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German Pages XXI, 456 [473] Year 2020
Veröffentlichungen der Sektion Religionssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
Nils Friedrichs
Integration von religiöser Vielfalt durch Religion? Der Einfluss und Stellenwert religiöser Orientierungen bei der Wahrnehmung von religiöser Vielfalt und Muslimen
Veröffentlichungen der Sektion Religionssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie Reihe herausgegeben von Uta Karstein, Institut für Kulturwissenschaften, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland Jens Köhrsen, Theologische Fakultät, Universität Basel, Basel, Schweiz Kornelia Sammet, Institut für Kulturwissenschaft, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland Annette Schnabel, Soziologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen, Deutschland Alexander Yendell, Institut für Praktische Theologie, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland
Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/12575
Nils Friedrichs
Integration von religiöser Vielfalt durch Religion? Der Einfluss und Stellenwert religiöser Orientierungen bei der Wahrnehmung von religiöser Vielfalt und Muslimen
Nils Friedrichs Berlin, Deutschland Dissertation Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 2019 D6
Veröffentlichungen der Sektion Religionssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie ISBN 978-3-658-30857-5 ISBN 978-3-658-30858-2 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-30858-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Stefanie Eggert Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Vorwort
Die vorliegende Monographie ist die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift, die im Wintersemester 2018/2019 an der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster vorgelegen hat und dort als Dissertation angenommen wurde. Sie stellt damit zugleich das Ende eines langen Weges dar, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Exzellenzcluster „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne“ der WWU seinen Anfang nahm und über meine Zeit in Münster hinaus fortgesetzt wurde. Diesen (Forschungs-)Prozess haben zahlreiche Menschen begleitet und somit unmittelbar oder mittelbar zu seinem erfolgreichen Abschluss beigetragen. Zuerst möchte ich in diesem Zusammenhang meinem Doktorvater Detlef Pollack danken, für die Betreuung und Begutachtung der Arbeit, seine konstruktiven Hinweise und dass er trotz mancher Durststrecken den Glauben an die Vollendung der Dissertation nicht verloren hat. Ebenso ist Gert Pickel zu danken, der sich trotz kurzfristiger Anfrage bereit erklärt hat, das Zweitgutachten anzufertigen. Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei Christel Gärtner, die mich und meine Arbeit als Mentorin in der Graduiertenschule des Exzellenzclusters mit großen Engagement begleitet hat. Großer Dank gebührt zudem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Exzellenzclusters sowie des Instituts für Soziologie für den produktiven fachlichen Austausch und die stets kollegiale Zusammenarbeit. Besonders hervorheben möchte ich meine Kollegen des Lehrstuhls für Religionssoziologie Dennis Kuhl, Olaf Müller, Gergely Rosta und Alexander Yendell. Ohne ihre kritischen inhaltlichen und methodischen Anmerkungen wäre die Arbeit in dieser Form nicht entstanden, ohne ihre humorvolle Art wäre die Zeit am Lehrstuhl weniger bereichernd gewesen. Darüber hinaus gilt mein Dank Andreas Feige, ohne den ich den Weg in die Religionsforschung mit Sicherheit nicht gefunden hätte.
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Vorwort
Schließlich möchte ich mich bei der Graduiertenschule des Exzellenzclusters für die fachliche und finanzielle Förderung bedanken. Und zuletzt danke ich den Herausgebern für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Veröffentlichungen der Sektion Religionssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie“. Der Abschluss der Promotion ist immer auch ein Verdienst der Menschen, die den Prozess im Privaten begleiten. Daher möchte ich mich bei meinen Eltern Jutta Friedrichs und Dirk Friedrichs für ihre Unterstützung und ihren Zuspruch während der Promotionsphase und generell in meinem Leben bedanken. Ihnen möchte ich dieses Buch widmen. Meinem Vater danke ich außerdem für das Korrekturlesen des gesamten Manuskripts. Die vielen Menschen, die mich zum Teil in unterschiedlichen Phasen der Promotion begleitet und unterstützt haben, können namentlich gar nicht alle genannt werden. Stellvertretend für all diese Menschen möchte ich Peter Christiani erwähnen und mich bei ihm für Freundschaft, Rat und das Ertragen meiner schlechten Laune in den „steinigen Phasen“ bedanken. Berlin Mai 2020
Nils Friedrichs
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung – Religion und religiöse Vielfalt im wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Diskurs . . . . . . . . . . . 1 1.1 Zur Aktualität des Themas im Kontext wissenschaftlicher und gesellschaftspolitischer Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Zur Struktur dieser Forschungsarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.3 Wahrnehmung und Akzeptanz von religiöser Vielfalt – ein Überblick über vorhandene Studien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2 Wahrnehmung und Bewertung von religiöser Pluralität und Muslimen – ein mehrdimensionales Modell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.1 Datengrundlage und methodische Vorbemerkungen. . . . . . . . . . . . . 26 2.2 Die Kognitive Dimension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.2.1 Theoretische Konzepte zu Stereotypen und Vorurteilen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.2.2 Deskriptive Ergebnisse: Die Bilder der Deutschen vom Islam. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2.2.3 Indexbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.3 Die Affektive Dimension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.3.1 Die Bedeutung von Emotionen in sozialen Interaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2.3.2 Konzeptionen von Emotionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.3.3 Klassifikation von Emotionen auf Basis von Machtund Statusrelationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.3.4 Angst als strukturelle Emotion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2.3.5 Empirische Ergebnisse: Angst vor religiöser Pluralität und Muslimen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
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2.4 Die Evaluative Dimension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.4.1 Was ist Toleranz? Versuch einer Begriffsbestimmung. . . . . . 69 2.4.2 Formen von Toleranz im Kontext von Einstellungen zu religiöser Pluralität und Muslimen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2.4.3 Zum Verhältnis von Duldung und Respekt . . . . . . . . . . . . . . 77 2.4.4 Methodische Anmerkungen zum Modell religiöser Toleranz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2.4.4.1 Die Messung von Ablehnung, Akzeptanz, Duldung und Respekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2.4.4.2 Toleranz als ein- und mehrdimensionales Phänomen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2.4.5 Deskriptive Ergebnisse: Einstellungen zu religiöser Vielfalt und Muslimen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2.4.5.1 Einstellungen zu religiöser Vielfalt. . . . . . . . . . . . . 92 2.4.5.2 Einstellungen zu Muslimen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2.4.5.3 Zusammenfassung der deskriptiven Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2.4.6 Testung der Dimensionalität der Modelle. . . . . . . . . . . . . . . 105 2.4.6.1 Dimensionen der Einstellungen zu religiöser Vielfalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2.4.6.2 Dimensionen der Einstellungen zu Muslimen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2.4.6.3 Validierung der Faktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2.4.7 Zusammenfassung der Ergebnisse der Einstellungen der evaluativen Dimension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2.5 Zum Verhältnis der drei Dimensionen untereinander . . . . . . . . . . . . 125 2.5.1 Theoretische Überschneidungen der drei Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2.5.2 Korrelationen zwischen den Dimensionen. . . . . . . . . . . . . . . 129 3 Religion und Religiosität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3.1 Allgemeine Definition von Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 3.2 Religion und Religiosität als multidimensionales Phänomen. . . . . . 140 3.2.1 Charles Y. Glocks Modell der Dimensionalität von Religion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3.2.1.1 Kritik an den Glockschen Dimensionen. . . . . . . . . 143 3.2.1.2 Operationalisierung der fünf Dimensionen von Glock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
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3.2.2 Extrinsische, Intrinsische und Quest-Religiosität . . . . . . . . . 149 3.2.2.1 Intrinsische und extrinsische religiöse Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3.2.2.2 C. Daniel Batsons Erweiterung des I/EKonzepts durch die Quest-Orientierung. . . . . . . . . 155 3.2.2.3 Kritik an den Konzepten von I, E und QOrientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3.2.2.4 Operationalisierung von intrinsischer, extrinsischer und Quest-Orientierung. . . . . . . . . . . 165 3.2.3 Orthodoxie, Fundamentalismus und religiöse Exklusivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3.2.3.1 Orthodoxie, Fundamentalismus und religiöse Exklusivität: Versuch einer Abgrenzung der Begriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3.2.3.2 Zum Verhältnis von I, E und Q zu Orthodoxie und Exklusivität/ Fundamentalismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 3.2.3.3 Orthodoxie, Fundamentalismus, religiöse Exklusivität und interreligiöse Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3.2.3.4 Operationalisierung von Orthodoxie und religiöser Exklusivität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3.2.4 Individualisierte Religiosität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 3.2.4.1 Formen individualisierter Religiosität und die Bewertung religiöser Gruppen . . . . . . . . . . . . . 181 3.2.4.2 Operationalisierung der Formen individueller Religiosität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3.2.5 Religionskritik und Atheismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3.2.5.1 Zum Verhältnis der Phänomene Atheismus und Religionskritik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3.2.5.2 Das Phänomen ‚soziale Kategorisierung‘ im Kontext von Intergruppenbeziehungen . . . . . . . 187 3.2.5.3 Religiosität und Atheismus als Merkmale für soziale Kategorisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3.2.5.4 Operationalisierung von Religionskritik und Atheismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 3.2.6 Einstellungen zum Verhältnis von Religion und anderen gesellschaftlichen Bereichen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
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3.3 Ergebnisse: Religion und Religiosität in Deutschland. . . . . . . . . . . . 199 3.3.1 Deskriptive Ergebnisse zu Religion und Religiosität. . . . . . . 200 3.3.2 Multivariate Analyse: Die Struktur von Religiosität. . . . . . . 214 3.3.2.1 Zur Struktur der soziologischen und psychologischen Konzepte von Religion und Religiosität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 3.3.2.1.1 Dimensionalität des Modells von Glock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 3.3.2.1.2 Dimensionalität der religiösen Orientierungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3.3.2.1.3 Dimensionalität Compartmentalization. . . . . . . . . . . . . . 221 3.3.2.1.4 Dimensionalität von Orthodoxie, Exklusivität, Spiritualität, Synkretismus und religiöser Distanz. . . . . . . . . . . . . . 222 3.3.2.2 Zusammenhänge zwischen den Formen von Religiosität und Reliabilität. . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3.3.2.2.1 Reliabilitäten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3.3.2.2.2 Zusammenhänge zwischen den Dimensionen von Religiosität. . . . . . . . 228 3.4 Hypothesen zum Verhältnis von Religiosität und Toleranz. . . . . . . . 233 4 Klassische Erklärungsfaktoren in der Vorurteilsforschung. . . . . . . . . 239 4.1 Individuelle Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale. . . . . . . . . 241 4.1.1 Persönlichkeitsmerkmale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 4.1.1.1 Der Big-Five-Ansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 4.1.1.1.1 Die Big Five und die Bewertung sozialer Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 4.1.1.1.2 Operationalisierung von Neurotizismus, Verträglichkeit und Offenheit für Erfahrungen. . . . . . . 247 4.1.1.2 Autoritarismus – Konzept und Messung. . . . . . . . . 249 4.1.2 Politische Einstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 4.1.2.1 Die Akzeptanz demokratischer Rechte. . . . . . . . . . 254 4.1.2.2 Links-Rechts als Indikator politischer Einstellungen und die Bewertung religiöser Vielfalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
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4.2 Erklärungsfaktoren zwischen individueller und sozialer Ebene – Deprivationskonzepte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 4.2.1 Unterschiedliche Deprivationskonzepte und ihr Einfluss auf negative Einstellungsentwicklungen und Diskriminierung sozialer Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 4.2.2 Verwendete Deprivationsformen und ihre Operationalisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 4.3 Soziale Erklärungsfaktoren – Zur Bedeutung von Sozialkapital und intergruppalen Kontakten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 4.3.1 Die Sozialkapitaltheorie im Kontext der Vorurteilsforschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 4.3.1.1 Aspekte sozialen Kapitals und Implikationen des sozialen Zusammenhalts. . . . . . 271 4.3.1.2 Die Messung von strukturellem und kulturellem Sozialkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 4.3.2 Persönliche Begegnungen und Vorurteile – Zur Bedeutung der Kontakthypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 4.3.2.1 Bedingungen für die Reduktion von Vorurteilen durch Kontakt – die optimale Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 4.3.2.2 Das Problem der Kausalität – zur Wirkungsrichtung sozialer Kontakte. . . . . . . . . . . . 285 4.3.2.3 Die Erhebung von sozialen Kontakten im Rahmen der WArV-Studie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 4.4 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 4.4.1 Deskriptive Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 4.4.1.1 Individuelle Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 4.4.1.2 Deprivation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 4.4.1.3 Soziale Merkmale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 4.4.2 Multivariate Analyse – Dimensionalität der Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 4.5 Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 4.5.1 Hypothesen zum Einfluss individueller Merkmale . . . . . . . . 315 4.5.2 Hypothesen zur Deprivation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 4.5.3 Hypothesen zum Einfluss sozialer Merkmale. . . . . . . . . . . . 319 4.5.4 Zusammenfassung der Hypothesen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
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5 Religion und Integration – Der Einfluss und Stellenwert religiöser Orientierungen bei der Integration von religiöser Vielfalt und Muslimen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 5.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 5.1.1 Kontrollvariablen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 5.1.2 Zum methodologischen Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 5.1.3 Korrelationen zwischen den Prädiktoren. . . . . . . . . . . . . . . . 335 5.2 Die Kognitive Dimension – Religiosität und die Ausbildung stereotyper Bilder vom Islam. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 5.2.1 Determinanten eines negativen Islambildes. . . . . . . . . . . . . . 342 5.2.2 Determinanten eines positiven Islambildes. . . . . . . . . . . . . . 351 5.3 Die Affektive Dimension – Bedingungsfaktoren für die Entstehung von Angst vor Überfremdung und islamistischem Terrorismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 5.4 Die Evaluative Dimension – zur Erklärung von Bewertungen im Spannungsfeld restriktiv-ablehnender Haltungen einerseits und der Betonung des Gleichheitsideals andererseits . . . . . . . . . . . . 372 5.4.1 Einstellungen zu religiöser Vielfalt – integrative und desintegrative Bedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 5.4.1.1 Zur Ablehnung von religiöser Vielfalt. . . . . . . . . . . 372 5.4.1.2 Respektbereitschaft vs. Anpassungsforderung – Determinanten der Gleichheit aller Religionen. . . . . . . . . . . . . . . . 381 5.4.2 Einflussfaktoren auf die Einstellungen zu Muslimen . . . . . . 391 5.5 Die Integration von religiöser Vielfalt und Muslimen – integrative und desintegrative Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 6 Die Integration von religiöser Vielfalt in Deutschland – Spielräume und Grenzen: Résumé und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431
Abkürzungsverzeichnis
ADM Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute AfD Alternative für Deutschland ASKO Affinität zu einem stabilen kognitiven Orientierungssystem AU Autoritarismus CAPI Computer Assisted Personal Interviews CATI Computer Assisted Telephone Interviews CO Compartmentalization D Stichprobe in Deutschland insgesamt D-Ost Ostdeutsche Teilstichprobe DR Bejahung demokratischer Rechte D-West Westdeutsche Teilstichprobe E Extrinsische religiöse Orientierung Ep Extrinsisch-personale Orientierung EPM Eigengruppen-Projektionsmodell Es Extrinsisch-soziale Orientierung EU-SILC European Union Statistics on Income and Living Conditions GFE Group Focused Enmity GMF Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit I Intrinsische religiöse Orientierung IO Individualisierte Orthodoxie IPR Indiscriminate Pro-Religious KMU Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung Kon Kontakthäufigkeit KonA Kontakte auf der Arbeit KonN Kontakte in der Nachbarschaft KonP Kontakte im Privatleben
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Abkürzungsverzeichnis
KSK Kulturelles Sozialkapital LR Links-Rechts m. E. mit Einschränkungen NZ Neurotizismus OAD Objektiv-absolute Deprivation OE Offenheit für Erfahrungen OECD Organisation for Economic Co-operation and Development OLS Ordinary Least Squares ORD Objektiv-relative Deprivation Q Quest-Orientierung RCT Realistic Group Conflict Theory RE Religiöse Exklusivität REL Religiosität nach Glock ROS Religious Orientation Scale RK Religionskritik RWA Right Wing Authoritarianism SAD Subjektiv-absolute Deprivation SIT Social Identity Theory SOEP Sozioökonomisches Panel SP Spiritualität SRD Subjektiv-relative Deprivation SSK Strukturelles Sozialkapital SVR Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration VIF Variance Inflation Factor VT Verträglichkeit WArV Studie „Wahrnehmung und Akzeptanz religiöser Vielfalt“ WVS World Values Survey z. T. zum Teil
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2.1 Häufigkeiten: Negative Merkmalszuschreibungen zum Islam. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Abbildung 2.2 Häufigkeiten: Positive Merkmalszuschreibungen zum Islam. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Abbildung 2.3 Modell von Toleranz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Abbildung 2.4 Ebenen der Spannungsverhältnisse von Toleranz. . . . . . . . 88 Abbildung 2.5 Ladungsdiagramm: Einstellungen zu religiöser Pluralität, Gesamtstichprobe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Abbildung 3.1 Häufigkeiten: Konfessions- bzw. Religionszugehörigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Abbildung 3.2 Häufigkeiten: Quest-Orientierung differenziert nach dem Gottesbild, Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Abbildung 3.3 Häufigkeiten: Atheismus und Religionskritik differenziert nach dem Gottesbild, Deutschland. . . . . . . . . 212
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Tabellenverzeichnis
Tabelle 2.1 Tabelle 2.2 Tabelle 2.3 Tabelle 2.4 Tabelle 2.5 Tabelle 2.6 Tabelle 2.7 Tabelle 2.8 Tabelle 2.9 Tabelle 2.10 Tabelle 2.11 Tabelle 2.12 Tabelle 2.13 Tabelle 2.14 Tabelle 2.15 Tabelle 2.16 Tabelle 2.17 Tabelle 2.18
Dimensionen der Einstellungen zu religiöser Pluralität, dem Islam und Muslimen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Merkmale der kognitiven Dimension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Häufigkeiten der negativen und positiven Merkmalszuschreibungen zum Islam. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Kreuztabelle: Homogenität des Bildes vom Islam, Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Angst vor Pluralität und Muslimen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Korrelationen: Angst vor Pluralität und Muslimen, Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Faktorenanalyse: Angst vor Pluralität und Muslimen . . . . . . 67 Indikatoren zum Modell von Toleranz gegenüber religiöser Pluralität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Indikatoren zum Modell von Toleranz gegenüber Muslimen/dem Islam. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Häufigkeiten: Akzeptanz/Ablehnung von religiöser Vielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Häufigkeiten: Duldung von religiösen Gruppen . . . . . . . . . . 94 Häufigkeiten: Respekt gegenüber religiösen Gruppen. . . . . . 95 Häufigkeiten: Ablehnung von Muslimen. . . . . . . . . . . . . . . . 98 Häufigkeiten: Akzeptanz von Muslimen . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Häufigkeiten: Duldung von/Respekt vor Muslimen. . . . . . . . 101 Faktorenanalyse: Einstellungen zu religiöser Pluralität. . . . . 109 Faktorenanalyse: Ablehnung von religiöser Vielfalt (2. Faktor). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Faktorenanalyse: Einstellungen zu Muslimen. . . . . . . . . . . . 119
