswagen der Batterie pro Geschütz 2 Munitionswagen und 1 Protze als Munitionsvorrat gewährt werden können, 248 Schufs statt 154 früher. Bei der leichten Munitionskolonne sind auch 27 Reservemannschaften vorhanden . Eine Abteilung mit leichter Munitionskolonne weist 512 Köpfe , 516 Pferde, 68 Fahrzeuge auf. Die Feldpionierkompagnie ist , mit 2 Gerätschaftskarren, 2 Patronenwagen der kleinen, 1 Lebensmittel- und 1 Packkarren der grofsen Bagage, 170 Köpfe, 17 Pferde, 6 Fahrzeuge stark. Darnach lässt sich die Stärke einer Division und ihre fehlenden Teile leicht zusammenrechnen. Die Kolonnen der Division bestehen aus : A. Infanterie - Munitionskolonnen unter Befehl eines Trainleutnants, soviele, als die Division Infanterieregimenter zählt, normal also 3. Mit unseren Munitionskolonnen-Abteilungen können sie nicht verglichen werden. Jede der 3 Infanterie- Munitionskolonnen enthält soviel Patronenkarren,
als das Regiment,
für welches sie bestimmt
ist, Kompagnien , bei Regimentern zu 5 Bataillonen also 20, die zu 24 anwachsen müssen , wenn das Regiment auf 6 Bataillone kommt. Auch die 10 bei den 5 Bataillonen selbst eingeteilten Patronenkarren rechnen in die Munitionskolonnen hinein. Einer der Munitionskolonnen sind auch ein Reserve-Patronenkarren für Pioniere und 2 Patronenkarren für Kavallerie . B. Artillerie - Munitionskolonnen , alle einem Trainleutnant unterstehend, jede von einem Korporal geführt, 6, also für jede der 6 Batterien der Artillerie der Division 1 , jede zu 6 Munitionswagen, d. h. pro Geschütz, 1 solcher, bei jeder Kolonne auch 24 Reservekanoniere. Total also bei der Division für jedes Geschütz 3 Munitionswagen . So lange die bisherigen Munitionswagen der ArtillerieMunitionskolonne aber noch nicht durch neue ersetzt sind , kann jeder von ihnen nur 88 Schufs für das 7,5 cm Geschütz aufnehmen , so dals sich also bei der Divison pro Geschütz 248 + 88 = 336 Schufs ergeben. 21*
314
Die niederländische Armee und ihre neue Kriegsgliederung.
C. Telegraphenabteilung wurde oben schon bei Stab der Division . erwähnt. D. Sanitätsabteilung , bestehend aus:
1. Stab. 2. 3 Verbandabteilungen , die zur kleinen Bagage der Truppen rechnen, so zwar dafs 1 bei gröfseren Verbänden der Avantgarde zugeteilt wird, die beiden anderen der kleinen Bagage eines Truppenteils das Gros folgen. Man kann sie ungefähr unseren Sanitätskompagnien vergleichen . Jede besitzt 5 Ärzte, 78 Krankenträger und Wärter, 1 Medizin-, 5 Krankentransport-, 2 andere Wagen. 3. Feldlazarettabteilung (grofse Bagage, bezw. Trains ) , 5 Ärzte, Apotheker, 36 Mann, je 1 Verband-, Kranken- und Gepäckwagen und im übrigen beigetriebene Fahrzeuge nach Bedarf. 4. Verpflegungsabteilung , 4 Offiziere , 152 Mann, 129 Pferde, 51 bei der Mobilmachung beigetriebene, bezw. freihändig gekaufte Fahrzeuge . 5. Pontonabteilung , 2 Offiziere, 108 Mann, 59 Pferde , 12 Fahrzeuge , darunter 8 Ponton- und 7 Bockhackets. Da das Hauptquartier auch über eine Pontonabteilung, die man nach ihrem Umfang wohl Korpsbrückentrain nennen kann , verfügt, so wären also bei der Armee aus 4 Divisionen zusammen 5 Pontonabteilungen vorhanden mit zusammen 50 Ponton- und Bockhackets . Die Brückentrains der einzelnen Divisionen können 50 m überbrücken . Schleppdampfer
Es scheint auch noch ein grofser durch
zu bewegender Brückentrain
vorhanden zu
sein, der 370 m gewöhnliche Brückenlänge liefern kann, die Feldtruppen zu benutzen vermögen. Ein Zusammenfassen der ganzen, doch nicht unbedeutenden Trains in der Hand eines einzigen verantwortlichen Führers fehlt und daraus können sich im Felde leicht Reibungen ergeben . 18
315
Die Remontierung der deutschen Armee und die Landespferdezucht.
XXIII .
Die
Remontierung
der
deutschen
Armee
und
die
Landespferdezucht.
Von E. Zobel, Generalmajor z. D.
Die Remontierung der Armeen der deutschen Staaten hat im Laufe der Zeit verschiedene Wandelungen durchzumachen gehabt. Da Deutschland kein pferdezüchtendes Land war, sich eine geregelte Pferdezucht nur auf einige wenige und kleine Landstriche, die durch klimatische und Bodenverhältnisse begünstigt waren, beschränkte , so waren die Staaten fast ohne Ausnahme gezwungen,
sich
ans Aus-
land zu wenden und von dort her das nötige Pferdematerial zu beziehen. Nur die schwer bepanzerten Ritter des Mittelalters konnten sich zum Teil im eigenen Lande beritten machen, da es bei ihren Pferden weniger auf Beweglichkeit, als auf Kraft und die Möglichkeit ankam, das schwere Gewicht mit einiger Ausdauer zu tragen .
Sie
scheinen mehr oder weniger ein Pferd besessen zu haben, was wir jetzt Kaltblut nennen
oder welches aus Kreuzungen von edlen mit
gemeinen, schweren Schlägen gewonnen war. Als aber die Panzerungen fortfielen und die Reiterei beweglicher sein musste , da wurde an geeigneten Pferden Mangel und das Ausland , namentlich der Osten, mulste aushelfen . Nur der Nordwesten der deutschen Lande Holstein, Oldenburg, Hannover und Mecklenburg
erzeugte ein brauchbares, starkes Kriegspferd . Die Kriegsherren machten es sich
bez. der Pferde im
allge-
meinen leicht, indem sie den Mann warben und ihn verpflichteten, selbst für sein Pferd zu sorgen. Dafs hierdurch sehr viel schlechte und verschiedenartige Pferde zusammenkamen, war natürlich und man sann auf Abhilfe . In Brandenburg war es Kurfürst Georg Wilhelm (1616-1640) , der zuerst einen Wandel schaffte, indem er die Kompagnie Dragoner des Oberst v. Burgdorf mit Pferden beritten machte, welche die 5 märkischen Kreise stellen mussten. Der grofse Kurfürst, der seine Kavallerie sehr vermehrte und
sie sehr beweglich machte, kaufte für sie die Pferde, wo er sie fand. Friedrich Wilhelm I.
brauchte
grofsen Kerls viele starke Pferde
wegen seiner Vorliebe für die
und bezog solche aus Hannover,
316
Die Remontierung der deutschen Armee und die Landespferdezucht.
Holstein und Jutland, während aufkaufen liefs. Selbst Friedrich der Grofse
er die leichten Pferde
in Ungarn
war auf das Ausland angewiesen
und bei dem gänzlichen Mangel an Pferden im eigenen Lande, trotz vieler Schererei noch froh, kommen zu können .
sie
überhaupt noch im Auslande be-
Oft waren an 1000 Mann mit vielen Offizieren monatelang ja bis zu einem Jahre unterwegs, selbst in fremden Staaten oder warteten an der Grenze, um die von Kommissaren aufgekauften Es waren meistens Pferde aus wilden Pferde zu übernehmen . Züchtereien aus der Ukräne, aus Taurien, aus der Krim, aus einigen Kosakendistrikten, sowie aus der Moldau , Walachei, Podolien und Bessarabien und man kann sich denken , in welchem Zustande diese Pferde nach dem monatelangen Transporte bei mangelhaftem Futter bei den Truppen ankamen . Trotzdem konnte sich der grofse König nicht entschliefsen, seine Hand an die Aufbesserung der heimatlichen Pferdezucht zu legen. Hinter seinem
Rücken
wurden
in Ostpreufsen Versuche
gemacht,
mit Hengsten, die aus dem Hofgestüt Trakehnen ausrangiert wurden , bessere Stuten der Landwirte zu decken. Aber der Erfolg war zu gering, einesteils weil die Hengste minderwertig und von verschiedener Rasse waren, anderenteils weil diese Mafsregel bei den Landwirten auf Widerstand stiefs und auch das Stutenmaterial ungeeignet war. Erst nach und nach besserte
es sich,
als das Hofgestüt Tra-
kehnen ein Staats- Zucht- und Landgestüt geworden war und in den Dienst der Landespferdezucht trat. Schon Friedrich Wilhelm II. konnte bald nach seinem Regierungsantritt eine Kabinettsorder erlassen, wonach soviel als möglich die Kavallerieregimenter ihre Pferde aus Ostpreufsen beziehen sollten. Mit grofser Sachkenntnis wurde der Bestand des Gestütes Trakehnen, der sich aus den verschiedensten Rassen zusammensetzte, gesäubert und ergänzt und durch Einstellung englischer und arabischer Vollbluthengste wurde hochedles Blut in ihn hineingebracht. Die ausrangierten Hengste und Stuten blieben meistens in der nächsten Umgegend, und da sie jedenfalls bedeutend besser waren , als das kleine , unscheinbare, allerdings dauerhafte und genugsame Heimatspferd, so hob sich zusehends der Pferdebestand der Provinz an Zahl und Güte. Schon 1791 konnten 200-300 , 1792-1794 zwischen 600 und
Die Remontierung der deutschen Armee und die Landespferdezucht. 700, 1795 schon
über 1000
317
und 1797 gegen 2000 Remonten aus
Ostpreufsen, namentlich aus Litauen und Masuren bezogen werden . Aber auch in anderen Provinzen hob sich, dank den Bemühungen
der Gestütsverwaltung, die Pferdezucht, d. h. Hengstdepots, angelegt worden .
nachdem dort Landgestüte,
In wenigen Jahren war es den Regimentern zum Teil schon möglich, sich durch Aufkauf in den Provinzen zu remontieren. Aber da sie sich hierbei gegenseitig Konkurrenz machten, so befahl der König 1797, dafs die Remonten in Ostpreulsen en bloc angekauft und den Regimentern im Oktober, nachdem jedes rangiert hatte, abgeliefert werden sollten.
70 Pferde aus-
Diese Verfügung bildet die Grundlage zu dem heutigen Remontierungssystem. Indes blieb noch ein weiter Weg zurückzulegen, bis selbst für die damalige kleine preufsische Armee und für die damalige Verwendung der Kavallerie und Artillerie nach Zahl und Güte ein hinreichendes Pferdematerial vorhanden war. Wohl kamen Mittel zur Aufbesserung der Verbältnisse in Erwägung, wie z . B. 1801 die Schaffung von Remontedepots, aber der Staat war zu arm, sie auszuführen. Dann folgten die Unglücks- und Unterdrückungsjahre 1806 bis 1812 , die nur durch die weisen Mafsregeln des Generals v. Scharnhorst gemildert wurden, welche es ermöglichten ,
dafs bei Ausbruch
des Krieges 1813 doch wenigstens einigermalsen Militärpferde vorhanden waren . Aber weder an Zahl noch an Güte konnten sie den
an sie zu stellenden Anforderungen genügen. Auch nach dem Kriege war noch Mangel an Pferden vorhanden und was zur Ergänzung in die Regimenter eingestellt werden konnte , waren junge Tiere von gewöhnlichen Schlägen, behandelt werden mussten.
die
sehr schonend
Und diese Schonungsbedürftigkeit der Militärpferde übte nach dem Kriege ihren Einfluss und zwang letztere, den schränken.
auf den Reitergeist der Kavallerie aus Hauptdienst auf die Reitbahn zu be-
Um nun zu verhindern, dafs die jungen Pferde von den Züchtern zu früh benutzt und dadurch verdorben würden , kaufte der Staat dreijährige Pension.
Fohlen
auf und
gab
sie bei
Grofsgrundbesitzern
in
Doch diese Mafsnahme wurde zu teuer und so entschlofs man sich, Königliche Domänen zu solchen Depots verwenden.
einzurichten und zu
318
Die Remontierung der deutschen Armee und die Landespferdezucht. So entstand 1821 in Treptow a. d. R. in Pommern das
Remontedepot und die Erfahrungen ,
erste
die man da machte, waren so
gute, dafs man sich zur Vermehrung solcher Depots entschlofs . Es wurden demnach bis 1836 noch 10 gegründet,
von denen
Bodenverhältnisse
mangelhaft
aber 4 wieder waren.
eingingen,
da
ihre
Hand in Hand mit der Aufbesserung der Pferdezucht, namentlich in Ostpreufsen, erzielten die Remontedepots, daſs nach und nach besseres Pferdematerial, und zwar ausschliefslich aus dem eigenem Lande, in die Armee kam. Die Pferdezucht wurde im ganzen Staatsgebiet gefördert, indem Neustadt a. d . D. neben Trakehnen noch 2 Haupt- (Zucht- ) Gestüte und Graditz - sowie in den Provinzen Landgestüte, d . h . Hengstdepots , gegründet wurden . Vor allem wurde in Ostpreufsen die Pferdezucht mit Nachdruck betrieben, wo das Haupt- und Landgestüt Trakehnen seinen Einflufs ganz besonders ausübte und wo neben ihm noch die Landgestüte Insterburg und Gadwallen mit je 80 Hengsten mitwirkten. Die erste Prüfung auf Leistung nach Zahl und Güte erfuhr die preufsische Landespferdezucht im Kriege 1866 , indem es gelang, die ganze preufsische Armee mit kriegsbrauchbaren Pferden zu versehen . Indes war der Feldzug zu kurz, um über die Ausdauer und die Genügsamkeit des preufsischen Pferdes unter schwierigen Verhältnissen ein Urteil zu erlangen . Dazu gab aber der Krieg 1870/71 eine ausgezeichnete Gelegenheit,
wie
er auch
in bezug
erbrachte, dafs Deutschland material besitzt.
auf die Zahl der Pferde den Beweis für einen Krieg genügendes Pferde-
Durch den Krieg 1864 war bereits ein gutes Pferdezuchtgebiet an den preuſsischen Staat gefallen, nämlich Schleswig-Holstein, und 1866 brachte ihm noch Hannover und eröffnete ihm noch die Zuchtgebiete in Oldenburg und Mecklenburg. Nach dem Kriege 1870/71 wurde der Landespferdezucht erhöhte Förderung zuteil, indem die Landgestüte vermehrt und in den alten mehr Hengste eingestellt wurden ;
auch wurde die Qualität der Be-
schäler dauernd verbessert, indem viel englisches Vollblut eingestellt wurde. Die Vollblutzucht hatte bereits
nach 1866 eine wichtige Um-
gestaltung erfahren, als die ganze, bisher auf sämtliche 3 Hauptgestüte verteilte Vollblutzucht in Graditz vereinigt wurde.
Die Remontierung der deutschen Armee und die Landespferdezucht. Hierdurch hob
sich
die
319
Vollblutzucht zusehends und wirkte
vorteilhaft auf die Halbblutzucht. 1876 wurde das Hauptgestüt Neustadt a. d . D. aufgelöst und nach Beberbeck verlegt, doch ist seit mehreren Jahren in Neustadt. wieder ein Zuchtgestüt in kleinerem Umfange errichtet worden, das demnächst zu einem vollwertigen Hauptgestüt
ergänzt werden soll .
Zurzeit hat Preufsen 3 , Haupt-, 2 Zucht - ¹ ) und 18 Landgestüte . Graditz , Beberbeck, Neustadt a. d. D. und
Erstere 5 (Trakehnen,
Zwion- Georgenburg) haben den Zweck, Zuchtmaterial zu erzeugen, vor allem Hengste, die dazu bestimmt sind , in den Haupt- und Landgestüten zu wirken, in letzteren, indem sie zur Deckung ländlicher Stuten benutzt werden. Während bis vor mehreren Jahren diese Hengste sämtlich dem edlen Warmblut (Voll- oder Halbblut) angehörten und der Staat mit ihnen beabsichtigte , in der Hauptsache Soldatenpferde zu züchten , ist der Staat neuerdings von dieser Einseitigkeit abgegangen und hat die Provinzen in remonte- und nicht remontezüchtende eingeteilt. Diese Einteilung ist nach den wirtschaftlichen Verhältnissen und der geschichtlichen Entwickelung der Provinzen erfolgt. Deutschland ist mit wenigen Ausnahmen kein pferdezüchtendes Land gewesen und Preufsen ist solches erst, wie wir gesehen, seit etwa 100 Jahren geworden. Seine Boden- und klimatischen Verhältnisse sind der Zucht eines edlen Pferdes im allgemeinen ungünstig und nur da, wo grofse Weiden und ein von der Nähe des Meeres beeinfluístes Klima vorhanden sind, hat sich die Pferdezucht zu einer erspriefslichen Höhe entwickelt. Auf diesen Teilen ist die Zucht eines
edlen Halbblutes
auch
gediehen und sie sind es, die die nunmehrigen Remonteprovinzen abgeben. Es sind dies Ost- und Westpreufsen , Posen und Hannover. Sie vermögen zurzeit den Bedarf an Friedensremonten vollauf zu decken . Da es aber nicht nur darauf ankommt, für die Bedürfnisse des Friedens zu sorgen, sondern einen solchen Vorrat an Pferden zu haben, wie ihn ein Krieg erfordert, wird in einigen anderen Provinzen (Pommern, Brandenburg, Schlesien) auch weiter, aber in beschränkterer Weise , gesucht, ein Soldatenpferd zu züchten .
¹) Die Zuchtgestüte haben denselben Zweck und dieselbe Einrichtung wie die Hauptgestüte, haben nur kleinere Bestände, sollen nunmehr aber auch Hauptgestüte werden .
320
Die Remontierung der deutschen Armee und die Landespferdezucht.
Diese Bestrebungen kommen in der Zuteilung nach Zahl und Gattung von Hengsten an die Landgestüte zum Ausdruck. Während in den Remonteprovinzen nur edelstes Voll- und Halbblutmaterial zur Erzeugung von Kavallerie- und Artilleriepferden verwendet wird, finden wir in den Landgestüten der anderen Provinzen ein gemischtes Hengstmaterial vor, indem die Landesgestütsverwaltung dort den landwirtschaftlichen und industriellen Verhältnissen dadurch Rechnung trägt, dafs sie gröfstenteils schwere warmblütige und eine entsprechende Anzahl kaltblütige Hengste zur Erzeugung von Gebrauchs- und Arbeitspferden einstellt. Aus nachfolgender Übersicht ist
zu
erkennen ,
wie der Staat
unter Berücksichtigung des hohen Standpunktes, den er betreffs Erhaltung der Wehrhaftigkeit des Landes zu wahren hat, auch Bedürfnisse des Landes berücksichtigt .
folgende BeKaltblut
Lfd .
1905
Halbblut
haben
Vollblut
Landgestüte
Beschäler
18 preufsischen
Zahl der
Die stände :
die
Hiervon sind
Landgestüt Nr.
170
2
168
140
4
136
194
2.
Rastenburg (Ostpreussen) Braunsberg 99
3. 4.
Georgenburg Gudwallen
5. 6.
Pr. Stargardt (Westpr.) . Marienwerder 99 Zirka (Posen) . Gnesen
200
6
194
275 227
10
265
5
122
100
•
170
3
141
26
.
170
6
107
175
3
125
57 47
140
2
75
63
1.
7. 8. 9. 10.
11. 12. 13.
Celle (Hannover) Neustadt a. D. (Brandenburg) Labes ( Pommern) Leubus (Schlesien) Cosel
15.
99 Warendorf (Westfalen) Traventhal (Schleswig-Holstein)
16. 17.
Dillenburg (Hessen- Nassau) Creuz (Sachsen)
18.
Wickrath ( Rheinprovinz )
14.
•
•
200
6
200
23
177
157
5
152
135
2
133
184
8
176
130
112
18
152
54
98
135
16
119
200
6
194
2353
722
3160
85
Die Remontierung der deutschen Armee und die Landespferdeznoht.
321
Rechnet man die in den Haupt- und Zuchtgestüten vorhandenen Hauptbeschäler, die ausnahmslos dem Voll- und Halbblut angehören, zu den Landbeschälern hinzu, so stehen 3193 Staatshengste in dem Dienst des Landes. Aufserdem stehen in den Haupt- und Zuchtgestüten noch 740 Stuten und gegen 2300 junge Pferde (Hengste und Stuten). Aus vorstehender Übersicht ersehen wir, wie der Staat bestrebt ist, in den Remonteprovinzen die Zucht zu veredeln , indem er dort 66 Vollbluthengste eingestellt hat,
von denen 58 englische, 4 ara-
bische und 4 anglo- arabische sind . Seit mehreren Jahren werden
häufig
Pferdezucht in Preuſsen zurückginge ;
Stimmen
man
stützt
laut, dafs die
sich hierbei auf
die zunehmende Pferdeeinfuhr und die geringe Ausfuhr, die allerdings zu ersterer in einem verschwindenden Verhältnis steht, denn es werden nur etwa 10000 Pferde ausgeführt, während etwa 100000 eingeführt werden. Nach statistischen Zusammenstellungen hat sich aber die Pferdezucht stetig gehoben, und wenn wir es noch zu keiner grofsen Ausfuhr gebracht haben, so liegt es eben daran, dafs Deutschland im grofsen ganzen kein pferdezüchtendes Land ist. Und was die wachsende Einfuhr betrifft, so besagt sie blofs , dafs in Deutschland nur der Bedarf an Luxus- und schweren Arbeitspferden nicht gedeckt werden kann. vorhanden. Es herrscht braucher des
An Militärpferden ist genügend
daher unter den Landwirten ,
schweren Arbeitspferdes sind,
die die
Hauptver-
eine Bewegung gegen
die breite Ausdehnung der Remontezucht. Man fufst hierbei darauf, dafs mehr als noch einmal soviel Pferde den Remontierungskommissionen vorgestellt, als angekauft werden . Das ist richtig, aber man berücksichtigt hierbei nicht, daſs ein grofser Teil der nicht angekauften Pferde
minderwertiges Material
ist, und viele Pferde mehrmals gezählt werden, indem sie, wenn sie auf dem einen Remontemarkt abgelehnt worden sind, auf anderen Märkten wieder vorgeführt werden. Plus vorhanden sein, werden kann.
damit für
Und schliefslich muls doch ein
einen Krieg
Aus nachstehender Tabelle ist zu ersehen, zelnen Landesteile
an
der
Gestellung
der Bedarf gedeckt
wie
sich
von Remonten
die ein-
beteiligen ,
wobei noch zu bemerken ist, dafs Bayern 65 % seiner Kavallerieremonten aus Ostpreuísen und 12 % seiner Artillerieremonten aus Holstein, Sachsen fast seinen ganzen Remontebedarf aus Ostpreulsen,
322
Die Remontierung der deutschen Armee und die Landespferdezucht.
Hannover und Holstein bezieht, und Württemberg seine sämtlichen Kavallerieremonten aus preufsischen Remontedepots erhält und einen Teil seiner Artillerieremonten in verschiedenen Provinzen Preufsens kauft. Im ganzen bedarf die gesamte deutsche Armee jährlich über 12500 Remonten, von denen auf Preufsen und die kleinen Staaten rund 10000 kommen.
Im
Jahre
1904
wurden
den
5 preufsischen
Remontierungs-
kommissionen auf 310 öffentlichen und 200 Privatmärkten vorgestellt und von ihnen angekauft, nach Provinzen und Staaten und der Zahl der angekauften Pferde geordnet, wie folgt :
Davon Lfd.
Es wurden Provinz oder Staat
wurden
Nr.
vorgestellt angekauft
1.
Ostpreussen Hannover
2. 3.
Mecklenburg (beide Herzogtümer ) Posen ·
4.
11771 2528
6012
2245
830
945
1777
661
5.
Westpreussen
1729
481
6.
1914
409
7.
Schleswig- Holstein Pommern •
440
190
8.
Brandenburg
535
143
9.
Schlesien
375
128
Oldenburg . Hessen-Nassau
565
105
86
28
72
24 19
10
10 . 11. 12.
•
14.
Hamburg " Elsals -Lothringen Freie Stadt Lübeck ·
•
83 24
15.
Fürstentum Lübeck
"
76
16 .
Braunschweig . Baden ·
13.
17.
Im
ganzen
·
vorgestellt:
24263,
angekauft :
11
18
4
25
3
10003.
Dazu
kommen noch 131 volljährige Kaltblüter. Zur Erläuterung vorstehender Zahlen möge noch dienen: In Ostpreufsen ist der Regierungsbezirk Gumbinnen (Litauen und Masuren) der Hauptlieferant, in Hannover der Regierungsbezirk Stade mit seinen See- und Flufsmarschen ; von den beiden Mecklenburger ist Schwerin und in Schleswig-Holstein der westliche Küsten-
Die Remontierung der deutschen Armee und die Landespferdezucht.
323
strich von Holstein (die Marsch ) der Teil, der die meisten Remonten stellt.
Aus Schleswig wurden 1904
aufser den Remonten noch 66
und aus der Rheinprovinz 65 volljährige Kaltblüter für die Bespannungsabteilungen der Fufsartillerie angekauft. Beide Schläge eignen sich für diesen Zweck sehr gut. In Posen wird ziemlich gleichmässig über die ganze Provinz und in Westpreufsen hauptsächlich in den Niederungen der Weichsel und Nogath Pferdezucht getrieben, und in den übrigen Landesteilen sind es die Striche, wo einigermafsen Weidewirtschaft herrscht. Bezüglich der beiden guten Zuchtgebiete Oldenburg und Holstein könnte man sich wundern, dafs verhältnismäfsig wenig Remonten dort gekauft werden . Das hat seinen Grund teils darin , dafs das beste Material schon als Fohlen und als Luxusware
ausgeführt
wird,
teils
darin ,
dafs
die dortigen Pferde schwere Karossiers sind, die sich wohl zu Artilleriezugpferden eignen, die aber im Frieden nur im beschränkten Mafse eingestellt werden können , da die Zugpferde sich gleichzeitig auch zu Reitpferden eignen müssen, um zur Ausbildung der Fahrer im Reiten verwendet werden zu können. Bei einer Mobilmachung sind beide Zuchtgebiete aber vorzüg liche Quellen für die Artillerie. Was Hessen- Nassau und Braunschweig betrifft, so stammen die Pferde der ersteren Provinz aus ein paar Gestüten an der hannoverschen Grenze, bezw. die braunschweigischen aus einer Enklave in der Provinz Hannover, so dafs diese Pferde zu hannoverschen Erzeugnissen gezählt werden können . In den in vorstehender Übersicht nicht genannten Provinzen und Staaten herrscht das schwere, kaltblütige Arbeitspferd vor und fallen sie somit in der Gestellung von Soldatenpferden aus . Trotzdem sind wir für den Frieden vollauf gedeckt und dürften es auch bleiben, selbst wenn die Kaltblutzucht sich in Deutschland mehr als bisher
eine Heimat verschafft.
Aber notwendig
dafs beide Zuchten getrennt voneinander bleiben
ist
es,
und die Kaltblut-
zucht vor allem nicht in diejenigen Zuchtgebiete eindringt, die bisher die Heimat des edlen Halbblutes waren. Das sind aufser unseren 4 Remonteprovinzen die beiden Grofsherzogtümer Mecklenburg, Holstein und Oldenburg und in Pommern, Brandenburg und Schlesien muls dafür gesorgt werden, dafs dort das Warmblut nicht ganz verdrängt wird, sondern immer noch als Reserve verbleibt. Nach amtlicher Feststellung hat die Ausbreitung des Kaltblutes auf die Remontierung der Armee, obgleich nach Zahl und Güte er-
324
Die Remontierung der deutschen Armee und die Landespferdezucht.
höhte Anforderungen gestellt werden, noch keinen schädlichen Einflufs ausgeübt, aber immerhin wird die Landesgestütsverwaltung auf die grofse in Szene gesetzte Bewegung für die Ausbreitung der Kaltblutzucht ein wachsames Auge haben müssen, um eine Gefahr für die Wehrhaftigkeit der Armee fern zu halten. Wie steht es
nun
mit den Bedürfnissen bei Ausbruch eines
Krieges ? 1870 rückte die gesamte deutsche Armee mit 250373 Pferden aus, von denen 187535 Stück preufsische waren. 22012 Stück wurden im Laufe des Feldzuges nachgeschickt und bei Beendigung desselben waren noch 26 603 Pferde verfügbar. Seit 1871 ist unsere Armee mit Ausnahme der Kavallerie ') aber vielfach vermehrt worden und wird daher bei Ausbruch eines Krieges
eine
gröfsere Anzahl
von Pferden
gebrauchen
als 1870,
zumal an Reitpferden, weil wir bei unserem geringen Stand an Kavallerie genötigt sein werden, eine grofse Anzahl an Reservekavallerieregimentern zu bilden. Auch die Artillerie
wird
bei
der Beweglichkeit,
der sie jetzt
fähig sein mufs , eine vermehrte Anzahl geeigneter Pferde bedürfen als 1870, kurz es werden an Zahl und Beschaffenheit der Augmen tationspferde früher.
bedeutend höhere Anforderungen zu stellen sein , wie
Der Pferdebestand im deutschen Reiche hat sich seit 1870 bedeutend gehoben und beträgt nach der letzten Reichsviehzählung rund 3 Millionen . An der Vermehrung nimmt den Prozentsatz
ein
aber das Kaltblut einen bedeuten-
und die vermehrte Einführung der Automobile
wird auch der Zahl der Luxuspferde einige Einbuíse bringen, vorläufig aber in keinem solchen Mafse, dafs sie eine Rückwirkung auf die Landespferdezucht ausüben könnte. Immerhin ist die Frage wohl berechtigt,
ob
bei
dem Umsich-
greifen der Kaltblutzucht und einem sich daraus vielleicht ergebenden Rückschritt in der Warmblutzucht bei Ausbruch eines Krieges der Bedarf an Pferden im Inlande gedeckt werden kann. Von seiten des Staates wird ja alles getan, um sich hierüber auf dem Laufenden zu erhalten und zwar durch die Pferdevormusterungskommissare,
die jährlich den Bestand der kriegsbrauch-
1 ) Es steht mit dem 1. April 1905 eine Vermehrung bevor, wenn der Reichstag sie genehmigt.
Die Kartenlupe Mikrophotoskop.
325
baren Pferde aufnehmen und nach deren Aufstellungen zurzeit noch eine genügende Anzahl von solchen Pferden die etwa 200000 Stück betragen dürfte.
vorhanden sein soll
Da Bayern, Sachsen und Württemberg noch weniger als Preuſsen zur Pferdezucht geeignet und nur imstande sind, in beschränktem Malse im eigenen Lande für die Artillerie Pferde zu stellen, so lastet im grofsen ganzen die Versorgung der deutschen Armee mit Pferden auf Preufsen und liegt daher auf den Schultern der preuſsischen Landesgestütsverwaltung die grofse Verantwortung, die Wehrhaftigkeit der Armee zu erhalten . Da zurzeit die Verwaltung in bewährter Hand liegt, in der des Oberlandstallmeisters Grafen v. Lehndorff, Exzellenz, der sich durch das Drängen der Kaltblutverfechter nicht beirren läfst, so können wir mit Vertrauen in die Zukunft sehen und die Zuversicht haben, dals das Schwert nicht schartig wird, sondern nach wie vor schneidig bleibt.
XXIV.
Die
Kartenlupe
Mikrophotoskop .
Eine jede Operation im Kriege beruht auf einem zuverlässigen Nachrichten- und Meldewesen, woran nicht nur die Generalstabsoffiziere, sondern auch die Offiziere der Kavallerie und anderer Waffen durch Erkundigungsritte und im Aufklärungsdienste beteiligt sind. Bei diesen ohne Karte auszukommen bereitet nahezu unüberwindliche Schwierigkeiten , wie dies in China wir bei unseren Schutztruppen mit genügender Deutlichkeit erleben konnten . Aber selbst in Ländern wo das Vorhandensein vortrefflichen Kartenmaterials den Aufklärungs- und Erkundungsdienst wesentlich unterstützt,
ergeben
sich für diesen namentlich bei Nacht in Sturm und Regen mancherlei Schwierigkeiten , um sich aus der gewöhnlichen Generalstabskarte zu
Die Kartenlupe Mikrophotoskop.
326
orientieren . Daher wird es von den beteiligten Kreisen im Offizierkorps freudig begrüfst werden, dafs ein kleines Instrument in den Handel gelangt,
das diesen Schwierigkeiten abhelfen und die aus-
gezeichnete Generalstabskarte ergänzen, aber keineswegs ersetzen soll. Dieses Instrument ist in der Kartenlupe Mikrophotoskop gegeben,
welche auf einem zwischen 2 Glasplatten liegenden Diapositiv das im Mafsstabe von 1 : 100000 gehaltene Blatt einer Generalstabskarte in einer Gröfse von 4 bis 5 cm darstellt . Vor diesem Diapositiv befindet sich eine Lupe, die durch Drehungen nach links oder rechts für jedes Auge eingestellt werden kann , es empfiehlt sich beim Durchsehen durch die Lupe kein anderes Augenglas zu benutzen . Die Lupe ist in einen kleinen Rahmen eingesetzt, der sich in horizontaler wie in vertikaler Weise derart hin- und herschieben läfst, dafs man jeden Punkt auf der Karte des Diapositivs unmittelbar vor das Auge bringen und etwa 175 qkm bei jeder Stellung der Lupe übersehen kann. Die Lupenkarte ist in Abständen von 2,5 km quadriert, die Quadrate sind am Rande der Karte in horizontaler Richtung mit Nummern, in vertikaler mit Buchstaben versehen, was das Auffinden eines bestimmten Punktes erleichtert. Das Diapositiv liegt lose eingeschoben und kann leicht ausgewechselt werden, auf einer anderen Sektion orientieren will.
wenn man sich
Beim Gebrauch am Tage hält man die Lupe mit dem Handgriff vor das Auge und erhält ein völlig klar beleuchtetes Kartenbild , auf dem auch die kleinste Signatur und die winzigste Bezeichnung deutlich erkennbar ist.
Für die Nacht gelangt ein besonders konstruierter
Belichtungskasten mit der elektrischen Lampe nach Art der bekannten Ever Ready zur Verwendung .
Dieser Belichtungskasten wird für den
Gebrauch bei Nacht an der Rückseite des Apparates mit diesem durch einen Stellhebel fest verbunden . Durch den Druck auf einen Knopf wird eine kleine Glühlampe in Tätigkeit gesetzt, welche die Lupenkarte taghell beleuchtet, so dafs sich auch bei trübem Wetter die Benutzung dieser Glühlampe empfiehlt. Die neuesten Apparate sind derart eingerichtet, dafs durch eine Arretierungsfeder der Knopf dauernd heruntergedrückt gehalten werden kann, wodurch ein dauerndes, oft lästig empfundenes Drücken des Knopfes vermieden wird. Um für die Glühlampe eine für etwa 12 Stunden fortgesetzt brauchbare Lichtmenge zu haben, ist eine Reservebatterie vorgesehen, die wie das Futteral eines Feldstechers oder die Kartusche am Bandelier getragen werden kann.
Wenn an dieser Stelle auf die Einzelheiten
der Konstruktion des Mikrophotoskops auch nicht eingegangen werden kann, so sei doch bemerkt, dafs durch eine weitere Verbesserung der Emulsion für die Herstellung der. Diapositive eine weitere Ver-
327
Die Kartenlupe Mikrophotoskop.
vollkommnung des Apparates inder
erreicht ist,
der Wasserläufe usw. in blauer Farbe
die
durch die Angabe er-
noch eine Steigerung
fahren hat.
15
O
4
Dant
13
14
-14
12 #
10 15 ལ་**
Welche Vorteile dieser Apparat für den im Aufklärungs- und Erkundungsdienst tätigen Offizier mit sich bringt, braucht für diesen nicht besonders bewiesen zu werden,
und es steht zu er-
warten, daſs bei der praktischen Benutzung der Kartenlupe Mikrophotoskop , über die Herr Dr. Otto H. F. Vollbehr in Halensee-Berlin, Kurfürstendamm 130 , jede nähere Auskunft bereitwilligst erteilt, sich die züge des Instruments in vollem Umfange bestätigen mögen, und Offizier damit ein Apparat in die Hand gegeben ist, der als vorteilhafte Ergänzung im Gebrauch der Generalstabskarte nur kommen gebeilsen werden kann.
2223
Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 402.
Vordem eine will-
328
Rufsland und der russisch-japanische Krieg .
XXV.
Russland
und
der
russisch -japanische
Krieg.
Von Generalmajor a. D. von Zepelin .
XI. (Abgeschlossen am 24. Februar.) Die Revolution im Innern und der Krieg aufserhalb der Grenzen des Landes, das ist die Signatur der Lage des Russischen Reiches. Wahrlich ein Bild, das das Herz eines Soldaten mit tiefem Mitgefühl ergreifen kann. Die Politik gehört nicht in den Bericht über den Krieg, da sie aber jetzt untrennbar von der Führung des Krieges wurde, so darf man sie in diesem entscheidenden Augenblicke nicht ganz unberücksichtigt lassen. Wenn es im
Zarenreiche
in
allen
Schichten des Volkes zur
Überzeugung wurde, dafs die Verwaltungsmaschine des Staates, das Tschinowniktum, einer einschneidenden Reform an Haupt und Gliedern, dafs die Sicherheit der Person, die Freiheit des Wortes und der religiösen Überzeugung den Schutz einer Magna Charta bedürfe, so erscheint es aber danach als eine entsetzliche Schwächung der kriegerischen Kraft des Reiches, dafs man seine Ziele nur erreichen zu können glaubte zu einer Zeit, wo der Krieg die Regierung in tausend Schwierigkeiten gestürzt hatte und Mittel anwandte, die von entsetzlicher Verwirrung der Begriffe zeugen. Dies gilt um so mehr, als die Ereignisse, wie sie sich zutrugen, nicht nur durch den Druck der öffentlichen Meinung, wie sie sich in Beschlüssen der Landschaftsversammlungen,
der Semstwo , der
Stadtvertretungen, der Duma, der Universitäten etc. ausspricht, sondern durch die internationale Sozialdemokratie hineingetragene ArbeiterRevolution ins Rollen gebracht wurde . Die Revolution gilt es aber mit aller Kraft niederzuschlagen, erst dann kann man an Reformen denken , die heute nach dem Vorangegangenen schon nicht mehr den Stempel der Freiwilligkeit an sich tragen. Aber die unklaren Schwärmer, die sich selbst so gerne mit dem klangvollen Titel der „ Intelligenz" bezeichnen, wollen oder können sich ein klares Bild der Lage nicht machen. eine Niederlage der
Armee war,
Wie Sewastopol zwar
aber der Beginn der Reformen
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
329
Alexanders II ., so meinen sie, sei Port Arthurs Fall der Beginn der Reformen Nikolaus II. Wie unklar sich aber die Dinge in den Köpfen spiegeln, beweist es heifst:
u . a.
folgende
Betrachtung
der
dieser
Kreise
Rufs "
in der
„Den Krieg schmachvoll zu beendigen, ist im Interesse der Zukunft Rufslands unmöglich. Die amtliche russische Macht erschöpft sich in ihren vergeblichen Bemühungen, das russische Staatsschiff durch den Sturm des Lebens und des kriegerischen Ungewitters hindurchzulenken. Ohne die Hilfe des russischen Volkes erweist es sich als unmöglich. Das russische Volk aber und die russische Gesellschaft erheben die Arme nicht, die sie haben sinken lassen. Das ist aus allem ersichtlich, aus allen grofsen und kleinen Erscheinungen des Lebens. Die Opferfreudigkeit der russischen Gesellschaft hat nachgelassen. Das Gegenteil behaupten, hiefse sich fruchtlos selbst be . trügen, die Sprache der Zahlen , namentlich in der letzten Zeit , duldet keinen Widerspruch . Der Krieg geht seinen Gang, Volk und Gesellschaft aber stehen beiseite, oder haben sich in einen Winkel verkrochen und schmollen. Wir müssen der Welt das Wunder unserer Wiedergeburt zeigen und dürfen hierzu auf keinen Fall das Ende des Krieges abwarten. Nur das neue Rufsland kann den Krieg so zu Ende führen, wie es notwendig ist. Das Bedürfnis nach einer Erneuerung war bei uns schon vor dem Kriege herangereift. Statt der erwarteten Reformen kam der Krieg, und sie auf eine so unbestimmte Zeit wie „bis zur Beendigung des Krieges aufschieben, hiefse eine Sache, die der Anspannung aller Kräfte bedarf, in eine Lage bringen, wo die alte Ordnung faktisch aufgehoben , die neue aber noch nicht ins Leben gerufen ist. Wir haben schon gesehen, welche Überraschungen diese Lage mit elementarer Gewalt zu bringen vermag, und müssen daraus die erforderliche Lehre ziehen. " Wir glaubten,
diese Auffassung, die
aber immer in ähnlichen
Variationen in Petitionen, Zeitungsartikeln, Beschlüssen von Korporationen etc. wiederkehren, zur Kennzeichnung der Stimmung im Volke, das in der Weiterführung des Krieges dem Zaren zur Seite stehen sollte, hier wiedergeben zu müssen. Und während so im Innern Revolution und Verwirrung den Zarenthron umtoben, hat sich in der Mandschurei ein neuer Akt des blutigen Dramas am Schaho abgespielt. In Libau aber hat man trotz der Störungen der Arbeiten auf den Werften der Ostsee das 3. Ergänzungsgeschwader zum Auslaufen bereit gestellt, das nunmehr die Nordsee erreicht hat. Ob Offiziere
und
Bemannung
dieses Geschwaders die nötige
Schulung erlangt haben, um mit den zum Teil nicht den Anforderungen des modernen Seekrieges nach allen Richtungen hin entsprechenden Schiffen das Übergewicht auf die russische Seite zu bringen, wird erst die Erfahrung lehren, wenn dies Geschwader sich mit dem Teile 22*
Rulsland und der russisch-japanische Krieg.
330
der russischen Flotte, welche es in den Gewässern von Madagaskar erwartet, vereinigt hat. --Einen bösen Schatten
auf die
disziplinaren Verhältnisse der
russischen Marine wirft jedenfalls der Meuterei prozefs, der Anfang Februar in Sewastopol zu Ende geführt wurde und bei dem das Marinegericht die Hauptschuldigen zur Zwangsarbeit in den Bergwerken verurteilte . Aus den Verhandlungen gehen fast unglaubDas einfache Verbot der Beurlaubung liche Tatsachen hervor. aus der Kaserne,
zu dem die Vorgesetzten wahrscheinlich bereits
durch grobe Verstöfse gegen die Disziplin gezwungen waren, hatte die Mannschaften
geradezu
zur Meuterei veranlafst.
Ein Matrose
hatte die Leute seiner Kompagnie aufgefordert, Gewehre und Munition zu nehmen und in die Stadt zu ziehen , um die Offiziere zu erschielsen, ja zwei Matrosen waren sogar in die Schiffswerkstätten gegangen, um die Arbeiter aufzufordern, mit ihnen gegen die' Offiziere vorzugehen . „ Es sei alles sorgfältig vorbereitet, jetzt soll es ernst werden . Wir werden sie mit Kugeln und Bajonett klein kriegen. "
Das ganze Kommando des „ Rostisslaw" weigerte sich auf
das Schiff zu gehen.
Erst die Drohung, dafs man sie alle erschiefsen
lassen würde, veranlafste sie, der Aufforderung des mit einer Truppe einschreitenden Offiziers zu folgen . Das sind traurige Erscheinungen in dem Augenblick, wo die Russische Marine dem letzten Entscheidungskampf um die Seeherrschaft in den Gewässern Ostasiens entgegengeht, von dem die Frage abhängt, ob der Krieg zugunsten Rufslands entschieden werden wird. Denn ohne die Erringung der Seegewalt ist der Krieg nach menschlicher Berechnung kaum zu Ungunsten des , selbst wenn auch auf dem Lande geschlagenen Japans zu entscheiden . keit dieses Erfolges Ferne.
erscheint
Aber auch die Möglich-
nach den letzten Kämpfen in weiter
Was die letzten Kämpfe am Hunho anlangt, so liegt nunmehr ein Bericht des Marschalls Oyama vor. Nach demselben hätte eine russische Division am 25. Januar Hokoutai (Heikutai ?) genommen, das von der schwachen Besatzung in der Nacht nach hartnäckigem Widerstande geräumt worden war. Die Japaner versuchten, nach dem Eintreffen von Verstärkungen Heikontai und Taopao, das die Russen besetzt hatten, zu nehmen. Allein sie trafen auf so überlegenen und hartnäckigen Widerstand, 27. Januar
sogar zum Zurückgehen
dafs
der
linke Flügel
gezwungen wurde.
am
Aber die
anscheinend zusammenhangslos , sehr tapfer ausgeführten Angriffe der Russen an diesem Tage wurden von den in der Minderheit befindlichen Japanern abgewiesen,
wobei die Russen sehr grofse Verluste
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
331
Nunmehr beschlofs Oyama in der Nacht vom 28. Januar zum Gegenstofse vorzugehen. Dieser gelang, um 1/2 10 Uhr morgens war Heikontai in den Händen der Japaner. Nach russischen Berichten haben die Russen am 25. und 26. erlitten.
eine Reihe von Ortschaften, Hailatosa, Tutaitsi , Heikontai, Tschitaitsi und Mamyka, wenn auch unter grofsen Verlusten, genommen .
Um
Sandepu (Sangtiepu) wurde hartnäckig gekämpft. Als Ergebnis der Kämpfe aber mufste General Kuropatkin berichten, dafs sein rechter Flügel über den Hunho zurückgegangen sei, sich dort aber gehalten , ja sogar von neuem den Feind aus einzelnen der am linken, westlichen Ufer gelegenen Ortschaften vertrieben habe. Die Russen haben einige Hundert Gefangene gemacht, anscheinend aber sehr bedeutende Verluste an Toten und Verwundeten erlitten . Sie haben sich in Tschantan und Heikontai auf dem linken Ufer des Hunho verschanzt. Nach einem Telegramm des Chefs des Sanitätswesens der Mandschurischen Armee aus Sachetun vom 5. Februar sind in der Zeit von der gevom 26. Januar bis zum 3. Februar in Mukden samten Mandschurischen
Armee
231
verwundete
8409 verwundete Mannschaften eingetroffen. auf grofse Verluste
und
in jenen Kämpfen schliefsen lassen und den
japanischen Meldungen Recht geben, die hätten 10 000, sie 7000 Mann verloren.¹ ) Die in den
Offiziere
Dies würde immerhin
ersten
acht Tagen
behaupten , die
des Februars
im
Russen
„ Russkij
Inwalid" mitgeteilte Verlustliste gibt allein die Namen von 409 gefallenen, verwundeten oder vermifsten Offizieren an. Am
15.
Februar haben nun
die
Russen,
nach japanischen
Meldungen, eine neue Unternehmung in grofsem Stile mit groſsen die Japaner sprechen von 9000 Mann ―― beKavalleriemassen gonnen. Sie wurden an diesem Tage etwa 30 ( englische ?) Meilen westlich Ljaojan gemeldet. Während
auf der
ganzen
Front
am
Schaho
kleine
Unter-
nehmungen fortdauern, die von russischer Seite meist durch von den 1 ) Während dieser Bericht in den Druck geht , bringen russische Zeitungen Aufklärungen, die General Grippenberg, der anscheinend abberufen ist, auf seiner Reise nach St. Petersburg Zeitungskorrespondenten über seine Führung an diesem Tage und sein Verhältnis zum General Kuropatkin gegeben haben soll. Wir nehmen zur Ehre des Generals an, dafs er einen solchen Verstofs gegen die Gesinnung des Offiziers, namentlich eines so hohen Führers, nicht begangen hat. Aus den ihm zugeschriebenen Äufserungen würde hervorgehen, dafs er mit seiner Armee die wichtige Stellung Hokutai- Sandepu genommen hatte, sie aber, weil ihm der Oberbefehlshaber die erbetene Unterstützung nicht sandte, aufzugeben genötigt war. Hierauf hätte er seine Enthebung vom Kommando erbeten.
Russland und der russisch-japanische Krieg.
332 Vorposten
ausgesandte sogenannte Jagd- oder Freiwilligenkommandos ausgeführt werden , scheinen die Japaner die von Port Arthur
herangeschaffte
schwere Artillerie zur Verstärkung ihrer befestigten Stellung zu verwenden. Auch hat man mit ihr die von den Russen besetzte Stellung auf dem Putilowhügel einer ernsteren Beschielsung ausgesetzt. Diese kleinen Unternehmungen des russischen Oberkommandanten auch von japanischer Seite werden übrigens solche gemeldet sind dadurch zu erklären, dafs er bei dem langen Verharren in einer Passivität, wenn man anders das andauernde Lagern in Erdhütten hinter verschanzten Stellungen bei einer eisigen Kälte nennen darf, seine Truppen nicht der Offensive entwöhnen will.
so
Freilich fällt die Bewegung der 2. Armee unter dem General Grippenberg aus den Unternehmungen dieser Art heraus. Es ist, wie gesagt, schwer zu verstehen,
ob gegen den Willen des Oberkom-
mandos sich hier Gefechte gröfsten Stils entwickelten,
oder ob der
Angriff auf den linken Flügel der Japaner mit unzureichenden Kräften unternommen war und von dem übrigen Teil der russischen Stellung aus nicht genügend unterstützt war. Die fernere Frage bleibt offen : Wann wird die Spannung, die sich in so grofser Nähe stattfindende tatenlose Gegenüberliegen der so starken Armeen zu einer Schlacht führen muſs,
durch das
ihre Lösung finden ? Von Wichtigkeit dürfte eine Meldung sein , die vom 17. Februar aus dem Hauptquartier der Mandschurischen Armee datiert ist . Es haben sich nach derselben in der Südostmandschurei Chunchusenbanden bemerkbar gemacht, die von Japanern organisiert, die Stärke von 11 000 Mann erreichten. Anscheinend haben dieselben das Feld ihrer Tätigkeit in das durch die beiden Zweige der Mandschurischen Eisenbahn gebildeten Dreieck verlegt, dessen nördliche Spitze Charbin ist. Sie wären so in der Lage, auch den nach Wladiwostok führenden Zweig der Bahn, der von Charbin ausgehend, sich bei Nikolssk - Ussurijssk an die von Chabarowsk nach Wladiwostok führende Ussuri-Bahn anschliefst, zu unterbrechen, ein im jetzigen Zeitpunkt, wo es voraussichtlich gilt, das zur See blockierte Wladiwostok für die etwa in Aussicht stehende Belagerung mit Vorräten, Munition usw.
auszustatten , sehr störendes Unternehmen .
Die Gegend von Guntschulin oder Huntschulin, gröfserer Ort und Station zwischen Telin und Charbin, nordöstlich Mukden, sollen stärkere Abteilungen aller Waffen erreicht haben, um nach der Vertreibung einer sich ihnen entgegenstellenden russischen Abteilung,
Ruisland und der russisch-japanische Krieg.
333
die neben empfindlichen Verlusten an Toten und Verwundeten auch ein Geschütz verlor, die Bahn zu unterbrechen.
Die Russen haben es bisher vortrefflich verstanden, ihre so lange und so empfindliche Etappenlinie zu schützen . Chunchusenbanden haben ja stets ihr Wesen in der Mandschurei getrieben, sind aber bisher an gröfseren dauernden Störungen der Bahn stets verhindert worden. Dals
mit dem Vorschreiten der Japaner und den Niederlagen ursprünglich den Japanern keineswegs geneigte
der Russen die
chinesische Bevölkerung ihre Zurückhaltung mehr und mehr aufgeben wird, liegt nabe. Es steht freilich zu erwarten, dafs man, russischerseits hierauf vorbereitet, nicht zögern wird, die nötigen Abwehrmalsregeln
zu treffen . Vergessen darf man freilich nicht, daſs es einem energischen , von der Bevölkerung unterstützten Gegner nicht schwer fallen kann, eine ausgedehnte Bahnlinie, in einem so unwirtlichen Lande zu unterbrechen. ')
Die Russen sollen übrigens nach den neuesten Nachrichten ihre Front ausdehnen und sich auf beiden Flügeln verstärken, gleichsam, als wollten sie zu umfassendem Angriffe vorgehen. Den rechten Flügel am Hunho bildet die bisher unter dem Befehl des nach St. Petersburg abberufenen General Grippenberg, jetzt unter dem des Generals der Kavallerie Baron Kaulbars stehende zweite Armee. Zu ihr gehören das 1. sibirische Armeekorps, General Baron
Stackelberg, das
8. Armeekorps,
General Mylow, und
das
10. Armeekorps, General Zerpitzkij , zwei Europäische Schützenbrigaden und eine aufserordentlich starke Kavallerie ( 9 bis 10 000 Pferde ?). Man scheint auf dem rechten Flügel die Hauptmasse dieser Waffe
zusammengezogen zu haben ;
es hat dies auch um so
1 ) Eine spätere Depesche stellt den Vorgang anders und günstiger für die Russen dar. Hiernach wären auch die Angreifer aus der südöstlichen Mongolei gekommen. Der russische General Lenitzkij mit einer in ihrer Stärke nicht näher bezeichneten Abteilung der Grenzwache (Schutzwache der Bahn) wäre gegen sie vorgesandt „zur Rekognoszierung“, aber auf so starke Kräfte japanischer Truppen gestofsen, dafs er sich zurückmit 90 ziehen musste. Hierbei soll einem Offizier - Bojarinoff Mann der Auftrag erteilt worden sein, den Rückzug zu decken . Die Meldung, derselbe hätte, obwohl von 6 Eskadrons und 1000 Mann Infanterie der Japaner eingeschlossen, sich nicht allein glücklich durchgeschlagen, sondern auch eine Eskadron des Feindes vernichtet, erscheint ebenso unwahrscheinlich, wie die Angabe, die Chunchusen hätten sich zwischen den Stationen Guntschulin und Kuche wzy (Kuandtschentsi ?) gezeigt und die Brücke bei Fontsetun am 12. Februar angegriffen, es unklar läfst, ob diese Brücke zerstört und die Bahn unterbrochen sei.
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
334
mehr Wahrscheinlichkeit, als im Zentrum und auf dem linken Flügel Das Zentrum das Gelände eine Verwendung kaum gestattet. bildet die 3. Armee ,
bisher unter dem General Baron Kaulbars,
jetzt nach Zeitungsnachrichten
unter General Bilderling, dem bis-
herigen Kommandierenden General des 17. Armeekorps. Zu dieser gehören das 1. Armeekorps, General Baron Meyendorf, das 16 . Armeekorps, General Topornin, das 17. Armeekorps, das 4. sibirische Armeekorps, General Sarubajew und eine europäische Schützenbrigade. Auf dem linken Flügel steht die 1. Armee , General Linewitsch: das 2. sibirische Armeekorps, General Sassulitsch,
das
3. sibirische Armeekorps, General Iwanow, das 5. sibirische Armeekorps, General Dembowskij . ― Das 6. Armeekorps scheint der 2. Armee zur zu sein.
Verstärkung
des rechten
Flügels
zugeteilt worden
Die Gesamtstärke aller dieser Truppen ist bei der Unbekanntheit der genauen Verlustziffer, des Krankenstandes usw. schwer richtig zu schätzen. Russische Quellen geben sie für die 11 Armeekorps und die besonderen Formationen, Kavallerie usw. auf 350 000 Mann an. Von japanischer Seite ist man bisher mit Angaben über Stärke, Zusammensetzung und Verluste sehr zurückhaltend gewesen. Russischerseits
hat man
aber auf
Grund der gemachten Ge-
fangenen und anderer Orientierungen sich ein ziemlich klares Bild von der Verteilung der japanischen Truppen in ihren Stellungen schaffen können. Hiernach wäre die Gruppierung der japanischen Streitkräfte südlich Mukden folgende : Auf dem rechten Flügel steht die „ rechte Flügelarmee " , wahrscheinlich unter General Kuroki : die Gardedivision, die 2. Felddivision mit ihrer Reservebrigade, die 12. Felddivision mit ihrer Reservebrigade, die 5. und die 9. Reservebrigade, zusammen wohl 76 Bataillone , 11 Eskadrons und 198 Feldgeschütze. Man nimmt an, dafs diese Armee seit den Gefechten um Ljaojau noch durch die
2. selbständige
Kavalleriebrigade und eine Feld-
artilleriebrigade von 3 Regimentern, im ganzen 8 Eskadrons und 108 (?) Geschütze verstärkt wurde , so dafs die rechte Flügelarmee 76 Bataillone, 19 Eskadrons und 306 Feldgeschütze zählen würde mit einem Mannschaftsstande von 70-80000 Köpfen. Ihre
Stellung erstreckt sich von Linschin-pu über Putzaowa,
Janschuten, Bjanjupusa, Tabegu , Uinjunein östlich von Bensichu. Eine detachierte Abteilung tschan -Sintsjntin.
operiert in der
Richtung
Saimatsu - Tsjan-
Rufsland und der russisch-japanische Krieg. Über
335
die Stellung und die Zusammensetzung der Armeen des
Zentrums und des linken Flügels, welche die Generale Nodsu und Oku befehligen sind wir weniger orientiert. Man kann aber annehmen, dafs mit dem anscheinend nach den letzten Kämpfen bei Sandepu eingetroffenen Truppen des Generals Nogi 8 Felddivisionen und ebenso viele Reservebrigaden diese beiden Armeen bilden, Die Armee des Zentrums unter General Nodsu steht in der verhältnismässig schmalen Front zwischen Tschuan- lintsju und Dauotuan. Sie scheint auch zugleich die Bestimmung zu haben nach Art einer allgemeinen Reserve zur Unterstützung der Flügelarmeen zu dienen. Ihre Stärke wird auf 3 Felddivisionen und 3 bis 4 Reservebrigaden geschätzt. Die Russen haben bei ihr auch Gefangene vom 14. Artillerieregiment der 1. selbständigen Artilleriebrigade gemacht, worauf man auf die Verstärkung der Artillerie schliefst. 65000 Mann mit 198 Geschützen enthalten.
Diese Armee soll etwa
Die Armee des linken Flügels , zu der auch die Truppen aus Port Arthur gehören werden, nehmen die russischen Quellen zu 5½ Felddivisionen und 4 Reservebrigaden an und rechnen für sie aufser der Reservekavallerie und den Bataillonen der TerritorialArmee 98 Bataillone, 23 Eskadrons und 342 Geschütze, über 100000 Mann. Diese Armee wird von General Oku befehligt . Wir sind weit davon entfernt, die Angaben nach allen Richtungen hin für zutreffend zu halten . Es sei auch dahin gestellt, ob die von anderer Seite als Gesamtstärke aller Armeen gegebenen Zahlen ――― 270000 Mann mit 850 Feldgeschützen —- der Wahrheit entspricht. Es können die Stärkezahlen durch Verluste, auch an Kranken , sehr verringert worden sein, es können aber auch Ersatztruppen in gröfserer Menge
eingetroffen sein .
Auch wird Japan schwere Ge-
schütze in die Stellungen geschafft haben. Ganz richtig mag nur das eine sein, dafs das Übergewicht der Zahl sich allmählich auf die Seite der Russen zu neigen beginnt. Ob Japan daher in der Lage sein dürfte, stärkere Truppen zur Belagerung von Wladiwostok zu verwenden, dessen Hafen, nach den vielen genommenen Prisen zu urteilen, neuerdings enger blockiert ist, sei dahingestellt. Wir werden uns
mit diesem Teile des Kriegsschauplatzes in
unserem nächsten Bericht beschäftigen.
Umschau.
336
Umschau.
Italien .
Armee nach
Nach Einstellung der Rekruten,
die
am
8. Januar
bei den
Jahrgängen . Truppenteilen eintrafen , setzt sich die Armee nach Jahrgängen wie folgt zusammen :
A) aktive
1884-1876 , weitere
Armee
und
Reserve
Jahrgänge
Jahrgänge 1884-1872 der Artilleriearbeiter,
1884-1875 der Carabinieri und der Kavallerie mit 4jähriger Dienstzeit. B) Landwehr Jahrgänge 1875-1872 2. Kategorie aller Waffen . Die
C) Landsturm Leute I. und II. Kategorie (ausgebildet) . Jahrgänge 1871-1866, 1871-1866 der Artilleriearbeiter,
1884-1875 der Carabinieri, ferner alle Leute III . Kategorie (direkt dem Landsturm überwiesen un ausgebildet), die Jahrgänge 1884-1866. Man darf mit Bestimmtheit annehmen, dafs man von dem System der bezirksweisen
oder teilweisen
bezirksweisen
Ergänzung,
die
ligurische. lombardische etc. Regimenter lieferte, endgültig abgekommen ist und zur nationalen Ergänzung für den Frieden zurückkehrt, ebenso zu den Garnisonwechseln.
Neuordnung
Ein königliches Dekret hat soeben die bisherigen Bestimmungen der Zentral- für die Zentralmagazine nicht unwesentlich geändert . Die Zentralmagazine. magazine in Turin, Florenz, Neapel sind bestimmt , Tuche und die wichtigsten
Materialien
für die
Bekleidung und
Ausrüstung der
Truppen, des Sanitäts- und Verpflegungsdienstes, Lazarett- und Kaserneneinrichtung zu liefern . Bei dem Zentralmagazin in Turin bestehen aufserdem Handwerksstätten, die Proben von Bekleidungsund Ausrüstungsstücken fertig stellen.
Jedem Zentralmagazin wird
ein Verwaltungsbureau für die Geldmittel und Materialien zugeteilt. Intendanturoffiziere sind vorhanden zur Abnahme der Stoffe und fertigen Stücke, die in die Magazine aufgenommen werden. Das Personal der
3 Zentralmagazine besteht aus 3 Zahlmeistermajors ,
je 4 Hauptleuten und Leutnants, 11 Kommissaren (Hauptleute) , 25 Sekretäroffizieren , 388 Arbeitern . Die Offiziere gehören zu der Intendantur,
welcher die betreffenden Magazine unterstellt sind.
Die
Neueinteilung ist am 1. Januar 1905 in Kraft getreten . Offiziere und Der Kriegsminister Pedotti wird baldigst, wahrscheinlich noch Untervor dem neuen Rekrutierungsgesetz , ein Gesetz betreffend den offiziere. 29 Offizierstand " vorlegen. Das Gesetz von 1852 deckt sich nicht mehr mit den unterdes geänderten organischen Bestimmungen. Ebenso beabsichtigt der Kriegsminister dem Parlament einige Änderungen
Umschau.
zum Unteroffiziergesetz vorzulegen,
337
dahin zielend, dafs die Laufbahn
etwas beschleunigt wird und eine Verbesserung der heutigen Bestimmungen eintritt, die zur Zivilanstellung berechtigten Unteroffiziere nicht mit schmalen Mitteln solange warten müssen , ehe sie eine Versorgung erlangen. Wie im letzten Bericht schon gemeldet, ist der Voranschlag für Heereserfordernis 1905/06 dem Parlament bereits zugegangen (s . v . Bericht) .
Die Gründe, warum sich vom Marinebudget nicht dasselbe
melden liefs, werden jetzt klar. ') nämlich
dem
zur
Aufstellung
Der Marineminister Mirabello hat
der Beförderungs- Vorschlagslisten in
Rom versammelten Admiralsausschusse verschiedene Fragen vorgelegt, die sich auf die Flotten erweiterung und den Terminen, bis zu welchen sie durchzuführen wäre , bezogen. Der Admiralsausschuss hat sein Gutachten wie folgt abgegeben : A) Die Studien und Versuche betreffend die Unterseeboote seien mit grofsem Nachdruck zu betreiben. B) Notwendig sei die Beschleunigung des Baues von gefechtskräftigen Panzerkreuzern mit starker Artillerie. C) In Venedig sei schleunigst ein Blokadebrecher, wie ihn andere Staaten besäfsen, in Bau zu legen und zwar nach den vorliegenden Zeichnungen, ein sehr schnelles Schiff, das besonders auch bestimmt ist, Torpedoboote und Torpedobootsjäger zu vernichten. Der demnächst zu veröffentliche Bericht des MarineuntersuchungsAusschusses stellt nicht nur fest, dafs alle gegen die Marineverwaltung erhobenen Anklagen verleumderisch und erlogen sind , sondern auch die absolute Unbestechlichkeit, die Sorgfalt, den Eifer und die Umsicht, mit welcher verfahren worden ist, so zwar, dafs die Marineverwaltung als Muster dienen könne. Der Bericht empfiehlt, alle Mittel, die man flüssig machen könne, zur Erweiterung der Flottenkräfte zu verwenden, damit diese nachdrücklich die Interessen des Landes vertreten könnten. Vorschlägen
Der Ausschufs kommt ferner zu folgenden
1. Verminderung der Zahl der heute vorhandenen Ar-
senale, 2. Bereitlegen der ganzen für einen Krieg notwendigen Koblenvorräte, 3. Ersatz des nicht mehr modernen Anforderungen entsprechenden Schiffsmaterials
durch neue,
also
Steigerung
der
Mittel im Kapitel „ Schiffsersatzbau “. Das Gesetz, betreffend Vermehrung der offiziere, ist in
Bezüge
der Marine-
der Gazzetta Ufficiale vom 6. Januar bekannt ge-
geben worden. Der Jahrgang 1884 des Corpo Reali Equipaggi wird in der Zeit vom 30. Januar bis 18. Februar eingestellt. Aktiv 1) Der Voranschlag für das Marinebudget 1905/06 ist während des Druckes bekannt gegeben worden. Wir verweisen auf den nächsten Bericht.
Marine.
Umschau .
338
dienende Leute des Corpo Reali Equipaggi von militärischer Brauchbarkeit und sehr guter Führung können , wenn sie 3 Monate vor dem Entlassungstermin darum nachsuchen, auf 2 Jahre oder auf 3 Jahre kapitulieren und erhalten dann eine Prämie. Ebenso können auch Leute, die noch nicht über 3 Monate ausgeschieden sind , mit dem früher innegehabten Dienstgrade wieder eintreten und erhalten als Prämie dann die Summe, die sie als Sold bezogen hätten , wenn sie statt ausgeschieden , nur beurlaubt gewesen wären . Für Mannschaften der Marine mit Unteroffizierrang, die zivilversorgungsberechtigt sind, hat in der letzten Zeit ein königliches Dekret wieder eine Reihe von Stellen im Hafendienst verfügbar gemacht. Die Linienschiffe Roma und Napoli des Typs Vittorio Emanuele , die
in
Spezia und
Regina Elena
Neapel im Bau sind (Vittorio Emanuele und
befinden
sich im
Ausrüstungsstadium),
werden
in
diesem Frühjahr vom Stapel laufen, die Ausrüstung soll beschleunigt werden. 18
Frankreich. Versuche In der Februarumschau war über französische Schiefsversuche mit einem 155 mm- berichtet worden, die der Erprobung eines neuen 240 mm-KüstenGeschütz. geschützes galten. Jetzt bringt die französische Presse Nachrichten von Versuchen mit einem neuen 155 mm- Geschütz, die auf dem Artillerieschiefsplatz von Biard in der Nähe von Poitiers stattgefunden haben . Bei der strengen Geheimhaltung, mit der man in Frankreich derartige Versuche neuen Materials stets vorzunehmen weifs, sind diese Nachrichten allerdings sehr ungenau , zumal sie aufserdem noch von Laien herrühren . Nach ihnen soll es sich um ein Geschütz für die Armierung der Panzertürme der Forts der ersten Linie handeln ; Erfinder des
Geschützes
soll der Major Rimailho sein.
Das Geschütz soll
das bisherige de Bange- Dienstgeschütz gleichen Kalibers in seinen Leistungen weit übertreffen. Versucht wurden zwei Geschütze . W.
Berteaux'
Die Erlasse
des
auch im Kabinet Rouvier seinen Posten be-
letzte Er- haltenden Kriegsministers Berteaux betreffend die Eignungs- und lasse über die Personal- Personalberichte der Offiziere stammen sämtlich vom 13. Januar 1905 . berichte der Der erste bezieht sich auf die Beseitigung der geheimen Notizen zu Offiziere . den genannten Berichten, die „ notes secrètes ". Nachdem der Kriegsminister zunächst darauf hingewiesen, dafs er beim Antritt seines Amtes erklärt, im Kriegsministerium existierte auch nicht ein Angabezettel mehr, sie seien alle verbrannt und weiter zugesagt, dafs den Offizieren
Umschau. in Zukunft von
allen
339
sie betreffenden Berichten und Notizen volle
Kenntnis gegeben werden solle, fährt der erste Erlafs fort : „ Alle Personalfragen sollen in Zukunft ohne Geheimnis mit der grössten Gerechtigkeit und dem gröfstem Wohlwollen behandelt werden und ich habe deshalb bestimmt, dafs jeder Offizier in Zukunft von jedem durch seinen Vorgesetzten über ihn abgegebenen Urteile in Kenntnis zu setzen ist, wann
dieses
Urteil
auch abgegeben sein mag, sobald es auf die
Laufbahn des Offiziers irgend welchen Einflufs üben kann. “ Die Bestimmungen gehen nun dahin, dafs jeder Vorgesetzte, der einen Offizier zu beurteilen hat, ibm sein Urteil im Original mitteilt und der Offizier die Kenntnisnahme am Rande durch Unterschrift bescheinigt. Die Beurteilung soll durch die Zahlen 1-20 ausgedrückt werden. Nach denselben Grundsätzen soll bei den Personalbogen und bei den Auszügen, die für die Aufstellung der Beförderungsliste zu machen sind, verfahren werden (s. 2. Erlafs) die auch die Nummern der Rangierung in den Beförderungsvorschlägen, die von den verschiedenen Vorgesetzten gegeben worden sind, enthalten. Soll über einen Offizier berichtet werden , so haben ihm die Vorgesetzten Kenntnis zu geben von etwaigen Bemängelungen und von ihnen eine Aufklärung zu verlangen. Erst nachdem sie von dieser Kenntnis genommen, dürfen sie ein
endgültiges Urteil abgeben , sie haben aufserdem den auf-
klärenden Bericht des Offiziers beizulegen . Es wird auf strengste verboten , Beurteilungen , Notizen oder Auskünfte über einen Offizier anderswo , als in offiziellen Schriftstücken niederzulegen. welche
Damit kommen wir zu
den
geheimen
Notizen,
es zweckmäfsig ist, einige Worte zu sagen .
über
Nach franzö-
sischen Fachblättern bestehen diese geheimen Notizen zum Teil aus anonymen Briefen von verschmähten Cocotten, neidischen Nachbarn , entlassenen
Dienstboten
betreffend
Lebensweise,
Ansichten,
Be-
ziehungen von Offizieren, die manche Vorgesetze, ohne überhaupt den Offizier zu befragen, ohne die Richtigkeit der anonymen Denunziation zu prüfen, den Personalpapieren beilegen und die höhere Vorgesetzte dann als bare Münze , als zuverlässige Angaben betrachten . Die berüchtigten reclamations au colonel " haben manchen Offizier in ungerechtester Weise seine Laufbahn verdorben . Berteaux' Anordnung, die geheimen Notizen zu streichen, keine Bemängelung einzutragen, ohne dafs man dem Offizier die Möglichkeit einer Aufklärung gegeben, wird vom Offizierkorps daher dankbar empfunden , sie hebt auch die Stellung des Offiziers gegenüber der Allgemeinheit und gibt ihr mehr Sicherheit. Die Anordnung, dafs dem Offizier Einsicht in seine Eignungs- und Personalpapiere gegeben auch nicht nur Lichtseiten .
werden
mufs, hat freilich
Zahlreiche Vorgesetzte werden sich da-
Umschau.
340
durch abhalten lassen, überhaupt Bemängelungen einzutragen, die sich auf die dienstliche Brauchbarkeit ihrer Offiziere beziehen, die Berichte werden leicht nur weifse Salbe werden , andererseits werden diejenigen, die eine scharfe aber gerechte Kritik über ihre Offiziere in den Berichten üben, sich leicht Feindseligkeiten zuziehen, denn an einen Mangel an Eignung glaubt bei sich selbst so leicht keiner. Ohne das Gezwungensein zur Bekanntgabe ihrer Urteile würden die Vorgesetzten sonst an Autorität gewinnen, der Untergebene weifs , dafs in Zukunft seine Laufbahn von ihrer Beurteilung abhängig ist und dals es ihm nicht mehr, wie bisher, durch geheime Beziehungen möglich ist, gegen einen Vorgesetzten zu intriguieren, und diesen zu schaden .
Hauptleute mit guten Beziehungen sind
in
Frankreich
bis jetzt häufig Regimentskommandeuren recht unbequem geworden . Um nach allen Richtungen die beabsichtigten Mafsnahmen durchzuführen so fährt der 1. Erlafs fort - erscheint es geboten, dem Offizier in alle seine
Person betreffenden
Papiere,
die
sich
in der Hand des Regimentskommandeurs befinden, Einsicht zu geben . Das hat zum ersten Male nach Abschlufs der Beurteilung 1905 und zwar in der Zeit vom 1. Oktober bis 1. Januar 1906 zu erfolgen. Ein neuer Erlafs wird die näheren Anorderungen dafür treffen , den Offizieren die Überzeugung zu verschaffen, dafs die im Ministerium bei den Direktionen für die einzelnen Waffen und bei den Regimentern liegenden Personalakten genau übereinstimmen . In Gemäſsheit der Erklärungen des Ministerpräsidenten will der Kriegsminister auch ferner bei Offizieren, die für die Besetzung bestimmter Stellen ausersehen sind, bei dem Präfekten Auskunft über ihre politische Haltung einholen können . Obwohl das Ergebnis dieser Auskunft nicht in die Personalpapiere eingetragen wird, soll den betreffenden Offizieren , auch wenn das Ergebnis
irgendwie
teilung gemacht werden .
auf ihre Die
Laufbahn
einwirken kann,
Mit-
für die Offiziere geltenden Bestim-
mungen sollen auch auf die Eintragungen Anwendung finden . die in die Papiere der kapitulierenden Unteroffiziere , welche auf die Beförderung zum Unterleutnant Anspruch machen, gemacht werden . Auch den Offizieren des Beurlaubtenstandes wird von ihrer Beurteilung durch die Vorgesetzten Mitteilung gemacht. Aus dem 2. Erlafs, der Ausführungsbestimmungen zum 1. enthält, heben wir nur einige besonders beachtenswerte Punkte hervor. Da infolge der Geheimhaltung der bisher in die Personalakten eingetragenen Beurteilungen die beurteilenden Vorgesetzten ihre allgemeinen oder besonderen Urteile über Auftreten, Leistungen im Dienst, Intelligenz, Beziehungen der Offiziere stellenweise in einer Form ge . halten haben, die sie nicht gewählt haben würden, wenn die Urteile
Umschau.
341
den Offizieren mitgeteilt werden sollten , so sollen Urteile,
die
für
die Offiziere verletzend sein könnten , einer nochmaligen Überprüfung unterworfen werden . Die Regimentskommandeure haben diese Überprüfung mit Sorgfalt zu vollziehen, das was sie gestrichen haben. wollen, mit Rot zu unterstreichen und dann die Personalakten auf dem
Dienstwege an den kommandierenden
General gelangen
zu
lassen. Dieser bringt seine Entscheidung am Rande zum Ausdruck . Der Regimentskommandeur schreibt die Berichte dann unter Berücksichtigung der Entscheidung des kommandierenden Generals zweimal ab, gibt den betreffenden Offizieren von beiden Abschriften Kenntnis , die sie durch ihre Unterschrift am Rande bescheinigen und sendet eine Abschrift an den kommandierenden General , der sie an die
Waffendirektionen
im
Kriegsministerium
weitergibt.
Die
andere wird beim Regiment aufbewahrt, die an die Waffendirektionen eingereichten werden mit den alten, durch Streichungen geänderten Berichten dem Kriegsminister vorgelegt . Die alten Berichte werden dann durch die Waffendirektionen verbrannt und ist darüber eine Verhandlung aufzunehmen .
Sind Streichungen über-
haupt nicht eingetreten, so wird nur eine Abschrift gemacht und das Original dem Ministerium übersandt. Die Änderung der bisherigen Personalakten mufs bis zum 1. Juli 1905 durch die Regimentskommandeure, die Einreichung der Abschriften an das Kriegsministerium bis zum 31. Dezember 1905 beendet sein . Die kommandierenden Generale dürfen die Entscheidung bezüglich der von den Regimentskommandeuren bewirkten Streichungen für die Offiziere , die der Division unterstehen, den Divisionskommandeuren übertragen .
Der
3. Erlafs behandelt die neue Einteilung der Personalpapiere der Offiziere und die Vernichtung der verbesserten alten Qualifikationsund Personalpapiere. Wenn man von der in den leitenden Kreisen bestehenden An- Jahrgang 1904. nahme ausgeht , das Gesetz betreffend die 2jährige Dienstzeit im April 1905 spätestens von beiden Häusern des Parlaments genehmigt zu sehen, so wird der Jahrgang 1904, obwohl nach dem Gesetz von 1889 noch auf 3 Jahre ausgehoben, doch schon nach 2 Jahren aktiver Dienstzeit entlassen werden müssen . Das ist auch der Grund dafür, daſs Berteaux den Präfekten mitgeteilt, der Jahrgang 1904 werde schon im Oktober 1905 zur Einstellung kommen , die Rekrutenvakanz also wesentlich gekürzt werden .
Im Oktober 1905 wird man
dann unter den Waffen haben 3 Jahrgänge, die nach dem Gesetz von
1889
ausgehoben
sind,
bei
denen
also
die
Bestimmungen
über die Dispense noch gelten, die Jahrgänge 1902, 1903 , 1904. Im Oktober 1906 hat man unter den Waffen Jahrgang 1903, 1904
Umschau.
342 nach dem
alten Gesetz,
1905 nach dem neuen Gesetz, im Okto-
ber 1907 dagegen würden unter den Waffen sein Jahrgang 1904 nach dem alten, 1905 und 1906 nach dem neuen Gesetz. Da aber 2 Jahrgänge stärke
nach dem neuen Gesetz die heutige Durchschnittsist-
ergeben sollen, so mufs unbedingt der noch nach dem alten
ausgehobene Jahrgang 1904 entlassen werden, wenn man nicht die Durchschnittsiststärke wesentlich überschreiten und das Kriegsbudget bedeutend erhöhen will . Bezüglich Entlassung des Jahrgangs 1904 schon nach 2 Jahren aktiver Dienstzeit für den Fall des Inkrafttretens des
Gesetzes
zum 1. Januar 1906
hat Berteaux
bei
den
Beratungen im Senat auch schon eine den obigen Ansichten entsprechende Erklärung abgegeben. Offizierkorps.
Neben der Bewegung der Ritter der Ehrenlegion , deren Protest, an welchem auch zahlreiche inaktive Offiziere beteiligt , einen solchen Umfang angenommen, dafs die Regierung mit ihm rechnen mufs, die auch der Kriegsminister des neuen Kabinetts nicht unbeachtet lassen darf, da die Offiziere der aktiven Armee, wenn sie sich auch öffentlicher Kundgebungen enthalten haben, die moralische Entrüstung genau so empfinden, wie die Verabschiedeten, werden den kommenden Kriegsminister in der Kammer auch noch andere Interpellationen beschäftigen. Der Deputierte Auffray hat eine Interpellation angekündigt über 1. Änderungen im Programm für die Aufnahme in St. Cyr, die er als Schädigungen des Offizierersatzes ansehe, 2. über das Weglassen, einiger Paragraphen in der Einleitung zum KavallerieExerzierreglement vom 2. September 1904. Gegenüber der Einleitung zum Reglement vom 12. Mai 1899 sind im Neuabdruck fortgeblieben
folgende
Sätze :
„ Mehr
als
alle
Methoden
bilden
die
folgenden Faktoren die Triebfeder für alle Handlungen und Erfolge : 1. die Ehre oberste Richtschnur der Handlungen der Soldaten, 2. Verachtung der Gefahr, die auf das Leben keinen Wert legen läfst, sobald es sich um Vaterland oder Ehre der Armee handelt, 3. der Geist der Disziplin, der die Kräfte verdoppelt, 4. Verwegenheit,
die das Unmögliche
anstrebt
und
der
Kavallerie besonders
eigen sein soll, 5. Trieb zum Handeln, um das Ziel zu erreichen, 6. Das Gefühl der Solidarität Quelle gegenseitigen Vertrauens, das für das Zusammenwirken aller Kräfte sorgt. " - Tatsache ist, dafs die Kavallerieabteilung des Kriegsministeriums, die allein ohne einen Sonderauschufs oder auch nur Einholung eines Gutachtens der technischen Kavallerie-Komitees, die Neubearbeitung bewirkt hat, die Sätze fortliefs,
um den Neuabdruck zu kürzen,
nicht weil sie, wie
der Temps meint, die militärischen Tugenden als Ballast betrachtet. Kein Reglement von demjenigen von 1899 hatte übrigens die Sätze enthal-
Umschau.
ten.
343
EineVerordnung des Kriegsministers bestimmt, dafs die Generale ,
die sich aus Mangel an brevilierten Offizieren der Kavallerie, nicht mit dem Generalstabs-Brevet versehenen Offiziere dieser Waffe als Ordonnanzoffiziere auswählen müssen, ihre Wahl in Zukunft auf Hauptleute II. Klasse zu richten haben, die dann nachher noch eine Schwadron führen, und dafs dieses Kommando nicht über 2-3 Jahre dauern soll. Durch Gesetz vom 21. Januar 1892 war ein jährlicher Pensionszaschulsfonds für Militärs, die noch nach den früheren Sätzen pensioniert waren, ausgeworfen und bestimmt worden, dafs die in einem Jahr durch Tod freigewordenen Beträge im nächsten Jahr auf die übrig gebliebenen bis zur Erreichung der Pensionssätze des neuen Gesetzes verteilt werden sollten. Nach dem Bericht des Ausschusses sind für 1905 im ganzen rund 4,8 Millionen für Pensionszuschüsse verfügbar und wird es
möglich, 37540 Zuschufsberech-
tigten von 560 Francs (Obersten) bis 80 Francs (Gemeinen ) Zuschufs zu gewähren . Zum nächsten Kursus der Schule von Versailles werden 70 Unteroffiziere der Artillerie und des Genies zugelassen ; zu den Prüfungen für die Aufnahme in die Ecole supérieure de guerre (unsere Kriegsakademie) sind 467 Offiziere zugelassen worden . Mit welcher Schärfe aktive Offiziere des französischen Heeres in Zeitschriften sich äufsern dürfen, beweist
ein Aufsatz des brevilierten
Genie-
majors Dévrez in der France Militaire. Er enthält die schärfste Verurteilung der auswärtigen Politik Frankreichs im Jahre 1904, die überall nur Rückschritt gekannt habe .
Derselbe Offizier schildert
auch die Lage Indochinas (wohin die Regierung jetzt eben wieder 6000 Mann Verstärkungen entsendet) als eine aufserordentlich gefährliche, wenn Japar nach Beendigung des gegenwärtigen Krieges in 5-6 Jahren sein Heer und seine Flotte retabliert und, unterstützt von 100000 durch seine Offiziere modern geschulten Chinesen, in die französische Kolonie einbräche . Frankreich werde dann viele Milliarden, eine Flotte und
ein Heer von 250000 Mann einbüfsen , ohne Erfolg zu
haben. Nur ein Zusammenwirken der europäischen Mächte und Nordamerikas könnte die Gefahr, die von Japan den europäischen Kolonien und auch den Philippinen drohe, abwenden . ') 1 ) Während des Druckes hat der Senat das ganze Gesetz, betreffend die 2jährige Dienstzeit wieder durchberaten und ohne groſse Abweichungen von den Beschlüssen seines Armee-Ausschusses angenommen. Wir werden im folgenden Bericht die Gegensätze, die zwischen diesen Beschlüssen des Senats und dem von der Kammer beschlossenen Text und zum Teil auch den vom Kriegsminister vertretenen Ansichten bestehen, zusammenhängend Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine . No. 402 . 23
Umschau.
344
ExerzierDen Fingerzeigen für den Kampf der Infanterie im neuen reglement vom 3. Dez. Reglement müssen wir kurz die Erinnerung daran vorausschicken, 1904 für die dafs zwischen provisorischem Reglement vom 8. Oktober 1902 und Infanterie. der 2 Monate später erschienenen Note der 3. Abteilung des französischen Generalstabes , besonders auch in bezug auf die Fingerzeige für
das
Kampfverfahren
schroffe
Gegensätze
be-
standen , damit also Zweifel und Zwiespalt gesät waren, die durch das neue Reglement beseitigt werden. Den bei der Erprobung des provisorischen Reglements von 1902 ausgesprochenen Wünschen der Infanterie gemäfs hat man im neuen Reglement unter Abschnitt V alle Weisungen vereinigt, die sich auf die „ Infanterie im Gefecht beziehen, eine Änderung, deren Vorteil nicht verkannt werden kann . Die Reglementskom mission hat ohne Zweifel die Empfindung gehabt, dafs es geboten erscheine, zunächst über das Gefecht Einheit der Ansichten in der Armee zu schaffen, die erforderlich, um . das Zusammenwirken der Waffen auf den Gefechtszweck hin sicher zu stellen. Die Weisungen für das Gefecht baut das neue Reglement daher auf Kapitel XIV des Erlasses für den Dienst der Armee
im
Felde auf und spricht auch besonders aus, dals
die Richtschnur für die Verwendung der Infanterie im Kampfe sich aus den Grundsätzen des genannten Erlasses ergäbe, welche allen Offizieren vertraut sein müfsten. Abschnitt V des neuen Reglements steckt als Ziel nur die Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze auf den Kampf der Infanterie, jene Grundsätze, von denen Langlois dargelegt hat, dafs sie auch heute noch gültig sind und die Einheit der Ansichten in der Arme e sicherstellen. Feste Regeln , so sagt das Reglement, lassen sich für das Gefecht der Infanterie nicht geben ; die Führer werden sich oft, um nicht zu sagen immer, neuen, unerwarteten Lagen gegenüber befinden ; die Eigentümlichkeit der Rolle und der besonderen Eigenschaften der Infanterie mufs den Führer in der Verwendung der Mittel, über die er verfügt, leiten, vor allem müssen ihn Nachdenken und Studium der Erfahrungen der letzten Kriege auf die ihm auf dem Kampffelde zufallenden Aufgaben vorbereiten. Diese Vorbereitung kann kein Reglement ersetzen.
Auf Grund des Abschnitts XIV des Reglements
für den Felddienst erklärt das Reglement,
dafs die Infanterie zwei
beleuchten. Für ein sofortiges Zustandekommen des Gesetzes in beiden Häusern des Parlaments sprechen die Gegensätze gerade nicht. Die Beschlüsse des Senats lassen, mit grofser Mehrheit gefasst, auf einen zähen Widerstand dieser Körperschaft gegen Änderungen durch die Kammer schliefsen.
Umschau. Mittel zum Handeln
345
hat, das Feuer und die Vorwärtsbewegung,
ersteres das Mittel für die Vorbereitung , letzteres das Mittel für die Entscheidung. Die Vorwärtsbewegung allein ist unwiderstehlich, aber nur dann , wenn ihr wirksames überwältigendes Feuer die Bahn bricht. Also Hervorhebung der Unentbehrlichkeit der Feuerüberlegenheit , die im provisorischen Reglement nicht ausdrücklich betont wird. Im Abschnitt V folgen dann die moralischen Faktoren als die wichtigsten Hebel des Erfolges, dann die Pflichten des Offiziers, Unteroffiziers und Soldaten. Artikel II behandelt die vorbereitenden Mafsnahmen für den Kampf, Artikel III den Kampf selbst (Angriff, Verteidigung), Artikel IV die Eigentümlichkeiten des Gefechts der Infanterie , Artikel V das Gefecht der Infanterie im Verbande mit anderen Waffen , Artikel VI spezielle Fingerzeige für das Gefecht der Kompagnien und stärkerer Einheiten. Die Beleuchtung des Kampfes im allgemeinen und die daraus zu entnehmenden stets anwendbaren Grundsätze ist eine viel klarere Darstellung, als sie im provisorischen Reglement gegeben wurde und läfst die aufeinanderfolgenden Gefechtsmomente leicht verstehen. Von den „Kampfesphasen " der früheren Reglements spricht das neue nicht mehr , um nicht den Gedanken einer scharfen Scheidung hervorzurufen, die schon bei der einzelnen Einheit und erst recht nicht auf der ganzen Kampfesfront besteht, nur den Anlauf hebt es einigermafsen als Sondermoment hervor. Die theoretischen Erörterungen der letzten Zeit über den südafrikanischen Krieg hat die Reglementskommission nicht verwertet. In Artikel II, vorbereitende Malsnahmen, erklärt das Reglement, was unter „ Fühlungnehmen “ zu verstehen ist und zeichnet die Rolle der Infanterie der Avantgarde dabin , dafs sie sich der taktischen Stützpunkte bemächtigt , sich darin festsetzt und der Führung so Raum und Zeit verschafft, über ihre Mittel in aller Reibe zu verfügen, endlich hat die Avantgarde auch für weitere Nachrichten über den Gegner zu sorgen und dazu kann auch ihr Kampf beitragen. Solange die Avantgarde allein eingesetzt ist, bleibt nach dem Reglement dem Führer Freiheit des Entschlusses , sein Gros einzusetzen oder nicht. Grolsen Nachdruck legt das Reglement auf den „, Verbindungsdienst " , die Untergebenen haben die höheren Stellen über die Lage ihrer Einheit, ihre beabsichtigten Bewegungen und über bevorstehende oder drohende Änderungen in der Gefechtslage zu orientieren. Der Kompagniechef, der im allgemeinen übersehen kann, was auf seiner Gefechtsfront vorgeht, hat bei
sich seinen Fourierkorporal, einen Hornisten, je einen Mann pro Zug, der Bataillonskommandeur verfügt über seinen Adjudanten, die Fouriersergeanten der Kompagnien, 23*
Umschau.
346
einen Hornistgefreiten und entsendet zum Regimentskommandeur den ihm zugeteilten berittenen Offizier. Das Reglement stellt als Grundsatz auf, dafs jede mindere Einheit, vom Bataillon aufwärts, bei der nächst höheren Stelle einen berittenen Offizier zu belassen hat. Nebenbei bemerkt ist auch im neuen Reglement die Bestimmung, dafs Patronenwagen, auch wenn leer, Medizinwagen und Kantinenwagen in ihren Einheiten als kleine Bagage in das Gefecht folgen, beibehalten worden. Beachtenswert sind in dem Artikel 99 vorbereitende Mafsnahmen für das Gefecht" die Fingerzeige, die von einer Überhetzung der Truppen warnen, Ordnung und Zusammenhang anstreben, sowie diejenigen, welche die Erkundungen für den Vormarsch, besonders auch diejenige der Deckungen betreffen . Diese Erkundungen werden nach französischen Ansichten durch die Generalstabsoffiziere zu bewirken sein . Die für den Anmarsch zu wählenden Formationen, sagt das Reglement, werden durch das Gelände und die Rücksicht auf Verminderung von Verlusten bestimmt, müssen aber die Truppe in der Hand der Führer lassen . Französische Fachzeitschriften verlangen, dafs die Infanterieund Artillerieschiefsschule jährlich ihre Erfahrungen über die Verwundbarkeit der verschiedenen Formationen wenigstens den Stabsoffizieren zugänglich machen und diese dann der Kenntnis bei den Offizieren weiter verbreiten sollen, auch stärkere Kommandierungen von Infanterie- bezw. Artillerieoffizieren wechselseitig zu Scharfschiefsen Schiefsen
besonders im Gelände, sowie Vermehrung derartiger in gemischten Verbänden nach dem von Langlois einge-
führten System. Wir möchten nicht unterlassen, auf eine Bemerkung im Militärwochenblatt No. 11 Spalte 243 hinzuweisen, die dahin geht, dafs das neue Reglement nicht den Niederschlag der in Frankreich herrschenden Anschauungen, sondern nur diejenigen eine Partei (Kessler- Négriersche Richtung ) darstellen, deren Ansichten, so weit bis jetzt zu beurteilen, geradezu von den im fernen Osten gesammelten Erfahrungen widerlegt werden. Demgegenüber mufs festgestellt werden, dafs kaum jemals ein Reglement in Frankreich in dem Malse die Berichte aller Truppen über die mit dem früheren (provisorischen) Reglement gemachten Erfahrungen verwertet hat, wie das gegenwärtige. Von einem Verfahren, das den Gegner aus seiner Stellung nur herausschielsen will, ist in dem neuen Reglement auch keine Rede. „ Die Vorwärtsbewegung allein ist entscheidend" und unwiderstehlich und weiter in der zweiten Zeile . ,,Im Gefecht handelt es sich für die Infanterie immer darum, ihre beiden Mittel
zum
Handeln, Feuer und
Vorbewegung, unter den
günstigsten Verhältnissen zu verwenden , um den Gegner zum Weichen
Umschau.
347
und zum Aufgeben von Boden zu zwingen. Zweck des Kampfes ist es, durch Gewalt den Willen des Gegners zu brechen." Und bei den Aufgaben der Infanterie im Gefecht lesen wir 99 die Infanterie erobert und behauptet das Gelände, sie vertreibt endgültig den Feind aus seinen Stellungen, ihr fällt die härteste, aber auch die ruhmvollste Aufgabe in der Schlacht zu " . Und noch weiter, wenn wir bei Artikel III des Abschnitts V bleiben wollen , das Gefecht soll die Widerstandskraft des Gegner brechen, da nur der Angriff entscheidend und unwiderstehlich,
so
ist für die meisten Fälle der Angriff geboten. "
Passive Verteidigung
ist dem Mifserfolg geweiht, die Verteidigung
soll auf dem Schlachtfelde freiwillig nur gewählt werden, wenn sie den Angriff des Gros vorbereiten, man mit schwachen Kräften den Feind aufhalten oder fesseln kann, um so mit den • Hauptkräften den Angriff zu ermöglichen . Der Angriff steigert die moralischen Kräfte und entspricht besonders dem französischen Naturell, der Angreifer verdirbt dem Gegner das Konzept und nimmt ihm die Freiheit des Handelns . Die gewachsene Widerstandskraft der Infanterie ermöglicht aber anderseits ein Irreführen des Gegners, ein Festhalten mit schwächeren Abteilungen, so dafs man für das Manöverieren
und
den
Führung wird
Angriff stärkerer Kräfte
daher
meist
der
verfügbar behält.
Reserve eine
Die
offensive Aufgabe
geben. Kurz darauf hinweisend, dafs man Weisungen für das Begegnungsgefecht nicht findet, mit dem Gros auch bei Begegnungsgefechten planmälsig nach dem Willen des Führers handeln will, kommen wir damit auf die Frage der Kräftegliederung, die als von der Lage und dem Willen des Führers abhängig bezeichnet wird. Hier treffen wir auf einen wichtigen Fortschritt des neuen Reglements in bezug auf Spielraum in der Kräftegliederung. Ein Blick in das provisorische Reglement und zwar auf das ge. gebene Beispiel der Gliederung einer Division für den Angriff zeigt uns
ein Schema.
Die
Truppen werden in 3 Gruppen gegliedert :
Vorbereitungstruppen eingeteilt in Truppen: 1. Linien- und Verfügungstruppen, 2. Stofstruppen, 3. Reserven. Dieser Schematisierung steht in § 254 des neuen Reglements gröfster Spielraum für den Führer gegentiber. Wir lesen dort : " Sobald eine Infanterietruppe fechten soll, weist der Führer den Einheiten, die eingesetzt werden, ihre Aufgabe zu,
bezeichnet diejenigen, die weiter zu seiner Verfügung
zum Manövrieren (Troupes de manoeuvre) zurückgehalten werden , sowie diejenigen, die bestimmt sind, um unerwarteten Ereignissen entgegenzutreten, den Erfolg zu vervollständigen oder eine Rückzugsbewegung zum Stehen
zu bringen (Reserve) " .
Die Bezeichnungen
,,Vorbereitungskampf" , Troupes de choc, sind verschwunden, das Reg-
Umschau.
348
lement hütet sich, Formeln für die Kräftebemessung der Truppen zu geben. - Sobald die Infanterie in die Zone wirksamen feindlichen Feuers kommt, entwickelt sie sich. Ein bestimmtes Mafs an Kräften ist für den sofortigen Kampfeinsatz bestimmt, andere Truppenteile bilden die Unterstützungen. Die dicht zusammenhängenden Schützenlinien verschwinden , sie machen Gruppen Platz, deren Bedeutung und Stärke wechselnd und deren Zwischenräume und Abstände nur von der Lage abhängig sind . Mit dem Ziele Bodengewinn bleibt das Feuer das einzige Mittel , die Vorbewegung vorzubereiten, wenn die Verluste dazu zwingen, diese vorübergehend aufzugeben . Beginnt man das Feuer, um den Gegner an der Abgabe wirksamen Feuers zu bindern, so ist es so nachdrücklich anzuwenden, als es die Möglichkeit des Munitionsersatzes überhaupt erlaubt. Dort wo von den „rafales " , den Feuerstöfsen (die übrigens eine vorzügliche Feuerdisziplin erfordern) die Rede ist, wird bemerkt, dafs die in kurzer Zeit hervorgebrachte Wirkung überraschenden, gehäuften Feuers die nachdrücklichste ist, am meisten bei einem Feuerüberfall. Wie wir schon bei der Nachricht über Geschofs D im letzten Bericht sagten , wird Visier 400 für alle Gefechtszwecke als ausreichend Die Weisungen für das Vorgehen, Ausnutzung aller bezeichnet. Deckungen, Vermeiden eingesehener Stellen, Formen wechselnd im ganzen Zug, Halbzug, Schwärmen, Gruppen von verschiedener Stärke, dabei aber kein selbständiges Haltmachen des Schützen, bezw. der Gefechtskameraden , keine Rücksicht der Abteilungen aufeinander beim Vorgehen, Erreichen der nächsten Deckung unter Anwendung der gerade günstigsten Formen, Richtung nach der Abteilung, die am nächsten am Feinde, Zugführer aber für Zusammenhang seines Zuges sorgen, sobald dies Deckung erlaubt, streifen wir nur. Hier treffen wir auf Anzeichen für den Gruppen - Angriff, der auf die ganze Gefechtslinie übertragen , leicht zum Teilangriff führen kann , damit zu einem Versehen, das sein schweres Bedenken hat, durch die
neuen Reglements aber nicht vollständig ausGefeuert wird nur im Halten.
Weisungen des
geschlossen wird . § 260 gibt eine klare Idee vom Gefecht, sobald die Fühlung auf der ganzen Front gewonnen ist. Zu verweisen haben wir aber
vorab noch auf die merkwürdige Erscheinung der „ kleinen Avantgarden" , der kleinen Detachements gemischter Waffen vor der Front nach Négrierschem System, obwohl diese bei den Herbstübungen 1904 kläglich Fiasko gemacht und denkende Köpfe im Heere vielfach vor dieser systematischen Zersplitterung gewarnt haben. Besonders beachtenswert ist in den Kampfesbildern , die als sehr wechselnd bezeichnet werden, die Gewinnung und Einrichtung
Umschau.
349
von Stützpunkten , die Vorbereitung der Bewegung durch das vereinigte Feuer von Infanterie und Artillerie und die Verwendung der Unterstützungen. Die Avantgarde, die vielfach dazu kommen wird, zum Besetzen einer breiten Front ihre ganze Kampfkraft von vornherein einzusetzen , um dem Gros, auf dessen Unterstützung sie zunächst nicht rechnen soll, Zeit und Raum, dem Führer Freiheit richtigen
Entschlusses
Hat er diesen getroffen,
zu lassen ,
so
wird
eingehend
behandelt .
erhalten die einzelnen Verbände ihre
Aufgaben zugewiesen , die sie selbstverständlich bei der Verschiedenheit des Geländes und der Verhältnisse nicht alle in der gleichen Weise lösen können . Einzelne Teile werden leicht näher an den Gegner herankommen, ihr Feuer erleichtert dann das Vorgehen von weniger begünstigten Nebenabteilungen, bei einzelnen Verbänden werden die Unterstützungen rasch aufgebraucht sein, bei anderen werden sie ausreichen, um sich feindlicher Stützpunkte zu bemächtigen und dort festzusetzen,
die
Stützpunkte werden
Brennpunkte des
Gefechts
werden. Die gegenseitige Hilfe der benachbarten Verbände, eventuell das Nachschieben von Kräften und die Unterstützung der Artillerie sollen die Bewegung in Flafs erhalten. Wo diese stockt, hat sich die Infanterie zunächst, eventuell unter Benutzung des Spatens , an den Boden zu klammern , durch lebhaftes Feuer aber den Gegner ,, Der Erglauben zu lassen, dafs auch hier ein Angriff bevorsteht. folg des Angriffes hängt vielfach von dem Eingreifen frischer Kräfte ab (§ 262). Auf allen Teilen des Schlachtfeldes haben die Führer, die den Angriff befeblen und leiten, daher die Pflicht , das Manöver vorauszusehen und vorzubereiten , das diesen Einheiten erlaubt, unter den günstigsten Verhältnissen in den Kampf zu treten." Etwas später heifst es : „Die Wahl des Punktes und Augenblickes für das Eingreifen der Manövriertruppen und ihr Angriff ist persönliche Aufgabe des Führers , sie hängt vom Blick und Charakter ab und kann nicht nach festen Regeln bestimmt werden. " Der Angriff, so sagt das Reglement an anderer Stelle, richtet sich meist gegen Punkte,
die
von Truppen mit
erschütterter Haltung
verteidigt werden . In § 263 heilst es : „ Nach der Tiefe gegliedert, in den Formen, die als die schmiegsamsten und Verlusten am wenigsten ausgesetzten erscheinen, mit aufgepflanztem Seitengewehr gehen die troupes d'assaut' entschlossen vorwärts, schliefsen sich den Truppen in der Gefechtslinie an, die ihr Feuer zur gröfsten Heftigkeit steigern und ihre Teilangriffen neuen Impuls geben, um damit näher an den Gegner heranzukommen . Hält der Führer (der Sturmtruppen oder des Ganzen ? ) den Moment für den Anlauf gekommen, so läfst er Sturm blasen und schlagen .
Die Bezeichnung ,Sturm'
Umschau.
350
bezieht sich speziell auf das Eingreifen der Manövertruppen. " Da aber nach dem Reglement „alle Kämpfenden bis zum Schlufserfolg mitzuwirken haben", so ist es nicht zweckmälsig, hier den Gedanken an einer besonderen Gefechtsphase zu wecken. Man mufs sich den Verlauf nach dem Reglement doch so denken, dafs während der Kämpfe in der Front die Manövriertruppen sich genähert bezw. auf einen angewiesenen Punkt begeben haben, ihre Bewegung also lange begonnen haben kann, ehe sie selbst in den Kampf treten 99 mit der Aufgabe dem energischen Willen des Führers den schwankenden Willen des Gegners niederzuringen . " Niemand darf einen anderen Gedanken haben, als vorwärts zu kommen, sich den vorderen Abteilungen anzuschliefsen. Wenn die Weisungen
des Reglements
für die Verfolgung mit der
Feuerverfolgung des Gegners abschliefsen, die weitere Erschütterung des Gegners bis zur Vernichtung Detachements frischer Truppen überlassen, so kann das nicht gebilligt werden. Die Weisungen für die Verteidigung, Gegenstöfse , retour offensif sind einfach und klar, eine neue Erscheinung bildet „manoeuvre en retraite “ , die aber vom Führer besondere Eigenschaften verlangt und eine sehr schwierige, oft aber auch aussichtsvolle Operation ist. (Montmirail und, wie es scheint, auch Kuropatkin mehrfach.) Abschnitt IV handelt von den Eigentümlichkeiten des Kampfes der Infanterie- Detachements , Einrichtung und Verteidigung von Stütz§ 271 beleuchtet im allgemeinen die punkten, Nachtgefechten. Rolle von Detachements aus allen Waffen, die Nachrichten über den Gegner besorgen und Sonderaufgaben lösen sollen.
Wir verweisen
Unter diesen hier auf Langlois „ Deux tactiques en présence " . FlankendeckunArriergarden, Avantgarden, Detachements sind nicht gen zu verstehen. Obwohl das Verfahren dieser Detachements ein sehr wechselndes ist, gibt das Reglement für deren Infanterie doch einige Fingerzeige. Bald eine schmale, bald eine sehr breite Front besetzend, eine gewisse Tiefgliederung sich aber möglichst wahrend, andererseits aber ohne Scheu alles einsetzend , die Kraft ihres Feuers und die Gunst des Geländes ausnutzend , soll ihre Infanterie immer Stützpunkte" vereinigt das Die Vorschriften für manövrieren. Reglement in einem Kapitel .
Es will mit der Bezeichnung „ Stütz-
punkte" andeuten, dafs es sich um Teilkämpfe im Gesamtrahmen der Schlacht handelt und die Gesamtheit dieser Teilkämpfe das Bei der heutigen Bewaffnung geben die 99,Manöver" vorbereitet. Stützpunkte (§ 272) neuen Zuwachs an Kraft, indem sie erlauben, den Gegner mit schwächeren Kräften aufzuhalten, das gewonnene Gelände
zu hehaupten
und
das Manöver vorzubereiten.
Auf Ein-
Umschau.
351
richtung der Stützpunkte, auf Verwendung des Spatens auf dem Schlachtfelde , auf Schützengräben auch beim Angreifer, so dafs die Truppe die gewissermalsen automatisch macht, legt das Reglement grofsen Wert. Selbstverständlich ist auch hier die taktische Lage malsgebend und das Reglement wiederholt, dafs die bewegung das allein Entscheidende ist.
Vorwärts-
Die Vorschriften für Nachtgefechte haben eine neue Redaktion erfahren .
Wir können hier auf sie nicht eingehen, wenn auch nicht
geleugnet werden kann , dafs die Nachtgefechte im Zukunftskriege eine erhöhte Bedeutung gewinnen werden, namentlich solche, die einer mit der Dunkelheit unentschieden unterbrochene Schlacht folgen. Artikel VI des Reglements „ Aufgabe der Kompagnie und der höheren Einheiten unter besonderen Verhältnissen " streifen wir hier nur mit dem Bemerken,
dafs die Brigade als Manövriereinheit be-
trachtet wird, die in demselben Gelände auch noch im Gefecht fest in der Hand des Führers bleiben kann. Man fordert darum in der Armee, dafs man die Brigade, wenn Bataillon und Regiment gründlich geschult seien, auf den Truppenübungsplätzen - da die Umgebung der Garnisonen dafür kein Gelände bietet - üben lasse und zwar dicht vor den Herbstmanövern .
Das wird aber nur möglich ,
wenn man die Zahl der Truppenübungsplätze vermehrt, da jede Brigade 3 Wochen brauche. — In dem Reglement ist, wie wir hier zusammenfassend noch einmal betonen wollen , Abschnitt V besonders wichtig, er ist ein Resumé der Taktik der Infanterie und in ihm wieder Artikel 3.
Weit nachdrücklicher, als das provisorische,
betont das neue Reglement den Geist der Offensive , die Bedeutung des Feuers, der Mannszucht und der Ausnutzung des Geländes. Wenn man in der Marine Pelletans unzweifelhaftes Nichtvertretensein in einem neuen Kabinett auch nur freudig begrüfsen würde , nicht bestritten werden kann, dafs ihn neben manchem anderen die Schuld trifft an die Verzögerung im Bau gefechtskräftiger Schiffe und an dem Mangel von Einheit der Ansichten in bezug auf Schiffsbauten, so wird man ihm das Verdienst , die défenses mobiles rasch ausgebaut zu haben, nicht absprechen können. Eine jüngst bekannt gegebene Verordnung, die die défenses mobiles neu ordnet und nach dem Rayon ihrer Tätigkeit benennt, beweist dies wieder, zumal an manchen Stellen die neue Benennung eine weitere Entwickelung
schon andeutet.
Die
défenses
mobiles
von Cherbourg,
Dunkerque heifsen jetzt 1., 2. , 3. Kanaltorpedobootsflottille , dazu tritt die Unterseebootsstation Cherbourg , als 1. Kanal - Unterseebootsflottille ,
ein Beweis dafür, dafs noch weitere gebildet
Marine.
Umschau.
352 werden. 1. ,
2.,
Die „ défenses mobiles " von Brest, Lorient, Rochefort heilsen 3. Ozeantorpedobootsflottille,
dazu
die
1.
Ozeanuntersee-
bootsflottille in La Pallice , welcher also weitere folgen werden.
Die
„ défenses mobiles " von Toulon, Korsika, Tunis, Algier, Oran 1. , 2., 3., 4., 5. Mittelmeertorpedobootsflottille, dnzu 1. und 2. Mittelmeerunterseebootsflottille in Toulon, und Bizerta. Die „ défenses mobiles" in Saigon heifsen jetzt 1. Torpedobootsflottille und 1. Unterseebootsflottille der chinesischen Gewässer, woraus auf weitere geschlossen werden kann . Die „ défense mobile " in Diego Suarez endlich heifst Torpedobootsflottille des indischen Ozeans. Der Präsident der technischen
Sektion
für Schiffsbau Bertin hat
Pläne für einen neuen Torpedo kreuzertyp noch der britischen Scout- Klasse vorgelegt. Die Schiffe sollen 1600 tons Deplacement, 3800 indic. Pferdekräften, 7 Torped oausstofsrohre erhalten. Über das Kriegsbudget 1905, das eine Reihe von Neuerungen nach dem Bericht des Berichterstatters Klotz vorsieht, neue Enthüllungen über die Andrésche Angeberwirtschaft von seiten seiner Mitarbeiter, eine neue Belagerungsanleitung, neue Bestimmungen Berteaux ' für vermehrte Einstellung von 3jährigFreiwilligen schon im März 1905 und ihre Gründe, grofse Armeemanöver 1905 , an denen das 6. , 20. und 5. Korps, eine gemischte Division , 3 Kavalleriedivisionen teilnehmen sollen , Bericht über Marinebudget 1905 und Mafsnahmen Thomson im nächsten Bericht.
des
neuen
Marineministers 18
Schweiz .
Munitions-
Aus der Schweiz wird gemeldet, dafs die als Munitionsausrüstung ausrüstung der Feld- für ein Feldgeschütz ausgeworfenen 800 Schuls derart verteilt werden artillerie. sollen , dafs sich 280 Schufs in der Batterie, 230 im Korpspark und 290 im Depotpark befinden. Die Geschützprotze enthält 40, die des neuen Munitionswagens 48 Schufs , ebensoviel der Hinterwagen des letzteren . Auch die Protzen der
umgeänderten
Munitionswagen
enthalten
während ihre Hinterwagen deren 80 aufnehmen.
40
Schufs, W.
Grossbritannien. Versuche mit Bei der Umbewaffnung der englischen Feldartillerie hat man neuen Zeitzündern . neben anderen Verbesserungsversuchen auch solche im Auge, die auf den Ersatz des bisherigen Zeitzünders mit seinem Zündsatz durch einen neuen, auf mechanischer Grundlage beruhenden hinzielen. Versuche mit
einem solchen Zünder sollen vor einigen Monaten statt-
gefunden und so befriedigende Ergebnisse gezeitigt haben, daſs ibre Fortsetzung beschlossen wurde. Auch in Deutschland hat man sich
Umschau.
353
ja neuerdings wieder mit diesem Problem beschäftigt. Man erinnert sich an die Ende vorigen Jahres in der Tagespresse gebrachte Nachricht, dafs die Essener Gufsstahlfabrik die Patente eines Herrn Bäcker,
ersten Mitarbeiters einer grölseren Präzisions-Uhrenfabrik ,
angekauft habe, durch welche dieser sich die Konstruktion eines mechanischen Zünders hat schützen lassen. Gutem Vernehmen nach ist diese Meldung richtig, und auch hier sollen die bisherigen Versuchsergebnisse befriedigen ; über ihren jetzigen Stand und über die Konstruktion des Zünders ist bisher noch nichts weiteres bekannt W. geworden. Bulgarien . bisher mit dem Kruppschen Neubewaff8,7 cm Hinterladegeschütz M/ 1870 ausgerüstet war, entsandte im nung der Feldartillerie Frühjahr 1904 zum Studium eines neuen Materials eine Kommission zu den Werken von Schneider und von Krupp . Über den Bericht dieser Bulgarien, dessen
Feldartillerie
Kommission ist nichts bekannt geworden . Im November 1904 jedoch erfolgte aus finanziellen Gründen - Frankreich hatte nur unter dieser eine Bestellung von Bedingung eine 100 Millionenanleihe gewährt 81 Batterien (324 Geschütze) bei Schneider in le Creusot nach einem Modell, welches dem französischen Geschütz 97 sehr ähnlich sein soll . Die Batterien werden je 4 Geschütze und 9 Munitionswagen zählen. Bisher bestand die bulgarische Feldartillerie aus 6 Regimentern zu je 9 Batterien zu je 6 Geschützen. Nach dem neuen Heeresgesetz sollen die 6 Feldartillerieregimenter in 9 Brigaden zu je 2 Abteilungen zu je 3 Batterien zusammengestellt werden. Durch diese Änderung wird jedoch die Batteriezahl (54 ) nicht verändert. Die Munition für die neuen Geschütze ist bemerkenswerterweise nicht in Frankreich, sondern zum grölsten Teil in Deutschland bei Krupp bestellt worden . Der Grund hierfür dürfte in der schon mehrfach
erwiesenen schlechten
Beschaffenheit
der
französischen
Munition zu suchen sein .
Aufserdem sind bei Krupp noch 9 GebirgsW. batterien von Bulgarien bestellt worden . Vereinigte Staaten von Nordamerika.
Auf dem Schiefsplatz von Indian Head wurden im Januar Schiefs- Unfall bei versuche mit einer neuen Form rauchlosen Pulvers in einer 30,5 cm- Schiefsversuchen mit neuem Kanone L/40 abgehalten. Hierbei zersprang das Rohr an der Mündung ; von der Bedienung wurde niemand verletzt. Das neue Pulver Pulver. hatte die Form von Streifen, die 45,72 cm lang waren.
Die Pulver-
ladung bei Abgabe des Schusses, bei dem das Rohr zersprang, besafs das Normalgewicht und ergab eine Anfangsgeschwindigkeit von 853 m.
Literatur.
354
Vor Eintritt des Unfalls waren über 10 Schufs abgegeben worden, einer davon mit Unfallschufs .
einer bedeutend
gröfseren Ladung,
als
wie der W.
China. Einheitliche Während bisher eine einheitliche Bewaffnung der chinesischen NeubewaffArmee nicht bestand und die einzelnen Vizekönige die ihnen unternung. stellten Truppenteile ganz unabhängig voneinander ausrüsteten, so dafs die einzelnen Heerhaufen ein buntes Gemisch von alten und neuen Waffen zeigten , hat jetzt die Zentralregierung in Peking befohlen, dafs die Bewaffnung im ganzen Reiche nach einem einbeitlichen Muster zu
gestalten sei ; sie soll in Zukunft aus Gewehren
von 7 mm Kaliber und aus Feld- und Gebirgsgeschützen von 7,5 cm Kaliber bestehen . Nach mehrfachen Geschützerprobungen hat die Zentralregierung 36 7,5 cm-Feldgeschütze bei Krupp in Essen bestellt. Dieser Auftrag steht anscheinend im Zusammenhang mit der Anordnung der Zentralregierung betr. Vereinheitlichung der Bewaffnung. W.
Literatur.
I. Bücher. Sozialreform
der Armee ,
Für Deutschlands Gröfs' zu Land und
See ! Die Erhöhungsbedürftigkeit der Offiziergehälter, die Besserstellung der Unteroffiziere, ein ernster Apell an alle wahrhaft nationale Gesinnung von Dr. jur. Oskar Priester , Königl. Preufs. Assessor. 1904. Karl Fulde , Köln a. Rhein . Deutscher Fachbroschüren -Verlag. Der Herr Verfasser ist Nichtsoldat. Er bricht eine Lanze für unsern Stand. Gewifs handelt er bona fide. Seine patriotische Absicht tritt überall zutage. Ein sorgendes Mühen trachtet nach Idealität. Die Fackel in fester Hand , leuchtet er hinein in alle Tiefen unseres Berufslebens. Auch hinter den Kulissen irren Lichtreflexe . Überall wird der Finger auf offene Wunden gelegt ; Standesschäden werden nicht verschwiegen . Der Verfasser will die Erhöhungsbedürftigkeit der Offiziergehälter in erster Linie nachweisen, als eine unbedingte, unaufschiebbare Not-
Literatur.
355
wendigkeit. Beim Aufsuchen von Beweisstücken zu seiner Forderung macht er Seitensprünge in das dienstliche und private Leben der Offiziere, die, berechtigt oder unberechtigt, Schattenseiten in die Tagesbeleuchtung rücken, die den Leser unbehaglich berühren dürften. Keinenfalls gehören die Mahnungen sämtlich in den Rahmen des gestellten Themas. Der unserem Stand, wohl auch den Anschauungen des Herrn Verfassers fernstehende Leser bekommt nicht den Eindruck, dafs das aufgeschlagene Buch bewirkt, dafs sich die Volksgunst opferfroh für diese „Sozialreform " gewinnen liefse . Von unserem soldatischen Standpunkte aus vermögen wir den Auslassungen der vorliegenden Broschüre nicht auf allen Gebieten , die vielleicht in vertraulicher Rücksprache sich geklärt haben würden , zu folgen . Wir verschliefsen unser Auge zu allerletzt den Schattenseiten unseres Berufes, dem heutzutage alle Schichten der Bevölkerung, die eine Standeswahl nicht aus Profitsucht vornehmen , ihre Söhne zuführen . Noch in oft sehr jugendlichem , erziehungsbedürftigem Alter, wo anderweit in bürgerlichen oder akademischen Kreisen vielfach drastische Erziehungsmittel einsetzen müssen, tritt der Offizier in des Königs Rock der Aufsenwelt als fertiger Mann gegenüber. Mit Ausschlufs der Öffentlichkeit übernehmen die militärischen Vorgesetzten die weitere Erziehung . Eine gewisse Feinfühligkeit und Rücksichtsnahme geben den disziplinaren Eingriffen eine bestimmte Grenze, die vielleicht der Entwickelung ererbter Fehler, angeborener Leidenschaften und menschlicher Schwächen nicht erfolgreich begegnen . Entgleisungen sind hierbei nicht auszuschliessen . Dieselben jedoch als Gegenstand statistischer Vergleiche zu verwerten und in breiter Weise durch Aufführung dieser Schäden den Stand blofszulegen , ist ungeeignet, die Opferfähigkeit einer Nation zur Verbesserung der materiellen Lage des Offizierkorps zu beleben. Auch die vielen Uniformsveränderungen, die der Verfasser schlechtweg als unpraktisch verwirft, werden in den Bereich der bemängelnden Kritik gezogen. Diese Adresse geht doch nicht an das Offizierkorps . Solche Argumente beruhigen nicht die Volksseele, deren Erregung der Autor für das Offizierinteresse so ungünstig schildert. Fast bei jedem Lob befürchtet man einen rückwärtigen Nackenschlag. Lange Friedenszeiten bringen eine Verflachung der männlich-ritterlichen Eigenschaften eines Volkes. So war es zu allen Zeiten. Nicht nur nach Jena, wie General von Blumen in seinen Tagebuchaufzeichnungen „Von Jena bis Neifse" hervorhebt. Die Äufserlichkeiten treten an Stelle des inneren Vollwertes. Auch in den Reihen der Offiziere macht sich eine gewisse „Putzsucht geltend ; das Gigerltum treibt eigenartige Blüten . Narben und Kriegsdekorationen werden ersetzt durch Flitter und Tand , um die öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen . Diese Lächerlichkeiten sind nicht wegzuleugnen ; ihre Aufzählung ist der Erörterung über die Notwendigkeit, dafs in diese Kreise noch mehr Mittel einfliefsen müfsten, aber sicher nicht ungünstig.
356
Literatur.
In unserem modernen Zeitalter stofsen sich ideale und reale FakWie wenigen Sterblichen ist das Glück beschieden, eine reine Herzensneigung in sorgenfreier Existenz zu geniessen . Der brutale Geldsack beherrscht Staat und Gesellschaft. Vermögenslose Offiziere und Beamten , seien sie auch noch so sehr traditionell im Kampfe ums Dasein gedrillt und gewohnt, materielle Klippen zu vermeiden , können heutzutage nicht mehr im naiven Idealismus , nur auf die poetische Schwärmerei einer Sommernacht hin, eine Familie toren heftig aneinander.
Trotz bitterer ethischer Bedenken, trotz oft sehr harter gründen . Gefühlsenttäuschung nötigt die Geldfrage so manchem Ideal zu entsagen. So mancher geht zu weit in seiner finanziellen Hilfslosigkeit, so mancher auch im angeborenen Hang nach Wohlleben . Das sind aber doch nur Ausnahmefälle, welche die überschiefsende sittliche Kraft des Ganzen trägt. Wer hineingeblickt hat in das mehr wie bescheidene, oft sehr ärmliche Heim des ehemaligen Offiziers , der stolz seinen Mann gestanden auf blutgetränkter Walstatt, wie im glanzstrahlenden Salon, der alles seinem Berufe geopfert und noch gezwungen ist, seinen Söhnen in der Armee von seiner kärglichen Pension abzulassen, redet mit ehernen Zungen für die Verbesserung der materiellen Lage dieser Männer. Wieviel Opfermut, wieviel Edelsinn , welche Sprache vornehm getragener Entbehrung, welche heifse Worte der Vaterlandsliebe und der Königstreue herrschen in diesen Räumen, aus denen Kummer und Sorgen niemals gewichen . Ein Blick in diese Heimstätten würde der guten Sache mehr nützen , als Wer aber den Offizier tausend Bücher glänzender Beredsamkeit. im Austernkeller, beim , Festräumen aufsucht, welcher in stahlenden Flirt seinen Lebenszweck finden will und deren Gebahren à la Bilse oder Beyerlein zum sensationellen Roman typisch verwertet, der wirft Schmutz auf des Kriegers vielleicht unbewusst oder nicht gewollt Ehrenkleid. Auch Priester nimmt deren Schilderungen und Argumente für berechtigt, den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend an und meint „es müsse doch etwas faul im Staate Dänemark" sein. Die betrübenden Rückschlüsse auf die Allgemeinheit von Sedan und Jena werden nicht verworfen . Das Winseln um Titel und Orden ist allerdings ein beängstigendes Symptom unseres, zuviel auf Äufserlichkeiten Wert legendes Zeitalter. Wir können aber doch diese fürstlichen Gnadenakte, die an die Stelle einer merkantilen Abfindung mit materiellem Entgelt treten, nicht ganz entbehren . Schon der souveränen Prärogativen wegen , zur Betätigung unserer persönlichen Beziehungen zum Staatsoberhaupte, zur Dokumentierung der Rangstufen , die der Dienstgewalt entsprechen. Der Ordens- und Titeljäger ist aber doch in Zivilkreisen ungleich häufiger wie in dem Offizierkorps ! Verallgemeinert man aber solche Ausnahmezustände, so unterstützt man doch niemals das Empfinden der doch immer noch auf die Armee stolzen Nation , einer materiellen Aufbesserung dieses angeblich hohen Standes ein Opfer zu bringen .
Literatur.
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Wir können uns nicht auf alle einzelnen Punkte, die vielfach ungenügend logisch gesichtet in der Auseinandersetzung auftauchen, einlassen. Das Spiegelbild , das dem Offizierstande vorgehalten wird , könnte gerade so gut auch der Gegner der Gehaltsaufbesserung als Argument verwerten , wie deren Befürworter. Der Niedergang des Ansehens der Offiziere seit den grofsen Kriegen wird hervorgehoben , Soldatenmifshandlungen, für die event. die Zuchthausstrafe empfohlen. wird (hört, hört links ! ), müssen noch herhalten , die Politik will man in die Kaserne tragen ; man versteigt sich zum Präsentiergriff , zu Paraden, Besichtigungen und zu Strafbüchern in laienhafter Beleuchtung. Ein fortgesetztes Blofsstellen der Schäden unseres Standes , dem opferfreudig geholfen werden soll ! Angreifbar sind auch die meisten der zusammengelegten Vorschläge, die zur Hebung der materiellen Lage der Offiziere gemacht werden . Der Feinfühligkeit genügt schon die Aufzählung der Vorschläge : Deputate, Teuerungszulage , Wohnungsgeldzuschufs , Erlafs der Staatssteuer für das Diensteinkommen , Dienstwohnungen , Kindererziehungsgelder, Staatserziehung der Kinder, Befreiung von Schulgeld und Gewährung von Stipendien. Und nun zum Schlusse . Jede Geisteshandlung hat ihren Wert. Negativer oder positiver Art. Auch aus der vorliegenden Arbeit wollen wir lernen, manches beherzigen . Wir haben aber das Gefühl, dafs auch ein vielleicht gut gemeinter Übereifer, der eine „ Sozialreform " erstrebt mit dem zweiten Teil seines Wollens „die Erhöhungsbedürftigkeit der Offiziergehälter pp . " als „einen ernsten Appell an alle wahrhaft nationale Gesinnung" hervorhebt, die gerechten Forderungen unseres Standes gerade so wenig unterstützt, als die Machenschaften der Gegner des Heeres und dessen Fundament
das Offizierkorps . Stieler.
Kavallerieverwendung , Aufklärung und Armeeführung bei der Hauptarmee in den entscheidenden Tagen vor Leipzig (2. bis 14. Oktober). Bearbeitet nach den Feldakten und anderen authentischen Quellen vom Hauptmann des Generalstabskorps Hugo Kerchnawe , eingeteilt in der kriegsgeschichtlichen Abteilung des k. u. k. Kriegsarchivs. Mit 9 Beilagen und 21 Textskizzen . Wien 1904. Verlag von L. W. Seidel und Sohn , k. u . k. Hofbuchhändler. Mk . 10,00 . Das vorliegende Werk bildet einen äusserst wertvollen Beitrag zur Geschichte des Befreiungskrieges. Zum erstenmal wird hier, wie der Verfasser in der Vorbemerkung sagt, von österreichischer Seite versucht, auf Grund des reichen, bisher noch wenig benutzten österreichischen Quellenmaterials die Operationen darzustellen, die zu dem grofsen Drama von Leipzig führten . Und dieses Material hat der Verfasser in hervorragender Weise zu benutzen verstanden und innerhalb des gesteckten Rahmens vor unseren Augen ein klares und äusserst ansprechendes Bild jener Operationen entrollt.
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In dem die Einleitung bildenden ersten der drei Teile, in die das Werk zerfällt, werden wir zuerst mit der Organisation , Ausrüstung und Ausbildung der beteiligten Kavallerien bekannt gemacht. Wir finden hier viele sehr wertvolle und bisher völlig unbekannte Angaben . Demnächst behandelt der Verfasser die Grundsätze für die damalige taktische und operative Verwendung der Kavallerie, von denen namentlich die für letztere , dank Napoleon , auf französischer Seite so mustergültige waren , dafs sie noch heute mafsgebend sind. Hier finden wir die Erklärung dafür, dafs die französische Kavallerie trotz ihrer sehr viel geringeren Zahl und Güte dennoch durchweg ihre Aufgaben besser lösen konnte, als die der Verbündeten . Schliefslich schildert der Verfasser in diesem Teil noch die Zusammensetzung des Armeehauptquartiers der Verbündeten und den Dienstbetrieb in demselben, indem er dabei die zweifellos sehr grofsen Schwierigkeiten hervorhebt, mit denen die Schwarzenbergsche Armeeführung zu kämpfen hatte. Der zweite Teil gibt uns die Schilderung dessen, was in dem Titel des Werks angekündigt wird . Mit glücklichem Griff hat der Verfasser für seinen Zweck aus dem reichen Schatz der napoleonischen Kriegsgeschichte den Feldzug, der durch die Grofsartigkeit der Verhältnisse am meisten den modernen Kriegen ähnelt, und aus diesem eine Episode ausgewählt , die sich in hervorragender Weise zur Illustrierung aller Aufgaben eignet, die sich der Kavallerie im Felde bieten. Schon deshalb mufs das Studium des Werkes den Gehilfen der höheren Truppenführer und allen Kavallerieoffizieren warm empfohlen werden . Aber auch für jeden anderen Freund der Kriegsgeschichte bietet sein Studium grofses Interesse, da er hier in eine Episode eingeführt wird, die abgesehen von dem Schlufsbilde der Allgemeinheit bisher wenig bekannt gewesen ist, deren Kenntnis aber zur Beurteilung der ganzen Schwarzenbergschen Heerführung unerlässlich ist. Dem, was der Verfasser im zweiten Teil über Kavallerieverwendung und Aufklärung sagt, mufs unbedingt zugestimmt werden . Es genügt nicht, Kavallerie zu haben , man mufs sie auch gebrauchen . Das hatten aber Napoleons Gegner nicht von ihm gelernt ; die Masse ihrer Kavallerie steckte in den Marschkolonnen der Infanterie oder zog so recht ihrer Bezeichnung als Reservekavallerie entsprechend - hinter denselben her. So war die Kavallerie der Verbündeten trotz ihrer drei- und vierfachen Überlegenheit nicht imstande, den Verbleib der französischen Hauptarmee festzustellen, die Verbindung zwischen den verschiedenen feindlichen Heeresgruppen zu unterbrechen usw. Auch die von Parteigängern errungenen Erfolge blieben hinter den erreichbaren zurück. Dafs in dem grofsen Reiterkampf von Liebertwolkwitz, mit dessen vortrefflicher Darstellung der Verfasser den vorliegenden Band schliefst, der Erfolg schliesslich den Verbündeten verblieb, hatten sie allein dem höheren Wert ihrer Kavallerie zu danken ; wäre die verfügbare Kavallerie einheitlich geführt worden, so hätte ein ganz anderer Erfolg erlangt werden können .
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Was nun aber der Verfasser über die Schwarzenbergsche Armeeführung sagt, wird kaum ohne mannigfachen Widerspruch seitens der Kritik bleiben . Es ist sehr zu bedauern, dafs der Verfasser sich in dieser Beziehung die Grenzen so eng gezogen hat und die Armeeführung zwar nicht ausschliefslich , aber doch vornehmlich nur vom Standpunkte der Kavallerieverwendung aus beleuchtet. Hätte er dies nicht getan, so würde er so wichtige Aktenstücke wie z . B. Schwarzenbergs Dispositionen vom 29. September und 1. Oktober und sein Schreiben an Wittgenstein vom 11. Oktober mit in den Kreis seiner Betrachtungen gezogen haben , wodurch er voraussichtlich stellenweise zu einer anderen Auffassung gekommen wäre. Wenn er für die überaus sympathische Persönlichkeit Schwarzenbergs eine Lanze bricht und diesen in ein anderes Licht zu stellen sucht, als das ist, in dem ihn eine mit den Verhältnissen nicht genau vertraute Kritik bisher vielfach betrachtet hat , so ist das wohl begreiflich. Gewifs war Schwarzenbergs Aufgabe einem Napoleon gegenüber eine sehr schwere, denn diesem gegenüber bedurfte man zur Vermeidung eines Mifserfolges, der den Fortbestand der Koalition gefährdet haben würde, einer erdrückenden Überlegenheit. Von diesem Gesichtspunkt aus läfst sich manches erklären , weshalb mit der Schwarzenbergschen Heerführung nicht zu scharf ins Gericht gegangen werden kann . Daher kann auch dem Verfasser nur beigepflichtet werden , wo er sich darauf beschränkt, Schwarzenbergs Tun zu erklären . Aber er schiefst über das Ziel hinaus, wo er nicht zu rechtfertigende Mafsnahmen im Hinblick auf den schliesslich glücklichen Ausgang verteidigt, so z. B. den Verzicht auf einen vollen Erfolg Murat gegenüber und die durch den Zaren zum Scheitern gebrachte Absicht der weiteren Linksschiebung der Hauptarmee über Altenburg. Des verfügbaren Raumes wegen ist es leider nicht möglich , auf diese und andere Fälle --- Anfang Oktober - näher einzugehen , es ist dies aber auch nicht nötig, da der gleichfalls gerade jetzt erschienene zweite Band des Friederichschen Werkes über den Herbstfeldzug , dessen Verfasser ebenfalls die österreichischen Quellen benutzt hat, aber zu einem ganz anderen , in der Hauptsache das bisherige in milderer Form bestätigenden Urteil gelangt ist, in seinem Schlufsabschnitt eine eingehend und überzeugende Widerlegung bringt. Der dritte Teil des Buches besteht aus Beilagen , die namentlich sehr wertvolle, zum Teil bisher unbekannte Angaben über die beiderseitigen Stärke verhältnisse enthalten . Mit Dank sind auch die hübschen graphischen Beilagen und die Textskizzen, die sehr zur Erleichterung des Verständnisses beitragen, zu begrüssen. Im ganzen wird das Urteil über das Buch dahin lauten müssen , dafs es zwar an manchen Stellen in bezug auf die Beurteilung der
Schwarzenbergschen Heerführung nicht ohne Widerspruch bleiben kann, dafs es aber sonst eine ganz vortreffliche Arbeit enthält, mit 24 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 402.
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deren Herausgabe der Verfasser sich ein grofses Verdienst erworben hat. Hoffentlich läfst die angekündigte Fortsetzung, der man allseits mit Spannung entgegensehen wird, nicht zu lange auf sich warten. 0. Übungsritte in Aufgaben, Durchführung und Berichten für Offiziere aller Waffen. Bearbeitet von Hoppenstedt , Major an der Kriegsschule in Potsdam. Berlin 1904. E. S. Mittler & Sohn. Mk. 3,25. Wie Verfasser in seiner Vorrede sagt, verdankt vorliegendes Buch seine Entstehung einer längeren Lehrtätigkeit an einer Kriegsschule, und aus dieser Praxis heraus dem angehenden Offizier erstes taktisches Verständnis an kleinen Verhältnissen einzuimpfen -- erklärt sich auch der Rahmen des Detachementskrieges , der bei den Arbeiten durchweg zugrunde gelegt ist, der Rahmen des verstärkten Regimentes wird nicht überschritten ; da andererseits Verfasser in seinen Aufgaben jede mögliche Gefechtsart zur Darstellung zu bringen sucht, so ergeben sich manchmal kleine Unnatürlichkeiten , wie wenn z. B. einem Infanterieregiment eine schwere Haubitzbatterie unterstellt wird, was sich im Kriege bei solchen kleinen Filialkämpfen kaum ereignen dürfte. Dies ist aber nebensächlich neben dem grofsen Verdienste des Buches, dafs Verfasser in jeder Aufgabe verstanden hat, den allgemeinen taktischen Entschlufs zum Ausgangspunkte einer bis ins kleinste durchgeführten Truppenführung werden zu lassen. Hierdurch wird der die Aufgaben Lösende in interessanter Weise in die Reglements und Vorschriften sämtlicher Waffengattungen eingeführt und lernt sie beherrschen, indem er sich von Fall zu Fall gegeben durch die Aufgabe - in den Vorschriften orientieren mufs. Um dieses Prinzip durchführen zu können, hat der Verfasser die durch die Felddienstordnung vorgeschriebene Berichtform gewählt. Diese Form mufs für den gedachten Zweck als sehr geeignet bezeichnet werden ; denn durch den fliefsenden Bericht wird dem Leser das Zusammenwirken aller einzelnen Handlungen der Truppenführung für den gewollten Zweck der taktischen Absicht anschaulich und belehrend vor Augen geführt. Es ist sicher für den jungen Offizier wertvoller, sich fest darin zu machen, Truppenteile technisch richtig zu führen , als wie sich zum Strategen auszubilden . Dafs diese technische Führung im Rahmen eines taktischen Entschlusses geboten wird, macht den Wert des vorliegenden Buches aus. Weniger glücklich erscheint die Anfügung von Exerzierplatzaufgaben, sogenannter Entwickelungsaufgaben für Kompagnien , Bataillone; Eskadrons und Abteilungen . Sollen solche Aufgaben überhaupt Wert haben, so müssen sie mit der Truppe in der Hand gelöst werden; denn hierbei kommt es nicht auf Theorie, sondern auf reine Praxis an und auf eine Ausnutzung des Geländes, die sich aus einer Karte 1 : 100000 gar nicht ersehen und üben läfst. Ein sehr glücklicher Gedanke vom Verfasser war es, als Anhang
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an sein Buch einen Aufsatz zu geben „ Die Neubewaffnung und veränderte Taktik der Artillerie." In klarer und übersichtlicher Form werden aus der Neubewaffnung , dem Schiefsverfahren und der durch das neue Reglement bestimmten Verwendung der französischen Feldartillerie Schlüsse gezogen , die ein Einführen von RohrrücklaufGeschützen mit Schutzschilden für uns zur absoluten Notwendigkeit werden lassen, wenn wir unsere Infanterie zum siegreichen Angriff führen wollen ; denn das gepanzerte Rohrrücklaufgeschütz erst ist fähig, den Infanterieangriff auch ohne Rücksicht auf eine vorher über die feindliche Artillerie erlangte Feuerüberlegenheit in wünschenswerter Weise zu unterstützen , denn es gibt keinen Artillerie- und danach einen Infanteriekampf, „der Kampf ist nur einer, er wird von der Infanterie geführt, die anderen Waffen unterstützen sie nur." Klar ist, dafs die Infanterie leichter siegt, die die bessere Artillerieunterstützung hat, namentlich, wenn es sich um den Angriff über die Ebene handelt . Liest man die Hoppenstedtschen Betrachtungen mit Verständnis , so mufs die Schlufsfolgerung lauten , diese bessere Ttz . Unterstützung gibt das Rohrrücklaufgeschütz . Die letzte Operation der Nordarmee 1866. Von einem Generalstabsoffizier. Wien 1905. L. W. Seidel u. Sohn. 10 Mk. Das umfangreiche und mit Karten die jedoch teilweise etwas undeutlich sind reich ausgestattete Werk beschäftigt sich mit den Ereignissen vom 15. Juli 1866 bis zum Waffenstillstand im Anschlufs an „Die kritischen Tage von Olmütz “ von demselben Herrn Verfasser. Der Stoff ist kriegsgeschichtlich kein sehr dankbarer, aber trotzdem möchte ich die kriegsgeschichtliche Behandlung desselben als eine geradezu musterhafte bezeichnen , sowohl nach Methode als Darstellung. Überall eine streng wissenschaftliche Gründlichkeit, und da, wo Kritik geübt wird, bewegt sie sich in wohltuendem Freimut unter vornehmer Form . Naturgemäfs fesselt der zweite Teil des Buches, der sich mit dem Gefecht bei Blumenau - Prefsburg am 22. Juli beschäftigt, am meisten das militärische Interesse, während der erste Teil wie auch das Vorwort hervorhebt die damalige Marschtechnik unter hauptsächlich operativen Gesichtspunkten recht lehrreich behandelt. Was nun das Gefecht von Blumenau - Prefsburg angeht, so hat sich um dasselbe schon eine ganze Literatur gebildet. Die „Konjektur“ fand hier ein selten ergiebiges Feld, da ja der am 22. Juli 12 Uhr mittags eintretende Waffenstillstand dem in vollem Gange befindlichen Gefechte gerade zu einer Zeit ein Ende machte, als die taktische Entscheidung nicht mehr fern sein konnte. Naturgemäfs läfst sich in diesem Falle eine „österreichisch" und eine „preufsisch" beeinflusste Auffassung von dem wahrscheinlichen Ausgang des Gefechtes nicht vermeiden . Österreichischerseits wird speziell die Lage der preussischen 15. Infanteriebrigade unter General v. Bose, welche als Umgehungskolonne etwas weit entfernt von der Hauptgefechtsgruppe (7. Division) 24*
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ins Gefecht trat und mitten zwischen die Brigaden des 2. österreichischen Armeekorps hineinstiefs , als gefährdet dargestellt. Preuſsischerseits dagegen stützt man sich auf die taktischen Erfolge der 15. Infanteriebrigade einem numerisch stärkeren Feinde gegenüber und auf die weit überlegene Gefechtskraft der bei Blumenau gegen die Brigade Mondel kämpfenden preufsischen Truppen . Der Herr Verfasser enthält sich mit Recht eines abschliefsenden Urteiles , denn hier konnte nur der Gesamterfolg entscheiden, und bis zu einem solchen ist eben das Gefecht nicht durchgefochten worden. Durchaus gerechtfertigt erscheint dagegen das warme Lob, welches der Tapferkeit der Brigade Mondel und der ausgezeichneten Haltung ihres Kommandeurs gespendet wird, der für jeden Soldaten eine höchst sympathische Erscheinung bleiben wird in der charaktervollen Durchführung einer sehr schwierigen Aufgabe. Aber weniger energisch und umsichtig handelten ohne Zweifel die übrigen österreichischen Befehlshaber wie auch in dem Buche unumwunden zugestanden wird - und der energischste der Brigadekommandeure des 2. Armeekorps, der Herzog von Württemberg, war mit seiner Brigade insofern taktisch ausgeschaltet, als er sich zu weit entfernt von dem entscheidenden Kampfort befand. Auch sonst sprechen die Imponderabilien — wie ebenfalls in dem Buche an verschiedenen Stellen angedeutet wird — auf österreichischer Seite nicht dafür, daſs sie , immer abgesehen von der Brigade Mondel, am 22. Juli 1866 besonders hoch eingeschätzt werden konnten, gegenüber den von hoher Siegeszuversicht erfüllten preuſsischen Truppen . Und wenn durchaus zutreffend auf die grofse Bedeutung des persönlichen Elementes in der Kriegführung hingewiesen wird mit den Worten „Im Kriege vermag nur ein starker Charakter Wissen in Können umzuwandeln " , so trifft das gerade hier auf die Generale v. Bose und v. Fransecky in jeder Beziehung zu ! Keim . Generalmajor von Mayr und sein Freikorps in Kurhessen. Von Gotthard Kästner. Meifsen (Schlimpert) 1904. Aufserordentlich frisch und lebendig ist die Schilderung, die der Verfasser von dem seltsamen, abenteuerlichen Lebensgang des Generalmajors von Mayr auf Grund sorglichsten Quellenstudiums zu geben weifs. Ihr voraus geht ein kurzer Überblick über die Geschichte der „Freitruppen" im brandenburgisch-preufsischen Heere von 1675 bis zum Beginn des Siebenjährigen Krieges. Mit Recht hebt Kästner hervor, wie schwer es dem König, dem Freund festgefügter Schlachtarmeen, geworden sei, den Freitruppen Anerkennung zu zollen . Noch 1747 sagt er in seinen Generalprinzipien : „Die Panduren seynd nur demjenigen redoutable, welche sie nicht kennen ; sie seynd nur brav, wenn die Hoffnung sie animirt, oder aber, wenn sie Schaden thun können, ohne sich selbst zu exponiren“ und nach der Schlacht von Kolin diktiert er : „ Die vordersten, welche den ersten Angriff übernehmen sollen, dürfen eben nicht die besten Truppen sein ; man kann
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hierzu die Freibataillone nehmen , auf die man allenfalls selbst feuern kann, wenn sie zurückgehn oder nicht beherzt angreifen wollen ." Von den 22 Freikorps, die im Verlauf des Siebenjährigen Krieges im preuIsischen Heere auftraten , wurde für Kurhessen das Freibataillon Mayr von besonderer Bedeutung. Sein Führer, der natürliche Sohn eines spanischen Rates, des Grafen Stella und einer Wäscherin, wurde 1716 zu Wien geboren. Den Namen Mayr erhielt er von dem späteren Ehemann seiner Mutter, den Adel hat er sich vermutlich selbst zuerkannt, wenigstens führte ihn sein Stiefvater, ein Wiener Billardeur , nicht. Der strengen Schule der Jesuiten entlief der Jüngling mit sechzehn Jahren , um in einen ungarischen „Hoboistenhaufen“ einzutreten . In einem Fufsregiment des Herzogs Franz von Lothringen brachte er es alsdann bis zum Feldwebel. 1741 trat er in die österreichische Armee, focht bei Mollwitz gegen die Preufsen und wurde im gleichen Jahre bei der Erstürmung von Prag durch die Bayern, Sachsen und Franzosen gefangen genommen . Im Dienst des zum Kaiser erwählten Kurfürsten Karl Albrecht von Bayern wurde er später Offizier und Adjutant des Reichsfeldmarschalls von Seckendorf. Dann trat er in sächsische Dienste über, wurde 1744 Kornet, im Januar 1745 bereits Premierleutnant. Nach dem Dresdener Frieden kämpfte er in der österreichischen Armee in den Niederlanden gegen die Franzosen mit solcher Auszeichnung, dafs Battsyángi ihn zu seinem Adjutanten ernannte . Bei seiner Rückkehr nach Dresden zum Oberstleutnant der polnischen Kronarmee mit dem Wohnsitz in Dresden befördert, geriet er in einen Ehrenhandel, erschofs seinen Gegner, einen Oberst Graf Vitzthum im Zweikampf und sollte nun, bis die Affäre völlig verraucht sei," in russische Dienste treten . Er befürchtete aber eine Falle und reiste von Warschau statt nach Petersburg nach Berlin , um dem Könige seine Dienste anzubieten . Ganz leicht wurde es ihm nicht, im preufsischen Heere angenommen zu werden. Die erste schriftliche Bitte datiert vom 23. Oktober 1754 , erst Anfang März 1755 erfolgte seine Anstellung als „Major“ mit jährlich 400 Talern Pension und der Weisung, „ von allen Manövers fern zu bleiben und vorläufig nur die fonction oder rôle eines Etranger zu spielen ." Drei Tage vor dem Aufbruch der preufsischen Armee nach Sachsen im folgenden Jahre wurde Mayr dann zum Oberstleutnant und gleichzeitig zum Flügeladjutant des Königs ernannt. Am 18. September erhielt er das Werbepatent zur Errichtung eines Freibataillons in Freiberg . Die kleine Schrift erzählt nun anschaulich und ausführlich seine Tätigkeit an der Spitze seiner Truppe, wie seine späteren Dienste als Generalmajor. Zu dieser Würde beförderte ihn der König im September 1758 , nachdem Mayr kaum zwei Jahre dem preufsischen Heer angehört hatte. Mit noch nicht 43 Jahren starb Mayr plötzlich am 3. Januar 1759 im Winterquartier zu Plauen i. V. „ Le général Mayr vient de mourir, c'est une grande perte et irréparable dans son espèce" meldete Prinz Heinrich dem König und dieser antwortete : „ C'était un homme dont
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on auroit encore pu tirer un grand profit, je ne sais comment le replacer .. pour trouver un homme aussi capable, que le défunt, je crois qu'en fouillant trois armées, on ne l'attrapera pas ." Der kleinen Schrift ist ein ausgedehnter Leserkreis zu wünschen . Le soldat impérial (1800-1814). Par Jean Morvan . Paris . Librairie Plon . 1904.
Tome I u. II.
In Zukunft wird kein Geschichtsschreiber der Epoche Napoleons I. die Kenntnis dieses höchst bemerkenswerten Buches entbehren können . Am allerwenigsten wer Kriegsgeschichte treibt. Das Instrument, mit welchem Napoleon seine grofsartigen Kriege führte, das Heer, wird hier mit anatomischer Schärfe in seiner innersten Struktur geschildert. Und zwar lediglich auf ein Beweismaterial gestützt, welches zum überwiegenden Teil aktenmässigen Wert beanspruchen kann . Das mit bewunderungswertem Fleifs und grofser Sachkenntnis gearbeitete Buch hat berechtigtes Aufsehen erregt, insofern es den Nachweis erbringt, daſs es selbst in den besten Zeiten der Napoleonischen Zeit dem Heere vielfach an ausreichender Bekleidung und Ausrüstung, an Sold und Fürsorge für Kranke und Verwundete, vor allem aber an einer geregelten Verwaltung gefehlt hat. Es wird nachgewiesen , dafs die Zahl der Deserteure und Refraktaire stets eine sehr grofse war und der ,,freiwillige" Patriotismus der Franzosen viel zu wünschen übrig liefs. Dafs die Manneszucht des französischen Soldaten trotz der eisernen Faust eines Napoleon sich niemals mit der Manneszucht deutscher Truppen vergleichen liefs, war ja im allgemeinen bekannt. Aber auch nach dieser Richtung bringt der Herr Verfasser drastische Belegstücke. Der 1. Teil beschäftigt sich mit der Aushebung, dem Material, der Ausbildung, dem Solde, dem Unterhalt und der Verwaltung . Im 2. Teil findet sich abgehandelt das Leben im Felde, die Schlacht, die Sterblichkeit, die Gefangenen , die Belohnungen , die Moral. Jedes dieser Kapitel enthüllt Schattenseiten des französischen Heerwesens während der Zeit von 1800-1814 und man sagt sich öfters erstaunt, wie ungeheuer mufs die persönliche Suggestion des Kaisers gewesen sein , dafs trotz all dieser Mängel die kriegerischen Leistungen der kaiserlichen Heere auf so hoher Stufe standen . Ich glaube, man wird aber auch die unzweifelhaft in hohem Mafse vorhandenen kriegerischen (nicht militärischen im landläufigen Sinne) Instinkte des französischen Volkes hierbei in Rechnung stellen müssen , welche schon die Revolutionskriege geweckt und weiter entwickelt hatten. Interessant ist übrigens der anderweitig erbrachte Nachweis, dafs die kriegerische Eignung des französischen Volkes da am gröfsten ist, wo die stärkste Beimischung mit germanischem Blute besteht, also im Osten und Nordosten Frankreichs. Die Napoleonschwärmer quand même werden von der Lektüre des Morvanschen Buches hie und da wenig entzückt sein . Es wird da mit mancher Legende aufgeräumt. Das scheint mir aber stets ein
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Verdienst zu sein , denn die Geschichte und erst recht die Kriegsgeschichte soll nach der Wahrheit und nur nach der Wahrheit Keim . streben. Stammliste der Königlich Preufsischen Armee. Auf Grund amtlichen Materials bearbeitet von v. Abel , Generalleutnant z. D. Berlin 1905. E. S. Mittler u. Sohn. 5 Mk. Seit der offiziellen „ Stammliste der Königlich Preufsischen Armee seit dem 16. Jahrhundert bis 1840" und dem Werke des Premierleutnant Alt „ Das Königlich Preussische stehende Heer" (1869) ist kein Buch erschienen , das die für jeden Offizier so sehr erwünschten heeresgeschichtlichen Ergänzungen zur Rangliste nach zuverlässigen Quellen und in knapper und übersichtlicher Form zusammenstellt. Das Altsche Werk umfafst, abgesehen von den vorausgeschickten Übersichten des Armeebestandes von 1571-1869 nur die Infanterieregimenter und schliefst überdies mit dem Jahre 1869 ab. Die unablässig fortschreitende geschichtliche Forschung, die immer wieder neue Quellen erschliefst, hat sehr viele Angaben der beiden obengenannten Bücher als irrtümlich nachgewiesen. Natürlich werden auch von den zur Zeit als mafsgebend anerkannten Daten und Tatsachen so manche wiederum der Berichtigung bedürfen . Das tut jedoch der Berechtigung und dem hohen Wert der vorliegenden mühevollen und wohlgelungenen Arbeit keinen Eintrag. Der Verfasser hat sich, auf weitere urkundliche und archivalische Forschungen verzichtend, an diejenigen Ermittelungen gehalten , wie sie zur Zeit als feststehend gelten . Gegeben sind : Stiftungstage, Errichtung, Benennung, Inhaber, Chefs, Standorte, Feldzüge, Schlachten , Fahnen und Standarten einschliesslich der letzten Neuverleihungen ; bei der Feldartillerie aufserdem noch die Bewaffnung, die bei Übersicht III (Einleitung zu den Angaben über die Feldartillerie- Regimenter) verzeichnet ist. Die Übersichten, welche kurz die Geschichte der verschiedenen Waffengattungen behandeln , beginnen durchweg mit dem Jahre 1806. Hier hätte es sich empfohlen , weiter zurückzugreifen, nach dem Vorgange des Altschen Buches, das in seiner Übersicht über die Entwickelung der Infanterie bis 1571 zurückgeht. Wie sehr die historische Forschung fortwährend im Flufs bleibt, geht auch aus den zahlreichen „ Nachträgen und Berichtigungen" hervor, die sich während des Druckes als nötig erwiesen haben. Jedenfalls wird die tüchtige und höchst dankenswerte Arbeit des Generalleutnant v. Abel allen Kameraden hoch willkommen sein. G. P. v. S. Kriegsgeschichtliche Beispiele zur Illustrierung unserer Reglements . Von Ludwig Brunswik von Korompa , Hauptmann . 4. Heft. 91 S. 16 Skizzen . Wien (L. W. Seidel und Sohn ) 1904. Preis 2,40 Mk. In seinem Vorwort geht der Verfasser auf die von uns früher ge-
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machten Bemerkungen ein , auch in diesem Heft bietet er gut und geschickt ausgewählte „ Lesefrüchte" aus Werken über den deutschfranzösischen Krieg und aus den vom Generalstab herausgegebenen kriegsgeschichtlichen Einzelschriften . Recht gut gelungen ist die Schilderung des Gefechtes von St. Jean sur Eroe am 15. Januar 1871 . Die Regellosigkeit, in der die Beispiele gebracht werden und der anscheinend planlose Aufbau erklären sich dadurch, dafs der Verfasser die Absicht hatte, jedes Heft so zu gestalten , dafs es auch einzeln gebraucht werden konnte. Andererseits sollte es aber auch eine genügende Anzahl von Beispielen enthalten, die zur Erläuterung der wichtigsten Vorschriften des Reglements dienen können . Sehr brauchbar erweist sich das dem Hefte beigegebene Inhaltsverzeichnis . Mit dem 4. Hefte schliefst die Beispielsammlung ab ; in weiteren Arbeiten beabsichtigt der Verfasser Vorkommnisse aus der Kriegsgeschichte des Balck. österreichischen Heeres zu behandeln . Taschenbuch für die Feldartillerie. Von Wernigk , Major. gang. Berlin 1904, Mittler und Sohn. 2,25 Mk.
20. Jahr-
Mit einer völlig neuen Anordnung des Stoffes, den praktischen Dienst des Feldartilleristen voranstellend, das Artilleristische mehr in den Vordergrund schiebend, eine Anzahl von Kapiteln allgemein militärischen Inhalts entweder ganz streichend oder wesentlich kürzend , tritt uns der neue 20. Jahrgang von Wernigks bekanntem Taschenbuch entgegen . Seinen sicheren Platz in der kleinen Bücherei des Frontartilleristen hat sich das Taschenbuch seit mehreren Jahren erobert. Der neue Jahrgang wird ihm weitere Freunde erwerben, da in ihm die Schiefsaufgaben nicht nur der Zahl nach vermehrt und in ihren Besprechungen vergründlicht und erweitert, noch gemeinverständlicher geworden sind, sondern auch die Feuerleitung in der Abteilung berücksichtigt und durch Beispiele erläutert wird und zwar auf Grundlage basioal wechselnder Gefechtslagen . Die Stellung des Verfassers an der Feldartilleries chiefsschule ermöglicht ihm, aus den Erfahrungen der über ein Munitionsquantum , wie keine Truppe, verfügenden Lehranstalt zu schöpfen und das Taschenbuch macht die daraus gewonnenen Lehren auch dem Offizier zugänglich, der entweder noch nicht oder seit längerer Zeit nicht mehr zu der genannten Schule kommandiert war. Was zur Hebung des Verständnisses, des Interesses für das Schiefsen und die Schiefspraxis dient, kann nur mit Freuden begrüfst werden . Zu viel kann nach dieser Richtung nimmer geschehen, zumal heute, wo in der Feldartillerietruppe der Neigung für Sport einigermaſsen dem Interesse für das Schiefsen Abbruch zu tun droht. 18. Die Feldkunde und militärische Geländedarstellung. Von A. Nicolai , Hauptmann. Potsdam 1904. A. Stein. 6 Mk. Der Herr Verfasser hat sich der Aufgabe unterzogen , das Werk „Kossmann , Die Terrainlehre, Terraindarstellung und das militärische
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Aufnehmen" den neuen Bestimmungen entsprechend umzugestalten, eine Arbeit, die zur Entstehung eines fast neuen, wissenschaftlichen Werkes geführt hat. Dasselbe ist jedoch zu theoretisch gehalten, der Stil oft schwerfällig , einzelne Stellen werden erst nach wiederholtem Lesen verständlich. Teil II, die Lehre vom Gelände, ist im Vergleich zu Teil III, die angewandte Lehre vom Gelände, zu eingehend behandelt. Dort sind Begriffe erläutert, die mehr in das Gebiet der Geographie gehören , wie Gezeiten, Golfstrom, Entstehung der Meeresinseln etc. , hier fehlen Geländebeurteilungen für Angriff und Verteidigung auf Grund taktischer Aufgaben an der Hand von beigegebenen Karten . Die angeführten kriegsgeschichtlichen Beispiele fesseln ja wohl das Interesse, genügen aber für das Studium nicht. Was einige Einzelheiten anbelangt, so müfste bei Besprechung der Wälder und Ortschaften klarer hervorgehen a) vor b) in c) hinter der Stellung . Auch fehlt die Betrachtung des Nebengeländes der Ortschaften (Flankieren der Seiten vorspringender Winkel) und die Angabe, dafs letztere ihre breite Seite dem Feinde zukehren und hoch liegen müssen , wenn sie zur Verteidigung geeignet sein sollen . Auf Seite 84 dürfte bei Angabe des Abstandes der Doppelposten der Spielraum, den Zff. 218 F.O. läfst, nicht eingeschränkt werden . Bei Beurteilung von Stellungen ist im allgemeinen nur die reine Defensive berücksichtigt, die Defensive mit angriffsweisem Vorgehen zu stiefmütterlich behandelt ; auch fehlt ganz die Beurteilung von Stellungen für Feldartillerie und schwere Artillerie des Feldheeres , Bei der Beurteilung von Arrieregardenstellungen ist nicht erwähnt . dafs dieselben vor allen Dingen gutes Schufsfeld für Artillerie und Infanterie auf weiten und mittleren Entfernungen nötig haben . Angriffsfeld und Vorpostenstellungen hätten erschöpfender behandelt werden können , bei Beurteilung von Biwaksplätzen (S. 94). mufste die Rücksicht auf die Gesundheit der Truppe mehr hervorgehoben werden . Vgl. F.O. Ziff. 392. Abschnitt B) Geländedarstellung, läfst sich auf Darstellung der Situation und auf die Technik des Zeichnens nicht ein , bringt auch sonst nichts Neues. Definitionen einzelner Bodenformen etc. konnten kürzer, dabei klarer zum Ausdruck kommen. Das Krokieren ohne Karte wäre in dieser eingehenden Behandlung besser unter dem Kapitel „Aufnehmen " S. 237 - besprochen worden, da es ja wohl auch in Wirklichkeit nur hierbei in der angegebenen Weise zur Anwendung kommt. Bezüglich der Ansichtsskizze vgl. Nr. 393 und 394 der Jahrbücher. Denjenigen Offizieren, welche sich zur Kriegsakademie vorbereiten
und solchen , die der Feldkunde ganz besonderes Interesse entgegenbringen, kann das Buch, dessen wissenschaftlicher Charakter nochmals hervorgehoben werden soll, zum Studium empfohlen werden. St.
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Geschichte des 2. Lothringischen Feldartillerieregiments Nr. 34 und seiner Stammbatterien . Auf dienstliche Veranlassung bearbeitet von Schweitzer , Leutnant und Adjutant dieses Regiments. Mit Abbildungen , Karten, Plänen und Skizzen . Berlin 1904. E. S. Mittler u . Sohn . 11 Mk. Der Schwerpunkt der Geschichte dieses jungen Regiments liegt in den eingehend und interessant geschilderten Erlebnissen und Leistungen der Stammbatterien . Die älteste dieser Stammbatterien , die jetzige 2. reitende Batterie des Regiments, ist aus der Artillerie des Lützowschen Freikorps. hervorgegangen . Die Lützow sche Artillerie bestand zunächst aus einer halben reitenden und einer halben Fufsbatterie, wurde jedoch nach einiger Zeit zu einer reitenden Batterie umgeformt. Die wechselvollen Schicksale der Lützowschen Artillerie in den Befreiungskriegen werden anschaulich erzählt. Nach der Schlacht bei Ligny wurde, infolge einer Verkettung unverschuldeter Mifsverständnisse und Irrungen , die Batterie unter ihrem tapferen Führer, Hauptmann Fritze , von feindlicher Kavallerie in der Nacht überfallen und mufste nach verzweifelter Gegenwehr ihre Geschütze im Stich lassen . Hauptmann Fritze, vor ein Kriegsgericht gestellt, wurde indessen völlig freigesprochen mit Rücksicht auf sein tadelloses und tapferes Verhalten . Noch zwei Batterien des Regiments , die 2. fahrende und die 3. reitende, haben den Feldzug von 1815 mitgemacht. Bei den Anlagen ist im Verzeichnis der von den Stammbatterien bestandenen Gefechte auch der Munitionsverbrauch angegeben , so weit er sich hat ermitteln lassen . Aufser mehreren guten Bildnissen und Geländeskizzen im Text sind dem Buche sehr zahlreiche und hübsch ausgeführte Karten, Pläne und Skizzen beigegeben . Der Verfasser der Regimentsgeschichte hat eine sorgfältige Arbeit geliefert, die mancherlei Berichte von allgemeinem Interesse enthält. G. P. v. S. Schlüssel und Muster für Lösung taktischer Aufgaben.
