Internationale Nachlassabwicklung im Lichte des Europäischen Nachlasszeugnisses: Zugleich eine rechtsvergleichende Betrachtung zu den Erbnachweisen im deutschen, österreichischen und europäischen Recht. Dissertationsschrift 9783161609626, 9783161609633, 316160962X

Das Europäische Nachlasszeugnis ist ein unionales Rechtsinstrument, das die internationale Nachlassabwicklung innerhalb

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Table of contents :
Cover
Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Erstes Kapitel: Einleitung
A. Thematische Hinführung
I. Einführung
II. Erforderlichkeit eines Nachweises des Erbrechts und sonstiger Berechtigungen
III. Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses in der Europäischen Union
IV. Relevanz des Europäischen Nachlasszeugnisses in Deutschland
B. Gegenstand, Methodik und Eingrenzung der Untersuchung
I. Untersuchungsgegenstand
II. Rechtsvergleichende Methodik
III. Eingrenzung der Untersuchung
C. Gang der Untersuchung
Zweites Kapitel: Der Weg zum Europäischen Nachlasszeugnis im Lichte mitgliedstaatlicher Erbnachweise
A. Vielfältigkeit der Erbnachweise in der Europäischen Union
I. Der Wirkungsgehalt des Europäischen Nachlasszeugnisses als Anker für die Betrachtung mitgliedstaatlicher Erbnachweise
II. Diversität der Gestalt mitgliedstaatlicher Erbnachweise
1. Ausstellung des Erbnachweises nach gerichtlichem Verfahren
a) Griechenland – κληρονομία
b) Portugal – abertura da sucessão
2. Ausstellung des Erbnachweises nach notariellem Verfahren
a) Frankreich – acte de notoriété
b) Italien – atto di notorietà
c) Niederlande – verklaring van erfrecht
d) Portugal – habilitação notarial
e) Spanien – acta de notoriedad
3. Fehlende förmliche Erbnachweise in den skandinavischen Mitgliedstaaten
a) Schweden – bouppteckning
b) Finnland – perukirja
III. Das Europäische Nachlasszeugnis im System der mitgliedstaatlichen Erbnachweise
IV. Ergebnis
B. Erbnachweisbezogene Probleme in der internationalen Nachlassabwicklung vor Inkrafttreten der EuErbVO
I. Die Bedeutung mitgliedstaatlicher Erbnachweise im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr
1. Rechtliche Anerkennung ausländischer Erbnachweise
2. Substitution des inländischen Erbnachweises durch einen ausländischen Erbnachweis
3. Faktische Anerkennung ausländischer Erbnachweise
II. Praktische Schwierigkeiten bei der Verwendung mitgliedstaatlicher Erbnachweise im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr
C. Zwischenfazit: Regelungsbedürfnis für das Europäische Nachlasszeugnis
D. Das Verhältnis des Europäischen Nachlasszeugnisses zu den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen
I. Rechtspolitische Vorüberlegungen
II. Prinzip der Koexistenz
III. Alternative Modelle
1. Superiorität des Europäischen Nachlasszeugnisses
2. „Rucksacktheorie“
3. Ergebnis
E. Fazit
Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise
A. Dogmatik der Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses
I. Allgemeines
II. Interdependenz zwischen den Wirkungen und dem Verfahrensrecht
III. Kollisionsrechtliche Festigkeit der Wirkungen
IV. Sekundärrechtliche Tatbestandswirkung
V. Deklarative Wirkung
VI. Numerus clausus der Wirkungen
VII. Inlandswirkung
VIII. Rechtsnatur des Europäischen Nachlasszeugnisses und Beweiswirkung als gesonderte verfahrensrechtliche Wirkung
B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen
I. Vermutungswirkung
1. Deutschland
a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen
b) Inhalt der Vermutung
c) Umfang der Vermutung
d) Widerleglichkeit der Vermutung
e) Die Vermutungswirkung im Zivilprozess
aa) Streit mit Dritten
bb) Streit zwischen Erbprätendenten
(1) Problematik und Meinungsstand
(2) Stellungnahme
2. Österreich
a) Vorbemerkungen: Besonderheiten des österreichischen Erbschaftserwerbs
b) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen
c) Inhalt der Vermutung
d) Umfang der Vermutung
e) Widerleglichkeit der Vermutung
f) Die Vermutungswirkung im Zivilprozess
3. Europäische Union
a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen
b) Inhalt der Vermutung
aa) Richtigkeits- und Vollständigkeitsvermutung
bb) Der Regelungsgehalt der Richtigkeitsvermutung nach Art. 69 Abs. 2 S. 1 EuErbVO
(1) Grammatikalische Auslegung
(2) Systematische Auslegung
(3) Historische und genetische Auslegung
(4) Teleologische Auslegung
(5) Ergebnis
cc) Bedeutung der „spezifischen Sachverhalte“
dd) Keine Vollständigkeitsvermutung in Art. 69 Abs. 2 S. 1 EuErbVO
c) Umfang der Vermutung
d) Widerleglichkeit der Vermutung
e) Die Vermutungswirkung im Zivilprozess
aa) Streit mit Dritten
bb) Streit zwischen Erbprätendenten
4. Rechtsvergleichende Würdigung
II. Gutglaubenswirkung
1. Deutschland
a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen
b) Geschützte Rechtshandlungen
aa) Rechtsgeschäftlicher Erwerb
(1) Einschluss von Verfügungsgeschäften, Ausschluss von Verpflichtungsgeschäften
(2) Verkehrsgeschäfte
bb) Gegenstand der geschützten Rechtsgeschäfte
(1) Erwerb von Erbschaftsgegenständen, § 2366 1. Var. BGB
(2) Erwerb eines Rechts an einem Erbschaftsgegenstand, § 2366 2. Var. BGB
(3) Befreiung von einem zur Erbschaft gehörenden Recht, § 2366 3. Var. BGB
(4) Leistungen an den Erbscheinserben, § 2367 1. Var. BGB
(5) Sonstige Verfügungen über ein zur Erbschaft gehörendes Recht, § 2367 2. Var. BGB
cc) Verfügungen durch Erbe des Erbscheinserben
c) Umfang der Gutglaubenswirkung
d) Subjektive Voraussetzungen
aa) Abstrakter Gutglaubensschutz
bb) Erforderlichkeit der Kenntnis vom Nachlasscharakter des Rechtsgeschäfts?
cc) Bösgläubigkeit
(1) Positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Erbscheins oder dem Rückgabeverlangen des Nachlassgerichts
(2) Praktische Relevanz einer Schutzschrift und sonstiger Handlungen zur Herbeiführung von Bösgläubigkeit beim Dritten
(3) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Redlichkeit
(4) Beweislast
e) Rechtsfolgen
f) Das Verhältnis des öffentlichen Glaubens des Erbscheins zu anderen Gutglaubenstatbeständen
aa) Gutgläubiger Erwerb beweglicher Sachen
(1) §§ 932 ff. BGB
(2) §§ 2366, 929 ff. BGB
(3) §§ 2366, 932 ff. BGB
bb) Öffentlicher Glaube des Grundbuchs
(1) § 892 BGB
(2) §§ 2366, 2367 BGB
(3) §§ 2366, 892 BGB
cc) Ergebnis
g) Ausgleichsansprüche des wahren Erben
aa) Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag
bb) Deliktische Ansprüche gegen den Erbscheinserben
cc) Bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen den Erbscheinserben und den Erwerber
(1) Ansprüche gegen den Erbscheinserben
(2) Ansprüche gegen den Erwerber
dd) Erbschaftsanspruch
ee) Amtshaftungsanspruch
2. Österreich
a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen
b) Geschützte Rechtshandlungen
aa) Rechtsgeschäftlicher Erwerb
bb) Gegenstand der geschützten Rechtsgeschäfte
c) Umfang der Gutglaubenswirkung
d) Subjektive Voraussetzungen
aa) Abstrakter Gutglaubensschutz
bb) Erforderlichkeit der Kenntnis vom Nachlasscharakter des Rechtsgeschäfts?
cc) Bösgläubigkeit
(1) Anforderungen an die Redlichkeit des Dritten
(a) Milde Ansicht
(b) Strenge Ansicht
(c) Stellungnahme
(2) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Redlichkeit
e) Rechtsfolgen
f) Das Verhältnis des öffentlichen Glaubens des Einantwortungsbeschlusses zu anderen Gutglaubenstatbeständen
aa) Gutgläubiger Erwerb beweglicher Sachen nach § 367 ABGB
bb) Öffentlicher Glaube des Grundbuchs – Gutgläubiger Erwerb aufgrund des bücherlichen Vertrauensgrundsatzes
g) Ausgleichsansprüche des wahren Erben
aa) Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag
bb) Deliktische Ansprüche – Schadensersatzpflicht des unredlichen Erbschaftsbesitzers
cc) Bereicherungsrechtliche Ansprüche – Veräußerung und Verbrauch von Nachlassgegenständen
dd) Bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen den Dritten bei unentgeltlicher Veräußerung?
3. Europäische Union
a) Europäischer erbrechtlicher Gutglaubensschutz als Novum im Unionsprivatrecht
b) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen
c) Geschützte Rechtshandlungen
aa) Vorliegen eines Rechtsgeschäfts und Verkehrsgeschäfts
bb) Verfügungen über Nachlassvermögen
(1) Grammatikalische Auslegung
(a) Juristisches Begriffsverständnis
(b) Annäherung des Verfügungsbegriffs mittels Abgrenzung zum Verpflichtungsgeschäft
(c) Reichweite des Begriffs „Nachlassvermögen“
(2) Systematische Auslegung
(3) Historische und genetische Auslegung
(4) Teleologische Auslegung
(5) Ergebnis
cc) Leistung von Zahlungen und Übergabe von Vermögenswerten
(1) Grammatikalische und teleologische Auslegung
(a) Annäherung des Begriffs „Leistung von Zahlungen“ mittels Betrachtung des allgemeinen Sprachgebrauchs
(b) Erfüllungssurrogate
(c) Einbeziehung sonstiger Leistungen?
(d) Annäherung des Begriffs „Übergabe von Vermögenswerten“ mittels Betrachtung der juristischen Konnotation
(e) Reichweite des Begriffs „Vermögenswert“
(f) Leistung durch Dritte und die Problematik der Legalzessionen
(2) Systematische Auslegung
(3) Historische und genetische Auslegung
(4) Ergebnis
dd) Gutglaubensschutz für Verfügungen durch Rechtsnachfolger des Zeugniserben
d) Umfang der Gutglaubenswirkung
aa) Kreis der legitimierten Personen
bb) Keine Verfügungsbeschränkungen oder sonstigen Beschränkungen
cc) Rechte und Befugnisse nach dem Erbstatut
e) Subjektive Voraussetzungen
aa) Abstrakter oder konkreter Gutglaubensschutz?
(1) Grammatikalische Auslegung
(2) Systematische Auslegung
(3) Historische und genetische Auslegung
(4) Teleologische Auslegung
(5) Ergebnis
bb) Erforderlichkeit der Kenntnis des Nachlasscharakters des Rechtsgeschäfts?
cc) Bösgläubigkeit
(1) Inhaltliche Unrichtigkeit des Europäischen Nachlasszeugnisses
(2) Positive Kenntnis
(3) Grob fahrlässige Unkenntnis
(4) Praktische Relevanz einer Schutzschrift und sonstiger Handlungen zur Herbeiführung von Bösgläubigkeit beim Dritten
(5) Aufspaltung der Redlichkeit hinsichtlich verschiedener Umstände im Europäischen Nachlasszeugnis
(6) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Redlichkeit
(a) Verordnungsautonome Lösung
(b) Vollendung des Rechtserwerbs nach dem Geschäftsstatut
(c) Vorverlegung des maßgeblichen Zeitpunktes für die Redlichkeit?
(7) Beweislast
f) Rechtsfolgen
g) Das Verhältnis des öffentlichen Glaubens des Europäischen Nachlasszeugnisses zu Gutglaubenstatbeständen mitgliedstaatlicher Rechtsordnungen
h) Ausgleichsansprüche des wahren Erben
aa) Qualifikation der Ausgleichsansprüche und Bestimmung des anwendbaren Rechts
(1) Bestimmung des anwendbaren Rechts nach der Rom II-VO
(a) Statut der Geschäftsführung ohne Auftrag, Art. 11 Rom II-VO
(b) Deliktsstatut, Art. 4 Rom II-VO
(c) Bereicherungsstatut, Art. 10 Rom II-VO
(2) Bestimmung des anwendbaren Rechts nach der EuErbVO
bb) Tragweite des Begriffspaars „Rechte der Erben“ i.S.d. Art. 23 Abs. 2 lit. f EuErbVO
(1) Grammatikalische Auslegung
(2) Systematische Auslegung
(3) Historische und genetische Auslegung
(4) Teleologische Auslegung
(5) Ergebnis
cc) Einschränkung der Rechte des Erben bei unentgeltlichem Erwerb?
dd) Amtshaftungsanspruch wegen Pflichtverletzung der Ausstellungsbehörde im Europäischen Nachlasszeugnisverfahren
ee) Zusammenfassung
4. Rechtsvergleichende Würdigung
III. Legitimationswirkung
1. Deutschland
a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen
b) Grundbuchamt
aa) Allgemeines
bb) Der Unrichtigkeitsnachweis nach § 35 GBO
cc) Prüfungspflicht des Grundbuchamts im Hinblick auf den Inhalt des Erbscheins?
(1) Grundsätzliche Unzulässigkeit einer Prüfungspflicht
(2) Prüfungspflicht bei Kenntnis von den Erbscheinsinhalt schwerwiegend erschütternden Tatsachen
dd) Verwendung des Erbscheins bei Vor- und Nacherbschaft
c) Handelsregister
aa) Allgemeines
bb) Unrichtigkeitsnachweise nach § 12 Abs. 1 S. 4 HGB
cc) Prüfungspflicht des Registergerichts im Hinblick auf den Inhalt des Erbscheins?
dd) Verwendung des Erbscheins bei Vor- und Nacherbschaft
d) Banken
aa) Allgemeines
bb) Urteil des BGH vom 8.10.2013 – XI ZR 401/12
(1) Inhalt der streitgegenständlichen AGB-Klausel
(2) Entscheidung
(3) Stellungnahme
(4) Reaktion in der Bankpraxis
cc) Urteil des BGH vom 5.4.2016 – XI ZR 440/15
(1) Sachverhalt
(2) Entscheidung
(3) Stellungnahme
dd) Vorlagerecht kraft Parteivereinbarung
e) Zusammenfassung
2. Österreich
a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen
b) Grundbuchgerichte
aa) Legitimation durch Einantwortungsbeschluss
bb) Prüfungspflicht des Grundbuchgerichts
c) Firmenbuch
d) Banken
e) Zusammenfassung
3. Europäische Union
a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen
b) Inhalt und Umfang der Legitimationswirkung
c) Widerleglichkeit der Legitimationswirkung
d) Bedeutung der Unbeschadetheit im Hinblick auf die Bereichsausnahmen von Art. 1 Abs. 2 lit. k, l EuErbVO
e) Anpassung dinglicher Rechte, Art. 31 EuErbVO
f) Die Legitimationswirkung des Europäischen Nachlasszeugnisses im deutschen Rechtsverkehr
aa) Grundbuchamt
(1) Prüfungspflicht des Grundbuchamts im Hinblick auf den Inhalt des Europäischen Nachlasszeugnisses?
(a) Grundsätzliche Unzulässigkeit einer Prüfungspflicht
(b) Eingeschränkte Prüfungspflicht
(2) Vorlagerecht des Grundbuchamts?
bb) Handelsregister
(1) Erbringung des Unrichtigkeitsnachweises nach § 12 Abs. 1 S. 4 HGB durch Vorlage eines Europäischen Nachlasszeugnisses
(2) Prüfungspflicht des Registergerichts im Hinblick auf den Inhalt des Europäischen Nachlasszeugnisses?
cc) Banken
(1) Grundsätzliche Unzulässigkeit eines Vorlagerechts im Privatrechtsverkehr
(2) Eingeschränktes Vorlagerecht
(3) Vorlagerecht kraft Parteivereinbarung
(4) Übertragbarkeit des Urteils des BGH vom 5.4.2016 – XI ZR 440/15 auf das Europäische Nachlasszeugnis
g) Zusammenfassung
4. Rechtsvergleichende Würdigung
C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext
I. Konstellationen für Divergenzen zwischen den Erbnachweisen
1. Divergenz zwischen Europäischem Nachlasszeugnis und mitgliedstaatlichem Erbnachweis
a) Schutzmechanismen
aa) Gleichlauf der internationalen Zuständigkeit für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses und mitgliedstaatlicher Erbnachweise?
(1) Grammatikalische Auslegung
(a) „Erbsachen für den gesamten Nachlass“
(b) „Entscheidung“
(c) Zwischenergebnis
(2) Systematische Auslegung
(a) Art. 4 EuErbVO als Grundsatznorm im Zuständigkeitssystem der EuErbVO
(b) Art. 13 EuErbVO
(c) Art. 14 EuErbVO
(d) Art. 62 Abs. 3 S. 1 EuErbVO
(e) Art. 64 EuErbVO
(f) Zwischenergebnis
(3) Historische und genetische Auslegung
(a) Bedeutung der Zuständigkeitsvorschriften im Gesetzgebungsprozess
(b) Stellungnahmen aus Deutschland
(c) Zwischenergebnis
(4) Teleologische Auslegung
(a) Funktionelle Betrachtung der internationalen Zuständigkeitsvorschriften und des Kollisionsrechts
(b) Praktikabilitätserwägungen
(c) Subsidiaritätsgrundsatz
(d) Optionaler Charakter des Europäischen Nachlasszeugnisses
(e) Effektivität der Erbnachweise
(f) Zwischenergebnis
(5) Ergebnis und Schussfolgerung
bb) Kommunikation zwischen den mitgliedstaatlichen Behörden
cc) Litispendenz
b) Verbleibende Ursachen für Divergenzen
c) Typisierung von Divergenzen
aa) Interne Divergenzen
bb) Grenzüberschreitende Divergenzen
cc) Echte und unechte Divergenzen
2. Divergierende Europäische Nachlasszeugnisse
a) Schutzmechanismen
b) Verbleibende Ursachen für Divergenzen
3. Divergierende mitgliedstaatliche Erbnachweise
4. Divergenz zwischen Europäischem Nachlasszeugnis und drittstaatlichem Erbnachweis
5. Divergenz zwischen mitgliedstaatlichem Erbnachweis und drittstaatlichem Erbnachweis
II. Einfluss von Divergenzen auf die Wirkungen der Erbnachweise
1. Divergenz zwischen Europäischem Nachlasszeugnis und mitgliedstaatlichem Erbnachweis
a) Allgemeine Vorüberlegungen
b) Einfluss auf die Vermutungswirkung
c) Einfluss auf die Gutglaubenswirkung
d) Einfluss auf die Legitimationswirkung
2. Divergierende Europäische Nachlasszeugnisse
a) Einfluss auf die Vermutungswirkung
b) Einfluss auf die Gutglaubenswirkung
c) Einfluss auf die Legitimationswirkung
3. Divergierende mitgliedstaatliche Erbnachweise
4. Divergenz zwischen Europäischem Nachlasszeugnis und drittstaatlichem Erbnachweis
5. Divergenz zwischen mitgliedstaatlichem Erbnachweis und drittstaatlichem Erbnachweis
III. Reaktionsmöglichkeiten der Ausstellungsbehörden auf divergierende Erbnachweise
IV. Wirkungsentfaltung nach Aufhebung des als unrichtig festgestellten divergierenden Erbnachweises
V. Einfluss inhaltlicher Konvergenz auf die Wirkungen der Erbnachweise
1. Inhaltliche Konvergenz von Europäischem Nachlasszeugnis und mitgliedstaatlichem Erbnachweis
a) Einfluss auf die Vermutungswirkung
b) Einfluss auf die Gutglaubenswirkung
aa) Alternativität der Berufung auf die Gutglaubenswirkung
bb) Keine Kombination von Tatbestandselementen des europäischen und nationalen Gutglaubensschutzes
cc) Unterschiedliche Schutzwürdigkeit des Rechtsverkehrs – Wertungswiderspruch?
c) Einfluss auf die Legitimationswirkung
2. Inhaltlich konvergierende Europäische Nachlasszeugnisse
3. Inhaltlich konvergierende mitgliedstaatliche Erbnachweise
4. Inhaltliche Konvergenz zwischen Europäischem Nachlasszeugnis und drittstaatlichem Erbnachweis
5. Inhaltliche Konvergenz zwischen mitgliedstaatlichem Erbnachweis und drittstaatlichem Erbnachweis
VI. Ergebnis
D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung
I. Deutschland
1. Einziehung oder Kraftloserklärung des unrichtigen Erbscheins, § 2361 BGB
a) Unrichtigkeit des Erbscheins
aa) Materielle Unrichtigkeit
bb) Verfahrensfehler
(1) Verstoß gegen Zuständigkeitsvorschriften
(2) Verstoß gegen Amtsermittlungspflicht
b) Grundzüge des Einziehungsverfahrens
aa) Zuständigkeit
bb) Amtsermittlungsgrundsatz
cc) Beteiligte am Verfahren und Anhörung
dd) Entscheidung
c) Kraftloserklärung, § 353 Abs. 1 FamFG
2. Herausgabeklage des wirklichen Erben, § 2362 Abs. 1 BGB
3. Einfluss von Einziehung, Kraftloserklärung und Herausgabeklage auf die Wirkungen des Erbscheins
II. Österreich
1. Erbschaftsklage
a) Rechtsnatur
b) Zuständigkeit
c) Parteien
d) Beweislast
e) Entscheidung
2. Einfluss auf die Wirkungen des Einantwortungsbeschlusses
III. Europäische Union
1. Beglaubigte Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses als Rechtsscheinsträger und im Kontext des europäischen Wirkungsentziehungs- und Wirkungsaussetzungssystems
2. Gültigkeitsfrist als vorbeugende Schutzmaßnahme
a) Allgemeines
b) Endgültiger Wirkungsverlust der beglaubigten Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses nach Fristablauf?
c) Zwischenergebnis
3. Änderung und Widerruf des Europäischen Nachlasszeugnisses
a) Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Änderung und Widerruf
b) Zuständigkeit
c) Begriff der inhaltlichen Unrichtigkeit
aa) Materielle Unrichtigkeit
bb) Verfahrensfehler
(1) Grammatikalische Auslegung
(2) Systematische Auslegung
(3) Historische und genetische Auslegung
(4) Teleologische Auslegung
(5) Ergebnis
d) Maßgebliche Perspektive für die Beurteilung der inhaltlichen Unrichtigkeit
e) Verfahren zur Feststellung der inhaltlichen Unrichtigkeit
f) Verfahrensrechtliche Folgen
g) Einfluss auf die Wirkungen gültiger beglaubigter Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses
aa) Grammatikalische Auslegung
bb) Systematische Auslegung
cc) Historische und genetische Auslegung
dd) Teleologische Auslegung
ee) Ergebnis
h) Rechtsbehelf
4. Aussetzung der Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses
a) Zuständigkeit
b) Antragsbefugnis
c) Pflichtgemäßes Ermessen der Ausstellungsbehörde und des Rechtsmittelgerichts
d) Verfahrensrechtliche Folgen
e) Einfluss auf die Wirkungen gültiger beglaubigter Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses
f) Rechtsbehelf
5. Reformbedarf? – Erforderlichkeit eines europäischen Einziehungsverfahrens
a) Rückgabepflicht und Einziehung – Existenz immanenter Regelungen in der EuErbVO?
aa) Grammatikalische Auslegung
bb) Systematische Auslegung
cc) Historische und genetische Auslegung
dd) Teleologische Auslegung
ee) Ergebnis
b) Revision der EuErbVO – Grundstrukturen eines europäischen Einziehungsverfahrens
aa) Allgemeines
bb) Durchsetzung der Rückgabe beglaubigter Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses
cc) Einfluss auf die Wirkungen gültiger beglaubigter Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses
dd) Keine Notwendigkeit für eine Kraftloserklärung beglaubigter Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses
ee) Einführung eines materiellrechtlichen Herausgabeanspruchs des wirklichen Erben gegen Inhaber beglaubigter Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses?
ff) Regelungsvorschlag
IV. Rechtsvergleichende Würdigung
E. Fazit
Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren
A. Internationale Zuständigkeit der Ausstellungsbehörden für die Ausstellung der Erbnachweise
B. Einleitung der Erbnachweisverfahren
I. Deutschland
1. Antrag
2. Antragsberechtigte
a) Universalsukzessoren des Erblassers – Alleinerbe, Miterben, Vor- und Nacherbe, Ersatzerbe
b) Erbeserbe, Erbe des Nacherben, Erbschaftserwerber
c) Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter
d) Nachlassgläubiger mit vollstreckbarem Titel gemäß §§ 792, 896 ZPO
3. Dem Nachlass nahestehende Personen ohne Antragsrecht
4. Angaben für den Antrag
II. Österreich
1. Vorverfahren
a) Todesfallaufnahme
b) Befugnisse des Gerichtskommissärs
c) Sicherungsmaßnahmen
2. Parteien des Verlassenschaftsverfahrens
III. Europäische Union
1. Antrag
2. Antragsberechtigte
a) Universalsukzessoren des Erblassers – Alleinerbe, Miterben, Vor- und Nacherbe, Ersatzerbe
b) Erbeserben, Erbe des Nacherben, Erbschaftserwerber
c) Vermächtnisnehmer
d) Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter
e) Nachlassgläubiger
f) Pflichtteilsberechtigte
3. Angaben für den Antrag
IV. Rechtsvergleichende Würdigung
C. Arten und Inhalt der Erbnachweise
I. Deutschland
1. Alleinerbschein, § 2353 1. Var. BGB
2. Gemeinschaftlicher Erbschein, § 352a FamFG
3. Teilerbschein, § 2353 2. Var. BGB
4. Gemeinschaftlicher Teilerbschein, § 2353 2. Var. BGB, § 352a FamFG
5. Sammelerbschein
6. Gegenständlich beschränkter Erbschein, § 352c FamFG
II. Österreich
1. Singuläre Art des Einantwortungsbeschlusses
2. Inhalt des Einantwortungsbeschlusses
III. Europäische Union
1. Das Europäische Nachlasszeugnis als einziger Gesamtkorpus
2. Restriktive Handhabung informatorischer Aufnahmen in das Europäische Nachlasszeugnis
3. Bedürfnis nach weiteren Arten des Europäischen Nachlasszeugnisses?
IV. Rechtsvergleichende Würdigung
D. Das Verhältnis der Erbnachweisverfahren zum streitigen Verfahren um das Erbrecht
I. Deutschland
1. Erbscheinsverfahren und Erbenfeststellungsklage im Vergleich
2. Bindungswirkung des zivilgerichtlichen Urteils und ihre Grenzen
a) Umfang der Bindungswirkung
b) Grenzen der Bindungswirkung
c) Differenzierung der Bindungswirkung bei anderen Urteilsarten?
aa) Anerkenntnisurteil
bb) Versäumnisurteil gegen den Beklagten
cc) Verzichtsurteil
dd) Ergebnis
3. Aussetzung des Erbscheinsverfahrens
4. Ergebnis
II. Europäische Union
1. Europäisches Nachlasszeugnisverfahren als nichtstreitiges Verfahren
2. Einfluss zivilgerichtlicher Urteile und anderer ausländischer Entscheidungen auf das Europäische Nachlasszeugnisverfahren
3. Das Verhältnis von Erbscheinsverfahren und Europäischem Nachlasszeugnisverfahren
4. Zwischenergebnis
III. Rechtsvergleichende Würdigung
E. Fazit
Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses und mitgliedstaatlicher Erbnachweise im Lichte der EuErbVO sowie in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten
A. Durchsetzungsmacht des Europäischen Nachlasszeugnisses
I. Uneingeschränkte Wirkungserstreckung
1. Kein Anerkennungsverfahren
2. Keine ordre public-Kontrolle
II. Ergebnis
B. Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO
I. Anwendbarkeit von Art. 39 ff. EuErbVO und Art. 59 EuErbVO auf mitgliedstaatliche Erbnachweise?
1. Sperrwirkung des Europäischen Nachlasszeugnisses?
2. Ungleichbehandlung in der grenzüberschreitenden Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise?
3. Beschwichtigung und Zwischenergebnis
II. Subsumtion mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter Art. 39 ff. EuErbVO und/oder Art. 59 EuErbVO?
III. Wirkungen der Anerkennung mitgliedstaatlicher Erbnachweise
1. Reichweite der verfahrensrechtlichen Anerkennung im Hinblick auf die Wirkungen der mitgliedstaatlichen Erbnachweise
2. Zwischenergebnis
IV. Wirkungen der Annahme mitgliedstaatlicher Erbnachweise
1. Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft
2. Wirkungserstreckung der materiellrechtlichen Wirkungen?
3. Zwischenergebnis
V. Faktische Anerkennung von mitgliedstaatlichen Erbnachweisen
VI. Relevanz der Erbnachweise im weiteren Sinne im Lichte der EuErbVO
1. Erbvertrag
2. Post- und transmortale Vollmachten
VII. Ergebnis
C. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten
I. Das Europäische Nachlasszeugnis als „Weltnachlasszeugnis“
II. Versagung der Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses aufgrund der Anwendung vorrangiger staatsvertraglicher Kollisionsnormen?
1. Grammatikalische Auslegung
2. Systematische Auslegung
3. Historische und genetische Auslegung
4. Teleologische Auslegung
5. Ergebnis
III. Verwendung eines Europäischen Nachlasszeugnisses in Drittstaaten – Wirkungserstreckung der Gutglaubenswirkung?
1. Grammatikalische Auslegung
2. Systematische Auslegung
3. Historische und genetische Auslegung
4. Teleologische Auslegung
5. Ergebnis
IV. Anerkennung eines Europäischen Nachlasszeugnisses durch Drittstaaten
1. Schweiz
a) Anerkennung eines Europäischen Nachlasszeugnisses gemäß Art. 96 IPRG
aa) Tatbestand des Art. 96 IPRG
bb) Rechtliche Wirkungen der Anerkennung gemäß Art. 96 IPRG
b) Ergebnis
2. England und Wales
a) Einführung
b) Ausschluss der Anerkennung eines Europäischen Nachlasszeugnisses durch das englische Kollisionsrecht
c) Ergebnis
3. Kalifornien
a) Einführung
b) Ausschluss der Anerkennung eines Europäischen Nachlasszeugnisses durch das US-amerikanische Kollisionsrecht
c) Ergebnis
V. Substitution des Europäischen Nachlasszeugnisses im Rahmen mitgliedstaatlicher Regelungen
1. Substitution des Europäischen Nachlasszeugnisses durch mitgliedstaatliche Erbnachweise?
2. Substitution des Europäischen Nachlasszeugnisses durch drittstaatliche Erbnachweise?
VI. Ergebnis
D. Fazit
Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im europäischen und internationalen Gefüge
A. Tendenzen zur Einführung unionaler Rechtsinstrumente im europäischen grenzüberschreitenden Rechtsverkehr – Das Europäische Nachlasszeugnis im System des europäischen Zivilprozessrechts
I. Synoptische Betrachtung ausgewählter unionaler Rechtsinstrumente
1. Europäischer Vollstreckungstitel
2. Europäischer Zahlungsbefehl
3. Urteil im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen
4. Europäischer Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung
II. Konzepte der unionalen Rechtsinstrumente
1. Regelungsintensität
2. Grenzüberschreitende Dimension
3. Kollisionsrecht
4. Verfahrensrecht
5. Anerkennung ipso iure
6. Vollstreckung ohne Vollstreckbarerklärung
7. Nationale Rechtsinstrumente mit äquivalentem Regelungszweck
III. Ergebnis
B. Das Europäische Nachlasszeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext
I. Der Einfluss der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie des Erblassers auf das Europäische Nachlasszeugnis
II. Internationalprivatrechtlicher Methodenvergleich – Anerkennungsprinzip vs. Verweisungsprinzip
1. Einführung
2. Anerkennungsprinzip
a) Allgemeines
b) Verwirklichung der Ziele des Anerkennungsprinzips bei der Anerkennung mitgliedstaatlicher Erbnachweise und des Europäischen Nachlasszeugnisses
3. Verweisungsprinzip im Kontext mitgliedstaatlicher Erbnachweise und des Europäischen Nachlasszeugnisses
4. Ergebnis
III. Kollisionsrechtliche Disharmonien im Europäischen Nachlasszeugnis
1. Vorfragen
2. Vorrang mitgliedstaatlicher Übereinkommen
a) Deutschland
aa) Deutsch-iranisches Niederlassungsabkommen vom 17.2.1929
bb) Deutsch-türkischer Konsularvertrag vom 28.5.1929 – Nachlassabkommen
cc) Deutsch-sowjetischer Konsularvertrag vom 25.4.1958
b) Österreich
aa) Freundschafts- und Niederlassungsvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Kaiserreich Iran vom 9.9.1959
bb) Freundschaftsvertrag zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik vom 28.1.1924
c) Zwischenergebnis
3. Anpassung dinglicher Rechte
4. Ordre public
5. Ergebnis
IV. Praktische Relevanz des unvollständigen europäischen Entscheidungseinklangs – Pflicht zur kollisionsrechtlichen Überprüfung des Europäischen Nachlasszeugnisses durch den Verwendungsstaat?
1. Grundproblematik
2. Auslegung
a) Grammatikalische Auslegung
b) Systematische Auslegung
c) Historische und genetische Auslegung
d) Teleologische Auslegung
e) Zwischenergebnis
3. Ergebnis
V. Umgang mit dem unvollständigen europäischen Entscheidungseinklang und Perspektiven des europäischen Kollisionsrechts
C. Das Europäische Nachlasszeugnis und das europäische und deutsche Güterrecht
I. Verbundzuständigkeit gemäß Art. 4 EuGüVO und Europäisches Nachlasszeugnisverfahren
II. Güterrechtliche Implikationen im Europäischen Nachlasszeugnis
1. Die Ausweisung von Erbquoten in Erbnachweisen und ihre praktische Bedeutung in der Nachlassabwicklung
2. Die Ausweisung des Viertels gemäß § 1371 Abs. 1 BGB im Europäischen Nachlasszeugnis – die Mahnkopf-Entscheidung des EuGH vom 1.3.2018 – C-558/16
a) Grammatikalische Auslegung
b) Historische und genetische Auslegung
c) Systematische Auslegung
d) Teleologische Auslegung
e) Ergebnis
3. Der Einfluss der erbrechtlichen Qualifikation des § 1371 Abs. 1 BGB auf die Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses
4. Die Ausweisung des Viertels gemäß § 1371 Abs. 1 BGB im Erbschein
5. Folgeprobleme
a) Die potentielle Ausstrahlungswirkung der Mahnkopf- Entscheidung des EuGH vom 1.3.2018 – C-558/16 auf die güterrechtlichen Systeme anderer Mitgliedstaaten
b) Der Wandel der Anpassungsprobleme nach der Mahnkopf- Entscheidung des EuGH vom 1.3.2018 – C-558/16
D. Vorbildfunktion des Europäischen Nachlasszeugnisses? – Überlegungen zur Einführung einer Europäischen Personenstandsurkunde
I. Freizügigkeit von Personenstandsurkunden in der Europäischen Union
II. Wirkungen der Europäischen Personenstandsurkunde
III. Internationalprivatrechtliche Methoden zur unionsweiten Verkehrsfähigkeit des Inhalts einer Europäischen Personenstandsurkunde
1. Sachrechtliche Lösung
2. Anerkennungsprinzip
a) Problemkreise
aa) Missbrauch und Gesetzesumgehungen
bb) Aufgedrängte Anerkennungslagen
cc) Anerkennung inhaltlich falscher Rechtslagen
dd) Ordre public-Kontrolle
b) Vorteile der Anerkennungslösung
3. Verweisungsprinzip und Kollisionsrechtsvereinheitlichung (kollisionsrechtliche Lösung)
4. Ergebnis
IV. Verfahrensrechtliche Aspekte einer Europäischen Personenstandsurkunde
1. Zuständigkeit für die Ausstellung einer Europäischen Personenstandsurkunde
2. Antragsberechtigte Personen
3. Änderungen der maßgeblichen Tatsachen für den Inhalt einer Europäischen Personenstandsurkunde
4. Uneingeschränkte Wirkungserstreckung
5. Verhältnis der Europäischen Personenstandsurkunde zu nationalen Personenstandsurkunden
6. Das Zusammenspiel von Europäischer Personenstandsurkunde und Europäischem Nachlasszeugnis
E. Das Europäische Nachlasszeugnis im Verhältnis zum supranationalen Erbnachweis des Haager Übereinkommens vom 2. Oktober 1973 über die internationale Verwaltung von Nachlässen
I. Synoptischer Vergleich der Wirkungskonzeption
1. Vereinheitlichung der Kollisionsnormen
2. Wirkungen
3. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung
4. Anerkennungsverweigerungsgründe
5. Die Behandlung der Kollision zwischen Haager Nachlasszeugnis und Europäischem Nachlasszeugnis
II. Das Haager Nachlasszeugnis im Anerkennungs- und Annahmeregime der EuErbVO
III. Strukturmerkmale eines internationalen Erbnachweises
IV. Ergebnis
F. Fazit
Siebtes Kapitel: Schlussbetrachtung
A. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse
I. Vielfältigkeit der Erbnachweise in der Europäischen Union
II. Das allgemeine Verhältnis zwischen Europäischem Nachlasszeugnis und nationalen Erbnachweisen
III. Die materiellrechtlichen Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses
IV. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext
V. Widerruf und Änderung des Europäischen Nachlasszeugnisses sowie Aussetzung der Wirkungen
VI. Ausgewählte Rechtsprobleme des Europäischen Nachlasszeugnisverfahrens
VII. Grenzüberschreitende Verkehrsfähigkeit von Europäischem Nachlasszeugnis und mitgliedstaatlichen Erbnachweisen
VIII. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten
IX. Das Europäische Nachlasszeugnis im europäischen und internationalen Gefüge
X. Praktische Empfehlung für den deutschen Rechtsanwender – Die Attraktivität von Europäischem Nachlasszeugnis und Erbschein in der Nachlassabwicklung
B. Ausblick
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Internationale Nachlassabwicklung im Lichte des Europäischen Nachlasszeugnisses: Zugleich eine rechtsvergleichende Betrachtung zu den Erbnachweisen im deutschen, österreichischen und europäischen Recht. Dissertationsschrift
 9783161609626, 9783161609633, 316160962X

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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 475 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer, Ralf Michaels und Reinhard Zimmermann

Duy Tuong Huynh

Internationale Nachlassabwicklung im Lichte des Europäischen Nachlasszeugnisses Zugleich eine rechtsvergleichende Betrachtung zu den Erbnachweisen im deutschen, österreichischen und europäischen Recht

Mohr Siebeck

Duy Tuong Huynh, geboren 1994; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Düsseldorf; 2016 erste juristische Prüfung; wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für deutsches, europäisches und internationales Privat- und Verfahrensrecht; Referendariat in Düsseldorf und Helsinki; 2021 Promotion; 2021 zweite juristische Prüfung.

D 61 ISBN 978-3-16-160962-6 / eISBN 978-3-16-160963-3 DOI 10.1628/978-3-16-160963-3 ISSN 0720-1141 / eISSN 2568-7441 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer­halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2020/2021 von der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf als Dissertation angenommen. Die Disputation fand im April 2021 statt. In der aktualisierten Druckfassung konnten Rechtsprechung und Literatur überwiegend bis Juli 2021 Berücksichtigung finden. Ganz herzlich möchte ich meiner Doktormutter, Frau Prof. Dr. Katharina Lugani, für die hervorragende Betreuung und das mir entgegengebrachte Vertrauen danken. Sie hat früh den entscheidenden Anstoß für den rechtsvergleichenden Ansatz dieser Arbeit gegeben, ihre Vollendung mit hilfreichen Anregungen gefördert und mir große wissenschaftliche Freiheit eingeräumt. Auch außerhalb dieses Projekts hat Frau Prof. Lugani mit ihrem Rat immerwährend meinen persönlichen und wissenschaftlichen Horizont, insbesondere bezüglich des europäischen Zivilprozess- und Kollisionsrechts, erweitert. Die vielen schönen und lehrreichen Jahre, in denen ich als studentischer und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter wertvolle Erfahrungen sammeln durfte, werde ich gerne in bester Erinnerung behalten. Dankbar bin ich zudem Herrn Prof. Dr. Dirk Looschelders für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Den Direktoren des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Holger Fleischer, Herrn Prof. Dr. Ralf Michaels und Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Reinhard Zimmermann, danke ich für die freundliche Aufnahme in diese Schriftenreihe. Des Weiteren möchte ich meinen Dank Herrn Prof. em. Dr. Dirk Olzen aussprechen, der mich als studentischen Mitarbeiter bei Frau Prof. Lugani empfahl und an dessen ehemaligem Lehrstuhl ich eine schöne und lehrreiche Zeit verbringen durfte. Außerdem danke ich Herrn Prof. Mag. Dr. Thomas Garber für die Ermöglichung eines Forschungsaufenthalts am Institut für Zivilverfahrensrecht und Insolvenzrecht der Karl-Franzens-Universität Graz, die hervorragende Betreuung vor Ort sowie die Diskussionen, die allesamt den rechtsvergleichenden Teil der Arbeit zum österreichischen Erb- und Erbverfahrensrecht überaus bereichert haben.

VIII

Vorwort

Für die großzügige finanzielle Unterstützung bei der Veröffentlichung dieser Arbeit bin ich dem Freundeskreis der Düsseldorfer Juristischen Fakultät e.V. gleichermaßen zu Dank verpflichtet wie der Studienstiftung ius vivum. Ein besonderer Dank gilt überdies meinen Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl. Hervorheben möchte ich meinen guten Freund und Bürokollegen Jerome Schröder, LL.M. Ihm danke ich nicht nur für die Unterstützung bei der Vorbereitung der Disputation, sondern auch für eine allzeit angenehme Arbeitsatmosphäre und zahlreiche heitere Momente. Für die äußerst sorgfältige Durchsicht des Manuskripts bedanke ich mich bei Frau Sofia Walla, Herrn Arne Conen, meiner Schwägerin Helena und meinem Bruder Duy Khuong. Schließlich gebührt meinen Eltern Thi Thu Suong und Anh Dung Huynh für ihre jederzeitige Unterstützung und ihren rückhaltlosen Zuspruch großer Dank. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. Düsseldorf, im September 2021

Duy Tuong Huynh

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXVII

Erstes Kapitel: Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Thematische Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Gegenstand, Methodik und Eingrenzung der Untersuchung . . . . . . 8 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Zweites Kapitel: Der Weg zum Europäischen Nachlasszeugnis im Lichte mitgliedstaatlicher Erbnachweise . . . . . . . . . . . 14 A. Vielfältigkeit der Erbnachweise in der Europäischen Union . . . . . 14 B. Erbnachweisbezogene Probleme in der internationalen Nachlassabwicklung vor Inkrafttreten der EuErbVO . . . . . . . . . 27 C. Zwischenfazit: Regelungsbedürfnis für das Europäische Nachlasszeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 D. Das Verhältnis des Europäischen Nachlasszeugnisses zu den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen . . . . . . . . . . . . . . . 33 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise 42 A. Dogmatik der Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen . . . . . . . . . . 59 C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung . . . . . . . . . . . . 269 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

X

Inhaltsübersicht

Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 A. Internationale Zuständigkeit der Ausstellungsbehörden für die Ausstellung der Erbnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 B. Einleitung der Erbnachweisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 C. Arten und Inhalt der Erbnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 D. Das Verhältnis der Erbnachweisverfahren zum streitigen Verfahren um das Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391

Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses und mitgliedstaatlicher Erbnachweise im Lichte der EuErbVO sowie in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 A. Durchsetzungsmacht des Europäischen Nachlasszeugnisses . . . . . 395 B. Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO . 399 C. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449

Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im europäischen und internationalen Gefüge . . . . . . . . . . 451 A. Tendenzen zur Einführung unionaler Rechtsinstrumente im europäischen grenzüberschreitenden Rechtsverkehr – Das Europäische Nachlasszeugnis im System des europäischen Zivilprozessrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 B. Das Europäische Nachlasszeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 C. Das Europäische Nachlasszeugnis und das europäische und deutsche Güterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 D. Vorbildfunktion des Europäischen Nachlasszeugnisses? – Überlegungen zur Einführung einer Europäischen Personenstandsurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 E. Das Europäische Nachlasszeugnis im Verhältnis zum supranationalen Erbnachweis des Haager Übereinkommens vom 2. Oktober 1973 über die internationale Verwaltung von Nachlässen . . . . . . . . . . 522 F. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532

Inhaltsübersicht

XI

Siebtes Kapitel: Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . 535 A. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse . . . . . . . . . . 535 B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXVII

Erstes Kapitel: Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Thematische Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Erforderlichkeit eines Nachweises des Erbrechts und sonstiger Berechtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 III. Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 IV. Relevanz des Europäischen Nachlasszeugnisses in Deutschland . . 7 B. Gegenstand, Methodik und Eingrenzung der Untersuchung . . . . . . 8 I. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 II. Rechtsvergleichende Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 III. Eingrenzung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Zweites Kapitel: Der Weg zum Europäischen Nachlasszeugnis im Lichte mitgliedstaatlicher Erbnachweise . . . . . . . . . . . 14 A. Vielfältigkeit der Erbnachweise in der Europäischen Union . . . . . 14 I. Der Wirkungsgehalt des Europäischen Nachlasszeugnisses als Anker für die Betrachtung mitgliedstaatlicher Erbnachweise . . 15 II. Diversität der Gestalt mitgliedstaatlicher Erbnachweise . . . . . . 17 1. Ausstellung des Erbnachweises nach gerichtlichem Verfahren . 18 a) Griechenland – κληρονομία . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 b) Portugal – abertura da sucessão . . . . . . . . . . . . . . . 18 2. Ausstellung des Erbnachweises nach notariellem Verfahren . . 19 a) Frankreich – acte de notoriété . . . . . . . . . . . . . . . . 19

XIV

Inhaltsverzeichnis

b) Italien – atto di notorietà . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 c) Niederlande – verklaring van erfrecht . . . . . . . . . . . . 21 d) Portugal – habilitação notarial . . . . . . . . . . . . . . . . 21 e) Spanien – acta de notoriedad . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3. Fehlende förmliche Erbnachweise in den skandinavischen Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 a) Schweden – bouppteckning . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 b) Finnland – perukirja . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 III. Das Europäische Nachlasszeugnis im System der mitgliedstaatlichen Erbnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Erbnachweisbezogene Probleme in der internationalen Nachlassabwicklung vor Inkrafttreten der EuErbVO . . . . . . . . . . . 27 I. Die Bedeutung mitgliedstaatlicher Erbnachweise im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Rechtliche Anerkennung ausländischer Erbnachweise . . . . . 27 2. Substitution des inländischen Erbnachweises durch einen ausländischen Erbnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3. Faktische Anerkennung ausländischer Erbnachweise . . . . . . 30 II. Praktische Schwierigkeiten bei der Verwendung mitgliedstaatlicher Erbnachweise im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr . . . . . . 32 C. Zwischenfazit: Regelungsbedürfnis für das Europäische Nachlasszeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 D. Das Verhältnis des Europäischen Nachlasszeugnisses zu den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Rechtspolitische Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Prinzip der Koexistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 III. Alternative Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Superiorität des Europäischen Nachlasszeugnisses . . . . . . . 37 2. „Rucksacktheorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise 42 A. Dogmatik der Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses . . . 43 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Interdependenz zwischen den Wirkungen und dem Verfahrensrecht 46

Inhaltsverzeichnis

XV

III. Kollisionsrechtliche Festigkeit der Wirkungen . . . . . . . . . . . 48 IV. Sekundärrechtliche Tatbestandswirkung . . . . . . . . . . . . . . 52 V. Deklarative Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 VI. Numerus clausus der Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 VII. Inlandswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 VIII. Rechtsnatur des Europäischen Nachlasszeugnisses und Beweiswirkung als gesonderte verfahrensrechtliche Wirkung . . . 58 B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen . . . . . . . . . . . 59 I. Vermutungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . 60 b) Inhalt der Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 c) Umfang der Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 d) Widerleglichkeit der Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . 63 e) Die Vermutungswirkung im Zivilprozess . . . . . . . . . . . 63 aa) Streit mit Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 bb) Streit zwischen Erbprätendenten . . . . . . . . . . . . . 64 (1) Problematik und Meinungsstand . . . . . . . . . . . 64 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 a) Vorbemerkungen: Besonderheiten des österreichischen Erbschaftserwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 b) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . 68 c) Inhalt der Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 d) Umfang der Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 e) Widerleglichkeit der Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . 71 f) Die Vermutungswirkung im Zivilprozess . . . . . . . . . . . 71 3. Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . 72 b) Inhalt der Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 aa) Richtigkeits- und Vollständigkeitsvermutung . . . . . . 74 bb) Der Regelungsgehalt der Richtigkeitsvermutung nach Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . 76 (1) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . 76 (2) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 77 (3) Historische und genetische Auslegung . . . . . . . . 78 (4) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 78 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 cc) Bedeutung der „spezifischen Sachverhalte“ . . . . . . . 79

XVI

Inhaltsverzeichnis

dd) Keine Vollständigkeitsvermutung in Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . 80 c) Umfang der Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 d) Widerleglichkeit der Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . 83 e) Die Vermutungswirkung im Zivilprozess . . . . . . . . . . . 84 aa) Streit mit Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Streit zwischen Erbprätendenten . . . . . . . . . . . . . 84 4. Rechtsvergleichende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 II. Gutglaubenswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . 88 b) Geschützte Rechtshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . 89 aa) Rechtsgeschäftlicher Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . 89 (1) Einschluss von Verfügungsgeschäften, Ausschluss von Verpflichtungsgeschäften . . . . . . . . . . . . . 90 (2) Verkehrsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 bb) Gegenstand der geschützten Rechtsgeschäfte . . . . . . 91 (1) Erwerb von Erbschaftsgegenständen, §  2366 1. Var. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 (2) Erwerb eines Rechts an einem Erbschaftsgegenstand, §  2366 2. Var. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 (3) Befreiung von einem zur Erbschaft gehörenden Recht, §  2366 3. Var. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (4) Leistungen an den Erbscheinserben, §  2367 1. Var. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (5) Sonstige Verfügungen über ein zur Erbschaft gehörendes Recht, §  2367 2. Var. BGB . . . . . . . . 92 cc) Verfügungen durch Erbe des Erbscheinserben . . . . . . 93 c) Umfang der Gutglaubenswirkung . . . . . . . . . . . . . . . 94 d) Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 aa) Abstrakter Gutglaubensschutz . . . . . . . . . . . . . . 94 bb) Erforderlichkeit der Kenntnis vom Nachlasscharakter des Rechtsgeschäfts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 cc) Bösgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (1) Positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Erbscheins oder dem Rückgabeverlangen des Nachlassgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (2) Praktische Relevanz einer Schutzschrift und sonstiger Handlungen zur Herbeiführung von Bösgläubigkeit beim Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

Inhaltsverzeichnis

XVII

(3) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Redlichkeit . . . . . 100 (4) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 e) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 f) Das Verhältnis des öffentlichen Glaubens des Erbscheins zu anderen Gutglaubenstatbeständen . . . . . . . . . . . . . 101 aa) Gutgläubiger Erwerb beweglicher Sachen . . . . . . . . 102 (1) §§  932 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (2) §§  2366, 929 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (3) §§  2366, 932 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) Öffentlicher Glaube des Grundbuchs . . . . . . . . . . . 104 (1) §  892 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (2) §§  2366, 2367 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (3) §§  2366, 892 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 g) Ausgleichsansprüche des wahren Erben . . . . . . . . . . . 105 aa) Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . 106 bb) Deliktische Ansprüche gegen den Erbscheinserben . . . 106 cc) Bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen den Erbscheinserben und den Erwerber . . . . . . . . . . . . 106 (1) Ansprüche gegen den Erbscheinserben . . . . . . . . 106 (2) Ansprüche gegen den Erwerber . . . . . . . . . . . 107 dd) Erbschaftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 ee) Amtshaftungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . 108 b) Geschützte Rechtshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . 109 aa) Rechtsgeschäftlicher Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . 109 bb) Gegenstand der geschützten Rechtsgeschäfte . . . . . . 110 c) Umfang der Gutglaubenswirkung . . . . . . . . . . . . . . . 110 d) Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 aa) Abstrakter Gutglaubensschutz . . . . . . . . . . . . . . 111 bb) Erforderlichkeit der Kenntnis vom Nachlasscharakter des Rechtsgeschäfts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 cc) Bösgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (1) Anforderungen an die Redlichkeit des Dritten . . . . 112 (a) Milde Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (b) Strenge Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (2) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Redlichkeit . . . . . 113 e) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

XVIII

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f) Das Verhältnis des öffentlichen Glaubens des Einantwortungs­ beschlusses zu anderen Gutglaubenstatbeständen . . . . . . 114 aa) Gutgläubiger Erwerb beweglicher Sachen nach §  367 ABGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 bb) Öffentlicher Glaube des Grundbuchs – Gutgläubiger Erwerb aufgrund des bücherlichen Vertrauensgrundsatzes 115 g) Ausgleichsansprüche des wahren Erben . . . . . . . . . . . 115 aa) Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . 116 bb) Deliktische Ansprüche – Schadensersatzpflicht des unredlichen Erbschaftsbesitzers . . . . . . . . . . . . . 116 cc) Bereicherungsrechtliche Ansprüche – Veräußerung und Verbrauch von Nachlassgegenständen . . . . . . . . 117 dd) Bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen den Dritten bei unentgeltlicher Veräußerung? . . . . . . . . . . . . . 118 3. Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Europäischer erbrechtlicher Gutglaubensschutz als Novum im Unionsprivatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . 121 c) Geschützte Rechtshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . 121 aa) Vorliegen eines Rechtsgeschäfts und Verkehrsgeschäfts . 121 bb) Verfügungen über Nachlassvermögen . . . . . . . . . . 122 (1) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . 122 (a) Juristisches Begriffsverständnis . . . . . . . . . . 122 (b) Annäherung des Verfügungsbegriffs mittels Abgrenzung zum Verpflichtungsgeschäft . . . . . 123 (c) Reichweite des Begriffs „Nachlassvermögen“ . . 124 (2) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 125 (3) Historische und genetische Auslegung . . . . . . . . 126 (4) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 127 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 cc) Leistung von Zahlungen und Übergabe von Vermögenswerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (1) Grammatikalische und teleologische Auslegung . . . 128 (a) Annäherung des Begriffs „Leistung von Zahlungen“ mittels Betrachtung des allgemeinen Sprachgebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (b) Erfüllungssurrogate . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (c) Einbeziehung sonstiger Leistungen? . . . . . . . 130

Inhaltsverzeichnis

XIX

(d) Annäherung des Begriffs „Übergabe von Vermögenswerten“ mittels Betrachtung der juristischen Konnotation . . . . . . . . . . . 131 (e) Reichweite des Begriffs „Vermögenswert“ . . . . 133 (f) Leistung durch Dritte und die Problematik der Legalzessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 (2) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 134 (3) Historische und genetische Auslegung . . . . . . . . 135 (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 dd) Gutglaubensschutz für Verfügungen durch Rechtsnachfolger des Zeugniserben . . . . . . . . . . . 135 d) Umfang der Gutglaubenswirkung . . . . . . . . . . . . . . . 136 aa) Kreis der legitimierten Personen . . . . . . . . . . . . . 136 bb) Keine Verfügungsbeschränkungen oder sonstigen Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 cc) Rechte und Befugnisse nach dem Erbstatut . . . . . . . 137 e) Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 aa) Abstrakter oder konkreter Gutglaubensschutz? . . . . . 140 (1) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . 140 (2) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 142 (3) Historische und genetische Auslegung . . . . . . . . 143 (4) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 144 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 bb) Erforderlichkeit der Kenntnis des Nachlasscharakters des Rechtsgeschäfts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 cc) Bösgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (1) Inhaltliche Unrichtigkeit des Europäischen Nachlasszeugnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (2) Positive Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (3) Grob fahrlässige Unkenntnis . . . . . . . . . . . . . 148 (4) Praktische Relevanz einer Schutzschrift und sonstiger Handlungen zur Herbeiführung von Bösgläubigkeit beim Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (5) Aufspaltung der Redlichkeit hinsichtlich verschiedener Umstände im Europäischen Nachlasszeugnis . . . . 151 (6) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Redlichkeit . . . . . 152 (a) Verordnungsautonome Lösung . . . . . . . . . . 152 (b) Vollendung des Rechtserwerbs nach dem Geschäftsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

XX

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(c) Vorverlegung des maßgeblichen Zeitpunktes für die Redlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (7) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 f) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 g) Das Verhältnis des öffentlichen Glaubens des Europäischen Nachlasszeugnisses zu Gutglaubenstatbeständen mitgliedstaatlicher Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . 156 h) Ausgleichsansprüche des wahren Erben . . . . . . . . . . . 158 aa) Qualifikation der Ausgleichsansprüche und Bestimmung des anwendbaren Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (1) Bestimmung des anwendbaren Rechts nach der Rom II-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (a) Statut der Geschäftsführung ohne Auftrag, Art.  11 Rom II-VO . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (b) Deliktsstatut, Art.  4 Rom II-VO . . . . . . . . . . 160 (c) Bereicherungsstatut, Art.  10 Rom II-VO . . . . . 160 (2) Bestimmung des anwendbaren Rechts nach der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 bb) Tragweite des Begriffspaars „Rechte der Erben“ i.S.d. Art.  23 Abs.  2 lit.  f EuErbVO . . . . . . . . . . . . 161 (1) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . 162 (2) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 162 (3) Historische und genetische Auslegung . . . . . . . . 162 (4) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 162 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 cc) Einschränkung der Rechte des Erben bei unentgeltlichem Erwerb? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 dd) Amtshaftungsanspruch wegen Pflichtverletzung der Ausstellungsbehörde im Europäischen Nachlasszeugnisverfahren . . . . . . . 165 ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 4. Rechtsvergleichende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 III. Legitimationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . 171 b) Grundbuchamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 bb) Der Unrichtigkeitsnachweis nach §  35 GBO . . . . . . . 172 cc) Prüfungspflicht des Grundbuchamts im Hinblick auf den Inhalt des Erbscheins? . . . . . . . . . . . . . . . . 173

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XXI

(1) Grundsätzliche Unzulässigkeit einer Prüfungspflicht 174 (2) Prüfungspflicht bei Kenntnis von den Erbscheinsinhalt schwerwiegend erschütternden Tatsachen . . . . . . 175 dd) Verwendung des Erbscheins bei Vor- und Nacherbschaft 177 c) Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) Unrichtigkeitsnachweise nach §  12 Abs.  1 S.  4 HGB . . 178 cc) Prüfungspflicht des Registergerichts im Hinblick auf den Inhalt des Erbscheins? . . . . . . . . . . . . . . . . 180 dd) Verwendung des Erbscheins bei Vor- und Nacherbschaft 180 d) Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 bb) Urteil des BGH vom 8.10.2013 – XI ZR 401/12 . . . . . 181 (1) Inhalt der streitgegenständlichen AGB-Klausel . . . 181 (2) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (4) Reaktion in der Bankpraxis . . . . . . . . . . . . . . 184 cc) Urteil des BGH vom 5.4.2016 – XI ZR 440/15 . . . . . 185 (1) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (2) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 dd) Vorlagerecht kraft Parteivereinbarung . . . . . . . . . . 187 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . 189 b) Grundbuchgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 aa) Legitimation durch Einantwortungsbeschluss . . . . . . 189 bb) Prüfungspflicht des Grundbuchgerichts . . . . . . . . . 191 c) Firmenbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 d) Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3. Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . 195 b) Inhalt und Umfang der Legitimationswirkung . . . . . . . . 195 c) Widerleglichkeit der Legitimationswirkung . . . . . . . . . 196 d) Bedeutung der Unbeschadetheit im Hinblick auf die Bereichsausnahmen von Art.  1 Abs.  2 lit.  k, l EuErbVO . . . 196 e) Anpassung dinglicher Rechte, Art.  31 EuErbVO . . . . . . . 198 f) Die Legitimationswirkung des Europäischen Nachlasszeugnisses im deutschen Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . 199

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aa) Grundbuchamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (1) Prüfungspflicht des Grundbuchamts im Hinblick auf den Inhalt des Europäischen Nachlasszeugnisses? . . 200 (a) Grundsätzliche Unzulässigkeit einer Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (b) Eingeschränkte Prüfungspflicht . . . . . . . . . . 201 (2) Vorlagerecht des Grundbuchamts? . . . . . . . . . . 204 bb) Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (1) Erbringung des Unrichtigkeitsnachweises nach §  12 Abs.  1 S.  4 HGB durch Vorlage eines Europäischen Nachlasszeugnisses . . . . . . . . . . 206 (2) Prüfungspflicht des Registergerichts im Hinblick auf den Inhalt des Europäischen Nachlasszeugnisses? . . 206 cc) Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (1) Grundsätzliche Unzulässigkeit eines Vorlagerechts im Privatrechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (2) Eingeschränktes Vorlagerecht . . . . . . . . . . . . 211 (3) Vorlagerecht kraft Parteivereinbarung . . . . . . . . 212 (4) Übertragbarkeit des Urteils des BGH vom 5.4.2016 – XI ZR 440/15 auf das Europäische Nachlasszeugnis . 212 g) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 4. Rechtsvergleichende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 I. Konstellationen für Divergenzen zwischen den Erbnachweisen . . 215 1. Divergenz zwischen Europäischem Nachlasszeugnis und mitgliedstaatlichem Erbnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . 216 a) Schutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 aa) Gleichlauf der internationalen Zuständigkeit für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses und mitgliedstaatlicher Erbnachweise? . . . . . . . . . . . . 216 (1) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . 219 (a) „Erbsachen für den gesamten Nachlass“ . . . . . 219 (b) „Entscheidung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (2) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 222 (a) Art.  4 EuErbVO als Grundsatznorm im Zuständigkeitssystem der EuErbVO . . . . . . . 222 (b) Art.  13 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

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II.

XXIII

(c) Art.  14 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (d) Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO . . . . . . . . . . . 224 (e) Art.  64 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (3) Historische und genetische Auslegung . . . . . . . . 225 (a) Bedeutung der Zuständigkeitsvorschriften im Gesetzgebungsprozess . . . . . . . . . . . . . 225 (b) Stellungnahmen aus Deutschland . . . . . . . . . 226 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (4) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 228 (a) Funktionelle Betrachtung der internationalen Zuständigkeitsvorschriften und des Kollisionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (b) Praktikabilitätserwägungen . . . . . . . . . . . . 230 (c) Subsidiaritätsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . 231 (d) Optionaler Charakter des Europäischen Nachlasszeugnisses . . . . . . . . . . . . . . . . 232 (e) Effektivität der Erbnachweise . . . . . . . . . . . 232 (f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (5) Ergebnis und Schussfolgerung . . . . . . . . . . . . 234 bb) Kommunikation zwischen den mitgliedstaatlichen Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 cc) Litispendenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Verbleibende Ursachen für Divergenzen . . . . . . . . . . . 237 c) Typisierung von Divergenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 aa) Interne Divergenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 bb) Grenzüberschreitende Divergenzen . . . . . . . . . . . 238 cc) Echte und unechte Divergenzen . . . . . . . . . . . . . 238 2. Divergierende Europäische Nachlasszeugnisse . . . . . . . . . 239 a) Schutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 b) Verbleibende Ursachen für Divergenzen . . . . . . . . . . . 240 3. Divergierende mitgliedstaatliche Erbnachweise . . . . . . . . . 241 4. Divergenz zwischen Europäischem Nachlasszeugnis und drittstaatlichem Erbnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 5. Divergenz zwischen mitgliedstaatlichem Erbnachweis und drittstaatlichem Erbnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Einfluss von Divergenzen auf die Wirkungen der Erbnachweise . . 242 1. Divergenz zwischen Europäischem Nachlasszeugnis und mitgliedstaatlichem Erbnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . 243 a) Allgemeine Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

XXIV

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b) Einfluss auf die Vermutungswirkung . . . . . . . . . . . . . 245 c) Einfluss auf die Gutglaubenswirkung . . . . . . . . . . . . . 246 d) Einfluss auf die Legitimationswirkung . . . . . . . . . . . . 251 2. Divergierende Europäische Nachlasszeugnisse . . . . . . . . . 251 a) Einfluss auf die Vermutungswirkung . . . . . . . . . . . . . 251 b) Einfluss auf die Gutglaubenswirkung . . . . . . . . . . . . . 252 c) Einfluss auf die Legitimationswirkung . . . . . . . . . . . . 253 3. Divergierende mitgliedstaatliche Erbnachweise . . . . . . . . . 253 4. Divergenz zwischen Europäischem Nachlasszeugnis und drittstaatlichem Erbnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 5. Divergenz zwischen mitgliedstaatlichem Erbnachweis und d rittstaatlichem Erbnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 III. Reaktionsmöglichkeiten der Ausstellungsbehörden auf divergierende Erbnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 IV. Wirkungsentfaltung nach Aufhebung des als unrichtig festgestellten divergierenden Erbnachweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 V. Einfluss inhaltlicher Konvergenz auf die Wirkungen der Erbnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 1. Inhaltliche Konvergenz von Europäischem Nachlasszeugnis und mitgliedstaatlichem Erbnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . 262 a) Einfluss auf die Vermutungswirkung . . . . . . . . . . . . . 262 b) Einfluss auf die Gutglaubenswirkung . . . . . . . . . . . . . 262 aa) Alternativität der Berufung auf die Gutglaubenswirkung 262 bb) Keine Kombination von Tatbestandselementen des europäischen und nationalen Gutglaubensschutzes . . . 264 cc) Unterschiedliche Schutzwürdigkeit des Rechtsverkehrs – Wertungswiderspruch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 c) Einfluss auf die Legitimationswirkung . . . . . . . . . . . . 266 2. Inhaltlich konvergierende Europäische Nachlasszeugnisse . . . 266 3. Inhaltlich konvergierende mitgliedstaatliche Erbnachweise . . . 267 4. Inhaltliche Konvergenz zwischen Europäischem Nachlasszeugnis und drittstaatlichem Erbnachweis . . . . . . . 267 5. Inhaltliche Konvergenz zwischen mitgliedstaatlichem Erbnachweis und drittstaatlichem Erbnachweis . . . . . . . . . 268 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung . . . . . . . . . . . . . 269 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 1. Einziehung oder Kraftloserklärung des unrichtigen Erbscheins, §  2361 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

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a) Unrichtigkeit des Erbscheins . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 aa) Materielle Unrichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 bb) Verfahrensfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 (1) Verstoß gegen Zuständigkeitsvorschriften . . . . . . 273 (2) Verstoß gegen Amtsermittlungspflicht . . . . . . . . 276 b) Grundzüge des Einziehungsverfahrens . . . . . . . . . . . . 276 aa) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 bb) Amtsermittlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . 277 cc) Beteiligte am Verfahren und Anhörung . . . . . . . . . 277 dd) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 c) Kraftloserklärung, §  353 Abs.  1 FamFG . . . . . . . . . . . 278 2. Herausgabeklage des wirklichen Erben, §  2362 Abs.  1 BGB . . 279 3. Einfluss von Einziehung, Kraftloserklärung und Herausgabeklage auf die Wirkungen des Erbscheins . . . . . . . . . . . . . . . . 280 II. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 1. Erbschaftsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 a) Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 b) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 c) Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 d) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 e) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 2. Einfluss auf die Wirkungen des Einantwortungsbeschlusses . . 284 III. Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 1. Beglaubigte Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses als Rechtsscheinsträger und im Kontext des europäischen Wirkungsentziehungs- und Wirkungsaussetzungssystems . . . . 285 2. Gültigkeitsfrist als vorbeugende Schutzmaßnahme . . . . . . . 287 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 b) Endgültiger Wirkungsverlust der beglaubigten Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses nach Fristablauf? . . . 290 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 3. Änderung und Widerruf des Europäischen Nachlasszeugnisses . 293 a) Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Änderung und Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 b) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 c) Begriff der inhaltlichen Unrichtigkeit . . . . . . . . . . . . . 295 aa) Materielle Unrichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 bb) Verfahrensfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 (1) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . 295 (2) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 296

XXVI

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(3) Historische und genetische Auslegung . . . . . . . . 297 (4) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 297 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 d) Maßgebliche Perspektive für die Beurteilung der inhaltlichen Unrichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 e) Verfahren zur Feststellung der inhaltlichen Unrichtigkeit . . 299 f) Verfahrensrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 g) Einfluss auf die Wirkungen gültiger beglaubigter Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses . . . . . . . . . . . . 302 aa) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . 303 bb) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 cc) Historische und genetische Auslegung . . . . . . . . . . 304 dd) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 h) Rechtsbehelf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 4. Aussetzung der Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 b) Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 c) Pflichtgemäßes Ermessen der Ausstellungsbehörde und des Rechtsmittelgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 d) Verfahrensrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 e) Einfluss auf die Wirkungen gültiger beglaubigter Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses . . . . . . . . . . . . 310 f) Rechtsbehelf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 5. Reformbedarf? – Erforderlichkeit eines europäischen Einziehungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 a) Rückgabepflicht und Einziehung – Existenz immanenter Regelungen in der EuErbVO? . . . . . . . . . . . . . . . . 312 aa) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . 313 bb) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 cc) Historische und genetische Auslegung . . . . . . . . . . 315 dd) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 b) Revision der EuErbVO – Grundstrukturen eines europäischen Einziehungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 bb) Durchsetzung der Rückgabe beglaubigter Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses . . . . . . . . . . 319

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cc) Einfluss auf die Wirkungen gültiger beglaubigter Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses . . . 320 dd) Keine Notwendigkeit für eine Kraftloserklärung beglaubigter Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 ee) Einführung eines materiellrechtlichen Herausgabeanspruchs des wirklichen Erben gegen Inhaber beglaubigter Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 ff) Regelungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 IV. Rechtsvergleichende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 A. Internationale Zuständigkeit der Ausstellungsbehörden für die Ausstellung der Erbnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 B. Einleitung der Erbnachweisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 1. Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 2. Antragsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 a) Universalsukzessoren des Erblassers – Alleinerbe, Miterben, Vor- und Nacherbe, Ersatzerbe . . . . . . . . . . . . . . . . 333 b) Erbeserbe, Erbe des Nacherben, Erbschaftserwerber . . . . . 333 c) Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter . . . . . . . . 334 d) Nachlassgläubiger mit vollstreckbarem Titel gemäß §§  792, 896 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 3. Dem Nachlass nahestehende Personen ohne Antragsrecht . . . 335 4. Angaben für den Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 II. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 1. Vorverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 a) Todesfallaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 b) Befugnisse des Gerichtskommissärs . . . . . . . . . . . . . 339 c) Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 2. Parteien des Verlassenschaftsverfahrens . . . . . . . . . . . . . 339 III. Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 1. Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 2. Antragsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341

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a) Universalsukzessoren des Erblassers – Alleinerbe, Miterben, Vor- und Nacherbe, Ersatzerbe . . . . . . . . . . . . . . . . 342 b) Erbeserben, Erbe des Nacherben, Erbschaftserwerber . . . . 345 c) Vermächtnisnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 d) Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter . . . . . . . . 346 e) Nachlassgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 f) Pflichtteilsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 3. Angaben für den Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 IV. Rechtsvergleichende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 C. Arten und Inhalt der Erbnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 1. Alleinerbschein, §  2353 1. Var. BGB . . . . . . . . . . . . . . 355 2. Gemeinschaftlicher Erbschein, §  352a FamFG . . . . . . . . . 356 3. Teilerbschein, §  2353 2. Var. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 358 4. Gemeinschaftlicher Teilerbschein, §  2353 2. Var. BGB, §  352a FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 5. Sammelerbschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 6. Gegenständlich beschränkter Erbschein, §  352c FamFG . . . . 359 II. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 1. Singuläre Art des Einantwortungsbeschlusses . . . . . . . . . . 362 2. Inhalt des Einantwortungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . 363 III. Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 1. Das Europäische Nachlasszeugnis als einziger Gesamtkorpus . 364 2. Restriktive Handhabung informatorischer Aufnahmen in das Europäische Nachlasszeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 3. Bedürfnis nach weiteren Arten des Europäischen Nachlasszeugnisses? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 IV. Rechtsvergleichende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 D. Das Verhältnis der Erbnachweisverfahren zum streitigen Verfahren um das Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 1. Erbscheinsverfahren und Erbenfeststellungsklage im Vergleich 374 2. Bindungswirkung des zivilgerichtlichen Urteils und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 a) Umfang der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . 377 b) Grenzen der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . 378 c) Differenzierung der Bindungswirkung bei anderen Urteilsarten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 aa) Anerkenntnisurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379

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XXIX

bb) Versäumnisurteil gegen den Beklagten . . . . . . . . . . 381 cc) Verzichtsurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 3. Aussetzung des Erbscheinsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . 381 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 II. Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 1. Europäisches Nachlasszeugnisverfahren als nichtstreitiges Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 2. Einfluss zivilgerichtlicher Urteile und anderer ausländischer Entscheidungen auf das Europäische Nachlasszeugnisverfahren 385 3. Das Verhältnis von Erbscheinsverfahren und Europäischem Nachlasszeugnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 III. Rechtsvergleichende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391

Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses und mitgliedstaatlicher Erbnachweise im Lichte der EuErbVO sowie in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 A. Durchsetzungsmacht des Europäischen Nachlasszeugnisses . . . . . 395 I. Uneingeschränkte Wirkungserstreckung . . . . . . . . . . . . . . 395 1. Kein Anerkennungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 2. Keine ordre public-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 B. Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO . 399 I. Anwendbarkeit von Art.  39 ff. EuErbVO und Art.  59 EuErbVO auf mitgliedstaatliche Erbnachweise? . . . . . . . . . . . . . . . . 400 1. Sperrwirkung des Europäischen Nachlasszeugnisses? . . . . . . 401 2. Ungleichbehandlung in der grenzüberschreitenden Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise? . . . . . . 403 3. Beschwichtigung und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . 404 II. Subsumtion mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter Art.  39 ff. EuErbVO und/oder Art.  59 EuErbVO? . . . . . . . . . 405 III. Wirkungen der Anerkennung mitgliedstaatlicher Erbnachweise . . 408 1. Reichweite der verfahrensrechtlichen Anerkennung im Hinblick auf die Wirkungen der mitgliedstaatlichen Erbnachweise . . . . 408

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2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 IV. Wirkungen der Annahme mitgliedstaatlicher Erbnachweise . . . . 412 1. Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft . . . . . . . . 412 2. Wirkungserstreckung der materiellrechtlichen Wirkungen? . . . 413 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 V. Faktische Anerkennung von mitgliedstaatlichen Erbnachweisen . . 417 VI. Relevanz der Erbnachweise im weiteren Sinne im Lichte der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 1. Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 2. Post- und transmortale Vollmachten . . . . . . . . . . . . . . . 418 VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 C. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 I. Das Europäische Nachlasszeugnis als „Weltnachlasszeugnis“ . . . 421 II. Versagung der Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses aufgrund der Anwendung vorrangiger staatsvertraglicher Kollisionsnormen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 1. Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 2. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 3. Historische und genetische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . 424 4. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 III. Verwendung eines Europäischen Nachlasszeugnisses in Drittstaaten – Wirkungserstreckung der Gutglaubenswirkung? . . 427 1. Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 2. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 3. Historische und genetische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . 429 4. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 IV. Anerkennung eines Europäischen Nachlasszeugnisses durch Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 1. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 a) Anerkennung eines Europäischen Nachlasszeugnisses gemäß Art.  96 IPRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 aa) Tatbestand des Art.  96 IPRG . . . . . . . . . . . . . . . 434 bb) Rechtliche Wirkungen der Anerkennung gemäß Art.  96 IPRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 2. England und Wales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438

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a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 b) Ausschluss der Anerkennung eines Europäischen Nachlasszeugnisses durch das englische Kollisionsrecht . . . 440 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 3. Kalifornien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 b) Ausschluss der Anerkennung eines Europäischen Nachlasszeugnisses durch das US-amerikanische Kollisionsrecht . . . 444 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 V. Substitution des Europäischen Nachlasszeugnisses im Rahmen mitgliedstaatlicher Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 1. Substitution des Europäischen Nachlasszeugnisses durch mitgliedstaatliche Erbnachweise? . . . . . . . . . . . . . . . . 446 2. Substitution des Europäischen Nachlasszeugnisses durch drittstaatliche Erbnachweise? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449

Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im europäischen und internationalen Gefüge . . . . . . . . . . 451 A. Tendenzen zur Einführung unionaler Rechtsinstrumente im europäischen grenzüberschreitenden Rechtsverkehr – Das Europäische Nachlasszeugnis im System des europäischen Zivilprozessrechts . . . . 452 I. Synoptische Betrachtung ausgewählter unionaler Rechtsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 1. Europäischer Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 2. Europäischer Zahlungsbefehl . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 3. Urteil im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen 454 4. Europäischer Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung . . . . 454 II. Konzepte der unionalen Rechtsinstrumente . . . . . . . . . . . . 455 1. Regelungsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 2. Grenzüberschreitende Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . 456 3. Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 4. Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 5. Anerkennung ipso iure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 6. Vollstreckung ohne Vollstreckbarerklärung . . . . . . . . . . . 459 7. Nationale Rechtsinstrumente mit äquivalentem Regelungszweck 459 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460

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B. Das Europäische Nachlasszeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext . 461 I. Der Einfluss der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie des Erblassers auf das Europäische Nachlasszeugnis . . . . . . . . . . 462 II. Internationalprivatrechtlicher Methodenvergleich – Anerkennungsprinzip vs. Verweisungsprinzip . . . . . . . . . . . 463 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 2. Anerkennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 b) Verwirklichung der Ziele des Anerkennungsprinzips bei der Anerkennung mitgliedstaatlicher Erbnachweise und des Europäischen Nachlasszeugnisses . . . . . . . . . . . . . . 465 3. Verweisungsprinzip im Kontext mitgliedstaatlicher Erbnachweise und des Europäischen Nachlasszeugnisses . . . . 467 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 III. Kollisionsrechtliche Disharmonien im Europäischen Nachlasszeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 1. Vorfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 2. Vorrang mitgliedstaatlicher Übereinkommen . . . . . . . . . . 471 a) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 aa) Deutsch-iranisches Niederlassungsabkommen vom 17.2.1929 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 bb) Deutsch-türkischer Konsularvertrag vom 28.5.1929 – Nachlassabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 cc) Deutsch-sowjetischer Konsularvertrag vom 25.4.1958 . 472 b) Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 aa) Freundschafts- und Niederlassungsvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Kaiserreich Iran vom 9.9.1959 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 bb) Freundschaftsvertrag zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik vom 28.1.1924 . . . . . . 473 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 3. Anpassung dinglicher Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 4. Ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 IV. Praktische Relevanz des unvollständigen europäischen Entscheidungseinklangs – Pflicht zur kollisionsrechtlichen Überprüfung des Europäischen Nachlasszeugnisses durch den Verwendungsstaat? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 1. Grundproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 2. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477

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V.

XXXIII

a) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 b) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 c) Historische und genetische Auslegung . . . . . . . . . . . . 480 d) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 Umgang mit dem unvollständigen europäischen Entscheidungseinklang und Perspektiven des europäischen Kollisionsrechts . . . 486

C. Das Europäische Nachlasszeugnis und das europäische und deutsche Güterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 I. Verbundzuständigkeit gemäß Art.  4 EuGüVO und Europäisches Nachlasszeugnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 II. Güterrechtliche Implikationen im Europäischen Nachlasszeugnis . 492 1. Die Ausweisung von Erbquoten in Erbnachweisen und ihre praktische Bedeutung in der Nachlassabwicklung . . . . . . . . 492 2. Die Ausweisung des Viertels gemäß §  1371 Abs.  1 BGB im Europäischen Nachlasszeugnis – die Mahnkopf-Entscheidung des EuGH vom 1.3.2018 – C-558/16 . . . . . . . . . . . . . . 493 a) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 b) Historische und genetische Auslegung . . . . . . . . . . . . 495 c) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 d) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 3. Der Einfluss der erbrechtlichen Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB auf die Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 4. Die Ausweisung des Viertels gemäß §  1371 Abs.  1 BGB im Erbschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 5. Folgeprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 a) Die potentielle Ausstrahlungswirkung der MahnkopfEntscheidung des EuGH vom 1.3.2018 – C-558/16 auf die güterrechtlichen Systeme anderer Mitgliedstaaten . . . . . . 501 b) Der Wandel der Anpassungsprobleme nach der MahnkopfEntscheidung des EuGH vom 1.3.2018 – C-558/16 . . . . . 503 D. Vorbildfunktion des Europäischen Nachlasszeugnisses? – Überlegungen zur Einführung einer Europäischen Personenstandsurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 I. Freizügigkeit von Personenstandsurkunden in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507

XXXIV

Inhaltsverzeichnis

II. Wirkungen der Europäischen Personenstandsurkunde . . . . . . . 509 III. Internationalprivatrechtliche Methoden zur unionsweiten Verkehrsfähigkeit des Inhalts einer Europäischen Personenstandsurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 1. Sachrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 2. Anerkennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 a) Problemkreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 aa) Missbrauch und Gesetzesumgehungen . . . . . . . . . . 514 bb) Aufgedrängte Anerkennungslagen . . . . . . . . . . . . 515 cc) Anerkennung inhaltlich falscher Rechtslagen . . . . . . 515 dd) Ordre public-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 b) Vorteile der Anerkennungslösung . . . . . . . . . . . . . . . 516 3. Verweisungsprinzip und Kollisionsrechtsvereinheitlichung (kollisionsrechtliche Lösung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 IV. Verfahrensrechtliche Aspekte einer Europäischen Personenstandsurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 1. Zuständigkeit für die Ausstellung einer Europäischen Personenstandsurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 2. Antragsberechtigte Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 3. Änderungen der maßgeblichen Tatsachen für den Inhalt einer Europäischen Personenstandsurkunde . . . . . . . . . . . . . . 520 4. Uneingeschränkte Wirkungserstreckung . . . . . . . . . . . . . 520 5. Verhältnis der Europäischen Personenstandsurkunde zu nationalen Personenstandsurkunden . . . . . . . . . . . . . . . 521 6. Das Zusammenspiel von Europäischer Personenstandsurkunde und Europäischem Nachlasszeugnis . . . . . . . . . . . . . . . 521 E. Das Europäische Nachlasszeugnis im Verhältnis zum supranationalen Erbnachweis des Haager Übereinkommens vom 2. Oktober 1973 über die internationale Verwaltung von Nachlässen . . . . . . . . . . . 522 I. Synoptischer Vergleich der Wirkungskonzeption . . . . . . . . . . 523 1. Vereinheitlichung der Kollisionsnormen . . . . . . . . . . . . . 523 2. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 3. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung . . . . . . . . . 525 4. Anerkennungsverweigerungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . 526 5. Die Behandlung der Kollision zwischen Haager Nachlasszeugnis und Europäischem Nachlasszeugnis . . . . . . . . . . . . . . . 529 II. Das Haager Nachlasszeugnis im Anerkennungs- und Annahmeregime der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529

Inhaltsverzeichnis

XXXV

III. Strukturmerkmale eines internationalen Erbnachweises . . . . . . 530 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 F. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532

Siebtes Kapitel: Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . 535 A. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse . . . . . . . . . . . 535 I. Vielfältigkeit der Erbnachweise in der Europäischen Union . . . . 535 II. Das allgemeine Verhältnis zwischen Europäischem Nachlasszeugnis und nationalen Erbnachweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 III. Die materiellrechtlichen Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 IV. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 V. Widerruf und Änderung des Europäischen Nachlasszeugnisses sowie Aussetzung der Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 VI. Ausgewählte Rechtsprobleme des Europäischen Nachlasszeugnisverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 VII. Grenzüberschreitende Verkehrsfähigkeit von Europäischem Nachlasszeugnis und mitgliedstaatlichen Erbnachweisen . . . . . 548 VIII. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 IX. Das Europäische Nachlasszeugnis im europäischen und internationalen Gefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 X. Praktische Empfehlung für den deutschen Rechtsanwender – Die Attraktivität von Europäischem Nachlasszeugnis und Erbschein in der Nachlassabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . 557 B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581

Abkürzungsverzeichnis § Paragraph % Prozent a.A. andere Ansicht a.E. am Ende a.F. alte Fassung a.M. am Main ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch Abs. Absatz AcP Archiv für civilistische Praxis AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AG Aktiengesellschaft, Amtsgericht AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen Anh. Anhang Anm. Anmerkung AnwBl Österreichisches Anwaltsblatt Art. Artikel Aufl. Auflage AußStrG Außerstreitgesetz AVAG Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz BaKo

Basler Kommentar zum schweizerischen Bundesgesetz über das internationale Privatrecht BayObLGZ Sammlung des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen BC Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling BDR Bund Deutscher Rechtspfleger BeckOGK beck-online.Großkommentar BeckOK-BGB Beck’scher Online-Kommentar BGB BeckOK-FamFG Beck’scher Online-Kommentar FamFG BeckOK-GBO Beck’scher Online-Kommentar GBO BeckRS Elektronische Entscheidungsdatenbank in beck-online Begr. Begründer(in) Beschl. Beschluss BeurkG Beurkundungsgesetz BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGer Bundesgericht BGH Bundesgerichtshof BGHZ Sammlung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BR-Drs. Bundesratsdrucksache

XXXVIII

Abkürzungsverzeichnis

Brüssel Ia-VO

Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands Brüssel IIa-VO Verordnung (EG) Nr.  2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr.  1347/2000 Bsp. Beispiel(e) BT-Drs. Bundestagsdrucksacke BWNotZ Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg bzw. beziehungsweise CHK

Handkommentar zum Schweizer Privatrecht

d.h. DB DNotI-Studie

das heißt Der Betrieb Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen des Internationalen Verfahrensrechtes und Internationalen Privatrechts der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union DNotV Deutscher Notarverein DNotZ Deutsche Notar-Zeitschrift dt. deutsch EF-Z Zeitschrift für Familien- und Erbrecht EG Europäische Gemeinschaften EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Einl. Einleitung EMRK Europäische Menschenrechtskonvention endg. endgültig engl. Englisch EO Exekutionsordnung ERPL European Review of Private Law ErbR Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis ErwG Erwägungsgrund EU Europäische Union EuBagatellVO Verordnung (EG) Nr.  861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen EuErbVO Verordnung (EU) Nr.  650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses EuGH Gerichtshof der Europäischen Union EuGüVO Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzu-

Abkürzungsverzeichnis

EuIPR EuKoPfVO

EuMahnVO EuPartVO

EuUnthVO EuUrkVO

EUV EuVTVO EuZPR EuZW EWS

XXXIX

wendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands Europäisches Kollisionsrecht Verordnung (EU) Nr.  655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EG) Nr.  1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens Verordnung (EU) 2016/1104 DES RATES vom 24. Juni 2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften Verordnung (EG) Nr.  4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen Verordnung (EU) 2016/1191 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern durch die Vereinfachung der Anforderungen an die Vorlage bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr.  1024/2012 Vertrag über die Europäische Union Verordnung (EG) Nr.  805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen Europäisches Zivilprozessrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht

f. / ff. FamFG

folgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht FBG Firmenbuchgesetz FGPrax Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Fn. Fußnote frz. französisch FS Festschrift GBG Allgemeines Grundbuchsgesetz GBMaßnG Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete des Grundbuchwesens GBO Grundbuchordnung GBV Verordnung zur Durchführung der Grundbuchordnung GG Grundgesetz Ghrsg. Gesamtherausgeber(in) GKG Gerichtskommissärsgesetz

XL

Abkürzungsverzeichnis

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GNotKG Gerichts- und Notarkostengesetz GPR Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union GS Gedächtnisschrift GVG Gerichtsverfassungsgesetz GWR Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht HGB Handelsgesetzbuch h.L. herrschende Lehre h.M. herrschende Meinung HNVÜ Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über die internationale Verwaltung von Nachlässen Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz HUP Protokoll vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht HWBEuP Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts i.e. id est i.S.d. im Sinne des/der i.V.m. in Verbindung mit iFamZ Interdisziplinäre Zeitschrift für Familienrecht IntErbRVG Internationales Erbrechtsverfahrensgesetz IPR Internationales Privatrecht IPRax Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts IPRG Schweizerisches Bundesgesetz über das internationale Privatrecht it. italienisch IZVR Internationales Zivilverfahrensrecht JAP Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung JBl Juristische Blätter JEV Journal für Erbrecht und Vermögensnachfolge JN Jurisdiktionsnorm Jura Juristische Ausbildung jurisPK juris PraxisKommentar BGB JuS Juristische Schulung JVEG Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KG Kammergericht KOM Kommission der Europäischen Union KV Kostenverzeichnis LG Landgericht lit. Buchstabe

Abkürzungsverzeichnis m.w.N. MDR MittBayNot MittRhNotK MPI Motive MüKoBGB MüKoFamFG MüKoHGB MüKoZPO

XLI

mit weiteren Nachweisen Monatszeitschrift für Deutsches Recht Mitteilungen des Bayrischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Motive zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zum Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung

n.F. neue Fassung NBW Nieuw Burgerlijk Wetboek NdsRpfl Niedersächsische Rechtspflege NJOZ Neue Juristische Online-Zeitschrift NJW Neue Juristische Wochenzeitschrift NJW-RR NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht NK-BGB Nomos Kommentar BGB notar Monatszeitschrift für die gesamte notarielle Praxis NotBZ Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis Nr. Nummer NZ Österreichische Notariatszeitung NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht ÖJZ Österreichische Juristen-Zeitung OLG Oberlandesgericht OLGR OLG-Report PStG Personenstandsgesetz PWW Prütting / Wegen / Weinrich, BGB Kommentar RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RGZ Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rn. Randnummer RNotZ Rheinische Notarzeitschrift Rom I-VO Verordnung (EG) Nr.  593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Rom II-VO Verordnung (EG) Nr.  593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom  I-VO“); Verordnung (EG) Nr.  864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Rom III-VO Verordnung (EU) Nr.  1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die

XLII

Rpfleger RPflG

Abkürzungsverzeichnis Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegergesetz

S. Satz, Seite SchRegO Schiffsregisterordnung SchRegDV Verordnung zur Durchführung der Schiffsregisterordnung StAZ Das Standesamt SZ Entscheidungen des Österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivilsachen SZIER Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht Teilurt. Teilurteil u.a. unter anderem UAbs. Unterabsatz UGB Unternehmensgesetzbuch Urt. Urteil usw. und so weiter u.U. unter Umständen v. von Var. Variante VerschG Verschollenheitsgesetz vgl. vergleiche VO Verordnung Vorb. Vorbemerkung WM Wertpapiermitteilungen z.B. Zak ZErb Zeugnis ZEuP ZEV ZfRV

zum Beispiel Zivilrecht aktuell Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Europäisches Nachlasszeugnis Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung ZGB Zivilgesetzbuch ZPO Zivilprozessordnung ZSR Zeitschrift für Schweizerisches Recht ZürKo Zürcher Kommentar zum schweizerischen Bundesgesetz über das interna­ tio­nale Privatrecht ZVglRWiss Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft

Erstes Kapitel

Einleitung A. Thematische Hinführung I. Einführung Das unionsrechtliche Freizügigkeitsrecht gemäß Art.  21 AEUV eröffnet jedem Unionsbürger, verschiedene Facetten seines Lebens individuell auszugestalten. Die Begründung eines Wohnsitzes, die Ausübung eines Berufes, die Gründung einer Familie oder der Aufbau und die Anlegung von Vermögen können grundsätzlich in jedem Mitgliedstaat der EU unternommen werden.1 Von diesem Recht machen derzeit etwa 12 Millionen EU-Bürger Gebrauch.2 Ein Umzug in einen anderen Mitgliedstaat bedeutet derweil nicht zwingend die vollständige Konzentration der Lebensweise auf den Zuzugstaat und die Abwendung vom Wegzugstaat. Ein Teil des Vermögens kann weiterhin im früheren Mitgliedstaat belegen sein – ferner ist auch nicht ausgeschlossen, dass Vermögen in anderen Mitgliedstaaten oder gar Drittstaaten existiert; oder die übrige (intakte) Familie verbleibt im früheren Mitgliedstaat, zu der der weggezogene Unionsbürger nach wie vor eine sehr enge persönliche Beziehung hat. Die Ausübung des Freizügigkeitsrechts steht gleichsam in Wechselwirkung zum Lebensende. In dem Tod setzt sich die Freizügigkeit regelmäßig dergestalt fort, als der Nachlass des Erblassers den persönlichen und vermögensbezogenen Lebensweg widerzuspiegeln vermag: Der Erblasser, der zeit seines Lebens reiselustig war und sich hier und dort in der EU stets für wenige Jahre niederließ, hinterlässt womöglich ein Vermögen, das in nicht wenigen Mitgliedstaaten verstreut ist. Nach dem Erbfall stellt sich für die Rechtsnachfolger des Erblassers und sonstige Berechtigte am Nachlass die Frage nach der Abwicklung des Nachlasses, für die jeder Mitgliedstaat im nationalen Erb- und Erbverfahrensrecht eigene Regeln aufstellt. Die Nachlassabwicklung kann von einfacher Natur – wenn der Nachlass etwa überschaubar ist und es nicht viel abzuwickeln gibt – oder komplex 1 

Vgl. Calliess/Ruffert/Kluth, Art.  21 AEUV Rn.  4 sowie Calliess/Ruffert/Brechmann, Art.  45 AEUV Rn.  1. 2  Laukemann, in: Hess/Bergström/Storskrubb, EU civil justice, 2016, 161.

2

Erstes Kapitel: Einleitung

sein. Komplex ist sie dann regelmäßig, wenn der Erbfall grenzüberschreitende Bezüge hat, d.h. der Erblasser z.B. Vermögen im Ausland besaß oder im Ausland verstorben ist, wo er auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.3 Rechtliche Relevanz entsteht dann in Bezug auf das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht, während praktische Relevanz sich darin offenbart, dass der Zugriff auf den Nachlass vor nicht unerheblichen faktischen Hürden stehen kann, namentlich wenn der Aufenthaltsort der Erben und der Ort des Nachlassvermögens weit auseinanderliegen. Ein Alleinerbe, der in Finnland lebt, scheut vermutlich die Mühen, die von ihm abverlangt werden, wenn eine in Portugal belegene Immobilie in den Nachlass fällt. Ein Transport wie bei beweglichen Nachlassgegenständen an den Aufenthaltsort des Erben ist nicht möglich. Eine persönliche Begutachtung der Immobilie durch den Erben ist zwar nicht erforderlich, wenn etwa ein Immobilienmakler mit dem Verkauf der Immobilie beauftragt wird und es dem Erben lediglich auf den Erlös aus dem Verkauf ankommt. Doch wird der Erbe vor Ort erscheinen, wenn er das Mobiliar und die sonstigen Gegenstände, die sich in der Immobilie befinden, aussondern will und er ohnehin eine so enge Beziehung zum Erblasser hatte, dass er sich der persönlichen Auseinandersetzung mit dem Nachlass aus Pietätsgründen nicht entziehen will. Das ist bei Abkömmlingen des Erblassers als Erben regelmäßig zu erwarten. Jährlich soll es in der EU etwa 450.000 Erbfälle – das sind etwa 5–10  % aller Erbfälle – mit Auslandsberührung geben, die einen Gesamtwert von ca. 123 Milliarden Euro haben.4 In Anbetracht der stetig wachsenden Mobilität5 innerhalb der EU und der Flüchtlingsströme nach Europa ist zu vermuten, dass die Anzahl der internationalen Erbfälle künftig noch steigen wird oder zumindest konstant bleibt. Für die Erben, die sich mit dem Nachlass auseinanderzusetzen haben, ändert der internationale Charakter des Erbfalls nichts an ihren Interessen, die gleichermaßen auch bei rein inländischen Nachlassabwicklungen maßgeblich sind. Die Erben wollen möglichst einfach, schnell und kostengünstig den Nachlass abwickeln.6 Der internationale Charakter des Erbfalls erschwert in aller Regel zunächst die tatsächliche Inbesitznahme desjenigen Teils des Nachlasses, der 3  Mögliche weitere Kriterien, die die Komplexität der Nachlassabwicklung beeinflussen können, sind etwa die Größe und Belegenheit des Nachlassvermögens, die persönlichen Voraussetzungen der Berechtigten (junge, ältere, langwierige Erben; Aufenthaltsort der Erben), bisweilen auch die wirtschaftliche und politische Situation im Zeitpunkt des Erbfalls. 4  Pressemitteilung der Europäischen Kommission, IP/12/576, vom 7.6.2012. 5  So auch prognostizierend für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner im Rahmen des internationalen Familienrechts Buschbaum, GPR 2014, 4. 6  Vgl. BGH, Urt. v. 5.4.2016 – XI ZR 440/15, BGHZ 209, 329 (334) = NJW 2016, 2409 (2410); BGH, Urt. v. 7.6.2005 – XI ZR 311/04, NJW 2005, 2779 (2780); Wagner, DNotZ 2010, 506 (507 f.).

A. Thematische Hinführung

3

für die Erben aufgrund seines Belegenheitsorts nicht unmittelbar greifbar ist, unabhängig davon, ob der Erbfall kollisionsrechtlich problematisch ist oder nicht.7 Kommt dem Erbfall der internationale Charakter nur deshalb zu, weil der Erblasser eine Rechtswahl zugunsten seines Heimatrechts getroffen hat, wird die Nachlassabwicklung für die Erben nicht unwesentlich komplexer, wenn sie mit dem gewählten Recht und dessen Implikationen für die Nachlassabwicklung nicht vertraut sind. Während die konkrete Durchführung der Nachlassabwicklung von den Umständen des Einzelfalls abhängt, steht zu Beginn die Frage nach den Instrumenten, mit denen die Nachlassabwicklung tatsächlich und – wichtiger – mit rechtlicher Absicherung betrieben werden kann. II. Erforderlichkeit eines Nachweises des Erbrechts und sonstiger Berechtigungen Der Tod einer Person ist für den Rechtsverkehr zunächst nicht erkennbar. Die Manifestation des Todes einer Person in einer förmlichen Art gelingt z.B. mit einer Sterbeurkunde8 oder mit einer Todeserklärung9. Die Manifestation erb­ rechtlicher Berechtigungen bedarf gleichfalls einer Verkörperung in einem physischen Papier. Der Tod einer Person bildet ein Faktum, das Einfluss auf die Rechtsverhältnisse des nunmehrigen Erblassers hat, als dessen Gesamtrechtsnachfolger in die gesamte Rechtsstellung des Erblassers eintreten.10 Das Vertrauen auf dieses Faktum, das dem Rechtsverkehr – plastisch formuliert – durch das Gerede von Erbprätendenten beigebracht wird, ohne einen förmlichen Nachweis, gleichgültig zunächst, wie dieser Nachweis verfahrensrechtlich entsteht, ist äußerst rechtsunsicher, gerade wenn sich im Nachgang herausstellt, dass die redseligen Erbprätendenten niemals Erben waren. Fast jeder Mitgliedstaat sieht zumindest die Möglichkeit der Einholung eines förmlichen Papiers, des sog. Erbnachweises, vor.11 Die Funktion des Erbnachweises spiegelt sich vornehmlich in den ihr zugewiesenen Wirkungen wider, die von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat teilweise erheblich variieren, weil seine konkrete Ausgestaltung maßgeblich vom jeweiligen Erbrechtssystem abhängt.12 Allgemein lässt sich festhalten, dass der Erbnachweis entsprechend seinem Wortlaut bezweckt, seinen Inhaber für die Nachlassangelegenheiten zu legitimieren.13 Die potentiellen Wirkungen, die einem Erbnachweis zugewiesen werden können, Vgl. Ferid, in: FS Cohn, 1975, 31. Vgl. §  60 PStG im deutschen Recht. 9  Vgl. §  9 VerschG im deutschen Recht. 10  Vgl. §  1922 Abs.  1 BGB im deutschen Recht. 11  Vgl. zu ausgewählten mitgliedstaatlichen Erbnachweisen das 2. Kap., A., II., S.  17 ff. 12  HWBEuP/Wenckstern, S.  413 f. 13  Vgl. für den Erbschein Lieder, Jura 2010, 801. 7  8 

4

Erstes Kapitel: Einleitung

stecken eine große Bandbreite ab und erfassen die materielle Rechtskraft, Gutglaubenswirkungen, widerlegliche Erbvermutungen, die Möglichkeit des Schadensersatzes bei fehlerhafter Sachverhaltsdokumentation sowie die Sachverhaltsdokumentation ohne Richtigkeitsgewähr.14 Wenngleich der Nachweis des Erb­rechts der Erben in der Praxis die größte Rolle spielt, darf nicht übersehen werden, dass auch andere Beteiligte in der Nachlassabwicklung eines förmlichen Dokuments bedürfen. So sollte ein Testamentsvollstrecker, der vom Erblasser durch Verfügung von Todes wegen mit der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses betraut wird, gleichermaßen seine Befugnisse im Rechtsverkehr nachweisen können.15 Der Nachweis des Erb­rechts und sonstiger Berechtigungen am Nachlass erstreckt sich grundsätzlich auf den ganzen Erbfall, mithin auf das ganze Nachlassvermögen. Daher könnte der Erbe aus dem Eingangsbeispiel versuchen, mithilfe des finnischen Erbnachweises seine Erbenstellung vor der portugiesischen Grundbuchbehörde nachzuweisen, um als Eigentümer des Nachlassgrundstückes in das Grundbuch eingetragen zu werden. Da zwei Rechtsordnungen – die finnische und die portugiesische – kollidieren, stellen sich eine Vielzahl rechtlicher Fragen im Hinblick darauf, ob und inwieweit der Nachweis der Erbenstellung in Portugal gelingen mag. Die Verwendung eines Erbnachweises in einem anderen Staat vereint insbesondere ein Gemenge internationalprivatrechtlicher und internationalzivilverfahrensrechtlicher Problemstellungen, weil sie die Autonomie dieses Staates tangiert; der Staat kann grundsätzlich selbst entscheiden, wie er mit dem ausländischen Erbnachweis insbesondere in wirkungsrechtlicher Hinsicht umgeht. Die Problematik ist im Bereich der Anerkennung ausländischer Urteile bzw. Entscheidungen, wie sie im deutschen autonomen Recht in §  328 ZPO oder §  108 FamFG normiert ist, angesiedelt. Im europäischen Kontext verlagert sich das Gemenge noch auf eine höhere Ebene, als im Hinblick auf das IPR und IZVR nicht ein einzelner Staat, sondern ein Staatenverbund betrachtet werden muss.

14  So HWBEuP/Wenckstern, S.  413, allerdings ohne Erbnachweise bestimmter Staaten zu bezeichnen. Die Möglichkeit des Schadensersatzes bei fehlerhafter Sachverhaltsdokumen­ta­ tion sieht etwa das französische Recht mit seinem acte de notoriété. Ein Notar, der die Urkunde pflichtwidrig unrichtig ausstellt, ist zum Schadensersatz verpflichtet, vgl. Kleinschmidt, ­RabelsZ 77 (2013), 723 (729) in Fn.  18 m.w.N. Gleiches gilt für die belgische Notorietätsurkunde, wenn der Notar seine Ermittlungs- und Prüfungspflichten verletzt, vgl. Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (182). 15  Im deutschen Recht gelingt dies mit einem Testamentsvollstreckerzeugnis gemäß §  2368 BGB, das bei einer extensiven Auslegung wohl noch unter den Begriff des Erbnachweises gefasst werden kann, zumindest jedoch funktionelle Äquivalenz zu ihm besitzt.

A. Thematische Hinführung

5

III. Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses in der Europäischen Union Der Unionsgesetzgeber hat mit der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO)16, die am 17.8.2015 in Kraft getreten ist, nach den Rom-Verordnungen17 das vierte kollisionsrechtliche Instrument im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen geschaffen. Die EuErbVO gilt für alle Mitgliedstaaten außer das Vereinigte Königreich und Irland (vgl. ErwG 82) sowie Dänemark (vgl. ErwG 83).18 Die EuErbVO wurde zum damaligen Zeitpunkt als das bisher ambitionierteste Projekt im Hinblick auf den Rechtsvereinheitlichungsprozess in der EU angesehen.19 Sie hebt sich von den anderen Verordnungen dahingehend ab, als sie neben dem Erbkollisionsrecht zugleich die internationale Zuständigkeit für Erbsachen vereinheitlicht. Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht die Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses20, das wie das Kollisionsrecht und das Zuständigkeitsrecht eine wesentliche Säule des europäischen internationalen Erb­rechts bildet. Mitunter wird das Zeugnis als „Meilenstein“21 und als kleiner „Quantensprung“22 in der Europäisierung des IPR betitelt.23 Aus praktischer Sicht wird die Einführung des Zeugnisses als Legitimationspapier für den Zugriff auf den Nachlass in jedem Mitgliedstaat als „Verwirklichung eines europäischen Wunschtraums“24 eingeordnet. Ein besonderes 16 

Verordnung (EU) Nr.  650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses. 17  Verordnung (EG) Nr.  593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I-VO“); Verordnung (EG) Nr.  864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom  II-VO“); Verordnung (EU) Nr.  1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts („Rom III-VO“). 18  Wenn deshalb in der vorliegenden Arbeit von „Mitgliedstaaten“ gesprochen wird, sind alle Mitgliedstaaten außer das Vereinigte Königreich, Irland und Dänemark gemeint. 19  Müller-Lukoschek, NotBZ 2014, 361 (372). 20  Nachfolgend wird der Begriff „Europäisches Nachlasszeugnis“ zur besseren Lesbarkeit mit dem Begriff „Zeugnis“ (wie es auch der Verordnungstext handhabt) abgekürzt (außer in den Überschriften). 21  Dörner, ZEV 2012, 505 (512). 22  Dutta, FamRZ 2013, 4 (14). 23  Die Idee eines internationalen Erbnachweises war kein Novum, vgl. im Hinblick auf den supranationalen Erbnachweis nach dem Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über die internationale Verwaltung von Nachlässen das 6. Kap., E., S.  522 ff. 24  Süß, ZEuP 2013, 725 (728); zustimmend Wittwer, AnwBl 2015, 87.

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Erstes Kapitel: Einleitung

Merkmal ist ferner, dass das Zeugnis als 29. Regime25 ausgestaltet ist. All diese mit einem positiven Unterton verbundenen Paraphrasen deuten bereits auf eine Schlüsselstellung des Zeugnisses in der Gesamtkonzeption der EuErbVO und seiner hervorragenden Bedeutung für die Erleichterung der internationalen Nachlassabwicklung hin.26 Das Zeugnis bettet sich entsprechend seiner Schlüsselstellung in die EuErbVO ein und muss daher stets von der Gesamtkonzeption der EuErbVO her interpretiert werden: Sowohl das Kollisionsrecht (Art.  67 Abs.  1, 68 lit.  i EuErbVO) als auch die Vorschriften zur internationalen Zuständigkeit (Art.  64 i.V.m. Art.  4, 7, 10, 11 EuErbVO) schlagen auf das Zeugnis durch. Die Vorschriften zur Anerkennung von Entscheidungen nach Art.  39 ff. EuErbVO und zur Annahme öffentlicher Urkunden nach Art.  59 EuErbVO beeinflussen ebenfalls das Zeugnis – zumindest in dessen Auslegung und Interpretation im Lichte der Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO. Im Zeugnis kumuliert sich gewissermaßen eine Bandbreite von Regelungen der EuErbVO, was in Anbetracht seiner Funktion als europäischer Erbnachweis, der den Erbfall gleichsam dokumentarisch zusammenfasst, nicht anders zu erwarten war. Die praktischen, rechtlichen und politischen Dimensionen, die das Zeugnis mit sich bringt, sind vielfältig. Der Unionsgesetzgeber hat eine Zweckbestimmung in Art.  63 Abs.  1 EuErbVO unternommen, wonach das Zeugnis dazu dient, durch Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter, die sich in einem anderen Mitgliedstaat auf ihre Rechtsstellung berufen oder ihre Rechte als Erben oder Vermächtnisnehmer oder ihre Befugnisse als Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter ausüben müssen, verwendet zu werden. Daran zeigt sich bereits die Reichweite des praktischen Nutzens des Zeugnisses für seine Adressaten und den Rechtsverkehr. In Anbetracht des Umstandes, dass der Inhalt des Zeugnisses maßgeblich vom Erbstatut abhängig ist (Art.  67 Abs.  1, 68 lit.  i EuErbVO), sind mitgliedstaatliche erbrechtliche Einflüsse nicht zu bestreiten. Sichtbar wird dieser Einfluss allerdings nicht nur am Zeugnis selbst, sondern auch an den anderen Säulen der EuErbVO. Im Kollisionsrecht ist etwa die Wende zum Aufenthaltsprinzip zu nennen, die eine eindeutige Absage an das Staatsangehörigkeitsprin25 

Unionale Rechtsinstrumente, die dem 29. Regime gehören, zeichnen sich dadurch aus, dass deren Regelungen bezwecken, durch ein inhaltlich überlegenes Regime des Unionsrechts die nationalen Regelungen möglichst schonend abzulösen, so Hess/Jayme/Pfeiffer, Heidelberg-Stellungnahme, S.  50 in Fn.  184 (freilich noch als 28. Regime bezeichnet, da der EU zum Zeitpunkt der Erstellung der Stellungnahme 27 Mitgliedstaaten angehörten). Kritisch zur Terminologie und Begrifflichkeit Basedow, in: FS Säcker, 2011, 29 (33). 26  Vgl. ErwG 67 S.  1 („zügige, unkomplizierte und effiziente Abwicklung einer Erbsache mit grenzüberschreitendem Bezug innerhalb der Union“).

A. Thematische Hinführung

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zip, das im autonomen Erbkollisionsrecht vieler Mitgliedstaaten galt,27 darstellt. Im internationalen Zuständigkeitsrecht sei beispielsweise auf die Funktion von Notaren bei der Ausübung gerichtlicher Funktionen hinzuweisen (ErwG 20, 21, 22). Die überaus heterogenen Erbrechtssysteme der Mitgliedstaaten in der Verordnung bzw. in der Ausgestaltung des Zeugnisses möglichst interessengerecht und konsensual zusammenzuführen, war eine große und ehrgeizige Aufgabe, deren Erfüllung viele Kompromisse einforderte.28 Das lässt sich etwa an der endgültigen Ausgestaltung des erbrechtlichen Gutglaubensschutzes, der durch das Zeugnis vermittelt wird (Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO), festmachen: Sie ist das Ergebnis eines Kompromisses29, das dennoch für jene Mitgliedstaaten, deren Erbnachweis den Rechtsverkehr vergleichsweise schwach schützt und die deshalb durch die Eröffnung des Gutglaubensschutzes eine zu starke Belastung des wahren Berechtigten befürchten, nicht ganz genehm sein mag. Darüber hinaus wurde die Einführung des Zeugnisses mit seinen internationalprivatrechtlichen Implikationen – vor allem dem Primat des Aufenthaltsprinzips sowie der Einheit des Erbstatuts und der damit einhergehenden Abkehr vom lex fori-Prinzip für das Abwicklungsstatut und von der lex rei sitae-Regel für unbewegliches Nachlassvermögen – als so bahnbrechend und einschneidend rezipiert, dass das Vereinigte Königreich aus diesen Gründen nicht an der EuErbVO teilnehmen wollte.30 Es zeigt sich, dass hinter der Einführung des Zeugnisses besondere Brisanz steckt, die bei der Auslegung und Interpretation des Zeugnisses immer wieder vergegenwärtigt werden sollte. IV. Relevanz des Europäischen Nachlasszeugnisses in Deutschland Die deutsche Bundesregierung prognostiziert in ihrer Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften anlässlich der Durchführungsgesetzgebung zur EuErbVO, dass jährlich etwa 6000 Zeugnisse von den Nachlassgerichten ausgestellt und im Nachgang ggf. berichtigt, geändert oder widerrufen werden.31 Bedenke man darüber hinaus die Verfahren zur Erteilung einer beglaubigten Abschrift, zur Verlängerung der Gültigkeitsfrist einer beglaubigten Abschrift eines Zeugnisses oder zur Aussetzung der Wirkungen eines Zeugnisses, erhöhe sich die Zahl der Verfahren in Bezug auf das Zeugnis auf 27 

Vgl. z.B. Art.  25 EGBGB a.F., Art.  28 österreichisches IPRG a.F., Art.  46 italienisches IPRG a.F. 28  Vgl. etwa Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102 (106 f.). 29  Hierzu näher unten im 3. Kap., D., III., 2., a), S.  287 ff. 30  Siehe unten im 5. Kap., C., IV., 2., S.  438 ff. 31  RegE, BT-Drs. 18/4201, 41.

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Erstes Kapitel: Einleitung

etwa 7000.32 Die auf den ersten Blick verblüffend geringe Anzahl sei darin begründet zu sehen, dass sich in den schätzungsweisen 60000 Erbfällen mit Bezug zum EU-Ausland pro Jahr in Deutschland der Bedarf für die Verwendung eines Zeugnisses in überschaubaren Grenzen hält.33 Grund hierfür sei zum einen die Tatsache, dass selbst ein Erbschein nur rund in einem Viertel der Erbfälle in Deutschland beantragt wird.34 Zum anderen falle die Erforderlichkeit der Verwendung eines Zeugnisses deshalb oftmals weg, weil der internationale Charakter des Erbfalls schlicht darin liege, dass ein EU-Ausländer in Deutschland verstirbt und nur Vermögen in Deutschland hinterlässt oder weil Nachlassvermögen im EU-Ausland belegen ist, für das ein Schutz über das Zeugnis nicht notwendig ist, z.B. bei Belegenheit ausschließlich von Privatbesitz des Erblassers im EU-Ausland.35 Statistische Erhebungen im Hinblick auf die Nachfrage nach einem Zeugnis in Deutschland liegen bedauerlicherweise (noch) nicht vor. Für die praktische und rechtliche Relevanz des Zeugnisses hat die Betrachtung der deutschen Einschätzung natürlich wenig Aussagekraft, da das Zeugnis in allen Mitgliedstaaten zur Verfügung steht.

B. Gegenstand, Methodik und Eingrenzung der Untersuchung I. Untersuchungsgegenstand Gegenstand der Untersuchung ist das Zeugnis als europäisches Rechtsinstrument in der internationalen Nachlassabwicklung. Die (internationale) Nachlassabwicklung umfasst indes weit mehr als nur die Verwendung eines europäischen Erbnachweises. Sie beinhaltet namentlich auch Rechtsfragen der Art und Weise des Erwerbs der Erbschaft, der Erbengemeinschaft, der Erbenhaftung oder der Testamentsvollstreckung.36 Allgemein fallen in die Nachlassabwicklung alle Vorgänge, die zwischen dem Erbfall und der Ausschüttung des Nachlasses an die Berechtigten geschehen.37 Wenngleich sich aber die vorliegende Untersuchung auf das Zeugnis fokussiert, kommt den verschiedenen Stadien der Nachlassabwicklung auch im Zusammenhang mit dem Zeugnis Bedeutung zu, wenn dieses etwa die Erbquoten für die Auseinandersetzung der Miterben einer Erbengemeinschaft festhält. Die Untersuchung befasst sich im Schwerpunkt mit der Wir32 

RegE, BT-Drs. 18/4201, 41. RegE, BT-Drs. 18/4201, 41. 34  RegE, BT-Drs. 18/4201, 41. 35  RegE, BT-Drs. 18/4201, 41. 36  Vgl. Staudinger/Dörner, Art.  25 EGBGB Rn.  21. 37  Ferid, in: FS Cohn, 1975, 31 (32). 33 

B. Gegenstand, Methodik und Eingrenzung der Untersuchung

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kungskonzeption des Zeugnisses, in der sich der Nutzen für den europäischen Rechtsraum maßgeblich widerspiegelt, aber auch mit verfahrensrechtlichen Aspekten sowie mit überschießenden europäischen und internationalen Dimensionen, die sich am Zeugnis manifestieren. II. Rechtsvergleichende Methodik In Anbetracht der Koexistenz von Zeugnis und nationalen Erbnachweisen gemäß Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO38 und der Inlandswirkung des Zeugnisses gemäß Art.  62 Abs.  3 S.  2 EuErbVO39 bedient sich die Untersuchung für die wirkungsund verfahrensrechtlichen Aspekte der rechtsvergleichenden Methodik. Für den Rechtsvergleich wird die deutsche und österreichische Rechtsordnung herangezogen, so dass der Erbschein respektive der Einantwortungsbeschluss untersucht werden. Der Erbschein und der Einantwortungsbeschluss stellen Erbnachweise im engeren Sinne dar, da die deutsche und österreichische Rechtsordnung sie mit dem Regelungsziel geschaffen haben, das Erb­recht formalisiert nach außen zu dokumentieren. Die Besonderheit der vorliegenden rechtsvergleichenden Betrachtung liegt darin, dass nicht (nur) mehrere Rechtsordnungen, die auf einer Ebene stehen, verglichen werden (Vergleich mehrerer mitgliedstaatlicher Rechtsordnungen), sondern mit dem europäischen Recht darüber hinaus eine supranationale Rechtsordnung beteiligt ist. Das impliziert im Allgemeinen Wechselwirkungen und Überlappungen insoweit, als das europäische Recht das deutsche und österreichische Recht durchdringt. III. Eingrenzung der Untersuchung Die Möglichkeit des Nachweises des Erb­rechts verschaffen nicht nur Erbnachweise im engeren Sinne, die ausschließlich in der rechtsvergleichenden Betrachtung berücksichtigt werden, sondern auch andere Rechtsinstitute, die grundsätzlich anderen Zwecken dienen und mit unterschiedlichen Wirkungen versehen sind (Erbnachweise im weiteren Sinne). Der Begriff „Erbnachweis“ ist untechnischer Natur40, weil ihn das Gesetz nicht verwendet (gleichwohl verwendet ihn der Privatrechtsverkehr41). Dies erlaubt es aber zur besseren Kategorisierung, zwischen Erbnachweisen im engeren und weiteren Sinne zu unterscheiden. Vorab ist es deshalb erforderlich, eine Eingrenzung und Abgrenzung in Bezug auf 38 

Siehe hierzu unten im 2. Kap., D., II., S.  35 ff. Siehe hierzu unten im 3. Kap., A., VII., S.  55 ff. 40  So HWBEuP/Wenckstern, S.  413. 41  Vgl. z.B. Nr.  5 Abs.  1 der AGB der Stadtsparkasse München, Fassung vom April 2021, abrufbar unter: (zuletzt abgerufen: 15.7.2021). 39 

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Erstes Kapitel: Einleitung

die Erbnachweise im engeren Sinne zu unternehmen. Aus deutscher Perspektive lassen sich für gewöhnlich drei verschiedene Erbnachweisstufen unterscheiden: Auf der höchsten Stufe steht der Erbschein mit der stärksten Legitimationskraft aufgrund der Wirkungen gemäß §§  2365 ff. BGB (und auf mindestens annähernd gleicher Stufe ist nunmehr auch das Zeugnis zu verorten42); ihm folgen mit ähnlicher, gleichwohl schwächerer Legitimationskraft Erbverträge (§§  2274 ff. BGB) und öffentliche Testamente (§  2232 BGB); zuletzt ist das privatschriftliche Testament als schwächster Erbnachweis zu nennen.43 Ferner können post- und transmortale Vollmachten in der Nachlassabwicklung eine Rolle spielen.44 Alle diese Erbnachweisformen – den Erbschein allerdings ausgeschlossen – haben nicht primär die Funktion, das Erb­recht nachzuweisen. Das öffentliche und privatschriftliche Testament dient der Bestimmung einer gewillkürten Erbfolge durch den Erblasser. Erst aus dem Testament ergibt sich die tatsächliche Erbfolge, die die gesetzliche Erbfolge (ggf. partiell) verdrängt, und erst sekundär und mittelbar kann darin auch der Nachweis des Erb­rechts gesehen werden, sofern keine Zweifel an der Erbfolge bestehen. Da insbesondere die Errichtung privatschriftlicher Testamente mit gewissen Risiken (z.B. Fälschung der Verfügung von Todes wegen, Unwirksamkeit der Verfügung von Todes wegen aufgrund ­eines Formmangels, Möglichkeit des Vorliegens anderer abweichender Verfügungen von Todes wegen sowie Gefahr der Rechtsunkenntnis und unklarer Formulierungen) behaftet ist, sind privatschriftliche Testamente zum zuverlässigen Nachweis des Erb­rechts kaum geeignet.45 Dies auch deshalb, weil sich der Vorlage eines privatschriftlichen Testaments nicht entnehmen lässt, ob nicht eine zeitlich vorrangige Verfügung von Todes wegen existiert, nach der sich die Erbfolge zu bestimmen hat.46 Eine Ausnahme stellen öffentliche Testamente dar, die mit bestimmten Errichtungsgarantien verbunden sind.47 Ähnliches gilt für Erbverträge.48 In eine andere Kategorie sind die post- und transmortalen Vollmachten auf bestimmte Vermögenspositionen bzw. Rechtsgeschäfte über das Vermö42 

beit.

Diese Aussage ist die Synthese der rechtsvergleichenden Untersuchungen in dieser Ar-

Kroiß, NJW 2016, 2411; zu dieser Entscheidung im Kontext der Legitimationswirkung des Erbscheins ausführlich unten im 3. Kap., B., III., 1., d), cc), S.  185 ff.; vgl. auch Günther, NJW 2013, 3681 f. 44  Vgl. hierzu Kroiß/Horn, NJW 2013, 516 f. 45  Vgl. BGH, Urt. v. 5.4.2016 – XI ZR 440/15, BGHZ 209, 329 (335) = NJW 2016, 2409 (2410 f.). 46  Soutier, Die Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung, S.  291. 47  Vgl. BGH, Urt. v. 7.6.2005 – XI ZR 311/04, NJW 2005, 2779; zustimmend Lieder, Jura 2010, 801. 48  Vgl. OLG München, Beschl. v. 28.10.2015 – 34 Wx 92/14, NJW-RR 2016, 523. 43 

B. Gegenstand, Methodik und Eingrenzung der Untersuchung

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gen des Erblassers einzuordnen, die vor allem bei der Abwicklung von Bankangelegenheiten relevant werden.49 Allerdings ist es nicht zwingend, dass der Bevollmächtigte Erbe ist. Demzufolge wird die Funktion des Nachweises des Erb­rechts schon nicht berührt. Jedenfalls treten die Erben nach dem Erbfall in das Verhältnis zwischen Erblasser und Bevollmächtigtem ein.50 Entscheidend ist nach alledem, dass diese Rechtsinstitute nicht mit (allen) spezifischen Wirkungen51, die für eine zügige Nachlassabwicklung von Bedeutung sind, ausgestattet sind. Dennoch kann diesen Rechtsinstituten eine – wenn auch begrenzte – Bedeutung im Kontext der EuErbVO nicht abgesprochen werden.52 Die praktische Relevanz und die Effektivität für die Nachlassabwicklung sind jedoch wegen der überragenden Wirkungen der Erbnachweise im engeren Sinne verschwindend gering. Dass der Unionsgesetzgeber nicht im Bereich der Erbnachweise im weiteren Sinne tätig wurde bzw. keinen Gedanken daran verlor, ergibt sich daraus, dass es sich bei diesen Erbnachweisen – anders als bei den Erbnachweisen im engeren Sinne, die im Grundsatz verfahrensrechtlicher Natur sind – um Ausprägungen des materiellen Erb­rechts handelt, für dessen Regulierung der Unionsgesetzgeber keine Gesetzgebungskompetenz hat (vgl. Art.  81 AEUV). Außerdem stand in der Praxis die Verkehrsfähigkeit der Erbnachweise im engeren Sinne im Fokus, weil Erben häufig versuchten, sich mithilfe des nationalen Erbnachweises im Ausland zu legitimieren. Abschließend muss im Hinblick auf den Inhalt des Zeugnisses eine Eingrenzung der zu untersuchenden erbrechtlichen Institute unternommen werden. Die Rechte und Befugnisse, die in das Zeugnis aufgenommen werden können, unterliegen bezüglich der Terminologie und der Ausgestaltung dem anwendbaren Erbstatut. Eine umfassende Zusammenschau jedweder mitgliedstaatlichen erb­ rechtlichen Institute kann die Arbeit nicht leisten. Den Ausgangspunkt bilden daher die Bezeichnungen der erbrechtlichen Institute des deutschen Rechts, die die freilich verordnungsautonom auszufüllenden Begrifflichkeiten der EuErbVO ausfüllen sollen. Oftmals finden die deutschen Rechtsinstitute ein funktionell äquivalentes Rechtsinstitut in einer der anderen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen. So existiert die Vor- und Nacherbschaft gemäß §  2100 BGB z.B. ebenso 49  Vgl. BGH, Urt. v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, BGHZ 127, 239 = NJW 1995, 250; Glenk, NJW 2017, 452. 50  MüKoBGB/Schubert, §  168 Rn.  57; zur Bedeutung post- und transmortaler Vollmachten im Grundbuchverfahren vgl. BeckOK-GBO/Wilsch, §  35 Rn.  78 ff. sowie zum Erlöschen einer transmortalen Vollmacht durch Konfusion OLG München, Beschl. v. 31.8.2016 – 34 Wx 273/16, NJW 2016, 3381. 51  Diese Wirkungen betreffen die Vermutungs-, Gutglaubens- und Legitimationswirkung, vgl. im Einzelnen unten im 3. Kap., B., S.  59 ff. 52  Siehe unten im 5. Kap., B., VI., S.  418 f.

12

Erstes Kapitel: Einleitung

in Österreich (§  608 ABGB), in Portugal (Art.  2286 ff. Código Civil) oder in Griechenland (Art.  1923 ff. grZGB), aber etwa nicht in Frankreich, wo der Grundsatz des Verbots der Vor- und Nacherbschaft mit partiellen Ausnahmen gilt53, in Luxemburg54 (Art.  896 Code Civil, mit Ausnahmen in Art.  897 Code Civil) oder in Belgien (Art.  896 beZGB). Soweit eine funktionelle Äquivalenz nicht besteht, werden die entsprechenden Unterschiede unmittelbar erörtert; im Übrigen soll das Zeugnis anhand des deutschen Erbstatuts dargestellt werden.

C. Gang der Untersuchung Die Untersuchung beginnt mit einer Skizzierung der Hintergründe zur Einführung des Zeugnisses, indem ausgewählte mitgliedstaatliche Erbnachweise betrachtet werden, eine erste Einordnung des Zeugnisses in das System der mitgliedstaatlichen Erbnachweise unternommen und die Rechtslage in Bezug auf die Behandlung internationaler Erbfälle mittels eines mitgliedstaatlichen Erbnachweises vor dem Inkrafttreten der EuErbVO dargelegt wird. Auch soll an dieser Stelle das Verhältnis des Zeugnisses zu den nationalen Erbnachweisen beleuchtet werden, das sich gleichsam wie ein roter Faden als Leitprinzip durch die nachfolgenden Kapitel zieht. Das dritte Kapitel befasst sich mit der Wirkungskonzeption der Erbnachweise (Erbschein, Einantwortungsbeschluss, Zeugnis), die den Schwerpunkt der Untersuchung bildet. Relevant wird, welchen praktischen Nutzen die Erbnachweise in der Nachlassabwicklung haben. Dabei werden nicht nur die Rechtswirkungen der Erbnachweise behandelt, sondern darüber hinaus Fragen des Zusammenspiels mehrerer Erbnachweise und der Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung, die einen unverzichtbaren Bestandteil der Wirkungskonzeption bilden. Anschließend wendet sich das vierte Kapitel ausgewählten Rechtsproblemen der Erbnachweisverfahren (Erbscheinsverfahren, Verlassenschaftsverfahren, Zeugnisverfahren) zu, denen die Leitfrage zugrunde liegt, inwieweit das Verfahrensrecht den Zugang zum Erbnachweis ausgestaltet und seinen praktischen Nutzen miteinbeflusst. Das fünfte Kapitel nimmt etwas Abstand vom Zeugnis an sich und befasst sich primär mit internationalzivilverfahrensrechtlichen Fragen. Es untersucht die Durchsetzungsmacht des Zeugnisses und setzt diese in Kontrast zur Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Verwendung des Zeugnisses in Drittstaaten, wofür die 53  54 

Vgl. Süß/Döbereiner, Erbrecht in Frankreich, Rn.  107. Ferid/Firsching/Hausmann/Hustedt/Watgen/Genkin, Luxemburg, Rn.  84 f.

C. Gang der Untersuchung

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Rechtslage in der Schweiz, England und Wales und Kalifornien exemplarisch herangezogen wird. Daran schließen sich im sechsten Kapitel Ausführungen zum Zeugnis im europäischen und internationalen Gefüge an. Im Fokus steht die Frage, inwieweit das Zeugnis die bisherigen internationalzivilverfahrensrechtlichen und interna­ tio­nal­privatrechtlichen Tendenzen des Unionsgesetzgebers im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen bestätigt und inwieweit es zur Weiterentwicklung des europäischen Rechts beitragen kann. Die Untersuchung endet mit einer Schlussbetrachtung im siebten Kapitel, die die gewonnenen Erkenntnisse zusammenfasst und einen Ausblick gibt.

Zweites Kapitel

Der Weg zum Europäischen Nachlasszeugnis im Lichte mitgliedstaatlicher Erbnachweise Wie jede Schaffung neuer Rechtsinstrumente oder Gesetze auf nationaler oder europäischer Ebene häufig ihren Grund in der Lösung bestehender Probleme ­findet, so gilt nichts anderes für das Zeugnis. Die Motive zur Einführung des Zeugnisses waren im Wesentlichen Ausfluss der mit einer internationalen Nachlassabwicklung verbundenen Komplexitäten innerhalb der EU, die in den unterschiedlichen Erbnachweisen der Mitgliedstaaten, ihrer Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr und ihrer individuellen Behandlung durch die einzelnen Mitgliedstaaten angelegt waren.1 Die übrige Mannigfaltigkeit des materiellen und internationalen Erbrechts der Mitgliedstaaten trug gleichsam als Basis für die inhaltliche Ausgestaltung der Erbnachweise zu den Schwierigkeiten bei einem internationalen Erbfall bei.2 Um die Entscheidung zur Einführung des Zeugnisses nachvollziehen zu können, werden in diesem Kapitel zunächst ausgewählte mitgliedstaatliche Erbnachweise überblicksartig in Bezug auf das jeweilige Ausstellungsverfahren und die jeweiligen Wirkungen dargestellt und eine erste Zuordnung des Zeugnisses in das System der mitgliedstaatlichen Erbnachweise unternommen (A.). Anschließend werden Problemkreise der bisherigen internationalen Nachlassabwicklung bei der Verwendung von Erbnachweisen in einem anderen Mitgliedstaat aufgezeigt (B.). Nach Feststellung eines Regelungsbedürfnisses für das Zeugnis (C.) bildet den letzten Abschnitt die Erörterung des allgemeinen Verhältnisses des Zeugnisses zu den nationalen Erbnachweisen (D.).

A. Vielfältigkeit der Erbnachweise in der Europäischen Union Die Vielfältigkeit der Erbnachweise in der EU in verfahrensrechtlicher und wirkungsrechtlicher Hinsicht beruht im Kern auf dem Umstand, dass die Erbrechtssysteme der Mitgliedstaaten dem Bedürfnis nach einem Erbnachweis unterVgl. DNotI-Studie, S.  225. Skeptisch zur tatsächlichen Durchführbarkeit eines „europäischen Erbscheins“ bereits Heggen, RNotZ 2007, 1 (14). 2  Vgl. Süß, ZEuP 2013, 725 (727 f.). 1 

A. Vielfältigkeit der Erbnachweise in der Europäischen Union

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schiedlich gegenüberstehen.3 Maßgebend kann hierbei sein, ob und wie bereits durch anderweitige gesetzliche Regelungen mit einem identischen oder ähnlichen Regelungsziel die Interessen der Erben und sonstigen Nachlassbeteiligten sowie des Rechtsverkehrs gesichert werden.4 Maßgebend kann auch sein, wie der Mitgliedstaat aufgrund seiner eigenen Erfahrungen in der Nachlassabwicklung die Gefahr von Betrugsfällen durch anmaßende Scheinerben einschätzt; in den skandinavischen Mitgliedstaaten etwa ist man seither mit dem Vertrauen in eine geordnete, rechtmäßige Nachlassabwicklung gut gefahren.5 Die Unkenntnis eines Erbnachweises in der konkreten Form des Zeugnisses war sogar ein Grund dafür, dass einige Mitgliedstaaten, namentlich die Common Law Staaten und Österreich6, die Einführung des Zeugnisses mit Skepsis bis gar hin Ablehnung begegneten.7 Daran zeigt sich, dass gerade die Vielfältigkeit der Erbnachweise die Schaffung und Förderung von Einheitlichkeit – also die Einführung eines einheitlichen Erbnachweises für alle Mitgliedstaaten – (rechtspolitisch) erschwert, aber zugleich deutlich macht, wie essentiell ein gesetzgeberisches Handeln auf europäischer Ebene für die Errichtung eines einheitlichen europäischen Rechtsraums ist. I. Der Wirkungsgehalt des Europäischen Nachlasszeugnisses als Anker für die Betrachtung mitgliedstaatlicher Erbnachweise Das Zeugnis ist mit einer Vermutungs-, Gutglaubens- und Legitimationswirkung (Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO)8 ausgestattet, die sich in allen Mitgliedstaaten entfalten, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf (Art.  69 Abs.  1 EuErbVO)9. Diese Wirkungen sind im Vergleich zu den Wirkungsgehalten der mitgliedstaatlichen Erbnachweise, wie nachfolgend zu zeigen sind wird, sehr weitgehend, denn nicht jeder Mitgliedstaat knüpft die Wirkungen an seinen Erbnachweis an. Für Mitgliedstaaten, die ihren Erbnachweisen diese Wirkungen nicht (vollständig) verleihen, stellt das Zeugnis etwas grundlegend Innovatives dar. Erst recht gilt dies für solche Mitgliedstaaten, deren Rechtsordnungen keinen Erbnachweis zur Verfügung stellen (wie Belgien oder Luxemburg).10 Mit der 3  Siehe zum Ganzen Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (729 f.), der für die Differenzen zwischen den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen keine eindeutigen Gründe erkennen kann. 4  Vgl. Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (729) in Fn.  23 mit Hinweis auf die Theorie des Scheinerben im italienischen Recht, siehe hierzu unten Fn.  38. 5  Vgl. Süß, ZEuP 2013, 725 (729). 6  Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (193). 7  Wagner, DNotZ 2010, 506 (518). 8  Zu den Wirkungen ausführlich unten im 3. Kap., B., S.  59 ff. 9  Zur Durchsetzungsmacht des Zeugnisses ausführlich unten im 5. Kap., A., S.  395 ff. 10  Schmitz, RNotZ 2017, 269 (271).

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Zweites Kapitel: Der Weg zum Europäischen Nachlasszeugnis

Einführung des Zeugnisses wird für jene Mitgliedstaaten neues Recht geschaffen in dem speziellen Sinne – das Zeugnis verkörpert als ein in der EuErbVO geregeltes Rechtsinstrument ja ohnehin neues Recht –, dass die Wirkungen zuvor in der jeweiligen mitgliedstaatlichen Rechtsordnung unbekannt waren. Selbst wenn ein Mitgliedstaat an seinen Erbnachweis die von der Bezeichnung her identischen Wirkungen knüpft, kann insoweit immer noch von neuem Recht in dem soeben näher beschriebenen Sinne gesprochen werden, als die konkrete Ausgestaltung der Wirkungen des Zeugnisses einzigartig ist.11 Die Rezeption des Zeugnisses untersteht aus diesem Grund von Anfang an einer unterschiedlichen Prämisse, je nachdem, in welchem Mitgliedstaat das Zeugnis verwendet wird. Die Etablierung und Akzeptanz des Zeugnisses in der Praxis sollte tendenziell dort leichter fallen, wo die Praxis aufgrund des bisherigen und fortwährenden Umgangs mit dem nationalen Erbnachweis, der inhaltlich und strukturell mit dem Zeugnis auf gleicher oder ähnlicher Ebene steht, wie es z.B. beim Erbschein, der dieselben Wirkungen entfaltet wie das Zeugnis (vgl. §§  2365 ff. BGB), der Fall ist, schnell einen vertrauten Zugang zum Zeugnis zu finden mag. Indessen ist bei Mitgliedstaaten mit schwachen Erbnachweisen eher zu erwarten, dass sich der Umgang mit dem starken Wirkungsgehalt des Zeugnisses zunächst als zögerlich und schwierig erweist, weil etwa durch den Gutglaubensschutz des Zeugnisses in jenen Mitgliedstaaten nunmehr vermehrt mit einer beschleunigten Nachlassabwicklung zu rechnen ist und dementsprechend Rechtsanwälte und Notare die Nachlassplanung mit ihren Mandanten anders gestalten müssen als bisher. Zudem strahlt das Zeugnis in Mitgliedstaaten mit schwachen Erbnachweisen aufgrund seiner umfassenden Wirkungen und der uneingeschränkten Wirkungserstreckung nach Art.  69 Abs.  1 EuErbVO ein erhebliches Durchsetzungspotential für die internationale Nachlassabwicklung aus. Die Ausstrahlungskraft ist umgekehrt tendenziell geringer, wenn der Mitgliedstaat bereits einen auch in der internationalen Nachlassabwicklung bewährten und wirkungsstarken Erbnachweis kennt. Der Wirkungsgehalt des Zeugnisses fungiert endlich als Anker für die nachfolgende Betrachtung mitgliedstaatlicher Erbnachweise: An ihm als Ergebnis eines Gesetzgebungsprozesses lässt sich erkennen, welche wirkungsbezogenen Anforderungen der Unionsgesetzgeber an einen einheitlichen Erbnachweis für die EU stellt, um die internationale Nachlassabwicklung zu erleichtern. Dies sollte im unmittelbaren Vergleich zu den Anforderungen, die ein Mitgliedstaat an seinen 11  Das betrifft vor allem die Vielschichtigkeit des Gutglaubensschutzes (insbesondere Schädlichkeit grob fahrlässiger Unkenntnis für den Ausschluss von Gutglaubensschutz gemäß Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO) und die Vermutungswirkung auch zugunsten von Vermächtnisnehmern mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstreckern und Nachlassverwaltern.

A. Vielfältigkeit der Erbnachweise in der Europäischen Union

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Erbnachweis stellt, stets vergegenwärtigt werden, auch wenn natürlich ein Mitgliedstaat grundsätzlich nur die inländische Nachlassabwicklung bei der Statuierung eines Erbnachweises im Blick hat. Konvergenzen zwischen dem nationalen und internationalen Blickwinkel lassen darauf schließen, dass der grenzüberschreitende Bezug eines Erbfalls keine besonderen Anforderungen an die im nationalen Kontext bekannten Wirkungen stellt. Divergenzen zeugen demgegenüber davon, dass die grenzüberschreitende Nachlassabwicklung einen bestimmten Mindeststandard im Hinblick auf die Wirkungskonzeption eines europäischen Erbnachweises verlangt. II. Diversität der Gestalt mitgliedstaatlicher Erbnachweise Um den Weg zum Zeugnis zu skizzieren und ein Verständnis für seine Notwendigkeit zu entwickeln, ist es erforderlich, zumindest im Überblick auf einzelne mitgliedstaatliche Erbnachweise einzugehen.12 Die mitgliedstaatlichen Erbnachweise einheitlich zu kategorisieren, erweist sich als schwierig.13 Eine grobe Kategorisierung lässt sich anhand des Verfahrens zur Ausstellung des Erbnachweises insbesondere im Hinblick auf die beteiligte Behörde und damit anhand des Grades der staatlichen Partizipation14 vornehmen. Es wird aus diesem Grund zwischen Erbnachweisen, die am Ende eines gerichtlichen Verfahrens durch ein Gericht erteilt werden, und solchen, die von einer sonstigen Behörde, namentlich durch einen Notar, errichtet werden, differenziert. All diese Erbnachweise können aufgrund der beteiligten Ausstellungsbehörde und der Aussage der Erbnachweise über die Umstände der Erklärung mit einem bestimmten Inhalt als öffentliche Urkunden i.S.d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO qualifiziert werden.15 Das ist für die später zu behandelnde Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO von Bedeutung.16 Daneben existieren Erbnachweise in Form von Privaturkunden, die weder in einem gerichtlichen noch in einem notariellen Verfahren errichtet werden.17

12 

Ein systematischer Überblick über die Erbnachweise in den Mitgliedstaaten inklusive der nicht an der EuErbVO teilnehmenden Mitgliedstaaten findet sich bei Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (174 ff.). 13  Vgl. Grau, in: FS Schilken, 2015, 3 (6 f.) sowie Lipstein, RabelsZ 39 (1975), 29 (31). 14  Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (174). 15  Dörner, DNotZ 2018, 661 (668); ferner jurisPK-BGB/Schärtl, Art.  59 EuErbVO Rn.  5. 16  Siehe hierzu unten im 5. Kap., B., S.  399 ff. 17  Vgl. MPI, RabelsZ 74 (2010), 522 (673); HWBEuP/Wenckstern, S.  413.

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Zweites Kapitel: Der Weg zum Europäischen Nachlasszeugnis

1. Ausstellung des Erbnachweises nach gerichtlichem Verfahren Neben der deutschen und österreichischen Rechtsordnung (Erbscheinsverfahren bzw. Verlassenschaftsverfahren) halten das griechische und portugiesische Recht gerichtliche Verfahren bereit, an dessen Ende der jeweilige Erbnachweis ausgestellt wird. a) Griechenland – κληρονομία Das griechische Zivilgesetzbuch hat den deutschen Erbschein adaptiert.18 Der Erbschein wird auf Antrag vom Nachlassgericht erteilt (Art.  1956 grZGB).19 Gemäß Art.  1961 Abs.  1 grZGB erlässt das Gericht den Erbschein, wenn die im Antrag genannten Tatsachen ausreichend bewiesen wurden.20 Nach Ablauf der Beschwerdefrist, wenn also der Beschluss rechtskräftig wird, wird dem Antragsteller der Erbschein als separates Papier ausgehändigt.21 Der griechische Erbschein entfaltet Vermutungswirkung (Art.  1962 grZGB, Art.  821 grZPO) sowie Gutglaubenswirkung (Art.  1963 grZGB, Art.  822 grZPO).22 Beispielsweise kann der Erbe mit Vorlage des Erbscheins eine Immobilie erwerben, denn nach griechischem Recht ist hierfür die Eintragung des Titels (Erbscheins) in das Grundbuch notwendig (Art.  1193 i.V.m. Art.  1195 grZGB).23 Das Besondere an der Gutglaubenswirkung ist, dass anders als z.B. im deutschen Recht nach §§  2366, 2367 BGB auch Schuldverträge (z.B. Kaufverträge, Dienstverträge) zu den geschützten Rechtshandlungen gehören.24 b) Portugal – abertura da sucessão Das portugiesische Recht sieht sowohl ein gerichtliches als auch ein notarielles Verfahren für den Nachweis der Erbeneigenschaft vor. Im gerichtlichen Verfahren hat der Erbe dem Gericht den Grund seiner Berufung zu beweisen und sich zur Annahme bzw. Ausschlagung der Erbschaft zu äußern (Art.  2031 ff. Código

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Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2370, Rn.  99; Süß/Tsantinis, Erbrecht in Griechenland, Rn.  85; DNotI-Studie, S.  277 f. 19  Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2370, Rn.  99. 20  Ferid/Firsching/Hausmann/Georgiades/Papadimitropoulos, Griechenland, Rn.  283. 21  Kousoula, Europäischer Erbschein, S.  206. 22  Ferid/Firsching/Hausmann/Georgiades/Papadimitropoulos, Griechenland, Rn.  289 ff.; NK-BGB/Galanulis, Länderbericht Griechenland, Rn.  53. 23  Süß/Tsantinis, Erbrecht in Griechenland, Rn.  94; zur notariellen Erbschaftsannahme, die wesentlich schwächere Wirkungen zeitigt als der Erbschein, siehe Süß/Tsantinis, Erbrecht in Griechenland, Rn.  95 f. 24  Ferid/Firsching/Hausmann/Georgiades/Papadimitropoulos, Griechenland, Rn.  290.

A. Vielfältigkeit der Erbnachweise in der Europäischen Union

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Civil).25 Das Gericht ermittelt nicht selbst von Amts wegen den oder die Erben, sondern es geht ausschließlich um die Erklärung der Annahme der Erbschaft durch die berufenen Erben.26 Die gerichtliche Erbenfeststellung entfaltet Legitimationswirkung. Im Rechtsverkehr geht es vor allem um die Legitimation in Registerangelegenheiten (z.B. Grundbuch, Handelsregister, Register für Immaterialgüterrechte).27 2. Ausstellung des Erbnachweises nach notariellem Verfahren In Frankreich, Italien und den Niederlanden werden die Erbnachweise nicht von Gerichten, sondern von Notaren ausgestellt. Das portugiesische und spanische Recht sehen neben dem soeben dargestellten gerichtlichen Verfahren kumulativ ein notarielles Erbnachweisverfahren vor. a) Frankreich – acte de notoriété In Frankreich kann zum Nachweis des Erbrechts ein acte de notoriété nach Art.  730-1 ff. Code Civil beantragt werden.28 Der Notar erstellt auf Antrag die Erbrechtsbescheinigung, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass die Antragsteller Erbnachfolger des Erblassers sind. Hierzu bedarf es zum einen der Aussage zweier Zeugen, die den Erblasser und seine Verwandtschaftsverhältnisse gut gekannt haben und zum anderen der Vorlage amtlicher Dokumente (Auszüge aus Heiratsregister, Familienbuch, Eheverträgen).29 Neuerdings können die Erbberechtigten die Erklärung selbst ohne im Wege der Übermittlung durch die Zeugen beim Notar abgeben.30 Der acte de notoriété entfaltet Vermutungswirkung hinsichtlich der Erbenstellung (Art.  730-3 Code Civil) und Gutglaubensschutz

25 

Süß/Wollmann, Erbrecht in Portugal, Rn.  168; vgl. zu den Modalitäten der Annahme bzw. Ausschlagung der Erbschaft Ferid/Firsching/Hausmann/Jayme/Malheiros, Portugal, Rn.  47 f. 26  Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  126. 27  Süß/Wollmann, Erbrecht in Portugal, Rn.  172; NK-BGB/Müller-Bromley, Länderbericht Portugal, Rn.  229. 28  In den Départements Haut-Rhin, Bas-Rhin und Moselle (früher: Elsass-Lothringen) wird ein „certificat d’héritier“ ausgestellt, der vollständig am deutschen Erbschein angelehnt ist, vgl. Gotthardt, Anerkennung und Rechtsscheinwirkungen von Erbfolgezeugnissen französischen Rechts in Deutschland, ZfRV 1991, 2 (3); zu anderen Nachweisformen wie „intitulé d’inventaire“, „certificat de propriété“ und „attestation notariée immobilière“ für spezifische Nach­lass­ angelegenheiten vgl. Ferid/Firsching/Hausmann/Limbach, Frankreich, Rn.  550 ff. 29  Keidel/Dimmler, FamFG, §  108 Rn.  48; NK-BGB/Frank, Länderbericht Frankreich, Rn.  138. 30  DNotI-Studie, S.  283.

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Zweites Kapitel: Der Weg zum Europäischen Nachlasszeugnis

(Art.  730-4 Code Civil) zugunsten Dritter, die mit einer Person, die durch den acte de notoriété legitimiert ist, Rechtsgeschäfte abschließen.31 b) Italien – atto di notorietà Das italienische Recht sieht einen speziellen Nachweis für die Erbeneigenschaft nicht vor.32 Mehr noch hat sich der italienische Gesetzgeber bewusst gegen die Einführung eines förmlichen Erbnachweises entschieden, um den wahren Erben zu schützen.33 Will ein Erbe seine Erbenstellung nachweisen, muss er demnach grundsätzlich selbst die Tatsachen dafür darlegen und beweisen. Indessen sieht das italienische Recht das Institut des atto di notorietà, das sich auf erbrechtliche Fälle erstreckt. Im Allgemeinen stellt der atto di notorietà eine unter Eid vor einem zuständigen Beamten oder Notar abgegebene Erklärung über Tatsachen und Umstände, über die der Erklärende persönlich Kenntnis hat und deren Existenz allgemein bekannt sind.34 Es handelt sich mithin nur um eine reine Bestätigung des Notars, der selbst keine Nachforschungen unternimmt.35 Im Zusammenhang mit einem Erbfall wird folglich vom Notar nur bestätigt, dass die vor ihm erschienen Personen die erbfallsbezogenen Erklärungen abgegeben haben. Vergleichsweise schwach sind die dem atto di notorietà zugewiesenen Wirkungen. Sehen spezielle Gesetze den atto di notorietà als Nachweis der Erbenstellung ausdrücklich vor, kommen ihm die in diesem Gesetz genannten Wirkungen zu.36 In den anderen Fällen ist der atto di notorietà eine bloße Erklärung in öffentlicher Urkunde gemäß Art.  2699 Codice Civile und beweist nur die Kenntnis bestimmter Tatsachen, nicht aber die inhaltliche Richtigkeit der Tatsachen selbst.37 Dem atto di notorietà kommt keine Vermutungs- und Gutglaubenswirkung zu.38 31 

Süß/Döbereiner, Erbrecht in Frankreich, Rn.  217; MüKoBGB/Grziwotz, Vorb. zu §  2353 Rn.  3; Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (181); MPI, RabelsZ 74 (2010), 522 (673); Gottwald/ Stangl, ZEV 1997, 217 (220). 32  Dallafior, Die Legitimation des Erben, S.  132; Engbers, Deutsch-italienische Erbfälle, S.  203; DNotI-Studie, S.  285; MPI, RabelsZ 74 (2010), 522 (673); jedoch wird in den Provinzen Südtirol und Trient der Nachweis des Erbrechts durch das certificato di eredità erbracht, das dem Erbschein ähnlich ist, vgl. Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2370, Rn.  100. 33  DNotI-Studie, S.  285 m.w.N. 34  Dallafior, Die Legitimation des Erben, S.  132 f.; Keidel/Dimmler, FamFG, §  108 Rn.  48; Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  25 f. 35  Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (728). 36  Vgl. Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  27 f. mit Beispielen. 37  Süß/Wiedemann/Pertot/Ballerini, Erbrecht in Italien, Rn.  269; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (729); DNotI-Studie, S.  285 f. 38  Dallafior, Die Legitimation des Erben, S.  134 f.; Engbers, Deutsch-italienische Erbfälle, S.  204; DNotI-Studie, S.  286; Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  29. Das italienische Recht behilft sich indessen mit der Theorie des Scheinerben, allerdings muss derjenige, der sich

A. Vielfältigkeit der Erbnachweise in der Europäischen Union

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c) Niederlande – verklaring van erfrecht In den Niederlanden erstellt der Notar die sog. verklaring van erfrecht gemäß Art.  4:188 NBW, in der die Erben des Erblassers festgelegt werden.39 Der Notar ermittelt eigenständig die zum Nachweis der Erbenstellung erforderlichen Tatsachen, indem er z.B. die Familie des Erblassers befragt oder Auskunft beim Standesamt einholt; freilich können die Erbprätendenten dem Notar von sich aus die erforderlichen Dokumente zukommen lassen, die ihr Erbrecht belegen.40 Der notariellen Urkunde kommt formelle und materielle Beweiskraft zu, wie sie in Art.  159 Abs.  1 und Art.  157 Abs.  2 der niederländischen Zivilprozessordnung (Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering) normiert ist.41 Die Erbfolge wird ­damit nicht bewiesen und der Richter ist nicht an die Feststellungen des Notars gebunden.42 Die notarielle Urkunde entfaltet Gutglaubensschutz gemäß Art.  4:187 Abs.  1 und Abs.  2 NBW.43 Gemäß Art.  4:187 Abs.  3 NBW ist der Gutglaubensschutz bei positiver Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der Unrichtigkeit der Urkunde zu versagen.44 Insbesondere dient die Vorlage der verklaring van erfrecht dazu, über Bankguthaben des Erblassers verfügen zu können, als dieses nach dem Tod des Erblassers vorübergehend eingefroren wird.45 d) Portugal – habilitação notarial Im portugiesischen notariellen Erbenfeststellungsverfahren steht die notarielle Beurkundung der Erklärung dreier Personen im Zentrum, die nach Ermessen des Notars glaubwürdig erscheinen und die bestätigen, dass es sich bei den benannten Erben um die Erben des Erblassers handelt, dass niemand bevorrechtigt ist und dass keine anderen Erben in direkter Konkurrenz zu den benannten Erben auf einen gutgläubigen Erwerb vom Scheinerben beruft, seine eigene Gutgläubigkeit beweisen (Art.  534 Codice Civile). Außerdem schützt die Theorie des Scheinerben den unentgeltlichen Erwerb nur sehr eingeschränkt (Art.  535 Codice Civile). Vgl. zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Theorie des Scheinerben ausführlich Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  43 ff. Vgl. aber auch im Hinblick auf den certificato di eredità, der die Funktion eines Erbscheins in einigen Provinzen Italiens einnimmt, ausführlich Dallafior, Die Legitimation des Erben, S.  136 ff. 39  Schimansky, ZEV 2003, 149 (152). 40  HWBEuP/Wenckstern, S.  414. 41  Schroer, Europäischer Erbschein, S.  64 f.; Ferid/Firsching/Hausmann/Weber, Niederlande, Rn.  43. 42  Schroer, Europäischer Erbschein, S.  64 f.; Ferid/Firsching/Hausmann/Weber, Niederlande, Rn.  43. 43  NK-BGB/Süß, Länderbericht Niederlande, Rn.  67; DNotI-Studie, S.  283. 44  Vgl. Schimansky, ZEV 2003, 149 (152). 45  NK-BGB/Süß, Länderbericht Niederlande, Rn.  67.

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Zweites Kapitel: Der Weg zum Europäischen Nachlasszeugnis

stehen (Art.  83 Abs.  1 Código de Notariado).46 Nach Vorlage der erforderlichen Nachweise (Sterbeurkunde, beglaubigte Abschrift des Testaments, Dokumente für den Nachweis der gesetzlichen Erbfolge zugunsten der Erben, vgl. Art.  85 Abs.  1 Código de Notariado) und Prüfung durch den Notar wird der Erbnachweis in Form einer Urkunde ausgehändigt.47 Die Urkunde entfaltet die gleichen Wirkungen wie im Falle der gerichtlichen Erbenfeststellung48, dient also insbesondere zur Legitimation bei Eintragungen beim Grundbuchamt oder Handelsregister (Art.  86 Abs.  1 Código de Notariado).49 e) Spanien – acta de notoriedad Das spanische notarielle Erbenfeststellungsverfahren ist auf überschaubare, einfache Erbfälle zugeschnitten. Es ist für Fälle der Intestaterbfolge eröffnet, wenn die erbmäßig Berechtigten der Ehegatte, Abkömmlinge oder Voreltern des Erblassers sind.50 Dem Notar, dessen Zuständigkeit sich nach dem letzten Wohnsitz des Erblassers oder nach dem Bezirk der Belegenheit des überwiegenden Teils des Erblasservermögens richtet51, sind die konkreten Umstände der behaupteten Erbfolge unter Vorlage geeigneter Urkunden mitzuteilen. Die acta de notoriedad dient als Nachweis der Erbenstellung bei der Eigentumsumschreibung von Liegenschaften und in Bankangelegenheiten, um Zugriff auf das Konto oder das Depot des Erblassers zu erhalten52, hat folglich Legitimationswirkung wie die gerichtliche Erbbescheinigung. 3. Fehlende förmliche Erbnachweise in den skandinavischen Mitgliedstaaten Schweden und Finnland53 sehen keinen nationalen Erbnachweis vor, der in ­einem gerichtlichen oder notariellen Verfahren ausgestellt wird. Vielmehr han-

46 

Süß/Wollmann, Erbrecht in Portugal, Rn.  158; Ferid/Firsching/Hausmann/Jayme/Malheiros, Portugal, Rn.  54; NK-BGB/Müller-Bromley, Länderbericht Portugal, Rn.  227. 47  Süß/Wollmann, Erbrecht in Portugal, Rn.  161; Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  128 f. 48  NK-BGB/Müller-Bromley, Länderbericht Portugal, Rn.  226. 49  Süß/Wollmann, Erbrecht in Portugal, Rn.  172; Ferid/Firsching/Hausmann/Jayme/Malheiros, Portugal, Rn.  54. 50  Süß/Steinmetz/Huzel/García Alcázar, Erbrecht in Spanien, Rn.  213; NK-BGB/Reckhorn-Hengemühle, Länderbericht Spanien, Rn.  177; Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (180). 51  NK-BGB/Reckhorn-Hengemühle, Länderbericht Spanien, Rn.  177. 52  Süß/Steinmetz/Huzel/García Alcázar, Erbrecht in Spanien, Rn.  217. 53  Dänemark ist zwar begrifflich auch ein skandinavischer Mitgliedstaat, beteiligt sich jedoch nicht an der EuErbVO (vgl. ErwG 83). Daher unterbleiben Ausführungen zum dänischen Erbnachweis an dieser Stelle. Zum dänischen Erbnachweis vgl. DNotI-Studie, S.  286.

A. Vielfältigkeit der Erbnachweise in der Europäischen Union

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delt es sich um einen privat, also ohne staatliche Partizipation errichteten Erbnachweis. a) Schweden – bouppteckning Ein schwedischer Erbfall beginnt mit einer Bestandsaufnahme des Erblasservermögens und anschließend erfolgt die Teilung des Nachlasses – der selbst eine juristische Person ist, die von den Nachlassbeteiligten vertreten wird – an die Nachlassbeteiligten, sofern zwischen ihnen eine Einigung über die Teilung zustande gekommen ist.54 Die Besonderheit besteht darin, dass die Erstellung des sog. Nachlassverzeichnisses (bouppteckning), das eine Auflistung der Nachlassbeteiligten und des Erblasservermögens enthält, den Nachlassbeteiligten obliegt – zunächst ohne eine staatliche Aufsicht.55 Diese rein private Einigung wird nur durch die Hinzuziehung zweier Vertrauenspersonen (Kap.  20 §  2 Abs.  1 des schwedischen Erbgesetzes (Ärvdabalk (1958:637)), die in Nachlassangelegenheiten erfahren sind und die bezeugen sollen, dass das gesamte Erblasservermögen nach bestem Verstand bewertet wurde (Kap.  20 §  6 Abs.  3 des schwedischen Erbgesetzes), flankiert, im Übrigen wird auf die Ehre und das Gewissen der Nachlassbeteiligten vertraut.56 Im Streitfall kann ein Nachlassverwalter angerufen werden, der die Auseinandersetzung in die Hand nimmt.57 Das auf diese Weise erstellte Nachlassverzeichnis dient jedem Beteiligten als Legitimationspapier im Rechtsverkehr und hat somit die Funktion eines Erbscheins.58 Nach Kap.  18 §  4 des schwedischen Erbgesetzes entfaltet das Nachlassverzeichnis Gutglaubensschutz zugunsten Dritter, die im guten Glauben mit einer Person, die im Nachlassverzeichnis als Erbe eingetragen ist, ein Rechtsgeschäft abgeschlossen hat. Das Rechtsgeschäft ist demnach wirksam, auch wenn noch weitere Erben vorhanden sind. Die Rechtsscheinwirkung ist im Ergebnis vergleichbar mit der Situation in anderen Mitgliedstaaten, gründet aufgrund des privaten Charakters des Nachlassverzeichnisses jedoch nur auf einer vergleichsweise schwachen Legitimationsgrundlage. b) Finnland – perukirja Ähnlich wie in Schweden wird in Finnland im Nachgang eines Erbfalls ein Nachlassverzeichnis (perukirja) von den Nachlassbeteiligten errichtet, das diese DNotI-Studie, S.  286 f. Vgl. Ferid/Firsching/Hausmann/Carsten, Schweden, Rn.  56. 56  HWBEuP/Wenckstern, S.  415; Süß/Firsching, Erbrecht in Schweden, Rn.  145. 57  Bengel/Reimann/Klinger, §  9 Rn.  380 f.; Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (177). 58  Vgl. Ferid/Firsching/Hausmann/Carsten, Schweden, Rn.  57; Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (176). 54  55 

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Zweites Kapitel: Der Weg zum Europäischen Nachlasszeugnis

und das Erblasservermögen auflistet.59 Zuständig ist das Registerbüro, das auf Antrag die Eintragungen vornimmt (§  20:9a des finnischen Erbgesetzes (Perintökaari (PK)). Das Nachlassverzeichnis dient als Grundlage für die Abwicklung des Nachlasses und die Auseinandersetzung.60 Gutglaubensschutz wird über das Inventar vermittelt, wobei das finnische Recht anders als das schwedische Recht ausdrücklich die Schädlichkeit positiver Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis von dem wahren Erben anordnet (§  20:9c PK). III. Das Europäische Nachlasszeugnis im System der mitgliedstaatlichen Erbnachweise Aufgrund der Tatsache, dass das Zeugnis dem Nachweis erbrechtlicher Rechtsstellungen dient, Gutglaubensschutz entfaltet sowie in einem stringenten Ausstellungsverfahren nach Art.  64 ff. EuErbVO i.V.m. der lex fori errichtet wird, ist es inhaltlich und strukturell am ehesten den gerichtlichen Erbnachweisen verbunden und passt sich diesem System unkompliziert an.61 Von den notariellen Erbnachweisen unterscheidet sich das Zeugnis hinsichtlich der Grundfunktionen ebenfalls kaum62, wenngleich die gesetzesdogmatische Begründung der Wirkungen teilweise (Anknüpfung des Gutglaubensschutzes an den Erbnachweis vs. Theorie des Scheinerben) unterschiedlich ausfällt. Eine partielle Ähnlichkeit des Zeugnisses ist im Ergebnis sogar im Verhältnis zu den privat errichteten Erbnachweise Schwedens und Finnlands in wirkungsrechtlicher Hinsicht festzustellen63, auch wenn freilich das Zeugnis nicht im Wege einer privaten Einigung, sondern von einer Ausstellungsbehörde errichtet wird. Als einzig problematisch erweist sich das System des Verlassenschaftsverfahrens, wie es z.B. in Österreich herrscht, weil es grundsätzlich mit der Einantwortung endet, die – anders als das Zeugnis64 – konstitutive Wirkung hat.65 Insgesamt zeigt sich, dass sich im Zeugnis hauptsächlich Elemente der gerichtlichen und notariellen Erbnachweissysteme wiederfinden. In Anbetracht des Umstands, dass die weit überwiegende Mehrheit der Mitgliedstaaten sich in einer dieser Erbnachweissysteme einordnen lässt66, ist die Orientierung daran zu begrüßen. Das konforme Einfügen in die Süß/von Knorre, Erbrecht in Finnland, Rn.  75. Ferid/Firsching/Hausmann/Mincke, Finnland, Rn.  213. 61  Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (192). 62  Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (192). 63  Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (192). 64  Vgl. unten im 3. Kap., A., V., S.  53 f. 65  Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (192); allgemein zum Konflikt des Einantwortungsprinzips mit der EuErbVO bei der Anwendung fremden Rechts durch österreichische Gerichte Bonimaier, Zak 2015, 308; vgl. näher unten im 3. Kap., B., I., 2., a), S.  67 f. 66  Vgl. mit statistischen Erhebungen Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (174 ff.). 59  60 

A. Vielfältigkeit der Erbnachweise in der Europäischen Union

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mitgliedstaatlichen Erbrechtssysteme heißt allerdings nicht, dass neue weitergehende Regelungen ausgeschlossen sind. Die Versuchung, aus Bequemlichkeit und der Unkenntnis fremder Systeme das eigene mitgliedstaatliche Erbrechtssystem auf das Zeugnis bzw. die europäische Ebene übertragen zu wollen67, mag allzu verständlich sein, doch erfordert eine europäische Lösung eigene Maßstäbe, die sich zwar auch zum Teil aus einer synoptischen Betrachtung der mitgliedstaatlichen Erbrechtssysteme ergeben68 – wie sich dies etwa anhand der dem Zeugnis beigegebenen Wirkungen zeigt –, allerdings sich zugleich von dieser distanzieren muss, um nicht den Blick auf das Regelungsziel des Zeugnisses, namentlich die Erleichterung der internationalen Nachlassabwicklung in der EU, zu verlieren. Die Diversität der Erbrechtssysteme kann nicht etwa einer europäischen Lösung von vornherein entgegenstehen. Insoweit weist die EU den Mitgliedstaaten eine Bringschuld dergestalt zu, dass diese das Zeugnis so gut wie möglich in ihr Erbrechtssystem implementieren, ohne die europäischen Wertungen zu untermauern. Im Gesetzgebungsprozess wurde kontrovers vor allem bezüglich des Ausstellungsverfahrens diskutiert und nicht davor Halt gemacht, fremde Erbnachweisverfahren geradezu zu diskreditieren. So haben jene Mitgliedstaaten mit notariellen Erbnachweisen angesichts dessen, dass das Zeugnisverfahren sich stark dem Erbscheinsverfahren ähneln würde, eingeworfen, dass das Erbscheinsverfahren langwierig und komplex und die notariellen Verfahren schneller und einfacher seien.69 Daran zeigt sich, dass eine für alle Mitgliedstaaten verbindliche europäische Lösung unumgänglich war und die Mitgliedstaaten hierfür Zugeständnisse machen mussten. Insbesondere da die mitgliedstaatlichen Erbnachweissysteme unterschiedlich intensive Prüfungs-, Anhörungs- und Mitteilungspflichten haben, hat sich der Unionsgesetzgeber zu Recht dafür entschieden, ein Grundgerüst verfahrensrechtlicher Regelungen für das Zeugnisverfahren in den Art.  64 ff. EuErbVO festzulegen.70 Gleichzeitig fordert der europaHertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (193). Stärker Kleinschmidt, in: FS Lindacher, 2017, 165 (168), der nationale Traditionen zum Zwecke der Erhöhung der Akzeptanz des Zeugnisses unangetastet lassen will, soweit eine Vereinheitlichung für die Funktionsfähigkeit des Zeugnisses nicht erforderlich erscheint. 69  Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (780 f.). Die Niederlande äußerte sich dahingehend, dass das Erbscheinsverfahren zu zu einer monatelangen Blockade des Nachlasses führe, so dass die Erben bezüglich eines Wertpapierdepots nicht auf Marktänderungen reagieren könnten; Frankreich ging sogar so weit zu behaupten, dass niemand in Frankreich das Erbscheinsverfahren wünsche, weil es aufwendig sei und dem wahren Erben wenig Schutz biete. Indessen sei das französische notarielle System effizient und kaum streitanfällig, da es schnell und kostengünstig dem wahren Erben die Inbesitznahme des Nachlasses verschaffe, vgl. Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (781) m.w.N. 70  Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  62 EuErbVO Rn.  72. 67  68 

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Zweites Kapitel: Der Weg zum Europäischen Nachlasszeugnis

rechtliche Äquivalenzgrundsatz, wonach die Verfahrensregeln zur Durchsetzung des Unionsrechts nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen für ähnliche Sachverhalte nach innerstaatlichem Recht, dass eine weitgehende Gleichförmigkeit zu den mitgliedstaatlichen Erbnachweisverfahren hergestellt wird.71 Dies betrifft freilich eher die detaillierten Fragen des Zeugnisverfahrens, die von der EuErbVO nicht selbst beantwortet, sondern der lex fori überlassen werden. IV. Ergebnis Der Überblick über ausgewählte mitgliedstaatliche Erbnachweise verdeutlicht, dass die Mitgliedstaaten grundsätzlich einen Erbnachweis bereitstellen, aber in der wesentlichsten Ausprägung von Erbnachweisen – den Wirkungen – Unterschiede bestehen. Mag dies für reine Inlandssachverhalte keine Bedenken schüren, weil das nationale Recht für fehlende Wirkungen andere Institute eingreifen lässt oder die Wirkung für den Erbnachweis schlechthin ablehnt, so entsteht bei Sachverhalten mit Auslandsberührung, in denen z.B. ein Erbe seine Rechtsstellung im Ausland nachweisen muss, beispielsweise das Problem, ob eine dem vorgelegten Erbnachweis zugeschriebene Wirkung sich durchsetzt, falls der Mitgliedstaat, in dem der Erbnachweis verwendet wird, diese Wirkung bezogen auf seinen eigenen Erbnachweis nicht kennt.72 Auch die verfahrensrechtlichen Regelungen zur Ausstellung der Erbnachweise sind ebenfalls sehr unterschiedlich. Die Gewährleistung der Richtigkeit des Inhalts der Erbnachweise ist beim gerichtlichen Verfahren am größten (idealiter Amtsermittlung durch ein Gericht), beim notariellen Verfahren tendenziell mäßig (lediglich Entgegennahme der Erklärungen von Erbprätendenten durch einen Notar, ggf. jedoch Ermittlungspflicht des Notars wie in den Niederlanden) und bei den privaten Verfahren (fehlende staatliche Partizipation; Vertrauen auf Ehre und Gewissen der Nachlassbeteiligten) eher gering. Man könnte meinen, dass sich eine Interdependenz zwischen den Wirkungen des Erbnachweises und dessen Ausstellungsverfahren erkennen lässt: Je zuverlässiger und stringenter das Verfahren ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass die materielle Rechtslage korrekt ermittelt wird. Dann können auch die Wirkungen, die dem Erbnachweis verliehen werden, entsprechend stark sein, da sie durch das Verfahren gleichsam legitimiert werden. Indessen vermag die Intensität des Verfahrens nicht immer im dialektischen Verhältnis zu den Wirkungen zu stehen73: Selbst die privat errichteten Erbnachweise bzw. Nachlassverzeichnisse in Schweden und Finnland entfalten Gutglaubensschutz. Umgekehrt kommt etwa dem atto di notorietà des italienischen Rechts keine 71 

MüKoBGB/Dutta, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  7. Siehe sogleich näher im 2. Kap., B., I., S.  27 f. 73  Ähnlich Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (728). 72 

B. Erbnachweisbezogene Probleme in der internationalen Nachlassabwicklung

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Gutglaubenswirkung zu, obwohl bei seiner Ausstellung zumindest ein Notar beteiligt ist und damit eine partielle staatliche Partizipation gewährleistet wird. Demnach ist der Schluss zu ziehen, dass die Mitgliedstaaten eine überaus heterogene Vorstellung davon haben, wie und in welchem Umfang die Beteiligten in der Nachlassabwicklung durch einen Erbnachweis geschützt werden sollen. Die Einführung des Zeugnisses als unionales Rechtsinstrument statuiert zwingend eine für alle Mitgliedstaaten verbindliche Vorstellung über die Reichweite des Schutzes der Nachlassbeteiligten und des Rechtsverkehrs und zwar limitiert auf die tatsächliche Verwendung des Zeugnisses.

B. Erbnachweisbezogene Probleme in der internationalen Nachlassabwicklung vor Inkrafttreten der EuErbVO Nachdem ein Überblick über den Wirkungsgehalt und das Ausstellungsverfahren ausgewählter mitgliedstaatlicher Erbnachweise aus rein nationaler Perspektive verschafft wurde, stellt sich im zweiten Schritt die Frage, welche praktische Bedeutung den Erbnachweisen im grenzüberschreitenden Verkehr beizumessen ist. Denn an dieser Stelle steht die internationale Nachlassabwicklung im Fokus. Die internationale Nachlassabwicklung mit der Verwendung von Erbnachweisen in einem anderen Mitgliedstaat durchzuführen, war vor Inkrafttreten der EuErbVO oftmals mit Problemen behaftet. Nachfolgend soll daher anhand von Problemkreisen nachskizziert werden, weshalb die Abwicklung von Erbfällen mit grenzüberschreitendem Bezug neuen Wegen zugeführt werden musste. I. Die Bedeutung mitgliedstaatlicher Erbnachweise im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr Die Verwendung eines mitgliedstaatlichen Erbnachweises in einem anderen Staat wirft typischerweise die Frage auf, wie jener Staat mit dem fremden Erbnachweis rechtlich umgeht. Dabei sind neben zwei rechtlichen Umgangsmöglichkeiten auch eine rein faktische vorzufinden. 1. Rechtliche Anerkennung ausländischer Erbnachweise Begehrt ein Erbe in einem anderen Mitgliedstaat die Durchführung einer den Nachlass betreffenden Rechtshandlung, muss geprüft werden, ob dieser Mitgliedstaat gesetzliche Regelungen bereithält, damit der fremde Erbnachweis seine Wirkungen entfalten kann, weil der Erbnachweis grundsätzlich nur im Inland wirkt und über die Grenzen hinaus der jeweilige Mitgliedstaat in Ausübung sei-

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Zweites Kapitel: Der Weg zum Europäischen Nachlasszeugnis

ner hoheitlicher Entscheidungsgewalt frei darüber befinden kann, welche rechtliche Bedeutung er dem fremden Erbnachweis beimisst – kein Mitgliedstaat kennt indessen eine unbedingte rechtliche Anerkennung eines ausländischen Erbnachweises ipso iure.74 Aus deutscher Perspektive kommt eine etwaige Anerkennung des ausländischen Erbnachweises nach §  108 FamFG in Betracht.75 Sofern man grundsätzlich eine Anerkennung für möglich hält76, erscheint bereits problematisch, welche Wirkungen in den Anerkennungstaat transportiert werden, mithin welche Rechtsfolgen die Anerkennung auslöst und ob diese überhaupt hinreichend für eine zügige, unkomplizierte und effiziente Nachlassabwicklung sind. Zwei Möglichkeiten bestehen grundsätzlich: Der ausländische Erbnachweis könnte nur die Wirkungen, die ihm im Ausstellungsstaat zukommen, im Verwendungsstaat entfalten (Wirkungserstreckungstheorie) oder er könnte mit dem inländischen Erbnachweis in Bezug auf die Wirkungen gleichgestellt werden (Gleichstellungstheorie).77 Dazu soll folgendes Beispiel als Erläuterung dienen: Der italienische Scheinerbe A will unter Vorlage des atto di notorietà ein Auto, das zum Nachlass des Erblassers gehört und sich in Deutschland befindet, an B in Deutschland verkaufen und übereignen. Kann B aus Sicht eines deutschen Richters wirksam Eigentum an dem Auto erwerben?

DNotI-Studie, S.  289. Hinzuweisen ist darauf, dass in deutsch-türkischen Erbfällen der deutsch-türkische Konsularvertrag vom 28.5.1929 als Staatsvertrag vorrangig anzuwenden ist und in seinem §  17 eine gegenseitige Anerkennung des deutschen und türkischen Erbnachweises vorsieht. Solche vorrangigen Staatsverträge sind freilich bei jedem Mitgliedstaat zu bedenken. Derartige bilaterale Übereinkommen mögen die internationale Nachlassabwicklung zwischen den Vertragsstaaten in gewissem Umfang erleichtern, können allerdings ersichtlich eine einheitliche internationale Nachlassabwicklung im europäischen Rechtsraum nicht fördern. Vielmehr zersplittert sich die internationale Nachlassabwicklung weiterhin, da z.B. nur bestimmte EU-Bürger von den Übereinkommen profitieren und ohnehin der Zugriff auf den Nachlass, der nicht in den Vertragsstaaten belegen ist, vom jeweiligen Mitgliedstaat abhängig ist. 76  Die h.M. lehnt indessen eine Anerkennung ausländischer, deklaratorischer Erbscheine nach §  108 FamFG zu Recht ab, vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 31.1.2019 – 15 W 40/19, ZEV 2019, 645 (646); KG, Beschl. v. 25.9.2012 – 1 W 270-271/12, NJW-RR 2013, 79; Staudinger/ Dörner, Art.  25 EGBGB Rn.  914; Keidel/Dimmler, FamFG, §  108 Rn.  48; BeckOK-FamFG/ Sieghörtner, §  108 Rn.  42; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2353 Rn.  30; Bestelmeyer, notar 2013, 147. 77  Vgl. MüKoZPO/Gottwald, §  328 Rn.  3 ff. und Bungert, IPRax 1992, 225 (226). Nach deutschem Recht ist die Anerkennung ausländischer Erbnachweise über §  108 FamFG für den Erben nicht weiterführend, weil (wenn überhaupt) nur die verfahrensrechtlichen Wirkungen, nicht jedoch die grundsätzlich wichtigeren materiellrechtlichen Wirkungen des Erbnachweises anerkannt werden, vgl. jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  62 EuErbVO Rn.  7. 74  75 

B. Erbnachweisbezogene Probleme in der internationalen Nachlassabwicklung

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Mangels vorrangiger Kollisionsnormen hat ein deutscher Richter die autonome Kollisionsnorm des Art.  43 Abs.  1 EGBGB anzuwenden, wonach Rechte an ­einer Sache dem Recht des Staates, in dem sich die Sache befindet, unterliegen. Auf den Eigentumserwerb findet demnach deutsches Recht Anwendung, mithin §§  929 ff. BGB.78 Da A mangels Erbrechts die Verfügungsmacht über das Auto fehlt und auch kein Erbschein vorliegt, kann kein gutgläubiger Erwerb stattfinden, da ein Abhandenkommen beim wahren Erben nach §  935 Abs.  1 BGB gegeben ist. Der atto di notorietà hilft nicht weiter, da er selbst keinen Gutglaubensschutz entfaltet. Es hätte jedenfalls der Anerkennung des atto di notorietà bedurft, wobei dann nach der Gleichstellungstheorie eventuell dem atto di notorietà Gutglaubensschutz kraft Gleichstellung mit dem Erbschein (§§  2365 ff. BGB) verliehen werden könnte (an dieser Stelle zeigt sich allerdings, dass eine Gleichstellung zu weit gehen würde, weil der Erbschein mit umfassenden Wirkungen und der atto di notorietà mit lediglich einer Beweisfunktion für die in der Urkunde abgegebenen Erklärungen in wirkungsrechtlicher Hinsicht weit voneinander entfernt sind). Die gleichen Fragen stellen sich, wenn statt des atto di notorietà ein anderer mitgliedstaatlicher Erbnachweis verwendet wird, der wiederum andere Wirkungen entfaltet. Wenn darüber hinaus der Verwendungsstaat ausgewechselt wird, so dass die Gleichstellung zu einem anderen Erbnachweis relevant wird, offenbaren sich eine Vielzahl möglicher Anerkennungspraktiken, die einer vorausschaubaren und einheitlichen Nachlassabwicklung für die EU-Bürger zuwiderlaufen. Die Nachlassabwicklung wäre unübersichtlich und hinge insbesondere von dem (zufälligen) Umstand ab, in welchem/n Mitgliedstaat/en das Erblasservermögen belegen ist. 2. Substitution des inländischen Erbnachweises durch einen ausländischen Erbnachweis Auf der zweiten Stufe, wenn die Anerkennung mangels Erstreckung der materiellrechtlichen Wirkungen des Erbnachweises ausscheidet bzw. keinen Nutzen hat79, d.h. die Interessen der Nachlassbeteiligten, z.B. der Nachweis der Erbenstellung vor einer Behörde, nicht gewahrt werden, besteht die Möglichkeit, einen inländischen Erbnachweis durch einen ausländischen Erbnachweis zu substituieren. Der ausländische Erbnachweis ersetzt diesen im Rahmen eines gesetzlichen Tatbestandes (also eines Tatbestandes, das die Vorlage des nationalen Erbnachweises verlangt, z.B. §  35 Abs.  1 S.  1 GBO im deutschen Recht), wenn er zum 78 

Vgl. MüKoBGB/Wendehorst, Art.  43 EGBGB Rn.  83; Staudinger/Mansel, Art.  43 ­EGBGB Rn.  784. 79  jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  62 EuErbVO Rn.  10.

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Zweites Kapitel: Der Weg zum Europäischen Nachlasszeugnis

Erbnachweis des Zielmitgliedstaates funktionell äquivalent ist.80 Eine Substitu­ tion scheidet jedoch aus – und dies ist ein wesentlicher Nachteil der Rechtslage vor Inkrafttreten der EuErbVO –, wenn aus Sicht des Zielmitgliedstaates dem fremden Erbnachweis ein falsches Erbstatut zugrunde liegt, was aufgrund des bis zum 16.8.2015 unvereinheitlichten Erbkollisionsrechts in der EU nicht auszuschließen war – und auch jetzt ein Problem darstellt, weil die EuErbVO nicht für alle Mitgliedstaaten gilt.81 Es besteht somit für den Erben große Rechtsunsicherheit, ob er mit einem im Heimatstaat beantragten Erbnachweis tatsächlich über die Grenzen hinweg effektiv handeln kann. Ähnlich wie bei der Anerkennung ausländischer Erbnachweis offenbaren sich auch bei der Substitution uneinheitliche Substitutionspraktiken. Erstens muss es überhaupt im jeweiligen Mitgliedstaat einen gesetzlichen Tatbestand im Kontext der Nachlassabwicklung geben. Das ist wohl nur in solchen Materien zu erwarten, in denen eine staatliche Behörde mitzuwirken hat (z.B. vornehmlich in Grundbuchangelegenheiten). Im Privatrechtsverkehr existerien in der Regel keine gesetzlichen Tatbestände, bei denen eine Substitution relevant werden kann. Damit fällt ein wichtiger Bestandteil der internationalen Nachlassabwicklung raus. Zweitens bestimmt der Mitgliedstaat nach seinem autonomen Recht selbst, welche Voraussetzungen für eine Substitution erfüllt sein müssen. Ungeachtet der Voraussetzungen einer Substitution bestimmt drittens der konkret zur Verfügung stehende Erbnachweis maßgeblich den Erfolg einer Substitution. All diese heterogenen Einflüsse widersprechen offensichtlich einem einheitlichen europäischen Rechtsraum. 3. Faktische Anerkennung ausländischer Erbnachweise Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen verbleibt stets die Möglichkeit der sog. faktischen (freiwilligen) Anerkennung von ausländischen Erbnachweisen durch Mitgliedstaaten, die ohne rechtliche Absicherung erfolgt und sich in aller Regel auf den Nachweis der erbrechtlichen Rechtsstellung beschränkt. Der Erbschein etwa genießt eine relativ hohe Akzeptanz unter den Mitgliedstaaten: So erkennen z.B. Luxemburg82, Griechenland83, Spanien84, Österreich85, Frank-

80  Vgl. Dutta/Weber/Fornasier, Vorb. Art.  62 EuErbVO Rn.  2; Dörner, DNotZ 2018, 661 (674). 81  Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (732); vgl. auch Hertel, DNotZ 2012, 687 (689). 82  Süß, ZEuP 2013, 725 (749); Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  362; Gottwald/Stangl, ZEV 1997, 217 (220). 83  Süß/Tsantinis, Erbrecht in Griechenland, Rn.  92. 84  Süß/Steinmetz/Huzel/García Alcázar, Erbrecht in Spanien, Rn.  222 ff.; Süß, ZEuP 2013, 725 (749). 85  Köllensperger, NZ 2015, 245 (262).

B. Erbnachweisbezogene Probleme in der internationalen Nachlassabwicklung

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reich86, die Niederlande87 und Italien88 den Erbschein im Grundsatz an, d.h. sie akzeptieren ihn als tauglichen Erbnachweis.89 Diese Anerkennung beschränkt sich etwa bei Bankangelegenheiten singulär auf den Nachweis der Erbenstellung.90 Hingegen verhalten sich z.B. England und Irland gegenüber ausländischen Erbnachweisen äußerst zurückhaltend und verlangen auch bei internationalen Erbfällen einen sog. „letter of administration“.91 Umgekehrt genügt ein ausländischer Erbnachweis für den Nachweis der Rechtsnachfolge im Rahmen des §  35 Abs.  1 GBO nicht.92 In der Konsequenz muss der Erbe das ihm fremde nationale Verfahren zur Erteilung des Erbnachweises durchlaufen, um mit der Inhaberschaft dieses Erbnachweises die begehrte Rechtshandlung vornehmen zu können.93 Die faktische Anerkennung ausländischer Erbnachweise stellt sich als eine (gesetzlich ungeregelte und somit nicht rechtssichere) Not- und Verlegenheitslösung dar, die zu sehr von den Mitgliedstaaten und dem jeweils anzuerkennenden Erbnachweis (bei den schwachen Erbnachweisen aus Schweden und Finnland ist eine faktische Anerkennung wegen der fehlenden staatlichen Partizipation grundsätzlich nicht zu erwarten) abhängig ist. Ohnehin kann mit einer faktischen Anerkennung die für den Rechtsverkehr wichtige Gutglaubenswirkung nicht grenzüberschreitend in die Mitgliedstaaten erstreckt werden. Eine einheitliche internationale Nachlassabwicklung im europäischen Rechtsraum kann damit nicht geschaffen werden.

Gottwald/Stangl, ZEV 1997, 217 (219 f.). NK-BGB/Süß, Länderbericht Niederlande, Rn.  67. 88  Gottwald/Stangl, ZEV 1997, 217 (221); Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  149. 89  Eine ausführliche Darstellung über die Anerkennung des deutschen Erbscheins in den Mitgliedstaaten findet sich bei Schroer, Europäischer Erbschein, S.  86 ff.; ob nach Einführung des Zeugnisses die bisherige Praxis der Anerkennung deutscher Erbscheine fortbesteht, ist stark zu vermuten, so Süß, ZEuP 2013, 725 (749). Zu pauschal Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  5, die dem deutschen Erbschein überhaupt keinen Nutzen bei der Verwendung im Ausland zusprechen. 90  Vgl. Gottwald/Stangl, ZEV 1997, 217. 91  DNotI-Studie, S.  290; England (als Teil des Vereinigten Königreichs) und Irland haben die EuErbVO nicht angenommen (vgl. ErwG 82), so dass das Zeugnis dort keine neuen Lösungswege aufschlägt. Zur Bedeutung des Zeugnisses in England und im Allgemeinen in Drittstaaten siehe unten im 5. Kap., IV., S.  438 f. 92  OLG Hamm, Beschl. v. 31.1.2019 – 15 W 40/19, ZEV 2019, 645; KG, Beschl. v. 25.9.2012 – 1 W 270-271/12, NJW-RR 2013, 79; OLG Bremen, Beschl. v. 19.5.2011 – 3 W 6/11, DNotZ 2012, 687; KG, Beschl. v. 25.3.1997 – 1 W 6538/96, FamRZ 1998, 308; Heggen, RNotZ 2007, 1 (6); ausführlich Gronle, Nachweis nach §  35 GBO durch ausländische Erbzeugnisse, S.  81 ff. und Kaufhold, ZEV 1997, 399 (400 ff.). 93  Vgl. Lurger, in: Rechberger, Brücken im Europäischen Rechtsraum, 2009, 45 (47). 86  87 

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Zweites Kapitel: Der Weg zum Europäischen Nachlasszeugnis

II. Praktische Schwierigkeiten bei der Verwendung mitgliedstaatlicher Erbnachweise im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr Außer den spezifisch internationalprivat- und internationalzivilverfahrensrechtlichen Problemen in der internationalen Nachlassabwicklung stellen sich auch rein praktische, die für den Erben von nicht unwesentlicher Bedeutung sind. Stammt ein ausländischer Erbnachweis aus einem Mitgliedstaat, dessen Amtssprache in Europa nicht sehr verbreitet ist (z.B. Rumänisch oder Lettisch, aber jedenfalls nicht die weit verbreiteten Sprachen wie Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, Deutsch), kommt es regelmäßig zu sprachlichen Barrieren in der Kommunikation zwischen den Beteiligten und bezüglich des Inhalts des Erbnachweises bei dessen Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat.94 Freilich wird in solchen Fällen zur Lösung häufig ein Dolmetscher bzw. ein in der betreffenden Sprache Sachkundiger zu Rate gezogen. Die damit verbundenen Kosten sind indes nicht unerheblich95 und sollten im Interesse aller Beteiligten vermieden werden. Muss es schließlich notgedrungen zu einem Verfahren zur Erlangung des nationalen Erbnachweises des Verwendungsstaates kommen, weil der ausländische Erbnachweis nicht akzeptiert wird oder seine im Verwendungsstaat entfalteten Wirkungen für die Nachlassabwicklung nicht ausreichend sind, werden dem Erben Unannehmlichkeiten wie Zeitverlust, Kosten, Beschaffung von Nachweisen und Urkunden, logistische Probleme (insbesondere bei der potentiellen großen örtlichen Distanz zwischen dem Erben und dem Mitgliedstaat, in dem das Erbnachweisverfahren stattfindet) eines für ihn fremden Verfahrens aufgebürdet, obwohl er bereits im Heimatstaat ein ähnliches Verfahren mit identischem Zweck durchlaufen hatte.96 Den Interessen des Erben nach einer zügigen, unkomplizierten und effizienten Nachlassabwicklung kommt man mit einer solchen doppelten Verfahrensbelastung nicht entgegen.

C. Zwischenfazit: Regelungsbedürfnis für das Europäische Nachlasszeugnis Die bisherigen Untersuchungen offenbaren, dass ein Regelungsbedürfnis für die Abwicklung internationaler Erbfälle im europäischen Rechtsraum durch einen europäischen Erbnachweis bzw. durch das Zeugnis kaum zu leugnen ist.97 Die Vgl. Süß, ZEuP 2013, 725 (727); Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (730). Vgl. etwa §§  8 ff. JVEG für die Vergütung eines Dolmetschers bei Heranziehung durch das Gericht. 96  Vgl. Süß, ZEuP 2013, 725 (727); Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (733). 97  Vgl. auch Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  62 EuErbVO Rn.  5. 94  95 

D. Das Verhältnis zu den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen

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Gründe für dieses essentielle Bedürfnis sind materiellrechtlicher wie verfahrensrechtlicher Natur. Zunächst erzeugen die verschiedenen mitgliedstaatlichen Erb­ rechte mit ihren individuellen Eigenarten ein Gemenge unterschiedlicher Rechte und Befugnisse, die sich in dem jeweiligen Erbnachweis des Mitgliedstaates widerspiegeln. Dies bildet jedoch nur das Grundgerüst für die weiteren verfahrensrechtlichen Probleme. Soll ein Erbnachweis in einem anderen Mitgliedstaat verwendet werden, ist es im Grundsatz jedem Mitgliedstaat selbst überlassen, ob und inwieweit er den Erbnachweis akzeptiert. Die Wirkungen von Erbnachweisen enden gleichsam an den Landesgrenzen des Ausstellungsstaates.98 Hinzu kommt generell, dass die Erbnachweise wirkungsbezogen und verfahrensrechtlich enorm voneinander abweichen und diese Diskrepanz sich konsequenterweise auf die Anerkennungsebene überträgt. Auf diese Weise entsteht je nach den beteiligten Mitgliedstaaten ein Gefälle zwischen den internationalen Nachlassabwicklungen und eine einheitliche unionsweite Nachlassabwicklung ist unmöglich. Insgesamt lässt sich damit festhalten, dass der Weg zum Zeugnis wesentlich durch die Bedeutung der mitgliedstaatlichen Erbnachweise im inländischen wie auch grenzüberschreitenden Verkehr geprägt ist.

D. Das Verhältnis des Europäischen Nachlasszeugnisses zu den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen Wenn die Motive zur Einführung des Zeugnisses gleichsam der Bedeutung der mitgliedstaatlichen Erbnachweisen in der internationalen Nachlassabwicklung entsprungen sind, vermag es nicht zu verwundern, dass das Verhältnis des Zeugnisses zu den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen von zentraler Bedeutung ist, dessen Durchdringung unverzichtbar für das Verständnis vom Zeugnis ist. I. Rechtspolitische Vorüberlegungen Schon zu Beginn der Verhandlungen zur EuErbVO bestand konforme Meinung zwischen der Europäischen Kommission, des Parlaments und des Rates darüber, dass die Erbnachweise der Mitgliedstaaten von der Einführung des Zeugnisses unberührt bleiben sollen.99 Das Zeugnis stellt nach Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO einen zusätzlichen Erbnachweis neben den bisher bestehenden mitgliedstaatlichen oder nationalen Erbnachweisen (nach dem Verordnungstext die „innerstaatlichen Schriftstücke, die in den Mitgliedstaaten zu ähnlichen Zwecken verwenDNotI-Studie, S.  290. Lechner, ZErb 2014, 188 (191); Wagner, DNotZ 2010, 506 (518); vgl. auch Art.  36 Abs.  2 des KOM (2009) 154, endg., 2009/0157. 98  99 

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Zweites Kapitel: Der Weg zum Europäischen Nachlasszeugnis

det werden“) dar. Die Mitgliedstaaten sind natürlich weiter frei darin, ihre Vorschriften zu ihrem nationalen Erbnachweis zu modifizieren oder neue Instrumente einzuführen.100 Sie können entsprechende Maßnahmen gewiss auch unterlassen. In jenen Mitgliedstaaten, die seither einen stark ausgestalteten Erbnachweis vorsehen, erscheint es unwahrscheinlich, dass der jeweilige nationale Gesetzgeber aufgrund der Einführung des Zeugnisses sich dazu veranlasst sieht, den nationalen Erbnachweis zu modifizieren, da insbesondere die inländische Nachlassabwicklung nach wie vor mit diesem (erfahrungsgemäß gut) betrieben werden kann.101 Anders könnte dies bei solchen Mitgliedstaaten beurteilt werden, die einen Erbnachweis nicht kennen oder ihn nur schwach ausgestaltet haben. Der Anreiz ist hier viel größer, den nationalen Erbnachweis dem Zeugnis in wirkungsrechtlicher Hinsicht anzupassen. Gerade Mitgliedstaaten ohne Erbnachweise könnten mit der Schaffung äquivalenter nationaler Instrumente rechtliches Neuland betreten, wenn sie – nach freilich angemessener Evaluation der praktischen Erfahrungen mit dem Zeugnis – von dem Nutzen des Zeugnisses überzeugt sind und auf rein nationaler Ebene diese Wirkungen in einem eigenen Instrument vereinigen wollen. Schließlich kann das Zeugnis nur ausgestellt werden, wenn insbesondere die Verwendungsabsicht im Ausland nachgewiesen wird (Art.  63 Abs.  1 EuErbVO). Das Zeugnis entfaltet dann jedoch auch im Inland seine Wirkungen (Art.  62 Abs.  3 S.  2 EuErbVO). Für reine Inlandsfälle, in denen eine Verwendungsabsicht in einem anderen Mitgliedstaat nicht nachgewiesen werden kann, ist der Zugang zum Zeugnis versperrt. Infolgedessen wird das Erfordernis der Einführung eines eigenen nationalen Instruments akut. Dass rein nationale Sachverhalte von den Wirkungen des Zeugnisses nicht profitieren können, wird teilweise als Inländerdiskriminierung betrachtet.102 Indessen geht die Kompetenz des Unionsgesetzgebers nur so weit, dass grenzüberschreitende Sachverhalte von ihm geregelt werden können (Art.  81 AEUV). Es ist somit letztlich Aufgabe jedes einzelnen mitgliedstaatlichen Gesetzgebers, die Einführung des Zeugnisses als Anlass dafür zu nehmen, seine eigenen erbnachweisrechtlichen Bestimmungen zu reformieren. Jedenfalls kann ein mitgliedstaatli100 

jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  62 EuErbVO Rn.  41. In Deutschland ist – soweit ersichtlich – bisher von keiner Seite eine Anregung zu einer tatsächlichen Änderung der materiellrechtlichen Wirkungen des Erbscheins gemacht worden. Die Durchführungsgesetzgebung zur EuErbVO hat lediglich Änderungen im Erbverfahrensrecht hervorgebracht. Da die Wirkungen des Erbscheins und des Zeugnisses sich weitgehend decken, wären etwaige Anpassungen an das Zeugnis eher auf kleine Aspekte beschränkt. Denkbar wäre, dass ein gutgläubiger Erwerb des Dritten vom Erbscheinserben auch bei grob fahrlässiger Unkenntnis ausgeschlossen ist. Doch in Anbetracht der langen Tradition und Beständigkeit des Erbscheins scheint eine Reform in dieser Hinsicht nahezu ausgeschlossen. 102  Vgl. Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  236 m.w.N. aus dem italienischen Schrifttum. 101 

D. Das Verhältnis zu den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen

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cher Gesetzgeber nicht den Zugang zum Zeugnis für rein nationale Sachverhalte selbstständig öffnen. II. Prinzip der Koexistenz Das Verhältnis des Zeugnisses zu den nationalen Erbnachweisen lässt sich, auch wenn die EuErbVO sich nicht ausdrücklich dazu äußert, nach herrschender und zutreffenderweise Ansicht als Prinzip der Koexistenz, das durch die Grundsätze von Alternativität und Parallelität flankiert wird, beschreiben.103 Kennzeichnend ist das gleichberechtigte Nebeneinanderbestehen von Zeugnis und nationalen Erbnachweisen, die je für sich und unabhängig von dem jeweils anderen Erbnachweis Geltung beanspruchen; ein Geltungsvorrang eines der Erbnachweise ist ausgeschlossen.104 Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter können sowohl das Zeugnis als auch weiterhin den nationalen Erbnachweis bei der zuständigen Ausstellungsbehörde oder beide Erbnachweise beantragen (Alternati­ vität).105 Unerheblich ist, ob bereits bei Beantragung eines Zeugnisses ein nationaler Erbnachweis ausgestellt wurde106 und umgekehrt107. Nicht erforderlich ist somit eine vorherige Aufhebung des Zeugnisses bzw. des nationalen Erbnachweises.108 Das Rechtsschutzinteresse ist mithin in allen denkbaren Konstellationen stets gegeben.109 Dafür spricht, dass die EuErbVO an keiner Stelle eine derartige wechselseitige Abhängigkeit anordnet.110 Diese würde unweigerlich in die schutzwürdige Rechtsposition des Erbnachweisinhabers eingreifen, wenn sich die materiellrechtliche Lage bei Antragstellung des Zeugnisses nach Erteilung des nationalen Erbnachweises (oder umgekehrt) nicht geändert hat, mithin die beiden Erbnachweise einen identischen Inhalt haben. Falls sich jedoch herausstellt, dass z.B. der zuerst erteilte nationale Erbnachweis unrichtig ist und nunmehr ein Zeugnis beantragt wird, das die materiellrechtliche Lage jetzt kor103 

Dutta/Weber/Fornasier, Art.  62 EuErbVO Rn.  8; NK-BGB/Nordmeier, Art.  62 EuErbVO Rn.  31; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 724 (748); jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  62 EuErbVO Rn.  41; Palandt/Weidlich, Anh. zu §§  2353 ff., Art.  62, 63 EuErbVO Rn.  10; Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (416). 104  Vgl. Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (421). 105  MPI, RabelsZ 74 (2010), 522 (677). 106  Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  314. 107  In Bezug auf den Erbschein als nationalen Erbnachweis BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, §  2366 Rn.  26. 108  Vgl. Laukemann, in: Hess/Bergström/Storskrubb, EU civil justice, 2016, 161 (170); a.A. MPI, RabelsZ 74 (2010), 522 (701). 109  Restriktiver Leipold, Erbrecht, Rn.  660c. 110  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  62 EuErbVO Rn.  11.

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Zweites Kapitel: Der Weg zum Europäischen Nachlasszeugnis

rekt wiedergibt, ist der unrichtige nationale Erbnachweis gemäß den Regelungen des nationalen Rechts aufzuheben oder jedenfalls an die wahre Rechtslage anzupassen. Das ist indessen eine Frage der Wirkungsentziehung, die vom Prinzip der Koexistenz abzugrenzen ist. Sind das Zeugnis und der nationale Erbnachweis erteilt worden, kann der Antragsteller sie gleichermaßen im Rechtsverkehr verwenden (Parallelität).111 Der Grundsatz der Parallelität führt also den Grundsatz der Alternativität auf einer höheren Ebene fort: Nachdem Erben, Vermächtnisnehmern mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstreckern und Nachlassverwaltern die Option eingeräumt wird, sich für die Durchführung der internationalen Nachlassabwicklung für das Zeugnis oder den nationalen Erbnachweis zu entscheiden, können die Antragsteller sogar auf die Alternativität „verzichten“ und sogleich beide Erbnachweise beantragen. Ausgangspunkt für das Prinzip der Koexistenz ist die mangelnde Handlungsfähigkeit des Unionsgesetzgebers im Bereich des materiellen Rechts, denn für dessen Regulierung fehlen dem Unionsgesetzgeber korrespondierende Gesetzgebungskompetenzen (vgl. Art.  81 AEUV). Nachgerade das Erbrecht mit seinen folgenintensiven Regelungen – z.B. Ausgestaltung der gesetzlichen Erbfolge, Pflichtteilsrecht – ist jedem Mitgliedstaat zur eigenen Ausformung überlassen. Dies gilt besonders für das materielle Erbrecht. Die nationalen Erbnachweise haben eine Doppelnatur, beinhalten sowohl materiellrechtliche (die Wirkungen) als auch verfahrensrechtliche Elemente (Ausstellung nach einem bestimmten Verfahren), weshalb ein Einschreiten des Unionsgesetzgebers nicht denkbar war. ErwG 67 S.  3 nennt ausdrücklich das Subsidiaritätsprinzip, das die Ersetzung innerstaatlicher Schriftstücke durch die Einführung des Zeugnisses verbietet.112 ErwG 69 S.  2 betont den optionalen Charakter des Zeugnisses und weist zugleich daraufhin, dass die zur Antragstellung eines Zeugnisses berechtigten Personen gleichwohl die von der EuErbVO aufgestellten Instrumente, namentlich Entscheidungen, öffentliche Urkunden und gerichtliche Vergleiche, verwenden können. Insgesamt liegt der EuErbVO eine Grundkonzeption zugrunde, die als Ausfluss der Kompetenzverteilung möglichst schonend in die mitgliedstaatlichen Erbrechtssysteme – sowohl in materiellrechtlicher als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht – eingreifen will.113 Am Prinzip der Koexistenz manifestieren sich

111  Näher zur Wirkungsentfaltung bei parallel existierenden Erbnachweisen unten im 3. Kap., C., V., S.  261 f. 112  Vgl. auch Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, 589 (598). Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (746) in Fn.  120 ist der Auffassung, dass es sich hierbei um kein Subsidiaritätsproblem handele, da es auf der Ebene der Mitgliedstaaten von vornherein unmöglich sei, einen supranationalen Erbnachweis einzuführen. 113  Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102 (105).

D. Das Verhältnis zu den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen

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darüber hinaus die Konzepte der Liberalität, Wahlfreiheit und der Vereinfachung, die die EuErbVO durchdringen.114 Aus Sicht der Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter gereicht das Prinzip der Koexistenz ihnen ausschließlich zum Vorteil. Sie haben weiterhin Gewissheit über die praktische Bedeutung des nationalen Erbnachweises und müssen grundsätzlich keine Änderung der bisherigen Rechtslage befürchten. Das Zeugnis erzeugt lediglich eine zusätzliche Möglichkeit zur Abwicklung des Nachlasses. Die Handlungsoptionen werden erweitert und nicht eingeschränkt. Im Lichte der Funktion des Zeugnisses, die Abwicklung internationaler Erbfälle zu erleichtern, ist das Prinzip der Koexistenz eine zwingende Schlussfolgerung für das Verhältnis von Zeugnis und nationalen Erbnachweisen. Würde die Ausstellung eines Zeugnisses die Ausstellung eines nationalen Erbnachweises sperren (und umgekehrt), würde man den Aufwand der Nachlassabwicklung etwa zulasten der Erben erhöhen, wenn diese im Laufe der Nachlassabwicklung beispielsweise aufgrund der Entdeckung von Erblasservermögen im Ausland ein Zeugnis beantragen wollten und die Aufhebung des bereits existenten nationalen Erbnachweises angestrengt werden müsste.115 Aus den vorgenannten Gründen ergibt sich damit insgesamt plausibel die Stimmigkeit des Prinzips der Koexistenz. Unabhängig von dieser deutlichen Intention des Unionsgesetzgebers wurden zum Entstehungszeitpunkt des ersten Entwurfs zur EuErbVO andere Ausgestaltungsmöglichkeiten für das Verhältnis zwischen dem Zeugnis und den nationalen Erbnachweisen hervorgebracht, die sich im Gesetzgebungsprozess letztlich nicht durchsetzen konnten.116 Die Auseinandersetzung mit diesen alternativen Ausgestaltungsmöglichkeiten vermag jedoch als Kontrast zum Prinzip der Koexistenz neue Denkperspektiven zu öffnen, die zu einem besseren Verständnis des Zeugnisses führen. III. Alternative Modelle 1. Superiorität des Europäischen Nachlasszeugnisses Das Verhältnis zwischen Zeugnis und nationalen Erbnachweisen hätte derart ausgestaltet werden können, dass zwar die nationalen Erbnachweise weiterhin ausgestellt und verwendet werden können, aber ein Zeugnis, das zu demselben Erbfall ergeht und dieselbe erbrechtliche Rechtsstellung ausweist, stets Vorrang genießt.117 Das Zeugnis hätte hiernach eine Superioritätsstellung gegenüber den Vgl. Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102 (107) und Lechner, ZErb 2014, 188 (191). NK-BGB/Nordmeier, Art.  62 EuErbVO Rn.  31. 116  Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, 589 (598). 117  Fötschl, ERPL 2010, 1259 (1262), der sich jedoch noch auf den Kommissionsentwurf 114  115 

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Zweites Kapitel: Der Weg zum Europäischen Nachlasszeugnis

nationalen Erbnachweisen inne. Sobald ein Zeugnis erteilt worden wäre, verlöre ein zuvor erteilter nationaler Erbnachweis seine Wirksamkeit und wäre vom Zeugnis überdeckt worden.118 Dies gilt besonders für Konstellationen, in denen das Zeugnis und der nationale Erbnachweis unterschiedliche Inhalte haben, aber auch für solche Fälle, in denen sie identischen Inhalts sind. Das Zeugnis stilisiert sich auf diese Weise zu einem übergeordneten Erbnachweis hoch, der für die Verwendung in der Nachlassabwicklung reiner Inlandsfälle sowie für Fälle mit grenzüberschreitendem Bezug geeignet ist. Genau dies ist aber in Retrospektive vom Unionsgesetzgeber nicht intendiert worden. Das Zeugnis beansprucht nicht primär, inländische Fälle zu regulieren. Hiermit wäre ein vorbehaltloser Vorrang des Zeugnisses nicht vereinbar, weil dies den Ausschluss der Wirkungsentfaltung des nationalen Erbnachweises im Inland bedeuten würde. Zwar kann das Zeugnis gemäß Art.  62 Abs.  3 S.  2 EuErbVO seine Wirkungen auch im Inland entfalten, aber zwingende Voraussetzung für die Ausstellung ist die nachgewiesene Verwendungsabsicht des Antragstellers in einem anderen Mitgliedstaat. Die Wirkungsentfaltung auch im Inland soll lediglich die Möglichkeit einräumen, die Rechtsstellung mit dem Zeugnis in der gesamten EU, also inklusive im Ausstellungsstaat, nachzuweisen.119 Eine Superiorität des Zeugnisses anzunehmen, widerspricht daher dessen von dem Unionsgesetzgeber zugewiesene Bedeutung. 2. „Rucksacktheorie“ Eine weitere denkbare Möglichkeit war die Zusammenfassung des Zeugnisses und des nationalen Erbnachweises zu einem einheitlichen Dokument.120 Das Zeugnis würde den nationalen Erbnachweis, der den Hauptkorpus darstellt, ergänzen und ihn für die Verwendung im Ausland die nötigen Wirkungen und sonstigen Voraussetzungen zuweisen (sog. „Rucksacktheorie“; engl.: „backpacker function“121); wesentlicher Vorteil dieser Ausgestaltung ist die vollständige Beseitigung potentieller Unstimmigkeitsszenarien zwischen den Erbnachweisen, da nur ein Dokument ausgestellt wird.122 Wird das Dokument im Ausland verwendet, kommt es nur auf die Wirkungen des Zeugnisses als Teil des Gesamterb-

zur EuErbVO bezieht, also zu einem Zeitpunkt, zu dem das Prinzip der Koexistenz sich noch nicht herauskristallisiert hat. 118  Fötschl, ERPL 2010, 1259 (1262). 119  Näher zur Inlandswirkung unten im 3. Kap., A., VII., S.  55 ff. 120  Fötschl, ERPL 2010, 1259 (1262); Süß, ZEuP 2013, 725 (737); die Rücksacktheorie befürwortend Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (193). 121  Fötschl, ERPL 2010, 1259 (1264); vgl. auch Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (747 f.) sowie Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  62 EuErbVO Rn.  53. 122  Fötschl, ERPL 2010, 1259 (1262).

D. Das Verhältnis zu den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen

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nachweises an. Der nationale Erbnachweis wird durch das Zeugnis im Hinblick auf die eingetretenen Wirkungen im Ausland ersetzt und wird nur relevant bei der Verwendung im Inland.123 Auf diese Weise ist ein Konflikt zwischen einem Zeugnis und nationalen Erbnachweisen ausgeschlossen, allerdings nicht ein Konflikt zwischen verschiedenen Zeugnissen. Mag dieses Konstrukt von einem Gesamterbnachweis bestehend aus Zeugnis und nationalem Erbnachweis auf den ersten Blick einleuchtend erscheinen, so wäre die praktische Umsetzung schwierig. Wie gesehen, sind die mitgliedstaatlichen Erbnachweise in ihren Wirkungen und in ihren Ausstellungsverfahren äußerst divers. Eine Ergänzung des nationalen Erbnachweises durch das Zeugnis müsste aufgrund der einheitlichen Wirkungsentfaltung in der EU entsprechend einheitlich erfolgen. Wenn das Zeugnis und der nationale Erbnachweis in einem Dokument vereint würden, wäre es problematisch gewesen, die Eigenheiten der nationalen Erbnachweise mit dem Zeugnis in Einklang zu bringen, insbesondere im Hinblick auf die privat errichteten Nachlassverzeichnisse in Schweden und Finnland. Sieht ein Mitgliedstaat keinen nationalen Erbnachweis vor oder entbehrt der nationale Erbnachweis eines vergleichbaren Inhalts und Verfahrens, liefe dieses Konstrukt sogar ins Leere.124 Ersetzt das Zeugnis den nationalen Erbnachweis, wenn die Wirkungen im Ausland in Rede stehen, so werden die Rechte des Erben unter dem Aspekt unzulässigerweise eingeschränkt, dass der nationale Erbnachweis u.U. stärkere Wirkungen zeitigt als das Zeugnis. Dem Erben wird die Möglichkeit genommen, sich wie vor der Einführung des Zeugnisses etwa mit dem Erbschein in anderen Mitgliedstaaten zu legitimieren.125 Umgekehrt erscheint es fragwürdig, einen nationalen Erbnachweis, der in seinen Wirkungen vergleichsweise schwach ausgestaltet ist, durch die Ergänzung mit dem Zeugnis für den Einsatz im Ausland mit starken Wirkungen auszustatten, aber dem Inhaber dieses Gesamterbnachweises zu verwehren, diese Wirkungen im Inland zu nutzen.126 Überdies müssten die Verfahrensregelungen aufeinander abgestimmt werden, da das Verfahren zur Ausstellung des nationalen Erbnachweises nunmehr Regelungen zur Ausstellung des Zeugnisses als Teil eines Gesamterbnachweises vorsehen müsste. Dieser Eingriff in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten wäre zwar noch zu rechtfertigen gewesen aufgrund der Tatsache, dass es sich nicht um materielles Recht handeln würde und insbesondere die Wirkungen der Fötschl, ERPL 2010, 1259 (1263 f.); Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 162 (166). jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  62 EuErbVO Rn.  44; Süß, ZEuP 2013, 725 (737). 125  Es wurde bereits aufgezeigt, dass der Erbschein in vielen Mitgliedstaaten hohes Ansehen besitzt und anerkannt wird, siehe oben im 2. Kap., B., I., S.  27 ff. 126  Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (748). 123 

124 

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Zweites Kapitel: Der Weg zum Europäischen Nachlasszeugnis

nationalen Erbnachweise unangetastet blieben. In Anbetracht der alternativen, effektiveren Ausgestaltungsmöglichkeiten des Verhältnisses von Zeugnis und nationalen Erbnachweisen wäre ein solcher Eingriff allerdings unangemessen. 3. Ergebnis Die denkbaren alternativen Modelle zur Ausgestaltung des Verhältnisses von Zeugnis und nationalen Erbnachweisen konnten im Ergebnis zu Recht nicht überzeugen. Obgleich sie hinsichtlich einzelner Anliegen durchaus nachvollziehbar waren, musste dem Zeugnis eine Konzeption beigegeben werden, die den Mitgliedstaaten in ihrer Gesamtheit gerecht wird. Ein derartiges europäisches Lösungsmodell verwirklicht sich am besten mit dem Prinzip der Koexistenz, das im Grundsatz die Vielfältigkeit der mitgliedstaatlichen Erbnachweise und ihre Bedeutung in der Nachlassabwicklung unberührt lässt. Es ist somit festzuhalten, dass das Prinzip der Koexistenz sich zwingend aus den Grundsätzen der EU und einer Gesamtschau zur EuErbVO ergibt. Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter haben unter Geltung dieses Prinzips erweiterte Handlungsmöglichkeiten, ob und wie sie ihre Interessen mit einem Erbnachweis in der Nachlassabwicklung durchsetzen wollen.

E. Fazit Die Vielfältigkeit der Erbnachweise in der EU und die uneinheitliche Behandlung grenzüberschreitender Erbfälle durch die Mitgliedstaaten verlangen nach einer europäischen Lösung, die das Gefälle zwischen den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen im Hinblick auf ihren Nutzen in der internationalen Nachlassabwicklung beseitigt und dadurch eine einheitliche unionsweite Handhabung internationaler Erbfälle sichert. Der Unionsgesetzgeber ist hierbei trotz eigenen Ermessensspielraums nicht umhingekommen, sich bei der Ausgestaltung der Konzeption des Zeugnisses grundsätzlich an den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen und den Gegebenheiten und Erfahrungen der Mitgliedstaaten zu orientieren. Vielmehr war dies geboten: Das Zeugnis stellt zwar ein völlig neues Instrument dar, verkörpert jedoch im Grunde genommen einen klassischen Erbnachweis, den die die meisten Mitgliedstaaten in unterschiedlicher Form kennen. Lediglich der grenzüberschreitende Charakter des Zeugnisses hat einen verfahrensrechtlichen Unterbau (insbesondere die Wirkungserstreckung nach Art.  69 Abs.  1 ­EuErbVO) gefordert, der so bei den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen nicht zu finden ist. In wirkungsrechtlicher Hinsicht musste sich das Zeugnis zwangsläufig

D. Das Verhältnis zu den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen

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an der äußersten Grenze des maximal erreichbaren Wirkungsgehalts bewegen, um eine möglichst hohe Effektivität zu erlangen. Es durfte in der EU kein dauerhafter Zustand sein, dass je nach den beteiligten Rechtsordnungen in einem internationalen Erbfall kleinere oder größere Hürden für die Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter bei der Nachlassabwicklung bestehen. Der Unionsgesetzgeber wirkt diesem Zustand mit der Einführung des Zeugnisses entgegen, lässt aber zugleich bewusst und gemäß dem Subsidiaritätsgrundsatz die mitgliedstaatlichen Erbnachweise unberührt. Das Prinzip der Koexistenz schlägt als immer wieder zu beachtende (Auslegungs-)Maxime auf rechtliche Probleme durch. Ob die erkannten Schwierigkeiten in der internationalen Nachlassabwicklung durch das Zeugnis tatsächlich überwunden werden, hängt wesentlich von dessen Wirkungskonzeption ab, die Gegenstand des folgenden Kapitels ist, mit dem zugleich der rechtsvergleichende Teil der Arbeit beginnt.

Drittes Kapitel

Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise Das in rechtlicher und praktischer Hinsicht Interessanteste an dem Zeugnis dürfte – wie bei jedem Erbnachweis – sein Wirkungsgehalt sein.1 Der Unionsgesetzgeber musste, so er sich für ein eigenständiges europäisches Rechtsinstrument entschieden hat, genau überlegen, welche Wirkungen er dem Zeugnis zuweist und welche Konsequenzen die Verleihung dieser Wirkungen nach sich zieht. In Anbetracht der bereits aufgezeigten Unterschiede in der Wirkungsausgestaltung mitgliedstaatlicher Erbnachweise hat sich eine synoptische Betrachtung angeboten. Die finale Wirkungsausgestaltung des Zeugnisses zeugt insgesamt von der Stärke des europäischen Lösungsmodells. Die Terminologie der Wirkungen des Zeugnisses ist nicht neu. Der deutsche Erbschein kann weitgehend als Exempel für die Wirkungsausgestaltung des Zeugnisses gelten.2 Zu seinen Wirkungen gehören die Vermutungswirkung, die Gutglaubenswirkung sowie die Legitimationswirkung (§§  2365 ff. BGB). Das Zeugnis entfaltet diese Wirkungen jedenfalls von der Bezeichnung her ebenfalls (Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO).3 Bevor auf die Rechtswirkungen eingegangen wird, gilt es eine Art „allgemeinen Teil“ voranzustellen, in dem die Dogmatik der Wirkungen des Zeugnisses beleuchtet wird, die für jede Wirkung von Bedeutung ist (A.). Wie die Wirkungen der Erbnachweise in Deutschland, Österreich und der EU konkret ausgefüllt sind, wird sodann in Anwendung rechtsvergleichender Methodik untersucht (B.). Eine gesonderte Problematik betrifft das Zusammenspiel von Erbnachweisen im wirkungsrechtlichen Kontext (C.). Ein wesentlicher Aspekt betrifft die rechtliche Behandlung divergierender Erbnachweise. Zwar besteht eine Vielzahl von 1  Ähnlich Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  62 EuErbVO Rn.  4, der die Wirkungsnorm des Art.  69 EuErbVO als die zentrale Norm bezeichnet, warum der Unionsgesetzgeber überhaupt das Zeugnis eingeführt hat. 2  Vgl. auch Neumayr, AnwBl 2016, 262 (263) sowie Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck, Erbrecht, Art.  62 EuErbVO Rn.  1. Die Orientierung des Unionsgesetzgebers insbesondere am deutschen Erbschein bei der Einführung des Zeugnisses hervorhebend Dörner, DNotZ 2018, 661 (670). 3  Im Englischen könnten die Begriffe „effect of presumption“, „bona fide effect“, „legitimizing effect“ verwendet werden, vgl. Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 ­EuErbVO Rn.  5, 10, 18.

A. Dogmatik der Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses

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Schutzmechanismen zu deren Vermeidung. Sollten diese trotzdem keinen Erfolg haben, müssen Antworten auf die rechtlichen Folgeprobleme gefunden werden. Von besonderer praktischer Bedeutung ist, wie sich die Wirkungen der divergierenden Erbnachweise gegenseitig beeinflussen und demnach die internationale Nachlassabwicklung beeinträchtigen und wie dieser Zustand beseitigt wird. In diesem Zusammenhang ist zudem auf die kumulative Verwendung von inhaltlich konvergenten Erbnachweisen einzugehen. Nach der Ausstellung des Erbnachweises kann sich herausstellen, dass der Erbnachweis unrichtig ist. In der Zwischenzeit befindet sich der Erbnachweis unberührt von dieser „Entdeckung“ im Rechtsverkehr. Ein Bedürfnis nach einem nachträglichen Zugriff auf den Erbnachweis ist im nationalen wie im internationalen Kontext angesichts der Tragweite der Wirkungen des Erbnachweises evident. Daher ist zu untersuchen, wie die Maßnahmen der Wirkungsentziehung und der Wirkungsaussetzung die Gefahr der Verwendung unrichtiger Erbnachweise im Rechtsverkehr bannen können (D.).

A. Dogmatik der Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses I. Allgemeines Die Wirkungen von Erbnachweisen bilden die materielle Essenz der Erbnachweise, legen den rechtlichen Rahmen für eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung fest und in ihnen unterscheiden sich die Erbnachweise in der EU maßgeblich voneinander. Was ein Erbnachweis mit seinen Wirkungen imstande ist, praktisch in der Nachlassabwicklung für die Nachlassbeteiligten zu leisten, indiziert im Allgemeinen seine Attraktivität vor allem in Konkurrenz gegenüber Erbnachweisen im weiteren Sinne und ungeachtet etwaiger gesetzlicher Hilfskonstruk­ tio­nen außerhalb des Regelungsbereichs des Erbnachweises. Es ist im Grundsatz eine rechtspolitische Frage4, ob ein Erbnachweis überhaupt von einer Rechtsordnung vorgesehen wird und – in einem weiteren Schritt – mit welchen Wirkungen ein Erbnachweis (materiellrechtliche Komponente) versehen wird und an welche Voraussetzungen die Entfaltung der Wirkungen (verfahrensrechtliche Komponente) geknüpft wird. Im Mittelpunkt stehen regelmäßig zwei im Einklang zu bringende Interessen: auf der einen Seite der Schutz des Rechtsverkehrs (Verkehrsinteresse), namentlich sein Vertrauen auf die im Erbnachweis dokumentierte Rechtslage, und auf der anderen Seite der 4 

Vgl. Klinck, AcP 2015, 1 (10).

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Schutz des wahren Erben (Beharrungsinteresse).5 Aufeinander treffen somit das Individualinteresse des wahren Erben und das überindividuelle (Allgemein-)Interesse an der Sicherung des Rechtsverkehrs.6 Daneben besteht das Interesse des vermeintlichen und des wahren Erben, sich für Nachlassangelegenheiten zu legitimieren. Ein Konflikt besteht dann nicht, wenn der Erbnachweis tatsächlich vom wahren Erben verwendet wird (und insoweit die Gutglaubenswirkung ins Leere läuft). Dies ist jedoch keineswegs immer anzunehmen. Der deutsche historische Gesetzgeber hat sich bei der Entstehung des BGB dazu entschieden, einen Erbnachweis mit einem umfassenden Wirkungsgehalt zu etablieren. Maßgeblich für die Einführung eines Erbscheins war die Erkenntnis, dass der Rechtsverkehr ein berechtigtes Bedürfnis nach Schutz hat.7 Da oftmals nicht sicher festgestellt werden kann, wer tatsächlich Erbe geworden ist, dürfen (gutgläubige) Dritte, die mit vermeintlichen Erben rechtsgeschäftlich interagieren, nicht schutzlos gestellt werden, wenn sich später herausstellt, dass der andere nicht Erbe war – dieser misslichen Situation vorzubeugen, ist die wesentliche Funktion des Erbscheins.8 Auch in Anbetracht des Grundsatzes der Universalsukzession und des Fehlens eines obligatorischen Verfahrens zum Antritt der Erbschaft war die Einführung eines Erbscheins unerlässlich.9 Das österreichische Verlassenschaftsverfahren und der Erlass des Einantwortungsbeschlusses haben das Ziel, den Nachlass in die Hände der Berechtigten zu überführen und dem Willen der Verstorbenen gerecht zu werden.10 Darüber hinaus verfolgt das Verlassenschaftsverfahren generell den Zweck, Streit zu vermeiden, die eigenmächtige Inbesitznahme einer Erbschaft zu verhindern und die Rechte minderjähriger und pflegebefohlener Verfahrensbeteiligter zu schützen.11 Als Verfahren außer Streitsachen zeichnet sich das Verlassenschaftsverfahren gegenüber dem Zivilprozess durch größere Flexibilität, geringere Formstrenge, Hilfeorientiertheit sowie der Maxime der gemeinsamen Verantwortung des Gerichts und der Parteien für ein ordnungsgemäßes und zügiges Vgl. für den deutschen Erbschein Dörner, DNotZ 2018, 661 (674). Vgl. Lieder, Die rechtsgeschäftliche Sukzession, S.  453. 7  MüKoBGB/Grziwotz, Vorb. zu §  2353, Rn.  5; vgl. auch Weiß, Rpfleger 1984, 389 (390). 8  Motive V, S.  557 ff.; Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2270, Rn.  47; MüKoBGB/ Grziwotz, Vorb. zu §  2353, Rn.  5. 9  Vgl. MüKoBGB/Grziwotz, Vorb. zu §  2353, Rn.  3; zu diesem allgemeinen Rechtsgedanken Dörner, DNotZ 2018, 661 (668). 10  Feil, AußStrG, §  143 Rn.  3; vgl. auch Gitschthaler/Höllwerth/Sailer, AußStrG, §  177 Rn.  7. Jährlich werden rund 80.000 Verlassenschaftsverfahren in Österreich durchgeführt, wobei rund die Hälfte der anhängigen Verlassenschaftsverfahren mit der Einantwortung endet, vgl. Haunschmidt, Erbschaft und Testament, S.  85 und S.  118. 11  Haunschmidt, Erbschaft und Testament, S.  85; vgl. auch Perscha/Stögner, ZErb 2008, 375 (376). 5  6 

A. Dogmatik der Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses

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Verfahren und der selbst verantwortlichen Lösung von Konflikten durch die Parteien aus.12 Im Verlassenschaftsverfahren werden nach dem Tod des Erblassers in der Regel die Erben in den Nachlass eingeantwortet und erst mit der Einantwortung tritt die Gesamtrechtsnachfolge ein.13 Anders als im deutschen Recht besteht also kein unmittelbarer Erbanfall ipso iure, so dass das Bedürfnis nach ­einem Erbnachweis im Vergleich zum deutschen Recht grundsätzlich geringer ist. Der Einantwortungsbeschluss, mit dem das Verlassenschaftsverfahren endet, zeitigt bestimmte Wirkungen im Nachgang des Verlassenschaftsverfahrens.14 Auf europäischer Ebene wäre eine nur gemäßigte Herangehensweise in Anbetracht der erkannten Schwierigkeiten bei der grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung keine denkbare Option gewesen. Das Zeugnis musste seinem Zweck nach möglichst wirkungsgeladen sein. Bereits am Anfang der Diskussion zur Einführung eines europäischen Erbnachweises stand daher recht klar fest, dass das Zeugnis starke Wirkungen innehaben sollte.15 Die Tatsache, dass einzelne Mitgliedstaaten den Erbnachweisen für die Nachlassabwicklung weniger Bedeutung zumessen, indem sie sie mit schwachen Wirkungen ausgestalten, war für den Unionsgesetzgeber zwar bei der synoptischen Betrachtung für die Bestimmung des Wirkungsgehalts des Zeugnisses ein zu berücksichtigender Aspekt, aber im Ergebnis irrelevant: Das Zeugnis übernimmt gleichermaßen zwingend als verbindliches unionales Rechtsinstrument eine Gesamtverantwortung für alle Mitgliedstaaten. Infolgedessen hat die Beurteilung der Notwendigkeit eines Erbnachweises durch das Erbrechtssystem einzelner Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung des Zeugnisses keine Relevanz, da dieses sich nachvollziehbar an den nationalen Erbnachweisen mit den stärksten Wirkungen orientieren musste, um im Hinblick auf das Schutzniveau und die Effektivität zur Erreichung des Regelungsziels nicht zu weit zurück zu bleiben. Die Regulierung der internationalen Nachlassabwicklung im gesamten europäischen Rechtsraum erforderte von sich aus einen Erbnachweis mit weitreichenden Wirkungen. Die Gesamtverantwortung zeigt sich am anschaulichsten an jenen Mitgliedstaaten, die keinen Erbnachweis kennen. Dort steht nunmehr das Zeugnis zur Verfügung; das Zeugnis als Erbnachweis wird diesen Mitgliedstaaten quasi „aufgedrückt“. Die Interessen, die bei der Wirkungsausgestaltung des Zeugnisses zu berücksichtigen waren, waren hierbei nicht anders zu beurteilen wie für die nationalen Erbnachweise. Auch im internationalen Rechtsverkehr geht es im Wesentlichen um die Regelung des Spannungsverhältnisses zwischen dem wahren Erben und dem Rechtsverkehr und um das Bedürfnis nach Legitimation durch die Rechtsnachfolger des Perscha/Stögner, ZErb 2008, 375. Vgl. näher unten im 3. Kap., B., I., 2., a), S.  67 f. 14  Vgl. unten im 3. Kap., B., I. 2., S.  67 ff.; B., II., 2., S.  108 ff.; B., III., 2., S.  188 ff. 15  DNotI-Studie, S.  291 ff. 12  13 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Erblassers und sonstiger Nachlassbeteiligter. Das Zeugnis eröffnet (nur) einen erheblich größeren Wirkungsort. Weil das Zeugnis gemäß Art.  62 Abs.  3 S.  2 ­EuErbVO Inlandswirkung entfaltet, besteht sogar völlige Deckungsgleichheit mit den Interessen in rein inländischen Sachverhalten. Darüber hinaus tritt, wie bereits erörtert, das Zeugnis neben die nationalen Erbnachweise. Um sich als neues „Konkurrenzprodukt“ neben diesen zu etablieren, war es erforderlich, das Zeugnis mit einem weitreichenden Wirkungsgehalt zu versehen. Dies gilt auch in Anbetracht dessen, dass durch die unionsweite uneingeschränkte Geltung der Wirkungen gemäß Art.  69 Abs.  1 EuErbVO bereits gesichert ist, dass sich jedenfalls auch etwaige schwache Wirkungen, hätte der Unionsgesetzgeber sich für diese entschieden, in allen Mitgliedstaaten entfalten würden. Demgegenüber erfordert die Entscheidung für die „große“ Lösung – die Einführung eines europäischen Erbnachweises statt der Regulierung der Anerkennung eines nationalen Erbnachweises durch andere Mitgliedstaaten – eine besonders effektive Ausgestaltung der Wirkungskonzeption des Zeugnisses, die den spezifischen Anforderungen gerecht wird, die die beabsichtigte Durchsetzung des Zeugnisses in allen den der EuErbVO unterworfenen Mitgliedstaaten mit sich bringt.16 II. Interdependenz zwischen den Wirkungen und dem Verfahrensrecht Die Wirkungen nach Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO stehen mit dem Verfahrensrecht in Interdependenz zueinander, da eine unionsweite Geltung der Wirkungen ein Ausstellungsverfahren erfordert, in dem zuverlässig die Tatsachen und Rechtsfragen im Hinblick auf den Erbfall geprüft werden.17 Folgende Wechselwirkung gilt hierbei idealiter, auch wenn einige Mitgliedstaaten eine solche zwischen dem Wirkungsgehalt des Erbnachweises und dem Ausstellungsverfahren nicht zu erkennen vermögen18: Je stärker die Wirkungen des Erbnachweises, d.h. je weitreichender sich der Erbnachweisinhaber legitimieren kann und der Rechtsverkehr durch einen Gutglaubensschutz geschützt wird (gleichsam Ausgestaltung des Erbnachweises in der Tiefe; materiellrechtlicher Gehalt des Erbnachweises), und je größer der potentielle Wirkungsbereich ist (gleichsam Ausgestaltung des Erbnachweises in der Breite; faktischer räumlicher Anwendungsbereich in den – beim Zeugnis – an der EuErbVO teilnehmenden Mitgliedstaaten), desto höher sollten die Anforderungen an die Güte und Stringenz des Ausstellungsverfahrens zu bemessen sein, um eine möglichst hohe Richtigkeitsgewähr zu sichern. Unschädlich ist es freilich, wenn ein Erbnachweis mit schwachen Wirkungen in­ Vgl. auch Grau, in: FS Schilken, 2015, 3 (18). Vgl. Hess/Jayme/Pfeiffer, Heidelberg-Stellungnahme, S.  51. 18  Siehe oben im 2. Kap., A., IV., S.  26 f. 16  17 

A. Dogmatik der Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses

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einem qualitativ hohen Ausstellungsverfahren ausgestellt wird. Die Richtigkeitsgewähr hat ungeachtet des konkreten Wirkungsgehalts des Erbnachweises eigenständige Bedeutung, weil das Ziel, die wahre materiellrechtliche Lage im Erbnachweis abzubilden, allgemein stets zu wahren ist, unabhängig davon, mit welchen Wirkungen der Erbnachweis ausgestattet ist. In der Tat erweist sich die Zuweisung der starken Wirkungen des Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO an das Zeugnis aus dem Grund als gerechtfertigt, dass das Zeugnisverfahren nach Art.  64 ff. EuErbVO i.V.m. der lex fori ein solides Verfahren – wenn nicht sogar das qualitativ beste Verfahren im Vergleich zu den mitgliedstaatlichen (gerichtlichen, notariellen und privaten) Erbnachweisverfahren – für die Ermittlung der materiellen Rechtslage darstellt.19 Gewährleistet wird dies vor allem durch die strengen und anspruchsvollen Prüfungs-, Anhörungs- und Mitteilungspflichten der Ausstellungsbehörde nach Art.  66 EuErbVO.20 Daran ändert auch nicht die Tatsache, dass Ausstellungsbehörde gemäß Art.  64 EuErbVO nicht nur ein Gericht i.S.d. Art.  3 Abs.  2 EuErbVO21, sondern auch eine sonstige Behörde sein kann. Unter eine sonstige Behörde fällt in den meisten Mitgliedstaaten ein Notar22 (teilweise sind sowohl Gerichte als auch Notare für die Ausstellung des Zeugnisses gleichzeitig zuständig23), vereinzelt aber auch ein Magistrat24, ein für Nachlassverfahren zuständiger Rechtspfleger, das Standesamt, das Grundbuchamt oder das Han-

19  Ähnlich Kleinschmidt, in: FS Lindacher, 2017, 165 (168), der die „Dignität“ und die unionsweite Akzeptanz eines Erbnachweises an ein qualitativ ausgereiftes Ausstellungsverfahren misst. 20  In diesem Sinne auch Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (780). Eher skeptisch Dorsel, ZErb 2014, 212, der trotz der verfahrensrechtlichen Mindeststandards eine unterschiedliche Richtigkeitsgewähr der Ausstellungsverfahren der Mitgliedstaaten konstatiert. Vgl. dahingehend auch Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  302 in Fn.  153. 21  In folgenden Mitgliedstaaten wird das Zeugnis von einem Gericht ausgestellt: Tschechische Republik, Deutschland, Griechenland, Spanien, Kroatien, Italien (in Gebieten, in denen das Kataster- und Grundbuchsystem in Kraft ist), Zypern, Ungarn, Malta, Österreich, Slowe­ nien, Slowakei (wenn das Nachlassverfahren abgeschlossen ist), vgl. Angaben der Mitgliedstaaten gemäß Art.  78 EuErbVO, Liste 5, abrufbar unter: (zuletzt abgerufen: 15.7.2021). 22  In folgenden Mitgliedstaaten wird das Zeugnis von einem Notar ausgestellt: Belgien, Tschechische Republik, Estland, Spanien, Frankreich, Kroatien, Italien (in Gebieten, in denen das Kataster- und Grundbuchsystem nicht in Kraft ist), Lettland, Litauen, Luxemburg, Ungarn, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Rumänien, Slowakei (wenn das Nachlassverfahren noch nicht abgeschlossen ist), vgl. Angaben der Mitgliedstaaten gemäß Art.  78 EuErbVO, ­Liste 5. 23  Vgl. Angaben der Mitgliedstaaten gemäß Art.  78 EuErbVO, Liste 5. 24  So in Finnland, vgl. Angaben der Mitgliedstaaten gemäß Art.  78 EuErbVO, Liste 5.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

delsregister25 oder das Finanzamt26. Es könnte daher angenommen werden, dass die Richtigkeitsgewähr bei der Ausstellung durch einen Notar oder einen Magistrat oder ein sonstiges Amt niedriger ist als bei der Ausstellung durch ein Gericht, weil erstere Ausstellungsbehörden tendenziell weniger erfahren sind und weniger Ressourcen zur Ermittlung der Erbrechtslage besitzen als ein Gericht (ein Nachlassrichter wird aufgrund seiner täglichen Praxis im Erbrecht und der Vernetzung innerhalb des Nachlassgerichts im Allgemeinen fachlich versierter sein als ein Magistrat). Allerdings gelten die oben genannten Pflichten aus Art.  66 EuErbVO ausweislich des Wortlauts für jede Ausstellungsbehörde. Der Unionsgesetzgeber war sich der Diversität der mitgliedstaatlichen Erbrechtssysteme bewusst. Wenn er demnach unterschiedlichen Behörden und Personen die Ausstellungsbefugnis zugewiesen hat, nimmt er gleichsam potentielle Unterschiede in der Intenstität der Verfahren in Kauf, jedoch nicht auf Kosten der uneingeschränkten, einheitlichen Wirkungsentfaltung des Zeugnisses in allen Mitgliedstaaten. Daran zeigt sich, dass das Regelungsziel des Zeugnisses so hoch eingestuft wird, dass Abstriche im verfahrensrechtlichen Unterbau hingenommen werden. Indem im Ergebnis dennoch ein grundsätzlich ausgereiftes Ausstellungsverfahren zur Verfügung steht, wird ausreichend gesichert, dass Zeugnisse ausgestellt werden, die im Regel­fall die wahre materielle Rechtslage widerspiegeln; die weitreichenden Wirkungen des Zeugnisses und die damit verbundenen Auswirkungen für die Nachlassbeteiligten und den Rechtsverkehr verlangen nach einem zuverlässigen Verfahren, um die Zirkulation unrichtiger Zeugnisse im Rechtsverkehr zu verhindern.27 Das Verfahrensrecht hat aber im Hinblick auf den Erkenntnisgewinn auch seine Grenzen und sollte nicht überstrapaziert werden. Wenn nun ein unrichtiges Zeugnis ausgestellt wird, erscheint es jedenfalls gerechtfertigt, vor allem den Eingriff in die Eigentumsfreiheit des wahren Erben durch den Gutglaubensschutz hinzunehmen. III. Kollisionsrechtliche Festigkeit der Wirkungen Die Wirkungsentfaltung ist keiner kollisionsrechtlichen Vorprüfung oder Vorschaltung28 unterworfen, wonach die Gutglaubenswirkung des Zeugnisses ge25  Derartig viele Ausstellungsbehörden sieht Portugal vor, vgl. Angaben der Mitgliedstaaten gemäß Art.  78 EuErbVO, Liste 5. 26  So in Schweden, vgl. Angaben der Mitgliedstaaten gemäß Art.  78 EuErbVO, Liste 5. 27  Kleinschmidt, in: FS Lindacher, 2017, 165 (169); siehe auch Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  542. 28  Abzugrenzen ist die kollisionsrechtliche Vorprüfung von der kollisionsrechtlichen Nachprüfung des Inhalts des Zeugnisses durch den Verwendungsstaat, siehe unten im 6. Kap., B., IV., S.  475 ff.; zum Begriff der kollisionsrechtlichen Vorschaltlösung Fornasier, RabelsZ 76 (2012), 401 (418 f.).