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Tabelle 2.19 Korrelationen: Validierung der Faktoren, Deutschland . . . . . 122 Tabelle 2.20 Korrelationen zwischen den Merkmalen der kognitiven, affektiven und evaluativen Dimension, Deutschland. . . . . . . 129 Tabelle 2.21 Korrelationen zwischen den Merkmalen der kognitiven, affektiven und evaluativen Dimension, Ostdeutschland. . . . . 131 Tabelle 3.1 Operationalisierung der Dimensionen von Glock . . . . . . . . . 146 Tabelle 3.2 Religious Orientation Scale (ROS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Tabelle 3.3 Operationalisierung von intrinsischer, extrinsischer und Quest-Orientierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Tabelle 3.4 Operationalisierung von religiöser Orthodoxie und religiöser Exklusivität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Tabelle 3.5 Operationalisierung von Spiritualität und Synkretismus. . . . 183 Tabelle 3.6 Operationalisierung von Atheismus und Religionskritik. . . . 194 Tabelle 3.7 Operationalisierung von Compartmentalization . . . . . . . . . . 198 Tabelle 3.8 Häufigkeiten: Dimensionen von Religiosität nach Glock . . . 202 Tabelle 3.9 Häufigkeiten: Individuelle Religiosität und Synkretismus. . . 203 Tabelle 3.10 Häufigkeiten: Intrinsische, extrinsische und QuestOrientierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Tabelle 3.11 Häufigkeiten: Orthodoxie und religiöse Exklusivität. . . . . . . 209 Tabelle 3.12 Häufigkeiten: Atheismus und Religionskritik . . . . . . . . . . . . 210 Tabelle 3.13 Häufigkeiten: Compartmentalization. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Tabelle 3.14 Faktorenanalyse: Religiosität nach Glock. . . . . . . . . . . . . . . 217 Tabelle 3.15 Faktorenanalyse: Religiöse Orientierungen. . . . . . . . . . . . . . 220 Tabelle 3.16 Faktorenanalyse: Compartmentalization. . . . . . . . . . . . . . . . 221 Tabelle 3.17 Faktorenanalyse: Exklusivität, Individualisierte Religiosität, Religionskritik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Tabelle 3.18 Kreuztabelle: Exklusivität und Synkretismus, Ostdeutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Tabelle 3.19 Interne Konsistenz: Religion und Religiosität. . . . . . . . . . . . 227 Tabelle 3.20 Korrelationen: Religion und Religiosität, Deutschland. . . . . 229 Tabelle 3.21 Korrelationen: Religion und Religiosität, Westdeutschland. . 230 Tabelle 3.22 Korrelationen: Religion und Religiosität, Ostdeutschland. . . 232 Tabelle 3.23 Hypothesen zum Einfluss der Religion und Religiosität auf die Einstellungen zu religiöser Pluralität und Muslimen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Tabelle 4.1 Operationalisierung von Verträglichkeit, Neurotizismus und Offenheit für Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Tabelle 4.2 Operationalisierung von Autoritarismus . . . . . . . . . . . . . . . . 253
Tabellenverzeichnis
Tabelle 4.3 Tabelle 4.4 Tabelle 4.5 Tabelle 4.6 Tabelle 4.7
Tabelle 4.8 Tabelle 4.9 Tabelle 4.10 Tabelle 4.11 Tabelle 4.12 Tabelle 4.13 Tabelle 4.14 Tabelle 4.15 Tabelle 4.16 Tabelle 4.17 Tabelle 4.18 Tabelle 4.19 Tabelle 4.20 Tabelle 4.21 Tabelle 4.22 Tabelle 4.23 Tabelle 4.24 Tabelle 4.25
XIX
Operationalisierung der Akzeptanz demokratischer Rechte . 256 Formen und Operationalisierung von individueller Deprivation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Indikatoren zur Messung von Sozialkapital. . . . . . . . . . . . . . 277 Operationalisierung der Kontaktorte zu verschiedenen religiösen Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Häufigkeiten: Persönlichkeitsmerkmale Verträglichkeit, Neurotizismus, Offenheit für Erfahrungen und Autoritarismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Häufigkeiten: Politische Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Häufigkeiten: Wichtigkeit demokratischer Rechte. . . . . . . . . 293 Mittelwerte: Wichtigkeit demokratischer Rechte nach politischer Einstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Häufigkeiten: Deprivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Häufigkeiten: Sozialkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Häufigkeiten: Strukturelles Sozialkapital – Anzahl der Organisationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Häufigkeiten: Religiöse Vielfalt im Umfeld. . . . . . . . . . . . . . 300 Häufigkeiten: Kontakthäufigkeit zu Muslimen, Hindus, Buddhisten und Juden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Häufigkeiten: Ort der Kontakte zu Muslimen, Hindus, Buddhisten und Juden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Häufigkeiten: Kontakte bei der Arbeit – Anzahl der religiösen Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Häufigkeiten: Kontakte in der Nachbarschaft – Anzahl der religiösen Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Häufigkeiten: Kontakte im Privatleben – Anzahl der religiösen Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Häufigkeiten: Beschäftigung mit dem Islam, dem Hinduismus, dem Buddhismus und dem Judentum. . . . . . . . 306 Faktorenanalyse: Neurotizismus, Verträglichkeit, Offenheit für Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Faktorenanalyse: Autoritarismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Faktorenanalyse: Demokratische Rechte. . . . . . . . . . . . . . . . 311 Faktorenanalyse: Kontakthäufigkeit mit Angehörigen nichtchristlicher Religionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Faktorenanalyse: Beschäftigung mit nichtchristlichen Religionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
XX
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Tabelle 4.26 Interne Konsistenz: Individuelle und soziale Erklärungsfaktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 Tabelle 4.27 Hypothesen zum Einfluss der Konstrukte auf die Einstellungen zu religiöser Pluralität und Muslimen. . . . . . . 322 Tabelle 5.1 Hypothesen zum Einfluss Soziodemografischer Merkmale auf die Einstellungen zu religiöser Pluralität, Muslimen und dem Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Tabelle 5.2 Korrelationen zwischen den Prädiktoren, Deutschland. . . . . 337 Tabelle 5.3 Korrelationen zwischen den Prädiktoren, Westdeutschland. . 339 Tabelle 5.4 Korrelationen zwischen den Prädiktoren, Ostdeutschland. . . 340 Tabelle 5.5 Logistische Regression: Negative Merkmale des Islam, Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 Tabelle 5.6 Logistische Regression: Negative Merkmale des Islam, Westdeutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 Tabelle 5.7 Logistische Regression: Negative Merkmale des Islam, Ostdeutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Tabelle 5.8 Logistische Regression: Positive Merkmale des Islam, Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 Tabelle 5.9 Logistische Regression: Positive Merkmale des Islam, Westdeutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Tabelle 5.10 Logistische Regression: Positive Merkmale des Islam, Ostdeutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 Tabelle 5.11 Lineare Regression: Angst vor religiöser Vielfalt und Muslimen, Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Tabelle 5.12 Lineare Regression: Angst vor religiöser Vielfalt und Muslimen, Westdeutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 Tabelle 5.13 Lineare Regression: Effekt von religiöser Orientierung, religiöser Exklusivität und Religionskritik auf die Angst vor religiöser Vielfalt und Muslimen, Deutschland und Westdeutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Tabelle 5.14 Lineare Regression: Angst vor religiöser Vielfalt und Muslimen, Ostdeutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Tabelle 5.15 Lineare Regression: Ablehnung von religiöser Vielfalt, Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Tabelle 5.16 Lineare Regression: Ablehnung von religiöser Vielfalt, Westdeutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 Tabelle 5.17 Lineare Regression: Ablehnung von religiöser Vielfalt, Ostdeutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
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Tabelle 5.18 Lineare Regression: Gleichheit für alle Religionen, Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Tabelle 5.19 Lineare Regression: Gleichheit für alle Religionen, Westdeutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 Tabelle 5.20 Lineare Regression: Gleichheit für alle Religionen, Ostdeutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 Tabelle 5.21 Lineare Regression: Ablehnung von Muslimen und dem Islam, Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Tabelle 5.22 Lineare Regression: Ablehnung von Muslimen und dem Islam, Westdeutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Tabelle 5.23 Lineare Regression: Effekt von Religiosität, religiöser Exklusivität und Religionskritik auf die Ablehnung von Muslimen und dem Islam, Deutschland und Westdeutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 Tabelle 5.24 Lineare Regression: Ablehnung von Muslimen und dem Islam, Ostdeutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 Tabelle 5.25 Lineare Regression: Haltungen zu Christen, Muslimen, Juden und Atheisten in Abhängigkeit von religiöser Exklusivität und Religionskritik, Deutschland und Westdeutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405
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Einleitung – Religion und religiöse Vielfalt im wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Diskurs
1.1 Zur Aktualität des Themas im Kontext wissenschaftlicher und gesellschaftspolitischer Entwicklungen Seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass das Thema Religion verstärkt in die gesellschaftspolitische Diskussion zurückgekehrt ist. Dabei werden Fragen zur religiösen Lage in Deutschland zwar unter verschiedenen Aspekten diskutiert, einen zentralen Punkt macht jedoch das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher religiöser und weltanschaulicher Couleur in einer Gesellschaft aus. Das Interesse an religiöser Vielfalt, ihrer Wahrnehmung und Bewertung dürfte nicht zuletzt mit beobachtbaren Transformationsprozessen in Deutschland im Zusammenhang stehen. Denn die Frage, wie insbesondere nichtchristliche Religionsgemeinschaften und deren Angehörige in mehrheitlich christlich geprägten Gesellschaften beurteilt werden, gewinnt vor dem Hintergrund einer steigenden Pluralisierung der Religionen immer mehr an Bedeutung. Gehörten im Jahr 1950 noch 59 Prozent der evangelischen, 37 Prozent der katholischen und nur 4 Prozent entweder keiner oder einer anderen Religion an, sind im Jahr 2010 jeweils etwa 30 Prozent evangelisch, katholisch oder konfessionslos, 10 Prozent gehören einer anderen Religion an, von denen etwa die Hälfte auf Angehörige des Islam entfällt (vgl. Pollack/Müller 2013: 34). Muslime1 stellen mit geschätzt knapp 5 Prozent somit die größte religiöse Minorität in Deutschland dar. Allein deswegen ist die Sicht der nichtmuslimischen 1Die
Studie bezieht sich in der Diskussion der Einstellungen zu verschiedenen religiösen Gruppen auf Umfragedaten. Sowohl in den eigenen Daten als auch in den zitierten
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 N. Friedrichs, Integration von religiöser Vielfalt durch Religion?, Veröffentlichungen der Sektion Religionssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30858-2_1
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1 Einleitung – Religion und religiöse Vielfalt …
Bevölkerung auf die Gruppe der Muslime besonders relevant. Zudem sind in den vergangenen Jahren immer wieder Konflikte und Kontroversen um religiöse Minderheiten und insbesondere die Gruppe der Muslime in Deutschland beobachtbar gewesen. Muslime sind insofern nicht nur aufgrund ihrer verhältnismäßig hohen Zahl, sondern auch aufgrund der Kontroversen um den Islam von besonderer Bedeutung2. Es lassen sich leicht Beispiele hierfür finden. So zog eine kontrovers geführte Debatte um die Thesen von Thilo Sarrazin in seinem im Jahr 2010 veröffentlichten Buch „Deutschland schafft sich ab“ große mediale und öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Im Jahr 2012 wurde anlässlich eines Urteils des Kölner Landgerichts hitzig darüber diskutiert, ob eine medizinisch nicht indizierte Beschneidung bei Jungen aus religiösen Gründen erlaubt sein sollte. Von Herbst 2014 bis ca. Ende 2015 machte schließlich die Organisation PEGIDA (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) mit islamfeindlichen Aussagen auf ihren Demonstrationen in Dresden verstärkt auf sich aufmerksam und auf ihrem Parteitag im Jahr 2015 bewegte die Alternative für Deutschland (AfD) sich programmatisch nach rechts und schaffte es, das Thema ‚Islam in Deutschland‘ dauerhaft auf die Agenda zu setzen. Zwar gewinnt man den Eindruck, der Diskurs habe sich im Zuge der Fluchtmigration insbesondere im Jahr 2015 weg von der Gruppe der Muslime und hin zur Gruppe der Geflüchteten verschoben. Doch auch hier wird immer wieder der Islam als Gegenentwurf zu Sitten, Gebräuchen und Werten in Deutschland thematisiert oder gar als konkrete Gefahr für Leib und Leben konstruiert. Dies zeigte sich in der Debatte im Anschluss an die Ereignisse der Kölner Silvesternacht von 2015 auf 2016 oder nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz Ende 2016. Diese Beispiele illustrieren, wie religiöse und kulturelle Vielfalt, vor allem aber die Muslime und der Islam, nahezu permanent explizit oder implizit Gegenstand hoch emotionaler gesellschaftlicher und politischer Debatten geworden sind.
ntersuchungen wurde bei den Items in der Regel nicht zwischen Geschlechtern U differenziert. Aus diesem Grund wird bei den Angehörigen verschiedener Religionsgruppen auf eine geschlechtersensible Formulierung verzichtet, die ansonsten beachtet wird. Selbstverständlich sind auch bei den Angehörigen der einzelnen Religionen stets Frauen, Männer und diverse Personen mitgemeint. 2Die Konflikte um Muslime und den Islam in Deutschland dürften dabei nicht unabhängig von der Zahl der in Deutschland lebenden Muslime sein, da sie mit steigender Anzahl erstens sichtbarer werden und zweitens die Wahrscheinlichkeit der Einforderung von Gleichberechtigung zunehmen dürfte.
1.1 Zur Aktualität des Themas im Kontext wissenschaftlicher …
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Doch welcher Stellenwert kommt Religion in diesen konkreten Konflikten, aber auch generell bei der Beurteilung und im Umgang mit anderen Religionen zu? Samuel P. Huntington (2011) geht in seiner These vom „Clash of civilizations“ von einem kulturellen Konflikt zwischen der westlichen und islamischen Welt aus, der sich historisch aus einem Konflikt zwischen Islam und Christentum herleiten lasse (vgl. Huntington 2011: 209–211). Lässt sich dieser Konflikt zwischen zwei Weltreligionen in Deutschland heutzutage beobachten? Dies scheint eher nicht der Fall zu sein. Denn es existieren seit Jahren Initiativen zum Dialog zwischen unterschiedlichen Religionen3. Auch bezogen auf die oben geschilderten Konflikte haben führende Vertreter*innen der christlichen Kirchen sich eher solidarisch mit den Angehörigen nichtchristlicher Religionsgemeinschaften gezeigt, sofern sich die Kirchen überhaupt explizit positionierten. So riefen führende Vertreter*innen sowohl der christlichen Kirchen als auch des Zentralrats der Juden dazu auf, sich von der islamfeindlichen PEGIDABewegung abzugrenzen (vgl. Herzinger/Kammholz 2014; Focus 2014). Und bereits kurz nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz haben die Kirchen neben dem Ausdruck ihrer Anteilnahme auch vor ungerechtfertigten Reaktionen Muslimen gegenüber gewarnt (vgl. Domradio 2016; Deutsche Bischofskonferenz 2016). Auf der anderen Seite ist im Zuge der PEGIDA-Demonstrationen von Kirchenvertretern die Kritik geäußert worden, die vermeintliche Rettung des christlichen Abendlandes werde vor allem von Konfessionslosen ohne Bindung an Kirche und Christentum vorangetrieben (vgl. Focus 2014). Auch innerhalb der Beschneidungsdebatte wurden Stimmen laut, die bei den Gegnern religiös motivierter Beschneidungen einen kämpferischen Säkularismus auszumachen meinten (vgl. Greven 2012). Es deutet sich in diesem Zusammenhang also eher ein Konflikt zwischen Menschen mit religiösen und solchen mit säkularen Weltdeutungsmustern an, als dass innerhalb der gesellschaftspolitischen Debatte Spannungen zwischen dem Islam und dem Christentum hervorgehoben werden. Spiegelt sich in der Auseinandersetzung somit eher die Differenz zwischen säkularer westlicher Welt und religiöser islamischer Welt wider? Dies scheint tendenziell zumindest im
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lässt sich beispielhaft an der Position der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) anhand des 2015 gemeinsam mit dem Koordinationsrat der Muslime (KRM) herausgegebenen Dialogratgebers zur Förderung der Begegnung zwischen Christen und Muslimen in Deutschland verdeutlichen (vgl. EKD/KRM 2015), sowie an der ebenfalls 2015 von der EKD herausgegebene Publikation: Christlicher Glaube und religiöse Vielfalt in evangelischer Perspektive (vgl. EKD 2015).
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1 Einleitung – Religion und religiöse Vielfalt …
Bereich der Diskurse von Eliten der Fall zu sein. Aber es zeigt sich auch immer wieder, dass die Positionen gesellschaftlicher und politischer Eliten nicht den Einstellungen in der Bevölkerung entsprechen müssen. So sind in der 5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der Evangelischen Kirche in Deutschland im Hinblick auf die Einstellungen zur Religionsvielfalt nur marginale Unterschiede zwischen Evangelischen und Konfessionslosen beobachtbar gewesen (vgl. Laube/Pollack 2014: 36). Und auch im Hinblick auf konkrete Religionen zeichnen sich Kirchenmitglieder nicht unbedingt durch eine größere Offenheit aus. In den Leipziger „Mitte-Studien“ konnte für Antisemitismus festgestellt werden, dass dieser in den Erhebungen der Jahre 2006 und 2010 bei Kirchenmitgliedern sogar stärker ausgeprägt war als bei Konfessionslosen, während sich für die Jahre 2008, 2014 und 2016 keine signifikanten Differenzen für die Religionszugehörigkeit ergaben (vgl. Decker/Brähler 2006: 56; 2008: 28; Decker/Kiess/Brähler 2010: 88; 2014: 42; Decker et al. 2016: 42). Für eine kritische Sichtweise auf den Islam kommen die Autoren für das Jahr 2012 zu dem Ergebnis, dass Protestanten tendenziell islamfeindlicher eingestellt sind, während bei Konfessionslosen die Islamkritik am stärksten ausgeprägt ist (vgl. Decker et al. 2012: 94). Aus diesen Ergebnissen wird ersichtlich, dass die von den Kirchen vertretene Position der Sichtweise ihrer Angehörigen sogar entgegenstehen kann. Zudem ergibt sich auf Anhieb kein eindeutiges Bild. Daraus lässt sich schließen, dass es nicht ausreicht, allein den Diskurs von Eliten im Umgang mit fremden Religionen zu untersuchen, sondern es ist ebenso unumgänglich, nach der Wahrnehmung sowie dem praktischen Umgang mit fremden Religionen auf Seiten der Individuen zu fragen. Denn Programme und Konzepte zur Integration lassen sich letztendlich nur dann erfolgreich umsetzen, wenn sie wenigstens auf ein Minimum an Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft stoßen. Darüber hinaus scheint es erforderlich zu sein, das Verhältnis von christlich geprägter Religion und Religiosität zu nichtchristlichen Religionen auf der Individualebene eingehender zu untersuchen, als es bisher in den meisten Arbeiten der Fall gewesen ist. Entsprechend ist diese Dissertation mikrosoziologisch angelegt, indem sie sich auf die individuelle Wahrnehmung konzentriert. Wie aber sind die Einstellungen in der Bevölkerung? Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Frage der Toleranz gegenüber „fremden“ Religionsgemeinschaften trotz beobachtbarer Konflikte in der empirischen Forschung in Deutschland erst in jüngerer Zeit in nennenswertem Umfang Beachtung gefunden hat. Insbesondere für die Erforschung der Zusammenhänge zwischen Religiosität der Mehrheitsbevölkerung und den Einstellungen zu (vor allem) nichtchristlichen Religionen existieren im europäischen Raum bis heute kaum systematische Ansätze. Dies mag einer der Gründe dafür sein, dass sich im Bereich theoretisch-konzeptioneller Überlegungen wie auch in quantitativ-empirischen Studien zu diesem Verhältnis keine durchweg einheitlichen Ergebnisse finden lassen. Klassische religionssoziologische
1.2 Zur Struktur dieser Forschungsarbeit
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Ansätze wie die Säkularisierungstheorie, die Individualisierungsthese oder der Rational Choice-Ansatz konzentrieren sich zudem häufig auf die Konsequenzen der religiösen Vielfalt für die eigene Religiosität und thematisieren die individuelle Wahrnehmung der anderen Religionen allenfalls am Rande. Insofern ist es auch ein Bestreben der vorliegenden Forschungsarbeit, einen Beitrag dazu zu leisten, dieses Forschungsdesiderat zumindest ansatzweise zu schließen. Die Arbeit setzt sich daher zum Ziel, das Verhältnis zwischen der Religiosität (bzw. Nichtreligiosität) der Bevölkerung und ihren Haltungen zu vornehmlich nichtchristlichen Religionen und ihren Angehörigen eingehend zu untersuchen und zu strukturieren. Das primäre Erkenntnisinteresse liegt folglich nicht in der Beschreibung der Einstellungen zu Multireligiosität selbst, sondern in der detaillierten Analyse der Zusammenhänge zwischen eben diesen Einstellungen und unterschiedlichen religiösen Orientierungen in der deutschen Bevölkerung. Aus dieser Zielsetzung lässt sich schließlich auch folgende forschungsleitende Fragestellung entwickeln: Wie beeinflussen unterschiedliche Formen von Religiosität die Wahrnehmungen und Bewertungen von religiösen Minderheiten und insbesondere der Muslime in Deutschland in Richtung Ablehnung, Toleranz oder vollständiger Bejahung?
