Insolvenzsteuerrecht: Insolvenzrechtliche Implikationen im Steuerrecht [2 ed.] 9783504384722

Beantwortet Ihnen umfassend die schwierigen Fragen im Spannungsfeld zwischen Insolvenz- und Steuerrecht. Klarer Aufbau n

161 17 4MB

German Pages 872 Year 2015

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Vorwort zur 2. Auflage
Vorwort zur 1. Auflage
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Gesamtliteraturverzeichnis
Kapitel 1. Grundlagen
A. Das Spannungsfeld von Insolvenz- und Steuerrecht
B. Erfahrungen der Insolvenz- und Finanzpraktiker
Kapitel 2. Insolvenzrecht
A. Einführung
B. Eröffnungsverfahren
C. Eröffnetes Verfahren
D. Insolvenz des Steuerberaters
E. Rechtsverhältnisse des Insolvenzverwalters zum Steuerberater des Schuldners
Kapitel 3. Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren
A. Durchführung der Besteuerung
B. Erhebungsverfahren
C. Aufrechnung
D. Vollstreckungsverfahren
E. Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren
Kapitel 4. Materielles Steuerrecht in der Insolvenz
A. Einkommensteuer
B. Körperschaftsteuer
C. Umsatzsteuer
D. Gewerbesteuer
E. Kraftfahrzeugsteuer
F. Erbschaft- und Schenkungsteuer
G. Grunderwerbsteuer
H. Grundsteuer
I. Indirekte Verbrauchsteuern
J. Zölle
K. Sonstige Steuern
Anhang. Ausgewählte Gesetzesnormen und Verwaltungsvorschriften
I. Ausgewählte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen
II. Ausgewählte Verwaltungsanweisungen
Stichwortverzeichnis
Recommend Papers

Insolvenzsteuerrecht: Insolvenzrechtliche Implikationen im Steuerrecht [2 ed.]
 9783504384722

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Jan Roth Insolvenzsteuerrecht

Insolvenz Steuerrecht Insolvenzrechtliche Implikationen im Steuerrecht von

Prof. Dr. Jan Roth Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Fachanwalt für Insolvenzrecht Honorarprofessor an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

2. Auflage

2016

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-20704-5 ©2016 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche­ rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs­ beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: Griebsch & Rochol, Hamm Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Vorwort zur 2. Auflage Mehr als 4 Jahre sind seit der ersten Auflage dieses Praxishandbuchs zum Insolvenzsteuerrecht vergangen. Die Rechtsentwicklung hat seitdem weiter Fahrt aufgenommen und dem Rechtsgebiet zunehmend Brisanz und neue Problembereiche beschert. Sowohl die Gesetzgebung im Insolvenzrecht als auch die Entwicklungen in der Rechtsprechung und nicht zuletzt das neue BMF-Schreiben vom 20.5.2015, das in diesem Werk erstmalig umfassend besprochen wird, geben Anlass genug fÅr die vorliegende zweite Auflage des Handbuchs. Noch immer treffen die Materien des Insolvenzrechts und des Steuerrechts im Widerstreit aufeinander. Die Rechtsprechung hat in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Entscheidungen zu fast allen Themengebieten des Handbuchs verÇffentlicht. Diese haben aber leider allzu oft nur Einzelfallcharakter. Das vorliegende Werk berÅcksichtigt den gesamten Rechtsprechungskanon und stellt diesen in den Kontext der vom Verfasser vertretenen insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsmaxime. Die Berichtigungsrechtsprechung des V. Senats des Bundesfinanzhofs wird umfassend gewÅrdigt. Auch der Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren punktuell Hand an das Insolvenzsteuerrecht gelegt. Zu erinnern ist beispielsweise an die Regelung in § 55 Abs. 4 InsO. Fiskalpolitisch motiviert riskiert die Norm, mit einem fundamentalen Grundsatz des Insolvenzrechts – der gleichm_ßigen Gl_ubigerbefriedigung – zu brechen. Die Rechtsanwendungspraxis zeigt, dass die Norm, so wie sie formuliert ist, nur schwerlich zur Anwendung gebracht werden kann und ihrerseits viele Fragen offen l_sst. Als nunmehr erstmals auch der Bundesfinanzhof Stellung zu der Norm bezogen hat, hat er seine Berichtigungsrechtsprechung auf den Zeitpunkt der Anordnung der vorl_ufigen Insolvenzverwaltung ausgedehnt, weshalb das Kapitel 4 C. zur Umsatzsteuer grundlegend Åberarbeitet und erweitert worden ist. Am bew_hrten Konzept des Handbuchs wurde festgehalten, orientiert am Mandatsverlauf sowohl die Verfahrensstadien und Kernfragen des Insolvenzrechts als auch alle praktisch denkbaren Steuerrechtsprobleme im Zusammenhang mit dem Insolvenzfall auf aktuellem Stand zu behandeln. In den Anhang mit Gesetzes- und Verwaltungsvorschriften konnte zudem das neue BMF-Schreiben zu § 55 Abs. 4 InsO aufgenommen werden. Es ist nicht Aufgabe des Autors eines Praxishandbuchs, WÅnsche zu _ußern, doch mÇchte er mahnen, das gegenseitige Verst_ndnis der Insolvenzrechtler und Steuerrechtler fÅreinander nicht aus den Augen zu ver-

V

Vorwort zur 2. Auflage

lieren. Und insoweit erlaube ich mir doch, einen Wunsch an die Leser meines Werkes zu richten: Bitte schauen Sie nicht nur mit einem Auge hin, sondern betrachten Sie die Argumente der konfligierenden Rechtsgebiete als grundsstzlich gleichwertig und entscheiden Sie zwischen beiden mit dem neutralen Blick der Justitia. Frankfurt am Main, im September 2015