A. Dogmatik der Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses

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mäß Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO vor einem mitgliedstaatlichen Gericht nur dann zur Anwendung zu bringen wäre, wenn das Recht eines Mitgliedstaates auf die Leistung oder Verfügung anwendbar ist29, wie es normalerweise bei der Anwendung von materiellrechtlichen Normen – hier die materiellrechtlichen30 Wirkungen des Zeugnisses – bei der Kollision von Rechtsordnungen der Fall ist31.32 Die Überlegung hinter der Vorschaltlösung ist, dass das Zeugnis und seine Wirkungen fakultatives Recht darstellen und somit als Bestandteil der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen verstanden werden können.33 Nur wenn demnach das maßgebliche IPR mitgliedstaatliches Recht beruft, könnten Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO (zur wichtigen Qualfikationsfrage siehe sogleich) als Teil der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung angewendet werden. Indessen handelt es bei den Wirkungen um vereinheitlichtes Sachrecht bzw. Einheitsrecht (oder auch sekundärrechtliche Tatbestandswirkungen)34, das ohne kollisionsrechtlichen Anwendungsbefehl in jedem Mitgliedstaat zu beachten ist. Zwar schließt das Vorliegen 29  MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  6; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  4. Ähnlich wohl auch Dörner, DNotZ 2018, 661 (675), der die Entfaltung der Wirkungen des Zeugnisses nur von seiner Ausstellung abhängig macht und die Unbeachtlichkeit des maßgebenden Erbstatuts betont. 30  Geimer/Schütze/Dorsel, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  1; Omlor, GPR 2014, 216; Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (193 f.); Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (730); wohl auch jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  1 (Wirkungen des Zeugnisses als „materielles Erbrecht“); teilweise a.A. Dutta/Weber/Fornasier, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  7, der in Bezug auf die Vermutungs- und Legitimationswirkung von verfahrensrechtlichen Wirkungen spricht, so dass es bereits die Möglichkeit einer Vorschaltung des IPR des Forums nicht gebe, weil insoweit die verfahrensrechtlichen Regelungen der EuErbVO als die nationalen Verfahrensregelungen verdrängende lex fori das Forum binde. Anders noch Deixler-Hübner/Schauer/ Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  2, der nur die Legitimationswirkung nach Art.  69 Abs.  5 ­EuErbVO als verfahrensrechtliche Wirkung und die Vermutungs- und Gutglaubenswirkung nach Art.  69 Abs.  2–4 EuErbVO als materiellrechtliche Wirkungen qualifiziert. Jedoch sind alle Wirkungen des Zeugnisses als europäisches Sachrecht materiellrechtliche Wirkungen, weil sie nicht einer verfahrensrechtlichen Entscheidung entstammen, sondern dem europäischen (materiellen) Sachrecht. 31  Das Kollisionsrecht hat nämlich seither die Aufgabe, über die Anwendung materiellrechtlicher Normen zu entscheiden, vgl. Kuhn, SZIER 2002, 1 (19). 32  Drittstaatliche Gerichte haben jedoch Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO nur anzuwenden, wenn auf die Leistung oder Verfügung mitgliedstaatliches Recht Anwendung findet, so ­MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  6. In der Tat sind drittstaatliche Gerichte an die ­EuErbVO nicht gebunden. Wenn jedoch kraft drittstaatlichen IPR ein mitgliedstaatliches Recht auf die Leistung oder Verfügung berufen wird (ungeachtet einer erbrechtlichen oder schuldrechtlichen bzw. sachenrechtlichen Qualifikation, siehe sogleich), sind die Gutglaubenswirkungen als Teil des Statuts zu berücksichtigen. 33  Vgl. allgemein hierzu Fornasier, RabelsZ 76 (2012), 401 (418 f.). 34  MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  6; Leipold, Erbrecht, Rn.  660a; Neumayr, ­AnwBl 2016, 262; Schauer, EF-Z 2012, 245 (246).

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

von vereinheitlichtem Sachrecht eine kollisionsrechtliche Vorschaltung nicht per se aus35, doch spricht das Konzept des Zeugnisses, wie sich nachfolgend zeigen wird, gegen diese. Fraglich ist zunächst überhaupt, welche Kollisionsnormen für die Anwendung des Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO berufen wären.36 Wenn man eine erbrechtliche Qualifikation für den Gutglaubensschutz vornähme37, widerspräche dies der Tatsache, dass dem Zeugnis durchaus ein drittstaatliches Erbstatut zugrunde liegen kann; in diesem Falle müsste demnach der Gutglaubensschutz des Zeugnisses entfallen.38 Die Konsequenz wäre eine unterschiedliche Behandlung der Wirkungen des Zeugnisses je nachdem, ob ihm ein mitgliedstaatliches oder ein drittstaatliches Erbstatut zugrunde liegt. Dies läuft der einheitlichen Wirkungsentfaltung des Zeugnisses zuwider39 und beeinträchtigt mittelbar den Grundsatz der loi uniforme (Art.  20 EuErbVO). Die unmittelbare Anwendung des Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO ergebe sich ferner aus der systematischen Überlegung, dass die meisten übrigen Vorschriften in der EuErbVO zum Verfahrens- und Kollisionsrecht selbst unmittelbar anzuwenden seien, so dass eine abweichende Be-

35 

Vgl. etwa in Bezug auf den Kommissionsentwurf eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts Fornasier, RabelsZ 76 (2012), 401 (419 f.). 36  Dutta/Weber/Fornasier, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  10. 37  Dutta/Weber/Fornasier, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  10 lässt dies offen, da er ebenso eine kollisionsrechtliche Vorprüfung ablehnt, und spricht – hypothetisch denkbar – eine erb­ rechtliche und schuldrechtliche bzw. sachenrechtliche Qualifikation (Gutglaubensschutz als Teil des Statuts, das die fragliche Leistung oder Verfügung beherrscht) an. In der Tat können beide Qualifikationen je nach Schwerpunktsetzung der Argumentation überzeugen. Eine erb­ rechtliche Qualifikation erscheint in der Hinsicht vertretbar, dass der Gutglaubensschutz an die Ausstellung des Zeugnisses und der Kenntnis des Dritten anknüpft; der Dritte vertraut auf den Inhalt des Zeugnisses, weil er – zumindest nach laienhafter Recherche – weiß, dass dieses von einer staatlichen Behörde nach umfassender Prüfung ausgestellt wurde. Das Zeugnis hat selbst die Gutglaubenswirkung inne, die als vereinheitlichtes Sachrecht in der EuErbVO geregelt ist, weshalb auch aus systematischen Gründen eine erbrechtliche Qualifikation unterstützt wird. Aber auch eine schuldrechtliche bzw. sachenrechtliche Qualifikation erscheint in Anbetracht des Umstands, dass im Vordergrund die Fiktion der Empfangszuständigkeit bzw. der Verfügungsbefugnis steht, denkbar, wobei einschränkend einzuwenden ist, dass der Dritte in aller Regel weniger in den Nachlassbesitz vertraut als auf den Inhalt des Zeugnisses. Für die Vermutungs- und Legitimationswirkung nach Art.  69 Abs.  2, Abs.  5 EuErbVO wäre indessen eine erbrechtliche Qualifikation zu befürworten, weil diese Wirkungen den Nachweis der erbrechtlichen Rechtsstellung nach außen betreffen. Es entstünde demnach bei einer kollisionsrechtlichen Vorschaltlösung die Gefahr einer gespaltenen Wirkungsentfaltung, sofern man Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO schuldrechtlich bzw. sachenrechtlich qualifizieren würde. 38  Dutta/Weber/Fornasier, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  10; zur Ausweisung eines drittstaatlichen Erbstatuts im Zeugnis näher unten im 5. Kap., C., I., S.  421 f. 39  Dutta/Weber/Fornasier, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  10.

A. Dogmatik der Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses

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urteilung bei Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO abwegig sei.40 Allerdings passt eine kollisionsrechtliche Vorprüfung bei den Verfahrens- und Kollisionsrechtsvorschriften nicht, da diese keine materiellrechtlichen Normen verkörpern, für die eine solche Vorprüfung aus Gründen der Bestimmung der engsten Rechtsordnung erfolgen müsste. Das systematische Argument trägt folglich nicht. Überzeugend ist jedoch der systematische Aspekt, dass die EuErbVO im Hinblick auf Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO keine Regelung aufstellt, wonach für dessen Anwendung das IPR des Forumstaates zu befragen ist, was gegen eine kollisionsrechtliche Vorschaltlösung spricht.41 Aufgrund der hohen praktischen Relevanz wäre eine ausdrückliche Regelung zu erwarten gewesen, vor allem vor dem Hintergrund, dass der EuErbVO die loi uniforme zugrunde liegt. Es lässt sich festhalten, dass nur die unmittelbare Anwendung der Wirkungen den mit der kollisionsrechtlichen Vorschaltung verbundenen Schwierigkeiten entkommt. Für das Zeugnis sollte es nach seinem Regelungsziel irrelevant sein, ob das IPR des Forumstaates die Anwendung mitgliedstaatlichen Rechts – unabhängig davon, welcher Qualifikation des Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO gefolgt würde – beruft oder nicht, weil es um der Verkehrsfähigkeit und Effektivität willen eine uneingeschränkte Wirkungserstreckung in allen Mitgliedstaaten verlangt.42 Nur durch die Ausschaltung einer kollisionsrechtlichen Vorschaltung werden Durchsetzungshemmnisse erst nicht geschaffen und somit das Ziel der Erleichterung der internationalen Nachlassabwicklung maximal gefördert. Zugleich werden alle internationalen Erbfälle insoweit gleichbehandelt, als die Maßgeblichkeit eines mitgliedstaatlichen oder drittstaatlichen Rechts, das auch durch eine Rechtswahl des Erblassers zugunsten seines Heimatrechts bewusst zum Erbstatut bestimmt werden kann, keine Relevanz hat. Es wäre widersinnig, die Ausübung von Parteiautonomie seitens des Erblassers damit zu bestrafen, dass seine Erben sich nicht auf die Wirkungen des Zeugnisses berufen können. Das entspricht in der Regel nicht dem Willen des Erblassers. Der Zugang zum Zeugnis mit seinem vollen Wirkungsgehalt wird damit für jeden EU-Bürger gleichermaßen gewährleistet. Ein an die EuErbVO gebundenes Gericht hat deshalb die Gutglaubenswirkung unabhängig davon zu beachten, welches Erbstatut und Forderungs- bzw. Sachenrechtsstatut maßgeblich sind; auch vorgenommene Rechtsgeschäfte in Drittstaaten werden von der Gutglaubenswirkung geschützt.43 Der einzige kollisionsrechtliche Einfluss ist darin zu sehen, dass der Inhalt des Zeugnisses, auf dem die Wirkungen beruhen und auf den sie sich be40 

Dutta/Weber/Fornasier, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  10. Dutta/Weber/Fornasier, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  10. 42  Siehe hierzu näher unten im 5. Kap., A., S.  395 ff. 43  Dutta/Weber/Fornasier, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  11; zu dieser Problematik ausführlich in methodischer und praktischer Hinsicht unten im 5. Kap., C., III., S.  427 ff. 41 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

ziehen, sich maßgeblich nach dem Erbstatut richtet, das grundsätzlich nach den Kollisionsnormen der Art.  21, 22 EuErbVO bestimmt wird. Freilich stört dies die Durchsetzungskraft der Wirkungen des Zeugnisses nicht auf. IV. Sekundärrechtliche Tatbestandswirkung In der rechtlichen Erfassung eines Lebenssachverhalts werden die Wirkungen des europäischen Rechts herangezogen, ohne in irgendeiner Form das nationale Recht des Mitgliedstaates, in dem das Zeugnis verwendet wird, zu berücksichtigen. Dies ist von dem Rückgriff auf ergänzend anzuwendende nationale Regelungen zu unterscheiden, z.B. auf §§  929 ff. BGB oder §§  932 ff. BGB, um einen vollständigen Erwerbstatbestand zu erfüllen.44 Die EuErbVO regelt in ihrem sachlichen Anwendungsbereich ausschließlich Fragen der Rechtsnachfolge von Todes wegen (Art.  1 Abs.  1 EuErbVO); das Sachenrecht bleibt unberührt und mangels harmonisierter Kollisionsnormen ist auf die lex fori zurückzugreifen, wobei in der Regel an die lex rei sitae angeknüpft wird. Die Anwendung dieser sachenrechtlichen Vorschriften berührt die Effektivität des Zeugnisses in keiner Weise; sie sind vielmehr zwingend erforderlich, um mit dem Zeugnis eine geordnete Nachlassabwicklung durchzuführen. Gleiches gilt für die Gutglaubenswirkung in Form der Befreiungswirkung des Zeugnisses gemäß Art.  69 Abs.  3 ­EuErbVO, bei der Fragen des Schuldstatuts relevant werden. Leistet etwa eine Person als Nachlassschuldner einem durch ein Zeugnis legitimierten Erben eine Zahlung, so wird die Person – Gutgläubigkeit und die sonstigen Voraussetzungen einer wirksamen Erfüllungshandlung nach dem Schuldstatut unterstellt – von ihrer Schuld befreit. Diese Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus Art.  69 Abs.  3 EuErbVO als europäische Sachnorm, die die Empfangsberechtigung fingiert, und den einschlägigen Normen des Schuldstatuts, soweit weitere Fragen der Erfüllung relevant werden45. Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO entfalten damit sekundärrechtliche Tatbestandswirkung.46

44 

Vgl. näher unten im 3. Kap., B., II., 3., g), S.  156 ff. Bsp.: Auf welche Verbindlichkeit der Nachlassschuldner gezahlt hat, wenn er gegenüber dem Nachlass mehrere Verbindlichkeiten zu erfüllen hat, entscheidet das Schuldstatut, vgl. Geimer/Schütze/Dorsel, Art.  69 EuErbVO Rn.  27. 46  Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  295; Wall, ZErb 2015, 9 (11); Hess/Jayme/Pfeiffer, Heidelberg-Stellungnahme, S.  52 in Fn.  200; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (730); vgl. auch Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (384), der die Gutglaubensnormen als „Sachnormen mit sachenrechtlichen Auswirkungen“ bezeichnet; ähnlich Lange, DNotZ 2016, 103 (110), der von „europaweiten einheitliche[n] Gutglaubensvorschriften“ spricht; Kunz, GPR 2012, 253 (257) betont weiterhin den tiefen Eingriff des Unionsgesetzgebers durch die Sachnormen in die Sachenrechte der Mitgliedstaaten. 45 

A. Dogmatik der Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses

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Die Wirkungen gewinnen teilweise erst in solchen Fällen an praktischer Relevanz, in denen die im Zeugnis bescheinigte Rechtsstellung mit der wahren materiellrechtlichen Lage nicht übereinstimmt. Gibt das Zeugnis die materiellrechtliche Lage korrekt wieder, bedarf es jedenfalls der Gutglaubenswirkung nicht.47 Die Wirksamkeit der Rechtshandlung ergibt sich unmittelbar aus dem anwendbaren Schuld- oder Sachenrechtsstatut. Der Erbe ist beispielsweise – bei deutschem Erbstatut – im Wege der Universalsukzession zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers (§  1922 Abs.  1 BGB) in die Rechte und Pflichten des Erblassers eingetreten. So ist z.B. der Erbe per se berechtigt, Leistungen zu empfangen, und der Rückgriff auf eine Fiktion der Empfangszuständigkeit ist dementsprechend nicht erforderlich. Der Nachlassschuldner wird mit der Leistung an den im Zeugnis bezeichneten und wahren Erben von seiner Schuld nach den materiellen Vorschriften des Schuldstatuts befreit. Etwaige Ausgleichsansprüche kommen mangels eines wahren Erben, der Rechtsnachteile erleidet, nicht in Betracht. Gewiss haben die Vermutungs- und Legitimationswirkung bei Übereinstimmung ­zwischen Zeugnislage und materiellrechtlicher Lage eigenständige rechtliche Bedeutung, da sie dem wahren Berechtigten sowie dem tatsächlich nicht berechtigten Zeugnisinhaber einen Vorteil, z.B. den Zugang zu einem Bankkonto des Erb­lassers, verschaffen, ohne – bei deutschem Erbstatut – von der tatsächlich eingetretenen Universalsukzession abhängig zu sein, die die Anwendung der Gutglaubenswirkung entbehrlich macht. V. Deklarative Wirkung Das Zeugnis hat deklarative (und nicht konstitutive) Wirkung48, verkörpert mithin lediglich eine Bescheinigung der Erbrechtslage mit materiellrechtlichen Wirkungen. Dies ergibt sich aus einer systematischen Gesamtschau von Art.  63 ­EuErbVO, Art.  68 lit.  i EuErbVO und Art.  69 Abs.  2 EuErbVO. Das Zeugnis soll als Nachweis für bestimmte Rechtsstellungen und Befugnisse dienen, die dem Erbstatut entspringen und für die die Vermutungswirkung gilt.49 Es erzeugt beispielsweise nicht materiellrechtlich die Erbenstellung des Zeugnisinhabers. Anders ist dies etwa im österreichischen Recht, in dem die Einantwortung die ErNK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  3; Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (383). Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  62 EuErbVO Rn.  22 und Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  6; Mankowski, ErbR 2018, 295 (298); Lange, DNotZ 2016, 103 (110); Wittwer, AnwBl 2015, 87 (93); Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, 259 (273); Dorsel, ZErb 2014, 212 (216); Schauer, JEV 2012, 78 (89); implizit Neumayr, AnwBl 2016, 262 (263); so schon zum Verordnungsentwurf Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  531 f. 49  Vgl. auch Mankowski, ErbR 2018, 295 (299). 47  48 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

benstellung des eingeantworteten Erben erst konstituiert.50 Die konstitutive Wirkung wäre nur für diejenigen Erbstatute (wie das österreichische) praktisch relevant, die keine unmittelbare Universalsukzession nach dem Tod des Erblassers vorsehen. Dies folgt daraus, dass womöglich durch das Zeugnis die materiellrechtliche Lage vor dem konstitutiven Verfahren des nationalen Rechts gestaltet wird. Für die anderen Erbstatute, die das genau anders sehen, tritt die konstitutive Wirkung mit der Universalsukzession zeitlich stets vor der Beantragung des Zeugnisses ein. Eine konstitutive Wirkung des Zeugnisses ist deshalb entbehrlich und würde unnötigerweise „doppelt“ die materiellrechtliche Lage konstituieren, wenngleich in der Regel in identischer inhaltlicher Richtung. Die Frage nach dem Bestehen des Erbrechts und sonstiger Berechtigungen am Nachlass richtet sich demzufolge ausschließlich nach dem Erbstatut, das z.B. die Erbenstellung dem Erben bereits mit dem Erbfall zuweist, sollte es dem Grundsatz der Universalsukzession folgen. Das Zeugnis bestätigt lediglich durch die ihm zukommende Vermutungswirkung die Richtigkeit der in ihm bescheinigten Rechtsstellungen und Befugnisse, ohne die materiellrechtliche Lage zu modifizieren. Für die Zuweisung einer konstitutiven Wirkung und den damit verbundenen Eingriff in das materielle Recht der Mitgliedstaaten hätte der Unionsgesetzgeber auch keine Gesetzgebungskompetenz (vgl. Art.  81 AEUV). Die konstitutive Wirkung wäre nicht erforderlich gewesen, weil die Akzessorietät der auszuweisenden erbrechtlichen Rechtsstellungen zum Erbstatut für die Zwecke der Nachlassabwicklung ausreicht. Ob das Erbstatut dem Grundsatz des Vonselbsterwerbs oder des Antrittserwerbs folgt, wirkt sich nur dahingehend aus, dass der Zeitpunkt für den Zugang zum Zeugnis unterschiedlich ausgestaltet sein kann.51 Immer wird allerdings der Zugang zum Zeugnis an sich gewährleistet, auf den es letztlich für die Erleichterung der internationalen Nachlassabwicklung ankommt. VI. Numerus clausus der Wirkungen Einen weiteren allgemeinen dogmatischen Aspekt betrifft die Frage, ob die Mitgliedstaaten durch ihr eigenes Verfahrensrecht dem Zeugnis weitere Wirkungen als die in Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO genannten verleihen können. Nach einer vereinzelten Ansicht sei dem Zeugnis auch Vollstreckungswirkung hinsichtlich einer Kostenentscheidung im Verfahren zur Erteilung des Zeugnisses beizumessen, um so in Anwendung des Kapitels IV die Vollstreckungswirkung in anderen Mitgliedstaaten anerkennen zu lassen.52 Wenn aber ErwG 71 S.  1 bestimmt, dass sich die Wirkungen in allen Mitgliedstaaten einheitlich entfalten sollen, bleibt für 50 

Vgl. näher unten im 3. Kap., B., I., 2., a), S.  67 f. Vgl. unten im 4. Kap., B., IV., S.  351 ff. 52  So MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  5. 51 

A. Dogmatik der Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses

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ein mitgliedstaatliches Initiativhandeln bei der Wirkungsausgestaltung des Zeugnisses nach dem Willen des Unionsgesetzgebers kein Raum. Deutlicher dahingehend verhält sich ErwG 71 S.  2, wonach das Zeugnis als solches keinen vollstreckbaren Titel darstellt. Wenn aber in dem Zeugnis kein vollstreckbarer Titel zu sehen ist, kann es erst recht nicht durch einen mitgliedstaatlichen Gesetzgeber mit Vollstreckungswirkung versehen werden. Es wäre nicht klar erkennbar, welche Wirkungen das Zeugnis im Rechtsverkehr imstande ist auszulösen, sofern der Gestaltungsspielraum mitgliedstaatlicher Rechtsordnungen mitberücksichtigt werden muss. Es käme ferner zu vielen Einzelfällen, je nachdem, welchen Mitgliedstaates Ausstellungsbehörde das Zeugnis erteilt. Ohnehin wird mit den in Art.  69 Abs.  2 – 5 EuErbVO manifestierten Wirkungen, wie nachfolgend zu zeigen sein wird, die Funktion des Zeugnisses erfüllt, die internationale Nachlassabwicklung zu erleichtern, so dass eine mitgliedstaatliche Korrektur nicht erforderlich ist. Ob das autonome mitgliedstaatliche Verfahrensrecht jedoch über die verfahrensrechtlichen Maßgaben der EuErbVO hinaus verfahrensrechtliche Institute vorsehen kann, ist weniger eindeutig und mag anders beurteilt werden.53 Eines wird hiermit deutlich: Die Wirkungen des Zeugnisses sind der Disposition der Mitgliedstaaten nicht zugänglich, unterliegen also gleichsam einem nume­rus clausus.54 Der unionsgesetzgeberische Rahmen für die Zuweisung der Wirkungen an das Zeugnis hat ihren Niederschlag in Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO gefunden. Einzig über die Auslegung dieser Vorschriften lassen sich verschiedene Ergebnisse zur Reichweite der Wirkungsausgestaltung erreichen. Das bewegt sich innerhalb des Wirkungsgehalts des Zeugnisses, ist mithin nicht überschießend und deshalb zulässig. VII. Inlandswirkung Das Zeugnis entfaltet seine Wirkungen gemäß Art.  62 Abs.  3 S.  2 EuErbVO nach der Ausstellung zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat auch in dem Mitgliedstaat, dessen Behörden das Zeugnis ausgestellt haben. Es besitzt somit Inlandswirkung.55 Der Grund für diese zunächst verblüffende Ausnahme zum 53  Namentlich im Hinblick auf ein Einziehungsverfahren nach der lex fori, vgl. unten im 3. Kap, D., III., 5., S.  312 ff. 54  Im Ergebnis auch Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  296, wobei die Autoren zugleich widersprüchlich ausführen, dass es mit dem Europarecht vereinbar zu sein scheint, wenn der jeweilige nationale Gesetzgeber an das Vorliegen eines Zeugnisses weitergehende gesetzliche Rechtsfolgen knüpft, vgl. Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  295. 55  Ob die Inlandswirkung die Autonomie der Mitgliedstaaten über ihr materielles Recht beeinträchtigt (insoweit wurde materielles Recht geschaffen), ist richtigerweise zu verneinen. Die Gesetzgebungskompetenz der EU zur Einführung des Zeugnisses beruht auf einer Annex-

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Wortlaut des Art.  62 Abs.  1 EuErbVO ist rein praktischer Natur. Der Inhaber e­ ines Zeugnisses soll dieses auch für die Nachlassabwicklung im Ausstellungsstaat benutzen können, da dort in den meisten Fällen oder sogar primär ebenso Nachlassvermögen befindlich ist, das abzuwickeln ist. Die Entscheidung für die Entfaltung von Inlandswirkung ist unter dem Praktikabilitätsaspekt nachvollziehbar, aber nicht zwingend geboten gewesen. Da das Zeugnis nach seinem Regelungszweck für grenzüberschreitende Erbfälle genutzt werden soll, könnte eingewendet werden, dass für die Nachlassabwicklung im Inland der grenzüberschreitende Charakter fehlt. Für die Abwicklung des inländischen Nachlasses müsste der Erbe dementsprechend auf den nationalen Erbnachweis zurückgreifen, der schließlich in erster Linie zur Verwendung im Inland konzipiert ist. Indes verliert ein Erbfall seinen grenzüberschreitenden Charakter nicht deshalb, weil Vorgänge im Hinblick auf den gesamten Nachlass teilweise im Inland stattfinden. Nachgerade impliziert der grenzüberschreitende Charakter die Berührung verschiedener Rechtsordnungen, zu denen auch das Recht der Ausstellungsbehörde gehört. Wenn das Zeugnis nicht im Ausstellungsstaat, sondern nur in anderen Mitgliedstaaten seine Wirkungen entfalten könnte, käme es zu einer „Diskriminierung“ der inländischen Nachlassabwicklung gegenüber der grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung. Diese ist besonders stark, wenn der nationale Erbnachweis des Ausstellungsstaats schwach ausgestaltet ist, und deshalb die Effektivität der inländischen und grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung voneinander abweicht. Mit dem allgemeinen Ziel, einen einheitlichen europäischen Justizraum zu schaffen, wäre schließlich der Ausschluss der Inlandswirkung unvereinbar, da der Ausstellungsstaat selbst Teil des europäischen Justizraums ist. Daran ändert auch nicht die Tatsache, dass ein Zeugnis aus einem anderen Mitgliedstaat seine Wirkungen in jenem Ausstellungsstaat entfaltet. Es geht hierbei darum, dem Zeugnis in allen Mitgliedstaaten zur Wirkungsentfaltung zu verhelfen, unabhängig davon, welcher Mitgliedstaat das Zeugnis ausgestellt hat. Der Verzicht auf die Einholung eines nationalen Erbnachweises dient letztlich auch der Verfahrensvereinfachung56; für den Adressaten des Zeugnisses ist dies insbesondere mit einer Kostenersparnis verbunden. Genau genommen bedurfte es nicht einmal der konkreten Anordnung der Inlands­wirkung. Da die Wirkungen nach Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO als ver­ einheitlichte Sachnormen konzipiert sind, müsste z.B. auch ein Gericht des Ausstellungsstaates die Vermutungswirkung des Zeugnisses berücksichtigen. Die vereinheitlichten Sachnormen beanspruchen insofern unmittelbar in allen Mitkompetenz zur Kompetenz zur justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen gemäß Art.  81 AEUV, vgl. Wagner, DNotZ 2010, 506 (510 f.); zustimmend Schauer, EF-Z 2012, 245. 56  Vgl. Dutta/Weber/Fornasier, Art.  62 EuErbVO Rn.  22.

A. Dogmatik der Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses

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gliedstaaten Geltung. Die ausdrückliche Anordnung der Inlandswirkung hat vielmehr eine klarstellende Intention angesichts der Art.  62 Abs.  1, 63 Abs.  1 ­EuErbVO, die betonen, dass das Zeugnis zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt ist. In Anbetracht der Inlandswirkung drängt sich die Frage nach der Attraktivität der Erbnachweise auf. Wenn das Zeugnis auch im Inland verwendet werden kann und der inländische nationale Erbnachweis, z.B. ein Erbschein oder ein Einantwortungsbeschluss, zugleich beantragt werden kann57, liegt es für den Rechtsanwender nahe, sich darüber zu erkundigen, wie er in der Nachlassabwicklung am besten vorzugehen hat. Befindet sich Nachlassvermögen im Ausland, wird regelmäßig zunächst ein Zeugnis beantragt werden, da es seine Wirkungen gemäß Art.  69 Abs.  1 EuErbVO in den anderen Mitgliedstaaten uneingeschränkt entfaltet, während dies bei den nationalen Erbnachweisen – auch unter Geltung der EuErbVO58 – nicht der Fall ist. Dann ist zu fragen, ob zusätzlich auf einen nationalen Erbnachweis zurückgegriffen werden sollte, um die Nachlassabwicklung noch effektiver betreiben zu können. Doch ist diese Konstellation nicht zwingend. Es kann womöglich von Anfang an auch im Hinblick auf eine internationale Nachlassabwicklung überlegenswert erscheinen, weiterhin einen nationalen Erbnachweis zu verwenden, insbesondere wenn der Erbe mit einem nationalen Erbnachweis ohne weiteres seine Erbberechtigung in dem konkreten Mitgliedstaat nachweisen kann59. Die Inlandswirkung des Zeugnisses erweist sich dabei umso folgenintensiver, desto erheblicher seine Wirkungen von denen des jeweiligen nationalen Erbnachweises abweicht – sowohl zum stärkeren als auch zum schwächeren. Der Überblick über die verschiedenen Erbnachweise in der EU hat gezeigt, dass die Wirkungsabstände zwischen den Erbnachweisen untereinander teilweise beträchtlich sind. Der Wirkungsabstand zum Zeugnis ist je nach nationalem Erbnachweis ebenfalls sehr unterschiedlich ausgestaltet.60 Je größer das Gefälle der Wirkungsgehalte vom Zeugnis und dem konkret verfügbaren nationalen Erbnachweis ist, desto mehr wird das Zeugnis in der Regel an Attraktivität zunehmen. Diese Unterschiede in wirkungsrechtlicher Hinsicht erzeugen in der 57 

Vgl. zur zentralen Vorfrage der Eröffnung der internationalen Zuständigkeit deutscher bzw. österreichischer Gerichte für die Ausstellung des Zeugnisses und des Erbscheins bzw. des Einantwortungsbeschlusses, die letztlich zu bejahen ist, aus systematischen Gründen unten im 4. Kap., A., S.  330 f. 58  Vgl. zur Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO unten im 5. Kap., B., S.  399 ff. 59  Lange, Erbrecht, §  79 IV, S.  822. 60  Vgl. im Ganzen nachfolgend im 3. Kap., B., S.  59 ff. Zu den Konsequenzen bei den einzelnen Wirkungen siehe die abschließenden Ausführungen in der rechtsvergleichenden Würdigung: für die Vermutungswirkung im 3. Kap., B., I., 4., S.  85 ff., für die Gutglaubenswirkung im 3. Kap., B., II., 4., S.  166 ff. und für die Legitimationswirkung im 3. Kap., B., III., 4., S.  213 ff.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Wettbewerbssituation zwischen den Erbnachweisen besondere Brisanz.61 Deshalb lohnt sich eine rechtsvergleichende Betrachtung der Wirkungen, die anhand des deutschen, österreichischen und europäischen Erbnachweises durchgeführt wird. VIII. Rechtsnatur des Europäischen Nachlasszeugnisses und Beweiswirkung als gesonderte verfahrensrechtliche Wirkung Das Zeugnis ist ein eigenständiges unionsrechtliches Rechtsinstrument und wird daher als Erbnachweis sui generis bezeichnet.62 Obwohl die EuErbVO die Wirkungen des Zeugnisses und die grundsätzlichen Verfahrenslinien der Ausstellung für alle Mitgliedstaaten einheitlich regelt, überlässt sie den Mitgliedstaaten in einem entscheidenden Aspekt eine Freiheit: So kann eine Ausstellungsbehörde nach Art.  64 EuErbVO ein Gericht oder eine andere Behörde sein, die nach innerstaatlichem Recht für Erbsachen zuständig ist. Insbesondere können Notare, die bisher schon für die Erteilung des mitgliedstaatlichen Erbnachweises zuständig gewesen sind, zur Ausstellung des Zeugnisses befugt sein. Aus diesem Grund soll es von der lex fori abhängen, welche Rechtsnatur das Zeugnis hat.63 Allerdings macht es keinen Unterschied, wie der Mitgliedstaat das Ausstellungsverfahren vor allem im Hinblick auf die Ausstellungsbehörde organisiert. Das Zeugnis kann ungeachtet der maßgeblichen lex fori ausschließlich als öffentliche Urkunde i.S.d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO (und mangels Regelungscharakters64 keinesfalls als gerichtliche Entscheidung i.S.d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO65) qualifiziert werden, weil es von einer Behörde oder einer dazu ermächtigten Stelle (Gericht, Notar, Magistrat, Finanzamt) ausgestellt wird und die Aussage enthält, dass der darin genannte Aussteller unter den genannten Umständen eine 61  So Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  315. 62  Dutta/Weber/Fornasier, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  13; Keidel/Zimmermann, FamFG, §  352 Rn.  93; Hager/Buschbaum, Die neue europäische Erbrechtsverordnung, 39 (61); Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (371); Neumayr, AnwBl 2016, 262; Lange, DNotZ 2016, 103 (110); Wall, ZErb 2015, 9 (11); Dorsel, ZErb 2014, 212; Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525 (528); Lange, DNotZ 2012, 168 (170); Lange, Erbrecht, §  79 III 2, S.  821. 63  Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  62 EuErbVO Rn.  34; Geimer/Schütze/Dorsel, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  5; Hager/Buschbaum, Die neue europäische Erbrechtsverordnung, 39 (61); Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  296 in Fn.  124; Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, 589 (599); Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525 (529). 64  Vgl. zum Entscheidungsbegriff unten im 3. Kap., C., I., 1., a), aa), (1), (b), S.  220 ff. 65  Vgl. ausführlich Wall, ZErb 2015, 9 (10 f.); zustimmend Weber, RNotZ 2018, 454 (457); Verweijen, Handbuch Verlassenschaftsverfahren, S.  115 f. Offen gelassen von NK-BGB/Looschelders, Art.  3 EuErbVO Rn.  25.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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Erklärung mit einem bestimmten Inhalt abgegeben hat.66 Das Zeugnis entfaltet zudem Beweiswirkung hinsichtlich seiner Authentizität, d.h. mit der Vorlage des Zeugnisses wird die Beweiswürdigung des Richters derart beeinflusst, als dieser davon ausgehen muss, dass die Ausstellungsbehörde das Zeugnis zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort ausgestellt hat (vgl. ErwG 62). Die Beweiswirkung stellt hierbei eine verfahrensrechtliche Wirkung, mithin keine materiellrechtliche Wirkung. Denn sie entspringt der Rechtsnatur des Zeugnisses als öffentliche Urkunde. Die Beweiswirkung entfaltet sich unionsweit nach Art.  59 Abs.  1 S.  1 EuErbVO67 (und nicht nach Art.  69 Abs.  1 EuErbVO, der nur für die materiellrechtlichen Wirkungen des Zeugnisses gemäß Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO gilt).

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen I. Vermutungswirkung Angesichts der „ureigenen“ Funktion von Erbnachweisen, die erbrechtliche Rechtsstellung im Rechtsverkehr nach außen zu manifestieren, verkörpert die Vermutungswirkung die „Basiswirkung“ eines Erbnachweises. Die Vermutungswirkung findet in allen drei Rechtsordnungen ihre Rechtfertigung in dem staatlichen Hoheitsakt, der dem Erbnachweis zugrunde liegt (Erbscheinsverfahren nach dem FamFG, Verlassenschaftsverfahren nach dem AußStrG, Zeugnisverfahren nach der EuErbVO und der lex fori). Die Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes in allen drei Verfahren (im Erbscheinsverfahren gemäß §  26 ­FamFG; im Verlassenschaftsverfahren gemäß §§  16 Abs.  1, 13 Abs.  1 AußStrG68; im Zeugnisverfahren nur, soweit die lex fori diesen vorsieht, vgl. Art.  66 Abs.  1 S.  2 EuErbVO) impliziert eine hohe Richtigkeitsgewähr, weshalb mit der Ausstellung des Erbnachweises die Verknüpfung der Vermutungswirkung bezogen auf dessen Inhalt konsequent ist.69

66  Vgl. Dörner, DNotZ 2018, 661 (668). Der österreichische Gesetzgeber beispielsweise geht offenbar davon aus, dass das in der Regel vom Gerichtskommissär ausgestellte Zeugnis eine öffentliche Urkunde darstellt, vgl. Erläuterungen zum Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 (100/ME), 45. GP, S.  3. Siehe auch Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  62 EuErbVO Rn.  34. 67  Dörner, DNotZ 2018, 661 (671). 68  Vgl. dazu Klicka/Paulhammer/Domej, Außerstreitverfahren, Rn.  116 f. 69  Vgl. jurisPK-BGB/Mayr, §  2365 Rn.  2.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

1. Deutschland Die Vermutungswirkung des Erbscheins ist in §  2365 BGB geregelt. Als mate­ riell­rechtliche Norm wurde sie vom Durchführungsgesetz zur EuErbVO70, das auch Änderungen von Vorschriften zum Erbschein mit sich brachte, nicht berührt. a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen Damit der Erbschein Vermutungswirkung entfalten kann, muss er zunächst wirksam erteilt worden sein.71 Erteilung bedeutet, dass die Urschrift des Erbscheins oder eine Ausfertigung dem Antragsteller, einem von ihm bestimmten Dritten oder einer von ihm bestimmten Behörde ausgehändigt wurde.72 Hiermit wird der Erbschein rechtlich existent.73 Ferner ist die Identität zwischen dem im Erbschein benannten Erben und demjenigen, der das Erbrecht geltend macht, erforderlich.74 Der Erbschein entfaltet die Vermutungswirkung und die anderen Wirkungen unbefristet.75 Die Vermutungswirkung endet jedoch zum Schutz des wahren Erben mit der wirksamen Einziehung oder Kraftloserklärung des Erbscheins nach §  2361 BGB bzw. mit der Ablieferung des Erbscheins an das Nachlassgericht nach §  2362 Abs.  1 BGB.76 Soweit widersprechende Erbscheine im Rechtsverkehr zirkulieren, wird die Vermutungswirkung der Erbscheine im Umfang des Widerspruchs aufgehoben.77 Das Gleiche gilt, wenn neben dem Erbschein zugleich ein widersprechendes Zeugnis im Umlauf ist.78

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Im Wesentlichen das Internationale Erbrechtsverfahrensgesetz vom 29. Juni 2015 (BGBl.  I S.  1042), in Kraft getreten am 17.8.2015; vgl. aber auch RegE, BT-Drs. 18/4201. 71  Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2365 Rn.  2; Jauernig/Stürner, §  2365 Rn.  1; Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  6 und 13. 72  Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2361 Rn.  3. 73  Erman/Simon, §  2365 Rn.  2; Lindacher, DNotZ 1970, 93 (95). 74  Staudinger/Herzog, §  2365 Rn.  8. 75  Lange, DNotZ 2016, 103 (109); Böhringer, NotBZ 2015, 281. 76  Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2365 Rn.  3; Jauernig/Stürner, §  2365 Rn.  1; Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  6. Zur Einziehung und Kraftloserklärung des Erbscheins sowie zum Herausgabeanspruch des wirklichen Erben siehe ausführlich unten im 3. Kap., D., I., S.  269 ff. 77  H.M.: BGH, Urt. v. 13.6.1990 – IV ZR 241/89, FamRZ 1990, 1111; BGH, Urt. v. 23.11.1960 – V ZR 142/59, NJW 1961, 605; jurisPK-BGB/Mayr, §  2365 Rn.  4; Erman/Simon, §  2365 Rn.  2; PWW/Deppenkemper, §  2365 Rn.  5; NK-BGB/Kroiß, §  2365 Rn.  5; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2365 Rn.  3; Olzen/Looschelders, Erbrecht, S.  300; vgl. hierzu ausführlich Kousoula, Europäischer Erbschein, S.  252 ff. 78  Siehe ausführlich unten im 3. Kap., C., II., 1., b), S.  245 ff.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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b) Inhalt der Vermutung Bei der in §  2365 BGB angeordneten Vermutung handelt es sich um eine Rechtsvermutung, nicht um eine Tatsachenvermutung79, denn der Erbschein weist ausweislich des Wortlauts der Vorschrift das Erbrecht aus.80 Der im Erbschein bezeichnete Erbe gilt gegenüber Dritten als Erbe, bis das Gegenteil bewiesen ist (positive Vermutungswirkung oder Richtigkeitsvermutung).81 Vermutet wird die Richtigkeit der Erbeneigenschaft und bei Mehrheit von Erben die Größe der jeweiligen Erbteile.82 Die Vermutung wirkt auch zulasten des Erbscheinserben, wenn er aus Nachlassverbindlichkeiten von Nachlassgläubigern in Anspruch genommen wird.83 Negativ wird vermutet, dass der Erbscheinserbe nicht durch andere als die angegebenen Anordnungen beschränkt ist (Vollständigkeitsvermutung).84 Die Beschränkungen sind hierbei nicht von der Richtigkeitsvermutung erfasst.85 Gemeint sind die Anordnung der Nacherbfolge (§  2363 BGB) und der Testamentsvollstreckung (§  2364 BGB).86 Dritte sollen bei Verhandlungen mit dem Erbscheinserben erkennen können, ob und inwieweit der Erbscheinserbe über den Nachlass verfügen kann. Damit wird Rechtssicherheit und Entlastung auf Seiten Dritter erreicht und zugleich verhindert, dass der Nachlass unberechtigterweise umgestaltet wird. Aus diesem Grund ist auch eine positive Vermutung hinsichtlich der im Erbschein angeordneten Verfügungsbeschränkungen abzulehnen.87 Der Wortlaut des §  2365 BGB steht einer solchen Vermutung zwar nicht entgegen, allerdings besteht für diese Vermutung kein Bedürfnis, da sowohl Erbscheinserbe und Dritte durch die Negativvermutung vor nicht erkennbaren, den Rechtsverkehr beeinträchtigenden Verfügungsbeschränkungen geschützt werden.88

79  Vgl. zur Unterscheidung von Rechts- und Tatsachenvermutung mit Beispielen Musielak/ Voit/Huber, ZPO, §  292 Rn.  2 f. 80  KG, Beschl. v. 16.7.2014 – 25 U 4/14, ErbR 2016, 386 (388); jurisPK-BGB/Mayr, §  2365 Rn.  1; Leipold, Erbrecht, Rn.  654; Muscheler, Jura 2009, 731 (733). 81  Vgl. Wiegand, JuS 1975, 283 (284). 82  MüKoBGB/Grziwotz, §  2365 Rn.  10; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2365 Rn.  4; Dörner, DNotZ 2018, 661 (673). 83  Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  6; Leipold, Erbrecht, Rn.  654; Olzen/Looschelders, Erbrecht, S.  297. 84  Vgl. Wiegand, JuS 1975, 283 (284). 85  Vgl. mit einleuchtendem Beispiel Wiegand, JuS 1975, 283 (285). 86  NK-BGB/Kroiß, §  2365 Rn.  4. 87  Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2365 Rn.  5; Palandt/Weidlich, §  2365 Rn.  1. 88  BGH, Beschl. v. 28.1.1972 – V ZB 29/71, BGHZ 58, 105 (107 f.); MüKoBGB/Grziwotz, §  2365 Rn.  15.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

c) Umfang der Vermutung Der Vermutung unterliegen das im Erbschein bezeichnete Erbrecht und die angeordneten Beschränkungen.89 Fraglich ist, ob außerhalb des Erbscheins bestehende Aussagen von der Vermutungswirkung erfasst sind. Damit das Gericht dem Antragsteller einen Erbschein erteilt, muss es von der Erbenstellung des Antragstellers überzeugt sein. Dieser kann im Erbscheinsverfahren Tatsachen hervorbringen, auf die er sein Erbrecht stützt. Der Antragsteller kann beispielsweise ein eigenhändiges Testament des Erblassers zum Beweis seines Erbrechts vorlegen. Auf die Echtheit dieses Testaments und ähnlicher Nachweisunterlagen erstreckt sich die Vermutungswirkung indes nicht.90 Andernfalls würde der Antragsteller übermäßig begünstigt werden, indem er nach Beendigung des Erbscheinsverfahrens von seiner Beweislast nicht nur bezüglich des Erbrechts, sondern auch bezüglich aller erbrechtsrelevanten Nachweisunterlagen befreit werden würde. Da die Vermutungswirkung in Verfahren mit Dritten, die an sich mit dem Erbrecht nichts zu tun haben und keine Erbprätendenten sind, eine zentrale Rolle spielt91, würde eine von §  2365 BGB entfaltete Tatsachenvermutung den Dritten übermäßig in seiner Beweislast beschweren. Textangaben im Erbschein über persönliche Daten (Geburtsdatum, Verwandtschaftsverhältnis, usw.) des Erben werden nicht von der Vermutungswirkung erfasst.92 Maßgeblich ist nur, dass die Identität des Erben trotz unrichtiger Textangaben gewahrt ist.93 Werden Angaben in den Erbschein aufgenommen, die von Gesetzes wegen nicht vorgesehen sind, unterliegen sie nicht der Vermutungswirkung. Insbesondere sind hiermit die lediglich schuldrechtlich wirkenden erbrechtlichen Anordnungen wie Vermächtnisse (§  1939 BGB), Auflagen (§  1940 BGB) oder Teilungsanordnungen (§  2048 BGB) angesprochen.94 In solchen Fällen besteht kein durch die Wirkungen des Erbscheins gedecktes Bedürfnis, diese Institute im Erbschein zu verlautbaren.95 Für Vermächtnisnehmer besteht schon nicht die Möglichkeit, einen Erbschein zu beantragen.96 Dann erscheint es widersinnig, ein Vermächtnis im Erbschein von der Vermutungswirkung erfassen zu lassen. 89 

Staudinger/Herzog, §  2365 Rn.  14 und 17. Staudinger/Herzog, §  2365 Rn.  20; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2365 Rn.  8. 91  Siehe sogleich unten im 3. Kap., B., I., 1., e), S.  63 ff. 92  MüKoBGB/Grziwotz, §  2365 Rn.  18; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2365 Rn.  8; Wiegand, JuS 1975, 283 (284). 93  MüKoBGB/Grziwotz, §  2365 Rn.  18. 94  Staudinger/Herzog, §  2365 Rn.  20; NK-BGB/Kroiß, §  2365 Rn.  7. 95  Vgl. in Bezug auf den Legalnießbrauch nach ausländischem Recht OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.12.2015 – 1 W 2197/15, ZEV 2016, 510 (513). 96  Vgl. unten im 4. Kap., B., I., 3., S.  335f. 90 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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Ferner wird mit dem Erbschein nicht das Eigentum der im Nachlass befindlichen Sachen des Erblassers bzw. deren Nachlasszugehörigkeit vermutet.97 Dagegen kommen die Eigentumsvermutungen der §§  891, 1006 BGB dem Erbscheinserben zugute.98 Denn auch ein Erbscheinsinhaber kann regulärer Besitzer eines Nachlassgegenstandes sein. Dies wird auch regelmäßig der Fall sein, wenn der Erbscheinsinhaber den Nachlass aufgrund seines ausgewiesenen Erbrechts tatsächlich in Besitz genommen hat. d) Widerleglichkeit der Vermutung Als gesetzliche Rechtsvermutung ist die Erbscheinsvermutung widerleglich i.S.d. §  292 ZPO.99 Um die Vermutungswirkung im Prozess zu beseitigen, muss der Gegner des Erbscheinsinhabers entweder den Gegenbeweis betreffend die Voraussetzungen der Vermutung (Erbfall, wirksame Erbscheinserteilung sowie die Identität von Erbscheinsinhaber und dem im Erbschein bezeichneten Erben) anführen, den Beweis des Gegenteils erbringen oder schließlich die Maßnahmen der §§  2361, 2362 BGB herbeiführen.100 Zwar kann das Prozessgericht die Beweismittel im Verfahren vor dem Nachlassgericht wieder verwenden oder neu überprüfen, allerdings genügt für den Beweis des Gegenteils nicht die Erschütterung der Vermutung bzw. die Auslösung von Zweifeln beim Richter, sondern jede in Betracht kommende Möglichkeit der Richtigkeit des Erbscheins muss ausgeschlossen werden.101 So kann der Beweis des Gegenteils erbracht werden, indem das Prozessgericht eine andere Testamentsauslegung vornimmt, die die Grundlage für den Inhalt des Erbscheins vollständig entzieht.102 e) Die Vermutungswirkung im Zivilprozess Die Vermutungswirkung erlangt im Zivilprozess erhebliche Relevanz, wenn es für eine Partei darum geht, die ihr günstigen Tatsachen zu behaupten, und, sofern sie bestritten werden, zu beweisen.103 Differenziert werden muss zwischen der Erbscheinsvermutung im Streit mit Dritten und im Erbprätendentenstreit.

Olzen/Looschelders, Erbrecht, S.  297. Medicus, Jura 2001, 294. 99  PWW/Deppenkemper, §  2365 Rn.  4; Musielak/Voit/Huber, ZPO, §  292 Rn.  1 u. 3; Brox/ Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  6. 100  Staudinger/Herzog, §  2365 Rn.  48. 101  PWW/Deppenkemper, §  2365 Rn.  4; Soergel/Zimmermann, §  2365 Rn.  2; Muscheler, Jura 2009, 731 (732 f.). 102  BGH, Urt. v. 4.2.1987 – IVa ZR 229/85, NJW-RR 1987, 1090. 103  Medicus, Jura 2001, 294. 97  98 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

aa) Streit mit Dritten Die Erbscheinsvermutung führt in analoger Anwendung des §  292 ZPO im Zivilprozess mit Dritten zu einer Beweislastumkehr.104 Sie wirkt als Regel der Behauptungslast und insbesondere der subjektiven und objektiven Beweislast.105 Der Erbscheinsinhaber befindet sich im Prozess gegen den Dritten in einer günstigen Position, wenn er gegen diesen z.B. eine Klage nach §  2018 BGB anstrengt, um Erbschaftsgegenstände heraus zu verlangen. Dem Dritten wird nur der Beweis des Gegenteils eingeräumt, um die Unrichtigkeit des Erbscheins zu beweisen.106 Die Beweislage ist für Dritte ungünstiger, als wenn kein Erbschein existieren würde.107 Solange die Unrichtigkeit des Erbscheins nicht bewiesen ist, muss das Gericht von der Richtigkeit des Erbscheins ausgehen.108 Anders als beim Streit zwischen Erbprätendenten ist die Vermutung des Erbscheins auf Prozesse mit Dritten zugeschnitten.109 Dort geht es regelmäßig nicht um die Feststellung des Erbrechts, sondern die Erbenstellung stellt lediglich eine Vorfrage im Rahmen des streitigen Rechtsverhältnisses dar. Die Vermutungswirkung schadet den Dritten insofern nicht, als dieser über §§  2366, 2367 BGB bis zum Eintritt seiner Bösgläubigkeit geschützt wird, falls der Inhalt des Erbscheins unter den Erbprätendenten streitig ist. Ist der Inhalt nicht bestritten, wird der Dritte in der Regel eigene Einwendungen erheben, um die vermutete Erbenstellung des Erbscheinsinhabers zu widerlegen.110 In diesem Fall bestehen im Prozess keine Zweifel an der Erbenstellung des Erbscheinsinhabers. Lediglich der Dritte ist um den Erfolg des Prozesses willen an der Widerlegung der Erbenstellung interessiert. bb) Streit zwischen Erbprätendenten (1) Problematik und Meinungsstand Ob die Erbscheinsvermutung im Erbprätendentenstreit eingreift, ist umstritten. Dem Erbprätendentenstreit liegt regelmäßig folgende prozessuale Situation zugrunde: Nach Beendigung des Erbscheinsverfahrens verklagt ein Erbprätendent den Erbscheinserben vor einem Prozessgericht, um das Erbrecht feststellen zu lassen (sog. Erbenfeststellungsklage nach §  256 ZPO). Eine andere prozessuale Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2365 Rn.  12; Jauernig/Stürner, §  2365 Rn.  2; Bredemeyer, ZEV 2016, 65 (66). 105  Leipold, Erbrecht, Rn.  654. 106  MüKoBGB/Grziwotz, §  2365 Rn.  21; Hilger, BWNotZ 1992, 113 (118). 107  Scheer, Der Erbschein – Erteilung, Einziehung und Änderung, S.  81. 108  Leipold, Erbrecht, Rn.  654. 109  Vgl. OLG München, Beschl. v. 11.11.1994 – 15 W 1742/94, NJW-RR 1995, 779 (780). 110  Bartholomeyczik, Erbeinsetzung, andere Zuwendungen und Erbschein, S.  269. 104 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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Situation liegt in der Erhebung der Erbschaftsklage (§  2018 BGB). Die Vermutung des §  2365 BGB würde im Erbenfeststellungsverfahren bewirken, dass der Kläger den Beweis des Gegenteils hinsichtlich des Erbscheins erbringen und daneben alle sonstigen Umstände des erbrechtlichen Erwerbs des Beklagten widerlegen müsste.111 Das gilt jedoch nur, soweit man die Vermutungswirkung ohne Einschränkungen gelten lässt. Vertreten wird indessen auch die gegenteilige Auffassung, dass der Erbschein im Erbprätendentenstreit unbeachtlich ist, die gesetzliche Vermutung also nicht eingreift.112 Anwendung sollen daher die allgemeinen Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess finden. Eine vermittelnde Ansicht macht den Eingriff der Vermutungswirkung von der Parteirolle des Erbscheinsinhabers im Prozess abhängig.113 Ist der Erbscheinsinhaber Kläger, so muss er lediglich behaupten, Erbe zu sein. Dem Beklagten obliegt die Erbringung des Beweises der Tatsachen für sein eigenes Erbrecht. Nimmt der Erbscheinsinhaber hingegen die Beklagtenrolle ein, greift die Vermutungswirkung zu seinen Gunsten nicht ein, weil seine prozessuale Stellung durch den Erbschein nicht besser als sie ohnehin durch seine Beklagtenrolle – wegen der Beweislast des Klägers – ist.114 (2) Stellungnahme Eine sachgerechte Lösung sollte berücksichtigen, welchen Aussagegehalt das im Erbschein festgestellte Erbrecht für Streitigkeiten unter Erbprätendenten hat. Dieser ist äußerst schwach: Das Nachlassgericht kann den Erbschein jederzeit einziehen oder für kraftlos erklären, da der Erbschein nicht in formelle oder materielle Rechtskraft erwächst.115 Entsprechend hat das Prozessgericht die Entscheidung des Nachlassgerichts auch nicht zu berücksichtigen; diese hat für ein nachfolgendes Verfahren über das Erbrecht keine präjudizielle Wirkung.116 Das 111  Muscheler, Jura 2009, 731 (734 ff.); Wendt, ErbR 2016, 248 (249); wohl auch Göertz, ErbR 2016, 386 (389). 112  OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 4.6.2018 – 16 U 118/17, ZErb 2018, 201 (209); OLG Hamm, Beschl. v. 7.12.2016 – 11 U 41/07; offen gelassen vom KG, Beschl. v. 16.7.2014 – 25 U 4/14, ErbR 2016, 386 (388); OLG Frankfurt, Urt. v. 2.3.1994 – 23 U 46/93, OLGR Frankfurt 1994, 93 im Hinblick auf den Anspruch aus §  2362 Abs.  1 BGB; Palandt/Weidlich, §  2365 Rn.  3; Staudinger/Herzog, §  2365 Rn.  50; NK-BGB/Kroiß, §  2365 Rn.  12; Jauernig/Stürner, §  2365 Rn.  2; Leipold, Erbrecht, Rn.  655; Olzen/Looschelders, Erbrecht, S.  298; Bredemeyer, ZEV 2016, 65 (66). 113  Bartholomeyczik, Erbeinsetzung, andere Zuwendungen und Erbschein, S.  268 f.; Kipp/ Coing, Erbrecht, S.  571 in Fn.  5. 114  Erman/Simon, §  2365 Rn.  5. 115  Zimmermann, ZEV 2010, 457; Weiß, Rpfleger 1984, 389 (390). 116  BGH, Urt. v. 8.12.1982 – IV a ZR 94/81, NJW 1983, 672 (674); Kuchinke, Jura 1981, 281 (284).

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Erbenfeststellungsurteil des Prozessgerichts bindet dagegen ein nachfolgendes Erbscheinsverfahren, soweit das identische Erbrecht in Rede steht.117 Somit hat die Entscheidung des Nachlassgerichts lediglich provisorischen Charakter; der Erbschein ist selbst für das Nachlassgericht nicht bindend. Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die Vermutungswirkung im Erbprätendentenstreit nicht eingreifen. Ihre Geltung würde das Verhältnis von Nachlassgericht und Prozessgericht missachten.118 Dass der Wortlaut des §  2365 BGB sich nicht auf Prozesse gegen Dritte beschränkt, sollte in Anbetracht des vorgenannten teleologischen Arguments wenig Bedeutung beigemessen werden.119 Außerdem kommt es praktisch zu einer unverhältnismäßigen Beschwernis beim Gegner des Erbscheinsinhabers. Dieser wird in der Regel kaum in der Lage sein, die Vermutung zu widerlegen. Er muss nicht nur – wie im gewöhnlichen Erbprozess – die positiven Voraussetzungen seines Erbrechts beweisen, sondern zusätzlich auch die negativen Voraussetzungen seines Erbrechts und die positiven Voraussetzungen des Erb­ rechts des Erbscheinsinhabers widerlegen, wobei jeder verbleibende Zweifel zu seinen Lasten geht.120 Der vermittelnden Ansicht kann man entgegenhalten, dass die bloße Zufälligkeit der Parteirolle das Eingreifen der Vermutungswirkung bestimmt.121 Wenn die Wirkungen des Erbscheins ausweislich des Wortlauts der §§  2365 ff. BGB jedem Inhaber gleichermaßen zukommen, ist es schwer nachvollziehbar, weshalb die konkrete Parteirolle das Eingreifen der Vermutungswirkung bestimmen soll. Überzeugend ist deshalb letztlich, der Erbscheinsvermutung im Erbprätendentenstreit keine Bedeutung beizumessen. Damit wird am ehesten ein Interessenausgleich zwischen den Erbprätendenten geschaffen und die strikte Trennung zwischen streitigem Verfahren und Erbscheinsverfahren gewahrt. Da das Prozessgericht potentiell abschließend das Erbrecht zwischen den Parteien feststellt, sollte eine Partei nicht einseitig übermäßig begünstigt werden. Der Erbscheinsinhaber wird schon dadurch begünstigt, dass er regelmäßig die Beklagtenrolle einnimmt und somit abwarten kann, bis er von anderen Erbprätendenten verklagt wird.122 Solange dies nicht geschieht, kann er sich die Wirkungen des Erbscheins im Rechtsverkehr zunutze machen. Das wird regelmäßig ohnehin sein Hauptinteresse sein.

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So OLG München, Beschl. v. 8.3.2016 – 31 Wx 386/15, ZEV 2016, 278; siehe hierzu ausführlich unten im 4. Kap., D., I., 2., S.  376 ff. 118  jurisPK-BGB/Mayr, §  2365 Rn.  11. 119 A.A. Göertz, ErbR 2016, 386 (389). 120  Bartholomeyczik, Erbeinsetzung, andere Zuwendungen und Erbschein, S.  267 f.; vgl. auch Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2365 Rn.  13. 121  MüKoBGB/Grziwotz, §  2365 Rn.  22; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2365 Rn.  13. 122  Kuchinke, Jura 1981, 281 (284).

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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2. Österreich a) Vorbemerkungen: Besonderheiten des österreichischen Erbschaftserwerbs Bevor auf die Vermutungswirkung des Einantwortungsbeschlusses (§§  36 Abs.  1, 177 AußStrG) eingegangen wird, sind vorab einige Grundlagen zum österreichischen Erbschaftserwerb darzulegen, deren Kenntnis erst das Verständnis der Wirkungsweise des Einantwortungsbeschlusses ermöglicht. Das österreichische Erbrecht geht anders als das deutsche Recht und die Rechtsordnungen vieler anderer Mitgliedstaaten123 nicht vom Grundsatz des Vonselbsterwerbs und der Universalsukzession mit dem Tode des Erblassers aus. Der Nachlass geht nicht automatisch mit dem Tode des Erblassers auf die Erben über. Vielmehr muss das Erbrecht vor Gericht verhandelt werden; es bedarf zunächst der ausdrücklichen Annahme der Erbschaft (sog. Erbantrittserklärung) durch die Erben gemäß §  799 ABGB und der anschließenden Einantwortung der Erben in den Nachlass, die mit Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens erfolgt (§§  797, 819 ABGB).124 Mit der formellen Rechtkraft des Einantwortungsbeschlusses und der dadurch ausgelösten Übertragungs- und Gestaltungswirkung wird die Universalsukzession vollzogen.125 Die Einantwortung stellt mithin einen Rechtsübergangsvorgang vor.126 Zu betonen ist, dass der Einantwortungsbeschluss nicht in materielle Rechtskraft erwächst. Dies folgt daraus, dass der eingeantwortete Erbe durch die Erhebung einer Erbschaftsklage (§  823 ABGB) ­eines Erbprätendenten von seiner Rechtsstellung verdrängt werden kann.127 Mit der Einantwortung wird die Rechtslage in der Weise umgestaltet, dass anstelle des ruhenden Nachlasses (so wird der Nachlass bis zur finalen Einantwortung 123  Namentlich: Belgien, Frankreich, Niederlande, Estland, Griechenland, Kroatien, Luxemburg, Ungarn, Malta, Tschechische Republik, Slowakei, Slowenien, vgl. Bonimaier, Zak 2015, 308 in Fn.  3. 124  Gruber/Kalss/Müller/Schauer/Bittner/Hawel, Erbrecht und Vermögensnachfolge, §  11 Rn.  1; Ferrari/Likar-Peer/Ferrari, Erbrecht, Rn.  12.1; Perscha/Stögner, ZErb 2008, 375; Kopp, Probleme der Nachlassabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlassspaltung, S.  101. Rechtsvergleichend existieren drei Erwerbsmodi: ipso iure Gesamtrechtsnachfolge mit dem Tod des Erblassers, Durchführung einer Antrittshandlung seitens des Erben, Erbschaftserwerb aufgrund eines behördlichen Aktes, vgl. Klicka/Paulhammer/Domej, Außerstreitverfahren, Rn.  302. 125  OGH, Beschl. v. 25.5.2016 – 2 Ob 86/16k, NZ 2016, 373 (374); Gitschthaler/Höllwerth/ Sailer, AußStrG, §  177 Rn.  2; Burandt/Rojahn/Solomon, Erbrecht, Länderbericht Österreich, Rn.  181; Ferrari/Likar-Peer/Ferrari, Erbrecht, Rn.  12.114; Gschnitzer/Faistenberger, Erbrecht, S.  67; Klicka/Paulhammer/Domej, Außerstreitverfahren, Rn.  334. 126  Eccher, Antizipierte Erbfolge, S.  61. 127  OGH, Beschl. v. 22.3.2011 – 3 Ob 44/11h, iFamZ 2011, 176; OGH, Urt. v. 7.4.1971 – 5 Ob 63/71, NZ 1973, 15; Kletečka/Schauer/Spruzina, ABGB-ON, §  819 Rn.  3; differenzierend Gitschthaler/Höllwerth/Sailer, AußStrG, §  177 Rn.  2 in Fn.  2 und §  180 Rn.  1 in Fn.  5. Näher zur Erbschaftsklage unten im 3. Kap., D., II., 1., S.  282 ff.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

bezeichnet), der eine eigene Rechtspersönlichkeit (juristische Person) besitzt und (vorübergehender) Universalsukzessor ist128, der Erbe eintritt.129 Der Erbe wird mit der Einantwortung ex nunc Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers: Eigentum, Besitz, Forderungen und sonstige Rechte gehen auf ihn über, er wird Gläubiger der Nachlassschuldner und umgekehrt Schuldner der Nachlassgläubiger und hat insgesamt volle Herrschaft über den Nachlass.130 Umstritten ist, ob für den Eintritt der Übertragungs- und Gestaltungswirkung die Einantwortung an den wahren Erben erfolgen muss. Die überwiegende Auffassung131 bejaht dies, während die Gegenauffassung132 den unwahren Erben trotz eines fehlenden Erbrechtstitels als uneingeschränkten Gesamtrechtsnachfolger betrachtet. Das Verlassenschaftsverfahren kann nicht mit eindeutiger Sicherheit gewährleisten, dass tatsächlich der wahre Erbe am Ende des Verfahrens ermittelt wurde. Es ist nie auszuschließen, dass nachträglich neue Tatsachen bekannt werden, die zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage führen. Dem zu Unrecht eingeantworteten Erben den Status als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers zuzubilligen und ihn u.a. zum Eigentümer aller zum Nachlass gehörenden Sachen zu machen, geht daher zu weit. Denn auch der in dem Einantwortungsbeschluss falsch bezeichnete Erbe ist nicht schutzlos gestellt, da ihm die Vermutungswirkung und die Gutglaubenswirkung (§  824 S.  2 ABGB) zugutekommen.133 Die Übertragungs- und Gestaltungswirkung hat nicht zur Folge, dass die zum Nachlass scheinbar gehörenden Sachen oder Rechte (z.B. zufällig im Nachlass vorgefundenes Buch, das einem anderen gehört) durch Einantwortung dem Erben rechtlich zugeordnet werden.134 b) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen Das Gericht erlässt den Einantwortungsbeschluss bei Spruchreife der Abhandlung, wenn also die Erben und ihre Quoten feststehen und die übrigen VoraussetOGH, Beschl. v. 20.9.2012 – 2 Ob 166/12v, NZ 2013, 155 (156); Feil, AußStrG, §  143 Rn.  4; Verweijen, Handbuch Verlassenschaftsverfahren, S.  5; Zankl, Erbrecht, Rn.  141; Welser/ Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II, S.  640; Bittner, JEV 2008, 114 (116); Perscha/Stögner, ZErb 2008, 375; Bungert, IPRax 1992, 225 (227). 129  Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage, S.  66. 130  Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II, S.  647; Perscha/Stögner, ZErb 2008, 375 (376); Kopp, Probleme der Nachlassabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlassspaltung, S.  102; siehe auch Schwimann/Kodek/Nemeth, ABGB, §  819 Rn.  8. 131  Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  798a Rn.  6; Dolinar, in: FS Kralik, 1986, 125 (128); Eccher, Antizipierte Erbfolge, S.  61. 132  Kralik, Erbrecht, S.  334; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage, S.  62 ff. 133  Dolinar, in: FS Kralik, 1986, 125 (128). 134  Vgl. OGH, Urt. v. 19.2.1964 – 7 Ob 3/64, SZ 37/30; Ferrari/Likar-Peer/Ferrari, Erbrecht, Rn.  12.115. 128 

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zungen – das sind z.B. die zur Einantwortung erforderlichen Nachweise nach §  176 AußStrG135 – erfüllt sind (§  177 AußStrG).136 Zwar wird der Einantwortungsbeschluss mit dem Erlass erst existent, die Vermutungswirkung (sowie alle anderen Wirkungen137) treten jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht ein. Erforderlich ist, dass der Einantwortungsbeschluss formell rechtskräftig wird. Denn vor Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens, also bis zur formellen Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses, kann nach überwiegender Auffassung jeder, der ein Erbrecht für sich behauptet, vor Gericht weitere sog. Erbantrittserklärungen herantragen.138 Mit Eintritt der formellen Rechtskraft treten die Übertragungs- und Gestaltungswirkung und mithin auch die sich daran anknüpfenden Legitimationswirkungen ein.139 Wird anschließend beispielsweise eine neue Verfügung von Todes wegen aufgefunden, wird ein Abänderungsverfahren gemäß §  180 Abs.  2 AußStrG nicht eingeleitet.140 Um die Vermutungswirkung bzw. im Allgemeinen die wahre materielle Rechtslage herzustellen (der wahre Erbe tritt, wie erörtert, ohne Einantwortung noch nicht in die Rechte und Pflichten des Erb­ lassers ein), haben die Erbprätendenten die Möglichkeit, ihre Rechte am Nachlass durch Erhebung der Erbschaftsklage im streitigen Verfahren vor den Zivilgerichten gegenüber den Erbschaftsbesitzern, denen rechtskräftig eingeantwortet wurde, durchzusetzen (etwa mit der Begründung, dass das der Einantwortung zugrundeliegende Testament an Willensmängeln leidet).141 Mit der Feststellung des Erbrechts der Erbprätendenten durch ein rechtskräftiges Urteil enden die sich aus der Einantwortung ergebenden Wirkungen zulasten der unterlegenen Partei,

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Darüber hinaus ist insbesondere das Vorliegen der Erbantrittserklärung (§  799 ABGB), des Erbrechtsausweises (§  799 ABGB) und des Testamentserfüllungsausweises (§  817 ABGB) erforderlich, vgl. Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  798a Rn.  1. 136  Bittner, JEV 2008, 114 (119); Perscha/Stögner, ZErb 2008, 375 (382); Bungert, IPRax 1992, 225 (227). 137  Vgl. insbesondere zu den verfahrensrechtlichen Wirkungen der Einantwortung, die in dieser Arbeit nur angerissen werden, Schäuble, Die Einweisung der Erben in die Erbschaft nach österreichischem Recht durch deutsche Nachlassgerichte, S.  44 ff. 138  OGH, Urt. v. 26.11.1980 – 3 Ob 632/80, NZ 1981, 108; OGH, Urt. v. 13.5.1971 – 1 Ob 127/71, NZ 1973, 118; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage, S.  57 f. 139  Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  798a Rn.  1 und Rn.  5; Schwimann/Kodek/Nemeth, ABGB, §  819 Rn.  9; Dolinar, in: FS Kralik, 1986, 125 (133). 140  Gitschthaler/Höllwerth/Sailer, AußStrG, §  180 Rn.  3; Schilchegger/Kieber, Österreichisches Verlassenschaftsverfahren, S.  184; Ferrari/Likar-Peer/Ferrari, Erbrecht, Rn.  12.93. 141  OGH, Urt. v. 9.11.1976 – 3 Ob 619/76, SZ 25/170; Kralik, Erbrecht, S.  330; Koziol/ Bydlinski/Bollenberger/Sailer, ABGB, §§  823–824 Rn.  3; Dolinar, in: FS Kralik, 1986, 125 (134).

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

während der obsiegende Kläger die Rechtsstellung eines eingeantworteten Erben einnimmt.142 c) Inhalt der Vermutung Die Einantwortung begründet die Vermutung eines gültigen Erbrechtstitels nach §  323 ABGB.143 Mit der Einantwortung wird der Erbe in die formelle Rechts­ position versetzt, sich im Rechtsverkehr als Inhaber der ihm in dem Einantwortungsbeschluss zugewiesenen Rechte auszuweisen und diese durchzusetzen.144 Er gilt als rechtmäßiger Erbe und bedarf außer des Einantwortungsbeschlusses keines Nachweises seines Erbrechts mehr.145 Erzeugt wird auch zugunsten eines zu Unrecht eingeantworteten Erben die Rechtsvermutung, dass dieser wahrer Erbe ist.146 d) Umfang der Vermutung Die Vermutungswirkung erstreckt sich auf die erbrechtlichen Angaben im Einantwortungsbeschluss gemäß §  178 AußStrG. Dazu gehören die Bezeichnung der Verlassenschaft des Verstorbenen, die Bezeichnung der Erben, der Erbrechtstitel, die Erbquoten und der Hinweis auf ein allfälliges Erbteilungsübereinkommen (vergleichbar mit dem Erbauseinandersetzungsvertrag im deutschen Recht) sowie die Art der abgegebenen Erbantrittserklärung (§  178 Abs.  1 AußStrG). Daneben muss der Einantwortungsbeschluss, soweit die Voraussetzungen vorliegen, Angaben enthalten zu etwaigen Beschränkungen der Rechte der Erben durch fideikommissarische Substitution oder andere gleichgestellte Anordnungen (§§  707–709 ABGB) und zu jedem Grundbuchskörper, auf dem auf Grund der Einantwortung die Grundbuchsordnung herzustellen sein wird, also typischerweise die Umschreibung des Grundbuchs zugunsten des Erben hinsichtlich ererbter Grundstücke (§  178 Abs.  2 AußStrG).

142  Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  824 Rn.  12; siehe näher unten im 3. Kap., D., II., 2., S.  284 f. 143  Kralik, Erbrecht, S.  325; Dallafior, Die Legitimation des Erben, S.  64; Kuhn, Der Renvoi im internationalen Erbrecht der Schweiz, S.  165; Burandt/Rojahn/Solomon, Erbrecht, Länderbericht Österreich, Rn.  182. 144  Schäuble, Die Einweisung der Erben in die Erbschaft nach österreichischem Recht durch deutsche Nachlassgerichte, S.  43 f. 145  Feil, AußStrG, §  180 Rn.  5; vgl. auch Kopp, Probleme der Nachlassabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlassspaltung, S.  102. 146  Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II, S.  648.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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e) Widerleglichkeit der Vermutung Die Vermutung ist grundsätzlich widerleglich i.S.d. §  270 öZPO. Erforderlich ist die Erbringung des Beweises des Gegenteils, d.h. von Tatsachen, die die inhaltliche Unrichtigkeit des Einantwortungsbeschlusses belegen.147 Weist der Einantwortungsbeschluss ein im Verlassenschaftsverfahren errichtetes Inventar aus, ist diese Angabe für einen späteren Rechtsstreit über das Ausmaß der Befriedigung der Nachlassgläubiger nicht bindend; die Richtigkeit und Vollständigkeit des Inventars werden nur widerleglich vermutet.148 f) Die Vermutungswirkung im Zivilprozess Die Übertragungs- und Gestaltungswirkung und die daran anknüpfende Vermutungswirkung entfalten sich erga omnes, so dass ein Gericht im Zivilprozess von dem Bestehen des Erbrechts des eingeantworteten Erben als Vorfrage ausgehen muss.149 Das Gericht muss etwa bei einem Leistungsprozess des eingeantworteten Erben gegen einen Nachlassschuldner das Erbrecht als gegeben zugrunde legen.150 Hier zeigt sich, dass der Einantwortungsbeschluss als gerichtliche Entscheidung Bindungswirkung in einem nichterbrechtlichen Zivilprozess entfaltet, da Dritte mangels Prozesslegitimation nicht die Feststellung des Nichtbestehens des Erbrechts des eingeantworteten Erben verlangen können.151 Die Bindungswirkung gilt so lange, bis ein besser titulierter Erbe im streitigen Erbschaftsprozess gewinnt.152 Im Rahmen einer Erbschaftsklage, bei der ein Erbprätendent ein gleiches oder besseres Erbrecht behauptet und das Erbrecht des eingeantworteten Erben bestreitet, trägt der klagende Erbprätendent die Beweislast.153

Dallafior, Die Legitimation des Erben, S.  64; Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  299; zu der Vermutung und ihren beweisrechtlichen Folgen im Zivilprozess vgl. exemplarisch Holzhammer, in: FS Kralik, 1986, 205. 148  OGH, Beschl. v. 7.5.1985 – 2 Ob 659/84. 149  Ludwig, ZEV 2005, 419 (422); Kuhn, Der Renvoi im internationalen Erbrecht der Schweiz, S.  165. 150  Dolinar, in: FS Kralik, 1986, 125 (130). 151  Dolinar, in: FS Kralik, 1986, 125 (130). 152  Dolinar, in: FS Kralik, 1986, 125 (130). 153  Gschnitzer/Faistenberger, Erbrecht, S.  67; Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II, S.  648; Dallafior, Die Legitimation des Erben, S.  64; Maschmeier, Die Einantwortung der Verlassenschaft nach österreichischem Recht durch deutsche Nachlassgerichte, S.  15; Schäuble, Die Einweisung der Erben in die Erbschaft nach österreichischem Recht durch deutsche Nachlassgerichte, S.  43 f. 147 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

3. Europäische Union Wenn das Zeugnis den Nachweis der Rechtsstellung als Erbe, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr ermöglichen soll, so ist die Vermutungswirkung für den Verwender des Zeugnisses die essentiellste Wirkung. Dies folgt daraus, dass die Vermutungswirkung (inklusive ihrer besonderen Ausprägung als Legitimationswirkung) dem Verwender seine Rechtsstellung grundsätzlich verbindlich zuweist – jedermann kann ohne weiteres auf die bescheinigte Rechtsstellung vertrauen – und die Last der Erschütterung der Vermutung den die Rechtsstellung bestreitenden Personen auferlegt.154 Hinzu kommt, dass im internationalen Rechtsverkehr das Bedürfnis besteht, demjenigen, der durch Vorlage des Zeugnisses eine Berechtigung am Nachlass behauptet, hinsichtlich seiner Rechtsstellung vertrauen zu können, ohne eigenständige Nachforschungen durchführen zu müssen. Diese können sich als praktisch schwierig erweisen, wenn Informationen zum Erbfall aufgrund der örtlichen Distanz zwischen dem Ort des Abschlusses des Rechtsgeschäfts und den Nachlassbeteiligten für den Rechtsverkehr nicht greifbar sind. Im Ergebnis wird mit der Statuierung einer Vermutungswirkung versucht, das unausweichliche Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz des Rechtsverkehrs und der materiellrechtlichen Richtigkeit aufzulösen.155 a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen Mit wirksamer Ausstellung durch die Ausstellungsbehörde an den Antragsteller (Art.  67 Abs.  1 EuErbVO) wird das Zeugnis existent.156 Das europäische Recht kennt nur die Urschrift des Zeugnisses sowie beglaubigte Abschriften dieser Urschrift.157 Da die Ausstellungsbehörde nach Art.  70 Abs.  1 EuErbVO die Urschrift des Zeugnisses verwahrt (vgl. auch ErwG 72 S.  2) und der Antragsteller lediglich eine beglaubigte Abschrift ausgehändigt bekommt, ist für den maßgeblichen Zeitpunkt des Wirkungsbeginns auf die Aushändigung abzustellen.158 Die Vgl. Dorsel, ZErb 2014, 212 (216). Geimer/Schütze/Dorsel, Art.  69 EuErbVO Rn.  6; Dorsel, ZErb 2014, 212 (216); Mankowski, ErbR 2018, 295 (299). 156  Vgl. für die Ausstellungsvoraussetzungen statt aller NK-BGB/Nordmeier, Art.  67 ­EuErbVO Rn.  3. 157  Becker/Wegener, notar 2017, 32 (33); die beglaubigte Abschrift ist jedoch mit der Ausfertigung i.S.d. deutschen Rechts aufgrund der funktionellen Äquivalenz gleichzustellen, vgl. Becker/Wegener, notar 2017, 32 (33); Böhringer, NotBZ 2015, 281 (286). 158  Wann eine beglaubigte Abschrift wirksam ausgestellt ist, bestimmt sich nach der lex fori, vgl. MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  3. Nach deutschem Recht ist auf den Zeitpunkt der Übergabe an die Geschäftsstelle abzustellen (vgl. §  41 S.  1 IntErbRVG). 154  155 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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beglaubigte Abschrift ist demnach Träger der Vermutungswirkung.159 Sie muss ferner zum Verwendungszeitpunkt noch gültig sein (Art.  70 Abs.  3 EuErbVO, ErwG 71 S.  6 EuErbVO). Teilweise wird vertreten, dass mit der bloßen Existenz des Zeugnisses als Urschrift bei der Ausstellungsbehörde sich bereits die Vermutungswirkung entfaltet, da diese unabhängig von der Ausstellung beglaubigter Abschriften abstrakt wirke.160 Besitzt der Verwender des Zeugnisses jedoch nicht einmal ein Zugriffsobjekt (die beglaubigte Abschrift), mit dem er sich im Rechtsverkehr ausweisen kann, erscheint es fragwürdig, dem Verwender eine abstrakte Vermutungswirkung zuzuweisen. Angesichts der Tatsache, dass die Vermutungswirkung sich vornehmlich im Prozess oder vor Behörden manifestiert, wenn das Gericht oder die Behörde eine gültige beglaubigte Abschrift verlangt, ist die Vorlage einer beglaubigten Abschrift letztlich unentbehrlich.161 Die Abstraktheit der Wirkungsentfaltung ist daher eine Interpretation, der keine praktische Relevanz zukommt. Im Übrigen wird dem Verwender im Regelfall nach Ausfertigung der Urschrift unmittelbar eine beglaubigte Abschrift mitgegeben, so dass der Abstand der Zeitpunkte für den Wirkungsbeginn minimal ist. Hieran zeigt sich erneut die praktische Irrelevanz der Streitfrage. Mängel im Ausstellungsverfahren (z.B. unzureichende Anhörung der Beteiligten) sind ohne Einfluss auf die Wirkungsentfaltung.162 Das gilt beispielweise für die Zugrundelegung eines Erbstatuts, das nicht mit der materiellen Rechtslage übereinstimmt. Bei Maßgeblichkeit der objektiven Anknüpfung nach Art.  21 Abs.  1 EuErbVO dürften lediglich grobe Fehler z.B. bei der Ermittlung und Auslegung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers zu einem falschen Erbstatut führen (und bei einer eindeutigen wirksamen Rechtswahl dürfte dies nie der Fall sein). Die Rechtsstellungen nach dem ausgewiesenen Erbstatut werden grundsätzlich von der Vermutungswirkung perpetuierend erfasst. Ob aufgrund solcher Mängel ein Widerruf oder eine Änderung des Zeugnisses zu erfolgen hat, ist eine nachgelagerte Frage.163 Die Vermutungswirkung endet in dem Umfang, in dem die Ausstellungsbehörde gemäß Art.  71 Abs.  2 EuErbVO das Zeugnis ändert oder widerruft.164 Selbiges gilt bei der Aussetzung der Wirkungen Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525 (527); Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  178 f. 160  NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  6. 161  Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  3. 162  MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  2; Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  297; Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (395); Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  178. Zu diesbezüglichen Amtshaftungsansprüchen gegen die Ausstellungsbehörde vgl. unten im 3. Kap., B.,II., 3., h), dd), S.  165. 163  Vgl. unten im 3. Kap., D., III., 3., c), bb), S.  295 ff. 164  Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  297; siehe näher hierzu unten im 3. Kap., D., III., 3., g), S.  302 ff. 159 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

des Zeugnisses nach Art.  73 Abs.  1 EuErbVO.165 Schließlich ist die Vermutungswirkung in dem Umfang aufgehoben, in dem daneben ein inhaltlich divergierender mitgliedstaatlicher Erbnachweis oder ein inhaltlich divergierendes Zeugnis zirkulieren, die beide aus demselben Mitgliedstaat wie das erste Zeugnis stammen.166 b) Inhalt der Vermutung aa) Richtigkeits- und Vollständigkeitsvermutung Gemäß Art.  69 Abs.  2 S.  2 EuErbVO wird vermutet, dass die Person, die im Zeugnis als Erbe, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter genannt ist, die in dem Zeugnis genannte Rechtsstellung und/oder die in dem Zeugnis aufgeführten Rechte oder Befugnisse hat und dass diese Rechte oder Befugnisse keinen anderen als den im Zeugnis aufgeführten Bedingungen und/oder Beschränkungen unterliegen. Eindeutig handelt es sich bei dieser Vermutung um eine Rechtsvermutung167, die sich auf die jeweilige Rechtsstellung, aber nicht auf die ihr zugrundeliegenden Tatsachen, etwa die Echtheit eines Testaments, erstreckt. Dafür lässt sich teleologisch anführen, dass es im Rechtsverkehr vordergründig auf die Rechte und Befugnisse des Erben, des Vermächtnisnehmers mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstreckers und Nachlassverwalters und deren konkrete Ausgestaltung ankommt.168 Für die Nachlassabwicklung genügt regelmäßig eine Rechtsvermutung, durch die der allein interessierende Nachweis der Rechtsstellung zuverlässig festgehalten wird. Die zur Rechtsstellung führenden Tatsachen spielen eine untergeordnete Rolle.169 Die Vollständigkeitsvermutung bezieht sich auf die im Zeugnis aufgeführten Bedingungen und Beschränkungen.170 Unterliegt ein Testamentsvollstrecker ausweislich des Zeugnisses keinen Beschränkungen, wird vermutet, dass er freie Verfügungsbefugnis hat. Umgekehrt wird vermutet, dass bei Bestehen von Beschränkungen andere Beschränkungen als die im Zeugnis aufgeführten nicht existieren, so dass das Vertrauen auf die Abwesenheit nicht in das Zeugnis aufge165  Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  297; siehe näher hierzu unten im 3. Kap., D., III., 4., e), S.  310 f. 166  Siehe dazu unten im 3. Kap., C., II., 1., b), S.  245 f. und 3. Kap., C., II., 2., a), S.  251 f. 167  Geimer/Schütze/Dorsel, Art.  69 EuErbVO Rn.  8; Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/ Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  297; Schmitz, RNotZ 2017, 269 (284). 168  Dorsel, ZErb 2014, 212 (216). 169  Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  534; Dorsel, ZErb 2014, 212 (216). 170  Lange, DNotZ 2016, 103 (111); Schmidt, ZEV 2014, 389 (392).

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nommener Beschränkungen geschützt wird.171 Ein weiteres Beispiel ist die Verfügungsbeschränkung des Erben durch Anordnung von Testamentsvollstreckung oder Nacherbschaft. Mit Bedingungen ist etwa eine auflösende Bedingung gemeint, mit deren Eintritt eine Testamentsvollstreckung endet (z.B. Beendigung der Testamentsvollstreckung bei Erledigung bestimmter Aufgaben). Ob die Vermutung auch zulasten des Verwenders des Zeugnisses wirkt, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen, wird von ihm auch nicht ausgeschlossen. Im Schrifttum wird dies befürwortet.172 Vor dem Hintergrund, dass die Vermutung umfassend ist und in allen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen ist, erscheint es angemessen, auch für den Fall, dass dem Verwender die Vermutungswirkung nicht genehm ist, diese eingreifen zu lassen. Auf diese Weise stabilisiert sich die Vermutung selbst, da sie ungeachtet des situativen und rechtlichen Kontexts einheitlich ohne Bestimmungsrecht des Verwenders wirkt. Mittelbar wird hierdurch Rechtssicherheit geschaffen. Freilich sind die Konstellationen selten, in denen der Verwender durch die Vermutungswirkung belastet wird. Es ist etwa vorstellbar, dass der Zeugnisinhaber im Prozess gegen einen Dritten das vermutete Erb­ recht nicht gelegen kommt, weil er das infrage stehende Rechtsverhältnis entgegen ursprünglicher Vorstellungen als unwirksam betrachten will. Ohne Belang ist, ob das Sachrecht des Mitgliedstaates, in dem das Zeugnis verwendet wird, die im Zeugnis bescheinigte Rechtsstellung (etwa die einzelnen Befugnisse des Testamentsvollstreckers oder Nachlassverwalters) kennt.173 Das Erbstatut, selbst ein drittstaatliches, bestimmt damit die Reichweite der Handlungsmöglichkeiten des jeweiligen Zeugnisinhabers in den Mitgliedstaaten. Eine Art „Wirkungsgleichstellung“, also die Angleichung der Befugnisse des Erbstatuts mit den Befugnissen des Rechts des Verwendungsstaates, die eine Reduktion der Befugnisse bedeuten könnte, soweit das Recht des Verwendungsstaates dem Zeugnisinhaber weniger Befugnisse einräumt, erfolgt nicht. Mittelbar wird hieran der Grundsatz der Einheit des Erbstatuts deutlich. Die Rechtsnachfolge von Todes wegen unterliegt stets einem Recht und der Inhalt dieses Rechts hat jeder Mitgliedstaat grundsätzlich zu berücksichtigen.174

171 

Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  8. NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  13; Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  3; Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch/Köhler, Internationales Erbrecht, §  7 Rn.  16; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (775); jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  7. 173  NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  11. 174  Ein Vorbehalt der Mitgliedstaaten ist jedoch in Art.  31 EuErbVO statuiert, wonach eine Anpassung dinglicher Rechte zulässig ist, vgl. hierzu näher unten im 3. Kap., B., III., 3., e), S.  198 f. 172 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

bb) Der Regelungsgehalt der Richtigkeitsvermutung nach Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO stellt die Vermutung auf, dass das Zeugnis die Sachverhalte, die nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht oder einem anderen auf spezifische Sachverhalte anzuwendenden Recht festgestellt wurden, zutreffend ausweist. Bezeugt werden folglich als erstes Sachverhalte, die dem nach Art.  21, 22 EuErbVO bestimmten anwendbaren Recht entstammen, mithin z.B. die Erbenstellung des Zeugnisinhabers zu einer bestimmten Quote nach dem anwendbaren Erbstatut. Der Sinn dieser Vermutung scheint in Anbetracht der Rechtsvermutung des Art.  69 Abs.  2 S.  2 EuErbVO zunächst undurchsichtig. Die Rechtsvermutung deckt bereits die Rechtsstellung des Zeugnisinhabers vollständig ab. Demnach würde Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO keinen eigenständigen Regelungsgehalt besitzen, sofern angenommen wird, dass die „Sachverhalte“ lediglich die im Zeugnis ausgewiesenen Rechtsstellungen umfassen.175 Besondere Aufmerksamkeit muss daher dem Begriff des Sachverhalts zuteilwerden, wobei eine verordnungsautonome Auslegung zu erfolgen hat. Entwickelt werden muss ein europäisches Begriffsverständnis, das sich von den nationalen Rechtsordnungen ablöst und Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik und Telos der EuErbVO sowie die allgemeinen Grundsätze, die sich aus der Gesamtheit der nationalen Rechtsordnungen ergeben, berücksichtigt.176 Diese Leitlinie ist freilich für jede Auslegungsfrage, die die EuErbVO aufwirft, zu beachten. (1) Grammatikalische Auslegung Der Sachverhalt kann nach allgemeinem Sprachgebrauch mit der Sachlage gleichgestellt werden, die sich im Prozess aus der Summe der zur anschließenden Entscheidung führenden Tatsachen ergibt.177 Dies spricht dafür, eine reine Tatsachenvermutung anzunehmen. Indes spricht die englische Sprachfassung von „elements“ und nicht von „facts“, was gemeinhin die englische Übersetzung für den Begriff „Tatsachen“ ist.178 Des Weiteren verwenden auch die französi175  MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  8; siehe auch Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  4. 176  Döbereiner, MittBayNot 2013, 358 (359); vgl. zur Auslegung der EuErbVO ausführlich Schulte-Euler/Swane, ErbR 2014, 429. 177  Vgl. „Sachverhalt“ in Duden: „Gesamtheit von (in einem bestimmten Zusammenhang, unter einem bestimmten Gesichtspunkt) bedeutsamen Umständen, Tatsachen“, siehe (zuletzt abgerufen: 15.7.2021). 178  Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  298.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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sche und italienische Sprachfassung die gleichläufigen Begriffe „éléments“ bzw. „elementi“. Aber selbst dem dazu im Deutschen äquivalenten Begriff der Elemente lassen sich bei einer reinen Wortlautbetrachtung sowohl die Rechtsstellung als auch die dazu führenden Tatsachen zuordnen. Mehr Aufschluss gibt indes ErwG 71 S.  2, in dem von „spezifische[n] Sachverhalte[n]“ gesprochen wird und wofür auch die englische, französische und italienische Sprachfassung die Begriffe „elements“, „élements“ bzw. „elementi“ verwenden.179 Einen solchen spezifischen Sachverhalt stellt ausweislich des ErwG 71 S.  2 die materielle Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen dar, die keine Rechtsstellung verkörpert, sondern eine Tatsache, die etwa die Rechtsstellung als Erben begründet. Bei diesem Verständnis werden demnach von Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO neben der Rechtslage auch die zugrundeliegende Sachlage umfasst.180 (2) Systematische Auslegung Die potentiellen Angaben im Zeugnis, die unmittelbar vor der Wirkungsnorm des Art.  69 EuErbVO in Art.  68 EuErbVO geregelt sind, beinhalten sowohl faktische Umstände, etwa persönliche Angaben zum Erblasser (Art.  68 lit.  f EuErbVO) oder Umstände, aus denen sich die Rechte und/oder Befugnisse der Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter herleiten (Art.  68 lit.  j EuErbVO), als auch Angaben im rechtlichen Kontext (z.B. Erbteile (Art.  68 lit.  l EuErbVO), Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft (Art.  68 lit.  k EuErbVO)).181 Ist das Zeugnis zum Nachweis der Rechtsstellung im Rechtsverkehr bestimmt, stellt nur der Inhalt des Zeugnisses den Bezugspunkt der Vermutungswirkung dar. Die Wirkungsnorm des Art.  69 EuErbVO spricht allgemein vom Zeugnis, ohne zwischen verschiedenen inhaltlichen Angaben zu differenzieren. Als der Art.  68 EuErbVO nachfolgenden Norm zeugt die Stellung des Art.  69 EuErbVO von der Wirkungserfassung auf die Sach- und Rechtslage, indem sie auf Art.  68 EuErbVO im Gesamten Bezug nimmt. Denn beispielsweise gemäß Art.  68 lit.  j EuErbVO ist im Zeugnis eine etwaige Verfügung von Todes wegen anzugeben, nach der sich die Erbfolge richtet. Diese Sachlage wird von der Vermutungswirkung erfasst, d.h. insbesondere, dass die Echtheit der Verfügung von Todes wegen vermutet wird. Unstreitig erfasst die Vermutungswirkung jedoch nicht auf diejenigen Angaben im Katalog des Art.  68 EuErbVO, die vom Anwendungsbereich der Verordnung gemäß Art.  1 Abs.  2 EuErbVO ausgeschlossen sind, also generell nichterbrechtlicher Natur sind. 179 

Vgl. auch Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  4. Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  4; Janzen, DNotZ 2012, 484 (492). 181  Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  298. 180 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

(3) Historische und genetische Auslegung Den Gesetzgebungsmaterialien und dem Gesetzgebungsprozess lassen sich keine Rückschlüsse ziehen, welche Reichweite die Vermutung in Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO zukommt. (4) Teleologische Auslegung Sollte Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO ein eigenständiger, im Vergleich zu Art.  69 Abs.  2 S.  2 EuErbVO überschießender Regelungsgehalt anhaften, gilt es aus teleologischer Hinsicht zu untersuchen, welchen Zweck die Erfassung der Vermutungswirkung auf die Tatsachen hat, die die Rechtsstellung begründen. Nur diese Frage ist an dieser Stelle relevant, weil eine Rechtsvermutung eindeutig bereits über Art.  69 Abs.  2 S.  2 EuErbVO gesichert ist. Die Vermutungswirkung löst im Prozess gegen Dritte – es geht mithin nicht um einen Erbenstreit – eine Beweislastumkehr aus.182 In diesen Prozessen ist das Erbrecht, das der Rechtsvermutung des Art.  69 Abs.  2 S.  2 EuErbVO unterfällt, eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für den Richter, um beispielsweise einer Leistungsklage eines Zeugnisinhabers gegen einen Nachlassschuldner stattzugeben. Die zum Erb­recht führende Rechtstatsache, etwa die Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen, unter die Vermutungswirkung fallen zu lassen, hat vor diesem Hintergrund keinen Nutzen. Die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit ist gegenüber Dritten nämlich irrelevant.183 Nutzen hätte die Tatsachenvermutung hingegen im Streit unter Erbprätendenten um das Erbrecht insoweit, als das Einbringen des Zeugnisses zu einer günstigen Beweislastumkehr führen würde. Wenn das Prozessgericht aufgrund der Tatsachenvermutung von der Richtigkeit der zum Erb­ recht des Zeugnisinhabers führenden Unterlagen ausgehen muss, obliegt es dem anderen Erbprätendenten, der kein Zeugnis vorweisen kann, auch noch die Unrichtigkeit jener Unterlagen zu beweisen.184 Für den Erbprätendentenstreit und das Zeugnisverfahren sind grundsätzlich die Gerichte bzw. Ausstellungsbehörden desselben Mitgliedstaates international zuständig, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (vgl. Art.  4 EuErbVO für den Erbprätendentenstreit und Art.  64 S.  1 EuErbVO i.V.m. Art.  4 EuErbVO für das Zeugnisverfahren). Das bedeutet insbesondere, dass in beiden Verfahren das gleiche Verfahrensrecht und mitunter die gleichen Beweisregeln angewendet werden.185 Bei unveränderter Sachlage wird das den Erbprätendentenstreit entscheidende 182 

Siehe sogleich unten im 3. Kap., B., I., 3., e), aa), S.  64. Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  8. 184  Die Frage, ob die Vermutungswirkung des Zeugnisses im Erbprätendentenstreit eingreift, wird unten im 3. Kap., B., I., 3., e), bb), S.  84 f. behandelt. 185  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  8. 183 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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Gericht somit regelmäßig zu demselben Ergebnis kommen wie die Ausstellungsbehörde (wenn es nicht schon selbst mit der Ausstellungsbehörde identisch ist186), so dass eine Tatsachenvermutung letztlich auch hier keinen Nutzen hat.187 (5) Ergebnis Wortlaut und Systematik sprechen recht klar für die Einbeziehung der Rechtstatsachen im Rahmen des Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO. Auch das teleogische Ergebnis lässt trotz der weitgehenden Bedeutungslosigkeit der Tatsachenvermutung in der Praxis ebenfalls die Einbeziehung zu. Vor dem Hintergrund, dass das Zeugnis nachgerade nicht nur die Rechtsstellung des Berechtigten bescheinigt, sondern darüber hinaus etliche Angaben zum zugrundeliegenden Sachverhalt beinhalten kann, erscheint die Teilhabe des Sachverhalts an der Vermutungswirkung gerechtfertigt.188 Nachdem alle Auslegungsmethoden damit zum gleichen Ergebnis kommen, hat Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO im Vergleich zu Art.  69 Abs.  2 S.  2 EuErbVO einen eigenständigen Regelungsgehalt, der sowohl in der Statuierung einer Rechts- als auch einer Tatsachenvermutung und zusätzlich einer Vollständigkeitsvermutung betreffend die bescheinigten Bedingungen und Beschränkungen zu sehen ist.189 Art.  69 Abs.  2 S.  2 EuErbVO ist deshalb lex specialis und Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO lex generalis für alle sonstigen festgestellten Sachverhalte, die nicht der ersteren Norm unterfallen.190 cc) Bedeutung der „spezifischen Sachverhalte“ Wenn Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO schließlich von „spezifischen Sachverhalten“ spricht, so gibt der bereits erwähnte ErwG 71 S.  2 eine nähere Erläuterung zu dieser Terminologie. Dort wird als Beispiel für einen spezifischen Sachverhalt die materielle Wirksamkeit von Verfügungen von Todes wegen genannt. In Bezug genommen wird also Art.  26 EuErbVO, der die materielle Wirksamkeit von Verfügungen von Todes wegen definiert. Darunter fallen ausweislich des Art.  26 EuErbVO die Testierfähigkeit, Zuwendungsverbote, die Höchstpersönlichkeit bzw. die Zulässigkeit der Stellvertretung bei der Errichtung einer Verfügung von Todes wegen, die Auslegung der Verfügung von Todes wegen und Fragen betref186 

Dies ist z.B. nicht der Fall, wenn Ausstellungsbehörde ein Notar ist, da der Erbprätendentenstreit nur vor einem Gericht geführt werden kann. 187  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  8. 188  Schmitz, RNotZ 2017, 269 (284). 189  MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  10 spricht von einer erweiterten Rechtsvermutungswirkung; a.A. jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  8. 190  BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  15; Trittner, Redlichkeitsschutz im Erb­ recht, S.  183.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

fend Willensmängeln. Mithin umfasst die Richtigkeitsvermutung auch diejenigen Aspekte, die erst die Rechtsstellung als Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter begründen.191 Gemeint sind auch die anderen Sonderanknüpfungen der EuErbVO, soweit sie in den Angaben des Zeugnisses einen Niederschlag gefunden haben. Ist in Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO von dem „auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht“ die Rede, meint die Norm damit das anwendbare Recht nach der allgemeinen Kollisionsnorm des Art.  21 EuErbVO bzw. bei einer Rechtswahl nach Art.  22 EuErbVO. Die EuErbVO stellt jedoch für bestimmte Materien Sonderanknüpfungen bereit, um die Rechtssicherheit und Stabilität des anwendbaren Rechts zu fördern.192 Sie nennt, wie schon erwähnt, die gesonderte Anknüpfung der materiellen Wirksamkeit von Verfügungen von Todes wegen als Beispiel für einen spezifischen Sachverhalt. Dann wird mit „einem anderen auf spezifische Sachverhalte anzuwendende[n] Recht“ auch auf die anderen gesonderten Anknüpfungen, namentlich das allgemeine Errichtungsstatut gemäß Art.  24, 26 EuErbVO, das Erbvertragsstatut gemäß Art.  25, 26 EuErbVO und das Formstatut gemäß Art.  27, 28 EuErbVO Bezug genommen.193 Auf diese Weise erreicht die EuErbVO einen Gleichlauf in der Behandlung der Sonderanknüpfungen durch das Zeugnis; Gründe für eine Differenzierung innerhalb der Sonderanknüpfungen sind nicht ersichtlich. Die Formwirksamkeit bestimmter erbrechtlicher Erklärungen nach Art.  28 EuErbVO spiegelt sich etwa in der Angabe von Art.  68 lit.  k EuErbVO über die Art der Annahme oder der Ausschlagung der Erbschaft wider. Nur bei einer formwirksamen Ausschlagung können sich die Erbteile erhöhen. Das wird im Zeugnis dokumentiert und wird somit von der Vermutungswirkung als spezifischer Sachverhalt erfasst. Allen diesen Sonderanknüpfungen ist gemeinsam, dass sie in einem unmittelbaren Verhältnis zum Erbrecht stehen. Dies rechtfertigt die Erstreckung der Vermutungswirkung auf die Rechtstatsachen. dd) Keine Vollständigkeitsvermutung in Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO Nach dem Wortlaut bzw. aufgrund des fehlenden Zusatzes wie bei Art.  69 Abs.  2 S.  2 EuErbVO enthält Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO keine Vollständigkeitsvermutung. Wird im Zeugnis eine Person als Vindikationslegatar ausgewiesen, be-

191 

Vgl. auch Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck, Erbrecht, Art.  69 EuErbVO Rn.  1. Vgl. etwa für die Sonderanknüpfung von der materiellen Wirksamkeit von Verfügungen von Todes wegen MüKoBGB/Dutta, Art.  24 EuErbVO Rn.  1. 193  Vgl. Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  6. 192 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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weist das Zeugnis nicht, dass keine anderen Vindikationslegatare existieren.194 Eine derartige Ausdehnung der Vermutungswirkung auf den erbrechtlichen Lebenssachverhalt im Gesamten – denn so sind die Sachverhalte und spezifischen Sachverhalte zu verstehen – wäre auch nicht erforderlich. Dem Inhaber des jeweiligen Rechts wird nicht geholfen: Ein Vindikationslegatar will lediglich sein Recht an einem bestimmten Nachlassgegenstand nachweisen. Es ist diesem gleichgültig, ob andere Vindikationslegatare existieren, die Rechte an anderen Nachlassgegenständen haben. Im etwaigen Prozess würde es nur um den dem Vindikationslegatar zugewiesenen Nachlassgegenstand gehen und hier genügt die durch die Richtigkeitsvermutung ausgelöste Beweislastumkehr den Interessen des Vindikationslegatars. c) Umfang der Vermutung Das Zeugnis bietet in Anbetracht der Fülle möglicher Angaben (Art.  68 EuErbVO) ein großes Feld, worauf sich die Vermutungswirkung erstrecken kann. Aufgrund des internationalprivatrechtlichen Einschlags ist jedoch Vorsicht bei der Verleihung der Vermutungswirkung auf bestimmte Angaben geboten. In ErwG 71 S.  3 wird klargestellt, dass sich die Beweiskraft (= Vermutungswirkung) nicht auf Elemente195 beziehen sollte, die nicht durch diese Verordnung geregelt werden. Als Beispiele werden Fragen des Personenstands (Art.  68 lit.  f EuErbVO) und der Zugehörigkeit bestimmter Vermögensgegenstände zum Nachlass angeführt. Daneben ist das Verwandtschafts- und Schwägerschaftsverhältnis (Art.  68 lit.  e EuErbVO) zu nennen. Der Ausschluss ist einleuchtend, wenn man bedenkt, dass die Angaben zum Antragsteller bzw. Erblasser primär informatorischen Charakter haben. Wenn also jegliche in Art.  1 Abs.  2 EuErbVO genannten Tatbestände, die sich wohlgemerkt in den Angaben von Art.  68 EuErbVO wiederfinden müssen, von der Vermutungswirkung ausgeschlossen werden, dann bleiben nur die spezifisch erbrechtlichen Aspekte übrig. Dafür wurde schließlich auch das Zeugnis geschaffen: Für die Erleichterung der internationalen Nachlassabwicklung genügt die Teilhabe der erbrechtlichen Aspekte an der Vermutungswirkung. Erörterungswürdig erscheint, ob die Vermutungswirkung auch dann eingreift, wenn die bescheinigte Rechtsstellung kumulativ auf der Anwendung von Kollisionsnormen außerhalb der EuErbVO beruht. Angesprochen ist der Umstand, dass z.B. die Rechtsstellung als Erbe bei der gesetzlichen Erbfolge maßgeblich BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  12.1. Insoweit irritiert die deutsche Sprachfassung etwas, da noch in ErwG 71 S.  2 von „Sachverhalten“ gesprochen wird. Die englische, französische und italienische Sprachfassung sind demgegenüber klarer, da durchgehend die Begriffe „elements“, „éléments“ bzw. „elementi“ verwendet werden. 194  195 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

von familienrechtlichen Beziehungen abhängig ist, deren kollisionsrechtliche Beurteilung sich nicht nach der EuErbVO, sondern aufgrund bisheriger fehlender Vereinheitlichung auf europäischer Ebene nach dem jeweiligen autonomen IPR der angerufenen Ausstellungsbehörde richtet. Die Feststellung der Verwandtschaft oder der Abstammung, die die Rechtsstellung als gesetzlicher Erbe begründet, folgt anderen Kollisionsnormen als denjenigen der EuErbVO.196 Der Konflikt besteht darin, dass diese nichterbrechtlichen Aspekte vom Anwendungsbereich der EuErbVO ausgenommen sind (Art.  1 Abs.  2 lit.  a EuErbVO). Aufschluss über eine Wertung des Unionsgesetzgebers gibt erneut ErwG 71 S.  2. Mit den „spezifische[n] Sachverhalte[n]“ wird einerseits Bezug auf die Sonderanknüpfungen (Art.  24 ff. EuErbVO) genommen. Andererseits fallen darunter auch die Kollisionsnormen außerhalb der EuErbVO, denn das Zeugnis kann ohne Hinzuziehung dieser Kollisionsnormen die Rechtslage nicht korrekt wiedergeben.197 Dies musste dem Unionsgesetzgeber klar gewesen sein: Dass das Erb­recht oftmals familienrechtliche Vorfragen aufwirft, ist keine neue und umstürzende Erkenntnis, zumal jeder Mitgliedstaat das Problem innerhalb seiner eigenen Rechtsordnung vor der Europäisierung des internationalen Erbrechts kennen sollte. Würde aus diesem Grund die Vermutungswirkung nicht eingreifen, hätte sie für den häufigen Fall der gesetzlichen Erbfolge keinen Anwendungsbereich mehr. Die EuErbVO differenziert nicht zwischen gewillkürter und gesetzlicher Erbfolge. Eine Entwertung des Zeugnisses wäre die Folge.198 Der Nachweis des Erbrechts ist das Herzstück des Zeugnisses und die Essenz der Vermutungswirkung. Es wäre fragwürdig, wenn die Vermutungswirkung beispielsweise nur einem Testamentsvollstrecker zugutekommen soll, dessen Rechtsstellung sich ausschließlich aus dem Erbstatut ergibt und nicht von familienrechtlichen Verhältnissen abhängt. Festzuhalten ist damit, dass die Vermutungswirkung sich auch entfaltet, wenn die Rechtsstellung sich aus Kollisionsnormen der EuErbVO und solchen außerhalb der EuErbVO ergibt.199

196 

Vgl. Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  6. MüKoBGB/Dutta, Art.  67 EuErbVO Rn.  12; Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  6; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (755). 198  So BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  10. 199  BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  10; a.A. Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  6, die die Vermutung nur für den Ausstellungsstaat, aber nicht für die anderen Mitgliedstaaten eingreifen lässt, wenn dieser autonome Kollisionsnormen angewendet hat. Dies widerspricht indes der einheitlichen Wirkungsentfaltung gemäß Art.  69 Abs.  1 EuErbVO. 197 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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d) Widerleglichkeit der Vermutung Zur Widerleglichkeit der Vermutung äußert sich die EuErbVO nicht, obwohl das Europäische Parlament eine Klarstellung zur Widerleglichkeit gefordert hatte.200 Der Wortlaut des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO weist in die Richtung, eine widerlegliche Vermutung anzunehmen („es wird vermutet“; im deutschen Recht wird bei unwiderleglichen Vermutungen das Adjektiv „unwiderlegbar“ verwendet, vgl. z.B. §  1566 BGB).201 Einen weiteren Hinweis für die Widerleglichkeit der Vermutung geben ErwG 71 S.  2, der dem Zeugnis Beweiskraft verleiht, sowie die Existenz eines Wirkungsentziehungs- und Wirkungsaussetzungssystems gemäß Art.  71 Abs.  2, 73 EuErbVO, das impliziert, dass der Inhalt des Zeugnisses und damit auch die Vermutung widerlegt bzw. geändert oder beseitigt werden kann. Eine unwiderlegliche Vermutung wäre demnach mit dem deklaratorischen Charakter des Zeugnisses nicht vereinbar.202 Die Widerleglichkeit ergibt sich hierbei wegen des Wortlauts und der sekundärrechtlichen Tatbestandswirkung unmittelbar aus Art.  69 Abs.  2 EuErbVO selbst.203 Es ist davon auszugehen, dass für die Widerlegung der Vermutung der Beweis des Gegenteils erforderlich ist.204 Solange dieser Beweis von demjenigen, der die Rechtsstellung im Zeugnis bestreitet, nicht erbracht ist, gilt die im Zeugnis bescheinigte Rechtsstellung.205 Aus einer teleologischen Perspektive genügt freilich auch eine widerlegliche Vermutung, um die Rechte der Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter zu stärken. Die Beweislastumkehr hilft im Prozess nämlich enorm (siehe sogleich).

200 

MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  11 m.w.N. OLG München, Beschl. v. 29.9.2020 – 34 Wx 236/20, FGPrax 2020, 265 (266); MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  11; Lutz, BWNotZ 2016, 34 (45); Neumayr, AnwBl 2016, 262 (263); Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (375); Dorsel, ZErb 2014, 212 (216); Süß, ZEuP 2013, 725 (745); Janzen, DNotZ 2012, 482 (493); Kohler/Pintens, FamRZ 2012, 1425 (1429); Konvalin, Das Europäische Nachlasszeugnis ohne europäischen Entscheidungseinklang, S.  11. 202  Vgl. auch Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  533. 203  A.A. wohl Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (775), der bei deutscher lex fori auf §  292 ZPO zurückgreifen will. Genauer müsste man §  292 ZPO analog anwenden, soweit es um die Rechtsvermutung des Art.  69 Abs.  2 S.  2 EuErbVO geht. 204  Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck, Erbrecht, Art.  69 EuErbVO Rn.  1; Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (375); Wittwer, AnwBl 2015, 87 (89); Süß, ZEuP 2013, 725 (745); Dutta, FamRZ 2013, 4 (15). 205  So schon DNotI-Studie, S.  226. 201 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

e) Die Vermutungswirkung im Zivilprozess Auch im europäischen Kontext manifestiert sich die Vermutungswirkung primär im Zivilprozess. Dabei ist erneut zwischen Streitigkeiten mit Dritten und dem Erbprätendentenstreit zu unterscheiden. aa) Streit mit Dritten Die Vermutung nach Art.  69 Abs.  2 EuErbVO erzeugt im Streit mit Dritten eine Beweislastumkehr zugunsten des Zeugnisinhabers.206 Die jeweilige erbrechtliche Rechtsstellung stellt grundsätzlich lediglich eine Vorfrage zu dem im Verfahren strittigen Rechtsverhältnis zwischen den Parteien.207 Verlangt ein Zeugniserbe von einem Nachlassschuldner die Begleichung der Forderung und will dieser nicht zahlen, muss der Nachlassschuldner beweisen, dass dem Zeugnisinhaber die Empfangszuständigkeit fehlt. Gleiches gilt für einen durch das Zeugnis legitimierten Testamentsvollstrecker, der für die Erben die Einziehung von Forderungen betreiben soll. bb) Streit zwischen Erbprätendenten Ob die Vermutungswirkung im Streit zwischen Erbprätendenten eingreift, beantwortet die EuErbVO implizit selbst. Zwar lässt sich dem Wortlaut des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO eine Einschränkung der Vermutungswirkung auf Prozesse gegen Dritte nicht entnehmen. Gemäß Art.  64 EuErbVO sind die Gerichte oder andere, nach innerstaatlichem Recht für Erbsachen zuständige Behörden für die Ausstellung des Zeugnisses zuständig, die nach den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften, namentlich Art.  4, 7, 10 oder 11 EuErbVO, für Erbsachen zuständig sind. Unter einer Erbsache fällt auch der Erbprätendentenstreit.208 Wenn also der Erbprätendentenstreit nur in dem Mitgliedstaat geführt wird, in dem das Zeugnis ausgestellt wurde, kann das Zeugnis in diesem Streit keine Bedeutung haben, weil es an einem „anderen Mitgliedstaat“ mangelt und damit die Absicht zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat nie erfüllt werden kann.209 Insbesondere vor dem Hintergrund der verfahrensrechtlichen Problematik ist die Ablehnung der Vermutungswirkung im Erbprätendentenstreit zu befürworten. Denn die EuErbVO überlässt verfahrensrechtliche Aspekte im Grundsatz den Mitgliedstaaten, soweit sie selbst nichts anderes regelt. Ebenso wenig ändert sich Neumayr, AnwBl 2016, 262 (263); Steiner, Zak 2015, 304. Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  9. 208  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  9. 209  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  9; Trittner, Redlichkeitsschutz im Erb­ recht, S.  188. 206  207 

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etwas am Ergebnis daraus, dass das Zeugnis auch im Ausstellungsstaat verwendet werden kann (Art.  62 Abs.  3 S.  2 EuErbVO) und damit die Behauptung aufgestellt werden könnte, das Merkmal eines „anderen Mitgliedstaates“ sei nicht erforderlich. Das Zeugnis entfaltet im Ausstellungsstaat selbst und in allen anderen Mitgliedstaaten stets die gleichen Wirkungen. Nur begründet die nachgewiesene Verwendungsabsicht im Ausland erst die Möglichkeit der Ausstellung des Zeugnisses. Dies spricht dafür, die Behandlung der Vermutungswirkung für ausländische Verfahren maßgeblich zu halten und deshalb die Ablehnung der Vermutungswirkung in Erbprätendentenstreitigkeiten aufgrund des Gleichlaufs der Wirkungen in allen mitgliedstaatlichen Verfahren zu befürworten.210 Schließlich lässt sich teleologisch anführen, dass beim Erbprätendentenstreit irrelevant ist, ob lediglich ein nationaler oder auch ein internationaler Bezug besteht. Vielmehr können die Argumente zur Erbscheinsvermutung in Erbprätendentenstreitigkeiten nach deutschem Recht auch auf Verfahren nach Art.  4 ff. EuErbVO übertragen werden. Soll das Gericht abschließend über das Erbrecht zwischen den Parteien entscheiden, sollte die Beweislast gleichermaßen auf die Parteien verteilt werden. Es sollte nicht derjenige, der zuvor ein Zeugnis erlangt hat, durch die Geltung der Vermutungswirkung in diesem Verfahren begünstigt werden. Im Übrigen ist diese Auffassung nur konsequent, wenn bereits eine Bindungswirkung des Erbscheins im Rahmen des §  2365 BGB abgelehnt wurde. Hat der Erbschein hiernach keine Bedeutung im Erbprätendentenstreit, sollte Gleiches auch für das Zeugnis gelten, weil beide Erbnachweise grundsätzlich vom identischen Nachlassgericht ausgestellt werden211. Festzuhalten ist somit, dass das Gericht im Erbprätendentenstreit nicht an die im Zeugnis statuierte Vermutung gebunden ist.212 Vorzugswürdig ist daher der Rückgriff auf die allgemeinen Beweislastregeln der lex fori. 4. Rechtsvergleichende Würdigung Es überrascht wenig, dass die Vermutungswirkung des deutschen, österreichischen und europäischen Rechts weitgehend ähnlich ausgestaltet ist. In nationalen wie internationalen Erbfällen besteht gleichermaßen das Bedürfnis für den Erben, sich auf die durch das Gericht bzw. die Ausstellungsbehörde bescheinigte Rechtsstellung verlassen zu können und dementsprechend in etwaigen Zivilpro210 

Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  9. Vgl. hierzu unten im 3. Kap., C., I., 1., a), S.  216 ff. 212  Palandt/Weidlich, Anh. zu §§  2353 ff., Art.  69 EuErbVO Rn.  1; Jauernig/Stürner, Anm. zu Art.  62–73 EuErbVO Rn.  6; Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  188; Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  533; Kousoula, Europäischer Erbschein, S.  269. 211 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

zessen von der Beweislast befreit zu werden. Der internationalprivatrechtliche Einschlag im Zeugnis setzt indes von vornherein Vorzeichen und Problemfelder, die beim Erbschein und Einantwortungsbeschluss als nationale Erbnachweise nicht vorzufinden sind. Auffällig ist die große Reichweite der Vermutungsausgestaltung beim Zeugnis im Vergleich zum Erbschein und zum Einantwortungsbeschluss.213 Denn Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO beinhaltet neben einer Rechtsvermutung auch eine Tatsachenvermutung. Das ist in der Hinsicht bemerkenswert, als der Erbschein zu den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen mit den stärksten Wirkungen gehört. Somit stellt sich das Zeugnis betreffend die Vermutungswirkung als non plus ultra unter den Erbnachweisen in der EU dar. Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass das Zeugnis diese Vermutung nicht nur für Erben, sondern auch für Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter aufstellt. Wenn das Zeugnis eine zügige, unkomplizierte und effiziente grenzüberschreitende Nachlassabwicklung sichern will, ist die besonders starke Ausprägung der Vermutungswirkung konsequent. Durch die Rechts- und Tatsachenvermutung wird der Verwender des Zeugnisses mittels der Beweislastumkehr erheblich begünstigt; wurde ihm ein Zeugnis ausgestellt, kann er sich grundsätzlich auf die im Zeugnis bezeugte Rechtslage ohne weitergehende Nachweise berufen. Das ist vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass das Zeugnis in jedem der EuErbVO unterworfenen Mitgliedstaat eingesetzt werden kann. Den Verwendern sollte nicht zugemutet werden, in potentiell verschiedenen, für ihn fremden ausländischen Verfahren, in denen es z.B. im Rahmen einer Vindikationsklage auf die Vorfrage der Erbenstellung des Zeug­ nis­inhabers ankommt, Beweis für ihre Rechtsstellung zu erbringen. Dass die dem Zeugnis zugrundeliegenden Tatsachen ebenso von der Vermutung erfasst werden, ist ein Bonus, der indessen oftmals nicht relevant wird, weil es in den Prozessen zumeist auf das Bestehen der Rechtsstellung ankommt. Immerhin wurden die von der Vermutung erfassten Tatsachen im Verfahren zur Ausstellung des Zeugnisses überprüft, so dass eine rechtliche Würdigung bereits stattgefunden hat, die die Tatsachenvermutung in ihrer Intensität rechtfertigt. Die Grenzen der Vermutungswirkung bildet entsprechend der Funktion der Erbnachweise der erbrechtliche Inhalt. In der Nachlassabwicklung kommt es ledig­lich auf die Vermutung der erbrechtlichen Aspekte an; sonstige Informationen, die sich im Erbnachweis wiederfinden, mögen als rein informatorische Angaben hilfreich sein, fallen jedoch nicht unter den Schutz der Vermutungswirkung. Für das Zeugnis folgt dies insbesondere aus dem sachlichen Anwendungsbereich der EuErbVO (Art.  1 EuErbVO) und Art.  69 Abs.  2 EuErbVO. Es ist 213 

Vgl. in Bezug auf den Erbschein Dörner, DNotZ 2018, 661 (673).

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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aufgrund des kollisionsrechtlichen Einschlags Vorsicht walten zu lassen, um nichterbrechtliche Aspekte von der Vermutungswirkung auszunehmen. Beim Erbschein und Einantwortungsbeschluss implizieren eine materiellrechtliche Norm (§  2365 BGB) bzw. eine verfahrensrechtliche Norm (§  178 AußStrG) die Grenzen der Vermutungswirkung. Die Vermutungswirkung der Erbnachweise erzeugt im streitigen Verfahren eine Beweislastumkehr. Dieser Gleichlauf ist zu begrüßen. Das ist weniger überraschend im Streit des Erbnachweisinhabers mit Dritten, da die Vermutungswirkung gerade dort dem Erbnachweisinhaber die Last des Beweises seiner erb­ recht­lichen Rechtsstellung nehmen will. Im Erbprätendentenstreit war die Unbeachtlichkeit der Vermutungswirkung eine zwingende Konsequenz, die sich aus dem Zuständigkeitssystem der EuErbVO ergibt. Die großzügig ausgestaltete Vermutungswirkung des europäischen Rechts verdrängt im Wettbewerb mit den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen bei der Inanspruchnahme der Inlandswirkung des Zeugnisses diese selbst. Da das Zeugnis die stärkste Vermutungswirkung entfaltet, wird ein Erbe oder sonstiger Antragsteller, dem es auf die Vermutungswirkung ankommt, in aller Regel keinen na­tio­ nalen Erbnachweis parallel beantragen. Dies gilt gewiss für diejenigen Mitgliedstaaten, deren Erbnachweise keine oder nur eine schwache Vermutungswirkung kennen. Schon jetzt muss im Besonderen für Österreich konstatiert werden, dass ein echter Wettbewerb zwischen dem Zeugnis und dem Einantwortungsbeschluss vermutlich nicht stattfindet. Da obligatorisch ein Verlassenschaftsverfahren durchzuführen ist, an dessen Ende regelmäßig ein Einantwortungsbeschluss ergeht, wird der Erbe eben diesen vorweisen können, es sei denn, dass das Zeugnis noch vor der Einantwortung ausgestellt wird.214 Eine Alternativität zwischen Zeugnis und Einantwortungsbeschluss stellt sich dann nicht, weil für den Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge in der Regel früher oder später die Einantwortung zu erfolgen hat. Daher existiert mindestens der Einantwortungsbeschluss unabhängig von dem Willen des Erben. Aus diesem Grunde wird davon ausgegangen, dass das Zeugnis in Österreich abgesehen von einzelnen Konstellationen keine besondere Bedeutung einnehmen wird.215 Insgesamt besticht die Vermutungswirkung rechtsvergleichend weitgehend durch Konformität. Als eine solche Wirkung, die doch sehr geradlinig wirkt und einen überschaubaren Nutzen in der Nachlassabwicklung hat – anders als etwa die Gutglaubenswirkung –, war es abzusehen, dass ihre Ausgestaltung im europäischen Recht nicht besonders von den nationalen Regelungen abweicht. Denn entweder werden die Rechtsstellungen und Befugnisse im Erbnachweis vermutet 214  215 

Hierzu unten im 4. Kap., B., IV., S.  351 ff. Neumayr, AnwBl 2016, 262 (264).

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

oder nicht. Die Frage nach der Widerleglichkeit und der Intensität der Vermutungswirkung durch Statuierung auch einer Tatsachenvermutung stellen freilich Variablen dar, für die der Unionsgesetzgeber einen Beurteilungsspielraum hatte. Die Entscheidung für eine umfassende Vermutungswirkung entlastet die Nachlassbeteiligten erheblich und kann daher im Ergebnis überzeugen. II. Gutglaubenswirkung Während die Vermutungswirkung dem Verwender des Erbnachweises im Zivilprozess gegen Dritte erhebliche Beweiserleichterungen bietet, schützt die mit der Vermutung eng verknüpfte Gutglaubenswirkung primär den Rechtsverkehr. Ohne die Ausstattung eines Erbnachweises mit Gutglaubensschutz würde der Schutz für den Rechtsverkehr nur begrenzt sein, weil die Vermutung widerleglich ist216; ein Erbnachweis mit reiner Vermutungswirkung ermöglicht folglich keinen umfassenden Verkehrsschutz217. Dritte, die mit dem Inhaber des Erbnachweises rechtsgeschäftlich interagieren, können beispielsweise Rechte erwerben oder mit befreiender Wirkung leisten. Diese günstigen Rechtsfolgen machen die Erbnachweise aus Sicht des Rechtsverkehrs äußerst attraktiv, so dass der Genuss von Gutglaubenswirkung durch die Verwendung der Erbnachweise zuweilen gezielt angestrebt wird.218 Daran wird die erhebliche praktische Relevanz der Gutglaubenswirkung aus dem Blickwinkel des Rechtsverkehrs erkennbar. 1. Deutschland Der öffentliche Glaube des Erbscheins ist in §  2366 BGB geregelt. §  2367 BGB erweitert den Schutz des öffentlichen Glaubens auf bestimmte Leistungen und Verfügungen. Für den Eintritt der Gutglaubenswirkung müssen sowohl objektive als auch subjektive Voraussetzungen erfüllt sein. a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen Auch für die Entfaltung von Gutglaubenswirkung muss ein wirksamer Erbschein erteilt und darf der Erbschein nicht eingezogen oder für kraftlos erklärt sowie durch seinen Besitzer an das Nachlassgericht abgeliefert worden sein.219 Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Erbschein seine Wirkungen grundsätzlich einheitlich und gleichzeitig entfaltet, freilich erst sichtbar im jeweiligen rechtlichen DNotI-Studie, S.  226. So für den Erbschein Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2366 Rn.  1. 218  Vgl. Tersteegen, RNotZ 2014, 98 (99). 219  BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, §  2366 Rn.  14; Erman/Simon, §  2366 Rn.  9; Burandt/ Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2366 Rn.  3. 216  217 

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und situativen Kontext (z.B. Verwendung des Erbscheins vor einer Behörde, im gerichtlichen Verfahren, bei Rechtsgeschäften mit Dritten). Mehr noch findet sich in §§  2366, 2367 BGB ausweislich des Wortlauts („soweit die Vermutung des §  2365 reicht“) eine Rechtsgrundverweisung auf §  2365 BGB.220 Dann müssen naturgemäß dessen Voraussetzungen für den Eintritt der Gutglaubenswirkung ebenso erfüllt sein. Die Existenz widersprechender Erbscheine hebt nach h.M.221 die Gutglaubenswirkung der Erbscheine auf. Auch ein widersprechendes Zeugnis beseitigt im Umfang des Widerspruchs die Gutglaubenswirkung des Erbscheins.222 b) Geschützte Rechtshandlungen Dritte werden über den öffentlichen Glauben des Erbscheins nur bei bestimmten Rechtshandlungen geschützt, die demnach die Reichweite des Gutglaubensschutzes in gegenständlicher Hinsicht abstecken. aa) Rechtsgeschäftlicher Erwerb Von §§  2366, 2367 BGB erfasst ist nur der rechtsgeschäftliche Erwerb. Hier werden das Erwerbsinteresse des Dritten und seine Schutzwürdigkeit so hoch gestuft, dass zulasten des wahren Erben Rechtsverluste hingenommen werden. Ausgeschlossen sind daher schuldrechtliche Rechtsgeschäfte, rechtsgeschäftliche Gesamtnachfolgen, der Rechtserwerb kraft Gesetzes und Vollstreckungshandlungen (mit Ausnahme von §  894 ZPO).223 Der wahre Erbe steht nicht schutzlos dar. Ihm stehen ggf. schuldrechtliche Ausgleichsansprüche zur Kompensation seiner Rechtsverluste zu; bei Unentgeltlichkeit der Verfügung des Erbscheinserben hat der wahre Erbe darüber hinaus einen Anspruch gegen den Dritten aus §§  816, 822 BGB.224

220 

So jurisPK-BGB/Mayr, §  2366 Rn.  2. BGH, Urt. v. 23.11.1960 – V ZR 142/59, BGHZ 33, 314 (317) = NJW 1961, 605 (606); Palandt/Weidlich, §  2366 Rn.  3; Staudinger/Herzog, §  2366 Rn.  35; NK-BGB/Kroiß, §  2366 Rn.  2; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2366 Rn.  4; Jauernig/Stürner, §  2366 Rn.  1; Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  122 f.; a.A. Herminghausen, NJW 1986, 571 (573); Parodi, AcP 185, 362 (372 f.); Weiß, Rpfleger 1984, 389 (390); Lindacher, DNotZ 1970, 93 (100 ff.). 222  Siehe unten im 3. Kap., C., II., 1., c), S.  246 ff. 223  NK-BGB/Kroiß, §  2366 Rn.  3; Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  8. 224  Vgl. unten im 3. Kap., B., II., 1., g), S.  105 ff. 221 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

(1) Einschluss von Verfügungsgeschäften, Ausschluss von Verpflichtungsgeschäften Die Gutglaubenswirkung erstreckt sich nur auf Verfügungsgeschäfte bezogen auf Nachlassgegenstände225, die über §  2367 BGB in ihrem Bestand noch erweitert werden. Verpflichtungsgeschäfte bewirken schon keine unmittelbaren Rechts­ände­rungen, da sie nicht dinglich wirken und damit keinen Rechtserwerb auslösen. Sie verpflichten nur den Erbscheinserben und nicht den Nachlass bzw. den wahren Erben.226 Für die Wirksamkeit einer Erklärung zu einer Verpflichtung ist es irrelevant, ob der Erklärende Verfügungsbefugnis besitzt.227 Aus dem Kaufvertrag haftet der Erbscheinserbe daher persönlich. Andererseits haben Dritte aus dem Verpflichtungsgeschäft auch keinen Erfüllungsanspruch, wenn der Erbscheinserbe auf dinglicher Ebene nicht erfüllt.228 Erst mit dem Vollzug des gutgläubigen Erwerbs kann sich der Dritte seines rechtlichen Erwerbs sicher sein, soweit er nicht noch eine etwaige Bereicherungshaftung befürchten muss. (2) Verkehrsgeschäfte Wie bei jedem Gutglaubenstatbestand des deutschen Zivilrechts muss das Rechtsgeschäft ein Verkehrsgeschäft sein.229 Veräußerer und Erwerber dürfen weder rechtlich noch wirtschaftlich identisch sein.230 Ist dies der Fall, liegt ein Vorgang außerhalb des Rechtsverkehrs vor, so dass der Regelungszweck der Gutglaubensnormen, namentlich das Vertrauen des Rechtsverkehrs zu schützen, nicht betroffen ist. Ein Verkehrsgeschäft ist insbesondere bei Rechtsgeschäften zwischen Miterben zu verneinen.231 Kündigt ein mit Erbschein legitimierter Miterbe ein Darlehen gegenüber einem anderen Miterben, ist die Kündigung unwirksam. §§  2366, 2367 BGB verhelfen mangels Verkehrsgeschäfts nicht zur Wirksamkeit der Kündigung aus Rechtsscheinsgründen. Da die MiterbengeFrank/Helms, Erbrecht, §  16 Rn.  7; Kipp/Coing, Erbrecht, S.  572; Bartholomeyczik, Erb­einsetzung, andere Zuwendungen und Erbschein, S.  280. 226  Soergel/Zimmermann, §  2366 Rn.  7. 227  Sehr einleuchtend Motive V, S.  570: „Nur solche Rechtsgeschäfte kommen in Betracht, deren Wirksamkeit davon abhängt, daß derjenige, von welchem oder welchem gegenüber sie vorgenommen oder mit welchem sie geschlossen werden, Erbe und als solcher Subjekt der zur Erbschaft gehörenden Rechte und Verbindlichkeiten sei. Außer Betracht bleiben Rechtsgeschäfte, welche auf die Begründung eines Schuldverhältnisses gerichtet sind. Denn zur Wirksamkeit eines Versprechens ist die konkrete Verfügungsmacht des Versprechenden über den Gegenstand der Leistung nicht erforderlich.“ 228  MüKoBGB/Grziwotz, §  2366 Rn.  18. 229  Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  9; Kuchinke, Jura 1981, 281 (285). 230  Staudinger/Herzog, §  2366 Rn.  25. 231  Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2366 Rn.  6; Kuchinke, Jura 1981, 281 (285). 225 

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meinschaft eine Gesamthandsgemeinschaft darstellt, wäre für die Wirksamkeit der Kündigung die vorherige Zustimmung aller Miterben erforderlich.232 bb) Gegenstand der geschützten Rechtsgeschäfte §§  2366, 2367 BGB bezeichnen überaus präzise, welchen Gegenstand die geschützten Rechtsgeschäfte haben können. Dabei nimmt §  2367 BGB eine Auffangstellung ein, da er sonstige Verfügungen unter den Gutglaubensschutz stellt, die nicht bereits von §  2366 BGB erfasst werden. Allen Varianten ist gemeinsam, dass im Ausgangspunkt ein Erbscheinserbe vorhanden ist, dessen Erbrecht durch die Existenz des Erbscheins fingiert wird, so dass der Erbscheinserbe wie der wahre Erbe im Rechtsverkehr auftritt. Was der wahre Erbe von Gesetzes wegen imstande ist zu tun, kann auch der Erbscheinserbe im Grundsatz. (1) Erwerb von Erbschaftsgegenständen, §  2366 1. Var. BGB Die Reichweite der von Dritten möglichen, gutgläubig zu erwerbenden Erbschaftsgegenstände ist groß. So fallen darunter nicht nur typischerweise bewegliche Sachen der Erbschaft, sondern auch Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte, ferner Forderungen233 und sonstige übertragbare Rechte aller Art sowie Surrogate nach §§  2019, 2041, 2111 BGB.234 Ausgeschlossen sind der Erwerb eines Erbteils und der Erwerb durch Universalsukzession.235 (2) Erwerb eines Rechts an einem Erbschaftsgegenstand, §  2366 2. Var. BGB An den Erbschaftsgegenständen können zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers Rechte bestehen. Gemeint sind beschränkt dingliche Rechte an Sachen oder Rechten. Zu nennen sind z.B. Pfandrechte, Grundschulden, Hypotheken, Nießbrauch, Dienstbarkeiten, Reallasten, dingliche Vorkaufsrechte.236 Diese können

232  Vgl. BGH, Urt. v. 8.4.2015 – IV ZR 161/14, NJW 2015, 1881; kritisch Wendt, ErbR 2016, 248 (249), der generell den Entzug des Gutglaubensschutzes zulasten von Erbprätendenten kritisiert. 233  Hilger, BWNotZ 1992, 113 (118). Dies ist eine Besonderheit, weil das deutsche Zivilrecht einen gutgläubigen Erwerb von Forderungen mangels Rechtsscheinsträger grundsätzlich nicht kennt (Ausnahme in §  405 BGB), vgl. Zeranski, JuS 2002, 340 (341) und Horn/Krätzschel, ZEV 2018, 14 (15). 234  NK-BGB/Kroiß, §  2366 Rn.  4; Erman/Simon, §  2366 Rn.  4; Medicus, Jura 2001, 294 (299). 235  Jauernig/Stürner, §  2366 Rn.  2; Kuchinke, Jura 1981, 281 (285); Bartholomeyczik, Erb­ einsetzung, andere Zuwendungen und Erbschein, S.  280; a.A. Klinck, AcP 2015, 1 (14). 236  Staudinger/Herzog, §  2366 Rn.  21; jurisPK-BGB/Mayr, §  2366 Rn.  21.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

gleichermaßen wie das Vollrecht von wirtschaftlichem Interesse für den Erbscheinserben und für einen Dritten sein. (3) Befreiung von einem zur Erbschaft gehörenden Recht, §  2366 3. Var. BGB Der mit einem Recht an einem Erbschaftsgegenstand Belastete kann durch den Erbscheinserben von seiner Last befreit werden. Verzichtet z.B. der Erb­scheins­ erbe nach §§  1168, 1192 Abs.  1 BGB auf eine Grundschuld, die zum Grundstück des Dritten gehört, ist dieser unter den Voraussetzungen des §  2366 BGB von der Last befreit.237 (4) Leistungen an den Erbscheinserben, §  2367 1. Var. BGB Die Befreiungswirkung des §  2367 1. Var. BGB begünstigt Nachlassschuldner, indem beispielsweise die Leistung einer Zahlung gegenüber dem wahren Erben als wirksam gilt und somit Erfüllung nach §  362 Abs.  1 BGB eintritt.238 Insofern verschafft der Erbschein dem zu Unrecht ausgewiesenen Erbscheinserben die Empfangszuständigkeit für die Entgegennahme der Leistung. Die Befreiungswirkung tritt auch ein, wenn ein Dritter leistet (§  267 Abs.  1 BGB).239 Unter den Begriff der Leistungen fallen beispielsweise Zahlungen auf Nachlassforderungen oder Hinterlegungen.240 Auch wenn §§  2366, 2367 BGB den Erwerb kraft Gesetzes nicht schützt, geht mit der Leistung der Übergang von Rechten kraft Gesetzes einher (z.B. Legalzessionen nach §§  268, 426, 774, 1143, 1163, 1177, 1225 BGB).241 Dies folgt daraus, dass der gesetzliche Forderungsübergang lediglich mittelbare Folge der rechtsgeschäftlichen Leistung ist, deren Erfüllungswirkung gemäß §  2367 BGB fingiert wird.242 (5) Sonstige Verfügungen über ein zur Erbschaft gehörendes Recht, §  2367 2. Var. BGB Die sonstigen Verfügungen über ein Recht i.S.d. §  2367 BGB zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Gegensatz zu den Verfügungen nach §  2366 BGB nicht erwerbsvermittelnd sind. §  2367 2. Var. BGB stellt mithin einen Auffangtatbestand für alle Rechtsgeschäfte dar, deren wirksamer Abschluss die konkrete Ver237 

Vgl. für weitere Beispiele MüKoBGB/Grziwotz, §  2366 Rn.  14. Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2367 Rn.  3. 239  jurisPK-BGB/Mayr, §  2367 Rn.  7. 240  Staudinger/Herzog, §  2367 Rn.  3; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2367 Rn.  3. 241  Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2367 Rn.  3; Erman/Simon, §  2367 Rn.  1. 242  Staudinger/Herzog, §  2367 Rn.  4; MüKoBGB/Grziwotz, §  2367 Rn.  4; Burandt/Rojahn/ Gierl, Erbrecht, §  2367 Rn.  3. 238 

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fügungsbefugnis des Rechtsinhabers erfordert.243 Unter den sonstigen Verfügungen sind insbesondere einseitige Rechtsgeschäfte, die ein Dritter gegenüber ­einem Erbscheinserben vornimmt und umgekehrt, wie z.B. Anfechtung, Kündigung, Aufrechnung, Mahnung, Stundung, Einwilligung oder Genehmigung, zu verstehen.244 cc) Verfügungen durch Erbe des Erbscheinserben Verfügt ein Erbe des Erbscheinserben über den Nachlass des ursprünglichen Erb­ lassers, findet §  2366 BGB ebenfalls Anwendung, auch wenn der Wortlaut auf Verfügungen des Erbscheinserben abstellt.245 Die Vermutung des §  2365 BGB erstreckt sich nachvollziehbar auch auf einen Rechtsnachfolger des Erbscheinserben, denn wenn der Erbscheinsinhaber als Erbe des ursprünglichen Erblassers gilt und damit über den Nachlass verfügungsbefugt ist, sollte auch sein Rechtsnachfolger, der in die Rechtsstellung des Erbscheinserben einrückt, von dieser Vermutung profitieren können. Voraussetzung ist indes, dass das Rechtsgeschäft einen Nachlassbezug aufweist und abgesehen von der Erbenstellung des Erbscheinserben sämtliche Erwerbserfordernisse erfüllt sind.246 Ist der verfügende Erbe wahrer Erbe, ermöglichen §§  2366, 2367 BGB einen gutgläubigen Erwerb des Dritten.247 Ist der verfügende Erbe wiederum lediglich Scheinerbe des Erbscheinserben, muss differenziert werden. Hat der verfügende Erbe bereits den infrage stehenden Nachlassgegenstand kraft öffentlichen Glaubens erworben, erwirbt der Dritte von diesem als Berechtigten, so dass §§  929 ff. BGB Anwendung finden.248 Hat er den Nachlassgegenstand z.B. wegen Bösgläubigkeit nicht gutgläubig erworben, ermöglicht §  2366 BGB (jetzt in Bezug auf den „zweiten“ Erbschein) einen gutgläubigen Erwerb des Dritten.249

243 

jurisPK-BGB/Mayr, §  2367 Rn.  8; MüKoBGB/Grziwotz, §  2367 Rn.  7. BGH, Urt. v. 8.4.2015 – IV ZR 161/14, NJW 2015, 1881; NK-BGB/Kroiß, §  2367 Rn.  4; Soergel/Zimmermann, §  2367 Rn.  2; Frank/Helms, Erbrecht, §  16 Rn.  16; Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  9; Kuchinke, Jura 1981, 281 (285). 245  MüKoBGB/Grziwotz, §  2366 Rn.  20; Staudinger/Herzog, §  2366 Rn.  49; Palandt/Weidlich, §  2366 Rn.  1; Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  390 f. 246  Staudinger/Herzog, §  2366 Rn.  49. 247  MüKoBGB/Grziwotz, §  2366 Rn.  21. 248  MüKoBGB/Grziwotz, §  2366 Rn.  22. 249  MüKoBGB/Grziwotz, §  2366 Rn.  22; Staudinger/Herzog, §  2366 Rn.  49; Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  390 f. 244 

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c) Umfang der Gutglaubenswirkung Da §§  2366, 2367 BGB auf der Richtigkeitsvermutung des §  2365 BGB aufbauen, kann der öffentliche Glaube nur so weit gehen, wie die Vermutung besteht.250 Fingiert wird das Erbrecht des Erbscheinsinhabers, aber nicht die Zugehörigkeit der veräußerten Gegenstände zum Nachlass. Dieser Mangel kann ggf. über §  2366 BGB in kumulativer Anwendung anderer (nichterbrechtlicher) Gutglaubenstatbestände überwunden werden.251 d) Subjektive Voraussetzungen Für die Entfaltung der Gutglaubenswirkung müssen neben den objektiven Voraussetzungen solche subjektiver Art beim Dritten erfüllt sein. §§  2366, 2367 BGB drücken hierbei nur mittelbar das Erfordernis subjektiver Komponenten aus. An den Scheinerben sind jedenfalls ausweislich des Wortlauts der §§  2366, 2367 BGB keine subjektiven Anforderungen aufzustellen. Es ist damit unerheblich, ob der Scheinerbe vom Nichtbestehen seines Erbrechts weiß oder nicht. Weiß er jedoch um sein mangelndes Erbrecht, trifft ihn eine verschärfte Haftung gegenüber dem wahren Erben.252 aa) Abstrakter Gutglaubensschutz Das Vorhandensein einer subjektiven Beziehung des Dritten zum Erbschein könnte eine Voraussetzung bilden, um diesem den Gutglaubensschutz zu gewähren. Nach ganz h.M.253 schützt der öffentliche Glaube des Erbscheins den Dritten nicht aufgrund seines individuellen Vertrauens, sondern weil der Dritte als Mitglied des allgemeinen Rechtsverkehrs schutzwürdig ist.254 Eine Kausalitätsbeziehung zwischen dem getätigten Rechtsgeschäft und dem Erbschein ist demnach nicht erforderlich. Der Erbschein muss vom Inhaber nicht vorgelegt werden (faktisch wird er dies nur tun, wenn sein Geschäftspartner es verlangt255), er muss nicht einmal im konkreten Zusammenhang der Veräußerung erwähnt werden; 250 

Palandt/Weidlich, §  2366 Rn.  1; Jauernig/Stürner, §  2366 Rn.  1; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2366 Rn.  2; Olzen/Looschelders, Erbrecht, S.  298; Wiegand, JuS 1975, 283 (284). 251  Vgl. unten im 3. Kap., B., II., 1., f), aa), (3), S.  103. 252  Vgl. unten im 3. Kap., B., II., 1., g), S.  105 ff. 253  BGH, Urt. v. 23.11.1960 – V ZR 142/59, BGHZ 33, 314 (317) = NJW 1961, 605 (606); Staudinger/Herzog, §  2366 Rn.  5; MüKoBGB/Grziwotz, §  2366 Rn.  25; Volmer, notar 2016, 323 (328); Steiner, ZEV 2016, 487; Schmidt, ZEV 2014, 389 (392); Lieder, Jura 2010, 801 (803); Kuchinke, Jura 1981, 281 (285); Bartholomeyczik, Erbeinsetzung, andere Zuwendungen und Erbschein, S.  272; ausführlich Muscheler, Jura 2009, 329 (333). 254  Vgl. Motive V, S.  569 f. 255  Muscheler, Jura 2009, 329 (333).

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der Erwerber muss auch keine Kenntnis vom Bestehen des Erbscheins haben.256 Freilich tritt der Gutglaubensschutz dann unstreitig ein, wenn dem Dritten der Erbschein vorgelegt wird. Dass die Kenntnis oder die Vorlage von Gesetzes wegen nicht verlangt werden, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, der diese Erfordernisse nicht erwähnt.257 Es ist lediglich erforderlich, dass ein Dritter von jemandem z.B. etwas erwirbt, der in einem existenten und wirksamen Erbschein als Erbe bezeichnet wird. Der tiefere, dogmatische Grund liegt in dem Vertrauen auf das Erbscheinsverfahren als staatlichem Hoheitsakt.258 Der Erbschein als formalisiertes Ergebnis eines institutionalisierten Verfahrens und demnach künstlicher Rechtsscheinsträger259 trägt in sich selbst einen so hohen Legitimationswert, dass der allgemeine Rechtsverkehr bereits aufgrund dessen geschützt werden soll, ohne dass der Rechtsverkehr in Kenntnis des Erbscheins handeln muss. Dies trifft auch auf andere Gutglaubenstatbestände zu wie z.B. im Hinblick auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs gemäß §§  891, 892 BGB, bei denen die Eintragungen im Grundbuch gleichsam Ergebnis eines institutionalisierten Verfahrens sind. Von nachrangiger Bedeutung ist, wie offenkundig der Rechtsscheinträger im Rechtsverkehr auftritt.260 Wenn für einen konkreten Gutglaubensschutz, bei dem die Vorlage des Erbscheins oder zumindest die Kenntnis desselben beim Dritten verlangt wird, argumentiert wird, das BGB schütze mit §  857 BGB primär den wahren Erben und stellt den Rechtsverkehr hintan, um den Nachlass zulasten des wahren Erben durch die Möglichkeit eines zu leicht zu erfüllenden gutgläubigen Erwerbs nicht zu zersplittern261, ist dem entgegenzusetzen, dass eine solche Wertung angesichts einer fehlenden gesetzlichen Manifestation zu weitgehend ist. Zunächst erscheint die Bezugnahme auf das Telos des §  857 BGB kaum überzeugend. Die Vorschrift gewährt primär dem wahren Erben Besitzschutz, um gegen von Dritten ausgeübte verbotene Eigenmacht vorgehen zu können, und verhindert einen gutgläubigen Eigentumserwerb, da bei Besitzlosigkeit §  935 BGB nicht eingreift.262 Es geht hier allerdings um den Schutz des Nachlasses zu einem Zeitpunkt, zu dem ein Erbschein noch nicht er256  BGH, Urt. v. 23.11.1960 – V ZR 142/59, BGHZ 33, 314 (317) = NJW 1961, 605 (606); BayObLG, Beschl. v. 30.10.1962 – 1 Z 37/62, BayObLGZ 1962, 299 (305); Burandt/Rojahn/ Gierl, Erbrecht, §  2366 Rn.  4; Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  8; Steiner, ZEV 2016, 487; Bredemeyer, ZEV 2016, 65 (66); Muscheler, Jura 2009, 329 (333). 257  So auch jurisPK-BGB/Mayr, §  2366 Rn.  5. 258  jurisPK-BGB/Mayr, §  2366 Rn.  5. 259  Abzugrenzen sind künstliche, also von einer hoheitlichen Stelle ausgestellte Rechtsscheinsträger von natürlichen Rechtsscheinsträgern wie dem Besitz oder Urkunden, vgl. Lieder, Die rechtsgeschäftliche Sukzession, S.  463 f. 260  Muscheler, Jura 2009, 329 (333). 261  Vgl. ausführlich Parodi, AcP 185, 362 (365 ff., 374). 262  MüKoBGB/Schäfer, §  857 Rn.  1.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

teilt wurde. Denn zu diesem Zeitpunkt ist es angemessen, anmaßende Scheinerben die Möglichkeit zu nehmen, den Nachlass durch Inanspruchnahme des gutgläubigen Erwerbs zu schmälern. Wurde indessen ein Erbschein ausgestellt, rechtfertigt der Hoheitsakt den jetzt erhöhten Schutz des Rechtsverkehrs. Beinhalten ferner §§  2366, 2367 BGB keine Tatbestandselemente, die einen konkreten Gutglaubensschutz suggerieren (und hätte dies der Gesetzgeber intendiert, hätte er dies in Anbetracht der damit einhergehenden erheblichen Einschränkung des Gutglaubensschutzes ausdrücklich geregelt), so deutet dies darauf hin, den Dritten als Teil des allgemeinen Rechtsverkehrs durch den Erbschein und das ihm zugrunde liegende staatliche Verfahren abstrakt zu schützen.263 Eine andere Frage, die indes den öffentlichen Glauben des Erbscheins nicht als Vertrauenstatbestand mit für den Erwerb erforderlichen subjektiven Vorstellungen beim Dritten zu qualifizieren vermag264, ist, inwieweit der Dritte wegen der Redlichkeit im konkreten Fall schutzwürdig erscheint. Auf der Redlichkeitsebene wird immerhin der Gutglaubensschutz zugunsten des wahren Erben eingeschränkt; den abstrakten Gutglaubensschutz lässt die Frage nach der Redlichkeit allerdings unberührt. Es handelt sich hierbei um zwei verschiedene (subjektive) Ebenen. Der abstrakte Gutglaubensschutz eröffnet dem Rechtsverkehr freilich zulasten des wahren Erben erhebliche Vorteile. Er schafft Rechtssicherheit und fördert durch den Verzicht auf die Kenntnisnahme des Erbscheins gewissermaßen die Leichtigkeit des Rechtsverkehrs.265 In Deutschland, wo in den Erbschein und das Erbscheinsverfahren seit jeher großes Vertrauen, das sogar über die deutschen Grenzen hinausgeht, herrscht, mag ein abstrakter Gutglaubensschutz durchaus angemessen sein, nicht zuletzt deshalb, weil das deutsche Recht dem benachteiligten wahren Erben angemessene Ausgleichsansprüche zubilligt. bb) Erforderlichkeit der Kenntnis vom Nachlasscharakter des Rechtsgeschäfts? Eine weitere subjektive Komponente könnte in der Kenntnis des Dritten vom Nachlasscharakter des Rechtsgeschäfts liegen. Entfalte der Erbschein abstrakten Gutglaubensschutz, sei es indessen schwer nachvollziehbar, weitere subjektive Anforderungen aufzustellen, da ansonsten der weite Verkehrsschutz ausgehöhlt würde.266 Der Wortlaut der §§  2366, 2367 BGB spricht vom „Erbschaftsgegen263 

jurisPK-BGB/Mayr, §  2366 Rn.  5. So jurisPK-BGB/Mayr, §  2366 Rn.  5; a.A. Parodi, AcP 185, 362 (364 f.), die aus der „Unrichtigkeit“ ableitet, dass dem Dritten der Inhalt des Erbscheins auf irgendeine Art und Weise zugetragen worden sein muss, so dass der Dritte dementsprechend von der Existenz des Erbscheins Kenntnis haben muss. 265  Lieder, Jura 2010, 801 (803). 266  Vgl. Kuchinke, Jura 1981, 281 (286). 264 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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stand“, ohne irgendwelche Anforderungen an die subjektive Beziehung des Veräußerers und Erwerbers aufzustellen. Der Begriff „Erbschaftsgegenstand“ sei daher objektiv zu verstehen.267 Damit sei es konsequent, keine weiteren subjektiven Voraussetzungen für den Eintritt des Gutglaubensschutzes zu verlangen, so dass die Wirkungen des Erbscheins ohne weiteres eintreten.268 Doch erscheint es zu weitgehend, ohne jeglichen Nachlassbezug des Rechtsgeschäfts einen Gutglaubensschutz zu gewähren. Der abstrakte Gutglaubensschutz mag zwar die Kenntnis von der Existenz des Erbscheins beim Dritten entbehrlich machen, kann jedoch nicht rechtfertigen, dass überhaupt kein Bewusstsein beim Dritten über den Nachlasscharakter des Rechtsgeschäfts zu verlangen ist. Das Erfordernis des Wissens über den Nachlasscharakter des Rechtsgeschäfts widerspricht nicht dem abstrakten Gutglaubensschutz: Diese Kenntnis kann ein Dritter erlangen, ohne zugleich Kenntnis vom Erbschein erlangen zu müssen. Der Erbscheinserbe muss dem Dritten nur mitteilen, dass es sich etwa bei dem zu verkaufenden Gegenstand um ein Erbstück handelt. Zugleich muss der Erbscheinserbe nicht den Erbschein vorlegen oder über diesen sprechen. Es handelt sich mithin bei der Kenntnis des Nachlasscharakters des Rechtsgeschäfts um eine ganz anders gelagerte Frage, die darauf abstellt, ob der abstrakt zu schützende Rechtsverkehr tatsächlich in Bezug auf das Erbrecht agiert. Die Grenzen des öffentlichen Glaubens ergeben sich aus dem durch den Erbschein bezeugten Erbrecht.269 Der Dritte erscheint nicht schutzwürdig, wenn er in Unkenntnis der Existenz des Erbscheins zusätzlich nicht einmal an das vermeintliche Erbrecht des Veräußerers glaubt.270 Die genaue Ausgestaltung dieser subjektiven Voraussetzung wird unterschiedlich aufgefasst271, sollte sich jedoch grundsätzlich daran orientieren, wen die §§  2366, 2367 BGB zu schützen beabsichtigen. Dies ist der redliche Dritte, der von einem Erbscheinserben z.B. erwerben möchte und der als Mitglied des Rechtsverkehrs von der Existenz des Erbscheins, sei ihm dieser auch unbekannt, geschützt wird.272 Vorzugswürdig ist daher, mindestens das Bewusstsein des Dritten, dass es sich um einen Erbschaftsgegenstand handelt, zu fordern.273 Auch Parodi, AcP 1985, 362 (364); Leipold, Erbrecht, Rn.  656 in Fn.  121. So jurisPK-BGB/Mayr, §  2366 Rn.  24; ebenso Muscheler, Jura 2009, 731 (739); Kuchinke, Jura 1981, 281 (286); Vennemann, JuS 1972, 335 (336). 269  MüKoBGB/Grziwotz, §  2366 Rn.  24. 270  Vgl. Wiegand, JuS 1975, 283 (286). 271  Vgl. hierzu jurisPK-BGB/Mayr, §  2366 Rn.  24 m.w.N. 272  Staudinger/Herzog, §  2366 Rn.  8. 273  Palandt/Weidlich, §  2366 Rn.  2; NK-BGB/Kroiß, §  2366 Rn.  5; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, §  2366 Rn.  10; Olzen/Looschelders, Erbrecht, S.  299; weitergehend MüKoBGB/ Grziwotz, §  2366 Rn.  24; Leipold, Erbrecht, Rn.  656 in Fn.  121, die schon die einseitige Vorstellung des Erbscheinserben genügen lassen. Indessen erscheint fraglich, ob dann überhaupt 267  268 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

sollte nur der Wille des Dritten maßgeblich dafür sein, ob der Gutglaubensschutz eintritt. Nur wenn der Dritte also annimmt, dass der Erbscheinserbe als wahrer Erbe verfügt, ist ihm Gutglaubensschutz zu gewähren.274 Umgekehrt lässt die Vorstellung des Dritten, dass der Erbscheinserbe als allgemeiner Berechtigter verfügt, den Gutglaubensschutz konsequenterweise entfallen, da der Dritte hier nicht einmal potentiell auf das Erbrecht vertraut und der Regelungszweck des öffentlichen Glaubens des Erbscheins nicht berührt wird.275 Hält der Dritte den Verkäufer für den Eigentümer der Sache, ist somit gutgläubiger Erwerb lediglich unter den Voraussetzungen der §§  932 ff. BGB, die das Vertrauen auf die Eigentümerstellung schützen, möglich.276 cc) Bösgläubigkeit Der Gutglaubensschutz ist gemäß §  2366 BGB zu versagen, wenn der Erwerber die Unrichtigkeit des Erbscheins kennt oder weiß, dass das Nachlassgericht die Rückgabe des Erbscheins wegen Unrichtigkeit verlangt hat. (1) Positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Erbscheins oder dem Rückgabeverlangen des Nachlassgerichts Für die Zerstörung des guten Glaubens wird die positive Kenntnis der Unrichtigkeit des Erbscheins verlangt. Grob fahrlässige Unkenntnis ist unschädlich, so dass der Rechtsverkehr keine Nachforschungs- oder Prüfungspflichten einzuhalten hat.277 Auf diese Weise wird einmal mehr die Leichtigkeit des Rechtsverkehrs gefördert, indem dieser grundsätzlich durch die bloße Existenz des Erbscheins geschützt wird und neben dem regulären Abschluss des Rechtsgeschäfts kein weitergehendes Nachforschen betreffend die Hintergründe des Erbfalls notwendig ist. Klar ist hingegen auch, dass der öffentliche Glaube des Erbscheins nur diejenigen schützen soll, die von der wahren Sach- und Rechtslage keine Kenntnis haben. Der Dritte verdient andernfalls nicht den Schutz der Rechtsordnung. Zugleich wird hieran erkennbar, dass auf der Redlichkeitsebene sich der abstrakte Gutglaubensschutz in dem Sinne in einen konkreten Gutglaubensschutz umwandelt, als der Dritte bei positiver Kenntnis der Unrichtigkeit des Erbscheins zwingend die Kenntnis von der Existenz desselben hat. Das ändert freilich nichts der Schutzzweck des öffentlichen Glaubens des Erbscheins eingreift. Der öffentliche Glaube soll nämlich den Rechtsverkehr schützen. Wenn ein Dritter jedoch nicht das Bewusstsein für den Nachlassbezug hat und nur der Scheinerbe, ist der Schutzzweck ersichtlich nicht betroffen. 274  Staudinger/Herzog, §  2366 Rn.  7; Soergel/Zimmermann, §  2366 Rn.  5. 275  Vgl. Wiegand, JuS 1975, 283 (286); Schlinker/Zickgraf, JuS 2013, 876 (877). 276  Vgl. Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  8. 277  Muscheler, Jura 2009, 731 (740).

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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an der Tatsache, dass der Dritte abstrakten Gutglaubensschutz genießt. Beim konkreten Gutglaubensschutz als Minus zum abstrakten Gutglaubensschutz wird ohnehin die Gutglaubenswirkung zugunsten des Dritten entfaltet. Die Kenntnis der die Unrichtigkeit begründenden Tatsachen begründet die Bösgläubigkeit noch nicht.278 Erforderlich ist, dass die jeweilige Person für sich den Schluss zieht, dass der Erbschein die wahre Rechtslage nicht korrekt wiedergibt. Die Kenntnis muss jedoch für das konkrete Rechtsgeschäft schädlich sein. Weiß der Erwerber, dass die in dem Erbschein ausgewiesenen Erbquoten der Miterben in ihrer konkreten Verteilung nicht richtig sind, verfügen aber alle Miterben zu seinen Gunsten, so genießt das Rechtsgeschäft Gutglaubensschutz, solange der Erwerber nur nicht weiß, dass alle oder einzelne Miterben in Wirklichkeit nicht Erben sind.279 Die Bösgläubigkeit ist darüber hinaus zu bejahen, wenn der Erwerber weiß, dass der Erbscheinsinhaber rechtskräftig zur Herausgabe nach §  2362 Abs.  1 BGB verurteilt wurde280, oder die Anfechtbarkeit der dem Erbschein zugrundeliegenden Verfügung von Todes wegen oder der Erbschaftsannahme oder des Erbschaftserwerbs wegen Erbunwürdigkeit kennt (§  142 Abs.  2 BGB).281 Die Rückgabeanordnung des Nachlassgerichts zerstört gleichermaßen den guten Glauben, denn auch in diesem Fall mangelt es am Schutz des Rechtsverkehrs. Mit der Einziehung wird der Erbschein kraftlos, infolgedessen fällt der öffentliche Glaube des Erbscheins weg.282 (2) Praktische Relevanz einer Schutzschrift und sonstiger Handlungen zur Herbeiführung von Bösgläubigkeit beim Dritten Da nur positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Zeugnisses schadet, ist es dem wahren Erben praktisch unmöglich, potentielle Dritte, die in den Genuss des Gutglaubensschutzes kommen könnten, vor dem für die Redlichkeit maßgeblichen Zeitpunkt beispielsweise mithilfe eines anwaltlichen Schreibens, einer sog. Schutzschrift283, oder durch Herantreten an potentielle Dritte, wenn der wahre Erbe weiß, an wen der Erbscheinserbe Nachlassgegenstände veräußern will, bösgläubig zu machen. Abgesehen davon, dass der wahre Erbe kaum jemals in der Lage sein wird, alle potentiellen Dritten zu berücksichtigen und deren Kontaktdaten zu ermitteln, werden Dritte nur faktisch von dem Abschluss des Rechtsge278 

Protokolle V, S.  685; Palandt/Weidlich, §  2366 Rn.  2. Lange/Kuchinke, Erbrecht, §  39 VII 3 e, S.  1037. 280  Palandt/Weidlich, §  2366 Rn.  2. 281  Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2366 Rn.  8; Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  8; Muscheler, Jura 2009, 731 (740). 282  Vgl. näher unten im 3. Kap., D., I., 3., S.  280 f. 283  Vgl. Horn/Krätzschel, ZEV 2018, 14 (18). 279 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

schäfts abgeschreckt, wenn sie von dem wahren Erben durch die Darlegung der Umstände, die für die Unrichtigkeit des Erbscheins sprechen, „ins Gewissen“ geredet werden.284 Ein tüchtiger und erfahrener Vertragspartner wird sich in der Regel nicht dadurch davon abbringen lassen, das Geschäft durchzuziehen. Ebenso wenig ist zu erwarten, dass ein Laie dem Schreiben eines Anwalts mehr Vertrauen entgegenbringt als der rechtlichen Würdigung des Nachlassgerichts, die in dem Erbschein zum Ausdruck kommt.285 Rechtlich betrachtet besteht kein Grund zur Sorge: Bösgläubigkeit i.S.d. §  2366 BGB ist nicht gegeben. Die positive Kenntnis erfordert die volle Überzeugung von der Unrichtigkeit des Erbscheins. Selbst ein schuldhafter Rechtsirrtum vermag nicht die positive Kenntnis herbeizuführen.286 (3) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Redlichkeit §§  2366, 2367 BGB konkretisieren nicht den Zeitpunkt, zu dem die Redlichkeit vorliegen muss. Abzustellen ist nach allgemeiner Meinung auf den Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs.287 Dass der Erwerber nach diesem Zeitpunkt bösgläubig wird, ist aus diesem Grund unschädlich. Bei Grundstücksübertragungen verlagert §  892 Abs.  2 BGB den Zeitpunkt der Kenntnis auf den Zeitpunkt der Antragstellung auf Eintragung ins Grundbuch durch den Erwerber. Überlegenswert erscheint es, beim gutgläubigen Erwerb ­eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks vom Erbscheinserben ebenfalls den Zeitpunkt der Antragstellung für die Kenntnis maßgeblich zu halten. Gedacht werden könnte an eine analoge Anwendung des §  892 Abs.  2 BGB. Nach h.M. ist eine Analogie jedoch nicht geboten.288 Dies ergibt sich daraus, dass eine entsprechende Regelung in §§  2366, 2367 BGB in Anbetracht der ausdrücklichen Regelung beim öffentlichen Glauben des Grundbuchs Eingang gefunden hätte, wenn der Gesetzgeber dies gewollt hätte. Eine planwidrige Regelungslücke ist aus diesem Grund zu verneinen.289 Mag man die Unanwendbarkeit des Steiner, ZEV 2016, 487 (489). Dillberger/Fest, ZEV 2009, 220 (221). 286  Dillberger/Fest, ZEV 2009, 220 (221). 287  BGH, Urt. v. 12.10.1970 – III ZR 254/68, WM 1971, 54; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, §  2366 Rn.  16; Frank/Helms, Erbrecht, §  16 Rn.  12; Kuchinke, Jura 1981, 281 (286); Wiegand, JuS 1975, 283 (285). 288  MüKoBGB/Grziwotz, §  2366 Rn.  17; Lange, Erbrecht, §  78 V 4 dd), S.  814 f.; Lange/ Kuchinke, Erbrecht, §  39 VII 3 e, S.  1037; Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  8; Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  389; Wiegand, JuS 1975, 283 (285); a.A. Kousoula, Europäischer Erbschein, S.  300 ff.; Frank/Helms, Erbrecht, §  16 Rn.  12; Vollhardt, MittBayNot 1986, 114 (115); vgl. ausführlich zum Streitstand Muscheler, Jura 2009, 731 (741). 289 A.A. Kousoula, Europäischer Erbschein, S.  301 f. 284  285 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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§  892 Abs.  2 BGB als für den Erwerber unangemessen finden, so sollte beachtet werden, dass dessen Rechtsstellung durch das Anwartschaftsrecht und einer etwaigen eingetragenen Vormerkung stark gesichert ist. Mit der Auflassung steht dem Erwerber ein Anwartschaftsrecht zu, das gemäß §  2366 BGB erworben werden kann und dessen Bestand durch den Eintritt von Bösgläubigkeit nicht berührt wird.290 Hat der Erwerber seinen Anspruch gegen den Erbscheinserben mit einer Vormerkung gesichert, genießt er mit der Eintragung der Vormerkung bereits deren Schutzwirkungen; eine spätere Bösgläubigkeit ist für den Vollerwerb des Rechts unschädlich.291 (4) Beweislast In Anbetracht des Wortlauts („es sei denn“) trägt die Beweislast für die fehlende Redlichkeit des Dritten derjenige, der sich im Prozess eben auf diese beruft.292 e) Rechtsfolgen Sind die Voraussetzungen für den Gutglaubensschutz erfüllt, wird der Erwerber Eigentümer der Nachlasssache, der Nachlassschuldner von seiner Schuld befreit usw.; sie sind nunmehr originärer Inhaber des jeweiligen Rechts. Dies gilt vorbehaltlich der Erfüllung der sonstigen Erwerbs- und Befreiungsvoraussetzungen. Der neue Rechtszustand tritt mit absoluter Wirkung für und gegen jedermann ein, so dass der Dritte nicht auf die Rechtsänderung nach Belieben verzichten kann.293 f) Das Verhältnis des öffentlichen Glaubens des Erbscheins zu anderen Gutglaubenstatbeständen Die Gutglaubenswirkung ermöglicht den durch den Erbschein Legitimierten, als wahrer Erbe über den Nachlass zu verfügen. Der Effekt beschränkt sich nur auf die Überwindung der fehlenden Erbenstellung des Erbscheinsinhabers, ohne die die Verfügungsbefugnis über den Nachlass nicht gegeben ist. Ohnehin verschaffen §§  2366, 2367 BGB keinen Erwerbs- oder Befreiungsgrund, sondern es sind zusätzlich die Vorschriften heranzuziehen, nach denen der betreffende Nachlassgegenstand erworben oder befreiend geleistet worden wäre.294 In diesem Zusam290 

MüKoBGB/Grziwotz, §  2366 Rn.  17. MüKoBGB/Grziwotz, §  2366 Rn.  17; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2366 Rn.  9. 292  BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, §  2366 Rn.  19a; Staudinger/Herzog, §  2366 Rn.  16; NK-BGB/Kroiß, §  2366 Rn.  9. 293  MüKoBGB/Grziwotz, §  2366 Rn.  2; Staudinger/Herzog, §  2366 Rn.  29; Palandt/Weidlich, §  2366 Rn.  1. 294  Medicus, Jura 2001, 294 (298). 291 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

menhang gilt es, das Verhältnis des öffentlichen Glaubens des Erbscheins mit anderen Gutglaubenstatbeständen zu untersuchen. Diese Gutglaubenstatbestände passen oftmals in einem Erbfall oder haben zumindest ergänzende Funktionen. Hilft nämlich der öffentliche Glaube des Erbscheins allein zur Perfektion eines gutgläubigen Erwerbs nicht weiter, können kumulativ die Gutglaubenstatbestände, namentlich §§  932 ff., 891 f. BGB295, herangezogen werden. Je nach Sachlage genügt die Berufung auf diese Gutglaubenstatbestände ohne Zuhilfenahme der §§  2365 ff. BGB. Trotz der grundsätzlichen Möglichkeit dieser wechselseitigen Ergänzung dürfen die Unterschiede zwischen den Gutglaubenssystemen nicht außer Acht gelassen werden. Insbesondere umfasst der öffentliche Glaube des Erbscheins im Vergleich zu §§  932 ff., 892 BGB einen weiteren Kreis an Rechten, der nicht nur im Erwerb von Nachlassgegenständen und Nachlassgrundstücken besteht. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das durch den Erbschein fingierte Erbrecht dem Erbscheinserben eine Rechtsstellung zuweist, die es ihm ermöglicht, über sämtliche Rechte des Erblassers zu verfügen. Es geht mit anderen Worten um die Rechtszuständigkeit für den Nachlass als solches. Das Erbrecht steckt als rechtliches Kriterium die Grenzen des öffentlichen Glaubens des Erbscheins ab.296 Der öffentliche Glaube des Grundbuchs hingegen beschränkt sich auf die Verfügung über Grundstücke und Grundstücksrechte und findet somit seine Grenzen in der gegenständlichen Determination.297 aa) Gutgläubiger Erwerb beweglicher Sachen Beim gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen aus dem Nachlass sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden. Relevant ist die Frage nach der Person des Veräußerers und der Zugehörigkeit der veräußerten Sache zum Erblasser zu dessen Lebzeiten. Zu beachten ist, dass ein gutgläubiger Erwerb immer dann ausscheidet, wenn ein vermeintlicher Erbe ohne Existenz eines Erbscheins einen Nachlassgegenstand veräußert, sei der Nachlassgegenstand im Eigentum des Erblassers oder nicht. Denn hier wirkt §  857 BGB uneingeschränkt, so dass aufgrund des unmittelbaren Besitzes des wahren Erben durch die Veräußerung ein

295  Die Gutglaubenstatbestände der §§  405, 1032 S.  2, 1207 BGB sollen an dieser Stelle ausgespart werden, vgl. zu §  405 BGB MüKoBGB/Grziwotz, §  2366 Rn.  43 sowie Medicus, Jura 2001, 294 (299). 296  Vgl. Wiegand, JuS 1975, 283. 297  Vgl. Wiegand, JuS 1975, 283 sowie den Überblick in Bezug auf das Verhältnis zwischen dem öffentlichen Glauben des Erbscheins und dem Grundbuch bei Staudinger/Herzog, §  2366 Rn.  38.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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den gutgläubigen Erwerb ausschließendes Abhandenkommen i.S.d. §  935 Abs.  1 BGB zu bejahen ist.298 (1) §§  932 ff. BGB Veräußert der wahre Erbe eine dem Erblasser nicht gehörende Sache, hatte der Erblasser also lediglich Besitz an der Sache, der dem Erben gemäß §  857 BGB mit dem Tode des Erblassers zugefallen ist, bedarf es der Heranziehung von §  2366 BGB nicht, denn die erbrechtliche Rechtsstellung besteht tatsächlich beim Veräußerer. Das fehlende Eigentum beim Erblasser schlägt sich auf dessen Erben durch. Der Erwerber kann mithin gutgläubig Eigentum an der Sache nur unter den Voraussetzungen der §§  932 ff. BGB erwerben. (2) §§  2366, 929 ff. BGB Veräußert der Erbscheinserbe einen Nachlassgegenstand, der tatsächlich dem Erblasser gehört hat, kann der Erwerber gutgläubig Eigentum nach §§  2366, 929 ff. BGB erwerben.299 §  2366 BGB führt dazu, dass das eigentlich gegebene Abhandenkommen beim wahren Erben (§§  857, 935 Abs.  1 BGB) für den Erwerb unschädlich ist.300 (3) §§  2366, 932 ff. BGB Gehörte die vom Erbscheinserben veräußerte Sache schon nicht dem Erblasser, sondern einem Dritten, von dem der Erblasser die Sache beispielsweise geliehen hatte, hilft §  2366 BGB hier nur über den Mangel des fehlenden Erbrechts hinweg, aber nicht über den Mangel des fehlenden Eigentums. Der Erwerber kann gleichwohl Eigentum an der Sache erwerben, indem dieser „Doppelmangel“ durch die kumulative Anwendung der §§  2366, 932 ff. BGB überwunden wird.301 Auch hier bedeutet der Besitz und die Übergabe durch den Erbscheinserben kein Abhandenkommen nach §  935 BGB dar.302

Medicus, Jura 2001, 294 (299). Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2366 Rn.  14. 300  Vgl. Staudinger/Herzog, §  2366 Rn.  48; Leipold, Erbrecht, Rn.  658. 301  NK-BGB/Kroiß, §  2366 Rn.  8; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2366 Rn.  16; Medicus, Jura 2001, 294 (299); Leipold, Erbrecht, Rn.  658; Schlinker/Zickgraf, JuS 2013, 876 (878); Lieder, Jura 2010, 801 (803); a.A. Harke/Maier, JR 2010, 282 (283 f.). 302  NK-BGB/Kroiß, §  2366 Rn.  8. 298  299 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

bb) Öffentlicher Glaube des Grundbuchs Ähnlich wie beim gutgläubigen Fahrniserwerb ist die Anwendung der jeweiligen Vorschriften von der Person des Veräußerers und der etwaigen Nachlasszugehörigkeit des betreffenden Grundstücks abhängig. Zu einem vollen Rechtserwerb ist wie stets erforderlich, dass alle Voraussetzungen des Gutglaubenstatbestands bzw. der Gutglaubenstatbestände beim Zusammenspiel derselben erfüllt sind. (1) §  892 BGB Zunächst ist an den wahren Erben, der als solcher richtig im Erbschein bezeichnet ist und auch als Inhaber des Rechts im Grundbuch eingetragen ist – weil er etwa zuvor den Erbschein dazu verwendet hat, sich gemäß §§  22, 35 Abs.  1 S.  1 GBO als Eigentümer eintragen zu lassen –, zu denken. Hier sind die Regeln über den Erwerb vom Berechtigten nach §§  873, 925 BGB maßgeblich; der Gutglaubensschutz nach §§  891, 892 BGB sowie nach §§  2366, 2367 BGB ist schon nicht zu bemühen.303 Ist der Erbscheinserbe eingetragen, kann von diesem gemäß §  892 BGB gutgläubig erworben werden. Denn er erfüllt die Voraussetzungen des §  892 BGB in eigener Person.304 Dabei genießt §  892 BGB Vorrang vor §  2366 BGB.305 Das bringt einen wesentlichen Vorteil mit sich: Nur positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Grundbuchs ist schädlich; die Kenntnis von der Unrichtigkeit des Erbscheins ist mangels Zugehörigkeit zum Tatbestand des §  892 BGB für den guten Glauben des Erwerbers irrelevant.306 (2) §§  2366, 2367 BGB Der Gutglaubensschutz zugunsten eines Dritten richtet sich ausschließlich nach §§  2366, 2367 BGB, wenn das betreffende Grundstücksrecht tatsächlich dem Erblasser zustand und der Erbscheinserbe nicht im Grundbuch eingetragen ist, denn es geht nur um die Überwindung des fehlenden Erbrechts.307

Medicus, Jura 2001, 294 (299); Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  390. 304  Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2366 Rn.  11; Harke/Maier, JR 2010, 282 (285). 305  OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.6.2004 – 20 W 427/03, DNotZ 2005, 384; Jauernig/Stürner, §  2366 Rn.  5; Kuchinke, Jura 1981, 281 (287). 306  Staudinger/Herzog, §  2366 Rn.  45. 307  Kuchinke, Jura 1981, 281 (287); Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  390. 303 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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(3) §§  2366, 892 BGB Ist der Erblasser zu Unrecht im Grundbuch eingetragen, war er also nicht Inhaber des eingetragenen Rechts und verfügt der nicht im Grundbuch eingetragene Erbscheinserbe über dieses Recht, können Dritte das Recht unter den Voraussetzungen der §§  2366, 892 BGB erwerben.308 Während §  2366 BGB das fehlende Erbrecht, dem die Verfügungsmacht entspringt, überwindet, hilft §  892 BGB über die fehlende Nichtberechtigung über das betreffende Recht hinweg.309 cc) Ergebnis Aufgrund der inneren Systematik des BGB ist die kumulative Anwendung der dort geregelten Gutglaubenstatbestände eine zwingend logische Folge. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Anwendbarkeit rein nationalen Rechts. Die Rechtsregeln stehen sich nicht im Wege, sondern ergänzen sich gegenseitig, soweit das Ergebnis den Grundgedanken der betroffenen Vorschriften wahrt. Dies ist hier zu bejahen, denn die Gutglaubenstatbestände eröffnen einen Verkehrs- und Vertrauensschutz für den Rechtsverkehr. Die unterschiedliche Konzeption der zusammenwirkenden Gutglaubenstatbestände wird dadurch geschützt, dass kumulativ die Voraussetzungen beider Gutglaubenstatbestände erfüllt sein müssen. Insbesondere das Tatbestandsmerkmal der Redlichkeit begrenzt hier den Gutglaubensschutz zuverlässig. g) Ausgleichsansprüche des wahren Erben Der wahre Erbe steht in Anbetracht der Aushöhlung des ihm gebührenden Nachlasses durch eine Vielzahl potentieller Rechtsgeschäfte des Scheinerben nicht schutzlos dar. Ihm stehen regelmäßig Ausgleichsansprüche sowohl gegen den Erbscheinserben als auch gegen dessen Geschäftspartner zu. Unterschieden werden muss je nach Sachlage zwischen Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag, deliktischen und bereicherungsrechtlichen Ansprüchen. Daneben ist an den Erbschaftsanspruch aus §  2018 BGB zu denken, der aufgrund seiner Vorzüge häufig die übrigen Ansprüche gegen den Erbscheinserben hinfällig macht.310 Letztlich kann ein Amtshaftungsanspruch gemäß §  839 BGB i.V.m. Art.  34 GG in Betracht kommen. Jauernig/Stürner, §  2366 Rn.  5; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2366 Rn.  12; Brox/ Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  8; Schlinker/Zickgraf, JuS 2013, 876 (878); Medicus, Jura 2001, 294 (299); a.A. Harke/Maier, JR 2010, 282 (285 f.), die nur §  892 BGB anwenden wollen. 309  Kuchinke, Jura 1981, 281 (287). 310  Wiegand, JuS 1975, 283 (286); für einen Vorrang des §  2018 BGB gegenüber §  816 BGB und §  822 BGB Herminghausen, NJW 1986, 571 (573). 308 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

aa) Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag Weiß der Erbscheinserbe nicht, dass ihm in Wirklichkeit das Erbrecht nicht zusteht, wird er im Rahmen der Nachlassabwicklung stets eigene Geschäfte führen, so dass Ansprüche des Geschäftsherrn (des wahren Erben) beispielsweise auf Herausgabe des aus einem Verkauf einer Nachlasssache erlangten Erlöses nach §§  681 S.  2, 667 BGB wegen §  687 Abs.  1 BGB ausscheiden. In Betracht kommen dann deliktsrechtliche und bereicherungsrechtliche Ansprüche. Hat jedoch der Erbscheinserbe Kenntnis von seinem mangelnden Erbrecht, liegt in der Nachlassabwicklung eine Geschäftsanmaßung nach §  687 Abs.  2 BGB vor, die Ansprüche des wahren Erben aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§  677, 678, 681, 682 BGB) eröffnen. bb) Deliktische Ansprüche gegen den Erbscheinserben Deliktische Ansprüche des wahren Erben gegen den Erbscheinserben sollten eine Ausnahme sein. Hat der Erbscheinserbe gewusst, wer wahrer Erbe ist – der Erbscheinserbe hat z.B. ohne Kenntnis des wahren Erben ein jüngeres, dem Inhalt des Erbscheins widersprechendes Testament gefunden und vernichtet, um seine Erbenstellung nicht zu gefährden –, und veräußert einen Nachlassgegenstand an einen gutgläubigen Dritten, ist er dem wahren Erben aus §  823 Abs.  1 BGB oder ggf. sogar aus §  826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.311 Der deliktische Anspruch hat den nicht unerheblichen Vorteil, dass der Erbscheinserbe sich nicht wie bei den bereicherungsrechtlichen Ausgleichsansprüchen auf Entreicherung (§  818 Abs.  3 BGB) berufen kann. In der Tat wird der Erbscheinserbe regelmäßig glauben, wahrer Erbe zu sein. Nicht einmal Fahrlässigkeit wird man ihm vorwerfen können, da er wegen des vorherigen Erbscheinsverfahrens (Stichwort: Vertrauen in einen staatlichen Hoheitsakt) von der Rechtmäßigkeit seiner Erbenstellung ausgehen durfte. Ein für den deliktischen Anspruch erforderliches Verschulden ist ihm, abgesehen von den Ausnahmefällen des überlegenen Wissens, in aller Regel nicht nachzuweisen. cc) Bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen den Erbscheinserben und den Erwerber (1) Ansprüche gegen den Erbscheinserben Veräußert der Erbscheinserbe wirksam einen Nachlassgegenstand an einen Dritten, hat der wahre Erbe aus §  816 Abs.  1 S.  1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe des durch die Verfügung des Erbscheinserben Erlangten. Der Erlös ist hier311 

MüKoBGB/Grziwotz, §  2366 Rn.  32; Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  8.

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bei regelmäßig von besonderem Interesse, der dem wahren Erben nach h.M. in voller Höhe zusteht.312 Bei befreiender Leistung eines Nachlassschuldners an den Erbscheinserben ist dieser gemäß §  816 Abs.  2 BGB dem wahren Erben zur Herausgabe des Geleisteten verpflichtet. Gegen jeden Anspruch kann sich der Erbscheinserbe auf den Einwand der Entreicherung nach §  818 Abs.  3 BGB berufen. (2) Ansprüche gegen den Erwerber Der Erwerber ist im Grundsatz wegen §§  2366, 2367 BGB umfassend geschützt.313 Erfolgt die Verfügung über den betreffenden Nachlassgegenstand indessen unentgeltlich, hat der wahre Erbe einen Herausgabeanspruch unmittelbar gegen den Erwerber aus §  816 Abs.  1 S.  2 BGB.314 Tritt noch ein weiterer Erwerber hinzu, der von dem ersten Erwerber den Nachlassgegenstand ebenfalls unentgeltlich erlangt hat, ist dieser gemäß §  822 BGB zur Herausgabe des Nachlassgegenstandes an den wahren Erben verpflichtet.315 dd) Erbschaftsanspruch Nach §  2018 BGB hat der wahre Erbe gegen jeden, der auf Grund eines ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Erbrechts etwas aus der Erbschaft erlangt hat, einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten. Hierbei handelt es sich um einen Gesamtanspruch, der gegenüber den singulären Ansprüchen betreffend die einzelnen Nachlassgegenstände erhebliche Vorteile mit sich bringt und neben ihnen geltend gemacht werden kann.316 Der Erbscheinserbe wie auch derjenige, der sich ohne Erbschein ein Erbrecht anmaßt und deshalb den Nachlass in Besitz hat, ist verpflichtet, dem wahren Erben den Nachlass als Ganzes herauszugeben. Sollten bereits Nachlassgegenstände wirksam veräußert worden sein, fällt das aus dem Rechtsgeschäft Erlangte aufgrund der dinglichen Surrogation gemäß §  2019 Abs.  1 BGB in den Nachlass.317 Der Herausgabeanspruch erstreckt sich dann auf diese auf der Veräußerung beruhenden Surrogate (z.B. Veräußerungserlös, Sachen, Rechte). Im Gegensatz zum Anspruch aus §  816 Abs.  1 S.  2 BGB ist 312  BGH, Urt. v. 24.9.1996 – XI ZR 227/95, NJW 1997, 190 (191); Erman/Buck-Heeb, §  816 Rn.  20; BeckOK-BGB/Wendehorst, §  816 Rn.  17. 313  Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2366 Rn.  18. 314  Schlinker/Zickgraf, JuS 2013, 876 (879). 315  BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, §  2366 Rn.  20; Schlinker/Zickgraf, JuS 2013, 876 (879). 316  MüKoBGB/Helms, §  2018 Rn.  3; ausführlich zum Erbschaftsanspruch Röthel, Jura 2012, 947 (948 ff.) sowie Olzen, Jura 2001, 223. 317  Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2366 Rn.  17.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

somit eine Übereignung nicht erforderlich, da der Erbschaftsbesitzer aufgrund der dinglichen Surrogation Eigentum niemals erlangt hat.318 Dies beschleunigt prozessual den Zugriff des wahren Erben auf den Nachlass immens. ee) Amtshaftungsanspruch Schließlich kann die Verletzung von Amtspflichten im Erbscheinsverfahren durch das Nachlassgericht und der damit resultierende unrichtige Erbschein ­einen Amtshaftungsanspruch gemäß §  839 BGB i.V.m. Art.  34 GG begründen.319 Dies ist etwa der Fall, wenn der Nachlassrichter ein Testament ohne weiteres als Grundlage für die Erteilung eines Erbscheins ausreichen lässt, obwohl es nahe gelegen hat, dass das Testament aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes gefälscht war, und infolgedessen der wahre Erbe wegen der Entfaltung des Gutglaubensschutzes das Eigentum an einem Grundstück verloren hat.320 2. Österreich Im österreichischen Recht ist die Gutglaubenswirkung in §  824 S.  2 ABGB geregelt. Nach dieser Vorschrift ist ein dritter redlicher Erwerber für die in der Zwischenzeit (die Zeit bis zur erfolgreichen Erbschaftsklage eines Erbprätendenten gegen den eingeantworteten Scheinerben) erworbenen Erbstücke niemandem verantwortlich. Der Schutz hält nur so lange an, bis der wahre Erbe seinen Erbschaftsanspruch gemäß §  823 ABGB erfolgreich durchgesetzt hat.321 Die Ratio hinter der Norm ist auch im österreichischen Recht der Schutz des Rechtsverkehrs: Redliche Dritte sollen sich ihrer erworbenen Rechte sicher sein können und nicht die Vindikation des wahren Erben befürchten müssen, wenn sie auf den Einantwortungsbeschluss vertrauen.322 Gewährleistet werden soll gemeinhin die Verlässlichkeit der gerichtlichen Einantwortung.323 a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen Dem eingeantworteten Erben wird mit der Einantwortung der rechtliche Besitz an der Erbschaft übergeben (§  797 ABGB). Auch der eingeantwortete Scheinerbe wird Besitzer, jedoch nicht Eigentümer.324 Mit diesem auch faktischen ZuWiegand, JuS 1975, 283 (286). MüKoBGB/Grziwotz, §  2366 Rn.  34; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2366 Rn.  19. 320  BGH, Urt. v. 11.10.1990 – IX ZR 114/89, NJW-RR 1991, 515. 321  Ferrari/Likar-Peer/Ferrari, Erbrecht, Rn.  12.149. 322  Riedler, NZ 1994, 1 (7); vgl. auch OGH, Urt. v. 7.4.1981 – 4 Ob 546/80, NZ 1981, 110 (111). 323  Kletečka/Schauer/Holzner, ABGB-ON, §  367 Rn.  1. 324  Vgl. oben im 3. Kap., B., I., 2., a), S.  67 f. 318  319 

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griffsverhältnis auf die Nachlassgegenstände wird die Basis für den Gutglaubensschutz gelegt. Ab diesem Zeitpunkt können daher redliche Dritte sich auf §  824 S.  2 ABGB berufen.325 Der Gutglaubensschutz gilt unbefristet.326 Im Übrigen kann auf die Ausführungen zur Vermutungswirkung verwiesen werden.327 b) Geschützte Rechtshandlungen Der Wortlaut des §  824 S.  2 ABGB mag in seiner Kürze prägnant sein, gibt jedoch über den Eigentumserwerb hinaus keinen Hinweis darauf, welche sonstigen Rechtshandlungen über die Gutglaubenswirkung geschützt werden. Dagegen sind §§  2366, 2367 BGB und auch der europäische Gutglaubensschutz nach Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO deutlich präziser. Klar ist, dass nach der ratio legis des §  824 S.  2 ABGB – Schutz des Rechtsverkehrs aufgrund des Vertrauens auf den gerichtlichen Akt der Einantwortung – der Gutglaubensschutz nicht beim Eigentumserwerb Halt macht.328 aa) Rechtsgeschäftlicher Erwerb Nach allgemeiner Ansicht wird nur der rechtsgeschäftliche Erwerb eines redlichen Dritten von einem Scheinerben329 geschützt und scheiden Erwerbsvorgänge exekutiven Charakters oder kraft Gesetzes aus.330 Es ist ferner gleichgültig, ob ein entgeltlicher oder unentgeltlicher Erwerb vorliegt.331

325  Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  824 Rn.  33; Zankl, Erbrecht, Rn.  141; Riedler, NZ 1994, 1. 326  Gruber/Kalss/Müller/Schauer/Kühnberg, Erbrecht und Vermögensnachfolge, §  15 Rn.  39; Steiner, Zak 2015, 304 (305); Schauer, JEV 2012, 78 (90). 327  Vgl. oben im 3. Kap., B., I., 2., b), S.  68 ff. 328  Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  824 Rn.  31; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage, S.  329. 329  Kletečka/Schauer/Spruzina, ABGB-ON, §  824 Rn.  9; Schauer, JEV 2012, 78 (90). 330  OGH, Urt. v. 7.4.1981 – 4 Ob 546/80, NZ 1981, 110 (111); Kletečka/Schauer/Spruzina, ABGB-ON, §  824 Rn.  9; Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  824 Rn.  29; Koziol/Bydlinski/Bollenberger/Sailer, ABGB, §§  823–824 Rn.  8; Schwimann/Neumayr/Nemeth, ABGB, §  824 Rn.  5; Gschnitzer/Faistenberger, Erbrecht, S.  114; Eccher, Erbrecht, S.  116; Welser/ZöchlingJud, Bürgerliches Recht II, S.  660; differenzierend Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage, S.  347 f. 331  Koziol/Bydlinski/Bollenberger/Sailer, ABGB, §§  823–824 Rn.  8; Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  824 Rn.  30; Kletečka/Schauer/Spruzina, ABGB-ON, §  824 Rn.  9; Ferrari/Likar-Peer/Ferrari, Erbrecht, Rn.  12.151; Ehrenzweig/Kralik, Erbrecht, S.  334; Eccher, Erbrecht, S.  116; Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II, S.  660; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage, S.  344.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

bb) Gegenstand der geschützten Rechtsgeschäfte Mithilfe der Gutglaubenswirkung des §  824 S.  2 ABGB kann der redliche Dritte Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Nachlassgegenständen von dem eingeantworteten Scheinerben erwerben.332 Daneben kann er auch dingliche Rechte an den Nachlassgegenständen erwerben, etwa Pfandrechte, Hypotheken oder Fruchtgenussrechte.333 Schließlich kann der Scheinerbe den Dritten wirksam von einem (schuldrechtlichen oder dinglichen) Recht befreien, z.B. durch Erlass einer Schuld oder durch Verzicht auf eine Hypothek (§  467 2. Var. ­ABGB).334 Die von §  824 S.  2 ABGB ebenfalls geregelte Befreiungswirkung ermöglicht dem Dritten, als Nachlassschuldner mit schuldbefreiender Wirkung Zahlung an den Scheinerben zu leisten.335 Jedoch muss hierfür wieder eine Analogie bemüht werden, da der Wortlaut des §  824 S.  2 ABGB nur von einem Erwerb vom Scheinerben spricht.336 c) Umfang der Gutglaubenswirkung Der Umfang der Gutglaubenswirkung richtet sich nach dem Inhalt des Einantwortungsbeschlusses, der sich aus §  178 Abs.  1, Abs.  2 AußStrG ergibt. Insbesondere sind nach §  178 Abs.  2 Nr.  1 AußStrG Angaben zu den Beschränkungen der Rechte der Erben durch fideikommissarische Substitutionen oder andere gleichgestellte Anordnungen (§§  707 bis 709 ABGB) in den Einantwortungsbeschluss aufzunehmen, die der Gutglaubenswirkung Grenzen setzen.337 Des Weiteren ergibt sich eine personelle Beschränkung daraus, dass nur der unmittelbare Erwerb vom Scheinerben geschützt wird.338 Da das Vertrauen auf das Erbrecht gleichermaßen bei jeder Person, gegen die eine Erbschaftsklage Burandt/Rojahn/Solomon, Erbrecht, Länderbericht Österreich, Rn.  182; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage, S.  329. 333  Dann ist §  824 S.  2 ABGB analog anzuwenden, vgl. Ferrari/Likar-Peer/Ferrari, Erbrecht, Rn.  12.153. 334  Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage, S.  330. 335  Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  824 Rn.  31; Schwimann/Neumayr/Nemeth, ABGB, §  824 Rn.  4; Ferrari/Likar-Peer/Ferrari, Erbrecht, Rn.  12.153; Ehrenzweig/Kralik, Erbrecht, S.  336; Sperl, JBl 1979, 630 (634 f.). 336  Gschnitzer/Faistenberger, Erbrecht, S.  114; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage, S.  330; offen gelassen von Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  824 Rn.  31; eine a.A. will deswegen keine Analogie ziehen, weil §  1424 ABGB existiert, der anzuwenden sei, vgl. Sperl, JBl 1979, 630 (634). Im Unterschied zur analogen Anwendung des §  824 S.  2 ABGB würde der Nachlassschuldner nach §  1424 ABGB unabhängig von seiner Redlichkeit schuldbefreiend an den Scheinerben leisten können. 337  Vgl. zum Inhalt des Einantwortungsbeschlusses unten im 4. Kap., C., II., 2., S.  363 f. 338  Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  824 Rn.  34; a.A. Kletečka/Schauer/Spruzina, ­ABGB-ON, §  824 Rn.  2. 332 

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erhoben werden kann, besteht, wird auch etwa der Erwerb vom obsiegenden, aber nicht materiell berechtigten Erbschaftskläger von der Gutglaubenswirkung erfasst.339 Dies gilt erst recht für den obsiegenden und tatsächlich materiell berechtigten Erbschaftskläger.340 In sachlicher Hinsicht schützt §  824 S.  2 ABGB nur das Vertrauen des Dritten auf die Erbenstellung, nicht jedoch den Mangel des Eigentums beim Veräußerer.341 d) Subjektive Voraussetzungen aa) Abstrakter Gutglaubensschutz Der Gutglaubensschutz wirkt zugunsten des Dritten, unabhängig davon, ob der Einantwortungsbeschluss vom Veräußerer vorgelegt wurde oder nicht.342 Es trifft derselbe Grundgedanke wie im deutschen Recht zu, dass der Einantwortungsbeschluss als staatlicher Hoheitsakt den Rechtsverkehr im Allgemeinen schützt. Mehr noch kann man sagen, dass durch das stark formalisierte und obligatorische Verlassenschaftsverfahren eine erhebliche Legitimationskraft des staatlichen Hoheitsakts besteht. bb) Erforderlichkeit der Kenntnis vom Nachlasscharakter des Rechtsgeschäfts? Der Dritte muss wissen, dass es sich bei dem Gegenstand des Rechtsgeschäfts um ein „Erbstück“ nach §  824 S.  2 ABGB handelt, da die Vorschrift das Vertrauen auf die Einantwortung schützt.343 cc) Bösgläubigkeit Die Anforderungen an die Redlichkeit des Dritten werden äußerst divers beurteilt, nicht zuletzt deshalb, weil §  824 S.  2 ABGB zur Redlichkeit schweigt.344 An der Ausgestaltung dieses Kriteriums zeigt sich, welches Interesse – dem Rechts339 

Vgl. Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  824 Rn.  34. Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage, S.  311. 341  OGH, Urt. v. 7.4.1981 – 4 Ob 546/80, NZ 1981, 110 (112); Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage, S.  322. 342  Gruber/Kalss/Müller/Schauer/Kühnberg, Erbrecht und Vermögensnachfolge, §  15 Rn.  39; Schauer/Scheuba/Schauer, Europäische Erbrechtsverordnung, 73 (95); Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage, S.  323; Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  316; Steiner, Zak 2015, 304 (305); Schauer, EF-Z 2012, 245 (250). 343  Schwimann/Kodek/Nemeth, ABGB, §  824 Rn.  4; vgl. ausführlich Ferrari-Hof­mannWellenhof, Erbschaftsklage, S.  324 ff. 344  Vgl. zur parallelen Problematik im Rahmen des gutgläubigen Fahrniserwerbs nach §  367 ABGB ausführlich Karner, Gutgläubiger Mobiliarerwerb, S.  396 ff. 340 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

verkehr oder dem wahren Berechtigten – der Gesetzgeber mehr bzw. weniger entgegenkommt. Unterscheiden kann man zwischen milden Ansichten, die keine allzu hohen Anforderungen an die Redlichkeit stellen und somit relativ häufig die Wirkung des §  824 S.  2 ABGB bejahen, und strengen Ansichten, die schon bei Fahrlässigkeit des Dritten dessen Unredlichkeit bejahen. Bezugspunkt ist die Eigenschaft des eingeantworteten Erben als Scheinerbe. (1) Anforderungen an die Redlichkeit des Dritten (a) Milde Ansicht Anhänger der milden Ansicht sehen den Dritten noch dann als redlich an, wenn dieser weiß, wer ein besseres Erbrecht hat. Im Zweifel darf der Dritte nämlich annehmen, dass der wahre Erbe, wenn er Kenntnis von der „falschen“ Einantwortung hat und dennoch inaktiv bleibt, von seinem Recht auf Erhebung der Erbschaftsklage keinen Gebrauch mehr machen will.345 Die Gutgläubigkeit ist trotz Kenntnis der Existenz von Erben mit besserem Erbrecht nur dann zu verneinen, wenn der Dritte weiß, dass der Einantwortungsbeschluss unrichtig ist.346 (b) Strenge Ansicht Eine strenge Ansicht bejaht die Unredlichkeit des Dritten schon bei fahrlässiger Unkenntnis von der wahren Erbrechtslage. Abgestellt wird auf den Umstand, ob der Dritte hätte wissen müssen, dass der Veräußerer nicht wahrer Erbe ist.347 Was dies konkret bedeutet, lässt sich nur vermuten. Man könnte sich die Situation vorstellen, dass der bösgläubige Veräußerer genau weiß, dass seine Einantwortung auf falschen Tatsachen beruhte, weil er beispielsweise ein jüngeres Testament des Erblassers unterschlagen hat. Beim Aufeinandertreffen zwischen dem Veräußerer und dem Dritten verstrickt sich dann der Veräußerer in Widersprüche oder gibt aus Versehen seinen wahren Wissensstand preis, was den Dritten hätte alarmieren müssen. Verschließt sich der Dritte dann diesem offensichtlichen Umstand, handelt er fahrlässig und ist dementsprechend unredlich. (c) Stellungnahme In Anbetracht der fehlenden gesetzlichen Regelung zur Redlichkeit des Dritten ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen des Rechtsverkehrs und des So OGH, Urt. v. 31.8.1978 – 6 Ob 695/78, RZ 1980, 64 f.; Kralik, Erbrecht, S.  335. Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  316; Schauer/Scheuba/Schauer, Europäische Erbrechtsverordnung, 73 (95); Gruber/ Kalss/Müller/Schauer/Kühnberg, Erbrecht und Vermögensnachfolge, §  15 Rn.  33. 347  Vgl. Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage, S.  320 f. m.w.N. 345  346 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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wahren Erben umso wichtiger. Die milde Ansicht leidet unter einer übermäßigen ungerechtfertigten Benachteiligung des wahren Erben. Weiß der Dritte genau, dass es einen besseren Erben gibt, auch wenn dieser noch hinsichtlich einer Ausverfolgung der Erbschaft unentschlossen ist, sollte er keinen Gutglaubensschutz genießen können, da sein Glaube an die Erbenstellung des Veräußerers erschüttert ist. Zwar mag der eingeantwortete Erbe kraft Einantwortungsbeschlusses legitimiert sein, eine anderweitige Kenntnis des Dritten sollte aber auch diesem Schein jeglichen Legitimationswert entziehen. Diese Kenntnis kann der Dritte aus unterschiedlichen Gründen haben, so dass eine Erkundigungspflicht daran nicht gekoppelt sein muss. Dies würde den Rechtsverkehr stagnieren. Von dieser Prämisse ausgehend ist ein strengerer Maßstab angezeigt. Ob demnach schon fahrlässige Unkenntnis schadet, ist wohl zu weitgehend. Die Anwendung der üblichen Fahrlässigkeitsformel, also der Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, führt zur Unsicherheit im Rechtsverkehr, weil theoretisch viele Situationen darunter gefasst werden können und eine klare Eingrenzung kritischer Fälle deshalb nicht möglich ist. Außerdem dürfen die Sorgfaltsanforderungen angesichts des durch den Einantwortungsbeschluss erzeugten qualifizierten Rechtsscheins nicht überspannt werden.348 Es ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass nur positive Kenntnis vom wahren Sachverhalt den Gutglaubensschutz ausschließt.349 Im Einzelfall sollte stets geprüft werden, ob besondere Umstände die Annahme der Unredlichkeit des Dritten rechtfertigen.350 (2) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Redlichkeit Bezüglich des maßgeblichen Zeitpunktes für die Redlichkeit des Dritten herrscht allgemeine Übereinstimmung. Der Dritte muss nicht nur im Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts, sondern auch im Zeitpunkt des Verfügungsgeschäfts, also im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs, redlich sein.351 Eine spätere

Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II, S.  660. Kletečka/Schauer/Spruzina, ABGB-ON, §  824 Rn.  4; Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  824 Rn.  35. 350  Eccher, Erbrecht, S.  116; generell betonend, dass es für die Beurteilung der Redlichkeit wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, OGH Urt. v. 31.8.1978 – 6 Ob 695/78, RZ 1980, 64. 351  Kletečka/Schauer/Spruzina, ABGB-ON, §  824 Rn.  2; Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  824 Rn.  36; Schwimann/Neumayr/Nemeth, ABGB, §  824 Rn.  6; Gruber/Kalss/Müller/Schauer/Kühnberg, Erbrecht und Vermögensnachfolge, §  15 Rn.  34; Ferrari/Likar-Peer/Ferrari, Erbrecht, Rn.  12.150; Schauer/Scheuba/Schauer, Europäische Erbrechtsverordnung, 73 (95); Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage, S.  321 f.; Schauer, EF-Z 2012, 245 (250). 348  349 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Kenntnis des Dritten von den wahren Umständen gereicht diesem nicht zum Nachteil.352 e) Rechtsfolgen Der Dritte erwirbt wirksam endgültiges Eigentum an der betreffenden Sache353, ist von seiner Schuld befreit usw., sofern die Gutglaubens- und die sonstigen Erwerbsvoraussetzungen erfüllt sind. Angesichts der Gewährleistung der Verlässlichkeit der gerichtlichen Einantwortung durch die Entfaltung von Gutglaubensschutz ist anzunehmen, dass die mit ihm verbundenen Rechtsänderungen absolut gelten. f) Das Verhältnis des öffentlichen Glaubens des Einantwortungsbeschlusses zu anderen Gutglaubenstatbeständen Scheitert ein gutgläubiger Erwerb vom Scheinerben nach §  824 S.  2 ABGB, kann dem Dritten dennoch über die Heranziehung anderer Gutglaubenstätbestände im ABGB zum Erwerb des gegenständlichen Rechts verholfen werden. aa) Gutgläubiger Erwerb beweglicher Sachen nach §  367 ABGB Wird über eine Sache verfügt, die dem Erblasser nicht gehörte, hilft §  824 S.  2 BGB nicht weiter. Die Norm schützt nur den guten Glauben an die Erbenstellung354 und fingiert das dem Scheinerben fehlende Erbrecht, heilt indessen nicht Mängel des Titelgeschäfts oder des Modus355. Weder der Scheinerbe noch der wahre Erbe – mangels Einantwortung auf diesen – sind Eigentümer der Sache. Daher kann ein Dritte nur über einen gutgläubigen Erwerb gemäß §  367 ABGB Eigentum an der Sache erwerben.356 Dies ist etwa der Fall, wenn die betreffende Sache dem Erblasser bereits zu Lebzeiten anvertraut war und entgeltlich erworben wurde.357 Ein Anvertrautsein des Nachlasses gegenüber dem Scheinerben durch dessen Einantwortung kann nicht angenommen werden.358 Das bedeutet, dass ein Dritter einen Nachlassgegenstand, der nicht im Eigentum des Erblassers Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage, S.  322. Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  824 Rn.  30. 354  Dallafior, Die Legitimation des Erben, S.  75. 355  Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  824 Rn.  37; Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II, S.  660. 356  Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  824 Rn.  38; Dallafior, Die Legitimation des Erben, S.  75; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Erbschaftsklage, S.  322 und S.  361. 357  Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  824 Rn.  38; Dallafior, Die Legitimation des Erben, S.  75. 358  Dallafior, Die Legitimation des Erben, S.  75. 352  353 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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stand und diesem nicht anvertraut war, von dem Scheinerben nicht gutgläubig erwerben kann. bb) Öffentlicher Glaube des Grundbuchs – Gutgläubiger Erwerb aufgrund des bücherlichen Vertrauensgrundsatzes Das Grundbuch entfaltet aufgrund des Eintragungsgrundsatzes den Anschein ­einer bestimmten Rechtslage, genießt daher öffentlichen Glauben und gewährt Vertrauensschutz.359 Eine ausdrückliche gesetzliche Normierung gibt es anders als im deutschen Recht nicht. Abgeleitet werden der Vertrauensschutz und die damit einhergehende Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs aus den übrigen Gutglaubenstatbeständen im österreichischen Zivilrecht, insbesondere aus §§  468, 469, 527, 1443, 1500 ABGB sowie aus der starken Beschränkung der Löschungsklage gegen Dritte gemäß §§  28, 63 ff. GBG.360 Denn die materielle Rechtslage und die Löschungsklage stehen in einem derart engen Zusammenhang, dass in Fällen des Ausschlusses der Löschungsklage der originäre Erwerb einer der Grundbuchlage entsprechenden materiellen Position ermöglicht wird.361 Voraussetzung für den gutgläubigen Erwerb vom Scheinerben ist aufgrund des materiellen Publizitätsprinzips die Eintragung desselben im Grundbuch, auf deren Grundlage das Vertrauen des Dritten aufgebaut ist.362 Nach Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens werden in aller Regel die erforderlichen bücherlichen Eintragungen vorgenommen, um die Buchlage der festgestellten Erbrechtslage anzugleichen, d.h. insbesondere Nachlassgrundstücke auf den im Einantwortungsbeschluss bezeichneten Erben umzuschreiben (§  182 AußStrG). Wer jetzt im Vertrauen auf die Buchlage mit dem Scheinerben ein entgeltliches363 Rechtsgeschäft abschließt, erwirbt bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen des Gutglaubenstatbestandes Eigentum an der betreffenden Liegenschaft. g) Ausgleichsansprüche des wahren Erben Der wahre Erbe hat, sofern er mit der Erbschaftsklage (§  823 ABGB) obsiegt, Ausgleichsansprüche gegen den Scheinerben, der in der Zeit seines rechtlichen Rechberger/Bittner, Grundbuchsrecht, Rn.  168. Kodek/Kodek, GBG, §  63 Rn.  1; Rechberger/Bittner, Grundbuchsrecht, Rn.  168; Karollus, JAP 1990/91, 228. 361  Karollus, JAP 1990/91, 228 in Fn.  2; vgl. auch Feil/Friedl/Bayer/Feil/Friedl, GBG, §  63 Rn.  2; ähnliche Formulierungen finden sich in den Gutglaubenstatbeständen der §§  367, 371, 824 ABGB. 362  Vgl. Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  824 Rn.  37 und Bayer, Grundbuch NEU, S.  23. 363  Vgl. OGH, Urt. v. 21.12.1989 – 6 Ob 737/87, JBl 1990, 314 (315); Feil/Friedl/Bayer/ Feil/Friedl, GBG, §  63 Rn.  4; Demelius, Österreichisches Grundbuchsrecht, S.  91; Vonkilch, NZ 2003, 321; a.A. Kodek/Kodek, GBG, §  63 Rn.  10. 359  360 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Besitzes an der Erbschaft nachlassbezogene Rechtsgeschäfte getätigt hat. Dem wahren Erben gebühren Schadensersatzansprüche und Verwendungsansprüche. aa) Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§  1035 ff. ABGB setzen neben dem Vorliegen eines fremden Geschäfts auch die Absicht des Geschäftsführers voraus, ein fremdes Geschäft zu führen. Solange der eingeantwortete Scheinerbe von dem Bestehen seines Erbrechts und des Nichtbestehens besserer Erbrechte ausgehen durfte, verfolgt er im Rahmen der Nachlassabwicklung stets eigene Interessen. Damit fehlt die Voraussetzung des Fremdgeschäftsführungswillens. Es sind stattdessen die Regeln des Bereicherungsrechts anzuwenden.364 Wusste der eingeantwortete Scheinerbe, dass einer anderen Person ein besseres Erbrecht gebührt, und besorgte er dennoch Nachlassgeschäfte, ist er dem wahren Erben aus unerlaubter Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §  1040 ABGB zum Schadensersatz verpflichtet.365 bb) Deliktische Ansprüche – Schadensersatzpflicht des unredlichen Erbschaftsbesitzers Der Erbschaftsbesitzer wird nach §  824 S.  1 ABGB einem Besitzer i.S.d. §§  329 ff. ABGB gleichgestellt. Er muss daher gemäß §  335 ABGB allen durch seinen Besitz entstandenen Schaden ersetzen. Dieser Anspruch ist weiter als der Verwendungsanspruch aus §  1041 ABGB, weil jeglicher Schaden am Nachlass abgegolten wird. Neben dem Ersatz des Schadens ist der Erbschaftsbesitzer aus derselben Norm verpflichtet, alle aus dem betreffenden Nachlassgegenstand gezogenen Früchte und Vorteile in vollem Umfang herauszugeben.366 Eine Schadensersatzpflicht trifft den Erbschaftsbesitzer auch aus allgemeiner Verschuldenshaftung nach §§  1295, 1324 ABGB. Insbesondere fällt auch entgangener Gewinn zum Schadensposten.367 Die Schadensersatzpflicht ist etwa dann zu bejahen, wenn der unredliche368 Erbschaftsbesitzer vorsätzlich den betreffenden Nachlassgegenstand zerstört oder beschädigt oder an einen Dritten veräußert hat, um den wahren Erben zu schädigen. 364 

Kletečka/Schauer/Lurger, ABGB-ON, §  1035 Rn.  6 und 8; Rummel/Lukas/Meissel, ABGB, §  1035 Rn.  4. 365  Vgl. Kletečka/Schauer/Lurger, ABGB-ON, §  1040 Rn.  3 f. 366  OGH, Urt. v. 31.5.1960 – 2 Ob 370/59, SZ 33/60. 367  Koziol/Bydlinski/Bollenberger/Karner, ABGB, §  1295 Rn.  12 und Koziol/Bydlinski/ Bollenberger/Danzl, ABGB, §  1324 Rn.  1. 368  Unredlich ist der Erbschaftsbesitzer jedenfalls mit Zustellung der Erbschaftsklage, vgl. Haunschmidt, Erbschaft und Testament, S.  147.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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cc) Bereicherungsrechtliche Ansprüche – Veräußerung und Verbrauch von Nachlassgegenständen Hat der Scheinerbe Nachlassgegenstände veräußert oder verbraucht und ist der Erwerber gutgläubig, kann der obsiegende Erbschaftskläger nicht mehr auf diese Gegenstände zugreifen; sie sind endgültig dem Erwerber zugeordnet. An die Stelle dieses vormaligen dinglichen Herausgabeanspruchs des Erbschaftsklägers treten schuldrechtliche Ausgleichsansprüche gegen den Scheinerben. Im Falle der Veräußerung und des Verbrauchs steht dem Erbschaftskläger nach §  1041 ABGB ein Verwendungsanspruch zu, der als Bereicherungsanspruch zu qualifizieren ist, da die Norm auf den Nutzen abstellt, den ein anderer als Berechtigter aus der fremden Sache gezogen hat.369 Nach dieser Vorschrift kann der Eigentümer, zu dem der Erbschaftskläger ex tunc durch das obsiegende Urteil geworden ist370, die Sache, wenn diese ohne Geschäftsführung zum Nutzen eines anderen verwendet worden ist, in Natur, oder, wenn dies nicht mehr möglich ist, den Wert verlangen, den sie zur Zeit der Verwendung gehabt hat, obgleich der Nutzen in der Folge vereitelt worden ist. Bei Veräußerung an einen redlichen Erwerber und bei Verbrauch ist die Herausgabe in Natur nicht mehr möglich, so dass der Scheinerbe anstelle der Rückgabe der Sache Wertersatz zu leisten hat.371 Für die Berechnung der Höhe des Wertersatzes ist entscheidend, ob der Scheinerbe redlich war oder nicht.372 Wann Redlichkeit anzunehmen ist, beurteilt sich nach den gleichen Maßstäben wie bei der Redlichkeit im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs vom Scheinerben nach §  824 S.  2 ABGB.373 Zudem verweist §  824 S.  1 ABGB auf die Regelungen der §§  329 ff. ABGB zum redlichen und unredlichen Besitzer.374 War der Erbschaftsbesitzer redlich, hat er lediglich den gemeinen Wert, also den Verkehrswert zu ersetzen; war er unredlich, muss er Wertersatz in Höhe des höchsten am Markt erzielbaren Preises leisten (vgl. §  417 ABGB).375 Apathy, Der Verwendungsanspruch, S.  46; §  1041 ABGB stellt die einzige Norm für jegliche Fälle der Eingriffskondiktion im österreichischen Recht dar, vgl. Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa, Band II, S.  93. 370  Vgl. näher unten im 3. Kap., D., II., 2., S.  284 f. 371  Vgl. OGH, Urt. v. 31.1.2013 – 1 Ob 246/12a, NZ 2013, 178; OGH, Urt. v. 26.4.2006 – 3 Ob 219/05k, NZ 2007, 306 (307); vgl. auch Rummel/Lukas/Meissel, ABGB, §  1041 Rn.  14 f. 372  OGH, Beschl. v. 10.3.1994 – 6 Ob 646/93. 373  Gruber/Kalss/Müller/Schauer/Kühnberg, Erbrecht und Vermögensnachfolge, §  15 Rn.  19. 374  Vgl. auch OGH, Urt. v. 31.5.1960 – 2 Ob 370/59, SZ 33/60 sowie Kralik, Erbrecht, S.  336. 375  Koziol/Bydlinski/Bollenberger/Koziol, ABGB, §  1041 Rn.  15; siehe auch Spielbüchler, Der Dritte im Schuldverhältnis, S.  265; vgl. ausführlich Apathy, Der Verwendungsanspruch, S.  106 ff. 369 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

dd) Bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen den Dritten bei unentgeltlicher Veräußerung? Anders als beim gutgläubigen Fahrniserwerb nach §  367 ABGB, wonach ausweislich des Wortlauts ein entgeltliches Rechtsgeschäft vorliegen muss, kann auch der unentgeltliche Erwerber gutgläubig Eigentum nach §  824 S.  2 ABGB erwerben. Beim gutgläubigen Fahrniserwerb wird bereits auf kausaler Ebene der Erwerb eines Vorteils, der unentgeltlich erlangt wird, verhindert.376 Infolgedessen benötigt das österreichische Recht eine Norm etwa nach dem Vorbild des §  816 Abs.  1 S.  2 BGB jedenfalls für den gutgläubigen Fahrniserwerb nicht. Diese Differenzierung zwischen gutgläubigem Fahrniserwerb und gutgläubigem ­Erwerb vom Scheinerben ist darauf zurückzuführen, dass in die gerichtliche Einantwortung hohes Vertrauen und besteht, das es rechtfertigt, auch den ohne Gegenleistung erbringenden Erwerber zu schützen. Beim gutgläubigen Fahrniserwerb vertraut der unentgeltliche Erwerber nur auf das Eigentum des Veräußerers, das durch dessen Besitz vermittelt wird. Hier fehlt im Vergleich zur Situation bei §  824 S.  2 ABGB die durch ein gerichtliches Verfahren aufgebaute Legitima­ tions­grundlage. Wird der unentgeltliche Erwerber nur ausnahmsweise Eigentümer, bestehen keine bereicherungsrechtlichen Direktansprüche gegen diesen. Die fehlende Norm im österreichischen Recht ist daher als systematisches Argument anzuführen. Der wahre Erbe muss sich im Ergebnis mit den Verwendungsansprüchen arrangieren. 3. Europäische Union Der europäische Gutglaubensschutz ist in Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO normiert. Der Schutz Dritter war eine zwingende Konsequenz der Vermutungswirkung, die ansonsten weitgehend ins Leere gelaufen wäre.377 Die Vermutung der Richtigkeit des Inhalts des Zeugnisses korreliert mithin mit einem Vertrauensschutz zugunsten Dritter.378 Dass der Unionsgesetzgeber sich für einen Gutglaubensschutz statt der denkbaren alternativen Lösung der Zusprechung von Schadensersatzansprüchen, die der Dritte geltend machen kann, wenn er auf die inhaltliche Richtigkeit des Zeugnisses vertraut hat, entschieden hat, zeigt, dass der Rechtsverkehr als besonders schutzwürdig angesehen wird.379 Mehr noch würde der Schutz Dritter über die Gewährung von Schadensersatzansprüchen die internationale Nachlassabwicklung zulasten der Erben erschweren und insbesondere den Transfer von Nachlassgegenständen erheblich lähmen, insbesondere wenn Spielbüchler, Der Dritte im Schuldverhältnis, S.  155. Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  15. 378  Schauer, JEV 2012, 78 (89). 379  Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  15. 376  377 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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es darum geht, jene Ansprüche prozessual durchzusetzen. In einem europäischen Rechtsraum mit Beteiligung zahlreicher Personen aus verschiedenen Mitgliedstaaten erscheint die durch die endgültige Zuordnung von Nachlassgegenständen geschaffene Rechtssicherheit wichtiger denn je. Für den internationalen Rechtsverkehr besteht ein gleich zu bewertendes Bedürfnis nach Schutz bei Rechtsgeschäften mit dem Zeugnisinhaber wie für den nationalen Rechtsverkehr. Im Grunde genommen besteht der internationale Charakter lediglich darin, dass die Gutglaubenswirkung einheitlich in den an der EuErbVO gebundenen Mitgliedstaaten beachtet werden muss. Das einzelne konkrete Rechtsgeschäft muss nicht zwingend einen grenzüberschreitenden Bezug haben, wenn z.B. der Erbe Nachlassgegenstände an einen Dritten veräußert und beide in demselben Mitgliedstaat leben. a) Europäischer erbrechtlicher Gutglaubensschutz als Novum im Unionsprivatrecht Jede moderne Rechtsordnung sollte sich die Frage stellen, inwieweit sie einen gutgläubigen Erwerb gleich welcher Art zulassen will.380 Das gilt freilich auch für die Rechtsordnung einer supranationalen Gemeinschaft wie der EU, sofern ein Regelungsbedürfnis für eine europäische Lösung erkannt wird. Die Schaffung eines europäischen erbrechtlichen Gutglaubensschutzes durch das Zeugnis stellt hierbei ein bemerkenswertes Novum dar, das nicht nur erbrechtliche, sondern vor allem sachenrechtliche Implikationen und in dieser Hinsicht eine materiellrechtliche Reichweite mit sich bringt, die es im Unionsprivatrecht bisher nicht gegeben hat.381 Der bei den Beratungen zur EuErbVO unterbreitete Vorschlag, für den Gutglaubensschutz auf das nationale Recht zu verweisen382, wurde zu Recht nicht übernommen, als die Intensität des Gutglaubensschutzes in den Mitgliedstaaten unterschiedlich und der Gutglaubensschutz in manchen Mitgliedstaaten mangels gesetzlicher oder richterrechtlicher Fixierung nicht existent ist383. Ein einheitlicher Gutglaubensschutz im europäischen Rechtsraum wäre mit einem Verweis auf das nationale Recht nicht geschaffen worden. Im Übrigen 380  Vgl. zur Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs in den europäischen Staaten allgemein Hinz, ZEuP 1995, 398. 381  Kompetenzrechtliche Bedenken bezüglich der Ausstattung des Zeugnisses mit Gutglaubenswirkung bestehen nicht, vgl. hierzu ausführlich Omlor, GPR 2014, 216 (217 f.), der sich auch zu verfassungsrechtlichen Implikationen äußert. 382  Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (194); unklar ist schon, ob damit das Recht der Ausstellungsbehörde, die lex causae oder die lex rei sitae gemeint ist; dies hängt bei den beiden letzteren Möglichkeiten von der Qualifikation des in Betracht kommenden nationalen Gutglaubenstatbestands ab. 383  Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (194).