Zur Überprüfung dieser Fragestellung wird auf quantitative Umfragedaten zurückgegriffen, die im Rahmen des Forschungsprojekts Die Legitimität des religiösen Pluralismus: Wahrnehmung und Akzeptanz religiöser Vielfalt in der europäischen Bevölkerung (WArV) unter der Leitung von Detlef Pollack erhoben wurden. Die Studie, bei der in fünf europäischen Ländern Daten erhoben wurden, war ein Projekt des Exzellenzclusters „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
1.2 Zur Struktur dieser Forschungsarbeit Da in der empirischen Sozialforschung bislang kaum eine systematische Beschäftigung mit dem Verhältnis von Religion und der Wahrnehmung und Bewertung anderer Religionen existiert, basiert diese Arbeit auch nicht auf einem einzelnen theoretischen Ansatz, den es empirisch zu testen gilt. Auch das g rundlegende Modell der Studie setzt sich aus verschiedenen theoretischen Grundlagen zusammen. Daraus ergibt sich eine Besonderheit im Aufbau der Arbeit und der einzelnen Kapitel. So wird nicht zu Beginn ein Kapitel stehen, in dem der gesamte theoretische Rahmen dieser Arbeit dargestellt wird. Vielmehr werden die theoretischen Überlegungen und vorhandenen wissenschaftlichen Diskurse stets zu Beginn eines jeden Kapitels diskutiert. Im Anschluss an diese
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1 Einleitung – Religion und religiöse Vielfalt …
Diskussionen werden jeweils die empirischen Ergebnisse präsentiert4. Dieses Vorgehen mag zunächst ungewöhnlich, ja geradezu unorthodox erscheinen, wird damit die klassische Herangehensweise in empirischen Arbeiten schließlich durchbrochen. Aufgrund der Verwendung z. T. höchst unterschiedlicher theoretischer Ansätze bietet dieses Vorgehen aber den Vorteil, dass theoretische Konzeptionen, ihre empirische Messung – verbunden mit der Thematisierung möglicher Messschwierigkeiten – sowie die Ergebnisse unmittelbar aufeinander bezogen werden können. So sind die theoretischen Überlegungen den Leser*innen nicht nur aktuell präsent, sondern die hierdurch hoffentlich geweckte Neugier auf die Ergebnisse kann auf diese Weise direkt befriedigt werden. Zum Zweiten ermöglicht diese Herangehensweise aber auch, einzelne Kapitel für sich genommen und relativ unabhängig von den anderen Kapiteln zu studieren. Die Arbeit gliedert sich in folgende Bestandteile: Im folgenden dritten Abschnitt dieses ersten Kapitels (Abschnitt 1.3) soll ein kurzer Überblick über vorhandene empirische Forschungsarbeiten zu Einstellungen gegenüber nichtchristlichen Religionen und interreligiöser Toleranz gegeben werden. Dabei werden auch Forschungsdefizite deutlich gemacht, die als Ansatzpunkt für die vorliegende Arbeit verwendet werden. Im darauffolgenden zweiten Kapitel stehen die Einstellungen zum einen zur Vielfalt des Religiösen, zum anderen zu Muslimen als größter religiöser Minderheit im Zentrum. Den Einstellungen wird ein strukturelles Modell zugrunde gelegt, das von einer Differenzierung zwischen drei Einstellungsebenen ausgeht: der kognitiven, affektiven und evaluativen Dimension. Dieser Binnendifferenzierung liegt die Annahme zugrunde, dass sich Einstellungen auf diesen drei Ebenen voneinander unterscheiden lassen und insofern auch unterschiedliche Implikationen für den praktischen Umgang mit und das Konfliktpotential in einer religiös pluralisierten Gesellschaft beinhalten. Die drei Dimensionen werden jeweils theoretisch hergeleitet und präzisiert. Als Bestandteil der evaluativen Dimension wird bezugnehmend auf Toleranztheorien aus der politischen und Sozialphilosophie
4Obwohl bi- und multivariate Zusammenhangsanalysen im Zentrum des Interesses dieser Arbeit stehen, werden zu Beginn der Ergebniskapitel jeweils auch die deskriptiven Resultate der verwendeten Indikatoren in Form von Prozentwerten dargestellt. Einige dieser deskriptiven Ergebnisse, insbesondere aus Kapitel 2, sind bereits zuvor in anderen Publikationen veröffentlicht worden. Um ein umfassendes Verständnis der untersuchten Einstellungen zu erhalten, sind sie jedoch unverzichtbar, weshalb sie in dieser Studie noch einmal dargestellt und diskutiert werden. Es wird bei bereits veröffentlichten Ergebnissen jeweils auf die Erstveröffentlichung hingewiesen.
1.2 Zur Struktur dieser Forschungsarbeit
7
(vgl. Forst 2003; Höffe 2006; Walzer 1998) auch das für die gesamte Arbeit zentrale Modell zu interreligiöser Toleranz entwickelt. In den empirischen Analysen liegt der Schwerpunkt auf den Einstellungsstrukturen sowie dem Verhältnis von kognitiver, affektiver und evaluativer Dimension. Es geht hier also vor allem um die Frage, inwieweit die theoretisch begründeten Einstellungsdimensionen mit ihren Binnendifferenzierungen sich empirisch nachweisen lassen. Um dies zu untersuchen wird auf Faktorenanalysen und bivariate Korrelationen zurückgegriffen. Die zentralen Prädiktoren Religion und Religiosität werden in Kapitel 3 thematisiert. Dabei wird zunächst auf klassische religionssoziologische Konzepte wie das Modell von Charles Y. Glock (1969) Bezug genommen. Der Fokus liegt jedoch auf Ansätzen, die Religion zur Erklärung von Bewertungen sozialer Gruppen untersuchen. Dieser Forschungszweig besitzt in den USA eine lange Tradition und ist eng mit dem Sozialpsychologen Gordon W. Allport bzw. seinem Kollegen Michael J. Ross verbunden, die den Zusammenhang zwischen Vorurteilen und religiöser Motivation untersuchten (vgl. Allport 1966; Allport/ Ross 1967). Die Autoren differenzieren zwischen extrinsischer und intrinsischer Religiosität und gehen davon aus, dass intrinsisch Orientierte christliche Werte von Toleranz und Nächstenliebe stärker internalisiert hätten als extrinsisch Orientierte, weshalb letztere mehr ethnische Vorurteile besitzen sollten (vgl. Allport/Ross 1967: 434). Ebenso wird die von C. Daniel Batson (1976) entwickelte Erweiterung des Modells zur religiösen Orientierung durch die Quest-Religiosität berücksichtigt, die eine die eigenen Überzeugungen hinterfragende Form von Religiosität darstellt (Batson 1976: 32). Gerade in jüngerer Zeit wurden diese Ansätze zunehmend verdrängt durch Studien, die religiösen Fundamentalismus, Dogmatismus und religiös-exklusive Glaubenspositionen als Prädiktoren für die Bewertung unterschiedlichster Gruppen verwenden (vgl. Herek 1987; Jelen/Wilcox 1991; Doktór 2002; Merino 2010). Die Einbeziehung dieser unterschiedlichen Glaubensformen ermöglicht eine Analyse der Struktur von Religiosität und kann zugleich einen Beitrag zur Diskussion um die beste Prädiktion von negativen Bewertungen durch Religiosität leisten. Die gesellschaftlichen Konflikte um ein Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen religiösen Überzeugungen legen die Vermutung nahe, dass nicht nur die ideologische Unvereinbarkeit der Welterklärungsansätze dabei eine Rolle spielt, sondern gleichsam auch angestrebt wird, die eigene Gruppe durch Beanspruchung der Deutungshoheit aufzuwerten. Ergänzend zu religionssoziologischen und -psychologischen Modellen werden daher auch Theorien sozialer Gruppenkonflikte zur Erklärung der Einstellungen herangezogen (vgl. Mummendey/Kessler 2008; Sherif 1970; Tajfel/Turner 1986).
8
1 Einleitung – Religion und religiöse Vielfalt …
Wie bereits erwähnt, ist Religion kein zentraler Erklärungsfaktor in der klassischen Vorurteilsforschung. In diesem Kontext werden in der Literatur vielmehr zahlreiche andere Faktoren als bedeutsam genannt. Dies gilt für Überlegungen zu relativer wahrgenommener Deprivation (vgl. Rippl/Baier 2005) ebenso wie für ‚brückenbildendes‘ Sozialkapital (vgl. Putnam 2000). So habe die Mitgliedschaft in unabhängigen Gruppen beispielsweise die Funktion, vor extremistischen Ideologien zu schützen (vgl. McCutcheon 2000: 89); diese Mitgliedschaft fördere zugleich die Ausbildung von interpersonellem Vertrauen (vgl. Putnam 2000). Außerdem wird seit vielen Jahren die Bedeutung von Intergruppenkontakten bei der Förderung von Toleranz und dem Abbau von Vorurteilen untersucht, da „Kontakte, die Wissen und Bekanntschaft stiften, […] ein besseres Wissen über Minderheiten“ erzeugten (Allport 1971: 273). Aber auch Faktoren der individuellen Persönlichkeit wie Autoritarismus (Adorno 2013) bzw. Right-Wing Authoritarianism (Altemeyer 1998) wird eine Bedeutung für die Erklärung abwertender Einstellungen zugesprochen. Möchte man die Erzeugung wissenschaftlicher Artefakte im Hinblick auf die Bedeutung von Religion und Religiosität zur Erklärung der Bewertung von religiöser Vielfalt und den Muslimen vermeiden, so ist es geboten, nach klassischen Erklärungsfaktoren aus der Vorurteilsforschung statistisch zu kontrollieren. Nur wenn Religion auch bei Kontrolle dieser Faktoren statistisch signifikante Effekte besitzt, kann ihr mit Recht eigenständige Erklärungskraft zugesprochen werden. Aus diesem Grund widmet sich das vierte Kapitel den Theorien der klassischen Vorurteilsforschung. Die Kapitel 3 und 4 schließen jeweils mit der Formulierung von Hypothesen zum Einfluss der Merkmale auf die Wahrnehmung und Bewertung (nichtchristlicher) Religionen. Diese Hypothesen werden schließlich im fünften Kapitel mithilfe multipler logistischer und linearer Regressionsmodelle für alle drei Einstellungsdimensionen (kognitiv, affektiv, evaluativ) statistisch getestet. Das fünfte Kapitel kann somit als Kern der gesamten Arbeit verstanden werden, denn hier sollen die komplexen Zusammenhänge von Religion/Religiosität und den Einstellungen zu nichtchristlichen Religionen und Muslimen statistisch analysiert werden. Nicht zuletzt wird in diesem Kapitel auch die Frage beantwortet, welche Relevanz den religiösen Einflussfaktoren im Vergleich zu anderen Merkmalen zugesprochen werden muss. Es schließt sich im finalen sechsten Kapitel eine Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Forschungsarbeit an.
1.3 Wahrnehmung und Akzeptanz von religiöser Vielfalt …
9
1.3 Wahrnehmung und Akzeptanz von religiöser Vielfalt – ein Überblick über vorhandene Studien Im Folgenden soll versucht werden, einen zumindest rudimentären Überblick über vorhandene empirische Studien zur Bewertung von religiöser Pluralität und unterschiedlichen religiösen Gruppen aus etwa den letzten fünfzehn Jahren zu geben. Dabei werden ausschließlich quantitative Untersuchungen in den Blick genommen, da sie von ihrer Herangehensweise mit der vorliegenden Arbeit vergleichbar sind. Außerdem sollen nicht nur, aber insbesondere, Arbeiten über die Situation in Deutschland berücksichtigt werden. Auch dies geschieht aus Gründen der Vergleichbarkeit. Die faktische oder wahrgenommene Zunahme einer Pluralisierung der Religionen auf einem abgegrenzten Territorium hat in den letzten Jahren immer stärker Einzug in die Religionsforschung gehalten. Neben einmaligen Studien existieren mittlerweile auch einige Untersuchungen, die bereits wiederholt Daten zum Umgang mit religiöser Vielfalt oder Angehörigen nichtchristlicher Religionen erhoben haben. Für Großbritannien und Australien kommt David Voas im Religionsmonitor von 2008 etwa zu dem Ergebnis, Toleranz sei ein bedeutender Bestandteil von Moralbewusstsein, so dass „die Menschen sich eher dem religiösen Pluralismus verschreiben, als auf dem exklusiven Wahrheitsanspruch ihrer Religion zu bestehen“ (Voas 2009: 450). Im Religionsmonitor von 2013 ist in Deutschland zwar eine deutliche Mehrheit der Ansicht, man solle allen Religionen gegenüber offen sein (vgl. Hafez/Schmidt 2015: 28–29). Zugleich wird der Islam von einer knappen Mehrheit als inkompatibel mit der westlichen Welt angesehen und von ebenso vielen als bedrohlich empfunden (vgl. Hafez/Schmidt 2015: 17–18; 25). Diese Ergebnisse werden im jüngsten Religionsmonitor von 2017 weitgehend bestätigt (vgl. Pickel 2019: 72–73; 80–81). Darüber hinaus zeigt der Religionsmonitor von 2017, dass immerhin 19 Prozent der Deutschen Muslime ungern als Nachbarn hätten, wobei Deutschland sich diesbezüglich nicht wesentlich von den anderen im Religionsmonitor 2017 untersuchten Ländern Österreich, der Schweiz, Großbritannien, Frankreich und der Türkei unterscheidet (vgl. Halm/Sauer 2017: 17–18.). Außerdem ist etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung der Ansicht, es werde zu viel Rücksicht auf Muslime genommen, und sogar noch etwas mehr erwarten eine kulturelle Anpassung von Migrant*innen (vgl. Pickel 2019: 90–91). Diese Ergebnisse stehen in einer Analogie mit den Befunden von Rainer Dollase (2006), dass Toleranz zwar prinzipiell hochgeschätzt wird, gleichzeitig jedoch eine reservierte Haltung in Bezug auf allzu engen Kontakt mit Muslimen vorliegt. Detlef Pollack macht zudem darauf aufmerksam, dass „die wachsende
10
1 Einleitung – Religion und religiöse Vielfalt …
Vielfalt religiöser Gruppierungen in der Gesellschaft von einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung als eine Ursache von Konflikten angesehen“ werde, was nicht selten mit dem „Gefühl einer Bedrohung des eigenen Landes durch fremde Kulturen“ einhergehe (Pollack 2009: 174), obgleich auch er eine hohe Akzeptanz für Toleranz als Wert in der Gesellschaft feststellt. Obwohl Toleranz prinzipiell als wichtiger Wert angesehen wird, scheint die unmittelbare Konfrontation mit Mitgliedern anderer Religionsgemeinschaften also bei weitem nicht problemlos zu sein. Robert Wuthnow (2004) stellt im „Religion and Diversity Survey“ für die USA fest, dass die Wahrnehmung und Akzeptanz von religiöser Vielfalt vor allem von den religiösen Gruppen abhängt, um die es konkret geht. Während 47 Prozent der Amerikaner*innen den Islam mit Fanatismus verbinden, geben nur 25 Prozent diese Assoziation mit Hindus an, bei Buddhisten sind es sogar nur 23 Prozent (vgl. Wuthnow 2004: 164). Die bisher diskutierten Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Muslime und der Islam von den Menschen weitaus negativer beurteilt zu werden scheinen als andere Religionsgemeinschaften und deren Angehörige. Dies lässt sich eingeschränkt auch für Deutschland auf Basis einer neueren Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes bestätigen, bei der mit einem Drittel (33 %) deutlich mehr Befragte eine eher oder sehr negative Haltung gegenüber Muslimen besitzen als dies gegenüber Christen, Juden, Buddhisten oder Hindus (6 bis 12 %) der Fall ist (vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2016: 6–7)5. Christian S. Czymara und Alexander W. SchmidtCatran (2016) stellen in ihrer Untersuchung schließlich fest, dass muslimischen Eingewanderten die Aufenthaltserlaubnis, Arbeitserlaubnis und der Bezug von Sozialleistungen aus Sicht ihrer Befragten eher vorenthalten werden sollten als christlichen oder konfessions- bzw. religionslosen Migrant*innen (vgl. Czymara/ Schmidt-Catran 2016: 311). Zugleich scheint das Verhältnis zu den Muslimen empirisch durchaus von einer gewissen Ambivalenz geprägt zu sein. Foroutan et al (2014) stellen beispielsweise fest, dass gut zwei Drittel (68 %) der Ansicht sind, Muslimen sollte mehr Anerkennung entgegengebracht werden und nur eine Minderheit von 26,5 Prozent unterstellt ihnen eine höhere Aggressivität (vgl. Foroutan et al. 2014: 30–31). Zugleich zeigt sich in Umfragen eine gewisse Skepsis in Bezug auf das Zugeständnis spezifischer Rechte. Dem SVR-Integrationsbarometer von 2018 zufolge ist zwar in etwa die Hälfte der
5Dies
sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass trotzdem eine klare Mehrheit von 64 Prozent angibt, eine positive Einstellung zu Muslimen zu haben (vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2016: 6–7).