Von Hart-
mann , Major. Berlin 1905. Vossische Buchhandlung. Preis 2 Mk. Die vom Verfasser als praktische Anleitung für Frontoffiziere zur Lösung taktischer Aufgaben und zum Kriegsakademieexamen bezeichnete Arbeit bietet, da sie die Lösungen der in den Eintrittsprüfungen zur Kriegsakademie gestellten Aufgaben behandelt, neben den schon vorhandenen Hilfsbüchern ähnlicher Art nichts Neues. Die Musterbefehle entsprechen in ihrer Form nicht durchweg den in der Armee üblichen Bestimmungen . Bei Marschbefehlen empfiehlt sich eine Truppeneinteilung zu geben ; übersehen ist, dafs seit einiger Zeit ein besonderer Führer dauernd für die grofse Bagage bestimmt wird, daſs also auch dieser seine besonderen Befehle haben mufs. Balck.
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Aufgabensammlung aus dem Gebiet der formalen Taktik der drei Waffen. Von Fritschi , Oberleutnant. 66 S., 4 Skizzen im Text. Berlin 1904. E. S. Mittler und Sohn . 1,20 Mk. Der Verfasser will mit seiner Arbeit, die sich als ein Auszug aus den Reglements darstellt, ein Hilfsmittel zu ihrem Studium und eine Anleitung für Anfertigung von Arbeiten aus diesem Gebiet geben . Das kleine Buch bietet somit wenig mehr als die Dienstvorschriften selbst, es dürfte sich nur für diejenigen empfehlen, welche nicht im Besitz der Reglements sind . Einzelne Irrtümer sind untergelaufen, so besitzen z. B. unsere Infanterie divisionen keine Telegraphenabteilungen . Balck. v. Wedels Offizier-Taschenbuch .
Neu bearbeitet und vermehrt von
Balk , Major und Bataillonskommandeur im Infanterieregiment von Courbière . Berlin 1904. R. Eisenschmidt. Mk. 1,50. Lehnerts Handbuch für den Truppenführer. Neu bearbeitet von Immanuel , Hauptmann, zugeteilt dem Grofsen Generalstabe. Berlin 1904. E. S. Mittler & Sohn . Mk . 1,75 . Diese beiden in der Armee angesehenen Hilfsbücher erneut lobend besprechen zu wollen, hiefse Eulen nach Athen tragen ; gibt es doch fast kaum einen Offizier, der nicht eines der beiden Bücher als konzentrierten Ratgeber für alle taktischen und militärtechnischen Fragen besälse. Beide Bücher stehen auch in den neuen Auflagen auf der alten Höhe , indem Bestimmungen berücksichtigt , Erweiterungen einiger wichtiger Abschnitte vorgenommen worden sind, z . B. die Abschnitte über Verpflegung und rückwärtige Verbindungen , deren Wichtigkeit, ja operationsbeherrschender Ausschlag eben der japanischrussische Krieg vor Augen führt. Solche Hilfsbücher können den einen Nachteil haben, dafs sie in den Händen von nicht selbständig denkenden Menschen in bezug auf die in ihnen enthaltenen Beispiele für Befehle zu Schemas werden, die auf jeden Fall angepafst dann natürlich nicht zweckmässig sein werden . Deshalb mufs besonders hervorgehoben werden, daſs das Balksche Buch diesem Schemaverfahren dadurch vorbeugt, daſs die Beispielbefehle nicht in einem Wortlaut, sondern nur in der Form Ttz. von allgemeinen Gesichtspunkten gegeben sind. Bataillonsführung. Nach den neuesten Dienstvorschriften bearbeitet von Liebach , Major und Bataillons kommandeur im 2. Lothring. Berlin 1904. Inf. - Reg. Nr. 131. Vossische Buchhandlung. Mk. 2,80. Das Büchlein mag ein guter Ratgeber für solche Offiziere sein, die noch keine Erfahrung als Bataillonskommandeur haben . Im allgemeinen ist der tatsächliche Wert solcher Ratgeber kein allzu grofser. Denn in der Praxis sieht alles meist anders aus, als man es sich konstruiert hat. Also sollte sich auch der angehende Bataillons-
370
Literatur.
kommandeur in erster Linie auf sein eigenes Können stützen, wenn es ihm auch anfangs an Erfahrung gebricht. Sicherer wird er stets auftreten, wenn er nicht nach einem Ratgeber, sondern nach seinem eigenen militärischen Empfinden handelt. Und meistens sind solche gutgedachten Ratgeber entweder zu detailliert, wie das vorliegende , oder schablonenmäfsig gearbeitet, was zweifellos schlimmer ist. 63. Asien. Von Professor Dr. W. Sievers . Zweite Auflage. Mit 167 Abbildungen im Text, 16 Kartenbeilagen und 20 Tafeln in Holzschnitt, Ätzung und Farbendruck . Fünfter Band der von Professor Dr. W. Sievers in zweiter Auflage herausgegebenen „ Allgemeinen Länderkunde“ . Bibliographisches Institut in Leipzig und Wien . 1904. In Halbleder gebunden 17 Mark. Noch ist das gewaltige Ringen in Ostasien nicht zu Ende , und niemand vermag zu sagen, welchen Ausgang es schliefslich nehmen wird. Wenn aber dieses Problem seine vorläufige Lösung gefunden haben wird, so werden andere auf den Schauplatz treten, die nur auf den Moment des Freiwerdens der jetzt anderweit engagierten Kräfte warten. Der am 7. September 1904 abgeschlossene Vertrag von Lhassa ist bei der Unsicherheit seiner Erfüllung nichts weniger als eine endgültige Entscheidung . So steht Asien tatsächlich an erster Stelle des allgemeinen Interesses, nachdem die hochgehenden Wogen des amerikanischen Wahlkampfes sich schnell wieder geglättet haben , ohne dafs eine Überraschung dem Sturme gefolgt wäre. - Zu einem selten günstigen Zeitpunkt stellt sich demnach der vollständige Band „ Asien“ aus Sievers ' in zweiter Auflage erscheinenden Länderkunde ein, der ersten Lieferung des Werkes nach nur zweimonatigem Zwischenraum mit nur zu rühmender Schnelligkeit folgend . Die damals ausgesprochenen Hoffnungen haben sich voll erfüllt : in einem handlichen Bande von mäfsiger Stärke wird der gewaltige Stoff, den der gröfste aller Erdteile bietet, gewandt behandelt und durchaus ohne das Beiwerk gelehrter Anmerkungen dem Leser dargeboten. Verglichen mit der ersten Auflage, ist auch dieser Band der Länderkunde ein fast neues Werk. Das bedingt schon die neue Einteilung des Stoffes : anstatt nach Begriffskategorien nach geographischen Einzellandschaften . Als solche werden nacheinander Vorderasien, Westasien, Nordasien, Ostasien, Zentralasien und Südasien behandelt, nachdem die bis zur Neuzeit fortgeführte Erforschungsgeschichte das Werk eingeleitet und eine Allgemeine Übersicht (über Lage, Gröfse, Grenzen, Umrisse ; Bau und Relief des Erdteils ; Klima, Pflanzendecke und Tierwelt ; Bevölkerung und Staaten und die wirtschaftlichen Verhältnisse) ein Bild von dem gewaltigen Erdteil in grofsen Zügen gegeben hat . Wie die textliche Einkleidung, ist auch die bildliche Erläuterung, womit Sievers ' Länderkunde das geschriebene Wort in bekannter willkommener Weise ergänzt, durchaus erneuert worden ; die Karten sind, wie Stichproben ergeben, vollständig auf den jetzigen Stand der Forschung gebracht
Literatur.
371
worden ; der gegenwärtig starken wirtschaftsgeographischen Strömung hat man durch fünf ganz neue Wirtschaftskarten , von denen vier farbig sind, in freigebigster Weise Rechnung getragen . Die ebenfalls durchaus neue Karte über die Entwickelung des Kolonialbesitzes in Asien hat uns eine besonders angenehme Überraschung bereitet. Wer tiefer in die Materie einzudringen wünscht, dem gibt ein 16 Seiten. umfassendes, den Kapiteln entsprechend geordnetes Literaturverzeichnis ein reiches Quellenmaterial an , während ein umfangreiches, sorgfältiges Register die Fülle des gewaltigen, im Werke selbst verarbeiteten Stoffes erschliefst. In Anbetracht des Umfanges und der inneren und äusseren Gediegenheit des in diesem Werke Dargebotenen ist der Preis von 17 Mark relativ sogar sehr gering.
II. Ausländische Zeitschriften. Streffleurs Österreichische militärische Zeitschrift. (Februar.) Über moderne Die erste Kavallerie-Division vom 3.- 15 . Juli 1866. RussischArtillerieverwendung (Schlufs ). Maschinengewehre . japanischer Krieg. - Über russische Marschküchen . Revue d'histoire. (Januar.) Der Feldzug der Nordarmee 1794 . Sidi-Brahim . Tagebuch des 18. August 1870 (Schluſs). Revue militaire des armées étrangères. (Februar.) Die Feldhaubitzfrage in den fremden Staaten (Schluſs). Das italienische Kriegsbudget (Schlufs) . - Die Neuorganisation des spanischen Heeres (Schlufs). Revue d'infanterie (Januar). Das Heer der Zukunft (Forts .) . Kritische Tage. Der Tag von Vionville. ― Mafsregeln gegen strenge Kälte (Forts.). - Lösung einer taktischen Aufgabe (Forts .). Studie über die Journal des sciences militaires. (Januar.) Wirksamkeit des Infanteriefeuers (Forts .). Die Lehren des russ.japan. Krieges (Forts .) . -- Erziehung und Ausbildung der Kompagnie für den Felddienst. (Schlufs).
Die Handfeuerwaffen der bedeutenderen Heere
Der österr. Erbfolgekrieg (Forts.) .
Revue du génie militaire. (Dezember.) J. Duval : DefensivOffensive beim entscheidenden Angriff (bekämpft Mondesir's Essai sur l'emploi tactique etc. im Maiheft). - Nekrolog des Generals Petit. Tiefe Schützengräben . - Starre Hängebrücken. Militär-Luftschiffe im russisch-japanischen Kriege. La France militaire. (Januar.) Eine Lücke in dem Gesetz über den zweijährigen Dienst (Forts.) General Luzeux. - Das Exerzierreglement für die Infanterie (Forts.) . 1/2, 3, 5, 6, 7, 8/9, 10, 11 , 12, 13, 14, 15/16, 17, 18, 19. Land oder See (Frankreich soll in der Der Politik wählen). 4 , 19 , 25 . -- Der Tunnel unter dem Kanal. 4.
Literatur.
372 General Mischtchenko . 5.
Sorgen von Miraval ( Stimmungen im
Offizierkorps nach den Ereignissen , die zum Sturze Andrés führten) . 7 . Einige Lehren aus - Die überzähligen Offiziere von Ch. Marty. 10. der Kapitulation von Port Arthur von General Lamiraux. 11. — In Die Sterblichkeit im Heere. Saumur (Geschichte des Reitinstituts) . Die zweijährige ement 14. Kavallerie. die für - Das Exerzierregl Dienstzeit und der zweite Bericht Rolland vom General Prudhomme. 15/16. - Die gelbe Gefahr vom Major Devrez (Sorgen um Indo-China). Die Kadres des Genie. - Die Kriege in Marokko. 25. — Die 18. ersten Lehren des russisch-japanischen Krieges. General Lamiraux. 28 . Durch die letzten Blätter gehen Studien über die Ursache der Unruhen in Rufsland . Revue de Cavalerie. (Januar.) Wie soll man Schule machen ? (Erörterung der Mittel und Wege, um die Moral der Reiter zu dem höchsten Grade zu erheben . ) Die Kavallerie und die Armeeführung der Deutschen vom 15. Juli bis 18. August 1870 (Forts .). — Die neuen Grundsätze des englischen Kavallerie-Exerzierreglements (Forts .). Nochmals der Säbel und die Lanze, letztere wird bevorzugt und die Ansicht geäufsert, dafs ein guter Säbelreiter schwerer auszubilden ist als der Ulan , der selbst mittelmäfsig dem guten Säbelreiter überlegen ist, die Lanze die Waffe der zweijährigen Dienstzeit. -- Das gut durchgearbeitete Pferd vom Rittmeister J. Caubert. - Nekrologe der Generale Lyonnard de la Girennerie und de la Boulinière. Allgemeine Schweizerische Militärzeitung. Nr. 2. Das ständige Personal. Zur neuen Militärorganisation . - Die neuen deutschen Militärvorlagen. Interessant ist die Organisation der neuen viergeschützigen Batterien . - Nr. 3. Moderne Artillerie . Die SiegesNr. 4. Zur neuen aussichten für die Kriegführenden in Ostasien . Militärorganisalion . Die Kriegslage nach dem Fall Port Arthurs. Nr. 5. Zur neuen Oberst Churchill über die japanische Armee. Militärorganisation .
Zur Einführung von Gebirgstruppen.
Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens. Erstes Heft 1905. Ueber ballistische Apparate : Meteorologische Beobachtungen . Belgische Ansichten über Feldbefestigung, improvisierte und halbpermanente Befestigung.
Zu der Geschichte des Jahres Wajennüj Ssbornik. 1905. I. Schreiben des Marschalls Berthier an den Vizekönig von 1812. Stereoskopen -Fernmesser. Russische Kriegsdenkmäler. Italien. Aus Die Pflege der verwundeten und kranken Soldaten im Kriege. einem Feldzugs- Tagebuche. -Übersicht über die kriegerischen Ereignisse im russisch -japanischen Kriege in der Zeit vom 25. November bis zum 23. Dezember 1904. - II. Zu der Geschichte des Jahres 1812 -(Forts.). Russische Kriegsdenkmäler (Forts.) . - An der Afghanischen Übersicht über die kriegerische Ereignissen vom 26. DeGrenze. zember 1904 bis 26. Januar 1905.
Literatur.
373
Morskoj Ssbornik. 1905. I. Die Umformung der Geschwader der englischen Flotte und ihre Verteilung auf die Stationen . - Das Personal der englischen Flotte. ― Die Stadt Dardanelles oder Tschanak und die Dardanellenstrafse; ihre Befestigungen und ihre Verteidigung. - Chronik der kriegerischen Ereignisse zur See im fernen Osten. Russischer Invalide (Rufskij Invalid) . 1905. Nr . 17. Ratschläge für nach dem fernen Osten abrückende Batterien . ―― Nr. 21. Die Bekleidung der Mannschaften der mandschurischen Armee. Zusammensetzung und Stärke der japanischen Feldarmee . Nr. 22. Die Bekleidung etc. (Schlufs zum Artikel in No. 21 ) . - Bestimmungen über die Errichtung einer Militär-Feldscherschule in Cherson und Erweiterung der in Irkutsk. Nr. 24. Das Schiefsen auf die Luftballons . Nr. 26. Im Kriege.
III. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher. (Die eingegangenen Bücher erfahren eine Besprechung nach Mafsgabe ihrer Bedeutung und des verfügbaren Raumes. Eine Verpflichtung , jedes eingehende Buch zu besprechen, übernimmt die Leitung der Jahrbücher“ nicht , doch werden die Titel sämtlicher Bücher nebst Angabe des Preises sofern dieser mitgeteilt wurde hier vermerkt. Eine Rücksendung von Büchern findet nicht statt.) 1. Blattan, Aufmarsch, Vorrückung und Wien 1905. L. W. Seidel & Sohn. Mk. 4,60.
Kampf einer
Armee.
2. Mayerhoffer von Vedropolje, 1805. Der Krieg der 3. Koalition gegen Frankreich. Ebenda . Mk. 2 , --. 3. Knebel Ritter von Treuenschwert, Nächtliche Unternehmungen. Ebenda. Mk. 3, - . 4. Inspizierungsschiefsen von A. M. F. Ebenda . Mk. 0,50 . 5. Denkschrift betreffend die Entwickelung des KiautschouGebietes vom Oktober 1903 bis Oktober 1904. Berlin 1905. Reichsdruckerei. 6. Hoppenstedt, Wie studiert man Kriegsgeschichte ? Dargestellt an einem Beispiel aus dem südafrikanischen Kriege 1899. Berlin 1905. E. S. Mittler & Sohn. Mk. 1,25. 7. Roser, Taktische Beispiele aus den Reglements aller Waffen . Ebenda. Mk. 1,40. 8. Fritschi, Feldkunde, dargestellt in Aufgaben und deren Lösungen auf der Generalstabskarte. Ebenda. Mk. 2,—. 9. v. François, Der Hottentotten - Aufstand . Studie über die Vorgänge im Namalande vom Januar 1904 bis zum Januar 1905 und die Aussichten der Niederwerfung des Aufstandes . 1905. Ebenda . Mk. 1,60. 10. Montanaro, Winke für Expeditionen im afrikanischen Busch. Aus dem Englischen übersetzt von Glauning . 1905. Ebenda . Mk . 1 , — . 11. Schmid, Befehlstechnik . Wien 1905. L. W. Seidel & Sohn. Mk. 3,- .
374
Literatur
12. Das Exerzierreglement der französischen Infanterie von 1904, übersetzt von Egli . Berlin 1905. Zuckschwerdt & Co. 13. Stier, Fahnenflucht und unerlaubte Entfernung . C. Marhold. Mk. 3 , -- .
Halle 1905.
14. Heere und Flotten der Gegenwart : Türkei und Bulgarien. Berlin 1905. Alfred Schall. 15. Foerster, Zur Vorgeschichte des 16. August 1870. Berlin 1905. R. Eisenschmidt. Mk. 2, -.
Druck von A. W. Hayn's Erben , Berlin und Potsdam.
XXVI.
Über
die
Feuerwirkung
der der
modernen modernen
Feldartillerie.
Von H. Rohne, Generalleutnant z. D.
Über die Wirkung der Geschütze
mit Robrrücklauf im Streu-
feuer gegen feldmäſsige Ziele liegen bisher nur sehr dürftige Nachrichten vor, da die bei solchen Schiefsen gemachten Erfahrungen mit einem undurchdringlichen Schleier des Geheimnisses umgeben wurden. Die Kenntnis dieser Wirkung ist aber durchaus notwendig ; denn ohne diese kann man kein richtiges Urteil über den Wert der neuen Geschütze haben. Wohl kann man eine theoretische Untersuchung darüber anstellen, was unter gewissen Voraussetzungen gegen ein bestimmtes Ziel an Wirkung zu erwarten ist ; aber auf die alle Wissenschaft verachtenden Praktiker machen solche Betrachtungen gar keinen Eindruck ; sie vermögen den Deduktionen nicht zu folgen und wollen handgreifliche, wirkliche Schiefsergebnisse haben. Vor einiger Zeit wurden Ergebnisse , die bei Schiefsversuchen in Rumänien und Schweden erreicht waren veröffentlicht ; nunmehr liegen auch solche aus Dänemark vor , über welche die Militaert Tidsskrift sehr
eingehend berichtet.
Diese Versuche
sind deswegen so lebr-
reich, weil sie gegen sehr verschiedene Ziele ausgeführt sind . Das Nächststehende ist der erwähnten Zeitschrift entnommen und wird diesseits mit kritischen Anmerkungen versehen. Die dänische Feldartillerie ist mit Kruppschen 7,5 cm Schnellfeuerkanonen in Rohrrücklauflafetten bewaffnet. Geschofsgewicht 6,5 kg, Anfangsgeschwindigkeit 500 m. Lafette und Munitionshinter . wagen sind mit Schutzschilden versehen, die selbst auf 100 m nicht von Gewehrgeschossen durchschlagen werden. Man wird hiernach auf eine Blechstärke von 5 mm und ein Gewicht des Schildes am Geschütz von 80 bis 100 kg . schliefsen dürfen. Die Batterien sind zu vier Geschützen formiert ; die Munitionswagen stehen in der Feuerstellung dicht neben den Geschützen .
„ Die Gewehrgeschosse
prallen von den Schilden ab, wie ein Hagelschauer von den Fenster25 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 403.
Über die Feuerwirkung der modernen Feldartillerie.
376
scheiben, und ob die vereinzelten Geschosse,
die sich zwischen Ge-
schütz und Wagen oder wo möglich zwischen den Visierspalten durchdrängen, Treffer sein werden, ist eine groíse Frage." Die
Feuergeschwindigkeit
der
Batterie
wird
zu 50
bis
60
Schüssen in der Minute abgegeben, ist also auf das Dreifache gegen früher gesteigert. Das Schiefsverfahren ist dem französischen nachgebildet ; insbesondere ist ein Streuverfahren angenommen , WOdurch grofse Räume unter Feuer gehalten werden.
I. Artilleriekampf. Im
Herbst
1902
wurden
auf dänischen Schiefsplätzen neun
Schiefsen auf etwa 2000 m gegen Batterien von vier Geschützen ausgeführt. Sie waren mit Schutzschilden versehen, vorschriftsmässig besetzt und mit unregelmässigen Zwischenräumen in Einschnitten ohne Brustwehr so aufgestellt, dafs sie gegen die Stellungen, von denen aus sie beschossen wurden, direkt richten konnten. Den Hintergrund bildete eine Hecke ; gegen das lände hoben sich die Geschütze wenig ab.
etwas ansteigende GeBei diesen Schiefsen
wurde mit Aufschlagzünder eine Gabel von 50 m gebildet und dann zum Brennzünder übergegangen. Im ganzen wurden etwa 270 Schrapnells auf dieses Ziel verfeuert. Die Schilde wurden sehr oft getroffen, was aus den zahlreichen Kugelspuren hervorging . Nur 5 groise Sprengstücke oder Volltreffer hatten die Schilde durchschlagen. Die Volltreffer krepierten aber so weit hinter den Geschützen, dafs sie gegen die Bedienung gar keine Wirkung hatten. Von der Bedienung waren im ganzen 6 Mann durch 9 Treffer, dagegen kein einziges Geschütz aulser Gefecht gesetzt. Das ist ein geradezu klägliches Resultat und wer hiernach noch daran zweifeln kann, dafs Schutzschilde eine recht ausgiebige Deckung gegen feindliches Feuer gewähren, der kann keinen Anspruch darauf machen, überhaupt noch ernst genommen zu werden. Wie wenig aber auch mit Granaten gegen dieses Ziel auszurichten ist, geht aus einen im Herbst 1903 mit vier alten Feldgeschützen m/76 ausgeführten Schiefsen hervor. Das Ziel war das oben beschriebene ; die Entfernung betrug 2270 m ; die Geschütze waren wegen der günstigen Beleuchtung gut sichtbar . Es wurden 51 Granaten verfeuert; man schoss sich so genau wie möglich nach den vom Ziel gemeldeten Beobachtungen ein und kontrollierte die Seitenrichtung vor jedem Schufs . Die Schilde wiesen im ganzen 11 scharfe von Sprengstücken herrührende Treffer auf; 2 Bedienungsmannschaften waren durch im ganzen 5 Sprengstücke getroffen ; waren sämtlich gefechtsfähig.
die
Geschütze
Über die Feuerwirkung der modernen Feldartillerie.
377
In Schweden hat man bei derartigen Schiefsen die Erfahrung gemacht, dafs Granaten, die den Schild treffen gleich dahinter krepieren und die Sprengstücke in der Regel ein paar Nummern verwunden ; die Schrapnells scheinen dagegen weiter rückwärts zu krepieren. Die vom Generalleutnant von Reichenau gemachte Beobachtung wird hierdurch also vollauf bestätigt . Die Gefahr, dafs die in den Munitionswagen vorhandene Munition durch Treffer zur Explosion gebracht wird, scheint nicht so grofs zu sein, als man annehmen sollte . So krepierte kein einziges der in einem Wagen mitgeführten Geschosse, obwohl Sprengstücke in den Munitionsraum einschlugen. In einem derselben krepierte ein Schrapnell, in einem anderen eine Granate als Volltreffer. Obschon Sprenggranaten , die in den Räumen waren, dabei in Stücke geschlagen, die Zündhütchen gestaucht und die Patronenhülsen auseinandergerissen wurden, so daſs das Pulver blofs lag, detonierte keine einzige Granate. Die näheren Umstände hierbei sind nicht ohne Interesse. In jedem der getroffenen Munitionsräume befanden sich 20 Sprenggranaten in Patronen mit abwechselnd nach vorn und hinten gewandten Spitzen. Das Schrapnell hatte den Kasten zerstört, den Schild abgerissen, das Untergestell war ziemlich unbeschädigt geblieben. Die Munition war von dem Pulvervorrat geschwärzt. 16 Geschosse lagen unbeschädigt in den Patronenhülsen, 2 ebenfalls unbeschädigt aufserhalb der Hülsen unter dem Wagen, 1 ebenso 5 Meter von dem Fabrzeug entfernt; nur 1 Geschofs lag zerbrochen aufserhalb der Patronenbülse 6 m vom Fahrzeug entfernt ; die Pikrinsäure war blofs gelegt, aber nicht entzündet. Von den 4 losen Patronenhülsen waren 3 stark gestaucht ; das Pulver befand sich teils in den Hülsen, teils war es umber gestreut, aber nicht entzündet. Gegen die Zündschrauben batte kein Anschlag stattgefunden, sondern nur Stauchungen von der Seite . Stücke von dem zerschlagenen Geschofs befanden sich im Munitionsraum. Die Granate hatte den Wagen stärker zerstört ; der Schild war abgeworfen, der Boden zum grofsen Teil abgerissen, die Innenseite des Kastens gelb und grün gefärbt, die Achse stark beschädigt, 13 Geschosse befanden sich unbeschädigt in den Patronenhülsen, diese teilweise verbogen, 5 Geschosse lagen unbeschädigt aufserhalb der ein Geschofs 40 m Patronenhülsen unter und hinter dem Wagen dahinter.
Zwei Geschosse waren zerschlagen, die Zünder und die Eine Patrone ohne Geschofs war un-
Pikrinsäure nicht entzündet. beschädigt
geblieben ;
3
waren gestaucht
aber
nicht
entzündet ,
2 Patronen waren aufgerissen, geschwärzt, beim Pulver zurückgeblieben; Zündhütchen von der Seite etwas zusammengedrückt und ausge25*
Über die Feuerwirkung der modernen Feldartillerie.
378
brannt.
Wahrscheinlich hat der Volltreffer
eine Pulverladung ent-
zündet ; aber kein Geschofs ist im Wagen explodiert. Die Wirkung
dieser beiden Volltreffer war zweifellos viel ge-
ringer als sie zur Zeit des Schwarzpulvers und der Beutelkartuschen gewesen wäre. Was sagt hierzu der Verfasser des Aufsatzes „ Einiges zur Aufklärung über Rohrrücklauf und Panzer" , der im Militärwochenblatt No. 11/1903 ein so entsetzliches Bild von der furchtbaren Wirkung eines Volltreffers in einen mit Sprenggranaten gefüllten Munitionswagen wiedergegeben hat? Es ist für die Objektivität des Urteils
bezeichnend,
wie
aus dem einen Fall in Jüter-
bog, wo ein Munitionswagen durch einen Volltreffer in die Luft gesprengt war, sofort die Unmöglichkeit gefolgert wurde, den Munitionswagen neben das feuernde Geschütz zu stellen. Man hielt es nicht einmal für
nötig zu untersuchen,
ob
dieses Resultat
durch jeden
Volltreffer herbeigeführt werden musste, oder ob das Ereignis durch das Zusammentreffen besonders glücklicher oder unglücklicher Umstände hervorgerufen war. Der Verfasser des Artikels in der Norsk Artilleri-Tidsskrift " zieht aus diesen Ergebnissen
den Schlufs,
dafs
der
Versuch
ge-
panzerte Artillerie durch Schrapnellfeuer mit normalen Sprenghöhen und -weiten zu bekämpfen, aussichtslos sei, dafs das gewünschte Resultat nur mit einem grofsen Aufwand von Munition im Präzisionsschielsen erreicht werden könne und endlich, dafs indirektes Schiefsen gegen gepanzerte Artillerie ganz zwecklos sei, weil Beobachtung und Korrektur der Seitenabweichungen ausgeschlossen ist. II. Gegen Infanterie. Die nachstehenden Schiefsen sind zum Teil in Dänemark, zum Teil in Schweden ausgeführt. Obwohl ich über einige der letzteren bereits im Jahre 1904 (Maiheft) berichtet habe, führe ich sie der Die Schiefsen kann man Vollständigkeit halber noch einmal auf. in vier Gruppen teilen : gegen einzelne Schützenlinien, gegen mehrere hintereinander stehende Schützenlinien (Schützenkolonnen), gegen zweigliedrige geöffnete Linien , wobei die Rotten mit einem Zwischenraum von etwa 1 Schritt standen (Rottenkolonnen) und endlich eingegrabene Schützen. Bei den ersten beiden Schiefsen wurde eine 100 Meter-Gabel gebildet und dann Schnellfeuer abgegeben ; bei den übrigen Schielsen folgte auf die Bildung der 200 Meter- Gabel ein fortschreitendes Feuer mit mehreren Entfernungen.
Wo Zeitangaben fehlen , handelt es sich
um Versuche, bei denen man lediglich die Wirkung ermitteln wollte, die bei diesen Schiefsverfahren möglich war.
Angewandte Bronnlg .
379
3
5
6
7
8
9
10
12
Getroffene Figuren 128
87
186
99
36
850
36
1900 2050 2200
46
1900 2000 2100
358
597
111
886
149
93
Wie unter Ifd. Nr. 3 ; 150 m hinter der hintersten Linie eine Scheibe 5 Fufs hoch, 10 Fufs breit
1900 2050 2200 2350
40
1900 2000 2100 2200
Wie unter lfd. Nr. 4 ; doch 175 m Abstände. Statt der Scheibe in der letzten Linie eine Schützenlinie
1800 1975 2100 2325
72
1800 1900 2000 3' 16' 2100
3Schützenlinien. Vordere 140 liegend und kniend, Frontbreite 200 m. Dahinter 2 Linien je 70 kniender Schützen, 230 bezw. 300 m Abstand von der vordersten Linie.
1800 2080 2100
96
8 Linien. Vorderste 80 lieg. Schützen ; 200 m dahinter von der Batterie aus nicht zu sehen 8 liegende Schützen ; 50 m hinter diesen 60 kniende Schützen. Summa 220 Scheiben. Frontbreite nicht angegeben 5 Linien. Vorn 70 liegende Schützen, Frontbreite 75 m, 300 m dahinter 70 liegende Schützen ; 80 m hinter diesen 120 kniende ; 370 m hinter diesen und 100 m dahinter je 70 kniende Schützen. Summa 400 Scheiben
2100 44 1900 2300 davon 2000 12 2100 2350 zum Ein- 2200 schiefsen
1.L. 51 2. L. 14 3. L. 12
2600 2900 2930 3300 3400
1. L. 88 2. L. 44 3. L. 110 4. L. 11 6. L. Б
Sa. 169
c) Rottenkolonnen. 3 Rottenkol. à 10 Rotten, 2/3 Höhe ; || 2075 20 Schritt Zwischenraum = 60 Scheiben Wie lfd. Nr. 9, aber 15 Rotten in 2050 jeder Kolonne, 90 Scheiben
d) Eingegrabene Schützen. 60 Schützen, nur Kopf und Schultern sichtbar, in 4 unregelmässigen Gruppen à 20-20-10-10 Scheib. 200 Schützen, wie vor ; 4 Gruppen à 10, 8 Gruppen à 20 Schützen.
1. L. 95 2. L. 38 3. L. 36
76 davon 12 zum Einschiefsen
2300 2400 2500 2600 2600 2700 2800 2900
Sa. 77
Sa. 253
22
2050 2 ' 75''
272
54
38
2050 2' 7"
1153
90
8 1850 2000 1950 bis ohne Ein 2050 2100 schiefsen 1650 1850 bis 72 1750 2' 50'' 1850 2150 1950 2050
25
11
wenigerals 1 Minute
850
22
4
Treffer
333
2
a) Einzelne Schützenlinie. 260 liegende und kniende Schützen , Frontbreite 400 m 235 liegende Schützen, Frontbreite 300 m b) Mehrere Schützenlinien hintereinander. 3 Linien von 40 Schützen - -2/3 Höhe 1/2 Schritt lichter Zwischenraum je 150 m Abstand
Zeit
888
1
Entfernung m
25
88
20
69
Ziel
Schufszahl
Nr .Lauf
Über die Feuerwirkung der modernen Feldartillerie.
67
380
Über die Feuerwirkung der modernen Feldartillerie.
Der Verfaſser folgert aus diesen Ergebnissen , dafs es einer selbst in mehreren Schützenlinien hintereinander vorgehenden Infanterie nicht möglich sein werde, in einem von der Artillerie unter Feuer gehaltenen Gelände vorwärts zu kommen, dafs selbst liegende Schützenlinien auf grofsen Entfernungen in kurzer Zeit recht empfindliche Verluste erleiden müssen und
dafs
endlich
ein
sprungweises
Vorgehen selbst in kleinen Gruppen keinen Erfolg haben werde . Das Schlufsurteil ist in nachstehenden bemerkenswerten Sätzen worunter nur zusammengefasst. Die moderne Feldartillerie solche mit Rohrrücklauf und Schutzschilden verstanden werden kann ist eine von der alten so verschiedene Waffe , dafs man mit manchen alten Überlieferungen brechen mufs,
wenn die ihr innewohnende
Kraft ausgenutzt werden soll. Sie ist der Infanterie viel gefährlicher geworden, da sie von dieser in der Front selbst auf den kürzesten Entfernungen kaum erfolgreich bekämpft werden kann.
Die Artillerie
des Angreifers kann sich nicht mehr der Hoffnung hingeben , die des Verteidigers durch ihre numerische Überlegenheit zu erdrücken . Während bisher das indirekte Feuer gegen
vorrückende Infanterie
als völlig aussichtslos galt, wird dieses vermutlich vom Verteidiger oft mit Vorteil angewendet werden können , da die neuen Schiefsverfahren erlauben, einen gegebenen Geländestreifen unter wirksames Schrapnellfeuer zu nehmen .
Während früher namentlich die Verteidigungs-
artillerie hoffen konnte mit indirektem Feuer gegen feindliche Artillerie Wirkung zu erreichen, ist hierauf fortan nicht mehr zu rechnen , wenigstens nicht gegen in Stellung befindliche Artillerie. Diesen Ausführungen vermag ich im allgemeinen nur beizupflichten. Sie bestätigen, was ich in früheren Aufsätzen an dieser Stelle selbst gesagt habe . dafs
diese wichtigen
Feldartillerie betreffen,
Ich
Fragen,
kann nur den Wunsch aussprechen , die
die Verwendung
in unserer Armee mit
der modernen
der gleichen Gründ-
lichkeit und Vorurteilslosigkeit geprüft werden, wie dies in Schweden und Dänemark geschehen ist.
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie .
381
XXVII.
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie vom
3. Dezember
1904.
Von Major Balck, Bataillonskommandeur im Infant . - Rgt. von Courbière (2. Pos . Nr. 19.) (Mit Skizzen. ) Das
am 3. Dezember 1904 der französischen Infanterie in die
Hand gegebene Reglement ist die 7. Dienstvorschrift für die Gefechtsschulung nach Neubildung der Armee.
Während das erste Reglement
vom Jahre 1875 mehr als geboten die Verteidigung und die Notwendigkeit, die Verluste zu vermindern , betonte, begann mit der vielberufenen Gefechtsinstruktion des Generals Boulanger eine neue Bewegung in der französischen Infanterietaktik ,
die
in der dem
französischen Charakter am besten zusagenden Forderung des Angriffs gipfelte. Dieser Gedanke wurde in den nächsten Jahren durch Schulung der Armee im Ansetzen und Durchführen eines einheitlichen Massenangriffs weiter entwickelt, wobei der Infanterie nicht immer der Vorwurf erspart blieb , eine Neigung zu schematischem Handeln zu pflegen. Auch die in Deutschland eifrig erörterten Streitfragen über die zweckmäfsigste Art der Durchführung des Infanterieangriffs fanden in Frankreich eifrige Verfechter. In einem Aufsatze in den Vierteljahrsheften sind diese Strömungen , welche sich mit den Namen Langlois -Bonnal und Kefsler - Négrier
verbinden ,
von
Major Kuhl
gewürdigt wurden. Das neue Reglement ist im Sinne einer Richtung geschrieben, welche sich von den bisherigen Anschauungen der französischen Infanterietaktik entfernt und mehr, als es für den Zusammenhalt der Truppen im Gefecht erwünscht sein kann, die Selbständigkeit und Selbsttätigkeit aller Teile betont. Diese kann aber nur insoweit ihre Berechtigung haben, als sie den von der Führung an einer bestimmten Stelle gewollten Kräfteeinsatz nicht beeinträchtigt, der Entwickelung einheitlicher Anschauungen für das Gefecht und für die Ausbildung nicht entgegensteht. Es wird zwar in dem Reglement auf die Bedeutung der Einzelausbildung zur Befestigung der Manneszucht und des Gefühls der Zusammengehörigkeit in der Truppe hingewiesen, aber auf alles verzichtet, was wir unter Drill und Paradeausbildung zusammenfassen.
Allerdings
Massenausbildung und Massendrill genügen heute nicht mehr. „ Die geschlossene Ausbildung, " sagte der Kriegsminister General von Einem in einer Rede im Reichstage am 3. Dezember 1904 ,
382
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie .
99„darf niemals wieder Selbstzweck werden . Sie soll nur dazu dienen, um zum Gehorsam erziehen, sie soll mit dazu dienen, um die Ordnung zu unterhalten .
Sie soll dazu dienen, zu befähigen, auch in Massen
in Verbänden zum Gefecht, in
höheren Verbänden gut und sicher
zu marschieren. Aber die Hauptausbildung muſs immer gelegt werden auf die Gefechtsformation , auf die Gefechtsart, auf die Gefechtsausbildung . Wir haben jetzt statt einer Ausbildung - denn früher war die Massenausbildung zugleich die Ausbildung für das Gefecht deren zwei. Die lassen sich nicht vereinigen, namentlich aber die Erziehung des Mannes zum
guten Schützen und Einzelkämpfer
stellt die gröfsten Ansprüche an das Ausbildungspersonal , weil auf die Individualität des Mannes eingegangen werden mufs. Wir wollen seine Disziplin
gründen
auf das
unbedingte Vertrauen
zu seinem
Vorgesetzten, auf die Gewöhnung an einen unbedingten Gehorsam , auf die Lebhaftigkeit eines
Standesbewusstseins , das nur erzielt
werden kann durch Tradition ,
durch Ehrbegriff.
Dies
sind
aber
Eigenschaften, die sich erst einstellen bei Leuten in späterer Dienstzeit, die ihre Dienstverrichtungen vollkommen beherrschen . Hente genügt nicht blofs, weder für den Soldaten, noch für das Ausbildungspersonal, dafs blofse Kommando, sondern beide sollen durchdrungen sein
von dem Wesen der Sache , von dem tiefen Wissen
und Können. Auch der Unteroffizier von heute soll in einer gewissen Weise eine Persönlichkeit sein, die es versteht, den Mann zur Selbständigkeit zu leiten . Nun darf nicht verkannt werden, daſs unser Ersatz ein anderer geworden . Er ist intelligenter geworden, gebildeter, feinfühliger, auf der anderen Seite aber auch verrohter, er ist unlustiger geworden und wir müssen mit Leuten rechnen, die sich innerlich nur widerwillig der Disziplin fügen. Die Ausbildung zum durchgebildeten gefechtsmälsigen Krieger ist das wesentliche. " Versteht man unter „ Drill " das genaue Ausführen einer jeden Bewegung auf straffes Kommandowort, und nicht die geistlose, rein mechanische Einübung mehr oder minder wertloser Äufserlichkeiten unter Vernachlässigung jeder moralischen und geistigen Erziehung, so wird man die Bedeutung dieser Ausbildungsweise richtig bewerten, die nie Selbstzweck , wie z. Z. der Linear- und Kolonnentaktik sein kann . Der Mifsbrauch des mechanischen Drilles ist allerdings so ,,Das ewige Exerzieren," schreibt General der Infanterie von Meerscheidt-Hüllessem, „ ist ein sehr fragwürdiges Mittel, die Truppe zu disziplinieren, nur langweilen tut man sie damit. Be-
schädlich als möglich.
absichtigt man dieses, so kann man allerdings zu keinem wirksameren Mittel greifen ." Die französischen Vorschriften verwerfen diesen Drill. In
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie .
383
einer Reihe tief empfundener Worte wird die Bedeutung der moralischen Faktoren gewürdigt. 99 Ein grofser Irrtum ist es aber, wenn man von den geistigen Faktoren alles erwartet, wie da, wo im
Moment der Not rasch Neuorganisationen geschaffen
werden ,
mögen sie nun Milizen , Freischaren oder Mobilgarden heifsen , mögen Erbitterung gegen den Feind und Begeisterung für Vaterland, Republik oder Gloire noch so hoch emporlodern . „ Siegen oder Sterben ! " heifst die Parole beim Ausmarsch, doch beides geht nicht so schnell. Es kommen Wochen und Monate der schwersten Strapazen , anstrengende Märsche, nasse, hungrige Biwaks .
Bald ist der Rausch
der Begeisterung dahin und den Ernüchterten drückt die Wirklichkeit um so schwerer. Endlich steht man dem verhafsten Feinde gegenüber. Doch nicht, um in raschen Sturmlauf ihn sofort zu zerschmettern,
nein,
nur langsam geht es vorwärts- und Stunden,
viele Stunden permanenter Todesgefahr lassen der höchsten Begeisterung Zeit zu verfliegen . " (Laymann .) An Stelle des Enthusiasmus wollen wir die treue selbstlose Pflichterfüllung, die unbedingte Unterordnung des eigenen Willens unter den des Führers setzen. Gewifs, in Tagen des Erfolges kann uns der Enthusiasmus genügen , nicht so aber, wenn alles Erst dann, um uns her zu wanken und zu weichen beginnt. wenn jede Begeisterung
schwindet ,
wenn
vor dem inneren Auge
des Führers das Gespenst der Panik auftaucht, das dicht neben der Begeisterung wohnt, erst dann zeigt sich die durch nichts anderes zu ersetzende Bedeutung des Drills.
Eine stramm gedrillte Truppe,
wenn sie nur gut geführt wurde, hat noch stets ihren Mann gestanden. Dies zeigen die Verluste bei Jena und Auerstädt und die Erfahrungen englischer Truppen in Südafrika, die zwar gut gedrillt waren, aber schlecht geführt wurden . Immer und immer erkennt man,
dals
auf den Gefechtsfeldern in Südafrika
nicht die in un-
gewohnte Lagen geratene Truppe, sondern nur die Führung versagte . Nur das straffe Kommandowort vermag der verhängnisvollen „ Gefechtsdepression " Herr zu werden. „Die 10. Kompagnie Regiments 50" , schreibt General von Boguslawski, während der Belagerung von Paris zu der jeden Morgen stattfindenden Erkundung vorgesandt, verfehlt in der Dunkelheit die Richtung, ihre Spitzen schieben sich seitwärts und so stöfst sie unvermutet auf den starken französischen Posten in dem Gehöft La Fouilleuse vor dem Mont Valérien. Von Chassepotfeuer empfangen, macht der Hauptmann von Beyer kommandiert : Richt Euch !
vordere Zug Kehrt. Aber „Ganzes Bataillon Front !
Achtung, Präsentiert das Gewehr ! "
wie angemauert.
Der Hauptmann
Die Leute stehen
richtet die Kompagnie aus
384
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie.
sodann erst !
„ Der vordere Zug schwärmen ! "
gingen in strammem Tritt zurück .
Die hinteren Züge
Die Schützen folgten. “
Im heftigen österreichischen Granatfeuer beim Vorgehen gegen die Höhen von Burkersdorf läfst Hauptmann von Görne seine Kompagnie halten und Points vornehmen , dann richtet er sie sorgfältig aus . Fest war von neuem die Herrschaft des Führers über seine Mannschaften begründet . Kein glücklich geführtes
Heer hat noch auf den Drill
Festigung der Disziplin verzichten können .
zur
Die grofse Armee, welche
bei Austerlitz und Jena siegte, war gerade auf das allerpeinlichste nach
einem völlig veralteten Reglement gedrillt worden.
Bekannt
ist, welches Interesse gerade der Schlachtenkaiser der Einzelausbildung entgegenbrachte, dafs er selbst noch als Gefangener auf dem Bellerophon sich die Griffe von den englischen Seesoldaten vormachen liefs. Was ist nun zur Festigung der Disziplin nötig, was entbehrlich, darüber gehen die Ansichten weit auseinander, um so mehr auch die Überlieferungen einer jeden Armee in Rechnung zu ziehen sind . Diesen zuliebe wird man in Deutschland wohl kaum auf den Präsentiergriff verzichten wollen. Recht interessant ist es, einen Blick auf die Motive zu werfen , die in Frankreich zur Reglementsänderung geführt haben.
Ich sehe dabei von der gerade in der Armee empfundenen
Notwendigkeit ab, einheitliche Anschauungen zu begründen ; die durch den Meinungsstreit Négrier-Bonnal stark ins Wanken gekommen waren. Änderungen in der Waffenwirkung und die bevorstehende Einführung der zweijährigen Dienstzeit für die Fufstruppen sind ferner ausschlaggebend gewesen für eine Neuprüfung der bevorstehenden Vorschriften. Die Einführungsorder betont als Folgen der Einführung des rauchschwachen Pulvers und der Waffenvervollkommnung für die heutige Gefechtsführung : a) erhöhte Schwierigkeit der Aufklärung , umständlicheres und langsameres Funktionieren der Aufklärungsorgane ; b) gröfsere Gefährdung geschlossener Truppenkörper, selbst von geringerer Stärke, wann sie dem Feinde in Sicht kommen . Daher Anwendung sehr schmiegsamer Formationen, die sich auf das genaueste dem Gelände anpassen. Ersetzen der alten Schützenlinie durch einzelne Schützengruppen, welche sich unregelmässig auf die Gefechtsfront verteilen ; langsameres Vorgehen von Deckung zu Deckung, sorgsamere und planmäſsigere Vorbereitung des Sturmes und gedeckte Heranführung der Sturmtruppen ;
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie.
385
c) die gröfsere Wirkung des Feuers als Infanteriekampfmittels einerseits und andererseits die Gefahr der Munitionsvergeudung und die erhöhte Schwierigkeit des Munitionsersatzes im Gefecht lassen es angezeigt erscheinen, das Feuer in der Regel in kurzen , aber heftigen , stofsweise einsetzenden und durch Pausen unterbrochenen ,, rafales", d. i. wörtlich Windstöfsen abzugeben.
das
Den Nachteilen,
welchen die Verkürzung der Dienstzeit und
Überwiegen
Reserven
der
in den Feldformationen
mit sich
bringen, will das Reglement entgegentreten : a) durch unbedingte Ausscheidung alles nicht für den Krieg Verwendbarem ; b) durch Stärkung der Disziplin und des Zusammenhaltens in der Truppe ; c ) durch strenges Verbot etwaiger Reglementszusätze seitens der Vorgesetzten ;
d) durch redaktionelle Vereinfachung des Reglements ; e) durch Förderung des Nachdenkens und der Entschlufsfähigkeit, indem bei den Übungen den ausführenden Organen die grölstmögliche Selbständigkeit gelassen und bei der Ausbildung die verantwortlichen Vorgesetzten in der Wahl der Ausbildungsmittel nicht beschränkt werden. Vereinfachung des Reglements war seit Jahren die Parole.
Unter
den zahlreichen Vorschlägen, die auftauchten, verdienen diejenigen des Oberstleutnant Fumet, der Unterdirektors der Kriegshochschule, besondere Beachtung, um so mehr, da sie mit hergebrachten Formen völlig brechen. Fumet war zuerst 1886 , 1890 und 1893 , dann 1904 mit seinen Vorschlägen hervorgetreten . Auf Befehl des Kriegsministers wurde eine Kompagnie des 101. Regiments von 250 Mann nach seinen Ansichten ausgebildet. Bereits am vierten Übungstage soll die Kompagnie alle Bewegungen vor dem Brigadekommandeur mit überraschender Schnelligkeit und Genauigkeit ausgeführt haben. Oberstleutnant Fumet geht von dem Grundsatze aus, dafs durch eine Reglementsänderung die Ausbildung der Mannschaften einschliefslich der Reservisten so wenig wie möglich gestört werden dürfe . Dieser Forderung hat nach seiner Ansicht nicht der Ersatz der Doppelreihen durch eine Kolonne in Abmärschen zu vieren entsprochen, welche aufserdem keine wirkliche Vereinfachung der Vorschriften bedeutete. Erheblichen Widerspruch dürfte aber seine Ansicht finden , dafs die einzige geschlossene Einheit, welche als Übergangsform zwischen der Marschkolonne und der Schützenlinie noch eine Daseinsberechtigung habe, der Zug bilde.
Eine Kompagnie-
386
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie.
kolonne
biete
ein so groíses Ziel, dafs sie, ehe sie sich noch ent-
wickeln könne, erhebliche Verluste erlitten haben müsse .
Ein Zug von
50 Mann in Marschkolonne biete hingegen ein so geringes Ziel , dafs er selbst noch im Bereich der mittleren Gefechtsentfernungen sich
ohne grofse Verluste
könne
bewegen könne, diese
kleine Kolonne
sich auch ohne Schwierigkeiten in jedem Gelände bewegen .
Der Zug wird nun derart formiert, dafs die vier eingliedrigen Korporalschaften ( Esconades) mit Gliederabstand hintereinander rücken, die Führer der Escouades
auf dem rechten Flügel,
in der Mitte
und auf den beiden Flügeln je ein Soldat erster Klasse.
Der kriegs-
starke Zug von 50 Mann hat eine Frontbreite von 8-10 und eine Tiefe von 3 m. Durch die Wendung nach der Flanke entsteht ohne vorheriges Abteilen der Marschkolonne , ein Abzählen für das Zusammensetzen der Gewehre ist ebenfalls überflüssig. Die Bewegungen sind sehr einfach, die einfache Wendung gibt die Marschkolonne, beim Marsch nach der Flanke entsteht ohne weiteres durch Aufmarsch nach rechts und links die zweigliedrige Linie, die nach Bedarf in Halbzüge auseinandergezogen werden kann . Auch die Schützenentwickelung der Halbzüge bietet keine Schwierigkeit. Anders aus dem
in Front marschierenden viergliedrigen Zuge,
hier bleibt
nichts anderes übrig als gliederweises Schwärmen . Eine Verkürzung der Kolonne durch Nebeneinandersetzen der Züge gibt eine zweckmälsige Marschform auf breiten Wegen. Die Kompagnie wird derart gebildet, dafs die Züge sich mit 2 m Zwischenraum nebeneinander aufstellen , für die Bataillone kommt nur die Zugkolonne und die Masse in Betracht, bei letzterer stehen die aufmarschierten Kompagnien hintereinander. Bei der Gefechtsentwickelung des Bataillons soll eine Kompagnie mit ihren vier Zügen, mit etwa 80 m Zwischenraum vorgehend, die ganze
Front des
Bataillons
einnehmen ,
die
übrigen Kompagnien
1234
1 Escouade " d° d
Caporaux
Soldats 18
153 ts Solda
folgen, in Zügen auseinandergezogen , hintereinaneer. Grundsätzlich werden die Schützen der Kompagnien gleichzeitig - ohne Ausscheiden eines Unterstützungstrupps eingesetzt.
Chefde section. 8} Chafsde 1/2 sect
Zug in Linie.
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie.
Übergang aus der vier- zur zweigliedrigen Aufstellung und umgekehrt .
Auseinanderziehen eines viergliedrigen Halbzuges in zwei zweigliedrige Halbzüge.
H
Schützenentwickelung eines Halbzuges .
387
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie.
388
Kompagnie. ~ --- 8-10
1
4 Section
7' Section
2 Section
I Section
Kompagnie-Führer.
400-500m
Gefechtsentwickelung eines Bataillons.
Éclaireurs 1- escouade
1. Kompagnie.
2005-004
300 - 400m . لا 1 % 0 %0 1
..... Éclaireurs, 1 Mann von' jeder escouade 2. Kompagnie.
香 1 1/2 1 / 8 Chefdesection Capitaine ..... Eclaireurs
100-200m
200-400m
.....
3. Kompagnie
4. Kompagnie. 3. und 4. Kompagnie ist auf halbe Front entwickelt.
Auf die Einzelheiten der Vorschläge des Oberstleutnant Fumet soll hier nicht weiter eingegangen werden, da sie zwar eingehend erprobt, aber trotz unverkennbarer Vorzüge schliefslich doch nicht zur Annahme gelangten. Nur in der Bewertung des Zuges ist die Reglementskommission
in
gewissem
Grade
dem
Oberstleutnant
Fumet gefolgt. Viergliedrige Formationen scheinen, nachdem die preufsische Infanterie als die letzte im Jahre 1889 die dreigliedrige
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie. Rangierung aufgegeben hatte,
fast wie ein Rückschritt,
389
dennoch
läge in ihnen ein wesentliches Mittel der Vereinfachung des Reglements, da sich dann auf das ganze Sektionsexerzieren verzichten liefse . Schwierigkeiten bieten sich nur für den Übergang vom Marsch im Tritt zum Marsch ohne Tritt durch Erweiterung des Gliederabstandes, dann für die sofortige Entwickelung des ganzen Zuges zum Gefecht.
Das Bilden erst schwacher Schützenlinien , die
nach und nach verstärkt werden , vollzieht sich hingegen sehr einfach durch gliederweises Schwärmen , hier drängt sich dann aber die Frage auf, welche Verwendung sollen denn die Gruppenführer finden . Der ganze Gedanke erscheint sehr zweckmässig, nur grofse Schwierigkeiten der Verwirklichung entgegen .
stellen
sich
Grundzüge des neuen Reglements. Das Reglement gliedert sich in 5 Hauptabschnitte : I. Allgemeine Grundsätze, Art und Weise der Ausbildung . II. Die Einzelausbildung. III. Der Zug. IV. Die Kompagnie und die höheren Verbände. V. Das Infanteriegefecht. In
einem kurzen Anbang
werden
die Ehrenbezeugungen vor
der Fahne und bei Leichenbegängnissen sowie die Griffe mit dem Säbel besprochen. Über Paraden enthält das Reglement nichts. Die Exerzierausbildung
ist nach Möglichkeit vereinfacht.
Der
Präsentiergriff war schon im Reglementsentwurf vom Jahre 1902 fortgefallen, jetzt gibt es nur noch das Gewehr über" und „ Gewehr ab" sowie „ Gewehr am Riemen" über eine Schulter. Ehrenbezeugungen werden mit „ Gewehr über" erwiesen. Der Marsch wird nicht mit gestreckten Knien ,
sondern
nur
als
Gleichschritt
ausgeführt ;
der
vordere Fuís berührt mit dem Absatz zuerst den Boden ( 120 Schritt in der Minute, Schrittlänge 75 cm).
An Feuerarten gibt es : 1. Schützenfeuer mit bestimmter Patronenzahl (feu à cartouches comptées entsprechend dem bei uns in dem Anfange der 80er Jahre vorübergehend üblichen ,,3 Patronen- Schützenfeuer" ) ; 2. freies Schützenfeuer (feu à volonté) , Schützenfeuer ; 3. Magazinfeuer; 4. Salve.
entsprechend
unserem
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie.
390
Die Vorschriften für
die Einzelausbildung im
werden eingeleitet mit den Worten: ,,Schützen,
Schützengefecht
die voll Hingebung
für ihren Dienst, abgehärtet gegen Strapazen und in ihren Gefechtsobliegenheiten unterwiesen sind, bringen zum Kampf soviel Eifer, Tatkraft, Gewandtheit und Verständnis mit, daſs es ihrem Führer möglich ist, alles zu wagen." Diese Worte sind bezeichnend für den Geist, welcher das französische Reglement
beseelt ;
aber
kein
Wort über das Pflichtbewusstsein, als wichtigsten Faktor des Sieges. Wie bei uns bilden die beiden Mannschaften einer Rotte Kampfkameraden.
Beim Vorgehen im Angriff
sollen
die Schützen,
ohne
sich um Richtung zu kümmern, aber unter möglichst strenger Einhaltung der Marschrichtung, in der sie angesetzt sind, und ohne ihre Nachbarn zu stören, sich einen möglichst gedeckten Weg suchen. Müssen sie über offenes Gelände, so ist der kürzeste Weg zu der vom Führer als Ziel bezeichneten Deckung der beste . In der Verteidigung
sollen
sie den Gegner unbesorgt
heran-
kommen lassen in der Überzeugung, ihm mit Sicherheit Halt gebieten zu können, wenn er sich auf die nahen Entfernungen beranwagt. Auf die Feuerdisziplin wird der höchste Wert gelegt und das durch den Führer geleitete Feuer als das normale hingestellt . Es wird von den Schützen verlangt, dafs sie ganz Ohr sind für die Befehle der Führer und wenn sie diese nicht verstanden haben sollten, sich bei
ihren Nachbarn
nach
ihnen
erkundigen.
Aber es wird
auch, wie bei uns, von ihnen verlangt, dafs sie, wenn die Feuerleitung aufhört, selbständig zu handeln imstande sind . Recht charakteristisch für das Reglement ist der den Sturm behandelnde
Punkt
126.
,,Der Bajonettangriff
ist
das Mittel,
den
Gegner in entscheidender Weise und endgültig aus seiner Stellung zu vertreiben. Über den Erfolg des Bajonettangriffs entscheidet die Tüchtigkeit und die Tapferkeit des gemeinen Mannes, ihm gebührt also auch der Ruhm, wenn derselbe gelingt. Vom Beginn des Gefechts an mufs jeder Soldat mit heifser Begierde den Augenblick des Sturmes ersehnen ,
als
und den Kampf endgültig entscheidenden Mittels,
des vornehmsten dem Gegner den
eigenen Willen aufzuzwingen und den Sieg zu erringen. " Die französische Kompagnie ist in 4 Züge (sections), zu je 2 Halbzügen und je 2 Escouades gegliedert. Die Grundform ist die Kompagniek olonne, entweder die Züge in Linie mit 6 Schritt Abstand hintereinander oder in Marschkolonne nebeneinander. Bei der steigenden Bedeutung der Marschkolonne auf dem Gefechtsfelde hat diese Form grofse Vorzüge ; es hätte sich wohl empfohlen, eine
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie.
391
vielfach in Frankreich früher verwendete Form in das Reglement zu übernehmen, die 4 Kompagnien in Marschkolonnen mit geringerem oder gröfserem Zwischenraum nebeneinander. Die Formationen der Kompagnie sind folgende : Die Marschkolonne (in Abmärschen zu Vieren) ; die Kompagniekolonne ( colonne de compagnie), 6 Schritt Abstand hintereinander ;
die Züge
mit
die ligne de sections par quatre, die Züge in Sektionskolonne mit etwa 4 Schritt Zwischenraum nebeneinander ; die Linie ; die Marschkolonne in Abmärschen zu Vieren , escouades, Halbzügen oder nötigenfalls auch zu Zweien oder zu Einem. Vereinfacht sind die sehr schwierigen Übergänge von einer Kolonne in eine andere, welche einen nicht unerheblichen Bestandteil der früheren Vorschriften ausmachten. Auf nur 4 Seiten wird das Bataillonsgefecht behandelt. Das Bataillon kann in Breit-, Tief- und Doppelkolonnen formiert werden,
wobei die einzelnen Kompagnien 10 Schritt Zwischenraum
und Abstand halten und in sich in Kompagniekolonnen oder in ligne de sections par quatre formiert sind . Bemerkt sei , dafs bei diesem Abstande die vierzügige Kompagniekolonne ohne weiteres einschwenken kann . Ausserdem gibt es noch, nur für die Parade, das Bataillon en masse (die Kompagnien in Kompagniekolonnen ohne Abstand nebeneinander) und bei Parade und Versammlung des Bataillons in Linie. Äufserst einfach sind die Angaben über das Regiment und die Brigade : Das Regiment formiert sich in einem oder mehreren Treffen, die Brigade formiert sich flügel- oder treffenweise .
Alles weitere
(Aufstellung und Formation der Bataillone) gibt der Führer an. Auch die Übergänge aus einer Formation in die andere werden mit wenigen Worten erledigt. Die einzelnen Einheiten werden durch ihre Führer in
der einfachsten Weise auf ihren Platz geführt.
Der formale Teil des Reglements
ist somit
einfach und klar.
Griffe, Formen und Übergänge sind, abgesehen von einigen wenigen Punkten, auf das Notwendigste zurückgeführt. Einen grundsätzlichen Bruch mit den früheren Anschauungen zeigt aber das Kapitel Gefecht, welches völlig unter dem Einflusse der Ansichten des Generals Négrier geschrieben ist. General Négrier will bekanntermalsen den Kampf der Massen ersetzen durch den Kampf langer dünner Linien und durch das Zusammenwirken zahlreicher nebeneinander vorgehender Kolonnen. Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine . No. 403. 26
392
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie.
Der Frontalangriff ist nach seiner Ansicht aufserordentlich schwierig ; die Entscheidung mufs daher durch Verbindung von frontalem und flankierendem Feuer erstrebt werden . Wenn aber der Gegner der Umfassung neue Kräfte entgegenstellt, so mufs der Angreifer notgedrungen die Entscheidung im Frontalkampf suchen. In ihm ist die Zahl weniger wichtig als verdeckte Annäherung und das Zurgeltungbringen des Artillerie- und Infanteriefeuers. Der Wert des Einzelkämpfers tritt in den Vordergrund . Es ist seltsam, dafs ein Führer von der Bedeutung Négriers nicht erkannt hat, dafs die geringen Gefechtserfolge
der Engländer
im
zweiten Teile
des süd-
afrikanischen Krieges vor allem darauf zurückzuführen waren, sie nur mit dem Angriff drohten,
ihn
daſs
aber nur in den seltensten
Fällen wirklich durchführten. Nur unter besonders günstigen Verhältnissen darf man hoffen, den Feind aus seiner Stellung herauszuschiefsen.
Ein vollkräftiger Verteidiger
Front angefasst werden,
mufs
wenn eine Umfassung
energisch
in
wirksam sein
der soll ,
nicht tagelanges Schiefsen gibt die Entscheidung , sondern nur Vorgehen zum Angriff. Das Gefecht der Infanterie verträgt keine Regeln, sagt das wie
Reglement, daher ist den Führern volle Freiheit gelassen, was er einsetzen will.
Der Führer gliedert seine Truppe zum Gefecht, indem hierfür eingesetzten Teilen ihr Gefechtsziel Teile bezeichnet,
die
angibt
und
und
er den
diejenigen
er als troupes de manoeuvre zu seiner Ver-
fügung behält. Es sind dies diejenigen Truppen, die früher als troupes de choc" bezeichnet wurden, mit denen der entscheidende Stols geführt werden soll. Der Begriff „,troupes de manoeuvre" ist etwas weiter gefafst und soll wohl eine freiere Art der Verwendung als lediglich zum Gewaltstols gewährleisten. Aufserdem kann sich der Führer noch eine Reserve für unvorhergesehene Fälle zurückbehalten.
In oberster Linie steht die Benutzung des Geländes,
Feuerwirkung
und der Drang
nach
vorwärts .
die
Jedem Führer ist
überlassen, wie er seine Truppen gliedert, der Truppe ist überlassen, wie sie sich vorwärts arbeitet, jede Regelmässigkeit zusammenhängend sich
vorbewegender
Linien ist
beseitigt.
Selbst
in
bezug
auf
die Ausdehnungen ist beim Regiment und der Brigade nur gesagt, dafs sie lediglich durch die Möglichkeit einheitlicher Führung und Wirkung begrenzt wird . Im vollen Gegensatz zu dem Reglementsentwurf 1902
wird
die Bedeutung
Male richtig gewürdigt. geschlossener Ordnung
des Feuergefechtes
zum ersten
Die Gefahr, dals selbst kleine Verbände in im
ungebrochenen feindlichen Feuer grofse
Verluste erleiden , bedingt, biegsame,
sich der Gestaltung
des Ge-
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie.
393
ländes anschmiegende Formen zu verwenden, die zusammenhängende Schützenlinie durch räumlich getrennte Gruppen zu ersetzen , langsameres Vorgehen von Deckung zu Deckung, sorgfältiges und methodisches Vorbereiten aller Angriffe, gedecktes Sammeln und Bereitstellen der zum letzten Sturm bestimmten Kräfte. Die Einleitung des Gefechts umfafst das Aufnehmen der Fühlung durch die Kavallerie , Gefecht etwa vorgeschriebener Detachements schliesslich das Einsetzen der Avantgarden. Eine besondere Erscheinung
des französischen Reglements sind
die selbständig über die Avantgarde hinaus vorgeschobenen Detachements aller Waffen, welche dem Feind die Aufklärung verwehren, ihn aufhalten oder irreführen, gegen seine Flanken ihn zu vorzeitiger Entwickelung verleiten sollen. Die Avantgardeinfanterie
setzt
vorgehen und
sich im Vorgelände der feind-
lichen Stellung fest, schafft die Unterlagen für die Entschlüsse der Führung, welche, solange die Truppen des Gros noch nicht in den Kampf eingetreten sind, volle Freiheit hat, das Gefecht anzunehmen oder durchzuführen . Viel Sorgfalt wird auf die Nachrichtenverbindung zwischen den einzelnen Einheiten und der Vorbereitung der Truppe für den Kampf verwendet .
Die zum Angriff bestimmte Truppe wird
in Einleitungs- und Manövriertruppen gegliedert, von der Division an aufwärts wird eine besondere Reserve ausgeschieden . Die Einleitungstruppen gliedern sich in Gefechtslinie und „ Renforts " . Stärke , Abstände und Zwischenräume der einzelnen Tiefenabstufungen hängen von den verschiedenen Rücksichten ab, namentlich auch von der Möglichkeit gedeckter Annäherung . Bestimmte Zahlen für Gefechtsausdehnungen und Abstände
sind
nicht
gegeben.
Es
finden sich
nur folgende Anhaltspunkte : Bei der Einleitung soll die Kompagnie einen oder mehrere Züge zurück behalten . Die „ Renforts" sollen so dicht folgen,
dafs
sie ohne Verzug ins Gefecht
eingreifen
können .
Regiment und Brigade sollen sich nicht weiter ausdehnen, als dafs wirksames Eingreifen der Führung möglich ist. Mit Recht fragt man sich, reichen diese Vorschriften als Grundlage für den einheitlichen Angriff gröfserer Verbände aus. Wir möchten es bezweifeln. Die für die Gefechtslinie bestimmten Abteilungen gehen vereinigt oder getrennt in Gruppen, die Deckungen des Geländes ausnützend mit solchen Zwischenräumen vor, dass sie noch gemeinsam handeln können. Die Gruppen suchen nun selbständig unter Vermeidung offener oder vom feindlichen Feuer beherrschter Stellen vorwärts zu kommen, sie eröffnen erst das Feuer , sobald das weitere Vorgehen nicht mehr möglich ist, setzen dann aber sprungweise ihr Vorgehen weiter fort. 26*
394
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie.
Infolge der verschiedenen Geländebeschaffenheit, welche die einzelnen Gruppen finden, wird es sich ereignen, dafs einzelne weiter zurückbleiben, andere näher an den Feind stützen
herankommen.
Diese
unter-
durch
ihr Feuer das Vorgehen der weniger vom Gelände begünstigten Abteilungen. An einzelnen Stellen werden die Gruppen in der Lage sein, verstärkt durch ibre „ Renforts " einzelne Stützpunkte des Feindes anzugreifen
und auf dem gewonnenen Boden sich einAn anderen Stellen reichen die Kräfte der Gruppen zur völligen Durchführung des Angriffs nicht aus, sie müssen sich an das Gelände anklammern und sich so nah als möglich der feindzurichten.
lichen Stellung behaupten , um die Unterstützung der Artillerie oder das Eingreifen der Nachbartruppen abzuwarten. Ihre Feuerwirkung mufs den Feind unter dem Drucke halten, dafs auch hier ein Angriff zu erwarten ist. Die Führung versucht den Zusammenhang aufrecht zu erhalten durch die Tätigkeit der Artillerie und durch den Nachschub frischer Kräfte . Während dieses Gruppengefechts erkennt die Führung, wo sie zweckmälsig die zurückgehaltenen Kräfte zum Sturm ansetzen muſs . Meist wird der Stofs gegen diejenigen Stellen der feindlichen Linien gerichtet, wo die Widerstandskraft nachzulassen begiunt. Von Wichtigkeit ist gedeckter Anmarsch und gedecktes Bereitstellen , so daſs der Angriff selbst möglichst überraschend erfolgt. „In biegsamen Formen, welche nur wenige Verluste durch feind-
liches Feuer erleiden und nach der Tiefe gegliedert sind, gehen die Sturmtruppen (troupes d'assaut) mit aufgepflanztem Bajonett vor, schliefsen sich der Gefechtslinie an, die ihr Feuer verdoppelt und sich immer mehr dem Feinde nähert. Ist dann der Augenblick gekommen, so läfst der Führer zum Sturm blasen und schlagen . “ Verfolgung und Abbrechen eines Gefechtes bieten wenig bemerkenswertes, der Hinweis, dafs das Abbrechen eines Gefechtes noch nicht Eingeständnis deutung.
des Mifserfolges
Die passive Verteidigung wird
sei, ist
nicht
ohne Be-
grundsätzlich verworfen,
einige
Stützpunkte in vorderer Linie sollen verhältnismäfsig schwach besetzt aber zäh verteidigt werden, um Brennpunkte des Gefechts abzugeben . Die Entscheidung soll dann durch offensives Eingreifen der Manövriertruppen gesucht werden. Der erforderliche Zeitaufenthalt soll auch durch den Kampf vorgeschobener Abteilungen diesen Bestimmungen liegt es begründet,
erreicht werden .
In
dals dem Ortsgefecht eine
erhöhte Bedeutung beigemessen wird, diesem das Reglement auch einen breiten Raum widmet. Ob die Offensive sich als „,retour offensif" kennzeichnet, ob der Stofs gegen die in heftigem Feuerkampf
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie. liegenden Abteilungen geführt wird, kann ein
395
für allemal nicht ent-
schieden werden, das Reglement empfiehlt auch, von einer Stellung auf die andere zurückzugehen , um schliefslich den Angreifer in ein zum Gegenstofs günstiges Gelände zu locken.
Die Feuertaktik der französischen Infanterie. Zurzeit führt die französische Armee noch das Lebelgewehr M. 86/93 von 8 mm Kaliber mit 8 Patronen im Mittelschaft ; fraglich erscheint der Übergang zu einem 6,5 mm Gewehr System Daudeteau mit festem Mittelschaftmagazin zu 5 Patronen. Aus der Bestimmung des Reglements, dafs das Visier 400 m - welches beim bis Lebelgewehr auf 200 m eine Flugbahn von 81,1 cm ergibt 400 m gegen alle Ziele, also auch gegen Kopfziele, verwendet werden kann, zeigt, dafs wir es hier mit der „ balle D " (dur?) zu tun haben . Einzelheiten sind über dieses Geschofs nicht in die Öffentlichkeit gelangt, jedenfalls besteht es nicht aus Kupfer. Die Anfangsgeschwindigkeit wird auf 800 m angegeben, die durch Verringerung des Geschofsgewichts, Änderung der Geschofsform (länger verstärkte Ladung und durch eine neue Pulverart erreicht sein soll. Nach einer Angabe in der „ République française " soll die Scheitelhöhe für die Entfernung 1000 m nur 1,75 m (anstatt 9,78 m beim Lebelgewehr) betragen : Weiter wird angegeben, dafs die Durchschlagskraft auf 2400 m der bisherigen auf 1400 m ent-
und spitzer)
spräche, dafs die „ stopping power" ganz erheblich gröfser sei, da das Geschofs beim Eindringen in einen Körper sich platt schlage. Die gestrecktere Flugbahn hat zur Folge, dafs die bisherigen Bestimmungen über Verwendung von zwei um 200 m getrennten Visieren gestrichen sind.¹) In seiner 1903 erschienenen kleinen Schrift ,, Petit Guide pour les tirs collectifs" verwarf bereits einer der hervorragendsten Schielstaktiker der französischen Armee, der General Le Joindre , Anwendung von zwei Visierstellungen,
die
die gleichzeitige
er nur als zulässig be-
zeichnete beim Feuer gegen Räume von grosser Tiefe. „,Bleibt das Ziel," schreibt General Le Joindre , längere Zeit sichtbar, so ist es vorteilhafter, zunächst mit einem Visier zu feuern, ein anderes nur dann zu wählen, wenn das erste keine Wirkung gibt. Auf diese Weise lässt sich besser an den Geschofsaufschlägen und an der Wirkung im Ziel erkennen, welches Visier von den beiden das vor1 ) Die Schiefsinstruktion vom 18. November 1902 S. 68 empfiehlt Verwendung von zwei Visieren, wenn Beobachtung der Geschofseinschläge nicht möglich ist und die Entfernung nicht genau ermittelt werden kann.
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Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie.
teilhaftere ist." Auch die neue belgische Schiefsvorschrift ( 1904) steht auf diesem Standpunkt, sie bezeichnet die Visiere 100 m (bis zu 300 m) 400 , 600, 800 m als Gefechtsvisiere für die um 100 m weiter oder kürzer ermittelten Entfernungen.
Über 1200 m soll nur
bei genau ermittelten Entfernungen geschossen werden. In Deutschland besteht z. Zt . die Neigung, zwei um nur 50 m getrennte Visierstellungen zu verwenden, die bei den aus guten, mittleren und schlechten Schützen gemischten mobilen Abteilungen unter dem Einfluss der Gefechtseindrücke tatsächlich die Geschofsprobe nur wenig mehr erweitern , als wenu mit einem einzigen Visier geschossen werden würde . Bei guten Friedensschützen zeigt sich allerdings eine Vergröfserung des vom Feuer beherrschten Raumes. Im Kriege
und das französische Reglement steht nur auf dem
Kriegsstandpunkt -- ist es ganz
unbedenklich,
ein
einziges Visier
anzuwenden, da infolge der psychischen Erregung die Streuung ganz aulserordentlich wächst, ohne dafs es bei der Unmefsbarkeit der einwirkenden Faktoren möglich wäre, einen Anhalt für seine Gröfse zu finden. Im Frieden würde allerdings bei dem Fehlen aller seelischen Einflüsse und bei den bekannten Entfernungen die Treffleistungen bei Anwendung nur eines einzigen Visiers so gering ausfallen, dafs das Vertrauen des Mannes zur Waffe schwinden müsste, da er über den Einflufs dieser Faktoren nicht unterrichtet werden kann , wenn andererseits die Bedeutung des Punktschiefsens unsere Ausbildung nicht herabgesetzt werden soll. Das bisherige Reglement kannte nur das Schützenfeuer
für
(feu à
volonté) und das Magazinfeuer (feu à répétition) . Das feu à volonté soll nach den neuen Vorschriften
nur auf den nahen Entfernungen
gebraucht werden, wenn es darauf ankommt, den Feind mit zahlreichen Geschossen zu überschütten, um sein Vorgehen aufzuhalten. oder um neue Kraft für das eigene Vorgehen zu gewinnen . Wieder eingeführt sind die Salven für Nachtgefechte, oder wenn es darauf ankommt, die Truppe fest in der Hand zu behelten, dann ferner Schützenfeuer mit angegebener Patronenzahl (feu à cartouches comptées) anscheinend, um den Patronenverbrauch zu regeln. Am längsten hat sich diese Abart des Schützenfeuers in der französischen vom Reglementsentwurf 1901 abgeschafft wurde ; aufser im französischen Reglement besteht sie nur noch in Gegen den belgischen und amerikanischen ( 1904) Vorschriften . einwenden, allem vor comptées sich läfst cartouches dieses feu à Armee gehalten,
bis
sie
dals Feuerpansen meist zur Unzeit entstehen, wenn ein wichtiges Ziel noch sichtbar ist. Solange sich die Truppe noch ihre volle Gemütsruhe und Überlegung wie auf dem Übungsplatze bewahrt,
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie.
397
mag es noch angehen, aber auf dem Gefechtsfelde wird das System der „,3 Patronen" einfach versagen.
Es ist zu bezweifeln , ob jeder Mann in der Aufregung des Gefechts sich wirklich Rechenschaft gibt wieviel Patronen er verschossen hat, richtiger ist es, die Mannschaften derart zu erziehen, dafs sie das Feuer gegen das angegebene Ziel so lange fortsetzen, als es in günstiger Höhe sichtbar ist, oder bis der Zugführer eine Feuerpause anordnet. Die Wiedereinführung der cartouches comptées war eben nach Ansicht der Verfasser des französischen Reglements geboten, um einer Munitionsverschwendung bei den von der Artillerie übernommenen Feuerstürme
(Rafales)
vorzubengen .
„Der
moralische
Eindruck der Feuerwirkung ist um so gröfser, je mehr es gelingt, eine überraschende konzentrierte Wirkung in kurzer Zeit zu erreichen. Die Stärke des Feuers hängt ab von der Feuergeschwindigkeit und von der Zahl der feuernden Mannschaften . Noch mehr kann die Wirkung gesteigert durch einen Feuerüberfall , welcher durch das rauchschwache Pulver, das dem Feinde nicht verrät, von wo die Schüsse kommen, besonders begünstigt wird. Feuerüberfall
soll das Feuer gleichzeitig
Bei einem derartigen
anfangen und aufhören. “
Die Erfahrungen der Engländer in Südafrika hatten gerade gelehrt, dafs das nach Ort und Zeit vereinigte, überraschend losbrechende Feuer von gewaltiger moralischer Bedeutung war, wenn auch die materiellen Verluste vielfach weit hinter den auf den Schiefsplätzen gesammelten Erfahrungen zurück blieben .
Feuerpausen zwischen den
einzelnen „ Rafales " sind für die Feuerleitung von grölster Bedeutung , um neue Befehle zu erteilen, Munition zurecht zu legen und die Leute sich einmal verschnaufen zu lassen. Nur darf man die Stärke dieser Feuerstürme
nicht bemessen
nach
einer
schematisch ange-
gebenen Patronenzahl , sondern die Pause wird besser so angeordnet, dals sie eintritt, wenn der Feind kein günstiges Ziel mehr bietet. ' ) 1 ) Deutschland (I. E. R. I, 132) : ,,Je mehr die Feuerwirkung der Zeit und dem Ziel nach zusammengedrängt wird , desto gröfser ist ihr moralischer Eindruck auf den Gegner (s. auch II, 31 : „ Die Feuerwirksamkeit gegen Schützenlinien beruht im Zusammenfassen der Leistung einer grösseren Zahl von Gewehren “). England (1902) die Bedeutung von überraschendem Flankenfeuer wird hervorgehoben, empfohlen wird das plötzliche Losbrechen (sudden burst) von Magazinfeuer aus Richtungen, aus denen der Feind es nicht vermutet, hingewiesen wird auf die Nutzlosigkeit, das Feuer nur für den Zweck „ das Feuer nicht einschlafen zu lassen". Österreich (1903) ... ,, dafs überraschend abgegebenes wirksames Feuer (insbesondere von Flanke und Rücken aus) selbst relativ geringer Kräfte. die Haltung des Gegners am wirksamsten erschüttert." (Feuerüberfälle .)
398
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie.
Ein derartiges nach Raum und Zeit vereinigtes Feuer verlangt eine straffe Herrschaft des Führers über seine Leute und ein vortreffliches Ausharren widern .
dieser
im
feindlichen Feuer,
ohne
es zu er-
Aus den vorstehenden Vorschriften kann keineswegs gefolgert werden, dafs die französische Infanterie ihr Heil in schnellem Schiefsen mit flüchtigem Zielen suche, ¹ ) während die deutsche Feuertaktik im Gewils Gegensatz ein anhaltendes langsames Feuer bevorzuge. wollen wir die Fertigkeit unserer Infanterie im Punktschiefsen zur Geltung bringen, fortgesetztes langsames Feuer läfst aber bei der Ermüdung von Auge und Arm schliesslich in seiner Wirkung nach. Schon aus diesem Grunde und um die Herrschaft des Führers aufrecht zu halten, sind Feuerpausen, in denen der Mann sich erholen kann, geboten. Warum soll man dem Feinde, wenn er sich hinwirft, um zu feuern, ein Ziel bieten und gegen seine liegenden Schützen nur geringe Wirkung erreichen. Besser ist es, wenn das feindliche Feuer losbricht, sich zu decken und möglichst keine Ziele zu bieten, um seine kostbaren Patronen für die Zeit aufzusparen, wo der Feind erneut in ganzer Figur erscheint : dann muls das Feuer zur höchsten Macht
anschwellen .
Was
Form ausspricht, das (I. E. R. I, 132, II, 31 ) .
das
französische Reglement in scharfer
ist auch in unserem Reglement enthalten Schon die italienische Schiefsvorschrift und
Generalleutnant Rohne baben darauf hingewiesen , dafs eine grofse Feuergeschwindigkeit keineswegs immer gleichbedeutend mit Munitionsverschwendung
sei,
gewissen Grenzen vermag.2)
dafs die
gesteigerte
Feuergeschwindigkeit
in
sogar Fehler in der Visierstellung auszugleichen
Man glaubt vielfach, daſs die „ Rafales " auf jedes günstige, sich überhaupt bietende Ziel geleitet werden würden ; das dürfte nicht der Fall sein, sondern jede Truppe hat eben ihr bestimmtes Zielfeld, welches sie beobachtet und unter Feuer hält.
Zur französischen Gefechtstaktik. Deutlich erkennt man, wie die Verfasser des Reglements das deutsche
Begegnungsverfahren im
Auge hatten,
als
sie ihre Be-
stimmungen niederschrieben . Nichts wäre gegen das französische Verfahren verhängnisvoller, als Bataillon auf Bataillon aus der Marsch1) Das neue Reglement verlangt ganz besonders in der Einzelausbildung den Mann zum ruhigen gezielten unüberlegten Schiefsen anzuleiten. 2) Generalleutnant Rohne, Das gefechtsmäfsige Abteilungsschielsen der Infanterie und das Schiefsen mit Maschinengewehren. 4. Aufl. S. 54.
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie.
399
kolonne anzusetzen, um den Widerstand, den die französischen Avantgarde leistet, sie soll sich in grofser Breite entwickeln und rücksichtslos alles einsetzen zu brechen, man würde dann ja nur für den Gegenangriff des feindlichen Gros günstige Bedingungen schaffen. Anstatt des bruchstückweisen Verwendens der Truppe mufs auch beim Begegnungsgefecht sobald als möglich eine planmässige Verwendung treten.
Das französische Verfahren rechnet dann noch
mit
auf allen Gefechtsfeldern beobachteten Fehler,
einem
anderen
dafs vom Feinde besetzte Stützpunkte (Wald und Dorf) in einer geradezu unglaublichen Weise alle in der Nähe befindlichen Streitkräfte anziehen. ' )
In Frankreich will man diese Stützpunkte schwach
besetzen, sie sollen die Brennpunkte des Kampfes werden, in ihnen soll sich der Angreifer festbeifsen, um für den Gegenangriff Blöfsen zu geben. Die ganze Verteidigung gipfelt in diesem Gegenangriff. Die Verwendung vorgeschobener Detachements , Besetzung von Vorstellungen soll Gelegenheit bieten, die Mafsnahmen des Feindes rechtzeitig festzustellen , den Feind langsam verbluten zu lassen, um dann in wirksamster Weise offensiv zu werden .
Bedingung hierzu ist die
eigentliche Verteidigungsfront in gröfserer Ausdehnung nur mit schwachen Abteilungen zu besetzen. Aber auch dieses Verfahren hat seine Schwächen, die Verteidigung mufs zusammenbrechen, wenn es gelingt, die einzelnen Stützpunkte unter konzentrisches Massenfeuer zu nehmen . Wir wollen damit aber nicht die Bedeutung dieser Besetzung in Gruppen verkennen, die gewissermafsen den Redouten der alten Schlachtstellungen entsprechen, jedenfalls die Möglichkeit gewähren, mit schwachen Kräften eine gröfsere Raumstrecke zu halten. Gut durchdacht sind Gefecht.
die
vorbereitenden Mafsnahmen für das
Nachahmenswert das Absenden
von Nachrichtenoffizieren
von einer Einheit zur andern, das Aufsuchen gedeckter Anmarschwege, dann die Bestimmung, dafs beim Vorgehen der Artillerie die Infanterie die Strafse freizumachen habe.2)
1) In Frankreich hat ferner die bekannte deutsche Neigung, rücksichtslos von allen Seiten auf das Gefechtsfeld zu eilen, zur Verwendung vorgeschobener Heeresavantgarden geführt. Sie sollen als Köder für die deutschen Heeresabteilungen dienen, gegen deren ungeschützte Flanken sich der Stofs des Gros richten soll. 2) "L'Infanterie cède au besoin toute la chaussée à l'artillerie, si celle-ci est appelée à la doubler“ , d. h. nicht, dafs die Artillerie ihre Marschkolonne verdoppelt, sondern dafs sie an der Infanterie (auf diese bezieht sich „la “) vorbeitrabt. Allerdings hat auch die Artillerie eine „ colonne doublée “ und das hat wohl zu dem Mifsverständnis beim Wort „doubler “ Veranlassung gegeben.
400
Betrachtungen zum Exerzierreglement für die französische Infanterie.
Der Angriff soll frei und ohne jedes Schema durchgeführt werden, gestrichen aber ist
alles, was
früher gerade die Stärke der fran-
zösischen Vorschriften ausmachte. Feste Anhaltspunkte für das Ansetzen und Durchführen eines Angriffes. Der Wunsch nach festeren Formen für Ausbildung und Gefecht wird sich geltend machen, wenn erst die in der Armee noch herrschende Tradition verblafst und schliesslich ganz verschwindet.
Wie breit soll sich eine Kompagnie,
ein Bataillon entwickeln, wann und in welcher Weise soll sprungweise vorgegangen werden, wie werden die Unterstützungen nachgeführt, das sind Fragen, die sich dem Führer jedesmal aufdrängen , für deren Beantwortung das Reglement keine Anhaltpunkte gibt. Das Angriffsverfahren wird bis in die Einzelheiten individualisiert, wer bürgt aber dafür, dafs der Angriff nicht völlig zerflattert,
daſs
die Truppe nur mit Teilen an den Feind kommt, da der Offensivgeist bei den einzelnen Führern doch recht ungleich entwickelt ist. Das Angriffsverfahren der französischen Infanterie
beruht auf
den Glauben, daſs die Feuerwirkung einer gut gedeckten, wenn auch schwachen Infanterie
so
mächtig
ist, dafs
Betreten der Ebene unmöglich macht.
sie dem Angreifer das
Das Bild des Ernstfalles ,
dafs einzelne Teile, weniger begünstigt durch das Gelände , durch ungeschickte Mafsnahmen gröfseren Verlusten ausgesetzt, oder durch das Fehlen energischer Führer weniger günstig gestellt, gegenüber anderen Abteilungen zurückbleiben, ist bestimmend für Änderung der Vorschrift gewesen . Bedenklich scheint es mir, dieses zu reglementarisieren, anstatt das Bild des idealen Angriffes zu zeichnen. Ganz von selbst werden die durch Feuerwirkung, Gelände und Führer begünstigten Abteilungen einen Vorsprung gewinnen, günstige Feuerstellungen erreichen, aus denen es ihnen möglich ist, das Vorwärtskommen der weniger begünstigten Nachbarabteilungen zu ermöglichen. Nach französischer Vorschrift sollen sich an günstigen Stellen Angriffsgruppen bilden , während offnes freies Gelände nicht betreten werden soll. Gewifs sind diese Zwischenräume ohne Bedenken, der Feind wird so leicht nicht in sie hineinstofsen, aber die durch Ausnutzung des Geländes
entstehenden schmalen Angriffsfronten geben
einem breiter entwickelten Angreifer die Gelegenheit, sie zu umfassen . Soll nun aber der Angriff immer auf den schmalen Raum beschränkt bleiben oder soll er schliesslich sich breiter entwickeln, dann sind Flankenbewegungen unvermeidlich. Aber ebenso bedenklich ist die durch die Forderung des Offensivgeistes entstehende Neigung zu Teilangriffen, die nur unter blutigen Verlusten scheitern können . Wohl kaum wird es der oberen Führung
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerieoffiziers .
401
gelingen, durch Verwendung ihrer Reserven Zusammenhang in die einzelnen Angriffe zu bringen . Das Reglement der französischen Infanterie enthält eine Menge wertvoller Einzelbestimmungen , an denen auch wir nicht ohne weiteres vorbeigehen können, es ist indessen geschrieben für ein geistig sehr hochstehendes Offizierkorps, scheint unseres Erachtens aber zu wenig den praktischen Gebrauch für Ausbildung und Verwendung der Truppe an der Hand von Durchschnittsführern zu berücksichtigen . Das Reglement hat den Vorzug der Einfachheit, indem es alle Formen beseitigt, die im Kriege nicht unbedingt gebraucht werden, es gewährt grofsen Spielraum und betont durchaus richtig den Wert des Feuers und die Notwendigkeit der Offensive. Die Verfasser haben indessen nicht scharf trennen können , was bestimmt vorzuschreiben und was von Fall zu Fall
anzuordnen ist.
Schwäche der Vorschrift,
In dieser Unklarheit liegt die
kaum glauben wir,
daſs ihr ein langes
Dasein beschieden sein wird, wenn die Truppe sich nicht selbst im Gegensatz zum Reglement ihre festen Normen schafft , die sie für ibre Zwecke dringend braucht.
XXVIII .
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerieoffiziers . Von General d. Kav. z. D., Generaladjutant Freiherr v. Sazenhofen.
Über die Organisation der Kavallerie, deren Übungen im Frieden und Aufgaben im Kriege - Aufklärung, Gefechts- und Schlachtentätigkeit, Verfolgung ― sind bereits in früheren Aufsätzen Ansichten niedergelegt worden. Die Kavallerie kann sich aufserdem unter Umständen im Kriege sehr nützlich machen, indem sie im Rücken des Gegners die Etappenlinien beunruhigt und stört. Sie ist auch für diese Tätigkeit vor-
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerieoffiziers .
402
züglich geeignet und kann mit derselben dem Gegner empfindlichen Schaden bringen , indem sie Kunstbauten und Kommunikationen zerstört, Transporte von Lebensmitteln und Kriegsbedürfnissen aufhebt oder Überfälle ausführt, je nach den auch hier durch die Aufklärung eintreffenden Nachrichten . Bei Lösung dieser Aufgaben ist grofse
Beweglichkeit
der Etappenlinien
die
der
Truppe ,
bei
erste Bedingung.
sorgfältigster „ In
Aufklärung
der Regel
kommt
es hier weniger darauf an , lange verlustreiche Gefechte zu führen , wie an dem Charakter des Überfalles festzuhalten." Ist es heute nicht möglich solche Tätigkeit auf dieser Strecke durchzuführen, kann vielleicht morgen auf einer anderen Strecke erreicht werden, dafs grofse Transporte aufgehoben, Magazine vernichtet, dafs die Zugtiere selbst durch kleinere Abteilungen niedergeschossen werden. In der langen kavalleristischen Dienstzeit erinnern wir uns nar einer Übung, bei welcher eine ähnliche Tätigkeit möglich war. Das Verständnis für dieselbe war natürlich nur gering und unverkennbar war es, wie notwendig und nützlich es wäre, der Kavallerie mehr Gelegenheit zu bieten, sich vertraut zu machen , wie ihre verschiedenen Aufgaben zu lösen sind.
Flufs
Bei dieser Übung hatte die Kavalleriedivision die Aufgabe, einen auf etwa 10-12 km zu beobachten . Die Uferverhältnisse
gestatteten nicht den Übergang
einer gegnerischen Division, deren
Versammlungspunkt zeitig und richtig gemeldet war, zu verhindern. Einzelne Replieeskadrons für die Patrouillen, machten im Morgengrauen ganz zweckmälsige Angriffe auf bereits übergegangene Infanterieabteilungen . 10-12 km rückwärts der Aufklärungslinie rückte eine Infanteriedivision vom linken gegen den rechten Flügel. Die Anlage der Übung verfolgte den Zweck „ Meldungserstattung der Kavallerie an die Infanterie. " 1) In der Absicht, diese günstige Gelegenheit für kavalleristische Tätigkeit auszunützen , wurde von einer Brigade genommen,
mit zwei reitenden Batterien jede Gelegenheit wahr-
sich dem Weitermarsche des Gegners vorzulegen, hier-
durch die teilweise Entwickelung der Avantgarde, das Auffahren von Batterien usw. veranlafst. Obgleich die Unterführer auf diese vorauszusehenden Umstände aufmerksam gemacht worden waren, blieben dieselben zumeist untätig. die
Höhenränder,
die
Anstatt durch rasche Vorbewegung an
im Talgrunde marschierenden
Gegner
und
1) Nach dem erfolgten Übergange wurde selbstverständlich die treffende Meldung abgeschickt .
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerieoffiziers.
403
dessen Artillerie , mit Karabinerfeuer zu überschütten,
insbesondere
ward nur von einer Brigade eine Attacke ausgeführt. Der Führer einer anderen Abteilung schützte sumpfiges Terrain vor ; er hatte wohl übersehen, dafs Kugeln selbst über den stärksten Sumpf binüberreichen können, dafs sumpfige Stellen von geringerer Ausdehnung zu umgehen sind, dafs die Tiefe der Marschkolonne einer Division beträchtlich ist usw. Zeigt sodann der gegenwärtige Krieg nicht abermals, daſs alle Reitkunsttücke, die Schulung zahlreicher Jagdkommandos usw. usw., so nützlich dieselben immerhin sind, dafs selbst vortreffliche Eskadrons und Regimenter einer entsprechenden Vorübung und Verwendung für ihre kriegerischen Tätigkeiten nicht entbehren können, dafs ohne diese Bedingung
der
in der Truppe
kavalleristische Gedanke überhaupt fehlt und
schwerlich ganz geläufig geworden ist.
Wie vieles
ist schon über den kleinen Krieg geschrieben und erörtert worden ? Ohne entsprechende Leitung und Übung, kann dies alles nur sehr wenig helfen.
Es ist nicht denkbar, die langen Verbindungs- und
Etappenlinien einer anrückenden Armee so zu schützen, dafs es einer beweglichen, unternehmungslustigen Kavallerie unmöglich wäre, auf diesen Linien ganz bedeutende Störungen und Erfolge durchzusetzen. So war z. B. von der Beobachtung einer Kolonne von Tausenden Lastträger und Hunderten von Wagen kürzlich zu lesen. Sind hinter solchen aufklärenden Patrouillen, stärkere Kavallerieverbände bereit, so ist es einfach unmöglich, dafs solche Transporte ihr Ziel in langen Märschen erreichen . Erst in der allerletzten Zeit treffen Nachrichten ein über derartiges Auftreten von Kosaken in Korea. Eine aus wichtigeren Gründen zurückgehende Armee kann entscheidenden Kämpfen füglich ausweichen, braucht keineswegs sehr zahlreiche Kavallerie, um den nachrückenden Gegner fortlaufend zu beobachten.
Dabei ist es durchaus nicht ausgeschlossen, daſs Kämpfe
im Charakter von Nachhutgefechten stattfinden, dafs sogar unter Umständen
kräftige
Offensivstöfse
auf einzelne
Kolonnen
des
nach-
rückenden Gegners erfolgen. Diese Armee wird sohin einen grösseren Teil ihrer Kavallerie sehr nützlich zum kleinen Krieg auf den Etappenlinien des Gegners verwenden können . Während diese Kavallerie Verpflegung und Gefechtskraft des Gegners ganz wesentlich beeinträchtigt, hierdurch die Trennung seiner Kolonnen herbeiführt, kann die zurückweichende ihrer Basis näher kommende Armee, immerhin sich mit Übermacht auf einen der getrennten Teile werfen. Auf diese Weise ist es absolut möglich, den Vormarsch des Gegners zu verzögern. Mit der Zeit ist es unausbleiblich, dafs sich die Ver-
404
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerieoffiziers .
hältnisse der zurückweichenden Armee günstiger gestalten. Bedenklich ist es in solchen Fällen überhaupt, eine für die Verteidigung geeignete Position, ohne absolut zwingende Gründe bis zum äussersten halten zu wollen. Zu allen Zeiten war dies doppelt bedenklich, wenn der Gegner überhaupt sehr überlegen ist in der Zahl, wie in der Artilleriewirkung . Die Buren haben allerdings den Beweis geliefert, auf welche Weise diese äusserste Verteidigung einer Stellung mit Nutzen, selbst gegen grofse Übermacht durchzuführen ist ; andererseits aber ebenso den Beweis, dafs dieses System der Kriegführung trotzdem zu bedenklichen Situationen führen kann, wenn der Gegner nicht gezwungen ist eine solche Stellung auch wirklich direkt anzugreifen, dafs ohne sachgemäßsen Übergang zur Offensive auch die glänzendste Verteidigung ohne nachhaltigen Wert bleibt. Durch die unbestrittene Herrschaft zur See ist es den Japanern zwar gelungen, ihre Verbindungslinien zu verkürzen ; immerhin haben diese aber noch immer eine bedeutende Ausdehnung.
Die zahlreiche
auch schwere Artillerie , welche die Japaner ins Feld führten , muſste deren Bewegungen auch bei guten Strafsen verlangsamen, die Kolonnen verlängern. Die weittragenden schweren Geschütze mufsten ein bedeutendes Übergewicht gewinnen, wenn die Artilleriestellungen ihrer Gegner so frühzeitig zu erkennen waren, daſs eine kräftige Gegenwirkung ausgeschlossen war. Unter solchen Umständen war unausbleiblich, dafs die russische Artillerie verloren ging, oder eigentlich wehrlos vor Beginn des eigentlichen Kampfes zusammengeschossen wurde. Um endlich nochmals auf die Kavallerie zurückzukommen , so ist kaum zu verkennen : 1. dafs die zweckentsprechende Organisation der Kavallerie in sich, wie in der Armee gröfste Bedeutung hat ; 2. dafs
die Vorübungen der grofsen Verbände
füglich auf den
grofsen Übungsplätzen vorgenommen werden können ; 3. dafs kavalleristisch geregelte Einteilung und Verwendung bei den gröfseren Truppenübungen auf die Leistungsfähigkeit der Waffe den gröfsten Einfluss haben mufs. Es ist überhaupt nicht zu bezweifeln, dafs ganz allein eine gut vorbereitete, schon im Frieden ganz entsprechend geschulte , bewegliche
und unternehmungslustige Kavallerie
Aufgaben im Kriege
zu lösen .
befähigt ist, ihre
Die grofse Wichtigkeit, dafs diese
Bedingungen mit allen Mitteln gefördert werden müssen, liegt auf der Hand. Nur dann ist es zu erreichen, daſs in der Kavallerie vom Führer bis herab
zum letzten Reiter jene Initiative geweckt
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerieoffiziers .
405
und erhalten wird, welche die wichtigste Grundlage für erfolgreiche Tätigkeit der Waffe bleibt. Sind die Kavalleriedivisionen formiert, der Kriegsformation entsprechend, in Beziehung auf Ausbildung und Verwendung den Armeeinspektionen unterstellt, die Inspekteure der Kavallerie diesen hohen Stellen zugeteilt, so wird es auch möglich sein , daſs den Kavalleriedivisionen fortlaufend, wie insbesondere bei den grofsen Truppenübungen Gelegenheit gegeben wird , in den verschiedenen angeführten Tätigkeiten eine gewisse Routine zu erlangen . Die verschiedenen und keineswegs unwichtigen Aufgaben der grofsen Kavallerieverbände können nur dann im Frieden entsprechend vorbereitet werden, wenn schon bei der Anlage
der Übungen auch
die rein kavalleristischen Grundsätze volle Beachtung finden.
Dies
ist nur denkbar , wenn spezielle Leitung sich auf bestimmte Kavalleriedivisionen ausdehnt und längere Jahre die gleiche bleibt ,
wenn sodann
die ganze Tätigkeit bei den
gröfseren Übungen , durch jene Leitung begleitet und beurteilt wird ; setzungen ,
diese Leitung wird nicht nur die Voraus-
auf welchen der Entschlufs
beruht , zu erkennen vermögen , sein , vor ihren Augen Angriffe zu beurteilen .
zu einem Angriffe
sondern auch in der Lage
unternommene
Bewegungen oder
Es ist wohl nicht mifszuverstehen , wenn dieser kavalleristischen Leitung ein besonderer Wert beigemessen wird. denkbar, dafs
Es bleibt immerhin
ohne Beachtung dieser Grundsätze sich verschiedene
Anschauungen über die Tätigkeit der Kavallerie bemerkbar machen können, daſs hierdurch diese Tätigkeit keineswegs gefördert werden kann.
Wird der kavalleristischen
Leitung
aber rückhaltlos jene
Bedeutung zuerkannt, welche dieselbe schon wegen der Waffeneigentümlichkeiten besitzen mufs, können Meinungsverschiedenheiten einen störenden Einflufs nicht gewinnen .
Solche Meinungsverschiedenheiten
werden sodann ganz bestimmt vollkommen verschwinden, wenn die Kavallerie auf diese Art im Frieden vorbereitet, im Kriege überhaupt, insbesondere
aus
eigener Initiative bei den unverkennbaren
Krisen während der Feuergefechte mit Kräften auftritt, welche nicht nur direkte Erfolge, sondern auch Erfolge von der grölsten Tragweite zu erzielen vermögen. Die Verluste, welche hierbei nicht zu vermeiden sind, bleiben für die Kavallerie weit weniger empfindlich, wie bei jeder anderen Waffe. Die direkten Erfolge, welche durch kavalleristisch angelegte und ebenso durchgeführte Aktionen erzielt sind, bieten eine Gewähr dafür, dafs Gelegenheiten für die Tätigkeit nach jeder Richtung ausgenutzt werden.
nicht übersehen und stets vollkommener
406
Erinnerungen und Erwägungen eines alten Kavallerieoffiziers. Werden
die
verschiedenen
Schwierigkeiten
nicht
schon
im
Frieden durch zweckentsprechende Einrichtungen beseitigt, so beweisen natürlich die Erfahrungen der Kriege, dafs hier einzelne Mängel in der Friedenstätigkeit bestunden. Die Geschichte der Kavallerie zeigt dies leider nur zu deutlich ; für keine andere Waffe machen sich derartige Mängel fühlbarer, wie für die Kavallerie . Wissen und Können sind nicht immer vereinigt ; selbst naturwüchsiges Können steht für die Kavallerie höher , wie alles Wissen. einigt bringen
beide Eigenschaften
den Erfolg.
durch praktisch geleitete Studien gefördert, bei Übungen kann es allein zum Können reifen. entschlossenes,
rasches Handeln im
Nur ver-
Das Wissen wird tüchtig
geleiteten
Natürlicher Verstand,
geeigneten Momente,
sind die
wichtigsten Eigenschaften des Kavallerieführers, wahre Grundlagen des Könnens und der Initiative. Durch einseitiges Studium ist diese Grundlage nur schwer
zu
erreichen, wenn hier nicht insbesondere
diejenigen Punkte erfasst werden,
welche so
ziemlich die gleichen
geblieben, und bleiben, solange Kriege geführt werden, in deren Erkennen und entschlossenem Ausnutzen das Geheimnis des Erfolges begründet liegt. Es bleibt immerhin eine sehr beachtenswerte Erscheinung, dafs Patrouillen im Felde ganz entsprechend ausgeführt wurden , wenn dieselben, entgegen der Gewohnheit so mancher Friedensepoche , endlich losgelassen wurden, dafs auch die Tätigkeit der grofsen Kavallerieverbände dann zu bemerken ist, wenn diese Verbände für dieselbe vorbereitet waren, deren Führer die Bedingungen für ihre Initiative vollständig erfüllt fanden. So wertvoll die Initiative im Kriege überhaupt ist, so bleibt sie bei der Kavallerie Grundlage ihrer Existenz. Nur dann, wenn alles geschieht, um die Initiative und das Verständnis für die Momente zu wecken, in welchen diese allein von Erfolg begleitet sein kann, wenn alles vermieden wird, was diese Eigenschaft beeinträchtigen muſs , wird die einzelne Persönlichkeit hierfür gewonnen werden können. In den verschiedenen Erwägungen haben wir nicht verabsäumt, einige Punkte anzuführen, Mafsnahmen anzugeben, welche in dieser Beziehung nach unserer Ansicht von ganz wesentlicher Bedeutung sind, durch deren Festhalten und Weiterentwickelung ein Fortschritt verbürgt erscheint.
29 Deuten Merkmale im allgemeinen an , dafs die Verhältnisse nicht ungünstig gelagert sind , dann mit allen verfügbaren Kräften der wohlgeschulten Divisionen entschlossen hinein in die Reiben des Feindes !"
Über den Normalangriff.
407
XXIX .
Über
den
Normalangriff.
Von Generalmajor Stieler.
Wohin wir blicken, sei es ins Staats- oder Gemeindeleben, sei es in das Gebiet der Wissenschaft, der Kunst, des Handels oder der Industrie, da drängt sich das Individuum, fufsend auf seiner vermeintlichen höheren Intelligenz und den Kulturfortschritten, immer begehrlicher in den Vordergrund . Nach den Lehren vieler modernen Apostel bildet das Individuum für sich ein möglichst abgeschlossenes Ganze, das nach freiem Ermessen denkt, spricht und handelt und einer Zukunft zujubelt, die ihm bislang durch rückständige Staatsgewalt und durch veraltete Anschauungen verschlossen geblieben war. So tritt immer mehr das Individuum an die Stelle der Gemeinschaft. In kindlichem Glauben nimmt man an, dafs das Ende aller idealen Einzelhandlungen die edle Menschheit ―― ohne Zwang und rohe Gewalt doch einst auf demselben Platze siegreich zusammenfinden würde. alisieren eben alles! Dieses Wort „ , individualisieren "
ist
Wir individu-
auch in unsere
Militär-
schriftsprache eingedrungen und fast scheint es, als lauere es darauf durch eine Hintertür sich in unsere reglementaren Satzungen einzuschleichen. Diesem doktrinären Bestreben muls aber mit allen Gewifs soll die militärische Mitteln entgegengearbeitet werden. Dienstzeit ein Kulturfaktor sein und bleiben.
Nicht
aber auf dem
Gebiete der eigenartigen Ausgestaltung des Individuums, der wissenschaftlichen Freiheit und der berechtigten Eigentümlichkeiten, sondern in dem gewaltigen Ausdruck eines Willens , der durch Gesetz und Überlieferung, die Gesamtheit in gebahnte Wege hineinleiten soll . Die kurze Dienstzeit reicht auch gar nicht aus, um jeder Individualität Rechnung tragen zu können. Ich bin vielmehr der Ansicht, daſs es die Aufgabe der militärischen Ausbildung
ist,
den Sonder-
willen und die Sonderanschauungen des Individuums der disziplinaren Macht zu beugen und unterzuordnen .
Unterweisen wir den Soldaten
in den kriegstechnischen Kenntnissen und Fertigkeiten, und zwingen wir ihn in eiserne Manneszucht, so folgen uns die Massen auf blutiger 27 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 403.
Über den Normalangriff.
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Wahlstatt, bis die Waffe ihren Händen entsinkt oder die Siegespalme ihre Fahnen schmückt. Die Aufgabe der Taktik war zu allen Zeiten die, eine abgegrenzte Menge von Streitkräften und Streitmitteln in ganz festen Formen und Normen so zu gruppieren und disciplinar auszubilden , dafs die unbedingte Befehlsgewalt der Führer aller Grade garantiert war. Nicht konnte es eine Rolle spielen, ob ein vielleicht befähigterer, spekulativer Kopf, der auf höherem Standpunkte der Intelligenz als sein Führer stand, die ernsten Verhältnisse , die über Leben und Tod
entscheiden sollen,
besser übersah und
abschätzte ;
die
soldatische Unterordnung verlangte unbedingten Gehorsam, und dieser allein führt uns in die feindlichen Reihen hinein . Der Krieg ist nicht der dramatische Aufbau einer unendlichen Zahl von heroischen Einzeltaten, er gipfelt vielmehr darin,
das Feldherrnverständnis und
die Heldengröfse einzelner Bevorzugten in einer physischen Massenleistung zum Ausdrucke zu bringen . Persönlichkeit !
Darin liegt die Macht der
Die glänzendste geistige Begabung und eine überwältigende Dialektik der modernen Schriftsteller vermögen mich nicht zu überzeugen, dafs unsere Zukunftsmusik in einem zerflatterten, individualisierten Gefechtsverfahren
ausklingen wird.
Was ich aus der
Hand gebe, entzieht sich meinem Willen, und Erfolg oder Mifserfolg liegt im Spiele des Zufalles . So weit ist doch noch nicht unser psychischer Kräftezerfall, daſs alle Kriegserinnerungen verblasst oder gar geschwunden sind . Die Aufgaben, die uns damals in den vielen schweren Stunden zugefallen waren,
begleiten uns doch mit
ihren Mahnungen durchs ganze Leben. Theoretisch - phantastischer Aufputz ist aber immer erneut bereit, die etwas wild und wirr gewordenen Kriegsbilder in leiten,
wo
sich
sonnige Manöverstimmung hineinzuge-
die seelischen Einflüsse nur auf diejenigen Führer
ausdehnen, die vielleicht um ihre Existenz kämpfen. Alle anderen, im Felde ausschlaggebenden Imponderabilien zeigen sich kaum bei den Mannschaften . Das Heldspielen wird erleichtert. Die schneidigen Reiter rekognoszieren todesverachtend selbst bis in die feindlichen Schützenlinien hinein ; Patrouillen unter verwegenen Friedensführern verhöhnen das stärkste feindliche Feuer ; temperamentvolle Kompagniechefs
immer dieselben ! - rücken in
einem Zuge"
bis in das
Nahfeuer des Gegners und werden abwechselnd gelobt oder getadelt, je nachdem es der Kritik in ihre Argumente palst. Wir haben uns schon in einem früheren Bericht über diese unglückseligen vorgetriebenen Gefechtspartikelchen ausgesprochen. Sie sind meistens verwahrloste Kinder der Individualisierung. Können sie Gebrauch
Über den Normalangriff .
409
von ihrer Waffe machen, so liegen sie auch im feindlichen und zwar überwältigenden Feuer. dauert es auch
nicht,
Sie
werden
rasch zugedeckt und lange
da liegt der „ Individualisierte“
untätig in
sicherer Deckung, maskiert das rückwärtige eigene Feuer und wird späterhin meistens recht unbequem den in überlegter Gefechtsordnung heranrückenden hinteren Gefechtsstaffeln. Wer sicher führen will bedarf vor sich ein blankes Gefechtsfeld. So wird denn jetzt mit immer grölserer Heftigkeit die Frage aktuell : Wollen wir einen Normalangriff oder wollen wir ein individualisiertes Angriffsverfahren ? In seinem neuesten Werke ,, Gewehr und Gelände im heutigen Angriffskampfe" , das als eine Ergänzung seines 1902 erschienenen Elaborates ,,Einheitsangriff oder individualisierter Angriff nach den Erfahrungen des südafrikanischen Krieges" anzusehen sein dürfte, kommt General von Scherff, als Gegner der von General von Schlichting vertretenen ,,taktischen und strategischen Grundsätze der Gegenwart" und des individualisierten Angriffsverauch von mir geteilten Ansicht, dafs die Summe der Intelligenzen im Kampfesakt vielfach versagt und dafs ein reglementarisierter, ein in feste Bahnen gelegter Normalangriff einen durchschlagenden Erfolg garantiert. Einen Angriff nicht im Sinne
fahrens, zu der,
blöder Exerzierplatzbilder, nicht in dem Sinne, dafs alle Unterfübrer in knechtischem Stumpfsinn und im Banne der Kampfesleitung ibre auch nicht in Truppen in symmetrischen Figuren ausspielen, dem Sinne, dafs bei veränderter Situation ein genialer und energischer Unterführer sich nicht freimachen könnte von dem mündlich und reglementär gegebenen Direktiven, auf starker Schulter die Verantwortung tragend . Ich will aber die Ausnahmen nicht zur Regel machen und bin mit General von Scherff der Ansicht, dafs an der Hand bindender Vorschriften, Normen und Formen, die in eifriger Friedensübung uns in Fleisch und Blut übergegangen sind, die meisten Führer niederen Grades, bis zum Gruppen- und Zugführer hinab und die grofse Zahl der im Kriege - was von gröfster Wichtigkeit einzuberufenden Offizieren des Beurlaubtenstandes einen Halt finden , der sie davon bewahrt, durch individualisierte Auffassung ihrer Gefechtshandlungen, den Kampf in Bahnen hinein zu zwingen.
ungewollte
und verhängnisvolle
In diese theoretischen Unsicherheiten einer Bewertung des einzelnen Individuums fiel der Transvaalkrieg. Noch waren die endgültigen Ergebnisse eines kriegerischen Zusammenstofses der Engländer mit den Buren unbekannt, so düpierte schon der Berichterstatter die militärische Welt mit der Inaugurierung einer ganz neuen taktischen Epoche. Die Naturkräfte und der Instinkt der 27*
Über den Normalangriff.
410
Transvaalbauern vergewaltigten in rascher Folge alle Errungenschaften eines neuzeitlichen , mit den besten Waffen und dem besten Rüstzeug versehenen stehenden Heeres . Kraft des Individuums nicht sank,
war das
Das freie Spiel der geistigen
Schlagwort,
dessen Wert
auch
als die Schleier von den schöngefärbten Kriegsbildern
des dunkelsten Erdteiles weggerissen waren, als man klar erkannte, dals man es mit einem Heldenvolke altklassischer Gröfse ebensowenig zu tun gehabt, als mit ,,Feldherrn ohne Gleichen", die selbst einen Blücher in Schatten stellten.
Man hatte sich aber schon verausgabt,
konnte nicht mehr zur nüchternen Beurteilung zurück. Lustig baute man weiter auf den doch unhaltbar gewordenen Zuständen der Drakenberge und beglückte die Menschheit mit der - ,,Burentaktik “. Es ist interessant, zu beobachten, welchen Wandlungen und Auslegungen eine so schlecht fundierte Taktikart unterworfen ist. Jeder Berufene und jeder Unberufene konstruierte sich seine eigenartigen, mehr oder weniger temperamentvollen burentaktischen Formen. Ein jeder hatte aber das ehrliche Gefühl, dafs er den Stein des Weisen trotzdem nicht gefunden habe .
Nur sagen wollte er es nicht.
Schon
dieser, oft selbst im Armeekorps verschiedenen Auffassung der individualisierten Gefechtsnormen wegen, ist der reglementar gebundene Normalangriff zum mindesten gesagt, das kleinere Übel . Der Führer, der handwerkmäfsig weils, was er soll, verliert sich nicht im Formenwesen, handelt sicher, zielbewusst und hoffnungsfroh. Der Wille, am Siege mitzuwirken,
wird
nicht
angekränkelt
durch
das Tasten nach komplizierten Kampfesmitteln . Im Vertrauen nach Oben und in der Sicherheit und dem Selbstgefühl der Unterführer liegt ein Hauptfaktor des Sieges . Die Kriegskunst und Kriegstüchtigkeit der unteren Führer sind nicht nur begründet in der blinden Beherrschung der taktischen Formen, in sachgemässer Heranführung ihrer in faszinierender Manneszucht gehaltenen Kräfte nach Gelände und Gefechtszweek, in der wohlbedachten Ausnützung der Feuerkraft und schliefslich in dem vollen Einsatze ihrer Persönlichkeit im Entscheidungsmoment,
sondern auch in dem Bestreben , die
unterhabende Truppe fortgesetzt im Rahmen des gröfseren Verbandes zu führen und -- unter fortgesetzter Beachtung der Kriegslage und des gewordenen Auftrages -- unausgesetzt das Augenmerk auf die höheren Führer zu richten . Führer und Truppen müssen gleichfalls stets in Augenfühlung bleiben oder doch so im Kontakt, dafs jedes Aventurieren nahezu ausgeschlossen ist. Deswegen taugt auch der Führer nur wenig, der in mifsverstandenem Eifer glaubt, selbst bis in die Schützenlinie hinein seine, das Selbständigkeitsgefühl verletzenden Einflüsse geltend machen zu
müssen , denn
er
stört
die
Über den Normalangriff. Ruhe
und Sachlichkeit des
Untergebenen nervös. ein - Fesselballon !
411
Befehlsmechanismus
und macht seine
Wie abkühlend wirkte für solchen Übereifer
Wer in eiserenem Gleichmut und unbeugsamen Willen in der oben skizzierten Art seine Truppe führt, der ist ein starkes Individuum . Er hängt nicht ab in seinen Handlungen von jedem unbedeutenden Gefechtszufall, und man sei überzeugt, ein solch' starker Charakter, der sich selbst in der Gewalt hat, wird auch nicht einen Augenblick zögern, selbständig einzugreifen, wenn die Gunst der Situation ihm einen Vorteil bietet oder ein kritisches Ereignis sein Handeln verlangt . Die Verallgemeinerung der Individualisierung , wie sie von manchen Idealisten verlangt wird, kann aber nur zur taktischen Unordnung, zur ungehörigen Beurteilung der Befehle und Anordnungen, zu Unbotmässigkeiten und psychischen Verlusten und zum Milserfolg führen. Die Massen in fester Hand zu behalten,
ist im Kriege
drohende Auswüchse
wichtiger noch als
im Staatsleben ,
uns doch zu bedenken geben sollten .
dessen Gewils
wird jeder, der gewohnt ist, aus dem Fenster hinaus zu sprechen , in die Welt posaunen , dafs nur der Geist und die Intelligenz , das heifse Vaterlandsgefühl und der überkommene Heroismus des einzelnen alles Eigenschaften, die dem geistig und ethisch so hochentwickelten germanischen Volke
erb- und eigentümlich seien, heutzutage allein
nur noch Aussicht auf Erfolg hätten; dem wird der sogenannte So betrübend es aber auch "9 stürmische Beifall " nicht ausbleiben. klingt, durch alle diese gewifs nicht zu leugnenden herrlichen Charaktergaben geht immer wieder, oft lebhafter, oft weniger empfunden, wenn heifser Kampf blutige Opfer fordert, ein gewisser Selbsterhaltungstrieb, dem oft nur durch Kontrolle und Manneszucht entgegenMehr wie gearbeitet werden kann . Die Angst macht erfinderisch. alle Friedenslehren über Geländeschutz schärfen die feindlichen Projektile unser Verständnis für Deckung . Darüber kommen wir nicht hinaus. Kauf.
Den Schrei der sittlichen Entrüstung nehmen wir in
Was ist aber nun ein Normalangriff oder vielleicht besser gesagt : Was sind reglementarisierte Angriffsformen ? Wir sind überzeugt, wenn wir es verständen mit wenigen Worten eine erschöpfende Definition dieser Frage klipp und klar zu geben, so würde es bei Freund und Gegner Aufsehen erregen. Die Kriegskunst wäre
dann auch ein Kriegshandwerk unterster Klasse .
Wer
will denn abschliefsend sagen, wo die Strategie, welche die Armeen auf die Kriegsschauplätze
dirigiert,
aufhört und die Aufgabe der
Über den Normalangriff .
412
Taktik beginnt? Man alarmiert die Truppen in den Kantonnements, im Biwak, man unterbindet ihre Märsche auf der Landstrafse , zur Erfüllung ibrer Kriegsaufgabe. Hier sind die Truppen noch im Anmarsche, dort schon in Gefechtsbereitschaft. Hier wie dort setzt die Friedensaufgabe ein , die Unterkunfts- und Verpflegungsrücksichten unterworfenen Massen zur kriegsgemäfsen Gliederung zu bringen . Wir befinden uns im Gebiete der höheren Truppenführung geschlossener Verbände.
Ein Marsch , ein Entwickelungsauftrag, eine
Gefechtsübung ohne ganz präzise Kriegslage bedeutet eine Versündigung an der Aufgabe, welche dem höheren Führer im Ernstfalle erwächst . Diese Gefechtsformen in voller militärischer Straffheit und Anspannung zu üben, ist von gröfserer Bedeutung, als die Ausbildung der Unterorgane bis zum gemeinen Mann binab zur ständigkeit, zur Individualität.
Selb-
Es ist ausgeschlossen, im Frieden alle Marschanforderungen , Strapazen, Verpflegungsschwierigkeiten und Dauer und Ausdehnung der Gefechte so zur Darstellung zu bringen, wie diese der Ernstfall fordern kann. imponierenden
Deshalb bin ich sehr gegen den, nur einem Laien Ausdruck: „ Kriegsgemäſs. " Kriegsähnlich wäre
schon besser.
Wir können im Frieden
keine Schlacht darstellen,
wie im Kriege. Tage- und wochenlange An- und Aufmärsche werden uns nicht auferlegt, der Verpflegungsapparat funktioniert gut, deprimierende Krankheitszustände kommen nur wenig in Betracht, Rückblicke auf heimatliche Verhältnisse spielen keine Rolle . Wie selten wird (aus sanitären and Verpflegungsrücksichten) der Anmarsch an des Feindes Stellung in die Nacht verlegt. Auch können wir nicht
den ganzen Tag um die Feuerüberlegenheit kämpfen .
Wir
drängen vielmehr, ganz unkriegsgemäfs, viele Kampfesstunden zu Gefechtsmomenten zusammen. Wir kürzen mit der eingeschränkten Zeit und dem engbegrenzten Manövrierfelde auch die Gefechtsentfernungen. In wenigen Stunden entscheidet das Friedensmanöver ein oft mehrtägiges Ringen des Ernstfalles. Das Gefechtsfeld hat sich gegen früher wesentlich vertieft. Artilleristisches und Infanteriefeuer rücken die ersten taktischen Anordnungen in respektable Entfernungen.
Die Teten
kolonnen biegen zeitiger von der Heerstrafse ab,
als
der
Marsch-
man früher
annahm ; auch schon des Umstandes wegen, weil der Grundsatz, so lange wie tunlich die festen Strafsen zum Vormarsche zu benutzen Die Strapazen zu taktischen Irrungen (Manceschlucht) verführte . einer früheren Gefechtsentwickelung müssen eben in Kauf genommen werden. Nehmen wir aber
nun
an,
glänzende Erfolge des Gefechts-
Über den Normalangriff. exerzierens,
die
schliefslich
zu tadellosem
413 Aufbau
der höheren
Truppenverbände und zur Gefechtsentwickelung geführt hätten, wären erreicht. Der höchste Führer hat schon während der Dirigierung der einzelnen Truppenteile, die friktionslos auch von Unterorganen bewerkstelligt wird, alle selbständigen Kommandeure , kühn voraus, auf einem Punkt versammelt, der den gröfsten Teil des Schlachtfeldes beherrscht. Aufklärungen über den Feind durch voraufgesandte Offiziere und durch kavalleristische Meldungen sind selbstredend schon zur Verfügung. Die Kenntnis oder vielleicht nur eine Ahnung über die Verteilung der feindliche Streitkräfte, ergänzt durch dessen strategischen Willen und
unsere eigene Absicht, gibt den höheren Direktiven ihr Gepräge. Mehr oder weniger klar und abgegrenzt liegt das Gefechtsfeld vor den Augen der Führer, denen der Oberbefehlshaber die Tagesaufgabe klar macht. Nicht im „ Auftragsverfahren" des individualisierten Kampfes, wohl aber im Interesse einer sauberen taktischen Ordnung, einer gleichmässigen Ausstattung des ganzen Schlachtfeldes mit machtvollen, gefechtskräftigen und widerstandsvollen Truppenteilen wünschen wir ohne Konzession an das individualisierte Verfahren eine 99 vertikale" Einteilung der Angriffsfront .
Wer diese Einteilung versäumt, begibt sich der Herrschaft und der Orientierung über seine Truppen und fördert ein kaleidoskopisches Durcheinander , dem der Manövertourist zujubelt, das aber im Kriege die tragischsten Folgen haben kann. Der Gefechtsauftrag mit der Geländeverteilung geht nun von den Führern höheren Grades an die unteren Führer, hinab bis zum Kompagniechef. Auch hier überall feste Normen , Formen , Aufträge und Geländebeschränkung . Über die offene Ebene mufs eben Ein auch gekämpft werden ! Da hilft kein Wenn und Aber. heiſser Auftrag ein solcher Kampf; er mufs jedoch bestanden werden . Deckendes Gelände ist die Ausnahme auf dem meilenlangen Schlachtfeld .
Aufgabe intelligenter Führung, Aufgabe der gemeinschaftlichen,
ich möchte fast sagen der kameradschaftlichen Kampfesarbeit ist es, den Abteilungen, die sich in der schutzlosen Ebene heranarbeiten müssen, durch dreistes Vorgehen und intensives , vielleicht konzentrisches Feuer ihr schweres Werk zu erleichtern oder zu ermöglichen. Das Ineinandergreifen der Gefechtsanziehungskraft und der Leistungsfähigkeit unserer Feuerwaffen verhindert, dafs der taktische Zusammenschlufs gefährdet wird. Die Tragweite und
Schiefsgenauigkeit unserer infanteristischen
Waffe setzen jetzt ( und vielleicht abändernd für die Folge ) die Entfernungen im allgemeinen fest, wo der Eintritt aus der geschlossenen in die geöffnete Formation geboten erscheint.
Nehmen wir hier an ,
Über den Normalangriff .
414
dafs schon 1400-1500 m, die uns aber nicht im Artilleriefeuer finden dürfen , uns zur Aufgabe der geschlossenen Formationen Kavalleristischer Flankenschutz vorausgesetzt, zwingen würden. halten wir das Vorpoussieren von Patrouillen, Aufklärern und dünnen Schützenlinien für ganz zwecklos . Was sollen diese kraftlosen Partikelchen vor der Front? Sollen sie die hinteren Kolonnen decken , sichern? Bedarf man dieses Schutzes, dann entwickele man gleich starke Schützenlinien ; die marschieren leichter als im Staube und dem Dunste der geschlossenen Trupps. Dem Gelände anschmiegend , schieben sich dieselben zusammen, dehnen sich nach Bedarf aus und nehmen die reglementaren Abstände
alsbald wieder an, wenn
die
Verhältnisse es gestatten . Noch sind wir im Rayon des Gefechtsanmarsches, der Beobachtung . Berittene Offiziere, auch aus der Truppe voraus, Beobachter mit guten Gläsern und Winkerflaggen zur Seite . Die Schützen gehen unaufhaltsam voran . Unterstützungstrupps in gewandter Benutzung des Geländes in dem zugewiesenen Raum folgen auf 200-300 m. Ihre Formation ist Sache des Zugführers ; eine geschlossene Ordnung (oder baldigster Zusammenschlufs ) aber unbedingt zu fordern. Wiederum auf 200-300 m folgen die ersten Gefechtsstaffeln, auf den Flügeln durch ausgeschwärmte Schützen (Gefechtspatrouillen) und Reiter gedeckt. Die weiteren Staffeln oder sagen wir meinetwegen, da wir Treffenkommandeure doch nicht mehr bestimmen, die hinteren Treffen sind in gleicher Weise, in Kompagniekolonnen oder Kompagnielinien auseinander gezogen , tief gegliedert. Schliefslich die reservierten Kräfte, deren Führer beim Oberbefehlshaber seinen Aufenthalt nimmt, hinter der Mitte oder hinter einem Flügel nach Mafsgabe der eignen Absicht oder der Gruppierung der feindlichen Streitkräfte . Lange können wir uns den Luxus, das bereits einschlagende feindliche Feuer heldenmälsig zu ignorieren, nicht gestatten, Die Schützen legen sich nieder. Wir wissen wie wenig Erfolg theoretisch die Schiefstabellen uns zugestehen . Wir feuern aber doch. Wer jemals die ersten blauen Bohnen, auch die ganz wirkungslosen, hat pfeifen hören, kennt ihre moralische Wirkung . Es ist positiv eine am grünen Tisch entstandene unrichtige Annahme, dafs sogenanntes Im Kampfgewühl wirkungsloses Feuer des Feindes Mut belebe. weifs niemand,
ob und wo die surrende Kugel einschlägt,
und die
unwürdigen Komplimente, die den feindlichen Projektilen gemacht wurden, sind uns noch in lästiger Erinnerung. Der Weg über das Schlachtfeld
ist eine
ernste Feuerarbeit.
Wir haben zu Beginn des Feuerkampfes noch genügend kaltes Blut. Wir arbeiten uns die Feuerdisziplin noch fest in die Hand.
Die
Über den Normalangriff .
415
Frage des Patronenverbrauches macht noch kein Herzklopfen. Die Patronenwagen müsseu heran . Alle Taschen werden gefüllt . Stürzt vielleicht auch ein Wagen, wird so erfüllt
er Opfer des feindlichen Feuers,
er immer noch besser seine
Aufgabe,
als
wenn er die
Heerstrasse gar nicht verlassen hätte. Räder und Automobile treten in den Dienst der Munitionsversorgung, auch solche freiwilliger Kriegsteilnehmer, und beruhigen die Stimmen , die nicht müde werden, vor einem Fernfeuer zu warnen, das uns in der Entscheidungsstunde mit leeren Patronentaschen zu sehen behauptet. Auch aus dem Kriege 1870/71 wissen wir, dafs der - übrigens selten eingetretene -
Munitionsmangel in der Front nur dadurch hervorgerufen
wurde , dafs die Organisation zur Heranführung der rückwärts „ reichlich vorhandenen " Munition versagte. Beginnen wir also , in Abmessung des taktischen Erfolges, getrost unser Feuer auf den weiten Entfernungen . Auch im Frieden . kleine Gefechte denken, wo wir
Wir können uns ganz wohl auch in einem Zuge " bis auf die nahen
Entfernungen herangehen und dort Schiefsschulerinnerungen mit dem überraschten Gegner austauschen . In einer Schlacht geht das nicht. Das sind Ansichten der kleinen Garnison. Einzelne Abteilungen, die gleich vorweg dummdreist der Armee,
die vielleicht
tagelang zu ringen hat, in die nahen Entfernungen voraufeilt, sind verloren, im günstigsten Falle für die Tagesaufgabe . Wir betonen bei jeder Gelegenheit, es gibt nur eine ausschlaggebende Taktik, das ist die Schlachtentaktik! Um irgend eine Norm zu geben, nehmen wir an, dafs die ersten Gefechtsstaffeln , ganze Züge in
vorderster
Linie
aufgelöst haben
Einzelne Verluste (event. Annahme) zeigen , dafs der Gegner sich eingeschossen oder sein Feuer verstärkt hat. Zweite Züge verlängern oder verdichten die ersten. Nicht ruckartig in exerziergemässer Übereinstimmung auf der ganzen Front ; hier früher, dort später, je nach Gelände und Verlustannahme. Die hinteren Kolonnen, möglichst gesichert durch Deckungen , durch schnellere Gangart, durch schmälere oder geöffnete Formationen , die aber wohlverstanden in peinlicher, vielleicht kleinlicher Auffassung militärischer Zucht und Ordnung, sobald nur irgend angängig, zur reglementaren Normalform
wieder zurückkehren, folgen unauf-
haltsam den Schützen . Nicht in parademässiger Richtung, wohl aber in taktischer Fühlung, nehmen sie Rücksicht auf die Nebenabteilungen . Es ist kein Zopf, wenn Wert darauf gelegt wird, dafs die Feuerkraft auf der ganzen Front gleichmässig verstärkt wird , damit immer machtvoller das Bestreben der physischen und psychischen Vernichtung des Feindes zum taktischen Ausdrucke kommt.
Wer vor
Über den Normalangriff .
416
dem Feinde gestanden, versteht, wenn es heifst dort rechts und links gehen schon die Unsern vor, dort hinten kommen auch noch gewaltige Massen ; wie leicht wurde dann uns der Entschluss , dem Gegner auf den Leib zu rücken. Kraft zeitigt den Erfolg. So
geht es weiter.
Der
Gelände, haften am Feinde, unausgesetzt Fühlung
Nur gemeinschaftlich eingesetzte
Führer
Blicke
durchschweifen
das
an den Nebenabteilungen und suchen
mit dem obersten
Führer.
Die
Truppen,
gut diszipliniert und ausgebildet, genügend überwacht von den Unterchargen, folgen
ihnen .
Jeder persönliche
Eingriff
entfremdet den
Führer seiner wichtigeren Aufgaben der Gefechtsführung. Wenn weise Kritiker über eine zu exerzierplatzmälsige
Scha-
blone die Nase rümpfen und uns deren Unausführbarkeit im ErnstWir brauchen falle vorhalten, so gebe ich denselben ganz recht. aber alle nicht besorgt zu sein, der Krieg zerstört ganz sicher die allzu arithmetischen Formen. Deren innerer Halt würde aber ganz versagen, wenn wir schon in der genialen Unordnung unsere Kampfeshandlungen beginnen würden. Immer mehr werden nun im fortschreitenden Kampfe von der Leitung die Gefechtskräfte aus der Tiefe hervorgeholt. Im Kriege wird es oft nur eine Ergänzung
sein
für die verbluteten vorderen
Gefechtslinien ; im Frieden tritt nach und nach eine allerdings unangenehm empfundene Verdichtung der Schützenlinien ein. Das mufs man in Kauf nehmen und sich nicht etwa dazu verleiten lassen, die Verluste durch Ausfall bestimmter Mannschaften zu markieren, am Luft zu bekommen.
Man zermartert sich das Gehirn , was mit diesen
herumliegenden Leichen und Verwundeten geschehen soll . Übung des Sanitätsdienstes oder gar ein Aufsammeln der aufser Gefecht Gesetzten, die dann in kürzester Zeit wieder in geschlossenen Trupps fröhlich den vorderen Gefechtslinien folgen ? Ich hatte immer den Eindruck des Scherzhaften , das man aus unserm ernsten Berufsleben fort lassen sollte. Der springende Punkt
unserer ganzen taktischen Weisheit ist
nun, auf welcher Entfernung die Hauptfeuertätigkeit ihren Ausdruck finden soll, d . h. von wo aus wir den Gegner mit Feuer niederkämpfen. Wenn uns auch die Trefferprozente unserer Gewebre einen ungefähren Anhalt geben, wie weit wir vor können, und wie weit wir voran müssen, so läfst der Krieg sich doch keine Schiefsvorschriften machen. Da finden wir auf allen Punkten der mittleren Entfernungen Hauptfeuerstationen, wir finden auch welche in den nahen Entfernungen . Bei Betonung und Würdigung dieser Sachlage ist es aber doch kein Unglück, wenn wieder im Frieden eine Norm
Über den Normalangriff.
417
gegeben wird, die der ganzen Gefechtsübung Ordnung gibt.
und System
Ob man diese Hauptfeuerstationen auf 600 oder 500 m legt,
ist ganz irrelevant. Die vorderen Linien verfahren da in einer gewissen Stabilität, während welcher Zeit die hinteren Staffeln verwendet oder herangeführt werden , und die zurückgehaltenen Kräfte Wer immer nur von (Reserven) ihrer Aufgabe entgegenreifen. „ Kriegsgemäſsem" spricht, wird doch sicher nicht verlangen, dafs wir wie oft im Kriege diese Feuerstationen stunden-, ja tagelang besetzt halten müssen, und dafs uns die Nacht mit Gewehr im Arm hält, damit uns das erste Morgengrauen schon wieder in der Feuerarbeit findet. Kurzum, die Friedensübung bedarf der Unterstellungen und der Eingriffe der Leitung ; sie mufs reglementarisiert werden ! Viel schwieriger als Vorstehendes ist
die
Beantwortung
der
Frage , was für die letzten Gefechtsphasen reglementär angeordnet werden soll . Wir möchten erneut darauf hinweisen, daſs wir vor uns, je näher wir an eine gut ausgewählte Stellung auf europäischem Kriegstheater herankommen, kaum mehr Deckungen vorfinden.
Der Kampf geht
Geländeschutz
über
schutzlose Flächen .
mufs also vorher schon
Der
paralysiert sein
Niederkämpfung des Gegners mit Feuer.
Ohne
schlossene Abteilungen in den
und
mittleren
dies
fehlende
durch
die
verfallen ge-
nahen Entfernungen
der Vernichtung ; sie passieren schon die weiten Entfernungen mit fühlbaren Verlusten, die allerdings ertragen werden müssen. Der gesunde Menschenverstand müfste sich also auflehnen gegen die Forderung des Herantragens der in Marsch bleibenden geschlossenen Gefechtsstaffeln in die vorderen Linien, gegen die Forderung des Sturmeinsatzes
und der Durchführung des
Bajonettkampfes .
Nur
wo der Gegner schon das Feld zu räumen beginnt, wo seine Waffenmacht, sein Wille, sein Mut gebrochen sind, rücken wir ihm zu Leibe. Der straffe Tritt, das gefällte Bajonett und Hurra mögen dann die letzten Ausklänge des Schlachtendramas sein. Die eigentliche Entscheidung fiel in den meisten Fällen schon früher ; sie war durch das Feuer erkämpft.
Üben
wir immerhin
auch den Sturm-
angriff in peinlicher Beachtung des Reglements , sagen wir aber nicht mit geistiger und kriegserfahrener Überlegenheit, dies sei eine unabweisbare Forderung des Ernstfalles , der jedoch wir auch dann Keine Konzession machen, wenn uns Beispiele aus dem jüngsten ostasiatischen Kriege vorgehalten werden. Die Bewertung eines Sieges liegt nicht nur im Enderfolge, sondern auch darin, ob nicht rücksichtslos va banque gespielt wurde mit menschlichen Knochen . Setzen wir also bei unserm Normalangriff die auflösende Wirkung
Über den Normalangriff.
418 unserer Feuerwaffe
voraus.
Alle sehr stark gewordenen Schützen-
linien, dicht gefolgt von den Kolonnen , vielleicht noch ohne die ausgeschiedene Reserve (etwaiger Sonderaufträge wegen), rücken unaufhaltsam in die vom Feinde geräumte oder nicht mehr verteidigte Stellung, überschütten die weichenden Feinde mit Verfolgungsfeuer , organisieren die Verfolgung, häufig mit Einsatz der ganzen verfügbaren Kräfte . Unsere Phantasie geht dabei allerdings meistens nicht über kleine Verhältnisse hinaus. Unwillkürlich stehen vor unseren Augen Bilder von Übungsplätzen oder Manöver, in denen schliesslich der Abschlufs der Feindseligkeit durch Signale, Befehle, Schiedsrichter und durch Friedensrücksichten bewirkt wird. Auf einem wirklichen , meilenweiten Schlachtfelde ist der Schlufsakt kein einheitlicher und kein gleichzeitiger.
Auf dem einen Teile des Schlachtfeldes ist der
Gegner in hellen Haufen zurückgedrängt.
Dort wird noch bis zur
Dunkelheit hartnäckig um Örtlichkeiten gekämpft. Hier steht der Kampf, dort hat sogar der Feind Vorteile errungen. Erst am kommenden Morgen (St. Privat), Truppen überrascht,
nach unruhiger Nacht, sehen die
dafs auf der ganzen Front ein durchgreifender
Sieg erkämpft worden und der Gegner in vollem Rückzuge sei. Wir wollen unsere Vorschläge noch einmal gedrängt zusammenfassen und halten uns vielfach in den Grenzen unserer seitherigen Vorschriften und Gepflogenheiten,
wenn wir für die Reglementari-
sierung unseres Angriffsverfahrens gegen einen in Stellung befindlichen Gegner nachstehende Punkte berücksichtigt wissen möchten : 1. Die Kenntnis der allgemeinen Kriegslage bis untersten Führern wird vorausgesetzt.
zu den
2. Ein Entwickelungsbefehl dirigiert die Marschteten der Truppenteile von den Strafsen, aus den Kantonnements oder Biwaks ins Aufmarschgelände . 3. Alle selbständigen Führer und Adjutanten und Generalstabsoffiziere verfügen sich zum Befehlsempfange zum Höchstkommandierenden, möglichst weit vorauf. 4. Ausgabe des Angriffsbefehls, in welchem ausnahmslos die Orientierung über den Feind, der Wille des Führers, Aufklärungs-
und Flankenschutzmalsregeln , etwa notwendige Informierung über das Gelände, die vertikale Einteilung des Gefechtsfeldes, das Ausscheiden der Reserven, der Befehlsmechanismus unter Angabe der Stellen, wo der höchste Führer zu finden ist und streng bindende Vorschriften für den Munitionsersatz, hervorgehoben sein müssen. Anordnungen über Verpflegung, Bagagen, Trains und Kolonnen, wenn auch nur als Unterstellungen, dürfen nicht fehlen.
Über den Normalangriff.
419
Das moderne Gefechtsfeld hat an Tiefe bedeutend zugenommen . Die kleinen Grenzen von Zeit und Raum bedingen, dafs die Unterführer in kurzem Kommandoton verständigt werden und möglichst bald zu ihren Truppenteilen zurückkehren . Adjutanten können vorerst zurückbleiben. 5. Der Aufbau
der
Generalstabsoffiziere und
Truppenverbände
Ein tunlichst gleichzeitiger Übergang geöffnete Ordnung ist geboten .
sei
nun beendet.
aus der geschlossenen in die
Auch im Kriege,
um der Konzen-
trierung feindlicher Feuerkraft („ Feuerüberfall " !) vorzubeugen. Möglichste Vermeidung einer Vermischung der taktischen Verbände' ; daher niemals ein Ausschwärmen unter Zugstärke und es energisch durchsetzen, dafs der Hauptmann seine Kompagnie stets zur Hand hat. Wir möchten gerade an dieser Stelle hervorheben, wie wichtig - ganz vorzüglich im Kriege -die Aufrechterhaltung der Integrität der Kompagnie ist.
In dieser kleinsten militärischen Familie liegt
die ganze Macht treuer Kampfgenossenschaft ; administrative und verpflegliche Bedürfnisse finden in ihr ihre Befriedigung . Wer sie am Tage taktisch zusammengehalten, hat sie zur Fürsorge und Erhaltung während der Nacht. 6. Die Schützenlinien treten jetzt flott an. Sie halten auf
Befehl
()
zur
Aufnahme des Feuergefechtes, wenn der Gegner bietet oder wenn er uns mit seinem Feuer „ niederzwingt". Vielleicht erreichen wir durch unser Feuer kaum nennenswerte Treffer, einen moralischen Erfolg aber unter allen Umständen . 7. Diese ersten Halte in den weiten Entfernungen dürfen jedoch günstige Ziele
nur kurz sein. Das Bestreben anzugreifen, mufs aus der Energie der Handlung zu erkennen sein. Alles, was an Munition erreichbar ist, mufs heran ; auch die Wagen. Das Mitnehmen der Fahrzeuge im Frieden muſs mehr durchgeführt werden als seither. In den mittleren Entfernungen ( 1000-600 m) wird das Fener schon intensiver. Die Halte werden länger ; das Bedürfnis nach Verstärkung und Ergänzung mufs durch Verlängern oder Auffüllen der Schützenlinien zum Ausdrucke kommen . Bald werden die Kompagnien der vordersten Staffeln ganz eingesetzt sein , und noch vor Eintritt in
die
nahen Entfernungen
bilden
schon
die ganzen
vorderen Bataillone Schützenschwärme , die in gebrochenen Linien , abwechselnd schiefsend and springend, das Gelände durcheilen . 9. Die Hauptfeuerstationen, angeschmiegt an das Gelände, werden so erreicht. Verstärkung auf Verstärkung schwärmen in die Gefechtslinie und immer mächtiger lodert das Feuer auf. Unruhe beim Gegner, Nachlassen seines Feuers (im Frieden Verlustflaggen , Schiedsrichter u . dgl . ) animieren einzelne Kompagnien oder Bataillone
Über den Normalangriff .
420
zum Vorbrechen auf nähere Distanzen.
Die
anderen müssen
aber
folgen, wenn jene ihr Feuer wieder aufgenommen haben. So lange der Gegner noch zurückgehaltene Kräfte und Reserven hat, kann diese vielleicht 500-600 m lange Strecke vom Hauptfeuerkampfe bis zur Einbruchsstelle nicht in einem Zuge (in Angriffskolonnen) zurückgelegt werden. Da könnten betrübende Ueberraschungen kommen, auch Kraft und Lunge versagen. 10. Verlangt das Bajonett noch sein Recht, so ist eine rasche
Überwindung von 200 oder 300 m schon eine achtungswerte, tüchtige Leistung, Der letzte persönliche Widerstand wird mit der blanken Waffe gebrochen. 11. Verfolgung des weichenden Gegners zunächst mit Feuer, dann mit ausreichenden Kräften und Bildung normaler Verbände zur erneuten Kampfesbereitschaft. Daſs wir hier nur einen Vorschlag, an den sich manche andere ebenbürtig oder ihn überbietend anzureihen vermögen , der mentaren Festsetzung anempfehlen, ist selbstverständlich.
regleQuot
capita, tot sensus ! Diesem Verlangen weist in überzeugender Art
das Scherffsche
Werk „ Gewehr und Gelände im heutigen Angriffskampfe " seine Berechtigung nach .
Der Inhalt
aufserordentlich reichhaltiger. und Anschauungen
dieses
bedeutsamen Werkes
ist
ein
Alte und neue taktische Grundsätze
werden auf das
eingehendste erörtert und die
Leser davon überzeugt, daſs „ der reglementarische Normalangriff weder ein schematisierendes Formal- noch ein zersetzendes Individualverfahren" bedeute. Wir sind
ganz mit dem Herrn Verfasser einverstanden,
wenn
er zum Schlusse seiner Beweisführung sagt : „ Gelegenheit zu ,selbständigem und zielbewufstem Handeln bleibt auch dann noch immer zur Genüge übrig; die Sicherheit des persönlichen Auftretens junger und jüngster Führer in Fassung selbständiger Entschlüsse auf dem ihnen zuständigen Gebiete wird aber in dem Grade wachsen und damit in dem Maſse sich nutzbringender erweisen als ihnen die Mittel zur Durchführung ihrer Entschlüsse vom Friedensübungsplatze her in zweifelsfreier Weise geläufig sind und nicht erst selbst wieder Gegenstand einer Überlegung über ibre Möglichkeit oder - Unmöglichkeit werden müssen ! " Es ist schade, dafs aus den theoretischen Erörterungen ein positiver praktischer Vorschlag nicht hervorgegangen ist.
nicht
Wir können aber das Buch, seiner literarischen Eigenart wegen, kritiklos beiseite legen. Der philosophisch-mathematische
Aufbau der Kriegslehren ,
der übrigens
an
einen Clausewitz nicht
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen.
421
erinnert, ist ein aufserordentlich komplizierter, der ein eingehendes Studium sehr erschwert. Die Sätze, bis zu 57 Zeilen (!) ausgedehnt, rauben dem Leser durch ihre langen Perioden, Einschaltungen, An führungsstriche, Einklammerungen, allzu häufigen Sperrdruck und eine ganz ungewöhnliche Konstruktion den Atem. Man muls jeden Satz wiederholt lesen und zerlegen, um ihn zu verstehen. Über diese Künsteleien darf man nicht zur Tagesordnung übergehen, wenn man auch in vielen Fällen die Autorität dieses hervorragenden Militärschriftstellers anerkennt.
XXX .
Hygienische
Grundsätze rüstung
bei des
der
Bekleidung
und
Aus-
Infanteristen.
Von
Oberstabsarzt Professor Dr. Schumburg.
Die Bekleidung
und Ausrüstung
des Soldaten ist schon sehr
häufig von den verschiedensten Standpunkten aus, meist ja vom militärischen, betrachtet worden. Je nach dem eingenommenen Standpunkte sind die Forderungen, welche an die Bekleidung und Ausrüstung des Infanteristen gestellt wurden, verschiedene. Zweck der folgenden Betrachtungen soll sein, unter Zugrundelegung des militärisch Notwendigen, die Grundsäze und Forderungen zu skizzieren , welche die neueren Erfahrungen der Hygieniker, vor allem die bedeutenden Entdeckungen von Rubner und Zuntz, an eine militärische Bekleidung und Ausrüstung stellen . Diese Betrachtungen gliedern sich naturgemäfs in diejenigen der Kleidung und in die der Ausrüstung.
Bekleidung . Der menschliche Körper weist zu allen Jahreszeiten und in den verschiedensten Klimaten stets dieselbe Eigenwärme auf. Sie beträgt bekanntlich nahezu 37 ° Celsius an der Oberfläche des Körpers . Nur wenn der Mensch krank ist, steigert sich
in der Regel diese
422
Hygienische Grundsätze bel der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen .
Temperatur bis auf 39 ° und darüber. Andererseits gelingt es nur bei ganz starker Abkühlung, die Körperwärme um kaum mehr als 1 ° berabzusetzen. Die Wärme im Körper wird erzeugt durch Muskeltätigkeit , durch Gehen, Laufen, Hantieren, besonders durch Bergsteigen und Lasttragen. Manche Muskeln, wie das Herz , die Atem- und die Darmmuskeln sind auch dann tätig, wenn der Mensch schläft oder ruht. Damit nun keine Aufspeicherung der Wärme im Körper statt hat, mufs die Haut fortwährend Wärme abgeben . Die Kleidung verhindert aber eine solche Wärmeabgabe nach aufsen. Sie darf deshalb namentlich im Sommer nicht zu dick sein , damit keine zu grofse Wärmestauung im Innern stattfindet. Andererseits pflegt man im Winter dickere Kleidungsstücke zu wählen oder die Zahl der Kleidungsschichten zu vermehren, von der Haut aus zu verhüten .
um eine zu grofse Wärmeabgabe
Die Haut allein aber ist schon imstande, sich den Wärmebedürfnissen des Körpers anzupassen . Besteht beispielsweise die Gefahr, dafs die Körperwärme zu hoch wird, so sorgt ein sinnreicher Nervenapparat dafür,
daſs die Blutgefälse der Haut sich erweitern .
dafs somit viel warmes Blut dicht an die Körperoberfläche fielst und sich hier an der kälteren Aufsenluft abkühlen kann ; die Haut wird also gerötet durch Steigerung der Körperwärme, z . B. beim Laufen, Bergsteigen usw. Im Gegensatz, wenn die Körperwärme dazu neigt, unter die Norm abzusinken, ziehen sich die Hautgefälse zusammen und lassen nur wenig Blut in sich
zurück, so daſs nur
eine geringe Menge Blut Gelegenheit hat, seine Wärme nach aufsen hin abzugeben . Die Haut wird dann weifs, wie meistens im kalten. Winter. Die füllen.
Bekleidung
hat
also
einen
doppelten
Zweck
zu
er-
Erstens im heifsen Sommer eine Abkühlung der Haut oder,
richtiger, des in der Haut fliefsenden warmen Blutes möglichst nicht zu hindern. Zweitens im Winter die Haut nicht so weit sich abkühlen zu lassen , dafs die Hautgefäfse fast leer und die Haut selbst blafs wird und dafs in den in der Haut endigenden Nervenästen das Gefühl des Frierens zustande kommt. Jeder, der seine Kleidung sich selbst wählen und dieselbe den verschiedensten Witterungsverhältnissen anpassen kann , verfährt unwillkürlich nach diesen Grundsätzen. Anders der Soldat, der die ihm vorgeschriebene Kleidung zu tragen verpflichtet ist. Für ihn ist es deshalb besonders wichtig, dafs er eine Kleidung besitzt, welche ihn einerseits im Winter vor dem Frieren schützt, vor allem aber ihn behtitet vor einer Wärmeanstauung im Sommer,
die schon
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen.
423
oft gerade bei den Soldaten das Zustandekommen des Hitzschlages begünstigt hat. Betrachten wir nun kurz , welche Eigenschaften der Kleidung es sind , die der Warmhaltung oder der Abkühlung Vorschub leisten. man an, dafs die Art der Faser es sei, welche den Kleidungsstücken ihre Eigenschaften gäbe . Noch vor wenigen Jahrzehnten ist ein lebhafter bis in unsere Zeiten sich hineinerstreckender Streit entbrannt, ob es besser sei, die KleidungsIn früherer Zeit nahm
stücke aus Wolle, Baumwolle oder Leinwand zu fertigen. Erst die grundlegenden Untersuchungen von Rubner haben Klarheit in diese Rubner fand, dafs es nicht eigentlich die Faser ist, die Frage gebracht. einem Kleidungsstück die wärmende oder abkühlende Eigenschaft verleiht, sondern, dafs diese Eigenschaft vielmehr der Art des Gewebes zukommt, daſs es also mehr auf die Webeart ankomme, viel weniger auf den verwebten Rohstoff. Natürlich unterscheiden die Rohstoffe sich
untereinander in einigen Eigenschaften,
so z. B. in dem Ver-
mögen, die Wärme nach aufsen zu leiten. Dieses Wärmeleitungsvermögen z. B. ist, wenn dasjenige der Luft gleich 1 gesetzt wird , bei der Wolle = 6,1 , bei der Seide - 19,2 , bei der Baumwolle und der Leinfaser = 29,9 . Indes tritt diese Eigenschaft der einzelnen Fasern eines Kleidungsstückes in der Wirklichkeit kaum hervor. Viel wichtiger vielmehr ist der hauptsächlich von der Webeart abhängende Luftgehalt eines Kleidungsstückes. Sowohl in dem aus einzelnen Fäserchen bestehenden Faden ist mehr oder weniger Luft eingeschlossen als auch in den engeren oder weiteren Maschen, die von den Fäden begrenzt werden. So enthält die Wollfaser zwischen den kleinen Fäserchen viel mehr Luft als die Baumwolle oder die Leinfaser ;
das Trikotgewebe ist
erheblich reicher an Luft als der
aus Kette und Schufs dicht zusammen und ohne jede Masche verwebte Kaliko . Wir bekleiden uns also nicht mit animalischen (Wolle) oder vegetabilischen ( Baumwolle, Leinen) recht eigentlich mit ruhenden Luftschichten.
Fasern,
sondern
Sehen wir nun zu, wie eine derartige poröse, lufthaltige Kleidung sich einmal im Winter und dann im Sommer bewährt. Da die ruhende Luft die Wärme recht schlecht leitet und die Wärmeleitung im wesentlichen der Weg ist, auf dem der Körper die Wärme nach aufsen abgibt, während die Strahlung nur eine geringfügige Rolle spielt, so ist es klar, dafs eine poröse, d. h.veine lufthaltige Kleidung durchaus geeignet ist, die Haut im Winter vor Abkühlung zu schützen.
Dies wird um so
mehr der Fall sein,
je
lufthaltiger der Faden des Gewebes ist, je poröser die Webeart und drittens, je dicker das ganze Gewebe ist, Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 403.
mit anderen Worten, je 28
424
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen.
gröfser die in dem Gewebe ruhende Luftschicht ist.
Je mehr solcher
in Kleidungsstücken
eingeschlossener Luftschichten den Körper umgeben, desto geringer wird die Wärmeabgabe nach aufsen hin sein. Deshalb werden im Winter noch Unterkleider und Mäntel angelegt. Die geschilderte poröse, lufthaltige Kleidung eignet sich deshalb ganz vorzüglich als Winterkleidung . Selbst wenn die Maschen des porösen Gewebes sehr weit sind, verhindern sie den Wärmeschutz im Winter nicht.
Bei starkem Winde wird zwar ein geringes Kälteauf der Haut erzeugt, doch sobald der Windstofs vorüber ist, weicht dieses Kältegefühl einer angenehmen Wärme . Der ver-
gefühl
hältnismälsig geringe Gehalt einer solchen porösen Kleidung an festen Substanzen bedingt einmal eine gewisse Weichheit des ganzen Gewebes und zweitens deren geringes Gewicht, beides Eigenschaften von nicht zu unterschätzender hygienischer Bedeutung. Betrachten wir nun die Vorzüge und Nachteile einer solchen porösen Kleidung im Sommer. Wenn im heifsen Sommer die Lufttemperatur erheblich höher ist, als die Körperwärme, so ist begreiflicherweise jede Wärmeabgabe des Körpers nach aufsen beträchtlich herabgesetzt, und es würde zu einer Wärmeaufspeicherung kommen, wenn nicht die Natur dem Menschen in dem Schweils ein treffliches Mittel gegeben hätte, um auch bei höherer Lufttemperatur den erwärmten Körper abzukühlen . Sobald infolge der Arbeit und verringerter Wärmeabgabe die Körpertemperatur zu steigen beginnt, sorgt ein ziemlich komplizierter Nervenmechanismus dafür, dafs nun die Schweiſsabsonderung beginnt . Bei Verdunstung des Schweiſses auf der Haut wird Kälte erzeugt und diese erzeugte Verdunstungskälte sorgt für die Abkühlung des Blutes in der Haut. Wie wichtig
die
Schweifssekretion
Körpers und das Wohlbehagen des
für
die
Abkühlung
des
Menschen beim Marschieren ,
Radfahren, Arbeiten ist, geht aus einer Beobachtung von Professor Zuntz hervor, der in der Lage war, einen Menschen zu untersuchen, welcher der Schweifsdrüsen entbehrte . Dieser Mann mufste im Sommer selbst bei geringer Anstrengung sein Hemd in Wasser tauchen, um dadurch gewissermafsen die fehlenden Schweifsdrüsen zu ersetzen. Arbeit auf,
Eine Rötung der Haut trat auch bei ihm bei der indes kein Tropfen Schweifs. Der Mann war im
Sommer vollkommen arbeitsunfähig, weil eine Temperatursteigerung bis 41 ° schon infolge geringer Muskelanstrengung auftrat. Dasselbe ereignete sich, wenn er sich von der Sonne ruhig dasitzend bescheinen liefs.
Leitung und Strahlung waren allein
also
nicht im-
stande, jenen grofsen Wärmeüberschuls wegzuführen, den stärkere Arbeit erzeugt.
Dazu ist Schweifsverdunstung unerlässlich.
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen .
425
Damit aber diese Abkühlung erzeugt wird, ist es nötig, dafs der Schweifs wirklich auf der Haut verdunstet. Wird dagegen der Schweifs von den Kleidern aufgesogen und in die äufseren Schichten, vielleicht sogar in die Oberkleider fortgeführt, so ist es klar, daſs die hier erzeugte Verdunstungskälte nur zum ganz geringen Teile der Abkühlung des Blutes zugute kommen kann . Weiter ist zu
beachten,
daſs, wenn die Kleider für Wasser-
dampf undurchlässig sind, die Verdunstung des Schweilses
auf der
Haut nicht genügend vor sich gehen kann. Der Schweifs bleibt tropfbar flüssig und wandelt sich nicht in Dampf um. Es kommt also kaum Abkühlung zustande .
Das ist der Fall,
wenn man sehr
dicht gewebte Unterkleider trägt, ferner wenn die Oberkleider oder das Futter derselben aus dicht gewebtem Kaliko besteht, wie dies zum Teil noch jetzt bei unseren Uniformen der Fall ist. Damit nun die Verdunstung des Schweilses auf der Haut vor sich gehen kann und der aus dem Schweifs gebildete Dampf nach aufsen gelangen kann, ist es notwendig, die Kleider, sowohl die Ober- wie die Unterkleider, weitmaschig zu weben und wenn möglich , auf der Haut selbst Stoffe zu tragen, die begierig jedes Tröpfchen Schweils aufsaugen und hier verdunsten lassen . Wir sehen
also,
dals
auch im Sommer eine porös gewebte
Kleidung diejenigen Forderungen erfüllt, die die Hygiene an ein Für die Unterkleider haben zweckmässiges Kleidungsstück stellt. wir porös gewebte Stoffe schon seit längeren Jahren, nicht nur für die Zivilkleidung, bei der das gestärkte Oberhemd ja immerhin noch eine Ausnahme bildet, sondern auch bei den Soldaten , die in dem Modell 95 statt des früheren dichten Kalikohemdes jetzt ein trikotartig gewebtes Baumwollhemd tragen. Die Oberkleidung indes
entspricht
diesen Anforderungen noch
nicht. Der Waffenrock besteht aus einem dichten Wollgewebe , das Futter ist wenig durchlässig für Luft. Schon aus den aufgeführten Gründen dürfte
es
sich empfehlen,
einen weitmaschigen zu wählen
statt des engmaschigen Stoffes
und als Futter gleichfalls ein weit-
maschiges Baumwollgewebe an die Stelle Kalikos zu setzen . Für Ziviloberkleider ist gebracht worden.
des fast undurchlässigen
diese Webeart bereits auf den Markt
Es hat sich gezeigt, dafs diese Kleider im Aus-
sehen von der dicht gewebten Ware kaum zu unterscheiden sind. Sie sind so weitmaschig gewebt, dafs man beim Halten des Stoffes gegen das Licht ganz deutlich durch die Maschen hindurchsehen kann.
Die Stoffe sind
leicht, weich und stehen erfahrungsgemäſs 28%
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen.
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an Haltbarkeit den enggewebten nicht nach . warm und im Sommer kühl.
Sie halten im Winter
Kurz zusammengefafst, sind die Forderungen, welche die Hygiene an eine rationelle Militärbekleidung sowohl für den Sommer wie für den Winter stellt, folgende : Sowohl für Unterkleider wie für Oberkleider und deren Futter empfiehlt sich ein möglichst weitmaschiges Gewebe, das nicht notwendig aus Wolle zu bestehen braucht. Für den Winter lässt sich durch Einfügen
eines
stark porösen und lufthaltigen Wollgewebes
(Unterziehweste) zwischen Ober- und Unterkleider
ein genügender
Wärmeschutz selbst bei Beibehaltung der leichteren Sommerkleidung erzielen und demselben Zweck dient, falls im Winter bei starker Kälte noch weitere Wärmeschutzmittel nötig sind, der Mantel, dessen Webeart genau den geschilderten Grundsätzen entsprechen muſs. Von ganz besonderer Wichtigkeit ist nun die längst bekannte und von Rubner experimentell zahlenmässig festgelegte Tatsache, dafs eine Durchnässung der Kleider, sei es durch Regen von ausen oder durch Schweils von innen die eben geschilderten Eigenschaften der Kleidung ganz erheblich verändert. Im Winter spielt die Durchnässung weder von aufsen noch von innen eine irgendwie erhebliche Rolle .