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

käme es zu dogmatischen Friktionen, wenn die Vermutungs- und Legitimationswirkung als europäisches Recht ausgestaltet sind und der Gutglaubensschutz sich auf nationales Recht stützt, denn dann könnte von einer einheitlichen Wirkungsentfaltung i.S.d. Art.  69 Abs.  1 EuErbVO nicht mehr die Rede sein. Der Gutglaubensschutz ist als relativer Verkehrsschutz ausgestaltet. Der Eintritt der Gutglaubenswirkung hängt nämlich konstitutiv von subjektiven Voraussetzungen, insbesondere von Redlichkeitserfordernissen, ab.384 Daran lässt sich erkennen, dass der Gutglaubensschutz nicht um jeden Preis zur Entfaltung gebracht werden muss. Die Gutglaubenswirkung hätte demnach noch stärker ausgestaltet werden können, namentlich durch Ausgestaltung als absoluter Verkehrsschutz, für den Redlichkeitserfordernisse ohne Belang sind385, mithin der Dritte ungeachtet seines guten Glaubens in eine bestimmte Rechtslage der angeordneten Rechtsfolge der Norm unterliegt. Die Entscheidung indessen für ein hohes, aber nicht höchstes Niveau des Gutglaubensschutzes bezeugt das wichtige Anliegen des Unionsgesetzgebers, auch den wahren Berechtigten und seine schutzwürdigen Interessen im verkehrsschutzrechtlichen Spannungsverhältnis zu berücksichtigen. In der Tat war ein relativer Verkehrsschutz in Anbetracht der divergierenden Ansichten der Mitgliedstaaten über die Reichweite des Gutglaubensschutzes zu erwarten: Wenn schon einige Mitgliedstaaten den Schutz des wahren Berechtigten grundsätzlicher höher einstufen als den Schutz des Rechtsverkehrs, kann eine europäische Regelung kaum in der Nähe des absoluten Verkehrsschutzes angesiedelt sein. Auch in normativer Hinsicht ist ein „gemäßigter“ Gutglaubensschutz auf europäischer Ebene sinnvoll: Die unionsweite Geltung der Gutglaubenswirkung bedingt, dass zahlenmäßig sehr viele wahre Berechtigte durch die Entfaltung der Gutglaubenswirkung in ihren Rechten beeinträchtigt werden können. Je größer diese Zahl ist, desto höhere Anforderungen sollten an den Gutglaubensschutz gestellt werden. Der naheliegende Einwand, dass mit der unionsweiten Geltung spiegelbildlich ein größerer Rechtsverkehr eröffnet wird, der Schutzwürdigkeit für sich in Anspruch nimmt, weshalb der Rechtsverkehr ebenso begünstigt werden könnte, ist damit zu schwächen, dass mit dem Gutglaubensschutz zuvörderst in das Recht des wahren Berechtigten eingegriffen wird. Dem wahren Berechtigten ist bereits eine „Basisschutzwürdigkeit“ zu billigen, die insbesondere einen absoluten Verkehrsschutz nicht zulässt. Die tatsächliche Inanspruchnahme der Gutglaubenswirkung ist letztlich jedoch davon abhängig, ob das Zeugnis die materielle Rechtslage unrichtig wiedergibt. Dem kann man vorbeugen, indem das Ausstellungsverfahren mit einer möglichst hohen Richtigkeitsgewähr ausgestaltet ist. Das vermag das Zeugnisverfahren mit 384  385 

Vgl. Omlor, GPR 2014, 216. Lieder, Die rechtsgeschäftliche Sukzession, S.  462.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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den umfassenden Prüfungs-, Anhörungs- und Mitteilungspflichten gemäß Art.  66 EuErbVO (insbesondere die Möglichkeit der eidestattlichen Versicherung nach der lex fori gemäß Art.  66 Abs.  3 EuErbVO) zu erreichen.386 Tendenziell sollte aus diesem Grund der Gutglaubensschutz wenig bis selten in Anspruch genommen werden.387 b) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen Für die allgemeinen Wirkungsvoraussetzungen kann grundsätzlich auf die Ausführungen zur Vermutungswirkung verwiesen werden.388 Ergänzend ist auszuführen, dass die Entfaltung der Gutglaubenswirkung mit der Verwendung einer beglaubigten Abschrift des Zeugnisses als zirkulierender Rechtsscheinträger im Rechtsverkehr verknüpft ist.389 Wie beim Erbschein lassen sich die beglaubigten Abschriften des Zeugnisses als künstliche Rechtsscheinsträger qualifizieren. Die Gutglaubenswirkung entfällt zudem mit Ablauf der Gültigkeitsfrist.390 Ein Widerruf oder eine Änderung des Zeugnisses berühren den öffentlichen Glauben der noch gültigen beglaubigten Abschriften nicht, wenn diese gegenüber gutgläubigen Dritten verwendet werden.391 Auch beseitigen ein Widerspruch zwischen Zeugnis und mitgliedstaatlichem Erbnachweis oder widersprechende Zeugnisse die Gutglaubenswirkung nicht.392 c) Geschützte Rechtshandlungen aa) Vorliegen eines Rechtsgeschäfts und Verkehrsgeschäfts Es ist davon auszugehen, dass der Gutglaubensschutz nur für den rechtsgeschäftlichen Erwerb gelten soll. Dafür spricht, dass dem Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO klar entnommen werden kann, dass im Grundsatz zwei Parteien unter Bezugnahme des Zeugnisses miteinander agieren. Ausgeschlossen sind somit etwa der Erwerb kraft Gesetzes oder durch hoheitlichen Akt, für die auch im interna386  Siehe dazu oben im 3. Kap., A., II., S.  46 ff.; vgl. zu diesem Rechtsgedanken allgemein Lieder, Die rechtsgeschäftliche Sukzession, S.  464. 387  Vgl. auch im Hinblick auf den Erbschein Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  302 in Fn.  153. 388  Siehe oben im 3. Kap., B., I., 3., a), S.  72 ff. 389  NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  6; a.A. MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  21, der auf die Urschrift des Zeugnisses abstellt. Offen gelassen von Dorsel, ZErb 2014, 212 (218). 390  Vgl. ausführlich zu der letztlich zu verneinenden Frage, ob sich die Gutglaubenswirkung auch nach Ablauf der Gültigkeitsfrist entfalten kann, unten im 3. Kap., D., III., 2., b), S.  290 ff. 391  Vgl. näher unten im 3. Kap., D., III., 3., g), ee), S.  306 ff. 392  Vgl. unten im 3. Kap., C., II., 1., c), S.  246 ff. und 3. Kap., C., II., 2., b), S.  252 f.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

tionalen Rechtsverkehr ein Bedürfnis nach Verkehrsschutz nicht besteht. Schließlich muss das Rechtsgeschäft auch ein Verkehrsgeschäft sein.393 Hierauf deutet der Wortlaut von Art.  69 Abs.  4 EuErbVO, dem eine Differenzierung zwischen zwei Personen – der verfügenden Person und eines anderen – zugrunde liegt.394 bb) Verfügungen über Nachlassvermögen Art.  69 Abs.  4 EuErbVO umschreibt klar, welche Rechtshandlungen des Zeug­ nis­inhabers geschützt werden. Im Zentrum steht der Begriff „Verfügung“395. Was die Verordnung darunter versteht, wird von ihr nicht beantwortet. Aufschluss bringt eine Auslegung. (1) Grammatikalische Auslegung Der Begriff „Verfügung“ ist im hiesigen Kontext derart juristisch geprägt, dass die allgemeinsprachliche Bedeutung396 nicht weiterhilft. Da sämtliche Sprachfassungen den Verfügungsbegriff in der juristischen Konnotation verwenden, kann jedenfalls von einem gemeinsamen Grundverständnis ausgegangen werden. (a) Juristisches Begriffsverständnis Der Verfügungsbegriff beschreibt den dinglichen Rechtsakt, durch das ein Recht unmittelbar übertragen, belastet, aufgehoben oder geändert wird.397 Dazu zählen zuvörderst die Einwirkung auf das Eigentum und sonstige dingliche Rechte wie das Pfandrecht oder das Nießbrauchsrecht.398 Damit fallen insbesondere auch

393  Palandt/Weidlich, Anh. zu §§  2353 ff., Art.  69 EuErbVO Rn.  2; Omlor, GPR 2014, 216 (219); Möller, Das Europäische Nachlasszeugnis im System des Gutglaubensschutzes, S.  205. 394  So zutreffend Omlor, GPR 2014, 216 (219), der darüber hinaus das Erfordernis eines Verkehrsgeschäfts vom Telos – Schutz des Rechtsverkehrs – und vom Eigentumsgrundrecht aus Art.  17 EU-Grundrechtecharta und Art.  1 EMRK 1. ZP ableiten will. 395  Engl.: „disposal“, abgeleitet von dem in der Verordnung genutzten Verb „to dispose“; frz.: „disposition“, abgeleitet von dem in der Verordnung genutzten Verb „disposer“. 396  Laut Duden bedeutet „Verfügung“ die behördliche oder gerichtliche Anordnung oder das Verfügenkönnen und -dürfen oder Disposition, siehe (zuletzt abgerufen: 15.7.2021). Diese Begriffsbedeutungen sind offensichtlich im Kontext des Gutglaubensschutzes nicht maßgebend. 397  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  16; jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  13; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  12. 398  Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  28.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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Verfügungen über ein Recht, z.B. Kündigung oder Mahnung von oder gegenüber einem Scheinerben, unter den Gutglaubensschutz des Art.  69 Abs.  4 EuErbVO.399 (b) Annäherung des Verfügungsbegriffs mittels Abgrenzung zum Verpflichtungsgeschäft Als Gegenbegriff zu den Verfügungen stehen die Verpflichtungsgeschäfte, die somit ausweislich des Wortlauts von der Gutglaubenswirkung ausgenommen sind. Die Erstreckung des Gutglaubensschutzes auf Verpflichtungsgeschäfte lässt sich schwer auf die europäische Ebene übertragen, ohne dass die Wertungen der nationalen Rechtsordnungen vernachlässigt werden. Dem wahren Erben kann aus diesem Grund z.B. ein zwischen dem Zeugniserben und einem Dritten geschlossener Mietvertrag über einen Nachlassgegenstand nicht entgegengehalten werden.400 Zu einer anderen Beurteilung gelangt man möglicherweise aufgrund des ErwG 71 S.  5, der besagt, dass der Gutglaubensschutz einer Person gewährt werden sollte, die im Vertrauen auf die Richtigkeit der in dem Zeugnis enthaltenen Angaben Nachlassvermögen von einer Person erwirbt oder erhält401, die in dem Zeugnis als zur Verfügung über das Vermögen berechtigt bezeichnet ist. Um den Begriff „Erhalt“ zu verstehen, ist es hilfreich, diesen vom unmittelbar zuvor genannten „Erwerb“ abzugrenzen. Der „Erwerb“ meint im Allgemeinen die Übertragung eines dinglichen Rechts, z.B. die Eigentumsübertragung. Dann könnte mit „Erhalt“, um diesem noch einen eigenständigen Bedeutungsgehalt einzuräumen, gemeint sein, dass ein Dritter im Rahmen eines Mietvertrages eine Nachlasssache vom Zeugniserben in Empfang nimmt.402 Offenbar divergiert hier der Wortlaut des Art.  69 Abs.  4 EuErbVO, der nur vom Erwerb spricht, von demjenigen des ErwG 71 S.  5. Dem Verordnungstext ist aufgrund seiner Fixierung im verbindlichen Veordnungstext Vorrang vor den Erwägungsgründen einzuräumen, so dass der vorliegende Widerspruch zugunsten des Verordnungstextes aufzulösen ist.403 Folgt man nämlich der weiten Ansicht, bestünde die Gefahr, dass der Nachlass durch den Zeugniserben gänzlich ausgehöhlt wird. Der Zeugniserbe könnte schuldrechtliche Verträge über eine Nachlasssache mit einem Dritten Vgl. Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (777). jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  13; Omlor, GPR 2014, 216 (219). 401  In der englischen Fassung „receives“, in der französischen Fassung „reçoit“. 402  So ähnlich Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  15. 403  Erwägungsgründe sind nach der Rechtsprechung des EuGH nicht rechtlich verbindlich und können weder herangezogen werden, um von den Bestimmungen des betreffenden Rechtsakts abzuweichen, noch, um diese Bestimmungen in einem Sinne auszulegen, der ihrem Wortlaut offensichtlich widerspricht, siehe EuGH, Urt. v. 24.11.2005 – C-136/04, Slg. 2005, I 11 10097. 399  400 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

unmittelbar nach Erhalt des Zeugnisses schließen, ohne dass diese zwingend in die unmittelbare Herrschaftsgewalt des Dritten gelangen müsste und ohne dass weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssten. Bei den Verfügungsgeschäften sind indes die übrigen Erwerbsvoraussetzungen zu prüfen, insbesondere die Übergabe der betreffenden Nachlasssache, wodurch bei dem Dritten eine verlässliche Vertrauensgrundlage geschaffen wird. Dies fehlt bei den Verpflichtungsgeschäften, da der Dritte mit der betreffenden Nachlasssache nicht zwingend in Berührung kommen muss. Daher sollte der Gutglaubensschutz auf diese nicht erstreckt werden. Hervorzuheben ist nochmals, dass der Ausschluss des Gutglaubensschutzes in Bezug auf Verpflichtungsgeschäfte bzw. die zugrundeliegende Wertung keine Besonderheit eines internationalen Lebenssachverhalts ist, sondern auch auf rein nationale Lebenssachverhalte zutrifft. Da jedermann ein Verpflichtungsgeschäft über eine Nachlasssache abschließen kann, besteht für einen Gutglaubensschutz kein Raum. Außerdem soll das Zeugnis das Erbrecht des Erben bzw. die erbrechtliche Rechtsstellung eines Vermächtnisnehmers mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstreckers oder Nachlassverwalters fingieren; konkret bedeutet das die Fiktion der Verfügungsbefugnis über die Nachlassgegenstände. Diese Fiktion passt nicht zu Verpflichtungsgeschäften. Vielmehr wird der Scheinerbe nach dem anzuwendenden Vertragsstatut selbst aus dem Verpflichtungsgeschäft verpflichtet und der Dritte wird sein Vertragspartner. Der Scheinerbe wird sich regelmäßig aus dem Vertrag schadensersatzpflichtig machen, wenn er seiner vertraglichen Pflicht nicht nachkommen kann, z.B., weil der vermietete Nachlassgegenstand in der Zwischenzeit dem wahren Erben zugeordnet worden ist. Hierüber entscheidet nicht das Erbstatut, sondern das Vertragsstatut. (c) Reichweite des Begriffs „Nachlassvermögen“ Unter den Begriff „Nachlassvermögen“ fällt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch jeglicher Besitz bzw. konkreter jeder einzelne Gegenstand, der einen materiellen Wert hat und in den Nachlass fällt.404 In juristischem Gewand kann unter „Nachlassvermögen“ jeder Nachlassgegenstand – bewegliche und unbewegliche Sachen, Forderungen, Rechte – subsumiert werden.405 Fraglich ist jedoch, ob auch ein Erbteil (z.B. gemäß §  2033 BGB nach deutschem Recht) darunter zu 404  Vgl. (zuletzt abgerufen: 15.7. 2021). 405  jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  14, der zudem auf den zu engen, lediglich auf Sachen abstellenden englischen Wortlaut („succession property“) hinweist und zu Recht klarstellt, dass eine Differenzierung zwischen Sachen und Rechten im Lichte des europäischen Gutglaubensschutzes nicht plausibel erscheint; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  12.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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subsumieren ist und gutgläubig erworben werden kann. Während beim Erbschein ein gutgläubiger Erwerb eines Erbteils mit Bezug auf den Wortlaut des §  2366 BGB von der h.M. abgelehnt wird406, spricht der Wortlaut im europäischen Recht eher für die Einbeziehung der Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs eines Erbteils. Denn „Nachlassvermögen“ ist erheblich allgemeiner gehalten als der Begriff des Erbschaftsgegenstandes gemäß §  2366 BGB. Den Erbteil unter den Begriff des Nachlassvermögens zu fassen, erscheint damit gut denkbar. Auch die englische und französische Sprachfassung unterstützen diese Lesart („succession property“ bzw. „biens successoraux“). Ob der Gutglaubensschutz sich auch auf die Nachlasszugehörigkeit von Vermögensgegenständen erstreckt, kann bei Betrachtung des Wortlauts nicht klar entschieden werden. Einerseits wird in Art.  69 Abs.  4 EuErbVO zweimal der Begriff „Nachlassvermögen“, andererseits wird zugleich der Ausdruck „betreffende[s] Vermögen“ verwendet.407 Der Wortlaut sollte indes hier kein zu starkes Indiz darstellen. Das „betreffende“ Vermögen kann sich stilistisch auch auf das in demselben Satz zuvor genannte Nachlassvermögen beziehen, so dass nach dem Wortlaut nur Rechtsgeschäfte in Bezug auf Nachlassvermögen geschützt sind. Stärkere Gewissheit bringt die Heranziehung des Telos. Das Zeugnis will das Erbrecht oder eine andere erbrechtliche Rechtsstellung nach außen manifestieren. Scheitert die Verfügungsbefugnis an etwas anderem als dem mangelnden Erbrecht, also in diesem Zusammenhang an der fehlenden Nachlasszugehörigkeit – hier ist nur der wahre Eigentümer verfügungsbefugt –, kann das Zeugnis nicht zur Überwindung dieses fehlenden Tatbestandsmerkmals herangezogen werden (vgl. ErwG 71 S.  3).408 (2) Systematische Auslegung Der Verfügungsbegriff wird im juristischen Sinne woanders als in Art.  69 Abs.  4 EuErbVO öfters in den Erwägungsgründen (namentlich in ErwG 9, 39, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 71, 73) und auch im Normtext (vgl. insbesondere Art.  3 Abs.  1 lit.  d EuErbVO) verwendet, allerdings im Kontext von Verfügungen von Todes wegen, die den Oberbegriff für ein Testament, ein gemeinschaftliches Testament und einen Erbvertrag bilden. Es geht mithin nicht um den sachenrechtlichen Verfügungsbegriff, so dass eine systematische Betrachtung nicht weiterhilft. In 406 

Siehe oben im 3. Kap., B., II., 1., b), bb), (1), S.  91; vgl. zur Problematik im Rahmen des §  2366 BGB grundlegend Klinck, AcP 2015, 1. 407  NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  20. 408  Palandt/Weidlich, Anh. zu §§  2353 ff., Art.  69 EuErbVO Rn.  2; NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  20; jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  36; Schmidt, ZEV 2014, 389 (392).

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

ErwG 14 wird ferner im Zusammenhang mit der Reichweite des Anwendungsbereichs der EuErbVO von „unentgeltliche[n] Zuwendungen oder sonstige[n] Verfügungen unter Lebenden mit dinglicher Wirkung vor dem Tod“ gesprochen. Einzig an dieser Stelle besteht ein gleichläufiges Begriffsverständnis mit der Verfügung i.S.d. Art.  69 Abs.  4 EuErbVO, weil die Verfügungen unter Lebenden typischerweise Übereignungen (als dinglicher Vollzugsakt etwa einer Schenkung) erfassen, die der Erblasser zu seinen Lebzeiten zugunsten von Dritten getätigt hat, um diese bereits an seinem Vermögen teilhaben zu lassen. Dass der Verfügungsbegriff in Verbindung mit der Gutglaubenswirkung des Zeugnisses in der Wirkungsnorm des Art.  69 EuErbVO verwendet wird, liegt in der Natur der Gutglaubenswirkung. Insofern können sich aus der systematischen Stellung kaum Erkenntnisgewinne erzielen. Jedenfalls betont der Unionsgesetzgeber die Wichtigkeit des Verfügungsbegriffs, wenn er diesen in den Mittelpunkt von Art.  69 Abs.  4 EuErbVO stellt. (3) Historische und genetische Auslegung Betrachtet man die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, war lediglich in den Beratungen des Rates der EU der singuläre Aspekt offen, ob der Gutglaubensschutz nur bei entgeltlichen oder auch bei unentgeltlichen Verfügungsgeschäften eingreifen sollte.409 Da in der endgültigen Fassung der EuErbVO ein Hinweis auf die Entgeltlichkeit fehlt, ist davon auszugehen, dass entgeltliche ebenso wie unentgeltliche Verfügungen geschützt werden.410 Andernfalls hätte der Unionsgesetzgeber den Zusatz „gegen Entgelt“ oder „gegen Gegenleistung“, wie dies begrifflich noch im Ratsdokument zu finden ist, in den Verordnungstext aufgenommen.411 Der europäische Gutglaubensschutz wurde damit um eine zentrale Komponente erweitert. Die meisten nachlassbezogenen Rechtsgeschäfte haben in der Regel entgeltlichen Charakter (z.B. Verkauf von Nachlassgegenständen). Unentgeltliche Verfügungsgeschäfte haben aber auch praktische Relevanz, so wenn der Scheinerbe ein Nachlassgrundstück oder ein geerbtes Schmuckstück an einen Angehörigen verschenken will. Zwar lässt sich mit dem Ziel des Zeug409 

Vgl. Ratsdokument Nr.  11637/10, S.  53. Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  17; BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  40; jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  15; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  24; Omlor, GPR 2014, 216 (219). Ob bei einer unentgeltlichen Verfügung der Rechtserwerb des Dritten beständig ist oder ob gegen den Dritten Ansprüche bestehen, wird unten im 3. Kap., B., II., 3., h), cc), S.  163 f. erörtert. 411  Im Ratsdokument Nr.  11637/10 auf S.  53 in Fn.  2 wird deutlich gemacht, dass durch die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht) untersucht werden soll, ob das Tatbestandsmerkmal der Gegenleistung notwendig ist. Es war allen Beteiligten am Gesetzgebungsverfahren also durchaus bewusst, welche Relevanz die Unentgeltlichkeit der Verfügung zukommt. 410 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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nisses, die internationale Nachlassabwicklung zu erleichtern, nicht jedwede Ausdehnung des Gutglaubensschutzes rechtfertigen, doch in Anbetracht mangelnder Unterschiede zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Verfügungsgeschäften im Kontext der grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung – insbesondere wenn man im Hinblick auf etwaige Regressansprüche einen Durchgriff des wahren Berechtigten im letzteren Fall zulässt – ist die Einbeziehung unentgeltlicher Verfügungen zu begrüßen.412 (4) Teleologische Auslegung Sinn und Zweck von Art.  69 Abs.  4 EuErbVO ist der Schutz des Rechtsverkehrs bei Rechtsgeschäften mit einem Zeugnisinhaber, die Nachlassvermögen zum Inhalt haben. Die Frage nach dem Telos betrifft die Reichweite des Verfügungsbegriffs, die die Grenzen der geschützten Rechtshandlungen absteckt. Sofern mit Hinweis auf den Zweck des Zeugnisses vertreten wird, dass nur solche Rechtsgeschäfte erfasst sein sollen, die den Erwerb von Nachlassgegenständen bewirken413, ist dies zu eng gefasst. Zwar mag hier der Wortlaut („die von einem zur Verfügung über das betreffende Vermögen Berechtigten erworben hat“) für die Begrenzung des Gutglaubensschutzes auf erwerbsvermittelnde Rechtsgeschäfte sprechen, jedoch ist vor dem Hintergrund der geringen Bedeutung des Wortlautarguments das Telos zielführender, zumal die englische und französische Sprachfassung sich allgemeiner fassen und den Erwerb nicht in den Mittelpunkt rücken414. Gewiss ist der Erwerb eines Nachlassgegenstandes eine der zentralsten Ausprägung der Gutglaubenswirkung. Angesichts der Vielfältigkeit der Rechtsbeziehungen, die zu einem Nachlassgegenstand entstehen können und ihre praktische Berechtigung für den jeweiligen Dritten haben, kann der Gutglaubensschutz des Zeugnisses beim Erwerb nicht Halt machen und sollte über den Erwerb hinaus andere Erscheinungsformen der unmittelbaren Einwirkung auf ein Recht erfassen. Eine extensive Auslegung ist daher nach dem Telos an­ gezeigt.

412  Dass die Einbeziehung unentgeltlichen Erwerbs politisch umstritten war, zeigt sich z.B. daran, dass die Theorie des Scheinerben im italienischen Recht den unentgeltlichen Erwerb nur sehr eingeschränkt schützt, siehe oben im 2. Kap. in Fn.  38. Auch an dieser Stelle wird einmal mehr deutlich, dass das Zeugnis als einheitliches unionales Rechtsinstrument eine Gesamtverantwortung übernimmt und aufgrund der Differenzen mit den mitgliedstaatlichen Wertungen eine gewisse Ausstrahlungswirkung zeitigt. 413  So BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  40. 414  Engl.:„be considered to have transacted with a person with authority to dispose of the property concerned“; frz.: „est réputée avoir conclu une transaction avec une personne ayant le pouvoir de disposer des biens concernés“.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

(5) Ergebnis Nach allen Auslegungsmethoden ist eine extensive Auslegung des Verfügungsbegriffs i.S.d. Art.  69 Abs.  4 EuErbVO angezeigt. Der europäische Verfügungsbegriff ist in etwa vergleichbar mit dem deutschen Verfügungsbegriff. Vom Gutglaubensschutz des Art.  69 Abs.  4 EuErbVO sind demzufolge alle Rechtsgeschäfte erfasst, durch die ein Recht unmittelbar übertragen, belastet, aufgehoben oder geändert wird. cc) Leistung von Zahlungen und Übergabe von Vermögenswerten Die Gutglaubenswirkung in Gestalt der Befreiungswirkung wird bei von Nachlassschuldnern getätigten Leistungen relevant. Ausgangspunkt ist – hier ergibt sich nichts Abweichendes zu den nationalen Sachverhalten – der Schutz jener Nachlassschuldner, die durch ihre Leistung an den Zeugnisinhaber endgültig von ihrer Leistungspflicht befreit werden sollen, ohne noch einmal leisten zu müssen oder anderweitigen Ansprüchen des Gläubigers oder anderen Personen ausgesetzt zu sein. Die Begriffe „Leistung von Zahlungen“ und „Übergabe von Vermögenswerten“ indizieren zunächst eine recht große Bandbreite geschützter Rechtshandlungen. (1) Grammatikalische und teleologische Auslegung Anders als beim Verfügungsbegriff lässt sich aus den Begriffspaaren „Leistung von Zahlungen“415 und „Übergabe von Vermögenswerten“416 durchaus mittels Betrachtung des allgemeinen Sprachgebrauchs eine konkrete Bedeutung ermitteln; insoweit ist eine juristische Vorprägung nicht vorhanden. Nachfolgend wird wegen des engen Zusammenhangs die grammatikalische Auslegung mit der teleologischen Auslegung verknüpft. (a) Annäherung des Begriffs „Leistung von Zahlungen“ mittels Betrachtung des allgemeinen Sprachgebrauchs Mit Zahlungen ist allgemeinsprachlich der gezahlte Geldbetrag gemeint.417 Der Begriff „Leistung“ bzw. „leisten“ meint in diesem Zusammenhang lediglich die Handlung, mithin das korrespondierende Verb zur „Zahlung“. Das deckt sich mit der allgemeinsprachlichen Bedeutung von „Leistung“, wonach „Leistung“ im Rahmen einer finanziellen Verpflichtung als Geleistetes, Gewährtes sowie vor 415 

Engl.: „makes payments“; frz.: „effectue des paiements“. Engl.: „passes on property“; frz.: „remet des biens“. 417  Vgl. (zuletzt abgerufen: 15.7.2021). 416 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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allem besonders gezahlter Betrag verstanden wird.418 Aufgrund des recht allgemeinen und offenen Begriffs der Zahlung ist anzunehmen, dass die Art und Weise der Zahlung keinen Einschränkungen unterworfen ist. Eine extensive Auslegung ist im Hinblick auf den durch das Zeugnis eröffneten Verkehrsschutz geboten.419 Dies sollte schon vor dem Hintergrund gelten, dass in der internationalen Nachlassabwicklung die Zahlungsformen höchst divers sein können und insbesondere bargeldlose Zahlungsmöglichkeiten – etwa aufgrund der örtlichen Distanz zwischen den Vertragsparteien, die in der Regel eine Abwicklung in bar verhindert – ein für alle Beteiligten bequemes Mittel darstellt, das in den Schutz der Gutglaubenswirkung fallen sollte. Daher sind neben der Übereignung von Banknoten und Münzen auch die bargeldlose Zahlung per Überweisung, die Hingabe eines Checks oder die Verschaffung einer Forderung gegen einen Dritten, also vor allem die Zahlung mit Kreditkarte, möglich.420 (b) Erfüllungssurrogate Im Zusammenhang mit Zahlungen stehen etwaige Erfüllungssurrogate, die ebenfalls auf die Erfüllung von Forderungen gerichtet sind. Angesichts des klaren Wortlauts bezogen auf Zahlungen ist zu untersuchen, ob auch Erfüllungssurrogate wie die Aufrechnung421, die Hinterlegung422, die Leistung an Erfüllungs statt bzw. erfüllungshalber unter den Gutglaubensschutz fallen. Mit der Leistung von Zahlungen wird nach demWortlaut nur die unmittelbare Befriedigung der Geldforderung durch den jeweiligen Betrag gemeint sein.423 Zu Recht wird in der Literatur die Einbeziehung von Erfüllungssurrogaten bejaht.424 Erfüllungssurro418 

Vgl. (zuletzt abgerufen: 15.7.2021). Schmidt, ZEV 2014, 389 (392) ; so auch im Allgemeinen für jede Art von Schuldner Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  538 f. 420  MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  15; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  11; NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  17; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  19; Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  217; a.A. Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (778). 421  Deutschland: „Aufrechnung“ (§§  387 ff. BGB); Österreich: „Compensation“ (§§  1438 ff. ABGB); Frankreich: „compensation légale“ (Art.  1289 ff. Code Civil), „compensation judiciaire“, „compensation volontaire“ (letztere beiden Aufrechnungsformen wurden von Lehre und Rechtsprechung entwickelt, vgl. Kannengiesser, Die Aufrechnung im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, S.  51 ff.); Spanien: „compensación“ (Art.  1.195-1.202 Código Civil). 422  Deutschland: „Hinterlegung“ (§§  372 ff. BGB); Österreich: „Gerichtliche Hinterlegung der Schuld“ (Art.  1425 ABGB); Frankreich: „dépôt“ (Art.  1915 Code Civil). 423  Auch der Kommissionsvorschlag verwendet den Begriff „Zahlungen“, vgl. Art.  42 Abs.  3 des KOM (2009) 154, endg., 2009/0157. 424  Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  19; MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  15; a.A. jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  18; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (778); Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 162 (168). 419 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

gate bezwecken, dem Gläubiger und dem Schuldner als Ausfluss der Privatautonomie Flexibilität zu gewähren.425 Die Schuld soll auch in anderer Form als ursprünglich vereinbart beglichen werden können. Der Nachlassschuldner und der Zeugniserbe befinden sich in dieser Interessenlage. Wenn der Zeugniserbe davon ausgeht, aufgrund der Erteilung des Zeugnisses rechtmäßiger Erbe zu sein, so muss es ihm auch als vermeintlichem Forderungsinhaber erlaubt sein, über die Art und Weise der Erfüllung zu disponieren und dann beispielsweise eine von dem Nachlassschuldner angebotene Leistung an Erfüllungs statt zu akzeptieren. Im Gegenzug soll auch der Nachlassschuldner wirksam aufrechnen können, wenn er seinerseits eine Forderung gegen den Erblasser hatte. Der Gutglaubensschutz in Form der Befreiungswirkung wäre zu sehr eingeschränkt, wenn sie sich nur auf Zahlungen beziehen würde. Für die Erleichterung der internationalen Nachlassabwicklung sind Erfüllungssurrogate funktionell gleichwertig mit der (unmittelbaren) Zahlung. Vor allem ist der Schutz der Parteien im Wege der Ausübung der Privatautonomie gewährleistet. Eine derartige Einschränkung des Verkehrsschutzes wäre daher wenig konsequent, denn beispielsweise für den Ausschluss der Aufrechnung vom Gutglaubensschutz kann kein vernünftiger Grund angeführt werden. Der Ausschluss hätte lediglich den Zweck, den Gutglaubensschutz gegenständlich zu reduzieren; für eine solche Restriktion besteht kein Anlass. Zumindest ist nicht erkennbar, dass der Unionsgesetzgeber Erfüllungssurrogate vom Anwendungsbereich des Gutglaubensschutzes (aus berechtigten Gründen) ausschließen wollte. (c) Einbeziehung sonstiger Leistungen? Denkbar erscheint, auch andere Formen von Leistungen, die nicht unter „Leistung von Zahlungen“ und „Übergabe von Vermögenswerten“ zu subsumieren sind, vom Schuldnerschutz profitieren zu lassen. Zu denken ist beispielsweise an Dienst- und Werkverträge. Diese sind allerdings nicht mit dem Wortlaut der Norm vereinbar. Helfen könnte eine Analogie; sie wird teilweise befürwortet mit dem Argument, die Interessen beispielsweise eines Werkunternehmers stünden mit denen eines Schuldners einer Geldforderung gleich.426 Allgemein bestehe kein Grund, einen Zahlungsanspruch unter den umfassenden Gutglaubensschutz des Art 69 Abs.  3 EuErbVO zu stellen, während die entsprechende Gegenleistung – etwa die Erbringung einer Dienstleistung – nicht unter diesem Schutz steht; dies sei konzeptionell kaum überzeugend.427 Eine zur Korrektur dieser misslichen Lage angenommene Analogie verlangt jedoch eine planwidrige ReVgl. Looschelders/Erm, JA 2014, 161 (163 f.). Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  20. 427  NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  18. 425  426 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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gelungslücke, an der gezweifelt werden kann. So hatte die deutsche Delegation im Rat der EU in einer Stellungnahme zur EuErbVO noch allgemein von Leistungen gesprochen, ohne spezifisch auf den Zahlungscharakter der Leistung abzustellen.428 Dass der Unionsgesetzgeber dieser Empfehlung nicht nachgekommen ist, zeugt von dessen bewusster Entscheidung, nur die Leistung von Zahlungen unter den Schuldnerschutz zu stellen.429 Wenn vorliegend daher ein eindeutiger Wille des Unionsgesetzgebers zu erkennen ist, ist an dem klaren Wortlaut von Art.  69 Abs.  3 EuErbVO festzuhalten und eine Analogie abzulehnen. Dies steht im Übrigen nicht im Widerspruch zur Argumentation im Hinblick auf die Einbeziehung von Erfüllungssurrogaten, da zwischen den Zahlungen und den Erfüllungssurrogaten eine funktionelle Äquivalenz konstatiert werden kann, während die Einbeziehung von Dienst- und Werkverträgen bereits eine andere Leistung, namentlich die Gegenleistung, betrifft und eine Vergleichbarkeit daher nicht gegeben ist. (d) Annäherung des Begriffs „Übergabe von Vermögenswerten“ mittels Betrachtung der juristischen Konnotation Noch offener und damit besonders auslegungsbedürftig ist das Begriffspaar „Übergabe von Vermögenswerten“. Die beiden Substantive sind hierbei getrennt zu betrachten. Bei enger Wortlautbetrachtung bedeutet „Übergabe“430 lediglich Besitzerwerb. Doch ist die Verschaffung von Besitz an den Zeugniserben bei teleologischer Betrachtung zu eng. So dürften die Rechtsgeschäfte, die der Leistende i.S.d. Art.  69 Abs.  3 EuErbVO mit dem Erblasser getätigt hat, nicht nur die Verschaffung von Besitz zugunsten des Erblassers zum Gegenstand haben. Oftmals ist die Verschaffung von Eigentum vertragliche Pflicht wie bei Kaufver­ trägen über Nachlassgegenstände. Es ist davon auszugehen, dass der Unionsgesetzgeber dessen bewusst war, zumal es hierbei um die zentrale Frage des Anwendungsbereichs des Art.  69 Abs.  3 EuErbVO geht. Es erscheint zudem widersprüchlich, die stärkere sachenrechtliche Zuordnung, namentlich die Eigentumszuweisung, schwächer zu schützen als den Besitzerwerb.431 Der Begriff der Übergabe ist mithin entgegen dem Wortlaut auf die Verschaffung von Besitz und Eigentum gerichtet. 428 

Vgl. Ratsdokument Nr.  16877/11, S.  2. MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  17; Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  14. 430  Insoweit ist die englische Sprachfassung deutlicher („passes on property“). 431  BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  24 begründet die terminologische Schwäche und damit die mangelnde Bedeutung des Wortlauts für die Auslegung der Norm einleuchtend mit der mangelnden Harmonisierung des Sachenrechts in der EU und der Nichtkenntnis des Abstraktionsprinzips in den meisten europäischen Rechtsordnungen. 429 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Art.  69 Abs.  3 EuErbVO spricht außerdem von „Vermögenswerten“432. ErwG 71 S.  4 konkretisiert den Begriff des Vermögenswertes dahingehend, dass es sich um Nachlassvermögen handeln muss, das an die legitimierte Person übergeben wird. Der Wortlaut des Art.  69 Abs.  3 EuErbVO ist indes weiter, so dass sich hier erneut ein Widerspruch zwischen Verordnungstext und Erwägungsgründen offenbart, der zugunsten des Verordnungstextes aufzulösen ist. Doch selbst wenn man für die Anwendung der Gutglaubenswirkung die Zugehörigkeit des Vermögenswertes zum Nachlass fordert, existieren problematische Konstellationen. In der Literatur wird der Vergleich der Situation bei dem Verkauf einer Sache an den Erblasser mit der Situation bei der Vermietung einer dem Erblasser gehörenden Sache als Beispiel für die Rechtfertigung der weiten Interpretation des Vermögenswertes angeführt.433 Hatte der Erblasser vor seinem Tod noch einen Kaufvertrag abgeschlossen, der ihm einen Anspruch auf Übereignung einer Kaufsache eingeräumt hat, ist diese noch kein Nachlassvermögen, da vor der Übereignung die Kaufsache immer noch dem Verkäufer gehört – jedenfalls bei Zugrundelegung eines anwendbaren Rechts, das das Abstraktionsprinzip kennt. Der Verkäufer leistet also aus seinem eigenen Vermögen. Fordert man stringent die Nachlasszugehörigkeit, wird der Verkäufer mit der Übereignung der Kaufsache an den Zeugniserben nicht von seiner Leistungspflicht befreit. Der Mieter einer dem Erblasser gehörenden Sache könnte hingegen durch Rückgabe der gemieteten Sache an den Zeugniserben seine Rückgabepflicht erfüllen, weil diese Sache dem Erblasser von Anfang an gehörte und somit Teil von dessen Nachlassvermögen ist. Die Ungleichbehandlung dieser beiden Fälle ist unter zwei Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen: Erstens existieren europäische Rechtsordnungen (wie z.B. Belgien, Frankreich, Italien und Portugal434), die dem Kausalprinzip folgen und somit mit dem Abschluss des Kaufvertrags dem Käufer das Eigentum an den Kaufgegenstand zuweisen. Hiernach gehören die vom Erblasser vor seinem Tod gekauften Sachen bereits zum Nachlassvermögen, ohne dass sie zwingend in den Herrschaftsbereich des Erblassers gelangen müssten. Es widerspräche dem effet utile und der einheitlichen Auslegung, die Einschränkung in ErwG 71 S.  4 zu berücksichtigen und nur diejenigen Mitgliedstaaten, die das Abstraktionsprinzip nicht kennen, zu begünstigen und solche Mitgliedstaaten, die dem Abstraktionsprinzip folgen, die Befreiungswirkung zu versagen. Angemessener erscheint es, das Erfordernis der Nachlasszugehörigkeit zu verwerfen; auf diese Weise wird eine einheitliche Wirkungsentfaltung ermöglicht. Zweitens ergeben sich aus ma432 

Engl.: „property“; frz.: „biens“. Vgl. Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  19 sowie MüKoBGB/ Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  16. 434  Lieder, Die rechtsgeschäftliche Sukzession, S.  264. 433 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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teriellrechtlicher Perspektive keine Gründe, einen Verkäufer und einen Mieter (oder einen Pächter oder einen Entleiher) unterschiedlich zu behandeln. Sie alle haben in der Nachlassabwicklung ein berechtigtes Interesse, ihren Verpflichtungen durch Erfüllung an die durch das Zeugnis legitimierte Person nachzukommen.435 Beim Verkäufer muss man sogar sagen, dass er besonders schutzwürdig ist. In der Regel hat der Verkäufer nur einen singulären Kontakt zu dem Erblasser – betreffend die verkaufte Sache – und will den Vertrag zügig abwickeln. Zu beachten ist, dass es nicht um die Begründung eines neuen Verpflichtungsgeschäfts geht, was weder von Art.  69 Abs.  3 EuErbVO noch von Art.  69 Abs.  4 EuErbVO geschützt wird, sondern die Gutglaubenswirkung ein bereits zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers bestehendes Rechtsverhältnis zwischen einem Dritten und dem Erblasser in Bezug auf eine Nachlasssache erfasst. Der Widerspruch zwischen Verordnungstext und Erwägungsgrund muss deshalb zugunsten des tatsächlichen Verordnungstexts aufgelöst werden, um die bereits dargelegten Lücken zu füllen. Die Befreiungswirkung des Art.  69 Abs.  3 EuErbVO gilt für alle Vermögenswerte, die der legitimierten Person aufgrund eines zum Nachlass gehörigen Rechts (z.B. Anspruch auf eine Kaufsache) übertragen werden. (e) Reichweite des Begriffs „Vermögenswert“ Was die inhaltliche Reichweite des Begriffs „Vermögenswert“ betrifft, so sind grundsätzlich bewegliche und unbewegliche Sachen erfasst.436 Nach zutreffender Ansicht sind auch immaterielle Vermögenswerte, namentlich Forderungen und Immaterialgüterrechte, unter dem Begriff zu verstehen.437 Der Schutzgedanke trifft auf sämtliche Konstellationen beim Dritten zu. Dieser soll nicht nur geschützt werden, wenn er mit dem Erblasser einen Vertrag geschlossen hat und daraufhin an den Zeugniserben eine Sache übergibt, sondern auch, wenn er im Wege der Abtretung von Forderungen seinen Pflichten nachkommt.438 Der zu enge Wortlaut mit der Fixierung auf die Übergabe sollte daher extensiv ausgelegt werden. 435 

Vgl. Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  11, die bei einer zu engen Auslegung von einem unvollständigen Schutz des Dritten spricht. 436  BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  25; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  11; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  24. 437  BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  26. 438  So BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  26, die auf §  2367 BGB verweist, der als Vorbild für den Schuldnerschutz in Art.  69 Abs.  3 EuErbVO gedient hat; befürwortend Geimer/Schütze/Dorsel, Art.  69 EuErbVO Rn.  22; MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  16; Schmitz, RNotZ 2017, 269 (284); a.A. NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  19; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (778); Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 162 (168).

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

(f) Leistung durch Dritte und die Problematik der Legalzessionen Unstreitig ist, dass z.B. ein Nachlassschuldner mit befreiender Wirkung an den Zeugnisinhaber leisten kann. Leistet indessen nicht der Nachlassschuldner, sondern ein hierzu berechtigter Dritter (etwa nach §  267 BGB im deutschen Recht), ist fraglich, ob dem Dritten ebenso Gutglaubensschutz zukommt. Der Wortlaut beschränkt sich nicht auf Nachlassschuldner, sondern ist unbestimmt formuliert (dt.: „wer“, engl.: „any person“). Es muss allerdings gesehen werden, dass die Frage nach der Berechtigung des Dritten zur Leistung dem anwendbaren Schuldstatut (Art.  12 Abs.  1 lit.  b Rom I-VO) unterfällt. Wenn das Schuldstatut die Leistung durch einen Dritten erlaubt, ist kein Grund ersichtlich, dem Dritten den Gutglaubensschutz nach Art.  69 Abs.  3 EuErbVO zu versagen. Schließlich kommt dies letztlich auch dem eigentlich zur Leistung verpflichteten Nachlassschuldner zugute, so dass im Ergebnis die internationale Nachlassabwicklung gefördert wird. Die Gutglaubenswirkung kommt somit auch den Leistungen hierzu berechtigter Dritter zugute.439 Weiterhin wird man auch mit der Leistung des Dritten verbundene Legalzessionen nach dem Schuldstatut (Art.  15 Rom I-VO) zulassen müssen, auch wenn hier ein Erwerb kraft Gesetzes vorliegt, da die ­EuErbVO ebenso in dieser Hinsicht ihren Anwendungsbereich nicht eröffnet. (2) Systematische Auslegung Nicht nur in Art.  69 Abs.  3 EuErbVO, sondern auch an einigen anderen Stellen wird der Begriff des Vermögenswertes verwendet, so in Art.  63 Abs.  2 lit.  b, 68 lit.  l, m EuErbVO. Dort wird genauer von einem „bestimmten Vermögenswert“ bzw. von „Rechten und/oder Vermögenswerten“, die einem Erben oder Vermächtnisnehmer zustehen, gesprochen. Daran erkennt man, dass unter dem etwas unpräzisen Begriff des Vermögenswertes Nachlassgegenstände verstanden werden.440 Dies widerspricht dem bisherigen Ergebnis aus der Wortlautanalyse. Indes haben Art.  63 Abs.  2 lit.  b und Art.  68 lit.  l, m EuErbVO einen anderen Hintergrund. Sie stellen lediglich klar, dass das Zeugnis auch den Zweck hat, bestimmte Nachlassgegenstände als zu dem Inhaber des Zeugnisses (Erben, Vermächtnisnehmer) zugehörig auszuweisen, bzw. dass das Zeugnis diese Angaben beinhalten kann. Mit dem Gutglaubensschutz haben diese Vorschriften aber nichts zu tun.

439  MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  17; Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  12. 440  MüKoBGB/Dutta, Art.  63 EuErbVO Rn.  16; eindeutiger sind die anderen Sprachfassungen betreffend Art.  63 Abs.  2 lit.  b, 68 lit.  l, m EuErbVO mit „assets“, „biens“ oder „beni“.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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(3) Historische und genetische Auslegung Im Kommissionsentwurf zur EuErbVO finden sich nahezu die gleichen Begriffe wie im endgültigen Verordnungstext wieder. Nach Art.  42 Abs.  3 unterfallen die Leistung von Zahlungen und die Übergabe von Gegenständen den geschützten Rechtshandlungen.441 Die Übernahme des Begriffs der „Leistung von Zahlungen“ indiziert die grundsätzlich unproblematische Ausgestaltung dieses Begriffs. Der Austausch von dem Begriff „Gegenstände“ mit dem Begriff „Vermögenswerte“ zeugt von der Tendenz des Unionsgesetzgebers, nicht nur die Übergabe von (körperlichen) Gegenständen, sondern auch sonstige Rechte unter den Gutglaubensschutz zu stellen.442 (4) Ergebnis Die Leistung von Zahlungen und die Übergabe von Vermögenswerten bilden insbesondere in teleologischer Hinsicht mit Recht einen großen Anwendungsbereich, in dessen Rahmen eine Person an den Zeugnisinhaber mit befreiender Wirkung leisten kann. Auch die historische und genetische Auslegung deuten auf ein weites Begriffsverständnis hin. In den Genuss der Befreiungswirkung zu kommen, ist für viele Nachlassschuldner von wesentlicher Bedeutung, um einer doppelten Inanspruchnahme zu entgehen. In internationalen Sachverhalten mag die Gewissheit, befreiend geleistet zu haben, von besonderer Relevanz sein. Andernfalls muss es für den Leistenden nicht unbedingt vorhersehbar sein, nach welchem Recht er das Geleistete vom Empfänger zurückfordern kann. Die Durchsetzung des Rückforderungsanspruchs könnte daher mit Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten behaftet sein. dd) Gutglaubensschutz für Verfügungen durch Rechtsnachfolger des Zeugniserben Inwieweit der Rechtsnachfolger eines Zeugniserben über einen Nachlassgegenstand verfügen kann, so dass ein späterer Erwerber nach Art.  69 Abs.  4 EuErbVO gutgläubig erwerben kann, lässt die EuErbVO offen. Der Wortlaut ist recht eindeutig: Nach diesem wird Gutglaubensschutz nur für solche Rechtsgeschäfte vermittelt, die zwischen einem durch das Zeugnis Legitimierten (Zeugniserben) und einem Dritten abgeschlossen wurden. Ferner ist nach hiesiger Auffassung von einem konkreten Gutglaubensschutz des Zeugnisses auszugehen.443 Dann 441  In der englischen Fassung des Kommissionsentwurfs heißt es – ohne wesentlichen Unterschied zur Fassung der EuErbVO – „pays“ bzw. „passes on property“. 442  Indes ist die englische Sprachfassung hier unverändert geblieben („passes on property“). 443  Siehe unten im 3. Kap., B., II., 3., e), aa), S.  140 ff.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

aber kann Gutglaubensschutz nach Art.  69 Abs.  4 EuErbVO nur eintreten, wenn der Erbe des Zeugniserben selbst ein Zeugnis, das ihn als Rechtsnachfolger des Zeugniserben ausweist, besitzt und der Dritte von diesem Zeugnis Kenntnis hat. Es wäre fragwürdig, die Verfügungsbefugnis eines Rechtsnachfolgers des Zeugniserben über den betreffenden Nachlassgegenstand zu fingieren, wenn ggf. der Erbfall des Zeugniserben keinen internationalen Bezug aufweist. Der Zweck des Zeugnisses ist dann nicht betroffen. Der Erbe kann ein Zeugnis nicht beantragen, wenn er eine Verwendungsabsicht in einem anderen Mitgliedstaat nicht nachweisen kann, z.B. weil der jetzige Erblasser (der Zeugnisinhaber) anders als der „ursprüngliche“ Erblasser kein Vermögen im Ausland hat.444 Dass gewissermaßen rein zufällig der erste Erbfall eine internationale Dimension hat, die es ermöglicht, dass der nunmehr verstorbene Zeugniserbe ein Zeugnis beantragen konnte, kann für die darauffolgenden Erbfolgen nicht „ewig“ den internationalen Charakter des Erbfalls begründen und mithin den Zugang zum Zeugnis eröffnen. Wenn der Rechtsnachfolger des Zeugniserben demnach den Gutglaubensschutz des Zeugnisses in Anspruch nehmen will, muss er selbst für sich ein Zeugnis beantragen, wofür er insbesondere die Verwendungsabsicht in einem anderen Mitgliedstaat nachzuweisen hat. d) Umfang der Gutglaubenswirkung aa) Kreis der legitimierten Personen Die Gutglaubenswirkung knüpft ausweislich des Wortlauts an die Person, die in dem Zeugnis als zur Verfügung über Nachlassvermögen berechtigt bezeichnet wird. Das können Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter sein. Die Personen müssen jeweils nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbaren Recht grundsätzlich verfügungsberechtigt bzw. empfangszuständig sein können. 445 Speziell beim Vermächtnisnehmer ist darauf hinzuweisen, dass nur der 444  Vgl. Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  29, der dies als Problem des nachfolgenden Erwerbs in einer Titelkette beschreibt und auf ErwG 71 S.  7 hinweist, wonach die Verordnung nicht regeln sollte, ob der Erwerb von Vermögen durch eine dritte Person wirksam ist oder nicht. Indes soll dieser Erwägungsgrund lediglich klarstellen, dass Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO die erbrechtliche Rechtsstellung fingiert und keinen Erwerbstatbestand darstellt. Dass der Unionsgesetzgeber zwischen dem originären Erwerber und einer Person, die vom Erwerber erwirbt, in diesem Erwägungsgrund differenzieren wollte, ist nicht ersichtlich. Eine restriktive Handhabung des Art.  69 Abs.  4 EuErbVO befürwortend Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  208. 445  BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  29; Omlor, GPR 2014, 216 (220); Dutta, FamRZ 2013, 4 (15); Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  300; vgl. auch ErwG 47.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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dingliche Vermächtnisnehmer (Vindikationslegatar) mit dem Erbfall einen dinglichen Anspruch gegen den Erben auf Herausgabe des vermachten Nachlassgegenstandes hat und dadurch verfügungsberechtigt sein kann.446 Bei einem anwendbaren Erbstatut, das Vermächtnisnehmern lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch (Damnationslegat) auf den vermachten Nachlassgegenstand gewährt, sind Vermächtnisnehmer niemals verfügungsberechtigt, bevor der vermachte Nachlassgegenstand ihnen übereignet wurde; dann bedürfen sie aber schon nicht mehr der Gutglaubenswirkung, da sie als nunmehr tatsächlich Berechtigte nach den Regeln über den Erwerb vom Berechtigten verfügen. Ohnehin fehlen Damnationslegataren die Antragsberechtigung für die Ausstellung eines Zeugnisses, so dass das Problem praktisch nicht auftauchen wird.447 Ein Pflichtteilsberechtigter, dem ein Noterbrecht am Nachlass zukommt, kann ebenso unter Gutglaubensschutz handeln.448 bb) Keine Verfügungsbeschränkungen oder sonstigen Beschränkungen Weist das Zeugnis eine Verfügungsbeschränkung oder eine sonstige Beschränkung aus, die sich auf die Wirksamkeit der jeweiligen Verfügung oder Leistung auswirkt, ist der Gutglaubensschutz in dem Umfang der Beschränkungen begrenzt.449 Ist beispielsweise einem Testamentsvollstrecker durch Verfügung von Todes wegen verboten worden, über bestimmte Nachlassgegenstände zu verfügen, kann ein gutgläubiger Dritter diese niemals erwerben. cc) Rechte und Befugnisse nach dem Erbstatut Für Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter sieht Art.  68 lit.  o EuErbVO ausdrücklich vor, dass das Zeugnis deren Befugnisse ausweist. Eine solche Vorschrift für Erben und Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass fehlt; indes folgt mittelbar aus der Angabe des Erbstatuts gemäß Art.  68 lit.  i EuErbVO im Zeugnis die Reichweite ihrer Verfügungszuständigkeit.450 Dem Erbstatut nach Art.  21, 22 EuErbVO unterfallen gemäß Art.  23 Abs.  2 lit.  f EuErbVO u.a. die Rechte der Erben und Vermächtnisnehmer vor allem im Hinblick auf die Veräußerung von Vermögen. Aus dem anwendbaren Recht ergibt 446 

Vgl. Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  18. Vgl. zur Antragsberechtigung von Vermächtnisnehmern i.S.d. Art.  63 Abs.  1 EuErbVO unten im 4. Kap., B., III., 2., c), S.  346. 448  Vgl. zur Zuordnung von Pflichtteilsberechtigten als Erben i.S.d. Art.  63 Abs.  1 EuErbVO unten im 4. Kap., B., III., 2., f), S.  348 f. 449  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  18. 450  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  16; Geimer/Schütze/Dorsel, Art.  69 ­EuErbVO Rn.  24. 447 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

sich beispielsweise bei Vorliegen einer Miterbengemeinschaft, ob ein Miterbe zur Verfügung allein berechtigt war oder die Zustimmung der anderen Miterben bedurfte.451 Andererseits kann etwa ein Vermächtnisnehmer nach deutschem Recht nicht über Nachlassgegenstände verfügen oder Leistungen entgegennehmen.452 Ein geschäftskundiger Dritter wird anhand dieser Angabe die gesetzlichen Normen der betreffenden Rechtsordnung untersuchen oder durch Hinzuziehung professionellen Rates untersuchen lassen. Er darf sich hierbei auf die Angabe verlassen. Geschützt wird also der gute Glaube an das Erbstatut, genauer an die sich aus diesem ergebene Verfügungsbefugnis oder sonstige Berechtigung. Irrelevant ist damit, ob die Ausstellungsbehörde irrtümlicherweise dem Zeugnis ein falsches anwendbares Recht zugrunde gelegt hat. Es besteht zwar eine Diskrepanz, ob sich die Befugnisse und Beschränkungen aus dem anwendbaren Recht, das der wahren Rechtslage entspricht, oder aus dem im Zeugnis bezeugten falschen anwendbaren Recht ergeben. Da der gute Glaube an das Zeugnis gekoppelt ist und dieses die Basis für das Vertrauen Dritter bildet, muss sich um des Verkehrsschutzes willen das falsche Erbstatut gegenüber der wahren Rechtslage durchsetzen.453 Rechtsunsicherheit würde entstehen, wenn der Rechtsverkehr mit einem Erbstatut konfrontiert wird, das nicht aus dem Zeugnis ersichtlich wird und je nach Einzelfall die Befugnisse und Beschränkungen ganz unterschiedlich ausgestalten mag. Dagegen lässt sich einwenden, dass das falsch ausgewiesene Erbstatut zu untragbaren Ergebnissen führen kann, wenn dieses Recht beispielsweise einem Testamentsvollstrecker schwächere Befugnisse einräumt als das in Wirklichkeit anzuwendende Recht. Daran zeigt sich erneut das grundsätzliche Spannungsverhältnis zwischen dem Verkehrsschutz und dem Schutz des wahren Berechtigten, das in diesem Fall zugunsten des Rechtsverkehrs aufzulösen ist. Perspektivisch ist die Ausstellungsbehörde dazu angehalten, das Zeugnis mittels Änderung gemäß Art.  71 Abs.  2 EuErbVO mit dem richtigen Erbstatut zu versehen. e) Subjektive Voraussetzungen Dem Dritten ist der Gutglaubensschutz bei Unredlichkeit zu versagen: Sowohl beim Erwerber- als auch beim Schuldnerschutz schaden positive Kenntnis und grob fahrlässige Unkenntnis von der Unrichtigkeit des Inhalts des Zeugnisses 451 

Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  18; vgl. im deutschen Recht §  2040 BGB als Beispiel für die gemeinsame Verfügungszuständigkeit der Miterben. 452  Geimer/Schütze/Dorsel, Art.  69 EuErbVO Rn.  25. 453  NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  15; MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  19; Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  18; Möller, Das Europäische Nachlasszeugnis im System des Gutglaubensschutzes, S.  211.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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(Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO). Das Bedürfnis nach dem Ausschluss unredlicher Dritter vom Gutglaubensschutz ist in internationalen Sachverhalten nicht anders einzustufen als in nationalen Sachverhalten. Dass das Zeugnis auch im Ausstellungsstaat seine Wirkungen entfaltet, bestätigt einmal mehr das gleichläufige Interessengeflecht auf nationaler und internationaler Ebene. An den Veräußerer bzw. Empfänger sind keine subjektiven Anforderungen zu stellen, da die Unredlichkeitsvoraussetzungen in Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO sich nur auf den Dritten beziehen. Die subjektive Einstellung kann den durch das Zeugnis geschaffenen Rechtsscheinstatbestand nicht zulasten des Dritten beseitigen, weil es für diesen nicht erkennbar ist, was der Veräußerer bzw. Empfänger beim Abschluss des Rechtsgeschäfts gedacht hat. Weiß der Dritte ausnahmsweise von der inneren Einstellung des anderen bezüglich der inhaltlichen Unrichtigkeit des Zeugnisses, liegt in aller Regel bereits Bösgläubigkeit beim Dritten vor. Ob der Abschluss eines Rechtsgeschäfts trotz Kenntnis des Nichtbestehens des Erb­ rechts oder einer sonstigen Berechtigung für den Veräußerer bzw. Empfänger rechtliche Folgen nach sich zieht, entscheidet das auf die Ausgleichsansprüche des wahren Erben anwendbare Recht.454 Für den Eintritt des Gutglaubensschutzes ist es darüber hinaus unbeachtlich, ob der wahre Berechtigte den Rechtsschein in irgendeiner Weise veranlasst hat. Dies ergibt sich ebenfalls aus dem Wortlaut des Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO, wonach die Gutglaubenswirkung von einem zurechenbaren Verhalten des wahren Berechtigten nicht abhängig ist. Es ist somit irrelevant, ob der wahre Erbe im Ausstellungsverfahren, obwohl ihm rechtliches Gehör gewährt worden ist, durch das Nichtvorbringen von entscheidungserheblichen Einwänden zu dem materiellrechtlich unrichtigen Inhalt des Zeugnisses beigetragen hat, oder ob er von dem Erbfall keine Kenntnis hatte und somit ganz unverschuldet nicht in das Verfahren einbezogen werden konnte.455 Ein Zurechnungserfordernis zum wahren Berechtigten für den Rechtsschein würde die Effektivität des Zeugnisses erheblich reduzieren, denn der wahre Berechtigte begründet faktisch nie den Rechtsschein. Entweder trägt der wahre Berechtigte im Verfahren alles vor, was sein Erbrecht begründet, und ihm wird dennoch nicht sein Erbrecht bescheinigt, oder er konnte sich nicht am Verfahren beteiligen beispielsweise aus dem Grund, dass zum Zeitpunkt des Verfahrens die ihn zur Erbfolge berufene Verfügung von Todes wegen etwa noch nicht aufgefunden wurde. In beiden Konstellationen ist eine Zurechnung zu versagen: in der ersteren, weil die Ausstellungsbehörde allein die Verantwortung für den gesetzten Rechtsschein übernimmt, und in der letzteren, weil der wahre Berechtigte nicht selbst einmal wusste, dass er der wahre Berechtigte ist. Eine Zurechnung ist 454  455 

Vgl. auch unten im 3. Kap., B., II., 3., h), S.  158 ff. Omlor, GPR 2014, 216 (218).

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

damit sehr selten. Der Wirkungsbereich des Zeugnisses würde im Ergebnis bei einem Zurechnungserfordernis zu sehr begrenzt. aa) Abstrakter oder konkreter Gutglaubensschutz? Auch im europäischen Gutglaubensschutz ist zu untersuchen, ob das Zeugnis abstrakten oder konkreten Gutglaubensschutz vermittelt. Die Art des Gutglaubensschutzes wirkt sich wesentlich auf das Durchsetzungspotential des Zeugnisses im Rechtsverkehr aus. Sollte ein konkreter Gutglaubensschutz zu bejahen sein, ergibt sich eine weitere Hürde für den Rechtsverkehr, in den Genuss des Gutglaubensschutzes zu kommen. (1) Grammatikalische Auslegung Der Wortlaut („auf der Grundlage der in dem Zeugnis enthaltenen Angaben“456) deutet auf einen konkreten Gutglaubensschutz hin. Er könnte dahingehend verstanden werden, dass der Dritte Einsicht in das Zeugnis zu nehmen hat bzw. sich mit dem Inhalt des Zeugnisses vertraut machen muss, um von den jeweiligen Informationen Kenntnis zu erhalten, die den Gutglaubensschutz vermitteln.457 Die sinnliche Wahrnehmung des Zeugnisses bei der Ausstellungsbehörde bzw. einer beglaubigten Abschrift durch den Dritten soll demnach erforderlich sein.458 Denn wer das Zeugnis in den Blick genommen hat, kann im Rahmen des Art.  69 Abs.  3 EuErbVO auf der Grundlage der in dem Zeugnis enthaltenen Angaben an eine Person eine Zahlung leisten oder Vermögenswerte übergeben bzw. im Rahmen des Art.  69 Abs.  4 EuErbVO handeln.459 Ein Recht auf Einsicht in die Urschrift bei der Ausstellungsbehörde ist der EuErbVO unbekannt und wäre auch in vielen Fällen nutzlos, wenn man bedenkt, dass das Zeugnis primär in anderen Mitgliedstaaten als im Ausstellungsstaat verwendet wird und Dritte demnach womöglich eine lange Strecke zurücklegen müssten, um zur Ausstellungsbehörde zu gelangen.460 Ein solches Einsichtsrecht ergibt sich auch nicht aus ErwG 72 S.  3, wonach die Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren innerstaatlichen Regelungen über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten gestatten sollen, dass Abschriften des Zeugnisses der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden. Der Unionsgesetzgeber betont hier die Wichtigkeit, dass Behörden und vor allem 456  Engl.: „on the basis of the information certified in a Certificate“, frz.: „sur la base des informations certifiées dans un certificate“. 457  So im Ergebnis Lange, DNotZ 2012, 168 (177); Herzog, ErbR 2013, 2 (13). 458  Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch/Köhler, Internationales Erbrecht, §  7 Rn.  21. 459  A.A. MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  25, der daran zweifelt, ob dem Wortlaut die Kenntnis von der Existenz eines Zeugnisses entnommen werden kann. 460  So konkludent jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  24.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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Private über den Inhalt von beglaubigten Abschriften des Zeugnisses Kenntnis erhalten, damit diese mit dem entsprechenden Wissen mit den Nachlassbeteiligten interagieren können, statuiert jedoch kein Einsichtsrecht. Dennoch lässt sich der Ratio des ErwG 72 S.  3 entnehmen, dass der Rechtsverkehr grundsätzlich über den Inhalt der beglaubigten Abschriften des Zeugnisses informiert sein soll. Dies spricht für einen konkreten Gutglaubensschutz. Vielfach wird deshalb ein konkreter Gutglaubensschutz angenommen.461 Dabei wird zu Recht nicht stets die Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Zeugnisses verlangt462, sondern es genüge für den konkreten Gutglaubensschutz, dass der Dritte Kenntnis vom Zeugnis bzw. von der beglaubigten Abschrift mit gültiger Geltungsdauer hat und aufgrund dessen handelt.463 Ihm muss der Inhalt lediglich bekannt sein. Dies stellt eine abgeschwächte Form des konkreten Gutglaubensschutzes dar. Die Kenntnis muss auch tatsächlich erlangt werden. Keinen Gutglaubensschutz bewirke z.B. eine Kenntniserlangung durch das Vertrauen auf unzutreffende Angaben des vermeintlichen Erben, die der Dritte mündlich von diesem erhält.464 Unerheblich ist, an welchem Ort der Dritte Kenntnis vom Inhalt erlangt hat. Mithin kann ein gutgläubiger Erwerb auch dann stattfinden, wenn der Dritte in einem Drittstaat die Kenntnis erlangt und später in einem Mitgliedstaat rechtsgeschäftlich mit dem Zeugnisinhaber interagiert.465 Denn der Ort – Mitgliedstaat oder Drittstaat – der Kenntniserlangung macht keinen Unterschied bei der Beurteilung, ob der Dritte schutzwürdig ist. Hierfür ist lediglich erforderlich, dass der Dritte überhaupt (irgendwann und irgendwo) Kenntnis vom Inhalt des Zeugnisses bzw. der beglaubigten Abschrift erlangt. Eine einmal erlangte Kenntnis vom Inhalt der beglaubigten Abschrift ermöglicht die Inanspruchnahme der Gutglaubenswirkung bei weiteren, nachfolgenden Rechtsgeschäften mit dem Zeugnisinhaber. 461  MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  25; Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck, Erbrecht, Art.  69 EuErbVO Rn.  1; Herzog, ErbR 2013, 2 (13); Volmer, ZErb 2012, 227 (233); Buschbaum/Simon, NJW 2012, 2393 (2397 f.); Omlor, GPR 2014, 216 (218 f.); Schauer, EF-Z 2012, 245 (250). 462  So aber jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  28; Gierl/Köhler/Kroiß/ Wilsch/Köhler, Internationales Erbrecht, §  7 Rn.  21; Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  415; Schauer/Scheuba/Schauer, Europäische Erb­ rechts­verordnung, 73 (94); Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  202; Neumayr, AnwBl 2016, 262 (263). 463  NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  7; Jauernig/Stürner, Anm. zu Art.  62–73 ­EuErbVO Rn.  6; Volmer, notar 2016, 323 (328 f.); Schmidt, ZEV 2014, 389 (393); Möller, Das Europäische Nachlasszeugnis im System des Gutglaubensschutzes, S.  208. 464  Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (387 f.). 465  Vgl. für den strengen konkreten Gutglaubensschutz, der die Einsicht in die beglaubigte Abschrift verlangt, Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  307.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

(2) Systematische Auslegung In unmittelbarer Nähe des Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO befinden sich keine Normen, aus denen Rückschlüsse auf die Abstraktheit oder Konkretheit des Gutglaubensschutzes gezogen werden können. Indessen scheint nach ErwG 71 S.  6 ein konkreter Gutglaubensschutz in Form der Vorlage der beglaubigten Abschrift gefordert zu sein. Demnach „[sollte der Schutz] gewährleistet werden, wenn noch gültige beglaubigte Abschriften vorgelegt werden.“466 Die Bedeutung dieses Erwägungsgrundes wird unterschiedlich eingestuft. Auf den ersten Blick liegt die Vermutung nahe, dass eine beglaubigte Abschrift vorgelegt werden muss, damit der Gutglaubensschutz eintritt. Ob dies tatsächlich so gemeint ist, ist fragwürdig. Zunächst liege hier ein bloßer Erwägungsgrund vor.467 Der Zweck des Erwägungsgrundes bestehe hauptsächlich darin klarzustellen, dass gültige beglaubigte Abschriften die Wirkungen entfalten und somit Rechtsscheinsträger sind468, da das Zeugnis sich durch die Besonderheit der beschränkten Gültigkeitsdauer auszeichnet. Infolgedessen sei die Wortwahl mit dem Ausdruck „vorgelegt“ missglückt469; beispielsweise würde die Ersetzung mit dem Ausdruck „vorhanden sind“470 den Zweck ebenso gut widerspiegeln und das Missverständnis würde vermieden. Außerdem lässt sich der Erwägungsgrund auch so verstehen, dass jedenfalls mit Vorlage der beglaubigten Abschrift der Gutglaubensschutz eintritt und deshalb die Vorlage eine Art gesetzliches Regelbeispiel für ein Handeln auf Grundlage des Zeugnisses bildet.471 Daraus im Umkehrschluss zu schließen, dass ohne Vorlage der beglaubigten Abschrift der Gutglaubensschutz versagt wird, vermag der Erwägungsgrund nicht zu bieten.472 Erwägungsgründe sollen im Allgemeinen die Motive des Gesetzgebers auf unmissverständlicher Weise verdeutlichen. Ein argumentum e contrario aus ihnen zu ziehen, sollte aufgrund ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit unterbleiben. Schließlich lässt sich noch ein systematisches Argument für die Bedeutung von ErwG 71 S.  6 anführen. Die unmittelbar davorstehenden S.  4, 5 des ErwG 71 sprechen den Schuldner- und Erwerberschutz an und dort ist systematisch die Frage nach der Art des 466 

Engl.: „The protection should be ensured if certified copies which are still valid are presented.“; frz.: „La protection devrait être assurée si des copies certifiées conformes toujours valables sont présentées.“ 467  Schmidt, ZEV 2014, 389 (393). 468  Schmidt, ZEV 2014, 389 (393). 469  Schmidt, ZEV 2014, 389 (393). 470  Im Englischen wäre der Ausdruck „exist“, im Französischen der Ausdruck „existent“ denkbar. 471  So Omlor, GPR 2014, 216 (219). 472  Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  305; Omlor, GPR 2014, 216 (219).

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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Gutglaubensschutzes zu verorten. Der davon abgetrennte ErwG 71 S.  6 fokussiert sich auf die Gültigkeitsdauer der beglaubigten Abschriften, mithin auf den Zeitraum, in dem die Wirkungen sich überhaupt entfalten können, und nicht auf die Abstraktheit oder Konkretheit des Gutglaubensschutzes. (3) Historische und genetische Auslegung Im Kommissionsvorschlag zur EuErbVO473 ist in Art.  42 Abs.  3, Abs.  4 vom „Inhaber eines Nachlasszeugnisses“ die Rede, an den eine Person Zahlungen geleistet hat oder von dem sie Nachlassgüter erworben hat. Die Anknüpfung an die Inhaberschaft kann in zwei Richtungen interpretiert werden: Zum einen kann aus ihr ein Vorlageerfordernis zulasten Dritter gefolgert werden, die den Gutglaubensschutz nur beanspruchen können, wenn ihnen das Zeugnis bei Abschluss des Rechtsgeschäfts vorgezeigt wird.474 Wer nämlich Inhaber eines Zeugnisses ist, kann dies nur durch Vorlage der beglaubigten Abschrift des Zeugnisses konkret „beweisen“. Hiernach ist die Inhaberschaft aus Sicht des Dritten zu beurteilen. Zum anderen lässt sich „Inhaberschaft“ so deuten, dass auf die Person des Berechtigten abgestellt wird. Danach ist nur von Bedeutung, ob der Dritte an denjenigen geleistet oder von demjenigen erworben hat, der tatsächlich auch im Zeugnis als Berechtigter bezeichnet wird.475 Eine Vorlage der beglaubigten Abschrift des Zeugnisses bedarf es nicht, solange nur gewährleistet ist, dass dem Veräußerer bzw. Empfänger im Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts ein Zeugnis erteilt worden ist. Die zweite Ansicht vermag nicht zu überzeugen. Nach dem Grundkonzept der EuErbVO entfalten nur die im Rechtsverkehr zirkulierenden beglaubigten Abschriften des Zeugnisses Gutglaubenswirkung. Wurden aber noch keine beglaubigten Abschriften ausgestellt, würde nach der zweiten Ansicht dennoch Gutglaubensschutz zugunsten eines Dritten, der mit dem im Zeugnis ausgewiesenen Berechtigten kontrahiert, bestehen. Ferner handelt es sich um ein Totschlagargument: Selbstverständlich ist der Dritte, der an eine Person, die tatsächlich durch das Zeugnis legitimiert ist, leistet oder von dieser erwirbt, durch den Gutglaubensschutz zu schützen. Es geht hier aber um die Frage, ob hierfür zusätzlich die Vorlage der beglaubigten Abschrift bei dem Dritten erforderlich ist. Wenn die zweite Ansicht nur an den Berechtigten anknüpft, blendet sie aus, dass der abstrakte oder konkrete Gutglaubensschutz nach der Schutzbedürftigkeit des Dritten im konkreten rechtsgeschäftlichen Vorgang fragt. Daher scheint von den beiden Auffassungen die erste vorzugswürdiger zu sein. 473 

KOM (2009) 154, endg., 2009/0157. Lange, DNotZ 2012, 168 (177); Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 162 (168). 475  MPI, RabelsZ 74 (2010), 522 (698). 474 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Im Ergebnis hat der Begriff der Inhaberschaft sich nicht im endgültigen Verordnungstext niedergeschlagen. Aus der bewussten Streichung wird ein Argument für den vom Unionsgesetzgeber intendierten abstrakten Gutglaubensschutz gesehen.476 Dies ist zunächst einleuchtend, da daran die Entwicklung des Willens des Unionsgesetzgebers sehr gut nachgezeichnet wird. Zwingend ist ein Schluss auf einen abstrakten Gutglaubensschutz jedoch nicht. Eine Interpretation ist auch derart denkbar, dass der Unionsgesetzgeber die Inhaberschaft mit dem Ausdruck „auf der Grundlage der in dem Zeugnis enthaltenen Angaben“ ersetzt hat, der nach der Wortlautanalyse einen konkreten Gutglaubensschutz beinhaltet. (4) Teleologische Auslegung Sinn und Zweck von Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO ist die Erleichterung der internationalen Nachlassabwicklung zugunsten des Rechtsverkehrs durch Eröffnung eines Gutglaubensschutzes. Ob damit ein Vorlageerfordernis einhergeht, ist abhängig davon, wie die EuErbVO die Reichweite des Verkehrsschutzes einstuft. Es handelt sich um eine allgemeine Vorfrage, die dem Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO vorausgeht und im Gesamtzusammenhang der Wirkungskonzeption des Zeugnisses beantwortet werden muss. Wer den Rechtsverkehr für schutzwürdiger hält als den wahren Berechtigten, wird eher dem abstrakten Gutglaubensschutz zuneigen. Der konkrete Gutglaubensschutz in Form eines Vorlageerfordernisses wird hingegen in der Praxis die von der Gutglaubenswirkung erfassten Rechtsgeschäfte von Anfang begrenzen und so den praktischen Nutzen des Zeugnisses mindern. Die strengen Anforderungen an die Redlichkeit des Dritten sowie der große Wirkungsort indizieren einen vom Unionsgesetzgeber intendierten besonders behutsamen Umgang mit dem Gutglaubensschutz und den mit ihm einhergehenden Rechtsfolgen. Dementsprechend passt ein konkreter Gutglaubensschutz als im Vergleich zum abstrakten Gutglaubensschutz strengere Form besser in das europäische Konzept des Gutglaubensschutzes. Wer indes dem Zeugnisverfahren als staatlichem Hoheitsakt ein großes Vertrauen beimisst, könnte einen abstrakten Gutglaubensschutz bejahen – ähnlich wie es für den abstrakten Gutglaubensschutz beim Erbschein als Rechtfertigung herangezogen wird. Jedenfalls sichern die Verfahrensvorschriften in Art.  64 ff. EuErbVO i.V.m. der lex fori eine hohe Richtigkeitsgewähr für den Inhalt des Zeugnisses.477

476  Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525 (528); den abstrakten Gutglaubensschutz bejahend MPI, RabelsZ 74 (2010), 522 (698); Lange, Erbrecht, §  79 III 3, S.  822; Geimer/Schütze/Dorsel, Art.  69 EuErbVO Rn.  38. 477  Vgl. hierzu ausführlich oben im 3. Kap., A., II., S.  46 ff.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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Schließlich liefert die Existenz der Gültigkeitsfrist der beglaubigten Abschriften einen Hinweis auf einen konkreten Gutglaubensschutz. Da die Gültigkeitsfrist nur auf den beglaubigten Abschriften und nicht auf dem Zeugnis, das die Ausstellungsbehörde aufbewahrt, zu finden ist, würde sie unterlaufen, wenn der Gutglaubensschutz ohne Kenntnis des Dritten vom Inhalt der beglaubigten Abschrift eintritt.478 Ein abstrakter Gutglaubensschutz würde der Gültigkeitsfrist ihrer Zwecksetzung berauben. Hiernach würde die bloße Ausstellung des Zeugnisses und der beglaubigten Abschrift den Gutglaubensschutz eröffnen. Die Gültigkeitsfrist soll aber denjenigen, gegenüber dem die beglaubigte Abschrift verwendet wird, darüber informieren, ob die Wirkungen noch eintreten können, was zwingend zumindest die Kenntnis vom Inhalt der beglaubigten Abschrift erfordert; sie hat deshalb eine Warnfunktion, die bei einem abstrakten Gutglaubensschutz nutzlos wäre.479 (5) Ergebnis Die Ergebnisse nach den Auslegungsmethoden sprechen überwiegend für einen konkreten Gutglaubensschutz. Dieser ist in seiner abgeschwächten Form vorzugswürdig. Mit der Kenntnis des Dritten vom Zeugnis bzw. von den beglaubigten Abschriften wird gewährleistet, dass der umfassende Gutglaubensschutz nur denjenigen zugutekommt, die über die Existenz des Zeugnisses Bescheid wissen und aufgrund dessen Vertrauen aufbauen und mit dem Zeugnisinhaber rechtsgeschäftlich agieren. Da es in einem etwaigen Prozess auf die Kenntnis des Zeugnisses bzw. der beglaubigten Abschrift entscheidend ankommen kann, sollten Dritte, die sicher in den Genuss der Gutglaubenswirkung kommen wollen, ihre Kenntnis dokumentieren.480 Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass, solange der EuGH über diese Auslegungsfrage nicht entschieden hat, wegen der Unsicherheit Dritte bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts auf die Vorlage beglaubigter Abschriften bestehen sollten, um sicher in den Genuss des Gutglaubensschutzes zu kommen.481 Unstreitig ist, dass mit der Vorlage einer beglaubigten Abschrift der Gutglaubensschutz ohne weiteres eintritt. Eine stärkere Form, an die die Entfaltung von Gutglaubensschutz geknüpft werden kann, existiert nicht. Umgekehrt ist es auch im Interesse des Verwenders des Zeugnisses, sich durch die beglaubigte Abschrift zu legitimieren und auf diese Weise Vertrauen zu seinem Vertragspartner aufzubauen. So wird von Anfang an mit „offenen Karten“ geVolmer, Rpfleger 2013, 421 (431). Geimer/Schütze/Dorsel, Art.  69 EuErbVO Rn.  35. 480  MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  25. 481  Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  306. 478  479 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

spielt. Der Verwender muss sich nicht später mit der Enttäuschung oder dem Ärger seines Vertragspartners herumschlagen, wenn der Gutglaubensschutz diesem nicht zukommt. bb) Erforderlichkeit der Kenntnis des Nachlasscharakters des Rechtsgeschäfts? Anknüpfend an die Art des Gutglaubensschutzes stellt sich die Frage, ob der Dritte bei dem Erwerb Kenntnis von der veräußerten Sache als Nachlassgegenstand haben muss. Nach der hier vertretenen Auffassung kann nur eine Antwort folgerichtig sein: Wenn der Dritte zumindest Kenntnis vom Inhalt des Zeugnisses oder einer beglaubigten Abschrift haben muss, damit der Gutglaubensschutz eintritt, weiß der Dritte regelmäßig, dass das Rechtsgeschäft einen Nachlassbezug hat, es sich bei der konkreten Sache um einen Nachlassgegenstand (oder ­einen sonstigen Vermögenswert aus dem Nachlass) handelt und der Zeugnisinhaber als Berechtigter handelt (denkbar, aber vermutlich selten erscheint indessen, dass der Dritte trotz dieser Kenntnis davon ausgeht, dass das betreffende Rechtsgeschäft keinen Nachlassbezug hat, oder dass der Dritte lediglich an die Eigentümerstellung des Zeugnisinhabers glaubt und nicht an dessen Erbrecht). Dann ist auch das höchste Erfordernis an einer subjektiven Beziehung des Dritten zum Nachlassgegenstand erfüllt, weshalb es eines Streitentscheids hinsichtlich der Ausgestaltung der subjektiven Beziehung nicht bedarf. Wenn man einen abstrakten Gutglaubensschutz befürwortet, sollte dennoch eine subjektive Beziehung beim Dritten zu verlangen sein. Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO will nur einen redlichen Dritten schützen, der an einen Zeugnisinhaber leisten oder von diesem erwerben will. Hierauf deutet der Wortlaut („auf der Grundlage der in dem Zeugnis enthaltenen Angaben einer Person Zahlungen leistet oder Vermögenswerte übergibt“ bzw. „auf der Grundlage der in dem Zeugnis enthaltenen Angaben handelt“) hin, so dass der Dritte das Bewusstsein über den nachlassbezogenen Charakter des Rechtsgeschäfts haben muss. Wie soeben erörtert, entfällt dementsprechend sowohl bei Befürwortung des konkreten Gutglaubensschutzes als auch des abstrakten Gutglaubensschutzes der Gutglaubensschutz, wenn dem Dritten die Kenntnis des Nachlassbezugs des Rechtsgeschäfts fehlt oder er gar nicht auf das Erbrecht vertraut, sondern z.B. an die Eigentümerstellung. Ist dies der Fall, ist für die Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs die lex rei sitae zu befragen. cc) Bösgläubigkeit Die Bösgläubigkeit des Dritten als Ausschlusskriterium für den Eintritt des Gutglaubensschutzes ist auch auf europäischer Ebene unabdingbar. Insofern muss erneut vergegenwärtigt werden, dass der europäische Gutglaubensschutz sich im

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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Grunde genommen nicht von der Dogmatik nationaler Gutglaubenstatbestände unterscheidet. (1) Inhaltliche Unrichtigkeit des Europäischen Nachlasszeugnisses Der Funktion des Zeugnisses entsprechend, eine erbrechtliche Stellung nachzuweisen, ist das Zeugnis inhaltlich unrichtig, wenn es einen Leistungsempfänger (Art.  69 Abs.  3 EuErbVO) oder einen Verfügenden (Art.  69 Abs.  4 EuErbVO) entgegen der wahren Rechtslage als Inhaber einer bestimmten Rechtsposition legitimiert.482 Dabei kann die Rechtsposition a priori einer ganz anderen Person zustehen, typischerweise weil im Zeugnis ein falscher Erbe ausgewiesen wird, oder der im Zeugnis bezeichnete Umfang der Befugnisse ist unrichtig, etwa die Reichweite der Verfügungsbefugnis eines Testamentsvollstreckers. Zur inhaltlichen Unrichtigkeit kann es aus diversen Gründen kommen. Differenzieren lässt sich die Entstehung der Unrichtigkeit sinnvollerweise nach tatsächlichen und rechtlichen Fehlern. Die Ausstellungsbehörde kann zum einen die Entscheidung auf der Grundlage falscher Tatsachen getroffen haben, die aufgrund unzureichender Tatsachenermittlung herangezogen oder die ihr durch die Anhörung der Beteiligten beigebracht wurden (z.B. Nichtkenntnis der Existenz eines gesetzlichen Erben, so dass die Erbquoten falsch ausgewiesen wurden). Zum anderen kann die Ausstellungsbehörde den erbrechtlichen Lebenssachverhalt rechtlich falsch gewürdigt haben (z.B. Ausweisung eines Erben im Zeugnis, obwohl das Testament, worauf das Erbrecht beruht, durch ein späteres Testament, wovon die Ausstellungsbehörde Kenntnis hatte, wirksam widerrufen wurde). (2) Positive Kenntnis Weiß der Dritte von der inhaltlichen Unrichtigkeit des Zeugnisses, ist er nicht schutzwürdig, weswegen ihm der Gutglaubensschutz versagt wird. Der Dritte muss selbst wissen, dass der Verwender nicht oder nicht vollständig die im Zeugnis bescheinigten Rechtspositionen oder Befugnisse hat.483 Die bloße Kenntnis der Tatsachen, die zur inhaltlichen Unrichtigkeit führen, genügt nicht, wenn der Dritte aus ihnen nicht diesen Schluss zieht.484

482 

MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  24; unpräzise Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  25 („Unrichtigkeit meint, dass die Ausstellungsbehörde bei Anwendung des für sie maßgeblichen Rechts anders hätte entscheiden müssen.“). 483  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  25; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  37. 484  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  25.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Hat der Dritte nicht Kenntnis von der inhaltlichen Unrichtigkeit, jedoch Kenntnis von einem abgeschlossenen485 nachträglichen, wirkungsrelevanten Eingriff seitens der Ausstellungsbehörde, namentlich Änderung und Widerruf des Zeugnisses nach Art.  71 Abs.  2 EuErbVO sowie Aussetzung der Wirkungen des Zeugnisses nach Art.  73 Abs.  1 EuErbVO, ist ihm gleichermaßen der Gutglaubensschutz abzusprechen.486 Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO – insoweit ist §  2366 BGB deutlicher –, ist jedoch nach dem Telos zwingend. Denn Änderung, Widerruf und Aussetzung der Wirkungen sind nur dann vorzunehmen, wenn das Zeugnis inhaltlich unrichtige Angaben enthält. Demzufolge sind die für den Gutglaubensschutz relevanten Angaben betroffen, insbesondere wenn es um die Aufhebung rechtlicher Fehler seitens der Ausstellungsbehörde geht. Dies ist dem Dritten mit Kenntnis des jeweiligen Eingriffs – auch unter Berücksichtigung einer laienhaften Perspektive – bewusst. In der Praxis wird diese Kenntnis in Anbetracht der Tatsache, dass die besagten Verfahren im Ausstellungsstaat geführt werden487 sowie der Dritte potentiell in jedem Mitgliedstaat mit dem Zeugnisinhaber rechtsgeschäftlich handeln kann und deshalb kaum eine Beziehung zum Ausstellungsstaat hat, vermutlich selten erlangt werden. (3) Grob fahrlässige Unkenntnis Der Gutglaubensschutz ist neben der positiven Kenntnis auch bei grob fahrlässiger Unkenntnis488 von der inhaltlichen Unrichtigkeit des Zeugnisses ausgeschlossen. Im Kommissionsvorschlag war lediglich die Schädlichkeit positiver Kenntnis vorgesehen.489 Doch hielt die Mehrheit im Rat den Gutglaubensschutz letztlich als zu weitgehend und verschärfte die Anforderungen an ihn, konstatierte aber dennoch, dass hierdurch immer noch ein angemessener Schutz gewähr485  Anders

ist dies zu beurteilen, wenn die Änderung, der Widerruf oder die Aussetzung derzeit von der Ausstellungsbehörde geprüft werden, also ein Antrag nach Art.  71 Abs.  2 bzw. nach Art.  73 Abs.  1 EuErbVO anhängig ist, und der Dritte dies weiß. Hier hat der Dritte noch keine Anhaltspunkte bezüglich der inhaltlichen Unrichtigkeit des Zeugnisses. Grobe Fahrlässigkeit ist ebenfalls nicht anzunehmen, um der im Grundsatz wirksamkeitsbegünstigenden Auslegung zu entsprechen, so Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (400); vgl. auch NK-BGB/ Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  23; im Ergebnis auch Möller, Das Europäische Nachlasszeugnis im System des Gutglaubensschutzes, S.  215; a.A. Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 ­EuErbVO Rn.  26. 486  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  25; a.A. Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  213. 487  Vgl. unten im 3. Kap., D., III., 3., b), S.  294. 488  Engl.: „gross negligence“; frz.: „négligence grave“. 489  Vgl. Art.  42 Abs.  3, Abs.  4 des KOM (2009) 154, endg., 2009/0157.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

149

leistet würde.490 Diese rechtspolitische Entscheidung ist zu akzeptieren. Ob sie begründet ist, lässt sich durchaus bezweifeln.491 Da bereits das Erfordernis eines konkreten Gutglaubensschutzes von vornherein den Erfolg gutgläubiger Erwerbshandlungen im Vergleich zu einem abstrakten Gutglaubensschutz dämmt, kommt mit der Schädlichkeit grob fahrlässiger Unkenntnis eine weitere beschränkende Komponente hinzu. Zudem setzt die Gültigkeitsfrist eine fixe Grenze für den Gutglaubensschutz. Deshalb erscheint es angezeigt, die Annahme grob fahrlässiger Unkenntnis des Dritten tendenziell restriktiv handzuhaben. Unter welchen Voraussetzungen grobe Fahrlässigkeit angenommen werden kann, entbehrt momentan klarer Linien; dies ist auch darauf zurückzuführen, dass das europäische Recht den Begriff der groben Fahrlässigkeit bisher nicht gekannt hat. Die Auslegung über diesen Begriff muss verordnungsautonom erfolgen.492 Einhellig wird verlangt, hohe Maßstäbe an die Bejahung grober Fahrlässigkeit zu legen, um den vom Zeugnis bezweckten Verkehrsschutz nicht auszuhöhlen.493 Ob dem Dritten Nachforschungspflichten obliegen, deren Nichtbeachtung zu einem grob fahrlässigen Handeln führt, muss grundsätzlich restriktiv beurteilt werden.494 Denn der zu zahlende Preis bei strengen Nachforschungspflichten wäre die Beeinträchtigung der Leichtigkeit des Rechtsverkehrs, der um der sicheren Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts willen die äußeren (erbrechtlichen) Umstände näher beleuchten müsste. Außerdem ist es dem Dritten in aller Regel kaum möglich, mögliche Hinweise zur Unrichtigkeit des Zeugnisses zu entdecken und ihnen nachzugehen, insbesondere wenn zum Scheinerben nur ein loser Kontakt (z.B. über Fernkommunikationsmittel) besteht. Dennoch verbleibt selbstverständlich ein Anwendungsbereich für das Redlichkeitserfordernis. Als Maßgabe für grob fahrlässiges Handeln könnte dienen, ob sich dem Dritten die inhaltliche Unrichtigkeit des Zeugnisses wegen Vorliegens eindeutiger Umstände geradezu aufdrängen muss, so dass letztlich eine „außergewöhnliche Sorglosigkeit“495 festzustellen ist. Beispielsweise ist dies der Fall, wenn der Dritte von Schmidt, ZEV 2014, 389 (393). Kritisch auch im Hinblick auf den Wettbewerb zu den nationalen Erbnachweisen Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, 589 (600). 492  jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  30; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  37; Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (399). 493  NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  23; MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  22; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  15; jurisPK-BGB/ Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  30; Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (399). 494  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  26; grundsätzlich Nachforschungspflichten bejahend Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (401); Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (779). 495  Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  37; ähnlich BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  34. 490  491 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

einer glaubwürdigen Quelle erfahren hat, dass das Zeugnis geändert wurde, der Dritte sich jedoch dieser Erkenntnis verschließt und mit dem Verwender des Zeugnisses ein Rechtsgeschäft abschließt. Grundsätzlich kann überlegenes Wissen des Dritten gegenüber der Ausstellungsbehörde eine Nachforschungspflicht auslösen, wenn der Dritte von Tatsachen weiß, die im Verfahren zur Erteilung des Zeugnisses von der Ausstellungsbehörde nicht in die Entscheidung eingeflossen sind.496 Einschränkend sollte man zur Entlastung des Rechtsverkehrs jedoch fordern, dass jene Tatsachen auch bei einem juristischen Laien zu der Erkenntnis führen müssen, dass das Zeugnis inhaltlich unrichtig ist.497 Zu diesen Tatsachen gehören etwa die Kenntnis des Dritten von der Existenz eines Abkömmlings des ohne Verfügung von Todes wegen verstorbenen Erblassers498 oder auch die Kenntnis von der Ausschlagung eines Erbprätendenten, die der Ausstellungsbehörde verborgen geblieben ist und mit der in aller Regel eine andere Beurteilung der konkreten Erbfolge einhergeht. Wie bereits angedeutet, wird die Mehrheit der Rechtsgeschäfte vermutlich mit solchen Dritten abgeschlossen werden, die keine Berührungspunkte zum Erbfall haben und deshalb jene erbfallsrelevanten Tatsachen und Umstände, die die Unrichtigkeit des Zeugnisses begründen, kaum jemals erfahren werden. Ein weiteres Beispiel, in dem eine Nachforschungspflicht angenommen werden kann, ist die Situation, dass zwischen der Begründung des Rechtsscheins, also der Kenntniserlangung des Dritten vom Inhalt der beglaubigten Abschrift des Zeugnisses, und dem tatsächlichen Abschluss des Rechtsgeschäfts ein längerer Zeitraum liegt, womit die Wahrscheinlichkeit von Änderungen am Zeugnis steigt.499 (4) Praktische Relevanz einer Schutzschrift und sonstiger Handlungen zur Herbeiführung von Bösgläubigkeit beim Dritten Die Schädlichkeit grob fahrlässiger Unkenntnis lässt im weiteren Umfang als z.B. beim Erbschein zu, dass der wahre Berechtigte potentielle Dritte bösgläubig macht. Hat z.B. der wahre Berechtigte Kenntnis von der Unrichtigkeit des Zeugnisses, kann er zuvörderst den Widerruf oder die Änderung des Zeugnisses bei der Ausstellungsbehörde anregen. Es steht ihm aber auch der Weg offen, potentielle Erwerber von Nachlassgegenständen oder Nachlassschuldner durch persönliches, fernmündliches oder schriftliches Herantreten bösgläubig zu machen.500 Indes muss die Unrichtigkeit des Zeugnisses jenen Personen glaubwür496 

Vgl. Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  26. Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  26. 498  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  26. 499  Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (401). 500  Steiner, ZEV 2016, 487 (489). 497 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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dig dargelegt werden, so dass sich der Abschluss des Rechtsgeschäfts in Anbetracht der Schilderung über die wahren Umstände als besonders sorgfaltswidrig erweist. Dann ist der Gutglaubensschutz insgesamt wegen Unredlichkeit zu versagen. Freilich ist es für den wahren Berechtigten praktisch schwierig, die Bösgläubigkeit aller potentiellen Dritten herbeizuführen, denn das Zeugnis kann in jedem Mitgliedstaat verwendet werden. Das bedeutet insbesondere, dass nicht nur das Auffinden der potentiellen Dritten logistisch herausfordernd ist, sondern dass auch bei erfolgreicher Suche sprachliche Barrieren die Kommunikation zwischen dem wahren Berechtigten und dem Dritten derart erschweren können, dass der Dritte trotz persönlichen Kontakts mit dem wahren Berechtigten nicht bösgläubig wird. Der große Wirkungsort des Zeugnisses verknüpft mit der hohen Anzahl von poteniellen Dritten führen mithin in aller Regel zur Erfolglosigkeit der Bemühungen, den Gutglaubensschutz durch Herbeiführung der Unredlichkeit des Dritten zu beseitigen. (5) Aufspaltung der Redlichkeit hinsichtlich verschiedener Umstände im Europäischen Nachlasszeugnis Die Unredlichkeit schadet nur insoweit, als sie für das vom Dritten konkret abgeschlossene Rechtsgeschäft von Bedeutung ist.501 Beansprucht der Dritte den Erwerberschutz gemäß Art.  69 Abs.  4 EuErbVO bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit einem Scheinerben und ist er lediglich unredlich hinsichtlich der Befugnisse eines Testamentsvollstreckers, ist ihm der Gutglaubensschutz nicht zu versagen. Er ist in Bezug auf die Erbenstellung redlich und die Kenntnis der Unrichtigkeit hinsichtlich der Befugnisse des Testamentsvollstreckers für den rechtsgeschäftlichen Erwerb ist irrelevant. Einschränkend wird darauf hingewiesen, dass die Mangelhaftigkeit eines Zeugnisses objektiv so gravierend sein kann, dass auch bei Mängeln nur bezüglich für das konkrete Rechtsgeschäft nicht relevanter Umstände insgesamt das Zeugnis seine Funktion als Gutglaubensträger verlieren kann.502 Es bleibt hierbei äußerst fraglich, wann gravierende Mängel, also die Offensichtlichkeit und Schwere der Unrichtigkeit von Angaben im Zeugnis, anzunehmen sind. Wenn der Dritte von den zahlreichen Mängeln des Zeugnisses keine Kenntnis hat, erscheint es nicht überzeugend, bereits aufgrund jener objektiv gravierenden Mängel den Gutglaubensschutz dem Dritten ohne eine subjektive Beziehung und ohne Relevanz für das konkrete Rechtsgeschäft zu versagen. Das Zeugnis eröffnet grundsätzlich einen Vertrauensschutz. Fehler der Ausstellungsbehörde dürfen Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  15; Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  215. 502  So NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  24. 501 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

daher nicht zulasten des Rechtsverkehrs gehen. An dieser Stelle sind stattdessen die entsprechenden Maßnahmen der Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung zu bemühen, um die Mängel zu beheben und die künftige Inanspruchnahme des Vertrauensschutzes zu unterbinden. (6) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Redlichkeit (a) Verordnungsautonome Lösung Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO schweigt zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Redlichkeit des Dritten. Zu Recht wird darauf hingewiesen, die Frage verordnungsautonom zu lösen und nicht über eine kollisionsrechtliche Lösung dem nach Art.  21, 22 EuErbVO anwendbaren Erbstatut zu überlassen, da einige Mitgliedstaaten das Konzept der Gutglaubenswirkung so oder in ähnlicher Weise nicht kennen.503 Der Wortlaut gibt bei näherer Betrachtung Aufschluss. So wird von „Leistung“ bzw. „Verfügung“ gesprochen, mithin kommt es auf die Vornahme des Verfügungsgeschäfts oder der Erfüllungshandlung an.504 Ferner verwendet der Verordnungstext das Perfekt505 zur Beschreibung der Rechtshandlung506: Die Fiktion beruht auf einer in der Vergangenheit abgeschlossenen Handlung, die noch in der Gegenwart Wirkungen zeitigt. Wenn aber nachfolgend in Art.  69 Abs.  3 bzw. Art.  69 Abs.4 EuErbVO in Bezug auf die Redlichkeit des Dritten das Präsens507 verwendet wird, so wird ausgedrückt, dass die Redlichkeit mindestens nach der „Leistung“ oder „Verfügung“ gegeben sein muss.508 Da allerdings mit der Vollendung des dinglichen Rechtsgeschäfts die jeweilige Rechtshandlung abgeschlossen ist, muss der Dritte zu diesem Zeitpunkt – der Vollendung des Rechtserwerbs – noch redlich sein; eine spätere Bösgläubigkeit des Dritten kann den wirksam abgeschlossenen Erwerb nicht mehr zerstören.509 In Mitgliedstaaten, die das Abstraktionsprinzip nicht kennen und die mit dem Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts, z.B. des Kaufvertrags, das Eigentum auf den Vertrags-

Omlor, GPR 2014, 216 (219). Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  38. 505  Dt.: „geleistet hat“ bzw. „erworben hat“; engl.: „have transacted“ sowie frz.: „avoir conclu une transaction“ jeweils ohne Differenzierung zwischen „Leistung“ und „Erwerb“. 506  NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  25. 507  Engl.: „unless he knows“; frz.: „sauf si elle sait“; die deutsche Sprachfassung verwendet hier ungenau das Präteritum, was in Anbetracht der Verwendung von Präsens bei der Redlichkeit in §  2366 BGB überraschend erscheint. 508  Ähnlich Omlor, GPR 2014, 216 (219). 509  Vgl. Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  38; jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  32; Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (403); Omlor, GPR 2014, 216 (219). 503  504 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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partner übergehen lassen, ist a maiore ad minus auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts abzustellen. (b) Vollendung des Rechtserwerbs nach dem Geschäftsstatut Fraglich ist überdies, wann eine Rechtshandlung vollendet ist. Diese Frage ist von dem auf das jeweilige Rechtsgeschäft anwendbaren Recht zu beantworten.510 Im Rahmen des Art.  69 Abs.  3 EuErbVO muss der Leistende im Zeitpunkt der Erfüllung, die sich nach dem Schuldstatut – Rom I-VO – richtet, noch gutgläubig sein. Bei einer Verfügung nach Art.  69 Abs.  4 EuErbVO kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem nach dem Sachenrechtsstatut der Erwerb vollendet ist (bei deutschem Sachenrechtsstatut also grundsätzlich im Zeitpunkt der Übergabe). Häufig sind im internationalen Sachenrecht Erwerbsgeschäfte zeitlich gestreckt, insbesondere bei internationalen Versendungsgeschäften. Hier kann es dazu kommen, dass zwischen dem Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts und der Vollendung der Rechtshandlung ein großer Zeitraum liegt. Schließt der Scheinerbe mit dem Dritten einen Kaufvertrag über eine Nachlasssache in Portugal und soll die Übergabe der Sache in Deutschland stattfinden, bedarf es des guten Glaubens des Dritten bis zur Übergabe. In diesem Zeitraum mag der Dritte bösgläubig werden, wenngleich dies freilich selten geschehen wird. Es ist schwer vorstellbar, dass der Dritte, der grundsätzlich nichts mit dem Erbfall zu tun hat, regelmäßig nur zufällig mit dem Nachlass in Berührung gekommen ist, ein singuläres Rechtsgeschäft mit dem Scheinerben schließt und mit diesem womöglich bis zur Vollendung der Rechtshandlung nicht in Kontakt steht, von der Unrichtigkeit des Zeugnisses Kenntnis erhält oder dies grob fahrlässig verkennt. Dies ist ein ähnliches Problem wie beim gutgläubigen Fahrniserwerb, bei dem die Redlichkeit in der Zeit bis zur Vollendung des Rechtserwerbs sich zulasten des Dritten ebenfalls ändern kann. Es ist sachgerecht, an den Zeitpunkt der Vollendung der Rechtshandlung anzuknüpfen. Gerade in einem internationalen Erbfall ist aufgrund der unterschiedlichen Belegenheit von Nachlassgegenständen oftmals mit einer gewissen Zeit zu rechnen, bis ein einzelnes Rechtsgeschäft beendet wird. Der Dritte erscheint nicht schutzwürdig, wenn er in dieser Zeit unredlich wird. Etwaige Schadensersatzansprüche gegen den Scheinerben bleiben unberührt, wodurch ein gewisser Schutz des Dritten gewährleistet wird.

510 

MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  23; NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  25; Omlor, GPR 2014, 216 (219). Mangels vereinheitlichter Kollisionsnormen im internationalen Sachenrecht ist das IPR der lex fori zu befragen.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

(c) Vorverlegung des maßgeblichen Zeitpunktes für die Redlichkeit? Ob eine Vorverlegung des maßgeblichen Zeitpunktes für den guten Glauben, etwa bei anwendbarem deutschem Recht auf das Rechtsgeschäft gemäß §  892 Abs.  2 BGB511, von der Verordnung gewollt ist, erscheint äußerst fraglich. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass im deutschen Recht selbst die Zulässigkeit einer analogen Anwendung des §  892 Abs.  2 BGB auf den Erbschein umstritten ist.512 Zwar entspringt §  892 Abs.  2 BGB nicht dem Erbstatut, sondern dem Geschäftsstatut, so dass auf den ersten Blick die EuErbVO hier nicht berührt und die Anwendung des §  892 Abs.  2 BGB nicht infrage gestellt wird. Sicherlich treffen die bei §  892 Abs.  2 BGB genannten Gründe – fehlender Einfluss des Erwerbers auf das Handeln der Behörde, somit zufälliger Eintragungszeitpunkt – für das Abstellen auf den Zeitpunkt der Antragstellung auch bei einem Erwerb vom Scheinerben unter Mitwirkung einer Behörde zu (z.B. Erwerb eines Nachlassgrundstückes). Allerdings regelt die EuErbVO ausdrücklich die Redlichkeit des Dritten, anders als z.B. die Ausgleichsansprüche, d.h. die Redlichkeit samt zugehöriger Folgefragen unterliegt dem europäischen Recht. Eine Vorverlegung des maßgeblichen Zeitpunktes scheint auf EU-Ebene von vornherein nicht beabsichtigt worden zu sein. Zunächst fehlt eine gesonderte Vorschrift hierzu, was vor dem Hintergrund, dass der Unionsgesetzgeber bewusst unbewegliche Sachen unter den Gutglaubensschutz stellen wollte, die in allen Mitgliedstaaten grundsätzlich bei Übertragungen, Belastungen usw. die Mitwirkung einer staatlichen Behörde erfordern, für ein zielgerichtetes Abstellen auf den Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs spricht. Zudem war, wie gesehen, gerade der ­Aspekt der Redlichkeit in Bezug auf den Gutglaubensschutz in der Geschichte der Verordnung stark diskutiert worden. Dann wäre es ungewöhnlich, wenn der Unionsgesetzgeber den in diesem Zusammenhang wichtigen Aspekt des maßgeblichen Zeitpunkts für die Redlichkeit unvollständig geregelt hätte, also eine Ausnahme bei mitwirkungsbedürftigen Rechtsgeschäften machen wollte. Somit ist die Anwendung des §  892 Abs.  2 BGB oder seines Rechtsgedankens beim Zeugnis ausgeschlossen.513 (7) Beweislast Die Gutgläubigkeit des Dritten wird wegen der Negativformulierung („es sei denn“) vermutet. Wer die Bösgläubigkeit des Dritten behauptet, muss diese da511  MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  23; NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  25; ähnlich Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  22. 512  Vgl. oben im 3. Kap., B., II., 1., d), cc), (3), S.  100 f. 513  Im Ergebnis auch Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  216, die dem anwendbaren Sachrecht nur die Bestimmung des Zeitpunkts der Vollendung überlassen will.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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her im Prozess beweisen.514 Dass die Beweislast nicht dem Dritten auferlegt wird, war nicht die einzige in Betracht kommende Alternative. So bürdet beispielsweise das italienische Recht im Rahmen der Theorie des Scheinerben dem Dritten die Beweislast auf.515 Wenn sich der Unionsgesetzgeber dafür entschieden hat, den Dritten von der Beweislast zu befreien, zeigt sich hieran, dass die erfolgreiche Entfaltung von Gutglaubensschutz grundsätzlich gefördert werden soll und der Rechtsverkehr mithin einen hohen Schutz genießt. Diese Entscheidung ist letztlich der konsequente Ausfluss des mit hoher Richtigkeitsgewähr versehenen Zeugnisverfahrens. Wie bei der Widerlegung der Vermutungswirkung nach Art.  69 Abs.  2 EuErbVO sollte auch hier der Beweis des Gegenteils erforderlich sein. f) Rechtsfolgen Mit der Erfüllung der Voraussetzungen der Gutglaubenswirkung wird die fehlende Berechtigung der jeweiligen Person in Bezug auf die Verfügung gemäß Art.  69 Abs.  4 EuErbVO und die fehlende Zuständigkeit für die Entgegennahme der Leistung Dritter gemäß Art.  69 Abs.  3 EuErbVO überwunden. Sonstige Wirksamkeitsvoraussetzungen für das betreffende Rechtsgeschäft richten sich nach dem Geschäftsstatut und sind somit selbstständig anzuknüpfen, da sie nicht in den Anwendungsbereich der EuErbVO fallen.516 Beispielsweise ist für die Wirksamkeit einer befreienden Erfüllungshandlung im Wege der Forderungsabtretung das Forderungsstatut (Art.  14 Abs.  2 Rom I-VO) und für die Wirksamkeit einer Eigentumsübertragung das Sachenrechtsstatut (IPR der lex fori) maßgeblich.517 Der Erwerb des Dritten ist grundsätzlich beständig; ihm wird der Nachlassgegenstand endgültig rechtlich zugeordnet. Es handelt sich hierbei um einen originären Erwerb.518 Das bedeutet auch, dass ein nachfolgender Erwerb vom gutgläubigen Erwerber mit dem Gutglaubensschutz des Zeugnisses nichts mehr zu tun hat. Der weitere Erwerber erwirbt vom Berechtigten. Es ist schließlich davon auszugehen, dass der Gutglaubensschutz absolute Wirkung für und gegen jedermann hat. Ein Verzicht auf den neu eingetretenen Rechtszustand seitens des Zeugnisinhabers oder des Dritten ist nicht möglich. Dafür spricht, dass gerade in der internationalen Nachlassabwicklung Gewissheit darüber herrschen muss, 514 

Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  37; NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  25; explizit für den wahren Berechtigten jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  33. 515  Siehe 2. Kap. in Fn.  38. 516  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  28; Deixler-Hübner/Schauer/ Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  26. 517  Vgl. auch ErwG 71. S.  7; siehe auch Dörner, DNotZ 2018, 661 (674). 518  Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  27.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

wie die Nachlassgüter (endgültig) verteilt sind, um eine zügige Beendigung der Nachlassabwicklung zu gewährleisten. Der indikativische Wortlaut von Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO deutet ebenfalls darauf hin, dass der neue Rechtszustand endgültig und ohne eingreifende Dependenz von den Beteiligten eintritt.519 g) Das Verhältnis des öffentlichen Glaubens des Europäischen Nachlasszeugnisses zu Gutglaubenstatbeständen mitgliedstaatlicher Rechtsordnungen Wenn die Voraussetzungen des Gutglaubensschutzes sämtlich erfüllt sind, stellt sich wie im rein nationalen Kontext die Frage, inwieweit die Gutglaubenswirkung des Zeugnisses mit anderen nationalen Gutglaubenstatbeständen zu koordinieren ist. Nur spielt an dieser Stelle ein europäischer Gutglaubenstatbestand mit den Gutglaubenstatbeständen der Mitgliedstaaten zusammen. Diese Frage betrifft freilich nur die Mitgliedstaaten, die solche Gutglaubenstatbestände kennen. Festzuhalten ist zunächst, dass sich das anwendbare Recht beispielsweise auf den gutgläubigen Fahrniserwerb nach dem Sachenrechtsstatut (lex rei sitae), das durch Anwendung des jeweiligen IPR des Forumsgerichts ermittelt wird, richtet. Das folgende Beispiel soll die Problematik veranschaulichen: Der Scheinerbe veräußert in Düsseldorf unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Zeugnisses an den gutgläubigen K das sich im Nachlass befindliche Klavier, das jedoch nie im Eigen­tum des Erblassers stand. Hat K aus Sicht eines deutschen Richters gutgläubig Eigentum am Klavier erworben?

Für einen wirksamen Eigentumserwerb des K müsste der Scheinerbe insbesondere verfügungsbefugt sein. Die Verfügungsbefugnis bzw. das Erbrecht des Scheinerben wird mittels der Gutglaubenswirkung des Zeugnisses fingiert. Die Tatsache indessen, dass das Klavier nie zum Nachlass gehörte, wird hierdurch nicht überwunden. Wendet man jedoch zusätzlich die nationalen Gutglaubensvorschriften zum Fahrniserwerb an – da das Klavier in Düsseldorf belegen ist, ist nach Art.  43 Abs.  1 EGBGB deutsches Recht anwendbar, also §§  932 ff. BGB520 –, lässt sich ein gutgläubiger Erwerb des K bejahen, sofern die Voraussetzungen der §§  932 ff. BGB erfüllt sind. Inwieweit die Verflechtung europäischer und nationaler materieller Vorschriften zulässig ist, gilt es demnach zu untersuchen. Wenn das Zeugnis die internationale Nachlassabwicklung erleichtern soll, kann nicht Rücksicht darauf genommen werden, ob eine im Nachlass befindliche Sache tatsächlich dem Erblasser gehörte. Auch folgt aus der Optionalität des Zeugnisses ein ähnlicher Gedanke. Offen gelassen von Möller, Das Europäische Nachlasszeugnis im System des Gutglaubensschutzes, S.  218. 520  Vgl. MüKoBGB/Wendehorst, Art.  43 EGBGB Rn.  84. 519 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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Den Erben, Vermächtnisnehmern mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstreckern und Nachlassverwaltern sowie dem Rechtsverkehr soll die Gutglaubenswirkung zugutekommen, wenn sie sich für das Zeugnis entscheiden. E contrario verwehrt das Zeugnis nicht die Heranziehung nationaler Gutglaubensvorschriften. Der Rückgriff auf diese Vorschriften verstärkt die Gutglaubenswirkung des Zeugnisses noch um zusätzliche Aspekte, um den Erwerb des Nachlassgegenstandes zu perfektionieren, womit letztlich dem effet utile entsprochen wird. Einen weiteren Hinweis für die Interpretation gibt der Unionsgesetzgeber in ErwG 71 S.  7. Danach sollte durch die EuErbVO nicht geregelt werden, ob der Erwerb von Vermögen durch eine dritte Person wirksam ist oder nicht. Das Zeugnis hilft folglich nur über die mangelnde Erbenstellung hinweg; die übrigen Erwerbsvoraussetzungen, wie z.B. die Geschäftsfähigkeit des verfügenden Scheinerben, sollen dem jeweiligen anwendbaren Recht nach dem IPR der lex fori unterfallen. Auch das Telos bestätigt dieses Ergebnis: Das Zeugnis hat die Funktion, die Erbenstellung im internationalen Rechtsverkehr nachzuweisen. An die Erbenstellung knüpft jedoch nur das Erbrecht, nicht sonstige rechtliche, dem Erbrecht fremde Fragen. Für einen Ausschluss der kumulativen Anwendung nationaler Gutglaubenstatbestände bestehen keine legitimen Gründe. Mehr noch kann der Unionsgesetzgeber nicht verbieten, dass die nationalen Gutglaubenstatbestände gleichsam durch die EuErbVO außer Kraft gesetzt werden. Wenn, wie bereits angedeutet, die ­EuErbVO nur die erbrechtlichen Aspekte regelt, kann sie nicht die Anwendbarkeit anderer nichterbrechtlicher Rechtsvorschriften beeinflussen. Da das europäische Sachrecht ein integraler Bestandteil der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen ist, müssen als Ausfluss der Einheit der Rechtsordnung die verschiedenen Gutglaubenstatbestände ineinandergreifen und sich gegenseitig zum vollständigen gutgläubigen Erwerb verstärken können. Die Gutglaubenswirkung des Zeugnisses ist daher mit dem anwendbaren Recht auf die übrigen Erwerbsvoraussetzungen vollständig kompatibel.521 So kann bei anwendbarem deutschen Recht ein gutgläubiger Dritter vom Schein­ erben eine dem Erblasser tatsächlich gehörende Sache gemäß Art.  69 Abs.  4 ­EuErbVO, §§  929 ff. BGB erwerben. Auch die anderen Kombinationsmöglichkeiten sind denkbar, etwa zur Überwindung der fehlenden Erbenstellung und des 521  MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  28; jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 ­ uErbVO Rn.  36; Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2370 Rn.  164; Müller-Lukoschek, Die E neue EU-Erbrechtsverordnung, §  2 Rn.  390; Hess/Jayme/Pfeiffer, Heidelberg-Stellungnahme, S.  52; Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (385); Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525 (528); Möller, Das Europäische Nachlasszeugnis im System des Gutglaubensschutzes, S.  261 f.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

fehlenden Eigentums die kumulative Anwendung von Art.  69 Abs.  4 EuErbVO und §§  932 ff. BGB. In paralleler Weise fingiert Art.  69 Abs.  3 EuErbVO nicht die Nachlasszugehörigkeit einer Forderung, auf die ein Dritter gegenüber dem Zeugniserben zahlt. Dieser Mangel kann z.B. über §  407 Abs.  1 BGB überwunden werden522, wenn deutsches Forderungsstatut maßgeblich ist. Die Kompatibilität ist schließlich auch die richtige Konsequenz in Anbetracht der partiellen Ersetzungsfunktion des Zeugnisses für einen nationalen Erbnachweis aufgrund seiner Inlandswirkung. Da der öffentliche Glaube des Erbscheins mit sachenrechtlichen Gutglaubenstatbeständen kombinierbar ist523, würde sich ein Wertungswiderspruch ergeben, wenn bei der Entscheidung des Erben zugunsten des Zeugnisses und beim Verzicht auf die parallele Beantragung eines Erbscheins die Kombination des europäischen erbrechtlichen Gutglaubensschutzes mit den nationalen Gutglaubenstatbeständen versagt wird. Sofern die ergänzend heranzuziehenden mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen im Hinblick auf das Schuld- und Sachenrecht in bestimmten Punkten divergieren, z.B. bei den Voraussetzungen der Erfüllung einer Forderung oder des Erwerbs von Sachen, ist das Auseinanderfallen der tatsächlichen (nicht rechtlichen, da die Wirkungen des Zeugnisses an sich nicht tangiert werden) Effektivität des Zeugnisses zu respektieren. h) Ausgleichsansprüche des wahren Erben Die EuErbVO regelt in den Vorschriften zum Zeugnis nicht die Ausgleichsansprüche des wahren Erben. Das ist keineswegs verwunderlich, als es bei den Ausgleichsansprüchen weniger um das Erbrecht als um das Schuldrecht geht. Die Ausgleichsansprüche stehen nur im engen Zusammenhang mit dem Erbrecht. Dies stellt sich demnach nicht anders dar als im nationalen Kontext. Konkret handelt es sich um das Rechtsverhältnis zwischen dem wahren Berechtigten (dem wahren Erben) und dem Verfügenden (dem Scheinerben).524 Die Ansprüche des wahren Berechtigten gegen einen etwaigen Dritten sind ebenfalls nicht erbrechtlicher Natur. aa) Qualifikation der Ausgleichsansprüche und Bestimmung des anwendbaren Rechts Der grenzüberschreitende Bezug bezüglich der Ausgleichsansprüche ergibt sich etwa daraus, dass der wahre Berechtigte als Anspruchsteller in einem anderen 522 

Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  19. Vgl. oben im 3. Kap., B., II., 1., f), S.  101 ff. 524  Der Übersichtlichkeit halber wird der wahre Vindikationslegatar im Folgenden nicht benannt und behandelt. Dieser hat grundsätzlich die gleichen Ausgleichsansprüche wie der wahre Erbe, sofern der Zeugnisinhaber über den vermachten Gegenstand verfügt hat. 523 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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Mitgliedstaat lebt als der Verfügende oder der Dritte als Anspruchsgegner. Dies erfordert, zunächst das auf die Ausgleichsansprüche anwendbare Recht zu bestimmen. Dazu müssen die Ausgleichsansprüche im Zusammenhang mit dem Gutglaubensschutz von Erbnachweisen qualifiziert werden. Die Ansprüche stehen dem wahren Berechtigten von Gesetzes wegen zu (ein Vertragsverhältnis zwischen dem wahren Berechtigten und dem Scheinerben liegt in aller Regel nicht vor), da er durch die Gutglaubenswirkung regelmäßig einen endgültigen Rechtsverlust erleidet. Dieser Verlust soll kompensiert werden aus dem Grund, dass dem Scheinerben weder der veräußerte Nachlassgegenstand noch das durch die Veräußerung Erlangte zustehen. Die Ausgleichsansprüche liegen demnach im außervertraglichen Bereich, so dass sich das anwendbare Recht hinsichtlich der Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag, aus dem Deliktsrecht sowie aus dem Bereicherungsrecht nach der Rom II-VO525 aus Sicht der mitgliedstaatlichen Gerichte außer diejenigen Dänemarks (vgl. ErwG 40 der Rom  II-VO) richtet.526 Der Erbschaftsanspruch als besonderer erbrechtlicher Ausgleichsanspruch im Hinblick auf den gesamten Nachlass ist indessen erbrechtlich zu qualifizieren. Heranzuziehen sind aus diesem Grund aus Sicht mitgliedstaatlicher Gerichte, die an die EuErbVO gebunden sind, die Kollisionsnormen dieser Verordnung. (1) Bestimmung des anwendbaren Rechts nach der Rom II-VO (a) Statut der Geschäftsführung ohne Auftrag, Art.  11 Rom II-VO Soweit Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht kommen, so wenn der Scheinerbe Kenntnis von seinem mangelnden Erbrecht hat und sich Geschäfte in der Nachlassabwicklung anmaßt, bestimmt sich das anwendbare Recht grundsätzlich nach Art.  11 Abs.  3 Rom II-VO (eine akzessorische Anknüpfung nach Art.  11 Abs.  1 Rom II-VO dürfte mangels eines bestehenden Rechtsverhältnisses zwischen dem wahren Berechtigten und dem Scheinerben nicht einschlägig sein; die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt 525 

Verordnung (EG) Nr.  864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht. 526  So auch Omlor, GPR 2014, 216 (221) sowie Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  17; vgl. auch Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  71 EuErbVO Rn.  10. Hinzuweisen ist noch darauf, dass sich die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten, vor denen die nachfolgenden Ansprüche durch den wahren Berechtigten geltend gemacht werden, aus der Brüssel Ia-VO ergibt, denn die Ausgleichsansprüche, die deliktischer oder bereicherungsrechtlicher Natur sind, fallen nicht in den Anwendungsbereich der EuErbVO. Das wird besonders daran deutlich, wenn der Erbe gegen einen Dritten die Ansprüche geltend macht. In diesem Fall steht nicht das Erbrecht im Vordergrund, sondern die schuldrechtliche Beziehung zwischen den Parteien.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

nach Art.  11 Abs.  2 Rom  II-VO erscheint zumindest denkbar), wonach an den Ort anzuknüpfen ist, an dem die Geschäftsführung erfolgt ist. Veräußert demnach der Scheinerbe einen Nachlassgegenstand in Deutschland, so findet gemäß Art.  11 Abs.  3 Rom II-VO deutsches Recht auf die Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag Anwendung.527 (b) Deliktsstatut, Art.  4 Rom II-VO Nach der allgemeinen Kollisionsnorm des Art.  4 Abs.  1 Rom II-VO ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind. Zu berücksichtigen ist, dass gemäß Art.  4 Abs.  2 Rom II-VO vorrangig an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Deliktsbeteiligten anzuknüpfen ist. Veräußert der Scheinerbe einen Nachlassgegenstand in Kenntnis seines mangelnden Erbrechts und verliert der wahre Berechtigte dadurch das Eigentum an dem Nachlassgegenstand und erleidet einen Schaden (der wahre Berechtigte hat sich zuvor beispielsweise zum Verkauf dieses Nachlassgegenstandes gegenüber einem Dritten verpflichtet), können dem wahren Berechtigten deliktsrechtliche Ansprüche nach deutschem Recht zustehen, sofern der Schaden in Deutschland eintritt.528 (c) Bereicherungsstatut, Art.  10 Rom II-VO Für das auf die bereicherungsrechtlichen Ansprüche anwendbare Recht ist nach Art.  10 Abs.  3 Rom  II-VO der Ort des Eintritts der Bereicherung maßgeblich. Zudem ist eine akzessorische Anknüpfung an das Erbstatut gemäß Art.  10 Abs.  1 Rom II-VO denkbar529; das Rechtsverhältnis ist bei Ausgleichsansprüchen zwischen Erbprätendenten untereinander in der gemeinsamen Teilhabe am Nachlass zu erblicken. Auch eine Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt des Scheinerben und des wahren Berechtigten bzw. des Dritten und des wahren Berechtigten gemäß Art.  10 Abs.  2 Rom II-VO kommt in Betracht. Erhält der Scheinerbe aufgrund der Veräußerung eines Nachlassgegenstandes, die er in Deutschland getätigt hat, eine Gegenleistung (z.B. Kaufpreis), findet deut-

527  Siehe zu möglichen Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach deutschem Recht oben im 3. Kap., B., II., 1., g), aa), S.  106. 528  Siehe zu möglichen deliktsrechtlichen Ansprüche nach deutschem Recht oben im 3. Kap., B., II., 1., g), bb), S.  106. 529  Dörner, IPRax 2017, 81 (87 f.).

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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sches Recht auf den bereicherungsrechtlichen Anspruch des wahren Berechtigten Anwendung.530 (2) Bestimmung des anwendbaren Rechts nach der EuErbVO Eine Ausnahme bilden diejenigen Ausgleichsansprüche, die sich unmittelbar aus der Rechtsstellung als Erbe ergeben. Will der wahre Erbe seinen Erbschaftsanspruch (nach deutschem Recht gemäß §  2018 BGB) geltend machen, der ihm einen Herausgabeanspruch bezüglich des Nachlasses als Ganzes gewährt, richtet sich das anwendbare Recht für diesen speziellen erbrechtlichen Anspruch nach dem allgemeinen Erbstatut aus Art.  21, 22 EuErbVO. Denn Art.  23 Abs.  2 lit.  f EuErbVO stellt klar, dass das allgemeine Erbstatut u.a. die Rechte der Erben, insbesondere im Hinblick auf Veräußerung von Vermögen, umfasst. Der Erbschaftsanspruch ist ein solches Recht der Erben.531 Die Anknüpfung an das Erbstatut hat im Vergleich zur Anknüpfung nach der Rom II-VO für die schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche den wesentlichen Vorteil, dass die Durchsetzung des Erbschaftsanspruchs, der in der Regel im Verhältnis zu den einzelnen Ausgleichsansprüchen aufgrund seines Charakters als Gesamtanspruch vorzugswürdig ist532, vereinfacht wird, weil diesem das gleiche Recht zugrunde liegt wie die anderen wesentlichen erbrechtlichen Folgen (Erbgang, Haftung für Nachlassverbindlichkeiten usw.). Regelmäßig wird der Erbe mit dem anwendbaren Recht vertraut sein, wenn er – bei objektiver Anknüpfung – den gleichen gewöhnlichen Aufenthalt mit dem Erblasser teilt. Für die Geltendmachung des Erbschaftsanspruchs ist das jeweils nach Art.  4 ff. EuErbVO bestimmte Gericht international zuständig.533 Dabei handelt es sich um eine genuine Erbsache, da ein Recht am gesamten Nachlass in Rede steht. bb) Tragweite des Begriffspaars „Rechte der Erben“ i.S.d. Art.  23 Abs.  2 lit.  f EuErbVO Legt man Art.  23 Abs.  2 lit.  f EuErbVO extensiv aus, namentlich das Begriffspaar „Rechte der Erben“, könnten womöglich auch die Ausgleichsansprüche dem allgemeinen Erbstatut unterfallen.

530  Siehe zu möglichen bereicherungsrechtlichen Ansprüche nach deutschem Recht oben im 3. Kap., B., II., 1., g), cc), S.  106 f. 531  MüKoBGB/Dutta, Art.  23 EuErbVO Rn.  28; Omlor, GPR 2014, 216 (221). 532  Vgl. oben im 3. Kap., B., II., 1., g), dd), S.  107 f. 533  Vgl. jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  38.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

(1) Grammatikalische Auslegung Der Wortlaut scheint die Annahme, dass die Ausgleichsansprüche dem allgemeinen Erbstatut zugeordnet werden können, zu unterstützen, denn mit den Rechten der Erben können jedwede Rechte gemeint sind, die den Erben im Zusammenhang mit dem Nachlass zustehen. Die Ausgleichsansprüche resultieren mittelbar auf dem Erbrecht des wahren Erben und können daher unter das Begriffspaar subsumiert werden. Jedoch ist der Begriff der Rechte des Erben nicht zwingend aufgrund seiner Allgemeinheit entsprechend extensiv auszulegen. (2) Systematische Auslegung Bei systematischer Betrachtung zeigt sich indessen, dass nur spezifisch erbrechtliche Ansprüche und Befugnisse dem allgemeinen Erbstatut unterfallen sollen. So werden in der Vorschrift auch der Testamentsvollstrecker und der sonstige Nachlassverwalter genannt. Deren Befugnisse und Pflichten belaufen sich im Wesentlichen der Natur ihrer Funktion nach auf die Verfügungsgewalt über den Nachlass und die ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses. Primär geht es darum, diese unmittelbaren, mit dem Nachlass im Zusammenhang stehenden Fragen im Ganzen dem allgemeinen Erbstatut zu unterwerfen, um einen Gleichlauf zwischen ihnen herzustellen. Die Ausgleichsansprüche sind, abgesehen vom Erbschaftsanspruch, nicht spezifisch erbrechtlich, so dass keine Gründe ersichtlich sind, die die Maßgeblichkeit des Erbstatuts auf diese rechtfertigt. Es erscheint schließlich fragwürdig, die Ansprüche zwischen dem Erben und einem Erwerber dem Erbstatut zu unterstellen, wenn letzterer an sich nichts mit dem Nachlass des Erblassers zu tun hat, sondern lediglich aufgrund der singulären Verfügung des Scheinerben mit dem Nachlass in Berührung gekommen ist. (3) Historische und genetische Auslegung Da der Unionsgesetzgeber Ausgleichsansprüche nicht in der EuErbVO geregelt und auch sonst im Gesetzgebungsprozess sich nicht dazu geäußert hat, lässt sich ein bestimmter gesetzgeberischer Wille nicht ermitteln. (4) Teleologische Auslegung Art.  23 Abs.  2 lit.  f EuErbVO verkörpert lediglich eine klarstellende Bestimmung im Hinblick auf die Reichweite des Erbstatuts. Ein Telos besteht bei solchen Bestimmungen nicht.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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(5) Ergebnis Auch wenn der Wortlaut der Einbeziehung von Ausgleichsansprüchen unter das allgemeine Erbstatut nicht entgegensteht, zeigt doch die systematische Stellung des Art.  23 Abs.  2 lit.  f EuErbVO, dass die Rechte des Erben spezifisch erbrechtlicher Natur sein müssen. Mithin sind die Ausgleichsansprüche nicht als Rechte der Erben i.S.d. Art.  23 Abs.  2 lit.  f. EuErbVO einzuordnen. Es bleibt dabei, dass das auf die Ausgleichsansprüche – außer den Erbschaftsanspruch – anwendbare Recht sich nach der Rom II-VO richtet. cc) Einschränkung der Rechte des Erben bei unentgeltlichem Erwerb? Sieht das anwendbare Recht einen direkten (schuldrechtlichen) Herausgabeanspruch des wahren Erben gegen den Erwerber vor, namentlich beim unentgeltlichen Erwerb des Nachlassgegenstandes (nach deutschem Recht gemäß §  816 Abs.  1 S.  2 BGB), ist fraglich, ob die EuErbVO diesen Anspruch zulässt. Denn anders als bei den sonstigen Ausgleichsansprüchen wird hier auf den Nachlassgegenstand selbst in der Weise zugegriffen, dass die ursprüngliche sachenrechtliche Zuordnung wiederhergestellt wird. Der wahre Berechtigte wird demzufolge umfassend geschützt. Für dieses Problem hält die EuErbVO keine eindeutige Antwort bereit. Möglicherweise ist dem Zeugnis eine so starke Gutglaubenswirkung beizumessen, dass die Rechtsposition des Erwerbers auch schuldrechtlich endgültig gesichert ist. In diesem Fall wird der erworbene Gegenstand über das Zeugnis vor jeglichem Zugriff geschützt, so dass der Erwerber auf die Beständigkeit seines Eigen­ tums vertrauen kann.534 Aber auch die gegenteilige Ansicht, die den Ausgleichsansprüchen des Erben keine Grenzen setzt, erscheint plausibel, wenn man die mangelnde Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbers in den Vordergrund rückt. Festhalten lässt sich zunächst, dass die Vorschriften in der EuErbVO zum Zeugnis bereicherungsrechtliche Ansprüche nicht vorsehen bzw. regeln. Es geht hier um die Frage, ob die EuErbVO per se den unentgeltlichen Erwerb kondik­ tions­fest machen wollte. Die EuErbVO lässt für die rechtliche Beurteilung von Materien, die sie nicht unmittelbar selbst regelt, das jeweilige anwendbare nationale Recht maßgebend sein. Es ist in keiner Weise ersichtlich, dass die EuErbVO den unentgeltlichen Erwerb besonders behandeln will. Wenn für die Beständigkeit des Erwerbs vorgebracht wird, dass durch Zulassung eines Direktanspruchs des wahren Berechtigten gegen den unentgeltlichen Erwerber die von der 534  So Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (778); jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 ­EuErbVO Rn.  39.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

­ uErbVO nicht intendierte Differenzierung von entgeltlichem und unentgeltliE chem Erwerb praktisch durch die Hintertür eingeführt wird535, ist dem entgegenzuhalten, dass die Entscheidung für die Einbeziehung des unentgeltlichen Erwerbs unter den Gutglaubensschutz nicht dessen Immunität für Eingriffe bedeutet. Vielmehr wird damit grundsätzlich zum Ausdruck gebracht, dass um der Erleichterung der internationalen Nachlassabwicklung willen möglichst viele Rechtsgeschäfte von dem Gutglaubensschutz profitieren können. Erachtet ein Mitgliedstaat den unentgeltlichen Erwerber für weniger schutzwürdig und lässt deshalb einen Direktanspruch zu, kann ihm dies nicht verwehrt werden. Allgemein wird in solchen Rechtsordnungen argumentiert, dass der Erwerber deshalb nicht besonders schutzwürdig ist, weil er für die erworbene Sache keine Gegenleistung erbringen musste. Es erscheint widersprüchlich, den unentgeltlichen Erwerber stärker zu schützen als den entgeltlichen Erwerber. Dieser kann zwar auch die Sache behalten, hat aber hierfür ein Vermögensopfer erbracht, das der Scheinerbe dem wahren Erben herausgeben muss. Insoweit bestehen zwischen nationalen und internationalen Sachverhalten keine Unterschiede. Sofern vertreten wird, die Sperre des Direktanspruchs dadurch durchzusetzen, indem auf der Ebene des gutgläubigen Erwerbs erhöhte Sorgfaltsanforderungen gestellt werden, um einen gutgläubigen Erwerb zu bejahen536, kann dem entgegengesetzt werden, dass auf diesem Wege der Verkehrsschutz ausgehöhlt würde537. Da das Zeugnis schon grob fahrlässige Unkenntnis als schädlich ansieht, käme es bei weiteren höheren Anforderungen zu einer Stagnation und Blockade von erfolgreich abgeschlossenem gutgläubigem Erwerb im internationalen Rechtsverkehr. Dies erscheint mit der Zielsetzung des Zeugnisses nicht vereinbar. Freilich betrifft dieses Problem nur diejenigen Fälle des gutgläubigen Erwerbs mit entgeltlicher causa, in denen der betreffende Nachlassgegenstand – anders als beim unentgeltlichen Erwerb – in der Regel nicht von dem Erwerber herausgegeben werden muss. Im Ergebnis ist der Zugriff auf den Nachlassgegenstand bei unentgeltlichem Erwerb des Dritten zuzulassen, soweit das anwendbare Sachrecht einen solchen Direktanspruch vorsieht.538 Ist das Recht eines Mitgliedstaates maßgeblich, das einen Direktanspruch nicht kennt, bleibt dem wahren Erben ein Zugriff auf den Nachlassgegenstand verwehrt.

535 

So jurisPK/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  39. Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (778). 537  Omlor, GPR 2014, 216 (221). 538  Ebenso für die Anwendung des §  816 Abs.  1 S.  2 BGB bei deutschem Ausgleichsstatut Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2370 Rn.  164; Palandt/Weidlich, Anh. zu §§  2353 ff., Art.  69 EuErbVO Rn.  2; Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  209. 536 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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dd) Amtshaftungsanspruch wegen Pflichtverletzung der Ausstellungsbehörde im Europäischen Nachlasszeugnisverfahren Eine gesonderte Problematik im Rahmen der Ausgleichsansprüche bilden etwaige Amtshaftungsansprüche bei Pflichtverletzungen der Ausstellungsbehörde im Zeugnisverfahren. Die kollisionsrechtliche Beurteilung richtet sich hierbei nicht nach der Rom II-VO. Dies ergibt sich aus Art.  1 Abs.  1 S.  2 Rom II-VO, der die Anwendung der Rom II-VO im Hinblick auf die Haftung des Staates für Handlungen und Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte („acta iure imperii“) ausschließt. Hierunter fallen insbesondere Staatshaftungsansprüche aufgrund spezifisch hoheitlichen Handelns.539 Damit sind jeweils die autonomen Kollisionsnormen der lex fori vorbehaltlich staatsvertraglicher Regelungen anzuwenden. Aus deutscher Perspektive findet nach h.M. auf Schadensersatzansprüche gegen den Staat das Recht des haftenden Staates Anwendung.540 Diese kollisionsrechtliche Sonderbehandlung der Staatshaftung findet ihren Grund im völkerrechtlichen Grundsatz der Staatssouveränität, der die staatliche Immunität für hoheitliches Handeln festlegt.541 Vorstellbar ist etwa, dass das Nachlassgericht bei der Ausstellung des Zeugnisses vorsätzlich oder fahrlässig gegen seine Prüfungs-, Anhörungs- und Mitteilungspflichten nach Art.  66 EuErbVO verstoßen hat. Da das Zeugnisverfahren trotz der durch Art.  64 ff. EuErbVO gegebenen europäischen Einflüsse in das – vorliegend – deutsche Verfahrensrecht eingebettet ist, können auch hier Amtshaftungsansprüche nach §  839 BGB i.V.m. Art.  34 GG ausgelöst werden. Dass nämlich mit der Ausstellung eines unrichtigen Zeugnisses für den wahren Erben verheerende Konsequenzen einhergehen können, ist in Anbetracht der potentiellen substantiellen Umgestaltung des Nachlasses durch die Entfaltung von Gutglaubensschutz offensichtlich. Die Mitgliedstaaten haben aus diesem Grund gewissenhaft Sorge dafür zu tragen, dass inhaltlich richtige Zeugnisse ausgestellt werden. Die EuErbVO verbietet jedenfalls die Sanktionierung bei Pflichtverletzungen der Ausstellungsbehörden nicht. Mehr noch wird auf diese Weise mittelbar die Sorgfalt der Ausstellungsbehörden im Zeugnisverfahren gefördert.

539 

MüKoBGB/Junker, Art.  1 Rom II-VO Rn.  12. BT-Drs. 14/343, S.  10; BGH, Urt. v. 19.7.2011 − VI ZR 217/10, NJW 2011, 3584 (3585); BGH, Urt. v. 26.6.2003 – III ZR 245/98, BGHZ 155, 279 (293); OLG Köln, Urt. v. 3.12.1998 – 7 U 222–97, NJW 1999, 1555; Palandt/Thorn, Art.  40 EGBGB Rn.  11; jurisPK-BGB/Wurmnest, Art.  40 EGBGB Rn.  111. 541  OLG Köln, Urt. v. 3.12.1998 – 7 U 222–97, NJW 1999, 1555 (1556). 540 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

ee) Zusammenfassung Je nachdem, welches Recht auf die Ausgleichsansprüche Anwendung findet, erhält der wahre Erbe eine nach dem berufenen Recht ausgestaltete Kompensation. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der (mitgliedstaatlichen) Rechtsordnungen kann jedoch nicht gewährleistet werden, dass der Erbe gleichermaßen geschützt wird. Das ist aber das Typische am IPR, das versucht, die Rechtsordnung mit dem engsten Bezug zum Sachverhalt zu finden und das materielle Recht grundsätzlich außer Acht lässt. Für die EuErbVO ist dies jedenfalls eine nachrangige Frage, da sie nicht unmittelbar erbrechtlicher Natur ist. 4. Rechtsvergleichende Würdigung Die Verknüpfung von Gutglaubenswirkung an die Erbnachweise soll den Rechtsverkehr von Unwägbarkeiten bei rechtsgeschäftlichem Handeln mit Erben ­befreien. Das deutsche, österreichische und europäische Recht sehen ein vielschichtiges System der Gutglaubenswirkung vor, das den Rechtsverkehr umfassend schützt. Zu beachten ist, dass eine vollständige Bewertung des Gutglaubensschutzes nicht erfolgen kann, wenn die Konzepte der Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung (noch) nicht betrachtet wurden.542 Der Gutglaubensschutz des Zeugnisses erweist sich bei einer Gesamtbetrachtung als schwächer im Vergleich zum Gutglaubensschutz des Erbscheins und Einantwortungsbeschlusses. Das Zeugnis deckt im Wesentlichen die Rechtshandlungen ab, die auch vom Erbschein und Einantwortungsbeschluss geschützt werden. Das betrifft beim Erwerberschutz die Übertragung, Änderung, Belastung oder Aufhebung von Rechten und beim Schuldnerschutz die befreiende Wirkung sämtlicher Leistungsformen wie Zahlungen jeglicher Art und Erfüllungssurrogate. Indes bietet das Zeugnis nicht nur Erben, sondern auch Vermächtnisnehmern mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstreckern und Nachlassverwaltern die Möglichkeit, an dem Gutglaubensschutz teilzuhaben. Der Erbschein und der Einantwortungsbeschluss beziehen sich stets auf die Rechtsstellung als Erben und auch nur dieser kann vom Gutglaubensschutz profitieren. Rechtshandlungen beispielsweise eines österreichischen Nachlasskurators oder Testamentsvollstreckers werden nicht von der Gutglaubenswirkung des Einantwortungsbeschlusses erfasst.543 Beim Zeugnis können insbesondere Vindikationslegatare in den Genuss des Gutglaubensschutzes kommen, was einem Vermächtnisnehmer nach deutschem Erbstatut verwehrt bleibt.

542  543 

Vgl. dazu im Gesamten unten im 3. Kap., D., S.  269 ff. Schauer, EF-Z 2012, 245 (250).

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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Hier zeigt sich deutlich, dass mit der Einführung des Zeugnisses zum Teil neues materielles Recht für die Mitgliedstaaten geschaffen wurde. Das Zeugnis entfaltet konkreten Gutglaubensschutz, somit ist zumindest die Kenntnis des Dritten von der Existenz des Zeugnisses erforderlich, nicht jedoch die Vorlage beglaubigter Abschriften. Das führt tendenziell zu einer schwächeren Durchsetzung des Gutglaubensschutzes im Vergleich zur Situation beim Erbschein oder Einantwortungsbeschluss. Beim Erbschein ist das wesentliche Argument für den abstrakten Gutglaubensschutz, dass der Dritte als allgemeines Mitglied des Rechtsverkehrs wegen des dem Erbschein zugrundeliegenden staatlichen Hoheitsakts geschützt wird. Auf europäischer Ebene hätte ein abstraktes Vertrauen durchaus mit derselben Argumentation gerechtfertigt werden können. Denn auch das Zeugnisverfahren kann als staatlicher Hoheitsakt qualifiziert werden, auch wenn die Ausstellungsbehörden personell divergieren. Die Entschließung für einen konkreten Gutglaubensschutz ist als politischer Kompromiss, um den wahren Berechtigten besser zu schützen, zu respektieren. In der Praxis wirkt sich dieser Unterschied vermutlich marginal aus, so dass beispielsweise eine parallele Beantragung eines Erbscheins neben dem Zeugnis nur aufgrund des abstrakten Gutglaubensschutzes des Erbscheins nicht der Normalfall sein wird. Denn auch wenn der Erbe mittels eines Erbscheins „sorgloser“ – er muss nicht Bezug zum Erbschein bei der Durchführung des Rechtsgeschäfts nehmen – über Nachlassgegenstände verfügen oder Leistungen entgegennehmen kann, stellt die Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Zeugnisses oder jedenfalls das Inkenntnissetzen des Dritten vom Inhalt der beglaubigten Abschrift keine große Last dar, die ein Erbe dazu motivieren könnte, weitere Kosten für die Beantragung eines Erbscheins aufzuwenden. Die Anforderungen an die Redlichkeit des Dritten divergieren zwischen den untersuchten Rechtsordnungen. Zwar sieht das deutsche, österreichische und europäische Recht die positive Kenntnis des Dritten von der Unrichtigkeit des jeweiligen Erbnachweises als Ausschlussgrund für den Gutglaubensschutz an, wobei der Begriff der positiven Kenntnis und das Bezugsobjekt sich decken. Hat folglich der Dritte Kenntnis darüber, dass eine andere Person und nicht die im Zeugnis bezeichnete Person Erbe ist, ist ihm nicht nur der Gutglaubensschutz des Zeugnisses zu versagen, sondern auch derjenige durch einen parallel existierenden Erbschein oder Einantwortungsbeschluss. Die Anordnung der Schädlichkeit grob fahrlässiger Unkenntnis des Dritten beim Zeugnis bildet indessen ein weiteres Minus zum deutschen und österreichischen Gutglaubensschutz. Hohe Anforderungen an die Redlichkeit bedeuten eine Einschränkung des Verkehrsschutzes. Bei Vorliegen eines Erbscheins oder eines Einantwortungsbeschlusses kann wiederum der Dritte „sorgloser“ rechtsgeschäftlich handeln, weil er selbst keine Nachforschungen hinsichtlich der Erbenstellung seines Geschäftspartners anstel-

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

len muss. Mit der groben Fahrlässigkeit sind hingegen gewisse, aber restriktiv handzuhabende Nachforschungspflichten verbunden. Wenn der Erbe solchen Pflichten von seinen potentiellen Geschäftspartnern skeptisch entgegensieht und befürchtet, dass aufgrund der unzureichenden Nachforschung des Dritten der Gutglaubensschutz versagt wird, mag er dazu tendieren, auf den Erbschein bzw. Einantwortungsbeschluss zurückzugreifen. Freilich handelt es sich hierbei mehr um einen Aspekt, der den Dritten und weniger den Erben betrifft. Der Erbe weiß bei Beantragung des Erbnachweises regelmäßig noch nicht, mit wem er rechtsgeschäftlich über den Nachlass agiert und welche Sorgfalt der Dritte bei rechtsgeschäftlichen Verhandlungen pflegt. Die Befürchtung indes, dass inländische Banken deshalb auf die Vorlage eines Erbscheins bestehen544, ist unberechtigt, da ihnen ein Vorlagerecht zugunsten des Erbscheins grundsätzlich nicht zukommt545. Hinsichtlich der weiteren Modalitäten der Redlichkeit, insbesondere des maßgeblichen Zeitpunkts und der Beweislast, stimmen die untersuchten Rechtsordnungen, abgesehen von nationalen Besonderheiten (§  892 Abs.  2 BGB analog), grundsätzlich überein. Freilich offenbaren sich an diesen Aspekten kaum Konfliktpotenzial bzw. haben diese Aspekte keinen Einfluss auf die Wahlentscheidung zwischen den Erbnachweisen, zumal sie sich ohnehin vorliegend decken. Dass der Gutglaubensschutz der untersuchten Erbnachweise absolut wirkt, also ohne Verzichtsmöglichkeit der Beteiligten, gewährleistet eine rechtssichere und einheitliche Beeinflussung des Rechtsverkehrs durch die Gutglaubenswirkung. Es wäre befremdlich und der Rechtssicherheit zuwider, bei kumulativer Verwendung der Erbnachweise eine Friktion derart zuzulassen, dass bei Verwendung des einen Erbnachweises der Rechtszustand rückgängig gemacht werden kann und bei Verwendung des anderen Erbnachweises nicht. Die absolute Geltung des Gutglaubensschutzes ist demzufolge ein Aspekt, der im Besonderen auf einen Gleichlauf bei zwei nebeneinander bestehenden Gutglaubensregimen angewiesen ist. Was das Verhältnis des öffentlichen Glaubens der Erbnachweise zu anderen Gutglaubenstatbeständen sowie die Ausgleichsansprüche des wahren Erben betrifft, ist festzustellen, dass das europäische Recht sich in dieser Hinsicht konform in die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen einfügt. In Anbetracht dessen, dass der europäische Gutglaubensschutz letztlich einen Teil der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen bildet, ist die Konformität im Hinblick auf das Zusammenspiel von europäischem Gutglaubensschutz und nationalen Gutglaubenstatbeständen kaum verwunderlich. Auf diese Weise werden Friktionen von vornherein vermieden und mit der Perfektion gutgläubigen Erwerbs durch Hinzuziehung 544  545 

Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2397). Siehe unten im 3. Kap., B., III., 3., f), cc), (1), S.  208 ff.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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nationaler Gutglaubenstatbestände die internationale Nachlassabwicklung ge­ fördert und erleichtert, indem eine sachenrechtliche Zuordnung endgültig her­ gestellt wird. Die Ausgleichsansprüche des wahren Erben sind grundsätzlich nichterbrechtlicher Natur (abgesehen vom Erbschaftsanspruch), weshalb die ­EuErbVO diese auch nicht regelt. An dieser Stelle ist auf das einschlägige Ausgleichsstatut zurückzugreifen. Die EuErbVO verbietet Ausgleichsansprüche nicht, impliziert insbesondere mit dem Gutglaubensschutz nicht die Kondik­ tions­festigkeit unentgeltlichen Erwerbs. Deshalb kann der wahre Berechtigte beruhigt sein, dass ihm beispielsweise für den Verlust von Eigentum Kompensationen zustehen. Infolgedessen ist zumindest eine „ausgleichende Gerechtigkeit“ im Spannungsverhältnis zwischen dem wahren Erben und dem Rechtsverkehr festzustellen. Die Frage nach den Ausgleichsansprüchen hat keine Relevanz im Wettbewerb der Erbnachweise, weil die Ansprüche nicht an die Erbnachweise anknüpfen, sondern gleichsam außerhalb ihres Regelungsbereichs stehen. Der Erbe wird in der Regel nicht wissen können, ob er erstens doch nicht wahrer Erbe ist und zweitens nach welchem Recht sich die Ausgleichsansprüche richten. Vor allem ist beispielsweise bei Verwendung eines Erbscheins nicht ausgeschlossen, dass sich die Ausgleichsansprüche nach einem anderen Recht als dem deutschen Recht richten. Die Gültigkeitsfrist im europäischen Recht stellt schließlich eine praktische Schwäche dar546, während der deutsche und österreichische Gutglaubensschutz bzw. Erbschein und Einantwortungsbeschluss im Allgemeinen unbefristet gelten.547 Als rein isolierte Tatsache mag die beschränkte Geltungsdauer des Zeugnisses sicherlich nicht die Wahlentscheidung für das Zeugnis negativ beeinflussen, insbesondere wenn der Erbe sich mit diesem in einem anderen Mitgliedstaat legitimieren will. Wenn der Erbe indessen zusätzlich noch einen Erbschein beantragen kann, ist ihm dies ggf. anzuraten. Vorstellbar ist die Situation, dass das Erblasservermögen im Ausland im Vergleich zum Inland geringfügig ist und die ausländische Nachlassabwicklung mittels des Zeugnisses bis zum Ablauf der Gültigkeitsfrist abgeschlossen ist. Ist abzusehen, dass die inländische Nachlassabwicklung aufgrund des großen Nachlassvermögens oder sonstiger schwieriger Umstände langwierig zu werden droht, mag die kumulative Beantragung ­eines Erbscheins hilfreich sein, um sich das Verlängerungsverfahren beim Zeugnis zu ersparen. Zusätzlich kann der Erbe die Wirkungen des Erbscheins in Anspruch nehmen, die zumindest in Bezug auf die Gutglaubenswirkung stärker sind als beim Zeugnis. 546  So auch Weber, RNotZ 2018, 454, der deshalb das Zeugnis im Vergleich zum Erbschein als schwerfälligeres Nachweisinstrument bezeichnet; wohl auch Leitzen, ZEV 2018, 630 (635). 547  Vgl. zur Bedeutung der Gültigkeitsfrist im Kontext des europäischen erbrechtlichen Gutglaubensschutzes ausführlich unten in 3. Kap., D., III., 2., S.  287 ff.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Festzuhalten ist, dass der Gutglaubensschutz des Zeugnisses insgesamt weitgehend ist, aber jedenfalls im Vergleich zum deutschen und österreichischen Erbnachweis nicht unerheblichen Einschränkungen unterliegt. Wer für seine Zwecke auf das Zeugnis angewiesen ist, muss diese gesetzgeberische Entscheidung akzeptieren. Denn die Inanspruchnahme der Verkehrsfähigkeit nationaler Erbnachweise wird nicht die gleichen Vorteile, wie sie das Zeugnis schafft, bringen.548 Kommt es indes einem Erben auch darauf an, im Ausstellungsstaat selbst Nachlassgeschäfte abzuwickeln, kann die parallele Beantragung eines nationalen Erbnachweises zu empfehlen sein, soweit dieser einen stärkeren Gutglaubensschutz vermittelt, wie dies beim Erbschein der Fall ist. Der Erbe sollte hier unter Hinzuziehung professionellen Rates abwägen, in welchem Maße die Nachlassabwicklung des Gutglaubensschutzes bedarf. Ist beispielsweise die Erbfolge klar und vollkommen unstreitig, bedarf der Erbe keines ausgeprägten Gutglaubensschutzes und hat nichts zu befürchten. Die Frage nach der parallelen Beantragung eines nationalen Erbnachweises stellt sich in aller Regel nicht, wenn der (einzig) zur Verfügung stehende nationale Erbnachweis unter dem Gutglaubensschutzniveau des Zeugnisses liegt. Aus einer abstrakteren Perspektive enthüllt sich die Gutglaubenswirkung als eine sehr einschneidende Wirkung im europäischen Rechtsraum und auch als die intensivste Wirkung im Vergleich zur Vermutungs- und Legitimationswirkung. Die Gutglaubenswirkung ist mitunter diejenige Wirkung, die einer individuellen Gestaltung seitens jeden nationalen oder supranationalen Gesetzgebers in erheblich großem Maße zugänglich ist: angefangen mit den geschützten Rechtshandlungen bis zu den subjektiven Anforderungen an Zeugnisinhaber sowie Dritte und bis zu etwaigen Kombinationen mit andersartigen Gutglaubensnormen des nationalen Rechts. Die Konsequenzen in der Rechtswirklichkeit tragen ebenso zur Intensität der Gutglaubenswirkung bei. Womöglich wird das Eigentumsrecht der wahren Berechtigten tangiert oder vollständig aufgehoben, was insbesondere bei Nachlassgrundstücken erhebliche persönliche und wirtschaftliche Folgen auslösen kann. Geschaffen wurde der Boden gutgläubigen Erwerbs und befreiender Leistung in sämtlichen Mitgliedstaaten, ungeachtet dessen, wie die Mitgliedstaaten mit dem Gutglaubensschutz bezüglich ihrer eigenen nationalen Erbnachweise umgehen. Gravierende Bedeutung hat dies insbesondere für alle jene Mitgliedstaaten, die bisher ihren Erbnachweisen keine Gutglaubenswirkung beigemessen haben oder die überhaupt keine Erbnachweise kennen. Für Italien z.B. ergibt sich die gewichtige Konsequenz, dass über das Zeugnis nunmehr unentgeltlicher Erwerb geschützt wird. Das europäische Sachrecht tritt dann neben den dort zu findenden Regelungsmechanismen, z.B. der Theorie des Scheinerben 548 

Siehe im Einzelnen ausführlich unten im 5. Kap., B., S.  399 ff.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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in den romanischen Rechtskreisen. Das neue materielle Recht kann eine Chance, aber auch eine Gefahr zugleich sein: Einerseits wird die Nachlassabwicklung wesentlich erleichtert, indem durch die Gutglaubenswirkung der Abschluss von Rechtsgeschäften über den Nachlass beschleunigt und begünstigt wird. Andererseits führt eine so weitreichende Wirkung wie die Gutglaubenswirkung in jenen Rechtsordnungen zu einem womöglich ungewollten Paradigmenwechsel aus Sicht der Praxis. Der Unionsgesetzgeber hat das Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz des Rechtsverkehrs und dem wahren Berechtigten grundsätzlich zugunsten des Rechtsverkehrs aufgelöst, so dass jene Mitgliedstaaten diese Wertung zu dulden haben, auch wenn sie nach ihrem eigenen nationalen Recht eine andere Perspektive einnehmen. Daran zeigt sich der mittelbare Einfluss europäischen Rechts auf das nationale Recht, wenngleich nur in Form europäischen Sachrechts. III. Legitimationswirkung Die Legitimationswirkung bezeichnet die Fähigkeit, sich als Berechtigter mithilfe des Erbnachweises vor staatlichen und privaten Stellen zu legitimieren.549 Im nationalen wie im internationalen Kontext ist der Nachweis der erbrechtlichen Rechtsstellung essentiell, um z.B. Zugriff auf das Nachlassvermögen zu erhalten oder registerrechtliche Veränderungen veranlassen zu können. Die Legitima­ tions­wirkung soll in den untersuchten Rechtsordnungen exemplarisch anhand der Verwendung des Erbnachweises vor dem Grundbuchamt und dem Handelsregister und zusätzlich im Zusammenhang mit Nachlassangelegenheiten bei Banken untersucht werden. 1. Deutschland Der Erbschein ist das Legitimationsmittel schlechthin zum Nachweis der Erbenstellung vor staatlichen sowie privaten Stellen, zumal er die höchste Erbnachweisstufe im deutschen Recht besetzt550. a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen Da die Legitimationswirkung lediglich eine besondere Ausprüfung der Vermutung nach §  2365 BGB darstellt (die Vermutung zugunsten des Erbscheinserben bewirkt, dass dieser sich ohne weiteres als Erbe im Rechtsverkehr legitimieren Vgl. Steiner, Zak 2015, 304, die jedoch nur die Legitimation vor staatlichen Stellen erfasst; so auch Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  544. 550  Siehe oben im 1. Kap., B., III., S.  9 ff. 549 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

kann), kann für die allgemeinen Wirkungsvoraussetzungen kann vollständig auf die Ausführungen zur Vermutungswirkung verwiesen werden.551 b) Grundbuchamt aa) Allgemeines Häufig fallen in den Nachlass Grundstücke und sonstige beschränkte dingliche Rechte an ihnen.552 Im Zuge der Nachlassabwicklung hat der Erbe regelmäßig das Interesse, zügig als Rechtsnachfolger des Erblassers in das Grundbuch eingetragen zu werden, um auch entsprechend der Grundbuchlage formell als Eigen­tümer des Grundstücks oder Inhaber des dinglichen Rechts nach außen aufzutreten.553 bb) Der Unrichtigkeitsnachweis nach §  35 GBO §  35 Abs.  1 S.  1 GBO bestimmt, dass der Nachweis der Erbfolge nur durch einen Erbschein oder – seit dem 17.8.2015 – durch ein Zeugnis geführt werden kann. Der Erbschein und das Zeugnis bilden mithin die primären Unrichtigkeitsnachweise.554 Liegt eine gewillkürte Erbfolge vor, ist gemäß §  35 Abs.  1 S.  2 GBO die Vorlage der Verfügung von Todes wegen, sofern sie in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, und der Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung ausreichend, es sei denn, das Grundbuchamt ist trotz Vorlage der Urkunden vom Nachweis der Erbfolge nicht überzeugt. Insbesondere wenn das in öffentlicher Urkunde errichtete Testament keine unlösbaren Auslegungsschwierigkeiten bereitet und sich daher die Erbfolge mit hinreichender Deutlichkeit aus diesem ergibt, ist das Verlangen nach einem Erbschein unberechtigt.555 Das Verlangen nach der Legitimation durch einen Erbschein kann zudem nicht damit begründet werden, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung des öffentlichen Testaments testierunfähig war oder die Verfügung aufgrund einer Anfechtung unwirksam ist; 551 

Siehe oben im 3. Kap., B., II., 1., a), S.  60. Bis 2024 sollen 664 Milliarden Euro Erbvermögen, das aus Grundstücken und Häusern besteht, an die nächste Generation wechseln, vgl. die Statistik des Deutschen Instituts für Altersvorsorge vom September 2015: (zuletzt abgerufen: 15.7.2021). 553  Mit der Grundbuchberichtigung können auch Personen eingetragen werden, die materiellrechtlich keine Erben sind, weil sich später etwa aufgrund eines neu entdeckten Testaments eine andere Erbrechtslage ergibt. Hier ist zu beachten, dass mit der Eintragung der unwahren Erben der öffentliche Glaube des Grundbuchs gemäß §  892 BGB wirkt und damit ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten möglich ist (ohne Hinzuziehung der Gutglaubenswirkung des Erbscheins). 554  Böhringer, NotBZ 2015, 281. 555  OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.5.2011 – 8 W 169/11, ZEV 2012, 338. 552 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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das Verlangen ist nur berechtigt, wenn konkrete Zweifel über das behauptete Erbrecht bestehen.556 Ebenso wenig berechtigt eine komplexe Rechtslage das Grundbuchamt, statt einer öffentlichen Urkunde einen Erbschein zu verlangen.557 Privatschriftliche Testamente wie etwa eigenhändige Testamente genügen ausweislich des Wortlauts nicht, da sie für die Grundbuchzwecke mit zu schwacher Richtigkeitsgewähr ausgestattet sind. Der Antragsteller muss den Erbschein in Urschrift oder eine Ausfertigung vorlegen.558 Eine beglaubigte Abschrift genügt wegen der jederzeitigen Einziehungsmöglichkeit durch das Nachlassgericht nach §  2361 BGB nicht, da nur die Urschrift und die Ausfertigung bei Unrichtigkeit eingezogen werden, nicht jedoch eine beglaubigte Abschrift.559 cc) Prüfungspflicht des Grundbuchamts im Hinblick auf den Inhalt des Erbscheins? Der Erbschein als grundbuchrechtlicher Unrichtigkeitsnachweis steht gleichsam an der Schnittstelle zwischen Erbrecht und Grundbuch(verfahrens)recht. Aus diesem Grund ist zu untersuchen, ob das Grundbuchamt selbst eigene Nachforschungen bezüglich der Erbrechtslage anstellen darf, wenn es Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des Erbscheins hat und daraufhin die begehrte Umschreibung nicht vornehmen will. In den Fokus rückt hiermit eine etwaige Prüfungspflicht560 des Grundbuchamtes. Denn grundsätzlich bestimmt §  2365 BGB, dass der Erbscheinsinhalt für jedermann als richtig vermutet wird, also auch im Grundbuchverfahren.561 Eine (uneingeschränkte) Prüfungspflicht würde dieser Vermutungswirkung widersprechen.

556 

OLG Oldenburg, Beschl. v. 27.10.2016 – 12 W 192/16, FamRZ 2017, 1431. OLG München, Beschl. v. 30.11.2016 – 34 Wx 363/16, FamRZ 2017, 1008; OLG München, Beschl. v. 22.3.2016 – 34 Wx 393/15, RNotZ 2016, 396 (398); OLG München, Beschl. v. 11.7.2016 – 34 Wx 144/16, ZEV 2016, 439 (440). 558  Staudinger/Herzog, §  2365 Rn.  25b; Demharter, GBO, §  35 Rn.  23; Böhringer, ZEV 2001, 387. 559  BGH, Beschl. v. 20.5.1981 – V ZB 25/79, NJW 1982, 170 (172); MüKoBGB/Grziwotz, §  2365 Rn.  25. 560  Prüfungspflicht und Prüfungsrecht (also die Autonomie des Grundbuchamtes, die Intensität der Prüfung zu bestimmen) decken sich, insbesondere kann das Prüfungsrecht nie weiterreichen als die Prüfungspflicht, vgl. OLG Köln, Beschl. v. 16.3.1988 – 2 Wx 14/88, NJW 1989, 173 (174); Keilbach, MittRhNotK 2000, 365 (368 f.) m.w.N. 561  Jüngst klargestellt vom OLG München, Beschl. v. 21.12.2015 – 34 Wx 245/15, RNotZ 2016, 185 (187). 557 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

(1) Grundsätzliche Unzulässigkeit einer Prüfungspflicht Bei der Statuierung einer Prüfungspflicht ist zunächst die Kollision zweier rechtlicher Ausgangssituationen zu vergegenwärtigen. Zum einen hat das Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren die Erbrechtslage ermittelt und sodann den Erbschein erteilt; es trägt folglich die alleinige Verantwortung für die Ausweisung über das Bestehen des Erbrechts im Erbschein562. Zum anderen darf nicht vernachlässigt werden, dass das Grundbuchamt als staatliche Behörde eine wichtige Aufgabe erfüllt und sein zuvörderstes Ziel ist, das Grundbuch zu pflegen und insbesondere die Richtigkeit des Grundbuchs fortlaufend zu gewährleisten, um die durch das Grundbuch intendierte Verkehrserleichterung durch die Richtigkeitsvermutung nach §  891 BGB sowie Verkehrssicherung durch die positive Publizität nach §  892 BGB zu legitimieren.563 Vor diesem Hintergrund mag eine in gewissen Grenzen ausgestaltete Prüfungspflicht zu einer weiteren Erhöhung der Richtigkeitsgewähr von Grundbucheintragungen führen. Wie bereits aufgezeigt, stellt §  2365 BGB eine Richtigkeitsvermutung für das im Erbschein angegebene Erbrecht auf. Im privaten wie auch im behördlichen Rechtsverkehr kann jeder auf das Erbrecht vertrauen, ohne Nachforschungen anstellen zu müssen. Die Vorschrift würde sich ansonsten ihres eigenen Anwendungsbereichs berauben, wenn die Vermutung letztlich doch einer jederzeitigen Überprüfung zugänglich wäre. Der Wortlaut des §  35 Abs.  1 S.  1 GBO knüpft nur an die Vorlage des Erbscheins; Anhaltspunkte für eine Prüfungspflicht liegen nicht vor. Hierdurch wird dem Verhältnis zwischen Nachlassgericht und Grundbuchamt Rechnung getragen. Das Nachlassgericht als sachnähere Behörde hat von Gesetzes wegen die Kompetenz, über das Erbrecht zu entscheiden und dieses in Form eines Erbscheins nach außen zu dokumentieren (§  352e FamFG), und nicht das Grundbuchamt.564 Vermieden wird eine unnötige Doppelprüfung mit der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen.565 Daher ist das Grundbuchamt an die Rechtsauffassung des Nachlassgerichts hinsichtlich der Feststellung und Bewertung der Tatsachen gebunden.566 Das Grundbuchamt ist schließlich praktisch nicht in der Lage, ein fundiertes Bild über die Erbrechtslage für eine etwaige eigenständige Nachprüfung herzustellen, da es aufgrund der Kompetenzverteilung kein Recht auf Einsicht in die Nachlassakten hat.567 562 

BeckOK-GBO/Wilsch, §  35 Rn.  51; vgl. auch BGH, Beschl. v. 17.9.2020 – V ZB 8/20, ZEV 2020, 773 (774 f.). 563  Vgl. Keilbach, MittRhNotK 2000, 365 (366). 564  MüKoBGB/Grziwotz, §  2365 Rn.  26; jurisPK-BGB/Mayr, §  2365 Rn.  12. 565  MüKoBGB/Grziwotz, §  2365 Rn.  26; Dillberger/Fest, ZEV 2009, 220. 566  Staudinger/Herzog, §  2365 Rn.  31; Jauernig/Stürner, §  2353 Rn.  14; Bestelmeyer, notar 2013, 147 (148). 567  OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.10.1978 – 20 W 262/78, Rpfleger 1979, 106.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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Die Bindungswirkung erstreckt sich dabei nicht nur auf den Inhalt des Erbscheins, sondern auch auf die gerichtliche Beurteilung der formellen Wirksamkeit568 einer dem Erbschein zugrundeliegenden Verfügung von Todes wegen und deren Auslegung569. Dies ist nur konsequent, will man verhindern, dass das Grundbuchamt die Formgültigkeit der jeweiligen Verfügung von Todes wegen infrage stellt und so mittelbar die gewillkürte Erbfolge scheitern lässt und die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung beruft. Das Gleiche lässt sich auf die Auslegung der Verfügung von Todes wegen übertragen, wobei hier zusätzlich die Gefahr besteht, dass das Grundbuchamt mit einer eigenständigen Auslegung ­eines etwa sehr komplex verfassten Testaments zu einem gegenteiligen oder ­äußerst fragwürdigen Ergebnis kommt. Die grundsätzliche Zurückhaltung des Grundbuchamts im Rahmen des §  35 Abs.  1 S.  1 GBO, der die Verbindung zwischen dem Nachlassgericht als „Repräsentant des Erbrechts“ und dem Grundbuchamt als „Repräsentant des Grundbuchrechts“ zum Ausdruck bringt, ist zu begrüßen. Die hervorgebrachten Argumente überzeugen vor dem Hintergrund, dass grundsätzlich auf das Ergebnis einer gerichtlichen Entscheidung vertraut werden darf. Für die Erben wird Rechtssicherheit geschaffen, indem sie mit einem einmal erteilten Erbschein eine zügige Nachlassabwicklung betreiben können. Dennoch ist ein Bedürfnis für eine Nachprüfung seitens des Grundbuchamts anzuerkennen, wenn besondere Umstände vorliegen, die die inhaltliche Richtigkeit des Erbscheins für das Grundbuchamt infrage stellen. (2) Prüfungspflicht bei Kenntnis von den Erbscheinsinhalt schwerwiegend erschütternden Tatsachen Hat das Grundbuchamt gegenüber dem Nachlassgericht hinsichtlich der im Erbschein wiedergegebenen Erbrechtslage überlegenes Wissen – das Grundbuchamt erhält beispielsweise zufällig von neuen erbrechtsrelevanten Tatsachen Kenntnis, die im Erbscheinsverfahren nicht berücksichtigt wurden570 –, erscheint es nicht tragbar, dem vorgelegten Erbschein Legitimationskraft beizumessen und die Grundbuchberichtigung durch das Grundbuchamt vornehmen zu lassen. Zutreffend wird daher geschlussfolgert, dass die Bindungswirkung für das Grundbuchamt entfällt, wenn neue Tatsachen bekannt werden, die ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des Erbscheins auslösen und die beim Grundbuchamt die Annahme entstehen lassen, dass das Nachlassgericht zeitnah den Erbschein nach Demharter, GBO, §  35 Rn.  26 m.w.N. OLG München, Beschl. v. 27.2.2012 – 34 Wx 548/11, RNotZ 2012, 286 (288); NKBGB/Kroiß, §  2365 Rn.  10. 570  NK-BGB/Kroiß, §  2365 Rn.  10. 568  569 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

§  2361 BGB einziehen oder für kraftlos erklären wird.571 Sicher jedoch ist das Grundbuchamt berechtigt, einen Eintragungsantrag abzulehnen, wenn ihm ein Einziehungsbeschluss des Nachlassgerichts, das den vorgelegten Erbschein ausgestellt hat, zugestellt wurde, da insoweit die Legitimationswirkung entfällt; ferner wird darauf hingewiesen, dass das Grundbuchamt nicht sehenden Auges in Widerspruch zum Legalitätsprinzip einen gutgläubigen Erwerb ermöglichen darf.572 Es besteht bei Zweifeln des Grundbuchamts kein Recht desselben, einen neuen Erbschein zu verlangen. Dies folgt daraus, dass es sich hierbei um eine Angelegenheit zwischen dem Grundbuchamt und dem Nachlassgericht hinsichtlich der Entscheidungskompetenz zur Feststellung der Erbrechtslage handelt, in die die Beteiligten nicht nachteilig – nämlich wenn das Grundbuchamt aufgrund seiner eigenen Feststellung die Eintragung ablehnt – involviert werden sollen.573 Das Grundbuchamt hat durch Rückfrage an das Nachlassgericht diesem seine Zweifel an der Richtigkeit des Erbscheins zu übermitteln, um das Nachlassgericht zur Einziehung oder Kraftloserklärung des Erbscheins anzuregen.574 Das Nachlassgericht ist auf der anderen Seite nicht an die vom Grundbuchamt hervorgebrachten Zweifel gebunden, sondern hat diese zur Kenntnis zu nehmen und nach etwaiger Durchführung weiterer Nachforschungen eine erneute Beurteilung über die Erbrechtslage abzugeben.575 Im Falle einer Übereinstimmung von Nachlassgericht und Grundbuchamt wird das Nachlassgericht in der Regel die Einziehung des Erbscheins anordnen. Bei Aufrechterhaltung der ursprünglichen Rechtsauffassung des Nachlassgerichts lebt die Bindungswirkung wieder auf, so dass das Grundbuchamt die beantragte Eintragung vornehmen muss.576 Die rechtliche Verantwortung für eine daraufhin falsche Eintragung trägt aufgrund der Bindungswirkung für das Grundbuchamt allein das Nachlassgericht.577

571  OLG München, Beschl. v. 17.10.2016 – 34 Wx 252/16, RNotZ 2017, 43 (47); Demharter, GBO, §  35 Rn.  26; zur Prüfungspflicht des Grundbuchamts bei Vorliegen eines notariellen Testaments vgl. OLG München, Beschl. v. 29.1.2016 – 34 Wx 50/15, FamRZ 2016, 1400 (Prüfung von Form und Inhalt der Verfügung von Todes wegen sowie das Vorliegen der Verfügung entgegenstehender anderer Verfügungen von Todes wegen). 572  OLG Hamburg, Beschl. v. 24.2.2017 – 13 W 12/17, ZMR 2017, 520. 573  Bauer/Schaub/Schaub, §  35 GBO Rn.  103. 574  Palandt/Weidlich, §  2353 Rn.  78; NK-BGB/Kroiß, §  2365 Rn.  10; Meikel/Krause/Weber, §  35 GBO Rn.  98; Bauer/Schaub/Schaub, §  35 GBO Rn.  105; Bestelmeyer, notar 2013, 147 (148). 575  MüKoBGB/Grziwotz, §  2365 Rn.  27. 576  MüKoBGB/Grziwotz, §  2365 Rn.  27. 577  Bestelmeyer, notar 2013, 147 (148); Muscheler, Jura 2009, 567 (574).

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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dd) Verwendung des Erbscheins bei Vor- und Nacherbschaft Der Erbschein bezeugt eine etwaige Anordnung der Vor- und Nacherbschaft durch den Erblasser (§  352b Abs.  1 FamFG). Bei Eintritt des Nacherbfalls hat der Nacherbe ein berechtigtes Interesse daran, nunmehr als Rechtsnachfolger des Erblassers im Grundbuch eingetragen zu werden. §  35 Abs.  1 S.  1 GBO verlangt einen Erbschein für den Nachweis der Erbfolge; dies gilt grundsätzlich auch für einen Nacherben.578 Der Umstand allerdings, dass dem Vorerben regelmäßig zuvor ein Erbschein erteilt worden war – mit dem sich der Vorerbe nach dem Tode des Erblassers für die Berichtigung des Grundbuchs legitimiert hatte – und nach §  51 GBO ein sog. Nacherbenvermerk im Grundbuch von Amts wegen einzutragen ist, könnte die Vorlage eines Erbscheins durch den Nacherben entbehrlich machen, sofern – bei ungeregelter Bestimmung des Ereignisses für den Eintritt des Nacherbfalls – der Tod des Vorerben durch geeignete Urkunden nachgewiesen wird. Die Legitimationswirkung des Erbscheins für den Vorerben beschränkt sich jedoch nur auf das Erbrecht des Vorerben. Auch wenn der Erbschein Angaben zur Nacherbfolge, inklusive Ereignis des Eintritts des Nacherbfalls sowie Person des Nacherben, enthält (§  352b Abs.  1 S.  1 FamFG), haben diese Angaben lediglich Relevanz für die Verfügungsbefugnis des Vorerben (§§  2112 ff. BGB). Ein Recht des Nacherben wird nach §  2365 BGB nicht vermutet.579 Auch §  51 GBO beruht letztlich auf der Eintragung des Vorerben in Bezug auf den diesem erteilten Erbschein, das Recht des Nacherben wird hiermit nicht bewiesen.580 Anhand dieser Problematik zeigt sich erneut, dass dem Erbschein im Vergleich zu anderen Formen des Nachweises der Erbfolge die im Rechtsverkehr höchste Legitimationskraft zukommt, dessen Grenzen jedoch strikt von §  2365 BGB abgesteckt werden. Der Erbschein erzeugt eine Vermutung nur für das darin bezeichnete Erbrecht. Wer sich als Rechtsnachfolger legitimieren will, muss sich vergewissern, auch einen Erbschein mit Angabe seines eigenen Erbrechts vorlegen zu können. Andere erteilte Erbscheine, die im sachlich engen Zusammenhang mit dem Erbfall erteilt wurden, bleiben für ihn nutzlos.

578 

Vgl. OLG München, Beschl. v. 17.3.2014 – 34 Wx 502/13, FamRZ 2014, 2027. Vgl. OLG München, Beschl. v. 11.4.2011 – 34 Wx 160/11, FGPrax 2011, 173 und grundlegend BGH, Beschl. v. 26.5.1982 – V ZB 8/81, BGHZ 84, 196 = NJW 1982, 2499. 580  Demharter, GBO, §  51 Rn.  8. 579 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

c) Handelsregister aa) Allgemeines Der Tod eines Erblassers, der z.B. einen Geschäftsanteil an einer GmbH besaß, führt regelmäßig zum unmittelbaren Übergang des Geschäftsanteils auf die Erben (vgl. §  15 Abs.  1 GmbHG).581 Diese vor allem gesellschaftsrechtlich relevante Veränderung muss für den Rechtsverkehr im Handelsregister verlautbart werden, da das Handelsregister wie das Grundbuch Publizitätswirkung zeitigt (vgl. §  15 HGB). Der Erbe muss sich hierfür vor dem Registergericht legitimieren. bb) Unrichtigkeitsnachweise nach §  12 Abs.  1 S.  4 HGB Anders als §  35 Abs.  1 GBO spricht die funktionell äquivalente Regelung des §  12 Abs.  1 S.  4 HGB, der Anmeldungen zur Eintragung ins Handelsregister betrifft, allgemeiner vom Nachweis der Rechtsnachfolge durch öffentliche Urkunden und führt zugleich das Tatbestandsmerkmal der Tunlichkeit ein. Dem Registergericht ist folglich ein Ermessensspielraum eingeräumt, welche Art von öffentlicher Urkunde es für den Nachweis der Erbenstellung für ausreichend erachtet.582 Die Verwendung eines Erbscheins im Handelsregisterverkehr stellt aus diesem Grund lediglich eine Möglichkeit dar, die Erbenstellung nachzuweisen. Neben dem Erbschein ist die Vorlage eines Zeugnisses583 oder einer Verfügung von Todes wegen in Form einer öffentlichen Urkunde584 möglich. Letztere Möglichkeit wird mit dem Rechtsgedanken des §  35 Abs.  1 S.  2 GBO begründet.585 Ausschlaggebend ist das Argument, dass das Handelsregister im Allgemeinen eine weniger stark ausgeprägte Richtigkeitsgewähr besitzt als das Grundbuch, so dass a maiore ad minus die Vorlage einer Verfügung von Todes wegen in Form einer öffentlichen Urkunde auch im Handelsregisterverkehr genügen muss.586 So kann die Vorlage eines notariellen Testaments sowie der Niederschrift über deren Eröffnung zusammen mit einer eidesstattlichen Versicherung über das Nichtverlangen des Pflichtteils grundsätzlich zum Nachweis der Rechtsfolge ausreichen, sofern für die Feststellung der Erbfolge keine tatsächlichen Ermittlungen erforderlich sind.587 In konsequenter Fortführung des Rechtsgedankens des §  35 581 

Vgl. MüKoBGB/Leipold, §  1922 Rn.  104. Staudinger/Herzog, §  2365 Rn.  36; vgl. auch OLG München, Beschl. v. 24.3.2015 – 31 Wx 105/15, MittBayNot 2016, 258 mit Anm. Schreindorfer. 583  Palandt/Weidlich, Anh. zu §§  2353 ff., Art.  69 EuErbVO Rn.  1. 584  MüKoHGB/Krafka, §  12 Rn.  52; Wachter, DB 2009, 159 (160). 585  MüKoHGB/Krafka, §  12 Rn.  52. 586  So Wachter, DB 2009, 159 (160) in Bezug auf die Richtigkeitsgewähr der Gesellschafterliste im Handelsregister. 587  OLG Bremen, Beschl. v. 15.4.2014 – 2 W 22/14, NJW-RR 2014, 816. 582 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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Abs.  1 S.  2 Hs. 2 GBO darf nicht übersehen werden, dass das Registergericht die Vorlage eines Erbscheins verlangen kann, wenn es trotz vorgelegter Verfügung von Todes wegen die Erbfolge für nicht nachgewiesen erachtet. Das Interesse, bei Zweifeln zugunsten des Rechtsverkehrs eine stärkere Nachweisform zu verlangen, ist beim Registergericht und beim Grundbuchamt gleich zu beurteilen. Das besondere Tatbestandsmerkmal der Tunlichkeit stellt einen Hinweis auf Ausnahmefälle dar, in denen eine öffentliche Urkunde für den Nachweis der Erbfolge nicht erforderlich ist. Wenn sich beispielsweise die Rechtsnachfolge unmittelbar aus den Register- oder Nachlassakten, die bei demselben Gericht geführt werden, entnehmen lässt, reicht ein Bezug auf diese Akten seitens des Anmeldepflichtigen.588 Für die Tunlichkeit kann auch eine Rolle spielen, welche Kosten für die Beantragung eines Erbscheins auf den Anmeldenden zukommen. Wenn die Kosten des Erbscheins den Wert des vererbten Kommanditanteils fast erreichen oder diesen sogar übersteigen, würde der Erbe letztlich aufgrund der Verfahrenskosten wirtschaftlich enteignet und hätte nichts von seinem Erbe.589 Hier sollte das Registergericht andere Nachweise, soweit sie eindeutig die Erbfolge belegen, akzeptieren und von dem Verlangen nach einem Erbschein abrücken. Doch sollte in Anbetracht der gesetzlichen Wertung, zugunsten des Rechtsverkehrs nur zuverlässige Erbnachweise zu akzeptieren, eine so begründete Unverhältnismäßigkeit nur restriktiv angenommen werden.590 Die Vorlage eines Erbscheins bildet den Regelfall bei Maßgeblichkeit gesetzlicher Erbfolge und gewillkürter Erbfolge, soweit privatschriftliche Testamente diese bestimmt591. Dies folgt daraus, dass es bei ersterem naturgemäß einen Nachweis der Erbenstellung außer einem Erbschein nicht gibt (sonstige Dokumente, die die Verwandtschaftsverhältnisse wiedergeben, zählen nicht zu den Nachweisformen) und bei letzterem eine so schwache, weil unsichere Nachweisform vor dem Hintergrund des Schutzes des Rechtsverkehrs und der Wirkungen der Eintragung nicht genügt. Irrelevant ist der mit dem Erbscheinsverfahren ver588 

Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, §  12 Rn.  5. Schreindorfer, MittBayNot 2016, 258 (260); darauf hindeutend auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.6.2017 – I-3 Wx 90/16, NJW-RR 2018, 166 (168); siehe aber OLG München, Beschl. v. 17.10.2017 – 31 Wx 330/17, ZEV 2018, 469, wonach unverhältnismäßige Kosten nicht zwingend eine Untunlichkeit der Vorlage eines Erbscheins begründen, insbesondere wenn der Nachweis der Erbfolge durch ein privatschriftliches Testament erbracht werden soll und das Nachlassvermögen sehr groß ist (hier: mindestens 100 Millionen Euro). Das Gericht weist auch auf die sogleich zu untersuchenden Entscheidungen des BGH (vgl. 3. Kap., B., III., 1., d), S.  180 ff.) zur Legitimation vor Banken hin und stimmt dem BGH dahingehend zu, dass §  12 Abs.  1 S.  4 HGB eine gesetzliche Sonderregelung von dem Grundsatz darstellt, dass der Erbe nicht verpflichtet ist, sein Erbrecht mittels eines Erbscheins nachzuweisen. 590  So Schreindorfer, MittBayNot 2016, 258 (260). 591  Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, §  12 Rn.  5. 589 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

bundene Kosten- und Zeitaufwand.592 Wie beim Grundbuchamt ist der Erbschein wegen §  2361 BGB in Urschrift oder in einer Ausfertigung vorzulegen.593 cc) Prüfungspflicht des Registergerichts im Hinblick auf den Inhalt des Erbscheins? Gleichlaufend zur Situation vor dem Grundbuchamt kann über eine etwaige Prüfungspflicht des Registergerichts hinsichtlich der Richtigkeit des Erbscheins nachgedacht werden. In der Gesamtschau der Umstände zeigt sich allerdings, dass die oben genannten Argumente für die Verneinung einer Prüfungspflicht auch auf das Handelsregister zutreffen.594 Überzeugend ist vor allem erneut das Argument der Kompetenzverteilung. Über die Feststellung der Erbfolge wird in einem Erbscheinsverfahren vor dem Nachlassgericht entschieden. Die Situation vor dem Registergericht unterscheidet sich von der vor dem Grundbuchamt in keiner Weise. dd) Verwendung des Erbscheins bei Vor- und Nacherbschaft Schließlich gelten die Grundsätze zur Vor- und Nacherbschaft bei §  35 GBO auch im Handelsregisterverkehr entsprechend, wobei hier eine dem §  51 GBO vergleichbare Vorschrift nicht existiert.595 d) Banken aa) Allgemeines Im privaten Rechtsverkehr nehmen Bankangelegenheiten in der Nachlassabwicklung eine bedeutende Rolle ein. Denn man kann sich ohne weiteres gut vorstellen, dass nahezu jeder Erblasser zu seinen Lebzeiten ein Konto bei einer Bank geführt hat. Die Erben oder diejenigen, die sich für solche halten, wenden sich nach dem Tod des Erblassers regelmäßig an die Banken, bei denen der Erblasser zu seinen Lebzeiten sein (Geld-)Vermögen aufbewahrte. Sie verlangen von den Banken den Zugang zum Konto regelmäßig mit der Hoffnung, schnell an Geldmittel (zum Einsatz für die Nachlassabwicklung oder auch für ganz persönliche Bedürfnisse) zu gelangen, ohne z.B. hierfür den Verkauf von Nachlassgegenständen anstrengen zu müssen. Die Banken fordern verständlicherweise von demjenigen, der den Nachlass bei der Bank beansprucht, einen Legitimationsnachweis. 592 

OLG Bremen, Beschl. v. 15.4.2014 – 2 W 22/14, NJW-RR 2014, 816. MüKoHGB/Krafka, §  12 Rn.  53. 594  Vgl. OLG Bremen, Beschl. v. 15.4.2014 – 2 W 22/14, NJW-RR 2014, 816; MüKoHGB/ Krafka, §  12 Rn.  54; MüKoBGB/Grziwotz, §  2365 Rn.  28. 595  MüKoHGB/Krafka, §  12 Rn.  55. 593 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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Es geht hierbei nicht nur darum, den Erben den Zugriff auf die Konten des Erb­ lassers schnell und zuverlässig zu ermöglichen, sondern auch darum, die Banken vor doppelter Inanspruchnahme bei Auszahlungen an eine Person, die sich später als unwahrer Erbe erweist, zu schützen. Die Besonderheit im privaten Rechtsverkehr ist, dass eine gesetzliche Regelung (wie z.B. §  35 GBO) zu den Anforderungen an den Nachweis der Erbenstellung nicht existiert. Das ist angesichts der Tatsache der vielfältigen potentiellen privatrechtlichen Verhältnisse nicht weiter erstaunlich. In diesem Bereich stehen damit vertragliche Vereinbarungen im Vordergrund. Auch ohne jene mögen Erben von sich aus einen Erbschein beantragen, wenn sie sich über Bankangelegenheiten hinaus noch für zahlreiche andere Nachlassangelegenheiten legitimieren müssen. Den Erbschein als Erbnachweis mit der höchsten Legitimationskraft können sie für sämtliche Angelegenheiten zunutze machen. Die Verwendung eines Erbscheins in Bankangelegenheiten ist für die Banken freilich sehr erfreulich, da mit der Vorlage eines Erbscheins die Interessen der Banken durchaus stark geschützt werden.596 Aufgrund der Gutglaubenswirkung des Erbscheins gemäß §§  2366, 2367 BGB können die Banken mit befreiender Wirkung an den Erbscheinsinhaber leisten, sofern sie nicht bösgläubig sind. Da die Erben indessen nicht zwingend einen Erbschein beantragen müssen, sondern auch andere Formen des Nachweises der Erbenstellung (z.B. alle Arten von Verfügungen von Todes wegen)597 existieren, stellt sich die Frage, ob Banken die Vorlage eines Erbscheins verlangen können und hiermit mittelbar den Erbschein zum obligatorischen Erbnachweis stilisieren. Der BGH hat sich in den letzten Jahren mit dieser Thematik auseinandersetzen müssen. bb) Urteil des BGH vom 8.10.2013 – XI ZR 401/12 (1) Inhalt der streitgegenständlichen AGB-Klausel Die Sparkassen-AGB enthielten vor der maßgeblichen Entscheidung des BGH598 eine Klausel, nach der die Sparkasse zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung die Vorlage eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder ähnlicher gerichtlicher Zeugnisse verlangen konnte. Die Klausel hatte folgenden Inhalt: „Nach dem Tode des Kunden kann die Sparkasse zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder ähnlicher gerichtlicher Zeugnisse verlangen; fremdsprachige Urkunden sind auf Verlangen der Sparkas596  So auch Schimansky/Bunte/Lwowski/Bunte, §  10 Rn.  5, der die Vorlage des Erbscheins als sichersten Weg für die Bank bezeichnet. 597  Siehe oben im 1. Kap., B., III., S.  9 ff. 598  BGH, Urt. v. 8.10.2013 – XI ZR 401/12, BGHZ 198, 250 = NJW 2013, 3716.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

se mit deutscher Übersetzung vorzulegen. Die Sparkasse kann auf die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift vom Testament oder Erbvertrag des Kunden sowie der Niederschrift über die zugehörige Eröffnungsverhandlung vorgelegt wird.“

Gegenstand des Verfahrens, das prozessual in einer Verbandsunterlassungsklage inkorporiert war, bildete die Frage, ob sich die Sparkasse durch AGB ein Vorlagerecht zugunsten des Erbscheins einräumen konnte und auf dieser Basis sämtliche andere Erbnachweisformen ablehnen durfte. (2) Entscheidung Der BGH beschäftigt sich, nachdem die Eröffnung der Inhaltskontrolle fundiert begründet worden ist599, im Wesentlichen mit der Frage, ob die Kunden der Sparkasse durch die Klausel gemäß §  307 Abs.  1 S.  1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt werden. Dies bejaht der BGH zutreffenderweise. Er führt zunächst aus, dass nach ständiger Rechtsprechung dem Erben keine Pflicht obliegt, seine Erbenstellung durch einen Erbschein nachzuweisen, sondern der Nachweis auch in anderer Form erfolgen kann.600 Dahinter steckt die Grundannahme, dass die Feststellung der Erbfolge in aller Regel nicht sonderlich komplex ist, gerade wenn es um die Intestaterbfolge bei überschaubaren Familien geht, aber auch in der gewillkürten Erbfolge bei Vorliegen eindeutiger Verfügungen von Todes wegen (Testament, Erbvertrag). Ein zeitraubendes, kostenintensives Erbscheinsverfahren anzustrengen, erscheint in solch einfach gelagerten Fällen überflüssig.601 Zwar wurden in früheren Entscheidungen anderer Gerichte602 keine Zweifel an der Wirksamkeit solcher Klauseln gehegt; diese waren jedoch individuell ver599  Vgl. BGH, Urt. v. 8.10.2013 – XI ZR 401/12, BGHZ 198, 250 (256 f.) = NJW 2013, 3716 f. 600  BGH, Urt. v. 8.10.2013 – XI ZR 401/12, BGHZ 198, 250 (257) = NJW 2013, 3716 (3717); vgl. auch BGH, Urt. v. 7.6.2005 – XI ZR 311/04, BGH NJW 2005, 2779 unter Hinweis auf RG, Urt. v. 1.5.1903 – III 4/03, RGZ 54, 343 (344); BGH, Urt. v. 10.12.2004 – V ZR 120/04, NJW-RR 2005, 599 (600); BGH, Urt. v 27.2.1961 – II ZR 196/59, WM 1961, 479 (481). 601  Zu durchaus plausiblen Ausnahmen, in denen ein Vorlagerecht der Banken und Sparkassen gerechtfertigt erscheint, vor allem bei auslegungsbedürftigen Verfügungen von Todes wegen, vgl. Litzenburger, MittBayNot 2014, 349 (350). Der BGH selbst schließt nicht aus, dass es Fälle in der Praxis gibt, in denen Banken mit Recht auf die Vorlage eines Erbscheins bestehen dürfen, vgl. bereits BGH, Urt. v. 7.6.2005 – XI ZR 311/04, NJW 2005, 2779 (2780). 602  OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.10.2012 – 8 U 345/11-95, BeckRS 2013, 20971; OLG Celle, Urt. v. 26.4.1995 – 3 U 113/94, NJW 1998, 82 (83 f.) zu Nr.  5 Abs.  1 S.  2 der Sparkassen-AGB zum damaligen Zeitpunkt; AG Mannheim, Urt. v. 2.2.2007 – 3 C 196/06, WM 2007, 2240 (2242).

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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traglich vereinbart und nicht Bestandteil von AGB. Die Klausel gibt der Sparkasse uneingeschränkt die Möglichkeit, einen Erbschein zu verlangen. Der darin gleichzeitig deklarierte Verzicht auf die Vorlage des Erbscheins und damit einhergehend die Akzeptanz von beglaubigten Abschriften von Testament und Erbvertrag verhindern die unangemessene Benachteiligung des Kunden nicht, denn die Sparkasse hat aufgrund der Formulierung ein eigenes Ermessen darüber, in welchen Fällen der Verzicht zur Anwendung gelangen soll.603 Dies ist für den Kunden unberechenbar und läuft darauf hinaus, dass der Kunde stets mit dem Verlangen zur Vorlage eines Erbscheins rechnen muss. Aus Sicht der Sparkasse ist die Verwendung der Klausel besonders attraktiv. Die an den Erbschein geknüpften Wirkungen der §§  2366, 2367 BGB kommen den Banken sehr gelegen.604 Dieses Interesse kann jedoch der Klausel den Makel der unangemessenen Benachteiligung in der Interessenabwägung nicht entziehen, weil der Erbe seinerseits den Nachlass zügig und unkompliziert abwickeln will.605 (3) Stellungnahme Die Entscheidung des BGH ist überzeugend. Ein durch AGB festgelegtes Vorlagerecht ist mit der grundsätzlich606 obligatorischen Natur des Erbscheins nicht vereinbar. Ein Vorlagerecht würde zu einer oftmals unnötigen Lähmung der Nachlassabwicklung führen. Zwar lauert stets ein Restrisiko für die Banken, wenn im Nachhinein z.B. eine Verfügung von Todes wegen gefunden wird, die zu einer anderen Beurteilung der Erbfolge führt. Dieses Risiko wird bei einer Abwägung mit den Interessen der Erben jedoch regelmäßig zurücktreten müssen. Die Legitimationskraft des Erbscheins ist als solche stark, muss aber davon abgegrenzt werden, ob die Legitimationskraft für den konkreten Zweck erforderlich ist oder ob nicht Nachweise anderer Art die Legitimation ebenso gut herstellen, da sie erbscheinsersetzenden Charakter haben607. Die Nichtexistenz einer gesetzlichen Regelung im Privatrechtsverkehr betont, dass die Erbnachweisformen gleichberechtigt nebeneinander stehen. Die quasi gesetzliche Fixierung, dass nur der Erbschein als tauglicher Erbnachweis in Bankangelegenheiten dient, 603 

BGH, Urt. v. 8.10.2013 – XI ZR 401/12, BGHZ 198, 250 (262) = NJW 2013, 3716 (3718). 604  Schröder/Meyer, NJW 2006, 3252 f. 605  BGH, Urt. v. 8.10.2013 – XI ZR 401/12, BGHZ 198, 250 (261) = NJW 2013, 3716 (3718). 606  Anders etwa in §  35 GBO aus Rechtssicherheitsgründen, jedoch auch mit Ausnahmen in §  35 Abs.  1 S.  2 GBO. 607  So für notarielle Verfügungen von Todes wegen Tersteegen, RNotZ 2014, 98 (99 f.).

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

begünstigt letztlich den Verwendungsgegner, obwohl die Wahlentscheidung für die Verwendung eines Erbscheins dem Erben obliegt. Die Argumente des BGH lassen sich auch auf andere Rechtsbereiche übertragen. §  2365 BGB sieht richtigerweise selbst keine Pflicht zur Erbscheinsvorlage vor. Somit können Dritte zum Nachweis der Erbenstellung keinen Erbschein verlangen. Im Rahmen von einseitigen Rechtsgeschäften, wie etwa bei der Kündigung durch einen Erben, muss der Erklärungsgegner sich auch mit anderen Formen des Nachweises zufriedengeben.608 Weiterhin kann ein Schuldner nicht auf die Vorlage eines Erbscheins bestehen und hat daher unmittelbar der Zahlungsaufforderung des Erben des Gläubigers ohne die Existenz eines Leistungsverweigerungsrechts nachzukommen, da die Gefahr der doppelten Inanspruchnahme in seiner Risikosphäre liegt.609 In allen Fällen besteht dieselbe Interessenlage: Der Erbe will möglichst schnell den Erlös aus dem Nachlass erhalten. Sofern die Erbfolge eindeutig ist, sollte auch die Vorlage eines Testaments den Vertragspartner von der erbrechtlichen Berechtigung überzeugen. (4) Reaktion in der Bankpraxis Die Banken haben im Anschluss an die vorgenannte BGH-Entscheidung ihre AGB in Bezug auf den Legitimationsnachweis modifiziert. Nunmehr wird in Nr.  5 Abs.  1 der AGB für Banken und Sparkassen610 ganz allgemein und knapp ein Nachweis der erbrechtlichen Berechtigung verlangt. In Anbetracht der Entscheidung ist die Änderung konsequent, indem sie jegliche Formen von Erbnachweisen grundsätzlich Legitimationskraft zuweist und einem Vorlagerecht endgültig die Grundlage entzieht. Die Änderung fügt sich nunmehr besser mit der in Nr.  5 Abs.  2 der AGB für Banken und Sparkassen enthaltenen Haftungsprivilegierung. Da das Kreditinstitut eine doppelte Inanspruchnahme verhindern will611, bewirkt die Klausel, dass das Kreditinstitut den Erben oder TestamentsZimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  376. Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2370 Rn.  30. 610  Vgl. z.B. Nr.  5 Abs.  1 der AGB der Stadtsparkasse München, Fassung vom April 2021, abrufbar unter: (zuletzt abgerufen: 15.7.2021). 611  Vgl. auch Bürger, GWR 2014, 16, der für die Bankenpraxis darauf hinweist, dass bei Beträgen im kleineren Bereich das Risiko der doppelten Inanspruchnahme wirtschaftlich tragbar ist. Bei größeren Vermögenswerten empfiehlt Bürger, dass Kreditinstitute weiterhin jedenfalls auf Vorlage einer in öffentlicher Form errichteten Verfügung von Todes wegen (i.e. notarielles Testament, Erbvertrag) bestehen. Eine Hinterlegung der Vermögenswerte gemäß §  372 BGB würde den Aufwand für die Banken und die Erben – im Vergleich zur Beantragung eines Erbscheins – nicht mindern; siehe auch Günther, NJW 2013, 3681 (3683). Gleichwohl ist abzusehen, dass die Banken nunmehr vorsichtiger sind und die Erben vor die Wahl „Erbschein oder Hinterlegung“ stellen. Die Hinterlegung beim zuständigen AG wirkt schuldbefreiend; die 608  609 

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vollstrecker, die als solche in dem vorgelegten Erbnachweis jedweder Art bezeichnet sind, als Berechtigte ansehen und damit insbesondere mit befreiender Wirkung an jene Personen leisten kann, sofern die Unrichtigkeit oder Unwirksamkeit der vorgelegten Urkunden ihm weder bekannt noch infolge Fahrlässigkeit unbekannt war. Von Gesetzes wegen würde nur ein Erbschein die Leistung mit befreiender Wirkung ermöglichen (§§  2366, 2367 BGB). Da bereits Fahrlässigkeit – in Anbetracht der in §§  2366, 2367 BGB angeordneten Schädlichkeit nur von positiver Kenntnis erscheint die strengere Haftung des Kreditinstituts etwas überraschend – schädlich ist, wird das Kreditinstitut bei Zweifeln in aller Regel die Vorlage eines Erbscheins verlangen.612 Wenn jedoch das Kreditinstitut selbst durch die Vorlage anderer Erbnachweise als des Erbscheins befreiend leisten kann, sollten die Anforderungen an den Erbnachweis nicht zu überspannt sein.613 cc) Urteil des BGH vom 5.4.2016 – XI ZR 440/15 In einer neueren Entscheidung zu der nahezu gleichen Problematik wie in BGH, Urt. v. 8.10.2013 – XI ZR 301/12 hat der BGH seine Rechtsprechung ge­festigt.614 (1) Sachverhalt Die Erbengemeinschaft, bestehend aus den zwei Abkömmlingen der verstorbenen Erblasserin, begehrte Zugriff auf die Konten, die die Erblasserin bei der beklagten Bank unterhielt. Zur Legitimation ihrer Erbenstellung legte die Erbengemeinschaft der Bank eine beglaubigte Abschrift des handschriftlichen Testaments sowie das Eröffnungsprotokoll vor. Die Bank verlangte indessen die Vorlage eines Erbscheins mit der Begründung, dass in dem Testament nur ein Vermächtnisnehmer, nicht aber der Erbe genannt sei. Letztendlich beantragte die Erbengemeinschaft einen Erbschein und entsprach somit der Aufforderung der Bank. Mit der Klage verfolgt die Erbengemeinschaft das Ziel, die Kosten für die Beantragung des Erbscheins von der Bank ersetzt zu bekommen. (2) Entscheidung Der BGH hat der Klage der Erbengemeinschaft in vollem Umfang stattgegeben. Dabei rekurriert der BGH wesentlich auf die Ausführungen zur Entscheidung Möglichkeit zur Hinterlegung bleibt den Banken trotz der Entscheidung weiterhin vorbehalten, vgl. Werkmüller, ZEV 2014, 45 (46). 612  Bredemeyer, ZEV 2016, 65 (67). 613  Vgl. Keim, FamRZ 2016, 1075 (1076). 614  BGH, Urt. v. 5.4.2016 – XI ZR 440/15, BGHZ 209, 329 = NJW 2016, 2409.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

vom 8.10.2013 – XI ZR 401/12. Es wird noch einmal betont, dass vorbehaltlich etwaiger gesetzlicher Sonderregelungen es dem Erben überlassen bleibt, seine Rechtsstellung auch durch andere Erbnachweisformen als den Erbschein nachzuweisen.615 Eine Interessenabwägung zwischen den Erben und der Bank falle zugunsten der Erben aus, weil das Interesse des Erben an einer raschen und kostengünstigen Nachlassabwicklung dem Interesse der Bank am Schutz vor doppelter Inanspruchnahme überwiege.616 Die Pflichtverletzung der beklagten Bank lag in dem Verlangen nach einem Erbschein, das einen Verstoß gegen die ihr obliegende Leistungstreuepflicht, mit der die allgemeine Verpflichtung, den Vertragszweck und den Leistungserfolg weder zu gefährden noch zu beeinträchtigen, einhergeht, darstellt.617 Da die klagende Erbengemeinschaft sich dem Verlangen tatsächlich beugte und daraufhin ein Erbscheinsverfahren anstrengte, entstanden bei der Erbengemeinschaft in kausaler Weise die Kosten für dieses Verfahren. Der BGH erkannte daher im Ergebnis eine von der Bank begangene Nebenpflichtverletzung der Kontoverträge aus §  280 Abs.  1 BGB an, in die die Kläger gemäß §§  1922 Abs.  1, 2032 BGB nach dem Tod der Erblasserin eingetreten sind.618 (3) Stellungnahme Die Fortführung und Festigung der Rechtsprechung aus dem Jahre 2013 innerhalb einer vergleichsweisen kurzen Zeit ist begrüßenswert. Auch anhand dieser Entscheidung wird erkennbar, dass der Erbschein als Legitimationsnachweis zwar die höchste Erbnachweisstufe besitzt und aus diesem Grund aus Sicht des Rechtsverkehrs besonders begehrenswert ist. Doch eröffnet der konkrete Erbfall die Spielfläche, auf der andere Erbnachweisformen zur geeigneten Legiti­ma­ tions­grundlage für den Erben gereichen können. Die Bejahung einer Schadensersatzpflicht bei einem unbegründeten Verlangen nach einem Erbschein ist zwingende Konsequenz und wird dogmatisch vom BGH einwandfrei hergeleitet. Mit ihr wird der Schutz des Erben um eine weitere (wirtschaftliche) Komponente gestärkt. Wenn eine Bank aufgrund der hiesigen Entscheidung privatschriftliche 615  BGH, Urt. v. 5.4.2016 – XI ZR 440/15, BGHZ 209, 329 (333) = NJW 2016, 2409 (2410). 616  BGH, Urt. v. 5.4.2016 – XI ZR 440/15, BGHZ 209, 329 (334) = NJW 2016, 2409 (2410); kritisch im Hinblick auf Fälle der gesetzlichen Erbfolge, bei denen das Interesse der Bank an dem zweifelsfreien Nachweis der Erbfolge mittels eines Erbscheins überwiegen soll Braun, MittBayNot 2017, 71 (72). 617  BGH, Urt. v. 5.4.2016 – XI ZR 440/15, BGHZ 209, 329 (332 f.) = NJW 2016, 2409 (2410). 618  BGH, Urt. v. 5.4.2016 – XI ZR 440/15, BGHZ 209, 329 (332 f.) = NJW 2016, 2409 (2410); vgl. auch LG Augsburg, Beschl. v. 15.7.2019 – 472 S 418/19, ErbR 2020, 133.

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Testamente bei zweifelloser Auslegung nunmehr grundsätzlich akzeptiert, ergeben sich für den Erben keine Probleme. Auch wenn die Bank trotz dessen einen Erbschein verlangen sollte und sich der Erbe diesem Verlangen unterwirft, ist dem Erben zumindest ein Schadensersatzanspruch zuzusprechen, sofern die Voraussetzungen, insbesondere die Pflichtverletzung und das Verschulden, erfüllt sind. Aus anderer Perspektive wird die Bedeutung des Erbscheins für die Banken durch die Entscheidung des BGH erheblich entwertet.619 Für die Banken erhöht sich tendenziell die Gefahr, mangels Erbscheins nicht befreiend leisten zu können, sofern sich der Erbe als unwahrer Erbe herausstellt. Die Vorlage eines Testaments, das wenn überhaupt immer als erstes, also vor dem Erbschein existiert, zur Legitimation wird gleichsam zum Regelfall und die Vorlage eines Erbscheins zum Ausnahmefall für die besonders schwierigen Erbfolgekonstellationen. Die Fokussierung auf die zeitlich zuerst existierende Erbnachweisform stellt sich demnach für den Erben als komfortabel dar, da der Erbe in aller Regel unmittelbar Zugriff auf das Testament hat und sich sodann mit ihm legitimieren kann; ein weitergehendes eigenständiges Handeln in Richtung der Erlangung weiterer Erbnachweisformen ist dann entbehrlich. Die mithin äußerst erbenfreundliche Linie des BGH deckt sich mit dem Erbschein als grundsätzlich optionalem Rechtsinstrument, das der Disposition des Erben untersteht und ihm – und nicht den Verwendungsgegner wie einer Bank – in der Nachlassabwicklung zum Vorteil gereichen soll. dd) Vorlagerecht kraft Parteivereinbarung Ein Vorlagerecht einer Bank kann individuell vertraglich vereinbart werden, wenn diese viel Wert auf die Legitimation durch einen Erbschein legt. Was die Erben als Gegenleistung von der Bank erhalten, ist einzelfallabhängig. Neben der Auszahlung eines Geldbetrages für den Aufwand im Hinblick auf das Erbscheinsverfahren sind sonstige Vorteile bei eigenen Geschäften der Erben mit der Bank denkbar (z.B. Vergünstigungen bei der eigenen Kontoführung; günstige Konditionen für eine Kreditaufnahme). e) Zusammenfassung Das Vertrauen auf die Legitimationskraft des Erbscheins ist sowohl im staatlichen als auch im privaten Verkehr sehr hoch. Auch wenn der Erbschein nur eine von vielen Möglichkeiten bildet, die erbrechtliche Berechtigung nachzuweisen, wird das hinter ihm stehende gerichtliche Ausstellungsverfahren als eine so starke Gewähr für die erbrechtliche Legitimation angesehen, dass der Erbschein sich 619 

Hartlich, RNotZ 2016, 527.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

deutlich von den anderen Formen des Nachweises des Erbrechts abhebt. Die Legitimation durch einen Erbschein wird daher bei besonders wichtigen und folgenreichen Rechtshandlungen gesetzlich festgelegt (vgl. §  35 GBO und in abgemilderter Form in §  12 Abs.  1 S.  4 HGB). Insbesondere genügt in diesen Fällen eine Legitimation mittels eines privatschriftlichen Testaments regelmäßig nicht, da sein Inhalt oftmals Zweifel über die Erbfolge aufkommen lässt. Hier ist das Interesse des Rechtsverkehrs an der korrekten Erbfolge von erheblicher Schutzwürdigkeit. Die an den Erbschein gekoppelte Gutglaubenswirkung tut ihr Übriges, um den Erbschein zum sichersten und attraktivsten Erbnachweis zu machen. Gleichwohl hält sich das Gesetz in einer Gesamtschau zurück und verlangt für den Nachweis der Erbenstellung nicht stets einen Erbschein. Die Legitimationskraft des Erbscheins überstrahlt nicht andere Formen des Erbnachweises a priori, zumal die mit der Erlangung eines Erbscheins verbundenen Kosten für den Erben ein nicht unerhebliches Motiv sind, ein Erbscheinsverfahren vorerst nicht anzustrengen und auf den Erfolg anderer Nachweisformen zu hoffen. Tatsächlich wird der Erbe in der Regel als erstes versuchen, mit den bereits vorhandenen Nachweisformen die Nachlassabwicklung zu betreiben, bevor er wegen einer gesetzlichen Vorschrift oder eines berechtigten Verlangens einer Behörde oder eines Geschäftspartners einen Erbschein beantragt. Wer sich im Rechtsverkehr auch mit den anderen Nachweisformen als den Erbschein zufriedengibt, wird zwar nicht von der Gutglaubenswirkung des Erbscheins gemäß §§  2366, 2367 BGB geschützt. Dafür wird der Abschluss der Rechtshandlung beschleunigt, was möglicherweise zu finanziellen Vorteilen führt (z.B. zwecks Weiterverkaufs des Nachlassgegenstandes). Man sollte aber auch sehen, dass in den meisten Fällen, vor allem bei Vorliegen öffentlicher Testamente und anderer öffentlicher Urkunden, die auf die Erbfolge hinweisen (z.B. eidesstattliche Versicherungen in Bezug auf den Nachlass), das Vertrauen auf die Richtigkeit des Nachweises der Erbenstellung nicht enttäuscht wird. Bei privatschriftlichen Testamenten mag man wegen der unzureichenden Richtigkeitsgewähr zu Recht vorsichtiger sein. 2. Österreich Die Legitimationswirkung des Einantwortungsbeschlusses wird bisweilen begrifflich im Zusammenhang mit §  824 S.  2 ABGB verwendet620, der die Gutglaubenswirkung regelt. Freilich ist es sicherlich vertretbar, den Gutglaubensschutz des §  824 S.  2 ABGB als Legitimationswirkung zu betiteln, da der eingeantwor620  Gschnitzer/Faistenberger, Erbrecht, S.  67; Kopp, Probleme der Nachlassabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlassspaltung, S.  102.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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tete Erbe im Rechtsverkehr als eine Person angesehen wird, die dazu legitimiert ist, z.B. über Nachlassgegenstände zu verfügen. Nachfolgend soll es aber um diejenige Ausprägung der Legitimationswirkung gehen, bei der der Nachweis der Erbenstellung des eingeantworteten Erben vor staatlichen oder privaten Stellen im Fokus steht. Der Einantwortungsbeschluss bildet nämlich diese Grundlage: Der eingeantwortete Erbe gilt so lange als rechtmäßiger Erbe, bis das Gegenteil durch eine Entscheidung im Erbschaftsprozess (§  823 ABGB) festgestellt wurde.621 Es erübrigt sich mit der Geltung der Legitimationswirkung für den Erben der mitunter schwierige Nachweis der Verhältnisse, auf denen sein Erbrecht beruht, wenn er die ihm mit der Einantwortung zugewiesenen dinglichen und obligatorischen Rechte geltend machen will.622 Auch hier soll die Legitimation vor dem Grundbuchgericht, vor dem Firmenbuch und vor Banken untersucht werden. a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen Für die allgemeinen Wirkungsvoraussetzungen kann mangels Abweichungen vollständig auf die Ausführungen zur Vermutungswirkung verwiesen werden.623 b) Grundbuchgerichte Die Grundbuchgerichte (vgl. §  75 GBG) sind mit der Führung des Grundbuchs betraut.624 In der Nachlassabwicklung stellt sich die Frage, wie die Erbenstellung vor dem Grundbuchgericht nachgewiesen werden kann. aa) Legitimation durch Einantwortungsbeschluss Der Einantwortungsbeschluss stellt gemäß §  33 GBG eine öffentliche Urkunde dar, mit der sog. Einverleibungen – nach §  8 GBG unbedingte Rechtserwerbungen oder Löschungen (vgl. auch §  431 ABGB) – durchgeführt werden können. Das Spezifische am Einantwortungsbeschluss ist naturgemäß seine Legitimationskraft im Zusammenhang mit einem Erbfall. Andere Unrichtigkeitsnachweise, wie etwa eine Verfügung von Todes wegen in einer öffentlichen Urkunde, sind dem österreichischen Recht unbekannt.625 Damit ist der Einantwortungsbeschluss das universale Legitimationsmittel vor den Grundbuchgerichten in Nachfolgesachen, vergleichbar mit dem Erbschein im deutschen Recht.626 Feil, AußStrG, §  180 Rn.  5. OGH, Urt. v. 21.1.1953 – 1 Ob 332/51, SZ 26/15. 623  Siehe oben im 3. Kap., B., I., 2., b), S.  68 ff. 624  Wigand/Albert, Auslandsimmobilien, S.  215. 625  Wilsch, ZEV 2013, 541 (542). 626  Vgl. Wigand/Albert, Auslandsimmobilien, S.  321. 621  622 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Festzuhalten ist zunächst, dass der Erbe bereits mit formeller Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses Eigentum an den zum Nachlass des Erblassers gehörenden Grundstücken und sonstigen Liegenschaften erwirbt (außerbücherlicher Erwerb in Durchbrechung des Intabulationsprinzips).627 Um die neue dingliche Zuordnung gegenüber jedermann erkennbar zu machen und damit dem Publizitätsprinzip Rechnung zu tragen, muss das Grundbuch zugunsten des Erben geändert werden. Die Eintragung des Erben hat folglich nur deklarativen Charakter.628 Das Grundbuchgericht wird die Änderung vornehmen, wenn der von dem Erben vorgelegte Einantwortungsbeschluss die begehrte Änderung deckt. Ist z.B. aus dem Einantwortungsbeschluss nicht ersichtlich, welche Liegenschaft aufgrund der Erbfolge übergegangen ist, ist sie als Legitimationsurkunde i.S.d. §  33 Abs.  1 lit.  d GBG ungeeignet.629 Das österreichische Recht zeichnet sich durch eine starke Verknüpfung zwischen dem Verlassenschaftsverfahren bzw. der Einantwortung und dem Grundbuchverfahren aus, die insbesondere an §  182 AußStrG festzumachen ist. Zunächst bestimmt §  182 Abs.  1 AußStrG, dass das Grundbuchsgericht über Anträge auf Eintragungen in das Grundbuch, die auf Grund der Einantwortung erforderlich werden, zu entscheiden hat. Nach §  182 Abs.  2 AußStrG hat der Gerichtskommissär, wenn die Berechtigten innerhalb angemessener, ein Jahr nicht erheblich übersteigender Frist nach Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses keinen Antrag stellen, an ihrer Stelle die geeigneten Anträge beim Grundbuchsgericht einzubringen. Die im Verlassenschaftsverfahren gewonnenen Abhandlungsergebnisse sollen also primär nach Antragstellung durch die Berechtigten verbüchert werden; bei Säumnis hat der Gerichtskommissär einzuschreiten.630 Auf diese Weise wird von staatlicher Seite bereits die Richtigkeit der formellen Grundbuchslage gefördert, ohne dass dies ausschließlich vom Willen der Berechtigten abhängt. Der Einantwortungsbeschluss wird quasi zwingend zur Legitimationsgrundlage vor dem Grundbuchgericht stilisiert. Sein Erlass durch das Verlassenschaftsgericht löst eine Umschreibung des Grundbuchs innerhalb eines feststehenden Zeitraums aus.

627 

OGH, Beschl. v. 25.7.2019 – 2 Ob 52/19i, NZ 2019, 418; OGH, Beschl. v. 29.9.2016 – 5  Ob 83/16s, NZ 2017, 171; vgl. auch Schwimann/Kodek/Nemeth, ABGB, §  819 Rn.  13; Gitschthaler/Höllwerth/Höllwerth, AußStrG, §  182 Rn.  11; Rechberger/Bittner, Grundstücksrecht, Rn.  139; Bayer, Grundbuch NEU, S.  27. 628  OGH, Beschl. v. 25.1.2016 – 5 Ob 195/15k, NZ 2016, 449 (450); Feil, AußStrG, §  182 Rn.  1; Gitschthaler/Höllwerth/Höllwerth, AußStrG, §  182 Rn.  10. 629  OGH, Beschl. v. 7.6.2011 – 5 Ob 107/11p, NZ 2012, 143 (144). 630  Gitschthaler/Höllwerth/Höllwerth, AußStrG, §  182 Rn.  19 ff.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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bb) Prüfungspflicht des Grundbuchgerichts Für das grundbuchrechtliche Verfahren sieht das österreichische Recht eine grundsätzlich umfassende Prüfungspflicht des Grundbuchsgerichts vor. Ausgehend von der Prämisse, dass das Grundbuchverfahren ein der Vorsorge dienendes Außerstreitverfahren darstellt, wird das materielle Konsensprinzip abgelehnt und über §  94 Abs.  1 GBG ein beschränktes Legalitätsprinzip statuiert.631 Beschränkt ist das Legalitätsprinzip deshalb, weil sich die genaue Prüfung nach §  94 Abs.  1 GBG unter Berücksichtigung der aktuellen Grundbuchlage nur auf diejenigen Unterlagen erstreckt, die der Antragsteller für seine begehrte bücherliche Rechtshandlung einzureichen hat.632 Der Einantwortungsbeschluss als eine einzureichende öffentliche Urkunde gemäß §  33 Abs.  1 lit.  d GBG bei der Einverleibung des Erben unterfällt nach den vorhergehenden Ausführungen ebenfalls einer Überprüfung.633 Die Zulässigkeit mit Rücksicht auf den Grundbuchsstand meint insbesondere die der konkreten Eintragung entgegenstehenden Angaben im Grundbuch.634 So stellt die Tatsache, dass der Erblasser nicht im Grundbuch voreingetragen war (somit nicht ein sog. „bücherlicher Vormann“635 war), ein Hindernis aus dem Grundbuchstand dar, das zur Abweisung des Eintragungsgesuchs führt.636 Dies gilt insbesondere, wenn der Einantwortungsbeschluss das in Frage stehende Recht als in das Verlassenschaftsverfahren einbezogen ausweist, da das Verlassenschaftsverfahren nicht dazu geeignet ist, das Eigentum des Erblassers unbeteiligten Dritten gegenüber festzustellen.637 c) Firmenbuch Das Firmenbuch ist das österreichische Äquivalent zum deutschen Handelsregister und enthält wichtige rechtserhebliche Tatsachen und Rechtsverhältnisse von Unternehmen. Gemäß §  11 Abs.  2 S.  2 UGB haben Rechtsnachfolger eines Beteiligten die Rechtsnachfolge soweit tunlich durch öffentliche Urkunden nachzuweisen. Der Wortlaut der Vorschrift entspricht exakt dem Wortlaut des §  12 631  Rechberger/Bittner, Grundstücksrecht, Rn.  209; Kodek/Kodek, GBG, §  94 Rn.  2/1; siehe ausführlich Feil/Friedl/Bayer/Feil/Friedl, GBG, §  94 Rn.  6. 632  Vgl. Feil/Friedl/Bayer/Feil/Friedl, GBG, §  94 Rn.  6; Klicka/Paulhammer/Domej, Außerstreitverfahren, Rn.  351. 633  Vgl. Kodek/Kodek, GBG, §  94 Rn.  93. 634  Kodek/Kodek, GBG, §  94 Rn.  93/2; Hoyer, in: FS Kralik, 1986, 215 (221). 635  Vgl. Bayer, Grundbuch NEU, S.  29 f. 636  OGH, Urt. v. 20.12.1950 – 1 Ob 435/50, NZ 1951, 62; Hoyer, in: FS Kralik, 1986, 215 (222). 637  Hoyer, in: FS Kralik, 1986, 215 (222).

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Abs.  1 S.  4 HGB.638 Der Einantwortungsbeschluss ist eine solche öffentliche Urkunde und damit ein geeignetes Legitimationsmittel für die Eintragung im Firmenbuch.639 Das Firmenbuchgericht hat eine formelle und materielle Prüfungspflicht, was insbesondere mit dem Verweis des §  15 Abs.  1 FBG auf das Außerstreitverfahren begründet wird.640 d) Banken Der Zugang zum Vermögen des Erblassers bei Bank- oder Kreditinstituten wird den Erben durch die Vorlage des Einantwortungsbeschlusses ermöglicht, denn dieser stellt die beste Legitimation für den Erben dar, die dieser erlangen kann.641 §  149 AußStrG befasst sich mit sog. Banksperren oder Kontosperren. Es handelt sich hierbei um eine von dem Bankinstitut eingeleitete Sperre für bestimmte Verfügungen, die insbesondere Kontoauszahlungen oder den Zutritt zu einem Schrankfach betreffen. Voraussetzung ist gemäß §  149 AußStrG, dass zwischen dem Bankinstitut und dem Verstorbenen eine entsprechende Regelung vertraglich vereinbart wurde. §  149 AußStrG bestimmt hierbei, dass die Sperre durch den Gerichtskommissär ohne Genehmigung des Gerichts aufgehoben werden kann, wenn es lediglich um die Beschaffung der für ein einfaches Begräbnis des Verstorbenen erforderlichen Geldbeträge geht (§  148 Abs.  1 AußStrG).642 Die Sperre bewirkt die Unmöglichkeit der Verfügung über das jeweilige Konto.643 Nur die Vorlage eines Einantwortungsbeschlusses, der mit einer Rechtskraftbestätigung versehen ist, kann die Sperre überwinden (vgl. §  179 AußStrG).644 Anschließend können die Erben über das Nachlassvermögen frei verfügen.645

Siehe auch MüKoHGB/Krafka, §  12 Rn.  65; Wittwer, AnwBl 2015, 87 (92). Torggler/Weigand, UGB, §  11 Rn.  57. 640  Vgl. ausführlich Weigand, NZ 2003, 65. 641  Feil, AußStrG, §  179 Rn.  1; Rechberger/Bittner, AußStrG, §  179 Rn.  2; Faber/Grünberger, NZ 2011, 97 (114); Mayr/Fucik, Verfahren außer Streitsachen, Rn.  698; vgl. auch Meyer, ZEV 1995, 8 (13). 642  Feil, AußStrG, §  149 Rn.  1. 643  Gruber/Kalss/Müller/Schauer/Weninger/Schulz, Erbrecht und Vermögensnachfolge, §  38 Rn.  16. 644  OGH, Beschl. v. 29.1.2019 – 2 Ob 7/19x, NZ 2019, 144; Feil, AußStrG, §  149 Rn.  2; Gruber/Kalss/Müller/Schauer/Weninger/Schulz, Erbrecht und Vermögensnachfolge, §  38 Rn.  22; vgl. auch Gitschthaler/Höllwerth/Sailer, AußStrG, §  179 Rn.  1, der präziser formuliert, dass nicht die Vorlage des Einantwortungsbeschlusses (die „Ausfertigung“ i.S.d. §  179 AußStrG), sondern der Eintritt des/der Erben in die Rechtsstellung des Erblassers mit Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses die Sperre gemäß §  149 AußStrG überwindet. 645  OGH, Beschl. v. 29.1.2019 – 2 Ob 7/19x, NZ 2019, 144; Gruber/Kalss/Müller/Schauer/ Weninger/Schulz, Erbrecht und Vermögensnachfolge, §  38 Rn.  22. 638  639 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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Dem Einantwortungsbeschluss ist ein Verlassenschaftsverfahren vorangegangen, das der Ermittlung der Erben gedient hat und dessen Beendigung die Gesamtrechtsnachfolge bewirkt. Dies ist den Banken allseits bekannt. Entsprechend beinhaltet Ziffer 6 Abs.  1 im Abschnitt zu den Grundregeln für die Beziehung zwischen Kunde und Kreditinstitut in den AGB der Österreichischen Sparkassen AG646 eine Regelung über die Verfügungsberechtigung nach dem Tod eines Kunden, wonach das Kreditinstitut Dispositionen aufgrund eines Beschlusses des Abhandlungsgerichts, des Einantwortungsbeschlusses oder eines Zeugnisses zulassen wird, sobald es vom Ableben eines Kunden Kenntnis erhält. Die österreichischen Banken und Kreditinstitute verlangen demnach bestimmte Erbnachweise mit höchster Legitimationskraft, während die deutschen Sparkassen allgemein einen Nachweis der erbrechtlichen Berechtigung verlangen. Ob eine Verfügung von Todes wegen als Legitimationsgrundlage aus Sicht der Banken genügt, obliegt der Beurteilung jeder einzelnen Bank. Aufgrund der Tatsache, dass in den meisten Fällen ein Verlassenschaftsverfahren durchgeführt wird, werden die Erben in der Regel im Besitz eines Einantwortungsbeschlusses sein, den sie bei der Bank zur Legitimation ihrer Rechtsstellung vorlegen können. Damit erübrigen sich auch Fragen zu einem Vorlagerecht der Banken und Kreditinstitute. Anzumerken sei noch, dass vor Inkrafttreten des AußStrG im Jahre 2003 die Konten des Erblassers aufgrund von AGB der Banken und Kreditinstitute häufig gesperrt wurden und eine Freigabe nur erfolgte, wenn das Gericht einen Rotsiegelbeschluss erließ.647 Nur Personen, die sich vor den Banken und Kreditinstituten mit einem Rotsiegelbeschluss legitimieren konnten, waren in der Lage, über das Guthaben des Erblassers zu verfügen.648 Daran wird erkennbar, dass das österreichische Recht seither auf einen gerichtlichen Beschluss als Legitimationsnachweis fixiert ist. Die Praxis des Rotsiegelbeschluss setzt sich gleichsam im Einantwortungsbeschluss fort. e) Zusammenfassung Der Einantwortungsbeschluss stellt den besten Nachweis des Erbrechts dar und dementsprechend ist seine Legitimationswirkung wie beim Erbschein stark ausgeprägt. Andere Formen des Erbnachweises werden schon deshalb praktisch nicht relevant, weil das Verlassenschaftsverfahren regelmäßig obligatorisch ist und damit ein Einantwortungsbeschluss existiert. Exemplarisch zeigt sich die 646  Fassung vom Februar 2019, abrufbar unter: (zuletzt abgerufen: 15.7.2021). 647  Gitschthaler/Höllwerth/Schatzl/Spruzina, AußStrG, §  149 Rn.  1. 648  Gitschthaler/Höllwerth/Schatzl/Spruzina, AußStrG, §  149 Rn.  1.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Superiorität des Einantwortungsbeschlusses an der Regelung über Banksperren in §  149 AußStrG. Die stringente Abstimmung zwischen der Einantwortung und dem Grundbuchverfahren, die sich in §  182 AußStrG manifestiert, betont gleichfalls die große praktische Relevanz, die dem Einantwortungsbeschluss in der Nachlassabwicklung zuteilwird. 3. Europäische Union Die Legitimationswirkung des Zeugnisses ist nach dem Wortlaut des Art.  69 Abs.  5 EuErbVO begrenzt auf die Eintragung von Nachlassvermögen in einschlägige Register eines Mitgliedstaates. Ausgehend von den rechtsvergleichenden Ausführungen im deutschen und österreichischen Recht soll an dieser Stelle aber auch – den Wortlaut des Art.  69 Abs.  5 EuErbVO überschießend und anknüpfend an die Vermutungswirkung gemäß Art.  69 Abs.  2 EuErbVO als Basis für die Legitimationswirkung – die Legitimationswirkung des Zeugnisses im Privatrechtsverkehr, namentlich vor Banken, untersucht werden. Im europäischen Kontext stilisiert sich das Zeugnis im Vergleich zu nationalen Erbnachweisen zu demjenigen Erbnachweis, der – numerisch betrachtet – die Legitimation vor den meisten staatlichen und privaten Stellen, namentlich alle jene in der EU, ermöglicht. Die dogmatische Besonderheit der Legitimationswirkung liegt darin, dass sie unmittelbaren Einfluss auf das mitgliedstaatliche Recht hat. Fordert eine mitgliedstaatliche Sachnorm den Nachweis der erbrechtlichen Rechtsstellung zur Durchführung einer das Register betreffenden Rechtshandlung durch Vorlage bestimmter Urkunden oder spezifisch benannter Erbnachweise, ist der Nachweis durch die Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Zeugnisses unter den Tatbestand dieser Norm selbst ohne ausdrückliche Bezeichnung des Zeugnisses zu subsumieren; insoweit verdrängt Art.  69 Abs.  5 EuErbVO die jeweilige mitgliedstaatliche Sachnorm.649 Das ist Ausfluss von Art.  69 Abs.  5 ­EuErbVO als vereinheitlichte Sachnorm. Art.  69 Abs.  5 EuErbVO ist jedoch in der Subsumtion unter einen Sachverhalt nicht gesondert heranzuziehen wie es bei er Gutglaubenswirkung nach Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO der Fall ist, sofern die mitgliedstaatliche Rechtsordnung die Gleichstellung des Zeugnisses mit dem nationalen Erbnachweis in Registerangelegenheiten (wie im Rahmen von §  35 GBO) einfachgesetzlich umgesetzt hat. Eine parallele Berufung auf Art.  69 Abs.  5 EuErbVO wäre wohl nicht unzulässig, da diese europäische Sachnorm selbst Teil der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen ist. Die einfachgesetzliche Konkretisierung durch den Mitgliedstaat dürfte indessen als lex specialis zu betrachten sein. 649  So in Bezug auf §  35 Abs.  1 S.  1 GBO vor seiner Neufassung MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  30; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (775) in Fn.  269.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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Indem die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, das Zeugnis als Legitimationsnachweis für registerrechtliche Eintragungen zu akzeptieren, ohne andere Nachweise verlangen zu können, wird der praktische Nutzen des Zeugnisses erheblich gefördert (vgl. ErwG 69 S.  2).650 Unter den Registern i.S.d. Art.  69 Abs.  5 ­EuErbVO sind insbesondere die Grundbücher, Handelsregister, Schiffsregister oder Register für Immaterialgüterrechte der Mitgliedstaaten aufzufassen.651 Wie die Vermutungswirkung ist die Legitimationswirkung somit speziell für den Zeugnisinhaber von praktischer Bedeutung, während der Rechtsverkehr eine grundsätzlich untergeordnete Rolle spielt. Denn der Zeugnisinhaber will die ihm durch den Erbfall zugewiesenen Rechte registerrechtlich manifestieren. Gleichwohl ist nicht zu bestreiten, dass auch im Kontext von Legitimationsfragen die Interessen des privaten Rechtsverkehrs zu berücksichtigen sind. Die Form der Legitimation bestimmt, ob dem Empfänger des Legitimationsnachweises Gutglaubensschutz zukommt. Hiermit korreliert möglicherweise ein Vorlagerecht des Empfängers zugunsten bestimmter Erbnachweise. a) Allgemeine Wirkungsvoraussetzungen Da die Legitimationswirkung eine besondere Ausprägung der Vermutungswirkung darstellt, kann vollumfänglich für die allgemeinen Wirkungsvoraussetzungen auf die Ausführungen zur Vermutungswirkung verwiesen werden.652 b) Inhalt und Umfang der Legitimationswirkung Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarerer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter können mit dem Zeugnis vor den registerführenden Behörden ihre Rechtsstellung nachweisen und auf diese Weise die mit dem Erbfall erforderlichen registerrechtlichen Neueintragungen, Änderungen und Ergänzungen in Bezug auf die im Register erfassten Nachlassgegenstände durchführen lassen.653 Der Umfang der Legitimationswirkung korrespondiert mit dem Umfang der Vermutungswirkung und ist somit vom Inhalt des Zeugnisses abhängig. Ein Zeugnisinhaber, der im Zeugnis als Alleinerbe bezeichnet wird, kann sich somit ohne weiteres z.B. vor einem Grundbuchamt als Vgl. auch BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  57. Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  43; BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  55.1; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  19; vgl. auch konkret im Hinblick auf deutsche Register NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 ­EuErbVO Rn.  31 ff. 652  Siehe oben im 3. Kap., B., I., 3., a), S.  72 ff. 653  NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  26; jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  40. 650  651 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Alleinerbe legitimieren und alleine die Umschreibung des Nachlassgrundstücks begehren. Für die Vollendung der Eintragung, Änderung oder Ergänzung im einschlägigen Register müssen regelmäßig weitere Voraussetzungen erfüllt sein, mit denen das Zeugnis und seine Legitimationswirkung freilich nichts zu tun haben. Von der Legitimationswirkung ist sämtliches Nachlassvermögen erfasst, das in ein Register eintragungsfähig und/oder -pflichtig ist.654 Dazu gehören im Besonderen Immoblien, aber auch bewegliche Sachen, Forderungen und Rechte jedweder Art.655 c) Widerleglichkeit der Legitimationswirkung Die Legitimationswirkung ist ein spezieller Anwendungsfall der Vermutungswirkung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO und damit auch widerleglich.656 d) Bedeutung der Unbeschadetheit im Hinblick auf die Bereichsausnahmen von Art.  1 Abs.  2 lit.  k, l EuErbVO Der Hinweis auf die Unbeschadetheit von Art.  1 Abs.  2 lit.  k, l EuErbVO war aufgrund des in der Legitimationswirkung immanenten Einflusses auf dingliche Rechte und ihres sachlichen Zusammenhangs mit für die Eintragung in Registern nötigen anderen Voraussetzungen erforderlich. Art.  1 Abs.  2 lit.  k, l EuErbVO enthält Bereichsausnahmen. Nach Art.  1 Abs.  2 lit.  k EuErbVO ist die Art der dinglichen Rechte vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen. Mit der Art der dinglichen Rechte sind die Bezeichnung und der Inhalt dinglicher Rechte gemeint, die je nach Mitgliedstaat divergieren können.657 Zudem fallen die Qualifikation der Sachen und Rechte und die Prärogativen des Inhabers dieser Rechte hierunter.658 Regelmäßig führt ein Erbfall zu dem Wechsel der Inhaberschaft eines dinglichen Rechts auf den Erben oder Vindikationslegatar. Konkret für das Zeugnis bedeutet das, dass es trotz Ausweisung dinglicher Rechte (vgl. Art.  68 lit.  m EuErbVO) lediglich die erbrechtliche Rechtsstellung nachweist, aber die Beurteilung der Art der mit der Eintragung betroffenen dinglichen Rechte der Registerbehörde überlasst. Wenn der Mitgliedstaat, vor dem die Le654  BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  54; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  19. 655  BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  54; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  19. 656  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  32; MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  29; Steiner, ZEV 2016, 487 (489). 657  Im deutschen Recht: Eigentum, beschränkt dingliche Rechte wie Nießbrauch, Grunddienstbarkeit, Sicherungsrechte; im anglo-amerikanischen Recht im Besonderen joint tenency und trust, vgl. NK-BGB/Looschelders, Art.  1 EuErbVO Rn.  57. 658  EuGH, Urt. v. 12.10.2017 – C-218/16, NJW 2017, 3767.

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gitimationswirkung durchgesetzt werden soll, das im Zeugnis bezeichnete dingliche Recht nicht kennt, ist er nicht gezwungen, die Eintragung dieses dinglichen Rechts vorzunehmen (vgl. ErwG 15 S.  3).659 Gleichzeitig ist die Legitimationswirkung nicht dazu imstande, die Wirkungen dieses dinglichen Rechts zu verändern.660 Gerade nicht unter die Bereichsausnahme des Art.  1 Abs.  2 lit.  k EuErbVO sind Übergangsmodalitäten der dinglichen Rechte zu erfassen. Ob deshalb das Eigentumsrecht an einem Nachlassgegenstand unmittelbar mit dem Erbfall auf den Vindikationslegatar übergeht oder dem Damnationslegatar lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch zusteht, ist eine Frage, die in den Anwendungsbereich der EuErbVO fällt und mithin dem Erbstatut zu entnehmen ist.661 Die Bezugnahme auf Art.  1 Abs.  2 lit.  l EuErbVO verdeutlicht die Trennung zwischen dem Nachweis der Rechtsstellung im Registerverfahren durch das Zeugnis und den sonstigen registerverfahrensrechtlichen Voraussetzungen, die für eine erfolgreiche Registermodifikation erfüllt sein müssen.662 Während Art.  69 Abs.  5 EuErbVO scheinbar die Bereichsausnahme durchbricht, als er eine registerrechtliche Sache regelt, so muss gesehen werden, dass die Legitimationswirkung sich nur auf die erbrechtliche Rechtsstellung beschränkt und es bei diesem punktuellen Nachweis vor den registerführenden Behörden bleibt. Das Zeugnis kann nur das nachweisen, was die EuErbVO ihm kraft ihres Anwendungsbereichs zuweist.663 ErwG 18 verweist z.B. für die sonstigen Voraussetzungen im Hinblick auf unbewegliches Vermögen auf das eigene Recht des Registerstaates, mithin auf die lex rei sitae. Eine fremde Rechtsordnung kann nämlich niemals bestimmen, wie in einem anderen Staat Register zu führen sind.664 Dem Vermögensrechtsstatut, insbesondere dem Sachenrechtsstatut, sind also die weiteren registerrechtlichen Voraussetzungen zu entnehmen.665 Regelmäßig sieht das Eintragungsverfahren die Vorlage weiterer Dokumente vor. Die registerführende Behörde kann diese Schriftstücke, die sie für die Umsetzung des Antrags von Gesetzes wegen benötigt, von dem Antragsteller verlangen.666 Die durch die Registermodifikation ausgelösten Wirkungen richten sich gleichfalls nach der Siehe auch BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  60. Lange, DNotZ 2016, 103 (113). 661  EuGH, Urt. v. 12.10.2017 – C-218/16, NJW 2017, 3767; Bot, Schlussanträge zu EuGH, Urt. v. 12.10.2017 – C-218/16 Rn.  46 f.; so schon OGH, Beschl. v. 29.8.2017 – 5 Ob 108/17v, JBl 2017, 789 (790). 662  Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  45. 663  Vgl. Janzen, DNotZ 2012, 484 (493). 664  Müller-Lukoschek, NotBZ 2014, 329 (336). 665  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  31; Dorsel, ZErb 2014, 212 (219). 666  Vgl. ErwG 18 S.  6, der als Beispiel steuerrechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen nennt; OLG Nürnberg MDR 2018, 156 (157); Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, 659  660 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

lex rei sitae667, so z.B. die durch die vorgenommene Eintragung verlautbarte Publizität eines Grundbuchs gegenüber Dritten, für die dann ein gutgläubiger Erwerb ermöglicht wird. Die Voraussetzungen des Rechtserwerbs selbst, also z.B. der Eigentumserwerb durch Universalsukzession, gehören nicht zur Bereichsausnahme des Art.  1 Abs.  2 lit.  l EuErbVO.668 Denn insoweit regelt das Erbstatut auch die sachenrechtliche Komponente des Übergangs des Nachlasses auf Erben und Vermächtnisnehmer (vgl. Art.  23 Abs.  2 lit.  e EuErbVO).669 Aus diesem Grunde versperrt Art.  1 Abs.  2 lit.  l EuErbVO nicht die Möglichkeit, nur mithilfe eines Zeugnisses, das ein Vindikationslegat ausweist, die Eintragung des Vindikationslegatars in ein Register eines anderen Mitgliedstaates, der Vindikationslegate nicht kennt, zu begehren und zwar ohne umdeutende Anpassung nach Art.  31 EuErbVO, sondern als voll anerkennungsfähige Sondererbfolge.670 e) Anpassung dinglicher Rechte, Art.  31 EuErbVO Soweit das Zeugnis ein dingliches Recht ausweist, das in einem anderen Mitgliedstaat, der dieses dingliche Recht nicht kennt, eingetragen werden soll, stellt sich die Frage nach dem Umgang mit dem dinglichen Recht durch diesen Mitgliedstaat. Hierbei handelt es sich nicht spezifisch um eine Problematik der Legitimationswirkung, sondern um eine ganz generelle, die an der Schnittstelle von Erbrecht und Sachenrecht zu verorten ist. Aufgrund der fehlenden Harmonisierung des internationalen Sachenrechts in der EU hat jeder Mitgliedstaat, wenn er mit einem ausländischen dinglichen Recht befasst ist, sein autonomes Recht anzuwenden und ist nicht verpflichtet, fremde Sachenrechte in seine Rechtsordnung einzulassen (vgl. auch ErwG 15 S.  3).671 Anzuwenden ist daher Art.  31 ­EuErbVO, der die Anpassung dinglicher Rechte regelt.672 Denn die Verwendung des Zeugnisses, das die erbrechtliche Lage wiedergibt, vor einer Registerbehörde fällt in den Anwendungsbereich des Art.  31 EuErbVO, wie wenn z.B. ein Erbe

Art.  69 EuErbVO Rn.  22; Lange, DNotZ 2016, 103 (113 f.); Bot, Schlussanträge zu EuGH, Urt. v. 12.10.2017 – C-218/16 Rn.  67. 667  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  31. 668  EuGH, Urt. v. 12.10.2017 – C-218/16, NJW 2017, 3767 (3769). 669  Ludwig, ZEV 2013, 150 (152). 670  EuGH, Urt. v. 12.10.2017 – C-218/16, NJW 2017, 3767; jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  45; Jauernig/Stürner, Anm. zu Art.  62–73 EuErbVO Rn.  4; Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (379). 671  NK-BGB/Looschelders, Art.  31 EuErbVO Rn.  1; BeckOGK/J. Schmidt, Art.  1 ­EuErbVO Rn.  47. 672  Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  311; siehe auch ErwG 16.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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unmittelbar auf dem Prozessweg sein durch Rechtsnachfolge von Todes wegen erworbenes dingliches Recht geltend macht. Art.  31 EuErbVO betrifft indes nur die Wahrung des Inhalts der dinglichen Rechte, der der lex causae entspringt, und deren Rezeption durch die lex rei sitae. Eine Anpassung ist daher nicht zu bemühen, wenn es um Übergangsmodalitäten bzw. Zuordnungsvorgänge geht, die insbesondere bei Vindikationslegaten relevant werden.673 Dass keine Anpassung erfolgen muss, erhöht den Nutzen des Zeugnisses immens: Die Registerbehörde hat keine Anpassungsprüfung vorzunehmen und kann die vermachte unbewegliche Sache unmittelbar auf den Vindikationslegatar umschreiben (vgl. auch Art.  68 lit.  m EuErbVO). f) Die Legitimationswirkung des Europäischen Nachlasszeugnisses im deutschen Rechtsverkehr Der konkrete Wirkungsbereich der Legitimationswirkung des Zeugnisses wird erst erkennbar, wenn die Rechtslage anhand einer mitgliedstaatlichen Rechtsordnung erläutert wird. Dies folgt daraus, dass die Legitimationswirkung, wie erörtert, nicht wie die Vermutungs- und Gutglaubenswirkung allein vom europäischen Recht schöpft. Anknüpfend an die Darstellung der Legitimationswirkung des Erbscheins im Rechtsverkehr wird nachfolgend die Verwendung des Zeugnisses vor dem Grundbuchamt, Handelsregister und Banken behandelt. aa) Grundbuchamt Das Zeugnis als Nachweis der Erbfolge ist nunmehr mit dem Erbschein gleichgestellt, hat also eine verfahrensrechtliche Verwirklichung674 im Grundbuchverfahrensrecht erfahren (vgl. §  35 Abs.  1 S.  1 GBO sowie §  35 Abs.  2 GBO in ­Bezug auf die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers).675 Mit der Vorlage des Zeugnisses kann der Erbe nun ebenfalls den Unrichtigkeitsnachweis erbringen.