1.3 Wahrnehmung und Akzeptanz von religiöser Vielfalt …
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Einwohner*innen ohne Migrationshintergrund bereit, einer muslimischen Mitarbeiterin in einer Behörde das Tragen des Kopftuches zu gewähren, einer muslimischen Lehrerin wollen das jedoch nur 42 Prozent der Befragten ohne Migrationshintergrund zugestehen (vgl. SVR 2018: 24–25, Abb. 16; 17). Bezieht man auch Einwohner mit Migrationshintergrund ein, sind es zumindest knapp unter 50 Prozent (Foroutan 2019: 95, Abb. 2). Lediglich der Bau von Moscheen scheint hier eine Ausnahme darzustellen, den nur eine Minderheit in Deutschland einschränken möchte (vgl. Foroutan 2019: 95, Abb. 2; Foroutan et al. 2014: 35, Abbildung 9; SVR 2016: 44, Abb. 22). Doch selbst der Moscheebau scheint nicht gänzlich unproblematisch gesehen zu werden. Denn selbst wenn Befragte angeben, persönlich kein Problem mit sichtbaren Moscheebauten in der eigenen Umgebung zu haben, so nehmen sie dennoch an, die meisten Einwohner*innen hätten etwas dagegen, so dass sich zumindest die Frage stellt, inwieweit die eigene Ablehnung auf die Nachbarschaft projiziert wird (vgl. SVR 2016: 44). Im Rahmen der von 2002 bis 2012 laufenden Langzeitstudie zu Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF)6 unter der Leitung von Wilhelm Heitmeyer werden auch die Konstrukte ‚Islamophobie‘ bzw. ‚Muslimfeindlichkeit‘ und ‚Antisemitismus‘ erhoben7. Aufgrund der hohen Popularität der Studien und der Möglichkeit, anhand der Ergebnisse Aussagen über die Entwicklungsverläufe zu machen, soll den Untersuchungen zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit hier ein größerer Raum gegeben werden. Theoretischer Kern des Konzepts der Menschenfeindlichkeit sei nach Heitmeyer die „Betonung von Ungleichwertigkeit“ (Heitmeyer 2002: 17). Diese ‚Ideologie der Ungleichwertigkeit‘ werde auf drei Ebenen ausgedrückt: Erstens durch die Betonung der Differenz zwischen dem Eigenen und dem Fremden, zweitens durch utilitaristische Einstellungen und drittens in Form von diskriminierenden und abwertenden Verhaltensweisen (vgl. Heitmeyer 2002: 17). Heitmeyers Analysen beziehen sich stets auf Gruppen und nicht auf individuelle Ressentiments, weshalb er von Gruppenbezogener
6In
dem Projekt wurden über einen Zeitraum von zehn Jahren jedes Jahr Daten zur Wahrnehmung und Bewertung verschiedener (Minderheiten-)Gruppen erhoben. 7Das Syndrom wurde kontinuierlich erweitert und umfasste zum nach zehn Jahren zehn Elemente: Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamophobie/Muslimfeindlichkeit, Homophobie, Abwertung von Obdachlosen, Behinderten und Langzeitarbeitslosen, Etabliertenvorrechte und Sexismus (vgl. Heitmeyer/Mansel 2008: 19–20). Inzwischen wurde das Konzept abermals erweitert, um die Elemente Abwertung von Sinti und Roma, asylsuchenden Menschen und Trans*menschen (vgl. Zick/Berghan/Mokros 2019: 58–63).
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1 Einleitung – Religion und religiöse Vielfalt …
Menschenfeindlichkeit spricht (vgl. Heitmeyer 2002: 19). Da Abwertungen und Diskriminierungen unabhängig von der untersuchten Gruppe stets auf die Betonung von Ungleichwertigkeit verweisen würden, könne bei Menschenfeindlichkeit von einem Syndrom gesprochen werden (vgl. Heitmeyer 2002: 21). Entsprechend wird ein Zusammenhang zwischen den Ressentiments verschiedenen Gruppen gegenüber angenommen, obgleich die konkreten Gruppen im Zeitverlauf wechseln könnten (vgl. Küpper/Zick 2010: 27)8. Abwertende Einstellungen zu Muslimen und diskriminierende Handlungen ihnen gegenüber werden im Kontext des Projekts mit dem Begriff Islamophobie erfasst, den Jürgen Leibold und Steffen Kühnel wie folgt definieren: Es gehe bei Islamophobie ausdrücklich „nicht um die Kritik an islamischen Aktivitäten, sondern um generelle ablehnende Einstellungen gegenüber muslimischen Personen und allen Glaubensrichtungen, Symbolen und religiösen Praktiken des Islams. Diese Einstellungen können sich in diskriminierenden Verhaltensweisen oder auch Gewalttaten ausdrücken“ (Leibold/Kühnel 2003: 101).
Während in der Erhebung von 2002 jedoch nur zwei Items zur Messung von Islamophobie abgefragt wurden, wird in der Studie von 2003 zwischen drei Aspekten von Islamophobie – nämlich der generellen Ablehnung, der kulturellen Abwertung und distanzierten Verhaltensabsichten - differenziert (vgl. Leibold/ Kühnel 2003: 101)9. In ihrer Auswertung „weisen 21,7% der Befragten bei
8Interessant
ist in diesem Zusammenhang, dass Heitmeyer der Islamophobie im Jahr 2002 noch eine Sonderstellung zuspricht, da „die Verbindung der Elemente des Syndroms mit Islamophobie überraschend gering ausgeprägt“ seien (Heitmeyer 2002: 25). Bereits ein Jahr später weisen seine Mitarbeiter Leibold und Kühnel jedoch darauf hin, dass Islamophobie besonders hoch mit Fremdenfeindlichkeit korreliere (vgl. Leibold/Kühnel 2003: 105). Dieser Unterschied dürfte vor allem auf die Art der Erhebung von Islamophobie zurückzuführen sein. Während 2002 lediglich Einstellungen zu islamischen Glaubenspraktiken abgefragt wurden, wurde für die Welle von 2003 ein erheblich differenzierteres Instrument eingesetzt, dessen Teilaspekt „generelle Ablehnung“ deutlich höher mit Fremdenfeindlichkeit korreliert (.91) (vgl. Heitmeyer 2003: 19, Tab. 1). 9Die drei Aspekte von Islamophobie wurden jeweils über zwei Items erhoben, die in der Auswertung zu Skalen für die drei Aspekte zusammengefasst wurden (vgl. Leibold/Kühnel 2003: 104). Dabei kann die vorgenommene Differenzierung aus Sicht des Autors aufgrund mangelnder theoretischer Fundierung nicht überzeugen. Lässt sich die handlungsorientierte dritte Ebene noch einigermaßen klar abgrenzen, scheint das einzige belastbare Unterscheidungsmerkmal zwischen genereller Ablehnung und kultureller Abwertung in der Integration des emotionalen Aspekts bei genereller Ablehnung zu liegen, zumal der Kulturbegriff gänzlich unterbestimmt bleibt (vgl. Leibold/Kühnel 2003: 101).
1.3 Wahrnehmung und Akzeptanz von religiöser Vielfalt …
13
der generellen Ablehnung von Muslimen eine tendenziell islamophobische Haltung auf, bei der kulturellen Abwertung liegt dieser Anteil bei 27,2% und bei der Intention bei 34,2%“ (Leibold/Kühnel 2003: 104). Insgesamt kommen die Autoren für das Jahr 2003 aber zu dem Ergebnis, Islamophobie habe „bisher keine besondere Ausprägung in Deutschland […], wenn man die anderen Elemente zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit zum Vergleich heranzieht“ (Leibold/ Kühnel 2003: 113). Dennoch scheint die Situation nicht so unproblematisch zu sein, wie die Ergebnisse von 2003 nahelegen, denn Wilhelm Heitmeyer stellt im Jahr 2005 fest, dass kritische Haltungen zu Muslimen in den ersten drei Wellen, in denen Islamophobie abgefragt wurde, zugenommen haben10: „So stieg die Ablehnung, daß der Islam eine bewundernswerte Kultur hervorgebracht habe, von fast 37% 2003 auf 43% 2004. Daß die muslimische Kultur in die westliche Welt passe, lehnten 2003 fast 66% ab, 2004 sind es fast 70%“ (Heitmeyer 2005: 20).
Auch das Misstrauen gegenüber Muslimen sei von 34 Prozent auf fast 39 Prozent angestiegen. Im Falle der Abneigung, in eine Gegend mit einem hohen muslimischen Bevölkerungsanteil zu ziehen, sei ein kontinuierlicher Anstieg von 52 auf fast 58 Prozent in den Jahren 2002 bis 2004 zu beobachten (vgl. Heitmeyer 2005: 20). In den Folgen acht und neun seiner „Deutschen Zustände“ entdeckt Heitmeyer darüber hinaus noch eine neue Entwicklung. Im Kontext der Finanzkrise von 2008 untersucht er die Veränderungen in der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit differenziert nach der Betroffenheit von der Krise (Folge 8) und nach dem Einkommen (Folge 9) und stellt dabei fest, dass islamfeindliche Einstellungen bei von der Krise betroffenen Menschen größer sind (Vgl. Heitmeyer 2010a: 40, Abb. 23). Darüber hinaus nimmt Islamophobie von 2009 zu 2010 insbesondere bei Menschen mit hohem Einkommen zu, obgleich bei allen Einkommensgruppen ein signifikanter Anstieg zu verzeichnen ist (vgl. Heitmeyer 2010b: 25, Abb. 08). Heitmeyer erklärt diese Veränderungen unter anderem mit dem Postulat eines Prozesses von „Entmoralisierung als Aufkündigung des Prinzips der Gleichwertigkeit“ (Heitmeyer 2010b: 17), der durch die Finanzkrise
10Auch
Heitmeyer selbst hebt in der Darstellung allerdings hervor, man müsse diesen Verlauf mit Vorsicht beurteilen, da im Laufe des Forschungsprozesses das Erhebungsinstrument verbessert und somit verändert worden sei (vgl. Heitmeyer 2005: 26).
14
1 Einleitung – Religion und religiöse Vielfalt …
ausgelöst worden sei. Allerdings sieht er gerade im Fall des Anstiegs von Islamophobie auch die „teilweise sehr polemisch geführten öffentlichen Debatten“ (Heitmeyer 2010b: 23) als eine Ursache an11. Aufgrund der hohen Korrelationen zwischen Islamophobie und Fremdenfeindlichkeit wurden 2006 zwei Fragen, die „Meinungen zur offenen Feindseligkeit gegenüber Muslimen in der Bundesrepublik“ (Leibold/Kühnel 2006: 137) erheben, in die Untersuchung integriert. Dieses Konzept korreliere zwar stark mit der generellen Ablehnung. Während diese aber „auf dem Boden von politisch legitimen Forderungen und emotionalem Unbehagen bleibt, gehen die Formulierungen zur offenen Islamfeindlichkeit darüber deutlich hinaus“ (Leibold/Kühnel 2006: 137)12. Offener Islamfeindlichkeit werde von allen Aspekten am wenigstens zugestimmt, dennoch werde auch diese Haltung zumindest von 14,8 bzw. 20,9 Prozent der Befragten vertreten13. Der von Heitmeyer 2005 beschriebene Trend einer Zunahme islamfeindlicher Einstellungen scheint im Jahr 2006 teilweise weiter voran zu schreiten. Die kulturelle Abwertung stieg im Jahr 2006 deutlich auf 49,7 und 74,2 Prozent (vgl. Leibold/Kühnel 2006: 141–142). Im Falle der Verhaltensintentionen, die auch 2003 (mit einem Item weniger) abgefragt wurden, ist keine klare Zunahme zu entdecken. Die Ablehnung eines Umzugs in eine Gegend, in der viele Muslime leben, ist entgegen der generellen Entwicklung einer tendenziell steigenden Islamophobie in Deutschland rückläufig, denn es vertreten nur 46,8 Prozent im Jahr 2006 diese Ansicht. Dennoch wollen 60 Prozent der Befragten ihr Kind nicht in einer Schule anmelden, in der eine muslimische Lehrerin ein Kopftuch trägt, wohingegen 21,3 Prozent nur Parteien wählen wollen, die gegen einen
11Diese Befunde sind vor allem deshalb interessant, weil die Islamfeindlichkeit in den Jahren 2006 bis 2009 zumindest in bestimmten Aspekten leicht rückläufig ist (vgl. Heitmeyer 2010a: 39, Abb. 22). 12Die beiden Items zur offenen Islamfeindlichkeit lauteten: „Es sollte besser gar keine Muslime in Deutschland geben“ und „Muslimen sollte jede Form der Religionsausübung in Deutschland untersagt werden“. Die beiden Items zur Erhebung von genereller Ablehnung waren: „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden“ und „Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land“ (vgl. Leibold/Kühnel 2006: 142, Tab. 1). 13Im Gegensatz zu den Analysen von 2003, in denen die beiden Items zu den einzelnen Aspekten jeweils zu Skalen aggregiert wurden, wurden 2006 die Prozentwerte der einzelnen Items für die Interpretation verwendet.
1.3 Wahrnehmung und Akzeptanz von religiöser Vielfalt …
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weiteren Zuzug von Muslimen sind (vgl. Leibold/Kühnel 2006: 145)14. Für die generelle Ablehnung des Islam muss im Jahr 2007 allerdings festgestellt werden, dass der Anstieg im Vergleich mit 2004 statistisch insignifikant ist (vgl. Heitmeyer 2007: 26). Das Niveau von Islam- bzw. Muslimfeindlichkeit scheint sich der GMF-Forschergruppe zufolge in den vergangenen Jahren stabilisiert zu haben. So lag es in den Jahren 2014 und 2016 jeweils bei 18 Prozent, in der neuesten Umfrage von 2018/19 bei knapp 19 Prozent (vgl. Klein/ Groß/Zick 2014: 73, Tabelle 4.3.1; Zick et al. 2016: 48; Zick/Berghan/Mokros 2019: 83, Abb. 3.3). Im Gegensatz zu den GMF-Daten verzeichnen Decker/Kiess/Brähler (2014) und Decker et al. (2016), die dieselben beiden Items verwenden, in jüngerer Zeit einen deutlichen Anstieg der generellen Ablehnung von Muslimen. Der Aussage, Muslimen solle die Zuwanderung untersagt werden, wird von knapp 37 (2014) bzw. sogar 41 Prozent (2016) zugestimmt, die Zustimmung zu einem Gefühl der Überfremdung steigt auf 43 (2014) bzw. 50 Prozent (2016) (vgl. Decker/Kiess/ Brähler 2014: 50, Tabelle 11; Decker et al. 2016: 50, Tabelle 11). Somit liegen die Zahlen der Forschergruppe der Leipziger „Mitte-Studien“ für den gleichen Zeitraum wesentlich höher, wobei allein auf Basis der Publikationen nicht gesagt werden kann, wie diese Differenzen zu erklären sind. Im Jahr 2008 schließlich differenzieren die Wissenschaftler zwischen Islamophobie und Kritik am Islam und untersuchen das Verhältnis beider Konstrukte15. Zwar stellen sie im Vergleich zu den steigenden Zahlen bis 2006 tendenziell einen Rückgang islamophober Positionen fest, aber islamkritische Einstellungen seien weit verbreitet, denn 76 Prozent vertreten die Meinung, der Islam erkenne keine säkularen Prinzipien an, 78 Prozent glauben nicht an die Anerkennung anderer Religionen durch den Islam und sogar 86 Prozent sind davon überzeugt, der Islam lehne Homosexualität grundsätzlich ab (vgl. Leibold/Kühnel 2008: 101). Aus dem gesamten Itemspektrum ermitteln die Autoren mithilfe einer
14Leibold/Kühnel verweisen im Kontext dieses Items jedoch darauf, dass im Zusammenhang mit den öffentlichen Diskussionen zu einem möglichen EU-Beitritt der Türkei auch immer wieder die Frage der Zuwanderung thematisiert werde. Sie sehen darin einen möglichen Grund für die verhältnismäßig hohe Zustimmung bei diesem Item (vgl. Leibold/ Kühnel 2006: 145). 15Leibold/Kühnel unterscheiden dabei folgende drei Bereiche der Kritik an islamischen Positionen: 1. die Ablehnung des Prinzips des säkularen Rechtsstaats, 2. die Ablehnung der Gleichstellung verschiedener Bekenntnisformen auf Basis von Religions- und Weltanschauungsfreiheit, 3. die aktive Diskriminierung von Menschen mit abweichender sexueller Orientierung (vgl. Leibold/Kühnel 2008: 100).
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1 Einleitung – Religion und religiöse Vielfalt …
Clusterzentrenanalyse vier Gruppen. Danach sind 27,2 Prozent der Deutschen islamophob, 34,8 Prozent pessimistisch-kritisch, 19,2 Prozent kritische Optimisten und 18,8 Prozent sind Kulturrelativisten16. Während sowohl die Kulturrelativisten als auch die optimistisch-kritischen Befragten kulturelle Pluralität eher wertschätzen, lehnen die beiden anderen Gruppen sie eher ab, die Islamophoben aber nochmals stärker als die pessimistisch-kritische Gruppe (vgl. Leibold/Kühnel 2008: 105). Auch Decker et al. (2012) differenzieren zwischen einer kritischen Beurteilung des Islam und einer offenen Islamfeindschaft. Dabei beziehen sie sich in ihrer theoretischen Abgrenzung zwar u. a. auf Leibold/Kühnel, verwenden jedoch andere Items, so dass die Ergebnisse nur eingeschränkt verglichen werden können17. Während in ihrer Studie 36 Prozent der Befragten als islamfeindlich klassifiziert werden müssten, seien knapp 61 Prozent islamkritisch (vgl. Decker et al. 2012: 93). Die Analysen von Leibold/Kühnel (2008) und Decker et al. (2012) sind vor allem deshalb interessant, weil sich in den Ergebnissen andeutet, dass die Frage nach der Wahrnehmung von Muslimen und dem Islam in Deutschland auf einer Skala zwischen Akzeptanz bzw. Anerkennung und Ablehnung nicht angemessen beschrieben werden kann. Denn insbesondere die Gruppe der optimistisch-kritischen Befragten weist keine kulturelle Distanz auf, wie sich auch an der Befürwortung von kultureller Vielfalt zeigt, wo sie sich nicht signifikant von der kulturrelativistischen Gruppe unterscheidet. Vielmehr wird Distanz hier über die Unterstellung von Wertpositionen, die modernen westlichen Staaten widersprechen, hergestellt. Daran wird vor allem deutlich, dass es analytisch sinnvoll erscheint, erstens negative Sichtweisen auf Muslime zunächst unabhängig von der generellen Ablehnung von Pluralität und dem ‚Fremden‘ zu betrachten.
16Die
erste Gruppe (islamophob) ist gekennzeichnet sowohl durch islamophobe als auch durch islamkritische Positionen. Die Gruppe der optimistisch-kritischen Befragten hat relativ geringe Werte für kulturelle Distanz und nur geringfügig höhere Werte für die generelle Ablehnung, vertritt aber eine deutlich kritische Position dem Islam gegenüber. Sie unterscheidet sich von der Gruppe der kritischen Pessimisten darin, dass diese zusätzlich zu einer kritischen Position gepaart mit niedrigen Werten für die generelle Ablehnung über ein hohes Maß an kultureller Distanz verfügt. Die Kulturrelativisten schließlich zeigen weder islamophobe noch islamkritische Einstellungen (vgl. Leibold/Kühnel 2006: 103–104). 17Die Autoren verwenden fünf Items zur Erhebung der Islamkritik. Dabei wird ebenfalls das Prinzip des säkularen Rechtsstaats berücksichtigt, das Geschlechterverhältnis sowie das Tragen des Kopftuchs, die Unterstützung liberal eingestellter Muslime und schließlich die Universalität der Menschenrechte (vgl. Decker et al. 2012: 92, Tabelle 3.3.1).