VI

Prof. Dr. Jan Roth

Vorwort zur 1. Auflage

Vorwort zur 1. Auflage Man liebt es oder man hasst es, heißt es bei Juristen unterschiedlichster Couleur Åber das Steuerrecht. Gleiches gilt fÅr das Insolvenzrecht. Nur wenige Juristen haben sich bisher gleichermaßen tief in beide Disziplinen eingearbeitet und leben Insolvenz- und Steuerrecht in einer Gedankenwelt. Diese Juristen sind zu Eiferern geworden in einer kleinen Welt des Rechts, die jeden Tag ein wenig grÇßer wird. Dem Eiferer ist es eigen, dass er mitschreiben, mitsprechen, mitdiskutieren – und auch mitentscheiden will. Doch Letzteres ist ihm nur dann vergÇnnt, wenn er dazu berufen ist. Anderweitig bleiben ihm nur die ersteren Alternativen. In diesem Sinne habe ich den Raum genutzt, den mir der Verlag Dr. Otto Schmidt fÅr die intensive Befassung mit dem Insolvenzsteuerrecht zur VerfÅgung gestellt hat. In meinem Buch stelle ich nach dem aufgeworfenen Spannungsfeld zwischen Insolvenz- und Steuerrecht zunschst die insolvenzrechtlichen Grundlagen dar, die fÅr die Beurteilung der Fragestellungen des Steuerrechts unerlssslich sind. Hieran schließt sich ein Kapitel Åber das Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren an, das insbesondere die DurchfÅhrung der Besteuerung, das Erhebungsverfahren, die Aufrechung, Vollstreckung sowie das Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren zum Gegenstand hat. Im Anschluss folgt das zentrale Kapitel mit eingehenden Erlsuterungen zu den verschiedenen Steuerarten, von der Einkommensteuer bis zu den ZÇllen mit LÇsungsansstzen und Praxishinweisen. Wichtige Dokumente, die den Lesern nicht unbedingt zur Hand sein dÅrften, sind auszugsweise zititert oder im Anhang abgedruckt. Die znderungen durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 v. 9.12.2010 (BGBl. I 2010, 1885), insbesondere zu § 55 Abs. 4 InsO n.F., sind bereits eingearbeitet. Ferner konnten die im Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen geplanten znderungen der Insolvenzordnung noch an den betreffenden Stellen berÅcksichtigt werden. Es war schÇn, alle Ecken der Materie mit dem nÇtigen Platz angehen, zu diskutieren und einem LÇsungsvorschlag zufÅhren zu kÇnnen. Dennoch wird der Praktiker an mancher Stelle feststellen: „Wieder ein Buch, das sich an der entscheidenden Stelle vor der Entscheidung drÅckt!“ Seien Sie gewiss, diesen Gedanken hat der Autor an keiner Stelle dieses Werkes gehabt. Das Werk ist mein Versuch, alle relevanten Fragestellungen zu erkunden, den bisherigen Stand von Rechtsprechung und Literatur zu dokumentieren, zu diskutieren und meinen eigenen Standpunkt darzulegen. Auch war es Ziel, Felder zu erÇrtern, die bisher soweit ersichtlich nicht behandelt wurden, obwohl sie durchaus einer ErÇrterung bedÅrfen. Aber alles Recht wird nie abschließend durchdrungen und schon gar nicht abschließend aufgeschrieben sein. In diesem Sinne lassen Sie mir gerne einen Hinweis zukommen, sollten Sie Erlsuterungen zu einzelnen Problembereichen vermissen. Ich verspreche, er wird nicht ungehÇrt bleiben.

VII

Vorwort zur 1. Auflage

Ich mÇchte mit diesem Praxishandbuch Praktikern ein Nachschlagewerk und Hilfsmittel fÅr die tsgliche Arbeit an die Hand geben. Es ist viel zu tun in Punkto „VÇlkerverstsndigung“ zwischen Steuer- und Insolvenzrechtlern, Insolvenzverwaltern und Steuerberatern, Finanzrichtern und Insolvenzpraktikern. Ich hoffe, einen kleinen Beitrag dazu leisten zu kÇnnen. So habe ich mich bemÅht, meine AusfÅhrungen sowohl in Bezug auf die steuerrechtlichen als auf die insolvenzrechtlichen HintergrÅnde so auszugestalten, dass der Leser den ihn interessierenden Fragenkreis im relevanten Kontext der ihm ggf. nicht so gelsufigen anderen Materie kurz und prsgnant dargestellt erhslt. Der Raum fÅr Danksagungen ist leider begrenzt. Dennoch mÇchte ich diese Gelegenheit nutzen, mich vor allem bei meiner Lebensgefshrtin Snezana Rajter zu bedanken, die in der Zeit von Oktober 2009 bis September 2010 viel auf mich verzichtet hat und mir stets eine unschstzbare menschliche StÅtze war, das Projekt voranzutreiben und zu verbessern. Ich bedanke mich weiter bei Herrn Dr. Wolfgang Lingemann, der das Werk auf Seiten des Verlags Dr. Otto Schmidt betreut und sich von der Konzeptionsphase bis zur Drucklegung gleichermaßen engagiert eingebracht hat. Danken mÇchte ich weiter meinem Kanzleisozius Rechtsanwalt Peter Jost, der mir fÅr viele Diskussionsrunden zur VerfÅgung stand, sowie den wissenschaftlichen Mitarbeitern unserer Kanzlei, namentlich Frau Sibel Gerhardt, Herrn Martin Kaltwasser, Frau Frederike Stamm und Herrn Moritz Petersen, die mir bei der Literaturrecherche und den Korrekturgsngen zum Manuskript eine wertvolle Hilfe waren. Schließlich mÇchte ich nicht nur Dank sagen. Ich widme dieses Werk meinem verehrten, inzwischen leider verstorbenen Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Manfred Wolf, der meine gesamte juristische Ausbildung in einzigartiger Weise geprsgt hat. Er hat entscheidend dazu beigetragen, dass ich meine Begeisterung fÅr das Insolvenzrecht finden konnte. Mehr noch: Er hat meine Begeisterung fÅr die Juristerei geweckt. Seinen Leitspruch darf ich mir hier fÅr dieses Werk zu Eigen machen: „Es verbietet sich jede schematische Betrachtung, denn die Dinge sind komplexer als Sie denken!“ Frankfurt am Main, im Februar 2011

VIII

Dr. Jan Roth

InhaltsÅbersicht Seite a

a

Vorwort zur 2. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Vorwort zur 1. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

AbkÅrzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXI

Gesamtliteraturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXVII

Kapitel 1 Grundlagen

Rz. Seite

A. Das Spannungsfeld von Insolvenz- und Steuerrecht . . . .

1.1

1

B. Erfahrungen der Insolvenz- und Finanzpraktiker . . . . . . .

1.7

5

A. EinfÅhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.1

9

B. ErÇffnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.2

10

C. ErÇffnetes Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.106

56

D. Insolvenz des Steuerberaters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.364

148

E. Rechtsverhsltnisse des Insolvenzverwalters zum Steuerberater des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.386

162

Kapitel 2 Insolvenzrecht

Kapitel 3 Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren A. DurchfÅhrung der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.1

171

B. Erhebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.244

289

C. Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.335

333

D. Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.366

346

E. Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren . . . . . . . . . . . .

3.398

360

IX

InhaltsÅbersicht

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Rz. Seite

A. Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.1

371

B. KÇrperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.227

473

C. Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.313

507

D. Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.542

641

E. Kraftfahrzeugsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.561

652

F. Erbschaft- und Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.598

665

G. Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.614

673

H. Grundsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.636

683

I. Indirekte Verbrauchsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.656

695

J. ZÇlle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.687

705

K. Sonstige Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.696

709

I. Ausgewshlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

713

II. Ausgewshlte Verwaltungsanweisungen . . . . . . . . . . . . . . .

1

756

Anhang Ausgewlhlte Gesetzesnormen und Verwaltungsvorschriften

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

X

815

Inhaltsverzeichnis Seite a

a

Vorwort zur 2. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Vorwort zur 1. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

InhaltsÅbersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

AbkÅrzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXI

Gesamtliteraturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXVII

Kapitel 1 Grundlagen

Rz. Seite

A. Das Spannungsfeld von Insolvenz- und Steuerrecht . . . .

1.1

1

B. Erfahrungen der Insolvenz- und Finanzpraktiker . . . . . . .

1.7

5

A. EinfÅhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.1

9

B. ErÇffnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.2

10

I. Struktur des ErÇffnungsverfahrens und Verfahrensgrundsstze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.2

10

II. Glsubigerantragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweck des Glsubigerantragsverfahrens . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Risiken der Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. AntragsrÅcknahme und Erledigungserklsrung . .

2.6 2.6 2.7 2.9 2.11

11 11 12 13 13

III. Eigenantragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.13

15

IV. Insolvenzantrag der Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . 1. Darlegungserfordernisse: Darlegungserleichterungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsschutz gegen Insolvenzantrsge der Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besondere Anforderungen an die Insolvenzantragstellung Çffentlich-rechtlicher Glsubiger . 4. Antragspflicht Çffentlich-rechtlicher Glsubiger?

2.17

16

2.17

16

2.27

22

2.29 2.36

26 29

2.38 2.38

30 30

2.39

31

Kapitel 2 Insolvenzrecht

V. Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Katalog des § 21 Abs. 2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorlsufiger Insolvenzverwalter ohne VerfÅgungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

Inhaltsverzeichnis

a

3. Vorlsufiger Insolvenzverwalter mit VerfÅgungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorlsufiger Insolvenzverwalter mit punktuellen Einzelermschtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sachverstsndiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Postsperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Untersagung und Einstellung der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Sonstige Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Aufhebung von Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . VI. ErÇffnungsgrÅnde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erforderlichkeit der xberzeugung des Gerichts vom Vorliegen wenigstens eines ErÇffnungsgrundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zahlungsunfshigkeit (§ 17 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Drohende Zahlungsunfshigkeit, § 18 InsO . . . . . 4. xberschuldung (§ 19 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) xberschuldungsprÅfung nach frÅherem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) znderungen durch Finanzmarktstabilisierungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Praktische Bedeutung des Insolvenzgrundes der xberschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite a

2.44

32

2.49 2.52 2.57

34 36 37

2.59 2.61 2.63

37 38 39

2.64

39

2.64 2.66 2.74 2.76 2.76

40 41 44 45 45

2.78

46

2.81 2.85

48 49

2.86

49

VII. Abschließende Entscheidung des Insolvenzgerichts 1. Entscheidung des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. ErÇffnungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abweisung mangels Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsschutz und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . d) Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.87 2.87 2.88 2.95 2.95 2.97 2.101 2.105

50 50 50 52 52 53 54 54

C. ErÇffnetes Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.106

56

I. Rechtsstellung des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . 1. xbergang der VerfÅgungsbefugnis des Schuldners auf den Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswahl des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . 3. Zivilrechtliche Stellung des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pflichten des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . 5. xberwachung des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . 6. Beendigung des Amtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.106

56

2.106 2.107

57 57

2.110 2.112 2.117 2.119

58 59 60 61

XII

Inhaltsverzeichnis Rz. Seite a

a

II. Stellung des Insolvenzverwalters als VermÇgensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.120

62

III. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse . . 1. Legaldefinition der Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . 2. Inbesitznahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Insolvenzfreies VermÇgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Reichweite des Insolvenzbeschlags . . . . . . . . . b) Unpfsndbare VermÇgensgegenstsnde . . . . . . . aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bewegliche Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Forderungen und andere VermÇgensrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) RÅckfall von insolvenzfreiem VermÇgen in die Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Freigabe durch den Insolvenzverwalter . . . . . . . . . a) Echte Freigabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unechte Freigabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Modifizierte Freigabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sonderfall: Freigabe eines Geschsftsbetriebes gem. § 35 Abs. 2, 3 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abgrenzung zu § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO . . . . . d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.124 2.124 2.126 2.135 2.135 2.136 2.136 2.138

63 64 65 67 67 67 67 68

2.140

68

2.142 2.143 2.143 2.148 2.150

69 69 69 71 71

2.151 2.151 2.153 2.157 2.163

72 72 73 75 77

IV. Verwertung der Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwertungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Forderungseinzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unternehmensverkauf „en bloc“ . . . . . . . . . . . . . . 4. Einzelverwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . c) Kongruente Deckung (§ 130 InsO) . . . . . . . . . . d) Inkongruente Deckung (§ 131 InsO) . . . . . . . . e) Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen (§ 132 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Vorsstzliche Benachteiligung (§ 133 InsO) . . . g) Unentgeltliche Leistung (§ 134 InsO) . . . . . . . h) Gesellschafterdarlehen (§ 135 InsO) . . . . . . . .

2.170 2.170 2.172 2.173 2.175 2.178 2.178 2.181 2.188 2.191

79 80 81 81 82 83 83 83 86 87

2.197 2.198 2.205 2.206

88 88 91 91

V. FortfÅhrung des schuldnerischen Geschsftsbetriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beendigung von „ungÅnstigen“ Vertrsgen . . . . . .

2.208 2.208 2.210

92 93 93

XIII

Inhaltsverzeichnis

a

3. Insolvenzfestigkeit betriebsnotwendiger Vertrsge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) KÅndigungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) LÇsungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Insolvenzgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Personalanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Nutzung von Absonderungsgut . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Ausschluss der gesetzlichen HaftungsÅbernahme bei Betriebserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. yffentlich-rechtliche Rahmenbedingungen . . . . 9. Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Darstellender Teil des Insolvenzplans . . . . . . . c) Gestaltender Teil des Insolvenzplans . . . . . . . d) Ablauf des Insolvenzplanverfahrens . . . . . . . . e) xberwachung der ErfÅllung des Plans . . . . . . .