673  EuGH, Urt. v. 12.10.2017 – C-218/16, NJW 2017, 3767 (3770); MüKoBGB/Dutta, Art.  31 EuErbVO Rn.  8 f. 674  MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  30. 675  So z.B. auch geschehen aufgrund des sachlichen Zusammenhangs konsequenterweise in dem Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiet des Grundbuchwesens, vgl. §  18 Abs.  1 S.  2 GBMaßnG, in der Verordnung zur Durchführung der Grundbuchordnung, vgl. §  9 Abs.  1 lit.  d GBV sowie in der Schiffsregisterordnung, vgl. §  41 Abs.  1 S.  1 SchRegO und korrespondierend in der Verordnung zur Durchführung der Schiffsregisterordnung, vgl. §  28 Abs.  1 Nr.  5 lit.  a SchRegDV.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

(1) Prüfungspflicht des Grundbuchamts im Hinblick auf den Inhalt des Europäischen Nachlasszeugnisses? Gleichermaßen wie im Zusammenhang mit dem Erbschein drängt sich an der Schnittstelle von (internationalem) Erbrecht und Grundbuch(verfahrens)recht die Frage nach einer Prüfungspflicht des Grundbuchamts auf. (a) Grundsätzliche Unzulässigkeit einer Prüfungspflicht In Anbetracht der Gleichstellung bestehen grundsätzlich keine abweichenden Wertungen hinsichtlich der Prüfungspflicht als beim Erbschein. Das Grundbuchamt hat bei Vorlage eines Zeugnisses keine Prüfungspflicht, weil das Zeugnis eine Richtigkeitsvermutung nach Art.  69 Abs.  2 EuErbVO aufstellt.676 Aufgrund der Gleichstellung kommt dem Zeugnis ebenso wie dem Erbschein eine Statuswirkung im Rahmen des §  35 GBO zu.677 Wenn ein von einem deutschen Nachlassgericht erteiltes Zeugnis vorgelegt wird, hat das Nachlassgericht in einem Verfahren über die Erbfolge entschieden und entsprechend den oder die Erben im Zeugnis ausgewiesen. Das Grundbuchamt darf auf das Ergebnis des Zeugnisverfahrens vertrauen. Widersprüchliche Entscheidungen werden verhindert und Kompetenzzuweisungen gewahrt. Hier ergeben sich keine Unterschiede zum parallelen Problem beim Erbschein; vielmehr können die dortigen Ausführungen678 übertragen werden. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass wegen der Zuständigkeitskonzentration grundsätzlich das gleiche Nachlassgericht für die Ausstellung des Zeugnisses und des Erbscheins zuständig ist.679 Ein Erbe könnte im Übrigen parallel einen Erbschein beantragen, der dann als Nachweis der Erbfolge dem Grundbuchamt übermittelt werden kann. Dass das Grundbuchamt in dieser Situation eine Prüfungspflicht in Bezug auf das Zeugnis, aber nicht auf den Erbschein hätte, wäre wenig einleuchtend. Die Gleichstellung des Zeugnisses mit dem Erbschein in §  35 Abs.  1 S.  1 GBO bedeutet demnach nicht nur die Statuierung der gleichen Legitimationskraft vor dem Grundbuchamt, sondern auch eine vollständige grundbuchverfahrensrechtliche Gleichstellung mit den entsprechenden Konsequenzen wie der Zulässigkeit einer Prüfungspflicht. Da die Richtigkeitsvermutung jedes Zeugnisses, ungeachtet seines inländischen oder ausländischen Charakters für den konkreten Sachverhalt und unge676 

Staudinger/Herzog, §  2365 Rn.  32b; Mayr/Wittwer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Rn.  7.170; Wittwer, AnwBl 2015, 87 (90); Wilsch, ZEV 2012, 530; vgl. auch OLG München NJW-RR 2020, 468 (470). 677  Volmer, notar 2016, 323 (330). 678  Siehe oben im 3. Kap., B., III., 1., b), cc), (1), S.  174 ff. 679  Vgl. ausführlich unten im 3. Kap., C., I., 1., a), S.  216 ff.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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achtet des Ausstellungsverfahrens, gleich ist (Art.  69 Abs.  1 EuErbVO), ist auch bei Vorlage eines ausländischen Zeugnisses eine Prüfungspflicht abzulehnen. Gerade in diesem Fall erscheint eine Prüfungspflicht impraktikabel: Aufgrund des internationalen Einschlags ist das Grundbuchamt in aller Regel faktisch nicht in der Lage, den Inhalt des Zeugnisses auf seine Richtigkeit zu überprüfen – wenngleich das Grundbuchamt gewiss die fachliche Kompetenz hat, den Sachverhalt auch nach dem anwendbaren ausländischen Recht zu prüfen. Das betrifft beispielsweise die Tatsache, ob der Nachlass grenzüberschreitenden Charakter hat.680 Dagegen lässt sich einwenden, dass die immer zunehmende Bedeutung des IPR und der grenzüberschreitenden Sachverhalte selbst beim Grundbuchamt nicht spurlos vorbeigehen kann, so dass diesem eine Prüfung auferlegt werden könnte.681 Doch steht eine allgemeine Prüfungspflicht dem Ziel einer Erleichterung der internationalen Nachlassabwicklung entgegen. Auch wenn eine Behörde die fachliche Kompetenz hat, muss sie diese nicht stets ausüben, sofern ein Bedürfnis hierfür mangelt und andere Interessen zu bewahren sind, namentlich das Vertrauen der Erben, sich mit dem Zeugnis im europäischen Rechtsraum in Nachlassangelegenheiten effektiv legitimieren zu können. (b) Eingeschränkte Prüfungspflicht Einschränkend hat das Grundbuchamt nur dann eine Prüfungspflicht, sofern ihm neue Tatsachen bekannt werden, die im Ausstellungsverfahren noch nicht berücksichtigt wurden und zu einer anderen Erbfolge als die im Zeugnis ausgewiesene führen, denn eine Eintragung trotz Kenntnis der inhaltlichen Unrichtigkeit des Zeugnisses kann dem Grundbuchamt nicht zugemutet werden.682 Diese Feststellung wird in der Regel vom Grundbuchamt allerdings bei Vorliegen eines ausländischen Zeugnisses kaum zu bewältigen sein, da es hierfür regelmäßig an einer Kommunikationsgrundlage zwischen dem Grundbuchamt und der ausländischen Ausstellungsbehörde fehlt.683 Sobald das Grundbuchamt von der Änderung oder dem Widerruf des Zeugnisses oder der Aussetzung der Wirkungen Kenntnis hat, die dem Grundbuchamt die Unrichtigkeit des Zeugnisses signalisieren, kann es ein anderes Zeugnis oder einen Erbschein verlangen; eine Untersuchungspflicht, ob eine derartige Maßnahme erfolgt ist, besteht indes nicht.684 Eine solche Pflicht würde das Grundbuchamt faktisch zu einer zweiten Lange, DNotZ 2016, 103 (113); Böhringer, NotBZ 2015, 281 (282). Vgl. noch zu §  35 GBO a.F. Schulz, Die Subsumtion ausländischer Rechtstatsachen, S.  189. 682  Lange, DNotZ 2016, 102 (113); im Ergebnis auch Wittwer, AnwBl 2015, 87 (90). 683  Wilsch, ZEV 2012, 530. 684  Lange, DNotZ 2016, 102 (113). 680  681 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Prüfinstanz machen, obwohl es mit dem erbrechtlichen Lebenssachverhalt nie befasst war. Das Grundbuchamt muss Angaben im Zeugnis, die ohne weiteres von sich aus verständlich sind und nicht aus der Kenntnis des erbrechtlichen Lebenssachverhalts resultieren, prüfen. So hat das Grundbuchamt die Gültigkeit der beglaubigten Abschrift im Zeitpunkt des Eintragungsantrages zu überprüfen.685 Bei Ungültigkeit der beglaubigten Abschrift durch Ablauf der Gültigkeitsfrist entfallen sämtliche Wirkungen.686 Der Antragsteller kann sich dann mit dem Zeugnis nicht mehr legitimieren. In diesem Zusammenhang wird es aufgrund der grundbuchrechtlichen Aufbewahrungspflicht gemäß §  10 GBO immer dazu kommen, dass das Grundbuchamt nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ungültige beglaubigte Abschriften aufbewahrt.687 Die Diskrepanz ist jedoch unschädlich, da die Aufbewahrung bis zum Ende der Gültigkeitsdauer den Anforderungen des §  10 GBO genügt und das unendliche Verlangen nach einer erneuten beglaubigten Abschrift dem grundbuchrechtlichen Beibringungsgrundsatz widerspricht.688 Der Nachweis der Erfüllung der gesetzlichen Eintragungsvoraussetzungen wird durch die erstmalige Vorlage der beglaubigten Abschrift erbracht, da zu diesem Zeitpunkt die Eintragungsvoraussetzungen erfüllt waren.689 Ohnehin wirkt zugunsten des Eingetragenen die gesetzliche Vermutung des §  891 BGB – der eingetragene Erbe verfügt als Berechtigter –, so dass die abgelieferte beglaubigte Abschrift hinsichtlich ihrer Legitimationskraft nicht jedes Mal erneut „wiederbelebt“ werden muss, wenn es seine Gültigkeit verliert.690 Die Gültigkeitsfrist hat nicht den Zweck, die dauerhafte Legitimation des Erben zu gewährleisten, sondern ihn nur für die konkrete Rechtshandlung im Zeitraum der Gültigkeit zu legitimieren. Mit deren Abschluss, also der Eintragung im Grundbuch, ist die Legitimationswirkung gleichsam „verbraucht“ und bedarf bezogen auf die konkrete Rechtshandlung keiner Perpetuierung mehr. Gleiches muss für den Fall gelten, dass nach Eingang des Eintragungsantrags beim Grundbuchamt die Gültigkeitsfrist der vorgelegten beglaubigten Abschrift abläuft: Im maßgeblichen Zeitpunkt der Einreichung des Eintragungsantrages, den der Antragsteller noch selbst beeinflussen kann, war dieser legitimiert. Die unberechenbare Bearbeitungsdauer des Grund-

Staudinger/Herzog, §  2365 Rn.  32 f.; Lange, DNotZ 2016, 103 (112). Siehe ausführlich unten im 3. Kap., D., III., 2., b), S.  290 ff. 687  Lehmann, ZEV 2012, 533 (534). 688  Lehmann, ZEV 2012, 533 (534); Wilsch, ZEV 2012, 530 (532). 689  Vgl. auch Bauer/Schaub/Schaub, §  35 GBO Rn.  119. 690  BeckOK-GBO/Wilsch, §  35 Rn.  39; Böhringer, NotBZ 2015, 281 (286); Wittwer, AnwBl 2015, 87 (90); Lehmann, ZEV 2012, 533 (534); Wilsch, ZEV 2012, 530 (532); vgl. auch OLG München, Beschl. v. 10.2.2020 – 34 Wx 357/17, NJW-RR 2020, 468 (471). 685  686 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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buchamts kann dem Antragsteller nicht aufgebürdet werden.691 Die Maßgabe der verordnungsautonomen Auslegung der Vorschriften zum Zeugnis wird hierdurch nicht umgangen: Dass nämlich die Gültigkeitsfrist strikt bei der tatsächlichen Eintragung in ein Register noch laufen muss, wird von der EuErbVO nicht verlangt. Vielmehr ist nach dem Telos bereits auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem das jeweilige Register erstmals Kenntnis von der gültigen beglaubigten Abschrift erhält, um daraufhin die entsprechenden Vorgänge in der Registerbehörde zu veranlassen, die stets einen gewissen zeitlichen Vorlauf verlangen. Wichtig ist, dass die Legitimationswirkung des Zeugnisses am Ende durchgesetzt wird, was mit dem Abstellen auf die Gültigkeit der beglaubigten Abschrift im Zeitpunkt des Eintragungsantrages sichergestellt wird. Um die Richtigkeit des Grundbuchs zu gewährleisten, sollte es dem Grundbuchamt daran gelegen sein, Kenntnis von etwaigen laufenden Änderungs-, Widerrufs- oder Aussetzungsverfahren zu erhalten, gerade angesichts des Umstands, dass zwischen der Vorlage der beglaubigten Abschrift bis zur endgültigen Eintragung ein großer Zeitraum liegen kann. Komplexer wird dies aufgrund des grenzüberschreitenden Bezugs noch, wenn ein ausländisches Zeugnis vorgelegt wird. Beispielsweise könnte die Ausstellungsbehörde, nachdem der Eintragungsantrag beim Grundbuchamt eingegangen ist und die beglaubigte Abschrift vorgelegt wurde, die Wirkungen des Zeugnisses gemäß Art.  73 EuErbVO aussetzen. Von Gesetzes wegen ergibt sich eine Mitteilungspflicht des Grundbuchamts an die ausländische Ausstellungsbehörde nicht (§  55 GBO ist nicht erfüllt).692 Das Grundbuchamt sollte dennoch die Ausstellungsbehörde über die bevorstehende Eintragung informieren, um „im Gegenzug“ über eine etwaige Aussetzung der Wirkungen von der Ausstellungsbehörde in Kenntnis gesetzt zu werden.693 Eine Verpflichtung seitens des Grundbuchamts, die Ausstellungsbehörde bei allen 691  Bauer/Schaub/Schaub, §  35 GBO Rn.  119; BeckOK-GBO/Wilsch, §  35 Rn.  41; a.A. KG, Beschl. v. 3.9.2019 – 1 W 161/19, NJW-RR 2019, 1413 (1414); Böhringer, NotBZ 2015, 281 (283 f.). 692  Lehmann, ZEV 2012, 533 (534). 693  Lehmann, ZEV 2012, 533 (534); Lange, DNotZ 2016, 103 (113) betont, dass das Grundbuchamt selbstständig die Tatsache des Widerrufs, der Änderung oder der Aussetzung nicht überprüfen muss; zwar spricht Art.  73 Abs.  2 EuErbVO nur von einer Unterrichtungspflicht der Ausstellungsbehörde gegenüber denjenigen Personen, denen sie selbst nach Art.  70 Abs.  1 ­EuErbVO beglaubigte Abschriften des Zeugnisses ausgestellt hat, aber im eigenen Interesse – als in der Regel staatliche Stelle, die die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns, sei es inländisches oder wie vorliegend ausländisches Handeln eines deutschen Grundbuchamtes, anstrebt – sollte die Ausstellungsbehörde das Grundbuchamt von der Aussetzung in Kenntnis setzen. Hier erscheint eine extensive Auslegung des Art.  73 Abs.  2 EuErbVO angemessen, weil der Antragsteller als „erweiterter Arm“ der Ausstellungsbehörde die beglaubigte Abschrift dem Grundbuchamt vorgelegt hat.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Zweifeln zu kontaktieren oder das Europäische Justizielle Netzwerk zu aktivieren694, ist aus den gleichen Gründen, die auch die Ablehnung einer allgemeinen Prüfungspflicht rechtfertigen, zu verneinen. Eine zu strikte bzw. obligatorische Kommunikation auf internationaler Ebene gestaltet sich angesichts potentieller Sprachbarrieren als schwierig und würde zudem zur allgemeinen Lähmung des Rechtsverkehrs führen. Es erscheint deshalb ertragreicher, dem Grundbuchamt im Einzelfall die Entscheidung zu überlassen, ob es den Kontakt zur Ausstellungsbehörde bemühen will, um höchstwahrscheinlichen Unrichtigkeiten im Grundbuch vorzubeugen. (2) Vorlagerecht des Grundbuchamts? Zunächst kann sich die Frage nach einem Vorlagerecht in der Konstellation stellen, dass sowohl der Erbschein als auch das Zeugnis verfügbar sind, wobei der Erblasser dann insbesondere seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben musste, damit deutsche Gerichte für die Ausstellung des Zeugnisses (Art.  64 S.  1 EuErbVO i.V.m. Art.  4 EuErbVO) und des Erbscheins (Art.  4 ­EuErbVO)695 international zuständig sind. §  35 Abs.  1 S.  2 GBO ist dahingehend modifiziert worden, dass die Vorlage einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, nicht mehr nur den Erbschein, sondern nunmehr auch das Zeugnis als Nachweisform ersetzen kann. Denn das Zeugnis beansprucht nicht, andere Erbnachweisformen zu verdrängen. Es wäre fragwürdig, dem Erben die Legitimation durch ein öffentliches Testament zu verwehren, wenn der Auslandsbezug möglicherweise nur in der Belegenheit von beweglichem Vermögen (und nicht von Immobiliarvermögen; in diesem Falle ist die Beantragung eines Zeugnisses womöglich anzuraten) im Ausland wurzelt, so dass die Beantragung eines Zeugnisses für den Erben von Anfang an nicht in Erwägung gezogen wird. Wenn demnach ein (deutsches) öffentliches Testament ohne Zweifel die Erbfolge nachweist, kann das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins oder Zeugnisses nicht verlangen und hat mithin kein Vorlagerecht. Erst recht kann das Grundbuchamt nicht kumulativ oder anstelle des vorgelegten Zeugnisses einen Erbschein und vice versa verlangen.696 Ein kumulatives Verlangen von Zeugnis und Erbschein ist ausgeschlossen, weil beide Erbnachweise je für sich als Unrichtigkeitsnachweis gemäß §  35 Abs.  1 S.  1 GBO geeignet sind (vgl. Wortlaut: „Erbschein oder Europäisches Nachlasszeugnis“). Die ausdrückliche Gleichstellung von Zeugnis und Erbschein durch den deutschen GesetzgeSo Wilsch, ZEV 2012, 530 (532). Siehe hierzu ausführlich unten im 3. Kap., C., I., 1., a), S.  216 ff. 696  Lediglich das Verlangen eines Erbscheins statt des Zeugnisses als unzulässig bezeichnend BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  58, 62. 694  695 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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ber verbietet es, den einen oder anderen Erbnachweis vorzuziehen.697 Nachgerade wird der Erbe in seiner neu gewonnenen Wahlfreiheit beschnitten, wenn ­einem Erbnachweis der Vorrang eingeräumt werden würde. Überdies soll systematisch der Anwendungsvorrang des Europarechts gegen ein Vorlagerecht zugunsten des Erbscheins sprechen.698 Dieses Argument ist indessen nicht stringent, da bei Vorliegen eines Erbscheins gleichermaßen kein Vorlagerecht zugunsten des Zeugnisses existiert. Schwieriger erscheint die zweite Konstellation, dass die Verbindung zu Deutschland nur in der Belegenheit des gegenständlichen Grundstücks ebenda liegt und der Erblasser ansonsten zeit seines Lebens in einem anderen Mitgliedstaat lebte und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dann ist es sehr wahrscheinlich, dass im Hinblick auf §  35 Abs.  1 S.  2 GBO eine ausländische Verfügung von Todes wegen vorliegt. Ferner kann ein Erbschein nicht mehr erlangt werden, sondern nur – wenn überhaupt existent – der jeweilige mitgliedstaatliche Erbnachweis und das Zeugnis aus diesem Mitgliedstaat. Zu untersuchen ist, ob das Grundbuchamt statt der Vorlage der ausländischen Verfügung von Todes wegen ein Zeugnis verlangen kann. Das Grundbuchamt ist grundsätzlich befugt, in öffentlicher Urkunde errichtete ausländische Verfügungen von Todes wegen als Nachweis zu akzeptieren und die Rechtslage nach dem anwendbaren ausländischen Recht zu prüfen.699 Kommt das Grundbuchamt nach der Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Erbfolge hinreichend nachgewiesen ist, wird es die begehrte Rechtshandlung durchführen. Etwaige unrichtige rechtliche Schlussfolgerungen fallen in das Haftungsrisiko des Grundbuchamtes.700 Wegen der regelmäßig eintretenden Komplikationen, die auf der ausländischen Sprache der Verfügung von Todes wegen oder auf der mitunter schwierigen Anwendung des ausländischen Rechts beruhen701, ist das Grundbuchamt nach §  35 Abs.  1 S.  2 2. Hs. GBO berechtigt, die Vorlage des Zeugnisses zu verlangen. Da überdies ein Erbschein mangels Eröffnung der deutschen Gerichtsbarkeit nicht beantragt werden kann, wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland hatte702, bleibt dem Erben nur die Vorlage des Zeugnisses übrig. Unwahrscheinlich erscheint es, dass das Grundbuchamt bei Vorlage einer ausländischen Verfü697  Im Ergebnis auch Böhringer, NotBZ 2015, 281, der auf die Wirkungslosigkeit des Zeugnisses hinweist, wenn ein Vorlagerecht zugunsten des Erbscheins bejaht würde. Gleichlaufend für die österreichische Rechtslage wird ein Vorlagerecht verneint, vgl. Neumayr, AnwBl 2016, 262 (263); Steiner, Zak 2015, 304 (305). 698  So Volmer, notar 2016, 323 (330). 699  BeckOK-GBO/Wilsch, §  35 Rn.  94; Böhringer, ZEV 2001, 387. 700  BeckOK-GBO/Wilsch, §  35 Rn.  95. 701  BeckOK-GBO/Wilsch, §  35 Rn.  95. 702  Vgl. unten im 3. Kap., C., I., 1., a), S.  216 ff.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

gung von Todes wegen den ausländischen nationalen Erbnachweis verlangen wird, zumal dieses je nach Mitgliedstaat womöglich keine Vermutungs- und Legitimationswirkung entfaltet und ohnehin eine Wirkungserstreckung der materiellrechtlichen Wirkungen der mitgliedstaatlichen Erbnachweise nicht möglich ist703; eher wird das Grundbuchamt ein ausländisches Zeugnis verlangen, das sicher einen Unrichtigkeitsnachweis nach §  35 Abs.  1 S.  1 GBO darstellt. bb) Handelsregister (1) Erbringung des Unrichtigkeitsnachweises nach §  12 Abs.  1 S.  4 HGB durch Vorlage eines Europäischen Nachlasszeugnisses Obwohl der deutsche Gesetzgeber das Zeugnis mit dem Erbschein als Legitimationsnachweis vor staatlichen Registern gleichgestellt hat, wurde die im Handelsregister maßgebliche Vorschrift des §  12 HGB nicht geändert. Aufgrund des Vorrangs des Europarechts ist die formale Gleichstellung von Erbschein und Zeugnis aber auch ohne ausdrückliche einfachgesetzliche Regelung zu berücksichtigen.704 Da §  12 Abs.  1 S.  4 HGB den Nachweis durch öffentliche Urkunden vorschreibt und der Gesetzgeber die Einfügung des Zeugnisses in der GBO und der SchRegO veranlasst hat, ist anzunehmen, dass das Zeugnis als öffentliche Urkunde i.S.d. §  12 Abs.  1 S.  4 HGB zum Nachweis der Erbfolge geeignet ist.705 Dafür spricht auch, dass der Erbschein seither als Nachweis der Erbfolge akzeptiert wird706 und das Zeugnis diesbezüglich dieselbe Funktion erfüllt. Wegen des elektronisch geführten Handelsregisters kann eine beglaubigte Abschrift des Zeugnisses nicht vorgelegt werden, sondern es genügt eine elektronische beglaubigte Abschrift von der beglaubigten Abschrift des Zeugnisses nach §  12 Abs.  2 S.  2 HGB i.V.m. §  39a BeurkG.707 (2) Prüfungspflicht des Registergerichts im Hinblick auf den Inhalt des Europäischen Nachlasszeugnisses? Hinsichtlich einer Prüfungspflicht sowie eines Vorlagerechts des Registergerichts können in Anbetracht der Tatsache, dass das Zeugnis als Legitimationsnachweis vor dem Grundbuchamt und dem Handelsregister dieselbe Funktion 703 

Vgl. hierzu ausführlich unten im 5. Kap., B., III., S.  412 ff. und 5. Kap., B., IV., S.  408 ff. Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch/Köhler, Internationales Erbrecht, §  7 Rn.  22; Schmitz, RNotZ 2017, 269 (285). 705  Vgl. Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  33; Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2370 Rn.  165; Müller-Lukoschek, NotBZ 2014, 361 (371). 706  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.6.2017 – I-3 Wx 90/16, NJW-RR 2018, 166 (167); Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, §  12 Rn.  5. 707  Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525 (529). 704 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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erfüllt, die Ausführungen zur Verwendung des Zeugnisses im Grundbuchverkehr hierauf übertragen werden, auch wenn dem Wortlaut des §  12 Abs.  1 S.  4 HGB die Gleichstellung von Zeugnis und Erbschein nicht entnommen werden kann.708 Demnach kann das Registergericht bei Vorlage eines Zeugnisses keinen Erbschein (kumulativ) verlangen und vice versa. Weist eine notarielle beurkundete Verfügung von Todes wegen ohne Auslegungsschwierigkeiten die Erbfolge nach709, kann das Registerrecht ebenfalls nicht die Vorlage eines Zeugnisses oder Erbscheins verlangen. cc) Banken Auch Banken müssen sich nunmehr mit dem Zeugnis als alternativem Nachweis der Erbfolge neben dem vertrauten Erbschein auseinandersetzen. Da die Legitimation vor Banken gesetzlich nicht geregelt ist, ist die Akzeptanz des Zeugnisses besonders prekär. Zu den besonderen Legitimationsfragen ist zumindest für den Erbschein höchstrichterliche Rechtsprechung ergangen, die möglicherweise für das Zeugnis fruchtbar gemacht werden können. Im Grundsatz ist es jeder Bank selbst überlassen, welche Anforderungen sie an den Erbnachweis stellt, damit sie beispielsweise ein Konto des Erblassers dem Erben freigibt.710 Eine „großzügige“ Bank wird das Zeugnis als ausreichenden Nachweis der Erbfolge akzeptieren. Vorsichtigere Banken, die die Folgen, die mit dem Zugriff eines Scheinerben auf das Konto des Erblassers verbunden sind, fürchten, könnten den Erbschein wegen des stärkeren Gutglaubensschutzes dem Zeugnis vorziehen.711 Im Privatrechtsverkehr offenbart sich daher das Spannungsverhältnis zwischen dem Erbschein und dem Zeugnis in anschaulicher Weise. Ging es bei der Entscheidung des BGH vom 8.10.2013 – XI ZR 401/12712 noch darum, ob die Bank im Rahmen von AGB berechtigt ist, für den Nachweis der Erbfolge einen Erbschein zu verlangen, ist für das Zeugnis zunächst festzuhalten, dass Banken am Anfang vermutlich zunächst zögern werden, ein Zeugnis zu verlangen, und zwar aus dem einfachen Grund, dass das Zeugnis noch ein relativ neues Rechtsinstrument ist, mit dem die Banken noch nicht viel Erfahrung gemacht haben.713 708 

Siehe oben im 3. Kap., B., III., 3., f), aa), S.  199. MüKoHGB/Krafka, §  12 Rn.  54. 710  Vgl. DNotI-Studie, S.  219. 711  Vgl. Süß, ZEuP 2013, 725 (745). 712  Siehe zu dieser Entscheidung oben im 3. Kap., B., III., 1., d), bb), S.  181 ff. 713  Die Frage, ob Banken in internationalen Erbfällen – in denen ein Erbschein nicht beantragt werden kann – statt anderer ausländischer Nachweise von der Erbfolge ein Zeugnis in AGB verlangen können (also gerade nicht das Verhältnis Zeugnis und Erbschein betreffend), ist gleich zu beantworten wie in der BGH-Entscheidung vom 8.10.2013 – XI ZR 401/12. Bezeugt der ausländische Erbnachweis oder eine ausländische Verfügung von Todes wegen (er709 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Vielmehr muss vereinzelt davon ausgegangen werden, dass Banken weiterhin daran interessiert sind, möglichst einen Erbschein als Nachweis der Erbfolge vorgelegt zu bekommen. Anhand dieses Praxisbeispiels soll das Problem der Akzeptanz des Zeugnisses im privaten714 Rechtsverkehr erläutert werden. (1) Grundsätzliche Unzulässigkeit eines Vorlagerechts im Privatrechtsverkehr Die Akzeptanz des Zeugnisses könnte dadurch geschmälert werden, dass das Zeugnis einen schwächeren Gutglaubensschutz als der Erbschein entfaltet. Eine zentrale Fragestellung bildet daher, ob Banken – sie sollen an dieser Stelle als Repräsentanten des privaten Rechtsverkehrs dienen – die Vorlage eines Zeugnisses ablehnen dürfen mit der Begründung, dass dieses als Nachweis nicht ausreicht, und stattdessen auf die Vorlage eines Erbscheins bestehen dürfen.715 Auch die Frage, ob statt eines ausländischen nationalen Erbnachweises die Vorlage eines Zeugnisses verlangt werden kann, gilt es zu untersuchen, wobei in dieser Konstellation freilich der Bezug zum deutschen Recht keine Rolle spielt.716 Eine Orientierung lediglich an den Günstigkeitsaspekten eines bestimmten Erbnachweises kann bei der ersten Konstellation nicht ein uneingeschränktes Vorlagerecht seitens der Bank begründen. Denn hierdurch wird das Zeugnis zu einem praktisch nutzlosen Instrument, wenn es gegenüber dem Erbschein stets unterlegen ist und den Nachweis der Erbfolge nicht erbringen kann. Abzustellen ist vielmehr auf den vom Unionsgesetzgeber verfolgten Zweck mit der Einführung des Zeugnisses. Das Zeugnis tritt nicht an die Stelle der nationalen Erbnachrichtet in einer öffentlichen Urkunde) ohne Zweifel die Erbenstellung, ist das Verlangen nach einem Zeugnis unzulässig. Eine andere Frage in diesem Zusammenhang ist die Vorteilhaftigkeit der Entscheidung seitens des Erben, kein Zeugnis vorzulegen. Die mit der Vorlage des Zeugnisses verbundenen Vorteile werden etwa die Schwierigkeiten der Durchsetzung eines ausländischen Testaments als Legitimationsnachweis beseitigen, da erstens das Zeugnis mit den starken Wirkungen des Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO versehen ist und praktische Schwierigkeiten wie die ausländische Sprache der ausländischen Verfügung von Todes wegen aus Sicht der Bank aufgrund des Formblattzwangs beim Zeugnis in aller Regel nicht eintreten werden. 714  Im behördlichen Rechtsverkehr genügt von Gesetzes wegen oftmals das Zeugnis zur Legitimation der Erbfolge, da die entsprechenden Vorschriften mit dem Zusatz „[…] oder ein Europäisches Nachlasszeugnis […]“ versehen wurden. Verlangen behördliche Stellen anstelle des Zeugnisses einen Erbschein und fehlt eine rechtliche Regelung, ist von den gleichen Grundsätzen wie im Privatrechtsverkehr auszugehen. 715  Prämisse ist hier, dass der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, so dass Erbschein und Zeugnis zur Verfügung stehen. Siehe zur Frage der interna­ tio­nalen Zuständigkeit für die Ausstellung des Erbscheins ausführlich unten im 3. Kap., C., I., 1., a), S.  216 ff. 716  Prämisse ist hier, dass der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als in Deutschland hatte, so dass aus Sicht der Bank ein ausländischer nationaler Erbnachweis und ein ausländisches Zeugnis zur Verfügung stehen.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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weise, sondern koexistiert mit ihnen. Der Hintergrund dieser Anordnung ist die Erweiterung der Möglichkeiten bei der internationalen Nachlassabwicklung unter Beibehaltung der bisherigen Rechtslage in den Mitgliedstaaten entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip.717 Das Zeugnis soll Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter begünstigen; ihnen soll die Wahl überlassen werden, ob sie ein Zeugnis oder einen nationalen Erbnachweis, soweit dieser eine Antragsberechtigung für die genannten Personen vorsieht, verwenden wollen. Ein Vorlagerecht ist mit dieser Zwecksetzung nicht vereinbar, andernfalls wird das Wahlrecht ausgehöhlt. Vielmehr würde sich grundlos der Vorteil der Optionalität zwischen Zeugnis und nationalem Erbnachweis auf den Adressaten der Verwendung des Zeugnisses verlagern. Wenn aus ErwG 69 S.  3 der Umkehrschluss gezogen wird, dass bei Vorlage eines im Inland ausgestellten Zeugnisses statt diesem der inländische mitgliedstaatliche Erbnachweis verlangt werden kann718, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich hierbei erstens lediglich um einen Erwägungsgrund und somit um einen Programmsatz handelt, der den in Art.  62 Abs.  3 EuErbVO verwurzelten Grundgedanken nicht zu erschüttern vermag. Zweitens ist anzunehmen, dass die Formulierung dieses Erwägungsgrundes unpräzise ist. Beim Zeugnis geht es vordergründig darum, die erbrechtliche Stellung im Ausland nachzuweisen. Dass das Zeugnis zusätzlich im Inland Wirkungen entfaltet, ist zwar auch eine wichtige Komponente, jedoch im Vergleich zur Verwendung des Zeugnisses im Ausland ein eher untergeordneter, auf praktische Erwägungen beruhender Aspekt. Dem ErwG 69 S.  3 ist keine unverbindliche Appellfunktion im Hinblick auf Private zu entnehmen, so dass diese frei über die Akzeptanz des Zeugnisses entscheiden könnten.719 Der Wortlaut von ErwG 69 S.  3 nennt „Behörde“ und „Person“ in einem Zug, ohne einen Hinweis auf eine weitergehende Differenzierung zu erhalten. Für den behördlichen Verkehr ist indes allgemein anerkannt, dass die Behörden die Pflicht haben, das Zeugnis zu akzeptieren.720 Ein plausibler Grund für eine Differenzierung zwischen dem behördlichen Verkehr und dem Privatrechtsverkehr ist nicht ersichtlich. Für die beabsichtigte Gleichstellung des Zeugnisses mit den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen ist es unerheblich, wer an dem fraglichen Sachverhalt beteiligt ist. Es wäre äußerst zweifelhaft, dem Zeugnis im Privatrechtsverkehr weniger Durchsetzungskraft zuzuweisen als im behördlichen Verkehr angesichts der Tatsache, dass beide Komponenten regelmä717 

Vgl. hierzu ausführlich oben im 2. Kap., D., II., S.  35 ff. So bezogen auf den Erbschein Süß, ZEuP 2013, 725 (745 f.). 719  So aber Dutta/Weber/Fornasier, Art.  62 EuErbVO Rn.  5, der jedenfalls in Bezug auf Erbscheins-Klauseln in AGB die uneingeschränkte Akzeptanz des Zeugnisses zugunsten von Verbrauchern befürwortet. 720  Vgl. Dutta/Weber/Fornasier, Art.  62 EuErbVO Rn.  5. 718 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

ßig gleich starke Bedeutung in der internationalen Nachlassabwicklung haben.721 ErwG 67 S.  1, der eine zügige, unkomplizierte und effiziente Nachlassabwicklung als Ziel der Einführung des Zeugnisses betont, unterscheidet nicht zwischen einer „behördlichen“ und „privaten“ Nachlassabwicklung; das Zeugnis bezweckt, die gesamte internationale Nachlassabwicklung zu erleichtern. Eine zügige, unkomplizierte und effiziente Nachlassabwicklung ist im Privatrechtsverkehr ebenso essentiell wie im behördlichen Verkehr, insbesondere da Konstellationen denkbar sind, in denen die Beteiligung staatlicher Behörden nur einen geringen Umfang in der gesamten Nachlassabwicklung einnimmt (z.B. sind im Nachlass kaum Nachlassgegenstände vorhanden, die registerpflichtig sind und deshalb die Mitwirkung staatlicher Stellen erfordern). Gerade wegen der internationalen Dimension wäre es mühselig, wenn Private in allen Mitgliedstaaten die Nachlassabwicklung bereits dergestalt aufstören können, dass sie das Zeugnis als unionsweiten Erbnachweis von Anfang an ablehnen könnten. Das Zeugnis würde sich so im Privatrechtsverkehr als nutzlos erweisen und quasi nur noch als Erbnachweis für Angelegenheiten dienen, die die Mitwirkung einer Behörde erfordern. Außerdem haben Private auch keine erheblichen Konsequenzen zu befürchten, wenn sie auf das Zeugnis vertrauen und kein Vorlagerecht haben. Denn sie stehen nicht ohne Schutz dar. Ihnen kommt – Gutgläubigkeit unterstellt – insbesondere der Gutglaubensschutz des Zeugnisses nach Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 ­EuErbVO zu, auch wenn er schwächer sein mag als die Gutglaubenswirkung des Erbscheins oder anderer mitgliedstaatlicher Erbnachweise. Die einheitliche Wirkungsentfaltung des Zeugnisses nach Art.  69 Abs.  1 EuErbVO (siehe auch ErwG 71 S.  1) impliziert schließlich in der tatsächlichen Umsetzung, keine unterschiedliche Handhabung aufgrund unterschiedlicher Konstellationen zuzulassen. Mithin statuiert die EuErbVO sehr wohl eine grundsätzlich uneingeschränkte Akzeptanz des Zeugnisses, wenn ein Erbe sich bewusst für dieses entschieden hat und sich daraufhin bei Banken legitimieren will.722 In der umgekehrten Konstellation, dass statt des Erbscheins ein Zeugnis verlangt wird, ergeben sich keine Abweichungen. Auch hier sollte ein Vorlagerecht grundsätzlich abgelehnt werden.723 In der Praxis wird dies in Bezug auf den Erb721 A.A. Buschbaum/Simon, vgl. ZEV 2012, 525 (528) sowie die dortige Fn.  26, die Privatpersonen ein Vorlagerecht gewähren mit der Begründung, die EU habe keine Kompetenz für eine Verpflichtung dieser Personen zur uneingeschränkten Akzeptanz des Zeugnisses. Es geht hier jedoch nicht um eine Kompetenzfrage, sondern um die Reichweite und Effektivität der Gleichstellung des Zeugnisses mit nationalen Erbnachweisen, wofür der Unionsgesetzgeber durchaus eine Kompetenz und Gestaltungsspielraum besitzt. 722  Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2370 Rn.  165; a.A. MüKoBGB/Dutta, Art.  62 ­EuErbVO Rn.  4; Dutta/Weber/Fornasier, Art.  62 EuErbVO Rn.  5; Dutta, IPRax 2015, 32 (38); Buschbaum/Simon, Rpfleger 2015, 444 (454); Müller-Lukoschek, NotBZ 2014, 361 (368). 723  So auch Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  62 EuErbVO Rn.  50.

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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schein kaum vorkommen, da der Erbschein im deutschen Rechtsverkehr das bewährte Legitimationsmittel schlechthin darstellt. Betreffend die Vorlage ausländischer Erbnachweise ist dies eher zu erwarten. An der grundsätzlichen Ablehnung eines Vorlagerechts auch in dieser Konstellation ist festzuhalten, sofern an der Richtigkeit des ausländischen Erbnachweises nicht zu zweifeln ist. Hier wiegt das Argument, dass das Zeugnis ein optionales Rechtsinstrument ist und die nationalen Erbnachweise unberührt lässt, noch schwerer, weil ein uneingeschränktes Vorlagerecht zugunsten des Zeugnisses die Verkehrsfähigkeit der mitgliedstaatlichen Erbnachweise schlimmstenfalls vollständig beseitigen könnte. Die grundsätzliche Akzeptanz nationaler Erbnachweise auch im grenzüberschreitenden Verkehr ergibt sich indes aus Art.  39 ff., 59 EuErbVO und aus dem Prinzip der Koexistenz.724 Zu beachten ist, dass bei der Vorlage eines mitgliedstaatlichen Erbnachweises auch nur diejenigen Wirkungen eintreten, die über Art.  39 ff., 59 EuErbVO transportiert werden können.725 Die Bank muss folglich auch damit rechnen, dass der vorgelegte Erbnachweis keinen Gutglaubensschutz bietet.726 (2) Eingeschränktes Vorlagerecht Die grundsätzliche Ablehnung des Vorlagerechts ist nur dann gerechtfertigt, wenn die inhaltliche Richtigkeit des Zeugnisses anzunehmen ist. Hat die Bank aber berechtigte und konkrete Zweifel727 daran, ob der Zeugnisinhaber z.B. die Verfügungsberechtigung über das Konto des Erblassers hat, erscheint es unzumutbar von der Bank zu erwarten, gemäß dem Zeugnis zu handeln. In solchen Ausnahmefällen ist das Verlangen nach einem Erbschein oder einem korrigierten Zeugnis zu dulden. Gewiss werden diese Fälle selten sein, denn wenn ein ausländisches Zeugnis vorgelegt wird, wird die Bank kaum an Informationen zu dem für sie ausländischen Erbfall herankommen können, um konkrete Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit hegen zu können. Umgekehrt kann die Vorlage eines Zeugnisses verlangt werden, wenn Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit eines ausländischen Erbnachweises bestehen.728

Dörner, ZEV 2012, 505 (512), der auf die Sicherung der Wirkungen des Zeugnisses nach Art.  69 EuErbVO abstellt, die der inländische Adressat uneingeschränkt in Anspruch nehmen darf. 725  Darauf hinweisend auch Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  62 EuErbVO Rn.  50; siehe hierzu unten im 5. Kap., B, III., S.  408 ff. und 5. Kap., B., IV., S.  412 ff. 726  In diesem Sinne auch Dörner, ZEV 2012, 205 (212). 727  Vgl. NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  35. 728  Köllensperger, NZ 2015, 245 (262). 724 A.A.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

(3) Vorlagerecht kraft Parteivereinbarung Das Vorlagerecht kann Gegenstand einer Parteivereinbarung sein.729 Dies muss nicht unbedingt im Zusammenhang mit Bankangelegenheiten der Fall sein, sondern kann etwa bei Rechtsgeschäften zwischen dem Erben und einer Privatperson relevant werden, wenn diese vor Abschluss des Rechtsgeschäfts mit dem Erben vereinbart hat, nur gegen Vorlage eines Erbscheins etwas zu leisten (z.B. Kauf eines Nachlassgegenstandes). Hier fehlt die Schutzwürdigkeit desjenigen, der durch das Vorlagerecht benachteiligt wird. Bei Wirkungsgleichwertigkeit von Zeugnis und mitgliedstaatlichem Erbnachweis muss durch Auslegung ermittelt werden, ob der eine oder andere Erbnachweis für das jeweilige Geschäft genügt.730 Motiv für die Tendenz zu einem bestimmten Erbnachweis kann insbesondere eine attraktivere Ausgestaltung des Gutglaubensschutzes sein.731 Daran zeigt sich, dass über das Zeugnis gemäß seinem optionalen Charakter auf vertraglicher Ebene disponiert werden kann und die Wahlfreiheit um eine weitere privatautonome Komponente erweitert wird. (4) Übertragbarkeit des Urteils des BGH vom 5.4.2016 – XI ZR 440/15 auf das Europäische Nachlasszeugnis Hypothetisch lässt sich überlegen, ob die Ablehnung eines Zeugnisses und das Verlangen nach einem Erbschein einen Schadensersatzanspruch des Erben auslösen können, der mangels Akzeptanz des Zeugnisses neben diesem nunmehr einen Erbschein beantragt. Zwar „belohnt“ der Gesetzgeber die parallele Beantragung eines Erbscheins mit reduzierten Kosten732, gleichwohl lässt sich ein Schaden in Höhe der tatsächlich angefallenen Kosten nicht leugnen. Ist allerdings davon auszugehen, dass ein Vorlagerecht der Bank grundsätzlich nicht besteht, muss deren unberechtigtes Verlangen auch sanktioniert werden. So stellen sich die Interessen wie im Sachverhalt der Entscheidung des BGH vom 5.4.2016  – XI ZR 440/15 als identisch dar. Mehr noch bewegt sich der Schadensersatzanspruch auf rein schuldrechtlicher Ebene, namentlich im Hinblick auf die Nebenpflichtverletzung der Kontoverträge des Erblassers. Damit ist festzuhalten, dass das Zeugnis auch betreffend die weitergehenden Rechtsfolgen im außer­erb­rechtlichen Bereich die gleiche Behandlung erfährt wie der Erbschein.

729 

MüKoBGB/Dutta, Art.  62 EuErbVO Rn.  4. NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  35. 731  NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  35. 732  Vgl. KV 12210 Abs.  2 zum GNotKG: Anrechnung zu 75  %, mithin ist nur ¼ der ursprünglichen Gebühr zu zahlen; dies gilt auch für den umgekehrten Fall, dass im Nachgang der Ausstellung eines Zeugnisses ein Erbschein beantragt wird. 730 

B. Rechtswirkungen der Erbnachweise im Einzelnen

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Dies ist in Anbetracht der beabsichtigten Gleichstellung von Zeugnis und Erbschein begrüßenswert, um Systembrüche bei gleichgelagerten Fragen zu ver­ meiden. g) Zusammenfassung Die Legitimationswirkung des Zeugnisses erreicht zumindest im behördlichen Rechtsverkehr maximale Effektivität. Die Mitgliedstaaten müssen den Nachweis der Erbfolge durch Vorlage eines Zeugnisses als ausreichend erachten und somit das Zeugnis dem nationalen Erbnachweis gleichstellen. Die nationale gesetzgeberische Wertung, aus Verkehrsschutzgründen für bestimmte Rechtshandlungen die Vorlage eines nationalen Erbnachweises für den Nachweis der Erbfolge zu verlangen, ist damit vollkommen übertragbar auf das Zeugnis, das gleichsam automatisch als zwingende Nachweisform für die Erbfolge Teil der nationalen gesetzgeberischen Wertung wird. Erneut zeigt sich hieran, dass die unionsgesetzgeberische Wertung den mitgliedstaatlichen Gesetzgebern „aufgedrückt“ wird. Zu beachten ist, dass das Zeugnis lediglich die jeweilige erbrechtrechtliche Rechtsstellung bezeugt. Dann aber müssen zur Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für eine begehrte behördliche Rechtshandlung ggf. weitere Dokumente eingereicht werden, die das Recht der Behörde vorsieht. Wird ein Zeugnis vorgelegt, besteht grundsätzlich nicht die Möglichkeit für die Behörden, das Zeugnis auf seine inhaltliche Richtigkeit zu prüfen. Zugunsten der praktischen Durchsetzung sollten im Privatrechtsverkehr die Ablehnung des Zeugnisses und das Verlangen nach einem nationalen Erbnachweis nicht gestattet sein. Nur wenn dem Empfänger konkrete Anhaltspunkte bekannt sind, die die Unrichtigkeit des Zeugnisses belegen, sollte der Empfänger die Vorlage eines nationalen Erbnachweises oder eines neuen Zeugnisses verlangen können. 4. Rechtsvergleichende Würdigung Die Legitimationswirkung zeichnet sich im deutschen, österreichischen und europäischen Recht weitgehend durch Konformität aus. Dies ist nicht verwunderlich angesichts der Tatsache, dass die praktische Auswirkung der Legitimationswirkung lediglich in der singulären Erbringung des Nachweises der Erbfolge bzw. beim Zeugnis zusätzlich der Stellung als Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter, um notwendige Handlungen von Behörden und anderen Personen in der Nachlassabwicklung in die Wege leiten zu können, zu erblicken ist. Besondere zusätzliche Wirkungsvoraussetzungen oder intensive Rechtsfolgen, wie sie mit den Gutglaubensnormen einhergehen (insbesondere Eingriff in das Eigentumsrecht des wahren Berechtigten), existieren nicht. Freilich ist nicht zu verkennen, dass

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

die Legitimationswirkung den Unterbau für den Eintritt von Gutglaubenswirkung bildet, indem etwa eine Bank an den Zeugnisinhaber im weiteren Schritt durch Inanspruchnahme der Gutglaubenswirkung des Zeugnisses befreiend leisten kann. Die Reichweite der Legitimationswirkung ist nach jeder Rechtsordnung klar abgesteckt: Nur der Nachweis der erbrechtlichen Rechtsstellung wird erbracht, andere erforderliche Nachweise für die begehrte Handlung werden von der jeweiligen Rechtsordnung bestimmt und sind zusätzlich einzureichen. Das Zeugnis nimmt sich zurück, um nicht in das autonome Registerrecht der Mitgliedstaaten einzugreifen. Das betrifft vor allem Aspekte der grenzüberschreitenden Behandlung dinglicher Rechte. Im staatlichen Rechtsverkehr muss das Zeugnis – idealiter verfahrensrechtlich gesichert durch Anpassung der gesetzlichen Vorschriften im Wege nationaler Durchführungsgesetzgebung – als Legitimationsnachweis vor Behörden, z.B. vor Grundbuchämtern und Handelsregistern, akzeptiert werden. Für die EU wird demzufolge flächendeckend ein weiteres formalisiertes Legitimationspapier neben den bisherigen Nachweisformen geschaffen. Eine wesentliche Veränderung der registerrechtlichen Praxis sollte hiermit nicht einhergehen, weil keine genuin registerrechtlichen Veränderungen eintreten. Auf der anderen Seite hat sich die Rechtslage erheblich zugunsten der Erben verändert, indem ihre Nachweismöglichkeiten erweitert werden und ein einfacher Zugang zu den staatlichen Stellen in allen Mitgliedstaaten ermöglicht wird. Jedenfalls kommen die Erben nicht umhin, etwaige zusätzliche Unterlagen des Rechts des Registerstaates einzureichen; aber dies war auch schon vor der Einführung des Zeugnisses der Fall. Im Privatrechtsverkehr wird die Legitimationswirkung der Erbnachweise unterschiedlich durch das Gesetz ausgeformt. Während das österreichische Recht die Aufhebung von Banksperren gesetzlich regelt, überlässt das deutsche Recht Legitimationsfragen in Bankangelegenheiten den privatrechtlichen Vertragsbeziehungen zwischen dem Erblasser bzw. dem Erben und der Bank. Eine gesetzliche Regelung mag zwar für Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit sorgen (in Österreich war eine gesetzliche Regelung aufgrund des obligatorischen Verlassenschaftsverfahrens die einzig plausible Lösung), doch wird mit ihr, wenn sie nur einen engen Anwendungsbereich hat, an Flexibilität zulasten der Erben eingebüßt, die mit der Verwendung unterschiedlicher Erbnachweisformen im engeren und weiteren Sinne erreicht wird. Letztendlich geht es um Kostenfragen, die für die Erben in aller Regel im Vordergrund stehen werden, wenn ein formalisierter Erbnachweis zwingend eingeholt werden muss, obwohl eine andere Erbnachweisform zum Zwecke der Legitimation zur Verfügung steht und ausreichend ist. Das Zeugnis reiht sich im Privatrechtsverkehr in die bereits bestehenden Erbnachweisformen ein und bildet vor allem neben den nationalen Erbnachweisen im engeren Sinne einen tauglichen Legitimationsnachweis mit der wichtigen

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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Konsequenz, dass ein Vorlagerecht zugunsten des nationalen Erbnachweises nicht existiert. Die Vielfältigkeit von Erbnachweisen eröffnet zahlreiche Möglichkeiten, sich im Rechtsverkehr zu legitimieren. Die Einführung des Zeugnisses verändert nicht die Prämisse, dass grundsätzlich – namentlich vorbehaltlich einer vorgeschriebenen gesetzlichen Regelung zur Wahrung übergeordneter Interessen – zur Legitimation jeder Erbnachweis, sei es im engeren oder weiteren Sinne, genügt, sofern keine Zweifel an seiner inhaltlichen Richtigkeit bestehen. Das passt zum optionalen Charakter des Zeugnisses. Ist jedoch abzusehen, dass für die (internationale) Nachlassabwicklung die Inanspruchnahme der Wirkungen des Zeugnisses unverzichtbar ist, mag die Beantragung desselben von Anfang an angestrebt werden. Zwingend ist diese Empfehlung in denjenigen Fällen, in denen eine Legitimation in einem anderen Mitgliedstaat beabsichtigt ist, da sowohl die mitgliedstaatlichen Erbnachweise als auch die sonstigen Formen von Erbnachweisen ihre Legitimationswirkung nicht ins Ausland transportieren können.733

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext Während das Verhältnis von Zeugnis und mitgliedstaatlichen Erbnachweisen bereits im zweiten Kapitel im Allgemeinen aufgezeigt wurde734, ist im Bereich der Wirkungskonzeption der Erbnachweise auf die besondere Problematik divergierender Erbnachweise und die Konsequenzen der Divergenzen für die Wirkungen der Erbnachweise einzugehen. Mit Divergenz ist der inhaltliche Widerspruch zwischen mehreren Erbnachweisen gemeint. Den unerwünschten Zustand divergierender Erbnachweise gilt es perspektivisch aufzuheben und die anschließende Wirkungsentfaltung der dann bestehenden Erbnachweise zu untersuchen. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass die Erbnachweise inhaltlich übereinstimmen können. Das stellt gewiss den regulären und erwünschten Zustand dar. Auch hier stellt sich die gleiche Frage, wie sich die Wirkungen der Erbnachweise zueinander verhalten. I. Konstellationen für Divergenzen zwischen den Erbnachweisen Für die folgende Betrachtung ist es essentiell, zwischen den verschiedenen Konstellationen divergierender Erbnachweise zu unterscheiden. Divergenzen können 733  734 

Siehe hierzu zum Ganzen im 5. Kap., B., III., S.  408 ff. und 5. Kap., B., IV., S.  412 ff. Siehe oben im 2. Kap., D., S.  33 ff.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

hierbei zwischen einem Zeugnis und einem mitgliedstaatlichen Erbnachweis, aber auch zwischen zwei Zeugnissen entstehen. Daneben kommen die Divergenz zwischen mitgliedstaatlichen Erbnachweisen und die Divergenz zwischen einem Zeugnis und einem drittstaatlichen Erbnachweis bzw. einem mitgliedstaatlichen Erbnachweis und einem drittstaatlichen Erbnachweis in Betracht. Jede Konstellation hat ihre eigenen Besonderheiten: Die Erbnachweise bzw. die hinter ihnen stehenden Rechtsordnungen erfahren je nach Zuordnung (europäisches Recht, mitgliedstaatliches Recht, drittstaatliches Recht) unter der EuErbVO eine bestimmte rechtliche Behandlung. Diese Differenzierung führt sich später im Hinblick auf die wirkungsrechtlichen Konsequenzen fort. Für bestimmte Konstellationen, namentlich diejenigen, in denen das Zeugnis ein beteiligter Erbnachweis ist und ein drittstaatlicher Erbnachweis nicht involviert ist, sieht die EuErbVO gewisse Schutzmechanismen vor, die indessen nicht primär zur Vorbeugung von Divergenzen geschaffen wurden, sondern allgemeiner verfahrensrechtlicher Natur sind. Kann aufgrund der Effektivität der Schutzmechanismen beurteilt werden, wie hoch die Gefahr des Eintritts divergierender Erbnachweise tatsächlich ist, können im Anschluss die verbleibenden Ursachen für den letztlichen Eintritt eben solcher Divergenzen festgestellt werden. 1. Divergenz zwischen Europäischem Nachlasszeugnis und mitgliedstaatlichem Erbnachweis a) Schutzmechanismen aa) Gleichlauf der internationalen Zuständigkeit für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses und mitgliedstaatlicher Erbnachweise? Eine Divergenz kann überhaupt erst entstehen, wenn das Zeugnis und der mitgliedstaatliche Erbnachweis jeweils von einer unterschiedlichen Ausstellungsbehörde erteilt werden. Dies folgt daraus, dass eine Ausstellungsbehörde, die sowohl das Zeugnis als auch den mitgliedstaatlichen Erbnachweis erteilt, in beiden Verfahren in der Regel die gleiche Tatsachenkenntnis haben und daher keine Divergenz zulassen wird. Unterschiede bestünden lediglich aufgrund der möglichen differenzierten Detailgenauigkeit von Zeugnis und mitgliedstaatlichem Erbnachweis, da das Zeugnis im Vergleich zu mitgliedstaatlichen Erbnachweisen zahlreiche (überschießende) Angaben enthält.735 Sofern folglich ein mitgliedstaatliches Gericht über die Erteilung der beiden Erbnachweise entscheidet, wird Divergenz in aller Regel nicht eintreten.736 735  736 

Volmer, ZEV 2014, 129 (130); vgl. ferner unten im 4. Kap., C., III., S.  364 ff. Vgl. Volmer, Rpfleger 2013, 421 (430).

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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Zu beachten ist, dass die nachfolgenden Ausführungen zur internationalen Zuständigkeit nur diejenigen Ausstellungsverfahren betreffen, in denen ein Gericht i.S.d. Art.  3 Abs.  2 EuErbVO die Erbnachweise erteilt.737 Dies folgt daraus, dass die Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO ausweislich der ErwG 20, 22 nicht die Mitgliedstaaten binden, die zwar einen notariellen Erbnachweis vorsehen, jedoch dem Notar bei der Ausstellung des Erbnachweises keine gerichtlichen Funktionen zuweisen.738 Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass in der EU Erbsachen nicht ausschließlich eine Angelegenheit der Gerichte bilden, sondern oftmals Notare nach innerstaatlichem Recht für Erbsachen zuständig sind.739 Die EuErbVO greift – insbesondere auf das Bestreben von Frankreich, Spanien und Italien, die ihre traditionellen Erbnachweisverfahren unbeschadet beibehalten wollten740 – in diese heterogenen Systeme nicht ein (vgl. ErwG 21). Entscheidend ist der Begriff der Ausübung gerichtlicher Funktionen. Sind die Voraussetzungen erfüllt, ist Kapitel II der EuErbVO anwendbar. Art.  3 Abs.  2 EuErbVO definiert präzise, welche Aspekte die Ausübung gerichtlicher Funktionen auszeichnen.741 Gewährleistet werden muss Unparteilichkeit und rechtliches Gehör, ferner müssen die Entscheidungen jener nichtgerichtlichen Stellen der Anfechtung vor einem Gericht oder der Nachprüfung von einem Gericht zugänglich sein und eine vergleichbare Rechtskraft und Rechtswirkung haben wie eine Entscheidung eines Gerichts in derselben Sache. Bei der Errichtung notarieller Erbnachweise wird angenommen, dass der Notar in aller Regel keine gerichtlichen Funk737  Wenn deshalb nachfolgend von „mitgliedstaatlichen Erbnachweisen“ oder „mitgliedstaatlichen Erbnachweisverfahren“ gesprochen wird, sind nur gerichtliche Erbnachweise und Erbnachweisverfahren gemeint. Die Bedeutung des „Gerichts“ i.S.d. Art.  3 Abs.  2 EuErbVO betonend EuGH, Urt. v. 16.7.2020 – C-80/19, NJW 2020, 2947. 738  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  62 EuErbVO Rn.  15; MüKoBGB/Dutta, Vorb. zu Art.  4 ­EuErbVO Rn.  4; Buschbaum/Simon, Rpfleger 2015, 444 (445); explizit für den französischen acte de notoriété Lechner, ZErb 2014, 188 (192). Erst recht unterliegen der schwedische und finnische Erbnachweis nicht den Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO, da sie weder von einem Gericht noch von einem Notar, sondern privat errichtet werden, siehe oben im 2. Kap., A., II., 3., S.  22 ff. Sie werden demnach weiterhin nach nationalem Recht errichtet. Aus diesem Grund nehmen die Erbnachweise auch nicht an der begrenzten Freizügigkeit über die EuErbVO teil. Daher werden sie auch nachfolgend in den Konstellationen zu den Divergenzen nicht berücksichtigt. 739  So z.B. in Österreich, wo der Notar als Gerichtskommissär wesentliche Aufgaben im Verlassenschaftsverfahren übernimmt; insbesondere stellt der Notar auch das Zeugnis bei eindeutigen Erbfolgen eigenständig aus, vgl. §  181b AußStrG; auch in Italien ist der Notar für die Ausstellung des Zeugnisses zuständig, vgl. Süß/Wiedemann/Pertot/Ballerini, Erbrecht in Ita­ lien, Rn.  284. 740  Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102 (106 f.). 741  Grau, in: FS Schilken, 2015, 3 (14) weist auf Art.  2 Abs.  2 EuUnthVO als Vorbild für die Norm hin.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

tionen ausübt, so dass die Notare nicht an Kapitel II der EuErbVO gebunden sind.742 Denn wie der rechtsvergleichende Überblick über mitgliedstaatliche Erbnachweise gezeigt hat, handeln die Notare in der Regel selbstständig und ermitteln eigenständig die zur Beurteilung der Erbfolge erforderlichen Tatsachen. Anders fällt die Beurteilung bei den Notaren aus Österreich, der Slowakei und der Tschechischen Republik aus, die mit dem jeweiligen Gericht bei der Feststellung des Todesfalles und der Ermittlung der Erben kooperieren und deshalb gerichtliche Funktion ausüben.743 Ungeachtet dessen erlässt das Verlassenschaftsgericht trotz Heranziehung des Gerichtskommissärs eigenständig den Einantwortungsbeschluss.744 Es handelt sich deshalb nicht um einen notariellen, sondern um einen gerichtlichen Erbnachweis. Zwar sehen Mitgliedstaaten wie z.B. Portugal parallel zu den notariellen Erbnachweisverfahren gerichtliche Verfahren vor, aber beide Verfahren sind unabhängig voneinander. Die internationale Zuständigkeit zur Ausstellung des notariellen Erbnachweises in Portugal richtet sich daher nach nationalem Recht. Im Ergebnis bedeutet dies im Kontext der EuErbVO, dass die notariellen Erbnachweise weiterhin nach der lex fori errichtet werden und als öffentliche Urkunden verkehren (vgl. ErwG 22).745 Ob sich die internationale Zuständigkeit für die Ausstellung mitgliedstaatlicher Erbnachweise nur noch nach den Vorschriften der EuErbVO richtet, ist äußerst umstritten und wird in der Literatur aufgrund der praktischen Konsequenzen lebhaft diskutiert. Als eine die EuErbVO betreffende Auslegungsfrage kann diese Streitfrage nur vom EuGH rechtsverbindlich entschieden werden. In einem Verfahren vor dem KG wurde diese Frage relevant, weshalb das KG den EuGH um eine Vorabentscheidung ersuchte.746 Der EuGH hat am 21.6.2018 entschieden.747 Die praktische Relevanz lässt sich sehr gut an dem den Vorlagebeschluss zugrundeliegenden Sachverhalt veranschaulichen. Der Erblasser, der die französische Staatsangehörigkeit und seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich hatte, verstarb im November 2015. Seine beiden Söhne sind aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu je ½ am Nachlass beteiligt (die Ehefrau des Erblassers war bereits vorverstorben). Der Erblasser hatte Vermögen in Frankreich und in Deutschland. Einer der Söhne, der Antragsteller, hatte in Frankreich erfolgreich einen französischen Erbnachweis („acte de notoriété“) beantragt. Um die in Deutschland belegenen Nachlassgegenstände zügig abwickeln zu können, begehrte der Antragsteller die Erteilung eines gegenständlich beschränkten Fremdrechtserbscheins beim Amtsgericht Schöneberg in Berlin und berief sich auf dessen 742  Hager/Buschbaum, Die neue europäische Erbrechtsverordnung, 39, (57) in Fn.  64; Geimer/Schütze/Dorsel, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  8. 743  Buschbaum/Simon, Rpfleger 2015, 444 (445) m.w.N. 744  Siehe oben im 3. Kap., B., I., 2., b), S.  68 ff. 745  Vgl. auch EuGH, Urt. v. 16.7.2020 – C-80/19, NJW 2020, 2947 (2951). 746  KG, EuGH-Vorlage v. 10.1.2017 – 6 W 125/16, FamRZ 2017, 564. 747  EuGH, Urt. v. 21.6.2018 – C-20/17, NJW 2018, 2309.

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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internationale Zuständigkeit nach §§  105, 343 Abs.  3 S.  1 FamFG. Das Gericht erklärte sich indes für unzuständig und verwies auf Art.  4 EuErbVO i.V.m. Art.  15 EuErbVO, wonach nur die Gerichte des Mitgliedstaates am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers für alle internationalen Erbangelegenheiten international zuständig sein sollen. Gegen den Beschluss richtete sich die Beschwerde des Antragstellers.

Für die Problematik der Divergenz zwischen Zeugnis und mitgliedstaatlichen Erbnachweisen ist die in dem Fall behandelte Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung. Aber auch im Allgemeinen ist die Vorlagefrage des KG eine zentrale Frage innerhalb des Zuständigkeitssystems der EuErbVO und ohnehin, wie der Fall zeigt, für die Erben von praktischem Interesse. Gelten die Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO auch für mitgliedstaatliche Erbnachweisverfahren, bleibt dem Antragsteller aufgrund des fehlenden letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers in Deutschland die Erteilung des Fremdrechtserbscheins verwehrt. Freilich hat der Antragsteller schon mit dem Erbfall die Möglichkeit, ein Zeugnis bei der zuständigen französischen Ausstellungsbehörde, namentlich beim Notar (Art.  64 S.  1 EuErbVO i.V.m. Art.  4 EuErbVO), zu beantragen, um die Nachlassabwicklung in Deutschland durchzuführen. Doch mag es für den Antragsteller berechtigte Gründe geben, von einem Fremdrechtserbschein Gebrauch zu machen. (1) Grammatikalische Auslegung Art.  4 EuErbVO enthält die allgemeine Zuständigkeitsnorm und weist die internationale Zuständigkeit für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass den Gerichten des Mitgliedstaates zu, in dessen Hoheitsgebiet der Erb­ lasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Das entscheidende Begriffspaar ist mithin „Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass“. (a) „Erbsachen für den gesamten Nachlass“ Die allgemeine Formulierung „Erbsachen für den gesamten Nachlass“748 lässt darauf schließen, dass sämtliche Erbangelegenheiten, die einen internationalen Bezug aufweisen, von der Zuständigkeitsnorm erfasst sind749, somit auch mitgliedstaatliche Erbnachweisverfahren, die schlechthin eine Erbangelegenheit darstellen und auch bei einem grenzüberschreitenden Bezug des Erbfalls eingeleitet werden können. Indes ist der isolierte Fokus auf den Begriff „Erbsachen“ bei der Wortlautauslegung nicht ausreichend, da andere Sprachfassungen den 748  Die englische und französische Sprachfassung sind noch allgemeiner, da sie nur den Begriff „rule“ bzw. „statuer“ verwenden, ohne einen erbrechtlichen Bezug des Verfahrens zu erwähnen. 749  So auch EuGH, Urt. v. 21.6.2018 – C-20/17 Rn.  37, NJW 2018, 2309 (2310).

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Begriff „Erbsachen“ nicht verwenden, sondern sich lediglich auf den Begriff „Entscheidung“ stützen. (b) „Entscheidung“ Andererseits könnte die Wortlautauslegung auch auf das gegenteilige Ergebnis schließen lassen, wenn der Begriff der Entscheidung näher betrachtet wird. Im Ausgangspunkt wird infrage gestellt, ob mitgliedstaatliche Erbnachweise als eine Entscheidung i.S.d. Art.  4, 3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO anzusehen sind. Denn nur soweit die Voraussetzungen dieser Norm überhaupt erfüllt werden können, könne sich die internationale Zuständigkeit für die Erteilung mitgliedstaatlicher Erbnachweise nach ihr richten.750 Die Definition der Entscheidung in Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO ist wenig hilfreich, da sie selbst den Entscheidungsbegriff beinhaltet (idem in idem).751 Auch die Betrachtung des Entscheidungsbegriffs anderer EU-Instrumente, namentlich der Brüssel Ia-VO und der Brüssel IIa-VO, die der EuGH bereits definiert hat, führt nicht zu einer eindeutigen Ausfüllung des Entscheidungsbegriffs i.S.d. EuErbVO, insbesondere weil der EuErbVO grundlegend andere Ziele (Durchsetzung der Rechte in Erbfällen mit grenzüberschreitendem Bezug) verfolgt und im Grundsatz zwischen streitigen und nichtstreitigen Verfahren gemäß ErwG 59 nicht unterscheidet.752 Dennoch ist es unerlässlich, eine Begriffsbestimmung zu unternehmen. Dies folgt daraus, dass auch Folgefragen/-probleme maßgeblich von der Auslegung des Entscheidungsbegriffs abhängen.753 Nach der Judikatur des EuGH liegt eine Entscheidung vor, wenn sie von einem Rechtsprechungsorgan erlassen wurde, das kraft seines Auftrags selbst über zwischen den Parteien bestehende Streitpunkte entscheidet.754 Grundsätzlich werden im Zuge der Konfliktlösung den Beteiligten mit bindender Wirkung Verhaltenspflichten auferlegt, derartige Pflichten festgestellt oder in Rechtsverhältnisse gestaltend eingegriffen.755 Zunächst ist klarzustellen, dass nicht automatisch eine Entscheidung i.S.d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO aus dem Vgl. Weber/Schall, NJW 2016, 3564 (3565). Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar vom 22.2.2018 zur Rechtssache C-20/17 (Oberle), Rn.  69 mit weiteren Hinweisen zu Sprachfassungen, die jeweils andere Wörter für den definierten und den definierenden Begriff verwenden; Leipold, ZEV 2015, 553 (558). 752  Vgl. ausführlich Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar vom 22.2.2018 zur Rechtssache C-20/17 (Oberle), Rn.  71 ff. 753  Namentlich im Hinblick auf die Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO, siehe unten im 5. Kap., B., I., S.  400 ff. 754  EuGH, Urt. v. 14.10.2004 – C-39/02, IPRax 2006, 262 (266); EuGH, Urt. v. 2.6.1994 – C-414/92, NJW 1995, 38 (39). 755  Dörner, DNotZ 2018, 661 (664 f.); siehe auch NK-BGB/Looschelders, Art.  3 EuErbVO Rn.  25. 750  751 

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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Grund vorliegt, dass der Erbnachweis von einem Gericht i.S.d. Art.  3 Abs.  2 ­EuErbVO (wie etwa das Nachlassgericht für die Ausstellung des Erbscheins zuständig ist, vgl. §  2353 BGB) ausgestellt wird.756 Vielmehr sind zusätzlich noch die funktionalen Elemente des Entscheidungsbegriffs zu berücksichtigen. Hiernach seien gerichtliche Erbnachweise nicht als Entscheidungen einzuordnen, da ihnen wie beim Erbschein in der Regel keine materielle Rechtskraft zukommt, was einer Entscheidung jedoch zwingend innewohne.757 Überdies bezeuge der Erbschein lediglich ein Rechtsverhältnis, regele dieses aber nicht.758 Eine andere Auffassung will den Entscheidungsbegriff sehr weit auslegen und jede nachlassgerichtliche Maßnahme darunter fassen.759 Begründet wird dies mit der Eigenart nachlassgerichtlicher Verfahren, in denen selten Entscheidungen im engeren Sinne ergehen.760 Diese Auffassung erkennt zwar ebenso die mangelnde Rechtskraft gerichtlicher Erbnachweise, unterstreicht aber im Gegenzug die Bedeutung des justizförmigen Verfahrens, das potentiell kontradiktorisch ausgestaltet sei und die Anhörung Beteiligter gewährleiste, so dass das Gericht über Streitpunkte entscheide und deshalb im Ergebnis eine Entscheidung vorliege.761 Gegen diese Auffassung wird zu Recht eingewendet, dass die Organisation des Ausstellungsverfahrens nicht über die fehlende Regelungswirkung gerichtlicher Erbnachweise, die nur deklaratorisch wirken, hinweghilft.762 Eine spezifische Anpassung des Entscheidungsbegriffs für das Erbrecht erscheint nicht erforderlich und unangemessen, vor allem vor dem Hintergrund, dass auf diese Weise ein dogmatischer Bruch mit dem bisherigen Entscheidungsbegriff einhergeht, der nicht mit dem Ziel der Subsumtion mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter Art.  4 EuErbVO gerechtfertigt werden kann.763 Auch im Erbrecht gibt es klassischerweise Entscheidungen, die der Rechtskraft fähig sind und verbindlich in Rechtsverhältnisse gestaltend eingreift (Bsp.: Erbschaftsklagen, Teilungsklagen). Auf diese Konstellationen beschränkt sich dann der Entscheidungsbegriff i.S.d. Art.  4 ­EuErbVO 756 

So aber wohl EuGH, Urt. v. 16.7.2020 – C-80/19, NJW 2020, 2947 (2950). Keidel/Dimmler, FamFG, §  108 Rn.  48; Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2370, Rn.  120; Wall, ZErb 2015, 9 (11). 758  NK-BGB/Makowsky, Art.  4 EuErbVO Rn.  17; Weber, RNotZ 2018, 454 (457). 759  MüKoBGB/Dutta, Vorb. zu Art.  4 EuErbVO Rn.  8; ähnlich Wagner/Scholz, FamRZ 2014, 714 (715 f.). 760  MüKoBGB/Dutta, Vorb. zu Art.  4 EuErbVO Rn.  8. 761  MüKoBGB/Dutta, Art.  3 EuErbVO Rn.  17; Dutta/Weber/J.P. Schmidt, Art.  3 EuErbVO Rn.  8; Rechberger/Zöchling-Jud/Fucik, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  249; Grziwotz, FamRZ 2016, 417 (426). 762  Vgl. Dörner, DNotZ 2018, 661 (670). 763  In diesem Sinne auch Generalanwalt Bot in seinen Schlussanträgen v. 28.2.2019 zur Rechtssache C-658/17, Rn.  88, der der Oberle-Entscheidung kein erweitertes Verständnis des Begriffs „Entscheidung“ entnimmt. 757 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

wie in jeder anderen Rechtsmaterie, ohne dass dem Entscheidungsbegriff neue Züge beigegeben werden müssten. Daher ist an den Grundzügen der EuGH-Judikatur zum Entscheidungsbegriff mit dem wesentlichen Aspekt der verbindlichen Regelung von Rechtsverhältnissen festzuhalten. Ob dem Entscheidungsbegriff allerdings vorliegend überhaupt eine besondere Aussagekraft für die Beantwortung der Auslegungsfrage zukommt, ist zu bezweifeln. In der englischen Sprachfassung wird in Art.  4 EuErbVO lediglich unscharf von „jurisdiction to rule“ und nicht etwa eindeutiger von „decision“ wie in Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO oder in Art.  39 EuErbVO gesprochen.764 Das Gleiche gilt für die französische Sprachfassung („compétentes pour statuer“) und für viele andere Sprachfassungen.765 Andererseits lässt sich aus der Begriffsdefinition des „Gerichts“ in Art.  3 Abs.  2 EuErbVO, der den Begriff der Entscheidung beinhaltet, mittelbar die Erforderlichkeit einer Entscheidung für Art.  4 ff. EuErbVO entnehmen – und diesbezüglich besteht keine Divergenz in den Sprachfassungen.766 Diese Unstimmigkeit mindert die Aussagekraft des Wortlautarguments. Im Ergebnis ist dem Begriff der Entscheidung für die vorliegende Auslegungsfrage wenig Relevanz beizumessen. (c) Zwischenergebnis Festzuhalten ist, dass anhand der Wortlautanalyse ein eindeutiges Auslegungsergebnis nicht gefunden werden kann.767 (2) Systematische Auslegung Systematische Argumente zur Beantwortung der Auslegungsfrage lassen sich sporadisch an denjenigen Stellen in der EuErbVO finden, in denen generell Aussagen über das Verhältnis von Zeugnis und mitgliedstaatlichen Erbnachweisen getroffen werden. (a) Art.  4 EuErbVO als Grundsatznorm im Zuständigkeitssystem der EuErbVO Sämtliche Erbangelegenheiten mit grenzüberschreitendem Bezug sollten unter Art.  4 EuErbVO, der als allgemeine Zuständigkeitsnorm systematisch an erster Stelle des Kapitels II zur Zuständigkeit steht, fallen. Mit der Konzentration der Grau, in: FS Schilken, 2015, 3 (10); Wagner/Scholz, FamRZ 2014, 714 (715 f.) in Fn.  29. Vgl. die Aufzählung bei Mankowski, FamRZ 2017, 564 (566): „competencia para resolver“ (spanisch), „behöriga atfatta beslut“ (schwedisch), „tomivaltaisia antamaan“ (finnisch), „ġuriżdizzjoni biex jiddeċiedu“ (maltesisch). 766  Grau, in: FS Schilken, 2015, 3 (10). 767  Siehe auch EuGH, Urt. v. 21.6.2018 – C-20/17 Rn.  40, NJW 2018, 2309 (2310). 764  765 

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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Verfahren in Erbsachen vor einem Gericht werden einheitliche Entscheidungen in allen Nachlassangelegenheiten gewährleistet. Weshalb mitgliedstaatliche Erbnachweisverfahren als genuin erbrechtliche Verfahren ausgeschlossen sein sollen, ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar, zumal sie in aller Regel noch vor den streitigen Verfahren von den Erbprätendenten angestrengt werden. Hiernach ist nicht anzunehmen, dass die EuErbVO die internationale Zuständigkeit für mitgliedstaatliche Erbnachweisverfahren positiv ausschließt. (b) Art.  13 EuErbVO Aus dem Wortlaut des Art.  13 EuErbVO („Außer dem gemäß dieser Verordnung für die Rechtsnachfolge von Todes wegen zuständigen Gericht…“) ergibt sich, dass die Gerichte für die Rechtsnachfolge von Todes wegen insgesamt zuständig sind, also allgemein für jedwede Erbsachen, die vor einem Gericht abgewickelt werden.768 Sind nämlich für die Annahme erbrechtlicher Erklärungen auch die Gerichte nach Art.  4 EuErbVO neben den Gerichten am gewöhnlichen Aufenthalt des Erklärenden gemäß Art.  13 EuErbVO zuständig, ist der Begriff der Entscheidung i.S.d. Art.  4 EuErbVO extensiv auszulegen, da z.B. die Annahmeerklärung einer Erbschaft ersichtlich kein (streitiges) Verfahren darstellt, in dem eine Entscheidung i.S.d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO erlassen wird.769 Mehr noch spiegelt sich hierin die Besonderheit erbrechtlicher Verfahren, die anders als in anderen Rechtsgebieten überwiegend nichtstreitiger Natur sind. Diese Verfahren sind aber ebenso bedeutend für die Nachlassabwicklung. Wenn schon ein Gericht nach Art.  4 EuErbVO seine Zuständigkeit für die Entgegennahme von Erbschaftsannahmeerklärungen begründen kann, sollte die Zuständigkeit für ein mitgliedstaatliches Erbnachweisverfahren, das wesentlicher und inhaltlich umfassender für die Nachlassabwicklung ist als eine Erbschaftsannahmeerklärung (vor allem wenn der Antragstellung für einen Erbschein die Annahme der Erbschaft zu entnehmen ist770), sich gleichfalls nach Art.  4 EuErbVO richten.771

Leipold, ZEV 2015, 553 (558). So zutreffend Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar vom 22.2.2018 zur Rechtssache C-20/17 (Oberle), Rn.  80 ff. mit dem weiteren Hinweis, dass Art.  13 EuErbVO die abschließende Vorschrift der Aufzählung der Zuständigkeitsvorschriften darstellt und somit gleichgerichtet seinen Bezugspunkt auf Entscheidungen für den gesamten Nachlass wie die Art.  4, 5, 7, 9, 10 und 11 EuErbVO hat; siehe auch EuGH, Urt. v. 21.6.2018 – C-20/17 Rn.  41 f., NJW 2018, 2309 (2310). 770  Mankowski, FamRZ 2017, 564 (567). 771  So auch Mankowski, FamRZ 2017, 564 (567); a.A. Weber, RNotZ 2018, 454 (456 f.). 768  769 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

(c) Art.  14 EuErbVO Wenn vom Wortlaut des Art.  14 EuErbVO, der von „Kläger“ und „Beklagtem“ spricht, abgeleitet wird, dass die gerichtlichen Verfahren i.S.d. Art.  4 EuErbVO in der Weise zu klassifizieren sind, dass sie eine Erbsache abschließend, mit materieller Rechtskraft und mit dem Anspruch auf grenzüberschreitende Anerkennung behandeln772, ist dem entgegenzuhalten, dass der Wortlaut eine schwache Argumentationsstütze bildet, als z.B. die englische und französische Sprachfassung auch den „Antragsteller“ als Beteiligten der Verfahren betonen („applicant“ bzw. „demandeur“). Sicher unterfallen Verfahren, deren Entscheidungen in materielle Rechtskraft erwachsen und grenzüberschreitend anerkannt werden, dem Zuständigkeitsregime des Art.  4 EuErbVO. Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass andere (nichtstreitige) Verfahren, die diese verfahrensrechtlichen Wirkungen nicht besitzen, gleichfalls dem Zuständigkeitsregime des Art.  4 EuErbVO unterworfen sind, wie dies auch soeben anhand von Art.  13 EuErbVO und der Entgegennahme von Erbschaftsannahmeerklärungen dargelegt wurde. (d) Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO Ob dem Prinzip der Koexistenz zwischen dem Zeugnis und den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen auch die Unberührtheit der Vorschriften zur internationalen Zuständigkeit entnommen werden kann, ist zutreffenderweise abzulehnen.773 Denn Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO ist nur als allgemeine Leitnorm dahingehend zu interpretieren, dass er grundsätzlich das Verhältnis von Zeugnis und mitgliedstaatlichen Erbnachweisen beschreibt, ohne sogleich ein Vorzeichen für die internationale Zuständigkeit für mitgliedstaatliche Erbnachweisverfahren zu setzen. Die gegenteilige Schlussfolgerung allein aus Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO abzuleiten, würde angesichts der erheblichen Bedeutung der Zuständigkeitsfrage den Normzweck überschießen. Die Anordnung der Unberührtheit mitgliedstaatlicher Erbnachweise steht gerade nicht im systematischen Zusammenhang mit den Zuständigkeitsvorschriften zum Zeugnis. Eine Verortung dieser Anordnung in Art.  64 EuErbVO wäre z.B. ein deutliches Signal gewesen, dass die EuErbVO die internationale Zuständigkeit für mitgliedstaatliche Erbnachweisverfahren unberührt lässt. (e) Art.  64 EuErbVO Schließlich wird aus der Existenz der ausdrücklichen Bestimmung der interna­ tio­nalen Zuständigkeit für die Ausstellung des Zeugnisses in Art.  64 EuErbVO 772  773 

Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102 (106). So aber Weber/Schall, NJW 2016, 3564 (3565).

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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e contrario geschlussfolgert, dass die EuErbVO nicht die internationale Zuständigkeit für mitgliedstaatliche Erbnachweisverfahren regele.774 Indes entbehrt dieses Argument hinreichender inhaltlicher Substanz. Art.  64 EuErbVO kann auch lediglich als klarstellende Bestimmung verstanden werden.775 Das Zeugnisverfahren ist in einem gesonderten Kapitel in der EuErbVO geregelt; es stellt daher keine Besonderheit dar, dass die internationale Zuständigkeit für die Ausstellung des Zeugnisses als Eingangstor für den Zugang zum Zeugnis am Anfang der Regelungen zum Zeugnis steht. Wenn Art.  64 EuErbVO nur auf bestimmte Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO verweist, namentlich auf Art.  4, 7, 10 und 11 EuErbVO, rechtfertigt sich die ausdrückliche Regelung in Art.  64 EuErbVO mithin schon damit, dass ein hier gegebener partieller Verweis nur ausdrücklich in einer gesetzlichen Bestimmung geregelt werden kann. Überdies spricht die EuErbVO durchaus die mitgliedstaatlichen Erbnachweise an, namentlich in Art.  62 Abs.  3 EuErbVO, sodass ein argumentum e contrario vor dem Hintergrund der praktischen Relevanz dieser Zuständigkeitsfrage sehr zweifelhaft erscheint; der Unionsgesetzgeber hätte dies ausdrücklich geregelt. (f) Zwischenergebnis Die systematische Betrachtung erweist sich insgesamt wie die Wortlautauslegung als uneindeutig. (3) Historische und genetische Auslegung (a) Bedeutung der Zuständigkeitsvorschriften im Gesetzgebungsprozess Die Ausgestaltung und die innere Abstimmung im Hinblick auf das Zuständigkeitsregime für das Zeugnis und die mitgliedstaatlichen Erbnachweise waren im europäischen Gesetzgebungsprozess ein stark diskutiertes Anliegen. Der für die EuErbVO zuständige Berichterstatter des Rechtsausschusses des Parlaments kommentierte den Gesetzgebungsprozess dahingehend, dass zwischen der Kommission, dem Rat und dem Parlament politischer Konsens darüber bestand, dass im Allgemeinen die vorhandenen Systeme der nationalen Erbnachweise von der Einführung des Zeugnisses unberührt bleiben sollten und insbesondere die internationale Zuständigkeit für die Erteilung der nationalen Erbnachweise weiterhin dem nationalen Recht unterfällt; die EuErbVO gebiete auf diesem Feld keine Einschränkungen.776 So klar hier die Beantwortung der Vorlagefrage durch den Fröhler, BWNotZ 2015, 47 f. So Leipold, ZEV 2015, 553 (558); ebenso EuGH, Urt. v. 21.6.2018 – C-20/17 Rn.  46, NJW 2018, 2309 (2311); EuGH, Urt. v. 16.7.2020 – C-80/19, NJW 2020, 2947 (2950). 776  Lechner, ZErb 2014, 188 (191). 774  775 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Unionsgesetzgeber feststeht, so mangelt es der historischen und genetischen Auslegung doch an Kontinuität. Die Auffassungen können sich im Laufe des Gesetzgebungsprozesses und auch nach dessen Abschluss mit Verabschiedung der Verordnung ändern. Außerdem hat sich die Einstellung der am Gesetzgebungsprozess beteiligten Organe durchaus in der EuErbVO (partiell) niedergeschlagen: So richtet sich die Ausstellung solcher Erbnachweise, die von Notaren ohne gerichtliche Ausübungsfunktion errichtet werden, weiterhin nach nationalem Recht.777 Die Maßgeblichkeit des nationalen Rechts für die Ausstellung sämtlicher mitgliedstaatlicher Erbnachweise wird gerade nicht vom Unionsgesetzgeber angeordnet, so dass der soeben angesprochene Konsens relativiert wird. (b) Stellungnahmen aus Deutschland In Deutschland war im Zuge der Durchführungsgesetzgebung zur EuErbVO die Frage der internationalen Zuständigkeit für das Erbscheinsverfahren äußerst umstritten.778 Während in der Begründung zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz noch ausdrücklich betont wird, dass die Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO auch auf Nachlassangelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden sind779, ergibt sich aus der Regierungsbegründung zum durch das IntErbRVG geänderten §  343 FamFG ein anderes Meinungsbild. §  343 FamFG, der mit der örtlichen Zuständigkeit auch zugleich die internationale Zuständigkeit regelt, sei auf erbrechtliche Verfahren mit Auslandsberührung anzuwenden, die nicht vom Zuständigkeitsregime der ­EuErbVO erfasst werden, namentlich die besondere amtliche Verwahrung nach §  342 Abs.  1 Nr.  1 FamFG sowie die Erteilung und Einziehung und ggf. Kraftloserklärung von Erbscheinen, Testamentsvollstreckerzeugnissen und sonstigen vom Nachlassgericht zu erteilenden Zeugnissen nach §  342 Abs.  1 Nr.  6 ­FamFG.780 Die Motivation für die neue Lesart der EuErbVO dürfte in der Praktikabilität der Zuständigkeitsvorschriften des FamFG und in der Attraktivität des 777 

Siehe oben im 3. Kap., C., I., 1., a), S.  216 ff. Freilich handelt es sich bei den folgenden Ausführungen nicht um eine historische und genetische Auslegung, da keine an der EuErbVO mitwirkenden Organe involviert sind. Indes zeichnet eine Analyse der Rezeption durch einen Mitgliedstaat durchaus die Kontroverse ab und eröffnet neue Argumentationsperspektiven. 779  Vgl. Begründung zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (2014), S.  61: „Das bedeutet, dass sich u.a. die Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Erteilung eines Erbscheins künftig allein nach den Art.  4 ff. EuErbVO bestimmt. Wegen der vorrangigen europarechtlichen Regelungen kommt §  105 FamFG insoweit nicht zur Anwendung (§  97 Abs.  1 S.  2 FamFG).“ 780  RegE, BT-Drs. 18/4201, 59. 778 

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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Erbscheins und im Besonderen des Fremdrechtserbscheins in grenzüberschreitenden Sachverhalten781 und weniger in einer schulmäßigen dogmatischen Auslegung der EuErbVO liegen. Der DNotV befürwortet in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zum internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein die weiter bestehende Möglichkeit der Ausstellung eines Fremdrechtserbscheins durch ein zuständiges deutsches Gericht und somit auch die Beibehaltung der Maßgeblichkeit der nationalen Zuständigkeitsvorschriften.782 Zur Begründung verweist der DNotV knapp auf den fehlenden Entscheidungscharakter des Erbscheins, weshalb Art.  4 ff. EuErbVO, die eine Entscheidung in Erbsachen verlangen, nicht einschlägig seien.783 Die gleiche Auffassung vertritt der BDR.784 Zuzugeben ist, dass ein Fremdrechtserbschein aufgrund seiner Zweckmäßigkeit dem Zeugnis weitaus überlegen sein kann.785 Dies ist indes eine Frage des Telos.786 Die unterschiedliche Rezeption der Streitfrage in der politischen sowie in der rechtswissenschaftlichen Landschaft in der EU bzw. in Deutschland deutet jedenfalls auf deren enorme Wichtigkeit für die erbrechtliche Praxis hin. (c) Zwischenergebnis Die historische und genetische Auslegung zeigt ob des anfänglichen Konsenses über die Unberührtheit der mitgliedstaatlichen Erbnachweise eine leichte Tendenz gegen die Einbeziehung mitgliedstaatlicher Erbnachweisverfahren unter das Zuständigkeitsregime der EuErbVO. Ein eindeutiges Ergebnis ist jedoch wegen der im Allgemeinen schwachen Aussagekraft der historischen und genetischen Auslegung nicht feststellbar.

Vgl. Leipold, ZEV 2015, 553 (558). Stellungnahme des DNotV v. 4.6.2014, S.  11 f., abrufbar unter: (zuletzt abgerufen: 15.7.2021). 783  Vgl. zu diesem (schwachen) Argument bereits oben im 3. Kap., C., I., 1., a), aa), (1), (b), S.  220 ff. 784  Stellungnahme des BDR v. 24.5.2014, S.  1, abrufbar unter: (zuletzt abgerufen: 15.7.2021). 785  Vgl. Stellungnahme DNotV v. 4.6.2014, S.  10 ff. mit einleuchtendem Beispiel auf S.  11: „Erblasser E (Deutsch-Rumäne) ist wieder nach Siebenbürgen verzogen, um dort seinen Lebensabend zu verbringen. Als er dort stirbt, stellt sich heraus, dass er in Deutschland noch einen Anteil an einem geschlossenen Fonds (KG) und ein Bankkonto besitzt. Allein aus diesem Grund die Erben des E zu verpflichten, in Rumänien ein ENZ zu beantragen, erscheint unangemessen. Mit einem Fremdrechtserbschein käme man erheblich schneller ans Ziel. Der Schwebezustand nach §  176 HGB sollte nicht übermäßig lange dauern.“ 786  Siehe dazu im 3. Kap., C., I., 1., a), aa), (4), (b), S.  230 f. 781  782 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

(4) Teleologische Auslegung (a) Funktionelle Betrachtung der internationalen Zuständigkeitsvorschriften und des Kollisionsrechts Die EuErbVO hat wie vergleichbare Verordnungen in Bezug auf die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen das Ziel vor allem durch die Vereinheitlichung der Zuständigkeitsvorschriften zu fördern, dass sämtliche Verfahren (vgl. ErwG 59) den Erblasser betreffend vor einem einzigen Gericht eines Mitgliedstaates geführt werden.787 Dann gibt es keinen Grund, das Verfahren zur Erlangung eines Erbnachweises auszuschließen, zumal dieses sehr häufig noch vor den streitigen Verfahren in die Wege geleitet wird. Denn in diesem werden grundsätzlich die Erben ermittelt und die Erbquoten festgestellt, was die Grundlage nachfolgender Erbprozesse bilden kann. Die Anordnung der Unberührtheit mitgliedstaatlicher Erbnachweise in Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO sollte so zu verstehen sein, dass die mitgliedstaatlichen Erbnachweise in ihrem bisherigen Bestand und ihrer bisherigen Funktionsweise durch die Einführung des Zeugnisses in keiner Weise beeinträchtigt werden. Eine Anordnung hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit trifft die Vorschrift nicht. Eine zu wörtliche Auslegung des Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO mit der Schlussfolgerung, der Unionsgesetzgeber wollte keineswegs die mitgliedstaatlichen Erbnachweise abschaffen, sodass die mitgliedstaatlichen Erbnachweisverfahren von der EuErbVO unberührt bleiben müssten788, erscheint unangemessen, weil die mitgliedstaatlichen Erbnachweise weiterhin für Inlandsfälle beantragt werden können und eine Zuständigkeitskonzentration gleichwohl mitgliedstaatliche Erbnachweise weitgehend unberührt lässt, wenn auch die Möglichkeiten zur Ausstellung eines mitgliedstaatlichen Erbnachweises begrenzt werden.789 Zudem beschränkt sich Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO in seiner Aussage nur auf das Zeugnis und nicht auf die EuErbVO im Übrigen, die also grundsätzlich auch mitgliedstaatliche Erbnachweisverfahren erfasst.790 Die EuErbVO will sämtliche Erbangelegenheiten vor einem Gericht konzentrieren, differenziert hierbei nicht nach der Nachlassbelegenheit und spaltet den Nachlass zuständigkeitsrechtlich im Grundsatz nicht auf.791 Mehr noch ist die Belegenheitszuständigkeit (die ja im konkreten Sachverhalt des KG über §  343 787 

Vgl. MüKoBGB/Dutta, Vorb. zu Art.  4 EuErbVO Rn.  7. So Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  62 EuErbVO Rn.  17. 789  Vgl. auch MüKoBGB/Dutta, Vorb. zu Art.  4 EuErbVO Rn.  5, der aus der Existenz des Art.  62 Abs.  3 EuErbVO nicht die Unanwendbarkeit des Zuständigkeitsregimes der EuErbVO auf mitgliedstaatliche Erbnachweisverfahren für ableitbar hält; ähnlich Leipold, ZEV 2017, 216 f. 790  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  62 EuErbVO Rn.  15. 791  MüKoBGB/Dutta, Vorb. zu Art.  4 EuErbVO Rn.  7. 788 

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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Abs.  3 S.  1 FamFG in Anspruch genommen werden sollte) eine unerwünschte Ausnahme im Zuständigkeitskatalog, die nur in Betracht kommt, wenn Art.  4 EuErbVO nicht erfüllt ist und die zusätzlichen Voraussetzungen des Art.  10 Abs.  1 lit.  a, b EuErbVO vorliegen.792 Materiellrechtlich beeinträchtigt sie das Primat der Nachlasseinheit.793 Nur im Einzelfall – bei besonderer Schutzwürdigkeit bestimmter Beteiligter – sieht die EuErbVO Ausnahmen von der Zuständigkeitskonzentration vor (Art.  5 ff., Art.  10 Abs.  2, Art.  13 und Art.  19 EuErbVO). Für mitgliedstaatliche Erbnachweisverfahren fehlt eine solche Ausnahmeregelung, was tendenziell für die Inklusion dieser Verfahren unter Art.  4 EuErbVO aus teleologischer (und systematischer) Hinsicht spricht. Der Unionsgesetzgeber hat sich mit der Einführung des Zeugnisses für die große Lösung entschieden, deshalb waren auch Konzessionen an das Zeugnis zu machen. Der – ja nur teilweise – Verlust der autonomen internationalen Zuständigkeit beispielsweise für das deutsche Erbscheinsverfahren steht als Vorteil das Zeugnis als europäisches Rechtsinstrument, das die internationale Nachlassabwicklung erleichtern soll, gegenüber.794 Vergegenwärtigt man sich außerdem die Tatsache, dass die meisten mitgliedstaatlichen Erbnachweise schwächer ausgestaltet sind als das Zeugnis, erscheint die Verdrängung der nationalen Zuständigkeitsvorschriften zumindest für jene Mitgliedstaaten nicht folgenschwer. Im Zusammenhang mit der Vereinheitlichung des Kollisionsrechts wird vertreten, dass die Anwendbarkeit der nationalen Zuständigkeitsvorschriften in der Konsequenz die Unanwendbarkeit der Kollisionsnormen der EuErbVO für den Inhalt des nationalen Erbnachweises bedeuten müsse795, was für die Einbeziehung mitgliedstaatlicher Erbnachweisverfahren unter Art.  4 EuErbVO spreche. Das Argument kann jedoch die ihm zugrunde liegende Auslegung nicht bekräftigen, da ein derartiger Zusammenhang, dass der Ausschluss der Maßgeblichkeit der Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO die Anwendung der Kollisionsnormen versperrt, zwischen internationalem Zuständigkeitsrecht und Kollisionsrecht nicht besteht. Der mitgliedstaatliche Erbnachweis muss die tatsächliche Rechtslage wiedergeben, die sich nach Inkrafttreten der EuErbVO aus dem anwendbaren Recht aus dieser selbst ergibt und nicht aus dem anwendbaren Recht nach dem nationalen Kollisionsrecht.796 Die Frage, nach welchem Zuständigkeitsregime sich die Ausstellung der mitgliedstaatlichen Erbnachweise richtet,

Mankowski, FamRZ 2017, 564 (567). Mankowski, FamRZ 2017, 564 (567). 794  Grau, in: FS Schilken, 2015, 3 (18). 795  MüKoBGB/Dutta, Vorb. zu Art.  4 EuErbVO Rn.  5; Dutta, IPRax 2015, 32 (38). 796  NK-BGB/Nordmeier, Art.  62 EuErbVO Rn.  33. 792  793 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

beeinflusst also die Anwendbarkeit der Kollisionsnormen der EuErbVO nicht.797 Wenn aber dennoch die Kollisionsnormen der EuErbVO für die mitgliedstaatlichen Erbnachweise gelten, wäre es fragwürdig, den von der EuErbVO intendierten Gleichlauf von forum und ius (vgl. ErwG)798, der beim Zeugnis verwirklicht wurde, bei den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen scheitern zu lassen. Die funktionelle Ähnlichkeit der Rechtsinstrumente erfordert eine zuständigkeitsrechtliche wie kollisionsrechtliche Gleichbehandlung.799 (b) Praktikabilitätserwägungen Ein weiterer teleologischer Aspekt ist die Praktikabilität für den Erben, der bei der extensiven Auslegung gehalten ist, stets auf das Zeugnis zurückzugreifen, und bei der restriktiven Auslegung die Möglichkeit hat, neben dem Zeugnis auch einen inländischen Erbnachweis zu beantragen, soweit das mitgliedstaatliche Verfahrensrecht die internationale Zuständigkeit begründet (wie §§  105, 343 FamFG). In der Lebenswirklichkeit komme es häufig vor, dass der (vor allem ältere) Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Staat verlegt hatte, jedoch seine Abkömmlinge und künftigen Erben ihren gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in seinem Heimatstaat haben und sich dort der Großteil des Vermögens ebenso befindet.800 Dann seien Sprachprobleme bei der Antragstellung des Zeugnisses keine Seltenheit, was zur Verzögerung der Nachlassabwicklung führe.801 Regelmäßig hätten auch die inländischen Gerichte wegen der Belegenheit im Heimatstaat eine größere Sachnähe als die ausländischen Gerichte.802 Darüber hinaus sei es nicht auszuschließen, dass der mitgliedstaatliche Erbnachweis in dem Mitgliedstaat, in dem etwa das Nachlassgrundstück belegen ist, deutlich schneller erlangt werden kann als das Zeugnis im fremden Mitgliedstaat.803 Unter diesen Gegebenheiten dem Erben durch Zuständigkeitsbarrieren aufzubürden, bei den Behörden des Staates, in denen der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, ein Zeugnis zu beantragen, widerspreche dem Ziel

797  Vgl. NK-BGB/Makowsky, Art.  4 EuErbVO Rn.  17; a.A. MüKoBGB/Dutta, Vorb. zu Art.  4 EuErbVO Rn.  5. 798  Siehe dazu auch NK-BGB/Makowsky, Art.  4 EuErbVO Rn.  4; MüKoBGB/Dutta, Vorb. zu Art.  4 EuErbVO Rn.  2 f.; Pintens, in: Hess/Jayme/Mansel (Hrsg.), Europa als Rechts- und Lebensraum, Liber amicorum für Christian Kohler zum 75. Geburtstag, 2018, 393 (395). 799  Ähnlich EuGH, Urt. v. 21.6.2018 – C-20/17 Rn.  51 f., NJW 2018, 2309 (2311). 800  Weber/Schall, NJW 2016, 3564 (3566). 801  Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102 (107); Dörner, DNotZ 2018, 661 (683). 802  Weber/Schall, NJW 2016, 3564 (3566); Döbereiner, NJW 2015, 2449 (2453). 803  Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102 (107).

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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der Erleichterung der Nachlassabwicklung deutlich.804 Zuzugestehen ist, dass die Nützlichkeit der weiter bestehenden Möglichkeit, trotz fehlenden gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Inland einen inländischen Erbnachweis zu erlangen, evident ist. Ob diese auf den konkreten Fall bezogene Erwägung die Auslegung der Streitfrage rechtfertigen kann, erscheint zweifelhaft. Gerade Praktikabilitätserwägungen sollten nicht das dogmatische Gerüst der einheitlichen Zuständigkeitsvorschriften überspielen können. Im Besonderen wäre die Begründung der Zuständigkeit nach §  343 Abs.  2 FamFG (früherer gewöhnlicher Aufenthalt im Inland) und nach §  343 Abs.  3 S.  1 1. Var. FamFG (deutsche Staatsangehörigkeit) – was in der vorliegenden Sache von keiner Relevanz war – richtigerweise nicht mit den in der EuErbVO getroffenen Wertungen vereinbar.805 Mit dem Paradigmenwechsel zum Aufenthaltsprinzip und der Abwendung vom Staatsangehörigkeitsprinzip steht die Begründung der internationalen Zuständigkeit nur aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit im Widerspruch; der angestrebte Gleichlauf von forum und ius würde gefährdet, wenn unabhängig vom Erbstatut deutsche Gerichte für den gesamten Nachlass nach den vorgenannten Vorschriften international zuständig sind.806 (c) Subsidiaritätsgrundsatz In diesem Zusammenhang wird von den Verfechtern der Unberührtheit nationaler Zuständigkeitsvorschriften für die Ausstellung von Erbnachweisen der Subsidiaritätsgrundsatz eingewendet. Dieser gebiete es nicht, durch die Einführung des Zeugnisses und des Gleichlaufs der Zuständigkeiten die mitgliedstaatlichen Erbnachweise in ihrem Wirkungsbereich zu beschränken und so die Rechte der EU-Bürger zu verkürzen.807 Gegen die Verletzung des Subsidiaritätsgrundsatzes spricht indessen, dass die Zuständigkeitskonzentration die Rechte der EU-Bürger gleichermaßen schützt, indem durch sie die Existenz und der Verkehr von Zeugnissen und mitgliedstaatlichen Erbnachweisen durch eine Ausstellungsbehörde koordiniert wird und so unionsweit widerspruchsfreie Entscheidungen bzw. Erbnachweise gesichert werden. Divergenzen haben nicht unerhebliche Konsequenzen auf die Effektivität der Erbnachweise808, so dass die Zuständigkeitskonzentration die Aufrechterhaltung der Praktikabilität der Erbnachweise am wirkungsvollsten gewährleistet. Dörner, DNotZ 2017, 407 (414); Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  62 EuErbVO Rn.  17. 805  Leipold, ZEV 2017, 216 (217). 806  Leipold, ZEV 2017, 216 (217). 807  Dörner, DNotZ 2017, 407 (414). 808  Siehe ausführlich unten im 3. Kap., C., II., S.  242 ff. 804 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

(d) Optionaler Charakter des Europäischen Nachlasszeugnisses Anlehnend an den oben genannten Sachverhalt des KG wäre der Antragsteller bei Verdrängung der nationalen Zuständigkeitsvorschriften gehalten, ein französisches Zeugnis zu beantragen, um seine begehrten Rechtshandlungen durchführen zu können. Dies widerspreche der in Art.  62 Abs.  2 EuErbVO normierten Aussage, dass die Verwendung des Zeugnisses nicht verpflichtend ist.809 Indes will Art.  62 Abs.  2 EuErbVO nur klarstellen, dass die Erben sich weiterhin auch der mitgliedstaatlichen Erbnachweise für die Nachlassabwicklung im grenzüberschreitenden Verkehr bedienen können. Auch konnte der Antragsteller im besagten Fall einen acte de notoriété nach französischem Recht neben dem Zeugnis erlangen. Der optionale Charakter des Zeugnisses entfällt auch nicht deshalb, weil die weiterhin verfügbaren nationalen Erbnachweise nur begrenzte Freizügigkeit genießen810 und ausgehend vom Sachverhalt des KG der acte de notoriété zum Nachweis der Erbfolge etwa im Grundbuchverfahren nicht taugt. Denn der optionale Charakter soll nicht die Effektivität der nationalen Erbnachweise im grenzüberschreitenden Verkehr auf das Durchsetzungsniveau des Zeugnisses heben, sondern nur die Wahlentscheidung zwischen dem Zeugnis und den nationalen Erbnachweisen an sich gewährleisten. Die Verwendung des Zeugnisses ist somit nicht verpflichtend, auch wenn mitgliedstaatliche Erbnachweise anderer Mitgliedstaaten als des Mitgliedstaates, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, nicht mehr zugänglich sind. Freilich entsteht hier eine gewisse Lücke, wenn der Mitgliedstaat keinen mitgliedstaatlichen Erbnachweis vorsieht, so dass dort einzig ein Zeugnis beantragt werden kann und dem Zeugnis doch mittelbar obligatorische Züge zukommen. Dieses Defizit ist jedoch in den unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Erbrechtssystemen angelegt und kann am grundsätzlich optionalen Charakter des Zeugnisses nichts ändern.811 Erst recht kann es nicht den Ausschlag dafür geben, dass mitgliedstaatliche Erbnachweisverfahren nicht unter das Zuständigkeitsregime der EuErbVO fallen. (e) Effektivität der Erbnachweise Die Behandlung der Vorlagefrage steht hier im Zusammenhang mit den Divergenzen zwischen dem Zeugnis und den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen. Dass das Zeugnis und die mitgliedstaatlichen Erbnachweise miteinander koexistieren, NK-BGB/Nordmeier, Art.  62 EuErbVO Rn.  33; vgl. auch Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102 (107); den zwingenden Charakter des Zeugnisses monierend Weber, RNotZ 2018, 454 (458). 810  Vgl. zum Ganzen unten im 5. Kap., B., S.  399 ff. 811  Ähnlich Konvalin, Das Europäische Nachlasszeugnis ohne europäischen Entscheidungseinklang, S.  24. 809 

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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hat der Unionsgesetzgeber gewollt. Nicht gewollt haben kann er allerdings die von ihm erkannte Gefahr divergierender Erbnachweise, die die durch das Zeugnis bezweckte Erleichterung der internationalen Nachlassabwicklung in das Gegenteil umkehren würde.812 Dem kann effektiv vorgebeugt werden, indem ein Gleichlauf der internationalen Zuständigkeit für die Ausstellung des Zeugnisses und der mitgliedstaatlichen Erbnachweise hergestellt wird. Wenn dagegen eingewendet wird, die EuErbVO wollte die Gefahr divergierender Erbnachweise nicht um den Preis der internationalen Zuständigkeitskonzentration ausschließen813, wird verkannt, dass gerade aufgrund der Existenz weiterer verfahrensrechtlicher Schutzmechanismen das Verhindern divergierender Erbnachweise ein wichtiges Anliegen der EuErbVO ist814. Die Kumulation mehrerer Schutzmechanismen zeugt von der Wichtigkeit dieser Streitfrage und die Zuständigkeitskonzentration stellt mitunter den effektivsten Schutzmechanismus dar. Zwar bleibt die für den Rechtsverkehr besonders wichtige Gutglaubenswirkung des Zeugnisses von der Existenz eines divergierenden mitgliedstaatlichen Erbnachweises grundsätzlich unberührt815, doch hat die Divergenz zur Folge, dass Dritte leichter bösgläubig werden können, z.B. wenn dem Dritten noch bis zur Vollendung des Rechtserwerbs von einer anderen Person als dem ursprünglichen Geschäftspartner, der das Zeugnis verwendet hat, ein divergierender mitgliedstaatlicher Erbnachweis vorgezeigt wird. Das kann den Dritten bzw. den Rechtsverkehr allgemein, denen für die missliche Situation kein Verschulden vorzuwerfen ist, insoweit belasten, als die Leichtigkeit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs mit Nachlassgegenständen beeinträchtigt wird. (f) Zwischenergebnis Insgesamt zeigt sich bei teleologischer Betrachtung je nach Schwerpunktlegung der Argumente wieder eine differenzierte Sicht. Dass mitgliedstaatliche Erbnachweisverfahren von Art.  4 EuErbVO erfasst sind, erscheint nach dem Telos etwas vorzugswürdiger.

Leipold, ZEV 2015, 553 (558); so auch EuGH, Urt. v. 21.6.2018 – C-20/17 Rn.  57, NJW 2018, 2309 (2311). Die Gefahr divergierender Erbnachweise als beherrschbar bezeichnend Dörner, DNotZ 2018, 661 (683) und ähnlich Weber, RNotZ 2018, 454 (457). 813  Weber/Schall, NJW 2016, 3564 (3567). 814  Weber/Schall, NJW 2016, 3564 (3567) kommen indes zum gegenteiligen Ergebnis. Die Existenz der anderen verfahrensrechtlichen Schutzinstrumente mache die Zuständigkeitskonzentration entbehrlich. 815  Siehe unten im 3. Kap., C., II., 1., c), S.  246 ff. 812 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

(5) Ergebnis und Schussfolgerung Die Auslegung führt zu keinem eindeutigen Ergebnis. Abgesehen von der leichten Tendenz der historischen und genetischen Auslegung für die gegenteilige Ansicht sprechen die anderen Auslegungsmethoden überwiegend für die Verdrängung der nationalen Zuständigkeitsvorschriften. Da der teleologischen Auslegung unter den Auslegungsmethoden insbesondere bei Unklarheit und Unergiebigkeit der übrigen Auslegungsmethoden der bedeutendste Rang zukommen sollte und diese tendenziell auf die Verdrängung deutet, ist dieser Ansicht insbesondere bei einer Gesamtschau der EuErbVO zu folgen.816 Freilich entsteht dadurch, dass notarielle Erbnachweise nicht unter das Zuständigkeitsregime der EuErbVO fallen, ein gewisses Ungleichgewicht, als diese Mitgliedstaaten weiterhin ihre Erbnachweise nach ihrem autonomen Recht ausstellen können.817 Aufgrund der zu respektierenden unterschiedlichen Erbrechtssysteme sind diese Differenzen jedoch hinzunehmen. Und überhaupt wurde das Zeugnis geschaffen, um grenzüberschreitende Erbfälle leichter abzuwickeln; gewisse Einbußen sollten daher durch die Verwendung des Zeugnisses angemessen kompensiert werden. Der EuGH hat entschieden, dass Art.  4 EuErbVO einer Rechtsvorschrift wie §§  105, 343 Abs.  3 S.  1 FamFG, die eine internationale Zuständigkeit des AG Schöneberg in Berlin für die Ausstellung eines Erbscheins eröffnen, wenn der Erblasser die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder sich in Deutschland Nachlassgegenstände befinden, entgegensteht, sofern der Erblasser nicht in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.818 Dieses Ergebnis deckt sich auch mit dem hier vorgefundenen Auslegungsergebnis. 816  So auch BeckOGK/J. Schmidt, Art.  3 EuErbVO Rn.  28 (bezogen auf das Erbscheinsverfahren); MüKoBGB/Dutta, Vorb. zu Art.  4 EuErbVO Rn.  5; Dutta/Weber/Fornasier, Art.  62 EuErbVO Rn.  15; Jauernig/Stürner, Anm. zu Art.  62–73 EuErbVO Rn.  7; jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  62 EuErbVO Rn.  48; Müller-Lukoschek, Die neue EU-Erbrechtsverordnung, §  2 Rn.  222 ff.; Leipold, ZEV 2015, 553 (557 f.); Leipold, ZEV 2017, 216; Dutta, IPRax 2015, 32 (37 f.); Volmer, ZEV 2014, 129 (132); Volmer, Rpfleger 2013, 421 (430); Schmidt, ZEV 2014, 389 (390 f.); Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (749); Süß, ZEuP 2013, 725 (746); Soutier, Die Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung, S.  295 ff.; der a.A. folgen Palandt/Weidlich, Anh. zu §§  2353 ff., Art.  62, 63 ­EuErbVO Rn.  10; Geimer/Schütze/Dorsel, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  9; NK-BGB/Nordmeier, Art.  62 EuErbVO Rn.  33; Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  62 EuErbVO Rn.  16 f.; Wall, ZErb 2015, 9; Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102 (107 ff.); Lechner, ZErb 2014, 188 (190); Hertel, ZEV 2013, 539 (541); Dorsel, ZErb 2014, 212 (220 f.); Dörner, ZEV 2012, 505 (512); Wagner/Scholz, FamRZ 2014 714 (715 f.); Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (195). 817  Grau, in: FS Schilken, 2015, 3 (17 f.); kritisch hierzu NK-BGB/Makowsky, Art.  4 ­EuErbVO Rn.  16. 818  EuGH, Urt. v. 21.6.2018 – C-20/17 Rn.  59, NJW 2018, 2309 (2311). Äußerst kritisch zu dieser Entscheidung Dörner, DNotZ 2018, 661 (681 ff.).

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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Festzuhalten ist, dass durch den nunmehr verbindlichen Gleichlauf der internationalen Zuständigkeit für das Zeugnisverfahren und die mitgliedstaatlichen Erbnachweisverfahren die Möglichkeit des Eintritts divergierender Erbnachweise minimiert, aber nicht vollständig ausgeschlossen wird.819 Für die nächste Ebene, die örtliche Zuständigkeit, deren Regelung den Mitgliedstaaten mangels Vorgaben in der EuErbVO vorbehalten ist, sollten die nationalen Gesetzgeber ebenfalls einen Gleichlauf erreichen, so dass ein Gericht für die Erteilung des Zeugnisses und des mitgliedstaatlichen Erbnachweises örtlich zuständig ist.820 Anders als bei der internationalen Zuständigkeit dürfte die Bestimmung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts im Rahmen der örtlichen Zuständigkeit leichter fallen. Es geht hier nur darum, den tatsächlichen Daseinsmittelpunkt des Erblassers innerhalb eines Mitgliedstaates zu ermitteln, was beispielsweise durch den ständigen Wohnsitz indiziert wird. bb) Kommunikation zwischen den mitgliedstaatlichen Behörden Der Antragsteller hat gemäß Art.  5 Abs.  3 lit.  g EuErbVO seinem Antrag Kontaktangaben des Gerichts oder der sonstigen zuständigen Behörde, das oder die mit der Erbsache als solcher befasst ist oder war, beizufügen, soweit er hiervon Kenntnis hat. Die Ausstellungsbehörde erhält auf diese Weise zuverlässig Kenntnis von einem bereits existierenden mitgliedstaatlichen Erbnachweis und kann in Kommunikation mit dem Gericht bzw. der Behörde treten, um innerhalb der Grenzen des für ihn geltenden Rechts einen inhaltlichen Gleichlauf mit dem Zeugnis zu gewährleisten.821 cc) Litispendenz In der vorgeschalteten Situation, wenn ein Verfahren zur Ausstellung eines mitgliedstaatlichen Erbnachweises noch nicht abgeschlossen ist, kann in Erwägung gezogen werden, mittels der Verfahrensaussetzung eine endgültige Entscheidung 819  Wenn jedoch der EuGH im Speziellen betont, dass durch die Zuständigkeitskonzentration Parallelverfahren vor Gerichten und Widersprüche, sprich insbesondere divergierende Erbnachweise, vermieden werden, erscheint es aus dogmatischer und praktischer Sicht problematisch, dass die notariellen Erbnachweise, bei deren Ausstellung der Notar keine gerichtlichen Funktionen ausübt, nicht nach den Zuständigkeitsnormen der EuErbVO errichtet werden. Denn insoweit könnten Mitgliedstaaten sich weiterhin an ihren eigenen Zuständigkeitsnormen für die Ausstellung ihres notariellen Erbnachweise halten, wodurch divergierende Erbnachweis auftreten können. 820  In Deutschland ist der Gleichlauf hergestellt: Für das Zeugnisverfahren sowie das Erbscheinsverfahren ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte (§  34 Abs.  3 IntErbRVG bzw. §  343 Abs.  1 FamFG). 821  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  62 EuErbVO Rn.  16.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

der zuerst angerufenen Ausstellungsbehörde abzuwarten, bis die als zweites angerufene Ausstellungsbehörde über den Antrag auf Erteilung eines Zeugnisses entscheidet. Die Zuständigkeitskonzentration sollte idealiter dieses Szenario von vornherein unterbinden. Kommt es faktisch dennoch zum Auseinanderfallen der Zuständigkeit, geht es vor allem um die Frage, welches Gericht seine internationale Zuständigkeit gemäß den Vorschriften der EuErbVO korrekt bestimmt hat. Die Ausstellungsbehörde könnte von Amts wegen das Verfahren über die Litispendenz-Regel des Art.  17 EuErbVO auszusetzen haben oder ihr könnte darüber ein Ermessen in Anwendung des Art.  18 EuErbVO zugestanden werden. Die Anwendung einer bestimmten Norm wirkt sich allerdings im Ergebnis kaum aus. Auch wenn der Ausstellungsbehörde Ermessen eingeräumt wird, so wird sie regelmäßig von der Verfahrensaussetzung Gebrauch machen, um den Eintritt divergierender Erbnachweise, von deren nachteiligen Konsequenzen für den Rechtsverkehr sie weiß oder wissen sollte, zu verhindern, selbst wenn nicht eindeutig ist, wie das zuerst angerufene Gericht entscheiden wird. Gegen die Anwendung des Art.  17 EuErbVO wird vorgebracht, dass dessen Voraussetzung bezüglich desselben Anspruchs – genauer des Verfahrensgegenstandes – nicht erfüllt ist, da der Streitgegenstand im nationalen Erbnachweisverfahren nicht identisch mit dem im Zeugnisverfahren sei.822 Der Streitgegenstand i.S.d. Art.  17 EuErbVO lehnt sich an die vom EuGH zu Art.  29 Brüssel Ia-VO bestimmte Auslegung.823 Derselbe Anspruch in zwei Verfahren ist nach der sog. Kernpunkttheorie dann gegeben, wenn es in ihnen im Kern um die Rechtsfolgen desselben Sachverhalts geht mit der Folge, dass sich die potentiellen Sachentscheidungen in ihrem Inhalt widersprechen könnten.824 Zwar sind in beiden Verfahren grundsätzlich die gleichen Tatsachen entscheidungsrelevant, z.B. ein Testament des Erblassers für die Bestimmung der Erben, allerdings bestehen in der materiellrechtlichen Ausgestaltung der Erbnachweise zum Teil erhebliche Unterschiede. Mithin sind die durch die Erbnachweise im Rechtsverkehr ausgelösten möglichen Rechtsfolgen unterschiedlich. In diesem Bereich können widersprechende Aussagen nicht entstehen. Deshalb kann eine Verfahrensaussetzung nur über Art.  18 EuErbVO erreicht werden. Für dessen Anwendung bedarf es eines Zusammenhangs i.S.d. Art.  18 Abs.  3 EuErbVO zwischen dem Zeugnisverfahren und dem mitgliedstaatlichen Erbnachweisverfahren. Da in diesen Verfahren stets derselbe Erbfall behandelt MüKoBGB/Dutta, Art.  62 EuErbVO Rn.  15; Schmitz, RNotZ 2017, 269 (274). A.A. in Bezug auf divergierende Zeugnisse unterschiedlicher mitgliedstaatlicher Gerichte jedoch ohne tiefergehende Begründung Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  415. 823  MüKoBGB/Dutta, Art.  17 EuErbVO Rn.  2. 824  MüKoZPO/Gottwald, Art.  29 Brüssel Ia-VO Rn.  10. 822 

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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wird, kann unproblematisch ein Zusammenhang zwischen den Verfahren bejaht werden.825 Dadurch werden widersprechende Entscheidungen vermieden, wobei immer vorausgesetzt werden muss, dass das später angerufene Gericht überhaupt Kenntnis von dem anderen anhängigen Verfahren hat. Das kann aufgrund der großen Anzahl an Gerichten in den Mitgliedstaaten, an denen potentiell mitgliedstaatliche Erbnachweisverfahren anhängig gemacht werden können, nicht gewährleistet werden.826 b) Verbleibende Ursachen für Divergenzen Auch wenn die Zuständigkeitskonzentration und die weiteren verfahrensrechtlichen Schutzmechanismen Divergenzen in den Erbnachweisen weitgehend ausschalten, können immer noch Divergenzen in den Erbnachweisen auftreten. Schließlich kann es aufgrund des sehr offenen und auslegungsbedürftigen Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts in Art.  4 EuErbVO zu der Situation kommen, dass sich Ausstellungsbehörden von unterschiedlichen Mitgliedstaaten als zuständig ansehen.827 In diesen Fällen besteht eine erhöhte Gefahr der unterschiedlichen Tatsachenkenntnis der beiden Ausstellungsbehörden, die insbesondere dadurch bedingt ist, dass die Erbprätendenten, die sich womöglich in unterschiedlichen Mitgliedstaaten befinden, der jeweils von ihnen angerufenen Ausstellungsbehörde Tatsachen vortragen, die einen gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers in genau diesem Mitgliedstaat, in dem die Erbprätendenten leben, indizieren.828 Die daraufhin ausgestellten Erbnachweise widersprechen sich dann in der Regel inhaltlich. c) Typisierung von Divergenzen Divergenzen lassen sich in unterschiedliche Kategorien typisieren, die jedoch in der rechtlichen Behandlung kaum einen Unterschied erfahren.

825 

So auch MüKoBGB/Dutta, Art.  18 EuErbVO Rn.  2. Vgl. auch Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  415, der in Bezug auf divergierende Zeugnisse die Informationsbeschaffung durch das „zweite“ Nachlassgericht de lege ferenda durch ein zentrales Verzeichnis aller Zeugnisanträge gesichert sieht. 827  Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  62 EuErbVO Rn.  54; Soutier, Die Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung, S.  297; vgl. auch Fötschl, ERPL 2010, 1259 (1266). 828  Soutier, Die Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung, S.  297. 826 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

aa) Interne Divergenzen Von internen Divergenzen spricht man, wenn das Zeugnis und der mitgliedstaatliche Erbnachweis von demselben Mitgliedstaat erteilt werden.829 Interne Divergenzen bilden aufgrund der Zuständigkeitskonzentration den Regelfall. bb) Grenzüberschreitende Divergenzen Grenzüberschreitende Divergenzen beziehen sich in konsequenter Fortführung zur Terminologie bezüglich der internen Divergenzen auf das Zeugnis und einen nationalen Erbnachweis eines anderen Mitgliedstaates, der also nicht das Zeugnis erteilt hat.830 Diese Konstellation wird aufgrund der Zuständigkeitskonzentration selten vorkommen. cc) Echte und unechte Divergenzen Was den Inhalt der Divergenzen betrifft, können diese erstens durch Fehler rein tatsächlicher Art entstehen, z.B. bei Schreibfehlern bei der Ausweisung der erb­ rechtlichen Lage. Dies betrifft sowohl den Fall interner als auch den Fall grenzüberschreitender Divergenz. Wird bezüglich desselben Erbfalls ein Zeugnis und ein mitgliedstaatlicher Erbnachweis erteilt, kann zwischen ihnen eine inhaltliche Abweichung materiellrechtlicher Art bestehen, wenn ihnen eine unterschiedliche Beurteilung der erbrechtlichen Lage zugrunde liegt, sog. echte Divergenz.831 Von besonderer rechtlicher Relevanz sind Divergenzen, die aufgrund unterschiedlicher kolli­ sions­rechtlicher Beurteilung des Erbfalles entstehen. Falls z.B. für denselben Erbfall ein Zeugnis und ein mitgliedstaatlicher Erbnachweis ausgestellt werden und ihnen jeweils ein anderes anwendbares Recht zugrunde liegt, sind abweichende Angaben z.B. hinsichtlich der Erbquoten möglich. Zwar hat die EuErbVO das Erbkollisionsrecht vereinheitlicht, lässt jedoch individuelle Staatsverträge zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat unberührt (vgl. Art.  75

829 

So NK-BGB/Nordmeier, Art.  62 EuErbVO Rn.  36. NK-BGB/Nordmeier, Art.  62 EuErbVO Rn.  36. 831  Geimer/Schütze/Dorsel, Art.  62 EuErbVO Rn.  6; Dorsel, ZErb 2014, 212 (221); a.A. Volmer, notar 2016, 323 (327), der von systematischen oder strukturellen Widersprüchen sprechen will. Die exakte Bezeichnung ändert selbstverständlich nichts an den inhaltlichen Ergebnissen, doch erscheint das Begriffspaar der echten und unechten Divergenzen präziser, weil es den Umstand des Bestehens zweier unterschiedlicher Erbnachweise besser hervorhebt und mit der unechten Divergenz auch diejenige Art von Divergenzen bezeichnet, die gerade nicht einen tatsächlichen systematischen oder strukturellen Widerspruch darstellen. 830 

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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Abs.  1, Abs.  2 EuErbVO), die eigenständige und vorrangig zu berücksichtigende Kollisionsnormen enthalten können.832 Divergieren ein Zeugnis und ein mitgliedstaatlicher Erbnachweis deshalb, weil das Zeugnis bzw. der mitgliedstaatliche Erbnachweis zusätzliche Angaben beinhalten, die der jeweils andere Erbnachweis von Gesetzes wegen nicht vorsieht, und gehen beide Erbnachweise von der gleichen materiellrechtlichen Lage aus, wird von unechter Divergenz gesprochen.833 Beide Erbnachweise sind jedoch inhaltlich richtig. Ein Beispiel ist die Angabe eines Vindikationslegats im Zeugnis gemäß Art.  68 lit.  m EuErbVO, das z.B. in den Erbschein nicht aufgenommen werden kann. Offensichtlich kann die diesbezügliche Divergenz die Wirkungen der Erbnachweise nicht entkräften.834 2. Divergierende Europäische Nachlasszeugnisse a) Schutzmechanismen Nach Abschluss des Zeugnisverfahrens werden dem Antragsteller und den sonstigen Beteiligten mit rechtlichem Interesse jeweils eine beglaubigte Abschrift des Zeugnisses übergeben, die von diesen anschließend für die Zwecke der Nachlassabwicklung verwendet werden kann. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich ein Zeugnis, das bei der Ausstellungsbehörde als Urschrift aufbewahrt wird, und beglaubigte Abschriften im Rechtsverkehr. Dies wird dadurch sichergestellt, dass aufgrund der Verweisung in Art.  64 S.  1 EuErbVO auf Art.  4, 7, 10 und 11 EuErbVO immer nur eine Ausstellungsbehörde für die Ausstellung des Zeugnisses zuständig ist. Da aber auch auf die Regelung zur subsidiären Zuständigkeit gemäß Art.  10 EuErbVO verwiesen wird, können ausnahmsweise konkurrierende Zuständigkeiten entstehen, wenn der Erblasser keinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hat, aber sich Nachlassvermögen in mehreren Mitgliedstaaten befindet, deren Staatsangehörigkeit der Erblasser kumulativ besitzt (Art.  10 lit.  a EuErbVO). Für die Staatsangehörigkeit i.S.d. Art.  10 EuErbVO kommt es nicht auf eine effektive an835, so dass die Ausstellungsbehörden mehrerer Mitgliedstaaten für die Ausstellung des Zeugnisses zuständig sind. Glei832 

Siehe hierzu unten im 6. Kap., B., III., 2., S.  417 ff. Geimer/Schütze/Dorsel, Art.  62 EuErbVO Rn.  13; Dorsel, ZErb 2014, 212 (222); Hager/Buschbaum, Die neue europäische Erbrechtsverordnung, 39 (63); Buschbaum im Tagungsbericht der Forschungsstelle für Notarrecht am 14.12.2012 vgl. Stretz, MittBayNot 2013, 115 (118). 834  Vgl. Soutier, Die Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung, S.  309; Geimer/Schütze/Dorsel, Art.  62 EuErbVO Rn.  14. 835  NK-BGB/Makowsky, Art.  10 EuErbVO Rn.  10; MüKoBGB/Dutta, Art.  10 EuErbVO Rn.  15; a.A. BeckOGK/J. Schmidt, Art.  10 EuErbVO Rn.  14. 833 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

ches gilt für den Fall, dass der Erblasser vor dem Aufenthaltswechsel in einen Drittstaat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den fünf Jahren vor Anrufung der Ausstellungsbehörde in mehreren Mitgliedstaaten hatte, wo sich Nachlassvermögen befindet (Art.  10 lit.  b EuErbVO). b) Verbleibende Ursachen für Divergenzen Das Problem divergierender Zeugnisse entsteht dann, wenn sich die angerufene Ausstellungsbehörde für international zuständig ansieht und keine Kenntnis von der Existenz eines zuvor erteilten Zeugnisses oder von einem anhängigen Zeugnisverfahren in einem anderen Mitgliedstaat hat. Es kann nicht vollkommen gewährleistet werden, dass jede Ausstellungsbehörde diese Kenntnis besitzt, auch wenn die Unkenntnis der einen Ausstellungsbehörde vom Bestehen eines Zeugnisverfahrens bei einer anderen Ausstellungsbehörde in Anbetracht der Tatsache, dass sämtliche Nachlassbeteiligte von den Verfahren vor Ausstellungsbehörden informiert werden und auf diese Weise die Ausstellungsbehörde selbst vom Tätigwerden anderer Ausstellungsbehörden erfährt, selten ist.836 Ein insoweit der Abhilfe dienliches europäisches Register für Zeugnisse wurde vom europäischen Gesetzgeber als nicht realisierbar eingestuft.837 Frankreich, Luxemburg, Belgien und Niederlande haben nationale Register geschaffen, in denen Informationen zu den erteilten Zeugnissen bzw. beglaubigten Abschriften festgehalten werden, wie es Art.  70 Abs.  2 EuErbVO vorsieht; das Besondere ist jedoch, dass eine Kommunikation zwischen diesen Mitgliedstaaten hierbei angestrebt wird.838 Dies stellt einen guten und empfehlenswerten Anfangspunkt dar, um das Auftreten divergierender Zeugnisse von Anfang an zu bändigen. Entscheiden zwei Ausstellungsbehörden über die Ausstellung des Zeugnisses, ist aufgrund des Gleichlaufprinzips mit der Anwendung eines unterschiedlichen Erbstatuts zu rechnen. Auf diese Weise können widersprechende erbrechtliche Positionen bescheinigt werden. Ferner kann das beigebrachte Tatsachenmaterial von den Ausstellungsbehörden jeweils unterschiedlich gewürdigt werden. jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  62 EuErbVO Rn.  53; kritisch Soutier, Die Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung, S.  297 f. 837  MüKoBGB/Dutta, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  11; vgl. auch Fötschl, ERPL 2010, 1259 (1266); es ist nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft ein europäisches Register für die Zeugnisse errichtet wird, denn der Rat der EU hat festgestellt, dass für dieses Projekt noch Vorarbeiten durchzuführen waren, die jedoch bis zum Erlass der Verordnung noch nicht konkretisiert wurden, vgl. Ratsdokument Nr.  17715/11, S.  4. Es ist empfehlenswert, ein solches Register zu schaffen, um divergierenden Zeugnissen vorzubeugen. 838  Vgl. (zuletzt abgerufen: 15.7.2021). 836 

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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Schließlich können der angerufenen Ausstellungsbehörde, die an mehrere Beteiligte des Verfahrens einzelne beglaubigte Abschriften vom Zeugnis aushändigt, tatsächliche Fehler (z.B. Schreibfehler) unterlaufen, so dass ein Beteiligter eine inhaltlich korrekte, ein anderer jedoch eine inhaltlich falsche beglaubigte Abschrift besitzt, welche beide dann im Rechtsverkehr verwendet werden.839 Denkbar ist auch, dass das Zeugnis von der Ausstellungsbehörde widerrufen und ein neues Zeugnis und neue beglaubigte Abschriften erteilt wurden, jedoch eine beglaubigte Abschrift des widerrufenen Zeugnisses noch im Rechtsverkehr zirkuliert.840 Freilich handelt es sich hierbei um eine Problematik des Widerrufsund Änderungssystems der EuErbVO. Auch hilft die Zuständigkeitskonzentration nicht weiter, da nur eine Ausstellungsbehörde agiert. 3. Divergierende mitgliedstaatliche Erbnachweise Bei der Konstellation divergierender mitgliedstaatlicher Erbnachweise geht es im Wesentlichen um notarielle Erbnachweise, bei deren Ausstellung das Zuständigkeitsregime der EuErbVO nicht maßgeblich ist. So können unabhängig voneinander notarielle Erbnachweise aus verschiedenen Mitgliedstaaten errichtet werden, die dann häufig einem unterschiedlichen Erbstatut unterliegen. Möglich ist zudem die Konstellation, dass neben einem gerichtlichen Erbnachweis, das von einer an Art.  4 EuErbVO gebundenen Ausstellungsbehörde ausgestellt wurde, ein notarieller Erbnachweis vorliegt. 4. Divergenz zwischen Europäischem Nachlasszeugnis und drittstaatlichem Erbnachweis Ferner ist die Konstellation denkbar, dass ein Zeugnis und ein drittstaatlicher Erbnachweis divergieren, insbesondere aufgrund des Umstands, dass das Erbkollisionsrecht des Drittstaates vom europäischen Erbkollisionsrecht (z.B. Anknüp­fung an die Staatsangehörigkeit statt an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers) abweicht. Dann liegt den Erbnachweisen jeweils ein unterschiedliches Erbstatut zugrunde. Mit der Erteilung eines drittstaatlichen Erbnachweises zum gleichen Erbfall muss stets gerechnet werden, da die ­EuErbVO für Drittstaaten nicht gilt und so im Drittstaat ungeachtet der Existenz eines Zeugnisses ein Erbnachweis erwirkt werden kann, wenn das Recht des Drittstaates das zulässt. Praktisch kann man sich vorstellen, dass einer der Erben in dem Drittstaat lebt, wo auch ein Teil des Erblasservermögens belegen ist, und dort

839  840 

Vgl. Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  34. jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  62 EuErbVO Rn.  59.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

einen Erbnachweis beantragt, während die anderen Erben in der EU leben und ein Zeugnis beantragen. 5. Divergenz zwischen mitgliedstaatlichem Erbnachweis und drittstaatlichem Erbnachweis Letztlich ist die Konstellation zu bedenken, dass ein mitgliedstaatlicher Erbnachweis und ein drittstaatlicher Erbnachweis divergieren. Die Ursachen für den Eintritt dieser Konstellation decken sich mit dem Fall einer Divergenz von Zeugnis und drittstaatlichem Erbnachweis. Der Drittstaat ist nicht an die EuErbVO gebunden, so dass es ihm unbenommen bleibt, zum gleichen Erbfall einen Erbnachweis zu erteilen, das mit einem in einem Mitgliedstaat errichteten Erbnachweis z.B. aufgrund der Maßgeblichkeit unterschiedlichen Kollisionsrechts oder der unterschiedlichen Sachverhaltswürdigung divergiert. II. Einfluss von Divergenzen auf die Wirkungen der Erbnachweise Die nicht vollständig auszuschließenden Szenarien für den Eintritt divergierender Erbnachweise ziehen die Frage nach sich, welche Wirkungen die Erbnachweise bei einer Divergenz entfalten. Denn offensichtlich geben divergierende Erbnachweise unterschiedliche erbrechtliche Inhalte wider. Das stellt einen Konflikt dar, das zwingend aufgelöst werden muss. Die folgende Betrachtung unterliegt der Prämisse, dass der mitgliedstaatliche Erbnachweis Vermutungs-, Gutglaubens- und Legitimationswirkung entfaltet. Sofern ein mitgliedstaatlicher Erbnachweis hinsichtlich der Wirkungen hinter das Zeugnis zurückbleibt, haben Divergenzen keinen Einfluss auf die jeweilige Wirkung: Mangelt es einem mitgliedstaatlichen Erbnachweis an der Vermutungswirkung, kann eine Divergenz die Vermutungswirkung etwa des Zeugnisses nicht einschränken.841

841  Weiteres Bsp.: Kommt einem mitgliedstaatlichen Erbnachweis keine Gutglaubenswirkung zu, sieht aber das mitgliedstaatliche Recht, das im konkreten Fall zur Anwendung berufen ist, eine andere Gutglaubensregelung vor (wie etwa die Theorie des Scheinerben im italienischen Recht, vgl. 2. Kap. in Fn.  38), kann es freilich schon deshalb nicht zur Beeinträchtigung der Gutglaubenswirkung sowohl des Zeugnisses als auch jener besonderen Gutglaubensregelung kommen, weil divergierende Erbnachweise mit Gutglaubenswirkung nicht vorhanden sind. Ein gutgläubiger Erwerb nach der Theorie des Scheinerben ist damit trotz der Divergenz von Zeugnis und einem atto di notorietà möglich. Gleiches gilt für die Konstellation, dass mitgliedstaatliche Erbnachweise divergieren.

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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1. Divergenz zwischen Europäischem Nachlasszeugnis und mitgliedstaatlichem Erbnachweis a) Allgemeine Vorüberlegungen Die Divergenz zwischen einem Zeugnis und einem mitgliedstaatlichen Erbnachweis bringt ein großes Spannungsfeld mit sich: Potentiell wird in die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen eingegriffen. Welche Konsequenzen sich für die Wirkungen des einen und des anderen Erbnachweises ergeben, kann nicht ohne Berücksichtigung des von der EuErbVO statuierten Verhältnisses von Zeugnis und mitgliedstaatlichem Erbnachweis beantwortet werden. Auch wenn das Zeugnis auf europäischem Recht beruht, kann nicht mit dem Argument des Anwendungsvorrangs angenommen werden, dass dieses sich im Konflikt mit einem mitgliedstaatlichen Erbnachweis durchsetzt und damit seine Wirkungen im konkreten Fall maßgeblich sind. Denn es herrscht das Prinzip der Koexistenz. Die EuErbVO erkennt das Zeugnis und die mitgliedstaatlichen Erbnachweise als gleichberechtigte Instrumente an. Diese Gleichstellung schlägt sich bis zu den Wirkungen durch, weshalb die Wirkungen des Zeugnisses und des mitgliedstaatlichen Erbnachweises gleichermaßen betroffen bzw. eingeschränkt werden können, ohne dem einen oder anderen Erbnachweis Vorrang einzuräumen.842 Eine wechselseitige Wirksamkeitsabhängigkeit in der Art, dass durch die Ausstellung eines mitgliedstaatlichen Erbnachweises automatisch die Wirkungen des Zeugnisses und umgekehrt durch die Ausstellung eines Zeugnisses die Wirkungen des mitgliedstaatlichen Erbnachweises aufgehoben werden, ist mit dem Prinzip der Koexistenz unvereinbar.843 Zudem hält die EuErbVO ein System der Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung bereit. Es würde der Systematik der ­EuErbVO widersprechen, wenn die Existenz eines divergierenden Erbnachweises bereits die Wirkungen eines anderen Erbnachweises vollkommen beseitigen könnte, zumal dann die sonderbare Konstellation denkbar wäre, dass die Ausstellungsbehörde, die den zweiten Erbnachweis erlässt, ohne Bewusstsein die Wirkungen des bereits existenten Erbnachweises beeinträchtigt.844

842 A.A. Laukemann, in: Hess/Bergström/Storskrubb, EU civil justice, 2016, 161 (173), der dem mitgliedstaatlichen Erbnachweis bei Gebrauch im inländischen Verkehr den Vorzug vor dem Zeugnis geben will, während im grenzüberschreitenden Verkehr das Zeugnis sich gegenüber dem mitgliedstaatlichen Erbnachweis durchsetzen soll, es sei denn, dass der mitgliedstaatliche Erbnachweis stärkere Wirkungen als das Zeugnis entfaltet. 843  Soutier, Die Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung, S.  302. 844  Soutier, Die Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung, S.  303.

244

Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Eine Aussage über die Rechtsfolgen einer Divergenz zwischen einem Zeugnis und einem mitgliedstaatlichen Erbnachweis trifft die EuErbVO nicht, wobei eine Regelung für Rechtssicherheit gesorgt hätte.845 Für den Einfluss auf die Wirkungen des Zeugnisses ist eine verordnungsautonome Lösung zu finden.846 Für den Einfluss auf die Wirkungen des mitgliedstaatlichen Erbnachweises ist das autonome mitgliedstaatliche Recht zu befragen. Überdies sollte unabhängig vom einschlägigen Rechtsregime zwischen den einzelnen Wirkungen – namentlich der Vermutungswirkung, Gutglaubenswirkung und Legitimationswirkung – unterschieden werden. Bevor auf die wirkungsrechtlichen Folgen der Divergenzen eingegangen wird, ist zunächst die Relevanz der Frage, ob für deren Statuierung dahingehend differenziert werden muss, in welcher Verbindung das jeweilige beurteilende Gericht/die jeweilige beurteilende Behörde zum mitgliedstaatlichen Erbnachweis steht, d.h. ob der zum Zeugnis divergierende mitgliedstaatliche Erbnachweis aus dem Mitgliedstaat stammt, dessen Gericht oder Behörde mit den divergierenden Erbnachweisen konfrontiert ist, zu ermitteln. Dahinter steckt die Überlegung, dass zwar das Zeugnis seine Wirkungen gemäß Art.  69 Abs.  1 ­EuErbVO in allen Mitgliedstaaten entfaltet, nicht jedoch die mitgliedstaatlichen Erbnachweise über das Anerkennungs- und Annahmeregime der Art.  39 ff., 59 EuErbVO ihre Wirkungen in andere Mitgliedstaaten erstrecken können847. Besteht eine Divergenz zwischen Zeugnis und mitgliedstaatlichem Erbnachweis, die beide aus demselben Mitgliedstaat stammen, entfalten sich die Wirkungen des Zeugnisses (nach Art.  69 Abs.  1 EuErbVO) und des mitgliedstaatlichen Erbnachweises (nach dem autonomen mitgliedstaatlichen Recht) vollständig in diesem Mitgliedstaat. Ein Gericht oder eine Behörde in diesem Mitgliedstaat muss sich daher mit der Lösung des Konflikts in Bezug auf alle Wirkungen befassen und kann daher auch „leichter“ eine gegenseitige Einschränkung der Wirkungen legitimieren. Bei der grenzüberschreitenden Verwendung eines mitgliedstaatlichen Erbnachweises, beispielsweise eines Erbscheins, kann das Gericht oder die 845  Dies ebenfalls bedauernd Müller-Lukoschek, Die neue EU-Erbrechtsverordnung, §  2 Rn.  381. Eine explizite Regelung für die Behandlung widersprechender Erbnachweise findet sich in Art.  16 HNVÜ, wonach der Staat, dem zwei voneinander abweichende Haager Nachlasszeugnisse aus unterschiedlichen Vertragsstaaten vorgelegt werden, sich für die Anerkennung eines der beiden Nachlasszeugnisse entscheiden muss. Im Ergebnis wird also einem Erbnachweis der volle Wirkungsgehalt trotz des Bestehens eines divergierenden Erbnachweises zugesprochen. Eine gegenseitige Aufhebung der Wirkungen der Erbnachweise als mögliche Alternative wurde mit der Befürchtung verworfen, dass der so geschaffene ungeregelte Zustand von skrupellosen oder streitsüchtigen Anspruchstellern missbraucht werden könnte, vgl. Lipstein, RabelsZ 39 (1975), 29 (47). 846  Wall, ZErb 2015, 9 (16). 847  Siehe ausführlich unten im 5. Kap., B., S.  399 ff.

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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Behörde z.B. die Vermutungswirkung des Erbscheins nach §  2365 BGB bereits nicht berücksichtigen. An dieser Stelle könnte eingebracht werden, dass der zum Zeugnis divergierende Erbschein die Wirkungen des Zeugnisses von vornherein nicht einschränken kann, da das Gericht oder die Behörde sie ohnehin nicht zu beachten habe. Folglich ist zu untersuchen, ob eine objektive Divergenz ausreicht oder ob es auf die konkrete Verwendung vor einem Gericht oder einer Behörde ankommt, so dass deren Perspektive zu berücksichtigen ist. Soweit ersichtlich differenziert das Schrifttum nicht hiernach und stellt ganz allgemein auf die Divergenz zwischen Zeugnis und nationalem Erbnachweis ab.848 Würde man der letzteren Ansicht folgen, käme es zu einem Auseinanderfallen der Behandlung der Divergenzen und der Rechtsfolgen: Die Vermutungswirkung würde in der Konstellation, dass sowohl das Zeugnis als auch der mitgliedstaatliche Erbnachweis aus einem Mitgliedstaat stammen, entfallen849, aber nicht in der Konstellation, dass beide Erbnachweise in einem anderen Mitgliedstaat verwendet werden. Dies widerspricht indessen der einheitlichen Wirkungsentfaltung des Zeugnisses nach Art.  69 Abs.  1 EuErbVO. Es wäre fragwürdig, die Vermutungswirkung, die sich auf denselben erbrechtlichen Sachverhalt bezieht, in ­einem Mitgliedstaat aufrechtzuerhalten und in dem anderen Mitgliedstaat entfallen zu lassen. Daran ändert auch die begrenzte Verkehrsfähigkeit der mitgliedstaatlichen Erbnachweise nichts. Die objektive Divergenz muss damit faktisch aus Sicht aller Mitgliedstaaten in Bezug auf den Einfluss auf die Wirkungen des Zeugnisses gleich beurteilt werden. b) Einfluss auf die Vermutungswirkung Die Vermutungswirkung nach Art.  69 Abs.  2 EuErbVO sowie die Vermutungswirkung der mitgliedstaatlichen Erbnachweise haben die übereinstimmende Funktion, die Erbrechtslage im Allgemeinen und die erbrechtliche Position des Erbnachweisinhabers im Besonderen nachzuweisen. Ausgehend von dieser gemeinsamen Grundposition ergeben sich folgende Schlussfolgerungen beim Vorliegen von Divergenzen. Die Vermutung des europäischen Rechts kann aufgrund des gleichzeitigen Bestehens eines mitgliedstaatlichen Erbnachweises mit entsprechender Vermutungswirkung ihrer Funktion nicht mehr gerecht werden. Die erbrechtliche Lage bzw. die erbrechtliche Position des Zeugnisinhabers kann nicht vermutet werden, wenn ein anderer Erbnachweis, der sich derselben Funktion angenommen hat, eine andere erbrechtliche Lage bescheinigt. Die Vermutung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO ist in Gänze erschüttert. Konsequenterweise entfällt die Beweiskraft 848  849 

Vgl. etwa Weber/Schall, NJW 2016, 3564 (3567). Siehe sogleich im 3. Kap., C., II., 1., b)., S.  245 f.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

des Zeugnisses wegen Perplexität.850 In praktischer Anwendung bedeutet dies, dass das Gericht die Erbrechtslage ohne Heranziehung der Erbnachweise zu ermitteln hat. Es hat folglich von beiden Parteien Tatsachen einzuholen, um sich von der Erbrechtslage zu überzeugen. Die Parteien stehen somit in der gleichen Ausgangsposition bezüglich der Beweislast. Normalerweise würde nämlich der Zeugnisinhaber im streitigen Verfahren durch die Vermutungswirkung erheblich entlastet. Für die mitgliedstaatlichen Erbnachweise beantwortet das jeweilige nationale Recht die Frage, welchen Einfluss die Divergenz auf die Wirkungen hat.851 Das Argument der Perplexität trifft uneingeschränkt auch aus Sicht eines (beliebigen) mitgliedstaatlichen Rechts zu. Infolgedessen wird man einem mitgliedstaatlichen Erbnachweis vorbehaltlich einer mitgliedstaatlichen Sonderregelung ebenso die Vermutungswirkung versagen müssen.852 c) Einfluss auf die Gutglaubenswirkung Hinter der Gutglaubenswirkung steckt im Vergleich zur Vermutungswirkung naturgemäß ein anderer Grundgedanke, der womöglich eine abweichende Beurteilung des Einflusses der Divergenz zulässt. Hier werden Dritte geschützt, die auf den Rechtsschein des Erbnachweises vertrauen. Mit der Gutglaubenswirkung wird unmittelbar eine Rechtsänderung herbeigeführt, sofern die weiteren Erwerbsvoraussetzungen erfüllt sind. Anders als bei der Vermutungswirkung steht der Schutz des Rechtsverkehrs maßgeblich im Vordergrund. Eine Divergenz zwi850 

Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  20; Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch/Köhler, Internationales Erbrecht, §  7 Rn.  17; Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck, Erbrecht, Art.  62 ­EuErbVO Rn.  3; Keidel/Zimmermann, FamFG, §  352 Rn.  100; Weber/Schall, NJW 2016, 3564 (3567); Wall, ZErb 2015, 9 (16); Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  399; Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  221; ähnlich Döbereiner, NJW 2015, 2449 (2453); vgl. auch Dutta/Herrler/Lange, Die Europäische Erbrechtsverordnung, 161 (176) sowie Soutier, Die Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung, S.  308; wohl auch Dörner, IPRax 2017, 81 (87), der die Neutralisierung der Vermutungsregeln (und Gutglaubensregeln) im Verhältnis der Berechtigten untereinander befürwortet. Eine Beschränkung nur auf das Verhältnis der Berechtigten untereinander ist jedoch abzulehnen, da die Erschütterung der Vermutung von der Person der am Verfahren Beteiligten unabhängig ist; unentschlossen Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  62 EuErbVO Rn.  57. A.A. im Kontext zwischen vorab ausgestelltem Zeugnis und Einantwortungsbeschluss Mayr/Wittwer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Rn.  7.189, der dem Einantwortungsbeschluss wegen seiner konstitutiven Wirkung Vorrang vor dem nur deklarativ wirkenden Zeugnis einräumt. 851  Vgl. Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, 589 (598). 852  So auch für den Erbschein, vgl. Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  20; ­jurisPK-BGB/Mayr, §  2365 Rn.  4; Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck, Erbrecht, Art.  62 ­EuErbVO Rn.  3.

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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schen einem Zeugnis und einem mitgliedstaatlichem Erbnachweis führt aus Sicht des europäischen Rechts nicht wie bei der Vermutungswirkung zur Perplexität: Der Gutglaubensschutz des Zeugnisses wird nicht dadurch erschüttert, dass ein inhaltlich abweichender mitgliedstaatlicher Erbnachweis gleichfalls im Rechtsverkehr zirkuliert, da der Dritte im Zeitpunkt des Abschlusses des betreffenden Rechtsgeschäfts vom Rechtsschein des Zeugnisses ausgehen darf, das allein die Grundlage seiner Disposition bildet und etwa bei der Divergenz aus kollisionsrechtlichen Gründen auch richtig ist (ebenso wie der divergierende nationale Erbnachweis dann richtig ist).853 Dies gilt insbesondere, wenn dem Dritten eine beglaubigte Abschrift des Zeugnisses vorgelegt wird, was zwar nach hiesiger Auffassung zur Entfaltung des Gutglaubensschutzes nicht erforderlich, aber den sichersten Gutglaubensschutz vermittelt. Zudem besteht zwischen der Gutglaubenswirkung und der Vermutungswirkung keine Akzessorietät.854 Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und der Systematik des Art.  69 EuErbVO: In jeweils getrennten Absätzen wird bei der Gutglaubenswirkung nach Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO in keiner Weise – etwa durch Verweis auf Art.  69 Abs.  2 EuErbVO wie bei §  2366 BGB – eine Verknüpfung mit der Reichweite der Vermutungswirkung nach Art.  69 Abs.  2 EuErbVO hergestellt. Abgestellt wird allein auf das Vertrauen des Dritten auf die Existenz eines Zeugnisses. Mit dieser Abkoppelung wird der Schutz des Rechtsverkehrs um eine weitere Komponente erweitert. Die soeben aufgezeigte Aufhebung der Vermutungswirkung lässt den Bestand der Gutglaubenswirkung also unberührt. Eine Einschränkung des Gutglaubensschutzes des Zeugnisses mit dem Argument zu begründen, dass Art.  69 Abs.  5 EuErbVO mit seinem Verweis auf Art.  1 Abs.  2 lit.  k, l EuErbVO die besondere Schutzwürdigkeit der lex rei sitae betont mit der Konsequenz, das Zeugnis könne nicht stärkere Wirkungen entfalten als ein divergierender Erbnachweis des Mitgliedstaates, in dem die betreffende Sache belegen ist855, verkennt die Bedeutung dieses Verweises. Der Verweis auf 853  Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  34; Omlor, GPR 2014, 216 (220); vgl. auch NK-BGB/Nordmeier, Art.  62 EuErbVO Rn.  37; Dörner, DNotZ 2017, 407 (417); a.A. Döbereiner, NJW 2015, 2449 (2553); Buschbaum/Simon, Rpfleger 2015, 444 (454); Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525 (528); Wall, ZErb 2015, 9 (16); Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, 589 (599). 854  MüKoBGB/Dutta, Art.  62 EuErbVO Rn.  16 und Art.  69 EuErbVO Rn.  31; Dutta/Weber/ Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  52; Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  197; Möller, Das Europäische Nachlasszeugnis im System des Gutglaubensschutzes, S.  217; a.A. ­jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  62 EuErbVO Rn.  56; Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  541. 855  So aber Dorsel, ZErb 2014, 212 (222); vgl. auch das Beispiel von Hager/Buschbaum, Die neue europäische Erbrechtsverordnung, 39 (63 f.). Für den Wegfall des Gutglaubensschutzes mit dem Argument der Gleichwertigkeit der Erbnachweise und des fehlenden Rangverhält-

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Art.  1 Abs.  2 lit.  k, l EuErbVO soll lediglich klarstellen, dass das Zeugnis zwar Sachenrechte ausweisen kann, diese aber von dem Mitgliedstaat, in dem das Zeugnis verwendet wird, nicht uneingeschränkt akzeptiert werden muss.856 Inwieweit der Gutglaubensschutz des Zeugnisses durch die Existenz eines divergierenden mitgliedstaatlichen Erbnachweises beeinträchtigt ist, ist keine Frage, die die Differenzen zwischen Erbstatut und Sachenrechtsstatut betrifft, sondern ist eine davon isoliert zu betrachtende Frage, deren Antwort im Verhältnis vom Zeugnis zu den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen zu suchen ist.857 Auch ist fragwürdig, weshalb bloß aufgrund der Belegenheit einer Sache dem mitgliedstaatlichen Erbnachweis des Belegenheitsrechts Vorrang vor dem Zeugnis zukommen soll. Zwischen der Gutglaubenswirkung eines mitgliedstaatlichen Erbnachweises und der Belegenheit eines Nachlassgegenstandes besteht kein derartiger Zusammenhang, dass die Gutglaubenswirkung des mitgliedstaatlichen Erbnachweises sich zugunsten des Nachlassgegenstandes unbedingt durchsetzen muss. Wenn das Zeugnis seine Wirkungen einheitlich in allen Mitgliedstaaten inklusive im Ausstellungsstaat entfaltet und das Prinzip der Koexistenz zu wahren ist, kann durch die Belegenheit eines Nachlassgegenstandes die Gutglaubenswirkung eines mitgliedstaatlichen Erbnachweises nicht höher gestuft werden als die Gutglaubenswirkung des Zeugnisses. Ansonsten dürfte die Gutglaubenswirkung des Zeugnisses nicht eingeschränkt werden, wenn im konkreten Fall Nachlassgegenstände in Rede stehen, die nicht in dem Staat belegen sind, dessen mitgliedstaatlicher Erbnachweis vorliegt. Eine solche Differenzierung innerhalb der Einschränkung der Gutglaubenswirkung des Zeugnisses führt zu Rechtsunsicherheit und ist einer zügigen Nachlassabwicklung abträglich. Festzuhalten ist somit, dass die Gutglaubenswirkung der beglaubigten Abschriften des Zeugnisses von der Divergenz unberührt bleibt. Im Übrigen sind die sonstigen Voraussetzungen für den Gutglaubensschutz zu beachten. Insbesondere entfällt der Gutglaubensschutz bei Bösgläubigkeit des Dritten.858 Positive Kenntnis von der inhaltlichen Unrichtigkeit des Zeugnisses wird man nicht ohne weiteres mit der Kenntnis eines inhaltlich divergierenden nationalen Erbnachweises schließen können, weil in aller Regel für den Dritten

nisses Döbereiner, NJW 2015, 2449 (2543); der Begriff der Gleichwertigkeit ist hier jedoch sehr unpräzise, die grundsätzliche Koexistenz der Erbnachweise schließt eine individuelle Betrachtung des Einflusses von Divergenzen auf die Wirkungen nicht von vornherein aus. 856  Vgl. ausführlich oben im 3. Kap., B., III., 3., d), S.  196 ff. 857  Soutier, Die Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung, S.  303. 858  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  26; NK-BGB/Nordmeier, Art.  62 EuErbVO Rn.  37; Dorsel, ZErb 2014, 212 (222).

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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nicht feststeht, welcher Erbnachweis unrichtig ist.859 Richtigerweise ist indessen grob fahrlässiges Handeln anzunehmen, wenn der Dritte Kenntnis von einem inhaltlich divergierenden mitgliedstaatlichen Erbnachweis hat und es dennoch unterlässt, Maßnahmen zu ergreifen, um den inhaltlich zutreffenden Erbnachweis festzustellen.860 Für die praktische Anwendung bedeutet der Fortbestand der Gutglaubenswirkung Folgendes: Kommt es unter Verwendung der beiden divergierenden Erbnachweise durch verschiedene Personen zu Verfügungen über denselben Nachlassgegenstand an unterschiedliche Dritte861, ergibt sich bereits aus dem sachenrechtlichen Prioritätsprinzip die endgültige dingliche Zuordnung.862 So führt die zeitlich erste Verfügung bei Vorliegen aller Voraussetzungen des Gutglaubenserwerbs zum Eigentumserwerb des Dritten und damit zur Herauslösung der betreffenden Sache aus dem Nachlass des Erblassers. Nachfolgende Verfügungen gehen ins Leere, weil der betreffenden Sache nunmehr die Nachlasszugehörigkeit fehlt, die weder das Zeugnis noch ein mitgliedstaatlicher Erbnachweis fingieren können.863 Stets nach dem Zeugnis richtet sich der Gutglaubensschutz, wenn der mitgliedstaatliche Erbnachweis keinen Gutglaubensschutz entfaltet oder der Gutglaubensschutz des mitgliedstaatlichen Erbnachweises von der Vermutungswirkung abhängig ist, da die Vermutungswirkung wegen der Divergenz aufgehoben wird864. Bei der zweiten Verfügung können aber andere Gutglaubenstatbestände nach der lex rei sitae erfüllt sein, die zu einer neuen Beurteilung der dinglichen Rechtslage führen.865

Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (402). Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (424 f.) sieht in Bezug auf einer Divergenz zwischen Zeugnis und Erbschein bereits unabhängig von der Redlichkeit des Dritten die konkrete Gutglaubenswirkung des Zeugnisses durch die mit Kenntnis des Erbscheins konkret gewordene Gutglaubenswirkung des Erbscheins als aufgehoben an. Die Kenntnis beider Erbnachweise wirke nicht nur positiv (= rechtsscheinbegründend), sondern auch negativ (= rechtsscheinvernichtend). 861  Bsp.: Der durch das Zeugnis legitimierte Scheinerbe X veräußert eine dem Nachlass zugehörige antike Vase an den gutgläubigen A. Kurze Zeit später veräußert der durch einen Erbschein legitimierte Scheinerbe Y dieselbe Vase an den gutgläubigen B. 862  Vgl. Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  26; Dörner, DNotZ 2017, 407 (417); siehe auch für widersprechende Erbscheine Herminghausen, NJW 1986, 571 (573), der freilich entgegen der h.M. die Gutglaubenswirkung grundsätzlich aufrechterhalten will. 863  MüKoBGB/Dutta, Art.  62 EuErbVO Rn.  16; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Kreße, Art.  62 EuErbVO Rn.  21; Soutier, Die Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung, S.  299; Dörner, IPRax 2017, 81 (87). 864  MüKoBGB/Dutta, Art.  62 EuErbVO Rn.  16. 865  Bsp.: Nach Veräußerung eines Nachlassgegenstandes von A an B unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Zeugnisses übereignet C, der im Besitz eines nationalen Erbnach859  860 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Ob die Gutglaubenswirkung des mitgliedstaatlichen Erbnachweises fortbesteht oder aufgehoben wird, insbesondere wegen einer gesetzlich vorgeschriebenen Akzessorietät zwischen Vermutungs- und Gutglaubenswirkung, hat das jeweilige nationale Recht zu beantworten.866 In der Konstellation einer Divergenz zwischen einem Zeugnis und einem Erbschein ist umstritten, ob der Gutglaubensschutz des Erbscheins entfällt. Während mit Hinweis auf die Akzessorietät der Gutglaubenswirkung zur Vermutungswirkung (vgl. §  2366 BGB: „soweit die Vermutung des §  2365 reicht“), die bei der Divergenz aufgehoben wird, der Wegfall der Gutglaubenswirkung des Erbscheins angenommen wird867, soll nach einer anderen Auffassung hingegen gerade der abstrakte Gutglaubensschutz des Erbscheins den Wegfall der Gutglaubenswirkung verhindern868. Zur Begründung wird ausgeführt, der konkrete Gutglaubensschutz des Zeugnisses und der abstrakte Gutglaubensschutz des Erbscheins ließen eine gegenseitige Beeinflussung der jeweiligen Gutglaubenswirkung nicht zu, da sich das Zeugnis und der Erbschein in Bezug auf den Gutglaubensschutz auf verschiedenen Ebenen bewegen.869 Diese Auffassung verkennt indessen, dass die Gutglaubenswirkung des Erbscheins, sei sie auch abstrakter Natur, d.h. sei auch irrelevant, ob der Dritte Kenntnis von der Existenz des Erbscheins hat, maßgeblich von der dem Erbschein zugrunde liegenden Vermutung abhängt (vgl. §  2366 BGB: „soweit die Vermutung des §  2365 reicht“). Aus der Vermutung, die auf den Angaben im Erbschein aufbaut, folgt beispielsweise die Berechtigung zur Verfügung, weil nur ein Dritter, der mit demjenigen, der im Erbschein als Erbe bezeichnet ist und von der Vermutungswirkung profitiert, den Gutglaubensschutz genießt. Zeitlich betrachtet kommt zunächst die Vermutung, die den Umfang der Gutglaubenswirkung bestimmt, und darauf basierend ermöglicht der abstrakte Gutglaubensschutz z.B. den gutgläubigen Erwerb eines Dritten von dem im Erbschein bezeichne­ten Erben ohne Kenntnis von der Existenz des Erbscheins. Die Aufhebung der Vermutungswirkung aufgrund von Perplexität muss sich in konsequenter Anwendung der Akzessorietät auf die Gutglaubenswirkung durchschlagen weises ist, den Nachlassgegenstand, den C von B entliehen hat, an den gutgläubigen D. Hier ist die Gutglaubenswirkung des nationalen Erbnachweises im Ergebnis irrelevant. 866  Dutta/Weber/Fornasier, Art 62 EuErbVO Rn.  20; zustimmend, aber ohne Differenzierung zwischen Vermutungs- und Gutglaubenswirkung Soutier, Die Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung, S.  301 f. 867  MüKoBGB/Dutta, Art.  62 EuErbVO Rn.  16; Dutta/Weber/Fornasier, Art.  62 EuErbVO Rn.  20; im Ergebnis auch Möller, Das Europäische Nachlasszeugnis im System des Gutglaubensschutzes, S.  256. 868  So Palandt/Weidlich, Anh. zu §§  2353 ff., Art.  69 EuErbVO Rn.  1; wohl auch im Hinblick auf die Gutglaubenswirkung aller nationalen Erbnachweise Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Kreße, Art.  62 EuErbVO Rn.  20. 869  Vgl. ausführlich Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (422 ff.).

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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und deren Wegfall bewirken. Daher ist der ersten Ansicht zu folgen, die auch wegen ihrer gesetzesnahen Lösung vorzugswürdig ist. d) Einfluss auf die Legitimationswirkung Die Legitimationswirkung ist lediglich eine besondere Ausprägung der Vermutungswirkung, die ihren Nutzen vor allem im Rechtsverkehr mit staatlichen und privaten Stellen hat. Folglich lassen sich die Grundsätze zur Vermutungswirkung auf die Legitimationswirkung übertragen. Die Legitimationswirkung vom Zeugnis sowie von den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen entfällt damit grundsätzlich wegen Perplexität. Bei der Registereintragung im Besonderen soll die lex fori des registerführenden Mitgliedstaates darüber entscheiden, wie mit divergierenden Erbnachweisen umzugehen ist.870 Da insofern die Registerbehörde regelmäßig nicht ohne weiteres einem Erbnachweis den Vorzug geben wird, bleibt es im praktischen Ergebnis beim Wegfall der Legitimationswirkung.871 2. Divergierende Europäische Nachlasszeugnisse Die Problematik divergierender Zeugnisse ist auf rein europäischer Ebene angesiedelt und die Lösung des Konflikts hat dementsprechend nicht Rücksicht auf die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu nehmen.872 Indem die divergierenden Zeugnisse gemäß Art.  69 Abs.  1 EuErbVO ihre Wirkungen in allen Mitgliedstaaten entfalten, entsteht nicht das bei der Divergenz von Zeugnis und mitgliedstaatlichem Erbnachweis auftretende Problem der fehlenden Transportation der Wirkungen. Die EuErbVO schweigt zur rechtlichen Behandlung divergierender Zeugnisse. Es ergeben sich – wie sich zeigen wird – indessen keine wesentlichen Unterschiede zur rechtlichen Behandlung der Divergenz zwischen einem Zeugnis und einem mitgliedstaatlichem Erbnachweis. a) Einfluss auf die Vermutungswirkung Widersprechen sich zwei Zeugnisse, so entfällt im Umfang des Widerspruchs die Vermutungswirkung wegen Perplexität.873 Die Plausibilität dieser Rechtsfolge folgt daraus, dass in dieser Konstellation Erbnachweise derselben Art bzw. desDörner, IPRax 2017, 81 (87). So auch Böhringer, NotBZ 2015, 281 (287 f.), der den Vorzug eines bestimmten Erbnachweises als willkürlich (in Bezug auf Grundbuchsachen) bezeichnet. 872 A.A. Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, 589 (599), der das nationale Recht des Verwendungsstaates für die Lösung des Konflikts divergierender Zeugnisse anwenden will. 873  Dutta/Herrler/Lange, Die Europäische Erbrechtsverordnung, 161 (176) mit dem Beispiel, dass einer registerführenden Stelle mehrere Zeugnisse unterschiedlichen Inhalts vorgelegt werden; MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  31; NK-BGB/Nordmeier, Art.  71 EuEr870  871 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

selben Rechtsregimes involviert sind. Keiner von ihnen kann Beweiskraft haben, andernfalls müsste einem Zeugnis der Vorrang eingeräumt werden, was einer rechtlichen Grundlage entbehrt. Die zeitliche Priorität hinsichtlich der Ausstellung kann jedenfalls keinen Maßstab bilden: Im Zeitpunkt, in dem die Vermutungswirkung relevant wird, z.B. im gerichtlichen oder behördlichen Verfahren, widersprechen sich die Zeugnisse tatsächlich. Da beide Zeugnisse nach den gleichen verfahrensrechtlichen Anforderungen der EuErbVO erlassen werden, kann auch die schwächere Legitimationskraft eines Verfahrens als Argument nicht herangezogen werden. Widersprechen sich beglaubigte Abschriften des Zeugnisses, insbesondere wegen der mangelnden Einziehungsmöglichkeit nach einer Änderung oder einem Widerruf des Zeugnisses, wird der Konflikt bereits dadurch gelöst, dass der „alten“ beglaubigten Abschrift keine Vermutungswirkung mehr zukommt.874 b) Einfluss auf die Gutglaubenswirkung Grundsätzlich gelten die gleichen Regeln wie bei der Divergenz zwischen einem Zeugnis und einem mitgliedstaatlichen Erbnachweis.875 Wenn das Zeugnis konkreten Gutglaubensschutz vermittelt, kann es nur darauf ankommen, dass es für die Entfaltung der Gutglaubenswirkung zugunsten Dritter der Kenntnis vom Zeugnis bzw. von einer beglaubigten Abschrift bedarf. Es ist irrelevant, ob es sich bei dem divergierenden Erbnachweis um ein anderes Zeugnis oder um einen mitgliedstaatlichen Erbnachweis handelt. Der konkrete Gutglaubensschutz blendet die Existenz divergierender Erbnachweise aus. Folglich kommt der Dritte, der leistet oder erwirbt, in den Genuss des Gutglaubensschutzes, wenn er mit der entsprechenden Kenntnis vom Inhalt des Zeugnisses bzw. der beglaubigten Abschrift handelt und nicht bösgläubig ist, d.h. keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Existenz des divergierenden Zeugnisses hat (Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO).876 Dabei beansprucht das zeitlich zuerst erteilte Zeugnis bVO Rn.  18; Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  536; Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  180 f.; Kousoula, Europäischer Erbschein, S.  256. 874  Siehe ausführlich unten im 3. Kap., D., III., 3., g), ee), S.  306 f. Vgl. auch MüKoBGB/ Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  32, der allerdings alle Wirkungen, also insbesondere auch die Gutglaubenswirkung, der „alten“ beglaubigten Abschrift entfallen lassen will. 875  So auch Möller, Das Europäische Nachlasszeugnis im System des Gutglaubensschutzes, S.  259. 876  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  52; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Kreße, Art.  62 EuErbVO Rn.  20; NK-BGB/Nordmeier, Art.  71 EuErbVO Rn.  18; Deixler-Hübner/ Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  34; Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (395); Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  414 f.; so schon Kousoula, Europäischer Erbschein, S.  319.

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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k­ einen Vorrang.877 Dritte werden in der Regel nicht wissen, dass ein zweites inhaltlich abweichendes Zeugnis zirkuliert und dieses sogar früher als das ihnen bekannte Zeugnis erteilt wurde. Berücksichtigt werden muss auch hier das Prioritätsprinzip bei sukzessiv erfolgten Verfügungen bezüglich desselben Nachlassgegenstandes sowie die Möglichkeit der Erfüllung sonstiger Gutglaubenstatbestände nach der lex rei sitae. c) Einfluss auf die Legitimationswirkung Die Legitimationswirkung entfällt im Umfang des Widerspruchs der Zeugnisse nach den gleichen Grundsätzen wie bei der Vermutungswirkung.878 3. Divergierende mitgliedstaatliche Erbnachweise Bei der Statuierung der Rechtsfolgen für divergierende mitgliedstaatliche Erbnachweise kommt es darauf an, ob es sich aus der Perspektive eines Mitgliedstaates, der die divergierenden Erbnachweise zu beurteilen hat, jeweils um einen inländischen, also in diesem Mitgliedstaat errichteten, oder um einen ausländischen Erbnachweis oder ob es sich um zwei inländische bzw. ausländische Erbnachweise handelt. Denn die grenzüberschreitende Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise innerhalb der EU hat wirkungsrelevante Schranken, die den Anwendungsbereich tatsächlich entscheidungserheblicher Divergenzen überaus minimiert. Da die mitgliedstaatlichen Erbnachweise in der Regel öffentliche Urkunden i.S.d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO verkörpern879, ist das Annahmeregime der EuErbVO auf diese anwendbar.880 Wenn einer Behörde etwa ein acte de notoriété und ein verklaring van erfrecht, die sich widersprechen, vorgelegt werden, kann in ErwG 66 ein leider kaum substantieller Hinweis zum Umgang mit dieser Situation erblickt werden, wobei die EuErbVO indes keine absoluten Vorrangregelungen vorgibt881. Die Behörde sollte hiernach bei miteinander unvereinbaren Urkunden eine Einzelfallbetrachtung durchführen, um festzustellen, welcher Urkunde Vorrang einzuräumen ist. Falls weiterhin Zweifel bestehen, soll ein nach der EuErbVO zuständiges Gericht oder im Falle, dass die Frage nach dem Vorrang der Urkunde als Vorfrage in einem gerichtlichen Verfahren aufgeworfen wird, das mit dem Verfahren befasste Gericht entscheiden. Nicht in den Abwä877 

MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  31. NK-BGB/Nordmeier, Art.  71 EuErbVO Rn.  18. 879  Siehe oben im 2. Kap., A., II., S.  17 ff. 880  Siehe zum Ganzen unten im 5. Kap., B., S.  399 ff. 881  jurisPK-BGB/Schärtl, Art.  59 EuErbVO Rn.  15. 878 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

gungsprozess fällt mangels Nennung im ErwG 66 die zeitliche Priorität.882 Werden dem Annahmestaat divergierende Erbnachweise aus anderen Mitgliedstaaten vorgelegt, sind die Erbnachweise bzw. ihre formelle Beweiskraft in Bezug auf die in der Urkunde bezeugten Tatsachen (vgl. Art.  59 Abs.  1 EuErbVO; die materiellrechtlichen Wirkungen, d.h. etwaige Vermutungs-, Gutglaubens- und Legitimationswirkungen der Erbnachweise können nicht grenzüberschreitend transportiert werden883) im Umfang ihres Widerspruchs nicht zu berücksichtigen; die Beweiswirkungen heben sich gegenseitig auf.884 Zweifelhaft ist allerdings schon, ob regelmäßig eine tatsächliche wirkungsrelevante Divergenz zwischen den Erbnachweisen besteht. Denn die formelle Beweiskraft bezieht sich bei den Erbnachweisen auf die Tatsache, dass z.B. der im Erbnachweis als Berechtigter Bezeichnete seine Erklärungen vor einem Notar zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgegeben hat.885 Erfasst wird nicht die in den Erbnachweisen wiedergebene Rechtslage, mithin das Ergebnis einer rechtlichen Beurteilung, das sich objektiv widerspricht (z.B. Ausweisung unterschiedlicher Erbquoten für verschiedene Personen). Es bestehen in der Regel keine Berührungspunkte zwischen den Vorgängen, die über die Erstreckung der formellen Beweiskraft grenzüberschreitende Relevanz erlangen: Dass ein Erbe in Frankreich vor einem Notar seine Erklärungen abgegeben hat und wiederum ein anderer Erbe dies in den Niederlanden vor einem Notar getan hat, sind zwei Tatsachen, die nicht widersprüchlich zueinander sind. Allenfalls ist denkbar, dass die Erbprätendenten hinsichtlich gewisser Tatsachen zum Erbfall widersprüchliche Aussagen abgegeben haben, z.B. Angabe eines unterschiedlichen Familienstands des Erblassers oder Angabe, dass man jeweils einziger Abkömmling des Erblassers ist. In solchen Fällen wird die Beweiswirkung aufgehoben und der Richter hat ohne irgendwelche Prämissen die Sachlage nach den maßgeblichen Beweisregeln zu ermitteln. Eine wirkungsrelevante Divergenz liegt jedenfalls grundsätzlich nicht vor, so dass die formelle Beweiskraft der Erbnachweise ohne weiteres auf den Annahmestaat übertragen werden kann. Die Frage nach den Rechtsfolgen bezüglich der Vermutungs-, Gutglaubens- und Legitimationswirkung 882 

NK-BGB/Makowsky, Art.  59 EuErbVO Rn.  15; Dutta/Weber/Bauer, Art.  59 EuErbVO Rn.  92. 883  Das Zusammenspiel von Erbnachweisen im Kontext der grenzüberschreitenden Verkehrsfähigkeit erfordert freilich Ausführungen dazu, welche Wirkungen insbesondere die mitgliedstaatlichen Erbnachweise in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ausstellungsstaat entfalten können. Die Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO stellt eine zentrale Thematik dar, die aus systematischen Gründen erst im 5. Kap., B., S.  399 ff. behandelt wird. 884  Vgl. MüKoBGB/Dutta, Art.  59 EuErbVO Rn.  13 sowie Dutta/Weber/Bauer, Art.  59 ­EuErbVO Rn.  92, die indessen mitgliedstaatliche Erbnachweise nicht ausdrücklich erwähnen. 885  Siehe hierzu näher unten im 5. Kap., B., IV., S.  412 ff.

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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stellt sich demzufolge erst gar nicht. Freilich bleibt aus diesem Grund der Nutzen der Erstreckung der formellen Beweiskraft nach Art.  59 Abs.  1 EuErbVO gering. Im Ergebnis müsste deshalb oftmals auf das Zeugnis zurückgegriffen werden. Liegen dem Annahmestaat allerdings ein in eben diesem Staat errichteter inländischer Erbnachweis sowie ein dazu divergierender errichteter Erbnachweis aus einem anderen Mitgliedstaat vor, darf nicht übersehen werden, dass der Erbnachweis aus dem Annahmestaat seine Wirkungen regulär entfaltet, also etwa ein acte de notoriété seine Vermutungswirkung. Auch hier muss jedoch erneut konstatiert werden, dass eine tatsächliche Divergenz zu verneinen ist. Die Erstreckung der formellen Beweiskraft des ausländischen Erbnachweises vermag den inländischen Erbnachweis nicht zu erschüttern. Stammen schließlich die divergierenden Erbnachweise aus dem gleichen Mitgliedstaat und werden sie in diesem selbst verwendet, entscheidet das Recht dieses Mitgliedstaates, wie die Divergenz aufzulösen ist.886 Da nicht die grenzüberschreitende Verkehrsfähigkeit der Erbnachweise betroffen ist, ist der Anwendungsbereich des Art.  59 EuErbVO nicht einmal eröffnet. Nach deutschem Recht etwa heben sich die Wirkungen der widersprüchlichen Erbscheine gegenseitig auf.887 Dies gilt allerdings nur für den Fall, dass die Erbnachweise im Inland verwendet werden. Werden sie in einem anderen Mitgliedstaat vorgelegt, kommt es erneut nur zur Erstreckung der formellen Beweiskraft, die keine wirkungsrelevante Divergenz nach sich zieht. Für den Sonderfall, dass der mitgliedstaatliche Erbnachweis eine verfahrensrechtliche Wirkung innehat, die über Art.  39 ff. EuErbVO grenzüberschreitend anerkannt wird, was etwa auf die Gestaltungswirkung des Einantwortungsbeschlusses zutrifft888, gelten dieselben Grundsätze zur irrelevanten Divergenz. Ein divergierender acte de notoriété beispielsweise hätte keinen Einfluss auf die im Einantwortungsbeschluss angeordnete Einantwortung und dem Vollzug der Universalsukzession. 4. Divergenz zwischen Europäischem Nachlasszeugnis und drittstaatlichem Erbnachweis Die EuErbVO regelt die Behandlung drittstaatlicher Erbnachweise nicht. Somit ist es grundsätzlich dem autonomen Recht der Mitgliedstaaten überlassen, inwiefern es den drittstaatlichen Erbnachweis akzeptiert bzw. ihm Wirkungen zuerkennt. Wird einem mitgliedstaatlichen Gericht ein Zeugnis sowie ein drittstaatli886  MüKoBGB/Dutta, Art.  59 EuErbVO Rn.  13; Dutta/Weber/Bauer, Art.  59 EuErbVO Rn.  83. 887  Siehe oben im 3. Kap., B., I., 1., a), S.  60. 888  Vgl. unten im 5. Kap., B., III., 1., S.  408 ff.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

cher Erbnachweis zugetragen, ist fraglich, welcher Erbnachweis Geltung beansprucht. Jedenfalls kann eine Wechselwirkung dergestalt, dass z.B. die Vermutungswirkung der Erbnachweise entfällt, nicht einfach angenommen werden, da die Erbnachweise unterschiedlichen Rechtsregimen unterliegen und kein Rechtsregime hinnehmen muss, dass die Wirkungen des eigenen Erbnachweises verkürzt werden.889 Dennoch sollte um der Wahrung des europäischen Entscheidungseinklangs willen dem Zeugnis Vorrang eingeräumt werden.890 Andernfalls wäre es überaus befremdlich, wenn das Gericht das Zeugnis unbeachtet lässt, so es doch seine Wirkungen in den Mitgliedstaaten einheitlich entfaltet. Das Zeugnis steht dem Gericht grundsätzlich näher als der drittstaatliche Erbnachweis: Das Gericht weiß zumindest, unter welchen Voraussetzungen das Zeugnis errichtet wurde (einheitliches Ausstellungsverfahren nach Art.  64 ff. EuErbVO i.V.m. der lex fori), kann sich mithin leichter von der inhaltlichen Richtigkeit des Zeugnisses überzeugen, während die Hintergründe der Errichtung des drittstaatlichen Erbnachweises zumeist im Argen liegen. Das Gericht könnte zwar die drittstaatliche Ausstellungsbehörde von sich aus – in aller Regel ohne jegliche gesetzliche Verpflichtung – kontaktieren, um die konkreten Umstände der Errichtung des drittstaatlichen Erbnachweises in Erfahrung zu bringen. Der Erkenntnisgewinn bleibt allerdings regelmäßig gering, wenn der kollisionsrechtliche Unterbau der Erbnachweise schon im Grundsatz so voneinander abweicht (z.B. Anknüpfung an das Heimatrecht des Erblassers durch den Drittstaat und Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers durch den Mitgliedstaat), dass sich an der Tatsache der echten Divergenz der Erbnachweise nichts zu ändern vermag. 5. Divergenz zwischen mitgliedstaatlichem Erbnachweis und drittstaatlichem Erbnachweis Bei dieser Konstellation muss unterschieden werden, in welchem Mitgliedstaat der mitgliedstaatliche Erbnachweis mit dem drittstaatlichem Erbnachweis zusammentrifft. Wird der mitgliedstaatliche Erbnachweis im Ausstellungsstaat selbst verwendet und konkurriert dort mit einem drittstaatlichen Erbnachweis, entfaltet er grundsätzlich alle Wirkungen, die ihm die mitgliedstaatliche Rechtsordnung zuweist (z.B. Verwendung eines Erbscheins in Deutschland oder eines acte de notoriété in Frankreich). Denn auch hier sollte das Gericht, das sich mit den Erbnachweisen auseinanderzusetzen hat, dem mitgliedstaatlichen Erbnach889  Bei der Divergenz zwischen Zeugnis und einem mitgliedstaatlichen Erbnachweis lässt sich aufgrund des in der EuErbVO manifestierten Prinzips der Koexistenz noch gegenteilig argumentieren. 890  So Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  624.

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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weis aus Gründen der größeren Sachnähe, die bei Verwendung im Inland naturgemäß am größten ist, wenn eine Ausstellungsbehörde aus demselben Mitgliedstaat wie das beurteilende Gericht den Erbnachweis erteilt hat, den Vorrang einräumen. Wird von der Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise Gebrauch gemacht, also ein mitgliedstaatlicher Erbnachweis in einem anderen Mitgliedstaat verwendet (z.B. Verwendung eines Erbscheins in Frankreich oder eines acte de notoriété in Deutschland) und kommt ein drittstaatlicher Erbnachweis hinzu, ist der Einfluss auf die Wirkungen des mitgliedstaatlichen Erbnachweises bereits dergestalt eingeschränkt, als nur die formelle Beweiskraft des mitgliedstaatlichen Erbnachweises betroffen ist (Art.  59 Abs.  1 EuErbVO). Am Ergebnis ändert sich gewiss nichts: Der mitgliedstaatliche Erbnachweis sollte sich auch hier gegenüber dem drittstaatlichen Erbnachweis wegen der immer noch größeren Sachnähe (Erbnachweis aus dem europäischen Rechtsraum) durch­ setzen. III. Reaktionsmöglichkeiten der Ausstellungsbehörden auf divergierende Erbnachweise Die Existenz divergierender Erbnachweise darf aufgrund der damit verbundenen Rechtsnachteile für sämtliche Erbnachweisinhaber und den Rechtsverkehr und der regelmäßig gegebenen Rechtsverletzung durch zumindest eine Ausstellungsbehörde kein Dauerzustand sein. Sobald die Ausstellungsbehörde des Zeugnisses oder des mitgliedstaatlichen Erbnachweises von dem divergierenden Erbnachweis (einem Zeugnis oder einem mitgliedstaatlichen Erbnachweis) Kenntnis erlangt, hat sie Maßnahmen zu ergreifen, die sie auch bei einer etwaigen Unrichtigkeit des Erbnachweises ergreifen würde. Divergenzen beruhen in der Regel darauf, dass einer der Erbnachweise inhaltlich unrichtig ist. Die Ausstellungsbehörde, die das Zeugnis erteilt hat, ist grundsätzlich gehalten, dieses entsprechend zu ändern oder zu widerrufen (Art.  71 Abs.  2 EuErbVO) oder zumindest die Wirkung auszusetzen (Art.  73 EuErbVO).891 Voraussetzung für die Aufhebung der Divergenz ist zunächst, dass festgestellt wird, welche in den beiden Erbnachweisen bezeugte Rechtslage der materiellen Rechtslage entspricht. Bei interner Divergenz hat die Ausstellungsbehörde auf denjenigen Erbnachweis einzuwirken, der zum letzten maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nach dem Erkenntnisstand der Ausstellungsbehörde unzutreffend ist.892 Für das Zeugnis stehen der Ausstellungsbehörde der Widerruf und die 891  MüKoBGB/Dutta, Art.  62 EuErbVO Rn.  17; jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  62 ­EuErbVO Rn.  53; Keidel/Zimmermann, FamFG, §  352 Rn.  99. 892  NK-BGB/Nordmeier, Art.  62 EuErbVO Rn.  38; Dutta/Weber/Fornasier, Art.  62 EuErbVO Rn.  21.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Änderung desselben nach Art.  71 Abs.  2 EuErbVO zur Verfügung, für den mitgliedstaatlichen Erbnachweis die entsprechenden Instrumente nach nationalem Recht (z.B. Einziehung und Kraftloserklärung des unrichtigen Erbscheins gemäß §  2361 BGB). Bei grenzüberschreitender Divergenz sollte eine Kommuni­ka­ tions­basis zwischen den Ausstellungsbehörden aufgebaut werden, damit sie in gegenseitiger Abstimmung die Divergenzen beseitigen können.893 Hierbei besteht die Besonderheit, dass aufgrund der Anwendung unterschiedlichen Kolli­ sions­rechts und des damit berufenen Sachrechts die bezeugten Rechtslagen aus der Sicht der jeweiligen Ausstellungsbehörde tatsächlich und rechtlich richtig sein können.894 In diesem Fall entbehren Widerruf und Änderung des Zeugnisses und die Instrumente nach nationalem Recht jeglicher Legitimation. Man muss sogar sagen, dass wohl keine Rechtsordnung existiert, die Möglichkeiten vorsieht, jene richtigen Erbnachweise aus dem Verkehr zu ziehen.895 Vorgeschlagen wird daher aus kautelarjuristischer Perspektive, auf den Erbnachweisen die Existenz des jeweils anderen Erbnachweises und die Reichweite der Divergenzen zu vermerken.896 So sollen die Wirkungen der Erbnachweise entfallen, soweit die Divergenzen reichen.897 Abgesehen davon, dass es dogmatisch schwer nachvollziehbar ist, inwiefern ein derartiger Vermerk dazu imstande ist, die Wirkungen der Erbnachweise entfallen zu lassen, sind die Erbnachweise ja für sich in Anwendung der für den Ausstellungsstaat geltenden Rechtsregeln korrekt.898 Es ist fragwürdig, trotz der Richtigkeit der Erbnachweise durch einen verfahrensrechtlichen Eingriff der Ausstellungsbehörden einen wechselseitigen Wirkungsentfall anzunehmen. Anzusetzen ist deshalb bereits beim Ursprung des Problems, nämlich der Überwindung noch bestehender kollisionsrechtlicher Disharmonien.899 Solange dies nicht geschehen ist, sind den Ausstellungsbehörden entweder die Hände gebunden, so dass sie trotz Kenntnis der Divergenzen untätig bleiben müssen (im Ergebnis würde beispielsweise die Entfaltung des Gutglaubensschutzes nur daran scheitern können, dass der Dritte Kenntnis von dem divergierenden Erbnachweis hat), oder sie werden aktiv und lassen durch eine verfahrensrechtliche Handlung die Wirkungen der Erbnachweise entfallen, wobei die gesetzliche Grundlage hierfür äußerst fraglich ist. De lege lata existiert eine solche nicht. jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  62 EuErbVO Rn.  53; MPI, RabelsZ 74 (2010), 522 (702). 894  Volmer, notar 2016, 323 (327). 895  Volmer, notar 2016, 323 (327). 896  NK-BGB/Nordmeier, Art.  62 EuErbVO Rn.  38. 897  NK-BGB/Nordmeier, Art.  62 EuErbVO Rn.  38. 898  Hager/Buschbaum, Die neue europäische Erbrechtsverordnung, 39 (63). 899  Vgl. hierzu unten im 6. Kap., B., III., S.  469 ff. 893 

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

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Liegen etwa zwei divergierende Zeugnisse unterschiedlicher Mitgliedstaaten vor, müsste dasjenige Zeugnis widerrufen werden, das rechtswidrig erteilt worden ist, z.B. aufgrund der Verletzung des Zuständigkeitsregimes der EuErbVO.900 Hier ist bereits fraglich, welche Ausstellungsbehörde von sich aus beginnt, über die Unrichtigkeit der Ausstellung des Zeugnisses nachzuforschen und schließlich den entsprechenden Widerruf zu erlassen. Eine konforme und einfache Kommunikation zwischen den Ausstellungsbehörden ist unabdingbare Voraussetzung für die Lösung des Konflikts. Notfalls müssen im Rahmen eines streitigen Verfahrens, z.B. einer Erbenfeststellungsklage, zwischen den Erbprätendenten, die bei der Erteilung des Zeugnisses und des mitgliedstaatlichen Erbnachweises einbezogen wurden, die Divergenzen aufgehoben werden, wobei sich die internationale Zuständigkeit der Gerichte nach Art.  4 ff. EuErbVO richtet.901 Das Erbenfeststellungsurteil hat grundsätzlich Bindungswirkung und muss wegen Art.  39 Abs.  1 EuErbVO von den Mitgliedstaaten anerkannt werden.902 Die Ausstellungsbehörde muss folglich in einem nachfolgenden Änderungs- oder Widerrufsverfahren oder einem entsprechenden Verfahren des nationalen Rechts das verfahrensrechtliche Ergebnis von Rechts wegen beachten, so dass die Divergenzen effektiv beseitigt werden. Aufgrund der Zuständigkeitskonzentration dürften der Eintritt von Divergenzen und damit die Frage nach deren Beseitigung allerdings selten praktisch relevant werden. Was schließlich die Reaktionsmöglichkeiten bei den anderen Konstellationen der Divergenzen betrifft, muss festgestellt werden, dass eine konkrete Handlungsanordnung nicht gegeben werden kann. Es ist schwer vorstellbar, dass bei divergierenden mitgliedstaatlichen Erbnachweisen eine der mitgliedstaatlichen Ausstellungsbehörde „freiwillig“ ihren ausgestellten Erbnachweis zurückzieht, insbesondere da in aller Regel aus Sicht dieses Mitgliedstaates der Erbnachweis richtig ausgestellt wurde. Erst recht muss dies für die Konstellationen gelten, in denen ein drittstaatlicher Erbnachweis involviert ist. Auch der Drittstaat wird kaum seinen Erbnachweis zurücknehmen, vor allem wenn seine Zuständigkeit für die Ausstellung des drittstaatlichen Erbnachweises anders begründet wird, etwa mit der Belegenheit von Nachlassvermögen im Drittstaat, als mit dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers, wie dies für das Zeugnis und die mitgliedstaatlichen Erbnachweise der Fall ist. Wie gesehen, ist das Ergreifen einer der Divergenz entgegenwirkenden Handlung jedenfalls aus Sicht der Mit900 

NK-BGB/Nordmeier, Art.  71 EuErbVO Rn.  17. Volmer, notar 2016, 323 (328); Döbereiner, NJW 2015, 2449 (2553); Dorsel, ZErb 2014, 212 (223). 902  Wall, ZErb 2015, 9 (16); vgl. näher zur Bindungswirkung zivilgerichtlicher Urteile für das Zeugnisverfahren unten im 4. Kap., D., II., 2., S.  385 ff. 901 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

gliedstaaten nicht erforderlich, weil das Zeugnis und die mitgliedstaatlichen Erbnachweise Vorrang vor dem drittstaatlichen Erbnachweis genießen. IV. Wirkungsentfaltung nach Aufhebung des als unrichtig festgestellten divergierenden Erbnachweises Hat die Ausstellungsbehörde den Zustand der Divergenz von Erbnachweisen aufgehoben, indem sie denjenigen Erbnachweis, den sie als inhaltlich unrichtig festgestellt hat, aus dem Rechtsverkehr gezogen hat (z.B. durch Widerruf eines Zeugnisses nach Art.  71 Abs.  2 EuErbVO), entfaltet der jeweils übriggebliebene, unversehrte Erbnachweis (z.B. ein Erbschein) seine Wirkungen (wieder) vollständig. Denn die Wirkungen dieses Erbnachweises werden nicht mehr durch die Existenz eines anderen divergierenden Erbnachweises aufgestört. Zu beachten ist beim Zeugnis, dass das Wiederaufleben der Vermutungs- und Legitimations einer beglaubigten Abschrift des Zeugnisses bis zum Ablauf der Gültigkeitsfrist (Art.  70 Abs.  3 S.  1 EuErbVO) begrenzt ist (insoweit stellt sich dieses Problem z.B. beim unbefristet geltenden Erbschein nicht). Es ist demnach nicht auszuschließen, dass nach der etwaigen Einziehung des Erbscheins die beglaubigte Abschrift des Zeugnisses schon keine Wirkungen mehr entfalten kann. Es müsste dann eine neue beglaubigte Abschrift beantragt werden. In diesem Zusammenhang stellt sich aus Sicht des deutschen Rechts (für die anderen Mitgliedstaaten sollte Ähnliches gelten) die Problematik, ob ein gutgläubiger Erwerb vom Erbscheinserben mit rückwirkender Kraft möglich ist, wenn das divergierende Zeugnis mit dem Widerruf durch die Ausstellungsbehörde wegfällt. Nach einer Ansicht soll nach Wegfall einer der widersprüchlichen Erbscheine dem übrig gebliebenen inhaltlich unrichtigen Erbschein – es ist nämlich niemals ausgeschlossen, dass der übrig gebliebene Erbschein weiterhin unrichtig ist – rückwirkend öffentlicher Glaube zugewiesen werden, so dass eine zunächst unwirksame Verfügung automatisch wirksam wird.903 Zur Begründung wird angeführt, dass der Rechtsscheinstatbestand des nunmehr alleinigen Erbscheins erstarkt und der Erbschein die erneute Verfügung zu einem späteren Zeitpunkt ohnehin decken würde.904 Zudem wird der Dritte auch ohne Kenntnis vom Erbschein durch den öffentlichen Glauben geschützt.905 Tatsächlich bedingt der abstrakte Gutglaubensschutz des Erbscheins die Zulässigkeit der Rück903 

MüKoBGB/Grziwotz, §  2366 Rn.  7; Soergel/Zimmermann, §  2366 Rn.  4; a.A. Palandt/ Weidlich, §  2366 Rn.  3; Staudinger/Herzog, §  2366 Rn.  36; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, §  2366 Rn.  19; Schlinker/Zickgraf, JuS 2013, 876 (877); Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  137. 904  MüKoBGB/Grziwotz, §  2366 Rn.  7. 905  Olzen/Looschelders, Erbrecht, S.  300 in Fn.  214.

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

261

wirkung: Wenn der Dritte ohne Kenntnis vom Erbschein von dessen Wirkungen nicht profitieren kann, wenn widersprechende Erbscheine im Rechtsverkehr zirkulieren, dann muss der Dritte rückwirkend in den Genuss des öffentlichen Glaubens kommen, da der Dritte ebenfalls regelmäßig keine Kenntnis von der Beseitigung des Erbscheins hat. Fraglich ist im Kontext des Zeugnisses, ob eine Rückwirkung des öffentlichen Glaubens auch beim Zusammenspiel von Zeugnis und Erbschein eintritt. Wird der Erbschein aufgrund der Divergenz eingezogen, da dieser sich als unrichtig herausstellt, stellt sich die Frage nach der Rückwirkung des öffentlichen Glaubens beim Zeugnis angesichts des Umstandes nicht, dass nicht einmal die Divergenz den Gutglaubensschutz durch das Zeugnis entfallen lässt.906 Wird indes das Zeugnis widerrufen, sollte auch dem Erbschein rückwirkend öffentlichen Glauben beigelegt werden. Für eine unterschiedliche Handhabung widersprechender Erbscheine und eines Widerspruchs zwischen Zeugnis und Erbschein und deren Einfluss auf den nach Aufhebung der Divergenz übriggebliebenen Erbschein sind keine Gründe ersichtlich. Vielmehr ist das Zeugnis vollständig in die deutsche Rechtsordnung zu implementieren, soweit keine Wertungswidersprüche entstehen, die vorliegend nicht gegeben sind. Korrespondierend mit der Einheit der Rechtsordnung ist ein Gleichlauf hinsichtlich der Lösung dieses Konflikts angezeigt. Mit dem Wegfall des Zeugnisses wird der Rechtsschein des Erbscheins nicht mehr beeinträchtigt und kann sich demnach voll entfalten. V. Einfluss inhaltlicher Konvergenz auf die Wirkungen der Erbnachweise Die parallele Existenz zweier oder mehrerer Erbnachweise bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie inhaltlich divergieren müssen. Das Gegenteil gilt vielmehr: Im Regelfall stimmen die Erbnachweise überein, insbesondere wenn das Zeugnis und der mitgliedstaatliche Erbnachweis zeitgleich oder in engem zeitlichem Zusammenhang beantragt werden und wegen der Zuständigkeitskonzentration die Erbnachweise von der identischen Ausstellungsbehörde ausgestellt werden. Auch im Falle inhaltlicher Konvergenz zwischen den Erbnachweisen muss die Frage nach der Wirkungsentfaltung der Erbnachweise gestellt werden. Grundsätzlich fällt die Statuierung von Rechtsfolgen hier nicht sonderlich schwer. Denn die Last, die Wirkungen der Erbnachweise gegenseitig einschränken zu müssen, entsteht nicht. Für die folgende Betrachtung gilt wie bei der Erörterung des Einflusses von Divergenzen auf die Wirkungen der Erbnachweise die Prämisse, dass der mitgliedstaatliche Erbnachweis Vermutungs-, Gutglaubens- und Legitimationswirkung entfaltet. 906 

Siehe oben im 3. Kap., C., II., 1., c), S.  246 ff.

262

Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

1. Inhaltliche Konvergenz von Europäischem Nachlasszeugnis und mitgliedstaatlichem Erbnachweis Korrespondieren ein Zeugnis und ein mitgliedstaatlicher Erbnachweis inhaltlich, liegt also nur ein Fall der unechten Divergenz vor, muss aufgrund des Prinzips der Koexistenz und der Grundsätze der Parallelität und Alternativität auch die parallele und alternative Wirkungsentfaltung beider Erbnachweise je für sich zulässig sein. Da die Erbnachweise die identische materiellrechtliche Rechtslage bezeugen, bleibt kein Raum für eine gegenseitige Einschränkung in den Wirkungen. Eine Superiorität des Zeugnisses ist aufgrund des Prinzips der Koexistenz abzulehnen. Die Wirkungen des Zeugnisses setzen sich gegenüber denen des mitgliedstaatlichen Erbnachweises nicht automatisch durch. a) Einfluss auf die Vermutungswirkung Das Zeugnis und der mitgliedstaatliche Erbnachweis entfalten je für sich Vermutungswirkung. Während das Zeugnis diese in allen Mitgliedstaaten entfaltet, beschränkt sich die Vermutungswirkung des mitgliedstaatlichen Erbnachweises auf den Inlandsverkehr. Eine Wirkungserstreckung der Vermutungswirkung des mitgliedstaatlichen Erbnachweises nach Art.  39 ff., 59 EuErbVO auf die anderen Mitgliedstaaten ist nicht möglich.907 Werden das Zeugnis und der mitgliedstaatliche Erbnachweis also in einem Mitgliedstaat, aus dem der mitgliedstaatliche Erbnachweis nicht stammt, verwendet, greift wegen Art.  69 Abs.  1 EuErbVO nur die Vermutungswirkung des Zeugnisses ein. Da das Zeugnis in Bezug auf die Reichweite der Vermutungswirkung über den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen steht, sollte sich die Vermutungswirkung des Zeugnisses in der Praxis sowohl im inländischen als auch im grenzüberschreitenden Verkehr durchsetzen. Am Ende obliegt es dem Erbnachweisinhaber, welchen Erbnachweis er z.B. vor einem Gericht einbringt. Eine alternative Berufung auf den mitgliedstaatlichen Erbnachweis mit der im Vergleich zum Zeugnis schwächeren Vermutungswirkung ist trotzdem möglich. b) Einfluss auf die Gutglaubenswirkung aa) Alternativität der Berufung auf die Gutglaubenswirkung Auch hinsichtlich des europäischen und nationalen Gutglaubensschutzes muss eine alternative Berufung zugelassen werden.908 Gemäß dem Ziel, die internatio907 

Vgl. näher unten im 5. Kap., B., S.  399 ff. Vgl. MüKoBGB/Dutta, Art.  62 EuErbVO Rn.  13; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  40; NK-BGB/Nordmeier, Art.  62 EuErbVO Rn.  35; Dutta/Herrler/Lange, Die Europäische Erbrechtsverordnung, 161 (176); Dörner, IPRax 2017, 81 (87); Möller, 908 

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

263

nale Nachlassabwicklung zu erleichtern, ist diese sogar unerlässlich. Der praktische Fall ist, dass das Zeugnis und der mitgliedstaatliche Erbnachweis von der Ausstellungsbehörde eines Mitgliedstaates erteilt wurden und sich der Erbnachweisinhaber der Inlandswirkung des Zeugnisses zunutze macht. Die Transportation der Gutglaubenswirkung des mitgliedstaatlichen Erbnachweises über die Grenzen des Ausstellungsstaates hinaus ist – wie im Hinblick auf die Vermutungswirkung – nicht möglich. 909 Die Frage nach der Alternativität der Berufung auf die Gutglaubenswirkung stellt sich daher im grenzüberschreitenden Kontext nicht. Verfügt ein Scheinerbe über einen Nachlassgegenstand und ist er Inhaber eines Zeugnisses und eines mitgliedstaatlichen Erbnachweises, die beide jeweils die Erbenstellung bezeugen, muss alternativ geprüft werden, ob durch die Gutglaubenswirkung des einen oder anderen Erbnachweises die fehlende Verfügungsberechtigung überwunden wird. Regelmäßig wird die Berufung auf das Zeugnis aufgrund seiner umfassenden Gutglaubenswirkung vorteilhafter sein, sicher jedenfalls dann, wenn der parallel existierende Erbnachweis keine Gutglaubenswirkung entfaltet und die Rechtsordnung, aus der der Erbnachweis stammt, keine anderen Regelungsmechanismen zum gutgläubigen Erwerb bereithält. Bei Vorliegen eines Erbscheins mag die Berufung auf diesen günstiger sein. So ist dort die grob fahrlässige Unkenntnis von der Unrichtigkeit des Erbscheins unschädlich und entfaltet der Erbschein abstrakten Gutglaubensschutz. Entfällt die Gutglaubenswirkung des Zeugnisses aufgrund der grob fahrlässigen Unkenntnis des Dritten von der Unrichtigkeit des Zeugnisses, so kann sich der Dritte nach dem Günstigkeitsprinzip910 auf die Gutglaubenswirkung des Erbscheins berufen, selbst wenn er die Unrichtigkeit des Erbscheins grob fahrlässig verkannt hat.911 Mehr noch erscheint die Durchsetzung der stärkeren Wirkung in dieser Konstellation zwingend, so dass weder der Scheinerbe noch der Dritte die Entfaltung der Gutglaubenswirkung des Erbscheins ausschalten können, etwa aus dem Grund, dass beide übereinstimmend den Erwerb rückgängig machen wollen912: Da der Erbschein abstrakten Gutglaubensschutz entfaltet und deshalb bei Das Europäische Nachlasszeugnis im System des Gutglaubensschutzes, S.  251; in Bezug auf das Zeugnis und den deutschen Erbschein Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (421 f.). 909  Vgl. unten im 5. Kap., B., III., S.  408 ff. und 5. Kap., B., IV., S.  412 ff. 910  So zutreffend Schauer/Scheuba/Schauer, Europäische Erbrechtsverordnung, 73 (96); Schauer, EF-Z 2012, 245 (250); ähnlich Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (421 f.). 911  Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Kreße, Art.  62 EuErbVO Rn.  22; MüKoBGB/Dutta, Art.  62 EuErbVO Rn.  13. 912  Vgl. zur absoluten Wirkung der Gutglaubenswirkung des Zeugnisses im 3. Kap., B., II., 3., f), S.  155 f. sowie des Erbscheins im 3. Kap., B., II., 1., e), S.  101.

264

Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Abwicklung des Rechtsgeschäfts nicht vorgelegt werden muss oder der Dritte Kenntnis von ihm haben muss, ist in dem Moment, in dem der Erwerb gemäß Art.  69 Abs.  4 EuErbVO wegen der grob fahrlässigen Unkenntnis des Dritten scheitert, regelmäßig zugleich der gutgläubige Erwerb gemäß §  2366 BGB erfüllt, sofern dessen Voraussetzungen im Gesamten und die übrigen Erwerbsvoraussetzungen erfüllt sind. Gegen die alternative Berufung wird indessen eingewendet, sie setze den Anreiz, sich mit mehreren Erbnachweisen auszustatten, um von den Wirkungen kumulativ zu profitieren, was der Intention der EuErbVO zuwiderlaufe.913 Führt die EuErbVO indes das Zeugnis als optionales Rechtsinstrument ein, muss sie auch hinnehmen, dass die antragsberechtigten Personen mehrere Erbnachweise beantragen, sofern sie darin die Chance sehen, ihre Interessen in der Nachlassabwicklung optimaler durchsetzen zu können.914 In der Tat werden solche Fälle in der Praxis überschaubar sein, da die Aussicht, zwei Ausstellungsverfahren durchlaufen zu müssen und die entsprechenden Kosten aufzuwenden, einem Erben Bedenken geben und ihn dazu veranlassen wird, sich für einen Erbnachweis zu entscheiden. Zudem wäre die Beantragung mehrerer Erbnachweise erst sinnvoll, wenn der mitgliedstaatliche Erbnachweis gegenüber dem Zeugnis wesentlich attraktivere Wirkungen zeitigt.915 bb) Keine Kombination von Tatbestandselementen des europäischen und nationalen Gutglaubensschutzes Die Kombination verschiedener Tatbestandselemente des europäischen und des nationalen Gutglaubensschutzes ist ausgeschlossen.916 Es geht hierbei einzig um den jeweiligen erbrechtlichen Gutglaubensschutz, also um einen in sich geschlossenen Gutglaubenstatbestand; der Rückgriff auf andere nationale Gutglaubenstatbestände, zuvörderst zur Überwindung fehlenden Eigentums, ist zulässig.917 Eine Kombination von Tatbestandselementen könnte dergestalt aussehen, dass bestimmte Rechtshandlungen nur auf europäischer Ebene geschützt werden 913 

jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  62 EuErbVO Rn.  54. Ähnlich Möller, Das Europäische Nachlasszeugnis im System des Gutglaubensschutzes, S.  253. 915  Vgl. auch Laukemann, in: Hess/Bergström/Storskrubb, EU civil justice, 2016, 161 (170), der in Sorge potentieller Verwirrungen im Rechtsverkehr infrage stellt, ob ein legitimes Bedürfnis für die Beantragung eines nationalen Erbnachweises besteht, wenn dieser hinter den Wirkungen des Zeugnisses zurückbleibt. 916  Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  40; Schauer, EF-Z 2012, 245 (250); Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  317. 917  Vgl. oben im 3. Kap., B., II., 3., g), S.  156 ff. 914 

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

265

und nicht auf nationaler Ebene, so dass man für dieses Tatbestandsmerkmal auf das europäische Recht zurückgreift. Andererseits unterliegt die Redlichkeit beim Zeugnis strengeren Maßstäben, womit die Berufung auf nationales Recht, das z.B. nur positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Erbnachweises als schädlich ansieht, günstiger wäre. Eine solche Vermischung – geschützte Rechtshandlung aus dem europäischen Recht und Anforderungen an die Redlichkeit des Dritten etwa aus dem deutschen Recht – erzeugt indes Rechtsunsicherheit und ist daher unzulässig. Sie missachtet ferner die sekundärrechtliche Tatbestandswirkung des Zeugnisses, die sich in Form der Gutglaubenswirkung nur dann voll entfalten kann, wenn alle zugehörigen Voraussetzungen des europäischen Rechts erfüllt sind (das natürlich an sich Bestandteil der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung ist). Die Surrogation durch Tatbestandsmerkmale des nationalen Rechts vermag die sekundärrechtliche Tatbestandswirkung nicht zu aktivieren. Außerdem würden durch eine Surrogation einzelner Tatbestandsmerkmale die Wertungen des Unionsgesetzgebers umgangen, beispielsweise die strengen Anforderungen an die Redlichkeit des Dritten. Durch das nationale Recht eine Hintertür zu öffnen, entspricht somit erkennbar nicht dem Willen des Unionsgesetzgebers. cc) Unterschiedliche Schutzwürdigkeit des Rechtsverkehrs – Wertungswiderspruch? Es mag auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen, weshalb z.B. ein Zeugnis und ein Erbschein, obwohl sie beide im deutschen Rechtsverkehr Gutglaubenswirkung entfalten, den Rechtsverkehr in seiner Schutzwürdigkeit unterschiedlich einstufen. Während der Erbschein aufgrund seines abstrakten Gutglaubensschutzes und der hohen Anforderungen an die Bösgläubigkeit den Rechtsverkehr überaus stark begünstigt, ergibt sich bei der Verwendung des Zeugnisses wegen des konkreten Gutglaubensschutzes und der zusätzlichen Schädlichkeit grob fahrlässiger Unkenntnis von der Unrichtigkeit des Zeugnisses ein schwächerer Schutz des Rechtsverkehrs. Jedenfalls unterscheiden sich die Erbnachweisverfahren nicht wesentlich voneinander. Eine stärkere Legitimation aufgrund eines zuverlässigeren Verfahrens kommt nicht in Betracht. Die unterschiedliche Behandlung des Rechtsverkehrs ist vielmehr zwingende Konsequenz des Prinzips der Koexistenz. Wenn das Zeugnis und die mitgliedstaatlichen Erbnachweise miteinander koexistieren sollen, dürfen sie sich in ihren Wirkungen – vor allem bei inhaltlicher Konvergenz der Erbnachweise – nicht gegenseitig tangieren. Der europäische Hintergrund des Zeugnisses bzw. die europäische Wertung hinter dem Gutglaubensschutz des Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO ist isoliert zu betrachten und zu respektieren, sofern ein Erbe sich auf diesen beruft. Gleichermaßen muss auch die deutsche Wertung hinter dem Gutglaubensschutz des Erb-

266

Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

scheins nach §§  2366, 2367 BGB respektiert werden, wenn die Inanspruchnahme der Gutglaubenswirkung des Erbscheins in Rede steht. Das bedeutet mithin, dass der Gutglaubensschutz trotz „einheitlichem“ Rechtsverkehr gespalten zu beurteilen ist. Für den Rechtsverkehr, der sich dessen bewusst ist, ist es daher von besonderem Interesse, unter welchem Erbnachweisregime er mit einem Erben Rechtsgeschäfte über den Nachlass schließt, was sich letztlich aus seiner Sicht in einem wünschenswerten Vorlagerecht manifestiert, das es – wie gesehen – jedoch grundsätzlich nicht gibt. c) Einfluss auf die Legitimationswirkung Es gilt für die Legitimationswirkung das zur Vermutungswirkung Gesagte entsprechend. Insbesondere kommt der Legitimationswirkung des mitgliedstaatlichen Erbnachweises im grenzüberschreitenden Verkehr keine Relevanz zu. Für den inländischen Verkehr lässt sich als Beispiel der Nachweis der Erbfolge in §  35 Abs.  1 S.  1 GBO anführen. Der Antragsteller kann sich nach dieser Vorschrift vor dem Grundbuchamt mit einem Erbschein oder einem Zeugnis legitimieren. Da die Legitimationswirkung geradlinig und singulär wirkt, d.h. lediglich den Nachweis der jeweiligen erbrechtlichen Rechtsstellung erbringt, existieren keine unterschiedlichen Intensitätsebenen zwischen dem mitgliedstaatlichen Erbnachweis und dem Zeugnis, so dass die alternative Berufung auf die Legitimationswirkung der Erbnachweise völlig unproblematisch ist, ja gar nicht einmal einen Nutzen hat. Dies folgt daraus, dass die Rechtsfolge aufgrund der verfahrensrechtlichen Gleichstellung des Zeugnisses und des mitgliedstaatlichen Erbnachweises (wie in §  35 Abs.  1 S.  1 GBO) letztlich identisch ist. 2. Inhaltlich konvergierende Europäische Nachlasszeugnisse Dass zwei inhaltlich konvergierende Zeugnisse bestehen, sollte einen äußerst seltenen Fall bilden. Am ehesten könnten inhaltlich konvergierende Zeugnisse auftreten, wenn sich zwei Ausstellungsbehörden desselben Mitgliedstaates für die Ausstellung des Zeugnisses örtlich zuständig halten und daraufhin jeweils ein Zeugnis ausstellen, dem insbesondere das gleiche Erbstatut zugrunde liegt. Stellen jedoch Ausstellungsbehörden aus verschiedenen Mitgliedstaaten jeweils ein Zeugnis aus, wenden sie aufgrund des Gleichlaufprinzips grundsätzlich ihr eigenes Recht auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen an. Dann liegt nicht inhaltliche Konvergenz, sondern Divergenz vor. Auf die Wirkungen der Zeugnisse hat die inhaltliche Konvergenz keinen besonderen Einfluss: Jedes Zeugnis entfaltet seine Wirkungen gemäß Art.  69 Abs.  1 EuErbVO in allen Mitgliedstaaten uneingeschränkt. Mangels Widerspruchs bleibt für eine gegenseitige Beschränkung der Wirkungen kein Raum. Dennoch sollte das Zeugnis von dem tatsächlich ört-

C. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext

267

lich unzuständigen Gericht widerrufen werden, um den gewünschten und rechtmäßigen Zustand – die Zirkulation eines Zeugnisses bzw. seiner beglaubigten Abschriften von der (einzigen) zuständigen Ausstellungsbehörde – wiederherzustellen. 3. Inhaltlich konvergierende mitgliedstaatliche Erbnachweise Auch im Hinblick auf mitgliedstaatliche Erbnachweise muss Ähnliches wie für die parallele Existenz von Zeugnissen konstatiert werden, weil die Kollisionsnormen der EuErbVO in Gänze ebenso für die Ausstellung mitgliedstaatlicher Erbnachweise und die Zuständigkeitsnormen der EuErbVO mit Ausnahme der mitgliedstaatlichen Erbnachweise, die nicht durch ein Gericht ausgestellt werden (vgl. ErwG 20), gelten. Es dürfte wegen der Maßgeblichkeit unterschiedlichen Erbstatuts kaum vorkommen, dass Erbnachweise aus verschiedenen Mitgliedstaaten inhaltlich übereinstimmen. Sofern dieser Fall eintritt, entfaltet jeder Erbnachweis zunächst in seinem Ausstellungsstaat seine Wirkungen vollständig. Im grenzüberschreitenden Verkehr beschränkt sich der Nutzen von jedem Erbnachweis auf die Transportation seiner verfahrensrechtlichen Wirkungen (nach Art.  39 ff. EuErbVO etwa für den Einantwortungsbeschluss) und formellen Beweiskraft (nach Art.  59 Abs.  1 EuErbVO bei den meisten anderen mitgliedstaatlichen Erbnachweisen). Damit zeigt sich, dass die Behandlung von mitgliedstaatlichen Erbnachweisen im Hinblick auf eine inhaltliche Konvergenz oder Divergenz nicht unterschiedlich ausfällt: Selbst bei divergierenden mitgliedstaatlichen Erbnachweisen aus verschiedenen Mitgliedstaaten werden die verfahrensrechtlichen Wirkungen und die formelle Beweiskraft transportiert.918 Stammen die inhaltlich konvergierenden mitgliedstaatlichen Erbnachweise aus demselben Mitgliedstaat, hat das Recht dieses Mitgliedstaates zu entscheiden, wie dieser Zustand verfahrensrechtlich und wirkungsrechtlich zu behandeln ist. 4. Inhaltliche Konvergenz zwischen Europäischem Nachlasszeugnis und drittstaatlichem Erbnachweis Sofern neben einem Zeugnis ein drittstaatlicher Erbnachweis tritt, muss gesehen werden, dass jeder Mitgliedstaat autonom über die Geltung des drittstaatlichen Erbnachweises entscheidet, wohingegen das Zeugnis uneingeschränkte Geltung in allen Mitgliedstaaten gemäß Art.  69 Abs.  1 EuErbVO beansprucht. Weder die Wirkungen des Zeugnisses noch des drittstaatlichen Erbnachweises werden aus diesem Grunde tangiert. Selbst bei einer Divergenz ist dem Zeugnis Vorrang ein-

918 

Siehe oben im 3. Kap., C., II., 3., S.  253 ff.

268

Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

zuräumen.919 In Bezug auf den drittstaatlichen Erbnachweis ist es allerdings ungewiss und vom mitgliedstaatlichen Recht abhängig, ob dessen Wirkungen in den jeweiligen Mitgliedstaat transportiert werden. 5. Inhaltliche Konvergenz zwischen mitgliedstaatlichem Erbnachweis und drittstaatlichem Erbnachweis Die Wirkungen des mitgliedstaatlichen Erbnachweises entfalten sich im Ausstellungsstaat selbst vollständig. Für den grenzüberschreitenden Verkehr sind erneut die Konsequenzen der Art.  39 ff., 59 EuErbVO zu beachten. Der drittstaatliche Erbnachweis hat keinen Einfluss auf die Wirkungen des mitgliedstaatlichen Erbnachweises, denn wie in Bezug auf das Verhältnis von Zeugnis und drittstaatlichem Erbnachweis muss selbst bei einer Divergenz zwischen mitgliedstaatlichem und drittstaatlichem Erbnachweis der erstere Erbnachweis vorgezogen werden.920 Die Reichweite der Verkehrsfähigkeit des drittstaatlichen Erbnachweises hängt auch hier vom jeweiligen mitgliedstaatlichen Recht ab. VI. Ergebnis Divergierende Erbnachweise werden bisweilen auf national-europäischer Ebene auftauchen, aber die praktische Relevanz dieses unerwünschten Zustandes sollte in Anbetracht der durchaus effektiven Schutzmechanismen der EuErbVO nicht überbewertet werden.921 Für den Erben wird die Divergenz zwischen Zeugnis und mitgliedstaatlichem Erbnachweis regelmäßig den Verlust der Vermutungsund Legitimationswirkung bedeuten. Für den Rechtsverkehr wird sich dieses Problem in Grenzen halten, da das Zeugnis jedenfalls seinen Gutglaubensschutz grundsätzlich weiterhin zu entfalten vermag. Dieser Umstand illustriert die Vorteilhaftigkeit des Zeugnisses gegenüber solchen mitgliedstaatlichen Erbnachweisen, die den Gutglaubensschutz vom Bestand der Vermutungswirkung abhängig machen. Wem eine beglaubigte Abschrift des Zeugnisses vorgelegt wird, kann sich zumindest sicher sein, dass der Gutglaubensschutz von etwaigen inhaltlich abweichenden Erbnachweisen unberührt bleibt, solange diese Person – auf der nachgelagerten Stufe – nicht bösgläubig ist. Die weiteren vielschichtigen Konstellationen divergierender Erbnachweise im rein nationalen Bereich und im drittstaatlichen Kontext entpuppen sich als nicht besonders folgenschwer, da den Divergenzen in aller Regel keine Wirkungsrelevanz zukommt und dem Zeugnis und den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen Vorrang vor drittstaatlichen Erb919 

Siehe oben im 3. Kap., C., II., 4., S.  255 f. Siehe oben im 3. Kap., C., II., 5., S.  256 f. 921  So auch Geimer/Schütze/Dorsel, Art.  62 EuErbVO Rn.  21. 920 

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

269

nachweisen eingeräumt werden sollte. Auf der anderen Seite mag ein Zusammenspiel inhaltlich konvergierender Erbnachweise, namentlich von Zeugnis und mitgliedstaatlichem Erbnachweis, die Möglichkeiten des Erben und des Rechtsverkehrs in der Nachlassabwicklung im Ausstellungsstaat erweitern.

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung Die durch den Gutglaubensschutz der Erbnachweise verursachten Rechtsänderungen zulasten des wahren Berechtigten können für diesen in wirtschaftlicher und ideeller Hinsicht922 gravierend sein. Solange keine Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des Erbnachweises bestehen, perpetuiert sich der Erbnachweis als Rechtsscheinsträger im Rechtsverkehr. In dem Moment, in dem gewichtige Hinweise für die Unrichtigkeit des Erbnachweises bekannt werden – sei es der Ausstellungsbehörde, einem Erbprätendenten oder einem sonstigen Nachlassbeteiligten – und die Unrichtigkeit in einem dazu geeigneten Verfahren festgestellt wird, muss der Erbnachweis in seiner jetzigen Form seinen Geltungsanspruch verlieren, um die Täuschung des Rechtsverkehrs über die unrichtige Rechtslage zu unterbinden und die wahre Rechtslage nach außen zu manifestieren. Auch der Erbnachweisinhaber selbst kann durch die Unrichtigkeit Rechtsnachteile erleiden, wenn z.B. ein nicht der wahren Rechtslage entsprechender (reduzierter) Umfang seiner Rechte und Befugnisse zu seinen Lasten vermutet wird. Insofern setzt sich mit den Eingriffsmaßnahmen die materielle Gerechtigkeit gegenüber den Interessen des fortbestehenden Verkehrsschutzes durch.923 Im Kontext der Wirkungskonzeption ist von besonderem rechtlichen Interesse, welchen Einfluss die im nationalen und europäischen Recht vorgesehenen Maßnahmen auf die Wirkungen der Erbnachweise haben. I. Deutschland Das deutsche Recht behilft sich bei unrichtigen Erbscheinen mit der Einziehung und Kraftloserklärung gemäß §  2361 BGB. Daneben hat der wahre Erbe die Möglichkeit, mittels Herausgabeklage gemäß §  2362 Abs.  1 BGB den unrichtigen Erbschein aus dem Rechtsverkehr zu schaffen.

922  Der Verlust des Eigentums kann durch Ausgleichsansprüche nur wirtschaftlich kompensiert werden. Bei Nachlassgegenständen mit persönlichem Einschlag stehen das Eigentum und der Besitz im Vordergrund und nicht z.B. ein an deren Stelle tretender Herausgabeanspruch auf das durch die Verfügung Erlangte, das in aller Regel in einer Geldleistung besteht. 923  So aus deutscher Sicht Weiß, Rpfleger 1984, 389 (390).

270

Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

1. Einziehung oder Kraftloserklärung des unrichtigen Erbscheins, §  2361 BGB Das Verfahren zur Einziehung oder Kraftloserklärung des unrichtigen Erbscheins nach §  2361 BGB ist ein adäquates Mittel, um auf nachträgliche Tatsachen und Umstände zu reagieren, die zu einer abweichenden Beurteilung der materiellrechtlichen Lage, wie sie noch im Erbschein festgehalten ist, führen.924 Es gilt im Besonderen, die von dem unrichtigen Erbschein ausgehenden Wirkungen im Rechtsverkehr zu beseitigen. a) Unrichtigkeit des Erbscheins Voraussetzung für die Einziehung oder Kraftloserklärung ist zunächst die Unrichtigkeit des Erbscheins (§  2361 S.  1 BGB). Die Auslegung und Reichweite dieses Begriffs ist streitig und wird vor allem von den Obergerichten nicht einheitlich gesehen. Der BGH legt den Begriff extensiv aus und argumentiert damit, dass die Einziehung des Erbscheins das Pendant zu seiner Erteilung darstellt. Deshalb vertritt der BGH, dass der Erbschein unrichtig ist, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung nicht mehr gegeben sind.925 Andere Gerichte paraphrasieren die Unrichtigkeit damit, dass die Voraussetzungen für die Erteilung des Erbscheins ursprünglich bereits nicht gegeben waren oder nachträglich nicht mehr vorhanden sind926 oder dass das Nachlassgericht den Erbschein aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr erteilen dürfte, wenn es jetzt über die Erteilung zu entscheiden hätte, weil die zur Begründung des Erbscheinsantrags erforderlichen Umstände und Tatsachen nicht mehr als festgestellt zu erachten sind927. Wenigstens muss die Unrichtigkeit des Erbscheins positiv feststehen, d.h. reine Zweifel können eine Einziehung nicht rechtfertigen.928 Insoweit muss die Überzeugung des Nachlassgerichts von der Richtigkeit des Erbscheins erschüttert sein („nachhaltige Erschütterungsfunktion“).929 Die Ausfüllung des Begriffs der Unrichtigkeit sollte sich im Allgemeinen am Zweck der Einziehung orientieren. Die Einziehung soll primär die von unrichti924 

Im Hinblick auf eine etwaige Adaption eines Einziehungsverfahrens auf europäischer Ebene soll nachfolgend der Schwerpunkt auf das Einziehungsverfahren und seine wichtigsten Aspekte eingegangen werden. 925  BGH, Beschl. v. 5.7.1963 – V ZB 7/63, NJW 1963, 1972 (1973). 926  OLG Stuttgart, Beschl. v. 5.10.2018 – 8 W 423/16; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.12.2016 – I-3 Wx 285/15, FamRZ 2017, 1269 (1270); OLG Hamm, Beschl. v. 18.10.1982 – 15 W 226/82, OLGZ 1983, 59. 927  KG Berlin ErbR 2016, 331 (334). 928  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.1.2017 – I-3 Wx 257/16, ErbR 2017, 223 (224); ebenso Horn/Krätzschel, ZEV 2018, 14 (15). 929  So OLG Jena, Beschl. v. 31.7.2018 – 6 W 14/16, BeckRS 2018, 17321.

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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gen Erbscheinen ausgehenden Gefahren für den Rechtsverkehr beseitigen.930 Eine relevante Unrichtigkeit des Erbscheins ist dann zumindest gegeben, wenn die unrichtigen Angaben von der Vermutungs- und Gutglaubenswirkung erfasst sind.931 Eine Einziehung ist angezeigt, um den wahren Erben und den Rechtsverkehr zu schützen. Sonstige Fehler im Hinblick auf Angaben, die nicht am öffentlichen Glauben teilnehmen, können bereits im Wege der Berichtigung behoben werden und führen nicht zur Einziehung oder Kraftloserklärung des Erbscheins.932 aa) Materielle Unrichtigkeit Die im Erbschein vorzufindenden Angaben betreffen zum größten Teil den Erbfall selbst. Erbfallsrelevante Fehler können vielfältigen Ursprungs sein.933 Als erstes ist die Abweichung des Inhalts hinsichtlich der bescheinigten Erbenstellung von der tatsächlichen materiellen Rechtslage zu nennen. Stellt sich etwa die dem Erbschein zugrundeliegende Verfügung von Todes wegen nachträglich als unwirksam heraus oder wird ein Widerrufstestament gemäß §§  2253 ff. BGB gefunden, ist die gesetzliche Erbfolge maßgeblich und ändert sich mit ihr regelmäßig die materielle Rechtslage. Umgekehrt ist der Erbschein unrichtig, wenn er die gesetzliche Erbfolge ausweist, obwohl der Erblasser die Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen wirksam abweichend geregelt hatte.934 Auch rechnerische Fehler im Hinblick auf die bescheinigten Erbquoten führen zur materiellen Unrichtigkeit (Bsp.: Dem Erbfall wurde ein falscher Güterstand zugrunde gelegt, der das in Wirklichkeit aufzunehmende Viertel gemäß §  1371 Abs.  1 BGB nicht berücksichtigt). Die Abwesenheit von erbrechtlichen Beschränkungen, soweit sie in den Erbschein aufgenommen werden können, macht den Erbschein ebenso unrichtig.935 Selbiges gilt für den umgekehrten Fall, dass Angaben in den Erbschein aufgenommen wurden, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt (z.B. Verfügungsbeschränkungen). Eine unrichtige Auslegung einer Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht kann

930 

MüKoFamFG/Grziwotz, §  353 Rn.  3. Vgl. jurisPK-BGB/Mayr, §  2361 Rn.  17; siehe auch BayObLG, Beschl. v. 4.8.1989 – BReg 1 a Z 36/88, FamRZ 1989, 1348 (1349). 932  Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  259. 933  Aufgrund der hohen Anzahl möglicher materiellrechtlicher Fehler soll hier eine Auswahl der relevantesten Fehler dargestellt werden; vgl. ausführlich zu inhaltlichen Fehlern des Erbscheins Scheer, Der Erbschein – Erteilung, Einziehung und Änderung, S.  96 ff. 934  KG Berlin, Beschl. v. 24.4.2018 – 6 W 10/18, ErbR 2018, 450. 935  Erman/Simon, §  2361 Rn.  1. 931 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

die Unrichtigkeit des Erbscheins begründen, sofern bei korrekter Auslegung andere als in dem Erbschein bezeichnete Erben zur Erbfolge berufen wären.936 In all diesen Fällen ist der Erbschein bereits seit seiner Erteilung unrichtig. Eine ex tunc Unrichtigkeit ergibt sich beispielsweise aus einer Anfechtung der dem Erbschein zugrundeliegenden Verfügung von Todes wegen.937 Abgesehen davon, dass nachträglich bekannt gewordene Tatsachen und Umstände zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage führen, kann der Erbschein von sich aus nachträglich inhaltlich unrichtig werden. Primär geht es um Vor- und Nacherbschaftsfälle, in denen ein dem Vorerben erteilter Erbschein mit Eintritt des Nacherbenfalls unrichtig wird, da ab diesem Zeitpunkt der Vorerbe seine Rechtszuständigkeit über den Nachlass verliert.938 Wird ein zunächst unrichtiger Erbschein aufgrund einer nachträglichen Änderung richtig, liegt keine materielle Unrichtigkeit vor, so dass eine Einziehung unzulässig ist.939 bb) Verfahrensfehler Verfahrensfehler müssen nicht zwingend mit materiellen Fehlern einhergehen. Dann kommt die Frage auf, ob das Vorliegen eines Verfahrensfehlers den Erbschein i.S.d. §  2361 BGB unrichtig macht und das Nachlassgericht zur Einziehung des Erbscheins verpflichtet. Nach dem Wortlaut des §  2361 BGB, der die Unrichtigkeit des erteilten Erbscheins fordert, sind wohl auch Verfahrensfehler erfasst, da auch Mängel im Ausstellungsverfahren den Erbschein, der auf diesem Verfahren fußt, gleichsam unrichtig macht; eine Fixierung auf die inhaltliche Unrichtigkeit des Erbscheins ist gerade nicht gegeben.940 Aus Sicht des Erben wäre es indessen schwer nachvollziehbar, weshalb allein wegen Verfahrensfehlern der Erbschein eingezogen werden muss, obwohl ein sodann gestellter Antrag sicher oder mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Erlass des Erbscheins, der ja materiellrechtlich stets richtig war, führen würde.941 Das widerspräche der Verfahrensökonomie.942 Ein Rechtsschutzbedürfnis desjenigen, der die Einzie936  Vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, §  353 Rn.  3; vgl. ferner OLG München, Beschl. v. 24.4.2017 – 31 Wx 463/16, ZErb 2017, 171, wobei der Senat im Ergebnis der Auslegung des Nachlassgerichts zustimmt und deshalb die Unrichtigkeit des verfahrensgegenständlichen Erbscheins verneint. 937  MüKoBGB/Grziwotz, §  2361 Rn.  5. 938  Es ist streitig, ob eine Einziehung erforderlich ist oder nicht, vgl. MüKoBGB/Grziwotz, §  2361 Rn.  6 m.w.N. in Fn.  27. 939  LG Koblenz, Beschl. v. 5.2.1969 – 4 T 47/69, DNotZ 1969, 430. 940  Derweil ist Art.  71 Abs.  2 EuErbVO präziser, der eine inhaltliche Unrichtigkeit des Zeugnisses verlangt; zur parallelen Problematik im europäischen Recht siehe unten im 3. Kap., D., III., 3., c), bb), S.  295 ff. 941  jurisPK-BGB/Lange, 8.  Aufl. 2017, §  2361 Rn.  4. 942  Vgl. Weiß, Rpfleger 1984, 389 (390).