1.3 Wahrnehmung und Akzeptanz von religiöser Vielfalt …
17
Zudem erscheint es angebracht, eine Dichotomie von Affirmation vs. Ablehnung zugunsten eines vielschichtigeren Einstellungsmodells aufzugeben. Auch in dem international vergleichend arbeitenden Projekt „Group-Focused Enmity in Europe“ (GFE-Europe)18, bei dem im Jahr 2008 Daten in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Polen, Portugal und Ungarn erhoben wurden19, wird das Ergebnis bestätigt, dass islam- und fremdenfeindliche Einstellungen in Europa relativ weit verbreitet sind (vgl. Zick/Küpper/Wolf 2010: 57)20. So meinen zwischen 46,7 (Niederlande) und 62,2 Prozent (Portugal) der Befragten, der Islam sei eine Religion der Intoleranz (Deutschland: 52,5 Prozent). Und auch bei der Frage, ob man der Ansicht sei, es würden zu viele Muslime im eigenen Land leben, variieren die Ergebnisse zwischen 27,1 Prozent Zustimmung in Portugal und 60,7 Prozent in Ungarn. Auch bei dieser Frage liegt Deutschland mit einer Zustimmung von 46,1 Prozent im mittleren Bereich (MW21: 2,62) (vgl. Zick/Küpper/Wolf 2010: 50–51). Über die zehn Jahre, in denen Daten im Rahmen des GMF-Projekts erhoben wurden, lassen sich im Hinblick auf negative Einstellungen zu Muslimen und dem Islam keine eindeutigen Trends erkennen, wobei sich aus Perspektive der Forschungsgruppe eine leichte Tendenz hin zu einer Abnahme islamfeindlicher Positionen andeutet (vgl. Leibold et al. 2012: 187). Ob dies tatsächlich der Fall ist, darf jedoch bezweifelt werden, da sich in den jüngeren referierten Untersuchungen seit etwa 2014 teilweise sogar ein weiterer Anstieg negativer Bewertungen von Muslimen findet. Aber nicht nur Muslimen stehen die Menschen in Deutschland und Europa feindlich bzw. negativ gegenüber, sondern auch Juden. Im Spannungsfeld zwischen Antisemitismus und Israelkritik, in dem Aribert Heyder, Julia Iser und Peter Schmidt zwischen sechs verschiedenen
18Im
Gegensatz zum deutschen Projekt um Wilhelm Heitmeyer werden in der GFE-Europe Studie nur acht Phänomene untersucht: Antisemitismus, Islamophobie, Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, Sexismus, Homophobie, Vorbehalte gegenüber Obdachlosen sowie gegenüber Behinderten. 19Die Stichprobe beträgt pro Land 1.000 repräsentativ ausgewählte Befragte ab dem 16. Lebensjahr (vgl. Zick/Küpper/Wolf 2010: 44). 20Interessant ist in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie vor allem in jenen Ländern hoch miteinander korrelieren, in denen die Migranten überwiegend Muslime sind (vgl. Zick/Küpper/Wolf 2010: 46). 21Auf einer vierstufigen Skala von 1 = stimme überhaupt nicht zu bis 4 = stimme voll und ganz zu.
18
1 Einleitung – Religion und religiöse Vielfalt …
Formen22 differenzieren, stellen sie fest, dass nach den israelkritischen Einstellungen, die von über drei Viertel der Befragten vertreten werden, insbesondere den beiden Items zum sekundären Antisemitismus besonders stark zugestimmt wird (68,3 und 62,2 Prozent). Aber auch die NS-vergleichende Israelkritik erfährt zu über 50 Prozent Zustimmung (68,3 und 51,2 Prozent) (vgl. Heyder/Iser/Schmidt 2005: 150–152, Tab 1). Das letzte Ergebnis erklären die Autor*innen vor allem mit dem Hinweis auf die emotionalisierende mediale Berichterstattung (vgl. Heyder/ Iser/Schmidt 2005: 152). Diese Ergebnisse finden sich weitgehend auch in den Daten der GFE-Europe Studie bestätigt. Hier geben 41,2 Prozent der Deutschen an, Juden würden ihre Verfolgung im Dritten Reich zu ihrem Vorteil instrumentalisieren und immerhin ein knappes Viertel (24,5 Prozent) ist der Ansicht, es gebe zu viele Juden in Deutschland. Abgesehen von Portugal wird dem Item zur Instrumentalisierung der Verfolgung zur Zeit des Nationalsozialismus in keinem anderen westeuropäischen Land derart stark zugestimmt (vgl. Zick/Küpper/Wolf 2010: 48–49). Dennoch sollte nicht übersehen werden, dass zumindest in den Daten der GMF-Surveys tendenziell ein Rückgang des sekundären Antisemitismus sowie der NS-vergleichenden Israelkritik beobachtet werden kann (vgl. Leibold/Kühnel 2009: 141). In Bezug auf sekundären Antisemitismus lässt sich dies auch in den neuesten GMF-Ergebnissen feststellen (vgl. Zick et al. 2016: 44–45, Tabelle 3.1; Zick/ Berghan/Mokros 2019: 70–71, Tabelle 3.1). Für das Ausmaß von antisemitischen Einstellungen in der deutschen Bevölkerung sind auch die sogenannten „Mitte-Studien“ zum Thema Rechtsextremismus um die Forscher Oliver Decker und Elmar Brähler der Universität Leipzig aufschlussreich. Rechtsextremismus wird in diesen Untersuchungen definiert als „ein Einstellungsmuster, dessen verbindendes Kennzeichen
22Die
Forscher*innen differenzieren hierbei zwischen klassischem Antisemitismus als „offene Abwertung und Diskriminierung von Juden auf der Basis negativer und tradierter Stereotype“, sekundärem Antisemitismus als „eine Relativierung, Verharmlosung und teilweise Leugnung […] der nationalsozialistischen Verbrechen“, Antisemitischer Separation in Form einer „indirekten Abwertung und Ausgrenzung von Bürgern jüdischen Glaubens durch den Zweifel an ihrer Loyalität zu Deutschland“, Israelbezogenem Antisemitismus als „die Übertragung der Kritik an der Politik Israels auf alle Juden“, NS-vergleichende Israelkritik durch eine „Gleichsetzung der israelischen Palästinenserpolitik mit der Vernichtung von sechs Millionen Juden“ und schließlich israelkritischen Einstellungen, womit die sonstige Kritik an der Palästinenserpolitik in Israel gemeint ist (Heyder/Iser/Schmidt 2005: 147–149). Jede Form wurde über zwei Items mit einer vierstufigen Antwortskala erhoben.
1.3 Wahrnehmung und Akzeptanz von religiöser Vielfalt …
19
Ungleichwertigkeitsvorstellungen sind“ (Decker/Brähler 2005: 11). Bereits auf den ersten Blick wird ersichtlich, dass mit der Konzentration auf Ungleichwertigkeit eine große Nähe zum Konzept der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit von Wilhelm Heitmeyer und seinen Kolleg*innen besteht. Weiter führen die Autoren aus, diese Ungleichwertigkeitsvorstellungen „äußern sich im politischen Bereich in der Affinität zu diktatorischen Regierungsformen, chauvinistischen Einstellungen und einer Verharmlosung bzw. Rechtfertigung des Nationalsozialismus. Im sozialen Bereich sind sie gekennzeichnet durch antisemitische, fremdenfeindliche und sozialdarwinistische Einstellungen“ (Decker/Brähler 2005: 11). Die folgenden Darlegungen beschränken sich jedoch auf den Aspekt des Antisemitismus, der als einzige der sechs Ausdrucksformen im engeren Sinne Bewertungen nichtchristlicher Religionen thematisiert. Antisemitismus wurde über alle acht Erhebungswellen von 2002 bis 2016 stets mit denselben drei Items erhoben23, so dass unmittelbare Zeitvergleiche möglich sind. Die Ergebnisse lassen sich mit den oben referierten Resultaten jedoch nur eingeschränkt vergleichen, da sie eher primären Antisemitismus messen dürften24. Darüber hinaus wurden die Einstellungen anhand einer fünfstufigen Antwortskala erhoben25, so dass die Zustimmung im Vergleich mit einer vierstufigen Skala ohne Mittelkategorie geringer ausfallen dürfte. Zwar wird stets auch die Zustimmung zu den Einzelitems berichtet, die meisten Analysen konzentrieren sich jedoch auf einen aus den drei Aussagen gebildeten Index, bei dem die Antworten der drei Items addiert wurden (Variation zwischen 1 und 15). Ab einem Wert von 12 wurde von Zustimmung gesprochen (vgl. Decker/Kiess/ Brähler 2014: 37)26. Die im Folgenden berichteten Prozentwerte beziehen sich daher auf Befragte, die dieses Kriterium erfüllen. Insgesamt betrachtet liegt Antisemitismus in der Zeitspanne von der ersten Erhebung 2002 bis 2012 relativ konstant zwischen ca. 8 bis 10 Prozent, gefolgt von einem Rückgang in den beiden jüngsten Studien auf ca. 5 Prozent. Darüber 23Es
wurde die Zustimmung zu folgenden Aussagen erfragt: „Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß“, „Juden arbeiten mehr als andere Menschen mit üblen Tricks, um das zu erreichen, was sie wollen“ und „Die Juden haben etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns“ (vgl. Decker/Niedermayer/Brähler 2003: 68, Tab. 1). 24In den Publikationen selbst findet keine explizite Auseinandersetzung mit dem Begriff des Antisemitismus und möglichen Binnendifferenzierungen statt. 25Die Antwortausprägungen waren „stimme voll und ganz zu“, „stimme überwiegend zu“, „teils/teils“, „lehne überwiegend ab“ und „lehne völlig ab“ (vgl. Decker/Brähler 2005: 11). 26Allerdings ist nicht ganz klar, ob der Index in allen Erhebungswellen exakt gleich gebildet wurde, da 2006 noch die Rede davon ist, dass nur die Befragten berücksichtigt werden, die allen drei Aussagen zugestimmt haben (vgl. Decker/Brähler 2006: 42).
20
1 Einleitung – Religion und religiöse Vielfalt …
hinaus existieren interessante Vergleiche zwischen den alten und den neuen Bundesländern. Mit Ausnahme der Erhebung von 2012 ist in allen Wellen der Antisemitismus im Westen stärker ausgeprägt als im Osten, auch wenn die anfangs beachtlichen Differenzen seit 2008 nur noch marginal ausfallen. Zugleich ist in den alten Bundesländern ein kontinuierlicher Rückgang antisemitischer Einstellungen von 14 Prozent im Jahr 2002 auf 5 Prozent in 2016 festzustellen. Demgegenüber nimmt in den neuen Bundesländern der Anteil Befragter mit antisemitischen Haltungen bis 2012 zu (von 5 % in 2002 auf gut 10 % in 2012), um anschließend ähnlich wie im Westen bis auf etwa 4 Prozent abzunehmen. (vgl. Decker/Brähler 2006: 43, Tabelle 2.2.1, 58–60; 2008: 24, Tabelle 3.2; Decker/ Kiess/Brähler 2010: 82, Tabelle 3.1.3; 2012: 39, Tabelle 3.2.1; 2014: 38, Tabelle 3; Decker et al. 2016: 37, Tabelle 3). Über die Zeit hinweg scheinen sich beide Teile Deutschlands in Bezug auf Antisemitismus also nach und nach anzugleichen. Zudem scheint in jüngerer Zeit insgesamt ein Rückgang antisemitischer Einstellungen in der deutschen Bevölkerung beobachtbar zu sein. Diese Entwicklung werten die Autoren zwar prinzipiell als positiv. Da jedoch zeitgleich die Islamfeindlichkeit zunehme27, konstatieren die Autoren eine Transformation rassistischer Argumentationen weg von einer biologistischen hin zu einer kulturalistischen Ungleichwertigkeitszuschreibung, so dass „die Islamfeindschaft das neue Gewand des Rassismus ist“ (Decker/Kies/Brähler 2014: 48). Unabhängig davon, ob man die Interpretation von Decker/Kiess/Brähler in Bezug auf Rassismus teilt, steht dem abnehmenden Antisemitismus ein hohes Maß an Ablehnung des Islam gegenüber, so dass zumindest nicht von einem generellen Trend hin zu mehr Offenheit gesprochen werden kann. Zusammenfassend lässt sich trotz einer prinzipiell hohen Akzeptanz für Toleranz eine Tendenz zu einer eher negativen oder zumindest distanzierten Sichtweise auf religiöse Vielfalt feststellen. Dies gilt sowohl in Deutschland, als auch in einigen anderen Ländern insbesondere für die Wahrnehmung von Muslimen. Obwohl Heitmeyer in seinen Studien relativ hohe Korrelationen in der Bewertung verschiedener Gruppen nachweisen konnte, scheint es vor dem Hintergrund einer grundsätzlichen Anerkennung des „Anderen“ fraglich, ob negative Einstellungen (religiösen) Gruppen gegenüber mit dem Konzept einer ‚Ideologie der Ungleichwertigkeit‘ tatsächlich angemessen und hinreichend erklärt werden können. Vielmehr scheint es relevant zu sein, das Verhältnis einer
27Vgl.
hierzu die Erläuterungen zur generellen Ablehnung des Islam zu Beginn dieses Abschnitts.
1.3 Wahrnehmung und Akzeptanz von religiöser Vielfalt …
21
prinzipiellen Toleranz zu den Einstellungen zu konkreten Gruppen näher zu untersuchen. Zusammenfassend lassen die zitierten empirischen Forschungsarbeiten einige Schlussfolgerungen zu, die im hier gewählten Ansatz Berücksichtigung finden sollen. Erstens hat sich immer wieder gezeigt, dass Muslime und der Islam in diesem Zusammenhang eine gewisse Sonderstellung einnehmen, da die Menschen Muslimen offenbar insgesamt und nationenübergreifend negativer gegenüberstehen und auch weniger bereit sind, Muslimen spezifische Rechte zuzugestehen. Aus diesem Grund wird auch in dieser Arbeit zwischen der Bewertung der Muslime und der Sicht auf religiöse Vielfalt differenziert. Zweitens bedarf es offenbar eines Einstellungsmodells, das unterschiedlichen Bewertungsaspekten Rechnung trägt. Dies ist nicht zuletzt durch die Studien der Forschergruppe um Wilhelm Heitmeyer ersichtlich geworden. Zugleich wird in Heitmeyers Ansatz die Systematik nicht hinreichend erkennbar. So scheint mit Blick auf die Ergebnisse der beiden letzten Wellen des Religionsmonitors beispielsweise die Berücksichtigung emotionaler Aspekte zentral zu sein, die bei Heitmeyer nur teilweise in den Blick genommen werden. Die Differenzierung zwischen den drei grundlegenden Einstellungsdimensionen kognitiv, affektiv und evaluativ, wie sie in dieser Untersuchung gewählt wurde, basiert nicht zuletzt auf dem Anspruch, solch ein vielschichtiges und systematisches Einstellungsmodell vorzulegen. Sie lehnt sich an generelle Binnendifferenzierungen in der Einstellungsforschung an, so dass hier zwischen den unmittelbaren Bewertungen (evaluativ), den mittelbaren Bewertungen über Eigenschaftszuschreibungen (kognitiv) und den emotionalen Bewertungen (affektiv) unterschieden wird. Die Binnendifferenzierung in der evaluativen Dimension wiederum ist auch ein Ergebnis aus der Tatsache, dass ein Zugeständnis von spezifischen Rechten einen besonderen Stellenwert einnimmt, wie sowohl die empirischen Studien als auch die oben angesprochenen gesellschaftspolitischen Konflikte gezeigt haben. Dass sich auf den ersten Blick in den diskutierten Studien keine einheitlichen Entwicklungen in Bezug auf das Ausmaß vor allem der Islamfeindlichkeit ausmachen lassen, dürfte z. T. an den unterschiedlichen Items liegen, mit denen dieses Konstrukt gemessen werden soll. Es werden in den Studien teilweise höchst unterschiedliche Aspekte in der Bewertung von religiösen Gruppen berücksichtigt, was eine grundlegende theoretische Fundierung der Strukturen dieser Aspekte umso notwendiger erscheinen lässt.
22
1 Einleitung – Religion und religiöse Vielfalt …
Diese Schlussfolgerungen können zugleich nutzbar gemacht werden, um die forschungsleitende Fragestellung um weitere Teilfragen zu ergänzen, mit denen dieses Kapitel seinen Abschluss finden soll: Sind religiöse Menschen Muslimen gegenüber kritischer eingestellt als gegenüber nichtchristlichen Religionen generell? Werden (Sonder-)Rechte für religiöse Minderheiten befürwortet und stellen diese Rechte eine eigene Form der Einstellung dar? Inwieweit hängt diese Befürwortung von der eigenen religiösen Position ab und sollen Muslimen tendenziell eher weniger Rechte zugestanden werden? Diese Teilfragen stellen gewissermaßen einzelne Puzzleteile dar, mit denen die übergeordnete Forschungsfrage in den folgenden Kapiteln möglichst eingehend, mit Sicherheit jedoch nicht erschöpfend beantwortet werden soll.
2
Wahrnehmung und Bewertung von religiöser Pluralität und Muslimen – ein mehrdimensionales Modell
Wie bereits in der Einleitung geschildert, geht es in der vorliegenden Arbeit um die Frage, wie eine Pluralisierung religiöser Überzeugungen auf der einen und die spezifische religiöse Gruppe der Muslime auf der anderen Seite in Deutschland wahrgenommen und bewertet werden. Im Zentrum des hier zu entwickelnden Modells stehen folglich Einstellungen. In der Sozialpsychologie werden Einstellungen (Attitudes) im Allgemeinen über drei Komponenten definiert: „[A] ttitudes (1) have a topic (the object), (2) are judgmental, or evaluative (favorable or unfavorable), and (3) are relatively long lasting“ (Gergen/Gergen 1986: 124). Das Einstellungsobjekt könne dabei allerdings völlig verschiedene Formen haben, es könne konkret oder abstrakt sein und unbelebte Gegenstände, Personen oder Gruppen darstellen (vgl. Bohner 2002: 267). Darüber hinaus würden Einstellungen üblicherweise in drei voneinander zu differenzierenden Ebenen dargestellt, einer kognitiven, einer affektiven und einer Verhaltensebene (vgl. Bohner 2002: 267). Die kognitive Dimension bestehe diesem Ansatz zufolge „aus Meinungen über das Einstellungsobjekt“, die affektive Ebene „beinhaltet Emotionen und Gefühle“, die Verhaltensebene schließlich „schließt sowohl Handlungen ein, die auf den Einstellungsgegenstand zielen, als auch Verhaltensabsichten“ (Bohner 2002: 267). Entgegen diesem klassischen Modell sprechen sich Kenneth J. Gergen und Mary M. Gergen jedoch dafür aus, eine kognitive von einer evaluativen Dimension zu unterscheiden, die innerhalb des Drei-Ebenen-Modells als Bestandteil der kognitiven Dimension verstanden wird (vgl. Gergen/Gergen 1986: 160). Während in der evaluativen Dimension Bewertungen zum Ausdruck gebracht werden, thematisiert die kognitive Dimension Eigenschaftszuschreibungen zu einem Objekt (vgl. Stolz 2000: 77). Dieser Differenzierung liegt die Überlegung zugrunde, dass unmittelbar ausgedrückte Bewertungen, © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 N. Friedrichs, Integration von religiöser Vielfalt durch Religion?, Veröffentlichungen der Sektion Religionssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30858-2_2
23
24
2 Wahrnehmung und Bewertung …
wie sie in der evaluativen Dimension vorliegen, etwas Anderes sind, als mittelbare Bewertungen, wie sie über die Zuschreibung von positiv oder negativ konnotierten Eigenschaften vorgenommen werden können. Dabei wird zwar angenommen, dass beide Dimensionen nicht unabhängig voneinander sind, doch auch bereits vorliegende Ergebnisse deuten an, dass Vorurteile nicht unbedingt mit einer generellen negativen Bewertung einhergehen müssen (vgl. Leibold/ Kühnel 2006)1. Entsprechend wird in der kognitiven Dimension die Zustimmung zu Eigenschaftszuschreibungen erhoben. Diese sind als positive und negative stereotype Bilder formuliert. Sie haben den Charakter von wahrgenommenen objektivierten Charakteristika. Demgegenüber misst die affektive Dimension gefühlsmäßige Dispositionen im Umgang mit fremden Religionen. Das Ausmaß, indem die Anhänger*innen anderer Religionen akzeptiert, toleriert oder abgelehnt werden, bildet schließlich die evaluative Dimension (vgl. Tabelle 2.1). Tabelle 2.1 Dimensionen der Einstellungen zu religiöser Pluralität, dem Islam und Muslimen Dimension
Beispielitem
Kognitive Dimension
Islam/Muslime
Assoziationen mit dem Islam: „Benachteiligung der Frau“
Pluralität
Aussage: „Ich glaube, dass unser Land durch fremde Kulturen bedroht ist.“
Islam/Muslime
Aussage: „Durch die vielen Muslime fühle ich mich wie ein Fremder im eigenen Land.“
Pluralität
Aussage: „Die zunehmende Vielfalt von religiösen Gruppen in unserer Gesellschaft stellt eine kulturelle Bereicherung dar.“
Islam/Muslime
Aussage: „Die zunehmende Anzahl der Muslime in unserer Gesellschaft stellt eine kulturelle Bereicherung dar.“
Affektive Dimension
Evaluative Dimension
1Auch
die ersten Analysen der Daten, auf die in der vorliegenden Arbeit zurückgegriffen wird, sprechen für eine Differenzierung zwischen kognitiver und evaluativer Dimension. So konnten Nils Friedrichs und Alexander Yendell nachweisen, dass es zwar eine signifikante Korrelation zwischen Haltungen zu Muslimen und den Eigenschaften, die man dem Islam zuschreibt, existiert, dass aber selbst diejenigen, die positive Einstellungen zu Muslimen bekennen, dem Islam trotzdem mehrheitlich negative Eigenschaften zuschreiben (vgl. Friedrichs/Yendell 2014: 69).