Desto häufiger aber ist der Soldat im Sommer sowohl einer
Durchnässung durch Regen, als besonders einer Durchtränkung der Unter- und selbst der Oberkleider mit Schweils ausgesetzt. Es erfordern deshalb die Veränderungen in den Eigenschaften der Kleidung, welche hierdurch hervorgerufen werden, eine besondere Betrachtung. Wie ich schon andeutete, ist die Verdunstung des Schweilses auf der Haut eine von der Natur sinnreich vorgesehene Einrichtung, um den Körper vor Überhitzung zu schützen.
Es ist nun klar, dafs
nur derjenige Schweifs der Entwärmung des Körpers zugute kommen kann, welcher auf der Haut selbst verdunstet. Findet die Verdunstung des Schweifses in den Kleidern, zumal in den Oberkleidern statt, so ist es selbstverständlich, dafs die erzeugte Verdunstungskälte nur zum Teil eine Abkühlung auch des Körpers herbeiführen kann. Es ist deshalb, worauf Zuntz zuerst aufmerksam gemacht hat, die Wassersekretion auf die Haut, welche durch den Gewichtsverlust des nackten Körpers
unter Berücksichtigung
der Kohlensäureabgabe leicht be-
rechnet werden kann, keineswegs mit der Wasserverdunstung zu identifizieren. In Marschversuchen, welche ich auf Befehl des Kriegsministeriums mit Professor Zuntz
angestellt habe, fanden wir, dafs
in vielen Fällen, ein Viertel, ja selbst die Hälfte des abgesonderten Schweifses in tropfbar flüssiger Form in den Kleidern stecken blieb.
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen.
427
Sobald aber die Kleider durcbnäfst sind, verdunstet das Wasser an der Aufsenseite
der Kleidung und kühlt im wesentlichen nur die
Kleidung und die
vorbeistreichende Luft ab.
Diese
Feststellung
und Überlegung ist etwas durchaus Neues und von Professor Zuntz¹ ) in der letzten Zeit immer wieder betont worden. Für die Verhütung des Hitzschlages ist diese Entdeckung ganz aufserordentlich wichtig . Durch eine Reihe von Messungen ist festgestellt worden, dafs
die Wärmebildung bei Muskelarbeit mässigen Grades, wie sie
beispielsweise ein marschierender Soldat ausführt, auf das 3-4 fache des Ruhewertes gesteigert ist.
Bei längeren Märschen, namentlich
unter starker Belastung, steigert sich die Wärmeproduktion indes noch viel erheblicher. Jene mässige Temperatursteigerung, die wir bei einem nicht
anstrengenden Marsch empfinden,
steigert unser
Wohlbehagen und läfst unsere Muskeln kräftiger und müheloser arbeiten. Ein Schweifs ist bei dieser Art der Arbeit kaum bemerkbar. Wenn wir dagegen die Arbeit steigern, entweder durch schnelleres Marschieren,
oder durch Bergaufsteigen,
oder durch schwere Be-
lastung und wenn hier die Wärmeproduktion auf das 8-10 fache gesteigert wird, so tritt sehr bald eine lebhafte Schweifssekretion ein, als vorzüglichstes Entwärmungsmittel neben der Steigerung der Wärmestrahlung und Wärmeleitung an der Hautoberfläche . Diese letzteren Entwärmungsmittel indes verlieren, wie schon erwähnt, an Bedeutung, je
höher die Temperatur der Luft ist und je mehr sie
sich der Hauttemperatur nähert. Die Leitung und Strahlung wird aufgehoben, wenn die Aufsentemperatur der Luft etwa 38 ° Celsius erreicht. Es bleibt dann lediglich die Verdunstung des Schweiſses als Entwärmungsmittel übrig. Auch die Verdunstung von der Lungenoberfläche wird geringer, wenn die Luft schon sehr warm und damit auch sehr dampfreich eingeatmet wird (Zuntz a. a. O.) . Bei den erwähnten Marschversuchen von Zuntz und mir, ) ergab sich,
dafs
die Wasserverdunstung des Körpers mit der Gröfse der
Arbeit und mit
der Lufttemperatur
regelmässig anstieg,
dafs sie
aber ebenso gesetzmälsig abfiel mit zunehmender Trockenheit und zunehmender Windstärke . Sehr deutlich trat bei diesen Versuchen die
wichtige Tatsache hervor,
dafs die Schweifssekretion sich bei
fortgesetzter Übung allmählich genau den Bedürfnissen der Abkühlung anpaiste, dafs sie bei Ungeübten in der Regel unmälsig war und eine unnütze
Durchnässung
der Kleider
bewirkte ,
während
mit fort-
schreitender Trainierung sich ein richtiges Verhältnis zwischen notwendiger Abkühlung und Schweifsmenge einstellte . 1) Deutsche Medizinal- Zeitung 1903, Nr. 25. 2) Bibliothek von Coler, Band 6.
428
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen .
Ein weiteres Ergebnis jener Versuche war, wie Zuntz in der Deutschen Medizinal - Zeitung 1903 Nr. 25 hervorhebt, die Erkenntnis derjenigen Eigenschaften der Kleidung, welche dieselbe den Bedürfnissen der Wärmeregulation des Soldaten anpaſst. In erster Linie ist eine erhebliche Luftdurchlässigkeit erforderlich. Es ist klar, dafs durch Regen oder tropfbar flüssigen Schweils die Faser des Gewebes sowohl , wie die Zwischenräume (Poren) zum Teil oder ganz verstopft werden, und dafs an Stelle der schlecht leitenden Luft nun das gut leitende Wasser tritt. In solchem Falle kann es, namentlich wenn die Wärmeproduktion des Körpers in der z. B. auf dem Marsche folgenden Ruhepause aufhört, zu ganz intensiven Ab- und
Unterkühlungen kommen .
Dadurch ,
dafs die Poren der Kleidung durch Wasser verstopft sind, kann die zwischen Haut und Kleidung befindliche Luft nicht mehr nach aufsen dringen. Infolgedessen verdunstet auf der Haut selbst kein Schweifs mehr und das Hauptentwärmungsmittel des arbeitenden Körpers, die Schweifsverdunstung, verliert während der Arbeit nun ihren Wert und
ihre Bedeutung.
Aus
diesem Grunde hat Zuntz zuerst Wert
darauf gelegt, dafs die Kleidung so beschaffen sein soll, dafs einmal die Poren, namentlich der Unterkleidung, aber auch der Oberkleider so weit sind, dafs sie niemals durch Schweifs verlegt werden können . Dann aber auch sollen die Kleider, namentlich die Unterkleider, die schnelle Ableitung des Schweifses auf die äufsersten Schichten der Kleidung erschweren.
Mit dieser Forderung setzt sich Zuntz im Gegen-
satz zu dem, was vielfach noch gelehrt wird. Man wollte bisher den Schweifs deshalb von der Haut ableiten, um das Gefühl der Nässe an derselben nicht aufkommen zu lassen. Aus diesem Grunde pflegte man und pflegt nun noch direkt auf der Haut Wolle zu tragen, deren feinste Stützfäserchen das wollene Gewebe immer in einer gewissen Entfernung von der Haut halten, so dals immer uoch zwischen Haut und Wollgewebe eine gewisse Luftschicht sich befindet.
Indes wird ,
wie schon oben ausgeführt ist, durch diese Ableitung der Schweifs seinem Zwecke entzogen und es wird dadurch die Verdunstung an einen Ort verlegt, wo sie dem abzukühlenden Körper nicht mehr zugute kommt (Zuntz). Durch diese Überlegung kam Zuntz zu der Erkenntnis, dafs die Bekleidung des marschierenden Soldaten die Ableitung des Schweifses in die äufseren Kleiderschichten erschweren, zugleich aber den Luftzutritt zu der Haut nach Möglichkeit erleichtern muls . Er empfiehlt deshalb ein Unterzeug, das aus zwei Schichten besteht, einer inneren, leicht benetzbaren und daher den von der Haut gelieferten Schweifs an der Oberfläche derselben festhaltenden und einer äufseren, wasserdichten , daher nicht benetzbaren Schicht, welche
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen.
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zugleich so porös gewebt ist, dafs sie den Luftzutritt zu der inneren Schicht nicht hemmt. Durch eine solche Anordnung mufs es gelingen, die äufseren Kleiderschichten vor Durchnässung durch den Schweifs zu bewahren und die Verdunstung des Wassers dabin zu verlegen, wo sie nach hygienischen Grundsätzen vor sich gehen lassen soll , nämlich auf die Oberfläche der Haut (Zuntz). Zuntz führt als Beispiel für die Richtigkeit seiner Anschauungen dasjenige unserer Haustiere an, welches das bestentwickelte Schweifsdrüsensystem hat, nämlich das Pferd . Bei ihm sind die eben beschriebenen analogen Einrichtungen von der Natur verwirklicht. Das Pferd besitzt eine doppelte Behaarung ; einmal kleine, der Haut dicht aufsitzende Flaumhaare , welche vom Schweifs benetzbar sind und zweitens die grölseren eigentlichen Haare, welche fetthaltig sind und deshalb mit dem Schweifs nicht imprägniert werden können . Zudem ist der Schweifs des Pferdes eiweilshaltig, er schäumt deshalb leicht und bleibt schon, wie Zuntz hervorhebt, aus diesem Grunde dicht auf der Haut haften ; er benetzt nur die Flaumhaare, nicht aber die eigentlichen langen ― fetthaltigen -— Haare. Infolgedessen verdunstet der Schweifs auf der Haut und kommt so der Abkühlung des Körpers zugute. Das Haarkleid des Pferdes
gibt uns deshalb einen Fingerzeig
dafür, wie wir unsere Kleidung in bezug auf die Entwärmung bei anstrengender Marschierarbeit einzurichten haben : Innen eine benetzbare Schicht,
aufsen Kleider,
welche vom Schweifs oder vom
Regen nicht durchdrungen werden können ; beide Schichten müssen so porös wie möglich sein. Mit einem solchen Doppelgewebe, bestehend aus einer inneren benetzbaren und einer äufseren unbenetzbaren Schicht, hat nun Professor Zuntz durch Stabsarzt Bischoff und Dr. Dreist an Zylindern , die gewissermassen den menschlichen Körper ersetzten , experimentell erhärten lassen und hat ferner durch Trageversuche an sich selbst und an Reitern und Radfahrern festgestellt, dafs in der Tat die gerühmten Vorteile einer nach seinen Angaben zweckmässig eingerichteten Unterkleidung den Voraussetzungen entsprachen. Leider wurde bei den Versuchen über der zweckmässigen Unterkleidung die moderne, im allgemeinen den entwickelten Grundsätzen nicht entsprechende Oberkleidung getragen und deshalb waren die Ausschläge durch den Tragversuch immerhin keine grofsen .
Ich selbst
habe mich gleichfalls an diesen Trageversuchen mit Doppelgespinnst der Unterkleidung sowohl beim Reiten wie beim Radfahren beteiligt. Ich legte, wenigstens beim Radfahren, über der Doppelunterkleidung eine Oberkleidung an, die gleichfalls den Zuntzschen Prinzipien ent-
430
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen.
sprach. bei
Sie
war äusserst
porös gewebt.
Ich mufs gestehen, dafs
einer so vollkommenen Einhaltung der von Zuntz eingeführten
hygienischen Bekleidungsgrundsätze ich
ein äusserstes Wohlbehagen
selbst bei starken Anstrengungen im Sommer wie im Winter empfand . Namentlich im Sommer fiel es mir und meinen Begleitern auf, wie wenig ich unter den Anstrengungen des Radfahrens bei grösseren Touren zu leiden hatte und vor allem, wie wenig tropfbar flüssiger Schweifs auf meiner Stirn und in meinen Oberkleidern wahrzunehmen war, Somit scheint das Zuntzsche Rekleidungsprinzip auch in der Praxis sich zu bewähren und es verdient allgemeinste Beachtung. Allerdings wird in der Praxis sich ein Doppelgewebe für die Unterkleider kaum einführen lassen, wahrscheinlich schon des Kostenpunktes wegen nicht. Indes erscheint es mir, wenn wir uns die Verhältnisse beim Pferde wieder vor Augen halten, recht zweckmässig und völlig
ausreichend, eine benetzbare Unterkleidung und eine
nicht benetzbare Oberkleidung, beide äusserst porös , herzustellen . Wenn
wir
nun
die
hygienischen Grundsätze
eben auf
etwas
ausführlicher
entwickelten
eine rationelle Soldatenkleidung an-
wenden, so müssen wir zu folgender Ansicht kommen .
Da es ziemlich
gleichgültig ist, aus welchem Stoff das Kleidungsgewebe, zunächst für die Unterkleider, besteht, so wird man für den Soldaten das haltbarste und zugleich das billigste vorziehen. wollgewebe.
jetzt eingeführte Baumwollen-Trikothemd M. 95 der Forderung gröfster Porösität.
dafs
Das ist das Baum-
Auch dieses läfst sich durchaus porös verweben.
Das
entspricht bereits
Die Oberkleidung mufs gleichfalls porös gewebt sein, so porös , es nach Wasserdichtmachung der Faser noch möglich ist,
Wasserdämpte
durch
die
Poren
hindurchdringen
zu
lassen
und
andererseits zu verhüten, dafs Regen von aulsen nach innen gelangt. Als Gewebe würde wieder die Baumwolle zu empfehlen sein, die ja auch den Engländern schon lange und uns selbst im Chinafeldzuge und bei den Schutztruppen gute Dienste geleistet hat. Auch das Futter der Röcke stehen.
müfste aus porösem, wasserdichtem Material be-
Die Unterkleidung würde dann im Zuntzschen Sinne die benetzbare Schicht darstellen, die Oberkleidung , die nicht benetzbare. Um
auch gegen dauernden Regen geschützt zu sein , oder um
eine zu starke Entwärmung in den Ruhepausen zu verhüten , müfste ein wasserdichter Mantel gleichfalls aus porösem Baumwollgewebe vorgesehen werden.
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u . Ausrüstung des Infanteristen . Um
schliesslich
431
den Körper im Winter bei starkem Frost vor
zu starker Abkühlung zu bewahren, dürfte sich die Einführung einer wollenen Weste mit Ärmeln, welche den ganzen Rumpf bedeckt und unter der Uniform zu tragen wäre, empfehlen .
Es erübrigt sich nun, nach der Feststellung der allgemeinen Bekleidungsgrundsätze, wie sie die moderne Hygiene erstrebt, die einzelnen Uniformteile einer kurzen Betrachtung zu unterziehen. Zunächst der Waffenrock als wichtigstes Bekleidungsstück . Nach den auseinandergesetzten allgemeinen Grundsätzen soll er oder wenn der Kostenpunkt nicht ausschlaggebend aus Wolle gewebt werden. In jedem Falle aber mufs die
aus Baumwolle
ist, Webeart grolsporig sein. Falls ein Futter für nötig gehalten wird, soll auch dieses aus weitmaschigem Baumwoll- oder Wollgewebe bestehen. Wenn irgend angängig, ist der Waffenrock wasserdicht zu machen, nicht nur um den Regen abzuhalten, sondern vor allem , um die Verdunstung des Schweifses auf der Haut stattfinden zu lassen. Der Schnitt des Waffenrocks soll so beschaffen sein, dafs kein Druck weder auf den Hals noch auf den Unterleib ausgeübt wird. Gegen den Stehkragen hat die Hygiene nichts einzuwenden, vorausgesetzt, dafs er nicht zu hoch, nicht zu steif und nicht zu eng ist, vielmehr so weit gewählt wird, dafs zwischen Hals und Kragen in jedem Falle, auch wenn der Tornister umgehängt wird , ein Spielraum von solcher Weite bestehen bleibt, dafs der Hals mindestens zur Hälfte nicht vom Kragen berührt wird . Über die Farbe des Waffenrockes Bestimmungen festzusetzen ,
empfiehlt sich für den Hygieniker nicht. Aus taktischen Gründen müssen die verschiedensten Farben verwendet werden. Die Hygiene würde im Prinzip, um die Sonnenstrahlen möglichst kräftig zurückzuwerfen , ein weiſses Gewebe befürworten, das im Felde und im Manöver ja bald einer dunkleren Schattierung Platz machen würde . Der weiſsen Farbe stehen hygienisch am nächsten hellgraue oder hellbraune Nuancen. Der Waffenrock soll so weit
oder so viel zu erweitern sein,
dafs im Winter unter den Waffenrock eine wollene Ärmelweste gezogen werden kann. Aus demselben Stoff, wie der Waffenrock, sollte der Mantel bestehen, Auch hier mufs wieder die weitmaschige Beschaffenheit betont werden . Zu erwägen wäre vielleicht noch, ob nicht der Mantel zugleich als Zeltbahn benutzt werden könnte. Es würde in solchem Falle die schwere Zeltbahn fortfallen können .
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Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen.
Für das Gewebe der Hose gelten dieselben Grundsätze, wie ich sie für den Waffenrock aufgestellt habe. Die Unterkleidung
in unserer Armee entspricht bereits den
von mir formulierten hygienischen Forderungen. Auch die Möglichkeit, dafs die Unterhose im Quartier als Oberhose getragen werden kann , ist als gesundheitsgemäfse Neuerung in der Soldatenkleidung begrülsen. Ob
zu
Strümpfe
oder Fufslappen vorzuziehen sind , dürfte ziemlich gleichgültig sein, die Gewohnheit des einzelnen gibt hierbei den Ausschlag . Jedenfalls müssen für die Strümpfe sowohl wie für die Fufslappen weiche aber derbe Gewebe gewählt
hygienisch
werden.
Wolle wird wegen ihrer Weichheit kaum zu umgehen sein. Falten oder gestopfte Stellen in den Strümpfen bedingen leicht Wundwerden der Füfse beim marschierenden Soldaten ebenso wie schlcht
sitzende Stiefel .
Wundsein der Füfse aber setzt zur Schonung der wanden Füfse eine Menge Muskeln beim Marsch in Tätigkeit, welche beim normalen Gang gewöhnlich nicht gebraucht werden , manchmal in so hohem Mafse, dafs der Stoffverbrauch und damit auch die Atmung um das sechs- bis achtfache des Normalen gesteigert werden, wie Versuche von Zuntz und mir an marschierenden Soldaten ergeben haben. Der Streit über die beste Stiefelart ist noch nicht entschieden. Der Schnürstiefel läfst
sich
besser dem Fulse
anpassen, ist aber
nicht völlig undurchlässig gegen Staub und Nässe . Im Gegensatz dazu ist es schwer, einen Schaftstiefel zu finden, welcher absolut genau dem Fufse sich anpafst. Besonders dürfte dies bei Neubeschaffung
schwer ins Gewicht fallen.
Doch hat der Schaftstiefel
den Vorzug, dafs er den Fufs vor Nässe und Schmutz gut bewahrt. Da jeder Soldat zwei Paar Stiefel, ein Paar an den Füssen und ein Paar im Tornister mit führt, so erscheint es als das zweckmässigste , jedem Soldaten in das Feld Schnürstiefel mitzugeben.
ein Paar Schaftstiefel und
ein Paar
Für das Verpassen, namentlich der Schaft-
stiefel, mufs die weitgehendste Sorge getragen werden. Für die aktiven Soldaten ist dies verhältnismäfsig leicht bei den 133 Sorten verschiedener Länge und Breite, welche jetzt bei den Bekleidungsämtern angefertigt werden. Schwer wird ein genaues Verpassen der Stiefel für die Reservisten und Landwehrleute im Beginn der Mobilmachung möglich sein , wenn auch die Mafse des einzelnen Mannes vorher bekannt sind. Über diesen Punkt liegen in der Literatur bereits viele Ratschläge vor : Noch genauere vorherige Feststellung der Mafse des einzelnen ; Austreten dieser Stiefel bei Übungen ; ja selbst während
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen.
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einiger Zeit im Zivilverhältnis ; Verpflichtung zum Mitbringen gut ausgetretener Zivilschaftstiefel für die erste Zeit usw. In diesen Vorschlägen steckt manches beherzigenswerte. Jedenfalls dürfen die ersten Märsche nicht mit den noch nicht ausgetretenen Schaftstiefeln, sondern mit den Schnürstiefeln, selbst bei ungünstiger Witterung angetreten werden, um den Ausfall an Fufskranken bei Reservisten. und Landwehrleuten nicht zu hoch zu treiben. Der Abschaffung der Halsbinde ist gelegentlich auch von Hygienikern das Wort geredet worden. Ich kann mich denen nicht anschliefsen. Die Halsbinde ersetzt den Stehkragen des Zivilisten , an den er gewöhnt ist, in vorteilhaftester Weise. Diese Vorteile würden noch grösser sein , wenn die Halsbinde etwas weicher und nicht
aus schwarzem, sondern geradezu aus weilsem Stoff bestände.
Ich würde für diese weifsen Binden weitmaschigen und kräftigen Baumwollenstoff vorschlagen, der leicht zu waschen und schnell zu trocknen ist. Diese weißse Baumwollhalsbinde hat mehrfache Vorteile .
Einmal
sieht sie
schmuck und
sauber aus,
wenn sie aus
dem dunklen Kragen heraussieht. Der Hauptvorteil aber besteht darin, daſs sie meist frei von Bakterien ist, was man von der schwarzen Halsbinde, die nur selten gewaschen wird, nicht behaupten kann . Zum mindesten kann man der letzteren den Grad ihrer Sauberkeit nicht auf den ersten Blick ansehen, wie bei weifsem Stoff.
Die häufigen
Furunkel im Nacken, die mit das Hauptkontingent der Revierkranken verursachen, verdanken ihre Entstehung einmal den leichten Hautabschürfungen,
welche
durch
die immerhin steifen Halsbinden
gesetzt werden und zweitens, den in diese Hautabschürfungen hineingelangten Bakterien, an denen die meist schmutzigen Halsbinden überaus reich sind . Alle diese Mifsstände beseitigt die aus weiſsem Baumwollstoff waschbar ist.
gefertigte weitmaschige Halsbinde , die unbegrenzt Kosten würden durch Einführung dieser letzteren
kaum entstehen. Die in der preufsischen Armee üblichen Kopfbedeckungen entsprechen ihrem Zweck vollkommen. Allenfalls würde die Hygiene auch für die Feldmütze den erwähnten weitmaschigen Stoff empfehlen. Ferner um den Regen und grelles Sonnenlicht von den Augen abzuhalten mit einem Schirm . Den Schutz vor Wind und Wetter
erfüllt der jetzt eingeführte
Helm sehr gut. Ein gewisses Bedenken über die Zweckmäſsigkeit wurde vor zwei Jahrzehnten laut, als Hiller durch Messungen der Lufttemperatur unter dem Helm feststellen konnte, dals nach mehrstündigem Marsch in direktem Sonnenlicht zwischen Kopf und Helm Temperaturen beobachtet wurden , die die Körperwärme des Menschen
Über Festungskrieg- Fragen.
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um 3 bis 4 und noch mehr volle Grade überstiegen. Durch einen einfachen Versuch, indem man den Helm in die Sonne stellt und ein Thermometer hineinsteckt,
kann
man sich von der Richtigkeit
der Hillerschen Beobachtungen schnell überzeugen. Aus lediglich hygienischen Gründen wäre desbalb eine Art Tropenhelm, überzogen mit weiſsem, undurchlässigem Baumwollstoff vorzuziehen. Zweckmälsigerweise läuft dann der Schirm weit ausladend rings um den Kopf herum,
nicht nur,
wie bei uns als Stirn- und Nackenschirm. (Schlufs folgt. )
XXXI .
Über Festungskrieg - Fragen . Von
Hauptmann Fritsch, Militärlehrer an der Vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule.
Das Kampfverfahren im Festungskriege baut sich selbstverständlich
•
auch auf den
allgemeinen Grundsätzen des Krieges" auf; es
bildet die einzelne Belagerung nur in derselben Weise einen Teil des grofsen Krieges, wie etwa ein mehr oder weniger bedeutsames Gefecht der Feldtruppen. Die Entscheidungsschlacht Bedeutung über beiden . Die Entscheidung am Schaho
steht
in
ihrer
ist durch Flügelumfassung der
russischen Ruhesicherungs- Feld - Stellung gefallen.
Die Rücksicht auf
die rückwärtigen Verbindungen zwang zur Preisgabe der in der Front im Laufe der Zeit sehr stark gewordenen Stellung. Schon Alexander der Groſse zeigt uns - nach Droysen - in der Schlacht am Hydaspes meisterhaft den Grundsatz für den Kampf um solche Positionen : in der Front fesseln, in der Flanke schlagen.
Gourgaud legt in seinen Me-
moiren Napoleon folgende gelegentliche Aeufserung in den Mund : „ AD der Moskwa (bei Borodino) beging ich einen Fehler, die verschanzte Stellung der Russen grofsen Schlacht.
anzugreifen.
Aber
ich
dürstete
nach
Sonst darf man eine feindliche Armee,
mit starker Aufklärungskavallerie ausgerüstet,
einer
die sich,
hinter einem System
Über Festungskrieg- Fragen. von Schanzen frei bewegen kann, nicht aus ihrer Stellung herausmanöverieren . kann
435
angreifen.
Man
muss
sie
Nun, bei der ringförmig geschlossenen Stellung einer Festung von gefahrbringender Flügelumfassung oder von Heraus-
manöverieren keine Rede sein. Stellung ist,
Der Hauptzweck der Festungs-
bei gleichzeitiger örtlicher Sicherung eines strategisch
oder politisch wichtigen Objektes, der : belagert zu werden. Diesem Zweck mufs ihre Anlage, Ausstattung und Versorgung entsprechen. Die Umfassung oder gar völlige Einschliefsung, die für die beste Feldstellung ein Unglück bedeutet, ist für die Festung gewollt ; und wer da siegen will, mufs frontal siegen .
wohl
Wenn aber gemeint wird, dafs aus mancherlei Gründen doch immer einzelne Teile einer Festung ,, konzentrisch" zu be-
kämpfen sein dürften, so möchte ich dem entgegenhalten, daſs da, wo bei modern zu erhaltenden grofsen Festungen eine umfassende Artilleriestellung gegen eine artilleristisch zu erschütternde, isoliert vorspringende permanente Anlage der Fortlinie
ohne gröfseren Nach-
teil für den Angreifer selbst möglich ist, wohl an irgend einer Stelle auf die Dauer kaum entschuldbare Fehler oder Unterlassungen vorliegen. Die
Objekte,
die
man
durch Anlage von
Gürtel- Festungen,
dem eigenen Heere damit zugleich Stützpunkte schaffend, einem ins Land eingedrungenen Feinde entziehen will , werden im allgemeinen sein: Eisenbahnknotenpunkte, Eisenbahnstrombrücken,
Kriegshäfen,
Stapelplätze jeglicher Heeresbedürfnisse und Sitz der Landesregierung. Im übrigen wird man sich mit Sperrbefestigungen begnügen. Noch weniger wie aus anderen Gründen gebaute, wird es in Zukunft aber aus anderen als strategisch-politischen Gründen belagerte Festungen geben.
Die Opfer sind für beide Teile zu grofs.
Also nicht, weil zufällig gerade „ der Feind dort steht", sondern weil z. B. die Offensive der Feldarmee ohne Besitznahme der ihre rückwärtigen Verbindungen sperrenden oder einengenden Befestigungen nicht lange fortgesetzt werden könnte, mufs um den Besitz dieses oder jenes festen Platzes gekämpft oder seine Aufsenwirkung in irgend einer Weise lahmgelegt werden. Das Vorhandensein der mancherlei Sonder - Anleitungen und -Vorschriften für Belagerung und Verteidigung von Festungen neben den Vorschriften für den Feldkrieg scheint
mir nun ohne weiter
nötiges Kommentar hinreichend zu beweisen, dafs dabei infolge vieler besonderer taktischer und technischer Umstände der Kampf in etwas anderer Weise Der Kürze halber sei neben
zu führen ist, als im Feldkriege . den bereits früher von mir an-
Über Festungskrieg -Fragen .
436 gedeuteten
allgemeinen Gesichtspunkten
nur auf wenige taktische
Einzelheiten hingewiesen. Es zeigen bei den Kampfformen z. B. der Sturm in schmalen Kolonnen, bei der Verwendung der einzelnen Waffen, u. a. das Kämpfen der Infanterie mit Ablösungen in meist künstlich verstärkten Angriffs - Feuer- Stellungen , ferner der fast völlige Ausfall der Kavallerie auf dem eigentlichen Angriffsfelde sowie das wechselnde Einsetzen der Feldartillerie - wesentliche Verschiedenheiten gegenüber dem Verfahren im Feldkriege . Sehr interessant äufsert sich auch Clausewitz in seinem Buche „ Vom Kriege " (4. Buch, 5. Kap.) bei Besprechung der „,Bedeutung des Gefechts " über das eigenartige taktische Verfahren bei Kampf um Ortsbesitz. Was die Pioniere anbetrifft, so halte ich weit entfernt von nicht nur ,, müfsigem", sondern nach meiner Meinung sogar unmoralischem ,,Streit" um Vorrang für nicht zweifelhaft, dafs sie die ihnen beim Festungsangriff zufallende wichtige Aufgabe , angesichts unserer von Festungen starrenden nachbarlichen Landesgrenzen, unbeirrt um Seitenströmungen im Frieden und im Kriege am besten in dem Sinne betreiben werden, wie es von Sr. Majestät dem Kaiser selbst ihnen bei Gelegenheit des 150jährigen Jubiläums des Pionierbataillons von Rauch ( 1891 ) klar vorgezeichnet worden ist - nämlich : gleich den Pionieren von Schweidnitz, Düppel und Alsen auch in Zukunft unter erschwerten Umständen ihrem Namen getreu - die Wege bahnend - den übrigen Truppen voranzugehen und schliesslich das Loch zu schaffen,
durch
das die
stürmende Hand der Infanterie hindurchgreifen kann. Überall müssen die Pioniere als allgemeine Hülfswaffe der Armee mit fortentwickeltem technischen Gerät und Können -ev. selbsttätig - da eingreifen, wo die einfacheren technischen Mittel der anderen Waffen nicht mehr ausreichen . Ob die daraus erwachsenden umfangreichen Kriegsaufgaben bei gleichmässiger Ausbildung aller Pionier-Bataillone weiterhin eingehend genug vorbereitet werden können, oder ob dazu nicht vielmehr, ebenso wie bei der Artillerie, eine weitere Spezialisierung in Feldand Festungstruppe nötig ist, das ist eine Nebenfrage. Unter Verkürzung der rein infanteristischen Ausbildung, Verringerung des Übungsplatz-Pontonierens und bei gröfserer Betonung der anderen, mehr technischen Dienstzweige (besonders Wegebau- und Nahkampftätigkeit des Festungskrieges) könnte sowohl auch bei der jetzigen Organisation der Pioniere die erwünschte Vertiefung ihres Könnens erreicht werden. Einige Abweichungen zwischen den Angaben der Belagerungsanleitung sowie auch des Feldartillerie-Exerzierreglements und den Aus-
Über Festungskrieg-Fragen.
437
führungen des Erwiderungsaufsatzes im M.W.Bl. 1905 , No. 26, welche durch die doch nicht ganz berechtigte Verwechselung der Begriffe ,,Sturm " und „ Nabangriff" zu erklären sein dürften, will ich hiermit nur nebenbei als solche gekennzeichnet haben und
komme
zwecks allgemeiner Beleuchtung des Festungskrieges zu der von mir schon neulich angekündigten geschichtlichen Betrachtung. Der Artikel 1 im 1. Vierteljahrshefte f. Tr. u . H. 1905 meint, dafs das Beispiel von Kars ( 1877 ) von den besprochenen, sogen . modernen, abgekürzten oder gewaltsamen Angriffen noch am ehesten eine Parallele für künftige Fälle abgeben könne. Wir würden „ viele moderne Festungen " in solchem Zustande ,,unmittelbar nach der Kriegserklärung mit entschlossenem Zugreifen" zu nehmen in die glückliche Lage kommen. Wie war die Sache bei Kars ? Ein eben erst im Felde geschlagener Gegner bildete den Hauptteil der Festungsbesatzung . Der Sieger war dem Geschlagenen auf dem Fulse vom Schlachtfelde bis dicht vor die Aufsenwerke der Festung gefolgt.
Der Vorpostendienst
der auch an Zahl unzuläng-
lichen Besatzung wurde obendrein wenig sorgfältig gehandhabt . Die Lücken zwischen den nicht sturmfreien permanenten Aulsenwerken waren nur im Norden und Nordwesten,
wo
die Russen vor 4 Mo-
naten bereits einmal angegriffen batten, und im Süden und Südosten mit Schützengräben (ohne Hindernisse) auf den Fronten geschlossen worden, vor denen jetzt die Angriffsartillerie
in Stellung ging.
Da
erfolgte nach kurzer artilleristischer Beschiefsung, deren Wirkung verschieden beurteilt wird, der Sturm. Was bei den bierbei entstehenden hartnäckigen Kämpfen einer Minderzahl gegen starke Überlegenheiten noch am meisten Widerstand verursachte, war eine der grofsen Defensivkasernen in den offenen Kehlen der sogenannten Forts. Das Fehlen
geschlossener,
sturmfreier Werke in
der
vorge-
schobenen Verteidigungslinie und der Mangel einer zweckmälsigen Tiefengliederung der Verteidigungseinrichtungen sind - soweit es an der Befestigung des Platzes liegt seines schnellen Falles gewesen.
in Wahrheit die Ursachen
Wenn nun wirklich das Kars von 1877 ein Bild
für
den Zu-
stand „ vieler moderner Festungen unmittelbar nach der Kriegserklärung" abzugeben vermöchte, dann müfste jedem Lande, das im Kriegsfalle solche ,,moderne" Festungen an seinen bedrohten Grenzen heute besitzt, die Zeit, das Geld und der Geist leid tun ,
der seit
Menschenaltern in sie hineingesteckt worden ist . Fernerbin ist in den Vierteljahrsheften der bei Abfassung des Aufsatzes noch nicht beendete Kampf um Port Arthur besprochen .
Über Festungskrieg-Fragen.
438
Weil ,,beste russische Linientruppen" in einer technisch keineswegs vollwertigen Festung wenigstens zu Anfang nach Zahl und Art unzureichenden japanischen Artilleriekräften gegenüber standen, glaubt der Verfasser aus den dortigen Erfahrungen keine Schlüsse auf europäische Verhältnisse ziehen zu dürfen. Ich meine, dafs die erwähnten besonderen Umstände sich in gewisser Beziehung ausgleichen und dafs ein Schlufs in folgendem Sinne zweifellos lässig ist
die
sonst
schon jetzt zu-
über die Kriegsvorbereitungen der Russen in
jeder Hinsicht ausgezeichnet unterrichtet gewesenen Japaner haben sich bei Vorbereitung ihres Angriffs auf die Festung Port Arthur, welche das nächstliegende politische Ziel stellte, erheblich verrechnet.
des ganzen Krieges
dar-
Ganz abgesehen von den ungekannten, fortifikatorisch schwachen Neuanlagen, besonders vor der russischen Hauptstellung, welche den Japanern nach englischen Berichten viele Überraschungen und Schwierigkeiten bereiteten , haben ihre Geschütze auch nach Eintritt in die planmäſsigere Artillerieverwendung des förmlichen Angriffs nicht vermocht , die weithin sichtbaren älteren Forts derartig aus der Ferne zu erschüttern, dafs die Durchführung des Sturmes in der auch bei uns weiten Kreisen bislang gedachten Art möglich war. Über dem
in
Lärm der mit Sprenggranaten dazwischen fahrenden Artillerie ganz vergessene pioniertechnische Mittel mufsten hervorgeholt werden, um die durch Geschofswirkung nicht erreichte Sturmreife unter z . T. mit der blanken Waffe und mit Handgranaten¹ ) geführten schwersten Kämpfen zu schaffen.
Aber wie aus englischen Nachrichten und aus
der kürzlich erschienenen Schrift des Major Schroeter „ Port Arthur" hervorgeht, war auch das Gerät der Pioniere, weil man mit solchen Schwierigkeiten und der Notwendigkeit derartiger Pioniertätigkeit gar nicht gerechnet hatte, nicht gehörig vorbereitet . Ähnlich wie wir hatten sich die Japaner im Gegensatz zu verschiedenen anderen europäischen Armeen mit Minieren z. B. kaum noch beschäftigt. In dem Zwange der Verhältnisse fanden sich jedoch die gelehrigen Japaner, nachdem sie manches den Russen abgesehen hatten, nach kurzer Zeit zurecht und arbeiteten sich ,,ohne bestimmte Regel " , wie ein englischer Ingenieuroffizier berichtet,,,in jedem Abschnitte auf eine andere Art" in der Erde vorwärts . fahren zum Ziele geführt hatte, auf das einzig richtige."
„ Überall, wo ein Ver-
schwuren ihre Erfinder
darauf als
1) Die heutigen „ Grenadiere “ sind die „ Granatiere " von ehedem. Die Form der bei einzelnen Regimentern noch heute getragenen, krempenlosen Grenadier-Mützen soll - nebenbei bemerkt ihre Entstehung dem Gesichtspunkte verdanken, beim Schleudern der Granaten nicht hinderlich zu sein.
Über Festungekrieg-Fragen. Nun,
dieses
439
Anpassungs - Vermögen ist gewils
anzuerkennen .
Könnte einem Heere aber durch gründliche Friedensübung auf dem ganzen Sondergebiete des Festungskrieges die
Notwendigkeit ähn-
licher, immerhin zeitraubender und verlustreicher Improvisationen erspart bleiben, so dürfte das doch von unschätzbarem Vorteile sein für den Fall , dafs seine Artillerie auch gelegentlich beim Kampfe um groise Festungen mit sonst ausreichendem Verfahren nicht die erwünsche Erschütterung und
seine
Infanterie nicht in rein „ feld-
mäfsiger" Weise die Bekämpfungsmöglichkeit des Feindes erreichen sollten. Wenn wir nun klar erkennen und würdigen, dafs nur das verständnisvollste Zusammenwirken der verbundenen Waffen und innerhalb desselben wiederum nur die Betätigung entsprechender höchster Spezialleistungen der einzelnen Waffe und des einzelnen Individuums beim „ Sturm im Festungskriege" zum Erfolge führen können , dann sollten meine ich auch schon jetzt der entsprechenden Friedensvorbereitung wohl kaum noch Hindernisse, am wenigsten Voreingenommenheiten im Wege stehen . Dies trifft gleichermafsen zu für Angriffs-, wie Verteidigungsmafsnahmen. Und da komme ich zu einem Punkte, der sich bei Besprechung des frühen Falles von Port Arthur immer wieder findet, d. i . zu der
vorzeitigen Kapitulation
des Platzes vor völliger Er-
schöpfung seiner Verteidigungsfähigkeit. Die zersetzende Wirkung einer langen Belagerung auf die Nerven der Führer und Leute zugegeben, darf meiner Ansicht nach die Rücksicht des guten Herzens auf die tapfere Besatzung, auf die wohl stets
zum Frieden
drängende Bewohnerschaft
oder
gar auf
weitere ev. grofse Opfer des Feindes doch nicht so weit gehen, eine grundsätzliche Berechtigung für den in Port Arthur an der Jahreswende gefafsten Entschlufs daraus abzuleiten. Man hat den Eindruck, daſs, ebenso wie bei der letzten Kampfhandlung die Flotte, auch die Landbesatzung zum Schlufs ibre militärische Existenz hätte teurer verkaufen sollen . „ Nach der Schlacht bei Cannae verdoppelten die Römer ihre Kraft. Damals hatte noch jedermann Furcht für seine Haut, vor Mord, Brandschatzung und Schändung. Das war ächter Krieg. Heute wird alles
mit Rosenwasser behandelt ; mau trieft von Humanität.
Wenn man von Menschlichkeit besessen ist, darf man keinen Krieg führen. Ich kenne keinen Krieg mit Rosenwasser. " So war die Meinung Napoleons I. (Gourgaud, N.s Gedanken und Erinnerungen). Der Grundsatz der auf Zeitgewinn abzielenden Verteidigung eines festen Platzes das kann keinem Zweifel unterliegen 29 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 403.
Über Festungskrieg -Fragen.
440
muls jedenfalls sein, dafs sich der Platz so lange hält, als irgend ein verteidigungsfähiges Objekt, Munition zum Schiefsen und Vorräte zum Leben für eine, sei es auch noch so kleine Schar von Tapferen vorhanden sind. Alle
die mutigen Japaner,
die
bei Fortsetzung des Kampfes
vor den Werken von Port Arthur ihr Leben oder ihre Kampffähigkeit noch eingebüfst hätten, würden nicht am Schaho unter Nogi zu der entscheidenden Umfassung mehr haben mitwirken können . Ob nicht vielleicht auch jeder Tag, jede Stunde , die Nogi mit seiner Armee noch länger im Süden gefesselt blieb, von günstigsten Folgen für Kuropatkin hätte sein können wer will es verneinen ? Vielleicht hätten die Russen, wie mir jüngst eingeworfen wurde,
dann
noch Zeit gefunden,
ihre
Stellung auf dem rechten
Flügel, am Hunho und westlich Mukden zu staffeln und mit dem Spaten zu verstärken ; sie hätten vielleicht auch für Entsendung von kleinen Kommandos (Pioniere mit Kavallerie- Bedeckung) sorgen können, um weiter unterhalb den zugefrorenen Flufs an wahrscheinlichen Übergangsstellen
so
aufzueisen ,
dafs nicht
die
Eisdecke,
wie es in einer russischen Nachricht hiels, mit Ursache wurde für die anscheinend überraschend gekommene Umfassung der Japaner. Die
entsprechenden
Mafsnahmen
beim
Korps
Werder
in
den
Kämpfen vom 15. - 17 . Januar 1871 an der Lisaine geben uns dafür eine lebrreiche Parallele . Nach dem Generalstabswerke hatten die Pioniere durch Anstauungen
an verschiedenen Stellen die Eis-
decke der Lisaine gehoben und standen in einzelnen Abteilungen längs des Flufslaufes bereit, um die Stauanlagen und ihre örtlichen Verteidigungseinrichtungen auch während des Kampfes noch zu vervollständigen, bezw. das Eis zu zerstören, so oft es sich neu bildete. Ob und wie viel neue russische Kräfte schliesslich in den nächsten Tagen noch mit der Bahn von Norden her bei Mukden hätten eintreffen können , ist mir nicht bekannt. Immerhin muls bei Abwägung
der
Folgen
einer
längeren
Verteidigung
mit dieser Möglichkeit gerechnet werden ; Grunde muls, Lobes, die
und
Port
Arthurs
auch aus diesem
trotz aller guten Worte der Entschuldigung und des
man für tapfere Verteidiger so
gern liest, von einer wie General
rücksichtslosen Kriegführung gefordert werden, daſs
Stössel es im Sommer einem japanischen Unterhändler erwidert haben soll in einer Festung 99 bis zum letzten Manne und letzten Werke"
gekämpft wird!
Ob
dieses Ideal immer erreicht
wird,
ist eine andere Frage. „ Das Schnupftuch in seiner Tasche brannte noch nicht, als er die Flinte ins Korn warf, " liefs sich General Meckel
Über Festungskrieg - Fragen.
441
bald nach Bekanntwerden von Stössels Kapitulation im „ Tag", vernehmen. Vom Kriege 1870/71
ist
es eine nicht gerade geläufige, aber
auch wohl nicht unberechtigte Auffassung, dafs man ihn - abgesehen von den Einleitungsschlachten und einer Anzahl aufserhalb der grofsen Operationen liegender Festungskämpfe in 2 bezw. 3 grofse Festungskrieg-Affären teilt. Im ganzen ersten Teile des Feldzuges sind es die Kämpfe um die Festung Metz mit der Bazaineschen Armee auch die Schlacht bei Sedan ( Fehlschlagen des grofsen Entsatzversuches) steht damit im Zusammenhange. Im ganzen zweiten Teile handelt es sich um die Festung Paris mit ihrer Besatzungsarmee - alle Kämpfe gegen die Gambettaschen Heere im Norden, Westen und Süden von Paris sind Abwehren der mehr oder weniger ausgesprochenen Entsatzversuche der bedrängten Landeshauptstadt. Der im wesentlichen hiermit gleichzeitige , aber weniger umfangreiche dritte Feldzug spielt sich ab in der Nähe bezw. um die Festung Belfort. Tatsächlich
sehen
wir
wenige Monate nach Beginn
des Krieges
die Hauptkräfte der deutschen Feldarmeen durch französische Festungen gebunden. Sollte das in einem künftigen Kriege anders sein? Aber ebensowenig wie die Benutzung der Festungen seitens der Franzosen 1870/71 in allen Fällen vorbildlich genannt werden kann, sind jene Tatsachen verwunderlich. Dazu schafft sich ja ein Staat seine Festungen, damit sie im Falle des Unglücks oder auch sonst bei strategischer Defensive die Dienste leisten, dafs sie den eigenen Herren Anlehnung und event. Schutz gewähren, den gegnerischen, Schwierigkeiten, Aufenthalt und Lähmung der Offensive bereiten. Von
dem Mafse,
in
welchem zwei Völker,
ohne vorgefafste
Meinung, auf die Verursachung bezw. Überwindung solcher Schwierigkeiten vorbereitet in einen künftigen europäischen Krieg eintreten , wird
meiner
Ansicht
nach
die
Schnelligkeit
seiner
Beendigung
wesentlich abhängen. Schwerlich aber wird demjenigen, der sie im Feuer überwinden will , im Frieden mit Worten über die Schwierigkeiten hinweggeholfen werden dürfen. Zu strategischer Offensive wie Defensive ist für die nicht wegzuleugnenden taktisch-technischen Besonderheiten des Festungskrieges sorgfältigste Vorbereitung bei allen für diesen Zweig bestimmten besonderen Formationen und allgemeines Verständnis bei mindestens den Offizieren aller Grade der übrigen Armee eine zwingende Notwendigkeit. Jedenfalls hat die nicht zum ersten Male bei Beginn eines Krieges bemerkbare, wohl auf Friedens-Erfahrungen und -Vorstellungen beruhende allgemeine Überschätzung der Artilleriewirkung 29**
Militärische italienisch-deutsche Beziehungen.
442
und Unterschätzung der Widerstandskraft der Festungen¹ ) bei dem „ modernsten" gewaltsamen Angriffe auf Port Arthur die sehr grofsen Opfer an Zeit, ursacht.
an
Infanterie und Pionieren
in erster Linie ver-
Dies dem öffentlichen Aufsatz in den Vierteljahresheften, der den erhofften Artillerie-Erfolg als eine gar nicht fragliche Tatsache annimmt , von vornherein öffentlich entgegenzustellen, davon glaubte
ich
vor dem
mich
auch
nicht durch die
geäufserten
Besorgnisse
event. „ geringen Interesse der grofsen Masse der Armee "
zurückhalten
lassen
zu sollen — weil eben der Festungskrieg mit
seinen besonderen Anforderungen ihr kein „ geheimnisvolles SpezialSicherlich werden auch bei den Kampfgebiet bleiben darf! handlungen des Festungskrieges der Geist der Truppe und ihre Leistungen in inniger Beziehung stehen zu der Führereigenschaft ihres Vorgesetzten, sowohl im kleinen wie im grofsen. Aber die Führereigenschaft ist meiner Meinung nach bei der Mehrzahl der Menschen bedingt durch ein mit allgemein moralischen Werten verbundenes Sachverständnis für die zu lösenden Aufgaben. Die Verteidigungen von Kolberg 1807 - unter Oberst v. Lucadou und Major v. Gneisenau liefern dafür nicht minder sprechende Beweise, wie die Belagerungen am Ende des Jahres 1870 unter General v. Kameke gegenüber mehreren unserer Festungsattacken im Anfange dieses Krieges.
XXXII.
Militärische,
italienisch-deutsche letzten
vierzig
Beziehungen
in den
Jahren.
Von G. v. Graevenitz .
Bei dem Studium italienischer Heeresverhältnisse macht sich immer wieder eine bedauerliche Lücke der italienischen Militärliteratur fühlbar. Es fehlt, wenigstens soweit ich es beurteilen kann, 1 ) Sei es auch nur das eine, oder nur das andere ; in der Wirkung kommt's auf dasselbe hinaus.
Militärische italienisch-deutsche Beziehungen.
443
eine eingehendere geschichtliche Darstellung des italienischen Heeres von seiner Begründung zur Zeit der nationalen Einigung bis zur Gegenwart, ein zusammenfassendes Bild seiner Entwickelung nach Taktik und Technik seit der Einführung der gezogenen Waffen, mit welcher die Errichtung des nationalen italienischen Heeres ungefähr zusammenfällt . Es fehlt auch gänzlich ein Übersicht bietendes periodisches Unternehmen wie unsere ausgezeichneten Loebellschen Jahresberichte, um die uns ja allerdings auch andere Armeen beneiden. Solche Lücken der italienischen Militärliteratur sind um so bedauerlicher,
als die militärische
Geschichte
Italiens
auf
Schritt und Tritt enge Beziehungen zu Preufsen - Deutschland aufweist , dessen militärischer Verbündeter Italien 1866 war und dessen politischer Alliierter es seit 1883 und bis heute ist. Sollte in den beifolgenden Ausführungen, die lediglich erste Spatenstiche auf einem bisher unbebauten Felde darstellen, die Rolle Preufsen-Deutschlands in der militärischen Entwickelung Italiens zu stark betont, sollte von auswärtigen Faktoren insbesondere der Einflufs der Nachbarländer Frankreich und Österreich zu wenig berücksichtigt sein, so möge
das namentlich der etwaige italienische ge-
neigte Leser entschuldigen : auch bei uns „ stringe più la camicia che la gonnella" , das Hemd ist näber als der Rock !
An der Wiege der zu Beginn der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts aus dem piemontesischen Heere hervorgegangenen jungen italienischen Armee stand das französische Vorbild. Nachbarschaft Frankreichs und Piemonts wie auch die italienisch-französische Waffenbrüderschaft in der Krim und in Italien legte Anschlufs an die grofse Militärmacht in organisatorischen und reglementarischen Fragen nahe. Auf die Entwickelung der taktischen Anschauungen übte das überall im Vordergrunde stehende Studium der Feldzüge Napoleons I. entscheidenden Einfluss aus. Das Jahr 1866 bahnte einen vollkommenen Umschwung an. Erfolge des verbündeten preufsischen Heeres
Die überraschenden
lenkten in zwingender
Weise den Blick auf den Geist und die militärischen Einrichtungen des preussischen Volkes in Waffen,
auf die taktischen Grundsätze,
in denen Führer und Truppe erzogen waren und gekämpft hatten. Die Überzeugung von der Überlegenheit des Angriffs über die Verteidigung erhielt neue frische Nahrung, die preuſsische Kompagniekolonnentaktik, der Kampf in Schützenlinien mit geschlossenen Abteilungen dabinter, hatten, als die geeignetsten Angriffsformen für die Durchführung der taktischen Offensive , die Feuerprobe bestanden. Die Stofstaktik der Osterreicher, die 1859 von den Franzosen mit
444
Militärische italienisch-deutsche Beziehungen.
soviel Glück angewendet war, hatte,
allerdings ja auch infolge der
Überlegenheit des Zündnadelgewehrs, nicht zum Siege geführt. Zu solcher Wandlung der taktischen Stellungnahme wirkte auch der eigene Miſserfolg, die Niederlage von Custoza mit.
Welches
Bild bot die Schlacht in ihren entscheidenden Zügen ? Auf österreichischer Seite klare Verhältnisse des Oberbefehls, der in den Händen eines Mitgliedes des Kaiserhauses und fähigen kriegswissenschaftlich gebildeten Generals, des Erzherzogs Albrecht liegt, auf italienischer Seite die unglücklichen Folgen des Dualismus zwischen dem Minister Lamarmora,
der
zwei Tage vor der Kriegserklärung
an die Spitze des Generalstabs gestellt war, und eines selbstbewufsten, ehrgeizigen Generals, Cialdini ; auf österreichischer Seite energische Angriffsstöfse von Kavallerie und Infanterie auf die durch Befehle und Gegenbefehle zersplitterten, durch Trains und Kolonnen zerschnittenen italienischen Marschsäulen und dann auf die formierten und untätigen Divisionen des rechten Flügels. Auf italienischer Seite von Anfang an die Absicht, abwartend und demonstrierend eine weitausgedehnte Stellung zu nehmen, während es nur nötig gewesen wäre, die eigene bedeutende numerische Überlegenheit gesammelt und offensiv zur Geltung zu bringen. Auf österreichischer Seite ein entschlossenes Einsetzen auch der letzten Reserven, auf italienischer Seite das dauernde Festgebanntsein ganzer durch die österreichischen Reiterattacken eingeschüchterten Infanterie- und Kavalleriedivisionen , ängstliches Festhalten
an starken Reserven ,
scheidung verloren gehen ; Tagen die klare Einsicht,
die
so
für
die Ent-
auf italienischer Seite nach wenigen dafs die Schlacht eigentlich erst am
nächsten Morgen verloren gegangen sei, als man die durch Verluste stark erschütterte österreichische Armee unbehelligt in ihrer Stellung beliefs. So musste auch aus dem Studium von Custoza eine starke Betonung der Offensive erwachsen, ¹ ) die als taktische Waffe die Österreicher wie die Preufsen zum Siege geführt hatte. Da aber der Sieger von Custoza der Besiegte von Königgrätz war ,
und
da
bei dem Sieger von Königgrätz sich alle jene Vorzüge eines durch ernste Friedensarbeit wohlgeschulten Heeresorganismus, eines straffen und einheitlichen Oberbefehls , entschlossener Initiative der oberen , mittleren und unteren Führung ebenfalls fanden, so trat das preufsische Heer als Studienobjekt in den Vordergrund. ¹) Die Schlacht ist gerade in neuester Zeit wieder vielfach Gegenstand eingehenden Studiums gewesen und hat neue Anregungen im oben skizzierten Sinne gegeben. S. namentlich Pollio, Custoza, Turin 1904, Roux u. Viarengo und v. Bruchhausen, General Govone und die Schlacht von Custoza. A. d. Italienischen. Berlin 1904. Vossische Buchhandlung .
Militärische italienisch-deutsche Beziehungen. Ein schon
scharfblickender
von 1849
Beobachter,
Govone ,
General
der in Piemont
im Interesse
an
445 hatte
einzuführenden
militärischen Reformen das preufsische Heer an Ort und Stelle studiert, ihm, der kurz vor dem Abschlusse des Bündnisses zwischen Preufsen und Italien im März 1866 nach Berlin gesendet war, war es vergönnt, dies Heer kurz vor der Stunde der Entscheidung wieder zu sehen. Unter dem Eindruck der Niederlage von Custoza , deren Geschick er durch ruhmvolles Eingreifen seiner Division nicht zu wenden vermag, kehrte er nach Preufsen zurück und erlebte das Ausklingen der weltgeschichtlichen Ereignisse des 7 tägigen böhmischen Feldzuges im preufsischen Hauptquartier. „ Ich erzählte dem König, dafs ich den Exerziermanövern einiger Garde- Infanterieregimenter beigewohnt babe und dafs ich das preufsische Infanterie - Exerzierreglement bewundernswert und so praktisch wie nur möglich finde . . . . . Die Schlacht von Königgrätz zwingt uns zu Überlegungen , über die entscheidenden Ergebnisse einer Operation, die zu einem Vorstofs in der Front eine umfassende, sich mitten in der Schlacht fühlbar Man hat das seit den Kriegen des machende Umgehung fügt. Kaiserreichs nur allzusehr vergessen . " Die Kenntnis des preufsischen Heeres, von dem solche und zahlreiche andere Stellen der Aufzeichnungen Govones Zeugnis ablegen, ist der italienischen Armee nicht verloren gegangen, sondern bat in seinem späteren Wirkungskreis als Chef des Generalstabes und Kriegsminister reiche Früchte getragen. Seine Tätigkeit als militärischer Beobachter an der Spree, fand vom Jahre 1872 an eine Fortsetzung in der des Majors Mocenni, des ersten offiziellen italienischen Militärbevollmächtigten in Berlin, des späteren Kriegsministers im Kabinett Crispi
zur Zeit des
unglücklichen Krieges
von
1896.
Eigentümlicherweise verbindet sich auch die Erinnerung an den General, dem Minister Mocenni seine von Crispi inspirierten Weisungen hatte ,
auf das
äthiopische Hochland
mit dem Überblick
ziebungen zur
Zeit des
an Baratieri,
zu senden
über deutsch-italienische militärische Begrofsen Krieges.
Wir
besitzen von ihm
sehr klar und anschaulich geschriebene militärische Briefe , „ de Weiſsenburg à Metz " und aus dem Jahre 1874 ein Werk „ la tattica moderna della fanteria " , auf das der Krieg und die deutsche taktische Literatur jener Zeit in erster Linie eingewirkt hat. In jener Zeit hatte auch die ,,Rivista militare Italiana", damals wie heut die vornehmste italienische Monatsschrift einen Vertreter in Berlin, wie auch
umgekehrt die
italienischen
Beiträge
für die Loebellschen
Jahresberichte von dem Schriftleiter der Rivista, Hauptmann Cisotti , geliefert wurden, während heute, soviel ich weifs, die italienische
Militärische italienisch-deutsche Beziehungen.
446
periodische Militärliteratur in Berlin besitzt.
keinen fachmännisch gebildeten Vertreter
Ein anderer italienischer Offizier mit klarem Denken und warmblutigem Empfinden verfolgte vor
und
nach
1870 von Italien aus
bewundernd die Entwickelung und den Ausbau des preussischdeutschen Heeresgebäudes, der damalige Generalstabshauptmann Gazzurelli. Eine kleine dem preuſsischen Generalstab als Geschenk übersendete Wiedergabe eines Vortrages von ihm ,,L'iniziativa" (Perugia, 1873, Bartelli) trägt die bezeichnende handschriftliche Widmung „ Dem Riesen der Zwerg", das Werkchen stehe ich, ich kann nicht anders."
selbst das Motto :
„ Hier
Und der Inhalt endlich, ist eine
begeisterte Verherrlichung des durch Disziplin und einheitliche Führung geleiteten Geistes der Selbständigkeit und der ihrer Verantwortung
bewufsten
Entschlufsfähigkeit,
der,
wie
der
Verfasser
nachweist, die Hauptursache der deutschen Siege von 1870/71 gewesen ist und im Einklang mit den Grundsätzen Napoleons und Clausewitz' steht. Die Generale v. Kameke und v. d . Goltz finden für ihre Schlachteinleitungen bei Spichern und Noisseville, gegenüber kritischen Ausführungen des Generals Cosenz, die lebhafteste Verteidigung durch Gazzurelli und in aufserordentlich geschickter Weise überträgt er diese Verteidigung meist Napoleon. Aus seinen Schlufsworten
sei die Definition des
idealen Ziels
hervorgehoben,
nach
dessen Verwirklichung in Nachfolge von Preufsen alle modernen Staaten streben mülsten . Das sei : „ Die Wehrkraft der Nation in moralischer, intellektueller und materieller Weise
dermafsen ausge-
stalten, dafs sie eine Kraft an sich ist, wie auch die Führung (capo) sein mag, der sie anvertraut ist ; fsischen Heere ist kein Soubise,
(wohlverstanden ,
in einem preu-
kein Daun, kein Bazaine denkbar,
es hat keinen Napoleon nötig, ein Davoust oder Marmont gentigt - ) die Führung soll also nur ein Koeffizient sein, der den Wert der Kraft erhöht oder vermindert, geringem Grade."
beides
aber nur in verhältnismässig
Zunächst bilden der italienische Generalstab, den die Ereignisse des Jahres 1866 in veralteten Formen und Einrichtungen gefunden hatte, und die im Anschluſs an seine Reorganisation ebenfalls reorganisierte Kriegsschule in Turin die Stätten, wo man die Lebren des böhmischen und italienischen Krieges, und später besonders die Hier vorzugsweise des Völkerringens von 1870/71 verarbeitete. uud mehr als in den vielfach provinziell zusammengesetzten Regimentern wird in einem kriegswissenschaftlich durchgebildeten und sich kameradschaftlich fester schliefsenden Offizierkorps eine wertvolle Waffe für die Zukunft geschmiedet. Was den Generalstab betrifft,
Militärische italienisch-deutsche Beziehungen.
447
so entschlofs sich der verdienstvolle, damalige Kriegsminister, heutige Senator und Generalleutnant
a. D. Ricotti leider nicht
dazu, das preuſsische Vorbild auch in bezug auf Schaffung eines eigentlichen Generalstabschefs anzunehmen : eine solche Stellung existiert erst seit 1882 und erreicht auch heute noch nicht die Bedeutung der preufsischen Einrichtung, was mit den parlamentarisch -konstitutionellen Verhältnissen des Landes zusammenhängt. Deutlich trägt den Stempel des preufsischen Vorbildes die wie bei uns mit einem dreijährigen Kursus arbeitende Kriegsschule, welche schon 1868 Kaiser Friedrich bei seinem Besuch in Italien und speziell Turins als ganz nach dem Muster der Kriegsakademie gestaltet bezeichnete . Die Abkehr von dem französischen Vorbild spricht sich allmählich immer schärfer in der Aufgabe der früheren Wehrverhältnisse und einer allgemeinen Neuordnung des Heerwesens nach preufsischem Muster aus. Ein sehr bezeichnendes Beispiel dafür -- mehr als Einzelbeispiele kann diese Studie nicht beibringen ist die Wendung in den
nach Anlage und Durchführung die grofsen Verhältnisse des Krieges nach Möglichkeit zur Darstellung bringenden grolsen Herbstübungen. Das bisher geltende, an die Mustereinrichtungen von Châlons sich anlehnende System der Lagerübungen wird durchbrochen. Man erkannte seinen gefährlichen Charakter, zu Parademanövern und zur Revuetaktik zu führen, man strebte darnach, die taktische Wirklichkeit der Dinge nach Möglichkeit darzustellen , und ordnete schon unter dem Ministerium Bertolé- Viale ( 1868--69) grofse Übungen zweier Parteien nach preufsischem Muster an. Dafs man hiermit ganz neue Wege betrat, geht schon daraus hervor, dafs man grofse derartige Manöver des Jahres 1869 eine umfangreiche Instruktion im Kriegsministerium ausarbeitete, dafs der Manöverleitende, General Caldini, der Sieger von Castelfidardo
für das erste
(18. September 1860 ) eine Denkschrift an die Truppen ausgab , die sich über die Grundsätze der Truppenverwendung, Waldgefechte, Besetzung von Stellungen usw. sehr ausführlich aussprach, und dafs endlich ein langer, für die Öffentlichkeit bestimmter Bericht desselben Generals eine eingehende Beleuchtung der taktischen im Manöver zur Sprache gekommenen Fragen gab . An dieser Sitte, die Anlage and Durchführung von grofsen Übungen zu schriftlicher Niederlegung der jeweilig herrschenden taktischen Anschauungen zu benutzen, hat man auch später festgehalten, und sie hat zu einer relativ raschen und gesunden Weiterbildung der taktischen Vorschriften nicht wenig So fehlte z. B. im Jahre 1878 noch eine Anleitung für die Führung gröfserer Kavalleriekörper, und der Kommandeur beigetragen.
des II. Korps gab deshalb für die grofsen Herbstübungen eine In-
448
Militärische italienisch-deutsche Beziehungen.
struktion „ Impiego della cavalleria nel combattimento" heraus. Der Nebentitel „ Cenni ed osservazione sulle norme adottate in Germania et in Austria" läfst erkennen, treffentaktik
abgefafst,
sich
dafs ihr Inhalt, den
diesseits
im Sinne
der Alpen
der Dreigeltenden
Grundsätzen anschliefst. Sie darf als wichtiger Baustein zu den heute auf der Höhe der Zeit stehenden Vorschriften der „ Allgemeinen Regeln für die taktische Verwendung der grofsen Kriegseinheiten “ und der "9 Vorschrift für den Aufklärungsdienst " ) gelten . Von jenen ersten grofsen Herbstübungen des Jahres 1869 sei auch erwähnt, dafs man für die erste Zeitperiode , wo je zwei Divisionen südlich
von Florenz und zwischen Bologna und Parma fochten, Generalideen ausgegeben wurden, die ausdrücklich die Feinde von einst und später, die Österreicher und die Päpstlichen in Rechnung stellten ; die Folge war, dafs man im Lande vielfach den bevorstehenden wirklichen Einmarsch von österreichischen und päpstlichen Truppen annahm und Hab und Gut und Lebensmittel versteckte. Auch sonst sind in Italien, das namentlich in seinem nördlichen Teil so reich an Schlachtfeldern ist, wie kein zweites Land, den
grofsen Übungen oft wirkliche Situationen vergangener Zeiten zugrunde gelegt, sicher nicht immer zugunsten einer freien und unbeeinflufsten Truppenführung. Und tatsächlich waren ja denn auch natürlich sprechen hier auch eine Reihe anderer Gründe mit - die italischen Herbstübungen der letzten Jahrzehnte durch Zentralisation, Bevormundung der oberen und unteren Führung und Uferlosigkeit der Anweisungen allmählich wieder so erstarrt, daſs eine zweite entschlossene Wendung zu deutschen Einrichtungen nötig wurde . Unsere Leser sind durch einen Aufatz des 1903-Heftes S. 648 darüber unterrichtet, dafs die Königsmanöver des Jahres 1903 sich bewusst in Anlage und Durchführung auf die deutschen Kaisermanöver, namentlich früherer Jahre, gründeten, dafs namentlich dem Grundsatz der völligen Entschlufsfreiheit der Führung auf beiden Seiten wieder Geltung verschafft wurde. Von den zwischen 1869 und 1903 liegenden Herbstübungen sei nur noch das Jahr 1871 erwähnt, das die Vereinigung von Divisionen zu sechswöchentlichen Übungen reglementarisch einführte und das Jahr 1887 , in dem die Infanteriekompagnien durch Einberufung von Reservisten auf 170 Mann gebracht waren. Im übrigen sind in den letzten 30 Jahren grofse Manöver im Sinne der unsrigen eher die Ausnahme als die Regel gewesen : finanzielle Bedrängnisse , politische Ereignisse wie Unruhen und Streiks, endlich Epidemien
1 ) S. Jahrbücher 1902.
S. 650/51 .
Militärische italienisch-deutsche Beziehungen.
449
haben sehr oft noch im letzten Augenblick wieder zur Absetzung der schon beschlossenen Übungen geführt. Wie uns in der Zeit nach 1870 die Gestalt des Generals Salvatore Pianell, der als Kriegsminister des Königs Franz II. seine organisatorische Befähigung
bewiesen
hatte,
auf dem Gebiet der
geistvollen Anlage und Durchführung von grofsen Übungen entgegentritt -- SO war er z. B. auch der Leiter der ersten grofsen italienischen Belagerungsübung des Jahres 1879 bei Piacenza so beherrschte er, der als italienischer Generalleutnant eine lebhafte literarische Tätigkeit entfaltete,
auch die Entwickelung
der italie-
nischen taktischen Anschauungen in neuzeitlichem Sinne . So brachten z. B. die Jahre 1871 und 1872 aus seiner Feder zwei taktische Abhandlungen, einen für den Augenblicksbedarf des Heeres geschriebenen Niederschlag der Erfahrungen des Krieges sodann persönlicher gehaltene, aber als Manöverinstruktion einflussreiche
1870/71 ,
schon durch ihre Bestimmung ,, Istruzioni , ricordi ed osser-
vazioni generali ad uso degli uffiziali". Auf beide Schriften baute sich dann die ,,Vorschrift für die taktische Schulung der Infanterietruppen" vom Mai 1872 auf,
die
ähnlich
wie
unsere ,,Instruktion
für die höheren Truppenführer" vom Jahre 1869 lange die taktische Richtschnur der italienischen Armee gebildet hat. Sie ist die erste italienische Vorschrift, die bewusst und entschieden den Methodismus der vorhergehenden Jahrzehnte,
der
alles voraussehen
und regeln
will, verurteilt und die praktische Erziehung des Führers ständigkeit und Eigenwahl der Mittel fordert.
zur Selb-
Ein programmatischer
Satz lautet : „Feste Regeln ergeben sich nur aus feststehenden grundsätzlichen Wahrheiten und diese lassen sich nur auf absolute Tatsachen gründen ; absolute Tatsachen, d . h. solche, die sich mehrmals unter denselben Umständen von Raum, Zeit und Mitteln wiederholen, gibt es im Kriege nicht. feste
Regeln von
können,
sondern
absoluter nur solche
Daraus Gültigkeit
folgt logischerweise, nicht
aufgestellt
daſs
werden
begrenzten Wertes oder richtiger an-
leitende Grundsätze (norme direttive). "
Es sind geistige Ergebnisse,
die aus dem Studium der Fülle der Erscheinungen 1866 und 1870/71 hervorgegangen sind.
der Kriege von
Von den Siegern von Sedan erwartete man nun, wie in anderen Staaten, so auch in Italien das erlösende Wort für die Reform auch der speziellen Ausbildungsvorschriften im Sinne der Kriegserfahrungen . Bekanntlich hat Preufsen dies Vertrauen, wenn nicht getäuscht, so doch auf eine schwere Probe gestellt . Die Erfahrungen des Krieges wurden an den entscheidenden Stellen mit gröfster Vorsicht behandelt, an taktischen Grundsätzen und Formationen, die der
Militärische italienisch -deutsche Beziehungen.
450
Krieg nicht geradezu als absurd hatte erscheinen lassen, mit Hartnäckigkeit festgehalten. Das Exerzierreglement von 1847 ist mit den Abänderungen von 1873 und 1875 und in Form des Neuabdruckes von 1876 bis 1888 in Geltung geblieben, und hat eine Periode des häufigen Wechsels der Gefechts- und Ausbildungsvorschriften in fast allen Militärstaaten überdauert. An diese bekannten Tatsachen mufste hier erinnert werden, weil auch sie, von Einfluss auf Italien waren. Am bezeichnendsten ist es, dafs in Italien sogar einmal eine taktische Reaktion eintrat. Das alte piemontesische Infanteriereglement von 1854 war 1869 einem neuen Reglement für die nunmehr mit Hinterladern bewaffnete italienische Infanterie gewichen , in welchem die Anerkennung des Gefechts in aufgelöster Ordnung und der Kompagniekolonnentaktik deutlich erkennbar war. Abänderungen zu diesem Reglement von 1873 erschienen so bedeutungsvoll, dafs unter dem Minister Ricotti eine Neuausgabe des Reglements ausgearbeitet wurde : sie hätte den Sieg des Systems der Feuergruppen im zerstreuten Gefecht und der Kompagniekolonnentaktik festgelegt ! Der Neuabdruck der beiden ersten Abschnitte, der Ausbildung des Soldaten und der Kompagnieschule erschien Anfang 1876, der Abschnitt der Bataillonsschule war bereits im Druck, da trat einer jener häufigen , die ruhige Entwickelung des Heeres störenden Ministerwechsel ein, der neue Kriegsminister Mezzacapo inhibierte den Weiterdruck und gab einen Neuabdruck des Reglements von 1869 mit einigenen Abänderungen heraus, der Oktober 1876 in Kraft Als Gründe der Mafsregel wurden angegeben, die Grundsätze der Kriegsführung seien dieselben geblieben, die geforderten neuen Formen seien schwer zu erlernen, ein Orientkrieg Rufslands gegen die
Türkei
möglich:
drohe,
Die
ausgebildet.
und
Reserven
eine
italienische
seien
Mobilmachung
aber nach dem alten
erscheine Reglement
Bezüglich der Anwendung der neuen taktischen Formen
hätte ja das Offizierkorps durch die taktische Vorschrift vom Jahre 1872 die nötigen Direktiven erhalten : das genüge ! Es fehlt am Schlufs der kriegsministeriellen Veröffentlichung nicht der Hinweis auf die entsprechenden konservativen Anschauungen der militärischen Vormacht Preussen.
Von
einem
fördernden Einflufs
der preulsischen Ausbildungs-
vorschriften auf Italien kann also bis 1888 nicht gesprochen werden. Wohl aber bot das Studium des deutsch-französischen Krieges , der Mittel, welche das deutsche Heer zum Siege geführt hatte, der Organisation dieses Heeres, dem italienischen Offizierkorps eine reiche Fulle von Anregungen. Und dann erhielt im Jahre 1883 die Gesamtheit aller der Beziehungen und Umstände, welche auf Deutsch-
Militärische italienisch- deutsche Beziehungen.
451
land als führende politische Macht und als Hort des Weltfriedens hinwiesen, der dem jungen Nationalstaat Italien so bitter not tat, eine mächtige Stärkung und festen Rückhalt durch den Abschlufs des Dreibundvertrages. Das Thema der militärischen Voraussetzungen und Folgerungen des Bündnisabschlusses für Italien kann bier natürlich nur in seinen Grundzügen festgelegt werden . Der Beginn der achtziger Jahre charakterisiert Periode
sich in Italien
als eine
der Verstimmung über Mifserfolge der italienischen Politik
gegen Frankreich, namentlich in der tunesischen Frage , weiter aber auch als eine Periode der Erkenntnis, dafs der Militärhaushalt Italiens seinen politischen Wünschen und Zielen noch lange nicht entspreche, und dafs nur eine starke Rüstung zu Lande und zu Wasser dem jungen Staate gestatten werde, bei allen Gelegenheiten ein starkes Gewicht in die Wagschale internationaler Entscheidungen zu werfen. In den Kammerverhandlungen des Frühjahrs 1882 zog der noch lebende General Sani
den bekannten
Brief Moltkes
an
Bluntschli heran, und führte aus, wie die Achtung, die ein Volk dem anderen zubillige, mehr von Heer und Flotte verwende,
der Sorgfalt abbinge, die dieses auf als von Anstrengungen auf allen
anderen Gebieten ; und er wies dann auf Preufsen und dessen Erhebung nach dem Fall von 1806/07 hin. Und in ähnlichem Sinne zeichnete der frühere Kriegsminister General Mezzacapo in einer viel gelesenen Broschüre die Grundlinien eines neuen militärischenpolitischen Programms der Zukunft : nicht der Wohlstand und Reichtum allein mache die 1870 siegen müssen. den Grundsätze war bis zum vollendeten
Völker stark, denn sonst hätte ja Frankreich Die logische Folge solcher sich Bahn brechendie Überzeugung, dals einerseits für die Zeit Ausbau der italienischen Wehrkraft die An-
lehnung an zweifellos friedliebende Mächte wie Österreich ein wichtiger Schutzfaktor sei,
Deutschland
andererseits
und
dafs durch-
greifende und umfassende Reorganisationsmafsregeln auf militärischem Dieser letzteren Überzeugung gaben DenkGebiet vonnöten seien. schriften, Gesetzentwürfe und Gesetze des Kriegsministers Ferrero Ausdruck. In ihnen ist den veränderten militärisch- politischen Machtund Geltungsverhältnissen Italiens Rechnung getragen : der schwächliche Gedanke
einer rein defensiven Organisation des Heeres,
der
passiven Landesverteidigung ist aufgegeben, man ist zur Idee der Aufstellung einer zur Offensive geeigneten hinreichend starken Armee am Po, eines defensiv-offensiv geführten Krieges übergegangen .
Das
beliebte Argument der zahlreichen Dreibundgegner in Italien, dafs das Bündnis Italien Heeresausgaben in bestimmter Höhe vorschreibe, ist aber inzwischen endgültig zerstört, seitdem von den verschiedensten
452
Militärische italienisch-deutsche Beziehungen.
italienischen Ministern öffentlich festgestellt ist :
Italien hat
in der
Bemessung seines Aufwandes für Heereszwecke völlig freie Hand , und weder Deutschland noch Österreich besitzen eine vertragsmässige Handhabe , den dritten Verbündeten an einer etwa von ihm gewünschten Herabsetzung des Heeresbestandes und damit der dafür verwendeten Ausgaben zu hindern . Es ist auch unbestreitbar, daſs Italien im Verhältnis zu den ihm verbündeten Mächten am wenigsten für Militäraufgaben aufwendet. Im Jahre 1902 , der Erneuerung des Dreibundes, gab nach Feststellungen des italienischen Generalstabs für Militärzwecke Deutschland 21,23 ,
Österreich 19,97
und Italien
16,27 Prozent der Gesamtausgaben aus. In den besonderen militärischen Vereinbarungen des Dreibundes sind wohl sicher seit 1883 Veränderungen eingetreten. Die frühere Verpflichtung Italiens , im Falle eines Krieges zwischen Österreich und Rufsland zur Unterstützung des ersteren Truppen an die rumänische Grenze zu entsenden, ist, wenn sie wirklich bestanden hat, aufgehoben; ebenso ist das, wie man versichert, auf Anregung des damaligen Generalstabschef Cosenz 1891 erfolgte Anerbieten Italiens der Verwendung italienischer Truppen an der Westgrenze des Deutschen Reiches wohl aus praktischen Gründen militärischer Natur zurückgenommen worden. Solche Konventionen hatten aber nur die Bedeutung technischer Ausführungsbestimmungen. tische Tragweite
des Vertrages
Auf die poli-
und die militärischen Folgerungen
die sich im gegebenen Augenblick aus ihm ergeben , haben sie keinen Einfluss . Es war und bleibt die Hauptsache , dafs die Dreibundmächte zu gegenseitiger Unterstützung verpflichtet sind . Und wichtig erscheint ferner, dafs die innere und äufsere Bereitwilligkeit, die Bestimmungen des Dreibundvertrages nicht als Last sondern als Ehrenpflicht und als Dankesschuld für manche schwerwiegende politische Vorteile aufzufassen, gerade in den italienischen Kreisen besteht, die zur bewaffneten Durchführung seiner Bestimmungen berufen sind : bei der Krone und im Heer, im Offizierkorps. Kehren wir aus dem Gebiet der hohen Politik engeren geistigen militärischen
wieder zu den
Beziehungen zwischen Italien und
Deutschland zurück, so mufs nach der Beschäftigung des italienischen Offizierkorps mit der nach dem grofsen Kriege sich lebhaft und glänzend entwickelnden Deutschen Militärliteratur gedacht werden. Die gröfseren Werke von Boguslawski, Goltz, Keim , Meckel, Scherff, Verdy etc. etc. aus den beiden Jahrzehnten nach dem Kriege von 1870/71 haben meist Übersetzungen ins Italienische erfahren, und finden sich heute noch sogut wie die Werke Moltkes und die Arbeiten unseres Generalstabes in den buchhändlerischen Anzeigen der mili-
Militärische italienisch-deutsche Beziehungen . tärischen Tagesblätter.
453
Einzelne deutsche Militärschriftsteller
sind
auch auf dem Umwege einer französischen Übersetzung nach Italien gelangt. Bis zum Kriege von 1870/71 war das Verständnis der deutschen Sprache und die Kenntnis der deutschen Militärliteratur Heute in der Ursprache im italienischen Offizierkorps nur selten. verbreitet sie sich immer mehr,
dank namentlich
Lehrkursen
in
deutscher Sprache, in den einzelnen Offizierkorps , offizieller Begünstigung und finanzieller Unterstützung von Urlaubsreisen itaHoffentlich nimmt auch die lienischer Offiziere nach Deutschland. Verbreitung der deutschen periodischen Militärliteratur zu : noch 1902 fand ich in dem gastfreien ersten Militärkasino Italiens, dem circolo militare von Rom, wohl das Journal amusant aber keine deutsche Militärzeitschrift. Unter dem Einfluss der deutschen selbständigen Militärliteratur bildeten sich auch in Italien jene 3 taktischen Strömungen wie bei uns, deren eine, in Italien wenig zahlreiche , mit Meckel die geschlossene Ordnung als entscheidende Form auch des modernen Kampfes nach Möglichkeit erhalten wollte , deren zweite auf Boguslawski sich gründende in der vollen Ausgestaltung der aufgelösten Ordnung das alleinige Heil der Ausbildung sah , während eine dritte Strömung, das Beste aus beiden Schulen einheitlich zu verschmelzen strebte .
Diese letztere Strömung fand in dem preufsischen Exerzier-
reglement vom 1. September 1888 ihre offizielle Anerkennung . Je länger man, wie überall, so auch in Italien auf die Stellungnahme der entscheidenden deutschen Faktoren zu den schwebenden und genugsam erörterten taktischen Fragen gewartet hatte, desto lebhafter Und dieser war nun der Eindruck als „ Rom gesprochen " hatte. Eindruck hat sich nicht abgeschwächt. scheinen des
Schon ein Jahr nach Er-
preufsischen Reglements wurde
er durch ein neues
provisorisches italienisches Reglement festgelegt, das mit Rücksicht auf italienische Eigenart und Verhältnisse sich eng an das preulsische Vorbild anschlofs ;
es ward im wesentlichen durch
das
jetzt geltende Reglement vom Februar 1892 bestätigt. Und noch 1901 schrieb ein angesehener italienischer Militärschriftsteller in einer allgemeinen Studie über die Taktik der Infanterie im letzten Vierteljahrhundert und das Gefecht der 3 Waffen :
1) „ Das deutsche
Reglement von 1888 ist das erste gewesen, das dem Gefecht und der taktischen Ausbildung der Infanterie einen modernen Charakter gegebenen hat ; es hat als erstes den Grundsatz geheiligt, dafs die Grundform des Infanteriegefechts die Schützenlinie ist, ein
1) Rivista Militare.
Heft 16, II. 1901.
Militärische italienisch-deutsche Beziehungen.
454
Grundsatz, der heute allgemein als das unverrückbare Fundament gilt, als das Symbol der Infanterietaktik. Das Jahr 1888 bildet ein bedeutsames Jahr in der allgemeinen Geschichte der Infanterietaktik, und das um so mehr, als etwa in derselben Zeit das rauchlose Pulver und das Repetiergewehr kleinen Kalibers angenommen wurde.
Das letzte Viertel des vorigen Jahrhunderts scheidet sich also in 2 scharf geschiedene Perioden. " Der Verlauf der zweiten mit dem Jahre 1888 beginnenden Periode taktischer Entwickelung hat, abgesehen von der fortwirkenden Kraft des Exerzierreglements, der deutsche Einfluss in Italien gewissermafsen eine
abschwächende Ergänzung erfahren : das Studium der
Heereseinrichtungen und Vorschriften aller Völker, der kriegerischen Ereignisse in allen Teilen der Erde hat, namentlich dank der Arbeiten des Generalstabes, sich vertieft und erweitert ; es sei in dieser Beziehung an die grofsangelegte, vergleichende Studie Penellas der Infanterie-Exerzierreglements Deutschlands, der Schweiz, Italiens, Frankreichs , Rufslands und Österreichs vom Jahre 1902 erinnert (Rom, Casa editrice Italiana) .
Aber die seit 1888 und nach Heraus-
gabe des deutschen Reglements sich allmählich einstellende Uniformität in den Ausbildungs- und sonstigen Vorschriften aller Mächte erlaubt doch auch wieder, eine Militärmacht, z. B. Deutschland , als Ausgangspunkt vergleichender Studien zu wählen. Von kriegerischen Ereignissen brachte diese Periode Italien den abessinischen Krieg. militärische Entwickelung
So einschneidend er auf die politischder Dinge gewirkt hat und noch immer
niederdrückend und energielähmend wirkt, so hat er auf militärischorganisatorischem oder taktischem Gebiet, doch kaum Spuren hinterlassen. Der Krieg war, namentlich in seiner Einleitung und seinem Abbruch zu sehr von politischen Elementen beeinflusst und zu sehr afrikanischer Kolonialkrieg, als dafs für eine auf europäische Verhältnisse zugeschnittene Armee organisatorische oder taktische Reformen sich auf ihm hätten aufbauen können . Immerhin bietet der Krieg und besonders die entscheidende Phase der Tage von Sauria und Adua doch eine Fülle von Anregungen und Belehrungen für unsere von Kolonialkriegen beherrschte Zeit, und meinem Empfinden nach könnten sie von italienischer Seite noch mehr klargelegt und vervon nicht-italienischer Seite noch mehr gewürdigt werden .
arbeitet,
Für deutsche Leser
liegt jetzt in der zusammenfassenden und abschliefsenden Schrift des Hauptmann Veltzé „ Die Schlacht bei Adua “ (Wien, Seidel & Sohn, 1904) eine sehr empfehlenswerte Darstellung der Schlacht vor. Er gibt auch an zwei Stellen Material , das ohne weiteres
zu taktischem Nachdenken anregt, die eingehende Kritik,
Militärische italienisch-deutsche Beziehungen. mit
welcher
der
uns
bereits
bekannte
General
455 Gazzurelli
als
Kommandeur der Kriegsschule in Turin für seine Offiziere die Lehren des unglücklichen Feldzuges zusammenzufassen strebte, und die Direktiven, welche General Baratieri am 29. Februar 1896 vor dem Vormarsch gegen Adua seinen Brigadekommandeuren zugehen liefs. Die Kritik Gazzurellis ' ) hat mit ihren Hinweisen auf die Notwendigkeit früh einsetzender und sorgsamer Vorbereitung kolonialer Kriege, der Sicherstellung des Tranportdienstes für lange wasserarme Strecken, der Sicherung weitausgedehnter Etappenlinien, der Organisation des Kundschafterdienstes usw. usw. auch für unsere südwestafrikanischen Verhältnisse aktuelle
Bedeutung.
Und die
Direktiven Baratieris
fordern ebenso zum Nachdenken über die Eigenart jenes Krieges im Hochlande Äthiopiens und des
abessinischen Gegners
wie
zur
Kritik der erlassenen Anordnungen und endlich zum vergleichenden Studium laufes
dieser Anordnungen
des Kamptes
auf.
und
des tatsächlichen
späteren Ver-
Die beiden ersten Sätze „ man habe ein
Hauptaugenmerk auf den Vorposten- und Sicherheitsdienst, denn der Feind legt ein grofses Geschick bei Überfällen und beim Legen von Hinterhalten an den Tag“ und „man vermeide es , dem Feinde Gelegenheit zu Umgebungen zu geben " , lassen Verständnis für die Eigenart und militärischen Vorzüge des Gegners erkennen, der schlieflich unter Ausnutzung seiner kolossalen numerischen Übermacht (80000 gegen 5000), durch Umfassungsbewegungen die italienische zur Panik ausartende Niederlage herbeiführte. Eine bedauerliche Unterschätzung
der
abessinischen Bewaffnung und Schieſsfertigkeit
lassen dagegen die Direktiven erkennen „ beim Angriff verwende man dichte Schwarmlinien " und 99 man eröffne das Feuer erst unterhalb der Distanz von 500 m und gebrauche stets , besondere Fälle ausgenommen, die Salve " , deren Schluíssatz im Jahre 1896 ausgesprochen wurde, besonders überrascht. Haupt- und Spezialreserven,
Die Anweisungen „ man halte
welche im entscheidenden Augenblick
eingesetzt werden “ und „man sende tunlichst viel Meldungen , unter Angabe von Ort, Zeit und der momentanen Situation " sind im wesentlichen unausgeführt geblieben.
Das Verlorengehen jeder Ver-
bindung zwischen den Truppen des Zentrums und denen der Seitenkolonnen legte den Grund zu der Katastrophe, und als Baratieri die Hauptreserve Ellena
einsetzen
wollte,
war
sie längst in einzelnen
Partikeln in die kämpfenden Truppenteile aufgegangen. Die italienische Literatur über den Feldzug gipfelt in den naturgemäls polemisch gefärbten Schriften Baratieris und der technisch-militärischen , für das
1 ) Ital. Militare 26. Dezember 1896. Revue milit. de l'étrangere 1897 , 163. Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 403. 30
456
Militärische italienisch-deutsche Beziehungen.
Kriegsgericht in Asmara bestimmten Untersuchung Corticelli.
Eine
zusammenfassende kritische Darstellung des Feldzuges, der ja auch in dem Gefecht von Amba Alagi, der Verteidigung von Macallé usw. interessante und lehrreiche Episoden bietet, von italienischer Seite ist noch nicht erschienen. Eine gewisse Erklärung findet diese auffallende Erscheinung darin, dafs das amtliche Aktenmaterial über den Krieg noch nicht veröffentlicht ist, in absehbarer Zeit wohl auch nicht zugänglich werden wird, und dafs auf abessinischer Seite zuverlässiges Material wohl kaum vorhanden, jedenfalls von dorther keine Aufklärung zu erwarten ist. Und dann brach im Jahre 1899 der alle Aufmerksamkeit auf sich lenkende Burenkrieg aus, der erste neuzeitliche Kampf, in dem die Wirkung der modernen Waffen zu beobachten war, aus dem man auf die richtige Kampfweise namentlich der Infanterie und Artillerie auch auf europäischen Schlachtfeldern weitgehende Schlüsse und sichere Lehren ziehen zu können glaubte. Wie überall so ist man auch
in Italien von einer anfänglichen Überschätzung
des Wertes dieses Krieges als typisches Studienobjekt für europäische Verhältnisse zurückgekommen . Auch in Italien weist man auf die Verschiedenheit des Kriegstheaters , die Zahlenverhältnisse der Gegner, der Organisation des für koloniale Kriege bestimmten englischen Heeres, der für den Guerillakrieg gebildeten Burenscharen hin . Das schliefst nicht aus, vorschriften,
dafs die neuen schon erwähnten Ausbildungs-
mit denen Italien
augenblicklich
an der Spitze
der
Militärmächte marschiert, die Lehren des Feldzuges für den kleinen Krieg, für die Einzelausbildung des Mannes, den infanteristischen Einbruch, für artilleristische taktische Einzelfragen verwertet hat. Aber wichtiger erscheinen zwar auf anderen Gebieten liegende Lehren dieses Krieges ,
die
auch in Italien voll gewürdigt sind : die der
taktischen Überlegenheit der Offensive über die Defensive in jedem Entscheidung suchenden Kampf, und weiter die der Unzulänglichkeit eines Milizheeres, d. h. von Volksaufgeboten ohne gründliche Friedensschulung, ohne straffe Gliederung und ohne Stäbe in jedem gröſseren langandauernden Kriege, bei dem es sich um Sein oder Nichtsein eines Staates handelt. Namentlich der Gewinn der zweiten Erkenntnis ist im Vaterlande Garibaldis und der ihn und seine Kriegführung umspinnenden Legenden, im Lande des nationalen Scheibenschielsens und seiner Mifserfolge, in der Heimat einer starken radikaldemokratisch- antimilitaristischen Partei in Land und Kammer von nicht zu unter schätzendem Wert.
Das Scheuen der Pferde.
457
XXXIII .
Das dessen
Scheuen der
Ursachen,
Folgen
Pferde, und
Abhilfe. "
Von
Oberst Spohr.
Das Scheuen der Pferde, für Reiter wie Kutscher eine sehr unangenehme Eigenschaft, Gehör.
Es im
erfolgt entweder aufs Gesicht oder aufs
ersteren Falle
auf Kurzsichtigkeit zurückführen
zu wollen, wie dies auch in der vorliegenden Schrift geschieht, ist schwerlich gerechtfertigt. Pferde lernen weder lesen noch schreiben, trinken keine alkoholischen Getränke und rauchen auch nicht. Es fallen somit ziemlich alle, die Kurzsichtigkeit veranlassenden Momente bei ihm fort. Aber ein, auch nach anderer Richtung hin das Scheuen befördernder Umstand kann sehr wohl auch das Scheuen aufs Auge veranlassen , nämlich das viele Stallstehen , namentlich in dunkeln Ställen . Indem hierdurch der Akkomodationsmuskel , welcher das Auge der Entfernung und Beleuchtung seines Sehobjektes entsprechend
einstellt, ungeübt bleibt, empfängt die zu weit geöffnete
Pupille namentlich von hellen (weifsen), gut beleuchteten Objekten zu viel Licht und daher den Eindruck von etwas Aulsergewöhnlichem , Gefabrdrohendem . Ebensowenig scheint mir die Annahme von übergrofser Empfindlichkeit des Gehörs bei einzelnen Pferden gerechtfertigt.
Auch hier
dürfte nur die Entwöhnung an die Geräusche des täglichen Lebens infolge des vielen Hindämmerns im stillen dunkeln Stall verantwortlich zu machen sein . Jedenfalls lassen sich alle scheuenden Pferde,
wie
mich hundertfältige Erfahrung belehrt hat, mögen sie
aufs Auge oder Gehör scheuen , vollständig und endgültig korrigieren. Befolgt man den Rat des
Verfassers,
die
Tiere, Reit-
und
Kutschpferde tüchtig zu gebrauchen und nicht übermälsig zu füttern , so fallen die genannten beiden Ursachen des Scheuens. bald fort. Sorgt man dann noch dafür, dafs die Pferde richtig durchdressiert und absolut gehorsam gemacht werden, so werden sie sich infolge ibres Gehorsams gegen die Hülfen auch unschwer an alle aufsergewöhnlichen Gegenstände und Geräusche , Musik , 1) Das Scheuen der Pferde, dessen Ursachen, Folgen und Abhilfe. Von B. Schönbeck. 4. verbesserte Auflage (Leipzig, Zuckschwerdt & Comp. ). 30*
Das Scheuen der Pferde .
458
Trommel, Pfeifen von Lokomotiven, Schufs aus Gewehr oder Geschütz gewöhnen lassen . Der springende Punkt aber zur Herbeiführung des absoluten Gehorsams sind richtige , d . h. mit der Mechanik des Pferdes arbeitende Hilfen (s . Heft 28 von „ Unsere Pferde " Über die Beziehungen der Reit- und Dressurhilfen zur anatomischen Mechanik des Pferdes und Heft 32 : die elementare Reitdressur auf grund der mit der Mechanik des Pferdes übereinstimmenden Hilfen bei Schickhardt & Ebner [ Konrad Wittwer] in Stuttgart 1903 und 1904). In, mit der Mechanik des Pferdes nicht in Einklang stehenden oder gar ihr widersprechenden Hilfen liegt die Haupt-, wenn nicht die einzige, Veranlassung zur Widersetzlichkeit und Stätigkeit,
die, wie der Verfasser sehr richtig bemerkt, ganz besonders durch unzeitgemäßse Strafen beim Scheuen herbeigeführt werden. Auch die physische Überlegenheit des Pferdes, die der Verfasser S. 28 mit Recht betont, kommt nur dann zur Geltung, wenn man gegen seine Mechanik arbeitet z. B. mit Zügelanzügen oder Paraden, welche
gegen die im Abschieben begriffenen Hinterbeine gerichtet
sind, statt sich gegen die in Übereinstimmung mit dem Beugen des Kopfes und Halses untergeschobenen und in den oberen Gelenken gebogenen Hinterbeine zu richten (s . Heft 28 und 32 von „ Unsere Pferde"). Die vielen Rezepte, welche in vorliegender Broschüre zur Herbeiführung des Gehorsams (S. 27, 30, 40, 41 usw.) gegeben werden , ermangeln des eigentlichen Schlüssels zu ihrem vollen Verständnis, so lange man die mit der Mechanik des Pferdes arbeitenden Hilfen nicht kennt. Auf diese bezieht sich denn auch recht eigentlich die immer wieder vom Verfasser betonte Lehre : Lerne reiten (S. 52, 56, 57 usw. ) .
Das „ fortwährende Festhalten der Zügel “ ,
wovor der Verfasser so oft (S. 37 , 63 usw. ) warnt, ist eben deshalb falsch, weil es auch in den Momenten auf Kopf und Hals einzuwirken strebt, in welchen deren Strecker durch die Strecker der Hinterhand zum siegreichsten Widerstande befähigt sind . falschen Einwirkung liegt auch der Hauptgrund
In dieser
zum wirklichen ,
d . h . fortgesetzten Durchgehen. Wer es versteht, die Parade, sei es als Reiter oder Kutscher, in dem Moment zu erteilen, wo die Hinterbeine, unter
den Leib untergesetzt, durch
die Biegung der
grofsen vier oberen Gelenke zur Aufnahme der Parade am besten disponiert
und
damit gleichzeitig
die Beuger von Kopf und Hals
zum Nachgeben bereit sind, wird auch durchgehende Pferde nach wenigen Sprüngen wieder in der Gewalt haben. Einen solchen
Das Scheuen der Pferde. Moment traf
459
ob beabsichtigt oder nicht, ist hier gleichgültig
der seine durchgehenden Pferde parierende Kutscher (S. 65). Bei Sternguckern ist dabei allerdings die Vorbedingung, dafs man ihres Genicks schon so weit Herr geworden sei, um mittelst Zügel und Gebifs auf die Hinterhand wirken zu können. Eine Kandare, die
sich nicht umdrehen läfst, bezw. ein richtig geschnallter fest-
stehender Sprungzügel sind dazu praktische Hilfsmittel. Die sehr richtige Schilderung des rasenden Laufs eines durchgehenden Sternguckers ( S. 49) hat mich sehr erfreut. Sie sollte den Reitschriftstellern zu denken geben, welche fortwährend die Aufrichtung , die
doch allein imstande ist, dem Vorarm des Pferdes,
vor allem durch ungehemmte Tätigkeit des „, grofsen Kopf- , HalsArmbeinstreckers " , das Ausgreifen nach vorwärts aufs äusserste zu ermöglichen, als ein Hemmnis der Schnelligkeit darstellen . Die schnellsten Pferde, die ich je gesehen oder geritten, waren Sterngucker und entwickelten ihre gröfste Schnelligkeit stets im Durchgehen mit himmelemporgestrecktem Kopf und Hals . Hierher gehörten der Ende der 1840 er Jahre wegen Durchbrechens von der Rennbahn verwiesene Vollbluthengst Hektor (später im Besitz des Stallmeisters Levin in Berlin), der längere Zeit im Besitze des jetzigen Generalleutnants v. Mofsner gewesene Vollbluthengst The Saxon , die Vollblutstute Wheist of Jacket des Grafen Kinsky und andere. Tiere
entwickelten
unter
solchen
Umständen
eine
Diese
Schnelligkeit,
welche die der mit weit vorgestrecktem tiefem Hals und Kopf dahergaloppierenden Flachbahnrenner entschieden überbot. Wenn der Verfasser (S. 14) dem Pferde unter Berufung auf Dante die „ Vernunft" abspricht, so widerspricht dem, was er S. 38 und 39 über das vorzügliche Gedächtnis und auch wohl das Schlufsvermögen des Pferdes beibringt. Der dort so malerisch geschilderte Zusammenstofs dreier Pferde und die daran geknüpften Lehren gehören zum Besten , was die Schrift bietet. Vorzüglich sind auch die Anleitungen zum Springen (S. 24 , 25 und 32) . Nicht einverstanden bin ich mit der günstigen Beurteilung der Scheuklappen. Sie sind höchstens ein Palliativmittel, wie ein PelzWie hier Abhärtung, so ist für kragen gegen Halserkältungen. die Augen der Wagenpferde allseitiger und vielfältiger Gebrauch das beste Gegenmittel gegen alles Scheuen . dem
Auch den Apparat zum Ausschalten durchgehender Pferde aus Geschirr bewertet der Herr Verfasser viel zu hoch, indem
er übersieht, dals auch der plötzlich seiner Zugkraft beraubte Wagen ganz unberechenbare Richtungen einschlagen wird, ähnlich einem in der Mechanik gestörten Automobil , dieses modernsten , heimtückischen ,
Ruisland und der russisch-japanische Krieg.
460
leider strafgesetzlich noch unfalsbaren Mordwerkzeugs harmloser Fulsgänger. Eine vorzügliche, wenn auch nicht staatliche “ , so doch vom Züchterverband der „ holsteinischen Marschen" gegründete und unterhaltene
Fahrschule " ist die in Elmshorn (Holstein) .
Der Wert des sehr angenehm zu lesenden und viele praktische Rezepte gegen das behandelte Übel gebenden Schriftchens wird noch sehr gewinnen, wenn etwas schärfer auf die innere Begründung der Gegenmalsregeln eingegangen würde, wie oben angedeutet.
XXXIV .
Rufsland und
der
russisch-japanische
Krieg.
Von Generalmajor a. D. von Zepelin.
XII. (Abgeschlossen am 24. März.) Die Tage von Mukden
haben dem Kriege eine Wendung ge-
geben, an die noch vor wenigen Wochen wohl niemand geglaubt hätte,
der die Stärkeverhältnisse
beider Teile
und die Lage
der
Kriegführenden selbst einer gründlicheren Beurteilung unterzog. Heute finden wir die russische Armee auf einem äusserst schwierigen Rückzuge gegen Norden ; ihr bisheriger Oberkommandierender, auf den Rufsland so grofse Hoffnungen gesetzt hatte, ist abberufen und durch den General Linewitsch, bisher Kommandierenden der 1. Armee, ersetzt. Mit dem Namen des Generals Kuropatkin verknüpfte sich die Geschichte des Krieges, die ihm für alle Zeiten den Charakter tiefer Tragik gegeben hat. Alexej Nikolajewitsch Kuropatkin hatte, als er von seinem Kaiser auf den hohen und verantwortlichen Posten gestellt wurde,
eine
glänzende Soldatenlaufbahn
hinter sich, zu der
ihm seine trefflichen Soldateneigenschaften und seine Leistungen vor dem Feinde und im Frieden die Wege gebahnt hatten . Als er mit 55 Jahren zum Oberkommandierenden der Armee ernannt wurde ,
Russland und der russisch-japanische Krieg.
461
konnte er bereits auf eine sechsjährige, durch Reformen auf allen Gebieten des Kriegswesens ausgezeichnete Tätigkeit als Kriegsminister zurückblicken. Der Stabschef des nationalen Helden Skobelew, der Held von Geok-Tepe, der verdiente Administrator im Transkaspigebiet, der in der Geschichte der Kolonisation Rufslands sich einen so hohen Namen erworben , war zugleich ein hervorragender Militärschriftsteller, dessen Werke auch in die deutsche Sprache übersetzt wurden. Unstreitig ist Kuropatkin ein ausgezeichneter Soldat und ein trefflicher, für seine Soldaten sorgender Führer gewesen. Es war daher kein Wunder, dafs seine Ernennung mit hohen Erwartungen von Volk und Armee begrülst wurde. Wir entsinnen uns, dafs die „ Nowoje Wremja" durch die Feder ihres Herausgebers, des bekannten A. S. Suworin, in seiner neuen Stellung mit einer geradezu überströmenden Begeisterung begrüfst wurde. „Der Kaiser hat Kuropatkin ernannt" -- so schrieb er. er. „ In diesen wenigen Worten liegt viel, sehr viel .
Sie sprechen zum Herzen und zum Verstande
des Russen, denn dieser Name
ist schon seit langer Zeit auf den
Lippen und in den Gedanken gewesen . Er entspricht der allgemeinen Sehnsucht nach russischen Talenten. Echte Talente sind notwendig, keine scheinbaren, die vor der Zeit von sich reden machen . Rufsland ist durch Talente grols und berühmt geworden, und wird durch sie noch weiter wachsen und Ruhm erwerben . . . . Nichts Blendendes, Aufdringliches und Popularitätsherrschendes hat A. N. Kuropatkin an sich, sondern etwas Ruhiges, Kräftiges, Gedankenvolles , ohne Phrasen und ohne Dünkel Tätiges.
Er
arbeitet unermüdlich,
er-
forscht seine Heimat und seine grofsen Aufgaben und glaubt an sie. Er ist ein russischer Mann im vollen Sinne dieses Wortes, ist durch seine Arbeit und seine Begabung in die Höhe gekommen . . . . ." Unbestreitbar sind die Charaktereigenschaften des Generals in den Schlufssätzen richtig geschildert . Alle, die ihm während des Feldzuges nahe traten, rühmen seine unermüdliche Tätigkeit, seine Einfachheit,
seine Sorge für die Truppen.
Mit welchen Reibungen
er bei der Mobilmachung, bei den Transport und bei der Erhaltung der Truppen gekämpft hat, werden erst spätere Tage klarlegen , ebenso, wieviel an der Schuld seiner Mifserfolge den Unterführern und unberechenbaren Wechselfällen des Krieges zufällt. Den Geist kühnen Tatendranges, den er in seinem Soldatenleben so oft bewiesen, hat er als Feldherr nicht zur Geltung zu bringen gewufst. Das „Warum" entzieht sich heute noch unserer Beurteilung . Niemals ergriff er die Initiative
oder, wenn er es versuchte, wie bei dem
Vormarsch zur Ergreifang der Offensive im Oktober, hielt er inne ,
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
462
sowie der Feind sich zum Vergehen gegen ihn anschickte.
Groſses
leistete er aber durch seine Rube und Festigkeit im Unglück.
Man
bat nicht mit Unrecht gesagt, dafs ohne sein organisatorisches Talent und seine Sorgfalt für die Truppen in ihren Winterstellungen der Widerstand der mandschurischen Armee gegen die stürmische Tapferkeit und die überlegene Ausbildung und Führung der Japaner vermutlich schon früher gebrochen wäre. Sein Nachfolger, der General Nicolai Petrowitsch Linewitsch ist bekannt geworden durch seine zehnjährige Tätigkeit im fernen Osten. Er ist 1838 geboren , seit 1855 Soldat und nahm während seiner Dienstzeit in Europa an den kaukasischen Feldzügen der Jabre 1859 , 1860 bis 1865 und an dem russisch - türkischen Kriege 1877 und 1878 teil.
1885 kam er als Kommandeur der
zweiten transkaspischen Schützenbrigade nach Asien, wo er bis heute tätig war.
Im Jahre 1895
Kommandeur der Truppen
des Süd-
Ussurigebiets im Militärbezirk Amur hat er an der Entwickelung dieses Gebiets hervorragenden Anteil genommen und aus den bisher bestehenden ostsibirischen Schützenbataillonen Regimenter gebildet. 1900 zum kommandierenden General des 1. sibirischen Armeekorps ernaunt, wurde er bei Ausbruch der Wirren in China nach Tschili gesandt,
wo
er an der Spitze der verbündeten Truppen den Zug
zur Befreiung der Gesandtschaften in Peking durchführte, 1903 Oberkommandierender der Truppen des Amurbezirks und bei Ausbruch des Krieges 1904, nachdem er die im nördlichen Korea operierenden Truppen geleitet, kommandierender General der 1. Armee. Seit seiner Verwundung im türkischen Kriege am linken Fuls hinkend , ist er gezwungen, sich auf den Stock zu stützen . Nach wiederholten
Mitteilungen aus
Petersburg soll General
Kuropatkin gebeten haben, ihm den Befehl über die 1. Armee zu geben. Es erscheint diese Nachricht zunächst wenig glaubhaft. ' ) Sie würde dem festen, ausgezeichneten Charakter des Generals wohl
entsprechen ;
aber die Reibungen, welche doch fast unzweifelhaft einer solchen Unterstellung unter den früheren Untergebenen sein könnten, lassen diese Mafsregel nicht vorteilhaft für alle Teile erscheinen . die Folge
In der Kriegsgeschichte kennen wir freilich ähnliche Vorgänge. So hat in den Jahren 1870/71 der ritterliche Prinz Albrecht von Preufsen (Vater), trotzdem er im Jahre 1866 ein Kavalleriekorps 1 ) Inzwischen hat sie sich bestätigt. General Baron Kaulbars erhielt das Kommando der 2. Armee und wurde in seiner bisherigen Stellung durch den General Batjanow ersetzt.
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
463
kommandiert hatte, um die Führung einer von ihm so trefflich geführten Division gebeten und sich willig jüngeren Generalen unterstellt. Doch, glauben wir, liegen hier, namentlich bei dem so unvermittelten Übergang,
die Dinge anders.
Vergessen darf man ferner
nicht, dafs Kuropatkin, die Motive mögen gewesen sein, welche sie wollen, mit einer Reihe der ihm bisher untergebenen Generale in unerfreuliche Konflikte geriet, oder zu scharfen Mafsregeln sich veranlafst sah.
Des Konfliktes mit dem General Grippenberg ist bereits
gedacht worden ; aber auch die Generale Sassulitsch , Stackelberg und Orlow hat er ihres Kommandos entsetzt, ibr die bisher vor der Öffentlichkeit nicht bewiesene Schuld an Mifserfolgen auf ihre Schultern wälzend, während
andererseits die Mifserfolge, welche sie erlitten ,
nicht ganz ohne Schuld der Oberleitung veranlasst wurden . Was die Schlacht bei Mukden anbetrifft, so sind wir über die Einzelheiten bisher nicht unterrichtet, ja selbst über die gegenseitigen Verluste an Menschen, Geschützen und Kriegsmaterial aller Art. Wir beschränken uns daber auf die allgemeine Charakterisierung dieses entscheidenden Ereignisses, das freilich genug des Interessanten bietet. Die russische Stellung hatte eine ganz ungewöhnlich grofse Ausdehnung etwa 80 Kilometer in der Luftlinie. Sie war zwar in einzelnen Teilen stark befestigt, ja sie trug wohl mehrfach den Charakter des verschanzten Lagers . Der rechte Flügel am Hunho hatte anscheinend keinen Stützpunkt im Gelände, ja seine äussersten Abteilungen waren durch diesen Flufs von der übrigen Armee getrennt, wenigstens war dies die Lage nach den letzten Kämpfen des Generals Grippenberg. Schaho und Hunho sollen nach russischen Nachrichten allerdings gefroren gewesen sein, so dals sie südlich Mukden dem Angreifer kein Hindernis boten, als er den letzten entscheidenden Stofs tat. Der linke Flügel stand im Gebirge, der das Vorgehen des Angreifers erschwerte. Die Natur des Gebirges bietet aber dem Verteidiger nicht die Vorteile, welche man von ihr erwarten sollte. Die
Unübersichtlichkeit des Geländes, die Schwierigkeit der Ver-
bindung der in den einzelnen Tälern fechtenden Abteilungen, die Unmöglichkeit bei den wenigen, oft ganz mangelnden Feuerverbindungen auch im Falle rechtzeitiger Orientierung, dem Gegner bei Umgehungen oder bei dem Zurückdrängen einzelner Abteilungen rechtzeitig entgegentreten zu können, erschweren die Führung aufserordentlich. Wie weit alle diese Momente sich namentlich für die Armee des Generals Linewitsch geltend machten, darüber fehlt uns heute
Russland und der russisch-japanische Krieg.
464
noch der genaue Einblick, dafs sie aber für die Kämpfe derselben von einem sehr bestimmenden Einfluss war, bedarf keines Beweises. Die so weit ausgedehnte Stellung sollte dem General Kuropatkin zum Verderben werden. Obwohl er durch die Vorgänge der der Schlacht vorhergehenden Wochen auf die seiner rechten Flanke drohenden Gefahr durch das Erscheinen gröfserer durch Chunchusen verstärkten japanischen Abteilungen westlich der Eisenbahn und im Rücken der Armee aufmerksam gemacht werden mufste, scheint es doch genügender Aufklärung seitens der sehr zahlreichen russischen Kavallerie in jener Richtung gemangelt zu haben . So wurde dem General Nogi die Ausführung seiner die Schlacht Durch geschickte wesentlich entscheidende Umgehung erleichtert. Ausnutzung der nach Sinminting führenden Eisenbahn und durch Gewaltmärsche seiner Truppen gelang
es
ihm,
sich
nordwestlich
Mukdens gegen die Rückzugslinie der Russen so überraschend zu entwickeln, dafs er unter Anlehnung seines rechten Flügels an den Hunho bei Matsiapu den General Baron Kaulbars zwang, nördlich Mukdens zurückzugehen und zum Schutze der Bahn und der Mandarinenstrafse westlich der Eisenbahn auf Tieling mit der Front gegen Westen einen aufserordentlich verlustreichen Kampf gegen die Japaner zu führen, die ihn immer mehr und mehr von Norden zu umfassen strebten . Der aufserordentlichen Zähigkeit und Tapferkeit der Russen
es wird hier namentlich die Tätigkeit des Kommandierenden
Generals
des
X. Armeekorps, Generalleutnants Zerpitzkij , gerühmt
und der tapfere Widerstand des 1. Ostsibirischen Schützenregiments, Oberst Lösch, erwähnt ― gelang es, den Feind am Vordringen auf die Bahn
so
lange
abzuhalten,
bis die Sanitätszüge Mukden ver-
lassen hatten und die Armee sich nach Norden in Bewegung gesetzt hatte . Am 9. März, 9 Uhr abends, gab General Kuropatkin den Befehl, Station und Stadt bis zu 5 Uhr des Morgens des 10. zu räumen. Man verlud in grölster Eile die in den Lazaretten liegenden Verwundeten, Munition und Proviantvorräte usw. Schon am Morgen waren die Stäbe der Generäle Kuropatkin, Kaulbars, Sacharow, Bilderling und Sabelin mit Verwundeten nach Tieling
befördert
worden .
In drei
Echelons wurden gegen 30 Züge, von denen jeder über 50 Wagen zählte , bis 5 Uhr 50 Minuten morgens des 10. März abgesandt. Grofse Massen von Kohlen, Proviant und Munition, die nicht mehr fortgeschafft werden konnten, wurden teils vernichtet, teils fielen sie dem Feinde in die Hände, in grofser Zahl .
ebenso die nicht transportablen Verwundeten¸
General Kuropatkin war es gelungen, auf dem linken Flügel sogar einige Vorteile zu erkämpfen, doch befahl er - ob zur Ver-
Ruisland und der russisch-japanische Krieg.
465
ringerung der Ausdehnung seiner Front, wie die Russen berichten , ob gezwungen, wie die Japaner melden, sei dahingestellt seinen Rückzug hinter den Hunho .
Die Japaner drängten nach, es gelang
ihnen, bei Fulin Kiusan , das sie nahmen, sich keilartig in die russische Stellung einzuschieben, die so in ihren Flügeln getrennt wurde.
Es
sollen dort nur drei Kompagnien des Regiments Barnaul und eine des Regiments Irkutsk gestanden haben, die durch erdrückende Übermacht der Japaner zum Rückzuge gezwungen wurden. Der Rückzug der Russen konnte unter den so aufserordentlich ungünstigen Umständen nur in grofser Unordnung ausgeführt werden. Die schwierige Lage der unter dem Feuer der Japaner längs der Eisenbahn und auf der Mandarinenstrafse zurückgehenden Abteilungen des rechten Flügels macht dies erklärlich. Besonders kritisch wurde die Lage, als das Erscheinen japanischer Kavallerie am 10. morgens eine Panik unter der Bagage verursachte . Dennoch gelang es, die Ordnung im Laufe der nächsten Tage einigermaſsen herzustellen . Im allgemeinen ging die 2. Armee längs der Eisenbahn, die 3. auf der Mandarinenstrafse und die 1. Armee, nach Osten abgedrängt, über Futschun,
Pingpan und Fulin zurück .
Hatten die beiden ersten durch den Umstand
zu leiden,
dafs
die Japaner ihnen nicht nur im Rücken , sondern, in gewissem Sinne vorwärts gestaffelt, im Westen folgten, so wurde der Rückzug der 1. Armee durch die Beschaffenheit der Gebirgswege und der Hemmnisse des Geländes erschwert. Anscheinend ist es bis heute noch nicht gelungen, die ganze 1. Armee mit den andern
zu vereinigen .
Die japanische Armee verfolgt bisher unermüdlich ,
die zehn-
tägigen Kämpfe scheinen die Spannkraft von Führer und Truppen noch nicht erschöpft zu haben. Es mufs jedenfalls als eine hervorragende Leistung bezeichnet werden, dafs die Verfolgung ohne Ermüdung fortgesetzt wird . Während wir diese Zeilen niederschreiben haben die Japaner bereits Kayuen, 27 Kilometer nordöstlich Tieling, besetzt, das die Russen am 18. März geräumt hatten , am Fanho versuchten, Widerstand zu leisten.
nachdem sie
Die 1. Armee ist anscheinend ebenso wie die Teile des Zentrums, die nicht auf der Mandarinenstrafse zurückgingen, noch im Gebirge zurück. Ob sie den Anschlufs auf direktem Wege gewinnen wird, steht dahin ! Jedenfalls lauten russische Meldungen dahin , daſs ,,während Kayuen besetzt wurde, Kanonendonner höre ".
man
10 Werst südlich Tieling
Es dürfte dies darauf gedeutet werden, dafs
die Japaner mit einer Abteilung der zurückgebliebenen 1. Armee im Kampfe standen .
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
466
Wann der Rückzug der Russen zum Stehen kommen wird, hängt wohl in erster Linie davon ab, wenn die Japaner aufhören , mit stärkeren Kräften zu verfolgen und wo die Russen auf eine den Widerstand unterstützende Stellung und Depots treffen . In Russland trifft man
indessen Anstalten zur Mobilmachung
neuer Korps . Die weiten Räume, welche mit der meist eingleisigen Bahn von Moskau aus zu überwinden sind, lassen aber keine Möglichkeit zu,
schon in nächster Zeit die Verluste zu ergänzen .
Die
von den aufserordentlichen Strapazen des Rückzuges ermatteten und moralisch niedergedrückten Truppen bedürfen einer gewissen Zeit der Ruhe, um energischen Widerstand leisten zu können . So darf man die Zahl der Gefangenen und die sonstige Beute , die der Rückzug den Japanern
in
die Hände liefert,
nicht zu gering an-
schlagen. Die Folgen des Sieges der Japaner sind heute also noch nicht zu übersehen . Der Verlust der Hauptstadt des Landes, der Zentrale der Verwaltung
und des Handels , der die Erzeugnisse des Landes
für die Verpflegung der Armee zuflossen, der heiligen Stadt der Mandschu mit ihren Kaisergräbern , der Verlust der für den Betrieb der Eisenbahn wichtigen Kohlengruben von Funtschun, ist es nicht allein, was die Niederlage der Russen so schwer erscheinen lässt. Vor allem aber ist es die Einbufse des Prestige bei den Asiaten, das sich wohl auch in der Politik fühlbar macben wird. Die Eisenbahnverbindung
mit Wladiwostok
erscheint bedroht,
je mehr die Russen in der Richtung auf Charbin zurückweichen und die Japaner Herren des wichtigsten Teiles der Mandschurei werden . Für die letzteren wird vielleicht nur ein Moment schwer in die Wagschale des Sieges fallen :
Die Frage, ob das Reich die finan-
ziellen Opfer noch lange tragen kann. Denn die Mandschurei ist neutrales Land, dessen Hilfsquellen Japan nur gegen Leistung von Bezahlung in Anspruch nehmen kann .
Umschau.
467
Umschau.
Österreich- Ungarn . Aufser der nun wohl nicht länger mehr verschiebbaren Neuerfordernis bildungen bei der Feldartillerie wird das Heereserfordernis 1905 für 1905 . das gemeinsame Heer beanspruchen : 1. 4 neue Jägerbataillone für Bosnien-Herzegowina, deren Ersatz leicht aufzubringen, da das Okkupationsgebiet an Rekrutenstellung aufserordentlich weit hinter den anderen Provinzen zurückbleibt (fast um 2 ) ; 2. 1 Telegraphenbataillon, für jede Infanteriedivision und jede Gebirgsbrigade eine Telegraphenpatrouille .
Personal
wird bei der
Telegraphenschule
Tula ausgebildet ; 3. 10 Maschinengewehrabteilungen zu 2 Zügen à 2 Gewehre für die Kavalleriedivisionen und 12 Maschinengewehrzüge (je 2 Gewehre) für die Gebirgsbrigaden .
Die Erfahrungen im
russisch-japanischen Kriege dürften auf diese Beschlüsse nicht ohne 18 Einfluss geblieben sein.
Italien. Zwei vom Kriegsminister dem Parlament am 24. Januar überreichte und jetzt in Beratung befindliche Gesetzentwürfe haben für die Verbesserung der Lage der länger dienenden Unteroffiziere weittragendste Bedeutung, bedingen aber Änderungen des Unteroffiziergesetzes vom 30. November 1902. Nach diesem Gesetz wollte man die Unteroffiziere, die
nach
12jähriger Dienstzeit
im Besitz
des
Zivilver-
sorgungsscheines auf eine Zivilstelle Anspruch erheben, ausscheiden und ihre Anstellung erwarten müssen. Wenn diese Unteroffiziere nun nicht durch eine Dienstbeschädigung Anspruch auf eine Pension batten, verzehrten sie bei dem vielfach langen Warten auf eine Zivilversorgung ihre Dienstprämie . Neben der Erschliefsung von 721 neuen Stellen für versorgungsberechtigte Unteroffiziere in dem Geschäftskreis der verschiedenen Ministerien und bei der Eisenbahn (die Stellen sollen in 2 Jahren verfügbar sein ) bringt auch das neue Gesetz wesentliche Verbesserungen. Die versorgungsberechtigten Unteroffiziere sollen nämlich in Zukunft im aktiven Dienst eine Anstellung mit einem Bezuge von mindestens 900 Lire jährlich erwerben dürfen und zwar mit dem Einkommen, das sie in dem Monat hatten, in welchem sie den Zivilversorgungsschein erhielten, dazu werden Kapitulationen auf ein Jahr zugelassen . Wer nach 12jähriger aktiver Dienstzeit nicht erklärt, dafs er eine Zivilversorgung anstrebe, kann
Unteroffizierfragen.
Umschau.
468
eine solche auch später nur dann erhalten, wenn er infolge Dienstbeschädigung oder zwangsweise verabschiedet wird. Er dient sonst weiter bis zum Anrecht auf eine Pension (15 bezw. 25 Jahre). Auf diesem Wege denkt der Kriegsminister dahin zu gelangen, daſs die versorgungsberechtigten Unteroffiziere auch bald Anstellung finden. Eine höhere Zivilversorgung ist ein gewaltiges Zugmittel für das Längerdienen der Unteroffiziere und man mufs , wo man vor der Abkürzung der aktiven Dienstzeit für alle Fufstruppen auf 2 Jahre und eine Vermehrung
des
Rekrutenkontingents
bevorsteht,
damit
rechnen , genügend zahlreiches älteres Ausbildungspersonal sicherzustellen. Der Unterstaatssekretär im Kriegsministerium, General Spingardi, Obertribunal.
hat auf eine Anfrage in der Kammer erklärt, dafs baldigst ein Gesetzentwurf, betreffend Aufhebung des Obertribunals für Heer und Marine - eine vielfach wiederholte Forderung der Kammer — vorgelegt werde . Gazzetta Ufficiale vom 7. Februar gibt bekannt, die von Einjährig-Freiwilligen an die Staatskasse (für Verpflegung und Bekleidung) zu zahlende Betrag 1905 bei der Kavallerie 1600 , bei den übrigen Waffen 1200 Lire beträgt. Man darf mit einiger Sicherheit annehmen, dafs von seiten des Kriegsministers in absehbarer Zeit gröfsere Sonderkredite für Zwecke der Landesver-
dafs
teidigung verlangt werden. Bezüglich der Aushebung des Jahrganges 1885 hat der Kriegs-
Rekrutie-
rung, Ent- minister angeordnet, dafs die Aushebungsarbeit am 9. März beginne , lassungen. die Landziehung am 23. März und bald zu Ende zu bringen sei, die Sitzungen der Aushebungskommission für die endgültige Zuweisung des Ausgehobenen an die Waffen am 3. Mai anfange und das ganze Aushebungsgeschäft soll.
Über
Folgende
vorzeitige
angeordnet :
am
31. August abgeschlossen
Entlassungen
hat
der
Kriegsminister
sein das
1. die Leute I. Kategorie Jahrganges 1882
mit 3jähriger Dienstverpflichtung, einschliesslich Freiwillige, die in der Zeit vom 25. April bis 1. März 1903 (also vor Einstellung der Rekruten der Fufstruppen) einzeln eingetreten sind, können entlassen werden, sobald sie 30 volle Monate Dienstzeit aufweisen, 2. die Leute, I. Kategorie Jahrganges 1883 mit 2jähriger Dienstverpflichtung, die in der Zeit vom 25. April 1903 bis 23. März 1904 eintraten (also vor der allgemeinen Einstellung der Rekruten Jahrgangs 1883) sobald sie 18 volle Monate dienen, 3. Leute, die vor ihrer Aushebung schon als Freiwillige gedient und zwar mehr als 6 Monate, aber weniger als 18 , soweit sie volle 30 bezw. 18 Monate Dienstzeit -- je nachdem es sich um Leute Jahrgangs 1882 mit 3 bezw. um
solche Jahrgangs 1883
mit 2jähriger Dienstzeit handelter-
Umschau.
reicht haben.
469
Weiter werden vom 1. März ab beginnend, vorzeitig
entlassen werden, die auf 3 Jahre eingestellten Leute I. Kategorie, die nach Artikel 130 des Rekrutierungsgesetzes den Jahrgang 1882, bezw. solche mit 2jähriger Dienstverpflichtung, die nach demselben Artikel den Jahrgang 1883 zugeschrieben wurden (verspätet eingestellte ) sobald sie 30 bezw. 18 Monate Dienstzeit vollendet haben . In Abänderung bezw. Ergänzung der Bestimmungen von 1902 Zugeteilte Generalstabsstabes das Folgende verfügt. Um die Verwendung als zugeteilte offiziere .
hat der Kriegsminister bezüglich der zugeteilten Offiziere des General-
Offiziere des Generalstabes können sich Hauptleute bezw. Rittmeister der Infanterie und Kavallerie bewerben, wenn sie mindestens 2 Jahre in ihrem Dienstgrade sind. Ihre Beschäftigung beim Generalstabe darf höchstens 5 Jahre dauern , ihre Rückkehr zu einem Regiment ihrer Waffe muls aber vor Ablauf von 5 Jahren erfolgen , wenn ihre Eintragung in der Beförderungsvorschlagsliste bevorsteht. Das gilt auch für die gewärtig dem Generalstabe zugeteilten Offiziere. Diejenigen, die auf Beförderung verzichten , um länger in der Znteilung zum Generalstabe zu verbleiben, können über 5 Jahre hinaus in dieser Tätigkeit belassen werden .
Bis zum 30. Juni 1905 können
Gesuche um Zuweisung zum Generalstabe
zurückgezogen werden .
Die Bestimmung des Kriegsministers entspricht dem Grundsatze, die Offiziere nicht zu lange aufser enger Berührung mit den Truppendienst zu bringen,
abgesehen von denjenigen, die auf weitere Be-
förderung in der Truppe verzichten , also überhaupt nicht mehr in dieselbe zurückkehren und zu Spezialisten werden .
dem
Das Marine budget für 1905/06 ist in der Berichtszeit (25. Januar) Parlament unterbreitet worden . Von den Beschlüssen des
Admiralsausschusses, auf die wir im letzten Bericht hinwiesen , treten einige Spuren in demselben schon hervor, von einer Flottenvermehrung im gröfseren Rahmen aber noch nicht, sie wird auch nur bei Bewilligung gröfserer Sonderkredite möglich sein .
Solche finden sich
in dem Budgetvoranschlag 1905/06 aber nicht . Wenn wir von
Kapitalsbewegung ( 2,5)
und Giroteilen (rund
2,7 Millionen) absehen, weist der Budgetvoranschlag 121 053 861 Lire auf, wovon auf die eigentliche Kriegsflotte 102 358 100 Lire entfallen, während auf Handelsmarine rund 9.8, auf Pensionen rund 6,1 und auf allgemeine Ausgaben rund 2,9 Millionen entfallen . Für Indienststellung sind 6535 000 Lire angesetzt.
Damit
sollen im Dienst gehalten werden: 1. Mittelmeergeschwader : 10 Schlachtschiffe, 10 Torpedobootsjäger, 2 Torpedobootsflottillen , 1 Zisternenschiff ;
Marine.
Umschau.
470 2. Reservedivision : II. Klasse ;
10 Schlachtschiffe
und
10 Torpedoboote
3. Ozean - Kreuzerdivision : 3 Kampfschiffe , Panzerkreuzer. 4. Rotes Meer und Indischer Ozean : 2 Kampfschiffe, 2 Torpedoboote und 5 armierte Sambucken ; 5. Amerikanische Station : 2 Kampfschiffe : 6. Kommando der Torpedoboote : boote I. und 12 II. Klasse ; 7. Schutz des Handels :
1 Hilfsschiff,
12 Torpedo-
A. in heimischen Gewässern : Genua 6 Torpedoboote II . Klasse , Maddalena 18 Torpedoboote II. Klasse , Messina 18 Torpedoboote II . Klasse, Venedig 8 Torpedoboote II. Klasse , B. in fremden Gewässern : 1 Kampfschiff und 1 Torpedoboot. Ausserdem im Dienst Schulschiffe, Schiffe für Lokalzwecke usw. Mit den im Kapitel Schiffs ersatzbau ausgeworfenen Mitteln soll bewirkt werden : A. Fortsetzung
von Bau und Ausrüstung der Linienschiffe der Vittorio Emmanuele Klasse (auf ein 5. Schiff dieser Klasse hat man bekanntlich verzichtet und strebt augenscheinlich einen Typ an, der Schnelligkeit und Aktionsradius des Panzerkreuzers mit Artillerie und Schutz des Linienschiffes verbindet) ;
B. Bau von 2 Panzerkreuzern zu je 10 000 Tons mit sehr kräftiger Artillerie, Vorschlag des Admiralsausschusses ; C. Bau eines Blockadebrechers in Venedig (für den sich der Admiralsausschufs besonders nachdrücklich ausgesprochen) ; D. Bau von 5 Unterseebooten (der Admiralsausschufs hat nachdrücklich auf Fortsetzung der Studien mit Unterseebooten bestanden) ; E. Bau von 27 Torpedobooten ; F. Bau von 4 Torpedobootsjägern ; G. Bau von 2 Zisternenschiffen ;
H. Bau von 2 Kohlentendern oder Lagumkanonenbooten ; I. Bau von 3 Hafen- Remorqueuren. dagegen werden.
1905/06
Von der Flottenliste sollen
7 S. - Torpedoboote
II.
Klasse
gestrichen
Von Interesse sind auch die Anlagen zum Budgetvoranschlag für 1904/06. Eine derselben läfst uns den Wert der gesamten fertigen Flotte am 30. Juni 1905 ersehen, was insofern Bedeutung hat, als auf Grund dieses Wertes das Kapitel Schiffsersatzbau mit Mitteln ausgestattet wird . Nach dem Anhang wird die fertige Flotte am 30. Juni 1905 aufweisen:
Umschau.
471
13 Torpedobootsjäger 2 Unterseeboote
99
128 Topedoboote I. , II . , III. Klasse
99
232 080 000 Lire 67 536 000
"2
9 620 000
99
9 930 000
99
21 036 000 13 621 000
"} 99
99
36
14 Kampfschiffe I. Klasse mit einem Werte von II. 5 99 99 99 99 99 III. 3 "9 99 99 29 99 IV. 5 99 99 99 99 99 V. 9 "9 99 99 99 "9 99 VI. 13 99 99 99 29 19 " VII. 1 99 "9 99 99
200 000
"
99
11 721 646
99
99
99
1 010 182
19
99
" rund 80 000 000
99
35 Hilfsschiffe, 28 Schiffe für Lokalzwecke, 29 Remorqueurs, 2 Lagunenkanonenboote Leichter, Feuerschiffe usw. zusammen mit einem Wert von 425 889 000
Lire.
Dazu
die noch
Regina Margherita und Benedetto Borin von rund 500 Millionen Lire.
zu
fertigen
ergibt
Linienschiffe
einen Gesamtwert 18
Frankreich . Kommen wir in Fortsetzung des Artikels der Februarumschau Der Stand nunmehr zu den Lafetten der Marineartillerie , so haben wir hier der französischen drei Klassen zu unterscheiden, die für schwere Geschütze, die für Marineartillerie. mittlere und endlich die für kleine Kaliber. Bei den Abmessungen des Rohrinneren und bei der Munition der gleichen Modelle und Kaliber herrschte schon lange Übereinstimmung, bevor dies bei den Lafetten schwerer Kaliber bezüglich ihrer Aufstellung an Bord erreicht war. Bei der Bestimmung der äufseren Rohrform, des Baues der Lafetten und namentlich auch bei der Anordnung der gesamten Handhabungs- und Richtapparate wurden die verschiedensten Vorschläge erprobt und zum Teil angenommen; sie tragen meist den Stempel der damaligen Vorliebe für maschinenmässigen Betrieb. Demgegenüber wies die Artilleriedirektion auf die Nachteile des hydraulischen und elektrischen Betriebes gegenüber dem durch Hand hin und betonte, dafs die Abhängigkeit der Betätigungsteile von einander den Betrieb verlangsamen müsse, da hier Bewegungen nacheinander ausgeführt werden müssen, die besser gleichzeitig erfolgen, und aufserdem beim maschinellen Betrieb die Verletzbarkeit der Apparate erheblich gröfser sei als bei dem Handbetrieb. Aber erst, seit (im Januar 1898) bestimmt wurde, dafs fortan die inneren Turmeinrichtungen oberhalb der Plattform , die gesamte Konstruktion der Lafetten, die Handhabung der Geschosse und die Lade- und Richtvorrichtungen nicht mehr wie bisher den 31 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 403.
Umschau.
472 Privatlieferanten
überlassen werden,
sondern
zum Ressort der Ar-
tilleriedirektion gehören sollten, konnte sie mit ihren Forderungen durchdringen. Diese gingen im wesentlichen dahin, dafs maschineller Betrieb nur da anzuwenden sei, wo dadurch ein Zeitgewinn gegenüber dem Handbetrieb erzielt werden kann. Dies sei nicht der Fall bei dem Bedienen des Verschlusses, dem eigentlichen dem Nehmen der Höhenrichtung .
Laden
und
Unbedingt aber müsse neben by-
draulischen oder elektrischen Einrichtungen stets auch eine solche für Handbetrieb vorhanden sein, damit das Feuer nicht durch Beschädigungen der maschinellen Einrichtungen unterbrochen oder gar zum Schweigen gebracht werden könne. Insbesondere sei auch ein Munitionsvorrat in der Nähe der Rohre unterzubringen für den Fall, dafs die Betriebsfähigkeit des Munitionsaufzuges irgendwie gestört wird. Endlich sei durchzuführen , dafs für die Rohre gleichen Kalibers
und Modells nicht nur gleiche innere Abmessungen,
sondern
auch eine gleiche äufsere Form vorgeschrieben werde, und dafs der Bau der Lafette sich dieser letzteren anzupassen habe, nicht umgekehrt, wie zumeist bisher. Diese letztere Forderung ist seit 1895 mafsgebend ; den Turmlieferanten ist die bisherige ziemlich unbeschränkte Freiheit in der Konstruktion ihrer Lafetten genommen worden, und sie haben diese der ihnen vorgeschrieben äufseren Rohrform anzupassen. Naturgemäfs ist diese Gleichmässigkeit der äusseren Rohrform zurzeit noch nicht völlig verwirklicht. Bei den Panzerschiffen „ Charlemagne “ , „ Gaulois“ und „ St. Louis" sind die inneren Turmanordnungen
noch
voneinander
abweichend, jedoch ist bei
ihnen zum ersten Male der Handbetrieb für die Bedienung des Verschlusses, das Laden und das Nehmen der Höhenrichtung zur Anwendung gekommen. Der Verschlufs ist vom System Manz, bei dem durch verschiedene Verbesserungen die Zeit zum Öffnen oder Schliefsen herabgesetzt worden sein soll .
Das Laden erfolgt mit Hilfe des für
Handbetrieb eingerichteten Apparates „des Batignolles " , das Nehmen der
Höhenrichtung von Hand soll
schnell bewirken lassen .
Infolge
und
auch
sich befriedigend
dieser Verbesserungen soll die
Feuergeschwindigkeit der schweren Geschütze erheblich gesteigert worden sein. Zu diesen Vervollkommnungen ist dann bei den Schiffen ,
die
gleichzeitig mit
dem „, Charlemagne"
und später in
Dienst gestellt wurden, noch die Unterbringung von Munition in den Turmräumen gekommen und auch bei den älteren Schiffen sind die genannten Verbesserungen mehr oder minder zur Anwendung gebracht worden. Besondere Aufmerksamkeit wurde ferner dauernd der Weiterentwickelung der Richteinrichtungen gewidmet, und endlich suchte man die Fortschritte der Metallurgie zugunsten geringerer
Umschau.
473
Raumbeanspruchung des neu zu konstruierenden Materials auszunutzen. Auch die Lafetten für Kanonen mittleren Kalibers haben Auf den oben geim letzten Jahrzehnt Verbesserungen erfahren. nannten drei Schlachtschiffen , sowie z. B. auf dem Kreuzer „Jeanne d'Arc" ist die mittlere
Artillerie
(auf diesen
Schiffen
durch die
138 and 100 mm Kaliber vertreten) auf dem freien Deck aufgestellt. Ein Schild dient zur Deckung der Bedienung und des Materials ; die Lafetten sind vom Modell
1893,
die
Frage der
Raumbean-
spruchung trat hier weniger in den Vordergrund . Die neueren Schiffe führen mittlere Kaliber von 164,7 und 138,6 mm, und zwar in Türmen oder in Panzerständen, daneben auch 100 mm Geschütze in Panzerständen oder zwischen zwei Decks . Die Lafettierung der mittleren Turmgeschütze entspricht der der schweren, nur geschieht bei ihnen die Geschofsbeförderung vom Munitionsaufzug zum Rohr ohne besondere Apparate. Bei den Geschützen in Panzerständen
oder zwischen
zwei Decks war man vornehmlich bemüht,
zur besseren Deckung des
Materials
eine Verkleinerung der Ge-
schützpforten herbeizuführen dadurch, dafs man den Schwenkbahndurchmesser verkleinerte und hierdurch die Möglichkeit herbeiführte, den Pivot näher an die Panzerwand heranzurücken, Die Feuergeschwindigkeit der mittleren Kaliber hat sich
seit 1893
nicht ge-
ändert. Dagegen ist das Gewicht und der Umfang der Munition gegen früher gewachsen . An den Lafetten der kleinen Kaliber endlich hat sich im letzten Jahrzehnt nichts geändert. Neuerdings ist man dabei, für einige dieser Geschütze neue Lafetten zu konstruieren, um die Leistungsfähigkeit dieses Materials zu steigern, ohne hierbei sein Gewicht zu erhöhen .
W. (Schlufs folgt. ) Frankreich.
Die grofse Mehrheit, mit welcher der Senat die nur ganz un- Endgültige wesentlich geänderten Beschlüsse seines Armeeausschusses über das Beschlüsse des Senats Gesetz, betreffend die 2jährige Dienstzeit angenommen, beweist die über 2jähr. Zähigkeit des Festhaltens dieser Körperschaft -- in deren Schlufs- Dienstzeit. beratung übrigens auch eine ganze Anzahl von Senatoren gegen die zweijährige Dienstzeit überhaupt,
als die Armee schwer schädigend
protestierte und General Billot aussprechen konnte , er hoffe , das Präsident Loubet das Gesetz nicht vollziehen werde - an ihrem ersten Texte.
Der Beschlufs
schafft eine Lage mit verschärften
Gegensätzen, in welcher die Kammer,
wenn
das Gesetz überhaupt 31**
474
Umschau.
noch 1906 in Kraft treten soll, eigentlich nichts anderes tun kann , als en bloc " die Fassung des Senats annehmen, ¹) oder aber auf Zustandekommen des Gesetzes vor Ostern zu verzichten. Bei dem Berichterstatter der Kammer für das Gesetz, Gouzy, und beim Kriegsminister Berteaux scheint im übrigen auch die Besorgnis zu bestehen, das Gesetz werde , noch einmal von der Kammer geändert, im Senat überhaupt nicht bewilligt werden. Liegt so die Wahrscheinlichkeit vor, das Gesetz in der Fassung des Senats angenommen zu sehen , so gewinnen die Erklärungen des Kriegsministers im Senat während der Beratung ein besonderes Interesse. Wir werden sie daher wie später die gebliebenen Gegensätze zwischen Senats- und ersten Kammerbeschlüsse, im folgenden dem Sinne nach kurz zusammenstellen. Sie umfassen: 1. die Angabe, dafs die Mehrkosten der 2jährigen Dienstzeit rund 22 Millionen betragen würden, bei Annahme des Prozentsatzes des Senats an Kapitulanten aber mehr. 2. Die Versicherung, daſs bei 2jähriger Dienstzeit man dieselbe Iststärke erhalten werde, wie jetzt, die Etatsstärke und Bereitschaft der Truppen in den Grenzkorpsbezirken könnten .
aber steigen
3. Die Erklärung, dafs man bei der Kavallerie, dank den Kapitulationen auf kürzere und längere Zeit (bei der Senatsberatung hat man übrigens 1'- und 2 ' , jährige Kapitulation festgesetzt, um beim Ausscheiden des ältesten Jahrganges einen möglichst starken, aktiven Stamm und mehr Hilfspersonal für Rekrutenausbildung zu haben) ebensoviel mehr als 2 Jahre dienende Leute haben würde, als bisher. 4. Daſs man sich über den nötigen stärkeren Zuflufs an Kapitulanten nicht den Kopf zu zerbrechen brauche. 5. Der Hinweis darauf, dafs die Leute der Hilfsdienste zwar im Kriege nicht als Fechtende in den Reihen in Frage kommen, wohl aber 112000 geschulte und völlig felddienstfähige Reservisten für Feldzwecke frei machen . 6. Die Bemerkung, dafs die Einbufse eines Jahrganges von St. Cyr und der polytechnischen Schule durch das im Gesetz vorgeschriebene Dienen im Mannschaftsstande vor Besuch der Schulen bei der Infanterie nichts schade, da man 545 Offiziere über den Etat besitze, (Gesetzentwurf zu deren Beseitigung s . früheren Bericht vom Budgetausschufs angenommen) bei der Kavallerie 1) Das ist während des Druckes erfolgt, vorbehalten hat sich die Kammer aber ein Sondergesetz, das die Übungszeit der Reservisten und Landwehrleute abkürzt.
Umschau.
475
und Feldartillerie aber zum Teil dadurch ausgeglichen werde , daſs man im nächsten Jahre an Unteroffizieren , Offizieranwärtern zu den Schulen von Soumur und Versailles statt 80 deren 124 zulassen. Anknüpfend an die oben angedeutete Annahme von Kapitulationen auf 1½ und 2¹2 Jahre durch den Senat, weisen wir bier zweckmäfsig wohl auch auf die neuen Bestimmungen des Kriegsministers , betreffend die 3jährig - Freiwilligen hin. Die Begründung des Erlasses betont,
dafs
bis jetzt der Kriegsminister im
Januar und September die Zahl der auf 3 Jahre zuzulassenden Freiwilligen bestimmt habe , die Ziffer der Freiwilligen auf 4 Jahre aber unbeschränkt gewesen sei . Bei der den 3jährig-Freiwilligen gelassenen Freiheit in der Wahl der Garnison konnte es vorkommen, dafs stellenweise starker Andrang stattfand und man den Etat überschritt, daher die Notwendigkeit, die zulässige Ziffer zu bestimmen, um
einesteils Etatsüberschreitungen zu verhindern,
gleichmässige Verteilung dieses da nun die
Einführung
andernteils
wertvollen Materials
der 2jährigen
eine
sicherzustellen ,
Dienstzeit bevorsteht, bei
welcher die 3jährig-Freiwilligen das werden,
was die 4jährig - Frei-
willigen beim Gesetz 1889 waren , die Hauptquelle für Ersatz an Unteroffizieren, ferner man in die Lage kommen wird, den ersten nach Bekanntgabe des neuen Gesetzes eingestellten Rekrutenjahrgang schon
nach 2
aktiven Dienstjahren zu entlassen,
also gleichzeitig
2 Jahrgänge heimzusenden und dann nur einen ausgebildeten Jahrunter den Waffen behält, die Übergangszeit aber bei den Kadres umso leichter überwunden wird, je mehr 3jährig - Freiwillige man hat, die schon seit dem März bezw. Februar dieses Jahres dienen so hat der Erlafs vom 30. Januar eine Steigerung der Zulassungen von 3jährig - Freiwilligen angebahnt. Die Zulassungen sind unbeschränkt bei allen Truppen, einschliesslich Fulsartillerie in dem Bereich des 6. , 7. , 20., bei den Jägern auch das 14. und 15. Korps, bei den Kavalleriedivisionen (6 Regimenter ausgenommen) und ihrer Artillerie der Zuavenregimenter, bei Chausseurs d'Afrique , den Gebirgsbatterieen beim 14. und 15.
Korps, bei
einer grofsen
Anzahl anderer Truppen wechselt die Ziffer von 6-50 . Freiwillige für die Flottenbemannung
3jährig-
werden in diesem Jahre aus
der Binnenlandbevölkerung nicht angenommen, auch erhalten die Bataillone leichter afrikanischer Infanterie keine Freiwilligen. Wie man sieht trifft der Kriegsminister auch hier Vorbereitungen für den Übergang zur 2jährigen Dienstzeit. Was an Gegensätzen zwischen den jetzigen endgültigen
Beschlüssen des Senats und dem Kammertext zum Teil auch gegen
Umschau .
476
die Ansichten des Kriegsministers bestehen geblieben ist und mit dem sich, wie schon oben bemerkt, die Kammer wohl wird abfinden müssen, wenn das Gesetz noch vor Ostern unter Dach und Fach gebracht werden soll, sind kurz die folgenden : 1. Verwerfen einer Musterung vor der Aushebung. 2. Dienstzeit im Mannschaftsstande für die Zöglinge der militärischen und der sog. grofsen Schulen,
wobei der Senat den
Grundsatz der Gleichheit zwischen den Zöglingen der letzteren und den übrigen Mannschaften dadurch Rechnung getragen hat, dafs alle Leute nach 1 Jahr aktiver Dienstzeit sich zur Prüfung für Reserveoffizieraspiranten melden, bei deren Bestehen nach Bedarf und Ergebnis der Prüfung zu Reserveoffizieranwärtern ernannt werden können, als solche ein Semester besonderer Ausbildung erhalten und nach Bestehen der Offizierprüfung dann das 4. Semester als Unterleutnants der Reserve dienen. 3. Der Prozentsatz an Kapitulanten unter den Unteroffizieren und Korporalen, indem der Senat auf 3 , bezw. 1/2 besteht. 4. Die Übungsdauer der Reserve und Landwehr,
Senat 2 × 28
und 1 X 13 Tage gegen 2 × 21 und 1 × 8 , die der Kriegsminister als ausreichend erklärte und 2 X 15 bezw. 0 Tage, die die Kammer beschlossen. 5. Dienstzeit der Algerier und Tunesier,
die der Senat entgegen
dem Kriegsminister und der Kammer auf 2 Jahre festsetzte. 6. Ganz andere Vorbedingungen für den Eintritt von 4 % des Rekrutenkontingents vor dem dienstpflichtigen Alter, indem diese Leute sich zu 3 Jahren verpflichten müssen und nach 2 Jahren nur dann entlassen werden, wenn
sie
bestimmten
Anforderungen an die militärische Ausbildung genügen. 7. Inkrafttreten des Gesetzes 1 Jahr nach der Bekanntgabe , während die Kammer den 1. Januar nach Bekanntgabe festsetzte . Wie man sieht, bleiben Reibungsflächen genug für den Fall, dals die Kammer sich nicht entschliefst, die Beschlüsse des Senats en bloc" anzunehmen und damit den Hin- und Herschiebereien ein Ende zu machen .
Bericht über
Der Bericht von Klotz , Berteaux's Nachfolger als Berichterstatter das Kriegs- über das Kriegsbudget 1905, verdient nach sehr vielen Richtungen budget 1905. hin besondere Beachtung. Wir begegnen einer neuen einfacheren Anordnung des Stoffes, so z. B. sind alle Ausgaben für Verpflegung in einem Kapitel vereinigt, der Bericht ist ferner reich an neuen Vorschlägen . Der Berichterstatter bezeichnet das Budget 1905 als ein „ Liquidationsbudget" für die 3jährige Dienstzeit, von deren Kosten keine mehr auf das neue System der 2jährigen
übergehen
dürften
Umschau.
das Budget sei hältnisse.
477
also auch ein Übergangsbudget
in die neuen Ver-
Die Vorgeschichte des Betrages, den der Budgetausschuss
der Kammer in dem Bericht zur Annahme vorschlägt, ist eine interessante .
Der ursprüngliche von
General André
im Mai 1904 ein-
gebrachte Voranschlag verlangte 679 323 916 Frs., Berteaux als Berichterstatter wies nach, dafs man mit diesem Betrage aus den verschiedensten Gründen, besonders auch wegen der wachsenden Rekruteneinstellungen und der nötigeren höheren Summen für Prämien an kapitulierende Unteroffiziere (+ 2000) , höhere Kosten der Lebensmittel, nicht auskommen könne, vielmehr einen ErgänzungsKriegsminister gekredit von mindestens 13 Millionen brauche. worden, kam Berteaux dann mit einem endgültigen Budget, das im Er konnte nicht leugnen, ganzen 4 170 184 Frs . mehr forderte. dals sich eine um 20000 Mann höhere Ziffern von Rekruten ergeben habe, zum Teil wegen der sehr viel gröfseren Zahl der 1903 zurückgestellten ( + 35000), von denen sich ein gröfserer Prozentsatz bei der Aushebung des Jahrgangs 1904 als tauglich erwies , dann aber auch, weil zahlreiche
(über 2600)
Rekrutierungsgesetzes
von 1889
der Leute
nur 1 Jahr
nach Artikel 23 zu
dienen
des
brauchten,
sich zur Einstellung in diesem Herbst gemeldet, um des Vorzugs noch teilhaft zu werden . Er schlug aber vor, den Überschuls zu beseitigen durch Entlassung
aller
Leute, dann durch Vermehrung
mit
kleinen Fehlern
behafteten
der Familienstützen von 300 auf
1000 endlich durch Vermehrung des Prozentsatzes an Beurlaubten von 8 auf 10 %-
Der Budgetausschuss
genehmigte
damals
nur den
ersten Vorschlag, der Überschufs bleibt mit 11600 Mann bestehen.
Der
Budgetausschufs hat die Ziffern des von Berteaux eingebrachten endgültigen Budgets um 9316743 Frs. gesteigert, mit der erklärten Absicht, die Verteidigungskraft des Landes nicht zu schwächen, spätere Ergänzungs- bezw. Nachtragskredite auszuschliefsen und der Zusatz erscheint ihm geboten, wegen des um 11600 Mann höheren Rekrutenkontingents und der höheren Preise der Lebensmittel und Fouragen. 692716743
Damit kam man zu einem Kriegsbudget von im ganzen Frs. ,
d . h.
ein fast um 13,5
General André ursprünglich verlangt hatte.
Millionen höheres
als
Gegenwärtig finden, wie
wir hier gleich bemerken wollen, zwischen Kriegsminister und Budgetausschuss der Kammer Verhandlungen darüber statt, wie man zur Herbeiführung des Gleichgewichts im Staatshaushalt etwa Ersparnisse bei Fourage und durch Vermehrung der Urlaube von 8 auf 9,6 --- aber nur in der Ernte zu gewähren herbeiführen könnten . Schlagend sind die Sätze, mit denen der Bericht die Redensart von der „Inproduktivität des Heeres" widerlegt, von Interesse, Bemerkungen
Umschau.
478
über den Offizierersatz . Mit 10 % des jährlichen Bedarfs an Unterleutnants aus „ adjudants “ , die nach 10jähriger Dienstzeit ohne Prüfung
befördert werden (Erlafs vom 18. Juni 1904)
scheint den
allgemeinen Wünschen noch nicht genügt zu werden , die Prüfungen für die Militärschulen werden als zu schwierig bezeichnet, der Berichterstatter empfiehlt durch die retraites proportionelles" jüngere frische, frühere aktivere Offiziere für die Reserveformationen zu gewinnen, lieber eine „Reserve an Offizieren ", als Reserveoffiziere zu schaffen. Von besonderem Interesse ist die im Bericht behandelte Frage der 4. Bataillone, nach den Andeutungen des Berichts gewinnt es fast den Anschein, als habe in Frankreich vorübergehend einmal der Gedanke bestanden, die 4. Bataillone sämtlich aufzulösen,
sei dann
aber wieder aufgegeben worden, so dafs jetzt davon keine Rede mehr sei . Nachdem man 1903 die Auflösung von 76 Kompagnien vierter Bataillone natürlich solcher, die 1897 bei den Subdivisions - Regimentern durch Erlafs genehmigt wurde - bewirkt, bleiben heute 83 volle vierte Bataillone übrig, davon 18 der durch Gesetz vom 20. Juli 1891 errichteten 18 Regional- Regimenter (Bataillone, die also auch nur durch Gesetz wieder beseitigt werden können) , 65 gehören Subdivisions- Regimentern an. Aufserdem bestehen heute noch 22 Halbbataillone zu 2 Kompagnien , im ganzen also 376 Kompagnien 4. Bataillone . Sie verteilen sich auf Infanterieregimenter der Grenzkorps (Osten, Nordosten, Südosten), der Garnison Paris, Korps an der Küste, sowie auf einige Städte im Innern, die für vierte Bataillone Kasernen gebaut und denen man also die Garnison nicht gut nehmen konnte. Die Halbbataillone sind zum Teil bestimmt, in Cherbourg und Brest die Kolonialtruppen zu ersetzen, die man Mit dem diesjährigen nach den Südhäfen zu verlegen beabsichtigt. Rekrutenkontingent ist man nach dem Bericht in der Lage, den 4. Bataillonen ihre Sollstärke zu geben. Der Bericht bezeichnet die Annahme,
dals mit der Auflösung der 4.
Bataillone
Offiziere überflüssig würden , als einen Irrtum,
auch deren
die Offiziere mülsten
zu den gesetzlich bestehenden „ cadres complementaires " zurücktreten und die Unteroffiziere und Mannschaften auf andere Bataillone verteilend , ersparte man bei Auflösung eines 4. Bataillons jährlich 807 Frks. , verlöre aber die aktiven Stämme, die für die Reserveformationen bei der Mobilmachung hohen Wert besälsen. ― Die Versuche mit Radfahrbataillonen
bezeichnet der Bericht als mifs-
lungen, 1905 bestehen Radfahrerkompagnien als 6. bei den Jägerbataillonen, 2 und 4 des XX . , 9, 18 , 25 des VI. Korps, im ganzen also 5 ; bei der Mobilmachung wird aber eine gröfsere Zahl gebildet .
Umschau.
479
General André hatte bei seinem Voranschlag im Mai 1904 mit einer Budgetstärke von 519 100 Mann gerechnet, auf das nachdrückliche Ersuchen des Finanzministers dann aber sich mit 515600, dem AnDie stärkeren Rekruteneinstellungen satz für 1904 begnügt. zwangen dazu,
auf 533 100 ohne Sonderstäbe
und Schulen
zu
kommen und mit diesen auf 539745 Budgetstärke, davon ab die oben berührten Abstriche. Die Durchschnittsstärke würde also, nach dem Durchschnitt der früheren Jahre an Mehr gegenüber der Budgetstärke, über 575000 Köpfe betragen. - Der Bericht berührt dann die Absicht des Kriegsministers, im Kriegsministerium ein besonderes Departement für Militärschulen und Rekrutierung zu schaffen, dafs alle auf die Schulen bezüglichen Fragen vereinigt und einesteils den Generalstab, andernteils auch die Waffendirektionen des Kriegsministeriums entlastet. Die Zentralisierung aller auf die Militärschulen bezüglichen Fragen wird als besonders nötig bezeichnet auch deshalb, weil die logische Folge des Gesetzes betreffend die 2jährige Dienstzeit und des darin bestimmten Dienens anwärter
im
Mannschaftsstande,
Änderungen
im
der Offizier-
Programm
der
Schulen snin würden, das Departement wird aus einem Kabinett mit 2 Abteilungen bestehen, seine Einrichtung bringt durchgreifende Änderungen, nur in der Einteilung der Infanteriedirektion mit sich , die ihre 3. Abteilung verlöre , ihre 2. die Schulfrage
einbüfsen und
ihre 4. auf die Angelegenheiten der Reserve- und Landwehroffiziere der Infanterie beschränkt sehe . Die Direktion bestände dann nur aus 2 Abteilungen, von denen die erste unter Beibehalt ihrer bisherigen Aufgaben von der bisherigen 2. alle rein militärischen Fragen, vor allem auch Ausbildung und Mobilmachung der Infanterie zugewiesen erhalten, die 2. das Reservepersonal, die Militärmusiken , Geschenke und Zuweisungen und Fonds der Truppen bearbeite. Ein in das Auge fallende, aber auch Erleichterung der Übersicht hinwirkende Neuerung in der Einteilung des Budgets bildet die Verringerung aller Ausgaben für Verpflegung im Kapitel 43 , das früher die Bezeichnung frisches Fleisch, Konserven, Salzfleisch_trug und jetzt 99 Verpflegung der Truppen " genannt wird. Durch Übertragung aller Ausgaben für Verpflegung
aus den Kapiteln „ Sold “
der verschiedenen Waffen (aus Kapitel 14 , Sold der Infanterie , das bisher 115 Millionen anfwies z . B. 28 Millionen) erreicht das Kapitel eine Höhe von rund 45 Millionen. Bei der Besoldung der Infanterie kam auch die Frage der Gleichheit der Besoldung bei allen Truppen zur Sprache. Wir weisen hier nur kurz darauf hin, daſs man beabsichtigt, die kapitulierenden Unteroffiziere sämtlich auf die bis jetzt nur bei
den berittenen Truppen bezogene Besoldung hinauf-,
Umschan
480
die nicht kapitalierenden Unteroffiziere aber auf die Besoldung derjenigen der Infanterie herabzusetzen. — Der Bericht über das Budget 1905 berührt ferner eine wichtige Frage, die in der am 18. Februar 1905 unter Vorsitz des Präsidenten Loubet stattgehabten Sitzung des oberen Kriegsrats, neben derjenigen Eingliederung der neuen leichten Feldhaubitzbatterien ( 10.8 cm) in deren Massenherstellung man, wie schon gemeldet, bereits eingetreten und derjenigen der Verteidigung der französischen Besitzungen in Ostasien (60000 Mann, die man dort aufbringen kann, werden als zu wenig erachtet, 6000 Mann Kolonialtruppen aus Europa gehen nach und nach aus Europa ab, aufserdem wird eine Hebung der Küstenverteidigung und eine Neubildung eingeborener Einheiten mit französischen Offizieren und Unteroffizieren eintreten) zur Sprache kam, das Gepäck der Soldaten. Das technische Infanteriekomitee hat. nach der Probe bei den letzten grofsen Manövern vorgeschlagen, den Infanteristen ,
der
heute
allein
einen Tornister
von 8,3 kg
schleppt, soll ein weicher Tornister von 3,5 kg Gewicht mit Inhalt (ein Hemde,
eiserner Portion, Kochgeschirr) erhalten , die Patronen
und Schanzzeug am Leibriemen tragen. Der Kompagniepatronenwagen enthält keine Patronen mehr, dafür erhält aber jedes Bataillon einen besonderen Patronenwagen sechsspännig. Der Kompagnie. patronenwagen nimmt für jeden Mann eine wollene Unterjacke, Schnürschuhe,
Bürsten usw. auf.
Die Kameradschaftskochapparate
und die Kantinenwagen fallen fort, ebenso der Regiments - Bekleidungsreservewagen, an Stelle des letzteren tritt ein Werkzeugwagen mit Schanzzeug. Kapitel 20, Manöver, weist im ganzen auf, rund 9½ Millionen und ist um etwa 370000 Frs . geringer bedacht als 1904. Der Budgetausschufs
hat bei diesem Kapitel an den Minister die Frage
gerichtet, ob es möglich geworden sei, die bei Beratung des Budgets 1904 von dem Ausschuls verlangten Armeemanöver mit Kadres auf Kriegsfuls
abzuhalten .
Das wird vom
Kriegsministerium als
naturell unmöglich und auch nicht zweckentsprechend bezeichnet. Anders sei es mit Generalstabsreisen im Armeeverbande, auch der Dienst im Rücken der Armee sei bei Reisen der Etappengeneralstäbe beachtet worden.
Eine Zusammensetzung der sämtlichen Stäbe, wie
im Kriege habe aber bei diesen Übungsreisen nicht stattfinden können. Von Interesse ist es, aus dem Bericht zu erfahren, dals man sich eine mobile Armee im allgemeinen aus 4 Armeekorps, 3 Reservedivisionen, 1-2 Kavalleriedivisionen bestehend denkt. Bei den Manövern in den Alpen hat das Kriegsministerium folgende Angaben gemacht : 11 Gruppen zu je 1 Jägerbataillon à 6 Kompagnien,
Umschau.
481
1 Gebirgsbatterie, 1 Geniedetachement, ein 13. aus einem besonders gegliederten Infanteriebatalillon (97. Regiment Chambary) halten Übungen im Gebirgskriege ab für die Jägerbataillone 85, das Infanteriebatailon 75, die Gebirgsartillerie 60 und für die Geniedetachement 125 Tage.
Die Übungen beginnen schon im Frühjahr
und hält man darauf, dafs man in dieser Zeit pro Bataillon, gewissermafsen als Sicherung gegen die italienischen Gebirgstruppen, pro Bataillon 2 Kompagnien an der Gebirgsgrenze hat. Bei den Übungen der Kavallerie erfahren wir aus dem Bericht, dafs die Erhöhung des Kredits um 6500 Frs . (im ganzen 56500) für das bis 1904 und stattgehabten gefechtsmäfsigen Abteilungsschiefsen der Kavallerie, diesem eine weitere Entwickelung zu geben erlaubt . In den Beträgen ist der Preis der zu verbrauchenden Munition nicht enthalten. Ebenso wird
ersichtlich,
daſs
man
zur Bespannung der Feldfahrzeuge der
Stäbe und der Infanterie im Durchschnitt jährlich 2400 Pferde den Artillerieverbänden entnahm, die Artillerie konnte daher bei den Korps,
die
nicht Armeemanöver abhielten, nicht durchweg in ihrer
normalen Zahl 2 Batterien. Eine
auftreten,
die Abteilungen erschienen zum Teil zu
neue Vorschrift
für den Dienst der Artillerie im Neue Vor-
Belagerungskriege , die schon am 20. Oktober 1904 vom Kriegs- schrift für den Dienst minister genehmigt worden, ist jetzt in die Hand der Truppen ge - der Artillerie langt, besser gesagt, der Entwurf einer solchen Vorschrift. Sie im Belagerungskriege, ergänzt die allgemeine Vorschrift über den Belagerungskrieg vom 4. Februar 1899 und ersetzt die Vorschrift für die Artillerie vom Mai 1902.