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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hung anregt, besteht nicht, wenn im Ergebnis nur die Neuerteilung des inhaltlich identischen Erbscheins erreicht wird.943 Im Ausgangspunkt gilt es, das Verfahrensrecht in das Erbscheinssystem einzuordnen. Das Verfahrensrecht bildet das Grundgerüst für die Entscheidung des Nachlassgerichts zur Erbscheinserteilung. Wird der wahre Erbe durch die Erbscheinserteilung aufgrund der Vermutungs- und Gutglaubenswirkung belastet, erfordere das Rechtsstaatsprinzip, dass die Anordnung des Nachlassgerichts jedenfalls im Einklang mit den wesentlichen Verfahrensgrundsätzen des Erbscheinsverfahrens ergangen ist.944 Die Wahrung von Verfahrensgrundsätzen habe einen eigenständigen Wert; eine rein dienende Funktion komme dem Verfahrensrecht in Anbetracht des Rechtsstaatsprinzips nicht zu.945 Dies erscheint überzeugend, denn das Verfahrensrecht bezweckt mehr noch, das materielle Recht zu verwirklichen; seine Vorschriften sind Zweckmäßigkeitsnormen, die auf eine sachliche Entscheidung des Rechtsstreits im Wege eines zweckmäßigen und schnellen Verfahrens gerichtet sind.946 Auf diese Weise wird Rechtssicherheit gewährleistet.947 Beruht aber die Verwirklichung des materiellen Rechts auf Verfahrensfehlern, ist der Eingriff insbesondere in das Eigentumsrecht des wahren Erben schwer zu legitimieren. Von dieser Warte aus erscheint es daher gerechtfertigt, Verfahrensfehler im Einziehungs- und Kraftloserklärungsverfahren für relevant zu befinden.948 Neben diesem dogmatischen Ansatz sollten Verfahrensverstöße, wenn sie nur schwerwiegend949 genug sind, deshalb zur Einziehung oder Kraftloserklärung des Erbscheins führen, weil auch bei ihnen u.U. mittelbar mit einer Gefährdung des Rechtsverkehrs zu rechnen ist und eine Beschwer des wahren Erben gegeben ist.950 (1) Verstoß gegen Zuständigkeitsvorschriften Verstöße gegen die Zuständigkeitsvorschriften bei der Erteilung des Erbscheins (§  342 Abs.  1 Nr.  6 FamFG, §  23a Abs.  2 Nr.  2 GVG) können mittelbar eine Ge943 

jurisPK-BGB/Lange, 8.  Aufl. 2017, §  2361 Rn.  4. jurisPK-BGB/Mayr, §  2361 Rn.  10. 945  jurisPK-BGB/Lange, 8.  Aufl. 2017, §  2361 Rn.  4. 946  So BGH, Urt. v. 8.10.1953 – III ZR 310/51, BGHZ 10, 350 (359) = NJW 1953, 1826 (1828). 947  Weiß, Rpfleger 1984, 389 (390). 948  Im Ergebnis auch Olzen/Looschelders, Erbrecht, S.  295 f. 949  Als nicht schwerwiegende Verfahrensfehler, die nicht zur Einziehung des Erbscheins verpflichten, kommen z.B. die Nichtgewährung des nachholbaren rechtlichen Gehörs oder eine falsche eidesstattliche Versicherung in Betracht, vgl. PWW/Deppenkemper, §  2361 Rn.  3. 950  NK-BGB/Kroiß, §  2361 Rn.  6. 944 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

fahr für den Rechtsverkehr verursachen. Erteilt ein örtlich unzuständiges Gericht einen Erbschein und wird zu einem parallelen Zeitpunkt von einem anderen Antragsberechtigten ein Erbschein bei dem örtlich zuständigen Gericht beantragt oder kann dies nicht ausgeschlossen werden, kann es zu inhaltlich divergierenden Erbscheinen kommen.951 Divergierende Erbscheine gefährden den Rechtsverkehr genauso wie ein einzelner unrichtiger Erbschein.952 Indes ist diese Auffassung nicht mehr ganz unbestritten. Das OLG Köln bezweifelte in einem obiter dictum, ob eine Einziehung aufgrund des Verstoßes gegen die örtliche Zuständigkeit noch der wahren Rechtslage entspricht (im Ergebnis sah das OLG Köln das Nachlassgericht entgegen der Auffassung der Beteiligten tatsächlich als örtlich zuständig an, so dass eine Einziehung nicht angeordnet wurde).953 Zur Begründung verwies das Gericht zum einen auf §  2 Abs.  3 FamFG, wonach gerichtliche Handlungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht schon deswegen unwirksam sind, weil sie von einem örtlich unzuständigen Gericht vorgenommen worden sind, und zum anderen auf §  65 Abs.  4 FamFG, wonach eine Beschwerde in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht darauf gestützt werden kann, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.954 Der Verweis auf §  2 Abs.  3 FamFG überzeugt indes wenig. Die Wirksamkeit der Erbscheinserteilung schließt nicht aus, dass der Erbschein eingezogen wird. Vielmehr soll ein von einem örtlich unzuständigen Gericht erteilter Erbschein grundsätzlich seine Wirkungen nach §§  2365 ff. BGB entfalten können, solange er nicht eingezogen oder für kraftlos erklärt worden ist. Auch der Verweis auf §  65 Abs.  4 FamFG vermag das Pro­ blem nicht zu lösen. Die Unzulässigkeit der Überprüfung der örtlichen Zuständigkeit durch das Rechtsmittelgericht schränkt lediglich die Beschwerdegründe ein, impliziert jedoch nicht gleichzeitig, dass ein Verstoß gegen die örtliche Zuständigkeit nicht zur Einziehung berechtigt. Denn die Einziehung durch das Nachlassgericht hat, abgekoppelt vom Beschwerdeverfahren, einen eigenständigen Wert, indem sie der Existenz divergierender Erbscheine vorbeugt. Festzuhalten ist somit, dass Verstöße gegen die örtliche Zuständigkeit, soweit die örtliche

951  Die örtliche Unzuständigkeit als schweren formalen Mangel bezeichnend OLG Hamm, Beschl. v. 22.6.2017 – 15 W 111/17, FamRZ 2018, 297. 952  BGH, Urt. v. 23.11.1960 – V ZR 142/59, NJW 1961, 605; a.A. Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  269, der der Einziehung keinen Sinn zuspricht, wenn der Erbschein inhaltlich richtig ist. 953  OLG Köln, Beschl. v. 6.2.2015 – 2 Wx 27/15, FGPrax 2015, 129. 954  OLG Köln, Beschl. v. 6.2.2015 – 2 Wx 27/15, FGPrax 2015, 129 (130).

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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Zuständigkeit sich aus einer eindeutigen Vorschrift ergibt955, einen zur Einziehung berechtigten verfahrensrechtlichen Fehler darstellen. Eng im Zusammenhang mit der örtlichen Zuständigkeit steht die internationale Zuständigkeit. Das Nachlassgericht könnte etwa einen Erbschein in einem internationalen Erbfall erteilen, obwohl seine internationale Zuständigkeit nicht gegeben ist (der Erblasser hatte beispielsweise seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland). Es wird regelmäßig eine andere mitgliedstaatliche Ausstellungsbehörde für die Erteilung des nationalen Erbnachweises international zuständig sein. Es besteht mithin erneut die Gefahr divergierender Erbnachweise. Auch wenn der Erbschein hinsichtlich der bescheinigten Erbquoten richtig ist, ist dieser einzuziehen.956 Bei einem Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit, wenn also z.B. ein Beschwerdegericht den Erbschein erteilt, liegt ebenfalls ein Einziehungsgrund vor.957 Die Beschwer des Erben ergibt sich bereits daraus, dass es für ihn unklar ist, an welches Gericht er sich bei einer Beschwerde gegen den Feststellungsbeschluss wenden muss. Funktionelle Zuständigkeitsfehler bedürfen einer Differenzierung, weil sie nicht zwingend einen schwerwiegenden Verstoß darstellen. Im Ausgangspunkt stehen sich die Kompetenzen des Richters und des Rechtspflegers gegenüber.958 Nach §  16 Abs.  1 Nr.  6 RPflG ist dem Richter die Erteilung von Erbscheinen vorbehalten, sofern eine Verfügung von Todes wegen vorliegt. Der Rechtspfleger kann gemäß §  16 Abs.  3 Nr.  1 RPflG bei Maßgeblichkeit gesetzlicher Erbfolge und Anwendung deutschen Erbrechts statt des Richters Erbscheine erteilen. Besteht schon keine Übertragungsmöglichkeit, da eine Verfügung von Todes wegen vorliegt und ausländisches Recht anwendbar ist, und hat der Rechtspfleger dennoch einen Erbschein erteilt, muss dieser eingezogen werden.959 Die Verletzung der Richterkompetenz stellt stets einen schwerwiegenden Verfahrensverstoß dar, dies sogar von Verfassung wegen (vgl. Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG).

955  BGH, Beschl. v. 16.1.1976 – IV ZB 26/74, MDR 1976, 477 (478); zustimmend ­ üKoBGB/Grziwotz, §  2361 Rn.  15; im Ergebnis auch Keidel/Zimmermann, FamFG, §  353 M Rn.  3. 956  OLG Zweibrücken, Beschl. v. 27.9.2001 – 3 W 124/01, NJW-RR 2002, 154. 957  KG, Beschl. v. 3.2.1966 – 1 AR 9/66, Rpfleger 1966, 208. 958  Vgl. ausführlich Weiß, Rpfleger 1984, 389 (393 f.). 959  Vgl. BayObLG, Beschl. v. 28.4.1997 – 1 Z BR 86/97, FamRZ 1997, 1370 für den umgekehrten Fall, dass eine Einziehung zu unterbleiben hat, wenn eine Übertragungsmöglichkeit nach §  16 Abs.  2 RPflG bestand.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

(2) Verstoß gegen Amtsermittlungspflicht Ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§  26 FamFG) ist ein schwerwiegender formeller Fehler, der zur Einziehung berechtigt.960 Erschöpft das Nachlassgericht nicht alle zur Verfügung stehenden Beweismittel, kann die Ermittlung des Sachverhalts an Unvollständigkeiten leiden, so dass auf diese Weise inhaltlich unrichtige Ergebnisse hervorgebracht werden. Den Beteiligten ist im Hinblick auf die Alternative, auf dem (höhere Kosten verursachenden) ordentlichen Rechtsweg mit den nach der ZPO zulässigen Beweismitteln die Feststellung des Erbrechts zu erreichen, sehr daran gelegen, dass das Nachlassgericht die Ermittlungen gründlich und umfassend durchführt.961 b) Grundzüge des Einziehungsverfahrens Das Einziehungsverfahren ist gleichsam als Spiegelbild zum Erteilungsverfahren eine Nachlassverfahrenssache (§  342 Abs.  1 Nr.  6 FamFG). Verfahrensrechtlich gilt es daher, einen Gleichlauf zwischen Einziehungsverfahren und Erbscheins­ erteilungsverfahren herzustellen.962 In zeitlicher Hinsicht ist eine Einziehung notwendigerweise erst ab Erteilung des Erbscheins möglich; die Abänderungsmöglichkeit gemäß §  48 FamFG wird von §  2361 BGB verdrängt.963 aa) Zuständigkeit Sachlich zuständig zur Einziehung und Kraftloserklärung ist nach §  23a Abs.  1 Nr.  2, Abs.  2 Nr.  2 GVG i.V.m. §  342 Abs.  1 Nr.  6 FamFG das Amtsgericht als Nachlassgericht. Örtlich zuständig ist das Gericht, das den Erbschein erteilt hat, ganz ohne Rücksicht darauf, ob das Gericht bei der Erteilung überhaupt sachlich, international oder örtlich zuständig war.964 Selbst wenn der Grund für die Einziehung ein Zuständigkeitsmangel im Erteilungsverfahren ist, ist das erteilende Gericht für die Einziehung örtlich zuständig. Da dieses Gericht den möglicherweise einzuziehenden Erbschein erteilt hat, hat es aus prozessökonomischen Aspekten die besten Voraussetzungen (bereits gewonnene Erkenntnisse im Erteilungsverfahren, Kenntnis von den Beteiligten usw.) zur Entscheidung über die Einziehung. Das Beschwerdegericht ist zur Einziehung niemals berechtigt. Es hat das

960 

BayObLG, Beschl. v. 22.3.1977 – BReg. 1 Z 166/76, BayObLGZ 1977, 59. BayObLG, Beschl. v. 22.3.1977 – BReg. 1 Z 166/76, BayObLGZ 1977, 59. 962  OLG Hamm, Beschl. v. 25.5.2016 – 15 W 210/16, FGPrax 2016, 229 (230). 963  OLG Stuttgart, Beschl. v. 5.10.2018 – 8 W 423/16, ErbR 2019, 366. 964  Palandt/Weidlich, §  2361 Rn.  6; MüKoBGB/Grziwotz, §  2361 Rn.  36; Staudinger/Herzog, §  2361 Rn.  9. 961 

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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Nachlassgericht hierzu anzuweisen.965 Der Richter ist gemäß §  16 Abs.  1 Nr.  7 RPflG für die Einziehung funktionell zuständig, wenn er schon ursprünglich den Erbschein erteilt hat oder die Einziehung aufgrund einer Verfügung von Todes wegen erfolgt. Dabei ist die funktionelle Zuständigkeit des Richters unabhängig vom Verfahrensergebnis auch dann begründet, solange nur eine letztwillige Verfügung Anlass zur Prüfung gibt, ob ein vom Rechtspfleger aufgrund der Maßgeblichkeit der Intestaterbfolge erteilter Erbschein einzuziehen ist.966 In den übrigen Fällen ist der Rechtspfleger für die Einziehung als ein an ihm übertragenes Geschäft gemäß §  3 Nr.  2 lit.  c RPflG zuständig. bb) Amtsermittlungsgrundsatz Für das Einziehungsverfahren gilt gleichermaßen als eine unter das FamFG fallende Verfahrenssache der Amtsermittlungsgrundsatz nach §  26 FamFG. Das bedeutet insbesondere, dass das Nachlassgericht alle zur Aufklärung der Sachlage dienlichen Ermittlungen anstellen und alle zulässigen Beweismittel ausschöpfen muss.967 cc) Beteiligte am Verfahren und Anhörung Bei dem Einziehungsverfahren handelt es sich um kein Antragsverfahren, sondern um ein amtswegig einzuleitendes Verfahren. Infolgedessen kann §  345 FamFG nicht herangezogen werden. Vielmehr gilt §  7 FamFG.968 Gemäß §  7 Abs.  2 Nr.  1 FamFG sind Beteiligte diejenigen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird. Zuvörderst ist an den im einzuziehenden Erbschein ausgewiesenen Erben zu denken. Andere können im Wege der Anregung zur Einleitung des Verfahrens nach §  24 Abs.  1 FamFG die Stellung eines Muss-Beteiligten i.S.d. §  7 Abs.  2 Nr.  1 FamFG erreichen.969 Dann haben sie verfahrensrechtlich die gleiche Stellung wie ein Antragsteller; ihnen ist insbesondere rechtliches Gehör zu gewähren.970 So erhält das Gericht umfassend Kenntnis von den die Einziehung betreffenden relevanten Tatsachen und Umständen, die zu einer abschließenden Beurteilung der Sachlage führen können.

965 

BayObLG, Beschl. v. 8.6.2005 – 1 Z BR 110/04, NJW-RR 2005, 1245 (1246); Palandt/ Weidlich, §  2361 Rn.  11. 966  Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 25.5.2016 – 15 W 210/16, FGPrax 2016, 229. 967  PWW/Deppenkemper, §  2361 Rn.  6; vgl. auch jurisPK-BGB/Mayr, §  2361 Rn.  25. 968  Staudinger/Herzog, §  2361 Rn.  12. 969  Vgl. auch für einen konkludenten Antrag auf Einziehung eines erteilten Erbscheins durch Anregung KG, Beschl. v. 31.8.2018 – 6 W 47/18, ErbR 2019, 190. 970  Staudinger/Herzog, §  2361 Rn.  13.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

dd) Entscheidung Erachtet das Nachlassgericht aufgrund seiner Ermittlungen das im Erbschein ausgewiesene Erbrecht als nicht mehr erwiesen, hat es den Erbschein einzuziehen.971 Erforderlich ist, dass das Nachlassgericht von der Unrichtigkeit des Erbscheins positiv überzeugt ist; bloße Zweifel genügen nicht.972 Die Anordnung der Einziehung erfolgt mittels Beschlusses (§  38 FamFG).973 Der Beschluss hat insbesondere eine Rechtsbehelfsbelehrung (§  39 FamFG) zu enthalten. Den Beteiligten ist der Beschluss bekanntzugeben (§  41 Abs.  1 S.  1 FamFG). Dem durch die Einziehung benachteiligten Erben ist der Beschluss jedoch nach §  41 Abs.  1 S.  2 FamFG gesondert zuzustellen. Entscheidet das Nachlassgericht negativ, hat sie nur einen Beschluss nach §  38 FamFG zu fassen, wenn ein Beteiligter das Einziehungsverfahren angeregt hat, denn diesem ist dann der Beschluss bekannt zu geben.974 Ansonsten, also bei Amtseinleitung des Verfahrens, fertigt das Nachlassgericht nur einen Aktenvermerk an und benachrichtigt die Beteiligten, um deren Unsicherheit zu beseitigen.975 Der Einziehungsbeschluss enthält lediglich die Ankündigung der Einziehung, der Vollzug erfolgt im Anschluss daran durch die körperliche Rückgabe des Erbscheins, genauer der Urschrift und aller Ausfertigungen.976 Die Inhaber haben von sich aus die Urkunden an das Nachlassgericht herauszugeben. Wird die Rückgabe insgesamt oder einzelner Urkunden verweigert, kann sie mit den Zwangsmitteln des §  35 FamFG durchgesetzt werden.977 c) Kraftloserklärung, §  353 Abs.  1 FamFG Die Kraftloserklärung stellt ein Reaktionsmittel für die Sonderkonstellation dar, dass das Nachlassgericht den Erbschein nicht sofort erlangen kann (§  353 Abs.  1 S.  1 FamFG).978 Dies trifft bereits dann zu, wenn nur eine Ausfertigung oder 971 

Palandt/Weidlich, §  2361 Rn.  9; jurisPK-BGB/Mayr, §  2361 Rn.  29. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.1.2017 – I-3 Wx 257/16, ZEV 2017, 147 (148). 973  Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2361 Rn.  14. 974  Keidel/Zimmermann, FamFG, §  353 Rn.  13; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2361 Rn.  15. 975  Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2361 Rn.  16. 976  MüKoBGB/Grziwotz, §  2361 Rn.  40. 977  Wohl h.M.: Staudinger/Herzog, §  2361 Rn.  43; MüKoBGB/Grziwotz, §  2361 Rn.  40; PWW/Deppenkemper, §  2361 Rn.  8. Die a.A. will §  86 FamFG anwenden und auf die Zwangsmittel der ZPO zurückgreifen, vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, §  353 Rn.  12. 978  Das Gesetz zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 29.6.2015 (BGBl.  I S.  1042), in Kraft getreten am 17.8.2015, hat viele verfahrensrechtliche Vorschriften, die zuvor noch im BGB verortet waren, in das FamFG übergeleitet, wie hier ein Großteil des §  2361 BGB a.F. 972 

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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Urschrift nicht erreichbar ist.979 Im Hinblick auf die verfahrensrechtlichen ­Aspekte kann auf die Ausführungen zum Einziehungsverfahren verwiesen werden; die Kraftloserklärung stellt lediglich eine alternative Beschlussmöglichkeit des Nachlassgerichts dar. Erforderlich ist die öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses über die Kraftloserklärung (§  353 Abs.  1 S.  2 FamFG), da ein Adressat für die persönliche Bekanntmachung nicht vorhanden ist. Diese erfolgt gemäß §  435 Abs.  1 FamFG durch Aushang an der Gerichtstafel und durch einmalige Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger. Die Kraftloserklärung wird nach §  353 Abs.  1 S.  3 FamFG mit Ablauf eines Monats nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger wirksam. Innerhalb dieses Monatszeitraums läuft die Publizitätswirkung „still“ weiter. Das ist für den durch den Erbschein benachteiligten wahren Erben ein gefährlicher Umstand, weil der Rechtsverkehr in der Regel von der öffentlichen Bekanntmachung keine Kenntnis hat und damit grundsätzlich gutgläubig ist mit der Folge, dass der Gutglaubensschutz nach §§  2366, 2367 BGB weiterhin voll entfaltet wird.980 Diese Schutzlücke entwertet zwar die Kraftloserklärung, ist aber gleichwohl hinzunehmen. Die öffentliche Bekanntmachung bedarf einer gewissen Vorlaufzeit, um den Rechtsverkehr auf die neue Rechtslage vorzubereiten. 2. Herausgabeklage des wirklichen Erben, §  2362 Abs.  1 BGB Der wirkliche Erbe hat neben der Anregung eines Einziehungsverfahrens beim Nachlassgericht die Möglichkeit, den Besitzer einer unrichtigen Ausfertigung oder Urschrift darauf zu verklagen, die Urkunde an das Nachlassgericht herauszugeben. Das gleiche Recht steht einem Nacherben und Testamentsvollstrecker zu (§  2363 BGB). §  2362 Abs.  1 BGB gewährt dem wirklichen Erben einen materiellrechtlichen Anspruch.981 Vorteil dieser Möglichkeit, dem Nachlassgericht den Erbschein zukommen zu lassen (anders als durch Einziehung), ist, dass der Erbe auf dem streitigen Weg vor den Zivilgerichten ein Urteil erwirken kann, ohne das von Amts wegen einzuleitende Einziehungsverfahren abwarten zu müssen.982 Das dient der Verfahrensbeschleunigung und kommt auch dem wirklichen Erben entgegen, der etwa die Gutglaubenswirkung des Erbscheins in Anbetracht ihm bekannter künftiger Transaktionen des Erbscheinsinhabers über Nachlassgegen979 

PWW/Deppenkemper, §  2361 Rn.  9; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, §  2361 Rn.  17; jurisPK-BGB/Mayr, §  2361 Rn.  35. 980  Vgl. Muscheler, Jura 2009, 567 (573); Lange, Erbrecht, §  78 IV 4, S.  806; Lange/Kuchinke, Erbrecht, §  39 VI 3, S.  1031. 981  Jauernig/Stürner, §  2362 Rn.  1; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2362 Rn.  1. 982  Palandt/Weidlich, §  2362 Rn.  1; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2362 Rn.  2.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

stände schnellstmöglich beseitigen will. Der Erbe kann beide Verfahren parallel betreiben und sich die entsprechenden Vorteile der Anwendung von FamFG und ZPO sichern.983 Da es sich bei der Herausgabeklage um eine gewöhnliche Klage im Rahmen einer zivilprozessualen Streitigkeit handelt, gelten die Vorschriften der ZPO vollumfänglich. Insbesondere muss der wirkliche Erbe im Prozess sein Erbrecht sowie den (unmittelbaren oder mittelbaren984) Besitz des Erbscheins beim Anspruchsgegner beweisen, wobei zugunsten des Erbscheinsbesitzers die Vermutung des §  2365 BGB nicht eingreift.985 Der verklagte Erbscheinsbesitzer muss hingegen den Ausschluss des vom Kläger dargelegten Erbrechts nachweisen.986 Auch wenn der Erbschein bereits für kraftlos erklärt wurde, entfällt nicht das Rechtsschutzbedürfnis des wirklichen Erben.987 3. Einfluss von Einziehung, Kraftloserklärung und Herausgabeklage auf die Wirkungen des Erbscheins Das Schicksal der Wirkungen des Erbscheins durch die jeweils ergriffene Maßnahme bestimmt deren Effektivität sowohl für den Erbnachweisinhaber als auch für den wahren Berechtigten und den Rechtsverkehr. Mit der Einziehung wird der Erbschein endgültig aus dem Rechtsverkehr gezogen, er wird kraftlos (§  2361 S.  2 BGB), d.h. für den Rechtsverkehr ist der Erbschein nicht mehr existent. Die Vermutungswirkung und die Gutglaubenswirkung nach §§  2365 ff. BGB fallen mit dem Vollzug der Einziehung, also der Rückgabe aller Ausfertigungen an das Nachlassgericht, weg.988 Mit der Wirksamkeit der Kraftloserklärung wird der Erbschein kraftlos i.S.d. §  2361 S.  2 BGB. Zu diesem Zeitpunkt noch im Rechtsverkehr zirkulierende

983 

jurisPK-BGB/Mayr, §  2362 Rn.  2 mit dem plausiblen Beispiel, dass im ZPO-Verfahren der Erlass eines Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren möglich ist. Die Herausgabeklage mit anschließender Vollstreckung ist dann regelmäßig deutlich schneller als ein durch Anregung des Erben hin eingeleitetes Einziehungsverfahren durch das Nachlassgericht. 984  jurisPK-BGB/Mayr, §  2362 Rn.  9; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2362 Rn.  4; ­Erman/Simon, §  2362 Rn.  2. 985  OLG München, Beschl. v. 11.11.1994 – 15 W 1742/94, NJW-RR 1995, 779; PWW/Dep­ pen­kemper, §  2362 Rn.  3; Erman/Simon, §  2362 Rn.  3. 986  OLG Frankfurt, Urt. v. 2.3.1994 – 23 U 46/93, OLGR Frankfurt 1994, 93. 987  Staudinger/Herzog, §  2362 Rn.  4. 988  Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2361 Rn.  20; MüKoBGB/Grziwotz, §  2361 Rn.  43; NK-BGB/Kroiß, §  2361 Rn.  27; Scheer, Der Erbschein – Erteilung, Einziehung und Änderung, S.  73 f.; Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  14; Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (366); vgl. auch BGH ZEV 2020, 773 (774).

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

281

Ausfertigungen oder Urschriften entfalten die Wirkungen nach §§  2365 ff. BGB nicht mehr.989 Wird der Herausgabeklage stattgegeben, ist der Beklagte verpflichtet, die in seinem Besitz befindliche Urschrift und/oder Ausfertigungen an das Nachlassgericht abzuliefern. Werden alle Urkunden freiwillig oder mittels Zwangs an das Nachlassgericht abgeliefert, wird der Erbschein nach §  2361 S.  2 BGB analog kraftlos; die Wirkungen nach §§  2365 ff. BGB entfallen gleichsam.990 Festzuhalten ist, dass das deutsche Recht dem Telos der Eingriffsmaßnahmen des Nachlassgerichts und des wirklichen Erben entsprechend konsequent bleibt und dem wirklichen Erben überaus entgegenkommt. Die Wirkungen des Erbscheins werden effektiv beseitigt, lediglich für eine Übergangszeit wird trotz eingeleiteter Maßnahme der Schutz durch den öffentlichen Glauben des Erbscheins aufrechterhalten. Eine noch bessere Rechtsstellung des wirklichen Erben ließe sich nicht herstellen, ohne wesentliche Grundgedanken der Offenkundigkeit der Einziehung (Vollzug der Einziehung) und des Vertrauensgrundsatzes (öffentliche Bekanntmachung der Kraftloserklärung) zu missachten. II. Österreich Das österreichische Recht verfolgt entsprechend seinem Erbrechtssystem einen in materiellrechtlicher wie verfahrensrechtlicher Hinsicht ganz eigenartigen Ansatz, der inhaltlichen Unrichtigkeit des Einantwortungsbeschlusses zu begegnen. Zu dem Zeitpunkt, zu dem Tatsachen und Umstände bekannt werden, die die inhaltliche Richtigkeit des Einantwortungsbeschlusses in Zweifel ziehen, ist der Einantwortungsbeschluss in aller Regel in formelle Rechtskraft erwachsen. Das mit der Einantwortung befasste Gericht hat keine Möglichkeit mehr, sich mit der Nachlasssache erneut auseinanderzusetzen. Ein Abänderungsverfahren ist ab diesem Zeitpunkt ausgeschlossen.991 Ohnehin ist Prozessgegner des wahren Erben jetzt der eingeantwortete Scheinerbe und nicht mehr die Verlassenschaft.992 Die Rechtskraft bewirkt somit einen endgültigen Wechsel des Rechtssubjekts; die Verlassenschaft als solche existiert nicht mehr. Der wahre Erbe oder ein sonstiger Erbprätendent, die den Inhalt des Einantwortungsbeschlusses bestreiten, haben die Erbschaftsklage zu erheben, um im streitigen Verfahren ihr vermeint-

989 

Vgl. MüKoBGB/Grziwotz, §  2361 Rn.  46; jurisPK-BGB/Mayr, §  2361 Rn.  35. BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, §  2362 Rn.  6; Palandt/Weidlich, §  2362 Rn.  1; PWW/ Deppenkemper, §  2362 Rn.  1. 991  Vgl. Gitschthaler/Höllwerth/Höllwerth, AußStrG, §  164 Rn.  11; Gitschthaler/Höllwerth/ Sailer, AußStrG, §  180 Rn.  3; Kralik, Erbrecht, S.  329. 992  Feil, AußStrG, §  164 Rn.  3. 990 

282

Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

lich besseres oder gleichwertiges Erbrecht durchzusetzen.993 Dem österreichischen Recht ist ein dem deutschen Einziehungsverfahren vergleichbares Institut somit fremd. Es besteht nur die Möglichkeit, ein streitiges Verfahren auf dem ordentlichen Rechtsweg anzustrengen, um den Inhalt des Einantwortungsbeschlusses zu korrigieren bzw. seine Wirkungen zu beseitigen. 1. Erbschaftsklage Nach §  823 Abs.  1 S.  1 ABGB kann auch nach Einantwortung der Erwerber der Verlassenschaft – also der im Verlassenschaftsverfahren eingeantwortete Erbe – von jeder Person, die ein besseres oder gleichwertiges Erbrecht behauptet, auf Herausgabe der Erbschaft oder des seiner Berechtigung entsprechenden Teils der Erbschaft belangt werden. §  823 Abs.  1 S.  2 ABGB stellt klar, dass das Eigentumsrecht an einzelnen Nachlassgegenständen nur durch Erhebung der Eigentumsklage geltend gemacht wird. a) Rechtsnatur Der Erbschaftskläger verfolgt das Ziel, den dem Scheinerben eingeantworteten Nachlass an sich zu nehmen. Dies wird zivilprozessrechtlich dadurch erreicht, dass dem Erbschaftskläger bei Obsiegen ein Leistungsanspruch dergestalt zugesprochen wird, dass der Beklagte eine Abtretungserklärung abzugeben hat, die die Übertragung der Verlassenschaft als Ganzes auf den Erbschaftskläger zum Inhalt hat.994 Mit Rechtskraft des Urteils wird die Abgabe der Willenserklärung fingiert (§  367 EO). Die Erbschaftsklage hat eine Doppelnatur; sie ist Leistungsklage (Anspruch auf Herausgabe der Verlassenschaft) und Rechtsgestaltungsklage (rückwirkende Universalsukzession zugunsten des obsiegenden Erbschaftsklägers) zugleich.995 Zudem ist sie Universalklage: Gegenstand des Herausgabeverlangens sind nicht einzelne zu benennende Nachlassgegenstände, sondern die

993 

Vgl. OGH, Beschl. v. 15.1.2013 – 4 Ob 224/12p, NZ 2013, 180 (auch der übergangene Erbe muss Erbschaftsklage erheben und kann den formell rechtskräftigen Einantwortungsbeschluss nicht mit Rekurs bekämpfen); siehe ferner Feil, AußStrG, §  177 Rn.  3 und §  180 AußStrG Rn.  2; Schilchegger/Kieber, Österreichisches Verlassenschaftsverfahren, S.  184; Mayr/ Fucik, Verfahren außer Streitsachen, Rn.  700; Gruber/Kalss/Müller/Schauer/Kühnberg, Erbrecht und Vermögensnachfolge, §  15 Rn.  1; Haunschmidt, Erbschaft und Testament, S.  145; Klicka/Paulhammer/Domej, Außerstreitverfahren, Rn.  337. Auf die Erbschaftsklage wird auch in §  164 S.  2 AußStrG für die Erbprätendenten verwiesen. 994  Sperl, JBl 1979, 630. 995  Vgl. ausführlich Sperl, JBl 1979, 630 (631 ff.) sowie Kralik, Erbrecht, S.  332; eingehend Dolinar, in: FS Kralik, 1986, 125 (137 ff.).

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

283

Erbschaft als solche.996 Der Kläger will gleichsam die Rechtsstellung als Universalsukzessor des Verstorbenen erreichen.997 b) Zuständigkeit Für Erbschaftsklagen sind die Gerichtshöfe erster Instanz sachlich zuständig (§  50 i.V.m. §  49 JN). Den Gerichtshöfen wird generell die Zuständigkeit für alle Rechtsstreitigkeiten zugesprochen, die nicht vor den Bezirksgerichten zu verhandeln sind. Örtlich zuständig sind die Gerichte nach Maßgabe der §§  65 ff. JN am allgemeinen Gerichtsstand des beklagten Erben.998 c) Parteien Gemäß §  823 Abs.  1 ABGB ist zur Erhebung der Erbschaftsklage jede Person aktivlegitimiert, die behauptet, ein besseres oder gleichwertiges Erbrecht zu haben als derjenige, dem nach Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens eingeantwortet wurde. Beklagter ist derjenige, der durch die Einantwortung in den rechtlichen Besitz der Verlassenschaft gekommen ist.999 Das ist zuvörderst der im Verlassenschaftsverfahren eingeantwortete Erbe. Daneben sind auch dessen Erben passivlegitimiert, falls der eingeantwortete Erbe zum Zeitpunkt der Klage bereits verstorben ist. Der rechtliche Besitz an der Verlassenschaft kann auch durch einen Erbschaftskauf vermittelt werden.1000 Auch eine Person, die sich im rechtlichen Besitz der Erbschaft aufgrund ihrerseits erfolgreich betriebener Erbschaftsklage befindet, kann Beklagte sein.1001 d) Beweislast Die Beweislast dafür, dass der Beklagte durch Einantwortung oder, sofern eine Abhandlung nicht erfolgt ist, durch Besitznahme in den rechtlichen Besitz der Erbschaft gekommen ist, trägt der Erbschaftskläger.1002 Neben dem Beweis sei-

996 

OGH, Urt. v. 20.11.2012 – 5 Ob 116/12p, JBl 2013, 175 (177); OGH, Urt. v. 26.4.2016 – 3 Ob 219/05k, NZ 2007, 306 (307); Feil, AußStrG, §  177 Rn.  3; Schwimann/Neumayr/Nemeth, ABGB, §  823 Rn.  2; Haunschmidt, Erbschaft und Testament, S.  146. 997  Eccher, Erbrecht, S.  113. 998  Fasching/Konecny/Simotta, JN, §  77 Rn.  5; Ferid/Firsching/Hausmann/Verschraegen, Österreich, Rn.  452. 999  Haunschmidt, Erbschaft und Testament, S.  146. 1000  Haunschmidt, Erbschaft und Testament, S.  146. 1001  Gruber/Kalss/Müller/Schauer/Kühnberg, Erbrecht und Vermögensnachfolge, §  15 Rn.  12. 1002  Kralik, Erbrecht, S.  333.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

nes eigenen Erbrechts1003 muss der Erbschaftskläger auch das Erbrecht des Beklagten erschüttern; er muss beweisen, dass dem Beklagten entweder ein Erbrecht nicht zusteht, dessen Erbrecht schwächer ist als sein eigenes oder gleichermaßen stark, weil ihm dann jedenfalls ein Teil des Nachlassbesitzes zusteht.1004 e) Entscheidung Das Gericht entscheidet zugunsten des Erbschaftsklägers durch stattgebendes Urteil, nachdem es zur Überzeugung gelangt ist, dass der Erbschaftskläger mindestens ein gleichwertiges Erbrecht wie der Beklagte hat.1005 Erachtet das Gericht dies als nicht erwiesen, lehnt es die Klage als unbegründet ab. 2. Einfluss auf die Wirkungen des Einantwortungsbeschlusses Durch ein stattgebendes Urteil werden der durch die Einantwortung geschaffene Rechtsschein und die vorläufige Vermutung der Berechtigung und Erbenstellung des in den Erbschaftsbesitz Eingewiesenen zerstört.1006 Der Legitimationswirkung des Einantwortungsbeschlusses wird die Grundlage entzogen. Das Urteil ersetzt die Einantwortung und macht den obsiegenden Kläger rückwirkend zum Universalsukzessor des Erblassers; der Erbschaftskläger wird mithin Eigentümer der beweglichen und unbeweglichen Sachen, Inhaber der Forderungen und anderer Rechte, usw.1007 Der Erbschaftsanspruch umfasst insbesondere sämtliche Surrogate, die Rechtsgeschäften entsprungen sind, die der Erbschaftsbesitzer mit Erbschaftsmitteln gemacht hat.1008 Da gemäß §  180 Abs.  2 AußStrG nach Rechtskraft der Einantwortung kein Abänderungsverfahren stattfindet, wird dem wahren Erben kein Einantwortungsbeschluss mehr erteilt; er hat vielmehr aus dem Urteil die tatsächliche Herausgabe der Nachlassgegenstände von dem ehemals eingeantworteten Scheinerben zu erreichen; Rechtsnachfolger dieser Gegenstände und Rechte ist er zu diesem Zeitpunkt schon.

OGH, Urt. v. 19.9.2019 – 2 Ob 39/19b, Zak 2019, 397; Eccher, Erbrecht, S.  114. Kralik, Erbrecht, S.  333. 1005  Vgl. Gruber/Kalss/Müller/Schauer/Kühnberg, Erbrecht und Vermögensnachfolge, §  15 Rn.  15. 1006  OGH, Urt. v. 27.3.1995 – 1 Ob 630/94, NZ 1996, 183 (185); Eccher, Erbrecht, S.  114; Dolinar, in: FS Kralik, 1986, 125 (137). 1007  OGH, Urt. v. 26.4.2016 – 3 Ob 219/05k, NZ 2007, 306 (307); Feil, AußStrG, §  177 Rn.  3; Koziol/Bydlinski/Bollenberger/Sailer, ABGB, §§  823–824 Rn.  5; Schwimann/Kodek/ Nemeth, ABGB, §  823 Rn.  11; Gruber/Kalss/Müller/Schauer/Kühnberg, Erbrecht und Vermögensnachfolge, §  15 Rn.  15; Eccher, Erbrecht, S.  114; Haunschmidt, Erbschaft und Testament, S.  146. 1008  Kletečka/Schauer/Spruzina, ABGB-ON, §  824 Rn.  7. 1003  1004 

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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Der wahre Erbe hat im Gegensatz zum deutschen Recht, in dem Einziehungsund Kraftloserklärungsverfahren auf Ebene der freiwilligen Gerichtsbarkeit stattfinden, nach Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens nicht die Wahl, das außerstreitige Verfahren wiederaufzunehmen, sondern wird sogleich auf das streitige Verfahren verwiesen. Der Wirkungsentfall des Einantwortungsbeschlusses durch Erhebung einer erfolgreichen Erbschaftsklage stellt sich jedenfalls für den wahren Erben als äußerst effektiv dar, da dieser selbst jederzeit aktiv werden kann und das Erbrecht des eingeantworteten Erben streitig machen kann. Zusätzlich wird der wahre Erbe rückwirkend zum Universalsukzessor, so dass neben der Beseitigung der Wirkungen des Einantwortungsbeschlusses noch eine für den wahren Erben günstige und wertvolle rechtsgestaltende Wirkung eintritt (die es beispielsweise nach deutschem Recht nicht bedarf, weil der wahre Erbe von Anfang an mit dem Tod des Erblassers gemäß §  1922 Abs.  1 BGB in die Gesamtrechtsnachfolge des Erblassers eintritt). III. Europäische Union Das europäische Recht sieht mit dem Widerruf und der Änderung des Zeugnisses nach Art.  71 Abs.  2 EuErbVO sowie der Aussetzung der Wirkungen des Zeugnisses nach Art.  73 EuErbVO funktionell ähnliche Regelungsmechanismen wie die Einziehung und Kraftloserklärung von unrichtigen Erbscheinen bzw. die Erbschaftsklage vor. Hierbei handelt es sich um Eingriffsmöglichkeiten, die im Nachgang des Ausstellungsverfahrens von den Ausstellungsbehörden in Betracht zu ziehen sind. A priori sind das Zeugnis selbst bzw. dessen beglaubigte Abschriften jedoch bereits mit einem Schutzmechanismus – der Gültigkeitsfrist – ausgestattet, das die Gefährlichkeit unrichtiger Zeugnisse für den Rechtsverkehr begrenzt. 1. Beglaubigte Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses als Rechtsscheinsträger und im Kontext des europäischen Wirkungsentziehungsund Wirkungsaussetzungssystems Zunächst ist zu untersuchen, welche Funktion den beglaubigten Abschriften des Zeugnisses zukommt, um in einem weiteren Schritt ihren Nutzen im europäischen Wirkungsentziehungs- und Wirkungsaussetzungssystem zu bestimmen. Die EuErbVO differenziert sehr klar zwischen dem Zeugnis und seinen beglaubigten Abschriften. Das Zeugnis verbleibt bei der Ausstellungsbehörde als Urschrift und auf Antrag einer berechtigten Person werden eine oder mehrere beglaubigte Abschriften erteilt, die sodann im Rechtsverkehr verwendet werden können (Art.  70 Abs.  1 EuErbVO). Es existieren somit mindestens zwei selbstständige körperliche Schriftstücke, die inhaltlich, abgesehen von der Gültigkeits-

286

Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

frist auf den beglaubigten Abschriften (Art.  70 Abs.  3 S.  1 EuErbVO), identisch sind. Die beglaubigten Abschriften, nicht das Zeugnis, sind die Rechtsscheinsträger, auch wenn der Wortlaut des Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO ausdrücklich das Zeugnis in den Vordergrund rückt („auf der Grundlage der in dem Zeugnis enthaltenen Angaben“).1009 Der Rechtsverkehr wird somit gerade in seinem Vertrauen auf den Inhalt der beglaubigten Abschriften geschützt. Das ergibt sich zum einen aus ErwG 72 S.  5, in dem bei Berichtigung, Widerruf und Änderung des Zeugnisses die Unterrichtung gegenüber Inhabern beglaubigter Abschriften empfohlen wird, damit diese die Abschriften nicht missbräuchlich verwenden können. Zum anderen knüpft ErwG 71 S.  6 den Gutglaubensschutz an die Vorlage der beglaubigten Abschriften an. Das Zeugnis vermag als bei der Ausstellungsbehörde aufzubewahrendes Schriftstück Gutglaubenswirkung nicht zu entfalten. Es kommt nicht nämlich einmal potentiell mit dem Rechtsverkehr in Berührung. Der hier befürwortete konkrete Gutglaubensschutz schließt das Zeugnis als Rechtsscheinsträger aus, weil Dritte praktisch keine Einsicht in die Urschrift bei der Ausstellungsbehörde nehmen können, um die Kenntnis vom Inhalt des Zeugnisses zu erlangen.1010 Die Bedeutung des Zeugnisses im wirkungsrechtlichen Kontext beschränkt sich mithin darauf, dass sie als Urschrift die Grundlage für die Erteilung weiterer beglaubigter Abschriften bildet. Ferner ist das Zeugnis aufgrund seiner unmittelbaren Greifbarkeit im Gegensatz zu den beglaubigten Abschriften de lege lata alternativlos das Objekt etwaiger nachträglicher Eingriffe durch die Ausstellungsbehörde. Mangels Einziehungsmöglichkeit bleiben die beglaubigten Abschriften nach ihrer Erteilung dauerhaft von einer Einwirkung durch die Ausstellungsbehörde verschont. Die zirkulierenden beglaubigten Abschriften stellen bei Unrichtigkeit eine Täuschungsgefahr für den Rechtsverkehr und eine Verlustgefahr für den wahren Berechtigten dar. Perspektivisch ist demnach die Unrichtigkeit zu beseitigen. Eine erste maßgebende Entscheidung zur Dämmung der Gefahren wurde mit der zwingend in die beglaubigten Abschriften aufzunehmenden Gültigkeitsfrist nach Art.  70 Abs.  3 EuErbVO getroffen.

1009 

jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  24, der das System von Urschrift und beglaubigten Abschriften als nicht hinreichend durchdacht kritisiert; Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  17; Süß, ZEuP 2013, 725 (746); Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525 (528); Möller, Das Europäische Nachlasszeugnis im System des Gutglaubensschutzes, S.  202 f. 1010  Süß, ZEuP 2013, 725 (746); siehe auch schon oben im 3. Kap., B., II., 3., e), aa), (1), S.  140 f.

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

287

2. Gültigkeitsfrist als vorbeugende Schutzmaßnahme a) Allgemeines Die beglaubigten Abschriften zeichnen sich gegenüber dem Zeugnis als Urschrift mit der Angabe der Gültigkeitsfrist aus, die – soweit ersichtlich – den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen als Institut gänzlich fremd ist. Die Gültigkeitsfrist beträgt gemäß Art.  70 Abs.  3 S.  1 EuErbVO grundsätzlich sechs Monate, kann jedoch gemäß Art.  70 Abs.  3 S.  2 EuErbVO in ordnungsgemäß begründeten Ausnahmefällen von Anfang länger sein. Nach Art.  70 Abs.  3 S.  3 EuErbVO besteht die Pflicht jedes Inhabers einer beglaubigten Abschrift, nach Ablauf der Gültigkeitsfrist die Verlängerung der Gültigkeitsfrist der (alten) beglaubigten Abschrift oder eine neue beglaubigte Abschrift zu beantragen, sofern er weiterhin das Zeugnis gemäß den Zwecken nach Art.  63 EuErbVO verwenden will. Dahinter steckt die Überlegung, den Schaden, den inhaltlich unrichtige beglaubigte Abschriften des Zeugnisses auslösen können, bereits zu Anfang einen limitierten Zeitraum zu setzen und auf diese Weise einen falschen Rechtsschein zu einem fixen Zeitpunkt endgültig zu beseitigen.1011 Eine weitere verstärkende Maßnahme wäre es gewesen, neben der Gültigkeitsfrist ein Einziehungsverfahren zu statuieren, um die tatsächliche Rückgabe zirkulierender beglaubigter Abschriften zu erwirken und somit den Rechtsscheinsträger vollständig aus dem Verkehr zu schaffen.1012 Indes nimmt sich die Gültigkeitsfrist dieser Aufgabe an.1013 Für die zeitliche Bemessung der Gültigkeitsfrist wurden verschiedene Vorschläge unterbreitet.1014 Die konkrete Frist steht in einer Wechselwirkung mit der Reichweite des Wirkungsgehalts des Zeugnisses. Je kürzer die Frist bemessen ist, desto komplizierter und langwieriger wird die Nachlassabwicklung für den Zeugnisinhaber, zumal hier eine internationale Dimension der betroffenen Geschäfte besteht.1015 Je länger die Frist bemessen ist, desto effektiver wird entsprechend die Nachlassabwicklung gefördert, indem der Zeugnisinhaber sich über

1011  Geimer/Schütze/Dorsel, Art.  70 EuErbVO Rn.  6; ähnlich Deixler-Hübner/Schauer/ Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  32 („schadensbegrenzende Wirkung“); siehe auch Steiner, Zak 2015, 304 (306), die die zeitliche Beschränkung damit begründet, dass es im internationalen Kontext oftmals schwieriger ist, die inhaltliche Unrichtigkeit des Zeugnisses zu erkennen bzw. ein unrichtiges Zeugnis in der Folge einzuziehen. 1012  Zur Erforderlichkeit eines europäischen Einziehungsverfahrens siehe ausführlich unten im 3. Kap., D., III., 5., S.  312 ff. 1013  Vgl. Zimmermann, Rpfleger 2017, 2 (7). 1014  Eine Gültigkeitsfrist von drei Monaten war noch im VO-Vorschlag vorgesehen, vgl. Art.  43 Abs.  2 des KOM (2009) 154, endg., 2009/0157, die jedoch für zu kurz gehalten wurde, vgl. Wagner, DNotZ 2010, 506 (518). 1015  Ähnlich Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (407).

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

einen längeren Zeitraum mit dem Zeugnis legitimieren kann.1016 Allerdings können so auch mehr Geschäfte potenziell vom Rechtsschein profitieren, die den wahren Berechtigten beeinträchtigen.1017 Im Zusammenhang mit der Gültigkeitsfrist ist demnach von grundlegender Bedeutung, welche Reichweite der europäische Gutglaubensschutz besitzt. In der Grundkonstellation stehen sich drei Beteiligte gegenüber: der Zeugnisinhaber, dem zu Unrecht eine erbrechtliche Position bescheinigt wird, der mit ihm rechtsgeschäftlich verbundene Dritte und der wahre Berechtigte.1018 Sofern der Gutglaubensschutz durchgreift, verliert der wahre Berechtigte sein Recht unbeschadet etwaiger Ausgleichsansprüche und der Dritte wird endgültig neuer Inhaber des jeweiligen Rechts, wenn ein Direktanspruch gegen den Dritten, namentlich beim unentgeltlichen Erwerb, nicht durchgreift. Das ist die Grundidee des Rechtsscheins, die auf dem Schutz des redlichen Verkehrs beruht.1019 Bezüglich der konkreten Ausgestaltung der Voraussetzungen für den Gutglaubensschutz bestand für den Unionsgesetzgeber ein Gestaltungs- und Wertungsspielraum. Wie dies von dem Unionsgesetzgeber ausgeübt wurde, lässt sich an einigen Aspekten festmachen. Zum einen wird der gutgläubige Dritte im Rechtsverkehr durch die vielen Rechtsgeschäfte, auf die der gute Glaube sich erstrecken kann, begünstigt. Andererseits genügt nicht die Existenz des Zeugnisses, um den Gutglaubensschutz eintreten zu lassen, sondern der Dritte muss zumindest Kenntnis von einer beglaubigten Abschrift haben. Denn der europäische Gutglaubensschutz ist als relativer Verkehrsschutz ausgestaltet.1020 Die strengen Anforderungen an die Redlichkeit des Dritten (Schädlichkeit von positiver Kenntnis und grob fahrlässiger Unkenntnis von der inhaltlichen Unrichtigkeit des Zeugnisses) wirken sich zusätzlich nachteilig für diesen aus. Zudem wird der wahre Berechtigte auch mittelbar dadurch geschützt, dass ein Zeugnis bei der Anhängigkeit von Einwänden oder bei Existenz einer widersprechenden Entscheidung nicht ausgestellt wird (Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  a, b EuErbVO).1021 In einer Gesamtschau entsteht der Eindruck, dass sowohl das Allgemeininteresse des Dritten an der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs als auch das Individualinteresse des wahren Berechtigten am Bestand des ihm gebührenden Nachlasses vom Unionsgesetzgeber nahezu gleichermaßen berücksichtigt werden. Dem Rechtsverkehr könnte bei der Interessenkollision in Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (407). Kritisch zur Länge der Gültigkeitsfrist Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2370 Rn.  160. 1018  Vgl. Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (408). 1019  Vgl. hierzu grundsätzlich Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  9 ff. 1020  Siehe hierzu schon oben im 3. Kap., B., II., 3., a), S.  119 ff. 1021  So auch Omlor, GPR 2014, 216 (218). 1016  1017 

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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der Hinsicht eine etwas bessere Position zugewiesen werden, da ein einzelner Dritter regelmäßig an dem Ausstellungsverfahren gänzlich unbeteiligt war und der wahre Berechtigte potentiell im Ausstellungsverfahren als Nachlassbeteiligter durch seine Mitwirkung die Ausstellung eines unrichtigen Zeugnisses verhindern kann, weshalb das Risiko der Unrichtigkeit des Zeugnisses jedenfalls nicht dem Rechtsverkehr aufzubürden ist.1022 Die sechsmonatige Gültigkeitsfrist erscheint als ein fairer Kompromiss in Anbetracht der kollidierenden Interessen zwischen dem Rechtsverkehr und dem wahren Berechtigten. Angesichts der nicht möglichen Einziehung der beglaubigten Abschriften und der Unberührtheit des Gutglaubensschutzes der gültigen beglaubigten Abschriften durch Widerruf, Änderung und Aussetzung1023 ist die Gültigkeitsfrist auch dringend erforderlich. Im Hinblick auf die Vermutungs- und Legitimationswirkung zugunsten des Zeugnisinhabers ist eine solche Interessenabwägung wie bei der Gutglaubenswirkung mangels eines zweiten schutzwürdigen Akteurs nicht erforderlich. Wie lange der Zeugnisinhaber sich demnach mit dem Zeugnis legitimieren kann bzw. seine Rechtsstellung vermutet wird, war einer grundsätzlich freien Ermessensausübung des Unionsgesetzgebers zugänglich. Doch musste die Gültigkeitsfrist einheitlich für sämtliche Wirkungen des Zeugnisses gelten; Gültigkeitsfristen jeweils für die verschiedenen Wirkungen des Zeugnisses würden in praktischer Hinsicht vermehrt Verfahren über die Verlängerung der Gültigkeitsfrist auslösen und Unübersichtlichkeit im Rechtsverkehr schaffen. Wenn eine Akzessorietät zwischen der Vermutungs- und der Gutglaubenswirkung angenommen wird, würde eine unterschiedliche Gültigkeitsfrist eine Friktion dergestalt schaffen, dass mit Ablauf der Gültigkeitsfrist für die Vermutungswirkung eben diese sowie die akzessorische verknüpfte Gutglaubenswirkung entfallen, obwohl für die Gutglaubenswirkung eine längere Gültigkeitsfrist besteht. Das kann nicht richtig sein. Hinzuweisen ist noch darauf, dass die Interessenabwägung beim Gutglaubensschutz für die Bemessung der Gültigkeitsfrist sich gleichsam akzessorisch auf die Vermutungs- und Legitimationswirkung durchschlagen musste; die Beeinflussung in diese Richtung ist jedenfalls angemessener als wenn ausgehend von der Vermutungs- und Legitimationswirkung eine einheitliche Gültigkeitsfrist auch für die Gutglaubenswirkung eingeführt würde, die womöglich die Interessen des Rechtsverkehrs und des wahren Berechtigten nicht berücksichtigt. Für die meisten Rechtsgeschäfte ist die sechsmonatige Gültigkeitsfrist sicherlich genügend, so z.B. bei der Transaktion beweglicher Nachlassgegenstände, die oftmals bereits an einem Tag beendet wird, wenn sich der Erbe mit seinem Geschäftspartner zwecks Abschlusses des Vertrages und sofortiger Übereignung 1022  1023 

Vgl. Süß, ZEuP 2013, 725 (747). Siehe unten im 3. Kap., D., III., 3., g), S.  302 ff. und 3. Kap., D., III., 4., e), S.  310 f.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

der betreffenden Nachlassgegenstände persönlich trifft. Auch die Übersendung der Nachlassgegenstände mittels eines Transportunternehmens an den Geschäftspartner dürfte nur einige Tage in Anspruch nehmen. Der Zeitraum sollte im Allgemeinen ausreichend groß bemessen, um die meisten Erbfälle vollständig abschließend abzuwickeln, zumal bei entsprechender Begründung die Frist bei der erstmaligen Ausstellung der beglaubigten Abschrift höher bemessen werden kann (Art.  70 Abs.  3 S.  2 EuErbVO). Sind Nachlassgrundstücke in dem betreffenden Rechtsgeschäft involviert, könnte die Frist problematisch werden.1024 Aufgrund des regelmäßig langen Zeitraums bis zur Vollendung des Rechtserwerbs könnte nämlich die Gültigkeitsfrist im Zeitpunkt der Vollendung abgelaufen sein. Es wird aus diesem Grund empfohlen, bei einer Zeitverzögerung zwischen dem Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts (z.B. Kaufvertrag) und des Verfügungsgeschäfts (dingliche Einigung und Eintragung in das Grundbuch) auf eine ausreichend lange Gültigkeitsdauer zu achten (namentlich durch anfängliche Beantragung einer längeren Gültigkeitsfrist gemäß Art.  70 Abs.  3 S.  2 ­EuErbVO), die Gültigkeitsfrist rechtzeitig zu verlängern gemäß Art.  70 Abs.  3 S.  3 EuErbVO oder – wenn das Grundstück in Deutschland belegen ist und die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zu bejahen ist – kumulativ einen Erbschein, der unbefristet gilt, zu beantragen.1025 Damit stellt sich aber auch allgemein die Frage, ob der Gutglaubensschutz in einer so starken akzessorischen Verbindung zur Gültigkeitsfrist steht, dass mit deren Ablauf der Gutglaubensschutz ex nunc entfällt. Die andere Möglichkeit wäre die Aufrechterhaltung des Gutglaubensschutzes, jedenfalls solange der Dritte, der im Zeitraum der Gültigkeitsfrist vom Inhalt der beglaubigten Abschrift Kenntnis erlangt hat, in seinem guten Glauben nicht erschüttert ist. b) Endgültiger Wirkungsverlust der beglaubigten Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses nach Fristablauf? Der Wortlaut in Art.  70 Abs.  3 S.  1 EuErbVO scheint unmissverständlich zu sein: Die beglaubigten Abschriften sind sechs Monate gültig und verlieren damit mit Ablauf der Frist ihre Wirkungen (vgl. auch ErwG 71 S.  6).1026 Die Gültigkeit kann sich entsprechend dem Zweck des Zeugnisses zur Verwendung in der Nachlassabwicklung nur auf die Wirkungen nach Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO beziehen. 1024  So schon MPI, RabelsZ 74 (2010), 522 (675); siehe auch Böhringer, NotBZ 2015, 281 (284 f.) mit einem Praxisbeispiel. 1025  Odersky, notar 2015, 183 (186). 1026  jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  70 EuErbVO Rn.  11; Rauscher/Hertel, EuZPR/ EuIPR, Art.  70 EuErbVO Rn.  15; Steiner, ZEV 2016, 487; Dorsel, ZErb 2014, 212 (223).

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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Das Schicksal der Vermutungswirkung ist hierbei unproblematisch. Da sie nur zugunsten der in dem Zeugnis bezeichneten Person besteht, entfällt die Vermutungswirkung mit Fristablauf. Die beglaubigte Abschrift kann z.B. nicht mehr im streitigen Verfahren verwendet werden, um die günstige Beweislastumkehr herbeizuführen. Denn das Gericht erkennt sofort anhand des in die Abschrift aufgenommenen Ablaufdatums, dass die Abschrift ihre Vermutungswirkung nicht mehr zu entfalten vermag. Gleiches gilt für die Legitimationswirkung als besondere Ausprägung der Vermutungswirkung. Anders könnte dies hinsichtlich des Gutglaubensschutzes zu beurteilen sein. Ein Dritter, der im Zeitraum der Gültigkeit der beglaubigten Abschrift von deren Inhalt Kenntnis erlangt und aufgrund dieser beispielsweise gutgläubig erwirbt, könnte weiterhin trotz Fristablaufs in seinem guten Glauben geschützt sein. Nach hier vertretener Auffassung verlangt der konkrete Gutglaubensschutz nicht die Vorlage der beglaubigten Abschrift bei jedem nachlassbezogenen Rechtsgeschäft – was freilich dazu führen würde, dass der Gutglaubensschutz jedenfalls wegen Unredlichkeit entfällt, weil dem Dritten, dem die beglaubigte Abschrift vorgelegt wird, mindestens grob fahrlässiges Handeln vorgeworfen werden kann, wenn er die Ungültigkeit der beglaubigten Abschrift anhand des Ablaufdatums nicht erkennt –, sondern die Kenntnis der Angaben in dem Zeugnis und ein darauf aufbauendes rechtsgeschäftliches Handeln mit dem im Zeugnis ausgewiesenen Berechtigten.1027 Die unmittelbare Konsequenz ist, dass der Dritte aufgrund des einmal begründeten guten Glaubens weiterhin Geschäfte mit dem Nichtberechtigten tätigen kann.1028 Einerseits mag man dazu geneigt sein, gemäß dem Ziel der Erleichterung der internationalen Nachlassabwicklung den Gutglaubensschutz zunächst fortbestehen zu lassen und auf der nachgelagerten Stufe der Redlichkeit zu fragen, ob grob fahrlässige Unkenntnis der Unrichtigkeit bei Fristablauf der Gültigkeitsdauer vorliegt.1029 Mit der Kenntnis oder dem Kennenmüssen der Ungültigkeit der beglaubigten Abschrift ist dem Dritten regelmäßig klar, dass die beglaubigte Abschrift keine Wirkungen mehr entfalten kann und damit gleichsam inhaltlich unrichtig ist, wenn auch im untechnischen Sinne, da das Ablaufdatum keine inhaltsrelevante Angabe darstellt, die den Gutglaubensschutz beeinflussen kann.1030 Doch erscheint ein Wirkungsverlust ad hoc bei Fristablauf insgesamt sachgerechter. Die Gültigkeitsfrist bezweckt primär, dem Rechtsschein durch eine unrichtige beglaubigte Abschrift Grenzen zu setzen. Gerade das Gegenteil würde bewirkt, wenn der Fristablauf den Rechtsschein bzw. die Wirkungen nicht besei1027 

Vgl. oben im 3. Kap., B., II., 3., e), aa), S.  140 ff. Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (413). 1029  Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (413). 1030 A.A. Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (413). 1028 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

tigen würde, da der Dritte aufgrund der einmal erlangten Kenntnis von einer gültigen beglaubigten Abschrift praktisch dauerhaft den Gutglaubensschutz genießen könnte. Vielmehr wird der Gutglaubensschutz auf diese Weise extrem ausgedehnt – und einen so weitgehenden Gutglaubensschutz kann die EuErbVO nicht beabsichtigt haben.1031 Des Weiteren enthält der Wortlaut des Art.  70 Abs.  3 EuErbVO keinen Hinweis darüber, dass die Gutglaubenswirkung eine Sonderbehandlung erfahren soll. Der klare Ausdruck der Gültigkeit bezieht sich auf die beglaubigte Abschrift als solche. Berücksichtigt man noch den Umstand, dass der Dritte sich praktisch in jedem Mitgliedstaat auf sein Vertrauen berufen kann und auf diese Weise der wahre Berechtigte zu jeder Zeit und an jedem Ort einen Rechtsverlust befürchten muss, ist ein dergestalt ausgedehnter Gutglaubensschutz nicht anzunehmen. Dieser ist auch nicht erforderlich: Schließlich muss nicht um jeden Preis dem gutgläubigen Dritten zur Vollendung des angestrebten Rechtsgeschäfts verholfen werden. Die Regelung über die Gültigkeitsfrist war ein Kompromiss in Bezug auf den Schutz vor inhaltlich unrichtigen beglaubigten Abschriften im Rechtsverkehr, da eine Einigung über die Pflicht einer Einziehung beglaubigter Abschriften nicht erzielt werden konnte.1032 Dann muss aber diesem Kompromiss zur Verwirklichung seiner wesentlichen Funktion verholfen werden, so dass mit Ablauf der Gültigkeitsfrist die Wirkungen der beglaubigten Abschriften entfallen müssen.1033 Demnach ist zu befürworten, dass der Dritte sich nicht auf den Schutz seines Vertrauens berufen kann, wenn die maßgebliche Rechtshandlung nach Ablauf des in der beglaubigten Abschrift bezeichneten Datums erfolgt.1034 Sämtliche Wirkungen der beglaubigten Abschrift entfallen mit dem Ablauf der Gültigkeitsfrist.1035 c) Zwischenergebnis Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Gültigkeitsfrist zwar a priori dem Rechtsschein Grenzen setzt, jedoch für sich allein keine geeignete Reaktionsmöglichkeit darstellt, um unmittelbar nach der Kenntnis von Tatsachen und Umstän­den, die eine inhaltliche Unrichtigkeit des Zeugnisses nahelegen, den Rechtsschein zu beseitigen.1036 Denn entsteht diese Kenntnis während der Gültigkeitsdauer (die womöglich erst vor kurzem begonnen hat und/oder länger als Vgl. Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (413). jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  70 EuErbVO Rn.  11. 1033  So auch OGH, Beschl. v. 29.8.2017 – 5 Ob 108/17v, JBl 2017, 789 (791). 1034  Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  32. 1035  Steiner, ZEV 2016, 487; vgl. auch OLG München NJW-RR 2020, 468 (471). 1036  So auch Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (407). 1031  1032 

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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6 Monate beträgt), entfalten die beglaubigten Abschriften dennoch ihre Wirkungen regulär. Zudem bedarf es für die Zukunft eines nunmehr inhaltlich richtigen Zeugnisses, das als Urschrift bei der Ausstellungsbehörde aufbewahrt wird und das die Grundlage für die Erteilung beglaubigter Abschriften bildet. Diese sind freilich erst inhaltlich richtig, wenn zuvor die inhaltliche Unrichtigkeit des Zeugnisses von der Ausstellungsbehörde aufgehoben wurde. Vor diesem Hintergrund war es zwingend erforderlich, dass der Unionsgesetzgeber mit der Änderung und dem Widerruf des Zeugnisses sowie der Aussetzung der Wirkungen des Zeugnisses flexible Reaktionsmöglichkeiten geschafft hat. 3. Änderung und Widerruf des Europäischen Nachlasszeugnisses Mit der Änderung und dem Widerruf gemäß Art.  71 Abs.  2 EuErbVO1037 stehen zwei Maßnahmen bereit, die die Ausstellungsbehörde ergreifen kann, sobald sie davon überzeugt ist, dass das Zeugnis inhaltlich unrichtig ist. Ihr Ziel ist es, mittels der mit dem der Änderung und dem Widerruf einhergehenden verfahrensrechtlichen Folge der Unterrichtungspflicht nach Art.  71 Abs.  3 EuErbVO die Verwendung inhaltlich unrichtiger beglaubigter Abschriften im Rechtsverkehr zu unterbinden. Bezugsobjekt der Änderung und des Widerrufs ist das Zeugnis, das als Urschrift bei der Ausstellungsbehörde aufbewahrt ist. Die beglaubigten Abschriften, die die Ausstellungsbehörde erteilt hat, kann sie mangels Greifbarkeit schon nicht ändern oder widerrufen; eine Rückgabepflicht besteht ebenso nicht.1038 a) Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Änderung und Widerruf Wann die Ausstellungsbehörde das Zeugnis ändert und wann widerruft, bleibt offen. Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass zwischen Änderung und Widerruf ein Stufenverhältnis besteht; wenn das Zeugnis widerrufen wird, muss ein neues Ausstellungsverfahren betrieben werden, daher ist die Änderung des Zeugnisses ein wesentlich milderes Mittel, da deutlich verfahrensökonomischer.1039 Grundsätzlich ändert die Ausstellungsbehörde das Zeugnis, wenn sie aufgrund des ursprünglichen Antrags bzw. von Ermittlungen zu der Feststellung

1037 

Die ebenfalls in Art.  71 EuErbVO geregelte Berichtigung ist an dieser Stelle nicht relevant, da es sich hierbei lediglich um offensichtliche Schreibfehler (z.B. Falschschreibung eines Namens) handelt, die die Ausstellungsbehörde nachträglich beseitigt. Eine Verbindung zu den Wirkungen des Zeugnisses besteht hier nicht, weil kein inhaltlicher Fehler in Rede steht. 1038  Vgl. näher unten im 3. Kap., D., III., 5., S.  312 ff. 1039  jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  71 EuErbVO Rn.  6.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

der teilweisen inhaltlichen Unrichtigkeit des Zeugnisses gelangt ist.1040 Bei vollständiger Unrichtigkeit widerruft die Ausstellungsbehörde das Zeugnis.1041 Man könnte sich etwa die Situation vorstellen, dass die Ausstellungsbehörde aufgrund ihrer Ermittlungen von der inhaltlichen Unrichtigkeit des Zeugnisses überzeugt ist, ihr jedoch wesentliche Informationen fehlen, um das Zeugnis gemäß der wirklichen materiellrechtlichen Lage zu korrigieren. Der Widerruf stellt hier ein adäquates Mittel dar, um zumindest den inhaltlich unrichtigen beglaubigten Abschriften entgegenzuwirken, ohne gleichzeitig ein neues Zeugnis zu erteilen. Gewiss ist die Unterscheidung zwischen einer partiellen und einer vollständigen inhaltlichen Unrichtigkeit nicht stets eindeutig, denn wenn das Zeugnis insgesamt mit vielen Fehlern behaftet ist, sollte dennoch ein Widerruf erfolgen. In ­einem neuen Ausstellungsverfahren können die Unrichtigkeiten zuverlässig behoben werden. Bei einer Änderung des Zeugnisses können entsprechende beglaubigte Abschriften des geänderten Zeugnisses auf Antrag ausgestellt werden; diese Rechtsfolge ergibt sich nicht unmittelbar aus Art.  71 EuErbVO, aber mittelbar aus Art.  70 Abs.  1 EuErbVO. b) Zuständigkeit Für die Änderung und den Widerruf des Zeugnisses ist die Ausstellungsbehörde zuständig, die das unrichtige Zeugnis erteilt hat. Art.  71 Abs.  2 EuErbVO enthält eine versteckte Zuständigkeitsnorm.1042 Hat die Ausstellungsbehörde irrtümlich ihre internationale Zuständigkeit angenommen und das Zeugnis erteilt, ist sie für die Änderung oder den Widerruf des Zeugnisses gleichwohl zuständig.1043 An dieser Stelle zeigt sich wie im Erbscheinsverfahren der Spiegelbildcharakter vom Ausstellungserfahren und Änderungs- bzw. Widerrufsverfahren. In praktischer Hinsicht war das zwingend, da nur die Ausstellungsbehörde die Urschrift des Zeugnisses besitzt, die im Verfahren nach Art.  71 Abs.  2 EuErbVO widerrufen oder geändert wird.

1040 

MüKoBGB/Dutta, Art.  71 EuErbVO Rn.  6; Dutta/Herrler/Lange, Die Europäische Erb­ rechts­verordnung, 161 (174). 1041  NK-BGB/Nordmeier, Art.  71 EuErbVO Rn.  10 stellt darauf ab, ob der Fehler geringeren (dann Änderung) oder gewichtigeren Umfangs (dann Widerruf) ist, während Dutta/Weber/ Fornasier, Art.  71 EuErbVO Rn.  6 darauf abstellt, ob der Fehler korrigiert werden kann. 1042  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  71 EuErbVO Rn.  7; jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  71 EuErbVO Rn.  3. 1043  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  71 EuErbVO Rn.  7.

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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c) Begriff der inhaltlichen Unrichtigkeit aa) Materielle Unrichtigkeit Wann ein Zeugnis inhaltlich unrichtig ist, wurde bereits bei der Gutglaubenswirkung bezüglich der Redlichkeit des Dritten erörtert.1044 Die Auslegung des Begriffs der inhaltlichen Unrichtigkeit von Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO und von Art.  71 Abs.  2 EuErbVO muss (mindestens) deckungsgleich sein, weil es in beiden Fällen um Angaben im Zeugnis geht; zusätzlich spricht hierfür der gleiche Wortlaut. Die Angaben müssen in der Weise nicht mit der Wirklichkeit korrespondieren, dass dadurch erstens die von dem Zeugnis ausgehende Vermutungs-, Gutglaubens- und Legitimationswirkung tangiert wird.1045 Zweitens kann auch jede andere falsche Angabe, die gemäß Art.  68 EuErbVO den Inhalt des Zeugnisses bilden kann, zur Änderung oder zum Widerruf führen; der Wortlaut nimmt keine Einschränkungen vor.1046 Irrelevant ist aufgrund des nicht differenzierenden Wortlauts, ob die Unrichtigkeit dem Zeugnis von Anfang an haftete oder erst später eintrat.1047 bb) Verfahrensfehler Unklar ist, ob neben den materiellen Fehlern auch Verfahrensfehler eine Änderung oder einen Widerruf durch die Ausstellungsbehörde begründen können. Zu den Verfahrensfehlern, die sich aus dem europäischen Recht ergeben, gehören beispielsweise die Ausstellung des Zeugnisses durch eine international unzuständige Ausstellungsbehörde oder die Nichtanhörung Beteiligter am Verfahren, ferner das vollständige Fehlen eines Antrags. Hinzu kommen verfahrensrechtliche Fehler, die sich aus der lex fori ergeben, z.B. die Ausstellung des Zeugnisses durch eine sachlich oder örtlich unzuständige Ausstellungsbehörde. (1) Grammatikalische Auslegung Nach dem Wortsinn von „inhaltlich unrichtig“ berechtigen Verfahrensfehler nicht zur Änderung oder zum Widerruf des Zeugnisses, denn es geht um solche Fehler, die einer unrichtigen Würdigung der materiellen Erbrechtslage entspringen.1048 Doch bei Betrachtung anderer Sprachfassungen zeigt sich nur in der 1044 

Siehe oben im 3. Kap., B., II., 3., e), cc), (1), S.  147. MüKoBGB/Dutta, Art.  71 EuErbVO Rn.  4. 1046  NK-BGB/Nordmeier, Art.  71 EuErbVO Rn.  9. 1047  Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  71 EuErbVO Rn.  4; Deixler-Hübner/ Schauer/Perscha, Art.  71 EuErbVO Rn.  7, der dies mit dem nicht in der EuErbVO angelegten Neuerungsverbot begründet. 1048  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  71 EuErbVO Rn.  4. 1045 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

deutschen Sprachfassung die Hervorhebung der inhaltlichen Unrichtigkeit. Die englische Sprachfassung verwendet den Ausdruck „not accurate“, sagt also, dass das Zeugnis oder einzelne Teile von ihm nicht zutreffend sind. Ein Bezug zum Inhalt wird nicht hergestellt. Vielmehr kann nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein Zeugnis auch als nicht zutreffend anzusehen sein, wenn die (verfahrensrechtlichen) Voraussetzungen zu dessen Ausstellung nicht vollkommen erfüllt waren. Die französische und italienische Sprachfassung hingegen sind etwas wortreicher mit „ne correspondent pas à la réalité“ bzw. „non corrispondano al vero“, mithin müssen das Zeugnis oder einzelne Teile von ihm nicht der Wirklichkeit entsprechen.1049 Selbiges gilt auch hier hinsichtlich der Einbeziehung von Verfahrensfehlern wie bei der englischen Sprachfassung: Dass das Zeugnis oder einzelne Teile von ihm nicht der Wirklichkeit entsprechen, trifft auch auf den Fall zu, dass bereits im Ausstellungsverfahren gegen verfahrensrechtliche Vorschriften verstoßen wurde. Die grammatikalische Auslegung spricht somit für die Einbeziehung von Verfahrensfehlern unter Art.  71 Abs.  2 EuErbVO. (2) Systematische Auslegung In systematischer Hinsicht lässt sich einwenden, dass im Rahmen der Rechtsmittelverfahren Verfahrensfehler gerügt und beseitigt werden können, womit Art.  71 Abs.  2 EuErbVO nicht auf formelle Fehler anwendbar sei.1050 Die zuständige Behörde wird bei Erfolg eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung nach Art.  67 EuErbVO (Ausstellung oder Nichtausstellung eines Zeugnisses) das Zeugnis ändern oder widerrufen, wenn die Ausstellungsbehörde ein Zeugnis positiv beschieden hat, oder selbst die Ausstellung eines Zeugnisses durchführen oder dies gegenüber der Ausstellungsbehörde veranlassen, wenn schon ursprünglich die Ausstellung des Zeugnisses versagt wurde. Auf diese Weise werden Verfahrensfehler geheilt.1051 Diese Schlussfolgerung muss allerdings nicht zwingend sein. Nur weil eine Rechtsschutzmöglichkeit existiert, ist nicht ausgeschlossen, dass auf einer anderen Instanzenebene die Überprüfung von Verfahrensfehlern geboten ist. Die Rüge von Verfahrensfehlern birgt im Rahmen des Art 71 Abs.  2 EuErbVO den Vorteil, dass auch den dort genannten Personen der Zugang zur Überprüfung von Verfahrensfehlern eröffnet wird. Die Rechtsbehelfe stehen nur Antragstellern i.S.d. Art.  65 Abs.  1 i.V.m. Art.  63 Abs.  1 EuErbVO zu. Außerdem So auch BeckOGK/J. Schmidt, Art.  71 EuErbVO Rn.  18. So Dutta/Weber/Fornasier, Art.  71 EuErbVO Rn.  4. 1051  Nicht überzeugend ist die Ausführung von BeckOGK/J. Schmidt, Art.  71 EuErbVO Rn.  18, wonach es gegen formelle Unrichtigkeiten keine Rechtsschutzmöglichkeiten gibt. Die Rechtsbehelfe nach Art.  72 EuErbVO führen auch zur Nachprüfung von Verfahrensfehlern, weil hier ein Gleichlauf mit Art.  71 Abs.  2 EuErbVO bestehen muss. 1049  1050 

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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enthält das Zeugnis nach Art.  68 lit.  c EuErbVO Angaben über die Umstände, aus denen die Ausstellungsbehörde ihre Zuständigkeit für die Ausstellung des Zeugnisses herleitet. Ist dann aber diese Angabe Teil des Zeugnisses, muss das Zeugnis im Hinblick auf diese Angabe bei einem Verstoß gegen Zuständigkeitsvorschriften unrichtig sein, was eine Änderung oder einen Widerruf rechtfertigt.1052 Die systematische Betrachtung legt wie die grammatikalische Auslegung die Relevanz von Verfahrensfehlern in Art.  71 Abs.  2 EuErbVO nahe. (3) Historische und genetische Auslegung Im Kommissionsvorschlag zur EuErbVO ist im Zusammenhang mit der Berichtigung des Zeugnisses von einem „materiellen Fehler“1053 die Rede. Zu beachten ist, dass mit der Berichtigung wohl eine Änderung i.S.d. Art.  71 Abs.  2 EuErbVO gemeint ist und nicht eine einfache Berichtigung wegen eines Schreibfehlers i.S.d. Art.  71 Abs.  1 EuErbVO. Die Verwendung des Begriffs des materiellen Fehlers zeigt, dass Verfahrensfehler als formelle Fehler nicht zur Änderung und zum Widerruf berechtigen. Im endgültigen Verordnungstext ist das Adjektiv „materiell“ gestrichen worden. Vielmehr verhält sich der Wortlaut, wie erörtert, allgemeiner. Zwar lässt sich hieraus nicht eindeutig der Schluss ziehen, dass Verfahrensfehler unter Art.  71 Abs.  2 EuErbVO gefasst werden, andererseits wird jedenfalls entkräftet, dass Art.  71 Abs.  2 EuErbVO nur Fehler inhaltlicher Art erfasst. (4) Teleologische Auslegung Dem Art.  71 Abs.  2 EuErbVO liegt das Telos zugrunde, die Verwendung als inhaltlich unrichtig erkannte Zeugnisse wegen der Täuschungsgefahr im Rechtsverkehr und der Verlustgefahr für den wahren Berechtigten zu verhindern. Eine Täuschung des Rechtsverkehrs wird dabei ermöglicht, wenn die Angaben im Zeugnis derart von der Wirklichkeit abweichen, dass seine Wirkungen zum Nachteil des wahren Berechtigten gereichen können. Bei Verfahrensfehlern ist nicht unmittelbar darauf zu schließen, dass sich diese auf die materiellrechtlichen Angaben auswirken. Der materiellrechtlich Berechtigte, der auch korrekt im Zeugnis mit allen inhaltlichen Angaben nach Art.  68 EuErbVO bezeichnet wird, wird nicht dadurch geschädigt, dass der Ausstellungsbehörde ein Verfahrensfehler, z.B. ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht oder die Nichtexistenz eines Antrags, unterlaufen ist. Ein Verstoß gegen die internationale Zuständigkeit 1052 

Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  71 EuErbVO Rn.  5. Vgl. Art.  43 Abs.  3 lit.  a des KOM (2009) 154 endg., 2009/0157; vgl. auch die englische und französische Sprachfassung „material error“ bzw. „d’erreur matérielle“. 1053 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

kann allerdings dazu führen, dass aufgrund eines weiteren Antrags einer anderen Person das tatsächlich international zuständige Gericht ein Zeugnis erteilt. Hier besteht die Gefahr divergierender Zeugnisse, denen mit den entsprechenden Reaktionsmöglichkeiten insbesondere der Ausstellungsbehörde begegnet werden muss.1054 Mehr noch besteht im europäischen Verfahren das Bedürfnis, allgemeine Verfahrensgrundsätze zu wahren und deren Verletzung zu sanktionieren. Auch dort hat das Verfahrensrecht einen selbstständigen Wert und nicht nur dienende Funktion. Das europäische Verfahrensrecht ist mehr noch genuiner Bestandteil der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein etwaiger Verfahrensverstoß sich aufgrund des großen Wirkungsbereichs des Zeugnisses in alle Mitgliedstaaten durchschlägt. Das Verfahrensrecht legitimiert generell die einschneidenden Wirkungen des Zeugnisses.1055 Deshalb sollte die Verletzung verfahrensrechtlicher Bestimmungen auch eine für Art.  71 Abs.  2 EuErbVO relevante Unrichtigkeit begründen. Dass das Zeugnisverfahren abgesehen von den bindenden Regelungen in Art.  64 ff. EuErbVO grundsätzlich von jedem Mitgliedstaat selbst ausgestaltet wird, hindert nicht daran, relevante Verfahrensfehler für alle Zeugnisverfahren zu formulieren, zumal Art.  64 ff. EuErbVO die wesentlichen Verfahrenslinien festlegt. Dabei ist zwischen der Behandlung von Verstößen gegen eine europäische Vorschrift und eine Vorschrift der lex fori nicht zu differenzieren. Ein Verstoß gegen eine nationale Vorschrift ist mithin nicht weniger gravierend als ein Verstoß gegen eine europäische Vorschrift. Das Telos spricht folglich für die Subsumtion von Verfahrensfehlern unter den Begriff der Unrichtigkeit. (5) Ergebnis Alle Auslegungsmethoden führen zum Ergebnis, dass Verfahrensfehler unter Art.  71 Abs.  2 EuErbVO gefasst werden.1056 Ob nur schwerwiegende Verfahrensverstöße oder schon jeder Verfahrensverstoß eine Unrichtigkeit gemäß Art.  71 Abs.  2 EuErbVO begründet, wird man, um die praktische Umsetzbarkeit des Zeugnisses und die Prozessökonomie zu fördern, zugunsten der ersten Variante entscheiden müssen. Es sollte darauf ankommen, ob der Verfahrensfehler potentiell Konsequenzen für die Wirkungen des Zeugnisses nach sich ziehen kann. 1054 

Vgl. oben im 3. Kap., C., III., S.  257 ff. Vgl. oben im 3. Kap., A., II., S.  46 ff. 1056  A.A. Dutta/Weber/Fornasier, Art.  71 EuErbVO Rn.  4; wohl auch MüKoBGB/Dutta, Art.  71 EuErbVO Rn.  4; unklar NK-BGB/Nordmeier, Art.  71 EuErbVO Rn.  9. 1055 

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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d) Maßgebliche Perspektive für die Beurteilung der inhaltlichen Unrichtigkeit Die inhaltliche Unrichtigkeit des Zeugnisses beurteilt sich aus der Sicht der Ausstellungsbehörde.1057 Es wäre fragwürdig, wenn die Ausstellungsbehörde ein Zeugnis, das sie selbst nach dem für sie maßgeblichen Recht erteilt hat, bei einer Änderung oder bei einem Widerruf in Bezug auf seine inhaltliche Unrichtigkeit nun anders beurteilen müsste. Das entspricht dem Spiegelbildcharakter zwischen dem Ausstellungsverfahren dem Änderungs- bzw. Widerrufsverfahren sowie der generellen Konzentration erbrechtlicher Verfahren in einem Mitgliedstaat, wie sie in Art.  4 EuErbVO zum Ausdruck kommt. Ein Konflikt mit dem internationalen Entscheidungseinklang ergibt sich nicht.1058 Ist also lediglich aus Sicht des Verwendungsstaates das Zeugnis inhaltlich unrichtig, z.B. wegen vorrangigen staatsvertraglichen Kollisionsrechts, ist die Änderung oder der Widerruf des Zeugnisses ausgeschlossen.1059 Schließlich kann das Zeugnis auch noch in anderen Mitgliedstaaten verwendet werden, die womöglich kein vorrangiges staatsvertragliches Kollisionsrecht zu beachten haben. Dann würde die Effektivität des Zeugnisses annulliert, wenn das Zeugnis aufgrund eines kollisionsrechtlichen Spezifikums eines Verwendungsstaates geändert oder widerrufen werden müsste. Die Maßgeblichkeit der Sicht des Verwendungsstaates würde bewirken, dass das Zeugnis häufig als inhaltlich unrichtig deklariert wird, als potentiell alle Mitgliedstaaten außer der Ausstellungsstaat mit ihren individuellen staatsvertraglichen Kollisionsnormen die inhaltliche Unrichtigkeit begründen können. Dass zudem der Verwendungsort vom Zeugnisinhaber bestimmt wird, also gleichsam zufällig, kann in Anbetracht einer vorausschaubaren und rechtssicheren Nachlassabwicklung nicht die Beurteilung beeinflussen, ob das Zeugnis inhaltlich unrichtig ist oder nicht. e) Verfahren zur Feststellung der inhaltlichen Unrichtigkeit Die Ausstellungsbehörde hat das Zeugnis zu ändern oder zu widerrufen, wenn die inhaltliche Unrichtigkeit feststeht (Art.  71 Abs.  2 letzter Hs. EuErbVO). Der Ausstellungsbehörde steht ausweislich des Wortlauts kein Ermessensspielraum zu. Wenn sie von der Unrichtigkeit des Zeugnisses überzeugt ist, muss sie das 1057 

MüKoBGB/Dutta, Art.  71 EuErbVO Rn.  4; Dutta/Weber/Fornasier, Art.  71 EuErbVO Rn.  4; Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  71 EuErbVO Rn.  7; ob jedoch eine abweichende Beurteilung des Inhalts durch den Verwendungsstaat zu einer Annahmeverweigerung des Zeugnisses führen kann, ist eine andere Frage, die den Kern der Wirkungsentfaltung des Zeugnisses betrifft und nicht die Möglichkeit des nachträglichen Eingriffs durch die Ausstellungsbehörde mittels Änderung und Widerruf, vgl. hierzu unten im 6. Kap., B., IV., S.  475 ff. 1058  jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  71 EuErbVO Rn.  7. 1059  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  71 EuErbVO Rn.  4.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Zeugnis ändern oder widerrufen. In dem Änderungs- oder Widerrufsverfahren prüft die Ausstellungsbehörde nochmals die Voraussetzungen für die Ausstellung des Zeugnisses unter Berücksichtigung der nunmehr bekannten Tatsachen. Zur Änderung oder zum Widerruf kann die Ausstellungsbehörde von jeder Person mit berechtigtem Interesse angeregt werden. Dabei hat stets ein berechtigtes Interesse, wer wegen des unrichtigen Zeugnisses benachteiligt und folglich durch die Änderung oder den Widerruf begünstigt wird. Das ist primär der Berechtigte, dessen Recht im Zeugnis nicht oder nicht richtig angegeben wurde1060, damit sind jedenfalls alle Antragsberechtigten nach Art.  65 Abs.  1 i.V.m. Art.  63 Abs.  1 EuErbVO erfasst. Zusätzlich wird auch Dritten ein berechtigtes Interesse zugesprochen, etwa wenn eine Person von der Nichtexistenz einer im Zeugnis angegebenen Beschränkung profitieren würde, z.B. weil durch den Wegfall der Beschränkung ein Erwerb zugunsten dieser Person wirksam wäre, oder allgemein einer Person gegenüber zu rechtsgeschäftlichen Zwecken ein Zeugnis verwendet wurde.1061 Diese weite Auslegung des berechtigten Interesses führt aufgrund der dadurch unüberschaubaren Anzahl an potentiellen Personen, die ein Verfahren nach Art.  71 Abs.  2 EuErbVO einleiten können, möglicherweise zu willkürlichen Änderungs- und Widerrufsverfahren. Allerdings ist festzuhalten, dass die vom Zeugnis ausgehenden Wirkungen erhebliche Rechtsfolgen auslösen können. Wenn z.B. eine Bank trotz Kenntnis einer anderweitigen erbrechtlichen Lage abweichend vom Inhalt des Zeugnisses an den Zeugnisinhaber leistet, ist sie wegen ihrer Unredlichkeit nicht durch die Gutglaubenswirkung geschützt und muss ggf. mit doppelter Inanspruchnahme rechnen. Hier hat die Bank augenscheinlich ein berechtigtes Interesse daran, das Zeugnis ändern zu lassen, bevor sie die Auszahlung vornimmt. Außerdem profitiert nicht nur der Empfänger des Zeugnisses von der Änderung und dem Widerruf, sondern auch der wahre Berechtigte. Die Gesamtbetrachtung gebietet folglich eine extensive Auslegung des berechtigten Interesses, um die Beseitigung inhaltlich unrichtiger Zeugnisse effektiv zu ermöglichen. Der Nachweis des berechtigten Interesses wird praktisch indes in den Hintergrund treten, denn gelingt der Nachweis nicht, hat der Antragsteller aber Tatsachen und Umstände vorgetragen, die die Unrichtigkeit des Zeugnisses nahelegen, muss die Ausstellungsbehörde von Amts wegen, soweit die lex fori dies vorsieht, das Zeugnis ändern oder widerrufen.1062 Diese Anordnung ist verständlich angesichts dessen, dass es keines Verlangens einer anderen Person zur Änderung oder zum Widerruf bedarf, wenn die Ausstellungsbehörde selbst Kenntnis von Tatsachen oder Umständen erhält, die den Inhalt des Zeug1060 

Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  71 EuErbVO Rn.  4. BeckOGK/J. Schmidt, Art.  71 Rn.  9; mit weiterem Beispiel Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  71 EuErbVO Rn.  6. 1062  Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  71 EuErbVO Rn.  6. 1061 

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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nisses erschüttern. Schließlich verfolgt die Ausstellungsbehörde selbstredend das Ziel, den Rechtsverkehr vor inhaltlich unrichtigen Zeugnissen bzw. beglaubigten Abschriften zu schützen. Es wäre zu begrüßen, wenn möglichst alle Mitgliedstaaten ein amtswegiges Einleitungsverfahren für die Änderung und den Widerruf vorsehen würden.1063 Für die Geltendmachung der Unrichtigkeit des Zeugnisses besteht mangels einschlägiger Regelung keine Frist.1064 Sie wäre auch nicht tunlich, zumal die Ausstellungsbehörde von Amts wegen das Zeugnis ändern oder widerrufen kann, sobald sie von entsprechenden Umständen und Tatsachen Kenntnis erhält. Der Begriff des „Verlangens“ soll die formungebundene Möglichkeit betonen, die Ausstellungsbehörde zu der Änderung und dem Widerruf anzuregen.1065 Dies hat den Vorteil, dass der Zugang zum Änderungs- und Widerrufsverfahren mangels formeller Hürden wesentlich erleichtert wird. f) Verfahrensrechtliche Folgen Steht die inhaltliche Unrichtigkeit des Zeugnisses fest und wird im Zuge dessen das Zeugnis geändert oder widerrufen, hat die Ausstellungsbehörde unverzüglich alle Personen, denen beglaubigte Abschriften des Zeugnisses erteilt wurden, über die Änderung oder den Widerruf des Zeugnisses zu unterrichten (Art.  70 Abs.  3 EuErbVO). Der Begriff „unverzüglich“ sollte aufgrund der Gefahren des unrichtigen Zeugnisses derart ausgelegt werden, dass die Ausstellungsbehörde unmittelbar nach ihrer Entscheidung in angemessener Form, idealerweise schriftlich, die Inhaber beglaubigter Abschriften benachrichtigt. ErwG 72 S.  5 beschreibt den Zweck der Unterrichtungspflicht damit, dass eine missbräuchliche Verwendung festgestellter inhaltlich unrichtiger beglaubigter Abschriften vermieden werden soll. Konkret soll also die Verwendung irrtümlich für inhaltlich richtig befundener beglaubigter Abschriften aufgrund der Unkenntnis des zwischenzeitlich geänderten oder widerrufenen Zeugnisses verhindert werden.1066 Die Unterrichtung lässt den Inhaber vorsätzlich handeln bzw. macht diesen bösgläubig.1067 Da es für den Eintritt der Gutglaubenswirkung des Zeugnisses nicht auf subjektive Voraussetzungen beim Verwender ankommt, kann 1063 

In Deutschland hat der Widerruf des Zeugnisses gemäß §  38 S.  2 IntErbRVG auch von Amts wegen zu erfolgen. Für eine Änderung bedarf es eines Antrages einer Person mit berechtigtem Interesse. 1064  Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  71 EuErbVO Rn.  6. 1065  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  71 EuErbVO Rn.  4. 1066  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  71 EuErbVO Rn.  6. 1067  jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  71 EuErbVO Rn.  13; Becker/Wegener, notar 2017, 32 (33); Süß, ZEuP 2013, 725 (739).

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

dieser die beglaubigte Abschrift weiterhin gebrauchen.1068 Die Bösgläubigkeit des Verwenders wirkt sich jedoch dergestalt positiv für den wahren Berechtigten aus1069, als dieser regelmäßig umfassendere und günstigere Ausgleichsansprüche gegen den Verwender geltend machen kann1070. Freilich kann man dem Unionsgesetzgeber eine „gewisse Naivität“1071 unterstellen. Ob die Inhaber tatsächlich die Verwendung der beglaubigten Abschriften trotz Unterrichtung über die Unrichtigkeit des Zeugnisses unterlassen, ist fraglich. Man kann sich etwa vorstellen, dass der Scheinerbe über einen Nachlassgegenstand verfügen muss, um sich nicht gegenüber seinem Geschäftspartner schadensersatzpflichtig zu machen oder sonst einen Reputationsverlust zu erleiden. In aller Regel ist dennoch davon auszugehen, dass die unterrichteten Personen sich normgemäß verhalten. Spätestens der Ablauf der Gültigkeitsfrist macht einen Missbrauch gegenstandslos.1072 Als Kompensation für die Einziehung oder körperliche Rückgabe der beglaubigten Abschriften ist die Unterrichtungspflicht jedenfalls unentbehrlich. Aufgrund des bei der Ausstellungsbehörde geführten Verzeichnisses nach Art.  70 Abs.  2 EuErbVO wird die Unterrichtung in den weit überwiegenden Fällen gelingen, wobei mangels eigenständiger Regelung die jeweilige lex fori den Unterrichtungsvorgang ausgestaltet.1073 g) Einfluss auf die Wirkungen gültiger beglaubigter Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses Der Einfluss von Änderung und Widerruf auf die Wirkungen der noch gültigen beglaubigten Abschriften wird überaus kontrovers gesehen, was auf den ersten Blick verwunderlich erscheint. Betrachtet man isoliert die Funktion dieser Maßnahmen, unrichtige Zeugnisse aus dem Rechtsverkehr zu schaffen, scheint ein Wirkungsentfall nach der Änderung bzw. dem Widerruf nahezuliegen, weil die beglaubigten Abschriften nicht von der Ausstellungsbehörde eingezogen werden. Die EuErbVO schweigt zu den wirkungsbezogenen Folgen, weshalb nur eine Auslegung Aufschluss darüber geben kann. Sicher ist jedenfalls, dass Änderung und Widerruf keine rückwirkende Kraft haben, mithin ex nunc wirken.1074 1068  Insbesondere entfällt nicht der Gutglaubensschutz durch die Änderung oder den Widerruf des Zeugnisses, siehe sogleich unten im 3. Kap., D., III., 3., g), S.  302 ff. 1069  jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  71 EuErbVO Rn.  13. 1070  Vgl. bei deutschem Ausgleichsstatut oben im 3. Kap., B., II., 1., g), S.  105 ff. 1071  So MüKoBGB/Dutta, Art.  71 EuErbVO Rn.  7; zustimmend NK-BGB/Nordmeier, Art.  71 EuErbVO Rn.  13. 1072  NK-BGB/Nordmeier, Art.  71 EuErbVO Rn.  13 bezeichnet die Gültigkeitsfrist deshalb als zentrales Schutzelement vor dem Missbrauch beglaubigter Abschriften. 1073  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  71 EuErbVO Rn.  6. 1074  Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  71 EuErbVO Rn.  4.

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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Unabhängig davon, ob mit der Änderung und dem Widerruf die Wirkungen der alten beglaubigten Abschriften entfallen oder nicht, bleiben Rechtsgeschäfte, die vor dem Zeitpunkt der Änderung oder des Widerrufs vollständig abgeschlossen waren, somit wirksam. aa) Grammatikalische Auslegung Bezugsobjekt von Änderung und Widerruf ist ausweislich des Wortlauts von Art.  71 Abs.  2 EuErbVO das Zeugnis, das als Urschrift bei der Ausstellungsbehörde aufbewahrt wird und nicht in den Rechtsverkehr gelangt. Die beglaubigten Abschriften sind nicht Objekt der Änderung und des Widerrufs, weshalb anzunehmen ist, dass die verfahrensrechtlichen Maßnahmen die Wirkungen der beglaubigten Abschriften unberührt lassen.1075 Ungeachtet dessen schweigt die Vorschrift zu den Rechtsfolgen einer Änderung oder eines Widerrufs in Bezug auf die Wirkungen der beglaubigten Abschriften. Die Unterrichtungspflicht gegenüber Inhabern beglaubigter Abschriften nach Art.  70 Abs.  3 EuErbVO mag man als eine Rechtsfolge deklarieren, die allerdings keinen Wirkungsbezug aufweist. Dies spricht insgesamt eher für eine Ablehnung des Wirkungsentfalls der beglaubigten Abschriften, da anzunehmen ist, dass der Unionsgesetzgeber eine so wesentliche Rechtsfolge ausdrücklich geregelt hätte, wenn er sie gewollt hätte. Die Wortlautauslegung ist somit nicht ergiebig. bb) Systematische Auslegung Änderung und Widerruf folgen unmittelbar der Regelung des Art.  70 EuErbVO zu den beglaubigten Abschriften des Zeugnisses, die auch die Gültigkeitsfrist beinhaltet. Die Gültigkeitsfrist ist ein Schutzmechanismus, um den Wirkungen der beglaubigten Abschriften im Vorhinein zeitliche Grenzen zu setzen.1076 Eine solche Regelung hätte es nicht bedurft, wenn mit Änderung und Widerruf die Wirkungen der beglaubigten Abschriften sofort entfielen.1077 Doch ist diese Schlussfolgerung zu pauschal: Selbst wenn ein unmittelbarer Wirkungsentfall anzunehmen ist, hat die Gültigkeitsfrist immer noch die Funktion, den Schaden durch ein unrichtiges Zeugnis von vornherein eine zeitliche Grenze zu setzen. Das Änderungs- und Widerrufsverfahren beansprucht nämlich Zeit und wenn das Verfahren erst kurz vor Ablauf der Gültigkeitsfrist eingeleitet wird, würde der Ablauf der Gültigkeitsfrist seinerseits einen Wirkungsentfall begründen. Die

1075 

Geimer/Schütze/Dorsel, Art.  71 EuErbVO Rn.  9. Vgl. bereits oben im 3. Kap., D., III., 2., a), S.  287 ff. 1077  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  9. 1076 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

systematische Auslegung erweist sich wie die Wortlautauslegung als wenig aussagekräftig. cc) Historische und genetische Auslegung Im Kommissionsvorschlag zur EuErbVO sind die Maßnahmen Änderung und Widerruf nicht vorzufinden. Angesprochen werden lediglich die Berichtigung, die Wirkungsaussetzung und die Einziehung.1078 Die Einziehung ist nicht in die EuErbVO aufgenommen worden. Im Gesetzgebungsverfahren wurde das Bedürfnis nach nachträglichen Eingriffen in die Wirkungen des Zeugnisses gesehen und wurden entsprechende Instrumente hierfür statuiert, die als abschließend aufzufassen sind. Der Kommissionsvorschlag kannte bereits beglaubigte Abschriften des Zeugnisses (dort noch als „Ausfertigungen“1079 bezeichnet) und die Aufbewahrung des Zeugnisses bei der Ausstellungsbehörde (dort noch als „Gericht“ bezeichnet). Wenn die Wirkungsaussetzung und die Einziehung als effektive Schutzmechanismen gesehen wurden, dürfte mit der Änderung und dem Widerruf kein Wirkungsentfall verbunden sein. Zwar ließe sich argumentieren, dass die Änderung und der Widerruf die Einziehung ersetzt haben, die aufgrund des körperlichen Beiseiteschaffens der beglaubigten Abschriften aus dem Rechtsverkehr grundsätzlich einen Wirkungsentfall ausgelöst hätte.1080 Dementsprechend könnte man auch der Änderung und dem Widerruf einen Einfluss auf die Wirkungen zuschreiben. Allerdings sind die Änderung und der Widerruf von Grund auf mit der Einziehung nicht vergleichbar. Diese Maßnahmen lassen die beglaubigten Abschriften bei den Inhabern verbleiben. Es besteht nur eine Unterrichtungspflicht der Ausstellungsbehörde gegenüber den Inhabern. Das Schutzniveau zwischen den Maßnahmen fällt deutlich auseinander; Änderung und Widerruf sind wesentlich schwächer ausgestaltet als die Einziehung. Die historische und genetische Auslegung deutet somit eher auf den Wirkungsfortbestand der beglaubigten Abschriften hin. dd) Teleologische Auslegung Vor dem Hintergrund, dass die Änderung und der Widerruf eine Reaktion auf ein unrichtiges Zeugnis darstellen, kann aus Effektivitätsgründen durchaus ein sofortiger Wirkungsentfall hinsichtlich der Gutglaubenswirkung der beglaubigten Abschriften bejaht werden.1081 Diese Lösung würde einen lückenlosen Schutz 1078 

Vgl. Art.  43 des KOM (2009) 154, endg., 2009/0157. Vgl. Art.  43 Abs.  1 des KOM (2009) 154 endg., 2009/0157. 1080  Siehe aber für die Konstellation, dass ein Dritter bereits Kenntnis vom Inhalt einer beglaubigten Abschrift hat, unten im 3. Kap., D., III., 5., b), cc), S.  320 f. 1081  Vgl. Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  71 EuErbVO Rn.  9; ähnlich Stau1079 

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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des wahren Berechtigten bewirken, jedoch die Täuschung des Rechtsverkehrs nicht verhindern, weil der Rechtsverkehr nicht erkennen kann, ob das der beglaubigten Abschrift zugrunde liegende Zeugnis geändert oder widerrufen wurde. Ein Wirkungsentfall erscheint indessen nicht plausibel, wenn man sich die Funktion der Unterrichtungspflicht vor Augen führt. Auch wenn ein sofortiger Wirkungsentfall anzunehmen wäre, hätte eine Unterrichtungspflicht immer noch die Funktion, dass die Inhaber der beglaubigten Abschriften zur Nichtverwendung gemahnt werden. Wenn ErwG 72 S.  5 betont, dass durch die Änderung und den Widerruf eine missbräuchliche Verwendung unrichtiger beglaubigter Abschriften verhindern werden soll, wird ersichtlich davon ausgegangen, dass die beglaubigten Abschriften ihre Wirkungen beibehalten, da es letztlich von dem Verhalten der Inhaber abhängt, ob ein Missbrauch stattfindet. Verwenden die Inhaber trotz Unterrichtung die beglaubigten Abschriften weiter im Rechtsverkehr, können gutgläubige Dritte von den Wirkungen profitieren. Dies ist sogleich ein wichtiges Argument: Dritte können sich niemals sicher sein, ob eine ihnen vorgelegte beglaubigte Abschrift tatsächlich Wirkung zeitigt oder nicht, wenn bereits mit der Änderung und dem Widerruf die Wirkungen entfallen.1082 Wenn Dritten eine gültige beglaubigte Abschrift vorgelegt wird bzw. sie von einer solchen Kenntnis haben, sollten sie in den Genuss des Gutglaubensschutzes kommen. Dritte als Nicht-Inhaber von beglaubigten Abschriften werden nicht über das Änderungs- und Widerrufsverfahren informiert, was angesichts der Zufälligkeit und Uferlosigkeit der möglichen nachlassbezogenen Rechtsgeschäfte praktisch undurchführbar ist. Der Rechtsverkehr wird, wie gesehen, nicht unwesentlich als schutzbedürftig von der EuErbVO eingestuft. Der wahre Berechtigte muss diese Ungewissheit und Abhängigkeit von den Inhabern beglaubigter Abschriften hinnehmen. Diese müssen jedenfalls Schadensersatzsprüche oder sogar Strafverfolgungsmaßnahmen befürchten, wenn sie trotz Kenntnis von der Änderung oder dem Widerruf die beglaubigten Abschriften weiter verwenden.1083 Hinsichtlich der Vermutungs- und Legitimationswirkung muss nach dem Telos etwas anderes gelten. Sie werden mit der Änderung und dem Widerruf sofort aufgehoben.1084 Da diese Wirkungen nur dem Inhaber der beglaubigten Abschrift zugutekommen, spielen Verkehrsschutzgesichtspunkte, die ein Vertrauen auf dinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2370 Rn.  166, die als Begründung anführt, dass die Korrektur andernfalls vergeblich wäre. 1082  BeckOGK/J. Schmidt, Art.  71 EuErbVO Rn.  37, die einen „automatischen Durchschlag“ des Widerrufs und der Änderung eines Zeugnisses auf die beglaubigten Abschriften zutreffend verneint; Schmitz, RNotZ 2017, 269 (289); siehe auch Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  203. 1083  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  71 EuErbVO Rn.  10. 1084  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  48.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

eine gültige beglaubigte Abschrift rechtfertigen, keine Rolle. Die Unterrichtung der Inhaber von beglaubigten Abschriften über die Änderung und den Widerruf des Zeugnisses legitimieren den sofortigen Wegfall der Vermutungs- und Legitimationswirkung. Jene Inhaber wissen, dass die falsch ausgewiesene Rechtslage keine Geltung mehr hat und ihnen daher keinen Nutzen mehr bringt (anders ist dies hinsichtlich der Gutglaubenswirkung zu beurteilen, weil potentielle Dritte nicht von der Änderung oder dem Widerruf des Zeugnisses unterrichtet werden und daher in aller Regel nicht die wahre Rechtslage kennen und sich entsprechend darauf einstellen können). Ferner werden diese Wirkungen ausschließlich im Rahmen gerichtlicher und behördlicher Verfahren (Zivilprozesse, Grundbuchamt, usw.) relevant.1085 Diesen Stellen kann bei Vorlage der beglaubigten Abschrift zugemutet werden, im Rahmen der Beweiswürdigung zu überprüfen, ob die beglaubigte Abschrift noch tatsächlich mit der Urschrift übereinstimmt.1086 ee) Ergebnis Die überzeugenderen Argumente sprechen für die weitere Geltung der Gutglaubenswirkung gültiger beglaubigter Abschriften trotz Änderung oder Widerrufs1087 und für die Aufhebung der Vermutungs- und Legitimationswirkung. Ein anderes Ergebnis wäre mit dem Gesamtkonstrukt der Art.  69–73 EuErbVO nicht vereinbar. Dann ist auch hinzunehmen, dass der Gutglaubensschutz sich weiterhin entfaltet und der wahre Berechtigte benachteiligt wird. Wie gesehen wird dies vom europäischen Gutglaubensschutz gedeckt, der eine ausgewogene Lastenverteilung vorsieht und die schwerere Belastung einzelner Beteiligter in Kauf nimmt. Dem status quo gemäß kann die Ausstellungsbehörde zwar auf die inhaltliche Unrichtigkeit des Zeugnisses reagieren, ist jedoch im Ergebnis vom Verhalten der Inhaber der beglaubigten Abschriften abhängig, die die Verwendung als unrichtig festgestellter beglaubigter Abschriften zu unterlassen haben. Freilich ist zu erwarten und zu erhoffen, dass die Inhaber sich dementsprechend verhalten. Es sind jedoch zwei grundlegend verschiedene Fragen, was man von den Inhabern erwarten kann und wie ein effektiver Schutz bei inhaltlich unrich-

1085 

Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  48. Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  48; a.A. Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  180. 1087  So auch Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  204; Möller, Das Europäische Nachlasszeugnis im System des Gutglaubensschutzes, S.  204 f.; so wohl auch der Bundesrat, der deshalb ein Einziehungsverfahren durch Rückgriff auf §§  2361 ff. BGB forderte, vgl. BRDrs. 644/14 (B), 7; unklar Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  33; ablehnend Jauernig/Stürner, Anm. zu Art.  62–73 EuErbVO Rn.  6, der zudem offenbar von der Möglichkeit der Einziehung de lege lata ausgeht. 1086 

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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tigen Zeugnissen erreicht werden kann.1088 In aller Regel dringt der Gutglaubensschutz auch tatsächlich durch, da Dritte in Anbetracht des Umstandes, dass sie von der Ausstellungsbehörde nicht über eine Änderung oder einen Widerruf des Zeugnisses informiert werden, regelmäßig gutgläubig sein werden.1089 Das Ausmaß des Gutglaubensschutzes hängt schließlich davon ab, in welchem Zeitpunkt die Unrichtigkeit des Zeugnisses bekannt wird. Naht sich zu diesem Zeitpunkt die Gültigkeitsfrist dem Ende zu, ist die Spielfläche für den Eintritt des Gutglaubensschutzes entsprechend schmal. Umgekehrt kann eine Gültigkeitsfrist, die z.B. erst in fünf Monaten abläuft, schon immensen Schaden zulasten des wahren Berechtigten auslösen, wenn der Zeugnisinhaber weiterhin mittels der alten beglaubigten Abschrift über den Nachlass verfügt. An der weiteren Fortgeltung des Gutglaubensschutzes ändert sich schließlich auch dann nichts, wenn der Dritte bereits vor der Änderung oder dem Widerruf Kenntnis vom Inhalt der beglaubigten Abschrift erhält und im Weiteren nicht unredlich wird. Doch ist ein Gutglaubensschutz in Bezug auf die konkrete beglaubigte Abschrift des Zeugnisses spätestens dann zu versagen, wenn ihre Gültigkeitsfrist abgelaufen ist.1090 h) Rechtsbehelf Da durch die Änderung und den Widerruf die Verwendbarkeit des Zeugnisses zulasten des Antragstellers modifiziert bzw. ganz aufgehoben wird, kann dieser die Entscheidung gemäß Art.  72 Abs.  1 UAbs.  2 EuErbVO anfechten. 4. Aussetzung der Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses Die Wirkungsaussetzung gemäß Art.  73 EuErbVO ist ein weiterer Schutzmechanismus, der im Prinzip einen vorläufigen Rechtsschutz vermittelt.1091 Sie ist funktionell vergleichbar mit der einstweiligen Anordnung gemäß §  49 Abs.  1 FamFG oder der einstweiligen Verfügung gemäß §  2362 Abs.  1 BGB i.V.m. §  935 ZPO auf Rückgabe eines Erbscheins im deutschen Recht. Aufgrund der von inhaltlich unrichtigen Zeugnissen ausgehenden Gefahren besteht ein Bedürfnis für eine temporäre Wirkungsaussetzung schon im Schwebezeitraum bis zur Entscheidung in der Hauptsache, namentlich im Änderungs- oder Widerrufsverfahren.

1088 

Siehe deshalb zum Reformbedarf unten im 3. Kap., D., III., 5., S.  312 ff. Müller-Lukoschek, NotBZ 2014, 361 (370). 1090  Vgl. oben im 3. Kap., D., III., 2., b), S.  290 ff. 1091  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  73 EuErbVO Rn.  1; die Sinnhaftigkeit der Aussetzung im Grundsatz bezweifelnd Lange, Erbrecht, §  79 II 4, S.  821. 1089 

308

Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Art.  73 EuErbVO sieht zwei Verfahrensstadien vor, in denen eine Aussetzung verlangt bzw. beantragt1092 werden kann, und zwar einmal zu dem Verfahrensstadium, bevor in der Hauptsache über eine Änderung oder einen Widerruf des Zeugnisses entschieden wird (Art.  73 Abs.  1 lit.  a EuErbVO) sowie während der Anhängigkeit eines Rechtsbehelfs im Rechtsmittelverfahren (Art.  73 Abs.  1 lit.  b EuErbVO). a) Zuständigkeit Neben der Ausstellungsbehörde (Art.  73 Abs.  1 lit.  a EuErbVO) ist auch das Rechtsmittelgericht (Art.  73 Abs.  1 lit.  b EuErbVO) dazu befugt, die Wirkungsaussetzung auszusprechen. Denn auch in einem Rechtsbehelfsverfahren, in dem über eine Anfechtung der Ausstellung des Zeugnisses nach Art.  67 EuErbVO oder der Änderung oder des Widerrufs nach Art.  71 Abs.  2 EuErbVO oder sogar der Wirkungsaussetzung nach Art.  73 Abs.  1 lit.  a EuErbVO entschieden wird, besteht ein Bedürfnis, vorläufigen Rechtsschutz zu erlangen. Der Antragsteller i.S.d. Art.  73 Abs.  1 lit.  b EuErbVO bezweckt, mittels des Antrages auf Wirkungsaussetzung die Wirkungsentfaltung des geänderten oder neu erteilten Zeugnisses (bei Änderung und Widerruf) bzw. die Wirkungsentfaltung eines unrichtigen Zeugnisses zu verhindern (bei erstmaliger Ausstellung des Zeugnisses). b) Antragsbefugnis Für das berechtigte Interesse gelten die gleichen Maßstäbe wie bei Art.  71 Abs.  2 EuErbVO. Derjenige, der ein Änderungs- und Widerrufsverfahren bei der Ausstellungsbehörde veranlassen kann, hat a maiore ad minus auch die Befugnis, die zeitlich vorgelagerte Wirkungsaussetzung zu erreichen. Anders als beim Änderungs- und Widerrufsverfahren erfolgt die Aussetzung nicht von Amts wegen.1093 Die Eilbedürftigkeit ist nämlich typischerweise vom Antragsteller darzulegen und zu beweisen; das Gericht wird jedenfalls in der Hauptsache noch entscheiden.

1092 

Die deutsche Sprachfassung verwendet in Art.  73 Abs.  1 lit.  a EuErbVO den Begriff „Verlangen“ und in Art.  73 Abs.  1 lit.  b EuErbVO den Begriff „Antrag“. Ein inhaltlicher Unterschied besteht nicht, in beiden Konstellationen muss die jeweilige Person die Ausstellungsbehörde bzw. Rechtsmittelgericht anrufen. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit anderen Sprachfassungen, die für beide Konstellationen den gleichen Begriff verwenden („request“, „demande“, „richiesta“). 1093  Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  73 EuErbVO Rn.  2; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  73 EuErbVO Rn.  3.

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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c) Pflichtgemäßes Ermessen der Ausstellungsbehörde und des Rechtsmittelgerichts Die Ausstellungsbehörde und das Rechtsmittelgericht haben bei der Entscheidung über die Wirkungsaussetzung pflichtgemäßes Ermessen auszuüben („können“). Wie das Ermessen ausgestaltet ist, beantwortet die EuErbVO nicht. Es ist – soweit typisch für den vorläufigen Rechtsschutz – eine Interessenabwägung durchzuführen und sind die Erfolgsaussichten in der jeweiligen Hauptsache zu beurteilen, wobei es nur auf eine summarische Prüfung ankommt.1094 In die Abwägung einzubeziehen sind einerseits das Interesse des Antragstellers an der Unterbindung der Verwendung eines aus seiner Sicht unrichtigen Zeugnisses und andererseits das Interesse des Zeugnisinhabers an der Verwendung des Zeugnisses mit dem ursprünglich erteilten Inhalt. Es dürfte wie stets bei einer Interessenabwägung die Maßgabe gelten, dass in der Regel zugunsten des Antragstellers die Wirkungsaussetzung ausgesprochen wird, wenn die Folgen der weiteren Geltung der Wirkungen für den Antragsteller unzumutbar sind und der Zeugnisinhaber durch die nur vorläufige Wirkungsaussetzung nicht besonders belastet wird.1095 Eine Rolle spielen soll auch die Wahrscheinlichkeit einer späteren Änderung oder eines späteren Widerrufs des Zeugnisses.1096 In diesem Zusammenhang ist in konsequenter Fortführung auch im Aussetzungsverfahren als dem Änderungs- und Widerrufsverfahren vorgeschaltetes Verfahren bei der Prognose, ob eine Änderung oder ein Widerruf des Zeugnisses in der Zukunft erfolgen wird, die Sicht der Ausstellungsbehörde maßgeblich. Ferner sollen ausschlaggebende Kriterien der Umfang und die Erkennbarkeit der Unrichtigkeit des Zeugnisses sowie die Komplexität und der Stand der Nachlassabwicklung sein.1097 Die aufgezeigten Kriterien bilden mithin eine solide Grundlage für die Ausstellungsbehörde bzw. das Rechtsmittelgericht, im Einzelfall eine Aussetzung auszusprechen. d) Verfahrensrechtliche Folgen Die Aussetzung löst gemäß Art.  73 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO eine Unterrichtungspflicht der Ausstellungsbehörde oder des Rechtsmittelgerichts gegenüber Inhabern beglaubigter Abschriften aus. Diese müssen Kenntnis von der Wirkungsaussetzung haben, damit sie die Verwendung der beglaubigten Abschriften unterlassen können. Auch hier wird unter Heranziehung des Verzeichnisses nach 1094  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  73 EuErbVO Rn.  4; jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  73 EuErbVO Rn.  5. 1095  BeckOGK/J. Schmidt, Art.  73 EuErbVO Rn.  18. 1096  MüKoBGB/Dutta, Art.  73 EuErbVO Rn.  4; Steiner, ZEV 2016, 487 (488). 1097  NK-BGB/Nordmeier, Art.  73 EuErbVO Rn.  8.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Art.  70 Abs.  2 EuErbVO regelmäßig der Zweck der Unterrichtung erfüllt werden. Die Verwendung der beglaubigten Abschriften gegenüber Dritten trotz Kenntnis von der Wirkungsaussetzung, ohne diese Dritte über die Aussetzung zu informieren, kann zu strafrechtlichen Konsequenzen führen.1098 Nach Art.  73 Abs.  2 UAbs.  2 EuErbVO dürfen zudem während der Wirkungsaussetzung keine weiteren beglaubigten Abschriften des Zeugnisses ausgestellt werden. Einer solchen Regelung bedurfte es, weil mit der Aussetzung der Inhalt des Zeugnisses (noch) nicht verändert wird. Vielmehr bleibt das Zeugnis unverändert bei der Ausstellungsbehörde. Mit der Änderung und dem Widerruf passt sich das Zeugnis der neu festgestellten Rechtslage an, so dass im Rahmen von Art.  71 Abs.  2 EuErbVO ein Verbot nicht erforderlich ist. e) Einfluss auf die Wirkungen gültiger beglaubigter Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses Anders als Art.  71 Abs.  2 EuErbVO äußert sich Art.  73 Abs.  1 EuErbVO ausdrücklich zum Schicksal der Wirkungen: Die Wirkungen des Zeugnisses (bzw. präziser der beglaubigten Abschriften) können ausgesetzt werden. Es liegt daher nahe, entsprechend dem Wortlaut mit dem Ausspruch der Aussetzung den beglaubigten Abschriften temporär sämtliche Wirkungen zu entziehen. Wenn die Aussetzung dem Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gewähren soll und wenn sie die verfahrensrechtliche Vorstufe zu einer absehbaren Änderung oder einem absehbaren Widerruf des Zeugnisses darstellt, wäre die vollständige Wirkungsentziehung konsequent. Indes darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Wirkungsaussetzung lediglich der Änderung und dem Widerruf zeitlich vorgelagert ist und im Wesentlichen die oben genannten Argumente für die Fortgeltung des Gutglaubensschutzes auch hier zutreffen1099: Der Rechtsverkehr kann sich nie sicher sein, ob eine beglaubigte Abschrift Wirkungen entfaltet. Dies würde die Verkehrsfähigkeit des Zeugnisses deutlich einschränken. Die Wirkungsaussetzung führt im Wesentlichen nur zu der verfahrensrechtlichen Folge der Information der Inhaber der beglaubigten Abschriften, dass sie diese nicht mehr verwenden sollen. Würde man einen Wirkungsentfall bei der Aussetzung annehmen, wären die beglaubigten Abschriften jedenfalls bis zur Entscheidung in der Hauptsache wirkungslos. Es wäre widersprüchlich, mit der Aussetzung einen Wirkungsentfall zu verknüpfen, aber anschließend bei erfolgreichem Widerruf oder erfolgreicher Änderung nicht.1100 Bei der Wirkungsaus1098 

Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  73 EuErbVO Rn.  5. Vgl. NK-BGB/Nordmeier, Art.  73 EuErbVO Rn.  9; Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  73 EuErbVO Rn.  7; Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (396 f.). 1100  Freilich ist diese Auffassung nur die konsequente Fortsetzung zur parallelen Problema1099 

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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setzung ist die weitere Geltung der Wirkungen der beglaubigten Abschriften sogar noch einleuchtender vor dem Hintergrund einer schwächeren Legitimation: Der Wirkungsaussetzung liegt lediglich eine Abwägungsentscheidung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes zugrunde, während bei der Änderung und dem Widerruf eine umfassende Nachprüfung durch die Ausstellungsbehörde erfolgt. Das Gegenargument, die Wirkungsaussetzung hätte keine Funktion, wenn der durch die beglaubigten Abschriften vermittelte Gutglaubensschutz unberührt bliebe1101, ist wenig überzeugend. Die Unterrichtung der Inhaber beglaubigter Abschriften, die im Zusammenhang mit Art.  73 EuErbVO nur durch eine wirksam ausgesprochene Aussetzung ausgelöst wird, verhindert grundsätzlich die Verwendung jener beglaubigten Abschriften schon zu einem sehr frühen Verfahrensstadium. Der Gutglaubensschutz kann sich hiermit idealerweise nicht erst entfalten. Außerdem entfallen mit der Aussetzung die Vermutungs- und Legitimationswirkung, so dass in der Zeit der Aussetzung dem Inhaber verwehrt ist, z.B. in einem Zivilprozess oder vor dem Grundbuchamt von der Vermutungsbzw. Legitimationswirkung zu profitieren.1102 Es gelten die Ausführungen zur parallelen Problematik bei der Änderung und dem Widerruf entsprechend.1103 tik bei Art.  71 Abs.  2 EuErbVO; a.A. Geimer/Schütze/Dorsel, Art.  73 EuErbVO Rn.  8; jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  73 EuErbVO Rn.  7; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  73 EuErbVO Rn.  9; Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch/Köhler, Internationales Erbrecht, §  7 Rn.  31; Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  324; Volmer, notar 2016, 323 (331); Böhringer, NotBZ 2015, 281 (283); Omlor, GPR 2014, 216 (220); wohl auch Steiner, ZEV 2016, 487 (488); für eine Suspension der Wirkungen nach Art.  69 EuErbVO ohne Bezugnahme auf beglaubigte Abschriften MüKoBGB/ Dutta, Art.  73 EuErbVO Rn.  5. 1101  Volmer, notar 2016, 323 (331). 1102  Steiner, ZEV 2016, 487 (490); a.A. Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  73 EuErbVO Rn.  9, die eine Aufteilung der Wirkungsaussetzung auf verschiedene Wirkungen des Art.  69 EuErbVO als unzulässig erachtet; ebenso BeckOGK/J. Schmidt, Art.  73 EuErbVO Rn.  19, die allerdings im Ergebnis auch die Fortgeltung der Wirkungen der gültigen beglaubigten Abschriften bejaht. Warum indes eine Aufteilung unzulässig sein soll, entbehrt einer Begründung. Vielmehr muss für jede Wirkung im Einzelnen untersucht werden, welchen Einfluss die Aussetzung und ihre Funktion auf die jeweilige Wirkung hat. Da die Vermutungs- und Legitimationswirkung in der Regel nur zugunsten des Inhabers einer beglaubigten Abschrift wirkt und der Inhaber über die Aussetzung informiert wird, ist er nicht schutzwürdig und können deshalb diese Wirkungen separat von der Gutglaubenswirkung, die nach hiesiger Auffassung von der Aussetzung unberührt bleibt, entfallen. Insbesondere spricht nicht die einheitliche uneingeschränkte Wirkungserstreckung gemäß Art.  69 Abs.  1 EuErbVO gegen eine differenzierte Behandlung der Wirkungen des Zeugnisses, da insoweit nur noch die Gutglaubenswirkung von der Wirkungserstreckung auf alle Mitgliedstaaten betroffen ist. Die Vermutungs- und Legitimationswirkung werden von der Wirkungserstreckung auf alle Mitgliedstaaten gerade nicht mehr betroffen. 1103  Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  48.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

f) Rechtsbehelf Die Anordnung der Aussetzung oder deren Versagung durch die Ausstellungsbehörde kann gemäß Art.  72 Abs.  1 UAbs.  2 EuErbVO angefochten werden. Für eine Entscheidung durch das Rechtsbehelfsgericht sieht die EuErbVO keinen Rechtsbehelf vor. 5. Reformbedarf? – Erforderlichkeit eines europäischen Einziehungsverfahrens Ein Einziehungsverfahren nach europäischem Recht stellt die EuErbVO ausdrücklich nicht zur Verfügung. Inhaltlich unrichtigen Zeugnissen werden mit der Gültigkeitsfrist der beglaubigten Abschriften und der Änderung, dem Widerruf und der Wirkungsaussetzung entgegengewirkt. Die Notwendigkeit eines Einziehungsverfahrens könnte sich indes aus dem Umstand ergeben, dass die Verwendung gültiger beglaubigter Abschriften allein vom Verhalten des Inhabers abhängt und nach hiesiger Auffassung mit den Maßnahmen Änderung, Widerruf und Wirkungsaussetzung ein Wirkungsentfall im Hinblick auf die Gutglaubenswirkung nicht verbunden ist. Die Gegenauffassung, die einen vollständigen Wirkungsentfall mit den genannten Maßnahmen annimmt, wäre ohne Einziehungsmöglichkeit mit dem fragwürdigen Umstand konfrontiert, dass die wirkungslosen beglaubigten Abschriften geradezu „leblos“ im Rechtsverkehr zirkulieren, ohne dass dies erkennbar wäre.1104 Dies kann man sicherlich so hinnehmen mit der Begründung, dass die beglaubigten Abschriften nach dieser Gegenauffassung keine Rechtsfolgen mehr auslösen können. Andererseits birgt die dauerhafte physische Existenz der beglaubigten Abschriften bei den Inhabern mitunter die Gefahr von Manipulation und Missbrauch, z.B. wenn durch eine gefälschte beglaubigte Abschrift (z.B. nachträgliche eigenhändige Veränderung der Gültigkeitsfrist) das Vertrauen Dritter in Anspruch genommen wird, das letztlich nicht bestätigt wird. a) Rückgabepflicht und Einziehung – Existenz immanenter Regelungen in der EuErbVO? Eine Lösung würde bereits von der EuErbVO vorgegeben, wenn aus ihr eine Rückgabepflicht oder eine irgendwie geartete Form der Einziehung zwar nicht expressis verbis, aber im Wege juristischer Methodenanwendung abgeleitet werden könnte. Inhaber beglaubigter Abschriften müssten demzufolge bei der Änderung oder dem Widerruf des Zeugnisses auf Aufforderung der Ausstellungsbehörde die beglaubigten Abschriften herausgeben. 1104 

Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (410).

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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aa) Grammatikalische Auslegung Die Vorschriften in Kapitel VI der EuErbVO zum Zeugnis sehen weder eine Rückgabepflicht noch ein Einziehungsverfahren vor. Vielmehr statuiert die ­EuErbVO nur eine Unterrichtungspflicht in Art.  71 Abs.  3 EuErbVO bzw. Art.  73 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO. Daher wird in der Literatur verschiedentlich in Anwendung juristischer Methodik versucht, eine Rückgabepflicht mittels einer „kollisionsrechtlichen Lösung“ zu konstruieren. Vorgeschlagen wird eine analoge Anwendung des §  2362 Abs.  1 BGB, sofern deutsches Erbstatut maßgeblich ist.1105 Dann müsste §  2362 Abs.  1 BGB materiellrechtlich bzw. erbrechtlich zu qualifizieren sein. §  2362 Abs.  1 BGB gewährt dem wahren Erben einen mate­ riell­rechtlichen Herausgabeanspruch gegen den Besitzer des Erbscheins.1106 Der Anspruch knüpft an die materiellrechtliche Rechtsstellung des wahren Erben an und ist aus diesem Grund eindeutig erbrechtlich zu qualifizieren. Eine verfahrensrechtliche Qualifikation kommt also insbesondere nicht in Betracht. Für Testamentsvollstrecker wäre an eine Analogie des §  2363 BGB zu denken oder §  2362 Abs.  1 BGB wird europarechtskonform ausgelegt, so dass darunter auch der Testamentsvollstrecker erfasst wird. Für eine Analogie müsste zunächst eine planwidrige Regelungslücke zu bejahen sein. Diese wird damit begründet, dass in Bezug auf §  2362 Abs.  1 BGB eine Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525 (526); Omlor, GPR 2014, 216 (218); Erman/Simon, §  2362 Rn.  1; wohl auch Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch/Köhler, Internationales Erbrecht, §  7 Rn.  27, der indessen klarstellt, dass eine Einziehung nicht erforderlich ist, weil mit Berichtigung, Änderung und Widerruf die Wirkungen nach Art.  69 EuErbVO enden; zweifelnd Müller-Lukoschek, Die neue EU-Erbrechtsverordnung, §  2 Rn.  377; generell für eine Einziehung und Kraftloserklärung plädierend Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  634 ff.; Dorsel, ZErb 2014, 212 (224) meint, dass der nationale Gesetzgeber generell zumindest die Erteilung neuer beglaubigter Abschriften eines berichtigten (wohl präziser: geänderten oder widerrufenen) Zeugnisses von der Bedingung abhängig machen kann, dass der Ausstellungsbehörde die von ihr zuvor erteilten, nunmehr unrichtigen beglaubigten Abschriften zurückgegeben werden. Eine solche Pflicht gegenüber den Inhabern beglaubigter Abschriften zu statuieren, entbehrt indes einer gesetzlichen Grundlage; skeptisch angesichts der Wirkungskonzeption der EuErbVO Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  320 f. 1106  Vgl. oben im 3. Kap., D., I., 2., S.  279 f.; vgl. auch NK-BGB/Nordmeier, Art.  73 EuErb­ VO Rn.  15 in Fn.  30, der ein Indiz für die materiellrechtliche Qualifikation des §  2362 Abs.  1 BGB in der Nichtüberführung dieser Norm in das FamFG durch den deutschen Gesetzgeber erkennt. Dahingehend hat sich bereits die Bundesregierung geäußert, die den Herausgabeanspruch des Nacherben und Testamentsvollstreckers gemäß §  2363 Abs.  2 BGB a.F. bzw. §  2364 Abs.  2 BGB a.F. als materiellrechtliche Regelungen qualifiziert und deshalb im BGB – nunmehr in §  2363 BGB n.F. – verbleiben lässt, vgl. RegE, BT-Drs. 18/4201, 61. Da die Normen auf den Herausgabeanspruch nach §  2362 Abs.  1 BGB verweisen, ist nach der Auffassung der Bundesregierung auch §  2362 Abs.  1 BGB materiellrechtlich zu qualifizieren. 1105 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

externe Lücke vorliege, da das Verhältnis zwischen dem Besitzer einer beglaubigten Abschrift und dem Berechtigten, der die Herausgabe der beglaubigten Abschrift verlangt, keine unter die EuErbVO fallende Sache darstelle.1107 Überzeugen kann dieses Argument nicht: Als Besitzer einer beglaubigten Abschrift lassen sich die Wirkungen nach Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO tatsächlich in der Rechtswirklichkeit umsetzen. Die Frage, ob ein Besitzer seine beglaubigte Abschrift herausgeben muss, hat durchaus erbrechtliche Relevanz. Mit der Rückgabe wird dem Besitzer die Möglichkeit genommen, die Wirkungen des Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO in Anspruch zu nehmen. Somit handelt es sich sehr wohl um eine interne, die EuErbVO unmittelbar betreffende Lücke, die jedenfalls als solche eine Regelungslücke darstellt. Indessen ist das Vorliegen der Planwidrigkeit fraglich. Mit den Maßnahmen Änderung und Widerruf sowie Wirkungsaussetzung hat der Unionsgesetzgeber ein umfassendes und in sich abgeschlossenes Konzept entworfen, um die Gefahr von unrichtigen Zeugnissen zu beseitigen; für eine planwidrige Regelungslücke bleibt daher kein Raum.1108 Wenn schließlich ErwG 71 S.  1 statuiert, dass das Zeugnis in allen Mitgliedstaaten die gleichen Wirkungen entfaltet, wird man die Verwendung eines deutschen Rechtsinstituts nicht als zulässig erachten können. Zwar ist die Einziehung ein verfahrensrechtliches Institut, doch greift diese mittelbar in den Wirkungsbereich des Zeugnisses ein, indem eingezogene beglaubigte Abschriften wirkungslos werden. Sofern ein anderer Mitgliedstaat eine solche Einziehungsmöglichkeit nach seinem Recht nicht vorsieht, insbesondere weil der mitgliedstaatliche Erbnachweis mit der Konzeption des Erbscheins nicht vergleichbar ist, und diese auch nicht einführen will, ergeben sich verschiedene Schutzniveaus innerhalb der EU, die einer einheitlichen Handhabung des Zeugnisses entgegenstehen. Daher ist die analoge Anwendung von §  2362 Abs.  1 BGB nicht geboten.1109

Omlor, GPR 2014, 216 (218) in Fn.  26. Steiner, ZEV 2016, 487 (489); die weitere Begründung von Steiner, dass eine Analogie auch deswegen nicht möglich ist, weil ansonsten die Herausgabe der beglaubigten Abschriften eine stärkere Wirkung hätte, als dies im Erbscheinsverfahren der Fall ist (kein Wegfall der Gutglaubenswirkung durch die Herausgabe gemäß §  2362 BGB), überzeugt. Die Rechtsfolge des §  2362 BGB passt nicht zum System der beglaubigten Abschriften als Rechtsscheinsträger. Wenn diese herausgegeben werden, können sie nicht mehr im Rechtsverkehr zirkulieren und keinen Gutglaubensschutz entfalten. Eine analoge Anwendung des §  2362 BGB kann dieses Spezifikum des Zeugnisses nicht beseitigen; vgl. auch MüKoBGB/Dutta, Art.  71 EuErbVO Rn.  7; ähnlich Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2370 Rn.  166. 1109  Vgl. Steiner, ZEV 2016, 487 (489). 1107  1108 

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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bb) Systematische Auslegung Als systematisches Argument lässt sich erneut das vollständige Schutzkonzept zur Bekämpfung unrichtiger Zeugnisse anführen. Wenn Art.  70 ff. EuErbVO dieses Regelungskonzept normieren und in keiner Weise eine Rückgabepflicht oder eine Einziehungsmöglichkeit implizieren, deutet dies unter systematischen Gesichtspunkten auf den Ausschluss sonstiger Institute mit gleicher Zielrichtung hin. cc) Historische und genetische Auslegung So wie der Kommissionsvorschlag noch eindeutig die Einziehung des Zeugnisses anordnet1110, so eindeutig hat der Unionsgesetzgeber zugunsten der letztlich normierten Schutzmechanismen auf ein Einziehungsverfahren verzichtet. Die historische und genetische Auslegung verneint damit sehr klar die Möglichkeit der Einziehung nach der EuErbVO. dd) Teleologische Auslegung Argumentiert man lediglich einseitig und versucht, die Effektivität des Zeugnisses maximal durchzusetzen, könnte man nach dem Sinn und Zweck ein Einziehungsverfahren legitimieren und etablieren. Indes wird dadurch die gesetzgeberische Entscheidung missachtet, die ein Schutzkonzept gegen unrichtige Zeugnisse in den Art.  70 ff. EuErbVO enthält. Dennoch versucht ein Teil der Literatur, eine Einziehungspflicht aus der EuErbVO abzuleiten. Zum einen wird über eine teleologisch-extensive Auslegung des Art.  71 EuErbVO aufbauend auf die Unterrichtungspflicht eine Einziehungspflicht begründet. Verwiesen wird insbesondere auf die Ratio des Art.  71 EuErbVO sowie auf den unionsrechtlichen Grundsatz des „effet utile“.1111 Gewiss ermöglichen diese Schlagwortargumente immer eine besonders weite Auslegung, um eben diese vor dem Hintergrund der Zielerreichung des der Norm zugrundeliegenden Gedankens zu rechtfertigen. Die Grenze ist jedoch dort zu ziehen, wo der Wortlaut überstrapaziert wird und ein klar erkennbarer Wille des Gesetzgebers festgestellt werden kann. Wie bereits dargelegt, sind die grammatikalische und historische und genetische Auslegung

1110 

Vgl. Art.  43 Abs.  3 lit.  c des KOM (2009) 154, endg., 2009/0157. BeckOGK/J. Schmidt, Art.  71 EuErbVO Rn.  42 sowie Art.  73 EuErbVO Rn.  26 für die parallel zu behandelnde Problematik bei der Wirkungsaussetzung; Schmidt, ZEV 2014, 389 (394). 1111 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

sehr eindeutig. Gerade der Wortlaut wird dafür herangezogen, die Einziehung nach der EuErbVO zu verwehren.1112 Ferner wird in Anwendung richterlicher Rechtsfortbildung in Übereinstimmung mit dem Telos von Art.  71 Abs.  3 EuErbVO eine Einziehung entwickelt.1113 Auch hier soll die Unterrichtungspflicht mit einem Rückgabeverlangen verknüpft werden. Einleuchtend erscheint, dass derjenige, der über die Änderung bzw. den Widerruf informiert wurde, auch gleichzeitig die beglaubigte Abschrift zurückgeben kann, die er nach der Vorstellung des Unionsgesetzgebers nicht mehr verwenden soll. Auch an dieser Stelle ist allerdings festzuhalten, dass die EuErbVO Regelungen zur Beseitigung unrichtiger Zeugnisse bereitstellt. Das Recht muss insoweit nicht fortgebildet werden, als es bereits eine Lösung, wenn auch mit einigen Lücken, für das Regelungsziel vorsieht. Ein weiterer Begründungsansatz ist der Rückgriff auf die lex fori. Das jeweilige nationale Verfahrensrecht soll hinzugezogen werden können, um die Einziehung auszugestalten, wobei es hier zunächst auf ein aktives gesetzgeberisches Tätigwerden ankommt.1114 In den Beratungen zum deutschen Umsetzungsakt der EuErbVO – im Wesentlichen dem IntErbRVG – hat der Bundesrat in einer Stellungnahme zur Begründung des Gesetzentwurfs zum IntErbRVG die Normierung einer Einziehungsmöglichkeit gefordert.1115 Zur Begründung führt der Bundesrat aus, dass zwar die von der EuErbVO vorgesehenen Maßnahmen abschließend sind, aber die diesen Maßnahmen nachgelagerten verfahrensrechtlichen Folgen dem nationalen Gesetzgeber zur Normierung bzw. Ausgestaltung offen stehen.1116 Der Bundesrat betont ferner, dass der Verweis auf die §§  2361 ff. BGB die Regelungen des BGB zur materiellen Wirksamkeit des Zeugnisses gerade nicht erfasst.1117 Letztlich rekurriert der Bundesrat auf ErwG 80 und den Rechtsgedanken des Art.  46 EuErbVO.1118 Dem Bundesrat ist zugutezuhalten, wie mühevoll er versucht, die Normierung der Einziehungsmöglichkeit zu begründen. Insgesamt erscheinen die aufgeworfenen Argumente doch schwach. Dass die EuErbVO keine verfahrensrechtlichen Regelungen enthält, wie nach einer Änderung oder einem Widerruf des Zeugnisses gehandelt werden kann bzw. muss, stimmt nicht. Denn die in Art.  71 Abs.  3 1112  Dorsel, ZErb 2014, 212 (224); Müller-Lukoschek, NotBZ 2014, 361 (370); Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  416. 1113  Volmer, Rpfleger 2013, 421 (432); das Bedürfnis nach einer Einziehung ablehnend NK-NachfolgeR/Köhler, Art.  71 EuErbVO Rn.  5. 1114  Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (411); Geimer/Schütze/Dorsel, Art.  71 EuErbVO Rn.  10. 1115  Vgl. BR-Drs. 644/14 (B), 6 f. 1116  Vgl. BR-Drs. 644/14 (B), 7. 1117  Vgl. BR-Drs. 644/14 (B), 7. 1118  Vgl. BR-Drs. 644/14 (B), 7.

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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EuErbVO normierte Unterrichtungspflicht der Ausstellungsbehörde gegenüber Inhabern beglaubigter Abschriften stellt eine verfahrensrechtliche Folge der Änderung bzw. des Widerrufs dar. Mit der Unterrichtung wird ausweislich des ErwG 72 S.  5 der Missbrauch unrichtiger beglaubigter Abschriften verhindert. Infolgedessen ist nicht davon auszugehen, dass der Unionsgesetzgeber mit der Änderung und dem Widerruf keine verfahrensrechtlichen Regelungen verknüpfen und in dieser Hinsicht den mitgliedstaatlichen Gesetzgebern die Kompetenz zu eigenständigem Tätigwerden einräumen wollte. Was der Bundesrat mit der Bezugnahme zur materiellen Wirksamkeit des Zeugnisses meint, bleibt im Verborgenen. Denn das BGB stellt keine Regeln zur materiellen Wirksamkeit des Zeugnisses auf. Vermutlich wollte der Bundesrat lediglich unterstreichen, dass der Rückgriff auf §§  2361 ff. BGB aus dem Grund zulässig ist, dass die Anwendung dieser Normen den Bestand des Zeugnisses gänzlich unberührt ließe. Die Referenz auf ErwG 80 und das dort erklärte Ziel des Schutzes der Rechte von Erben, Vermächtnisnehmern, Nachlassgläubigern und Personen, die dem Erblasser nahestehen, um die Beseitigung des Rechtsscheins eines widerrufenen oder geänderten Zeugnisses – genauer der noch im Umlauf befindlichen gültigen beglaubigten Abschriften – zu rechtfertigen, ist wenig überzeugend. Der Schutz dieser Personen ist nicht absolut, d.h. er muss nicht um jeden Preis mit dem besten Mittel erreicht werden. Der Unionsgesetzgeber hat die Gefahr von unrichtigen Zeugnissen erkannt und daraufhin ein Regelungskonzept erarbeitet, das diesen Schutz gewährleisten soll und auch gewährleistet.1119 Der bloße Hinweis schließlich auf den Rechtsgedanken des Art.  46 EuErbVO, der für das Vollstreckungsverfahren das Recht des jeweiligen Mitgliedstaates maßgebend sein lässt, erscheint nicht kohärent, weil im internationalen Zwangsvollstreckungsrecht typischerweise das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates maßgeblich ist (Territorialitätsprinzip). Daraus lässt sich die mitgliedstaatliche Befugnis zur Einführung eines Einziehungsverfahrens nach der lex fori nicht ableiten. Eine Einziehung betrifft alle Mitgliedstaaten gemeinsam und gleichzeitig. Die beglaubigten Abschriften entfalten nämlich bei einer Einziehung in allen Mitgliedstaaten keine Wirkungen mehr. Mithin ist ein Rückgriff auf die lex fori zur Statuierung einer Einziehungsmöglichkeit nicht zulässig, was auch die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates unmissverständlich zum Ausdruck bringt.1120 Zutreffend weist die Bundesregierung darauf hin, dass der Rechtsanwender, sollVgl. Steiner, ZEV 2016, 487 (489). Vgl. RegE, BT-Drs. 18/4201, 82 f.; ferner wider die Möglichkeit der Einziehung: Becker/Wegener, notar 2017, 32 (33); Böhringer, NotBZ 2015, 281 (283); Döbereiner, NJW 2015, 2449 (2551); Wagner/Fenner, FamRZ 2015, 1668 (1673 f.); Peter, MDR 2015, 309 (313); Lehmann, ZEV 2012, 533; Wilsch, ZEV 2012, 530 (532). 1119 

1120 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

te die EuErbVO den nationalen Gesetzgebern die Kompetenz verleihen, die Maßnahmen der EuErbVO eigenständig zu ergänzen, sich mit 24 ausländischen nationalen Schutzsystemen konfrontiert sieht.1121 Freilich müsste jeder Mitgliedstaat erst einmal ein solches Schutzsystem einführen. Für die Mitgliedstaaten, die bisher keinen Erbnachweis kannten, könnte dies eine schwierige und mühevolle Aufgabe sein. Der Grundgedanke ist aber einleuchtend: Die hohe Anzahl an mitgliedstaatlichen Schutzsystemen macht die internationale Nachlassabwicklung träge und undurchschaubar. ee) Ergebnis Nach alledem stellt nach jeder Auslegungsmethode die EuErbVO de lege lata eine Rückgabgepflicht oder eine Einziehungsmöglichkeit nicht zur Verfügung. De lege ferenda kann an die Einführung der Einziehung beglaubigter Abschriften des Zeugnisses gedacht werden, die durch das europäische Recht bestimmt wird. Nachfolgend sollen daher einige wesentliche Aspekte beleuchtet werden, die bei einem europäischen Einziehungsverfahren berücksichtigt werden müssten. Darüber hinaus sollen weitere ergänzende Maßnahmen, namentlich die Kraftloserklärung beglaubigter Abschriften sowie ein europäischer materiellrechtlicher Herausgabeanspruch, erörtert werden. Zuzugestehen ist, dass ob der im Hinblick auf diesen Aspekt sehr kontroversen Gesetzgebungsgeschichte eine baldige Reform unwahrscheinlich erscheint.1122 b) Revision der EuErbVO – Grundstrukturen eines europäischen Einziehungsverfahrens aa) Allgemeines Bei der Einführung eines Einziehungsverfahrens sollte mit den bereits von der EuErbVO zur Verfügung gestellten verfahrensrechtlichen Instrumente gearbeitet und die einzelnen Aspekte des Einziehungsverfahrens so konform wie möglich in die EuErbVO implementiert werden, um auf der einen Seite Synergieeffekte zu nutzen und auf der anderen Seite dogmatische Brüche zu vermeiden. Wichtig und zwingend ist, dass das Änderungs- und Widerrufssystem des Art.  71 Abs.  2 EuErbVO unverändert bleibt.1123 Denn die Ausstellungsbehörde ändert oder widerruft nur das Zeugnis als Urschrift, die bei ihr aufbewahrt ist; auf die beglaubigten Abschriften des Zeugnisses wird gerade nicht eingewirkt. Aufgrund der 1121 

Vgl. RegE, BT-Drs. 18/4201, 83. So auch jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  70 EuErbVO Rn.  11 in Fn.  16. 1123  In diesem Sinne auch Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (412). 1122 

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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Änderung oder des Widerrufs können sodann neue beglaubigte Abschriften ausgestellt werden. Die Einziehung beträfe die zirkulierenden „alten“ beglaubigten Abschriften des Zeugnisses. Sie sollte eine weitere Rechtsfolge der Änderung und des Widerrufs neben der rein verfahrensrechtlichen Rechtsfolge der Unterrichtung bilden, die schon nach Art.  72 Abs.  3 EuErbVO existiert. Die Unterrichtung beschränkt sich nunmehr darauf, die Inhaber von beglaubigten Abschriften des Zeugnisses zur Rückgabe derselben aufzufordern. So wird ein zusätzliches Einziehungsverfahren entbehrlich. Denn in dem Änderungs- und Widerrufsverfahren ist die Ausstellungsbehörde mit der abschließenden Klärung der Rechts- und Sachlage betraut. Die Ausstellungsbehörde, die das Zeugnis erteilt hat, ist quasi automatisch auch zuständig für die Einziehung, als diese lediglich eine zusätzliche verfahrensrechtliche Folge neben dem Ausspruch des Widerrufs oder der Änderung des Zeugnisses darstellt. Auf diese Weise wird das Spiegelbildprinzip aus dem deutschen Recht auf europäischer Ebene weitergeführt. Dieses Prinzip liegt auch dem Grundgedanken des Art.  71 Abs.  2 EuErbVO zugrunde, wonach die Ausstellungsbehörde für die Änderung und den Widerruf zuständig ist. Wenn das Zeugnis geändert oder widerrufen wird, dann steht die Unrichtigkeit des Zeugnisses fest (vorbehaltlich der etwaigen Erhebung von Rechtsbehelfen nach Art.  72 EuErbVO). Für eine anschließende Einziehung der beglaubigten Abschriften bedarf es dann keiner weiteren Begründung. In der festgestellten Unrichtigkeit des Zeugnisses steckt die Legitimation der Einziehung. Der lex fori können die Formalitäten für die Anordnung der Einziehung überlassen bleiben, d.h. insbesondere wie die Ausstellungsbehörde den Inhabern der beglaubigten Abschriften die Einziehung mitteilt. Aufgrund des nach Art.  70 Abs.  2 EuErbVO geführten Verzeichnisses wird die Benachrichtigung der Inhaber in aller Regel gelingen. Empfehlenswert ist eine förmliche schriftliche Mitteilung. bb) Durchsetzung der Rückgabe beglaubigter Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses Wo eine gesetzliche Pflicht statuiert wird, kommt bei Zuwiderhandlung des Verpflichteten stets die Frage nach der Durchsetzung der Pflicht auf, wenn also die Inhaber beglaubigter Abschriften die Rückgabe verweigern. Die Möglichkeit, die Rückgabe zu erzwingen, ist eine Frage des (internationalen) Zwangsvollstreckungsrechts.1124 1124  Vgl. zur Vollstreckung der Anordnung zur Rückgabe des Erbscheins MüKoBGB/Grziwotz, §  2361 Rn.  40.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Doch bieten sich zwei Lösungen an, die ihre Wurzeln in der EuErbVO selbst haben. Würde die Einziehung in einem Beschluss und in diesem Zwangsmittel der lex fori angeordnet werden, der auf (den dann revidierten) Art.  71 EuErbVO beruht, würde eine in den Anwendungsbereich der EuErbVO fallende Entscheidung vorliegen, die nach den Art.  43 ff. EuErbVO für vollstreckbar erklärt werden könnte.1125 Eine andere denkbare Möglichkeit wäre, dass der Beschluss zur Rückgabe unionsweit anerkannt wird und Geltung beansprucht – wie das Zeugnis seine Wirkungen in den Mitgliedstaaten ohne weiteres entfaltet (Art.  69 Abs.  1 EuErbVO). Hat etwa das Nachlassgericht ein Zeugnis erteilt und lebt ein Inhaber einer beglaubigten Abschrift in Spanien, könnte sich das Recht der Vollstreckung nach dem tatsächlichen Aufenthaltsort des Inhabers richten. Demzufolge müsste das jeweilige zuständige spanische Vollstreckungsorgan ohne weitere Überprüfung den Beschluss umsetzen und gegen den Inhaber müsste die Rückgabe der beglaubigten Abschrift nach spanischem Zwangsvollstreckungsrecht durchgesetzt werden. Dies birgt den Vorteil, dass die Behörden desjenigen Staates, in dem sich die beglaubigten Abschriften, die eingezogen werden sollen, befinden, wegen ihrer physischen Nähe zügiger und effektiver auf diese zugreifen können; nicht zuletzt bietet die Anwendung des eigenen Vollstreckungsrechts Rechtssicherheit. Vollstreckungsrecht ist schließlich traditionell Ausübung von Staatsgewalt und wird insbesondere durch das Territorialitätsprinzip abgesteckt.1126 cc) Einfluss auf die Wirkungen gültiger beglaubigter Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses Zu vergegenwärtigen ist erneut, dass die Einziehung der beglaubigten Abschriften des Zeugnisses aus dem Grund erforderlich erscheint, dass nach hiesiger Auffassung der Gutglaubensschutz aufrechterhalten bleibt, sofern die beglaubigte Abschrift noch gültig ist und der Dritte die Voraussetzungen des Gutglaubensschutzes erfüllt. Werden die beglaubigten Abschriften eingezogen, wird die Entfaltung von Gutglaubensschutz über die „alte“ beglaubigte Abschrift für die Zukunft bzw. genauer bis zum Ablauf der Gültigkeitsfrist – da ab diesem Zeitpunkt ohnehin der Gutglaubensschutz entfällt1127 – verhindert. Die Einziehung beseitigt indessen nicht die einmal erlangte Kenntnis eines Dritten vom Inhalt der „alten“ beglaubigten Abschrift. Solange der Dritte keine Kenntnis von der Ein1125  So auch noch in Bezug auf den Kommissionsvorschlag zur EuErbVO Hess/Jayme/ Pfeiffer, Heidelberg-Stellungnahme, S.  54. 1126  Vgl. grundlegend Domej, Internationale Zwangsvollstreckung und Haftungsverwirklichung, S.  165 ff. 1127  Siehe oben im 3. Kap., D., III., 2., b), S.  290 ff.

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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ziehung der beglaubigten Abschrift hat, kann er aufgrund dieser zu einem früheren Zeitpunkt erlangten Kenntnis vom Inhalt der beglaubigten Abschrift in den Genuss des Gutglaubensschutzes gelangen.1128 Die andere in Betracht zu ziehende Möglichkeit, den Gutglaubensschutz mit Vollendung der Einziehung der beglaubigten Abschriften trotz anderweitiger Kenntnis Dritter vollständig entfallen zu lassen, ist aus denselben Gründen wie bei der parallelen Problematik in Bezug auf die Änderung und den Widerruf des Zeugnisses bzw. der Wirkungsaussetzung abzulehnen: Der konkrete Gutglaubensschutz verbietet es, das einmal aufgebaute Vertrauen ohne weiteres zulasten Dritter zu annullieren. Damit verschiebt sich die Problematik lediglich auf die Ebene der Einziehung, die freilich zeitgleich mit der Änderung und dem Widerruf einhergeht. Im Ergebnis verbleibt für die Entfaltung des Gutglaubensschutzes ein kleiner Restanwendungsbereich trotz der Einziehung der beglaubigten Abschriften. Der Zeitraum bis zum Ablauf der Gültigkeitsfrist bestimmt gleichsam die Effektivität der Einziehung: Umso weiter das Datum in der Ferne liegt, desto größer ist der Nutzen der Einziehung. Die Gültigkeitsfrist von sechs Monaten ist zwar nicht lang und sowohl das Änderungs- bzw. Widerrufsverfahren als auch ggf. die durchzuführende Vollstreckung der Herausgabe der beglaubigten Abschriften können einen beträchtlichen Zeitraum beanspruchen, so dass der Ablauf der Gültigkeitsfrist im Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens sehr nah herangerückt ist. Hier wäre an einen einstweiligen Rechtsschutz zu denken. Außerdem ist zu beachten, dass die Gültigkeitsfrist von Anfang an länger als sechs Monate betragen kann (Art.  70 Abs.  3 S.  2 EuErbVO). In dieser Konstellation hätte eine Einziehung in aller Regel ­einen wichtigen Nutzen. Die Vermutungs- und Legitimationswirkung entfallen bereits mit dem Widerruf bzw. der Änderung des Zeugnisses. 1129 Die zusätzliche Einziehung der beglaubigten Abschrift löst bezüglich dieser Wirkungen demnach keine weiteren Rechtsfolgen aus. dd) Keine Notwendigkeit für eine Kraftloserklärung beglaubigter Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses Sollte eine Einziehung von vornherein nicht erfolgversprechend sein, weil z.B. der Besitzer einer beglaubigten Abschrift nicht auffindbar ist, könnte überlegt werden, sämtliche alte zirkulierende beglaubigte Abschriften des Zeugnisses für kraftlos zu erklären und ihnen nach Ablauf einer bestimmten Frist – die freilich vor Ablauf der Gültigkeitsfrist angesetzt sein muss – die Wirkungen zu entziehen. Angesichts des Erfordernisses einer öffentlichen Bekanntmachung (ange1128  1129 

Vgl. Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (415). Siehe oben im 3. Kap., D., III., 3., g), ee), S.  306 f.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

lehnt an das deutsche Kraftloserklärungsverfahren) erscheint die praktische Durchsetzbarkeit einer Kraftloserklärung schwierig.1130 Der gesamte europäische Rechtsverkehr müsste potentiell in der Lage sein, von der öffentlichen Bekanntmachung Kenntnis zu nehmen. Wie bereits im deutschen Recht wäre auch im europäischen Kontext noch eher zu befürchten, dass der Rechtsverkehr von der öffentlichen Bekanntmachung nichts erfährt und damit weiterhin redlich bleibt. Dies wird durch die Sprachbarrieren im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr nur begünstigt, auch wenn die öffentliche Bekanntmachung in einer geläufigen Sprache wie Englisch oder Französisch verfasst wird. Idealiter müsste die öffentliche Bekanntmachung in sämtlichen, in den Mitgliedstaaten gesprochenen Sprachen verfasst werden, was einen enormen Zeit- und Kostenaufwand seitens der Ausstellungsbehörde erfordern würde. Außerdem kommt es erneut zu einem Konflikt mit dem konkreten Gutglaubensschutz. Wenn der Dritte aufgrund einer einmal erlangten Kenntnis von dem Inhalt einer beglaubigten Abschrift des Zeugnisses in seinem Vertrauen zu schützen ist, dann würde eine Kraftloserklärung das Vertrauen des Dritten aushöhlen, es sei denn, dass der Dritte Kenntnis von der Kraftloserklärung bzw. von der öffentlichen Bekanntmachung hat, was, wie erörtert, eher einen unwahrscheinlichen Fall bildet. Beim Erbschein war dieser Konflikt zulasten des Dritten mit der Begründung aufzulösen, dass der Erbschein abstrakten Gutglaubensschutz entfaltet und deshalb der Dritte nicht einmal Kenntnis vom Erbschein haben muss, um in den Genuss des Gutglaubensschutzes zu kommen. ee) Einführung eines materiellrechtlichen Herausgabeanspruchs des wirklichen Erben gegen Inhaber beglaubigter Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses? Wie bereits erörtert, kann ein materiellrechtlicher Herausgabeanspruch im Hinblick auf die im Rechtsverkehr zirkulierenden beglaubigten Abschriften des Zeugnisses nicht durch den Rückgriff auf nationale Regelungen, etwa auf §  2362 Abs.  1 BGB bei Maßgeblichkeit deutschen Erbstatuts, begründet werden. Stattdessen müsste der Unionsgesetzgeber selbst aktiv werden und einen derartigen Anspruch einführen. Angesichts des materiellrechtlichen Charakters des Herausgabeanspruchs wäre die Implementierung dieses Anspruchs in der EuErbVO als So auch Traut, ZVglRWiss 115 (2016), 358 (412) in Fn.  350. Tendenziell für ein Kraftloserklärungsverfahren Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  320; ebenso Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  638 f.; Kousoula, Europäischer Erbschein, S.  245, die für eine Veröffentlichung der Kraftloserklärung in Zeitungen plädiert, aber zugleich erkennt, dass die Zeitungen sämtlicher Mitgliedstaaten die Kraftloserklärung verlautbaren müssten. 1130 

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

323

vereinheitlichtes Sachrecht eine denkbare Möglichkeit. Da der Herausgabeanspruch in engem Zusammenhang mit der Änderung und dem Widerruf des Zeugnisses bzw. an sich mit dem Zeugnis steht, dürfte seine Einführung noch von der Gesetzgebungskompetenz (Art.  81 AEUV) gedeckt sein.1131 Indessen ist bereits fraglich, ob der Herausgabeanspruch einen praktischen Nutzen hat.1132 Der Hintergrund wäre hier – wie im deutschen Recht –, dass der wirkliche Erbe unmittelbar gegen den Inhaber einer beglaubigten Abschrift auf dem streitigen Weg vorgehen kann. An dieser Stelle stellt sich eine erhebliche rechtstechnische Hürde: Da viele Mitgliedstaaten einen Erbnachweis nach der Konzeption des Erbscheins nicht kennen, ist zu befürchten, dass ihnen auch ein Herausgabeanspruch unbekannt ist. Die EuErbVO müsste demnach insbesondere eigenständige Verfahrensregelungen für die Durchsetzung des Herausgabeanspruchs vor dem Prozessgericht schaffen, um eine einheitliche Handhabung in der EU zu gewährleisten. Außerdem stellen sich ganz klassische Verfahrensfragen wie insbesondere die internationale Zuständigkeit der Gerichte für die Entscheidung über den Herausgabeanspruch. Am konformsten mit dem System der EuErbVO wäre es vermutlich, die Gerichte des Ausstellungsstaates für international zuständig zu erklären, um das Dogma der Konzentration erbrechtlicher Verfahren in einem Mitgliedstaat zu wahren. Das Problem ist jedoch, dass gerade die prozessuale Durchsetzung auf regulärem Wege im Zivilprozess aufgrund der oftmals langwierigen Beweisaufnahme zeitraubend sein kann1133, was vermutlich auch bei einem europäischen Herausgabeanspruch der Fall sein würde. Eine lange Verfahrensdauer korrespondiert mit dem stetigen Verlust der Effektivität des Herausgabeanspruchs: Da die unrichtige beglaubigte Abschrift nach Ablauf der Gültigkeitsfrist ohnehin keine Wirkungen mehr entfaltet, kann es dazu kommen, dass der Herausgabeanspruch letztlich insoweit ins Leere läuft, als die dann herauszugebende beglaubigte Abschrift jedenfalls keinen (neuen) Gutglaubensschutz mehr für Dritte begründen kann, wenn sie vom Inhaber verwendet wird. Freilich wird mit der Herausgabe immerhin gesichert, dass beglaubigte Abschriften nicht „leblos“ im Rechtsverkehr zirkulieren.1134 Dennoch sollte die alleinige Einführung eines Einziehungsverfahrens ausreichen, um den wahren Berechtigten effektiver als nach geltender Rechtslage zu schützen. Minimal ist dann auch der Eingriff in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, denn die Statuierung eines Einziehungsverfahrens würde nur wenig in das derzeitige RegelungsgefüZweifelnd Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  639. 1132  Die Erforderlichkeit eines materiellrechtlichen Herausgabeanspruchs bezweifelnd Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  639. 1133  Vgl. für den Erbschein nach deutscher Rechtslage MüKoBGB/Grziwotz, §  2362 Rn.  1. 1134  Zu diesem Gedanken siehe bereits oben im 3. Kap., D., III., 5., S.  312 ff. 1131 

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

ge der EuErbVO eingreifen, während die Einführung eines materiellrechtlichen Herausgabeanspruchs umfassende Regelungen erfordern würde. ff) Regelungsvorschlag Ein revidierter Art.  71 Abs.  3 EuErbVO könnte folgendermaßen lauten: Die Ausstellungsbehörde unterrichtet unverzüglich alle Personen, denen beglaubigte Abschriften des Zeugnisses gemäß Artikel 70 Absatz 1 ausgestellt wurden, über eine Berichtigung, eine Änderung oder einen Widerruf des Zeugnisses und zieht die beglaubigten Abschriften des Zeugnisses ein. Wird die Rückgabe der beglaubigten Abschriften des Zeugnisses verweigert, kann die Ausstellungsbehörde nach dem für sie geltenden Verfahrensrecht Zwangsmittel anordnen. Die Anordnungen sind nach Maßgabe des Kapitels IV anzuerkennen und zu vollstrecken. IV. Rechtsvergleichende Würdigung Das Bedürfnis, unrichtige Erbnachweise aus dem Rechtsverkehr zu ziehen, besteht im deutschen, österreichischen und europäischen Recht gleichermaßen. Der Anspruch, die wahre materielle Rechtslage im Erbnachweis wiederzugeben, steht im nationalen wie internationalen Verkehr an höchster Stelle. Die Systeme der Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung divergieren zwischen den untersuchten Rechtsordnungen indes erheblich. In Anbetracht des verfahrensrechtlichen Charakters – im Gegensatz zu den materiellrechtlichen Ausprägungen der Erbnachweise, die im Grundsatz in ihren Wirkungen weitgehend deckungsgleich sind – ist dies wenig verwunderlich. Die tieferen Gründe liegen in der grundsätzlichen Ausgestaltung der Errichtung der Erbnachweise sowie maßgeblich in der Reichweite des Gutglaubensschutzes. Die verfahrensrechtlichen Regelungsmechanismen korrespondieren mit dem Erbrechtssystem des Staates, wobei das europäische Recht die Ausgestaltung durch den mitgliedstaatlichen Gesetzgeber in den Grundzügen bestimmt. Hier zeigt sich einmal mehr, dass das europäische Recht die Vielfalt der mitgliedstaatlichen Systeme nicht berücksichtigen kann und letztlich das Änderungs-, Widerrufs- und Aussetzungsverfahren der EuErbVO zwar Elemente mitgliedstaatlicher Systeme enthält (z.B. den Begriff der Unrichtigkeit oder die Prüfung durch die Ausstellungsbehörde), doch insgesamt eine ganz eigenständige Regelungssystematik bildet, die vor allem durch das System der beglaubigten Abschriften geprägt ist. Während das deutsche und österreichische Recht Maßnahmen, die die von den Erbnachweisen ausgehenden Gefahren grundsätzlich effektiv und endgültig beseitigen, vorsehen, besteht im europäischen Recht das Defizit, dass es letztendlich vom unberechenbaren Verhalten der Inhaber beglaubigter Abschrif-

D. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung

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ten abhängt, ob die unrichtigen beglaubigten Abschriften im Rechtsverkehr verwendet werden oder nicht. Aus diesem Blickwinkel kann man im Vergleich zur deutschen und österreichischen Rechtlage durchaus von einer Entwertung des Zeugnisses aus Sicht der Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter durch das Wirkungsentziehungs- und Wirkungsaussetzungsverfahren sprechen. Wenigstens wird dieser ungünstige Umstand durch die Gültigkeitsfrist hinlänglich kompensiert. Das ist aber auch ein entscheidender Unterschied zum Erbschein und Einantwortungsbeschluss, die nach ihrer Erteilung grundsätzlich unbegrenzt Wirkung entfalten. In der Praxis kann die Gültigkeitsfrist die Nachlassabwicklung verzögern, sofern diese bei Ablauf der Gültigkeitsfrist noch nicht beendet ist und deshalb ihre Verlängerung beantragt werden muss. Je älter die beglaubigten Abschriften sind, die nach Feststellung der Unrichtigkeit des Zeugnisses noch im Umlauf sind, desto kleiner ist die Angriffsfläche, auf der die Gutglaubenswirkung sich zulasten des wahren Berechtigten entfalten kann. Nach hiesiger Auffassung entfallen immer die Vermutungs- und Legitimationswirkung mit der Änderung, dem Widerruf und der Aussetzung. Wer einer langwierigen Nachlassabwicklung entgegensieht, sollte ggf. für die inländische Nachlassabwicklung kumulativ z.B. auf einen Erbschein zurückgreifen, um den Zeit- und Kostenaufwand für die Beantragung der Verlängerung der Gültigkeitsfrist zu ersparen. Alle drei Rechtsordnungen gewähren ein Verfahren, das zuverlässig zur Feststellung der Unrichtigkeit des Erbnachweises führt. Kohärent und überzeugend ist, dass der Begriff der Unrichtigkeit im europäischen und nationalen Recht deckungsgleich ist. Das Problem, dass beim Zeugnis womöglich die Sicht des Verwendungsstaates für die Beurteilung der Unrichtigkeit maßgeblich sein könnte, was zutreffenderweise verneint wird, stellt sich bei den nationalen Erbnachweisen nicht, weil diese – anders als das Zeugnis – grundsätzlich nur für die inländische Nachlassabwicklung konzipiert sind und aus diesem Grund den Einfluss anderer Mitgliedstaaten abschirmt. Auf diese Weise kommt es z.B. beim Zeugnis und beim Erbschein stets auf die Sicht des Nachlassgerichts für die Beurteilung der Unrichtigkeit der Erbnachweise an. Friktionen werden hierdurch vermieden; für eine Zweigleisigkeit der Beurteilung relevanter Fehler bestehen keine Gründe. Vielmehr bezeugen die Erbnachweise denselben Erbfall aus Sicht des für das Nachlassgericht maßgeblichen Rechts, so dass eine unterschiedliche Beurteilung von Fehlern naturgemäß ausscheiden muss. Der Umstand, dass das Zeugnis ggf. mehr Angaben aufnimmt als ein nationaler Erbnachweis und sich aus dem überschießenden Inhalt die Unrichtigkeit ergibt, hat natürlich nichts mit besagter Zweigleisigkeit zu tun. Ob wie im österreichischen Recht im Rahmen der Erbschaftsklage ein streitiger Zivilprozess ausgetragen wird, ist eine Frage des mitgliedstaatlichen Erbrechtssystems und liegt im Zusammenhang mit dem österrei-

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

chischen Recht daran, dass das Verlassenschaftsverfahren mit Eintritt der formellen Rechtskraft dauerhaft beendet ist. Im Ergebnis ändert die Tatsache, dass einerseits die freiwillige Gerichtsbarkeit und andererseits die ordentliche Gerichtsbarkeit entscheiden, nichts an dem Ziel, die Unrichtigkeit des Erbnachweises festzustellen und die Gefahren für den Rechtsverkehr aufzuheben. Was den Wettbewerb der Erbnachweise am Maßstab von Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung betrifft, scheint die Signifikanz verschwindend gering zu sein. Kein Antragsteller wird sich aufgrund der unterschiedlichen Folgen bei der Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung für bzw. gegen den nationalen Erbnachweis oder das Zeugnis entscheiden, zumal die Folgen nicht vollständig im Macht- und Einflussbereich der Antragsteller stehen (ob z.B. trotz Einziehung oder Widerruf ein Dritter noch gutgläubig erwerben kann, hängt auch davon ab, ob der Dritte gutgläubig war oder das Rechtsgeschäft einen Nachlassbezug hatte; die Vermutungs- und Legitimationswirkung entfallen nach deutschem, österreichischem und europäischem Recht mit der Wirkungsentziehungs- und Wirkungsaussetzungsmaßnahme). Außerdem wird es ebenso für das Zeugnis vermutlich in der Praxis zu wenigen Änderungs-, Widerrufs- und Aussetzungsfällen kommen.1135 Jedenfalls bedeutet die internationale Dimension eines Erbfalls nicht automatisch, dass häufiger Zeugnisse unrichtigen Inhalts ausgestellt werden. Dass z.B. nachträglich eine Verfügung von Todes wegen aufgefunden wird, ist in einem internationalen Erbfall genauso wahrscheinlich wie in einem rein inländischen Erbfall. Aus Sicht des Erben ist es nachrangig, wie eine etwaige Unrichtigkeit des Erbnachweises beseitigt wird, solange der Erbe von den Wirkungen des Erbnachweises profitieren kann, d.h. solange die Unrichtigkeit des Erbnachweises noch nicht bekannt und festgestellt ist. Der Rechtsverkehr ist, da es sich nur um eine Wahlentscheidung des Antragstellers handelt, selbstverständlich nicht zu fragen und seine Interessen sind nicht zu berücksichtigen. Er kann ohnehin nur von der begrenzten Fortführung des Gutglaubensschutzes profitieren und erleidet keine Nachteile. Sofern ein nationaler Erbnachweis und ein Zeugnis aus einem Mitgliedstaat existieren, berühren sich die Maßnahmen von Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung grundsätzlich nicht. Stellt sich beispielsweise der Erbschein als unrichtig heraus und ist das Zeugnis richtig, kann das Nachlassgericht den Erbschein nach §  2361 BGB einziehen. Das Zeugnis bleibt hiervon unberührt. Selbiges gilt in der umgekehrten Konstellation, in der das Zeugnis unrichtig ist und geändert oder widerrufen wird. Dann ist Art.  71 Abs.  2 EuErbVO i.V.m. §  38 IntErbRVG heranzuziehen. Da das Nachlassgericht für die Wirkungsentziehung 1135  In Deutschland werden nur 1  % aller Erbscheine im Laufe der Zeit gemäß §  2361 BGB wegen Unrichtigkeit eingezogen, vgl. Zimmermann, ZEV 2010, 457 (460).

E. Fazit

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und Wirkungsaussetzung sowohl vom Zeugnis als auch vom Erbschein zuständig ist, kommen Synergieeffekte zum Vorschein: Die Verfahren gehen womöglich zugunsten der Beteiligten zügiger vonstatten. Speziell aus österreichischer Sicht ist indessen anzumerken, dass die Synergieeffekte sich u.U. mit bindender Kraft auszeichnen: Wenn der Einantwortungsbeschluss durch die erfolgreiche Erhebung der Erbschaftsklage beseitigt wird, ergibt sich zwingend die inhaltliche Unrichtigkeit des Zeugnisses, das regelmäßig auf den Ergebnissen dieses Einantwortungsbeschlusses beruht. Im Änderungs- oder Widerrufsverfahren gemäß Art.  71 Abs.  2 EuErbVO hat die Ausstellungsbehörde sich demnach ausschließlich am Ergebnis der Erbschaftsklage zu orientieren und dem obsiegenden Erbschaftskläger ein Zeugnis mit dem entsprechenden Inhalt auszustellen. Wenn der Unionsgesetzgeber unrichtige beglaubigte Abschriften des Zeugnisses aus dem Rechtsverkehr möglichst effektiv schaffen will, kann de lege ferenda durch die Einführung eines europäischen Einziehungsverfahrens eine intensivere Maßnahme entwickelt werden, die etwa Deutschland schon längst bekannt ist und sich dort bewährt hat. Langfristig wird es wegen der eindeutigen Entscheidung zugunsten der Gültigkeitsfrist und des Änderungs-, Widerrufs- und Aussetzungssystems vermutlich zu keinen Reformen in diesem Bereich kommen. Interessant wird zu beobachten sein, inwieweit in der Praxis Inhaber beglaubigter Abschriften sich in Anbetracht der Unterrichtung nach Art.  70 Abs.  3 EuErbVO bzw. Art.  73 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO tatsächlich die Verwendung unterlassen. Die Hoffnung besteht, dass sich die rechtliche Lücke lediglich als theoretische Last darstellt, die sich nicht in der Rechtswirklichkeit abbildet. Damit lässt sich jedoch die Inaktivität des Unionsgesetzgebers nicht rechtfertigen.

E. Fazit Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise ist in grundlegender Hinsicht insgesamt einer kritischen Bewertung unzugänglich. Denn jeder Mitgliedstaat entscheidet autonom darüber, mit welchen Wirkungen sein nationaler Erbnachweis – wenn er überhaupt einen solchen Erbnachweis vorsieht – ausgestattet ist und wie die weiteren flankierenden Regelungsmechanismen ausgestaltet sind und miteinander zusammenwirken. Jeder Mitgliedstaat ist hierbei gut damit beraten, für sein Territorium ein kohärentes System zu schaffen. In Deutschland und Öster­reich sprechen die Rechtstradition und die jahrzehntelange Praxis für den Erfolg der Erbnachweise. Die Einführung des Zeugnisses geht nicht spurlos an die nationalen Erbnachweise vorbei, wenngleich die nationalen Erbnachweise abstrakt betrachtet aufgrund des Prinzips der Koexistenz vom Zeugnis nicht beeinflusst werden.

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Drittes Kapitel: Die Wirkungskonzeption der Erbnachweise

Das Zeugnis stand von Anfang an unter besonderen wirkungsrechtlichen Vorzeichen, als seine Wirkungen sich in allen an die EuErbVO gebundenen Mitgliedstaaten entfaltet und somit rechtstechnische Anforderungen aufgestellt werden mussten, um die uneingeschränkte Wirkungsentfaltung zu gewährleisten. Vor allem die kollisionsrechtliche Festigkeit der Wirkungen, die sekundärrechtliche Tatbestandswirkung und die Inlandswirkung sind Elemente, die ausschließlich bei einem supranationalen Erbnachweis relevant werden. Die Ausgestaltung der Wirkungen im Einzelnen ist das Ergebnis des gesetzgeberischen Ermessensspielraums. An ihr ist grundsätzlich nichts auszusetzen, zumal der Unionsgesetzgeber das Zeugnis zu Recht mit starken Wirkungen ausgestattet hat. Dies kommt in der Vermutungs- und Legitimationswirkung besonders zum Ausdruck. Die Gutglaubenswirkung, die gewissermaßen die empfindlichste und folgenintensivste Wirkung darstellt, als deren Ausgestaltung insbesondere bezüglich der Reichweite das Ergebnis einer Abwägung zwischen den Interessen des wahren Berechtigten und des Rechtsverkehrs bildet, ist dagegen gemäßigter ausgestaltet, wird aber dennoch den Anforderungen der internationalen Nachlassabwicklung insgesamt gerecht. Aufgrund des Prinzips der Koexistenz erlangen vielschichtige Fragen zum Zusammenspiel der Erbnachweise Bedeutung. Die Koordination der Erbnachweise kann hierbei nur durch verfahrensrechtliche Mechanismen gelingen, die die parallele Ausstellung eines nationalen Erbnachweises und eines Zeugnisses zwar nicht verbieten, aber deren inhaltliche Divergenz verhindern. Der wichtigste Mechanismus ist hierbei die Zuständigkeitskonzentration, die – sofern die Ausstellungsbehörden zu einheitlichen Ergebnissen hinsichtlich der Begründung der Zuständigkeit kommen – die Ausstellung divergierender Erbnachweise weitgehend verhindern sollten. Treten dennoch Divergenzen ein, beeinflussen sich die Wirkungen der Erbnachweise gegenseitig, wobei die Funktion der jeweiligen Wirkung die Lösung des Konflikts vorzeichnet. Am Ende sind schließlich die Ausstellungsbehörden angehalten, die Divergenzen aufzuheben. Das Zusammenspiel kann aber auch positive Auswirkungen dergestalt haben, dass die Wirkungen der Erbnachweise kumulativ in Anspruch genommen werden. Das ist zulässig – denn das Prinzip der Koexistenz impliziert nachgerade die Existenz mehrerer Erbnachweise – und kann für bestimmte Situationen in der Nachlassabwicklung zu empfehlen sein. Zur Wirkungskonzeption gehört schließlich der Umgang mit unrichtigen Erbnachweisen, der ein System von Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung fordert. Obwohl das Verfahrensrecht hier eine zentrale Rolle spielt, ist der wirkungsrechtliche Kontext unschwer zu erkennen, als die verfahrensrechtlichen Instrumente das Ziel verfolgen, die Wirkungen des Erbnachweises zu beseitigen. Jedes mitgliedstaatliche Erbrechtssystem hat – soweit ersichtlich – ein kohären-

E. Fazit

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tes System diesbezüglich geschaffen. Die EuErbVO steht hierbei nicht zurück, sondern hat ein grundsätzlich ebenso kohärentes System etabliert. Nur die Effektivität dieses Systems könnte noch etwas gesteigert werden, wenn ein europäisches Einziehungsverfahren eingeführt würde, um die missbräuchliche Verwendung inhaltlich unrichtiger beglaubigter Abschriften des Zeugnisses zu unter­ binden. Im Übrigen schlägt das Prinzip der Koexistenz auch hier durch. Die parallele Existenz mehrerer Erbnachweise bedingt die Aktivierung des jeweils für den Erbnachweis einschlägigen Systems der Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung. Grundsätzlich sind die jeweiligen Verfahren isoliert voneinander durchzuführen, doch führen Synergieeffekte zu erheblich schnelleren verfahrensrechtlichen Ergebnissen.

Viertes Kapitel

Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren Obschon die Wirkungskonzeption der Erbnachweise maßgebend den praktischen Nutzen für die Nachlassbeteiligten in der Nachlassabwicklung bestimmt, darf nicht verkannt werden, dass das Recht der Erbnachweisverfahren auf vorgeschalteter Ebene den Zugang zu den Erbnachweisen gestaltet und damit den Weg zum Nutzen der Erbnachweise erst eröffnet. Die Auswahl der Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren erfolgte nach der Prämisse, dass die verfahrensrechtlichen Aspekte unmittelbar für den Rechtsanwender und seine Interessen in der Nachlassabwicklung von Bedeutung sind, weil es erstens um den Zugang zum Erbnachweis (Einleitung des Verfahrens (B.)), zweitens um die Reichweite der Verwendungsmöglichkeiten (Arten und Inhalt der Erbnachweise (C.)) und drittens um verfahrensrechtliche Taktiken (Verhältnis der Erbnachweisverfahren zum streitigen Verfahren um das Erbrecht (D.)) geht.1 Bevor jedoch auf diese Aspekte eingegangen wird, ist an dieser Stelle vorab die zentrale Frage der Eröffnung der inländischen Gerichtsbarkeit für die Ausstellung der Erbnachweise zu erörtern (A.), insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Wettbewerb der Erbnachweise nur dann entsteht, wenn die deutschen bzw. österreichischen Gerichte sowohl für die Ausstellung des Zeugnisses als auch des Erbscheins bzw. für den Erlass des Einantwortungsbeschlusses international zuständig sind.

A. Internationale Zuständigkeit der Ausstellungsbehörden für die Ausstellung der Erbnachweise Gemäß Art.  64 S.  1 EuErbVO wird das Zeugnis in dem Mitgliedstaat ausgestellt, dessen Gerichte nach Art.  4, 7, 10 oder 11 EuErbVO zuständig sind. Den Regelfall bildet wie auch bei den allgemeinen Entscheidungen in Erbsachen Art.  4 1  Ausgespart

werden an dieser Stelle rechtsvergleichende Ausführungen zur Prüfung des Antrags, zu den Beweismitteln, zur Entscheidung über den Antrag und zu den Rechtsbehelfen. Sie alle betreffen zwar letztlich mittelbar die Interessen des Rechtsanwenders, erweisen sich aber im Vergleich zu den hier ausgewählten verfahrensrechtlichen Problemen in Bezug auf die praktische Nützlichkeit der Erbnachweise aus verfahrensrechtlicher Warte für den Rechtsanwender als wenig ausschlaggebend.

B. Einleitung der Erbnachweisverfahren

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EuErbVO, wonach in diesem Kontext also derjenige Mitgliedstaat für die Ausstellung des Zeugnisses zuständig ist, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Da sich nach der Oberle-Entscheidung des EuGH die internationale Zuständigkeit für das Erbscheinsverfahren ausschließlich nach Art.  4 ff. EuErbVO richtet2, sind im Grundfall deutsche Gerichte für die Ausstellung des Erbscheins gemäß Art.  4 EuErbVO international zuständig, sofern der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte.3 Die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte für Verlassenschaftsverfahren richtet sich ebenso nach Art.  4 ff. EuErbVO, wie der OGH im Jahre 2016 entschieden hat.4 Hatte der Erblasser folglich seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Österreich, kann dort grundsätzlich kein Verlassenschaftsverfahren durchgeführt werden. Es zeigt sich mithin, dass sowohl in Deutschland als auch in Österreich das Zeugnis und der jeweilige nationale Erbnachweis zur Verfügung stehen. Auf diese Weise verwirklicht sich das Prinzip der Koexistenz faktisch erst und das Zeugnis und der nationale Erbnachweis können wahlweise oder kumulativ beantragt und verwendet werden. In der unmittelbaren Konsequenz wird der Weg zu einem Wettbewerb der Erbnachweise geebnet.

B. Einleitung der Erbnachweisverfahren Die Einleitung der Erbnachweisverfahren bildet – freilich nachdem die Zuständigkeit der angerufenen Ausstellungsbehörde festgestellt wurde – die erste verfahrensrechtliche Hürde zur Erlangung des Erbnachweises. Da der jeweilige Gesetzgeber den Erbnachweis als formalisiertes Legitimationspapier den Rechtsanwendern als wirkungsvolles Abwicklungsinstrument an die Hand geben will und die Erbnachweise für eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung insbesondere von größerem Nachlassvermögen geradezu unverzichtbar sind, sollten die Anforderungen zur Einleitung der Erbnachweisverfahren grundsätzlich niedrig gesetzt sein. Zugleich ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Erbnachweise eine klar abgesteckte Funktion haben, die den Zugang zu den Erbnachweisen von Anfang an Grenzen setzt.

2 

Vgl. ausführlich zu dieser elementaren Entscheidung zur EuErbVO oben im 3. Kap., C., I., 1., a), S.  216 ff. 3  Vgl. für die Möglichkeit der ausnahmsweisen internationalen Zuständigkeit zur Erteilung des Erbscheins nach Art.  5 ff. EuErbVO Weber, RNotZ 2018, 454 (458 ff.). 4  OGH, Beschl. v. 17.3.2016 – 2 Nc 27/15s, NZ 2016, 198; siehe auch Gitschthaler/Höllwerth/Schatzl/Spruzina, AußStrG, §  107 JN Rn.  11.

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

I. Deutschland Mit dem Gesetz zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften (BGBl.  I S.  1042) wurden die Vorschriften zum Erbscheinsverfahren vom BGB weitestgehend ins FamFG integriert. Entsprechend der Zugehörigkeit des Erbscheinsverfahrens zu den Nachlasssachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist der neue Standort aus systematischen Gesichtspunkten zu begrüßen. Nunmehr regelt §  352 FamFG den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins und fasst sogleich die §§  2354–2356 BGB a.F. zusammen. In inhaltlicher Hinsicht hat sich indessen nicht viel geändert. 1. Antrag Der Erbschein wird auf Antrag vom Nachlassgericht ausgestellt (§  2353 BGB). Schon aufgrund der potentiellen verheerenden Rechtsfolgen, die ein im Rechtsverkehr befindlicher Erbschein auszulösen vermag, wenn er namentlich unrichtig ist, ist es konsequent, die Ausstellung eines Erbscheins an den Willen eines Antragsberechtigten zu knüpfen. Das entspricht ferner dem grundsätzlich optionalen Charakter des Erbscheins. Der Antrag kann schriftlich oder zu Protokoll des Nachlassgerichts oder eines Notars gestellt werden5 und leitet das Erbscheinsverfahren gleichsam ein. 2. Antragsberechtigte Die Ausgestaltung der Antragsberechtigung bildet die verfahrensrechtliche Schnittstelle, an der dem Rechtsanwender die Vorzüge des Erbscheins entweder eröffnet oder verschlossen werden. Besteht sie für den jeweiligen Antragsteller nicht, muss dieser eruieren, welche anderen rechtlichen Möglichkeiten ihm zur Verfügung stehen, um seine mit dem ursprünglichen Begehren auf die Erlangung eines Erbscheins verbundenen Interessen durchzusetzen. Die Anzahl potentieller Antragsberechtigter ist größer als man zunächst denken mag.6 Neben den in der Praxis am häufigsten vorkommenden Typ von Antragstellern – den Erben – sind auch solche Personen zu nennen, die nur in bestimmten Nachlasskonstellationen einen Erbschein beantragen können. Freilich beziehen sich die Erbscheinswirkungen der §§  2365 ff. BGB nach dem Wortlaut stets auf den im Erbschein bezeichneten Erben, denn Objekt der Vermutung und der daran angeknüpften Gutglaubenswirkung das Erbrecht ist. Für die anderen Antragsteller haben indes andere Funktionen des Erbscheins Bedeutung, z.B. Grziwotz, FamRZ 2016, 417 (418). Nachfolgend sollen aufgrund der hohen Anzahl nur die praktisch relevantesten Antragsberechtigten dargelegt werden. 5  6 

B. Einleitung der Erbnachweisverfahren

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weil sie für die Erledigung der ihnen ggf. kraft Gesetzes übertragenen Aufgaben einen Erbschein benötigen, was z.B. auf den Nachlassverwalter zutrifft. a) Universalsukzessoren des Erblassers – Alleinerbe, Miterben, Vor- und Nacherbe, Ersatzerbe Der Alleinerbe sowie die Miterben sind als unmittelbare Rechtsnachfolger des Erblassers antragsberechtigt. Das Gesetz spricht in §  352 Abs.  1 FamFG vom gesetzlichen Erben und in §  352 Abs.  2 FamFG vom gewillkürten Erben7, die beide sowohl der Alleinerbe als auch die Miterben sein können. Ein einzelner Miterbe kann hierbei einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragen, ohne dass es auf ein gleichzeitiges Tätigwerden der anderen Miterben ankommt (§  352a Abs.  1 FamFG). Dem Miterben kommt ein Verfahrensstandschaftsrecht zu.8 Hat der Erblasser Vor- und Nacherbschaft angeordnet, wird mit dem Tod des Erblassers nur der Vorerbe Erbe (§  2100 BGB), so dass auch nur der Vorerbe bis zum Eintritt des Nacherbfalls zur Beantragung eines Erbscheins berechtigt ist.9 Ab diesem Zeitpunkt kann demnach nur noch der Nacherbe einen Erbschein beantragen.10 Der Ersatzerbe wird mit dem Eintritt des Ersatzerbfalls Rechtsnachfolger des Erblassers, hat mithin den Status als originären Erben inne (§  2096 BGB) und ist daher ab diesem Zeitpunkt antragsberechtigt. b) Erbeserbe, Erbe des Nacherben, Erbschaftserwerber Da das Antragsrecht vererblich ist, ist auch der Erbeserbe antragsberechtigt; er kann einen Erbschein nach dem zweiten Erbfall auf den Namen des ersten Erben beantragen.11 Für den Erben des Nacherben regelt §  2108 Abs.  2 BGB, dass der Erbe das Nacherbrecht erbt, wenn der Nacherbe vor dem Eintritt der Nacherbfolge, aber nach dem Erbfall stirbt und ein abweichender Wille des Erblassers nicht anzunehmen ist. Vereint sich jedoch das Nacherbrecht in der Person des Erben des Nacherben, ist dieser mit dem Eintritt des Nacherbfalls berechtigt, einen Erb7  Zum historischen Hintergrund der Möglichkeit der Erbscheinserteilung an gesetzliche sowie an gewillkürte Erben vgl. Muscheler, Jura 2009, 329 (331) sowie Grziwotz, FamRZ 2016, 417 f. 8  So Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  46. 9  BGH, Beschl. v. 26.5.1982 – V ZB 8/81, NJW 1982, 2499; Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  10a. 10  BayObLG, Beschl. v. 8.3.1999 – 1 Z BR 73–98, NJW-RR 1999, 805; Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  10a. 11  Jauernig/Stürner, §  2353 Rn.  4; MüKoBGB/Grziwotz, §  2353 Rn.  93; Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  10a.

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

schein zu beantragen, der ihn als Erbe des Erblassers bezeichnet.12 Daneben besteht die Möglichkeit, einen Erbschein nach dem Erbfall des Nacherben zu beantragen. Es handelt sich um die übliche Rechtsnachfolge von Todes wegen als originärer Erbe des Nacherben. Der Erbschaftserwerber nach §  2033 BGB ist aufgrund seiner unmittelbaren dinglichen Berechtigung am Nachlass zur Beantragung eines Erbscheins berechtigt, allerdings nur auf den Namen des wirklichen Erben.13 c) Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter Abgesehen von dem originären Antragsrecht des Testamentsvollstreckers hinsichtlich des Testamentsvollstreckerzeugnisses nach §  2368 BGB, §  354 FamFG ist dieser grundsätzlich zugleich berechtigt, einen Erbschein auf den Namen des Erben zu beantragen.14 Da der Testamentsvollstrecker in der Regel die Aufgaben der Nachlassabwicklung vollständig übernimmt, würde ein Erbschein dem Erben selbst aufgrund der Verfügungsbeschränkung und dessen mangelnder tatsächlicher Sachherrschaft über den Nachlass nichts nützen. Hingegen bedarf der Testamentsvollstrecker für seine Amtsausübung regelmäßig eines Erbscheins, um sich z.B. in Bezug auf Bank- oder Grundbuchangelegenheiten zu legitimieren.15 Die gleiche Interessenlage besteht grundsätzlich auch beim durch das Nachlassgericht berufenen Nachlassverwalter und Nachlassinsolvenzverwalter (§  1975 BGB). Diese sind gleichsam antragsberechtigt.16 d) Nachlassgläubiger mit vollstreckbarem Titel gemäß §§  792, 896 ZPO Gegenüber den Erben steht derjenige, der eine Forderung, gleich welcher Art (Erblasserschulden, Erbfallschulden, Nachlasserbenschulden bzw. Nachlasskostenschulden), gegen den Nachlass hat und somit Nachlassgläubiger ist. Sofern die Erben den Nachlassgläubiger befriedigen, besteht kein Bedürfnis, diesem die Antragsberechtigung zuzuweisen. Hat der Nachlassgläubiger aber bereits auf dem Prozessweg gegen den Erblasser seine Forderung erstritten und einen vollstreckbaren Titel, z.B. ein Urteil oder einen Mahnbescheid, erlangt, mit dem er gegen die Rechtsnachfolger des Erblassers die Zwangsvollstreckung betreiben will, lässt sich der Nutzen des Erbscheins Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  48. MüKoBGB/Gergen, §  2033 Rn.  29; MüKoBGB/Grziwotz, §  2353 Rn.  94; Staudinger/ Herzog, §  2353 Rn.  29. 14  Grziwotz, FamRZ 2016, 417 (419). 15  Ähnlich Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  10a, die für die Antragsbefugnis auf die Stellung und den Aufgabenbereich abstellen. 16  Staudinger/Herzog, §  2353 Rn.  42; Jauernig/Stürner, §  2353 Rn.  4. 12  13 

B. Einleitung der Erbnachweisverfahren

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für den Nachlassgläubiger nicht leugnen. Insbesondere bei der Zwangsvollstreckung in Immobilien bedarf es für Grundbuchänderungen im Rahmen der Rechtsnachfolge stets eines Erbscheins.17 Würde dem Nachlassgläubiger das Antragsrecht verwehrt, hätte der ihm ausgefertigte vollstreckbare Titel keinen praktischen Wert, weil die zur Rechtsänderung erforderliche Grundbuchänderung unmöglich würde. Auch lediglich bei der Titelumschreibung nach §  727 ZPO gelingt dem Nachlassgläubiger mit der Vorlage des Erbscheins der zuverlässige Nachweis der Rechtsnachfolge, weshalb hier ein Bedürfnis nach einem Erbschein erkennbar wird.18 Daher gewährt §  792 ZPO dem Nachlassgläubiger ein eigenes Antragsrecht. Freilich ist dem Nachlassgläubiger das Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen, wenn bereits ein Erbschein existiert, der beispielsweise dem Erben erteilt wurde; hier kann der Nachlassgläubiger nach §  357 Abs.  2 S.  1 FamFG eine Ausfertigung des Erbscheins verlangen und für seine Zwecke verwenden.19 Deutlich wird, dass der Erbschein nicht nur (primär) die Erben begünstigt, sondern zugleich auch diejenigen, die ein rechtliches Interesse am Nachlass haben. So verkörpert der Erbschein nachgerade das universale Mittel in der Nachlassabwicklung. 3. Dem Nachlass nahestehende Personen ohne Antragsrecht Der Zugang zum Erbschein wird nicht allen am Nachlass beteiligten Personen gewährt. Denn der Regelungszweck des Erbscheins begrenzt von vornherein den Kreis der Personen. Bloße wirtschaftliche Interessen können keine Antragsberechtigung vermitteln; das Gesetz knüpft vielmehr durchgehend an eine erbrechtliche Rechtsstellung der jeweiligen Person an.20 So ist ein Vermächtnisnehmer lediglich schuldrechtlich berechtigt und hat daher kein Antragsrecht21, es sei denn, er ist zugleich auch Erbe. Der Vermächtnisnehmer ist nicht aktiv in die Nachlassabwicklung involviert, sondern nimmt gleichsam eine „passive“ Rolle ein, als er nur das ihm gebührende Vermächtnis von den Erben – notfalls über den Klageweg – verlangen kann. Auch dem Pflichtteilsberechtigten (§  2303 BGB) kommt nur ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den Nachlass zu. Ihm ist daher aus den gleichen Gründen wie beim Vermächtnisnehmer das Antragsrecht zu versagen.22 Der Erbschaftskäufer ist nicht antragsberechtigt, weil ihm durch 17 

OLG München, Beschl. v. 29.7.2014 – 31 Wx 273/13, NJW 2014, 3254 (3255); vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 3.5.2001 – 1 Z BR 18/00, NJW-RR 2002, 440. 18  Vgl. Saenger/Kindl, ZPO, §  727 Rn.  5. 19  Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  50. 20  Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 8.6.1994 – 2 Wx 16/94, NJW-RR 1994, 1421 (1422). 21  BayObLG, Beschl. v. 10.2.2000 – 1 Z BR 3/00, FamRZ 2000, 1231. 22  OLG Köln, Beschl. v. 8.6.1994 – 2 Wx 16/94, NJW-RR 1994, 1421 (1422); Jauernig/ Stürner, §  2353 Rn.  4.

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

den Vertrag nur obligatorische Rechte zugewiesen werden.23 Schließlich hat auch der Nachlasspfleger (§  1960 BGB) kein Antragsrecht aus dem Grund, dass ihm die Aufgabe gebührt, die noch unbekannten Erben zu ermitteln; ein Erbschein kann indessen nur für bekannte Erben ausgestellt werden.24 4. Angaben für den Antrag §  352 FamFG listet die erforderlichen Angaben für den Erbscheinsantrag auf und unterscheidet wie vor der Gesetzesnovelle zwischen der Berufung aufgrund gesetzlicher (§  352 Abs.  1 FamFG) und gewillkürter (§  352 Abs.  2 FamFG) Erbfolge. Neu hinzugekommen sind Angaben zum letzten gewöhnlichen Aufenthalt und zur Staatsangehörigkeit des Erblassers (§  352 Abs.  1. Nr.  2 FamFG). In Anbetracht der aus der Oberle-Entscheidung resultierenden Maßgeblichkeit der Art.  4 ff. EuErbVO für das Erbscheinsverfahren ist die Angabe des letzten gewöhnlichen Aufenthalts zwingend, um dem Nachlassgericht bei der Bestimmung seiner internationalen Zuständigkeit zu unterstützen, auch wenn das Nachlassgericht natürlich unabhängig von der Angabe eigenständig entscheidet, ob es für die Erteilung des Erbscheins international zuständig ist. Überdies erleichtert diese Angabe die etwaige spätere Beantragung eines Zeugnisses durch denselben Antragsteller. Dort kommt es ebenso für die internationale Zuständigkeit des Nachlassgerichts gemäß Art.  64 S.  1 EuErbVO i.V.m. Art.  4 EuErbVO auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers an. Die weiteren Angaben bei der Berufung aufgrund gesetzlicher Erbfolge umfassen den Zeitpunkt des Todes des Erblassers (§  352 Abs.  1 Nr.  1 FamFG), das das Erbrecht des Antragstellers vermittelnde Verhältnis zum Erblasser (§  352 Abs.  1 Nr.  3 FamFG), Informationen zu etwaigen vorhandenen oder inzwischen weggefallenen Erbanwärtern, durch die der Antragsteller von der Erbfolge ausgeschlossen oder sein Erbteil gemindert werden würde (§  352 Abs.  1 Nr.  4 FamFG), Informationen zu etwaigen Verfügungen von Todes wegen des Erblassers (§  352 Abs.  1 Nr.  5 FamFG), Informationen zur etwaigen Anhängigkeit eines Rechtsstreits über das Erbrecht (Erbenfeststellungsklage, §  352 Abs.  1 Nr.  6 FamFG) sowie die Annahme der Erbschaft durch den Antragsteller (§  352 Abs.  1 Nr.  7 FamFG) und die Größe des Erbteils (§  352 Abs.  1 Nr.  8 FamFG). Beruft sich der Antragsteller im Hinblick auf sein Erbrecht auf eine Verfügung von Todes wegen, hat er Angaben zur Verfügung von Todes wegen des Erblassers, auf die sein Erbrecht beruht (§  352 23  H.M.: Staudinger/Herzog, §  2353 Rn.  31; MüKoBGB/Grziwotz, §  2353 Rn.  95; Kipp/ Coing, Erbrecht, S.  689; Scheer, Der Erbschein – Erteilung, Einziehung und Änderung, S.  62; a.A. NK-BGB/Kroiß, §  2353 Rn.  35; Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  54 f. 24  Staudinger/Herzog, §  2353 Rn.  43.

B. Einleitung der Erbnachweisverfahren

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Abs.  2 Nr.  1 FamFG), zu etwaigen anderen Verfügungen von Todes wegen (§  352 Abs.  2 Nr.  2 FamFG) sowie gleichsam die in §  352 Abs.  1 Nr.  1, Nr.  2 und Nr.  6 bis 8 FamFG und §  352 Abs.  1 S.  2 FamFG vorgeschriebenen Angaben zu machen. II. Österreich Das Verlassenschaftsverfahren wird grundsätzlich nicht durch den Willen bzw. einen Antrag eines Erbanwärters eingeleitet, sondern ist vielmehr obligatorisch und von Amts wegen durchzuführen25, sofern der Todesfall durch eine öffentliche Urkunde, z.B. eine Sterbeurkunde oder einen Beschluss über die Todeserklärung26, oder sonst auf unzweifelhafte Weise bekannt wird (§  143 Abs.  1 AußStrG).27 Indes ist es nicht zwingend, dass am Ende ein Einantwortungsbeschluss ergeht, denn eine Einantwortung kann bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen unterbleiben, insbesondere wenn der Nachlass einen geringen Wert hat.28 1. Vorverfahren Die Erbprätendenten nehmen im Vorverfahren zunächst eine passive Rolle ein. Der Notar als Gerichtskommissär (vgl. §§  1, 2 GKG) übernimmt ex lege die ersten Schritte.29 25  Gitschthaler/Höllwerth/Schatzl/Spruzina, AußStrG, §  143 Rn.  1; Zankl, Erbrecht, Rn.  129; Klicka/Paulhammer/Domej, Außerstreitverfahren, Rn.  306; Bittner, JEV 2008, 114 (116). 26  Feil, AußStrG, §  143 Rn.  7; Verweijen, Handbuch Verlassenschaftsverfahren, S.  132; Haunschmidt, Erbschaft und Testament, S.  86. 27  Liegt ein internationaler Erbfall vor, also befindet sich die Verlassenschaft ausschließlich im Ausland oder besteht für Nachlassvermögen im Inland eine internationale Zuständigkeit nach Art.  10 Abs.  2 EuErbVO oder Art.  11 EuErbVO, ist gemäß §  143 Abs.  2 S.  1 AußStrG das Verlassenschaftsverfahren nur auf Antrag desjenigen, der seine Erbberechtigung nachweisen kann, einzuleiten. Abgewichen wird von der Einleitung von Amts wegen, da in der Konstellation des Art.  10 Abs.  2 EuErbVO der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in ­einem Drittstaat hat und der einzige Bezug zu Österreich nur in der Belegenheit von Nachlassvermögen liegt. Das Bedürfnis für eine Einleitung von Amts wegen besteht regelmäßig auch mangels räumlicher Greifbarkeit auf die Erbprätendenten nicht. 28  Vgl. Kralik, Erbrecht, S.  326. An dieser Stelle werden die anderen möglichen Szenarien nicht relevant, da in diesen gerade kein Erbnachweis erteilt wird. Daher sei zu den drei Möglichkeiten des Unterbleibens (Unterbleiben der Abhandlung gemäß §  153 AußStrG, Überlassung an Zahlung statt gemäß §§  154 f. AußStrG, Verlassenschaftsinsolvenzverfahren) auf Rummel/Lukas/Welser, ABGB, §  798a Rn.  11 ff. sowie Klicka/Paulhammer/Domej, Außerstreitverfahren, Rn.  311 ff. verwiesen. 29  Vgl. nur §§  144, 145, 146 AußStrG; siehe auch Klicka/Paulhammer/Domej, Außerstreitverfahren, Rn.  306; Bittner, JEV 2008, 114 (115); Perscha/Stögner, ZErb 2008, 375 (377).

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

a) Todesfallaufnahme Gemäß §  145 Abs.  1 S.  1 AußStrG hat der Gerichtskommissär eine Todesfallaufnahme zu errichten. Er muss hierbei alle Umstände erheben, die für die Verlassenschaftsabhandlung und allfällige pflegschaftsgerichtliche Maßnahmen erforderlich sind (§  145 Abs.  1 S.  2 AußStrG). Die Todesfallaufnahme verfolgt den Zweck, allgemeine Anhaltspunkte für die Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens zu gewinnen und die wesentlichen Grundlagen für seinen weiteren Fortgang zu erheben.30 Um dem Gerichtskommissär die rasche Ermittlung der Umstände zu ermöglichen, stattet ihn §  146 AußStrG mit weitreichenden Befugnissen zum Eingriff in die private Umgebung des Verstorbenen aus. Es ist nicht notwendig, dass Erben oder Verwandte des Erblassers zur Todesfallaufnahme hinzugezogen werden; geeignet ist jede Person, die Auskunft über die Vermögensverhältnisse des Erblassers geben kann (z.B. ein befreundeter Nachbar oder ein Arbeitskollege).31 §  145 Abs.  2 AußStrG listet auf, welche Angaben die Todesfallaufnahme zu umfassen hat. Die aufzunehmenden Angaben stimmen fast mit den Angaben für den Erbscheinsantrag überein; der Einfluss der EuErbVO zeigt sich auch hier. So sind nach §  145 Abs.  2 Nr.  1 AußStrG sämtliche Angaben zum Verstorbenen zu machen, z.B. zur Staatsangehörigkeit und zum letzten gewöhnlichen Aufenthalt und generell alle für die Ermittlung der Zuständigkeit relevanten Tatsachen. Bemerkenswerterweise ist auch die Beschäftigung des Verstorbenen anzugeben; die Angabe hat freilich nur einen informatorischen Charakter und auf den Erbfall keine rechtlichen Auswirkungen. Daneben gehören in die Todesfallaufnahme das hinterlassene Vermögen mitsamt Rechte und Verbindlichkeiten (§  145 Abs.  2 Nr.  2 AußStrG), die Begräbniskosten und ggf. die Person, die sie vorgestreckt hat (§  145 Abs.  2 Nr.  3 AußStrG), die Urkunden über letztwillige Verfügungen von Todes wegen und deren Widerruf, Vermächtnis-, Erb- und Pflichtteilsverträge, Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge und deren Aufhebung sowie die Vor- und Familiennamen und die Anschrift der Zeugen mündlicher letztwilliger Verfügungen (§  145 Abs.  2 Nr.  4 AußStrG), wobei in das Protokoll auch Tatsachen zur Beurteilung der Echtheit und Gültigkeit einer Verfügung von Todes wegen aufzunehmen, so z.B., ob die betreffende Urkunde verschlossen war oder nicht32, persönliche Angaben zu den Erben aufgrund gesetzlicher oder gewillkürter Erbfolge (§  145 Abs.  2 Nr.  5 AußStrG) und schließlich persönliche Angaben über

30  Gitschthaler/Höllwerth/Schatzl/Spruzina, AußStrG, §  145 Rn.  2; Klicka/Paulhammer/ Domej, Außerstreitverfahren, Rn.  309. 31  Verweijen, Handbuch Verlassenschaftsverfahren, S.  135. 32  Perscha/Stögner, ZErb 2008, 375 (379).

B. Einleitung der Erbnachweisverfahren

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Personen, deren gesetzlicher Vertreter der Verstorbene war (§  145 Abs.  2 Nr.  6 AußStrG). b) Befugnisse des Gerichtskommissärs Der Gerichtskommissär hat die in §  146 AußStrG näher definierten Erhebungen zu treffen. So kann der Gerichtskommissär z.B. Durchführungsmaßnahmen in der Wohnung des Verstorbenen treffen, um etwaige Verfügungen von Todes wegen aufzufinden. c) Sicherungsmaßnahmen Zum Vorverfahren, das das Verlassenschaftsverfahren vorbereiten soll, gehört nicht nur, das Vermögen des Erblassers zu ermitteln und zu dokumentieren, sondern dieses auch bis zur Einantwortung zu erhalten. In aller Regel werden die potentiellen Erben bzw. nahen Angehörigen dieser Pflicht nachkommen.33 Andernfalls bei Gefahr der Entziehung des Vermögens, der Unfähigkeit oder der Bereitschaft zur Sicherung des Vermögens hat der Gerichtskommissär gemäß §  147 Abs.  1 AußStrG für diese Sicherung zu sorgen.34 2. Parteien des Verlassenschaftsverfahrens Das Verlassenschaftsverfahren lässt wie gesehen einen konkreten Antragsteller nicht zu. Die Antragsberechtigung des deutschen und europäischen Rechts entspricht funktionell dem Recht, als Partei in das Verlassenschaftsverfahren einbezogen zu werden. Denn den Parteien wird gemäß §  178 Abs.  5 AußStrG der Einantwortungsbeschluss zugestellt. Erst die Parteieigenschaft eröffnet den Zugang zum Einantwortungsbeschluss. Wer Partei des Verlassenschaftsverfahrens sein kann, richtet sich nicht nach dem formellen, sondern dem materiellen Parteibegriff gemäß §  2 Abs.  1 Nr.  3 AußStrG.35 Danach ist Partei jede Person, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst würde. Im Verlassenschaftsverfahren sind dies vorderVerweijen, Handbuch Verlassenschaftsverfahren, S.  151. Vgl. näher zu den möglichen konkreten Einzelmaßnahmen des Gerichtskommissärs Haunschmidt, Erbschaft und Testament, S.  90 f. 35  Schwimann/Kodek/Nemeth, ABGB, §  797 Rn.  6; Verweijen, Handbuch Verlassenschaftsverfahren, S.  64; Fucik/Neumayr, iFamZ 2012, 139; Bittner, JEV 2008, 114 (115). Wenn das Verlassenschaftsverfahren noch nicht eröffnet ist, sollte aber das Tätigwerden des Verlassenschaftsgerichts durch einen eigenen Antrag beispielsweise eines Erbprätendenten ausgelöst werden können; dann ist der Antragsteller stets Partei nach §  2 Abs.  1 Nr.  1 AußStrG, vgl. Schilchegger/Kieber, Österreichisches Verlassenschaftsverfahren, S.  23. 33  34 

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

gründig neben den Erben (nach Abgabe der Erbantrittserklärung36) auch etwaige Ersatz- und Nacherben37, Pflichtteilsberechtigte (frühere gesetzliche Bezeichnung: Noterben)38, Legatare (soweit sie von ihren Rechten nach §§  811, 812, 815 ABGB Gebrauch machen oder auf andere Weise in ihre Vermögensrechte eingegriffen wurde39) und unter bestimmten Voraussetzungen auch Nachlassgläubiger40.41 Diese Personen sind in der Verlassenschaftsabhandlung mit in den Einzelheiten höchst unterschiedlichen Verfahrensrechten ausgestattet.42 III. Europäische Union Wenn das Zeugnis unionsweit verfügbar ist und der Unionsgesetzgeber intendiert, mit diesem Instrument eine einheitliche internationale Nachlassabwicklung innerhalb des europäischen Rechtsraums zu fördern (vgl. ErwG 67), sollte der Zugang zum Zeugnis an nicht allzu hohe Voraussetzungen geknüpft werden, um nicht von Anfang an die bloße Existenz des Zeugnisses zu torpedieren.

Fucik/Neumayr, iFamZ 2012, 139 (140) mit Hinweis auf §  157 Abs.  3 AußStrG. Fucik/Neumayr, iFamZ 2012, 139 (141). 38  Klicka/Paulhammer/Domej, Außerstreitverfahren, Rn.  307; Fucik/Neumayr, iFamZ 2012, 139 (141). 39  Fucik/Neumayr, iFamZ 2012, 139 (143). Vgl. aber auch OGH, Beschl. v. 25.5.2016 – 2 Ob 86/16k, NZ 2016, 343, wonach Legatare aufgrund ihres obligatorischen Anspruchs die Zustellung des Einantwortungsbeschlusses nicht verlangen können. Nachvollziehbar ist die Entscheidung in Anbetracht des §  178 Abs.  5 AußStrG nicht, da hiernach insbesondere Gläubigern ein Antragsrecht auf Zustellung des Einantwortungsbeschlusses eingeräumt wird. Der Legatar ist nach dem Verständnis des OGH vergleichbar mit einem Gläubiger im Verlassenschaftsverfahren, so dass eine unterschiedliche Behandlung von Nachlassgläubigern und Legataren willkürlich erscheint. Die Entscheidung sollte den Legatar nicht wesentlich beeinträchtigen: Die Geltendmachung des Legats wird auch ohne Kenntnis vom Inhalt des Einantwortungsbeschlusses regelmäßig gelingen. Dies folgt daraus, dass der Legatar während der Verlassenschaftsabhandlung das Recht auf Verständigung hat und damit Kenntnis vom Ausgang des Verfahrens erhält. Die Kumulation von amtswegiger Einleitung des Verfahrens und der Möglichkeit des Antrags auf Zustellung des Einantwortungsbeschlusses ist geeignet, die potentiell am Erbfall Beteiligten an den Ergebnissen des Verlassenschaftsverfahrens teilhaben zu lassen, obwohl dieses primär auf die Bestimmung der einzuantwortenden Erben abzielt. 40  Vgl. Klicka/Paulhammer/Domej, Außerstreitverfahren, Rn.  307; Fucik/Neumayr, iFamZ 2012, 139 (143 f.). 41  Vgl. auch Feil, AußStrG, §  143 Rn.  15; Verweijen, Handbuch Verlassenschaftsverfahren, S.  65 ff. sowie die Übersicht in Schilchegger/Kieber, Österreichisches Verlassenschaftsverfahren, S.  42 f. 42  Vgl. Verweijen, Handbuch Verlassenschaftsverfahren, S.  65 ff.: z.B. verschiedene Antragsrechte im Verfahren (Bestellung eines Kurators, Beantragung einer Inventarisierung oder einer Nachlassseparation), Recht auf Anhörung und Verständigung, Anwesenheitsrechte bei Schätzungen. 36  37 

B. Einleitung der Erbnachweisverfahren

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1. Antrag Die Ausstellung des Zeugnisses erfolgt auf Antrag eines hierzu berechtigten Antragstellers (Art.  65 EuErbVO und ErwG 72 S.  1). Das Antragserfordernis ergibt sich zwangsläufig aus dem optionalen Charakter des Zeugnisses. Wenn dieses neben den bisherigen Möglichkeiten die internationale Nachlassabwicklung erleichtern soll, muss es dem Willen der Antragsteller obliegen, ob und in welchem Umfang sie von dem Zeugnis Gebrauch machen wollen. Die Einleitung des Zeugnisverfahrens von Amts wegen wäre mit dem deklaratorischen Charakter in Widerstreit geraten: Da das Zeugnis gerade nicht rechtsgestaltend wirkt (wie etwa die Einantwortung), besteht kein Bedürfnis für ein amtswegiges Verfahren, damit die rechtsgestaltende Wirkung (i.e. Eintritt der Universalsukzession) in diesem ausgelöst wird. Die Ausstellungsbehörde ist an den Antrag gebunden, dessen Inhalt von den Antragstellern selbst festgelegt wird und den Umfang des Zeugnisses bestimmt.43 2. Antragsberechtigte An der Antragsberechtigung zeigen sich die personelle Reichweite des Zeugnisses und damit mittelbar der Umfang seines Nutzens in der internationalen Nachlassabwicklung. Art.  65 Abs.  1 EuErbVO verweist für den Kreis der Antragsberechtigten auf die in Art.  63 Abs.  1 EuErbVO genannten Personen, namentlich Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter. Gewiss sind die von der EuErbVO verwendeten Begriffe in ihrem Bedeutungsgehalt überwiegend eindeutig und lassen sich die Funktionen der genannten Personen im Erbfall in aller Regel einfach ermitteln, doch bestehen zum Teil, wie sich zeigen wird, einige unklare Nuancen in der Begriffsausfüllung. Allen Antragstellern ist gemeinsam, dass ihre Rechtsstellung Ausfluss des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbaren Rechts ist. Dabei ist zu beachten, dass gleichsam „über“ dem berufenen Erbstatut ein europäisches Begriffsverständnis existiert. Für die Ermittlung der Antragsberechtigung muss demzufolge untersucht werden, ob die erbrechtliche Rechtsstellung nach dem berufenen Erbstatut der Rechtsstellung als Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter i.S.d. europäischen Begriffsverständnisses44 – also losgekoppelt von der Ausfüllung durch das mitgliedstaatliche Recht – entspricht. Die EuErbVO schafft demzufolge selbst keine „neuen“ Antragsteller, 43  MüKoBGB/Dutta, Art.  65 EuErbVO Rn.  2; Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  65 EuErbVO Rn.  6; NK-BGB/Nordmeier, Art.  65 EuErbVO Rn.  5. 44  Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  278; Dorsel/Schall, GPR 2015, 36 (40).

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

sondern sie rekurriert grundsätzlich erst einmal auf sämtliche in Betracht kommende mitgliedstaatliche Konzeptionen über erbrechtlich berechtigte Personen und entscheidet in einem weiteren Schritt, wie die Begriffe nach europäischem Verständnis ausgeformt werden müssen. Die EuErbVO bestimmt also „von oben“, ob eine erbrechtliche Rechtsstellung nach mitgliedstaatlichem Recht in das europäische Begriffsverständnis fällt oder nicht. Wem keine Antragsberechtigung zugewiesen wird, hat zumindest die Möglichkeit, nach Art.  70 Abs.  1 ­EuErbVO bei Vorliegen eines berechtigten Interesses eine beglaubigte Abschrift des Zeugnisses zu erhalten.45 Die vollkommene Abhängigkeit von der Ausstellung des Zeugnisses durch die Initiative eines Antragsberechtigten wird jedoch dadurch nicht aufgehoben. Auch sind solche Personen antragsberechtigt, die mit gesetzlicher oder gewillkürter Vertretungsmacht ausgestattet sind (vgl. Art.  65 Abs.  3 lit.  c EuErbVO); sie gehören jedoch nicht zu den unmittelbaren Antragsberechtigten. Sind mehrere Personen antragsberechtigt, kann jede von ihnen den Antrag separat stellen.46 a) Universalsukzessoren des Erblassers – Alleinerbe, Miterben, Vor- und Nacherbe, Ersatzerbe Der Begriff des Erben umschreibt den unmittelbaren Gesamtrechtsnachfolger, also denjenigen, der durch den Tod des Erblassers im Ganzen oder anteilig an dessen Nachlass berechtigt ist.47 Der Erbe kann bekanntlich in verschiedenen Rechtsstellungen erscheinen, namentlich als Alleinerbe, Miterbe, Ersatzerbe, Vor- oder Nacherbe, die allesamt ein Erbrecht haben, mithin am Nachlass (dinglich) beteiligt sind. Der Wortlaut erfasst daher auch die besonderen Ausformungen der erbrechtlichen Berechtigung in partieller Hinsicht. Unbeachtlich ist, ob die erbrechtliche Berufung auf einer gesetzlichen oder gewillkürten Erbfolge beruht, was sich mittelbar aus der in den Antrag aufzunehmenden Angabe in Art.  65 Abs.  3 lit.  e EuErbVO ergibt.48 Auch der Ersatzerbe49 kann ein Zeugnis beantragen. Er ist tatsächlicher Erbe, weil ein zunächst eingesetzter Erbe vor oder nach dem Erbfall weggefallen ist. 45  MüKoBGB/Dutta, Art.  65 EuErbVO Rn.  3; in diesem Sinne für Nachlassgläubiger Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck, Erbrecht, Art.  65 EuErbVO Rn.  1. 46  BeckOGK/J. Schmidt, Art.  65 EuErbVO Rn.  5; Lutz, BWNotZ 2016, 34 (42); Köllensperger, NZ 2015, 245 (256); offen gelassen von Lange, DNotZ 2016, 103 (105). 47  Schmitz, RNotZ 2017, 269 (274); siehe auch Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  279. 48  Vgl. auch Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  63 EuErbVO Rn.  14; Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  168. 49  „substituição directa“ (Art.  2281–2285 Código Civil) im portugiesischen Recht; „sustitución vulgar“ (Art.  774 Código Civil) im spanischen Recht; „sostituzione ordinaria“ (Art.  688

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Insofern weicht nur der Hintergrund der erbrechtlichen Berufung aus Sicht des Erblassers geringfügig von der primären Erbeinsetzung ab; die Antragsberechtigung ist dem Ersatzerben aus dem funktionalen Grund zu gewähren, dass er gleichermaßen als Rechtsnachfolger wie der ursprünglich eingesetzte Erbe des Zeugnisses bei der internationalen Nachlassabwicklung bedarf. Vor- und Nacherben50 ist die Antragsberechtigung ebenso zuzuweisen.51 Mit dem Erbfall ist zunächst nur dem Vorerben die Antragsberechtigung zuzuweisen. Denn nur der Vorerbe wird zu diesem Zeitpunkt unmittelbarer Rechtsnachfolger mit den jeweiligen angeordneten Beschränkungen der Vorerbschaft, die in das Zeugnis aufgenommen werden müssen. Nach Eintritt des Nacherbfalls und dem damit einhergehenden Rechtsübergang des Erblasservermögens auf den Nacherben ist dieser antragsberechtigt.52 Das dem Vorerben bereits erteilte Zeugnis weist einen Inhalt aus, der für den Nacherben im Rechtsverkehr nicht brauchbar ist. Das Gericht wird jedoch bei Erteilung eines Zeugnisses für den Nacherben auf die bereits ermittelten Tatsachen und Rechtslagen im Zeugnisverfahren des Vorerben zugreifen können, so dass der Nacherbe regelmäßig zügig ein seine Rechtsstellung ausweisendes Zeugnis erhalten wird. Generell lässt sich im Hinblick auf die Vor- und Nacherbschaft und ähnlicher Institute feststellen, dass die Antragsberechtigung erst entsteht, wenn die Person eine unmittelbare dingliche Berechtigung am Nachlass hat. Für jene Mitgliedstaaten wie Frankreich oder Belgien, die eine Vor- und Nacherbschaft grundsätzlich nicht kennen53, eröffnet das Zeugnis dementsprechend von vornherein nur einen verkürzten Adressatenkreis. Eine Sonderproblematik aufgrund der verordnungsautonomen Auslegung des Begriffs des Erben ergibt sich bei solchen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, die mit dem Eintritt des Erbfalls zunächst lediglich einen ruhenden Nachlass kennen. Hier ist fraglich, ob bereits vor der gerichtlichen Entscheidung mit Übertragungs- und Gestaltungswirkung (z.B. Einantwortung der Erben nach österreiCodice Civile) im italienischen Recht; „pécmantinieka“ (Art.  486 ff. leZGB) im lettischen Recht; „substitution“ (Art.  898 Code Civil) im luxemburgischen Recht; „podstawienie“ (Art.  963 polZGB) im polnischen Recht. 50  „substituição fideicomissária“ (Art.  2286–2296 Código Civil) im portugiesischen Recht; „sustitución fideicomisaria“ (Art.  781 ff. Código Civil); „sostituzione fedecommisaria“ (Art.  692 Codice Civile) im italienischen Recht (dies stellt einen Sonderfall dar, da das italienische Recht grundsätzlich die Nacherbschaft nicht kennt, vgl. Süß/Wiedemann/Pertot/Ballerini, Erbrecht in Italien, Rn.  123); „pécmantinieka“ (Art.  486 ff. leZGB) im lettischen Recht. 51  Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  63 EuErbVO Rn.  16; NK-BGB/Nordmeier, Art.  63 EuErbVO Rn.  3; MüKoBGB/Dutta, Art.  63 EuErbVO Rn.  7; Schmitz, RNotZ 2017, 269 (275). 52  Schmitz, RNotZ 2017, 269 (275). 53  Vgl. oben im 1. Kap., B., III., S.  9 ff.

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

chischem Recht54) die Erben berechtigt sind, ein Zeugnis zu beantragen. Ein praktisches Bedürfnis besteht bereits aus zeitlichen Gründen: Je früher bzw. schneller das Zeugnis beantragt werden kann, desto zügiger kann die Nachlassabwicklung vonstattengehen, selbst wenn das Zeugnis die temporäre fehlende Verfügungsberechtigung ausweist. Einerseits fordert die Erbenstellung eine unmittelbare Berechtigung am Nachlass als Rechtsnachfolger, damit überhaupt die Gutglaubenswirkung des Zeugnisses eintreten kann, weil nur Erben Verfügungen über Nachlassgegenstände vornehmen und Leistungen empfangen können.55 Bei einem ruhenden Nachlass oder bei solchen Rechtsordnungen, die die Entstehung der unmittelbaren Berechtigung beim Erben von einem weiteren isolierten Akt (z.B. Annahme der Erbschaft) abhängig machen, würde es keine Erben i.S.d. Verständnisses geben, solange der Nachlass nicht den Erben durch Vollziehung des Aktes dinglich zugewiesen wurde. Es fehle an dem Bedürfnis, die Rechtsstellung, die aufgrund des Anspruchscharakters keine Außenwirkung entfalte, in einem anderen Mitgliedstaat nachzuweisen.56 Doch sollte dieses Wortlautargument vor dem Hintergrund einer teleologischen Betrachtung abgeschwächt werden. Es ist zu fragen, was der lediglich verfahrensrechtliche Zwischenschritt in die Überführung des Erben in seine materielle Rechtsstellung bedeutet. Das Erbrecht steht den Erben von Anfang an zu, nur seine Verfügungsbefugnis fehlt bis zum Abschluss des Aktes.57 Dass der Erbe tatsächlich später in seine dingliche Rechtsstellung überführt werden wird, lässt sich bereits im Zeugnisverfahren ermitteln. Bei gleicher Tatsachenlage wird das Ergebnis im Rahmen etwa des Verlassenschaftsverfahrens identisch sein. In der Einleitung des Zeugnisverfahrens kann womöglich zugleich die Annahme der Erbschaft zu sehen sein. Ein zeitliches Auseinanderfallen ergibt sich demnach nicht. Da zudem die fehlende Verfügungsbefugnis in das Zeugnis aufzunehmen ist (Art.  68 lit.  n EuErbVO), wird auch die Wiedergabe der materiellen Rechtslage gewährleistet. Es ist zudem nicht zu befürchten, dass der Rechtsverkehr in dieser Hinsicht getäuscht wird. Perspektivisch ist der Erbe schon zu einem frühen Zeitpunkt im Besitz eines Zeugnisses, das nach dem entsprechenden Akt geändert werden kann (i.e. Löschen der Verfügungsbeschränkung aus dem Zeugnis im Wege der Änderung des Zeugnisses). Aus prozessökonomischer Hinsicht muss er nicht zunächst den Ab54 

Vgl. hinsichtlich weiterer mitgliedstaatlicher Akte MüKoBGB/Dutta, Art.  63 EuErbVO Rn.  6. 55  MüKoBGB/Dutta, Art.  63 EuErbVO Rn.  6; vgl. auch Dutta/Weber/Fornasier, Art.  63 ­EuErbVO Rn.  6. 56  MüKoBGB/Dutta, Art.  63 EuErbVO Rn.  6; zustimmend Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  63 EuErbVO Rn.  14; siehe auch Trittner, Redlichkeitsschutz im Erbrecht, S.  168. 57  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  63 EuErbVO Rn.  5; NK-BGB/Nordmeier, Art.  63 EuErbVO Rn.  4.

B. Einleitung der Erbnachweisverfahren

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schluss des gerichtlichen Verfahrens abwarten, sondern kann sogleich vorher oder parallel das Zeugnisverfahren anstrengen. Praktische Fälle existieren durchaus, in denen ein Erbe nur mit dem Anspruch gegen den Nachlass im Rechtsverkehr des Zeugnisses bedarf, z.B. wenn der Erbe seinen Anspruch im Wege der Abtretung veräußern will.58 Überzeugend ist es im Ergebnis, den Begriff des Erben in der weitesten Form auszulegen und auch nur Erben mit zunächst obligatorischem Anspruch die Antragsberechtigung zuzuweisen. Ihnen kommt letztlich nach Zuweisung des Nachlasses die Antragsberechtigung zu, weshalb kein vernünftiger Grund besteht, solchen Erben eine zeitlich nach hinten versetzte Antragsberechtigung aufzubürden.59 Dies steht ferner im Einklang mit dem Ziel der EuErbVO, eine Erbsache mit grenzüberschreitendem Bezug möglichst zügig, unkompliziert und effizient abzuwickeln (ErwG 67 S.1). b) Erbeserben, Erbe des Nacherben, Erbschaftserwerber Der Erbeserbe ist, sofern das Erbstatut das Antragsrecht des Erben als vererblich betrachtet, antragsberechtigt und kann daher auf den Namen des Erben ein Zeugnis beantragen.60 In gleicher Weise ist der Erbe des Nacherben nach Maßgabe des Erbstatuts antragsberechtigt. Ebenso ist einem Erbschaftserwerber das Antragsrecht einzuräumen, weil er als dinglicher Berechtigter ein Bedürfnis hat, seine Rechtsstellung nachzuweisen.61 Dagegen ist einem Erbschaftskäufer, dem aufgrund des Abstraktionsprinzips keine dingliche Rechtsstellung durch den Abschluss des Erbschaftskaufs zukommt, das Antragsrecht zu versagen. Dass die EuErbVO der dinglichen Berechtigung des Antragstellers hohe Bedeutung zumisst, ergibt sich vor allem daraus, dass ausweislich der Art.  63 Abs.  1, 65 Abs.  1 EuErbVO nur ein Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass antragsberechtigt ist. Ein Erbschaftskäufer fällt jedenfalls in die Kategorie des Erben und Vermächtnisnehmers. Dies folgt daraus, dass er sich nicht wie ein Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter auf (Verwaltungs-)Befugnisse berufen kann (vgl. auch den differenzierenden Wortlaut des Art.  63 Abs.  1 E ­ uErbVO).

58  Ein weiteres Beispiel ist die Verwendung des Anspruchs als Kreditsicherheit, so NKBGB/Nordmeier, Art.  63 EuErbVO Rn.  4. 59  Im Ergebnis auch Mayr/Wittwer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Rn.  7.154. Der österreichische Gesetzgeber hat freilich anders entschieden, siehe sogleich unten im 4. Kap., B., IV., S.  351 ff. 60  MüKoBGB/Dutta, Art.  65 EuErbVO Rn.  5; BeckOGK/J. Schmidt, Art.  65 EuErbVO Rn.  5; NK-BGB/Nordmeier, Art.  65 EuErbVO Rn.  3; Lutz, BWNotZ 2016, 34 (42). 61  MüKoBGB/Dutta, Art.  65 EuErbVO Rn.  5; BeckOGK/J. Schmidt, Art.  65 EuErbVO Rn.  5.2; a.A. Schmitz, RNotZ 2017, 269 (275).

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

c) Vermächtnisnehmer Die Antragsberechtigung wird nach dem ausdrücklichen Wortlaut nur Vermächtnisnehmern zugewiesen, die eine unmittelbare Berechtigung am Nachlass haben. Gemeint sind demnach die Vindikationslegatare, denen das Erbstatut eine dingliche Rechtsstellung am Nachlass zuweist, indem es sie mit dem Erbfall ex lege unmittelbar zum Eigentümer der vermachten Nachlassgegenstände macht.62 ­Ihnen gegenüber stehen die Damnationslegatare, wie sie z.B. das deutsche und österreichische Recht (§  2174 BGB bzw. §  535 ABGB) nur kennen, die lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf den vermachten Nachlassgegenstand haben (vgl. auch ErwG 47 S.  3). Dass die Damnationslegatare mit dem Vollzug des Vermächtnisses Eigentümer werden, ändert nichts an der fehlenden Antragsbefugnis, da der Eigentumserwerb kraft Übereignung und nicht kraft Erbrechts erfolgt.63 Der Ausschluss der Damnationslegatare ist auf die Funktionen des Zeugnisses zurückzuführen. Die Damnationslegatare besitzen keine Rechtsstellung, die nachgewiesen werden müsste. Erst recht nach dem Vollzug besteht hierfür kein Bedürfnis für ein Zeugnis, da der Damnationslegatar nunmehr originärer Berechtigter ist.64 Auch ist der Gesamtrechtsnachfolger eines Vindikations­lega­ tars antragsberechtigt.65 Für eine unterschiedliche Behandlung zum Erbeserben entbehrt es eines Grundes. Der Gesamtrechtsnachfolger eines Vindikationslegatars und der Erbeserbe haben beide eine dingliche Rechtsstellung am Nachlass des Erblassers, deren Nachweis durch das Zeugnis bezweckt wird. d) Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter Zum europäischen Begriffsverständnis vom Testamentsvollstrecker finden sich in der EuErbVO keine Hinweise. Die Ausfüllung des Begriffs muss sich daher grundsätzlich an einer synoptischen Betrachtung des Instituts der Testamentsvollstreckung nach den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen orientieren.66 Zentrale Leitlinie sollte die Funktion der Person bezüglich des Nachlasses bilden. Nach dem Wortlaut des Art.  63 Abs.  1 EuErbVO ist ein Testamentsvollstrecker eine Person, die Befugnisse in Bezug auf den Nachlass besitzt, die im Ausland 62  Vgl. ErwG 47; NK-BGB/Nordmeier, Art.  63 EuErbVO Rn.  5; MüKoBGB/Dutta, Art.  63 EuErbVO Rn.  9; BeckOGK/J. Schmidt, Art.  63 EuErbVO Rn.  8; Dorsel/Schall, GPR 2015, 36 (40); Schauer, EF-Z 2012, 245 (246); a.A. Süß, ZEuP 2013, 725 (744), der nur an die Erbeinsetzung nahekommende Universal- und Quotenvermächtnisse erfasst sieht. 63  NK-BGB/Nordmeier, Art.  63 EuErbVO Rn.  5 in Fn.  19. 64  Kritisch zur Beschränkung des Zeugnisses auf Vindikationslegatare Schauer, EF-Z 2012, 245 (246 f.). 65  BeckOGK/J. Schmidt, Art.  65 EuErbVO Rn.  5. 66  MüKoBGB/Dutta, Art.  63 EuErbVO Rn.  10.