XIV

Rz. Seite a

2.215 2.215 2.216 2.217 2.219 2.222

95 95 96 96 97 98

2.223 2.224 2.227 2.227 2.229 2.233 2.240 2.249

98 99 100 100 100 101 104 106

VI. Rechtsstellung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.253

107

VII. Rechtsstellung der Glsubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Insolvenzglsubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachrangige Insolvenzglsubiger . . . . . . . . . . . . . . 3. Masseglsubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Massearmut und Masseunzulsnglichkeit . . . . . 5. Aussonderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonstige dingliche Aussonderungsrechte . . . d) PensionsrÅckstellungen/Lebensversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ersatzaussonderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Abgesonderte Befriedigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgesonderte Befriedigung aus beweglichen Gegenstsnden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) yffentlich-rechtliche Absonderungsrechte der Zoll- und FinanzbehÇrden . . . . . . . . . . . . . d) Abgesonderte Befriedigung aus Forderungen und Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Abgesonderte Befriedigung aus Immobilien f) Ersatzabsonderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Aufrechnung im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Masseglsubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ab- und Aussonderungsberechtigte . . . . . . . . d) Neuglsubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.259 2.259 2.263 2.264 2.274 2.279 2.279 2.284 2.287

108 110 111 111 114 116 116 118 118

2.288 2.290 2.292 2.292

119 120 120 120

2.296

121

2.309

125

2.312 2.315 2.321 2.322 2.322 2.325 2.328 2.330

126 126 129 129 129 130 131 131

Inhaltsverzeichnis Rz. Seite a

a

VIII. Haftung des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftung nach § 60 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftung gegenÅber dem Schuldner . . . . . . . . . c) Haftung gegenÅber Masseglsubigern . . . . . . . . d) Haftung gegenÅber Insolvenzglsubigern . . . . . e) Haftung gegenÅber Aus- und Absonderungsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftung nach § 61 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.332 2.332 2.332 2.338 2.340 2.341

131 133 133 135 136 136

2.344 2.345

137 137

IX. VergÅtung des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . .

2.349

139

X. Abwicklung des schuldnerischen Rechtstrsgers . . .

2.362

146

D. Insolvenz des Steuerberaters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.364

148

I. Besonderheiten bei Steuerberatern . . . . . . . . . . . . . . . .

2.364

148

II. Berufsrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. VermÇgensverfall des Steuerberaters . . . . . . . . . . . 2. Gefshrdung der Auftraggeberinteressen . . . . . . . . 3. Verfahren bei Entziehung der Zulassung . . . . . . . 4. Zulassungsentzug und Berufsfreiheit . . . . . . . . . . 5. FortfÅhrung der Steuerberaterkanzlei im Rahmen des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Wiederbestellung des Steuerberaters nach Entziehung der Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.366 2.366 2.370 2.373 2.374

148 148 149 151 152

2.375

152

2.377

154

III. Versußerung der Steuerberaterkanzlei durch den Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.378

155

IV. Verschwiegenheitspflicht des Steuerberaters im erÇffneten Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.379

156

V. Kanzleiabwickler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.382

158

E. Rechtsverhsltnisse des Insolvenzverwalters zum Steuerberater des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.386

162

I. Verschwiegenheitspflicht des Steuerberaters . . . . . .

2.386

162

II. HonoraransprÅche des Steuerberaters . . . . . . . . . . . . .

2.388

164

III. Anfechtung von Steuerberaterhonoraren . . . . . . . . . .

2.391

165

IV. HerausgabeansprÅche des Insolvenzverwalters . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. ZurÅckbehaltungsrecht des Steuerberaters . . . . . 3. Sonderproblem: DATEV-Daten . . . . . . . . . . . . . . . .

2.396 2.396 2.397 2.399

167 167 168 169

XV

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 3 Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Rz. Seite

A. DurchfÅhrung der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.1

171

I. Grundsstzlicher Fortbestand der Rechtsfshigkeit . .

3.1

172

II. Zustsndigkeiten der FinanzbehÇrde . . . . . . . . . . . . . . .

3.2

172

III. Steuergeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuergeheimnis wshrend des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.9 3.9

174 175

3.12 3.25

176 180

3.26 3.26 3.30

181 181 184

3.38

187

3.39

187

3.40

188

3.41 3.41

188 189

3.53

193

3.65 3.66

196 197

3.68 3.82

198 204

3.83

205

3.84 3.84 3.88 3.88 3.90 3.91 3.92 3.93 3.97

205 205 206 206 207 208 208 208 210

3.102

213

IV. Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kriterien der Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . 3. Geltendmachung des Auskunftsanspruchs und Entscheidung der BehÇrde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsbehelfe gegen die Ablehnung des Auskunftsgesuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Auskunftsanspruch nach den Informationsfreiheitsgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. SteuerbegÅnstigte Zweckverfolgung des Insolvenzschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der GemeinnÅtzigkeit im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen der GemeinnÅtzigkeit auf die Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ende der GemeinnÅtzigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. GemeinnÅtzigkeit des Insolvenzschuldners wshrend des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . 6. Sphsrentrennung im Insolvenzverfahren . . . . . . . 7. Satzungssnderungen nach InsolvenzverfahrenserÇffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Abgabenrechtliche Haftung fÅr Steuerschulden . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. PersÇnlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . a) Personen i.S.d. §§ 34, 35 AO . . . . . . . . . . . . . . . b) Mehrere GeschsftsfÅhrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Faktischer GeschsftsfÅhrer . . . . . . . . . . . . . . . . d) Formeller GeschsftsfÅhrer . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Haftungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Mitwirkung des Haftungsschuldners bei der Ermittlung der Haftungsquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVI

Inhaltsverzeichnis

a

6. Haftungsinanspruchnahme persÇnlich haftender Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Haftungsinspruchnahme trotz Insolvenzplan . . . 8. Haftung des EigentÅmers von Gegenstsnden nach § 74 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite a