Wo
die
Weisungen der
allgemeinen
Vorschrift
nicht
Änderungen erfahren, werden sie wörtlich wiedergegeben, so z. B. im Abschnitt I, Allgemeine Grundsätze. Abschnitt II behandelt die Organisation der Belagerungstruppen und Dienst derselben. Wir entnehmen aus ihm kurz, dafs jeder Artilleriebelagerungspark, im allgemeinen von einem General kommandiert, sich zusammensetzt aus 3 oder mehr Abteilungen und einem Park. Die Abteilung bildet die taktische Einheit und umfafst das Personal und Material für eine Anzahl von Belagerungsbatterien, deren Feuer einheitlich durch einen Oberstleutnant geleitet wird und die sich in Übungen in Gruppen unter dem Kommando von Stabsoffizieren gliedern . Jede Abteilung verfügt über das nötige Personal zum Aufstellen von Sektionsplänen für das Schiefsen, Beobachtungs- und Meldepersonals . Der Park hat die Aufgaben, Munition und Material zu sich von hinten nach vorne
ersetzen und gliedert
gerechnet in den Zentralpark in der
Nähe der Ausladestation , feindlichem Feuer entzogen, bestimmt Material aller Art aufzunehmen und zu verwalten, Abteilungsparks
Umschau.
482
für jede Abteilung einer und Zwischendepots, deren Munition nur, in aufserordentlichen Fällen verbraucht wird . Es ist von Interesse festzustellen, dafs die Vorschrift schätzungsweise mit einem Munitionsverbrauch von täglich 1400 kg für die 9,5 cm, 2300 kg für die 12 cm, 3500 kg für 15,5 cm Haubitze, 3800 kg für die lange 15,5 cm Kanonen und 7300 kg für den 22 cm Mörser rechnet. Auf die in diesem
Abschnitt
beleuchteten
Aufgaben
des
Kommandeurs
des
Belagerungsparks , der Abteilungen, der Leiter des topographischen Beobachtungs- und Meldedienstes des Parks, die dessen Direktor zur Verfügung hat, des Kommandeurs des Divisionsparks, des Chefs der Zentraldienste,
des Chefs
der Truppen
des Zentralparks ,
des
Chefs der Transporte des Zentralparks können wir hier nicht näher eingehen. Der Erfolg der Tätigkeit der Belagerungsartillerie verlangt Einheitlichkeit der Gesichtspunkte in der Verwendung aller verfügbaren Mittel, andererseits ist es aber auch notwendig, dafs die Offiziere, welchen die Leitung des Feuers in bestimmten Abschnitten obliegt, in der Lösung ihrer Aufgaben möglichst freie Hand behalten. Das Legen von Schmalspurbahnen übergehen wir hier. Abschnitt III beschäftigt sich mit dem Gang der Belagerung vor der Einschliefsung ob Erkundungen, zeitig anordnet,
die
der
Kommandeur der Belagerungsartillerie
um dem Führer der Belagerungstruppen die Mög-
lichkeit zu geben, die Angriffsfront richtig zu wählen, werden zunächst beleuchtet nebst strategischen und taktischen Rücksichten muſs dabei
auch die Beachtung
der leichteren und
schnelleren Heran-
führung des Materials, da Deckungen für Annäherung und Anlage von Batterien und die Aussicht auf wirkungsvolles Schiefsen folgen . Von der Wirkung der Artillerie, sagt die Vorschrift, hängt zunächst der Erfolg ab. Ein gründliches Studium des Geländes mufs also der Wahl der Angriffsfront und den folgenden Anordnungen vorausgehen.
Dank
der erweiterten Anwendung
des
indirekten Feuers,
können die Angriffsbatterien feindlicher Sicht entzogen werden, Bau von Batterien nur bei Nacht. Das Schiefsen der Batterien baut sich auf der Schiefsvorschrift für Festungs- und Belagerungsartillerie vom 11. Juni 1904 auf. Der 2. Teil der Vorschrift behandelt die Verteidigung und zwar
zunächst des Personals der Verteidigungs-
artillerie, Festungsbatterien und Feldbatterien, Einteilung der Festungsartillerie in Sektionen unter einem Führer, dieser hat nach der Vorschrift, eine Aufgabe, die derjenigen einer Abteilung der Belagerungsartillerie . Die Vorschrift beleuchtet auch die Aufgaben des Kommandeurs der Artillerie eines Forts . Für den Munitionsersatz finden wir folgende Gliederung : 3. Zwischendepots,
4.
1. Zentralmagazin,
Batteriemagazine ,
5.
2. Sektionsmagazine, Fortsmagazine.
Von
Umschau.
483
Interesse sind die Fingerzeige für die Einrichtung des Vorgeländes und der Widerstandszentren in diesem, die von Feldtruppen besetzt werden und in dem man entweder Feldgeschütze oder auch Geschütze schweren Kalibers aufstellt. Während des Kampfes um das Vorgelände soll der Beobachtungsdienst die Lage der feindlichen Parks, die Verbindungsbahn und den Punkt festzulegen suchen, an denen der Gegner Batterien baut. Sobald die Angriffsfront erkannt ist, müssen alle in Frage kommenden Abschnitte an Artillerie verstärkt Die Verteidigungsartillerie mufs versuchen, die Angriffsartillerie zum Schweigen zu bringen, Verschiebungen zu hindern, die Beobachtung des Angreifers, namentlich auch seine Ballons zu stören und den Bau neuer Batterien auszuschliefsen.
werden.
Der Präsident der Republik hat auf Veranlassung des Kriegs- Ersatz der Intendantur. ministers einen Erlafs unterzeichnet, der verschiedene Änderungen in den Bestimmungen über den Ersatz des Intendanturpersonals bringt. Für den anderen Wind, der im Marineministerium weht, seit Marine. Thomson der Nachfolger Pelletans geworden, spricht nicht nur die Wahl des Vizeadmirals Touchard zum Chef des Admiralstabes , sondern auch eine Reihe von Erlassen,
von denen einige die durch
Pelletan geschädigte Autorität der Marinepräfekten in den Arsenalen wieder heben, andere, die technischen Marinekomitees und Sektionen in Paris neu ordnen, so dafs es nicht mehr vorkommen kann, was Bertin vor dem Marineuntersuchungsausschufs entwickelte, dafs er nämlich Schiffsbaupläne entworfen und dann andere Sektionen durch ibre Kessel und Maschinen zu Änderungen der Abmessungen , d. h. zu
voller Neuarbeit zwangen.
Der Marineminister Thomson
hat
auch den Abteilungschefs in seinem Ministerium erklärt, dafs er gemeinsam mit ihm arbeiten werde, während Pelletan nur durch seinen Kabinettschef Tissier mit ihnen verhandelte. Im Ministerrat hat der Marineminister dem im übrigen der Budgetausschufs der Marine die Genehmigung zu Änderungen in dem von seinem Vorgänger aufgestellten Etat H (Schiffsneubauten) gegeben - erklärt, dafs der 1905 im Bau zu legende Panzerkreuzer nach dem verbesserten Typ : Ernest Rénan gebaut werden und den Namen Waldeck-Rousseau erhalten soll.
Das Arsenal
in Saigon
soll baldigst die nötigen Ein-
richtungen erhalten, um auch grofse Schiffe reparieren zu können. Die Verhandlungen über das Marinebudget in der Kammer bildeten eigentlich eine fortgesetzte Kritik des Systems Pelletans , besonders auch durch den Vizeadmiral Rienaimé . Eine scharfe Kritik
übte
auch
der Berichterstatter
für
das Marinebudget Bos,
eine sehr viel schärfere als in dem Bericht über das Marinebudget, auf den wir wegen manchen Stellen von allgemeinem Interesse in
Umschau.
484
seinem Inhalt, weiter unten zurückkommen müssen.
Niederschmetternd
wirkte seine Mitteilung, dafs der Kohlenvorrat hinter dem Sollstand zurückbleibe und ungenügend sei , daſs die Munition des Mittelmeergeschwaders in einem einigermaſsen lebhaften Kampfe von 2 Stunden aufgebraucht würde, weiter, dafs infolge der Verzögerungen im Bau der im Flottenprogramm vorgesehenen Schiffe Frankreich von dem systematisch vorgehenden Deutschland überholt (?) werde. Mit diesem Flottenprogramm dürfe sich Frankreich nicht mehr begnügen. Der Bericht über das Marinebudget stellt als das Bezeichnende desselben das Wachsen der Ausgaben fest,
berechtigt durch die so
aufserordentlich gestiegene Bedeutung der Flottenkraft für die Sicherung des Kolonialbesitzes und für die Weltpolitik Frankreichs. gaben für die Flotte seien im übrigen durchaus
Die Aus-
nicht in demselben
Verhältnis gewachsen, wie die Ausgaben für Handels- , Kolonial-, Postministerium. Immerhin habe das Budget mit 312 Millionen rund, im Jahre 1904 schon 8,77 % der ganzen Staatsausgaben betragen ( 1905 : 318 , Millionen). Wenn die Ausgaben für die Marine stellenweise die Ansätze übersteigen, so müsse man beachten ,
dafs
dies in den Budgets anderer Ministerien weit mehr der Fall sei, obwohl bei ihnen das „ Unvorhergesehene" nicht eine so grofse Rolle spiele. Ein Vergleich der französischen Flotte mit der britischen sei ein Unding,
wohl
aber könne man die französische Flotte mit
der deutschen vergleichen, zumal bei beiden Marinen ziemlich gleichzeitig im Flotten erweiterungsplan dazu die Handhabe boten, der deutsche Plan vom 14. Juni 1900 bedeute ein wirkliches Organisationsgesetz .
Die französische Republik, die sehr kräftige Kampfschiffe
für die Erhaltung ihres Einflusses
in
europäischen Gewässern und
zahlreicher bereits mobiler Verteidigungen zum Schutze der langen Küste und der Kolonien brauche, schon ihre Flotte in Einheiten für den Hochseekampf und solche für die Verteidigung der Küste zu gliedern. Deutschland , dessen Küstengewässer schwer fahrbar und dessen Kolonien wenig zahlreich, brauche hauptsächlich Kampfschiffe und seine letzten Neubauten trügen besonders scharf ausgeprägt einen offensiven Charakter. Ende 1907 würden die folgenden Staaten haben Deutschland, Frankreich, Rufsland, Verein. Staaten, Italien, Österreich
28
21
23
19
16
zer u. grofse Kreuzer 15
23
14
28
6
2
Torpedobootsjäger 22
58
35
16
13
7
Panzer
27¹)
Panzerkreu-
1) Hierunter jedoch 8 durchaus minderwertige Schiffe (die Küstenpanzer der Siegfriedklasse), welche als Schlachtschiffe nur auf dem Papier stehen .
Umschau.
485
Bei Rufsland seien dabei alle gegenwärtig im fernen Osten vorhandenen Schiffe ausgelassen. Aufser den genannten Schiffen aber noch eine Reihe von anderen nicht mehr völlig heutigen Ansprüchen genügend, deren Erhaltung
aber doch einen guten Bruchteil der
120 Millionen ( 1905 : 121 ) , die für Schiffsneubauten jährlich verfügbar, absorbierte. Verkaufte man diese Schiffe nach dem Beispiel Englands , so könnte man die Flotte jährlich um 3 neue Kampfeinheiten vermehren ; der Bericht schneidet dann die Frage der Fusion von Linienschiff und Panzerkreuzer zu einem Einheitstyp wieder an, der mit der Schnelligkeit und dem Aktionsradius des Kreuzers, das Deplacement und die Artillerie eines Linienschiffes vereinigen sollte , und sieht zu beweisen , daſs man mit einem solchen Typ und bei Verwendung von 15 Millionen mehr jährlich für Schiffsneubauten von 1906 ab im Jahre 1912 über 49 grofse moderne (keins vor 1890 abgelaufen) verfügen und die Vereinigten Staaten, wie Deutschland weit überholen könne. Wenn es notwendig sei, die Typs zu vereinheitlichen, so müsse man auch zur Beseitigung der Vielfältigkeit bei den Geschützen kommen , die heute die Arsenale zu einem ,,Museum" mache. Gebiete es die Rücksicht auf die Aus bildung, die Zahl der im Dienst gehaltenen Schiffe möglichst grofs und die grofsen Flottenmanöver wieder hinzustellen zu machen so bedürfe man auch einer bedeutenden Steigerung der Bemannung. Sie sei von 1900 bis 1905 schon von 26000 auf 29000 gewachsen, nach Durchführung des Flottenplanes von 1900 brauche man 36000 . Es sei aber mehr als zweifelhaft, ob die beiden Quellen , Eingeschriebene der seemännischen Bevölkerung und Freiwillige, unter allen Umständen ausreichen würden, den Bedarf zu decken . Erstere lieferten im Durchschnitt bis jetzt 3600 Mann zu vier- , 1000—1200 Mann zu einjähriger Dienstzeit, die Freiwilligen zu 3 bezw. 5 Jahren lieferten im Durchschnitt 4200. Die Herabsetzung der aktiven Dienstzeit für die Armee werden in absehbarer Zeit die Herabsetzung der aktiven Dienstdauer auch für die Eingeschriebenen nach sich ziehen und aufserdem wohl der Zudrang an Freiwilligen beschränken. Man müsse also für diese letzteren die Zugkraft des Marinedienstes durch höheren Sold , Dienstzeit steigern. der veralteten : Sofort bereit :
gröfsere Prämien, Versorgung Flotte
an Dampfschiffen
nach
längerer
1905 nach Abstrich
12 Liniensch. , 4 Küstensch. , 19 Panzerkreuzer,
4 gesch. Kreuzer, 32 Torpedojäger, Reserve, nicht sofort bereit :
8 Linienschiffe,
5 Küstensch . ,
0 Panzerkreuzer, 30 gesch. Kreuzer, 3 Torpedojäger. 18
486
Literatur. Serbien.
Feldgeschütz versuche.
Nach der Erprobung einer Skodabatterie, die im vergangenen Jahre stattgefunden aber zu keinem Ziele geführt hat, hat man auch in Serbien beschlossen, vergleichende Geschützversuche mit mehreren Systemen vorzunehmen. Zu diesem Zweck ist neuerdings eine Kommission unter dem Vorsitz des Obersten Solarovio ernannt und eine Summe von 300 000 Frs . bewilligt worden. Welche Geschützsysteme zur Erprobung kommen werden, lässt sich bei den vielen unkontrollierbaren und einander widersprechenden Gerüchten, die in dieser Beziehung verbreitet werden, mit Sicherheit noch nicht feststellen. In den meisten Nachrichten heifst es, das 5 verschiedene Systeme, und zwar von Creuzot, St. Chamond, Krupp, Ehrhardt und Skoda W. versucht werden sollen.
Literatur.
1. Bücher. Der Kompagnie- Chef, ein Ratgeber für Erziehung, Ausbildung, Verwaltung und Besichtigung der Kompagnie von v. Wedel , Major und Adjutant der 1. Gardedivision . Berlin 1905. E. S. Mittler & Sohn. Preis Mk. 4,00. Für den zum Kompagniechef heranstehenden Offizier bestimmt, umfafst dieses Buch die gesamte Tätigkeit des Kompagniechefs in ihrer ganzen Vielseitigkeit . Klar geschrieben, auf praktischen Erfahrungen aufbauend, bieten die meisten Abschnitte Belehrung und Anregung. Hervorzuheben ist besonders der von Major v. Ditfurth bearbeitete Abschnitt V über Gymnastik. Bemerkt mufs werden, dafs für die Vergleichs- Schulschiefsen eine viel zu hohe Zahl von Patronen (für die 1. Klasse z . B. 25) vorgeschlagen ist. Die Schiefsvorschrift setzt 12 Patronen dazu an und mehr sollte man dem Kompagniechef, welcher allein für die Schiefsausbildung seiner Kompagnie verantwortlich ist, niemals nehmen. Hier sei auf die in einer kürzlich bei A. Bath erschienenen Broschüre „Kampftechnische Vorschriften " hingewiesen, in welcher neben anderen praktischen Vorschlägen für die Vergleichsschulschiefsen die Festsetzung einer Leistungsgrenze nach unten gefordert wird , ein Vorschlag, welcher geeignet sein dürfte , eine gerechte Beurteilung der Kompagnien eines Armeekorps im Schulschiefsen herbeizuführen und jeden ungesunden Wettbewerb unmöglich zu machen. Zu kurz gekommen ist in dem Buche die Gefechtsausbildung.
Literatur.
487
Zunächst empfiehlt es sich keineswegs, für die Geländeausbildung Dieses wichtigste Gebiet der Rekruten Wochenzettel aufzustellen. unserer modernen Ausbildung verlangt zwar mehr denn alles andere ein Programm des Kompagniechefs ; aber in Wochenzettel läfst sich dasselbe niemals einzwängen. Witterung, Gelände und vieles andere verlangen hier eine mafsgebende Berücksichtigung . Sollen aber absolut Wochenzettel aufgestellt werden, dann müssen diese denn doch etwas weniger stiefmütterlich, wie auf den Seiten 41-50 geschehen , behandelt werden . Im Gelände soll alles das, und zwar zunächst auch nur das gelehrt werden , was füglich auf dem Exerzierplatz nicht erledigt werden kann. Auf den Exerzierplatz gehören zunächst alle Formen für das Schützengefecht und für den Übergang in die geschlossene Ordnung ; im Gelände dagegen ist gleich von Anfang an das so charakteristisch wechselvolle desselben und damit die Verschiedenheit seiner Ausnutzung zur Darstellung zu bringen . Hier steht die Ausbildung der Gruppe, nicht die des einzelnen Mannes obenan . Der einzelne Schütze soll im Gelände gerade lernen, dasselbe innerhalb seiner Gruppe zur Erreichung der besten Feuerwirkung auszunutzen . Als einzelner Schütze würde er vielfach einen ganz anderen Platz wählen müssen , sein Verhalten müfste auch ein ganz anderes sein . Der sogen . Schützendrill mufs dem Rekruten auf dem Exerzierund Zielplatz erst geläufig sein , bevor er im Gelände denselben anwendet. Auch hier sei auf diesbezügliche Ausführungen hingewiesen , welche in den bei A. Bath erschienenen Broschüren „ Drill und Erziehung“ und „ Kampftechnische Vorschriften " gemacht sind. Die Art und Weise, wie der Schützendrill mit Vorteil für die ganze Gefechtsausbildung eingeübt werden kann und mufs, ist darin in einwandfreier Weise geschildert. Nicht Pagoden sollen wir ausbilden , sondern gewandte , bis zu einem gewissen Grade selbsttätige Schützen . Die Geländebesichtigung der Rekruten hat entsprechend der Ausbildung im Gelände alles das zu fordern, was gerade im Gelände dem Schützen innerhalb der Gruppe und (als besonderes Gebiet) auch dem einzelnen Schützen lehrreich und abwechslungsvoll entgegentritt . Z. B. beim Heranarbeiten der Gruppe handelt es sich darum , ob die Gruppe kriechend oder springend Gelände gewinnt, aus welchem Grunde sie die eine oder andere Art des Heranarbeitens wählt, welchen Abschnitt sie erreichen, welche ungünstige Geländestelle sie schnell überwinden mufs, auf welche Weise sie einen überraschenden Sprung ausführen kann ; dieses und nicht , ob die Gewehre gesichert sind , dafs der „ Pfiff" verstanden wird , ist zunächst im Gelände das Wichtige , das Lehrreiche für die Rekruten . Der Schütze kann z . B. gar nicht sichern, wenn er gerade vor dem Kommando zum Sprung seinen Rahmen verschossen hat ; er springt dann 32 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 403.
488
Literatur.
mit abgedrücktem Gewehr vor, was um so weniger bedenklich ist, als in der neuen Stellung doch nicht sofort alle Schützen zu feuern brauchen ; auch braucht der Schütze Zeit zum Atemholen, Einrichten in der neuen Stellung. Zeit zum Laden und Sichern ist nach dem Sprung viel eher als vorher vorhanden . Die Anwendung des Pfiffs ist möglichst auf Ausnahmefälle zu beschränken, wenn man nicht eine dem ganzen Wesen des Schützengefechtes schädliche Unruhe hineintragen will. Von den Rekruten schon ungeleitetes Feuer zu verlangen, erscheint verfrüht. Zunächst sollen diese jungen Soldaten an eine straffe Feuerzucht gewöhnt werden und das allein ist schon so schwierig , dafs das ungeleitete Feuer füglich auf die Ausbildung der Kompagnie zu verweisen ist. Wenn, wie der Verfasser vorschlägt, diese Geländebesichtigung durch den Bataillonskommandeur abgehalten werden soll (die Gründe dafür sind nichts weniger als einleuchtend), so ist zu bemerken , dafs ein Regimentskommandeur jedenfalls mehr im Interesse des Dienstes handelt , wenn er im Turnen oder in der Instruktion sich nur einzelne Kompagnien zur Besichtigung herausgreift , dafür aber aufser der Exerzierbesichtigung auf alle Fälle die Gelände besichtigung , zweifellos doch die wichtigste , sich nicht nehmen läfst. Unsere moderne Gefechtsausbildung steht und fällt mit der Art und Weise , wie besichtigt wird. Das erkennt jeder an, welcher mit der praktischen Ausbildung der Truppe vertraut ist. Um so wichtiger erscheint der Hinweis darauf, dafs die Geländebesichtigung ausschliesslich vom Regimentskommandeur und zwar in einer dem heutigen Gefecht entsprechenden Weise abzuhalten ist, was gar nicht einmal leicht sein dürfte . Es gehört Überlegung und eingehende Vorbereitung dazu . (S. Kampftechnische Vorschriften . ) Über die Ausbildung der Kompagnie ist zu bemerken , dafs die Handlungen des Schützen ein exerzier-, also ruckmäfsiges Eindrillen absolut nicht vertragen . (Siehe hiergegen „ Kampftechnische Vorschriften" und Reisner Freiherr v. Lichtenstein .) Das, was im Abschnitt für die Kompagnieausbildung über die Geländebenutzung gesagt ist, gehört zweifellos in das Rekrutenpensum . Eine gewisse Unterschätzung der Wirkung feuerkräftiger Schützenlinien und der sie bedingenden Verhältnisse tritt hervor, wenn der Verfasser auf Seite 82 gegen einen eingegrabenen Gegner die dichte Schützenlinie verwirft und glaubt, mit dünnen Schützenlinien da besser den Feind niederkämpfen zu können (wohl noch Nachklang vom Burenkriege), oder wenn er auf S. 92 auf 1200 m nicht auf vorgehende Schützen feuern lassen will. Dagegen überschätzt er gewiſs unsere Kräfte, wenn er fordert, dafs bei einem Angriff die Schützenlinie nach erlangter Feuerüberlegenheit von 300-400 m ab in einem Hurra die feindliche Stellung nehmen soll. So leicht erledigt sich
Literatur.
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meistens in Wirklichkeit dieses letzte Stadium des Angriffs keineswegs. (Siehe „Kampftechnische Vorschriften" S. 56. ) Im Frieden aber zur Schonung der Leute, " wie auf Seite 78 empfohlen , ein anderes Verfahren zu üben , als man vor dem Feinde anzuwenden gedenkt, ist um so weniger empfehlenswert, als gerade in diesem Stadium des Angriffs das Verhalten des Angreifers ausschliesslich von dem Widerstande des Verteidigers abhängt, zu dessen Darstellung der Verfasser auf den Seiten 84-86 äusserst praktische Vorschläge macht durch Anwendung verschiedenfarbiger Flaggen. Bei der modernen Gefechtsausbildung handelt es sich darum , das Mechanische , Schematische möglichst von der Truppe fern zu halten , dagegen ihr, unter Festlegung alles dessen, was ein gewisses System verträgt, in der Anwendung der anzuwendenden Angriffsformen die gröfstmöglichste Freiheit zu lassen . Das aber, was für unsere Angriffshandlungen festgelegt sein könnte und daher auch müfste, ist auch in unserem Reglement meist recht stiefmütterlich behandelt. (Siehe „ Kampftechnische Vorschriften" .) Wenn schliesslich auf Seite 70 in dem Abschnitt über Exerzieren von scheinbaren " Widersprüchen die Rede ist, so kann man billigerweise verlangen, dafs dieselben auch aufgeklärt werden. geschieht aber keineswegs , sondern der Verfasser läfst in den folgenden Auseinandersetzungen auf S. 71 oben nur durchblicken, dafs in unserem Reglement der Gleichschritt keinen offiziellen Ausdruck erhalten hat , was ja zweifellos eine schon oft empfundene Lücke darstellt, welche offen einzugestehen man sich doch nicht scheuen sollte. (Inzwischen ist durch die neuen Takturen des E.R. dieser Gleichschritt eingeführt. ) Auf dem Exerzierplatz aber von dem erweiterten Gliederabstande beim „Marsch ohne Tritt“ „ausdrücklich abzusehen ", wie auf Seite 71 vorgeschlagen wird, dagegen im Gelände wieder darauf zu halten , das drückt unser Exerzieren zu einer Friedensspielerei herab, die es doch wahrlich nicht sein soll. Auch liegt darin ein grober Verstofs gegen einen Hauptgrundsatz unseres Reglements, welches in der letzten Nummer 125 des II. Teiles in gesperrter Schrift zum Ausdruck bringt, dafs die Truppe nach richtigen Gesichtspunkten ausgebildet ist, wenn sie das kann , was der Krieg erfordert und wenn sie auf dem Gefechtsfelde nichts von dem wieder abzustreifen hat , was sie auf dem Exerzierplatze erlernte. Die grofsen, allgemeinen , im Kriege bewährten vortrefflichen Gesichtspunkte unseres Reglements, der Geist, der darin weht, den herrlichen Offensivtrieb, der daraus spricht, alles das der Truppe zu erhalten, ist ebenso unsere Pflicht, wie es der guten Sache nur förderlich sein kann , unbrauchbar gewordene oder den heutigen Verhältnissen nicht mehr entsprechende Formen oder Lücken des Reglements rückhaltlos einzugestehen. S.
32*
490
Literatur .
,,Waffenlehre", herausgegeben von Anton Korzen, k. u . k. ArtillerieOberingenieur, Lehrer an der Kriegsschule, und Rudolf Kühn , k. u. k. Artillerie-Ingenieur, Lehrer an der Kriegsschule. Wien 1904. Im Kommissionsverlage bei L. W. Seidel u. Sohn . Heft 1 Schiefswesen ; Heft 7 Handfeuerwaffen ; Heft 9 Gebirgsgeschütze . 1 und 9 bearbeitet von Kühn, 7 bearbeitet von Korzen . Es gibt keinen Staat, in dem so viel Lehrbücher der Waffenlehre erscheinen, wie gerade in Österreich . Die Erklärung dafür ist wohl darin zu finden, dafs für die Lehranstalten kein von amtlicher Stelle verfafster Leitfaden eingeführt ist und dafs jeder Lehrer das Bedürfnis fühlt, seinen Schülern ein Lehr- und Nachschlagebuch in die Hand zu geben . So sind die Waffenlehren von Reiter, Lankmeyer, Picha , Maresch, Mandry sowie die vorliegende entstanden . Alle sind nach derselben Methode abgefafst. Sie haben den Fehler der meisten Waffenlehren und das gilt für die vorliegenden ganz besonders sie wenden sich mehr an das Gedächtnis, als an den Verstand die Urteilskraft; sie sind mit einem Worte dogmatisch abgefafst. Heft 1 Schiefs wesen bringt eine Menge von Dingen, die den Frontoffizier ohne allen Wert sind und dem, der sich in
—, und für die
Wissenschaft der Schiefslehre vertiefen will, nicht genügen können. Zum Beweise hierfür beziehe ich auf S. 57, wo von der Flugbahngleichung im lufterfüllten Raume die Rede ist. Nach Entwickelung der Gleichung heifst es, hierauf näher einzugehen würde den Rahmen dieses Heftes überschreiten. Ganz gewifs ! aber wozu ist denn die ganze Abhandlung überhaupt da ? Gleiches gilt von der Beschreibung der ballistischen Apparate. Durch solche oberflächliche Behandlung eines zugleich überflüssigeu Stoffes zieht man nur Halbbildung grofs. In dem von Korzen bearbeiteten Heft "" Handfeuerwaffen “ ist der weitaus gröfste Raum der Beschreibung der Waffen gewidmet ; für die den Frontoffizier allein interessierende Wirkung ist nur ein Fünftel des Raumes aufgewendet. Leider fehlt hier ein klarer logischer Aufbau ; so sind die Streuungsursachen bei dem Schiefsen des einzelnen Mannes besprochen, wodurch es natürlich notwendig wurde, beim Abteilungsschiefsen noch einmal darauf zurückzukommen. Schlimmer als das ist, dafs der Verfasser alle das Geschofs von der normalen Bahn ablenkenden Einflüsse als Ursachen der Streuung ansieht, gleichviel ob sie konstant oder von Schufs zu Schufs in ihrer Gröfse wechselnd wirken . Nur die letzteren können eine „ Streuung hervorrufen ; denn wie wäre es denkbar, dafs die Höhenlage des Schiefsplatzes einen Einfluss auf die Streuung ausübt. Wer nach dieser Richtung hin Belehrung aus dem Buche schöpfen will, mufs geradezu verwirrt werden . In dem Heft „ Schiefswesen " hat der Mitarbeiter Kühn ( S. 85) sehr gründlich die konstanten Ursachen und ihren Einfluss auf die Lage des Treffbildes nicht auf seine Gröfse erörtert. Über das 9. Heft 99 Gebirgsgeschütze " ist wenig zu sagen.
Literatur.
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In der Hauptsache findet der Leser dort eine Besprechung der in den Hauptstaaten eingeführten Geschütze und eine Betrachtung über ihre Wirkung. England und die Engländer von Dr. Carl Peters. Berlin . Schwetschke & Sohn . 5.- M.
1904 .
Es ist jedenfalls ein verdienstvolles Werk, die geistige und wirtschaftliche Entwickelung eines grofsen Reiches und seiner Bevölkerung wahrheitsgetreu und in wünschenswerter Ausführlichkeit darzustellen . Man mufs zugeben, dafs es dem auf politischem und kolonialem Gebiete erfahrenen Verfasser gelungen ist, auf Grund eingehender Studien der englischen Verhältnisse eine so dankenswerte Arbeit zu liefern. Von dem Grundgedanken geleitet, ein richtiges vorurteilsfreies Bild zu entwerfen, hat der Verfasser auf Genauigkeit augenscheinlich grofsen Wert gelegt. Bei seiner Darstellung ist er keineswegs ausgetretenen Spuren gefolgt, vielmehr bemüht gewesen, die Tatsachen auf sich selbst einwirken zu lassen und bei Beurteilung der Dinge, Faktoren, mit denen zu rechnen ist, lediglich als das einzusetzen, was sie in Wirklichkeit sind . Somit konnte unter Klärung des Stoffes und richtiger Behandlung des einschlägigen Materials eine in jeder Beziehung gediegene und interessante Schilderung erbracht werden . Das Werk zerfällt in zehn Hauptabschnitte, welche die Aufmerksamkeit des Lesers, wenn auch nicht gleichmäfsig, in Anspruch nehmen , aber durchweg besondere Beachtung verdienen und als Ganzes einen wertvollen Beitrag zur Geschichte des britischen Inselreiches bieten . Ein statistischer Überblick über Land und Leute , London und Themse kann als Einleitung angesehen werden, weiterhin wird die City Londons als solche besprochen , insbesondere ihre eigenartige Stellung im nationalen Leben Englands . Es folgen Betrachtungen des englischen Volkshaushaltes, den man am deutlichsten kennzeichnen dürfte als Übergangsstufe des Industrialismus in den Kapitalismus. Die dauernde Vorherrschaft zur See und die Erhaltung der britischen Industrie gegen den Mitbewerb des Auslandes bilden den Kern der Aufgaben, mit denen sich die englische Politik im 20. Jahrhundert zu beschäftigen hat. Gegenwärtig besorgt Grofsbritannien etwa 2/3 des transozeanen Verkehrs der ganzen Welt. Mit weitem, freien Blick und in erschöpfender Weise werden Politik und Presse behandelt. Beide bilden den Höhepunkt der nationalen Befähigung des Engländertums, denn die Angelsachsen sollen vor allen anderen eine staatsmännisch angelegte Nation sein. Grofsbritannien ist nur der Form nach eine Monarchie, die Krone nur ein erblicher Magistrat und der politischen Arena völlig entrückt, geniefst sie deshalb im Volke um so aufrichtigere Verehrung. Die britischen Konservativen vertreten heute imperialistische Ideen, ihren jingoistischen Strömungen gegenüber stehen die Liberalen als Vertreter des Friedens . Aber Albions Streben mufs auf Weltmarktspolitik gerichtet sein, sonst fehlt der Untergrund seines Empire! Die Presse spielt in England eine Rolle, wie in keinem
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Literatur.
anderen Lande Europas, denn die öffentliche Meinung bildet den entscheidenden Faktor in allen politischen Fragen. Recht gründlich und übersichtlich werden die organisatorischen Verhältnisse von Heer und Flotte in Betracht gezogen. In dem Freiheitssinn des Angelsachsentums soll das vornehmste Hindernis für die Schaffung einer Armee auf moderner Grundlage zu suchen sein ?! Doch drängt man auch in England nach einer Heeresreform . Das heutige britische Heer ist unter den europäischen das einzige, welches nicht als die Nation in Waffen anzusehen ist. Die Jetztzeit verlangt grofse nationale Heere der allgemeinen Wehrpflicht, ein System mit zahlreich ausgebildeten Reserven ! Andererseits denkt man in England und, vielleicht nicht mit Unrecht, dafs , solange die Beherrschung der Meere gehalten wird. eine Armee nach kontinentalem Mafsstabe unnötig sei, zumal Bestand und Schlagfertigkeit der europäischen Grofs machtsheere niemals erreicht werden würde . Der englische Erziehungs weg mit seiner Betonung des männlichen Sports läfst der individuellen Entwickelung freiesten Spielraum. Aneignung der Denkweise und Lebensformen der guten Gesellschaft sowie Gesinnungen einer ehrenhaften Anschauung sind die nächstliegenden Ziele. Der Standpunkt der allgemein wissenschaftlichen Bildung und des Spezialwissens ist sehr ungleich, indem staatlicherseits kein einheitliches Mafs der Prüfungen für alle Universitäten vorgeschrieben ist. Dieser Übelstand wird tief empfunden und es sind schon viele Stimmen laut geworden, am deutschen System einVorbild zu nehmen . Das englische Volksleben betreffend, so wird auf Ähnlichkeit mit dem norddeutschen hingewiesen . Eine derbe, auf materiellen Genufs gerichtete Lebensfreudigkeit, dabei starker Hang zum Familienleben und zum Heim, verbunden mit einem entschiedenen Zug zum Humor. Die grofsen allgemeinen Gesichtspunkte im englischen Gesellschaftsleben heben sich aus ein für allemal feststehenden Regeln deutlich ab. Da der König das Haupt der Gesellschaft ist, deren Gebräuche in der ganzen zivilisierten Welt bekannt sind , so gewinnt er damit einen Einflufs, der weit über das Mafs seiner politischen Stellung hinausgeht. Die Arbeit beschäftigt sich schliesslich mit dem britischen Weltreiche , dessen wirtschaftliche Stellung mit der politischen Hand in Hand gehen mufs, für England daher die unerlässliche Forderung einer freien Bewegung auf den Ozeanen . Alle Maſsnahmen Britanniens sind darauf zugespitzt, die Weltherrschaft zu erringen. Schon geht die Sonne im britischen Weltreiche nicht unter, in ihm finden sich alle Zonen des Erdenrundes, alle Klimate und Bodengestaltungen . Die Ozeane sind angelsächsische bezw. angloamerikanische Meere ?! (d . h. vielleicht heute noch !) , der Indische Ozean fast ein britisches Binnenmeer (umwogt aber bereits eine sich zusehends entwickelnde deutsch- ostafrikanische Küste !) . Anerkennen mufs man ja die reale Leistung einer Kolonialpolitik, als deren Ergebnis das britische Weltreich dasteht !
Literatur.
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Die in sachlichem Ton gehaltene lehrreiche und anregende, auch Literatur wesentlich bereichernde Darlegung berücksichtigt Englanddie alles Wissenswerte, weshalb das vorliegende Werk ein weitestes Interesse beanspruchen kann und grofse Verbreitung verdient. Hildebrandt , Oberstlt. z . D. Marschtafel der deutschen Heeresteile im Kriege 1870/71 vom 31. Juli 1870 bis zum Waffenstillstand . Von Bornemann , Oberleutnant im 9. Badischen Inf.- Regt. Nr. 170. Verlag des Deutschen Offizierblattes. Berlin , Oldenburg, Leipzig. Der Herr Verfasser ist ein überaus fleifsiger Mann, und das muís zunächst anerkannt werden . Seine Arbeit verfolgt den Zweck, das Studium des deutsch-französischen Krieges zu erleichtern , sie besteht aus einem sehr kurzen Vorwort, einer Marschtafel, einem Erläuterungsblatt und einer Übersichtskarte des Kriegsschauplatzes . Der Zweck der Arbeit ist erreicht worden, er hätte aber noch vollkommener erreicht werden können , wenn der Herr Verfasser die Marschtafel graphisch dargestellt hätte, so dafs der Leser den Marsch jedes einzelnen Armeekorps auf der Karte genau verfolgen könnte. Diese Art der Darstellung gewährt dem Leser ein deutliches Bild der Operationen, sie macht ihm das Studium wirklich bequem, und das ist besonders für den jungen Offizier von grofser Bedeutung. Vielleicht entschliefst sich der Herr Verfasser dazu , diesen Weg zu wählen , ich glaube, er würde es nicht bereuen und seine Leser noch viel weniger. Bei dem grofsen Fleifse, den der Herr Verfasser schon jetzt gezeigt hat, würde die neue Arbeit keineswegs über seine Kräfte gehen . Hermann Kunz . La Manoeuvre de Lützen 1813. Par le Colonel Levrault et Cie. Paris-Nancy 1904. Eine lesenswerte kriegsgeschichtliche Studie, meines Erachtens etwas übertriebenen Wert auf legt. Napoleon gerade hat wiederholt - am
Laurezac .
Berger-
welche nur einen das Manöverieren auffallendsten bei
nicht infolge des Regensburg und am 1. Schlachttag von Aspern Manöverierens Erfolge erzielt, sondern durch die überlegene Kriegstüchtigkeit seiner Truppen . Und was das Manöver von Lützen angeht, so blieb doch bei Lichte besehen, gar nichts anderes für Napoleon übrig, als er sich in der rechten Flanke überraschend angegriffen sah, als nach dieser Flanke mit den noch im Marsch befindlichen Heerteilen abzuschwenken und die Flügelkorps zu Angriffen gegen die Flanken der Verbündeten anzusetzen . Das ganze Manöver war selbstverständlich aus der beiderseitigen Kampflage heraus und es hätte doch wahrscheinlich nicht ausgereicht, um den Franzosen den Sieg zu sichern , wenn General Miloradowitsch nicht so sträflich schlecht manövriert hätte er fiel mit seinen 12 000 Mann einfach aus. Wenn ferner nicht durch fehlerhafte Marschdispositionen die Korps Blücher und York sich gekreuzt hätten , wodurch zwei kostbare Stunden verloren gingen. Und wenn drittens die 12 000 Mann russi-
494
Literatur.
scher Garden rechtzeitig und kräftig eingesetzt worden wären , die am Tage von Lützen keinen Schufs getan haben . Dafs Napoleon in gleicher Lage und an Stelle der Verbündeten einen Erfolg am 2. Mai 1813 davongetragen haben würde, erscheint mir sehr wahrscheinlich und dann figurierte dieses Manöver welches jedenfalls genial gedacht war unter den schönsten Waffentaten Napoleons . Deshalb erscheint mir auch nach wie vor das Urteil von Clausewitz über die Schlacht von Lützen, dafs der Plan der Verbündeten ein ausgezeichneter, die Ausführung allerdings eine sehr mangelhafte gewesen sei durchaus gerechtfertigt, zumal die Ansicht des Herrn Verfassers , der Plan sei in seiner Grundlage falsch gewesen, weil er die Franzosen in einer einzigen langgestreckten Marschkolonne voraussetzte, aktenmässig nicht Keim . gestützt wird . Stratégie Napoléonienne. La critique de la campagne de 1815 par A. Gronard, ancien élève de l'école polytechnique . Paris. Librairie militaire R. Chapelot et Cie. Rue et passage Dauphine 30. 1904. Frcs . 6, - . Der Oberstleutnant Gronard ist kein Neuling auf dem Gebiet der Militärliteratur, sondern hat sich auf diesem durch zahlreiche Arbeiten bereits einen guten Namen erworben . Sowohl in seinen früheren Schriften, als auch in seiner neuesten zeigt er sich als einen tüchtigen Kenner des Feldherrn Napoleon , und zwar von Beginn bis zum Schluſs seiner Laufbahn . Hier wie dort finden wir dasselbe Verständnis für strategische Verhältnisse und dieselbe Objektivität des Urteils , die ihn zu einem kompetenten Kritiker machen . Der Standpunkt, den er bei der Beurteilung der napoleonischen Strategie im Jahre 1815 einnimmt, ist für die grofsen Gesichtspunkte der von Jomini , für die Details der von Charras, ohne aber dessen Voreingenommenheit gegen Napoleon zu teilen . Daher schiebt er diesem denn auch nicht von vornherein jeden Fehler in die Schuhe, kommt aber doch im Laufe seiner Ausführungen dazu , dafs die grofsen, entscheidenden Fehler Napoleon selber zur Last fallen. Neues Quellenmaterial hat der Verfasser nicht erschlossen, vielmehr hat er sich darauf beschränkt, das bereits bekannte in einer zum Teil neuen Weise auszulegen . So spiegelt sich in seiner Arbeit nur die individuelle Auffassung eines tüchtigen Napoleon -Kenners , die er in interessanter, wenn auch vielleicht nicht immer ganz einwandfreier Weise entwickelt. Da er nur eine Studie über napoleonische Strategie schreiben wollte, hat der Verfasser die Einleitung, die taktischen Verhältnisse und diejenigen der Gegner Napoleons so kurz als möglich behandelt. Entsprechend schliefst er auch seine Darstellung mit dem Augenblick, wo Napoleon von dem Schauplatz abtritt. Die Anlage des Feldzuges war, wie Gronard mit Recht ausführt, eine glänzende. Aber in der Ausführung fehlte die Energie , die nötig war, um Männer wie Blücher usw. an der Spitze ihrer fast doppelten
Literatur.
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Überlegenheit erfolgreich bekämpfen zu können . Dies lag teils an dem sehr schlechten Gesundheitszustand des Kaisers , der körperliche Anstrengungen ausschlofs, teils aber auch an dem Rückgang seiner Fähigkeiten ; seine militärische Infaillibilität war geschwunden . In der Ausführung bezeichnet Gronard 3 Fehler als die Kardinalfehler, die ihn den Feldzug in Belgien gekostet, und die ihm in allererster Linie zugeschrieben werden müssen. Diese 3 Fehler sind 1. die Nichtheranziehung Erlons auf das Schlachtfeld von Ligny, 2. die zu späte Einleitung der Verfolgung am 17. und 3. die nicht rechtzeitige Anordnung der Heranziehung Grouchys am 18. Ersterer Fehler nahm Napoleon die Möglichkeit, den so dringend benötigten glänzenden Erfolg zu erringen, während der zweite ihm . die andere Möglichkeit nahm , die Vereinigung seiner Gegner zu verhindern, wodurch die Aussicht auf eine glückliche Beendigung des belgischen Feldzuges verloren ging, und der dritte die unmittelbare Schuld an der Katastrophe trug. Den Umfang der letzteren verschuldete Napoleon zum grofsen Teil selber dadurch , dafs die taktische Leitung der Schlacht bei Waterloo ebenso fehlerhaft war, wie ihre strategische Anlage. Interessant ist es, dafs Verfasser im Gegensatz zu Jomini und Charras bestreitet, dafs Napoleon anfangs beabsichtigt habe, den linken Flügel der Engländer anzugreifen . Um Napoleons Verhalten zu erklären , meint Gronard . dieser habe nur die Offensive à outrance gekannt, und deshalb seien Leipzig und Waterloo zu seinem Verderben geworden . Mag das an sich auch durchaus richtig sein, die Erklärung für Waterloo müssen wir aber doch in erster Linie in der allgemeinen Lage suchen ; nur ein voller Erfolg konnte Napoleon helfen, und so setzte er den letzten Mann dran, um ihn zu erringen . E. e p p et u r h it t a c z k s h be t i t c n vo Simplex . Bear -Afr Deu dur Mit der Schu ika fr t h (Kamerun s n h ta c a c nu n s s es t a ca t u a u dw e ri e L ), L - Sü (D af nn Leue (Deutsch - Ostafrika ) . Nebst einem a m t p o u d g a n o ), H T u Anhange : Meine Erlebnisse im Kampf gegen die Hereros , von n nstalt W. Köhler . Minden . Verlagsa Leutnant P. Leutwei . 1905 .
99, Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen ," kann man als Motto über diese bunten Berichte und Schilderungen setzen, bunt auch durch die massenhaften, teils guten , teils minderwertigen Illustrationen , die den Text überwuchern . Der sehr ausführliche Titel ersetzt einigermaſsen das fehlende Inhaltsverzeichnis. Dafs die Schrift Anklang gefunden hat, scheint die Bezeichnung „, 80. Tausend" zu bezeugen. Und wen sollte es nicht interessieren , gerade jetzt, wo unsere tapferen Kameraden unter den schwierigsten Verhältnissen, unter furchtbaren Strapazen und Entbehrungen gegen Hereros und Hottentotten kämpfen, Berichte von Augenzeugen über unsere afrikanischen Kolonien zu erhalten .
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Literatur. Im wesentlichen ist es das „ Milieu “ , das uns oft recht anschau-
lich und interessant geschildert wird ; die neuesten Kämpfe und Ereignisse liegen aufserhalb des Rahmens der Darstellung. Die im Anhang gegebenen Erlebnisse des Leutnant Leutwein im Kampf gegen die Hereros spielen im Januar 1904. Die ganze Veröffentlichung wendet sich an das gröfsere Publikum , gibt Aufschlufs über die Natur des Landes und der Eingeborenen , über das Leben der Farmer und über die Leiden und Freuden der Schutztruppe . Wenn die Schrift ein Buch kann man sie nicht nennen - auch keinen Anspruch auf wissenschaftlichen oder kriegsgeschichtlichen Wert erheben kann , so darf man sie doch allen denen empfehlen, die sich über die Zustände in unseren afrikanischen Kolonien unterrichten wollen. Man kann es nur mit Freude begrüſsen , wenn die Bedeutung unserer Kolonien im Volke immer mehr und mehr erkannt und gewürdigt wird , wenn aber auch bei den grofsen und schwierigen Aufgaben , die dort zu lösen sind, die bisher so oft vermifste Opferwilligkeit in der Bewilligung ausgiebiger Mittel endlich tatkräftig ins Leben tritt. G. P. v. S. Das
Defensionswerk im Herzogtum Preufsen. 1. Teil . Die Begründung des Defensionswerks unter dem Markgrafen Georg Friedrich und dem Kurfürsten Joachim Friedrich (1601-1608) . Von C. Krollmann . Berlin 1904. Franz Ebhardt & Co.
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts kam in verschiedenen deutschen Staaten unter dem Einfluss einer Art militärischer Renaissance in Italien die Idee zum Durchbruch , dafs man mit dem System der kostspieligen Söldnerheere brechen und, wenigstens für die Landesverteidigung, eine allgemeine Volksbewaffnung (natürlich im Rahmen des Territorialstaates) organisieren müsse : der Adel sollte wieder wie in den Zeiten der Staufer zum Dienst zu Rofs herangezogen, das Fuſsvolk aus dem Bürger- und Bauernstand gebildet werden . Diese militärischen Bestrebungen das sogenannte Defensions- oder Landrettungswerk - wurden zuerst vorwiegend in den protestantischen Ländern des Westens und Südens verwirklicht, wo sie mit den politischen Bestrebungen zur Gründung einer antikatholischen Union zusammenhingen. In Kurpfalz war der lebhafteste Förderer der Sache der aus Preufsen gebürtige Fabian Burggraf zu Dohna. Ihm überliefs bald darauf der Markgraf Georg Friedrich von Ansbach- Bayreuth, der seit 1578 auch Herzog in Preufsen war, die Ausführung des Gedankens in diesem seinem Heimatlande. So ist also die im Westen grofs gewordene Idee hauptsächlich durch die Mitglieder einer Familie (der Burggraf wurde bei Einführung des Defensionswerkes von seinen Neffen unterstützt) nach dem Osten Deutschlands verpflanzt worden . Der Herr Verfasser der vorliegenden Schrift, der zuerst auf diesen Zusammenhang hingewiesen, gibt auch zuerst eine fortlaufende Darstellung von der Entwickelung des Defensionswerkes in Preufsen (zunächst bis 1608) , das natürlich wie im Westen durch eine bestimmte
Literatur.
497
politische Ursache, nämlich die Besorgnis vor der polnischen Gefahr, veranlasst wurde. Der Raum verbietet es, dem Herrn Vf., der meist urkundliche Quellen namentlich aus den Dohnaschen Familienarchiven zu Rate gezogen hat, in die Einzelheiten seiner lehrreichen Untersuchung zu folgen . Wir erwähnen nur, dafs es dem Burggrafen bei der „Abrichtung" der Untertanen nicht nur auf gutes Schiefsen , Vermeidung Fechten und soldatische Kleidung, sondern auch auf aller Mifshandlungen ankam ; der letztere , in unseren Parlamenten jetzt so oft gerügte Übelstand hat sich also , wie der Herr Vf. sehr richtig hervorhebt, nicht etwa erst aus dem modernen „Militarismus “ entwickelt, sondern unmittelbar aus dem Söldnertum . Leider hatte Dohna bei der Ausführung des Defensionswerkes mit grofsen, uns Kindern des 19. Jahrhunderts kaum verständlichen Schwierigkeiten zu kämpfen der Trägheit der Beamten bei der Waffenverteilung, der Kriegsuntüchtigkeit der Bevölkerung, dem fast völligen Mangel an Instrukteuren, besonders aber der Widersetzlichkeit des preufsischen Adels . Der militärische Charakter der Stände liefs sich eben nicht wieder beleben . So vermochte denn das Defensionswerk ebensowenig in Preuſsen wie in den anderen deutschen Staaten , wo es eingeführt war, den wilden Stürmen der späteren Zeit standzuhalten . Dennoch hat es, wie der Herr Vf. schliefst, eine wichtige Mission erfüllt : die Defensioner ( Wibranzen " in Preufsen) bilden ein nicht unwesentliches Glied zwischen dem Landsknechtsheer der älteren Zeit und unserem Nationalheer. Die dem Defensionswerk zugrunde liegende Idee der allgemeinen Wehrpflicht konnte nicht mehr zur Ruhe kommen ; Philosophen wie Leibniz und Spinoza nahmen sie wieder auf, sie wurde, theoretisch längst ein Gemeingut des deutschen Volkes, durch die Ausgestaltung der preufsischen Wehrverfassung seit dem Jahre 1813 verwirklicht, „ und es ist vielleicht kein Zufall, dafs bei Errichtung der ostpreussischen Landwehr wiederum ein Dohna eine entscheidende Herrmann. Rolle spielte."
Illustriertes Jahrbuch über Deutsch - Nautischer Almanach 1905 . Seeschiffahrt, Marine und Schiffbau . Sechster Jahrgang . Redigiert von Kapitänleutnant a. D. Graf Ernst Reventlow (Chefredakteur des „Überall ") und C. Schrödter (Redakteur der „Hansa“). Mit einer Karte der Unterelbe vom Hamburger Hafen bis Elbefeuerschiff I, sowie den Rang- und Dienstalterslisten der Kapitäne, Offiziere und Maschinisten der Hamburg-AmerikaLinie und des Norddeutschen Lloyd. Berlin 1905. Boll & Pikkardt , Verlagsbuchhandlung. Wie die früheren Jahrgänge dieses Jahrbuches, so bietet auch der neue eine Fülle des Interessanten , sowohl in dem die Handelsmarine , als in dem die Kriegsmarine behandelnden Teil, wenn schon manches aus dem Inhalte durch die Tageszeitungen bekannt geworden ist. Der erste Teil enthält neben einer Chronik vom 1. September 1903
Literatur.
498
bis 31. August 1904 aller wichtigen Begebenheiten auf dem Gebiete der Handelsmarine, Angaben über die Reederei, die Welthandelsflotten . Schiffswerften, Vereinswesen und Seegesetzgebung, der zweite ebenfalls zunächst eine den gleichen Zeitraum umfassende Chronik, hierauf eine Abhandlung über die Tätigkeit der deutschen Marine, das Internationale Seerecht im russisch-japanischen Kriege, die N-Linienschiff'sklasse, militärische und technische Vorzüge der Schiffsturbine, über fremde Marinen und den Clayton - Apparat. - Eine Fülle vorzüglicher photographischer Reproduktionen vervollständigt den Almanach.
II. Ausländische Zeitschriften . Streffleurs Österreichische militärische Zeitschrift. (März.) Die erste Kavallerie- Division vom 3.- 15 . Juli 1866 (Schlufs). Militärische Automobiltrains. - Fortschritte der fremden Armeen 1904. Russisch-japanischer Krieg. Revue d'histoire. (Februar.) Die Feldzüge des Marschalls von Sachsen (Forts. ) . Der Feldzug der Nordarmee 1794 (Forts.) . Der Feldzug 1800 in Deutschland . Sidi-Brahim (Forts .) . Revue militaire des armées étrangères. (März .) Die Landungsmanöver in Italien (September 1904). - Gesamtübungen der deutschen Eisenbahntruppen im Jahre 1904. Revue d'infanterie (Februar , März). Das Heer der Zukunft (Forts.). Das neue Exerzierreglement für die Infanterie. - Kritische Tage: Der Tag von Vionville (Forts.). Der Marsch unter dem Gesichtspunkt körperlicher Kräftigung. Journal des sciences militaires. (Februar. ) Strategische Beurteilung des deutsch- französischen Krieges 1870. Das Überraschungsgefecht. Über Märsche . - Das Salvenfeuer nach dem Reglement vom 3. Dezember 1904. Rivista di artiglieria e genio. (Januar.) Der russisch-japanische Krieg im Jahre 1904. Taktisch-technische Übungen der Sappeure und Mineure der Genietruppen. - Polygone und Sperren (bezieht sich auf die Abhaltung der Artillerieschiefsübungen auf Schiefsplätzen und in den Grenzbefestigungen). Militärische Transporte (vergleicht Wagen-, Automobil- und Schienenbahntransporte). - Anwendung der Artillerie im russisch-japanischen Kriege. Ansichten des Generals Rohne über diesen Gegenstand (nach den Jahrbüchern ) . - Die neue Ausrüstung der englischen Feldartillerie. -- Die russischen Landminen.
(Februar.)
Nekrolog des Generalleutnant Felice Martini.
- Der russisch-japanische Krieg im Jahre 1904 (Forts.) . Veränderungen des Brückengerätes und seiner Handhabung . -- Leitung des Alkohole und Feuers (bei der Belagerung) gegen Fesselballons.
Literatur.
499
seine wichtigsten Verwendungen in der Industrie. Die Anleitung der Feldartillerie für den Dienst zu Fufs . - Verwendung einer russischen Mitrailleusenkompagnie in der Schlacht bei Liaojang. Versuch im Ventilieren und Heizen von Kasernen (nach „ Revue du génie militaire"). Die schwere Feldartillerie Englands. - Notizen über das Mauserrepetiergewehr Modell 1904 und das englische neue kurze Gewehr für Infanterie und Kavallerie. Zerstörung von Drahtnetzen.
Konstruktion eines (Januar.) Revue du génie militaire. - Versuch, einen Schornsteins von 25 m Höhe in Eisen und Zement. Der verschütteten Brunnenmacher zu Sainte Mesme zu retten . Ingenieurdienst im Festungskrieg nach einer deutschen offiziellen Veröffentlichung (,,Taschenbuch für den Pionierunteroffizier“ ) . — Über Anwendung von Lichtbildern beim die Sturmangriffe vor Port Arthur. Unterricht der Genieregimenter. - (Februar.) Das Zusammenwirken der Infanteriegenietruppen bei der Ausführung von FeldbefestigungsDie Einrichtung des Übungsplatzes von Mailly. - Die arbeiten . Prismen 99 Luxfer" (zur indirekten Lichtzuführung für dunkle Räume). Technische Einzelheiten von der Nekrolog des General Marmier. Belagerung von Port Arthur (nach Mitteilungen des „ Daily Mail " ) . Bockbrücken der Schweizer Sappeure (nach „ Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie". --- Vorschrift für die Infanterieübungen vom 9. Dezember 1904. La France militaire. ( Februar. ) Betrachtungen über das Reglement der Infanterie von General Luzeux. Englische Ansichten über Soldatenreiterei, 1. Die Frage der Kapitulation und der Zivilversorgung und das Militärgesetz . 2. Das Budget des Krieges durch fast alle Nummern . Im Saumur 6/6. 7. 8. - Der Bericht Klotz über das Budget des Krieges (Vergleich des deutschen mit dem französischen Budget) , 9. - Das Gesetz über die zweijährige Dienstzeit und die Schüler der Militärschulen . 10. - Der physische Wert des Soldaten von Dr. L. 12/13. - Die Lehren aus dem russischjapanischen Kriege und die Dienstzeit, vom General Lamiraux. Das Militärgesetz und der Artikel 24, bezieht sich auf die Dienstpflicht der Studierenden, 16. Die Artillerie im Festungskriege , 14, 16 . Die Cigahis ( eingeborene Truppe) in Französischindien . Die Artillerie im Belagerungskriege, 17 , 18. Betrachtungen über das Exerzierreglement der Infanterie, 21. -- Die Infanterieregimenter zu 4 Bataillonen von Oberst Thomas , 22. Kavalleristische Taktik und Strategie (ein Buch des Generals de Beauchesne), 24. — Der militärische Dienst, von General Lamiraux . Einige taktische Lehren aus dem russischjapanischen Kriege, 25. Das Volk in Waffen , der Soldat aus der Stadt und vom Lande. - Geschichtsstudien , 26/27. – Die Disziplinbetrachtungen über das Infanterieexerzierreglement von General Luzeux. - Das Radfahrerbataillon , 28.
500
Literatur.
Der Revue militaire. (Februar) . Briefe von Plock (Forts .) . Oberst Meda 1770-1812 mit Bild . - Der Kavalleriedienst im Kriege. Die deutsche Reiterei in den Tagen von Coulmiers, vom Generalleutnant v. Pelet-Narbonne übersetzt, aus dem Deutschen von G. S. (Forts. ). - Das gut durchgearbeitete Pferd, vom Rittmeister J. Caubert ( Schlufs). -- Kleine Mitteilungen. — Sport. Allgemeine Schweizerische Militärzeitung. Nr. 6. Die CadresAusbildung. Zur neuen Militärorganisation. - Zur Kriegslage . Nr. 7. Notwendiges und Wünschbares (betrifft die schweizerischen Heeresverhältnisse ). Interessante Notizen (bespricht Sterblichkeitsverhältnisse und Krankheitsstatistik einer Armee an der Hand von französischen Angaben) . - Nr. 8. Zur neuen Militärorganisation . — Der Veterinärdienst in unserer Kavallerie. Die Neubewaffnung der englischen Artillerie. Nr. 9. Zur Kriegslage . Zur neuen Militärorganisation . - Nr. 10. Zur neuen Militärorganisation. Die Redaktion des Gesetzes . Das neue französische Exerzierreglement für die Infanterie. Revue de l'armée belge. (November - Dezember.) Studie über einige das Infanteriefeuer betreffende Angaben (Folge) . - Die Deformationslafette usw. (Folge). Die Verwendung von Brieftauben bei der Kavallerie. - Bemerkungen zu dem russisch-japanischen Krieg (Folge). Die automatische Pistole ,,Mars", System Bergmann. Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens. Heft 2. Wiederherstellung der Bahnlinie Tarvis-Pontafel im Herbst 1903. - Unsichtbare Strahlung . - Aus den ,,Notizen" ist hervorzuheben : Ein kriegsgeschichtliches Beispiel über moderne Feldartillerieverwendung. - Kurze Beschreibung des Collimateurs Grubb. Morskoj Ssbornik . 1905. II . Übersicht des Standes der Deutschen Seestreitkräfte im Jahre 1904. - Das Drei -Linien -Maschinengeschütz von Maxim bei Landungen . — Eine neue internationale Tiefenkarte der Ozeane . Bemerkungen über die heutigen Schiffsmaschinen und -Kessel. Chronik der Ereignisse zur See im fernen Osten. Russischer Invalide (Rufskij Invalid) . 1905. Nr. 38. Port Arthur in den ersten Tagen des Dezembers 1904. - Von der Insel Kreta . Nr. 39. Aus Deutschland. - Feldzugsskizzen . - Nr. 40. Der Krieg mit Japan. Die Unternehmung gegen Tschantan . Mitteilungen über die japanische Armee.
III. Seewesen. Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. Nr. 2. Betrachtungen über den russisch-japanischen Krieg (10. Fortsetzung .) - Die Kielwasserlinie im Kampfe gegen die Kielwasserlinie (Schlufs).
Literatur.
501
Wirkungsweise bekappter Panzergranaten. --- Stapellauf des deutschen Linienschiffes „Deutschland ". Army and Navy Gazette. Nr. 2346. Wird Rostdeschtsventzky zurückkehren ? -- Die neuen Beförderungen (die jüngsten Kapitäns Sturmbeschädigungen in Malta. - Die russiunter 40 Jahre alt). - Nr. 2347. Die deutschen Pressäufseaupläne. schen Flottenneub
rungen und Erklärungen im Reichstag zu der Agitation des Flottenvereins und dem Artikel der Army and Navy Gazette. - Der Aufsatz des Generalmajors Keim im Tag für eine deutsche Flottenvermehrung. - Nr. 2348. Die Schaffung einer modernen Flotte. (Amerika). Englische Prefsstimmen gegen das Ausrangieren eines grofsen Teils noch brauchbarer englischer Linienschiffe. Des Deutschen Kaisers Danktelegramm an den Fürsten Salm. Nr. 2349. Manöver im grofsen Mafstabe. - Nr. 2350. Das Flottenprogramm. - Fortschritte in der drahtlosen Telegraphie. Das neue Marinebudget für 1905. Nr. 2351. Deutsche Alarmierer und die Rede des Herrn Lee. Die Frage der Mittelartillerie und ihre Beeinflussung durch den Krieg in Ostasien . Der auffallende Unterschied (über 1 Million Dollar) der Baukosten der amerikanischen Linienschiffe 99Connecticut" und „Louisiana“. - Nr. 2352. Die russische Marine. --- Die Jahrhundertfeier von Trafalgar. - Nr. 2353. Der Unfall auf dem Unterseeboot A 5. Die Strandung des französischen geschützten Kreuzers „ Sully “ . - Die Äufserungen des französischen Admirals Bienaimé über die deutsche Flotte in der Kammer. Nr. 2354. Das Marinebudget. Die Aufsätze des Herrn von Boguslawski über die Army and Navy Gazette. ― Die Streichungen der Budgetkommission des Reichstages an den Marineforderungen. Revue maritime . Oktober 1904. Nachrichten über die Komoren . - Beobachtungen über die Rollbewegungen der „Foudre " im Südwestmonsum (29. - 31 . Juli 1904) . - Verbot der Anstellung von Mechanikern fremder Nationalität in der spanischen Marine . - November 1904. Statistik der Schiffbrüche und anderer Seeunfälle im Jahre 1903.
Das Versagen des Linienschifts .
IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher . (Die eingegangenen Bücher erfahren eine Besprechung nach Mafsgabe ihrer Bedeutung und des verfügbaren Raumes. Eine Verpflichtung , jedes eingehende Buch zu besprechen, übernimmt die Leitung der Jahrbücher" nicht , doch werden die Titel sämtlicher Bücher nebst Angabe des Preises - sofern dieser mitgeteilt wurde hier vermerkt. Eine Rücksendung von Büchern findet nicht statt.)
1. v. Lignitz, Zur Hygiene des Krieges . Berlin 1905. E. S. Mittler & Sohn . Mk . 1,60 . 2. Schroeter, Port Arthur. Ebenda. Mk. 2,20. 3. Jaeckel, Über die Ausbildung des einzelnen Infanteristen als Schütze im Gefecht. Ebenda. Mk. 0,80.
502
Literatur.
4. v. Verdy du Vernois, J., Im Hauptquartier der Russischen Armee in Polen 1863-1865 . Persönliche Erinnerungen . Berlin 1905 . Ebenda . Mk. 4,—. 5. Urkundliche Beiträge und Forschungen zur Geschichte des preufsischen Heeres. Herausgegeben vom Grofsen Generalstabe. Kriegsgeschichtliche Abteilung II. Siebentes Heft : Die alte Armee von 1655 bis 1740. Von Jany, Hauptmann im Grofsen Generalstabe. Berlin 1905. Ebenda . Mk. 3,60. 6. Häusele, Rechenaufgaben für Aspiranten-, Kapitulanten- und Unteroffizierschulen . München 1905. R. Oldenbourg. 7. Hanon , Die Schlachten bei Carcano und Legnano (Dissertation). Berlin 1905 . S. Reinhardt, Die Humanität im Kriege.
Berlin 1905. A. Unger.
9. Sprang, Feldmäfsige Skizzen im Aufklärungsdienste derKavallerie. Görz 1904. Selbstverlag. 10. Mygind, Vom Bosporus Otto Keil. Mk. 3, — .
zum
Sinai.
Konstantinopel
1905.
11. Klado , la marine russe dans la guerre russo -japonaise. Paris 1905. Berger, Levrault & Cie. Frcs. 3.50. 12. Seydel, Lehrbuch der Kriegschirurgie. 2. Aufl. Stuttgart 1905 . Ferd . Enke. Mk. 10, — . 13. Deines, Das Husaren-Regiment König Wilhelm I ( 1. Rhein. No. 7. 2. Aufl. Fortgesetzt von Frh. von Türcke . Berlin 1904. E. S. Mittler & Sohn .
Druck von A. W. Hayn's Erben, Berlin und Potsdam.
XXXV .
Kriegspsychologische
Studien .
Von Karl Reisner Freiherrn von Lichtenstern, Generalmajor z. D.
II. Der Infanteriekampf nach dem französischen Exerzierreglement . Vor einiger Zeit machte ein Aufsatz des japanischen Oberstleutnants Masahiko Kawimura : „ Europäische Vorbilder" die Runde durch die Presse . Er leitete die Typen der verschiedenen Reglements aus dem Nationalcharakter ab, wie ich dies selbst kurz vorher bezüglich der russischen und japanischen Armee versucht hatte. ') Niemand wird in Abrede stellen wollen, daſs , wie alle intimsten Lebensäulserungen der Nationen , so auch ganz besonders ihre militärische Entfaltung auf dem Nationalcharakter beruhen, von ihm bedingt and beherrscht werden. Die Versuche, hiegegen anzukämpfen, erweisen sich meistens
als undurchführbar
und müssen über kurz oder lang
wieder aufgegeben werden . In der Übereinstimmung des Nationalcharakters mit den militärischen Vorschriften liegt eine der sichersten vorausgesetzt, dafs das Anpassen der Garantien des Erfolges, Fechtart an das nationale Wesen die Grenze nicht überschreitet, die durch die jeweils bestehende Bewaffnung bedingt ist. Besonders charakteristisch treten diese Gesichtspunkte an dem neuen französischen Reglement für die Infanterie hervor, zumal in den Bestimmungen, die vom Kampf handeln . Mit Recht nahm Ka-
wimura an, dafs die Franzosen trotz ihres nationalen Elans früher das Heil in der möglichsten Ausbeutung der Waffentechnik und daMärzheft.
3333
1 ) Jahrbücher für die Armee und Marine 1905. psychologische Studien I." Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 404.
„ Kriegs-
Kriegspsychologische Studien.
504 mit der Defensive
suchten .
Allein
„ chassez le naturel, il revient
au galop" :
durch alle getroffenen Mafsregeln hindurch brach sich der lebhafte, initiative, vordringliche Nationalcharakter Bahn und nach mehreren Etappen ist nun in dem neuesten Reglement für die Infanterie vom 3. Dezember 1904 der Offensive eine so extreme Rolle zugeschrieben , wie in keiner anderen Armee. Die zwei Hauptmittel sind : das Feuer und die Vorwärtsbewegung. (Ziff. 241. ) Das Feuer wird als das Element der Vorbereitung, die Vorwärtsbewegung als das Element der Ausführung erklärt. Doch wird hierbei ausdrücklich betont, dafs die Vorwärtsbewegung „ allein entscheidend und unwiderstehlich " sei, allerdings nur, wenn ein wirksames und intensives Feuer ihr den Weg gebahnt habe. Diesem Satze könnte man allenfalls mit gewissen Einschränkungen beipflichten, wenn das gerühmte und anempfohlene vorbereitende Feuer in seiner Natur nicht von dem nur äufserlich offensiven Wesen beherrscht würde , das in den „ rafales courtes, subites et violentes " seinen charakteristischen Ausdruck findet. Diese Feuerstöfse sind meines Erachtens der ihnen gestellten Aufgabe nicht gewachsen. An sich wären freilich ein stellenweise unterbrochenes Feuer und Feuerüberfälle natürlich und sachlich wohl begründet, und alle Schützen, deren Vorstellungen nicht durch die materialistische Theorie von einer möglichst grolsen Trefferzahl verdunkelt sind, werden im Ernstfall gern dem Beispiel der Buren folgen.¹) Unser deutsches grundsätzlich andauerndes und auf ein insbesondere
plötzliche
und dasselbe Ziel gerichtete Feuer verstölst ebenso gegen die notwendige Ökonomie mit der Munition und den Kräften der Schützen, als gegen die Rücksichtnahme auf treffsicheres und namentlich moralisch wirkungsvolles Schiefsen . Aber das unterbrochene Feuer (rafale) darf auch nicht, wie in Frankreich , einen exerziermäſsigen , starren Charakter annehmen ; es darf nicht, unabhängig von den sich darbietenden Zielen und den bestehenden Gefechtsmomenten, die fast ausschliefsliche Art des infanteristischen Abteilungsschiefsens bilden. Und dann wie können die Schützen immer mit gröfster Heftigkeit schiefsen und dabei doch, wie das Reglement fordert (Ziff. 125 ), die und die die Patronen zählen Schüsse mit Sorgfalt abgeben grölstmögliche Geschwindigkeit nur durch schnelles laden erreichen? Das sind doch Utopien ! Schnell laden sollen die Schützen ja immer, damit sie stets schufsbereit sind . Das französische Schiefsen der Infanterie wird nur ein Streufeuer
sein,
weil ihm eine gesicherte
1) Siehe des Verfassers „ Burenkrieg und Qualitätsschiefsen“ in „ Schiefstaktik der Infanterie “ . (Milit. Zeitfragen 1904. Heft 10. A. Bath.)
Kriegspsychologische Studien.
505
materielle Grundlage fehlt : es ist lediglich berechnet auf zweifelhafte moralische Eindrücke und theatralische Effekte. Überhaupt scheint mir die Frage müfsig, ob mehr die Vorwärtsbewegung, oder mehr das Feuer die Entscheidung bringt. Wenn man unter der Entscheidung das Seltenere und Schwierigere versteht, so ist die zweckmälsige Vorwärtsbewegung das Entscheidende.
Versteht
man aber darunter das letzte Glied der Kausalkette, so ist die Waffenwirkung das Entscheidende. — Das Feuer hat die Vorwärtsbewegung zu ermöglichen und die Vorwärtsbewegung wiederum eine wirksamere Abgahe
des Feuers
zu
begünstigen.
Eines ohne das
andere führt nicht zu entscheidenden Erfolgen . Die Unzulänglichkeit eines stabilen, wenn auch überlegenen , siegreichen Feuers haben
wir im
Burenkriege
gesehen
und
die
Bedeutungslosigkeit
energischer Angriffsbewegungen ohne erfolgreiche Abgabe des Feuers demonstriert uns zurzeit die russische Taktik in Ostasien . Waffenwirkung und Vorwärtsbewegung sind unerlässliche und gleichberechtigte Faktoren des Erfolgs. Je inniger die beiden miteinander verbunden werden, um so gewisser kommen wir zum Ziel. Die Theorie, dafs die Vorwärtsbewegung „ allein " entscheidend und unwiderstehlich (!) sei , beherrscht überhaupt alle taktischen Mafsnahmen des franz. Regl . über den Angriff und übt bestimmenden Einfluss
auf die
Gruppierung der
Streitkräfte,
auf die
Gefechts-
entwickelung, sowie auf die Art der Kämpfe und Vorstöfse aus . (Ziff. 254 ff. ) Der neufranzösischen Stofstaktik entspricht in erster Linie, dafs bei der Gruppierung der Streitkräfte eine scharfe Dreiteilung stattfindet : zunächst Schützen mit ihren Unterstützungen, dann Verfügungstruppen und endlich -- bei gröfseren Verbänden -- Reserven. Die Schützen mit ihren Unterstützungen führen das Feuergefecht. Die Verfügungstruppen haben die Aufgabe des Manövers, d . b. bei Frontalangriffen den Sturm durchzuführen ,
bei einem Angriff gegen Front
und Flanke ganz oder teilweise die Umfassung zu bewerkstelligen . Die Reserven endlich treten bei unvorhergesehenen Wendungen in Tätigkeit, nützen den Sieg aus oder decken den Rückzug . ' ) Bei der Gefechtsentwickelung kommt sodann das nationale Vorwärtsstürmen dadurch zum Ausdruck, dafs das Reglement die vorderste kämpfende Linie in Gefechtsgruppen von verschiedener Stärke, je nach den Deckungen, die das Gelände bietet, trennt. Das Reglement verlässt also das System der mehr oder weniger zusammenhängenden Schützenlinie, d . h. der breiten Feuerfronten, zugunsten von Einzelgruppen , die
1905.
1 ) „Die französische Infanterie " . Mittler & Sohn .
Von Hauptmann Immanuel . Berlin .
33**
506
Kriegspsychologische Studien .
unter dem Schutz des Geländes den Angriff mit möglichster Impulsivität von Stützpunkt zu Stützpunkt durchzuführen haben. Allerdings sollen dabei die Gefechtsgruppen Rücksicht aufeinander nehmen und die Verbindung miteinander erhalten . Allein diese Forderung ist in der natürlichen Erregung des Kampfes ebenso widerspruchsvoll und unerfüllbar, wie die an die Rafales gestellte : Der Zusammenhang muſs bei den hastig vorwärtsgetriebenen Angriffsbewegungen notwendigerweise verloren gehen und die Angriffe müssen eine Zersplitterung erfahren , die sie der siegbatten Kraft beraubt. Das franz . Regl. erwartet auch kaum einheitlich zusammenhängende Handlungen. Immer wiederholte Vorstölse einzelner Gruppen sollen den Verteidiger nach und nach erschöpfen. Ist dies erreicht, dann werden die zur Verfügung zurückgehaltenen Truppen zum Stols mit dem Bajonett in geschlossenen Formen in die feuernd vorwärtsdringende erste Linie eingeschoben und müssen sich dem deckenden und schützenden Gelände anschmiegen. Der Widerstand des Feindes soll durch den nun erfolgenden Sturm endgültig gebrochen werden.
bild
Gegenüber diesem mutatis mutandis an das napoleonische Vorerinnernden Verfahren steht unser deutsches Reglement im
grofsen und ganzen auf dem gesicherten Boden neuzeitiger Feuertaktik. Unsere im allgemeinen zusammenhängenden Schützenlinien ermöglichen eine wirkungsvolle Feuerabgabe aus breiten Fronten, die sich um so kräftiger geltend machen kann, als unsere rückwärtigen Staffeln zunächst dazu dienen , die Schützenlinie beständig zu verstärken, um vor der Durchführung des Sturmes „ das höchste Mals der Feuerleistung
zu erreichen.
Hier gehen
also
die
einzelnen
Kampfstadien natürlicher und flüssiger ineinander über, als beim französischen Angriffsverfahren . Denn dieses beruht - trotz aller weitgehenden Selbständigkeit, die den Unterführern eingeräumt wird -- durch seine scharfe Trennung in verschiedene Akte doch auf einer gewissen Schablone , die keineswegs immer zur Anwendung gelangen kann . Nicht nur den Angriff, sondern auch die Verteidigung beherrscht im franz. Regl. die Grundidee der Vorwärtsbewegung. Beständig sollen aus der Front heraus Vorstöfse
ausgeführt
werden,
um den Angreifer zu ermüden und zu demoralisieren. Ihren Rückhalt hätten sie an besetzten Stützpunkten der gewählten Stellung ; zum allgemeinen
Angriff sei
überzugehen,
wenn der
Gegner als
durch den hin- und herwogenden Kampf geschwächt und erschüttert gelten könne. So trefflich auch die französischen Vorschriften in bezug auf die
Kriegspsychologische Studien.
507
Feuerüberfälle und die Mannigfaltigkeit der Gegenstöfse sind, so dürfte doch die deutsche Art entschieden vorzuziehen sein, Wir suchen den Angreifer in der Front durch ergiebiges
Feuer zurück-
zuweisen, den Gegenstofs aber durch Reserven durchzuführen, die an den Flügeln weitab gestaffelt sind . Wir halten also das Defensiv- und Offensivfeld im allgemeinen voneinander getrennt. Dadurch wehrt das deutsche
Reglement wirksam der Umfassung ab, „ diesem ge-
fährlichsten Gegner starker Stellungen " . Ein ähnliches Verfahren von beständigen Vorstöfsen aus der Front beobachten auch die Russen und wie nachteilig sich dies für den Schutz ibrer Flanken erwies, lehrt der ostasiatische Krieg in klassischen Beispielen . An einer gewandten und wirksamen Feuerabgabe des Verteidigers müssen nervöse Vorstölse und impulsive Angriffe zerschellen . Schon aus diesen Andeutungen geht hervor, dafs die französische Infanterietaktik zwar durchaus auf den Charakter des Nationalen Anspruch erheben kann,
diesen
Charakter aber auch dort nicht
eingeschränkt hat, wo Rücksicht auf die eigene wie auf die gegnerische Waffenwirkung nahe gelegen wäre. Das franz. Regl . weist indessen manche Vorzüge auf, die ebenfalls mit der nationalen Beanlagung innig zusammenhängen . Es ist vor allem die ungemein übersichtliche und klare Anordnung des Stoffes, die konsequente und logische Darstellung der Kampfvorgänge , dann aber auch das feine Verständnis für psychische Verhältnisse , denen die französische Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten eine besondere Aufmerksamkeit zugewandt hat. Schon der erste Satz der Bestimmungen über den Kampt definiert in präzisester Weise den psychischen Endzweck jedes Kampfes, ganz in Übereinstimmung mit der von mir seit Jahren ausgesprochenen Anschauung : „ Le combat a pour but de briser par la force la volonté de l'adversaire . " Das
franz .
Regl .
unterscheidet
sich hierin
deutschen, das gleichsam nur beiläufig,
wesentlich
von
dem
bei der Besprechung der
Notwendigkeit einer aktiven Verteidigung (II ., 85 A. 5 ) , die Fiktion vertritt, der Zweck des Kampfes sei : „ Die Vernichtung des Gegners herbeizuführen." "La force " wird als das Mittel, den feindlichen Willen zu brechen, erklärt. Allein unter dieser 99 Gewalt " sind in letzter Instanz immer moralische Mittel verstanden. ') ¹ ) (Ziff. 194.) „ L'impression morale produite sur l'adversaire par le (Ziff. 258. ) „ Il y a intérêt à lui donner (au feu) toute l'intensité toutes les fois qu'il est nécessaire d'ébranler le moral de l'adversaire . . . .“ (Ziff. 259) "9 . . . d'exécuter des feux d'enfilade qui agissent puissamment sur le moral des troupes adverses. “ (Ziff. 269. ) „ . . . . produit sur l'assaillant un effet de surprise qui influe d'autant plus sur son moral qu'il coïncide avec des pertes subites et considerables." U. a. m.
feu"
....
508
Nochmals die Feuerwirkung der modernen Feldartillerie.
Dem gegenüber kommt das deutsche Reglement infolge der Fiktion des Vernichtungszweckes zu der Forderung des Erringens der Feuerüberlegenheit" , die von den Ballistikern -- im Widerspruch mit der Kriegsgeschichte -- um so mehr rein materiell aufgefalst wird, als die deutschen Vorschriften über das Gefecht durchaus materialistisch gedacht sind und den psychischen Vorgängen nur sehr gelegentlich Rechnung tragen . Sie sind weit davon entfernt, das psychische Moment wie es die französischen Vorschriften an― streben in die innigste Beziehung zu dem taktischen Vorgang zu bringen, so dafs es mit dem materiellen Moment ein organisches Ganzes bilden würde . Nicht übersehen darf man freilich, dafs das franz. Regl. einen Teil der feinen Nuancierungen , die es bringt, offenbar dem Burenkrieg entnommen hat, wie denn überhaupt das das Reglement einleitende Dekret vom 3. Dezember 1904 die Konsequenzen aus den Erfahrungen der letzten Kriege zieht, - Konsequenzen, denen das Reglement dann allerdings in seinen Einzelbestimmungen nur unvollkommen Rechnung trägt.
XXXVI .
Nochmals
die Feuerwirkung
der
modernen Feldartillerie.
Von H. Rohne, Generalleutnant z. D.
Der im
Aprilheft
erschienene
Aufsatz
über das vorstehende
Thema war bereits gedruckt, als mir ein so reiches und interessantes Material über schwedische Schiefsversuche zuging, dafs ich mich zu einer Fortsetzung entschlofs.
Die weiter unten mitgeteilten Schiefs-
ergebnisse haben den grofsen Vorzug, dafs sie ausnahmslos gefechtsmässigen Schiefsen entnommen sind, die bei der schwedischen Artillerieschiefsschule
durchgeführt sind,
während bei
den früher
Nochmals die Feuerwirkung der modernen Feldartillerie.
509
mitgeteilten mehrere sich befinden, die lediglich den Zweck hatten , Aufklärung über die Wirkung des Geschützes unter ganz normalen Bei mehreren der oben mitgeteilten Bedingungen zu schaffen . Schiefsen war die Beobachtung am Ziel dem Batterieführer übermittelt ;
es fehlen
daher
auch
mehrfach Zeitangaben,
die ich für
mindestens ebenso wichtig halte , wie die Angaben über den Munitionsverbrauch . Ehe ich die Schiefsergebnisse Angaben über das schwedische
selbst mitteile, mufs ich einige Schiefsverfahren vorausschicken.
Da mir die Schiefsregeln nicht im Text vorliegen, sondern nur ein Kommentar dazu , gehen.
kann ich auch nur in grofsen Zügen darauf ein-
Das Schiefsverfahren der schwedischen Artillerie ist dem französischen insofern nachgebildet, als das Streuverfahren angenommen ist, wodurch ein Raum von grofser Breite und Tiefe gleichmäfsig unter Feuer genommen werden kann . Das schliefst natürlich nicht aus, dafs unter Umständen z. B. gegen Schildbatterien, deren einzelne Geschütze
sichtbar
Schiefsen, wobei
aufgestellt
sind,
„ Punktschiefsen",
d.
h.
ein
ohne Streuen und mit einer Entfernung auf die
einzelnen Geschütze
geschossen wird,
angestrebt wird.
Die Regel
ist, wie in Frankreich , das Schiefsen aus verdeckten Stellungen unter Benutzung von Hilfszielen und mit sehr genau arbeitenden Winkelmessern (Richtkreis oder Goniometer),
mit Hilfe
deren Änderungen
der Seitenrichtung um einen Strich ( 1000 der Entfernung) vorgenommen werden können. Bei sämtlichen hier mitgeteilten Schiefsen sind Hilfsziele
und Goniometer angewendet.
Endlich findet auch
das Einschiefsen mit Brennzünder statt. Dagegen wird das Einschiefsen nicht mit allen vier, sondern nur mit zwei Geschützen ausgeführt. Man sucht das Ziel mit niedrigen Sprengpunkten in eine Gabel von 200 m zu bringen, begnügt sich jedoch auch mit einer solchen von 400 m, wenn die Bildung der
ersteren
schwierig
ist.
Nach
Bildung der Gabel nimmt man das Feuer mit der ganzen Batterie auf und regelt zuerst die Seitenrichtung. In bezug auf das Streuen nach der Seite ist man noch über das in Frankreich übliche Mals hinausgegangen.
Man unterscheidet hier nicht weniger als vier ver-
schiedene Arten ; nämlich : a) Das Schiefsen mit gleichbleibender Seitenrichtung , wodurch eine Batterie von 4 Geschützen eine Front bis zu rund 100 m unter Feuer hält.
Nochmals die Feuerwirkung der modernen Feldartillerie .
510 b) Das
Schiefsen
mit
einseitigem
richtung ( einfaches
Streuen).
Wechsel
der
Seiten-
Hierbei werden von jedem
Geschütz 3 Schüsse abgegeben und die Seitenrichtungen nach jedem
Schufs
durch
Drehung
der
Kurbel
der
Seitenricht-
maschine zweimal um je 8 Strich (auf 3000 m also um je 24 m) verlegt. Auf diese Weise kann ein Geschütz eine Front von 72 , ¹ ) eine Batterie von 4 Geschützen also eine solche von 288 (rund 300) m unter Feuer halten.
Diese Zahlen gelten nur
für die Entfernung von 3000 m ; auf den kleineren Entfernungen sind sie geringer. In Frankreich wird die Seitenrichtung nach jedem Schufs nur um je 6 Strich verlegt; daher ist die unter Feuer genommene Front etwas geringer, auf 3000 m nur rund 250 m. c) Das Schiefsen mit doppeltem Wechsel
der
Seitenrich-
tung (doppeltes Streuen) . Hierbei verfeuert jedes Geschütz 5 Schüsse, die ebenfalls um je 8 Strich seitlich auseinanderliegen. Es wird von der Anfangsrichtung ausgehend zweimal nach links und zweimal nach rechts gestreut. Jedes Geschütz deckt auf 3000 m also einen Raum von 120 m Front, eine Batterie also einen solchen von 480 (rund 500) m.
d) Auf den nächsten Entfernungen
unter 1500 m -
tritt das
sogenannte „ Mähen" ein. Die Verlegung des Treffpunktes nach der Seite um je 8 Strich ist hier zu gering (auf 1000 m z. B. nur 8 m) im Vergleich zu der Breite der Streugarbe, die zu 24 m veranschlagt werden darf. Beim Mähen gibt jedes Geschütz in der Regel 8 Schüsse ab mit einem Unterschiede von je 16 Strich (2 Kurbelumdrehungen ) in der Seitenrichtung. So kann ein Geschütz eine Front von 128 Strich, eine Batterie eine solche von 512 Strich - auf 1500 m eine Front von über 750 m unter Feuer nehmen. Die erste Lage mit der ganzen Batterie wird unter Verteilung des Feuers in der Regel auf der Mitte , unter Umständen jedoch auf der kurzen Grenze der 200 m- Gabel abgegeben und die nach der Beobachtung notwendige Korrektur
der Seitenrichtung
angeordnet.
Ist nur eine 400 m-Gabel gebildet, so wird die erste Lage auf einer Entfernung abgegeben, die entweder 100 m gröfser als die kurze oder 100 m kleiner als die weitere Gabelgrenze ist. Es gelingt dadurch vielleicht die Gabel noch weiter zu verengen.
1) Die Verlegung der Seitenrichtung macht 48 m aus, die Ausbreitung der Schrapnelkugeln ist zu 24 m zu veranschlagen .
Nochmals die Feuerwirkung der modernen Feldartillerie,
511
Nunmehr beginnt das Wirkungsschiefsen , dessen Ausführung von den Umständen abhängt. Zunächst wird die Sprenghöhe auf das richtige Mafs ( 1000 der Entfernung) gebracht. Die Fortsetzung des Schiefsens findet dann in der Regel unter „ Streuen nach vorn" statt. Beim „ lagenweisen Feuer“ oder „ Feuer auf Kommando" (das dem französischen 99 Schiefsen mit Salven oder Rafelen auf Kommando des Batterieführers" entspricht) wird die Entfernung für jede Lage vom Batterieführer kommandiert.
Man
beginnt mit
der kurzen Gabelentfernung, gibt hier 2-3 Lagen ab, geht um 100 m vor und gibt auf diese Entfernung ebenfalls 2-3 Lagen ab, wenn man keine Sprengpunkte hinter dem Ziel beobachtet. weite Gabelgrenze festgelegt,
so
sicher ,
Ist die
d . h. durch zwei beobachtete Schüsse
geht man nicht weiter vor ; ist sie aber nur durch
eine Beobachtung gebildet, so geht man bis zur weiten Gabelgrenze vor. Bei guter Beobachtung der Sprengpunkte kann es gelingen, schliefslich das Schiefsen auf nur einer Entfernung fortzusetzen . Auf den weiteren Entfernungen ist
aber wegen der grofsen
Sprenghöhen an eine Beobachtung nicht zu denken. Daher empfiehlt sich hier von vornherein auf die Beobachtung zu verzichten und „ Streufeuer" anzuwenden, was wie der „tir progressif" der französischen Artillerie ausgeführt wird . Unter
besonderen
Verhältnissen,
wie
z. B.
Schiefsen
gegen
Artillerie (namentlich gepanzerte), deren Geschütze deutlich sichtbar sind , kann auch direkt auf die einzelnen Geschütze gerichtet werden oder wenigstens die Seitenrichtung der einzelnen Geschütze nach den Beobachtungen korrigiert werden . Dasselbe gilt für Infanterieziele, die keine zusammenhängende Front bilden. Auf eine Beurteilung der Schiefsregeln kann ich mich nicht einlassen, um so weniger, als sie mir, wie erwähnt, nicht im Wortlaut vorgelegen haben. Ehe ich die Schiefsergebnisse wiedergebe, schicke ich noch voraus, dafs die einzelnen Scheiben andere Abmessungen als die bei uns üblichen haben, nämlich : Reiterscheiben von vorn Trefffläche = 1,00 qm Figurscheibe (stehend)
99
= 0,75
1/2 Figurscheibe (knieend)
99
= 0,35
1/3 Figurscheibe (liegend)
= 0,18
99
512
Nochmals die Feuerwirkung der modernen Feldartillerie.
1 a 2 Batterien = 8 Geschütze, 4 Mu-
ca.
nitions-Hinterwag. ohne Schilde, 2500 57 1/1 Figurscheiben. Front 160 m. 1b 6 bespannte Geschütz- und 4 Muni- ca. tionswagenprotzen, besetzt mit 2600 90 / Figur- und 70 Pferdescheiben, völlig verdeckt seitwärts und etwa 100 m rückwärts der Geschütze vom Ziel 1a aufgestellt. Die Protzen standen in 2 geschlossenen Linien, Frontbreite im ganzen 45, Tiefe 32 m.
6
7
Figuren
5
9
8
Min.
108 2500 6 2550 2600
72
12
40
(50)
(8,4)
= 70 %
48
556
111
156
2600 2650 2700
5
3800 3900 4000
9
= 91 %
22206
Ziel
4
Zeit
3
Entfernung m
N r .Lfd
2
Angewandte . Brennlg
Schufszahl
Gegen Artillerie.
54
8 a 1 Batterie à 4 Geschütze und 4 2750 Munitionshinterw. mit Schilden , 24 ausgestopfte Bedienungsmannschaften. 80 m Front.
41
3b wie bei 3 a.
2750
44
2750
5
122
3
21 Batterie à 4 Geschütze, 2 Muni- 4000 tions-Hinterw. ohne Schilde, 28 1/2 Figurscheiben . Front 80 m.
2,4
3c wie bei 3a .
2750
49
—
12
24
2,0
5
(20)
(2,3)
1
0,2
19 == 68 %
1 =
8 = 330
9 = 38 %
4
5
6 Geschütze ; davon die geraden 2600 48 ? gepanzert mit 18 ausgestopfen Halbfiguren — die ungeraden ungepanzert, ebenso besetzt. Front 160 m .
2400 2500 2600 2700
? die geraden Geschütze 4 ? 3
Artillerielinie in 8 Staffel, 12 Ge- 5000 schütze mit Munitionswagen, besetzt mit 80 1/1 Figuren . Frontbreite 250 m. Staffelabstände 150 und 180 m.
5000 5100 5200 5300
7
Zu
58
= 17 % die ungerad. Geschütze 28 ? 10 = 55 % 25
3,6
12 = 15
diesen überaus lehrreichen und interessanten Ergebnissen
sind noch einige Bemerkungen zu machen. Die Zeitangaben beziehen sich auf die Dauer vom ersten bis zum letzen Schufs ; die Zeit des Einschielsens ist also eingerechnet. Da die schwedischen
Nochmals die Feuerwirkung der modernen Feldartillerie.
513
Figurscheiben gröfser als die bei uns gebräuchlichen sind, so habe ich die Zahl der Treffer, die bei Anwendung unserer Scheiben wahrscheinlich erreicht wären, in Klammern beigefügt. Das Schiefsen unter Ifd . No. 1 wurde unter einfachem Schwenken nach der Seite ausgeführt, da die Frontbreite
mehr
als 100 m betrug.
Das Wirkungsschiefsen fand unter lagenweisem Feuer statt, wobei die günstigen Beobachtungsverhältnisse gestatteten, Korrekturen um 50 m vorzunehmen. Ziel 1b wurde durch einen Offizier, der sich 1000 m seitwärts und 300 m vorwärts der feuernden Batterie befand . Dieser schickte der Batterie eine Meldung mit Zielskizze , die den Winkel zwischen der Schufsrichtung und der Richtung auf ein vereinbartes Hilfsziel , ferner den Geländewinkel und endlich die Entfernung enthielt. Das Einschiefsen erfolgte nach den Beobachtungen dieses Offiziers, der sie mit Hilfe von Flaggensignalen der Batterie, die nicht einmal ihre Sprengpunkte
sehen konnte,
übermittelte.
Oberst Wennerberg, der
Direktor der schwedischen Artillerieschiefsschule, unter dessen Leitung alle Schiefsen ausgeführt worden sind, bemerkt dazu, daſs gegen das Schiefsen nichts einzuwenden sei , als dafs eine zu grofse Schufszahl abgegeben wurde . wohl kaum vorkommen ;
Im Ernstfalle dürfte ein solches Schiefsen immerhin ist es eine vortreffliche Übung,
eine Art Gymnastik, die die Offiziere schieden en Richtmittel vertraut macht.
mit dem Gebrauch der ver-
Bei Ifd . Nr. 2 wurde nach der Gabelbildung zum „ fortschreitenden Feuer" übergegangen,
da die grofsen Sprenghöhen eine Beob-
achtung ausschlossen. Vom Ziel war bei diesem Schiefsen überhaupt nur ein Geschütz zu sehen , die Frontbreite aus dem während des Einschiefsens abgegebenen Zielfeuer erkannt.
Das Treffergebnis ist
als ein ganz hervorragendes
zu bezeichnen ; die grolse Entfernung,
die schwierige Beobachtung
und
das verhältnismässig
kleine Ziel
( ½ Figuren) sind dabei zu berücksichtigen . Die unter Ifd. Nr. 3a, 3b, 3c ausgeführten Schiefsen bezweckten , eine Erfahrung darüber zu gewinnen, in welcher Weise gepanzerte Feldartillerie am besten zu bekämpfen sei. Zu dem Zweck wurde eine Schildbatterie von 4 Geschützen dreimal auf derselben Entfernung beschossen. Lfd . No. 3a gibt die Resultate eines Schiefsens mit Schrapnels unter den gewöhnlichen Verhältnissen , d . h. nicht auf die einzelnen Verteilung des Feuers auf die Zielfront und mit normalen Sprenghöhen ; Ifd . No. 3b mit Geschütze direktem Richten, niedrigen Sprenghöhen und kleinen Sprengweiten ; Ifd . No. 3c mit Sprenggranaten Az . unter genauem Einschiefsen.
514
Nochmals die Feuerwirkung der modernen Feldartillerie.
Das Resultat unter Nr. 3a ist geradezu kläglich ;
eine Batterie
ohne Schilde wäre mit dem gleichen Munitionsaufwand und in der gleichen Zeit völlig gefechtsunfähig geworden ; die Schildbatterie verliert einen einzigen Mann ! Die Resultate 3 b und 3c sind meines Erachtens ziemlich gleichwertig; die Sprenggranate hat bei nahezu
gleichem Munitionsaufwand zwar doppelt
so viel Treffer ergeben , dafür aber auch doppelt so viel Zeit gebraucht. Dieser eine Versuch läfst noch keinen Schlufs zu, welches Geschofs den Vorzug verdient. Das gröfste Interesse beansprucht das unter Ifd . N.r 4 aufgeführte Schiefsen. Hier ist vorbildlich gezeigt, wie ein Schiefsversuch angelegt sein mufs, wenn man eine Prüfung ohne Voreingenommenheit
anstellen will.
Alle Verhältnisse für die Ge-
schütze mit und ohne Schilde waren ganz gleich, und darum haben eben die nicht durch Schilde gedeckten Bedienungsmannschaften genau siebenmal so viel Treffer erhalten, als die durch Schilde gedeckten. ' ) Das entspricht eben dem Verhältnis der verwundbaren Treffflächen, wie ich das von Anfang an hervorgehoben habe. Ob die
Praktiker" nun aufhören werden, über die „ Theoretiker" zu
spotten, nachdem
sie
sich
hier
durch
die
Erfahrung
haben
be-
lehren lassen müssen, daſs die Schrapnellkugeln es nicht verstanden haben, die Unvollkommenheit der Deckung auszunutzen ? Dafs die Schuld nicht etwa an ungleichmässiger Verteilung des Feuers gelegen hat, geht daraus hervor, dafs die gepanzerten Geschütze 27 , die ungepanzerten 11 Materialtreffer erhalten haben ; die Schilde werden also wahrscheinlich 16 Treffer aufgefangen haben, die sonst
die
Bedienung getroffen hätten. Solche Versuche empfehle ich dringend, wenn irgendwo noch ein Zweifel an dem Werte der Schutzschilde bestehen sollte.
¹) Ich habe hier nur die Treffer gezählt , die in den 18 Mann der Bedienung an den Geschützen salsen. Im schwedischen Original sind für die schildlosen Geschütze noch 4 Mann an 2 Munitionswagen aufgeführt, die alle 4 durch 9 Treffer aufser Gefecht gesetzt sind. Da bei der Stellung der Munitionswagen hinter den Geschützen die Munition noch an die Geschütze gebracht werden mufs, wozu auch Leute gehören, so wäre man auch berechtigt, diese Verluste noch mitzuzählen , wodurch sich der Vorteil der gepanzerten Geschütze noch deutlicher herausstellen würde.
515
Nochmals die Feuerwirkung der modernen Feldartillerie.
Ziel
ca. zu bis 2700 den Schützen
9
149
37
(104)
(26)
105 - 50 %
Min.
2100 2200 2300 2400
6
2600 2700 2800 2900
8
154 2100 2200 2300 2400 2500 2600
8
57
5
125
25
8
(87) 118
(17) 39
(83)
(27)
64
1/3 Figuren, Frontbreite 300 m ; etwa 150 m dahinter 2 Unterstützungstrupps geschlossen 101 1/3 Figuren ; etwa 250 m hinter diesen 2 Kolonnen mit 880 ¹ , Figuren ; zusammen 556 1/3 Figuren . 4 Infanterie in Gefechtsformation. Vorderste Linie 280 1/3 Figuren, Frontbreite 300 m; 200 m dahinter 2 Züge in 2gliederiger Aufstellung, zusammen 223 1/2 Figuren. Im 3. Treffen 1 2glied . Kompagnie, 200 m dahinter und 100 m nach rechts debordierend ; im 4. Treffen 1 Kompagnie 209 1/2 Figuren in Halbzügen in Reihenkolonne. In Summa 871
8
7 |
4
Infanterie in 3 Züge formiert, in 2300 Reihenkolonne. Im 1. Treffen 2 Züge 142 (Rumpfscheiben) 1½Figuren. Jeder Zug 3 m breit, 34 m tief, Zwischenraum 80 m. Im 2. Treffen 150 m dahinter der 3. Zug, ebenso formiert. Infanterie in Gefechtsformation. Vorderste Linie Schützen, 125
5 | 6|
1800 1850 1900
57
2200 ca. zur bis vordersten Linie
3
| 84 | Entfernung m
(Brustscheiben) 1/3 Figuren ; ca. 100 m dahinter in 2 Gliedern 1800 140 Brustscheiben. Front 100 m
70
2
Schufs-
.Nr d -Lf
Gegen Infanterie.
2
89
325
54
(227)
(38)
368
46
(257)
(82)
824
40
(226)
(28)
143 == 67 %
244 - 42 %
235 == 27 °/
1/2 und 13 Figuren in einem Raum von 400 m Breite und Waldgelände ; 525 m Tiefe . sumpfiger Boden . Vom Ziel nur die Flügel der Schützenlinie und der ersten Unterstützungstrupps sichtbar.
1/3 Figuren im Walde, Front 80 m ; 175 m dahinter geschlossene Infanterie 110 1/2 Figuren , Front 56 m.
2400 ca.
Linie vorderste
5 Schützenlinie 187 1/3 Figuren, 600 m ca. Front, also sehr locker. 1300 6 Infanterie in und hinter einem Vorderste Linie 110 Walde.
50
1300 2400 2500 2600 2700
91 = 49 % 76 = = 35 %
516
Nochmals die Feuerwirkung der modernen Feldartillerie .
Bei dem unter Ifd . Nr. 1 aufgeführten Schiefsen sah man der Batterie aus eine Kolonnenspitze, die durch 4 ganze Figurscheiben dargestellt war; gegen diese wurde mit
6 Schüssen die
200 m-Gabel gebildet. Hierauf verschwand diese Scheibe und wurde durch das beschriebene Ziel ersetzt . Es wurde das Feuer nach beiden Seiten
auf je 50 m verteilt ; das Wirkungsschiefsen wurde
durch 99Feuer
auf Kommando "
ausgeführt.
Die
eingeklammerten
Zahlen geben die Trefferzablen an, die zu erwarten sind, wenn das Ziel aus Scheiben von der bei uns üblichen Gröfse ( /, Figurenscheiben 0,13 qm, hätte .
Beim
1/2
Figurenrumpfscheiben
Schiefsen Nr. 2 wurde
0,27
qm) bestanden
fortschreitendes Feuer"
ange-
wendet ; das Ziel war zum gröfslen Teil im Gelände versteckt. Das Ziel beim Schiefsen Nr. 3 war bis auf die Flügel der Schützenlinie von der Batterie aus nicht zu sehen; gegen dieses Ziel wurde gegeben ;
„fortschreitendes Feuer" mit
bei dem folgenden Schiefsen
„ einfachem Streuen " abmuiste wegen der breiten
Front nach beiden Seiten gestreut werden.
Dafs auf sechs Ent-
fernungen gestreut wurde, ist nur zu rechtfertigen, wenn dem Batterieführer die grofse Tiefe des Ziels bekannt war. Auch dann ist es fraglich, ob es nicht richtiger wäre, der vordersten Linie zu beschränken .
sich auf die Zerschmetterung
Das Schiefsen Nr. 5 ist besonders interessant, weil ein sehr breites Ziel durch " Mähen " unter Feuer genommen wurde ; die Schufsrichtungen der Flügelgeschütze bildeten einen Winkel von etwa 25 Grad miteinander. Mit Rücksicht auf die sehr lockere Aufstellung des Ziels ist die Wirkung als ganz hervorragend zu bezeichnen. Beim Schiefsen Nr . 6 lag hinter dem Walde ein von der Batterie aus sichtbarer kabler Bergabhang : Es war angenommen, das Ziel habe diesen Abhang überschritten and Aufstellung hinter dem Walde genommen.
Beim Einschiefsen
wurde der weite Gabelschufs
diesem Bergabhang, der kurze vor dem Walde
beobachtet.
auf Das
dazwischen gelegene Gelände wurde durch „, fortschreitendes Feuer" bestrichen. Es ist zu bedauern, dafs keine Angaben über die Höhe der Bäume und Tiefe des Waldes gemacht sind,
weil man daraus
schliefsen könnte, ob die wirksamen Schrapnells in oder hinter dem Walde krepiert sind . Die Wirkung in dem hinteren Teil des Ziels ist sehr beträchtlich, verhältnismäfsig gröfser als in dem vorderen Teil. Es bleiben noch zwei Schiefsen zu erwähnen, die nur mit Rohrrücklaufgeschützen möglich waren . Bei dem einen wurden von
Nochmals die Feuerwirkung der modernen Feldartillerie.
517
einer Batterie gleichzeitig zwei Ziele beschossen, die auf die beiden Züge verteilt wurden .
Das
eine Ziel bestand aus einer liegenden
Schützenlinie (' , Figuren) ; 150 Scheiben auf einer Front von 220 m verteilt ; Entfernung 1300 m ; das Ziel mufste durch ,,Mähen" beschossen werden . In 3 Minuten wurden von den zwei Geschützen 38 Schüsse (einschliefslich Einschiefsen) abgegeben und 84 Treffer (gegen unsere Brustscheiben wären es 59 gewesen) erzielt, Figuren (31 %) getroffen wurden . dem eine Batterie von 6 Kanonen frieden sein dürfte.
wodurch
48
Ein sehr gutes Resultat, mit mit Lafettenrücklauf ganz zu-
Der andere Zug beschofs eine schildlose Batterie
von 4 Geschützen, besetzt mit 28 1 -Figuren, Frontbreite 80 m, Entfernung 2500 m. Feuer auf Kommando 2400 und 2450 m Brennlänge.
In 5 Minuten erreichte man mit 38 Schüssen 25 Treffer,
wodurch 16 Figuren (57 %) aufser Gefecht gesetzt wurden, falls ein vortreffliches Resultat. Das andere Schiefsen fand gegen
ein
eben-
aus 19 Reiterscheiben
(Front 16 m) bestehendes Ziel statt, das sich mit einer Geschwindigkeit von 400 m unter einem Winkel von 45 Grad mit der Schulsrichtung schräge der Batterie näherte. Die Entfernung lag zwischen 1600 und 1000 m. Es wurden 3 Lagen abgegeben, von denen nur eine Wirkung hatte .
In
2 Minute
wurden durch
12 Schufs 74
Treffer in 18 Figuren (95 %) erreicht. Ein besonderes Interesse bieten noch einige Bemerkungen , die der die Schiefsen leitende Offizier, Oberst Wennerberg, an diese
knüpft. Dafs es diesem Herren an praktischer Erfahrung fehlt, wird wohl nach dem Vorstehenden niemand zu behaupten wagen . Nichtsdestoweniger verschmäht er aber theoretische Untersuchungen durchaus nicht. Er unterlässt bei keinem Schiefsen , Betrachtungen über das Verhältnis der Treffer zur Gröfse des Ziels oder, schärfer ausgedrückt, zur Gröfse der verwundbaren Trefffläche und hebt hervor, wie man ein richtiges Urteil Grund solcher Betrachtungen
über
ein Schiefsen nur auf
abgeben könne.
Er geht aber noch weiter und verlangt von den Offizieren, dafs sie häufig Berechnungen anstellen, um zu ermitteln, welche Treffwirkung gegen feldmäfsige Ziele je nach der Gröfse der verwundbaren Trefffläche und der Dichtigkeit der Treffer zu erwarten sind. Nur dadurch könne der Offizier dahin gelangen, während der Feuerleitung für jeden besonderen Fall und in jedem Zeitpunkt die Wirkung seines Feuers annähernd richtig abzuschätzen . Erst wenn der Batterieführer sich diese Fähigkeit im Frieden erworben hat, ist es ihm möglich, seine Pflicht in dieser Hinsicht im Felde einigermalsen zu erfüllen . Man hat in der deutschen Literatur dem " fortschreitenden
518
Nochmals die Feuerwirkung der modernen Feldartillerie.
Feuer" (tir progressif der Franzosen) den Vorwurf gemacht, dafs es gleichbedeutend mit Munitionsverschwendung sei und gemeint, dafs das „Feuer auf Kommando" darum den Vorzug verdiene. Oberst Wennerberg zeigt an der Hand eines reichen und richtig benutzten statistischen Materials, dafs das ,, Feuer auf Kommando" pro Schuls und Zeiteinheit allerdings eine um etwa 70 % höhere Wirkung ergeben hat, als das ,,fortschreitende Feuer". Aber er macht auch darauf aufmerksam, dafs jenes durchweg unter günstigeren Verhältnissen abgegeben wurde als dieses ; so betrugen die Entfernungen dort im Mittel nur 2100, hier 3000 m. Aulserdem wurde das ,,Feuer auf Kommando" nur angewendet,
wenn die
200 m-Gabel
gebildet werden konnte, während das ,,fortschreitende Feuer" namentlich dann eintrat, wenn die Bildung lingen wollte.
einer solchen Gabel nicht ge-
Andererseits hat das ,,fortschreitende Feuer" gleich-
mäſsigere und fast immer genügende Resultate gehabt. Oberst Wennerberg ist aber nicht nur ein guter Ballistiker, sondern auch ein feiner Psychologe und bemerkt mit Recht, dafs es eine wichtige, aber auch sehr schwierige Aufgabe des Batterieführers sei, das Feuer rechtzeitig abzubrechen , wenn nämlich eine genügende Wirkung erreicht ist . Nur der fortwährende Gedanke während des Feuers an die hohe Wichtigkeit, Munition zu sparen, Verschwendet man die kann zu einem guten Ergebnis führen . Munition bei Friedensübungen, so werden bei den Aufregungen des Kampfes im Ernstfall die Munitionswagen rasch geleert sein , und die Batterie ist wehrlos in einem Augenblick, wo es vielleicht gerade darauf ankommt, die volle Kraft einzusetzen. Darum müssen alle Mittel , die es dem Batterieführer erleichtern, die Munitionsverschwendung zu verhüten, benutzt werden. Es genügt nicht, zu wissen , dafs es unnötig ist, mehr als eine wirksame Salve gegen eine geschlossene Eskadron zu verfeuern oder dafs zur Erreichung derselben Wirkung nur der sechste Teil der Schüsse gegen eine Schützenlinie in Bewegung erforderlich ist, als gegen dieselbe Schützenlinie, wenn sie sich niederlegt ; sondern er mufs sein Wissen auch während des Schiefsens walten lassen und hierfür ist es zweifellos vorteilhaft, wenn eine Feuerart angewendet wird, bei der von selbst Feuerpausen eintreten , während welcher neue Entschlüsse gefasst werden Feuer auf Kommando " ist gerade die Feuerart, Das müssen. So welche die Munitionsverschwendung am meisten begünstigt. paradox das klingt, so wahr ist es doch. Denn nach dem „ Mähen" und dem ,,fortschreitenden Feuer" tritt von selbst eine Feuerpause ein, die von dem Batterieführer einen neuen Entschlufs fordert und ihn an die Gefahr der Munitionsverschwendung erinnert. Man darf
Nochmals die Feuerwirkung der modernen Feldartillerie. wohl sagen,
dafs jede
dieser beiden Feuerarten
519
eine völlig aus-
reichende Wirkung gewährleistet, wenn die Elemente des Schiefens - Entfernung und Seitenrichtung richtig bestimmt waren ; eine Wiederholung unter demselben Verhältnisse sein ;
dürfte daher zwecklos
denn entweder war die Wirkung gut,
dann ist die Wieder-
holung überflüssig, oder aber die Wirkung war ungenügend, weil Fehler beim Einschiefsen gemacht sind, dann ist die Wiederholung erst recht nicht zu billigen ; man muls sich vielmehr von neuem einschiefsen. Bei dem „,,Feuer auf Kommando " ist das Feuer zwar auch nach jeder Lage unterbrochen, aber die Versuchung, dem Ziel noch eine Salve zu geben, ist so grofs, dals ihr die meisten Batterieführer unterliegen. Darum sollte man auf das „,fortschreitende Feuer" schon im Frieden mehr Wert legen und es zum Gegenstande eingehender Studien- theoretisch
und praktisch
machen; denn
nur das , was man im Frieden geübt hat, wird man vor dem Feinde richtig anwenden. Noch eine Bemerkung !
Wer aus den Angaben der Spalten 4
und 6 die Feuergeschwindigkeit errechnet, wird gewils erstaunt sein , nicht höhere Zahlen zu finden . Bei dem feldmäfsigen Schielsen der schwedischen Artillerie ist die Zahl der in einer Minute von der Batterie 5 Schüsse
abgegebenen Schüsse nur dreimal
pro Geschütz .
Es liegt
das
über 20,
einmal darin,
also über daſs
nach
jedem Schusse die Richtung verändert wurde, sei es nur die Seitenrichtung,
oder
auch die Höhenrichtung.
Wenn
das
erstere
auch
sehr wenig Zeit in Anspruch nimmt nur Drehung eines Handrades nötig so muſs bei der Änderung der Höhenrichtung nicht nur die Entfernung jedesmal kommandiert, sondern auch der Zünder gestellt und der Aufsatz
umgestellt, das
Geschütz neu gerichtet
werden. Bei Geschützen mit „,unabhängiger Visierlinie", die die schwedische Artillerin nicht besitzt, wird diese Zeit erheblich verkürzt. Die Hauptsache aber ist, wie ich vom Oberst Wennerberg persönlich erfahren habe, dafs man im Interesse einer zuverlässigen Bedienung der Geschütze bei Überweisung des neuen Materials auf Einschränkung der Feuergeschwindigkeit hingewirkt hat. Diese wird, wenn die Truppe das Material erst genau kennt, unzweifelhaft gesteigert werden können . Ich für meine Person halte eine Feuergeschwindigkeit von sechs Schüssen pro Geschütz und Minute für mehr als ausreichend und habe bei allen meinen theoretischen Untersuchungen niemals eine gröfsere angenommen (vgl. mein Buch „ Die französische Feldartillerie" § 18) . Nicht in der Abgabe einer grofsen Schufszahl in kurzer Zeit, sondern darin, dafs ein lebhaftes Feuer ohne Überstürzung und Überanstrengung der Bedienung und ohne 34 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 404.
520
Neues aut dem Gebiete des Festungswesens.
daſs die Präzision darunter leidet, möglich ist, liegt die Bedeutung der Rohrrücklaufgeschütze. Dafs die Veröffentlichung dieser schwedischen Schiefsergebnisse von mir mit besonderer Genugtuung begrüfst worden ist, wird man mir wohl nachfühlen können, bestätigen sie doch in jedem einzelnen Punkte das, was ich seit einer (leider) schon recht langen Reihe von Jahren über die Rohrrücklaufgeschütze und ihre Verwendung ausgesprochen habe. Vor mehr als zwei Jahren hatte ich mich an dieser Stelle zu wehren gegen Angriffe, die mir vorwarfen, die militärische Lesewelt über Rohrrücklauf und Panzer weniger aufgeklärt als verwirrt zu haben .
Ich sagte damals, daſs ich hier-
über die Entscheidung getrost der Zukunft anheimstellen dürfe und ich glaube, die Veröffentlichung dieser schwedischen Berichte setzt jeden unbefangenen Leser in den Stand, sich sein Urteil hierüber zu bilden .
XXXVII .
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens . ')
Von Oberstleutnant a. D. Frobenius.
Das jüngste Ereignis auf dem Gebiete des Festungskrieges, der lange hartnäckige Widerstand der Festung Port Arthur, hat gewiss viele, die der weitverbreiteten Meinung von der unwiderstehlichen Übermacht der modernen Angriffswaffen huldigten, in Erstaunen versetzt ; aber die allgemeine Verwunderung war unzweifelhaft nicht nur grölser, sondern auch berechtigter, als die neuste Veröffentlichung des preussischen Grofsen Generalstabes erschien : „Studien zur Kriegsgeschichte und Taktik IV. Die Festung in den Kriegen Napoleons Hat nicht der Generalstab seit 1870 gegen und der Neuzeit. " 1 ) Studien zur Kriegsgeschichte und Taktik IV. Die Festung in den Kriegen Napoleons und der Neuzeit . Herausgegeben vom Grolsen Generalstab. Kriegsgesch. Abteilung 1. Berlin 1905. E. S. Mittler & Sohn.
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens. Festung und Festungskrieg sich durchaus ablehnend verhalten ?
521 Hat
er nicht im grofsen Generalstabswerk, das den Krieg von 1870/71 behandelt, die so zahlreichen Belagerungen und Festungsangriffe sämtlich als nebensächliche Episoden so kurz erledigt, dafs sie, eingeschoben zwischen die breiten Darstellungen des Feldkrieges , beinahe verschwinden ? Hat er nicht länger als drei Jahrzehnte in unermüdlichem Eifer die Erfahrungen der Schlachten und Gefechte nutzbar zu machen gesucht, ohne sich dessen zu erinnern, dafs die Erfahrungen der Festungskämpfe uns unsere mangelhafte Vorbereitung auf diesem Gebiet zum Bewulstsein bringen und zu ihrem ernstesten Studium auffordern mulsten. Nur
ein
einziges Mal hat der Generalstab
ein Beispiel des
Festungskrieges behandelt, das war in Heft 15 der „,, Kriegsgeschichtlichen Einzelschriften " , das 99 die Festung Langres während des Krieges 1870/71 " zum Gegenstand einer Besprechung machte. Und die hierbei verfolgte Absicht war bezeichnend genug für den Standpunkt, den der Generalstab noch im Jahre 1893 einnahm : er wollte „an der Hand der Kriegsgeschichte der Frage näher treten, wie weit die Angriffsbewegung einer Armee durch seitwärts liegende Festungen gefährdet und wie weit die Armee zu Malsregeln gegen
solche
Festungen genötigt werden kann. " Mit gutem Vorbedacht war gerade diese Festung ausgewählt worden , denn 99 die Festung Langres im Kriege 1870/71 bietet ein Beispiel , welches nicht sehr zugunsten der Festungen spricht " . Aber es ist bemerkenswert und charakteristisch für die weit abweichenden Ansichten , die sich in dem neuerschienenen Werk aussprechen, dafs es betreffs derselben Festung Langres und ihrer Wirksamkeit im Kriege von 1870 zu dem Ergebnis kommt : „ Die bemerkenswerte Tätigkeit von Langres legt den Gedanken nahe, ob es nicht zweckmässig gewesen wäre, die Belagerung dieser Festung frühzeitig durchzuführen, statt sich durch die Angriffe auf Schlettstadt, Neubreisach und Belfort, bei denen es sich in erster Linie um den Erwerb des Ortsbesitzes handelte , immer weiter nach Süden abziehen zu lassen usw." Und es ist gerade die operative Einwirkung der Festung,
welche im Jahre 1893 ge-
leugnet und jetzt zur Begründung dieser veränderten Ansicht geltend gemacht wird. Man sucht selbstverständlich nach den Gründen, welche den in vorliegendem Werk auf jeder Seite sich deutlich aussprechenden völligen Umschwung der Ansichten des Grofsen Generalstabes veranlafst haben mögen , und da liegt der Gedanke nahe, dals man früher von der Ansicht ausging, der unvergessliche Lehrmeister des Generalstabes, Graf Moltke, habe den Wert der Festungen in operativer 34*
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens.
522
Beziehung sehr gering geschätzt und deshalb nicht nur 1866 die österreichischen kleinen Plätze ganz unberücksichtigt gelassen, sondern auch im Jahre 1870 keine weitgehenden Vorbereitungen gegenüber den zahlreichen und teilweise recht umfangreichen französischen Festungen für erforderlich gehalten . Nachdem aber die Veröffentlichung der Militärischen Korrespondenz des Feldmarschalls das Irrtümliche dieser Meinung erwiesen und Major Schröter in seiner verdienstvollen Bearbeitung
der Moltkeschen
Operationsentwürfe
den
Nachweis geführt hat, dafs der General nicht nur die eigenen und feindlichen Festungen stets in Rechnung gestellt und seine Operationsentwürfe auf sie basiert, sondern sie sogar vielfach überschätzt hat und aus diesem Grunde, dem sich das Bewusstsein der mangelhaften Friedensvorbereitung für den Festungskrieg zugesellt zu haben scheint, den Festungen und den Angriffen auf sie lieber aus dem Wege gegangen ist, nachdem also die Festungen in den Augen des Generalstabes durch Moltke gewissermassen wieder zu Ehren gebracht waren, hat man dort seine Pflicht erkannt und auch den Festungskrieg in den Bereich der Studien gezogen . Wenn nun auch nicht behauptet werden soll, dass auch die unermüdlichen Mahnungen einiger Ingenieuroffiziere, den Festungskrieg nicht länger wie bisher zu vernachlässigen, dazu beigetragen hätten, den Meinungsumschwung beim Generalstab
zu befördern,
so läfst
doch die in den meisten und wichtigsten Punkten sich deutlich aussprechende überraschende Übereinstimmung der beiderseitigen Ansichten darauf schliefsen, dafs die Bearbeiter des vorliegenden Werkes es nicht verschmäht haben, auch die einschlägigen Ingenieurarbeiten bei ihren Studien mit zu Rate zu ziehen , und es kann von den Ingenieuren, so wenig in dem Werk ihre Waffe Beachtung findet, im Interesse der Sache nur mit gröfster Freude begrüfst werden,
daſs
sich die seitens des Generalstabes jetzt ausgesprochenen Ansichten über Wert,
Verwertung und Angriff von Festungen fast vollständig
mit denen decken, welche seitens des Ingenieurkorps immer und immer wieder als altbewährte und durch keine Neuerungen zu beseitigende Wahrheiten hingestellt worden sind . in
den Schlufsfolgerungen
finden,
Wo sich kleine Abweichungen
lassen sie sich daraus leicht er-
klären, daſs die Bearbeiter nicht aus den Quellen schöpften, sondern , wie das Vorwort es ausspricht, nur gedrucktes Material berücksichtigten . Bei der Neuheit des Gegenstandes für die Generalstabsoffiziere ist es erklärlich, wenn diese oder jene wichtige geschichtliche Notiz ihnen entging , und aus lückenhaften oder ungenauen Darstellungen irrige Schlüsse gezogen wurden. Wenn sich der Generalstab dazu entschliefst,
sich auch fernerhin mit der Festung
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens.
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und daran ist wohl nicht zu zweifeln eingehend zu beschäftigen - so werden sich die Ansichten auch weiter klären,. und wir werden hoffentlich seinen Studien noch manches wertvolle Geschichtswerk über den Festungskrieg verdanken , den Feldkrieg besitzen .
wie wir bereits so viele über
Die aufserordentliche Wichtigkeit, welche wir dem Werk des Generalstabes beilegen müssen, verlangt es, die wichtigsten Ergebnisse dieser Studien kurz zu erwähnen . Sie betreffen in erster Linie den operativen Wert und die Verwertung der Festung auf dem Haupt- oder einem Nebenkriegstheater, denn 99 die operative Bedeutung der Festung, nicht die Sicherung des Ortsbesitzes als solchen ist es, die für den Wert einer Festung ausschlaggebend ist. " Wenn ich recht verstehe, so fällt dieser „ Ortsbesitz " mit Sicherung der von den Festungswerken eingeschlossenen Stadt, der Bürgerschaft und ihres Besitzes zusammen , und wäre dann ein mittelalterlicher Begriff,
dessen Nebensächlichkeit kaum
der Erwähnung bedürfte .
Auffallenderweise wird aber dieser Gegensatz zwischen Ortsbesitz und operativem Wert immer wiederholt und betont. Es handelt sich um
die Kriege Ludwig XIV.,
wo
nicht mehr die Gewinnung der
einzelnen Stadt , sondern des durch Festungen geschützten Landes zur Aufgabe gestellt war ; der Ortsbesitz entschied hier über den Besitz des Landes, ist also mit jener mittelalterlichen Bedeutung, die wir noch im Dreifsigjährigen Kriege finden , doch wohl nicht mehr ganz gleichbedeutend . Aber auch Friedrich der Grofse, der dem Schema auf dem Gebiete
des Festungs-
ebenso wie auf dem des
Feldkrieges ein Ende machte, mufste die Sicherung Schlesiens dem Schutze der Festungen überlassen, als er keine Armee dafür übrig hatte ; der Ortsbesitz unterstützt auch in dieser Form die Operationen des Feldheeres, indem er es von der Fürsorge für eine Provinz entlastet.
Fassen wir aber Ortsbesitz als Sicherung des Besitzes eines
für den Schutz des Landes wichtigen und unentbehrlichen Punktes auf, so ist er nicht als nebensächlich zu betrachten, denn auf ihm beruht auch der operative Wert. Wenn dann als moderne , auch vom grofsen König befolgte Ansicht aufgestellt wird , dafs die Festungen die Aufgabe haben , die allgemeinen Operationen zu unterstützen", so ist dem ganz unbedingt beizupflichten : keine Festung eines grofsen Staates hat Selbstzweck . Wenn aber dann fortgefahren wird: „ dals aber das Streben nach ihrem Besitz, ebenso wie die Sorge für ihre Erhaltung, niemals einen entscheidenden Einfluss auf die Operationen des Feldheeres ausüben darf, solange eine feindliche Streitmacht im Felde steht, die stets das Operationsobjekt zu bilden hat", so werden hier Fragen , die unter Umständen recht verwickelt
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens.
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sein können, in einer etwas gewaltsamen Weise erledigt. So richtig der Satz im allgemeinen auch ist, so wird man doch nicht unter allen Umständen ihn nur an Port Arthur.
als Dogma annehmen können. Ich erinnere Als die Japaner sich zum Angriff auf die
Festung anschickten ,
da
schüttelte
mancher Stratege bei uns den
Kopf : „ Sie sollten unserem Beispiel von 1870 folgen und die Festung liegen lassen !
Erst die Feldarmee schlagen ! die Festung fällt dann
von selbst ! " Und dagegen kann man jetzt behaupten : Und wenn selbst die Russen im Felde siegreich vorgedrungen wären, hätten die Japaner die Belagerung ihrer
eigenen Armee
aufrecht
erhalten und durch die Stellung
decken müssen, denn
es galt deren sichere
Verbindung mit der Heimat, es galt die Basierung ihrer Operationen. Und auch die Bearbeiter der „ Festung können sich der Einsicht nicht verschliefsen, daſs man bei einer Wiederholung der Verhältnisse von 1870 nicht versäumen dürfe, „ einige der wichtigsten Sperrplätze, wie Toul und Soissons, während des Vormarsches in deutschen Besitz zu bringen. " (S. 312.)
stets
Für die Verwertung der Festungen im operativen Sinne haben die Festungsvierecke in Italien und in Bulgarien die besten
Beispiele abgegeben, und wir finden denn auch die Vorgänge von 1796, 1805 und 1814, 1848 und 1866 in Italien, die von 1828/29, 1853/54 und von 1877/78 in Bulgarien in der uns geläufigen Weise herangezogen, die geschickte Benutzung durch Napoleon, Radetzky und Erzherzog Albrecht der ebenso unzweckmässigen durch Wormser und die Türken gegenübergestellt ;
aber mehr !
auch die Rolle, die
Metz im Jahre 1870 gespielt hat, wird nicht mehr, wie es früher geschah, als abschreckendes Beispiel von der „ Mausefalle" aufgeführt, sondern dazu benutzt, um die Vorteile zu zeigen, welche Bazaine bei richtiger Ausnutzung der Sachlage aus der Festung hätte ziehen können. Es wird rückhaltlos anerkannt, dafs die Festung ein Kräftezuwachs ist,
den man vor dem Feinde voraus hat, dafs sie einen
höheren Grad von Beweglichkeit in der Verteidigung gibt, indem sie die Herrschaft über beide Ufer der befestigten Strombarriere sichert und Flanken- sowie Rückendeckung gewährt, dals sie auch für die angriffsweise vordringende Armee von unschätzbarem Vorteil ist, da sie der Basis und den Verbindungslinien Schutz gewährt. Auffallenderweise wird bei all diesen Erörterungen, obgleich sie mit Moltkes in seinen Operationsentwürfen niedergelegten Ansichten vollständig übereinstimmen, des Feldmarschalls mit keinem Wort Erwähnung getan. Dagegen wird anerkannt, dafs die modernen Fortfestungen mit ihrem bedeutenden Umfang das von Napoleon empfohlene Verfahren bei der Flufsverteidigung wesentlich erleichtern würden,
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens.
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da die Linie der Forts die von ihm jenseits des Stromes geforderten befestigten Stellungen ersetzen und die Entwickelung aus der Festung erleichtern würde. Das entspricht ebenso den seit bald einem Jahrhundert von den Ingenieuren gelehrten Aufgaben dieser Festungen, wie die sich Bahn brechende Erkenntnis , dafs eine Behelfsfestigung die dauernde nicht zu ersetzen vermag und viel leichter der sie verteidigenden Armee zur „ Mausefalle " wird, als die permanente, durch geringe Streitkräfte zu haltende Festung. Behelfs befestigungen glaubt die „ Festung" mit Recht am ehesten im Innern des Landes anwenden zu können : „ Die heutige Technik
bietet
die
Möglichkeit,
erforderlichenfalls
an geeigneten
Stellen mit behelfsmässigen Mitteln Stützpunkte zu schaffen, wozu in solchem Falle hinreichende Zeit zur Verfügung stehen wird. Dresden, Sewastopol, Vicksburg , Richmond, Plewna lassen erkennen, dafs die Behelfsbefestigung zwar die dauernde nicht zu ersetzen vermag, dafs aber, wenn die erforderliche Zeit zur Verfügung steht, dieser Befestigungsart geleistet werden kann. " dals
sehr viel in
Dem ist hinzuzufügen,
eine geraume Zeit für die Herstellung allerdings eine Haupt-
bedingung, nicht aber die einzige ist, denn der ungeheure Bedarf an Arbeitskräften und Baustoffen ist unter Umständen viel weniger leicht zu decken,
als die Zeit zu gewinnen ist.
Hierfür kann nur
durch Vorbereitung im Frieden gesorgt werden, wie sie Wagner in seinem „ Provisorische Befestigung und Festungsimprovisationen " vorgeschlagen und in überzeugender Weise als unentbehrlich nachgewiesen hat : Befestigungstrain und Arbeiterorganisationen. Auf deren weiteren unschätzbaren Nutzen macht uns die im Nachtrag gebotene Studie über „ Anordnungen Napoleons für die Befestigung von Etappenpunkten " aufmerksam. Wenn man damit die Fürsorge für die deutschen Etappenlinien im Jahre 1870/71 vergleicht, so springt noch viel deutlicher als es uns bereits bewusst war,
die
Fehlerhaftigkeit unserer Maxime,
mit
den Armeen
an
den Festungen vorbeizugehen und nicht einmal Belagerungskorps zu Napoleon ihrer Überwältigung folgen zu lassen, in die Augen, wufste jede unbedeutendste Befestigung auszunutzen , um seine Etappenlinien mit verteidigungsfähigen Punkten zu versehen . Wo er keine festen Plätze fand, schuf er sie mit grölster Beschleunigung und
erzielte
durch die Besetzung dieser leicht gegen Parteigänger
zu verteidigenden Etappenpunkte mit Rekonvaleszenten und Rekruten eine erhebliche Ersparnis an Truppen in der Front . Sehen wir nun auch ganz davon ab, dafs wir im Jahre 1870 infolge unserer Vernachlässigung der französischen Festungen auch die Benutzung der durch sie gesperrten Eisenbahnen uns entgehen liefsen und dadurch
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Neues auf dem Gebiete des Festungswesens.
in der Front aufserordentliche Erschwerungen aller Unternehmungen erlitten, so waren unsere Etappenlinien, die sich zum Teil in grofser Nähe jener Festungen hinziehen mussten, durch deren Besatzungen noch ungemein gefährdet ; es trat das umgekehrte Verhältnis der von Napoleon gehandhabten Maſsnahmen ein : die festen Plätze, die unsere Etappenpunkte bilden und so den Etappenlinien Schutz gewähren konnten, wurden zu festen Burgen des Gegners, und wir mufsten uns in der Front durch die dagegen aufzustellenden Beobachtungstruppen noch schwächen. Ich erinnere an die unausgesetzten Gefährdungen durch die Besatzungen von Montmédy, Longwy, Langres und anderer kleiner Festungen, und an die daraus für die Etappentruppen erwachsenden ungeheuren Anstrengungen, um einigermalsen ihrer Aufgabe zu genügen ; ich erinnere daran, dafs dies bisweilen nicht gelang und recht kritische Momente herbeigeführt wurden. Die kleinen Festungen machten sich für Frankreich sehr gut bezahlt, und wenn man erwägt, mit wie mälsigen Opfern an Zeit und Kräften wir sie hätten nehmen können, so mufs man lebhaft bedauern, dafs der Generalstab
so spät erst und nicht vor 1870 sich entschlossen
hat, auch diesen Teil der Maſsnahmen Napoleons zum Studium za machen . Soweit Festungen vorhanden, wird man sie also zukünftig wohl schon der Eisenbahn wegen - möglichst bald zu nehmen suchen, um sie als Etappenstützpunkte zu benutzen. Wo es aber keine -
festen Plätze gibt,
wird man gut tun, solche zu befestigen , und da
hierzu die Kräfte der Etappentruppen nicht ausreichen, solche Behelfsbefestigungen herzustellen, sind wir abermals auf Hilfsmittel angewiesen, die im Frieden
vorbereitet sein müssen,
Befestigungstrain und Arbeiterorganisationen .
d . h. Wagners
Möchte der General-
stab durch seine eigene Arbeit sich doch anregen lassen, auch dieser Friedensvorbereitung sein Interesse zuzuwenden . Andere Staaten haben bereits Schritte in dieser Beziehung getan, und man soll nicht von der Leistungsfähigkeit der heutigen Technik reden, wenn man keine Anstalten getroffen hat, ihre Kräfte rechtzeitig mobil zu machen. Die Studie erkennt die Notwendigkeit an, daſs „ in demselben Mafse, wie die Bedürfnisse der modernen Massenheere gewachsen sind, dem Öffnen und Freihalten der rückwärtigen Verbindungen vermehrte Beachtung zugewandt werden mufs " , und dafs die beiden Mittel, welche die deutsche Heeresleitung anwandte, um den Festungskampf zu vermeiden, Umgehungsbahnen und Beobachtung , „ nicht überall ausreichten ", dafs man also in Zukunft nicht umhin kann , sich auf den Angriff der Festungen vorzubereiten . „ Die Umgehungsbahn von Metz ergab geringe Leistungen , bei Toul erwies sich eine solche als
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens . unausführbar.
In Zukunft
werden
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zwar auf diesem Gebiet
Zweifel weit bessere Leistungen zu erwarten sein,
ohne
aber ganz ab-
gesehen davon, dafs den Eisenbahntruppen eine Fülle anderweitiger wichtiger Aufgaben zufällt, wird doch schon rein technisch wegen der Überwindung entgegenstehender Geländeschwierigkeiten und bei der durch die schnelle Herstellung bedingten Einschränkung der Erdarbeiten die Leistungsfähigkeit solcher Neuanlagen nur beschränkt sein können .
Ausserdem bedürfen solche Bahnanlagen dauernd eines
starken Schutzes gegen die zu umgehenden Festungen. "
Diese An-
sicht, die sich mit den Darlegungen in meinen „ Kriegsgeschichtlichen Beispielen des Festungskrieges " vollständig deckt, ist geeignet, Wasser in den Wein derjenigen zu giefsen , die von der Eisenbahntruppe einen vollständigen Ersatz der Vollbahnen erwarteten . Ferner : „ Auch die Beobachtung erwies sich in der Praxis vielfach als unzulänglich. Fast durchweg entwickelte sich aus ihr schliesslich der Angriff. Die Beobachtung hat stets den Nachteil, dafs sie dauernd Truppen festlegt und die Gefahr für die rückwärtigen Verbindungen doch nicht völlig zu beseitigen imstande ist . . . Auch in Zukunft wird es daher meist zweckmäfsig sein, wichtige Festungen durch raschen Angriff zu nehmen und dadurch klare Verhältnisse im Rücken der Armee zu
schaffen. "
Dieses ungeschminkte Eingeständnis der
im Jahre 1870 gemachten Fehler kann man nur aufrichtig anerkennen . Freilich, lange genug hat es gedauert, bis der Generalstab sich dazu hat bewegen lassen. Kommen wir nun noch einmal zu der an die Spitze des Buches gestellten Lehre zurück, dals es sich in der heutigen Kriegführung nicht sowohl um die Sicherung des Ortsbesitzes als vielmehr um die operative Bedeutung der Festung handle, so konnte dies sich doch niemals auf den um die Festung geführten Kampf beziehen,
denn
bei diesem ist das Kampfobjekt ebenso für den Angreifer die Festung und nicht deren Besatzung, wie für diese lediglich in der möglichst langen Behauptung des Platzes , aber nicht in einem siegreichen Gefecht mit dem Gegner ihre Aufgabe zu suchen ist. Die Erörterungen des Buches über das Öffnen und Freihalten der rückwärtigen Verbindungen führen aber zu dem Schluís, dafs doch auch der Ortsbesitz
eine gar nicht zu unterschätzende Bedeutung hat,
und die
oben wörtlich angeführte Stelle läfst erkennen, dafs der Generalstab auch in dieser Beziehung recht wesentliche Zugeständnisse macht, dafs also der an die Spitze gestellte Satz nicht so zu verstehen ist, wie ihn Oberleutnant Ludwig aufgefalst hat, der zur Verteidigung seines Aufsatzes in den „ Vierteljahrsheften " , auf den ich noch zurückkommen muſs,
im Militärwochenblatt No. 26 sagt:
„ Gewifs kämpft
528
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens.
um das von der Festung verteidigte Gelände, aber doch nur, weil der Feind dort stebt, gerade wie man in der Feldschlacht um ein vom Feinde besetztes Dorf kämpft. Der Entschlufs zum Angriff aber ist von der strategischen Lage abhängig, und ist die Festung genommen, so hat der Ort meist nur noch geringen Wert. " In diesen Sätzen kann ich als richtig nur die Worte anerkennen : „ Der Entschlufs zum Angriff ist von der strategischen Lage abhängig, " im übrigen liegt wohl ein falsches Verstehen der betreffenden Stelle in der Generalstabsstudie vor. Wenden wir uns nun zu den nicht weniger bemerkenswerten Ergebnissen der Studie betreffs des Festungskrieges. Das Übergewicht ist in diesem niemals auf lange Zeit auf einer Seite gewesen ; im allgemeinen kann man sagen, dafs die Fortschritte, welche einem Teil zeitweise die Oberhand verschafften, den anderen Teil bald dazu anregten, durch Vervollkommnungen das Gleichgewicht wieder herzustellen oder sich neue Vorteile zu verschaffen. Die Studie sucht nun aber die Sache so darzustellen, als ob immer die Artillerie des Angriffs der Festung das Gesetz vorgeschrieben, sie durch ihre Fortschritte genötigt hätte, auf neue Verteidigungsmittel zu sinnen , um ihr nachzukommen . Dem ist nicht so . Als klassischer Zeuge hierfür kann Wellington, der Stürmer, angeführt werden, welchem sich bei Besichtigung des Forts Alexander bei Koblenz (Aster erwähnt diesen Besuch in einem Briefe von 1820 ) die Frage aufdrängte, wie es wohl zu ermöglichen wäre , eine solche Befestigung sowie in Spanien aus der Ferne zu breschieren und zu stürmen trotz völliger Deckung der Eskarpen gegen Sicht. Diese Frage führte ihn dann zu den epochemachenden Woolwicher Versuchen von 1822 , an die sich die weitere Entwickelung des indirekten Schusses anschlofs, welcher erst durch Einführung der gezogenen Geschütze
die nötige Sicherheit erhielt.
Hier liegt also ein Beispiel vor, wie die Verbesserung der Befestigung die Artillerie zu neuen und erst nach geraumer Zeit ein befriedigendes Ergebnis zeitigenden Anstrengungen zwang. Wenn ferner der Satz aufgestellt wird, dafs das Anpassen der Werke an die erhöhte Feuerwirkung eine Verminderung der Sturmfreiheit bedeute, da „ die Annäherungshindernisse nicht in demselben Malse wie die Feuerwirkung verstärkt werden konnten ", so muſs das dabin berichtigt werden, dafs die nicht zu leugnende geringere Fürsorge für Sturmfreiheit durchaus nicht auf ein Versagen der technischen Mittel zurückzuführen ist, sondern ihren Grund in der starken Betonung der Artillerie und ihrer Kampfbedürfnisse bei der Verteidigung hat ; der Widerspruch der Ingenieure gegen die zugunsten der Artillerie beliebte Vernachlässigung der Sturmfreiheit wurde aber
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens.
529
mit Berufung auf die der Verteidigung zu gute kommende Verbesserung der Feuerwaffen abgewiesen . Es wäre mit Freuden zu begrüſsen, wenn sich die Erkenntnis Bahn bräche, dafs wir in Zukunft der Sturmsicherheit eine erhöhte Aufmerksamkeit zuwenden müssen ; die technischen Mittel
dazu werden nicht fehlen,
wenn die pekuniären
Mittel bewilligt werden. Dals die Armee nicht ohne Ausrüstung mit schweren Angriffsmitteln ,
in erster Linie
herantreten soll,
schwerer Artillerie ,
an eine Festung
wird offen zugestanden und die im Jahre 1870 in
dieser Beziehung begangenen Fehler mit „ der auch bei Napoleon I. deutlich hervortretenden Abneigung gegen Belastung durch schweres Belagerungsgerät, ferner aber auch durch die unzureichenden Friedensvorbereitungen
begründet.
Sehr richtig !
Aber
99 hatte schon die
Lage Napoleons während der Belagernng von Danzig (und - kann man hinzufügen - von Mantua 1796) gezeigt, welche Schwierigkeiten der Offensive
durch den Widerstand der feindlichen Festungen er-
wachsen können, so hätte vielleicht auch die Lage, in der sich die preufsische Armee 1866 bei ihrem Vormarsch von Königgrätz auf Wien befand, in dieser Beziehung eine Warnung bilden können “ . Dals im Jahre 1870 an leitender Stelle die Fragen des Festungskrieges überhaupt nicht beherrscht wurden, wie es betreffs des Feldkrieges der Fall war, wird damit zugestanden , dafs man sich bei Paris über die einzuschlagenden Wege nicht im klaren gewesen, dafs man sich in der Wahl der Angriffsfront vergriffen und die Lage der Eisenbahnen zu wenig beachtet habe . Damit wird dem von den Ingenieuren gefällten Urteil beigestimmt. Dals
seit 1870 in der Friedens vorbereitung gerade hinsichtlich
der artilleristischen Mittel aufserordentlich viel getan ist, wird niemand bestreiten. Vielfach wird schon die Ausrüstung der Feldarmee mit schwerer Artillerie als hinreichend erachtet, um in den meisten Fällen mit den feindlichen Festungen fertig zu werden. Es ist anzuerkennen, dafs der Generalstab sich hierüber keinen Täuschungen hingibt und vor derartiger Überschätzung warnt, denn „ es ist zu bedenken, dafs die Zahl der schweren Geschütze , und vor allem deren mitgeführte Munition, der Geschützausrüstung selbst veralteter Festungen nicht anderes
ist,
ob man
ohne weiteres gewachsen ist,
vereinzelte
Sperrforts
bekämpft
daſs es ein und
einen
Festungsangriff einleitet oder einen solchen bis zur Entscheidung durchzuführen beabsichtigt. Ist daher ein Festungsangriff mit Sicherheit vorauszusehen, so bedarf es auch heute der rechtzeitigen Bereitstellung von Belagerungsmitteln ." Daſs dies nicht geschah, wird an den Österreichern im Jahre 1800 (Genua) getadelt ; die Konsequenz
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens .
530 ist für
1866
(Floridsdorf) und 1870 leicht
zu ziehen .
Die Be-
schiefsungen mit Feldgeschützen , die man vor nicht allzulanger Zeit noch zu beschönigen suchte , werden in ihrer Schädlichkeit richtig erkannt : „ Die von Blücher ( 1814) veranlafsten Beschielsungen mit Feldgeschützen und mit geringer Munition konnten freilich keinen Erfolg haben.
Es ist lehrreich zu sehen , wie ein derartiger, miſs-
glückter Versuch die Zuversicht der Besatzung nur steigert. Man hat solche Beschiefsungen häufig gewissermalsen als Verlegenheitsmafsregel angeordnet, weil man nichts Besseres zu tun wulste .
Sie
haben aber, wie diese Erfahrung (und die zahlreichen Beispiele von 1870,
auf die doch wohl angespielt werden soll) lehrt,
unter Um-
ständen auch schädliche Folgen , " und hieran anschliefsend die dreimal zu unterstreichenden Worte : „ Eine Armee , die vor der Aufgabe steht , in ein mit Festungen reichlich ausgestattetes Land einzudringen , kann nur dann mit einiger Sicherheit auf Erfolg rechnen , wenn
sie
auch mit den gegen diese
Festungen erforderlichen Kampfmitteln ausgestattet ist. " Aber auch dem Bombardement mit schweren Geschützen wird nicht viel Vertrauen
entgegengebracht :
„Aus dem
schnellen
Erfolge des Bombardements bei der Mehrzahl der schlesischen Festungen (1806/7) für heute Schlüsse zu ziehen, würde verfehlt sein.
Bei
einem
tätigen Verteidiger und
einer Festung,
die eine
Artillerieentwickelung überhaupt ermöglicht, ist heute durch Bombardement allein ohne Kampf mit der Artillerie des Verteidigers kein Erfolg zu erwarten. "
Die Anwendung dieses Urteils auf die erfolg-
reichen Beschiefsungen von 1870 liegt auf der Hand .
Welches An-
griffsverfahren bleibt nun übrig? Bei Besprechung der Kriege in Spanien 1808-1814 kommt die Studie zu folgendem Ergebnis : „ Wellingtons Verfahren war neu auf dem Gebiete des Festungskrieges. Es spricht für die Ausführbarkeit gewaltsamer und abgekürzter Angriffe und zeigt den Nutzen der rechtzeitigen Bereitstellung der Belagerungsgeräte, wenn das Verfahren auch in den technischen Einzelheiten der Ausführung infolge mangelnder Erfahrung vielleicht nicht überall einwandfrei war, und mehrfach der gewünschte Erfolg nicht erreicht wurde.
Es
ist auch nicht die Form des Angriffsverfahrens , die für uns vorbildlich ist, sondern der Geist rücksichtsloser Energie, der es durchdrang, und das richtige Abwägen des Einflusses, den die allgemeine Kriegslage auf die Art der Durchführung des Angriffs ausübte. " kann man Wort für Wort unterschreiben, denn auch bei belagerungsmässigen Angriff, griffsverfahrens
welcher
stets
Das dem
die Grundlage des An-
bilden mufs, ist jede günstige Gelegenheit zu er-
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens .
531
spähen und energisch auszunutzen, welche die gewaltsame Wegnahme eines feindlichen Werkes begünstigt und dadurch zur Abkürzung wesentlich beitragen kann .
Dafs aber gerade der Hinweis auf die
Erfolge Wellingtons mit einiger Vorsicht aufzunehmen ist,
zeigt die
Art und Weise , wie Oberleutnant Ludwig in seinem Aufsatze „ Der Sturm im Festungskriege " (Vierteljahrshefte für Truppenführung und Heereskunde 1905 , wertet.
Er bringt nur
Heft 1)
diese
darstellt und ver-
den Angriff auf Ciudad Rodrigo 1812 und
den letzten Angriff auf Badajoz im selben Jahre zur Darstellung, läíst bei ersterem irrtümlicherweise den Sturm auf beide Breschen gelingen und erweckt durch seine Schilderung die Ansicht, als ob Er sagt Wellington noch viel mehr Erfolge aufzuweisen habe. nämlich
vor Besprechung
der beiden genannten Beispiele :
„ Rück-
sichtslose Energie erzielte hier glänzende Erfolge" und nach der Schilderung: „ Wellington hat das gleiche Angriffsverfahren auch gegen andere Festungen, wenn auch nicht immer mit demselben Erfolge, versucht. " Der mit den geschichtlichen Vorgängen weniger vertraute Leser wird aus diesen Worten kaum herauslesen können, dals bei seinen übrigen Versuchen Wellington Erfolg hatte.
eigentlich keinen
Es wurden in dem ganzen Feldzuge überhaupt nur Badajoz zweimal, Ciudad Rodrigo, Schlofs Burgos und San Sebastian in der Weise angegriffen, dafs unter dem Schutze einer Parallele die Artillerie aufgefahren und nur zum kleineren Teil zur Bekämpfung der Festungsartillerie, zum gröfseren Teil zum Breschieren der in ganzer Höhe sichtbaren Mauern benutzt wurde, worauf der Sturm gegen die erzielten Breschen erfolgte . Die Ergebnisse waren aber folgende : der Belagerung von Ciudad Rodrigo war der Sturm der einen Bresche erfolglos ; bei Badachos im Jahre 1811 wurde der Sturm der Bresche im Fort Christoval zweimal abgeschlagen, und Wellington
Bei
gab die Belagerung auf ; im Jahre 1812 hatte gleichfalls der Sturm auf die Breschen in der Umwallung von Badajoz keinen Erfolg, er wurde abgewiesen, aber während dessen erstiegen die Engländer an einer anderen Stelle die von Verteidigern entblöfste Eskarpe ; dies ist also der zweite Erfolg. Bei San Sebastian scheiterte der Sturm der ersten Bresche gänzlich, und die Festung fiel erst nach etwa 60 tägiger Belagerung, nachdem alle Stürme abgeschlagen waren, Bei der Belagerung von durch Explosion eines Pulvermagazins. Burgos schlug die geringe Besatzung von 2000 Mann, welche die Breschen verteidigten, den Sturm der besten englischen Soldaten ab : Burgos wurde überhaupt nicht genommen. Dabei waren die Verluste
532
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens.
enorm : bei San Sebastian 5000 Mann, die Hälfte der Belagerungstruppen ; bei Burgos 2600. Wenn nun sowohl
die Studie als Ludwig die vermeintlichen
grofsen Erfolge Wellingtons auf die Entwickelung einer überlegenen Artilleriemasse und auf die Niederkämpfung der Verteidigungsartillerie zurückführen, so steht dies in auffallendem Gegensatz zu dem Urteil des Russen Engmann , welcher in seinem Buche „ die Verteidigung neuerer Festungen vom taktischen Gesichtspunkte (1898)" sagt : „ Der Hauptgrund der geringen Zuverlässigkeit des von den Engländern angewendeten beschleunigten Angriffsverfahrens bestand vor allem darin , dafs dieser Angriff nicht mit der Bekämpfung des Artilleriefeuers verbunden war. Dadurch, dals der Angreifer der Verteidigungsartillerie nicht die geringste Aufmerksamkeit zuwendete , sondern fast seine ganze Kraft für das Legen der Bresche einsetzte, wurde die Festungsartillerie bis zum letzten Augenblicke wenig beschädigt und die Besatzung in keiner Weise erschüttert, weshalb es dieser nicht schwer wurde, den Sturm auf die Bresche abzuschlagen. “ Eine genauere Kenntnisnahme dieser Belagerungen möchte wohl Engmann Recht geben ; für uns ist aber daraus zu folgern, daſs die Ausführung eines abgekürzten Angriffs nach Wellingtons Beispiel mit Rücksicht auf die heutigen Feuerwaffen ganz aussichtslos sein würde , und dafs erst im Verlauf des belagerungsmäfsigen Angriffs, wenn der Verteidiger durch das Geschützfeuer bereits wesentlich an Widerstandskraft eingebülst hat, auf einen Erfolg zu rechnen sein wird. Die Artilleristen haben damit gewifs recht, wenn sie die gründ-
liche Vorbereitung durch Geschützfeuer so gut im Festungswie im Feldkriege zur Vorbedingung jeder Aktion machen, es ist aber etwas kühn , wenn Herr Oberleutnant Ludwig seinen erwähnten Aufsatz mit den Worten beginnt : „ Wie im Feldkriege der Nahkampf mit der Vervollkommnung der Feuerwaffen seltener geworden ist, und heute nach erlangter Feuerüberlegenheit häufig schon das Drohen mit dem Bajonettangriff genügt, um den erschütterten Gegner zum Weichen zu bringen, so wird auch im Festungskriege der letzte Akt des Angriffs , der Sturm, eine verhältnismäſsig seltene Erscheinung werden, falls es dem Angreifer gelungen ist, ihn so vorzubereiten , daſs der Gegner wahrhaft erschüttert ist . " Es ist das etwas kühn , angesichts der Vorgänge auf dem ostasiatischen Kriegsschauplatz , wo in der Feldschlacht und in den Kämpfen um die Werke von Port Arthur der uns veraltet erschienene Kampf in unmittelbarer Nähe, Mann gegen Mann , und mit allen denkbaren Nahkampfwaffen, wieder aufgelebt und in blutigster, erbittertster Weise zur Anschauung gekommen ist. Obiger Satz klingt, als sei er unmittelbar nach 1870 ge-
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens.
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schrieben, wo wenigstens in Festungskämpfen es niemals zum Sturm kam , weil die französischen Kommandanten reglementsmäſsig mit Herstellung der Bresche von jeder weiteren Verpflichtung, noch Widerstand zu leisten, sich entbunden glaubten . Dafs dies Verfahren unseren Ansichten von den Pflichten des Kommandanten nicht entspricht, und dafs wir im Gegenteil auf das Standhalten im Nahkampf nach wie vor ein grofses Gewicht legen, dafs wir auch nicht zweifeln , unsere Besatzungen gegen das Artilleriefeuer so schützen zu können, dals sie zum Standhalten befähigt bleiben,
das ist seit 1870 so oft
der Artillerie entgegnet worden, dafs es mehr als der Worte bedarf, um uns vom Gegenteil zu überzeugen . Beweise sind bisher für die behauptete, jeden weiteren Widerstand brechende Wirkung der Artillerie noch
niemals erbracht worden ;
Beweise für das Gegenteil
liegen aber jetzt vor : die Abweisung der mit noch nie in solcher Zahl dazu verwendeten Streitkräften unternommenen Sturmversuche auf Behelfs- und ständige Befestigungen von Port Arthur ist nicht zu leugnen, und es sind darin Offiziere aller Waffen, nicht nur die Ingenieure, einig, dafs die Artillerie das nicht zu leisten vermochte, dessen sie sich vermessen hat, und was auch Herr Oberleutnant Ludwig an die Spitze seines Aufsatzes stellt : durch ihre Wirkung eine derartige Erschütterung des Verteidigers zu erzielen, dafs er die beschossene Stellung zu räumen gezwungen ist, bevor es zum Nahkampf kommt. Major
Schröter ,
welcher in
seinem neuesten
Werk
„ Port
Arthur " ) den dankenswerten Versuch gemacht, mit gewissenhaftester Benutzung aller bisher vorliegenden
Nachrichten
die Kämpfe um
diese Festung im Zusammenhang darzustellen und Schlufsfolgerungen daraus zu ziehen, soweit dies mit einiger Sicherheit geschehen kann, darf nicht getadelt werden, weil dies zu früh geschehen sei, denn es ist sehr fraglich, ob uns zuverlässigere und genauere Berichte in nächster Zukunft überhaupt zukommen, ob nicht über dem Abwarten uns die wichtigen Lehren und Anregungen verloren gehen möchten , welche dies erste Beispiel eines modernen Festungskampfes uns für die Entwickelung unserer Friedensvorbereitungen und für die Klärung unserer Ansichten so aufserordentlich wertvoll macht. Bezüglich der Angriffsartillerie kommt er zu dem Ergebnis : „Sie hat versagt ... . . . Obgleich die passive Widerstandsfähigkeit der russischen ständigen Befestigung die in Westeuropa gebräuchlichen Normen nicht völlig erreicht, ist es der Angriffsartillerie nicht gelungen , die Stürme auf 1 ) Port Arthur von Schröter, Major, Mitglied des Ingenieurkomitees und der Studienkommission für die militärtechnische Akademie. Mit 2 Karten in Steindruck. Berlin 1905. E. S. Mittler & Sohn.
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens .
534
ständige Befestigungen wirksam vorzubereiten oder auch nur zu erleichtern. Der Schlufs liegt nahe, dafs dies in Zukunft nur durch eine sehr ausgiebige Verwendung schwerster Steilfeuergeschütze möglich sein wird, deren Mitführung in Form bespannter schwerer Artillerie ausgeschlossen ist. " Der Artilleriehauptmann Hüther , kommandiert zum Generalstabe, sucht die Ansprüche seiner Waffe aufrecht zu erhalten, indem er (Militärwochenblatt 1905 , No. 30) ausführt, dafs die Japaner an Geschützen und besonders an schweren Steilfeuergeschützen zu schwach gewesen seien, um damit die erwartete Wirkung zu er zielen. Er weist vor allen Dingen darauf hin, dass ihre 28 cm Haubitzen als Küstengeschütze nicht mit Brisanz-
sondern
mit Panzer-
geschossen ausgerüstet gewesen seien, welche gegen die vorliegenden Ziele weniger wirkungsvoll seien . Nun ist durchaus noch nicht festgestellt, ob nicht die Japaner, da sie über aufserordentlich leistungsfähige artilleristische Etablissements verfügen, für den Zweck der Belagerung ihre Haubitzen nicht mit Sprenggranaten ausgerüstet haben ; und die nach russischen Nachrichten damit erzielte Wirkung läfst mit ziemlicher Bestimmtheit hierauf schliefsen . Ich erinnere an die 28 cm Granate,
welche,
in
eine Kasematte
General Kondratenko und acht andere
einschlagend , den
Offiziere tötete, und deren
sieben verwundete . Jedenfalls ist aus diesem Beispiel zu ersehen, daſs die Geschofswirkung hinreichend gewesen ist, und es bleibt auffallend, dafs 18 mit so wirkungsvollen Geschossen ausgerüstete Geschütze bereiten.
nicht imstande gewesen sind,
Ferner macht Hauptmann Hüther die
den Sturm besser vorzu-
zu
geringe Anzahl der
japanischen Geschütze für den Mifserfolg verantwortlich .
Wir kennen
diese Zahl noch gar nicht, nehmen wir aber die von ihm mitgeteilte Zahl von 75 Belagerungsgeschützen als richtig an, so erscheint diese gar nicht so unbedeutend gegenüber den 120 bis höchstens 150 Kampfgeschützen, die er den Russen wie er selbst hervorhebt,
zuerteilt,
denn
diese waren,
auf den ganzen Kranz der Werke gleich-
mäfsig verteilt, während die Japaner ihre Geschütze gegen die Angriffsfront massieren konnten. Wenn er aus diesen Zahlen auch schliefst, dafs beide Gegner nicht erstklassig ausgerüstet waren, so mufs er doch zugestehen, dafs sie gleichwertig waren, and unter solchen Verhältnissen hätte nach bisherigen Annahmen die Zahl der Angriffsgeschütze wohl ausreichen müssen , um in einer monatelangen Beschiefsung das zu leisten, was die Artillerie bisher immer behauptete, binnen weniger Tage leisten zu können. Wie hiefs es doch ? Das Schwerste ist der Artillerieaufmarsch. Wenn
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens.
535
der vollzogen ist, ist eigentlich die Sache entschieden ; die Artillerie wird viel schneller mit der Festung fertig sein, als man glaubt. Und die russische Artillerie hat dem Angreifer
nicht einmal seine Auf-
gabe durch einen hartnäckigen Geschützkampf erschwert. Schröter sagt darüber: „Gewifs liegt in dem einheitlichen Einsetzen der gesamten Kampfartillerie in einer Stellung, in dem Bestreben, die Angriffsartillerie gar nicht aufkommen zu lassen und, gelingt
es ihr
trotzdem, sie unter Entfaltung aller Kraft zu bekämpfen, eine der wichtigsten Chancen der Festungsverteidigung, es ist aber nicht einzusehen, warum die Artillerie, im Falle sich die Überlegenheit der Angriffsartillerie herausstellt, sich nutzlos an Ort und Stelle opfern und nicht für andere Zwecke und Perioden der Verteidigung aufsparen soll .