B. Einleitung der Erbnachweisverfahren

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nachgewiesen werden müssen. Betont wird demzufolge, dass der Testamentsvollstrecker das Zeugnis benötigt, um seine Befugnisse am Nachlass unionsweit ausüben zu können. In Abgrenzung zum Nachlassverwalter muss es sich um eine Person handeln, die aufgrund des Willens des Erblassers Befugnisse über den Nachlass hat.67 In Betracht kommen daher z.B. der Testamentsvollstrecker nach deutschem Recht (§§  2197 ff. BGB), der Testamentsvollstrecker nach österreichischem Recht (§  816 ABGB, §  174 AußStrG), der Testamentsvollstrecker („esecutori testamentari“) nach italienischem Recht (Art.  700 ff. Codice Civile), der Testamentsvollstrecker nach griechischem Recht (Art.  2017, 2020 grZGB)68, die „administration de la succession par un mandataire“ (Art.  812 ff. Code Civil)69 oder der Testamentsvollstrecker („executeurs“) nach niederländischem Recht (Art.  4:142 NBW). Auch die verordnungsautonome Auslegung des Begriffs des Nachlassverwalters muss die funktionelle Aufgabenwahrnehmung im Fokus haben.70 Gemeinhin versteht man in Abgrenzung zum Testamentsvollstrecker unter dem Nachlassverwalter eine Person, der kraft Gesetzes oder durch gerichtliche Anordnung Verwaltungsbefugnisse in Bezug auf den Nachlass übertragen werden und zwar ohne in einer Verfügung von Todes wegen zum Ausdruck gebrachten Willen des Erblassers.71 Weiterführende Hinweise finden sich im Kapitel III der EuErbVO zum anzuwendenden Recht bei Art.  29 EuErbVO, der eine große Anzahl besonderer Regelungen für die Bestellung und die Befugnisse eines Nachlassverwalters in bestimmten Situationen beinhaltet. Dieser Vorschrift ist entnehmbar, dass der Nachlassverwalter, wie bereits ausgeführt, umfassende Befugnisse am Nachlass besitzt, aber zugleich auch die Interessen sämtlicher Nachlassbeteiligter bei der Aufgabendurchführung zu berücksichtigen hat. Repräsentativ seien an dieser 67  MüKoBGB/Dutta, Art.  63 EuErbVO Rn.  10; Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  281; a.A. NK-BGB/Nordmeier, Art.  63 EuErbVO Rn.  6, der als Testamentsvollstrecker auch eine Person ansieht, die kraft Gesetzes Befugnisse über den Nachlass erhält. 68  Antragsberechtigt ist wohl nur der Verwaltungsvollstrecker, nicht jedoch der Willensvollstrecker, da dieser nur die Ausführung der Verfügung von Todes wegen des Erblassers beaufsichtigt und ihm somit keine im Ausland zu bescheinigende Rechtsstellung zukommt. Zu den Begrifflichkeiten vgl. Süß/Stamatiades, Erbrecht in Griechenland, Rn.  62. 69  MüKoBGB/Dutta, Art.  63 EuErbVO Rn.  10; das französische Recht kennt in den Art.  1025 ff. Code Civil auch einen Testamentsvollstrecker („exécuteur testamentaire“), der nach Art.  1029 Code Civil aber zur Aufgabe grundsätzlich nur die Ergreifung von Sicherungsmaßnahmen, die Errichtung eines Inventars und den Verkauf beweglicher Gegenstände hat, vgl. näher Süß/Döbereiner, Erbrecht in Frankreich, Rn.  129. 70  Vgl. auch OLG Schleswig, Beschl. v. 2.2.2018 – 3 Wx 4/18, NJW-RR 2018, 458. 71  MüKoBGB/Dutta, Art.  63 EuErbVO Rn.  11; Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  63 EuErbVO Rn.  52; Schmitz, RNotZ 2017, 269 (276).

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

Stelle der Nachlassverwalter und der Nachlasspfleger72 nach deutschem Recht (§  1975 BGB bzw. §§  1960 ff. BGB), der Verlassenschaftskurator (§  156 Abs.  2, §  157 Abs.  4, §  165 Abs.  1 Nr.  6, §  173 AußStrG), der Separationskurator (§  812 ABGB, §  175 AußStrG), der vertretungsberechtigte Erbe (§  810 ABGB) nach österreichischem Recht73 oder der Nachlassverwalter („bewindvoerder“) nach niederländischem Recht (Art.  4:157 NBW) genannt. e) Nachlassgläubiger Ob Nachlassgläubiger einen Antrag auf Erteilung eines Zeugnisses stellen können, muss ausweislich des abschließenden Wortlauts verneint werden.74 Insoweit fehlt eine ausdrückliche Regelung wie sie beispielsweise das deutsche Recht für Nachlassgläubiger mit vollstreckbarem Titel (§§  792, 896 ZPO) kennt. Ein Rückgriff auf jene Normen, um die Antragsberechtigung der Nachlassgläubiger bei deutschem Zwangsvollstreckungsstatut zu begründen, scheidet aus, denn das Zeugnis ist gerade nicht Gegenstand der §§  792, 896 ZPO, sondern nur der Erbschein.75 Auch eine analoge Anwendung des Art.  65 Abs.  1 EuErbVO i.V.m. Art.  63 Abs.  1 EuErbVO kommt zur Begründung der Antragsberechtigung von Nachlassgläubigern mangels planwidriger Regelungslücke und vergleichbarer Interessenlage nicht in Betracht.76 f) Pflichtteilsberechtigte Während Art.  63 Abs.  1 EuErbVO scheinbar Pflichtteilsberechtigten die Antragsberechtigung versagt, da sie schlichtweg darin nicht genannt werden, offen72  Vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 2.2.2018 – 3 Wx 4/18, NJW-RR 2018, 458, das klarstellt, dass auch der Nachlasspfleger als „Nachlassverwalter“ i.S.d. Art.  65 Abs.  1 i.V.m Art.  63 Abs.  1 EuErbVO zu qualifizieren ist; Zimmermann, Rpfleger 2017, 2 (4). 73  Schauer/Scheuba/Schauer, Europäische Erbrechtsverordnung, 73 (84). 74  Palandt/Weidlich, Anh. zu §§  2353 ff., Art.  62, 63 EuErbVO Rn.  4; NK-BGB/Nordmeier, Art.  65 EuErbVO Rn.  4; Neumayr, AnwBl 2016, 262 (264); Lange, DNotZ 2016, 103 (104 f.); Dorsel, ZErb 2014, 212 (213); Müller-Lukoschek, NotBZ 2014, 361 (369); Süß, ZEuP 2013, 725 (737); Soutier, Die Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung, S.  320; Zimmermann, Rpfleger 2017, 2 (4); a.A. Schmitz, RNotZ 2017, 269 (277); Lutz, BWNotZ 2016, 34 (42); Kleinschmidt, in: FS Lindacher, 2017, 165 (174 ff.); tendenziell bejahend Kousoula, Europäischer Erbschein, S.  150. 75  MüKoBGB/Dutta, Art.  65 EuErbVO Rn.  7; a.A. Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525; Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2370 Rn.  133; Soutier, Die Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung, S.  321, der bei internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art.  64 S.  1 i.V.m. Art.  4, 7, 10 oder 11 EuErbVO die Ausstellung eines Zeugnisses neben oder statt eines Erbscheins zulassen will. 76  Soutier, Die Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung, S.  320.

B. Einleitung der Erbnachweisverfahren

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bart sich bei genauerer Betrachtung die Wichtigkeit des einschlägigen Erbstatuts. Weist das Erbstatut dem Pflichtteilsberechtigten eine dingliche Berechtigung an dem Nachlass zu, indem es das Pflichtteilsrecht als sog. Noterbrecht ausgestaltet, wie dies in Frankreich (Art.  913 Code Civil), Italien (Art.  457 Abs.  3 Codice Civile) oder Griechenland (Art.  1825 Abs.  2 grZGB) der Fall ist, ist der Pflichtteilsberechtigte kraft dieser dinglichen Berechtigung antragsberechtigt.77 Insofern können diese Pflichtteilsberechtigten als Erben i.S.d. europäischen Begriffsverständnisses nach Art.  63 Abs.  1 EuErbVO verstanden werden. Pflichtteilsberechtigte, die lediglich einen schuldrechtlichen Zahlungsanspruch gegen den Nachlass haben (wie gemäß §  2303 BGB im deutschen Recht oder gemäß §  759 ABGB im österreichischen Recht78) sind mangels dinglicher Berechtigung nicht antragsberechtigt bzw. keine Erben i.S.d. europäischen Begriffsverständnisses nach Art.  63 Abs.  1 EuErbVO. 3. Angaben für den Antrag Der Unionsgesetzgeber hat für die Beantragung eines Zeugnisses ein Formblatt geschaffen (vgl. Art.  65 Abs.  2 EuErbVO).79 Art.  65 Abs.  3 EuErbVO listet die erforderlichen Angaben auf, die in den Antrag unter der Prämisse aufzunehmen sind, dass die erforderliche Kenntnis darüber beim Antragsteller besteht und die Angaben für die Ausstellungsbehörde zur Beschreibung des Sachverhalts vonnöten sind.80 Hierzu sind von dem Antragsteller alle relevanten Schriftstücke einzureichen, die die Angaben belegen (Art.  65 Abs.  3 Hs. 2 EuErbVO). Zunächst müssen möglichst viele Angaben zu den persönlichen Verhältnissen der am Erbfall beteiligten Personen gemacht werden, wobei der Kreis der Personen äußerst weit gezogen ist (Erblasser, Art.  65 Abs.  3 lit.  a EuErbVO; Antragsteller, Art.  65 Abs.  3 lit.  b EuErbVO; Vertreter des Antragstellers, Art.  65 Abs.  3 lit.  c EuErbVO; Ehegatte oder Partner des Erblassers und ggf. ehemaliger Ehegatte oder Partner des Erblassers, Art.  65 Abs.  3 lit.  d EuErbVO; sonstige Be77  MüKoBGB/Dutta, Art.  63 EuErbVO Rn.  6; Dutta/Weber/Fornasier, Art.  63 EuErbVO Rn.  7. 78  Mit Inkrafttreten der Reform des Erbrechts in Österreich am 1.1.2017 sind die Eltern des Erblassers nicht mehr pflichtteilsberechtigt, vgl. §  757 ABGB n.F. 79  Anhang 5 zur Durchführungsverordnung (EU) Nr.  1329/2014 der Kommission vom 9. Dezember 2014 zur Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr.  650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses. 80  Vgl. für eine ausführliche kritische Erörterung des Angabenkatalogs aus praktischer Sicht Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  65 EuErbVO Rn.  11 ff.

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

rechtigte aufgrund einer Verfügung von Todes wegen oder aufgrund gesetzlicher Erbfolge, Art.  65 Abs.  3 lit.  e EuErbVO). Eine essentielle Angabe ist diejenige zum beabsichtigten Verwendungszweck in Bezug auf einen anderen Mitgliedstaat, der vor der Ausstellungsbehörde hinreichend begründet dargelegt werden muss (Art.  65 Abs.  3 lit.  f EuErbVO). Um den Zugang zum Zeugnis nicht allzu sehr zu erschweren, sollten die Anforderungen hieran nicht zu hoch bemessen sein.81 In der Praxis wird es wahrscheinlich selten zu Problemen kommen, da der jeweilige Antragsteller nicht ohne Grund ein Zeugnis beantragen wird und womöglich bereits im Augenblick der Antragstellung zur Legitimation von einer Behörde oder einer sonstigen Stelle aufgefordert wurde.82 Insbesondere ist die Belegenheit von Nachlassvermögen in anderen Mitgliedstaaten keine zwingende Voraussetzung für die Ausstellung des Zeugnisses.83 Der Bezug zu anderen Mitgliedstaaten kann auch darin zu sehen sein, dass der Antragsteller Nachlassvermögen, das sich im Ausstellungsstaat befindet, in einem anderen Mitgliedstaat veräußern will.84 Es erscheint für die Erben in aller Regel kaum möglich zu sein, sichere Kenntnis vom sämtlichen Nachlassvermögen, das der Erblasser in anderen Mitgliedstaaten hat, zu erlangen. Doch sollte schon die Darlegung eines konkreten Verwendungszwecks genügen. Ist man im Besitz eines Zeugnisses, kann dieses dann bei Entdeckung von weiterem Nachlassvermögen in anderen Mitgliedstaaten verwendet werden. Die Unkenntnis von Nachlassvermögen in anderen Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Antragstellung löst demnach keine Verwendungssperre bei nachträglicher Entdeckung von Nachlassvermögen aus. Denn das Zeugnis entfaltet seine Wirkungen von Anfang an in allen Mitgliedstaaten (Art.  69 Abs.  1 EuErbVO). Ferner sollen Kontaktangaben des Gerichts oder der sonstigen zuständigen Behörde, das oder die mit der Erbsache als solcher befasst ist oder war (z.B. im Rahmen einer Erbschaftsklage oder sogar eines nationalen Erbnachweisverfahrens), in den Antrag aufgenommen werden. In diesem Zusammenhang verlangt Art.  65 Abs.  3 lit.  l EuErbVO eine Erklärung seitens des Antragstellers, dass nach seinem besten Wissen keine Anhängigkeit eines mit dem zu bescheinigenden Sachverhalt befassten Rechtsstreits besteht. Die Kenntnis der Ausstellungsbehörde über die etwaige Anhängigkeit eines Rechtsstreits schützt vor widersprüchlichen Entscheidungen. Schließlich sind Angaben über die Umstände zu machen, aus denen sich der erbrechtliche Sachverhalt und die jeweilige Rechtsstellung des Antragstellers durch die Ausstellungsbehörde ermitteln lässt (allge81  MüKoBGB/Dutta, Art.  63 EuErbVO Rn.  20; Lutz, BWNotZ 2016, 34 (42); Odersky, notar 2015, 183 (185). 82  Schmitz, RNotZ 2017, 269 (278). 83  MüKoBGB/Dutta, Art.  63 EuErbVO Rn.  20; Süß, ZEuP 2013, 725 (737). 84  MüKoBGB/Dutta, Art.  63 EuErbVO Rn.  20; Lutz, BWNotZ 2016, 34 (42).

B. Einleitung der Erbnachweisverfahren

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meiner Sachverhalt, Art.  65 Abs.  3 lit.  h EuErbVO; Verfügungen von Todes wegen, Art.  65 Abs.  3 lit.  i EuErbVO; Ehevertrag oder ähnlicher Vertrag, Art.  65 Abs.  3 lit.  j EuErbVO; Annahme oder Ausschlagung eines Berechtigten, Art.  65 Abs.  3 lit.  k EuErbVO). Als eine Art Auffangtatbestand fungiert Art.  65 Abs.  3 lit.  m EuErbVO, der es dem Antragsteller freistellt, weitere von diesem als nützlich erachtete Angaben für die Ausstellung des Zeugnisses anzuführen. IV. Rechtsvergleichende Würdigung Die Einleitung der Erbnachweisverfahren folgt im deutschen, österreichischen und europäischen Recht weitgehend ähnlichen Strukturen. Ob die Einleitung des Erbnachweisverfahrens an den Willen einer Person durch Einreichung eines Antrags geknüpft wird oder von Amts wegen erfolgt, ist ein zu vernachlässigender Unterschied, der außer der größeren Mühen für den Antragsteller bei Erbnachweisverfahren mit Antragsprinzip keine praktische Relevanz hat. Der Zugang zum Zeugnis, das als unionsweiter Erbnachweis die Bedürfnisse des gesamten europäischen Rechtsraums vor Augen haben muss, musste zwingend nicht nur für Erben als die Hauptakteure eines Erbfalls, sondern auch für sonstige Personen, die eine nachweisbedürftige erbrechtliche Berechtigung am Nachlass haben, eröffnet werden. Es ist daher wenig verwunderlich, dass die Antragsberechtigung beim Zeugnis extensiver ausgestaltet ist als beim Erbschein und Einantwortungsbeschluss, die beide jeweils nur für den inländischen Verkehr konzipiert sind und die von weiteren eigenständigen nationalen Instituten ergänzt werden. Je weiter das Feld der Antragsteller geschlagen wird, desto intensiver können die einzelnen Bereiche der internationalen Nachlassabwicklung einheitlich durch das Zeugnis koordiniert und geregelt werden. Die Maxime des Erbstatuts für die Antragsberechtigung ist evident: So steht und fällt mit dem Erbstatut der Kreis der Antragsberechtigten, als dieses die Grundlage für die Subsumtion unter das europäische Begriffsverständnis der Antragsteller bildet. Die einzelnen Unterschiede zwischen den mitgliedstaatlichen Erbrechtssystemen gefährden in unmittelbarer Konkurrenz des Zeugnisses und des nationalen Erbnachweises nicht die Attraktivität des einen oder anderen Erbnachweises. Aufgrund der Tatsache, dass das Nachlassgericht für die Ausstellung des Zeugnisses sowie des Erbscheins zuständig ist und beide Erbnachweise nach dem Gleichlaufprinzip in der Regel dem deutschen Erbstatut unterliegen, kann ein Vermächtnisnehmer, dem ein Vermächtnis nach deutschem Recht zusteht, weder das Zeugnis noch den Erbschein beantragen. Der „Verlust“ der Antragsberechtigung ist im Ergebnis auf das europäische Begriffsverständnis zurückzuführen und kann etwa durch eine Rechtswahl zugunsten des Rechts der Staatsangehörigkeit kompensiert werden, sofern dieses Vindikationslegate kennt.

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

Aus deutscher Sicht können die meisten Personen, die zur Antragstellung eines Erbscheins berechtigt sind, zugleich ein Zeugnis beantragen. Hinsichtlich der Behandlung des Vermächtnisnehmers besteht, wie soeben erörtert, ein Gleichlauf, da die EuErbVO lediglich Vindikationslegataren die Antragsbefugnis einräumt. Dem Testamentsvollstrecker steht das Testamentsvollstreckerzeugnis gemäß §  2368 S.  1 BGB zur Verfügung, das wegen des Verweises in §  2368 S.  2 Hs. 1 BGB ähnliche Wirkungen wie ein Erbschein zeitigt.85 Nur für Nachlassgläubiger ist de lege lata der unmittelbare Zugang zum Zeugnis versperrt. Sie haben lediglich die Möglichkeit, nach Art.  70 Abs.  1 EuErbVO eine beglaubigte Abschrift des Zeugnisses zu erlangen. Es bleibt ihnen unbenommen, mittels ihrer eigenen Antragsbefugnis einen Erbschein zu beantragen, auch wenn die Erben sich ausschließlich für das Zeugnis entschieden haben. Die praktischen Konsequenzen sind nicht unerheblich: Der Erbschein ermöglicht zuverlässig eine Nachlassabwicklung nur im deutschen Rechtsverkehr. Will der Nachlassgläubiger sich im Ausland wegen der Einziehung seiner Forderungen usw. legitimieren, wäre die Verwendung des Zeugnisses vorteilhafter. Umgekehrt können Nachlasspfleger i.S.d. §  1960 BGB ein Zeugnis beantragen, während der Zugang zum Erbschein für sie versperrt ist. Der Nachlasspfleger kann sich stattdessen im deutschen Rechtsverkehr mit der Bestallungsurkunde legitimieren.86 Ob der Bestellungsbeschluss im Ausland anerkannt wird, ist irrelevant.87 An dieser Stelle setzt indessen das Zeugnis ein, mit dem der Nachlasspfleger seine Befugnisse in den anderen Mitgliedstaaten nachweisen kann. Zugleich könnte der Nachlasspfleger aufgrund der Inlandswirkung des Zeugnisses gemäß Art.  62 Abs.  3 S.  2 EuErbVO sich mit eben diesem in Deutschland legitimieren. Aus österreichischer Sicht gelten ähnliche Grundsätze. Anders als im deutschen und europäischen Recht wird das Verlassenschaftsverfahren grundsätzlich von Amts wegen eingeleitet. Der Zugang zum Einantwortungsbeschluss wird auf diese Weise gezielt gefördert bzw. die Existenz eines Einantwortungsbeschlusses von vornherein intendiert. Diejenigen, die die Zustellung des Einantwortungsbeschlusses aufgrund ihrer Parteieigenschaft verlangen können, stimmen mit den Antragsberechtigten im Zeugnisverfahren weitgehend überein. Das trifft etwa auf jegliche Arten von Erben zu, jedoch z.B. nicht auf Nachlassgläubiger. Spezifisch im österreichischen Recht stellt sich die Problematik, zu welchem Zeitpunkt das Zeugnisverfahren eingeleitet werden kann und ob hierfür zunächst eine Einantwortung stattfinden muss. Für die Ausstellung des Zeugnisses muss 85  Vgl. zum Gutglaubensschutz des Testamentsvollstreckerzeugnisses Joachim, ZEV 2017, 499. 86  Vgl. LG Münster ZEV 2015, 100. 87  Der Bestellungsbeschluss müsste von den Mitgliedstaaten nach Art.  39 EuErbVO anerkannt werden, vgl. Zimmermann, Rpfleger 2017, 2 (7).

B. Einleitung der Erbnachweisverfahren

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gemäß Art.  67 Abs.  1 S.  1 EuErbVO der zu bescheinigende Sachverhalt nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht oder jedem anderen auf einen spezifischen Sachverhalt anzuwendenden Recht feststehen. Demzufolge muss zwischen den verschiedenen Antragsberechtigten differenziert werden: Denn das Zeugnis kann auch für einen Nachlassverwalter ausgestellt werden, der schon vor Einantwortung tätig werden kann.88 Für den eingeantworteten Erben ist nach der Vorstellung des österreichischen Gesetzgebers die Einantwortung der maßgebliche Zeitpunkt89, da erst zu diesem Zeitpunkt die Erbeneigenschaft feststeht und der Erbe überhaupt materiellrechtlich in den Nachlass des Erblassers rückt (konstitutive Wirkung der Einantwortung90). Hier kann ein Zeugnis folglich regelmäßig nur mit zeitlicher Verzögerung beantragt werden, während beispielsweise in Deutschland schon mit dem Erbfall für den Erben die Wahl zwischen Zeugnis und Erbschein offensteht. Das Abhängigkeitsverhältnis der Ausstellung des Zeugnisses von der Einantwortung des Erben ist in der Natur des österreichischen Erbrechtssystems angelegt. Der Nutzen des Zeugnisses wird hiervon jedoch nicht beeinträchtigt: Ist das Zeugnis einmal erlangt, kann es wie in jedem Mitgliedstaat nach den Regeln der EuErbVO verwendet werden. Andererseits geht hiermit zwingend die Parallelität von Zeugnis und Einantwortungsbeschluss einher, als die Einantwortung Voraussetzung für die Ausstellung des Zeugnisses für den Erben ist. Das Bestehen zweier Erbnachweise ist von der EuErbVO gebilligt und im Umgang jedenfalls dann nicht rechtlich komplex, wenn die Erbnachweise inhaltlich konvergieren. Das ist im österreichischen Recht regelmäßig der Fall, da sich die Ausstellungsbehörde bei der Ausstellung des Zeugnisses grundsätzlich nach dem Inhalt des Einantwortungsbeschlusses richten wird. Wenn demzufolge die Einantwortung Voraussetzung für die Ausstellung des Zeugnisses für einen Erben ist, kann es keinen „echten“ Wettbewerb (in dem Sinne, dass der Rechtsanwender sich von Anfang an zwischen Zeugnis und Einantwortungsbeschluss entscheiden kann) zwischen den Erbnachweisen geben. Die Erbnachweise stehen nicht unabhängig voneinander zur Verfügung, sondern stehen zueinander in einem Verhältnis der einsei-

88  So schon Faber/Grünberger, NZ 2011, 97 (112); Neumayr, AnwBl 2016, 262 (264) weist dem Zeugnis für laufende Verlassenschaftsverfahren als Ausweis für Nachlassverwalter, die im Ausland tätig werden müssen, die größte Bedeutung zu. 89  Erläuterungen zum Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 (100/ME), 45. GP, S.  43; vgl. auch Gitschthaler/Höllwerth/A. Tschugguel, AußStrG, §  1 GKG Rn.  13 und Deixler-Hübner/ Schauer/Perscha, Art.  63 EuErbVO Rn.  15. 90  Schauer, JEV 2012, 78 (89); Kletečka/Schauer/Spruzina, ABGB-ON, §  797 Rn.  5; Süß, ZEuP 2013, 725 (729); Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (184); a.A. Dallafior, Die Legitimation des Erben, S.  71.

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

tigen Dependenz dergestalt, dass die Ausstellung des Zeugnisses stets dem Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens mit Einantwortung folgt. Die inhaltlichen Anforderungen an den Antrag sind innerhalb der untersuchten Rechtsordnungen nahezu identisch. Dass dies nahezu eine Selbstverständlichkeit darstellt, lässt sich bereits an der Tatsache festmachen, dass es immer um einen Erbfall geht und die relevanten Informationen für die Ausstellung des Erbnachweises sich an den Umständen des Erbfalls orientieren. Die internationale Dimension hat nur einen geringfügigen Einfluss und verändert nicht den Stamm an erforderlichen Angaben, die jedem Erbfall innewohnen (z.B. persönliche Angaben zum Erblasser und zu den Nachlassbeteiligten, Abschriften von Verfügungen von Todes wegen). Das Zeugnis zeichnet sich durch eine große Informationsfülle aus, die nur damit erklärt werden kann, dass aufgrund der vielen möglichen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, die die konkrete Gestalt des Zeugnisses bestimmen können, die Ausstellungsbehörde sich ausreichend und zuverlässig informiert sehen will, um eine korrekte Entscheidung zu treffen. Indem umfangreiche Angaben für den jeweiligen Erbnachweis in den Antrag aufzunehmen sind, wird die sukzessive Beantragung des nationalen und des europäischen Erbnachweises wesentlich erleichtert. Das Nachlassgericht wird nach Ausstellung des Zeugnisses Kenntnis von sämtlichen relevanten Informationen zum Erbfall haben und über die entsprechenden Dokumente verfügen, so dass der nachfolgende Antrag auf Erteilung eines Erbscheins zügig bearbeitet werden kann, sofern sich die rechtlichen und tatsächlichen Umstände nicht zwischenzeitlich geändert haben. Die Befürchtung, dass u.a. aufgrund der Informationsfülle des Antrags das Zeugnisverfahren langwierig und aufwändig sei und deshalb der Erbschein bevorzugt werde91, sollte ein geringfügiges Problem darstellen. Dies folgt daraus, dass das Zeugnis jedenfalls für die Verwendung in anderen Mitgliedstaaten wegen der uneingeschränkten Wirkungserstreckung nach Art.  69 Abs.  1 EuErbVO erheblich geeigneter ist als der Erbschein, der nur eine begrenzte grenzüberschreitende Verkehrsfähigkeit genießt.92 Die Komplexität eines Verfahrens vermag die Entscheidung zur Einholung eines Zeugnisses nicht sonderlich zu beeinflussen.

91  MüKoBGB/Dutta, Art.  62 EuErbVO Rn.  7, der aber annimmt, dass der Erbschein seine materiellrechtlichen Wirkungen auf andere Mitgliedstaaten erstreckt, vgl. MüKoBGB/Dutta, Art.  39 EuErbVO Rn.  2. 92  Siehe unten im 5. Kap., B., IV., S.  412 ff.

C. Arten und Inhalt der Erbnachweise

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C. Arten und Inhalt der Erbnachweise Ist der Zugang zum Erbnachweis eröffnet, sind demnach vor allem die Zuständigkeit der Ausstellungsbehörde und die Antragsberechtigung bzw. die Partei­ eigen­schaft zu bejahen, ist sodann von Interesse, welche Arten bzw. Formen und welchen Inhalt der ihm zur Verfügung stehende Erbnachweis annehmen kann. Dies steht freilich unter der Voraussetzung, dass im Rahmen des Erbnachweisverfahrens die Prüfung des Antrags bzw. die Abhandlung über den Erbfall im Verlassenschaftsverfahren mit einem positiven Ergebnis für den Antragsteller bzw. die Partei ausfällt. Während die Art festlegt, welche äußere Form der Erbnachweis annimmt, steckt der Inhalt die Grenzen ab, in denen sich der Antragsteller mit dem Erbnachweis für die Zwecke der Nachlassabwicklung legitimieren kann und in denen sich die Reichweite der Wirkungen widerspiegelt. Art und Inhalt stehen dabei in einem Über-Unterordnungsverhältnis: Die Art des Erbnachweises begrenzt regelmäßig den zulässigen Inhalt des Erbnachweises. I. Deutschland Die Art des auszustellenden Erbscheins hängt maßgeblich davon ab, wie die Erbfolge ausgestaltet ist, insbesondere ob nur ein Alleinerbe oder Miterben vorhanden sind. Zudem beeinflusst der Umstand, wie viele Antragsteller einen Antrag stellen, die Art des Erbscheins. Der Inhalt hingegen passt sich der Art des Erbscheins an. 1. Alleinerbschein, §  2353 1. Var. BGB In einem Alleinerbschein wird das Alleinerbrecht des einzigen Universalsukzessors ausgewiesen.93 Der Alleinerbschein hat Angaben über die Gesamtrechtsnachfolge sowie das Bestehen oder Nichtbestehen von Beschränkungen des Erben zum Inhalt.94 Mit eingeschlossen sind auch die persönlichen Angaben zum Erblasser und zum Alleinerben.95 Im Unterschied zum gemeinschaftlichen Erbschein und Teilerbschein enthält der Alleinerbschein naturgemäß keine Angaben zu Erbquoten. Aus dem genannten zulässigen Inhalt ergibt sich im Umkehrschluss die Bandbreite an möglichen unzulässigen Angaben, die zumindest mit dem Erbfall zu tun haben. Wichtig ist die genaue Festlegung des zulässigen Inhalts deshalb, weil die Vermutungswirkung des §  2365 BGB sowie der Gutglaubensschutz nach §§  2366, 2367 BGB in einer akzessorischen Verbindung zum Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2353 Rn.  16; Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  3. BayObLG, Beschl. v. 25.1.1973 – BReg. 1 Z 83/72, BayObLGZ 1973, 28; Grziwotz, FamRZ 2016, 417 (419). 95  Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  201. 93  94 

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

jeweiligen gesetzlich zulässigen Inhalt des Erbscheins stehen.96 So sind insbesondere Angaben zu erbrechtlichen Anordnungen des Erblassers wie Vermächtnisse, Teilungsanordnungen, Auflagen, ebenso wenig Informationen über den Wert oder Umfang des Nachlasses oder über einzelne Gegenstände, ebenso wenig Angaben über gegenwärtige prozessuale Umstände des Erbfalls, etwa Anhängigkeit eines Rechtsstreits über das Erbrecht oder gerichtliche Anordnung der Nachlassverwaltung und ebenso wenig sonstige einzelne Detailregelungen der Nachlassabwicklung wie Vorempfänge, Ausgleichspflichten der Miterben oder die Übertragung eines Erbteils in den Erbschein aufzunehmen.97 2. Gemeinschaftlicher Erbschein, §  352a FamFG Der gemeinschaftliche Erbschein ist nunmehr in §  352a FamFG geregelt (vormals in §  2357 BGB a.F.). Er erlangt praktische Bedeutung, wenn Miterben vorhanden sind und das Erbrecht aller Miterben festgestellt werden soll.98 Anders als beim Alleinerbschein kommt den in den Erbschein anzugebenden jeweiligen Erbquoten der Miterben erhebliche Relevanz zu. Im Erbscheinsverfahren gilt es bei einer Mehrheit von Erben, die Erbquoten zu ermitteln. Erst die Ausweisung der Erbquoten macht den Erbschein für den Rechtsverkehr und insbesondere für die Miterben untereinander praktisch nützlich, da sich nach den Erbquoten beispielsweise die Erhebung der Erbschaftssteuer bemisst oder die Erbquoten die Auseinandersetzung im Allgemeinen, die Stimmrechte, die Anteile am Ertrag und an den Lasten bestimmen.99 Den Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins kann jeder Miterbe eigenständig stellen (§  352a Abs.  1 S.  2 FamFG). In aller Regel werden sämtliche Miterben den Antrag gemeinsam stellen. Stellt nur ein Miterbe den Antrag, so muss gemäß §  352a Abs.  3 S.  1 FamFG im Antrag angegeben werden, dass die übrigen Miterben die Erbschaft angenommen haben, was durch entsprechende Schriftstücke nachzuweisen ist. Denn nur so erfährt das Nachlassgericht von den für die Ermittlung der Erbquoten erforderlichen Umständen. Mit der im Zusammenhang mit der EuErbVO erfolgten Gesetzesänderung der Vorschriften zum Erbschein wurde auch die Möglichkeit geschaffen, einen gemeinschaftlichen quotenlosen Erbschein zu beantragen.100 Erforderlich ist hier96 

Vgl. OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.12.2015 – 1 W 2197/15, ZEV 2016, 510 (513). Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  202 f.; anders offenbar Bonefeld/Kroiß/Tanck/Kroiß, Der Erbprozess, §  12 Rn.  83, der in einen Muster-Alleinerbschein auch das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsstreits über das Erbrecht sowie den Wert des Nachlasses aufnimmt. 98  Grziwotz, FamRZ 2016, 417 (419). 99  Zimmermann, ZEV 2015, 520 (522). 100  Zur bisherigen Praxis des gemeinschaftlichen quotenlosen Erbscheins vgl. nur OLG 97 

C. Arten und Inhalt der Erbnachweise

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zu der ausdrückliche Verzicht aller Antragsteller, d.h. Miterben101, auf die Aufnahme der Erbquoten in den Erbschein (§  352a Abs.  2 S.  2 FamFG). Der Grundgedanke hinter dieser besonderen Art des gemeinschaftlichen Erbscheins ist es, den Miterben zu ermöglichen, auch dann einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erlangen, wenn die Ermittlung der Erbquoten für das Nachlassgericht aus tatsächlichen Gründen schwierig und nur mit außerordentlichem Aufwand durchzuführen ist.102 Der Inhalt dieses gemeinschaftlichen quotenlosen Erbscheins unterscheidet sich vom regulären gemeinschaftlichen Erbschein also nur in der fehlenden Angabe der Erbquoten. Der praktische Nutzen dürfte hoch sein, insbesondere angesichts dessen, dass die Miterben hierdurch deutlich schneller an ­einen gemeinschaftlichen Erbschein gelangen können und auf diese Weise der Rechtsverkehr auch zügiger an einen legitimierten Rechtsnachfolger herantreten kann.103 Den Regelfall sollte der gemeinschaftliche quotenlose Erbschein aber nicht bilden, zumal das grundsätzlich erstrebenswertere Ziel der Ermittlung der Erbquoten um der Rechtssicherheit im Rechtsverkehr und zwischen den Miterben willen durch das neue Institut unberührt bleibt. Zutreffenderweise sollte bei späterer Feststellung der Erbquoten nicht ein ganz neuer gemeinschaftlicher Erbschein beantragt werden müssen, sondern eine Ergänzung des bereits existierenden, vormals quotenlosen Erbscheins – der ja das Erbrecht bezeugt – mit den nunmehr bekannten Erbquoten vorgenommen werden.104 Andernfalls, wenn eine Ergänzung als unzulässig angesehen würde, wären die Miterben auf die Erhebung der Feststellungsklage im Zivilprozess angewiesen, in dem die Erbquoten rechtskräftig festgestellt werden können.105 Die denkbare Alternative, einen neuen Erbscheinsantrag zu stellen, ist gesperrt: Der Erbschein ist aufgrund seiner ausdrücklichen Zulässigkeit nach §  352a Abs.  2 S.  2 FamFG nicht unrichtig und kann somit nicht eingezogen werden.106 Ein bestehender Erbschein hin-

Düsseldorf, Beschl. v. 9.11.1977 – 3 W 178/77, DNotZ 1978, 683 und OLG Zweibrücken, Beschl. v. 6.10.1997 – 3 W 166/97, FamRZ 1998, 581. 101  Keidel/Zimmermann, FamFG, §  352a Rn.  19; a.A. Odersky, notar 2015, 183 (188). 102  Vgl. BT-Drs.644/14, 71 und Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  3; Paradebeispiel ist die erhebliche Schwierigkeit der Ermittlung der Größe der Erbteile aufgrund von Teilungsanordnungen des Erblassers, die die Zuteilung einzelner Nachlassgegenstände an die Miterben zum Inhalt haben; hier muss zunächst der Wert der Nachlassgegenstände festgestellt werden, vgl. BeckOK-FamFG/Schlögel, §  352a Rn.  2. 103  Haußleiter/Schemmann, FamFG, §  352a Rn.  5; Adam, ZEV 2016, 233 (239); Odersky, notar 2015, 183 (188); vgl. auch RegE, BT-Drs. 18/4201, 60. 104  BeckOK-FamFG/Schlögel, §  352a Rn.  4; Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  3; Zimmermann, ZEV 2015, 520 (521 f.); Grziwotz, FamRZ 2016, 417 (420). 105  Zimmermann, ZEV 2015, 520 (522). 106  Haußleiter/Schemmann, FamFG, §  352a Rn.  6; Zimmermann, ZEV 2015, 520 (521).

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

dert folglich die Ausstellung eines denselben Erbfall betreffenden anderen Erbscheins. 3. Teilerbschein, §  2353 2. Var. BGB Der Teilerbschein steht wie der gemeinschaftliche Erbschein nur Miterben zur Verfügung. Im Unterschied zum gemeinschaftlichen Erbschein bezeugt der Teilerbschein nicht das Erbrecht sämtlicher Miterben, sondern nur das Erbrecht bzw. die entsprechende Erbquote des antragstellenden Miterben.107 Der Teilerbschein beschränkt sich inhaltlich somit nur auf einen Teil des Nachlasses. Praktische Bedeutung erlangt der Teilerbschein, wenn die anderen Miterben unbekannt sind und damit die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins aufgrund der Unmöglichkeit des Nachweises der Annahme der übrigen Miterben ausgeschlossen ist. Stehen die anderen Miterben zwar fest, benötigen diese aber keinen Erbschein für die Zwecke der Nachlassabwicklung, weil sie als gewillkürte Miterben sich für bestimmte Nachlassangelegenheiten z.B. mittels eines Erbvertrages legitimieren können (vgl. etwa §  35 Abs.  1 S.  2 GBO), ist die Beantragung eines Teilerbscheins für einen Miterben, der aufgrund gesetzlicher Erbfolge berufen ist, sinnvoll.108 Auf diese Weise hat der einzelne Miterbe die Möglichkeit, unabhängig vom Willen anderer Miterben an einen Erbschein zu gelangen. Auch wenn bereits ein gemeinschaftlicher Erbschein existiert, kann jeder Miterbe die Ausstellung eines Teilerbscheins verlangen.109 Der Miterbe hat ein Wahlrecht, ob er alternativ einen gemeinschaftlichen Erbschein oder einen Teilerbschein oder kumulativ beide Erbscheinsarten in Anspruch nehmen will.110 Inhaltlich unterscheidet sich der Teilerbschein vom Alleinerbschein und gemeinschaftlichen Erbschein lediglich dahingehend, dass nur die Erbquote des Antragstellers angegeben wird. Mit dem Teilerbschein kann sich der Miterbe im Umfang seiner Berechtigung am Nachlass für die Zwecke der Nachlassabwicklung legitimieren. Ein „quotenloser Teilerbschein“ in Anlehnung an den gemeinschaftlichen quotenlosen Erbschein gemäß §  352a Abs.  2 S.  2 FamFG existiert de lege lata nicht.111 Es bleibt bei der erforderlichen Angabe der Größe des Erbteils. Ohne

107 

Staudinger/Herzog, §  2353 Rn.  7; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2353 Rn.  17. Bonefeld/Kroiß/Tanck/Kroiß, Der Erbprozess, §  12 Rn.  85. 109  OLG Hamm, Beschl. v. 3.11.1999 – 15 W 289/99, NJW-RR 2000, 742. 110  Vgl. Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  3. 111  RegE, BT-Drs. 18/4201, 61; Lange, Erbrecht, §  78 II 2, S.  786. 108 

C. Arten und Inhalt der Erbnachweise

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Angabe des Erbteils lässt sich nicht ansatzweise erschließen, wie der Nachlass aufgeteilt sein könnte.112 4. Gemeinschaftlicher Teilerbschein, §  2353 2. Var. BGB, §  352a FamFG Einen Unterfall des Teilerbscheins bildet der gemeinschaftliche Teilerbschein, in dem die Erbquoten von mindestens zwei Miterben, aber nicht sämtlicher Erben aufgeführt werden müssen.113 Er verdrängt in der Praxis den Gruppenerbschein, der lediglich eine Zusammenfassung mehrerer Teilerbscheine in einer Urkunde verkörpert und vor allem die Antragstellung durch alle aufgeführten Miterben erfordert.114 Der gemeinschaftliche Teilerbschein kann bereits auf Antrag eines einzelnen Miterben ausgestellt werden115 und bezeugt die Erbquoten der antragstellenden Miterben, wenn die Annahme der Erbschaft durch die übrigen Miterben nicht nachgewiesen werden kann116. Für den Inhalt und die Wirkungen kann auf die Ausführungen zum Teilerbschein verwiesen werden.117 5. Sammelerbschein Weniger eine inhaltlich eigenständige Erbscheinsart als mehr eine äußerliche Zusammenfassung von Erbscheinen über mindestens zwei aneinander anschließende Erbfolgen ist der Sammelerbschein.118 Ein Sammelerbschein kann etwa ausgestellt werden, wenn in einem internationalen Erbfall aufgrund von Nachlassspaltung mehrere Nachlässe vorhanden sind.119 Der Inhalt richtet sich nach dem jeweiligen Erbschein des jeweiligen Erbfalls und umfasst im vorgenannten Beispiel insbesondere die Angabe des Erbstatuts. 6. Gegenständlich beschränkter Erbschein, §  352c FamFG Der vormals in §  2369 BGB a.F. geregelte gegenständlich beschränkte Erbschein findet sich nun in §  352c FamFG. Auch wenn nach der Oberle-Entscheidung des

112 

Für die Zulässigkeit eines quotenlosen Teilerbscheins MüKoBGB/Grziwotz, §  2353 Rn.  10. 113  Lange, Erbrecht, §  78 II 2, S.  786 f. 114  Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  4. 115  Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  4. 116  Bonefeld/Kroiß/Tanck/Kroiß, Der Erbprozess, §  12 Rn.  86. 117  Vgl. oben im 4. Kap., C., I., 3., S.  358 f. 118  Jauernig/Stürner, §  2353 Rn.  7; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, §  2353 Rn.  21; Brox/ Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  4; Kuchinke, Jura 1981, 281 (285). 119  OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.12.2015 – 1 W 2197/15, ZEV 2016, 510; BayObLG, Beschl. v. 5.7.2002 – 1 Z BR 45/01, BayObLGZ 2002, 189.

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

EuGH120 der gegenständlich beschränkte Erbschein nach §§  105, 343 Abs.  3 ­FamFG bei letztem gewöhnlichem Aufenthalt des Erblassers in einem anderen Mitgliedstaat als in Deutschland nicht mehr erteilt werden kann, kann ein gegenständlich beschränkter Erbschein immer dann beantragt werden, wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Auch sind deutsche Gerichte für die Erteilung eines gegenständlich beschränkten Erbscheins zuständig, wenn in Deutschland Nachlassvermögen belegen ist, der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat hatte und die deutsche Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt seines Todes besaß (Art.  10 Abs.  1 lit.  a ­EuErb­VO) oder der Erblasser seinen vorhergehenden letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte und die Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts auf den Drittstaat zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts nicht länger als fünf Jahre zurückliegt (Art.  10 Abs.  1 lit.  b EuErbVO). Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, können deutsche Gerichte schließlich einen gegenständlich beschränkten Erbschein nach Art.  10 Abs.  2 EuErbVO ausstellen: Hiernach genügt lediglich die Belegenheit von Nachlassvermögen in Deutschland.121 Der gegenständlich beschränkte Erbschein weist hierbei wegen der Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers nach Art.  21 Abs.  1 EuErbVO stets ein drittstaatliches Recht aus. Sofern eine Rechtswahl zugunsten der Staatsangehörigkeit gemäß Art.  22 Abs.  1 EuErbVO vorliegt und der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, kann ein gegenständlicher beschränkter Erbschein ausgestellt werden, der das gewählte Heimatrecht ausweist. Die praktische Relevanz des gegenständlich beschränkten Erbscheins ist aufgrund des Gleichlaufs von forum und ius erheblich gesunken.122 Der Nutzen dieses Erbscheins ergibt sich jedoch nach wie vor aus dem Umstand, dass ein „regulärer“ Erbschein stets das gesamte Erblasservermögen auf der Welt erfasst und sich nach diesem gesamten Erblasservermögen die Kosten für den Erbschein bemessen (vgl. §  40 Abs.  1 GNotKG).123 Daher lässt §  352c Abs.  1 FamFG zu, dass bei Belegenheit von Erblasservermögen auch im Ausland der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins auf im Inland befindliche Nachlassgegenstände beschränkt werden kann. Auf diese Weise wird der misslichen Situation vorgebeugt, einen teuren Erbschein zu erlangen, der im Ausland nicht anerkannt wird und daher für die ausländische Nachlassabwicklung nutzlos ist.124 Zugleich 120 

EuGH, Urt. v. 21.6.2018 – C-20/17, NJW 2018, 2309. Vgl. auch mit Beispiel Weber, RNotZ 2018, 454 (460). 122  Vgl. Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2370 Rn.  68. 123  Keidel/Zimmermann, FamFG, §  352c Rn.  2; vgl. auch BeckOK-FamFG/Schlögel, §  352c Rn.  1. 124  Keidel/Zimmermann, FamFG, §  352c Rn.  2. 121 

C. Arten und Inhalt der Erbnachweise

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wird hieran deutlich, dass das Zeugnis den gegenständlich beschränkten Erbschein verdrängt, jedenfalls in der Konstellation, dass sich das Auslandsvermögen in den Mitgliedstaaten befindet. Denn das Zeugnis entfaltet seine Wirkungen gemäß Art.  69 Abs.  1 EuErbVO in allen Mitgliedstaaten. Die Kosten gemessen an das Weltvermögen für das Zeugnis, die sich ausweislich des §  40 Abs.  1 Nr.  2 GNotKG ebenfalls nach dem Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls richten, sind somit gerechtfertigt. Die Beantragung eines gegenständlich beschränkten Erbscheins ist sinnvoll, wenn der Erbe auf das Auslandsvermögen nicht zugreifen will und den Erbschein nur in Deutschland braucht. Inhaltlich weist der gegenständlich beschränkte Erbschein die Besonderheit auf, dass er die ausdrückliche territoriale Beschränkung des Erbscheins benennt.125 Die Aufnahme des Erbstatuts wird zur Klarstellung empfohlen, ist aber nicht gesetzlich vorgeschrieben.126 Daneben sind wie beim Erbschein nach §  2353 BGB Angaben zu den Erbquoten, etwaigen Verfügungsbeschränkungen usw., stets unter der Voraussetzung, dass das Erbstatut diese vorsieht, aufzunehmen. Ist deutsches Recht anwendbar, stellen sich keine Probleme. Ist ausländisches Recht maßgeblich, gilt es, die ausländischen Institute durch einen funktionellen Vergleich der deutschen Terminologie anzupassen.127 Dem gegenständlich beschränkten Erbschein kommen die Wirkungen der §§  2365 ff. BGB mit der Besonderheit des beschränkten Wirkungsorts im Inland zu.128 Er beansprucht zwar im Hinblick auf die von ihm erfassten inländischen Nachlassgegenstände weltweite Geltung, muss aber niemals von anderen Staaten anerkannt werden.129 II. Österreich Für den Einantwortungsbeschluss bestehen für die äußere und inhaltliche Ausgestaltung ähnliche Maßstäbe wie beim Erbschein, doch setzt das Einantwortungsprinzip von vornherein klar bestimmende Vorzeichen für Art und Inhalt.

Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  4. Keidel/Zimmermann, FamFG, §  352c Rn.  14; Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  4. 127  Vgl. ausführlich Terner, Die Erbscheinserteilung nach dem FamFG, S.  99 ff.; Keidel/ Zimmermann, FamFG, §  352c Rn.  16 f. (mit Beispielen). 128  Haußleiter/Schemmann, FamFG, §  352c Rn.  10; Terner, Die Erbscheinserteilung nach dem FamFG, S.  101. 129  Haußleiter/Schemmann, FamFG, §  352c Rn.  10; Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353– 2370 Rn.  80. 125  126 

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

1. Singuläre Art des Einantwortungsbeschlusses Der Einantwortungsbeschluss existiert nur in einer Form und zwar wie er in §  178 AußStrG geregelt ist.130 Da die Einantwortung vom Verlassenschaftsgericht ausgesprochen werden muss, um die Universalsukzession auszulösen, entfällt das Bedürfnis nach unterschiedlichen Formen des Einantwortungsbeschlusses (insbesondere ist eine Teileinantwortung nach dem Willen des Gesetzgebers nicht mehr vorgesehen, mithin die Übergabe des rechtlichen Besitzes an einzelnen Nachlassgegenständen131). Denn im Verlassenschaftsverfahren wird der gesamte Erbfall unter Hinzuziehung möglichst aller Erbprätendenten untersucht und geprüft und daraufhin die konkrete Erbfolge nach dem Erblasser im Einantwortungsbeschluss festgelegt. Mangels Dispositionsbefugnis über das Verlassenschaftsverfahren kann ein einzelner Miterbe gerade nicht ausschließlich seine Erbquote (wie beim Teilerbschein) bescheinigt wissen. Die Erbfolge muss für die grundsätzlich obligatorische Einantwortung zwingend feststehen. Durch die Zustellung des Einantwortungsbeschlusses gemäß §  178 Abs.  5 AußStrG an die Parteien des Verlassenschaftsverfahrens wird diesen die Inanspruchnahme des Nutzens des Einantwortungsbeschlusses ermöglicht. Im Ergebnis korrespondiert demzufolge die singuläre Art des Einantwortungsbeschlusses zu Recht mit ­einem weit ausgestalteten Zugang zum Einantwortungsbeschluss für die Parteien des Verlassenschaftsverfahrens. Dennoch besteht das Bedürfnis, die Privatsphäre des Erblassers und der Erben zu bewahren, wenn sämtliche Nachlasswerte in den Einantwortungsbeschluss aufgenommen werden und der Beschluss Personen mit rechtlichem Interesse (§  178 Abs.  5 AußStrG) zugestellt werden soll. Denn nicht jede Information, die im Einantwortungsbeschluss enthalten ist, soll zur Kenntnis anderer gereichen; eine gewisse Diskretion ist zu bewahren.132 So kann es z.B. für den Erben unangenehm sein, wenn der Erblasser Konten bei verschiedenen Instituten besaß und diese nunmehr aufgrund des Einantwortungsbeschlusses von dem exakten Ver-

130 

Vor der Außerstreitreform im Jahre 2005 bestand eine strikte Zweiteilung zwischen Einantwortungsurkunde und Endbeschluss („Mantelbeschluss“); dies gilt wegen §  178 Abs.  3 AußStrG nicht mehr, vgl. Mayr/Fucik, Verfahren außer Streitsachen, Rn.  695. Es soll der Praxis überlassen bleiben, ob alle weiteren offenen Verfahrenshandlungen im Einantwortungsbeschluss selbst oder in einem gesonderten Beschluss erledigt werden sollen, vgl. Rechberger/ Bittner, AußStrG, §  178 Rn.  1. 131  Gitschthaler/Höllwerth/Sailer, AußStrG, §  177 Rn.  10; vgl. vertiefend zur Teileinantwortung Kralik, Erbrecht, S.  325 f. 132  Rechberger/Bittner, AußStrG, §  178 Rn.  8; Mayr/Fucik, Verfahren außer Streitsachen, Rn.  696; Bittner, JEV 2008, 114 (119); es ist für einen Gläubiger z.B. rechtlich uninteressant, welche Erbunwürdigkeitsgründe für einzelne Erben bestehen, vgl. Feil, AußStrG, §  178 Rn.  5.

C. Arten und Inhalt der Erbnachweise

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mögen des Erblassers bei den konkurrierenden Instituten Kenntnis erlangen.133 Dieser Situation wird vorgebeugt, indem gemäß §  178 Abs.  4 AußStrG bei Glaubhaftung der Verletzung der Privatsphäre die gesonderte Ausfertigung von Anordnungen verlangt werden kann. Im Übrigen können nach §  178 Abs.  7 ­AußStrG den Parteien auf Antrag Amtsbestätigungen i.S.d. §  186 Abs.  1 ­AußStrG über aktenmäßig bei Gericht bekannte Tatsachen ausgestellt werden, die alle oder singuläre Angaben des §  178 Abs.  1 AußStrG, folglich nur die zwingenden Angaben, enthalten können.134 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der österreichische Gesetzgeber die konkrete, aber dennoch singuläre äußere Ausgestaltung des Einantwortungsbeschlusses flexibel handhabt und im Einzelfall Möglichkeiten bereitstellt, um den Interessen der Nachlassbeteiligten gerecht zu werden. 2. Inhalt des Einantwortungsbeschlusses §  178 AußStrG gibt vor, welchen Inhalt der Einantwortungsbeschluss haben kann. Dabei sind die Angaben nach §  178 Abs.  1 AußStrG von zwingender Natur und müssen in jedem Einantwortungsbeschluss aufgenommen werden. §  178 Abs.  1 Nr.  1 AußStrG zählt zentrale Angaben zum Verstorbenen auf, während §  178 Abs.  1 Nr.  2 AußStrG Angaben für die Erben bereithält. Von rechtlichem Interesse sind Angaben zum Erbrechtstitel, zu den Erbquoten und zu einem etwaigen allfälligen Erbteilungsübereinkommen nach §  178 Abs.  1 Nr.  3 AußStrG. Aus der Einantwortung ergibt sich die Verfügungsberechtigung der Erben, daher können Angaben hierzu nur in besonderen Fällen in den Einantwortungsbeschluss aufgenommen werden.135 Schließlich ist zwingend die Art der abgegebenen Erbantrittserklärung vorzuweisen (§  178 Abs.  1 Nr.  4 AußStrG). Neben diesen Angaben hat der Einantwortungsbeschluss trotz des Wortes „gegebenenfalls“136 auch Beschränkungen der Rechte der Erben durch Nacherbschaften oder gleichgestellte Anordnungen auszuweisen, soweit die Voraussetzungen des §  178 Abs.  2 Nr.  1 AußStrG erfüllt sind.137 Befinden sich Liegenschaften im Nachlass, sind diese im Einantwortungsbeschluss anzugeben, sofern durch die Einantwortung der Inhalt des Grundbuchs geändert werden müsste (§  178 Abs.  2 Nr.  2 AußStrG).138 Zu beachten ist, dass es sich hierbei lediglich 133 

Rechberger/Bittner, AußStrG, §  178 Rn.  8. Feil, AußStrG, §  178 Rn.  6. 135  Mayr/Fucik, Verfahren außer Streitsachen, Rn.  695, die als Beispiel die Überlassung zahlungshalber von Kontoguthaben an einen Dritten nennen. 136  Gitschthaler/Höllwerth/Sailer, AußStrG, §  178 Rn.  3. 137  Vgl. OGH, Urt. v. 23.2.2017 – 2 Ob 167/16x, NZ 2017, 142 (144 f.). 138  Vgl. OGH, Beschl. v. 7.6.2011 – 5 Ob 107/11p, NZ 2012, 143 (144) und LG Innsbruck, Urt. v. 7.9.2017 – 54 R 60/17w, NZ 2017, 464 (466). 134 

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

um eine Anweisung an das österreichische Verlassenschaftsgericht handelt, was in den Einantwortungsbeschluss aufzunehmen ist; die Norm bindet nicht ein ausländisches Gericht (ein deutscher Erbschein muss etwa eine österreichische Liegenschaft nicht angeben).139 Insgesamt beschränkt sich folglich der Inhalt des Einantwortungsbeschlusses im Wesentlichen auf solche Angaben, die im unmittelbaren Bezug zur erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge stehen.140 III. Europäische Union Die Terminologie der EuErbVO in Bezug auf die Art des Zeugnisses ist schlicht: Der Verordnungstext spricht stets vom „Zeugnis“. Eine Differenzierung zwischen verschiedenen Arten des Zeugnisses findet nicht statt. Angesichts der unionsweiten Verfügbarkeit des Zeugnisses war eine detaillierte Ausgestaltung nicht zu erwarten, um die Inkorporation des Zeugnisses in die heterogenen mitgliedstaatlichen Erbrechtssysteme durch die Generalität und Offenheit möglichst einfach zu gestalten. Aus Sicht der deutschen Praxis hätte die Übertragung der Erbscheinsarten auf die Vorschriften zum Zeugnis in der EuErbVO sicherlich für mehr Rechtsklarheit gesorgt, zumal der Erbschein zu demjenigen mitgliedstaatlichen Erbnachweis gehört, der mit dem Zeugnis im Hinblick auf die Wirkungen und das Verfahren am ehesten vergleichbar ist. Wegen der Gesamtverantwortung, die das Zeugnis als europäische Lösung übernimmt, war eine möglichst generalisierende Terminologie jedoch unausweichlich. Bezüglich des Inhalts des Zeugnisses bildet der Angabenkatalog des Art.  68 EuErbVO den Angelpunkt, an dem sich die konkrete Ausgestaltung des Zeugnisses manifestiert. 1. Das Europäische Nachlasszeugnis als einziger Gesamtkorpus Da der Inhalt des Zeugnisses gemäß Art.  68 EuErbVO von dem jeweiligen Verwendungszweck des Antragstellers abhängig ist, ist es nicht erforderlich, zwischen verschiedenen Arten von Zeugnissen zu differenzieren oder diese gar zu erschaffen.141 Die mögliche Fülle an Angaben ermöglicht eine angemessene Lösung für den einzelnen Antragsteller. Wenn beispielsweise ein Vindikationslega139 

Vgl. OGH, Beschl. v. 21.12.2017 – 5 Ob 186/17i, Zak 2018, 94. Schauer, JEV 2012, 78 (89). 141  Ähnlich Dorsel/Schall, GPR 2015, 36 (42). Eine Terminologie ließe sich durchaus unabhängig von der EuErbVO und unverbindlich jedenfalls für die deutsche Praxis schaffen; so wird vom Zeugnis für einen Alleinerben, von einem gemeinschaftlichen Zeugnis, von einem Teilzeugnis und von einem gemeinschaftlichen Teilzeugnis gesprochen, vgl. Schmitz, RNotZ 2017, 269 (275), der richtigerweise auf den Wortlaut des Art.  68 lit.  e und g EuErbVO, dem die Möglichkeit des Bestehens mehrerer Berechtigten zu entnehmen ist, hinweist; siehe auch Geimer/Schütze/Dorsel, Art.  67 EuErbVO Rn.  10. 140 

C. Arten und Inhalt der Erbnachweise

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tar mittels des Zeugnisses in einem anderen Mitgliedstaat seinen dinglichen Anspruch auf den vermachten Nachlassgegenstand nachweisen will, um diesen als Sicherheit für ein Darlehen einzusetzen, beschränkt sich der Inhalt des Zeugnisses entsprechend auf diese Angaben.142 Der Inhalt des Zeugnisses hat generell eine außerordentliche Detailtiefe143, die dadurch bedingt ist, dass das Zeugnis als europäischer Erbnachweis auf alle mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen Rücksicht nehmen muss, die potentiell das Zeugnis inhaltlich ausgestalten können144. Eine entsprechende Entschärfung bietet die bereits angedeutete Erforderlichkeitsmaxime des Art.  68 EuErbVO.145 Das bedeutet allerdings auch, dass es für den späteren Rechtsvergleich stets darauf ankommt, auf welchen Antragsteller Bezug genommen wird. Die Auflistung in Art.  68 EuErbVO erfasst jedenfalls alle Angaben, die die Antragsteller nach Art.  63 EuErbVO betreffen. Es ist indessen kaum vorstellbar, dass die potentiellen Angaben nach Art.  68 EuErbVO in einem einzigen Erbfall alle erforderlich sein werden.146 Eine gewisse Struktur lässt sich durchaus erkennen.147 Aufgrund der Tatsache, dass das Zeugnis primär in den anderen Mitgliedstaaten als im Ausstellungsstaat verwendet wird, sind Angaben zur Ausstellungsbehörde und zum Ausstellungsverfahren unentbehrlich und stets in das Zeugnis ungeachtet des Antragstellers und dessen Verwendungszwecks aufzunehmen (Art.  68 lit.  a, b, d EuErbVO). Dadurch wird eine Kommunikationsbasis aufgebaut, die in zahlreichen Konstellationen hilfreich sein kann.148 Auch Angaben zur internationalen Zuständigkeit sind sinnvoll und stets erforderlich, um anderen mitgliedstaatlichen Gerichten die Prüfung der eigenen internationalen Zuständigkeit zu ermöglichen, wenn sie zu demselben Erbfall angerufen werden.149 Sodann folgen die üblichen, aber deutlich detaillierten und weitergehenden Angaben zu den am Erbfall beteiligten Personen, namentlich zum Antragsteller 142  Ebenso Dutta/Weber/Fornasier, Art.  63 EuErbVO Rn.  33; siehe für weitere Beispiele Odersky, notar 2015, 183 (185); Wittwer, AnwBl 2015, 87 (89). 143  Dies als eher abschreckend empfindend Jauernig/Stürner, Anm. zu Art.  62–73 EuErbVO Rn.  4. 144  Ähnlich Janzen, DNotZ 2012, 484 (492). 145  Schauer, EF-Z 2012, 245 (248); Janzen, DNotZ 2012, 484 (492); vgl. auch BeckOGK/ J. Schmidt, Art.  65 EuErbVO Rn.  11 f. 146  Dorsel/Schall, GPR 2015, 36 (43). 147  Der Unionsgesetzgeber hat ein Formblatt für das Zeugnis geschaffen. Weil dort lediglich die nach Art.  68 EuErbVO möglichen Angaben strukturiert aufbereitet werden, wird auf das Formblatt nicht näher eingegangen. 148  So etwa bei divergierenden Zeugnissen; daher ist auch die Angabe der Umstände zur internationalen Zuständigkeit der Ausstellungsbehörde nach Art.  68 lit.  c EuErbVO äußerst sinnvoll. 149  NK-BGB/Nordmeier, Art.  68 EuErbVO Rn.  5.

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

(Art.  68 lit.  e EuErbVO), zum Erblasser (Art.  68 lit.  f EuErbVO) und zu Berechtigten (Art.  68 lit.  g EuErbVO). Für den Antragsteller und den Erblasser ist hervorzuheben, dass auch der Personenstand und die Identifikationsnummer anzugeben sind. Diese Angaben haben nur informatorischen Charakter, denn der Personenstand ist vom Anwendungsbereich der EuErbVO nach Art.  1 Abs.  2 lit.  a EuErbVO ausgeschlossen. Weiterhin sollen Angaben zum Güterrecht (anwendbares Recht, Bezeichnung des Güterstands und der relevanten materiellen Vorschriften150) in das Zeugnis aufgenommen werden (Art.  68 lit.  h EuErbVO). Charakteristisch für das Zeugnis ist überdies die Angabe des Erbstatuts und die zur Bestimmung des Erbstatuts führenden Umstände (Art.  68 lit.  i EuErbVO).151 Aus dem Erbstatut ergeben sich erst die konkrete Rechtsstellung sowie die Befugnisse und Beschränkungen. Wird das Zeugnis in einem anderen Mitgliedstaat verwendet, kann der dortige Rechtsverkehr mittels der Angabe den Legitima­ tions­umfang des Zeugnisses bestimmen. Wird das Zeugnis im Ausstellungsstaat verwendet, wird die Kenntnis des Rechtsverkehrs über den Legitimationsumfang regelmäßig leicht zu erlangen sein, weil das Erbstatut als Ausfluss des Gleichlaufs von forum und ius regelmäßig das inländische Recht ist. Ist der Ausstellungsbehörde ein ausländisches Rechtsinstitut unbekannt, darf sie gleichwohl keine Anpassung vornehmen, sondern muss das Institut getreu dem Erbstatut in das Zeugnis aufnehmen.152 Da das Zeugnis potentiell in jedem Mitgliedstaat verwendet werden könnte, wäre eine Einordnung der Rechtsinstitute des anwendbaren Rechts in die Kategorien des Rechts der Ausstellungsbehörde – wenn also die Ausstellungsbehörde ein fremdes Recht anzuwenden hat – misslich.153 Dem Verwendungsstaat obliegt im Nachgang der Ausstellung des Zeugnisses die Entscheidung, wie mit unbekannten Instituten umzugehen ist und wie etwaige Konflikte mit der lex rei sitae aufzulösen sind.154 Im Weiteren ist die Angabe zu machen, ob für die Rechtsnachfolge von Todes wegen die gewillkürte oder gesetzliche Erbfolge (oder beides zusammen) maßgeblich ist und welche Umstände für die Bestimmung der Rechte und/oder Befugnisse des Antragstellers herangezogen wurden (Art.  68 lit.  j EuErbVO). Hat ein Berechtigter die Erbschaft angenommen oder ausgeschlagen, ist dies ebenfalls in das Zeugnis aufzunehmen (Art.  68 lit.  k EuErbVO).

150 

Vgl. Formblatt V in Anlage III Nr.  6–8. Vgl. Formblatt V Nr.  8. 152  Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2253–2270 Rn.  154; Müller-Lukoschek, NotBZ 2014, 361 (369); Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525 (527). 153  Vgl. Müller-Lukoschek, NotBZ 2014, 361 (369). 154  Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2253–2270 Rn.  154; Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525 (527). 151 

C. Arten und Inhalt der Erbnachweise

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Der anschließende Abschnitt befasst sich detailliert mit den Rechten des Erben und des Vermächtnisnehmers (Art.  68 lit.  l bis n EuErbVO). Insbesondere ist nach Art.  68 lit.  l EuErbVO die Erbquote jedes Erben in das Zeugnis aufzunehmen. Ausweislich des Wortlauts muss die Ausstellungsbehörde die Erbquoten sämtlicher Miterben ermitteln; ein Offenlassen der Erbquoten von Miterben wie beim deutschen Teilerbschein scheint auf den ersten Blick nicht möglich zu sein. Doch kommt hier wieder die Prämisse des konkreten Verwendungszwecks des Antragstellers zur Geltung: Nur soweit die Angaben für den Antragsteller im Rahmen seiner Nachlassabwicklung erforderlich sind, sind sie in das Zeugnis aufzunehmen.155 Ein Miterbe kann ein Zeugnis beantragen, das nur seine beschränkte Rechtsstellung ausweist.156 Ein quotenloses gemeinschaftliches Zeugnis für die Miterben ist jedoch ausgeschlossen.157 In der Praxis bedeutet der Ausschluss, dass im Falle einer gewillkürten Erbfolge und des Bestehens der Zuweisung von Nachlassgegenständen des Erblassers an die Erben – der Erblasser hat also selbst nicht die Erbquoten z.B. testamentarisch bestimmt – zwingend anhand des Nachlassvermögens und der Zuweisungen die Erbquoten ermittelt werden müssen. Da zudem bei Beantragung eines Zeugnisses Nachlassvermögen häufig auch in anderen Mitgliedstaaten belegen ist, kann sich die Ermittlung und Bewertung des Nachlassvermögens mitunter als schwierig erweisen. Schlussendlich sollen die Befugnisse und deren Beschränkungen des Testamentsvollstreckers und/oder des Nachlassverwalters, die sich aus dem Erbstatut oder aus einer Verfügung von Todes wegen ergeben, in das Zeugnis aufgenommen werden (Art.  68 lit.  o EuErbVO). 2. Restriktive Handhabung informatorischer Aufnahmen in das Europäische Nachlasszeugnis Der mögliche Inhalt des Zeugnisses nach Art.  68 EuErbVO ist aufgrund der detaillierten Aufzählung und des klaren Wortlauts („Das Zeugnis enthält folgende Angaben […]“) abschließend. Zu vergegenwärtigen ist erneut die Prämisse des Erbstatuts. Von diesem ist abhängig, wie die einzelnen möglichen Angaben in Art.  68 EuErbVO ausgelegt werden. So ist bei deutschem Erbstatut z.B. die Aufnahme einzelner Nachlassgegenstände in das Zeugnis, etwa auf scheinbarer Grundlage des Art.  68 lit.  l, m EuErbVO, unzulässig, da das deutsche Recht dem Grundsatz der Universalsukzession (§  1922 Abs.  1 BGB) folgt und deshalb ein-

155  NK-BGB/Nordmeier, Art.  68 EuErbVO Rn.  19 sowie MüKoBGB/Dutta, Art.  65 EuErbVO Rn.  4. 156  Vgl. Schmitz, RNotZ 2017, 269 (275). 157  Keidel/Zimmermann, FamFG, §  352a Rn.  27.

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

zelne Gegenstände nicht im Zeugnis ausgewiesen werden können.158 Steht nämlich fest, dass der Zeugnisinhaber beispielsweise als Alleinerbe einziger Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers ist, kann er sich auch ohne Angabe konkreter Grundstücksdaten im Zeugnis vor dem jeweiligen Grundbuchamt legitimieren, das jedenfalls weiß, dass der Erblasser regelmäßig als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Die Frage nach der Zugehörigkeit von Gegenständen zum Nachlass fällt nicht in das Erbstatut, sondern in das Sachenrechtsstatut: Ob etwa ein Gegenstand dadurch aus dem Nachlass herausgelöst wurde, dass er an einen Dritten veräußert wurde, beantworten die sachenrechtlichen Vorschriften, die dem jeweils autonom zu bestimmenden Sachenrechtsstatut entstammen.159 Darüber hinaus verbietet sich die unverbindliche, nur informatorische Aufnahme eines bestimmten Nachlassgegenstandes in das Zeugnis. Solchen Informationen kommen mangels Einordnung in den Anwendungsbereich der EuErbVO keine Vermutungs- und Gutglaubenswirkung zu, so dass ein praktischer Nutzen nicht ersichtlich ist.160 Die bloße Kenntnis von der möglichen (die Information mag ja auch falsch sein) Zugehörigkeit zum Nachlass hat keine so starke Relevanz, dass sie eine unbedingte Aufnahme in das Zeugnis rechtfertigen könnte. Außerdem setzt das Dogma des Zeugnisses als einheitliches europäisches Rechts­instru­ment ein. Wird ein zu großer Spielraum bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Zeugnisses angelegt, besteht die Gefahr inhaltlich ausgestalteter differierender Zeugnisse von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Geboten ist deshalb eine besonders restriktive und am Wortlaut orientierte Auslegung des Angabenkatalogs in Art.  68 EuErbVO. Eine Erweiterung des Inhalts des Zeugnisses, die nicht in den Angabenkatalog passt, ist somit unzulässig. Dies vereinfacht die unionsweite Verwendung des Zeugnisses und erscheint vor dem Hintergrund selbstverständlich, dass die mit dem Zeugnis verbundenen Wirkungen, die in Bezug auf informatorische Angaben nicht eintreten, für den Inhaber und den Rechtsverkehr regelmäßig im Mittelpunkt stehen. Anders muss die Beurteilung ausfallen, wenn das zugrundeliegende Erbstatut z.B. dinglich wirkende Teilungsanordnungen kennt.161 Denn nicht wie bei 158 

OLG Nürnberg, Beschl. v. 5.4.2017 – 15 W 299/17, FamRZ 2018, 143; zustimmend OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.10.2020 – I-3 Wx 158/20, FGPrax 2020, 281, OLG München, Beschl. v. 12.9.2017 – 31 Wx 275/17, ZEV 2017, 580 (581) sowie Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  5; a.A. Wittwer/Maier, ErbR 2018, 26 (27). Der OGH vertritt, dass mangels Nennung in Art.  68 EuErbVO auch Liegenschaften, die Modalität des Erwerbs des Nachlasses und die Art und Weise des Eigentumsübergangs bei im Ausland befindlichen Liegenschaftsvermögen nicht in das Zeugnis aufzunehmen sind, vgl. OGH, Beschl. v. 29.8.2017 – 5 Ob 108/17v, JBl 2017, 789 (791). 159  Weinbeck, ZEV 2017, 579 (580). 160  Vgl. OLG Nürnberg, Beschl. v. 5.4.2017 – 15 W 299/17, FamRZ 2018, 143. 161  Vgl. Buschbaum/Simon, NJW 2012, 2393 (2397). Ein weiteres Beispiel ist eine dinglich

C. Arten und Inhalt der Erbnachweise

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schuldrechtlich wirkenden Teilungsanordnungen (z.B. gemäß §  2048 BGB nach deutschem Recht), bei denen der jeweilige Gegenstand vor der Auseinandersetzung der Miterbengemeinschaft den Miterben zur gesamten Hand zugewiesen ist, steht eine endgültige Zuordnung des Gegenstandes zu einem bestimmten Erben oder Vermächtnisnehmer mit dem Erbfall fest. Hier hilft die Angabe insofern weiter, als sie von der Vermutungs- und Gutglaubenswirkung erfasst wird, und demnach für alle Beteiligten in der Nachlassabwicklung nützlich ist. Dieser Einfluss unterschiedlicher Erbstatute bringt ein europäisches (kollisionsrechtliches) Rechtsinstrument zwangsläufig mit sich. Doch solange das Erbstatut die Prämisse für die inhaltliche Ausgestaltung des Zeugnisses bleibt, widerspricht diese unterschiedliche Handhabung nicht dem Gedanken eines einheitlichen Instruments, sondern unterstreicht die Vielfältigkeit der mitgliedstaatlichen Erbrechtssysteme, die das Zeugnis in sich aufgenommen hat. 3. Bedürfnis nach weiteren Arten des Europäischen Nachlasszeugnisses? Die Erforderlichkeitsmaxime gewährleistet jedem Antragsteller, ein auf seine Bedürfnisse zugeschnittenes Zeugnis zu erhalten. Aus Sicht des Rechtsanwenders mag es aus Kostengründen von Bedeutung sein, ob nicht auch ein „gegenständlich beschränktes“ Zeugnis beantragt werden kann,162 bei dem die Legitimation sich nur auf das Nachlassvermögen eines Mitgliedstaates beschränkt, wenn Nachlassvermögen in verschiedenen Mitgliedstaaten (und Drittstaaten) vorhanden ist. Ist eine deutsche Ausstellungsbehörde zuständig, ist gemäß §  40 Abs.  1 ­GNotKG der Wert des gesamten Nachlasses für die Bestimmung des Geschäftswerts des Zeugnisverfahrens maßgeblich. Eine Ausnahme nach §  40 Abs.  3 GNotKG für den gegenständlich beschränkten Erbschein besteht für das Zeugnis nicht. Neben dem Umstand, dass die EuErbVO eine solche Möglichkeit nicht vorsieht163, sprechen noch folgende Gründe gegen diese. So widerspricht eine Aufspaltung des Wirkungsbereichs des Zeugnisses der Regelung des Art.  69 Abs.  1 EuErbVO, wonach das Zeugnis in allen Mitgliedstaaten (alle) seine Wirwirkende Erbteilung zwischen Miterben, die im Zeugnis ausgewiesen werden kann, vgl. LG Innsbruck, Urt. v. 7.9.2017 – 54 R 60/17w, NZ 2017, 464 (466). Das Gericht stellt zudem zu Recht fest, dass nationale Regelungen zum nationalen Erbnachweis wie §  178 AuStrG weder unmittelbar noch analog bei der Auslegung des Katalogs nach Art.  68 EuErbVO anzuwenden sind. Freilich hätte der österreichische Gesetzgeber aufgrund von Art.  1 Abs.  2 lit.  l EuErbVO die Möglichkeit, (neue) grundbuchsrechtliche Anforderungen bei der Verwendung des Zeugnisses zu statuieren, so Schwärzler, NZ 2017, 464 (467). 162  So wohl erwünscht vom Deutschen Notarverein, Stellungnahme zum Referentenentwurf des IntErbRVG, S.  10. 163  Dörner, DNotZ 2017, 407 (414).

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

kungen entfaltet, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. Durch diese Einheitlichkeit wird gewährleistet, dass jedem Zeugnis unabhängig davon, welcher Mitgliedstaat das Zeugnis ausgestellt hat, die gleichen Wirkungen zukommen und somit jeder EU-Bürger gleichermaßen von dem Zeugnis profitieren kann. Ferner lässt sich aus der fehlenden Verweisung des Art.  64 S.  1 EuErbVO auf Art.  12 EuErbVO herleiten, dass eine gegenständliche Beschränkung des Zeugnisses nicht vorgesehen ist.164 Denn die Ausstellungsbehörde kann wegen der fehlenden Anwendbarkeit des Art.  12 EuErbVO gerade nicht bei der Ausstellung des Zeugnisses Nachlassvermögen, das in Drittstaaten belegen ist, auf Antrag des Antragstellers unberücksichtigt lassen und somit den Wirkungsbereich des Zeugnisses begrenzen. Freilich liegt der Reiz des Zeugnisses in seinem großen Wirkungsbereich. Es sollte in der Praxis eine seltene Ausnahme sein, dass ein Antragsteller nicht seine Legitimation für den gesamten Nachlass durch das Zeugnis bezeugt haben will.165 Bloße formelle Zusammenfassungen von Zeugnissen i.S.v. „Sammelzeugnissen“ sollten in Anlehnung zu den Sammelerbscheinen zugelassen werden. Dies ist eine Sache der lex fori, die die verordnungsautonome Auslegung der EuErbVO unberührt lässt. Die Ausstellungsbehörden sollten allerdings beachten, dass die entsprechenden Zusammenfassungen klar bezeichnet werden, damit der ausländische Rechtsverkehr die Zeugnisse voneinander unterscheiden kann. IV. Rechtsvergleichende Würdigung Die Differenzierung innerhalb der äußeren und inneren Gestaltung der Erbnachweise ermöglicht, sämtliche Nachlasskonstellationen in ihrer spezifischen Eigenart aus Sicht des konkreten Antragstellers bzw. der konkreten Partei und unter Berücksichtigung des jeweiligen Anliegens zu erfassen. Auffällig ist, dass die Arten der Erbnachweise im deutschen, österreichischen und europäischen Recht stark voneinander divergieren. Während das deutsche Recht eine Vielzahl von Erbscheinsarten kennt, sieht das österreichische Recht nur eine singuläre Art vom Einantwortungsbeschluss mit dem Inhalt des §  178 AußStrG vor. Das europäische Recht kennt zwar ebenso nur eine Art von Zeugnis, doch mittels der Erforderlichkeitsmaxime kann es flexibel auf den konkreten Einzelfall reagieren. Besonderheiten des nationalen Rechts in der äußeren Ausgestaltung, wie der gegenständlich beschränkte Erbschein, werden durch die Einführung des Zeugnisses nicht berührt. Nationale Erbnachweise können daher Schmitz, RNotZ 2017, 269 (273); Dorsel/Schall, GPR 2015, 36 (42 f.). Vgl. zum möglichen Anwendungsbereich eines „gegenständlich beschränkten“ Zeugnisses bei der internationalen Zuständigkeit einer Ausstellungsbehörde gemäß Art.  64 S.  1 i.V.m. Art.  10 Abs.  2 EuErbVO Schmitz, RNotZ 2017, 269 (273 f.). 164  165 

C. Arten und Inhalt der Erbnachweise

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u.U. in gewissen Nachlasskonstellationen praktisch mehr bieten als das Zeugnis. Das Prinzip der Koexistenz bedingt diese Möglichkeit; die Beibehaltung der Diversität der konkreten Ausgestaltung nationaler Erbnachweise für die Nachlassabwicklung ist jedenfalls zu begrüßen, um den Erben möglichst viele Handlungsoptionen offenzuhalten. Insgesamt erweist sich indessen die Art des Erbnachweises als ein Aspekt, der kaum Konfliktpotenzial mit sich bringt. Die Unterschiede in der Art sind letztlich auf die jeweilige Rechtsordnung zurückzuführen: Wo das Erbnachweisverfahren sich obligatorisch dem gesamten Erbfall mit rechtsgestaltender Wirkung annimmt, ergeht am Ende ein Erbnachweis, der die materielle Rechtslage für sämtliche Nachlassbeteiligte abbildet. Wo das Erbnachweisverfahren indessen optionaler Natur ist, seine Einleitung insbesondere vom Willen eines Antragsberechtigten abhängt, sind die verschiedenen Ausgangssituationen je nach konkretem Antragsteller zu berücksichtigen, die Modifikationen bei der äußeren Ausgestaltung und schließlich auch inneren Ausgestaltung des Erbnachweises erfordern, weil anders als im obligatorischen Erbnachweisverfahren gerade nicht die Erbfolge, d.h. vor allem die Bestimmung sämtlicher Erben und der Erbquoten, feststehen muss. Da somit nach der jeweiligen Rechtsordnung die bestimmten Arten bestimmten Personen in der Nachlassabwicklung zur Verfügung stehen, für die die Rechtsordnung ein Bedürfnis nach einem Erbnachweis erkennt, profitiert im Ergebnis jeder Nachlassbeteiligte von der Flexibilität der äußeren Gestalt der Erbnachweise, als stets eine passende Art mit passendem Inhalt ihm zur Hand ist. Was die inhaltliche Ausgestaltung der Erbnachweise betrifft, sind anders als bei der äußeren Ausgestaltung nur in Teilen Unterschiede vorzufinden. Sie beruhen letztlich auf dem nationalen bzw. europäischen Charakter der Erbnachweise: Der Erbschein und der Einantwortungsbeschluss haben den deutschen bzw. österreichischen Rechtsverkehr, das Zeugnis den europäischen Rechtsverkehr vor Augen. Deshalb ist die vergleichsweise überwältigende Informations- und Detailtiefe des Zeugnisses die logische Konsequenz und kaum überraschend. Als „größerer“ und „universeller“ Erbnachweis bedingt das Zeugnis eine inhaltliche Tiefe, die in aller Regel den nationalen Erbnachweisen entbehrt. Die überschießenden Angaben im Zeugnis wirken sich, soweit sie überhaupt nach der Erforderlichkeitsmaxime aufzunehmen sind, nicht entscheidend darauf aus, welchen Erbnachweis der Rechtsanwender bevorzugen soll, wenn ihm eine Wahlmöglichkeit offen steht. Die überschießenden Angaben haben lediglich eine Konkretisierungs- und Informationsfunktion, so insbesondere hinsichtlich der Angaben zur Ausstellungsbehörde oder der persönlichen Angaben der Nachlassbeteiligten. Diese Angaben, so sie denn im konkreten Fall ermittelt werden, können für spätere Verfahren einen ersten informellen Überblick über den Erbfall bieten. Denkbar ist z.B. die nachfolgende Einleitung eines nationalen Erbnachweisver-

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

fahrens. Zwar muss etwa das Nachlassgericht, das aufgrund der Zuständigkeitskonzentration (Geltung der Art.  4 ff. EuErbVO auch für das Erbscheinsverfahren) auch für die Ausstellung des bereits existierenden Zeugnisses zuständig war, für die Ausstellung des Erbscheins die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Antragstellung berücksichtigen, doch kann regelmäßig zunächst auf die im Zeugnisverfahren ermittelten Erkenntnisse und den Inhalt des Zeugnisses rekurriert werden, insbesondere wenn der zeitliche Abstand zwischen den beiden Verfahren nicht besonders groß ist. Die inhaltliche Ausgestaltung des Zeugnisses in erbrechtlicher Hinsicht hängt im Wesentlichen vom Erbstatut ab, das grundsätzlich nach den Art.  21, 22 ­EuErbVO bestimmt wird. Da zudem auch für den Erbschein und den Einantwortungsbeschluss bzw. für die Bestimmung des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbaren Rechts, das die beiden Erbnachweise durchdringt, die Kollisionsnormen der EuErbVO zu beachten sind, entsteht nicht nur eine Deckungsgleichheit mit dem Zeugnis hinsichtlich der möglichen erbrechtlichen Angaben an sich, sondern auch hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit dieser Angaben. Insoweit korreliert die Zuständigkeitskonzentration mit dem Gleichlauf von ­forum und ius und gewährleistet auf diese Weise in harmonischer Übereinstimmung mit dem Prinzip der Koexistenz den inhaltlichen Gleichlauf der Erbnachweise. Beispielsweise finden sich die essentiellen Angaben eines Erbfalls – die Erben, die Erbquoten, die Beschränkungen und sonstigen Anordnungen – im Inhalt der Erbnachweise wieder. Dies ist nicht überraschend, denn anhand dieser Angaben lässt sich die Nachlassabwicklung sowohl aus Sicht des Erben als auch aus Sicht des Rechtsverkehrs erst stemmen. Die inhaltliche Ausgestaltung des Zeugnisses wird jedenfalls dem Erfordernis, sämtliche mitgliedstaatliche Rechtsordnungen berücksichtigen zu müssen, wegen der Flexibilität der Angaben vollständig gerecht. Für die Frage der Vorzugswürdigkeit eines Erbnachweises spielen somit Arten und Inhalt der Erbnachweise kaum eine Rolle. Die Attraktivität eines Erbnachweises ist nach wie vor maßgeblich anhand seiner Wirkungen zu bemessen, deren Bezugspunkt gewiss auf dem Inhalt des Erbnachweises beruht. Eine partielle Wechselwirkung ist daher nicht von der Hand zu weisen.

D. Das Verhältnis der Erbnachweisverfahren zum streitigen Verfahren um das Erbrecht Ein Erbe, dem es auf den Erhalt eines Erbnachweises zum Zwecke der Durchführung der Nachlassabwicklung ankommt, hat zwingend ein Erbnachweisverfahren einzuleiten. Doch ist dies nicht die einzige Möglichkeit, vor einem Gericht

D. Das Verhältnis der Erbnachweisverfahren zum streitigen Verfahren um das Erbrecht 373

bzw. einer Ausstellungsbehörde den Nachweis des Erbrechts zu erlangen. Vielmehr kann alternativ vor den Gerichten auf die Feststellung des Erbrechts geklagt werden; im deutschen Recht steht für diese Zwecke die sog. Erbenfeststellungsklage (§  256 Abs.  1 ZPO) oder im portugiesischen Recht die petição de herança (Art.  2078 Código Civil) zur Verfügung. Der Erbe muss dann beurteilen, welches Vorgehen für seine konkreten Bedürfnisse am geeignetsten ist. Dabei können etwaige Interdependenzen zwischen den beiden Verfahren eine ausschlaggebende Rolle spielen. Zu beachten ist, dass für die Ausführungen im europäischen Recht nur ein nationales Erbenfeststellungsverfahren infrage kommt, weil es keine „europäische“ Erbenfeststellungsklage gibt (die EuErbVO sieht nur das Zeugnisverfahren als neues eigenständiges Verfahren vor). Der folgenden Darstellung wird daher die Erbenfeststellungsklage nach deutschem Recht zugrunde gelegt.166 I. Deutschland Erbprätendenten haben nach dem Erbfall zwei Möglichkeiten, ihr Erbrecht in einem gerichtlichen Verfahren zu manifestieren.167 Ihnen stehen gleichermaßen das Erbscheinsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und die Erbenfeststellungsklage nach §  256 Abs.  1 ZPO der streitigen Gerichtsbarkeit zur Verfügung.168 Das Nachlassgericht ist vor allem nicht berechtigt, die Erbprätendenten zur Klärung von Streitpunkten auf den Prozessweg zu verweisen.169 Mit der Erbenfeststellungsklage bezweckt der Erbprätendent, sein Erbrecht, das das Rechtsverhältnis i.S.d. §  256 Abs.  1 ZPO verkörpert170, gegenüber anderen Erbprätendenten feststellen zu lassen. Der Gesetzgeber intendiert jedenfalls, die Erbprätendenten auf das Erbscheinsverfahren zu verweisen, um Rechtsstreitigkei166  Auf die Darstellung der österreichischen Rechtslage wird verzichtet, da das streitige Verfahren bzw. Erbenfeststellungsverfahren vom mitgliedstaatlichen Recht geprägt wird und ein weiterer Rechtsvergleich deshalb keine wesentlichen neuen Erkenntnisse bringen würde. Vgl. zum Verhältnis von Erbrechtsklage, Einantwortung und Erbschaftsklage ausführlich Dolinar, in: FS Kralik, 1986, 125 (127 ff.). 167  Genau genommen stehen nunmehr mit dem Zeugnisverfahren drei Möglichkeiten zur Verfügung, wobei das Zeugnisverfahren nur bei dem Nachweis einer grenzüberschreitenden Verwendungsabsicht eingeleitet werden kann. 168  Leipold, Erbrecht, Rn.  653; Kuchinke, Jura 1981, 281 (283); andere Rechtsstreitigkeiten über das Erbrecht sind die Herausgabeklage des wahren Erben gegen einen Erbscheinsinhaber nach §  2362 Abs.  1 BGB oder die Erbschaftsklage nach §  2018 BGB. Kritisch zum Nebeneinander von Erbscheinsverfahren und Erbenfeststellungsklage Zimmermann, ZEV 2010, 457 (461 f.). 169  Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  15. 170  MüKoZPO/Becker-Eberhard, §  256 Rn.  12; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2013 – 2 U 917/12, NJW-RR 2013, 965.

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

ten vor den Zivilgerichten zu vermeiden und diese damit zu entlasten; auch die Erbprätendenten folgen in der Praxis dieser Intention.171 1. Erbscheinsverfahren und Erbenfeststellungsklage im Vergleich Die Motivation eines Erben für das Erbscheinsverfahren oder die Erbenfeststellungsklage bemisst sich maßgeblich nach den Vorzügen, die die eine Option gegen­über der anderen hat, obschon eine definitive Empfehlung stets vom Einzelfall abhängig sein wird. In der Praxis kommt dem Erbscheinsverfahren aus diversen Gründen erheblich größere Bedeutung zu.172 Neben dem zumeist ausschlaggebenden wirtschaftlichen Aspekt – das Erbscheinsverfahren ist erheblicher billiger als die Erbenfeststellungsklage vor allem wegen fehlenden Anwaltszwangs (§  10 FamFG)173 – sprechen weitere verfahrensrechtliche Aspekte für das Erbscheinsverfahren. So finden zunächst unterschiedliche Verfahrensgesetze, FamFG (Erbscheinsverfahren als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit) bzw. ZPO (Erbenfeststellungsklage als streitiges Verfahren), Anwendung, die in vielerlei Hinsicht auf verschiedenen Grundprinzipien beruhen. Hierzu gehört zunächst der fundamentale Unterschied, dass in den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Amtsermittlungsgrundsatz nach §  26 FamFG und im Zivilprozess der Beibringungsgrundsatz der Parteien vorherrschen. Die Amtsermittlung durch das Nachlassgericht gewährleistet für gewöhnlich den Erlass einer Entscheidung, in der sämtliche, vom Nachlassgericht für relevant angesehene Umstände berücksichtigt wurden, so dass das Ergebnis der materiellen Rechtslage am ehesten entspricht. Eine garantiert richtige Entscheidung lässt sich bei der Ermittlung des Erbrechts nicht feststellen. Es besteht immer die Möglichkeit, dass trotz gründlicher Amtsermittlung im Nachgang des Verfahrens z.B. eine neue entscheidungserhebliche Verfügung von Todes wegen aufgefunden wird, wodurch sich die Erbfolge ändert. Diese Ungewissheit trifft freilich auch auf das streitige Verfahren zu. Die Parteiherrschaft im streitigen Verfahren hat jedoch den Vorteil der Flexibilität, die sich in der Möglichkeit des Vergleichs und des Geständnisses widerspiegelt; im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist das erste Instrument erheblich eingeschränkt und das zweite Instrument schon nicht verfügbar.174

171 

MüKoBGB/Grziwotz, Vorb. zu §  2353 Rn.  5. Lange, Erbrecht, §  78 III 5 d, S.  801; Zimmermann, ZEV 2010, 457 (460). 173  OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.9.2013 – 3 W 17/13, BeckRS 2013, 18143; Olzen/ Looschelders, Erbrecht, S.  296; zu einem Rechenbeispiel vgl. Zimmermann, ZEV 2010, 457 (460). 174  Lange/Kuchinke, Erbrecht, §  39 III, S.  1018. 172 

D. Das Verhältnis der Erbnachweisverfahren zum streitigen Verfahren um das Erbrecht 375

Da beide Verfahren unabhängig voneinander in Anspruch genommen werden können175, ergibt sich die Konsequenz, dass dem Erben nach Einleitung des Erbscheinsverfahrens nicht verwehrt ist, die Erbenfeststellungsklage zu erheben. Ein „Rechtsverlust“ bei anfänglich eingeleitetem Erbscheinsverfahren ist nicht zu befürchten. Insbesondere fehlt es dem Kläger nicht am Rechtsschutzbedürfnis und am Feststellungsinteresse.176 Umgekehrt – bei zunächst erhobener Erbenfeststellungsklage – lässt sich diese Aussage zumindest nicht vollständig aufrechterhalten, weil das Erbscheinsverfahren vom Ergebnis des streitigen Verfahrens beeinflusst werden kann.177 Das Ergebnis des Erbscheinsverfahrens beeinflusst hingegen ein nachfolgendes streitiges Verfahren nicht in bindender Weise.178 Dies folgt daraus, dass die Feststellungen im Erbscheinsverfahren nicht in Rechtskraft erwachsen.179 Zudem greift die Vermutungswirkung eines Erbscheins im Erbprätendentenstreit nicht ein.180 Aus Sicht des Erben kann die Erbenfeststellungsklage aus dem Grund vorzugswürdig sein, dass das Zivilurteil des Prozessgerichts rechtskräftig werden kann und damit friedensstiftend ist181, während der Erbschein bzw. die dem Erbschein zugrundeliegende Entscheidung des Nachlassgerichts nicht in materielle Rechtskraft erwächst. Für den wahren Erben, der im Erbscheinsverfahren nicht berücksichtigt wurde, besteht deshalb stets die Möglichkeit, den erteilten Erbschein mit den Mitteln der §§  2361, 2362 BGB anzugreifen. Der Erbscheinserbe muss sich stets darauf einstellen, dass das im Erbschein bezeugte Erbrecht jederzeit von Dritten streitig gemacht werden kann. Doch wird diese Befürchtung dadurch erheblich gemildert, dass die mittels des Erbscheins durchgeführte Nachlassabwicklung regelmäßig beendet oder zumindest sehr weit fortgeschritten sein wird, bis nach Abschluss des Erbscheinsverfahrens neue Erkenntnisse zu Tage kommen, die einen Erbprätendenten zum Einschreiten animieren. Denn für den Eintritt der Wirkungen des Erbscheins kommt es auf die Existenz eines wirksamen, demzufolge nicht eingezogenen oder für kraftlos erklärten Erbscheins an. Das Argument der Rechtskraft sollte indes nicht überbewertet werden. Im streitigen Verfahren ist die Restitutionsklage nach §  580 Nr.  7b ZPO zulässig, mit dem das rechtskräftige Urteil beseitigt werden kann, wenn im Nachhinein eine 175  Palandt/Weidlich, §  2353 Rn.  77; Bonefeld/Kroiß/Tanck/Steinbacher, Der Erbprozess, §  4 Rn.  23; Olzen/Looschelders, Erbrecht, S.  296; Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  15. 176  BGH, Urt. v. 14.4.2010 – IV ZR 135/08, ZEV 2010, 468 (469); OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2013 – 2 U 917/12, NJW-RR 2013, 965. 177  Siehe hierzu ausführlich sogleich unten im 4. Kap., D., I., 2., S.  376 ff. 178  Vgl. Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  15. 179  BGH ZEV 2010, 468 (469). 180  Vgl. oben im 3. Kap., B., I., 1., e), bb), S.  64 ff. 181  Vgl. Hilger, BWNotZ 1992, 113 (119).

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

andere Urkunde (i.e. eine neue Verfügung von Todes wegen) auftaucht.182 Zuletzt kommen die Wirkungen nach §§  2365 ff. BGB dem Erben nur zugute, wenn ein Erbschein zu seinen Gunsten erteilt wurde. Das Urteil stellt (nur) bindend das Erbrecht zwischen den am Verfahren beteiligten Parteien fest und somit nicht gegenüber außerhalb des Parteienverhältnisses stehenden Dritten und entfaltet diese Wirkungen gerade nicht, weshalb sein praktischer Wert im Rechtsverkehr vor allem wegen der fehlenden Gutglaubenswirkung äußerst gering ist.183 Die Einleitung eines Erbscheinsverfahrens wird daher in der Regel trotzdem zu empfehlen sein. Allerdings sollte zunächst versucht werden, das Urteil für die Zwecke der Nachlassabwicklung zu verwerten. Es ist möglich, dass der Rechtsverkehr sich mit dem Urteil als ausreichenden Nachweis der Erbfolge zufriedengibt; im behördlichen Rechtsverkehr erscheint dies tendenziell aussichtsreicher zu sein als im privaten Rechtsverkehr.184 Festzuhalten ist somit, dass das Erbscheinsverfahren grundsätzlich der Erbenfeststellungsklage vorzuziehen ist.185 Eine Vereinheitlichung der gerichtlichen Erbenfeststellung186 scheint zwar in gewissem Umfang erstrebenswert zu sein, um die Prozessökonomie zu fördern und die Justizressourcen zu entlasten, doch ist ein Umbruch in Anbetracht der verschwindend geringen Zahl eingezogener oder für kraftlos erklärter Erbscheine und der langen Tradition des Erbscheinsverfahrens äußerst unwahrscheinlich. De lege lata muss sich der Erbe mit den in der ZPO und im FamFG angelegten und von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum Verhältnis von Erbscheinsverfahren und Erbenfeststellungsklage auseinandersetzen, um eine dem Einzelfall entsprechende Entscheidung zu treffen. 2. Bindungswirkung des zivilgerichtlichen Urteils und ihre Grenzen Erbscheinsverfahren und Erbenfeststellungsklage stehen zwar im Ausgangspunkt als eigenständige Verfahren unabhängig voneinander zur Verfügung, doch hat das Feststellungsurteil nach h.M.187 präjudizielle Rechtskraft für ein nachfolZimmermann, ZEV 2010, 457 (460); vgl. auch OLG München, Beschl. v. 8.3.2016 – 31 Wx 386/15, ZEV 2016, 278 (279). 183  Vgl. Zimmermann, ZEV 2010, 457 (461). 184  So ist z.B. ein Anerkenntnisurteil ein ausreichender Legitimationsnachweis im Rahmen des §  35 GBO, vgl. KG, Beschl. v. 11.11.2014 – 1 W 547/14, 1 W 548/14, NJW-RR 2015, 456. 185  So auch Zimmermann, ZEV 2010, 457 (462). 186  Für eine Verschlankung des Erbscheinsverfahrens plädierend Adam, ZEV 2016, 233 (237 ff.). 187  Palandt/Weidlich, §  2353 Rn.  77; Keidel/Sternal, FamFG, §  21 Rn.  17; Weiß, Rpfleger 1984, 389 (391); Kuchinke, Jura 1981, 281 (283); Olzen/Looschelders, Erbrecht, S.  296; Brox/ Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  15. 182 

D. Das Verhältnis der Erbnachweisverfahren zum streitigen Verfahren um das Erbrecht 377

gendes Erbscheinsverfahren. Die Erbenfeststellungsklage beeinflusst demnach das Erbscheinsverfahren in einseitiger Richtung, ohne dass das Erbscheinsverfahren zugleich vorgreifliche Wirkung für eine nachfolgende Erbenfeststellungsklage hätte. Im Erbscheinsverfahren muss ermittelt werden, wer Erbe ist (§  2353 BGB). Die Frage nach dem Erben ist somit gleichermaßen Gegenstand des Verfahrens wie bei der Erbenfeststellungsklage. Hat indes ein Prozessgericht in einem Erbenfeststellungsverfahren bereits rechtskräftig über das Erbrecht entschieden, liegt der Gedanke einer Bindungswirkung für das Nachlassgericht an die Entscheidung des Prozessgerichts nahe. Im streitigen Verfahren besteht im Gegensatz zum Erbscheinsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nachgerade das Bedürfnis nach einer endgültigen Entscheidung des Gerichts, um den Rechtsfrieden zwischen den streitenden Parteien herzustellen. Der Umstand, dass unterschiedliche Gerichtszweige involviert sind, verhindert eine übergreifende Erstreckung der Rechtskraftbindung auf das Erbscheinsverfahren als Verfahren innerhalb der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht.188 Von größerer Bedeutung sind der Umfang und die Grenzen der Bindungswirkung. Sie bestimmen letztlich das Ergebnis des Erbscheinsverfahrens und in der Konsequenz den Inhalt des Erbscheins und die Reichweite der Wirkungen. a) Umfang der Bindungswirkung Die Bindungswirkung folgt aus der materiellen Rechtskraft gemäß §  322 ZPO. Danach richtet sich auch ihr Umfang und diese ist überaus weit: Die materielle Rechtskraft setzt den Inhalt der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung als für die Parteien und Gerichte, die sich in einem späteren Verfahren wie im Erbscheinsverfahren mit derselben Rechtsfolge befassen, bindend fest.189 Abgedeckt sind somit neben den im Verfahren festgestellten Tatsachen insbesondere auch dort noch nicht erhobene Einwendungen, die dann im Erbscheinsverfahren geltend gemacht werden. So kann die Bindungswirkung des Feststellungsurteils zutreffenderweise nicht damit angefochten werden, dass das Prozessgericht nicht über die Unechtheit des fraglichen Testaments wegen angeblicher Manipulation entschieden hat, weil eine Partei diesen Umstand nicht vorgebracht hat.190 Denkbar ist z.B. auch die Einwendung der Unwirksamkeit des fraglichen Testaments aufgrund der Testierunfähigkeit des Erblassers. Es liegt nämlich in der Natur des Zivilprozesses, dass nicht sämtliche relevante Tatsachen und Einwendungen in der Entscheidung Beachtung finden, sondern nur diejenigen, die die Parteien auf188  BayObLG, Beschl. v. 18.9.1987 – BReg. 3 Z 27/87, NJW-RR 1988, 547 (548 ff.); ­MüKoZPO/Gottwald, §  322 Rn.  72; Keidel/Sternal, FamFG, §  1 Rn.  78. 189  Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, §  322 Rn.  1. 190  OLG München, Beschl. v. 8.3.2016 – 31 Wx 386/15, ZEV 2016, 278 (279).

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

grund des Grundsatzes der Parteiherrschaft in den Prozess einbringen. Die Unkenntnis der Parteien und des Gerichts von objektiv vorliegenden entscheidungserheblichen Umständen beseitigt nicht die Feststellung, dass der Streit zwischen den Parteien entschieden ist.191 Es ist dem Zivilprozess immanent, dass aufgrund zahlreicher prozessualer Umstände – Erlass eines Anerkenntnis- oder Versäumnisurteils, verspätetes Vorbringen nach §  296 Abs.  1 ZPO, Maßgeblichkeit des unbestrittenen Vortrags trotz objektiver Unrichtigkeit nach §  138 ZPO – nicht alle möglichen Tatsachen oder sogar objektiv unzutreffender Vortrag für die Entscheidung berücksichtigt werden.192 Wird entgegen dem Urteil ein Erbschein zugunsten der im Zivilprozess unterlegenen Partei vom Nachlassgericht erteilt, kann die obsiegende Partei des Zivilprozesses den Herausgabeanspruch aus §  2362 Abs.  1 BGB vor dem Prozessgericht geltend machen; dieses Gericht ist gleichsam wie das Nachlassgericht an die Feststellungen des Urteils gebunden, denn §  2362 Abs.  1 BGB stellt gleichermaßen die Frage nach dem Erbrecht.193 b) Grenzen der Bindungswirkung Das Feststellungsurteil hat nur das Erbrecht zwischen den Parteien des Verfahrens zum Gegenstand. Hier spiegelt sich die subjektive Grenze der Rechtskraft (§  325 Abs.  1 ZPO) wider: Andere außerhalb des Zivilprozesses stehende Erb­ prä­ten­denten, die ein Erbscheinsverfahren anstrengen, müssen nicht befürchten, dass das Erbscheinsverfahren durch die Entscheidung des Prozessgerichts präjudiziert wird.194 Sofern also nicht mit weiteren Erbprätendenten zu rechnen ist, wird das Nachlassgericht den Erbschein auf der Grundlage der Entscheidung des Prozessgerichts erteilen. Dem Erben sollte daher im Erbenfeststellungsverfahren gut daran gelegen sein, sämtliche Erbprätendenten als Parteien in das Verfahren miteinzubeziehen. Wenn beispielsweise von Miterben einer oder einige unbekannt sind und mit ihrem baldigen Auftauchen zu rechnen ist, ist eine Erbenfeststellungsklage schon aus den vorgenannten Gründen nicht zu empfehlen. Die Bindungswirkung erfasst nicht präjudizielle Rechtsverhältnisse oder Vorfragen, da diese nicht in Rechtskraft erwachsen können.195 Die Bindungswirkung entfällt, wenn das Urteil selbst keine formelle Rechtskraft mehr zeitigt, so bei einer erfolgreichen Restitutionsklage nach §  580 ZPO.196 Die gesetzlich vor191 

OLG München, Beschl. v. 8.3.2016 – 31 Wx 386/15, ZEV 2016, 278 (279). OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 7.5.2015 – 20 W 371/13, ZEV 2016, 275 (277). 193  OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 7.5.2015 – 20 W 371/13, ZEV 2016, 275 (276). 194  Vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2013 – 2 U 917/12, NJW-RR 2013, 965; Leipold, Erbrecht, Rn.  653; Zimmermann, ZEV 2010, 457 (461). In Österreich gilt dasselbe für die Erbschaftsklage, vgl. Schwimann/Kodek/Nemeth, ABGB, §  823 Rn.  11. 195  Palandt/Weidlich, §  2353 Rn.  77. 196  OLG München, Beschl. v. 8.3.2016 – 31 Wx 386/15, ZEV 2016, 278 (279). 192 

D. Das Verhältnis der Erbnachweisverfahren zum streitigen Verfahren um das Erbrecht 379

gesehenen Restitutionsgründe werden jedoch im Erbenfeststellungsverfahren kaum vorkommen, von ihnen scheinen die Fälle des §  580 Nr.  2, Nr.  7b ZPO am ehesten relevant werden zu können. Zuletzt ist eine Bindungswirkung im nachfolgenden Erbscheinsverfahren zu abzulehnen, wenn dort nachträglich begründete Umstände bekannt werden, die dem Prozessrichter verborgen geblieben sind und dem unterlegenen Erbprätendenten die Einrede der arglistigen Ausnutzung der Rechtskraft gewähren.197 c) Differenzierung der Bindungswirkung bei anderen Urteilsarten? Fraglich ist, ob die Bindungswirkung auf das Erbscheinsverfahren in Anbetracht der unterschiedlichen Urteilsarten, denen unterschiedliche Prozessverläufe zugrunde liegen, uneingeschränkt durchgehalten wird. Ergeht das Feststellungsurteil als Endurteil, ist die Bindungswirkung unstreitig zu bejahen, weil endgültig über das Erbrecht nach streitiger Verhandlung mit den Parteien entschieden wurde. Anders könnte es sich bei Anerkenntnis- und Versäumnisurteilen verhalten. Sie beide zeichnen sich durch die Besonderheit aus, dass das Prozessgericht nur in erheblich eingeschränktem Maße eine Würdigung des Sachverhalts unternommen hat. aa) Anerkenntnisurteil Ergeht in einem Erbenfeststellungsverfahren ein Anerkenntnisurteil nach §  307 ZPO, heißt dies, dass die anerkennende Partei sich mit dem vom Kläger behaupteten Erbrecht einverstanden erklärt hat. Es heißt auch, dass das Prozessgericht eine rechtliche und tatsächliche Prüfung des Sachverhalts nicht mehr durchgeführt hat.198 Daraus könnte der Schluss gezogen werden, dass die Bindungswirkung eines Anerkenntnisurteils auf das Erbscheinsverfahren abzulehnen ist, da gleichsam mittelbar über das Erbrecht disponiert wird, indem die anerkennende Partei dem Kläger durch ihr prozessuales Verhalten das Erbrecht zusichert. Der Grundsatz der Indisponibilität des Erbrechts gilt aber heute als aufgegeben.199 Es ist eine unzutreffende Idealvorstellung, dass der Wille des Erblassers stets beach197 

Palandt/Weidlich, §  2353 Rn.  77. Musielak/Voit/Musielak, ZPO, §  307 Rn.  15. 199  Zimmermann, ZEV 2016, 277, der auf BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 hinweist. Vgl. auch für das österreichische Recht OGH, Urt. v. 27.3.1995 – 1 Ob 630/94, NZ 1996, 183 (185): „Da der mit der Erbschaftsklage geltend gemachte Erbanspruch der Parteiendisposition unterliegt, kann das stattgebende Urteil auch auf einem Anerkenntnis, einer Säumnis oder auf einem Tatsachengeständnis beruhen; vor allem aber kann der Erbschaftsstreit in einen gerichtlichen Vergleich münden, ist ein solcher doch selbst auch gemäß §  1383 ABGB über den Inhalt einer letztwilligen Anordnung nach deren Kundmachung zu­ lässig.“ 198 

380

Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

tet wird. Ist eine Verfügung von Todes wegen besonders auslegungsbedürftig, lässt sich nicht leugnen, dass über das Erbrecht durch das Nachlassgericht oder das Prozessgericht gewissermaßen disponiert wird. Man muss sich vielmehr fragen, ob das Anerkenntnisurteil tatsächlich von der grundsätzlichen Ausgestaltung des Zivilprozesses abweicht. Dies ist in der Tat zu verneinen: Die Parteien sind auch im Verfahren nicht daran gehindert, durch ihr prozessuales Verhalten, insbesondere hinsichtlich des Vorbringens bestimmter erbrechtsrelevanter Tatsachen, z.B. Gründe für das Vorliegen von Testierunfähigkeit oder äußere Lebensumstände, durch die die Auslegung des Testaments zu einem bestimmten Ergebnis gelenkt wird, das Ergebnis des Zivilprozesses zu beeinflussen.200 Die Bindungswirkung geht sogar so weit, dass das Nachlassgericht den Erbschein entsprechend der Entscheidung des Prozessgerichts auch dann erteilen muss, wenn er offensichtlich nicht mit der materiellen Rechtslage in Einklang steht.201 Angezweifelt werden kann, ob die Bindungswirkung noch mit dem Amtsermittlungsgrundsatz vereinbar ist.202 Doch wo verschiedene Gerichtszweige über denselben Gegenstand entscheiden, muss einem Gerichtszweig der Vorrang eingeräumt werden, um widersprüchliche Entscheidungen zu verhindern. Eine Differenzierung der Bindungswirkung anhand der Urteilsart ist im Gesetz nicht angelegt. Die Bindungswirkung ist vielmehr Ausfluss der materiellen Rechtskraft, die jeder Urteilsart zukommt.203 Dass durch diese strikte Handhabung „falsche“ Erbscheine im Rechtsverkehr zirkulieren können, ist hinzunehmen. Dass dieser Zustand von Gesetzes wegen geduldet wird, lässt sich an der Gutglaubenswirkung des Erbscheins festmachen, die nur bei Unrichtigkeit des Erbscheins eingreift. Immerhin lässt sich diese missliche Situation damit entkräften, dass Erbprätendenten selten dazu motiviert werden, entgegen ihrem eigenen Interesse das Erbrecht der jeweils gegnerischen Partei zu „bestätigen“. Dem Rechtsverkehr kann die Unrichtigkeit des Erbscheins in Anbetracht der Erbscheinswirkungen gleichgültig sein, sofern er gutgläubig ist. Hinzuweisen ist noch darauf, dass beim Anerkenntnisurteil im Besonderen die anerkennende Partei mit dem festgestellten Erbrecht einverstanden ist.204 Im Ergebnis findet also nur der Wille des Erblassers keine Berücksichtigung. Das ist indessen wegen der Testierfreiheit des Erblassers nicht weniger problematisch.

200 

Vgl. KG, Beschl. v. 11.11.2014 – 1 W 547/14, 1 W 548/14, NJW-RR 2015, 456 (457). Lange/Kuchinke, Erbrecht, §  39 III, S.  1019 f. 202  So zum Versäumnisurteil Goldschmitt, Anm. zu OLG Frankfurt jurisPR-FamR 11/2016 Anm.  1. 203  OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 7.5.2015 – 20 W 371/13, ZEV 2016, 275 (276). 204  Vgl. Zimmermann, ZEV 2016, 277. 201 

D. Das Verhältnis der Erbnachweisverfahren zum streitigen Verfahren um das Erbrecht 381

bb) Versäumnisurteil gegen den Beklagten Die Beurteilung der Bindungswirkung beim Versäumnisurteil verläuft parallel zum Anerkenntnisurteil. Auch hier erschüttert die Tatsache, dass der Beklagte aufgrund seiner Säumnis zum Sachverhalt nicht vortragen konnte, nicht die sich aus der materiellen Rechtskraft des Versäumnisurteils ergebene Bindungswirkung.205 Bei Erlass eines Versäumnisurteils erfolgt sogar eine Schlüssigkeitsprüfung des Klägervorbringens durch das Prozessgericht (§  331 Abs.  2 ZPO), so dass jedenfalls der Klägerantrag der Feststellung des behaupteten Erbrechts genügen muss. cc) Verzichtsurteil Der Erlass eines Verzichtsurteils nach §  306 ZPO ist im Erbenfeststellungsverfahren eine wohl praktisch selten vorzufindende Konstellation, da ein klagender Erbprätendent sich vorher gut überlegt haben wird, wie seine Chancen auf eine Entscheidung zu seinen Gunsten aussehen. Die Bindungswirkung bedeutet, dass der klagende Erbprätendent im Erbscheinsverfahren im Umfang seiner Klage keinen Erbschein erlangen kann. Wurde z.B. bereits ein Erbschein zugunsten des Beklagten erteilt, bleibt es bei diesem Zustand; der Erbschein wird nicht eingezogen, was bei Obsiegen des Klägers der Fall gewesen wäre. dd) Ergebnis Die Unbeachtlichkeit der Urteilsart gewährleistet die uneingeschränkte Entfaltung der Bindungswirkung von Erbenfeststellungsurteilen. Nachfolgende Erbscheinsverfahren werden somit von jedem Erbenfeststellungsurteil auf gleicher Weise beeinflusst. Ein Erbe kann sich von Anfang an ungeachtet des konkreten Prozessverlaufs sicher sein, dass ein obsiegendes Urteil für ein späteres Erbscheinsverfahren relevant wird. 3. Aussetzung des Erbscheinsverfahrens In Anbetracht der Bindungswirkung des Urteils kann der Nachlassrichter ein in Gang gesetztes Erbscheinsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß §  21 FamFG aussetzen, wenn zeitgleich ein streitiges Verfahren von einem der Betei205  Vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 7.5.2015 – 20 W 371/13, ZEV 2016, 275 (276); a.A. Zimmermann, ZEV 2010, 457 (461). Das Nachlassgericht ist jedoch nicht an ein rechtskräftiges Versäumnisurteil des Prozessgerichts gebunden, wenn das Urteil nicht zwischen allen Beteiligten des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangen ist, vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.5.2019 – 21 W 42/19, FamRZ 2020, 263 (264).

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

ligten angestrengt wird und die Klage anhängig ist.206 Umgekehrt ist es dem Prozessgericht mangels Erfüllung der Voraussetzungen des §  148 ZPO nicht möglich, den Rechtsstreit bis zum Abschluss des Erbscheinsverfahrens auszusetzen.207 Das streitige Verfahren muss dabei als Streitgegenstand nicht zwingend das Erbrecht haben, sondern über dieses kann auch als Vorfrage etwa im Rahmen einer Erbschaftsklage nach §  2018 BGB entschieden werden.208 Es genügt demzufolge jede Form eines Erbrechtsprozesses. Das Ermessen des Nachlassgerichts wird hierbei regelmäßig zugunsten der Aussetzung ausfallen. Es wird den Normalfall bilden, dass zunächst ein Erbscheinsverfahren eingeleitet wird, in dessen Verlauf ein Erbprätendent aus prozesstaktischen Gründen eine Erbenfeststellungsklage beim Prozessgericht anhängig macht. Widersprüchliche Entscheidungen werden auf diese Weise vermieden und dem perspektivisch brauchbareren prozessualen Ergebnis, das Bindungswirkung hat, der Vorzug gegeben. Daraus ergeben sich unter gewissen Voraussetzungen Synergieeffekte aus einem parallel verlaufenden, nunmehr ausgesetzten Erbscheinsverfahren und einer Erbenfeststellungsklage; dann nämlich, wenn im Erbscheinsverfahren die Erteilung des Erbscheins durch die Beschwerde eines Beteiligten u.U. zeitlich weit hinausgezögert wird oder zu befürchten ist, dass im Beschwerdeverfahren neue Beweismittel eingebracht werden, die das Erbrecht des späteren Klägers im Erbenfeststellungsverfahren vermutlich erschüttern. Wird Erbenfeststellungsklage erhoben, kann schnell eine Entscheidung herbeigeführt werden; die kumulativen Kosten können sogar dazu führen, dass die beklagte Partei ihre Beschwerde im Erbscheinsverfahren zurücknimmt.209 Hier haben prozessuale Aspekte Einfluss auf die eigene Erfolgschance: Zunächst muss das Beschwerdegericht das Beschwerdeverfahren aussetzen, damit die Erbenfeststellungsklage als prozesstaktisches Mittel Früchte trägt. 4. Ergebnis Der Erbe wird regelmäßig in seiner Entscheidung zwischen Erbenfeststellungsklage und Erbscheinsverfahren mit der Einleitung des letzteren gut beraten sein, sollte es ihm für die Durchführung der Nachlassabwicklung auf die Wirkungen des Erbscheins ankommen. Der Zugang zum Erbschein ist keineswegs schwierig, wenn der Sachverhalt, wie etwa bei Maßgeblichkeit einer einfachen Intesta206  Vgl. Keidel/Sternal, FamFG, §  21 Rn.  5; Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  15; Adam, ZEV 2016, 233 (238 f.). Siehe auch KG Berlin FamRZ 1968, 219, wonach auch ein im Ausland (Chile) anhängiges Verfahren die Aussetzung des Erbscheinsverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen auslösen kann. 207  Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  15 208  Brox/Walker, Erbrecht, §  35 Rn.  15. 209  Vgl. LG Mannheim, Beschl. v. 22.12.2014 – 9 O 226/14 (unveröffentlicht).

D. Das Verhältnis der Erbnachweisverfahren zum streitigen Verfahren um das Erbrecht 383

terbfolge, unstreitig ist. Doch sollte je nach Einzelfall miteinkalkuliert werden, dass das Verfahrensrecht Möglichkeiten birgt, um besonders effektiv an einen Erbschein zu gelangen. Mitunter genügt aber auch eine Entscheidung im Zivilprozess für die Legitimation der Erbfolge im Rechtsverkehr. Daran zeigt sich erneut, dass der Erbschein optionaler Natur ist und daher genauestens überlegt werden sollte, ob nicht ein „prozessualer“ Erbnachweis in Form des Erbenfeststellungsurteils für die Nachlassabwicklung dienlicher ist. II. Europäische Union Das Zeugnisverfahren bildet neben dem nationalen Erbnachweisverfahren und dem nationalen Erbenfeststellungsverfahren seit dem 17.8.2015 die dritte Möglichkeit, das Erbrecht in einem förmlichen Verfahren zu manifestieren, sofern die mitgliedstaatliche Rechtsordnung die beiden letzteren Verfahren vorsieht. Diese dritte europäisch geprägte Schiene wirft gleichsam Fragen hinsichtlich des Verhältnisses von Zeugnisverfahren und Erbenfeststellungsklage auf.210 Angemerkt sei eingangs, dass sich die internationale Zuständigkeit der Gerichte für die Erbenfeststellungsklage als Entscheidung – und zwar als Entscheidung i.e.S., da das Erbenfeststellungsurteil in Rechtskraft erwächst – in einer Erbsache aus Sicht eines deutschen Richters aus Art.  4 ff. EuErbVO ergibt. Somit sind die Gerichte bzw. Ausstellungsbehörden eines Mitgliedstaates regelmäßig für das Zeugnisverfahren, das nationale Erbnachweisverfahren und die Erbenfeststellungsklage international zuständig (ein Auseinanderfallen ist in den Mitgliedstaaten gegeben, in denen Art.  4 ff. EuErbVO für die internationale Zuständigkeit der nationalen Erbnachweisverfahren nicht gilt und in denen kein Gericht das Zeugnis ausstellt; in solchen Mitgliedstaaten ist z.B. der Notar für die Ausstellung des nationalen Erbnachweises zuständig, während das Gericht für die Erbenfeststellungsklage zuständig ist). In Deutschland sind somit das jeweilige Nachlassgericht211 und das jeweilige Prozessgericht212 zuständig. A priori werden mit der einheitlichen Zuständigkeit divergierende Entscheidungen und eine prozessunökonomische „Dreifachbefassung“ verhindert.213 Indes ist hiermit noch nicht gesagt, wie das konkrete Verhältnis zwischen den Verfahren ausge210  Weil das Zeugnisverfahren in seinen Einzelheiten durch die lex fori bestimmt wird, soll hier das deutsche Recht für die Darstellung herangezogen werden. 211  Für das Zeugnisverfahren ist die sachliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts in §  34 Abs.  4 IntErbRVG geregelt und für das Erbscheinsverfahren in §  23a Abs.  1 Nr.  2, Abs.  2 Nr.  2 GVG. 212  Das Prozessgericht, entweder AG oder LG, ist nach §§  23, 71 Abs.  1 GVG sachlich zuständig. 213  So in Bezug auf das Erbscheinsverfahren und die Erbenfeststellungsklage Adam, ZEV 2016, 233.

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Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

staltet ist. Obwohl die EuErbVO nicht ausdrücklich Bezug auf das Verhältnis zwischen Zeugnisverfahren und Erbenfeststellungsklage bzw. streitigem Verfahren im Allgemeinen nimmt, können aus einigen Vorschriften mittelbar Rückschlüsse zu diesem Aspekt gezogen werden. 1. Europäisches Nachlasszeugnisverfahren als nichtstreitiges Verfahren In ErwG 59 hat der Unionsgesetzgeber zum Ausdruck gebracht, zwischen Entscheidungen in streitigen oder nichtstreitigen Verfahren, bei denen die Zuordnung von der lex fori abhängt, nicht zu differenzieren, sondern die EuErbVO per se auf alle erbrechtlichen Verfahren im Lichte der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen anwenden zu lassen. Davon isoliert zu betrachten ist das Zeugnisverfahren, das ein eigenständiges Regelungssystem in der EuErbVO gefunden hat. Die Ausstellungsbehörde stellt das Zeugnis insbesondere nicht aus, wenn Einwände gegen den zu bescheinigenden Sachverhalt anhängig sind (Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  a EuErbVO) oder wenn das Zeugnis mit einer Entscheidung zu demselben Sachverhalt nicht vereinbar wäre (Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO). Da schon die Erhebung von Einwänden die Ausstellung des Zeugnisses verhindert, entscheidet die Ausstellungsbehörde folglich nicht streitig.214 Eine streitige Ausgestaltung des Zeugnisverfahrens wäre dem Unionsgesetzgeber nicht versperrt gewesen. Insofern gibt es z.B. für das Erbscheinsverfahren vereinzelt Bestrebungen, streitige Elemente in dieses einzuflechten.215 Doch angesichts der intendierten, möglichst reibungslosen Eingliederung des Zeugnisverfahrens in die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, die verschiedene Formen von Erbnachweisen mit unterschiedlichen Ausstellungsbehörden kennen, stellte sich ein Konsensverfahren als einzig adäquate Lösung heraus.216 Daneben erscheint ein Konsensverfahren auch aus Legitimationsgründen und im Sinne eines Schutzes des wahren Berechtigten vorzugswürdig. Da ein einmal ausgestelltes Zeugnis unionsweit seine Wirkungen entfaltet und damit u.U. die Rechte des wahren Berechtigten wegen der Gutglaubenswirkung beeinträchtigt werden kann, wird diese Beeinträchtigung zumindest erheblich dadurch legitimiert, dass die im Ausstellungsverfahren hinzu214 

MüKoBGB/Dutta, Art.  67 EuErbVO Rn.  5; Dutta/Weber/Fornasier, Art.  67 EuErbVO Rn.  5; Kleinschmidt, in: FS Lindacher, 2017, 165 (174). A.A. OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.12.2020 – 8 W 342/20, FGPrax 2021, 33. 215  Vgl. Adam, ZEV 2016, 233 (237 ff.). 216  So Milzer, NJW 2015, 2997 (2998); ein französischer Notar, der das Zeugnis ausstellt, hat nicht die verfahrensrechtlichen Mittel, um streitig über die Erbfolge entscheiden zu können; dies kann nur den Gerichten anheimgestellt werden. Der Notar steht außerhalb der Gerichtsverfassung. Vgl. auch eingehend Kleinschmidt, in: FS Lindacher, 2017, 165 (171 f.).

D. Das Verhältnis der Erbnachweisverfahren zum streitigen Verfahren um das Erbrecht 385

gezogenen Beteiligten mit dem Inhalt des Zeugnisses einverstanden sein müssen, damit das Zeugnis überhaupt ausgestellt wird.217 Sobald folglich ein Beteiligter am Zeugnisverfahren einen Einwand erhebt, etwa, dass die maßgebliche Verfügung von Todes wegen unecht sei oder sie in einer bestimmten Weise ausgelegt werden müsse, die dem Begehren des Antragstellers widerspricht, findet das Zeugnisverfahren sein Ende.218 Dies gilt auch für Einwände außerhalb des Ausstellungsverfahrens.219 Ein Missbrauchspotential seitens umtriebener Erbprätendenten liegt auf der Hand220, sollte jedoch in der Praxis eine Seltenheit bilden. Für den Antragsteller eröffnet immerhin der Rechtsbehelf nach Art.  72 Abs.  1 UAbs.  1 EuErbVO gegen die Verweigerung der Ausstellung des Zeugnisses, eine streitige Entscheidung herbeizuführen.221 2. Einfluss zivilgerichtlicher Urteile und anderer ausländischer Entscheidungen auf das Europäische Nachlasszeugnisverfahren Steht der Erbe vor der Wahl zwischen Erbscheinsverfahren, Zeugnisverfahren und Erbenfeststellungsklage, müssen erneut sämtliche Vor- und Nachteile jedes Verfahrens gegeneinander abgewogen werden. Insoweit, als auf das Zeugnisverfahren in den Grenzen des §  35 Abs.  1 IntErbRVG die allgemeinen Verfahrensvorschriften des FamFG Anwendung finden, lassen sich die für das Erbscheinsverfahren eingebrachten Argumente entsprechend auf das Zeugnisverfahren übertragen. So gewährleistet der auch dem Zeugnisverfahren zugrundeliegende Amtsermittlungsgrundsatz (Art.  66 Abs.  1 S.  2 EuErbVO i.V.m. §  35 Abs.  1 ­IntErbRVG i.V.m. §  26 FamFG) eine der objektiven Rechtslage möglichst entsprechende Entscheidung. Nur das Zeugnis entfaltet die für die Nachlassabwicklung zentralen Wirkungen nach Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO. Ein Erbenfeststellungsurteil müsste in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden, um zumindest ansatzweise mit dem Zeugnis im Hinblick auf den Nutzen in der 217 

Vgl. zur Legitimation der Wirkungen des Zeugnisses durch das Verfahrensrecht oben im 3. Kap., A., II., S.  46 ff. 218  Milzer, NJW 2015, 2997 (2998 f.); a.A. Steiner, ZEV 2016, 487 f., der Einwände innerhalb des Ausstellungsverfahrens unberücksichtigt lassen will. Ferner soll nach NK-BGB/Nordmeier, Art.  67 EuErbVO Rn.  13 f. ein Bestreiten eines Beteiligten nur dann die Ausstellung des Zeugnisses verhindern können, wenn die Einwände nicht entkräftet werden können. Indessen verlangt der klare Wortlaut des Art.  67 Abs.  1 lit.  a EuErbVO nicht, dass die Einwände vom bestreitenden Beteiligten bewiesen werden müssen, vgl. Dutta/Weber/Fornasier, Art.  67 Eu­ Erb­VO Rn.  5. 219  MüKoBGB/Dutta, Art.  67 EuErbVO Rn.  5; NK-BGB/Nordmeier, Art.  67 EuErbVO Rn.  14; Dutta/Weber/Fornasier, Art.  67 EuErbVO Rn.  9 f.; Steiner, ZEV 2016, 487 (488). 220  Vgl. Kleinschmidt, in: FS Lindacher, 2017, 165 (171). 221  MüKoBGB/Dutta, Art.  67 EuErbVO Rn.  6; Dutta/Weber/Fornasier, Art.  67 EuErbVO Rn.  6; Volmer, notar 2016, 323 (326); a.A. Milzer, NJW 2015, 2997 (2999).

386

Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

Nachlassabwicklung mithalten zu können. Dies gelingt zwar in aller Regel über Art.  39 ff. EuErbVO, führt allerdings offensichtlich nicht zur Entfaltung der Zeugniswirkungen. Fraglich ist, ob das Erbenfeststellungsurteil in einem nachfolgenden Zeugnisverfahren Bindungswirkung entfaltet. Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO gibt hierzu lediglich mittelbar einen Hinweis. Wenn eine Entscheidung vorliegt, die mit der zu bescheinigenden Rechtsstellung unvereinbar ist, und die Ausstellungsbehörde deshalb die Ausstellung des Zeugnisses unterlässt, wird dieser Entscheidung der Vorrang eingeräumt. Die Rechtsfolge erschöpft sich in der Nichtausstellung des Zeugnisses. Daher erscheint es gerechtfertigt, dass sich sämtliche mitgliedstaatliche oder auch drittstaatliche Entscheidungen, die über die im Zeugnis zu bescheinigende Rechtsstellung ergangen sind, die Ausstellung des Zeugnisses verhindern, sofern die Anerkennung der Entscheidungen in den Grenzen der Art.  39 ff. EuErbVO oder des Anerkennungsrechts der lex fori bejaht werden kann.222 Unerheblich ist dabei auch, ob die jeweilige Entscheidung für den Antragsteller bindend ist, wenn er beispielsweise gar nicht Partei des der Entscheidung zugrundeliegenden Verfahrens gewesen ist.223 Der Wortlaut des Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO differenziert nicht dahingehend genauer, wer am Verfahren der unvereinbaren Entscheidung beteiligt gewesen sein muss. Ob die Ausstellungsbehörde bei ihrer Entscheidung an die Feststellungen einer anderen (streitigen) Entscheidung gebunden ist, bemisst sich nach der Rechtskraft. Die Rechtskraft ist hierbei ggf. über eine Anerkennung nach Art.  39 ff. EuErbVO oder nach Art.  36 Brüssel Ia-VO zu transportieren, soweit es sich um eine ausländische mitgliedstaatliche Entscheidung handelt. Der Regelfall dürfte im Hinblick auf die Erbenfeststellungsklage jedoch aufgrund der Zuständigkeitskonzentration eine Entscheidung des Mitgliedstaates der Ausstellungsbehörde sein. War der Antragsteller am Verfahren einer Entscheidung beteiligt, die seine begehrte Rechtsstellung im Zeugnis zum Gegenstand hat, und erstreckt sich mithin die Rechtskraft der Entscheidung auch subjektiv auf den Antragsteller, wie es z.B. bei einem Erbenfeststellungsurteil der Fall ist, kann sich in einem nachfolgenden Zeugnisverfahren die Ausstellung des Zeugnisses nur nach den Feststellungen dieser Entscheidung richten.224 Den Gedanken weiterführend kann derselbe Einwand, den der unterlegene Prozessgegner im streitigen Verfahren gegen den Antragsteller erhoben hat, eine Ausstellung des Zeug222  MüKoBGB/Dutta, Art.  67 EuErbVO Rn.  9; NK-BGB/Nordmeier, Art.  67 EuErbVO Rn.  15. 223  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  67 EuErbVO Rn.  5. 224  Ähnlich MüKoBGB/Dutta, Art.  67 EuErbVO Rn.  6, der die Bindungswirkung, wenngleich nicht als solche konkret bezeichnet, aufgrund der Effektivität des Zeugnisses bejaht.

D. Das Verhältnis der Erbnachweisverfahren zum streitigen Verfahren um das Erbrecht 387

nisses gemäß Art.  67 Abs.  1 lit.  a EuErbVO nicht verhindern.225 Da das Zeugnisverfahren und das Erbscheinsverfahren gleichberechtigt nebeneinander stehen, insbesondere beide Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegen, ist es konsequent, die Bindungswirkung des Erbenfeststellungsurteils auf beide Verfahren zu erstrecken. Das europäische Recht steht dem jedenfalls nicht entgegen, da es die Problematik nicht ausdrücklich regelt. Mittelbar lässt sich Art.  67 Abs.  1 lit.  b EuErbVO entnehmen, dass eine Bindungswirkung anzunehmen ist. Wenn nämlich das Zeugnis mit einer Entscheidung zum selben Sachverhalt nicht vereinbar wäre und deshalb die Ausstellung versagt wird, kann daraus der Schluss gezogen werden, dass eine Entscheidung, die verbindlich, also mit Rechtskraft, z.B. die Erbenstellung eines Beteiligten feststellt, eine Ausstellung des Zeugnisses mit diesem Inhalt auslöst; insofern ist ein Zeugnis mit diesem Inhalt gerade vereinbar mit der Entscheidung. Verneint man eine Bindungswirkung, stellen sich innere Systembrüche ein, wenn das Nachlassgericht einerseits in den Grenzen der Rechtskraft in seiner Entscheidung über die Ausstellung des Erbscheins gebunden ist und andererseits bei der Ausstellung des Zeugnisses eigenständig entscheiden kann, obwohl es um die identische Rechtsfolge – die Erteilung eines Erbnachweises in demselben Erbfall – geht. Damit ist überdies unerheblich, in welcher Urteilsart die Entscheidung erlassen wurde. Eine Differenzierung ist aus den gleichen Gründen wie in Bezug auf das Erbscheinsverfahren ausgeschlossen; das europäische Recht verlangt keine andere Beurteilung, gibt jedenfalls eine Lösung nicht vor. Die Relevanz der Urteilsart als genuin verfahrensrechtlicher Aspekt der lex fori sollte sich nach alledem nach eben dieser lex fori, vorliegend nach deutschem Recht, richten. Als mögliche präjudizielle Verfahren kommen nicht nur die vorliegend behandelte Erbenfeststellungsklage bzw. Erbprätendenten-/Erbschaftsklagen im Allgemeinen nach dem jeweiligen nationalen Recht, sondern auch etwa Vindikationsklagen, bei denen über das Erbrecht als Vorfrage der Eigentümerstellung des Klägers rechtskräftig entschieden wird, in Betracht. 3. Das Verhältnis von Erbscheinsverfahren und Europäischem Nachlasszeugnisverfahren Auf Ebene der reinen freiwilligen Gerichtsbarkeit ist schließlich noch das Verhältnis von Erbscheinsverfahren und Zeugnisverfahren zu untersuchen. So wie der Erbschein und das Zeugnis miteinander koexistieren und je für sich und unabhängig voneinander im Rechtsverkehr wirken, so sind auch die ihnen zugrundeliegenden Ausstellungsverfahren getrennt zu betrachten, wobei ein Gleichlauf 225 

Dutta/Weber/Fornasier, Art.  67 EuErbVO Rn.  8.

388

Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

anzustreben ist, sofern dies rechtlich möglich ist226. Für das Erbscheinsverfahren gilt im Wesentlichen das FamFG (§§  352 ff. FamFG), für das Zeugnisverfahren neben Art.  64 ff. EuErbVO im Wesentlichen das IntErbRVG (§§  33–44 ­IntErbRVG) mit Rückgriff auf die allgemeinen Verfahrensvorschriften des FamFG (§  35 Abs.  1 IntErbRVG). Wurde zunächst ein Erbschein beantragt, bewirkt der diesbezügliche Feststellungsbeschluss gemäß §  352e FamFG227, der Einwendungen anderer Beteiligter als nicht haltbar bewertet, einen Ausschluss der Anhängigkeit von Einwänden i.S.d. Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  a EuErbVO, so dass im nachgehenden Zeugnisverfahren das Zeugnis nicht wegen dieser Einwände nicht ausgestellt werden kann.228 Wenn sich zum Zeitpunkt der Beantragung des Zeugnisses die Tatsachen und Umstände nicht geändert haben, kann mit Bezug auf die Erbscheinsakte das Zeugnis zügig ausgestellt werden.229 Im umgekehrten Fall, dass als erstes ein Zeugnis und sodann ein Erbschein beantragt werden, ist Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  a EuErbVO bereits nicht anwendbar. Die Vorschrift gilt freilich nicht für das Erbscheinsverfahren. Das Nachlassgericht, das ja zuvor das Zeugnis ausgestellt hat, kann sich jedenfalls auf die Ermittlungen aus der Zeugnisakte berufen, wenn sich die Tatsachen und Umstände nicht geändert haben, was vor allem bei einer kurzen Zeitspanne zwischen den beiden Erbnachweisverfahren oftmals der Fall sein wird. Eine Bindungswirkung besteht jedoch nicht.230 4. Zwischenergebnis Das Zeugnisverfahren schmiegt sich grundsätzlich reibungslos an das verfahrensrechtliche Gefüge von FamFG und ZPO. Die nichtstreitige Ausgestaltung des Zeugnisverfahrens begünstigt eine unkomplizierte Implementierung in das deutsche Recht, da sämtliche Aspekte des Erbscheinsverfahrens und seines Verhältnisses zum streitigen Verfahren auf das Zeugnisverfahren übertragen werden können. Aber auch im europäischen Kontext besteht die Maßgabe, dass eine effektive Nachlassabwicklung der Verwendung eines Erbnachweises – des Zeugnisses – bedarf. Die Inanspruchnahme der Freizügigkeit gerichtlicher Entscheidungen, namentlich von Erbenfestellungsurteilen, ist nicht ausreichend, um eine zügige, unkomplizierte und effiziente Nachlassabwicklung zu gewährleisten. Peter, MDR 2015, 309 (313). Das Zeugnisverfahren endet nicht mit einem Feststellungsbeschluss, sondern mit der unmittelbaren Ausstellung des Zeugnisses in Urschrift, die die abschließende Entscheidung des Zeugnisverfahrens darstellt, vgl. §  39 Abs.  1 S.  1 IntErbRVG sowie Kleinschmidt, in: FS Lindacher, 2017, 165 (170) und Kunz, GPR 2014, 285 (291). 228  Zimmermann, ZErb 2015, 342 (343). 229  Vgl. Zimmermann, ZErb 2015, 342 (343). 230  Zimmermann, ZErb 2015, 342 (344). 226  227 

D. Das Verhältnis der Erbnachweisverfahren zum streitigen Verfahren um das Erbrecht 389

III. Rechtsvergleichende Würdigung Vorab ist anzumerken, dass eine rechtsvergleichende Würdigung im klassischen Sinne nachfolgend nicht unternommen werden kann. Dies folgt daraus, dass die im Fokus stehende Erbenfeststellungsklage ausschließlich dem deutschen Recht entspringt und ihre Beziehung zum Erbscheinsverfahren und Zeugnisverfahren beleuchtet wurde. Dennoch kann ein Rechtsvergleich insoweit erfolgen, als als Vergleichspunkt die Inkorporation der Erbenfeststellungsklage in das Erbscheinsverfahren (Deutschland) auf der einen Seite und in das Zeugnisverfahren (EU) auf der anderen Seite sowie die daraus folgenden Ausflüsse dienen. Erbscheinsverfahren, Zeugnisverfahren und Erbenfeststellungsklage stellen drei unterschiedliche Verfahren dar, die die Bestimmung des Erbrechts in einem förmlichen Verfahren – mit mehr oder weniger rechtlicher Verbindlichkeit – bezwecken. Weder die Existenz eines Zeugnisses noch eines Erbscheins lassen das Rechtsschutzbedürfnis für die zivilrechtliche Feststellungsklage entfallen.231 Beim Zeugnisverfahren findet sich die Besonderheit, dass die Ausstellungsbehörde bereits bei Anhängigkeit von Einwänden die Ausstellung des Zeugnisses unterlässt. Der Rechtsanwender ist bei streitigen Fällen somit stets gehalten, die Streitfrage vor den Zivilgerichten oder ggf. im Beschwerdeverfahren klären zu lassen. Ob deshalb das Zeugnis im Wettbewerb der Erbnachweise wesentlich hinter dem Erbschein zurücksteht, ist zu bezweifeln.232 Zwar mag der Zugang zum Zeugnis dadurch etwas sperriger sein als derjenige zum Erbschein. Das Zeugnis verliert allerdings nicht seine Vorzüge gerade im Hinblick auf seine Verwendung im grenzüberschreitenden Verkehr. Der potentielle Antragsteller wird vorher in der Regel nicht wissen, ob und in welchem Umfang Einwände gegen die Ausstellung des Zeugnisses erhoben werden. Wenn es ihm auf die Wirkungen des Zeugnisses im grenzüberschreitenden Verkehr ankommt – was den Maßstab für die Wahl eines Erbnachweises bilden sollte –, sollte ihn das verfahrensrechtliche Defizit nicht vor der Beantragung eines Zeugnisses abschrecken. Das europäische Recht verbietet nicht, die lex fori darüber bestimmen zu lassen, inwiefern zivilgerichtliche Urteile in den Grenzen der Rechtskraft das Zeugnisverfahren beeinflussen. Vielmehr können sämtliche nationale verfahrensrechtliche Aspekte auch auf das Zeugnisverfahren übertragen werden wie z.B. die Möglichkeit der Aussetzung des Zeugnisverfahrens gemäß §  21 FamFG. Hat der Erbfall eine internationale Dimension, gewinnt die Erbenfeststellungsklage als erster verfahrenseinleitender Akt seitens des Erbprätendenten wie 231  Geimer/Schütze/Dorsel, Art.  62 EuErbVO Rn.  22; siehe auch zum österreichischen Recht Mayr/Wittwer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Rn.  7.188. 232  So aber tendenziell MüKoBGB/Dutta, Art.  62 EuErbVO Rn.  7 und Art.  67 EuErbVO Rn.  8.

390

Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

im Verhältnis zum Erbscheinsverfahren an Bedeutung, um einer verzögerten Ausstellung des Zeugnisses zuvorzukommen bzw. die Entscheidung der Ausstellungsbehörde in gewissem Umfang zu präjudizieren. Zuzugestehen ist jedoch, dass die mit der Erhebung einer Erbenfeststellungsklage verbundenen hohen Kosten bei der Entscheidung hierfür nicht unterschätzt werden dürfen.233 Gleichwohl besteht zumeist in internationalen Erbfällen, zumindest wenn die internationale Komponente nicht nur in der Belegenheit von Vermögen im Ausland zu sehen ist, die Gefahr, im Erbenfeststellungsverfahren nicht sämtliche Erbprätendenten hinzuziehen zu können. Dann kann mitunter auch das Erbenfeststellungsurteil wegen der subjektiven Grenzen der Rechtskraft die Ausstellung des Zeugnisses, wie es der Antragsteller begehrt, nicht in Gänze gewährleisten. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass bei Vindikationsklagen, bei denen die Frage der Erbenstellung als Vorfrage inzident geprüft wird, das zuständige Gericht nicht dem Mitgliedstaat angehören muss, das später das Zeugnis ausstellt. Dann kommt als erschwerender Akt hinzu, dass die Entscheidung im Ausstellungsstaat anerkannt werden müsste, um das Zeugnisverfahren zu präjudizieren. Dies wird zwar regelmäßig unproblematisch gelingen, löst allerdings nicht unerheblichen Zeit- und Kostenaufwand aus. Es stellt gewiss eine Seltenheit dar, dass eine Vindikationsklage mit dem (Neben-)Ziel der Präjudizierung des Zeugnisverfahrens erhoben wird. Denkbar ist dies z.B. beim Alleinerben, der von einem Erbschaftsbesitzer die Herausgabe zunächst eines bestimmten Nachlassgegenstandes und nicht der Erbschaft an sich verlangt. Auch muss beachtet werden, dass die Erhebung der Erbenfeststellungsklage regelmäßig nur den ersten verfahrenseinleitenden Akt hinsichtlich des Erbfalls darstellt, dem die Einleitung eines Zeugnisverfahrens folgt. Denn dem Feststellungsurteil fehlen die zentralen Wirkungen, die dem Zeugnis (und dem Erbschein) zukommen. Zwar mag das Erbenfeststellungsurteil womöglich zur Legitimation in bestimmten Nachlassangelegenheiten dienen, doch ist für den Fall der Legitimation im grenzüberschreitenden Verkehr eine (mühsame) Anerkennung vorzuschalten. Gutglaubenswirkung entfaltet das Feststellungsurteil jedenfalls nicht, was für den Rechtsverkehr eine Schwäche bedeutet. Wenn nicht davon auszugehen ist, dass die Erbprätendenten die Ausstellung des Zeugnisses durch Erhebung von Einwänden verhindern, sollte das Zeugnisverfahren den ersten verfahrensleitenden Akt bilden. Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch ein Blick auf jene Mitgliedstaaten zu werfen, die kein formelles gerichtliches Erbnachweisfahren kennen. Hieran zeigt sich die besondere Bedeutung des Art.  67 EuErbVO. Die nichtstreitige Ausgestaltung des Zeugnisverfahrens ist schlechthin zwingend: Die für die Ausstellung des Zeugnisses zuständigen Ausstellungsbehörden, namentlich die 233 

Vgl. für ein Rechenbeispiel Milzer, NJW 2015, 2997 (2999 f.).

E. Fazit

391

Notare, stehen außerhalb der Gerichtsverfassung und haben daher keine Befugnis, streitig zu entscheiden. Im Unterschied zu solchen Mitgliedstaaten, die den Amtsermittlungsgrundsatz kennen (vgl. Art.  66 Abs.  1 EuErbVO), stellt Art.  67 EuErbVO eine (leichte) Grenze auf, um an ein Zeugnis zu gelangen. Werden gegen den Antrag keine Einwände erhoben, stellt der Notar regelmäßig das Zeugnis zugunsten des Antragstellers aus, während der deutsche Nachlassrichter aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes weitergehende Ermittlungen durchführt, so dass der Antragsteller eventuell anders beschieden wird.234 Die Problematik der heterogenen Erbrechtssysteme der Mitgliedstaaten kommt folglich erneut auf. Die Lösung erschöpft sich, um nicht in die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen einzugreifen, in der Annahme der tatsächlichen Gegebenheiten. Entgegen der zu befürwortenden Prämisse einer unionsweit einheitlichen Handhabung des Zeugnisses bestehen demnach verfahrensrechtliche Divergenzen fort.

E. Fazit Die Betrachtung ausgewählter Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren verdeutlicht, dass das Verfahrensrecht nicht nur typischerweise dienende Funktion hat, sondern vielmehr auch den Ausgangspunkt für den praktischen Nutzen in der Nachlassabwicklung für sämtliche in Betracht kommende Nachlassbeteiligte darstellt und den praktischen Nutzen mitbeeinflusst. Das zeigt sich bezüglich des Zeugnisses bereits abstrakt auf vorgeschalteter Ebene in der Interdependenz zwischen dem Verfahrensrecht und den Wirkungen des Zeugnisses.235 Aber auch auf nachgeschalteter Ebene, mithin in der konkreten Ausgestaltung des Erbnachweisverfahrens, werden durch das Verfahrensrecht Fährten für eine an die konkrete Nachlasssituation angepasste Vewendung des Erbnachweises gelegt. Die Zuständigkeitskonzentration für die Ausstellung des Zeugnisses und des nationalen Erbnachweises – jedenfalls verbindlich durch den EuGH entschieden für Deutschland – bildet die unabdingbare Voraussetzung, dass sich überhaupt die Frage nach der Wahl des Erbnachweises und der damit verbundenen Konkurrenzsituation stellt, denn wie bei der Wirkungskonzeption der Erbnachweise lassen sich ebenso im Erbnachweisverfahren Aspekte finden, die ausschlaggebende Bedeutung für die Wahlentscheidung haben können. Die praktische Relevanz des Verfahrensrechts zeigt sich zuvörderst an der Antragsberechtigung, die in aller Regel sehr weit gefasst ist, doch in der Funktion des Erbnachweises ihre 234  235 

Vgl. Milzer, NJW 2015, 2997 (2999). Siehe hierzu oben im 3. Kap., A., II., S.  46 ff.

392

Viertes Kapitel: Ausgewählte Rechtsprobleme der Erbnachweisverfahren

Grenze findet. Jedenfalls wird den Erben als Hauptakteure eines Erbfalls der Zugang zu den Erbnachweisen ohne Probleme eröffnet. Für die weiteren Nachlassbeteiligten stehen das Zeugnis bzw. der Erbschein und der Einantwortungsbeschluss nicht gleichermaßen zur Verfügung. Eventuell sind weitere nationale Instrumente (z.B. Testamentsvollstreckerzeugnis, §  2368 BGB) einzuholen, so dass dann ein Gleichlauf bezüglich der zur Verfügung stehenden Instrumente erreicht wird. Art und Inhalt der Erbnachweise geben den äußeren Rahmen vor, in dem sich ein einzelner oder mehrere Nachlassbeteiligte mithilfe des Erbnachweises die Nachlassabwicklung betreiben können. Hier ergibt sich eine „Zersplitterung“ der Erbnachweise, die zwar denselben Erbfall betreffen, doch in ihrer konkreten Gestalt einen unterschiedlichen Informationsgehalt und eventuell sogar eine unterschiedliche Reichweite (z.B. gegenständlich beschränkter Erbschein, §  352c FamFG) haben. Schließlich bildet das neue Zeugnisverfahren nunmehr generell eine neue prozessuale Möglichkeit, das Erbrecht vor einem Gericht provisorisch und ohne Bindungswirkung „feststellen“ zu lassen. Sein Verhältnis zum streitigen Verfahren ist für Deutschland grundsätzlich nicht anders zu bewerten als das Verhältnis des Erbscheinsverfahrens zum streitigen Verfahren. Eine derartige Gleichförmigkeit fördert die Kontinuität in der richterlichen und kautelarjuristischen Praxis. Darüber hinaus werden dogmatische Brüche vermieden, was zwar nicht zwingend um jeden Preis erreicht werden muss, jedoch mit der funktionellen Äquivalenz von Erbscheinsverfahren und Zeugnisverfahren zu legitimieren ist. Insgesamt ist festzuhalten, dass der Rechtsanwender sich in seiner Wahl des Erbnachweises weniger von verfahrensrechtlichen als mehr von den wirkungsrechtlichen Aspekten leiten lassen wird. Eventuell bietet es sich an – sofern rechtlich möglich –, sowohl das Zeugnis als auch den mitgliedstaatlichen Erbnachweis zu beantragen, wenn im Einzelfall darin ein erheblicher Vorteil zu sehen ist. Den Regelfall sollte es aber bilden, sich nur mit einem Erbnachweis auszustatten. Ansonsten würden die Erbnachweise an ihrem Selbstverständnis einbüßen, wenn der Grundsatz der Optionalität (zumindest für alle mitgliedstaatlichen Erbnachweise außer jene, die mit dem Einantwortungsbeschluss vergleichbar sind, weil hier eine Optionalität nicht gegeben ist) faktisch zu einer vorsorglichen Ausschöpfung aller rechtlichen Ressourcen wandelt. Dies dennoch zu tun, steht dem Rechtsanwender angesichts der Privatautonomie natürlich zu. Das Zeugnis integriert sich in dem Umfang in die lex fori, in dem der jeweilige mitgliedstaatliche Gesetzgeber aufgrund seines Auftrags zur Schaffung und Umsetzung näherer Regelungen für das Zeugnisverfahren tätig wurde. Dabei treten Probleme auf, für die das mitgliedstaatliche Recht seither Lösungen bereitgestellt hat, die deshalb nicht neu gefunden werden müssen; sie können gleichsam der Behandlung bei den mitgliedstaatlichen Erbnachweisverfahren

E. Fazit

393

entnommen und auf die europäische Ebene übertragen werden. Das Zeugnisverfahren kann einerseits die nationalen Erbnachweisverfahren in einzelnen Aspekten überragen, andererseits aber auch hinter ihnen zurückbleiben, wie dies z.B. anhand der Reichweite der Antragsberechtigung erkennbar wurde. Eine vollständige Abstimmung des europäischen und nationalen Verfahrens untereinander war angesichts der Diversität der mitgliedstaatlichen Erbnachweissysteme unmöglich. Abweichungen in Form von Restriktionen oder Extensionen oder auch gänzlichen Neuerungen zu den mitgliedstaatlichen Erbnachweisverfahren waren deshalb unausweichlich.236 An der starken Wirkungskonzeption des Zeugnisses, die doch den ausschlaggebenden Maßstab für den Nutzen des Zeugnisses in der internationalen Nachlassabwicklung bildet, ändert sich hierdurch freilich nichts.

236 

Vgl. auch oben im 2. Kap., A., II., S.  46 ff.

Fünftes Kapitel

Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses und mitgliedstaatlicher Erbnachweise im Lichte der EuErbVO sowie in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten Das Zeugnis kann für eine umfassende Analyse und Einordnung seiner Bedeutung in der europäischen internationalen Nachlassabwicklung nicht isoliert betrachtet werden. Mitgliedstaatliche Erbnachweise können aufgrund des Prinzips der Koexistenz weiterhin im Inland, aber auch im europäischen Ausland verwendet werden. Lag bis jetzt der Fokus auf der Wirkungskonzeption der Erbnachweise und den Erbnachweisverfahren, so stellt sich im Anschluss die Frage, ob und inwieweit die Wirkungen der Erbnachweise unter der EuErbVO im grenzüberschreitenden Verkehr tatsächlich zur Geltung kommen. Für das Zeugnis hat der Unionsgesetzgeber mit der Regelung des Art.  69 Abs.  1 EuErbVO einen zentralen Grundstein für ein effektives Durchsetzungssystem der Wirkungen gelegt (A.). Das Durchsetzungssystem bzw. die Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise sind in der EuErbVO hingegen deutlich komplexer ausgestaltet (B.). Im Zusammenhang mit der Durchsetzung des Zeugnisses ist ferner von rechtlichem Interesse, inwieweit das Zeugnis in Drittstaaten verwendet werden kann. In der vorgeschalteten Situation muss zunächst untersucht werden, welchen Einfluss ein drittstaatlicher Bezug des Erbfalls auf die Beantragung des Zeugnisses hat. Ob das Zeugnis schließlich in Drittstaaten seine Wirkungen ganz oder teilweise entfalten kann oder ob es stets einer Anerkennung durch den jeweiligen Drittstaat bedarf – die rechtliche Behandlung soll anhand der Schweiz, England und Wales und Kalifornien exemplarisch dargestellt werden –, bildet einen weiteren Schwerpunkt dieses Kapitels (C.).

A. Durchsetzungsmacht des Europäischen Nachlasszeugnisses

395

A. Durchsetzungsmacht des Europäischen Nachlasszeugnisses I. Uneingeschränkte Wirkungserstreckung Der Unionsgesetzgeber hat auf eine recht einfache Lösung zurückgegriffen, um die Verkehrsfähigkeit des Zeugnisses maximal zu begünstigen. Nach Art.  69 Abs.  1 EuErbVO entfaltet das Zeugnis seine Wirkungen in allen Mitgliedstaaten, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. Das Zeugnis entfaltet seine Wirkungen automatisch und voraussetzungslos, mithin ipso iure.1 Weder bedarf es hierfür einer Legalisation noch einer sonstigen Förmlichkeit.2 Darüber herrscht im Schrifttum allgemeine Übereinstimmung, doch soll im Nachfolgenden näher auf die Hintergründe eingegangen werden, um die Legitimation für die Durchsetzungsmacht des Zeugnisses zu beleuchten. 1. Kein Anerkennungsverfahren Für die Wirkungserstreckung bedarf es keines förmlichen Anerkennungsverfahrens durch eine Behörde oder ein Gericht des Verwendungsstaates.3 Vor allem die Kontrollfunktion4 hätte in Bezug auf das Zeugnis keine Relevanz: Durch das einheitliche Zeugnisverfahren der EuErbVO, das lediglich in den Detailfragen durch die lex fori besimmt wird, wird gewährleistet, dass jeder Ausstellungsstaat bereits selbst die von dem Unionsgesetzgeber als wesentlich eingestuften prozessualen und materiellrechtlichen Mindesterfordernisse bei der Ausstellung des Zeugnisses berücksichtigt. In dieser Hinsicht besteht erst recht ein Grund für ein gegenseitiges Vertrauen der Mitgliedstaaten in die Justiz innerhalb der EU5, da jeder Mitgliedstaat, der mit einem ausländischen Zeugnis zu tun hat, sicher weiß, nach welchen verfahrensrechtlichen Maßstäben das Zeugnis ausgestellt wurde (das ist bei der regulären ipso iure Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen nach Art.  39 ff. EuErbVO jedenfalls nicht gegeben, weil bei ihrem Erlass einheitliche europäische Vorschriften nicht berücksichtigt wurden). Dies gilt selbst dann, wenn Ausstellungsbehörde nicht ein Gericht, sondern ein Notar oder 1 

MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  5; NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  4; BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  4. 2  BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  4 mit Hinweis auf Art.  74 EuErbVO. 3  NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  4; BeckOGK/J. Schmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  4; Schauer/Scheuba/Schauer, Europäische Erbrechtsverordnung, 73 (92); Köllensperger, NZ 2015, 245 (255 f.); Steiner, Zak 2015, 304; kritisch zur vollständigen Abschaffung des Exequa­turverfahrens und aller Anerkennungshindernisse im Kontext der EuVTVO Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, §  18 Rn.  1118 f. 4  Vgl. hierzu Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, S.  115 ff. 5  Vgl. NK-BGB/Makowsky, Art.  39 EuErbVO Rn.  2; BeckOGK/J. Schmidt, Art.  39 EuErbVO Rn.  4.

396

Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

ein Magistrat ist. Denn eine etwaige schwächere Effizienz bei der Ausstellung des Zeugnisses durch einen Notar oder einen Magistrat vermag an der Gewährleistung jener Mindesterfordernisse nichts zu ändern. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass der Unionsgesetzgeber in Anbetracht des Art.  64 lit.  b EuErbVO bewusst das Ausstellungsverfahren vor Behörden, die bisher sonst nach der lex fori für Erbsachen (i.e. Ausstellung des nationalen Erbnachweises) zuständig gewesen sind, eröffnen wollte und somit von der Gewährleistung der Mindesterfordernisse durch jene Behörden ausging.6 Auch aus kollisionsrechtlicher Perspektive ist der Wegfall des Anerkennungsverfahrens gerechtfertigt, da mit der Harmonisierung des Erbkollisionsrechts grundsätzlich jeder Mitgliedstaat dasselbe Recht auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendet. Selbst wenn die Wirkungsentfaltung des Zeugnisses an die Voraussetzungen der Anerkennung nach Art.  39 ff. EuErbVO geknüpft worden wäre, hätte im Besonderen die strittige Frage nach der Reichweite der Anerkennung offen bleiben können. Die beiden herrschenden Theorien, die Wirkungserstreckungstheorie und die Gleichstellungstheorie, wären zum gleichen Ergebnis gekommen.7 Nach der Wirkungserstreckungstheorie erstrecken sich die Wirkungen des Zeugnisses auf den Anerkennungsstaat (= Verwendungsstaat) und nach der Gleichstellungstheorie wird das Zeugnis einem funktionell gleichwertigen Rechtsinstitut des Anerkennungsstaates gleichgestellt.8 Da allerdings jeder Mitgliedstaat das Zeugnis kennt, würden sich die Wirkungen des Zeugnisses im Anerkennungsstaat nach beiden Theorien in vollem Umfang entfalten. 2. Keine ordre public-Kontrolle Weiterhin bleibt eine ordre public-Kontrolle dem Verwendungsstaat verschlossen.9 Die anerkennungsrechtliche ordre public-Kontrolle in Bezug auf den verfahrensrechtlichen ordre public hätte die Funktion, Missbräuche im Zeugnisverfahren zu bekämpfen und die Wirkungsentfaltung zu versagen, wenn die Ausstellung des Zeugnisses auf Regelungen beruht, die die prozessualen und materiellen 6 

Vgl. hierzu schon oben im 3. Kap., A., II., S.  46 ff. Das Anerkennungsregime der Art.  39 ff. EuErbVO folgt – wie sonst im EuZPR – nach h.M. der Wirkungserstreckungstheorie, vgl. MüKoBGB/Dutta, Art.  39 EuErbVO Rn.  2; NKBGB/Makowsky, Art.  39 EuErbVO Rn.  8; BeckOGK/J. Schmidt, Art.  39 EuErbVO Rn.  9; Dutta/Weber/Weber, Art.  39 EuErbVO Rn.  11; a.A. jurisPK-BGB/Schärtl, Art.  39 EuErbVO Rn.  14 (Befürwortung der Kumulationstheorie). 8  Vgl. BeckOGK/J. Schmidt, Art.  39 EuErbVO Rn.  8. 9  MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  5; NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  4; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  2; Rechberger/ Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  294; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  5; Steiner, Zak 2015, 304 (305). 7 

A. Durchsetzungsmacht des Europäischen Nachlasszeugnisses

397

Rechte des benachteiligten Beteiligten unverhältnismäßig verkürzen.10 Die Versagung einer ordre public-Kontrolle erscheint nicht zwingend: Auch wenn ein einheitliches Zeugnisverfahren in allen Mitgliedstaaten besteht, sind Fälle denkbar, in denen ein ordre public-Verstoß angenommen werden kann, beispielsweise wenn ein Beteiligter vom Zeugnisverfahren zielgerichtet ausgegrenzt wurde, so dass er erbfallsrelevante Tatsachen und Umstände nicht vorbringen konnte. Freilich sind solche Fälle selten.11 Die Versagung der ordre public-Kontrolle mag in Anbetracht des Regelungsziels des Zeugnisses allerdings konsequent sein. Denn soll das Zeugnis seine Wirkungen in allen Mitgliedstaaten entfalten, würde ein Vorbehalt des Verwendungsstaates seinen praktischen Nutzen tangieren. Es wäre nicht mehr vorhersehbar, ob das Zeugnis tatsächlich die in Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO bezeichneten Wirkungen entfaltet. Jeder Mitgliedstaat könnte anhand eines ordre public-Maßstabs, der durch die mitgliedstaatliche Rechtsordnung ausgefüllt wird, die Durchsetzung des Zeugnisses versagen.12 Außerdem ist zu klarzustellen, dass die Wirkungen des Zeugnisses (Vermutungs-, Gutglaubensund Legitimationswirkung) keinen Bezugspunkt für einen ordre public-Verstoß bilden können, da sie als solche „neutral“ sind. Die anerkennungsrechtliche ordre public-Kontrolle in Bezug auf den materiellrechtlichen ordre public hätte deshalb keinen Anwendungsbereich: Das Ergebnis der Anerkennung – die Wirkungen des Zeugnisses – ist niemals untragbar. In diesem Nahbereich wird der kollisionsrechtliche ordre public gemäß Art.  35 EuErbVO relevant, der aber die Wirkungsentfaltung gemäß Art.  69 Abs.  1 EuErbVO nicht betrifft, sondern die Anwendung einer Sachnorm, die den Inhalt des Zeugnisses mitbestimmt.13 Diese ordre public-Kontrolle führen sowohl die Ausstellungsbehörde, wenn sie bei der Ausstellung des Zeugnisses ein fremdes Recht anwenden muss14, als auch der Verwendungsstaat, der den Inhalt des Zeugnisses prüft15, aus. Einschränkend Vgl. Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, S.  119 ff. Der Rückgriff auf den ordre public im europäischen Zivilprozessrecht ist statistisch unbedeutend und beschränkt sich zumeist auf Fälle des Verstoßes gegen grundlegende, oftmals verfassungsrechtlich verbürgte Rechtsgrundsätze des Anerkennungsstaates, vgl. Kohler, ZSR 124 (2005) II, 263 (290); vgl. zu einem im Ergebnis zu verneinenden verfahrensrechtlichen ordre public-Verstoß (§  328 ZPO, §  109 FamFG) im Rahmen eines Nachlassverfahrens LG Frankfurt, Teilurt. v. 27.5.2015 – 2-17 O 203/13, BeckRS 2015, 14521. 12 Der ordre public-Vorbehalt ist generell im europäischen Zivilprozessrecht äußerst restriktiv handzuhaben, um die Freizügigkeit von Entscheidungen nicht zu beeinträchtigen, vgl. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, §  17 Rn.  1012. 13  Vgl. näher unten im 6. Kap., B., III., 4., S.  474. 14  Geimer/Schütze/Dorsel, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  21, der allerdings die Geltung der ordre public-Klausel gemäß Art.  35 EuErbVO nur für die Ausstellungsbehörde, aber nicht für den Verwendungsstaat annimmt. 15  MüKoBGB/Dutta, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  9; Dutta/Weber/Fornasier, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  20. 10  11 

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

muss konstatiert werden, dass der kollisionsrechtliche ordre public lediglich das materiellrechtliche Ergebnis korrigiert, aber verfahrensrechtliche Missbräuche nicht abwehren kann. Auch wenn somit de lege lata eine ordre public-Kontrolle unzulässig ist, können Rechtsbehelfe gegen die Ausstellung des Zeugnisses im Ausstellungsstaat erhoben werden, die gewiss nur im Nachhinein durch eine hierzu befugte Person zum Ersticken der Wirkungsentfaltung führt, aber bis zum Erfolg des Rechtsbehelfs die uneingeschränkte Wirkungsentfaltung nicht zu verhindern vermag. Kommt es in einem Verfahren im Verwendungsstaat auf die Vermutung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO an, kann diese durch den Beweis des Gegenteils zerstört werden; die Vermutung ist allerdings nur im Verfahren beseitigt und ändert nichts am Bestand des Zeugnisses.16 Im Übrigen würden die üblichen Anerkennungshindernisse, wie sie in Art.  40 EuErbVO normiert sind, beim Zeugnis kaum Bedeutung erlangen. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist zumeist ausgeschlossen, wenn die lex fori dem Amtsermittlungsgrundsatz folgt und somit die Ausstellungsbehörde sämtliche Erbprätendenten und sonstige Beteiligte in das Zeugnisverfahren einbezieht. Die res judicata-Regel wird bereits bei der Ausstellung des Zeugnisses beachtet (Art.  67 Abs.  1 EuErbVO), weshalb dieser im Anerkennungsstaat nicht mehr Rechnung getragen werden muss. Insgesamt erscheint der Verzicht auf eine ordre public-Kontrolle aufgrund des prozessualen Mindeststandards, den die EuErbVO statuiert und den jeder Mitgliedstaat zu beachten hat, hinnehmbar.17 II. Ergebnis Die Durchsetzung des Zeugnisses bzw. seiner Wirkungen im europäischen Rechtsraum geht grundsätzlich ohne rechtliche Probleme vonstatten. Wer im Besitz eines Zeugnisses ist, kann mit diesem unionsweit die Nachlassabwicklung betreiben, ohne im Verwendungsstaat mit verfahrensrechtlichen Hemmnissen konfrontiert zu werden. Dazu trägt erheblich aus dogmatischer und rechtstechnischer Sicht die automatische und voraussetzungslose Wirkungserstreckung gemäß Art.  69 Abs.  1 EuErbVO bei. Wo das hohe Ziel der Erleichterung der internationalen Nachlassabwicklung gesteckt wurde, erscheint eine uneingeschränkte Wirkungserstreckung in der Tat als die effektivste Lösung. Das Zeugnis besitzt 16 

Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  3. Grundsätzlich einer ordre public-Kontrolle positiv gegenüberstehend Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  625 f.; Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 162 (167); ausdrücklich einen ordre public-Vorbehalt fordernd Pfundstein, Pflichtteil und ordre public, Rn.  590. Gleichwohl muss eine kollisionsrechtliche Überprüfung zugelassen werden, die jedoch keine inhaltliche Kontrolle bedeutet, vgl. unten im 6. Kap., B., IV., S.  475 ff. 17 

B. Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO

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daher, auch um sich einen gewissen Vorteil gegenüber den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen zu verschaffen, mit Recht maximale Durchsetzungskraft. Damit geht zwar die Gefahr einher, dass u.U. inhaltlich unrichtige Zeugnisse ihre Wirkungen unionsweit entfalten.18 Doch ist diese Gefahr im Zeugnis als provisorischem Erbnachweis angelegt und kann ihr mit dem System der Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung entgegengewirkt werden. Außerdem gewährleistet das stringente Ausstellungsverfahren, dass die ausgestellten Zeugnisse in der Regel der materiellrechtlichen Lage entsprechen.19 Aus der uneingeschränkten Wirkungserstreckung lässt sich mithin mittelbar eine Empfehlung des Unionsgesetzgebers an den Rechtsanwender zugunsten des Zeugnisses ableiten. Der Unions­gesetzgeber hat es geschafft, das Zeugnis als ein unionales Rechtsinstrument einzuführen, das sich seiner Schlüsselstellung im Rahmen der internationalen Nachlassabwicklung bewusst ist und ein dogmatisches Selbstverständnis mit sich bringt, das die Erreichung seines Regelungsziels im Grundsatz in vollem Umfang sichert.20

B. Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO Die Durchsetzungsmacht des Zeugnisses nicht nur in dogmatischer Hinsicht, sondern auch aus Sicht der Praxis lässt sich in ihrer ganzen Dimension erst erschließen, wenn ihr die Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise gegenübergestellt wird. Denn mag zwar das Zeugnis für sich allein in allen Mitgliedstaaten uneingeschränkte Geltung beanspruchen, so könnte es an seiner Durchsetzungsmacht insoweit einbüßen, als der Erbe sich von Anfang an für die Zwecke der grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung für den daneben zur Verfügung stehenden mitgliedstaatlichen Erbnachweis entscheidet. Dies ist möglich, weil das Prinzip der Koexistenz bewirkt, dass die mitgliedstaatlichen Erbnachweise weiterhin nicht nur im Inland, sondern auch im grenzüberschreitenden Verkehr verwendet werden können. Dass Mitgliedstaaten schon vor Inkrafttreten der EuErbVO ausländische mitgliedstaatliche Erbnachweise akzeptierten, wurde bereits aufgezeigt.21 Nunmehr könnte eine einheitliche europäische Lö18  Kritisch Konvalin, Das Europäische Nachlasszeugnis ohne europäischen Entscheidungseinklang, S.  12. 19  Siehe zu diesem Rechtsgedanken oben im 3. Kap., A., II., S.  46 ff. 20  Vgl. jedoch zur Hemmnis der Durchsetzung des Zeugnisses durch eine Annahmeverweigerung seitens des Verwendungsstaates als Folge der Ausübung einer kollisionsrechtlichen Überprüfung unten im 6. Kap., B., IV., S.  475 ff. 21  Siehe oben im 2. Kap., B., I., S.  27 ff.

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

sung, die für alle Mitgliedstaaten verbindlich ist und somit die Diversität der Behandlung ausländischer mitgliedstaatlicher Erbnachweise durch die Mitgliedstaaten beseitigt, gelten – unbeschadet einer darüber hinaus gehenden individuellen faktischen Anerkennung durch Akteure im Rechtsverkehr22. Die Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise erscheint unter dem Gesichtspunkt denkbar, dass das Erbkollisionsrecht vereinheitlicht ist und damit eine etwaige Wirkungserstreckung die kollisionsrechtlichen Wertungen des Verwendungsstaates grundsätzlich nicht unterläuft.23 Zentrale Leitfrage ist im Ausgangspunkt, ob die Regelungsmechanismen der EuErbVO, namentlich das Anerkennungsund Annahmeregime, die Zirkulation mitgliedstaatlicher Erbnachweise überhaupt regeln. Eine wichtige Rolle bei der Beantwortung dieser Frage spielt das Zeugnis selbst. In seiner Funktion als europäischer Erbnachweis für grenzüberschreitende Nachlassabwicklungen könnte das Zeugnis die Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise gegenstandslos machen oder ihr jedenfalls die praktische Relevanz nehmen. Sicher ist jedenfalls, dass auf das autonome IZVR des jeweiligen Mitgliedstaates zurückgegriffen werden müsste, nach dem die Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise beurteilt wird, falls die mitgliedstaatlichen Erbnachweise nicht dem Regime der EuErbVO unterfallen. Das autonome IZVR ist stets maßgeblich, wenn es um die Anerkennung drittstaatlicher Erbnachweise, die nicht in den Anwendungbereich der EuErbVO fallen, durch einen Mitgliedstaat geht.24 I. Anwendbarkeit von Art.  39 ff. EuErbVO und Art.  59 EuErbVO auf mitgliedstaatliche Erbnachweise? Eine Erörterung der Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO und vor allem der Rechtsfolgen erübrigt sich, wenn die Art.  39 ff. EuErbVO und Art.  59 EuErbVO nicht einmal zur Anwendung gelangen können. Zunächst stellt ErwG 59 klar, dass es für die Anerkennung (sowie Vollstreckbarkeit und Vollstreckung) einer Entscheidung nach Art.  39 ff. EuErbVO unerheblich ist, ob diese in einem streitigen oder nichtstreitigen Verfahren ergangen ist. Auf diese Weise wird der Diversität der mitgliedstaatlichen Systeme Rechnung getragen, indem generell alle Entscheidungen in Erbsachen einer Anerkennung zugänglich sind. Für die Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise ist 22 

Hierzu unten im 5. Kap., B., V., S.  417 f. Hess/Jayme/Pfeiffer, Heidelberg-Stellungnahme, S.  47; Laukemann, in: Hess/Bergström/ Storskrubb, EU civil justice, 2016, 161 (169); ähnlich Dörner, ZEV 2012, 505 (512); vgl. aber zu den kollisionsrechtlichen Disharmonien, die nicht nur das Zeugnis, sondern auch die mitgliedstaatlichen Erbnachweise betreffen können, unten im 6. Kap., B., III., S.  469 ff. 24  Vgl. Dutta/Herrler/Geimer, Die Europäische Erbrechtsverordnung, 143 (147). 23 

B. Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO

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es daher unschädlich, dass die meisten von ihnen (wie der Erbschein oder die notariellen Erbnachweise) in einem nichtstreitigen Verfahren ausgestellt werden. 1. Sperrwirkung des Europäischen Nachlasszeugnisses? Der wesentliche Grund, weshalb die Anwendbarkeit der Art.  39 ff. EuErbVO und des Art.  59 EuErbVO auf mitgliedstaatliche Erbnachweise in Zweifel gezogen wird, ist – wenig verwunderlich – das Zeugnis selbst, das mit dem Ziel geschaffen wurde, die vor dem Inkrafttreten der EuErbVO bestandenen Probleme mit der grenzüberschreitenden Verwendung mitgliedstaatlicher Erbnachweise zu beheben. Zielgerichtet wird daher eingeworfen, das Zeugnis als lex specialis sperre die Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise und schalte so die Anwendung der Anerkennungs- und Annahmevorschriften auf diese aus.25 Im Besonderen wird der fehlende Registerzugang durch mitgliedstaatliche Erbnachweise, der ausschließlich beim Zeugnis in Art.  69 Abs.  5 EuErbVO statuiert ist26, als Argument herangezogen, weshalb mitgliedstaatliche Erbnachweise nicht zur grenzüberschreitenden Verwendung geeignet sind. Des Weiteren würde in Anbetracht der unterschiedlichen Wirkungen der mitgliedstaatlichen Erbnachweise die parallele Existenz von Zeugnis und mitgliedstaatlichen Erbnachweisen für die betroffenen Stellen eine erhöhte Komplexität bedeuten, die durch die Annahme einer Sperrwirkung einfach zu vermeiden sei.27 Die Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise würde sich aus diesem Grund weiterhin nach autonomem Recht richten.28 Hier wird das Anliegen erkennbar, dem Zeugnis maximale Durchsetzungskraft zu verleihen und Überschneidungen und Konkurrenzen mit mitgliedstaatlichen Erbnachweisen a priori zu unterbinden. Hinsichtlich des Hinweises auf Art.  69 Abs.  5 EuErbVO vermag nicht zu überzeugen, warum die Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise sich nur auf den Registerzugang konzentrieren soll. Dass die EuErbVO eine dem Art.  69 Abs.  5 EuErbVO vergleichbare Vorschrift für mitgliedstaatliche Erbnachweise nicht vorsieht, impliziert nicht den Ausschluss ihrer Verkehrsfähigkeit, die auch andere Rechtsfol-

25  Geimer/Schütze/Franzmann/Schwerin, Art.  39 EuErbVO Rn.  7 und Art.  59 EuErbVO Rn.  16; Hager/Buschbaum, Die neue europäische Erbrechtsverordnung, 39 (57); Buschbaum, in: Münch/Lipp, Die Freizügigkeit notarieller Urkunden in Europa, 2017, 37 (41); Schmitz, RNotZ 2017, 269 (270 f.); Dorsel/Schall, GPR 2015, 36 (37); Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  621 f.; ähnlich BeckOK-GBO/Wilsch, §  35 Rn.  167a; ähnlich Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  39 EuErbVO Rn.  4; wohl auch Dutta/ Weber/Weber, Art.  39 EuErbVO Rn.  21. 26  Dorsel/Schall, GPR 2015, 36 (37). 27  Hess/Jayme/Pfeiffer, Heidelberg-Stellungnahme, S.  48. 28  Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, 259 (267).

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

gen auslösen kann.29 Eine Sperrwirkung muss mit den Wertungen des Unionsgesetzgebers zum Verhältnis von Zeugnis und mitgliedstaatlichen Erbnachweisen gerechtfertigt werden können. Das Prinzip der Koexistenz lässt allerdings nicht zu, dass mitgliedstaatliche Erbnachweise in ihrer Verkehrsfähigkeit unter der EuErbVO eingefroren werden (die Verkehrsfähigkeit ist freilich insoweit nicht eingefroren, als nach den Verfechtern der Sperrwirkung das autonome Recht der Mitgliedstaaten über die Verkehrsfähigkeit entscheiden; doch geht es hier um die Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise gerade im Kontext der ­EuErbVO, die umfassend die justizielle Zusammenarbeit im Gebiet des Erb­ rechts reguliert und somit einheitliche Regeln schafft). An vielen Stellen der ­EuErbVO wird der optionale Charakter des Zeugnisses deutlich (z.B. ErwG 69, Art.  62 Abs.  2 EuErbVO). Den Erben, deren Interessen als Adressaten der Erbnachweise maßgeblich berücksichtigt werden sollten, werden mehr Handlungsoptionen eröffnet, die grenzüberschreitende Nachlassabwicklung zu betreiben, wenn die mitgliedstaatlichen Erbnachweise wie zuvor verkehrsfähig sind. Es bleibt unklar, welcher Nutzen mit der Sperrwirkung verfolgt werden soll. Will man den Mitgliedstaaten nicht die Aufnahme der mitgliedstaatlichen Erbnachweise aufzwingen, weil sie u.U. mit der lex fori nicht übereinstimmen30, so ist dem entgegenzuhalten, dass die Rechtsfolgen der Anerkennung bzw. der Annahme überschaubar und im Vergleich zu denen bei der Verwendung des Zeugnisses deutlich schwächer sind.31 Außerdem begrenzen die Nichtanerkennungsgründe des Art.  40 EuErbVO, die auch auf Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden sind32, und die ordre public-Kontrolle des Art.  59 Abs.  1 ­EuErbVO im Vorhinein die Verkehrsfähigkeit. Der naheliegende Einwand, dass doch sogleich die Anerkennung oder die Annahme mitgliedstaatlicher Erbnachweise unzulässig sein sollten, wenn die Rechtsfolgen derart geringfügig sind, verkennt den Subsidiaritäts- und Effektivitätsgrundsatz. Denn es ist nicht auszuschließen, dass Nachlasskonstellationen existieren, in denen zunächst der mitgliedstaatliche Erbnachweis ausgestellt wurde und im Weiteren die Inanspruchnahme der Verkehrsfähigkeit dieses mitgliedstaatlichen Erbnachweises für die Zwecke der Nachlassabwicklung durch den Erben genügt. Von vornherein könnte damit die Beantragung des Zeugnisses, nicht in Erwägung gezogen werden.

29 

Siehe sogleich unten im 5. Kap., B., III., S.  408 ff. und 5. Kap., B., IV., S.  412 ff. Hager/Buschbaum, Die neue europäische Erbrechtsverordnung, 39 (57). 31  Siehe sogleich unten im 5. Kap., B., III., S.  408 ff. und 5. Kap., B., IV., S.  412 ff. 32  Dutta/Weber/Weber, Art.  40 EuErbVO Rn.  36; jurisPK-BGB/Schärtl, Art.  40 EuErbVO Rn.  18. 30 

B. Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO

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2. Ungleichbehandlung in der grenzüberschreitenden Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise? Für die Unanwendbarkeit des Anerkennungs- und Annahmeregimes der EuErbVO auf mitgliedstaatliche Erbnachweise wird weiterhin eingebracht, dass mit der Sperrwirkung ein Ungleichgewicht zulasten derjenigen Mitgliedstaaten vermieden wird, die keinen Erbnachweis vorsehen, der als Entscheidung oder öffentliche Urkunde errichtet wird (i.e. die privat errichteten Erbnachweise in Schweden und Finnland), und die deshalb von der grenzüberschreitenden Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise nicht profitieren könnten.33 Schweden müsste etwa ausländische Erbnachweise nach Art.  39 ff. EuErbVO anerkennen oder nach Art.  59 EuErbVO annehmen, ohne dass das schwedische Nachlassverzeichnis über dieselben Normen in die anderen Mitgliedstaaten exportiert werden könnte.34 Diese Argumentation verkennt indessen, dass die ­EuErbVO eine gleichartige Behandlung jedweder mitgliedstaatlicher Erbnachweise nicht beabsichtigt und auch nicht gewährleisten kann. Die EuErbVO greift grundsätzlich nicht in das materielle Erbrecht der Mitgliedstaaten ein (abgesehen von der Statuierung der materiellrechtlichen Wirkungen des Zeugnisses als vereinheitlichtes Sachrecht, das freilich das materielle Recht der Mitgliedstaaten korrespondierend mit der optionalen Natur des Zeugnisses ausschließlich ergänzt). Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Besonderheiten eines mitgliedstaatlichen Erbrechtssystems nicht mit den internationalzivilverfahrensrechtlichen Kategorien der EuErbVO kompatibel sind, wie es bei den privat errichteten Erbnachweisen der Fall ist. Ein dadurch entstehendes Ungleichgewicht ist aus diesem Grund hinzunehmen, zumal mit dem Zeugnis auch für Schweden und Finnland ein grenzüberschreitender Erbnachweis zur Verfügung steht35 und es ihnen frei steht, ihren nationalen Erbnachweis zu reformieren bzw. den Gegebenheiten, die mit der Einführung des Zeugnisses entstehen, anzupassen. Wenn schließlich in systematischer Hinsicht eingewendet wird, dass eine Zirkulation mitgliedstaatlicher Erbnachweise gemäß Art.  59 EuErbVO aus dem Grund ausscheiden muss, dass zumindest für die notariellen mitgliedstaatlichen Erbnachweise keine harmonisierten Zuständigkeitsvorschriften gelten36, ist dem entgegenzuhalten, 33 

Hager/Buschbaum, Die neue europäische Erbrechtsverordnung, 39 (58). Vgl. Hager/Buschbaum, Die neue europäische Erbrechtsverordnung, 39 (58). 35  Dies dann im Hinblick auf die befürchtete Benachteiligung nationaler Erbnachweise wiederum erkennend Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, 589 (604). 36  Vgl. Buschbaum, in: Münch/Lipp, Die Freizügigkeit notarieller Urkunden in Europa, 2017, 37 (42), der zudem wohl auch die gerichtlichen mitgliedstaatlichen Erbnachweise nicht dem Zuständigkeitsregime der EuErbVO unterwerfen will. Widersprüchlich ist ferner, dass der Ausschluss der Anwendbarkeit von Art.  59 EuErbVO aufgrund eines fehlenden einheitlichen Zuständigkeitsregimes mit einem Vergleich zu europäischen Anerkennungs- und Vollstre34 

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

dass eine derartige Kopplung zwischen der Verkehrsfähigkeit öffentlicher Urkunden und ihrer Errichtung nach einem europäisch harmonisierten Zuständigkeitsregime in keiner Weise in der EuErbVO angelegt ist. Dies ergibt sich bereits aus ErwG 22 S.  2, 3, wonach öffentliche Urkunden nicht nach den Zuständigkeitsregeln der EuErbVO verkehren, wenn sie von einem Notar errichtet werden, der keine gerichtlichen Funktionen ausübt. Der Unionsgesetzgeber geht demzufolge davon aus, dass öffentliche Urkunden bzw. in öffentlicher Urkunde errichtete Erbnachweise, die nach dem autonomen Zuständigkeitssystem des Errichtungsstaates ausgestellt wurden, im europäischen Rechtsraum verkehrsfähig sind und entsprechende Wirkungen im Regelungsbereich des Art.  59 EuErbVO entfalten. 3. Beschwichtigung und Zwischenergebnis Wer dennoch unter diesen Aspekten Verfechter der Sperrwirkung bleibt, sollte erkennen, dass das Zeugnis durch die Öffnung der Art.  39 ff. EuErbVO und des Art.  59 EuErbVO auf mitgliedstaatliche Erbnachweise grundsätzlich nicht an Vorzugswürdigkeit einbüßt. Neben diesem teleologischen Argument deuten auch Wortlaut und Systematik auf die fortzuführende Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter dem Regime der EuErbVO hin. Weder in Art.  39 ff. EuErbVO noch in Art.  59 EuErbVO werden mitgliedstaatliche Erbnachweise ausdrücklich ausgeschlossen. Es wird allgemein von Entscheidung und öffentlicher Urkunde gesprochen. Hätte der Unionsgesetzgeber eine derartige Sperrwirkung in Anbetracht der Einführung des Zeugnisses gewollt, hätte er zumindest in Kapitel VI zum Zeugnis eine Regelung aufgenommen, nach der die Vorschriften von Kapitel IV und V auf mitgliedstaatliche Erbnachweise keine Anwendung finden.37 Einen konkludenten Ausschluss anzunehmen, erscheint angesichts der damit einhergehenden vollständigen Beseitigung der Verkehrsfähigkeit der mitgliedstaatlichen Erbnachweise im grenzüberschreitenden Verkehr unter der ­EuErbVO zu weitgehend. Ebenso wenig vermag der Umstand, dass die mitgliedstaatlichen Erbnachweise nach dem autonomen Recht der Mitgliedstaaten ihre grenzüberschreitende Verkehrsfähigkeit beibehalten würden, einen Ausschluss der Verkehrsfähigkeit unter der EuErbVO zu rechtfertigen. Denn die EuErbVO setzt für die Mitgliedstaaten gleiche Maßstäbe, so dass Einheitlichkeit und ckungsregelungen, die ein einheitliches System der internationalen Zuständigkeit erfordern, begründet wird, obwohl Art.  59 EuErbVO lediglich die Annahme öffentlicher Urkunden regelt. 37  Zu dem gegenteiligen Ergebnis mit der gleichen Argumentation einer ausdrücklichen Regelung gelangt Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  39 EuErbVO Rn.  4. Geeignet wäre z.B. die Inkorporierung einer solchen Regelung in Art.  62 Abs.  3 EuErbVO. Doch diese Norm zeigt gerade, dass die mitgliedstaatlichen Erbnachweise grundsätzlich von der Einführung des Zeugnisses unberührt bleiben.

B. Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO

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Rechtssicherheit auch dann gefördert werden, wenn die mitgliedstaatlichen Erbnachweise im Rahmen der Art.  39 ff. EuErbVO und Art.  59 EuErbVO verkehrsfähig sind. Mehr noch spricht die Alternative, das autonome Recht der Mitgliedstaaten für die Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise maßgeblich sein zu lassen, für eine Einbeziehung der mitgliedstaatlichen Erbnachweise in das Anerkennungs- und Annahmeregime der EuErbVO. Hinge der Nutzen eines mitgliedstaatlichen Erbnachweises von dem autonomen Recht des Verwendungsstaates ab, bestünden diverse Anerkennungsregime, die den Rechtsanwender wie vor Inkrafttreten der EuErbVO vor nicht unerheblichen Hürden stellen. Die Einbeziehung der mitgliedstaatlichen Erbnachweise in die EuErbVO beseitigt dieses Problem, ohne den Nutzen der mitgliedstaatlichen Erbnachweise einzuschränken, da das Anerkennungsniveau der EuErbVO – soweit ersichtlich – mit dem autonomen Recht der Mitgliedstaaten38 mindestens auf gleicher Ebene steht. Nach alledem ist festzuhalten, dass eine Sperrwirkung nicht zu befürworten ist und die Art.  39 ff. EuErbVO und Art.  59 EuErbVO für die Begründung der Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise eröffnet sind. II. Subsumtion mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter Art.  39 ff. EuErbVO und/oder Art.  59 EuErbVO? Sind damit Art.  39 ff. EuErbVO und Art.  59 EuErbVO auf mitgliedstaatliche Erbnachweise anwendbar, muss als erstes beantwortet werden, welches Regime für die mitgliedstaatlichen Erbnachweise eingreift. Es kommt mithin darauf an, ob der zum grenzüberschreitenden Verkehr verwendete mitgliedstaatliche Erbnachweis eine Entscheidung – dann Anwendung von Art.  39 ff. EuErbVO – oder eine öffentliche Urkunde – dann Anwendung von Art.  59 EuErbVO – verkörpert. Zu klären ist zunächst, wie die Entscheidung i.S.d. Art.  39 ff. EuErbVO und wie die öffentliche Urkunde i.S.d. Art.  59 EuErbVO zu definieren sind. Die EuErbVO behilft sich bekanntlich mit Legaldefinitionen in Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO bzw. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO. Wie im ersten Kapitel dargestellt, lässt sich zwischen gerichtlichen und notariellen Erbnachweisen differenzieren.39 38  Vgl. z.B. §  108 FamFG oder §  97 AußStrG (in Österreich gilt die Wirkungserstreckungstheorie, vgl. Gitschthaler/Höllwerth/Fuchs, AußStrG, §  100 Rn.  11). 39  Vgl. oben im 2. Kap., A., II., S.  17 ff. Außen vor bleiben die privat errichteten Erbnachweise wie jene aus Schweden und Finnland, da diese weder von einem Gericht noch von einer anderen Behörde erteilt werden und daher nicht unter die Art.  39 ff. EuErbVO und Art.  59 ­EuErbVO fallen; inwieweit diesen Erbnachweisen Beweiswirkung zukommt, lässt sich allenfalls über eine kollisionsrechtliche Anerkennung nach dem Erbstatut erreichen, vgl. MüKo­ BGB/Dutta, Art.  3 EuErbVO Rn.  17; Deixler-Hübner/Schauer/Deixler-Hübner/Schauer, Art.  3 EuErbVO Rn.  38.

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

Nach einer im Schrifttum weit verbreiteten Ansicht ist das Anerkennungsregime nach Art.  39 ff. EuErbVO bei Erteilung des mitgliedstaatlichen Erbnachweises durch ein Gericht i.S.d. Art.  3 Abs.  2 EuErbVO anzuwenden.40 Andererseits sollen nach einer weiteren Auffassung sowohl gerichtliche als auch notarielle Erbnachweise als öffentliche Urkunden ausschließlich von Art.  59 EuErbVO erfasst werden.41 Die Zuordnung zu einem bestimmten Regime ist aus dem Grund von Bedeutung, dass die Rechtsfolgen der Anerkennung und der Annahme unterschiedlich sind. Eine öffentliche Urkunde, die nach Art.  59 EuErbVO der Annahme fähig ist, liegt jedenfalls vor, wenn kein Gericht, sondern ein Notar den Erbnachweis erteilt hat.42 Notarielle Erbnachweise erfüllen die in Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO aufgestellten Anforderungen an eine öffentliche Urkunde. Sie sind ein Schriftstück in Erbsachen, werden von einem Notar errichtet und die Beweiskraft bezieht sich auf die Unterschrift und den Inhalt. Beispielsweise kommt dem verklaring van erfrecht formelle und materielle Beweiskraft zu.43 Er kann nach Art.  59 EuErbVO angenommen werden (indes beschränkt sich die Annahme ausweislich des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO lediglich auf die formelle Beweiskraft des verklaring van erfrecht). Zu untersuchen ist, ob ein gerichtlicher Erbnachweis dem Anerkennungs- oder Annahmeregime unterworfen ist. Im Ausgangspunkt muss nochmals darauf rekurriert werden, inwiefern ein gerichtlicher Erbnachweis die Voraussetzungen an eine Entscheidung nach Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO erfüllt. Es sind erneut die wesentlichen Kriterien einer Entscheidung aufzurufen. Abgesehen von dem erb­ rechtlichen Bezug („Entscheidung in Erbsachen“), womit das Verfahren also in den sachlichen Anwendungsbereich der EuErbVO nach Art.  1 Abs.  1 EuErbVO fallen muss, zeichnet sich eine Entscheidung i.S.d. Art.  39 Abs.  1 EuErbVO bzw. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO dadurch aus, dass erstens ein Gericht i.S.d. Art.  3 40 

NK-BGB/Nordmeier, Art.  62 EuErbVO Rn.  18; jurisPK-BGB/Eichel, Art.  3 EuErbVO Rn.  10; MüKoBGB/Dutta, Art.  3 EuErbVO Rn.  17; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  7; MüKoBGB/Grziwotz, §  2353 Rn.  210; Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  317 f. 41  Dörner, DNotZ 2018, 661 (668 und 671); Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (735 ff.); Herzog, ErbR 2013, 2 (13); wohl auch Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch/Köhler, Internationales Erbrecht, §  6 Rn.  2. 42  Dutta, IPRax 2015, 32 (38); vgl. auch Dörner, DNotZ 2018, 661 (668); wohl auch Süß, ZEuP 2013, 725 (749); zweifelnd im Hinblick auf den französischen acte de notoriété Lechner, ZErb 2014, 188 (192). Vgl. auch EuGH, Urt. v. 23.5.2019 – C-658/17 Rn.  71, nach dem eine von einem polnischen Notar errichtete Urkunde über die Bestätigung der Erbenstellung eine öffentliche Urkunde i.S.d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO ist. Diese Urkunde ist damit auch der Annahme gemäß Art.  59 EuErbVO fähig. 43  Vgl. oben im 2. Kap., A., II., 2., c), S.  21.

B. Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO

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Abs.  2 EuErbVO die Entscheidung erlassen hat. Da die gerichtlichen Erbnachweise von einem Gericht i.S.d. Art.  3 Abs.  2 EuErbVO (z.B. Nachlassgericht nach deutschem Recht, vgl. §  2353 BGB) erteilt werden, ist diese Voraussetzung grundsätzlich erfüllt. Wichtiger als der formale Aspekt ist der materielle Gehalt des Entscheidungsbegriffs. Seine Bedeutung wurde bereits im Kontext der Problematik der internationalen Zuständigkeit für mitgliedstaatliche Erbnachweisverfahren behandelt.44 Es ist in diesem Kontext zu beachten, dass die Oberle-Entscheidung in keiner Weise prädestiniert, wie der Entscheidungsbegriff i.S.d. Anerkennungssystems der EuErbVO auszufüllen ist, denn zum Entscheidungsbegriff i.S.d. Art.  39 ff. EuErbVO – die im Übrigen in sämtlichen Sprachfassungen den Entscheidungsbegriff i.S.d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO verwenden anders als Art.  4 EuErbVO – äußert sich der EuGH nicht.45 Dass sich demnach die internationale Zuständigkeit für das Erbscheinsverfahren nach Art.  4 ff. EuErbVO richtet, bedeutet nicht, dass der Erbschein als Entscheidung i.S.d. Art.  39 ff. ­EuErbVO anzuerkennen wäre.46 Vielmehr kann unabhängig und ohne Einfluss von der Oberle-Entscheidung auf den bereits dargelegten Entscheidungsbegriff i.S.d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO Bezug genommen werden. Danach ist die Subsumtion etwa eines deutschen Erbscheins unter den Entscheidungsbegriff ausgeschlossen. Denn der deutsche Erbschein bezeugt lediglich deklaratorisch die Rechtslage, gestaltet sie aber nicht mit bindender Wirkung nach außen.47 Gleiches gilt auch für den griechischen Erbschein. Eine Ausnahme bildet beispielsweise der österreichische Einantwortungsbeschluss, der aufgrund seiner Gestaltungswirkung tatsächlich in die Rechtsverhältnisse gestaltend eingreift, so dass er einer verfahrensrechtlichen Anerkennung zugänglich ist.48 Das bedeutet im Umkehrschluss für die gerichtlichen Erbnachweise, die keine solche Gestaltungswirkung oder ähnliche verfahrensrechtliche Wirkungen besitzen, dass sie jedenfalls als öffentliche Urkunden i.S.d. Art.  59 EuErbVO anzunehmen sind. Denn sie werden von einer Behörde (Gericht) ausgestellt und beinhalten die Aussage, dass der im gerichtlichen Erbnachweis bezeichnete Aussteller unter den genannten Umständen (Ort, Zeit) eine Erklärung mit einem bestimmten Inhalt abgegeben hat.49 Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass die Anwendung der Art.  39 ff. EuErbVO auf mitgliedstaatliche Erbnachweise sich auf solche Erb44 

Siehe oben im 3. Kap., C., I., 1., a), aa), (1), (b), S.  220 ff. So auch Fornasier, FamRZ 2018, 1262 (1266). 46  Skeptisch zur „Korrelation und Kopplung“ zwischen Art.  4 ff. EuErbVO und Art.  39 ­EuErbVO Mankowski, FamRZ 2017, 564 (568). 47  Siehe erneut oben im 3. Kap., C., I., 1., a), aa), (1), (b), S.  220 ff. 48  Vgl. NK-BGB/Makowsky, Art.  39 EuErbVO Rn.  5; zur Gestaltungswirkung des Einantwortungsbeschlusses siehe oben im 3. Kap., B., I., 2., a), S.  67 f. 49  Dörner, DNotZ 2018, 661 (668). 45 

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

nachweise beschränkt, die über genuin verfahrensrechtliche Wirkungen entfalten. Der Anwendungsbereich ist deshalb sehr überschaubar. III. Wirkungen der Anerkennung mitgliedstaatlicher Erbnachweise Subsumiert man gerichtliche Erbnachweise (und nicht nur solche wie der Einantwortungsbeschluss) wie ein erheblicher Teil des Schrifttums unter Art.  39 ff. ­EuErbVO, erhält die Frage rechtliche Relevanz, welche Wirkungen überhaupt anerkannt werden würden. Die EuErbVO schweigt zur Wirkung der Anerkennung. Nach herrschender Auffassung, der insbesondere auch der EuGH im Hinblick auf die Brüssel Ia-VO a.F. gefolgt ist50, bedeutet Anerkennung Wirkungserstreckung betreffend die verfahrensrechtlichen Wirkungen der gerichtlichen Entscheidung in den Zielmitgliedstaat.51 Das bedeutet, dass die anzuerkennende ausländische Entscheidung im Zielmitgliedstaat dieselben Wirkungen entfaltet wie im Ursprungsmitgliedstaat und zwar schon zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat ergangen ist52. Bei der verfahrensrechtlichen Anerkennung sind folgende sog. prozessuale Entscheidungswirkungen auf den Zielmitgliedstaat zu erstrecken, soweit sie nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates der Entscheidung zugewiesen sind: die materielle Rechtskraft, die Präklusion, die Bindung an Entscheidungselemente und tatsächliche Feststellungen in Folgeprozessen, die Gestaltungswirkung von Gestaltungsurteilen und die Interventionswirkungen.53 1. Reichweite der verfahrensrechtlichen Anerkennung im Hinblick auf die Wirkungen der mitgliedstaatlichen Erbnachweise Ob die Wirkungen eines gerichtlichen Erbnachweises unter den soeben genannten Wirkungen fallen, muss nach dem bereits Gesagten stark bezweifelt werden. Während eine extensive Ansicht in Bezug auf die Vermutungs-, Gutglaubens50 

Vgl. exemplarisch EuGH, Urt. v. 15.11.2012 – C-456/11, EuZW 2013, 60. BeckOGK/J. Schmidt, Art.  39 EuErbVO Rn.  8; Dutta/Weber/Weber, Art.  39 EuErbVO Rn.  11; Deixler-Hübner/Schauer/K. Binder, Art.  39 EuErbVO Rn.  21; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, Art.  36 Brüssel Ia-VO Rn.  2; Klinck, FamRZ 2009, 741; für die vorliegende Untersuchung ist nur von rechtlichem Interesse, wie und welche Wirkungen der mitgliedstaatlichen Erbnachweise über die Anerkennung nach der Wirkungserstreckungstheorie in den Zielmitgliedstaat übertragen werden können, um daraus vor allem einen Vergleich zum Zeugnis zu ziehen. 52  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  39 EuErbVO Rn.  1. 53  Dutta/Weber/Weber, Art.  39 EuErbVO Rn.  14; Rechberger/Zöchling-Jud/Fucik, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  248; Dörner, DNotZ 2018, 661 (665); Schulz, Die Subsumtion ausländischer Rechtstatsachen, S.  48; Griem, Probleme des Fremdrechtserbscheins gemäß §  2369 BGB, S.  56. 51 

B. Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO

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und Legitimationswirkung (z.B. des Erbscheins) eine Parallele zu den Gestaltungswirkungen von Gestaltungsurteilen zieht und damit eine Wirkungserstreckung der materiellrechtlichen Wirkungen auf den Anerkennungsstaat bejaht54, setzen andere, die ohnehin die Subsumtion gerichtlicher Erbnachweise (außer solcher wie des Einantwortungsbeschlusses) unter den Entscheidungsbegriff gemäß Art.  39 ff. EuErbVO ablehnen, bereits bei der Natur der Wirkungen der Erbnachweise an, um ihre Argumentation nunmehr auf Rechtsfolgenseite weiter auszubauen. So seien die Wirkungen der Erbnachweise nicht prozessualer Natur, sondern ergeben sich aus dem materiellen Recht (§§  2365 ff. BGB für den Erbschein); die materiellrechtlichen Wirkungen könnten indes nicht Gegenstand ­einer verfahrensrechtlichen Anerkennung sein.55 Die richtige Methode sei die Substitution, die von der Auslegung des jeweiligen materiellen Rechts abhänge

54  MüKoBGB/Dutta, Art.  39 EuErbVO Rn.  2; jurisPK-BGB/Schärtl, Art.  39 EuErbVO Rn.  8. Unklar erscheint, wie eine etwaige Erstreckung etwa der Gutglaubenswirkung des Erbscheins rechtlich umzusetzen wäre. Das wird von den Befürwortern der Auffassung nicht weiter erläutert. Wenn indessen §§  2366, 2367 BGB erbrechtlich zu qualifizieren wäre und deshalb in den Anwendungsbereich der EuErbVO fällt, müssen die mitgliedstaatlichen Gerichte bei Maßgeblichkeit deutschen Erbstatuts und der Existenz eines Erbscheins die Gutglaubenswirkung als materiellrechtliche Normen ohnehin berücksichtigen. Das ist dann keine Frage der Anerkennung eines Erbscheins mehr. Eine erbrechtliche Qualifikation kann damit begründet werden, dass die Gutglaubenswirkung eine Wirkung des Erbscheins ist, der Gutglaubensschutz an der abstrakten Existenz des Erbscheins anknüpft, der Rechtsverkehr allgemein durch den staatlichen Akt der Erteilung des Erbscheins durch das Nachlassgericht in seinem Vertrauen geschützt werden soll und gerade aus diesem Grund ein Gutglaubensschutz gewährt wird. Ferner stehen §§  2366, 2367 BGB systematisch im 5. Buch des BGB zum Erbrecht. Andererseits ist auch eine sachenrechtliche bzw. schuldrechtliche Qualifikation denkbar, weil es auch beim erbrechtlichen Gutglaubensschutz darum geht, die Verfügungsbefugnis bzw. die Empfangszuständigkeit zu fingieren. Die erbrechtliche Rechtsstellung bildet insoweit nur die Basis für den öffentlichen Glauben des Erbscheins, der sich in der Hauptsache im Sachen- und Schuldrecht abspielt. Daran ändert auch nichts, dass die Redlichkeitserfordernisse einen spezifischen erb­ rechtlichen Bezug haben. Als Ausschlussgründe prägen sie nicht den Gutglaubensschutz des Erbscheins, der Dritte zum Erwerb von Nachlassgegenständen bzw. zur befreienden Leistung verhelfen will. Für eine erbrechtliche Qualifikation spricht sich inzident Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2370 Rn.  78 aus. Folgt man einer sachenrechtlichen bzw. schuldrechtlichen Qualfikation, ist die Anwendung von §§  2366, 2367 BGB ausgeschlossen, so dass man konsequenterweise prüfen müsste, ob die französische Rechtsordnung einen gesetzlichen Gutglaubenstatbestand kennt, bei dem der Erbschein den französischen Erbnachweis substituiert. 55  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  39 EuErbVO Rn.  6; NK-BGB/Makowsky, Art.  39 EuErbVO Rn.  5; vgl. auch allgemein Dörner, DNotZ 2018, 661 (665); in Bezug auf §  108 FamFG Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (731 ff.); vgl. auch Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, §  17 Rn.  928; Griem, Probleme des Fremdrechtserbscheins gemäß §  2369 BGB, S.  56; Gronle, Nachweis nach §  35 GBO durch ausländische Erbzeugnisse, S.  99.

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

und deshalb eine Frage des autonomen Rechts der Mitgliedstaaten sei.56 Eine Substitution ex lege ordnet die EuErbVO nicht an. Der Unionsgesetzgeber hätte damit in unzulässiger Weise in die Hoheitsgewalt der Mitgliedstaaten über ihr materielles Recht eingegriffen. Eingedenk der Einführung des Zeugnisses wäre die Anordnung einer Substitution zugegebenermaßen ohne praktische Bedeutung und hätte bloß Unübersichtlichkeit gestiftet. Die Frage nach der funktionellen Äquivalenz eines ausländischen Instituts für die Erfüllung eines inländischen Tatbestandsmerkmals stellt sich nicht, da das Zeugnis bzw. seine Vorlage in den einschlägigen Gesetzesnormen regelmäßig ein Tatbestandsmerkmal sind. Hier zeigt sich einmal mehr die Vorteilhaftigkeit des Zeugnisses mit seinen sekundärrechtlichen Tatbestandswirkungen.57 Im Ergebnis entscheidet nach dieser Auffassung folglich die lex causae darüber, inwiefern sich die materiellrechtlichen Wirkungen des ausländischen Erbnachweises im Zielmitgliedstaat entfalten können.58 Denn als Tatbestandswirkungen, die das materielle Recht dem Erbnachweis zuweist, sind die Wirkungen nicht anerkennungsfähig.59 Der letztgenannten Auffassung ist zuzustimmen: Die Erstreckung der mate­ riell­rechtlichen Wirkungen würde die Grenzen der verfahrensrechtlichen Anerkennung verschwimmen lassen. Die Frage, welche materiellrechtlichen Normen gelten, wird vom dem durch das Kollisionsrecht berufenen anwendbaren Recht bestimmt.60 Außerdem würde eine Erstreckung der materiellrechtlichen Wirkungen bedeuten, dass die EuErbVO die gerichtlichen Erbnachweise in ihrer Verkehrsfähigkeit maximal erhöht (dies wird mit dem Hinweis auf das Zeugnis allerdings auch als Argument dafür genutzt, die gerichtlichen Erbnachweise nicht unter Art.  39 ff. EuErbVO zu subsumieren; indes muss, wie bereits dargestellt, zwischen der grundsätzlichen Anwendbarkeit und den Wirkungen der Anerkennung unterschieden werden). Ein solch gewaltiger Ausbau der Verkehrsfähigkeit der gerichtlichen Erbnachweise kann in Anbetracht der Einführung des Zeugnisses und der Entscheidung für die große Lösung nicht beabsichtigt gewesen sein. Der Unionsgesetzgeber hat sich gegen die Anerkennungslösung, also die Regulierung der Anerkennung mitgliedstaatlicher Erbnachweise im grenzüberschreitenden Verkehr, entschieden. Eine unübersichtliche Anerkennungspra56  Dutta/Weber/Weber, Art.  39 EuErbVO Rn.  18; NK-BGB/Makowsky, Art.  39 EuErbVO Rn.  5; jurisPK-BGB/Schärtl, Art.  39 EuErbVO Rn.  9; Dörner, DNotZ 2018, 661 (674). 57  Vgl. Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (730). 58  Wie in Bezug auf §  108 FamFG vgl. Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (731); ­Gronle, Nachweis nach §  35 GBO durch ausländische Erbzeugnisse, S.  99; Schulz, Die Subsumtion ausländischer Rechtstatsachen, S.  48. 59  Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  318. 60  Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  318; MüKoFamFG/Rauscher, §  108 Rn.  19; Kuhn, SZIER 2002, 1 (19).

B. Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO

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xis unterschiedlicher Erbnachweise, die je nach Mitgliedstaat einen unterschiedlichen Wirkungsgehalt aufweisen, in potentiell jedem Mitgliedstaat wäre die Folge. Die Unübersichtlichkeit würde noch dadurch erhöht, wenn daneben ein Zeugnis zirkuliert. Dass dies freilich auch der Fall sein kann, wenn die materiellrechtlichen Wirkungen der Erbnachweise nicht erstreckt werden, hat im Vergleich indessen weniger Brisanz. Dies ergibt sich daraus, dass nach hiesiger Auffassung nur die verfahrensrechtlichen Wirkungen der gerichtlichen Erbnachweise anerkannt werden (siehe sogleich). Von einer Unübersichtlichkeit bei paralleler Existenz eines Zeugnisses kann nicht die Rede sein, da nur das Zeugnis die materiellrechtlichen Wirkungen nach Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO im grenzüberschreitenden Verkehr entfaltet und die Transportation der verfahrensrechtlichen Wirkungen den Rechtsverkehr grundsätzlich nicht aufzustören vermag. Was damit den Anwendungsbereich der Anerkennung gerichtlicher Erbnachweise betrifft, so sind lediglich die genuin verfahrensrechtlichen Wirkungen anzuerkennen, wie etwa die Gestaltungswirkung des Einantwortungsbeschlusses.61 In einem deutschen Zivil- oder Nachlassverfahren muss demnach der Richter von dem Vollzug der Universalsukzession mit der Einantwortung durch das Verlassenschaftsgericht nach österreichischem Erbstatut ausgehen. Das könnte in solchen Verfahren bedeutsam sein, in denen es zwischen den Parteien streitig ist, ob eine Partei überhaupt die Erbenstellung besaß und dieser Umstand Voraussetzung für einen geltend gemachten Anspruch ist. Die Anerkennung der Gestaltungswirkung widerspricht nicht der großen Lösung bzw. steht nicht im Einklang mit der verworfenen Anerkennungslösung, weil materiellrechtliche Wirkungen, namentlich die Gutglaubenswirkung (§  824 S.  2 ABGB), nicht erfasst werden. Die Gestaltungswirkung des Einantwortungsbeschlusses in der grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung hilft allein ohne Hinzuziehung der Vermutungs-, Gutglaubens- und Legitimationswirkung kaum weiter. Der Nutzen der verfahrensrechtlichen Anerkennung ist daher, wie angedeutet, spärlich. 2. Zwischenergebnis Nach alledem geht die Anerkennung überwiegend ins Leere62, zumindest was die materiellrechtlichen Wirkungen betrifft, die bei den Erbnachweisen doch am bedeutendsten sind. Dass aber wegen der unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Erbnachweissysteme der Anwendungsbereich der Art.  39 ff. EuErbVO im Hinblick auf die mitgliedstaatlichen Erbnachweise schmal ist, ist hinzunehmen und verhindert nicht die grundsätzliche Anwendbarkeit von Art.  39 ff. EuErbVO auf bestimmte gerichtliche Erbnachweise. 61  62 

NK-BGB/Makowsky, Art.  39 EuErbVO Rn.  5; MüKoFamFG/Rauscher, §  108 Rn.  19. So auch NK-BGB/Makowsky, Art.  39 EuErbVO Rn.  5.

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

IV. Wirkungen der Annahme mitgliedstaatlicher Erbnachweise Sofern die Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise in Rede steht, die nicht unter Art.  39 ff. EuErbVO fallen (und das gilt für die meisten mitgliedstaatlichen Erbnachweise), kommt nur eine Annahme als öffentliche Urkunde nach Art.  59 EuErbVO in Betracht. Allem voran ist zu betonen, dass die Vorschrift des Art.  59 EuErbVO und ihr Regelungszweck äußerst umstritten sind.63 Vor dem Hintergrund des Vergleichs der Durchsetzbarkeit von mitgliedstaatlichen Erbnachweisen und dem Zeugnis soll der Schwerpunkt auf der Frage liegen, ob und inwieweit die Wirkungen des mitgliedstaatlichen Erbnachweises über die Annahme gemäß Art.  59 EuErbVO in den Zielmitgliedstaat übertragen werden können. 1. Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft Nach Art.  59 Abs.  1 EuErbVO hat eine in einem Mitgliedstaat errichtete öffentliche Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung, sofern dies der öffentlichen Ordnung des betreffenden Mitgliedstaates nicht offensichtlich widersprechen würde. Dass mitgliedstaatliche notarielle Erbnachweise zu den öffentlichen Urkunden i.S.d. Art.  59 Abs.  1 EuErbVO gehören, wurde bereits festgestellt.64 Ausweislich des Wortlauts ordnet Art.  59 Abs.  1 EuErbVO lediglich eine Wirkungserstreckung beschränkt auf die formelle Beweiskraft („instrumentum“65) der betreffenden öffentlichen Urkunde an.66 Art und Umfang der formellen Beweiskraft richten sich hierbei nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates (vgl. ErwG 61 S.  2, 3).67 Die formelle Beweiskraft umfasst zum einen die Echtheit der Urkunde und zum anderen die Vollständigkeit und Richtigkeit der in der Urkunde bezeugten Tatsachen nach Inhalt, Ort und Zeit.68 Gemeint sind also die verfahrensrechtlichen Beweiswirkungen der 63 

Vgl. nur Dutta/Herrler/Geimer, Die Europäische Erbrechtsverordnung, 143. Siehe oben im 5. Kap., B., II., S.  405 ff. 65  Mansel, in: Hess/Jayme/Mansel (Hrsg.), Europa als Rechts- und Lebensraum, Liber amicorum für Christian Kohler zum 75. Geburtstag, 2018, 301 (303). 66  NK-NachfolgeR/Köhler, Art.  59 EuErbVO Rn.  2; a.A. Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, 589 (604), der nationale Erbnachweise mit Gutglaubenswirkung über Art.  59 EuErbVO zirkulieren lässt, mithin eine Wirkungserstreckung der materiellrechtlichen Gutglaubenswirkung annimmt. 67  EuGH, Urt. v. 16.7.2020 – C-80/19, NJW 2020, 2947 (2951); BeckOGK/J. Schmidt, Art.  59 EuErbVO Rn.  17; Dutta, FamRZ 2013, 4 (13 f.); a.A. Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2397) sowie Janzen, DNotZ 2012, 484 (491), die die Wirkungserstreckung nur in den Grenzen des Rechts des Zielmitgliedstaates zulassen. 68  Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (737 f.); Stürner, in: Münch/Lipp, Die Freizügigkeit notarieller Urkunden in Europa, 2017, 47 (53); Mansel, in: Hess/Jayme/Mansel (Hrsg.), 64 

B. Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO

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Urkunde, die das Recht des Ursprungsmitgliedstaates der Urkunde verleiht.69 Die Erstreckung der formellen Beweiskraft eines notariellen Erbnachweises würde bedeuten, dass z.B. für den deutschen Richter in einem Nachlass- oder Zivilverfahren beweiskräftig feststeht, dass der ausgewiesene Erbe zu dem im Erbnachweis bezeichneten Zeitpunkt beim Notar erschienen ist und er sowie die anderen Beteiligten (z.B. Zeugen beim acte de notoriété) die Erklärungen abgegeben haben.70 Auf der Grundlage dieser Tatsachen hat das Gericht sodann unter Anwendung des jeweiligen anwendbaren Rechts eine Entscheidung zu treffen (z.B. im Rahmen einer Erbschaftsklage des wahren Erben gegen einen Erbschaftsbesitzer). Umgekehrt würde die Annahme der formellen Beweiskraft eines Erbscheins im Rahmen eines französischen Nachlass- oder Zivilverfahrens bedeuten, dass der Erbschein von einem deutschen Nachlassgericht am angegebenen Ort, zu der angegebenen Zeit und am angegebenen Ort erteilt wurde.71 Eingeschränkt wird damit die grundsätzliche freie richterliche Beweiswürdigung; das Gericht ist an die Feststellungen im Erbnachweis gebunden.72 Ersichtlich wird mit der formellen Beweiskraft nicht der Wesensgehalt des Erbnachweises – das Erbrecht – anerkannt. Eine Behörde, der ein mitgliedstaatlicher Erbnachweis vorgelegt wird, ist nicht verpflichtet, das im Erbnachweis bezeugte Erbrecht als gegeben anzusehen. 2. Wirkungserstreckung der materiellrechtlichen Wirkungen? Interessanter im Hinblick auf die Verkehrsfähigkeit der mitgliedstaatlichen Erbnachweise ist die Frage, ob auch etwaige Vermutungs- und Gutglaubenswirkungen angenommen werden können. Bezüglich der Vermutungswirkung eines Erbscheins (§  2365 BGB) könnte die Wirkungserstreckung bedeuten73, dass ein ausländischer Richter in einem Zivilverfahren vom Bestehen des Erbrechts des im Erbschein ausgewiesenen Erben ausgehen muss und nur der Beweis des Gegenteils für die Erschütterung der Vermutung ausreichend ist. Für den im Erbschein Europa als Rechts- und Lebensraum, Liber amicorum für Christian Kohler zum 75. Geburtstag, 2018, 301 (303). 69  Deixler-Hübner/Schauer/Butterstein, Art.  59 EuErbVO Rn.  12. 70  Vgl. in Bezug auf die Annahme eines öffentlichen Testaments Dutta/Herrler/Geimer, Die Europäische Erbrechtsverordnung, 143 (149); vgl. auch Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102 (109). 71  Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2370 Rn.  22; Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102 (109); wohl auch Süß, ZEuP 2013, 725 (749). 72  Vgl. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313 (315). 73  Freilich kommen nur diejenigen zu dieser Schlussfolgerung, die den Erbschein nicht als Entscheidung, sondern als öffentliche Urkunde qualifizieren, wie etwa Schmidt, ZEV 2014, 389 (394 f.), die aber selbst nur von der Verleihung eines zumindest funktional äquivalenten Effekts durch das Recht des Verwendungsstaates spricht.

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

bezeichneten Erben wäre die Erstreckung der Vermutungswirkung in einem ausländischen Verfahren von erheblichem Vorteil. Hinsichtlich der Gutglaubenswirkung des Erbscheins (§§  2366, 2367 BGB) müsste der Gutglaubensschutz in dem Verwendungsstaat Geltung beanspruchen, so dass z.B. ein in Frankreich abgeschlossenes Rechtsgeschäft mit dem Scheinerben Gutglaubensschutz genießt. Als materiellrechtliche Wirkungen können sie indes auch unter dem Annahmeregime nicht in den Zielmitgliedstaat exportiert werden.74 Auf dieses Ergebnis weisen der Wortlaut („formelle Beweiskraft“) und der dahinterstehende Gesetzgebungsprozess deutlich hin.75 Erforderlich ist also – wie ähnlich schon bei der Entscheidungsanerkennung im Rahmen der Art.  39 ff. EuErbVO dargelegt – eine kollisionsrechtliche Prüfung, um die Wirksamkeit des Inhalts des Erbnachweises zu ermitteln.76 Durch die Wirkungserstreckung wird mithin nicht der im Erbnachweis ausgewiesene materielle Rechtszustand unionsweit mit bindender Wirkung festgestellt.77 Andererseits wird mit viel Detailtreue auf die partielle Widersprüchlichkeit innerhalb des Art.  59 EuErbVO hingewiesen und so die begrenzte Reichweite auf die formelle Beweiskraft infrage gestellt. Denn aus der Existenz des Art.  59 Abs.  3 S.  1 EuErbVO i.V.m. ErwG 63 wird geschlussfolgert, dass die Annahme die rechtliche Würdigung, also die in der Urkunde bezeugte materiellrechtliche Rechtslage, umfassen könne; andernfalls wäre diese ausdrückliche Anordnung obsolet gewesen, wenn die Annahme von Anfang an Rechtsgeschäfte und Rechtsverhältnisse nicht betreffen würde.78 Doch hat Art.  59 Abs.  3 S.  1 EuErbVO nicht den Zweck, mittelbar die Tür für eine Rechtslagenanerkennung bzw. inhaltliche Anerkennung zu öffnen. Die Vorschrift stellt nur klar, dass sich die materielle Wirksamkeit des in der Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfts nach dem von dem Kollisionsrecht des Kapitels III berufenen 74  Dutta/Weber/Bauer, Art.  59 EuErbVO Rn.  32; Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/ Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  301 f.; Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102 (110); Remde, RNotZ 2012, 65 (84). 75  In Art.  34 des KOM (2009) 154, endg., 2009/0157 war noch von der Anerkennung öffentlicher Urkunden die Rede. Da unklar war, ob dies auch die Erstreckung der materiellen Rechtslage („negotium“, vgl. zu diesem Begriff auch Mansel, in: Hess/Jayme/Mansel (Hrsg.), Europa als Rechts- und Lebensraum, Liber amicorum für Christian Kohler zum 75. Geburtstag, 2018, 301 (302 f.)) bedeutete, ist mit der endgültigen Fassung des Art.  59 EuErbVO ein deutliches Signal dagegen zu sehen, vgl. Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2397) sowie Lechner, ZErb 2014, 188 (192). 76  Vgl. Remde, RNotZ 2012, 65 (84); Geimer/Schütze/Franzmann/Schwerin, Art.  59 ­EuErbVO Rn.  13; siehe auch Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313 (315 f.). 77  Vgl. Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102 (109); zustimmend jurisPK-BGB/Schärtl, Art.  59 EuErbVO Rn.  2. 78  Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (738 f.), der wohl im Ergebnis aber der hier vertretenen Auffassung folgt; ähnlich Dutta/Weber/Bauer, Art.  59 EuErbVO Rn.  33 ff.

B. Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO

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Sachrecht richtet.79 Es wird hingegen nicht impliziert, dass die Annahme weiter gefasst werden soll als im Rahmen des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO, der die Rechtsfolge der Annahme ausdrücklich auf die Erstreckung der formellen Beweiskraft beschränkt.80 Überdies sprechen die klare Absage des Unionsgesetzgebers an eine Anerkennungslösung und der Vorzug der kollisionsrechtlichen Lösung81 (was anhand der Kollisionsrechtsvereinheitlichung erkennbar wird, die eine unionsweite Beurteilung des in der Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfts nach dem gleichen Erbstatut gewährleistet82) sowie der unmissverständliche Wortlaut des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO, der auch systematisch am Anfang der Vorschrift unmittelbar die Wirkung der Annahme regelt, dafür, eine Rechtslagenanerkennung abzulehnen. Faktisch setzt sich die Rechtslagenvermutung (z.B. nach §  2365 BGB) im Verfahren durch, wenn Einwände nach Art.  59 Abs.  3 EuErbVO von keiner Partei erhoben werden und es so nicht zu einer Nachprüfung des materiellen Inhalts nach dem Erbstatut durch das Gericht kommt. Zutreffenderweise kann das Gericht nicht von Amts wegen Einwände erheben.83 Denn nach dem Wortlaut des Art.  59 Abs.  3 EuErbVO richtet sich die Vorschrift ausschließlich an die Parteien, die mit dem materiellen Inhalt der Urkunde nicht einverstanden sind und von dem Urkundeninhalt rechtlich betroffen sind. So ist es möglich, dass sich eine in der Urkunde dokumentierte Rechtslage durchsetzt, obwohl das anwendbare Erbstatut die Rechtsstellung nicht kennt; die Durchsetzung der Rechtslage ist dennoch im Grundsatz nicht allzu kühn, insbesondere wenn die stets in Betracht zu ziehende ordre public-Kontrolle des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO vor untragbaren Ergebnissen schützt.84 Zuzugestehen ist, dass aufgrund der vollzogenen Vereinheitlichung des europäischen Erbkollisionsrechts ein weites Verständnis der Annahme grundsätzlich zu keinen unüberwindbaren Hürden führen würde.85 Denn beurteilt das Gericht des Verwendungsstaates die in der Urkunde bezeugte Rechtslage nach dem gleichen Recht wie der Ursprungsmitgliedstaat, ist im Grundsatz kein Grund ersichtlich, nicht von der Wirksamkeit der Rechtslage auszugehen, die auf den in der Urkunde bezeugten Tatsachen beruht. Etwaige Differenzen bei der Vorfragenan-

Vgl. Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, 259 (262 f.). Vgl. Deixler-Hübner/Schauer/Butterstein, Art.  59 EuErbVO Rn.  32. 81  NK-BGB/Makowsky, Art.  59 EuErbVO Rn.  11 und 21. 82  Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313 (316). 83  Dutta/Weber/Bauer, Art.  59 EuErbVO Rn.  36. 84  So Dutta/Weber/Bauer, Art.  59 EuErbVO Rn.  36. 85  NK-BGB/Makowsky, Art.  59 EuErbVO Rn.  11; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (740); ähnlich Dutta/Weber/Bauer, Art.  59 EuErbVO Rn.  34. 79  80 

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

knüpfung könnten jedoch problematisch werden.86 Zudem wäre mit einer Wirkungserstreckung der Rechtslage eine inhaltliche Überprüfung der öffentlichen Urkunde nicht möglich.87 Wenn dann beispielsweise ein ausländisches (öffentliches) Testament materiellrechtlich unwirksam errichtet wurde, müsste es im Verwendungsstaat dennoch angenommen werden, solange es im Errichtungsstaat nicht angefochten wird.88 Stellt sich im gerichtlichen Verfahren etwa das Bestehen des Erbrechts als Vorfrage – z.B. im Rahmen einer Vindikationsklage –, kann das Gericht ohnehin nach Art.  59 Abs.  4 EuErbVO selbst über die in der Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte und Rechtsverhältnisse entscheiden, weshalb in dieser Konstellation (und nach hiesiger Auffassung überhaupt) eine Annahme der materiellen Rechtslage nicht möglich ist. Man muss sich erneut vergegenwärtigen, dass es letztlich eine zu respektierende rechtspolitische Entscheidung des Unionsgesetzgebers ist, auf welchem Weg Rechtslagen grenzüberschreitend in andere Rechtsordnungen transportiert werden. Die kollisionsrechtliche Lösung scheint aufgrund ihrer langen Tradition auch weiterhin der Wegbereiter für ähnliche Problemlagen in anderen Rechtsgebieten zu sein. Das wird anhand der aktuellen Gesetzgebungsakte im Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen erkennbar: Sowohl Art.  58 EuGüVO bzw. Art.  58 EuPartVO sehen ebenso mit beinahe identischem Wortlaut die Annahme öffentlicher Urkunden vor.89 Darüber hinaus wurde die EuUrkVO90 verabschiedet, die die Freizügigkeit öffentlicher Urkunden fördert, aber keinesfalls kollisionsrechtliche Implikationen oder gar die Anerkennung des negotium mit sich bringt (vgl. Art.  2 Abs.  4 EuUrkVO).

Dörner, ZEV 2012, 505 (512). Wagner, DNotZ 2010, 506 (517). 88  Remde, RNotZ 2012, 65 (84); ähnlich kritisch Dutta/Weber/Bauer, Art.  59 EuErbVO Rn.  34, der den Fall betont, dass das Recht des Ursprungsmitgliedstaates nicht Erbstatut ist. Hierbei handelt es sich um ein allgemeines Problem der kollisionsrechtlichen Anerkennungslösung, die im Kontext der Europäischen Personenstandsurkunde vertiefend behandelt wird, vgl. unten im 6. Kap. D., III., 2., S.  513 ff. 89  Die Vorbildfunktion des Art.  59 EuErbVO für Art.  59 EuGüVO und Art.  59 EuPartVO betonend Mansel, in: Hess/Jayme/Mansel (Hrsg.), Europa als Rechts- und Lebensraum, Liber amicorum für Christian Kohler zum 75. Geburtstag, 2018, 301 (304). 90  Verordnung (EU) 2016/1191 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern durch die Vereinfachung der Anforderungen an die Vorlage bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr.  1024/2012. 86  87 

B. Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO

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3. Zwischenergebnis Die Beurteilung der Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise im Lichte der Annahme öffentlicher Urkunden nach Art.  59 EuErbVO ist ernüchternd wie vernichtend: Ob ein mitgliedstaatlicher Erbnachweis in einem anderen Mitgliedstaat im Privatrechtsverkehr oder vor Behörden als geeigneter Nachweis der Erbenstellung taugt, liegt in der autonomen Entscheidungsgewalt des Mitgliedstaates und wird nicht vom europäischen Recht vorgegeben.91 Freilich kann ein ausländischer Erbnachweis als Nachweis der Rechtsnachfolge von Behörden oder Banken faktisch akzeptiert werden – die Geltung der materiellrechtlichen Wirkungen des Erbnachweises geht indes nicht damit einher.92 Die Erstreckung der formellen Beweiskraft wird regelmäßig in gerichtlichen Verfahren relevant und auch dort ist ihr praktischer Nutzen gering. Im Verkehr mit Registerbehörden und Notaren findet die Annahme der mitgliedstaatlichen Erbnachweise wohl ihren größten Anwendungsbereich.93 Wer mit der Annahme insbesondere die Gutglaubenswirkung exportieren will, sollte sich jedenfalls dessen bewusst sein, dass die Gutglaubenswirkung sich gemäß Art.  59 Abs.  1 EuErbVO nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates richten würde. Ein praktischer Nutzen ergäbe sich somit nur bei mitgliedstaatlichen Erbnachweisen mit starken Gutglaubenswirkungen. Erbnachweise mit schwachen Wirkungen würden dem Rechtsverkehr keinen wesentlichen Nutzen bieten und auf lange Sicht in der Praxis kaum Anklang finden. Ihre Verkehrsfähigkeit würde über Art.  59 EuErbVO nicht erhöht. V. Faktische Anerkennung von mitgliedstaatlichen Erbnachweisen Ungeachtet der vorgehenden Ausführungen kann der Privatrechtsverkehr freiwillig, also gleichsam außerhalb rechtlicher Rahmenbedingungen, einen ausländischen mitgliedstaatlichen Erbnachweis anerkennen94, wie es bereits vor Inkrafttreten der EuErbVO teilweise üblich war. Einer Bank ist es z.B. selbst überlassen, ob sie es für ausreichend erachtet, aufgrund der Vorlage eines ausländischen mitgliedstaatlichen Erbnachweises den Zugang zu den Bankkonten des Erblassers für die Erben zu öffnen. Dass die Bank mit befreiender Wirkung an einen nicht berechtigten Empfänger leisten kann, erfordert allerdings die Geltung von Gutglaubensschutz, der weder durch das Anerkennungs- und Annahmeregime noch durch die faktische Anerkennung ausgelöst wird. Die Bank handelt mithin auf eigene Gefahr. Eine Änderung der Anerkennungspraxis nach Inkrafttreten Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102 (109 f.). Vgl. Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102 (110). 93  Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (739) in Fn.  77. 94  Süß, ZEuP 2013, 725 (749). 91  92 

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

der EuErbVO scheint zunächst kaum denkbar, da die mitgliedstaatlichen Erbnachweise in ihrem materiellen Gehalt unverändert bleiben. Verfestigt sich jedoch mit der Zeit der Status des Zeugnisses als effektiver internationaler Erbnachweis mit Gutglaubensschutz, könnte die faktische Akzeptanz mitgliedstaatlicher Erbnachweise zurückgehen. VI. Relevanz der Erbnachweise im weiteren Sinne im Lichte der EuErbVO Das Zeugnis und die mitgliedstaatlichen Erbnachweise bilden die primäre Form von Erbnachweisen, für die die EuErbVO unmittelbare Regelungen geschaffen hat. Die potentielle internationale Dimension sonstiger Formen des Nachweises des Erbrechts wurde bereits in dem Kontext angerissen, dass die formelle Beweiskraft eines (öffentlichen) Testaments gemäß Art.  59 Abs.  1 EuErbVO durch einen anderen Mitgliedstaat angenommen werden kann. Von rechtlichem Interesse erscheint daher, inwieweit diese – gewiss im Hintergrund stehenden – Formen unter das Regime der EuErbVO fallen oder ob sie ganz und gar anderen (kollisionsrechtlichen) Regeln unterworfen sind. Nachfolgend soll die Problematik anhand deutscher Rechtsinstitute veranschaulicht werden. 1. Erbvertrag Neben dem öffentlichen Testament stellt der Erbvertrag gemäß §§  2274 ff. BGB die zweite Art einer Verfügung von Todes wegen dar, dem aufgrund des Erfordernisses der notariellen Form nach §  2276 BGB Beweiswirkung zukommt. Als öffentliche Urkunde begründen die im Erbvertrag bezeugten Tatsachen vollen Beweis (§  415 ZPO), etwa dahingehend, dass der Erblasser über die Bindungswirkung des Erbvertrages vom Notar belehrt wurde, und deshalb grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Erblasser keinem Irrtum über die Bindungswirkung unterlag.95 Diese verfahrensbezogene Wirkung wird sodann über Art.  59 Abs.  1 EuErbVO auf den jeweiligen Mitgliedstaat erstreckt mit der Folge, dass z.B. ein spanisches Gericht im Rahmen eines Verfahrens, bei dem es um das streitige Erbrecht eines Beteiligten geht, diese Tatsachen für die Entscheidungsfindung zugrunde zu legen hat. Im obigen Beispiel muss die Beweiskraft des Erbvertrages folglich durch substantiierte Behauptungen erschüttert werden. 2. Post- und transmortale Vollmachten Post- und transmortale Vollmachten können eine grenzüberschreitende Dimen­ sion erreichen, indem der Erblasser dem Bevollmächtigten beispielsweise die Vollmacht über die Verfügung von im Ausland belegenen Konten erteilt hat. 95 

Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 8.6.2010 – 10 U 126/09, BeckRS 2010, 27623.

B. Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise unter der EuErbVO

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Fraglich ist, ob diese Vollmachten von der EuErbVO erfasst sind. Die Verkehrsfähigkeit kann nicht über eine Anerkennung hergestellt werden, da Vollmachten keine Entscheidungen i.S.d. Art.  39 ff. EuErbVO sind. Allenfalls könnte man überlegen, eine Vollmacht, die die Form der öffentlichen Urkunde erfüllt (z.B. Errichtung einer Vollmacht beim Notar), unter Art.  59 EuErbVO zu subsumieren. Indes fehlt es diesen Vollmachten bereits an einer Erbrechtsbezogenheit, die für die Anwendung des Art.  59 EuErbVO vorliegen muss.96 Die Vollmachten können zwar faktisch als Nachweis des Erbrechts dienen, sofern der Bevollmächtigte zugleich Erbe ist. Die Vollmachten beruhen jedoch nicht auf erbrechtlichen Normen. Ob die Vollmachten im Ausland wirksam eingesetzt werden können, beurteilt sich daher nach dem Vollmachtsstatut (aus deutscher Sicht also nach Art.  8 EGBGB).97 VII. Ergebnis Die EuErbVO regelt und fördert die Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise durchaus, aber in sehr überschaubarem Rahmen.98 Die Zulassung der Freizügigkeit löst vor dem Hintergrund der Einführung des Zeugnisses keinen Paradigmenwechsel aus; die dahingehende Diskussion ist daher mit Gelassenheit zu führen.99 Dass die mitgliedstaatlichen Erbnachweise in rein innerstaatlichen Sachverhalten ihre Funktion beibehalten, ist selbstverständlich. Dann ist die Verwendung des mitgliedstaatlichen Erbnachweises nur geboten und dem Erben anzuraten – sofern er dies für die Nachlassabwicklung für erforderlich erachtet –, denn die Ausstellung des Zeugnisses wird ihm wegen der mangelnden Verwendungsabsicht in einem anderen Mitgliedstaat verwehrt werden. Stellt sich im Laufe der Nachlassabwicklung aber heraus, dass der Erblasser Vermögen in anderen Mitgliedstaaten hat, hat der Erbe neben dem bereits erteilten mitgliedstaatlichen Erbnachweis die Möglichkeit, ein Zeugnis zu beantragen. Das ist ihm re96 

MüKoBGB/Dutta, Art.  59 EuErbVO Rn.  6 und Rn.  12. Vgl. aber auch Kanzleiter, DNotZ 2018, 724 (725) und Leitzen, ZEV 2018, 630 (635), die darauf hinweisen, dass aus deutscher Sicht der Rückgriff auf post- und transmortale Vollmachten, die ebenso wie der Erbschein die Verfügung über Nachlassgegenstände ermöglicht, sinnvoll ist, wenn ein Erbschein in Deutschland – angesichts der Oberle-Entscheidung – nicht erlangt werden kann. 98  Ähnlich Laukemann, in: Hess/Bergström/Storskrubb, EU civil justice, 2016, 161 (171) sowie Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, 259 (268), der im Kontext des Art.  59 EuErbVO feststellt, dass diese Vorschrift den Vollzug der grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung erkennbar nicht zum Gegenstand hat. 99  So zu Recht Hess/Jayme/Pfeiffer, Heidelberg-Stellungnahme, S.  53; ähnlich Fornasier, FamRZ 2018, 1262 (1266) in Bezug auf die Anerkennung des Erbscheins nach Art.  39 ff. ­EuErbVO mit Hinweis auf das Zeugnis, der als unionaler Erbnachweis seine Wirkungen in allen Mitgliedstaaten entfaltet. 97 

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

gelmäßig zu empfehlen. Der Unionsgesetzgeber spricht sich im Hinblick auf die Abwicklung grenzüberschreitender Erbfälle klar für die Verwendung des Zeugnisses aus, das insgesamt aufgrund seiner einheitlichen Wirkungsausgestaltung und der Kollisionsrechtsvereinheitlichung gegenüber mitgliedstaatlichen Erbnachweisen überlegen ist. Gewiss profitiert auch die Praktikabilität der mitgliedstaatlichen Erbnachweise von der Kollisionsrechtsvereinheitlichung – wenngleich in der Konsequenz ohne spürbare Chance, sich hiermit gegenüber dem Zeugnis in der Praxis zu behaupten, das gleichermaßen von ihr begünstigt wird –, weil ein Mitgliedstaat in der Regel davon ausgehen kann, dass einem ausländischen mitgliedstaatlichen Erbnachweis ein Recht zugrunde liegt, das der Mitgliedstaat ebenso auf den Erbfall anwenden würde. Das Anerkennungs- und Annahmeregime der EuErbVO schneidet den Export der für die Nachlassabwicklung relevanten Wirkungen der mitgliedstaatlichen Erbnachweise vollständig ab. Da insbesondere im Privatrechtsverkehr die Beurteilung, ob ein mitgliedstaatlicher Erbnachweis für den Nachweis beispielsweise der Erbenstellung ausreicht, vollständig dem jeweiligen Empfänger obliegt, kann bisweilen auch die Verwendung eines mitgliedstaatlichen Erbnachweises für bestimmte Nachlassangelegenheiten ausreichend sein. Doch bewegen sich die Empfänger wegen der ungenügenden Wirkungen auf wackligem Fundament. Im staatlichen Rechtsverkehr kann die Verkehrsfähigkeit der mitgliedstaatlichen Erbnachweise bereits deshalb irrelevant sein, weil die jeweilige mitgliedstaatliche Rechtsordnung nur das Zeugnis und den eigenen nationalen Erbnachweis als Legitimationsnachweis für die Durchführung beispielsweise von Registereintragungen akzeptiert und eine Substitution mangels funktioneller Äquivalenz ausscheidet. Gleichzeitig wird hieran die Überlegenheit des Zeugnisses deutlich, die sich vor allem durch die absolute Wirkungsweise auszeichnet. Das Zeugnis ist nicht von den begrenzten Rechtsfolgen der Anerkennung nach Art.  39 ff. EuErbVO und der Annahme nach Art.  59 EuErbVO betroffen. So wird die Wirkungserstreckung nach Art.  69 Abs.  1 EuErbVO nicht durch Geltungshindernisse eingeschränkt – anders dagegen bei den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen, deren Verkehrsfähigkeit über die Nichtanerkennungsgründe des Art.  40 EuErbVO und die ordre public-Kontrolle des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO von vornherein gedämpft wird. Hervorzuheben ist schließlich die diametrale Beurteilung, die im Hinblick auf den Wettbewerb der Erbnachweise im Kontext der grenzüberschreitenden Verkehrsfähigkeit im Vergleich zum Wettbewerb im Kontext der Inlandswirkung des Zeugnisses zu fällen ist: Für den Erben kann es aufgrund der attraktiveren Wirkungen des mitgliedstaatlichen Erbnachweises sinnvoll sein, dieses neben dem Zeugnis zu beantragen. Die Wirkungen des mitgliedstaatlichen Erbnachweises entfalten sich dann vollständig im Rahmen der inländischen Nachlassab-

C. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten

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wicklung. Für die grenzüberschreitende Nachlassabwicklung ist der mitgliedstaatliche Erbnachweis abgesehen von einer faktischen Anerkennung nahezu bedeutungslos. Demnach entpuppt sich der Wettbewerb der Erbnachweise als ein singuläres Phänomen, das nur im Ausstellungsstaat selbst praktisch relevant wird und seinen Grund letztendlich in der Inlandswirkung des Zeugnisses und dem Prinzip der Koexistenz findet.

C. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten Die Wirkungsentfaltung des Zeugnisses beschränkt sich nicht nur auf den europäischen Rechtsraum, sondern kann darüber hinaus in Sachverhalten mit Drittstaatenbezug relevant werden. Dabei geht es zuvörderst um die naheliegende Frage, ob und wie das Zeugnis in Drittstaaten seine Wirkungen entfalten kann. Daneben ist aber auch von zentraler Bedeutung, welchen Einfluss ein drittstaatliches Erbstatut auf die Ausstellung und die Wirkungsweise des Zeugnisses hat. Aus praktischer Perspektive ist z.B. für einen Erben von Interesse, ob und inwieweit er mit einem Zeugnis seine Rechtsstellung unionsübergreifend nachweisen kann, wenn demzufolge auch in Drittstaaten die Nachlassabwicklung betrieben werden soll. Der Erbe wird sich vor allem davor fürchten, ein etwaiges drittstaatliches Erbnachweisverfahren anzustrengen, wie es schon vor der EuErbVO im europäischen Rechtsverkehr teilweise üblich war. Da jeder Drittstaat das Zeugnis grundsätzlich nach autonomem Recht behandelt, kann seine Bedeutung in Drittstaaten nur exemplarisch anhand ausgewählter Drittstaaten aufgezeigt werden. Die Illustrierung erfolgt für die Schweiz, England und Wales und Kalifornien. I. Das Europäische Nachlasszeugnis als „Weltnachlasszeugnis“ Der drittstaatliche Bezug eines Erbfalls kann dergestalt ausgeformt sein, dass der Erblasser das Recht seiner (drittstaatlichen) Staatsangehörigkeit gemäß Art.  22 Abs.  1 EuErbVO gewählt hat, dass er seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat hatte oder dass er Vermögen in Drittstaaten besaß. In diesen Konstellationen gilt es zu untersuchen, ob das Zeugnis, das als Rechtsinstrument für den europäischen Rechtsverkehr konzipiert ist, überhaupt verfügbar ist. Die Belegenheit von Vermögen des Erblassers auch in Drittstaaten hindert nicht die Ausstellung eines Zeugnisses, solange die internationale Zuständigkeit einer Ausstellungsbehörde nach Art.  64 S.  1 EuErbVO i.V.m. Art.  4, 7, 10 oder 11 ­EuErbVO gegeben ist. Der Wortlaut der verwiesenen allgemeinen Zuständigkeitsnorm des Art.  4 EuErbVO erfordert nicht, dass für die Ausstellung ein dritt-

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

staatlicher Bezug nicht bestehen darf. Vielmehr deutet er („gesamter Nachlass“) darauf hin, die Zuständigkeit der Ausstellungsbehörden auch bei Vermögensbelegenheit in Drittstaaten zu begründen.100 Selbst wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat hatte, jedoch sich Nachlassvermögen in einem Mitgliedstaat befindet und der Erblasser die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaates besaß, ist eine mitgliedstaatliche Ausstellungsbehörde für die Ausstellung des Zeugnisses gemäß Art.  64 S.  1 EuErbVO i.V.m. Art.  10 Abs.  1 lit.  a EuErbVO international zuständig (das Zeugnis würde dann gemäß Art.  21 Abs.  1 EuErbVO das drittstaatliche Erbstatut ausweisen). Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb ein drittstaatlicher Bezug die Ausstellung des Zeugnisses per se verhindern sollte. Nähme man einen Ausschluss an, würde z.B. die Belegenheit von Erblasservermögen in einem Drittstaat, sei der Teil auch noch so klein, genügen, dem Erben den Zugang zum Zeugnis zu versperren, obwohl der Großteil des Vermögens in den Mitgliedstaaten verteilt ist. Dies kann nicht richtig sein. Der Antragsteller darf jedoch nicht nur die singuläre Absicht haben, das Zeugnis in einem Drittstaat zu verwenden, denn der Wortlaut von Art.  62 Abs.  1, 63 Abs.  1 EuErbVO ist insofern eindeutig, der die Verwendungsabsicht bezogen auf einen anderen Mitgliedstaat fordert. Will er das Zeugnis zumindest auch in einem anderen Mitgliedstaat verwenden, ist seine daneben bestehende Absicht zur Verwendung in einem Drittstaat für die Ausstellung des Zeugnisses ohne Belang. Das Zeugnis lässt sich daher im Kontext eines Erbfalls mit Bezug zu Drittstaaten als „Weltnachlasszeugnis“ betiteln.101 Als solches kann das Zeugnis faktisch auf der ganzen Welt zirkulieren. So kann der Zeugnisinhaber grundsätzlich versuchen, mit dem Zeugnis als einzigem förmlichem Dokument seine Rechtsstellung in der Nachlassabwicklung auf der ganzen Welt nachzuweisen. Es könnte ihm die mit Aufwand und Kosten verbundene Mühe erspart bleiben, entsprechende nationale Erbnachweise in den Staaten zu erlangen, in denen sich Vermögen des Erblassers befindet. Doch ist auch klar, dass dem Unionsgesetzgeber keine Kompetenz zugewiesen ist, dem Zeugnis Wirkungen bei der Verwendung in Drittstaaten zuzuweisen.102 Bezüglich der scheinbaren Praktikabilität ist deshalb Zurückhaltung geboten. Wie vor Inkrafttreten der EuErbVO die Akzeptanz nationaler Erbnachweise vom autonomen Recht des Verwendungsstaates abhängig war, so ist auch in Bezug auf das Zeugnis mangels Anwendbarkeit der EuErbVO das autonome Recht des Drittstaates grundsätzlich für die Ausgestaltung der Wirkungsentfaltung bestimmend. 100 

So auch Dutta/Weber/Fornasier, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  29. So zutreffend jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  62 EuErbVO Rn.  35. 102  Dutta/Weber/Fornasier, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  31; vgl. auch Dutta/Herrler/Lein, Die Europäische Erbrechtsverordnung, 199 (218). 101 

C. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten

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II. Versagung der Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses aufgrund der Anwendung vorrangiger staatsvertraglicher Kollisionsnormen? Dass das Zeugnis ein drittstaatliches Erbstatut vorweist, muss nicht nur auf der Anwendung der Kollisionsnormen der EuErbVO beruhen, sondern kann sich auch daraus ergeben, dass die Ausstellungsbehörde vorrangige staatsvertragliche Kollisionsnormen anwenden muss, die ihrerseits ein drittstaatliches Recht berufen. Fraglich ist dann, ob aufgrund der Anwendung dieser Kollisionsnormen, die gleichsam in der Peripherie der EuErbVO stehen (vgl. Art.  75 Abs.  1 EuErbVO), die Ausstellung des Zeugnisses in dem an den Staatsvertrag gebundenen Mitgliedstaat verweigert werden darf bzw. ob ein Mitgliedstaat, der sich mit einem ausländischen Zeugnis befasst, dieses mit dem Hinweis ablehnen kann, dass aus seiner Sicht das Zeugnis aufgrund eines vorrangigen Staatsvertrags einem falschen Erbstatut unterliegt.103 Im Ausgangspunkt macht die EuErbVO nicht hinreichend deutlich, ob die Ausstellung des Zeugnisses von der Bedingung der ausschließlichen Anwendung ihrer eigenen Kollisionsnormen (Art.  21, 22 ­EuErbVO) abhängig ist. 1. Grammatikalische Auslegung Die Problematik ist wortlautmäßig zunächst in Art.  75 Abs.  1 EuErbVO angelegt, der den Vorrang von völkerrechtlichen Übereinkommen statuiert, soweit sie Bereiche regeln, die auch unter die EuErbVO fallen. Ein Übereinkommen genießt Vorrang, wenn es Regelungsbereiche enthält, die die internationale Zuständigkeit in Erbsachen, das anzuwendende Recht in Erbsachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Erbsachen, die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen oder das Zeugnis betreffen.104 Im Umkehrschluss ergibt sich, dass die Regelungen der EuErbVO uneingeschränkt zur Anwendung gelangen, wenn das jeweilige Übereinkommen keine Materien regelt, die aber die EuErbVO umfasst. Das trifft auf die Regelungen zum Zeugnis regelmäßig zu, da ein vergleichbares Rechtsinstrument, demzufolge ein internationaler Erbnachweis, in den Übereinkommen, an denen mindestens ein Mitgliedstaat und mindestens ein Drittstaat beteiligt sein müssen (vgl. Art.  75 Abs.  2 EuErbVO e contrario), soweit ersichtlich nicht vorhanden ist. Sofern die Übereinkommen eigenständige Kollisionsnormen enthalten, sind diese nur für die Bestimmung des anwendbaren Rechts auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen vorrangig heranzuziehen; sie betreffen nicht andere Aspekte der RechtsnachfolVgl. im Hinblick auf die Zurückweisungsbefugnis des Verwendungsstaates Lehmann, ZEV 2014, 232 (234). 104  BeckOGK/J. Schmidt, Art.  75 EuErbVO Rn.  7. 103 

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

ge von Todes wegen, wie namentlich die Durchführung der internationalen Nachlassabwicklung mittels des Zeugnisses, so dass aus diesem Grund eine Versagung der Ausstellung des Zeugnisses nicht möglich ist. Auch Art.  67 Abs.  1 EuErbVO und Art.  68 lit.  i EuErbVO, die das Erbstatut erwähnen, geben keinen Hinweis darauf, dass die Ermittlung des Erbstatuts zwingend nach den Kollisionsnormen der EuErbVO erfolgen muss. Somit können nach dem Wortlaut staatsvertragliche Kollisionsnormen ebenso Grundlage für das Erbstatut des Zeugnisses sein.105 2. Systematische Auslegung Art.  75 Abs.  1 EuErbVO findet sich in Kapitel VII der EuErbVO mit dem Titel „Allgemeine und Schlussbestimmungen“. Die Bestimmungen dieses Kapitels beziehen sich auf sämtliche vorangegangene Kapitel, mithin auch auf Kapitel VI mit dem Titel „Europäisches Nachlasszeugnis“. Die Ausführungen zur grammatikalischen Auslegung werden durch die systematische Auslegung flankiert: Der Vorrang von Übereinkommen gilt als allgemeine Bestimmung grundsätzlich auch für die Regelungen zum Zeugnis in Kapitel VI. Da aber dieser Vorrang nur insoweit besteht, als das jeweilige Übereinkommen und die EuErbVO gemeinsame Materien regeln, geht der Verweis auf Kapitel VI mangels übereinstimmender Materien ins Leere. 3. Historische und genetische Auslegung Soweit ersichtlich wurde im Gesetzgebungsverfahren und in den Entwürfen zur EuErbVO die hiesige Problematik nicht aufgegriffen. 4. Teleologische Auslegung Je nachdem, wie die Auslegungsfrage beantwortet wird, wird der Zugang zum Zeugnis für Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter entweder eröffnet oder versperrt. Es ist deshalb zu untersuchen, ob das Zeugnis dergestalt konzipiert ist, dass seine Ausstellung von der Zugrundelegung eines Erbstatuts abhängt, das nach Art.  21, 22 EuErbVO bestimmt wird. Hier zeigt sich zwar, dass das Zeugnis als unionsweiter Erbnachweis dem Erbstatut maßgebliche Bedeutung für die Ausgestaltung der Rechte und Pflichten des Inhabers beimisst. Doch insgesamt erweist sich das Erbstatut als bloße Grundlage, das sowohl einem mitgliedstaat105 

MüKoBGB/Dutta, Art.  67 EuErbVO Rn.  11 und Art.  75 EuErbVO Rn.  5; jurisPK-BGB/ Kleinschmidt, Art.  67 EuErbVO Rn.  18; Deixler-Hübner/Schauer/Perscha, Art.  67 EuErbVO Rn.  17.

C. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten

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lichen als auch einem drittstaatlichen Recht unterliegen kann. Denn die Berufung eines drittstaatlichen Rechts kann aus der Anwendung der Art.  21, 22 EuErbVO und zugleich aus der Anwendung staatsvertraglicher Kollisionsnormen resultieren: Wenn etwa eine Rechtswahl zugunsten des Heimatrechts nach Art.  22 Abs.  1 EuErbVO gegeben ist und die staatsvertragliche Kollisionsnormen an das Heimatrecht anknüpfen, ist das anzuwendende Recht aus Sicht beider Konventionen identisch. Offenbart wird hier die grundsätzliche „Austauschbarkeit“ des Erb­ statuts. Ausschlaggebend ist, dass den Erben, Vermächtnisnehmern mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstreckern und Nachlassverwaltern nicht die Möglichkeit abgeschnitten wird, ihre Rechtsstellung mit dem Zeugnis im europäischen Rechtsraum nachzuweisen106, da das Bedürfnis insbesondere nach der Inanspruchnahme der Wirkungen des Zeugnisses nach Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO unabhängig davon besteht, welches kollisionsrechtliche Konstrukt hinter der Ausstellung des Zeugnisses steht bzw. dem Zeugnis immanent ist. Keine in Betracht kommende Lösung ist es daher, einem Mitgliedstaat, der an einen Staatsvertrag gebunden ist, die Ausstellung des Zeugnisses von vornherein zu versagen.107 Das kann jedenfalls nicht mit dem Einwand des fehlenden Entscheidungseinklangs gerechtfertigt werden. Der Unionsgesetzgeber hat die kollisionsrechtlichen Disharmonien erkannt und dennoch die Möglichkeit der Ausstellung des Zeugnisses aufrechterhalten (vgl. Art.  67 Abs.  1 EuErbVO („jedem anderen auf einen spezifischen Sachverhalt anzuwendenden Recht“)).108 Ist zudem zu erwarten, dass Mitgliedstaaten, die nur die Regeln der EuErbVO anwenden, bei der Ausstellung des Zeugnisses Staatsverträge anderer Mitgliedstaaten nicht berücksichtigen, um die Ausstellung des Zeugnisses nicht zu verkomplizieren109 (angesichts der hohen Anzahl an Staatsverträgen ist die Prüfung sämtlicher Staatsverträge wohl praktisch kaum zu stemmen), ist es nur gerechtfertigt, dass immerhin und gerade der am Staatsvertrag gebundene Mitgliedstaat seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommt. Ansonsten würden die Staatsverträge durch die EuErbVO vollkommen ausgehöhlt. Eine Differenzierung zwischen der Wirkungsentfaltung des Zeugnisses bzw. eine Begrenzung eben dieser erscheint auf den ersten Blick plausibel: So soll ein Mitgliedstaat, der an staatsvertragliche Kollisionsnormen gebunden ist, ein Zeugnis für das Vermögen im Inland nicht ausstellen dürfen, jedoch ein Zeugnis 106 

MüKoBGB/Dutta, Art.  75 EuErbVO Rn.  5. Dies indessen als überlegenswert bezeichnend Dutta/Weber/Bauer, Art.  75 EuErbvO Rn.  20. 108  MüKoBGB/Dutta, Art.  75 EuErbVO Rn.  5. 109  Vgl. Dutta/Weber/Bauer, Art.  75 EuErbvO Rn.  20; ähnlich NK-BGB/Magnus, Art.  75 EuErbVO Rn.  12. 107 

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

für die Verwendung in anderen Mitgliedstaaten, die nicht an jene staatsvertraglichen Kollisionsnormen gebunden sind, unter Heranziehung der Kollisionsnormen der EuErbVO.110 Dann wäre aus Sicht dieser anderen Mitgliedstaaten das Zeugnis richtig und der fehlende Entscheidungseinklang würde von vornherein vermieden. Doch ergibt sich bei diesem Lösungsansatz die fragwürdige Konsequenz der Aufspaltung der einheitlichen Wirkungsentfaltung des Zeugnisses nach Art.  69 Abs.  1 EuErbVO. Es ist in der EuErbVO nicht angelegt, die Wirkungen des Zeugnisses nur in anderen Mitgliedstaaten als dem Ausstellungsstaat eintreten zu lassen. Vielmehr entfaltet das Zeugnis auch Inlandswirkung gemäß Art.  62 Abs.  3 S.  2 EuErbVO, um die Praktikabilität des Zeugnisses umfassend zu gewährleisten. Unsicher wäre bereits, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Ausstellungsbehörde die Inlandswirkung des von ihr ausgestellten Zeugnisses ausblenden könnte.111 Die für einen Mitgliedstaat bindenden staatsvertraglichen Kollisionsnormen sind klar nach Art.  75 Abs.  1 EuErbVO vorrangig heranzuziehen. Eine partielle Ablehnung des Anwendungsbefehls und der Rückgriff auf die Kollisionsnormen der EuErbVO widersprechen der Verpflichtung zur Wahrung der völkerrechtlichen Übereinkommen.112 Begründet werden kann diese Herangehensweise auch nicht mit dem effet utile, da die Übereinkommen außerhalb des europäischen Rechts stehen. Die Intention mag in Anbetracht der Durchsetzung der Effektivität des Zeugnisses begrüßenswert erscheinen. Es fehlt aber gegenwärtig am rechtlichen Gerüst, das die Vorgehensweise rechtlich zulässig macht. Eine Lösung de lege ferenda kann sich nur auf die Staatsverträge als solche beziehen. Das Telos schneidet mithin den Erben, Vermächtnisnehmern mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstreckern und Nachlassverwaltern trotz der Anwendung staatsvertraglicher Kollisionsnormen nicht den Zugang zum Zeugnis ab.113 5. Ergebnis Alle Auslegungsmethoden kommen übereinstimmend zum Ergebnis, dass die Anwendung staatsvertraglicher Kollisionsnormen zur Ermittlung des Erbstatuts

110  Dutta/Herrler/Süß, Die Europäische Erbrechtsverordnung, 181 (189); Lehmann, ZEV 2015, 138 (140); dem tendenziell offen gegenüberstehend Kunz, GPR 2014, 285 (292). 111  So aber ohne hinreichende Begründung Dutta/Herrler/Süß, Die Europäische Erbrechtsverordnung, 181 (189); Kunz, GPR 2014, 285 (291) geht davon aus, dass der deutsche Gesetzgeber dies nicht im Alleingang regeln kann. 112  Vgl. BeckOGK/J. Schmidt, Art.  75 EuErbVO Rn.  4; Deixler-Hübner/Schauer/Fucik, Art.  75 EuErbVO Rn.  1. 113  So auch Konvalin, Das Europäische Nachlasszeugnis ohne europäischen Entscheidungseinklang, S.  93; Dutta/Weber/Bauer, Art.  75 EuErbVO Rn.  20 ff.

C. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten

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die Ausstellung des Zeugnisses nicht hindert.114 Ungeachtet des kollisionsrechtlichen Konstrukts wird demzufolge der Zugang zum Zeugnis bei Eröffnung der internationalen Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Ausstellungsbehörden immer garantiert. Auch hier offenbart sich mithin die Durchsetzungsmacht des Zeugnisses, die den potentiellen Antragstellern das Zeugnis möglichst unkompliziert zur Hand geben will. Wie allerdings die Effektivität des Zeugnisses zu beurteilen ist, wenn staatsvertragliche Kollisionsnormen den Inhalt des Zeugnisses durchdringen, ist eine gesondert zu beantwortende, der Ausstellung des Zeugnisses nachgelagerte Frage, die im kollisionsrechtlichen Kontext angesiedelt ist.115 III. Verwendung eines Europäischen Nachlasszeugnisses in Drittstaaten – Wirkungserstreckung der Gutglaubenswirkung? Im Zusammenhang mit der Verwendung des Zeugnisses in Drittstaaten wird diskutiert, ob mitgliedstaatliche Gerichte die Gutglaubenswirkung des Zeugnisses nach Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO bei rechtsgeschäftlichen Handlungen im Drittstaat berücksichtigen müssen. Die Gutglaubenswirkung ist naturgemäß nicht territorial gebunden, d.h. das Rechtsgeschäft, das von der Gutglaubenswirkung profitieren soll, wird nicht selten bei Belegenheit von Erblasservermögen in Drittstaaten in diesen selbst getätigt werden, indem etwa der Erbe in den Drittstaat reist und vor Ort die dort belegenen Nachlassgegenstände veräußert. Als Gründe können der Aufenthalt potentieller Erwerber im Drittstaat oder die Scheu vor den Kosten des Transports der Nachlassgegenstände in den Heimatstaat genannt werden. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit die Gutglaubenswirkung auch für Rechtsgeschäfte über in Drittstaaten belegene Nachlassgegenstände Geltung beanspruchen kann.116 Die Problematik wird nur vor mitgliedstaatlichen 114  In diesem Zusammenhang ergibt sich die Folgefrage, welche Reichweite das Zeugnis hat, das ein Erbstatut ausweist, das auf staatsvertraglichen Kollisionsnormen beruht. Konkret geht es darum, ob das Zeugnis die Erbfolge für Vermögen, das in den Vertragsstaaten des Abkommens belegen ist, oder für das ganze Weltvermögen ausweist. Da das Zeugnis indes ein „Weltnachlasszeugnis“ und gegenständliche Beschränkungen nicht vorsieht, unabhängig davon, woraus sich das ihm zugrundeliegende Erbstatut ergibt, muss das Zeugnis zwingend das ganze Nachlassvermögen erfassen. Zugleich wird dadurch die einheitliche Wirkungsentfaltung (vgl. auch ErwG 71 S.  1) gemäß Art.  69 Abs.  1 EuErbVO gewahrt. Im Übrigen beantworten die staatsvertraglichen Kollisionsnormen nicht die Frage, welche Reichweite das Zeugnis hat, so dass insoweit auch ein Vorrang gemäß Art.  75 Abs.  1 EuErbVO nicht vorliegt. A.A. Lehmann, ZEV 2014, 232 (235), der dem Vertragsstaat (hier: Deutschland) die Entscheidung überlässt, wie die Reichweite des Zeugnisses auszugestalten ist. Offen gelassen von BeckOGK/ J. Schmidt, Art.  75 EuErbVO Rn.  26.2. 115  Vgl. unten im 6. Kap., B., IV., S.  475 ff. 116  Bei der Verwendung eines Erbscheins soll es aus Sicht deutschen Rechts möglich, im Ausland einen Nachlassgegenstand gutgläubig zu erwerben, da §  2366 BGB in dieser Hinsicht

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

Gerichten relevant, die die Regeln der EuErbVO zu beachten und anzuwenden haben und sich deshalb mit den Wirkungen des Zeugnisses befassen müssen, um einen Sachverhalt rechtlich zu beurteilen.117 Für drittstaatliche Gerichte gilt die EuErbVO nicht. Das Zeugnis kann aus diesem Grund in drittstaatlichen Verfahren nur im Rahmen einer etwaigen autonomen Anerkennung oder Substitution innerhalb eines gesetzlichen Tatbestandes, der an das Vorliegen eines Erbnachweises anknüpft, Bedeutung erlangen. 1. Grammatikalische Auslegung Dem Wortlaut der Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO lässt sich nicht entnehmen, dass sich die Gutglaubenswirkung ausschließlich räumlich beschränkt auf die EU entfaltet.118 Ein Anhaltspunkt für eine räumliche Komponente kann lediglich in der Erlangung der aufgrund des konkreten Gutglaubensschutzes erforderlichen Kenntnis vom Inhalt des Zeugnisses gesehen werden. Hier könnte die Frage gestellt werden, wo – zwingend in einem Mitgliedstaat oder nicht – der Dritte diese Kenntnis erlangen muss und ob die Differenzierung rechtliche Konsequenzen mit sich bringt, namentlich die Geltung des Gutglaubensschutzes bei Kenntniserlangung in einem Mitgliedstaat einerseits und den Ausschluss des Gutglaubensschutzes bei Kenntniserlangung in einem Drittstaat andererseits. Es sollte es indessen irrelevant sein, an welchem Ort der Dritte die Kenntnis erhält. Bei der Kenntnis handelt es sich um eine rein subjektive Voraussetzung, für die das Erfordernis einer räumlichen Begrenzung keine Rechtfertigung hat.119 Das Vertrauen des Dritten in die im Zeugnis bescheinigte Rechtsstellung wird unabhängig davon aufgebaut, an welchem Ort er vom Inhalt des Zeugnisses Kenntnis erlangt. Zudem würde es vom reinen Zufall abhängen, ob die Kenntnis in einem Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat erlangt wird120, was einer rechtssicheren und vorausschauenden Nachlassabwicklung zuwiderläuft. Man muss sich nur die Situation vorstellen, dass sich der Dritte kurzzeitig in einem Drittstaat aufgehalten hat und kurz – z.B. einen Tag – vor seiner Rückreise in einen Mitgliedstaat oder sogar gleichsam im Drittstaat kurz vor der Landesgrenze zu einem Mitgliedstaat mit dem Zeugnisinhaber rechtsgeschäftlich agiert und auf diese Weise Kenntnis vom Inhalt des Zeugnisses erhält. Es wäre dann äußerst fragwürdig, dem Dritten die lex rei sitae gemäß Art.  43 Abs.  1 EGBGB verdränge, vgl. Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2370 Rn.  78; MüKoBGB/Grziwotz, §  2366 Rn.  3; Schäuble, ZErb 2009, 200 (201). 117  Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  4. 118  So auch Schauer/Scheuba/Schauer, Europäische Erbrechtsverordnung, 73 (94 f.). 119  Vgl. Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  307, die sich auf die Vertreter beziehen, die die Vorlage einer beglaubigten Abschrift verlangen. 120  So Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  4.

C. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten

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den Gutglaubensschutz zu versagen, wenn die räumliche Beziehung zu einem Mitgliedstaat nahezu erfüllt war. Der Grundgedanke derder ortsunabhängigen Kenntniserlangung vom Inhalt des Zeugnisses könnte dergestalt fortentwickelt werden, dass es für das Eingreifen des Gutglaubensschutzes unerheblich ist, ob das Rechtsgeschäft in einem Drittstaat vorgenommen wurde oder nicht. Das scheint jedoch eine Frage des Telos zu sein. Die Wortlautauslegung hilft folglich nicht weiter. 2. Systematische Auslegung In systematischer Hinsicht lässt sich auf Art.  62 Abs.  1, 63 Abs.  1 EuErbVO rekurrieren. Die Vorschriften machen die Ausstellung des Zeugnisses davon abhängig, dass der Antragsteller das Zeugnis in einem anderen Mitgliedstaat verwenden will. Wie bereits geschildert, hindert aber die Belegenheit eines Teils des Erblasservermögens in einem Drittstaat nicht die Ausstellung des Zeugnisses, solange zumindest die Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat beabsichtigt wird. Strikt an diesem Wortlaut wird daher festgemacht, dass ein mitgliedstaatliches Gericht, das über ein in einem Drittstaat vorgenommenes Rechtsgeschäft zu entscheiden hat, das Zeugnis nicht „verwendet“ (i.S.v. Verwenden in einem anderen Mitgliedstaat).121 Erstens ist hieran nicht nachvollziehbar, inwieweit das Gericht das Zeugnis „verwendet“. Die Verwendungsabsicht bezieht sich nur auf den Antragsteller. Zweitens kann man die Verwendungsabsicht auch anders interpretieren. Sie soll lediglich gewährleisten, dass das Zeugnis gemäß seinem Regelungszweck nur in Erbfällen mit grenzüberschreitenden Bezügen zum Einsatz kommt. Schon aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes sollen in rein inländischen Erbfällen die Erben und sonstigen Nachlassbeteiligten auf die vom nationalen Recht zur Verfügung gestellten Rechtsinstrumente zurückgreifen. Der drittstaatliche Bezug gibt dem Erbfall jenen grenzüberschreitenden Charakter, da dieser nicht zwingend an einen Mitgliedstaat gekoppelt sein muss. Nach dieser Lesart ist aus Art.  62 Abs.  1, 63 Abs.  1 EuErbVO nicht unbedingt die Konsequenz zu ziehen, die Gutglaubenswirkung könne nur in den Mitgliedstaaten Geltung beanspruchen. 3. Historische und genetische Auslegung Im Gesetzgebungsprozess wurde nicht erörtert, inwieweit die Gutglaubenswirkung auch auf in Drittstaaten abgeschlossene Rechtsgeschäfte erstreckt werden kann. 121  NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  10; im Ergebnis auch Rechberger/ZöchlingJud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  308.

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

4. Teleologische Auslegung Auf der einen Seite lässt sich teleologisch dahingehend argumentieren, dass die als einheitsrechtliche Sachnormen ausgestalteten Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO die uneingeschränkte Beachtung durch die an die EuErbVO gebundenen mitgliedstaatlichen Gerichte verlangen, auch wenn ein drittstaatliches Erbstatut maßgeblich oder ein drittstaatliches Recht auf das Rechtsgeschäft anwendbar ist.122 Aufgrund des unmittelbaren Anwendungsbefehls muss das Gericht auch bei Vornahme des Rechtsgeschäfts in einem Drittstaat die Gutglaubenswirkung des Zeugnisses berücksichtigen. Anders sei dies bei der Vermutungs- und Legitimationswirkung des Zeugnisses deshalb zu beurteilen, weil diese Wirkungen primär auf Gerichte bzw. Zivilverfahren und Behörden abzielen und der Unionsgesetzgeber nur in Bezug auf diese Institutionen der Mitgliedstaaten die Kompetenz hat, das Zeugnis als Erbnachweis ihnen gegenüber durchzusetzen.123 Hier kann lediglich eine etwaige Anerkennung durch den jeweiligen Drittstaat die Wirkungen des Zeugnisses transportieren. Bei der Gutglaubenswirkung hingegen, deren Adressat der private Rechtsverkehr ist, könnte eine räumliche Gebundenheit unangemessen sein. Will das Zeugnis als „Weltnachlasszeugnis“ das Vermögen auf der ganzen Welt erfassen, müsste das Zeugnis seine Gutglaubenswirkung auch auf Rechtsgeschäfte erstrecken, die in einem Drittstaat vorgenommen werden. Andernfalls könnte es zu einer sehr fragwürdigen Situation kommen: Der Erbe müsste z.B. den betreffenden Nachlassgegenstand aus dem Drittstaat in einen Mitgliedstaat transportieren, damit der Dritte beispielsweise gutgläubig Eigentum erwerben kann, wenn er daraufhin mit dem Erben in einem Mitgliedstaat das Rechtsgeschäft abschließt. Dieser zuweilen erhebliche Aufwand widerspricht dem Ziel, die internationale Nachlassabwicklung möglichst zügig, unkompliziert und effizient zu betreiben. Sowohl dem Erben als auch dem Dritten wird durch den Ausschluss der Gutglaubenswirkung erschwert, ihre Interessen durchzusetzen, obwohl sie die gleichen Ziele verfolgen. Zwar ließe sich aus Sicht des wahren Berechtigten einwenden, dass durch die Wirkungserstreckung auf Drittstaaten die Wahrscheinlichkeit entsprechend steigt, dass der wahre Berechtigte beispielsweise sein Eigentum an einem Nachlassgegenstand verliert, da Rechtsgeschäfte zwischen dem Zeugnisinhaber und dem Dritten gleichsam auf der ganzen Welt ihm zum Nachteil gereichen können. Allerdings vermag der Ort der Vornahme des Rechtsgeschäfts die Interessenabwägung im Rahmen des Spannungsverhältnisses zwischen dem Rechtsverkehr und dem wahren Berechtigten nicht derart zu beeinflussen, dass 122 

MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  6; zustimmend Dutta/Weber/Fornasier, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  11. 123  Schauer/Scheuba/Schauer, Europäische Erbrechtsverordnung, 73 (94).

C. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten

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dem wahren Berechtigten nunmehr ein stärkerer Schutz zukommen soll. Die einheitliche Nachlassabwicklung über das gesamte Nachlassvermögen unabhängig vom Ort seiner Belegenheit erscheint im Zeichen der Ziele der EuErbVO wichtiger als dem wahren Berechtigten durch eine partielle Restriktion des Gutglaubensschutzes zu begünstigen. Ein Vergleich mit den nationalen Erbnachweisen führt nicht zu einem anderen Ergebnis, da diese nur für den rein innerstaatlichen Verkehr konzipiert sind und ihr grundsätzlich kein auslandsbezogener Charakter zukommt. Den jeweiligen Staaten obliegt es mithin, inwieweit sie die Wirkungen importieren. Allerdings darf trotz der vorgenannten Argumente nicht übersehen werden, dass der Unionsgesetzgeber Vorgänge in Drittstaaten nicht regulieren kann. Die loi uniforme ermöglicht zwar die Maßgeblichkeit eines drittstaatlichen Erbstatuts, aber dieses besagt nur, welche Rechte und Befugnisse ein Zeugnisinhaber hat, und erweitert nicht den räumlichen Wirkungsbereich der Gutglaubenswirkung. Das Zeugnis nimmt also nur das drittstaatliche Recht auf, nach dem sich sein Inhalt richtet. Der Drittstaat wird in seiner Autonomie nicht dadurch verletzt, dass das Zeugnis sich des drittstaatlichen Rechts angenommen hat. Freilich ergeben sich Friktionen und ein internationaler Entscheidungseinklang kann nicht hergestellt werden, wenn die lex rei sitae einen gutgläubigen Erwerb nicht kennt bzw. aus Sicht des Drittstaates die Gutglaubenswirkung des Zeugnisses nicht berücksichtigt wird. Dann könnte die Situation eintreten, dass der Drittstaat das Eigentum des Erwerbers am betreffenden Nachlassgegenstand verneint, während die Mitgliedstaaten einen wirksamen Eigentumserwerb bejahen. Das Gefälle ist im Zeichen einer einheitlichen grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung hinzunehmen. Eine teleologisch-extensive Auslegung hat den Vorteil, den praktischen Wert des Zeugnisses immens zu erhöhen und eine gespaltene Behandlung des Nachlasses – ein Teil des Nachlasses unterliegt der Gutglaubenswirkung, ein anderer Teil, der in Drittstaaten belegen ist, nicht – zu verhindern. 5. Ergebnis Wortlaut und Telos sprechen für die Erstreckung der Gutglaubenswirkung, während der systematische Hinweis auf Art.  62 Abs.  1, 63 Abs.  1 EuErbVO für eine Beschränkung auf Mitgliedstaaten spricht. Insgesamt erscheint die Erstreckung der Gutglaubenswirkung auch auf in Drittstaaten vorgenommene Rechtsgeschäfte überzeugender.124 Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die Gutglau124  Dutta/Weber/Fornasier, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  11; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  4; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer, Art.  69 EuErbVO Rn.  5, der von den materiellrechtlichen Wirkungen des Zeugnisses spricht; Weiss/Bigler, in: Aktuelle Themen zur Notariatspraxis, 3. Schweizer Notarenkongress, 17 (61); a.A. Zimmer-

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benswirkung sich nur auf die Nachlassgegenstände im Drittstaat beschränkt und somit die rechtlichen Konsequenzen für den Drittstaat überschaubar sind. Die Leichtigkeit des Rechtsverkehrs wird effektiv gefördert und unnötigen Komplikationen bei der Abwicklung von Nachlassvermögen in Drittstaaten vorgebeugt. Gleichsam erzeugt das Zeugnis demzufolge einen „weltweiten“ Gutglaubensschutz, solange sich die Frage nach der Gutglaubenswirkung nur vor einem mitgliedstaatlichen Gericht stellt. IV. Anerkennung eines Europäischen Nachlasszeugnisses durch Drittstaaten Mag die Gutglaubenswirkung sich auch in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten bzw. bei Vornahme von Rechtsgeschäften in Drittstaaten aus Sicht mitgliedstaatlicher Gerichte entfalten können, so ist doch die Verwendung eines Zeugnisses für den Zeugnisinhaber primär damit verbunden, die eigene erbrechtliche Rechtsstellung im Rechtsverkehr nachzuweisen. Inwieweit das Zeugnis in Drittstaaten beispielsweise zum Nachweis der Erbfolge taugt, entscheidet das Recht des jeweiligen Drittstaates.125 Genauso entscheidet dieses darüber, welche sonstigen Wirkungen des Zeugnisses in den Drittstaat importiert werden. Das gilt in Anbetracht der vorhergehenden Ausführungen insbesondere auch für die Gutglaubenswirkung: Hat ein drittstaatliches Gericht darüber zu entscheiden, ob ein Dritter einen Nachlassgegenstand vom Zeugnisinhaber gutgläubig erworben hat, hat es die Gutglaubenswirkung des Zeugnisses nur im Rahmen seines drittstaatlichen Rechts zu berücksichtigen. In dieser Hinsicht setzen sich nunmehr im Hinblick auf das Zeugnis die bisherigen Probleme bei der Anerkennung von Erbnachweisen fort.126 Das Zeugnis kann stets faktisch, also auf freiwilliger Basis und ohne Inanspruchnahme insbesondere der Gutglaubenswirkung, akzeptiert werden127, indem z.B. eine Bank aus einem Drittstaat das Zeugnis als ausreichenden Legitimationsnachweis ansieht. Interessanter ist indessen die Bedeutung des Zeugnisses im Rahmen einer rechtlichen Anerkennung durch Drittstaaten. Das

mann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, S.  414, der allgemein der Auffassung ist, das Zeugnis entfalte in Drittstaaten keine rechtlichen Wirkungen; ebenso Verweijen, Handbuch Verlassenschaftsverfahren, S.  109; Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  308, die die Erstreckung der Gutglaubenswirkung damit verneinen, dass sich die sekundärrechtliche Tatbestandswirkung nur in Mitgliedstaaten Geltung beanspruchen kann. 125  Mayr/Wittwer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Rn.  7.190; vgl. auch NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  10. 126  MüKoBGB/Grziwotz, §  2353 Rn.  218. 127  Zimmermann, Rpfleger 2017, 2 (7); Süß, ZEuP 2013, 725 (749).

C. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten

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soll nachfolgend anhand der Rechtslage in der Schweiz, England und Wales und Kalifornien128 veranschaulicht werden. 1. Schweiz Die Schweiz ist ein Drittstaat, der sich mitten in Europa befindet. Es ist damit nicht unwahrscheinlich, dass ein Erbe versucht, sich mittels des Zeugnisses in der Schweiz vor staatlichen und privaten Stellen zu legitimieren, wenn dort Nachlassvermögen belegen ist.129 Das IPRG der Schweiz beinhaltet im Kapitel zum Erbrecht die Regelung des Art.  96 IPRG130, die die Anerkennung ausländischer Entscheidungen, Maßnahmen und Urkunden, die den Nachlass betreffen, sowie von Rechten aus einem im Ausland eröffneten Nachlass in der Schweiz zum Gegenstand hat. Vor der Einführung des Zeugnisses wurde die Anerkennung eines ausländischen Erbnachweises, insbesondere von Erbscheinen und Einantwortungsbeschlüssen im Zusammenhang mit Bankgeschäften, namentlich Auskünften oder Verfügungen über Bankdepots und -konten131, von Art.  96 IPRG erfasst und das gilt weiterhin.132 Denn die EuErbVO regelt zwar die Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher 128  Außer

Betracht gelassen werden im Folgenden etwaige Staatsverträge zwischen den Drittstaaten und dem Mitgliedstaat, aus dem das Zeugnis stammt. So könnte der Drittstaat aufgrund eines Staatsvertrages mit einem Mitgliedstaat das Zeugnis ohne weiteres anerkennen müssen, so z.B. im Hinblick auf §  17 des Deutsch-Türkischen Nachlassabkommens, vgl. MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  6. Es sollen hier die autonomen IPR/IZVR-Regeln des Drittstaates untersucht werden. 129  Bankvermögen, das sich in der Schweiz befindet, ist bei vielen Nachlässen keine Seltenheit, vgl. Fuchs/Wirich, BWNotZ 2015, 105. 130  Art.  96 IPRG: 1 Ausländische Entscheidungen, Massnahmen und Urkunden, die den Nachlass betreffen, sowie Rechte aus einem im Ausland eröffneten Nachlass werden in der Schweiz anerkannt: a. wenn sie im Staat des letzten Wohnsitzes des Erblassers oder im Staat, dessen Recht er gewählt hat, getroffen, ausgestellt oder festgestellt worden sind oder wenn sie in einem dieser Staaten anerkannt werden, oder b. wenn sie Grundstücke betreffen und in dem Staat, in dem sie liegen, getroffen, ausgestellt oder festgestellt worden sind oder wenn sie dort anerkannt werden. 2 Beansprucht ein Staat für die in seinem Gebiet liegenden Grundstücke des Erblassers die ausschliessliche Zuständigkeit, so werden nur dessen Entscheidungen, Massnahmen und Urkunden anerkannt. 3 Sichernde Massnahmen des Staates, in dem Vermögen des Erblassers liegt, werden in der Schweiz anerkannt. 131  CHK/T. Göksu, 2012, Art.  96 IPRG Rn.  3; vgl. auch Gottwald/Stangl, ZEV 1997, 217 (218 f.). 132  BaKo/Schnyder/Liatowitsch, Art.  96 IPRG Rn.  4; Schneider, Die Nachlaßabwicklung deutsch-schweizerischer Erbfälle in Deutschland und in der Schweiz, S.  178; vgl. auch die weiteren Nachweise bei Kuhn, SZIER 2002, 1 (5) in Fn.  16.

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

Erbnachweise, aber nur innerhalb der an die EuErbVO gebundenen Mitgliedstaaten. Die Schweiz erkennt darüber hinaus auch den internationalen Erbnachweis nach dem Haager Übereinkommen über die internationale Verwaltung von Nachlässen vom 02.10.1973 an133, was einmal mehr auf eine grundsätzliche Offenheit des schweizerischen Anerkennungssystems nicht nur gegenüber rein nationalen Erbnachweisen hindeutet. Da das Zeugnis selbst ebenfalls einen internationalen Erbnachweis verkörpert, könnte seine Anerkennung durch die Schweiz bereits unter guten Vorzeichen stehen. Es ist im Folgenden zu untersuchen, ob und wie sich das Zeugnis in das Anerkennungsgefüge des Art.  96 IPRG eingliedert. a) Anerkennung eines Europäischen Nachlasszeugnisses gemäß Art.  96 IPRG aa) Tatbestand des Art.  96 IPRG Art.  96 Abs.  1 IPRG verlangt als Gegenstand der Anerkennung eine ausländische Entscheidung oder eine Urkunde (oder eine Maßnahme oder Rechte aus einem im Ausland eröffneten Nachlass, die beide nicht auf das Zeugnis zutreffen). Erb­ rechtliche Legitimationsnachweise sind trotz Nichtbenennung darunter zu fassen.134 Wie bereits herausgearbeitet, verkörpert das Zeugnis eine öffentliche Urkunde.135 Das Zeugnis ist demnach ein gültiger Anerkennungsgegenstand gemäß Art.  96 Abs.  1 IPRG.136 Überdies muss die anzuerkennende ausländische Entscheidung oder Urkunde im Staat des letzten Wohnsitzes des Erblassers oder im Staat, dessen Recht er gewählt hat, getroffen, ausgestellt oder festgestellt worden sein oder sie müssen in einem dieser Staaten anerkannt worden sein (Art.  96 Abs.  1 lit.  a IPRG), sog. Anerkennungszuständigkeit oder indirekte Zuständigkeit137. Da das Zeugnis nach Art.  64 S.  1 EuErbVO i.V.m. Art.  4, 7, 10 oder 11 EuErbVO grundsätzlich am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers errichtet wird und dieser letz133  CHK/T. Göksu, Art.  96 IPRG Rn.  4; Bundesamt für Justiz, Ausländische Erbfolgezeugnisse als Ausweis für Eintragungen im schweizerischen Grundbuch, S.  13, abrufbar unter: (zuletzt abgerufen: 15.7.2021). Zu diesem internationalen Erbnachweis im Kontext des Zeugnisses siehe ausführlich unten im 6. Kap., E., S.  522 ff. 134  Brunner, Der Tod des Bankkunden, S.  106; Fuchs/Wirich, BWNotZ 2015, 105 (108). 135  Vgl. oben im 3. Kap., A., VIII., S.  58 f.; zur Diskrepanz, die jedoch überwunden wird, mit Art.  25 lit.  b IPRG, der eine rechtskräftige und endgültige Entscheidung verlangt, vgl. Kuhn, SZIER 2002, 1 (14 f.) sowie Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  523 f. 136  Weiss/Bigler, in: Aktuelle Themen zur Notariatspraxis, 3. Schweizer Notarenkongress, 17 (60). 137  BaKo/Schnyder/Liatowitsch, Art.  96 IPRG Rn.  1.

C. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten

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te gewöhnliche Aufenthalt regelmäßig mit dem Wohnsitz übereinstimmt (vgl. Art.  20 IPRG), ist die Voraussetzung des Art.  96 Abs.  1 lit.  a 1. Var. IPRG erfüllt.138 Wenn der Erblasser eine Rechtswahl zugunsten seines Heimatrechts nach Art.  22 Abs.  1 EuErbVO getroffen hat, sind unter den Voraussetzungen des Art.  64 S.  1 EuErbVO i.V.m. Art.  7 EuErbVO die Ausstellungsbehörden des Staates, dessen Recht gewählt wurde, für die Ausstellung des Zeugnisses zuständig. Damit ist auch die indirekte Zuständigkeit aus Art.  96 Abs.  1 lit.  a 2. Var. IPRG gegeben. Für die Konstellation des Art.  96 Abs.  1 lit.  a 3. Var. IPRG ist im Hinblick auf das Zeugnis als Anerkennungsgegenstand kein Raum, weil das Zeugnis nur in den von Art.  96 Abs.  1 lit.  a 1. Var. IPRG und Art.  96 Abs.  1 lit.  a 2. Var. IPRG erfassten Staaten errichtet werden kann.139 Schließlich müssen auch die allgemeinen Anerkennungsvoraussetzungen der Art.  25–27 IPRG erfüllt sein. Gemäß Art.  25 lit.  b IPRG wird eine Entscheidung bzw. eine Urkunde (vgl. Art.  31 IPRG, der die sinngemäße Anwendung der Art.  25–29 IPRG auf Entscheidungen und Urkunden der freiwilligen Gerichtsbarkeit anordnet) anerkannt, wenn gegen die Entscheidung bzw. Urkunde kein ordentliches Rechtsmittel mehr geltend gemacht werden kann oder wenn sie endgültig ist. Problematisch erscheint hier, dass das Zeugnis als provisorisches Legitimationspapier nicht in Rechtskraft erwächst, sondern jederzeit geändert oder widerrufen werden kann. Unter diesen Umständen könnte das Zeugnis als Urkunde nie endgültig sein. Daher ist die Anerkennungsvoraussetzung des Art.  25 lit.  b IPRG in dem Sinne zu verstehen, dass ein Änderungs- oder Widerrufsverfahren im Zeitpunkt der Anerkennung des Zeugnisses nicht anhängig sein darf.140 Die Anerkennung ist nach Art.  25 lit.  c IPRG sodann zu versagen, wenn ein Verweigerungsgrund i.S.d. Art.  27 IPRG – der starke Parallelen zu den Anerkennungsverweigerungsgründen des Art.  40 EuErbVO aufweist – vorliegt, z.B.

So auch Weiss/Bigler, in: Aktuelle Themen zur Notariatspraxis, 3. Schweizer Notarenkongress, 17 (60). 139  Zur Bedeutungslosigkeit der indirekten Zuständigkeit aus Art.  26 IPRG für die nationalen Erbnachweise siehe bereits Kuhn, SZIER 2002, 1 (8). Die Übertragbarkeit auf das nichtstreitige Zeugnisverfahren ist evident. 140  Vgl. Kren Kostkiewicz, Schweizerisches Internationales Privatrecht, Rn.  1808; Bundesamt für Justiz, Ausländische Erbfolgezeugnisse als Ausweis für Eintragungen im schweizerischen Grundbuch, S.  7. A.A. Wittwer, AnwBl 2015, 87 (94), der die Entfaltung von der Legitimationswirkung des Zeugnisses in der Schweiz mangels Endgültigkeit des Zeugnisses im Hinblick auf seine Gültigkeitsfrist verneint. Das ist jedoch in Anbetracht dessen zweifelhaft, dass auch der Erbschein nicht in materielle Rechtskraft erwächst und dennoch nach dem Bundesamt für Justiz ein anerkennungfähiger ausländischer Erbnachweis sein soll. Insofern ist kein Grund ersichtlich, warum ein Unterschied zum Zeugnis, das wie der Erbschein nicht in materielle Rechtskraft erwächst, in der Anerkennungsfrage gemacht werden soll. 138 

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

ein Verstoß gegen den ordre public oder das Bestehen einer konkurrierenden Zuständigkeit eines schweizerischen Gerichts141. bb) Rechtliche Wirkungen der Anerkennung gemäß Art.  96 IPRG Die Anerkennung des Zeugnisses führt (nur) zu einer prozessualen Wirkungs­ erstreckung (verfahrensrechtliche Anerkennung).142 Die h.L. folgt der Wirkungserstreckungstheorie mit der zusätzlichen Einschränkung der kontrollierten Wirkungs­übernahme .143 Damit werden zwar im Grundsatz die Wirkungen des ausländischen Rechtsakts in der Schweiz anerkannt, aber wird zugleich gewährleistet, dass dem Rechtsakt im Vergleich zu korrespondierenden schweizerischen Rechtsakten keine andersartigen und keine wesentlich weitergehenden Wirkungen beigemessen werden; diese Prüfung wird üblicherweise von der Behörde durchgeführt, die mit der Anerkennung befasst ist.144 Die Einschränkung hat gewiss für das Zeugnis kaum Bedeutung: Die Wirkungen des Zeugnisses sind materiellrechtlicher Art und können damit ohnehin nicht unter die prozessuale Wirkungserstreckung fallen. Die Anerkennung des Zeugnisses bewirkt lediglich, dass dessen Gültigkeit festgestellt wird.145 Aufgrund der Tatsache, dass das Bundesgericht in Bezug auf die Anerkennung eines ausländischen Erbnachweises großzügig ist146, ist allerdings davon auszugehen, dass jedenfalls der Nachweis der Erbfolge durch Vorlage des Zeugnisses ohne Exequaturverfahren von der jeweiligen Behörde selbst beurteilt werden kann und regelmäßig akzeptiert wird.147 Im Privatrechtsverkehr bei Banken, Versicherungen u.Ä. zeigt die Praxiserfahrung eine hohe Akzeptanz ausländischer Erbnachweise.148 Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb das Zeugnis weniger Weiss/Bigler, in: Aktuelle Themen zur Notariatspraxis, 3. Schweizer Notarenkongress, 17 (60). 142  Vgl. Kuhn, SZIER 2002, 1 (18). 143  ZürKo/Volken, Art.  25 IPRG Rn.  34 ff.; BaKo/Däppen/Mabillard, Art.  25 IPRG Rn.  40 f.; Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, S.  23 f; Dallafior, Die Legitimation des Erben, S.  159; Schneider, Die Nachlaßabwicklung deutsch-schweizerischer Erbfälle in Deutschland und in der Schweiz, S.  180; Brunner, Der Tod des Bankkunden, S.  108. 144  ZürKo/Volken, Art.  25 IPRG Rn.  34 f. 145  Vgl. ZürKo/Heini, Art.  96 IPRG Rn.  8; a.A. Schneider, Die Nachlaßabwicklung deutsch-schweizerischer Erbfälle in Deutschland und in der Schweiz, S.  181, bezüglich des deutschen Erbscheins, dessen Gutglaubens- und Legitimationswirkung von der Anerkennung umfasst sein sollen. 146  Vgl. BGer, Urt. v. 9.5.2005 – 5 C 25/2005. 147  Weiss/Bigler, in: Aktuelle Themen zur Notariatspraxis, 3. Schweizer Notarenkongress, 17 (61); so wohl auch BaKo/Schnyder/Liatowitsch, Art.  96 IPRG Rn.  4. 148  BaKo/Schnyder/Liatowitsch, Art.  96 IPRG Rn.  4. 141 

C. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten

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faktischen „Anerkennungserfolg“ haben soll, der indessen nichts mit der rechtlichen Anerkennung nach Art.  96 IPRG zu tun hat. Die materiellrechtlichen Wirkungen des Zeugnisses können über Art.  96 IPRG nicht in die Schweiz transportiert werden.149 Insofern folgt das schweizerische Recht dem Verweisungsprinzip und lässt das nach dem Kollisionsrecht bestimmte Geschäftsstatut – etwa Sachstatut oder Vertragsstatut – darüber entscheiden, welche materiellrechtlichen Wirkungen eintreten.150 Was das Geschäftsstatut für die Legitimation der Nachfolge als ausreichend erachtet, muss zunächst bestimmt werden, um sodann eine funktionale Äquivalenz zum Zeugnis herstellen zu können.151 In Betracht kommt die funktionale Äquivalenz des Zeugnisses zur schweizerischen Erbbescheinigung (Art.  559 Abs.  1 ZGB der Schweiz). Für die funktionale Äquivalenz ist es nicht erforderlich, dass der ausländische Erbnachweis in allen Voraussetzungen und Wirkungen mit der schweizerischen Erbbescheinigung übereinstimmt, sondern es genügt, wenn er mit ihr in den wesentlichen Wirkungen vergleichbar ist.152 In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird zudem verlangt, dass die Ausstellungsbehörde des ausländischen Erbnachweises in Bezug auf Qualifikation und Verfahrensweise einer schweizerischen Eröffnungsbehörde entspricht; eine Entsprechung liegt sowohl bei gerichtlichen Behörden als auch bei Verwaltungsbehörden und Notaren vor.153 Das Zeugnis wird nachgerade von diesen Behörden und Personen ausgestellt. Auch die Wirkungen des Zeugnisses ähneln denen der schweizerischen Erbbescheinigung, die Legitima­ tions­wirkung (Art.  9 ZGB der Schweiz) und Gutglaubensschutz entfaltet.154 Eine 149 

Insoweit mit Zweifeln, ob die Wirkungen des Art.  69 EuErbVO bei der Anerkennung gelten Dutta/Herrler/Lein, Die Europäische Erbrechtsverordnung, 199 (218); wohl auch Wittwer, AnwBl 2015, 87 (94), wonach das Zeugnis nach derzeitigem Stand nicht in die Liste des Bundesamts für Justiz an anerkennungsfähigen ausländischen Erbnachweisen aufgenommen werden soll. A.A. Weiss/Bigler, in: Aktuelle Themen zur Notariatspraxis, 3. Schweizer Notarenkongress, 17 (61), die sämtliche materiellrechtlichen Wirkungen des Zeugnisses auf die Schweiz erstrecken wollen. 150  CHK/T. Göksu, Art.  96 IPRG Rn.  5; ZürKo/Heini, Art.  96 IPRG Rn.  8; Kuhn, SZIER 2002, 1 (19); Kren Kostkiewicz, Schweizerisches Internationales Privatrecht, Rn.  1802. A.A. Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, S.  15. 151  ZürKo/Heini, Art.  96 IPRG Rn.  8; CHK/T. Göksu, Art.  96 IPRG Rn.  5. 152  Bundesamt für Justiz, Ausländische Erbfolgezeugnisse als Ausweis für Eintragungen im schweizerischen Grundbuch, S.  9. 153  Bundesamt für Justiz, Ausländische Erbfolgezeugnisse als Ausweis für Eintragungen im schweizerischen Grundbuch, S.  9. 154  Schneider, Die Nachlaßabwicklung deutsch-schweizerischer Erbfälle in Deutschland und in der Schweiz, S.  47 f.; vgl. auch Kren Kostkiewicz, Schweizerisches Internationales Privatrecht, Rn.  1825, die dem Zeugnis eine der schweizerischen Erbbescheinigung ähnliche Wirkung zuspricht.

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

Transportation der Gutglaubenswirkung des Zeugnisses ist indes ausgeschlossen. Dies wird damit begründet, dass aus Rücksicht auf die Interessen des schweizerischen Rechtsverkehrs der gutgläubige Erwerb etwa von Grundstücksrechten sich ausschließlich nach Art.  973 ZGB der Schweiz richten muss.155 b) Ergebnis Die Anerkennung des Zeugnisses in der Schweiz stellt aus tatbestandlicher Sicht keine große Hürde dar. Das Zeugnis fügt sich überaus konform in das Anerkennungsregime des schweizerischen IPR ein. Dies beruht wesentlich auf der Tatsache, dass die Schweiz weitgehend ähnliche Regelungen zum internationalen Erbrecht vorsieht wie die EU.156 Auf diese Weise wird die Akzeptanz des Zeugnisses und sonstiger ausländischer Erbnachweise erreicht, ohne dass das eigene Kollisionsrecht ausgehebelt werden müsste.157 Doch ist der Nutzen der Anerkennung nach Art.  96 IPRG begrenzt, weil lediglich die Gültigkeit des Zeugnisses festgestellt wird und ansonsten über Art.  96 IPRG hinaus das schweizerische Kollisionsrecht zu befragen ist. Abgekoppelt von der rechtlichen Anerkennung genießt das Zeugnis indessen voraussichtlich eine recht großzügige faktische Anerkennung, die Erben grundsätzlich die Gewissheit gibt, sich mittels des Zeugnisses unkompliziert in der Schweiz etwa vor Banken legitimieren zu können. Damit sollte in der Regel ein wesentlicher Teil der in der Schweiz durchzuführenden Nachlassabwicklung vom Zeugnis abgedeckt werden können. 2. England und Wales Das Vereinigte Königreich, dem die Landesteile England und Wales angehören, hat in Bezug auf die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen stets eine zurückhaltende Sonderstellung eingenommen. So nimmt das Vereinigte Königreich auch nicht an der EuErbVO teil (vgl. ErwG 82). Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU ist dieses nun in jeder Hinsicht ein Drittstaat.158 155  Vgl. Bundesamt für Justiz, Ausländische Erbfolgezeugnisse als Ausweis für Eintragungen im schweizerischen Grundbuch, S.  9. 156  Vgl. insbesondere Art.  91 Abs.  1 IPRG: „Der Nachlass einer Person mit letztem Wohnsitz im Ausland untersteht dem Recht, auf welches das Kollisionsrecht des Wohnsitzstaates verweist.“ Da die Kollisionsnormen der EuErbVO in der objektiven Anknüpfung dem Aufenthaltsprinzip folgen, ist in aller Regel aus Sicht der Schweiz und der EU das gleiche Recht anwendbar. 157  Vgl. Hess/Jayme/Pfeiffer, Heidelberg-Stellungnahme, S.  48. 158  Hoffnungen auf eine Verständigung zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union hinsichtlich eines gemeinsamen IZVR und IPR sind somit vorerst zerstört, so bereits schon wegen der damaligen Skepsis des Vereinigten Königreichs Richters, ZEV 2012, 576 (579).

C. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten

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a) Einführung Um zu verstehen, wie die englische Rechtsordnung mit ausländischen erbrechtlichen Rechtsakten in anerkennungsrechtlicher Hinsicht umgeht, ist es erforderlich, die Grundsätze der englischen (inter-)nationalen Nachlassabwicklung darzustellen. Obwohl das Vereinigte Königreich in der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen sich grundsätzlich zurückhaltend verhielt, beteiligte es sich z.B. an der EuVTVO oder an der Brüssel Ia-VO, die beide die Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen regeln (vgl. ErwG 24 der EuVTVO und ErwG 40 der Brüssel Ia-VO). Dass dem Vereinigten Königreich die Anerkennung von Erbnachweisen nicht unbekannt ist, zeigt der Colonial Probates Acts von 1892 und 1927, die die Anerkennung ausländischer Erbnachweise bzw. deren Anpassung an den englischen grant of probate (sog. „Reseal of foreign Probate“) regeln. In den Anwendungsbereich fallen jedoch nur ausländische Erbnachweise aus Commonwealth-Staaten.159 Mithin wird das Zeugnis nicht erfasst, selbst wenn das Zeugnis in Malta oder Zypern ausgestellt wird, die beide sowohl dem Commonwealth angehören als auch zugleich EU-Mitgliedstaaten sind. Denn die Colonial Probates Acts von 1892 und 1927 beziehen sich ausweislich des Wortlauts nur auf den grant of probate des Commonwealth-Staates; mit anderen Worten ist nur der jeweilige nationale Erbnachweis gemeint. Aus rechtlicher Perspektive ist hierbei erwähnenswert, dass das Vereinigte Kö­ nigreich bei der Anerkennung im Rahmen des Colonial Probate Acts von 1892 und 1927 eine Wirkungsgleichstellung des ausländischen Erbnachweises annimmt.160 Unabhängig von dieser Bereitschaft zur Anerkennung besteht für die Nachlassabwicklung in England und Wales eine Besonderheit, die im common law ihre Wurzeln hat. Das englische Erbrechtssystem folgt einem ähnlichen Grundprinzip wie das österreichische Recht. Nach dem Erbfall ist zunächst niemand befugt, den Nachlass in Besitz zu nehmen, bevor nicht ein Gericht einer Person oder mehreren Personen die hierzu erforderliche Ermächtigung zugewiesen hat.161 Diese Personen heißen entweder executors, wenn der Erblasser diese in einer Verfügung von Todes wegen bestimmt hat, oder administrators, wenn ein GeGarb/Wood, International Succession, S.  269. Colonial Probates Act, 1892, Sec. 2-1: „Where a court of probate in a British possession to which this Act applies has granted probate or letters of administration in respect of the estate of a deceased person, the probate or letters so granted may, on being produced to, and a copy thereof deposited with, a court of probate in the United Kingdom, be sealed with the seal of that court, and, thereupon, shall be of the like force and effect, and have the same operation in the United Kingdom, as if granted by that court.“ 161  Morris/McClean/Ruiz Abou-Nigm, The Conflict of Laws, S.  531. 159  160 

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

richt diese Person ernannt hat.162 Allgemein bezeichnet man sie als personal representatives.163 Sie haben insbesondere die Aufgabe, die Nachlassschulden zu begleichen und nach vollständiger Bereinigung den übrigen Nachlass an die Rechtsnachfolger auszukehren.164 Legitimiert werden sie durch einen grant of probate165, der sämtliche Informationen zum Nachlass und zu den Rechten und Befugnissen des Inhabers enthält. b) Ausschluss der Anerkennung eines Europäischen Nachlasszeugnisses durch das englische Kollisionsrecht Das grant of probate-Verfahren hat auch in internationalen Erbfällen eine hohe Bedeutung. Das englische Erbkollisionsrecht gibt mittelbar Aufschluss darüber, wie die Anerkennung des Zeugnisses zu beurteilen ist. Nachlassabwicklungen („administration“) bezüglich Vermögen in England und Wales unterliegen stets dem englischen Recht, auch wenn aus Sicht eines anderen Staates oder sogar Englands und Wales ein anderes Recht auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen Anwendung findet.166 Es erfolgt damit eine kollisionsrechtliche Sonderbehandlung für die Nachlassabwicklung (sog. Nachlassabwicklungsstatut) abweichend vom allgemeinen Erbstatut („succession“).167 Die EuErbVO unterstellt die Nachlassabwicklung keinem Sonderstatut (vgl. Art.  23 EuErbVO, der z.B. Fragen der Teilung des Nachlasses dem allgemeinen Erbstatut gemäß Art.  21, 22 EuErbVO anheimstellt).168 Vermutlich war dies einer der Gründe, weshalb das Vereinigte Königreich von der EuErbVO nicht überzeugt war. Aufgrund der 162 

Süß/Odersky, Erbrecht in England und Wales, Rn.  21; Bengel/Reimann/Klinger, §  9 Rn.  274; Hertel, in: FS Fessler, 2012, 157 (178). 163  Morris/McClean/Ruiz Abou-Nigm, The Conflict of Laws, S.  531; Gottwald/Stangl, ZEV 1997, 217 (222). 164  Morris/McClean/Ruiz Abou-Nigm, The Conflict of Laws, S.  531; Jülicher, EWS 2017, 19 (23); Lipstein, RabelsZ 39 (1975), 29 (30). 165  Die Errichtung des grant of probate ist im Non-Contentious Probate Rules 1987 geregelt. 166  Süß/Odersky, Erbrecht in England und Wales, Rn.  22; siehe auch DNotI-Studie, S.  289. 167  Süß/Odersky, Erbrecht in England und Wales, Rn.  22 f.; Odersky, ZEV 2000, 492; Bengel/Reimann/Klinger, §  9 Rn.  273; zur Reichweite des Nachlassabwicklungsstatuts vgl. Stone, The conflict of laws, S.  369 f. und Kopp, Probleme der Nachlassabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlassspaltung, S.  53 ff. 168  Auch das vormalige deutsche autonome Erbkollisionsrecht in Art.  25 EGBGB a.F. kannte kein besonderes Nachlassabwicklungsstatut, vgl. Staudinger/Dörner, Art.  25 EGBGB Rn.  21; Schneider, Die Nachlaßabwicklung deutsch-schweizerischer Erbfälle in Deutschland und in der Schweiz, S.  1. Einzelne Tendenzen in der Literatur, namentlich von Ferid, vgl. ­Ferid, in: FS Cohn, 1975, 31, zur Einführung eines Nachlassabwicklungsstatuts im deutschen autonomen Erbkollisionsrecht entbehren jedenfalls mit Inkrafttreten der EuErbVO jeglicher Grundlage.

C. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten

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Maßgeblichkeit englischen Rechts müssen die Erben auch das grant of probate-Verfahren nach englischem Recht durchlaufen, um an das Vermögen des Erb­ lassers heranzukommen und den Nachlass abzuwickeln. Das Zeugnis ist in dieser Hinsicht wertlos. Selbst wenn das Zeugnis dem englischen Erbstatut unterliegt, macht dies das grant of probate-Verfahren nicht entbehrlich, da die administration aus Sicht Englands und Wales nicht dem Erbstatut zuzuordnen ist. Ersichtlich wird kein englisches Gericht mit dem Erbfall befasst, das sodann den grant of probate erteilt. Der grant of probate entfaltet aus englischer Sicht Wirkung nur territorial beschränkt auf das englische Staatsgebiet, deshalb können auch ausländische Erbnachweise wie das Zeugnis nach englischem Verständnis nur Wirkungen hinsichtlich des ausländischen Nachlasses entfalten.169 Zusätzlich würde der Grundsatz der Nachlasseinheit (Art.  23 Abs.  1 EuErbVO) zu einer Friktion mit dem in England und Wales geltenden Prinzip der Nachlassspaltung170 führen. Das dem Zeugnis zugrundeliegende Erbstatut widerspricht aus Sicht Englands und Wales regelmäßig, wenn nicht gerade englisches Erbstatut (z.B. aufgrund einer Rechtswahl) maßgeblich ist, dem auf das unbewegliche Vermögen in England und Wales anwendbaren Recht, da dieses, wie oben ausgeführt, stets englisches Recht ist171. Die zu erwartende Nichtakzeptanz des Zeugnisses spiegelt sich ferner in der englischen Rezeption des ersten Entwurfs zur EuErbVO wider. Nahezu einhellig wurde vertreten, dass das Zeugnis das englische grant of probate-Verfahren nicht überragen können soll. Mit Skepsis wurde die automatische Wirkungserstreckung des Zeugnisses betrachtet sowie die Gefahr von unrichtigen Zeugnissen für den Rechtsverkehr betont.172 Angedacht wurde indes, das Zeugnis im Vereinigten Königreich dazu zu verwenden, einen grant of probate zu erhalten, z.B. als Urkunde im Verfahren der Antragstellung eines grant of probate; dennoch solle es ohne einen grant of probate nicht zur Nachlassabwicklung in England und Wales kommen können.173 Es ist davon auszugehen, dass das Zeugnis dazu geeignet ist, im Rahmen des grant of probate-Verfahrens den Nachweis der im

169  So Pecher, Die internationale Erbschaftsverwaltung bei deutsch-englischen Erbfällen, S.  127. 170  Näher hierzu Stone, The conflict of laws, S.  371. 171  Vgl. Jülicher, EWS 2017, 19 (20). 172  House of Lords, European Union Committee, 6th Report of Session 2009–2010, The EU’s Regulation on succession, Rn.  131 ff., abrufbar unter: (zuletzt abgerufen: 15.7.2021). 173  House of Lords, European Union Committee, 6th Report of Session 2009–2010, The EU’s Regulation on succession, Rn.  130.

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

Ausland festgestellten Rechtsstellung gemäß Sect. 30 (1) (a) N.C.P.R. 1987174 zu erbringen.175 Ein Zeugnisinhaber muss deshalb in England und Wales einen grant of probate beantragen, wenn er das Vermögen des Erblassers dort repräsentieren bzw. in Besitz nehmen will.176 Ausführungen zur Reichweite einer potentiellen Anerkennung erübrigen sich damit. Aus einer Gesamtschau des englischen Erbrechtssystems ergibt sich jedoch die Schlussfolgerung, dass eine Transportation der materiellrechtlichen Wirkungen des Zeugnisses ausgeschlossen werden kann. Denn das in England und Wales stark verwurzelte lex fori-Prinzip für die Nachlassabwicklung von Vermögen in England und Wales verbietet es, ausländischen Wirkungen, namentlich die Wirkungen des Zeugnisses als europäisches Sachrecht, die nicht dem englischen Recht entspringen, zur Geltung zu verhelfen. c) Ergebnis Die Irrelevanz des Zeugnisses in England und Wales war aufgrund des dort geltenden common law absehbar.177 Somit lässt sich die Anerkennungsfrage so beantworten wie z.B. zu jener nach der Anerkennung eines Erbscheins in England und Wales. Das Zeugnis ist im Ergebnis ein relativ unbrauchbares Dokument zur dortigen Nachlassabwicklung. Eventuell lässt sich aber mit der Vorlage des Zeugnisses die Beantragung eines grant of probate zügiger durchführen. Das betrifft freilich nur die zeitliche Komponente einer Nachlassabwicklung, aber nicht deren effektive Durchführung. Auffällig ist schließlich, dass die kollisionsrechtliche Varietät beim Zeugnis, also die Möglichkeit, dass das Zeugnis je nach Konstellation unterschiedlichen Erbstatuten unterliegen kann, für England und Wales abschreckend wirkte. Ein europäischer Erbnachweis kommt aber seiner Natur nach nicht umhin, alle mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen in kollisionsrechtlicher Hinsicht in sich zu vereinigen. England und Wales haben sich insofern nicht sonderlich liberal gezeigt; eine Bindung des Vereinigten Königreichs an die EuErbVO hätte die auto174 

Sect. 30 (1) (a) N.C.P.R. 1987: „30. (1) Subject to paragraph (3) below, where the deceased died domiciled outside England and Wales, a registrar may order that a grant do issue to any of the following persons (a) to the person entrusted with the administration of the estate by the court having jurisdiction at the place where the deceased died domiciled; or […]“. 175  Vgl. auch zu ausländischen Zeugnissen in der englischen Nachlassabwicklung allgemein Pecher, Die internationale Erbschaftsverwaltung bei deutsch-englischen Erbfällen, S.  128. 176  Vgl. Morris/McClean/Ruiz Abou-Nigm, The Conflict of Laws, S.  536; so auch Dutta/ Herrler/Lein, Die Europäische Erbrechtsverordnung, 199 (218). 177  Siehe auch Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, 589 (590 f.).

C. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten

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matische Wirkungserstreckung des Zeugnisses auf das Vereinigte Königreich zur Folge gehabt. Das grant of probate-Verfahren hätte demnach in internationalen Erbfällen einen kollisionsrechtlichen Paradigmenwechsel erfahren, gegen den das Vereinigte Königreich sich offenbar gesträubt hat. 3. Kalifornien Zuletzt soll ein Blick über den europäischen Kontinent hinaus auf den anglo-amerikanischen Rechtsraum geworfen werden. Exemplarisch soll die Rechtslage bezüglich der Anerkennung des Zeugnisses anhand des US-Bundesstaates Kalifornien dargelegt werden. Indem das anglo-amerikanische Rechtssystem auch dem common law folgt,178 ergeben sich einige Parallelen zur Behandlung des Zeugnisses durch England und Wales. a) Einführung Das kalifornische Erbrechtssystem entspricht in materiellrechtlicher Hinsicht dem englischen System. Das materielle Erbrecht sowie das hier interessierende Erbverfahrensrecht sind im in 12 Abschnitten unterteilten California Probate Code vom 14.8.1931 geregelt.179 Nach dem Tod einer Person muss zunächst das Gericht tätig werden. Das zuständige Gericht bestellt auf Antrag einer berechtigten Person einen personal representative (executors oder administrators) und/ oder erteilt einen probate.180 Der personal representative hat sämtliche Befugnisse über den Nachlass, er hat insbesondere den Nachlass in Besitz zu nehmen und die Nachlassschulden zu begleichen.181 Vgl. Döser, NJW 2000, 1451 (1452); Odersky, ZEV 2000, 492. Vgl. Ferid/Firsching/Hausmann/Leithold, Kalifornien, Rn.  1. 180  Sect. 8000 California Probate Code: „(a) At any time after a decedent’s death, any interested person may commence proceedings for administration of the estate of the decedent by a petition to the court for an order determining the date and place of the decedent’s death and for either or both of the following: (1) Appointment of a personal representative. (2) Probate of the decedent’s will. (b) A petition for probate of the decedent’s will may be made regardless of whether the will is in the petitioner’s possession or is lost, destroyed, or beyond the jurisdiction of the state.“ 181  Jülicher, EWS 2017, 19 (23); vgl. auch Sect. 9650 California Probate Code: „(a) Except as provided by statute and subject to subdivision (c): (1) The personal representative has the right to, and shall take possession or control of, all the property of the decedent to be administered in the decedent’s estate and shall collect all debts due to the decedent or the estate. The personal representative is not accountable for any debts that remain uncollected without his or her fault. (2) The personal representative is entitled to receive the rents, issues, and profits fRom the real and personal property in the estate until the estate is distributed. 178  179 

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

b) Ausschluss der Anerkennung eines Europäischen Nachlasszeugnisses durch das US-amerikanische Kollisionsrecht Das US-amerikanische Kollisionsrecht unterstellt das auf die Nachlassabwicklung anwendbare Recht parallel zur englischen Handhabung der lex fori, während auf unbewegliches Vermögen (immovable property) die lex rei sitae und auf bewegliches Vermögen das Recht des letzten Domizils anwendbar ist.182 Maßgeblich ist somit das Recht des Gerichts, das den personal representative bestellt hat.183 Das Ergebnis deckt sich mit der Situation in England und Wales: Das Zeugnis macht die Durchführung eines Nachlassverfahrens vor kalifornischen Gerichten nicht obsolet. Die Anerkennung ausländischer Rechtsakte (recognition of foreign judgments) ist dem kalifornischen Recht nicht fremd. So sehen die §§  1713–1724 der kalifornischen Zivilprozessordnung (California Code of Civil Procedure) die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile (sowohl von anderen US-Bundesstaaten als auch von Staaten außerhalb der USA), die eine Geldforderung zum Inhalt haben, vor. Gemäß §  1719 der kalifornischen Zivilprozessordnung hat das ausländische Urteil die gleichen Wirkungen bzw. ist in der gleichen Weise zu vollstrecken, wie wenn ein kalifornisches Gericht das Urteil erlassen hätte. Das kalifornische Recht folgt demzufolge der Gleichstellungslehre. Regelungen zur Anerkennung ausländischer Erbnachweise sucht man im kalifornischen Recht indes vergebens. Deutlich wird damit die Priorität des probate-Verfahrens für den ausländischen Erben, der den Zugriff auf das Vermögen in Kalifornien begehrt. Dem Zeugnis verbleibt gleichwohl ein kleiner Nutzen, der zwar das probate-Verfahren nicht überwindet, ihn jedoch möglicherweise beschleunigt. So ist es möglich, ein sog. ancillary probate proceedings, also ein Nebenverfahren zur Erteilung des probate anzustrengen, wenn der Erblasser sein letztes Domizil nicht in Kalifornien hat.184 Der Zeugnisinhaber muss hierfür insbesondere (b) The personal representative shall pay taxes on, and take all steps reasonably necessary for the management, protection, and preservation of, the estate in his or her possession. (c) Real property or tangible personal property may be left with or surrendered to the person presumptively entitled to it unless or until, in the judgment of the personal representative, possession of the property by the personal representative will be necessary for purposes of administration.   The person holding the property shall surrender it to the personal representative on request by the personal representative.“ 182  Berenbrok, Internationale Nachlaßabwicklung, S.  188; Kopp, Probleme der Nachlassabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlassspaltung, S.  44; Odersky, ZEV 2000, 492. 183  Firsching, Deutsch-amerikanische Erbfälle, S.  100. 184  Sect. 12520 California Probate Code: „(a) If a nondomiciliary decedent’s will has been admitted to probate in a sister state or foreign nation and satisfies the requirements of this article, probate of the will in an ancillary administration proceeding is governed by this article.

C. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten

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neben dem Zeugnis eine Abschrift der Verfügung von Todes wegen abliefern, sofern diese vorliegt.185 Die Annahme des Zeugnisses in das probate-Verfahren wird hierbei regelmäßig erfolgreich sein, wenn der Erblasser sein letztes Domizil im Ausstellungsstaat hat, sämtliche berechtigte Personen in das Verfahren einbezogen wurden und die Entscheidung abschließend ist.186 Bezüglich der letzten Voraussetzung lassen sich Zweifel dahingehend aufwerfen, dass das Zeugnis jederzeit geändert oder widerrufen werden kann. Jedenfalls bei offensichtlich unstreitigen Sachverhalten wird das kalifornische Gericht das ancillary probate proceeding aufgrund der Vorlage des Zeugnisses durchführen. Ein in diesem Verfahren erteiltes probate zugunsten des Zeugnisinhabers hat die gleichen Wirkungen wie ein probate, der aufgrund des Domizils des Erblassers in Kalifornien erteilt worden wäre.187 Mit diesem probate kann der Zeugnisinhaber nunmehr den Nachlass in Kalifornien abwickeln.

(b) If a nondomiciliary decedent’s will has been admitted to probate in a sister state or foreign nation, but does not satisfy the requirements of this article, the will may be probated in an ancillary administration proceeding pursuant to Part 2 (commencing with Section 8000).“ 185  Sect. 12521 California Probate Code: „(a) A petition for probate of a nondomiciliary decedent’s will under this article shall include both of the following: (1) The will or an authenticated copy of the will. (2) An authenticated copy of the order admitting the will to probate in the sister state or foreign nation or other evidence of the establishment or proof of the will in accordance with the law of the sister state or foreign nation. (b) As used in this section, “authenticated copy” means a copy that satisfies the requirements of Article 2 (commencing with Section 1530) of Chapter 2 of Division 11 of the Evidence Code.“ 186  Sect. 12523 California Probate Code: „(a) Except as provided in subdivision (b), if a will of a nondomiciliary decedent was admitted to probate, or established or proved, in accordance with the laws of a foreign nation, the court shall admit the will to probate in this state, and may not permit a contest or revocation of probate, if it appears fRom  the order admitting the will to probate in the foreign nation, or otherwise appears, that all of the following conditions are satisfied: (1) The determination in the foreign nation is based on a finding that at the time of death the decedent was domiciled in the foreign nation. (2) All interested parties were given notice and an opportunity for contest in the proceedings in the foreign nation. (3) The determination in the foreign nation is final. (b) The court may refuse to admit the will, even though it is shown to satisfy the conditions provided in subdivision (a), where the order admitting the will was made under a judicial system that does not provide impartial tribunals or procedures compatible with the requirements of due process of law.“ 187  Sect. 12524 California Probate Code: „A nondomiciliary decedent’s will admitted to probate under this article has the same force

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

c) Ergebnis Das Zeugnis hat in Kalifornien abgesehen vom beschleunigten Verfahren keinen praktischen Nutzen. Wie in England und Wales hat der Erbe das in Kalifornien vorgesehene Verfahren zu durchlaufen, um Zugriff auf das Nachlassvermögen zu erhalten. Obwohl das Zeugnis als „Weltnachlasszeugnis“ das ganze Vermögen des Erblassers auf der Welt erfasst, setzt die kalifornische Rechtsordnung, wie regelmäßig jeder Drittstaat, eine undurchdringbare Grenze. V. Substitution des Europäischen Nachlasszeugnisses im Rahmen mitgliedstaatlicher Regelungen Der Nachweis des Erbrechts in bestimmten Nachlassangelegenheiten durch Vorlage eines Zeugnisses wird häufig in einfachgesetzlichen Regelungen der Mitgliedstaaten normiert (vgl. z.B. §  35 Abs.  1 S.  1 GBO). Das Zeugnis bzw. seine Vorlage bilden somit ein Tatbestandsmerkmal innerhalb einer Sachnorm. Deshalb kann das Zeugnis Gegenstand einer Substitution sein. Im internationalen drittstaatlichen Kontext stellt sich die Frage, inwieweit das Zeugnis durch andere Erbnachweise substituiert werden kann. Denkbar ist, dass ein Erbe sich mit ­einem drittstaatlichen Erbnachweis ausstattet, um sich mit diesem vor den Registerbehörden eines Mitgliedstaates zu legitimieren. Aber auch im rein mitgliedstaatlichen Kontext kann über eine Substitution nachgedacht werden: Wenn der Erbe auf die Einholung des Zeugnisses verzichtet und sich nur mit dem mitgliedstaatlichen Erbnachweis ausstattet, um sich in einem anderen Mitgliedstaat zu legitimieren, läuft dies ins Leere, weil die mitgliedstaatlichen Erbnachweise nur eine eingeschränkte Freizügigkeit genießen und ihre Legitimationswirkung im Besonderen nicht in einen anderen Mitgliedstaat transportiert wird. An dieser Stelle kommt die Substitution ins Spiel. 1. Substitution des Europäischen Nachlasszeugnisses durch mitgliedstaatliche Erbnachweise? Zunächst ist zu untersuchen, ob mitgliedstaatliche Erbnachweise selbst das Zeugnis substituieren können. Irrelevant ist, dass das zu substituierende Zeugnis der EuErbVO, also dem europäischen Recht, entspringt. Denn das Zeugnis ist als Tatbestandsmerkmal in einem nationalen gesetzlichen Tatbestand inkorporiert. Die Substitutionsfrage ist gewiss eine theoretische und praktisch kaum bedeutsame Frage. Denn das Zeugnis wurde gerade mit dem Ziel geschaffen, die Substitutionsproblematik zu entschärfen. Ein Erbe muss sich z.B. nicht mehr bemühen, and effect as the will of a person who dies while domiciled in this state that is admitted to probate in this state.“

C. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten

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mit einem acte de notoriété den Nachweis seiner Erbenstellung im Rahmen des §  35 Abs.  1 S.  1 GBO zu erbringen (was freilich mit keinem Erfolg beschieden ist), sondern kann dies gleichsam mit der Vorlage des Zeugnisses erreichen. Ein Zeugnis kann nämlich wegen Art.  69 Abs.  1 EuErbVO stets das Tatbestandsmerkmal „Vorlage eines Zeugnisses“ in jeder mitgliedstaatlichen Rechtsordnung erfüllen. Theoretisch muss man sich die Substitutionsfrage dennoch stellen. An dieser Stelle ist zu konstatieren, dass es häufig an der funktionellen Äquivalenz der mitgliedstaatlichen Erbnachweise zum Zeugnis fehlt, da vor allem die privat errichteten und notariellen Erbnachweise mit der Wirkungskonzeption des Zeugnisses nicht vergleichbar sind und aus diesem Grund die Voraussetzungen einer Substitution188 bereits nicht erfüllt werden können. Wenn die mitgliedstaatlichen Erbnachweise darüber hinaus nur eine begrenzte Verkehrsfähigkeit über Art.  39 ff. EuErbVO bzw. Art.  59 EuErbVO genießen, erscheint es fragwürdig, auf der nachgelagerten Ebene der Substitution den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen letztlich zur Geltung (zumindest) der Legitimationswirkung zu verhelfen, wenn hierfür gerade das Zeugnis als unionsweiter Erbnachweis zur Verfügung steht. Als eine außerhalb der EuErbVO stehende Problematik ist es jedem Mitgliedstaat selbst überlassen, ob und inwieweit eine Substitution zugelassen wird. Nach dem Willen des Unionsgesetzgebers soll eine Substitution wohl ausgeschlossen sein. Es ist indessen in der Tat zu erwarten, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte eine Substitution des Zeugnisses durch einen ausländischen mitgliedstaatlichen Erbnachweis mit dem Hinweis auf die Einführung und Verwendung des Zeugnisses ablehnen werden.189 Sofern im Übrigen in der inländischen Sachnorm wie bei §  35 Abs.  1 S.  1 GBO das Zeugnis und der mitgliedstaatliche Erbnachweis als Legitimationsnachweise gleichgestellt werden, könnte dieser mitgliedstaatliche Erbnachweis zugleich von dem ausländischen mitgliedstaatlichen Erbnachweis substituiert werden. Hier sollten grundsätzlich die gleichen Substitutionspraktiken gelten wie vor Inkrafttreten der EuErbVO. Die Bejahung einer Substitution ist dahingehend wahrscheinlicher geworden, dass mit der Kolli­ sions­rechtsvereinheitlichung der ausländische mitgliedstaatliche Erbnachweis in der Regel das Erbstatut ausweist, das auch aus inländischer Sicht angewandt worden wäre. Damit ist eine funktionelle Äquivalenz zwischen dem inländischen und ausländischen Erbnachweis jedoch noch nicht anzunehmen.

188  Vgl. hierzu MüKoBGB/v. Hein, Einl. zum IPR, Rn.  252 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht, S.  231 ff. 189  Für eine Unzulässigkeit einer Substitution des Zeugnisses durch nationale Erbnachweise Dörner, DNotZ 2018, 661 (675).

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

2. Substitution des Europäischen Nachlasszeugnisses durch drittstaatliche Erbnachweise? Eine andere Beurteilung könnte jedoch bei der Substitution des Zeugnisses durch drittstaatliche Erbnachweise vorzunehmen sein. Insofern greifen die Implikationen der EuErbVO nicht ein, weil drittstaatliche Erbnachweise von ihr nicht geregelt werden, auch wenn das Zeugnis, das substituiert werden soll, ein Rechtsinstrument der EuErbVO ist. Ob ein drittstaatlicher Erbnachweis, z.B. eine schweizerische Erbbescheinigung oder ein letter of grant, das Zeugnis zu substituieren vermag, hängt von der jeweiligen Sachnorm ab und kann nicht pauschal festgestellt werden. Tatsächlich sollte sich an der bisherigen Substitu­ tions­praxis nach der Einführung des Zeugnisses nichts ändern: Da das Zeugnis als Legitimationsnachweis neben die nationalen Erbnachweise tritt, können die Grundsätze der Substitution von nationalen Erbnachweisen auf die Substitution des Zeugnisses übertragen werden. Im konkreten Fall wird entweder das Zeugnis oder der nationale Erbnachweis beispielsweise im Rahmen des §  35 Abs.  1 S.  1 GBO substituiert (eine kumulative Substitution erscheint denkbar, wenn der drittstaatliche Erbnachweis vor allem funktionelle Äquivalenz zum Zeugnis und zum nationalen Erbnachweis besitzt, hätte aber ersichtlich keinen weiteren Nutzen als eine singuläre Substitution). Denn nach wie vor geht es im Ergebnis um die Erbringung des Nachweises des Erbrechts; die Beurteilung der funktionellen Äquivalenz eines drittstaatlichen Erbnachweises fällt nicht deshalb anders aus, weil nunmehr zwei Formen von Erbnachweisen einfachgesetzlich vorgesehen sind. VI. Ergebnis Festzuhalten ist, dass das Zeugnis hauptsächlich und selbstredend in den an die EuErbVO gebundenen Mitgliedstaaten seinen genuinen Wirkungsbereich findet. Doch reiht sich das Zeugnis aus Sicht der Drittstaaten in die ausländischen Rechtsakte ein, die nach ihrem Recht möglicherweise anerkannt werden können. Eine allgemeingültige Aussage, wie das Zeugnis von Drittstaaten rezipiert wird, kann aufgrund der Diversität drittstaatlicher Anerkennungssysteme nicht getroffen werden. Immerhin erscheint es denkbar, dass das Zeugnis im englischen und anglo-amerikanischen Rechtsraum das Verfahren zur Erteilung des drittstaatlichen Erbnachweises beschleunigt. In der Schweiz ist sogar mit einer völligen Akzeptanz des Zeugnisses als Legitimationsnachweis in Nachfolgeangelegenheiten zu rechnen. Möglicherweise wird sich im Laufe der Zeit aus dem Umstand, dass das Zeugnis ein europäisches Rechtsinstrument ist und somit einen besonders starken politischen und rechtlichen Rückhalt hat, das Zeugnis auch in der drittstaatlichen Landschaft punktuell eine Legitimation ermöglichen (zumin-

D. Fazit

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dest in solchen Drittstaaten, die nicht starr von der Herrschaft des eigenen Rechts für die Nachlassabwicklung ausgehen).

D. Fazit Das Zeugnis und die mitgliedstaatlichen Erbnachweise hängen im Bereich der grenzüberschreitenden Durchsetzung untrennbar miteinander zusammen. Die Beurteilung der Verkehrsfähigkeit der mitgliedstaatlichen Erbnachweise kann nicht ohne Berücksichtigung der Wertungen, die das Zeugnis impliziert, erfolgen. Die EuErbVO fordert sehr klar, dass ein möglichst reibungsloses Neben­ einander der Erbnachweise erreicht wird. Allerdings bedeutet die Einführung des Zeugnisses nicht die absolute Sperre der Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise im europäischen Rechtsraum. Auf diese Weise kommt es zwar zwingend zur Zweigleisigkeit, die insbesondere bei Divergenzen zwischen den Erbnachweisen Probleme verursachen kann. Die Zweigleisigkeit folgt indessen aus dem Prinzip der Koexistenz und aus dem optionalen Charakter des Zeugnisses. Insgesamt sollte das Zeugnis bei der Abwicklung internationaler Erbfälle den Siegeszug antreten. Sein wirkungsdogmatischer Unterbau, der über Art.  69 Abs.  1 EuErbVO geebnet wird, übertrifft die mitgliedstaatlichen Erbnachweise in Bezug auf die Verkehrsfähigkeit in allen Aspekten. Denn die materiellrechtlichen Wirkungen der mitgliedstaatlichen Erbnachweise lassen sich nicht über das Anerkennungs- und Annahmeregime der EuErbVO in andere Mitgliedstaaten exportieren. In diese Lücke tritt das Zeugnis mit der uneingeschränkten Wirkungserstreckung vollumfänglich ein. Die Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise beschränkt sich insgesamt auf einen nicht besonders erheblichen Einfluss beispielsweise auf streitige Verfahren um das Erbrecht, in dem die Beweiswürdigung des Richters durch die formelle Beweiskraft des mitgliedstaatlichen Erbnachweises in gewissem Umfang vorbestimmt wird. Unabhängig von der rechtlichen Absicherung, die mit der Verwendung eines Zeugnisses einhergeht, steht es dem privaten Rechtsverkehr nach wie vor frei, ausländische mitgliedstaatliche Erbnachweise zum Nachweis der Erbenstellung zu akzeptieren. Wünschenswert ist es jedoch, dass das Bewusstsein für den Nutzen des Zeugnisses sich langfristig im Privatrechtsverkehr absetzt. Erstens sind die eintretenden Rechtsfolgen bei der Verwendung des Zeugnisses vorhersehbar, so dass die Rechtssicherheit gefördert wird. Die individuelle Betrachtung des jeweiligen mitgliedstaatlichen Erbnachweises läuft demgegenüber der Rechtssicherheit zuwider. Zweitens entsteht durch die Verwendung des Zeugnisses langfristig eine gewisse Übung, die den praktischen Umgang mit dem Zeugnis ausformt. Denn die internationalen Erbfälle sollten sich im Kern nicht wesentlich

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Fünftes Kapitel: Die Durchsetzung des Europäischen Nachlasszeugnisses

voneinander unterscheiden. Gemeinsame Leitlinien können durch den ständigen Gebrauch des Zeugnisses – auch aus kautelarjuristischer Sicht – erarbeitet werden. Aus Sicht jener Mitgliedstaaten, in denen keine Erbnachweise existieren oder diese schwach sind, sollte dem Zeugnis gerade besonders hoher Zuspruch gewährt werden. Was schließlich die Bedeutung des Zeugnisses im Kontext von Drittstaaten betrifft (abzüglich der Wirkungserstreckung der Gutglaubenswirkung aus Sicht mitgliedstaatlicher Gerichte), so muss die Entwicklung in der Praxis der Drittstaaten abgewartet werden. Da die Entscheidung über die Akzeptanz des Zeugnisses in der Entscheidungsgewalt der Drittstaaten liegt, lässt sich nur erhoffen, dass die Etablierung des Zeugnisses in den Mitgliedstaaten eine Signalwirkung zumindest auf die Praxis in den Drittstaaten (die Einführung einer rechtlichen Anerkennung durch einen Drittstaat ist eher unwahrscheinlich) ausstrahlt. Die Signalwirkung ist dabei tendenziell dort am größten, wo das drittstaatliche Erb­ rechtssystem mit der Wirkungskonzeption des Zeugnisses weitestgehend im Einklang steht und wo im Allgemeinen ein grundsätzlich reger Rechtsverkehr mit dem europäischen Rechtsraum stattfindet. Womöglich kann dann, wie gesehen, das Zeugnis z.B. als erstes Beweiszeichen für das Bestehen der Erbenstellung im jeweiligen drittstaatlichen Erbnachweisverfahren dienen. Im Grundsatz muss wie vor Inkrafttreten der EuErbVO damit gerechnet werden, dass Erben drittstaatliche Erbnachweisverfahren durchlaufen müssen. Freilich bestehen auch Ausnahmen, wie dies anhand der Rechtslage in der Schweiz erkennbar wurde. Zugegebenermaßen kann und will das Zeugnis nicht Geltung in allen Staaten der Welt beanspruchen. Wer eine solche weltweite Geltung fordert, müsste bei einem „Welterbnachweis“ ansetzen, dem sich sämtliche Staaten der Welt anschließen und dessen Wirkungen automatisch und voraussetzungslos erstreckt werden. Dass ein solches Rechtsinstrument utopisch ist, steht außer Frage.

Sechstes Kapitel

Das Europäische Nachlasszeugnis im europäischen und internationalen Gefüge Mit der Erörterung der Wirkungskonzeption des Zeugnisses, der ausgewählten Rechtsprobleme des Zeugnisverfahrens sowie der Stellung des Zeugnisses in der grenzüberschreitenden Durchsetzung in Konkurrenz zu den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen ist der engere sachliche Regelungsbereich abgedeckt. Im äußeren Bereich, in dem das Regelungsziel des Zeugnisses verlassen wird, finden sich indessen nicht weniger interessante Themenkreise. Es handelt sich um solche, die das Zeugnis als europäisches Rechtsinstrument an sich, allgemeine dogmatische Aspekte des EuZPR und EuIPR sowie überschießende Berührungspunkte mit nahestehenden Rechtsgebieten betreffen. Indem näher auf diese abstrakteren Themenkreise eingegangen wird, kann ein vollständiges Bild des Zeugnisses innerhalb der Gesetzgebungsakte der Union abgegeben werden. Das Zeugnis ist bezogen auf seinen erbrechtlichen Regelungszweck einzigartig, doch hat der Unionsgesetzgeber mit der rechtstechnischen Konstruktion des Instruments kein rechtliches Neuland betreten. Das Zeugnis reiht sich in eine Liste von unionalen Rechtsinstrumenten im Bereich des EuZPR ein. Von rechtlichem Interesse ist hierbei, welche Zielsetzungen sich hinter den unionalen Rechtsinstrumenten verbergen und ob ihnen gemeinsame Leitlinien zugrunde liegen und zwar naturgemäß weniger im konkreten Regelungsbereich des Rechtsinstruments selbst, sondern in der strukturellen Ausformung durch das europäische Recht (A.). Weiterhin bildet die Vereinheitlichung des Erbkollisionsrechts in der EU eine wichtige Säule für die Funktionsweise des Zeugnisses. Die EuErbVO hält hierbei in Fortführung anderer europäischer Kollisionsrechtsverordnungen an der internationalprivatrechtlichen Methode des Verweisungsprinzips fest. Indessen bestehen trotz der Harmonisierung kollisionsrechtliche Konflikte fort, die das Potenzial besitzen, die Durchsetzung des Zeugnisses in den Mitgliedstaaten zu hemmen (B.). Im Zusammenhang mit dem europäischen Kollisionsrecht gewinnt das Zusammenspiel der EuErbVO und EuGüVO/EuPartVO an praktischer Relevanz. Das Zeugnis kann ausweislich des Art.  68 lit.  h EuErbVO auch Angaben zum

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

ehelichen Güterstand enthalten. Hieran zeigt sich bereits, dass das internationale Erbrecht und das internationale Güterrecht miteinander verwoben sind. Dieses Verhältnis im Hinblick auf das Zeugnis gilt es näher zu untersuchen. Aus deutscher Sicht steht die Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB aus europäischer internationalprivatrechtlicher Perspektive im Fokus (C.). Die Vereinigung von Kollisionsrechtsvereinheitlichung, europäischem Sachrecht und uneingeschränkter Wirkungserstreckung im Zeugnis könnte eine Vorbildfunktion für künftige ähnliche Rechtsinstrumente einnehmen, die auf eine Erleichterung der grenzüberschreitenden Durchsetzung von Rechtslagen abzielen. Anhand der Idee der Europäischen Kommission zur Schaffung einer Europäischen Personenstandsurkunde sollen die Vorzüge, aber auch die Einschränkungen des Zeugnisses dargestellt und ihre Übertragbarkeit auf die Verkehrsfähigkeit von Personenstandsurkunden dargelegt werden (D.). Abschließend ist das Verhältnis des Zeugnisses zum internationalen Erbnachweis des Haager Übereinkommens vom 2. Oktober 1973 über die internationale Verwaltung von Nachlässen (HNVÜ) zu beleuchten und eine vergleichende Analyse durchzuführen, um den Kontrast zwischen den beiden supranationalen Erbnachweisen hervorzuheben und Strukturmerkmale eines idealen – vorbehaltlich rechtspolitischer Erwägungen – internationalen Erbnachweises festzustellen (E.).

A. Tendenzen zur Einführung unionaler Rechtsinstrumente im europäischen grenzüberschreitenden Rechtsverkehr – Das Europäische Nachlasszeugnis im System des europäischen Zivilprozessrechts Seit der vorletzten Dekade hat der Unionsgesetzgeber eine Vielzahl von unionalen Rechtsinstrumenten (siehe sogleich) eingeführt, die den grenzüberschreitenden zivilrechtlichen Verkehr erleichtern sollen. Sie gehören wie das Zeugnis dem 29. Regime an, weil sie Ausfluss spezieller Verfahrensrechte sind, die von den nationalen Rechten isoliert sind, diese insbesondere nicht verdrängen und ihnen gemeinhin überlegen sind.1 Dabei legt im Allgemeinen die zu regelnde Rechtsmaterie die Maßstäbe für die konkrete Ausgestaltung fest. Die vergleichende Analyse ermöglicht eine konzeptuelle Erfassung unionaler Rechtsinstrumente und eine Einordnung des Zeugnisses im System des europäischen Zivilprozessrechts2. Vgl. Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, S.  137 ff.; vgl. auch Fleischer, RabelsZ 76 (2012), 235 (236). 2  Gewiss sind unionale Rechtsinstrumente nicht nur im europäischen Zivilprozessrecht zu 1 

A. Tendenzen zur Einführung unionaler Rechtsinstrumente

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I. Synoptische Betrachtung ausgewählter unionaler Rechtsinstrumente 1. Europäischer Vollstreckungstitel Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen nach der EuVTVO3 dient als Grundlage für die Vollstreckung der Forderung im Vollstreckungsmitgliedstaat, ohne dass es eines Exequaturverfahrens bedarf (Art.  5 EuVTVO); der Gläubiger kann sich daher unmittelbar an das Vollstreckungsorgan in dem anderen Mitgliedstaat wenden.4 Der europäische Vollstreckungstitel zeichnet sich dadurch aus, dass er von der Existenz einer nationalen Entscheidung abhängig ist. Diese wird unter den Voraussetzungen des Art.  6 EuVTVO im Ursprungsstaat als europäischer Vollstreckungstitel bestätigt.5 Damit fusionieren nationale und europäische Elemente miteinander zu einem Rechtsinstrument. Vergleichbar ist dies insofern mit der „Rucksacktheorie“ im Zusammenhang mit dem Verhältnis zwischen nationalen Erbnachweisen und dem Zeugnis.6 2. Europäischer Zahlungsbefehl Der europäische Zahlungsbefehl nach der EuMahnVO7 stellt ein weiteres Instrument dar, um (genau bezifferte) Forderungen grenzüberschreitend durchzusetzen. Hat der Gläubiger erfolgreich einen Zahlungsbefehl erwirkt und reagiert der Schuldner binnen der Einspruchsfrist nicht mit der Einlegung eines Einspruchs, kann das Gericht, das den Zahlungsbefehl erteilt hat, diesen nach Art.  18 Abs.  1 EuMahnVO für vollstreckbar erklären. Der Gläubiger kann dann daraus im Ausfinden, sondern auch in anderen Rechtsgebieten, etwa die Unionsmarke nach der Unionsmarkenverordnung 2015/2424 im europäischen Markenrecht oder die Societas Europaea (SE) nach der SE-Verordnung 2157/2001 im europäischen Gesellschaftsrecht. Gleichwohl sind die nachfolgend zu besprechenden unionalen Rechtsinstrumente bewusst sämtlich dem europäischen Zivilprozessrecht zuzuordnen, weil das Zeugnis insbesondere im Hinblick auf Anerkennung und Vollstreckung am ehesten mit ihnen vergleichbar ist. Das Zeugnis verkörpert nämlich primär ein zivilverfahrensrechtliches Instrument, das im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr verwendet werden und die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen zwischen den Mitgliedstaaten erleichtern soll. Wichtiger Abgrenzungspunkt ist hierbei, dass die hiesig vorgestellten unionalen Rechtsinstrumente eine Person (den Gläubiger bzw. den erbrechtlich Berechtigten) begünstigen. Es handelt sich nicht – wie z.B. bei der Societas Europaea – um einen Fall der grenzüberschreitenden Kooperation, siehe hierzu Basedow, in: FS Säcker, 2011, 29 (31). 3  Verordnung (EG) Nr.  805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen. 4  Wagner, NJW 2005, 1157 f. 5  Vgl. zum Bestätigungsverfahren näher Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, §  18 Rn.  1120 ff. 6  Zur „Rucksacktheorie“ siehe oben im 2. Kap., D., III., 2., S.  38 ff. 7  Verordnung (EG) Nr.  1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens.

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

land die Vollstreckung betreiben. Das europäische Mahnverfahren ist fakultativ (vgl. ErwG 10 der EuMahnVO); der Gläubiger hat daher weiterhin die Möglichkeit, ein grenzüberschreitendes Mahnverfahren nach der lex fori einzuleiten.8 Regelmäßig bringt ein Zahlungsbefehl den Gläubiger schneller zum Ziel. Dies folgt daraus, dass ihm ein einstufiges Verfahren zugrunde liegt.9 3. Urteil im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen Der Kläger kann im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen nach der EuBagatellVO10 gegen den Beklagten ein Urteil erstreiten, das ohne Exequaturverfahren in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden kann (Art.  20 Abs.  1 EuBagatellVO). Dies drückt in etwas missverständlicher Weise auch Art.  1 UAbs.  2 EuBagatellVO („Mit dieser Verordnung wird außerdem die Notwendigkeit von Zwischenverfahren zur Anerkennung und Vollstreckung der in anderen Mitgliedstaaten im Verfahren für geringfügige Forderungen ergangenen Urteile beseitigt.“) aus. Die Besonderheit liegt dabei in der Geringwertigkeit der in den Anwendungsbereich der Verordnung fallenden Forderungen, die häufig Rechtsbeziehungen zwischen privaten Personen betreffen. Auch dieses Verfahren ist fakultativ, steht mithin neben den nationalen Verfahren, vor allem dem regulären Klageverfahren11, zur Verfügung (Art.  1 S.  2 EuBagatellVO, ErwG 8 der EuBagatellVO). 4. Europäischer Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung Mit dem europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung nach der EuKoPfVO12 haben Gläubiger die Möglichkeit, schon in einem frühen Verfahrensstadium die künftige Vollstreckung einer Geldforderung zu sichern, indem Kontoguthaben des Schuldners vorläufig gefroren und mithin diesem die Disposi­ tions­freiheit über das Konto entzogen wird. Das Verfahren ist gemäß Art.  1 Abs.  2 EuKoPfVO fakultativ; der Gläubiger entscheidet demnach frei darüber, 8 

Im deutschen Recht steht das Auslandsmahnverfahren nach §  688 Abs.  3 ZPO i.V.m. §  32 Abs.  1 AVAG zur Verfügung, vgl. Sujecki, NJW 2007, 1622 (1623); siehe auch MüKoZPO/ Ulrici, Art.  1 EuMahnVO Rn.  10 und Einhaus, IPRax 2008, 323. 9  Sujecki, NJW 2007, 1622 (1625). 10  Verordnung (EG) Nr.  861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen. 11  MüKoZPO/Hau, Art.  1 EuBagatellVO Rn.  1; Hackenberg, BC 2007, 338. 12  Verordnung (EU) Nr.  655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen.

A. Tendenzen zur Einführung unionaler Rechtsinstrumente

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ob er das Verfahren in Anspruch nehmen will oder nicht.13 Der Beschluss wird in einem eigenständigen Verfahren erlassen (vgl. Art.  5 ff. EuKoPfVO). Er wird ferner nach Art.  22 EuKoPfVO in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. Die Wirkungen ergeben sich im Wesentlichen aus Art.  24 EuKoPfVO, wonach insbesondere die beteiligte Bank dafür Sorge zu tragen hat, dass die entsprechenden Sperrungen für die Kontenpfändung vorgenommen werden. II. Konzepte der unionalen Rechtsinstrumente Die Ausgestaltung jedes unionalen Rechtsinstruments wird zwar primär von der Regelungsmaterie abhängen. Es lassen sich gleichwohl gemeinsame Rege­lungs­ aspekte bestimmen, die den acquis unionaler Rechtsinstrumente im Bereich des EuZPR abbilden. 1. Regelungsintensität Für die vorgestellten unionalen Rechtsinstrumente hat der Unionsgesetzgeber sich für den Rechtsakt der Verordnung gemäß Art.  288 Abs.  2 AEUV entschieden. Damit werden aufgrund der allgemeinen Geltung und Verbindlichkeit für die Mitgliedstaaten die einheitliche Anwendung, Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit im besonderen Maße gewährleistet, die gerade bei Prozessrechtsakten eine wichtige Rolle spielen.14 Auch die Regelungen zum Zeugnis konnten nur in Verordnungsform statuiert werden: Die Tatsache, dass das Zeugnis auf der Vereinheitlichung des Kollisionsrechts und des Zuständigkeitsrechts aufbaut, bedingte die allgemeine und verbindliche Geltung des Zeugnisses für die Mitgliedstaaten. Das folgt daraus, dass auch das Kollisionsrecht und das Zuständigkeitsrecht bzw. deren Vereinheitlichung nur in der Verordnungsform ergehen konnten, um einen wahrhaft einheitlichen europäischen justiziellen Rechtsraum zu schaffen. Die Einführung inhaltlicher Mindestvorgaben oder die inhaltliche Koordinierung des nationalen (Prozess)Rechts als schwächere Handlungsformen15 – übertragen auf die Erbnachweise in der EU also die „kleine“ Lösung, namentlich die Regulierung der Anerkennung nationaler Erbnachweise durch andere Mitgliedstaaten – hätte den Anforderungen an die Erleichterung der internationalen Nachlassabwicklung nicht Genüge getan.16 Perspektivisch lässt sich festhalten, dass in Fällen der Prozessrechtsvereinheitlichung inklusive weitergehender Ver13 

MüKoZPO/Lugani, Art.  1 EuKoPfVO Rn.  5. Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, S.  138. 15  Vgl. Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, S.  137. 16  Vgl. unten im 6. Kap., B., II., 2., b), S.  465 ff. 14 

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

einheitlichung auf Kollisionsrechtsebene der Rechtsakt der Verordnung die effektivste und geradezu alternativlose Vorgehensweise bildet. 2. Grenzüberschreitende Dimension Gemäß der Natur der unionalen Rechtinstrumente werden von ihnen lediglich Sachverhalte erfasst, die eine grenzüberschreitende Dimension aufweisen. Dieser kann darin liegen, dass das jeweilige Zugriffsobjekt des Schuldners beispielsweise bei der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung in einem anderen Mitgliedstaat belegen ist. Ausreichend kann aber auch sein, dass eine hinreichende Verwendungsabsicht bezogen auf einen anderen Mitgliedstaat dargelegt wird, wie dies beim Zeugnis der Fall ist, weshalb ein gegenständlicher Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat hier nicht unbedingt vorliegen muss.17 Die grenzüberschreitende Dimension kann demnach überaus divers ausgestaltet sein und hängt im Wesentlichen von der jeweiligen Regelungsmaterie des unionalen Rechts­in­ struments ab. Jedenfalls hat der Unionsgesetzgeber unionale Rechtsinstrumente für rein innerstaatliche Rechtsverhältnisse (noch) nicht geschaffen.18 Die Inlandswirkung des Zeugnisses muss in diesem Zusammenhang indessen als Besonderheit hervorgehoben werden, da das Zeugnis seine Wirkungen auch im Ausstellungsstaat entfaltet, nachdem es u.a. unter der Voraussetzung des Nachweises der Verwendungsabsicht ausgestellt wurde und so die grenzüberschreitende Dimension gesichert ist. Zwar kann nicht von einem rein innerstaatlichen Rechtsverhältnis gesprochen werden, denn die grenzüberschreitende Dimension besteht tatsächlich. Allerdings nähert sich die Inlandswirkung doch der Regulierung rein inländischer Sachverhalte an. 3. Kollisionsrecht Das Kollisionsrecht spielt bei den hier vorgestellten Rechtsinstrumenten keine bedeutende Rolle19 – anders verhält es sich beim Zeugnis, bei dem das Kollisionsrecht eine wesentliche Funktionsvoraussetzung bildet. Vielmehr treten stattdessen gemäß der Natur der Rechtsinstrumente internationalzivilverfahrens17  Zu den Anforderungen an die Verwendungsabsicht siehe oben im 4. Kap., B., III., 3., S.  349 ff. 18  Basedow, in: FS Säcker, 2011, 29 (33). 19  Siehe aber z.B. Art.  13 Abs.  4, 26, 36 Abs.  5 UAbs.  3 und 4, 46 Abs.  2 EuKoPfVO, die Kollisionsnormen darstellen, vgl. MüKoZPO/Lugani, Vorb. zu Art.  1 EuKoPfVO Rn.  2. Es handelt sich zwar hierbei um eine Kollisionsrechtsvereinheitlichung, da jeder Mitgliedstaat das für den konkreten Sachverhalt anwendbare Recht gleichermaßen bestimmt, doch betreffen die Kollisionsnormen nachgelagerte Aspekte – mithin nach Erlass des unionalen Rechtsinstruments – und beeinflussen den Inhalt des unionalen Rechtsinstruments an sich nicht.

A. Tendenzen zur Einführung unionaler Rechtsinstrumente

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rechtliche Komponenten in den Vordergrund. Fragen des Kollisionsrechts erlangen nur dort Bedeutung, wo das jeweilige Rechtsinstrument eine Rechtslage dokumentarisch verkörpert (wie dies beim Zeugnis und auch bei einer etwaigen Europäischen Personenstandsurkunde20 und generell bei Rechtsverhältnissen, die in staatlichen Registern eingetragen werden (z.B. im Gesellschafts- und Handelsrecht), der Fall ist). Für die Durchsetzung etwa von grenzüberschreitenden Forderungen spielt das Kollisionsrecht bereits bei der Entscheidung in der Hauptsache, die z.B. als europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden soll, eine Rolle. Hier kann das europäische Kollisionsrecht (z.B. Rom I-VO) relevant werden. Im Stadium der Vollstreckung tauchen kollisionsrechtliche Fragen nicht mehr auf. 4. Verfahrensrecht Das Verfahrensrecht im Allgemeinen gestaltet den Zugang zu den unionalen Rechtsinstrumenten (internationale Zuständigkeit der Gerichte, Voraussetzungen für die Einleitung des Verfahrens durch Einreichung eines Antrags). Die autonomen europäischen Verfahren beseitigen das Problem für die Bürger, sich bei grenzüberschreitenden Sachverhalten mit fremdem Prozessrecht vertraut machen zu müssen. Die verfahrensrechtliche Harmonisierung kann Defizite überwinden, die in den unterschiedlichen Verfahrensrechtsordnungen der Mitgliedstaaten angelegt sind. Hierbei werden häufig detaillierte Regelungen dem mitglied­staat­ lichen Verfahrensrecht anheimgestellt.21 Je vielschichtiger die Regelungsmaterie ist, die dem unionalen Rechtsinstrument zugrundeliegt, desto komplexer ist in der Regel das Verfahren. Während der europäische Vollstreckungstitel mit seinen einfachen Voraussetzungen (Bestehen einer unbestrittenen Forderung im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, vgl. auch Art.  3 Abs.  1 EuVTVO) grundsätzlich ohne weiteres seiner Funktion nachkommen kann, ist für die Ausstellung des Zeugnisses ein umfassendes Prüfungsverfahren (Art.  66 EuErbVO) seitens der Ausstellungsbehörde durchzuführen. Zum Verfahrensrecht gehören auch die Formblätter, deren Verwendung aufgrund der Einheitlichkeit bezogen auf Inhalt und Sprache in der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen zu Recht sehr beliebt ist. Gesichert wird dadurch eine ordnungsgemäße Dokumentation und praktische Nutzbarkeit in allen Mitgliedstaaten, insbesondere durch das „Scha­ 20 

Siehe unten im 6. Kap., D., III., 3., S.  517 f. Vgl. etwa die ausdrückliche Regelung des Art.  46 Abs.  1 EuKoPfVO („Sämtliche verfahrensrechtlichen Fragen, die in dieser Verordnung nicht ausdrücklich geregelt sind, richten sich nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren stattfindet.“). Ähnlich auch Art.  19 EuBagatellVO: „Sofern diese Verordnung nichts anderes bestimmt, gilt für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen das Verfahrensrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren durchgeführt wird.“ 21 

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

blonensystem“22.23 Für das Zeugnis waren aufgrund der verschiedensten erb­ rechtlichen Institute, die die Mitgliedstaaten nach ihrem eigenen Recht vorsehen, einheitliche Formblätter unentbehrlich, um die praktische Durchsetzbarkeit des Zeugnisses in anderen Mitgliedstaaten zu gewährleisten.24 5. Anerkennung ipso iure Unionale Rechtsinstrumente haben, auch wenn sie verschiedene Rechtsmaterien abdecken, häufig gemeinsam, dass sie in den anderen Mitgliedstaaten ohne weiteres, insbesondere ohne Anfechtungsmöglichkeit, anerkannt werden.25 Dies resultiert aus dem gemeinsamen Bestreben, den grenzüberschreitenden Verkehr von Entscheidungen, gerichtlichen Vergleichen und öffentlichen Urkunden zu erleichtern. Auf diese Weise wird ein echter europäischer Justizraum geschaffen.26 Die Anerkennung fußt auf der Prämisse, dass die Mitgliedstaaten sich gegenseitig Vertrauen in die Gleichwertigkeit der Justizsysteme und der Verfahrensrechte im europäischen Justizraum schenken, so dass aus diesem Grund eine Kontrolle durch den Anerkennungsstaat grundsätzlich unterbleibt.27 Eine Anerkennung ist dabei umso leichter zu legitimieren, wenn die mitgliedstaatlichen Verfahren weitgehend ähnlich zueinander ausgestaltet und mit verfahrensrechtlichen Mindestgarantien ausgestattet sind, da dann berechtigterweise ein hohes gegenseitiges Vertrauensniveau herrschen kann. Bei den Verfahren zu den unionalen Rechtsinstrumenten wird ein berechtigtes gegenseitiges Vertrauen regelmäßig gewährleistet, indem die korrespondierenden Verordnungen ein autonomes europäisches Verfahren für alle Mitgliedstaaten vorsehen. Die prozessualen Mindeststandards, die das Zeugnisverfahren nach Art.  64 ff. EuErbVO i.V.m. der lex fori setzt, rechtfertigen die uneingeschränkte Wirkungserstreckung des Zeugnisses.28

22  So in Bezug auf die standardisierten Formblätter zum Zeugnis Neumayr, AnwBl 2016, 262 (264). 23  Vgl. Hess/Jayme/Pfeiffer, Heidelberg-Stellungnahme, S.  49; vgl. auch Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, S.  145 f.; Weber, Rpfleger 2018, 333 (336); Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (783). 24  So schon DNotI-Studie, S.  226. 25  Vgl. Art.  20 Abs.  1 EuVTVO, Art.  19 EuMahnVO, Art.  20 Abs.  1 EuBagatellVO; Art.  22 EuKoPfVO, Art.  69 Abs.  1 EuErbVO. 26  Linton, in: Hess/Bergström/Storskrubb, EU civil justice, 2016, 258 (262). 27  Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, S.  116; vgl. auch Linton, in: Hess/Bergström/ Storskrubb, EU civil justice, 2016, 258 (263). 28  Vgl. oben im 5. Kap., A., I., 1., S.  395 f.

A. Tendenzen zur Einführung unionaler Rechtsinstrumente

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6. Vollstreckung ohne Vollstreckbarerklärung Die uneingeschränkte Vollstreckung des jeweiligen Rechtsinstruments ohne Vollstreckbarerklärung durch den Vollstreckungsstaat ist die unmittelbare Konsequenz der uneingeschränkten Anerkennung und ebnet den Weg für die maximale Durchsetzung der Freizügigkeitsrechte im Zuge des gegenseitigen Vertrauens in die Justizsysteme der Mitgliedstaaten. Auf diese Weise wird der Zeit- und Kostenaufwand im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr erheblich reduziert – ein Aspekt, der gerade in der heutigen schnelllebigen Zeit eine zentrale Bedeutung für die Bürger darstellt. Dass in Extremfällen eine Überprüfung durch den Vollstreckungsstaat wünschenswert wäre, ist nicht von der Hand zu weisen; indessen sollte es um der Wahrung der Freizügigkeitsrechte willen zumutbar sein, Rechtsschutz im Urteilsstaat zu ersuchen.29 Beim Zeugnis besteht die Besonderheit, dass eine Vollstreckung rechtstechnisch nicht passt. Die Wirkungen des Zeugnisses können nicht vollstreckt werden, da sie entweder per se die Geschehnisse im Rechtsverkehr beeinflussen (Gutglaubenswirkung) oder von staatlichen und privaten Stellen beachtet werden müssen (Vermutungs- und Legitimationswirkung). Eine Handlung oder Unterlassung i.S.d. Vollstreckungsrechts existiert nicht. 7. Nationale Rechtsinstrumente mit äquivalentem Regelungszweck Entsprechend der Einordnung der unionalen Rechtsinstrumente als 29. Regime werden nationale Rechtsinstrumente mit funktionell äquivalentem Regelungszweck nicht verdrängt. Das spiegelt sich im Verhältnis von nationalen Erbnachweisen und dem Zeugnis wider und ist z.B. auch beim europäischen Zahlungsbefehl erkennbar, der nur fakultativ neben der weiterhin nutzbaren Durchführung eines Auslandsmahnverfahrens tritt. Insgesamt wird dem EU-Bürger ein großes Feld von Handlungsoptionen eröffnet, um seine Rechte geltend zu machen. Bei der Entscheidung müssen die Vor- und Nachteile der Handlungsoptionen, die tatsächlicher, rechtlicher oder finanzieller Art sein können, gegeneinander abgewogen werden.30 Eine pauschale Bevorzugung des unionalen Rechtsinstruments lässt sich nicht feststellen; die Umstände des Einzelfalls sind entscheidend. Die Wahlmöglichkeit entfällt allerdings in der Regel immer dann, wenn das nationale Recht ein entsprechendes Verfahren nicht vorsieht oder das unionale Rechtsinstrument das nationale Rechtsinstrument im Hinblick auf die Wirkungen für das konkrete Regelungsziel erheblich überragt. Bei den internationalzivilverfahrens29  So für das Urteil im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen MüKoZPO/ Hau, Art.  20 EuBagatellVO Rn.  5. 30  Vgl. auch für die grenzüberschreitende Durchsetzung einer Geldforderung MüKoZPO/ Ulrici, Art.  1 EuMahnVO Rn.  11.

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

rechtlichen Rechtsinstrumenten mag dies eine Seltenheit sein; beim Zeugnis hat sich gezeigt, dass gerade die Diversität der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen auf der einen Seite und die starken Wirkungen des Zeugnisses auf der anderen Seite für die Inanspruchnahme des unionalen Rechtsinstruments im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr sprechen. III. Ergebnis Während die hiesig dargestellten internationalzivilverfahrensrechtlichen Instrumente einen überschaubaren Wirkungsbereich besitzen, liegt beim Zeugnis der gegenteilige Fall vor, als es einen Erbfall abdeckt und sein tatsächlicher Wirkungsbereich immer dann modifiziert wird, wenn Nachlassgegenstände in verschiedenen Mitgliedstaaten bekannt werden, in denen das Zeugnis verwendet werden kann. Damit funktioniert das Zeugnis gleichsam „in der Breite“. Diese funktionelle Breite steht in Wechselwirkung zum prozessualen Unterbau. So divergieren beispielsweise die Anforderungen an die Erlangung des jeweiligen Rechtsinstruments: Die Prüfungsdichte für die Ausstellung des Zeugnisses ist höher als z.B. beim Erlass eines europäischen Vollstreckungstitels. Ein Erbfall bringt naturgemäß mehr relevante zu berücksichtigende Tatsachen und Umstände mit sich als die Feststellung eines Anspruchs auf eine Geldforderung, für die eine gerichtliche Entscheidung bereits existiert. Die Wirkung eines europäischen Vollstreckungstitels ist übersichtlich, da sie sich auf die Vollstreckungswirkung gemäß Art.  5 EuVTVO beschränkt. Hier zeigt sich erneut die Interdependenz zwischen den Wirkungen und dem Verfahrensrechts: Je intensiver die Wirkungen eines unionalen Rechtsinstruments sind (Entfaltung von Vermutungs-, Gutglaubens- und Legitmationswirkung im gesamten europäischen Rechtsraum vs. Vollstreckungswirkung betreffend eine einzelne Forderung gegen einen Schuldner), desto höhere verfahrensrechtliche Anforderungen sind an den Zugang zum unionalen Rechtsinstrument zu stellen. Gleichwohl bestehen Gemeinsamkeiten in Bezug auf die Anerkennung und Vollstreckung sowie das Verhältnis zu den im nationalen Recht bestehenden Rechtsinstrumenten mit äquivalentem Regelungszweck. Die Abschaffung des Exequaturverfahrens muss unabhängig von der Regelungsmaterie für jedes unionale Rechtsinstrument konsequent fortgeführt werden, um die Freizügigkeitsrechte der EU-Bürger maximal zu schützen. Der Subsidiaritätsgrundsatz gemäß Art.  5 Abs.  3 EUV bedingt schließlich die fakultative Natur europäischer Rechtsinstrumente. Festzuhalten ist, dass der Unionsgesetzgeber zumindest in bestimmten Rechtsmaterien mit der grenzüberschreitenden Prozessrechtsvereinheitlichung immer weiter voranschreitet. Die Auswirkungen auf die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen divergieren hierbei in ihrer Intensität je nach Regelungsmaterie: Wäh-

B. Das Europäische Nachlasszeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext

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rend im rein prozessualen Segment eine Implementierung weitgehend harmonisch verläuft, finden – wie beim Zeugnis – verfahrensrechtliche Harmonisierungsprozesse mit zusätzlicher partieller Schaffung von neuem materiellen Recht eher Gegenwehr in der mitgliedstaatlichen Landschaft. Das sollte dennoch die Vereinheitlichungsbemühungen grundsätzlich nicht hemmen. Nachdem zunächst wirtschaftliche Betätigungen der EU-Bürger (i.e. grenzüberschreitende Titelund Forderungsdurchsetzung) im Fokus standen, steuert der Unionsgesetzgeber allmählich die persönlichen Rechtsverhältnisse der EU-Bürger (Personalstatut, einschließlich Familien- und Erbrecht) an und strebt dort eine Prozessrechtsvereinheitlichung (und kumulativ eine Kollisionsrechtsvereinheitlichung) mit der Einführung unionaler Rechtsinstrumente an. Dies wird deutlich am Zeugnis als europäisches Rechtsinstrument im Erbrecht, aber auch an der Idee der Europäischen Kommission zur Schaffung einer Europäischen Personenstandsurkunde.31 Das Zeugnis hat dabei gleichwohl eine Sonderstellung inne, als es nicht nur ein internationalzivilverfahrensrechtliches Instrument verkörpert, sondern zugleich internationalprivatrechtliche und materiellrechtliche Aspekte in sich vereint.32 Die verfahrensrechtlichen Regelungskonzepte sind jedenfalls in weiten Teilen auf das Zeugnis übertragbar. Für die überschießenden Ausflüsse des Kollisionsrechts und des materiellen Rechts lassen sich ebenfalls Grundlinien für solche Rechtsinstrumente entwickeln, die die grenzüberschreitende Durchsetzung von Rechtslagen zum Gegenstand haben.33 Die Aufstellung und Pflege gemeinsamer Grundlinien kann einer unübersichtlichen Rechtszersplitterung34 vorbeugen, die einem einheitlichen europäischen Rechtsraum entgegensteht. Wenngleich jede Rechtsmaterie ihre eigenen spezifischen Anforderungen aufstellt, sollte der Unionsgesetzgeber einmal bewährte Muster auch in künftigen Rechtsinstrumenten implementieren, sofern dies angemessen erscheint.

B. Das Europäische Nachlasszeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext Die Harmonisierung des Erbkollisionsrechts in der EU war neben der Zuweisung der Wirkungen gemäß Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO, die anders als das Kollisionsrecht gezielt auf die Erleichterung der internationalen Nachlassabwicklung zuge31 

Vgl. hierzu sogleich unten im 6. Kap., D., S.  506 ff. Enger Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  62 EuErbVO Rn.  3, der das Zeugnis nicht dem IPR und IZVR zuordnet, sondern ausschließlich dem materiellen Recht und Verfahrensrecht. 33  Siehe hierzu im Ganzen unten im 6. Kap., D., S.  506 ff. 34  Vgl. hierzu Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, S.  140 ff. 32 

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

schnitten sind, für das Erfolgspotenzial des Zeugnisses eine unerlässliche Bedingung.35 Das Zeugnis dokumentiert Rechtsstellungen und Befugnisse, die dem ihm zugrundeliegenden Erbstatut entspringen, und kann demzufolge in seiner inhaltlichen Ausgestaltung je nach anwendbarem Recht divers sein. Das ist aber die Eigenart des Zeugnisses, das nicht neue Rechtsinstitute schafft, sondern sich der mitgliedstaatlichen Rechtsinstitute annimmt und diese deklaratorisch ausweist. Bei der Ausfüllung des Inhalts des Zeugnisses stellt das Erbkollisionsrecht nach Art.  21, 22 EuErbVO jedoch keine Grenze dar. Vielmehr durchdringen auch außererbrechtliche kollisionsrechtliche Einflüsse das Zeugnis, vor allem in Bezug auf Vorfragen. Damit besteht die Gefahr, dass Rechtslagen im Zeugnis dokumentiert werden, die vom Recht der Ausstellungsbehörde maßgeblich beeinflusst werden36, ohne dass eine (kollisionsrechtliche) Übereinstimmung aus Sicht anderer Mitgliedstaaten, in denen das Zeugnis verwendet wird, gewährleistet wird. Untersucht werden müssen dann die Auswirkungen dieser kollisionsrechtlichen Einflüsse auf den Umgang mit dem Zeugnis. Zuvor stellt sich erstens die Frage, inwieweit der Erblasser im Wege der Ausübung kollisionsrechtlicher Parteiautonomie auf das Zeugnis und die Nachlassabwicklung durch die Nachlassbeteiligten einwirken kann und zweitens die Frage, wie die Mitgliedstaaten mit der im Zeugnis ausgewiesenen Rechtslage methodisch umgehen. I. Der Einfluss der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie des Erblassers auf das Europäische Nachlasszeugnis Die Maxime des Erbstatuts für den Inhalt des Zeugnisses kommt besonders deutlich zum Vorschein, wenn der Erblasser von seiner kollisionsrechtlichen Parteiautonomie Gebrauch macht, indem er eine Rechtswahl zugunsten des Rechts seiner Staatsangehörigkeit nach Art.  22 Abs.  1 EuErbVO trifft und damit die Maßgeblichkeit des objektiven Anknüpfungspunktes des letzten gewöhnlichen Aufenthalts nach Art.  21 Abs.  1 EuErbVO ausschaltet. Hier können strategische Überlegungen eine Rolle spielen, ob nicht das Recht der Staatsangehörigkeit den Erben und sonstigen Nachlassbeteiligten bessere Rechte in der Nachlassabwicklung einräumt als das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts. Eine noch stärkere Rechtswahlfreiheit in der Breite besteht, wenn der Erblasser eine doppelte Staatsangehörigkeit besitzt und gemäß Art.  22 Abs.  1 UAbs.  2 EuErbVO jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  67 EuErbVO Rn.  16; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (751 ff.); Buschbaum, GPR 2014, 4 (6); Hess/Jayme/Pfeiffer, Heidelberg-Stellungnahme, S.  51; implizit Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck, Erbrecht, Art.  62 EuErbVO Rn.  5; vgl. schon DNotI-Studie, S.  225, wonach die fehlende Kollisionsrechtsvereinheitlichung die Nutzlosigkeit eines einheitlichen Erbrechtsnachweises bedeuten würde. 36  jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  67 EuErbVO Rn.  16. 35 

B. Das Europäische Nachlasszeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext

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das Recht eines der Staaten wählen kann, denen der Erblasser im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt seines Todes angehört, ohne dass es auf eine effektive Staatsangehörigkeit ankommt.37 Denkbar erscheint, dass das gewählte Recht Vindikationslegate oder Noterbrechte kennt, die den Pflichtteilsberechtigten eine dingliche Rechtsstellung am Nachlass zuweisen. Auf diese Weise kann der Erblasser den Kreis der künftigen Antragsteller für ein Zeugnis prädestinieren. Auf der anderen Seite kann der Erblasser im Sachrecht selbst erbrechtliche Anordnungen (wie z.B. Testamentsvollstreckung, Auflagen, Teilungsanordnungen) treffen, um die konkrete Nachlassabwicklung zu gestalten. Das gewählte Recht dient somit als Türöffner. Mittelbar können durch die Anordnungen auch die Wirkungen des Zeugnisses betroffen werden, indem etwa durch Anordnung von Verfügungsbeschränkungen der Umfang der Gutglaubenswirkung reduziert wird. Soweit eine Rechtswahl nicht getroffen wurde oder diese aus materiellen oder formellen Gründen unwirksam ist, füllt das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers nach Art.  21 Abs.  1 EuErbVO das Zeugnis aus. In Konstellationen, in denen der Erblasser nicht einmal eine Verfügung von Todes wegen errichtet hat, bestimmt das objektiv angeknüpfte Recht in Gänze den Inhalt des Zeugnisses und insbesondere die Reichweite der Wirkungen. Hat der Erblasser eine Verfügung von Todes wegen errichtet, in der er Anordnungen für seine Rechtsnachfolge von Todes wegen trifft, ohne dabei eine Rechtswahl getroffen zu haben, wird der Inhalt des Zeugnisses durch das objektiv angeknüpfte Recht und vor allem durch die Ausübung der Testierfreiheit als besondere erb­ rechtliche Ausprägung der Privatautonomie beeinflusst. II. Internationalprivatrechtlicher Methodenvergleich – Anerkennungsprinzip vs. Verweisungsprinzip 1. Einführung Steht nun der Inhalt des Zeugnisses – sei es im Wege der subjektiven oder objektiven Anknüpfung – fest, erlangt im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr die Frage Relevanz, wie jeder Mitgliedstaat mit der im Zeugnis bezeugten Rechtslage umgeht. Abzugrenzen ist diese Frage zunächst von der uneingeschränkten Wirkungserstreckung nach Art.  69 Abs.  1 EuErbVO. Während die Wirkungen nach Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO als europäisches Sachrecht zunächst in allen Mitgliedstaaten zu beachten sind, muss der Inhalt des Zeugnisses gesondert betrachtet werden.

37  NK-BGB/Looschelders, Art.  22 EuErbVO Rn.  11; BeckOGK/J. Schmidt, Art.  22 ­EuErbVO Rn.  9; Kohler/Pintens, FamRZ 2012, 1425 (1427).

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

Die EuErbVO folgt dem Verweisungsprinzip und schließt eine Rechtslagenanerkennung und damit das Anerkennungsprinzip aus.38 Das Verweisungsprinzip bedeutet, dass im Ausland geschaffene Rechtslagen – also in diesem Kontext beispielsweise die im Erbnachweis dokumentierte erbrechtliche Rechtsstellung – nur dann als wirksam betrachtet werden, wenn die Erfordernisse erfüllt worden sind, die sich aus dem nach dem IPR des beurteilenden Mitgliedstaates anwendbaren Sachrecht ergeben.39 Die Entscheidung des Unionsgesetzgebers zugunsten des Verweisungsprinzips lässt sich nicht unmittelbar der EuErbVO entnehmen. Doch weisen die fehlende Fixierung des Anerkennungsprinzips40 und die gleichzeitig vollzogene Erbkollisionsrechtsvereinheitlichung in Art.  21, 22 EuErbVO darauf hin. Wichtig ist es, in diesem Zusammenhang die Gründe für die Entscheidung des Unionsgesetzgebers zugunsten des Verweisungsprinzips und gegen das Anerkennungsprinzip näher zu untersuchen, um so die Essenz der beiden internationalprivatrechtlichen Methoden herauszuarbeiten und eine Beurteilung zur Erfolgschance jedes Modells abzugeben. Zu vergegenwärtigen ist, dass bei Zugrundelegung des Anerkennungsprinzips die Einführung des Zeugnisses nicht unbedingt erforderlich gewesen wäre. So würden die nationalen Erbnachweise kollisionsrechtlich anerkannt werden, da auf diese Weise insbesondere die im Erbnachweis bezeugte Rechtslage (und wohl auch die Wirkungen des Erbnachweises) im Anerkennungsstaat beachtet werden müssten.41 2. Anerkennungsprinzip a) Allgemeines Das kollisionsrechtliche Anerkennungsprinzip soll im Ausland durch Hoheitsakt42 festgestellte Rechtslagen und deren grenzüberschreitenden Geltungsanspruch sichern und zwar im Gegensatz zum Verweisungsprinzip unter Ausschaltung einer kollisionsrechtlichen und sachrechtlichen Prüfung.43 Mit anderen 38  Dutta/Weber/Fornasier, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  18; vgl. auch NK-BGB/Makowsky, Art.  59 EuErbVO Rn.  11 und 21. 39  Vgl. MüKoBGB/v. Hein, Art.  3 EGBGB Rn.  22. 40  Dies ist nicht zu verwechseln mit der Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen nach Art.  39 ff. EuErbVO. Hier ist die verfahrensrechtliche Anerkennung gemeint. 41  Zum grundsätzlich denkbaren Bedürfnis der Anerkennung der Erteilung eines Erbscheins ohne kollisionsrechtliche Prüfung bereits Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392 (393); vgl. überdies zur Anerkennungslösung DNotI-Studie, S.  305 f. 42  Zur Diskussion anerkennungsfähiger ausländischer Akte vgl. ausführlich Funken, Das Anerkennungsprinzip im internationalen Privatrecht, S.  220 ff. m.w.N. 43  Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392; Coester-Waltjen, in: FS Jayme, 2004, 121 (122), die zudem private Akte als anerkennungsfähige Akte ansieht; MüKoBGB/v. Hein, Art.  3 EGBGB

B. Das Europäische Nachlasszeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext

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Worten soll über das Anerkennungsprinzip eine im Ausland geschaffene Rechtslage im Anerkennungsstaat als wirksam behandelt werden.44 Eine inländische Behörde, die für die Umsetzung eines Rechtsakts etwa die Gewissheit über das Bestehen eines familienrechtlichen Status haben muss, würde nach dem Anerkennungsprinzip den im Ausland begründeten Status ohne weiteres akzeptieren. Die dadurch gewonnenen Vorteile liegen auf der Hand: Die Freizügigkeit und das Vertrauen der EU-Bürger wird in nicht unerheblichem Umfang gefördert. Ferner werden Gerichtsressourcen nicht in Anspruch genommen. Allgemein tritt eine Vereinfachung des europaweiten Rechtsverkehrs ein.45 b) Verwirklichung der Ziele des Anerkennungsprinzips bei der Anerkennung mitgliedstaatlicher Erbnachweise und des Europäischen Nachlasszeugnisses Nationale Erbnachweise haben eines gemeinsam, das vorliegend von Relevanz ist: Dem Erbnachweisinhaber wird förmlich die jeweilige erbrechtliche Rechtsstellung bescheinigt. Diese personelle Rechtsstellung – wie auch sonst Ausflüsse des Personalstatuts (z.B. Eheschließung, Scheidung, Abstammung, Adoption – ist grundsätzlich einer kollisionsrechtlichen Anerkennung zugänglich. Konkret bedeutet dies, dass für den Anerkennungsstaat, dem ein ausländischer Erbnachweis vorliegt, die Erbenstellung des Inhabers feststeht und deshalb etwaige Rechtshandlungen vorgenommen werden müssen, beispielsweise die Umschreibung des Grundbuchs auf den im Erbnachweis bezeichneten Rechtsnachfolger, sofern die weiteren Eintragungsvoraussetzungen des Registerrechts erfüllt sind. Eine Rechtslagenanerkennung würde hierbei sämtliche materiellrechtlichen Wirkungen eines Erbnachweises in den Anerkennungsstaat transportieren.46 Zwar stellt es sich zunächst als schwierig dar, die materiellrechtlichen Wirkungen des Rn.  124; Sonnenberger, in: FS Spellenberg, 2010, 371 (386); Lugani/Huynh, in: Wollenschläger (Hrsg.), Europäischer Freizügigkeitsraum – Unionsbürgerschaft und Migrationsrecht ­(EnzEuR Bd.  10) §  10 Rn.  9. Die internationalprivatrechtliche Methode des Anerkennungsprinzips ist um einiges vielschichtiger, als es in dieser Arbeit behandelt wird, und hat eine beachtliche EuGH-Judikatur hinter sich, vgl. nur die Monographien von Funken, Das Anerkennungsprinzip im internationalen Privatrecht, und von Leifeld, Das Anerkennungsprinzip im Kollisionsrechtssystem des internationalen Privatrechts. Streitig ist bereits, wie das Anerkennungsprinzip tatsächlich zu definieren ist, vgl. nur Leifeld, Das Anerkennungsprinzip im Kollisionsrechtssystem des internationalen Privatrechts, S.  163 ff. m.w.N. Die Ausführungen an dieser Stelle und später zur Europäischen Personenstandsurkunde orientieren sich daher an der hier vorgestellten Definition, um die allgemeine Dogmatik am Zeugnis zu verdeutlichen. 44  Funken, Das Anerkennungsprinzip im internationalen Privatrecht, S.  25. 45  Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392 (393). 46  So wohl DNotI-Studie, S.  306; die dortigen Ausführungen sind indessen etwas allgemein gehalten, da insbesondere nicht terminologisch präziser differenziert wird, namentlich zwischen verfahrensrechtlicher und kollisionsrechtlicher Anerkennung.

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

Erbnachweises mit der Rechtslage gleichzusetzen, gleichwohl zeichnet sich die Rechtslagenanerkennung gerade durch die uneingeschränkte Akzeptanz eines materiellrechtlichen Vorgangs aus. Dieser ist bei einem Erbnachweis darin zu sehen, dass mit der Errichtung des Erbnachweises die ihm von der jeweiligen Rechtsordnung verliehenen Wirkungen, die auf materiellrechtlicher Ebene normiert sind (z.B. §§  2365 ff. BGB), entfaltet werden, dass also etwa die im Erbnachweis bezeichnete Person als Erbe vermutet wird. Das dem Anerkennungsprinzip zugrundeliegende Dogma der „Akzeptanz trotz eventueller Unterschiedlichkeit, Akzeptanz legitimiert durch unterstellte Gleichwertigkeit“47 zerbricht indessen bei den Erbnachweisen in der EU in evidenter Weise. Von Gleichwertigkeit kann hier keine Rede sein; vielmehr gilt das Gegenteil, nämlich Diversität48: Der Wirkungsgehalt und die Ausstellungsverfahren bewegen sich auf unterschiedlichen Intensitätsebenen. Dass zudem eine herrschende Ansicht in der Literatur49 nur behördliche oder gerichtliche Akte einer Anerkennung zugänglich macht, bedeutet den Ausschluss der Anerkennung privat errichteter Erbnachweise. Das Ergebnis wäre eine europäische Anerkennungspraxis, die vom jeweils anzuerkennenden Erbnachweis abhängt. Dies ist der Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechtsraums abträglich. Das Anerkennungsprinzip stellt sich letztlich als ungeeignete europäische Lösung dar.50 Überträgt man das Anerkennungsprinzip auf das Zeugnis, so spricht auf den ersten Blick wenig gegen die Zulässigkeit. Die einheitlichen Wirkungen des Zeugnisses entfalten sich nach Art.  69 Abs.  1 EuErbVO in allen Mitgliedstaaten und die Erbkollisionsrechtsvereinheitlichung gewährleistet grundsätzlich, dass die im Zeugnis ausgewiesene Rechtslage aus Sicht der Mitgliedstaaten nach dem korrekten Recht festgestellt wurde. Denn das Bedürfnis nach einer vorgeschalteten kollisionsrechtlichen Prüfung verschwindet insoweit, als wegen der Kollisionsrechtsvereinheitlichung das anzuwendende Recht von den Mitgliedstaaten grundsätzlich immer gleich bestimmt wird. Kappt das Anerkennungsprinzip eine kollisionsrechtliche Prüfung, wird u.U. auch ein kollisionsrechtliches Ergebnis gekappt, das nicht nach Art.  21, 22 EuErbVO bestimmt wurde, sondern nach vorrangigen, namentlich staatsvertraglichen Kollisionsnormen, an die der Mitgliedstaat gebunden ist, in dem das Zeugnis verwendet wird. Das Anerkennungsprinzip beansprucht faktisch die Loslösung von Übereinkommen, die jedoch So prägnant Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392 (393). Siehe oben im 2. Kap., A., II., S.  17 ff.; aus diesem Grunde schon die Anerkennungslösung ablehnend, DNotI-Studie, S.  305 f. 49  Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (716); ebenso Hausmann und Spellenberg, vgl. den Diskussionsbericht von Stürner/Weller, IPRax 2006, 400 (401); Funken, Das Anerkennungsprinzip im internationalen Privatrecht, S.  221 ff. 50  Im Ergebnis ebenso Neumayr, AnwBl 2016, 262 und Dorsel/Schall, GPR 2015, 36 (37 f.). 47  48 

B. Das Europäische Nachlasszeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext

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nach Art.  75 Abs.  1 EuErbVO zu berücksichtigen sind. Das Verweisungsprinzip wirkt daher schonender, indem es die kollisionsrechtliche Prüfung zulässt. Festzuhalten ist also, dass das Anerkennungsprinzip in Anwendung auf das Zeugnis einen spürbaren Einschnitt in die Autonomie und die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten bedeutet hätte.51 3. Verweisungsprinzip im Kontext mitgliedstaatlicher Erbnachweise und des Europäischen Nachlasszeugnisses Das Verweisungsprinzip ist nur im Zusammenhang mit dem Zeugnis fruchtbar zu machen. Die kollisionsrechtliche Prüfung eines ausländischen Erbnachweises wird zwar aufgrund der Kollisionsrechtsvereinheitlichung regelmäßig zu dem Ergebnis führen, dass dem ausländischen Erbnachweis aus Sicht des Verwendungsstaates das richtige Recht zugrunde liegt. Gleichwohl bedeutet dies lediglich, dass der Verwendungsstaat die Rechtslage im ausländischen Erbnachweis nach dem berufenen Erbstatut beurteilt, z.B. hinsichtlich der genauen Ausgestaltung der Verfügungsbeschränkung eines Erben. Ob durch das Verweisungsprinzip auch die materiellrechtlichen Wirkungen der Erbnachweise übertragen werden, kann dahinstehen, da der weiterhin bestehende Nachteil nicht überwunden wird, dass die mitgliedstaatlichen Erbnachweise eine unterschiedliche Wirkungsintensität besitzen und so ein einheitlicher europäischer Rechtsraum für die grenzüberschreitende Nachlassabwicklung nicht entstehen kann. Demzufolge bringt das Verweisungsprinzip wie das Anerkennungsprinzip zumindest für die mitgliedstaatlichen Erbnachweise keinen wesentlichen Nutzen. Das Verweisungsprinzip offenbart seine Vorzüge in der Kreation des Zeugnisses mit der Kombination der Statuierung einheitlicher Wirkungen in der Form europäischen Sachrechts. Generell spielt die Aufstellung vereinheitlichter Sachnormen bzw. Sachregelungen sowohl beim Verweisungsprinzip als auch beim Anerkennungsprinzip eine entscheidende Rolle. So kann die Anerkennung von ausländischen Rechtslagen durch autonome Sachregelungen wesentlich entschärft werden, um nicht der völligen Willkür des ausländischen Rechts ausgeliefert zu sein.52 Das Verweisungsprinzip nimmt sich dieser Aufgabe an, indem es durch die kollisionsrechtliche und sachrechtliche Prüfung in der Sache gleichsam nochmals entscheidet, was eine „blinde“ Akzeptanz des ausländischen Rechts verhindert. Doch wird hiermit nicht der Umstand überwunden, dass für 51  Denkbar wäre es aber auch gewesen, bei der Entscheidung für das Anerkennungsprinzip eine Ausnahmeregelung dergestalt zu schaffen, dass eine Anerkennung nur vorbehaltlich fehlender vorrangiger (kollisionsrechtlicher) Regelungen erfolgt. 52  Vgl. Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392 (398), die von gewissen Mindeststandards spricht.

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

die Vereinfachung der internationalen Nachlassabwicklung eine klare Konturierung und Vereinheitlichung der Wirkungen auf europäischer Ebene notwendig ist. Die unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Erbrechtssysteme bilden ein Faktum, das sich ganz unumstößlich im europäischen Rechtsraum bewegt. Weder das Anerkennungsprinzip noch das Verweisungsprinzip können hier Abhilfe schaffen. Dies folgt daraus, dass diese internationalprivatrechtlichen Prinzipien per se keine neuen Wirkungen erschaffen, sondern nur bestehende Rechtslagen in unterschiedlicher methodischer Weise transportieren. Deshalb triumphiert das Zeugnis nur in dem Zusammenspiel von Kollisionsrechtsvereinheitlichung und Statuierung europäischen Sachrechts. Des Weiteren zeigt sich die Vorzugswürdigkeit des Verweisungsprinzips, das regelmäßig nur mit einer entsprechenden Kollisionsrechtsvereinheitlichung auf europäischer Ebene volle Funktionsfähigkeit erlangt (das Anerkennungsprinzip verlangt dies insoweit nicht, als es dem Kollisionsrecht im Grundsatz keine Beachtung schenkt), dann, wenn es nicht darum geht, ausländische Rechtslagen in das Inland zu transportieren, sondern wenn rein inländische Vorgänge Fragen zum anzuwendenden Recht aufwerfen.53 Da es bei der internationalen Nachlassabwicklung nicht stets um die Anerkennung ausländischer Rechtslagen gehen muss – die Beantragung eines Erbnachweises ist regelmäßig optional, es sei denn, das Gesetz fordert die Vorlage eines Erbnachweises –, vermeidet das Verweisungsprinzip mitsamt Kollisionsrechtsvereinheitlichung Disharmonien z.B. im Hinblick darauf, nach welchem Recht sich die Ausschlagung der Erbschaft bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt richtet. Hier kommt es nicht auf etwaige ausländische Rechtshandlungen an. Eine Exklusivität zwischen Anerkennungsprinzip und Verweisungsprinzip lässt sich daher nicht feststellen. 4. Ergebnis Festzuhalten ist, dass in der Entscheidung zwischen Anerkennungsprinzip und Verweisungsprinzip – jedenfalls in Bezug auf die nationalen Erbnachweise und das Zeugnis – weniger Zündstoff herrscht als zu Anfang angenommen. Für den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr sind die materiellrechtlichen Wirkungen der Erbnachweise von entscheidender Bedeutung. Das Anerkennungsprinzip und das Verweisungsprinzip modifizieren jedoch nicht materielles Erbrecht. Sie haben ihre Funktion dort, wo es um den Prüfungsumfang der Beurteilung ausländischer Vorgänge und ausländischen Rechts sowie in der Konsequenz um den Umfang des Vertrauens in ausländische Rechtslagen geht. Während das Anerkennungsprinzip Hürden für den Einlass ausländischer Rechtslagen tendenziell abbaut, weist das Verweisungsprinzip dem beurteilenden Staat eine höhere Ver53 

Vgl. Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392 (400).

B. Das Europäische Nachlasszeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext

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antwortlichkeit und Prüfungsmacht zu. Auf diese Weise wird grundsätzlich die Richtigkeit der jeweiligen Entscheidung einmal mehr (nämlich zusätzlich zum ausländischen Rechtsakt) abgesichert. Dort liegt aber bereits die Grenze des Nutzens der internationalprivatrechtlichen Methoden: Wo die zu regelnde Rechtsmaterie mit dem weiterreichenden Anerkennungsprinzip nicht zur wesentlichen Verbesserung des grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs und der Freizügigkeit führt (wie bei der Anerkennung nationaler Erbnachweise), kommt es auf die Schaffung neuer autonomer Rechtsinstrumente an. Im Kontext des Zeugnisses offenbart sich die praktische Relevanz des Verweisungsprinzips in der kolli­ sions­rechtlichen Überprüfungspflicht seitens des Verwendungsstaates, die bei Zugrundelegung des Anerkennungsprinzips ausgeschlossen wäre.54 III. Kollisionsrechtliche Disharmonien im Europäischen Nachlasszeugnis Mit der Harmonisierung des EU-Erbkollisionsrechts ist ein großer Schritt zu ­einem erbrechtlichen europäischen Entscheidungseinklang getan worden. Doch verbleiben Konstellationen, in denen der europäische Entscheidungseinklang sowohl durch in der EuErbVO als auch generell im „allgemeinen Teil“ des EuIPR angelegte kollisionsrechtliche Disharmonien weiterhin gefährdet ist. Für die Ausstellung des Zeugnisses mögen die kollisionsrechtlichen Disharmonien noch keine praktische Relevanz auslösen, da die Ausstellungsbehörde das Zeugnis auf der Grundlage der Kollisionsnormen der EuErbVO und des sonstigen Forumkollisionsrechts erteilen kann. Ein Problem ergibt sich auch dann nicht, wenn das Zeugnis mittels Inanspruchnahme seiner Inlandswirkung im Ausstellungsstaat selbst verwendet wird. Wenn aber das Zeugnis in einem anderen Mitgliedstaat genutzt wird, können sich die Konsequenzen der kollisionsrechtlichen Disharmonien offenbaren, sofern der Verwendungsstaat eine abweichende kollisionsrechtliche Beurteilung unternimmt und deshalb die Annahme des Zeugnisses samt seiner Wirkungen verweigert.55 Die kollisionsrechtlichen Disharmonien im Zeugnis beruhen dabei auf allgemeine internationalprivatrechtliche Vorbehalte im spezifisch erbrechtlichen Kontext. Nachfolgend sollen die vier praktisch relevantesten kollisionsrechtlichen Disharmonien beleuchtet werden.56 54 

Siehe unten im 6. Kap., B., IV., S.  475 ff. Zur Berechtigung des Verwendungsstaates, das Zeugnis kollisionsrechtlich zu überprüfen, ausführlich unten im 6. Kap., B., IV., S.  475 ff. 56  Zur Beeinträchtigung des europäischen Entscheidungseinklangs aufgrund von faktisch abweichender Auslegung und Anwendung der Vorschriften der EuErbVO durch die Mitgliedstaaten und allgemeiner Rechtsanwendungsfehler, die nicht speziell in der EuErbVO angelegt sind, siehe Konvalin, Das Europäische Nachlasszeugnis ohne europäischen Entscheidungseinklang, S.  59 f. 55 

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

1. Vorfragen Ein die Disharmonie begünstigender Umstand ist die unterschiedliche Anknüpfung von Vorfragen seitens der Mitgliedstaaten. Die Anknüpfung von Vorfragen kann entweder selbstständig oder unselbstständig erfolgen. Wird selbstständig angeknüpft, beurteilen sich die Vorfragen nach dem Kollisionsrecht der lex fori,57 während bei der unselbstständigen Anknüpfung die lex causae,58 also das Kollisionsrecht der Rechtsordnung des Erbstatuts nach Art.  21, 22 EuErbVO maßgeblich ist. Freilich ergeben sich sog. Erstfragen bzw. Vorfragen i.w.S. nicht in den Kollisionsnormen der EuErbVO selbst: Art.  21, 22 EuErbVO setzen nicht das Bestehen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses voraus. Doch im Hinblick auf den Inhalt des Zeugnisses stellen sich Vorfragen i.e.S. im Hinblick auf das Bestehen eines Rechtsverhältnisses innerhalb einer Sachnorm. So kommt es z.B. bei der Intestaterbfolge, mithin bei der Bescheinigung von Erbquoten im Zeugnis (Art.  68 lit.  l EuErbVO), darauf an, ob ein potentieller gesetzlicher Erbe tatsächlich vom Erblasser abstammt.59 Es werden Fragen des Abstammungsstatuts relevant (nach deutschem Recht Anknüpfung nach Art.  19 EGBGB). Weiterhin kommt es für die Ausweisung des gesetzlichen Ehegattenerbrechts auf die Wirksamkeit und den Bestand einer Ehe an, so dass Fragen des Eheschließungsstatuts aufkommen (nach deutschem Recht Anknüpfung nach Art.  13 EGBGB). Gleiches gilt für das gesetzliche Erbrecht eines eingetragenen Lebenspartners: Wird die eingetragene Lebenspartnerschaft im Ausstellungsstaat nicht anerkannt, kann der überlebende Lebenspartner aufgrund des mangelnden Erbrechts kein Zeugnis beantragen.60 Steht die Auflösung der Ehe durch Scheidung im Raum, könnte die Rom III-VO zu berücksichtigen sein, wobei aufgrund der lediglich verstärkten Zusammenarbeit einiger Mitgliedstaaten eine vollumfängliche Scheidungskollisionsrechtsvereinheitlichung in der EU nicht gegeben ist.61 Die Vorfragenproblematik erscheint demnach für die Durchsetzung des Zeugnisses von nicht unerheblicher Bedeutung zu sein, da der hierdurch bedingte unvollständige europäische Entscheidungseinklang, wenn also der Verwendungsstaat die Vorfragen mit einem anderen Ergebnis beantwortet als der Ausstellungsstaat, die Wirkungsentfaltung des Zeugnisses hemmen kann.62 Gleichwohl ist festzustellen, dass 57  Kropholler, Internationales Privatrecht, S.  225; Junker, Internationales Privatrecht, §  10 Rn.  17. 58  Kropholler, Internationales Privatrecht, S.  224; Junker, Internationales Privatrecht, §  10 Rn.  25 ff. 59  Vgl. auch Buschbaum, GPR 2014, 4 (6). 60  Volmer, notar 2016, 323 (327); Dorsel, ZErb 2014, 212 (220). 61  Vgl. für weitere Beispiele Dörner, ZEV 2012, 505 (512). 62  So auch Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, 259 (275); vgl. allgemein im Zusammenhang mit dem Freizügigkeitsrecht nach Art.  21 Abs.  1 AEUV Lugani/Huynh, in: Wollenschläger

B. Das Europäische Nachlasszeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext

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insgesamt kaum noch erhebliche Unterschiede zwischen den europäischen Rechtsordnungen bestehen63, die der Methode der Vorfragenanknüpfung deshalb Relevanz beimessen, weil sich die Ergebnisse auch tatsächlich unterscheiden. 2. Vorrang mitgliedstaatlicher Übereinkommen Art.  75 Abs.  1 EuErbVO ordnet die Unberührtheit internationaler Übereinkommen an, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme der EuErbVO angehören und die Bereiche betreffen, die in der EuErbVO geregelt sind. Mithin genießen diese Übereinkommen Anwendungsvorrang vor der ­EuErbVO. Für das Zeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext ist hierbei nur von Relevanz, ob in den Übereinkommen eigenständige Kollisionsnormen (andere Regelungen in den Übereinkommen haben grundsätzlich keinen Einfluss auf die Durchsetzung des Zeugnisses) aufgestellt werden, die von den Art.  21, 22 ­EuErbVO abweichen, d.h. insbesondere regelmäßig ein anderes anwendbares Recht vorsehen, z.B. aufgrund eines abweichenden Anknüpfungspunktes. Der Einfluss auf die Durchsetzbarkeit des Zeugnisses ist genauso wie bei der Anknüpfung von Vorfragen ausgestaltet: Würde der Verwendungsstaat auf den im Zeugnis ausgewiesenen Erbfall wegen vorrangiger staatsvertraglicher Kolli­ sions­normen ein anderes Recht anwenden, könnte das Zeugnis als unrichtig bezeichnet und deshalb abgelehnt werden.64 Um die tatsächliche Reichweite dieses kollisionsrechtlichen Defizits zu bestimmen und um infolgedessen den Umfang der Hemmnis der Durchsetzbarkeit des Zeugnisses festzustellen, müssten idealiter sämtliche Staatsverträge mit relevanten erbrechtlichen Kollisionsnormen der einzelnen Mitgliedstaaten mit Drittstaaten65 untersucht werden. Diese beträchtliche Untersuchung kann an dieser Stelle nicht geleistet werden.66 In Anlehnung an dem dieser Arbeit zugrundeliegenden Rechtsvergleich sollen exemplarisch einige Staatsverträge Deutschlands und Österreichs betrachtet werden, um die (grobe) Reichweite dieses kollisionsrechtlichen Defizits zu illustrieren.

(Hrsg.), Europäischer Freizügigkeitsraum – Unionsbürgerschaft und Migrationsrecht (EnzEuR Bd.  10) §  10 Rn.  15. 63  Schurig, in: FS Spellenberg, 2010, 343 (351). 64  Die Schwierigkeiten in der Praxis ebenso erkennend Odersky, notar 2015, 183 (188). 65  Staatsverträge mit erbrechtlichen Kollisionsnormen zwischen zwei oder mehreren an der EuErbVO gebundenen Mitgliedstaaten werden von den Kollisionsnormen der EuErbVO verdrängt, vgl. Art.  75 Abs.  2 EuErbVO. 66  Die DNotI-Studie hatte den Versuch unternommen, sämtliche bilaterale Abkommen der damaligen Mitgliedstaaten mit Bezug auf das Erbrecht aufzustellen. Dieser Versuch wurde jedoch nicht vollendet, vgl. Dutta/Herrler/Süß, Die Europäische Erbrechtsverordnung, 181 (185).

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

a) Deutschland aa) Deutsch-iranisches Niederlassungsabkommen vom 17.2.1929 Das völkerrechtliche Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien regelt umfassend Rechte und Pflichten der Angehörigen beider Staaten in dem jeweils anderen Gebiet. Es sieht insbesondere in Art.  8 Abs.  3 vor, dass hinsichtlich des Personen-, Familien- und Erbrechts die Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten im Gebiet des anderen Staates den Vorschriften ihrer heimischen Gesetze unterworfen bleiben. Es handelt sich hierbei um eine Abweichung von der grundsätzlichen Behandlung der Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten im Gebiet des anderen Staates als Inländer (vgl. Art.  8 Abs.  1). Das Abkommen knüpft folglich für die Bestimmung des Erbstatuts an die Staatsangehörigkeit des Erblassers an. Die EuErbVO hat indes den Wechsel vom Staatsangehörigkeitsprinzip zum Aufenthaltsprinzip vollzogen und knüpft an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers an (vgl. Art.  21 EuErbVO). Verstirbt folglich ein Iraner in Deutschland und beantragen die Erben ein Zeugnis, wäre das Zeugnis aus Sicht anderer Mitgliedstaaten, die auf den Erbfall die Kollisionsnormen der EuErbVO anwenden würden, unrichtig. Dieses Ergebnis ergibt sich entsprechend für die nachfolgend behandelten Staatsverträge. bb) Deutsch-türkischer Konsularvertrag vom 28.5.1929 – Nachlassabkommen Die Anlage zu Art.  20 des deutsch-türkischen Konsularvertrages statuiert in §  14 Nr.  1 die Maßgeblichkeit des Heimatrechts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes für den beweglichen Nachlass vor, während nach §  14 Nr.  2 für den unbeweglichen Nachlass die lex rei sitae gilt. Wenn ein Türke in Deutschland verstirbt und der Erbe ein Zeugnis beantragt, hat das Zeugnis wegen §  14 Nr.  1 das türkische Erbstatut auszuweisen. cc) Deutsch-sowjetischer Konsularvertrag vom 25.4.1958 Die Besonderheit schließlich beim deutsch-sowjetischen Konsularvertrag liegt in der Aufstellung einer Kollisionsnorm nur in Bezug auf den unbeweglichen Nachlass. Nach Art.  28 Abs.  3 des Konsularvertrages wird an die lex rei sitae angeknüpft. Für den beweglichen Nachlass ist auf die autonomen Kollisionsnormen der Vertragsstaaten zurückzugreifen.67 Für Deutschland ist mithin die ­EuErbVO maßgeblich und für die Nachfolgestaaten der Sowjetunion die autonomen Kollisionsnormen der lex fori.

67 

Dutta/Herrler/Süß, Die Europäische Erbrechtsverordnung, 181 (184).

B. Das Europäische Nachlasszeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext

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b) Österreich68 aa) Freundschafts- und Niederlassungsvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Kaiserreich Iran vom 9.9.1959 Gleichsam wie das Übereinkommen zwischen Deutschland und Iran statuiert Art.  10 Abs.  3 des Freundschafts- und Niederlassungsvertrages, dass in Angelegenheiten der gesetzlichen und testamentarischen Erbfolge die Angehörigen ­einer Hohen Vertragschließenden Partei auf dem Gebiet der anderen Partei den Bestimmungen des in ihrem Heimatstaat geltenden Rechtes unterworfen bleiben. bb) Freundschaftsvertrag zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik vom 28.1.1924 Art.  10 des Freundschaftsvertrages statuiert ausdrücklich die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte und Behörden des Heimatstaates für Angelegenheiten des Personenstandes, insbesondere auch bezüglich des Rechts der testamentarischen Erbfolge oder Intestaterbfolge. Es ist anzunehmen, dass die Gerichte und Behörden – zumal in Anbetracht eines bilateralen Staatsvertrages – hierbei ihr eigenes Recht anwenden, womit für die Bestimmung des Erbstatuts an die Staatsangehörigkeit angeknüpft wird. c) Zwischenergebnis Kollisionsnormen in Staatsverträgen, an die die Mitgliedstaaten gebunden sind, sind keine Seltenheit. Die Reichweite des kollisionsrechtlichen Defizits wird bereits durch den Vorrang der EuErbVO vor Staatsverträgen zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten gemäß Art.  75 Abs.  2 EuErbVO erheblich begrenzt. Für die „enge“ europäische internationale Nachlassabwicklung mittels des Zeugnisses, die nicht durch eine drittstaatliche Staatsangehörigkeit des Erblassers beeinflusst wird, stellen staatsvertragliche Kollisionsnormen mithin ein überschaubares Problem dar. In den anderen Fällen wird einmal mehr ein unvollständiger europäischer Entscheidungseinklang begünstigt. 3. Anpassung dinglicher Rechte Bei der Fallgruppe der Anpassung dinglicher Rechte gemäß Art.  31 EuErbVO handelt es sich um eine Ausprägung kollisionsrechtlicher Disharmonien, die ausweislich ihrer gesetzlichen Regelung dem Unionsgesetzgeber vollends bewusst war. Da dem Zeugnis potentiell jede Rechtsordnung zugrunde liegen kann, sehen 68  Vgl. zu sämtlichen Abkommen Österreichs mit (Dritt-)Staaten Deixler-Hübner/Schauer/ Fucik, Art.  75 EuErbVO Rn.  6 ff.

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

sich Mitgliedstaaten, in denen das Zeugnis verwendet wird, womöglich mit völlig unbekannten erbrechtlichen Rechtsinstituten konfrontiert.69 Freilich kann man hier nicht unbedingt von einer „echten“ Beeinträchtigung des europäischen Entscheidungseinklangs sprechen. Da der jeweilige Mitgliedstaat die Anpassung von Gesetzes wegen vornehmen muss, gelingt im Ergebnis dem Zeugnisinhaber die Durchsetzung seiner Rechte ungeachtet der heterogenen mitgliedstaatlichen und drittstaatlichen Vorstellungen über das Erb- und Sachenrecht. 4. Ordre public Die Wirkungsentfaltung des Zeugnisses in anderen Mitgliedstaaten unterliegt keiner ordre public-Kontrolle.70 Doch kann sein Inhalt, insbesondere hinsichtlich der ausgewiesenen Erbquoten und des Pflichtteilsrechts, bereits durch die Vorschaltung einer ordre public-Kontrolle derart ausgestaltet sein, dass aus Sicht verschiedener Mitgliedstaaten abweichende Ansichten zur konkreten Verteilung der Erbquoten existieren. Aufgrund der Tatsache, dass die Ausgestaltung des ­ordre public ausweislich des Art.  35 EuErbVO von dem angerufenen Gericht abhängt, lassen sich generelle Aussagen über einschlägige Fälle des ordre public-Vorbehalts nicht treffen.71 Sicher ist jedoch, dass mit der Ablehnung der Anwendung partiellen ausländischen Rechts durch ein Gericht ein materiellrechtliches Ergebnis entstehen kann, das nicht in sämtlichen Mitgliedstaaten gefunden werden würde.72 Dies gefährdet den europäischen Entscheidungseinklang73 sowie die Durchsetzbarkeit des Zeugnisses, wenn ein Gericht aufgrund des Einsatzes des ordre public-Vorbehalts den Inhalt des Zeugnisses (partiell) nicht gelten lassen will.

Konvalin, Das Europäische Nachlasszeugnis ohne europäischen Entscheidungseinklang, S.  53. 70  Vgl. ausführlich oben im 5. Kap., A., I., 2., S.  396 ff. 71  Vgl. auch die Entscheidung der Cour de Cassation vom 27.9.2017 (Cass Civ 1 du 27/09/17 n° 16-13151, n° 16-17198) zum ordre public im internationalen Pflichtteilsrecht, wobei freilich in dem entschiedenen Fall die EuErbVO noch nicht anwendbar war. Eine Übertragung der dort gefundenen Maßstäbe auf die Auslegung des Art.  35 EuErbVO ist zu erwarten, so Süß, ZEV 2017, 567. Vgl. auch Ayazi, NJOZ 2018, 1041, der unter den Vorzeichen der EuErbVO das deutsche Pflichtteilsrecht nicht als Teil des (deutschen) ordre public sieht. Siehe zum Pflichtteil vertiefend auch Pintens, in: Hess/Jayme/Mansel (Hrsg.), Europa als Rechtsund Lebensraum, Liber amicorum für Christian Kohler zum 75. Geburtstag, 2018, 393 (399 f.). 72  Auf die bloß theoretische Möglichkeit der Einschlägigkeit des Art.  35 EuErbVO hinweisend Dörner, DNotZ 2017, 407 (415). 73  MüKoBGB/Dutta, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  9. 69 

B. Das Europäische Nachlasszeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext

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5. Ergebnis Das kollisionsrechtliche Gerüst des Zeugnisses wird von verschiedenen kolli­ sions­rechtlichen Disharmonien, die jeweils unabhängig voneinander aus unterschiedlichen Gründen entstehen, potentiell durchdrungen. Die Folge ist in der Tat die Gefährdung des europäischen Entscheidungseinklangs. Welche praktische Bedeutung diese potentielle Gefahr für die internationale Nachlassabwicklung mittels des Zeugnisses hat, gilt es daher im Nachfolgenden zu untersuchen. IV. Praktische Relevanz des unvollständigen europäischen Entscheidungseinklangs – Pflicht zur kollisionsrechtlichen Überprüfung des Europäischen Nachlasszeugnisses durch den Verwendungsstaat? 1. Grundproblematik Angesichts der dargelegten kollisionsrechtlichen Disharmonien, die das Zeugnis beschweren, drängt sich unweigerlich die Frage auf, welche praktische Relevanz dieser Problematik zukommt. Die kollisionsrechtlichen Disharmonien hindern die Ausstellung des Zeugnisses jedenfalls nicht; dieses kann seiner Funktion entsprechend in anderen Mitgliedstaaten zunächst eingesetzt werden.74 Vielmehr muss im Rahmen einer nachgelagerten etwaigen Annahmeverweigerung des Zeugnisses durch den Verwendungsstaat erörtert werden, inwiefern eine abweichende kollisionsrechtliche Beurteilung des erbrechtlichen Sachverhalts durch das angerufene Gericht die Funktionsfähigkeit des Zeugnisses zu negieren vermag. Diese Problematik wird sich in aller Regel in einer allgemeinen Zivil- oder Handelssache stellen, in der es für die Entscheidung inzident auf die Voraussetzungen der Gutglaubenswirkung nach Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO ankommt, der als Negativvoraussetzung für die Entfaltung von Gutglaubensschutz die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Dritten von der Unrichtigkeit des Zeugnisses verlangt.75 Denkbar erscheint auch der Fall, dass eine Grundbuchbehörde im Rahmen ihrer eingeschränkten Prüfungspflicht erkennt, dass der Inhalt der vorgelegten beglaubigten Abschrift des Zeugnisses kollisionsrechtlich unrichtig ist und deshalb die Umschreibung des Grundbuchs verweigert. Im anschließenden Verfahren vor einem Gericht kommt es darauf an, ob die Grundbuchbehörde das Zeugnis kollisionsrechtlich überprüfen durfte. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, welche Perspektive für die Beurteilung der Unrichtigkeit maßgeblich ist. Denn das Zeugnis kann grundsätzlich vor ­einem Gericht eines jeden Mitgliedstaates Gegenstand eines Verfahrens sein. Der Vgl. Konvalin, Das Europäische Nachlasszeugnis ohne europäischen Entscheidungseinklang, S.  63. 75  Dutta, IPRax 2015, 32 (38). 74 

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

Mitgliedstaat, dessen Gericht sich mit dem Verfahren befasst, muss also nicht mit dem Ausstellungsstaat identisch sein. Es muss sich nicht einmal um die zuständigen Gerichte nach Art.  4 ff. EuErbVO handeln.76 Verklagt etwa ein Erbprätendent, der behauptet, der wahre Alleinerbe zu sein, einen Dritten auf Herausgabe eines Nachlassgegenstandes, den der Dritte nach Art.  69 Abs.  4 EuErbVO i.V.m. den sonstigen Erwerbsvoraussetzungen von einem in einem Zeugnis legitimierten Erben gutgläubig zu erworben haben glaubt, sind gemäß Art.  4 Abs.  1 Brüssel Ia-VO grundsätzlich die Gerichte am Wohnsitz des Dritten international zuständig. Ob das Zeugnis jedoch unrichtig ist, richtet sich wegen der Kollision zweier Rechtsordnungen (Ausstellungsstaat und Verwendungsstaat; wird das Verfahren im Ausstellungsstaat geführt, kann sich die Unrichtigkeit nur aus der Perspektive des Ausstellungsstaates beurteilen lassen) maßgeblich danach, welches anwendbare Recht für die Beurteilung der inhaltlichen (Un-)Richtigkeit herangezogen werden muss. Taucht beispielsweise im Nachgang der Ausstellung des Zeugnisses eine weitere Person auf, die gesetzlicher Erbe sein könnte, ist nicht gewährleistet, dass jede Rechtsordnung diese Person als gesetzlichen Erben ansieht. Welche Rechtsordnung heranzuziehen ist, ergibt sich aus dem Kollisionsrecht. Dies könnte in Anbetracht der bereits aufgezeigten kollisionsrechtlichen Disharmonien problematisch sein, als die Mitgliedstaaten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können. Dann wird bedeutsam, welche Perspektive maßgeblich ist. Insoweit kommt die Perspektive des mit der Sache befassten Gerichts oder die Perspektive der Ausstellungsbehörde in Betracht. Man kann auch danach fragen, ob dem Verwendungsstaat die kollisionsrechtliche Überprüfung des Zeugnisses gestattet ist, da ansonsten nur die Perspektive der Ausstellungsbehörde maßgeblich sein kann, die dem Zeugnis von Anfang an zugrunde liegt. In diesem Falle wären die kollisionsrechtlichen Disharmonien ohne praktische Bedeutung, indem die Sicht der Ausstellungsbehörde gleichsam „kolli­ sions­recht­liche Festigkeit“ genießt. Jedenfalls lässt sich die Problematik nicht damit bagatellisieren, dass – was zugegebenermaßen in aller Regel zutrifft – der Rechtsverkehr keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Unrichtigkeit des Zeugnisses wegen des kollisionsrechtlichen Einschlags hat, weshalb die Gutglaubenswirkung nicht ausgeschlossen wird.77 Grundsätzlich muss dahingehend unterschieden werden, ob die Effektivität des Zeugnisses dadurch schon nicht beeinträchtigt wird, dass eine kollisionsrechtliche Überprüfung nicht möglich ist oder die Bösgläubigkeit nicht gegeben ist. Denn die Frage der Bösgläubigkeit stellt sich für die Vermutungs- und Legitimationswirkung nicht, bei 76 

MüKoBGB/Dutta, Vorb. zu Art.  20 EuErbVO Rn.  51. NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  22, jedoch ohne genauere Differenzierung zur dargestellten Problematik. 77 

B. Das Europäische Nachlasszeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext

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denen konsequenterweise ebenso eine kollisionsrechtliche Überprüfung zulässig sein müsste. Die kollisionsrechtliche Überprüfung betrifft nämlich den gesamten Inhalt des Zeugnisses, an den sämtliche Wirkungen des Zeugnisses anknüpfen. 2. Auslegung a) Grammatikalische Auslegung Eine kollisionsrechtliche Überprüfungspflicht ist ausdrücklich in keiner Norm der EuErbVO geregelt. Sporadisch lassen sich am Wortlaut von Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO sowie Art.  69 Abs.  1 EuErbVO und Art.  75 Abs.  1 EuErbVO Hinweise finden. Das Merkmal der inhaltlichen Unrichtigkeit i.S.d. Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO wirft die Norm im Zusammenhang mit der Bösgläubigkeit des Dritten auf. Ein Bezug zu einer gerichtlichen Prüfungsbefugnis bzw. gar einer solchen kollisionsrechtlicher Art besteht nicht. Vielmehr wird diese Frage im Kontext anderer – im Vergleich zu Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO allgemeinerer – Normen transparent, die die Art und Weise der Wirkungsentfaltung des Zeugnisses sowie die Bedeutung kollisionsrechtlicher Gehalte auf die Funk­tions­ fähigkeit des Zeugnisses betreffen. Erstens statuiert Art.  69 Abs.  1 EuErbVO die uneingeschränkte Wirkungserstreckung des Zeugnisses in allen Mitgliedstaaten. Aufgrund dessen könnte angenommen werden, dass eine kollisionsrechtliche Überprüfung ausscheidet. Diese könnte zumindest die Wirkungsentfaltung des Zeugnisses bei einer Annahmeverweigerung hemmen. Doch bleibt die Aussagekraft des Art.  69 Abs.  1 EuErbVO dahinter zurück: Klargestellt wird nur, dass es für die Erstreckung der Wirkungen eines besonderen Verfahrens, namentlich ­eines Anerkennungsverfahrens, nicht bedarf.78 Der Regelungsgehalt ist somit sehr konkret angesprochen. Eine kollisionsrechtliche Überprüfung durch den Verwendungsstaat wird nicht von vornherein abgeschnitten, als diese die Wirkungsentfaltung des Zeugnisses nicht berührt, sondern sich im Nachgang der Beurteilung der „angenommenen“ Gutglaubenswirkung auf die inhaltliche Richtigkeit des Zeugnisses bezieht. Dem Art.  75 Abs.  1 EuErbVO lässt sich auch der Vorrang staatsvertraglicher Kollisionsnormen in eben solchen Übereinkommen entnehmen. Damit könnte erwogen werden, dass eine kollisionsrechtliche Prüfung zulässig sein muss, um die Geltung etwaiger staatsvertraglicher Kollisionsnormen des Verwendungsstaates durchsetzen zu können. Der Anwendungsbefehl gilt zwar universell, betrifft jedoch stets den „ersten“ Akt, der sich aus der ­EuErbVO ergibt, z.B. eine Entscheidung über eine Teilungsklage, die sich nach dem Recht, das aufgrund des Staatsvertrages berufen wird, richtet. Eine obligatorische kollisionsrechtliche Überprüfung lässt sich daraus nicht ableiten, da die78 

Siehe hierzu oben im 5. Kap., A., I., 1., S.  395 f.

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

se bereits einen entsprechenden Akt – das Zeugnis – voraussetzt, der ggf. im Ausstellungsstaat bereits unter der Heranziehung der vorrangigen Kollisionsnormen gemäß Art.  75 Abs.  1 EuErbVO ausgestellt wurde. b) Systematische Auslegung Ausgehend davon, dass eine kollisionsrechtliche Überprüfung in der härtesten Konsequenz eine Annahmeverweigerung des Zeugnisses bzw. eine Annullierung der Wirkungen des Zeugnisses im Verwendungsstaat bedeuten würde, soweit eine abweichende kollisionsrechtliche Beurteilung festgestellt wird79, erscheint es in systematischer Hinsicht lohnenswert, andere Instrumente der EuErbVO dahingehend zu untersuchen, wie diese bei einem Zusammentreffen mit einem anderen Mitgliedstaat überprüft werden können. Angesprochen ist die Anerkennung von Entscheidungen nach Art.  39 ff. EuErbVO und die Annahme öffentlicher Urkunden nach Art.  59 EuErbVO. Bekanntermaßen sind bei der Anerkennung ausländischer Entscheidungen Anerkennungsverweigerungsgründe zu beachten (Art.  40 EuErbVO). Insbesondere stellt der Verstoß gegen den ordre public einen Anerkennungsverweigerungsgrund dar. Eine kollisionsrechtliche Überprüfung der Entscheidung ist indessen unzulässig, da die EuErbVO wie viele andere Prozessrechtsakte in der EU bzw. wie allgemein im Verfahrensrecht80 eine révision au fond in Art.  41 EuErbVO aufstellt.81 Es ist mithin einer Anerkennung nicht abträglich, wenn das Gericht, das die anzuerkennende Entscheidung erlassen hat, ein anderes Recht angewandt hat, als nach dem Recht des Anerkennungsstaates anzuwenden gewesen wäre.82 Dafür spricht auch die Tatsache, dass die EuErbVO für diese Konstellation keine Regelung vorsieht und das Anerkennungsregime unabhängig davon eingreift, welche Vorschriften bei dem Erlass der Entscheidung angewendet wurden.83 79  Unpräzise scheint derzeit noch im Schrifttum formuliert zu sein, inwieweit bereits eine abweichende kollisionsrechtliche Beurteilung die Abwehr der Berufung auf die Gutglaubenswirkung begründet. So führt Margonski, ZEV 2017, 209 (213) recht unscharf aus, dass ein Dritter bösgläubig ist, wenn unter Berücksichtigung der im Verwendungsmitgliedstaat anwendbaren Kollisionsnormen das Zeugnis die Rechtslage unrichtig ausweist. Anscheinend komme es nicht auf die Bösgläubigkeit des Dritten an. Aber gerade aufgrund der regelmäßig mangelnden Bösgläubigkeit des Dritten sollte sich jedenfalls die Gutglaubenswirkung zugunsten des Dritten entfalten, vgl. unten im 6. Kap., B., V., S.  486 ff. 80  Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (724). 81  Vgl. auch MüKoBGB/v. Hein, Art.  3 EGBGB Rn.  124. 82  Vgl. Henrich, IPRax 2005, 422 sowie Funken, Das Anerkennungsprinzip im internationalen Privatrecht, S.  26. 83  Dutta/Weber/Bauer, Art.  75 EuErbVO Rn.  20.

B. Das Europäische Nachlasszeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext

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Gleiches gilt für die Annahme öffentlicher Urkunden, bei der sogar nur eine positive ordre public-Prüfung die Annahme hindert (Art.  59 Abs.  1 EuErbVO). Das Zeugnis untersteht allerdings keiner anerkennungsrechtlichen ordre ­public-Prüfung84 und genießt uneingeschränkte Verkehrsfähigkeit innerhalb des europäischen Rechtsraums. Wenn aber eine anerkennungsrechtliche ordre ­public-Prüfung des Zeugnisses unzulässig ist, könnte a fortiori eine kollisionsrechtliche Überprüfung, die im Vergleich viel weitergehender ist, als dadurch womöglich die Funktionsfähigkeit des Zeugnisses annulliert wird, unzulässig sein. Zwar sind z.B. eine gerichtliche Entscheidung und die Erteilung eines Zeugnisses inhaltlich grundverschieden, doch geht es hier um das zentrale Anliegen der Bestimmung der Reichweite der Verkehrsfähigkeit erbrechtlicher mitgliedstaatlicher Akte im europäischen Rechtsraum. Die systematische Betrachtung zeige, dass die EuErbVO den freien Verkehr von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden und damit auch von dem Zeugnis aufgrund der wenigen Geltungshindernisse insgesamt sehr stark begünstigen wolle.85 Es könnte deshalb widersprüchlich sein, für das Zeugnis singulär eine kollisionsrechtliche Überprüfungspflicht zu statuieren. Indes ist Vorsicht walten zu lassen, was die Anwendung eines parallelen Beurteilungsmaßstabs auf Entscheidungen, öffentliche Urkunden und das Zeugnis i.S.d. EuErbVO betrifft. Zunächst zeugen bereits die getrennten Kapitel, in denen die Anerkennung von Entscheidungen, die Annahme öffentlicher Urkunden und das Zeugnis geregelt sind, davon, dass die Instrumente jeweils eigenen Regelungen unterworfen sind. Des Weiteren handelt es sich bei den Entscheidungen und öffentlichen Urkunden um nationale Instrumente, währenddessen das Zeugnis jedoch ein europäisches Instrument verkörpert.86 Eine Übertragbarkeit der Systeme untereinander ist aus diesem Grund bereits im Grundsatz schwer zu rechtfertigen. Die Freizügigkeit von Entscheidungen in den Grenzen des Art.  40 EuErbVO legitimiert sich dadurch, dass ihnen bzw. der Kompetenz des ausländischen Gerichts insbesondere wegen der geforderten Rechtskraft der anzuerkennenden Entscheidung Vertrauen entgegengebracht werden kann. Wichtiger erscheint noch der Aspekt, dass die Entscheidung einen einzelnen Sachverhalt betrifft und die Wirkungen aus der Entscheidung sich nur auf die Parteien des Verfahrens erstrecken. Außerdem gewährleistet die Vereinheitlichung des Erbkollisionsrechts grundsätzlich, dass der anerkennende Mitgliedstaat zum gleichen kollisionsrechtlichen und damit auch sachrechtlichen Ergebnis kommt. Für öffentliche Urkunden streitet noch mehr die kollisionsrechtliche Unberührtheit: In dem Errichtungsstaat wird die öffentli84 

Siehe hierzu oben im 5. Kap., A., I., 2., S.  396 ff. Margonski, ZEV 2017, 209 (213), der auch eine Parallele zur EuGüVO zieht. 86  Rechberger/Zöchling-Jud/Rechberger/Kieweler, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich, S.  294. 85 

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

che Urkunde stets nach dem eigenen Recht errichtet (z.B. Errichtung eines öffentlichen Testaments vor einem Notar). Die Annahme öffentlicher Urkunden führt auch nur zur Erstreckung der formellen Beweiswirkungen (Art.  59 Abs.  1 EuErbVO). Ein Gesamtschluss auf die unbeschränkte Durchsetzung des Zeugnisses ohne kollisionsrechtliche Überprüfung erscheint unter diesen Umständen mehr als zweifelhaft87, da das Zeugnis nicht die Beständigkeit einer Entscheidung besitzt und seine starken Wirkungen weitreichende Konsequenzen dergestalt haben können, dass sie den ganzen europäischen Rechtsverkehr (und nicht nur singuläre Personen) betreffen. Schließlich wird hervorgebracht, dass die Befugnis zur Überprüfung der Richtigkeit des Zeugnisses (Art.  71 Abs.  2 EuErbVO) allein bei der Ausstellungsbehörde und bei den Gerichten des Ausstellungsstaates liegt; um den normativen Gehalt von Art.  71 Abs.  2 EuErbVO nicht auszuhöhlen, könne eine kollisionsrechtliche Überprüfungspflicht für den Verwendungsstaat nicht statuiert werden.88 Dieses Argument erweist sich jedoch als Zirkelschluss: Die alleinige Befugnis der Ausstellungsbehörde und der Gerichte des Ausstellungsstaates zur Änderung und zum Widerruf des Zeugnisses liegt primär daran, dass das Zeugnis als Urschrift bei der Ausstellungsbehörde verwahrt wird und nur diese geändert oder widerrufen wird. Natürlich kann ein Gericht, das sich mit dem Zeugnis befasst, dieses nicht abändern, aber es muss die inhaltliche Unrichtigkeit feststellen, wie es Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO erfordert. Die konzentrierte Änderungs- und Widerrufsbefugnis beim Ausstellungsstaat ist nicht mit der Superiorität der kollisionsrechtlichen Perspektive des Ausstellungsstaates gleichzusetzen. Nichts anderes ergibt sich aus der Entscheidung für die Konzentration der internationalen Zuständigkeit bei einem Mitgliedstaat (Art.  4 EuErbVO). Damit bezweckt der Unionsgesetzgeber die Vereinfachung und Beschleunigung erbrechtlicher Verfahren, aber nicht den Ausschluss einer Prüfungsbefugnis von Mitgliedstaaten, die sich mit einem ausländischen Zeugnis zu befassen haben.89 c) Historische und genetische Auslegung Der Kommissionsvorschlag zur EuErbVO sah noch in Art.  42 Abs.  1 eine Anerkennung des Zeugnisses von Rechts wegen und stellte für die Bösgläubigkeit des Dritten auf dessen Kenntnis darüber, dass das Zeugnis inhaltlich den Tatsachen nicht entspricht (Art.  42 Abs.  3, Abs.  4). Schon im frühen Gesetzgebungsstadium 87  So im Ergebnis auch Konvalin, Das Europäische Nachlasszeugnis ohne europäischen Entscheidungseinklang, S.  64, der eine Gleichstellung von Entscheidung und Zeugnis insbesondere mit dem Hinweis auf Art.  69 Abs.  1 EuErbVO ablehnt. 88  Margonski, ZEV 2017, 209 (213). 89 A.A. Margonski, ZEV 2017, 209 (213).

B. Das Europäische Nachlasszeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext

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wurde die kollisionsrechtliche Problematik nicht aufgegriffen: Angesichts der doch sehr allgemeinen Natur der Frage nach einer kollisionsrechtlichen Überprüfungspflicht des Zeugnisses war eine textliche Fixierung nicht zu erwarten. d) Teleologische Auslegung Soweit ersichtlich wird die kollisionsrechtliche Überprüfungspflicht im Schrifttum schlichtweg angenommen, ohne dabei das Telos des Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO zu berücksichtigen. Vielmehr wird die Begründung ganz losgelöst von jedweder teleologischen Bewertung gegeben.90 Dass die Unredlichkeit den Gutglaubensschutz entfallen lässt, ist nicht zu bestreiten und ist in der internationalen wie in der nationalen Nachlassabwicklung gleichermaßen zu bewerten. Die kollisionsrechtliche Überprüfung bezweckt hierbei die Wahrung des internationalen Entscheidungseinklangs und steht mit der Konsequenz der Annahmeverweigerung gleichwohl diametral zum Zweck des Zeugnisses, die internationale Nachlassabwicklung zu erleichtern. Die Durchsetzung der Gutglaubenswirkung würde letztlich an (irgendwelchen, wenn auch raren) Kollisionsnormen scheitern, obwohl das Zeugnis zumindest aus Sicht eines Mitgliedstaates, nämlich des Ausstellungsstaates, richtig ist (und somit eine vollständige Unrichtigkeit nicht angenommen werden kann). In der EU ist der Einfluss bzw. die Berücksichtigung autonomer Kollisionsnormen auf eine Hauptfrage, deren Kollisionsrecht vereinheitlicht ist, gang und gäbe91 und verhindert dort nicht die Verkehrsfähigkeit des entsprechenden Rechtsaktes. Seltsam mutet darüber hinaus an, dass eine kollisionsrechtliche Überprüfungspflicht in der zu Ende gedachten Konsequenz auch die Vermutungs- und Legitimationswirkung des Zeugnisses betreffen müsste. Eine kollisionsrechtliche Überprüfungspflicht wird indes bei diesen Wirkungen noch weniger vom Wortlaut gedeckt. Doch sollte aus teleologischer Perspektive keine abweichende Beurteilung gefällt werden: Ein Gericht bzw. eine Behörde, die die Vermutungswirkung und Legitimationswirkung des Zeugnisses berücksichtigen wollen, könnten anhand einer kollisionsrechtlichen Überprüfung zu einem anderen Inhalt kommen als der Ausstellungsstaat, so dass die Grundlage für die Wirkungen entfällt. Ohne­hin betrifft eine kollisionsrechtliche Überprüfung das Zeugnis als Ganzes. 90  Vgl. NK-BGB/Nordmeier, Art.  69 EuErbVO Rn.  22, aber auch für die Gegenauffassung sind Begründungsansätze marginal, vgl. Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  25. 91  Z.B. hinsichtlich des Scheidungsstatuts nach der Rom III-VO: Vorfrage der wirksamen Ehe und selbstständige Anknüpfung nach der lex fori (Art.  1 Abs.  2 lit.  b Rom III-VO) sowie Anerkennung einer solchen Entscheidung nach Art.  21 Brüssel IIa-VO, vgl. insbesondere Art.  25 Brüssel IIa-VO sowie ergänzend die révision au fond in Art.  26 Brüssel IIa-VO.

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

In dieser Radikalität, dass die Kollisionsnormen – sei es staatsvertragliche Kollisionsnormen, sei es autonome Kollisionsnormen – des Verwendungsstaates unbeachtlich sind, wird der Schluss gezogen, dass der europäische Entscheidungseinklang für das Zeugnis keine besondere Funktionsvoraussetzung einnimmt; die kollisionsrechtliche Perspektive des Entscheidungsstaates (gleichgültig, ob es sich um eine Entscheidung, eine öffentliche Urkunde oder um ein Zeugnis handelt und gleichgültig, ob für den Rechtsakt die Kollisionsnormen der EuErbVO oder vorrangig geltendes Recht angewendet wird) setze sich im gesamten europäischen Rechtsraum durch.92 Das Telos des Art.  75 Abs.  1 EuErbVO wäre auf den ersten Blick nicht verletzt. Das Zeugnis muss unter Anwendung etwaiger vorrangiger staatsvertraglicher Kollisionsnormen erteilt werden. Lediglich die Heranziehung solcher Kollisionsnormen des Verwendungsstaates zur Beurteilung der Richtigkeit des Zeugnisses wird zugunsten der Verkehrsfähigkeit abgeschnitten. Auf diese Weise würde auch verhindert, dass sich die Rechtslage, die sich für den Verwendungsstaat aufgrund eines für ihn bindenden bilateralen Übereinkommens ergibt, auf sämtliche Mitgliedstaaten erstreckt und den Nutzen des Zeugnisses einschränkt.93 Doch auch an dieser Stelle beansprucht die für den Verwendungsstaat bindende staatsvertragliche Kollisionsnorm Geltungsvorrang: Der Verwendungsstaat würde sehenden Auges seine völkerrechtlichen Verpflichtungen verletzen, wenn eine im Zeugnis ausgewiesene Erbfolge durchgesetzt würde, die im Widerspruch zum Abkommen steht.94 Inwiefern ein derartiges kollisionsrechtliches „Monopol“ beim Entscheidungsstaat mit der Gesamtkonzeption der EuErbVO vereinbar ist, ist daher zu untersuchen. Dieses Monopol würde dabei zulasten der kollisionsrechtlichen Autonomie der Mitgliedstaaten gehen, jedenfalls in dem Umfang, in dem eine Europäisierung des Kollisionsrechts bisher nicht erfolgt ist und deshalb tatsächliche Unterschiede in den kollisionsrechtlichen Ergebnissen bestehen. Die praktische Konsequenz für den Mitgliedstaat wäre, dass der europäische Entscheidungseinklang nicht beachtet wird und Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Übereinkommen, die Erbkollisionsnormen enthalten, verletzt werden. Demgegenüber steht das Interesse der uneingeschränkten Durchsetzung des Zeugnisses in der internationalen Nachlassabwicklung zugunsten des Zeugnisinhabers (ohne Margonski, ZEV 2017, 209 (213); so im Ergebnis auch (aber ohne Begründung) Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  69 EuErbVO Rn.  25. 93  Vgl. Lehmann, ZEV 2014, 232 (235). 94  Vgl. Lehmann, ZEV 2014, 232 (234) mit dem Beispiel, dass einem deutschen Grundbuchamt ein ausländisches Zeugnis vorgelegt wird, das ein deutsches bilaterales Abkommen – z.B. das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen vom 17.2.1929 – unbeachtet lässt. Konsequenterweise müsste das Grundbuchamt das ausländische Zeugnis zurückweisen („Annahmeverweigerung“). 92 

B. Das Europäische Nachlasszeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext

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Rücksicht auf die Interessen der potentiellen Verwendungsstaaten). Eine Abwägung wird dem europäischen Entscheidungseinklang den Vorrang einräumen müssen. Der Mangel des fehlenden europäischen Entscheidungseinklangs bedeutet die Verletzung des Anspruchs auf kollisionsrechtliche Kompatibilität des im ausländischen Zeugnis festgehaltenen Sachverhalts, die mit dem der EuErbVO zugrundeliegenden Verweisungsprinzip nicht vereinbar ist. Die eindeutige Entscheidung des Unionsgesetzgebers für das Verweisungsprinzip und gegen das Anerkennungsprinzip lässt es unwahrscheinlich erscheinen, mittels Durchsetzung der kollisionsrechtlichen Perspektive des Ausstellungsstaates gleichwohl eine (faktische) Anerkennung von Rechtslagen zu schaffen.95 Des Weiteren käme es bloß durch die Einführung des Zeugnisses zu einer Quasi-Kollisionsrechtsvereinheitlichung in den nichterbrechtlichen Bereichen, die den Inhalt des Zeugnisses beeinflussen, also vor allem im familienrechtlichen Segment.96 Die so mögliche Annahmeverweigerung durch einen Verwendungsstaat, der eine andere kollisionsrechtliche Beurteilung vornimmt als der Ausstellungsstaat, ist eine Konsequenz, die auf rechtspolitischer Ebene zu lösen ist und nicht zulasten eines Bruchs der EuIPR-Dogmatik, indem gleichsam durch die Hintertür eine Rechtslagenanerkennung unter Ausschaltung des Verweisungsprinzips eingeführt wird. Eine ausnahmslose Durchsetzung des Zeugnisses ungeachtet jedweder kollisionsrechtlicher Einflüsse wäre im internationalen Unionsprivatrecht befremdlich. In Anbetracht des Umstandes schließlich, dass der Verwendungsstaat die Entscheidungsbefugnis über den Umgang mit ausländischen Rechtsinstituten hat und etwaige Konflikte mit der lex rei sitae eigenständig auflöst (vgl. Art.  31 ­EuErbVO), erscheint es zumindest nicht allzu gewagt, dem Verwendungsstaat auch eine kollisionsrechtliche Überprüfungspflicht zuzuweisen, die zeitlich noch vor einer etwaigen Anpassung ausländischer Rechtsinstitute durchzuführen ist. Zu Recht wird daher die Zulässigkeit einer kollisionsrechtlichen Überprüfung und die Maßgeblichkeit der Perspektive des Gerichts befürwortet, das sich konkret mit der Unrichtigkeit des Zeugnisses befasst.97 Das Argument der Schaffung eines Anreizes für forum shopping98 wird hierbei besonders fruchtbar gejurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  31; Schmitz, RNotZ 2017, 269 (287); Konvalin, Das Europäische Nachlasszeugnis ohne europäischen Entscheidungseinklang, S.  64. 96  Vgl. Konvalin, Das Europäische Nachlasszeugnis ohne europäischen Entscheidungseinklang, S.  65. 97  MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  24; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  14; jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  69 EuErbVO Rn.  31; nicht explizit als kollisionsrechtliche Überprüfung bezeichnet, doch eine Bindung der Behörde, der ein Zeugnis vorgelegt wird, das nicht im Entscheidungseinklang steht, verneinend Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  10. 98  MüKoBGB/Dutta, Art.  69 EuErbVO Rn.  24; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz, Art.  69 EuErbVO Rn.  14. 95 

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

macht: Wer die Kollisionsnormen der EuErbVO, etwa wegen des Anknüpfungspunktes des gewöhnlichen Aufenthalts, und das sich aus ihnen ergebene anwendbare Recht als ungünstig betrachtet (z.B. Unwirksamkeit der infrage stehenden Verfügung), wird in dem Mitgliedstaat Klage erheben, in dem die Kollisionsnormen eines Übereinkommens diejenigen der EuErbVO verdrängen99, sofern die internationale Zuständigkeit der Gerichte gegeben ist und ein Vorteil für den Kläger verschafft wird. Dieser Vorteil wird dann darin liegen, dass das aus der Anwendung der staatsvertraglichen Kollisionsnormen resultierende anwendbare Recht beispielsweise dem Kläger eine erbrechtliche Rechtsstellung zuweist, durch die das im Verfahren infrage stehende Rechtsverhältnis zu seinen Gunsten bestätigt oder verneint wird. Dass vorrangige Übereinkommen die Ausstellung des Zeugnisses nicht zu hindern vermögen, wurde bereits festgestellt.100 Die Konsequenz ist, dass auf diese Weise von forum zu forum die Unrichtigkeit des Zeugnisses unterschiedlich beurteilt werden kann.101 Das erzeugt Undurchschaubarkeit und Ungewissheit im Rahmen der internationalen Nachlassabwicklung. Die damit verbundenen Friktionen in der Effektivität des Zeugnisses sind de lege lata hinzunehmen.102 e) Zwischenergebnis Nach alledem ist die Zulässigkeit einer kollisionsrechtlichen Überprüfung des Zeugnisses zu befürworten, auch wenn hierdurch Abstriche in seiner Effektivität gemacht werden müssen. Konkret bedeutet dies beispielsweise, dass im Falle einer abweichenden kollisionsrechtlichen Beurteilung durch den Verwendungsstaat die Vermutungswirkung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO sowie der Gutglaubensschutz nach Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO entfallen103 und zwar nur unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass sich die abweichende Beurteilung im materiellrechtlichen Ergebnis auch durchschlägt. Würden vorrangige staatsvertragliche Kollisionsnormen das gleiche Erbstatut wie die Kollisionsnormen der EuErbVO berufen, entsprechen die im Zeugnis bescheinigten Erbberechtigten der materiellen Rechtslage. Wenn die in Betracht kommenden Sachrechte sogar inhaltlich identisch (z.B. identische Ausgestaltung der gesetzlichen Erbfolge) oder 99  Zu beachten ist Art.  75 Abs.  2 EuErbVO, wonach die EuErbVO Übereinkünfte zwischen Mitgliedstaaten verdrängt, soweit diese Bereiche betreffen, die in der EuErbVO geregelt sind. 100  Siehe oben im 5. Kap., C., II., S.  423 ff. 101  Dutta/Weber/Bauer, Art.  75 EuErbVO Rn.  20. 102  Dutta/Weber/Bauer, Art.  75 EuErbVO Rn.  22. 103  Schmitz, RNotZ 2017, 269 (287); ausdrücklich für die Vermutungswirkung Mankowski, ErbR 2018, 295 (299); a.A. wohl BeckOK-GBO/Wilsch, §  35 Rn.  41, der eine Überprüfung seitens des Grundbuchamts dergestalt, ob der Inhalt des Zeugnisses ein bilaterales Abkommen verletzt, für unzulässig erachtet.

B. Das Europäische Nachlasszeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext

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im konkreten Einzelfall zum gleichen Ergebnis führen, kann die Frage, welches Recht Anwendung findet bzw. welche Kollisionsnorm berufen wird104, dahinstehen, so dass eine Annahmeverweigerung trotz abweichender kollisionsrechtlicher Beurteilung durch den Verwendungsstaat einer Rechtfertigung entbehrt.105 Ein weiterer Fall ist derjenige, dass der ordre public-Vorbehalt nur einen partiellen Inhalt des Zeugnisses betrifft. Die Rechtsstellung der sonstigen, „unversehrten“ Erbberechtigten wird nicht beschnitten und diese können weiterhin das Zeugnis ohne Einschränkung verwenden. Dann hat der Verwendungsstaat trotz unternommener kollisionsrechtlicher Überprüfung die Vermutungswirkung des Zeugnisses zu berücksichtigen. Es sind deshalb nur eine begrenzte Anzahl an Fällen, in denen die Effektivität des Zeugnisses beeinträchtigt wird. Würde man eine kollisionsrechtliche Überprüfung für unzulässig erachten, wäre der Zuwachs der Effektivität des Zeugnisses entsprechend gering. 3. Ergebnis Das Streben nach europäischem Entscheidungseinklang im Hinblick auf das Zeugnis ist stets bedeutungsvoll. Der Gedanke, dass ein Rechtsstreit unabhängig vom Forum gleich entschieden wird, behält weiterhin seinen großen Bedeu104  Nach hiesiger Auffassung müssen sowohl der Ausstellungsstaat als auch der Verwendungsstaat wegen Art.  75 Abs.  1 EuErbVO die etwaigen staatsvertraglichen Kollisionsnormen anwenden, so dass die Frage, welche Kollisionsnorm anzuwenden ist, gerade eindeutig beantwortet wird. Indessen kann das Dahinstehen, welche Kollisionsnorm berufen wird, bei der Ansicht relevant werden, die eine enge Auslegung des räumlichen Anwendungsbereichs der Staatsverträge befürworten und aus diesem Grunde nur für das Nachlassvermögen in den Vertragsstaaten die staatsvertraglichen Kollisionsnormen berufen und es ansonsten bei der Anwendung der Art.  21, 22 EuErbVO für das Nachlassvermögen in den anderen (Mitglied-)Staaten belassen will, vgl. Konvalin, Das Europäische Nachlasszeugnis ohne europäischen Entscheidungseinklang, S.  74. Nach dieser Ansicht hat bei einem türkischen Erblasser und der Anwendung des deutsch-türkischen Konsularvertrags das in Deutschland ausgestellte Zeugnis das türkische Erbstatut auszuweisen. Dieses ist dann maßgeblich für das in Deutschland belegene Nachlassvermögen. Für das Nachlassvermögen in anderen (Mitglied-)Staaten als Deutschland (und Türkei) ist das Erbstatut nach Art.  21, 22 EuErbVO bestimmend. Bei letztem gewöhnlichen Aufenthalt des türkischen Erblassers in Deutschland ist demnach deutsches Erbstatut maßgeblich. Wird das Zeugnis z.B. in Frankreich, das nicht an jenen Konsularvertrag gebunden ist, verwendet, ist das Zeugnis aus Sicht Frankreichs dann kollisionsrechtlich richtig. Wenn indessen die in Betracht kommenden Sachrechte (hier: deutsches und türkisches Recht) identisch ausgestaltet sind oder im konkreten Fall zum gleichen Ergebnis führen, dann kann für das französische Gericht dahinstehen, ob über Art.  75 Abs.  1 EuErbVO eine staatsvertragliche Kollisionsnorm oder die Kollisionsnormen der Art.  21, 22 EuErbVO berufen werden. 105  Vgl. zu diesem Rechtsgedanken Nordmeier, IPRax 2012, 31 (33 f.) und ausführlich mit Beispielen, in denen die anzuwendende Kollisionsnorm dahingestellt werden kann, Hoffmeyer, JZ 1957, 467.

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

tungswert. Denn der europäische Entscheidungseinklang hat nicht nur für das Zeugnis Bedeutung, das schließlich lediglich ein optionales Instrument darstellt. Demzufolge muss es faktisch nicht zwingend zur Manifestation der kollisionsrechtlichen Disharmonien im Zeugnis kommen. Ein Sachverhalt mit grenzüberschreitendem Bezug kann auch im Hinblick auf andere erbrechtliche Fragen (z.B. Erbschaftsklagen) von einer weitgehenden Kollisionsrechtsvereinheitlichung profitieren. Welches Forum entscheidet, wirkt sich dann grundsätzlich nicht auf das sachrechtliche Ergebnis aus. Die kollisionsrechtlichen Disharmonien schlagen auch auf die neben dem Zeugnis verfügbaren nationalen Erbnachweise durch, für die die Kollisionsnormen der EuErbVO und das jeweilige autonome Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten gelten. Der unvollständige europäische Entscheidungseinklang hat indessen keine praktische Relevanz: Die nationalen Erbnachweise können ihre materiellrechtlichen Wirkungen nicht in andere Mitgliedstaaten erstrecken.106 Der Verwendungsstaat berücksichtigt schon deshalb nicht die Vermutungswirkung bezüglich einer im nationalen Erbnachweis bescheinigten Rechtsstellung, so dass es auf eine kollisionsrechtliche Richtigkeit nicht ankommt. Die Annahme der formellen Beweiskraft eines acte de notoriété gemäß Art.  59 Abs.  1 EuErbVO bedeutet lediglich, dass z.B. ein Erbe eine bestimmte Erklärung im Hinblick auf die Erbfolge vor einem Notar abgegeben hat. Das hat nichts mit einer Rechtsstellung zu tun, für die das Kollisionsrecht heranzuziehen wäre. Die Problematik des unvollständigen europäischen Entscheidungseinklangs ist demnach genuin europäischer Natur, die ihren Grund in der unionsweiten Wirkungsentfaltung des Zeugnisses findet. V. Umgang mit dem unvollständigen europäischen Entscheidungseinklang und Perspektiven des europäischen Kollisionsrechts Die kollisionsrechtlichen Disharmonien des Zeugnisses bilden ein nicht unerhebliches Defizit für seine kollisionsrechtliche Beständigkeit im europäischen Rechtsraum. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass tatsächlich eine kollisionsrechtliche Überprüfung durch den Verwendungsstaat erfolgt. Die ideale, aber derzeit und langfristig wohl nicht umzusetzende Lösung wäre es, den europäischen Entscheidungseinklang hinsichtlich des Erbstatuts durch die ausschließliche Maßgeblichkeit der Kollisionsnormen der EuErbVO zu gewährleisten und die angrenzenden Rechtsmaterien ebenfalls kollisionsrechtlich auf europäischer Ebene zu vereinheitlichen.107 Solange dies nicht geschehen ist, bleibt es 106 

Siehe oben im 5. Kap., B., III., S.  408 ff. und 5. Kap., B., IV., S.  412 ff. Zu weiteren singulären Möglichkeiten, die den europäischen Entscheidungseinklang fördern könnten, vgl. ausführlich Konvalin, Das Europäische Nachlasszeugnis ohne europäischen Entscheidungseinklang, S.  74 ff. 107 

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bei der unvollständigen kollisionsrechtlichen Beständigkeit des Zeugnisses. Der Unionsgesetzgeber scheint die bestehenden kollisionsrechtlichen Probleme bewusst in Kauf genommen zu haben, um nicht bereits daran die Einführung des Zeugnisses bzw. die Stabilisierung von dessen Praktikabilität scheitern zu lassen. Im Umkehrschluss mag es daher geboten sein, im Einzelfall den Einfluss der kollisionsrechtlichen Disharmonien restriktiv zu behandeln, indem im Zweifel die Effektivität des Zeugnisses durchgesetzt wird (wie z.B. durch die unselbstständige Anknüpfung von Vorfragen108; die beste und wohl dogmatisch unumstrittene Lösung wäre, wie soeben dargelegt, indessen eine weitgehende Kolli­ sions­rechts­vereinheitlichung in den Rechtsgebieten, die Vorfragen bei der erb­ rechtlichen Beteiligung aufwerfen; dann käme jeder Mitgliedstaat zum gleichen materiellrechtlichen Ergebnis 109).110 Es muss stets vor Augen geführt werden, dass sich die Frage nach der inhaltlichen Richtigkeit des Zeugnisses regelmäßig in einem gerichtlichen Verfahren stellt, in dem es für die Entscheidung in der Hauptsache um jene inhaltliche Richtigkeit geht. Häufig wird Gegenstand des Verfahrens deshalb die Erfüllung der Voraussetzungen der Gutglaubenswirkung nach Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO sein, die bei Bösgläubigkeit des Dritten nicht zum Tragen kommt. Auch wenn sich die Unrichtigkeit des Zeugnisses nur aufgrund des aus Sicht des Forumstaates falsch zugrundeliegenden anwendbaren Rechts wegen vorrangiger Staatsverträge oder einer abweichenden Vorfragenanknüpfung ergibt, kommt es kumulativ für den Ausschluss auf die positive Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Dritten von dieser Unrichtigkeit an. Hier entpuppt sich die Problematik jedenfalls für den privaten Rechtsverkehr weitgehend als praktisch irrelevant, da ein Dritter, der in den meisten Fällen ein juristischer Laie sein wird, schon nicht über sämtliche staatsvertragliche Kolli­ sions­normen oder die angewandte Methode der Vorfragenanknüpfung durch den 108  Für eine unselbstständige Anknüpfung: Dutta/Weber/Fornasier, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  24; MüKoBGB/Dutta, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  9 und Art.  67 EuErbVO Rn.  12; Weber, DNotZ 2016, 424 (436 f.); Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (766); Döbereiner, MittBayNot 2013, 358 (361); wohl auch Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck, Erbrecht, Art.  62 EuErbVO Rn.  5. Für eine selbstständige Anknüpfung: Looschelders, in: FS Coester-Waltjen, 2015, 531 (538 f.); Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, 259 (273 ff.); Schurig, in: FS Spellenberg, 2010, 343 (350 f.); wohl auch Staudinger/Herzog, Einl. zu §§  2353–2370, Rn.  87 und Schmitz, RNotZ 2017, 269 (282). Vgl. ausführlich zur Vorfragenproblematik und deren Lösung vor dem Hintergrund der Effektivität des Zeugnisses Konvalin, Das Europäische Nachlasszeugnis ohne europäischen Entscheidungseinklang, S.  108 ff. 109  Vgl. Buschbaum, GPR 2014, 4 (6). 110  Dass im Übrigen die Argumentation mit der Effektivität des Zeugnisses etwas einseitig und pauschalisierend anklingen mag, würde wohl der Beurteilung durch den EuGH standhalten, da der EuGH in seiner Mahnkopf-Entscheidung vom 1.3.2018 – C 558/16 gleichfalls im Wesentlichen auf Effektivitätsgesichtspunkte abstellt, um seine befürwortete erbrechtliche Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB zu begründen, vgl. näher unten im 6. Kap., C., II., S.  492 ff.

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

Forumstaat Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis haben wird. Andernfalls würde mit der Auferlegung einer Nachforschungspflicht bezüglich der kolli­ sions­recht­lichen Richtigkeit des Zeugnisses die internationale Nachlassabwicklung entgegen der Zielsetzung des Zeugnisses gehemmt. Ein Erwerber, dem z.B. ein Zeugnis, das dem türkischen Erbstatut unterliegt, vorgelegt wird, kann regelmäßig nicht wissen, dass in einem künftigen Verfahren über das abgeschlossene Rechtsgeschäft das sodann zuständige Gericht – das im Übrigen für den Erwerber vollkommen unvorhersehbar ist – das Zeugnis für unrichtig hält. Bei einer juristisch versierten Person könnte dies eher zu erwarten sein.111 Die Behandlung der Vermutungs- und Legitimationswirkung bereitet mehr Schwierigkeiten. Hier sind typischerweise Gerichte und Behörden involviert112, die eine stringente kollisionsrechtliche Überprüfungspflicht haben und nicht sehenden Auges gegen völkerrechtliche Pflichten verstoßen dürfen. Ob z.B. das Grundbuchamt die Umschreibung des Grundbuchs wegen des aus seiner Sicht falschen anwendbaren Rechts verweigern muss, ist heikel.113 Wird eine Annahmeverweigerung bejaht, käme es grundsätzlich zur Unmöglichkeit des Nachweises der Erbenstellung, insbesondere weil auch der Rückgriff auf den mitgliedstaatlichen Erbnachweis nicht weiter hilft – dieser kann wegen der Zuständigkeitskonzentration (zumindest verbindlich durch den EuGH entschieden für das Erbscheinsverfahren) nur in dem Mitgliedstaat beantragt werden, aus dem auch das Zeugnis stammt, und gerade nicht im Mitgliedstaat des Grundbuchamts.114 Das Problem der vorrangigen Staatsverträge stellt sich nämlich in gleicher Weise bei der Verwendung mitgliedstaatlicher Erbnachweise. Ohnehin ist die Verwendung des mitgliedstaatlichen Erbnachweises nutzlos, da die Legitimationswirkung – soweit der Erbnachweis sie überhaupt besitzt – nicht grenzüberschreitend transportiert werden kann.115 Führt das Grundbuchamt die Umschreibung aus, verletzt es völkerrechtliche Pflichten. Solange die berufenen Erbstatute aus Sicht des Ausstellungsstaats und des Verwendungsstaats dieselbe Person als Erben ansehen, sollte das Grundbuchamt die begehrte Umschreibung durchführen. Andernfalls bleibt die 111  Bei Banken, die aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit regelmäßig mit dem Zeugnis umzugehen haben und deshalb mit der Zeit Wissen über die kollisionsrechtlichen Disharmonien und den damit verbundenen fehlenden europäischen Entscheidungseinklang aufbauen können, kann eher eine grob fahrlässige Unkenntnis angenommen werden, in diesem Sinne Konvalin, Das Europäische Nachlasszeugnis ohne europäischen Entscheidungseinklang, S.  67. 112  Vgl. Hilger, BWNotZ 1992, 113 (118). 113  Die Bindung einer Grundbuchsbehörde an den Zeugnisinhalt in Fällen, in denen kein europäischer Entscheidungseinklang gegeben ist, ablehnund und damit eine Annahmeverweigerung bejahend Dutta/Weber/Fornasier, Art.  69 EuErbVO Rn.  10. 114  Vgl. Konvalin, Das Europäische Nachlasszeugnis ohne europäischen Entscheidungseinklang, S.  70 f. 115  Siehe oben im 5. Kap., B., III., S.  408 ff. und 5. Kap., B., IV., S.  412 ff.

B. Das Europäische Nachlasszeugnis im kollisionsrechtlichen Kontext

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Lösung zunächst unklar – hier hat der EuGH das letzte Wort. Die allgemeine Empfehlung an die Mitgliedstaaten zur Aufkündigung oder jedenfalls Neuverhandlung bzw. Reform ihrer Übereinkommen116, um den europäischen Entscheidungseinklang herzustellen, ist sicherlich berechtigt, wird sich aber aufgrund der Tradition der Staatsverträge (die Staatsverträge Deutschlands und Österreichs stammen aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts) auch auf langfristiger Sicht hin vermutlich nicht realisieren lassen können.117 Es ist schwer vorstellbar, dass die Beachtung der völkerrechtlichen Pflichten durch die Einführung eines europäischen Rechtsinstruments zurückgestellt wird. Denn hinter den Staatsverträgen steckt meistens mehr als nur eine Verständigung über das Kollisionsrecht. Die vorgehenden Ausführungen müssen für die inhaltliche Unrichtigkeit des Zeugnisses aufgrund der Anwendung des ordre public ebenso gelten, da auch hier regelmäßig vom fehlenden Kenntnisstand des Dritten auszugehen ist. Je nach befürwortetem Standpunkt bleibt somit die Funktionsfähigkeit des Zeugnisses vom mangelnden vollständigen europäischen Entscheidungseinklang vollständig unberührt oder ist punktuell eingeschränkt, womit man sich de lege lata abfinden muss118. Die Befürchtung, dass der fehlende europäische Entscheidungseinklang die Akzeptanz des Zeugnisses erheblich schmälert119, erscheint zwar nachvollziehbar, sollte allerdings nicht überbewertet werden. Der unionsrechtliche Hintergrund des Zeugnisses bringt schon eine Basis für die Akzeptanz mit sich, die mit zunehmender praktischer Erfahrung im Umgang mit dem Zeugnis in den Mitgliedstaaten steigen wird. Insbesondere die starken Wirkungen nach Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO und ihre uneingeschränkte Erstreckung in alle Mitgliedstaaten, die bei den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen fehlen, werden dem Zeugnis fortwährenden Rückhalt geben und seine Akzeptanz im Rechtsverkehr langfristig stabilisieren und fördern. Werden schließlich de lege ferenda Maßnahmen im Bereich der Harmonisierung des Kollisionsrechts, insbesondere in den einzelnen Ausprägungen des internationalen Familienrechts, umgesetzt, kann ein europäischer Entscheidungseinklang weitgehend hergestellt und damit verbunden eine allgemeine Akzeptanz des Zeugnisses unionsweit weiter verstärkt werden. 116  MüKoBGB/Dutta, Art.  75 EuErbVO Rn.  6; NK-BGB/Magnus, Art.  75 EuErbVO Rn.  13; Dutta/Weber/Bauer, Art.  75 EuErbVO Rn.  22; vgl. auch eingehender Konvalin, Das Europäische Nachlasszeugnis ohne europäischen Entscheidungseinklang, S.  94 f. 117  Zur Möglichkeit der engen Auslegung des räumlichen Anwendungsbereichs der staatsvertraglichen Kollisionsnormen, um den europäischen Entscheidungseinklang zu wahren, vgl. ausführlich Konvalin, Das Europäische Nachlasszeugnis ohne europäischen Entscheidungseinklang, S.  75 ff. 118  So Dutta/Weber/Bauer, Art.  75 EuErbVO Rn.  22; ebenso Dutta, IPRax 2015, 32 (39). 119  So Konvalin, Das Europäische Nachlasszeugnis ohne europäischen Entscheidungseinklang, S.  67 ff.

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

C. Das Europäische Nachlasszeugnis und das europäische und deutsche Güterrecht Dem allgemeinen Trend im EuIPR folgend, das Kollisionsrecht zu harmonisieren, hat der Unionsgesetzgeber als nächsten Schritt nach der EuErbVO mit dem Erlass der EuGüVO und der EuPartVO einheitliche Güterkollisionsrechtsnormen für die Ehe und eingetragene Partnerschaften geschaffen und wie die ­EuErbVO zugleich die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstandes bzw. güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften geregelt. Dass das Erbrecht und das Güterrecht auch im europäischen Kontext eng miteinander verwoben sind, zeigt die wissenschaftliche Auseinandersetzung über die Schnittstellen zwischen ­EuErbVO und EuGüVO sowie EuPartVO vor deren Inkrafttreten am 29.1.2019.120 Ebenso wie das Zeugnis nur ein Teilgeschöpf der EuErbVO darstellt, so ist die Verbindung von Zeugnis und europäischem Güterrecht nur ein Aspekt von vielen an dieser Schnittstelle im europäischen Gefüge des Zeugnisses. I. Verbundzuständigkeit gemäß Art.  4 EuGüVO und Europäisches Nachlasszeugnisverfahren Art.  4 EuGüVO stellt eine Verbundzuständigkeit (oder auch akzessorische Zuständigkeit) speziell beim Tode eines Ehegatten her, wie sie ähnlich z.B. in Art.  3 lit.  c EuUnthVO für das Verbundverfahren von Scheidung und Unterhalt geregelt ist. Danach sind die Gerichte eines Mitgliedstaates auch für Entscheidungen über den ehelichen Güterstand in Verbindung mit dem Nachlass zuständig, die im Zusammenhang mit der Rechtsnachfolge von Todes wegen eines Ehegatten nach der EuErbVO bereits angerufen wurden. Verwiesen wird folglich auf die Zuständigkeitsvorschriften der Art.  4 ff. EuErbVO. Diese Zuständigkeit ist auch gegenüber den allgemeinen Zuständigkeiten nach Art.  6 EuGüVO ausweislich des Wortlauts dieser Vorschrift vorrangig, ist demzufolge ausschließlicher Art.121 Der Zweck dieser Verbundzuständigkeit liegt auf der Hand: Die Gerichte sollen sich untereinander koordinieren; die Zuständigkeit soll sich auf einen Mitgliedstaat konzentrieren, um die Prozessökonomie zu stärken.122

Vgl. etwa Mankowski, ZEV 2016, 479 und Weber, DNotZ 2016, 424. Hausmann, IntEuFamR, B Rn.  62; Lugani/Huynh, in: Leible/Terhechte (Hrsg.), Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht (EnzEuR Bd.  3) §  18 Rn.  24. 122 Ausführlich Mankowski, ZEV 2016, 479 (484); MüKoBGB/Looschelders, Art.  4 EuGüVO, Rn.  1; Lugani/Huynh, in: Leible/Terhechte (Hrsg.), Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht (EnzEuR Bd.  3) §  18 Rn.  24 ff. Die Berücksichtigung der zunehmenden Mobilität 120  121 

C. Das Europäische Nachlasszeugnis und das europäische und deutsche Güterrecht 491

An dieser Stelle ist im Zusammenhang mit dem Zeugnis bedeutsam, ob eine Verbundzuständigkeit auch dann eröffnet ist, wenn das Gericht nur wegen der Ausstellung eines Zeugnisses angerufen wurde. Die praktische Relevanz beschränkt sich freilich in Parallelität zur EuGüVO auf die Beantragung des Zeugnisses durch den überlebenden Ehegatten (für andere Antragsteller wie z.B. andere gesetzliche Erben neben dem überlebenden Ehegatten oder testamentarisch eingesetzte Erben ist Art.  4 EuGüVO tatbestandlich schon nicht erfüllt). Die internationale Zuständigkeit für die Ausstellung des Zeugnisses ergibt sich aus Art.  64 i.V.m. Art.  4, 7, 10 oder 11 EuErbVO. Der fast vollständige Verweis auf die allgemeinen Zuständigkeitsregeln spricht dafür, für die Anwendbarkeit des Art.  4 EuGüVO ein wegen der Ausstellung eines Zeugnisses angerufenes Gericht genügen zu lassen. Die Verbundzuständigkeit ist weit aufzufassen, so dass eine bloße Anrufung des Gerichts nach der EuErbVO, ausreicht, um die Verbundzuständigkeit anzunehmen, selbst wenn das Gericht sich für unzuständig erklären sollte.123 Zu beachten ist, dass eine Verbundzuständigkeit nach dem Telos von Art.  4 EuGüVO (und entgegen dem eindeutigen Wortlaut von Art.  4 EuGüVO, der die Anrufung eines Gerichts eines Mitgliedstaates nach der EuErbVO fordert) auch dann eröffnet ist, wenn nicht ein Gericht, sondern etwa ein Notar Ausstellungsbehörde ist und aus diesem Grund das Zeugnis ausstellt. Konkret bedeutet das, dass die Gerichte in dem Staat der Ausstellungsbehörde für Güterrechtsssachen zuständig sind. Denn der Notar kann selbst nicht über güterrechtliche Fragen entscheiden. Da aber im Falle der Beantragung eines Zeugnisses durch einen überlebenden Ehegatten der andere Ehegatte verstorben ist, passen die übrigen Zuständigkeitsvorschriften der Art.  5 ff. EuGüVO nicht, die das Leben beider Ehegatten erfordern. Aus diesem Blickwinkel sollte es um der Koordinierung zwischen der EuGüVO und der EuErbVO willen nicht zum Nachteil des überlebenden Ehegatten gereichen, dass bestimmte Mitgliedstaaten die Ausstellung des Zeugnisses einem Notar bzw. jedenfalls nicht einem Gericht als Aufgabe übertragen haben. Auch in diesen Mitgliedstaaten würde eine Zuständigkeitskonzentration, auch wenn die Institutionen auseinanderfallen (das Gericht entscheidet über Güterrechtssachen, der Notar stellt das Zeugnis aus), die Prozessökonomie insoweit fördern, als das Gericht und der Notar leichter und zwar innerhalb eines Staates miteinander kommunizieren können. So können Erkenntnisgewinne über die Erbfolge, die sich aus dem Zeugnisverfahren ergeben, dem von Paaren während des Ehelebens und die Erleichterung der geordneten Rechtspflege als Zwecke der Verbundzuständigkeit hervorhebend Hausmann, IntEuFamR, B Rn.  61. 123  Mankowski, ZEV 2016, 479 (484 f.). Ebenso für die Unbeachtlichkeit der Tatsache, auf welche Zuständigkeit der EuErbVO sich das in der Erbsache angerufene Gericht stützt Hausmann, IntEuFamR, B Rn.  65.