3.103 3.106

213 216

3.107

216

VII. Ermittlung der SteueransprÅche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsstze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechnungslegung des Insolvenzverwalters . . . . . a) Insolvenzrecht – Handelsrecht – Steuerrecht. b) Insolvenzrechtliche Rechnungslegung . . . . . . aa) Katalog der Verzeichnisse und Berichte . bb) Verzeichnis der Massegegenstsnde . . . . . . cc) Glsubigerverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) VermÇgensÅbersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Sachstandsberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Schlussrechnung und Schlussberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Handelsrechtliche Rechnungslegung . . . . . . . aa) Geltung der §§ 238 ff. HGB . . . . . . . . . . . . . bb) Schluss- und ErÇffnungsbilanzen . . . . . . . cc) Laufende Rechnungslegung wshrend des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Laufende Rechnungslegung bei eingestelltem Geschsftsbetrieb . . . . . . . . . . . (2) Laufende Rechnungslegung bei BetriebsfortfÅhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechnungslegung bei Betriebseinstellung wshrend des Insolvenzverfahrens . . ee) Rechnungslegung am Schluss des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Steuerrechtliche Rechnungslegung im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.108 3.108 3.112 3.112 3.114 3.114 3.115 3.116 3.117 3.118

216 216 217 218 219 220 220 221 222 222

3.120 3.128 3.128 3.129

223 225 226 226

3.135

230

3.135

230

3.144

236

3.154

240

3.155

240

3.157

241

VIII. Steuererklsrungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.173

249

IX. Steuerfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Steuerbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Festsetzungen im vorlsufigen Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Festsetzung von Insolvenzforderungen durch Steuerbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Berechnungsmitteilung bzgl. Insolvenzforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Festsetzung von Masseforderungen durch Steuerbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Festsetzung von Steuern gegen das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners . . . . . . .

3.185 3.185

256 257

3.186

257

3.187

258

3.190

260

3.191

260

3.195

261 XVII

Inhaltsverzeichnis

a

7. Festsetzung von Erstattungen oder einer Steuer von Null Euro durch Steuerbescheid . . . . . . . . . . 8. Abweichende Festsetzung von Steuern aus BilligkeitsgrÅnden (§ 163 AO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. RÅckforderung angefochtener Steuerzahlungen durch Bescheid? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Festsetzung durch Bescheid nach Beendigung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite a

3.197

262

3.199

264

3.204

267

3.205

267

X. Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und Festsetzung von Steuermessbetrsgen . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.207

268

XI. Haftungs- und Duldungsbescheide . . . . . . . . . . . . . . . .

3.209

269

XII. AußenprÅfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.212

272

XIII. Masseunzulsnglichkeit und Massearmut . . . . . . . . .

3.215

273

XIV. Nebenforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ssumniszuschlsge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verspstungszuschlsge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vollstreckungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwangs- und Ordnungsgelder . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Geldbußen und Geldstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.224 3.224 3.230 3.236 3.239 3.240 3.242

279 279 282 284 287 287 288

B. Erhebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.244

289

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.244

289

II. Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle . . . . . . . 1. Anzumeldende Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anmeldungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Form der Anmeldung zur Tabelle . . . . . . . . . . . . . 4. Inhalt der Forderungsanmeldung . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsnatur der Forderungsanmeldung . . . . . . . . 6. Rechtsmittel gegen die Forderungsanmeldung .

3.246 3.246 3.250 3.251 3.253 3.257 3.258

290 291 292 292 292 296 297

III. Berichtstermin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.259

298

IV. ForderungsprÅfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. PrÅfungstermin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirkung der Tabellenfeststellung . . . . . . . . . . . . . 3. Widerspruch gegen angemeldete Forderungen . . 4. Wirkungen des Schuldnerwiderspruchs . . . . . . . . 5. Wirkungen des Widerspruchs eines Insolvenzglsubigers oder des Insolvenzverwalters . . . . . . . a) Fallsituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Widerspruch gegen nicht titulierte Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Widerspruch gegen titulierte Forderungen . aa) Grundsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.269 3.269 3.274 3.280 3.284

301 301 302 304 305

3.290 3.290

308 308

3.291 3.297 3.297

309 313 313

XVIII

Inhaltsverzeichnis

a

bb) Vorinsolvenzlicher Steuerbescheid in offener Rechtsbehelfsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Angefochtener vorinsolvenzlicher Steuerbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Mehrere Bestreitende . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Unanfechtbarer Steuerbescheid . . . . . . . . . ff) Unterlassene Verfolgung des Widerspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Abrechnungsbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Erlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite a

3.298

314

3.300 3.305 3.308

316 319 320

3.309 3.310 3.314

320 321 323

V. Schlussrechnung und Schlusstermin . . . . . . . . . . . . . .

3.324

329

VI. Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.332

331

C. Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.335

333

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.335

334

II. Aufrechnung mit Steuerforderungen . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung des BFH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fslligkeit der Gegenforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hauptforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Saldierung nach § 16 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.340 3.340 3.347 3.356 3.360

335 336 337 339 340

III. Aufrechnung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.361

342

IV. Aufrechnung wshrend der Wohlverhaltensperiode .

3.362

342

V. Aufrechnung gegen Forderungen aus dem insolvenzfreien Bereich wshrend des erÇffneten Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.363

343

VI. Aufrechnung mit Steuerforderungen aus Berichtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.364

343

VII. Aufrechnung trotz Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.365

345

D. Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.366

346

I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.366

346

II. Vollstreckung einer Insolvenzforderung . . . . . . . . . . .

3.367

347

III. Vollstreckung einer Masseverbindlichkeit . . . . . . . . .

3.371

348

IV. Vollstreckung bei Masseunzulsnglichkeit . . . . . . . . .

3.377

350

V. Vollstreckung in das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.384

354

VI. Vollstreckung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.387

354

XIX

Inhaltsverzeichnis Rz. Seite a

a

VII. Vollstreckungen wegen Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen wshrend des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.394

358

E. Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren . . . . . . . . . . . .

3.398

360

I. Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf laufende Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren . .

3.398

360

II. Finanzgerichtlicher Rechtsschutz gegen Insolvenzantrsge der Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Statthafter Rechtsbehelf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einstweilige Anordnung auf RÅcknahme des Insolvenzantrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Allgemeine Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.403 3.403

361 362

3.404 3.412

362 368

III. Beendigung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . .

3.413

369

A. Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.1

371

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.1

372

II. Praktische Bedeutung der Einkommensteuer im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.7

373

III. Ermittlung des zu versteuernden Einkommens wshrend des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.10

374

IV. Versteuerung stiller Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.13

375

V. Behandlung von Sanierungsgewinnen . . . . . . . . . . . . .

4.20

381

VI. Steuerliche Auswirkungen des Wegfalls von Verbindlichkeiten im Rahmen der Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.32

388

VII. Verwertung von Absonderungsgegenstsnden . . . . . .

4.36

390

VIII. Verlustabzug und Verlustausgleich . . . . . . . . . . . . . . .

4.43

391

IX. Zusammenveranlagung mit dem Ehegatten des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. AusÅbung des Wahlrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. DurchfÅhrung der Zusammenveranlagung . . . . . 3. Getrennte Veranlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.51 4.51 4.54 4.63

393 393 394 399

X. Anrechnungen auf die Steuerschuld . . . . . . . . . . . . . . 1. Regime des Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorauszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. EinkÅnfte aus KapitalvermÇgen . . . . . . . . . . . . . . .