Der Artilleriekampf ist doch nicht Selbstzweck, sondern
die Tätigkeit der Artillerie
hat sich
dem
allgemeinen Zweck der
Verteidigung unterzuordnen, und der ist doch schliesslich immer mag man sagen was man will - Verlängerung der Widerstandsdauer. " Und dafs die Russen richtig handelten , lehrt die Beteiligung ihrer Artillerie bei der Nachverteidigung, lehrt der mit Hilfe der Artillerie erkämpfte Erfolg, dafs der Angreifer zum schrittweisen Vorgehen mit Deckungen gezwungen wurde , dafs ihm auch in späteren Perioden mehr als ein Sturm mifsglückte. Der Vertreter der Artillerie hat ja gewils recht, dafs die Gründe für das Versagen der japanischen Artillerie erst nach genauer Kenntnis aller Vorgänge festgestellt werden können, und für seine Waffe ist jedenfalls diese Feststellung erst notwendig,
bevor sie
an Ab-
stellung etwaiger dabei hervortretender Mängel gehen kann ; aber für die Armee und für die Festung als solche genügt vollständig die Tatsache,
dafs die Artillerie
die
erwartete Wirkung
nicht er-
zielen konnte ; es genügt, dafs die Festung und ihre Widerstandsfähigkeit ein viel höheres Mafs des Vertrauens verdient , als man unter dem Einfluís der Überschätzung der artilleristischen Leistungsfähigkeit ihr zuzusprechen sich getraute. Ob man dies nun Überschätzung der Artillerie oder Unterschätzung der Festung nennen
will ,
das
ist ziemlich gleich-
gültig. Betreffs des Verfahrens beim Sturm stellt Oberleutnant Ludwig den
Satz voran :
„ Die
Ausführung des Sturms
Truppe um so leichter gestalten,
je
mehr
sie
wird sich für die sich von Künstelei
fernhält und dem Verfahren im Feldkriege folgt. "
Diesen Satz hat
Hauptmann Fritsch (Militärwochenblatt No. 26) unter dem Nachweis der verschiedenen Kampfbedingungen und daraus folgenden Erschwerungen des Angriffsverfahrens im Festungskriege bekämpft, 35 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 404.
und
er
536
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens.
wurde hierzu wohl durch die nicht unberechtigte Furcht veranlasst, dieser Satz als Wiederholung der alten Weisheit von der gleichen Wesenheit der Taktik im Feld- und Festungskriege dazu beitragen könne, das wachsende Interesse für den Festungskrieg wieder abzuschwächen, indem er den kaum aus ihrer Gleichgültigkeit Aufgerüttelten den Rückzug mit der Beschönigung erleichterte :
dafs
Wir brauchen ja für den Festungskrieg nichts Neues zu lernen, wir verfahren, wie wir's für den Feldkrieg gelernt haben und brauchen die Künsteleien nicht, wozu uns die Ingenieure überreden wollen. Ludwig ist allerdings vorsichtig genug, seinen Satz dadurch einzuschränken, dafs er auf die Notwendigkeit hinweist, die Eigentümlichkeiten des Kampfplatzes zu berücksichtigen, aber merkwürdigerder Erscheinungen des weise hat für ihn die Bekanntschaft Festungskrieges " nur den Zweck, davor zu behüten, dafs „ in der Überwindung unbekannter technischer Schwierigkeiten die Hauptaufgabe gesehen wird. " Was er damit sagen will, geht aus dem Folgenden hervor : „ Durch mühsame Erd- und Minenarbeit versuchte man die Hindernisse zu überwinden auf nächste Entfernung zu nähern . "
und sich dem Angriffsziele bis Das ist deutlich der förmliche
an dessen Stelle wir heute den belagerungsmäfsigen Den will er beseitigt wissen Infanterie angriff gestellt haben . and an seine Stelle den Sturm setzen. Dals man heutzutage nicht
Angriff,
mehr, wie zu Wellingtons Zeit, den Angriff auf einige hundert Meter Entfernung mit Ausheben einer Infanteriedeckung und Auffahren einiger Breschbatterien beginnen kann, sondern immerhin einige Kilometer des Vorfeldes im feindlichen Feuerbereich zu überschreiten hat und hierzu doch wohl auch geraume Zeit braucht und Deckungen, in bedeutend gröfserer Ausdehnung als früher, nicht entbehren kann, davon erwähnt er nichts. Trotzdem kann man unmöglich annehmen, dafs er angesichts der Vorgänge von Port Arthur noch den gewaltsamen Angriff à la Scheibert im Auge haben sollte, der nach flüchtiger artilleristischer Vorbereitung mit einem gewaltigen Vorstofs der Belagerungsarmee die Festung überrennen wollte . Sagt er doch bei Besprechung des gescheiterten Sturmes der Verbündeten bei Sebastopol am 18. Juni 1855, der einen Weg von nur 3--600 m zurückzulegen hatte : „Der Versuch bewies, dafs es auch hei damaliger Bewaffnung nicht möglich war, eine vollbesetzte, unerschütterte Verteidigungslinie zu überrennen. " Ludwig kann also, obgleich er sich darüber nicht klar ausspricht, nur das Angriffsverfahren meinen, welches wir zurzeit bei allen Belagerungsübungen angewendet sehen, dafs der Angreifer mit Infanteriedeckungen möglichst sprungweise vorgehend, sich an die Festungswerke heranarbeitet und aus
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens .
537
der sogenannten Sturmstellung einzudringen sucht, wenn er glaubt annehmen zu können, dafs die Besatzung sturmreif, d . h. durch das Artilleriefeuer bis zur Widerstandslosigkeit erschüttert ist . Wie lange bei diesem modernen belagerungsmässigen, aber durch brüske Angriffe möglichst abzukürzenden Verfahren das Überschreiten des Vorfeldes dauern wird, ist nun durchaus von der Örtlichkeit und von dem Verhalten der Besatzung abhängig.
Die Studie des General-
stabes glaubt das Festhalten des Vorfeldes mittels vorgeschobener Stellungen nicht empfehlen zu dürfen , denn 99 eine derartige abschnittsweise Verteidigung mit stetem Zurückweichen von einer Stellung in die andere widerspricht eigentlich dem Zweck der ständigen Befestigung, deren Hilfsmittel offenbar nicht genügend ausgenutzt werden, wenn man sich vor der mit allen Mitteln ausgebauten Linie schlägt, es sei
denn, dafs besondere
Verhältnisse,
vor
allem der
Wunsch, Zeit zu gewinnen, vorgeschobene Stellungen zum Aufhalten des Gegners notwendig machen." Wollte man tatsächlich diese Rücksicht auf die mit allen Mitteln ausgebaute Linie " voranstellen , so würde man in den Fehler verfallen, die Festung um ihrer Werke wegen zu verteidigen. Der Kommandant soll diese aber nur als Mittel zum Zweck ausnutzen , und dieser ist und bleibt lediglich die Verlängerung des Widerstandes.
Der Wunsch,
Zeit
zu
gewinnen ,
liegt deshalb bei der Festungsverteidigung stets vor, und wenn dem Kommandanten seine Streitkräfte gestatten, diesem die vorübergehende Behauptung von Aufsenstellungen dienstbar zu machen, so wird er daran nicht durch die Rücksicht auf die Geldmittel sich hindern lassen dürfen, welche der Ausbau der Hauptverteidigungslinie gekostet hat. Wir haben gerade bei Port Arthur gesehen, dafs dieses Aufhalten des Gegners im Vorfelde von aufserordentlichem Werte sein kann, und dafs es die darauf folgende Verteidigung der Hauptstellung durchaus nicht zu beeinträchtigen braucht. Im Gegenteil wird aus jenen Kämpfen die wichtige Lehre zu ziehen sein, dafs für die Festungsverteidigung vor allem die Tiefengliederung eine absolute Notwendigkeit ist, und je weniger diese durch eine sturmfreie, hinter dem Fortgürtel liegende Umwallung geboten wird, um so mehr tritt die Notwendigkeit in den Vordergrund, einen Ersatz durch vorgeschobene Werke oder durch Herstellung einer zweiten inneren Fortlinie zu schaffen . Auffallenderweise hat die Studie einer solchen Tiefengliederung der Verteidigungsstellung einer Festung mit keinem Wort erwähnt, und man wird nicht fehlgehen , wenn man dies auf eine
gewisse Scheu
gung dieser Tiefengliederung
zurückführt,
gegen die Vernachlässi-
sich zu äufsern , wie
sie
zurzeit
in
bedenklichster Weise in der Niederlegung unserer Stadtumwallungen 35*
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens.
538
zutage tritt. Sie würde sich ein Verdienst erworben haben, wenn sie diesen Punkt nicht mit Stillschweigen übergangen hätte, und dazu hätte die Besprechung des Sturmes auf Kars im Jahre 1877 eine günstige Gelegenheit geboten . Die aus diesem Erfolge der Russen gezogene Schlufsfolgerung erweckt aber den Verdacht, dafs der Generalstab der Stadtumwallung wirklich keine andere Bedeutung beimifst, als die ihr verbleibt nach Durchbrechung des Fortgürtels . Er sagt : „Man wird aufser den Forts häufig noch eine geschlossene Umwallung vorfinden, wie sie Kars nicht besals . Sind aber die Forts genommen, so wird der Widerstand der Stadtumwallung nicht von langer Dauer sein. "
Das ist ganz
gewils
richtig,
aber die Stadtumwallung hat ihre Hauptaufgabe bereits erfüllt, wenn der Kampf um die Forts entschieden ist, denn ich verweise auf den grofsen Lehrmeister des Generalstabes Moltke , Die erste Bedingung einer Festung ist, dafs sie nicht einem gewaltsamen Angriffe erliege . . . . Isolierte Werke können aber feindliche Abteilungen nicht verhindern ,
bei Nacht
oder
selbst
an
einem trüben
Tage hindurchzugehen , im Innern allen möglichen Schaden zu tun, oder gar sich festzusetzen . Nimmt man auch im Innern eine Besatzung von ausreichender Stärke an, die solche Unternehmungen verhindern könnte, so würde diese doch in beständiger Bereitschaft stehen müssen und niemals zur Ruhe kommen. "
Also die Umwallung
hat für die Fortlinie die Bedeutung einer starken Reserve und entbindet die Besatzung von der Notwendigkeit einer steten aufreibenden Bereitschaft, welche meist nicht einmal Schutz gegen die feindliche Feuerwirkung gestattet. Und die Richtigkeit dieser Worte Moltkes ist durch Port Arthur erhärtet worden, wo der Mangel einer Umwallung durch die Tiefengliederung des Fortgürtels nicht bis zu dem Grade ersetzt werden konnte, dafs nicht die Besatzung durch die ständige
Bereitschaft
worden wäre .
bis
zur Widerstandsunfähigkeit
ausgepumpt
Möchte man doch sich entschliefsen, aus dem so oft
wiederholten und von niemand noch angezweifelten Satz, dafs nicht die Festungswerke, sondern die Besatzung es ist, welche den Widerstand leistet, die Konsequenz zu ziehen : Auf die Aufrechterhaltung der Besatzung in physischer und in psychischer Beziehung kommt also alles an, und durch Friedensanordnungen mufs Sorge getragen werden, dafs ihre Kräfte
nicht durch Mangel an Ruhe
und
durch
stete Bereitschaft in ganz überflüssiger und wohl zu vermeidender Weise aufgezehrt werden . Und je mehr die frühere Scheu vor Verlusten bei Festungsangriffen , die noch 1870 bei Paris ein gewichtiges Wort mitsprach, überwunden und Nachdruck auf brüskes Vorgehen gelegt wird, je wichtiger also die von Moltke betonten Momente
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens. werden, desto mehr sollte man
Bedenken
dort, wo sie noch eine Tiefengliederung dieser zu berauben.
tragen, die
539 Festungen
der Befestigung besitzen,
Es entspricht nur der allgemeinen Richtung, wenn sowohl die Studie des Generalstabes wie Oberleutnant Ludwig in dem Vierteljabrheft des
Generalstabes den Nachdruck
auf das gewaltsame Vorgehen legen ; gerechtfertigt,
wenn sie im Vergleich
beim Angriff durchaus
es erscheint mit dem
aber nicht ganz
modernen Angriffs-
verfahren das Vorgehen der deutschen Truppen und zwar im besondern der Ingenieure und Pioniere bei Strafsburg einer Kritik unterziehen, die sich auf unvollständige oder irrtümliche Kenntnis der Vorgänge gründet. Zunächst wäre es erwünscht gewesen , wenn die Studie für den Satz : „ Die Heeresleitung hoffte, Strafsburg durch schnellen gewaltsamen Angriff nehmen zu können , und beabsichtigte, nur im Notfall zur förmlichen Belagerung überzugehen ", eine Ergänzung durch Anführung der Tatsachen beigefügt hätte, auf welche sich diese Behauptung gründet. Unmöglich kann man dafür die von Moltke in seinem Operationsentwurf von 1868 in Aussicht genommene Maſsregel als Beweis anführen, denn die lief darauf hinaus, die bayerischen Korps bei Vendenheim gegen Strafsburg aufzustellen, 99 um uns nach gewaltsamer Wegnahme der sperrenden Forts die wichtige Eisenbahnlinie Mannheim - Weiſsenburg - Vendenheim - Nancy zu sichern" , und nur 99 vielleicht könnte man selbst eine Belagerung von Strafsburg den Bayern übertragen . " Da die von Moltke angenommenen Sperrforts nicht existierten, handelte es sich
also
bei
diesem Entwurf nur um eine Beobachtung oder nötigenfalls um eine Belagerung, aber nicht um einen gewaltsamen Angriff der Festung. Tatsächlich ist nun auch kein hierauf zielender Befehl bekannt, der doch vorausgesetzt werden müfste, wenn die Heeresleistung die Absicht hatte und ins Werk setzen wollte, einen gewaltsamen Angriff zu versuchen. Am 7. August 1870 erhielt die badische KavallerieBrigade von General v. Werder den Befehl, Hagenau zu überfallen. Nachdem dies geschehen war, fafste General v. Beyer den Entschluſs , einen Handstreich gegen Strafsburg zu versuchen, wo Schrecken und Verwirrung herrschten. Dals ihm dazu ein Befehl höheren Orts zugegangen sei, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich würden ihm dann auch wohl Direktiven gegeben worden sein, die eine etwas sachgemässere Ausführung dieses doch immerhin recht wichtigen Unternehmens veranlassen konnten .
Der Mifserfolg am 8. August wurde
aber natürlich gemeldet, und hierzu
schreibt das Generalstabswerk
(I, S. 398) : „War somit keine Aussicht, sich der wichtigen Festung
540
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens.
durch einen Handstreich
zu
bemächtigen, so
gelang
es
doch , die
Eisenbahn von Strafsburg nach Lyon und die Telegraphenlinien zu zerstören ; auch besetzte man den für die eigenen Verbindungen wichtigen Punkt Vendenheim."
Soll das
darauf gedeutet werden,
dafs die Heeresleitung gehofft hätte, Strafsburg durch gewaltsamen Angriff nehmen zu können ?" Einen weiteren Ausdruck fand diese Hoffnung nicht, denn am 10. August
erhielt
die
badische Division
den Befehl zur Einschliefsung und am 12. August von dem Oberkommando der III. Armee, am 13. August vom grofsen Hauptquartier den Befehl zur Belagerung . Den Angrift von der dritten Parallele an schildert nun die Studie mit folgenden Worten, die ich in Parenthese berichtige : „ am 18. August wurde nach mühsamem Vorgehen
mittels der doppelten
Sappe die Glaciskrönung im wesentlichen vollendet (die sogenannte doppelte Sappe ist bei Strafsburg überhaupt nicht zur Anwendung gekommen, ein kurzes Stück doppelte Erdwalze mufste auf der Kapitale der Lunette 52 ausgeführt werden wegen des festen und steinigen Bodens, im übrigen wurde auch vorwärts der dritten Parallele fast nur flüchtig gearbeitet; sonst wäre es unausführbar gewesen, das Kuronnement in einer Länge von etwa 800 m in der Zeit von 14. bis 18. September fertigzustellen) .
Schon vorher hatte
die Belagerungsartillerie mittels des indirekten Schusses eine Bresche in der Eskarpenmauer der Lunette 53 hergestellt. (Das Brescheschiefsen fand nicht vor soudern während der Krönung des Glacis statt, denn der erste Schufs fiel am 14. September, die Pionierarbeit wurde durch dieses verspätete Brescheschiefsen sehr aufgehalten, da die Granaten nicht nur die hergestellten Deckungen zerstörten, sondern, zu kurz gehend, sogar in das Kuronnement einschlugen und Verluste verursachten .) Am 20. September wurde ein Erd- und Faschinendamm über den Graben dieses Werkes gelegt, wobei man sich gegen das vom Hauptwall kommende seitliche Feuer durch Erdaufwürfe deckte (das den Graben der Lunette 53 vor der rechten Face bestreichende Feuer ging nicht vom Hauptwall, sondern von Lunette 52 aus ; die Lunetten lagen am Fulse des mehrere hundert Schritt breiten Hauptglacis und waren von dem Hauptwall aufserdem durch eine Enveloppe und zwei Wassergräben getrennt. Gegen das Flankenfeuer den Arbeitern an der Spitze durch Körbe sich Deckung zu verschaffen, erwies sich als unausführbar, und die Arbeit wurde von den Pionieren ohne Deckung mit recht beträchtlichen Verdabei auch Hauptmann Kirchgessner lusten ausgeführt). Als der Damm eben vollendet war, wurde festgestellt, dafs die Lunette bereits vom Verteidiger verlassen war.
(Die Dammschüttung hatte
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens .
541
noch nicht die Mitte des Grabens erreicht, als die Erkundung der Lunette gegen Mittag mittels eines Nachens und darauf die Besetzung des Werkes erfolgte .) Der Graben der Lunette 52 wurde in der Nacht zum 22. September mit Hilfe einer Tonnenbrücke überbrückt, und auch dieses Werk unbesetzt gefunden. (Die Darstellung ist dahin zu ergänzen, dafs die Lunette allerdings verlassen war, aber ihre Besitzergreifung infolge feindlichen Gewehr- und Kartätschfeuers der verhältnismässig kleinen Truppe den erheblichen Verlust von 7 Toten und 16 Verwundeten unter ersteren 2 Offiziere - verursachte.) Auf diese fehlerhafte Darstellung gründet die Studie ihr Urteil : „ Vielleicht hätte der Gang des Angriffs, namentlich der des Sappenangriffs, der sich eng an das Vaubansche Schema anschlofs , doch nicht unerheblich abgekürzt werden können. " Sie sucht diese überraschende Kritik eines Ingenieurangriffs, der fast durchweg in flüchtiger Weise ausgeführt und nur mit vollster Aufopferung der wenig zahlreichen Ingenieuroffiziere (sie hatten einen Verlust von 13 , die Artillerie nur 4, die Infanterie nur 3 Prozent) ermöglicht wurde , dadurch etwas zu mildern,
dafs sie hinzufügt :
„ Allerdings darf eine
solche Kritik nicht von Forderungen ausgehen,
die erst auf Grund
des heutigen Verfahrens verständlich werden. Der Angriff im Sinne des damals noch allgemein üblichen Verfahrens ist zweifellos mit grofser Energie vorwärts getrieben worden. " Dem ist aber zu entgegnen, dals bis jetzt noch nicht eine einzige Erfahrung dafür vorliegt,
ob das
Verfahren, welches
schneller zum Ziele Strafsburg.
führen wird,
der
Generalstab
im Auge hat,
als die Arbeit der Pioniere vor
Wollen wir Port Arthur dafür heranziehen, so
können
wir unsere grofsen Zweifel nicht unterdrücken, dafs man mit der möglichsten Vermeidung technischer Hilfsmittel, worauf doch allein die
neue Manier
die Hoffnung
wärtskommens gründet,
gröfserer Geschwindigkeit des Vor-
auf dem Holzwege ist.
Es
wird ja ein-
geräumt, dafs die Infanterie ohne Deckungen unmöglich das Vorfeld überschreiten kann ; diese werden,
ob sie nun Sappen,
Parallelen
und Approchen oder Infanteriestellungen und Verbindungen heilsen, immer eine ganz gewaltige Arbeitmasse darstellen und zwar einen viel gröfseren Umfang annehmen, als die Belagerungsarbeiten vor Strafsburg, weil der Fortgürtel in viel breiterer Frontentwickelung zu umfassen und weil der Angreifer
gezwungen ist,
schon in viel
gröfserem Abstand von den Werken zu Deckungen zu greifen. Von den Aufenthalten, die durch das Einnisten des Verteidigers im Vorfelde veranlasst werden, ganz zu schweigen, glaubt man denn wirklich,
dafs
unsere
Infanterie trotz
der mangelnden
Friedensübung
plötzlich ihre Scheu vor dem Spaten ablegen und eine solche Fertig-
Neues auf dem Gebiete des Festungswesens .
542
keit an den Tag legen wird,
dafs sie
bewältigt, als im Jahre 1870 ?
diese Riesenarbeit
schneller
Es ist sehr zu fürchten, dafs man
im Ernstfall, um die Erwartung nicht zu täuschen, übereilt und mit Vernachlässigung wichtiger Zwischenglieder vorgeht und ebenso wie General v. Werder vor Strafsburg am 3. September durch unverhoffte Unglücksfälle an die Richtigkeit des Vaubanschen Ausspruches gemahnt wird, den auch Jones, die rechte Hand Wellingtons bei den Belagerungen in Spanien, sich aneignete : „ Übereilung in den Belagerungen von Festungen kürzt nicht die Frist der Einnahme, sondern verlangsamt sie oft und ist stets mit grofsen Verlusten verbunden. " Wenn ich die Tendenz des Aufsatzes des Oberleutnants Ludwig richtig verstehe, so will er die Infanterie antreiben, es ruhig auf gewaltsame Angriffe ankommen zu lassen, da sie sich auf die Wirkung der Artillerie verlassen könne, welche, wenn es ihr wider Erwarten nicht gelingen sollte, den Verteidiger aus seiner Stellung herauszuschiefsen , doch jedenfalls ihn so erschüttern werde , dals es keiner „ Künsteleien" mehr bedürfe, sondern nur eines Verfahrens wie im Feldkriege.
Dafs diese Ansicht
gerade in dem Augenblick
veröffentlicht wurde, wo die Erfahrungen von Port Arthur das Gegenteil, nämlich die Unentbehrlichkeit der umfassendsten technischen Unterstützung des Angriffes handgreiflich lehren ,
läfst in dem Vor-
gehen mit dieser Arbeit eine gewisse Absicht vermuten. Wollte man damit das ein wenig erschütterte Ansehen der Artillerie zu festigen suchen oder den Pionieren, welche ihren Wert im Festungskrieg in so helles Licht gestellt sehen, ihre Hoffnung auf eine gröfsere Sympathie in der Armee rauben ? Ludwig sucht in seiner Entgegnung auf die Kritik des Hauptmanns Fritsch nachzuweisen, dafs der Festungskrieg sich vom Feldkriege gar nicht mehr wesentlich
unterscheide,
denn der Angreifer
schaffe sich, wie die Ereignisse am Schaho zeigten,
auch im Feld-
kriege starke Deckungen, wo sich zwei Gegner lange Zeit gegenüberstehen. Das möchte aber wohl weniger auf eine Annäherung des Festungskrieges an den Feldkrieg als umgekehrt aufzufassen sein und die Mahnung noch näher legen, dals sich die Infanterie eingehend mit dem Festungskriege beschäftige. Alles drängt zu einer zielbewufsteren Verwertung der Technik, und der Artillerist, dessen Waffe in ihrer Unentbehrlichkeit und aufserordentlichen Leistungsfähigkeit
von
gezweifelt wird,
niemand,
am
wenigsten von
den Ingenieuren , an-
sollte nicht einen Stein in den Weg legen, wo es
sich um die grofse und nicht
mehr zu
vernachlässigende Aufgabe
handelt, die Kriegstechnik derart auszugestalten,
dafs sie dort zu-
Bernadotte im Herbstfeldzuge 1818. verlässig
einzugreifen vermag,
543
wo
die Artillerie am Ende ihrer Wirksamkeit angekommen ist. Und dazu erfordert es des Verständnisses der Armee für die technische Truppe und des kameradschaftlichen Zusammenarbeitens in Frieden , damit im Ernstfalle der Führer so gut wie die Truppe weifs, wie und wo die technische Unterstützung einzusetzen hat.
XXXVIII .
Bernadotte
im
Herbstfeldzuge
1813 .
Von Julius v. Pflugk- Harttung .
Die deutsche Geschichtsschreibung der Befreiungskriege hat sich besonders abweisend zu zwei fremden Feldherren gestellt : zu Wellington und Bernadotte (dem Kronprinzen von Schweden).
Jenem wurde
vorgeworfen, er habe die Preufsen bei Ligny im Stiche gelassen und bei Belle Alliance sich Lorbeeren angeeignet, die den Preufsen gebührten ; von diesem hiefs es, er habe aus politischen Gründen die Nordarmee so wenig wie irgend möglich handeln lassen, und habe Bülow bei Gross - Beeren lassen.
und Dennewitz
absichtlich im Stiche ge-
In neuerer Zeit machte sich entgegen dieser Auffassung eine
gröfsere Wertschätzung der beiden geltend : die Wellingtons vertrat der Verfasser dieses Aufsatzes , wogegen Bernadotte wesentlich von Wiehr, Roloff und Friederich in Schutz genommen wurde, wobei sie freilich, zumal Roloff und Friederich, in einander abweichen. Zunächst
ist
zu
beachten,
dafs
der
mancherlei Dingen von-
unbesiegte Wellington,
der gröfste Taktiker unter Napoleons Gegnern, ein ganz anderer Mann war, als der niemals allein siegende Bernadotte . Die Tatsache lässt sich nicht verleugnen, dafs Wellington durch die Schlacht bei Quatrebras: 42000 Franzosen auf sich gezogen hat, und dadurch Blücher unter Umständen die Möglichkeit verlieh, auch ohne Bülow mit Übermacht bei Ligny zu siegen , und dafs er bei Mont St.- Jean alle Angriffe in der Front abwies, selbst den letzten Gardeangriff, wogegen es.
Bernadotte im Herbstfeldzuge 1813.
544
den Preufsen seitwärts
erst gelang, Plancenoit zu erobern, als die
Entscheidung in der Hauptsache bereits vorne gefallen und Napoleon auf Belle Alliance zurückgesunken war. Hätte Blücher das Glück gehabt, bezw. die Macht besessen, Plancenoit eine Stunde früher zu bezwingen und dadurch in Flanke und Rücken der Franzosen zu gelangen, so würde er die Entscheidung gebracht haben. Aber, wie gesagt,
das war nicht der Fall,
und
damit fiel der Lorbeer, zum
Leidwesen jedes deutschen Patrioten, dem Engländer zu. Ganz anders liegen die Dinge bei Bernadotte.
In den beiden
Schlachten, wo die von ihm geführte Armee ins Feuer kam, hat er die Preufsen ihrem Schicksale überlassen und höchstens in den letzten Zügen des Kampfes etwas mitgewirkt. Und als es zur Schlacht bei Leipzig ging, nahte er wieder so spät wie möglich, erschien er als letzter auf dem Schlachtfelde, obwohl er zwei Tage früher hätte dort sein können. Und dabei stellte er noch Zumutangen, welche als die Krone der Ungebührlichkeiten bezeichnet werden müssen. Erst sollte Blücher ihm seine weniger gefährdete, blutig erfochtene Stellung einräumen, und dann liefs er sich überhaupt nur vorwärts bringen, weil Blücher ihm fast die Hälfte seiner Armee unterstellte . Es gehört schon deutsche „ Objektivität " dazu, von einem derartigen Manne zu sagen, dafs die historische und besonders die militärische Darstellung nach allen Kräften bemüht sein müsse, die populäre
Auffassung
in den
Hand- und Lehrbüchern
und dem Kronprinzen von Schweden geschichte anzuweisen, den er verdient. aber sicherlich sehr tief unten. Man hat gemeint : nach den Äufserungen
wie
bedenklich
auszurotten,
den Platz in der KriegsGewifs wird das geschehen
es sei,
den Oberfeldherrn
unzufriedener Untergenerale
zu
beurteilen,
beweise das Zerrbild, welches entstehen würde, wenn man Blüchers Kriegsführung nach Yorks gleichzeitigen und späteren Kritiken darstellen wolle . Dies scheint ganz plausibel, fällt aber bei näherer Betrachtung zusammen , weil selbst bei solcher Beurteilung Blüchers Taten übrig bleiben, vom Kronprinzen bei entsprechendem Verfahren aber nur Unterlassungen , — und das ist ein gewaltiger Unterschied. Von ihm hat Graf Segur gesagt , er sei ein Soldat, der zum Range des Marschalls gelangte, und blieb als Krieger berühmt, obwohl er oft in der Schlacht versagte. Nun besitzen wir nicht blofs die Berichte Bülows, solche Bernadottes und dessen Mangel an Taten, sondern auch Angaben aus seiner zahlreichen Umgebung, und unter diesen vor allen die eines ungemein scharfsichtigen und seinem Auftrage nach wohlwollenden Beurteilers , die
Bernadotte im Herbstfeldzuge 1813. Pozzo di Borgos,
545
des russischen Bevollmächtigten im schwedischen
Hauptquartiere . Dieser berichtete am 7. September aus Jüterbog, also einen Tag nach der Schlacht bei Dennewitz, für den Kaiser Alexander „einige hochvertrauliche Vorgänge " .1) Bisher habe er sich zur Pflicht gemacht, das militärische Verhalten des Kronprinzen günstig hinzustellen. Die Klagen ibm übertrieben erschienen und nachlässigt
haben
solle,
über seine Untätigkeit wären die Erfolge , welche er ver-
schwer zu
erzielen
gewesen.
Und
in
zweifelhaften Fällen verlange die Billigkeit zugunsten des Betreffenden zu urteilen . Aber jetzt versetze ihn die Pflicht in die peinliche Notwendigkeit, dem Kaiser die Inkonsequenzen (das sei der mindest harte Ausdruck) vorzutragen, welche der Prinz sich gestern habe zu schulden kommen lassen. Der Feind kannte die Stärke der Nordarmee nicht, und so habe ein Heer sich nie in einer abenteuerlicheren und mehr verzweifelten Lage befunden, als das des Marschalls Ney. Als zum ersten Male ein preufsischer Offizier eintraf und Bericht seitens des Generals Bülow von der Lage des Feindes und dem Beginne des Kampfes erstattete, habe der Prinz nur das Verhalten jenes Generals in Gegenwart seiner Umgebung kritisiert. Zwar wurden Befehle gegeben, ihm zu Hilfe zu kommen , aber in Wirklichkeit die preuſsische Armee ihrem Schicksale überlassen. Man schien höchstens bereit zu sein, sie aufzunehmen, wenn sie geschlagen würde. Fast beständig verweilte der Prinz bei
den schwedischen Truppen ,
mit denen verschiedene Bewegungen gemacht und die eine Meile von der Entscheidung mehrmals aufgehalten wurden . Auch die Befehle an General Wintzingerode waren unbestimmt ; dieser habe sich deswegen wiederholt bei Pozzo beklagt. Inzwischen wurde der Kampf heftiger und der Erfolg zweifelbafter. Es schien, dafs den Preufsen der Garaus gemacht würde im Anblick von 40000 Verbündeten, die darauf brannten, ihnen zu helfen . Über eine Stunde lang verlor man den Prinzen aus dem Gesicht.
Er war in einer Staubwolke verschwunden, um die letzten
schwedischen Truppen zu sehen, welche nachfolgten. Die Generäle, die Offiziere , welche Bülow sandte, selbst sein eigener Generalstabschef suchten ihn vergebens. Endlich erschien er, und jeder zeigte ihm die Notwendigkeit zu marschieren. Eine Abteilung russischer Kavallerie war inzwischen vorgerückt, und Artillerie, die ihr folgten,
etwas Infanterie
brachten die erste Hilfe .
und
Die Schlacht
1 ) Ich verdanke diese zum ersten Male hier veröffentlichten Mitteilungen Herrn Geh. Rat Dr. Bailleu, der sie dem Petersburger Archive entnahm . Die Briefe sind an Graf Nesselrode gerichtet. Vgl. auch Pingaud,
Bernadotte, Napoléon et les Bourbons " . 228 sq.
Bernadotte im Herbstfeldzuge 1818.
546
wurde gewonnen ohne Anteilnahme des Oberfeldherrn , und der Feind vor völligem Untergange durch die Verzögerungen in der Ausführung der Befehle bewahrt, welche der Kronprinz selbst gegeben hatte. Die schwedische Armee erreichte das Schlachtfeld erst, als die Franzosen vertrieben und die sie verfolgenden Preufsen nicht mehr zu sehen waren . Pozzo erlaubt sich keine Vermutungen über die Gründe, welche den Prinzen bei dieser Gelegenheit bestimmt haben . Seine innere Überzeugung und die aller Generäle, mit denen er gesprochen , sei, dafs der Prinz um 3 Uhr mit seinen 40000 Mann ankommen und die Franzosen vernichten konnte, dafs nach menschlicher Berechnung der allein gelassene Bülow geschlagen werden musste, und dafs nur dessen Unerschrockenheit und die seiner Truppen die Verbündeten vor einem Unglück bewahrt habe. Er, Pozzo, habe nichts unterlassen, um den Prinzen zu einem anderen Verhalten zu bestimmen. Dieser konnte recht wohl den
üblen Eindruck auf Pozzo bemerken, und
sein Adjutant (es steht ami Camps) sei gekommen, ihn zu versichern , dafs die Verzögerungen auf der Lässigkeit und Unerfahrenheit der Schweden beruhten.
Dahingegen betrachten diese es als Demütigung,
nicht gegen den Feind geführt zu sein. Die Empfindung, während der Schlacht nicht getan zu haben, was alle Welt von ihm erwartete, und der Triumph des Generals Bülow haben den Prinzen zu wohl verdienten Lobsprüchen und zur Unterstellung von 9 schwedischen Bataillonen unter unmittelbaren Befehl des
preufsischen Generals
veranlasst. Das Verhalten Pozzos dem Prinzen gegenüber werde das alte sein , und der Dienst des Kaisers nicht unter den geäufserten Mitteilungen leiden. Eine Woche später, am 14. September, schrieb derselbe Pozzo aus Koswig.
Er sei
bestimmt,
wichtige
und
delikate Angelegen-
heiten mit einem Manne zu verhandeln, der seinen Entschlufs jeden Augenblick ändere, und der am nächsten Tage nicht mehr die geringste Hindeutung auf Zusagen mache, die er am Abend vorher gegeben habe. Es erscheine deshalb auch unmöglich, dessen Operationen und Pläne
darzulegen.
In dem Augenblicke,
als Seyda
verlassen wurde, teilte er seiner Umgebung den Entschluſs mit, in zwei Tagen 25000 Mann die Elbe überschreiten zu lassen. Seit seiner Ankunft hier spreche er nur von den Schwierigkeiten dieses Unternehmens, Pozzo fürchte , die Vorbereitungen zum Übergange sollten nur das Mittel sein, um Nachrichten von der grofsen Armee abzuwarten. Der Gedanke , sich den Franzosen zeigen,
erfasse
als
zukünftiger Befreier zu
den Prinzen täglich mehr.
Er scheine zu glauben,
Bernadotte im Herbstfeldzug 1818. dafs der Tod Moreaus ihn ohne Mitbewerber hingestellt habe .
547 Alle
sein ganzes Benehmen weise deutlich auf dieses Ziel. Er deklamiere gegen den Krieg und mache Ney Elogen in seinem Erlasse vom 12. September. Pozzo sei weit entfernt, dem Prinzen unheilvolle Pläne zuzuschreiben . Derselbe ziehe nur immer Gespräche , alle Aufrufe,
seine persönlichen Wünsche der gemeinsamen Sache vor ; die Menge verschiedener Rollen, welche er spiele , bewirke Unzuträglichkeiten und es sei unmöglich, zugleich einen guten Krieg gegen Napoleon zu führen und die Franzosen zu schonen. Seitdem letzteres sein Urteil beeinflusse, verzichte er auf die einfachste Handlung, so dafs er aus den ihm anvertrauten Machtmitteln keinen entsprechenden Nutzen ziehe . Bei einer Auseinandersetzung über die Schlacht von Dennewitz habe er Pozzo gesagt : der Staub hätte ihn verhindert, 6000 Gefangene mehr zu machen. Sicherlich sei der Prinz der einzige gewesen, den der Staub bis zu solchem Grade blind gemacht Man tue am besten, ihm blofs zu raten, um ihm schliesslich
habe.
mit einer Festigkeit zu begegnen, die ihn nötige, seine abenteueraufzugeben . Der Prinz scheine recht wohl die Bewegung von Truppen zu verstehen und sie in gute , sich gegenseitig
lichen Pläne
deckende Stellungen zu bringen, seine Mafsnahmen seien hier bestimmt, klar und strategisch gedacht ; aber auf dem Schlachtfelde habe er nirgends Pozzos Erwartung entsprochen, er scheine ihm unruhig, unentschieden und über die Maſsen aufgeregt. Pingaud, der Biograph Bernadottes, ') läfst dessen kriegerische Marschallstätigkeit bei Wagram folgendermafsen ausklingen : Am Abend vor der Schlacht unternahm er mit Oudinot und dem Vizekönige von Italien eine Rekognoszierung
gegen die österreichische
Mitte, welche durch die Schuld des IX. Korps (des Bernadotteschen) scheiterte . Am Schlachttage von Wagram vereinigte sich alles , um aus Bernadotte einen Besiegten inmitten der Sieger zu machen : seine mutlosen Verfügungen ,
die
Langsamkeit
seiner Bewegungen ,
die
schlechte Beschaffenheit seiner Truppen . Persönlich benahm Bernadotte sich tapfer ; Napoleon erschien und sammelte mehrere Bataillone . Nachher erzählte man sich, dafs er Bernadotte auf der Stelle seines Befehlshaberpostens enthoben und verfügt habe, in 24 Stunden die Armee zu verlassen. Doch dies erscheint unbeglaubigt. Freilich geriet er mit dem Kaiser aneinander. Hierbei äufserte er zu seiner Entschuldigung, die Armee ist nicht mehr jene von 1795, worauf Napoleon erwiderte : Meine Armee ist immer die gleiche, aber es befinden sich einige Leute darin, die ich nicht wiedererkenne . Abends 1 ) L. Pingaud, Bernadotte, Napoléon et les Bourbons, S. 85.
Bernadotte im Herbstfeldzuge 1818.
548
erwachte Napoleons Groll abermals , denn er weigerte sich, Bernadotte zu empfangen. Drei Tage später löste er das IX. Korps auf, und befahl dessen Chef ins Bad zu reisen, In dem Schlachtberichte unterliefs er dann aber doch, den unglücklichen Zwischenfall zu erwähnen , mit dem der Name Bernadottes verknüpft war. Bald nachher las man in deutschen und französischen Zeitungen sehr lobende Schlachtberichte über den Befehlshaber des IX. Korps, und dann gar einen Tagesbefehl, worin Bernadotte seine Leute beglückwünschte, dafs sie in allem Wirrwarr unerschütterlich wie erzene Säulen geblieben wären . der Marschall seine Eigenliebe.
Hiermit tröstete
Vergleicht man diese Erzählung Pingaus mit den Angaben Pozzos , so zeigen sie dieselben Züge : es handelt sich um einen schlauen Mann
von
weitem
Gewissen,
der
es
vortrefflich
verstand ,
seine
geringen Leistungen auf Kosten der Wahrheit in ein günstiges Licht zu stellen und durch Leute der Feder stellen zu lassen. Das gleiche Bild gewährt sein Verhalten im Jahre 1813. Ein Grundzug
der
Pläne
Napoleons während des Herbstfeld-
zuges bestand in der Eroberung Berlins. Er wollte die Hauptstadt Preussens in seine Gewalt bringen als den Hauptsammelpunkt der ihm feindlichen nationalen Bewegung, und zugleich beabsichtigte er, dem persönlich gehafsten Bernadotte eine militärische und moralische Niederlage beizubringen. Es beruhte auf richtiger Einschätzung Ein Stofs seines Gegners, wenn Bernadotte dies vorauswitterte. Napoleons
war
tätsächlich
gefährlich.
Aber
die
Furcht
davor
durfte nicht zur Feigheit werden, nicht zur Angst eines Schulbuben vor seinem Zuchtmeister, die ihn nahezu lähmte. Wie ganz anders operierte der an Truppen schwächere Blücher, der dem Feinde immer an der Klinge blieb. Hier haben wir eine unternehmende , dort eine zaghafte , nichts wagende Führung. Dafs Napoleon trotz besten Willens nicht dazu kam, Bernadotte aufzusuchen, bewirkte Blüchers zäher Unternehmungsgeist und
die
nervöse, vielfach un-
napoleonische Strategie Napoleons. Schon am 17. August
ergaben
die Berichte eines gefangenen
Kuriers , dafs Napoleon nach Schlesien aufgebrochen sei ; Bernadotte also nicht ihn, sondern Oudinot vor sich habe, dessen zu versammelndes Heer auf 70000 Mann
angegeben
wurde .
Soviel war sicher,
wenn Napoleon mit der Hauptmacht gegen Blücher marschierte, und Dresden gegen die böhmische Armee gedeckt werden musste, so blieb die verbündete Nordarmee an Truppen überlegen.
Bernadotte
befand sich also in der Lage, Oudinot anzugreifen, bevor derselbe sein Heer beisammen hatte ; aber dafür fehlte es an Mut und an
549
Bernadotte im Herbstfeldzuge 1813.
rechtzeitigen Bewegungen. Nun wollte das Glück, dafs Napoleon seinem Marschall am 20. befahl, die feindliche Stellung in der Mitte zu durchbrechen. Bernadotte brauchte nur in halbwegs guter Stellung standzuhalten
und
war dann durch seine Übermacht des
Sieges nahezu gewifs . Aber ein stätiges, planmäfsiges Handeln war nicht Sache des Prinzen . Am 21. August kam es zu drei Gefechten, in denen die Franzosen die Oberhand behielten, das IV. und VII . französische Korps trafen die verbündete Armee gerade dort, wo sie am lockersten zusammenhing. Dennoch waren die Befehle für den 22. nicht übel für deren Vereinigung.
Dem Prinzen standen 74000 Mann
Infanterie, 24000 Mann Kavallerie und das Tauentziensche Korps zur Verfügung . An Blücher schrieb er, die Armee Oudinots werde auf 80000 Mann geschätzt, er werde höchstens die gleiche Anzahl versammeln können . Hierbei handelt es sich wohl um absichtliche Zahlenverschiebung .
Trotz der Übermacht der Verbündeten gelang es Oudinot am 22. „die Defileen der Nuthe und ihre breiten Sumpf- und Moorstrecken hinter sich zu bringen und dadurch die befestigte Stellung südlich von Berlin zu sprengen". Hätte Bernadotte dies absichtlich geschehen lassen, um den Gegner durch einen schweren Tatzenschlag wieder in die Sümpfe zu werfen, so wäre sein Verhalten vielleicht anerkennenswert gewesen ; aber in Wirklichkeit handelt es sich bei ihm nicht um Absichten, sondern um Unterlassungen. Die Weisungen für den 23. liefen auf Zusammenziehung der Armee in Schlachtordnung hinaus, auf Sperrung der Anmarschlinie nach Berlin. Der Aufklärungsdienst war 1813 noch nicht annähernd so erkannt und ausgebildet wie heute. viel durch vorgetriebene Kosaken. Feind hätte
es
deshalb nahe
Dennoch erfuhr der Kronprinz Bei der Unsicherheit über den
gelegen, von seiner gewaltig über-
legenen Kavallerie Gebrauch zu machen, indem er Teile derselben aufklärend umherschickte. Aber nichts dergleichen geschah . Bernadotte wählte eine Aufstellung Gütergotz- Ruhlsdorf - Heinersdorf ; sie war gut, zumal Tauentzien weiter östlich die
ürigen Strafsen
auf
Berlin sperrte. Er scheint die Absicht gehabt zu haben, angreifend vorzugehen und die einzelnen Korps Oudinots von links her in das Sumpfgelände zu drängen. Doch wie ganz anders haben sich die Dinge gestaltet. Oudinot war völlig ungenügend
über den Feind
unterrichtet ;
er glaubte nicht, dafs es am 23. zu einem ernsten Kampfe kommen werde und rechnete deshalb wesentlich mit einem blofsen Marschtage.
Sorglos
zog
rechte (Bertrand)
er in drei getrennten Kolonnen
stiefs bei Blankenfelde
einher .
Die
auf Tauentzien, der mit
550 etwa 13000 Mann
Bernadotte im Herbstfeldzuge 1818. die Franzosen
abwies.
Die
mittlere (Reynier)
eroberte Groſs-Beeren, das von Bülows Vortruppen nur schwach besetzt war. Sie richtete sich zu einem friedfertigen Biwak ein, als plötzlich Bülow über sie herfiel.
Dieser war von dem weiter nörd-
lich gelegenen Heinersdorf vorgestofsen und zwar mit Einwilligung des Kronprinzen. Bekanntlich schlug Bülow den Feind und warf ibn in die Waldgegenden
zurück .
Während der Dunkelheit des
Abends entbrannte der Kampf auf dem preufsischen rechten Flügel noch einmal, weil das XII. französische Korps, welches ursprünglich mehr nördlich marschieren wollte, auf den Kanonendonner nach Osten abgebogen war, aber zu spät eintraf, um etwas ändern zu können . Bülows Teilsieg bewirkte den Rückmarsch der ganzen französischen Armee. Wie verhielt sich nun Bernadotte, der mit den Korps WintzingeDurch vorrode und Stedingk westlich von Heinersdorf stand ? feindlichen dritten einer Anmarsch den er erfuhr Kosaken getriebene Kolonne bei Abrensdorf, südwestlich von Grofs- Beeren. Ob diese Kolonne stark oder schwach war, wufste man nicht; ebensowenig, ob bei Groſs Beeren blofs Reynier stehe, oder hinter ihm ein zweites Um 5 Uhr erschien Major v. Reiche und meldete, dafs
Korps nahe.
Bülow auf Grofs - Beeren vorzustofsen beabsichtige . Bernadotte billigte dies , lehnte aber eine Unterstützung mit dem Bemerken, ab, dafs auch er den Feind vor sich habe. Bei dieser Auffassung ist er geblieben ; nur eine schwedische Batterie hat er Bülow geschickt, und auch sie nicht aus eigenem Antriebe, sondern nach erbetener Erlaubnis " seitens des Obersten v. Cardells . Aufserdem wurden einige Bataillone südlich von Ruhlsdorf vorgeschoben, von denen zwei noch etwas in Tätigkeit traten. Das Verhalten des Kronprinzen ist neuerdings gerechtfertigt worden : unseres Erachtens mit Unrecht. Zwei volle, ausgeruhte Korps in nächster Nähe einer Schlacht, bezw. den rechten Flügel und das Zentrum einer Armee untätig zu lassen, während der linke Flügel in erbittertem Kampfe steht, widerspricht jeder vernünftigen Kriegführung. Nach Napoleons Grundsatz besafs man in einem Gefechte nie ein Bataillon zu viel ; den napoleonischen Marschall drängte alles dazu , jenem Grundsatze gemäfs zu handeln . Aber er tat es nicht, und setzte Bülow damit einer Niederlage aus, oder verhinderte im Falle eines Sieges dessen Verwertung. Man hat den Kronprinzen durch das Herannahen einer dritten Kolonne über Ahrensdorf zu entlasten gesucht. Dagegen ist aber zu bemerken : 1. es stand noch gar nicht fest, ob diese Kolonne überhaupt nordwärts auf Bernadotte marschieren, oder ob sie sich mehr rechts
Bernadotte im Herbstfeldzuge 1818.
551
halten würde, wie tatsächlich geschehen ist, 2. der Nachmittag war schon stark vorgeschritten und die Kolonne noch fern, jedenfalls noch so weit ab, dafs sie mit ihrer Hauptmacht an diesem Tage keine Entscheidung gegen den Kronprinzen mehr erzwingen konnte. Erst in der Dunkelheit erreichte ihre Spitze das für sie weit nähere Neu-Beeren. Übertragen wir das Verhalten Bernadottes auf den Feldzug 1815, so hätte Blücher seinem Bundesgenossen Wellington nicht zu Hilfe kommen dürfen, sondern bei Wavre stehen bleiben müssen, weil Grouchy auf Wavre marschierte. Es ist nun ferner gesagt worden, Bernadotte habe eine Unterstützung des 38000 Mann starken Bülow dem isolierten Korps Reynier gegenüber nicht für nötig gehalten. Ja, aber woher wufste denn der Kronprinz , dafs Reynier vereinzelt war, dafs in dem zurück liegenden Waldgelände nicht andere Truppen folgten? Wegen der Nähe von Ruhlsdorf und Neu-Beeren hätte er mit einem Teile seiner Armee die bei GrofsBeeren fechtenden Franzosen links umfassen und vernichten können, bevor das XII . französische Korps von Ahrensdorf aus überhaupt einzutreffen vermochte. Bei dem ebenen Gelände stand sogar nichts im Wege, mit seinen beiden Korps bis in die Höhe von Grofs - Beeren vorzurücken und der erst allmählich eintreffenden östlichen französischen Kolonne die Schlacht anzubieten. Befand er sich doch unfraglich in der Überzahl, wurde.
da
auch
bei Blankenfelde
gefochten
Wie wir sahen, scheint Bernadotte ursprünglich beabsichtigt zu haben, angreifend vorzugehen ; als es dann aber Ernst wurde, geschah davon nichts. Von irgend einem Schlachtplane, der für den Tag Erfolg verhiefs , findet sich keine Spur. Bernadotte war entweder ein Feigling , ein gewissenloser Patron, der seinen Unterfeldherrn rundweg preisgab, ein Mann, der vor lauter Bedenklichkeiten nicht zum Handeln gelangte, oder er hatte bestimmte Absichten, die nicht auf militärischem Gebiete lagen. Es ist Bülows Glück, aber nicht das Verdienst des Kronprinzen gewesen, wenn das XII . Korps den Kampfplatz zu spät erreichte. Wäre es zwei Stunden früher eingetroffen, so wesen sein.
würde
die
Schlacht
bei
Grofs -Beeren verloren ge-
Auch nach dem Siege geschah nichts, um ihn auszunutzen. Und doch wäre es leicht gewesen, weil der Feind schwierige Sumpfund Waldgelände durchschreiten musste . Als Grund für die fortgesetzte Lauheit des Kronprinzen wird angegeben : er habe um seine Flanke gefürchtet. Der Kronprinz fürchtete lauter Furcht kam er nicht zum Handeln.
eben immer, und vor
Genau dieselbe Haltung, dieselbe verblüffende Preisgabe seines 36 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 404.
Bernadotte im Herbstfeldzuge 1813.
552
preufsischen Heeresteils,
findet sich in der Schlacht bei Dennewitz. Die Armee Neys zählte ungefähr 58 000 Mann, stand mithin der des Kronprinzen an Stärke weit nach. Freilich schätzte man sie in der Umgebung Bernadottes und auch sonst vielfach auf 80000 Mann. Am 5. September abends liefs der Kronprinz : Bülow und Tauentzien melden , er glaube, der Feind werde jenen angreifen, die schwedische Armee werde sich an die russische heranbegeben zum Beistande der Preussen. Tauentzien solle sich unfern Bülow ziehen ; beide müssten ihre Anstrengungen vereinigen, um sich bis zur Ankunft der Ver bündeten zu halten . Das bedeutet also einen bestimmten und durchaus verständigen Plan : Vereinigung und Kampf der Gesamtarmee. Da Bernadotte aber die Absicht des Feindes nicht kannte, so versammelte er die russisch- schwedische Armee an der Strafse, die nach Treuenbrietzen führt, während Bülow sich weiter links und Tauentzien noch weiter links bei Jüterbog befand . Am Morgen des 6. liefs Bülow den General Tauentzien ersuchen, nach rechts heranzukommen . mehr an ihn Dem Kronprinzen meldete er, dafs
er dem Feinde in die Flanke fallen werde, falls derselbe Tauentzien bei Jüterbog angreife ; gehe Ney gegen ihn selber vor, so würde er mit seiner zwar viel schwächeren Armee standhalten. Der Kronprinz erklärte sich in einem Befehle hiermit einverstanden, und wollte sich näher an Bülow schieben. Damit war alles auf eine grofse einheitliche Handlung zugeschnitten . Freilich fällt dabei auf, dafs hier wie bei Grofs - Beeren der entscheidende Beschlufs nicht vom Kronprinzen ausgeht, sondern ihm beide Male von Bülow gebracht wird. Auf die Schlacht bei Dennewitz können wir nicht näher eingeben ; wir bemerken nur, dafs Tauentzien auf seinem Flankenmarsche von den Franzosen betroffen wurde, Front machte und den ungleichen Kampf aufnahm, daſs um 12/2 Uhr das Bülowsche Korps von seitwärts eingriff , die Schlacht an Umfang und Heftigkeit zunahm und sich durchweg ungünstig für die Preufsen gestaltete, weil die Franzosen stark in der Übermacht fochten. Gewonnen wurde sie eigentlich nur durch einen groben taktischen Fehler Neys, der Oudinots Korps aus der entscheidenden Stellung abberief. Als letzteres geschehen war, und die Preufsen Göhrsdorff erstürmten, traf eine schwedische Batterie mit zwei Husarenschwadronen ein und unterstützte die Verbündeten.
Auf Borstells Bitte um Verstärkung setzte der Kronprinz
die leichten Truppen der Vorhut in Bewegung. den rechten Flügel noch : mit einer Batterie,
Dadurch erreichten
die russische Kavallerie- Brigade
Pablen
vier Kosakenregimenter, zwei schwedische Bat-
terien, zwei weitere
Kavalleriebrigaden
mit
zwei Batterien und
Bernadotte im Herbstfeldzuge 1818.
553
schliesslich zwei Jägerbataillone . Von diesen griffen aber eigentlich nur noch die Geschütze ein, welche in Gemeinschaft mit den preussischen die feindliche Artillerie zum Abfahren nötigten . Den linken Flügel erreichten am Ende der Schlacht mehrere russische Batterien, die bei Rohrbeck in Tätigkeit traten.
Sie kamen, als der
Sieg entschieden war, übten jedoch schon durch ihr blofses Erscheinen eine niederdrückende Wirkung auf den Feind, so dafs derselbe in wilder Flucht davon eilte. Immerhin blieb es guten Teils mehr eine Wirkung durch das Auge als durch Waffengewalt. Der Kronprinz war erst verspätet bei Eckmannsdorf, dann nach einer Rast, ebenso bei Göhlsdorf eingetroffen. Rittmeister von Auer schreibt darüber : „ Es war ein herzerhebender Anblick, diese Vernichtung drohenden Massen in der schönsten Ordnung mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel uns folgen zu sehen, und es war zu bedauern, dafs der Feind durch unaufhaltsame und schnelle Flucht sich völligem Verderben entzog" . Dieser "9 herzerhebende
Anblick "
also war das Ergebnis der
grofs geplanten Gesamthandlung. Wieder war eine Teilschlacht geliefert, bei der alle Vorteile auf seiten des Feindes gewesen, und nur ein glücklicher Umstand verhinderte, dafs die Preufsen bei gröfster Tapferkeit fast vor den Augen wurden.
der Verbündeten
blutig geschlagen
Hätten letztere nun die Verfolgung mit voller Wucht aufgenommen, so würden sie gewils noch etwas geleistet haben, trotz der Ermüdung ihrer Truppen . Aber auch das geschah nicht, sie lagerten sich und liefsen dem Feinde Zeit zu entkommen. Da diese nun auf der Flucht in zwei Teile auseinander fielen, so wäre selbst jetzt noch Gelegenheit zu einem grofsen Schlage gewesen, doch auch der schrumpfte zu einem Teilerfolge bei Dahme zusammen, den wieder preufsische Truppen errangen. Den Zustand der französischen.Armee nach der Schlacht schildern Neys Worte vom 7. September : „ Ich bin nicht mehr Herr der Armee. Sie versagt mir den Gehorsam und hat sich in sich selbst aufgelöst. Noch weifs ich nicht, ob mein Heer sich wieder gesammelt hat" . Man sieht, was die Verbündeten bei rücksichtsloser Anspannung ihrer Kräfte hätten erreichen eben an Nerv.
können .
Aber es fehlte
Bernadotte wollte augenscheinlich seinen Landsleuten
nicht allzuweh tun und fühlte sich überdies durch die Furcht gelähmt, nach dem Siege auf den rächenden Kaiser zu stofsen . So atmete denn alles wieder Bedenken
und Zurückhaltung.
Der vor-
wärts drängende und dadurch unbequeme Bülow wurde durch die Belagerung Wittenbergs abgeschoben und festgenagelt.
Trotz aller 36*
Bernadotte im Herbstfeldzuge 1813.
554
Gunst der Verbältnisse versank der Kronprinz, tatsächlieb wieder in volle Untätigkeit. Er liefs Brücken über die Elbe schlagen und sie dann wieder abbrechen. ' ) Die Verhältnisse erhielten erst eine Wendung,
als
Blücher
Schlesien verliefs, um über die Elbe zu gehen und Napoleon in Flanke und Rücken zu bedrohen. Dabei ist nun das Benehmen des Kronprinzen ungemein bezeichnend. mitteilte
und um die Mitwirkung
Als Blücher ihm seine Absicht
des Verbündeten bat, ging dieser
mit Worten sofort auf dessen Wünsche ein. Innerhalb dreier Tage wollte er mit der Nord-Armee ebenfalls die Elbe überschreiten. Er schrieb sogar an Blücher: Wenn Ihre Dispositionen mit meinen Wünschen übereinstimmen könnten, so würden wir zusammen eine Masse von 120000 Mann bilden, die sich rasch auf Leipzig bewegen und hierselbst die Schlacht gegen den gröfsten Teil der Streitkräfte des Kaisers Napoleon wagen könnte " . Man möchte fast sagen : gut gebrüllt Löwe ! Der Schwätzer rasselte mit dem Säbel , war aber weit entfernt, ihn zu ziehen. Statt sich rasch mit dem Verbündeten auf Leipzig zu bewegen, hielt Bernadotte sein Heer abgesondert in gemessener Entfernung stets möglichst hinter dem Blücherschen, damit ein etwaiger Stofs diesen treffen musste, wobei er sich selber dann seine Entschliefsungen wahrte ; und die zielten wahrlich nicht vorwärts auf Leipzig, sondern rückwärts . Am 25. September schrieb Pozzo an Graf Nesselrode aus Zerbst : „ Ich schäme mich fast, Ihnen so viele Worte und so wenig Tatsachen zu senden, aber was soll ich mit einem Manne anfangen, der von morgens bis abends schwätzt um alle Welt zu hintergehen. Gestern machte er eine Szene, verdiente" .")
die die Herzuziehung
eines Arztes
Die Gegensätze der Auffassung zeigten sich, als Bernadotte und Blücher am 7. Oktober in Mühlbeck zusammenkamen . Da wollte Blücher gegen Leipzig marschieren und Napoleon zur Schlacht zwingen, der Kronprinz aber, der noch kurz vorher tapfer von Leipzig geschrieben hatte, meinte jetzt, man solle die französische Armee zum Vorgehen gegen die Mulde verlocken. Schliesslich versagte ihm der Mut, seine Ansicht fest zu vertreten, und er ging auf den Wunsch 1) Wie Friederich die Handlungsweise Bernadottes im September als „konsequent und zielbewufst" bezeichnen kann (II, 204) , ist uns völlig unverständlich, und nicht minder der Satz : „ wie die Verhältnisse lagen, war eine kräftigere Ausnutzung des Sieges von Dennewitz kaum möglich “. Die Folgerungen, die Friederich (S. 206) bis zur Entsetzung Stettins zieht, sind reine Phantasien. 2) Diese Mitteilung verdanke ich ebenfalls Herrn Geh. Rat Bailleu.
Bernadotte im Herbstfeldzuge 1818. des Preufsen ein.
555
Am 8. sollte die Nord -Armee auf Delitzsch vor-
rücken, um am 9. mit den Verbündeten gemeinsam auf Leipzig zu zi hen. Nichtsdestoweniger blieb der Gascogner am 8. ruhig stehen. Weil nun inzwischen Napoleon in der Gegend von Leipzig eingetroffen war, so hätte der Kronprinz durch seine Wortbrüchigkeit Blücher leicht einer Niederlage ausgesetzt. Kaum erfuhr Bernadotte die Nähe des Löwen, als ihm der Rückmarsch beider Heere auf das rechte Elbufer als einziger Ausweg erschien . Auf die Erwiderung, die schlesische Armee denke nicht daran, verlangte er wenigstens gemeinsamen Abmarsch hinter die Saale. Hiermit war doch Wasser zwischen ihm und Napoleon . Eine Kläglichkeit reihte sich an die andere ; natürlich durchschaute Blücher ihn, und am 10. Oktober kam es zwischen dem Manne der Tat und dem unzuverlässigen Schwätzer zu tiefer Entfremdung .
Als dieser hörte, die Franzosen
seien auf das rechte Elbufer gegangen, wollte er sofort das Hasenpanier ergreifen ; er blieb nur, weil Blücher nicht wich und wankte und der tapfere frühere französische
Marschall Angst bekam, ver-
einzelt abgefangen zu werden . Und solch ein armseliger Patron hatte noch die Stirn , eine Art Oberhoheit über die Blüchersche Armee zu beanspruchen. Es ist gesagt worden, Bernadotte habe 99 vollkommen im Geiste
des Trachenberger Operationsplanes gehandelt " (Friederich II . 209). Wäre dies der Fall, würde er natürlich sehr entlastet sein ; prüfen Der Trachenbergwir desbalb die Richtigkeit der Behauptung. Reichenbacher Plan ist dem Wortlaute nach nicht bekannt. Er scheint aber verfügt zu haben : eine Schlacht solle nur angenommen werden, wenn der Feind seine Streitkräfte geteilt habe und die Überlegenheit entschieden auf seiten der Verbündeten sei . Wende sich der Feind in Masse gegen eine der alliierten Armeen , so solle sie weichen, die anderen aber lebhaft auf die Flanken und die Operationslinien des Gegners drücken . Sammelpunkt aller Heere sei das feindliche Hauptquartier. Am tatkräftigsten hat Blücher diesen Plan durchgeführt. Er drängte vor, sobald er vermochte, d. h. wenn ihm blofs ein Marschall gegenüberstand, wich jedoch zurück, wenn Napoleon sich mit Übermacht auf ibn stürzte . Stets blieb er dem Feinde an der Klinge. Auch Schwarzenberg befolgte den Plan, soweit es seine Umständlichkeit zuliefs , benahm sich dabei aber weit täppischer und holte sich die Niederlage bei Dresden . Trotz derselben tastete er sich nachher wieder vorwärts und begann schliefslich den Marsch auf Leipzig. dotte.
Der einzige, der dem Plane nicht entsprach, war BernaEr hielt sich stets in gemessener Entfernung vom Kaiser ;
556
Bernadotte im Herbstfeldzuge 1813.
von einem Vordringen in dessen Flanke, wenn derselbe Blücher verfolgte, ist keine Rede . Nach Pingaud (219) war Bernadotte entschlossen, seine Schweden für die gemeinsame Sache nur im äussersten Notfalle einzusetzen, sich überhaupt möglichst fern von den französischen Flinten zu halten, und die Preufsen and Russen kämpfen zu lassen. Als Oudinot und Ney sich gegen ihn wandten, er also sicherlich mit Übermacht fechten konnte. überliels er Bülow die Arbeit ; für die
Entscheidung verwandelte
er seine Mehrheit
dadurch in eine
Minderheit, und es wäre ihm schwerlich unlieb gewesen,
wenn die
widerspenstigen Preufsen zurückgedrängt worden wären , und er sie schützend. rettend aufnehmen konnte . Freilich die Preufsen taten ihm diesen Gefallen nicht. Wären alle drei Heere von einem Bernadotte befehligt gewesen, so hätte Napoleon vollauf Mufse gehabt, eines ungestraft nach dem anderen zu vernichten und den Krieg zu gewinnen. obwohl er sich während desselben nicht auf seiner Feldherrnhöhe befand, Der Bernadotte
täglich beobachtende Pozzo gibt uns ein zu-
verlässiges Bild von seinen Fähigkeiten und Bestrebungen , und dasselbe ist so unerfreulich wie möglich. Danach war Bernadotte ein kluger und begabter Mann, aber zugleich ein charakterloser Faiseur, der nur seine persönlichen Ziele verfolgte . Diesen setzte nach, verdeckte sie aber durch Wortschwall and Unberechenbarkeit. Als lebhafter Südfranzose , als Glücksritter und begehrlicher napoleonischer Marschall geriet er in das krause Durcheinander des zusammenbrechenden Kaiserreichs hinein und zwar als Kronprinz von Schweden, ausgestattet mit einer führenden Rolle . Was Wunder, dafs seine Einbildungskraft sich bald in den ausschweifendsten Hoffnungen erging, dafs alle möglichen politischen Pläne sein Hirn durchkreuzten und ihn von seiner Tätigkeit als Feldherrn der Verbündeten abdrängten .
Seitdem der von Kaiser Alexander hoch-
bewertete Moreau gefallen war, bemächtigte sich Bernadottes zunehmend mehr der Gedanke : Napoleons Nachfolger in Frankreich zu werden. Warum auch nicht? Erschien er doch in vielen Beziehungen als der gegebene Mann . Jener Gedanke widersprach nun aber schnurstracks seinen Pflichten als Führer der Nordarmee . Als solcher mufste er den Franzosen möglichst Abbruch tun ,
möglichst
Siege über sie erkämpfen ; als französischer Kronprätendent durfte er sich nicht unmöglich machen, mufste er also alles tun, um seinen etwa zukünftigen Untertanen von seinen sicheren
nicht
zu mifsfallen.
Das gleiche galt
zukünftigen Untertanen, den Schweden, die in
Deutschland geringe, in Norwegen hingegen bedeutende Interessen hatten. Pozzo di Borgo, führt dies des breiteren aus, es wird bewiesen durch Bernadottes Handlungen. In Wirklichkeit haben
Bernadotte im Herbstfeldzuge 1813. seine
politischen
Ziele
ihn
557
zum militärischen Verräter
an
der
gemeinsamen Sache gemacht . Und so hat seine diplomatische fremde Umgebung, haben Bülow und Blücher ihn schliesslich auch eingeschätzt. Nicht blofs der russische und der preufsische, auch der englische und der österreichische Bevollmächtigte : sie alle wandten sich innerlich von ihm ab, und scheinen ihn nahezu verachtet zu haben . ')
Wie die Dinge lagen, konnten die Verbündeten
keine unglücklichere Wahl als die Bernadottes treffen ; nur seine Stellung als Kronprinz, nur nichtmilitärische Gründe haben ihn auf seinem Posten gehalten. Wäre er nicht durch Nebenabsichten gelähmt worden, würde er als Feldherr unfraglich mehr geleistet haben. Als solcher war er augenscheinlich kein übler Stratege, aber die Aufregung der Schlacht, der Mangel an impulsiver Tatkraft machten ihn zu einem minderwertigen Taktiker. Wenn Berlin vor feindlicher Besetzung bewahrt blieb,
so gebührt dies Verdienst
nicht dem wort- und projektenreichen Gascogner, sondern dem handelnden Preufsen : dem Generale von Bülow. Militärisch hatte der Kronprinz immer nur den einen Grundgedanken : geschlagen zu werden.
selber
nicht
Je mehr man sich mit dem Herbstfeldzuge 1813 beschäftigt, um so berrlicher erscheinen die Waffentaten der Preufsen ; sie durchglühte der Genius des Krieges, sie bildeten die treibenden und leitenden Kräfte. Alle entscheidenden Waffentaten sind unter Preuſsens Adler erfochten : die Schlachten an der Katzbach, bei Groſs-Beeren, Dennewitz und Kulm, Blüchers Rechtsabmarsch über die Elbe beendete die Versumpfung des Krieges
und bewirkte die letzte Ent-
scheidung bei Leipzig. Und selbst in dieser wäre Schwarzenberg verloren gewesen, wenn Blücher nicht bei Möckern gesiegt, wenn der preussische Waffenbruder nicht den österreichischen entlastet hätte . Was tat da Bernadotte ? Er hielt sich in Sicherheit. Während dieser nur Schwierigkeiten sah und sehen wollte, sprach Bülow am 25. September die schönen Worte : „ Soll der Krieg glücklich beendigt werden, so mufs ein jeder auf dem Standpunkte , wo er sich befindet, das leisten, das unternehmen, was möglich ist und ins allgemeine mit eingreift, so müssen wir ihn im Geiste Friedrichs des Grofsen führen ".") 1) Der Engländer Stewart berichtet, er habe auf seine Ratschläge nur schöne Phrasen als Antwort erhalten (Pingaud 217). Von Wichtigkeit sind hier die Berichte des österreichischen Bevollmächtigten, die sich jedenfalls noch in Wien befinden . Ich lasse mich nicht auf dieselben ein, weil das vorhandene Material für meine Zwecke genügt. 2) Friederich II, 194.
558
Applikatorisches Schiefsen.
XXXIX .
Applikatorisches
Schiessen.
von Lohmann, Hauptmann und Kompagniechef im k. b . 19. Inf. - Regt.
Zufolge Allerhöchster Bestimmung wurden die Übungen für das Schulschiefsen auf den Entfernungen 500 und 600 m gestrichen und der erfahrene Schiefslehrer wird denselben nicht nachtrauern. Hierdurch wurde naturgemäls die Frage lebendig, was an die Stelle dieser Übungen zu setzen sein werde und wie das gefechtsmässige Schiefsen auf diesen Entfernungen weiterhin vorbereitet werden kann . Hiermit im Zusammenhang drängte sich die schon vielumstrittene Frage über den sachgemäfsen Betrieb des wieder in den Vordergrund. Nachdem das
gefechtsmässigen
Einzelschiefsens
schulmäfsige Schiefsen niemals die Grenze des
Streuungsbereiches des einzelnen Schusses überschreiten kann, andererseits aber gerade auf den Entfernungen über 400 m eine gesteigerte Präzision, d . h. eingehendste Schulung des Mannes gefordert werden mufs auch da, wo er von dem einzelnen Schufs nicht mehr mit Sicherheit einen Treffer erwarten kann, so bliebe hier zunächst eine klaffende Lücke.
Dafs das gefechtsmälsige Schielsen in der Gruppe,
auch wenn es noch so sachgemäls betrieben wird, diesen Anforderungen nicht genügen kann, geht schon daraus hervor, dals es nach den bisherigen Bestimmungen - und dieselben werden aus verschiedenen schwerwiegenden Gründen wohl auch bleiben müssen nur ein- oder höchstens zweimal im Jahre mit dem Manne geübt werden kann. Selbst also wenn durch Einführung einiger gefechtsmäfsigerer Bedingungen für das Schulschiefen ' ) eine speziell für den Nahkampf innerhalb 400 m gesteigertere Gefechtsausbildung za erzielen wäre, so bleibt doch noch vom schulbewussten Schützen bis zum gefechtsbewussten Schützen auf den Entfernungen über 400 m noch ein weiter Schritt. Niemals wird der Schütze imstande sein, auf 500 und 600 m gefechtsmäfsig richtig zu handeln und das mufs von ihm verlangt werden wenn ihm nicht der richtige Begriff dieses Schiefsens
durch Demonstration
ad oculos und
eigene
Übung beigebracht worden ist. ¹ ) Ich rechne hierzu : Einführung verschwindender Scheiben, Bewertung der kriegsgemäfseren Figur in Verbindung mit der Ringzahl, Freigabe der Schufszahl auf Figurenziele, Bewertung der Zeit usw.
Applikatorisches Schiefsen. Hierfür bliebe
also
nur
559
das gefechtsmässige Einzelschiefsen.
Ganz abgesehen nun davon , dafs auch hier gemäls Sch.-V. 153 dem Wert des Einzelschusses Rechnung getragen werden mufs- soll das so wichtige Ziel , d. i. Weckung des Vertrauens zu sich und seiner Waffe, erreicht werden viel umstrittenen Frage über
so hat die Erfahrung in der schon den Betrieb dieses Schiefsens wohl
allgemein sich dahin geklärt, dafs dasselbe nur dann der Ausbildung förderlich bezeichnet werden kann, wenn es die Gunst der Verhältnisse ermöglicht, eine individuelle Behandlung des einzelnen Mannes und Schusses auch wirklich durchzuführen, was in der Tat nur auf und auch da den eigens hierfür eingerichteten Schiefsplätzen grofse Zahl sehr Eine erreicht werden konnte. nicht immer von Regimentern kann dem
und Garnisonen steht
abgeholfen,
wie
kann
also vor der Frage : Wie
eine gefechtsmälsige Einzelaus-
bildung auf den Entfernungen 500, 600 m etc. mit Mitteln erreicht werden ?
den bisherigen
Einige Andeutungen hierzu seien gestattet : Die Schiefsbahnen bis 600 m stehen zunächst allen Garnisonen in der bisherigen Weise zur Verfügung . Demgemäls kann ein Schiefsen auch auf gefechtsmälsige Ziele auf denselben und auf den Zwischenentfernungen 450, 550 m zu jeder Zeit stattfinden.
Wird
nun lediglich von dem einen Punkt abgesehen, dafs die Entfernung eine unbekannte sein mufs, so kann hier auf alle gefechtsmälsigen Ziele mit beliebigstem - vielleicht teilweise noch eigens einzurichtendem Anschlag, insbesondere auf kleine gefechtsmälsig erscheinende Ziele jederzeit geschossen werden. Anschlag aus Graben , binter Baumstamm etc. würde sich zweifellos überall betätigen lassen, ohne die Schieſsbahn zu behindern . Hier liefsen sich nun als Fortsetzung des Schulschiefsens bezw. nach entsprechender Festigung der Begriffe bezw. Vorübung auch zwischendurch folgende oder ähnliche Übungen abhalten lassen : 1. Ein Schütze schiefst auf 400 m gegen 3 gefechtsmäfsig aufgestellte Ziele - Rumpf- oder Brustziele - am besten Fallscheiben - solange bis ein Treffer erscheint ; 2. dasselbe Ziel wird unmittelbar darauf von 2 oder 3 Schützen gleichzeitig beschossen (Rotte) ; 3. dasselbe Ziel wird auf 450, 500 , 550, 600 m beschossen ; 4. ein einzelnes gröfseres , zeitweise unregelmässig verschwindendes Ziel wird beschossen ; 5. der Schütze liegt,
sieht liegend das Ziel nicht, und mufs sich
zum Schufs jeweils in den Anschlag knieend aufrichten ;
Applikatorisches Schiefsen.
560
6. der Schütze macht nach einigen Schüssen 50 m und schiefst weiter ;
einen Sprung von
7. der Schütze regelt sein Feuertempo je nach Gröſse des zeitweilig sich verändernden Zieles etc. etc. Schon die Vielseitigkeit der hier möglichen Variationen erleichtert es ungemein, eine dem gefechtsmässigen Schufs wirklich annähernd gleichkommende Schulung durchzuführen, und wenn hierzu pro Kopf auch nur 10 oder 12 Patronen wie bisher auf 500 und 600 m verwendet würden, so wäre allein schon der Umstand, dafs diese Art des Schiefsens überall und zu jeder Zeit stattfinden könnte , von einschneidendster Bedeutung im Zusammenhalt mit der unendlichen Wichtigkeit dieser Gefechtsvorschule mit scharfen Patronen. Ob man dasselbe „ Applikatorisches “ oder „,Angewandtes Schiefsen“, oder „ Gefechtsmässiges Vorübungsschielen" oder „ Gefechtsmälsiges Belehrungsschiefsen ", oder sonstwie betitelt, ist für die Praxis ganz gleichgültig und nebensächlich. Jedenfalls wäre die Möglichkeit gesichert, dafs jeder einzelne Mann, sowohl als Zuschauer wie als Schütze, abwechselnd in Verwendung genommen werden könnte.
Wenn denjenigen Regimentern, welchen keine besonderen Gefechtsschiefsplätze zur Verfügung stehen, etwa die Hälfte der zum gefechtsmässigen Einzelschiefsen bisher verwendeten Patronen entweder ebenfalls zur Abhaltung solcher gefechtsmäfsiger Detailschiefsen oder auch bei passendem Übungsplatze zu gefechtsmässigem Gruppenschiefsen, welches bisher leider schon infolge der geringen Patronenzahl nur einer etwas
stiefmütterlichen Behandlung sich
erfreute,
gefechtsmässige Verwendung dieser e Schwierigkeiten und Kosten besondere Patronen ohne irgendwelch müfste naturgemäls vert. Schufszahl Die zweifellos sichergestell en Quantums deren ausgeworfen des schieden sein und innerhalb überlassen würde,
so wäre die
Verteilung auf den einzelnen Schützen dem Kompagniechef zur freien Verfügung überlassen werden , während in der Schiefsliste wie bisher lediglich das Datum oder auch eventuell die Patronenzahl aufzunehmen wäre . Dem Moment der unbekannten Entfernung wäre auf diese Weise immer noch hinreichend Rechnung getragen.
Dasselbe spielt auf
Schiefsplätzen, welche öfters benützt zu werden pflegen, erfahrungsgemäfs nicht diejenige Rolle, welche ihm zugedacht ist. Für den Fall , dafs einmal ein oder das andere Resultat nicht ganz in den aufgestellten Rahmen passen sollte , z . B. dafs ein einzelner Schütze eher einen Treffer erzielt als mehrere gleichzeitig,
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen . so schadet das nicht viel .
561
Im Gegenteil glaube ich, dafs hierdurch
erneute Anregung und Anhaltspunkte zur Belehrung sowohl für den Schützen wie insbesondere für den Leitenden sich ergeben müssten, auch könnte eventuell griffen werden.
durch sofortige Wiederholung leicht einge-
Die Zeitfrage schliesslich kann ebenfalls keine Rolle spielen, nachdem die für die Schulübungen 500 und 600 m bisher notwendig gewesene Zeit allein schon als ausreichend gelten dürfte. Die eingehende und systematische Schulung des feuerdeckenden Infanteristen mufs stets oberstes Ziel und Richtschnur unserer ganzen Ausbildung bleiben.
XL .
Hygienische
Grundsätze
bei
rüstung des
der
Bekleidung
und
Aus-
Infanteristen .
Von
Oberstabsarzt Professor Dr. Schumburg . (Schlufs.)
Ausrüstung . Während bei der Bekleidung die einzelnen Stücke je nach ihrer Bestimmung
eine gesonderte Betrachtung erforderten,
der Ausrüstung des Infanteristen nicht gut
angängig.
ist dies
bei
Gewiſs wird
es dem Truppenführer nicht gleichgültig sein, welche Gegenstände, vor allem welche Waffen, wieviel Patronen der Soldat bei sich trägt. Natürlich interessiert auch den Hygieniker die Zweckmäſsigkeit der Waffen, auch die Menge der Patronen schon von dem Gesichtspunkte aus, dafs, je besser und nachhaltiger sich der einzelne Mann gegen den Feind verteidigen kann, er um so mehr sein eigenes Leben und das seiner Kameraden zu schützen imstande ist. Weit mehr, als diese mittelbare Wirkung der Bewaffnung und Ausrüstung interessiert hygienisch das Gewicht derselben. Von ihm hängt die Leistungsfähigkeit des marschierenden Soldaten eben-
562
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen.
so oder eigentlich noch mehr, wie von der Bekleidung
ab,
wobei
wir uns erinnern müssen , dals natürlich auch die Entwickelung des Körpers des Soldaten im allgemeinen , wie seine Beschaffenheit und die Stimmung gerade an dem Marschtage, dafs ferner die Witterung, namentlich
die Temperatur, einen bedeutenden Einfluss auf die ausdem Marsche des Infanteristen auf des
Leistungsfähigkeit
übt. Solange es deshalb gut organisierte Heere gibt, so lange ist es das Sinnen und Trachten jedes Truppenführers gewesen, wie er das Gepäck, das impedimentum, den Hemmschub der Beweglichkeit des Truppenkörpers, verringern und damit die Leistungsfähigkeit desselben erhöhen könne. Im Frühjahr 1894 ' ) wurde in Deutschland die Frage nach Erleichterung der Bekleidung und des Gepäcks des Infanteristen von der Heeresleitung mit frischer Kraft erörtert. Zunächst wurden bei Diese 10 Bataillonen der Armee Trageversuche unternommen. Trageversuche dauerten von Mai bis zur Beendigung der Herbstübungen und richteten sich auf folgende Einzelheiten : Waffenrock mit Umschlagkragen, kürzeren und geteilten Rockschöfsen , und einem Bindekragen; Trikothemd anstatt des Kalikohemdes ; Erleichterung der langschäftigen Stiefel durch Verwendung minder starken und schweren Leders insbesondere zu den Schäften sowie leichteren Beschlages ; Veränderung der Unterhose (Anbringung von Knöpfen an Bund und Schlitz sowie einer Tasche) , so dafs sie im Quartier auch als Oberhose getragen werden kann ; Erleichterung des Helms durch kleinere, dabei gefälligere Form und Verwendung von Aluminium- Bronze zu den Beschlägen ; andere Tornister mit beweglichen Trageriemen und ohne Gerüst ; Fortfall der hinteren Patronentaschen ; die 2 vorderen nehmen zusammen 90 Patronen auf ; Leibriemen und Säbeltasche um 1/2 cm schmaler ; Kochgeschirr aus Aluminium, äufserlich geschwärzt ; Brotbeutelband wird auf dem Marsche im Brotbentel getragen ; beim Mantel fällt im Rücken und in den Ärmeln das Futter fort ; Drillichhose und Handschuhe ( im Sommer) bleiben fort ; Putzzeug wird auf 300 g beschränkt ; Einführung eines leichteren Seitengewehres ; Verringerung der Taschenmunition um 30 Patronen ; Verkleinerung der eisernen Portion um 400 g ; Schanzzeugerleichterung um 950 g. Die Gesamterleichterung sollte nach diesen Versuchen 6,890 kg betragen, so dafs das Gewicht der Gesamtbelastung des Infanteristen würde.
sich dann von 33,028 kg auf 26,138 kg stellen
Bei all diesen Erwägungen und Versuchen drängte sich die ja 1) Zuntz und Schumburg.
Bibl. von Coler Bd . 6.
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen.
563
stets den Ausgangspunkt für alle Gepäckerleichterungen darstellende Frage wieder auf : Welches Gewicht kann ein gesunder Durchschnittsinfanterist ohne Schädigung seiner Leistungsfähigkeit bei einer mittleren Marschleistung
und
bei
weder zu günstiger noch zu un-
günstiger Witterung tragen? Dieser Frage hat man bisher nur theoretisch und nach praktischer Beobachtung in der Front urteilend, beizukommen gesucht. Zuweilen sind unberechtigt selbstbewufste Stimmen laut über die gänzliche Willkür dieser Urteile .
geworden
Indes dürfen wir diesen
Urteilen unsere Beachtung nicht versagen, da sie von Truppenführern ausgehen, die bei Märschen gerade auf die Schwere der Belastung und ihre Wirkung auf den Soldaten ein besonderes Augenmerk gerichtet haben und hieraus ihr Urteil ableiteten . Major von Plönnies meint, dafs der mit 60 Pfund beladene Infanterist vollkommen seine Schuldigkeit getan habe, wenn er sich und seine Rüstung auf ebenem, horizontalem Boden während 6 bis 7 Arbeitsstunden in langsamem Schritt fortbewegt. Kräftige Nahrung und regelmässiger Schlaf sind dabei vorausgesetzt . ebene Wege,
schnellere
Bewegung
und
Steile
Einflüsse
der
und
un-
Witterung
kürzen die mögliche Dauer der normalen Leistung noch erheblich ab . „ Die taktische Bewegung der Heere, im ganzen und in gröfseren Zeiträumen betrachtet, stimmt auch nach neueren und neuesten Erfahrungen mit jenen Grundsätzen ihrer Beweglichkeit überein. " Kirchner¹ ) knüpft an die Bemerkungen des Major v. Plönnies einige weitere , nicht unbedeutsame Erfahrungen an : „Wer als Arzt einen feldmarschmässig ausgerüsteten Truppenteil während der Herbstübungen oder im Felde begleitet, hat vollauf Gelegenheit, die nachteiligen Folgen der Überlastung auf die Atmung und Leistungsfähigkeit des Mannes zu beobachten. Während des ersten Teiles des Marsches herrscht Mut und Frohsinn in der Truppe und in lauter Unterhaltung oder mit fröhlichem Gesange zieht sie dahin. Nach dem grofsen Halt werden die Leute schweigsam, der Gesang verstummt, lautlos schleppt sich die Mehrzahl dahin, und selbst nach einem Marsch von wenig mehr als 20 km kommen alle Leute erschöpft und in Schweifs gebadet am Bestimmungsorte an. Und doch soll ja im Ernstfall erst dann die Arbeit beginnen ; sind doch in einem Zukunftskriege zu den voraussichtlich sehr grofsen Schlachten bedeutende Anmärsche erforderlich , um die gewaltigen Heeresmassen , welche mitzuwirken haben werden, auf dem Kampfplatze zu vereinigen .
Woher
soll der Soldat die körperliche Leistungs-
1) Grundrifs der Militär- Gesundheitspflege 1898.
S. 546 .
564
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen .
fähigkeit und die geistige
Ruhe und Sammlung nehmen ,
welche zu den Bewegungen während des Gefechts und zur fruchtbaren Handhabung der Schufswaffe erforderlich ist , wenn seine Kräfte schon beim Eintreffen auf der Wahlstatt durch den Anmarsch erschöpft sind ?" Auch Kirchner zieht aus diesen von vielen Seiten bestätigten Beobachtungen den gleichfalls schon vielfach in den Vordergrund gerückten Schluſs , dafs die jetzige Belastung des Soldaten ohne Zweifel zu grofs sei , und dafs die Forderung des Majors v. Plönnies, dass sie ein Drittel des Körpergewichts nicht überschreiten dürfe , vom hygienischen Standpunkt nur als zutreffend bezeichnet werden könne. Nach Kirchner darf daher, unter Zugrundelegung eines Durchschnittsgewichtes von etwa 66 kg für junge Leute im Alter von 20 bis 23 Jahren unter Berücksichtigung des Plönniesschen
Grund-
satzes das Gewicht der Infanterieausrüstung 22 kg nicht überschreiten. Dabei werden die Leute, welche schwächlich sind, namentlich die Freiwilligen, noch stärker belastet und es sollte daher nach Kirchner 20 kg als Höchstgewicht der Belastung angestrebt werden . Major Keim ' ) fordert nur 18 kg, vermag aber selbst bei seinen eigenen sehr eingreifenden Abänderungsvorschlägen der Ausrüstung nicht unter 22 kg herunterzugehen, so dals also Kirchner diese Zahl als die erstrebenswerte festhalten möchte . Doch gewährt all' dies Material dem nach Antwort auf die Frage der Leistungsfähigkeit des Soldaten Suchenden keine rechte Befriedigung ; es ist durch Schätzung, durch theoretische Beobachtung, durch subjektive Erfahrung gewonnen ; mäfsigen Grundlagen .
es
fehlen
Es lag deshalb nahe,
ihm
die Frage
die zahlen. nach der
Gröfse der zulässigen Belastung gründlicher, wissenschaftlicher zu fassen, so , wie es die Heeresleitung im Februar 1894 tat : " Lassen sich
durch physiologische Versuche
winnen, welche die Grenze anzeigen ?"
der
am
Menschen
Merkmale
ge-
zulässigen Belastung des Soldaten
Zur Entscheidung dieser Frage wurde im März 1894 eine Kommission von der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums berufen, welcher auch der Verfasser zugehörte . Es wurde der Meinung Ausdruck gegeben, daſs es möglich sein könnte, an einer kleinen Zahl von Marschierenden durch Untersuchung vor und nach dem Marsch Veränderungen bestimmter physiologischer Funktionen (Atmung, Kreislauf, Wärmeregulation, Muskel- und Nerventätigkeit) festzustellen, diewelche, wenn alle übrigen Bedingungen des Marsches genau
1) Militär-Wochenblatt 1891 Spalte 2705.
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen.
565
selben wären, dem Einfluss höherer oder niederer Belastung zuzuschreiben seien. Da von den Marschierenden verlangt werden musste, dals sie bei den Untersuchungen durch Selbstbeobachtung mitzuwirken imstande seien, so musste man darauf verzichten, Soldaten der Front zu diesen Versuchen heranzuziehen ;
es
sollten vielmehr
geeignete Studierende des damaligen Friedrich - Wilhelms- Instituts zur freiwilligen Übernahme der Marschleistungen aufgefordert werden. Die Bekleidungs-
und
Ausrüstungstücke
wurden
vom Garde-
füsilier-Regiment neu geliefert ; die scharfen Patronen wurden durch genau abgewogene Bleiklötze in den 3 Taschen ersetzt, die kleineren Ausrüstungsstücke im Tornister und Gesangbuch, Pfeife
(eiserner Bestand, Besteck,
Sold-
und Tabak, Putz- und Waschzeug)
durch
einen auf der Wage gefüllten Sandsack .
Für alle diese Gegenstände
wurden die von M. Kirchner angegebenen Zahlen zugrunde
gelegt,
nachdem wir uns durch Nachwägen von der Zuverlässigkeit derselben überzeugt hatten . Das Gewicht der einzelnen Stücke betrug bei uns im Durchschnitt :
Tornister .
·
·
Mantel Zeltausrüstung (Zeltbahn und Zeltstäbe) Kochgeschirr und Riemen • Brotbeutel Feldflasche mit Inhalt Leibriemen ·
2 vordere Patronentaschen, leer · 2 gefüllt "9 99 die hintere Patronentasche, leer •
99
0,300 1,133 .
Seitengewehr mit Scheide Spaten . •
29 Helm
•
1,800 kg . (2,610) , 1,600 99 • 0,850 99
•
99
0,400 19 0.925 "
. 1,000-1,150 99 · (0,560) ,, . 2,616 19
gefüllt
•
Gewehr und Riemen .
Kleidungs- und Wäschestücke am Leibe Tornister .
sonstiges Gepäck im Tornister
"
(0,565) 99 3,650 29 0,750 99 3,950 5,000 "" 5,050 99 (Mantel mitgerechnet) • 3,500 kg
(eiserne Portion, Besteck, Trinkbecher, Verbandpäckchen, Sold- und Gesangbuch, Pfeife und Tabak, Brustbeutel, Erkennungsmarke , Putz-, Näh- und Waschzeug) . Danach betrug das Maximalgewicht unserer Belastung 31,5 kg! (ohne Spaten).
566
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen.
Von den Ergebnissen der Arbeit, die Prof. Zuntz und ich in aller Ausführlichkeit im 6. Band der Bibliothek v. Coler veröffentlicht haben, will ich nur das wichtigste hier wiedergeben, da die Ausrüstung des Soldaten je nach ihrer Schwere auf diese Resultate einen bedeutenden Einfluss ausgeübt hat. Vor allen Dingen war es der Puls, der entsprechend der Belastung eine Zunahme von 28 bis 40 % gegenüber der Ruhe erfuhr. Er war nach einem 10 bis 30 Minuten währenden Halt stets wieder zur Norm abgesunken, wenn die Marschleistung und die Belastung keine Schädigung hinterlassen hatte.
Bei
Märschen mit hoher Be-
lastung (31 kg) konnten wir durch Untersuchung des Herzens eine Ermüdung der Herzmuskulatur feststellen, die sich einmal äufserte in einer Verlangsamung der Zusammenziehung desselben und zweitens in einer Ausdehnung des Herzmuskels, die nach wenigen Stunden meist wieder ausgeglichen war. Sehr interessante Aufschlüsse über die Wirkung der Belastung bei den Soldaten fanden wir bei Untersuchung der Atmung. Eine mangelhafte und ungenügende Tiefatmung kann beim marschierenden Soldaten eine doppelte Ursache haben, einmal die mechanische Behinderung des Brustkorbes durch das Gepäck, und zweitens die Erentgegenwirkende Last des Gepäcks müdung der durch die über Gebühr angestrengten Atemmuskeln. Die Messung der Luftmenge einer möglichst tief ausgeführten Atmung vor und nach dem Marsch, sowie jedesmal in belastetem wie unbelastetem Zustand gab uns über diese beiden Komponenten des Atmungsausfalls Aufschlufs. Schon in der Ruhe verminderte das Gepäck die Atemgrölse um 100 nach dem Marsch aber um 299-379-435 ccm , je nach Schwere des Gepäcks . Das ist etwa ein Fünftel des in einem Atemzuge geförderten Luftquantums. Ein solcher Ausfall bedeutet aber unzweifelhaft eine ernstliche Herabsetzung der Leistungsfähigbis 400 ccm ,
keit des Atemapparats, die zu beseitigen eine der Hauptaufgaben der Militär-Hygiene sein muls durch möglichste Freimachung des des Brustkastens von der einengenden Last des Gepäcks. Dieser beobachtete Ausfall der Atemluftmenge,
namentlich am
Schlufs der Märsche mit schwerer Belastung, zeigte, dafs eine nicht unerhebliche
Erschöpfung
Während bei Märschen
der
ohne
Atemmuskulatur
eingetreten
war.
oder mit nur geringer Belastung der
Brustkorb nur wenig unvollkommener bei der Atmung sich ausdehnt als in der Ruhe,
vermag
er
diese Leistung mit schwerem Gepäck
nicht mehr zu vollbringen. Die vorstehend besprochenen Messungen der Atemluft haben also unzweifelhaft gelehrt, dafs Märsche mit einer 31,5 kg schweren Belastung bei einem erheblichen Prozentsatz
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen.
567
kräftiger, leistungsfähiger und trainierter junger Leute eine ernstliche Herabsetzung der Leistungsfähigkeit des Atemapparats bedingen, und dafs auch bei einer Belastung mit 27 kg eine solche immer noch recht deutlich ist, dafs schliefslich beim untrainierten Soldaten selbst geringe Belastung von 22 kg und darunter fast denselben atmungshemmenden Effekt übt, wie beim trainierten Mann die hohe Belastung, der
dafs ferner eine verhältnismässig schnelle Steigerung in
Leistung
des
Atemapparates
durch
systematische
Marsch-
übungen mit langsam sich steigerndem Gepäck bewirkt werden kann. Es kann dies als Beweis für die Richtigkeit der Regel gelten, bei eingezogenen Reservisten oder gar Landwebrleuten in der ersten Zeit lange Märsche mit schwerem Gepäck zu vermeiden. Die schon erwähnte Verbreiterung des Herzens hat ein bekannter Herzarzt Prof. Schott in Nauheim experimentell hervorzubringen gesucht. Um den Einfluss solcher bis zur Atemnot führenden Muskelbewegungen auf das Herz zu studieren, wählte er das Ringen von zwei gesunden kräftigen Männern . Es wurde mit einfachen, aber starken systematischen Ringbewegungen begonnen und dann zu stärkeren Leistungen übergegangen . Solange noch keine Atemnot entstand, war nur eine gröfsere Atem- und Pulsfrequenz zu konstatieren ; alles andere blieb wie vorher. Aber das Bild änderte sich schon nach wenigen Minuten, als wirkliche Atemnot auftrat. Die Herzgrenzen rückten um 1 oder mehrere cm nach aufsen , die Atmung war fast um das Doppelte gesteigert.
Aus den der Schott-
schen Arbeit beigefügten Zeichnungen geht klar hervor, wie ein bis zur Atemnot gesteigertes Ringen imstande ist, das Herz sowohl nach rechts, wie nach links um 1 bis 2 und mehrere ccm auszudebnen. Es ist nach Schott selbstverständlich, dafs nur das in den Herzhöhlen angestaute Blut diese Ausdehnung des Herzmuskels hervorruft. Da nun ferner das Zusammenpressen der Baucheingeweide mit Hinaufdrängen des Zwerchfelles auf die Blutfüllung der Herzhöhlen , den Blutdruck im Herzen und die Herztätigkeit im ganzen von grofsem Einfluss ist, so hat Schott noch eine zweite Versuchsreihe derart angestellt, dafs die ringenden Personen sich einen
um den
Leib unterhalb der Rippen gelegten Riemen so fest anzogen, dafs sie das Gefühl starker Pressung hatten. Schon diese einfache Einschnürung des Leibes genügte, um Kurzatmigkeit und schnellen Puls herbeizuführen und die Herzgrenze nach aufsen zu rücken . Als dann starke, bis zur Atemnot führende Ringbewegungen ausgeführt wurden, da rückten die Herzgrenzen ganz bedeutend nach aufsen, einmal sogar um 51, cm über die Warzenlinie. Die 37 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 404.
568
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u . Ausrüstung des Infanteristen.
Herzhöhlen dehnten
sich dabei
ganz
gewaltig
aus und das alles
innerhalb weniger Minuten. Aus diesen Experimenten zieht Schott den gewifs berechtigten Schluís , "9 dafs es in der Tat eine akute Überanstrengung des Herzens auch bei Gesunden gibt, welche freilich rasch wieder verschwindet . " Diesen experimentellen Erfahrungen Schott's reiht sich noch aus Frankreich eine Beobachtung von le Gendre an, der infolge von einem forcierten Laufschritt öfters bei Knaben zwischen zwölf und sechszehn Jahren
akute
und sehr intensive Kreislaufstörungen
(schneller Puls , Erweiterung des rechten Herzens) auftreten sah, sowie aus Basel von Jaquet und Christ, welche nach Arbeit auf einem Tretwerk bei drei Typhus-Rekonvaleszenten gleichfalls Erweiterung des rechten Herzens beobachten konnten .
Diesen
Beobachtungen schliefsen sich noch die Erfahrungen Fräntzels an, der infolge einer Anstrengung häufig eine Erweiterung des Herzens, besonders auch nach Kriegsstrapazen, sah. Während nun beim Soldaten infolge der Belastung durch die Ausrüstung eine Erweiterung des rechten und des linken Herzens zustande kommt, sah Albu bei Radfahrern und Henschen bei Schwedischen Skidläufern, dafs bier, wo die Belastung wegfällt, mehr eine Erweiterung des linken Herzen zustande kommt. Wichtig für mich heute
ist einmal die Erfahrung ,
dals durch
die Arbeit, besonders die Marschierarbeit, das Herz eine Erweiterung erfährt und zweitens, dafs durch die Belastung, und zwar ihrem Gewicht entsprechend, diese Herzerweiterung vergröfsert wird und drittens, dals durch Herbeiführung einer Stauung, wie sie besonders durch einen den Unterleib umschliefsenden Gurt herbeigeführt wird jene Herzerweiterung und die damit verbundene Störung
der Herz-
tätigkeit und der Atmung gefährliche Grade annehmen kann . Gerade den letzteren Punkt halte ich für besonders wichtig. Genau wie bei den Schottschen Ringern liegen ja die Verhältnisse bei unseren Soldaten. Nicht nur ist die Atmung, die im wesentlichen durch Vorwölbung und Einziehung des Bauches zustande kommt, bei ihnen durch das festliegende Koppel mit zwei daran hängenden gefüllten und nahezu 3 kg wiegenden Patronentaschen in ganz ähnlicher Weise behindert, wie bei den Schottschen Ringern, sondern bei ihnen sorgen noch die Riemen des etwa 11 kg schweren Tornisters, die eine Hebung der Schultern und der oberen Rippen (Brustkorb) wesentlich erschweren, ferner die Last des Gewehres dafür, dafs auch die Brustatmung sich schlecht entfalten kann und alle diese sowohl die Brust- wie die Bauchatmung beeinträchtigenden Momente wirken direkt proportional der Belastung ; mit jedem Kilo-
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen.
569
gramm Last nimmt ihr einengender und den Atembewegungen entgegenwirkender Einfluís zu ; es entsteht Atemnot. Nach Beobachtungen von Zuntz und mir kommt es bis zu 35 Atemzüge in der Minute, bei Landwehrleuten noch bis ist die Herzerweiterung.
zu weit
höheren Ziffern.
Die
Folge
Durch diese Erfahrungen werden wir darauf hingewiesen, daſs die Militärverwaltung durch die im Laufe der letzten Jahre durchgeführte Beseitigung der über die Brust laufenden Riemen des Brotbeutels, der Feldflasche und des Schanzzeuges, schliesslich der auch früher über die Brust laufenden Mantelrolle ein hygienisch wertvolles Nur drängen sich mir immer noch wieder Werk durchgeführt hat. die Atemnot und die Herzerweiterung der mit einem Bauchgurt umschnürten Schottschen Ringer in die Erinnerung und diese Erfahrung regt mich dazu an, auch bei den marschierenden Soldaten das den Bauch einschnürende schwere Koppel vom hygienischen Standpunkte miſstrauisch zu betrachten . Ohne Zweifel würde durch Wegfall auch des Koppels die Bauchatmung, die natürlichste und hauptsächlichste Atmungsart des Mannes, eine erheblich freiere und und weniger behinderte werden ; die Gefahr der Atemnot und der Herzerweiterung würde dadurch in viel weitere Ferne gerückt sein. Weiterhin würde durch Fortfall des Koppels der Vorteil gewonnen werden, dafs selbst auf dem Marsch der Rock von unten bis oben geöffnet werden kann, so dafs eine intensive Entwärmung des Körpers Es wäre dies ein Mittel, um drohendem Hitzzustande kommt. schlag vorzubeugen. Man wende nicht ein, dafs dadurch die Gefahr der Erkältung heraufbeschworen wird. Die Erfahrung der Alpinisten , die bei drohender Überhitzung , selbst auf kaltem Gletscher, sich ihres Rockes ohne jede Folgeerscheinung entledigten, spricht für die Gefahrlosigkeit des gelegentlichen Rocköffnens während der Marschbewegung. Während der Ruhe ist der Rock natürlich sofort zuzuknöpfen . Es entsteht durch Fortfall des Koppels die Schwierigkeit, wo die Patronen und wo das Seitengewehr untergebracht werden sollen . Der Ort für diese Gegenstände kann natürlich nur der Tornister sein.
Es müssten Vorrichtungen und Taschen an dem Tornister an-
gebracht werden, die ein leichtes Erreichen der Patronen, Seitengewehrs
durch die
wie des
nach hinten geführte Hand ermöglichen.
Das Geschick unserer Ausrüstungstechniker wird bald in dieser Beziehung das Richtige finden .
So grofs die Schwierigkeiten für die
Unterbringung der am Koppel befestigten Gegenstände auch sein mögen, die erheblichen Nachteile des den Bauch einschnürenden 37
570
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u . Ausrüstung des Infanteristen.
Koppels fordern den Militärhygieniker immer wieder von neuem auf, die Beseitigung des Koppels zu befürworten. Eine zweite aufserordentlich wichtige Frage ist die
nach der
zweckmälsigsten Anbringung des Gepäcks. Theoretisch wird stets hervorgehoben , dafs das Gepäck wie jede vom Körper fortzubewegende Last möglichst nahe dem Schwerpunkt (in der Nähe des 2. Kreuzbeinwirbels) und möglichst in der Schwerlinie angebracht werden muſs. Jeder weifs, dafs eine Last als solche am wenigsten empfunden wird, wenn sie in der Schwerlinie z. B. auf dem Kopfe getragen wird, dafs es andererseits eine aufserordentliche Anstrengung erfordert, wenn
ein weit nach hinten aus-
ladender Tragkorb auf ebenem Wege fortgetragen werden muſs. Einen Mafsstab für die Zweckmäfsigkeit der Anbringung des Soldatengepäcks am Körper hat man bisher noch nicht . Der Hygieniker fordert nur, dafs das Gepäck möglichst nahe dem Schwerpunkt und der Schwerlinie liegen soll, dafs die Brust durch dasselbe möglichst wenig beengt, daſs die Bewegung der Arme und die Handhabung der Waffen durch dasselbe nicht beeinträchtigt wird. Zuntz und ich haben zum ersten Male bei Gelegenheit der schon erwähnten Marschierversuche auch die zweckmässige Anbringung ins Auge gefafst.
des Gepäcks
Als exakter Mafsstab für eine zweckmälsige Ver-
teilung des Gepäcks am Körper diente uns die mehr oder weniger behinderte Atmung, d. b. die Gröfse des mit jedem Atemzuge geförderten
Lnftquantums,
ferner
der
Sauerstoffverbrauch
und
die
Koblensäure-Ausatmung des belasteten Soldaten. Mit Hilfe dieser Methode gelang es uns, gestützt auf frühere Versuche, namentlich von Speck, neue Gesichtspunkte bei der Belastung des Infanteristen zu gewinnen. Es ist klar, dafs die von dem Körper fortbewegten Massen auf den Marschierenden einen verschiedenen Einfluss haben mufs, je nach dem die von den Muskeln fortbewegte Last dem Körper selbst angehört oder demselben als Last aufgepackt ist. Die Vorgänge bei Bewegung einer Last werden aber weiterhin noch dadurch kompliziert, dafs je nach der Art, wie sie am Körper angebracht ist, mehr oder weniger grofse Muskelkräfte zur Erhaltung des Gleichgewichts (Balancierarbeit) aufgewendet werden müssen. Der Umstand, dafs die obere Extremität mit dem Schulterblatt nur durch Muskeln am Rumpfe befestigt ist, bedingt unter Umständen die Notwendigkeit ständiger Muskelspannung zur Erhaltung der Extremität und etwa von ihr getragener Last in der gewünschten Lage (statische Arbeit). Es kommen also bei der Bepackung des Soldaten zwei voneinander unabhängige Momente in Betracht, das eine ist die Summe von
Hygien ische Grundsäze bei der Bekleidung u . Ausrüstung des Infanteristen. Muskelspannung, welche
schon beim
Stehen
571
aufgewendet werden
mufs, um die Last in ihrer Lage und den stehenden Körper im Gleichgewicht zu erhalten. Der Stoffverbrauch für diese Muskelleistungen ist bisher noch sehr wenig untersucht. Im Gegensatz zu dieser statischen Arbeit steht die dynamische bei Bewegung der Gliedmafsen. Mit Recht betont Speck, dafs es bei derartigen Versuchen schwer ist, zu bestimmen, wie viel Kräfte die Muskeln entwickeln und wie viel auf die Festigkeit der sehnigen Bänder,
welche die Knochen
zusammenhalten, zu rechnen ist . Die beste Anbringung der Last ist offenbar diejenige, bei welcher die sehr festen und nicht ermüdenden
sehnigen
Bänder
den
eigentlichen
Halt
übernehmen,
während die Muskeln nur zu dem Balanzieren beansprucht werden . In diesem Falle ergab der Atmungsversuch die geringste Steigerung des Gaswechsels , das beweist folgender Versuch.
In einer der Ver-
suchsreiben wurden 10 bis 20 kg in der Hand gehalten, in einer anderen 20 bis 50 kg symmetrisch am Nacken aufgehängt. Wenn man den Mehrverbrauch an Sauerstoff gegenüber unbelastetem Stehen in seinen Wärmewert umrechnet, so ergibt sich, dafs jedes kg der am Nacken getragenen Last forderte,
solange
10,3 Wärmeeinheiten pro Minute er-
die Belastung 30 kg nicht überstieg.
Eine Last
von 40 kg erforderte dagegen 13,4 Wärmeeinheiten pro kg und Minute, eine Last von 50 kg endlich, welche als sehr anstrengend empfunden wurde, 22,2 Wärmeeinheiten. Das ist mehr als die doppelte Kraftleistung, als bei einer Last von 20 bis 30 kg. Viel stärker wirkte eine in der Hand getragene Last von 10 bis 20 kg Die Steigerung des Verbrauchs entsprach 27 bis 30 Wärmeeinheiten pro kg, war also etwa dreimal so grofs , als wenn dieselbe Last am Nacken getragen wurde. Es ist indes bei diesen Berechnungen nicht zu vergessen , dals ein geringes Maſs von statischer Arbeit die Muskeln mehr ermüdet, als eine sehr viel gröfsere dynamische Arbeit. Denn die Muskeln können beim Wechsel von Zusammenziehung und Erschlaffung, wie das bei dem Marsch der Fall ist, aufserordentlich viel mehr Arbeit leisten als bei ständiger Anspannung, z. B. beim Stillstehen. Es wird also bei Versuchen über die zweckmäfsigste Anbringung des Gepäcks
vor allem darauf an-
kommen, die statische Arbeit der Muskeln auf das geringste Mafs zurück zu führen, es so einzurichten, dafs auch dieses geringe Mals nicht durch dauernde Muskelspannung , sondern durch intermittierende Beanspruchung der Muskeln in Form von Balanzierarbeit zu leisten ist. Eine
besondere
Berücksichtigung
bei
der
Betrachtung
der
statischen Arbeit erfordert noch die Mehrleistung der Atemmuskulatur.
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen.
572
Zuntz und ich konnten bei der Bestimmung der Atemgröfse am unbelasteten wie am belasteten Brustkorbe zeigen, wie bei starker Belastung die Atmung oberflächlicher wurde. Za ähnlichen Resultaten kam auch Speck, der eine mit Zunahme der Last abnehmende Atemtiefe feststellte, die durch stärkere Zunahme der Frequenz ausgeglichen wurde. Speck hat diese Versuche an sich selbst angestellt.
Unbelastet förderte er
• •
mit jedem Atemzuge bei 30 kg Last "9 40 "9 99 50 99 "9 99
11,95 ccm Luft, 11.80 " 99 10,32 10,03
19
99
mit jedem Atemzuge. Noch viel erheblicher dürfte der Einfluss der erschwerten Arbeit der Atemmuskeln beim Marschieren sein, viel geatmet wird, wie im Stehen.
wobei ja 3 bis 4mal so
Über die zweckmäſsigste Haltung des Marschierenden bei starker Belastung liegen bereits Braune und Fischer vor. mittelung der
Untersuchungen und Berechnungen von Einfacher aber und sicherer zur Aus-
besten Bepackungsweise des
Infanteristen
erscheint
die von Zuntz und mir gegangene Bahn, aus dem Atmungsstoffwechsel die Grölse der Gesamtarbeit des Körpers zu berechnen . Am Pferde sind in dieser Richtung von Zuntz und Hagemann schon Untersuchungen gemacht worden . Typische Reitpferde mit kräftigem Rücken tragen erhebliche Lasten stehend , ohne dafs ihre Atmung merklich gesteigert wird, während sie bei anderen Tieren der Last entsprechend wächst . Ebenso auffallend sind die Unterschiede bei der Bewegung der Pferde unter dem Reiter. Das typische Reitpferd bewegt die ihm auferlegte Last im Schritt und im Trab mit geringem Mehraufwand an Kraft. Ein Ackerpferd dagegen braucht zur Fortbewegung der Last mehr Energie. Ähnlich werden bei verschiedenen Menschen solche kleinen Unterschiede bestehen, vor allem
aber wird die Übung
und die zweckmässige An-
bringung des Gepäcks es dahin bringen, eine Last möglichst ökonomisch zu bewegen. Aus diesen Betrachtungen geht also hervor, der Infanteristen so am Körper anzuordnen ist,
dafs
das Gepäck
1. dafs es möglichst nahe der Schwerlinie liegt, so dafs die Balanzierarbeit eine möglichst kleine ist ; 2. dafs es möglichst dicht am Schwerpunkt hängt, damit die statische Arbeit auf ein möglichst geringes Mafs zurückgeführt wird :
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen. 3. dafs die Behinderung der Atmungsmuskeln möglichst gering ausfällt.
573
durch das Gepäck
Bezüglich der Bedeutung dieser drei Punkte ist die Anbringung des Gepäcks möglichst nahe der Schwerlinie durch die Form des menschlichen Körpers begrenzt. In der Schwerlinie selbst würde eine Last nur dann liegen, wenn sie auf dem Kopfe fortbewegt würde. Dals dies selbst bei grofsen Lasten sehr leicht möglich ist, dafür sind die orientalischen Wasserträger ein bekanntes Beispiel. Da die Schwerlinie der Wirbelsäule sehr nahe liegt, so ist es am zweckmälsigsten, das Gepäck in der Nähe der Wirbelsäule und zwar möglichst flach, nicht sehr weit nach hinten ausladend anzubringen. Was die zweite Forderung
der
möglichsteu Nähe des Schwer-
punktes anbetrifft, so ist sie schon leichter zu erfüllen. Es gelingt in der Tat in der Nähe des zweiten Lendenwirbels, dem Schwerpunkt des Körpers, das Gepäck anzuordnen. Es ist diese Gegend von einem starken Knochenring, dem Beckenring, umgeben. Man kann deshalb das Gepäck hier ohne Mühe befestigen . Namentlich das Kreuzbein und die über ihm liegende Lendenwirbelsäule ist ganz aufserordentlich geeignet, den Druck einer Last ohne sonderliche Beschwerden auszuhalten. Die seitliche Hälfte des Beckenringes eignet sich für diesen Zweck weniger, weil die eigentliche Hüfte nicht nur durch die seitlichen Beckenschaufeln, sondern durch den Oberschenkelknochen (den grofsen Rollbügel desselben) gebildet wird. Die fortwährende Bewegung des Oberschenkels beim Marschieren würde das Gepäck,
wenn
es an der Hüfte angebracht
ist, in Bewegung setzen und hierdurch leicht Verletzungen der Haut berbeiführen können . Die Forderung der Anbringung des Gepäcks in der Nähe des Schwerpunktes, über dem Kreuzbein, ist bereits von den Engländern und auch zum Teil bei uns bei dem Gepäck der ostasiatischen Besatzungsbrigade erfüllt . Soweit sich bis jetzt übersehen läfst, hat diese Gepäckanordnung keinerlei Nachteile erkennen lassen . Besonders vorteilhaft erscheint eine Trennung des Gepäcks in Gefechtsund Marschgepäck . Die wichtigste und unerlässlichste Forderung bei der Anbringung des Gepäcks ist die dritte, dafs die Behinderung der Atemmuskeln eine möglichst geringe sei. Am ungünstigsten nach dieser Richtung ist das sogenannte Fridericianische Gepäck, bei dem mehrere Riemen über der Brust sich kreuzten,
an denen das gesamte Gepäck hing.
Erst nachdem Napoleon 1804 den Rückentornister einführte, wurde die Brust einigermalsen von dem Druck der Gepäckriemen befreit.
574
Hygienische Grundsätze bei der Bekleidung u. Ausrüstung des Infanteristen.
Nach und nach sind dann der über die Brust fortlaufende gerollte Mantel, später auch die Feldflaschenriemen und die Brotbeutelbänder Es ist also bei dem neueren Gepäck von der Brust verschwunden. der deutschen und der anderen Armeen die Brust so ziemlich vom Druck einengender Gepäckriemen und Gepäckstücke befreit. Doch genügt die Befreiung der Brust vom Gepäckdruck durchaus noch nicht, um die Atmung völlig frei zu machen. Die Atmung geht ja beim Mann in der Hauptsache durch Auf- und Niedersteigen des Zwerchfelles und damit Zurückweichen der Bauchdecken vor sich.
durch Vorwölbung und Die Hebung der Brust.
tritt zur Erweiterung der Lungen erst dann in Tätigkeit, wenn Atemnot sich einstellt. Aus diesem Grunde ist es verständlich, wie laufende Leibriemen (das Koppel ) , noch dazu beschwert durch vier Patronentaschen, die Atmung mindestens ebenso behindert, wie die früher über die Brust laufenden Fridericianischen
der um den Bauch
Gepäckriemen. Wie durch eine solche Behinderung der Bauchatmung Atemnot und Herzerweiterung zustande kommt, habe ich schon im ersten Teil dieser Arbeit erwähnt. Zum Schluſs möchte ich einige Erfahrungen nicht unerwähnt lassen, die, obwohl sie schon durch die Praxis vielfach bekannt sind,
doch bei den schon mehrfach berührten Marschversuchen von
Zuntz und mir zahlenmässig erhärtet werden konnten. Ich meine einmal den bedeutenden Eiuflufs des Trainings auf die Schwierigkeiten, die beim Fortbewegen des Gepäcks dem Soldaten erwachsen und dann die Erfahrung, dafs kleine Unbequemlichkeiten und Störungen im
körperlichen Befinden von grölster Bedeutung sind für
die Leichtigkeit des Marsches, namentlich mit schwerem Gepäck. Wir konnten feststellen, dafs im Laufe unserer Versuchsmärsche der Verbrauch für die Einheit der Arbeitsleistung mit zunehmender Übung fortgesetzt geringer wurde, so (bis 32 kg Gepäck) am Ende
dafs selbst schwere Lasten
der Marschversuche
Leichtigkeit getragen wurde wie leichtes im Beginn der Versuchsmärsche.
Andererseits machten wir die Beobachtung, aufeinanderfolgenden Märschen,
wenn
kein
mit
derselben
Gepäck ( 15 bis 20 kg)
daſs bei mehreren
Ruhetag
eingeschaltet
wurde, die Ermüdung, an den späteren Marschtagen in einer Erhöhung des Kraftverbrauchs für die Wegeeinheit zum Ausdruck kam. Ferner saben wir, dafs der Kraftverbrauch für die Einheitsleistung ganz erheblich stieg, wenn z. B. eine entzündliche Reizung der Sehnenscheiden am Fuls , welche das Gehen anstrengend und schmerzhaft machte,
vorlag.
Hier wiederholte sich eine Erfahrung,
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
575
welche Hagemann und Zuntz vielfach beim Pferde machen konnten. Auch dort bedingten die verschiedensten Formen von Sehnen- und Hufleiden zum Teil ganz
enorme Steigerungen des Kraftverbrauchs.
beim Gehen derart, dafs zahlenmälsig nachgewiesen werden konnte, wie unökonomisch die Verwendung von Pferden mit andauernden derartigen Leiden sich wegen der höheren Futterkosten gestaltete.
XLI .
Rufsland
und
der russisch-japanische
Krieg .
Von Generalmajor a. D. von Zepelin.
XIII. (Abgeschlossen am 25. April . ) Das Erscheinen der russischen Flotte in wässern ist ein Ereignis
von
den chinesischen Ge-
hervorragender Bedeutung,
dafs
ihm
gegenüber die Operationen zu Lande zurzeit in den Hintergrund treten. Die unverhältnismäfsig günstige Lage , die die Überraschung der Russen zur See durch die Japaner und der Mangel an Initiative seitens der russischen Flotte nach dem Verluste ihres Admirals Makarow, auf dessen Leistungen man so grofse Hoffnungen setzte, Japan erringen liefs, hatte die Welt mit dem Gedanken vertraut gemacht, dafs Rufsland auf die Herrschaft zur See endgültig verzichtet hätte, nachdem das Geschwader des Stillen Ozeans mit dem Falle von Port Arthur so gut wie verschwunden war. Denn die in Wladiwostok eingeschlossenen Kreuzer schienen durch die übermächtige japanische Flotte lahm gelegt. Man konnte daher verstehen, dafs weite Kreise sich der Ansicht zuneigten, das russische Geschwader hätte bei Madagaskar Halt gemacht und würde, nachdem die Verhältnisse in der Mandschurei durch die Schlacht bei Mukden eine so ungünstige Wendung genommen hätten, in das Rote Meer zurückkehren. Wer aus der Geschichte der Kriege zur See weifs, welche entscheidenden Wendungen selbst kleine, gut geführte Geschwader dem Kriege gegeben haben, welche Überraschungen auf dem weiten .
576
Ruisland und der russisch-japanische Krieg.
Operationsfelde des nur durch die Küsten begrenzten Meeres möglich sind , der musste sich allerdings solchen Anschauungen gegenüber ablehnend verhalten . Rufsland konnte freilich kein Interesse daran haben, ihnen entgegenzutreten , und man mufs es als einen Beweis geschickter Führung ensehen, dafs es dem Admiral Roshdestwenskij gelang, so unbemerkt in die Strafse von Malakka zu gelangen , obwohl wir selbstverständlich nicht in der Lage sind, zu behaupten, dals diese Bewegung auch für Japan überraschend gekommen sei. Die nächste Frage ist nun die nach den Aussichten, welche die ganze Kriegslage zur See beiden Gegnern bietet. Ein Blick auf die Karte zeigt uns die Vorteile, welche Japan für jeden Krieg in den ostasiatischen Gewässern den Seemächten gegenüber durch die gröfsere Nähe rüstungsplätze besitzt.
europäischen Ausseine
Vielleicht macht Grofsbritannien mit seinen
Asien überspannenden Kolonien und Kohlenstationen in dieser Beziehung eine Ausnahme. Dafs es Russland gelungen ist, allen entgegenstehenden Schwierigkeiten zum Trotz ein zweites und ein drittes Geschwader auszurüsten und viele tausende von Kilometern weit unbelästigt vom Feinde und ohne auf eigenen Ausrüstungsstationen sich stützen zu können an den Gegner heran zu führen , ist ein Beweis für die Zähigkeit und Energie, die dieser Staat öfter in der Geschichte bewiesen, nachdem Mangel an gründlicher Vorbereitung dem Kriege eine ungünstige Wendung gegeben hatte. Die Leistungen einer modernen Flotte sind in dieser Beziehung ungleich höher anzuschlagen wie die zur Zeit der allgemeinen Segelschiffahrt, da das gut ausgerüstete Kriegsschiff eine Unabhängigkeit vom Lande besafs, die den Seeoffizier von heute nur mit Neid erfüllen kann und da die Schiffsbesatzungen im Verhältnis zu unseren modernen Kriegsschiffseinrichtungen von geradezu sportanischer Einfachheit und Anspruchsslosigkeit waren .
Ein Kriegsschift konnte zu
jener Zeit lange ohne Zuhilfenahme einer Ausrüstungsstation bestehen , ja die Besatzung konnte sogar ihre hölzernen Schiffe selbst ausbessern . So hatte der französische Kommodore Suffren als er in den Jahren 1782 und 1783 einen Angriffskrieg in den Gewässern Vorderindiens gegen die dortige Englische Flotte führte, eine Ausreise von der Dauer eines Jahres hinter sich. Stützpunkt war die 2000 Seemeilen hinter ihm
Sein einziger
liegende Insel Isle
de France, die ihm freilich aufser Trinkwasser nur wenige Hilfsmittel bieten konnte. Dennoch hielt er sich 17 Monate fast nur mit Bordmitteln kampffähig , wenn er auch nach 61 , Monaten in dem befestigten Trinkomali einen geschützten Hafen, aber ohne jede Ausrüstungsvorräte , gewann.
577
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
Vergleichen wir hiermit den Trofs allein an Kohlenschiffen, den ein modernes Geschwader mit sich nehmen mufs, bedenken wir, welche Arbeiten die Herstellung von Beschädigungen der Maschinen- , Steuer- und Geschützeinrichtungen erfordern, so leuchtet ein, wie schwer die Aufgaben sind, die dem russischen Admiral seit seinem Auslaufen aus Libau gestellt sind .
Seine Persönlichkeit wird daher
zuerst für die Beurteilung der weiteren Leistungsfähigkeit des Geschwaders ins Gewicht fallen . In zweiter Linie deren Besatzung.
sind es die Eigenschaften seiner Schiffe und
Admiral Roshdestwenskij gilt für einen der ausgezeichnetsten Offiziere der russischen Marine . Er ist im Jahre 1848 geboren, 1865 aus dem Seekadettenkorps in die Marine getreten . Im russischtürkischen Kriege
der Jahre 1877/78 zeichnete er sich als Offizier
der „ Vesta" aus, mit welchem kleinen nur wenige Geschütze tragenden Dampfer der tapfere Kommandant Baranoff ein türkisches Panzerschiff angriff. Für diese Waffentat trägt Roshdestwenskij den Georgsorden.
Ein Beweis
für die
Schätzung des jungen See-
offiziers war der Auftrag, an der Schaffung der damals errichteten bulgarischen Flottille teilzunehmen und seine Ernennung zum Marinebevollmächtigten in England. Nachdem er mehrere Jahre dem Geschwader des Stillen Ozeans angehört hatte, befehligte er 1899 und 1900 das Artillerielehrgeschwader, dann die baltische Flotte . In dieser Zeit fiel bekanntlich die Flottenrevue bei derer er Admiral à la suite des Kaisers wurde .
Reval,
Was die Ausbildung des Personals der Besatzung
infolge
anlangt,
so
wurden in Rufsland Stimmen laut, die behaupteten, dafs dieselbe ungenügend wäre , dafs aber namentlich das Maschinistenpersonal zum Teil aus in der Behandlung von Schiffsmaschinen unerfahrenen Elementen bestände . Es ist nun zwar anzunehmen , dafs die lange Dauer der Fahrt, auch die Zeit des Verweilens bei Madagaskar, Gelegenheit zur Vervollständigung der Ausbildung von Führern und Mannschaften gegeben hat, immerhin hat die japanische Flotte den Vorzug der gröfseren Kriegsgeübtheit voraus. Was nun endlich die Schiffe und deren Armierung anlangt, so ist man über die Zahl der noch kriegsbrauchbaren japanischen Kriegsschiffe nicht orientiert,
es
ist
auch
anzunehmen,
daſs
dies
oder jenes Kriegsschiff im Kampfe verloren gegangen ist, ohne dafs die Welt etwas davon erfahren hat. Wir wissen als bestimmt nur, dafs im Laufe des Krieges die Linienschiffe „ Hatsuse " und „ Yashima ", der Kreuzer „ Yoshino ", der kleine Kreuzer „ Mijako " , die Küstenverteidigungsschiffe „ Hei Yen " ,
578
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
„ Sai Yen“ und „ Kaimon “ , sowie eine Anzahl Torpedofahrzeuge verloren gegangen. Auch scheint der kleine Kreuzer „Takasago" dasselbe Schicksal gehabt zu haben, der Verlustliste erscheint.
da seine ganze Besatzung auf
Einen Zuwachs aber kann die japanische Marine , abgesehen von einigen in Japan selbst erbauten Torpedo- und Unterseebooten - das japanische Marineministerium hat bereits zu Ende des vergangenen Jahres die Bildung einer Unterseebootsflottille bekannt gemacht nicht gehabt haben. Von dem im Vorjahre aufgestellten Bauprogramm sind bis jetzt zwei Linienschiffe „ Katori “ und „,Kashima ", fast Kopien der englischen King Edward "-Klasse, in England in Bau gegeben. Ihre Fertigstellung ist vor April 1906 nicht zu erwarten. Zwei weitere Schiffe dieses Typs scheinen folgen zu sollen . Endlich soll sich nach einer Meldung der ,,Times" vom 17. Januar ein erstklassiger Panzerkreuzer auf einer japanischen Werft im Bau befinden. Ob das Gerücht, dafs die „ Mikasa" verloren gegangen tigen wird, stehe dahin .
ist,
sich bestä-
Dafs die japanischen Kriegsschiffe
durch
die lange Dauer ihrer Verwendung vor dem Feinde in ihrer Gefechtsfähigkeit ebenso sehr gelitten haben, wie die Besatzung in ihrer Kriegstüchtigkeit gewonnen hat, scheint zweifellos zu sein. Nach russischen Quellen wird die Stärke der beiderseitigen Flotten wie folgt geschätzt, wobei die Kaliber der Geschütze nach russischen Zollen ,
etwa 2,540 cm
entsprechend ,
aufgeführt
sind :
1. Die japanische Flotte . a) Schlachtschiffe 1. Klasse. Die ,,Mikasa“, „ Schikischima“ , „ Asahi“, „ Fuji" und der alte Panzer ,,Chin-Yen". Chin-Yen". Von diesen Schiffen haben die drei zuerst genannten 18 Knoten Geschw., 15000 Tons und 4-12, sowie 14-6zöllige Geschütze , der „,Fuji“ aber 18 Knoten 12300 Tons, und 10-6zöllige Geschütze.
4-12
b) Gepanzerte Kreuzer. ,,Asama“, „ Jasumo " , „ Iwate", „ Tokiwa", ,,Asuma“ , „,Yakumo“ , „ Kassuga“ und „ Nischin". Von diesen haben die vier ersten 22 Knoten, 8800 Tons, 4-8 zöllige und 14-6zöllige Geschütze, ,,Asuma" und "Yakumo" 20 und 12-6zöllige Geschütze.
Knoten,
9880 Tons und 4--8zöllige
c) 13 Kreuzer mit Panzerdeck , meist mit je 2-8 oder 2 bis 6zölligen Geschützen armiert, sowie 5 angedeckte Kreuzer, 19 Torpedobootzerstörer und 60 Torpedoboote.
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
579
2. Die russische Flotte besteht aus den Linienschiffen „ Borodino", „Orel" , „Alexander III.“ und ,,Ssuworow" mit je 18 Knoten Geschw. , 13500 Tons mit 4-12zölligen,
sowie
12-6 zölligen Geschützen,
dem Linienschiff „ Ossl-
jabja" mit 18 Knoten Geschw. , 12600 Tons und je 4-10zölligen und 11-6zölligen Geschützen, und den Linienschiffen „ Nawarin" und ,,Sissoj Welikij" mit je 15 Knoten Geschw., 9500 bezw. 8800 Tons und 4-12zölligen und 8-6zölligen bezw. 4-12zölligen Geschützen. An Schnellkreuzern verfügt Admiral Roshdestwenskij den ,,Shemtschug" (23 Knoten, 3106 Tons,
über
8-5zöllige Geschütze) ,
den „Almas“ (24 Knoten, 3285 Tons , 8-5zöllige Geschütze) und den 99, Isumrud “ (24 Knoten, 3106 Tons, 8-5zöllige Geschütze). Ausserdem gehören
zu der Flotte
2
alte gepanzerte Kreuzer
(„Admiral Nachinow" und „ Dmitrij Donskoj " ), 3 Kreuzer mit Deckpanzer („ Awrora " , " Swetlana“ und „ Oleg ") . Hierzu kommt eine Anzahl von Hilfskreuzern und Torpedojägern und die grofse Zahl von Kohlen- und Proviantschiffen, einem Lazarett- und einem Reparaturschiff usw., eine Flottille, die man als den Train der Flotte bezeichnen kann , deren Wichtigkeit aber für die Schlagfertigkeit und die Unabhängigkeit der russischen Flotte von den Häfen so wichtig ist, dafs sich die Flotte nicht von ihr trennen kann. Nach den telegraphischen, wohl aus englischen Quellen stammen. den Nachrichten , die auch von der „ Nowoje Wremja" wiedergegeben wurden, soll das Geschwader , mit dem Admiral Roshdestwenskij die Meerenge von Malakka durchfuhr , 47 Schiffe gezählt haben. Von diesen werden folgende genannt: „ Sissoj Welikij “ , „ Oleg“ , „ Admiral Nachimow", „ Dmitrij Donskoj “, „ Aworora“ , ,,Isumrud", Schemtschug", „ Almas ",,, Rus ", „ Anadyr" , " Rion ", sieben Torpedozerstörer, und die
unter russischer Kriegsflagge fahrenden
aus dem Besitze deutscher Rhedereien angekauften Hilfskreuzer 19 Fürst Bismarck “, „ Kaiserin Augusta Viktoria “ , „ Kaiser Friedrich " . Unter der russischen Handelsflagge begleiteten das Geschwader elf teilweise früher der "9 Freiwilligen Flotte " angehörende Hilfskreuzer, unter denen „Woronesh" Woronesh",, „Jaroslawl", „Tambow",,,Wladimir", „ Orel“ , ein Rettungsschiff (Sspassatelnoje Ssudno) und 16 Kohlenschiffe.. Es würde unseres Erachtens
nicht dem Zwecke
eines ernsten
militärischen Journals entsprechen, den in der Presse so reich vertretenen Kombinationen über die Möglichkeit des weiteren Verlaufs Namentlich den aus England des Krieges neue hinzuzufügen. stammenden Nachrichten über den Zustand der Flotten und den
Kuisland und der russisch-japanische Krieg.
580
Bewegungen derselben muss man nach verschiedenen Richtungen hin misstrauen. Denn dort sind weite und mächtige Kreise der Haute Finance auf das Höchste bei der Versicherung der der russischen Flotte folgenden Schiffe interessiert, vielleicht auch bei den Prämien für andere für Wladiwostok bestimmte Blockadenbrecher. Man liebt es in England, die augenblickliche Lage des Admirals Togo
mit
derjenigen
des
Admirals
Nelson
Schlacht bei Trafalgar zu vergleichen . die nicht so optimistisch gefärbt sind .
unmittelbar vor der
Doch gibt es auch Stimmen, So meint der Sachverständige
des „ Daily Graphic ", dafs Togos Lage entschieden ungünstiger sei wie die des englischen Admirals bei Trafalgar. Er redet einer Teilung der russischen Flotte das Wort, indem er ausführt : „ Wenn der russische Admiral die Schiffe, die in der bevorstehenden Schlacht nicht zu gebrauchen sind, auf einem Umwege nach Wladiwostok schickt -- er meint die älteren Schiffe, auf die von den Gegnern Ruſslands immer als ein Impediment für die Bewegungen der russischen Flotte hingewiesen wird ----- so würden des Admirals Togo Schwierigkeiten dadurch gesteigert werden, japanischen Flotte ihm nicht Fühlung zu halten . .. ."
weil die Schwäche der
erlauben würde,
mit beiden
Teilen
Admiral Togo hat aber auch noch schwer-
wiegendere Fragen zu erörtern, mit denen Nelson bei Trafalgar nichts zu tun hatte. Wenn er mit seinen vier Linienschiffen den Kampf aufnimmt, so setzt er den ganzen Erfolg des Krieges, und damit das Geschick seines Landes auf eine Karte . Denn wenn der japanischen Landarmee die Verbindung mit dem Mutterlande gestört wird, kommt sie, namentlich wenn es der russischen Armee gelingen sollte, verstärkt die Offensive zu ergreifen oder Vorteile zu erringen , in
eine aufserordentlich schwierige
Lage .
Nelson war
allerdings
ebenfalls bereit, seine 10 Linienschiffe gegen die 18 des Admirals Villeneuve einzusetzen, aber er wufste, dafs im Falle einer Niederlage andere englische Flotten in Reserve bereit standen . Der „ englische Sachverständige " ist daher der Ansicht, dafs der russische Admiral nichts Besseres tun könne , als die aus 4 Linienschiffen und 8 Panzerkreuzern bestehende Panzerflotte der Japaner anzugreifen. Der russische Admiral kann sich im Gegensatze zum japanischen darauf verlassen, dafs ihm noch andere Schiffe folgen. Der Admiral Togo wird freilich bestrebt sein, seine 70 Torpedoboote zu verwenden, die Japan zur Verfügung bereit haben soll. Japan hat indessen die Umgebungen der Pescadoresinseln und der Küsten von Formosa sowie den Hafen von Gensan auf Korea unter den Kriegszustand gestellt.
Alle Schiffe
müssen sieben eng-
Rufsland und der russisch-japanische Krieg . lische Meilen
von
tralen müssen die
den Küsten Erlaubnis
entfernt bleiben,
581
Schiffe
von Neu-
der japanischen Behörden
zum Ein-
laufen in den Hafen von Kelung nachsuchen, auch dürfen sie nur in der Nähe dieser Häfen mit 5 Knoten Geschwindigkeit fahren. Man nimmt bisher an, die japanische Flotte erwarte bei Formosa, zu welchen in administrativer Beziehung die Pescadores gehören, die russische Flotte.
Über die
Absichten des
bisher nichts Bestimmtes.
Admirals
Roshdestwenskij
verlautet
Wenn berichtet wird, er wolle Wladiwostok
erreichen, um sich dort mit dem noch gefechtsfähigen Geschwader zu vereinigen, so glauben wir bei der Sicherheit, mit welcher dieser Admiral bisher die Flotte geführt hat, dafs er sich seines Zieles wohl bewusst ist, um so mehr, als ihm die Lehre der russischen Führung bei
dem letzten versuchten Durchbruch
durch
die Port
Arthur blockierende japanische Flotte zur Lehre dienen kann. Wenn damals, unseres Erachtens mit vollem Rechte, der russischen Flotte vorgeworfen wurde, der entscheidende Grund des Mifslingens des Durchbruches läge wesentlich darin , dafs der Admiral Witthöft statt des Befehls zum Angriffe gegen die Wladiwostok" erteilt habe.
feindliche Flotte,
den „ nach
Nicht Wladiwostok ist auch für den Admiral Roshdestwenskij das Ziel seines kühnen Vorgehens , sondern die Niederkämpfung des Feindes zur Erlangung der Rufsland so früh verlorenen Seeherrschaft. Ist Japans Flotte geschlagen so fällt alles andere der russischen Flotte in den Schofs. Wieweit ein solcher Sieg möglich
ist,
das
mufs
die Zukunft lehren ,
die
auch darüber Auskunft geben wird , ob Admiral Roshdestwenskij das Geschwader Nebogatow in der chinesischen Südsee abwarten wird . Admiral Togo seinerseits hat keinen Grund, sich von seiner Basis, d. h. den Häfen des Inselreiches weit zu entfernen, um so mehr, als jeder Schritt vorwärts gröfsere Ansprüche
an die
dem
russischen Geschwader folgende Transportflotte stellt und auf der anderen Seite dem russischen Admiral Gelegenheit böte, an der japanischen Flotte vorbei, sich den Küsten Japans zu nähern, um dort im Schiffsverkehr eine ähnliche Panik hervorzurufen, wie es seinerzeit das Kreuzergeschwader von Wladiwostok verursacht hatte. Die südlichsten Ausrüstungspunkte des japanischen Reiches sind Formosa und die Pescadores. Hierzu kommt, dafs diese Punkte auch von hoher strategischer Bedeutung sind. Eine Betrachtung des erläutern.
Kriegsschauplatzes zur See
möge dies
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
582
Die russische Flotte ist mit der Durchfahrt durch die Malakkastrafse in das Südchinesische Meer eingetreten. Dieser für den Handel so wichtige Teil des Stillen Ozeans bat auch im Laufe der Geschichte eine wichtige Rolle in den Kriegen der um den Kolonialbesitz auf den ihn einschliefsenden Küsten des Festlandes und der Inselwelt ringenden Seemächte gespielt. Die Portugiesen und Spanier, die Engländer und Franzosen, sowie die Amerikaner haben seit den Zeiten der Entdeckungen im 15. Jahrhundert dort mit wechselndem Glücke ihre Flaggen gezeigt und Kolonialreiche gegründet. Bis in die neueste Zeit waren es wesentlich England, Frankreich, die Niederlande und Amerika, welche neben den bisher zur See machtlosen Asiatischen Reichen wie China und Siam sich in die Herrschaft der Küsten des Südchinesischen Meeres teilten .
Seit dem Jahre 1895
trat
zum ersten Male eine
asiatische Seemacht in den Mitbewerb : Japan, das im Frieden von Schimonoseki Herr von Formosa mit den Pescadores wurde . Werfen wir einen Blick auf die Karte, so sehen wir die Gewässer des Südchinesischen Meeres und die suidwestlich an dasselbe anstofsenden Gewässer der Malayischen Inselwelt vom offenen Indischen Ozean geschieden durch die wesentlich aus vulkanischen Erhebungen gebildete Inselreihe der niederländischen Sundainseln, die einer nur an wenigen Stellen durch Meeresstrafsen gleich Pässen durchbrochene Barrieren ähnlich, die südwestliche Begrenzung Unter diesen Meeresstrafsen sind die für die
desselben bilden . Bewegungen der
russischen Flotte zunächst zur Geltung kommenden die beiden nordwestlichsten : die Malakkastrafse zwischen der gleichnamigen Halbinsel und Sumatra, und die Sundastrafse zwischen dieser Insel und Java.
Soweit bisher bekannt geworden , hat die russische Flotte, oder
doch wenigstens der gröfsere Teil ihrer Schiffe, die Malakkastraſse für ihren Vormarsch gegen Nordosten benutzt,
ohne vom
Gegner be-
hindert zu werden. Diese 778 Kilometer lange, strategisch hervorragend wichtige Strafse verengt sich nach dem Chinesischen Meere zu. Der Austritt einer Flotte nach demselben ist um so leichter zu sperren, als an ihrer Ausmündung eine Reihe von Inseln und Klippen liegen, zwischen denen verhältnismäfsig schmale Wasserstrafsen, von denen die von Singapore und Burian die bekanntesten sind. England hat sich durch die Besitznahme der Straits- Settlements, deren Hauptplatz das wichtige Singapore, hier einen seestrategischen Stützpunkt ersten Ranges gesichert. Im Osten ist das Südchinesische Meer durch das Gewirr der Inseln des grofsen Niederländischen Kolonialreiches, das mit seinen 1915000 Quadratkilometern das Mutterland um das 58 fache an
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
583
Ausdehnung übertrifft, und durch die jetzt amerikanischen Philippinen abgeschlossen. Die vielfachen Meeresstrafsen, welche hier durch die an Klippen reiche Sulu-, die Celebes- und die Java-See nach Osten führen, würden die russische Flotte aber nur mit einem grofsen Umwege nach den Küsten Japans und des Armurgebietes bringen. Setzt die russische Flotte ihren Weg in nordöstlicher Richtung
fort, was das Wahrscheinliche ist, so würde sie sich südlich Formosa zu entscheiden haben, ob sie den mehr nördlichen Weg durch die Formosastrafse oder den nordöstlichen zwischen Formosa und Luzon (Philippinen) einschlagen will ( durch die Balintangstrafse ). In beiden Fällen muss sie darauf gefalst sein, hier der auf den Häfen Formosas und den vortrefflichen Hafen der Pescadores gestützten japanischen Flotte zu begegnen. Für
Ruisland
ist
das
grofse
Kolonialgebiet
der Franzosen, Cochinchina und Tongking, welches die gewaltige Küstenstrecke Hinterindiens von Kap Samit bis Thuong einnimmt, von hoher Bedeutung, da ihnen die wohlwollende Neutralität ihrer Verbündeten die Einnahme von Kohlen und Lebensmitteln sowie den Nachrichtenverkehr erleichtert, namentlich, falls man hier das Herankommen des Geschwaders des Admirals Nebogatow abwarten will, das am 7. April Dschibuti verlassen hatte und soeben die Malakka- Stralse durchNach neueren Nachrichten soll Admiral Roshdestwenskij fährt. längs der Indochinas Küste des französischen zur bis Chinesischen Insel Hainan vorgerückt sein , wo ihn anscheinend Kohlenschiffe erwarten. Ein längeres Verweilen in dem Chinesischen Meere ist vom rein nautischen Standpunkte aus für die russische Flotte keineswegs unvorteilhaft, als gerade vom Ende April ab in jenen Teilen des Südchinesischen Meeres der Südwestmonsum die Herrschaft gewinnt und die der Schiffahrt so gefährlichen orkanartigen Stürme der Taifune im Chinesischen Meere meist erst vom August ab , seltener früher, auftreten. Auch löst vom Mai bis August eine gegen Nordost gerichtete Strömung längs der Festlandsküste
bis östlich zu einer Linie Anambainseln -VanguardbankMacclesfieldbank die im Winter in umgekehrter Richtung fliefsende ab; während sich längs der Westküste von Luzon, Palawan und Borneo eine Strömung von Nordost nach Südwest geltend macht. Welchen Weg der russische Admiral in nächster Zukunft wählen wird, entzieht sich noch unserer Kenntnis. Dals aber nach menschlichem Ermessen der Monat Mai Ereignisse von entscheidender Bedeutung bringen wird, ist mehr als wahrscheinlich.
Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 404.
38
584
Umschau.
Umschau.
Deutschland . Nach F.-O. 562 soll das Regiments- und Brigadeexerzieren der Über die Verwendung Infanterie und Kavallerie grundsätzlich auf den grofsen Truppender Truppenübungs- übungsplätzen stattfinden, wenn die Exerzierplätze der Standorte plätze. nicht ausreichen, nach F.-O. 564 können dagegen die Regimentsand Brigadeübungen der Feldartillerie auf den Truppenübungsplätzen oder im Manövergelände abgehalten werden, die besonderen Übungen der Kavallerie (Divisionsexerzieren ) sind auf den Truppenübungsplätzen oder ausnahmsweise im Gelände abzuhalten. Die Zeiten liegen noch nicht sehr weit zurück, wo in unseren militärischen Kreisen wohl meist die Ansicht geltend war, dafs Truppenübungsplätze für Ausbildung der Offiziere, insbesondere der höheren, nicht Aber die Flurentschädigungskosten gerade sehr geeignet wären. für gefechtsmäfsiges Schiefsen Gelände Ungemessene, ins sich steigerten liefsen sich namentlich im Sommer nur mit grofsen Schwierigkeiten finden, und so wurde die Einführung von Truppenübungsplätzen zur Notwendigkeit. So grofs wie die Übungsplätze auch angelegt sind, ihr Hauptnachteil lässt sich nicht aus der Welt schaffen, es ist die Einseitigkeit in der Anlage und Ausführungen der Übungen, in Stellung der Aufgaben für die Besichtigungen, die mit der Zeit entstehen muſs und zwar um so mehr, je ausgeprägter die Formen des Platzes sind. Dieser Nachteil kommt besonders dadurch zur Geltung,
dafs in der
letzten Zeit die Versetzungen von Stabsoffizieren wohl aus Sparsamkeitsrücksichten möglichst innerhalb der Armeekorps erfolgen.
Auſser-
dem können die Plätze viele Wochen lang in ihrer vollen Ausdehnung nicht ausgenutzt werden, weil die gleichzeitig stattfindenden Schiefsübungen der Feldartillerie einen grofsen Teil in Anspruch nehmen. Für alle Offiziere bis herunter zu den Zugführern ist es entschieden lehrreicher und interessanter, in einem Gelände zu üben, nicht genau kennt, das entspricht auch dem Ernstfalle.
das man Der an-
gegebene Nachteil der Truppenübungsplätze ist von geringerer Bedeutung für die Kavallerie , aufserdem sind gerade bei dieser Waffe die Flurentschädigungskosten, die durch Abhalten der Übungen im Gelände entstehen, sehr bedeutend und so finden mit Recht die Regiments- und Brigadeexerzieren der Kavallerie grundsätzlich auf den Garnisonexerzier- oder Truppenübungsplätzen statt, auch die
Umschau.
585
besonderen Übungen (in den Divisionen) sollten
nicht nur in der
Regel, sondern ebenfalls grundsätzlich auf letzteren abgehalten werden . Bei den Regiments- und Brigadeübungen der Infanterie und Artillerie macht sich die Einseitigkeit der Truppenübungsplätze entschieden mehr fühlbar,
am meisten wohl bei der Infanterie , und
gerade die Übungen dieser Waffe sollen grundsätzlich auf ihnen stattfinden. Die Übungen der Artillerie werden dagegen meist im Manövergelände abgehalten, schon weil die Plätze infolge anderweitiger Inanspruchnahme für die Artillerie nicht verfügbar sind. Es wäre schon ein Vorteil, wenn die Übungen der Infanterie ab und zu auf die Exerzierplätze anderer Standorte verlegt würden. durch,
daſs
Da-
alle Übungen der Infanterie auf den Truppenübungs-
plätzen stattfinden, entsteht namentlich 5 Infanteriebrigaden der Nachteil, dals
bei den Armeekorps mit eine Brigade schon sehr
frühzeitig (Ende April oder Anfang Mai) auf den Platz rücken muſs . Die ganze Ausbildung muls für die Truppen dieser Brigade in ungesunder Weise beschleunigt werden, meist
zugleich das
gefechtsmäfsige
Schielsen
um so mehr als
und
das Prüfungs-
schiefsen mit zu erledigen ist. Nun ist durch die A. K.-O. vom 27. Januar d. J. insofern eine Änderung eingetreten, als infolge Abschaffung der Doppelkolonne auch die Bewegungen in der Versammlungsformation für Regiment und Brigade wohl verschwinden werden,
grofse durchweg betretbare Plätze sind für das Exerzieren
in beiden Verbänden nicht mehr so unbedingt nötig wie früher.
Die
Übungen sollten daher ab und zu, mindestens aber in jedem dritten Jahre im Manövergelände stattfinden. würden dadurch wohl nicht entstehen.
Erheblich gröfsere Kosten Der Ermietung besonderer
Exerzierplätze bedarf es meiner Meinung nach dazu nicht, sondern es wären nur die entstandenen Flurschäden zu bezahlen . Selbst wenn die Übungen der Feldartillerie ab und zu auf die Truppenübungsplätze verlegt würden, wäre es dann zu erreichen, dafs keine Infanteriebrigade früher als im Juni auf diese zu rücken brauchte. Sicher würden es die Offiziere und Unteroffiziere der Infanterie als eine sehr angenehme Abwechselung dankbar empfinden, wenn sie nicht alle Jahre zum Regiments- und Brigadeexerzieren in das Lager zu rücken brauchten. Denn ein Vergnügen ist diese Dienstperiode dort nicht, die Ruhetage fallen fort, fechtsmälsig geschossen bleibt besteben.
werden und
nachmittags mufs vielfach geder
„ kleine Kasernenärger"
Auf diese Weise würden die Truppenübungsplätze bis Anfang oder Mitte Juni für andere Zwecke verfügbar, für die sie ganz besonders geeignet sind , das ist das Bataillonsexerzieren und die 38*
Umschau .
586
Auf den Exerzierplätzen Übungen des Beurlaubtenstandes. der mittleren und besonders der kleinen Standorte ist es ganz unmöglich, ein Bataillon sachgemäls im Gefecht auszubilden. Die Plätze sind dazu viel zu klein, selbst das Aushilfsmittel, den markierten Feind aufserhalb der Plätze aufzustellen , ist vielfach wegen des Anbaus nicht möglich. Es können nur einzelne, kurze Gefechtsmomente geübt werden. Dabei ist doch gerade die Ausbildung des Bataillons im Gefecht die Grundlage für die Ausbildung der Truppen zur grofsen Schlacht, im Bataillon erfolgt die eigentliche Ausbildung der Kompagnie und Zugführer für das Gefecht. Für die Ausbildung des Bataillons sind aber die Truppenübungsplätze vorzüglich geeignet, hierfür bieten sie auch genug Abwechselung . Acht Tage würden für das Bataillon genügen, da die Exerzierbewegungen durch Wegfall der Doppelkolonne sehr eingeschränkt sind . Die Nachmittage könnten gut zum gefechtsmälsigen Einzel- und Gruppenschielsen ausgenutzt werden, ohne die Leute zu überanstrengen . Denn selbst wenn mehrere Gefechte geübt werden , wird doch ein Bataillonsexerzieren nicht mehr wie 3 bis höchstens 4 Stunden in Anspruch nehmen. Was
die
Übungen
des Beurlaubtenstandes anlangt, so
kommt es ja neben Auffrischung der Haltung und Befestigung der Manneszucht vor allem auf die Ausbildung des einzelnen Mannes zum Gefecht an und für diesen Zweck lässt sich auf einem Truppenübungsplatz in der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit ganz etwas anderes erreichen als in einem Standort. Nötig wäre es allerdings, dafs auf den Plätzen Stände für das Schulschiefsen eingerichtet würden, was sich aber dort ohne groíse Kosten ermöglichen läíst. Es genügt aufserdem, wenn jeder Mann ein bis höchstens zwei Übungen zu 5 Patronen im Schulschiefsen verschielst, es
genügte
wohl auch das Verfeuern von 5 Patronen im gefechtsmässigen Einzelschiefsen, so dafs dann Stände für Schulschiefsen nicht nötig wären. Notwendig ist es aber vor allem , dafs der Reservist oder Landwehrmann
im gefechtsmälsigen Abteilungsschiefsen
gefördert wird , dazu gehört in erster Linie das Gruppenschieſsen und möglichst auch das Zugschiefsen . Das lässt sich aber nur auf den Truppenübungsplätzen allgemein durchführen. Für die diesjährigen Übungen ist es übrigens gestattet, an Stelle des Schulschiefsens gefechtsmäfsiges Schiefsen abzuhalten. Auch im Hinblick auf Befestigung der Manneszucht sind die Plätze für diese Übungen wohl ganz besonders geeignet. Die Übungen der Reservisten und Landwehrleute sollten daher grundsätzlich auf den Truppenübungsplätzen stattfinden.
Umschau.
587
Österreich-Ungarn. Verschiedenen aus Österreich- Ungarn kommenden Meldungen ist Die Neubewaffnung zu entnehmen, dafs die dortige Neubewaffnungsfrage der Feldartillerie, der Feldsoweit ihr technischer Teil in Betracht kommt, ihrer endgültigen artillerie. Lösung entgegengeht. Im Anschlufs an die früher - vgl. das vorjährige Novemberheft- gebrachten Nachrichten ist hierüber zu berichten, dafs nicht nur das Modellgeschütz hergestellt worden ist, welches alle von der Spezialkommission vorgeschlagenen Konstruktionseinzelheiten in sich vereinigen sollte, sondern dafs nunmehr eine Versuchsbatterie zu vier Geschützen dieses Modells fertiggestellt und am 22. Februar in Felixdorf in Anwesenheit des Erzherzogs Leopold Salvator, des Kriegsministers und einer grofsen Zahl anderer hoher Offiziere einem ersten Probeschiefsen unterzogen worden ist. Diese Versuche sollen , wiederum unter Leitung der Spezialkommission unter dem Fürsten Lobkowitz, auf verschiedenen Schiefsplätzen fortgesetzt werden, und man hofft, sie in etwa sechs bis acht Wochen endgültig abschliefsen zu können.
Es wird dann noch die finanzielle
Seite der Geschützfrage, oder besser, es werden noch die bezüglichen Finanzgesetze von den Parlamenten beider Staaten der Monarchie zu erledigen sein, um damit die gesamte Geschützfrage zu völligem Abschlufs zu bringen, so dafs ohne unvorhergesehene Hindernisse die Neubewaffnung der österreichisch- ungarischen Feldartillerie im Jahre 1907 beendet sein könnte. Während die österreichische Feldartillerie in den beiden letzten Vermehrung Jahrzehnten einen Zuwachs von 43 fahrenden Batterien erfahren der Gebirgsartillerie. hat und mit ihrer Neubewaffnung, besonders auch durch die Aufstellung von Haubitzregimentern einer weiteren erheblichen Vermehrung entgegensieht, bezeichnete diese Zeit für die Weiterentwickelung der Gebirgsartillerie eine Periode des Stillstandes. Zwar ist schon seit längerem eine Neuorganisation der Tiroler und Vorarlberger Gebirgsbatteriedivision geplant und auch seit dem Oktober 1902 bereits budgetär bewilligt, aber die hiermit festgesetzte Neuaufstellung von vier schmalspurigen 9cm Batterien zu je vier Geschützen war zunächst erst für den Mobilmachungsfall vorgesehen . Unlängst wurde nun die Versetzung von fünfzehn Hauptleuten und Subalternoffizieren nach Trient in die genannte Gebirgsbatteriedivision, sowie nach Laibach, bezw. Klagenfurt in das 7. , bezw . 9. Divisions artillerieregiment Es verlautet, dafs zwei von den vorgenannten vier gemeldet. Batterien schon jetzt formiert werden sollen, und auch die schon vor einiger Zeit gemeldete Neuaufstellung zweier Gebirgsbatterien in Nach einer Meldung des Laibach scheint erfolgen zu sollen. ,,Fremdenblatt" sind die Geschütze und Munitionswagen für diese
Umschau.
588
beiden Batterien am 22. Februar in Laibach eingetroffen Staatsbahnhof übernommen worden.
und am
Im Zusammenhang hiermit steht
augenscheinlich die Bestimmung, dafs die für Gebirgsbatterien eingeteilten Reserveoffiziere und Reserveoffiziersaspiranten des dritten (Grazer) Korps ihre diesjährigen Übungen nicht, wie früher, bei der Gebirgsbatteriedivision, sondern mentern abzuleisten haben.
bei den beiden vorgenannten RegiW.
Italien. Ministerkrise.
Die heute noch schwebende Ministerkrise, die einmal schon durch ein Kabinett mit dem dreibundfreundlichen Fortis als Präsidenten gelöst schien, dürfte eine Veränderung in dem Posten des Kriegs- und Marineministers nicht veranlassen. Dals General Pedotti Bedingungen für sein Bleiben in der Stellung macht, ist nach dem , was von seinen Plänen durchgesickert ist, nicht zu verwundern, ob diese Bedingungen u. a. aber auch die enthalten, allein für neue Befestigungen im Nordosten sofort über 200 Millionen Lire verfügbar zu erhalten, ist eine andere Frage . Eine Steigerung des Kriegsbudgets über den Rahmen des konsolidierten hinaus muss man als notwendig bezeichnen, sie wird allein schon dadurch bedingt, dafs der 1904 befolgte Grundsatz, die Rekruten auch der Fufstruppen schon im Dezember einzustellen, die Rekrutenvakanz bei der Fulstruppe also von 6 auf 2 Monate abzukürzen , in Zukunft dauernd , bestehen bleiben soll Erklärung des Ministerpräsidenten Giolitti und des Kriegsministers in der Kammer. Das Kriegsbudget für 1905/06 setzt bei dem konsolidierten Betrage von 275 Millionen einschliesslich Pensionen, Karabinieri, 16 Millionen Extraordinarium, die DurchschnittsBudgetstärke
auf 207 167 Mann fest, darin sind die 60000 Leute
des Beurlaubtenstandes , die auf im Durchschnitt 20 Tage zu Übungen einberufen werden sollen, nicht eingerechnet. Verteilt man diese Leute auf das ganze Jahr, so würde man eine Steigerung der Budgetstärke um 3287 Mann erreichen. Dabei hat man aber noch damit gerechnet,
dafs der Rekrutenjahrgang 1885 in 2 Raten, also
mit der langen Rekrutenvakanz , eingestellt würde . Damit reicht man mit dem Budget von 275 Millionen schon nicht mehr aus, eine Erhöhung der Budgetstärke mufs eintreten . Bis jetzt ist die sog. organisatorische Stärke von 265 901 Mann nur in den Zeiten erreicht und dann auch überschritten - worden, in denen die Leute des Beurlaubtenstandes unter den Fahnen
standen.
In der
Periode der forza minima, d . h. von Oktober bis März, hatte man im Durchschnitt nicht über 145000 Mann unter den Waffen und wenn man davon die
25000
Karabinieri
abzieht,
so
blieben für die
Umschau.
eigentliche Armee nur 120000.
589
Diese Zahl reicht für die Einheiten
in Oberitalien, die einen allgemein höheren Etat haben, nich taus, um im Winter gemeinsame Übungen abzuhalten ; in den übrigen Teilen Italiens, wie die Erfahrungen gezeigt, auch nicht, um bei Unruhen die öffentliche Ordnung aufrecht erhalten zu können. Nach Abzug der nicht für die eigentliche
Armee bestimmten Summen
und des
Extraordinariums bleiben für die Armee rund 190 Millionen übrig. Popolo Romana wies unlängst auch auf das Zurückbleiben des Pferdestandes hinter dem Sollstande und auf die nicht gentigende Unterstützung der Familien von Einbeorderten hin, und schlägt eine Wehrsteuer vor. Bei der Einbeorderuung von Leuten des Beurlaubtenstandes sei hier auch gleich
auf eine Änderung im System der
Herbstübungen hingewiesen , die geplant scheint. Soviel verlautet, werden die gewöhnlichen Herbstmanöver etwas früher als sonst stattfinden und bei ersteren die Friedenseinheiten nicht wie sonst, durch Einbeorderuung von Reservisten, auf den erhöhten Stand gebracht werden. Dagegen halten das IX. und X. Korps zu Beginn des Septembers Armeemanöver ab und werden dazu durch einberufene Reservisten nahezu auf Kriegsstand gebracht.¹) Dem Senat ist am 1. März durch den Kriegsminister in Über- Obertribunal für Heer einstimmung mit Marine- und Justizminister ein Gesetzentwurf über- und Marine reicht worden, der das Obertribunal für Heer und Marine beseitigt und eine Veränderung der übrgen Tribunalanstalt, sowie nicht unbedeutende Anderungen im Personal
der Militärjustiz bei einer Er-
sparnis von 71 120 Lire im Jahresbudget bewirkt. In der Begündung weist General Pedotti darauf hin, dafs schon sein Vorgänger, um dem wiederholt geäufserten Wunsche des Parlaments zu entsprechen, am 28. Juni 1903 einen ähnlichen Gesetzentwurf eingebracht habe, der aber durch den Schluís der XXI. Legislaturperiode nicht mehr zur Beratung gekommen sei . Wenn man als oberstes Militärgericht das Obertribunal für Heer und Marine beseitige, so müsse man die Aufgabe dieses obersten Militärgerichtshofes auf den Zivilkassationshof übertragen.
In militärischen Kreisen haben sich zunächst einige
Zweifel erhoben darüber, ob der Kassationshof die nötige Beurteilungsfähigkeit für militärische Verbältnisse haben würde , Bedenken, die die Begründung des Kriegsministers zu zerstreuen sucht. Nun hatte das Obertribunal für Heer und Marine bis jetzt auch die Heiratsfragen und die Sicherstellung des Heiratsgutes bearbeitet, und dazu
mufs eine andere Verteilung
stattfinden .
Auch die Militär-
1 ) Kriegs- und Marineminister sind in dem neuen Kabinet Fortis geblieben . Über Herbstübungen im nächsten Bericht.
Umschau.
590
generaladvokatur mufse logischerweise mit dem Obertribunal verschwinden. Somit ginge aber dem Kriegsminister - und in manchen Fragen auch dem Finanzminister - ein juristischer Beirat verloren , den er braucht und der auch die Überweisung des Militärjustizpersonals übernimmt. Der Generalmilitäradvokat bleibt also beim Kriegsministerium bestehen. Der Gesetzentwurf enthält folgende Artikel : 1. Das Obertribunal für Heer und Marine
und
die
General-
militärddvokatur fallen fort. 2. Von den bisherigen Aufgaben des Obertribunals geben über diejenigen, die sich auf Militärstrafgerichtssachen beziehen, an den 1. Strafsenat des Kassationshofes,
diejenigen ,
die sich auf Verletzung der
Bestimmungen über die Eheschliefsung beziehen, den Disziplinarräten der Division, die auf das Militärheirats gut bezüglichen an die zoständigen Appellhöfe der Bezirke. Artikel 4. Die Militärrechtspflege wird ausgetibt durch den
1. Strafsenat des Kassationshofes und durch 12 (bisher 14) Militärobertribunale, von denen 1 zwei Sektionen aufweist ( 1 für Sardinien) . Artikel 5. Das Militärjustizpersonal besteht aus : 1 Generalmilitär-Anwalt, Militärfiscal- Advokaten und Stellvertreter, Militärsekretäre und Gerichtsoffiziere und der Truppe. Marine.
Der Gesetzentwurf, betreffend Aushebung des Jahrgangs 1885 für die Marine ist genehmigt worden. Die Torpedoboote, die über 200 Tons Deplacement haben (27 bei Schichau, Odero, Puttison, Spezio im Bau) beilsen fortan Hochseetorpedoboote. Der in Castellamare im Bau begriffene Panzerkreuzer (9833 Tons) hat den 18
Namen San Giorgio erhalten.
Frankreich. Der Stand der französischen Marineartillerie (Schlufs) .