2 Wahrnehmung und Bewertung …
25
Bevor diese drei Dimensionen eingehend diskutiert werden, wird in Abschnitt 2.1 zunächst mit einigen Erläuterungen zur Konzeption und Durchführung der Studie, auf deren Daten für die empirischen Analysen in dieser Arbeit zurückgegriffen wird, begonnen. Auf diese konzeptionellen und methodischen Vorbemerkungen zu der Studie folgt in Abschnitt 2.2 die Thematisierung der kognitiven Dimension. In diesem Unterkapitel wird es zum einen darum gehen, einen theoretischen Begriff von Stereotypen zu entwickeln. Zum anderen sollen aber auch Wahrnehmungsprozesse in den Blick genommen werden, die zur Ausbildung stereotyper Vorstellungen von sozialen Gruppen eine maßgebliche Rolle spielen. Die empirischen Analysen schließen an diese Überlegungen an, indem hier der Frage nachgegangen wird, welchen Differenzierungsgrad das Islambild der Deutschen aufweist. Abschnitt 2.3 setzt sich schließlich mit der emotionalen Positionierung zu Pluralität und Muslimen auseinander. In diesem Unterkapitel wird die besondere Bedeutung von Gefühlen bei der Wahrnehmung und Bewertung ‚fremder‘ Gruppen herausgearbeitet. Nachdem auch hier zunächst der Versuch einer theoretischen Konzeption von Emotionen unternommen wird, sollen Emotionen als soziales Phänomen aus einer konflikttheoretischen Perspektive untersucht werden, wobei der Fokus auf die Emotion Angst gelegt wird. Inwieweit diese tatsächlich zu finden ist, wird im anschließenden empirischen Teil von Abschnitt 2.3 untersucht. Der evaluativen Dimension, die in Abschnitt 2.4 untersucht wird, kommt das größte Gewicht des mehrdimensionalen Modells zur Wahrnehmung von religiöser Vielfalt und Muslimen zu. Dies liegt zum einen an der Tatsache, dass in dieser Dimension die meisten Variablen angesiedelt sind. Zum anderen werden Binnendifferenzierungen im Bereich der Evaluation untersucht, indem der Frage nachgegangen wird, ob und inwieweit sich neben positiven und negativen Bewertungen von religiöser Pluralität und Muslimen auch tolerante Haltungen finden lassen, die eigenständig und weitestgehend unabhängig von persönlichen Werturteilen sind. Entsprechend wird im theoretischen Abschnitt von Abschnitt 2.4 eine Bestimmung von Toleranz im Verhältnis zu positiven oder negativen Bewertungen von sozialen Gruppen vorgenommen. Inwieweit diese Überlegungen realen Bewertungsvorgängen angemessen Rechnung tragen, wird dann im empirischen Abschnitt dieses Unterkapitels überprüft. Wie bereits deutlich geworden ist, wird die Differenzierung zwischen einer kognitiven, einer affektiven und einer evaluativen Dimension in dieser Arbeit theoretisch begründet. Zugleich erscheint es als relativ unwahrscheinlich, dass diese drei Dimensionen unabhängig voneinander sind. Viel eher steht zu erwarten, dass sie zusammenhängen oder einander sogar bedingen. So wird Angst vor dem Islam wahrscheinlich mit einem negativen Islambild einhergehen, was zugleich auch zu negativen Bewertungen von Muslimen
26
2 Wahrnehmung und Bewertung …
führen und Toleranz erschweren dürfte. Ob dem so ist, ist jedoch vorrangig eine empirische Frage. Diese zu beantworten wird in Abschnitt 2.5 angestrebt, in dem die statistischen Zusammenhänge zwischen den drei theoretisch getrennten Dimensionen betrachtet werden.
2.1 Datengrundlage und methodische Vorbemerkungen Zur Überprüfung der theoretisch angenommenen Zusammenhänge wird auf quantitative Umfragedaten, die im Rahmen des Forschungsprojekts Die Legitimität des religiösen Pluralismus: Wahrnehmung und Akzeptanz religiöser Vielfalt in der europäischen Bevölkerung unter der Leitung von Detlef Pollack erhoben wurden, zurückgegriffen. Die Studie, bei der die Einstellungen zu religiöser Pluralität in fünf europäischen Ländern untersucht wurden, war ein Projekt des Exzellenzclusters „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne“ und des Lehrstuhls für Religionssoziologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Auf Basis einer ADM-Stichprobe2 wurden repräsentativ Daten in Deutschland, Dänemark, den Niederlanden, Frankreich und Portugal erhoben. Die ersten vier Länder wurden ausgewählt, da sie über einen nennenswerten Pluralisierungsgrad verfügen und es zum Teil flächendeckende Debatten und Konflikte um die Integration von religiösen Minderheiten, insbesondere Muslimen, gab und gibt. Allein Portugal stellt einen Kontrastfall dar, da die religiöse Homogenität hier stärker ausgeprägt ist als in den übrigen Ländern, was interessante Vergleiche ermöglicht. Darüber hinaus wurden alte und neue Bundesländer getrennt untersucht, da sie sich sowohl in Bezug auf den Stellenwert von Religion in der Bevölkerung als auch hinsichtlich des Grades an religiöser Vielfalt stark voneinander unterscheiden. Zur Datenerhebung wurden in Deutschland von Juni bis August 20103 1041 West- und 1002 Ostdeutsche
2ADM
steht für Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e. V. Für eine detaillierte Erklärung zur Vorgehensweise bei diesem Stichprobendesign vgl. ADM (2014), insbesondere Kapitel 5. 3Am 30. August 2010 veröffentlichte Thilo Sarrazin sein Buch „Deutschland schafft sich ab“, das eine breite Debatte in Medien und Gesellschaft um die von ihm vertretenen Thesen auslöste. Die in dieser Studie präsentierten Daten sind hiervon allerdings unbeeinflusst, da die Datenerhebung vor der Buchveröffentlichung stattfand.
2.1 Datengrundlage und methodische Vorbemerkungen
27
persönlich befragt (Computer Assisted Personal Interviews; CAPI)4. Es gab einen Gesamtfragebogen, der in Deutschland allerdings um einige weitere zentrale Fragen erweitert wurde, so dass die Interviewlänge für die deutsche Datenerhebung etwa 45 Minuten pro Interview betrug5. Über diesen erweiterten Fragebogen sind vertiefende Analysen für die deutschen Stichproben möglich, was der Hauptgrund dafür ist, dass in der vorliegenden Arbeit lediglich die Verhältnisse in Deutschland untersucht werden. Da die Stichproben für West- und Ostdeutschland fast gleich groß sind, wurde für die Analyse des gesamtdeutschen Datensatzes ein Gewichtungsfaktor berechnet, der die unterschiedlich großen Bevölkerungsverteilungen in beiden Teilen Deutschlands auffängt. Mit der Durchführung der Datenerhebung wurde das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid, Bielefeld, beauftragt. Der vom Lehrstuhl für Religionssoziologie ausgearbeitete Fragebogen ist mit den Mitarbeitern von TNS Emnid wiederholt durchgesprochen worden. Die grundsätzliche Differenzierung zwischen einer kognitiven, einer affektiven und einer evaluativen Dimension lag bereits der Konzeption der Studie zugrunde (vgl. Pollack et al. 2010b: 4–6). Das Ziel lag in einer möglichst breit gefächerten Erhebung der Einstellungen zu religiöser Pluralität und Muslimen. Hierfür wurde auf Fragen und Items zurückgegriffen, die bereits in anderen Bevölkerungsumfragen zum Einsatz kamen. Dabei handelt es sich allerdings um bereits getestete einzelne Fragen, nicht um ein umfassend konzipiertes Messinstrument zur Erhebung von Einstellungen zu religiöser Vielfalt und Muslimen. Ein solches, getestetes Messinstrument liegt bis zum heutigen Tage noch nicht vor. Insofern ist es auch ein Bestreben, die Arbeit zur Entwicklung eines solchen Instruments ein Stück weit voranzubringen. Dabei geht es nicht darum, am Ende dieses Kapitels eine konstruierte und validierte Skala zu präsentieren. Ein solches Vorhaben wäre wohl etwas zu ambitioniert. Gleichwohl soll durchaus diskutiert werden, inwiefern sich die vorhandenen Items zur Messung übergeordneter und theoretisch fundierter relevanter Merkmale in diesem Themenkomplex eignen und an welchen Stellen Veränderungen und Erweiterungen angebracht erscheinen. Während zur Messung des Themenkomplexes der abhängigen Variablen keine Skala zur Verfügung stand, ist diese Situation im Hinblick auf die Prädiktoren
4In
den anderen Ländern wurden telefonische Interviews geführt (Computer Assisted Telephone Interviews; CATI). Die Stichprobengröße in den anderen untersuchten Ländern beträgt in Dänemark 1014, Frankreich 1001 und in den Niederlanden und Portugal jeweils 1000 Befragte. 5In den übrigen Ländern dauerten die Interviews etwa 25 Minuten.
28
2 Wahrnehmung und Bewertung …
deutlich luxuriöser. Zwar kann auch in diesem Bereich nicht an allen Stellen auf bereits getestete Messinstrumente zurückgegriffen werden, die verwendeten Variablen werden aber entweder bereits seit sehr vielen Jahren erfolgreich in zahlreichen Bevölkerungsumfragen eingesetzt oder aber es wurden tatsächlich validierte Kurzinventare zur Erhebung verwendet. Wo etablierte Skalen zum Einsatz kommen, wird in den Kapiteln 3 und 4 an den entsprechenden Stellen darauf hingewiesen. Neben der möglichst differenzierten Erhebung der Einstellungen zur Vielfalt des Religiösen sowie der Muslime lag ein weiterer Schwerpunkt auf der Berücksichtigung zahlreicher Religionsindikatoren. Eine derart umfassende Berücksichtigung unterschiedlicher Aspekte von Religiosität sucht man in den meisten Untersuchungen aus der Vorurteilsforschung sowie in den großen Wertesurveys meist vergebens, weshalb die Datengrundlage für die forschungsleitende Fragestellung dieser Arbeit besonders geeignet ist. Die Vorzüge des vorliegenden Datensatzes sind somit zum einen in der spezifischen theoretischen Ausarbeitung der Einstellungsdimensionen, zum anderen in der umfassenden Operationalisierung von Religion und Religiosität zu sehen.
2.2 Die Kognitive Dimension Welches Bild haben die Deutschen vom Islam? Dieser Frage soll im Rahmen der Analysen zur kognitiven Dimension nachgegangen werden. Konkret geht es hier um Eigenschaftszuschreibungen, mit deren Hilfe das ‚Image‘ des Islam in den Augen der Befragten bestimmt werden soll. Dabei ist gewiss zu berücksichtigen, dass es sich bei dieser Betrachtung um eine Meta-Ebene handelt. Denn der Bereich dieser Vorstellungsbilder, der Assoziationen, der Stereotype und Vorurteile muss den Erfahrungen der Menschen nicht unbedingt entsprechen (vgl. Pollack/Friedrichs 2012: 166–167). Inwieweit diese Bilder tatsächlich auf Erfahrungen beruhen und ob es sich dabei nicht doch um Konstruktionen handelt, wird zumindest ansatzweise dann auch Gegenstand des explanatorischen fünften Kapitels sein. Doch auch wenn diese Vorstellungsbilder nicht den Erfahrungen entsprechen, so konstituieren sie für die Menschen doch eine gewisse Realität, die spezifische Einstellungen und Verhaltensweisen im Umgang mit dem Islam und seinen Angehörigen nahelegen. Insofern ist die Analyse der Merkmale, mit denen der Islam in Deutschland assoziiert wird, eine wichtige Dimension, gibt sie doch Anhaltspunkte für die Beantwortung der Frage, warum bestimmte Gruppen kritisch gesehen und negativer beurteilt werden als andere. Jedoch auch umgekehrt: Wenn nämlich (negative) stereotype Vorstellungen des Islam nicht
2.2 Die Kognitive Dimension
29
zwangsläufig zu einer Abwertung der Muslime führen, wäre eine entscheidende Erkenntnis gewonnen. Denn ein solches Ergebnis könnte als Hinweis verstanden werden, insbesondere negative Stereotype in ihrer Bedeutung für interreligiöses Zusammenleben nicht überzubewerten. Gerade vor dem Hintergrund dieser möglichen Einschränkungen, die in Bezug auf die Entstehung eines Bildes vom Islam mitgedacht werden müssen, ist es von besonderer Relevanz, die Untersuchung der Dimension in einem theoretischen Rahmen zu verorten. Es soll im Folgenden daher versucht werden, die Eigenschaftszuschreibungen mit dem Begriff des Stereotyps theoretisch zu fassen. Entsprechend soll zunächst eine Diskussion verschiedener theoretischer Zugänge zu den Begriffen Stereotyp und Vorurteil unternommen werden, um die Relevanz der Untersuchung der zugeschriebenen Eigenschaften im Kontext der Problematisierung von Einstellungen nachzuweisen und zugleich die eigenständige Untersuchung dieser Dimension zu begründen. Dabei ist auch auf die kognitiven Prozesse einzugehen, die der Wahrnehmung von Gruppen in der Regel zugrunde liegen. Daran wird sich die Darstellung der deskriptiven Ergebnisse anschließen.
2.2.1 Theoretische Konzepte zu Stereotypen und Vorurteilen6 Als das grundlegendste Werk zur Thematisierung der Begriffe Stereotyp und Vorurteil darf wohl das von Gordon W. Allport ursprünglich 1954 veröffentlichte und inzwischen in zahlreichen Nachfolgeauflagen erschienene Buch „The Nature of Prejudice“ gelten, das auch für zeitgenössische Konzeptionen häufig als Ausgangspunkt gewählt wird7. Henri Tajfel (1982) lieferte schließlich eine
6Die
im folgenden Teilkapitel angestellten theoretischen Überlegungen zur Konzeption der Begriffe Vorurteil und Stereotyp stellen eine stark überarbeite und erweiterte Fassung des folgenden vom Autor verfassten Beitrags aus dem Jahr 2012 dar: Die Bilder der Deutschen vom Islam. Soziale Kategorisierung und die Entstehung von Feindbildern. In: Fürst, Alfons/Harutyunyan, Harutyun/Schrage, E va-Maria/Voigt, Verena (Hrsg.): Von Ketzern und Terroristen. Interdisziplinäre Studien zur Konstruktion und Rezeption von Feindbildern, Münster, 191–215. 7Für diese Ausführungen wurde die 1979 zum 25. Jubiläum des Erscheinens der Erstausgabe erschienene Auflage verwendet. Auch dies spricht für die große Aktualität von Allports Überlegungen: Vgl. Allport, Gordon W. (1979): The Nature of Prejudice. 25th Anniversary Edition. New York.
30
2 Wahrnehmung und Bewertung …
systematische Aufarbeitung der Überlegungen von Allport. Dabei wurde nicht nur den in der Zwischenzeit entstandenen Ergebnissen sozialpsychologischer Vorurteilsforschung angemessen Rechnung getragen, Tajfel wählte auch einen neuen Fokus für seine Überlegungen, der deutlich stärker auf Intergruppenbeziehungen ausgerichtet ist8. Auch das in dieser Arbeit zu entwickelnde Begriffsverständnis von Stereotypen und Vorurteilen knüpft in wesentlichen Aspekten an diese Theorien an. Obgleich beide Werke als grundlegend für die Entwicklung der modernen Vorurteilsforschung gelten können, auf die sich zahlreiche Arbeiten beziehen, zeigt sich in sozialpsychologischen Zugängen zu den Begriffen ‚Stereotyp‘ und ‚Vorurteil‘ eine gewisse Varianz. Dies lässt sich nicht zuletzt daran erkennen, dass in einigen Arbeiten beide Begriffe klar voneinander abgegrenzt werden, sie in anderen hingegen entweder als Synonyme verstanden werden oder überhaupt nur einer der beiden Begriffe theoretisch problematisiert wird. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf theoretisch-konzeptioneller Ebene, sondern führt auch zu unterschiedlichen Ergebnissen sowohl in Bezug auf die Verbreitung von Stereotypen und Vorurteilen in der Bevölkerung als auch bezogen auf das Verhältnis beider Phänomene zueinander, sofern zwischen ihnen differenziert wird9. Trotz der Varianz der theoretischen Definitionsversuche lässt sich zumindest sagen, dass Stereotype in praktisch allen Ansätzen als Eigenschaftszuschreibungen entweder zu sozialen Gruppen oder Personen in ihrer Rolle als Mitglied sozialer Gruppen verstanden werden (vgl. Degner/Meisner/Rothermund 2009: 76; Gardner 1994: 2; Pettigrew 1985: 87; Stolz 2000: 84; Tajfel 1982: 39; Zick 1997: 44). Im Kern geht es bei Stereotypen also immer um Merkmale, die einer Gruppe zugeschrieben werden. Demgegenüber ist der zentrale Aspekt des Vorurteils darin zu sehen, dass es Bewertungen von Personen oder sozialen Gruppen a usdrückt.
8Beiden
Konzepten ist gemeinsam, dass sie vornehmlich, wenn nicht sogar ausschließlich ethnische Vorurteile und Stereotype im Blick haben. Allport gehört jedoch zu den wenigen, die auch interreligiöse Beziehungen betrachten. Er differenziert in diesem Zusammenhang zwischen „realistic conflicts“, die er vor allem als theologisch begründete Unvereinbarkeitswahrnehmungen versteht, und solchen Konflikten, bei denen die Religion zur Rechtfertigung ethnischer Vorurteile herangezogen wird (vgl. Allport 1979: 444–449). Von daher sollte die Übertragung auf religiöse Merkmale generell kein Problem darstellen. 9So konstatiert Robert C. Gardner (1994), dass die vielen unterschiedlichen Definitionen beider Begriffe dazu führen würden, dass diese entweder stark miteinander korrelieren würden oder aber vollkommen unabhängig seien. So führt er aus: „If, for example, one defines prejudice as a negatively evaluative prejudgment about a category and stereotypes as negatively evaluative judgments about a category, then obviously they are interconnected“ (Gardner 1994: 2).