4.64 4.64 4.66 4.71

400 400 400 402

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

XX

Inhaltsverzeichnis

a

4. Lohnsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenz des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . aa) Lohnsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wahl der Steuerklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenz des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Lohnsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Haftung fÅr den Lohnsteuerabzug . . . . . . . cc) Arbeitnehmerdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Besonderheiten im vorlsufigen Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Besteuerung von Insolvenzgeld . . . . . . . . . . . . . 5. Steuerabzug bei Bauleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Freistellungsbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerabzug nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Auftragnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bei InsolvenzerÇffnung bestehende Werklohnforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nach InsolvenzerÇffnung entstehende Werklohnforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Steuerabzug wshrend des InsolvenzerÇffnungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Steuerabzug im masseunzulsnglichen Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Haftung des Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . d) Steuerabzug im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Leistungsempfsngers . . . . . . . .

Rz. Seite a

4.74 4.74 4.82 4.82 4.87 4.102 4.102 4.104 4.106

403 403 405 405 408 411 411 411 413

4.107 4.111 4.113 4.113 4.115

413 415 416 416 417

4.118

419

4.118

419

4.127

422

4.128

422

4.131 4.132

424 424

4.133

425

XI. Auswirkungen der Insolvenz von Gesellschaften auf die Einkommensteuer der Gesellschafter . . . . . . 1. Insolvente Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 2. Insolvente Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Steuerabzug (insb. Bauabzugsteuer und Kapitalertragsteuer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) BetriebsvermÇgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.135 4.135 4.141 4.141

426 426 429 429

4.147 4.160

432 437

XII. Besonderheiten im Nachlassinsolvenzverfahren . . .

4.161

438

XIII. Zuordnung der Einkommensteuerschuld zu den Insolvenzforderungen, Masseverbindlichkeiten oder Forderungen gegen das insolvenzfreie VermÇgen . . . 1. Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen der Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Veranlagungszeitraum der InsolvenzerÇffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.169 4.169 4.169

444 444 444

4.177

447 XXI

Inhaltsverzeichnis

a

c) Zuordnung wshrend des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Dreiteilung der Einkommensteuerschuld . . . e) Veranlagungszeitraum der Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . f) Zuordnung der Steuerschuld aus Gewinnanteilen an Personengesellschaften . . . . . . . . . 2. Lohnsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenz des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenz des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite a

4.194 4.204

454 459

4.206

460

4.210 4.219 4.219 4.223

461 465 465 467

XIV. Auswirkungen der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lohnsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.224 4.224 4.226

469 469 471

B. KÇrperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.227

473

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.227

475

II. Praktische Bedeutung der KÇrperschaftsteuer im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.244

479

III. Umfang der KÇrperschaftsteuerpflicht . . . . . . . . . . . . 1. Unterscheidung der Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . 2. Unbeschrsnkte KÇrperschaftsteuerpflicht . . . . . . 3. Beschrsnkte KÇrperschaftsteuerpflicht . . . . . . . . .

4.245 4.245 4.246 4.247

479 479 479 480

4.249 4.249 4.249 4.249 4.253

481 481 481 481 483

4.255 4.256 4.257 4.259

483 484 484 485

4.260

485

IV. Beginn und Ende der KÇrperschaftsteuerpflicht, Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beginn der KÇrperschaftsteuerpflicht . . . . . . . . . . a) Unbeschrsnkte KÇrperschaftsteuerpflicht . . . aa) Phase der VorgrÅndung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Phase der Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . cc) Im Handelsregister eingetragene KÇrperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschrsnkte KÇrperschaftsteuerpflicht . . . . . . 2. Ende der KÇrperschaftsteuerpflicht . . . . . . . . . . . . 3. Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ermittlung der KÇrperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das zu versteuernde Einkommen als Bemessungsgrundlage der KÇrperschaftsteuer . . . . . . . . . 2. Verdeckte GewinnausschÅttungen als wichtigste Form der außerbilanziellen Hinzurechnung (vGA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.260

485

4.262

488

VI. Steuersatz und Steuerbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.266

489

VII. Verhsltnis von KÇrperschaftsteuer zur Einkommensteuer der Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.268

489

XXII

Inhaltsverzeichnis Rz. Seite a

a

VIII. Auswirkung der InsolvenzerÇffnung auf die KÇrperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fortbestand der Steuerrechtsfshigkeit . . . . . . . 2. Verlsngerter Besteuerungszeitraum . . . . . . . . . 3. Abwicklungsgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besteuerung des Abwicklungsgewinns . . . . . .

4.273 4.273 4.276 4.280 4.286

491 491 492 493 494

IX. Insolvenzrechtliche Qualitst der KÇrperschaftsteuerschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.287

494

X. Vorauszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.289

495

XI. ErstattungsansprÅche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.291

496

XII. KÇrperschaftsteuerguthaben (§ 37 Abs. 5 KStG) .

4.292

496

XIII. Stille Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.293

498

XIV. KÇrperschaftsteuerliche Organschaft . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organschaft in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenz des Organtrsgers . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenz der Organgesellschaft . . . . . . . . . . c) Insolvenz von Organtrsger und Organgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.295 4.295 4.299 4.299 4.305

498 498 500 500 501

4.307

502

XV. Sanierungsgewinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.309

503

XVI. Auswirkungen der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.311

506

C. Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.313

507

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.313

507

II. Praktische Bedeutung der Umsatzsteuer im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.323

510

4.327

512

4.327 4.329 4.330

512 513 514

4.331

515

4.332

517

4.334

520

III. Insolvenzrechtliche Qualitst der Umsatzsteuerschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechungsvereinheitlichung bei der Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Istbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sollbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dogmatischer Hintergrund: Uneinbringlichkeit der Aktivforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verfassungswidrigkeit der richterrechtlich geschaffenen Bevorrechtigung des Fiskus . . . . 6. Europarechtswidrigkeit der Annahme von Uneinbringlichkeit im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXIII

Inhaltsverzeichnis

a

7. Auffassung der Finanzverwaltung, zeitliche Anwendung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite a

4.335

522

4.340

526

4.340

526

4.346

532

4.347

532

V. FallÅbersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.351

534

VI. Voranmeldungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.369

554

VII. Insolvenzfreie unternehmerische Tstigkeit des Insolvenzschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.371

556

4.374 4.374 4.379 4.379

558 559 561 561

4.380

562

4.381

562

4.384 4.385

564 564

4.389 4.391 4.398

566 567 570

4.400 4.400 4.400

571 572 572

4.405 4.405

575 575

4.410

576

4.411

578

4.411 4.412 4.430

578 578 582

4.435

585

IV. Besonderheiten der vorlsufigen Insolvenz . . . . . . . . . 1. Schwacher vorlsufiger Insolvenzverwalter (Zustimmungsvorbehalt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Starker vorlsufiger Insolvenzverwalter (allgemeines VerfÅgungsverbot) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorlsufiger Insolvenzverwalter mit Einzelermschtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VIII. Umsatzsteuerliche Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und Voraussetzungen der Organschaft . . . 2. Insolvenz der Organgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . a) ErÇffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . b) ErÇffnungsverfahren mit allgemeinem VerfÅgungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) ErÇffnungsverfahren mit vorlsufiger Insolvenzverwaltung und Zustimmungsvorbehalt d) Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Insolvenz des Organtrsgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Insolvenz von Organgesellschaft und Organtrsger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsfolgen der Beendigung der Organschaft . . 6. Unerkannte Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Vorsteuer im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorsteuerberichtigung gem. § 17 Abs. 2 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Uneinbringlichkeit von Forderungen . . . . bb) Berichtigung in Folge von Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Berichtigung wegen nicht vollstsndig erbrachter Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Nicht ausgefÅhrte Lieferung oder sonstige Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Insolvenz des Leistungserbringers . . . . (3) Insolvenz des Leistungsempfsngers . . c) Vorsteuerberichtigung bei RÅckgsngigmachung einer Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIV

Inhaltsverzeichnis

a

2. Vorsteuerberichtigung bei znderung der Verhsltnisse (§ 15a UStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rz. Seite a

4.441

589

4.447 4.447 4.451 4.451

591 591 593 593

4.457 4.461

595 596

4.461

596

4.464 4.465

598 598

4.465

598

4.470

602

4.470

602

4.471

602

4.473 4.476

604 605

4.478

606

4.479 4.483 4.483 4.484 4.488 4.492 4.495

607 610 610 610 613 614 615

XI. „Kalte Zwangsverwaltung“ von GrundstÅcken durch den Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.498

616

XII. Geschsftsversußerung im Ganzen . . . . . . . . . . . . . . . .

4.500

617

XIII. Kleinunternehmerreglung § 19 UStG . . . . . . . . . . . . .

4.506

619

XIV. Umsatzsteuerliche Folgen erfolgreicher Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.507

620

X. Verwertung von Sicherungsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwertung von beweglichem VermÇgen . . . . . . . a) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwertung außerhalb eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) InsolvenzerÇffnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . aa) Versußerung durch den vorlsufigen Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Versußerung durch den Sicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) ErÇffnetes Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . aa) Verwertung durch den Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verwertung durch den Sicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine Verwertungsbefugnis des Sicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) xberlassung zur Verwertung durch den Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . (3) Verwertung von Gegenstsnden im Besitz des Sicherungsnehmers . . . . . . . . . (4) Selbsterwerb des Sicherungsnehmers . (5) Verwertung durch den Insolvenzverwalter fÅr Rechnung des Sicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Freigabe an und Verwertung durch den Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwertung von unbeweglichem VermÇgen . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwangsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Freihsndiger Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verwertung von Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXV

Inhaltsverzeichnis Rz. Seite a

a

XV. Steuerhaftung des Abtretungsempfsngers gem. § 13c UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Haftung . . . . . . . . . . . . . . 3. Mangelnde Gemeinschaftskonformitst? . . . . 4. Verwertung zedierter Forderungen im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Grenzen der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verhsltnis von Insolvenzanfechtung und Haftung nach § 13c UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.508 4.508 4.509 4.510

622 622 623 624

4.512

624

4.513 4.514

625 625

4.516

626

XVI. Haftung des Unternehmers gem. § 25d UStG beim Karussellgeschsft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.517

627

XVII. Besonderheiten im Nachlassinsolvenzverfahren

4.526

629

XVIII. Aufrechnungsbefugnisse der Finanzverwaltung . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten bei der Umsatzsteuer . . . . . . . 3. Aufrechnung gegen ErstattungsansprÅche aus erÇffnungsbedingten Berichtigungen nach § 17 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.527 4.527 4.528

630 630 630

4.529

632

XIX. Umsatzsteuerpflicht des Verzichts auf AnsprÅche der Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.531

634

XX. Vorsteuerabzug aus der VergÅtungsrechnung des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.532

635

XXI. Vorsteuerabzug aus der VergÅtungsrechnung des vorlsufigen Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . .

4.537

638

XXII. Auswirkungen der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.540

640

D. Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.542

641

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.542

643

II. Praktische Bedeutung der Gewerbesteuer im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.546

645

III. Insolvenzrechtliche Qualitst der Gewerbesteuerschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.548

645

IV. Gewerbeertrag in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . .

4.551

647

V. Dauer der Gewerbesteuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . .

4.553

648

VI. Aufrechnung durch die Gemeinde . . . . . . . . . . . . .

4.558

650

VII. Auswirkungen der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.559

650

XXVI

Inhaltsverzeichnis Rz. Seite a

a

E. Kraftfahrzeugsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.561

652

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.561

652

II. Praktische Bedeutung der Kraftfahrzeugsteuer im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.565

653

III. Insolvenzrechtliche Qualitst der Kraftfahrzeugsteuerschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.567

653

IV. Steuerschuld fÅr massezugehÇrige Kraftfahrzeuge fÅr das Jahr der InsolvenzerÇffnung . . . . . . . . . . . . . .

4.570

654

V. Steuerschuld fÅr massezugehÇriges Kraftfahrzeug ist bei InsolvenzerÇffnung im Voraus entrichtet . .

4.572

655

VI. Kraftfahrzeugsteuerschuld bei Freigabe von (zunschst) massezugehÇrigen Kraftfahrzeugen . . . . . .

4.574

656

VII. Kraftfahrzeugsteuer bei unpfsndbaren Kraftfahrzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.580

657

VIII. MÇglichkeit zur Beendigung der Kraftfahrzeugsteuerschuld der Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Außerbetriebsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Versußerungsanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Freigabe und deren Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.584 4.585 4.586 4.587

659 659 659 659

4.588 4.588

660 660

4.590

661

IX. Kraftfahrzeuge mit Absonderungsrechten . . . . . . . . 1. SicherungsÅbereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unpfsndbare Kraftfahrzeuge mit Sicherungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Freigabe bei Kraftfahrzeugen mit Absonderungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Versußerung bzw. Abmeldung bei Kraftfahrzeugen mit Absonderungsrechten . . . . . . . . . . . .