3. Munition. Das schwarze oder braune Pulver , welches noch Ende 1894 bei vielen Schiffsgeschützen verwendet wurde, ist seither völlig durch ein Nitrozellulosepulver, das sogenannte „ B - Pulver" ersetzt worden. Die hierdurch erzielten Vorteile sind die allgemein bekannten. Vor allem wurde durch die Verringerung von Form und Gewicht der Ladungen auch eine solche der gesamten Schiffsbelastung herbeigeführt ; der Fortfall starker Rauchentwickelung begünstigte die Steigerung der Feuergeschwindigkeit, und endlich setzte die geringere Brisanz des modernen Treibmittels die Inanspruchnahme der Robre herab. Gerade den letzteren Umstand suchte man auszunützen, indem man, wie schon im Februar berichtet, mit Erfolg bemüht war, die Anfangsgeschwindigkeiten ganz erheblich zu steigern. Gelang dies schon bei den alten Rohren, so war es noch mehr der
Umschau.
591
Fall, als dann neue Rohrmodelle dem neuen Pulver vollständig angepafst waren;
die rund 800 m betragende Anfangsgeschwindigkeit
des Modells 1881 ist bei demjenigen 1902 auf über 900 m gesteigert worden. Zu erwähnen sind hier ferner noch die Versuche, die darauf hinzielen , durch gröfsere Ladedichte eine noch grössere Rohrausnutzung berbeizuführen, und endlich war neben der Verbesserung der ballistischen Eigenschaften des B-Pulvers dessen Aufbewahrung an Bord der Schiffe Gegenstand dauernder Aufmerksamkeit. Trotz der getroffenen Vorsichtsmalsregeln sind Unfälle vorgekommen, und gemeinsame Versuche der Artilleriedirektion und des „service des poudres et salpêtres" waren auf deren Verhütung bedacht. Endlich wurden auch Versuche Kordit
mit Nitroglyzerinpulvern
und Ballistit gemacht,
die
von der Art des
aber nur von neuem deren zu
grofse Inanspruchnahme der Rohre erwiesen. Vergleichsversuche des französischen mit amerikanischen und deutschen Nitrozellulosepulvern ergaben deren annähernd gleiche ballistische Eigenschaften . An Geschossen führt die französische Marine folgende Arten : a) Gufseisengranaten , aus sogenanntem de Ruelle- Gufs, teils mit Schwarzpulver,
teils mit Melinit geladen.
ersteren besser bewährt,
als die letzteren.
Bisher haben sich die Fähig,. Stahldicken von
annähernd der Hälfte ihres Kalibers zu durchschlagen und noch hinter dem Panzer Wirkung zu haben, wurden sie mit Erfolg gegen den Oberbau
und die leichte Panzerung der Schiffe verwendet und
sind ihrer gröfseren Brandwirkung schiffe,
halber besonders gegen Holz-
Holzbekleidungen und Kofferdämme den Melinitgeschossen
überlegen. Erst seit 1895 werden Melinitgranaten in gröfserer Zahl verwendet und erzielten auch gegen Bleche und leichte Panzerungen recht gute Wirkung. Der vollen Ausnutzung ihrer Sprengkraft stand jedoch die Empfindlichkeit ihrer Zündung entgegen. Sie sprangen vorzeitig beim Auftreffen auf Stahlplatten, so dals erst umfangreiche Versuche im Juli 1899 zur Annahme eines neuen Zündungssystems führten, welches die Melinitguſseisen granaten nicht mehr vor, sondern erst nach dem Durchschlagen von 15 bis 20 mm Spezialstahlplatten springen läfst. b) Halbpanzerstahlgranaten. Hand in Hand mit den vorgenannten Versuchen gingen solche, welche die Herstellung eines Geschosses bezweckten, welches bei etwa gleicher Sprengladung wie die Eisengranaten sie haben , stärkere Platten durchschlagen und erst hinter diesen springen sollte . Stahl Halbpanzergranaten .
Man nannte diese Geschosse aus
Zuerst hatten sie eine Kopfzündung ohne
Kappen nach dem anfänglich bei den Eisengranaten angewandten System. Die Bemühungen, dessen Empfindlichkeit herabzusetzen führten gleichfalls zu dem System vom Juli 1899, doch wurde dies
Umschau.
592
hier noch durch eine Geschofskappe geschützt. Es gelang hierdurch Spezialstahl bis zu 100 mm Dicke zu durchschlagen und das Geschofs erst hinter diesen Platten zum Springen zu bringen, wo die grofse Sprengwirkung des Melinits voll zur Geltung kam. Besonders gegen den Oberbau und die dünnen Panzer von Schlachtschiffen und Kreuzern
erwiesen
sich diese Geschosse als sehr wirksam.
aber kam man zur Erprobung einer weiteren Verbesserung ,
Bald indem
man diese Granaten mit massiver Spitze und Bodenzündung versah, wodurch
eine
grofse Steigerung
schosses herbeigeführt wurde.
der Widerstandsfähigkeit des Ge-
Umfangreiche Versuche im Jahre 1901
führten im November 1902 zur Einführung der 100 mm Halbpanzergranaten mit Bodenzündung . Jedoch wurde diese zunächst noch verzögert, weil in Gâvres ein Unfall mit einer 164,7 mm Halbpanzergranate mit ähnlicher Zündung vorgekommen war. Weitere sehr
strenge Versuche
sind
erst
unlängst zur Zufriedenheit ab-
geschlossen worden und haben nunmehr zur endgültigen Annahme des Geschosses geführt. Gleichzeitig wurde die Erprobung der 164,7 mm Granaten R/2 weitergeführt und diejenige mit 305 mm Halbpanzergranaten aufgenommen ; ein endgültiges Resultat ist noch nicht erzielt worden. c) Panzergranaten. Die Stahlpanzergranaten haben auch jetzt noch Schwarzpulverladung, sind jedoch im Gegensatz zu den älteren Geschossen mit einer Kappe versehen und haben bei angemessenen Auftreffgeschwindigkeiten gute Wirkung gegen die besten Stahlplatten. Seit 1898 sind ferner Versuche mit Melinitfüllungen und Bodenzündungen im Gange.
Die schon jetzt erzielte
Wirkung wird
doch sind die Versuche
als
eine
gute
bezeichnet,
noch nicht zum Abschlufs gekommen. d) Schrapnells mit Bodensprengladung. Diese Geschosse haben die frühere Kartätschgranate
ersetzt,
der sie bei ihrer Verwendung aus Schnellfeuer-
geschützen in mehrfacher Beziehung überlegen sind.
Ihre Wirkung,
nicht nur gegen lebende sondern auch gegen tote Ziele , ist sehr bedeutend. Gegen letztere haben sie naturgemäſs beim Az- Schiefsen die gröfste Wirkung, doch werden sie auch im Bz-Feuer mit recht gutem Erfolge verwendet, z. B. gegen Torpedoboote, Küstenbatterien und zur Vorbereitung einer Landung .
e) Kappen.
In dem ständigen
Kampfe zwischen Geschütz und Panzer schien der letztere bekanntlich eine
zeitlang die Überlegenheit gewonnen zu haben, als die Stahlnach dem Harveyschen Verfahren „zementiert" wurden.
platten
Zwar gelang es noch, die Platten zu durchschlagen, aber nur bei Ferner zerbedeutender Steigerung der Anfangsgeschwindigkeit. brachen die Geschosse mehr oder weniger, je nachdem ihr Kaliber mehr
oder
weniger
kleiner
war,
als
die
Dicke
der gehärteten
Umschau. Platten.
593
In russischen und französischen Werken ausgeführte Ver-
suche zeigten dann, daſs eine auf die Geschofsspitze gesetzte Stahlkappe die Wirkung der Plattenzementation aufhob oder wenigstens stark herabsetzte. Nachdem weitere Versuche in Gâvres diese günstigen Ergebnisse bestätigt haben, sind nunmehr alle Panzer- und Halbpanzergranaten mit Kappen versehen worden. Die ersten SchufsW. tafeln für Kappengeschosse stammen aus dem Jahre 1899 .
Die zweijährige Dienstzeit ist in Frankreich nun Tatsache, schon die nächste Aushebung wird auf Grund des neuen Gesetzes vorgenommen, im Herbst werden die Dispensierten des Gesetzes von 1889 noch nach einem Jahre Dienst entlassen, der Jahrgang 1904 hat schon den Vorteil, nach 2 Jahren heimzukehren.
Das Geschrei
der nationalistischen Presse, die zweijährige Dienstzeit bedeute die Besiegelung der Unterlegenheit Frankreichs gegenüber Deutschland, die Bemerkung des „ Figaro ", eine ungünstigere Zeit als die jetzige, wo das Offizierkorps infolge der Angebereien durch innere Zwiste zerrissen, die Disziplin in der Armee eine wankende sei, könne es nicht geben, der Versuch einiger Deputierten, vor der endgültigen Abstimmung die Bekanntgabe des Gutachtens des oberen Kriegsrats zu verlangen, bezw. anderer, in das Gesetz die Verkürzung der Übungszeit für Reservisten und Landwehrleute hineinzubringen - alles hat nicht gehindert, dafs der Senatstext „ en bloc “ mit siebenzehnfacher Mehrheit angenommen worden ist, obwohl Krantz das Gesetz kein militärisches, sondern eine Wahlmache nannte . Es besteht allerdings bei der Kammer der . Gedanke, baldigst ein Sondergesetz einzubringen, das die Abkürzung der Übungsdauer der Leute des Beurlaubtenstandes herbeiführen soll und auf dessen Annahme im Senat man (wahrscheinlich vergebens) bestimmt rechnet, weil man in den übrigen strittigen Fragen dem Senat nachgegeben hat . Gegenüber der in der deutschen Presse und auch in dem Budgetausschufs des Reichstages
bei
Beratung der neuen Friedenspräsenzstärke stellen-
weise hervorgetretenen irrigen Auffassung von den Wirkungen der zweijährigen Dienstzeit in Frankreich erscheint es geboten, auf die sicheren und wahrscheinlichen Wirkungen einen Blick zu werfen, damit nicht etwa Ansichten wie die von der nationalistischen Presse ausgesprochenen bei uns Platz greifen, Enttäuschungen führen könnten.
da sie
zu unangenehmen
Dals die zweijährige Dienstzeit die militärische Leistungsfähigkeit der Bevölkerung Frankreichs in hohem Mafse anspannt,
unter-
2jährige Dienstzeit.
Umschau.
594
liegt keinem Zweifel, ebensowenig wie die Vermehrung der Ausgaben. Beseitigung aller Dispense, Einstellung auch der Familienstützen auf volle Familien vom
zwei
Staate
Jahre, täglich
wobei freilich 0,75 Fres.
den hilfsbedürftigen
gewährt werden ,
Heran-
ziehung auch der Zöglinge der sogen. grofsen Schulen, der Algerier und Tunesier zu vollen zwei Dienstjahren, Einstellung der Leute mit kleinen Fehlern auf zwei Jahre in die Hilfsdienste , WOzwar die Zahl der feldverwendbaren Leute mittelbar,
nicht un-
wohl aber mittelbar vermehrt, indem nach Berteaux' Er-
klärung, 112 000 sonst gebundene, völlig felddienstfähige und geschulte Leute bei der Mobilmachung zur Verwendung in Feldtruppen frei werden sprechen wohl deutlich genug dafür. Man darf aber andererseits jedes
auch nicht übersehen,
Rekrutenjahrgangs
das
dritte
dafs für rund Dienstjahr
110 000
fortfällt
Mann
und
die
„demokratische Gleichheit vor dem Rekrutierungsgesetz “ ein starkes Zugmittel ist ; diese Kompensationen werden auch die grössere finanzielle Mehrbelastung von rund 38 und mehr Millionen williger tragen lassen. Von einer Herabsetzung der Durchschnitts - Iststärke gegenüber der bisherigen wird keine Rede sein, Berteaux und auch André haben das wiederholt erklärt und wir wollen versuchen, hier auch den ziffermäfsigen Beweis für
die Möglichkeit ihrer Erhaltung zu
liefern. Durch das neue Gesetz fällt der dritte Jahrgang fort, nach dem Durchschnitt der letzten 5 Jahre 110 000 Mann. Dafür treten nach den Bestimmungen des neuen Gesetzes hinzu : 1. 2. Jahrgang der nach Artikel 21 , 22, 23 und 50 des Rekrutierungsgesetzes pensierten
von 1889 Dis-
66 000 Mann
2. Vermehrung der kapitulierenden Unteroffiziere durch das neue Gesetz 3. Kapitulierende Korporale mehr 4. Vermehrung der kapitulierenden Gemeinen 5. 2. Jahrgang der Algerier und Tunesier
2 750 18 500
· •
6. Aufsereuropäisches Kontingent 7. Kontingent der 4 alten Kolonien 8. 2 Jahrgänge der Leute des Hilfsdienstes 9. Vermehrung der Einstellungen durch Herabsetzen des Mindestmalses 10. Ergänzung der Sapeurs, Pompiers und der Remontebereiter durch Kapitulanten .
99 99
6 000 5 000
"
6 600
99
1 000 16 000
5 000
1 800
93
128 650 Mann Dabei ist nicht einmal in Rechnung gezogen, dafs sich die bei der letzten Rekruteneinstellung im letzten Herbst hervorgetretene
Umschau.
595
Erscheinung, unter den Zurückgestellten im zweiten Jahre sehr viel mehr Taugliche zu finden das Rekrutenkontingent wurde bekanntlich unerwartet um 17 400 Mann höher, - leicht wiederholen kann . Auch der im Einvernehmen mit dem Kriegsminister im Budgetausschuls in das Finanzgesetz aufgenommene Beschlufs,
dem Kriegs-
minister die Befugnis zu geben, nicht kapitalierende Korporale und Gemeine, die 2 Jahre Dienstzeit haben, in die Heimat zu entlassen , also die zweijährige Dienstzeit im voraus anzuwenden, lässt nicht gerade darauf schliefsen, dafs man mit einem Zurückbleiben hinter der Durchschnittsstärke rechnet. Das neue Gesetz
vermehrt das Ausbildungspersonal und auch
die Stämme von länger dienenden Leuten ; durch eine grölsere Zahl von Kapitulanten und dreijährig Freiwilligen und rechnet man damit, auch in den troupes de couverture
selbst während
der Rekruten-
ausbildungsperiode einen genügenden Stamm von länger dienenden Leuten verfügbar zu haben . Mit Vereinfachung der Reglements, voller zweijähriger, schon im Oktober beginnender Dienstzeit (Mehrkosten der Rekruteneinstellung schon im Oktober 10 Millionen) , die nur durch 30 Tage Urlaub unterbrochen werden darf, Vermehrung des Ausbildungspersonals sowie der länger dienenden Leute erwirkt man eine gründliche Ausbildung, wozu bemerkt werden mufs , dafs nach Erklärung des Kriegsministers bei Kavallerie und reitender Artillerie die Zahl der über 2 Jahre dienenden Leute, dank der vermehrten Ziffer der Kapitulanten und der Freiwilligen -- für welche beide das neue Gesetz stärkere Zugmittel enthält, nicht kleiner sein wird, als bisher, so dafs man bei diesen Truppen
überhaupt kaum von
zweijähriger Dienstzeit sprechen kann . Eine Verbesserung der Qualität und eine Steigerung der Quantität erwartet man von dem neuen Gesetz auch für das Reserveoffizierkorps, in dem
bis jetzt ein Manko von 50 % besteht.
Während
man im Gesetz für die Zöglinge von St. Cyr und der polytechnischen Scbule, die Berufsoffiziere werden , nur 1 Jahr Dienstzeit im Mannschaftsstande vor Besuch der Schulen angesetzt hat, haben diejenigen der sogen. grofsen Schulen 1 Jahr vor dem Besuch und 1 Jahr nach dem Besuch unter den Waffen zu bleiben und in der Reserve 3 Übungen zu leisten .
Die Leute , die sich nach dem neuen Artikel 24
des Gesetzes, nach einem aktiven Dienstjahr zur Ablegung der Prüfung der Reserveoffizieranwärter melden, diese Prüfung, wobei nach Berteaux die dienstliche Eignung in der Hauptsache entscheiden soll , bestehen und nach Bedarf und Eignung zu Reserveoffizieranwärtern ernannt werden, sollen dann im ersten Semester des zweiten Jahres eine Sonderausbildung erhalten , dann die Offizierprüfung ablegen und
Umschau.
596
das zweite Semester des 2. Dienstjahres als Unterleutnants der Reserve dienen, in der Reserve dann 3 Übungen leisten. Die praktische Vorbildung der Reserveoffiziere wird also eine
sehr viel gründlichere und die
Auswahl erstreckt sich auf eine sehr viel gröfsere Anzahl von Persönlichkeiten. Wenn man dagegen den Bericht des Abgeordneten Klotz
Ojährl . ffizierersatzes
über das Kriegsbudget näher prüft, so kann man erkennen, daſs bei Durchführung der Absichten der Regierung für den Nachwuchs an aktiven Offizieren, der Durchschnitt der Allgemeinbildung der aktiven Offiziere sinken mufs. Nach Klotz will nämlich die Regierung dazu kommen, dafs liefern :
Schulen von
Kavall.
Artill.
Genie
40 %
32 %
45 %
45 %
50 % 10 %
58 % 10 %
45 % 10°
45 %
100 %
100 %
100 %
100 %
des
St. Cyr und polytechnische Schule ·
Infant.
zur Heranbildung Unteroffizieren zu
Offizieren Adjudants ohne Prüfung
Rechnet man die
•
10%
an zweiter und dritter Stelle aufgeführten
Zahlen, also diejenigen, die aus dem Unteroffizierstande hervorgehen, zusammen, so ergeben sich 60 %, 68 % bezw. 55 %, also durchweg über die Hälfte des jährlichen Offizierersatzes als aus dem Unteroffizierstande hervorgehend . Wir werden im nächsten Bericht nach den Beförderungsvorschlagslisten für 1905 die gegenwärtige Verhältniszahl festzustellen suchen , bemerken aber heute schon, dafs die aus dem Unteroffizierstande hervorgehenden Unterleutnants im Durchschnitt diesen Dienstgrad im 28. bezw. 30. Lebensjahre erreichen. Die Wirkungen des Gesetzes betreffend die zweijährige Dienstzeit, wie man sie in Frankreich erwartet und mit einiger Berechtigung auch erwarten darf, sind nicht danach angetan , uns an das Geschrei der nationalistischen Presse glauben zu lassen . Wie im letzten Bericht gemeldet, ging der ursprüngliche VorKriegsbudget, schlag des Budgetausschusses dahin, ein Kriegsbudget von 692716743 Truppenübungen. Frcs. zu bewilligen . Verhandlungen zwischen dem Ausschufs, Kriegsand Finanzminister liefsen dann aber diese Summe auf 685692 453 Fres ., d. b. immer noch über
6 Millionen mehr als André
im Mai
1904 verlangt hatte, herabsetzen und auf dieser Grundlage fanden die Beratungen in der Kammer statt. Bericht über das Budget und Kammerverhandlungen bringen eine Reihe von interessanten Tatsachen. Die Regierung hatte im Kriegsministerium die Errichtung
Umschau.
597
einer besonderen Direktion für Schulen und Rekrutierung und einem Kabinett aus zwei Abteilungen verlangt ohne Mehrkosten und unter Vereinfachung der Arbeiten besonders auch der Direktion für Infanterie, die auch eine andere Einteilung erfahren sollte. Die Kammer hat diese Direktion in der Sitzung vom 7. März abgelehnt. Von grofser Bedeutung waren die Hinweise darauf, dafs die Ergänzung der Bewaffnung, bei welcher der Kriegsmintster aussprach, dals ihm vor allem an der Beschaffung der 24 cm Küstenschnellfeuergeschütze und an der Reorganisation der Belagerungs-Artillerie liege , und die bessere gesundheitliche
Einrichtung
der Kasernen rund
500 Millionen be-
anspruchen würde. Der Kriegsminister Berteaux gab die Erklärung ab, er sei nicht Autor der Reformen von St. Cyr und der polytechnischen Schule,
stimme ihnen aber vollkommen bei, er habe im Ministerrat
einen Gesetzentwurf genehmigen lassen, der in 4 Artikeln die Aburteilung der gemeinen Vergehen dem gewöhnlichen Gerichte überweise und den Kassationshof als Berufungsinstanz für die Urteile der Kriegsgerichte bestimme, er werde baldigst nach der Genehmigung der zweijährigen Dienstzeit einbringen: 1. ein Gesetz betreffend den Ersatz der Unteroffiziere, 2. ein solches betreffend den Ersatz der Reserveoffiziere, 3. ein Gesetz betreffend die Beförderung der aktiven Offiziere und zwar im allgemeinen nach den Grundsätzen, die er im Senat bei Beratung der zweijährigen Dienstzeit entwickelt. Er halte auch Änderungen in den Strafarten für nötig, besonders auch den Ersatz des Arrestes durch Verweise bei Stabsoffizieren. Der Berichterstatter wies bei Kapitel 11 , Infanterie, auch auf die Budgetstärke hin, die im vergangenen Jahre 515 600 Köpfe betragen habe, in diesem Jahre 20 000 Mann mehr betragen haben würde, wenn man nicht 8400 Mann mit geringen Fehlern ausgeschieden hätte. Diese Tatsache müsse
erwähnt werden,
weil auf eine Verminderung des
Kriegsbudgets nicht gerechnet werden dürfe, mit 80 Millionen Mehrausgaben kalkulieren .
man müsse für 1906 Von Interesse waren
auch einige Angaben des Comte d'Alsace über die Iststärke in den Grenzkorps zu den verschiedenen Zeiten, um so mehr als der Kriegsminister später betonte, dafs heute die erhöhten Sollstärken erreicht seien. Vor 4 Jahren seien die Kompagnien statt 175 nur je 120 Mann stark gewesen , die Negriceschen Berichte
sprächen von nur
100 Köpfen pro Kompagnie bei den Übungen um Toul und Nancy. Mit dem Kriegsbudget steht auch in Verbindung eine Äufserung des Kriegsministers gegenüber einer Deputation von Arbeitern der Staatswaffenfabriken und eine Erläuterung , die „ France militaire " dazu gibt. Berteaux erklärte, dafs gegenwärtig von einer Vermehrung der Arbeiter in St. Etienne and Châtellerault nicht die Rede sein
Umschau.
598
könne, wohl aber, wenn ihm das Parlament die verlangten Beträge bewillige. „ France militaire " meint dazu, dafs es sich um die 24 Schnellfeuerküstenkanonen, ferner um eine Reorganisation der Belagerungsartillerie, die Einführung der 10,5 cm Rohrrücklaufhaubitze und auch um ein Rohrrücklaufgeschütz der Kavalleriedivisionen handle.
für die reitenden Batterien
Wie in früheren Jahren, so hat auch diesmal der Kriegsminister wieder die Befugnis erhalten, 200 Offiziere auf 3 Jahre zu beurlauben. Im Bericht des Abgeordneten Klotz
und bei Beratung
des Kriegs-
budgets in der Kammer wurde auch die Absicht des Kriegsministers gestreift, zur Beseitigung des Überschusses von 560 Infanterie- und Genieoffizieren
eine
gleiche Zahl von Bataillonskommandeuren und
Hauptleuten mit vollen 25 Dienstjahren und mit der Mindestpension in den vorläufigen Ruhestand zu versetzen und nach und nach, nicht mit einem Schlage , die entsprechenden Beförderungen vorzunehmen, so zwar, dafs der Ersatz ein Jahr nach dem definitiven Ausscheiden eintritt. Bei der Infanterie erfolgt im tibrigen das Aufbrauchen eines Teiles des Überschusses dadurch, dafs bei dem neuen Gesetz, betreffend die zweijährige Dienstzeit, ein Jahrgang von St. Cyr überhaupt fortfällt, wie überhaupt in diesem Jahre nur ein Ersatz aus dem Unteroffizierstande stattfinden wird. Zu längeren Debatten gab das Kapitel Manöver und Truppenübungen Veranlassung. Wir wollen auf die Einzelheiten hier nicht eingehen, bemerken nur, dafs von seiten der Kammer die Abhaltung von Kadremanövern
mit vollen Stäben verlangt wurde.
Bezüglich
der grofsen Truppenübungen haben wir hier schon das Nötige gemeldet, eine Änderung ist insofern eingetreten, als die Leitung der Armeemanöver im Westen (9., 10. , 11. Korps, 1. Kavalleriedivision) nicht durch General Hagron, sondern durch General Duchesne, ebenfalls Armeeinspekteur, erfolgt und bei den Armeemanövern im Osten (5., 6. , 20. Korps, 4 Kavalleriedivisionen ) statt der zuerst angesetzten 3 Kavalleriedivisionen 4 herangezogen werden. Den Bestimmungen über die grofsen Manöver und Herbstübungen - bei denen wir übrigens kurz noch auf die Wiederholung der im Parlament scharf kritisierten Erscheinung hinweisen möchten, dafs Batterien ihre Pferde zur Bespannung der Kriegsfahrzeuge anderer Truppen abgeben und die Artillerie daher nicht in normaler Stärke auf den Manöverfeldern erscheinen kann
sind bald
und Übungsreisen gefolgt.
auch
diejenigen für Kadremanöver
Sie werden nach den Bestimmungen vom
18. und 20. Februar 1895 abgehalten . Bei jedem Armeekorps, dem Kolonialkorps , dem Gouvernement von Paris findet eine Generalstabsreise statt, beim 14. und 15. Korps werden diese Reisen durch
Umschau.
Sonderreisen ersetzt,
599
für welche besondere Weisungen noch zu er-
warten sind. Bei allen Korps , ausgenommen Kolonialkorps, finden 2 Kadremanöver im Divisionsverband (beim 6. und 7. Korps 3 solche) und einer Reservedivision statt, die Regionalbrigade in Lyon hält Kadremanöver
Brigadekadremanöver ab. nicht vorgesehen.
Beim
19. Korps
im
Korpsverband
sind
finden 4 Brigadekadremanöver
und bei der Besatzungsdivision in Tunis 2 solche statt. Jede Kavalleriedivision hält Kadremanöver ab, die Korpskavalleriebrigaden nehmen an den Kadremanövern der Divisionen ihres Armeekorps teil. Vorgesehen sind weiter Erkundungsreisen von Generalstabsoffizieren. Die Gerüchte von einer grofsen Ubung im Festungs- und Belagerungskrieg, an welcher die gesamte Fulsartillerie teilnehmen soll, sind wieder verstummt, wir möchten die Nachricht aber doch für zutreffend halten, weil es gilt,
die
neuen Vorschriften für die
Belagerungsartillerie zweifellos praktisch zu erproben, ehe man sie endgültig einführt. Bezüglich der neuen Vorschriften können wir auf den letzten Bericht verweisen. Die Erfahrungen von Port Arthur dürften führen.
vielleicht
Der setzte
auch
zu
Änderungen der Belagerungsanleitung
Bericht Weddington des
die von
der
Kammer
Budgetausschusses
bewilligten
des
Steigerungen von
Senats rund
9 Millionen über den ursprünglichen Voranschlag um 2,6 Millionen herab und wollte namentlich auch die Munition für Schiefsausbildung vermindern und die Befestigung von Bizerta verzögern.
Wir weisen
hier auch gleich auf eine Schätzung des Geldbedürfnisses für die Verteidigung von Indochina hin, die ein Fachblatt mit 180 Millionen angab. Aus dem am 1. Februar abgeschlossenen „ Etat spécial " der Französische Generalität französischen Generalität für 1905 entnehmen wir folgende Daten : 1905. In der ersten Sektion, d. h. der Aktivität, in welcher die Generale bis zum 65. Lebensjahre bleiben können, abgesehen von denjenigen Offizieren, die vor dem Feinde Armeen geführt haben, wie z. B. Billot, Saussier, Jamont und Duchesne, welch letzterer über 65 Jahre aber als Mitglied des oberen Kriegsrats noch eine besondere Stellung bat sind 110 Divisions generale , ernannt, der älteste dem Dienstalter,
davon ist Brugère, 1890 Forsanz, 1840 geboren,
der älteste den Lebensjahren nach, 217 Brigadegenerale, von denen der jüngste an Lebensjahren General Lyanty, 1854 geboren ist. In der zweiten Sektion, Reserve, aber doch für Verwendung im Felde noch in Frage kommend, werden aufgeführt 158 Divisionsgenerale, ältester General Galliffet, 1875 befördert, ältester an Lebensjahren Gurzy, 1821 geboren, 225 Brigadegenerale, ältester davon General 39 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 404.
Umschau.
600 de Brié,
1875 befördert.
Im vollen Ruhestande werden aufgeführt
20 Divisions-, 69 Brigadegenerale. Infolge der Altersgrenze scheiden 1905 aus 6 Divisionsgenerale und 16 Brigadegenerale. Unter ersteren befinden
sich
die
Generale Forsanz und Niox.
Aus der
Schule von Saint Mainant gehen in diesem Jahre 201 Unteroffiziere nach bestandener Prüfung als Unterleutnants der Infanterie hervor. Zugelassen sind zum nächsen Kursus 117. Zu ganz interessanten Kontroversen führt auch die Frage der Radfahrertruppe. Man hat in Frankreich 5 Kompagnien bei Jägerbataillonen im Bereich des 6. und 20. Korps und beabsichtigt im Kriege eine Vermehrung.
Nach dem Berichte Klotz
Bildung von Radfahrerbataillonen
hat sich die
als nicht zweckmässig erwiesen,
während die Fachpresse für die Bildung solcher Bataillone eintritt. Die nationalistische Presse und auch nationalistische Abgeordnete beginnen gegenüber dem Kriegsminister Berteaux eine andere Haltung anzunehmen, sie werfen ihm vor, dafs er gegen General Percin, Andrés Kabinettschef, nicht einschreite, d. b. ihn aus der Armee entferne,
dafs
er daran denke, General Peigné wieder ein
aktives Kommando zugeben, bis jetzt keine Schritte tue, um die durch Angebereien aus dem Dienst entfernten Offiziere zu reaktivieren. Guyot de Villeneuve, der die Angeberzettel bis zur Übernahme des Kriegsministeriums durch Berteaux, bezw. dem Wechsel des Kabinetts veröffentlichte, dann mit der Regierung einen Gottesfrieden schlofs , kündigt an, dafs weitere ,,fiches" veröffentlicht werden würden. Das Kabinett scheint also terrorisiert werden zu sollen . Kavallerie.
Die Zentralverwaltung des
Kriegsministeriums
bekam sowohl
im Bericht Klotz, wie bei den Verhandlungen in der Kammer ihre Jagdhiebe ab ; die Ziffer der ins Kriegsministerium abkommandierten Offiziere ist von 230 auf 259 gewachsen, man verlangt dringend Verminderung dieses Personals. Auch die Forderung der Verschmelzung der Sonderstäbe von Artillerie und Genie zu einem Korps ,, Militäringenieure" kam wieder auf das Tapet.
Das neue Budget tut einen
wichtigen Schritt zur Vereinheitlichung der Besoldung, wenigstens bei den Unteroffizieren aller Waffen. Ohne Mehrausgabe wird ermöglicht, den kapitulierenden Unteroffizieren aller Waffen die Besoldung zu geben, die bisher nur die kapitulierenden Unteroffiziere der berittenen Waffen erhielten, die nicht kapitulierenden Unteroffiziere , Korporale und Gemeinen werden dagegen auf den Sold der Infanterie herabgesetzt. Auf diese Weise braucht man den nur urlaubten Leuten keine Abzüge mehr zu machen. Die
Debatten,
die
im
Reichstage
über die
24 Stunden be-
beantragte Ver-
mehrung der deutschen Kavallerie um im ganzen 28 Schwadronen
Umschau.
601
stattgefunden und nur mit Mühe zur Bewilligung für spätere Termine geführt haben, lassen die Angaben des französischen Etats der Kavallerie besonders interessant erscheinen . Die französische Kavallerie
setzt
sich zusammen aus 13 Kürassier-, 31 Dragoner-, 21
Chasseur-, 14 Husarenregimentern in Frankreich selbst, 6 Chasseur d'Afrique- und 4 Sphiiregimentern in Afrika, alle Regimenter zu 5 Eskadrons ; aufserdem 8 Remontereiterkompagnien (in Zukunft aus Kapitulanten), 2 Senegalspahis-Korps Eingeborener, 1 Indochino Eingeborenen-Eskadron und je 1 Zug bei den 3 Sahara- Oasen-Komund hier liegt ein Vorsprung gegen unsere ist die Kavallerie in Frankreich in 8 Divi-
pagnien. Gegliedert Verhältnisse vor
sionen, davon 2 zu 3 Brigaden, bei den übrigen mehrere Brigaden zu 3 Regimentern, 20 Korpskavalleriebrigaden, davon die 6. und 7. zu 3 Regimentern, in Afrika 3 algerische Brigaden mentern) und 1 tunesische Brigade. In den scheint sich
(mit
8 Regi-
lebendigen Kräften für die Verteidigung Indochinas Indochina. und die Rücksicht auf mögliche Pläne Japans nach
Beendigung
des russisch-japanischen Krieges , der immer noch spukende Bericht bezw. Operationsplan Kodama, dürften dabei eine Rolle spielen eine weitere Entwickelung vollziehen zu sollen . Der Kolonialminister wird nicht ohne Grund auf seiner Reise durch den General Voyron begleitet, der die Verhältnisse durchaus kennt . Beabsichtigt scheint eine weitere Ausgestaltung der eingeborenen Truppen mit französischem Cadrepersonal, die um den Kern der französischen Kolonialtruppen die Masse bilden sollen . Bei dem Kriegsbudget sind auch die sehr hohen Kosten berührt worden , die die Besetzung Indochinas verursacht und die man total auf 43 Millionen angab.
1902 hatte man den Beitrag des Kriegsbudgets auf 3 Millionen jährlich normiert, seither sind die Kosten bedeutend gestiegen . Man darf aber nicht vergessen, dafs man sich dort in einem Übergangsstadium befindet und dafs man zu einer billigeren Truppenorganisation gelangt, wenn die neuen Einheiten erst ihre endgültige Form erhalten haben. Kriegs- und Kolonialminister haben dem Präsidenten der Republik einen begründeten Erlafs betreffend die Kolonialtruppen unterbreitet, den dieser vollzogen bat. Die Leute, die sich zu einer über die gesetzliche hinausgehenden Dienstzeit oder aber zur Kapitulation bei den Kolonialtruppen verpflichten, erhalten bis jetzt hohe, sofort zahlbare Prämien . Diese sofortige Zahlung hat eine Reihe von Schattenseiten, vor allem auch diejenige,
dafs die Leute das Geld
sofort in einer für ihre Gesundheit und die Disziplin gleich nachteiligen Weise ausgeben .
Hierzu kommt,
dafs die Leute, wenn sie 39*
Kolonialtruppen.
Umschau.
602
die Prämie einmal verbraucht haben, ihre Verpflichtung zum langen Dienst, bei dem sie dann nur eine schlichte Soldzulage erhalten, bedauern und im allgemeinen schlechte Soldaten werden. Die hohen Prämien ziehen auch Leute an, die keinen Beruf zum Soldaten baben. Man will daher in Zukunft 1. nur einen Teil der Prämie auszahlen und den Rest in
eine Soldzulage umwandeln, wobei die
Gesamtausgabe nicht höher werden soll,
2. der Regierung die Be-
fugnis geben, schlechte Soldaten, die ihre gesetzliche Dienstpflicht erfüllt haben, aber noch zu längerer verpflichtet sind, dem Zivilleben wiederzugeben. Die Leute, die nach den Bestimmungen des neuen Dekrets kapitulieren oder sich zu längerer Dienstzeit verpflichten, erhalten eine Prämie, zwar 20 Francs pro Tag.
die der Zahl der Pflichtjahre
pro Jahr,
aufserdem Soldzulage
entspricht, und
von 0,22 Francs
Die Prämie wird für die Kapitulanten am Tage des Ein-
tritts in die neue Kapitulation, für länger sich verpflichtende Freiwillige mit dem Tage des Eintritts bezahlt. Durch die der Regierung gegebene Befugnis, schlechte Soldaten nach Erfüllung ihrer Dienstverpflichtung in das Zivilleben zu entlassen, denkt man nach und Marine.
nach auch das Kolonialdiscipinarkorps auflösen zu können . Die Beratung des Marinebudgets in der Kammer hat zu einer völligen Verurteilung des Systems Pelletan, den sein früherer Freund
Doumer als eine nationale Gefahr bezeichnet, geführt; nach vielen Richtungen hin ist die Überzeugung zutage getreten, daſs das Regime Pelletan auf die Entwickelung der Marine hindernd eingewirkt hat und der Zustand der Flotte heute im Verhältnis zu der anderer Mächten wesentlich ungünstiger ist, als zu der Zeit, in welcher Die Selbstherrlichkeit Pelletan das Marineministerium übernahm . hat böse Früchte getragen und Pelletans Nachfolger steuert schon jetzt einen völlig anderen Kurs . Wie schon im vorigen Bericht bemerkt, enthält der Marinebudget 1905 den höchsten bisher normal ausgeworfenen Betrag für Schiffsbauten, 121 Millionen. Der Bericht Bos hat aber auch klargelegt, dass man die nicht mehr vollwertigen Schiffe streichend, jährlich 3 starke moderne Einheiten neu bauen könne. Aus den Erläuterungen des Marineministers ging klar hervor, dafs er besondere Anstrengungen während einer Reise vor Jahren als notwendig betrachtet, um die französische Kriegsflotte auf den als erforderlich betrachteten Standpunkt zu bringen und die Tagesordnung, welche die Kammer trotz Protestes der radikal-sozialistischen Partei unter Leitung Pelletans mit sehr grofser Mehrheit annahm , dabin gehend, die Regierung zu
ersuchen, dem Parlament in kürzester
Frist ein Programm für Schiffsneubauten vorzulegen, bekundet deutlich genug, dafs die Kammer gewillt ist, während 12 Jahren je
Umschau.
603
120 Millionen für Schiffsneubauten zu bewilligen, im ganzen also rund 11 , Milliarden, womit sich doch schon etwas machen läfst . Pelletans Entscheidung in der Kesselfrage hat ihr Verdammungsurteil erfahren, aber nicht sie allein. Auch in der Frage des Deplacements von Unterwasser- und Tauchbooten sind die Entschlüsse des früheren Marineministers als absolut falsch durch die letzten Versuche nachgewiesen, Lanessans Vorschläge
als richtig erkannt, wodurch dargetan wird, dafs Pelletans Ministerzeit die Schuld daran trägt, dafs Frankreich auf dem Gebiete dieser neuen Werkzeuge nicht den Vorsprung hat, den es haben könnte. Pelletan hat vor 6 Monaten 6 Unterwasserboote von 450 tons, also dem doppelten Deplacement des jetzt bei Cherbourg versuchten Unterseeboots Z in Bau legen lassen einen plausiblen Grund für diese Mafsnahme konnten Schiffsbautechniker und Marineoffiziere damals nicht finden - die jetzt bei Cherbourg stattgehabte Versuche erwiesen , dafs des Unterwasserboot Z weit vergrösserter Typ Lutin und von demselben Ingenieur konstruiert, mit seiner Vergröfserung absolut keine besseren nautischen Qualitäten gewonnen hat. geordneten Bauten als
Logisch
sind
ein Mifsgriff zu
also die von Pelletan anbetrachten.
Zu
den Ver-
suchen in Cherbourg war das Tauchboot Aigrette neben dem Unterwasserboot Z herangezogen. Die Versuche sind, wie dies schon lange von technischen Autoritäten vorhergesagt wurde, zugunsten von Aigrette als Hochsee boot, als Offensivwaffe , ausgefallen.
Die Admirale
Gervais, Fournier, Touchard hatten daran einen Zweifel gehabt, Pelletan und Tissier, die Nichtfachleute, wufsten es besser. Unterseeboote sollen bekanntlich meist unter Wasser sich bewegen, Tauchboote zumeist über Wasser und nur vorübergehend tauchen. Die ersten Typs von Unterseebooten hatten nur elektrische Motoren , die neuen Typs elektrische und Heifsluft,
sie haben dadurch an Weite
der Bewegungsfähigkeit gewonnen und eine Art Selbständigkeit erlangt. Sie haben sich damit dem Tauchboot genähert, das immer 2 Motorarten hatte, einen grofsen Actionsradius
und volle Selbst-
ständigkeit besitzt. Wenn das Tauchen des ersten Tauchboottyps aber eine Viertelstunde dauerte, so hat man diesen Übelstand schnell beseitigt, nur noch 4-5 Minuten sind heute nötig. Das Unterseeboot überquert, die Wellen,
wenn es an der Wasseroberfläche schwimmt,
es schneidet sie,
nicht
rollt sehr stark und man mufs jede
Öffnung bei ihm ängstlich wasserdicht halten, so dafs die Besatzung dauernd wie in einer geschlossenen Büchse sitzt. Das Tauchboot ragt über das Wasser mehr heraus, seine Besatzung kann frische Luft atmen, es hat eine gröfsere Geschwindigkeit.
Unterseeboot Z
wies 213, Tauchboot Aigrette 177 tons Deplacement auf.
Die Ver-
Umschau.
604
suchskommission stellte fest , dafs Aigrette 10 Knoten lief und die Besatzung auf Deck keine Wellen erhielt, während sie auf Unterseeboot Z ganz durchnäfst wurde . Für längere Fahrt auf hoher See hat, so schlofs die Kommission, nur das Tauchboot die nötigen nautischen Eigenschaften.
Es allein ist das Offensivinstrument, das
sich weiter hinauswagen darf, während das Unterseeboot lediglich für die Defensive brauchbar ist, sich dabei nicht zu weit von den Küsten bezw. den Häfen, zu deren Verteidigung es bestimmt ist, entfernen darf. Auf die 2. Erfahrung haben wir oben schon hingewiesen.
Nach dem begründeten Urteil der Kommission darf das Deplacement des Unterseeboots 100 tons nicht übersteigen - 40 tons sind zu wenig - während des Tauchboot, die offensive Waffe, ganz gut auch ein Deplacement von 400 tons überschreiten kann. Ein Erlafs des Marineministers ändert durchgreifend die innere Ordnung des Schiffsbaudienstes in den Häfen .
Dieser Dienst war
bis jetzt durch Reglement von 1882 geregelt, das 1900 etwas geändert wurde. Diese Bestimmungen gaben den einzelnen Direktionen Selbständigkeit, andererseits trennten sie Dienstzweige, die in einer Hand vereinigt sein mufsten. Nach dem neuen von Thomson genehmigten Reglement umfafst die Direktion des Schiffsbaues in den Häfen : die Ausführung der Arbeiten, die Verwaltung des Personals, die
Verwaltung
der
Kredite
sowohl
für
das
Personal
als das
Material und zerfällt in Zukunft in 3 grofse Sektionen 1. eine Unterdirektion mit den Werkstätten, Kontrakten, Magazinen und Rechnungslegung, 2. Neubauten, 3. Reparatursektion -- alles unter einem Direktor. Der Marineminister stellt auf diese Weise die Einheit der Leitung her, die notwendig für die rasche Ausführung der Arbeiten, und beseitigt die Schäden, die durch Zersplitterung der Dienstzweige der Herstellung von Schiffsrümpfen und Maschinen und ihrer Reparatur herbeiführte, Auch die grofsen Stäbe und Sektionen der Marine sollen eine Umgestaltung erfahren, das Personal derselben vermehrt und Aufgabe , Rolle, Verantwortlichkeit jedes einzelnen näher festgelegt werden. Thomson strebt Einheit der Gesichtspunkte in allen Dienstzweigen der Marine an und wird, sobald sein Budget endgültig genehmigt ist, mit den Bestimmungen hervortreten. Noch ehe die Regierung der mit grofser Mehrheit von der Kammer beschlossenen Tagesordnung, „die Regierung zu ersuchen, baldigt ein Programm für Schiffsneubauten vorzulegen" entsprochen hat, bringt jetzt der frühere Marineminister Deputierte Lanessan einen Gesetzentwurf ein, der mit eingehender Begründung die sofortige Baulegung von 6 Linienschiffen ,
3 Panzerkreuzern,
6 Torpedobootsjägern , 80 Torpedo booten und einer vom oberen
Umschau.
605
Marienerat zu bestimmenden Anzahl von Tauch- und Unterseebooten verlangt. Lanessan will damit das unter der autokratischen Herrschaft Pelletans in 32 Monaten Versäumte nachholen, die französische Fachpresse nennt seine Vorlage kein Flotten erweiterungs-, sondern ein Schiffsersatzprogramm, viel zu bescheiden, die französische Marine auf den Standpunkt zu bringen, den sie bei den Anstrengungen anderer Seemächte erreichen müfste. Das Programm des Marineministers müsse ein sehr viel weitergehendes sein, zumal der russischjapanische Krieg die Bedeutung der Seeherrschaft so deutlich zum Nachteil Rufslands vor Augen geführt. Die 6 Linienschiffe würden die in ca. 4 bis 5 Jahren veralteten Formidable, Redoudable, Devastation, Courbet, Dupérré und Amiral Aube ersetzen, unter den 3 Panzerkreuzern seien die schon im Budget 1905 erscheinenden Ernest Renan, Edgar Quiret, Waldeck Rousseau zu verstehen, von denen die beiden ersten ohne die Pelletansche Wirtschaft schon weit gefördert sein könnten, die 6 Torpedobootsjäger , 80 Torpedoboote, die Tauch- und Unterseebote seien Rückstände aus dem Programm von 1900 , das eigentlich auch nur als ein Ersatzprogramm betrachtet werden konnte. Dankenswert sei das Bestreben Lanessans, der Entwickelung der Marine den 32 Monate unterbliebenen Impulds zu geben, sein Vorschlag dürfte aber nur als eine Rate betrachtet werden von den für die Marine
unabweisbar nötigen Gesamtforderungen.
Thomsons Erklärungen bei der Beratung des Marinebudgets im Senat, schonen, indirekt wenigstens, das Regime Pelletan nicht, sie geben zu, daſs das Versäumte nachzuholen , ein Programm für Schiffsneubauten aufzustellen, auf längere Jahre mit 120 Millionen für Schiffsbauten zu rechnen sei. Man müsse sich aber hüten, gleichzeitig zu viele Schiffe in Bau zu legen, vielmehr so bauen, wie die jetzt noch durch die 15 Monate verschobene Durchführung des Programms von 1900 gebundenen Kredite frei würden. bau zu treiben haben .
Zunächst würde man Ersatz18
Belgien. Auf der im kommenden Monat in Lüttich zu eröffnenden ,,Exposition universelle et internationale"
wird auch die Firma Krupp,
trotzdem sie anfänglich die Beteiligung abgelehnt hatte, vertreten sein. Sie wird aber nur in geringem Umfange in der Abteilung für Kriegsmaterial ausstellen, so dafs ein Bild von der gesamten Leistungsfähigkeit der Kruppschen Werke nicht gegeben wird und auch nicht gegeben zu werden beabsichtigt ist. Es werden zunächst zwei verschiedene Arten der
7,5 cm Feldkanonen
Umschau.
606
L/30 in Rohrrücklauflafette mit Protze und Munitionswagen, sowie noch einige andere Munitionswagen, Feldschmiede und Vorratswagen für Feldkanonen ausgestellt,
terner Gebirgskanonen in zerlegbarer
Rohrrücklauflafette, und zwar eine 5,7 cm halbautomatische L/ 18 und eine 7,5cm L/14. Im Hinblick auf die in letzter Zeit lebhaft ventilierte Feldhaubitzfrage werden besonders interessant sein eine 10,5 cm Feldhaubitze L/12
in Lafette mit verstellbarem Rohrrücklauf,
12cm und eine 15 cm Feldhaubitze, beide lafette.
L/ 12
eine
in Robrrücklauf-
Schliefslich sei noch hingewiesen auf eine 10 cm zerleg-
bare Kanone L/20 in zerlegbarer Rohrrücklauflafette, eine 13 cm Belagerungskanone L/35s in Rohrrücklauf lafette, eine Geschofs- und Hülsensammlung, zwei beschossene Panzerplatten aus weichem Nickelstahl bezw. einseitig gehärtetem Nickelstahl
und
eine
beschossene
Panzerplatte aus gehärtetem Nickelstahlgufs.
Grossbritannien .
Das neue Über das neue englische Feldartilleriematerial werden folgende FeldAngaben gemacht : artillerie(S. nebenstehende Tabelle .) material . Interessant sind einige Bemerkungen, die „ Broad Arrow“ an die Wiedergabe dieser Tabelle knüpft, namentlich in bezug auf das Gewicht des schweren, für die fahrende Artillerie bestimmten Geschützes . Bekanntlich gehörte die genannte Fachschrift zu den entschiedensten Gegnern des 18 - Pfunders, eben seines Gewichtes halber, welches noch vor Jahresfrist den Vorschlag eines 14 /2-Ptüinders als Einheitsgeschütz für die fahrende und die reitende Artillerie veranlasste. Erst im August v. J. wurden diese Bedenken endgültig abgewiesen und fiel die Entscheidung zugunsten der beiden in der Tabelle genannten Geschütze. Nach Broad Arrow" wäre es nun ein Fehler, die Tabellenangabe von 1958,8 kg für das Gesamtgewicht des Geschützfahrzeuges gelten zu lassen. Denn die Tabelle gebe nur das Gewicht der leeren Geschützprotze, so dafs diesem noch das Munitionsgewicht mit 24 X 8,3 kg = 199,2 kg zuzuzählen sei. Hierdurch wächst das Gesamtgewicht auf 2158 kg,
oder vielmehr mit
Hinzurechnung von 76 kg für die feldmarschmälsige Ausrüstung der drei Protzkanoniere, für Schanzzeug usw. auf 2234 kg, wobei das Körpergewicht der drei Kanoniere noch nicht mitgerechnet ist. „Broad Arrow" weist hiermit nach, dafs die immer wieder gebrachte Behauptung, das neue Geschütz werde leichter sein als der bisherige W. 15-Pfunder, irrig ist.
Umschau.
607
18-Pfünder ') 18-Pfünder¹ )
505
Mündungsgeschwindigkeit Kaliber
cm kg
Rohrgewicht . Verschlufsmechanismus Zahl der Züge . Drall ·
•
99 99
des
kg "9
1208
609,7 1529,7
750,7 1958,8
784,3
984,4
736,2
934,5
1520,6
1918,9 24
der
gefüllten Munitions· wagenprotze . ganzen des Munitions-
wagens Schufszahl in der Geschützprotze . 99 99 Feuerhöhe
29
24
in der Munitionswagenprotze im Munitionshinterwagen . ·
Spurweite Raddurchmesser
38
38
38
38
1,13
1,13
99
1,56
1,56
99
1,42
1,42
5,6
8,3
B
"
920
gefüllten Munitions-
binterwagens
99
457,2
gleichmässig Perkussion annähernd
fette
der Geschützprotze des Geschützfahrzeuges
304,8
8,38
schwingender Block 18 18
Abfeuerungsmechanismus Gewicht des Rohres und der La-
"9
7,62
491
Gewicht des geladenen Geschosses mit Zünder · kg Munition ·
Einheitspatrone
1 ) Dies nach der Tabelle die reglementarische Bezeichnung der Geschütze ; genau genommen müfste es heifsen 121/ - bezw. 18 -Pfünder.
Literatur.
608
Literatur.
I. Bücher. Kriegsgeschichtliche Einzelschriften . Herausgegeben vom Groſsen Heft 34/35. Generalstabe . Kriegsgeschichtliche Abteilung I. Erfahrungen aufsereuropäischer Kriege neuester Zeit. Das vorliegende Heft schildert ,, Die Kämpfe in Natal nach dem Gefecht von Colenso" und gibt eine 99 Übersicht über die Ereignisse im Oranje -Freistaat und Transvaal bis zum Herbst 1900" . Die angewandte kriegsgeschichtliche Methode ist auch in diesem Heft eine musterhafte. Darstellung,
Gewissenhafteste Quellenforschung, klare, übersichtliche welche unwesentliches übergeht. Im kritischen Teil
,,Taktische Rückblicke" werden in knapper Form und vorbildlicher Sachlichkeit die springenden Punkte der taktischen Hantierung auf beiden Seiten hervorgehoben . Der Satz ,,In Südafrika focht nicht blofs das Bajonett gegen die Kugel, es war ein Kampf von maschinenmässig gedrillten Soldaten gegen freie, allerdings bis zur Zügellosigkeit freie, selbständige Schützen, ein Kampf des starren Schemas gegen den freien, gesunden Menschenverstand" stellt die ausschlaggebende Bedeutung des Schützenkampfes in die richtige Beleuchtung. Dieser Satz zeigt in seinem Schlufs aber auch den Weg, welchen heutzutage die Friedensausbildung einzuschlagen hat, wenn sie Anspruch darauf erheben will, als eine wirklich kriegsgemässe angesprochen zu werden . Die Herrschaft des „ gesunden Menschenverstandes“ kommt weder in den Dienstvorschriften, noch in persönlichen Anschauungen stets so vollwichtig zur Geltung, als dafs es nicht Aufgabe der Militärliteratur, namentlich der kriegsgeschichtlichtaktischen sein müfste, in dieser Beziehung klärend , aber auch fordernd und damit die wichtigsten Interessen der Armee fördernd zu wirken. Und so gebührt dem Generalstabe mit dieser sehr glücklich gewählten Betonung des gesunden Menschenverstandes" in tacticis um so mehr Anerkennung, als andere literarische Veröffentlichungen desselben den Anschein erweckten, als ob die nach den Lehren der Kriegsgeschichte ausschlaggebende Bedeutung der taktischen Überlegenheit einer Armee zugunsten der Strategie etwas verkannt würde . Im übrigen hat Moltke letztere als die einfache Anwendung des gesunden Menschenverstandes auf kriegerische Vorgänge genannt und damit auch den Nimbus einer gleichsam geheimnisvollen besonderen strategischen Wissenschaft zerstört. Und er mufste es doch schliesslich wissen. Als ein weiteres Verdienst des Generalstabes muſs es gelten , dafs er 99 in den Erfahrungen aufsereuropäischer Kriege neuester Zeit“ erst nach geraumer Zeit an die geschichtliche Darstellung und kritische Beurteilung der Vorgänge in Südafrika 1899-1902 herangetreten ist.
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Es steht dies im wohltuenden Gegensatz zu der Gepflogenheit, jetzt schon ohne verbürgte Unterlagen verbindliche taktische oder strategische Lehren aus dem russisch-japanischen Kriege ziehen zu wollen. Das Beispiel, seiner Zeit aus dem südafrikanischen Kriege, ehe ein zuverlässiges Urteil über die taktischen Geschehnisse und ihren inneren Zusammenhang gefällt werden konnte, ein bestimmtes taktisches Verfahren aufzustellen , sollte doch vor solchen Bestrebungen und Versuchen warnen . Keim. Der Herbstfeldzug 1813. Bearbeitet von Friederich , Major, zugeteilt dem Grofsen Generalstabe, Lehrer an der Kriegsakademie. Zweiter Band. Von der Schlacht bei Kulm bis zu den Kämpfen bei Leipzig. Mit 5 Plänen und 27 Skizzen in Steindruck. Berlin 1904. Ernst Siegfried Mittler & Sohn, Königliche Hofbuchhandlung. Kochstrafse 68-71 . Mk. 13 . Von der in vier Einzelwerken von der Verlagsbuchhandlung herausgegebenen Geschichte der Befreiungskriege nähert sich das den Herbstfeldzug 1813 behandelnde Werk des Major Friederich seiner Vollendung. Nach zweijähriger Pause ist dem ersten Bande der zweite gefolgt, und dem Vernehmen nach ist auch der dritte in nicht allzu ferner Zeit zu erwarten. Die Fülle des Materials hat den Verfasser genötigt, seine ursprüngliche Absicht, das Werk in nur zwei Bände zu teilen, aufzugeben . Dafür mufs sowohl ihm, als der Verlagsbuchhandlung Dank gezollt werden ; eine noch grössere Beschränkung in der Behandlung des Stoffes, die andernfalls nötig gewesen wäre , würde dem einheitlichen Charakter des Werkes Abbruch getan haben, während es jetzt dem Verfasser gerade noch möglich gewesen ist, soweit in die Einzelheiten zu gehen, wie dies für seine Zwecke nötig war. Mit grofsem Geschick hat er dabei die Grenze zu ziehen gewusst und ein klares und übersichtliches Bild geschaffen . Bei dem Aufsehen, das bereits der erste Band erregt hat , ist es begreiflich, dafs dem Erscheinen des zweiten mit der gröfsten Spannung entgegengesehen wurde . Die Erwartungen sind noch übertroffen. worden . Nicht nur in bezug auf die Form und die Art der leicht fafslichen, fesselnden und echt soldatischen Darstellungsweise, sondern auch inhaltlich liegt ein Meisterwerk vor uns, das für die in Betracht kommende Periode wohl als abschliefsend betrachtet werden kann. Gewils ist es möglich, noch mehr in die Einzelheiten zu gehen, das Bild aber, das der Verfasser vor uns entrollt hat, wird sich nicht ändern . Das will um so mehr sagen, als er vielfach neues bringt und mit vielen irrigen Ansichten aufräumen mufste . Hierzu war er aber auch in ganz besonderer Weise berufen . Sein klarer Blick für strategische Verhältnisse , die Objektivität seines Urteils, seine peinliche Sorgsamkeit und seine vornehme Art, Kritik zu üben, machen ihn zu einem Schriftsteller ersten Ranges . Die Zeit die in diesem, in sieben Kapitel eingeteilten Bande zur
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Darstellung gelangt, ist die vom Ende August bis Mitte Oktober. Eine Zeit, arm an Schlachten, für den Laien deshalb auch ohne gröfseres Interesse, für den Kenner dagegen von ganz besonderer Bedeutung, denn in ihr wird der durch die französischen Niederlagen im letzten Drittel des Monats August angebahnte Umschwung, der zum Sturz des grofsen Schlachtenkaisers führen sollte, besiegelt. Das erste Kapitel ist Napoleons Operationon im Monat September gewidmet, die in ihm in einer für sich abgeschlossenen Weise zur Darstellung gelangen . Haben die Unglücksfälle auch bereits die Lage wesentlich zu seinen Ungunsten verschoben, so liegt es doch noch in seiner Hand, eine andere Wendung herbeizuführen ; noch ist es möglich, den Krieg auf einen günstigeren Schauplatz zu versetzen und durch Vereinigung der über ganz Norddeutschland zerstreuten Garnisonen das Gleichgewicht herzustellen . Aber Napoleon ergreift diese Gelegenheit nicht oder hält sie vielmehr nicht fest, sondern bleibt in Sachsen stehen, kann sich nun aber trotz des ungünstigen Kräfteverhältnisses nicht dazu entschliefsen, etwas aufzugeben, wozu er nicht durch die Macht der Verhältnisse gezwungen ist, weil er den Eindruck fürchtet, den jeder Schritt rückwärts auf seine politische Stellung ausüben muſs. So wird Kulm zum Ausgangspunkt der späteren Katastrophe und damit die Zeit zwischen Kulm und Wartenburg zu einer der interessantesten in seiner ganzen Feldherrnlaufbahn . Das Kapitel schliefst mit den treffenden Worten des Grafen York : „Der Mann , der vor allem immer die Tatsachen anerkannt hat, mufs jetzt Wirkliches dem Schein opfern, damit ist er mit sich selbst in Zwiespalt geraten, sein eigener Feind geworden , die militärischen Fehler sind nur die äuſseren Zeichen davon." Ist es aber nicht in diesen Worten und in den Ausführungen des Verfassers klar ausgesprochen , dafs Napoleon nicht mehr die frühere Charakterstärke hat, sich über solche Rücksichten hinwegzusetzen . Und mehr behaupteu ja auch die nicht, die von einem absteigenden Ast in seiner Feldherrnlaufbahn sprechen , denn die Fähigkeit, grofse Entwürfe zu machen, ist ihm bis zuletzt von keiner Seite abgesprochen worden, nur das Gleichgewicht zwischen Charakter und Einsicht, das er selber als für einen Feldherrn unerlässlich hingestellt hat. Aber an den absteigenden Ast glaubt der Verfasser nicht. Trotzdem läfst er sich eins der wirksamsten Mittel, den Glauben an diesen zu bekämpfen, entgehen ; manche sonst unerklärliche Erscheinungen lassen sich durch die zunehmende Zersetzung der Armee erklären, auf diese geht er aber weder hier, noch später genügend ein . Das dürfte vielleicht die einzige Lücke sein , die das sonst so vortreffliche Werk aufweist. Von Napoleon wendet sich der Verfasser zu den Verbündeten und behandelt zunächst im zweiten Kapitel die Ereignisse bei der Böhmischen Armee bis zu ihrem Linksabmarsch nach Sachsen . In treffender Weise beleuchtet er die zögernde Kriegführung der obersten Heeresleitung der Verbündeten, die sich durch den von dem grofsen Kriegsmeister ausgeübten Zauber, sowie durch den Mangel an Selbstvertrauen und
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durch völlig irrige Anschauungen über Ziele und Wesen des Krieges verleiten liefs, ihm gegenüber die sogenannte Ermattungsstrategie des 18. Jahrhunderts anzuwenden, statt die sichtliche Gunst der Verhältnisse entschlossen auszunutzen . Das konnte nicht ohne Rückwirkung auf die Führung der Nordarmee bleiben , zu der sich der Verfasser im dritten Kapitel wendet, um die Ereignisse bis zu ihrem Elbübergang zur Darstellung zu bringen . Zumal deshalb nicht, weil bei ihr verwandte Ansichten herrschten , ihr aufserdem auch noch von der obersten Heeresleitung ein ähnliches Verfahren anempfohlen wurde, dazu noch ihre Lage eine ungleich schwierigere war. Was der Verfasser über die Kriegführung des Kronprinzen von Schweden in dieser Periode sagt, ist höchst beachtenswert. Seinen bereits im ersten Bande dargetanen Standpunkt hält er trotz der laut gewordenen Anfechtung fest, und muss man zugeben, dafs ihm gelungen ist, was bisher keinem Schriftsteller geglückt ist, nämlich die Kriegführung des Kronprinzen psychologisch zu erklären . Das ist aber schon viel, vielleicht schon alles. Und er erklärt sie nicht durch politische Rücksichten , die er in das Gebiet der Absurditäten verweist, sondern durch die militärischen Anschauungen des Kronprinzen , die weniger den Marschall und Schüler Napoleons , als den General der Kriege der Republik erkennen lassen . Hiergegen wird kaum etwas zu sagen sein. Von diesem Gesichtspunkt aus wird uns das so viel geschmähte Verhalten des Kronprinzen sowohl bei als nach Dennewitz durchaus erklärlich . Der Verfasser ist gegen die Fehler des Kronprinzen durchaus nicht blind, aber mit Entschiedenheit weist er die zu Unrecht gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. Ganz besonders hervorzuheben ist hier noch die in diesem Kapitel enthaltene vortreffliche Charakteristik Neys , wie denn überhaupt die Charakterschilderungen der Heerführer fast durchweg kleine Kabinettsstücke sind. Das gilt denn auch von derjenigen Davouts im vierten Kapitel, in dem wir an die untere Elbe versetzt werden. Für jeden Soldaten hat die Erscheinung Davouts, der zweifellos zu den bedeutendsten Heerführern des ersten Kaiserreichs zählt, etwas ungemein Sympathisches, und wird er es daher mit Freuden begrüſsen, dafs der Verfasser dessen Bild von den Schlacken reinigt, mit denen der Hafs es besudelt hat. Wie es von dem Verfasser nicht anders zu erwarten war, ist auch die Episode, die sich an der unteren Elbe abspielte, trotz ihrer nebensächlichen Bedeutung, mit der gröfsten Gewissenhaftigkeit behandelt. Im fünften Kapitel gelangen die Ereignisse bei der Schlesischen Armee bis zu ihrem Elbübergang zur Darstellung. Hier weht uns der frische Hauch entgegen, den wir bei den anderen Armeen vermissen , der zum Erfolge führt, ohne den aber auch kein Erfolg möglich ist. Mochte das Blüchersche Hauptquartier, das man als das treibende Element der Koalition ansehen mufs, in seinem Feuereifer auch manchmal zu weit gehen, z . B. wenn es Bülow und Tauentzien zur Unbotmässigkeit gegen den Kronprinzen zu bewegen suchte, dieser Feuer-
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eifer war bei der Anschauungsweise der beiden anderen Heerführer geboten, um zu einem glücklichen Ende zu gelangen. Bringt der Verfasser auch in diesem Kapitel verhältnismäfsig wenig neues , so ist dasselbe doch dadurch ganz besonders interessant, dafs der Verfasser sich ihm mit einer berechtigten Vorliebe gewidmet hat. In ungemein anschaulicher Weise bringt er zur Darstellung, wie sich Blücher den Bestrebungen Schwarzenbergs , ihn in seine Bahnen zu ziehen , zu entgehen weifs, wie er Napoleons Offensivstöfsen in geschicker Weise auszuweichen versteht und nach dessen Umkehr jedesmal den Kreis um ihn enger zieht und wie er dann den entscheidenden Rechtsabmarsch ausführt , an den sich der Elbübergang und das meisterlich zur Darstellung gebrachte Treffen bei Wartenburg anschliefsen . Die beiden letzten Kapitel, in denen die Zeit vom 4. bis 15. Oktober behandelt wird, sind dem Vormarsch auf Leipzig gewidmet, das sechste dem der Nord- und der Schlesischen Armee, das siebente dem der Böhmischen Armee. Die Operationen der Franzosen werden gleichzeitig mit denen der Verbündeten behandelt, da bei der zunehmenden Verengung des Kreises eine gesonderte Darstellung nicht mehr möglich ist. Im sechsten Kapitel wird zunächst Napoleons Lage Anfang Oktober geschildert, in der es begründet war, dafs er sich jetzt mit seiner Hauptmacht gegen Blücher und den Kronprinzen wandte . Blüchers geschicktes Ausweichen und die fruchtlosen Versuche des Kronprinzen, ihm seinen Willen aufzuzwingen, finden hier eine mustergültige Darstellung. Auf französischer Seite erregt es besonderes leteresse, wie der Verfasser Napoleons Verhalten nach dem mifsglückten Anschlag auf Blücher, d . h . während seines Aufenthaltes in Düben in der Zeit vom 10. bis 14. Oktober, beurteilt. Er weist nach, dafs von Napoleons Plan , den Kriegsschauplatz auf das rechte Elbufer zu verlegen , in dieser Zeit überhaupt nicht die Rede gewesen ist, und dafs demgemäss die bekannte Erzählung von der Revolte der Marschälle in das Gebiet der Legende gehört. In dieses verweist er auch die Erzählungen von Napoleons Untätigkeit in diesen Tagen. Den Marsch auf Leipzig führt er auf Napoleons freie Entschliefsungen zurück und auf die Hoffnung, hier die seit Beginn des Feldzuges vergebens gesuchte Entscheidungsschlacht zu finden - und in ihr zu siegen. Im siebenten Kapitel führt uns der Verfasser wieder zu der Böhmischen Armee zurück, deren Marsch auf Leipzig er in ihm schildert. Mit einer vieles neues bringenden Darstellung des grofsen Reiterkampfes bei Liebertwolkwitz am 14. Oktober und der Ereignisse am 15. schliefst er. Der Zufall hat es gewollt, dafs fast gleichzeitig mit dem vorliegenden Bande ein Werk des österreichischen Hauptmanns Kerchnawe erschienen ist, das die im siebenten Kapitel geschilderten Ereignisse behandelt. Friederich und Kerchnawe haben zum Teil dieselben Quellen benutzt, kommen aber zu ganz verschiedenen Ergebnissen. Während letzterer sich bemüht, Schwarzenbergs Kriegführung nicht nur zu erklären , wie er behauptet, sondern auch in
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manchen Punkten zu verteidigen, wo sie nicht zu verteidigen ist, wird durch Friederichs Darstellung das bisherige allgemeine Urteil über Schwarzenbergs Kriegführung bestätigt. Indessen mufs doch hervorgehoben werden, dafs im Gegensatz zu dem alles verdammenden Urteil Bernhardis Friederich bemüht ist, zu entschuldigen, was nur irgend zu entschuldigen ist, und die Ansicht vertritt, dafs unter allen etwa in Betracht zu ziehenden Generalen Schwarzenberg die geeignetste Persönlichkeit gewesen sei, um sie Napoleon entgegenzustellen , und dafs der ihm zu machende Hauptvorwurf, wenn man in diesem Falle diesen Ausdruck gebrauchen kann , der sei, dafs er einem der gröfsten Feldherren aller Zeiten nicht gewachsen gewesen sei . Interessant ist übrigens der Unterschied in den französischen Stärkeangaben bei Friederich und Kerchnawe ; die von letzterem gebrachten Zahlen beruhen auf den Angaben von Fabry, trotzdem erscheint ein gewisses Mifstrauen gegen sie gerechtfertigt. So führt uns der Verfasser in diesem Bande bis zum Vorabende des am 16. anhebenden grofsen Entscheidungskampfes um Leipzig, dessen Schilderung er sich für den dritten Band aufgespart hat. Soviel über den Inhalt des trefflichen Buches . Es verdient besonders hervorgehoben zu werden , dafs die Verlagsbuchhandlung bestrebt gewesen ist, durch eine tadellose Herstellung und eine glänzende Ausstattung mit Karten und Skizzen der Bedeutung des Buches zu entsprechen , so dafs dasselbe in jeder Beziehung eine Zierde unserer kriegsgeschichtlichen Literatur bildet . 0. Der russisch-japanische Krieg. In militärisch - politischer Beziehung dargestellt von Immanuel, Hauptmann , zugeteilt dem Grofsen Generalstab, Lehrer an der Kriegsakademie. 2. Heft. Berlin 1905 . Richard Schröder (vormals Ed. Dörings Erben) . Beim Erscheinen des ersten Heftes haben wir (im Novemberheft der Jahrbücher) unsere Bedenken gegen eine derartige absatzweise Schilderung von kriegerischen Vorgängen, die noch nicht zum Abschlufs gelangt sind und für deren Beurteilung nur Berichte von Zeitungskorrespondenten vorliegen , bereits geäufsert. Das nunmehr erschienene zweite Heft hat diese Bedenken lediglich zu verstärken vermocht. Es werden die Vorgänge von den ersten Angriffen der Japaner auf Port Arthur am 8. und 9. Februar bis zum Anfang Juni 1904 behandelt. Als Quellen weist der Herr Verfasser vier russische Tagesblätter, la France militaire, Army and Mary gazette , Straffleur, Cassel's History of the Russo-japanese war, den Ostasiatischen Lloyd, Militär-Wochenblatt, Marine-Rundschau , Vierteljahrshefte des Generalstabs und endlich das Werk des Korrespondenten des „Lokalanzeigers “ nach. Letzterer ist besonders für die Schlacht am Yalu als Augenzeuge mehrfach wörtlich zitiert. Wie nahe die Japaner, die mit den Zeitungskorrespondenten ebensowenig Umstände machen wie die Russen, diesen Herrn an das Schlachtfeld haben herankommen lassen , sei da-
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Als Grundlage für eine militärische Schilderung der Schlacht wird seine Feuilletonschilderung jedenfalls niemals gelten dürfen . Wie sehr übrigens Hauptmann Immanuel die von uns im Novemberheft geäufserten Bedenken im Grunde teilt, gibt er selbst an unzähligen Stellen seines zweiten Heftes deutlich zu erkennen . ,, Mancher Vorgang ist nur durch Vermutungen und Wahrscheinlichkeitsrechnung zu erklären." „Der Verlauf ist in den Einzelheiten noch zu wenig hingestellt.
klargestellt" , „ wie es als verfrüht gelten mufs, schon jetzt taktische Folgerungen aus den Kämpfen in Ostasien zu ziehen . .“ „Die Frage entzieht sich einstweilen der Beziehung“ . . „ eine spätere Geschichtsschreibung wird nach Klärung aller Verhältnisse. " Derartiger Zugeständnisse findet sich eine Unzahl in dem Heft verstreut. Ein Urteil über Kuropatkin nennt das Heft ,, vorzeitig" mit Recht, wie uns scheinen will. Sollte nicht aber auch manches Urteil, das dies Heft enthält, sich später ,,nach voller Klarlegung der Ereignisse" als vorzeitig ergeben , so frisch und lebendig auch die Darstellung ist? Die Vorzüge der Darstellungsweise kämen wohl mehr zur Geltung, wenn der Herr Verfasser eine gewisse Neigung zu nicht immer ganz glücklichen Wendungen bekämpfen würde, wie z . B. „ Die alte Wahrheit salus rei publicae suprema lex hat hier eine Bewahrheitung im allerneuesten Sinne gefunden“ oder „ Hand in Hand mit diesem Verlust ging die Überzeugung, daſs nach kurzem, kraftvollem Aufschwung zur Tat jetzt die Zeit der Tatenlosigkeit kommen werde, getragen von A. dem Gefühl der Flucht." Der Kriegsschauplatz in Ostasien. Geographische Beschreibung und Würdigung von Major Joseph Schön. 1904. Ein hervorragend militär-geographisches Werk, ausgestattet mit den neuesten Karten des russisch -japanischen Kriegsschauplatzes (südliche Mandschurei und Nordkorea nebst mehreren wertvollen Beilagen). Auf Grund eingehender Forschungen ist der Verfasser an diese reichhaltige Arbeit, einer zweiten und vermehrten Auflage seiner „ Militärgeographischen Übersicht des Kriegsschauplatzes in Ostasien" herangetreten , die nicht minder freundliche Aufnahme als jene erste finden wird. In lebendiger Schilderung werden die geographischen Verhältnisse jener Länderräume besprochen . Form und Verteilung des Hoch- und Tieflandes , Gewässer, Küstengliederung mit Kriegshäfen , Flufsläufe, Örtlichkeiten, Verbindungslinien zu Lande und zu Wasser, Bevölkerung, Hilfsquellen , klimatische Bedingungen so wie politische und militärische Bedeutung der einzelnen Gebietsteile werden in klarem und durchsichtigem Bilde veranschaulicht. Weshalb drängte Japan zum Kriege ? Korea ist einerseits als Kornkammer , andererseits als industrielles Absatzgebiet für das reichbevölkerte und in reger Entwickelung begriffene japanische Reich unentbehrlich. Vom militärischen Gesichtspunkte aus bildet aber der Kriegshafen von Port Arthur in seiner die
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Kwantung - Halbinsel und die südliche Mandschurei beherrschenden Stellung den Schlüssel zu Korea, der in russischem Besitz eine dauernde Bedrohung und Gefährdung Japans in Korea und seiner Seeverbindungen dorthin war. Daher mufste Rufsland zur Räumung dieses Platzes wie auch der Mandschurei gezwungen werden. Der in durchweg sachgemäſser Darstellungsweise gelieferten, vier Hauptabschnitte (Korea , Mandschurei , Russisches Küstengebiet und Verbindungen der beiderseitigen Streitkräfte mit der Heimat) umfassenden Abhandlung mufs man volle Anerkennung zollen. Die von einem dicht bewaldeten Hochgebirge und dessen Ausläufern durchzogene Halbinsel Korea mit gröfstenteils sehr fruchtbarem Boden gewährt der japanischen Kriegführung ein sicheres, russischerseits ungefährdetes Hinterland, solange Japans Seeherrschaft andauert. Korea ist staatlich zu unvollkommen , um durch sich selbst eine japanische Invasion zu verhindern . Im mandschurischen Alpenland entsprechen nur die Tieflandsbecken des Sungari und des Liaho ho , die niederen Berglandschaften am unteren Jalu , die Halbinsel Liaotung sowie das Küstengebiet von Liaosi den Bedingungen für Unterhalt und Verwendung beträchtlicher Streitkräfte. Für die russische Stellung in Ostasien ist die Verbindung mit dem europäischen Mutterlande völlig unzureichend, weshalb die Behauptung der Mandschurei nur durch übermächtige Heeresmacht ermöglicht werden kann . Das übrige mandschurische Gelände ist fast durchweg kulturloses Waldgebirge und öde Steppe , arm an Weglinien , UnterWährend die West- und Südgrenze des künften und Hilfsmitteln . Landes eine im allgemeinen offene , durchschneiden aus östlicher Richtung nur zwei für militärische Zwecke geeignete Zugänge das gewaltige Bergmassig der Grenzumwallung und zwar von untern Tumen und der Possjet -Bai gegen das Sungaribecken sowie vom unteren Jalu gegen das Lia ho - Becken . Angriffsbewegungen auf ersterer Linie finden ihre natürliche Stütze in der Seeverbindung, auf der anderen an Korea. Die Küste fällt überall steil , fast wandartig in das Meer ohne Flufsmündung und Hafen mit Ausnahme der in dieser Beziehung so günstig gestalteten Kwantung-Halbinsel, wo sich der Grofsverkehr unter dem Dominat von Port Arthur frei bewegen kann . Daher die ungewöhnlich hohe Bedeutung dieses festen Seeplatzes durch seine geographische Lage sowohl für maritime als auch für Landoperationen. Daher sein, wenn auch ruhmvoller Fall, doch so überaus verhängnisvoll für die russischen Waffen, vielleicht für das Schicksal des Krieges selbst ! Welche Möglichkeiten gemeinsamer Aktion der grofsen russischen Landarmee und der sich nähernden mächtigen baltischen Armada zunächst zum Entsatz von Port Arthur hätten bei noch weiterer Behauptung der Festung eintreten können ?! Das russische Küstengebiet trägt den Charakter einer dürftigen Kolonie , ohne natürliche Hülfsmittel für eine auf dasselbe gestützte Land- oder Seemacht. Eine vom Kriegshafen Wladiwostok aus 40 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 404.
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operierende Flotte wird die Seeverbindungen Japans mit den Häfen von Korea und Liaotung in entscheidender Weise kaum gefährden können . Was die Verbindungen der beiderseitigen Streitkräfte mit der Heimat betrifft, so sind die japanischen über das Meer führenden Linien kurz und leistungsfähig, während die russischen sowohl zu Lande als zur See die denkbar ausgedehntesten sind . Der Schienenweg Moskau-Mukden beträgt 8100 km, der Seeweg von den baltischen Häfen über Suez nach Port Arthur 24000 km. Grofsen Anstrengungen ist es freilich gelungen, 1904 die Leistungsfähigkeit der bezeichneten Eisenbahn insoweit zu heben, als es für Rufsland möglich geworden , eine dem Feinde überlegene Truppenzahl in der Mandschurei zu sammeln und die notwendigsten Bedürfnisse für die im Felde stehende Armee herbeizuschaffen . Eine dankenswerte Wiederholung der für die Kriegführung wichtigsten geographischen Momente bildet den Schlufs dieser gründlichen Arbeit, welche einen richtigen Einblick in die vielseitige Bodengestaltung des engeren und weiteren Kriegsschauplatzes gewährt, wodurch es wesentlich erleichtert wird, sich über die kriegerischen Vorgänge in Ostasien zu unterrichten. Das Buch ist von hohem Interesse für alle, insbesondere für militärische Leserkreise. Hildebrandt. Die Geschichte eines Soldatenlebens von Feldmarschall Wiscount Wolseley. I und II. Band . Berlin 1905. Karl Siegismund. Es ist kein Zufall, dafs die zwei bedeutendsten englischen Generale der Gegenwart Wolseley und Roberts sich auch als Schriftsteller hervorgetan haben. Kriegsmänner von Geist haben stets auch die Feder gut zu führen gewufst, dafür ist schon vor 2000 Jahren Julius Cäsar ein klassischer Zeuge gewesen und die Memoiren des Feldmarschalls Wolseley bestätigen es aufs neue . Sie sind eine Fundgrube kriegsgeschichtlicher Einzelheiten aus den zahlreichen Feldzügen, an welchen Wolseley teilgenommen hat und geben intimen Einblick in die militärischen Verhältnisse der englischen Armee, deren Fahnen in allen Weltteilen wehen. Dementsprechend geht auch ein grofser Zug durch diese Niederschriften eines Roberts und Wolselay, denen trotz der Verschiedenartigkeit der Charaktere eins gemeinsam ist, die glühende Vaterlandsliebe das England for ever ! Diesen Zug findet man in ähnlichen Niederschriften hoher deutscher Offiziere nicht . Hier herrscht der militärische Einschlag unbedingt vor. Es mag das von technischem Standpunkt aus richtig sein , aber ich finde, dafs gerade in diesem spezifischen Engländertum eine ungeheure Stärke auch der Armee liegt. Sehr bemerkenswert ist in den vorliegenden Erinnerungen die oft rücksichtslose Schärfe, mit welcher der Herr Verfasser wiederholt die Regierung angreift und den schädlichen Einflufs des parlamentarischen Systems auf die militärischen Einrichtungen auf die Kriegführung frei
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kritisiert. Das Wohl seines Landes und die Liebe zur Armee stehen dem Feldmarschall höher als die üblichen „ Rücksichten “ und ich finde das ebenso vornehm wie patriotisch ! Wolseley hat ebenso wie Roberts seine Laufbahn in Indien begonnen. Er nahm 1852/53 mit Auszeichnung an dem Feldzuge gegen Barma teil, ebenso am Krimkriege. Seine Schilderungen aus letzterem stellen der Umsicht des englischen Zivilkriegsministeriums ein sehr wenig günstiges Zeugnis aus, aber dafür ein desto besseres der Tapferkeit der englischen Offiziere und Soldaten , welche vor Sebastopol ungleich mehr zu leiden hatten , wie die Franzosen . auch von „ unfähigen Führern" weifs Wolseley zu berichten , der übrigens bei der Belagerung zweimal verwundet wurde. Während des indischen Aufstandes nahm W. an den hervorragendsten Ereignissen ebenso an teil er erwähnt damals schon berittene Infanterie dem Bouswarenfeldzug 1858/59, mit welchem der erste Band schliefst. Der zweite Band führt uns nach China (Feldzug 1860), dann in das Feldlager der konfoderierten Armee (1862) , bis wir W. im Jahre 1870 als Führer der Redriver Expedition in Kanada finden , die er mit Auszeichnung leitete. Das gleiche gilt vom Aschantikrieg ( 1873 ) , dessen glückliche und geschickte Durchführung W. s. Name allgemein bekannt werden liefs . Das Schlufskapitel ist charakteristisch durch Anfang und Ende seiner Inhaltsangabe. Dieselbe lautet ,,Unsere gewöhnliche Unbereitschaft für den Krieg" ― ,,Hände weg von der Armee" ! Auch der Schlufssatz des frisch und flott geschriebenen höchst interessanten Buches zeigt, wie durchaus persönlich der Feldmarschall sein Schriftstellertum auffafst in den Worten : ,, Wenn aber meine Erzählung den Leser interessiert hat, wird es mir ein Vergnügen sein , sie bis auf den Tag fortzusetzen, wo ich dem Kriegsministerium fröhlich Adieu sage und aufhöre, der nominelle Oberbefehlshaber Ihrer Majestät Landstreitkräfte zu sein !" Keim . Geschichte des 1. Hannoverschen Dragonerregiments No. 9. Peninsula -Waterloo - Göhrde. 1805 bis 1904. Von v. Guionneau , Rittmeister im Regiment. Mit Bildern , Karten und Plänen. Berlin 1904, Ernst Siegfried Mittler & Sohn. 8 ° . 442 Seiten. (Preis : geh. Mk. 16.- , geb. Mk. 17.50. )
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Als am 24. Januar 1899 unser Allerhöchster Kriegsherr die Brücke schlug , welche dazu dienen soll , den Zusammenhang zwischen der althannoverschen Armee und den Truppenteilen herzustellen , die jetzt die Provinzialbezeichnung „Hannoversche" führen , betraute er das 1. Hannoversche Dragonerregiment No. 9 mit der Pflege der Überlieferungen des ehemaligen Herzog von Cambridge Dragonerregiments . Gleichzeitig verlieh er ihm dessen Auszeichnungen, Darauf beziehen sich die dem Titel eingefügten Worte : Peninsula- Waterloo- Göhrde. Sie waren die Motto der Cambridgedragoner, auf diese vererbt durch 40*
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ihre Stammtruppe, das 3. Husaren-Regiment von des Königs Deutscher Legion, an deren Hauptehrentage auf den Kriegsschauplätzen, Pyrenäische Halbinsel, Niederlande, Norddeutschland, erinnernd. Die Arbeit des Rittmeister von Guionneau , ein stattlicher Band, für volle Beherrschung des Stoffes und grofsen Fleifs zeugend, zerfällt daher in zwei Teile. Im 1. ist die Zeit von Errichtung des 3. Husarenregiments bis zur Auflösung der Cambridgedragoner, also die Jahre von 1805-1866 umfassend, dargestellt ; der zweite Teil schildert den Lebenslauf der 9. Dragoner von ihrer Aufstellung im Jahre 1866 bis zur Gegenwart. Das 3. Husarenregiment verdankte sein Entstehen dem Aufenthalte der Legion im Heimatlande zur Zeit der Jahreswende 1805/6, als Groſsbritanien die Teilnahme am Kriege Österreichs und Rufslands gegen Frankreich plante. Damals strömten jener Truppe Landeskinder in solcher Anzahl zu , daſs ein viertes und ein fünftes Kavallerieregiment - das letztere als 3. Leichtes Dragonerregiment, aber schon mit der Husarenuniform errichtet werden konnten, die Offizierstellen wurden bis auf die der jüngsten Kornets, die noch nicht gedient hatten, mit althannoverschen Reitersleuten besetzt und schon im Sommer 1807 schiffte das Regiment sich zu kriegerischen Unternehmungen ein , die seiner auf Rügen und auf Seeland warteten . Dafs es sich dabei tüchtig gezeigt hatte, bewiesen die Lobsprüche der englischen Generale, unter die es gestellt war. Gröfsere Anerkennung noch fanden seine Leistungen auf der Pyrenäischen Halbinsel. Aber der Feldzug des General Sir John Moore, an dem es teilnahm, verlief unglücklich . Der Feldherr war gezwungen in Corunna die rettenden Schiffe zur Rückkehr nach England aufzusuchen . Sie boten keinen Raum zur Aufnahme der Pferde, den deutschen Reitern , welche im harten Winter unter schweren Entbehrungen den Rückzug durch unwirtliches Gebirge gedeckt hatten, wurde die traurige Pflicht auferlegt, die treuen Tiere, die sie bis an den Ozean getragen hatten, zu erschiefsen, und unberitten kehrten sie im Januar 1809 nach England zurück, wo eifrig gearbeitet wurde, sich zu neuen Kriegstaten in den Stand zu setzen . Aber länger als vier Jahre dauerte es, bis der Ruf dazu erging. Erst im Sommer 1813 wurde das Regiment von neuem eingeschifft. Dieses Mal war Norddeutschland das Ziel. Im Wallmodenschen Armeekorps fochten die 3. Husaren dort gegen Franzosen und Dänen. Das Motto „ Göhrde " erinnert an ihre tapferen und meist glücklichen Angriffe auf französische Vierecke. Der 16. September, an welchem sie geritten wurden, war der Hauptehrentag des Regiments in diesem Feldzuge. Von der unteren Elbe ging es in die Niederlande, wo der Tag von Waterloo seiner kriegerischen Tätigkeit ein ruhmvolles Ende machte. Es gehörte zu der Kavallerie, deren tapferer Widerstand Neys todesmutige Durchbruchversuche zum Scheitern brachte. Als nach Friedensschlufs die Legion aufgelöst wurde, ging das Regiment als 3. oder Göttingensches Husarenregiment in den hannover-
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1833 , als es aus dem Süden des Landes in die
Lüneburger Haide verlegt ward, wurde es zu einem Dragonerregimente und als solches haben die Cambridgedragoner, der Vorfahren würdig, ihren sechzigjährigen Lebensweg im Kampfe von Langensalza ruhmvoll beschlossen. Dafür zeugt der Tod von zwei Rittmeistern an der Spitze ihrer Schwadronen. Wenige Monate später beginnt die Geschichte des Regiments , welches nach der Allerhöchsten Kabinettsorder vom 24. Januar 1899 als eins anzusehen ist mit den Cambridgedragonern , des 1. Hannoverschen Dragonerregiments Nr. 9. Am 27. September 1866 wurde seine Aufstellung befohlen. Vier geschlossene Eskadrons der Gardekavallerie stiefsen dazu in Osnabrück zusammen und nicht lange dauerte es, bis der Krieg gegen Frankreich ihm Gelegenheit gab, für seine tüchtige Friedensausbildung ein glänzendes Zeugnis im Ernst abzulegen. Im Verbande der zum X. Armeekorps gehörenden 19. Infanteriedivision machte es den Feldzug mit. Über die Schlachtfelder von Metz und durch die bezwungene Moselfeste ging sein Weg an die Loire, um nicht allzufern vom Atlantischen Ozean zu enden. Einer Schwadron war vergönnt gewesen, an den Reiterkämpfen von Mars la Tour teilzunehmen, im übrigen bestand die kriegerische Tätigkeit in der Mitwirkung bei einer Reihe von Schlachten und gröfseren Gefechten und in der selbständigen Ausführung zahlreicher Unternehmung, wie sie der Aufklärungs- und Sicherungsdienst mit sich bringen, die das Regiment fast ein halbes Jahr lang unmittelbar am Feinde hielten . Eine Rückkehr in die Heimat war ihm nicht beschieden. Es blieb in den Reichslanden . Herbst 1877 in Metz.
Zuerst bei der Okkupationsarmee und seit dem
Der Umfang des Buches ist nicht unbedeutend, der Preis entsprechend hoch. Beide hätten verringert werden können , wenn mancherlei fortgeblieben wäre, was streng genommen nicht in eine Regimentsgeschichte gehört, wie das Eingehen auf die politischen Verhältnisse, die zum Kriege führten, und die Schilderung kriegerischer Vorgänge, die ohne Einflufs waren auf das Verhalten des Regiments. Auch die zahlreichen in den Text aufgenommenen Ranglisten hätten grofsenteiles weggelassen werden können , zumal da sorgfältig zusammengestellte Anlagen über die persönlichen Verhältnisse der Offiziere alle dem Verfasser erreichbar gewesene Auskunft geben . Es bezieht sich dies auf beide Teile der Arbeit, deren Wert im übringen schon oben anerkannt wurde. Im ersten Teile sind es besonders Einzelheiten über die inneren Zustände der Legion, welche neues bringen ; er enthält auch eine den Tatsachen entsprechende Darstellung der Teilnahme des Regiments an den Kämpfen bei Langensalza, von denen einer, der Angriff der Schwadron des Rittmeister von Schnehen auf Infanterie, durch unberechtigte Inanspruchnahme des Ruhmes für einen anderen Offizier vor kurzem zu lebhaften Erörterungen in der Presse geführt hat.
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Literatur.
zweite Teil bringt, anknüpfend an die Schilderung der Teilnahme an den gröfseren Übungen seit dem Kriege, interessante Rückblicke auf die Veränderungen in Bewaffnung und Ausbildung der Kavallerie überhaupt. Eine reiche Beigabe von Karten und Plänen erleichtert das Studium der besprochenen Feldzüge ; farbige Uniformbilder veranschaulichen die äufsere Erscheinung zu verschiedenen Zeiten ; eine Reihe von Persönlichkeiten , namentlich sämtliche Kommandeure des jetzigen Regiments sind durch ihre Porträts vertreten ; der Text ist flüssig 14 geschrieben und angenehm zu lesen. Aufmarsch, Vorrückung und Kampf einer Armee an einem angenommenen Beispiele besprochen von Oberleutnant Hugo Blatan, mit 4 Beilagen. Budapest 1905. Eigentum und Verlag des Verfassers. In Kommission bei L. W. Seidel & Sohn. Wien, Graben 13. In vorliegender 230 Druckseiten starken Schrift werden die Verhältnisse des grofsen Krieges nach der applikatorischen Methode an einem selbstgewählten Beispiel, mit dem Kriegsschauplatz an der oberen Donau, besprochen . Bezweckt soll damit werden, die allgemeine Bildung derjenigen Offiziere, welche solchen Studien durch ihren Dienst ferner stehen, zu fördern und den einzelnen zu selbständigen Entschlüssen im Kriege mehr befähigt zu machen . Stofflich wird ungefähr dasselbe gebracht, was unsere grofsen, taktischen Lehrbücher enthalten . Da aber die österreichischen Dienstreglements zugrunde gelegt sind, so hat das Buch für unsere Offiziere keinen besonderen Wert, ist im übrigen aber gut geschrieben. v. T.
Recht verlangen wir , nichts als Recht ! Ein Notschrei der Deutschen n Zivilmusiker . Berlin 1904. Herausgegebe vom Präsidium ndes n ba ne n er ei he des Allgem Deutsc Musikerv Berlin N., e Chausseestrafs 123 . Eine Illustration zum „Kampf ums Dasein“ , ein Protest gegen den unlauteren Wettbewerb, dessen sich nach Ansicht des Verfassers die deutschen Militärmusikkorps gegenüber den Zivilmusikern schuldig machen. Die sehr umfangreichen Ausführungen der Streitschrift gipfeln in dem Schlufswort, das der „ Allgemeine Deutsche Musikerverband" urbi et orbi zuruft : „Die Militärmusikerkonkurrenz erdrückt uns, sie ist durch nichts zu verteidigen, und deshalb verlangen wir deren gänzliche Beseitigung !" Offenbar wäre es dem Verein am liebsten, wenn die Militärmusiken überhaupt abgeschafft würden, wie das aus der Besprechung eines französischen Vorschlages hervorgeht, der für die dortige Armee die Musikkorps auf ein Minimum reduzieren will. Indessen geht die vorliegende Schrift nicht so weit, sie will nur die gänzliche Beseitigung der Konkurrenz.“
Literatur.
621
Wenn auch diese Forderung ebenfalls unerfüllbar ist, so mufs doch zugegeben werden, dafs viele Militärmusikdirigenten mit ihren Aufführungen, insbesondere auch mit ihren recht aufdringlich Reklame machenden Ankündigungen , die oft geradezu marktschreierisch wirken, entschieden aus den Schranken heraustreten, die einem deutschen Militärmusikerkorps gezogen sein müfsten . Die vorliegende Schrift gibt in Wort und Bild sehr drastische Beispiele dafür. Es ist nicht zu verkennen , dafs bei der jetzigen Organisation unserer Militärmusik das Bedürfnis zum Nebenerwerb vorliegt. Im Märzheft 1904 der „Jahrbücher" hat der Verfasser dieser Besprechung einen Aufsatz veröffentlicht, der die in unserem Militärwesen herrschenden Übelstände zur Sprache bringt und Vorschläge zur Abhilfe macht. Wenn die vorliegende Streitschrift sich vielfach auf die Ausführungen jenes Aufsatzes beruft, so ist das erklärlich, da dort die Überzeugung ausgesprochen und begründet wurde, daſs unsere Militärmusik zuerst für unsere Leute, dann für die Offiziere und erst in dritter Stelle für Konzerte usw. in Betracht kommen müsse. Natürlich wurde in dem betreffenden Aufsatz nur das militärische Interesse, nicht das der Zivilmusiker berücksichtigt. Dals wir einen unlauteren Wettbewerb verurteilen, ein unwürdiges Gebahren gewinnsüchtiger Militärmusikdirigenten tief bedauern , ist selbstverständlich . Wenn übrigens unsere Militärmusikkorps, unterstützt durch entsprechende reformatorische Anordnungen der Heeresleitung, sich wieder darauf besinnen, daſs sie um der Truppe willen da sind, dafs sie unter allen Umständen zu ihr gehören, dann wird der übertriebene Wettbewerb ganz von selbst aufhören .
G. P. v. S.
II. Ausländische Zeitschriften . Streffleurs Österreichische militärische Zeitschrift. (April.) Detailverwendung und KraftInfanterietelegraphenpatrouillen. verbrauch der Divisionskavallerie. -- Fortschritte der fremden Armeen 1904. Krieg .
Die Kämpfe in Deutsch- Südwestafrika.
Revue d'histoire. Sachsen (Fortsetz.). Sidi-Brahim (Forts .).
Russisch-japanischer
(März.) Der Feldzug des Marschalls von Der Feldzug der Nordarmee 1794 (Forts.).
Revue militaire des armées étrangères. (April .) Die Reorganisation der indischen Armee. --- Die Militärradfahrer in Italien .
622
Literatur.
Journal des sciences militaires. (März.) Geschichte der Taktik der französischen Infanterie von 1791-1905 (Forts.). - Die Lehren Die Einzelausbildung des russisch-japanischen Krieges (Forts.). -des Schützen . Die Verwendung der Artillerie in Verbindung mit Infanterie bei der Verteidigung. - Die Eroberung Valencias durch die französische Armee. - Das Gefecht bei Villersexel.
Revue du génie militaire. (März.) Die Einrichtung des Übungsplatzes von Mailly (Schlufs) . - Ein neues Profil der Bekleidungsmauern für die Befestigung . -- Selbsttätiger Zubringer einer Schwebebahn mit elektrischem Antrieb. ― Unterweisungsübungen der Genietruppen (Italien).
Drahtlose Telegraphie in der deutschen Armee.
Rivista di artiglieria e genio. (März.) Beitrag zur Lösung des militärischen Problems (Heeresorganisation, vgl. Rivista 1904, November). - Der russisch-japanische Krieg im Jahre 1904 (Forts.). Berechnung von Längshölzern auf geneigten Tragbalken (Dachlatten). - Vorbildung der Offiziere der Feldartillerie. Winddruck auf Gebäude. Elektrischer Abstimmungsapparat für grofse Versammlungen . - Die neue französische Schiefsverschrift für Festungsartillerie. -- Eine neue Art Cheddit. - Notizen : Frankreich : Wahrscheinliche Annahme eines neuen Feldgeschützes und eines neuen Gewehres ; Neues Material der Gebirgsartilleri. Reorganisation des Unterrichts auf der Genieschule. Deutschland : Neue Abteilung für Funkentelegraphie ; Neue Forts bei Metz (nach France militaire) . Japan : Neues vom Gewehr Arisaka ; Militärluftschiffahrt. England : Instruktionskursus für Artillerieoffiziere ; Mitrailleusen. La France militaire. ( März.) Das Budget des Krieges und der Bericht Klotz vom General Prudhomme. - Die Bildung des Radfahrerbataillons. - Die Vermehrung unserer militärischen Kräfte . (Neue Schiffe gegen Deutschland und Japan und neue Feldgeschütze). Unter „ Elsafs- Lothringen" : Bericht über wichtige Versuche mit schweren Geschützen der Forts Kronprinz und Häseler, 1. ―― Radfahrerbataillone, 2. - Betrachtungen über das Budget von General Lamiraux. - Das Exerzierreglement der Kavallerie und die zweijährige Dienstzeit, 3. Das Budget des Krieges vom General Prudhomme, 4. — Über die Über KriegsNotwendigkeit, die Militärattachés beizubehalten. kontributionen (Beispiele aus alter und neuester Zeit), 5/6. - Die Bedingungen für den Erfolg der Kavallerie in einem künftigen europäischen Kriege. - Teilweise Übersetzung des Vortrages des Generalleutnants v. Pelet-Narbonne nach dem Militär -Wochenblatt. - Prämien für Pferdezüchter, 7. Betrachtungen über das Exerzierreglement der Infanterie von General Lamiraux, 8. - Die Reserveoffiziere, 10. Betrachtungen über das Budget von General Lamiraux, 11. - Das Budget des Krieges von General Prudhomme. - Aus Deutschland . Bericht über die Flottenmanöver 1904 (Sorge über die Verschiebung des europäischen Gleichgewichts infolge Anwachsens der Deutschen
Literatur.
623
Flotte geäufsert, kaum aufrichtig gemeint) , 12/13. - Von der Grenze. Frankreichs Truppenetats an der Ostgrenze sind zu schwach, Gefahr Betrachtungen über das Budget von General im Verzuge ! 16. Prudhomme. -- An der Grenze diesseits der Vogesen. --- Deutsche BeAn der Der Festungskrieg. — festigungen und Bahnlinien, 17. Alpengrenze. Verminderung der Garnisonen usw. dort behufs VerBetrachtungen über die japanische stärkung der Vogesengrenze. Armee nach dem Russischen Invaliden, 18. - Die Verminderung der Kadres, 21. - Die Kadres des aktiven Heeres, 22. - Die überzähligen Offiziere . -- Belastung des Budget von Ch . Marty, 23. - Espéranto , - Das Budget des Krieges und eine internationale Kunstsprache, 24. Unter der Spitzmarke „Elsafs - Lothringen " : der Bericht Klotz. Schicksale des kürzlich verstorbenen , Patrioten ", französischen Spions Karl Appel, der zehn Jahre Gefängnis verbüfst hatte, 25. - Betrachtungen über das Infanterie-Exerzierreglement vom General Luzeaux, 26/27. - Die Garnisonübungen. - Die drahtlose Telepraphie im deutschen Heere, 28. - Der Grofse Generalstab im deutschen Heere, Der Festungskrieg. -- Die Ergänzung der Offiziere, 30. 29. ― Zwei bedeutende Erscheinungen, Canrobert und Kuropatkin, 31 . Revue de Cavalerie. ( März .) Die Ausbildung der Truppe durch die Einzelausbildung. - Der Kavalleriedienst im Kriege. - Die deutsche Reiterei in den Tagen von Coulmiers, vom Generalleutnant von PeletBriefe Narbonne aus dem Deutschen übersetzt von P. S. (Forts.) . an Plock, neue Folge. - Der Oberst Méda 1770-1812 (Schluſs). Die Grundsätze des neuen englischen Exerzierreglements für die KaMilitärischer Sport. vallerie. Verschiedenes. Allgemeine Schweizerische Militärzeitung. Nr. 11. Der Zusammmenbruch (Anm.: der russischen Armee bei Mukden) . - Das neue französische Exerzierreglement für die Infanterie (Forts.) . Nr. 12. Zur neuen Militärorganisation. -- Das neue französische Exerzierreglement für die Infanterie (Forts.). Berittene Infanterie. Nr. 13. Die Redaktion des Gesetzes . - Die Kriegslage . - Das neue französische Exerzierreglement für die Infanterie (Schlufs). Verfahren. - Die Kriegslage.
Nr. 14.
Taktisches
Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. Nr. 12, 1904. Kolonnenbrücken aus Notmaterial. - Resolutionen der Generalversammlung des Vereins schweizerischer Positionsartillerie- und FestungsOffiziere. - Zur Frage der Militärreorganisation . Nr. 1, 1905. Verordnung über die Vollziehung des Bundesgesetzes über die Neuordnung der Feldartillerie . -- Die Sub-Target Gun-Maschine ; ein mathematisch genau selbstregistrierender Schiefskontrollapparat. Die Funkentelegraphie in der deutschen Armee. Der sibirische Schienenstrang als Etappenlinie im russisch -japanischen Kriege 1904. Nr. 2. Neue Militärorganisation. - Zur Haubitzenfrage. - Il Processo dell'Ammiraglio di PerDie Richtvorrichtungen und Richtverfahren der französischen sano.
624
Literatur.
Feldartillerie. -- Die Funkentelegraphie in der deutschen Armee (Schlufs). - Der sibirische Schienenstrang usw. (Forts.). Nr. 3. Reflexionen über die neue Feldartillerieorganisation . - Über den 99 unterirdischen " Krieg. - Über die Mafsnahmen der französischen Regierung nach Ausbruch des Krieges 1870 zur Verteidigung von Paris . - Der sibirische Schienenstrang usw. (Forts . ) . - Erfahrungen des russisch-japanischen Krieges. Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens. Über ballistische AppaDrittes Heft. Der Kampf um Port Arthur. rate. ―― Metereologische Beobachtungen (Forts .). Rufskij Invalid. 1905. Nr. 59. Die Stärke der japanischen Armee während der Kämpfe um Mukden . - Schreiben eines japanischen Generalstabsoffiziers . - Nr. 61. Der preufsische Kriegsminister von Einem über die Rolle der Kavallerie in den Kriegen der Zukunft. Eine Erfahrung des russisch-japanischen Krieges. Nr. 65. Die Taktik der Russen und der Japaner in deutscher Beleuchtung. Über unsern Generalstab . - Nr. 66. Die englische Armee in Indien. Morskoj Ssbornik. 1905. Nr. 3. Die Ramme. Ihre Bedeutung als Kampfmittel im Seegefechte der Neuzeit. - Der Schutz der Häfen ― gegen Torpedoangriffe. Das System der Sturmwarnungan in den europäischen Staaten . Chronik der Operationen zur See im fernen Osten.
III. Seewesen. Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. Nr. 4. Betrachtungen über den russisch-japanischen Krieg ( 12. Fortsetzung). - Einiges über das Schiefsen zur See. Die Ökonomie der Dampfturbinen auf Kreuzern . Etat für die Verwaltung der kais. deutschen Marine für das Rechnungsjahr 1905. - Die österreichisch-ungarische Handelsmarine im Jahre 1904. - Die internationale Konferenz über eine Konvention für Spitalschiffe. Army and Navy Gazette. Nr. 2355. Die alte Schule und die neue Politik. Nr. 2356. Die Marineforderungen. --- Die Seeschlacht 10. August 1904 in ihren Erscheinungen (aus der MarineRundschau) . ― Streichungen deutscher Marineforderungen . Nr. 2357. KanonenSeemacht. - Das neue japanische Linienschiff Kaschima. bootsbauten für die chinesische Regierung in Japan . Nr. 2358. Canada und die Reichsverteidigung . - Versuche mit neuen französischen Untersee- bezw. Tauchbooten. Nr. 2359. Marineausbildung. - Geringe Ergebnisse des Verkaufs alter Kriegsschiffe.
Revue maritime. Dezember 1904. Die Armierung der künftigen Linienschiffe. - Die Maschinenanlage der „ Rigina Margherita". Die Maschinenanlage des „ Nisshin" und „Kasuga".
Literatur.
625
IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher. (Die eingegangenen Bücher erfahren eine Besprechung nach Maſsgabe ihrer Bedeutung und des verfügbaren Raumes. Eine Verpflichtung , jedes eingehende Buch zu besprechen, übernimmt die Leitung der Jahrbücher“ nicht , doch werden die Titel sämtlicher Bücher nebst Angabe des Preises sofern dieser mitgeteilt wurde - hier vermerkt. Eine Rücksendung von Büchern findet nicht statt.) 1. Lehmann, Gustaf, Die Mobilmachung von 1870/71 . Mit Allerhöchster Genehmigung Seiner Majestät des Kaisers und Königs bearbeitet im Königlichen Kriegsministerium. Berlin 1905. E. S. Mittler & Sohn. Mk. 6.- . 2. Wille, Waffenlehre. 3. Bde. schmidt. Mk. 25, -.
3. Auflage.
Berlin 1905.
R. Eisen-
3. Layriz, Moderne Feldartillerie mit Rohrrücklaufgeschützen und Schutzschilden . Ebenda. Mk. 2,40. 4. Witte, Die Infanteriepatrouille.
Ebenda.
Mk . 0,60.
5. Löffler, Der russisch-japanische Krieg in seinen taktischen und strategischen Lehren. Erster Teil : Vom Beginn des Krieges bis zum Ende des Jahres 1904. Berlin 1905. E. S. Mittler & Sohn. Mk. 3.—. Herausgegeben vom 6. Kriegsgeschichtliche Einzelschriften . Erfahrungen aufsereuropäischer Grofsen Generalstabe, 34/35 . Heft.
Kriege neuester Zeit. I. Aus dem südafrikanischen Kriege 1899-1902. 3. Die Kämpfe in Natal nach dem Gefecht von Colenso . Übersicht über die Ereignisse im Orange- Freistaat und Transvaal bis zum Herbst 1900. Berlin 1905. E. S. Mittler & Sohn . Mk. 4, - . 7. Aus meinem Leben. Aufzeichnungen des Prinzen Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen . Zweiter Band : Flügeladjutant unter König Friedrich Wilhelm IV. und König Wilhelm I. 1856-1863 . Berlin 1905, Ebenda. Mk. 7,50. 8. v. Carlowitz-Maxen, Einteilung und Dislokation der russischen Armee 1. April 1905. Berlin , Zuckschwerdt & Co. Mk. 1,80 . 9. Keller, Anleitung für den Quartiermacher. 1905. J. Lindauersche Buchh . Mk. 0,80. 10. Humanus, Soldaten-Mifshandlungen ? Continent. Mk. 0,80 .
3. Aufl.
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11. v. Cochenhausen, Praktische Winke für das Fahren der Feldartillerie und das Exerzieren am bespannten Geschütz . Berlin 1905. Richard Schroeder. Mk. 0,80 . 12. Derselbe, Die Erziehung des Soldaten . für den Batteriechef. Ebenda . Mk. 0,80.
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13. Mark, Die Kompagnie im Verbande. Ein taktisches Handbuch für den Kompagnieführer. Metz 1905. P. Müller. Mk. 1,40.
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XLII .
Vorbereitende
Erkundung
gedeckter
Artillerie - Stellungen .
Von Generalmajor Richter.
Mit dem Eintritt der Rohrrücklaufgeschütze in die Bewaffnung hat sich die Überzeugung Bahn gebrochen, dafs der Wert des neuen Kampfmittels gleichermafsen in seinen gesteigerten technischen Leistungen, wie in einer auf diese aufgebauten zweckentsprechenden Verwendung zu suchen sein wird. Nicht mehr „ gröfstmögliche Wirkung in angemessener Zeit" heifst die Losung, sondern „in kürzester Zeit ausreichende Wirkung" ! Die Forderung, dem Gegner zuvorzukommen und ihm sozusagen einen Strich durch die Rechnung zu machen, um ihn schon vor Eintritt in den Kampf zu stören und ihm Abbruch zu tun, wird in den Vordergrund gestellt ; seine völlige Vernichtung kommt gegebenenfalls erst in zweiter Linie. Die Verwendung in diesem Sinne haben die Franzosen mit Einführung ibres neuen Materials angenommen und die Staaten, welche ebenfalls zum Rohrrücklauf übergegangen sind oder dazu im Begriff stehen, haben sich, Versuchen nach zu urteilen, dem französischen oder einem diesem genäherten Schiefsverfahren angepasst. Es sei hier nur angeführt, dafs es in Zukunft möglich sein wird, in 3-4 Minuten einen Geländestreifen von etwa 200 m Breite und 500 m Tiefe mit 1 Batterie zu 4 Geschützen derart mit Kugeln zu überschütten, dafs sich in ihm kein Ziel bewegen oder in Stellung gehen kann, ohne beträchtliche Verluste zu erleiden ( z. B. hätte auf mittleren Kampfentfernungen eine ungedeckte Batterie zu 6 Geschützen obne Schutzschilde in der Minute 7-8 Treffer zu gewärtigen) . ') 1) Vgl. Rohne „Die französische Feldartillerie" unter § 18 „Betrachtungen" und dessen Aufsätze „ Über Schiefsverfahren bei der Feldartillerie" und „Zur Artilleriefrage" in den Jahrbüchern für die deutsche Armee und Marine, 1903, Dezemberheft, und 1904, Januarheft. 41 Jahrbücher für die deutsche Armee and Marine. No. 405.
628
Vorbereitende Erkundung gedeckter Artillerie- Stellungen. Diese Tatsache fällt um so schwerer ins Gewicht,
als das mit
ihr verbundene Schielsverfahren eine grofse Gewähr für zutreffendes Eingabeln des Zieles
bietet .
Die Gabel wird im allgemeinen für
das Streuverfahren nicht unter 200 m verengt, wodurch ihre Zuverlässigkeit im Vergleich zu der von 100 m an sich schon gewinnt und dies um so mehr, wenn vor dem Wirkungsschiefsen nach französischem Muster noch eine Kontrolle stattgefunden hat. Mufs also
mit der Möglichkeit
gerechnet werden,
dafs
die
Wirkung schneller und mit gröfserer Wahrscheinlichkeit des Erfolges einsetzt, als bisher, so wird die Frage dringlich, wie man an Stellungen herangelangen und sie einnehmen kann im feindlichen Feuerbereich, selbst bei ungenügender oder mangelnder Deckung . Ganz besonders kommt das in Betracht einer Artillerie gegenüber, welcher die Vorhand im Auffahren zufiel. Es hiefse,
die Sache auf die
leichte Schulter nehmen,
wollte
man sich mit Behauptungen abfinden, wie : bewegliche Ziele würden schwer getroffen ; es gäbe fast kein Gelände, welches nicht Deckung böte ; die eingesehenen Teile desselben könnten in beschleunigter Gangart genommen werden usw. Solche Annahmen könnten leicht durch die zwingenden Verhältnisse recht trübe Erfahrungen
des Krieges zerstört
ersetzt werden.
denkbar ungünstigsten Fälle
gerüstet
Man muss
und
und durch
auch
sich darüber
auf die
klar
sein,
wie man ihnen am zweckmäfsigsten gerecht wird. Je plötzlicher und nachdrücklicher die feindliche Wirkung einsetzen kann, um so höher steigen die Anforderungen an die Führer,
darauf vorbereitet
zu sein, sich schnell und ohne Schwanken der jedesmaligen Lage anzupassen. Man vergegenwärtige
sich die Lage einer durch
Gelände vorgehenden Artillerietruppe, sie abgegebenen Salven
entnimmt,
eingesehenes
welche aus den ersten gegen
dafs sich der Feind gegen sie
eingabelt und dafs sie nun gewärtig sein muſs, in wenigen Minuten ihre Bewegungsfreiheit und voraussichtlich einen nicht unerheblichen Teil ihrer Gefechtskraft einzubüſsen . Was gibt es für sie für Möglichkeiten, sich der unmittelbar drohenden Gefahr zu entziehen ? sie nach dem Grundsatze :
„ der Hieb
Handelt
ist die beste Parade "
und
protzt zur Eröffnung des Feuers ab, so befindet sie sich schon von vornherein in übler Lage. Sie mufs unvorbereitet den Kampf gegen einen voraussichtlich wohl gerüsteten Gegner aufnehmen, dessen Stellung sie vielleicht nicht einmal erkennt. Denn die aufserordentlich vervollkommneten Richtmittel gestatten ein Schiefsen aus völlig gedeckter Stellung, dafs sie nicht einmal durch Aufblitzen der Schüsse oder die leichten Rauchwolken verraten zu werden braucht.
Vorbereitende Erkundung gedeckter Artillerie-Stellungen .
629
Die anrückende Truppe wandelt sich für den Gegner zu einem feststehenden Ziele, dafs er nur um so sicherer und nachdrücklicher kann. Oder soll sie die Schnelligkeit anwenden, niederkämpfen kann. um sich den feindlichen Geschossen durch beschleunigtes Vorgeben Vielleicht ja, wenn es die im Gefahrsbereich zu entzieben? Bodenverhältnisse, das Gewicht der Fahrzeuge und die Verfassung der Bespannung gestatten. Wir sind ja augenblicklich in der Lage, Geschütze von ausreichender Beweglichkeit zu besitzen . Ob diese für schwierige Verhältnisse und auch dann ausreicht, wenn durch die einzuführenden Schutzschilde eine Gewichtsvermehrung eintritt, bleibt abzuwarten. Immerhin mufs damit gerechnet werden , dafs die Bewegung, zumal aufserhalb der Wege, so verlangsamt werden kann, dafs dem Gegner ein erneutes Eingabeln oder ein Verlegen seiner Geschofswirkung ermöglicht wird. Ein Entrinnen in diesem Sinne wäre doch nur denkbar, wenn die höchste , der Artillerie innewohnende Fahrgeschwindigkeit im Galopp von 500 Schritt in der Minute angewendet und auf angemessene Entfernung durchgehalten werden könnte . Immerbin wird natürlich der Grundsatz bestehen bleiben,
dals,
wegungen eines von
wo
Deckung fehlt,
den Mitteln
ist,
Schnelligkeit
welche
der Be-
die Möglichkeit des
gewollten Zweckes bieten . Wie oft aber wird es Erfolg versprechen ? Ähnliches gilt von der Wahl der Formen und Benutzung eines Hintergrundes, von dem sich die Truppe durch Übereinstimmung der Farbe wenig abhebt. Dafs die Kolonnen zu Einem und in gröfseren Verbänden Batteriekolonnen
für das Anschmiegen
an das Gelände
Vorzüge bieten , ist bekannt. Dagegen pflanzen sich Stockungen einzelner Fahrzeuge leichter fort und Batteriekolonnen fordern breites Anmarschfeld, von dessen Gangbarkeit die Bewegung mehr oder weniger beeinflusst werden kann. Der Vorzug, dafs sie das Einschiefsen erschwerten, kann ihnen gegenüber dem französischen Verfahren nicht mehr eingeräumt werden. Bezüglich des Anpassens unserer Bekleidung und Ausrüstung an die Durchschnittsfarbe des Geländes , wird man sich der Notwendigkeit , endlich einen Schritt vorwärts zu tun , nicht länger entziehen können.
Die Mitteilungen der Berichterstatter aus dem
russisch-japanischen Kriege, namentlich betreffs des Überganges über den Jalu , lassen keinen Zweifel, dafs sich das dunkelblaue Tuch der Japaner nur allzudeutlich von der Umgebung abhob . Und gilt dies auch in erster Linie für Infanterie und die näheren Entfernungen , so wird es doch auch für die Artillerie nötig sein, sowohl für den Anmarsch von weit her, als besonders für ungedecktes Auffahren und Vorgehen auf nähere Entfernungen nach dieser Richtung Wandel zu 41*
630
Vorbereitende Erkundung gedeckter Artillerie-Stellungen.
schaffen.
Das
eigenartige Abmähen
einer Fläche von 10 000 qm ,
durch welche diese so mit Kugeln übersät wird, daſs jede darin sich bewegende, kniende oder liegende Truppe durch eine einzige Batterie ernstlich gefährdet ist, fordert in Verbindung mit den scharfen Ferngläsern unbedingt, sich zu der zweckmäſsigsten Farbe zu bekennen. Die folgenden Untersuchungen über das bei der Erkundung zu beobachtende Verfahren werden sich ausschliesslich den Angriff zum Vorwurf nehmen, weil bei ihm die einschlägigen Verhältnisse in der Regel nach Umfang , Ausführung und Zahl des Personals schwieriger, als bei der Verteidigung liegen.
Sie bewegen sich im Rahmen einer
Division, betrachten also die Vorgänge einer Feldartilleriebrigade zu 2 Regimentern. Die Grundlage für die Auswahl gedeckter Anmarschwege bildet die Kenntnis der feindlichen Artilleriestellung und zwar nicht zuletzt diejenige ihrer Breitenausdehnung.
Je mehr diese wächst,
um so
schwieriger wird das Auffinden genügender Deckung. Denn was nützt es, in der Front der Sicht entzogen zu sein, wenn man in der Flanke gefasst werden kann ? unangenehmer fühlbar .
Das macht sich unter Umständen viel
Der weitreichende Schrapnell- Brennzünder-
schufs und die vorzüglichen Gläser geben dem Gegner die Mittel, sich von entlegenen Punkten her bemerkbar zu machen, mit denen der Anmarschierende vielleicht gar nicht gerechnet hat. Ganz abgesehen davon , daſs die Stellung der feindlichen Artillerie für Wahl der ersten Stellung des Angreifers bestimmend ist, kann auch nicht früher in die Erkundung der Anmarschwege eingetreten werden, als bis Zielaufklärer die Breitenausdehnung jener festgestellt haben, sofern die vorhandene Deckung nicht jedes Bedenken ausschliefst oder die Verhältnisse beim Gegner so offenkundig liegen, dafs sie bereits aus Nachrichten der Kavallerie genügend geklärt erscheinen .
Somit greift, namentlich in gröfseren Verhältnissen, die
Tätigkeit der Ziel in die der Geländeaufklärer ausschlaggebend über und wirkt für letztere mitbestimmend nicht nur in der Richtung sondern auch Ausdehnung ihrer Aufgaben. Deshalb ist es berechtigt, an dieser Stelle noch ein Wort über die sogenannten Artilleriepatrouillen beim Beginn der Handlung zu sagen. Dals sie frühzeitig angesetzt werden müssen, ergibt sich aus dem oben Gesagten. Die Grenze hierfür liegt darin, dafs sie einerseits rechtzeitig melden sollen, andererseits nicht des Schutzes entbehren dürfen, welcher ihnen durch vorausgehende Kavallerie bezw. den Feuerbereich der vordersten Infanterie gewährt wird .
Hat der
Gegner, wie anzunehmen, Kavallerie und Infanterie im Vorgelände, so wird der Auftrag oft nicht von der Front, sondern nur von den
Vorbereitende Erkundung gedeckter Artillerie-Stellungen.
631
Flanken und auch von ihnen aus vielleicht nicht mit der wünschenswerten Schärfe zu lösen sein.
Daraus ergibt sich, dafs die Zahl der
Artilleriepatrouillen nach der vermutlichen Ausdehnung der feindlichen Stellung und dem Gelände zu bemessen sein wird, mindestens auf zwei. Wohl ausnahmslos von Offizieren geführt, reiter, deren Zahl kaum unter 3 sinken darf.
bedürfen sie MeldeDenn die Patrouille
muls unter Umständen weit ab von der Truppe auf ihrem Beobachtungsposten ausbarren und Meldungen senden, deren Überbringer wegen der Entfernung spät oder überanstrengt zurückkehren . Auch ist damit zu rechnen, dafs ein Mann zur weiteren Beobachtung an einer Stelle stehen bleiben mufs, während der Führer mit den übrigen von einem anderen Punkte aus den Einblick zu erweitern sucht. Und wie leicht können einzelne Leute oder Pferde versagen ! Bei diesen Patrouillen, welche die Augen der Truppe bilden, sollte nicht gekargt werden. Dafs die Offiziere mit besten Ferngläsern ausgestattet sind, ist selbstverständlich. Hier sei nur darauf hingewiesen, daſs ein Vorzug des Scherenfernrohres in seinem Feststehen auf dem Stativ zu suchen ist. Nach anstrengendem Ritt ist die Faust des Reiters meist unrubig, wodurch die Deutlichkeit der Beobachtung herabgesetzt wird .
Ein bei den Patrouillen mitgeführter, entsprechend
eingerichteter Stab, welcher, fest in die Erde eingesetzt, das an ihm festzumachende Fernglas vor Schwankungen schützte, wäre in Betracht zu ziehen . Die Vergröfserung und Helligkeit der Offizierferngläser reicht z. T. an diejenige der Scherenfernrohre heran oder übertrifft sie sogar und man könnte
sich so
Leistungen dieser nähern, ohne ihre Schwere mit in den Kauf zu nehmen.
den
ausgezeichneten
und Umständlichkeit
Von der Tätigkeit der Patrouillenführer kann der Erfolg oder Miſserfolg der Handlung wesentlich beeinflusst sein. Die ihnen gegebenen Weisungen werden sich oft nur auf Bezeichnung der Gefechtslage - vielleicht nur der Anmarschrichtung oder vermuteten Stellung des Gegners und der zunächst vorliegenden Absichten beschränken
können .
Um
ihrem
Auftrage
gerecht
zu
werden,
müssen sie über ein gewisses Mafs selbständigen taktischen Urteils im allgemeinen und für ihre Waffe im besonderen
und nicht bloss
über ein gutes körperliches, sondern oftmals auch scharfes geistiges Auge verfügen. Mit Entschlufsfähigkeit und dem Mut der Verantwortung müssen sie das Vermögen verbinden, sich veränderten Verhältnissen im Sinne ihrer Aufgabe anzupassen ; sie sollen sich im Gelände schnell und sicher zurechtfinden, sich unbemerkt an den Gegner heranpirschen, rechtzeitig und zuverlässig melden. Das
632
Vorbereitende Erkundung gedeckter Artillerie-Stellungen.
schliefst eine Summe von Fähigkeiten in sich, wie sie nicht häufig in einer Person vereinigt gefunden werden, und macht die Erscheinung erklärlich, dafs bei den Manövern immer wieder dieselben bewährten Autoren bei entsprechenden Übungen herangezogen werden Das ist menschlich, da von zuverlässigen und zeitgerechten Meldungen zu viel für den Führer abhängen kann.
Wer gewährleistet
aber,
dafs die gleichen Kräfte auch im Kriege zur Verfügung stehen oder ausreichen? Deshalb sollte die Heranbildung geeigneter Patrouillenführer auf breite Grundlage gestellt werden, in der sich gewiſs dieser oder jener noch zu einem brauchbaren, wenn auch nicht erstklassigen Patrouillenführer entwickeln liefse.
Die
Freilich, die Gelegenheit zu derartiger Schulung ist nicht häufig. Schwierigkeiten treten erst voll zutage, wenn es sich um
gröfsere Verhältnisse handelt, welche während der Manöver nur bei Übungen von Division gegen Division vorkommen , so dass sie jährlich auf 1 oder 2 Tage zusammenschrumpfen. Bei der Bedeutung dieser Erkungung könnten aber sehr wohl besondere Garnisonund Übungen auf Märschen
angesetzt werden, jene
dort,
wo im
gleichen Standorte mindestens Infanterie und Artillerie vereint stehen, diese, wo ein zur Schiefsübung oder Manöver marschierendes Regiment in der Nähe einer noch nicht
ausgerückten Garnison
vorbei-
kommt . Es bedarf dazu nur des Besetzens einer längeren Artilleriestellung mit Sicherung durch Infanterie in Front und Flanke . In der Garnison werden die Geschütze des übenden Regiments verwendet und es
ergibt
sich lediglich eine Erkundungsübung .
Auf
Märschen kann das Vorgehen zur und Einrücken in die Stellung mit der Erkundung und auf Grund derselben verbunden werden. Allerdings ist zuzugeben,
dafs
der markierte Feind
hierbei mehr oder
weniger Statist ist und sein Interesse zur Sache
nicht sonderlich
angeregt wird. Andererseits werden für Erkundungsaufträge bei den Preisritten der Kavallerie ganz ähnliche Verhältnisse geschaffen, so daſs man diese Forderung auch zur Hebung eines wichtigen Ausbildungszweiges der Feldartillerie stellen darf. Vollen Wert erhalten solche Übungen aber erst dann, wenn für die Erkundungstätigkeit besondere Schiedsrichter abgeteilt werden, welche über das kriegsmässige Verhalten der Beteiligten wachen, wie ich das in dem Aufsatze Gedanken über den Angriff auf befestigte Feldstellungen" näher ausgeführt habe . ')
Wenn
ich bei
den Artilleriepatrouillen
länger
verweilte ,
so
1) Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine, 1899, Juniheft, S. 808.
Vorbereitende Erkundung gedeckter Artillerie-Stellungen. geschah es, um ihren Zusammenhang
und
633
ihre Bedeutung für die
folgende Geländeaufklärung hervorzuheben, für deren Richtung und Ausdehnung sie unter Umständen die Grundlagen schaffen. Darüber hinaus wird sich aber ein Zusammenwirken, etwa in dem Sinne, dals jene
auch schon das Anmarschgelände
überschauen und
all-
gemeine Anhaltspunkte darüber liefern könnten, nicht herausstellen. Viel früher, als die Geländeaufklärer angesetzt, berühren die Artilleriepatrouillen wahrscheinlich den Raum gar nicht, den die Truppe später queren mufs, auch sind sie durch ihren Auftrag vollkommen in Anspruch genommen . Sobald der Zeitpunkt zum Ansetzen der Artillerie auf die ins Auge gefafste Stellung gekommen ist, mufs sich deren Kommandeur auf Grund der Karte und des im Gelände gewonnenen Überblickes schlüssig werden, ob der Anmarsch in der erforderlichen Ausdehnung gedeckt zu bewerkstelligen
oder stellenweise eingesehen sein wird .
Tritt letztere Möglichkeit ein , so wird er sich dazu verstehen müssen, die Truppe so lange in der letzten noch gegen Sicht schützenden Deckung zurückzuhalten, bis festgestellt ist, ob man nicht auf geeigneten Umwegen seinen Zweck
erreichen kann ,
oder welches
die angezeigten Mafsregeln sind, um das Gefechtsbereich zu überwinden. Der dazu gehörige Mebraufwand an Zeit wird sich im Ernstfalle leichter finden , als bei Friedensübungen. Denn die Infanterie gebraucht nicht nur durch ihre gröfseren Marschtiefen mehr Zeit zur Entwickelung, sondern auch durch ihre vorhergehende Erkundung, welche sich im feindlichen Gewehrfeuer langsamer abspielt, als wenn nur mit Platzpatronen geknallt wird. Äufserstenfalls mufs der Eintritt der Infanterie ins Gefecht so lange hinausgeschoben werden, bis übernehmen kann,
ihre
Artillerie die ihr zugewiesene Rolle
An dieser Stelle sei einer Ansicht Raum gegeben, wie das Vorgehen der Artillerie vielleicht ermöglicht werden kann, wenn sich keine ausreichende Deckung findet und die Gesamtlage den Angreifer nicht dazu führt, wickeln.
sich unter dem
Schutz
der Dunkelheit zu ent-
In solcbem Falle wird nichts übrig bleiben, als eine mög-
lichst überlegene Geschützzahl eine abgeprotzte Bereitstellung einnehmen zu lassen, welche so nahe dem Gegner liegt, wie es die Deckung innerhalb des Brennzünderbereiches gestattet. In ihr sind alle Vorbereitungen zu treffen, um gegebenenfalls mit wirksamem Feuer über die feindliche Artillerie herfallen zu können. Nun wäre staffelweise das gefährdete Gelände zu durchschreiten und die Möglichkeit dazu hätten die aufgefahrenen Batterien zu geben, indem sie durch das eigene Feuer das feindliche von der in Bewegung befind-
634
Vorbereitende Erkundung gedeckter Artillerie-Stellungen.
lichen Truppe ablenken . Schliesslich hätten die vorderen Abteilungen der zuletzt folgenden in ähnlicher Weise Schutz zu gewähren. Verkennen lässt sich nicht, daſs hierzu eine grofse Überlegenheit gehört, die zweifellos schon durch die bereit- oder im Feuer stehenden Batterien gewährleistet sein musste, und dafs auch die einheitliche Feuerleitung durch die getrennten Gruppen nahezu illusorisch gemacht wird, wiewohl sie unter solchen Verhältnissen von besonderem Wert sein würde. Unser Reglement für die Feldartillerie läfst eine Arbeitsteilung für die Erkundung eintreten, indem es diejenige der Feuerstellung dem Artilleriekommandeur und den ihm unterstellten Kommandeuren zuweist, diejenige des Anmarschgeländes den die Truppe nachführenden Unterführern. Eine Förderung der Handlung verspricht es sich aus zurückgeschickten Weisungen der
vorausgeeilten Kommandeure
zur Kürzung der Wege und Begünstigung unbemerkter Entwickelung. Dals diejenigen Beobachtungen, welche aus Karte und Einblick ins Gelände vor dem Abreiten bereits gemacht sind, verwertet werden, ist selbstredend.
in gleichem Sinne
An diesem Arbeitsplan wird festgehalten werden müssen. Hier sei nur darauf hingewiesen, dafs der Artilleriekommandeur für die Gesamtausführung verantwortlich bleibt, trotzdem naturgemäfs seine Unterführer, wenn
losgelassen,
zu
selbständigem Entschlufs
Handeln in den ihnen gegebenen Grenzen berufen sind,
was
und sich
durch die grofse Breitenausdehnung der Artillerie einer Division ohne weiteres ergibt. Daraus folgt aber, dafs unter Verhältnissen , welche zu besonderer Vorsicht mahnen, der Artilleriekommandeur rechtzeitig zu sorgen hat, daſs die Truppe in Deckung zurückgehalten bleibt, bis ihr Anmarsch genügend geklärt und gesichert ist, and die Regimentskommandeure genau wissen, welche Aufgabe ihnen zufällt und auf welchem Wege sie an ihre Lösung heranzutreten haben. Gerade in solchen Lagen darf trotz gebotener Eile nichts überstürzt werden, da hier Fehler besonders weittragende Folgen nach sich ziehen können. Die Ausführung der Erkundung des Anmarschgeländes Dals bei der gesteigerten Notwendig. gestaltet sich wie bisher. keit, die Truppe der Sicht zu entziehen, auch die Erkundungsorgane vermehrten Wert auf uneingesehenes Handeln legen müssen, ergibt sich von selbst. Was die Erkundung der Stellung anlangt, so fällt sie nach dem Reglement dem Artilleriekommandeur, der dazu die unterstellten Führer heranziehen kann, zu. „ Zur Beschleunigung kann er aber schon vorher Aufklärer entsenden, auch die eigene Erkundung durch
Vorbereitende Erkundung gedeckter Artillerie-Stellungen.
635
Erteilung von Einzelaufträgen unterstützen" (Zeile 293 des Exerzierreglements). Das französische Reglement sieht hierfür einen besonderen Offizier (officier orienteur) vor, dem eine Anzahl Aufklärer unterstellt wird. Im Grunde genommen kommen beide Vorschriften auf das gleiche binaus, da der Bedeutung der Aufgabe nach auch bei uns nur ein Offizier die Führung dieser Aufklärer übernehmen kann und selbstverständlich auch Meldereiter erhält. Dafs solebe Orientierungsoffiziere - um diese Bezeichnung beizubehalten ---- für zuverlässige und schnelle Erkundung sehr nützlich
sein können, weifs der zu beurteilen, der nach scharfem, anstrengendem Ritt in die ausgewählte Stellung kommt und sich nun erst im Vorgelände zurechtfinden und über den Feind, eigene Truppen usw. Kenntnis verschaffen mufs. Findet er dort bereits einen Offizier, der ihm zuverlässige Auskunft geben kann, so wird ihm seine Tätigkeit nicht nur sehr erleichtert, sondern er kann auch ruhiger und mit kürzerem Zeitaufwande seiner ferneren Obliegenheit nachkommen. Es könnte scheinen, als ob das Reglement nur dem Artilleriekommandeur solche Aufklärer zugestehen wolle. In Anbetracht des Umfanges und der Bedeutung ihrer Aufträge müssen aber auch die mitwirkenden Regimentskommandeure sich sinngemäfs des gleichen Hilfsmittels bedienen können. Dadurch würden wieder ein bis drei Offiziere der Truppe entzogen, aufserdem eine Anzahl ihnen beizugebender Meldereiter. Indessen ist darauf hinzuweisen, dafs der Nutzen solcher Entsendung an gewisse Voraussetzungen geknüpft ist. Soll der Offizier die von ihm erwartete Auskunft erteilen können, so muls er angemessen früh in der Stellung sein. Ist aber die Entscheidung über deren Wahl
erfolgt,
so begibt sich der Kommandeur selbst
möglichst schleunig dorthin und trifft mit jenem Offizier annähernd gleichzeitig ein, so dafs dessen Mitwirkung im vorliegenden Sinne nicht zur Geltung käme. Oberst Percin hat in seinem Buche ,,Répartition du feu de l'artillerie"
für den officier orienteur den
Grundsatz aufgestellt, dafs seine Erkundung weit ausholen müsse ; in Höhe der Infanteriespitze marschierend und mit dem Kavallerieführer durch Aufklärer Verbindung haltend, zu
erkennen
suchen
und
die
soll er feindliche Ziele
dagegen in Aussicht zu nehmenden
Stellungen für die Zwecke seiner Truppen beurteilen.
Das setzt
eine derartige Übereinstimmung der Ansichten über die Verwendung der Waffe zwischen Kommandeur and Orientierungsoffizier voraus, wie solche nicht angenommen werden kann . Vielleicht in den seltenen Fällen ,
wo nur eine Stellung nach Lage und Ausdehnung
von vornherein in Betracht kommt, könnte jene weitreichende Selbständigkeit
des Offiziers wirklichen Nutzen bringen.
Möglich auch,
636 dafs
Vorbereitende Erkundung gedeckter Artillerie-Stellungen. man ibn zweckmälsig dann vorausschickt, wenn eine Stellung
nach Maſsgabe der über den Feind vorliegenden Nachrichten bereits ins Auge gefaist wird, der Entschlufs zum Einnehmen derselben aber noch nicht feststeht.
Dementsprechend hat auch das französische
Reglement, welches die Ideen von Percin sich nutzbar machte, jene weitausholende Tätigkeit beschnitten und läfst den Offizier sich erst in die beabsichtigte Stellung begeben , nachdem er die nötigen Weisungen von dem Kommandeur erhalten hat. Gelangt nun der Orientierungsoffizier erst annähernd gleichzeitig mit dem Kommandeur in die Stellung, so wandelt er sich zumeist in einen Zielaufklärer.
Für die vorbereitende Erkundung käme er
nur insoweit in Betracht, als er der Truppe voraus den von ihr zu durchschreitenden Raum übersieht und seine Wahrnehmungen der Oder es Geländeaufklärung dienstbar gemacht werden können . geht seine Tätigkeit in
die
eines Ordonnanzoffiziers über,
höhere Stäbe neben dem Adjutanten nicht entraten können .
dessen Jeden-
falls wird man im Interesse der Entlastung der Truppe darauf Bedacht nehmen müssen, dafs benötigte Orientierungsoffiziere , soweit irgend tunlich, auch noch für andere Vorrichtungen nutzbar gemacht werden. Immer wieder und für die Stellung ganz besonders muís auf die gesteigerte Notwendigkeit hingewiesen werden, die Aufmerksamkeit des Gegners durch nichts zu erregen. So schwer es ist, einen ausgedehnteren Geländestreifen gründlich absuchen zu müssen, ohne sich nach einem Punkte desselben hin eine Blöfse zu geben, so wird jene Forderung Durch das geringste doch zu einer Pflicht der Selbsterhaltung. Anzeiehen kann die Wachsamkeit des Gegners verschärft und in die Richtung der eigenen Handlung gelenkt werden. Er weifs, daſs der Erkundung bald auch der Anmarsch und die Entwickelung der Truppe folgt.
Kündet ihm aufsteigender Staub deren Herannahen an, so ist er
vielleicht in der Lage, den der Sicht, aber nicht der Wirkung Entzogenen durch Schrapnellfeuer zu fassen und das Auffahren zu stören. Aus diesem Grunde mufs auch das Einrücken in die Feuerstellung völlig ungesehen erfolgen und dementsprechend die Linie, bis zu welcher die Geschütze vorgehen sollen, lieber etwas weiter zurück festgelegt werden, zuschliefsen.
um jedes unbeabsichtigte Vorprellen aus-
Das wird um so unbedenklicher geschehen können,
wenn wir verbesserte Vorrichtungen für Schiefsen aus verdeckter Stellung erhalten. Ja man kann sogar so weit gehen, die Forderung zu stellen, unter Umständen die letzten etwa 500 m hinter der Stellung derart zurückzulegen, dafs stärkerer Staub vermieden wird, sofern die vorliegende Deckung dessen Sichtbarkeit nicht verhindert.
Vorbereitende Erkundung gedeckter Artillerie-Stellungen.
637
Das könnte dazu führen, in entwickelter Front oder geschützweise Sache der vormit grofsem Abstande im Schritt anzurücken . bereitenden Erkundung würde es sein, zu beurteilen, ob Gefechtslage und Gelände solche, an sich gewifs nicht erstrebenswerte Mafsregel angezeigt erscheinen lassen . Über
die
zur Erkundung benötigten und
verfügbaren
personellen Mittel haben schon vielfache Erörterungen in der Militärliteratur stattgefunden . Zu untersuchen wäre, ob durch die veränderten Verhältnisse in Soll und Haben eine Verschiebung eingetreten ist. Diese könnte begründet sein durch frühzeitige Entwickelung gröfserer Artillerieverbände, durch die Absicht, die Feuerstellungen der Sicht gänzlich zu entziehen, und die Aussicht auf überraschend schnelle Verluste. Die Untersuchung wird sich ausschliesslich auf die Erkundung zu beschränken haben und die Kräfte lassen, welche in der Stellung zur Sicherung der bei den Protzen usw. benötigt Befehlsübermittelung Flanken, zur warum nicht das anfangs zur vor, Grund kein liegt sind. Denn es
aufser Ansatz
Aufklärung gebrauchte Personal später zum Teil für die erwähnten Zwecke in der Stellung verwendet werden sollte . Dagegen sind einzubeziehen die Artilleriepatrouillen, da sie zur vorbereitenden Erkundung mitwirken und auf sie beim Einnehmen der Stellung im allgemeinen nicht zu rechnen ist. Wiewohl das
Gegeneinanderstellen
starker Artillerie-
linien keineswegs eine Erscheinung der letzten Zeit ist, so hat sich doch die Erkundung im grofsen Rahmen erst seit Unterstellung der zu Brigaden geformten Feldartillerie unter die Divisionen mehr und mehr ausgebildet und zu einheitlichen Grundsätzen verdichtet. Man kann sie als eine Arbeitsteilung nach einheitlichem Willen bezeichnen, wobei der Brigadekommandeur die Handlung im Rahmen der Division regelt,
während
früher vielfach die Abteilungs-
und
Regimentskommandeure, je nachdem ihre Batterien bei Avantgarde oder Gros eingeteilt waren, auf eigene Faust handelten. Aber nicht daraus allein entspringt ein Neues, sondern auch aus der Vermehrung Während der Feldartillerie und ihrer frühzeitigen Entwickelung . 1870/71
bei uns die 24 Geschütze der Avantgarde nach und nach
durch diejenigen des Gros auf 48 gebracht wurden und die Korpsartillerie im allgemeinen erst später, vielleicht auch bei der anderen Division jetzt
auf entfernterem Teile des Schlachtfeldes eingriff,
mit jeder Division 72 Geschütze
auftreten .
können
Und mit dieser
Zahl werden wir als Angreifer in der Regel von vornherein zu rechnen haben, selbst dann, wenn der Vorsprung des Verteidigers
638
Vorbereitende Erkundung gedeckter Artillerie-Stellungen.
nur gering ist. ') artillerie so früh,
Denn überall tritt die Absicht hervor, die Feldals mit ihrer Sicherheit vereinbar, zu entwickeln
und sie dementsprechend in der Marschkolonne weit nach vorn zu schieben. Der Bedarf an Artilleriepatrouillen mufs genau genommen mit der Ausdehnung der Artillerieentwickelung wachsen . Ihre Zahl läfst sich indessen nur nach den Umständen ermitteln. Während bei gleicher Länge der Linie günstige Verhältnisse
vielleicht ein Aus-
kommen mit nur zwei gestatten, können Unübersichtlichkeit des Geländes, ungünstige Witterungs- und Niveauverhältnisse , Aufmerksamkeit der Vortruppen usw. eine wesentliche Vermehrung fordern. Für die vorliegende Betrachtung festgehalten werden.
soll an der Mindestzahl von nur zwei
Aus der verdeckten Aufstellung des Gegners dürfte eine Forderung nach Verstärkung des Personals zur Erkundung nicht abzuleiten sein. Könnte man damit rechnen, dafs der Verteidiger auf sich zeigende Patrouillen, ja sogar einzelne Reiter mit Geschützen auf weithin feuert, wie dies aus den eingeschlossenen Festungen 1870/71 geschah und auch neuestens im russisch-japanischen Kriege vorkommen soll, dann freilich würde eine Steigerung der Zahl Wert haben, um das Feuer ohne wesentlichen Einsatz herauszulocken und Solche Munitionsvergeudung so den gewollten Einblick zu erhalten ist aber nicht anzunehmen. Die Verteidigungsartillerie dürfte sich in Schweigen und Unsichtbarkeit hüllen, bis sich ihr ein lohnendes Ziel bietet. Dafs dagegen die Anforderungen an das geistige Auge der Erkundenden gestiegen sind, um den gewissermassen durch eine Tarnkappe dem Blick entzogenen Feind nach Geländegestaltung, Verteilung der Vortruppen usw. festzustellen , war schon angedeutet. Die Befürchtung überraschender and empfindlicher Verluste durch einen Schrapnellhagel gewärtig zu sein, wenn man beim Anmarsch eine Blöfse bietet, läfst auf die Notwendigkeit schliefsen , für solche Lagen über das gesamte Aufsichtspersonal zu
verfügen.
Je unerwarteter und empfindlicher die Kugeln in die Truppe hineinschlagen, desto unentbehrlicher sind die Zug- , Geschütz- und Wagenführer, um eine Katastrophe abzuwenden. Deshalb wird man weniger denn früher vielleicht daran denken können , die zur Erkundung 1 ) Im Kampfe gegen Frankreich, sofern die in Erwägung gezogene Unterstellung der gesamten Feldartillerie unter die Divisionen verwirklicht wird und es sich bestätigt, dafs die Batterien, entgegen dem Reglement, zu sechs Geschützen ausrücken (vgl. Jahrbücher 1904, Juniheft 781/82), gegen Rufsland je nach Stärke der Brigaden zu sechs bis neun Batterien mit 48 bis 72 Geschützen .
Vorbereitende Erkundung gedeckter Artillerie-Stellungen.
639
nötigen Kräfte dem Aufsichtspersonal vorübergehend zu entnehınen. Mit anderen Worten, der Bedarf an jenen gestellt sein.
mufs besonders bereit
Auch für die Erkundung des Geländes zum Vormarsch sollen günstige Verhältnisse vorausgesetzt und angenommen werden, daſs jedes Regiment auf einem Wege anrückt.
Der Mindestbedarf würde
sich dann stellen auf je einen Aufklärer mit drei Meldereitern, diese zu dem Zweck, auch in breiterer Front zu sehen, die Verbindung mit der Truppe herzustellen, um in Örtlichkeiten das Nachfolgen auf richtigem Wege zu sichern usw. Sonach
wären
unter
durchaus
günstigen Verhältnissen
als
Mindestbedarf zu fordern zwei Artilleriepatrouillen mit zusammen zwei Offizieren und sechs Reitern , zwei Geländeaufklärer - bäufig ebenfalls Offiziere - I mit ebenfalls sechs Reitern. Von den ansatzmäfsig Berittenen treten als Meldereiter zu den Stäben : drei zur Brigade, je zwei zu jedem Regiment und jeder Abteilung. Bei letzteren Stäben ist der für sie ausgeworfene je ein Trompeter zur Ergänzung der Zahl drei, welche wohl allgemein als notwendig zugegeben wird ,
angerechnet.
Das ergibt innerhalb der
Brigade einen Gesamtbedarf von 21 Meldereitern, von denen 15 aus den Batterien zu decken sind. Sonach haben die zwölf Batterien aufzubringen zwei bis vier Offiziere - zwei in dem Falle, dafs die Geländeaufklärung unter Unteroffizieren vor sich geben kann - und 27 Meldereiter, so dafs an letzteren, einschliesslich der jedem Batterieführer unerlässlichen zwei, jede Batterie vier bis fünf derartige Abgaben machen muls . Diese Zahlen stellen, wie nochmals betont sei, Mindestforderungen dar.
Sie können unter schwierigen Verhältnissen sehr wohl auf das
Doppelte steigen. Und namentlich mufs darauf hingewiesen werden, dafs sich die Entnahme an Offizieren durch Kommandierung zur Division und Brigade für Ordonnanzzwecke, zur Orientierung in der Stellung, zur Beobachtung gefährdeter Flanken beim Vormarsch usw. erheblich höher gestalten wird. Jede mobile Batterie soll vier Leutnants, eine fahrende 19 , eine reitende 27 Unteroffiziere, Trompeter und Gefreite besitzen, wobei Fahnenschmiede und Lazarettgehilfen, weil für den Erkundungsdienst nicht ausgebildet und anderweit in Anspruch genommen , weggelassen sind. Von den zwölf Gefreiten jeder reitenden Batterie gehört ein Teil zur Geschützbedienung ; eine vorübergehende Verwendung im Aufklärungsdienste erscheint aber angängig, wie überhaupt von reitenden Kanonieren . Die Reibungen werden hier also leichter als
640
Vorbereitende Erkundung gedeckter Artillerie-Stellungen.
bei fahrenden Batterien zu überwinden sein, weshalb weiterhin von diesen ausgegangen wird. Beschäftigen wir uns mit dem schwierigeren Fall bei fahrenden Batterien näher, so werden durch den Aufsichtsdienst beansprucht : vier Leutnants als Zug- und Staffelführer, der Wachtmeister hinter der Front der Gefechtsbatterie, ein Unteroffizier als Munitionsunteroffizier, zehn als Geschütz- und Wagenführer, der Quartiermeister als Führer der grofsen Bagage, zusammen also die vier Leutnants und dreizehn Unteroffiziere usw. Sonach blieben sechs Unteroffiziere usw. zur Verfügung für Zwecke der Erkundung und des Meldedienstes und als Ersatz für einen anderweit verwendeten Leutnant. Man wird zugeben, dafs ein noch weiteres Herabgehen in den Forderungen an Personal für die besprochenen Aufgaben nicht angängig ist, ebenso aber auch, dafs mehr als dieser Mindestbedarf nicht mehr gedeckt werden kann.
Nun soll man sich aber nicht
auf das Allernotwendigste beschränken, sondern Spielraum wenigstens bis zu Durchschnittsleistungen geben. Bestimmte Zahlen für solche können natürlich nicht beigebracht werden . Aufser der vorstehend aufgestellten Behauptung, dafs ungünstige Verhältnisse leicht ein um das Doppelte gesteigertes Bedürfnis
hervorrufen
könnten,
sei
nur
darauf hingewiesen, dafs die Erkundung über die erste Stellung auch noch auf folgende
auszudehnen sein wird.
Vergegenwärtigen wir
uns die hohen Verluste, welche die Artillerie im russisch-japanischen Kriege aufzuweisen hat und bedenken wir ferner, dafs nach Eintritt derselben das Aufsichtspersonal für fernere Handlungen erst recht an die Truppe gebunden ist, so mufs man zu dem Schlufs kommen ,
dafs
die
Zahl
der
Berittenen
bei
fahrenden
Batterien unabweislich erhöht werden mufs . Der Erkundungs- und Meldedienst gerittene,
in
der
erfordert unbedingt durch-
Gewalt des Reiters
befindliche
welche an anderen kleben, Hindernisse verweigern,
Pferde .
Tiere ,
nicht in Atem
sind usw. können für jene Zwecke keinesfalls gebraucht werden. Besitzen aber fahrende Friedensbatterien
so viel gut gerittene und
zuverlässige Pferde oder erhalten sie solche im Mobilmachungsfalle, um neben dem sonstigen Bedarf den für den Erkundungs- und Meldedienst decken zu können ? Die besten Stammpferde erhalten zweifellos die Leutnants (zusammen 8)
und demnächst
das
übrige
Aufsichtspersonal ( 13). Ausserdem mufs doch jedes Geschütz und jeder Munitionswagen ein gängiges Vorder- und Stangensattelpferd erhalten (24) . Auch diese Forderungen müssen als Mindestmals bezeichnet werden und doch können sie bei Batterien niederer Etats nicht mehr erfüllt werden,
selbst wenn jedes Pferd
derselben dem
Vorbereitende Erkundung gedeckter Artillerie- Stellungen.
641
Zweck entspräche, was leider, wie jeder Feldartillerist weifs, wegen der Gebäude der Tiere nicht zutrifft. Von den bei der Mobilmachung
ausgehobenen Pferden ist in
beregter Hinsicht nicht viel zu erwarten. Sind gerittene Pferde an sich schon verhältnismässig wenig vorhanden , so werden sie in erster Linie naturgemäſs den Offizieren und Sanitätsoffizieren nicht berittener Truppen zugewiesen. Bliebe noch übrig, geeignete Tiere bei der Truppe zuzureiten. Wer leistet aber für die dazu erforderliche Zeit Gewähr?
Auf längeren Märschen können Pferde vielleicht
so weit
gebracht werden, dafs sie den Reiter dulden und für die notwendigsten Hilfen empfänglich werden.
Die erste Schlacht steht aber vielleicht un-
mittelbar nach dem Eintreffen im Aufmarschgebiete bevor. Mit dem Zureiten ist also auch nicht zu rechnen. Deshalb erübrigt nur, den Friedensstand fahrender Batterien niederen und mittleren Etats zu erhöhen, und zwar jener um 4, dieser um 2 Pferde. Generalleutnant Rohne bewertet die Feuerkraft der Rohrrücklaufgeschütze in dem Aufsatze „ Die Entwickelung der modernen Feldartillerie wie folgt : „ Die hohe Feuergeschwindigkeit in Verbindung mit dem ihr angepafsten Schiefsverfahren wird den Erfolg haben , daſs alle Truppen es nach Möglichkeit vermeiden werden, sich offen dem feindlichen Artilleriefeuer auszusetzen ; denn das würde gleichbedeutend mit ihrer Vernichtung sein. " Diese Behauptung dürfte den Nagel auf den Kopf treffen. Die Feldartillerie, welche mit dem Eintritt in den Kampf an ihren Platz gebunden ist und auf ihm abwarten mufs, wie die Entscheidung fällt, hat doppelt Ursache, sich so lange unbemerkt zu halten, bis sie mit voller Aussicht auf Erfolg das Feuer eröffnen kann. Die Schwierigkeiten, dies zu erreichen , sind gewachsen . Deshalb muss für den Frieden vermehrte Übung des zur Erkundung benötigten Personals , für den Krieg eine gröfsere Anzahl gut gerittener Pferde verlangt werden, die schon im Frieden in den Etat der fahrenden Batterien niederen und mittleren Etats einzustellen sind. ' ) 1) Nebenbei gesagt, liegt diese Vermehrung auch im Interesse der Reitausbildung. Um die benötigte Zahl von Fahrern zu schaffen, müssen nicht nur die meist recht lebensmüden Krümper mitgehen, sondern mehrfach auch Pferde in 2 Abteilungen geritten werden. Zudem sind für die Einjährig-Freiwilligen solche Tiere zurückbehalten, die, zur Ausrangierung bestimmt, nur für deren Zwecke zurückblieben. Dals auf solchen verbrauchten Gäulen, welche noch dazu in früheren Zeiten vielleicht vornehmlich im Zuge gegangen sind, keine grofse Reitfertigkeit zu erlangen ist, liegt auf der Hand.
642
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz. XLIII . Die
Iserarmee
vom Aufmarsch
bis
zur
Schlacht
von Königgrätz . Von Werner Freiherr v. u. z. Aufsess, Kgl . bayr. Hauptmann , Adjutant d . 4. Feldart.-Brigade. (Mit Karte . )
Einleitung. In der relativen Unterlegenheit der Österreicher in
bezug auf
Friedenserziehung der Armee und besonders in bezug auf militärische Vorbildung und Übung auch der höheren Führer liegt nur Grund ihrer Mifserfolge in Böhmen. Dies zu verschweigen, erscheint weder
möglich,
der
noch zweck-
dienlich, wenn man die kriegsgeschichtlichen Ereignisse einer operativen und taktischen Betrachtung unterziehen will. Denn nur durch diesen Hinweis auf das falsche bezw. fehlende System in der Vorbereitung der Armee für den Krieg werden viele der seitens der österreichischen Heeresleitung und seitens einzelner Führer im Kriege begangenen Fehler
erklärlich
und
für
die
schuldigen
Persönlich-
keiten bedeutend weniger belastend . Die letzteren erscheinen uns vielfach gewissermafsen als Opfer der Schwächen und Irrungen ihrer Zeit, Wenn ich gleichwohl
bei den folgenden
Betrachtungen
den
kritischen Weg zu geben wage, so geschieht dies um für jüngere Kameraden die Quellen für das Studium der Ursachen von Siegen und Niederlagen zu vermehren. Ich scheue mich um so weniger diesen kritischen Versuch zu veröffentlichen, als nach den bisherigen allerdings ungenügenden Nachrichten über den Verlauf des russischjapanischen Krieges der Verdacht nicht unberechtigt erscheint, daſs die Russen aus dem Feldzug 1866 - gerade in den wichtigsten Punkten - nicht die richtigen Lehren gezogen haben. I. Benedek und die Iserarmee. Die österreichische Hauptarmee betätigte in Mähren, das I. österreichische Korps in Böbmen, das sächsische Korps bei Dresden den grölsten Teil ihrer Mobilmachung und ihre Versammlung. Vom I. Korps (Graf Clam), welches mit 3 Brigaden bereits im Frieden in Böhmen stand, war die Mitte März von Krakau eingetroffene Brigade Ringelsheim bis in die Gegend von Teplitz
vor-
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz.
geschoben ;
643
dahinter sammelte sich bei Theresienstadt die Brigade
Leiningen, während die Brigade Poschacher mit dem Hauptquartier in Prag lag; Brigade Piret stand in der Gegend Josefstadt-Königgrätz. Die Absichten Benedeks mit den ihm für den bevorstehenden Krieg unterstellten Truppen ergeben sich aus
einem Schreiben des
Feldzeugmeisters an den Kronprinzen von Sachsen am 23. Mai 1866 ; dasselbe lautet (verkürzt) : „ Nachdem die Vereinigung des k. sächsischen Korps erfolgt sein wird, habe ich die Absicht, Earer k. Hoheit den Oberbefehl über beide Armeekorps zu übertragen, insolange dieselben von der Armee detachiert bleiben."
• Nachdem die mir
unterstellte k. k. Armee
ihre Samm-
lung erst künftigen Monats beendigt haben wird, so
ist das in
Böhmen stehende Korps angewiesen worden, sich bei Josefstadt und Königgrätz in dem Falle zu konzentrieren , wenn die preussische Armee, von dem ihr vergönnten Zeitvorsprunge Gebrauch machend, zum Angriff schreitet,
sei es direkt aus der Lausitz
nach Böhmen,
oder aber nach vorausgegangenem Einfall in das Königreich Sachsen. Durch die Sammlung bei genannten Festungen tritt das I. Korps in nahe Verbindung mit meiner Armee, und ich werde in die Lage versetzt, mit gesamter Kraft die Offensive den Umständen gemäſs zu ergreifen. Korps
Am zweckmäfsigsten wäre
es,
wenn
das
sächsische
nach dem Übertritt mit der Brigade Ringelsheim
die Ver-
einigung mit dem I. Korps bei Josefstadt in der kürzesten Richtung über Teplitz - Leitmeritz - Münchengrätz bewirkte. - Sollte diese Marschlinie nicht mehr die erforderliche Sicherheit bieten, so müſste die südliche Strafse
über Weltrus
und Podiebrad,
schlimmstenfalls
die Hauptstrasse nach dem linken Elbufer gewählt werden.
Gegen-
über der preufsischen Aufstellung Hoyerswerda- Görlitz erscheint ein Hinüberschieben des sächsischen Korps auf das rechte Elbufer im höchsten Grade gewagt. Die behufs Zerstörung der Eisenbahnbrücken bei Löbau,
Bautzen, Riesa
brücke bei kommen. "
getroffenen
Meifsen
6 Tage später, durch
Wurzen und der Elbe-
Vorbereitungen
also am 29. Mai,
eine Anfrage Clams
und
billige
hatte Benedek
die Absicht,
die
ich
voll-
veranlafst
gesamte Iserarmee
(I. österr. Korps , Kavalleriedivision Edelsheim und sächsisches Korps) bei Münchengrätz zusammenzuziehen, um von hier aus ein etwaiges Vorgehen der Preufsen über Reichenberg aufhalten zu können. Die Die Vereinbarungen auf der am 1. Juni in München stattfindenBundesstaaten. den Zusammenkunft von Militärabgeordneten von Bayern, Württemberg, Baden, Sachsen, Grofsherzogtum Hessen und Nassau vermieden 42 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 405.
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz.
644
eine bestimmte Stellungnahme, sondern setzten nur fest, dafs die betreffenden Kontingente bis zum 15. Juni an günstig für transport gelegenen Punkten versammelt sein sollten.
Die Sachsen.
den Bahn-
Die ganze Haltung Süddeutschlands war Anfang Juni aber noch eine so schwankende, dafs Sachsen, da es sich nicht wie 1756 aufheben lassen wollte und deshalb einen Entschlufs fassen musste, den Anschluss an die Mittelstaaten für unmöglich hielt und sich zum direkten Anschluſs an die österreichische Nordarmee entschied . Ursprünglich beabsichtigte der König von Sachsen waffenebrenhalber ein Treffen in Sachsen zu liefern und dann erst den Weg nach Böhmen einzuschlagen . Da aber die Österreicher noch im Rückstand waren und er sich deshalb zu sehr exponiert glaubte, gab er diesen Gedanken auf. Am 8. Juni erklärte die schen, sei,
sächsische Regierung der
dafs sie bestimmt zum Kriege
gegen Preufsen
sobald ein direkter Angriff oder auch nur
österreichientschlossen
eine Überschreitung
der sächsischen Grenze von seiten Preuſsens erfolge oder
ein dies-
bezüglicher Bundesbeschlufs vorliegen würde. Schon am 6. Juni war Adjutant Oberstlt. Beck im Auftrage des Der Kaiser erKaisers ins Hauptquartier nach Olmütz gekommen, um Benedek zum mahnt Benedek, mit der Offensive zu- Aufbruch zu mahnen : „ Es sei wünschenswert " , meldete Beck, „ dafs vorzukommen. das österreichische Heer dem Einbruche in Sachsen oder wenigstens in Böhmen zuvorkomme, ganz besonders läge dem Kaiser daran,
k . sächsischen Truppen durch eine rasche Offensive der Preuſsen nicht von der k . Hauptarmee abgeschnitten werden, weil sonst ihre spätere Vereinigung unmöglich würde. "
daſs die
Aber Benedek und Krismanic,
der Leiter der österreichischen
Operationskanzlei, hielten es am 6. Juni angesichts des unfertigen Aufmarsches für untunlich, den Preufsen mit einem Angriff entgegenzukommen.
Auch am 10. Juni, dem
eigentlich
beabsichtigten Auf-
bruchtage der Armee hielten sie sich noch nicht für operationsfähig, da die Kolonnenmagazine der Brigaden und der Armeekorps noch nicht vollständig organisiert waren. Von den sämtlichen Mittelstaaten sah nur Sachsen wirklich die Notwendigkeit ein, die volle militärische Einigung mit Österreich zu vollziehen . In den mit dem bayer. General v. d. Tann vereinbarten Punktationen nahm man zwar das Eintreffen der Bayern zwischen Elbe und Iser für Ende Juni oder die ersten Tage des Juli in Aussicht ; die
schwankende Haltung Bayerns
oder
eigentlich Pfordtens gab
aber zu grofsem Mifstrauen in die versprochene Unterstützung Veranlassung.
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz.