2.2 Die Kognitive Dimension
31
Allport spricht in diesem Zusammenhang von einer Antipathie auf Basis einer fehlerhaften Verallgemeinerung (vgl. Allport 1971: 23); Tajfel versteht Vorurteile in Anlehnung an Stallybrass (1977) als positiv oder negativ bewertende Prädispositionen (vgl. Tajfel 1982: 39). Alternative Konzeptionen gehen von einer negativen Gesamtbeurteilung einer Gruppe oder ihrer Mitglieder aus (vgl. Zick 1997: 39)10. Das evaluative Element, das Vorurteilen zu eigen ist, dient einigen Autor*innen sogleich auch als Abgrenzungskriterium. So fasst die klassische Sozial- und Kognitionspsychologie in Anlehnung an die Überlegungen von Henri Tajfel (1982) Stereotype als soziale Kategorisierungen auf, ohne dass mit ihnen ein positives oder negatives Werturteil verbunden ist (vgl. Tajfel 1982: 50). Juliane Degner, Thorsten Meisner und Klaus Rothermund grenzen die beiden Begriffe entsprechend dieses Ansatzes wie folgt ab: „Während Stereotype die Inhalte und Struktur mentaler Repräsentation bezeichnen, bei denen es vorerst unerheblich ist, ob diese Inhalte bewertet sind, bezeichnen Vorurteile dagegen eine direkte und starke Assoziation zwischen sozialer Kategorie und Bewertung, ohne einer näheren inhaltlichen Spezifizierung zu bedürfen“ (Degner/ Meisner/Rothermund 2009: 76, hervorhoben vom Autor).
Dennoch kann eine prinzipielle Werturteilsfreiheit von Stereotypen nicht als allgemeiner Konsens in der Sozialpsychologie betrachtet werden. Vielmehr muss bei den gängigsten Konzepten davon ausgegangen werden, dass die Differenz zwischen einem Vorurteil und einem Stereotyp darin zu sehen ist, dass das Vorurteil in jedem Falle eine (negative) Evaluation zum Ausdruck bringt, während dies bei einem Stereotyp nicht der Fall sein muss. So verweist Gardner lediglich darauf, Stereotype hätten nicht automatisch eine evaluative Komponente (vgl. Gardner 1994: 17)11. Für Jörg Stolz ist die Explikation positiver und negativer
10Da
negative Werturteile für die Entstehung von Intergruppenkonflikten wie von gesamtgesellschaftlichen Spannungen als relevanter angesehen werden können, werden Vorurteile häufig im Hinblick auf negative Bewertungen definiert. Dennoch sind prinzipiell auch positive Vorurteile vorstellbar. 11Wie Zick sich in Bezug auf die Frage des Werturteils bei Stereotypenbildung positioniert, wird in seinen Arbeiten nicht ganz klar. Einerseits macht er in Abgrenzung vom Vorurteilsbegriff deutlich, Stereotype könnten auch positiv sein (vgl. Zick 1997: 44), was auf eine Inklusion einer Bewertungsdimension hindeutet, andererseits seien Stereotype „allgemein Wahrnehmungsurteile über Personen und Gruppen“ (Zick 1997: 44). Es ist hier eine gewisse Inkonsistenz in seiner Begrifflichkeit erkennbar, deuten seine Aussagen schließlich darauf hin, dass Stereotype keine oder positive Wertungen enthalten, während Vorurteile in jedem Falle eine negative Evaluation ausdrücken.
32
2 Wahrnehmung und Bewertung …
Wertungen sogar untrennbarer Bestandteil von Stereotypen (vgl. Stolz 2000: 84). Es ist jedoch darauf aufmerksam zu machen, dass er damit eine gewisse Sonderrolle einnimmt. Vor dem Hintergrund dieser zahlreichen Definitionsversuche erscheint es sinnvoll, die Bewertungsdimension nicht von vornherein auszuschließen. Da für die Entstehung von Konflikten mit religiösen Gruppen – in diesem konkreten Fall mit Anhänger*innen des Islam – vor allem Merkmalszuschreibungen bedeutsam sein dürften, die ein Werturteil enthalten, sollen Stereotype zunächst als Eigenschaftszuschreibungen zu Gruppen oder Individuen in ihrer Rolle als Mitglieder sozialer Gruppen verstanden werden, die eine positive oder negative Konnotation beinhalten. Dabei ist jedoch das Postulat einer Konnotation keineswegs trivial, schließlich stellt es eine Entscheidung des Forschers dar, die nicht unbedingt von allen Befragten unwidersprochen geteilt werden muss. Darüber hinaus zeichnen sich Stereotype nach Tajfel dadurch aus, dass die zugeschriebenen Eigenschaften generalisierend auf die gesamte Gruppe bzw. alle ihre Mitglieder übertragen werden. Diese Generalisierungen seien ihrerseits Ergebnisse kognitiver Prozesse im Rahmen von Kategorisierung, deren primäre Funktion in der Komplexitätsreduktion der sozialen Wirklichkeit gesehen werden kann (vgl. Tajfel 1982: 41–42). Stereotype dürften insofern zu einer gewissen Komplexitätsreduktion führen, da die Merkmalszuschreibungen zu einer Gruppe als Ganzer individuellen Differenzen nicht angemessen Rechnung tragen können. Der Aspekt der Generalisierung ist eng verbunden mit einem weiteren Punkt, nämlich bestimmten kognitiven Verzerrungen bei der Wahrnehmung sozialer Gruppen, der in vielen Konzeptionen von Stereotypen eine prominente Stellung einnimmt. So definiert Stolz Stereotype als eine auf „Übervereinfachung beruhende Ansicht“, dass eine soziale Gruppe über bestimmte Eigenschaften verfügt (Stolz 2000: 84)12. Auch Pettigrew (1985) folgt in seinen Überlegungen dem Postulat verzerrter Wahrnehmungen von Tajfel, wählt allerdings hierfür den Begriff der ÜberVerallgemeinerung (vgl. Pettigrew 1985: 82). Die Präposition „über“ suggeriert eine Unangemessenheit von Stereotypen zur Beschreibung realer Gegebenheiten. Damit integrieren die meisten Autor*innen einen normativen Aspekt in ihre Definitionen von Stereotypen. Der Eindruck einer normativen Aufladung des Stereotypenbegriffs verstärkt sich nochmals, wenn man berücksichtigt, dass
12Nach Stolz würden sich Stereotype selbst zirkulär verstärken, da sie nicht nur Ergebnis, sondern zugleich auch die Ursache von verzerrten Kognitionen darstellen könnten (Stolz 2000: 84).
2.2 Die Kognitive Dimension
33
Stereotype bei Pettigrew grundsätzlich als „Wahrnehmungsverzerrung“ (Pettigrew 1985: 87) konzipiert sind13. Stereotype werden insofern als eigentlich inadäquate Bilder sozialer Gruppen verstanden. Diese Wertung der meisten Wissenschaftler*innen, die sich mit Stereotypen auseinandersetzen, geht freilich nicht (allein) auf ihre persönliche normative Position zurück. Vielmehr wird hier eine seit vielen Jahren existierende Forschungstradition reflektiert, die sich mit kognitiven Prozessen bei der Wahrnehmung von Personen und Gruppen beschäftigt. Entsprechend verweisen die Autor*innen im Zusammenhang mit der Wertung von Stereotypen als realitätsinadequat auf eine ganze Reihe von Effekten, die aus der Erforschung kognitiver Prozesse bekannt sind. Um den Rahmen zu verdeutlichen, in dem sich die Entwicklung von Stereotypen bewegt, werden im Folgenden daher einige wichtige Effekte verzerrter Wahrnehmung dargestellt. Obgleich zahlreiche Kognitionsprozesse existieren, die ihrerseits in eine Fülle von Unterprozessen differenziert werden können und bei denen die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Phänomenen bereits auf theoretischer Ebene unterschiedlich bestimmt sind, lassen sich doch vier Mechanismen benennen, denen nahezu in der gesamten Forschung eine relativ hohe Bedeutung beigemessen wird. Zunächst ist hier auf die Fehleinschätzung über die Homogenität innerhalb einer Gruppe und die Heterogenität zwischen Gruppen zu verweisen, die unmittelbar mit sozialer Kategorisierung einhergeht (vgl. Tajfel 1982; Mummendey/Kessler/Otten 2009). Darüber hinaus lässt sich in vielen sozialen Kontexten generell eine größere Aufmerksamkeit für saliente Stimuli (vgl. Tajfel 1982; Rothbart et al. 1978; Stolz 2000) feststellen. Damit verbunden sind zum einen das Auftreten illusorischer Korrelationen (vgl. Chapman 1967; Hamilton/Gifford 1976; Hamilton/ Terrence 1980; Pettigrew 1985), zum anderen das Problem der Attribution (Ross/ Amabile/Steinmetz 1977; Pettigrew 1979). Gerade den beiden zuletzt genannten Aspekten ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Die Fehleinschätzung über die Homogenität von sozialen Gruppen beschreibt die Tendenz, dass Menschen dazu neigen, Unterschiede der Personen innerhalb einer Kategorie zu unterschätzen, während Unterschiede zwischen Personen, die
13Etwas weiter unten in seinem Text wird diese normative Positionierung nochmals verstärkt, indem Pettigrew postuliert, in den Sozialwissenschaften würde der Begriff Stereotyp für jene Zuschreibungen verwendet, „die falsch, aus zweiter Hand übernommen und nur schwer zu verändern sind“ (Pettigrew 1985: 87). Diese drei Annahmen die allesamt als ausgesprochen voraussetzungsreich angesehen werden können und deren Nachweis sich als schwierig gestalten dürfte, lassen eine gewisse Polemik erkennen und werden in den folgenden Überlegungen daher vernachlässigt.
34
2 Wahrnehmung und Bewertung …
verschiedenen Kategorien angehören, überschätzt würden (vgl. Pettigrew 1985: 85; 88). Dieser Effekt hänge unmittelbar mit sozialen Kategorisierungsprozessen zusammen, in denen Menschen jeweils als zugehörig zur eigenen oder aber als Mitglieder einer Fremdgruppe wahrgenommen werden. Die Kategorien werden dabei als Folge nach außen abgegrenzt, während sie nach innen vereinheitlicht würden (vgl. Mummendey/Kessler/Otten 2009: 46). Umgekehrt würden insbesondere in Situationen, in denen Gruppenzugehörigkeiten an Relevanz gewinnen, die Mitglieder der Outgroup als Einheit verstanden, ohne ihre individuellen Differenzen wahrzunehmen (vgl. Tajfel 1982: 87–88). Dieses Phänomen lässt sich dann beobachten, wenn Menschen sich in bestimmten Situationen nicht mehr als Individuen, sondern primär als Mitglieder sozialer Gruppen wahrnehmen14. Salienz beschreibt zunächst lediglich das Phänomen, auffällige Merkmale einiger Gruppenmitglieder besser zu erinnern und dadurch das Auftreten dieser Merkmale in Bezug auf die Gruppe als Ganzes zu überschätzen (vgl. Stolz 2000: 87–88). So konnten Rothbart et al. (1978) in verschiedenen Experimenten nachweisen, dass Menschen auffällige Merkmale besser erinnern und als Folge die Anzahl der Personen mit diesen Merkmalen innerhalb einer Gruppe überschätzen. Dies galt sowohl für das physische Merkmal der Körpergröße (besonders große Individuen) als auch für soziale Verhaltensweisen am Beispiel des Auftretens schwerer Straftaten im Vergleich zu anderen Verhaltensweisen innerhalb einer Gruppe von Personen (vgl. Rothbart et al. 1978: 250–253). Salienten Stimuli kommt darüber hinaus auch bei zwei weiteren kognitiven Prozessen eine entscheidende Bedeutung zu, der Herausbildung illusorischer Korrelationen sowie der Frage der Attribution. Bei der „illusorischen Korrelation“ wird die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Merkmale miteinander auftreten aufgrund von Einzelfällen überschätzt, was zu verzerrten Wahrnehmungen führen kann (vgl. Pettigrew 1985: 88). Der Begriff bezeichnet nach Loren J. Chapman (1967) die Tendenz, Zusammenhänge zwischen zwei Merkmalen wahrzunehmen, die in der Realität entweder unkorreliert, deutlich schwächer korreliert oder aber in die entgegengesetzte Richtung korreliert sind (vgl. Chapman 1967: 151). In Experimenten mit wechselnden Wortpaaren stellte er fest, dass das Auftreten von Kombinationen, bei denen die beiden Begriffe stark miteinander assoziiert waren, von den Probanden signifikant überschätzt wurde. Ähnliches galt für Paarungen, bei denen
14Den
Prozessen sozialer Kategorisierung wird in Kapitel 3 nochmals besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, da sie zugleich einen zentralen Aspekt der konflikttheoretischen Perspektive im Hinblick auf interreligiöses Zusammenleben darstellen.
2.2 Die Kognitive Dimension
35
die Wörter im Vergleich zum Rest erheblich länger waren (vgl. Chapman 1967: 153–154). In Bezug auf die Entstehung von Stereotypen wurde dieser Effekt von David L. Hamilton und Robert K. Gifford (1976) untersucht. In ihren Experimenten wurden den Probanden Personen aus zwei verschiedenen Gruppen (A und B) präsentiert, die wünschenswerte und nicht wünschenswerte Verhaltensweisen beschrieben. Die Personen in beiden Gruppen beschrieben deutlich häufiger wünschenswerte als nicht wünschenswerte Verhaltensweisen. Zusätzlich wurde den Probanden mitgeteilt, dass die Personen der Gruppe B in der Gesellschaft eine Minderheit darstellen, so dass die beiden salienten Stimuli die Beschreibung einer nicht wünschenswerten Verhaltensweise und die Mitgliedschaft in der Gruppe B war (vgl. Hamilton/Gifford 1976: 394–396). In ihren Ergebnissen stellte sich heraus, dass das Auftreten von unerwünschten Verhaltensweisen im Falle der Gruppe B deutlich überschätzt wurde, was auch zu einer insgesamt negativeren Bewertung dieser Gruppe führte (vgl. Hamilton/Gifford 1976: 396–400)15. Zusätzlich bestünde in Bezug auf die Entwicklung illusorischer Korrelationen die Tendenz, Mitglieder der entsprechenden Outgroup, die dem Stereotyp entsprechen, eher wahrzunehmen, während Gruppenmitglieder, die im Kontrast zum Stereotyp stehen, eher übersehen würden (vgl. Pettigrew 1985: 88–89)16. So konnten Hamilton und Terrence (1980) in drei Experimenten17 nachweisen, dass die Häufigkeit des Auftretens von Informationen, die mit den eigenen Stereotypen kongruent sind, gegenüber von Informationen, die in keinem Zusammenhang zum
15Um ausschließen zu können, dass die gefundenen Effekte lediglich darauf zurückzuführen sind, dass Gruppe B den Minderheitenstatus hat, der möglicherweise generell mit negativen Bewertungen verbunden ist, haben sie in einem zweiten Experiment das Verhältnis von erwünschten und unerwünschten Verhaltensweisen umgedreht, so dass nun die erwünschten Verhaltensweisen das auffällige Merkmal darstellten. Entsprechend ihren Erwartungen wurde nun das Auftreten von positivem Verhalten bei Mitgliedern der Gruppe B überschätzt (vgl. Hamilton/Gifford 1976: 400–404). 16Obgleich Pettigrews Aussagen keinen Zweifel daran lassen, dass er diese Wahrnehmungen als unangemessen zur Beschreibung der Realität betrachtet, macht er doch deutlich, dass eine unangemessene Verallgemeinerung nicht gleichzusetzen ist mit Unwahrheit. Eine zumindest partielle Richtigkeit stereotyper Vorstellungen will Pettigrew angesichts der Tatsache, dass sie von vielen Gesellschaftsmitgliedern geteilt werden und sich die betreffenden Gruppen teilweise selbst damit belegen, nicht ausschließen (vgl. Pettigrew 1985: 90). 17Während in zwei der drei Experimente faktisch kein Zusammenhang in der Häufigkeit des Auftretens einmal zwischen kongruenter und neutraler und einmal zwischen neutraler und inkongruenter Information vorlag, war in einem der drei Experimente faktisch zwar ein Zusammenhang vorhanden, dieser war aber geringer, als von den Probanden eingeschätzt (Hamilton/Terrence 1980: 834; 836–837; 840).
36
2 Wahrnehmung und Bewertung …
Stereotyp stehen, systematisch überschätzt wird. Das Auftreten von neutralen Informationen wurde ihrerseits im Vergleich mit zum Stereotyp inkongruenten Informationen überschätzt (vgl. Hamilton/Terrence 1980: 842). Es konnte hier also festgestellt werden: Je eher gegebene Informationen über Personen und Gruppen den im Kopf bereits vorhandenen Bildern entsprechen, desto eher werden sie erinnert. Attributionsprozesse spielen im Zusammenhang mit der Frage von Wahrnehmungsverzerrung vor allem unter dem Aspekt des Fundamentalen Attributionsfehlers (Fundamental attribution error) eine Rolle. Dieser Wahrnehmungsfehler bezeichnet nach Ross/Amabile und Steinmetz (1977) „the tendency to underestimate the role of situational determinants and overestimate the degree to which social actions and outcomes reflect the dispositions of relevant actors“ (Ross/Amabile/Steinmetz 1977: 491). Empirische Bestätigung für diesen Effekt fanden die Autor*innen in Experimenten, in denen die Probanden in einer Quiz-Simulation in Fragende und Befragte aufgeteilt wurden. Die Fragenden konnten sich ihre Fragen selbst ausdenken und mussten folglich die Antwort kennen (vgl. Ross/Amabile/Steinmetz 1977: 485–486). Obwohl sowohl die Fragenden als auch die Befragten um diesen situativen Umstand wussten, wurden die Fragenden sowohl von sich selbst, als auch von den Befragten als kompetenter eingeschätzt, wobei diese Einschätzung bei den Befragten nochmals in erheblich stärkerem Ausmaß zu finden war (vgl. Ross/Amabile/Steinmetz 1977: 488–489)18. Dass die Fragenden über einen klaren Vorteil durch die Bedingungen der Situation verfügten, wurde nicht in angemessener Weise reflektiert, sondern die Tatsache, dass sie die Fragen beantworten konnten, wurde mit einem generell besseren Wissensstand der fragenden Probanden erklärt19. Inwieweit die Attribution auf die Person tatsächlich zu finden ist, sei wiederum abhängig davon, ob man die betreffende Gruppe leiden kann oder nicht. So ließen sich nach Pettigrew (1979) Tendenzen finden, positive Verhaltensweisen einer nicht geschätzten Gruppe nicht mehr durch
18Auch bei der Variation des Experiments unter Einbeziehung von Beobachtern des Quiz‘ ergaben sich dieselben Ergebnisse. Die Fragenden wurden von den Beobachtern als deutlich wissender, die Antwortenden nur als etwas unwissender als der durchschnittliche Stanford Student wahrgenommen (vgl. Ross/Amabile/Steinmetz 1977: 491). 19Nach dem Experiment wurde das generelle Wissen sowohl von den Fragenden als auch von den Befragten über einen schriftlichen Test erhoben. Hier konnten praktisch keine Unterschiede im generellen Wissen zwischen den Gruppen gefunden werden (vgl. Ross/ Amabile/Steinmetz 1977: 490).