492

Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

für Güterrechtssachen zuständigen Gericht in der Regel insbesondere ohne Sprachschwierigkeiten übermittelt werden. II. Güterrechtliche Implikationen im Europäischen Nachlasszeugnis 1. Die Ausweisung von Erbquoten in Erbnachweisen und ihre praktische Bedeutung in der Nachlassabwicklung Das Zeugnis weist Erbquoten aus, um dem Rechtsverkehr die Zuordnung der Berechtigungen am Nachlass des Erblassers sichtbar zu machen. Die Erbquoten ergeben sich aus dem Erbstatut, folglich sind sie ein Abbild der durch Verfügung von Todes wegen bestimmten gewillkürten Erbfolge oder mangels einer solchen der gesetzlichen Erbfolge. Eine verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der Erbquote124 ist daher nicht angezeigt. Ihre inhaltliche Bedeutung ist dem Erbstatut zu entnehmen. Die Erbquoten haben nach deutschem Erbstatut eine doppelte Zweckrichtung. Sie bilden im Innenverhältnis unter mehreren Berechtigten die Maßgabe für die interne Erbauseinandersetzung, insbesondere im Hinblick auf die Zuweisung der Nachlassgegenstände.125 Hat der Erblasser z.B. im Testament Teilungsanordnungen nach §  2048 BGB verfügt, muss der Wert der den einzelnen Miterben zugewiesenen Nachlassgegenstände auf ihre jeweilige Erbquote angerechnet werden. Die Erbquoten bestimmen etwa auch, wie der Herausgabeanspruch des §  2287 Abs.  1 BGB bei mehreren Vertragserben ausgestaltet ist.126 Im Außenverhältnis stecken die Erbquoten den Umfang der Vermutungs- und Gutglaubenswirkung ab.127 Dabei ist nicht zu verkennen, dass in der internationalen Nachlassabwicklung die Abbildung der korrekten Erbquoten für die ordnungsgemäße Durchführung nicht weniger wichtig ist, da z.B. auch für eine ausländische Bank erst anhand der Erbquoten erkennbar wird, nach welcher Maßgabe sie Guthaben des Erblassers an die Erben auszuzahlen hat.128 Soll das Zeugnis als umfassender Erbnachweis für die internationale Nachlassabwicklung gelten, erscheint es als eine Selbstverständlichkeit, die Erbquoten (vollständig) auszuweisen. Die Zusammensetzung der Erbquoten entspringt indes nicht nur erbrechtlichen Regeln, sofern das Erbrecht eines überlebenden Ehegatten in Rede steht. Das Güterrecht wirkt sich im deutschen Recht auf sämtliche Erbquoten aus, wenn ein überlebender Ehegatte vorhanden ist, der mit dem Erblasser im gesetz124 

Der Verordnungstext spricht vom „Erbteil“ (engl.: „share“; frz.: „part revenant“). Vgl. oben im 4. Kap., C., I., 2., S.  396 ff. 126  BGH, Urt. v. 21.6.1989 – IVa ZR 302/87, NJW 1989, 2389 (2391); OLG Hamm, Urt. v. 14.9.2017 – 10 U 1/17, NJW-RR 2018, 454 (457). 127  MüKoBGB/Grziwotz, §  2365 Rn.  10; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, §  2366 Rn.  6. 128  So bereits DNotI-Studie, S.  308. 125 

C. Das Europäische Nachlasszeugnis und das europäische und deutsche Güterrecht 493

lichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebte, und er nicht bereits kraft Erbrechts Alleinerbe ist, weil weder Verwandte erster und zweiter Ordnung noch Großeltern vorhanden sind (§  1931 Abs.  2 BGB).129 Im Erbschein des überlebenden Ehegatten ist die ausgewiesene Ehegattenerbquote Abbild der Zusammensetzung des gesetzlichen Ehegattenerbrechts und des güterrechtlichen130 Viertels nach §  1371 Abs.  1 BGB. Für das Zeugnis ist die Aufnahme eines güterrechtlich modifizierten Erbteils bereits im Ausgangspunkt höchst umstritten. Wenn das Zeugnis als Rechtsinstrument der EuErbVO grundsätzlich nur die Rechtnachfolge von Todes wegen regelt, kann es womöglich nicht zugleich das Viertel nach §  1371 BGB ausweisen, wenn dieses nicht erbrechtlich qualifiziert wird und somit nicht unter den sachlichen Anwendungsbereich der EuErbVO fällt. 2. Die Ausweisung des Viertels gemäß §  1371 Abs.  1 BGB im Europäischen Nachlasszeugnis – die Mahnkopf-Entscheidung des EuGH vom 1.3.2018 – C-558/16 Der BGH hat im Jahre 2015 entschieden, dass §  1371 Abs.  1 BGB rein güterrechtlich zu qualifizieren ist.131 Der EuGH hat diese Qualifikationsfrage aus unionsrechtlicher Sicht zugunsten einer rein erbrechtlichen Qualifikation entschieden, was aus deutscher Sicht überraschen mag, doch gleichwohl aus der Sicht anderer Mitgliedstaaten nicht, da etwa Frankreich seither §  1371 Abs.  1 BGB erbrechtlich qualifiziert hat132.133 Obwohl dem EuGH in Anbetracht der Funktionalität des Zeugnisses im Ergebnis zuzustimmen ist, bleiben noch einige Unklarheiten offen, die vor allem auf der doch unzureichenden Begründung des EuGH zurückzuführen sind. Um seine Entscheidung einordnen zu können, hilft es, die von ihm hervorgebrachten Argumente in die Auslegungsmethoden einzubetten. Dabei soll der Übersichtlichkeit halber sowohl die Frage, ob §  1371 Abs.  1 BGB in den Anwendungsbereich der EuErbVO fällt (die Frage nach ihrer Qualifikation), als auch die Frage nach der Ausweisung des Viertels im Zeugnis in der 129 

Jauernig/Budzikiewicz, §  1371 Rn.  5 ff.; lebten die Ehegatten im Güterstand der Gütergemeinschaft oder Gütertrennung, richtet sich der Erbteil des überlebenden Ehegatten ausschließlich nach §  1931 BGB. Die vorliegende Frage stellt sich dann nicht, weil der Erbteil des überlebenden Ehegatten auf der Rechtsnachfolge von Todes wegen beruht und somit rein erbrechtlich zu qualifizieren ist. 130  Nach der nachfolgend zu besprechenden Mahnkopf-Entscheidung des EuGH vom 1.3.2018 – C-558/16 kann man wohl nicht mehr vom „güterrechtlichen Viertel“ nach §  1371 Abs.  1 BGB sprechen. 131  BGH, Beschl. v. 13.5.2015 – IV ZB 30/14, BGHZ 205, 289 = NJW 2015, 2185. 132  Mankowski, ZEV 2014, 121 (127); Derstadt, IPRax 2001, 84 (89 f.) m.w.N. 133  Vgl. EuGH, Urt. v. 1.3.2018 – C-558/16, FamRZ 2018, 632.

494

Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

Auslegung gemeinsam erörtert werden, auch wenn die Frage nach der (informatorischen) Aufnahme des Viertels gemäß §  1371 Abs.  1 BGB nicht vom EuGH beantwortet werden musste. Die Erörterung der alternativen Lösungsmöglichkeit eröffnet nämlich Argumentationsstrukturen, die die Befürwortung einer bestimmten Auslegung unterstützen sowie eine vollständige dogmatische Erfassung der Problematik zulassen. a) Grammatikalische Auslegung Die grammatikalische Auslegung trägt im Grundsatz nicht viel zur Qualifikationsfrage bei, da der auszulegende Wortlaut in einer Norm steckt, die sich nicht in der EuErbVO (und auch nicht in der EuGüVO) findet. Art.  1 Abs.  1 EuErbVO, der den sachlichen Anwendungsbereich der EuErbVO festlegt, spricht von der Rechtsnachfolge von Todes wegen. Für die Anwendung von §  1371 Abs.  1 BGB ist das Bestehen einer Zugewinngemeinschaft erforderlich, die dem ehelichen Güterstand zugeordnet wird. Für Fragen zum ehelichen Güterstand steht künftig die EuGüVO bereit (Art.  1 Abs.  1 EuGüVO). Zwar entsteht das güterrechtliche Viertel nach §  1371 Abs.  1 BGB stets im Zusammenhang mit der Auflösung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten, doch kann zugleich die Funktion dieser Erhöhung im Güterrecht lokalisiert werden, namentlich im Hinblick auf die angemessene Verteilung des gemeinsam erwirtschafteten Vermögens während der Ehe. Da sich sowohl die EuErbVO als auch die EuGüVO naturgemäß nicht zur Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB äußern (die Verordnungen können nicht jedwedes nationale Institut berücksichtigen) bzw. überhaupt einen Hinweis auf ihre Behandlung enthalten und eine Abstimmung zwischen den Instrumenten aufgrund mangelnder Weitsicht über den eigenen Anwendungsbereich hinaus nicht erfolgt ist134, scheitert bereits eine Wortlautauslegung anhand einer synoptischen Betrachtung der Instrumente. Während der Ausnahmebereich des Art.  1 Abs.  2 lit.  d EuErbVO scheinbar eindeutig ist und güterrechtliche Fragen aus dem Anwendungsbereich der ­EuErbVO nimmt, hält die EuErbVO dies an anderer Stelle nicht konsequent durch. Vielmehr bestehen einige textliche Anhaltspunkte, die im Hinblick auf das Zeugnis auf den ersten Blick etwas widersprüchlich erscheinen. So bekräftigen zwar ErwG 11 i.V.m. ErwG 12 S.  1 einmal mehr, dass aus Gründen der Klarheit Fragen des ehelichen Güterrechts nicht von der EuErbVO geregelt werden sollten. Im gleichen Atemzug weist jedoch ErwG 12 S.  2 darauf hin, dass die Behörden, die mit einer bestimmten Erbsache nach der EuErbVO befasst sind, je nach den Umständen des Einzelfalls die Beendigung des ehelichen oder sonstigen Güterstands des Erblassers bei der Bestimmung des Nachlasses und der jeweili134 

Mankowski, ZEV 2014, 121 (126); vgl. auch Mankowski, ErbR 2018, 295 (296 f.).

C. Das Europäische Nachlasszeugnis und das europäische und deutsche Güterrecht 495

gen Anteile der Berechtigten berücksichtigen sollten. Wie diese Einschränkung insbesondere praktisch zu interpretieren ist, bleibt offen. Sowohl eine vollständige Berücksichtigung des güterrechtlichen Viertels im Zeugnis mit Wirkungszuweisung als auch eine informatorische Aufnahme erscheinen denkbar. Auch wenn lediglich Erwägungsgründe hier in Rede stehen, bleibt der Verordnungstext ebenso wenig hinter diesen zurück. Für den Antrag auf Ausstellung des Zeugnisses sollen gemäß Art.  65 Abs.  3 lit.  j EuErbVO Angaben zu Eheverträgen und ähnlichen (güterrechtlichen) Verträgen angeführt werden; der Inhalt des Zeugnisses umfasst gemäß Art.  68 lit.  h EuErbVO eben jene Angaben. b) Historische und genetische Auslegung Für eine besonders enge Auslegung und somit für die Bejahung einer güterrechtlichen Qualifikation spricht die Gesetzgebungsgeschichte zur Einführung des Zeugnisses. Das Zeugnis war bei der Schaffung der EuErbVO das umstrittenste Projekt.135 Gerade deshalb sollten die Vorschriften zum Zeugnis besonders eng ausgelegt werden – jegliche Aspekte, die nichts mit der Rechtsnachfolge von Todes wegen zu tun haben, fallen daher nicht in den Anwendungsbereich der EuErbVO und können entsprechend nicht im Zeugnis berücksichtigt werden; dies drücken die ErwG 11 und 12 der EuErbVO unmissverständlich aus.136 Da der sachliche Anwendungsbereich eindeutig güterrechtliche Fragen ausklammert, könnte darin ein nachdrücklicher Wille des Unionsgesetzgebers gesehen werden, eine scharfe Trennung zu schaffen. Leider mangelt es jedoch bei dieser Auslegungsmethode bereits an der präzisen Herangehensweise an die eigentliche Problematik: Wenn es darum geht, ob §  1371 Abs.  1 BGB güterrechtlich oder erbrechtlich zu qualifizieren ist, hilft der Hinweis auf eine besonders enge Auslegung der Vorschriften nicht weiter. Trotz enger Auslegung kann die Rechtsnachfolge von Todes wegen auch solche Normen erfassen, die (auch) einen güterrechtlichen Einschlag haben. Gleiches lässt sich nämlich auf die Auslegung der EuGüVO, die in Art.  1 Abs.  2 lit.  d EuGüVO die Rechtsnachfolge nach dem Tod eines Ehegatten von ihrem sachlichen Anwendungsbereich ausschließt, übertragen. Eine besonders restriktive (oder extensive) Auslegung der ehelichen Güterstande i.S.d. Art.  1 Abs.  1 EuGüVO, die im Gesetzgebungsprozess befürwortet wurde, kann ein Qualifikationsproblem, das gerade an den Inhalt der Begriffe 135 

So die Argumentation der Vertreterin der spanischen Regierung in der mündlichen Verhandlung am 4.10.2017, an der der Verfasser dieser Arbeit als Zuschauer teilnahm. 136  So die Argumentation der Vertreterin der spanischen Regierung in der mündlichen Verhandlung am 4.10.2017, an der der Verfasser dieser Arbeit als Zuschauer teilnahm. Vgl. auch Schlussanträge von Generalanwalt Szpunar v. 13.12.2017 zur Rechtssache C-558/16 (Mahnkopf), Rn.  39.

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

„Rechtsnachfolge von Todes wegen“ und „eheliche Güterstände“ bzw. ihrer präzisen Differenzierung untereinander anknüpft, nicht lösen. c) Systematische Auslegung Eine systematische Auslegung wurde vom EuGH nicht unternommen. Gewiss war für seine Argumentation zur erbrechtlichen Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB eine systematische Betrachtung nicht erforderlich gewesen, da der EuGH bereits anhand der Hervorhebung des Telos des Zeugnisses eine eindeutige Entscheidung zugunsten der erbrechtlichen Qualifikation getroffen hat. Daher hat sich der Generalanwalt, der ebenfalls die erbrechtliche Qualifikation befürwortet hat, in seinen Schlussanträgen nur hypothetisch mit der zweiten und dritten Vorlagefrage des KG Berlin befasst und im Zuge dessen unter systematischen Gesichtspunkten die Bedeutung von Art.  68 lit.  h EuErbVO und Art.  68 lit.  l EuErbVO beleuchtet, um eine etwaige informatorische Aufnahme des Viertels zu begründen.137 Art.  68 lit.  l EuErbVO regelt die Ausweisung der Erbteile der Erben im Zeugnis. Wird der Begriff des Erbteils extensiv ausgelegt, lässt sich darunter durchaus auch ein Erbteil verstehen, der nicht nur auf Normen der Rechtsnachfolge von Todes wegen beruhen, sondern auch auf dem Einfluss einer Norm, die Berührungspunkte mit dem ehelichen Güterrecht besitzt. Denn letztendlich hat der überlebende Ehegatte einen (erhöhten) Erbteil. In der Lesart des EuGH umfasst der Begriff des Erbteils unproblematisch auch die Erhöhung gemäß §  1371 Abs.  1 BGB, da die Norm erbrechtlich zu qualifizieren ist. Die extensive Auslegung unterstützt also die Ansicht des EuGH. Dass schließlich das Zeugnis gemäß Art.  68 lit.  h EuErbVO Angaben zu einem etwaigen Ehevertrag des Erblassers und zum ehelichen Güterstand ausweisen kann, hilft zwar bei der Beantwortung der Qualifikationsfrage nicht weiter, doch spiegelt dies den Willen des Unionsgesetzgebers wider, dass genuin güterrechtliche Fragen zwar im Zeugnis dokumentiert werden können, jedoch keinesfalls von den Wirkungen des Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO erfasst werden. Die Brisanz offenbart sich folglich in der Schnittstelle von Güterrecht und Erbrecht, wobei im Falle des §  1371 Abs.  1 BGB eine erb­ rechtliche Qualifikation vom EuGH bejaht wurde und deshalb die für güterrechtliche Fragen geltende Sperrwirkung für die Wirkungen des Zeugnisses nicht eintritt.

137  Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Szpunar v. 13.12.2017 zur Rechtssache C-558/16 (Mahnkopf), Rn.  122 ff.

C. Das Europäische Nachlasszeugnis und das europäische und deutsche Güterrecht 497

d) Teleologische Auslegung Im Hinblick auf das Telos steht im Mittelpunkt nur die Frage, inwieweit das Zeugnis und seine Funktionen die Ausweisung des Viertels nach §  1371 Abs.  1 BGB mit Wirkungszuweisung nach Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO erfordern. Auch der EuGH konzentriert sich in seiner doch enttäuschend kurzen Begründung im Wesentlichen auf teleologische Aspekte. Im Ausgangspunkt dient das Zeugnis dazu, das Erbrecht und die damit einhergehenden Berechtigungen am Nachlass in anderen Mitgliedstaaten nachzuweisen. Dazu ist es notwendig, die nach dem Erbstatut bestehende materielle Rechtslage korrekt und vollständig wiederzugeben. Ausgehend von diesem Standpunkt erscheint bei Maßgeblichkeit deutschen Erb- und Güterrechtsstatuts die Aufnahme des erhöhten Erbteils eines überlebenden Ehegatten obligatorisch. Ansonsten wären die Rechte des Ehegatten unweigerlich verkürzt.138 Auch für den Rechtsverkehr bedeutet eine erbrechtliche Qualifikation eine erhebliche Erleichterung: Er kann sich darüber gewiss sein, dass die Wirkungen des Zeugnisses sich auf die vollständige Erbquote des überlebenden Ehegatten erstrecken. Unerheblich ist dann zudem, dass der (ausländische) Rechtsverkehr das Institut des §  1371 Abs.  1 BGB möglicherweise nicht kennt. Dem Rechtsverkehr kann es praktisch gleichgültig sein, wie die Erbquote des überlebenden Ehegatten rechtstechnisch zustande gekommen ist. Da die Vermutungs-, Legitimations- und insbesondere Gutglaubenswirkung des Zeugnisses in Höhe des erhöhten Erbteils eingreifen, ist den Interessen des Rechtsverkehrs mit der Aufnahme des Viertels Genüge getan. Die teleologische Betrachtung sollte auch unter Berücksichtigung der Überlegung vorgenommen werden, wie eine güterrechtliche Qualifikation die Effektivität des Zeugnisses beeinflussen würde, um so die Unterschiede zur erbrechtlichen Qualifikation hervorzuheben. Soweit hiernach das Viertel nicht in das Zeugnis aufgenommen werden würde, entspricht der Inhalt des Zeugnisses nicht der materiellen Rechtslage. Selbst eine informatorische Aufnahme des Viertels, wie es in der Literatur im Falle einer güterrechtlichen Qualifikation gefordert wird, würde nicht die Teilhabe des Viertels an den Wirkungen des Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO bewirken. Ein zum selben Erbfall erteilter Erbschein würde das güterrechtliche Viertel ausweisen. Die Konsequenz wäre das Bestehen einer internen und echten Divergenz. Die Rechtsfolgen sind für den Rechtsanwender nicht unerheblich: Zwar bleibt die Gutglaubenswirkung des Zeugnisses aufrechterhalten, doch verliert das Zeugnis im Umfang des Widerspruchs seine Vermutungs- und Legitimationswirkung.139 138  139 

Vgl. EuGH, Urt. v. 1.3.2018 – C-558/16, FamRZ 2018, 632 (634). Siehe hierzu oben im 3. Kap., C., II., 1., S.  243 ff.

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

Unter Effektivitätsgesichtspunkten muss danach gefragt werden, welche Alternativen dem überlebenden Ehegatten in der Nachlassabwicklung zur Verfügung stehen, wenn eine güterrechtliche Qualifikation angenommen und der Erbteil des überlebenden Ehegatten verkürzt oder jedenfalls nicht mit der vollständigen Teilhabe an den Wirkungen nach Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO ausgewiesen werden würde. Im konkreten Sachverhalt der Mahnkopf-Entscheidung hätte die Witwe nach hiesiger Auffassung aufgrund der Zuständigkeitskonzentration am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers noch einen Erbschein als alternativen Erbnachweis beantragen können. Zwar gibt dieser Erbschein die vollständige Erbquote wieder, doch muss er nicht zwingend von den schwedischen Behörden anerkannt werden. Eine Wirkungserstreckung, wie sie Art.  69 Abs.  1 EuErbVO für das Zeugnis anordnet, erfolgt beim Erbschein gerade nicht. Ein schwedischer Erbnachweis könnte u.U. auch noch erlangt werden, da in Schweden keine Gerichte i.S.d. Art.  4 EuErbVO das Nachlassverzeichnis erteilen140 (wobei äußerst fraglich ist, wie die Beteiligten vorzugehen haben; müssen sie vor Ort in Schweden sich über die Nachlassverteilung einigen und Vertrauenspersonen – aus Deutschland? – hinzuziehen?), allerdings müsste man den Fall nur in der Weise modifizieren, dass das Nachlassgrundstück in einem Mitgliedstaat belegen ist, dessen Ausstellung des nationalen Erbnachweises sich nach Art.  4 EuErbVO richtet, um die fehlenden bzw. unzureichenden Handlungsoptionen des überlebenden Ehegatten zu verdeutlichen. Was der Begründung des EuGH fehlt, ist eine präzise dogmatische Auseinandersetzung mit der Funktion des §  1371 Abs.  1 BGB.141 Wenngleich §  1371 Abs.  1 BGB aus der europäischen internationalprivatrechtlichen Perspektive zu untersuchen ist, müsse bei der Auslegung die deutsche Rechtsordnung, aus der die Norm entstammt, mit ihren Implikationen Berücksichtigung finden und ein faktischer Vorrang gewährleistet werden.142 Die Argumentation des BGH kann zwar nicht ohne weiteres auf den europäischen Kontext übertragen werden, doch sind seine Ausführungen zur güterrechtlichen Funktion des §  1371 Abs.  1 BGB nicht von unerheblichem Gewicht. Vertreten wird vielmehr, dass mit dem Inkrafttreten der EuErbVO der güterrechtliche Kern des §  1371 Abs.  1 BGB unberührt bleibt, da die Norm größere Prägekraft entfaltet als die EuErbVO.143 Insbesondere argumentierte der BGH genau diametral zum EuGH: Der Zweck des 140 

Vgl. oben im 2. Kap., A., II., 3., a), S.  23. Freilich ist es nicht die Aufgabe des EuGH, nationale Sachnormen auszulegen. In der Mahnkopf-Entscheidung ging es um die Auslegung von Art.  1 Abs.  1, 67 Abs.  1, 68 Abs.  1 lit.  l EuErbVO. Die Auseinandersetzung mit §  1371 Abs.  1 BGB war indessen unumgänglich, um die Vorlagefragen beantworten zu können. 142  Dörner, IPRax 2017, 81 (84). 143  Mankowski, ZEV 2014, 121 (127). 141 

C. Das Europäische Nachlasszeugnis und das europäische und deutsche Güterrecht 499

§  1371 Abs.  1 BGB liege darin, „den Güterstand als Sonderordnung des Vermögens der Eheleute während und auf Grund ihrer Ehe abzuwickeln, nicht aber den Längstlebenden kraft seiner nahen Verbundenheit mit dem Verstorbenen an dessen Vermögen zu beteiligen.“144 Ferner komme die güterrechtliche Funktion des §  1371 Abs.  1 EuErbVO schon darin zum Ausdruck, dass die Erbteilserhöhung nur durchgeführt wird, wenn die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben.145 Wo letztlich der Schwerpunkt der Funktion des §  1371 Abs.  1 BGB zu verorten ist, hängt von der eigenen Argumentationslinie ab. Dass der EuGH den Schwerpunkt in der Rechtsnachfolge von Todes wegen sieht, ist ihm daher nicht vorzuwerfen. Wünschenswert wäre allerdings eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Funktion des §  1371 Abs.  1 BGB vor allem im Kontext der BGH-Entscheidung gewesen. Die Übergehung dieser Entscheidung, die einen jahrzehntelangen Streit um die Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB scheinbar endgültig geklärt hatte, erscheint doch bemerkenswert146 und befremdlich. e) Ergebnis Die vom EuGH befürwortete erbrechtliche Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB ist in der Gesamtschau der Auslegungsmethoden gut vertretbar. Obgleich die Argumentation einige Schwächen und Pauschalitäten aufweist, ist doch um der Stabilität und Effektivität des Zeugnisses willen gerade für den überlebenden Ehegatten als Adressaten, der im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebte, eine erbrechtliche Qualifikation im Ergebnis zwingend erforderlich.147 Wenn man abschließend bedenkt, wie einseitig der EuGH seine Entscheidung begründet hat, ist es erstaunlich, wie die Einführung eines europäischen Rechtsinstruments überragenden Einfluss auf die Lösung qualifikationsrechtlicher Probleme haben kann, mithin eine Umqualifikation aus deutscher Sicht verursacht hat.148 Dem EuGH, so scheint es, war die Erleichterung der praktischen Handhabung des Zeugnisses in den Mitgliedstaaten wichtiger als dogmatisch den funktionellen Zweck des §  1371 Abs.  1 BGB auszuleuchten.149 Sicherlich ist dies ein gangbarer Weg, um vor allem die Lasten nationaler Besonderheiten nicht in sämtliche Mitgliedstaaten zu transferieren.

144 

BGH, Beschl. v. 13.5.2015 – IV ZB 30/14, NJW 2015, 2185 (2186). Weber, NJW 2018, 1356 (1357). 146  So Lamberz, Rpfleger 2018, 330 (332). 147  Vgl. Bandel, ZEV 2018, 205 (208), der auch auf den statistisch häufigen Fall der Geltung des gesetzlichen Ehegattenerbrechts hinweist. 148  Kritisch Weber, NJW 2018, 1356 (1357). 149  Dörner, ZEV 2018, 305 (306). 145 

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

3. Der Einfluss der erbrechtlichen Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB auf die Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses Die erbrechtliche Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB hat weitreichende Konsequenzen für die Wirkungen des Zeugnisses. Dies wird anhand des Sachverhalts in der Mahnkopf-Entscheidung des EuGH erkennbar. Die überlebende Ehegattin kann erfolgreich ein Zeugnis beantragen, das sie als Miterbin zur Hälfte ausweist und mit dem sie die Umschreibung des Nachlassgrundstücks in Schweden durchführen kann. Die erbrechtliche Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB führt folglich dazu, dass der sachliche Anwendungsbereich der EuErbVO für die Anwendung dieser deutschen Sachnorm eröffnet ist und sich mithin die Wirkungen des Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO auf die vollständige Erbquote erstrecken können. Auf diese Weise wird die Effektivität des Zeugnisses maximal gefördert. Zugleich bedeutet die uneingeschränkte Aufnahme der vollständigen Erbquote, dass andere Antragsteller, z.B. erbberechtigte gemeinsame Kinder der Ehegatten, ohne weiteres ein Zeugnis auf der Grundlage beantragen können, dass für die Ermittlung ihrer Erbquoten die güterrechtliche Erhöhung vollständig berücksichtigt wird.150 4. Die Ausweisung des Viertels gemäß §  1371 Abs.  1 BGB im Erbschein Das Prinzip der Koexistenz eröffnet für die Erben unter der Voraussetzung, dass der Erblasser in Deutschland seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, die Möglichkeit, neben dem Zeugnis einen Erbschein zu beantragen. Für den Erbschein hat die erbrechtliche Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB gleichermaßen Relevanz, als er das erhöhte Viertel gemäß §  1371 Abs.  1 BGB nur ausweisen kann, wenn deutsches Erbstatut anwendbar ist. Die erbrechtliche Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB und damit die Aufnahme der vollständigen Erbquote des überlebenden Ehegatten in das Zeugnis führen zum inhaltlichen Gleichlauf zwischen Zeugnis und Erbschein. Das betrifft insbesondere die Wirkungen des Zeugnisses und des Erbscheins, für die eine identische Grundlage besteht. Da beide Erbnachweise inhaltlich konvergieren, stehen dem überlebenden Ehegatten die kumulativen Verwendungsmöglichkeiten offen.151 In aller Regel sollte die parallele Beantragung eines Erbscheins aber obsolet sein. In diesem Zusammenhang wird zutreffend eingewendet, dass – selbst bei einer güterrechtlichen Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB – die Ausweisung der unvollständigen Erbquote (unbeschadet einer etwaigen Anpassung) in der Praxis kaum Komplikationen auszulösen mag, da die Miterben auch 150  151 

Vgl. Weber, DNotZ 2016, 424 (440). Vgl. ausführlich oben im 3. Kap., C., V., 1., S.  262 ff.

C. Das Europäische Nachlasszeugnis und das europäische und deutsche Güterrecht 501

auf die Ausweisung der Erbteile im Erbschein gemäß §  352a Abs.  2 FamFG vollständig verzichten können.152 Ein Verzicht auf die Erbquoten ist beim Zeugnis indessen nicht möglich, so dass die korrekte Wiedergabe der Erbquoten durchaus einen eigenständigen Wert insbesondere für die interne Auseinandersetzung zwischen Miterben hat. Tatsächlich haben die ausgewiesenen Erbquoten für den Rechtsverkehr kaum eine Bedeutung. Banken zahlen grundsätzlich nur Guthaben aus, wenn die Auszahlung von allen Miterben ungeachtet ihrer Erbquoten veranlasst wird.153 Ist eine Mehrheit von Miterben (u.a. der überlebende Ehegatte) als verfügungslegitimiert im Zeugnis ausgewiesen, kann von dieser ungeachtet der konkreten Verteilung der Erbquoten gutgläubig erworben werden.154 5. Folgeprobleme Die Mahnkopf-Entscheidung des EuGH wirft abseits ihrer aus deutscher Sicht erbrechtlichen Umqualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB Folgeprobleme auf, die die inhaltliche Ausgestaltung des Zeugnisses betreffen. a) Die potentielle Ausstrahlungswirkung der Mahnkopf-Entscheidung des EuGH vom 1.3.2018 – C-558/16 auf die güterrechtlichen Systeme anderer Mitgliedstaaten Die Mahnkopf-Entscheidung legt zwar unmittelbar nur die Qualifikation der deutschen Sachnorm des §  1371 Abs.  1 BGB fest, könnte jedoch eine Ausstrahlungswirkung auf die güterrechtlichen Systeme anderer Mitgliedstaaten haben, die eine güterrechtliche Beteiligung des überlebenden Ehegatten am Nachlass des verstorbenen Ehegatten vorsehen. Es ist z.B. vollkommen offen, ob das katalonische Witwenviertel oder der französische güterrechtliche Ausgleich im Zeugnis ausgewiesen werden können.155 Für den EuGH war es wichtig, besonders hervorzuheben, dass §  1371 Abs.  1 BGB „nicht die Aufteilung der Vermögenswerte zwischen den Ehegatten betrifft, sondern die Rechte des überlebenden Ehegatten an den Gegenständen, die schon zum Nachlassvermögen gezählt wurden.“156 Weiterhin führt der EuGH aus, dass der Hauptzweck des §  1371 Abs.  1 BGB wohl „nicht in der Aufteilung des Vermögens oder in der Beendigung des ehelichen Güterstands, sondern vielmehr in der Bestimmung des dem überlebenden Ehegatten im Verhältnis zu den übrigen Erben zufallenden Erbteils [liegt].“157 Vgl. Dörner, IPRax 2017, 81 (86). Dörner, IPRax 2017, 81 (86); Zimmermann, ZEV 2015, 520 (522). 154  Vgl. Dörner, IPRax 2017, 81 (86). 155  Sakka, MittBayNot 2018, 4. 156  EuGH, Urt. v. 1.3.2018 – C-558/16, FamRZ 2018, 632 (633). 157  EuGH, Urt. v. 1.3.2018 – C-558/16, FamRZ 2018, 632 (633). 152  153 

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

Die Schlussfolgerung sei demnach eine eindeutige Zuordnung zur Rechtsnachfolge von Todes wegen und nicht zum ehelichen Güterrecht.158 Belgien, Finnland und Luxemburg kennen ebenfalls eine güterrechtliche Beteiligung des überlebenden Ehegatten am Nachlass des verstorbenen Ehegatten.159 In Belgien wird jedoch nicht pauschal die gesetzliche Erbquote des überlebenden Ehegatten erhöht, sondern diesem wird ein Nießbrauchrecht am Nachlass des verstorbenen Ehegatten eingeräumt.160 Weiterhin sieht das finnische Recht lediglich eine güterrechtliche Teilhabe des überlebenden Ehegatten am Nachlass, wenn Abkömmlinge vorhanden sind.161 Das luxemburgische Güterrecht entscheidet schließlich darüber, was in die Nachlassmasse fällt. Im gesetzlichen Güterstand der Gütergemeinschaft fällt nur der Gesamtgutsanteil des verstorbenen Ehegatten in den Nachlass.162 All diese güterrechtlichen Implikationen haben Einfluss auf den Umfang des Erbrechts des überlebenden Ehegatten, da sie den faktischen Anteil des Ehegatten am Nachlass und damit mittelbar den Erbteil – im Verhältnis zu den übrigen Erben – beeinflussen. Übertragen auf die Argumentationsstruktur des EuGH ist stark zu vermuten, dass auch die vorgenannten güterrechtlichen Regelungen aus europäischer internationalprivatrechtlicher Sicht erbrechtlich zu qualifizieren sind. Denn sie verstehen sich noch stärker als zusätzliche Einräumung von nachlassbezogenen Rechten des überlebenden Ehegatten an den Nachlass des verstorbenen Ehegatten. Die Aufteilung des Vermögens oder die Beendigung des Güterstands stehen nicht im Vordergrund. Auf diese Weise bildet das Zeugnis die materielle Rechtslage korrekt ab, was aus Effektivitätsgesichtspunkten zu begrüßen ist. Diese Fragen haben sich die zuständigen Behörden bei der Ausstellung des Zeugnisses über kurz oder lang zu stellen. Die Mahnkopf-Entscheidung wird langfristig das Problembewusstsein der Ausstellungsbehörden hinsichtlich der Interdependenzen zwischen Erbrecht und Güterrecht fördern. Jedenfalls ist zu erwarten, dass der EuGH seine einmal eingeschlagene Linie in der Mahnkopf-Entscheidung bei der Auseinandersetzung mit anderen funktional ähnlichen nationalen Normen weiterverfolgt. Die nahezu schon unumstößliche Prämisse, die Effektivität des Zeugnisses maximal zu fördern, wird vermutlich künftig zu einer Ausweitung erbrechtlicher Qualifikationen führen. 158 

EuGH, Urt. v. 1.3.2018 – C-558/16, FamRZ 2018, 632 (633). Gegenbeispiel sei Österreich zu nennen, das keine güterrechtliche Beteiligung des überlebenden Ehegatten am Nachlass des verstorbenen Ehegatten kennt, sondern den überlebenden Ehegatten nur mit einer Erbquote, die dem Erbrecht entspringt (vgl. §§  727, 744 ABGB), beteiligt. 160  Süß/Weling, Erbrecht in Belgien, Rn.  40 ff. 161  Süß/von Knorre, Erbrecht in Finnland, Rn.  39. 162  Süß/Frank, Erbrecht in Luxemburg, Rn.  57. 159  Als

C. Das Europäische Nachlasszeugnis und das europäische und deutsche Güterrecht 503

b) Der Wandel der Anpassungsprobleme nach der Mahnkopf-Entscheidung des EuGH vom 1.3.2018 – C-558/16 Mit der erbrechtlichen Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB entfallen nicht die bisherigen Anpassungsprobleme.163 Vielmehr verschieben sich die möglichen Konstellationen, in denen eine Anpassung wegen übermäßiger oder unzureichender Berücksichtigung des überlebenden Ehegatten erforderlich ist. Denkbar ist etwa, dass neben deutschem Erbstatut ein ausländisches Güterstatut zur Anwendung berufen ist, das nur eine güterrechtliche Teilhabe des überlebenden Ehegatten am Nachlass vorsieht.164 Die Folge ist eine Überbevorteilung des Ehegatten: Dieser wird dreimal – erbrechtliche Beteiligung aus §  1931 Abs.  1 BGB und §  1371 Abs.  1 BGB und güterrechtliche Beteiligung nach ausländischem Güterstatut – berücksichtigt (Normenhäufung). Das Gegenteil ist der Fall, wenn ein ausländisches Erbstatut, das den überlebenden Ehegatten überwiegend nach güterrechtlichen Regeln abfindet und nur eine geringe erbrechtliche Beteiligung am Nachlass des verstorbenen Ehegatten vorsieht, und deutsches Güterstatut zusammentreffen (Normenmangel).165 Dies kann für den überlebenden Ehegatten äußerst misslich sein, da im Todesfall des anderen Ehegatten die anfängliche Aussicht auf einen güterrechtlichen Zugewinnausgleichsanspruch in Form der 163  So auch der Generalanwalt Szpunar in seinen Schlussanträgen v. 13.12.2017 zur Rechtssache C-558/16 (Mahnkopf), Rn.  66. Überhaupt löst jede Auffassung zur Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB Anpassungsbedarf aus, vgl. Mankowski, ZEV 2014, 121 (122). Vgl. zu den bisherigen Anpassungsproblemen Kropholler, Internationales Privatrecht, S.  236 ff.; OLG Schleswig, Beschl. v. 19.8.2013 – 3 Wx 60/13, NJW 2014, 88 (Kürzung des Erbteils auf die Erbquote, die der überlebende Ehegatte nach den beteiligten Rechtsordnungen höchstens erhalten kann); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.9.2009 – I-3 Wx 8/09, FamRZ 2010, 72 (Verweis auf den schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch für die Mitarbeit während der Ehe bei einer Errungenschaftsgemeinschaft). 164  Bei ausländischem Güterstatut stellt sich zudem die wichtige (Vor-)Frage, ob der ausländische Güterstand das Tatbestandsmerkmal der Zugewinngemeinschaft in §  1371 Abs.  1 BGB substituieren kann. Denn §  1371 Abs.  1 BGB gelangt nur zur Anwendung, wenn zwischen den Ehegatten eine Zugewinngemeinschaft bestand, also wenn insbesondere deutsches Güterstatut maßgeblich ist. Ob ein ausländischer Güterstand mit der Zugewinngemeinschaft eine funktionelle Äquivalenz teilt, hängt freilich von der Ausgestaltung des konkreten Güterstandes ab. Sicher wird man verlangen müssen, dass die Hauptmerkmale der Zugewinngemeinschaft, namentlich die Trennung der Vermögen der Ehegatten und die Existenz eines ausgleichenden Zahlungsanspruchs mit Vorrang vor der Nachlassverteilung nach Beendigung der Ehe, in gleicher oder ähnlicher Weise im ausländischen Güterstand zu finden sind. Dies soll bei den in den romanischen Ländern verbreiteten Errungenschaftsgemeinschaften anzunehmen sein, so Fornasier, FamRZ 2018, 632 (635); Sakka, MittBayNot 2018, 4 (8); a.A. Weber, NJW 2018, 1356 (1358); keine der Zugewinngemeinschaft vergleichbaren Güterstände feststellend Lamberz, Rpfleger 2018, 330 (332). Die Sinnhaftigkeit einer Substitution im Rahmen des §  1371 Abs.  1 BGB im Grundsatz infrage stellend Dörner, ZEV 2018, 305 (307). 165  Fornasier, FamRZ 2018, 632 (635).

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

Erhöhung des gesetzlichen Erbteils endgültig zerstört wird.166 Dass Erbstatut und Güterstatut unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen können, folgt aus den Kollisionsnormen der EuErbVO und der EuGüVO, denen voneinander abweichende Anknüpfungspunkte zugrunde liegen (vgl. nur für die objektive Anknüpfung: letzter gewöhnlicher Aufenthalt des Erblassers gemäß Art.  21 Abs.  1 EuErbVO und erster gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten nach der Eheschließung gemäß Art.  26 Abs.  1 lit.  a EuGüVO).167 Welche Maßstäbe für die Anpassung gelten, muss nach dem Geltungsbeginn der EuGüVO zutreffenderweise aus der Perspektive des europäischen Kolli­ sions­rechts beurteilt werden, da die fraglichen Kollisionsnormen, deren Ergebnisse einer Anpassungslösung zugeführt werden sollen, ausschließlich dem internationalen Unionsprivatrecht entstammen.168 Teilweise wird eine Übernahme der gängigen Behandlungspraxis des deutschen autonomen Rechts erwartet.169 Begründet wird dies mit der Kenntnis der EuErbVO und EuGüVO vom Rechtsinstitut der Anpassung in Art.  31–33 EuErbVO bzw. Art.  29 EuGüVO und dem Umstand, dass der Normwiderspruch ein spezifischer Ausfluss des deutschen Rechts sei.170 Dieser Lösung ist zuzustimmen: Wenngleich eine europäische Lösung gefunden werden muss, erfordert die Effektivität des Zeugnisses, dem der EuGH bekanntlich ein großes Gewicht beimisst, gleichwohl einen Lösungsweg, der mit der Erleichterung der internationalen Nachlassabwicklung vereinbar ist. Hierzu passen sowohl der Weg der Zuweisung der höchsten Erbquote nach den beiden beteiligten Rechtsordnungen als auch der Weg der Bildung eines Mittelwerts der Erb- und Güterquoten nach jeder beteiligten Rechtsordnung. Obgleich eine Lösung regelmäßig dem überlebenden Ehegatten stets eine größere Quote zuweist, ist nicht zwingend diejenige Lösung vorzuziehen, die gerade die höchste Quote vermittelt. Denn die Interessen der übrigen Erben sind gleichfalls von der EuErbVO geschützt und dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Das Zeugnis bildet die Erbquoten ab (Art.  68 lit.  l EuErbVO) und mithin die Lösung der Anpassungsprobleme. Da die Anpassung aus der EuErbVO heraus – insbesondere mit der Berufung auf den Rechtsgedanken der Art.  31–33 ­EuErbVO – durchgeführt wird und damit gleichsam dem Anwendungsbereich Bandel, ZEV 2018, 205 (208). Bsp.: Der Ehemann verstirbt mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland. Die Ehegatten hatten ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Schweden. Deutsches Recht findet auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen des Ehemannes Anwendung, wohingegen schwedisches Recht auf die güterrechtlichen Fragen Anwendung findet. 168  Dörner, IPRax 2017, 81 (85); zur Behandlung der Anpassungsprobleme bis zum 28.1.2019 vgl. gleichfalls Dörner, IPRax 2017, 81 (85). 169  Dörner, IPRax 2017, 81 (85). 170  Dörner, IPRax 2017, 81 (85); Dörner, ZEV 2018, 305 (310). 166  167 

C. Das Europäische Nachlasszeugnis und das europäische und deutsche Güterrecht 505

der EuErbVO zugeordnet werden kann, erstrecken sich die Wirkungen des Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO uneingeschränkt auf die ermittelte Erbquote des überlebenden Ehegatten unabhängig davon, wie eine Erhöhung oder Reduktion der Erbquote begründet wird, etwa durch die Berechnung des Mittelwerts der in Rede stehenden Quoten nach jeder beteiligten Rechtsordnung. Den Ausstellungsbehörden die Befugnis zur Anpassung einzuräumen, erscheint am pragmatischsten, auch wenn hierdurch das Ausstellungsverfahren ggf. aufgrund der durchzuführenden Ermittlungen komplex werden könnte.171 Dafür spricht bereits das Ergebnis der Mahnkopf-Entscheidung172: Wenn der EuGH betont, dass um der Erleichterung der internationalen Nachlassabwicklung willen die Erbquoten korrekt angegeben und von den Wirkungen des Zeugnisses umfasst werden, dann muss bereits bei der Ausstellung des Zeugnisses der Inhalt so angepasst sein, dass die Erbquoten die materielle Rechtslage korrekt abbilden, um die Verwendungstauglichkeit des Zeugnisses im grenzüberschreitenden Verkehr zu gewährleisten. Komplikationen unterschiedlicher Intensität könnten jedoch dahingehend entstehen, dass Notare als Ausstellungsbehörden regelmäßig mehr Ressourcen aufwenden müssen als Gerichte, um die Erbfolge festzustellen. Es erscheint aber nicht ausgeschlossen, den Notaren die Durchführung der Anpassung zu übertragen, da sie auch ohne Einfluss von §  1371 Abs.  1 BGB bei der Ausstellung des Zeugnisses kollisionsrechtliche Probleme zu lösen haben. Eine alternative Anpassung in einem nationalen Teilungsverfahren oder Feststellungsprozess173 würde den Verfahrensaufwand verdoppeln und die Nachlassabwicklung damit insgesamt verzögern. Da diese Verfahren gemäß Art.  4 EuErbVO grundsätzlich vor den Gerichten des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erb­ lassers geführt werden und für das Zeugnisverfahren im Grundsatz ebenso die gleichen Regeln gemäß Art.  64 S.  1 i.V.m. Art.  4 EuErbVO gelten, wird zwar in der Regel dasselbe Gericht – sofern dieses auch Ausstellungsbehörde ist – über die Anpassung entscheiden. Hierdurch kann aufgrund potentiell aufkommender Synergieeffekte Kosten- und Zeitersparnis erzielt werden. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass die zur Anpassung Berufenen personell auseinanderfallen, wenn beispielsweise ein Notar zur Ausstellung des Zeugnisses befugt ist. Hier bedeutete die Anstrengung eines gesonderten Verfahrens für die Anpassung evident eine weitere Last für den Erben. Aufgrund der Tatsache, dass in den beiden genannten Verfahren regelmäßig dieselben Beteiligten (insbesondere überlebender Ehegatte, gemeinsame Kinder) wie im Ausstellungsverfahren für das Zeugnis involviert sind, erscheint es aus prozessökonomischen Gründen sinnvolDörner, ZEV 2018, 305 (310). EuGH, Urt. v. 1.3.2018 – C-558/16, FamRZ 2018, 632. 173  Dörner, ZEV 2018, 305 (310). 171  172 

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

ler, direkt im Ausstellungsverfahren die für die Anpassung relevanten Tatsachen zu ermitteln. Im Ergebnis kann es auch nach dem Inkrafttreten von EuErbVO und EuGüVO zu Konflikten zwischen dem anwendbaren Erb- und Güterrechtsstatut kommen. Da die EuErbVO und EuGüVO dem Aufenthaltsprinzip folgen, dürfte ein Aus­ einan­derfallen von Erb- und Güterrechtsstatut infolge objektiver Anknüpfung die Ausnahme sein. In der Konsequenz werden Abstimmungskonflikte weitestgehend vermieden.174 Zusätzlich stellt eine güterrechtliche Rechtswahl eine geeignete Möglichkeit dar, einen Gleichlauf zwischen Erb- und Güterrechtsstatut herzustellen und Divergenzen hinsichtlich der Erbquoten a priori vorzubeugen.175 Auf diese Weise wird die Effektivität des Zeugnisses – sowohl durch das materiellrechtliche Ergebnis als auch durch das regelmäßig einfacher vonstattengehende Ausstellungsverfahren beim Gleichlauf von Erb- und Güterrechtsstatut – maximiert.

D. Vorbildfunktion des Europäischen Nachlasszeugnisses? – Überlegungen zur Einführung einer Europäischen Personenstandsurkunde Wie bereits im ersten Teil dieses Kapitels festgestellt wurde, ist die Schaffung europäischer Rechtsinstrumente ein gebräuchliches Vorgehen des Unionsgesetzgebers, um die Freizügigkeit der EU-Bürger und die grenzüberschreitende Durchsetzung von ihren Rechten im europäischen Rechtsraum zu stärken. Das Zeugnis stellt nach alledem ein sehr gutes Beispiel dar.176 Die Europäische Kommission hat für das Personenstandsrecht auf die Möglichkeit der Schaffung einer Europäischen Personenstandsurkunde177 hingewiesen und dabei auch auf die bereits damals hervorgebrachte Idee vom Zeugnis als europäischen Erbnachweis Bezug genommen.178 Obwohl die Europäische Kommission im Grünbuch ausMankowski, ZEV 2014, 121 (128). Vgl. näher Mankowski, ZEV 2014, 121 (127 ff.); ebenso darauf hinweisend Bandel, ZEV 2018, 205 (209); Reimann, ZEV 2015, 409 (413). 176  So schon in Bezug auf die Europäische Personenstandsurkunde Mansel, IPRax 2011, 341 (342). 177  Der Begriff der Europäischen Personenstandsurkunde dient als Oberbegriff, da in einer solchen Urkunde vielfältige personenstandsrechtliche Aspekte dokumentiert werden können. Je nach Verwendungszweck können damit eine Europäische Geburtsurkunde, eine Europäische Heiratsurkunde, eine Europäische Partnerschaftsurkunde, eine Europäische Sterbeurkunde usw. vorliegen. 178  Grünbuch „Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger: Den freien Verkehr öffentli174  175 

D. Vorbildfunktion des Europäischen Nachlasszeugnisses?

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führlich grundlegende Voraussetzungen für die Einführung einer Europäischen Personenstandsurkunde vorgestellt hat, hat der Unionsgesetzgeber (nur) die ­EuUrkVO verabschiedet, die die Freizügigkeit öffentlicher Urkunden regelt und insgesamt weniger ambitioniert ausgestaltet ist, als man ursprünglich erhoffen konnte.179 Insbesondere wird mit der EuUrkVO kein kollisionsrechtlicher Paradigmenwechsel vollzogen.180 Es ist aber langfristiges Ziel des Unionsgesetzgebers, gemeinsame EU-Urkunden zu schaffen.181 Die Freizügigkeit öffentlicher Urkunden ist nicht Gegenstand nachfolgender Ausführungen, da sie bezüglich der Rechtsfolgenintensität deutlich hinter der Wirkungskonzeption des Zeugnisses zurückbleibt und eine Vergleichbarkeit nur in wenigen Punkten besteht. Im Mittelpunkt steht stattdessen, welche Wirkungen einer (künftigen) Europäischen Personenstandsurkunde zukommen könnten und unter welchen kollisionsrechtlichen Vorzeichen sie stehen könnte.182 An dieser Stelle könnte das Zeugnis eine Vorbildfunktion einnehmen. I. Freizügigkeit von Personenstandsurkunden in der Europäischen Union Die Verfahren zur Ausstellung von Personenstandsurkunden sind im Allgemeinen einfach ausgestaltet: So kann die zuständige Behörde schon aufgrund der bloßen Wahrnehmung von Umständen Personenstandsurkunden wie z.B. die Heiratsurkunde ausstellen.183 Klassischerweise fallen unter den Personenstand184 die Geburt, die Eheschließung, die Begründung einer Lebenspartnerschaft, der cher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern“, KOM (2010) 747, endg., S.  10. 179  Vgl. zur Einführung in die EuUrkVO exemplarisch Münch, in: Münch/Lipp, Die Freizügigkeit notarieller Urkunden in Europa, 2017, 1. 180  So MüKoBGB/v. Hein, Art.  3 EGBGB Rn.  125 mit Hinweis auf Art.  2 Abs.  4 EuErbVO („Diese Verordnung gilt nicht für die in einem Mitgliedstaat vorgenommene Anerkennung rechtlicher Wirkungen des Inhalts öffentlicher Urkunden, die von den Behörden eines anderen Mitgliedstaats ausgestellt wurden.“). 181  So die Berichterstatterin Delvaux, die zugleich betont, dass die EuUrkVO sich nur auf die Form der Urkunde bezieht und nicht die Anerkennung ihres Inhalts regelt, vgl. (zuletzt abgerufen: 15.7.2021). Vgl. auch ErwG 18 der EuUrkVO. 182  Die Frage der Harmonisierung des Familienrechts auf EU-Ebene hervorhebend Rhein, §  54 PStG Rn.  2. 183  Council of the Notariats of the European Union, Comparative Study on Authentic Instruments – National Provisions of Private Law, Circulation, Mutual Recognition and Enforcement, Possible Legislative Initiative by the European Union, S.  145, abrufbar unter: (zuletzt abgerufen: 15.7.2021). 184  Ausführlich zum Begriff des Personenstands aus rechtsgebietsübergreifender und rechts-

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

Name und der Tod.185 Wenngleich die grobe Einordnung der personenstandsrechtlichen Aspekte weitgehend übereinstimmt (z.B. Geburtsurkunde, Heiratsurkunde, Partnerschaftsurkunde, Sterbeurkunde186), sind vor allem zahlreiche nationale Vermerke beispielsweise in einer Geburtsurkunde problematisch, die oftmals bei Standesbeamten anderer Mitgliedstaaten für Verwirrung sorgen.187 Hinzu kommen regelmäßig vorzufindende sprachliche Barrieren, die den Umgang mit einer ausländischen Personenstandsurkunde erschweren und zusätzlichen Kosten- und Zeitaufwand verursachen.188 Eine Europäische Personenstandsurkunde mit einheitlichen Vermerken würde diese Probleme beseitigen. Die Auswahl der zulässigen Vermerke müsste hierbei durch eine vergleichende Gesamtschau von mitgliedstaatlichen Vermerken erfolgen, in der die wichtigsten gemeinsamen Vermerke herausgefiltert und überschüssige Vermerke ausgesondert werden. Durch einheitliche Formblätter für die Europäische Personenstandsurkunde, die in allen mitgliedstaatlichen Sprachen verfügbar sein sollten, würden Sprachbarrieren beseitigt werden. historischer Perspektive Funken, Das Anerkennungsprinzip im internationalen Privatrecht, S.  14 ff. 185  Vgl. z.B. §  1 PStG; vgl. aber auch Art.  1 Abs.  2 der Verordnung (EU) 2016/1191 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern durch die Vereinfachung der Anforderungen an die Vorlage bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr.  1024/2012, der eine Vielzahl personenstandsrechtlicher Sachverhalte benennt, namentlich Geburt; die Tatsache, dass eine Person am Leben ist; Tod; Namen; Eheschließung, einschließlich Ehefähigkeit und Familienstand; Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe; eingetragene Partnerschaft, einschließlich der Fähigkeit, eine eingetragene Partnerschaft einzugehen und Status der eingetragenen Partnerschaft; Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft, Trennung ohne Auflösung der eingetragenen Partnerschaft oder Ungültigerklärung der eingetragenen Partnerschaft; Abstammung; Adoption. Die Verordnung regelt zusätzlich öffentliche Urkunden, die den Wohnsitz und/oder Aufenthalt, die Staatsangehörigkeit und die Vorstrafenfreiheit belegen. 186  Vgl. z.B. §§  57–60 PStG (Deutschland) und §§  54–57 PStG (Österreich). Allerdings kennt z.B. das österreichische Recht eine eigenständige Urkunde über Fehlgeburten, vgl. §  57a PStG (Österreich), wohingegen bei einer Fehlgeburt in der deutschen Geburtsurkunde ein Sterbevermerk hinterlegt wird, vgl. §  18 PStV-VwV. Inhaltlich ergeben sich gewiss keine Unterschiede, doch könnte die unterschiedliche formale Handhabung Probleme bergen. In Frankreich existieren ebenfalls Geburtsurkunden („extraits d’actes de naissance“) gemäß Art.  55 ff. Code Civil oder Sterbeurkunden („l’acte de décès“) gemäß Art.  78 Code Civil. 187  Grünbuch „Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger: Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern“, KOM (2010) 747, endg., S.  11. 188  Grünbuch „Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger: Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern“, KOM (2010) 747, endg., S.  11.

D. Vorbildfunktion des Europäischen Nachlasszeugnisses?

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Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich die Frage, inwieweit eine Personenstandsurkunde in einem anderen Mitgliedstaat verwendet werden kann und welche Rechtsfolgen eintreten. Konkret geht es auf der einen Seite um die Echtheit der Personenstandsurkunde – für die Erstreckung der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde hat sich der Begriff der Annahme im Unionsprivatrecht herausgebildet (vgl. nur Art.  59 EuErbVO) – und auf der anderen Seite um die inhaltliche Richtigkeit der in der Personenstandsurkunde wiedergegebenen Rechtslage.189 Während die Erstreckung der formellen Beweiskraft190 ein Indiz für die in der Personenstandsurkunde abgegebenen Erklärungen schaffen würde (beispielsweise die Vorlage einer ausländischen Heiratsurkunde zur Eintragung der Ehe ins Eheregister), würde z.B. eine Rechtslagenanerkennung als eine internationalprivatrechtliche Methode zur unionsweiten Anerkennung des Inhalts einer Personenstandsurkunde dazu führen, dass jeder Verwendungsstaat den Inhalt automatisch als richtig anzusehen hat.191 Ehepaare, die in einen anderen Mitgliedstaat ziehen, müssen vor Behörden oftmals die Ehe nachweisen.192 In der Praxis ist die Feststellung einer personenstandsrechtlichen Stellung häufig Voraussetzung für einen Rechtsanspruch, z.B. im Sozialrecht, wo z.B. das Bestehen einer Ehe eine Voraussetzung für einen Anspruch auf eine Sozialleistung bildet.193 Parallelen zur Praktikabilität, wie sie mit dem Zeugnis einhergehen, werden erkennbar. Indem die Europäische Personenstandsurkunde mit bestimmten Wirkungen für alle Mitgliedstaaten ausgestattet würde, ließe sich der Verwaltungsaufwand bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, für die es für das materiellrechtliche Ergebnis auf einen personenstandsrechtlichen Aspekt ankommt, drastisch reduzieren. Von besonderer Bedeutung ist der internationalprivatrechtliche Unterbau, die mit einer Einführung einer Europäischen Personenstandsurkunde zwingend einhergehen müsste.194 II. Wirkungen der Europäischen Personenstandsurkunde Den Ausgangspunkt für die Frage, welche Wirkungen einer Europäischen Personenstandsurkunde zugewiesen werden sollten, bilden die nationalen PersonenVgl. Buschbaum, StAZ 2011, 106 (107 f.). Vgl. zur formellen Beweiskraft von Personenstandsurkunden im deutschen Recht Rhein, §  54 PStG Rn.  8 i.V.m. Rn.  4 ff. 191  Vgl. Wagner, DNotZ 2011, 176 (185). 192  Council of the Notariats of the European Union, Comparative Study on Authentic Instruments – National Provisions of Private Law, Circulation, Mutual Recognition and Enforcement, Possible Legislative Initiative by the European Union, S.  145. 193  Bsp.: Anspruch auf Witwenrente und Witwerrente gemäß §  46 SGB VI. 194  Mansel, IPRax 2011, 341 (342). 189  190 

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

standsurkunden, wobei eine rechtsvergleichende Gesamtschau die Ausformung einer einheitlichen Europäischen Personenstandsurkunde maßgeblich antreiben sollte. Typischerweise hat eine Personenstandsurkunde die Funktion, Zeugnis über die wichtigsten Ereignisse im Leben eines Bürgers zu geben.195 Da die Vorlage einer inländischen Personenstandsurkunde im Rahmen reiner Inlandssachverhalte ohne weiteres genügt, stellen sich keine weiteren Hürden; die jeweilige Behörde handelt entsprechend im Einklang mit der Rechtslage, wie sie nach dem Inhalt der Urkunde besteht. Diffiziler wird es, wenn die Personenstandsurkunde im Ausland verwendet werden soll. De lege lata bedarf es in aller Regel einer Legalisation oder Apostille, um die Echtheit der Personenstandsurkunde nachzuweisen.196 Mit der Verordnung zur Förderung der Freizügigkeit öffentlicher Urkunden wird diese Hürde – freilich in Bezug auf die mitgliedstaatlichen Personenstandsurkunden – beseitigt (vgl. Art.  4 EuUrkVO). Im Kontext der Freizügigkeit einer Europäischen Personenstandsurkunde spielen de lege ferenda die (widerlegliche) Vermutung für die Echtheit und die Tatsachen der Urkunde197 und eine etwaige „inhaltliche“ Rechtslagenanerkennung als eine besonders folgenreiche Wirkung eine zentrale Rolle.198 Eine reine Übersetzungsfunktion ohne weitere rechtliche Wirkungen war von der Europäischen Kommission wohl nicht gewollt199 und hätte angesichts der geringen funktionalen Bedeutung den Verwaltungsaufwand für die EU-Bürger im Kontext der grenzüberschreitenden Verwendung von Personenstandsurkunden nur geringfügig erleichtert. Die Vermutungswirkung würde z.B. im Kontext einer Eheschließung bewirken, dass der Standesbeamte bzw. die jeweilige zuständige mitgliedstaatliche Behörde die Urkunde tatsächlich ausgestellt hat (Echtheitsvermutung) und die Ehegatten tatsächlich die Eheschließungserklärungen abgegeben haben (Tatsachenvermutung).200 Im Hinblick auf eine europäische Abstammungsurkunde könnte die Vermutungswirkung beweisen, dass ein Mann eine Erklärung über die Anerkennung der Vaterschaft abgegeben hat; damit ist allerdings nicht bewiesen, dass der Mann Vater des Kindes ist.201 Eine europäische Adoptionsurkunde würde beweisen, dass die Einwilligungserklärungen sämtlicher Beteiligter, namentlich des Kindes, der Eltern des Kindes, ggf. des Ehegatten des Annehmenden, 195  Grünbuch „Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger: Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern“, KOM (2010) 747, endg., S.  11. 196  Vgl. Wagner, NZFam 2014, 121. 197  Mansel/Coester-Waltjen/Henrich/Kohler, IPRax 2011, 335 (337); Mansel, IPRax 2011, 341 (342). 198  Vgl. Dutta/Freitag/Helms/Kissner, StAZ 2011, 165 (171 f.). 199  Dutta/Freitag/Helms/Kissner, StAZ 2011, 165 (170). 200  Mansel/Coester-Waltjen/Henrich/Kohler, IPRax 2011, 335 (338). 201  Mansel/Coester-Waltjen/Henrich/Kohler, IPRax 2011, 335 (338).

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vor der zuständigen Behörde abgegeben wurden. Ob das Kind z.B. tatsächlich die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten mit allen rechtlichen Konsequenzen erlangt, wird nicht durch die europäische Adoptionsurkunde beantwortet. In allen Situationen besteht lediglich die Wahrscheinlichkeit, dass das jeweilige Rechtsverhältnis tatsächlich wirksam ist. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass der Standesbeamte die Beurkundung nicht vorgenommen hätte, wenn er beispielsweise von Tatsachen Kenntnis hatte, die die Unwirksamkeit der Ehe begründeten.202 Schon die Vermutungswirkung würde den grenzüberschreitenden Verkehr erleichtern können, indem mit ihr der Inhaber der Personenstandsurkunde sich ohne weitere Nachweise auf die der Urkunde bezeugten Tatsachen stützen kann – etwa in einem Zivilprozess, in dem es u.a. darauf ankommt, ob eine wirksame Ehe geschlossen wurde. Dass die Eheschließungserklärungen vor einem Standesbeamten abgegeben wurden, wird dann durch die Vorlage der Personenstandsurkunde indiziert. Die Beweiswürdigung des Richters wird dementsprechend beeinflusst. Gewiss müsste die Vermutung indessen durch den Beweis des Gegenteils entkräftet werden können.203 Für die rechtstechnische Umsetzung bietet sich die Statuierung europäischen Sachrechts an. Die Vermutungswirkung der Europäischen Personenstandsurkunde würde sich in jedem Mitgliedstaat entfalten. Vergleichbar ist dies mit den Wirkungen des Zeugnisses nach Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO. Erforderlich wäre außerdem die uneingeschränkte Entfaltung der Vermutungswirkung in allen Mitgliedstaaten, vergleichbar mit Art.  69 Abs.  1 EuErbVO, um der Durchsetzung der Vermutungswirkung maximal Geltung zu verschaffen.204 Im Rahmen einer Rechtslagenanerkennung würde hingegen für den Anerkennungsstaat verbindlich feststehen, dass eine wirksame Ehe (also die rechtliche Schlussfolgerung, die sich aus der Gesamtheit der in der Urkunde bezeugten Tatsachen ergibt) geschlossen wurde. Das würde einen viel stärkeren Eingriff in die Kontrollhoheit des Anerkennungsstaates bedeuten. Da derzeit das Kollisionsrecht im Bereich des Personenstands- und Familienrechts auf europäischer Ebene nicht vereinheitlicht ist und die Mitgliedstaaten unterschiedliche Anknüpfungen in ihrem autonomen Kollisionsrecht vorsehen, ist es nicht selten, dass ein in einem Mitgliedstaat begründetes Rechtsverhältnis in einem anderen Mitgliedstaat verneint wird.205

Dutta/Freitag/Helms/Kissner, StAZ 2011, 165 (172). Dutta/Freitag/Helms/Kissner, StAZ 2011, 165 (170). 204  Vgl. näher unten im 6. Kap., D., IV., 4., S.  520 f. 205  Vgl. Sonnenberger, in: FS Spellenberg, 2010, 371 (387). 202  203 

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III. Internationalprivatrechtliche Methoden zur unionsweiten Verkehrsfähigkeit des Inhalts einer Europäischen Personenstandsurkunde Sollte erwogen werden, den Inhalt einer Europäischen Personenstandsurkunde unionsweit verkehrsfähig zu machen, kommen drei rechtstechnische Möglichkeiten in Betracht. Im Ausgangspunkt ist zu vergegenwärtigen, dass das Vertrauen der EU-Bürger auf eine einmal begründete Rechtslage und deren unionsweiten Bestand bzw. Geltungsanspruch, wie die Begründung einer Ehe, in einem Mitgliedstaat im Hinblick auf das Freizügigkeitsrecht gemäß Art.  21 AEUV schützenswert ist; idealiter sollte die Ehe in jedem Mitgliedstaat als wirksam betrachtet werden.206 Wie der Unionsgesetzgeber jedoch diese Grundfreiheit rechtstechnisch gewährleistet, bleibt ihm allein überlassen.207 1. Sachrechtliche Lösung Die Schaffung neuer Sachnormen im materiellen Familienrecht der Mitgliedstaaten durch den Unionsgesetzgeber stellt eine Lösungsmöglichkeit dar. So könnte z.B. eine Regelung dergestalt eingeführt werden, wonach eine Ehe wirksam geschlossen wird, wenn die Eheschließenden208 mindestens 18 Jahre alt sind, die Eheschließungserklärungen vor einem Standesbeamten abgeben und keine Eheverbote erfüllt sind. Eine solche Regelung würde die Freizügigkeit des Status der Ehe maximal fördern, da jeder Mitgliedstaat das gleiche Sachrecht anwendet und somit zum gleichen Ergebnis kommt. Allerdings hat der Unionsgesetzgeber für die Harmonisierung des materiellen Familienrechts keine Gesetzgebungskompetenz.209 Ungeachtet dieses absoluten Einwands widerspricht eine sachrechtliche Lösung der Tendenz, die Vielfalt der Privatrechtsordnungen der Mitgliedstaaten grundsätzlich unberührt zu lassen und auf internationalprivatrechtlicher Ebene für Einheitlichkeit zu sorgen.210 Außerdem provoziert vereinheitlichtes Sachrecht bisweilen Systembrüche bezüglich angrenzender Rechtsgebiete, die weiterhin nach nationalem Recht beurteilt werden.211 Dabei ist die Statuierung europäischen Sachrechts per se nicht unüblich, wie dies anhand der etwaigen Vermutungswirkung bei der Europäischen PersonenstandsurVgl. Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (716). Sonnenberger, in: FS Spellenberg, 2010, 371 (388). 208  Die Eheschließenden müssten wohl verschiedenen Geschlechts sein, da die Einführung einer gleichgeschlechtlichen Ehe über europäisches Sachrecht in Anbetracht der diversen mitgliedstaatlichen Positionen zu diesem Institut praktisch ausgeschlossen ist. 209  Mansel/Coester-Waltjen/Henrich/Kohler, IPRax 2011, 335 (341); Buschbaum, StAZ 2011, 106 (107); Dutta/Freitag/Helms/Kissner, StAZ 2011, 165 (172). 210  Dutta/Freitag/Helms/Kissner, StAZ 2011, 165 f. 211  Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, 589 (590). 206  207 

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kunde und derjenigen beim Zeugnis nach Art.  69 Abs.  2 EuErbVO erkennbar ist. Doch betrifft dies nicht den materiellen Inhalt der jeweiligen Dokumente, sondern nur die Handhabung der im Dokument verbrieften Tatsachen und Rechtsstellungen (bei der Vermutungswirkung also die Beweislast im Zivilprozess hinsichtlich der bezeugten Tatsachen und Rechtsstellungen). Außerdem liegt es nahe, dass gerade im Personenstands- und Familienrecht aufgrund des mitunter erheblichen Einschlags von Kulturen, Traditionen und Religionen eine sachrechtliche Lösung unangemessen erscheint. Das Erbrecht ist im Vergleich weniger personal als das Familienrecht; das Zeugnis fördert die internationale Nachlassabwicklung, die grundsätzlich den Erben, den Vermächtnisnehmern mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, den Testamentsvollstreckern und den Nachlassverwaltern sowie dem Rechtsverkehr zugutekommt, so dass dort sachrechtliche Lösungsansätze tendenziell weniger problematisch sind. Freilich hat sich der Unionsgesetzgeber auch beim Zeugnis diesbezüglich zurückgehalten. Eine sachrechtliche Lösung ist wegen ihrer Eingriffsintensität und der mangelnden Gesetzgebungskompetenz ausgeschlossen.212 Dies ist auch nicht weiter misslich, wenn in Anbetracht real gegebener Tendenzen andere methodische Vorgehensweisen vielversprechender erscheinen. 2. Anerkennungsprinzip Das Anerkennungsprinzip verpflichtet den Anerkennungsstaat, die in der Personenstandsurkunde bezeugten Rechtstatsachen und Rechtslagen ohne kollisionsrechtliche Prüfung als feststehend zu akzeptieren.213 Eine solche Anerkennung von Rechts wegen kann hierbei zwei Bezugspunkte haben: zum einen eine na­tio­ nale Personenstandsurkunde und zum anderen die Europäische Personenstandsurkunde (parallel zu den nationalen Erbnachweisen und zum Zeugnis). Der Weg über die Europäische Personenstandsurkunde hat den Vorteil, dass diese für alle Mitgliedstaaten einen einheitlichen inhaltlichen Standard festsetzt und gleichsam das Niveau der Freizügigkeit personenstandsrechtlicher Rechtsverhältnisse anhebt. a) Problemkreise Mag auf der einen Seite die Freizügigkeit eines Status zugunsten der EU-Bürger durch eine Anerkennung von Rechts wegen gefördert und auch die Behörden 212  Die Statuierung von Sachrecht kann indessen im bi- oder multilateralen Kontext insbesondere i.S.d. europäischen Subsidiarität und der größeren Möglichkeiten (weil kleinerer Beteiligtenkreis) zu empfehlen sein, was sich etwa am deutsch-französischen Wahlgüterstand zeigt, vgl. Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, 589. 213  Vgl. bereits oben im 6. Kap., B., II., 2., a), S.  464 f.

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entlastet werden, dürfen auf der anderen Seite die Gefahren einer solchen Lösung nicht unerkannt bleiben. Diese haben ihren Ursprung hierbei nicht spezifisch im Personenstands- und Familienrecht, sondern ergeben sich aus den Eigen­heiten der internationalprivatrechtlichen Methode, haben mithin generalisierenden Charakter. Im Folgenden sollen zur Verdeutlichung des Kontrasts sogleich die entsprechenden möglichen Lösungen, die die kollisionsrechtliche Lösung bietet, dargestellt werden. aa) Missbrauch und Gesetzesumgehungen Die Verlockung, eine einmal begründete Rechtslage oder im Fall des Personenstandsrechts einen konkreten Status ohne weiteres über die mitgliedstaatlichen Grenzen hinaustragen zu können, könnte bisweilen zu Missbrauchsfällen und Gesetzesumgehungen führen, die durch die verschiedenen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen bedingt sind. So hat eine automatische Anerkennung in Ermangelung von Schranken zur Folge, dass mitgliedstaatliche Rechtsordnungen miteinander konkurrieren und dabei stets das für den Rechtsanwender attraktivere Recht sich durchsetzt. Verfügt ein Mitgliedstaat über besonders genehme Vorschriften, könnte dort zunächst eine Rechtslage begründet werden, die dann von einem anderen Mitgliedstaat anerkannt werden müsste, der womöglich strengeren Regeln hinsichtlich derselben Rechtslage folgt (sog. law shopping214).215 Eine Anerkennung von Rechts wegen würde die Rechtsunterschiede perpetuieren, statt sie zugunsten der Freizügigkeit zu beseitigen.216 Hier würde die kolli­ sions­rechtliche Prüfung, die bei einer Anerkennung von Rechts wegen ausgeschlossen ist, zumindest die Möglichkeit – sofern die Anknüpfung des Kollisionsrechts des Anerkennungsstaats für die jeweilige Materie von derjenigen des Mitgliedstaates, in dem die Rechtslage erstmals begründet wurde, abweicht und zu einem unterschiedlichen Ergebnis führt – ebnen, dass andere Sachvorschriften auf die Beurteilung der konkreten Rechtslage Anwendung finden. Mehr noch würde eine mit der Befürwortung der kollisionsrechtlichen Lösung perspektivisch anzustrebende Kollisionsrechtsvereinheitlichung jeglichen Missbrauch unterbinden, da jeder Mitgliedstaat dann grundsätzlich zum gleichen sachrechtlichen Ergebnis kommen würde.

Buschbaum, in: Münch/Lipp, Die Freizügigkeit notarieller Urkunden in Europa, 2017, 37 (38). 215  Vgl. in Bezug auf Scheinehen und Scheinpartnerschaften ausführlich Buschbaum, StAZ 2011, 106 (108 f.); vgl. auch Wagner, FamRZ 2011, 609 (611) und MüKoBGB/v. Hein, Art.  3 EGBGB Rn.  124. 216  Mansel, IPRax 2011, 341 (342). 214 

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bb) Aufgedrängte Anerkennungslagen Diametral zum vorgenannten Missbrauchspotenzial sind Konstellationen denkbar, in denen die automatische Anerkennung von den Betroffenen nicht gewollt ist, da die Begründung der Rechtslage beispielsweise rein zufällig oder zumindest nicht von Dauer beabsichtigt war.217 Es stellt sich die Frage, inwiefern die Anerkennung von Rechts wegen zwingenden Charakter hat und ob sie möglicherweise einer Lockerung im Sinne eines fakultativen Gebrauchsrechts zugänglich ist. Die kollisionsrechtliche Lösung beugt dieser Situation vor, indem sie idealiter eine Rechtswahl zulässt und andernfalls das nach der objektiven Anknüpfung anwendbare Recht entscheiden lässt, ob die jeweilige Rechtslage Bestand hat. cc) Anerkennung inhaltlich falscher Rechtslagen Eine Anerkennung von Rechts wegen stützt sich immer auf die in irgendeiner Form (z.B. in einer Personenstandsurkunde) verlautbarte Rechtslage. Ist diese jedoch inhaltlich unrichtig wiedergegeben, kann entweder die Anerkennung durch den Zielmitgliedstaat gleichwohl erfolgen218 oder sie wird durch diesen versagt, nachdem die Unrichtigkeit der Urkunde festgestellt wurde. Letzteres würde allerdings dem Prinzip der Anerkennung von Rechts wegen widersprechen, als dann doch eine Rechtsprüfung erfolgte und der bezweckte Wegfall des Verwaltungsaufwands wieder aufgehoben würde.219 Wenn der Weg zum Anerkennungsprinzip geebnet werden soll und damit insbesondere das Vertrauen auf die Kompetenz ausländischer Behörden oder gar Privater maximal gefördert wird, dann dürfte es nur konsequent sein, eine inhaltliche Prüfung zu versagen. Demgegenüber muss der Zielmitgliedstaat bei Anwendung der kollisionsrechtlichen Lösung ohnehin eine Rechtsprüfung dergestalt vornehmen, dass anhand der eigenen Kollisionsnormen ermittelt wird, ob die in der Urkunde wiedergegebene Rechtslage tatsächlich im Erststaat wirksam entstanden ist. Das ist nämlich das 217  Vgl. Wagner, FamRZ 2011, 609 (612) mit einleuchtendem Beispiel: „Ein deutsches Ehepaar zieht mit seinem Kind in einen anderen EU-Mitgliedstaat, weil der Familienvater dort eine gut dotierte, jedoch zeitlich befristete Stelle erhält. Die Ehegatten sind sich einig, dass der Auslandsaufenthalt nur vorübergehend sein soll. In dem betreffenden Staat kommt das zweite gemeinsame Kind zur Welt. Die Eltern wollen diesem Kind den Familiennamen geben, den das erste Kind in Deutschland erhalten hat. Eine solche Namensgebung ist in dem betreffenden Staat aber nicht möglich. Stattdessen wird dem Kind ein anderer Name erteilt, der in einer Personenstandsurkunde festgehalten wird. Nach dem Anerkennungsprinzip müsste dieser Name in Deutschland anerkannt werden.“ 218  Dies als erhebliche Gefahr bezeichnend Dutta/Freitag/Helms/Kissner, StAZ 2011, 165 (172). 219  Wagner, FamRZ 2011, 609 (613).

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entscheidende Plus, das die kollisionsrechtliche Lösung mit sich bringt und das der Anerkennungslösung entbehrt. Insoweit offenbart sich ein Spannungsverhältnis zwischen den beiden Lösungen: Während das Anerkennungsprinzip auch unrichtige Rechtslagen perpetuiert, beugt die kollisionsrechtliche Lösung dem vor. dd) Ordre public-Kontrolle Eine ordre public-Kontrolle sollte auch im Rahmen einer Anerkennung von Rechts wegen vorgesehen werden.220 Da eine rigorose Anerkennung womöglich die Grenzen des Rechts des Anerkennungsstaates überschreiten könnte, vor allem wenn der Ursprungsstaat ein drittstaatliches Recht angewendet hat221, sollte der Anerkennungsstaat die Möglichkeit haben, mittels einer ordre public-Kon­ trolle unerträgliche Ergebnisse auszuschalten. Der Vorteil des Wegfalls der kollisionsrechtlichen und sachrechtlichen Prüfung beim Anerkennungsprinzip wird dadurch jedoch nicht eingebüßt, sofern die Ausübung der ordre public-Kontrolle wie stets restriktiv erfolgt. Ein ordre public-Vorbehalt ist bei der kollisionsrechtlichen Lösung üblich, als es um das anwendbare Recht geht, das möglicherweise mit der lex fori nicht vollends in Einklang zu bringen ist.222 Dies hat seinen Einschlag für das Erbrecht in Art.  35 EuErbVO gefunden, der sich mittelbar auch auf das Zeugnis erstreckt, bei dessen Bestimmung des Erbstatuts der ordre public-Vorbehalt relevant werden kann. b) Vorteile der Anerkennungslösung Trotz der Schwierigkeiten, die mit der Anerkennung von Rechts wegen einhergehen können, dürfen nicht die Vorzüge dieser Lösung verkannt werden. Der wesentliche Vorteil liegt darin, dass mit dem Wegfall des Zwischenschritts der kollisionsrechtlichen Prüfung – die in Anbetracht der vielschichtigen autonomen Kollisionsregeln der Mitgliedstaaten durchaus sehr komplex sein kann – der Aufwand für alle Beteiligten gemindert und die Freizügigkeit innerhalb der EU durch die Statuierung von Rechtssicherheit, Voraussehbarkeit und Vertrauensschutz optimal gefördert wird.223 Erforderlich ist aber, dass klare Anerkennungs220  Coester-Waltjen, in: FS Jayme, 2004, 121 (128); Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (727 f.); Wagner, FamRZ 2011, 609 (613). 221  Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (727). 222  Vgl. auch Wagner, in: Hess/Jayme/Mansel (Hrsg.), Europa als Rechts- und Lebensraum, Liber amicorum für Christian Kohler zum 75. Geburtstag, 2018, 567 (580), der darauf hinweist, dass mit einem ordre public-Vorbehalt einem Rechtsmissbrauch kollisionsrechtlich begegnet werden kann. 223  Vgl. Coester-Waltjen, in: FS Jayme, 2004, 121 (123); siehe auch MüKoBGB/v. Hein, Art.  3 EGBGB Rn.  138.

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kriterien geschaffen werden. Solange diese nicht in ausgereifter Form gefunden werden, um die soeben dargelegten Probleme zu begegnen, hat das Anerkennungsprinzip keinen weiteren Nutzen, sondern löst vielmehr neue Unsicherheit aus.224 Insbesondere müssten die kollisionsrechtlichen Implikationen bei der Einführung des Anerkennungsprinzips klar definiert werden.225 Sicherlich nimmt die erkennbare Tendenz des Unionsgesetzgebers zur kollisionsrechtlichen Lösung derzeit die praktische Relevanz der Anerkennung von Rechts wegen. 3. Verweisungsprinzip und Kollisionsrechtsvereinheitlichung (kollisionsrechtliche Lösung) Vorzugswürdig ist deshalb die kollisionsrechtliche Lösung, die Anwendung des Verweisungsprinzips i.V.m. einer Kollisionsrechtsvereinheitlichung, im internationalen Personenstands- und Familienrecht (i.e. Eheschließungsrecht, Lebenspartnerschaftsrecht, Abstammungsrecht, Namensrecht, Adoptionsrecht226). Denn mit ihr wird jeder Mitgliedstaat, dem die Europäische Personenstandsurkunde vorgelegt wird, zum gleichen anwendbaren Recht kommen und dieses anwenden, so dass sich die in der Personenstandsurkunde wiedergegebene inhaltliche Rechtslage durchsetzt.227 Indem der Personenstandsurkunde zusätzlich eine Echtheits- und Tatsachenvermutung zukommt, wird dem Personenstand in der EU eine hohe Freizügigkeit gewährt.228 Gleiches wurde beim Zeugnis umgesetzt, indem die Erbkollisionsrechtsvereinheitlichung gewährleistet, dass jeder Mitgliedstaat den Inhalt des Zeugnisses grundsätzlich nach dem gleichen Erbstatut bestimmt. Die Harmonisierung der Kollisionsnormen wirkt sich sowohl auf die nationalen Personenstandsurkunden als auch auf die Europäische Personenstandsurkunde aus. Da nationale Personenstandsurkunden innerhalb der EU nach der EuUrkVO nunmehr begrenzt verkehrsfähig sein werden, bewirkt die Kollisionsrechtsvereinheitlichung zusätzlich, dass auch diesen nationalen Personenstandsurkunden ein Recht zugrunde liegt, das von allen Mitgliedstaaten gleichermaßen berufen Sonnenberger, in: FS Spellenberg, 2010, 371 (391); grundsätzlich gegen die Ablösung des Verweisungsprinzips durch das Anerkennungsprinzip MüKoBGB/v. Hein, Art.  3 EGBGB Rn.  146. 225  Vgl. hierzu ausführlich Leifeld, Das Anerkennungsprinzip im Kollisionsrechtssystem des internationalen Privatrechts, S.  181 ff. 226  Vgl. zu möglichen Ausgestaltungen bei der Kollisionsrechtsvereinheitlichung im internationalen Personenstands- und Familienrecht Mansel/Coester-Waltjen/Henrich/Kohler, IPRax 2011, 335 (338 f.). 227  Dies wird auch als „materiellrechtliche Anerkennung“ bezeichnet, vgl. Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (712). 228  Mansel, IPRax 2011, 341 (342). 224 

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wird. Zudem können nur durch eine Kollisionsrechtsvereinheitlichung Sachverhalte mit Drittstaatenbezug angemessen berücksichtigt werden, da eine Anerkennung von Rechts wegen sich nur auf solche Personenstandsurkunden von Mitglied­staaten beschränken würde.229 Wird aber eine Rechtslage in einem Drittstaat begründet, sollte dieser Sachverhalt von allen Mitgliedstaaten gleich beurteilt werden, insbesondere wenn EU-Bürger involviert sind.230 Wenn der Sachverhalt mit grenzüberschreitendem Bezug lediglich im Inland Bedeutung erlangt, spielt eine Anerkennung von Rechts wegen keine Rolle. Hier werden dann Fragen nach dem anwendbaren Recht und die Kollisionsrechtsvereinheitlichung sowohl für den Ursprungsstaat als auch für den Anerkennungsstaat relevant.231 Alternativ kann es bei den nationalen Kollisionsrechtssystemen bleiben, die auf solche inländischen Vorgänge anzuwenden sind.232 4. Ergebnis Auch anhand des Personenstands- und Familienrechts lässt sich festhalten, dass die Durchsetzung der Freizügigkeit zumindest auch Komponenten der kollisionsrechtlichen Lösung zu berücksichtigen hat. Der Wille des Unionsgesetzgebers ist eindeutig: In den letzten Jahren wurde eine große Anzahl an Verordnungen, die das Kollisionsrecht der jeweiligen Rechtsmaterie vereinheitlichen, verabschiedet.233 Damit gehen zugleich die Fortführung des Verweisungsprinzips und weiterhin die Abkehr vom Anerkennungsprinzip einher.234 Die Einführung einer Europäischen Personenstandsurkunde erweist sich nur dann als effektiv, wenn neben einem ausgereiften formalen Unterbau möglichst eine Vereinheitlichung der Kollisionsnormen in den verschiedenen Bereichen des Familienrechts erreicht wird.235 Dies ist eine Aufgabe, die den Unionsgesetzgeber in der Zukunft

Buschbaum, StAZ 2011, 106 (110). Buschbaum, StAZ 2011, 106 (110). 231  Coester-Waltjen, in: FS Jayme, 2004, 121 (122); Wagner, DNotZ 2011, 176 (188). 232  Vgl. Mansel/Coester-Waltjen/Henrich/Kohler, IPRax 2011, 335 (339). 233  Namentlich: Rom  I-VO, Rom  II-VO, Rom  III-VO, EuErbVO, EuGüVO, EuPartVO, HUP. 234  Vgl. auch Sonnenberger, in: FS Spellenberg, 2010, 371 (387), der für einen Übergang vom Verweisungsprinzip zum Anerkennungsprinzip aus internationalprivatrechtlicher Sicht keine Notwendigkeit sieht; ähnlich MüKoBGB/v. Hein, Art.  3 EGBGB Rn.  146. Die Kolli­ sions­rechtsvereinheitlichung als „Königsweg“ zur Förderung der Freizügigkeit der EU-Bürger bezeichnend Buschbaum, GPR 2014, 4 (6). 235  Vgl. Dutta/Freitag/Helms/Kissner, StAZ 2011, 165 (170) und Coester-Waltjen, in: FS Jayme, 2004, 121 (123); siehe auch Lugani/Huynh, in: Wollenschläger (Hrsg.), Europäischer Freizügigkeitsraum – Unionsbürgerschaft und Migrationsrecht (EnzEuR Bd.  10) §  10 Rn.  69. 229  230 

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viele Mühen abverlangen wird.236 Momentan scheint das Thema indessen keine Priorität auf der politischen Agenda zu haben.237 Eine sukzessive Vereinheitlichung verschiedener Bereiche des Familienrechts (Wirksamkeit von Ehen, Abstammung, usw.) wäre nicht zu beanstanden, da eine Europäische Personenstandsurkunde nach der auch beim Zeugnis zu findenden Erforderlichkeitsmaxime nur denjenigen Inhalt aufweisen sollte, der den jeweiligen Zwecken des Verwenders genügt. IV. Verfahrensrechtliche Aspekte einer Europäischen Personenstandsurkunde Von zentraler Bedeutung sind nicht nur die Wirkungen einer Europäischen Personenstandsurkunde, sondern auch ihr verfahrensrechtlicher Unterbau. An dieser Stelle können die Regelungen des Zeugnisverfahrens sowie die Durchsetzungsmacht des Zeugnisses mit entsprechenden Modifikationen fruchtbar gemacht werden. 1. Zuständigkeit für die Ausstellung einer Europäischen Personenstandsurkunde Das Standesamt bzw. die mitgliedstaatliche Behörde, die bisher für die Errichtung der nationalen Personenstandsurkunde zuständig ist, sollte ebenso für die Ausstellung der Europäischen Personenstandsurkunde zuständig sein. Die Tatsache, dass die Europäische Personenstandsurkunde für den grenzüberschreitenden Verkehr verwendet wird, ändert nichts daran, dass das Standesamt die personenstandsrechtlichen Beurkundungen vorzunehmen hat. Auf diese Weise wird auch schonend in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten eingegriffen. 2. Antragsberechtigte Personen Der Kreis der Personen, die die Ausstellung einer Europäischen Personenstandsurkunde beantragen kann, ist möglichst weit und offen auszugestalten. Da die Antragsberechtigung davon abhängt, welche Art von Urkunde begehrt wird, lässt sich eine allgemeine Gruppe von antragsberechtigten Personen nicht festlegen. Es gilt wie auch bei den nationalen Personenstandsurkunden die Regel, dass die-

So auch Wagner, NZFam 2014, 121 (123). So Buschbaum, in: Münch/Lipp, Die Freizügigkeit notarieller Urkunden in Europa, 2017, 37 (43); ebenso Mansel, in: Hess/Jayme/Mansel (Hrsg.), Europa als Rechts- und Lebensraum, Liber amicorum für Christian Kohler zum 75. Geburtstag, 2018, 301 (309), der feststellt, dass es um die Idee einer Anerkennung des negotiums von öffentlichen Urkunden, insbesondere von Personenstandsurkunden, stiller geworden ist. 236  237 

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jenigen Personen eine Europäische Personenstandsurkunde beantragen können, auf die sich deren Inhalt bezieht. Das sind bei einer Heiratsurkunde die Ehegatten, bei einer Partnerschaftsurkunde die Lebenspartner, bei einer Sterbeurkunde die Erben, bei einer Adoptionsurkunde die Ehegatten und ggf. das Kind. So werden der Gleichlauf und das Prinzip der Koexistenz im Verhältnis zu den nationalen Personenstandsurkunden optimal gewahrt. Zugleich sollte ein Auffangtatbestand dergestalt statuiert werden, dass eine Europäische Personenstandsurkunde von jeder Person beantragt werden kann, die ein berechtigtes rechtliches Interesse vorweisen kann. 3. Änderungen der maßgeblichen Tatsachen für den Inhalt einer Europäischen Personenstandsurkunde Ändern sich im Nachgang der Errichtung der Europäischen Personenstandsurkunde relevante Tatsachen, z.B. Rückgängigmachung einer Adoption, sollte das Standesamt von Amts wegen oder jedenfalls auf Antrag des Betroffenen eine neue Urkunde ausstellen. Ein Zugriff auf die bereits ausgestellte Urkunde erscheint empfehlenswert, doch praktisch wohl kaum umsetzbar. Eine Missbrauchsgefahr ist nicht vollkommen auszuschließen. Dass z.B. der annehmende Ehegatte bewusst eine unrichtige Urkunde im Ausland einsetzen will, obwohl die Adoption aufgehoben wurde, erscheint unwahrscheinlich. Die Folgen stellen sich jedenfalls als nicht so schwerwiegend dar, wie es bei dem Missbrauch beglaubigter Abschriften des Zeugnisses für den wahren Erben der Fall ist. Für eine ausländische Behörde bedeutet die Vorlage der Urkunde lediglich ein Indiz für die Abgabe der Einwilligungserklärungen. 4. Uneingeschränkte Wirkungserstreckung Grundsätzlich ist auch bei einer Europäischen Personenstandsurkunde eine uneingeschränkte Wirkungserstreckung zu empfehlen, die wegen des einheitlichen Verfahrens, der sekundärrechtlichen Tatbestandswirkung und der Kollisionsrechtsvereinheitlichung gerechtfertigt ist. So müsste ein Mitgliedstaat, dem eine ausländische Europäische Personenstandsurkunde vorgelegt wird, ohne weitere Voraussetzungen die Vermutungswirkung berücksichtigen. Auf die Statuierung eines verfahrensrechtlichen ordre public-Vorbehalts kann verzichtet werden, jedoch nicht auf einen kollisionsrechtlichen ordre public-Vorbehalt, der mit der Rechtsordnung des Ausstellungsstaates unvereinbare Ergebnisse bezüglich des Inhalts der Europäischen Personenstandsurkunde abschirmt. Ein solcher Fall kommt insbesondere in Betracht, wenn das berufene fremde Recht die Polygamie zulässt, diese in einer Europäischen Personenstandsurkunde in Form der Europäischen Heiratsurkunde festgehalten werden soll und der Ausstellungsstaat

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die Eingehung einer Vielehe als ordre public-widrig ansieht.238 Freilich handelt es sich hierbei um eine ganz klassische kollisionsrechtliche Problematik, die sich bei einer Kollisionsrechtsvereinheitlichung und auch ohne die Existenz einer Europäischen Personenstandsurkunde stellt. 5. Verhältnis der Europäischen Personenstandsurkunde zu nationalen Personenstandsurkunden Wie bereits die Europäische Kommission im Grünbuch empfiehlt239, sollte die Europäische Personenstandsurkunde die nationalen Personenstandsurkunden nicht verdrängen und mithin ein optionales Rechtsinstrument i.S.d. 29. Regimes darstellen. Erforderlich ist, dass der Sachverhalt eine grenzüberschreitende Dimension aufweist, z.B., dass der Antragsteller seine Abstammung in einem anderen Mitgliedstaat nachweisen muss. Das Prinzip der Koexistenz bei den Erbnachweisen sollte auf die Personenstandsurkunden übertragen werden. Erstens werden auf diese Weise die Rechte der Bürger erweitert und zweitens lässt das Prinzip die bestehende Rechtslage und Praxis unberührt. Ferner sollte die Europäische Personenstandsurkunde auch im Ausstellungsstaat verwendet werden können (ähnlich der Inlandswirkung des Zeugnisses gemäß Art.  62 Abs.  3 S.  2 EuErbVO).240 Die Europäische Personenstandsurkunde wäre im Ergebnis aufgrund ihrer einheitlichen Wirkungen und formalen Ausgestaltung den nationalen Personenstandsurkunden in aller Regel vorzuziehen. 6. Das Zusammenspiel von Europäischer Personenstandsurkunde und Europäischem Nachlasszeugnis Obwohl die Europäische Personenstandsurkunde und das Zeugnis ihren eigenen Anwendungsbereich haben würden (vgl. nur Art.  1 Abs.  2 lit.  a EuErbVO, der den Personenstand vom Anwendungsbereich der EuErbVO ausnimmt), bestehen aufgrund der Nähe ihrer Rechtsmaterien – Familienrecht und Erbrecht – durchaus potentielle Schnittstellen. Die Europäische Personenstandsurkunde könnte dazu verwendet werden, einen Antrag auf Ausstellung des Zeugnisses zu unterstützen, da die Urkunde perVgl. zur Vereinbarkeit der Eingehung einer polygamen Ehe mit dem deutschen ordre public MüKoBGB/v. Hein, Art.  6 EGBGB Rn.  273. 239  Grünbuch „Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger: Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern“, KOM (2010) 747, endg., S.  10. 240  Grünbuch „Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger: Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern“, KOM (2010) 747, endg., S.  10. 238 

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sonenstands- und familienrechtliche Verhältnisse dokumentiert, die beispielsweise für die Bestimmung der gesetzlichen Erbfolge herangezogen werden können. Art.  65 Abs.  3 lit.  a EuErbVO sieht vor, dass für den Antrag auf Ausstellung des Zeugnisses Angaben über das Todesdatum und den Todesort des Erblassers gemacht werden. Dies könnte eine Europäische Personenstandsurkunde in Form einer Europäischen Sterbeurkunde erbringen. Art.  65 Abs.  3 lit.  b EuErbVO verlangt weiterhin vom Antragsteller Angaben u.a. über sein Geburtsdatum und -ort und seinen Personenstand. Auch hier könnte eine Europäische Personenstandsurkunde in Form einer Europäischen Geburtsurkunde dem Antrag beigefügt werden. Schließlich sollen gemäß Art.  65 Abs.  3 lit.  d EuErbVO Angaben zum Ehegatten oder Partner des Erblassers gemacht werden. Stellt der Ehegatte des Erblassers den Antrag auf Ausstellung des Zeugnisses, könnte die Ehe mit einer Europäischen Personenstandsurkunde in Form einer Europäischen Heiratsurkunde nachgewiesen werden. Auch wenn die Europäische Personenstandsurkunde Familienverhältnisse abbilden würde, könnte sie allerdings niemals zu erbrechtlichen Legitimationszwecken vor Behörden gebraucht werden. Sie würde nämlich lediglich Vermutungswirkung für die in ihr aufgenommenen Tatsachen entfalten. Die Beantragung eines Zeugnisses bleibt für die internationale Nachlassabwicklung notwendig. Das Zusammenspiel von Europäischer Personenstandsurkunde und Zeugnis muss nicht zwingend verwirklicht werden. Nationale Personenstandsurkunden können weiterhin für die Beantragung des Zeugnisses verwendet werden.

E. Das Europäische Nachlasszeugnis im Verhältnis zum supranationalen Erbnachweis des Haager Übereinkommens vom 2. Oktober 1973 über die internationale Verwaltung von Nachlässen Die Idee zur Schaffung eines supranationalen Erbnachweises, um die internationale Nachlassabwicklung zu erleichtern, war als solche nicht neu. Das HNVÜ sieht einen internationalen Erbnachweis – das sog. Haager Nachlasszeugnis – für die Vertragsstaaten vor. Bekanntlich ist das Übereinkommen nur mit mäßigem Erfolg beschieden.241 Man kann sogar sagen, dass das HNVÜ gescheitert ist.242 Je weniger Staaten dem Übereinkommen beigetreten sind, desto kleiner ist die 241  Nur Portugal, die Slowakei und die Tschechische Republik haben das Übereinkommen unterzeichnet und ratifiziert. Das Übereinkommen ist in diesen Staaten am 01.7.1993 in Kraft getreten, vgl. Staudinger/Dörner, Vorb. zu Art.  25, 26 EGBGB Rn.  121. 242  Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  62 EuErbVO Rn.  6.

E. Das Europäische Nachlasszeugnis im Verhältnis zum supranationalen Erbnachweis 523

Fläche, auf der die internationale Nachlassabwicklung mittels des Haager Nachlasszeugnisses erleichtert wird.243 Immerhin hatte man beim Haager Nachlasszeugnis dem Wirkungsraum große Bedeutung zugemessen, denn die Gutglaubenswirkung sollte sich auf alle vertragsschließenden Staaten erstrecken, unabhängig vom konkreten Ort der Zahlung oder Übereignung im Rahmen des betreffenden Rechtsgeschäfts zwischen dem Inhaber des Haager Nachlasszeugnisses und dem Geschäftspartner.244 Ungeachtet des Umstands, dass aufgrund von Art.  75 Abs.  2 EuErbVO das Haager Nachlasszeugnis keinen tatsächlichen Anwendungsbereich hat bzw. das HNVÜ nicht mehr anwendbar ist, weil die derzeitigen Vertragsstaaten zugleich Mitgliedstaaten sind245 und daher die Regelungen zum Zeugnis das Haager Nachlasszeugnis verdrängen246, lohnt es sich, die beiden supranationalen Erbnachweise zu vergleichen. Denn so lassen sich weitere Strukturmerkmale für einen internationalen Erbnachweis über die Grenzen der EU hinaus feststellen und Defizite des Haager Nachlasszeugnisses erklären. Insbesondere in Bezug auf die Ausgestaltung des Haager Nachlasszeugnisses offenbaren sich im Vergleich zum Zeugnis erhebliche Differenzen, die den Erfolg des einen und den Misserfolg des anderen Erbnachweises begründen dürften.247 I. Synoptischer Vergleich der Wirkungskonzeption 1. Vereinheitlichung der Kollisionsnormen Die Funktionsfähigkeit des Zeugnisses war wesentlich davon abhängig, dass die Erbkollisionsnormen auf EU-Ebene vereinheitlicht wurden.248 Diese Grundvoraussetzung fehlte beim HNVÜ und bildete wohl den wesentlichen Grund für das Scheitern des Übereinkommens.249 Zwar ist die fehlende Kollisionsrechtsvereinheitlichung für das Haager Nachlasszeugnis unschädlich, da es seine Funktions243 

Das Zeugnis ist in 25 Mitgliedstaaten eingeführt worden; dies bietet eine erheblich größere Fläche internationaler Nachlassabwicklungen mittels des Zeugnisses im Vergleich zu den drei Vertragsstaaten, die sich des Haager Nachlasszeugnisses angenommen haben. 244  Lipstein, RabelsZ 39 (1975), 29 (49). 245  jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  62 EuErbVO Rn.  21; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (745). 246  So auch Rauscher/Hertel, EuZPR/EuIPR, Art.  62 EuErbVO Rn.  6. 247  Ausführliche Kritik zum Haager Nachlasszeugnis findet sich bei Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  180 ff. 248  Vgl. hierzu oben im 6. Kap., B., S.  461 ff. 249  DNotI-Studie, S.  306. Die Haager Konferenz war sich damals freilich sehr wohl bewusst, dass das Kollisionsrecht der einzelnen Staaten erheblich voneinander abwich, doch die Vereinheitlichung des Erbkollisionsrechts war nicht Ziel des Übereinkommens, vgl. Lipstein, RabelsZ 39 (1975), 29 (38 f.); siehe auch MüKoBGB/Dutta, Vorb. zu Art.  1 EuErbVO Rn.  4.

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

fähigkeit anderweitig, namentlich aus einer Kombination der Statuierung einer ausschließlichen Zuständigkeit für die Ausstellung des Haager Nachlasszeugnisses und materiellrechtlicher Verweisungsregeln unter gleichberechtigter Maßgeblickeit der Anknüpfungspunkte des letzten gewöhnlichen Aufenthalts und der Staatsangehörigkeit des Erblassers250, hernimmt. Doch wird generell die internationale Nachlassabwicklung ohne Kollisionsrechtsvereinheitlichung beeinträchtigt, da ein Erbnachweisinhaber nicht sicher sein kann, ob der Erbnachweis in einem anderen Staat akzeptiert wird, insbesondere wenn dieser dem Verweisungsprinzip folgt. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Erbkollisionsrechtsvereinheitlichung in einem Haager Übereinkommen, das grundsätzlich allen Mitgliedern der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht251 offen steht, praktisch schwierig umzusetzen ist, so z.B. im anglo-amerikanischen Rechtsraum, in dem grundsätzlich für die Verwaltung von Nachlässen das Recht des Staates maßgeblich ist, in dem der Nachlass sich befindet.252 2. Wirkungen Dass das Haager Nachlasszeugnis lediglich verfügungsberechtigte Personen und nicht Erben und ihre Erbquoten ausweist, wird als gravierender Nachteil empfunden.253 Zudem erstrecken sich die Wirkungen nur auf bewegliches Vermögen (Art.  1 HNVÜ).254 Der insoweit hochgehaltene Respekt vor der lex situs im Immobiliarerbrecht255 besteht bei der EuErbVO und dem Zeugnis wegen der Einheit des Erbstatuts nicht. Einen umfassenden Erbnachweis verkörpert das Haager Nachlasszeugnis demnach nicht, vor allem weil unbeweglichem Vermögen nicht selten eine große Bedeutung in einer internationalen Nachlassabwicklung zukommt.256 Beiden Erbnachweisen kommt Gutglaubenswirkung zu, deren Ausgestaltung ähnlich ist. Art.  22, 23 HNVÜ statuiert einen Schuldnerschutz bzw. einen Erwerberschutz und verwendet gleichartige Begriffe wie die EuErbVO („pays“, „pro250  Vgl. ausführlich Lipstein, RabelsZ 39 (1975), 29 (39 ff.) sowie Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  177 f. 251  Die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht hat derzeit 88 Mitglieder, vgl. (zuletzt abgerufen: 15.7.2021). 252  Vgl. oben im 5. Kap., C., IV., 3., b), S.  444 f. 253  DNotI-Studie, S.  307; Süß, ZEuP 2013, 725 (728); jurisPK-BGB/Kleinschmidt, Art.  62 EuErbVO Rn.  21; vgl. auch Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  530 f. 254  Staudinger/Dörner, Vorb. zu Art.  25, 26 EGBGB Rn.  122; DNotI-Studie, S.  307; Dallafior, Die Legitimation des Erben, S.  228; vgl. aber die Ausnahmeregelung in Art.  30 HNVÜ. 255  Staudinger/Dörner, Vorb. zu Art.  25, 26 EGBGB Rn.  125; Lipstein, RabelsZ 39 (1975), 29 (42). 256  Vgl. auch Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (744).

E. Das Europäische Nachlasszeugnis im Verhältnis zum supranationalen Erbnachweis 525

perty“). Während beim Gutglaubensschutz des Haager Nachlasszeugnisses nur positive Kenntnis des Leistenden bzw. Erwerbers schadet257, handhabt das Zeugnis dies bekanntlich strenger, als schon grob fahrlässige Unkenntnis den Gutglaubensschutz ausschließt. Darüber hinaus ist für den Eintritt des Gutglaubensschutzes des Haager Nachlasszeugnisses erforderlich, dass das betreffende Rechtsgeschäft innerhalb des Territoriums eines Vertragsstaates vorgenommen wird.258 Dasselbe gilt zwar grundsätzlich auch für das Zeugnis, bei dem die Gutglaubenswirkung sich sicher in den Mitgliedstaaten entfaltet (vgl. Art.  69 Abs.  1 EuErbVO). Doch wenn das Rechtsgeschäft in einem Drittstaat vorgenommen wird, hat nach hiesiger Auffassung ein mitgliedstaatliches Gericht die Gutglaubenswirkung des Zeugnisses zu berücksichtigen.259 Das Zeugnis ermöglicht demnach unabhängig von der Beteiligung der Mitgliedstaaten an dem interna­tio­ nalen Erbnachweis einen „weltweiten“ Gutglaubensschutz und fördert auf diese Weise die internationale Nachlassabwicklung erheblich. Hervorzuheben ist, dass das Haager Nachlasszeugnis keine Vermutungswirkung, wie sie Art.  69 Abs.  2 EuErbVO für das Zeugnis vorsieht, zeitigt. Das Haager Nachlasszeugnis ist somit ein Erbnachweis, der besonders den Schutz des Rechtsverkehrs im Blick hat und weniger Legitimationszwecken dient. 3. Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung Das HNVÜ sieht Maßnahmen der Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung vor, sofern sich ein Haager Nachlasszeugnis nachträglich als unrichtig herausstellt (Art.  24 ff. HNVÜ: „annulment“, „modification“, „suspension“). In diesem Punkt ähneln sich das Zeugnis und das Haager Nachlasszeugnis besonders stark, denn auch die EuErbVO kennt die Änderung und den Widerruf des Zeugnisses sowie die Aussetzung seiner Wirkungen. Bezüglich des Einflusses der Eingriffsmaßnahmen auf die Wirkungen des Haager Nachlasszeugnisses schafft das HNVÜ Rechtssicherheit. Das trifft nicht auf die EuErbVO zu, die sich hierzu im Ganzen ausschweigt, weshalb eine Auslegung zur Lösung der Problematik durchgeführt werden musste.260 Gemäß Art.  28 HNVÜ kann die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts, das ein Dritter in gutem Glauben mit dem Inhaber des Haager Nachlasszeugnisses geschlossen hat, nicht deshalb angefochten werden, weil das Haager Nachlasszeugnis widerrufen oder geändert wurde. Rechtsgeschäfte, die mithin nach Änderung des Haager Nachlasszeugnisses abgeschlos257  Lipstein, RabelsZ 39 (1975), 29 (48); vgl. für ein Beispiel für das Vorliegen von Bösgläubigkeit Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  175. 258  Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  175 m.w.N. 259  Vgl. oben im 5. Kap., C., III., S.  427 ff. 260  Vgl. oben im 3. Kap., D., III., 3., g), S.  302 ff. und 3. Kap., D., III., 4., e), S.  310 f.

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

sen werden, bleiben demnach wirksam.261 Dies ist beim Zeugnis bekanntlich umstritten.262 Ferner erklärt Art.  27 HNVÜ, dass der Widerruf und die Änderung des Haager Nachlasszeugnisses sowie die Aussetzung der Wirkungen die Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte, die vor der Entscheidung zu diesen Maßnahmen abgeschlossen wurden, unberührt lassen. Die Maßnahmen wirken demzufolge ex nunc. Die Änderung und der Widerruf eines Zeugnisses haben ebenfalls ex nunc-Wirkung.263 4. Anerkennungsverweigerungsgründe Weiterhin unterscheiden sich das Haager Nachlasszeugnis im Vergleich zum Zeugnis und das Zeugnis im Hinblick auf die Anerkennungsverweigerungsgründe, die teilweise aber nur einen sehr beschränkten Anwendungsbereich haben. Anerkennung i.S.d. HNVÜ bedeutet vor allem die Übertragung der Wirkungen des Haager Nachlasszeugnisses auf den Verwendungsstaat. Während Art.  69 Abs.  1 EuErbVO für das Zeugnis eine uneingeschränkte Wirkungserstreckung anordnet auch aus dem Grund, dass mit der Vereinheitlichung der Kollisionsnormen grundsätzlich Anerkennungsverweigerungsgründe nicht erforderlich sind, beschweren Art.  13–17 HNVÜ die Effektivität des Haager Nachlasszeugnisses; jedenfalls ist die Effektivität aufgrund dessen im Vergleich zum Zeugnis gemindert. Die Anerkennungsverweigerungsgründe ähneln dabei jenen, die üblicherweise in den EU-Verordnungen, die die Anerkennung von Entscheidungen regeln, zu finden sind. Sie sind angesichts ihrer Fülle und des Regelungszwecks des HNVÜ jedoch grundsätzlich restriktiv auszulegen.264 Art.  13 HNVÜ räumt die Möglichkeit der Anerkennungsverweigerung ein, wenn das Haager Nachlasszeugnis nicht nach den Bestimmungen des Übereinkommens errichtet wurde oder wenn sich dem Haager Nachlasszeugnis nicht entnehmen lässt, welche nach dem Übereinkommen international zuständige Behörde das Haager Nachlasszeugnis ausgestellt hat. In aller Regel ist davon auszugehen, dass die international zuständige Behörde das Haager Nachlasszeugnisses korrekt und vollständig ausstellt. Eine Anerkennungsverweigerung sollte nach Art.  13 HNVÜ selten vorkommen. Dagegen ist der Anwendungsbereich des Art.  14 HNVÜ größer. Danach kann die Anerkennung des Haager Nachlasszeugnisses verweigert werden, wenn aus Sicht des Verwendungsstaates der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in eben diesem Staat hatte oder der Erblasser die Staatsangehörigkeit dieses Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  178 f. Vgl. oben im 3. Kap., D., III., 3., g), S.  302 ff. 263  Vgl. oben im 3. Kap., D., III., 3., g), S.  302 ff. 264  So Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  174. 261  262 

E. Das Europäische Nachlasszeugnis im Verhältnis zum supranationalen Erbnachweis 527

Staates besaß und aufgrund dieses Umstands das Sachrecht265 des Verwendungsstaates gemäß Art.  3, 4 HNVÜ hätte angewendet werden müssen. Eine Anerkennung soll aber nicht möglich sein, wenn der Inhalt des Haager Nachlasszeugnisses dennoch dem Recht des Verwendungsstaates entspricht. Art.  3, 4 HNVÜ i.V.m. Art.  31 HNVÜ statuieren eine Durchbrechung des Grundprinzips, wonach die international zuständige Behörde ihr eigenes Recht zur Bestimmung des Inhalts des Haager Nachlasszeugnisses anwendet (Art.  3 HNVÜ e contrario). Wenn namentlich der Staat der international zuständigen Behörde, also der Staat, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser besaß und in dem das Haager Nachlasszeugnis verwendet werden soll, die Erklärung nach Art.  31 HNVÜ 266 abgegeben haben, wendet die Behörde fremdes Recht an. Darüber hinaus wird das Grundprinzip im Rahmen von Art.  3 Abs.  2 HNVÜ durchbrochen, sofern nur der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser besaß, jene Erklärung abgegeben hat und der Erblasser nicht länger als fünf Jahre vor seinem Tod in dem Staat lebte, dessen Behörde das Haager Nachlasszeugnis ausgestellt hat. Ein solches Gebilde wäre beim Zeugnis unnütz gewesen. Denn der Unionsgesetzgeber hat zugleich die Kollisionsnormen vereinheitlicht und damit eine verbindliche rechtspolitische Entscheidung getroffen, was beim HNVÜ bisher misslungen ist. Ein Zugeständnis an die Staatsangehörigkeit des Erblassers (lex patriae267) ist damit nicht erforderlich gewesen, da die Mitgliedstaaten einheitlich an das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers anknüpfen oder sich das anwendbare Recht aus einer Rechtswahl des Erblassers ergibt. Art.  15 HNVÜ beinhaltet den verbreiteten Verweigerungsgrund, dass das Haager Nachlasszeugnis mit einer Entscheidung, die im Verwendungsstaat erlassen oder anerkannt wurde, unvereinbar ist. Auffällig ist, dass das Vorliegen einer widersprechenden Entscheidung die Ausstellung des Haager Nachlasszeugnisses nicht hindert. Anders handhabt dies die EuErbVO, indem bereits die Ausstellung des Zeugnisses daran scheitert, dass eine Entscheidung mit demselben Sachverhalt ergangen ist, die mit dem Zeugnis nicht vereinbar ist (Art.  67 Abs.  1 lit.  b EuErbVO). Ein praktischer Unterschied ergibt sich nunmehr: Ist ein Haager Nachlasszeugnis existent, schützt die Gutglaubenswirkung jeden Dritten, der in gutem Glauben mit dem Zeugnisinhaber rechtsgeschäftlich agiert, auch wenn Ein Renvoi ist ausgeschlossen, vgl. Lipstein, RabelsZ 39 (1975), 29 (41). HNVÜ lautet: „For the purposes of, and subject to, the conditions set out in Article 3, a Contracting State may declare that if the deceased was a national of that State its internal law shall be applied in order to designate the holder of the certificate and to indicate his powers.“ 267  Vgl. zur Kompromisslösung hinsichtlich der lex patriae im HNVÜ Lipstein, RabelsZ 39 (1975), 29 (41). 265 

266  Art.  31

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

eine unvereinbare Entscheidung im Verwendungsstaat existiert. Dies kann beim Zeugnis nicht geschehen. Insofern dürfte die Regelungsmethode der EuErbVO vorzugswürdiger sein. Eine besondere Stellung nimmt der Anerkennungsverweigerungsgrund nach Art.  16 HNVÜ ein. Hiernach ist die Behörde, die bereits ein Haager Nachlasszeugnis anerkannt hat, verpflichtet zu entscheiden, ob sie bei Vorlage eines weiteren Haager Nachlasszeugnisses, das im Widerspruch mit dem ersteren steht, dessen Anerkennung (nachträglich) versagt und das zweite Haager Nachlasszeugnis anerkennt oder es bei der Anerkennung des ersteren belässt und die Anerkennung des zweiten Haager Nachlasszeugnisses verweigert. Die Behörde sollte anhand der Umstände ermitteln, welches Haager Nachlasszeugnis der materiellrechtlichen Lage entspricht. Mit einer Entscheidung zugunsten eines Haager Nachlasszeugnisses entfallen jedenfalls die Wirkungen des anderen. So pragmatisch diese Herangehensweise sein mag, so hat diese Methode beim Zeugnis nicht eingeschlagen – vielmehr lässt die EuErbVO die Behandlung divergierender Erbnachweise offen. Eine Adaption des Art.  16 HNVÜ hätte die Verkehrsfähigkeit der Erbnachweise erheblich eingeschränkt. Eine (partielle) gegenseitige Aufhebung der Wirkungen der Erbnachweise wirkt daher schonender und wird auch dem Subsidiaritätsgrundsatz am ehesten gerecht, da das Zeugnis als optionales Rechtsinstrument die Wirkungen der nationalen Erbnachweise grundsätzlich nicht mit der Folge der ausschließlichen Geltung der Zeugniswirkungen beseitigen kann. Art.  17 HNVÜ enthält eine ordre public-Klausel und stellt somit keine Besonderheit dar. Sie soll jedoch nur sehr eingeschränkt zur Anwendung gelangen.268 Zwar ist eine solche beim Zeugnis nicht vorhanden, doch kann der Inhalt des Zeugnisses durch den ordre public-Vorbehalt des Art.  35 EuErbVO beeinflusst werden.269 Schließlich sieht Art.  18 HNVÜ die allgemeine Regelung vor, dass die Anerkennungsverweigerung sich auf bestimmte Wirkungen des Haager Nachlasszeugnisses beschränken kann. Eine partielle Beeinträchtigung der Effektivität des Haager Nachlasszeugnisses ist demnach möglich. Die automatische und voraussetzungslose Wirkungserstreckung beim Zeugnis hingegen verhindert einen anteiligen Verlust der Wirkungen des Zeugnisses.

268  269 

Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  174. Siehe oben im 6. Kap., B., III., 4., S.  474.

E. Das Europäische Nachlasszeugnis im Verhältnis zum supranationalen Erbnachweis 529

5. Die Behandlung der Kollision zwischen Haager Nachlasszeugnis und Europäischem Nachlasszeugnis Eine Kollision zwischen Haager Nachlasszeugnis und Zeugnis ist theoretisch ausgeschlossen, da nach Art.  2 HNVÜ die Behörde des Staates für die Ausstellung des Haager Nachlasszeugnisses zuständig ist, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies trifft auch auf die Ausstellung des Zeugnisses (Art.  64 S.  1 i.V.m. Art.  4, 7, 10 und 11 EuErbVO) zu und erinnert an die parallele Problematik der Ausstellung von Zeugnis und mitgliedstaatlichen Erbnachweisen. Kollidieren dennoch ein Haager Nachlasszeugnis mit einem Zeugnis – was momentan rechtlich und tatsächlich nicht möglich ist, aber in Zukunft nicht ausgeschlossen erscheint, wenn ein Drittstaat dem HNVÜ beitritt und z.B. den letzten gewöhnlichen Aufenthalt anders bestimmt als eine mitgliedstaatliche Ausstellungsbehörde –, sollten die Grundsätze zur Divergenz von Zeugnis und drittstaatlichen Erbnachweisen angewendet werden, d.h. das Zeugnis sollte sich stets durchsetzen, wenn einem Mitgliedstaat diese Erbnachweise vorgelegt werden.270 Insoweit stellt das Haager Nachlasszeugnis aus Sicht eines Mitgliedstaates nichts anderes als einen drittstaatlichen Erbnachweis dar. Das Haager Nachlasszeugnis fällt nämlich nicht in den Anwendungsbereich der EuErbVO, sofern es aus ­einem Drittstaat stammt. II. Das Haager Nachlasszeugnis im Anerkennungs- und Annahmeregime der EuErbVO Die Anerkennung oder Annahme des Haager Nachlasszeugnisses nach Art.  39 ff. bzw. Art.  59 EuErbVO ist derzeit rechtlich nicht möglich, da die EuErbVO für die Vertragsstaaten, die ein Haager Nachlasszeugnis ausstellen können, vorrangig ist. Deshalb kann dahinstehen, ob das Haager Nachlasszeugnis als Entscheidung anzuerkennen oder als öffentliche Urkunde anzunehmen ist (vermutlich handelt es sich beim Haager Nachlasszeugnis um eine öffentliche Urkunde i.S.d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO). Tritt künftig ein Drittstaat dem HNVÜ bei, haben Art.  39 ff., 59 EuErbVO auch dann keinen Anwendungsbereich. Dies folgt daraus, dass das drittstaatliche Haager Nachlasszeugnis keine Entscheidung oder öffentliche Urkunde eines anderen Mitgliedstaates ist. Nach alledem sind die autonomen Regelungen der Mitgliedstaaten zur Beantwortung der Frage, welche Wirkungen das Haager Nachlasszeugnis im Mitgliedstaat hat, heranzuziehen. 270  Ähnlich zum Vorrang der Erbnachweise von Nichtvertragsstaaten gegenüber dem Haager Nachlasszeugnis Dallafior, Die Legitimation des Erben, S.  232.

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

III. Strukturmerkmale eines internationalen Erbnachweises Unabhängig davon, ob Staaten im Rahmen eines Staatenverbundes (z.B. EU) oder von Konventionen (z.B. Haager Konferenz für Internationales Privatrecht) oder in bilateralen Staatsverträgen miteinander die gegenseitige internationale Nachlassabwicklung im jeweiligen Staatsgebiet durch Errichtung eines internationalen Erbnachweises koordinieren wollen, werden an den internationalen Erbnachweisen „Zeugnis“ und „Haager Nachlasszeugnis“ gemeinsame fundamentale Strukturmerkmale erkennbar, die ein internationaler Erbnachweis als allgemeines Rechtsinstrument in der Regel aufweist. Da sich überall auf der Welt der Regelungszweck – Legitimation im Rechtsverkehr, Verkehrsschutz – gleicht, stellen sich immer dieselben Fragen. Als Vorbedingung, die freilich mit dem Entschluss zur Einführung eines internationalen Erbnachweises stets erfüllt ist, muss die Regulierung der gegenseitigen Anerkennung der nationalen Erbnachweise der Staaten (Anerkennungslösung) ausgeschlossen sein. Aufgrund der Tatsache, dass auch bei einer größeren Anzahl beteiligter Staaten vermutlich eine Diversität zwischen den nationalen Erbnachweisen besteht, ist eine Anerkennungslösung angesichts der damit bedingten gestuften, uneinheitlichen Anerkennungspraxis grundsätzlich abzulehnen. Die tatsächliche Ausgestaltung des internationalen Erbnachweises hängt im Ausgangspunkt vom Konsens der Staaten ab und birgt einen weiten Wertungsspielraum. Schon im Hinblick auf das Kollisionsrecht, das für einen effektiven internationalen Erbnachweis vereinheitlicht werden sollte, muss ein Kompromiss gefunden werden: Wenn die Staaten jeweils Nachlasseinheit und Nachlassspaltung, unterschiedliche Anknüpfungen etwa an das Heimatrecht oder den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers oder für die Nachlassabwicklung ein eigenes Statut vorsehen271, wird eine gemeinsame Lösung im kollisionsrechtlichen Bereich – wenn überhaupt – nur mühsam gefunden werden können. Unterbleibt eine Verständigung, reduziert sich in der Regel der praktische Nutzen des internationalen Erbnachweises, wie dies anhand des restriktiven Wirkungsgehalts des Haager Nachlasszeugnisses erkennbar wird, das ohne Kollisionsrechtsvereinheitlichung auskommt. Einen weiteren Bereich für einen großen Wertungsspielraum bilden die dem internationalen Erbnachweis beigegebenen Wirkungen, die entweder sehr weitgehend, wie dies beim Zeugnis mit der Vermutungs-, Gutglaubens- und Legitimationswirkung gemäß Art.  69 Abs.  2–5 EuErbVO, die sich auf das gesamte Nachlassvermögen bezieht, der Fall ist, oder überaus begrenzt sein können wie beim Haager Nachlasszeugnis, das nur bewegliches Vermögen erfasst und keine Vermutungswirkung entfaltet. Ein internationaler Erbnachweis sollte um der Effektivität willen mindestens die Zeugniswirkungen entfalten können, wobei vor allem für die 271 

Vgl. Lipstein, RabelsZ 39 (1975), 29 (39).

E. Das Europäische Nachlasszeugnis im Verhältnis zum supranationalen Erbnachweis 531

konkrete Ausgestaltung des Gutglaubensschutzes (z.B. hinsichtlich der Aspekte geschützte Rechtshandlungen, abstrakter oder konkreter Gutglaubensschutz, Anforderungen an die Redlichkeit des Dritten) Gestaltungsspielräume bestehen. Weiterhin dürfte eine uneingeschränkte Wirkungserstreckung nach Vorbild des Art.  69 Abs.  1 EuErbVO die beste Option darstellen, die Durchsetzungsmacht des internationalen Erbnachweises sicherzustellen, sofern das Vertrauen zwischen den Staaten durch ein einheitliches Ausstellungsverfahren mit verfahrensrechtlichen Mindestgarantien gerechtfertigt wird. Etwaige Anerkennungsverweigerungsgründe, wie sie das HNVÜ in doch erheblicher Anzahl kennt, wären dann obsolet und Rechtssicherheit wäre geschaffen. Ein System der Wirkungsentziehung und Wirkungsaussetzung ist bei jedem internationalen Erbnachweis unverzichtbar. Die Gestaltung dieses Systems muss an der Unrichtigkeit des internationalen Erbnachweises ansetzen, deren Feststellung in einem dazu vorgesehenen Verfahren zuverlässig ermöglicht wird. Die Rechtsfolgen entsprechender Maßnahmen sollten zur Schaffung von Rechtssicherheit normiert werden. Im Hinblick auf das Ausstellungsverfahren kann das Zeugnisverfahren vollumfänglich als Vorbild dienen. Es zeichnet sich vor allem aufgrund der umfassenden Prüfungs-, Anhörungs- und Mitteilungspflichten nach Art.  66 EuErbVO durch Stringenz aus und gewährleistet auf diese Weise eine zuverlässige Ermittlung der Erbfolge. Es sollte nicht verkannt werden, dass solide verfahrensrechtliche Regelungen im Allgemeinen die Legitimität eines jeden internationalen Erbnachweises stärken. IV. Ergebnis Das Zeugnis überragt das Haager Nachlasszeugnis vor allem in puncto Effektivität. Die Schwächen des Haager Nachlasszeugnisses sind beim Zeugnis nicht wiederzufinden; insoweit hat das Zeugnis deutlich Abstand vom Haager Nachlasszeugnis genommen und eine eigene Wirkungskonzeption entwickelt, die an die Bedürfnisse der europäischen internationalen Nachlassabwicklung angepasst ist. Dazu zählt zuvörderst der im europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts wichtige Anker der Kollisionsrechtsvereinheitlichung. Gleichwohl hat das Zeugnis selbst eigene Schwächen, die insbesondere mit der Kollisionsrechtsvereinheitlichung einhergehen. Das HNVÜ weist einige Elemente auf, die die EuErbVO durchaus hätte adaptieren können. So überzeugt vor allem die Klarheit, mit der das HNVÜ naheliegenden rechtlichen Problemen begegnet, die für jede Art von Erbnachweisen, seien diese nationaler, internationaler oder europäi­scher Natur charakteristisch sind. Als Beispiel sei hier der Umgang mit divergierenden Haager Nachlasszeugnissen zu nennen.

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

Die Zukunft des HNVÜ ist im europäischen Kontext wegen Art.  75 Abs.  2 EuErbVO düster. Die Mitgliedstaaten haben mit dem Inkrafttreten der EuErbVO die Kompetenz verloren, völkerrechtliche Verträge in den von der EuErbVO geregelten Bereichen abzuschließen; die Kompetenz steht hierzu gemäß Art.  3 Abs.  2, 216 Abs.  1 AEUV nur noch der EU zu.272 Dass Drittstaaten perspektivisch dem Übereinkommen beitreten werden, erscheint in Anbetracht des Umstands, dass seit 1993 kein Staat das Übereinkommen unterzeichnet und ratifiziert hat, unwahrscheinlich.273 De lege ferenda – sofern an der gewiss sinnvollen Grundidee des Übereinkommens festgehalten wird – sollte versucht werden, auf eine Kollisionsrechtsvereinheitlichung im Rahmen des HNVÜ hinzuarbeiten. Damit einhergehen könnte eine erweiterte Wirkungsausgestaltung, um die internationale Nachlassabwicklung umfassend für das bewegliche und unbewegliche Nachlassvermögen zu erleichtern. Das würde Staaten dazu animieren, dem Übereinkommen beizutreten. Weiterhin könnten insbesondere die materiellrechtlichen Verweisungsregeln und die Anerkennungsverweigerungsgründe angepasst werden. Womöglich kann das Zeugnis nach längerer Zeit einen positiven Eindruck über die Grenzen der EU hinaus dergestalt hinterlassen, dass es eine künftige Reform des HNVÜ antreibt und diese durch die Wirkungskonzeption des Zeugnisses beeinflusst wird. Immerhin wird anhand des synoptischen Vergleichs von Zeugnis und Haager Nachlasszeugnis deutlich, dass das Institut „Internationaler Erbnachweis“ einen klar abgesteckten Bereich hat, in dem wiederholt gleiche oder ähnliche Problematiken auftauchen. Hier lässt sich in Vorsehung rechtspolitischen Tatendrangs möglicherweise der ideale internationale Erbnachweis jedenfalls für solche Staaten schaffen, die noch keinen internationalen Erbnachweis kennen.

F. Fazit Die in diesem Kapitel vorgenommene Abstraktion vom konkreten erbrechtlichen Regelungszweck des Zeugnisses offenbart zum einen gesetzgeberische Tendenzen im Hinblick auf das allgemeine Ziel der Erleichterung des grenzüberschreitenden Verkehrs und zum anderen dogmatische Aspekte innerhalb der allgemeinen Lehren des EuIPR und EuZPR. Im System des EuZPR verwirklicht das Zeugnis einmal mehr das Bestreben der EU, den grenzüberschreitenden Verkehr in der Ziviljustiz zu erleichtern. Der BeckOGK/J. Schmidt, Art.  75 EuErbVO Rn.  15; Dutta/Weber/Bauer, Art.  75 EuErbVO Rn.  4. 273  So auch Lübcke, Das neue europäische Internationale Nachlassverfahrensrecht, S.  180. 272 

F. Fazit

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Unionsgesetzgeber hat bei der Ausgestaltung des Zeugnisses auf bewährte verfahrensrechtliche Strukturen zurückgegriffen, auch weil ein Zurückbleiben einen Rückschritt bedeutet hätte. Dies betrifft insbesondere den Bereich der Anerkennung und Vollstreckung. Auch wenn jede Rechtsmaterie ihre eigenen Anforderungen aufstellt, sollten dort dogmatische Brüche vermieden werden, wo trotz unterschiedlicher Rechtsmaterie die einheitliche Behandlung durch das Verfahrensrecht angezeigt ist. Den Anfang kann zunächst die praktische Handhabung des Instruments durch Formblätter bilden; das Ende kann bei der Statuierung von Anerkennungs- bzw. Vollstreckungsverweigerungsgründen zu sehen sein. Auf internationalprivatrechtlicher Ebene setzen das Verweisungsprinzip bzw. die kollisionsrechtliche Lösung weiterhin den Siegeszug im Bereich der EuIPR-­ Dogmatik fort. Dies ist zu begrüßen. Die Alternative – das Anerkennungsprinzip – würde zwar insbesondere durch den Verzicht auf eine kollisionsrechtliche Prüfung die Praxis entlasten, brächte insgesamt allerdings nicht unerhebliche Gefahren mit sich, die eine Abkehr vom Verweisungsprinzip nicht zu rechtfertigen vermögen. Mehr noch ist die Kollisionsrechtsvereinheitlichung eine wesentliche Vorbedingung dafür, dass das Anerkennungsprinzip überhaupt in Gänze funktionieren kann. Dass selbst die kollisionsrechtliche Lösung die Behandlung von Sachverhalten mit grenzüberschreitendem Bezug nicht vollständig regulieren kann, zeigt sich anhand des Einflusses des Kollisionsrechts auf das Zeugnis und seine Effektivität. Hier verbleibt eine unbefriedigende Antwort: Der europäische Entscheidungseinklang kann de lege lata nicht vollständig hergestellt werden. Freilich sind die Anwendungsfälle gering und gerade die Gutglaubenswirkung des Zeugnisses setzt sich regelmäßig wegen der Gutgläubigkeit des Dritten in Bezug auf das anwendbare Erbstatut durch. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass für genau diese Fälle eine Lösung geschaffen werden muss, um den vollständigen gleichberechtigten Zugang zum Zeugnis bzw. zur erfolgreichen Entfaltung seiner Wirkungen in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Der Prozess zur Lösung dieses Konflikts droht langwieriger zu werden, da vor allem sowohl die weitergehende Kollisionsrechtsvereinheitlichung in den erbrechtsnahen Rechtsgebieten, namentlich im internationalen Familienrecht, als auch die Modifikation oder Auflösung von Staatsverträgen ein umfangreiches und konsensuales Zusammenwirken der Mitgliedstaaten untereinander sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten erfordern. Wo auf der einen Seite ein kollisionsrechtliches Defizit sichtbar wird, eröffnet sich auf der anderen Seite gleichwohl ein Blickwinkel, aus dem das Zeugnis durchaus als ausgeklügeltes Instrument auf dem Gebiet des EuIPR und EuZPR gelten kann. In seiner Vereinigung von vereinheitlichtem Sachrecht, Kollisionsrecht sowie von (international-)verfahrensrechtlichen Aspekten wohnt dem Zeugnis ein Konzept inne, das die Ziele des Raumes der Freiheit, der Sicherheit

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Sechstes Kapitel: Das Europäische Nachlasszeugnis im internationalen Gefüge

und des Rechts zu erreichen vermag. Wenngleich die kollisionsrechtlichen Pro­ blemfelder vom jeweiligen Rechtsgebiet abhängig sind, manifestieren sich am Zeugnis Grundstrukturen, auf denen neue Konzepte aufgebaut werden können. Das gilt vor allem für das europäische Zeugnisverfahren. Ein Anwendungsbereich zur Übertragung der Vorzüge des Zeugnisses wurde bereits früh im Hinblick auf die Einführung einer Europäischen Personenstandsurkunde erkannt und in diesem Kapitel weiter ausgebaut. Es bleibt zu hoffen, dass sich der Unions­gesetzgeber dessen bewusst ist und eine Fortentwicklung des Rechts unter den Vorzeichen des Zeugnisses anstrebt. Für Drittstaaten, die ein rechtspolitisches Interesse an einem supranationalen Erbnachweis haben, könnte die Einführung des Zeugnisses zum Anlass genommen werden, die Defizite des Haager Nachlasszeugnisses stärker in den Blick zu nehmen und entsprechende Reformbemühungen in der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht einzuleiten. Die Notwendigkeit des Nachweises des Erbrechts und sonstiger Berechtigungen für grenzüberschreitende Erbfälle wird es stets geben, so dass ein supranationaler Erbnachweis für diejenigen Mitglieder der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, die nicht Teil der EU sind, durchaus seine Existenzberechtigung hat. Für das allgemeine Institut „Interna­tio­ naler Erbnachweis“ kann schließlich eine Orientierung an den Strukturmerkmalen vom Zeugnis und Haager Nachlasszeugnis empfohlen werden.

Siebtes Kapitel

Schlussbetrachtung Das Europäische Nachlasszeugnis ist ein europäisches Rechtsinstrument, das seit dem 17.8.2015 in den Mitgliedstaaten außer dem Vereinigten Königreich, Irland und Dänemark für Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter mit dem Zweck zur Verfügung steht, die Abwicklung einer grenzüberschreitenden Erbsache zu erleichtern. Die vorliegende Untersuchung hat sich zum Ziel gesetzt, das Zeugnis von Grund auf sowohl im Hinblick auf den engeren sachlichen Anwendungsbereich (Wirkungskonzeption und Ausstellungsverfahren) als auch im Hinblick auf den überschießenden Anwendungsbereich (Verhältnis zu nationalen Erbnachweisen, allgemeine Dogmatik des IPR und IZVR, Drittstaatenproblematik) zu analysieren und gleichzeitig mit rechtsvergleichenden Ausführungen zum deutschen und österreichischen Recht eine Bewertung der praktischen Bedeutung des Zeugnisses für die internationale Nachlassabwicklung aus Sicht Deutschlands und Österreichs im Lichte des „Wettbewerbs der Erbnachweise“ vorzunehmen. Nachfolgend sollen zunächst die wesentlichen Erkenntnisse zusammengefasst und eine praktische Handreichung im Lichte jenes Wettbewerbs gegeben werden (A.). Anschließend folgt ein Ausblick, dem ein rechtspolitischer Fokus zugrunde liegt (B.).

A. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse I. Vielfältigkeit der Erbnachweise in der Europäischen Union Der Eintritt des Zeugnisses in die europäische Landschaft der Erbnachweise hat es erforderlich gemacht, für eine erste Einordnung des Zeugnisses sich zunächst einzelnen mitgliedstaatlichen Erbnachweisen zu widmen. Die Vielfältigkeit der Erbrechtssysteme in der EU bedingt die Vielfältigkeit der Erbnachweise. Aufgezeigt werden konnte, dass die mitgliedstaatlichen Erbnachweise sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in wirkungsrechtlicher Hinsicht teils erheblich von­

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Siebtes Kapitel: Schlussbetrachtung

einander abweichen.1 Als Gründe können in erster Linie unterschiedliche rechtspolitische und rechtstechnische Erwägungen der Mitgliedstaaten genannt werden. Die inländische Nachlassabwicklung mit nationalen Erbnachweisen verändert sich durch die Einführung des Zeugnisses jedenfalls nicht. Das Zeugnis selbst schöpft, obgleich es ein eigenständiges europäisches Rechtsinstrument ist, hinsichtlich der Wirkungen und des Verfahrens grundsätzlich aus einer Gesamtbetrachtung der nationalen Erbnachweise. Das trifft nachgerade auf die ihm beigegebenen materiellrechtlichen Wirkungen zu, deren Regelungszweck es nicht erfordert, zwischen rein inländischen und internationalen Sachverhalten zu differenzieren. Dort indessen, wo Fragen der effektiven grenzüberschreitenden Durchsetzung des Zeugnisses eine Rolle spielen, bedurfte es genuin europäischer Regelungen wie insbesondere des Art.  69 Abs.  1 EuErbVO. Wenngleich somit die Vielfältigkeit der mitgliedstaatlichen Erbnachweise durch die Einführung des Zeugnisses unberührt bleibt, darf nicht verkannt werden, dass die ­EuErbVO den rechtlichen Rahmen dahingehend absteckt, inwieweit die mitgliedstaatlichen Erbnachweise im europäischen Rechtsraum verkehrsfähig sind. Mithin hat sich nicht die materielle Vielfältigkeit der Erbnachweise verändert, sondern die Vielfältigkeit der Behandlung der Erbnachweise durch andere Mitgliedstaaten hat sich in eine für alle Mitgliedstaaten bindende Einheitlichkeit umgewandelt.2 II. Das allgemeine Verhältnis zwischen Europäischem Nachlasszeugnis und nationalen Erbnachweisen Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO drückt das allgemeine Verhältnis zwischen Zeugnis und nationalen Erbnachweisen derart aus, dass das Zeugnis nicht an die Stelle innerstaatlicher Schriftstücke tritt, die in den Mitgliedstaaten zu ähnlichen Zwecken verwendet werden. Wesentliche Konsequenz des in dieser Vorschrift verwurzelten Prinzips der Koexistenz ist, dass die erbnachweisrechtlichen Möglichkeiten unter vollständiger Beibehaltung der Verwendbarkeit nationaler Erbnachweise in der Nachlassabwicklung erweitert werden.3 Diese Anordnung ergibt sich zwingend aus dem europarechtlichen Subsidiaritätsgrundsatz gemäß Art.  5 Abs.  3 EUV. Zeugnis und nationale Erbnachweise koexistieren im Idealfall sowohl verfahrensrechtlich als auch wirkungsrechtlich miteinander. So entstehen bei der Ausstellung beider Erbnachweise Synergieeffekte, indem die Ausstellung 1  Zum Ausstellungsverfahren und zu den Wirkungen ausgewählter mitgliedstaatlicher Erbnachweise vgl. oben im 2. Kap., A., II., S.  17 ff. 2  Vgl. hierzu oben im 5. Kap., B., S.  399 ff. 3  Zu den allgemeinen Ausflüssen des Prinzips der Koexistenz vgl. oben im 2. Kap., D., II., S.  35 ff.

A. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse

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des einen Erbnachweises durch die vorangegangene Ausstellung des anderen Erbnachweises und den damit verbundenen Ermittlungen im Erbfall erleichtert wird. Ferner können die Wirkungen der Erbnachweise kumulativ genutzt werden.4 Lediglich im pathologischen Fall divergierender Erbnachweise ist eine partielle gegenseitige Einschränkung auf wirkungsrechtlicher Ebene hinzunehmen.5 Für die Durchsetzungsmacht des Zeugnisses und die Reichweite der Möglichkeiten, sich im inländischen und ausländischen Rechtsverkehr mit Erbnachweisen zu legitimieren, hat sich gezeigt, dass das Verhältnis zwischen Zeugnis und nationalen Erbnachweisen Grundsteine legt.6 III. Die materiellrechtlichen Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses Der rechtsvergleichende Teil dieser Arbeit hat sich schwerpunktmäßig auf die Wirkungskonzeption der Erbnachweise und im Besonderen auf die materiellrechtlichen Wirkungen der Erbnachweise fokussiert. Das Zeugnis entfaltet mit der Vermutungs-, Gutglaubens- und Legitimationswirkung (Art.  69 Abs.  2–5 ­EuErbVO) Wirkungen, die für die Erleichterung der (internationalen) Nachlassabwicklung elementar sind. Der Wirkungsgehalt des Zeugnisses übertrifft den anderer nationaler Erbnachweise in weiten Teilen. Der deutsch-österreichische Rechtsvergleich hat zudem veranschaulicht, dass die Unterschiede zwischen den untersuchten Rechtsordnungen in der Wirkungsausgestaltung fein sind. Der dogmatische Unterbau der Wirkungen des Zeugnisses stellt die Grundlage für eine effektive Durchsetzung des Zeugnisses dar. Die Ausgestaltung der Wirkungen als vereinheitlichtes Sachrecht und die damit verbundene kollisionsrechtliche Festigkeit der Wirkungen garantieren, dass die Wirkungen ohne Hemmnisse in jedem Mitgliedstaat zu berücksichtigen sind. Auf sachrechtlicher Ebene fügen sich die Wirkungen in das nationale Sachrecht ein, was sich insbesondere bei der Erfüllung des Erwerbstatbestandes bei Hinzuziehung des erb­ rechtlichen Gutglaubensschutzes zeigt. Die Wirkungen des Zeugnisses sind abschließend geregelt und können vom mitgliedstaatlichen Gesetzgeber nicht eigenständig erweitert werden. Die Anordnung der Inlandswirkung nach Art.  62 Abs.  3 S.  2 EuErbVO schließlich ergänzt das Zeugnis um eine weitere vorteilhafte und praktische Komponente, die das Zeugnis tatsächlich zum tauglichen Erbnachweis für jeden an die EuErbVO gebundenen Mitgliedstaat stilisiert.7 Wenn das Zeugnis als Nachweis der Rechtsstellung als Erbe, Vindikationslegatar, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter dienen soll, ist die Ausstat4 

Vgl. ausführlich oben im 3. Kap., C., V., 1., S.  262 ff. Vgl. ausführlich oben im 3. Kap., C., II., 1., S.  243 ff. 6  Vgl. oben im 5. Kap., A. S.  395 ff. und 5. Kap., B., S.  399 ff. 7  Zur Dogmatik der Wirkungen des Zeugnisses vgl. oben im 3. Kap., A., S.  43 ff. 5 

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Siebtes Kapitel: Schlussbetrachtung

tung des Zeugnisses mit einer Vermutungswirkung (Art.  69 Abs.  2 EuErbVO) unverzichtbar. Der Rechtsverkehr kann unter Geltung dieser Wirkung darauf vertrauen, dass die im Zeugnis bescheinigte Rechtsstellung tatsächlich besteht. Im Rechtsverkehr kommt es insbesondere auf die Rechtsvermutung an. Zugleich statuiert das Zeugnis eine Tatsachenvermutung für die zur Rechtsstellung führenden Tatsachen, die jedoch nur einen geringen Anwendungsbereich hat.8 Entsprechend seiner Funktion als Erbnachweis sind die Grenzen der Vermutung klar abgesteckt: Lediglich die unmittelbar mit dem Erbrecht zusammenhängenden Aspekte (Erbenstellung, Erbquoten, Verfügungsbeschränkungen usw.) werden vermutet; Ausflüsse nichterbrechtlicher Art, die im Inhalt des Zeugnisses Einschlag finden, wie der Personenstand oder Familienverhältnisse, werden von der Vermutungswirkung nicht erfasst. Soweit indessen die erbrechtliche Rechtsstellung partiell durch die Anwendung nichterbrechtlicher Kollisionsnormen bestimmt wird, greift die Vermutungswirkung vollends ein.9 Die Vermutung kann widerlegt werden.10 Im streitigen Zivilprozess mit Dritten erzeugt die Vermutungswirkung eine Beweislastumkehr.11 Im Falle eines Erbprätendentenstreits ist die Vermutungswirkung nicht zu berücksichtigen und es gelten die allgemeinen Beweisverteilungsregeln der lex fori.12 Der Rechtsvergleich mit Deutschland und Österreich hat gezeigt, dass das Zeugnis die intensivste Vermutungswirkung entfaltet, doch im Übrigen weitgehend ähnlich zur derjenigen beim Erbschein und Einantwortungsbeschluss ausgestaltet ist.13 Den Schutz des Rechtsverkehrs im Auge hat die Ausstattung des Zeugnisses mit Gutglaubensschutz (Art.  69 Abs.  3, Abs.  4 EuErbVO). Die Erleichterung der internationalen Nachlassabwicklung fordert allerdings nicht weniger als im Rahmen einer rein nationalen Nachlassabwicklung, rechtsgeschäftliches Handeln mit einem durch das Zeugnis legitimierten Erben oder sonstigen Verfügungsbefugten oder Leistungsempfänger zu schützen, soweit der Inhalt des Zeugnisses mit der wahren Rechtslage nicht übereinstimmt. Der europäische Gutglaubensschutz lässt sich im Hinblick auf die geschützten Rechtshandlungen in einen Schuldner- und Erwerberschutz aufteilen. Der im Erwerberschutz zentrale Verfügungsbegriff ist weit auszulegen und aus diesem Grund sind sämtliche Rechtsgeschäfte, die ein Recht unmittelbar übertragen, ändern, belasten oder aufheben, von der Gutglaubenswirkung erfasst. Ähnlich verhält es sich mit den Begriffen 8 

Vgl. oben im 3. Kap., B., I., 3., b), bb), S.  76 ff. Vgl. oben im 3. Kap., B., I., 3., c), S.  81 f. 10  Vgl. oben im 3. Kap., B., I., 3., d), S.  83. 11  Vgl. oben im 3. Kap., B., I., 3., e), aa), S.  84. 12  Vgl. oben im 3. Kap., B., I., 3., e), bb), S.  84 ff. 13  Vgl. zur rechtsvergleichenden Würdigung der Vermutungswirkung oben im 3. Kap., B., I., 4., S.  85 ff. 9 

A. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse

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„Leistung von Zahlungen“ und „Übergabe von Vermögenswerten“, die zwar nach ihrem Wortlaut einen engen Anwendungsbereich indizieren, doch im Lichte einer effektiven Erleichterung der internationalen Nachlassabwicklung ebenfalls extensiv auszulegen sind.14 Der Umfang des Gutglaubensschutzes steht in Dependenz zum Erbstatut, das insbesondere die berechtigte Person bestimmt. Die subjektiven Voraussetzungen des Gutglaubensschutzes sind hoch bemessen. Zunächst entfaltet das Zeugnis konkreten Gutglaubensschutz und zwar in dergestalt abgeschwächter Form, dass nicht die Vorlage der beglaubigten Abschrift des Zeugnisses beim Abschluss des Rechtsgeschäfts erforderlich ist, sondern die Kenntniserlangung des Inhalts der beglaubigten Abschrift durch den Dritten genügt.15 Wenn diese Kenntnis beim Dritten vorliegen muss, um den Gutglaubensschutz zu entfalten, liegt zwingend die Kenntnis des Nachlasscharakters des Rechtsgeschäfts stets vor, so dass der Streit um das Erfordernis dieses Tatbestandsmerkmals dahinstehen kann; ungeachtet dessen müsste man beim Dritten jedoch das Bewusstsein des Nachlasscharakters des Rechtsgeschäfts fordern.16 Der Gutglaubensschutz ist ferner ausgeschlossen, wenn der Dritte wusste oder infolge grober Fahrlässigkeit wissen musste, dass das Zeugnis inhaltlich unrichtig ist. Die Anforderungen an ein grob fahrlässiges Verhalten seitens des Dritten sind tendenziell hoch, um den Gutglaubensschutz nicht auszuhöhlen.17 Der Dritte muss im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtsgeschäfts redlich sein. Eine Vorverlagerung des maßgeblichen Zeitpunkts durch analoge Anwendung nationaler Vorschriften ist nicht möglich.18 Sind die Voraussetzungen des Gutglaubensschutzes erfüllt, wird der Dritte so gestellt, als hätte er vom wahren Berechtigten erworben. Hierbei wird ausschließlich der Mangel des Erbrechts überwunden; die übrigen Erwerbsvoraussetzungen richten sich nach dem Geschäftsstatut.19 Die Rechtsfolgen treten mit absoluter Wirkung ein. Ein Verzicht auf den neuen Rechtszustand seitens des Zeugnisinhabers oder Dritten ist ausgeschlossen. So wie nationale Gutglaubenstatbestände unterschiedlicher Schutzrichtungen (gutgläubiger Fahrniserwerb; gutgläubiger Erwerb vom Scheinerben) in der Art und Weise zusammenwirken können, dass sie einen gutgläubigen Erwerb perfektio14  Zur Auslegung der Begriffe „Verfügung“, „Leistung von Zahlungen“ und „Übergabe von Vermögenswerten“ vgl. oben im 3. Kap., B., II., 3., c), bb), S.  122 ff. und 3. Kap., B., II., 3., c), cc), S.  128 ff. 15  Vgl. oben im 3. Kap., B., II., 3., e), aa), S.  140 ff. 16  Vgl. oben im 3. Kap., B., II., 3., e), bb), S.  146. 17  Zur Unzulässigkeit einer Nachforschungspflicht vgl. oben im 3. Kap., B., II., 3., e), cc), (3), S.  148 ff. 18  Ausführlich zum Zeitpunkt der Redlichkeit des Dritten oben im 3. Kap., B., II., 3., e), cc), S.  152 ff. 19  Vgl. oben im 3. Kap., B., II., 3., f), S.  155 f.

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Siebtes Kapitel: Schlussbetrachtung

nieren20, so lässt sich auch der europäische erbrechtliche Gutglaubensschutz mit anderen nichterbrechtlichen nationalen Gutglaubenstatbeständen kombinieren.21 Irreversible Rechtsverluste des wahren Erben durch die Entfaltung von Gutglaubensschutz werden dadurch kompensiert, dass diesem nach dem jeweiligen Ausgleichsstatut, das in aller Regel nach der Rom II-VO bestimmt wird, Ausgleichsansprüche gegen den Scheinerben zustehen. Die Wiederherstellung der Eigentumszuordnung an den wahren Erben kann bei Vorliegen einer unentgeltlichen Verfügung und einer entsprechenden Anspruchsgrundlage nach dem Ausgleichsstatut in Betracht kommen.22 Der deutsch-österreichische Rechtsvergleich hat offenbart, dass der europäische Gutglaubensschutz im Vergleich zur Gutglaubenswirkung des Erbscheins und des Einantwortungsbeschlusses insgesamt enger ausgestaltet ist. Dies betrifft weniger die geschützten Rechtshandlungen, sondern vielmehr die subjektiven Anforderungen an den Dritten, die mit dem konkreten Gutglaubensschutz und die Schädlichkeit von positiver Kenntnis und grob fahrlässiger Unkenntnis den Eintritt von Gutglaubensschutz Grenzen setzen. Obwohl wegen des größeren Wirkungsbereichs des Zeugnisses die erfolgreiche Entfaltung von Gutglaubensschutz statistisch vermutlich häufiger auf­ treten wird als etwa beim Erbschein – wobei freilich die Belegenheit von Nachlassvermögen in Deutschland und im europäischen Ausland eine bedeutende Rolle hierbei spielt –, ist bei einer isolierten Betrachtung der Inlandswirkung des Zeugnisses in Bezug auf Deutschland und der Verwendung des Erbscheins in Deutschland vom Gegenteiligen auszugehen, sofern beide Erbnachweise verwendet werden.23 Die Legitimationswirkung als spezielle Ausprägung der Vermutungswirkung verschafft nach dem Wortlaut des Art.  69 Abs.  5 EuErbVO den Nachweis der erbrechtlichen Berechtigung vor staatlichen Registern. Sie hat einen klar abgesteckten Anwendungsbereich: Nachgewiesen werden kann mit dem Zeugnis nur die erbrechtliche Rechtsstellung. Andere Nachweise, die das Registerrecht für die Eintragung des jeweiligen Rechts vorsieht, sind daneben einzureichen.24 Die Legitimationswirkung bzw. das dem Zeugnis zugrundeliegende Erbstatut erfassen darüber hinaus nicht die Art der dinglichen Rechte, so dass ein in einem 20  Vgl. für das deutsche Recht oben im 3. Kap., B., II., 1., f), S.  101 ff. und für das österreichische Recht oben im 3. Kap., B., II., 2., f), S.  114 ff. 21  Vgl. oben im 3. Kap., B., II., 3., g), S.  156 ff. 22  Zur internationalprivatrechtlichen Einordnung der Ausgleichsansprüche vgl. oben im 3. Kap., B., II., 3., h), aa), S.  158 ff.; zu den Ausgleichsansprüchen nach deutschem und österreichischem Recht vgl. oben im 3. Kap., B., II., 1., g), S.  105 ff. und 3. Kap., B., II., 2., g), S.  115 ff. 23  Vgl. zur rechtsvergleichenden Würdigung der Gutglaubenswirkung oben im 3. Kap., B., II., 4., S.  166 ff. 24  Vgl. oben im 3. Kap., B., III., 3., d), S.  196 ff.

A. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse

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Zeugnis dokumentiertes dingliches Recht ggf. erst nach einer Anpassung gemäß Art.  31 EuErbVO in einen anderen Mitgliedstaat eingelassen wird.25 Die Legitimation mit einem Zeugnis ist grundsätzlich unangreifbar: Weist das Zeugnis eine Person als Erben aus, kann der Erbe vorbehaltlich der Erfüllung sonstiger Eintragungsvoraussetzungen z.B. die Umschreibung des Grundbuchs auf seinen Namen vom Grundbuchamt begehren. Eine Prüfung des Inhalts des Zeugnisses ist lediglich dann angezeigt, wenn nachvollziehbare Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit bestehen. Auch ist dem Grundbuchamt ein Vorlagerecht zugunsten des nationalen Erbnachweises zu versagen.26 Gleichartiges gilt für die Legitimation vor dem Handelsregister.27 Im Privatrechtsverkehr entfaltet das Zeugnis gleichfalls Legitimationswirkung. Die Gleichstellung des Zeugnisses mit dem nationalen Erbnachweis, wie dies beispielsweise in §  35 Abs.  1 S.  1 GBO normiert ist, führt sich trotz fehlender gesetzlicher Fixierung auch im Privatrechtsverkehr (etwa in Bankangelegenheiten) fort. Insbesondere sind die Ablehnung des Zeugnisses ohne berechtigten Grund (etwa mit der mangelnden Kenntnis von den Wirkungen des Zeugnisses oder generell mit seiner „Neuartigkeit“ im Rechtsverkehr) und stattdessen das Verlangen nach einem nationalen Erbnachweises unzulässig.28 Die rechtsvergleichende Betrachtung hat die Erkenntnis erbracht, dass die Legitimationskraft des Zeugnisses sowohl im staatlichen als auch im Privatrechtsverkehr auf der gleichen Ebene wie diejenige des Erbscheins und Einantwortungsbeschlusses steht. An der Legitimationswirkung zeigt sich demzufolge die weitestgehende Übereinstimmung innerhalb der Wirkungen der Erbnachweise.29 IV. Das Zusammenspiel der Erbnachweise im wirkungsrechtlichen Kontext In konsequenter Fortführung des Prinzips der Koexistenz eröffnet sich für die Nachlassbeteiligten aus wirkungsrechtlicher Perspektive eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich mit dem Zeugnis und einem nationalen Erbnachweis auszustatten, um möglichst effektiv die Nachlassabwicklung zu betreiben. Die Grundbedingung ist zunächst, dass ein Mitgliedstaat sowohl für die Ausstellung des Zeugnisses als auch des nationalen Erbnachweises international zuständig ist. Dies wurde nach einer Auslegung der relevanten Vorschriften in der EuErbVO zumindest für gerichtliche Erbnachweise bejaht und letztlich vom EuGH in sei25 

Vgl. oben im 3. Kap., B., III., 3., e), S.  198 f. Vgl. zur eingeschränkten Prüfungspflicht des Grundbuchamts oben im 3. Kap., B., III., 3., f), aa), (1), (b), S.  201 ff 27  Vgl. oben im 3. Kap., B., III., 3., f), bb), S.  206 ff. 28  Vgl. oben im 3. Kap., B., III., 3., f), cc), (1), S.  208 ff. 29  Vgl. zur rechtsvergleichenden Würdigung der Legitimationswirkung oben im 3. Kap., B., III., 4., S.  213 ff. 26 

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Siebtes Kapitel: Schlussbetrachtung

ner Oberle-Entscheidung konkret für den deutschen Erbschein bestätigt.30 Obgleich mit diesem Gleichlauf der Ausstellung inhaltlich divergierender Erbnachweise deutlich entgegengewirkt wird, kann deren Existenz niemals sicher ausgeschlossen werden, z.B. wenn verschiedene Mitgliedstaaten ihre internationale Zuständigkeit für die Ausstellung des nationalen Erbnachweises annehmen. In diesem Falle ist von Bedeutung, welche Wirkungen die Erbnachweise noch entfalten können. Dabei unterliegt die Behandlung des Problems drei Prämissen: Erstens bildet der Wirkungsgehalt des Zeugnisses insoweit einen Maßstab, als der zu betrachtende, daneben existierende nationale Erbnachweis gleichermaßen Vermutungs-, Gutglaubens- und Legitimationswirkung entfalten muss. Zweitens ist zwischen den einzelnen Wirkungen zu differenzieren. Schließlich muss berücksichtigt werden, ob die jeweilige Wirkung im Ausstellungsstaat oder in einem anderen Mitgliedstaat im konkreten Fall zur Geltung kommt. Im Falle einer Divergenz31 zwischen Zeugnis und nationalem Erbnachweis entfallen die Vermutungs- und Legitimationswirkung des Zeugnisses im Umfang des Widerspruchs wegen Perplexität; das gleiche gilt für einen nationalen Erbnachweis, wenn das Recht des Mitgliedstaates dies vorsieht.32 Unberührt bleibt indessen die Gutglaubenswirkung des Zeugnisses, weil der konkrete Gutglaubensschutz ein Vertrauen für den Rechtsverkehr schafft, das nicht durch einen divergierenden Erbnachweis bereits objektiv beeinträchtigt werden kann. Nur auf der Ebene der Redlichkeit kann eine etwaige Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis vom divergierenden Erbnachweis schaden.33 Ob die Gutglaubenswirkung des nationalen Erbnachweises entfällt, entscheidet erneut das jeweilige mitgliedstaatliche Recht. Widersprechen sich zwei Zeugnisse, entfallen wiederum wegen Perplexität Vermutungs- und Legitimationswirkung im Umfang des Widerspruchs.34 Der Gutglaubensschutz der Zeugnisse bleibt indessen in konsequenter Fortführung des konkreten Gutglaubensschutzes aufrechterhalten.35 Divergieren lediglich mitgliedstaatliche Erbnachweise ohne Beteiligung eines Zeugnisses, verändert sich die Behandlung der Problematik dahingehend in praktischer und dogmatischer Weise, als wegen der bei der grenzüberschreitenden Verkehrsfähigkeit von mitgliedstaatlichen Erbnachweisen fehlenden unein30 

Zu dieser wichtigen verfahrensrechtlichen Leitfrage und der Entscheidung des EuGH vgl. oben im 3. Kap., C., I., 1., a), S.  216 ff. 31  Vgl. zu den unterschiedlichen Typisierungen von Divergenzen oben im 3. Kap., C., I., 1., c), S.  237 ff. 32  Vgl. oben im 3. Kap., C., II., 1., b), S.  245 f. und 3. Kap., C., II., 1., d), S.  251. 33  Vgl. zum Ganzen oben im 3. Kap., C., II., 1., c), S.  246 ff. 34  Vgl. oben im 3. Kap., C., II., 2., a), S.  253 und 3. Kap., C., II., 2., c), S.  251 f. 35  Vgl. oben im 3. Kap., C., II., 2., b), S.  252 f.

A. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse

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geschränkten Wirkungserstreckung nach Art.  69 Abs.  1 EuErbVO strikt zwischen der jeweiligen Wirkungsentfaltung im Ausstellungsstaat selbst und in anderen Mitgliedstaaten differenziert werden muss. Divergierende mitgliedstaatliche Erbnachweise haben kaum Wirkungsrelevanz: Bei Verwendung der Erbnachweise in einem anderen Staat als in den Ausstellungsstaaten können nur die verfahrensrechtlichen Wirkungen etwaiger gerichtlicher Erbnachweise (also etwa die Gestaltungswirkung des Einantwortungsbeschlusses) und die formelle Beweiskraft bei den meisten anderen Erbnachweisen (z.B. acte de notoriété, verklaring van erfrecht, atto di notorietà) transportiert werden. Hier reduziert sich bereits die Wirkungsentfaltung der Erbnachweise auf ein Minimum und ein Widerspruch ist auch nicht gegeben. Immer wenn es indessen auf die Wirkungsentfaltung eines mitgliedstaatlichen Erbnachweises im Ausstellungsstaat selbst ankommt, entfalten sich seine Wirkungen dort ganz regulär, da ein divergierender Erbnachweis durch die beschränkte Verkehrsfähigkeit keine wirkungsrelevante Divergenz auslösen kann.36 Wenn schließlich drittstaatliche Erbnachweise mit einem Zeugnis oder einem mitgliedstaatlichen Erbnachweis aufeinandertreffen, wird der Regelungsbereich der EuErbVO im Hinblick auf die Behandlung der Wirkungen der drittstaatlichen Erbnachweise verlassen. Das jeweilige autonome mitgliedstaatliche Recht entscheidet dann, wie mit divergierenden drittstaatlichen Erbnachweisen umzugehen ist. Aus Gründen der größeren Sachnähe sollte dem Zeugnis und den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen in der Regel der Vorzug eingeräumt werden.37 Da bei echter Divergenz und wirkungsrelevantem Einfluss die Nachlassabwicklung erheblich beeinträchtigt wird, ist dieser Zustand perspektivisch aufzuheben. Aufgefordert hierzu sind die Ausstellungsbehörden, sobald sie selbst oder ggf. durch Dritte Kenntnis erhält von den divergierenden Erbnachweisen bzw. konkreter von jenem Erbnachweis, der zu dem Erbnachweis, das die Ausstellungsbehörde ausgestellt hat, divergiert. Beispielsweise kann im europäischen Recht ein Widerruf oder eine Änderung des Zeugnisses (Art.  71 Abs.  2 EuErbVO) erfolgen, während für die mitgliedstaatlichen Erbnachweise die entsprechenden nationalen Regelungsmechanismen zum Zuge kommen.38 Das Zusammenspiel von Erbnachweisen kann auch „positive“ Effekte dergestalt auslösen, dass die Nachlassbeteiligten mehrere Erbnachweise kumulativ nutzen, wenn diese nicht inhaltlich divergieren, sondern konvergieren und auf diese Weise eine gegenseitige Einschränkung der Wirkungen der Erbnachweise von Anfang an ausgeschlossen ist. Auf europäisch-nationaler Ebene sichert das 36 

Vgl. zum Ganzen oben im 3. Kap., C., II., 3., S.  253 ff. Vgl. oben im 3. Kap., C., II., 4., S.  255 f. und 3. Kap., C., II., 5., S.  256 f. 38  Vgl. zu den Reaktionsmöglichkeiten der Ausstellungsbehörden und sonstigen verfahrensrechtlichen Besonderheiten oben im 3. Kap., C., III., S.  257 ff. 37 

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Siebtes Kapitel: Schlussbetrachtung

Prinzip der Koexistenz das parallele Nebeneinander von Zeugnis und mitgliedstaatlichen Erbnachweisen. Soweit die Voraussetzungen für die Beantragung des Zeugnisses und des mitgliedstaatlichen Erbnachweises erfüllt sind, kann der Nachlassbeteiligte zwischen den Erbnachweisen wählen. Entscheidet er sich für die Beantragung beider Erbnachweise, gebühren ihm auch die Wirkungen beider Erbnachweise, wobei sich in aller Regel die stärkere Wirkung durchsetzt.39 Zu beachten ist, dass die kumulative Verwendung von Erbnachweisen in den Fällen ihre Grenze findet, in denen der mitgliedstaatliche Erbnachweis grenzüberschreitend eingesetzt wird. Mangels einer uneingeschränkten Wirkungserstreckung, wie sie in Art.  69 Abs.  1 EuErbVO für das Zeugnis statuiert ist, unterliegt der mitgliedstaatliche Erbnachweis dem Zeugnis im grenzüberschreitenden Verkehr deutlich, es sei denn, der mitgliedstaatliche Erbnachweis genießt im Hinblick auf seine Legitimationswirkung faktische Anerkennung. Jedenfalls kann es bei der inländischen Nachlassabwicklung u.U. günstiger sein, auf einen nationalen Erbnachweis zurückzugreifen, um beispielsweise den stärkeren Gutglaubensschutz in Anspruch zu nehmen. V. Widerruf und Änderung des Europäischen Nachlasszeugnisses sowie Aussetzung der Wirkungen Das europäische Recht begegnet inhaltlich unrichtigen Zeugnissen zielgerichtet mit den Instrumenten des Widerrufs und der Änderung (Art.  71 Abs.  2 EuErbVO) und der Aussetzung der Wirkungen des Zeugnisses (Art.  73 EuErbVO). Doch begrenzt die Gültigkeitsfrist von 6 Monaten (Art.  70 Abs.  3 S.  1 EuErbVO) auf den beglaubigten Abschriften des Zeugnisses von vornherein die Wirkungsentfaltung, so dass nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes die Gefahr der Täuschung des Rechtsverkehrs, die durch inhaltlich unrichtige Zeugnisse ausgelöst wird, sich von selbst auflöst. Dies folgt daraus, dass sämtliche Wirkungen mit Fristablauf endgültig entfallen.40 Für die Nachlassbeteiligten besteht immerhin die Möglichkeit, eine neue beglaubigte Abschrift mit neuer Gültigkeitsfrist zu beantragen oder auf Antrag von Anfang an eine beglaubigte Abschrift mit längerer Gültigkeitsfrist als 6 Monate zu erhalten (Art.  70 Abs.  3 EuErbVO). Stellt sich das Zeugnis nachträglich als unrichtig heraus, hat die Ausstellungsbehörde das Zeugnis zu widerrufen oder zu ändern. Dabei berechtigen nicht nur materiellrechtliche, sondern im Grundsatz auch verfahrensrechtliche Fehler zum Widerruf oder zur Änderung.41 Die Beurteilung, ob eine Unrichtigkeit vorliegt, erfolgt aus der Perspektive der Ausstellungsbehörde. Inhaber von beglaubigten 39 

Vgl. oben im 3. Kap., C., V., 1., S.  262 ff. Vgl. oben im 3. Kap., D., III., 2., b), S.  290 ff. 41  Vgl. zu dieser Auslegungsfrage oben im 3. Kap., D., III., 3., c), bb), S.  295 ff. 40 

A. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse

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Abschriften werden gemäß Art.  71 Abs.  3 EuErbVO über den Widerruf oder die Änderung unterrichtet, um eine weitere Verwendung der beglaubigten Abschriften zu unterbinden. Mit dem Widerruf oder der Änderung des Zeugnisses entfallen ex nunc die Vermutungs- und Legitimationswirkung der alten gültigen beglaubigten Abschriften. Die Gutglaubenswirkung bleibt aufrechterhalten, bis die beglaubigte Abschrift mit Fristablauf ungültig wird.42 Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, müssen dieselben wirkungsrechtlichen Konsequenzen bei der Aussetzung der Wirkungen des Zeugnisses eintreten.43 De lege ferenda ließe sich überlegen, den Schutz des wahren Erben noch ein Stück weit zu intensivieren. Da die Entfaltung des Gutglaubensschutzes weder durch Widerruf und Änderung des Zeugnisses noch durch Aussetzung der Wirkungen des Zeugnisses beeinträchtigt wird, besteht bis zum Ablauf der Gültigkeitsfrist der alten beglaubigten Abschrift die Gefahr, dass trotz festgestellter Unrichtigkeit Dritte gutgläubig erwerben, wenn der Inhaber der beglaubigten Abschrift entgegen des von ihm erwarteten Verhaltens die alte beglaubigte Abschrift weiterhin verwendet. Abhilfe könnte die Einführung eines Einziehungsverfahrens schaffen, wobei dieses sich weder aus den Vorschriften der EuErbVO noch aus denjenigen des nationalen Rechts herleiten lässt. Vielmehr ist eine gesetzgeberische Aktivität auf europäischer Ebene erforderlich. Das Einziehungsverfahren sollte als Annex zum Änderungs- und Widerrufsverfahren ausgestaltet werden. Eine entsprechende Vollstreckungsregelung sollte außerdem eingeführt werden. Nicht notwendig sind die Einführung eines Kraftloserklärungsverfahrens und eines materiellrechtlichen Herausgabeanspruchs.44 Das deutsche und österreichische Wirkungsentziehungssystem unterscheidet sich erkennbar von der europäischen Lösung. Dies folgt daraus, dass ihre Erbnachweise – wenngleich in der Wirkungsweise ähnlich – in ein unterschiedliches Erbrechtssystem eingebettet sind. Die Verfahren sind wegen der unterschiedlichen Zugriffsobjekte grundsätzlich isoliert voneinander zu betrachten. Der Widerruf des Zeugnisses etwa hat zunächst keine Auswirkung auf den Bestand eines daneben existierenden Erbscheins. Indem grundsätzlich ein Gleichlauf im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit der Ausstellungsbehörden und das anwendbare Recht für das Zeugnis und den Erbschein besteht, deckt sich der Inhalt des Erbscheins mit demjenigen des Zeugnisses, sodass der Erbschein wegen derselben Unrichtigkeit von dem identischen Nachlassgericht einzuziehen ist. Insofern wird das Prinzip der Koexistenz auch im Bereich der nachträglich aufgedeckten Fehlerhaftigkeit der Erbnachweise verfahrensrechtlich so flankiert, 42 

Vgl. oben im 3. Kap., D., III., 3., g), S.  302 ff. Vgl. oben im 3. Kap., D., III., 4., e), S.  310 f. 44  Vgl. zur Revision der EuErbVO durch die Einführung eines Einziehungsverfahrens ausführlich oben im 3. Kap., D., III., 5., S.  312 ff. 43 

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Siebtes Kapitel: Schlussbetrachtung

dass widerspruchsfreie Erbnachweise auf national-europäischer Ebene zirkulieren. Schließlich wird die Prozessökonomie begünstigt, da der Zustand der parallelen Existenz inhaltlich richtiger Erbnachweise durch die akzessorische Verknüpfung zwischen den grundsätzlich getrennt zu betrachtenden Wirkungsentziehungsverfahren gewährleistet wird. VI. Ausgewählte Rechtsprobleme des Europäischen Nachlasszeugnisverfahrens Nach Art.  64 S.  1 EuErbVO wird das Zeugnis in dem Mitgliedstaat ausgestellt, dessen Gerichte nach Art.  4, 7, 10 oder 11 EuErbVO zuständig sind. Damit ist grundsätzlich nach der allgemeinen Zuständigkeitsnorm des Art.  4 EuErbVO der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Interessant wird die Zuständigkeitsfrage vor allem im Zusammenspiel mit der Zuständigkeit für die Ausstellung nationaler Erbnachweise. Insoweit, als ein Mitgliedstaat sowohl für die Ausstellung des Zeugnisses als auch des nationalen Erbnachweises zuständig ist (wie etwa für Deutschland), wird durch das Verfahrensrecht die Möglichkeit der Erlangung beider Erbnachweise geschaffen. Gemäß Art.  65 Abs.  1, 63 Abs.  1 EuErbVO wird das Zeugnis auf Antrag eines Erben, eines Vermächtnisnehmers mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, eines Testamentsvollstreckers oder eines Nachlassverwalters ausgestellt. Ob der Antragsteller die erforderliche Rechtsstellung besitzt, richtet sich nach dem Erbstatut. Die Begriffe der EuErbVO sind verordnungsautonom auszulegen, weshalb genaustens zu prüfen ist, ob das jeweilige Erbstatut einen Begriff nicht nur terminologisch, sondern auch inhaltlich so verwendet und ausfüllt, dass er sich mit dem europäischen Begriffsverständnis deckt. So sind zunächst sämtliche (originäre) Erben, sei es Alleinerben, Miterben, Vor- und Nacherben oder Ersatzerben, antragsberechtigt.45 Folgt das Erbstatut dem hereditas iacens-Prinzip, ist zugunsten einer zügigen Nachlassabwicklung dem Erben schon ab dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Antragsberechtigung zuzuweisen.46 Rechtsnachfolger von Erben, namentlich Erbeserben, Erben des Nacherben und Erbschaftserwerbers, sind antragsberechtigt, der Erbschaftskäufer hingegen nicht. Bezüglich der Rechtsstellung als Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter ergeben sich keine Besonderheiten: Mit Vermächtnisnehmern mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass sind die in einigen Mitgliedstaaten bekannten Vindikationslegatare in Abgrenzung zu den schuldrechtlich berechtigten Damnationslegataren gemeint. Als antragsberechtigter Testamentsvollstrecker ist jede Person nach dem einschlägigen Erbstatut anzusehen, die vom Erblasser in einer 45  46 

Vgl. oben im 4. Kap., B., III., 2., a), S.  342 ff. Vgl. oben im 4. Kap., B., III., 2., a), S.  342 ff.

A. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse

547

Verfügung von Todes wegen mit der Aufgabe betraut wurde, den Nachlass zu verwalten. Im Gegensatz dazu ist unter einem Nachlassverwalter eine Person zu verstehen, die kraft Gesetzes oder durch gerichtliche Anordnung Verwaltungsbefugnisse in Bezug auf den Nachlass zugewiesen bekommt, also ohne Berücksichtigung des Willens des Erblassers.47 Über den konkreten Wortlaut der Art.  65 Abs.  1, 63 Abs.  1 EuErbVO hinaus wird im Schrifttum die Antragsberechtigung von Nachlassgläubigern diskutiert. Angesichts des eindeutigen Wortlauts ist Nachlassgläubigern die Antragsberechtigung zu versagen.48 Pflichtteilsberechtigte sind antragsberechtigt, sofern sie nach dem Erbstatut als Noterben dinglich am Nachlass berechtigt sind.49 Aus deutsch-österreichischer rechtsvergleichender Perspektive besteht ein weitgehender Gleichlauf im Hinblick auf die Antragsberechtigung für den Erbschein bzw. Einantwortungsbeschluss, wobei bei letzterem wegen des obligatorischen Verlassenschaftsverfahrens von einer Antragsberechtigung genau genommen nicht gesprochen werden kann. Der Gleichlauf verwirklicht einmal mehr das Prinzip der Koexistenz, weil erbrechtlich berechtigte Personen sowohl das Zeugnis als auch den nationalen Erbnachweis beantragen können, um durch die kumulative Nutzung der Wirkungen der Erbnachweise möglichst effektiv die Nachlassabwicklung betreiben zu können. Wenn das nationale Recht gleichwohl weiteren Personen die Antragsberechtigung für den nationalen Erbnachweis zuweist und in dieser Hinsicht ein Gefälle zur Antragsberechtigung für das Zeugnis besteht, ist dies hinzunehmen. Aus dem praktischen Blickwinkel mag für jene Personen die inländische Nachlassabwicklung durch den Zugang zum nationalen Erbnachweis regelmäßig unkompliziert vonstattengehen; jedenfalls für die internationale Nachlassabwicklung muss konstatiert werden, dass jene Personen ihre Rechte aufgrund der begrenzten Verkehrsfähigkeit der nationalen Erbnachweise kaum effektiv durchsetzen können. Das Zeugnis zeichnet sich durch eine potentiell große inhaltliche Breite aus. Da das Zeugnis für viele verschiedene Zwecke von unterschiedlichen Personen verwendet werden kann, ist seine inhaltliche Ausgestaltung von dem konkreten Bedürfnis des Antragstellers abhängig. Die äußerst großzügig ausgestalteten Formblätter zur Beantragung des Zeugnisses ermöglichen im Wesentlichen durch Ankreuzen einschlägiger Tatsachen und Umstände ein am Ende perfekt zugeschnittenes Zeugnis für den Antragsteller. Die Grenzen des Inhalts des Zeugnisses bilden solche Angaben, die nicht in den Anwendungsbereich der ­EuErbVO fallen. Indem deshalb die Erforderlichkeitsmaxime den Inhalt des Zeugnisses bestimmt, ist eine Kategorisierung des Zeugnisses in verschiedene 47 

Vgl. oben im 4. Kap., B., III., 2., d), S.  346 ff. Vgl. oben im 4. Kap., B., III., 2., e), S.  348. 49  Vgl. oben im 4. Kap., B., III., 2., f), S.  348 f. 48 

548

Siebtes Kapitel: Schlussbetrachtung

Arten entbehrlich, um vor allem eine einheitliche europäische Handhabung zu sichern. Der deutsch-österreichische Rechtsvergleich bestätigt die auffällige inhaltliche Breite des Zeugnisses im Vergleich zum Erbschein und Einantwortungsbeschluss, die jeweils mit überschaubarem Inhalt versehen sind. Deckungsgleichheit besteht immerhin im Hinblick auf die wesentlichen Angaben wie die persönlichen Angaben der Nachlassbeteiligten, die Erbquoten oder die Verfügungsbeschränkungen, so dass sich aus den inhaltlichen Abweichungen keine praktischen Konsequenzen ergeben.50 Das Zeugnisverfahren ist als nichtstreitiges Verfahren ausgestaltet51 und steht daher in gewisser Hinsicht in einem akzessorischen Verhältnis zu streitigen Verfahren um das Erbrecht. Wird in einem Erbschaftsstreit vor dem Prozessgericht das Erbrecht zwischen den Parteien rechtskräftig festgestellt, ist die Ausstellungsbehörde an die Entscheidung gebunden, soweit es im Ausstellungsverfahren um denselben Erbfall geht und die gleichen Nachlassbeteiligten involviert sind.52 Das europäische Verfahren integriert sich somit gänzlich in die nationalen Verfahrensregeln. In Deutschland stehen nunmehr mit der Erbenfeststellungsklage, dem Erbscheinsverfahren und dem Zeugnisverfahren drei (kumulativ nutzbare) Optionen zur Verfügung, um das Erbrecht in mehr oder weniger ausgeprägter verbindlicher Intensität dokumentieren zu lassen. Je nach konkreter Situation bietet es sich an, durch die Erhebung einer Erbenfeststellungsklage den Ausgang des Zeugnisverfahrens zu präjudizieren. Die Erlangung nur eines Erbenfeststellungsurteils hat indessen wenig praktischen Nutzen in der internationalen Nachlassabwicklung, insbesondere weil dieses keine Gutglaubenswirkung entfaltet. Lediglich die verfahrensrechtlichen Wirkungen können über Art.  39 ff. EuErbVO in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt werden. Die parallele Beantragung eines Zeugnisses erweist sich daher im Regelfall als unverzichtbar.53 VII. Grenzüberschreitende Verkehrsfähigkeit von Europäischem Nachlasszeugnis und mitgliedstaatlichen Erbnachweisen Obgleich der Wirkungsgehalt des Zeugnisses primär den Maßstab für seinen praktischen Nutzen in der internationalen Nachlassabwicklung bildet, darf aufgrund der grenzüberschreitenden Bezüge nicht verkannt werden, dass das Zeugnis mit entsprechenden internationalzivilverfahrensrechtlichen Regelungsmechanismen ausgestattet werden musste, damit seine Wirkungen im grenzüberschreitenden Verkehr durchsetzungsfähig sind. Deshalb bestimmt Art.  69 Abs.  1 50 

Vgl. zum Ganzen oben im 4. Kap., C., IV., S.  370 ff. Vgl. oben im 4. Kap., D., II., 1., S.  384 f. 52  Vgl. oben im 4. Kap., D., II., 2., S.  385 ff. 53  Vgl. oben im 4. Kap., D., III., S.  389 ff. 51 

A. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse

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EuErbVO – gleichsam als einleitende allgemeine Regelung im Rahmen der Wirkungsnorm des Art.  69 EuErbVO –, dass das Zeugnis seine Wirkungen in allen Mitgliedstaaten entfaltet, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. Demzufolge ist ein förmliches Anerkennungsverfahren entbehrlich; die Wirkungen treten unmittelbar ein und lösen die mit ihnen verbundenen Rechtsfolgen aus, sofern sämtliche Wirkungsvoraussetzungen erfüllt sind.54 Auch findet eine ordre public-Kontrolle nicht statt.55 Der Verzicht auf diese Kontrollmechanismen erhöht die Durchsetzungsmacht des Zeugnisses immens und stärkt die Rechtsposition der Erben, Vindikationslegatare, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter. Wenn das Zeugnis diesen Personen als Mittel an die Hand gegeben werden soll, um eine grenzüberschreitende Erbsache zügig, unkompliziert und effizient abzuwickeln, entspricht die Befreiung jedweder Durchsetzungshemmnisse konsequent diesem Ziel. Die Rechtfertigung für diese bewusst schrankenlose Ausgestaltung liegt in der durch die in Art.  64 ff. EuErbVO festgelegten grundsätzlichen Verfahrensregeln für das Ausstellungsverfahren, die eine so zuverlässige Richtigkeitsgewähr des Inhalts des Zeugnisses ermöglichen, dass eine Kontrolle im Zuge des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten unterbleiben kann. Das immer wieder zum Vorschein kommende Prinzip der Koexistenz übt im Bereich der grenzüberschreitenden Verkehrsfähigkeit wesentlichen Einfluss aus. So bedingt die Möglichkeit der parallelen Beantragung von Zeugnis und nationalem Erbnachweis, dass beide Erbnachweise auch grenzüberschreitend verwendet werden können. Die Einführung des Zeugnisses schließt die Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise nicht aus, hat demnach keine Sperrwirkung.56 Die Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise kann sich hierbei nach Art.  39 ff. EuErbVO (sehr eingeschränkt auf wenige gerichtliche Erbnachweise) sowie nach Art.  59 EuErbVO (anwendbar auf fast alle mitgliedstaatlichen Erbnachweise) richten; daneben bleibt weiterhin die faktische Anerkennung denkbar. Handelt es sich bei dem mitgliedstaatlichen Erbnachweis um einen gerichtlichen Erbnachweis, werden gemäß Art.  39 ff. EuErbVO die verfahrensrechtlichen Wirkungen des Erbnachweises (z.B. Gestaltungswirkungen ­eines konstitutiven gerichtlichen Akts wie der Einantwortung; jedoch keine Anerkennung eines Erbscheins nach Art.  39 ff. EuErbVO, da der Erbschein nach außen nicht verbindlich regelt) transportiert.57 Darunter sind nachgerade nicht die materiellrechtlichen Wirkungen (Vermutungs-, Gutglaubens- und Legitimationswirkung) zu fassen. Sofern der mitgliedstaatliche Erbnachweis ein in öf54 

Vgl. oben im 5. Kap., A., I., 1., S.  395 f. Vgl. oben im 5. Kap., A., I., 2., S.  396 ff. 56  Vgl. ausführlich oben im 5. Kap., B., I., S.  400 ff. 57  Vgl. oben im 5. Kap., B., III., S.  408 ff. 55 

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Siebtes Kapitel: Schlussbetrachtung

fentlicher Urkunde errichteter Erbnachweis ist, wird die formelle Beweiskraft des Erbnachweises (z.B. Erbringung des Beweises, dass der im Erbnachweis bezeichnete Erbe zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort die bezeugten Erklärungen vor einem Notar abgegeben hat) nach Art.  59 Abs.  1 ­EuErbVO angenommen.58 Im Rahmen einer rein faktischen Anerkennung kann z.B. eine Bank einen ausländischen mitgliedstaatlichen Erbnachweis als Legitimationsnachweis für die Rechtsstellung als Erben akzeptieren und daraufhin etwa das Guthaben des Erblassers an den Erben auszahlen, wobei ihnen gewiss kein Gutglaubensschutz zugutekommt. Sollte sich daher nachträglich herausstellen, dass der Erbnachweisinhaber nicht Erbe ist, muss die Bank erneut an den wahren Erben leisten. Vergleicht man nun die grenzüberschreitende Verkehrsfähigkeit vom Zeugnis und den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen, lässt sich ein klares Ergebnis feststellen: Für die internationale Nachlassabwicklung ist das Zeugnis wegen der uneingeschränkten Wirkungserstreckung der effektivste und somit vorzugswürdigere Erbnachweis. Die mitgliedstaatlichen Erbnachweise haben nur einen sehr begrenzten Nutzen, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat verwendet werden. Aus normativer Perspektive entpuppt sich die unionsgesetzgeberische Empfehlung, für die internationale Nachlassabwicklung zum Zeugnis zu greifen, auch wenn der Unionsgesetzgeber die anderen Instrumente nicht von Anfang an ausklammert. Jedenfalls wäre es befremdlich, wenn dies anders wäre: Die Einführung des Zeugnisses sollte gerade die Komplikationen beseitigen, die mit der grenzüberschreitenden Verwendung von mitgliedstaatlichen Erbnachweisen einhergingen. Die Regulierung der Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise ist vielmehr eine Begleiterscheinung, die deshalb entstanden ist, weil die EuErbVO generell die Verkehrsfähigkeit von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden fördern will, aber die die überragende Bedeutung des Zeugnisses für die internationale Nachlassabwicklung nicht zu tangieren vermag. VIII. Das Europäische Nachlasszeugnis in Erbfällen mit Bezug zu Drittstaaten Die EuErbVO regelt auch Sachverhalte mit drittstaatlichem Bezug, sie unterliegt der loi uniforme (Art.  20 EuErbVO). Daher kann sich der Inhalt des Zeugnisses auch nach einem drittstaatlichen Erbstatut richten, etwa wenn der Erblasser eine Rechtswahl zugunsten seiner drittstaatlichen Staatsangehörigkeit getroffen hat. Wenn ein europäischer Richter drittstaatliches Recht in einer Erbsache anwenden muss, dann muss dies auch eine Ausstellungsbehörde tun. Die Wirkungen des Zeugnisses entfalten sich so, wie wenn ein mitgliedstaatliches Erbstatut maßgeblich ist. Das Zeugnis ist ein „Weltnachlasszeugnis“, das das Vermögen auf 58 

Vgl. oben im 5. Kap., B., IV., S.  412 ff.

A. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse

551

der ganzen Welt erfasst und nicht nur dasjenige in den Mitgliedstaaten.59 Auch wenn staatsvertragliche Kollisionsnormen und nicht diejenigen der EuErbVO das drittstaatliche Erbstatut berufen, ist ein Zeugnis mit entsprechendem Inhalt auszustellen.60 Ein drittstaatlicher Bezug verändert folglich nicht die internationale Nachlassabwicklung mittels des Zeugnisses innerhalb der Mitgliedstaaten. Die Verwendung eines Zeugnisses für die internationale Nachlassabwicklung in einem Drittstaat selbst erfährt indessen eine besondere Behandlung. Denn zur Regulierung von Sachverhalten in Drittstaaten fehlt dem Unionsgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz. Die praktische Bedeutung des Zeugnisses hängt vom jeweiligen drittstaatlichen Recht ab. Die einzige Ausnahme, bei der Vorgänge in Drittstaaten vom Zeugnis erfasst werden, ist die Wirkungserstreckung der Gutglaubenswirkung: Hat z.B. ein Zeugnisinhaber in einem Drittstaat über einen dort befindlichen Nachlassgegenstand verfügt, hat ein später dazu zu entscheidendes mitgliedstaatliches Gericht die Gutglaubenswirkung zu berücksichtigen.61 Gegenwärtig zeigt sich eine unterschiedliche Akzeptanz des Zeugnisses in der drittstaatlichen Landschaft, zumindest wenn man die Schweiz, England und Wales und Kalifornien betrachtet (ähnliche Grundsätze sollten indessen in sämtlichen anderen Drittstaaten gelten, inbesondere wenn diese demselben Rechtskreis angehören wie z.B. England und Wales (common law) und Kalifornien (anglo-amerikanischer Rechtskreis), weil sich immer dieselben Fragen stellen). Während die Schweiz das Zeugnis grundsätzlich als tauglichen Legitimationsnachweis akzeptiert62, setzen das englische und US-amerikanische Kollisionsrecht, dem eine ganz andere Konzeption zugrunde liegt als der EuErbVO, dem Zeugnis von Anfang an Grenzen, so dass das Zeugnis dort lediglich als eine Art Beweismittel für die Beantragung eines englischen und US-amerikanischen Erbnachweises dienen kann63. Insgesamt gilt unabhängig vom jeweiligen Drittstaat die Maßgabe, dass der praktische Nutzen des Zeugnisses, d.h. die Erstreckung der Wirkungen des Zeugnisses auf den Drittstaat, im Regelfall dort am höchsten ist, wo sich das Zeugnis als verfahrensrechtliches Rechtsinstrument in Form einer öffentlichen Urkunde in die rechtliche Terminologie der drittstaatlichen Rechtsordnung inkorporieren kann.

59 

Vgl. oben im 5. Kap., C., I., S.  421 f. Vgl. zu dieser Auslegungsfrage oben im 5. Kap., C., II., S.  423 ff. 61  Vgl. oben im 5. Kap., C., III., S.  427 ff. 62  Vgl. ausführlich oben im 5. Kap., C., IV., 1., S.  433 ff. 63  Vgl. ausführlich oben im 5. Kap., C., IV., 2., S.  438 ff. und 5. Kap., C., IV., 3., S.  443 ff. 60 

552

Siebtes Kapitel: Schlussbetrachtung

IX. Das Europäische Nachlasszeugnis im europäischen und internationalen Gefüge Als neues unionales Rechtsinstrument zeichnet sich das Zeugnis durch zwei Komponenten aus, die erheblich durch das europäische Recht geprägt werden: nämlich durch seinen internationalzivilverfahrensrechtlichen und seinen internationalprivatrechtlichen Unterbau, der entsprechend dem Regelungszweck des Zeugnisses im Zeichen des Erbrechts steht. Das europäische Zivilprozessrecht und das europäische Kollisionsrecht nehmen im Allgemeinen und unabhängig von einem konkreten Rechtsgebiet seither in der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen eine herausragende Stellung ein, was sich insbesondere an der Verabschiedung zahlreicher internationalzivilverfahrensrechtlicher und kollisionsrechtlicher Verordnungen erkennen lässt. Mit der Einführung des Zeugnisses führt der Unionsgesetzgeber seine Linie im Hinblick auf unionale Rechtsinstrumente fort, die ganz spezifische grenzüberschreitende Rechtsprobleme überwinden sollen und deutlich über eine Vereinheitlichung des Zuständigkeitsrechts und Kollisionsrechts hinausgehen. Zu nennen sind z.B. die Instrumente zur grenzüberschreitenden Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche, namentlich der europäische Vollstreckungstitel, der europäische Zahlungsbefehl, das Urteil im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen oder der europäische Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung. All diese unionalen Rechtsinstrumente verfolgen zwar für sich ein anderes Regelungsziel, doch unterscheiden sie sich in ihren verfahrensrechtlichen Merkmalen kaum voneinander. Infolgedessen wird eine „europäische Grundausstattung“ für die Gestaltung unionaler Rechtsinstrumente im Gebiet der Erleichterung des grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs sichtbar. Indem der Unionsgesetzgeber die Handlungsform der Verordnung wählt, schafft er die höchste Regelungsintensität, die es ermöglicht, dass das unionale Rechtsinstrument sich in allen Mitgliedstaaten unmittelbar durchsetzt. Die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts, die im Bereich des Erbrechts auf EU-Ebene für die Funktionsfähigkeit des Zeugnisses von überragender Bedeutung ist, hat bei den internationalzivilverfahrensrechtlichen Instrumenten keine wesentliche Bedeutung. Anders fällt die Beurteilung im Bereich des Verfahrensrechts aus, in dem zunehmend einheitliche Verfahrensstandards eingeführt werden, um die einheitliche Handhabung des jeweiligen Instruments in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung wird durch die Reduktion etwaiger Hindernisse auf ein Minimum die Verkehrsfähigkeit der Rechtsinstrumente erheblich begünstigt. Soweit mitgliedstaatliche Rechtsordnungen funktionell ähnliche Instrumente vorsehen wie das unionale Rechtsinstrument, verlangt der unionsrechtliche Subsidiaritätsgrundsatz, dass die nationalen Rechtsinstrumente unberührt bleiben und mit dem unionalen

A. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse

553

Rechtsinstrument koexistieren. An dieser Stelle ist dann immer zu fragen, ob das europäische oder das nationale Rechtsinstrument für die Zwecke des Rechtsanwenders vorteilhafter als das jeweils andere Rechtsinstrument ist. Diese Frage muss in aller Regel zugunsten des europäischen Rechtsinstruments beantwortet werden. Dieses ist nämlich gezielt auf die grenzüberschreitende Verwendung zugeschnitten. Daher ist in allen Mitgliedstaaten bezogen auf das Zeugnis eine stärkere allgemeine Akzeptanz in Anbetracht seiner größeren Bekanntheit im Vergleich zu den nationalen Erbnachweisen zu erwarten.64 Für das Zeugnis lässt sich festhalten, dass es gleichsam internationalzivilverfahrensrechtliche Merkmale in sich vereinigt, die seine grenzüberschreitende Verkehrsfähigkeit und Beständigkeit sichern. Doch kommt der internationalprivatrechtliche Unterbau des Zeugnisses nicht weniger zum Tragen, da er die Ausgangsbasis für den Inhalt des Zeugnisses und die grenzüberschreitende Akzeptanz darstellt. Wenn des Öfteren von der überragenden Bedeutung der Vereinheitlichung des EU-Erbkollisionsrechts für die Funktionsfähigkeit des Zeugnisses die Rede ist, ist dies keine Übertreibung, sondern eine prägnante Erkenntnis: Entspringt der konkrete Inhalt des Zeugnisses dem jeweils anwendbarem Erbstatut, muss dieses in allen Mitgliedstaaten nach den gleichen Kollisionsnormen bestimmt werden, damit aus Sicht jeden Mitgliedstaates, in dem das Zeugnis verwendet wird, das Zeugnis die wahre Rechtslage mit dem korrekten anwendbaren Recht wiedergibt. In der vorgeschalteten Situation muss gesehen werden, dass der Erblasser im Wege der Ausübung seiner kollisionsrechtlichen Parteiautonomie das Erbstatut und somit auch den Inhalt des Zeugnisses bestimmen kann.65 Aus rechtsmethodischer Perspektive nimmt sich das Zeugnis dem Verweisungsprinzip an: Der Verwendungsstaat hat anhand der für ihn geltenden Kolli­ sions­normen zu prüfen, ob aus seiner Sicht der Inhalt des Zeugnisses kollisionsrechtlich richtig ist. Die im Zeugnis wiedergegebene Rechtslage wird in einem anderen Mitgliedstaat demnach nicht ohne jegliche kollisionsrechtliche Prüfung von Rechts wegen anerkannt (kollisionsrechtliches Anerkennungsprinzip).66 Da für jeden Mitgliedstaat idealiter das vereinheitlichte Kollisionsrecht der EuErbVO maßgeblich ist, kommt der Verwendungsstaat in aller Regel zum gleichen Ergebnis wie der Ausstellungsstaat. Diese Regel wird indessen vielfach durchbrochen und zwar nicht nur deshalb, weil Ausstellungsstaat und Verwendungsstaat von der EuErbVO abweichende Kollisionsnormen anzuwenden haben, sondern auch aufgrund weiterer kollisionsrechtlicher Einschläge bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts, die zu Disharmonien führen können. Kol64 

Vgl. zu den Konzepten der unionalen Rechtsinstrumente oben im 6. Kap., A., II., S.  455 ff. Vgl. oben im 6. Kap., B., I., S.  462 f. 66  Vgl. oben im 6. Kap., B., II., 3., S.  467 f. 65 

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Siebtes Kapitel: Schlussbetrachtung

lisionsrechtliche Disharmonien können vielfachen Ursprungs sein. Werden Vorfragen aufgeworfen und ist das betreffende Kollisionsrecht nicht vereinheitlicht, kann jeder Mitgliedstaat potentiell zu verschiedenen Ergebnissen kommen.67 Auch durch die vorrangige Anwendung staatsvertraglicher Kollisionsnormen lässt sich ein einheitliches Ergebnis in allen Mitgliedstaaten nicht erzielen.68 Greift schließlich der kollisionsrechtliche ordre public-Vorbehalt nach Art.  35 EuErbVO ein, ist der europäische Entscheidungseinklang ebenso gefährdet.69 Wenngleich somit der angestrebte Idealzustand eines vollständigen europäischen Entscheidungseinklangs für einige Konstellationen – die stark abhängig von den jeweiligen beteiligten Mitgliedstaaten sind – nicht aufrechterhalten werden kann, zeigt sich die praktische Relevanz dieser Problematik erst anhand der konkreten Auswirkungen auf die Effektivität des Zeugnisses. Denn sollte der unvollständige europäische Entscheidungseinklang die Durchsetzung des Zeugnisses nicht beeinträchtigen, würde sich die Problematik als eine rein theoretische entpuppen. Übertragen auf die praktische Anwendung geht es im Wesentlichen darum, ob der Verwendungsstaat (z.B. eine Grundbuchbehörde) das Zeugnis abweisen kann, wenn es aus Sicht des Verwendungsstaates aufgrund von kollisionsrechtlichen Disharmonien unrichtig ist. Dann müsste der Verwendungsstaat die Pflicht haben, das Zeugnis kollisionsrechtlich zu überprüfen, um sodann wegen der entdeckten kollisionsrechtlichen Nichtübereinstimmung dem Zeugnis die Entfaltung seiner Wirkungen zu versagen. Wird diese Pflicht verneint, setzt sich das Zeugnis ungeachtet des fehlenden europäischen Entscheidungseinklangs uneingeschränkt durch: Eine Grundbuchbehörde müsste demnach die Legitimationswirkung des Zeugnisses berücksichtigen und den im Zeugnis bezeichneten Erben (vorbehaltlich der Erfüllung der übrigen Eintragungsvoraussetzungen) als Eigentümer im Grundbuch eintragen, auch wenn das Zeugnis aus Sicht der Grundbuchbehörde einem „falschen“ Erbstatut zugrunde liegt. Eine umfassende Auslegung nach Wortlaut, Systematik, Historie und Telos hat ergeben, dass eine kollisionsrechtliche Überprüfungspflicht existiert und sich damit durchaus weitreichende praktische Folgen in der Form einer Annahmeverweigerung ergeben können.70 Perspektivisch können mehrere Lösungsansätze kumulativ umgesetzt werden, um den fehlenden europäischen Entscheidungseinklang zu beseitigen. Zunächst kann durch eine unselbstständige Vorfragenanknüpfung und die damit verbundene Maßgabe des Rechts des Erbstatuts für die Beurteilung von Vorfragen der europäische Entscheidungseinklang gefördert werden. Darüber hinaus können die Kollisionsnormen der EuErbVO, namentlich 67 

Vgl. oben im 6. Kap., B., III., 1., S.  470 f. Vgl. oben im 6. Kap., B., III., 2., S.  471 ff. 69  Vgl. oben im 6. Kap., B., III., 4., S.  474. 70  Vgl. ausführlich oben im 6. Kap., B., IV., S.  475 ff. 68 

A. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse

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die Art.  21, 22 EuErbVO, in ihrer Geltungskraft maximiert werden, sofern sämtliche vorrangige staatsvertragliche Kollisionsnormen durch Aufkündigung der entsprechenden Übereinkommen gegenstandslos werden. Eine besonders re­ strik­tive Handhabung des ordre public-Vorbehalts würde ebenso ein kollisionsrechtliches Beurteilungsgefälle verringern.71 Zu berücksichtigen ist jedoch auch, in welcher Weise die Wirkungen des Zeugnisses durch den fehlenden europäischen Entscheidungseinklang beeinflusst werden. Es ist zu differenzieren: Die Gutglaubenswirkung wird sich trotz fehlenden europäischen Entscheidungseinklangs in aller Regel durchsetzen. Denn Dritte werden regelmäßig keine Kenntnis vom aus Sicht des Verwendungsstaates „falschen“ anwendbaren Recht haben und deswegen im Hinblick auf die inhaltliche Unrichtigkeit des Zeugnisses nicht bösgläubig sein. Bezüglich der Vermutungs- und Legitimationswirkung verhält es sich anders, da diese Wirkungen vornehmlich vor Behörden und Gerichten zur Geltung gelangen und ihnen eine Prüfungspflicht zuzuweisen ist.72 Hier kann es durchaus zu Fällen der Annahmeverweigerung kommen. Erbrecht und Güterrecht haben als personell geprägte Rechtsgebiete nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch auf europäischer Ebene viele Schnittstellen miteinander. Mittlerweile existieren mit der EuGüVO bzw. EuPartVO Verordnungen, die das internationale Güterrecht vieler Mitgliedstaaten insbesondere in zuständigkeitsrechtlicher und kollisionsrechtlicher Hinsicht vereinheitlichen. Eine praktisch sehr zentrale Schnittstelle bildet die Ausweisung der Erbquote des überlebenden Ehegatten im Zeugnis. Aus deutscher Warte ist die erbrechtliche Berechtigung des überlebenden Ehegatten im Zusammenspiel mit §  1371 Abs.  1 BGB von Bedeutung. Der EuGH hat in seiner Mahnkopf-Entscheidung aus deutscher Sicht eine Umqualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB unternommen und die Vorschrift entgegen der Auffassung des BGH erbrechtlich qualifiziert.73 Die Entscheidung kann vor allem in methodischer Hinsicht kritisch betrachtet werden, doch ist die Umqualifikation angesichts der Einführung des Zeugnisses ein letztlich akzeptables Ergebnis, wenngleich es mehr aus praktischen als aus dogmatischen Gründen überzeugen kann. Für das Zeugnis ist festzuhalten, dass die erbrechtliche Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB und die damit verbundene Konsequenz, dass die vollständige Erbquote des überlebenden Ehegatten in das Zeugnis aufzunehmen ist, den Nutzen des Zeugnisses immens erhöht, indem die Wirkungen des Zeugnisses sich auf die gesamte Erbquote erstrecken. Die dadurch bedingte inhaltliche Konvergenz mit einem parallel existierenden Erbschein eröffnet die Durchführung der Nachlassabwicklung mit zwei Erbnach71 

Vgl. oben im 6. Kap., B., V., S.  486 ff. Vgl. oben im 6. Kap., B., V., S.  486 ff. 73  Vgl. zu dieser Entscheidung oben im 6. Kap., C., II., 2., S.  493 ff. 72 

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Siebtes Kapitel: Schlussbetrachtung

weisen. Die Argumentation des EuGH könnte auf die qualifikationsrechtliche Behandlung anderer nationaler Normen, die ein gleiches oder ähnliches Ziel verfolgen wie §  1371 Abs.  1 BGB, eine Ausstrahlungswirkung haben.74 Anpassungsprobleme, die es bereits vor der Umqualifikation gegeben hat, treten nunmehr in neuem Gewand auf – die Lösung von Normenmangel und Normenhäufung erfolgt wie früher durch angemessene Quotenbildung, wobei die Ausstellungsbehörde insbesondere aus prozessökonomischen Gründen dazu aufgerufen ist, die Quotenbildung im Ausstellungsverfahren durchzuführen.75 Die Nähe des Erbrechts zum Familienrecht und zugleich damit in gewisser Hinsicht zum Personenstandsrecht führt zur Überlegung, ob das Zeugnis als unionales Rechtsinstrument, das im Gegensatz zu den klassisch internationalzivilverfahrensrechtlichen Instrumenten durch das Kollisionsrecht besonders geprägt wird, ein Vorbild für die grenzüberschreitende Durchsetzung personenstandsrechtlicher Statusverhältnisse darstellen kann. Die Idee einer sog. Europäischen Personenstandsurkunde wird angesichts der Einführung des Zeugnisses immer greifbarer. So hat der Unionsgesetzgeber bereits die EuUrkVO, die sich die Förderung der Freizügigkeit öffentlicher Urkunden zum Ziel setzt, verabschiedet. Die EuUrkVO schafft aber gerade kein eigenständiges unionales Rechtsinstrument. Eine Europäische Personenstandsurkunde könnte deklaratorisch sämtliche personenstandsrechtlichen Statusverhältnisse (wie Eheschließung oder Abstammung) wiedergeben und mit einer Vermutungswirkung versehen sein.76 Für die rechtstechnische Umsetzung könnte das Zeugnis tatsächlich als Vorbild dienen: Vorausgesetzt, dass die – freilich sehr hohe – Hürde der Kollisionsrechtsvereinheitlichung in den unterschiedlichen Bereichen des Familien- und Personenstandsrechts überwunden wird, könnte eine Europäische Personenstandsurkunde mit einheitlichen Vermerken und einer Vermutungswirkung als sekundärrechtliche Tatbestandswirkung den Nachweis personenstandsrechtlicher Statusverhältnisse im grenzüberschreitenden Verkehr wesentlich erleichtern. Dabei ist das Verweisungsprinzip samt Kollisionsrechtsvereinheitlichung weiterhin der vorzugswürdige internationalprivatrechtliche methodische Weg, um grenzüberschreitend Rechtslagen zu transportieren.77 Zuletzt findet sich im europäischen und internationalen Gefüge rund um das Zeugnis auch das Haager Nachlasszeugnis, das im HNVÜ geregelt ist und das wie das Zeugnis einen internationalen Erbnachweis verkörpert. Obwohl es nahelag, sich bei der Ausgestaltung des Zeugnisses im Grundsatz am Haager Nach74 

Vgl. oben im 6. Kap., C., II., 5., a), S.  501 f. Vgl. oben im 6. Kap., C., II., 5., b), S.  503 ff. 76  Vgl. oben im 6. Kap., D., II., S.  509 ff. 77  Vgl. auch zu den internationalprivatrechtlichen methodischen Alternativen oben im 6. Kap., D., III., S.  512 ff. 75 

A. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse

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lasszeugnis zu orientieren, da dieses anders als die mitgliedstaatlichen Erbnachweise zur grenzüberschreitenden Verwendung bestimmt ist und die Vertragsstaaten zugleich Mitgliedstaaten sind, zeigt sich in nunmehriger Retrospektive die verblüffend schwache Relevanz des Haager Nachlasszeugnisses für das Zeugnis. Zuzugestehen ist, dass die Schwächen des Haager Nachlasszeugnisses, namentlich die fehlende Kollisionsrechtsvereinheitlichung und die begrenzten Wirkungen, gegen eine Vorbildfunktion sprachen und das Zeugnis sich bewusst davon abheben musste. Der wirkungs- und verfahrensbezogene Vergleich zwischen Haager Nachlasszeugnis und Zeugnis offenbart prägnant, mit welchem starken Wirkungsgehalt und mit welcher rigorosen Durchsetzungsmacht das Zeugnis im Gegensatz zum Haager Nachlasszeugnis ausgestattet ist.78 Doch schafft das HNVÜ mit ausdrücklichen Regelungen zu offensichtlichen Problemkonstellationen wie etwa zum Umgang mit widersprechenden Erbnachweisen auch mehr Rechtssicherheit, die beim Zeugnis fehlt. Das Haager Nachlasszeugnis hat derzeit keine praktische Relevanz, da die Vertragsstaaten allesamt das Zeugnis ausstellen können und die EuErbVO mit den Regelungen zum Zeugnis Vorrang vor dem HNVÜ genießt. Dennoch können die Erfahrungen mit dem Zeugnis fruchtbar gemacht werden, um das Haager Nachlasszeugnis zu reformieren und zu optimieren und für Drittstaaten insgesamt attraktiver zu machen. Dass ein internationaler Erbnachweis als Instrument zwischen Staaten die Schwierigkeiten der Abwicklung einer grenzüberschreitenden Erbsache wesentlich zu erleichtern vermag, lässt sich nach alledem am Nutzen des Zeugnisses festmachen. X. Praktische Empfehlung für den deutschen Rechtsanwender – Die Attraktivität von Europäischem Nachlasszeugnis und Erbschein in der Nachlassabwicklung Der rechtsvergleichende Ansatz der vorliegenden Arbeit hat insbesondere das Ziel verfolgt, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Zeugnis und dem Erbschein (und dem Einantwortungsbeschluss) herauszuarbeiten, um in Anbetracht der durch das Prinzip der Koexistenz und die Optionalität des Zeugnisses bedingten Wahlmöglichkeit des Rechtsanwenders zwischen den Erbnachweisen eine Handlungsempfehlung abzugeben. Daher sollen abschließend für den deutschen Rechtsanwender die wesentlichen Erkenntnisse in diesem Themenkomplex zusammengefasst werden. Im Ausgangspunkt gilt die Prämisse, dass das Zeugnis und der Erbschein beispielsweise für einen Erben gleichzeitig verfügbar sein müssen. Das ist z.B. der Fall, wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte und deshalb die inländische deutsche Gerichtsbarkeit für die Ausstellung 78 

Vgl. oben im 6. Kap., E., I., S.  523 ff.

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Siebtes Kapitel: Schlussbetrachtung

des Zeugnisses und des Erbscheins eröffnet ist.79 Zudem stellt sich die Frage nach der Attraktivität der Erbnachweise – unbeschadet dessen, dass der Erbe auch beide Erbnachweise kumulativ beantragen kann – nur für die inländische Nachlassabwicklung mit den beiden Erbnachweisen. Denn das Zeugnis entfaltet wegen Art.  62 Abs.  3 S.  2 EuErbVO seine Wirkungen auch im Ausstellungsstaat. Die Wirkungen des Erbscheins treten nur in Deutschland ein; eine Transpor­ta­ tion seiner Wirkungen zum Zwecke einer grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung ist nicht möglich.80 Auch wird hier ausgeblendet, ob der Erbschein derzeit faktisch in einigen Mitgliedstaaten eine höhere Akzeptanz genießt und aus diesem Grunde ungeachtet des rechtlichen Fundaments dem Zeugnis vorzuziehen ist. Die Attraktivität von Zeugnis und Erbschein (und freilich von Erbnachweisen im Allgemeinen) kann an einem wirkungsrechtlichen und einem verfahrensrechtlichen Segment bemessen werden. Im wirkungsrechtlichen Kontext hat das besondere dogmatische Gerüst des Zeugnisses (vor allem die uneingeschränkte Wirkungserstreckung nach Art.  69 Abs.  1 EuErbVO) keine ausschlaggebende Bedeutung. Dieses offenbart erst im grenzüberschreitenden Verkehr seine Vorzüge. Im Wettbewerb zwischen Zeugnis und Erbschein kommt es ausschließlich auf die materiellrechtlichen Wirkungen und deren konkrete Ausgestaltung an. Die Vermutungswirkung ist im deutschen und europäischen Recht abgesehen von der erweiterten Tatsachenvermutung des Zeugnisses deckungsgleich.81 Sie wird demnach die Wahlentscheidung kaum beeinflussen können. Gleiches gilt für die Legitimationswirkung, die lediglich einen Sonderfall der Vermutungswirkung darstellt. Da der deutsche Gesetzgeber das Zeugnis mit dem Erbschein als Legitimationsnachweis in verschiedenen Bereichen gesetzlich gleichgestellt hat, sind Zeugnis und Erbschein bezüglich der Legitimationswirkung gleich attraktiv. Ganz anders sieht es hingegen bei der Gutglaubenswirkung aus, für die naturgemäß ein größerer Gestaltungsspielraum besteht und wo deswegen Unterschiede eher anzutreffen sind. Zwar decken sich die geschützten Rechtshandlungen im deutschen und europäischen Recht weitgehend, doch lässt sich an den sonstigen Voraussetzungen des Gutglaubensschutzes die Vorzugswürdigkeit eines Erbnachweises festmachen. So führt der konkrete Gutglaubensschutz des Zeugnisses tendenziell zu weniger erfolgreich entfaltetem Gutglaubensschutz im Vergleich zum abstrakten Gutglaubensschutz des Erbscheins. Ein Erbe kann sich folglich mit der Verwendung eines Erbscheins eher sicher sein, dass ein gutgläubiger Erwerb (leichter) abgeschlossen wird, weil die Notwendigkeit, einem Drit79 

Siehe hierzu oben im 4. Kap., A., S.  330 f. Vgl. oben im 5. Kap., B., III., S.  408 ff. 81  Vgl. oben im 3. Kap., B., I., 4., S.  85 ff. 80 

A. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse

559

ten die Kenntnis vom Inhalt des Erbscheins beizubringen, nicht besteht und daher die rechtsgeschäftlichen Aktivitäten insgesamt weniger formal sind. Die Schädlichkeit grob fahrlässiger Unkenntnis von der Unrichtigkeit des Zeugnisses beeinträchtigt einmal mehr den Umfang von erfolgreich entfaltetem Gutglaubensschutz. Diese Beeinträchtigung findet sich beim Erbschein, bei dem nur positive Kenntnis schädlich ist, nicht. Die Gültigkeitsfrist der beglaubigten Abschriften des Zeugnisses setzt der Wirkungsentfaltung von vornherein eine zeitliche Grenze, während der Erbschein unbefristet gilt. Wer einer Nachlassabwicklung entgegenblickt, die sich etwa angesichts der Größe des Vermögens und schwieriger Beziehungen innerhalb einer Erbengemeinschaft mit Verständigungsproblemen als erheblich zeitraubend und langwierig darstellt, mag besser auf den Erbschein zurückgreifen, ungeachtet der Möglichkeit, dass die Gültigkeitsfrist verlängert werden kann, denn dieses beansprucht immerhin erneut ­einen Verfahrensgang zur Ausstellungsbehörde. Im Zusammenhang mit dem Wirkungsentziehung- und Wirkungsaussetzungssystem lassen sich keine ausschlaggebenden Aspekte feststellen, die das Zeugnis attraktiver machen als der Erbschein und vice versa.82 Im verfahrensrechtlichen Kontext steht im Fokus, welches Erbnachweisverfahren – das Zeugnisverfahren oder das Erbscheinsverfahren – einfacher, zügiger und kostengünstiger als das jeweils andere Erbnachweisverfahren ist. Der deutsche Gesetzgeber hat sich für eine kostenrechtliche Gleichstellung des Zeugnisses mit dem Erbschein entschieden, so dass die Kosten für die Beantragung des Erbnachweises kein entscheidendes Attraktivitätsmerkmal darstellen.83 Der gleichberechtigte Zugang zum Zeugnis und Erbschein ist mit der gleichlaufenden Ausgestaltung der Antragsberechtigung für den praktisch relevantesten Fall eines Erben gesichert. Die Besonderheit im deutschen Recht, einen im Vergleich zum regulären Erbschein kostengünstigeren gegenständlich beschränkten Erbschein beantragen zu können84, kann durchaus für die Wahlentscheidung ausschlaggebend sein, wenn das im Ausland belegene Nachlassvermögen nur von geringer Größe ist und der Erbe davon ausgeht, dass er eines Zeugnisses für die ausländische Nachlassabwicklung nicht bedarf und die inländische Nachlassabwicklung mittels Erbscheins durchführen kann.85 Für den Erben könnten weiterhin die Verfahrensdauer und die Komplexität des Erbnachweisverfahrens die Wahlentscheidung wesentlich beeinflussen.86 Er hat regelmäßig das Interesse, möglichst schnell und effizient an den Erbnachweis heranzukommen. Gewiss 82 

Vgl. oben im 3. Kap., D., IV., S.  324 ff. Vgl. KV 12210 zum GNotKG (1,0 Gebühr). 84  Vgl. oben im 4. Kap., C., I., 6., S.  359 ff. 85  Vgl. oben im 4. Kap., C., I., 6., S.  359 ff. 86  Vgl. Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723 (780 ff.). 83 

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Siebtes Kapitel: Schlussbetrachtung

hängen die Verfahrensdauer und die Komplexität von Zeugnisverfahren und Erbscheinsverfahren vom konkreten Erbfall (einfache oder unübersichtliche gesetzliche Erbfolge; testamentarische Alleinerbeneinsetzung oder Erbeinsetzung mehrerer Personen bei unklarem Inhalt und komplexen Auslegungsfragen) ab. Allgemein sollten die Verfahren, zumal stets das gleiche Nachlassgericht zuständig ist, sich hinsichtlich der Dauer nicht wesentlich unterscheiden. Zwar bürdet das Zeugnisverfahren dem Nachlassgericht umfassende Prüfungs-, Anhörungsund Mitteilungspflichten gemäß Art.  66 EuErbVO auf, doch hat das Nachlassgericht auch im Erbscheinsverfahren sämtliche Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln (§  26 FamFG) und die Beteiligten ggf. persönlich anzuhören (§  34 ­FamFG). Der Verfahrenszweck des Erbscheinsverfahrens, dem Antragsteller möglichst schnell einen Legitimationsnachweis zu erteilen87, sollte auch auf das Zeugnisverfahren, das denselben Zweck verfolgt, übertragbar sein, weshalb generell ein zügiger Verfahrensabschluss angestrebt wird. Bezüglich der Komplexität des Verfahrens mag zunächst das ausschweifende Formblatt zur Einleitung eines Zeugnisverfahrens diese Komplexität begründen. Relativiert wird dies indessen durch Art.  65 Abs.  3 1. Hs. EuErbVO, der vorschreibt, dass der Antrag die in Art.  65 Abs.  3 EuErbVO genannten Angaben nur enthalten muss, soweit sie dem Antragsteller bekannt sind und von der Ausstellungsbehörde zur Beschreibung des Sachverhalts, dessen Bestätigung der Antragsteller begehrt, benötigt werden. Wenn der Antragsteller zudem bei der Antragstellung von einem Rechtsanwalt oder Notar unterstützt wird, sollte die erste Hürde zur Verfahrenseinleitung nicht allzu hoch sein und das Zeugnisverfahren nicht besonders komplex machen. Für das Erbscheinsverfahren gilt sinngemäß das Gleiche, da die erforderlichen Angaben für den Antrag nach §  352 FamFG sich weitgehend mit den Angaben nach Art.  65 Abs.  3 EuErbVO decken. Dass Rechtsanwälte und Notare mit dem traditionellen Erbscheinsverfahren vertraut sind bzw. sein sollten und daher mehr noch als beim Zeugnis der Einleitung des Erbscheinsverfahrens die Komplexität nehmen können, bedarf keiner besonderen Erwähnung. Nach alledem ist festzuhalten, dass sowohl das Zeugnis als auch der Erbschein sich jeweils mit attraktiven Elementen auszeichnen, die je nach konkretem Einzelfall die Wahlentscheidung des Erben zu beeinflussen vermögen. Dabei sollten im Ergebnis die wirkungsrechtlichen Elemente der Erbnachweise den Ausschlag geben. Aus dieser Warte überragt der Erbschein das Zeugnis, indem er einen stärkeren Gutglaubensschutz entfaltet. Die Unterschiede zwischen Zeugnis und Erbschein sind im Übrigen marginal und kaum ausschlaggebend für die Wahlentscheidung. Das Zeugnis ist nicht weniger attraktiv als der Erbschein, wenn man dem Gutglaubensschutz keine große Bedeutung beimisst, insbesondere weil 87 

Hilger, BWNotZ 1992, 113 (122).

B. Ausblick

561

bei einfachen Erbfolgen sicher feststeht, wer Erbe ist und es deshalb der Gutglaubenswirkung im konkreten Fall nicht bedarf. Wer auf der sicheren Seite stehen will und weniger auf die Verausgabung von Kosten bedacht ist, mag kumulativ auf das Zeugnis und den Erbschein zugreifen.

B. Ausblick Die zunehmende Anzahl grenzüberschreitender Erbsachen im europäischen Rechtsraum lässt die Frage nach einer zügigen, unkomplizierten und effizienten Nachlassabwicklung immer bedeutsamer werden. Hierbei geht es nicht nur darum, den Nachlassbeteiligten ein probates Durchsetzungsmittel an die Hand zu geben, sondern auch ganz allgemein im Sinne einer stabilen Wirtschaftsordnung die Nachlassgegenstände des Erblassers grenzüberschreitend verkehrsfähig zu machen und sie Personen rechtlich fest zuzuordnen, indem notfalls durch die Gutglaubenswirkung das Eigentum zulasten des wahren Berechtigten gutgläubigen Dritten endgültig zugewiesen wird. Nicht weniger bedeutsam für eine stabile Wirtschaftsordnung ist die Legitimationswirkung, mit der erforderliche Registerumschreibungen ermöglicht werden, damit die formelle Registerlage auch mit der materiellen Rechtslage übereinstimmt. Die Richtigkeit insbesondere des Handelsregisters bzw. das Vertrauen daran bewirken erst die Leichtigkeit des Abschlusses von Rechtsgeschäften beispielsweise zwischen zwei Unternehmen. Das Zeugnis wird nunmehr die internationale Nachlassabwicklung dauerhaft beeinflussen und ist mehr noch wegen seiner Vorzüge im grenzüberschreitenden Verkehr gegenüber den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen für die Zukunft nicht mehr wegzudenken. Gleichsam gesellt sich das Zeugnis aufgrund seiner Inlandswirkung zu den mitgliedstaatlichen Erbnachweisen und besetzt hierbei neben diesen die höchste Erbnachweisstufe. Mit der Zeit wird der Bekanntheitsgrad und die Akzeptanz des Zeugnisses in den Mitgliedstaaten, sofern der Rechtsanwender das Zeugnis als probates Durchsetzungsmittel in der internationalen Nachlassabwicklung empfindet und nutzt, immer weiter zunehmen, so dass – was zu hoffen bleibt – eine allseitige Routine hinsichtlich des Umgangs mit dem Zeugnis einkehrt. Die Kautelarjurisprudenz ist im Besonderen dennoch stetig aufgerufen, bei den Bürgern ein Bewusstsein über den Nutzen des Zeugnisses zu entwickeln, um im Vorfeld die Nachlassplanung effizient durchführen zu können. In Anbetracht der unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Erbrechtssysteme kann nicht erwartet werden, dass das Zeugnis sich in allen Mitgliedstaaten der gleichen Beliebtheit und Bekanntheit erfreut, wie sich dies anhand der Situation in Österreich zeigt, wo das Zeugnis tendenziell wenig praktische Bedeutung erlangt. Vielmehr ist zu vermuten, dass es einerseits solche Mitgliedstaaten gibt, in

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Siebtes Kapitel: Schlussbetrachtung

denen das Zeugnis sich schnell zum praktischen Rechtsinstrument in der internationalen Nachlassabwicklung entwickelt und sich etabliert, andererseits aber auch solche Mitgliedstaaten, in denen das Zeugnis nur restriktiv genutzt wird. Ein gleichmäßiges „Bedeutungsniveau“ des Zeugnisses in allen Mitgliedstaaten erscheint unwahrscheinlich. Das ist indessen nicht weiter problematisch. Es handelt sich hierbei um die vorgeschaltete Frage, ob das Zeugnis überhaupt beantragt und verwendet wird. Dies steht in Anbetracht des optionalen Charakters des Zeugnisses im Belieben des Rechtsanwenders. Wenn jedoch ein Zeugnis einmal ausgestellt wurde, kann sich der Zeugnisinhaber der Wirkungsentfaltung in jedem Mitgliedstaat sicher sein, auch wenn ein Mitgliedstaat seinerseits dem Zeugnis kaum praktische Bedeutung beimisst. Aus deutscher Sicht wird in Anbetracht der Oberle-Entscheidung befürchtet, dass in spezifischen Nachlasskonstellationen eine bürgerfreundliche grenzüberschreitende Nachlassabwicklung nicht mehr möglich ist; dann nämlich, wenn ein Erbschein nur noch unter der Voraussetzung zu erlangen ist, dass der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte.88 In der Tat mutet das Erfordernis der Beantragung eines Zeugnisses im Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers dem Erben, der in Deutschland nur für geringfügige Nachlassangelegenheiten eines Erbscheins bedarf, verhältnismäßig großen Aufwand zu, der womöglich finanziell aufgrund von logistischen und sprachlichen Hindernissen gar nicht zu stemmen ist. Die Erlangung des Zeugnisses könnte demzufolge faktisch unterbleiben. Um dem Erben die Nachlassabwicklung und zwar unter Erlangung eines Erbscheins ermöglichen zu können, wird in solchen Konstellationen eine teleologische Reduktion des Art.  4 EuErbVO befürwortet.89 Es bleibt abzuwarten, ob der EuGH diesbezüglich in Folge eines anderen Vorabentscheidungsverfahrens Ausnahmen von der strikten Zuständigkeitskonzentration zulässt. Jedenfalls erhöht sich die praktische Bedeutung des Zeugnisses aus Sicht Deutschlands in diesen Nachlasskonstellationen nach der Oberle-Entscheidung einmal mehr. Das ändert indessen nichts an der Tatsache, dass sich der Erbschein in der Praxis im Übrigen weiterhin großer Beliebtheit erfreut.90 Die Einführung des Zeugnisses verkörpert – wie auch die anderen unionsgesetzgeberischen Maßnahmen zur Förderung des grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs – somit tatsächlich einen folgenreichen Meilenstein in der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen und die Erfüllung eines „europäischen Wunschtraums“. Das europäische Erbrecht ist nun mit der EuErbVO hinsichtlich des Zu88  Vgl. mit zugespitztem Beispiel Dörner, DNotZ 2018, 661 (683); ebenso Weber, RNotZ 2018, 454 (458) und Leitzen, ZEV 2018, 630 (635). 89  Dörner, DNotZ 2018, 661 (683 f.). 90  Weber, RNotZ 2018, 454.

B. Ausblick

563

ständigkeitsrechts, des Kollisionsrechts, der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und der Annahme öffentlicher Urkunden in umfassendster Weise vereinheitlicht worden und ist wahrhaft Teil der Erfolgsgeschichte der justiziellen Zusammenarbeit im Hinblick auf die Schaffung von EU-Kollisionsrecht.91 Mehr kann der Unionsgesetzgeber entsprechend seiner Gesetzgebungskompetenzen nicht leisten. Insbesondere bleibt das materielle Erbrecht der Mitgliedstaaten dem Unionsgesetzgeber immer verschlossen. Das Zeugnis knüpft an diesen vereinheitlichten Materien nahtlos an und bildet gleichsam die praktische Synthese für die internationale Nachlassabwicklung. Die EuErbVO als einheitliches Regelungsgefüge für das IPR und IZVR inklusive Schaffung eines unionalen Rechtsinstruments kann insgesamt überzeugen und sollte als Verordnungsmodell zum Vorbild genommen werden. Zu hoffen ist, dass sich das Zeugnis langfristig als nützliches Instrument in der internationalen Nachlassabwicklung etabliert und zwar vor allem auch im Privatrechtsverkehr. Wenn ausreichend Praxiserfahrung im Umgang mit dem Zeugnis in den Mitgliedstaaten gesammelt wurde, sollte der Unionsgesetzgeber nicht davor zurückschrecken, die Regelungen zum Zeugnis zu reformieren, soweit sich dies nach den praktischen Erfahrungen als erforderlich erweist. Anfangen kann man jetzt bereits mit der Einführung eines europäischen Einziehungsverfahrens. Denkbar erscheint auch, den Kreis der Antragsteller zu erweitern, wenn sich ein großes praktisches Bedürfnis beispielsweise für Nachlassgläubiger ergibt. Auf der anderen Seite könnten durch die Einführung des Zeugnisses Reformbestrebungen bzw. im Allgemeinen rechtspolitische Impulse auch auf rein nationaler Ebene im Hinblick auf die nationalen Erbnachweise ausgelöst werden. Das gilt im Besonderen für diejenigen Mitgliedstaaten, die nur einen schwachen oder keinen Erbnachweis kennen. Der rechtspolitischen Ausstrahlungswirkung des Zeugnisses sollte nicht von vornherein mit Skepsis oder Ablehnung begegnet werden, sondern sie sollte zum Anlass genommen werden, das nationale Erbnachweissystem – sofern nach den (noch zu sammelnden) Erfahrungen mit dem Zeugnis ein praktisches Bedürfnis für den inländischen Verkehr erkannt wird – dem Niveau des Zeugnisses anzupassen oder dieses ggf. sogar zu übertreffen bzw. generell einen förmlichen Erbnachweis einzuführen. Denn das Zeugnis bildet im Hinblick auf das Schutzniveau keine Grenze. Vielmehr ist ein noch stärkerer Schutz durch den jeweiligen Erbnachweis möglich (wie etwa durch die Anordnung der Schädlichkeit nur von positiver Kenntnis des Dritten, was einen gutgläubigen Erwerb in numerischer Hinsicht fördert). Da der Unionsgesetzgeber in diesem Bereich mangels Gesetzgebungskompetenz nicht aktiv werden kann, bleibt die Entwicklung in den individuellen Mitgliedstaaten abzuwarten. 91 

Buschbaum, GPR 2014, 4 (7).

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Siebtes Kapitel: Schlussbetrachtung

Aufgrund der starren Tradition gerade im Gebiet des Erbrechts und Erbverfahrensrechts wird es indessen vermutlich viel Zeit brauchen, bis derartige nationale Reformbestrebungen aufkeimen.

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Sachregister administration  440, 441 Anerkennung  – einer Entscheidung  408–411 – faktische  30–31, 417–418 – rechtliche  27–29 – des Europäischen Nachlasszeugnisses durch die Schweiz  433–438 – des Europäischen Nachlasszeugnisses durch England und Wales  438–443 – des Europäischen Nachlasszeugnisses durch Kalifornien  443–446 Anerkennungsprinzip  464–465, 513–517 Annahme öffentlicher Urkunden  412–416 Anpassung  198–199, 473–474, 503–506 Aufrechnung  129–130 Ausgleichsansprüche – Amtshaftungsanspruch  108, 165 – Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag  106, 116, 159–160 – bereicherungsrechtliche Ansprüche  106– 107, 117–118, 160–161 – deliktische Ansprüche  106, 116, 160 – Erbschaftsanspruch  107–108, 161 Ausstellungsbehörde  47–48, 216–218 – siehe auch Gericht – siehe auch Notar Banken – Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken  181–185 – Vorlagerecht  182–184, 187 Beweiskraft – formelle  254–255, 267, 412–417, 509 Einantwortung Einantwortungsbeschluss  44–45, 67–68, 361–364 – Gutglaubenswirkung  108–118

– Legitimationswirkung  188–194 – Vermutungswirkung  68–71 Entscheidungseinklang – europäischer  469, 475–486, 486–489 Erbe – Erbeserbe  333, 345 – Ersatzerbe  333, 342–343 – Miterbe  333, 342, 356–359 – Nacherbe  177, 180, 333, 342–343 – Vorerbe  177, 180, 333, 342–343 Erbnachweis – Finnland  23–24 – Frankreich  19–20 – Griechenland  18 – Italien  20 – konvergierende Erbnachweise  261–268 – Niederlande  21 – Portugal  18–19, 21–22 – Schweden  23 – Spanien  22 Erbprätendentenstreit  64–66, 71, 84–85 Erbschaftsbesitzer  116–117 Erbschaftskäufer  335–336, 345 Erbschaftsklage  282–285 Erbschein – Arten  355–361 – Einziehung  270–278 – Erbscheinsverfahren  374–376, 387–388 – Gutglaubenswirkung  88–108 – Kraftloserklärung  278–279 – Legitimationswirkung  171–188 – Vermutungswirkung  60–66 Erbvertrag  10, 418 Erfüllung – Erfüllungssurrogate  129–130 Europäisches Nachlasszeugnis – Änderung  293–307 – Aussetzung der Wirkungen  307–312

582

Sachregister

– beglaubigte Abschriften als Rechts­ scheins­träger  285–286 – Gutglaubenswirkung  118–166 – Legitimationswirkung  194–213 – Rechtsnatur  58–59 – Vermutungswirkung  72–85 – Widerruf  293–307 Firmenbuch  191–192 Freizügigkeit  1–3 – Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Erbnachweise  399–405 Gericht  47–48, 217–218 – siehe auch Ausstellungsbehörde grant of probate  439–443 Grundbuch  95, 100–101, 104–105 Grundbuchamt  172–177 Grundbuchgericht  189–191 Gültigkeitsfrist  145, 169, 287–290 Güterstand – Gütergemeinschaft  502 – Zugewinnausgleich  503–506 – Zugewinngemeinschaft  493–499 Gutglaubenswirkung – Einantwortungsbeschluss  108–118 – Erbschein  88–108 – Europäisches Nachlasszeugnis  118–166 Haager Nachlasszeugnis  522–532 Handelsregister  178–180 Inlandswirkung  55–58, 420–421, 426, 456 Legitimationswirkung – Einantwortungsbeschluss  188–194 – Erbschein  171–188 – Europäisches Nachlasszeugnis  194–213 Leistung  92, 128–131 Nachlassgläubiger  334–335, 340, 348 Nachlassvermögen  124–125 Nachlassverwalter  334, 346–348 Notar  19–22, 47–48, 491, 505 – siehe auch Ausstellungsbehörde ordre public  396–398, 474, 516

personal representative  443–444 Personenstandsurkunde – europäische  506–522 Pflichtteilsberechtigte  335, 340, 348–349 Prinzip der Koexistenz  35–37, 243, 402, 521 Qualifikation – des pauschalierten Zugewinnausgleichs nach § 1371 Abs. 1 BGB  494–499 Rechtsinstrumente – unionale  452–461 Rechtswahl  462–463, 506 Rucksacktheorie  38–40 Staatsvertrag – Deutsch-iranisches Niederlassungsabkommen vom 17.2.1929  472 – Deutsch-sowjetischer Konsularvertrag vom 25.4.1958  472 – Deutsch-türkischer Konsularvertrag vom 28.5.1929  472 – Freundschafts- und Niederlassungsvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Kaiserreich Iran vom 9.9.1959  473 – Freundschaftsvertrag zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik vom 28.1.1924  473 Substitution  29–30, 446–448 Testamentsvollstrecker  346–347 Überprüfungspflicht – kollisionsrechtliche  475–485 Verfügung  122–128 Verlassenschaft – Verlassenschaftsverfahren  44–45, 67–68, 337–340 Vermächtnisnehmer  335, 346 Vermögenswert  131–133 Vermutungswirkung – Einantwortungsbeschluss  68–71 – Erbschein  60–66 – Europäisches Nachlasszeugnis  72–85 Verweisungsprinzip  464, 467–469, 483, 517–518

Sachregister Vindikationslegatar, siehe Vermächtnisnehmer Vollmacht – postmortale  10–11, 418–419 – transmortale  10–11, 418–419

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Vorfragen  470–471, 487 Zugewinnausgleich, siehe Güterstand Zuständigkeit – internationale  218–235, 330–331, 383