645
Die 99 Militärischen Punktationen für den Fall, daís aus der jetzigen politischen Lage ein Zusammenwirken der militärischen Kräfte Österreichs und Bayerns gegen Preufsen hervorginge ," bestimmten übrigens unter anderen ausdrücklich, dafs diese Operationen stets im Einklang mit den Landesinteressen der Staaten der
ver-
einigten Armeen bleiben und dafs hierbei nötigenfalls auf Deckung der eigenen Gebiete ihrer Kriegsherrn jene Rücksicht genommen werde, welche nicht in direktem Widerspruche mit dem Hauptzwecke des Krieges steht, insofern derselbe nur durch möglichste Vereinigung der Streitkräfte zu erreichen ist. Hätte man österreichischerseits auf eine direkte Mitwirkung der Bayern gerechnet, so mufsten schon die ersten Aufmarschdispositionen darauf Rücksicht nehmen, denn die militärischen Interessen hätten dann gefordert, dafs man eine Waffenentscheidung solange hinausschob bezw. ihr auswich, bis man auch die Bayern heran hatte. Das Land um und südlich Prag wäre dann wahrscheinlich der ' beste Ausgangspunkt für die österreichischen Operationen geworden. Olmütz Josefstadt- und Iser-Gedanken mufste man sofort aufgeben . Pafssperren konnten vorteilhaft sein. Mit einer direkten Mitwirkung der Truppen des VIII , Bundeskorps scheint man überhaupt nie gerechnet zu haben. In Anbetracht dieser Umstände war es von grundlegender Bedeutung, dafs Benedek wenigstens das sächsische Korps , das einzige, das sich wirklich verlässig zur direkten Mitwirkung förmlich aufdrängte, möglichst intakt, d . h. ohne Störungen durch den Feind an durch das I. Korps Aufnahmestellungen sich heranzog. kamen erst in zweiter Linie in Betracht, denn man mufste österreichischerseits mit aller Energie darauf bedacht sein, dafs Gefechte beim
Herannahen
der
Sachsen
überhaupt
möglichst
vermieden
werden ; man mufste eben österreichischerseits Vorkehrungen treffen, dals ein derartiges Eingreifen wurde.
des
I. Korps
überhaupt überflüssig
Der sehr gute Kundschafterdienst verschaffte dem österreichischen Armee- Oberkommando in der hier einschlägigen Zeit (bis 16. Juni) stets vollauf genügende Kenntnis über den Verbleib der feindlichen Armee und der einzelnen Armeekorps . Durch einen Blick auf die Karte hätte das österreichische Armee- Oberkommando zu der Erkenntnis kommen können,
dafs
es
durch
ein Vorrücken
der I. feindlichen Armee zu ernsten Gefechten kommen konnte , wenn man die
Sachsen
erst am Tage des feindlichen
Einmarsches in
Böhmen von Dresden aus über Jungbunzlau nach Josefstadt oder über Altbunzlau nach Clumec herannehmen wollte . In diese Gegend 42*
646
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz.
mulste man aber wohl die Sachsen und das I. Korps solange man festhielt.
heranziehen ,
noch an dem Aufmarschgebiet Josefstadt-Königgrätz
Gerade weil
man
sich
nicht
entschliefsen
Hauptarmee nach Böhmen aufzubrechen,
konnte,
mit
war die Möglichkeit
der
nicht
ganz ausgeschlossen , dafs die Iserkorps sogar eine Niederlage erlitten, wenn man bei Vereinigung derselben einen Fehler machte. Denn bis
die
österreichische
Hauptarmee
mit
einer
genügenden
Zahl von Armeekorps von Mähren her an der Iser ankam , war sehr wohl der Fall denkbar, dafs die II . preulsische Armee bei Liebenau-Hochstadl stand, während die I. mit der Elbarmee nach ihrem Siege über die Iserkorps Iser sich anschlofs .
südwestlich Liebenau
entlang der
Die österreichische Operationskanzlei hatte also das gröfste Interesse daran, den frühzeitigen und beschleunigten Abmarsch der Sachsen durchzusetzen und die nötigen Vorbereitungen zu veranlassen. Eine diesbezügliche Einwirkung wäre auch aus manchen anderen Gründen höchst wünschenswert gewesen. Der österreichischen Diplomatie und technisch geschulten militärischen Autoritäten, die mit positiven Vorschlägen und Vorarbeiten die nötige Überredungsgabe an den Tag legten, wäre es sicher gelungen bei den Sachsen hinsichtlich Zeit und Form des Abmarsches und der Zerstörungen alles durchzusetzen, was die österreichische Operationskanzlei für notwendig hielt. - Von den Sachsen durfte man nicht voraussetzen,
dafs sie den Interessen der grofsen Opera-
tion von Hause aus genügend Rechnung trugen, solange sie die Absichten der Österreicher nicht kannten. Die Eisenbahnbrücke bei Dresden wäre das dankbarste Zerstörungsobjekt gewesen ; denn sie liegt auf der Strecke Prag- Dresden -Westdeutschland bezw. Berlin und konnte deshalb im Laufe des Feldzuges nicht nur für den Nachschub, sondern auch für die Truppenverschiebungen der Preuſsen gute Dienste leisten . Eine Schonung der Brücke mit Rücksicht auf eventuelle spätere Ausnutzung derselben durch die Österreicher und Sachsen war um so weniger angezeigt, als man dieselbe dann doch wahrscheinlich von den Preulsen zerstört vorgefunden hätte.
Lage und Be-
Die Hauptarmee stand am 16. Juni in Mähren. Ihre Verteilung fehleBenedeks am 16. und 17. daselbst wäre günstig gewesen für einen sofortigen direkten VorJuni. marsch gegen Josefstadt-Pardubitz mit mindestens 3 Korpsteten ; in etwa 7 Tagen hätten 4 Korps die Linie Josefstadt-Pardubitz erreichen können . Auf ein Telegramm des Kaisers vom 16. Juni hin, wonach „der
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz. Beginn der Operationen dringend erwünscht “ sei,
647
ordnete Benedek
für 17. - 20. Juni Bewegungen der Hauptarmee an, welche für die meisten Korps ein Vorrücken um etwa 1 Tagemarsch und für sämtliche Korps ein Aufschliefsen in sich bedeutete. In einem Antworttelegramm
an den
Grafen Creneville,
den
Generaladjutanten des Kaisers bezw . in einem Berichte an den Kaiser äufsert sich Benedek, dafs Befehle zum Aufbruch bereits erlassen seien. Die Konzentrierung in Mähren sei nötig, da man nicht über Böhmen nach Sachsen marschieren könne, bevor es sicher sei, dafs der Feind nicht seitwärts aus Schlesien ins Land breche ! Sobald darüber Beruhigung berrsche,
werde man
die Armee nach
Josefstadt-Miletin- Königinhof versetzen. Aber es sei zu bedenken, dafs er nach den letzten Ausweisen nur über 153000 Mann Infanterie Nur
verfüge,
dann,
wenn
das preulsische Heer sich
wirklich
das
über mehr
sächsische
bayerische Heer mit den seinigen vereinigten, sei
als
Korps
200000. und
das
er dem Feinde
gewachsen. Diese Vereinigung würde am zweckmäfsigsten an der Elbelinie erfolgen, und geschehe dies, so stünde sein Entschlufs fest, mit
den vereinigten an Zahl
fast gleichen Kräften
die Offensive
aus Böhmen zu ergreifen, die feindliche Hauptkraft aufzusuchen, unbekümmert, wo sie stebe, weil er in diesem Falle sich berechtigt glaube, auf den Sieg auf dem Schlachtfeld zählen zu können, und selbst ein Mifsgeschick nicht jene Folgen haben könnte , wie sie eintreten müſsten, wenn ein solches seine Armee in einer strategisch ungünstigen Stellung und bei den gegenwärtigen Stärkeverhältnissen träfe .
Die Truppen in Böhmen unter Graf Clam seien angewiesen
nach ihrer Vereinigung mit dem sächsischen Korps unter dem Kronprinzen - dem etwa vordringenden Feind nur den unbedingt nötigen Widerstand entgegen zu setzen und vor allem ihre Vereinigung mit der Hauptarmee anzustreben. Aus diesen Berichten und Meldungen spricht die Ahnung eines Mifserfolges . Obne die Ankunft der bayerischen Armee , auf die man anscheinend nur vorübergehend und nie verlässig gerechnet hat, bält Benedek die Offensive für gewagt ! Auch ist aus dem Berichte ersichtlich , wie ungern man sich dazu entschlofs, die 99 Stellung bei Olmütz " zu verlassen ! Am 17. Juni schrieb Benedek an den Grafen Creneville : „Nachdem Herr Oberstleutnant Beck mit Bestimmtheit versicherte,
dafs nach den gestern im Evidenzbureau des Kriegs-
ministeriums eingetroffenen Nachrichten die preufsische Hauptmacht zwischen Landeshut und Görlitz noch versammelt ist und die Bewegungen des V. und VI. Korps in
östlicher Richtung wohl
648
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz . nur als Demonstrationen zu dem Zwecke uns zu täuschen, betrachtet werden können, so erteile ich von der in meiner gestrigen Eröffnung ausgesprochenen Ansicht geleitet in diesem Augenblicke den Befehl zum Abmarsch der Armee nach Böhmen und werden die Spitzen in Josefstadt eintreffen. "
derselben
schon
am
25. bis 27. d . M.
Der diesbezügliche Befehl an das I. Korps in Böhmen lautete im Auszuge : Olmütz, 17. Juni 1866 . 1.
. . . . In diesem Augenblicke steht die feindliche Haupt-
kraft zwischen Görlitz und Landeshut, das VI. preufsische Korps bei Glatz, das V. bei Neifse. " 2. . . . . Die Armee rückt in eine Aufstellung bei Josefstadt. Dieser Flankenmarsch wird durch die vom II. Korps zu beziehende Aufstellung bei Gabel - Grulich - Mährisch - Trübau und durch die 2. leichte Kavalleriedivision gedeckt . " 3. • „ Falls es zu einer Aufstellung bei Josefstadt kommt, haben die unterstehenden und westlich dieser Stellung
befindlichen Truppen (I. Armeekorps, 1. leichte Kavalleriedivision und sächsisches Korps) , wenn sie zum Rückzug gezwungen werden , diesen gegen Miletin zu nehmen. Sonst aber sind im Sinne dieser Mitteilungen und der diesfälligen früheren Befehle die den Umständen gemäfsen Verfügungen selbständig zu treffen . “ 4. . . . . Ich verlege mein Hauptquartier am 22. nach Böhmisch-Trübau." Die formelle Kriegserklärung war zwar zur Zeit der Aus-
Betrachtungen über die BefehleBenedeks fertigung dieses Befehls noch nicht erfolgt, konnte und musste jedoch
am 17. Juni. nach den Vorgängen am deutschen Bunde und den Ereignissen in Deutschland von preussischer Seite stündlich erwartet werden. Benedek wufste sehr wohl, dafs die Preufsen tags zuvor ( 16. Juni) in Wurzen, Riesa und Löbau eingerückt waren. Mit dem Wortlaut des Befehls : „Wenn sie (Truppen der Iserarmee) zum Rückzug gezwungen werden", hat Benedek sich offenbar ein Gezwungenwerden durch Gefecht vorgestellt ; mit Rücksicht auf die später von ihm gegebenen Befehle, in denen er noch viel mehr Gefechtstätigkeit der Iserarmee anheim gibt, ist diese Auslegung des Benedekschen Befehls wohl gerechtfertigt.
Nun hätte
sich aber Benedek sagen können, daís der grölste mehrere Tagemärsche näher zur
Teil der preufsischen Armee um
Iser hatte als die österreichische Hauptarmee ; dafs somit die Preussen sich die Zeit nehmen konnten, zuerst die beiden Iserkorps , welche sich unvorsichtiger Weise an der Iser zum Widerstand bereit hielten,
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz. zu schlagen,
um
649
sich dann erst zum Angriff auf die feindliche
Hauptarmee bereit zu machen. Dieser Angriff wäre wohl auch sehr leicht geworden, wenn es zufällig zu einem „ gezwungenen Rückzug “ gegen „ Miletin " (!) also gegen die Hauptarmee gekommen wäre. Die Verbindung eines gezwungenen Rückzuges " mit einem „ Rückzug gegen Miletin " ist besonders auffällig, und deutet schon auf die Kurzsichtigkeit Benedeks hin hinsichtlich Zeit- und Raumberechnung und hinsichtlich des Unterscheidens zwischen „ intakten Truppen" und solchen, Gefechte zurückgehen, einem
die mehr oder minder geschlagen aus dem gefolgt oder besser gesagt, verfolgt von
siegesbewussten Feind.
Deshalb scheut sich Benedek auch
nicht in höchst überflüssiger Weise wiederholt einzelne Armeekorps ablösungsweise Gefechte durchführen zu lassen, obwohl dieser Gefechtseinsatz die grofsen defensiven Absichten der Operationskanzlei vollkommen durchkreuzte. Diese Kurzsichtigkeit des österreichischen Armeeoberkommandos tritt dann in den letzten Tagen des Juni besonders deutlich zutage. Solange Benedek
sich nicht schlüssig sein
konnte, welchem
Gegner er mit der Hauptarmee entgegentreten wollte, d. h. solange er nicht wusste, aus welcher Richtung der Feind, dessen strategische Offensive er voraussetzte, herkam , mufste die operative Vereinigung der ganzen österreichischen -sächsischen Armee ohne vorhergehende Gefechte sein einziges Ziel sein. Ein Einsatz der Iserarmee zum Gefecht hatte erst dann eine Berechtigung , wenn man damit den Hauptschlag schon vorbereitete ; dies war z. B. der Fall, wenn man die preufsische Armee, wann sie vorrückte, in eine Richtung abzog, die das Eingreifen der Österreichischen Hauptarmee zum entscheidenden Angriff erleichterte, so dafs schliefslich noch in der Schlacht die taktische Vereinigung zustande kam. Trat dann gar der Fall ein,
den man nicht erwarten konnte,
dafs die Preufsen in zwei getrennten Armeen einfielen, so konnte man -- genügende Aufklärung vorausgesetzt ― die Iserarmee dazu verwenden, die
eine
dieser zwei
feindlichen Armeen
aufzuhalten,
während man mit der Hauptarmee gegen die andere feindliche Armee zum Angriff vorging. Es wäre daher vielleicht zweckmäfsiger gewesen, wenn Benedek die Iserarmee intakt nach Gitschin zurückgenommen hätte, jenseits der Iser nur die Kavalleriedivision Edelsheim belassend ; verwandte man zwei Kavalleriedivisionen als rechte Seitendeckung der Hauptarmee gegen Glatz -Friedland, so konnte man das an vorderster Stelle befindliche II. Armeekorps
über Smirzitech
( a . d . Elbe)
zur
650
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz.
Iserarmee heranziehen.
Das Vorziehen
des
II. Korps
hätte den
ganzen Flankenmarsch beschleunigt, der gegen Schlesien hin um so deckungsbedürftiger wurde, je langsamer man ihn ausführte und je mehr man von Brünn-Olmütz aus nach Norden ausbog. Die so verstärkte Iserarmee (3 Korps, 1 Kavalleriedivision ) war dann stark genug,
um
die oben angedeuteten Aufgaben zu lösen.
Beging der Feind beim Vorrücken einen Fehler, so konnte man denselben zu einem Teilerfolge ausnützen, wenn dadurch nicht der Erfolg der Gesamtoperationen in Frage gestellt wurde .
Heutzutage
würde in einem derartigen Falle der Oberkommandierende selbst nach Gitschin voreilen, um die sehr wichtige Leitung der Iserarmee (3 Korps) zu übernehmen ; hier könnte er am frühesten einen Entschlufs bezüglich der Verwendung seiner beiden Armeen fassen, und was sehr wichtig ist - der Iserarmee entsprechende Befehle geben und deren erste Ausführung überwachen.
Die Iserarmee
Bei einer Betrachtung der Verwendung der Iserarmee durch vom Juni. 20. bis 29. Benedek vom 20. bis 29. Juni ist es notwendig, sich vor allem daran zu erinnern, dafs nach Ansicht der österreichischen Operationskanzlei zunächt nur mehr zwei Schlachten¹ ) möglich waren, die den Feldzug einleiten sollten : nämlich die Schlacht in der Elbestellung oder die Schlacht in der Iserstellung ; der Schlacht in der Elbestellung wurde von Hause aus der Vorzug gegeben . Eine „ Offensive ohne die Bayern" hielt man zunächst, d. h. vor der ersten Schlacht, für zu gewagt! Solange und so oft man zweifelte, gegen welche Stellung der Feind vorrückte, will man beide Stellungen behaupten : Die Iserarmee mufs die Iserstellung ,,unter allen Umständen" festhalten, die Hauptarmee beschleunigt den Marsch in die Elbestellung, damit auch letztere nicht unbesetzt und nicht unausgenützt bliebe. So oft und solange man aber auf Grund der einlaufenden Nachrichten ausschliesslich mit einer preulsischen Offensive gegen die Elbestellung rechnet, ist die ganze Aufmerksamkeit des Armeeoberkommandos lediglich dieser Stellung und lediglich der Hauptarmee zugewandt. Man hat das gröfste Vertrauen in die Vorzüge der Elbestellung und fühlt nicht, dafs es notwendig sei, hier möglichst stark zu sein ; deshalb verzichtet man in der Elbeschlacht, die man bestimmt erwartet, armee.
auf die taktische Mitwirkung der intakten Iser-
1) Die Hoffnung auf eine Schlacht bei Olmütz wurde vom 20. ab aufgegeben.
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz.
651
Treffen dann während die Hauptarmee immer noch bestimmt auf eine Schlacht bei Dubenez wartet - beängstigende Meldungen über
einen Feind
an der Iser ein,
so scheint mir das Armeeober-
kommando in der aufregenden Erwartung einer Schlacht bezw. in der Gefechtsaufregung der bei Nachod und Skalitz aufgesuchten Gefechte - hinsichtlich der Verwendung der Iserarmee besonders schwankend zu werden und einem diesbezüglichen Entschlusse, sowie der Verantwortung auszuweichen. Möglich war dieses Schwanken aber nur, weil man mit Zeit und Raum und mit der Unabhängigkeit des feindlichen Willens - den wirklich zu brechen man österreichischerseits nie den Versuch machte nicht rechnete . Man hatte eben keine Kenntnis, keine Ahnung davon, dafs jede Operation erst durch durch das Gefecht ergänzt bezw. gekrönt wird. Andernfalls hätte man sich zu einem ganzen Entschlufs gezwungen sehen müssen . Ich glaube , dafs man im österreichischen Armeeoberkommando vom
26. bis 30. Juni
nie die sichere Hoffnung aufgegeben hat, in
der Elbestellung von mindestens¹ ) 4 Korps angegriffen zu werden , und deshalb glaube ich, dafs man auch nie daran dachte, die Elbestellung gegen die Iserstellung zu vertauschen, solange man nicht in der Elbestellung die „ erwartete " Schlacht geschlagen hatte. Bis dahin wollte man wahrscheinlich den Marsch an die Iser „sistieren". Dafs
man eine 99 Schlacht" schlägt um eine 99 Entscheidung" herbei-
zuführen, war dem österreichischen Armeeoberkommando augenscheinlich unbekannt. Man stellte sich einen Krieg als eine Reihe von mehr oder minder langsam und systematisch aufeinander folgenden „ Gefechten ", „ Treffen " , „ Märsche " usw. vor, mit viel Gemütlichkeit und wenig Ernst. Zu dieser Auffassung über die Iserarmee unter dem Oberbefehle Benedeks geben mir seine Befehle und Berichte im Zusammenhange mit den ihm bekannten Nachrichten über den Feind Veranlassung. In verschiedenen dieser Befehle fällt vor allem auf, dafs das Armeeoberkommando der Iserarmee zumutet, die Iserstellung gegen einen bedeutend überlegenen Feind unter allen Umständen " festzuhalten. Man hatte eben damals eine ganz falsche Wertschätzung der Stellungen, kombinierte nicht und wurde sich deshalb auch nie recht bewufst, wie ernst der Krieg und jedes Gefecht sei . Mit Rücksicht auf die zusammenfassende Betrachtung über die „ Absichten"
Benedeks
mit
der Iserarmee
vom
20. bis 29. Juni
1 ) Zeitweise erwartete man den Angriff der ganzen preussischen. Armee aus Linie Starkenbach- Nachod.
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz.
652
glaube ich die Benedekschen Befehle vom 20. und 24. und die einschlägigen Meldungen über den Feind zunächst übergehen zu sollen. Nur bezüglich des 20. ist ganz besonders hervorzuheben, dafs Benedek an diesem Tage vorübergehend so wenig Hoffnung hat. die Iserstellung verwerten zu können, dafs er die Konzentration der Sachsen bei Clumee genehmigte . Am 24. hatte der Kronprinz von Sachsen in Jungbunzlau eintreffend, auf Befehl Benedeks, den Oberbefehl über die Iserarmee übernommen. gestört
Letztere stand am 25. , ohne durch den Feind bisher
worden zu
sein ,
bei
Münchengrätz-Jungbunzlau
Kavalleriedivision Edelsheim bei klärend . Am
Turnau
gegen
vereinigt,
Reichenberg auf-
26. Juni trifft beim Feldzeugmeister das Telegramm des
Kronprinzen von Sachsen ein, worin der Konprinz anfrägt : ,, ... Ob das mittelst Kourier berichtete, zum 27. ds. Mts. beabsichtigte Vorgehen beider Korps gegen Turnau bezw . Münchengrätz die Billigung und Genehmigung seiner Exzellenz finde ?" Um 15 nachmittags beantwortet Benedek diese Nachfrage mit: „Kourier nicht eingetroffen. In Voraussetzung, daſs getroffene Dispositionen zweckmäfsig, billige ich sie." Um 910 abends telegraphierte das Armeeoberkommando an den Kronprinzen von Sachsen : ,,Starke feindliche Abteilungen stehen vor Trautenau und Infolgedessen wurde der Aufmarsch der Armee bei Josefstadt beschleunigt. Kourier noch immer nicht eingetroffen. Muls es daher, da ich Ihre Absicht nicht kenne, Ihrem Ermessen überlassen , ob für den 27. beabsichtigtes Vorgehen nach dieser Mitteilung vorteilhaft erscheint. Heute Nacht geht Nachod .
Kourier von hier nach Jungbunzlau ab." Aus diesem Telegramm scheint hervorzugeben,
daſs Benedek seit 26. mittags die Iserstellung für minder wichtig hielt. Es waren nämlich seit 26. mittags Nachrichten eingelaufen, wonach mit ziemlicher Bestimmtheit darauf gerechnet werden konnte, dafs die preufsische Armee aus der Linie Glatz-Landeshut in Böhmen einrüicken werde. Bemerkenswert ist,
dafs abweichend von obigem Befehl (910)
die Nachrichten über den Feind in einem um 800 gegebenen Befehl an die Hauptarmee lauteten : ,,Nach soeben eingelaufenen Meldungen rücken bedeutende feindliche Abteilungen über Politz¹ ) und gegen Starkenbach und Trautenau vor." 1) Etwa 20 km nordöstlich von Nachod.
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz. Demnach
scheint
Benedek
erwartet
zu
haben,
dafs
653 die
ganze preufsische Armee aus der Richtung Starkenbach-TrautenauPolitz sich nördlich der Dubenezer Stellung konzentrieren würde, um sie dann anzugreifen . Man rechnete also jetzt mit Bestimmtheit auf die Ausnutzung der Dubenezer Stellung, und da man hierbei nicht daran dachte, dafs die etwa bei Liebstadl-Neu- Paka aufzustellende Iserarmee als linke Flankendeckung der Dubenezer Armee nötigenfalls gute Dienste leisten konnte, jedenfalls aber hier zur gehofften Hauptschlacht rechtzeitig heran war, gab man ihr um 910 abends obigen Befehl. Benedek hat offenbar am 26. abends sein ganzes Augenmerk gegen Nachod und Trautenau hingewendet.
Gewifs dachte er zunächst
nicht daran, mit der Hauptarmee zur Iserarmee zu stolsen, die nach eigener ,,Absicht" handeln darf. Es ist besonders hervorzuheben , dafs der Befehl Benedeks (vom 26. abends) an die Iserarmee nichts darüber enthielt, was der Feldzeugmeister mit der Hauptarmee ,,beabsichtige" und worauf es ihm bei der Iserarmee für 27. bezw. für die darauffolgenden Tage ankäme. ein.
Der wiederholt in Aussicht gestellte Kourier Benedeks traf nicht Vielleicht wollte ihn Benedek erst abschicken, wenn er sich
über die Gesamtlage
vollkommen
klar
war ;
indem er immer auf
diese volle Klarheit wartete, überliefs er einen grofsen Teil seiner Armee zunächst dem Zufalle, d. h. dem Willen des Feindes. Die Meldungen und Gefechte des 27. bestärkten das österreichische Armeeoberkommando wahrscheinlich in der Hoffnung auf die Dubenezer Schlacht, -- Front nach Nordosten. Zwischen 700 und 1000 vormittags lief in Josefstadt beim Armeeoberkommando die Meldung 610 vormittags ) :
des
sächsischen Kronprinzen ein (ab
,,Infolge des Nachtgefechtes des 1. Korps und Verlustes der Brücken von Podol sehe ich von der Offensive für heute ab und werden beide Korps die Stellung bei Münchengrätz besetzen. “ Nachmittags um 315 traf abermals eine Meldung des sächsischen Münchengrätz (ab 230 nachmittags ) ein, welche
Kronprinzen aus lautete :
,,Nach Inhalt des Generalbefehls vom 26. beabsichtige ich am 28. auf Sobotka zu marschieren, mich der Nordarmee zu nähern ; frage gehorsamst an, ob damit einverstanden, ich ferner in Münchengrätz bleiben soll ?
oder ob
Noch bat der Feind
keine überlegenen Kräfte gezeigt." Erst vier Stunden nach Empfang dieser Anfrage gab das Armeeoberkommando eine Antwort !
654
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz.
Auch der um 600 abends (27. Juni) vom Armeeoberkommando an die Hauptarmee gegebene Befehl weist keineswegs darauf hin, dafs Benedek mit derselben an die Iser vorrücken wollte. Dieser Befehl sagt über den Feind folgendes : ,,Die
feindliche
Armee
ist
in
diesem
Augenblicke
noch
geteilt ; während vier Armeekorps, das II. III. IV. und VIII . im nordwestlichen Böhmen eingebrochen sind und sich der Iser nähern, steht das I. Korps hinter Trautenau und sind das V. und and VI. Korps und wahrscheinlich hinter ihnen auch die Garde gegen Nachod vorgerückt. "
Als Beantwortung der
obigen Anfrage des sächsischen Kron-
prinzen ging dann um 735 abends folgendes Telegramm von Josefstadt ab: ,,Armeehauptquartier am 29. Miletin, am 30. Gitschin. Morgen geht Kourier nach Münchengrätz." Welche Absicht dieser Mitteilung des Armeeoberkommandos zugrunde lag, ist sehr schwer verständlich. Wenn man wirklich die Absicht hatte, mit allem Verfügbaren schon am 28. die ,, Offensive gegen den Prinzen Karl" anzutreten und die Iserarmee als Avantgarde der Hauptarmee ausnützen wollte, so mufste dies wohl auch aus den Befehlen an die Hauptarmee für den 28. ersichtlich werden ; auch wäre dann in der obigen Mitteilung an den Kronprinzen die ,,Absicht" Benedeks wahrscheinlich bestimmter zum Ausdruck gekommen . Vielleicht hat man auf Grund der Gefechtsereignisse und Meldungen des 27. bereits ein gewisses Unbehagen in der Dubenezer Stellung empfunden und machte sich auf eine gezwungene Vereinigung
mit
der Iserarmee in Richtung Gitschin gefaſst, wie man
später eine solche in Richtung Chlum-Königgrätz bewerkstelligte. Schon der Umstand aber, dafs man erst am 29. das Hauptquartier nach Miletin verlegen wollte, obwohl man doch schon am 27. abends das III . Korps in Miletin hatte und die „,,Offensive' gegen den Prinzen Friedrich Karl" schon am 28. hätte einleiten können , legt die Vermutung
nahe, dafs
sichten bezw. Hoffnungen hatte . Schlacht bei Dubenez.
man für den 28. noch andere AbDie
Hoffnung
nämlich auf die
Selbst wenn Krismanic durch eine Defensive bei Dubenez das zu erreichen glaubte, was tatsächlich nur durch eine Offensive aus der Dubenezer Aufstellung heraus zu erreichen möglich war, so mufste er jetzt spätestens die „ Dubenezer Schlacht" vor allem gegen feindliche Einwirkung aus der Richtung Hochstadl - Böhm. -Aicha
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz. decken .
Nahm
er
die
Iserarmee
etwa
655
in Richtung Rowensko-
Lomnitz (jedenfalls aber über nördlich Gitschin) heran, so war dieselbe mit der Kavalleriedivision vor der Front gegen Linie Hohenelbe-Niemes aufklärend hier am besten in der Lage die linke Flanke
der Dubenezer Stellung zu
decken und konnte mit
allem, was zur Flankendeckung - die unter Umständen offensiv zu führen war ― nicht benötigt war, in der gehofften Dubenezer Schlacht eingreifen. Jetzt, wo es galt nach Ansicht des Armeeoberkommandos -
die gehoffte Schlacht zu ermöglichen, durfte man auch die Iserarmee nicht schonen, sondern musste alles aufs Spiel setzen. Letzteres lag aber offenbar nicht in der Absicht des österreichischen Armeeoberkommandos.
Je sicherer man nämlich erwartete, dafs es bei Dubenez
zum Gefechtseinsatz der Hauptarmee kommen werde , desto mehr war man darauf bedacht, wenigstens die Iserarmee zu schonen und sie nicht ,, ernstlichen" Gefechten auszusetzen. Am Abend des 27. und noch dazu richtig.
in „ Erwartung"
einer Schlacht war dies gewifs nicht
In der Nacht vom 27./28 . traf beim Armeeoberkommando ein Telegramm des I. Armeekorps ein, dafs eine über Reichenberg gekommene, etwa 20000 Mann starke Kolonne am Nachmittage teilweise gegen Gitschin abmarschiert sei . Das Armeeoberkommando scheint hierin zwar eine Bedrohung der Verbindung des Kronprinzen mit der Hauptarmee erblickt zu haben, aber es scheint nicht gefühlt zu haben, daſs es allerhöchste Zeit war, sich durch eine Offensive in Richtung auf den linken Flügel der II. preussischen Armee Luft zu machen. Das diesbezügliche am 28. früh an den Kronprinzen aufgegebene Telegramm lautete : „Um zu verhindern, dafs sich der Feind zwischen das Gros der Armee und ihre Truppen werfe, wollen Sie ihren Abmarsch rechts mit dem Ganzen antreten ." 1) Der Befehl, insbesondere auch das Wort „ Abmarsch", legen die Vermutung nahe, dafs Benedek sich den Rechtsabmarsch der Iserarmee
als
eine Annäherung an die
Hauptarmee
ohne
Gefecht
dachte ; darauf weisen auch seine späteren Befehle an die Iserarmee hin. Ein ganz bestimmter Befehl an die Iserarmee zur Offensive , um den Feind beschleunigt aus der Gegend Gitschin - LomnizRowensko zu vertreiben war unbedingt notwendig, besonders
1) Nach Friedjung lautete der Befehl : nähern ".
29
sich der Hauptarmee
656
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz.
wenn man immer noch in der wollte .
Erwartung einer Schlacht " beharren
Die weiteren Befehle und Meldungen des österreichischen Armeeoberkommandos am 28. Juni mittags und abends, offenbar unter dem aufregenden Eindruck der Gefechtsereignisse gegeben, sind sehr schwer verständlich. Wenn man annimmt, dafs das Armeeoberkommando infolge eines gewissen Unbehagens - mit dem Entschlusse, nach Gitschin zu marschieren, vorübergehend sich festlegte, so muss noch hervorgehoben werden, dafs es nur wenige Stunden an diesem Entschlusse wirklich festhielt. Benedek mag wohl manchmal
d. h. vor dem 26. an
einem
Abmarsch nach der Iser Gefallen gehabt haben, da dieser Abmarsch einen offensiven Beigeschmack hatte ; aber Krismanic, dessen Einfluss während des Vorrückens nach Böhmen sehr grols geworden war, hätte wohl nie zugegeben, dafs man an der Elbestellung vorbei oder von ihr weg marschierte, bevor man nicht die sichere Überzeugung hatte , dafs die Elbestellung wirklich nicht zur Schlacht auszunutzen sei. Etwa um 12 Uhr mittags traf beim Armeeoberkommando die Meldung des Telegraphenamts Gitschin ein, dafs es durch das Erscheinen des Feindes vor der Stadt gezwungen sei, die Station zu schliessen. Nach 6⁰⁰ abends ging von einem in Gitschin stationierten Gendarmerierittmeister das nachstehende in Neu-Bydschow 528 abends aufgegebene Telegramm ein : „ Um 1000 vormittags Preulsen von Lomniz vor Gitschin angelangt.
Batteriefeuer 1/2 bis 3/4 Stunden vor der Stadt eröffnet.
Eine Division Lichtensteinhusaren und eine Jägerkompagnie stellten sich entgegen. Ausgang mir nicht bekannt, weil mit Kassa und Magazin nach Neu-Bydschow abging . Telegraphenbehörde ist mit nach Bydschow . Der Feind dürfte der über Semil eingerückte
Betrachtungen
sein, 3 Bataillone, 1 Ulanenregiment und 1 Batterie. " [Lomniz ist nur 10 km nördlich Gitschin und 25 km nordwestlich Miletin . ] Diese Meldungen und jene des 29. wären wohl geeignet gewesen,
über gängedie amVor28. die gröfste Aufregung beim Armeeoberkommando hervorzurufen . Man und 29. Juni. hätte sich davon überzeugen sollen, dafs es durchaus nicht mehr so ohne weiteres möglich war
die Dubenezer Schlacht
ruhig
an sich
herankommen zu lassen und mit der Iserarmee nur „ Bewegungen“ vorzunehmen, bei denen man "9 ernsteren “ und „ gröfseren Gefechten" auswich! Hatte doch Benedek in den letzten Tagen nicht einmal
99, Eisenbrod"
mehr 99 im Auge behalten " lassen und auf Aufklärung
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz.
657
östlich Eisenbrod überhaupt nie besonderen Wert gelegt ! Gerade das Bewusstsein , dies unterlassen zu haben, hätte jetzt beunruhigend auf das Armeeoberkommando wirken müssen, und keinesfalls durfte man die Iserarmee nach Miletin heranziehen westlich und nordwestlich unmittelbar von einem Feinde gefolgt, der unter Gefechten über die Iser vorgerückt war. Mit dem Telegraphen nach bezw. über Gitschin konnte Benedek. nun auch nicht mehr rechnen ! Alles drängte also zur Eile und zu einem letzten ganzen Entschlufs ! Aber man wartete ,
selbst noch am darauffolgenden Tage
ruhig auf den feindlichen Angriff. Die Kurzsichtigkeit während des Wartens auf die „ DubenezerSchlacht hat sehr viele Ähnlichkeit mit den Erscheinungen vor und in der Schlacht bei Königgrätz :
War es bei Dubenez
ein
starker
nordöstlicher Feind, von dem man ausschliesslich angegriffen zu werden glaubte, während man die Nordwesttruppen des Feindes ignorierte und für ungefährlich hielt, weil sie um etwa 1 Tagemarsch weiter weg waren, und wohl auch, weil sie noch keinen engen Gefechtsanschlufs an die NO. - Gruppe hatten, so kann man das gleiche von den Österreichern bei Königgrätz behaupten, nur sind die Himmelsrichtungen zu vertauschen . Am 29. um 500 morgens ging verspätet das am Abend vorher
aufgesetzte Telegramm des 1. Armeekorps ein : "9 1. Armeekorps heute (28. Juni) Marsch nach Sobotka ausgeführt unter beständigem Kampf; von Hühnerwasser-Münchengrätz einerseits, von Podol anderseits angegriffen.
Die 1. leichte
Kavalleriedivision über Gitschin auf der Strafse gegen Turnau unter Gefecht vorgerückt, steht bedeutenden Kräften gegenüber. Marschiere morgen (29.) nach Gitschin, hoffe es mit Hilfe der Sachsen zu behaupten oder zu nehmen . “ An den Kronprinzen von Sachsen wurde am 29. früh nachstehender Befehl ausgefertigt, aber erst Nachmittag abgesandt : „ Ich sehe mich genötigt, meine Bewegungen gegen die Iser heute zu sistieren. Die Armee wird im Laufe des heutigen Tages die
aus der Beilage
ersichtliche Aufstellung
einnehmen.
Ew. K. Hoheit wollen Ihre zur Vereinigung mit dem Gros begonnene Bewegung danach einrichten und fortsetzen , bis die Vereinigung erfolgt ist, jedoch weichen. "
grölseren Gefechten aus-
Im Laufe des Vormittags ist Major Graf Sternberg aus dem Hauptquartier abgesandt worden ; derselbe trifft dann um 71/2 Ubr abends bei Gitschin mit der Weisung ein :
658
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz. „ Dals jeder Kampf mit überlegenen feindlichen Kräften ver-
mieden und der Anschluís an Miletin bewirkt werden solle. "
die Hauptarmee
bei Horic und
Am 29. abends lief beim Armeeoberkommando eine in Gitschin um 1200 mittags aufgegebene telegraphische Meldung des Kronprinzen von Sachsen ein :
1. Armeekorps, 1. leichte Kavalleriedivision und sächsische Kavallerie
bei Gitschin,
eine
sächsische Division
bei Podhrad,
Truppen sehr ermüdet. eine bei Gitschinowes eingetroffen. Rasttag dringend notwendig. Vom Feinde heute nur bei Podkost angegriffen , wurde zurückgeschlagen . Im Tale gegen Turnau keine Bewegung sichtbar. Bitte um weitere Befehle . " Abends 830 erfolgte oberkommandos :
die
telegraphische Antwort
des
Armee-
„ Rasttag halten , wenn dringend nötig. Armee bleibt morgen bei Dubenez in Erwartung einer Schlacht. Baldige Vereinigung wäre wünschenswert. "
30. Juni.
Nach der unentschiedenen Kanonade bei Gradlitz am 30. Juni traf beim österreichischen Armeeoberkommando
mittags
die Nach-
richt ein, dafs das 1. und sächsische Korps, welche beide neben dem 3. Korps in die Schlachtstellung einrücken sollten, nicht kampffähig und gänzlich erschöpft seien. Unter diesen Umständen
gab Benedek
den Gedanken
auf, in
der augenblicklichen Aufstellung auszuharren und den Kampf anzunehmen .
Er gab um 300 nachmittags
den
Rückzugsbefehl.
Der
Rückzugsbeginn war für 100 nachts festgesetzt. Abends 530 telegraphierte Benedek an den Generaladjutanten des Kaisers, den Grafen Crenneville : „ Débâcle
des
1. und sächsischen Korps
Rückzug in der Richtung von quartier dort in der Nähe."
Königgrätz
nötigt mich, den
anzutreten.
Haupt-
An den Kronprinzen von Sachsen erging um 815 abends folgendes Schreiben : „ Das Schicksal des 1. Korps nötigt mich, morgen den Rückzug gegen Königgrätz anzutreten. Indem ich mich beehre, eine Abschrift der diesfälligen Disposition beizusetzen bitte ich Höchstdieselben, wenn irgend möglich, die Vereinigung ihrer Truppen mit meiner Armee etwa über Neu-Bydschow und Nechanitz anzustreben."
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz,
659
SchlufsNachdem auf Grund der Befehle Benedeks keine der beiden Armeegruppen in den letzten Tagen des Juni ein n ernstliches " oderbetrachtungen. "gröfseres
Gefecht suchen durfte,
und man an eine Offensive tat-
sächlich gar nicht dachte, die Hauptarmee vielmehr hartnäckig bei Dubenez stehen blieb, -so konnte die österreichische Juni - Operation nach menschlicher Berechnung nur mit einer Katastrophe bei Dubenez oder mit einem vorherigen Rückzug enden.
Je länger man
sich die operative Umfassung gefallen liefs , desto mehr wurde die Rückzugsrichtung durch den Feind bestimmt ; schliesslich konnte die operative Umfassung zu einer doppelten taktischen Umfassung werden und muſsten dann die Österreicher mit 3 Fronten ( Ost, Nord und West) die Schlacht annehmen, an einen Rückzug war dann nicht mehr zu denken. Ich glaube, dahin wäre es gekommen, wenn alles im Sinne der Befehle und Gedanken des Armeeoberkommandos durchgeführt worden wäre. An dem débâcle des I. Armeekorps hätte das Armeeoberkommando viel lernen können. Dals man aber nichts gelernt hat, beweist der Vorgang bei Königgrätz. Zum Lernen und zum Korrigieren ist es eben im Kriege zu spät. In erster Linie ist, wie aus obigen Ausführungen hervorgeht, nicht der Führer der Iserarmee, sondern das Armeeoberkommando daran Schuld, dafs das „ débâcle des I. und sächsischen Korps “ den Rückzug der Hauptarmee zur Folge hatte ; denn das Armeeoberkommando verwendete die Iserarmee nicht rechtzeitig zudem, wozu sie unbedingt verwendet werden musste und machte sich mit der Hauptarmee nicht unabhängig von den Schicksalen der schwächeren Iserarmee. Diese Unabhängigkeit wäre erreicht worden, wenn man am 26. und 27. abends den Entschlufs fafste, - in Ermangelung eines entscheidenden Operationszieles zunächst die 3 Korps der II. Armee, welche man auf der südlichen Strafse über Nachod im Vorrücken wufste bezw. vermutete, anzugreifen; diese Korps waren aus südlicher und südwestlicher Richtung sehr wohl fafsbar und konnten bei der fehlenden strategischen und selbst taktischen Aufklärung der Entscheidung damals viel weniger ausweichen als heutzutage. Am allerwenigsten aber „ nötigte" das „ débâcle “ des I. Korps , das Benedek irrtümlicherweise auch auf die Sachsen ausdehnte, gerade zu einem „ Rückzug gegen Königgrätz " , und zu einer schliefslichen Stellungnahme der ganzen Armee nordwestlich Königgrätz zur Schlacht. Ich glaube, dals gerade der Zustand der Iserarmee und 43 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 405.
660
Die Iserarmee vom Aufmarsch bis zur Schlacht von Königgrätz.
der Feind, der die Iserarmee in diesen Zustand versetzte, den Feldzeugmeister zu einem Rückzug in mehr südöstlicher Richtung über die Elbe etwa bis hinter die Linie Opotschno - Hohenbruck - Königgrätz - Weysoka (6 km südlich Königgrätz) hätten bestimmen sollen, denn alles war besser als in der „ Abhängigkeit vom Gegner" zu bleiben. In der gesamten Linie, deren linker Flügel durch die links vorwärts liegenden Seen angelehnt war, nützte man Königgrätz sehr vorteilhaft aus, und kam selbst Josefstadt zur Verwertung ; Defensive mit Gegenoffensive (an den Flügeln oder in Form eines Durchbruchs ) war unter den verschiedensten Kombinationen möglich und durch Königgrätz erleichtert: Starke Kavallerie nach nördlich Opotschno, 2 Korps zwischen Opotschno und Hohenbruck, 2 Korps zwischen Hohenbruck und Königgrätz , 2 Korps zwischen Königgrätz und Wysoka, Reserve.
1 Korps
nach Tynist und
1 Korps
nach Bejst in
Hier wäre der preufsische Feldherr vor eine nicht leichte Aufgabe gestellt worden und wurde jedenfalls österreichischerseits für die Ordnung der Armee mehr Zeit gewonnen als dies bei Königgrätz zu erwarten war. In der genannten Stellung und aus ihr heraus wäre vielleicht
ein Rückschlag noch möglich gewesen, wenn die österreichische Infanterie und die Entschlufskraft der Führung zur Gegenoffensive nicht versagten. betonen , Ich möchte hier ganz besonders dafs derartige operative
Betrachtungen
über das,
was
nach unseren
heutigen fortgeschrittenen Anschauungen hätte geschehen sollen nicht von vornherein eine Verurteilung Benedeks in sich schliessen . Denn, wenn wir nicht ungerecht sein wollen,
müssen wir zu-
geben, daſs Benedek in einer Schule aufgewachsen war und in Anschauungen lebte, die ihn zu einem „ Verfahren " , wie das oben angedeutete nicht kommen lassen konnten, oder doch eben nur dann wenn er ein „ Feldherr" war, also Einer der sich über seine Zeit erhebt.
Die Fehler Benedeks
beginnen
erst da,
wo die Verstölse
gegen die damals allgemein giltigen Regeln sich zeigen. Das gleiche gilt von dem Führer des sächsischen Korps, des I. österreichischen Corps und der Kavalleriedivision Edelsheim. (Schlufs folgt.)
Zur Schiefsausbildung der Infanterie.
661
XLIV .
Zur Schielsausbildung
der
Infanterie.
Von
Hauptmann Zeifs .
Viele Wege führen zum Ziele, auch zu dem der Schiefsfertigkeit einer Infanteriekompagnie.
Der in den nachfolgenden Zeilen strecken-
weise geschilderte Weg hat sich in der Praxis als gut gangbar und sehr erfolgreich erwiesen. 1. Um das Gewehr solange ruhig halten zu können , als es zur Abgabe eines guten Schusses ruhig stehen muſs, hat jeder Infanterist nach zweimonatlicher Ausbildung Kraft genug . Die Unruhe des Gewehres wurzelt vielmehr häufig in zuviel Kraftanwendung, insbesondere seitens des linken Armes, der linken Hand . Der linke Arm darf nur stützen, besonders wenn er dem Gewehr die Richtung aufs Ziel geben soll. Wollte der linke Arm noch nach dem Einsetzen des Gewehres in die Schulter letzteres hereinziehen, um seine ruhige Lage zu bewirken, so müsste die Muskulatur dieses Armes befähigt sein, gleichzeitig nach zwei verschiedenen Richtungen tätig zu sein, gleichzeitig nach aufwärts stützen und nach rückwärts ziehen zu können. Nachdem dies nicht möglich ist, mufs der linke Arm das anhaltende Hereinziehen des Gewehres in die Schulter dem rechten Arm überlassen und zur Erzielung ruhiger Gewehrlage sich aufs Stützen beschränken . Hierzu braucht die linke Hand nicht krampfhaft fest gespannt zu werden, im Gegenteil verreifst gerade die zu sehr sich anstrengende linke Hand, besonders beim Schiefsen liegend freihändig, meist den Schufs nach abwärts. 2. Oft vermag der Schütze so wenig wie der Schiefslehrer die Ursache eines Fehlschusses herauszufinden, besonders wenn kein Zielkontrolleur angewendet wird, dessen Gebrauch beim Schulschiefsen Erfahrungsdurch Sch.-V. Ziffer 103 letzter Absatz verboten ist. gemäls beeinflussen Zielfehler das Treffen ebensosehr wie die mehr in die Erscheinung tretenden Fehler im Anschlag und im Abziehen. Hauptsächlich zeigt sich grofse Verschiedenheit im Kornnehmen, die schon zu den ungeheuerlichsten Manövern geführt haben soll . Die Zielfehler schwanken am meisten zwischen den drei Kornarten : Gestrichen Korn, Vollkorn, Feinkorn .
Die Fehler werden
sich ver-
mindern, wenn die Schwankung auf zwei Kornarten beschränkt wird. Beim Vollkorn kommt es nicht selten vor, dafs der Schütze das 43*
Zur Schielsausbildung der Infanterie.
662
Visier überhaupt nicht mehr benützt, sondern nur mit dem Korn zielt. Weniger Gefahr, einen Teil der Visiereinrichtung aufser acht zu lassen, besteht beim Feinkornnehmen. Der Unterschied in den Resultaten gegenüber dem „ Gestrichen Korn" ist entschieden geringer beim Feinkorn als beim Vollkorn. Es empfiehlt sich daher, den Schützen von Anfang an daran zu gewöhnen, nie Vollkorn zu nehmen, sondern wenn er „ Gestrichen Korn" nicht ganz fertig bringt, dann mit der Kornspitze unbedingt unter dem Visierkamm zu bleiben. Der im Gefechte häufig beobachtete Hochschufs könnte durch diese Gewöhnung sicher vermindert werden. 3. Grofse Schwierigkeit bereitet das Abziehen
besonders des-
halb, weil es in der Regel zu Beginn der Schiefsausbildung anders gelehrt wird, als man es beim Schielsen braucht. Beim Schusse mufs die das Brechen des Schusses bewirkende Tätigkeit des Zeigefingers unter unaufhörlichem Zurückziehen des Gewebres in die Schulter, also unter Fortdauer der schon beim Einsetzen des Gewehres
in die Schulter begonnenen Zieharbeit
und der rechten Hand erfolgen.
des rechten Armes
Deshalb mufs der Zeigefinger dieser
Hand seine Tätigkeit von Anfang an unter Berücksichtigung, d. h . unter Anwendung der dieselbe begleitenden Arm- und Handtätigkeit lernen. Das Abziehen des Gewehres ohne Zielen , das Krümmen des Zeigefingers darf erst gelernt werden,
nachdem Arm und Hand
das dem Krümmen dieses Fingers vorausgehende, dasselbe begleitende, demselben nachfolgende Hereinziehen des Gewehres in die Schulter gelernt haben.
Will man
den Schützen
die Tätigkeit des Zeige-
fingers lernen lassen, ehe er den Anschlag, das Einsetzen des Gewehres in die Schulter kann, so soll er das Gewehr an die Brust oder an einen festen Gegenstand zurückziehen , bevor und während er das Krümmen des Zeigefingers ausführt und nachdem er es ausgeführt hat.
Auf den
abziehenden Zeigefinger hinsehen zu lassen,
ist nicht richtig, weil es beim Schiefsen nicht sein kann . Ins Gefühl soll der Schütze es bekommen, wie der Zeigefinger sich krümmt, während Arm und Hand unaufhörlich ziehen. Sch.-V. Ziffer 66 verlangt auch, dafs das Abziehen zuerst am festliegenden Gewehr vorgenommen wird. Ein auf einem Sandsack aufliegendes Gewehr ist doch noch nicht festgelegt. Wird aber das Gewehr gegen einen festen Gegenstand, gegen die Brust, gegen die Schulter von der abziehenden Hand zurückgezogen,
so liegt nicht nur das vorne auf-
gelegte Gewehr so fest, als es beim Schiefsen überhaupt liegen kann, sondern die abziehende Hand übt auch während des ersten Abziehens die Tätigkeit des Zeigefingers unter denselben Umständen, wie beim Schiefsen selbst. Ist es ein Wunder, wenn bei dem
Zur Schiefsausbildung der Infanterie.
663
Schützen, der die Tätigkeit des abziehenden Zeigefingers zuerst obne gleichzeitiges Zurückziehen von Arm und Hand gelernt Scharfschiefsen erneut die zeigt,
hat,
beim
zuerst gelernte Art des Abziehens sich
erneut die Schwierigkeiten in der Gewöhnung an ein gleich-
mälsiges Abziehen sich geltend machen (Sch.-V. Ziffer 67)? Auch dem Mucken wird am wirksamsten entgegengewirkt, wenn dem Schützen von Anfang an zum Bewusstsein gebracht wird , dafs
99 Zurückziehen des
Gewehres
Tätigkeit für die Abgabe
in
die
Schulter" die grundlegende
des Schusses ist,
dafs ohne fortgesetztes
Zurückziehen es keine Tätigkeit mit einem Finger der zurückziehenden Hand gibt, dafs das Zurückziehen auch nach dem Brechen des Schusses noch fortgesetzt werden mufs bis nach dem Ansagen des Abkommens bezw. des wahrscheinlichen Treffpunktes. 4. Sehr schwierig, ja wohl das schwierigste der ganzen Schiefsausbildung ist, den Schützen dabin zu bringen, dafs seine Sorge für einen guten Schufs die nervenerregende Besorgtheit um einen guten Schuls besiege. Für einen guten Schuls sorgt, wer vom Fertigmachen bis zum Absetzen
unaufhörlich an die gelernte Schützen-
tätigkeit denkt, wer sich zwingt, die Schiefstätigkeit ohne Rücksicht auf scharfe Patrone
und Treffer immer richtig auszuführen.
Die
Absicht, sich hierzu zu zwingen, mufs unterstützt werden durch ein in jedem Augenblick, auch in dem des Schufsbrechens, dem Schützen zum Bewusstsein kommendes Gefühl von der richtigen Ausführung Dieses Gefühl hat man, wenn man das der Schützentätigkeit . saugende Umfassen des Kolbenhalses ebenfalls fortsetzt bis nach dem Brechen des Schusses, wenn man beim Abziehen nicht nur das Krümmen des Zeigefingers, sondern auch das pressende Drücken von Daumen und Mittelfinger spürt, zum Bewusstsein bekommt. Dem das Schiefsen erlernenden Manne kann man das Bewusstsein dieser Tätigkeit am besten beibringen, wenn man ihn anweist, zum Abzieben nicht nur den Zeigefinger, sondern auch Daumen und Mittelfinger zusammenzudrücken, zu krümmen.
Der Schütze, der sich ge-
wöhnt, solcher Art sich die Tätigkeit von Arm und Hand und Finger zum Bewusstsein, zur körperlichen Empfindung beim Schusse, bei jedem Schusse zu bringen, kann weder reifsen noch mucken. 5. Die Vorübungen beim Schulschiefsen sollen dem Schützen Gelegenheit geben, seine Schiefsfertigkeit, die Leistungsfähigkeit seines Gewebres bezw. dessen etwaige Eigenart und die Einflüsse, welche Witterung und Beleuchtung auf das Schiefsen und Treffen ausüben können, kennen zu lernen. Deswegen werden auch die Vorübungen bei der Errechnung der für Schützenabzeichen in Betracht kommenden Leistungen nicht mitgezählt. Um den Zweck der
Zur Schiefsausbildung der Infanterie.
664
Vorübungen zu erreichen,
darf man daher dem Schützen gar nicht
vorhersagen, wie sein Gewehr geht ; das soll er selbst erproben, herausbringen. Er soll sich vor allem zwingen lernen, jeden Schufs richtig abzugeben, und das mufs er bei den ersten Schielsübungnn an jedem neuen Schiefstage von neuem lernen , wieder lernen wollen . Diesem Streben kommt man entgegen, wenn man dem Schützen wenigstens beim ersten Schusse auf jede Vorübung die Sorge um den richtigen Haltepunkt abnimmt, indem man ihn beim ersten Schusse den normalen Haltepunkt 20 cm unter 12 nehmen läſst ohne Rücksicht auf die Eigenart des Gewehres, auf die Witterungseinflüsse . Der Schiefslehrer, der aus dem Anschufsbilde die Gewehrbeschaffenheit kennt und den Einfluss von Witterung und Beleuchtung zu beurteilen weils, kann gerade durch das Verlangen, beim ersten Schusse normalen Haltepunkt zu nehmen, ersehen, ob der Schütze an dem neuen Schiefstage einen Fortschritt in der Sicherheit der Ausführung der Schützentätigkeit macht oder nicht. Entspricht das Schulsergebnis nicht der gestellten Übungsbedingung trotzdem der Schütze gut abgekommen ist, dann kann dieser beim nächsten Schusse bereits mit einigem Vertrauen in seine Schiefsfertigkeit seinen Haltepunkt ändern. Er lernt spielend, sich zu verbessern, hat er,
und hat er dies bei den sämtlichen Vorübungen so geübt, solange er auf Vorübung schofs, an jedem Schiefstage den
ersten Schuls mit regelrechtem Haltepunkt abgegeben und sich dann , wenn nötig , korrigiert, dann kann man bei der Hauptübung mit sicherer Aussicht auf Erfolg verlangen, dals der Schütze unter Berücksichtigung dessen, was er bei der Vorübung gelernt, schon beim ersten Schufs seinen Haltepunkt so wählt, gröfster Wahrscheinlichkeit treffen mufs. 6. Am Stande
dafs
er das Ziel mit
sollen immer 5 Schützen sein,
welche
in
der
Regel nur einen Schuls abgeben und dann wegtreten sollen. Bis der Schütze wieder zum Schufs kommt, wird der Schiefslehrer, der inzwischen 4 andere Schützen zu belehren hatte, meist vergessen haben, was der eben herantretende Schütze zuletzt geschossen hat. Wissen muss er es aber, sonst kann er denselben nicht belehren , also mufs er ihn fragen : Was war Ihr letzter Schufs ? Wohin halten Sie diesmal?" Schon beim ersten Schufs muls er sich vergewissern, ob der Schütze sich über seinen Haltepunkt klar ist. Der Schütze selbst mufs an das, wonach der Schiefslehrer ihn zu fragen genötigt
ist,
naturgemäss denken .
Da ist doch folgendes
Verfahren viel einfacher, den Schiefslehrer weniger ermüdend, demselben Zeit ersparend : Der Schütze sagt beim Herantreten
an den Stand Name und
Französische und deutsche Disziplin.
Gewehrnummer (auch für den Schreiber),
665
dann während des Ein-
nehmens der Anschlagstellung und zwar beim
ersten Schufs der
Vorübung : „ Haltepunkt 1 Handbreit unter 12 im Strich"; beim ersten Schufs der Hauptübung : ,,Mein Gewehr geht stark rechts hoch, Haltepunkt 3 Handbreit unter die linke Schulter"; bei den nächsten Schüssen der Vor- und Hauptübung : ,,Letzter Schufs ...., Haltepunkt. " Da die Schiefsvorschrift nur sagt, was der Schütze mindestens sagen mufs : Abkommen, Namen und Schufsergebnis, da mündliche Belehrung am Stand Platz greifen mufs und vorstehendes ,,Schützensagen", eigentlich nur ein lautes ,,Schützendenken", die Belehrung beschleunigt, so dürfte dieses Verfahren den Absichten dieser Vorschrift noch weniger als
dem Wortlaut derselben wider-
sprechen. Und da gerade das zur Sache gehörige Gespräch des Schützen diesen zu beruhigen geeignet ist, da er ja nur ausspricht, woran er bestimmt denken mufs, so kann in diesem Verfahren nur eine Förderung blickt werden.
der Schiefsausbildung und
des Schiefsbetriebes er-
Nichts ist so sehr geeignet, einen folgerichtigen Aufbau der Übungen zur Ausbildung im Schulschiefsen zu fördern, als sach- und zweckentsprechende Anordnung dessen, was der Schütze zu denken, zu sagen und zu tun hat. Und wer folgerichtig aufbaut, kann und wird nur mit ehrlichen Mitteln arbeiten.
XLV .
Französische
und
deutsche Disziplin. Von
Paul von Schmidt, Generalmajor z. D.
Dals zur Zeit
des
deutsch-französischen Krieges
im französischen Heere viel zu wünschen übrig liefs,
die Disziplin ist bekannt.
Und nicht erst nach Niederlagen trat die Indisziplin zutage, wię nach der Schlacht bei Wörth, wo nach eines unbefangenen Berichterstatters ― Edmond About — Schilderung die Truppen in voller Auflösung waren, die Zuaven ihre Gewehre wegwarfen, die Soldaten
Französische und deutsche Disziplin.
666 sich betranken
und plünderten,
so
dafs jeder Halt verloren ging.
Nein, auch die Mobilgarden , die noch nicht im Gefecht gewesen waren, sah Francisque Sarcey in wüsten Haufen durch Paris marschieren, aufser Rand und Band, betrunken und johlend, viele in Droschken und allen möglichen anderen Gefährten, manche auch auf Ackergäulen, von Marschordnung gar nicht zu reden. ist es anders geworden, ganz anders.
Seitdem
Dank der Einführung der
allgemeinen Wehrpflicht hat eine ähnliche Regeneration des Heeres, eine ähnliche Erstarkung des militärischen Geistes stattgefunden, wie in Preufsen 1808. Freilich, in den äufseren Formen der Disziplin wird immer ein merklicher Unterschied bleiben zwischen deutschen und französischen Soldaten, in der Haltung, im Erweisen der Ehrenbezeugung, in der Art und Weise den Vorgesetzten anzureden oder ihm Rede zu stehen. Das liegt im Nationalcharakter und in der Verschiedenheit des Temperaments . Nun, ein Soldat, der seinen Oberst „mon colonel ! " anredet und ihm mit lebhaften Gestikulationen eine Meldung abstattet oder auf seine Fragen antwortet,
kann im Grunde
ein ebenso gehorsamer
und pflichttreuer Soldat sein, wie der strammste preufsische Grenadier. Dennoch scheinen auch in den Grundanschauungen von Disziplin und militärischem Gehorsam wesentliche Verschiedenheiten zwischen deutscher und französischer Auffassung zu bestehen. Zu dieser auch anderweit gemachten Wahrnehmung gibt ein Artikel in der France militaire " vom 7. Februar Anlaſs , der gelegentlich einer Meuterei unter den Kanonieren einer Batterie in In diesem ,, Indiscipline" überschriebenen Poitiers erschienen ist. Artikel sagt der Verfasser, Oberst Mireval : ,,Die Indisziplin ist
nach dem Wortlaut des Reglements viel
schwerwiegender, wenn sie in Gemeinschaft begangen ist, das versteht sich von selbst. Was sollte aus einer Armee werden, in welcher
Kompagnien,
Eskadrons,
Batterien
sich
zu
marschieren
weigerten ! Ein einzelner Mann kann leicht zur Vernunft gebracht werden, aber eine ganze Kampfeinheit ! Gemeinschaftliche Indisziplin ist überhaupt eine Art von Feigheit, insofern ein Mann, der Bedenken trägt, allein gegen die
militärische
Autorität aufzutreten,
hinter seinen Mitschuldigen Deckung sucht, damit sein Vergehen minder schwer erscheine ; er rechnet darauf, daſs man es nicht wagen wird, so viele Schuldige
auf einmal allzuhart zu bestrafen.
Diese Logik hat sich auch das Reglement zu eigen gemacht, indem es bestimmt, daſs solche Vergehen , wenn sie von mehreren begangen sind, keineswegs zu leichteren, sondern im Gegenteil zu schwereren werden.
Französische und deutsche Disziplin.
667
,,Das Band des Gehorsams ist ein gedachtes (fictif) , ein moralisches Band. Wer nicht in Reih' und Glied gestanden, wer nicht eine kleine Abteilung im Felde, in schwierigen Verhältnissen, bei grölseren Übungen kommandiert hat, der hat nimmermehr Verständnis für die Schönheit dieser Disziplin, für die Gröfse dieser Ergebenheit, wenn diese Disziplin und diese Ergebenheit bei Leuten zur Geltung kommt , die recht wohl fühlen, dafs sie alle Menschen sind, die einen wie die anderen ; gleich vor der Krankheit, die sie ergreifen, gleich vor dem Tode, der sie niedermähen kann.
Gibt man die Tatsache der
Disziplin als notwendig zu, so folgt daraus die völlige Unterordnung des eigenen Willens. Diese Verzichtleistung auf die Geltung des eigenen Willens ist unerlässlich, und alle Militärs, wie hoch oder wie tief sie auf der Stufenleiter stehen mögen, sind durchdrungen von der absoluten Wahrheit des Satzes : Hauptstärke der Armee."
„ Auf der Disziplin beruht die
„ Das darf man nie vergessen. Man kann verschiedener Ansicht sein über Einzelheiten, auch über die Richtung, welche der intellektuellen oder moralischen Erziehung des Soldaten gegeben werden. soll ; aber es gibt Grundwahrheiten, an denen man nicht rühren darf, die gebeiligt sind, und eine solche Grundwahrheit ist die Notwendigkeit der Disziplin . Wenn diese Disziplin nicht durch überzengende gütliche Einwirkung aufrecht zu erhalten ist, so darf man nicht zögern, Gewalt zu gebrauchen. Wer gegen die Disziplin sich auflehnt, gegen den mufs unter Wahrung der vollen Gerechtigkeit. mit erbarmungsloser Festigkeit eingeschritten werden. ,,Vom
militärischen
Gesichtspunkt
muls
man
bezüglich
des
Falles von Poitiers sagen, dafs die Kanoniere gegen alle Regeln der Disziplin verstofsen haben. Selbst wenn man annimmt, dafs der Hauptmann irgendwie im Unrecht gewesen sei was keineswegs erwiesen ist
so bleibt das Vorgehen der Kanoniere
ein.
schweres Verbrechen, das streng bestraft werden mufs . Um die ganze Tragweite der Sache zu verstehen, mufs man den Eindruck kennen, den der Vorfall auf die Soldaten gemacht hat. Jeder Troupier in Frankreich liest mit Eifer die Zeitungsartikel, welche den Fall berichten oder besprechen. Da heilst es dann in den Kasernenstuben : ,,Da steckt was drin, in den Kanonieren von Poitiers ; wollen sehen,
ob man's wagen wird,
sie zu bestrafen.
Auf jeden Fall wird der Hauptmann seinen Platz räumen müssen, und das ist alles, was die Kanoniere erreichen wollten . Bei solchen Geschichten hat's den Anschein, als bestrafe man die Soldaten ; aber der Vorgesetzte mufs die Suppe ausessen ." ,,Wir würden diese Worte nicht wiederholen, wenn
sie nicht
Französische und deutsche Disziplin.
668
aus vieler Leute Mund kämen . Es fällt mir nicht ein, zu behaupten, dafs der französische Soldat eine schlechte Gesinnung hat; aber er räsoniert gern (il est frondeur), und wenn man ihn gewähren liefse, so würde er sehr bald ganz unbotmässig werden . Sie wollen das nicht glauben? Fragen Sie doch die jungen zugführenden Offiziere, die Unteroffiziere, die mitten in der Kaserne unter den Leuten leben, fragen Sie auch diejenigen unserer jungen Freunde, die ihrer Dienstpflicht genügen ; lassen Sie sich von ihnen aufrichtig sagen, wie man in der Kaserne über die Sache spricht. Was es auch kosten möge, man mufs scharf eingreifen. Die erste Republik strafte mit Pulver und Blei ; auch später blieb Pulver und Blei in den verschiedensten Fällen gebräuchlich . Wir tun nicht desgleichen, haben freilich den Feind nicht vor den Toren. Trotzdem ist es unerläſsein Exempel zu statuieren, das ähnlichen Meutereien ein Ziel setzt. Die Schuldigen zählen auf das allgemeine Mitleid und vor allem auf die Macht der Presse , um der Züchtigung zu entgehen,
lich,
die sie verdienen . Aber was versteht die Presse von einer Frage der ausschliesslich militärischen Ordnung , die für die innere Stärke unseres Heeres mafsgebend ist. Mit Besorgnis und Spannung verfolgen alle Offiziere die Entwickelung einer 99 Geschichte", die ihnen morgen ebenfalls passieren kann. ,,Sie fragen sich, wie sie imstande sein werden, kommandieren,
wenn
respektiert wird. wo der Wunsch,
die
Stellung
In unserer Zeit,
ihre Leute zu
des Vorgesetzten wo die
sich beliebt zu machen,
nicht
mehr
Charaktere schwinden,
allzuhäufig an die Stelle
männlicher Überzeugungstreue tritt, mufs man, soweit sie dessen würdig, diejenigen stützen und vertreten, die ohne Schwäche ihre Pflicht tun.
Es liegt etwas tief Ergreifendes in dem Ausspruch, den
die Zeitungen dem von der Meuterei betroffenen Hauptmann in den Mund legen : „Herr Oberst", sagte er,,,ich bin ein alter Soldat, ich diene von der Pike auf; ich weils, wie schwer manchmal der Dienst für die Leute ist, und ich bemühe mich, ihnen den Dienst so leicht wie möglich zu machen. Aber wenn es Kameraden gibt, die mit dem Strom abwärts schwimmen, um nur keine Unannehmlichkeiten zu haben das werde ich nie tun." Wenn man mit diesen schönen mutigen Worten die Sprache der Meuterer vergleicht, so versteht man die Bedeutung des Vorfalls noch besser : ,,Da ist einer, der uns dumm
machen will," sagten sie,,,wart' nur, wir werden den
Skandal unter die Leute bringen, um uns die Sache vom Halse zu schaffen." Werden, die so sprechen, recht behalten ? „So fragen in dieser Stunde in allen französischen Garnisonen die Soldaten,
die im gleichen Falle, unter Leitung von
etlichen
Französische und deutsche Disziplin. Rädelsführern, gleich dabei
sein würden,
es jenen
669 nachzumachen.
Gerade deshalb ist diese Frage, ganz abgesehen von jeder Persönlichkeit, so ungemein schwerwiegend . Arbeiten wir allmählich am Geiste des Heeres, nähern wir uns einer mehr nationalen Auffassung des Soldatenberufs , setzen wir die zweijährige Dienstzeit ins Werk, aber vor allem wahren wir die Disziplin." Die Ausführungen des französischen Offiziers sind charakteristisch und lehrreich. Charakteristisch für die französische Auffassung von Disziplin, lehrreich in ihrer Begründung. Wesentliche Unterschiede zwischen deutschen und französischen Anschauungen treten zutage nicht nur in dem,
was Oberst Mireval sagt und wie er es sagt, sondern auch in dem , was der deutsche Offizier in jenem Artikel vermifst. Wenn bei uns in Deutschland ein ähnlicher Fall von Meuterei vorkäme, wie er sich in Poitiers zutrug : würden die deutschen für Offiziere bestimmten Militärzeitschriften sich in längeren Auseinandersetzungen über die Notwendigkeit der Disziplin ergehen? sie das nicht vielmehr als selbstverständlich voraussetzen
Würden und das
Vorkommnis im wesentlichen rein sachlich besprechen? Daſs der französische Autor es für angezeigt erachtet, die Unentbehrlichkeit der Disziplin eingehend darzulegen, läíst auf gegenteilige oder wenigstens auf abweichende Ansichten schliefsen, die, wenn nicht in den Kreisen der Offiziere, doch in den dem Heere näherstehenden Schichten der Gesellschaft hier und da sich geltend zu machen scheinen. Dals die Verherrlichung der Disziplin mit einem Pathos durchgeführt wird, das sich nicht immer frei von Phrasen hält, liegt im französischen Charakter. Wenn Oberst Mireval die gemeinschaftlich begangene Indisziplin ,,eine Art von Feigheit" nennt, weil der Wortführer ,,Deckung" hinter seinen Kameraden suche, so mag das in manchen Fällen zutreffen. Dagegen wird man doch feststellen müssen, dafs nur in solchen Truppenteilen eine gemeinschaftliche Auflehnung gegen die Vorgesetzten möglich ist, wo längere Zeit hindurch sich die Neigung zum Ungehorsam wie ein schleichendes Gift in die Gemüter eingefressen hat, so dafs bei irgend einem gar nicht vorhergesehenen Anlaſs der aufgehäufte Zündstoff plötzlich explodiert. Es kann da als Wortführer ein Mann vorgeschoben werden, der verhältnismässig harmlos war und in dessen Kopf der Gedanke der Auflehnung gar nicht entsprungen ist . Dann wird man mit demselben Rechte sagen können, die Gesamtheit suche hinter diesem Schlachtopfer ,, Deckung". Werden doch die Rädelsführer viel härter bestraft als die Teilnehmer und Mitläufer.
Französische und deutsche Disziplin.
670
,,Das Band des Gehorsams ist ein gedachtes (fictif) und moralisches
Band," heifst
es
im
Aufsatz
,,fictif“ mit „ fingiert" übersetzen,
„ Indiscipline".
Wollte man
so würde man dem Verfasser un-
recht tun. Er meint wohl nur, dafs das Band keine physisch fühlbare Fessel von Eisen und Stahl ist, sondern eine von den mancherlei moralischen Schranken, die der denkende und sittlich erzogene Mensch als solche empfindet und respektiert. Ein gar nachdenkliches und vielumstrittenes Thema, über das man seit Kants kategorischem Imperativ bis auf Lombroso sehr verschiedentlich philosophiert hat.
Glücklicherweise ist das einfache und wohlbegründete
„ Du sollst !" eine dem schlichten Manne von Jugend auf durchaus verständliche und einleuchtende Forderung.
Echt französisch ist die
ästhetische Wertung der Disziplin, wenn die
Schönheit" derselben
gepriesen wird ; echt französisch die darauf folgende sentimentale Betrachtung, bis dann mit Emphase die unbestreitbare Wabrbeit betont wird: „ Auf der Disziplin beruht die Hauptstärke der Armeen." Oberst Mireval kommt dann wieder auf die Meuterei von Poitiers. Wie er die beim französischen Troupier zum Ausdruck kommende Beurteilung des Falles charakterisiert, ist wenig schmeichelhaft für den Geist des Heeres. „ Ob man es wagen wird, die Täter zu bestrafen," so fragen nach seiner Auffassung die französischen Soldaten. Gleich darauf verteidigt er sie zwar gegen den Vorwurf „ schlechter Gesinnung", meint aber doch, dafs der Hang zum Räsonnieren zu gänzlicher Unbotmässigkeit führen könne , wenn man nicht scharf eingreife. Da ist es denn kein Wunder, dafs nach Mireval die Schuldigen „ auf das allgemeine Mitleid und auf die Macht der Presse zählen,“ um der verdienten Züchtigung zu entgehen. Ebenso ist die Spannung und die Besorgnis erklärlich, mit der die französischen Offiziere der richterlichen Entscheidung über den Fall Poitiers entgegensehen. Endlich die Gegenüberstellung der allerdings unverbürgten Erklärung des Batteriechefs und der rohen, fast cynischen Zuversichtlichkeit der Meuterer. Wenn es so bedenklich steht mit dem in der französischen Armee herrschenden Geiste, dann ist die Mahnung des Oberst Mireval, sehr gerechtfertigt.
vor allem anderen die Disziplin
za
wahren,
Der oben angeführte und kurz besprochene Artikel des französischen Offiziers wird in der Nummer der „France militaire" vom 22. Februar erläutert und ergänzt durch einen zweiten Aufsatz ,,Evolution militaire " von demselben Verfasser. Dort beilst es u. a.: ,,Die Armee war ehemals eine Berufsarmee ; sie war aus Leuten
Französische und deutsche Disziplin.
671
zusammengesetzt, die man oft viel mehr wie zum Waffendienst verpflichtete Söldner behandelte, denn als Bürger, die berufen waren, ihrem Lande
zu
dienen.
Dagegen
ist die Armee von heute
aus
allen Franzosen zusammengesetzt, die der Reihe nach ihre militärischen Pflichten erfüllen .
Das ist ein Unterschied !
Die Entwickelung
entspringt nicht irgend einem Gedankengange, sie entspringt aus den Tatsachen selbst. Der Soldat des zweiten Kaiserreiches war ein ergebener und hartgesottener Mann, der niemals über die gegebenen Befehle räsonierte, dessen Intelligenz jedoch meist gar sehr beschränkt war ; der heutige Soldat ist besser unterrichtet infolge des fortgeschrittenen Schulunterrichtes und weil junge Leute, die sich höheren Berufsarten widmen, ebenfalls in den Reihen des Heeres dienen ." Hier erinnert man sich unwillkürlich der Königlich Preussischen Kabinettsordre , welche die Einführung der Kriegsartikel von 1808 begleitete :
„ Da
die
allgemeine
Militärkonskription in der Folge
Leute von guter Erziehung und feinem Ebrgefühl als gemeine Soldaten unter die Fahnen stellen wird , so ist mit Zuversicht zu erwarten, daſs diese nicht nur selbst ihren Vorgesetzten willig folgen und durch gute Applikation den Militärdienst leicht erlernen, sondern auch eben hierdurch ihren Kameraden aus den weniger gebildeten Ständen ein Beispiel
vernünftigen Gehorsams
und wirksamer An-
wendung ihrer Kräfte und Fähigkeiten geben und zu ihrer Ausbildung wirken werden, und dafs daher mit einer gelinden Behandlang Ordnung und Disziplin in der Armee werde erhalten werden können.
Seine Königliche Majestät versehen sich zu den Offizieren ,
dafs sie sich ihre ehrenvolle Bestimmung, die Erzieher und Anführer eines achtbaren Teiles der Nation zu sein , immer vergegenwärtigen. " Die tiefgreifende
Umwandlung,
durch welche infolge der Ein-
führung der allgemeinen Wehrpflicht die preufsische Armee aus einem Berufsheer ein Volksheer wurde, hat sich für die französische Armee erst nach 1871 vollzogen.
Ähnliche
Ursachen mussten
zum Teil auch
ähnliche Wirkungen hervorbringen : ähnliche , aber keineswegs dieselben. Zeitverhältnisse und nationale Eigenart bedingen mancherlei bedeutungsvolle Verschiedenheiten. Das geht auch aus den Ausführungen Mirevals hervor, wenn er in seinem Artikel Evolution militaire also fortfährt : „ Die Mannschaften, die der Offizier kommandiert, werden gar oft seine Richter; das ist vielleicht bedauerlich, immerhin verlangt die Befehligung irgend welcher Einheit viel mehr Takt, Gewandtheit und Intelligenz, als ehedem.
Manche
Offizier sich darauf beschränken müsse,
Leute behaupten,
daſs der
grobe (brutaux) Befehle zu
Französische und deutsche Disziplin.
672
geben und sofortigen unbedingten
Gehorsam zu fordern. Das ist unserer Meinung nach kein richtiges Verfahren. Man muís den Soldaten genau verstehen lehren , dafs die Anstrengung, die man von ihm verlangt, keine unnütze ist, man mufs von Anfang an überall das Verständnis für das Warum? betonen ; wenn der Vorgesetzte auf diese Weise die volle Achtung des Untergebenen sich erworben hat, wird er ohne Schwierigkeit auch den blinden Gehorsam finden. „ Sehr oft denkt der Soldat : „Dieser Hauptmann oder dieser Oberst weifs nicht was er will : er ermüdet uns ohne Grund , er hetzt uns ab zu seinem Vergnügen, das ist der Soldatenberuf! " Wenn man dazu gelangt, dem Soldaten zu erklären, warum man diese oder jene Strapaze ihm zumutet, wenn man ihn erkennen läfst, dafs jede Anstrengung ibren Zweck hat, so wird er sich daran gewöhnen, nicht mehr zu räsonnieren, nicht mehr darüber hin und her zu reden; im Gegenteil wird er sich sagen:
„Mein Oberst verlangt dies und jenes
von mir, er wird seine Gründe er den Marsch antreten .
haben " und mit Vergnügen wird
„ Diese Methode ist nur eine Seite der modernen des Soldaten ;
sie will mit Takt
Erziehung
und cum grano salis angewendet
sein. Einen Vorgesetzten, der im Augenblick des Kampfes mit seinen Leuten diskutiert, kann man sich nicht vorstellen, ebensowenig, daſs er mit pomphaften Phrasen seine Befehle erläutert. Man muss im Gegenteil in solchen Augenblicken absoluten Gehorsam fordern, Ordnung im Gliede, Schweigen in der Front ; die Autorität des Vorgesetzten muls gebieterisch, ungemessen, absolut sein. „ Mithin wird die Aufgabe des Offiziers verwickelter, schwieriger, mifslicher.
Manche bedauern, daſs die Zeiten vorüber sind , wo die
Befehlsführung sich ohne Schwierigkeiten vollzog, wo ein Irrtum von keinem Untergebenen kritisiert wurde, wo auch ein wenig erleuchteter Vorgesetzter auf die „ Nachsicht" seiner Leute rechnen konnte. Man muls mit der Zeit fortschreiten und wir wollen es nicht machen, wie manche Leute, die da glauben, dafs mit ihrem Scheiden aus dem Dienste alles zugrunde gegangen sei. " Während im
ersten Aufsatz
des
Oberst Mireval
neben der
strengen Wahrung der Disziplin die „ nationale Auffassung des Soldatenberufes " , also die Vaterlandsliebe gefordert wird, werden im Artikel „ Evolution " die Schwierigkeiten hervorgehoben, die seit Einführung der allgemeinen Dienstpflicht sich der Aufrechterhaltung der Disziplin entgegenstellen. Auch den Franzosen ist der Begriff „ Erziehung des Soldaten" neuerdings geläufig geworden und mit Recht hebt Oberst Mireval hervor, daſs es nur " eine Seite" dieser Erziehung ist, wenn er vom
Französische und deutsche Disziplin.
673
Offizier verlangt, dafs er dem. Manne überall die Gründe klar machen soll, auf welche die an den Soldaten gestellten Anforderungen sich stützen : dann werde er im gegebenen Falle auch den unbedingt notwendigen blinden" Gehorsam finden.
Dabei wird aber die bedauerliche Tatsache festgestellt, dafs infolge der gesteigerten
Intelligenz in den Reihen des modernen Heeres die Neigung der Soldaten, zu räsonieren, zu kritisieren, viel grölser geworden ist und dadurch die Aufgabe des Offiziers verwickelter, schwieriger und mifslicher wird. In der französischen Besprechung der Disziplin wird zugegeben, dafs „ im Augenblick des Kampfes " eine Begründung der zu gebenden Befehle nicht möglich ist. Aber auch auf dem Übungsplatz und im Gelände ist es in der Regel ebensowenig am Ort, sich auf Begründung und Erörterung der erforderlichen Befehle einzulassen. Das ist nur während der Vorbereitung zu einer Übung oder in Rubepausen möglich. Im wesentlichen gehört die Begründung der Notwendigkeit des militärischen Gehorsams, die Begründung der militärischen Anforderungen in die Instruktion , insbesondere in den Dort ist ausvom Offizier abzuhaltenden Dienstunterricht . giebige Gelegenheit dazu, und es gehört gewifs zu den wichtigsten Aufgaben des Offiziers, den Mann über die Zweckmälsigkeit und Notwendigkeit alles dessen aufzuklären, was von ihm verlangt werden mufs. Wenn aber nach dem Vorgange des Oberst Mireval die Franzosen den Gehorsam, die Disziplin hauptsächlich und in erster Linie dadurch erlangen und aufrecht erhalten wollen, dafs sie den Soldaten die Zweckmäſsigkeit der Befehle und Anforderungen klar machen, so wäre das eine gefährliche Einseitigkeit, indem man die Disziplin auf die Intelligenz gründen wollte, anstatt sie vor allem durch die Schulung des Willens und durch die Einwirkung
auf die
Gesinnung zu erreichen . Zunächst — und das wird in Frankreich wie in allen andern in Betracht kommendenden Armeen ebenso sein wie bei uns erfolgt die Erziehung zum Gehorsam und zur Disziplin durch die mit den Eintritt beginnende und unausgesetzt wirkende Gewöhnung an die militärische Ordnung. Unser strammes Exerzieren dient nicht nur dazu , den Mann auszubilden und äufserlich brauchbar zu machen ; der sogenannte Drill ist vor allem eine Schule des Gehorsams. Dals in jeder Bewegung, in jedem Griff, in der ganzen Exerzierschule der Wille des Mannes sich dem Willen des Vorgesetzten unbedingt unterordnet, darin liegt der innere Wert derartiger Übungen. Dieser
Gewohnheitsgehorsam
allein hält jedoch
nicht vor in
Französische und deutsche Disziplin.
674
schwieriger oder verzweifelter das Gift der Verführung schlichen hat.
Gefechtslage,
oder des Abfalls
hält nicht vor,
wenn
sich in die Herzen ge-
Das weils man in Frankreich ebensogut wie bei uns, wenn auch in den hier wiedergegebenen
beiden
Artikeln nicht
ausdrücklich
davon die Rede ist. In seinem Aufsatz „ Indiscipline " hebt Mireval zwei besonders wichtige Momente für die Aufrechthaltung der Disziplin hervor :
die energische auch vor Zwangsmafsregeln
nicht zu-
rückschreckende Haltung der Vorgesetzten und die Betonung des nationalen Sinnes , die Vaterlandsliebe als Hebel des militärischen Gehorsams .
Im Artikel „ Evolution " wird dann lediglich an die In-
telligenz appelliert, kraft deren der Soldat über die Zweckmäſsigkeit der Befehle aufgeklärt werden soll. Neben den oft unvermeidlichen Zwangsmafsregeln und neben
der Gewöhnung
zum Gehorsam durch den gesamten Dienstbetrieb wollen wir Deutsche es gewifs nicht versäumen, uns an den Verstand und an die Einsicht des Mannes zu wenden. Aber andere
moralische Einwirkungen erscheinen uns wichtiger. Der Vorgesetzte wirkt durch seine Persönlichkeit. Macht der Persönlichkeit ist kaum zu überschätzen.
Die
Wenn wir an
unsere Schulzeit zurückdenken , so erinnern wir uns lebhaft der Persönlichkeit unserer Lehrer. Während uns die Persönlichkeit des einen unwillkürlich imponierte,
so reizte uns ein anderer
unwillkürlich zu allerlei Ungezogenheiten.
ebenso
Ein Lehrer hielt durch
seine Erscheinung, durch einen ernsten Blick die ganze Klasse in Respekt, während ein anderer die wilde Bande auf keine Weise in Ordnung bringen konnte. Von ebenso grofser Bedeutung ist die Persönlichkeit des militärischen Vorgesetzten, des Unteroffiziers , des Leutnants, des Hauptmanns .
Und nicht nur die gröfsere Intelligenz, sondern vielmehr die
Überlegenheit des Charakters begründet die Autorität des Befeblenden, bewirkt, ja erzwingt den Gehorsam. Unsere preufsische, unsere deutsche Strammheit ist seit den Tagen König Friedrich Wilhelms I. eine starke Stütze der Disziplin. den Franzosen nicht sympathisch und Anschauungen, dafs Oberst Mireval
Diese Strammheit ist
es ist charakterisch für ihre
die „ ordres brutaux "
verwirft,
durch die man den Gehorsam nicht zu erzwingen suchen soll. Freilich „ brutal brauchen die Befehle nicht zu sein, wohl aber scharf, präzis und jeden Widerspruch ausschliefsend . Dem Franzosen mag unsere Befehlsform mitunter „brutal " erscheinen. Ja, auch die Form des Befehls ist von Bedeutung. Schon diese Form mufs derart sein, dafs kein Untergebener in Zweifel darüber sein kann, ob es sich um
Französische und deutsche Disziplin.
675
eine gesprächsweise Mitteilung oder um einen strengen Dienstbefehl handelt. Auch hier kommt wieder die Persönlichkeit des Vorgesetzten in Betracht.
Ein Befehl kann von zwei Vorgesetzten fast mit den-
selben Worten
erteilt werden
und doch ganz verschieden wirken.
In einem Falle wird der schneidige Befehl des Sergeanten
sofort
stramm ausgeführt, im andern die unsichere Kundgebung eines schlaffen Unteroffiziers gerade so matt befolgt, als die zaghafte Befehlserteilung es mit sich brachte. Die wertvollste Eigenart unserer deutschen Disziplin aber besteht darin, daſs der Gehorsam des deutschen Soldaten sich gründen mufs auf seine Treue, die der zweite Kriegsartikel an die Spitze stellt, weil er aus ihr alle anderen Pflichten herleitet. Wie der zweite Kriegsartikel die Treue, so betont Artikel 28 die Gottesfurcht, ohne welche die rechte deutsche Soldatentreue ihres unzerstörbaren Fundamentes entbehren würde. Die französische Republik kann die Treue nur aus der Vaterlandsliebe herleiten, die Gottesfurcht wird dort ganz beiseite gelassen.
Aber
auch die
persönliche
Hin-
gebung an den Kriegsherrn hat für den Deutschen eine ganz andere Bedeutung, als für den Franzosen. Wo Herrscher, Kriegsherr und Oberbefehlshaber des Heeres in einer Person verkörpert sind, da darf der Kriegsherr sagen :
„ So gehören wir zusammen, Ich und
die Armee." Solcher Ausspruch würde im Munde eines Präsidenten der Republik oder eines der stetig wechselnden Kriegsminister eine inhaltlose Phrase sein. Hierin beruht der tiefgreifende Unterschied zwischen der deutschen und der französichen Auffassung von Gehorsam und Disziplin ; hieraus erklärt sich, was Oberst Mireval sagt und -- was er nicht sagt und nicht sagen kann. Vorbildlich für unseren deutschen Soldatengehorsam ist die Tat eines schlichten Dragoners des Grolsen Kurfürsten beim Überfall von Demmin.
In dunkler Nacht sollen 25 Freiwillige auf schmaler
Planke den tiefen Festungsgraben überschreiten . Zwanzig sind glücklich hinüber :
als der einundzwanzigste
etwa bis zur Mitte gelangt ist,
hört man einen dumpfen Fall. Aber kein Schrei, kein Hilferuf erschallt. Lautlos versinkt der Brave in seinem nassen Grabe, weil er auch in der Todesnot des Befehls ein gedenk bleibt, daſs durch keinen Laut das Unternehmen dem Feinde verraten werden darf. Nicht einmal den Namen dieses Tapfern hat uns die Geschichte überliefert ; aber eine schönere und ergreifendere Betätigung deutschen Kriegergehorsams ist kaum denkbar. Zudem ist diese stumme Heldentat bezeichnend
für Art und Grad des Gehorsams,
den wir
fordern und heranbilden müssen . Unbedingt, fraglos, schweigend 44 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 405.
Französische und deutsche Disziplin,
676
und beständig bis zur äussersten Selbstverleugnung, deren der Mensch fähig ist - so der Gehorsam jenes brandenburgischen Kriegers, so der Gehorsam, den der Kriegsherr von jedem seiner Streiter erwarten mufs, wenn das Heer auch bei den schwersten Aufgaben, die ihm werden können , nicht versagen soll. Der Soldat soll gehorchen, wenn kein Auge ihn sieht, wenn ihm der Befehl unverständlich, ja widersinnig erscheint, wenn die Ausführung dem Gefühl widerstrebt. Nie soll er meinen, sagen , oder melden : „ es geht nicht" , sondern höchstens „ es ist nicht gegangen ", wenn er alles daran gesetzt hat, dem Befehl zu gehorchen und wenn unübersteigliche Hindernisse sich der Durchführung entgegenstellten. Heldenmut und militärische Tugenden sind dem französischen Soldaten ebensowohl nachzurühmen, wie dem deutschen. Die Vaterlandsliebe des Franzosen ist vielleicht noch enthusiastischer, als die des Deutschen. Gehorsam und Disziplin zeigen, dem Nationalcharakter und der Staatsverfassung entsprechend, ein wesentlich anderes Gepräge als bei uns . Wir aber wollen hoffen, dafs trotz aller destruktiven Strömungen der Gegenwart die altbewährten Grundlagen unseres deutschen Soldatengehorsams sich fest und unerschütterlich erweisen. Bei der Beratung des Militär-Strafgesetzbuches ( 1872) sagte Moltke: „ Autorität von oben und Gehorsam von unten, mit einem Worte, Disziplin ist die ganze Seele der Armee. “ Wo die starken Wurzeln unserer Kraft liegen, die Wurzeln aller deutschen
Soldatentugend,
das hat in einer trefflichen
An-
sprache an die Offiziere des Beurlaubtenstandes jüngst der Kommandierende General des I. Armeekorps ausgesprochen, indem er u . a. Klausewitz zitiert : „ Die Ehre des Königs ist eins mit der Ehre des
Volkes .
Nur wenn Volkscharakter und Kriegsgewohnheit
in
beständiger Wechselwirkung sich gegenseitig tragen, darf ein Volk hoffen, einen festen Stand in der politischen Welt zu haben. “ Möchten doch unsere Volksvertreter erkennen , dafs sie nicht nur dem Heere, sondern
auch dem Volke
einen
bessern
Dienst
leisten, wenn sie für die Aufrechterhaltung der Disziplin eintreten, als wenn sie jede Gelegenheit ergreifen, an den bewährten Fundamenten unsers Webrtums zu rütteln .
Invalidenversorgung und Reichswehrsteuer.
677
XLVI.
Invalidenversorgung
Die
zurzeit
brennendste
Reichswehrsteuer.
und
und
auf die
Bevölkerung des Deutschen Reiches sich Reichsgesetzgebung
dürfte
weitesten Kreise
erstreckende
der
Frage
der
ohne Zweifel die
lierung der Pensionsversorgung Deckung sein.
der
Frage der NeureguMilitärinvaliden und und deren
Brennend geworden ist diese Frage einesteils durch das immer wieder aufs neue vorgebrachte Drängen des Reichstags nach besserer Fürsorge für die Teilnehmer an dem glorreichen Feldzuge 1870/71 , als den Mitbegründern des einigen Deutschen Reiches , andernteils durch den Umstand, dafs die weitaus grölsere Anzahl von Feldzugsveteranen der Jahre
1864,
1866
und 70/71
immer
mehr dem Greisenalter und der damit zusammenhängenden Erwerbsunfähigkeit entgegengeht ; für die weitesten Kreise aber dürfte sie sich voraussichtlich fühlbar machen, als angesichts der mifslichen Finanzlage des
des Reiches
Anleiheweges
für
gründliche Verbesserung
und
der
einer das gesamte Volk ermöglicht werden kann . Vor allem aber,
der zu erwartenden Inanspruchnahme
andere
dringende
Heeresbedürfnisse
Invalidenversorgung
umfassenden
nur
mit
eine Hilfe
aufserordentlichen Abgabe
bevor wir in die Würdigung der Verhältnisse
der Invalidenversorgung eintreten, mufs betont werden, dafs die Angriffe
der regierungsfeindlichen
Presse,
fange
an
es
die
Reichsregierung
an
es habe der
von
nötigen
allem
Fürsorge
Anfür
die Militärinvaliden mangeln lassen, auf Unkenntnis und Unrichtigkeit beruben. Die Regierung hat getan, was in ihren Kräften stand und immer wieder neue Mittel zur Verbesserung der Lage der Invaliden hervorgeholt, ja weit über die bereit gestellten Mittel hinausverfügt.
Die grundlegende
Regulierung der Pensionsversor-
gung der Invaliden des Reichsheeres und der Marine vom 27. Juni 1871 war einer der ersten und hervorragendsten Akte der Militärgesetzgebung des neuen Deutschen Reiches und ihr folgte schon unterm 23. Mai 1873 zur Sicherstellung der durch den deutsch-französischen Krieg dem Reiche erwachsenen Pensionslasten die Bildung eines Reichsinvalidenfonds,
wozu aus der französischen Kriegsent-
schädigung der Betrag von 187 Millionen
Taler
entnommen
und
einer eigens hierzu errichteten selbständigen Reichsbehörde zur Ver44*
678
Invalidenversorgung und Reichswehrsteuer.
waltung mit der Gesetzesvorschrift hinausgegeben wurde, aus den anfallenden Zinsen dieser Riesensumme die herantretenden Pensionslasten zu bestreiten. Die gesamte Pensionsversorgung invalider Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften, sowie deren Hinterbliebenen stützt sich der Hauptsache nach auf das Pensionsgesetz vom 27. Juni 1871 . Unteroffiziere und Gemeine haben nach demselben
Anspruch
auf Invalidenversorgung, wenn sie durch Dienstbeschädigung oder nach einer Dienstzeit von acht Jahren dienstunfähig geworden sind, sowie nach nachweis.
18jähriger
Dienstzeit
ohne
erbrachten
Invaliditäts-
Sie sind entweder Halbinvaliden, wenn sie noch zum Garnisonsdienst, oder Ganzinvaliden, wenn sie zu keinerlei Militärdienst mehr tauglich sind . Die Invalidenversorgung
selbst zerfällt in Pensionsgewährung,
Pensions- namentlich Kriegszulagen, Aussattung mit dem Zivilversorgungsschein, Aufnahme in Invalideninstitute und Verwendung im Garnisonsdienste. Die Invalidenpensionen zerfallen für jede Charge in fünf, nach der Länge der Dienstzeit und dem Grade der Invalidität abgestufte Klassen. Über diese fünf Pensionsklassen hinaus trat noch eine Pensionserhöhung im Falle der Ganzinvalidität durch den Krieg von 6 Mk. und im Falle im Kriege oder im Frieden erlittener Verstümmlung je nach derem Grade von 18-36 Mk. ein. Der Zivilversorgungsschein wird den Ganzinvaliden
mit der
Pension, sowie den Halbinvaliden nach 12 jähriger Dienstzeit an Stelle der Pension ausgefertigt. Die Inhaber des Zivilversorgungsscheines sind als Militäranwärter nach vom Bundesrat aufgestellten Grundsätzen bei Besetzung der Subaltern- und Unterbeamtenstellen der Reichs-, Staats- und Kommunalbehörden, der Invaliditäts- und Altersversicherungsgesellschaften, sowie der städtischen und gewisser anderer öffentlichen Institute vorzugsweise zu berücksichtigen. Ganzinvaliden finden ferner an Stelle der Pension Aufnahme in Invalideninstitute, Halbinvaliden desgleichen Belassung im aktiven Militärdienst in Stellen, deren Dienst das Vorhandensein der Felddienstfähigkeit nicht erfordert. Endlich brachte das Reichsgesetz vom 27. Juni 71 neben der einmaligen Gewährung des Gnadennachmonats den Hinterbliebenen der im Kriege oder auf der See Gebliebenen, oder aber in direktem Einflusse der dort erlittenen Verwundungen und tödlicher Erkrankungen Verstorbener fortlaufende Versorgungsbewilligungen .
679
Invalidenversorgung und Reichswehrsteuer.
Eine allgemeine sämtliche Kategorien des Unteroffiziers- und Mannschaftsstandes umfassende Erhöhung der Pensionssätze 1871 ist seither noch nicht erfolgt ; wohl aber brachten die Zusatzbestimmungen vom 4. April 74 und 22.Mai 93 teilweise Erweiterungen und Erhöhungen, so wurden die Kriegsjahre von 70/71 als Doppeljahre in Anrechnung gebracht, die Kriegszulage für die Ganzinvaliden von 6 Mk. auf 9 Mk. monatlich erhöht, die Verleihung des Zivilversorgungsscheines auch auf nicht invalide Unteroffiziere mit 12jähriger Dienstzeit ausgedehnt, den Ganzinvaliden an Stelle des Zivilversorgungsscheines
als Anstellungsentschädigung
eine
weitere Pensionszulage
von 6 Mk. zugesprochen und den aufserdem zum Zivilversorgungsscheine Berechtigten für durch Umstände veranlafste Nichtbenützung desselben eine Pensionszulage von monatlich 12 Mk . ausgesetzt, endlich wurde die Gleichstellung der Invaliden, sowie der Hinterbliebenen aus den Kriegen vor 1870 mit denen von 1870/71 gesetzlich geregelt. Vollkommen unabhängig vom Reichsgesetze 1871 und um denjenigen Teilnehmern an dem Kriege 1870/71 , welche infolge erlittener innerer Dienstbeschädigung invalide geworden, wegen Ablaufs der gesetzlichen Präklusivfrist von fünf Jahren nach dem Friedensschlusse aber zur Geltendmachnng Geltendmachung von Versorgungsansprüchen nicht mehr berechtigt sind, auf dem Gnadenwege zu Hilfe zu kommen, sind zufolge kaiserlichen Sondererlasses vom 22. Juli 1884 Unterstützungsgesuche oben bezeichneter Invaliden zu Gnadenbewilligungen aus dem kaiserlichen Dispositionsfonds bei der Reichsbauptkasse
zu
gemeindeseits
unterbreiten. bestätigten
Voraussetzung hierfür ist neben der
Würdigkeit
und
Dürftigkeit
die
Nach-
weisung von Tatsachen, welche die Überzeugung von dem ursächlichen Zusammenhang der Krankheit mit der im Kriege erlittenen Dienstbeschädigung zu begründen vermögen. Die bierfür ausgeworfenen Unterstützungssätze aus 3 Millionen auf Kap. 68 und 13172360 Mk . auf Kap. 83 bewegen sich, soweit meine Kenntnis reicht, zwischen 14 und 70 Mk . monatlich. Ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Unterstützung nach Mafsgabe des Allerhöchsten Gnadenerlasses besteht jedoch nicht. Eine Reichsbeihilfe auf gesetzlich geregeltem Boden erflols erst wieder am 22. Mai 95 durch die Abänderung des Gesetzes vom 23. Mai 1873 über Gründung und Verwaltung des Reichsinvalidenfonds, wonach aus den Mitteln des letzteren ebenfalls wieder in Grenzen der Zinsen des für die Sicherstellung seiner gesetzlichen Verwendungszwecke entbehrlichen Aktivbestandes vom 1. April 1895 ab Beträge
680
Invalidenversorgung und Reichswehrsteuer.
zur Verfügung gestellt wurden behufs gnadenweiser Bewilligung von Pensionszuschüssen für diejenigen Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften des deutschen Heeres und der kaiserlichen Marine, welche infolge einer im Kriege von 1870/71 erlittenen Verwundung oder sonstigen Dienstbeschädigung verhindert waren, an den weiteren Unternehmungen des Feldzuges teilzunehmen und dadurch ein zweites bei der Pensionierung zu der wirklichen Dauer der Dienstzeit zuzurechnendes Kriegsjahr zu erdienen, sowie behufs Gewährung von Beihilfen an solche Personen des Unteroffizier- und Mannschaftsstandes, welche an dem Feldzuge 1870/71 oder früheren Kriegen ehrenvollen Anteil genommen haben und sich wegen dauernder, gänzlicher Erwerbsunfähigkeit in unterstützungsbedürftiger Lage befinden. Der hierfür bestimmte Satz beträgt jährlich 120 Mk. und ist weitere Voraussetzung unbedingte von der Gemeinde bestätigte Würdigkeit. Der geringe Betrag der hierfür zu verwendenden Summe von ursprünglich 1800 000 z. Z. 9 Millionen Mark machte bei dem Andrange mehrerer Tausender von Invaliden die Einweisung derselben oft erst nach mehreren Jahren möglich und konnten viele trotz Beibringung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr den Genafs dieser Reichsbeihilfe erleben. Als eine weitere, jedoch nur für bayerische Landeskinder einschlägige Staatsbeibilfe ist auch jene Verordnung zu betrachten, nach welcher behufs Gewährung einer fortdauernden oder einmaligen Unterstützung an unterstützungsbedürftigen Teilnehmern an den Feldzugen der Jahre 1866 und 70/71 , welche weder aus Landes- noch aus Reichsmitteln eine Pension oder eine Unterstützung erhalten der Kriegsverwaltung ein Kapital bis zu einer Million Mark aus dem alljährlichen Zinsanfalle jener Summe zur Verfügung gestellt wurde, welche aus den Ersparnissen an den von Frankreich für die deutschen Okkupationstruppen gezahlten Verpflegsgeldern an Bayern überwiesen wurde. Die monatlichen Sätze dieser Unterstützungen aus dem bayerischen Okkupationsfonds schwanken zwischen 5 und 10 Mk ., während einmalige Unterstützungen in der Höhe von 30-50 Mk. gewährt werden. Zurzeit werden 518 Bedürftige unterstützt. Endlich brachte das Reichsgesetz vom 31. Mai 1901 in der Versorgung der Kriegsinvaliden und deren Hinterbliebenen eine bedeutende Erhöhung der Pensionssätze des Jahres 1871 , stellte die Kriegszulage für die Ganzinvaliden auf 10 Mk . fest, erhöhte die Verstümmelungsjede Einschränkung auf deren jährliches Ganzinvaliden, monatlich 27 Mk. und sprach den Gesamteinkommen die Summe von 600 Mk. nicht erreicht, vom Ersten des Monats ab, in welchem sie das 55. Lebensjahr vollenden,
zulage für jede
Verstümmelung
ohne
Invalidenversorgung und Reichswehrsteuer.
681
eine Alterszulage bis zur Erreichung dieses Betrages aus, welche bereits früher gewährt wird, sobald dauernde völlige Erwerbsunfähigkeit vorhanden ist. Eine Aufgabe oder Erweiterung der Präklusivfrist für innere Invalidität fand jedoch nicht statt. Wenn noch hinzuzufügen ist, dals, abgesehen von einigen noch bestehenden Sonderabmachungen der Bundesstaaten von seiten des deutschen Reiches im ordentlichen Pensionsetat alljährlich 78900000 Mk. und durch den Reichsinvalidenfonds z. Z. 53 100000 Mk . für Invalidenversorgung ausbezahlt werden und dafs an der Gesamtsumme von 135 Millionen die Invaliden des Unteroffiziers- und Mannschaftsstandes mit 53 Prozent partizipieren was Bayern anbelangt, so wird nach einer im November 1903 durch Minister von Feilitsch im Landtag gegebenen Aufklärung an 17043 Personen 4'2 Millionen Mark Pensionen bezahlt , so kann doch wohl von einer mangelhaften Fürsorge des Reiches für seine Invaliden von Hause aus nicht gesprochen werden. Aber das mufs zugegeben werden, dafs diese Fürsorge nicht ausreichend genug sich erweist, nachdem einersei durch die rasche Aufeinanderfolge der Feldzüge 1864, 1866, 1870/71 eine gröfsere Anzahl kräftiger Männer vorzeitig ihre körperliche Widerstandsfähigkeit verloren haben, andererseits ein Konkurrenzkampf im bürgerlichen Leben in rückichtsloser Weise alle minder widerstandsfähigen und dem Kampfe um
das tägliche Brot nicht mehr
voll gewachsenen Existenzen einfach auf die Strafse setzt. Es
ist deshalb dem Reichstagsabgeordneten Grafen von Oriola,
sowie dem bayerischen Landtagsabgeordneten Nilsler hoch anzurechnen, dafs sie, nachdem das Invalidengesetz vom 31. Mai 01 in Verbindung mit dem kaiserlichen Gnadenerlafs die erwartete Wirkung in der Verbesserung der Lage der vorzeitig erwerbsbeschränkter Feldzugsteilnehmer die Friedensinvalidenversorgung steht auf gleicher Höhe mit der Invalidenversorgung im bürgerlichen Leben nicht zu erzielen vermochten, einen Antrag unterm Dezember 1903 einbrachten, dals das Gesetz vom 22. Mai 95 abgeändert werde . Erstens dahin dafs für die Gewährung von Reichsbeihilfen an notleidende Kriegsteilnehmer nicht mehr der Reichsinvalidenfonds, sondern allgemeine Reichsmittel herangezogen werden, dafs 2. die bisher als Voraussetzung geforderte dauernde und gänzliche Erwerbsunfähigkeit gestrichen werde und dafür die Dürftigkeit des Bittstellers mafsgebend sein solle, dafs 3. die Beihilfen sofort nach Erkenntnis der Sachlage und Anerkennung der Voraussetzungen auszuzahlen seien und dafs 4. den Witwen von Beihilfenempfängern für drei Monate nach dem Tode des Mannes die Beihilfe desselben nachgewährt werde.
Invalidenversorgung und Reichswehrsteuer.
682
Dieser Antrag auf eine jährliche Beihilfe von 120 Mk.33 Pfg. pro Tag dürfte weitaus die bescheidendste und dabei gerechteste, sowie die am wenigsten kostspieligste Forderung sein, welche in Vertretung der notleidenden Feldzugsteilnehmer gestellt wurde und berechnet sich nach Maſsgabe der hierum eingekommenen und abgewiesenen zahlreichen Gesuche der Mehrbedarf auf mindestens 20 Millionen pro anno. Was die Pensionsversorgung des Offizierstandes betrifft, auch hier das Gesetz vom 27. Juni 71
grundlegend .
so ist
Nach
dem-
selben beginnt der Anspruch auf Pensionsversorgung bei einfacher Dienstunfähigkeit mit dem vollendeten 10. Dienstjabre, bei eingetretener Dienstbeschädigung schon vor dem 10. Dienstjahre.
Die
Bemessung der Pension richtet sich nach der Zahl der Dienstjahre und dem pensionsfähigen Diensteinkommen, bestehend aus Gehalt Mittelbetrag des Servises ohne A, Mittelbetrag der Wohnungsentschädigung ohne A, sowie für die Subalternoffiziere aus einem Pauschale für Bedienungsentschädigung Tischgeld und Lazarattaufnahmeentschädigung. Als Mindestbetrag der Pension wurde ein Viertel, als Höchstbetrag drei Viertel und
zwar erst nach vollendetem 50.
Dienstjahre festgesetzt, wodurch sich als Steigerungskoeffizient für jedes Dienstjahr vom
10. zum 50. Dienstjahre je
ein
Achtzigstel
des pensionsfähigen Diensteinkommens ergab. Eine Pensionserhöhung von jährlich 100-250 Taler je nach dem Gesamtbetrag der Pension trat ein im Falle anerkannter Invalidität durch den Krieg, wobei im Falle innerlicher Invalidität der Anspruch innerhalb 5 Jahre nach dem Friedensschlusse erhoben sein mufste, sowie von jährlich 200 Taler im Falle einer Verstümmelung, gleichviel ob im Frieden oder im Kriege während des aktiven Militärdienstes erlitten und im Falle aufserordentlicher Hilfsbedürftigkeit durch fremde Wart und Pflege. Bezüglich der Anrechnung der Kriegsjahre 1870/71 als Doppeljahre in der Dienstzeitberechnung war dem Gesetz vom 27. Juni 71 schon ein kaiserlicher Erlafs vom 16. Mai 71 vorangegangen und wurden auch in der Folge Feldzüge von gerechnet.
1849
ab
und
durch nach
eine Reihe anderer Erlasse die 1870/71
als Doppeljahre
an-
Weitere Zuwendungen des Gesetzes vom 27. Juni 71 bestanden in Gewährung eines Sterbena chmonats an die Hinterbliebenen sowie in Witwen- und Waisenbeihilfen der im Kriege Gebliebenen . Endlich erhielt das Gesetz rückwirkende Kraft auf alle Pensionsgewährung seit 1. August 1870, soweit nicht die bisherigen Bestimmungen den Pensionsempfängern günstiger waren, sowie auf
Invalidenversorgung und Reichswehrsteuer.
die Witwen- und Waisenbeihilfen
am Kriege
683
1870/71 Beteiligter
und infolge von Verwundung oder Krankheit Verstorbener. Eine erhebliche Aufbesserung erhielt die so gezeichnete Pensionsberechnung durch das Gesetz vom 21. April 86,
durch welches an
Stelle der früber verlangten 50 Dienstjahre schon mit dem vollendeten 40. Dienstjahre der Höchstbezug von 3/4 des pensionsfähigen Diensteinkommens ausgeworfen wurde, wodurch pro Dienstjahr an Stelle der Pensionsachtzigstel je ein Sechszigstel des pensionsfähigen Diensteinkommens trat. Diese neue Bestimmung erhielt ebenfalls rückwirkende Kraft und zwar für die Friedensinvaliden ab 1. April 1882, für die Feldzugsteilnehmer und anerkannten Kriegsinvaliden ab 1. August 1870. Ein drittes Pensionsregulativ ergab sich ferner durch die Erhöhung der Gehälter vom Oberleutnant an bis einschliesslich der Majorscharge vom 22. Mai 97 mit rückwirkender Kraft
für
die
ab
1. April 97 Pensionierten,
endlich durch Neu-
regulierung der Servisberechnung ab 1. April 02 für die von diesem Tage ab Pensionierten, dem unterm 1. April 04 auch die Oberstleutnantscharge mit einem vergröfserten Diensteinkommen von 8163 Mk. einbezogen wurde . Eine sehr erhebliche Erhöhung der Pensionszulagen, für
anerkannte Kriegsinvaliden,
brachte
aber nur
unter Auflassung der An-
meldebeschränkung bei innerer Invalidität das Gesetz vom 31. Mai 01 , welche als Invaliditätszulage für Subalternoffiziere und Hauptleute 1200 Mk., für höhere Offiziere 720 Mk . festsetzte, sowie für nachgewiesenermalsen im Krige erlittene Verstümmelung oder durch denselben erforderlich gewordene fremde Wart und Pflege 1080 Mk . auswarf; auch brachte dieses Gesetz den invaliden Subalternoffizieren insofern eine weitere hochwichtige Aufbesserung ihrer Lebensverhältnisse, als es allen jenen, deren Gesamteinkommen am 1. des Monats nach vollendetem 55. Lebensjahre die Summe von 3000 Mk. nicht erreichte, von diesem Tage an das noch Fehlende aus dem Reichsinvalidenfonds ergänzte. Weiteres brachte das Gesetz vom 31. Mai 01 noch den Witwen und Waisen der infolge von Verwundung oder Erkrankung während des Krieges 1870/71 Verstorbenen eine bedeutende Erhöhung der bisherigen Witwen- und Erziehungsbeihilfen, sowie für Generalswitwen eine Aufbesserung des Gesamteinkommens auf den Stand von 3000 Mk. , den Witwen der übrigen Offiziere auf einen Gesamtstand von 2000 Mk . Auch den Hinterbliebenen der Friedensinvaliden wird eine Staatsbeihilfe seit dem 17. Juni 87 bezw. 17. Mai 97 zuteil, welche 40/100 der Pension
des Verstorbenen
als Witwengeld .
684
Invalidenversorgung und Keichswehrsteuer.
für Doppelwaisen / desselben , Waisen und als Waisengeld für einfache aussetzt. Zum Schlusse mufs
/
des
Witwengeldes ,
noch der Pensionsversorgung der Offiziere
des Beurlaubtenstandes Erwähnung getan werden, welche den Anspruch auf Pension nicht auf Grund der Dienstzeit, sondern lediglich durch eine im Militärdienste erlittene Verwundung oder Beschädigung erwerben, dessen Bewilligung nach Gesetz vom 22. Mai 1893 jedoch nur dann statthaft ist, wenn der Anspruch innerhalb 6 Jahren nach der Entlassung von der Dienststellung, bei welcher sie die Verwundung oder Beschädigung erlitten haben, macht wird.
geltend ge-
Die Idee einer Aufbesserung der Pensionsversorgung der Offiziere ging nicht wie jene der Pensionsverbesserung der Invaliden des Mannschaftsstandes von der Volksvertretung im Reichstage, sondern vom preuſsischen Kriegsministerium aus,
und war ursprünglich nur
eine Verbesserung der Pensionsversorgung für die nach Inkrafttreten des Gesetzentwurfes pensioniert werdende Offiziere (Pensionisten der Zukunft geplant), indem anlässlich einer Pensionsneuregulierung der Reichsbeamten und gleichzeitig mit dieser der damalige preussische Kriegsminister eine annähernde Gleichstellung der Offizierspensionen mit jenen der Reichsbeamten anzubahnen versuchte. Und zwar dadurch dafs er einen Gesetzentwurt vorbereitete, demzufolge unter Beibehalt des vollendeten zehnten Dienstjahres als Anfangspension anstatt des Viertelbetrages des pensionsfähigen Diensteinkommens die Hälfte desselben und unter Anrechnung von je 100 Pensionssteigerung für jedes weitere Dienstjahr der Höchstbetrag mit 3 , desselben schon nach dem vollendeten 35. Lebensjahre ausgesetzt werden sollte ; ein Entwurf, welcher alljährlich inklusive Einrechnung der fälligen Witwen- und Waisengelder einen Mehrbetrag von je
einer Million Mark bis zu
einem Höchstbetrage von 20 Millionen nach 20 Jahren veranschlagte. Dieser Gesetzentwurf gelangte jedoch nicht zur Vorlage, nachdem schon vor der Publikation des Invalidenversorgungsgesetzes vom 6. Mai 1901 der Reichstagsabgeordnete Graf Oriola und andere mit aller Schärfe sich dabin ausgesprochen, dafs ein nur die Pensionisten der Zukunft umfassende Neuregulierung der Offizierspensionen nie und nimmer die Genehmigung des Reichstages finden würde, nachdem das Invalidengesetz nur auf anerkannte Kriegsinvaliden Anwendung fände, und dafs von der Regierung bei einer Neuregulierung der Pension sversorgung auch eine Hereinziehung der Friedensinvaliden ab 1. August 1870 erwartet werde. Die Vertreter des Volkes im Reichstage gingen bei dieser Forderung von der Ansicht aus, dafs die Verhältnisse, welche eine Aufbesserung der Friedensinvaliden
Invalidenversorgung und Reichswehrsteuer.
685
der Zukunft bedingen, für die Lebenshaltung aller pensionierten Offiziere ganz gleich gelagert seien und dafs den noch zahlreich vorhandenen Friedensinvaliden ab 1. August 1870 gegenüber die bisherigen Gesetze den anerkannten Kriegsinvaliden bereits in vierfacher, den blofsen
Kriegsteilnehmer bereits
in
doppelter Weise
Pensionserhöhungen gebracht hätten. Dem mufs noch hinzugefügt werden, dals 3 , aller Kommandostellen und Behörden, welche im Ernstfalle aus Mangel an Offizieren des aktiven und Beurlaubtenstandes nicht besetzt werden könnten, auf Grund freiwilliger Meldungen von Friedensinvaliden versehen werden. Die wiederholten Reklamationen des Grafen Oriola und Genossen nach einer alle Pensionisten des Offizierstandes seit 1. August 1870 gleichmässig umfassenden Pensionserhöhung gab dann Ende 1902 dem Kriegsminister von Gofsler die Veranlassung, einen Gesetzentwurf unter Berücksichtigung
der
Forderungen
des
Reichstages
und der vom Kriegsministerium ins Auge gefafsten Regulativerhöhungen ausarbeiten zu lassen, welcher eine jährliche Mehrausgabe von 24 Millionen à conto Pensionsetat und Reichsinvalidenfonds bezifferte. Dieser Gesetzentwurf, welcher wegen der Höhe seines Kostenbetrages über den preussischen Ministerrat nicht hinauskam ,
stellt also die
zur umfassenden und ausreichenden Regulierung der Invalidenpensionen des Offizierstandes nötige Summe offiziell auf den Betrag von 24 Millionen pro Jahr fest . Hiermit sind in grofsen Zügen die
in
Kraft bestehenden
Pensionsversorgungsgesetze
der Militär-
invaliden , die Forderungen der Volksvertreter im Reichstage behufs Verbesserungen der Militärinvalidenversorgung, sowie die hierzu erforderlich werdenden Mehrkosten auf offizieller Grundlage gezeichnet. Zu letzteren kommt jedoch noch die Forderung einer Erhaltung des Reichsinvalidenfonds für seine reichsgesetzliche Bestimmung hinzu . Ursprünglich mit Gesetz vom 23. Mai 1873 unter Deponierung von 561 Millionen Mark zu einem Zinsfufse von 4 bis 4 % für Kriegsinvalidenversorgung bestimmung nur
eingesetzt,
sollten
die Zinsen verwandt
nach der
Gesetzes-
und das Kapital intakt ge-
halten werden ; allein es zeigte sich sofort schon, dafs die Zinsen zur Deckung der an den Reichsinvalidenfonds gemachten Ansprüche nicht ausreichten und mufste in jedem Jahre ein Zuschufs vom Kapital genommen werden.
Derselbe schwankte im Jahre 1892/93
noch zwischen 5 und 6 Millionen, stieg infolge der verschiedenen neuen Zusatzgesetze an auf 7,6 bis 11,9 Millionen, im Jahre 1897/98 auf 12,7 Millionen und so fort. Die Ausgaben des Reichsinvalidenfonds selbst betrugen im Jahre 1894/95 schon 27,2 Millionen, 1895/96 26,3 Millionen,
1897/98
28,8 Millionen,
im Jahre 1903 unter der
Invalidenversorgung und Reichswehrsteuer.
686
Einwirkung des neuen Invalidengesetzes Ende Februar 49 Millionen und zurzeit betragen dieselben 53,1 Millionen, wovon jedoch 11 Millionen vom Reichsschatzamt vergütet werden. Ende Februar 1903 wies der Grundstock des Reichsinvalidenfonds nur mehr 322 808 659 Mark auf und dürfte lichen Abhebung
bei
einer jähr-
von 50 Millionen Mark derselbe im Jahre 1909
vollständig erschöpft sein,
so
dafs
bis zum völligen Absterben der
Veteranen des Krieges 1870/71 bereits vom Jahre 1908 ab aus allgemeinen Reichsmitteln eine Summe von jährlich etwa 40 Millionen bereit gestellt werden müsste. Dieser vorzeitigen Erschöpfung des Reichsinvalidenfonds rechtzeitig vorzubeugen ist eine Pflicht der Reichsregierung und kann gegenwärtig mit einer alljährlichen nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung nur 25 Millionen betragenden Beisteuer aus Reichsmitteln dem auch vorgebeugt werden. Es belaufen sich sobin die für eine umfassende und durchgreifende Neuregulierung der
Militärinvalidenversorgung
im Sinne
des Reichstages sowie zur entsprechenden Erhaltung des Reichsinvalidenfonds bis zum Absterben der Kriegsinvaliden 1870/71 im ordentlichen Etat aufzunehmenden Mittel auf rund 70 Millionen Mark. Eine solche grofse Summe (10 % der bisherigen ordentlichen Heeresausgaben) zu den geforderten Reformen auf lange Jahre hinaus aus laufenden Reichsmitteln zu bestreiten, ist aber die Reichsregierung angesichts der finanziell mifslichen Lage des Reiches zurzeit keineswegs imstande, und wenn dieselbe dem fortwährenden Drängen der Vertreter des Volkes um Verbesserung der Notlage hilfsbedürftiger Invaliden nachgebend, doch einen Gesetzentwurf für Erhöhung der Militärpensionen einbringt, so kann derselbe nur eine solche Tragweite besitzen, als es eben die vorhandenen Reichsmittel und
die Aussicht auf allmähliche Besserung der Reichsfinanzen zu-
lassen, und
dürfte im speziellen die Vorsorge für Erhaltung des
Reichsinvalidenfonds bleiben.
einer
besseren
Finanzgestaltung
vorbehalten
Gibt sich nun in Würdigung dieser Verhältnisse der Reichstag mit den von der Reichsregierung gemachten Zugeständnissen und den vorgeschlagenen Maſsnahmen, welche immer nur ein notgedrungenes Flickwerk sein können, zufrieden, so dürfte die seit einem Jahrzehnt spielende Frage im Prinzipe notdürftig gelöst sein ; findet aber der die von der Regierung vorgeschlagene Reform für unge-
Reichstag
nügend und den Verhältnissen der notleidenden Kämpfer um die Einheit und Erhaltung des Deutschen Reiches nicht genug Rechnung tragend, so muss es auch dem Reichstag angelegen sein, die nötigen
Invalidenversorgung und Reichswehrsteuer. Mittel zu finden,
687
um dem Regierungsentwurf die noch fehlende Er-
gänzung und Vertiefung zu ermöglichen.
Da diese wegen der langen
Dauerzeit der alljährlich herantretenden Mehrkosten solche als fortdauernde Ausgaben im ordentlichen Etat sich charakterisieren, so dürfte der aufserdem noch anderweitig in Anspruch genommene Anleiheweg für
Reform der Pensionsversorgung
eine
ausgeschlossen
sein, und von neuem der oft beschrittene Weg der Steuerschraube beschritten werden . Von allen aber bisher in Erwägung gekommenen und wieder verworfenen
Steuerplänen wird aber gerade für
die
Zwecke einer Militärpensionsreform keiner bei sämtlichen Parteileitern im Reichstage als mehr geeignet erachtet und im Herzen des Volkes gerechter empfunden, als die Einführung einer Reichswehrsteuer und dürfte die naheliegende Eventualität derselben eine eingehende Besprechung und Würdigung derselben als nicht uninteressant erscheinen lassen. Unter Wehrsteuer , Wehrgeld versteht man eine öffentlich rechtliche Abgabe, welche von denjenigen, bezw. von den Angehörigen derjenigen erhoben wird, die nicht oder doch nur in beschränktem Maſse zur militärischen Dienstleistung herangezogen werden und beruht die Berechtigung, Begründung, Veranlagung und auch die Verwendung einer Wehrsteuer auf dem System der allgemeinen Wehrpflicht. So innig und eng verwachsen mit dem Prinzipe der Wehrpflicht die Rechtsbegründung, Veranlagung und Verwendung eines Wehrgeldes an Stelle persönlicher Heeresdienstleistung auch erscheint, so wurde auffallenderweise gerade von dem Staate, der zuerst das Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht konstruiert bezw. wieder erneuert und solche
in allen ihren Konsequenzen energisch durch-
geführt hat, ein Ersatz für gänzliche Unterlassung oder nur beschränkte Heranziehung zur Ausübung der Wehrpflicht nicht gesetzlich gemacht, " während alle anderen Staaten, die nach Preufsen die allgemeine Wehrpflicht einführten, als Österreich-Ungarn, Bayern, Württemberg, Frankreich,
Italien
und die
Schweiz gleichzeitig mit dieser
eine
Militärpflichtersatzabgabe unter dem Namen „ Webrgeld gesetzlich erhoben, deren Betrag zu Heereszwecken verwendeten und damit gute Erfahrungen
machten.
So
wurde in Bayern das vom Jahre
1868 bis 1872 bestehende ziemlich hoch berechnete Wehrgeld anstandslos erhoben und war dieser Teil der sonst nicht sehr beliebten Steuererhebung noch der am wenigsten unangenehm empfundene ; sein Ertrag war bestimmt zu Kapitulantenzulagen für die Unteroffiziere , während in Österreich die Hälfte des Wehrgeldes heute noch dazu bestimmt ist, die Pensionen der Verabschiedeten und
Invalidenversorgung und Reichswehrsteuer.
688
der Invaliden zu
erhöhen,
die Witwen und Waisen der vor dem
Feinde gebliebenen Militärpersonen zu versorgen und
die Familien
der im Falle eines Krieges einberufenen Mannschaften zu unterstützen, die andere Hälfte aber den übrigen Staatseinnahmen zuflielst. Zwar hat dem Drängen damals Reichstage nachgebend
und
noch vereinzelter Stimmen im
im Hinblick
auf die anderen Orts ge-
machten diesbezüglichen Erfahrungen auch die deutsche Reichsregierung nachträglich im Jahre 1881 einen Gesetzentwurf zur Einführung einer deutschen Reichswehrsteuer eingebracht, derselbe wurde jedoch - nicht genügend vertieft ausgearbeitet - vom Plenum des Reichstages und zwar aus rein theoretischen Gründen damals abgelehnt. In erster Linie fand das zarte Gewissen einiger Reichstagsjuristen die Forderung einer Militärpflichtersatzabgabe rechtlich nicht begründbar, und ersahen solche aus ethischen Gründen in ihr eine Herabdrückung des idealen Wertes des Waffendienstes und der Waffenehre. Nun, umfasst die allgemeine Wehrpflicht alle Deutsche ohne Ausnahme, aus ihr entspringt ebenfalls für alle Deutsche die Militärdienstpflicht,
das
ist die Pflicht,
mit
dem Eintritt in das
20. Lebensjahr sich zur Stammrolle zu melden, und zur Musterung bezw. Aushebung sich persönlich zu stellen. Mit dem Entscheide der Aushebung tritt dann für einen Teil eine vollständige Enthebung von seiner hervorragendsten Bürgerpflicht für immer ein, für einen anderen Teil eine Heranziehung zu solcher nur im Falle der Not, und für einen dritten und letzten Teil der Gestellungspflichtigen aber tritt wiegende,
das
eigene
auf lange Jahre
hinaus
eine sehr
Dasein beträchtlich erschwerende
schwerund die
persönliche Lebenshaltung gründlich beeinträchtigende neue Konsequenz der allgemeinen Wehrpflicht, die Militärpflicht oder die Pflicht der persönlichen
Heeresdienstleistung
heran,
während die
beiden anderen Teile infolge Nichtauferlegung der schwersten Konsequenz der allgemeinen Wehrpflicht in ihren Vaterlandspflichten überhaupt, wie in ihren Existenzbedingungen und ihrer Lebenshaltung von solcher Erschwerung vollkommen unberührt bleiben und sohin mit indirekter Mithilfe des Staates sich einer oft auf das ganze spätere Leben sich erstreckenden günstigeren Gestaltung ihrer Lebenshaltung erfreuen. Die Berechtigung des Staates nun, diese geringere Belastung hinsichtlich der für jeden Wehrpflichtigen vollkommen gleichen Aufgabe , der Mitwirkung zur Verteidigung des Vaterlandes auf ein entsprechend gleich hohes Niveau der Leistungsabgabe zu bringen, steht aufser allem Zweifel und ist der Ausgleich für die Lasten und wirt
Invalidenversorgung und Reichswehrsteuer.
689
schaftlichen Verluste , welche der Dienende durch den persönlichen Heeresdienst erleidet, und andererseits für die Vorteile, welche mit indirektem Zutun des Staates dem Nichtdienenden durch die Befreiung vom Militärdienste dem ersteren gegenüber erwachsen, keine Steuer zu nennen , sondern eine Ersatzabgabe für nicht geleistete persönliche Dienstleistung, die man am besten, wie es in der Schweiz geschieht, in offizieller Weise als Militärpflichtersatzabgabe benennen könnte . Aus dieser Erwägung leitet sich auch deren grundsätzliche und ausschliefsliche Verwendungsberechtigung für nur solche Kapitel des Militärhaushaltes ab, die den Ersatz des Heeres und die durch solchen in Mitleidenschaft gezogene
Schlagfertigkeit desselben bezwecken ,
als Kapitulantenhandgelder, Unteroffiziersprämien , Dienstalterszulagen , Invalidenversorgung, Pensionsfestsetzungen
und Erhöhungen ;
ferner
geht aus dieser Erwägung hervor, daſs der Militärpflichtersatzabgabe nicht nur die endgültig Befreiten, sondern auch alle zeitweilig und provisorisch Zurückgestellten ,
sowie
bei der Aushebung noch nicht
endgültig abgefertigen Gestellungspflichtigen zu unterliegen haben und hierzu sogar, wie es auch tatsächlich in der Schweiz durchgeführt wird,
diejenigen Militärpflichtigen (Reservisten,
Landwehr-
leute I. Aufgebots) herangezogen werden können, welchen mit einem längeren, gewöhnlich 2 Jahre dauernden Urlaub in das Ausland eine Betreiung von ihrer Militärpflicht für diese Zeit offiziell zuerkannt wurde. Eine weitere Folge geht endlich dahin, dafs mit dem Erlöschen der Militärdienstleistung der eingezogenen Militärpflichtigen, also mit dem 32. Lebensjahre, auch die Militärpflichtersatzabgabe ihr Ende zu finden hat, sowie dafs selbstverständlich eine offizielle Befreiung von solcher überall da einzutreten hat, wo körperliche oder geistige Gebrechen den Gestellungspflichtigen völlig oder teilweise erwerbsunfähig machen oder wo gesetzlicher Anspruch auf Invalidisierung besteht. Vollkommen grundlos ist der Einwurf, daſs durch eine Militärpflichtersatzabgabe der Waffendienst an ethischem Werte verliere und hierdurch auf eine ihrem Geldwerte gleiche Leistung herabgedrückt würde, ja man sich gewissermalsen damit dem Loskaufe des Konskriptionssystems nähere ; dieser Ansicht ist das entgegenzusetzen, dafs heutzutage der Reiche wie der Arme, tauglich befunden, seinen Waffendienst ableisten mufs, wie auch untauglich befunden, der Arme wie der Reiche nach Mafsgabe seines Vermögens zur Militärpflichtersatzabgabe herangezogen würde und dafs der Herabdrückung des Waffendienstes auf eine ihrem Geldwerte gleiche Leistung neben der Dienstpflicht des Tauglichen noch die sehr ungleiche Belastung des von der Militärpflicht Befreiten gegenübersteht.
690
Invalidenversorgung und Reichswehrsteuer. Der weitere Einwurf, eine Reichswehrsteuer biete keine besonders
ins Gewicht fallende Erträgnisse, ist noch grundloser, jedoch dadurch hervorgerufen, daſs der Entwurf des Jahres 1881 , allerdings sowohl der Zahl der zur Wehrsteuer Herangezogenen nach, als auch infolge der lächerlich geringen Belastung ein sehr geringes Resultat ergeben muiste. Im Jahre 1881 wurden nämlich nur die ausgemusterten und die zu den beiden Ersatzreserven Abgefertigten und dies nur auf 9 Jahre als beranziehbar erklärt. Nach der gegenwärtigen Rechtsanschauung ist dies auch bei den Ausgeschlossenen und zwar wie bei den übrigen Kategorien auf 12 Jahre, sowie bei den provisorisch Zurückgestellten und überzählig Tauglichen für die Dauer ibrer Zurückstellung der Fall, ja sogar auf die durch Urlaub in das Ausland für gröfsere Frist von den Waffenübungen Entbundenen die Dauer dieses Urlaubs ausdehnbar.
auf
Im Anbange sind aus den Ergebnissen des Heeresergänzungsgeschäftes der letzten 12 Jahre die einzelnen Jahrgänge der endgültig oder provisorisch Befreiten (letztere blofs im letzten Jahre) zusammengestellt und ergibt die Gesamtanzahl der alljährlich im ganzen Deutschen Reiche zu einer Militärpflichtersatzabgabe heranzuziehenden endgültig Abgefertigten 2711174 Mann und mit Einschlufs der alljährlich neu anfallenden provisorisch Zurückgestellten ,
bezw.
als
über-
schüssig gebliebenen Tauglichen die Summe von 3 302000 Mann und unter Abzug des sehr hohen Prozentsatzes für Abgang durch Tod und Auswanderung von 10 % 3 Millionen wehrsteuerpflichtiger Männer im Alter von 20 bis 33 Jahren ! Die finanzielle Wirkung
des Gesetzentwurfes vom Jahre 1881
konnte aber auch deswegen keine besonders hohe sein, weil unter allen bestehenden und vorgeschlagenen Veranlagungssystemen der deutsche Gesetzentwurf weitaus die unterste Grenze bildete und ganz minimale Sätze forderte. Das Veranlagungssystem vom Jahre 1881 war
ein zusammen-
gesetztes, bestehend aus einer Kopfsteuer für alle Wehrsteuerpflichtigen und einer nach dem Einkommen abgestuften Zuschlagssteuer nur für die, welche ein jährliches Einkommen von über 1000 Mark besafsen,
wobei
das reine Einkommen aus irgendwelchen Quellen
(Grundeigentum, Kapital, Gewerbe, schüssen etc. ) in steuert wurde.
Alimentationen ,
Stipendien , Zu-
der im Notizblatte hinausgegebenen Weise ver-
Bei 3 Millionen Steuerpflichtiger würde die Kopfsteuer zurzeit rund 12 Mark ergeben ( 1881 waren hierfür nur 7,8 Millionen veranschlagt).
Der Ertrag der Zuschlagssteuer nach einer amtlichen,
Invalidenversorgung und Reichswehrsteuer.
bereits in den Jahren 1872 bis 1880
angestellten Ermittelung ,
691
der
zufolge 14 % der 20-32jährigen Militärpflichtigen damals im Besitze eines Einkommens von über 1000 und eines Durchschnittseinkommens von über 2700 Mark waren, dessen Abgabe nach der Veranlagung
1881 zu 30 Mark fixiert, würde heutzutage weitere 12 600000 Mark ergeben ( 1881 war der Ertrag der progressiven
Zuschlagssteuer nur auf 8,2 Millionen Mark veranschlagt). Ferner darf durch die seit mehr als 20 Jahren geldlich gehobenen Verdienstverhältnisse gerechtfertigten Annahme die Zahl der besser Situierten von 14 % auf 15 % angenommen werden (deren Zuschlagssteuer von 12,6 auf 13,5 Millionen) und würde beutzutage die Veranlagung nach Muster 1881 25,5 Millionen ergeben, gegen 16 Millionen im Jahre 1881. Diese 25,5 Millionen wären nun wohl hinreichend , der gänzlichen Aufzehrung des Reichsinvalidenfonds vorzubeugen oder den Antrag „ Oriola und Genossen " finanziell zu fundieren , aber weitaus nicht hinreichend , die ganze zur gründlichen Reform der Invalidenversorgung erforderliche Summe zu beschaffen. Erheblich gröfser würde sich aber der Anfall einer Militärpflichtder bereits 1868 bis 1872 im König-
ersatzabgabe bei Einführung
reich Bayern in Kraft gewesenen und anstandslos durchgeführten Veranlagung einer rein progressiv aus dem Jahreseinkommen berechneten Abgabe , gestalten. Bei dieser Veranlagung würden die 15 % besser Situierten bei einer Besteuerung , welche einem Durchschnittseinkommen von 2700 Mk. entspricht, allein schon ein Steuererträgnis von 76,5 Millionen Mark garantieren, während die restigen 85 % kleinerer Leute von weniger als 1000 Mark Einkommen, belastet mit einer Durchschnittssteuer von nur 10 Mark weitere 25,5 Millionen Steueranfall ergeben würden. Nun kann man freilich diese Veranlagung, welche nicht einmal die höchste aller einschlägigen Staaten ist, auf 12 lange Jahre hinaus eine aufsergewöhnlich hohe Besteuerung nennen, allein eine Militärpflichtersatzabgabe wird immer höher sein dürfen, als jede andere Steuer, da sie einmal keine perennierende ist, andernteils als eine Ersatzleistung für die Opfer des persönlich nicht geleisteten Heeresdienst an Zeit und Erwerbsverlust ist. Schliesslich wird sie auch nur von in voller Erwerbstätigkeit stehenden und derselben uneingeschränkt erhalten bleibenden kräftigen Männern im Alter von 20 bis 32 Jahren gefordert, an deren grofse Mehrzahl die Sorge um den Lebensunterhalt einer Familie noch nicht herangetreten, aufserdem darf aber darauf hingewiesen werden, dafs die bayerische Wehrgeldveranlagung, welche bekanntlich in fehlerhafter Weise sich bei einem Jahrbücher für die deutsche Armee and Marine. No. 405. 45
692
Invalidenversorgung und Reichswehrsteuer .
höheren Einkommen als 2700 Mark nicht mehr steigert, wesentlich durch Verringerung der Sätze unter 2700 Mark und Weitersteigerung bis zu 8000 Mark gewinnen würde, denn gerade die in den grolsen finanziellen, industriellen, kommerziellen und technischen Etablissements an verhältnismässig jungen Beamten und Technikern bezahlten Riesengehälter fufsen zum grolsen Teil auf deren Militärfreiheit. Hiermit ist aber der Beweis erbracht, dals eine richtig vertiefte and rationell veranlagte Militärpflichtersatzabgabe recht wohl binreichen würde, sämtliche noch lebende und infolge Alters , Kränklichkeit und Gebrechlichkeit in ihrer Erwerbstätigkeit beschränkte Kriegsteilnehmer in ihrer kümmerlichen Lebenshaltung entsprechende Unterstützung zu gewähren, sowie den weitgehendsten Versorgungsansprüchen der Friedensinvaliden gerecht zu werden, sondern auch nach dem immer rascher vor sich gehenden Absterben der Kriegsinvaliden die gesamte dem ordentlichen Heeresetat zur Last fallende Pensionsversorgung der Friedensinvaliden, welche zurzeit 78 Millionen beträgt, allein zu tragen. Zum Schlusse wäre der letzte Einwand gegen die Einführung einer Reichswehrsteuer, zu erwähnen, nämlich dem, dafs die Kosten für Veranlagung und Steuereintreibung unverhältnismässig hohe seien und in keinem Verhältnis zum Steuerertrage selbst stehen würden. Dieser Einwurf war wohl gerechtfertigt bei Annahme einer Veranlagung nach dem Gesetzentwurfe vom Jahre 1881 mit einem Steuererträgnisse von nur 16 Millionen Mark, fällt aber in sich zusammen bei einem Steuerertrage von 100 Millionen Mark. Nicht einmal die erste Steuererhebung kann bei der vorzüglichen Einrichtung unseres kaiserlichen statistischen Amtes besondere Kosten verursachen und genügt gelegentlich der kommenden Volkszählung vom 1. Dezember 1905 die Einziehung einer neuen Rubrik in den Fragebogen, die von der männlichen Bevölkerung vom 20. bis 33. Lebensjahre die Erklärung ihres Militärpflichtverhältnisses fordert, um den betreffenden Rentämtern zur Steuereintreibung die erforderlichen adresserichtigen und jedes Mifsverständnis ausschliefsenden Angaben zu verschaffen ; für die späteren Jahre würde es dann Aufgabe der Bezirkskommandos sein , auf Grund der Aushebungsresultate den Rentämtern Namen und Wohnort der neu angefallenen Wehrsteuerpflichtigen mitzuteilen, wozu bei diesen Behörden ein weiterer Offizier und Unteroffizier des Pensionsstandes erforderlich wäre. Auf diese Weise könnte
auch (durch Einführung
der
Reichs-
wehrsteuer) der Pensionsversorgung jüngerer Offiziere durch Einweisung in standesgemälse Bureaustellen aufgeholfen werden, wie es auch die Regierung in der Hand hätte, je nach ihrem Bedarfe
693
Invalidenversorgung und Reichswebrsteuer. an Deckungssummen für Pensionsversorgungsausgaben
ganze Kate-
gorien oder einzelne Jahrgänge von der Militärpflichtersatzabgabe zu befreien, wobei ich verweise, dals mit Einschlufs der ins Ausland Beurlaubten solche bis zu 102 Millionen ansteigen, bei Ausschlufs der temperär Zurückgestellten solche auf 83 Millionen Mark herabsinken würde, - oder aber die Militärpflichtersatzabgabe in ihrer Veranlagung prozentualiter zu ermälsigen. Endlich darf aber wohl darauf hingewiesen werden , dafs jede andere Steuerart zur Ermöglichung unabweislicher Forderungen für Militärinvalidenversorgung
auch
von
denjenigen
mit-
getragen werden müfste , welche ihre erste Bürgerpflicht bereits mit der Heeresdienstleistung erfüllt haben , während die Reichswehrsteuer , oder besser gesagt , die Militärpflichtersatzabgabe nur diejenigen trifft , die dieser ihrer ersten Bürgerpflicht eben noch nicht Genüge geleistet , bezw. von derselben entbunden worden sind. Anlage. Reichswehrsteuer. 1. Auszug aus den Übersichten der Ergebnisse des Heeresergänzungsgeschäftes.
f. d. e. C. Ersat Land Der Dem zAusgeAusgesturm mustert Überreserve Jahr- schlossen ZurückI. Aufgebots Überwiesene wegen zählig wegen gang gestellt UnUntauglich- Überwiesene (Künftig Taugliche würdig(Minder keit Taugliche) keit Taugliche) a.
1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 19081) 19041) Sa.
b.
1431 1395 1285 1267 1210 1212 1245 1171 1219 1887 1887 1887
30 496 33 803 36 574 88 191 40 481 41 689 48 196 89 845 41 882 41 245 41 245 41 245
90 217 97 028 108 271 104 950 108 167 109 958 112 889 102 728 100 071 98 651 98 651 98 651
84 728 81 068 81 549 88 520 84 487 87 764 83 809 82 116 84 854 82 773 82 778 82 778
15 446
468 242
1 225 172
1 002 214
574 425
16 407
Sa. f. sich Sa. f. sich
2711 174
3 301 906 1) Ergebnisse für 1908 und 1904 noch nicht offiziell bekannt gegeben. 45*
Invalidenversorgung und Reichswehrsteuer.
694
2. Veranlagung nach dem Gesetzentwurf vom Jahre 1881. Kopfsteuer à 4 Mark.
Zuschlagssteuer bei einem Einkommen von 1000-1200 M. 1200-1500 19 " "9 99 " "9 1500-1800 „ 99 99 99 " "9 1800-2400 „ 99 99 99
10 M. 12 n 18 99 24 "
2400-3000 " 3000-3600 ช 3600-4200 99
36 99 52 "9 72 19 96 ,
99
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4200-4800 99 4800-5400 5400-6000 "
120
6000-7000 99 7000-8000 "
180 , 210 19
148
sowie für jedes weitere Einkommen von 1000 M. um 30 M. jähr lich mehr.
3. Bayerisches Wehrgeld
nach dem Gesetz
vom 19. Januar 1868 .
(Bayerischer Gulden zu 1,70 M. berechnet. ) Wehrgeld bei einem Einkommen bis zu von "9 n " "
"9 "9
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99 99 über
340 M. 340- 510 M. 510-680 " 680-1020 " 1020-1360 "9 1360-2040 29 2040-2700 12 2700 M.
5 M. 10 "3 15 " 25 19
41 . 68 " 102 22 170 „
Der Reinertrag jährlich etwa 650 000 fl. = 1 285 000 M. war bestimmt zu Kapitulantenzulagen für die Unteroffiziere .
Deutschland und England in Südafrika.
695
XLVII .
Deutschland
und England
in
Südafrika.
Vergleich der Kriegführung und der Erfolge beider Staaten in ihren südafrikanischen Kolonialkriegen.
Von Gentz, Leutnant im 2. Lothr. Infanterie- Regiment Nr. 131 .
Am 24. April 1884 sandte Fürst Bismarck das denkwürdige Telegramm an den deutschen Generalkonsul in Kapstadt, durch welches die Erwerbungen des Bremer Kaufmanns Lüderitz an der Westküste Südafrikas unter den Schutz des Deutschen Reiches gestellt wurden. Mit der Proklamation der deutschen Oberhoheit über die südwestafrikanische Küste legte Fürst Bismarck den Grundstein zu unserem heutigen Kolonialbesitz. Derselbe bedeutete gleichzeitig den Anfang der ―― für unser mehr und mehr sich zum Industrieund Handelsstaat umwandelndes Vaterland so wichtigen und später besonders durch S. M. Kaiser Wilhelm II. so energisch geförderten deutschen Überseepolitik. Die nächste Folge
davon war,
seinem eigenen Wahlspruch : d. h. prosaischer gesprochen,
dafs England, das bisher nach
,,England rules the world," die Welt, den Welthandel beherrscht hatte, in
dem emporstrebenden deutschen Reiche einen gefährlichen Konkurrenten zu wittern und damit einen neuen, mit allen Mitteln zu bekämpfenden Gegner zu fürchten begann. Das zeigte sich deutlich in den Schwierigkeiten, die England unseren weiteren Landerwerbungen in Togo, Kamerun und Ostafrika machte, trat am schärfsten aber in die Erscheinung in dem auf die deutsche Flaggenhissung in Angra Pequena folgenden Streit um das südwestafrikanische Gebiet. Hier wurde damals von Kapstadt wie von London aus mit allen Mitteln ,
im
offenen Protest und in geheimer Agitation bei weifser und farbiger Bevölkerung gegen eine Festsetzung Deutschlands gearbeitet . Und nicht ohne Erfolg. Aber auch --- das mufs man bei ehrlicher und unparteiischer Beurteilung der damaligen Verhältnisse zugeben -nicht ohne Berechtigung. Ohne Erfolg deshalb nicht, weil wir nicht nur die Walfischbai, den einzigen guten und gleichzeitig Trinkwasser besitzenden Hafen an der ganzen Küste und die , reiche Guanolager bergenden Küsteninseln gegenüber der heutigen Lüderitz-
Deutschland und England in Südafrika.
696
bucht, sondern bei späteren Grenzregulierungen auch noch das ganze östlich unserer jetzigen Grenze liegende fruchtbare Ngamisee Gebiet leider wieder den Engländern überlassen mussten, von dem Graf Caprivi allein den danach benannten und die zollfreie Zufuhr zum Zambesi sichernden Caprivi-Zipfel retten konnte. Was die Berechtigung der englischen Ansprüche auf Südwestafrika betrifft, so waren dieselben doch nicht so unberechtigte , wie patriotischer Eifer zur Zeit des deutsch-englischen Konfliktes 1884 glauben machen wollte, der sie allein auf den Konkurrenzneid und die Milsgünstigkeit der englischen Politik gegen Deutschland zurückführte . Die damalige Streitfrage über die beiderseitigen Ansprüche auf Südwestafrika ist in mancher Hinsicht entscheidend für unser späteres Verhältnis zu England geworden.
Sie
Anhalt zur Beurteilung der Stellung geborenen und geborenen.
der
England, das ganz Südafrikas galt stets nur
beiderseitigen
bietet aber auch manchen
beider Nationen Kriegführung
zu den Ein-
gegen
die Ein-
sich im stillen schon für den alleinigen Besitzer denn die Eroberung der Burenrepubliken
hielt als
eine Frage der Zeit
den Orangeflufs als die tatsächlich gingen nicht lang vor Besitzergreifung das Nama- und zum Teil
, betrachtete keineswegs
Nordgrenze seiner Interessensphäre. Und nur die Interessen Englands schon Jahre dieser Gebiete durch Deutschland weit in in das Hereroland hinein, sondern es hat
auch ohne Frage schon ein nicht unbedeutender politischer Einfluſs Englands auf die Eingeborenenstämme Südwestafrikas bestanden, ehe Deutschland dort auftrat. 1805 gingen bereits die
ersten englischen Missionare über den
Orangeflufs nordwärts und gründeten beim heutigen Warmbad im Ihnen folgten englische Süden ihre erste Station Nisbets Bath. Goldsucher mit von der Kapregierung ausgestellten Schürfscheinen , die das Namaland prospektierten ; und englische Händler, die schon in den sechziger Jahren bis zu den Orambos im Norden vordrangen und später regelmässige Handelsbeziehungen zwischen dem Kapland Die und den Eingeborenenstämmen Südwestafrikas unterhielten . Guanoinseln an der Küste beutete eine unter englischer Flagge arbeitende Gesellschaft aus und in der Walfischbai safs seit 1878 schon ein sogen. englischer Magistrat, dessen Einfluss selbst bei den Eingeborenen des Hinterlandes so grofs war, dafs z. B. die Herero jahrelang vor Beginn der deutschen Herrschaft schon an den Magistrat in Walfischbai einen jährlichen Tribut von einigen hundert Pfund Sterling in Ochsen zahlten. Diese letzte Tatsache ist um so weniger
Deutschland und England in Südafrika. zu unterschätzen,
als die
697
deutsche Regierung im Gegensatz dazu
trotz zwanzigjähriger Herrschaft Abgaben in irgendwelcher Form von den ebenso reichen wie arbeitsscheuen Herero zu fordern nicht für ratsam hielt, da kriegerische Verwickelungen befürchtet wurden. Ein anderes Beispiel dafür,
wie weit der Einflufs Englands selbst
bis in das Innere Südwestafrikas damals schon ging, ist das: Im Jahre 1875 hatten sich in Rehoboth, der Hauptniederlassung der sogen. Bastardnation englische Händler angesiedelt. Als im selben Jahre ein von Osten her durch die Kalahari kommender Burentreck über Gobabis heranzog und sich Wohnsitze im Rehobother Gebiet sichern wollte , kam es zur offenen Feindschaft zwischen Weiſsen und Bastards.
Die Kapregierung sandte darauf im Oktober 1876
einen Kommissar, Mr. Palgrave, dessen Einfluss es gelang, Ruhe und Frieden wieder herzustellen. Demgegenüber waren unsere Interessen und Ansprüche in Südwestafrika keine bedeutenden : Sie gründeten sich allein auf die Tatsache, dafs Kaufmann Lüderitz 1883 in Angra Pequena, der später
nach ihm
benannten Lüderitzbucht,
eine Faktorei gründete
and eine Strecke Landes erworben batte und auf die Bitte einiger Missionare der heute über ganz Südwestafrika verbreiteten Rheinischen Mission um Schutz gegen Übergriffe der Eingeborenen . Beweist diese Gegenüberstellung einerseits , dafs die älteren Rechte ohne Frage auf seiten Englands waren, so zeigt sie uns andererseits aber die für alle Zeiten unvergessliche imponierende Macht der Politik des Fürsten Bismarck, der trotz der älteren englischen Ansprüche sichern wulste.
uns den
dauernden Besitz
dieses
Gebietes zu
Schliefslich zeigt uns das damalige Verhältnis der
Eingeborenen zu England, wie das energische Auftreten der Engländer in ihren südafrikanischen Eingeborenenkriegen ihnen einen enormen Einflufs bei allen Eingeborenenstämmen ganz Südafrikas weit über die Grenzen des tatsächlichen englischen Machtbereichs hinaus verschafft hatte. Im scharfen Gegensatz dazu mufste der Eindruck stehen, den unser erstes Auftreten in Südwestafrika auf die Eingeborenen gemacht hat, der nach allem, was man darüber weifs, kein imponierender gewesen ist. Ein aus der Feder eines Deutschen stammender Bericht aus der Zeit bald
nach der Besitzergreifung Südwestafrikas
durch Deutschland schildert die Verhältnisse folgendermalsen : ,,Die deutsche Schutzherrschaft,
von keiner Militärmacht unterstützt,
hat
den weiten Ländergebieten weder Frieden noch Ordnung gebracht. Die hohe Meinung von Deutschlands Macht ist fast geschwunden und ohne Wiederherstellung
derselben,
ohne Vorhandensein einer
698
Deutschland und England in Südafrika.
ausreichenden, stets sichtbaren und hilfsbereiten Schutztruppe ist aus den gegenwärtigen rechtlosen Zuständen nicht herauszukommen, die vor allem die ungestraft raubenden und mordenden Namas veranlassen. Dem Reichskommissar Goering selbst wurden Pferde und Ochsen geraubt.
Die Verwirrung
im Namalande ist aufs höchste
gestiegen, das Ansehen der früher so gefürchteten Europäer tief gesunken. " Nicht hoch genug kann man trotzdem das Verdienst der ersten hinausgesandten Reichsbeamten anrechnen, die ohne irgendwelche militärischen Machtmittel hinter sich zu haben, uns ein Gebiet erwarben, das den Flächeninhalt des Deutschen Reiches noch um ein Fünftel übertrifft. Die
offenkundige
Feindschaft,
mit
der die Engländer allen
unseren kolonialen Unternehmungen, staatlichen wie privaten, entgegenarbeiteten, hat die Gegensätze zwischen beiden Völkern von Jahr zu Jahr verschärft, deren Ausdruck seinen Höhepunkt zur Zeit des Burenkrieges erreichte. Der damals in weiten Volkskreisen eingewurzelte Hafs gegen die Engländer hat uns aber in vieler Beziehung
blind
gemacht
gegen
die
Leistungen
derselben,
be-
sonders die für jeden objektiven Beurteiler unverkennbaren Vorteile und Erfolge führung .
ihrer Kolonialpolitik
und
ihrer Kolonialkrieg-
Als die Buren im Herbst 1899 viel zu früh für die noch lange nicht mit ihren Kriegsvorbereitungen fertigen Engländer den Krieg erklärten, in Natal und die Kapkolonie einfielen und den englischen Truppen Niederlage auf Niederlage beibrachten, da zweifelte man in weiten Kreisen unseres Volkes nicht an einer endgültigen Niederlage der Engländer, ja, an einem Verlust ihres ganzen Kolonialbesitzes in Südafrika ; und niemals ist das viel mifsbrauchte Wort Bismarcks häufiger zitiert worden, Afrika sei das Grab Englands. Nur wenige hatten eine Ahnung von der Kraft, die dieses alle Erdteile umspannende Weltreich zu entfalten vermag, und die zum nicht geringen Teil in seinen fast unerschöpflichen Geldmitteln aus denen sie sich immer wieder ergänzt. ')
beruht,
1) Dr. Karl Peters sagt am Schlufs seines kürzlich erschienenen Buches : „England und die Engländer“ : „,... wie wir sehen, spielte die Eroberung durch Waffengewalt eine sehr untergeordnete Rolle im britischen Weltreich. Seine eigentliche geschichtliche Bedeutung liegt im Umsichgreifen der angelsächsischen Kultur über unsern Planeten Somit ist denn die britische Weltpolitik in erster Linie wirtschaftliche Kulturarbeit. In ihr liegt die Grösse dieser Art vornehmlich begründet. Wer die Briten nur in Europa kennen lernt und sie vom europäischen Gesichtspunkte aus mit anderen Völkern vergleicht, wird ihnen demnach nicht gerecht. Durch die Wälder Britisch-
Deutschland und England in Südafrika.
699
Aber auch in anderer Beziehung führte die Gegnerschaft gegen England zur Unterschätzung.
Die Armee galt vielfach als minder-
wertig, und von der Marine wurde behauptet, sie erreiche ihre imponierende Zahl nur durch Indienststellung alter unbrauchbarer Schiffe, die man bei uns längst ausrangiert haben würde. Jeder deutsche Seeoffizier aber weifs, dafs die Engländer mit ihrer Flotte auch heute noch an allererster Stelle in der Reihe der Seemächte rangieren ; und wer die englische Armee kennen gelernt hat, sei es in China, Afrika oder sonstwo, der weifs, dafs nichts fehlerhafter ist, als sie als minderwertig und in der Konkurrenz mit anderen. Armeen zurückstehend zu bezeichnen. Major Balck führte vor Jahresfrist in einem Vortrag ein kleines Beispiel an, das beweist, dafs die englische Armee in bezug auf die Schiefsausbildung z . B. durchaus nicht hinter den anderen europäischen Armeen zurücksteht. Bei einem internationalen Vergleichschiefsen ausgesuchter Schützen in Shanhaikwan in China
im August 1902 ge-
legentlich der letzten Chinaexpedition, bei dem auf 200 m 10 Schufs auf die deutsche Ringscheibe abgegeben wurden, erreichte die englische Abteilung das beste Resultat mit 84,6 Ringen im Durchschnitt ; ihr folgte die deutsche mit 79,2, die französische mit 73,2 usw.. Auch in deutschen Armeekreisen hielt man während des Burenkrieges mit absprechenden Kritiken über die englische Armee und die tatsächlichen und scheinbaren Fehler in der Kriegführung der Engländer nicht zurück.
Das Unglück wollte es,
Jabre darauf in einen ähnlichen Krieg,
auch
dafs wir wenige
auf südafrikanischem
Boden, verwickelt wurden, der heute noch nicht beendet ist, und der in seinen verschiedenen Phasen sehr zu Vergleichen mit dem von den Engländern
in Südafrika geführten Kriege herausfordert.
Fast dieselben Erscheinungen ,
welche
den Kampf der Engländer
Kolumbiens und die Golddistrikte Südafrikas mufs man wandern, die Ufer des Ganges und die Wasserfälle des Nils mufs man besuchen, um zu verstehen, was Groſsbritannien für die Menschheit geleistet hat ..... . . . . Wie immer wir vom Standpunkt unserer eigenen nationalen Interessen dieser grolsen geschichtlichen Schöpfung gegenüber stehen mögen, wenn wir billig und gerecht urteilen, so können wir nicht anders, als sie voll tiefster Bewunderung betrachten. Der britische Nationalstolz ist oft im einzelnen borniert und verletzend für die Empfindungen von Ausländern . Aber, wenn ein Stolz berechtigt war bei irgend einem Volk der Geschichte, so ist er berechtigt beim englischen . Denn hier beruht er nicht auf blofsen Empfindungen oder Einbildungen, sondern auf der realen Leistung einer Kolonialpolitik, deren Ergebnis, das britische Weltreich, heute als die glänzendste Offenbarung des staatenbildenden Genius der europäischen Rasse dasteht. "
Deutschland und England in Südafrika.
700 gegen die Buren wieder:
begleiteten ,
finden wir hier in ähnlicher Form
Falsche Orientierung der Heimatregierung über die politische Lage und die Kräfte des Gegners seitens der dafür verantwortlichen Organe in der Kolonie. Daneben Gegners auch militärischerseits.
anfängliche Unterschätzung des
Niederlagen gegen einen immerhin unvollkommen ausgerüsteten and mangelhaft organisierten Feind. Verhältnismäſsig hohe Verlustzahlen fechte, besonders an Offizieren.
durch Krankheit und Ge-
Die grofse Schwierigkeit, entscheidende Schläge herbeizuführen oder einen errungenen Erfolg dem stets rechtzeitig ausweichenden Gegner gegenüber auszunutzen. Schliefslich nach endlich erfolgter Niederwerfung der Hauptmacht des Gegners ein die Kräfte der Truppen spannender und aufreibender Kleinkrieg .
aufs
höchste an-
Ihren Gipfel erreichte die Ähnlichkeit mit den im Barenkriege aufgetretenen Erscheinungen in der verhältnismäfsig schweren Schlappe unseres Marine-Expeditionskorps am 13. März vorigen Jahres bei Owikokorero, die einen Verlust von 10 Offizieren und 21 Mann brachte. Davon 7 Offiziere und 19 Mann tot. Auch darin gleichen sich die Erscheinungen beider Kriege, dals die mit den Verhältnissen auf dem Kriegsschauplatze nicht vertraute Kritik in Europa die Mifserfolge zunächst in Fehlern der Führung suchen wollte. Unerwartete Zusammenstöfse und Überfälle, die meist mit schweren Verlusten der überraschten Abteilung endeten, sind aus der Geschichte des letzten Krieges der Engländer gegen die
Buren noch zahlreich in der
Erinnerung.
Man war
damals
meist geneigt,
dieselben der mangelhaften Sicherung der Engländer
zuzuschreiben.
Sie werden aber richtiger erklärt durch die Eigenart
des Kriegsschauplatzes, Gelände, Klima, Wege- und Wasserverhältnisse, die vielfach ganz andere Regeln für die Sicherung fordern, als sie für unsere europäischen Verhältnisse passen ; vielfach aber auch eine so weitgehende Sicherung, wie sie unsere für europäische Verhältnisse zugeschnittenen Vorschriften fordern, dort gar nicht ermöglichen. Wir finden daher, dafs auch in dem jetzigen Kriege in Südwestafrika eine grofse Anzahl von Gefechten den Charakter von Überfällen trägt, zu denen die südafrikanischen Geländeverhältnisse in Deutsch- Südwestafrika ebenso wie auf dem Schauplatze des Burenkrieges direkt auffordern. Daſs es falsch ist, ohne weiteres aus dem Gelingen eines solchen Überfalls den Schlufs zu ziehen, dafs der unterliegende Teil Fehler
Deutschland und England in Südafrika.