2.2 Die Kognitive Dimension
37
die Eigenschaften der Person, sondern durch die Gegebenheiten der Situation zu erklären (vgl. Pettigrew 1979: 464)20. Zusammenfassend lässt sich eine große Anzahl von Studien finden, die eine gewisse Verzerrung in der Wahrnehmung der sozialen Realität nachweisen. So überzeugend das normative Argument einer ‚Über-Vereinfachung‘ oder ‚Über-Generalisierung‘ vor diesem Hintergrund auch erscheinen mag, so soll in dem in dieser Arbeit verwendeten Begriffsverständnis doch eine etwas sparsamere Variante gewählt werden. Folglich sollen Stereotype als positiv oder negativ konnotierte Merkmalszuschreibungen verstanden werden, die generalisierend zur Beschreibung sozialer Gruppen oder Personen als Mitglieder sozialer Gruppen herangezogen werden. Auch wenn der Aspekt einer Generalisierung integriert ist, da es um das Bild zu einer Gruppe als Ganzer gehen soll, ist die Präposition ‚über‘, die zur Suggestion der Unangemessenheit verwendet wird, bewusst ausgespart worden. Diese Entscheidung eines Verzichts auf die Berücksichtigung möglicher Wahrnehmungsverzerrung hängt nicht mit der Infragestellung der referierten Studien zusammen, sondern mit den in unserer Studie gesetzten Grenzen der Messung. Hierbei sind zwei Argumente zentral. Das erste Argument bezieht sich gewissermaßen auf die Quellen des Bildes vom Islam. Denn inwieweit die assoziierten Merkmale des Islam auf eigenen Erfahrungen beruhen, ob sie einfach von dritten übernommen wurden oder wie stark die Wissensbestände über den Islam sind, lässt sich mit dem hier verwendeten Instrument nicht entscheiden. Das zweite Argument bezieht sich auf die Frage des Differenzierungsgrades des Islambilds. In der Untersuchung wurde den Befragten eine Liste mit acht21
20Auch Taylor und Koivumaki (1976) vertreten diese These. Sie fanden in ihren Untersuchungen heraus, dass man bei Menschen, zu denen man in einer persönlichen Beziehung steht, eher dazu neigt, positive Verhaltensweisen der Person und negative der Situation zuzuschreiben, was sie als „positivity effect“ bezeichnen (vgl. Taylor/Koivumaki 1976: 404). Auf Basis ihrer Ergebnisse postulieren sie das Vorhandensein eines komplementären „negativity effects“ bei Gruppen, die man nicht leiden könne (vgl. Taylor/Koivumaki 1976: 408). 21In der Studie selbst wurden neun Eigenschaften abgefragt. Um ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen positiv und negativ konnotierten Merkmalen sicherzustellen, wird die neunte Eigenschaft ‚Rückwärtsgewandtheit‘ aus den Analysen ausgeschlossen. Die Wahl fiel auf dieses Merkmal, da es ein negatives Werturteil am schwächsten zum Ausdruck bringt und somit als weniger aussagekräftig angesehen werden kann (vgl. Friedrichs 2014b: 164).
38
2 Wahrnehmung und Bewertung …
Eigenschaften vorgelegt und es wurde gefragt, welche dieser Merkmale sie mit dem Islam assoziieren (vgl. Tabelle 2.2). Tabelle 2.2 Merkmale der kognitiven Dimension
Merkmale des Islam Negative Konnotation
Positive Konnotation
Fanatismus
Friedfertigkeit
Gewaltbereitschaft
Toleranz
Engstirnigkeit
Solidarität
Benachteiligung der Frau
Achtung der Menschenrechte
Es bestand folglich die Möglichkeit nur positive oder nur negative Merkmale zu benennen, ebenso konnten sowohl positive als auch negative Eigenschaften als charakteristisch für den Islam angegeben werden22. Die Befragten konnten viel oder aber auch nur wenig mit dem Islam assoziieren. So konnten im Ergebnis höchst ambivalente und insofern in gewissem Sinne differenzierte Bilder des Islam konstruiert werden. Vor dem Hintergrund dieser Möglichkeit, zumindest ansatzweise differenzierten Wahrnehmungen Ausdruck zu verleihen, erscheint es unangebracht, die Angabe jedes einzelnen Merkmals zur Beschreibung des Islam von vornherein als verzerrt und damit als unangemessen und inkorrekt zu klassifizieren. Hinweise auf ein ‚über-vereinfachtes‘ Islambild können hingegen dann gefunden werden, wenn man die Angabe positiver und negativer Eigenschaften ins Verhältnis zueinander setzt. Auch der Grad der Wissensbestände, die das Bild vom Islam beeinflussen können, kann, wenn überhaupt, erst in den Analysen im explanatorischen Abschnitt in Kapitel 5 eingeschätzt werden. Die Frage, inwieweit man es mit einem ‚über-vereinfachten‘ Islambild zu tun hat, ist somit eine empirische Frage, die allenfalls nach den empirischen Analysen beantwortet werden kann, nicht aber schon davor23.
22In
der Erhebung sind negative und positive Eigenschaften randomisiert abgefragt worden. selbst wenn die Ergebnisse die These vom Vorhandensein kognitiver Wahrnehmungsverzerrungen unterstützen sollten, so kann lediglich von Hinweisen, nicht jedoch von Nachweisen die Rede sein, da das Design der Studie nicht zur Testung dieser Wahrnehmungsprozesse angelegt gewesen ist. 23Doch
2.2 Die Kognitive Dimension
39
2.2.2 Deskriptive Ergebnisse: Die Bilder der Deutschen vom Islam Welche Eigenschaften verbinden die Deutschen mit dem Islam? Schaut man zunächst einmal auf die negativ konnotierten Merkmalszuschreibungen zum Islam, so stellt man fest, dass negative Stereotype in der deutschen Bevölkerung weit verbreitet sind (vgl. Abbildung 2.1). Alle negativen Eigenschaften werden von über der Hälfte der Befragten als kennzeichnend für den Islam angesehen. Während Engstirnigkeit nur knapp über 50 Prozent der Deutschen mit dem Islam verbinden, halten über 60 Prozent ihn für gewaltbereit. Dies ist zugleich auch das einzige Merkmal, bei dem nennenswerte Unterschiede von fast 7 Prozentpunkten zwischen den alten und den neuen Bundesländern festgestellt werden können. Eine weitere Zunahme in der Zustimmung muss für die Eigenschaft ‚Fanatismus‘ konstatiert werden. Hier sind es mittlerweile knapp über 70 Prozent, die angeben, dies sei eine charakteristische Eigenschaft des Islam. Eventuell expliziert sich bei dieser hohen Zustimmung auch eine gewisse Angst vor Terrorismus in Deutschland, die seit dem 11. September 2001 maßgeblich das Bild vom Islam zu bestimmen scheint (vgl. Yendell/Friedrichs 2012: 283)24. Das negative Islambild gipfelt schließlich in dem Vorwurf, der Islam benachteilige die Frau, was nun sogar von 80 Prozent angenommen wird. In diesen Ergebnissen spiegelt sich eventuell nicht nur eine kritische Sichtweise auf den Islam wider, es könnte vielmehr sein, dass sich hier zugleich ein wahrgenommener Konflikt zwischen dem Islam – möglicherweise auch seinen Angehörigen – und westlich-säkularen Gesellschaften andeutet. Dies wird bei der Wahrnehmung des Islam als religiös-fanatisch ebenso deutlich, wie bei der Ansicht, der Islam behindere eines der zentralen Merkmale moderner Staaten, nämlich die Gleichheit von Mann und Frau.
24Dass diese Überlegung zumindest zum Teil zutreffend ist, wird von der Tatsache unterstützt, dass es einen signifikanten Zusammenhang gibt zwischen der Assoziation von Fanatismus mit dem Islam und der Zustimmung zu der Aussage „Manchmal habe ich Angst, ob unter den Muslimen in Deutschland nicht auch viele Terroristen sind“. So stimmen 69,3 Prozent derjenigen, die den Islam mit Fanatismus verbinden, dieser Aussage eher oder voll und ganz zu. Bei denjenigen, die Fanatismus nicht als typisch für den Islam ansehen, sind es nur 50,5 Prozent. Die Angst vor Terrorismus ist Bestandteil der affektiven Dimension und wird in Abschnitt 2.3 ausführlich thematisiert.
40
2 Wahrnehmung und Bewertung … Deutschland
Deutschland-West
Deutschland-Ost
100.0 90.0 80.0
70.0
72.2
72.6
81.9 82.0 81.1 70.5 61.8 60.5
60.0
67.1
50.0
53.1 53.1 53.1
40.0 30.0 20.0 10.0 .0
Fanatismus
Gewaltbereitschaft
Engstirnigkeit
Benachteiligung der Frau
Quelle: WArV 2010; für Gesamtstichprobe vgl. Friedrichs 2012: 205; für Ost/West-Teilstichprobe vgl. Pollack/Friedrichs 2012: 165; alle Angaben in %
Abbildung 2.1 Häufigkeiten: Negative Merkmalszuschreibungen zum Islam
Zugleich spiegeln diese Themen auch teilweise inhaltliche Schwerpunkte in der Islamberichterstattung wider. So konnten Kai Hafez und Carola Richter (2007) für die Berichterstattung von ARD und ZDF zwischen 2005 und 2006 feststellen, dass vor allem Extremismus und Terrorismus mit 23 % die Berichterstattung über den Islam am stärksten prägen. Aber auch Fundamentalismus mit 7 % und die Rolle der Frau mit 4 % prägen das Islambild in den Medien (vgl. Hafez/Richter 2007: 40–41). Dabei würden muslimische Frauen primär als passives Opfer und vor allem als Opfer von Gewalt innerhalb der Familie präsentiert (vgl. Schenk 2009: 52; Röder 2007: 84)25.
25Röder
stellt allerdings fest, dass der Schwerpunkt der Berichterstattung mit fast zwei Dritteln primär einen Bezug zum Ausland aufweist und daher nur etwa ein Drittel sich vor allem auf deutsche Themen konzentriert, wobei dann schwerpunktmäßig Integrationsprobleme thematisiert werden (vgl. Röder 2007: 82–83). Es ist zumindest fraglich, ob Berichterstattungen, die sich um Musliminnen in anderen Ländern drehen, die Einstellung zum Islam in der deutschen Bevölkerung in gleicher Weise beeinflussen, wie es Artikel über Musliminnen in Deutschland tun.
2.2 Die Kognitive Dimension
41
Aber ist das Bild vom Islam in Deutschland nur negativ oder werden ihm auch positive Attribute zugesprochen? Ein Blick auf die Ergebnisse zu Assoziationen von positiven Eigenschaften mit dem Islam macht deutlich, dass diese kaum mit ihm verbunden werden (vgl. Abbildung 2.2). Nicht einmal 10 Prozent der Befragten denken beim Stichwort Islam an die Eigenschaften Friedfertigkeit, Toleranz, Solidarität und Achtung der Menschenrechte. Zwischen West- und Ostdeutschland gibt es auch bei dieser Frage kaum Differenzen. Während Solidarität und Friedfertigkeit immerhin noch 8,5 bzw. 7,6 Prozent benennen, sind es bei der Achtung der Menschenrechte und Toleranz noch mal weniger (6,5 % bzw. 4,8 %). Erneut tritt hier der (scheinbare) Konflikt zwischen modernen Gesellschaften, in denen die Menschenrechte und die Toleranz anderer Überzeugungen als Ideal vertreten werden, und dem Islam zutage. Insgesamt deutet sich in den Ergebnissen ein recht einseitiges Bild an. Für eine ambivalente Wahrnehmung des Islam gibt es bislang jedenfalls keine Hinweise26. Deutschland
Deutschland-West
Deutschland-Ost
100.0 90.0 80.0 70.0 60.0 50.0 40.0 30.0 20.0 10.0 .0
7.6 8.2 5.1
4.8 4.8 4.7
8.5 8.8 7.3
6.5 6.7 5.6
Friedfertigkeit
Toleranz
Solidarität
Achtung der Menschenrechte
Quelle: WArV 2010; für Gesamtstichprobe vgl. Friedrichs 2012: 205; für Ost/West-Teilstichprobe vgl. Pollack/Friedrichs 2012: 165; alle Angaben in %
Abbildung 2.2 Häufigkeiten: Positive Merkmalszuschreibungen zum Islam
26Die Ergebnisse zu den positiv besetzten Bildern entsprechen weitestgehend jenen einer Ergebung des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahre 2006, die ähnlich gefragt haben. Bei den negativen Images zeigt sich ein leichter Zustimmungsrückgang bei den Eigenschaften Benachteiligung der Frau, Fanatismus und Gewaltbereitschaft zwischen 5 und 10 Prozentpunkten (vgl. Allensbacher Archiv 2006). Insgesamt kann zumindest für die Periode zwischen 2006 und 2010 eine gewisse Konstanz im Islambild festgestellt werden.
42
2 Wahrnehmung und Bewertung …
Dies unterscheidet Deutschland auch von den anderen in die Untersuchung eingehenden Ländern. Zwar hat sich auch im internationalen Vergleich gezeigt, dass der Islam insgesamt mehrheitlich kritisch beurteilt wird, aber es zeigen sich zugleich größere Ambivalenzen, da man in Dänemark, Frankreich, den Niederlanden und Portugal insgesamt etwas mehr bereit ist, auch positive Eigenschaften des Islam zu sehen (vgl. Pollack/Friedrichs 2012: 166).
2.2.3 Indexbildung Die Häufigkeiten, mit denen jedes einzelne stereotype Merkmal als charakteristisch für den Islam betrachtet wird, deutet bereits darauf hin, dass die Deutschen über ein relativ homogen negatives Islambild verfügen. Dies entspricht den Annahmen sozialer Kategorisierungstheorien, bei denen von einer Homogenisierung in der Wahrnehmung der Mitglieder der Outgroup ausgegangen wird (Tajfel 1982). Um dies jedoch genauer untersuchen zu können, ist es notwendig, die Häufigkeiten der Nennungen der positiven und negativen Stereotype zueinander ins Verhältnis zu setzen. Hierfür wurden die Häufigkeiten der Nennungen der positiv und negativ besetzten Merkmale getrennt zu einem Index summiert. Da jeweils vier positive und vier negative Zuschreibungen vorhanden sind, ergibt sich jeweils eine mögliche Variation zwischen minimal null und maximal vier Nennungen. Als Kriterium für diese Indexbildung wurden lediglich die Werturteile herangezogen, die sich über die Konnotationen ausdrücken. Daher muss die Tatsache, dass die verschiedenen Eigenschaften sich z. T. auf sehr unterschiedliche Aspekte beziehen, unberücksichtigt bleiben27. Schaut man sich einmal an, wie viele negative Eigenschaften von den Deutschen benannt wurden, so stellt man fest, dass es hier doch eine gewisse Varianz gibt (vgl. Tabelle 2.3). Immerhin 8 Prozent sehen keine negative Eigenschaft als charakteristisch für den Islam an und knapp 15 Prozent benennen lediglich ein negatives Stereotyp. Doch bei dieser Betrachtung der Ergebnisse wird deutlich, dass satte 37,4 Prozent sogar alle vier negativen Eigenschaften angeben, knapp ein Viertel sehen drei negative Merkmale als kennzeichnend für den Islam an. Insgesamt betont eine Mehrheit von 62 Prozent in Deutschland damit vor allem negative Seiten des Islam (3 oder 4 Nennungen). Deutlich homogener fallen die Ergebnisse
27Vgl.
zu diesem Abschnitt auch die Erläuterungen zum Vorgehen in Friedrichs 2012, 206; 2014, 164.
43
2.2 Die Kognitive Dimension
erwartungsgemäß aus, wenn man die Häufigkeiten der positiven Nennungen betrachtet. Über 80 Prozent wollen dem Islam keine positive Eigenschaft attestieren. Wenn man dies doch tut, so bleibt es bei den meisten bei lediglich einer positiven Nennung. Um zu überprüfen, ob diejenigen, die den Islam vor allem mit negativen Eigenschaften beschreiben, auch diejenigen sind, die keinerlei Positives sehen, wurde eine Kreuztabelle erstellt (vgl. Tabelle 2.4). Es geht hierbei vor allem um die Frage der Homogenität des Islambildes in Deutschland. Um bestimmen zu können, inwieweit ein homogenes Bild vom Islam vorliegt, bedarf es jedoch Kriterien für diese Homogenität. Es wurde hier festgelegt, dass mindestens ein Verhältnis von zwei zu eins vorliegen muss, um überhaupt von einem klaren Bild sprechen zu können. Folglich mussten bei einem homogen negativen Bild immer mindestens doppelt so viele negative wie positive Eigenschaften benannt werden. Für ein homogen positives Bild gilt dasselbe entsprechend umgekehrt (vgl. Friedrichs 2014b: 166). In Tabelle 2.4 sind die jeweiligen Bereiche hervorgehoben. Tabelle 2.3 Häufigkeiten der negativen und positiven Merkmalszuschreibungen zum Islam
0 Merkmale
Deutschland
Westdeutschland
Ostdeutschland
negativ
positiv
negativ
positiv
negativ
positiv
8,1
83,4
8,2
82,9
7,7
85,5
1 Merkmal
14,3
9,9
14,1
10,0
15,2
9,7
2 Merkmale
15,5
3,9
15,8
4,2
14,6
2,5
3 Merkmale
24,6
1,5
25,1
1,5
22,4
1,3
4 Merkmale
37,4
1,3
36,8
1,4
40,0
1,0
Insgesamt
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
Quelle: WArV 2010; alle Angaben in %
Nach den benannten Kriterien verfügen fast drei Viertel (73,5 %) der Deutschen über ein konsistent negatives Islambild. Der überwiegende Anteil von zwei Dritteln (66,5 %) benennt kein einziges positives, aber zwei bis vier negative Merkmale. Lediglich 7 Prozent sind der Ansicht, dass zumindest eines der positiv konnotierten Merkmale als charakteristisch für den Islam gelten darf28. Damit
28Vgl.
hierfür auch die Ergebnisse bei Friedrichs 2012: 207–208.
44
2 Wahrnehmung und Bewertung …
wird erneut deutlich, was sich bereits in den reinen Häufigkeiten der gebildeten metrischen Variablen angedeutet hat: Es werden in der Tat sehr häufig alle vier negativen Eigenschaften als kennzeichnend für den Islam gesehen (32,6 %), die extrem starke Homogenität dieses negativen Bildes geht aber vor allem darauf zurück, dass dem Islam so gut wie keine positiven Seiten zugesprochen werden. Entsprechend wenig Befragte zeigen dann schließlich auch ein konsistent positives Bild vom Islam. Nur 2,6 Prozent der Deutschen haben ein solch homogen positives Islambild. Während die Befragten trotz aller Tendenzen hin zu einem kritischen Islambild durchaus Abstufungen bei den negativ konnotierten Merkmalen vornehmen, ist eine wertschätzende Sichtweise auf den Islam auf Basis der Assoziationen fast gar nicht zu beobachten. Dabei sind so gut wie keine Unterschiede zwischen den alten und den neuen Bundesländern erkennbar. In den alten Bundesländern verfügen ebenfalls 73,5 Prozent über ein konsistent negatives Islambild, in den neuen Bundesländern sind es 74 Prozent (vgl. Friedrichs 2014b: 166). Ein positives Bild vom Islam besitzen hingegen 2,9 Prozent der West- und 1,9 Prozent der Ostdeutschen. In allen drei Stichproben ist der Zusammenhang zwischen den positiv und negativ konnotierten Merkmalen statistisch hoch signifikant (p