701
begangen haben müfste, kann vielleicht auch der Umstand beweisen, dals wir speziell im jetzigen Kriege in Südwestafrika ebenso häufig von Fällen lesen,
in denen die gewils mit dem Gelände und allen Hilfsquellen des Landes vertrauten, von Natur überaus verschlagenen and krieggeübten Eingeborenen von Abteilungen der mit den Ver-
hältnissen viel weniger vertrauten Schutztruppe überfallen wurden. Um ein Beispiel anzuführen, möchte ich auf den Überfall des
Leutnants v. Trotha hinweisen, der am 6. Januar bei Blutputz und am 8. Januar bei dem ca. 35 km südöstlich davon liegenden Gorabis nördlich von Bethanien Abteilungen der mit Witboi verbündeten Nordbethanier überfiel, wobei nicht nur drei gefangene Weiſse befreit, sondern dem Feinde aufserdem ca. 500 Stück Grofsvieh und 2000 Stück Kleinvieh abgenommen wurden ; was für die Verhältnisse des dortigen Kriegsschauplatzes, wo der Wert eines gelungenen Schlages fast mehr nach der Zahl des erbeuteten Viehs, als den Verlusten des Gegners an Menschenleben beurteilt wird, sehnlichen Erfolg bedeutet.
einen an-
Auch die Schlappe bei Owikokorero wollte man, bevor die Einzelheiten des Gefechts bekannt geworden waren, auf Unvorsichtigkeit der Leitung und Vernachlässigung der für die Sicherung geltenden Grundsätze zurückführen . Wie unrecht das war, zeigt der erst später bekannt gewordene Verlauf des Gefechtes : Am
17.
v. Glasenapp,
Februar die
war
die
gröfstenteils
sogen .
Ostabteilung
aus dem
bestand, von Windhuk abgerückt,
unter Major
Marine - Expeditionskorps
mit der ursprünglichen Aufgabe,
die Ostgrenze bei Gobabis und Rietfontein gegen einen befürchteten Übertritt der Herero auf englisches Gebiet zu sperren . Patrouillen stellten jedoch fest, seien, vielmehr
dafs Viehheerden nicht nach Osten abgetrieben
zu der Vermutung Anlafs sei, dafs sich die Herero
in den Onjati- Bergen und nördlich davon zusammenzögen. Major von Glasenapp bog infolgedessen noch vor Gobabis ab und marschierte über Kehoro and Okandjesu in nordwestlicher Richtung, um in
womöglich mit der auf der anderen
Seite der Onjati-Berge
Okahandja formierten Hauptabteilung unter Major von Estorff
gemeinsam gegen die Herero wirken zu können. Um die vollständig verloren gegangene Fühlung mit dem Feinde wieder zu gewinnen, und seiner, den gröfsten Strapazen ausgesetzten Truppe nach Möglichkeit Umwege zu ersparen, beschlofs Major von Glasenapp eine gewaltsame Erkundung in der Richtung auf Owikokorero nördlich der Onjati- Berge, in welcher zahlreiche Vieh- und Karrenspuren führten. Da von dem gesamten Pferdematerial der Ostabteilung aber nur noch 30 brauchbare Pferde vorhanden waren, sah sich
702
Deutschland und England in Südafrika.
Major vor Glasenapp gezwungen, auch die sämtlichen berittenen Offiziere der Detachements mitheranzuziehen, um der Erkundungsabteilung eine etwas gröfsere Gefechtskraft zu geben. Die Offiziere wären wie die Mannschaften mit Karabinern ausgerüstet ; aufserdem wurde ein Maschinengewehr mitgenommen. Die Patrouille ging mit aller Vorsicht zuwege. Von Sicherungsmafsregeln nach europäischen Begriffen konnte in dem meist mit dichtem Dornbusch bewachsenen und dann nur auf schmalen Pfaden passierbaren Gelände jedoch natürlich nicht die Rede sein. Am Nachmittag stiels die Abteilung auf einen schwachen Gegner, der sich jedoch bald verstärkte und, zum Angriff übergehend, die nach Abzug der Pferdehalter noch etwa 30 Gewehre starke Schützenlinie zu überflügeln drohte, so daſs der Rückzug angetreten werden musste, der in guter Ordnung vor sich ging. Der, allerdings mit schweren Verlusten erkaufte, aber wertvolle Erfolg des Tages war der, dafs Major von Glasenapp nach Okahandja melden konnte, die Hauptmacht der Herero, über deren Verbleib man seit Wochen nichts mehr wufste, stände bei Owikokorero. Der Ritt hat, auf europäische Verhältnisse übertragen, Ähnlichkeit
mit dem, von dem württembergischen Hauptmann Graf Zepplin und einer kleinen Anzahl Offiziere und Mannschaften unternommenen kühnen Erkundungsritt kurz nach Ausbruch des deutschfranzösischen Krieges, dessen wertvolles Resultat bekanntlich mit ähnlichen schweren Verlusten
erkauft wurde, da Graf Zepplin der einzige Zurückkehrende war. Ein Vorwurf, der der englischen Kriegführung von deutscher Seite oft gemacht worden ist, ist der der Inhumanität, besonders in den Kriegen gegen die Eingeborenen. Eine soweit gehende Milde, wie sie unsere Kriegführung in Südwestafrika in den früheren Eingeborenenkämpfen z. B. aufweisen kann, sucht man allerdings in den häufig mit grofser Rücksichtslosigkeit geführten Eingeborenenkriegen der Engländer vergebens. Dafür sind aber die Eingeborenenkriege der Engländer meist von dauernden Erfolgen gekrönt gewesen, während das
bei
den
bisherigen Kriegen in Südwestafrika leider
nicht der Fall war, wie der jetzige Aufstand beweist. Es liegt in der Natur der Eingeborenenkriege, dafs sie ein ganz anderes Gepräge tragen müssen, als ein Krieg zwischen zwei zivilisierten Nationen . Der Umstand, dafs die Eingeborenen den Krieg stets als einen von den scheufslichsten Grausamkeiten begleiteten Vernichtungskampf führen, berechtigt auch den europäischen Gegner nicht nur zu gröfserer Rücksichtslosigkeit in der Wahl seiner Mittel, sondern fordert dieselbe sogar aus Gründen der Humanität gegen die Angehörigen der eigenen Partei. So haben die Engländer
Deutschland und England in Südafrika.
703
z. B. im Kriege gegen die Mashona in Rhodesia 1897 mehrfach die Felsenhöhlen, in die sich die Mashona nach ihren Räubereien beim Anrücken der kleinen Truppe der Chartered-Company zurückgezogen hatten, nicht angegriffen, sondern einfach - als eine Aufforderung zur bedingungslosen Unterwerfung erfolglos blieb - mit Dynamit gesprengt, wodurch ohne Verluste auf englischer Seite, hunderte von Mashonas vernichtet wurden. Die Erfahrung lehrt, dafs Milde in der Kriegführung gegen Eingeborene
niemals
auf Anerkennung oder auch nur auf Verständnis
beim Gegner rechnen
kann .
Es gibt in sämtlichen Sprachen Süd-
westafrikas z. B. gar keinen Ausdruck für unseren Begriff der Milde, Menschlichkeit usw. Selbst für den Begriff des Dankes haben weder Herero noch Hottentotten einen Ausdruck und haben erst durch den Verkehr
mit
Europäern
das
holländische
Wort:
„ Dank U“ gelernt, das sie als leere Form bei Empfang von Geschenken anwenden . Eine allzu humane Kriegführung birgt die Gefahr in sich,
von den Eingeborenen als Schwäche aufgefalst zu
werden, da ein sich stark genug fühlender Gegner nach ihrer Auffassung sonst keinen Grund haben könnte, sich den Genufs der Rache an dem Besiegten zu versagen. Dals gegen solche Gegner andere Kampfformen und Kriegsregeln gelten dürfen, als in euroEin englisches päischen Kriegen, ist daher wohl verständlich. Sprichwort sagt, Milde gegen den Farbigen sei Grausamkeit gegen den weiſsen Mann . Wir haben den Beweis für die Wahrheit dieses Spruches leider in Südwestafrika an den hingeschlachteten Opfern der durch zu grofse Milde in früheren Kriegen übermütig gewordenen Eingeborenen. In England, das seit Jahrhunderten in seinem ausgedehnten, über die ganze Erde verteilten Kolonialbesitz fast dauernd irgendwo Kämpfe zu führen hat, sei es in Indien, China oder Afrika , ist die öffentliche Meinung nicht annähernd so von Sentimentalität in Beurteilung von Eingeborenenfragen beeinträchtigt, als bei uns in Deutschland, wo Missionare und Sozialdemokraten für die bestialischen Gegner unserer Schutztruppe eine Lanze nach der anderen brechen. Eine energische Durchführung des Kampfes mit allen Mitteln bis zur bedingungslosen Unterwerfung und Entwaffnung des Gegners, die wir in den meisten englischen Kolonialkriegen in Südafrika und ebenso in den Eingeborenenkriegen der Buren als Regel sehen , hat leider in unseren früheren Kolonialkriegen in Südwestafrika niemals erreicht werden können . Hauptmann Schwabe sagt in seinem, noch vor Ausbruch des jetzigen Eingeborenenaufstandes in Südwestafrika geschriebenen Buche „ Dienst und Kriegführung in den Kolonien": ,,Am erfolgreichsten haben die vollständige Entwaffnung der Ein-
704
Deutschland und England in Südafrika.
geborenen mit furchtbarer Energie und Härte die Buren in Südafrika durchgeführt, denn sie erkannten wohl, dafs ein Gebiet, welches Massen bewaffneter Eingeborenen birgt, keine Sicherheit für einen dauernden Frieden ... bietet. In einem solchen Lande sind Rückschläge häufig und es dürfte wohl für jedes dieser Gebiete einst der Tag kommen, an dem man genötigt sein wird, das Paktieren mit bewaffneten Eingeborenen zu beenden und das Schwert zu ziehen. “ Hat es den englischen Kolonialkriegen auch nicht an schweren Niederlagen gefehlt,
so sind dieselben doch durch eine mit grofsen
Mitteln durchgeführte, die völlige Niederwerfung des Gegners im Auge haltende und keinen zweifelhaften Frieden kennende Beendigung des Krieges wieder ausgeglichen worden. So im Zulukriege 1879, wo in der Schlacht bei Isandula die Zulu 60 Offiziere und 1400 Mann der Engländer niedermetzelten ;
wenige Monate darauf
jedoch durch Lord Chelmsford, der mit einem Heere von 23000 Mann anrückte in mehreren Schlachten so empfindlich geschlagen wurden, dafs dieser früher äusserst kriegerische und gefürchtete Volksstamm seitdem
bis auf den heutigen Tag keinen zweiten Aufstand wieder
versucht hat.
Ebenso energisch und mit demselben Erfolg geführt
wurden der Krieg gegen die Matabale in Rhodesia im Jahre 1893 und die Niederwerfung des Mashonaaufstandes 1897. Als Major Leutwein die Führung des Krieges gegen Hendrik Witboi in Sudwestafrika im Jahre 1894 nach Abberufung des Major von François übernahm, brachte er von Berlin die Weisung mit, den Krieg nach Möglichkeit zu beenden .
Major Leutwein sah sich da-
durch wohl genötigt, den bekannten und für Witboi äusserst günstigen Frieden abzuschlielsen, in welchem der schon als vogelfrei erklärte Häuptling wieder begnadigt und mit seinem ganzen Stamme, dem die Waffen gelassen wurden, im Gebiete bei Gibeon angesiedelt wurde.
Die vielgerühmte
und leider auch viel geglaubte Treue
Hendrik Witbois gegen die deutsche Herrschaft in den nun folgenden Jahren liefs
diesen Friedensschluís lange
als
eine
sehr günstige
Lösung erscheinen ; bis der Alte endlich die Zeit für gekommen hielt, die Maske abzuwerfen und von neuem den alten südafrikanischen Grundsatz zu bestätigen, dafs man auch den heiligsten Versicherungen eines Hottentotten niemals Glauben schenken dürfe. Ein noch krasseres Beispiel eines von ungewöhnlicher Milde diktierten zu frühen Friedens vor erfolgter Niederwerfung und empfindlicher Bestrafung des Gegners bietet der Abschlufs des Krieges gegen die Khauashottentotten im Osten der Kolonie 1895. Der Khauashottentottenhäuptling Lambert, der dem Major Leutwein unter den Gewehrläufen der Schutztruppe ewige Treue in die Hand ge-
705
Deutschland und England in Südafrika. schworen hatte ,
wagte
es
schon
nach
einem
Jahre
wieder
diesmal im Bunde mit den östlich Okahandja und im Distrikte Gobabis sitzenden Ovambandjeru unter Nikodemus - durch Ermordung von Weilsen und Viehraub einen neuen Krieg zu beginnen. Die beiden Häuptlinge Nikodemus und Kahimema, der für den gefallenen Lambert die Führung der Khauas übernommen hatte und die Seele des Aufstandes
war,
wurden kriegsgerichtlich zum Tode verurteilt
und in Okahandja erschossen .
Die Khauashottentotten wurden ent-
waffnet und in Kriegsgefangenschaft abgeführt, dagegen blieben die Ovambandjeru, die im jetzigen Kriege unter ihrem Kapitän Tjetjo die Kerntruppen der Aufständischen bildeten, im Besitz ihrer Waffen. Dafs gleich die ersten Gefechte in diesem Kriege mit einem Siege endeten war ein Glück für die Schutztruppe ; denn schon rückte der in letzter Zeit viel genannte Hererohäuptling Samuel Maharero, der Bruder des Ovambandjeruhäuptlings Nikodemus, von Okahandja aus mit einer ansehnlichen Streitmacht heran. Er hat allerdings stets behauptet - und es ist ihm auch vielfach geglaubt worden - er hätte den Deutschen gegen seinen Bruder helfen wollen .
Sehr wahr-
scheinlich klingt das jedoch nicht und es ist kaum zweifelhaft, auf wessen Seite sich Samuel gestellt haben würde , wenn die Schutztruppe bei seiner Ankunft statt der Erfolge eine schwere Niederlage zu verzeichnen gehabt hätte. Der Aufstand der Bondelzwarts im Süden im Jahre 1898 endete damit, dafs die bis Keetmanshoop vorgerückte Truppe durch Hendrik Witbois Vermittelung einen Frieden schlofs, ohne dafs eine empfindliche Bestrafung des Stammes stattfand . Diesmal war der verfrühte Friedensschlufs direkt durch die Not diktiert, da das Pferde- und Zugtiermaterial der auch an Zahl zu schwachen Truppe durch den damals herrschenden Wasser- und Futtermangel bereits auf dem Wege von Windhuk nach Keetmanshoop so gelitten hatte, dafs ein Kampf mit den im unwegsamen Gebirge sitzenden Bondels aussichtslos erscheinen musste. Erspart ist der Schutztruppe der damals aufgeschobene Kampf gegen die Bondelzwarts bekanntlich nicht geblieben. Sie waren seit jenem milden Friedensschlufs, den sie sich als Erfolg anrechneten, aufsässiger denn je ; und es ist nur der Besonnenheit und weitgehendsten Nachsicht der verschiedenen Distriktschefs in Warmbad zu danken, dafs der mit der Ermordung des Leutnant Jobst in Warmbad im Herbst 1903 von Deuem ausgebrochene Aufstand nicht schon viel früher erfolgte . Eine Niederwerfung und Entwaffnung aber hatte auch dieser Aufstand noch nicht zur Folge ; denn die Bedingungen des Friedens von Kalkfontein sind bekanntlich von den Bondels nicht
erfüllt
worden,
die
unter
Deutschland und England in Südafrika.
706
ihrem neuen Führer Morenga der schaffen machten, denn je .
Schutztruppe
wieder mehr
zu
Fast überall sehen wir in diesen Eingeborenenkriegen verfrühte Friedensschlüsse
unter milden Bedingungen
ohne
völlige
Nieder-
werfung und Entwaffnung der aufrührerischen Stämme. Dals ein derartiger Frieden in den Augen des unterlegenen Teils aber nichts weiter bedeutet, als einen zur Sammlung neuer Kräfte willkommenen Waffenstillstand, das lehrt die Geschichte nicht nur der Kolonialkriege, sondern aller Kriege überhaupt, eines Gegners unter den anderen enden.
die mit der Unterwerfung So war auch die Ruhe-
pause, die in der Kriegsgeschichte Deutsch- Südwestafrikas vorübergehend eingetreten war, und die zu so trügerischen Schlüssen Anlaſs wurde, für die farbige Bevölkerung nichts anderes, als eine Zeit des Waffenstillstandes, die der Sammlung neuer Kräfte ,
vor allem aber
der, nur dem Genie eines Hendrik Witboi möglichen Einigung der bisher bitter untereinander verfeindeten Eingeborenenstämme gegen die weifse Rasse gewidmet war. Aus
den
verfrühten
Friedensschlüssen in
Südwestafrika
und
ihrer natürlichen Folge, der zu vorsichtigen, allen Konflikten ausweichenden Eingeborenenpolitik den bewährten Führern unserer Schutztruppe einen Vorwurf zu machen, wäre falsch.
Die Ursache
derselben ist in erster Linie in dem Druck zu suchen, der auf die Heimatregierung fortgesetzt
ausgeübt
wurde ;
einerseits
von
der,
Kolonialkriegen damals noch mehr als heute abgeneigten öffentlichen Meinung
in
Deutschland ,
andererseits
durch
die
im
Reichstage
in engherziger Beschneidung des Kolonialetats jährlich sich von neuem äussernde Kolonialfeindlichkeit der Mehrheit unserer Volksvertretung . Ein anderer Nachteil unserer früheren Kolonialkriege in Südwestafrika war es, dals keiner derselben ohne Mitwirkung von Eingeborenenhilfstruppen durchgeführt worden ist. In den Kämpfen gegen Witboi waren es die schon erwähnten Rehobother Bastards , die der viel zu kleinen deutschen Schutztruppe wertvollen Beistand leisteten. In allen späteren Kriegen aber spielte Hendrik Witboi als der dauernde Waffengefährte der Schutztruppe eine grofse, oft entscheidende Rolle. Da ist es wohl erklärlich, wenn Witboi, der trotz aller Intelligenz
die Macht des Deutschen Reiches
doch
nur
nach dem beurteilen konnte, was er von ihr in Südwestafrika sab, auf den Gedanken kommen musste, dafs die Schutztruppe allein, ohne Hilfe von Eingeborenenstämmen einen Kampf nicht durchzuführen vermöge.
Und dafs es nicht schwerfallen könne, über die Deutschen,
deren Schwächen er wohl kannte, die Oberhand zu gewinnen, wenn
Deutschland und England in Südafrika.
707
im Falle einer Einigung aller Eingeborenenstämme ihnen die bisher unentbehrlichen Hilfsvölker fehlen würden. Und tatsächlich wäre es auch wohl so gekommen, wenn man bei Ausbruch des Hereroaufstandes den alten Fuchs nicht rechtzeitig unter scharfe Beobachtung ins Hauptquartier genommen hätte, wodurch die Ausführung seiner ohne Zweifel schon länger bestehenden verräterischen Pläne bedeutend verzögert wurde . Denselben, das Kraftgefühl und den Dünkel der Eingeborenen in bedenklicher Weise stärkenden Fehler finden wir übrigens auch bei der in diesem Punkte durchaus nicht vorbildlichen Kriegführung der Engländer, die soger im südafrikanischen Kriege nicht davor zurückschreckten, eigens dazu bewaffnete Eingeborenenbanden gegen die Buren zu verwenden.
Ein Experiment,
das
schon allein vom
Standpunkt der Rassenfrage zu verwerfen ist, das aber auch im Hinblick auf den in Südafrika noch lange nicht ausgekämpften Rassenkampf zwischen Weifs und Schwarz ein höchst gefährliches genannt werden muls. Ebenso unverständlich von diesem Gesichtspunkte aus ist auch der Standpunkt, auf den sich die Engländer zu dem jetzigen Aufstande in Südwestafrika stellen, indem sie die Eingeborenen als kriegführende Partei im Sinne des Völkerrechts anerkennen und behandeln.
Dafür gibt es nur eine Er-
klärung in der Annahme, dafs der Konflikt von 1884 in Kapstadt auch heute noch nicht vergessen ist, und dafs auch heute noch Deutschland in Südafrika von den Engländern für einen grölseren Feind
gehalten
wird, als die, allen europäischen Staatengebilden in Südafrika gleichmäfsig drohende schwarze Gefahr. Das Unheil, das die früber in Südwestafrika gemachten Fehler zur Folge haben mussten, ist mit dem jetzigen allgemeinen Aufstand eingetreten.
Ein Umstand, der uns trotzdem mit der heutigen Lage
der Dinge in Südwestafrika einigermaſsen aussöhnen kann,
ist der,
dafs das jetzige Vorgehen der Schutztruppe voraussichtlich
endlich
die
dringend
notwendige völlige
Unterwerfung und
Entwaffnung
sämtlicher Eingeborenen herbeiführen und ihnen den Respekt vor der Macht der Deutschen abzwingen wird, den die früheren, mit unzureichenden Mitteln geführten Kriege ihnen leider nicht beibringen konnten. Aber schon drohen auch dem von Vorgehen
des Generals
v. Trotha
besten Erfolgen gekrönten
ähnliche
Schwierigkeiten
wie
seinen Vorgängern. Schon dauert vielen in der Heimat der Krieg zu lange, die das Françoissche Wort nicht beherzigen wollen : „ Den Mühseligkeiten und Entbehrungen, den Anstrengungen und Gefahren, die derartige Expeditionen mit sich bringen, fehlt und mufs fehlen Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 405. 46
Deutschland und England in Südafrika.
708 der
schnelle,
ungeduldig nicht."
durchschlagende
erwartet.
Erfolg ,
Ein veni, vidi,
den vici
der
gibt
Kolonialfreund
es
in
Südafrika
Schon macht der Reichstag Schwierigkeiten mit der Bewilligung der geforderten Mittel und zwingt die Regierung,
bei
ihren Forde-
rungen zum Schaden der Operationen in Südwestafrika zu sparen. Schon erheben sich zahlreiche Stimmen in der Heimat für Schonung der Eingeborenen, trotzdem es erst einige Monate her ist, dafs die Spalten der Zeitungen mit den von ihnen verübten Greueltaten angefüllt waren. Schon taucht im Hintergrunde als drohendes Gespenst die Vermittelung der Missionare auf, jener Männer, die gewils in ehrlicher Überzeugung, aber in unglaublicher politischer Kurzsichtigkeit und Naivität handelnd schon so viel Unheil in Südwestafrika angerichtet haben.
Es wäre ein
neues Unglück
für
wenn auch dieser Krieg zu früh abgebrochen würde.
die Kolonie , Von Frieden
und Vermittelung darf nicht die Rede sein, ehe nicht der letzte Eingeborene das Knie
vor der deutschen Herrschaft gebeugt hat -
soll nicht all das deutsche Blut, mit dem die Sandsteppen Südwestafrikas getränkt sind, umsonst vergossen sein. Zwei Punkte sind es, die den Engländern ihre Erfolge in den Kolonialkriegen gesichert haben und an denen wir uns ein Beispiel nehmen dürfen : 1. Die rücksichtslose Energie, mit der ein einmal beschlossenes Unternehmen auch bis zu Ende durchgeführt wird und 2. die Freigebigkeit in der Bewilligung als notwendig erkannten Geldmittel.
der
Das deutsche Publikum aber sollte lernen ,
zur Durchführung
nicht in kleinlicher
Rechtsklauberei stets für den Schwächeren Partei zu nehmen, sondern sich den englischen Kernspruch zu eigen zu machen, den Fürst Herbert Bismarck einst den deutschen Volksvertretern zurief: „ Right or wrong --- my country !" Frei übertragen : Ob wir im Recht sind oder im Unrecht ist gleichgültig ; mafsgebend allein ist das Wohl des Vaterlandes !
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
709
XLVIII.
Russland
und
der
russisch-japanische
Krieg .
Von Generalmajor a. D. von Zepelin.
XIV. (Abgeschlossen am 24. Mai . ) Die russische Flotte hatte seit dem letzten Bericht die Küstengewässer verlassen und die Weiterfahrt angetreten. Eine Meldung der „Agence Havas " aus Saigon vom 22. Mai berichtete, dafs Admiral de Jonquières die ganze Küste von Anam besucht habe, um festzustellen, ob seit dem 14. d. Mts. irgend ein Kriegsschiff der Russen zurückgekehrt sei, und hierbei in Erfahrung gebracht, dass sich „ seit jener Zeit etwas derartiges nicht ereignet habe" . Wenn nunmehr mitgeteilt wird, das Schiff „Arabia“ hätte bei Pedro Blanca Kanonendonner gehört und die baltische Flotte sei durch den Baschikanal gedampft, so kann beides in den Bereich absichtlich verbreiteter falscher Nachlichten gehören, durch die der Gegner irregeführt werden soll. Wir können heute nur feststellen , dals keine sicheren Nachrichten sowohl über den Aufenthalt der japanischen wie der russischen Flotte vorliegen. Dafs japanische Aufklärungsschiffe in der chinesischen Südsee die russische Flotte beobachten, ist so selbstverständlich, daſs es keiner weiteren Motivierung bedarf. Ebenso wahrscheinlich ist es, dafs diese Schiffe ihren Rückhalt in dem Kriegshafen der Pescadores haben werden. Ob aber Admiral Togo mit dem Gros seiner Flotte dort anzutreffen ist, erscheint durchaus nicht sicher. Es steht fest, dafs die japanische Flotte empfindliche Verluste erlitten, auch ein Teil ihrer Schiffe infolge des langen und schwierigen Dienstes vor dem Feinde in ihrer Brauchbarkeit gelitten hat. Ein Blick auf die Karte lehrt, daís, wenn der Admiral nicht in der Lage sein sollte, als Avantgarde in die
eine gröfsere Zahl von Schiffen gleichsam chinesische Südsee zu detachieren, die
Strafse
etwa
von
Korea ,
bei
der
Insel
Tsushima ,
gebotene Punkt ist zur Versammlung der Flotte. schützt sie die Seeetappenlinie, welche die Armee in Mandschurei mit dem Mutterlande ibren Ausrüstungshäfen
und
verbindet
und ist
Kohlendepots nabe .
der Hier der
gleichzeitig
Von hier kann 46*
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
710 sie
aber sowohl dem Angriffe
der durch die Formosastraise nörd-
lich steuernden russischen Flotte entgegentreten, wie auch, falls diese, durch den Baschi- oder durch den Balintangkanal ostwärts steuernd, im Osten Japans Wladiwostok sich zu nähern sucht, im japanischen Meere, oder der Tsugarustrafse bezw. der Strafse La Pérouse entgegentreten . ' ) Nur darf man nicht vergessen, dafs auf der grofsen Entfernung - 3000 Seemeilen schon bis zur Tongamstrafse die drei Küstenpanzer und die Torpedofahrzeuge der Russen unterwegs kohlen müfsten. Aber auch,
wenn die
russische
Flotte
diesen Umweg nicht
machte, gehört es durchaus nicht zu den Unmöglichkeiten, daſs Nebel , Fehler des Gegners, Anwendung von Kriegslisten, die jenen irre zu führen geeignet sind, auch auf dem direkten Wege durch die Formosastralse das russische Geschwader ohne entscheidenden Zusammenstofs mit dem Gegner nach Wladiwostok gelangen könnte, aus das dortige Geschwader gezeigt hat.
sich
bereits
von wo
an den Küsten Japans
Aber auch Admiral Togo kann, ohne einen entscheidenden Kampf zu wagen, die gröfsere Geschwindigkeit seiner zahlreichen modernen
Kreuzer
und
zu Teilangriffen verwerten, ermüden,
ohne dafs
die die
überlegene Artillerie
derselben
dem Feinde Verluste bereiten,
er infolge
der
geringeren Beweglichkeit
ihn der
ganzen Flotte ihnen mit entscheidendem Angriffe begegnen kann. Sehr interessant sind die soeben von der „ Times " veröffentlichten Abhandlungen des bekannten und als Marineschriftsteller hochgeschätzten amerikanischen Kapitäns Mahan über die 99 Möglichkeiten der Er erinnert an den gegenwärtigen Kriegslage zur See" . Ausspruch Nelsons in einem der kritischen Augenblicke seiner Feldherrnlaufbahn : "Im besten Falle ist es eine Vermutung. Aber die Welt hält den für weise, der richtig rät "
und sagt dann :
Nelson
hatte mit Napoleon zu tun, der wie kaum ein anderer seine Schachzüge zu verdecken wulste, und deshalb durfte er auch sagen : „ Ich habe mich so oft geirrt, dafs ich nicht mehr darüber zu erröten brauche." Wie 1805 Nelson nicht wissen konnte, wo er die feindliche Flotte treffen würde, so ist jetzt über den Schauplatz der möglichen Seeschlacht das Feld frei für alle möglichen Vermutungen. Gelingt es den Russen, Wladiwostok zu erreichen, so haben sie Erfahrung und Vertrauen gewonnen,
und doch noch den Sommer vor
1 ) Tatsächlich hat nunmehr auch bei Tsushima die entscheidende Schlacht stattgefunden . Die Leitung .
Ruisland und der russisch-japanische Krieg. sich,
711
auch können sie sich dann früh rüsten.
daher, zumal Japan ein Drittel
Admiral Togo darf seiner Schlachtschiffe verlor, dem
Gegner diesen wahren Triumph oder mindestens Erfolg der unbehelligten Einfahrt in Wladiwostok nicht gönnen, es müfste denn sein, dafs dort keine Koblen vorbanden wären, aber Kohlen werden einkommen, wenn die Flotte nur vor dem Hafen liegt. Wo immer auch Admiral Togo sein mag, er mufs wissen, wo der Feind sich befindet. Von den chinesischen Gewässern wollen
die Russen nach Wladiwostok, und da muſs er sich sagen, wie Nelson am Vorabend von Trafalgar : „ Das sollen sie nicht, sofern es in der Macht Nelsons und Brontés liegt, es zu verhindern ! " Die Schwere der Entscheidung liegt bei dem japanischen AdIn der Erkenntnis der Gefahr wird sein Gegner wahrscheinlich die Meerengen von Formosa und Korea vermeiden, um einen weiten Bogen östlich an den japanischen Inseln vorbei zu machen. Sollte er doch den westlichen Kurs wählen, so mufs die japanische Flotte zur Stelle sein, um die Gelegenheit zu benutzen. Die Taktik, miral.
den Gegner durch Torpedos zu ängstigen, wie einst die spanische Armada im Kanal durch die Furcht vor den Brandern hingehalten wurde, empfiehlt es sich um so mehr, als die Ungleichheit an Stärke Die japanische Flotte ist an Torwohl umgekehrt werden kann. pedofahrzeugen und auch wohl an Schnelligkeit überlegen . Sie kann ihre Schlachtschiffe zurückhalten, mit denen sie im Nachteile ist und die Schnelligkeit ihrer Panzerkreuzer ausnutzen, um sie der feindlichen Kolonne in die Flanke zu treiben und sie, wenn sie durch den Rest der feindlichen Flotte bedroht wird, zurückzuziehen. Auch bei einem Kurs der russischen Flotte östlich von Formosa läfst sich diese Taktik
anwenden.
Kilung (Kelung ?),
Admiral
Togos
mögliche
Basis (den Hauptkriegshafen in diesem Teile Japans dürften zur Zeit die Pescadores, Makung bilden ; Kelungs Hafen ist zwar hierfür in Aussicht genommen, aber wohl heute noch nicht vollendet. v. Z.) liegt etwa in gleicher Entfernung, über 1000 km, von Wladiwostok und von der grofsen Bucht von Yokohama (Wladiwostok ist etwas weiter). An beiden Punkten kann Togo den langsameren Russen durch Flankenangriff zo um sie gegebenenfalls allein er darf dann, wenn es bis dahin zu einer ent-
zuvorkommen, schwächen,
scheidenden Schlacht gekommen ist, nicht aus den Augen verlieren, dafs er die Russen zwischen der Tsugarustrafse und Wladiwostok treffen mufs, und mufs sich danach für seinen Kohlenvorrat und seine Gefechtsfähigkeit richten. Die Lage hat eine merkwürdige Ähnlichkeit mit der von 1805, wo Nelson der ihm überlegenen französisch - spanischen Flotte folgte.
712
Ruisland und der russisch-japanische Krieg.
Ein wesentlicher Unterschied
aber ist der,
daís aufser dem Ge-
schwader Nelsons England noch über unbesiegte Geschwader verfügte, während Togo sich jetzt so einrichten mufs, dafs die Lage durch das, was von seinem Geschwader übrig blieb, gerettet werde. Es kommt mithin für ihn darauf an, die augenblickliche Ungleichheit wett zu machen, und es wäre daher eine Reihe von einleitenden Treffen möglich, deren Bedeutung vor allem in der Verschiedenheit der beteiligten Schiffstypen liegt, nicht nur in der nur taktischen Führung von gleichartigen Schiffen. · Unter allen Umständen,
so schliefst Kapitän Mahan,
nachdem
er sich über die Bedeutung der Schlachtschiffe und die Torpedoboote verbreitet hat, dürfte der japanische Admiral seine Panzerschiffe jeder Klasse solange zurückhalten , bis er die Wirkung seiner Torpedos voll erprobt hat. Sollte er damit keinen Erfolg haben, und die Panzerschiffe gegen die unverminderte russische Flotte führen müssen, so würde der Vergleich der beiden Flotten, bei denen ja nicht nur in den Nachschlagebüchern aufgeführte Einzelheiten mitspielen, recht schwer werden, da bei der raschen Bautätigkeit unserer Zeit eine ganze Reihe von Faktoren nicht zu erkennen sind. Vier gegen sieben sagt nichts , falls zwei von den vieren zwei beliebigen von den sieben überlegen oder zwei von den sieben gegen die geringsten zwei von den vieren minderwertig sein sollten. Auch beim Berechnen der Bestückung kommt es darauf an, welche Schiffe die Admiral Togo Geschütze führen, nicht auf ein blofses Addieren. kann also die Russen entweder abhetzen und dabei ihre Stärke vermindern oder eine Gelegenheit zu
einem vorteilhaften Kampf
schaffen oder sofort zum Gesamtangriff übergehen und alles auf eine Karte setzen. Letzteres ist für ihn das leichtere, aber eben deshalb entspricht es nicht den japanischen Verhältnissen. weil der Admiral, wenn
Es ist leichter,
einmal die Schlacht im Gange ist,
keine
Verantwortung mehr hat, bis sie beendet ist. Dann aber entscheidet sich das Schicksal im Gewühl. Wenn die japanische Flotte die richtige Manövrierfähigkeit besitzt, dürfte es bei ihrer numerischen Überlegenheit und der Schwäche der meisten ihrer Einheiten gegenüber einzelnen Schiffen des Feindes angezeigt sein, dafs sie alle ihr gebotenen Möglichkeiten erschöpft, die sich aus dem Unterschied an Schnelligkeit und Leichtigkeit der Vereinigung infolge ihrer Zahl ergeben, bevor sie die Ecksteine, auf denen die Zukunft des Landes ruht, einer endgültigen Entscheidung aussetzt. " Soweit der geistvolle Amerikaner,
dessen klassische
Schriften
in der Übersetzung ja auch in unserer Literatur Heimatsrecht erworben haben .
Russland und der russisch-japanische Krieg,
713
Seine Vergleichung der Kräfte, die die von uns entwickelte Auffassung der Sachlage rechtfertigen dürfte, weist darauf hin, 1 dafs wir durchaus nicht mit Sicherheit in naher Zeit mit einer Seeschlacht im grofsen Stile rechnen dürfen,
sie widerlegt aber auch die Auf-
fassung, als sei es Japan möglich, auf Frankreich einen Druck auszuüben, um es zu zwingen, die Gesetze der Neutralität zu beachten, soweit die russische Flotte zur Geltung kommt. Es
klingt geradezu
komisch im Hinblick
auf die nüchternen
Tatsachen, wenn man vor kurzer Zeit im „ Daily Telegraph " las, man dürfe nicht mifsverstehen und nicht aus den Augen lassen, dafs die
Regierung
des
Mikado in dieser Beziehung
nicht nachgeben
dürfe und könne, auch nicht um Haaresbreite. Es sehe jetzt schon sehr nach internationalen Verwickelungen aus. Nur, wenn die in Frage stehenden Mächte sich strenge an ihre Verpflichtungen hielten, könnten
weitere
bedenkliche
Verwickelungen
vermieden
werden.
Japan habe die Mächte beizeiten hierauf aufmerksam gemacht. Bisher habe man sich nicht weiter darum gekümmert, wie es dem russischen Geschwader ermöglicht sei, so weit zu gelangen ; aber nunmehr dürfe man auf keinen Fall dulden,
dafs dem Feinde noch
Erleichterungen geschaffen würden. Nun vergilst man ganz bei dem Geschrei über die Verletzung der Neutralität allen
durch Frankreich,
Staaten anerkanntes ,
dafs also
es überhaupt kein von allgemein gültiges See-
kriegsrecht gibt. Die ,,Ultima ratio regis" ist es, die hier entscheidet. Weder ein internationaler Gerichtshof noch eine Exekutive verhelfen den Bestimmungen dieses Rechtes zur Geltung. Schon der Begriff des unter der Sicherheit eines Staates stehenden Küstenmeeres (Territoire maritime, mer territoriale, territorial waters) ist vom internationalen Staatsrecht nicht festgelegt. Sowohl die ,, Association for the reform and codification of the law of nations" wie auch das ,,Institut de droit international" sind dieser Frage näher getreten . Zu einer allgemeinen Anerkennung der Grenze des Territorialmeeres ist es aber unseres Wissens nie gekommen. Institut" , empfahl Das in seinem Annuaire für 1894/1895 diese Grenze auf 6 Seemeilen für alle diesbezüglichen Verordnungen der Staaten festzusetzen. Im Kriegsfalle solle jeder Staat das Recht haben, die Entfernung der Seegrenze darüber hinaus bis zur Grenze der Wirksamkeit seiner Geschütze festzusetzen. Obwohl die Niederländische Regierung zu einem Kongrefs behufs internationaler Kondifizierung dieser Festsetzung aufforderte, blieb diese Anregung erfolglos . , Ähnlich steht es mit den Festsetzungen über die Zulassung von
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
714
Kriegsschiffen einer kriegführenden Macht in den Gewässern neutraler Staaten, dem sogenannten „ Asylrecht." In dieser Beziehung galt nach ,,Perels : Das internationale öffentliche
Seerecht der
Kein neutraler
Gegenwart"
bisher der Grundsatz :
Staat ist verpflichtet, jeder aber berechtigt,
den
Kriegsschiffen der Kriegführenden in seinen Gewässern zu gestatten. Dagegen ist
es mit den Pflichten der Neutralität nicht vereinbar,
dafs ein neutraler Staat dem einen Kriegführenden seine Häfen verschliefst, dem andern aber offen läfst. Beim Beginn eines Krieges veröffentlichen daber in der Regel die an die See grenzenden Staaten „ Neutralitätserklärungen“ und fügen häufig einen Hinweis auf die Rechte der Kriegführenden und eine Warnung für
die eigenen Staatsangehörigen hinzu,
nicht
die Rechte eines der Kriegführenden zu verletzen. Gleichzeitig veröffentlichen die meisten Staaten ― wohlgemerkt nicht alle - Verordnungen , in denen sie für den Bereich ihrer Hoheitsgewässer das Verkehrsrecht von Schiffen der kriegführenden Parteien regeln. Selbstverständlich hat jeder Staat das Recht, das letztere zu bestimmen, wie es ihm beliebt. Wenn nun eine Reihe von Staaten,
unter dem Drucke,
bezw.
nach dem Beispiel Englands die sogenannte „ Vierundzwanzigstundenfrist" für den Aufenthalt von Kriegsschiffen der Kriegführenden in ihren Häfen annahmen, so hat dies nichts Bindendes für Frankreich, welches ausdrücklich erklärt, auf entgegengesetztem Standpunkte zu stehen. Im
Gegenteil hat Frankreich in seiner Neutralitätserklärung
vom April 1898 , die auch im Jahre 1904 wieder als gültig anerkannt wurde ,
bestimmt:
belligérants
„La
durée
non accompagnés
du
séjour
dans
nos
d'une prise n'a été
ports
limitée
de par
aucune disposition spéciale ; mais, pour être autorisés à y séjourner, ils sont tenus de se conformer aux conditions ordinaires de
la
neutralité" . . . . und
im
Ministers des Auswärtigen heifst
§ es :
10
des
Rundschreibens
des
"Il ne peut être fourni à un
belligérant que les vivres , denrées et moyens de réparation nécessaires à la subsistance de son équipage , ou à la sécurité de sa navigation. " Hieraus ergibt sich, dafs Frankreich jedem Kriegsschiff einer kriegführenden Macht das Asylrecht in seinen Gewässern auf unbestimmte Dauer eingeräumt, wenn es nur keine Prise mit sich führt und
keine feindlichen Handlungen begeht.
Ferner lässt der
§ 10 des Rundschreibens des Ministers keinen Zweifel darüber, daſs
Rufsland und der russisch-japanische Krieg.
715
ihnen Lebensmittel und Kohle geliefert werden können ohne Be-. schränkung . Die Grundsätze, welche England im Jahre 1861 aufstellte und denen sich eine Reihe anderer Staaten - Niederlande, Italien, Dänemark, Japan, Portugal, Schweden und Rufsland - anschlossen,. sind auch in den Neutralitätsregeln vom Jahre 1904 erkennbar, in denen es u. a. heifst :
„ Every such ship (d . h . ship of war of either belligerant) shall be required to put to sea within 24 hours after entrance unless in the event of stress of wheather or necessity for repairs or provisions, im which case it must leave as soon as possible and certainly within 24 hours of the completion of repairs. “ England verlangt also, dafs kein solches Kriegsschiff länger wie 24 Stunden in einem seiner Häfen liegt. Nur schlechtes Wetter, Mangel an Vorräten oder Notwendigkeit von Reparaturen geben das. Recht länger zu bleiben. Sobald aber Verproviantierung und Reparaturen beendet sind, mufs das betreffende Schiff den Hafen binnen 24 Stunden verlassen.
Kohlen dürfen nur bis zum nächsten eigenen Hafen genommen werden. rüstete,
Ja im August 1904 , als die Baltische Flotte sich zur Ausreise erklärte die
führenden,
wenn
englische Regierung,
dafs Schiffe der Krieg-
auf dem Wege zum Kriegsschauplatze oderzur Störung des neutralen Handels unterwegs wären, kein Recht hätten, in neutralen Häfen Kohlen zu nehmen. Da nun allein sie
England an allen seestrategisch wichtigen Punkten der Welt Kohlenstationen und Ausrüstungshäfen besitzt, so nimmt es durch seine Bestimmungen allen anderen Staaten die Möglichkeit zur Kriegführung auf weiten Entfernungen . Dafs nun aber auch diese in den wenigen Häfen, welche die anderen europäischen Seestaaten auf. dem
Etappenwege von Liban bis Wladiwostock besitzen, ibren Schiffen kein Asyl gewähren sollen, erscheint mehr als naiv. Frank-
reich und der Admiral Roschdjestwenski haben daher recht daran getan, sich nicht an das Gezeter zu kehren. In Ermangelung anderer Nachrichten über das Ergehen des russischen Geschwaders brachte die Presse Mitteilungen über die Erkrankung des Admirals Roschdjestwenski und seinen Ersatz durch den Admiral Birilew, der bereits nach Wladiwostock unterwegs sein soll. Voraussichtlich klärt sich diese eigentümliche Meldung dadurch auf, dafs Birilew den mit dem Oberbefehl über die in der Festung und den Kriegshafen Wladiwostok versammelten Land- und See--
Umschau.
716 streitkräfte
betraut gewesenen Admiral Skrydlow ersetzen soll,
um
Differenzen, wie sie nicht zum Vorteile der Verteidigung der Festung and der Operationen zur See in Port Arthur bestanden haben sollen, vorzubeugen. Welchen tatsächlichen Wert zurzeit der doch unmögliche Wechsel im Kommando des auf dem Meere schwimmenden Geschwaders überhaupt haben kann, diese Frage scheint den übereifrigen Reportern ganz entgangen zu sein. Zu Lande haben sich Ereignisse von Bedeutung in den letzten Wochen nicht zugetragen. Anscheinend planen die Japaner die Wiederaufnahme der Offensive . Auch auf russischer Seite ist seit der Übernahme des Oberbefehls durch General Linewitsch mehr Aktivität eingetreten . In den letzten Tagen hat die russische Kavallerie
unter General Mischtschenko den Japanern
sogar eine
empfindliche Schlappe beigebracht.
Umschau.
Österreich- Ungarn. Kavallerie-
Das Exerzierreglement für die Kavallerie hat
einen Anhang
reglement. erhalten, der die Verwendung des Karabinerfeuers betrifft. Das Schnellfeuer kommt in Fortfall, man kennt nur noch Einzelfeuer und Salven.
Salvenfeuer wird empfohlen zur Ermittelung
der Entfernung und auf grofsen Entfernungen, es soll möglichst lange fortgesetzt werden, um die Leute in der Hand zu behalten. Unterschieden werden Zugsalven und Patrouillen- (Schwarm-) Salven . Das
meist angewendete Einzelfeuer kann sowohl in geschlossener
Linie als auch in Schützenzügen abgegeben werden ; um in geschlossener Linie besser feuern zu können, ist der Zwischenraum von Mann zu Mann auf eine Handbreite gebracht worden.
Das Einzelfeuer wird seiner
Schnelligkeit nach durch den Führer geregelt, langsam, sehr langsam, lebhafter. Die neuen Vorschriften betonen: die Notwendigkeit, Feuer und Bewegung zu verbinden, die sämtlichen Züge der Eskadron sollen
Umschau.
717
nicht gleichzeitig vorgehen, sondern einzelne liegen , bleiben und durch Feuer das Vorgehen der anderen unterstützen, dasselbe gilt für die Schwärme und einzelnen Züge, die Schwarmführer leiten das Feuer in der Schützenlinie .
Diese Weisungen stimmen im all-
gemeinen mit denjenigen des Exerzierreglements für die Infanterie überein. Das Visir wird vor dem Laden gestellt, im allgemeinen schiefst man im Liegen. Hat man Zeit, so soll beim Absitzen die Kopfbedeckung am Sattel befestigt und die Feldmütze aufgesetzt werden . Die österreichische Kavallerie hat 50 Patronen in Patronentaschen, 30 in den Packtaschen, diese letzteren werden vor dem Gefecht entnommen und in die Hosentaschen gesteckt. feuert werden.
Sie sollen zuerst verMarine.
die
Wenn wir die Forderung der ungarischen Opposition , man solle schon bewilligten Sonderkredite und die Vermehrung des Re-
krutenkontingents wieder um ein Jahr zurückstellen, hier schon früher als mit Rücksicht auf die unabweisbare Umbewaffnung der Feldartillerie, die Aufstellung der Feldhaubitzbatterien und die dringend erforderliche Entwickelung
der Wehrkraft,
als
eine
utopische be-
zeichnet haben, so ist das Verlangen nach Zurückstellung des Sonderkredits für die Marine schon rein materiell unausführbar, weil ein Teil des Sonderkredits bereits verbraucht ist und verbraucht werden mufste, wenn die vom Parlament bewilligten Schiffsbauten nicht einfach stocken sollten .
Das Marinebudget 1905 weist im Ordinarium be-
kanntlich rund 42,9 (rund 3,5 mehr) , im Extraordinarium 8,2 (weniger 2.5 Millionen) Kronen auf und übertrifft dasjenige von 1904 um rund 1 Million. Hierzu kommt aber ein Sonderkredit vou 75 176000 Kronen, von denen rund 12,5 Millionen auf 1904 zurückgerechnet wurden, werden sollten .
62676000
im Jahre 1905 zum Teil verbraucht
Im Budget selbst interessieren besonders die Be-
träge für Instandhaltung der Flotte , für welche wir ein Ordinarium bezw. Extraordinarium finden : Werfte , Reparaturen, Material 1166000 Kronen, sechste und letzte Rate von total 11785050 Kronen für den Panzerkreuzer St. Georg (7300 tons),
fünfte Rate für Linienschiff Erzherzog Karl
(10600 tons, 17,4 Millionen Baugesamtkosten) 4,2 , vierte Rate für Linienschiff gleichen Typs Erzherzog Friedrich 4,3, zweite Rate für Linienschiff gleichen Typs Ferdinand Max 3,5 Millionen, erste Rate von total 8 Millionen für Ersatztorpedoboote II . und III. Klasse rund 2, verschiedene Ausgaben rund 3,7 Millionen, bezw. erste Rate von total 4,5 Millionen für ein Schwimmdock , vierte Rate von total
3,4 Millionen für zwei Donaumonitors und fünf Patrouillenboote (0,75), fünfte Rate von 0,7 Millionen für Armierung des Panzerkreuzers
Umschan.
718
St. Georg, 1,6 bezw. 1 Million, dritte und zweite Rate für Armierung von Erzherzog Karl und Friedrich, 60000 als zweite Rate für Armierung von zwei Donaumonitors, 0,5 Millionen von total rund 5 Millionen für Armierung des Linienschiffs Ferdinand Max, 2250000 Kronen von total 13.5 Millionen für Munition und 15 cm Schnellfeuerkanonen für Babenberg, Erzherzog Karl, Friedrich, Donaumonitors und Patrouillenboote, über 0,6 Millionen für Werftstätten, und Gebäude, sowie Beträge für Apparate für drahtlose Telegraphie, Marinearsenal in China usw.
Von den Mitteln des aufserordentlichen Kredits , abgesehen von den für 1904 Kasernenmiete,
schon verbrauchten,
Werfte
3
Millionen,
sollten verwendet werden :
für
bewilligte neue Schiffe 20 Millionen, Erneuerung der Torpedobootsflottille 15 Millionen, Unterseebote und Stationen 3 Millionen, Reservevorräte 0,75. Bau von bewilligten Munitions- und Patrouillenboote 1,2, Armierung bewilligter Schiffe 6,5, Munition für diese 5,5, für Munitionsvorräte und Vermehrung der Torpedos 5, Einrichtung des Hafens von Pola 2 Millionen . Linienschiff Ferdinand Max soll am 21. Mai von der Werft des " Stabilimento tecnico" in Triest ablaufen. Wie das Problem zu lösen wäre, dabei auf die bewilligten Sonderkredite zu ungarische Opposition leider nicht verraten.
verzichten,
hat die 18.
Italien. Neues Kabinet.
Mit dem Verbleiben des Kriegsministers Pedotti and Marineministers Mirabello in dem neuen Kabinett Fortis, dessen Präsident in Kammer und Senat die Notwendigkeit der Pflege der Entwickelung von Heer und Marine nachdrücklich betont hat, bleiben auch die leitenden Gesichtspunkte und Pläne bestehen und kann baldigst auf einige Gesetzvorlagen von Wichtigkeit rechnen.
man Die
Opposition bat inzwischen durch die unrichtige Behauptung, man babe für die Umbewaffnung der Artillerie schon 60 Millionen Sonderkredit verbraucht, dem neuen Ministerium bei neuen Forderungen Schwierig. keiten zu machen versucht. Die Unrichtigkeit der Behauptung ist aber leicht nachgewiesen worden. Die 60 Millionen sind dem normalen
Extraordinarium
( 16 Mile) der
Budgets
1900/01 bis
1905/06 entnommen, 30 Millionen sind bis jetzt verbraucht für den Ersatz von 120 Batterien der alten bronzenen 7 cm und 36 Gebirgsbatterien, 30 sind noch übrig, um die heute noch im Gebrauch befindlichen, aptierten 9 cm zu ersetzen und bis
Umsohau.
719
zu 10 Millionen werden notwendig sein, um den schon vorhandenen 7,5 cm Batterien Robrrücklauflafetten mit Schutzschilden zu geben. Die Gesetzentwürfe, die am 24. Januar 1905, betreffend den Stand der Unteroffiziere and die Vermehrung der Sekretäre und Lokalassistenten dem Parlament vorgelegt worden, haben die Genehmigung erhalten.
Der Inhalt der Gesetze ist hier schon beleuchtet worden,
wir machen nur noch auf die im Parlament erfolgten Zusätze aufmerksam, von denen einer die sämtlichen Ministerien verpflichtet, am Ende jedes Monats dem Kriegsministerium eine Liste der in ihren Ressorts vakanten Stellen für Unteroffiziere einzureichen und den Rechnungshof, über die Ausführung der Gesetze nach dieser Richtung bin zu wachen. Den Unteroffizieren, die heute nach dem Gesetz vom November 1902 beurlaubt, eine Anstellung abwarten, wird, sobald das neue Gesetz in Kraft tritt, bis zur Anstellung täglich ein Betrag von 1,5 Lire gewährt. Durch die Rekruteneinstellung bei den Fufstruppen schon im Schulung, Herbst Dezember 1904, eine Mafsnahme, die nach den Erklärungen des übungen , früheren Ministerpräsidenten Giolitti
zu einer dauernden werden Einbeorderungen .
soll, haben die Kompagnien ihr bereits Exerzieren zu Anfang April beginnen gekonnt, gegen Juni in früheren Jahren. Damit kommen die Kompagnien gründlicher vorgebildet in die Bataillone und wird man zu Beginn der Herbstübungen mit der kriegsgemäfsen Schulung überhaupt weiter sein. Für die Herbstübungen sind folgende Verordnungen ergangen, die in den Bestimmungen über die Einbeorderung von Leuten des Beurlaubtenstandes ihre Ergänzung finden. Grofse Manöver halten ab vom 23. August bis 1. September das IX. Korps (ohne Division Cagliari) und X. Korps (neuerdings Herzog von Aosta) . Diese beiden Korps werden durch Einbeorderung der Reservejahrgänge 1877 und 1878 aus einer ganzen Reihe von Distrikten auf Kriegsstärke gebracht. Die Einbeorderungen erfolgen zum 14. August auf 21 Tage. Weiter lässt sich aus der Einberufung der Jahrgänge 1874 und 1875 der Landwehrinfanterie, Bersaglieri, Grenadiere, Alpini und Genie vom 10. August ab auf 25 Tage erkennen, dafs Landwehrformationen, anscheinend eine Division und
aufserdem selbständige Bataillone,
wie im vorigen Jahre zu den Herbstübungen der genannten Korps herangezogen werden sollen . Ferner sind geplant, eine Reise des grofsen Generalstabes und eine grofse Kavallerie-
gebildet und
Bei den nicht an den grofsen Manövern beteiligten übungsreise. Korps, aber auch bei der Division Cagliari finden Lagerübungen in gemischten Waffen und Feldmanöver nach den Direktiven des
Umschau.
720 Ministers statt. and
Cadremanöver im Korpsverbande,
Cadreübungen
Bereich des II
in
Angriff
und
and III. Korps .
Verteidigung
bei
allen Korps
fester Plätze im
Für die Kavallerie finden Sonder-
übungen statt von einer Division aus 4 Regimentern und 2 reitenden Batterien sowie Radfahrerkompagnien vom 1. September bis 15. September, zwischen
beginnend
mit einer
Monselice
und
Übung im weiten Aufklärungsdienst
Udine,
Leiter
der
Kavallerieinspekteur
(Gegend von Pordenone) sowie Sonderübungen von je einer Brigade und einer reitenden Batterie im Bereich des III. Korps und zwar vom 16. bis 30. August bezw. vom 1. bis 15. September, endlich Cadremanöver der 2., 7. und 9. Kavalleriebrigade. Aulser den eben schon genannten Jahrgängen üben von Leuten des Beurlaubtenstandes vom 16. Juli auf 25 Tage Jahrgang 1879 ( Reserve ) and 1875 (Landwehr) der
Küstenartillerie
aller
Distrikte,
vom 28. Juli auf
22 Tage Jahrgang 1878 der Alpentruppen des 1. und 2. Regiments, vom 30. Juli ab auf 30 Tage Jahrgang 1878 der Pontoniere, vom 20. September ab auf 20 Tage Jahrgang 1878 der Eisenbahner, vom
1. Oktober
ab
auf 20 Tage Jahrgang 1881 , Jahrgang 1879
und 1880 und Jahrgang 1875 (Landwehr) der Feldartillerie
einer
sehr grofsen Zahl von Distrikten, auf 25 Tage Jahrgang 1874 (Landwehr), des Genies (Telegraphisten) und vom 19. Oktober ab auf 20 Tage Jahrgang 1875 (Landwehr) der Eisenbahner. Die Ausschüsse der Kammer haben sich mit der Beratung der Rekrutierungsgesetz . Vorschläge Compans und Genossen zur Änderung des Rekrutierungsgesetzes beschäftigt ; Compans verlangt : 1. zweijährige Dienstzeit für alle berittenen, 11 , jährige für alle Fulstruppen, 2. Beseitigung der Einjährig - Freiwilligen , 3. Vermehrung des Rekrutenkontingents der Kategorien entsprechend der Dienstverkürzung und der für Schulung notwendigen Iststärke , 4. eine Wehrsteuer nach dem System derjenigen der Schweiz , wobei aber alle diejenigen von der Steuer befreit sein sollen, die nicht über 1200 Lire Jahreseinkommen haben. Es liegt wenig Wahrscheinlichkeit vor, dafs • diese Vorschläge Annahme finden, wenn auch die Herabsetzung der aktiven Dienstzeit für alle Fufstruppen auf 2 Jahre geplant ist. OffiziersDurch Erlafs vom 15. Mai, der aber zum Teil bis 1. Januar angelegen 1905 rückwirkende Kraft erhält, sind rund 50 Offiziere, vom Oberstheiten. leutnant abwärts bis zum Leutnant, mit /5 der Bezüge in den vorläufigen Ruhestand versetzt worden . Eine Reihe von anderen soll folgen.
Die Offiziere
haben vor ihrer Abreise ihrer bis dahin zo-
ständigen Behörde den gewählten Aufenthalt anzuzeigen und sich in ihrem neuen Wohnort zu melden. Für Pensionen sind in der Zeit vom 1. Juli 1904 bis 31. März 1905 von seiten des Kriegsministeriums
Umschau.
721
35 682 708 Lire ausgegeben worden, in der genannten Zeit überwog die Zahl der in Abgang kommenden Pensionäre um 359. Für das Finanzjahr hatte man im Budget nur 35110000 Lire gerechnet.
In
der Marine überwog die Zahl der Abgänge die der Zugänge um 86. die Ausgaben sind aber von 5918569 auf 6186678 gestiegen, im Gesetz waren 5880000 Lire angesetzt, so dafs die übrigen Kapitel des Marinebudgets 268111 Lire abgeben müssen. Für die Feldartillerie
ist eine neue taktische Instruktion
Neue Vorschriften.
zum Ersatz derjenigen von 1892 und des Entwurfs von Juli 1903 (II. Teil) erschienen. Für die Ausarbeitung eines Reorganisationsplans für die Finanzwachen, die mehr zusammengefasst und militärischer gegliedert werden ernannt.
sollen,
hat der Finanzminister einen Ausschufs
Das Gesetz betreffend die Aushebung des Jahrganges 1885 für Zu den Stellungen, die von die Flotte ist genehmigt worden. Marineoffizieren besetzt werden können, ohne dafs sie die Ansprüche auf Beförderung wegen ungenügenden Borddienstes nach Gesetz vom 20. Oktober 1904 verlieren, sind hinzugetreten zwei Kapitäns zur See (Direktor der Artillerie und Armierung, Abteilungschef im Marineministerium), zwei Korvettenkapitäns und vier Leutnants zur See (Direktion der Artillerie und der Armierungen). Das in Ausrüstung befindliche Linienschiff Regina Elena ist in das Trockendock in Spezia gebracht worden, da an ihm einzelne Arbeiten auszuführen sind, die bis jetzt in Italien an Kriegsschiffen nicht bewirkt worden sind.
Der in Castellamare im Bau befindliche Panzerkreuzer, der den Namen San Giorgio erhalten hat (131 m Länge, 21 m Breite, 9833 tons Deplacement), erhält 18600 indizierte Pferdekraft und als Hauptgeschütze vier 25,9 cm . In der Bucht von Messina haben am 30. März
sehr umfassende Flottenübungen stattgefunden.
Seit dem
1. April
besteht das Mittelmeer geschwader aus : 1. Division Regina Margherita, Sicilia, Saint Bon, Filiberto, Coatit, 2. Division Pisani Garibaldi , Vacese, Carlo, Alberto, Cisterne Tevere, hinzutreten Agordat, 5 Torpedobootszüge . Reservegeschwader Dandolo, Sardegna, Lauria, Doria, Morosini, Bausan, Iride, 16 Torpedoboote I. Klasse . Während des Druckes ist ein zunächst bis 1908/09 reichender Flottenerweiterungsplan , sowie ein Plan für die Verwendung von Sonderkrediten von 1904/05-1916/ 17 vom Marineminister dem Parlament vorgelegt und als dringend bezeichnet worden, andererseits stellte der Kriegsminister baldigste Einbringung wichtiger Vorschläge für Heer und Landesverteidigung in Aussicht .
Wir beleuchten
Marine.
Umschau.
722
diese im nächsten Bericht, weisen aber schon heute darauf hin, dafs das Jahr 1905 für Heer und Marine den Beginn eines neuen Auf18 schwungs bilden zu sollen scheint.
Frankreich. Reibereien Aus einer Privatstreitigkeit zwischen General Hagron, Mitin der glied des oberen Kriegsrates und General Percin , bei welcher Generalität. ersterer verlangte , General Percin solle sich einer Disziplinaruntersuchung
bezüglich
seiner
Rolle
in der Angeberei-Angelegen-
heit unterwerfen, hat sich eine recht hässliche politische Affaire entwickelt, bei welcher beide Generale in die Öffentlichkeit geflüchtet sind. Beide haben die an ihre Kartellträger gerichteten Briefe Journalen zur Veröffentlichung überwiesen , sich damit unbefugter Mitteilungen an die Presse schuldig gemacht und dürften dafür Arrest erhalten . Wirft diese Angelegenheit auf die Verhältnisse korps
auch in den
höchsten Stellen des französischen Offizier-
schon ein recht wenig schönes Schlaglicht, so
kommt noch
hinzu, dals General Hagron durch die Forderung , Percin solle sich einem Untersuchungsausschusse unterwerfen, der Regierung geradezu entgegengearbeitet hat, die durch Rouvier bezw. auch durch den Kriegsminister öffentlich
hatte
Angeberei - Angelegenheit
abgetan
als
erklären lassen, dafs betrachte
und
sie
die
keine Unter-
suchung einleiten lassen wolle. General Hagron wird dafür wohl im nächsten Ministerrat seinen Verweis erhalten . ') Seine Stellung als Mitglied des oberen Kriegsrats durfte er kaum noch lange behalten, was nach manchen Richtungen hin zu bedauern, da er ein recht brauchbarer Soldat war, aber einen ,,Frondeur" im oberen Kriegsrat kann sich die Regierung nicht
gefallen lassen,
ohne
die Autorität
einzubüſsen. Die ganze Angelegenheit ist übrigens ein Beweis dafür, dafs die Reibereien im französischen Offizierkorps, die Nachwirkungen der verhängnisvollen „ Fiches", noch immer nicht geschwunden sind, wie die in der politischen Presse jetzt gerade so eingehend behandelte Frage Tamburini bekundet, dafs sich unter den Offizieren der Armee manche befinden, die mit der heutigen Regierungsform nicht zufrieden sind und nach einer Staat streben.
monarchischen Spitze für den
1 ) Beide Generale wurden mit Arrest bestraft, Hagron mit 15 , Percin mit 8 Tagen, ersterer ist bis jetzt im oberen Kriegsrat geblieben. Ein scharfer Erlaſs Berteaux' tadelt ohne Namensnennung das Verfahren beider Generale als eine Schädigung der Disziplin.
Umschau.
723
Der Erlafs des Kriegsministers vom 13. Januar 1905, der, um Offiziergeheime No- angelegenden Offizieren die Überzeugung zu verschaffen, dafs heiten. verordnet, beständen, mehr nicht Eignungsberichten ihren tizen" zu dafs jeder einen Offizier beurteilende Vorgesetzte diesem von dem Inhalt des Eignungsurteils Kenntnis zu geben und der Beurteilte die Kenntnisnahme am Rande des Originals durch Namensunterschrift zu bescheinigen habe, findet schon jetzt in den Kreisen der älteren Offiziere vielfach eine abfällige Beurteilung . Die ,France Militaire' fordert den Kriegsminister auf,
die kommandierenden Generale
zu
befragen, welche Änderungen des Erlasses sie für geboten erachteten. Ältere Offiziere weisen darauf hin, dafs die neuen Bestimmungen des genannten Erlasses auch nicht einmal für die Beurteilten selbst vorteilhaft sein würden. Die Vorgesetzten, die ihre Eignungsurteile den Offizieren mitzuteilen hätten , würden in diesen nur weiſse Salbe liefern, sich aller abfälligen Bemerkungen enthalten und keinen Offizier so darstellen, wie er wirklich sei. Urteile aber ein solcher Vorgesetzter trotzdem wirklich objektiv, so würden Randie Bemängelten sich als ungerecht behandelt betrachten ― besonders gut beurteilte Offiziere aber cunen die Folge sein würden erwarten, dafs sie in ihrer Laufbahn sofort grofse Vorteile erhielten und, wenn diese ausblieben, darüber ungehalten und enttäuscht sein. Man müsse doch mit den Schwächen der menschlichen Natur rechnen. Man schlägt daher vor, dafs die kommandierenden Generale bezw. auch die Divisionskommandeure in jedem Jahre einmal allen Offizieren das Gesamtergebnis ihrer Beurteilung, ohne Nennung der Namen der Vorgesetzten, die abfällig oder günstig geurteilt, mitteilen sollen. Dabei wären Bemängelungen genauer anzugeben,
auch müfsten
die Offiziere Kenntnis
erhalten von den
durch Zivilbehörden auf Anfrage gemachten Angaben, sowie den Mitteilungen von Zivilpersonen und dem vollen Inhalt anonymer Briefe, damit sie sich rechtfertigen bezw. auch in eine Strafverfolgung der betreffenden Angeber eintreten könnten. Wir haben an dieser Stelle den Zwang für die beurteilenden Vorgesetzten, den Untergebenen den ganzen Inhalt der Beurteilung mitzuteilen, als nicht besonders glücklich erdacht bezeichnet, wenn auch die gute Absicht des Erlasses Berteaux ' nicht zu verkennen war. Am 7. April ist das Gesetz bekannt gegeben worden, das den Überschuls von 560 Infanterie- und Genieoffizieren über den Sollstand dadurch beseitigen will,
dafs Offiziere mit mindestens
25 jähriger
Dienstzeit mit der Mindestpension und für jeden Feldzug 1/20 des Unterschieds zwischen Minimal- und Maximalpension so lange in den vorJahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 405. 47
Umschau.
724
läufigen Ruhestand versetzt werden , bis sie die pensionsfähige Dienstzeit von 30 Jahren erreichen. Ein Ersatz der auf diese Weise ausscheidenden, meist dem Dienstgrade des Hauptmanns angehörenden Offiziere findet zunächst nicht statt, der Staat erspart dadurch rand 6,7 Millionen, dafür bleiben aber auch zahlreiche Hauptmannsstellen bis zu 5 Jahren unbesetzt und das ist, bei der Wichtigkeit des Hauptmanns für die Schulung der Truppe und auch für die Verwaltung, nichts weniger wie vorteilhaft. Französische Fachleute weisen nach, dafs man, wenn die betreffenden ausscheidenden Offiziere sofort endgültig pensioniert und durch Aufrücken von Leutnants ersetzt würden, zwar 0,7 Millionen weniger ersparen, dafür aber auch vollen Hauptmannsbestand haben könne und verlangen nun baldige entsprechende Änderung des Gesetzes. Wir haben im letzten Bericht schon auf das Bekanntwerden der
Beförderungs- Beförderungs- Vorschlagslisten für 1905 hingewiesen und besorgen. merkt, dafs in denselben alle bereits 1904 verzeichnete, aber noch
nicht beförderte Offiziere wieder erscheinen. Die Listen erlauben aber so interessante Einblicke in Dienst- und Lebensalter der Offiziere der verschiedenen Dienstgrade und Waffen, sowie auch in die Vorbildung, daſs es geboten erscheint, sie etwas näher zu betrachten. Das im Bericht über das Kriegsbudget als Ziel der Regierung bezeichnete Verhältnis zwischen Zöglingen von St. Cyr und der polytechnischen Schule einerseits, der Offizieranwärter aus dem Unteroffiziersstande
andererseits
Infanterie
40 : 60,
Kavallerie
32:68,
Artillerie und Genie 45 : 55 einschliesslich ohne Prüfung beförderte, 10 Jahre dienende „ adjudants" ist,
wie wir hier gleich bemerken
wollen, in den Beförderungslisten nicht erkennbar ; die Offiziere, die aus dem Unteroffizierstande hervorgegangen , sind einstweilen weitaus in der Minderzahl . Im allgemeinen sind die Beförderungsvorschlagslisten weniger umfangreich als 1904 und diese waren ja schon nicht so ausgedehnt wie die früheren. Zudem geht man mit den Vorschlägen bis dicht an die Altersgrenze für den betreffenden Dienstgrad heran und man
gewinnt
den Eindruck,
als
wolle der
Kriegsminister Berteaux auch dadurch einiges von dem Unrecht gut machen, was die berüchtigten „ Fiches" angerichtet haben. Was die Zahl der zur Beförderung vorgeschlagenen Offiziere der verschiedenen Dienstgrade und Waffen anbetrifft, so geben wir hier zunächst, in Klammern die Ziffern für 1904 hinzufügend : Oberstleutnants zu Obersten Inf.
(66) 58 , Kav.
Majors zu Oberstleutnants
99
(104) 97,
Hauptleute zu Majors Leutnants zu Hauptleuten
"" ""
(145) 129 , ( 167) 174 ,
99
(26) 21 , Art. (22) 15 (36) 30, " (37) 33 (51) 47, "" (46) 50 ( 102) 67 , 99 (46) 50
Umschau.
725
Bei der Infanterie schwankt das Dienstalter der vorgeschlagenen Oberstleutnants zwischen 3 and 8'2 Jahren im Dienstgrade, das Lebensalter zwischen 51 und 49 Jahren, 56 sind aus St. Cyr, 2 aus dem Unteroffizierstande hervorgegangen, 38 haben das Generalstabsbrevet. Von den vorgeschlagenen Majors ist der jüngste 4, der älteste 13 Jahre im Dienstgrade, 43 bezw. 55 Jahre alt, 90 sind Zöglinge von St. Cyr, 7 frühere Unteroffiziere , 39 haben das Generalstabsbrevet. Von den zu befördernden Hauptleuten ist der jüngste 8, der älteste 13 Jahre im Dienstgrade, das Lebensalter schwankt zwischen 35 und 47 Jahren , 106 sind aus St. Cyr, 23 aus dem Unteroffizierstande hervorgegangen, 54 haben die Eignung zum Generalstabsoffizier. Bei den vorgeschlagenen Leutnants sehwankt die Zeit im Dienstgrade zwischen 51/2 und 11 Jahren, das Lebensalter zwischen 30 und 40 Jahren (bei den Hinterleuten ist das Dienstund Lebensalter im Durchschnitt höher, im allgemeinen braucht der Schüler von St. Cyr 16 , der frühere Unteroffizier 20 Dienstjahre als Offizier bis zum Hauptmann), 161 sind Zöglinge von St. Cyr, 23 frühere Unteroffiziere, 41 haben Generalstabsbrevet. Auch hier überwiegen die Zöglinge von St. Cyr noch bedeutend, obwohl die früheren Unteroffiziere
bis zum Hauptmann durch die Altersgrenze noch nicht ausgeschieden werden, selbst wenn sie im Durchschnitt erst mit 28 Jahren Lebensalter die Galons des Oberleutnants er-
reichen. Das im Bericht über das Kriegsbudget als Ziel der Regierung bezeichnete Verhältnis zwischen St. Cyriens und früheren Unteroffizieren ist also auch hier nicht erreicht. Man wird uns zugeben müssen, daſs, wenn in Zukunft 60 % der zu Befördernden frühere Unteroffiziere , 40 % frühere St. Cyriens sein sollen - entsprechend dem Verhältnis beim Offizierersatz - das Mafs der durchschnittlichen Allgemeinbildung ein sehr viel geringeres werden mufs. Bei der Kavallerie schwankt bei den vorgeschlagenen Oberstleutnants das Alter im Dienstgrade zwischen 21½ und 6 Jahren , das Lebensalter zwischen 481 , und 55 Jahren, 20 sind alte St. Cyriens , 1 alter Unteroffizier, Generalstabsbrevet haben 8. Von den vorgeschlagenen
Majors
ist der jüngste 3, der älteste 10 Jahre im
Dienstgrade, 44 bezw. 55 Jahre alt, 25 sind aus St. Cyr, 8 aus dem Unteroffizierstande hervorgegangen , 5 haben Generalstabsbrevet. Bei den vorgeschlagenen Rittmeistern schwankt das Alter im Dienstgrade zwischen 6 und 12/2 Jahren, das Lebensalter zwischen 33 '/2 und 51/2, 34 sind aus St. Cyr, 13 aus dem Unteroffizierstande hervorgegangen, 8 haben Generalstabsbrevet. Von den vorgeschlagenen Leutnants ist der jüngste 6, der älteste 12 , Jahre im Dienstgrade, 47*
Umschau.
726
30 bezw. 39 Jahre alt, 26 sind als St. Cyriens, 21 frühere Unteroffiziere, 6 haben Generalstabsbrevet. Wie man leicht erkennt, sind die an Lebensjahren ältesten der vorgeschlagenen Offiziere der verschiedenen Dienstgrade schon überaltert, zumal für den Reiterdienst.
Die früheren Unteroffiziere sind bei
den zu Majors bezw.
Rittmeistern Vorgeschlagenen in einem höheren Prozentsatze vertreten, als bei der Infanterie. Bei der Artillerie schwankt das Alter im Dienstgrade bei den zu Obersten vorgeschlagenen zwischen 4 und 8 Jahren, das LebensJahren, alle 18 sind aus der polyalter zwischen 48½ und 57 9, also 3 , haben das Generalhervorgegangen, technischen Schule stabsbrevet. Von den vorgeschlagenen Majors ist der älteste 112: der jüngste 5/2 Jahre im Dienstgrade, 47½ bezw. 55½ Jahre alt , 31 sind alte Polytechniker, 2 frühere Unteroffiziere , 19 haben das Generalstabsbrevet. Bei den vorgeschlagenen Hauptleuten schwankt das Alter im Dienstgrade zwischen 8 und 16 ' , Jahren, das Lebensalter zwischen 39 , und 52 Jahren, 43 sind aus der polytechnischen Schule , 7 aus dem Unteroffizierstande hervorgegangen, 15 haben Generalstabsbrevet. Von den zu befördernden Leutnants ist der jüngste 6, der älteste 10/2 Jahre im Dienstgrade, der jüngste 30, der älteste 38 Jahre alt, 41 sind also Polytechniker, 9 also Unteroffiziere, nur 3 haben das Generalstabsbrevet. Das ist auffallend wenig, namentlich wenn man den Prozentsatz an Brevetierten bei den Offizieren der Artillerie in höhere Dienstgrade näher betrachtet und spricht eigentlich nicht für wachsendes wissenschaftliches Streben in der französischen Artillerie, die eine Zeitlang das Gros der Generalstabsoffiziere zu liefern pflegte. Von der Geniewaffe heben wir als besonders auffallend eins hervor, dafs von den zur Beförderung vorgeschlagenen Hauptleuten der jüngste 11 , der älteste 17 Jahre im Dienstgrade, der jüngste 39, der älteste 47 Jahre alt ist. Die Genieoffiziere werden dafür aber auch sehr früh, nach 3 bis 4 Jahren Leutnantszeit, Hauptleute . Bei der Kolonialinfanterie schwankt das Lebensalter der zur Beförderung vorgeschlagenen Oberstleutnants zwischen
43
and 55
Jabren, Majors zwischen 38 , und 51 ' ,, Hauptleuten 33 und 46/2 Leutnants 27 und 37 ,2 Jahren, bei der Kolonialartillerie Oberstleutnants zwischen 44 ' ,2 und 53 Jahren , Majors 41½ und 53 , Hauptleuten 34/2 und 412. Leutnants 27 und 53 Jahren . Auch die Kolonialartilleristen rücken schnell zum Hauptmann auf und bleiben in diesem Dienstgrade zwischen 8 und 11/2 Jahre. Im allgemeinen ist die französische Armee in den höheren Dienstgraden etwas älter als die deutsche,
man klagt aber auch bitter genug
über Stocken
Umschau.
727
der Beförderung und regierungsseitig werden Anstrengungen gemacht, das Aufrücken zu beschleunigen. Man darf auf das nach Bertaux' Zusage demnächst dem Parlament zu überreichende neue Beförderungsgesetz einigermafsen gespannt sein. Aus dem Annuaire de l'infanterie lässt sich nachweisen, dafs 1882 von den Unterleutnants aus dem Unteroffizierstande bei ihrer Beförderung 55 = 8, 24 = 9, 12 und 1 = 15 Jahre dienten, 1903 da10 = 10, 6 = 11 , 8 Im Durchschnitt gegen 32 = 8, 249, 8 = 10, einer 11 Jahre . ergibt sich also ein Lebensalter von 28 bis 33 Jahren, in welchem diese Leute zu den Offiziergalons gelangen und zu dieser Zeit können auch die ,, adjudants", die 10 Jahre dienen, ohne Prüfung Unterleutnants werden . Damit ergibt sich, dafs die ältesten der durch St. Maixent Offiziere werdenden Unteroffiziere, bei nur 2 Jahren Verbleiben im Dienstgrad des Unterleutnants, 11 in dem des Leutnants, 13 Jahren in dem des Hauptmanns überhaupt schon durch die Altersgrenze gehindert werden, noch den Bataillonskommandeur zu erreichen. Wenn man in Armeekreisen sich wundert, dafs in diesem Jahre pro Armeekorps nur 1 ,,adjudant" zum Unterleutnant vorgeschlagen wird, so darf man nicht vergessen, daſs auch die Zahl der anderen Zulassungen eine geringere ist und dafs bei normalem Zuflufs jährlich doch wohl 110 „, adjudants" herauskommen werden. Weiter unten auf das Kriegsbudget 1905 wie es, nach Änderun- Heeresgen durch den Senat endlich von beiden Häusern des Parlaments ausgaben . angenommen worden ist, zurückkommend, weisen wir zunächst darauf hin, dafs General Prudhomme in der France Militaire einen sonst nicht recht verständlichen Satz im Bericht des Senators Waddington über das Kriegsbudget näher erläutert und dabei das verrät, was im Senatsausschusse ale unbedingt notwendig betrachtet wird. Es ist das eine ganz nette Musterkarte von Wünschen , von denen einige aus Mangel an Menschenmaterial im
Rekrutenkontingent
Verwirklichung erfahren dürften .
wohl kaum sobald eine
Der Satz im Berichte Waddingtons
lautet dem Sinne nach wie folgt : ,,Die unausgesetzten Vervollkommnungen der Artillerie und der Feuerwaffen der Infanterie zwingen uns zu Verbesserungen und Umgestaltungen, die nicht länger verschoben werden dürfen, wenn nicht die französische Armee ins Hintertreffen und gegenüber anderen Grofsmachtheeren in eine Unterlegenheit geraten soll, die vielleicht die gefährlichsten Folgen haben könnten ." Bemerkend, dafs diesen Ansichten die Herabsetzung der aufserordentlichen Kredits um rund 1,5 Millionen wenig entspreche , nennt General Prudhomme dann als unabweisbar nötig u . a. 1. eine bedeutende Vermehrung der Feld artillerie und zwar um mindestens ein Regiment pro Armeekorps und der Ziffer der bespannten
Umschau.
728
Batterien der schweren Artillerie des Feldheeres schon im Frieden. Mit einem neuen Regiment pro Armeekorps käme man dann mindestens auf die von André zunächst in Aussicht genommenen 30 Batterien pro Armeekorps, d . b. auf 120 Geschütze bei Beibehalt der mobilen Batterie zu 4 Geschützen. Das Regiment würde wohl die Korpsartillerie bilden und voraussichtlich auch die neuen 10,5 cm leichten Feldhaubitzen erhalten. Diese Betonung der unbedingten Notwendigkeit einer bedeutenden Vermehrung der französischen Feldartillerie (um 20 Regimenter) mufs man als eine Wirkung der Einführung der Robrrücklaufgeschütze bei uns betrachten, da man nun doch mit 4 X 24 = 96 Geschützen gegenüber 144 Rohrrücklaufgeschützen des deutschen Armeekorps nicht mehr auszulangen glaubt. Man hat sich ferner wohl richtig gesagt, daſs, wenn auch eine Batterie zu 4 Robrrücklaufgeschützen dasselbe zu leisten vermag wie eine Batterie zu 6 Geschützen ohne Rohrrücklauf früher, man doch heute einer bedeutenden Steigerung der Wirkung und der Möglichkeit bedarf, diese sehr gesteigerte Wirkung auf die kurzen Momente zu häufen, in denen sich der Gegner bei gründlichster Ausnutzung des Geländes zur Deckung doch als Vollziel zeigen muſs . Die Forderung der Vermehrung der Batterien der schweren Artillerie des Feldheeres ist eine Folge der bei uns bestehenden Bespannungsabteilungen der Fufsartillerie und schon der bisherigen Ergebnisse des russisch - japanischen Krieges . 2. Eine Vermehrung der Kavallerie um 10 Regimenter. Diese Forderung dürfte kaum die Bewilligung der Kammer erhalten einesteils aus finanziellen Gründen, dann aber auch, weil man innerhalb des Rahmens der bisherigen Durchschnittsstärke die nötigen Leute für 10 neue Kavallerieregimenter, zumal wenn man die Vermehrung der Artillerie schon durchführt, kaum finden dürfte, sie nur so gewinnen könnte, dals man mit sehr grofsen Kosten die Zahl der über 2 Jahre dienenden Leute, damit die Durchschnittsiststärke , vermehrte, vorausgesetzt immer, dals man die gröfsere Zahl solcher Leute sicher stellen könnte . 3. Die Umgestaltung der Infanteriebewaffnung. Hier wird nicht ersichtlich , ob General Prudhomme damit die Einführung eines neuen Gewehres (Dauteteau?) meint, oder nur die Beschleunigung der Aptierung des Lebelgewehres für das D.-Geschofs und ein neues Pulver, wodurch man eine sehr viel höhere Anfangsgeschwindigkeit und eine rasantere Bahn erreicht, auf den Hauptkampfentfernungen ein Umstellen des Visiers nicht mehr notwendig würde. 4. Die modernen Anforderungen entsprechende Umgestaltung der festen Plätze im Nordosten Frankreichs. Diese Forderung ist keine neue,
sie
ist
schon von Négrier
als Armeeinspekteur in
wieder-
Umschau.
729
holten Berichten aufgestellt worden und hatte schon André Erfüllung derselben zugesagt. Auch um die neuen 24 cm Küstengeschütze dürfte es sich bei den Forderungen handeln, sie sind unlängst auch Gegenstand der Beratung im oberen Kriegsrat gewesen. Obwohl man die Sitzung als eine geheime betrachtet wissen wollte , ist diese Nachricht doch durchgesickert . - Nachdem der Senat von den durch die Kammer, zunächst angenommenen Beträgen des Budgets rund 2,4 Millionen abgesetzt, blieb das Kriegsbudget rund 6 Millionen höher, als es im Mai 1904 von André zunächst eingebracht worden. An Ersparnissen durch Kranke, Arretierte, Beurlaubte rechnet man für 1905 9,5 % der Verpflegungsstärke und empfahl ein Rundschreiben des Kriegsministers diese Ersparnisse durch 2 tägige Beurlaubungen, über 24 d. b. solche vom Sonnabend Mittag zum Montag früh Stunden hinausgehend, da Abzüge für 24 stündige Urlaube nicht mehr erfolgen sollen bezw. an den grofsen Festen zu erreichen. Bemerkenswert in den Beratungen des Kriegsbudgets im Senat waren einige Erklärungen des Kriegsministers über die Mehrausgaben, die durch die 2jährige Dienstzeit verursacht werden . Berteaux beklagte,
dafs nun doch noch,
wie er mit seinem
Budget 1905 als Liquidationsbudget für die 3 jährige Dienstzeit vermeiden gewollt aus diesem Budget Kosten in die Rechnung für die zweijährige Dienstzeit übergingen. Die Mehrausgaben für die 2jährige Dienstzeit hätten einige Redner im Senat, vor allem auch General Mercier, mit über 50 , ja 70 und 100 Millionen jährlich angesetzt. Von den 50 Millionen Merciers müsse man aber abziehen : 1. die Ausgaben für die Einstellung der Rekruten schon in den
ersten Tagen
des Oktober statt November, die auch ohne die zweijährige Dienstzeit mit Rücksicht auf die Gesunderhaltung der Leute und die Bereitschaft im
Frühjahr notwendig
geworden
wäre,
10
Millionen,
2. die Mehrkosten für die Steigerung der Zahl der kapitulierenden Unteroffiziere um 600, welche die einfache Folge nicht der 2 jährigen Dienstzeit, sondern der von der Kammer beschlossenen Besserstellung sei, die jährlich mehr Unteroffiziere zur Kapitulation veranlafste, 3. sei zu bedenken , dafs Ausfälle entständen z. B. in der Wehrsteuer.
Die durch die 2jährige Dienstzeit entstehenden Mehr-
kosten betrügen wirklich etwa 20 Millionen, d . h. die Summe, auf welche er die Steigerung der Ausgaben geschätzt habe. Zu den Bemerkungen des Admirals Cuverville, betreffend den Schutz der Kriegshäfen und Arsenale, bemerkt der Kriegsminister, dafs man in diesem Schutz nicht weit genug gehen
könne, die Bedienung der Küsten-
geschütze
den Marine-,
will
er
aber nicht
sondern den Land-
artilleristen übertragen haben, aufserdem sollen die Eingeschriebenen
Umschau.
730 der seemännischen
Bevölkerung, die
im
Kriege von der Marine
selbst nicht gebraucht werden, den Seehäfen überwiesen werden. Zu beachten ist auch die Antwort des Kriegsministers auf die Anfrage eines Senators, ob man nicht wieder einmal in gröfserem Umfange
einen Mobilmachungsversuch
anstellen
wolle,
da
die
Verhältnisse,
bei
der
unter
Reservekavallerie
denen
diese
zur-
zeit doch für die erste Linie bestimmte Truppe mobilmachte, äufserst mifsliche seien . Berteaux meinte, dafs man kleine Versuche ja wohl machen könne, gröfsere aber, die bewiesen, was von Leuten und Pferden zu erwarten, nur bei Bewilligung bedeutender Sonderkredite möglich seien. ' ) nehmen wollte,
Man würde übrigens irren, wenn man an-
dafs das Gesetz, betreffend die
2jährige Dienstzeit
vom 21. März 1905 , nachdem es zur vollendeten Tatsache geworden, in Heereskreisen willkommener erschiene . General Lamiraux hört nicht auf, das Gesetz als einen Sprung ins Dunkle zu bezeichnen, um so mehr, als die Armee des eng verbündeten Rufsland jetzt gerade schwere Niederlagen erlitten und mit ihrer vollen Verfügbarkeit für einen europäischen Krieg jetzt doch kaum gerechnet werden dürfe. Das Gesetz sei unter politischen Gesichtspunkten gemacht, Gleichheit dort zu schaffen, wo sie unmöglich sei. Wenn man aber auch noch die Übungsdauer der Reservisten und Landwehrleute verkürze, so werde das Übel um so gröfser. Das hat aber der Armeeausschufs der Kammer, wie Manjans Bericht beweist, ja ernstlich im Auge, 15 Tage für die Reservisten, 6 Tage für die Landwehrleute (dies von Manjan sogar über die Absichten der Kammer hinaus vertreten, die überhaupt die Übungen der Landwehrleute ganz ausfallen lassen wollte) . Nach Maujans Vorschlägen sollten die Übungen der Reservisten nicht mehr alle zwei, sondern alle drei Jahre stattfinden, um
die aktiven Einheiten in voller Kriegsstärke
lassen.
manövrieren zu
Bei den Verhandlungen über diese Frage erfahren wir, daſs
man mit den 4 jüngsten Reservistenjahrgängen rechnet, um die aktive Armee bei der Mobilmachung zu ergänzen, mit den 3 folgenden,
um Ersatztruppenteile
aufzustellen,
sowie
damit,
dafs
die 4
ältesten Reservistenjahrgänge mit den 3 jüngsten der Landwehr, die sog. „Verstärkungsarmee" ausmachen, die doch sofort mobil wird und event. in erster Linie zum Einsatz kommt.
Man glaubt in militärischen
Kreisen übrigens kaum daran, dafs der Senat und die Regierung einem Beschlusse im Sinne Maujans zustimmen werden, meint viel mehr,
daſs eine Einigung auf 2 mal 21 Tage für die Reservisten,
1) Auf die beabsichtigte Probemobilmachung einer Resere-Infanteriedivision mit Kavallerie, Artillerie und Trains, die während des Drucksbekannt geworden, kommen wir im nächsten Bericht zurück.
Umschau.
731
1 mal 8 Tage für die Landwehrleute ja auch der Kriegsminister als
zustande kommen
zulässig
wird,
bezeichnet habe .
die
Freilich
müfsten dann auch, nach den Ansichten der älteren Offiziere, die Zeiten für die Einbeorderung der Reservisten zweckmäfsiger gelegt werden.
Jetzt verlaufen die Dinge vielfach wie
abgesehen von
folgt :
Man rückt,
den Korps, die grofse Armeemanöver àbhalten,
zu
den Herbstübungen mit Kompagnien von 125 Mann aus, die in kurzer Zeit auf 115 zusammenschmelzen . Dagegen hat man pro Kompagnie im Frühjahr oft 50-60 Reservisten , von denen im Durchschnitt 34 in der Stadt wohnen und essen, von 930 vormittags bis 1 Uhr dienstfrei zu lassen sind und ebenso von 5 Uhr abends bis zur Reveille .
Dabei ist nicht
zu vergessen,
dafs man bei
einer
Mobilmachung von Oktober bis Februar um einen Kern von 50 geschulten aktiven Leuten 200 Reservisten einreiben mufs, um kriegsstarke Kompagnien zu erhalten. Um die Stellung der Unteroffiziere ,,moralisch" zu heben, geht man im Kriegsministerium mit dem Gedanken um, den Unteroffizieren , die Erlaubnis zum Ansichten über diese Die Tragen von Zivilkleidung zu geben. nach dieser Unteroffizieren Maſsnahme, die den kapitulierenden
die kapituliert haben,
nach 5 Uhr
abends
Richtung das Recht gäbe, das jetzt schon die Offiziere besitzen , sind in der Truppe aufserordentlich verschieden . Wir sind schon gegen das Tragen von Zivilkleidern in den Garnisonen bei Offizieren, erst recht also bei Unteroffizieren, die zudem ihre Uniform vom Staate frei erhalten, Zivilkleidung aber aus ihren Mitteln beschaffen Disziplingründe sprechen gegen die Neuerung. Da demlogische Folge des Gesetzes , betreffend die 2jährige Dienstzeit, ein neues Cadregesetz vorgelegt werden mufs, so hätte
müssen. nächst,
als
man wohl andere Mittel , die Berufsunteroffiziere gegenüber den nur ihre gesetzliche Dienstzeit ableistenden moralisch zu heben und das würden diese Unteroffiziere selbst auch wohl lieber sehen , als die Befugnis zum Tragen von Zivilkleidern von 5 Uhr abends ab. Ein Rundschreiben des Kriegsministers an die kommandierenden Generale betrifft die Kapitulationen während der Übergangszeit zum Gesetz Gesetzes bestimmt
vom 21. März 1905. bekanntlich,
dafs die
Artikel 96
des genannten
neuen Verordnungen des
Abschnittes IV, betreffend Freiwillige, Kapitulanten und Kommissionierte sofort nach Bekanntgabe des Gesetzes in Kraft treten sollen ausgenommen dreijährig Freiwillige, die bis zur Vollkraft des neuen Gesetzes noch den Satzungen desjenigen von 1889 unterworfen bleiben. Bis zur Bekanntgabe der Erlasse , Tarife und Bedingungen, die vom Kriegsministerium zur Regelung der Einzelheiten
der Bedingungen.
Unteroffiziere..
Umschau.
732
unter denen freiwilliger Eintritt und Kapitulationen nach dem neuen Gesetz stattfinden sollen, können Freiwillige angenommen und Kapi. tulationen vollzogen werden innerhalb der Grenzen und Dauer sowie unter den Bedingungen, die Artikel 50 und folgende des genannten Gesetzes vorschreiben. Die Ziffer der zulässigen Kapitulationen von Unteroffizieren bleibt bis auf weiteres auf die durch Erlafs vom 18. Februar 1905 bestimmte
beschränkt.
Während
der in
diesem
Erlaſs vorgesehenen Übergangsperiode haben die Regimentskommissionen bezüglich der kapitulierenden Unteroffiziere nur über diejenigen zu bestimmen, deren Pflichtigkeit in einem Monat abläuft. Die durch das Gesetz vom 18. März 1889
den kapitulierenden Unteroffizieren
zugesicherten Vorteile bleiben in Kraft, Korporale und Gemeine, die durch Kapitulation ihre Pflichtigkeit auf 4 bezw. 5 Jahre verlängern, erhalten die Mehrbeträge, die sich für sie aus dem in der Ausarbeitung begriffenen neuen Tarife ergeben können, nachgezahlt, ebenso auf 4 bezw. 5 Jahre verpflichtete Gemeine die proportionellen Prämien, die sich aus den neuen Tarifen ergeben. 3 jährig Freiwillige können in unbeschränkter Zahl angenommen werden und zwar bei allen fechtenden Truppen, wie es der letzte Absatz des Artikels 96 des Gesetzes erlaubt, d. h. sie bleiben dem Gesetz von 1889 unterworfen und haben keinen Anspruch auf die Prämien, der ihnen nach Artikel 60 erst nach vollem Inkrafttreten des Gesetzes vom 21. März 1905 zusteht.
von
Ein Rundschreiben des Kriegsministers hat für die Waffenfabriken St. Etienne und Châtellerault die vollen sechs Arbeitstage
wiederhergestellt. Ein anderes benachrichtigt die Truppen im Bereich des Gouvernements Paris , dafs bei Vincennes am 3. Juni eine grofse Parade vor König Alfonso XIII. stattfinden wird.
Am 1. Juni wird
der König im Lager von Châlons Übungen etwa eines Armeekorps, grofse Artillerieübungen mit Scharfschielsen sehen. Verschiedene französische Blätter hatten die Nachricht gebracht, dafs dabei sechs reitende Abteilungen , die Kavalleriedivisionen Feuer zugeteilt sind, dem Könige im vorgeführt werden sollten. Das ist natürlich ein Irrtum . Man will doch, aus Rücksichten auf den Eindruck und auch wohl mit der Absicht, französi schen Fabriken spanische Geschützbestellungen zu verschaffen, dem Könige die Leistungen des neuen 7,5 cm Rohrrücklaufgeschützes zeigen und gerade die reitenden Batterien der Kavalleridivisionen sind die einzigen , die dieses Geschütz noch nicht besitzen , vielmehr noch das frühere 80 mm führen . Indochina.
Die Reise des Kolonialministers, dem der sehr gut orientierte General Voyron beigegeben worden, nach Indochina und die Ent-
Umschau.
733
scheidung des Unterausschusses der Kommission für Kolonialverteidigung, daſs die Aufwendung bedeutender Mittel für die Verteidigung Indochinas nicht weiter hinausgeschoben werden dürfe, lassen es interessant erscheinen, auf die Beträge hinzuweisen, die von dem beratenden Komitee für die Verteidigung der Kolonien in Übereinstimmung mit den hohen Militärbehörden in Indochina für diese Zwecke als erforderlich betrachtet werden . Man nimmt nicht an, dals Indochina unbegrenzte Zeit den vereinten Angriffen zu Lande und zu Wasser einer Grofsmacht Widerstand leisten soll, wohl aber so lange, bis von Frankreich her die nötigen Verstärkungen herangezogen sind, so dass man die Seeherrschaft wieder erkämpfen könnte . Dazu sind einige Monate erforderlich . Auch das so beschränkte Programm bringt aber noch Ausgaben genug für Landbefestigungen , Küstenbatterien, Pulvermagazine, Kasernen, sanitäre Einrichtungen . Die Verteidigung zur See erfordert zahlreiche Unterseeboote und die Ausstattung des Arsenals von Saigon, so dafs es in der Lage ist, allen Bedürfnissen eines starken Geschwaders zu genügen . Im ganzen meint man , dafs 180 Millionen Francs nötig sein würden , von denen aber ein grofser Teil von der Kolonie selbst aufzubringen wäre, 110 Millionen für die Landesverteidigung, 70 Millionen für die Verteidigung zur See . Die 110 Millionen verteilen sich, wie folgt : Verteidigungsanlagen in Tonkin und an der Grenze gegen China, 25 Millionen, Kasernen, Pulvermagazine, Vorratsmagazine 40 Millionen, Sanatorium von Lang- Biang 8 Millionen, Bewaffnung der Infanterie 1 Million , Munitio nsvorrat für Infanterie und Artillerie 90 Millionen Sanierung von Saigon 15 Millionen , drahtlose Telegraphie 1 Million . Die 70 Millionen für Verteidigung zur See würden nicht ganz erforderlich sein , wenn man vom Heimatlande aus Unterseeboote und Torpedoboote abgeben könnte. Angesetzt sind für mobile Verteidigung, Torpedoboote, Unterseeboote 30 Millionen, Arsenal von Saigon 40 Millionen. Von den letztgenannten Summen dürfte kaum ein Franc zu streichen sein. Die Hauptkosten sollen durch eine Anleihe für Indochina gedeckt werden, schehen ist.
wie dies schon 1896 und 1898 ge-
Ein Gesetzentwurf, betreffend Reformen in der Militärrechts Reform der Militärpflege liegt dem Parlament vor, er umfafst vier Artikel und unterwirft ' rechtspflege. die nicht militärischen Vergehen der Aburteilung durch bürgerliche Gerichte.
Der Kassationshof wird Berufungsinstanz für die Urteile
der in ihrer Zusammensetzung sich nicht wesentlich ändernden Kriegsgerichte. Wir werden die Neuerungen eingehend beleuchten, wenn im Plenum die Frage zur Beratung steht.
Umschau.
734 Kolonialtruppen.
Auf Vorschlag Erlafs
des Kriegs-
und Kolonialministers
ändert ein
des Präsidenten der Republik die Bestimmungen über Frei-
willige und Kapitulanten bei den Kolonialtruppen ziemlich durchgreifend. Die Begründung des Kriegsministers läfst die Übelstände erkennen,
die
man zu beseitigen gedenkt.
Bis jetzt erhielten die
Leute , die sich entweder von vornherein freiwillig oder später durch eine Kapitulation
zu
einem Dienen
über die gesetzmälsige Zeit hinaus
bei den Kolonialtruppen verpflichteten, eine sehr hohe , sofort nach . Unterschrift der Verpflichtung zu zahlende Geldprämie. Die Mehrzahl verbrauchte dieses Geld in einer Weise , die weder der Gesundheit, noch auch der Disziplin förderlich sein konnte und wurden dann, miſsmutig, weil auf lange Zeit zum Dienst verpflichtet und nur noch den Vorteil einer geringen Soldzulage genielsend , nur sehr mässige Soldaten. Zudem war die gezahlte Prämie für den Staat in dem Falle verloren, dafs der Mann seine Verpflichtung aus irgend einem Grunde nicht erfüllte, endlich zog die hohe Prämie Leate unter die Waffen, die Beruf zum Soldaten nicht in sich fühlten und für die Disziplin schädigende Elemente waren. Das ist auch der Grund dafür , daſs vielfach die Truppenkommandeure ihre Zustimmung zu längeren Verpflichtungen den Leuten, die sie noch nicht kennen, verweigern. Die Neuerungen gehen nun von dem Grundsatze aus : 1. bei dem Eingehen der Verpflichtung nur eine verhältnismäſsig geringe Prämie zu zahlen, den Rest in eine besondere Soldzulage zu verwandeln, so dafs die Ausgabe für den Staat und der Nutzen für den Mann im allgemeinen dieselben bleiben wie nach dem Erlafs vom 4. August 1894 ; 2. dem Staate die Befugnis zu geben , schlechte Elemente , die noch über die im Rekrutierungsgesetz festgesetzte Zeit zum Dienst verpflichtet wären, dem Zivilleben zurückzugeben . Statt der einmaligen, meist leichtsinnig verschleuderten hohen Prämie bekommt der Mann eine dauernde Zulage, die ihm mit seiner Existenz zufriedener machen wird, er lernt die Vorteile des Dienstes kennen und andererseits weifs er auch, dals sie ihm bei schlechter Führung genommen werden können.
Die Gemeinen der Kolonialtruppen, die
schon über ihre gesetzliche Dienstzeit hinaus unter den Waffen, sollen ९ nicht mehr in die Straftruppen überwiesen werden, werden einfach entlassen und zwar durch eine Verfügung der Divisionsgenerale, die Leute, die sich nach diesem Erlafs von vornherein freiwillig oder später durch Kapitulation zum Dienen über die gesetzmälsige Verpflichtung hinaus verpflichten, erhalten eine Prämie , die der Zahl der Pflichtjahre über die gesetzlichen hinaus bis zu zehn entspricht, aufserdem eine Soldzulage . Die Prämie wird mit 40 Francs für jedes über die gesetzliche Zeit hinausgehende Jahr den Freiwilligen
Umschau.
735
nach Ankunft bei der Truppe, den Kapitulanten nach Eingehen der neuen Verpflichtung bezahlt. Die Soldzulage beträgt 0,22 Francs > Durch Erlafs vom 21. März sind die Stellen von acht pro Tag. als Hilfslehrer zur Infanterieschule kommandierten Unterleutnants aufgehoben worden. Wir wiesen unlängst
darauf hin, dafs bei der Beratung des Mietspferde.
Kriegsbudgets in der Kammer mit Recht die Erscheinung gerugt wnrde, dafs zu Bespannungszwecken für Feldfahrzeuge unberittener Truppen bei den Herbstübungen jährlich eine grofse Zahl von Artilleriepferden Verwendung finden und die Batterien als solche dann von den Herbstmanövern zu Hause bleiben. Ein Erlafs des Kriegsministers vom 21. März scheint nach dieser Richtung einigermalsen Wandel schaffen zu wollen, indem er nachdrücklich betont, daſs man so viel wie möglich Reservisten veranlassen solle,
mit Pferden zu
den Herbstübungen zu erscheinen und ihnen pro Pferd und Tag, aufser Futter, 5 Francs gegeben werden sollen , bei Beschädigungen oder Verlust der Pferde auch die zuständigen Entschädigungen. Am 19. April
ist in Saint Nazaire in Gegenwart des Marine-
ministers das Linienschiff Liberté ( 14865 tous, 27504 indizierte Pferdekraft, 18 Knoten) abgelaufen. Wir werden weiter unten auf die Verzögerung
im Bau der durch Programm von 1900 angesetzten
Schiffe zurückkommen, hier sei nur bemerkt, dafs die Durchführung des Programms rund 36,5 Millionen mehr kosten wird, als zunächst ausgeworfen und dafs auch an diesen Mehrkosten zum Teil der von Pelletan eingeführte Achstundentag die Schuld trägt, ebenso wie im Verein mit Änderung der Baupläne und Verzögern der Entscheidungen des Marineministers,
er auch mit dafür verantwortlich
ist, dafs die Durchführung des Programms 15 Monate später erst bewirkt sein kann als man festgesetzt hatte. Für die sieben Schiffe, die 1905 in Bau gelegt werden,
enthält
das Marinebudget total
681 , auf 6 Jahre zu verteilende Millionen Ausgaben, seebereit soll das letzte dieser Schiffe 1909 sein . Der am 21. Dezember 1901 abgelaufene Panzerkreuzer Leon Gambetta hat eben seine Maschinenproben gemacht und dabei mit forziertem Zuge 23,10 Knoten Fahrt und 29008 indizierte Pferdekraft erreicht gegen die kontraktlich bedingten 22 Knoten und 27500 indizierte Pferdekraft. Das Maximum hat 30000 indizierte Pferdekraft betragen.
Man kann also mit den
Proben wohl zufrieden sein. Bei dem jüngst in Brest in Bau gegelegten Panzerkreuzer Edgard Quinet (14300 tons, 40000 indizierte Pferdekraft, 24 Knoten Fahrt) der auf der diesjährigen Bauliste steht, wird geplant, die Artillerie kräftiger zu gestalten und zwar mit Rücksicht auf die Armierung der britischen, vor allem werden
Marine.
Umschau.
736
die bisherigen 19,4 cm Geschütze durch 24 cm, Havre
die man eben bei
auch für Küstenbatterien ausgeprobt, ersetzt werden.
knüpfend
an
die von
der
Kammer
mit
überwiegender
AnMehr-
heit beschlossene Tagesordnung, die Regierung aufzufordern, baldigst einen neuen Flottenerweiterungsplan vorzulegen, sind die Beratungen über das
Marinebudget im Senat von besonderem Interesse.
Kritiken der Marineverwaltung
hat
es
nicht gefehlt ,
sie
An
trafen
aber weniger Thomson als seinen Vorgänger und die Erbschaft, die Thomson übernommen. Aber auch das Marinebudget 1905 bekommt seine Hiebe ab. Es sei mangelhaft aufgestellt ; die Ausgaben, die für den Bau einzelner Schiffe angesetzt seien, wechselten von Jahr zu Jahr um 2-1 Million, man gebe für Neubauten 30 Millionen mehr aus als Deutschland, eine bessere Leitung, eine genauere Richtung, eine festere Hand seien für die Marine erforderlich . Admiral Cuvreville tadelte scharf die Verzögerung in der Ausführung des Flottenplans von 1900.
Man nehme zwar noch die zweite Stelle ein, aber
das werde nicht lange mehr dauern. Die Hauptaufmerksamkeit sei zunächst auf Linienschiffe und Unterseeboote zu richten , ohne aber in den Fehler zu verfallen,
anzunehmen, dafs diese kleinen Fahr-
zeuge die grofsen ersetzen könnten .
Unausgesetzte Übung und jähr-
liche grofse Flottenmanöver seien unentbehrlich, denn jede nicht manövriergewandte Flotte sei verloren. Auch dem Personale sei Aufmerksamkeit zu widmen, die Einschreibung der seemännischen Bevölkerung sei veraltet und müsse durch ein neues Rekrutierungsgesetz und ein Gesetz, betreffend die Handelsmarine, ersetzt werden. Von besonderem Interesse waren die Erklärungen des Marineministers. In der Ausführung des Programms von 1900 ist bezüglich der Linienschiffe und Panzerkreuzer eine Verzögerung von 15 Monaten festzustellen, bei den kleinen Schiffen ist man dagegen im voraus und von den 118 Millionen, die der Plan auswarf, bleibt fast nichts mehr übrig. Steigerung
Thomson berührt
dann
die Frage,
der Flottenkräfte verzichten müsse.
ob man auf eine Zunächst könne es
sich in einem neuen Bauplan um eine Vermehrung an Zahl noch nicht handeln , man müsse zunächst an den Ersatz der veralteten Schiffe denken . 1908 wenn das Flottenprogramm von 1900 durchgeführt und der Ersatz der veralteten Schiffe bewirkt sei, werde die französische Flotte kaum soviel Schiffe zählen als heute. Die neuen Schiffe würden an Schnelligkeit, Armierung und Schutz freilich den verschwindenden überlegen sein. Damit könne man allerdings sich nicht begnügen, denn 1908 werde man von Deutschland und den Vereinigten Staaten erreicht sein. Thomson kommt dann zu den Ansichten
des Marineministeriums in bezug auf den Bau neuer
Umschau.
Schiffe, besonders von Unterseebooten.
737 Die Marineoffiziere verlangten
gröfsere Unterseeboote als bisher und sie in zwei Klassen zu gliedern : Offensivboote , bestimmt den Gegner an den Küsten aufzusuchen, Defensivboote, die nur der Verteidigung der eigenen Gewässer dienen. Das Programm von 1900 ist noch nicht durchgeführt, aber auf dem Wege
dazu und von den 121 Millionen, die man für Schiffsbauten
auswirft, werden in jedem Jahre einige weitere verfügbar und zwar immer mehr. Der Marineminister will eine Vermehrung der Kredite nicht vorschlagen, aber mit einer Verminderung des für eine Reihe von Jahren noch notwendigen Betrages von 121 Millionen würde er sich auch unter keinen Umständen einverstanden erklären können.
Wir müssen beginnen uns mit
den Neubauten zn beschäftigen, die nach Malsgabe des Ablaufens der im Bau befindlichen Schiffe unternommen werden sollen. Wenn die Regierung aber auch die Pfiicht empfindet, ein neues Programm auszuarbeiten, so ist damit doch nicht gesagt, dafs man ebenso wie beim Programm 1900 verfahren würde. Wir halten es nicht für zweckmälsig und billig, gleichzeitig eine grofse Anzahl von Schiffen in Bau zu legen. Die Regierung wird als Richtung für den Weg, den man gehen will , ein Programm für die Schiffstypen aufstellen, zur Baulegung aber erst schreiten , nach Mafsgabe der frei werdenden , jetzt gebundenen Kredite. Wir streben nicht nach Seeherrschaft,
aber uns unseren Platz in der Reihe der
Seemächte zu erhalten, ist eine unabweisbare Pflicht. "
18.
738
Literatur.
Literatur.
1. Bücher. Kriegsgeschichtliche Übersicht der wichtigsten Feldzüge in Europa seit 1792. Von Adolf von Horsetzky , k. u . k. Feldzeugmeister, Kommandant des I. Korps und kommandierender General in Krakau . Mit einem Atlas von 38 Tafeln . 6. Auflage. Wien 1905. L. W. Seidel & Sohn. Gebund. 22 Mk. Was einer älteren Generation einst die treffliche „Anleitung zum Studium der Kriegsgeschichte" von J. v. H. war, das ist uns Neueren das Buch vom Feldzeugmeister A. von Horsetzky, Kriegsgeschichtliche Übersicht der Feldzüge in Europa seit 1792, welche soeben in 6. Auflage veröffentlicht worden ist, nachdem die erste Auflage vor 16 Jahren als „ Kriegsgeschichtliche Übersicht der Feldzüge der letzten 100 Jahre erschienen war. Es ist nach Abfassung und Ausstattung eine Musterleistung mit ihrem reichen Schatze guter und zuverlässiger 38 Karten grofsen Formats , um die wir wahrlich die verbündete Armee beneiden dürfen . Dabei ist der Preis so gering, dafs jedem Offizier die Anschaffung ermöglicht ist. Bedauern müssen wir es nur, daſs der Herr Verfasser, eingeengt durch den Titel, geglaubt hat, darauf verzichten zu müssen , auch den Sezessionskrieg mit in den Bereich seiner Studien hereinzuziehen. Das Werk verdankte seine Verbreitung und Wertschätzung nicht allein dem grofsen Gegenstande, den es behandelt und dem allgemeinen Bedürfnisse, sondern vor allem der genialen Art seiner Abfassung. Denn es stellt gleichsam die Quintessenz kriegsgeschichtlichen Wissens dar, in trefflicher Klarheit und in seiner konsequent durchgeführten Kürze gibt es uns ein ausgeprägtes und das zuverlässigste Bild der grofsen Kriege der „neuesten Zeit". Wer einmal nur ernstlich und gewissenhaft davor safs, mit dem Zirkel und Stift in der Hand den roten und grünen Linien der unübertroffen übersichtlichen Tafel folgte, dem blieb nicht nur der Verlauf der so leicht aufgefafsten Ereignisse , Märsche und Schlachten unvergesslich, sondern es erwuchs ihm auch oft ganz von selbst die Lust und Vorliebe zu detaillierterem Eingehen. Das ist wohl der schönste Erfolg, dessen ein nüchternes Lehrbuch der Geschichte sich rühmen kann, denn nur zu oft erklärt sich die Scheu vor ernster Wissenschaft leider aus der zünftigen Art ihrer Übermittelung. Hier aber lag und liegt die Kunst der Originalität in der weisen Beschränkung und der fachmännischen Geschicklichkeit, alles für den grofsen Zweck Unwesentliche zu unterdrücken oder zu kürzen , ohne das Gesamtbild zu schädigen. So lassen sich diese „Feldzüge der letzten 100 Jahre“ als fesselnd geschriebene, sozusagen kondensierte Auszüge aus den welterschütternden Dramen, wie die Kriege in und seit der napoleonischen Periode im allgemeinen Sorgfältig sind alle Neuergenannt werden müssen, beziehen .
Literatur.
739
scheinungen der kriegsgeschichtlichen Literatur verwertet, das Bild ist dadurch vielfach ein anderes geworden. In seinem neuen Vorwort · Die Kriegsgeschichte arbeitet selten in sagt der Verfasser : Stein, meistens in weichem Ton, sie modelt ihre Gestalten fortwährend um ; beschränkt sie sich nicht auf einige wenige Tatsachen, so bringt fast jede neue Veröffentlichung eine Verrückung der bisher festgehaltenen Auffassungen und Ansichten hervor. " Das Buch ist im wahren Sinne des Wortes eine verbesserte Auflage, wir finden neu aufgenommen den Krieg auf der spanischen Halbinsel von 1808-1814, den Krieg in Ungarn 1848-1849, den serbisch-bulgarischen Krieg 1885 und schliesslich den griechisch-türkischen Krieg 1897. Dann sind eine ganze Anzahl von Skizzen neu gezeichnet worden, namentlich gilt dies auch von den Schlachtenskizzen. Sehr wertvoll ist es, dafs die Landesgrenzen auf den Karten eingedruckt sind und zwar in solcher Weise, dafs sie die Lesbarkeit nicht beeinträchtigen. Ganz umgestaltet ist der Text. Das Werk beginnt mit einer ausgezeichnet geschriebenen Einleitung, in welcher die militärischen Verhältnisse der kaiserlichen und der französischen Armee um die Jahrhundertwende, der Übergang von den geworbenen Heeren des XVIII. zu den Volksheeren des XIX . Jahrhunderts dargelegt wird. Sehr recht hat der Herr Verfasser daran getan, diesen Abschnitt mit einer Charakteristik des Erzherzogs Karl und des Kaisers Napoleon aus der Feder des Erzherzogs Albrecht zu schliefsen. Schade nur, dafs diese Charakteristiken nicht auch auf andere Feldherren ausgedehnt wurden. Gerade diese einleitenden geistvoll geschriebenen Kapitel verleihen dem Buche einen besonderen Reiz, und zwar in um so höheren Mafse , als wir uns der Neuzeit nähern. Die Geschichte der Entwickelung der österreichischen und französischen Armee wird von Feldzug zu Feldzug fortgesetzt, dann kommen ähnliche Charakteristiken über die anderen grofsen Heere, immer die Gründe für den Erfolg oder für das Mifslingen des operativen Gedankens begründend. Besonders sei auf die Einleitung zum Feldzuge von 1866 verwiesen, die mit einer seltenen Objektivität geschrieben ist. Man lese nur, was der Verfasser auf S. 507 über die Reglements sagt, dann sein Urteil über Moltke, Bismarck und Benedeck. Leider finden wir nicht ähnliche Angaben über die Führer der französischen Armeen von 1870. Schlufsbemerkungen geben die Entwickelung der österreichischen Armee von 1878 bis zur Jetztzeit. Bei einer solchen Behandlungsweise hat der Charakter des Buches sich wesentlich geändert, er ist umfangreicher (von 388 auf 718 Seiten angewachsen) aber auch gehaltvoller geworden . Es ist kein dürftiger „Studienbehelf mehr, sondern die gewichtige Lehrschrift eines in ernster geistiger Arbeit herangereiften Mannes, Kriegslehrers und Feldsoldaten, der in diesem Buch erheblich mehr bietet, als sein Titel allein vermuten liefs. Das Buch ist für jeden Offizier, der ernsthaft Kriegsgeschichte treiben, aus ihr die Anregung zum Nachdenken über seinen Beruf gewinnen will, unentbehrlich . Balck. 48 Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. No. 405.
740
Literatur.
Taktische Beispiele aus den Reglements aller Waffen. Von Roser , Oberleutnant im bayerischen 23. Inf. -Rgt. 93 S. 38 Abbildungen. Berlin. E. S. Mittler & Sohn . Preis 1,20 Mk. Der glückliche Gedanke des Herrn Verfassers, ein Repetitorium für das Studium der Reglements zu bieten, ist vortrefflich gelöst. Da überall die Reglementsstellen angezogen sind , so ist das kleine Heft besonders für die Vorbereitung zum Kriegsakademieexamen und zu Übungsreisen geeignet. Die einzelnen Vorschläge des Verfassers bedürfen der eigenen Überprüfung. So dürfte z. B. die Gliederung der Infanterie im Artilleriefeuer No. 25 nicht zweckmäfsig sein, die Linie ist jedenfalls die ungeeignetste Form im Artilleriefeuer. Die Bezeichnung S. 41 Regimentskolonne für die Infanterie, die nur eine Paradeform ist, ist nicht zweckmälsig. Recht lesenswert ist der Anhang : Zur taktischen Ausbildung der jüngeren Infanterieoffiziere. Hier finden sich Fingerzeige, denen wir volle Beherzigung wünschen B. möchten. Nächtliche Unternehmungen (Marsch, Vorposten, Gefecht in der Nacht, Ausnützung der Nacht beim planmäſsigen Angriff). Von Knebel , Ritter von Treuenschwert, k. u . k. Hauptmann. Wien. L. W. Seidel & Sohn. 125 S. Preis 3 Kronen. Es ist eine fleifsige Arbeit, die gewissenhaft alle bisherigen Veröffentlichungen verwertet, in ausreichender Weise auch kriegsgeschichtWir vermissen nur praktische Angaben liche Beispiele heranzieht. über die Schufsleistungen in der Nacht, wie sie sich z. B. in den Arbeiten von le Joindre und auch in Schweizer Veröffentlichungen finden. Gerade beim liegenden Anschlag wird der Mann leicht zum Hochschuls verleitet. Welche feldmäfsigen Hilfsmittel besitzt man, um eine höhere Treffwirkung zu erzielen ? Auch mit Anwendung von Horn und Trommel beim nächtlichen Sturm sind wir nicht einverstanden, sie zeigen dem Verteidiger wo ein Angriff erfolgt. Erwünscht wären einige Worte über Benutzung der Leuchtfarbe gewesen. „Nächtliche Unternehmungen haben Übelstände im Gefolge, während ein Angriff am Tage manchmal mit der Vernichtung gleichbedeutend sein kann," schreibt der Verfasser und fährt dann fort : „Man wird da das kleinste Übel wählen und die Nacht, wenn auch nur in dem unbedingt nötigen Mafse, ausnützen , mit kleineren Kräften auch Gefechte in der Nacht durchführen , gröſsere Kräfte wenigstens unter dem Schutze der Dunkelheit auf wirksame Schufsdistanz heranführen und selbst gröfsere Aktionen mit Tagesgrauen ´entrieren . Alles in allem glaube ich den nächtlichen Kämpfen die Prognose stellen zu können , dass sie eine typische Erscheinung der Zukunftskriege bilden werden , indem die Umstände, selbst in gröfseren Verhältnissen manchmal mit zwingender Notwendigkeit auf ihre Anwendung hinleiten werden. " Die Kämpfe in Ostasien haben dieser Auffassung des Verfassers Recht gegeben und weisen auf die Notwendigkeit hin, mehr, als es bislang an manchen Orten geschehen
Literatur.
741
ist, der Vorbildung für nächtliche Kämpfe unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Hierfür enthält das Buch wertvolle Fingerzeige . B. Waffenlehre. Von R. Wille , Generalmajor z. D. Mit 562 Bildern im Text und auf 12 Tafeln . Drei Bände. Dritte Auflage. Berlin 1905. Verlag von R. Eisenschmidt. Preis ungebunden 25 Mk. Einem Buche von drei Bänden in einer kurzen Besprechung gerecht zu werden ist nicht leicht. Die Tatsache, dafs das Werk in der dritten Auflage vorliegt, ist die beste Empfehlung; denn in Deutschland werden Bücher schon an sich wenig gekauft und am allerwenigsten so umfangreiche, die natürlich einen im Verhältnis zu dem Budget eines Leutnants hohen Preis haben müssen .
Das Buch ist in drei Bänden erschienen, was die Anschaffung und die Benutzung erleichtert. Der erste behandelt die Schiefs- , Spreng- und Zündmittel, der zweite - den Artilleriekonstruktionen gewidmete - die Geschützrohre, den Schiefsbedarf, die Lafetten , Protzen und Fahrzeuge, der dritte endlich die verschiedenen Gattungen der Artillerie und das Schiefsen ; dieser Band enthält ferner noch ein sehr vollständiges Literaturverzeichnis. Der Herr Verfasser ist in der Literatur aufserordentlich bewandert es ist ihm wohl kaum eine einzige neuere bedeutendere Erscheinung auf diesem Gebiete entgangen und er verfügt über gründliche Kenntnis und ein richtiges Urteil über alles, was auf technischem Gebiete liegt. Die Buchhandlung hat das Werk geradezu glänzend ausgestattet ; nicht weniger als 562 Bilder im Text und 12 grofse Tafeln mit weit über 100 Abbildungen in vortrefflichem Lichtdruck kommen der Anschauung des Lesers zur Hilfe. Das Werk setzt Leser voraus, die mit den Elementen der Wissenschaft bereits vertraut sind . Im ersten und zweite Bande waltet die Beschreibung der Waffen usw. vor, der sich dann die Beurteilung anschliefst. Wenn ich auf Einzelheiten eingehe, so möchte ich hervorheben, dafs der Verfasser auch dem Fachmanne, der natürlich nicht in alle Einzelheiten der Wissenschaft eingeweiht sein kann, viel Neues und Interessantes bringt, was namentlich von den Schiefs- , Spreng- und Zündmitteln gilt. So wird es nur wenigen bekannt sein, wie minderwertig, um nicht zu sagen gänzlich unbrauchbar, das englische rauchlose Pulver (Kordit) ist, das allerdings nunmehr auf den Aussterbeetat gesetzt ist. Bei den „ Handfeuerwaffen " hege ich in bezug auf die in den Anlagen gemachten Angaben über die Wirkung mehrfach ernste Bedenken. Man kann darüber in Zweifel sein , ob es richtig ist, in einer Waffenlehre Angaben über Treffergebnisse zu machen, die in gefechtsmässigen Abteilungsschiefsen erreicht sind, weil hierbei eine grofse Zahl von Faktoren mitsprechen , die von der Waffe ganz unabhängig sind. Richtiger wäre es, Angaben über die Gröfse der Streuungen , die bei sorgfältig angelegten Versuchen im Abteilungsschiefsen er48*
742
Literatur.
schossen sind, zu machen . Für die deutsche Infanterie sind sie in der vom Verfasser auch angezogenen Schrift des Hauptmann Krause „Die Gestaltung der Geschofsgarbe der Infanterie usw.“ zu finden, für die französische Infanterie in dem Buche des Generals Lamiraux Étude sur le fusil m/86 " . S. 220 gibt der Verfasser zwar solche Angaben , die einer von mir verfaſsten Schrift entnommen sind; diese sind aber zum Teil jetzt schon veraltet. Unbedingt notwendig ist es dann aber, noch zu zeigen, wie man aus diesen Angaben zu einer Vorstellung über die gegen feldmäſsige Ziele zu erwartenden Treffer gelangen kann und zwar sowohl unter der (selten zutreffenden) Annahme eines genau der Entfernung entsprechenden , als auch eines mehr oder minder fehlerhaften Visiers ; denn das ist für den Truppenoffizier von höchstem Wert. Die über „ Schiefsleistungen der deutschen Infanterie im Abteilungsschiefsen (S. 216 an erster Stelle und S. 219 und 220) gemachten Angaben erkläre ich für absolut unmöglich und bedauere ihre Aufnahme, die nur geeignet ist, das Urteil zu verwirren. In bezug auf die S. 219-220 gemachten Angaben verweise ich auf meine Studie „Das gefechtsmäfsige Schiefsen der Infanterie und Feldartillerie" zweite Auflage 1896. Nachtrag S. 67 u. ff. wo ich das näher begründet habe. Ich kann nur bedauern , daſs dem Herrn Verfasser diese Schrift anscheinend nicht bekannt ist. S. 252 ist bei Angabe der Präzisionswerte für die schweizerischen Gewehre ein kleiner Irrtum untergelaufen insofern, als in der ersten Zusammen. stellung nicht die 50 % igen Streuungen , wie dort steht, sondern die 50 % igen Abweichungen (die halb so grofs sind) angegeben sind, Im zweiten Bande (Geschütze usw.) bewegt sich der Verfasser auf dem von ihm souverän beherrschten Gebiete ; er behandelt den Stoff hier sehr eingehend. Dieser Band ist am reichsten mit Abbildungen ausgestattet. Der dritte Band enthält in seinem ersten Abschnitt eine sehr lehrreiche Übersicht über die Entwickelung und den augenblicklichen Stand der verschiedenen Gattungen der Artillerie (Feldartillerie, schwere Artillerie des Feldheeres, Gebirgs-, Belagerungs-, Festungsund Schiffsartillerie, sowie Maschinen- und Revolverkanonen). Welche enorme Wirkungssteigerung durch die Fortschritte der Technik erreicht sind wird sehr deutlich an der Kruppschen 24 cm-Kanone gezeigt. Während das Rohrgewicht vom Jahre 1868 bis 1901 auf nicht ganz das Doppelte gestiegen ist, wuchs die Arbeitsleistung auf mehr als das Achtfache. Das im II. Abschnitt behandelte „Schiefsen" ist nach meinem Geschmack den Bedürfnissen des Frontoffiziers nicht genug angepasst, sondern kommt mehr dem Interesse des Technikers und Ballistikers entgegen. Zu dürftig ist namentlich die Lehre vom Treffen weggekommen ; hier vermisse ich vor allem. eine Betrachtung über den Einfluss, den Fehler in der Visierwahl und die Bodengestaltung am
Literatur.
743
Ziel auf das Treffergebnis haben. Das ist für den Frontoffizier das Wichtigste ; denn es mufs sein Handeln im Gefecht beeinflussen. Sehr dankenswert ist der sehr vollständige und zuverlässige Literaturnachweis , der für Offiziere, die nicht sehr bewandert in der Literatur sind und selbständige Studien machen wollen, eigentlich unentbehrlich ist. Der Nachweis umfafst nur die Jahre 1900-1904, aber weist nach dem Stoff geordnet nicht weniger als 1478 Titel von gröfseren Aufsätzen nach , wobei einzelne Doppelzählungen wohl vorgekommen sind . Wenn solche Literaturnachweise alljährlich oder alle zwei Jahre im Sonderabdruck erschienen, so würde dadurch , wie ich glaube, einem wirklichen Bedürfnis entsprochen werden. Seitdem die Registrande des grofsen Generalstabes" eingegangen ist, fehlt dem, der für seine Studien Quellen sucht ein solcher Nachweis. Bei der grofsen Zahl von literarischen Erscheinungen kann man heutzutage ohne solche Hilfsmittel nicht mehr auskommen . Alles in allem betrachtet, bildet das vorliegende Werk trotz der gemachten Ausstellungen eine wesentliche Bereicherung einzelnen im der deutschen Militärliteratur und ist für solche Offiziere, die sich eingehender mit der Waffentechnik beschäftigen ein unentbehrliches NachH. Rohne . schlagebuch . Inspizierungsschiefsen.
Von A. M. F.
Wien 1904.
Seidel & Sohn .
Die vorliegende, recht lesenswerte Schrift eines österreichischen Verfassers beschäftigt sich mit dem schon so häufig gestellten, aber noch immer nicht vollkommen befriedigend gelösten Problem, wie die Bewertung der Schiefsleistungen der Kompagnien in zweckmässiger und gerechter Weise stattfinden könne. Bezüglich der Bewertung des Schulschiefsens enthält die Schrift keine Vorschläge, die nicht schon in den letzten Jahren bei deutschen Auch die BeTruppenteilen zur Durchführung gekommen wären. hiefsens Gefechtssc des en Beurteilung vergleichend sprechung der bietet uns Deutschen nichts wesentlich Neues, ausgenommen den Vor-
schlag des Herrn Verfassers , die Prozente der getroffenen Figuren mit den Trefferprozenten zu multiplizieren , um so eine Zahl zu gewinnen, welche die Schiefsleistung einer Kompagnie möglichst exakt darstelle. Allein diese Art der Beurteilung erscheint nicht ganz einwandfrei, weil im wechselnden Gefechte den Trefferprozenten und damit dem Haushalten mit der Munition nicht immer die gleiche Bedeutung zukommt. So wird die Infanterie im kurzen und scharfen Duell mit der Artillerie oder in der Abwehr eines Kavallerieangriffes sicher nicht mit der Munition geizen dürfen und es wird daher hier die Zahl der getroffenen Figuren eine allein gültige Bedeutung gewinnen. Im lange währenden Kampfe mit feindlicher Infanterie dagegen wird gewifs auch der Prozentzahl der Treffer, also der technischen Güte des Schiefsens, ein besonderer Wert beizumessen sein. Es würde sich zur Lösung des Problems vielleicht empfehlen ,
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wenn eine Kommission von sachverständigen Preisrichtern den Gefechtsschiefsen der innerhalb eines Korpsbereiches in Betracht kommenden Kompagnien anwohnte. Jeder Preisrichter hätte hierbei, unabhängig von den anderen, alle wichtigen Faktoren eines Gefechtsschiefsens (Feuerdisziplin , Feuerleitung, taktische Auffassung, Anschlag. Feuertempo, Entfernungsschätzen, Munitionsersatz , Geländebenutzung) mit Punkten zu bewerten . Dem kommandierenden General stünde es frei, durch verschieden hohe Bewertung dieser einzelnen Schieſsfaktoren seine besondere, ausschlaggebende Anschauung über die Güte des Schiefsens der konkurrierenden Kompagnien zur Geltung zu bringen . Wir begegnen uns mit dem Verfasser in der Anerkennung der Wichtigkeit der Schiefsausbildung und räumen gerne ein, daſs seine Abhandlung auf einer aus der Praxis geschöpften tieferen Kenntnis der einschlägigen Verhältnisse beruht. Unsere Pferde. Sammlung zwangloser hippologischer Abhandlungen. 32. Heft. Die Logik in der Reitkunst. Von Spohr , Oberst a. D. Zweiter Teil. Die elementare Reitdressur auf Grund der mit der Mechanik des Pferdes übereinstimmenden Hilfen. Mit 6 Abbildungen . Stuttgart. Verlag von Schickhardt & Ebner (Konrad Wittwer). Die Schriftleitung von „ Unsere Pferde" verdankt dem Herrn Oberst Spohr schon verschiedene wertvolle Beiträge, so in Heft 2 eine Studie über das Niederbrechen von Renn- und Reitpferden , in Heft 8 Betrachtungen über die Zäumungsfrage bei Renn- und Reitpferden. während mit Heft 28 das gröfsere Werk „ Die Logik in der Reitkunst" beginnt, dessen dort erschienener erster Teil von den Beziehungen der Reit- und Dressurhilfen zu der anatomischen Mechanik des Pferdes handelt. Das vorliegende Heft bildet die Fortsetzung dieser Schrift. die ihren Abschlufs in einem dritter Teil : „ Korrektur schwieriger und verdorbener Pferde" finden wird. Wenn ein Offizier von so langjähriger gründlicher Erfahrung als Reiter und Dressierer und von einem, in allen seinen Schriften erkennbaren scharfen, logischen Denken ein Dressursystem veröffentlicht, so darf eine solche Schrift auf die allgemeinste Beachtung rechnen. Schon der erste Teil des Werkes hat eine sehr günstige Beurteilung erfahren, das vorliegende Heft bringt die Nutzanwendung der dortigen Erörterungen und ruht in seinen Folgerungen gewissermafsen auf dem in Heft 28 Gesagten, doch ist die praktische Ausführung des Dressursystems auch ohne Kenntnis des ersten Teiles möglich. Die Schrift tritt nirgends im Gegensatz zu unserer vortrefflichen Reitinstruktion, doch hat sie vielfach den Vorzug gröfserer Klarheit und besserer Begründung in ihren Darlegungen. Es gilt dies besonders von den Abschnitten „Führung und Hilfen " , „Das Gefühl des Reitens ", der „Gebrauch der Sporen" . Überall hat der Leser die Empfindung. dafs die Ausführungen auf der vom Verfasser völlig beherrschten Lehre von der Mechanik des Pferdekörpers beruhen.
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Nach vorangegangenen Erörterungen über den Sattel und die Zäumung, wobei Verfasser den Halfterzaum empfiehlt, widmete derselbe eine längere Betrachtung der Handarbeit im Stalle, die die Bewegungen des Genicks abwärts und seitwärts , sowie die richtige Stellung des Halses : relative Aufrichtung" vorbereiten soll. Die Halsarbeit im Stalle hat die Halsarbeit im Reiten vorzubereiten und parallel zu gehen, indem sie die beim Reiten hervorgetretenen Schwierigkeiten besonders berücksichtigt. Es ist keine Frage, dafs man in der Truppe zu dieser nützlichen Handarbeit im Stalle an den Winternachmittagen die nötige Zeit findet, während man das Longieren bei Zeitmangel auf einzelne besonders schwierige Pferde zu beschränken gezwungen ist. Besondere Beachtung verdient, was in der Schrift über die aktiven und passiven Hilfen gesagt ist, und wie sich allmählich der Übergang aus den passiven, sich der Mechanik des Pferdes unterordnenden Hilfen zu den aktiven ergibt. Den 99 klopfenden Schenkel " , der im zweiten Teil der Reitinstruktion empfohlen wird , erachtet Verfasser wohl mit recht als keine Hilfe für die Mechanik des Pferdes, mehr als ein in gewissen Fällen nützliches Mittel der Gewöhnung. Hauptsache bleibt ,, dem Pferde den schraubend - schiebenden Schenkel", der seine Mechanik in Tätigkeit setzt, zum Verständnis zu bringen. Ein längeres Kapitel beschäftigt sich mit „ Übungen , welche dem Frommwerden der Pferde dienen", Übungen, die zur Zeit, wo man beginnt dem Fufsgefecht der Reiterei immer mehr Beachtung zu schenken, besonders wertvoll scheinen , denn man wird naturgemäſs versuchen, die Handpferde der Obhut möglichst weniger Reiter anzuvertrauen. Leider besteht wohl keine Hoffnung, dafs wir bei dieser Abrichtung einmal dahin gelangen, dafs unsere Pferde nach Art der Burenpferde an ihrem Platze auch unbeaufsichtigt ausharren . In sehr instruktiver Weise werden die Begriffe : Vor dem Schenkel, hinterm Schenkel, auf dem Zügel, hinterm Zügel, am Zügel, am Schenkel erörtert, und damit manche Klarheit geschaffen. So sagt Verfasser z. B.: „ Vor dem Schenkel befindet sich das Pferd , wenn es dem von hinten zusammenschiebenden Druck desselben mit den Bauchhautrippen und den diesen sympathisch folgenden Hinterbeinmuskeln unweigerlich nach vorwärts folgt. Hinter dem Schenkel befindet es sich, wenn es die betreffenden Muskeln gegen den Schenkel versteift , statt ihm zu folgen, ihn wohl gar völlig abstöfst." Eingehend besprochen werden sodann die Anfänge des Schulterherein und Kruppeherein und das Schenkelweichen, sowie die Seiten. gänge und die Wechselungen in den Seitengängen . Hierbei unterscheidet der Verfasser ganze und halbe Wechselungen, uns neue Begriffe bietend. Halbe Wechselungen sind solche, bei denen entweder unter Beibehalt der Biegung des Pferdes nur die beiden Hufschläge gewechselt werden, oder unter Beibehalt der Hufschläge nur die Biegung des Tieres. Bei den ganzen Wechselungen werden sowohl die Hufschläge wie die Biegung des Pferdes gewechselt. Ein besonders interessanter
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Paragraph ist der 33. , wo der abgekürzte Trab ohne Wurf, die Pferde in den Seitengängen gehen, besprochen wird. Auch den Abschnitt über Seitengänge im Galopp wird man mit Interesse lesen . Bei der Besprechung des Springens erklärt sich Verfasser gegen ein aktives Verfahren des Reiters. Sollten wirklich die verkehrten Vorschriften gegeben werden , die Verfasser als Warnung anführt ? Zum Schlufs wird die Frage erörtert, welche Ausbildungszeit das System beanspruche. Verfasser kommt zu dem Ergebnis, daſs unter näher berührten Umständen 4, 7-8, auch 12 Monate erforderlich sind , dafs es sich aber für militärische Verhältnisse empfiehlt, bei der üblichen zweijährigen Ausbildungszeit zu bleiben. Der Hottentottenaufstand. Studie über die Vorgänge im Namalande vom Januar 1904 bis zum Januar 1905 und die Aussichten zur Niederwerfung des Aufstandes. Von v. François , Generalmajor und Kommandant von Thorn . Berlin 1905. E. S. Mittler & Sohn . ,,Bei der Weltabgelegenheit des Namalandes kann es nicht Wunder nehmen, daſs wir über die Gesinnung der Eingeborenen in den Distrikten Keetmanshoop und Gibeon stets mangelhaft unterrichtet gewesen sind. Ganz besonders spärlich wurden aber die Nachrichten, als der Hereroaufstand alle Blicke auf sich zog . Telegraphisch ist seit dem Friedensschlufs mit den Bondelzwarts am 27. Januar 1903 im wesentlichen amtlich nur die Kriegserklärung Witbois am 3. Oktober 1904 bekannt gegeben worden ." So beginnt General v. François seine kurzgefafste, ungemein übersichtliche und trefflich orientierende Berichterstattung über den Hottentottenaufstand. Der Verfasser beschränkt sich nicht auf die Darstellung der Kämpfe, sondern schildert auch mit voller Sachkenntnis die Natur des Landes und den Charakter der Hottentotten . Aus diesen Schilderungen kann der aufmerksame Leser die ganz aufserordentlichen Schwierigkeiten erkennen , mit denen unsere Truppen dort zu kämpfen haben. Wassermangel, fast noch empfindlicher für die zahlreichen unentbehrlichen Zugtiere, als für die Menschen, riesige Entfernungen , wild zerklüftetes Gelände, dabei die Ungewissheit, wo der Feind steckt. und wohin er sich verzogen hat - alles das stellt den Führern wie der Truppe die schwersten Aufgaben. Trotzdem erscheinen die Aussichten auf die Niederwerfung des Aufstandes nicht ungünstig, wenn man sich auch noch auf langwierige Kämpfe gefafst machen mufs. „ Die Herero sind noch nicht unterwerfungsreif und im Namalande sind wir trotz des guten Anfangs erst. recht nicht soweit." Aber ganze Arbeit mufs gemacht werden. Verlangt werden mufs ,,Auslieferung aller Schuldigen , Herausgabe alles geraubten Gutes, Ersatz der Kriegskosten aus dem eigenen Vieh und durch Hergabe des Landes, Aufhören der Selbstherrschaft der Kapitäne, vollständige
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Unterwerfung unter die deutsche Regierung und Abgabe aller Gewehre und Patronen". Die Durchführung dieser sehr einleuchtenden Forderungen dürfte zum Teil recht schwer sein. Im Anhang" wird der höchst eigenartige Brief des „, Kapitän Hendrik Witboi " vom 3. November gegeben, in welchem der Gouverneur abwechselnd mit „ Du", mit ,,Sie" und mit „ Euer Hochwohlgeboren " angeredet wird. Der Brief schliefst mit den Worten : ,,Ferner bitte ich Euer Hochwohlgeboren , nennen Sie mich doch nicht Rebell . Soweit bin ich Kapitain Hendrik Witboi. " Das kleine Buch des Generals v. François sei allen Lesern dieser Zeitschrift, vor allem aber auch denen empfohlen , deren Urteil bisher ,,durch keine Spur von Sachkenntnis" getrübt war. G. P. v. S. Seydlitz. Den deutschen Reitern zugeeignet von Emil Buxbaum , Oberst und Kommandeur k. b . Chevaulegers -Regiments ,,Erzherzog Max Albrecht von Österreich". 3. Auflage. Rathenow 1905. Babenzien. (Preis 4 Mk . ) Bis zum Jahre 1882 besafsen wir keine Lebensbeschreibung des grofsen deutschen Reiterführers, welche unter voller Verwertung der erschlossenen Gesichtsquellen sein Bild von allen Seiten gezeigt hätte. Die vorhandenen Biographien entbehrten entweder der historischen Unterlage, erzählten anekdotenhaft und mischten Wahres mit Falschem ,. wie die von Fr. von Blankenburg und Varnhagen von Ense, oder sie zeigten ihren Helden nur in seiner Bedeutung für die Waffe, auf dem Hintergrunde der Taten der preufsischen Reiterei, wie Graf Bismarck und Kaehler. Ebensowenig wie einer von ihnen ist ein Engländer, Rittmeister R. Neville Lowley, trotz des Eifers mit dem er forschte, Seydlitz' Andenken gerecht geworden. Andere Versuche dürfen unerwähnt bleiben. Aber Material war in Menge vorhanden . Namentlich hatte schon damals Graf Ernst zur Lippe, der gründliche Kenner friderizianischer Heeresgeschichte, solches herbeigeschafft. Auf diese Vorarbeiten sich stützend ging zu jener Zeit, ohne zunächst seinen Namen zu nennen , gedrängt durch glühende Begeisterung für den Magister equitum und erfüllt von dem Verlangen, ihm ein würdiges Denkmal zu setzen , Oberst Buxbaum, damals ein junger Reiteroffizier, an das Werk, dem Mangel abzuhelfen . Jetzt liegt sein Buch in dritter Auflage vor. Sie zeigt in vielen Stücken ein ganz anderes Bild als das im Anfange gebotene und erfüllt vollständig ihre Bestimmung den deutschen Reitern eine Persönlichkeit vorzuführen , die als unerreichtes Vorbild ihnen den Weg weist, auf welchem sie diesem nachzueifern haben. Aber nicht den Reitersleuten allein ist 'die Arbeit gewidmet. Die weitesten Kreise können sich an ihr erfreuen. Sie zeigt nicht nur den genialen Kavalleristen , der bei Kolin 15, bei Rofsbach 38 , bei Zorndorf 61 , bei Hochkirch 100 Schwadronen führte, bei Freiberg die, trotz seiner Gefangennahme im Jahre 1742,
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glänzend eröffnete kriegerische Laufbahn ruhmvoll abschlofs . Sie zeigt auch den gebildeten Mann , den edelen Menschen, die liebenswürdige Persönlichkeit, den guten Freund und treuen Kameraden , ohne dabei die Schwächen zu bemänteln , die Schattenseiten zu verhüllen . Die zahlreichen im Verlaufe der letzten 22 Jahre zugänglich gemachten, namentlich die durch den grofsen Generalstab erschlossenen Quellen sind gewissenhaft benutzt, alle den früheren Auflagen durch die Kritik gemachten Einwürfe sind sorgsam gewürdigt und nach Gebühr verwertet. Wir können der Arbeit nur volle Anerkennung zollen und Äufserlich zerglauben, dafs sie allseitigen Beifall finden wird. fällt sie in zwei Teile, von denen der erste einen fortlaufenden Text bringt, der zweite diesen, um den Faden der Erzählung nicht unnötig zu unterbrechen , durch eine lange Reihe von Bemerkungen und Ergänzungen vervollständigt. Aus letzterem hätten wir die Mitteilungen über den Ankauf von Minkowsky gern in den ersten Teil verwiesen gesehen, weil der Leser nicht versteht, wie Seydlitz nach dem Siebenjährigen Kriege dazu kommt von Ohlau nach seinem Gute zu reiten. Nur einen Irrtum müssen wir berichtigen . Das Vorwort bedauert, dafs dem Verfasser nicht vergönnt sei, denen zu danken , die im gewissen Sinne seine Mitarbeiter gewesen , indem sie den Acker bestellt hätten, auf dem er geerntet habe, weil sie hinübergegangen seien in das Reich des ewigen Friedens, und zählt dazu auch den Grafen Ernst zur Lippe . Wir aber sprechen unsere Freude aus, dafs er noch lebt. 14. Sanitätsbericht über die königliche bayerische Armee für die Zeit vom 1. Oktober 1898 bis 30. September 1899. Bearbeitet von der Medizinalabteilung des königlich bayerischen Kriegsministeriums. Mit 3 graphischen Darstellungen. München 1904. Gedruckt im königlich bayerischen Kriegsministerium. 234 Seiten. Gr.-Qu. Bei Abwesenheit gröfserer Epidemien im Berichtsjahre erscheinen mittlere Zahlenwerte. Der Krankenzugang betrug 980, 400 der Koptstärke ; 289,6 % mehr als in Preufsen. Das Plus ist wesentlich durch Revierkranke bedingt. Ein näheres Eingehen auf die Zahlen erübrigt sich jetzt, da der Bericht erst im fünften Jahre nach Abschluss der Zeit veröffentlicht ist, auf die er sich bezieht. Der Wert der Armeesanitätsberichte beruht wesentlich darin , dafs man sie bei wissenschaftlichen Arbeiten bald zur Hand hat. Es wäre darum erwünscht, wenn der bayerische Bericht mit den in der Medizinalabteilung zu Berlin bearbeiteten gleichzeitig erschiene, oder in ihnen aufginge, wie die über die sächsischen und württembergischen Truppen. Nur eine Zusammenfassung der Ergebnisse der ganzen deutschen Armee erlaubt Vergleiche mit auswärtigen Heeren oder mit den Veröffentlichungen des Reichsgesundheitsamtes aus der bürgerlichen Kranheitsstatistik, -die sich über das ganze Reich erstrecken.
Literatur.
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Rechenaufgaben für Aspiranten-, Kapitulanten- und Unteroffiziersschulen. Bearbeitet von Joh. Hänsele , k. Lehrer an der Unteroffiziersschule Fürstenfeldbruck. München u . Berlin . R. Oldenbourg 1905. Preis 1 Mk. Der Inhalt dieses Buches gliedert sich in drei Abschnitte : A Kopfrechnen, B Schriftliches Rechnen , C Rechnerisches aus der Funktion des Kammer-, Furier- , Küchen-, Gewehrunteroffiziers und Feldwebels. Fast die sämtlichen Aufgaben in den Abschnitten A und B sind den Gebieten militärischen Lebens entnommen. Ganz abgesehen von dem Vorteil, der hieraus für die Gewandtheit im Rechnen speziell in den an den Unteroffizier herantretenden Aufgaben erwächst, vermitteln die überaus zahlreichen und mit grofser Sachkenntnis ausgewählten Beispiele dem Schüler eine Menge Kenntnisse, die für seinen Beruf von Nutzen sind. Der Abschnitt C bringt mit einer Vollständigkeit, wie sie sonst nirgends zu finden sein dürfte , die sämtlichen rechnerischen Arbeiten der genannten Funktionsunteroffiziere einschliesslich des Feldwebels ; er ist mit aufserordentlichem Fleifse und mit einer bis ins kleinste gehenden Sorgfalt bearbeitet. So findet der Lehrer in dem vorliegenden Buche für jedwede Rechenoperation stets sofort eine reiche Anzahl der passendsten Beispiele aus allen denkbaren Gebieten des militärischen Lebens, während andererseits der Schüler selbst Gelegenheit hat, sich an solchen Aufgaben zu üben, die seiner gegenwärtigen oder künftigen militärischen Berufsstellung entsprechend ausgewählt sind. Das Buch wird sicher die besten Dienste tun, wo es nur immer als Hilfsmittel für den Rechenunterricht an Unteroffiziers-, Kapitulantenschulen usw. Verwendung findet. Die Ausstattung ist gut, der Preis B. in Anbetracht des reichen Stoffes recht mässig.
II. Ausländische Zeitschriften. Streffleurs
Österreichische
militärische
Zeitschrift.
(Mai.)
Infanterie-Telegraphenpatrouillen. — Das neue französische Wehrgesetz. Fortschritte der fremden Armeen 1904. (Schlufs .) - Radfahrer und berittene Infanterie. -- Russisch-japanischer Krieg . Revue d'histoire. (April.) Die Feldzüge des Marschalls von Sachsen (Forts.). Der Feldzug 1800 in Deutschland (Forts.) - Der Krieg 1870/71 . Rückzug der Armee des Elsafs auf Châlons. Revue d'infanterie. (April .) Das Heer der Zukunft (Forts .) Das neue Exerzierreglement für die Infanterie (Forts .). - Kritische Tage : Die Krise von Vionville (Schlufs) . Revue militaire des armées étrangères . (Mai. ) Der Erfolg in der Schlacht nach dem preufsischen Grofsen Generalstabe . Das Militärradfahren in Italien . Die Militärreorganisation Griechenlands .
H 750
Literatur.
Journal des sciences militaires. (April.) Strategische Beurteilung des Krieges 1870/71 . ― Geschichte der Taktik der französischen Infanterie von 1791-1905 (Schluſs). ― Erziehung und Ausbildung der Kompagnie für den Felddienst . -- Der österreichische Erbfolgekrieg (Forts.) Studie über See- und Küstenkrieg. Revue du génie militaire. (April. ) Die Eisenbahn nach Kayes am Niger. - Vergleich der Festigkeiten von armierten Zementplatten von konstantem Preis. -- Anwendung des Pfluges zur Herstellung von Deckungsgräben auf dem Gefechtsfelde. ― Japanische Stellungen am
Saharawasser. - Zerlegbare Scha-ho. Reinigung der Abwässer. Bekleidung mit armiertem Beton. - Übungen der deutschen Eisenbahntruppen. - Rhein-Brückentrain . Brückengerät der deutschen KavalWärmeregulatoren . lerie. Beseitigung eines Wraks. Rivista di artiglieria e genio . (April .) Berechnung der Vorholfedern der Rohrrücklaufgeschütze. Das Gleichgewicht von Flugmaschinen. Einfluss der täglichen Erdrotation auf den Schufs der Artillerie auf grofse Entfernungen. - Der russisch-japanische Krieg im Jahre 1904 (Forts.) . -- Die Aufgabe der Artillerie beim Sturm . Schiefsvorschrift der japanischen Feldartillerie. Verwendung von Bäumen als Maste bei der drahtlosen Telegraphie . Ein neues Profil der Bekleidungsmauern für die Befestigung (nach Revue du génie militaire Ulay) . Wie die Japaner kämpfen. - Notizen : ÖsterreichUngarn, das neue Feldartilleriematerial, neue Formationen . - Belgien : das neue Feldgeschütz. England: Suspension der Anfertigung nes neuen Gewehres . Italien : Oscillograph Pagnini. Schweiz: Neuordnung der Feldartillerie. La France militaire. (April.) Land- oder Seemacht ? 1. Die zweijährige Dienstzeit von General Lamiraux . Die Kapitulantenunteroffiziere, 2/3. Betrachtungen über das Infanterieexerzierreglement von General Luzeux , 4. - Der Festungskrieg, 6. Das Budget des Krieges und der Bericht Waddington vom General Prudhomme, 7.Versöhnung vom Oberst Thomas (betrifft die Angebereien im Heere). - Die Spezialisten in der Kavallerie (Sorgen über die Folgen der zweijährigen Dienstzeit), 11. - Das Exerzierreglement der Infanterie, nochmals die Schule der Sektion vom General Luzeux , 12. Seeoder Landmacht, die mittlere Linie (befrifft Indochina). Heer und Marine (deren Zusammenwirken ), 13. - Kavalleristische Strategie und Taktik. Die Remontierungsstatistik und Grundsätze, bemerkenswert, 14. Weshalb arbeiten die Infanterieleutnants nicht? Mittel zur Abhilfe ; Georg Rollon. - Die Aufklärer der Kavallerie, Schwierigkeiten durch die zweijährige Dienstzeit, 15. Der Bericht Waddington über das Budget des Krieges, 16/17, 18. -- Japanische Irrtümer über unsere Artillerie, 21. - Betrachtungen über das Infanterieexerzierreglement, die höheren Einheiten als die Sektion vom General Luzeux. Die Instruktion der Aufklärung in der Kavallerie, Schwierigkeit der Ausbildung in der zweijährigen Dienstzeit. Der Zwischenfall Hagron-
Literatur.
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Percin. ---
Unter „ Elsafs- Lothringen " , eingehender Bericht über eine Probemobilmachung in Metz, 22. Der hygienischwirkende Offizier - l'officier hygieniste. - Die erforderliche Expedition nach Marokko (dahin verstanden, dafs die Sultanstruppen zu verstärken sind durch Eingeborene Algiers um Ordnung zu schaffen, das andere später). - Überzählige Offiziere. - Der Raid des Generals Mischtchenko im Januar nach In-Kéon nach dem Russischen Invaliden, 23/24. - Diplomatische Konflikte (gegen jedes Nachgeben in Sachen Marokko) , 25/26 . - Ein unmögliches Einverständnis - gegen Deutschland, 27. — Taktik und Strategie der Kavallerie, Skizze der Broschüre des Generals Beauchesne. - Die Verluste an Offizieren und Avansierten, Betrachtung anknüpfend an die grofsen Verluste an Chargen bei den Deutschen in Südwestafrika im Verhältnis zu den Mannschaften , die Ursache in friedensmässigen Gewohnheiten gesucht. Aus Metz die Nachricht eines besonderen Befehls des Kaisers für General Stoetzer alle Bataillone usw. bis zum 10. Mai persönlich zu besichtigen (?), 28. - Friedliche Zeichen. - Die zweijährige Dienstzeit in ihrer Anwendung, 29. — Die russische Mobilmachung für den Krieg mit Japan, 30/1 . — Mai. Revue de Cavalerie. (April.) Die kurze Dienstzeit und die Vor- Erziehung, Befehlsführung, bereitung der Kavallerie für den Krieg . Disziplin , Unterricht. Die Überraschung der Division Forton (16. August 1870) durch Pierre Lehaucourt mit Karte. - Der Gebrauch unserer Waffen mit Zeichnungen . Die Grundsätze des neuen englischen Kavallerie-Exerzierreglements . Revue d'artillerie . Januar (sehr verspätet eingegangen). Theorie der Deformationslafetten (Forts.) . Die japanische Artillerie . - Eine russische Mitrailleusen batterie in der Schlacht von Liao - Yang. Februar. Über die Methoden der äufseren Ballistik. Die japanische Artillerie (Forts. ). - Die russische Artillerie in dem Gefecht von DaTschi-Tsiao. Chronophotographische und mathematische Studie über die Gangarten des Pferdes . März. Theorie der Deformationslafetten usw. (Schlufs). - Chronophotographische usw. Studie (Forts.). Bemerkungen über das Anspannen dreier Pferde nebeneinander. EntApril. Chronophotographische usw. Studie (Forts .) . wickelung der modernen Feldartillerie, Übersetzung der Studie des Generals Rohne im letzten Vierteljahrsheft für Truppenführung usw. 1904.
Die japanische Artillerie (Forts.) .
Allgemeine Schweizerische Militärzeitung.
Nr. 15.
Ernst oder
Spielerei. (Anm. betrifft allerlei Fragen der militärischen Disziplin.) Taktisches Verfahren (Schluſs). Schweizer Pferderennen. Nr. 16. Nationales Empfinden. Die Kriegslage. Die kommende Seeschlacht. - Nr. 17. Ein Tagesbefehl General Okus . -- Die Stärke der japanischen Streitkräfte. Freiwilliges Schiefswesen. Exerzierreglement . -Nr. 18.
Verluste der Japaner und Russen. Das Nachtgefecht im französischen Verkehrte Auffassungen . (Anm . betrifft
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Literatur.
Fragen des schweizerischen Offizierersatzes .) ausbildung. - Die französischen Unterseeboote.
Deutsche Schiefs-
Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. Nr. 4. Mitteilungen über unsere Armee. - Über Visierfernrohre und deren Beurteilung. (Anm. Beachtenswert. ) - Motorwagen für Lastentransport, namentlich für militärische Zwecke. - Die Elektrizität im Dienste der Pferdedressur. - Der sibirische Schienenstrang usw. (Schlufs). Erprobung von automatischen Feuerwaffen in Österreich-Ungarn. Kolonisations(Januar - Februar. ) Revue de l'armée belge. Die Deformationslafette theorien im 19. Jahrhundert usw. (Schluſs). Studie über französische und deutsche Gefechtstaktik. usw. (Forts . ). - Die japanische Feld- und Gebirgsartillerie. - Bemerkungen zu dem Studie über die Chiffrierschrift. russisch-japanischen Krieg (Folge). Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens. Viertes Heft. Automobile Fahrzeuge bei den österreichisch -ungarischen Manövern im Jahre 1904. — Dienst der Truppen beim Angriff und bei der Verteidigung von Festungen. Fortsetzung der Studie über das gleichnamige Buch des kais. russ. Generalleutnants Kasbeck. - Aus den „Notizen“ ist hervorzuheben : Ermittelung des kleinsten Abstandes zwischen Batterie und vorliegender Maske. - In den „Kleinen Notizen" ist eine grofse Zahl interessanter Angaben über Bewaffnung usw. fremder Armeen enthalten. Morskoj Ssbornik. 1905. (April ) Zu den Fragen des Kreuzerkrieges. - Über die Erziehung der Mannschaften zum Kampf. — Die Kriegsflotten im Jahre 1907. ― Über die Marineartillerie. - Chronik der Ereignisse im Seekriege im „Fernen Osten ". - Bemerkungen über die heutigen Schiffsmaschinen und Kessel. Rufskij Invalid. 1905. Nr. 85. Die Lehren des Krieges. Nr. 86. Das Gefecht bei Türentschön. Auf der Suche nach einer neuen Taktik. Nr. 92. Der Generalstab. Nr. 94. Im Kriege. Nr. 95. Die Strategie in diesem Kriege in deutscher Beurteilung. Nr. 96. Aus der bulgarischen Armee.
III. Seewesen. Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. Nr. 5. BetrachDer Kommandoturm tungen über den russisch-japanischen Krieg. auf S. M. Kriegsschiffen. - Panzerschutz für die Schnellfeuerartillerie auf Schlachtschiffen und Panzerkreuzern . ― Über Photographie in natürlichen Farben. -- Die Reorganisation der englischen Flotte. Die diesjährigen englischen Flottenmanöver. --- Dampfer 199 Carmania“ der Cunard-Linie.
Literatur.
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Die bevorstehende SeeArmy and Navy Gazette. Nr. 2360. Eine neue schlacht in den chinesischen Gewässern . --- Nr. 2361. Haag-Konferenz. - Die russischen Sammlungen zum Bau von Kriegsschiffen und ihr bisheriges Ergebnis ca. 30 Millionen Mark. - Nr. 2362. Die Haltung Deutschlands (Marokko). Nr. 2363. Eine verantwortliche Admiralität.
IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher. (Die eingegangenen Bücher erfahren eine Besprechung nach Mafsgabe ihrer Bedeutung und des verfügbaren Raumes. Eine Verpflichtung , jedes eingehende Buch zu besprechen, übernimmt die Leitung der Jahrbücher" nicht , doch werden die Titel sämtlicher Bücher nebst Angabe des Preises - sofern dieser mitgeteilt wurde - hier vermerkt. Eine Rücksendung von Büchern findet nicht statt.) 1. Löbells Jahresberichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen . 31. Jahrgang 1904. Berlin 1905. E. S. Mittler u. Sohn. Mk. 11,50. 2. Abelsdorff, Die Wehrfähigkeit zweier Generationen mit Rücksicht auf Herkunft und Beruf. Berlin 1905. Georg Reimer. Mk. 2,00. 3. Bleyhoeffer, Die schwere Artillerie des Feldheeres (Fufsartillerie). Berlin 1905. R. Eisenschmidt. Mk. 5,75. 4. Mark, Die Kompagnie im Verbande. Müller. Mk. 1,40.
2. Aufl.
Metz 1905. Paul
5. Vanson, Crimée , Italie, Mexique 1854-1867 . Paris 1905 , Berger Levrault & Co. 5 Frcs. 6. Kladow, Die russische Seemacht. Berlin 1905. 7. Boguslawski, 1905. W. Weicher.
K. Siegismund .
Los vom Joch der Sozialdemokratie.
8. Kuchinka, Der Kampf um Port Arthur. Waldheim .
Leipzig
Wien 1905.
K. v.
9. Krafft, Aufgaben der Aufnahmeprüfung 1905 für die Kriegsakademie. Besprechungen und Lösungen. Berlin 1905. E. S. Mittler u. Sohn. Mk. 0,90. 10. Bartsch, Der Volkskrieg in Tirol. Mk. 2,00.
Wien 1905.
C. Stern .
11. Teisinger, Zum Studium psychischer und anderer Friktionen im Kriege. Wien 1905. L. W. Seidel & Sohn . Mk. 3,60. 12. Geschichte der k. und k. Wehrmacht. Herausgegeben von der Direktion des k. und k. Kriegsarchivs . Bearbeitet von Major Semek. IV . Band. 1. Teil. Ebenda. Mk. 15,00.
13. Führer durch das k. bayerische Armeemuseum. 1905. J. Lindauersche Buchhdlg. Mk. 0,80.
München
14. Siber, Die Vorbereitung, Leitung und Ausführung des militärischen Invaliden-Prüfungsgeschäfts . Berlin 1905. E. S. Mittler u. Sohn . Mk. 0,60.
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Literatur. 15. Vorwerg, Nationalbewusstsein . Herischdorf 1905. Selbstverlag.
16. Tschudi, Der Unterricht des Luftschiffers. 1905. R. Eisenschmidt. Mk. 3,00.
2. Aufl.
Berlin
17. Wlaschütz, Bedeutung von Befestigungen in der Kriegführung Napoleons. Wien 1905. L. W. Seidel & Sohn . Mk. 8,00. 18. Kunz, Die kriegerischen Ereignisse in den Kolonien im Jahre 1904. Mit einer Übersichtsskizze . Berlin 1905. E. S. Mittler u . Sohn . Mk. 1,00 . 19. v. Xylander, Geschichte des 1. Feldartillerie-Regiments PrinzRegent Luitpold . I. Band 1791-1806 . Ebenda. Mk. 15,00 .
Druck von A. W. Hayn's Erben , Berlin und Potsdam.