4.591

661

4.593

662

X. Kraftfahrzeug als insolvenzfreier Neuerwerb . . . . .

4.595

662

XI. Auswirkungen der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.596

662

XII. Kraftfahrzeugsteuer bei parallel bestehender Zwangsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.597

663

F. Erbschaft- und Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.598

665

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.598

665

II. Praktische Bedeutung der Erbschaftsteuer im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.600

666

III. Insolvenzrechtliche Qualitst der Erbschaftsteuerforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.601

666

IV. Auswirkungen der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.613

672 XXVII

Inhaltsverzeichnis Rz. Seite a

a

G. Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.614

673

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.614

673

II. Praktische Bedeutung der Grunderwerbsteuer im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.623

676

III. Insolvenzrechtliche Qualitst der Grunderwerbsteuerforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.624

676

IV. Unbedenklichkeitsbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . .

4.632

679

V. Erstattung der Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . .

4.633

680

VI. Auswirkungen der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.635

682

H. Grundsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.636

683

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.636

683

II. Praktische Bedeutung der Grundsteuer im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.639

684

III. Insolvenzrechtliche Qualitst der Grundsteuerforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.640

684

IV. Bekanntgabe von Einheitswertbescheiden und Grundsteuermessbescheiden wshrend des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.646

686

V. Grundsteuer als Absonderungsrecht . . . . . . . . . . . . .

4.648

688

VI. Erlass der Grundsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.649

689

VII. Inanspruchnahme des GrundstÅckserwerbers . . . .

4.653

692

VIII. Auswirkungen der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.654

693

IX. Grundsteuer bei zeitgleich bestehender Zwangsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.655

693

I. Indirekte Verbrauchsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.656

695

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.656

695

II. Praktische Bedeutung der indirekten Verbrauchsteuern im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.659

696

III. Insolvenzrechtliche Qualitst der Steuerforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.660

696

4.664 4.664 4.675

697 697 700

4.685

703

IV. Sachhaftung gem. § 76 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Insolvenzanfechtung der Sachhaftung . . . . . . . . 3. Auswirkungen der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXVIII

Inhaltsverzeichnis Rz. Seite a

a

V. Steuerentlastung bei Zahlungsausfall nach § 60 EnergieStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.686

703

J. ZÇlle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.687

705

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.687

705

II. Praktische Bedeutung der ZÇlle im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.692

707

III. Insolvenzrechtliche Qualitst der ZÇlle . . . . . . . . . . . .

4.693

707

K. Sonstige Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.696

709

I. Hundesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.696

709

II. Kirchensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.700

711

I. Ausgewshlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen . . . 1. Abgabenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einkommensteuergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gewerbesteuergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschrsnkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Handelsgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Insolvenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Insolvenzrechtliche VergÅtungsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . 9. Kraftfahrzeugsteuergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. KÇperschaftsteuergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Sozialgesetzbuch III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Steuerberatungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Umsatzsteuergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Zivilprozessordung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

713 713 716 718 724

Anhang Ausgewlhlte Gesetzesnormen und Verwaltungsvorschriften

724 725 725 736 738 739 745 746 748 756

II. Ausgewshlte Verwaltungsanweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Erteilung von AuskÅnften Åber Daten, die zu einer Person im Besteuerungsverfahren gespeichert worden sind . 2. Sog. „Sanierungserlass“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Allgemeine Verwaltungsvorschrift Åber die DurchfÅhrung der Vollstreckung nach der Abgabenordnung (VollstrA) . . . . . 4. Insolvenzordnung; Anwendungsfragen zu § 55 Abs. 4 InsO .

756

762 804

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

815

756 758

XXIX

Inhaltsverzeichnis

XXX

AbkÅrzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABl. EG Abs. a.F. AG AGB AktG Alt. Anh. Anm. AO AO-StB Aufl. AW-Prax BAG BayObLG BayVBl BB BBKM Bdb. Beschl. BFH BFH/NV BGB BGBl. BGH BGHZ BÇrsenG BKR BMF BRAO BT-Drucks. BVerfG BVerwG BW

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europsischen Gemeinschaften Absatz alter Fassung Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Allgemeine Geschsftsbedingungen Aktiengesetz Alternative Anhang Anmerkung Abgabenordnung Der AO-Steuer-Berater (Zeitschrift) Auflage Außenwirtschaftliche Praxis (Zeitschrift) Bundesarbeitsgericht Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerische Verwaltungsblstter (Zeitschrift) Betriebs-Berater (Zeitschrift) BeraterBrief Kanzleimanagement Brandenburg Beschluss Bundesfinanzhof Sammlung der nicht verÇffentlichten Entscheidungen des BFH BÅrgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BÇrsengesetz Zeitschrift fÅr Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesfinanzministerium Bundesrechtsanwaltsordnung Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Baden-WÅrttemberg

XXXI

AbkÅrzungsverzeichnis

DB DDZ DGVZ DepotG DStR d. Verf. DZWIR EFG EG Entsch. EStG ESUG EuR EuZA EwiR

Der Betrieb (Zeitschrift) Der Deutsche Zollbeamte (Zeitschrift) Deutsche Gerichtsvollzieher Zeitung Depotgesetz Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) der Verfasser Deutsche Zeitschrift fÅr Wirtschafts- und Insolvenzrecht Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) Europsische Gemeinschaften Entscheidung Einkommensteuergesetz Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen Europarecht (Zeitschrift) Europsische Zeitschrift fÅr Arbeitsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

f., ff. FahrlG FD-InsR FG FGO FMStG Fn. FN-IDW FxR FR FrankfurterKomm FS

folgende Fahrlehrergesetz Fachdienst Insolvenzrecht (Zeitschrift) Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Finanzmarktstabilisierungsgesetz Fußnote Fachnachrichten des Instiuts der WirtschaftsprÅfer Familie Partnerschaft und Recht (Zeitschrift) Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Frankfurter Kommentar

gem. GesO GewA GewO GG GKG GmbHG

gemsß Gesamtvollstreckungsordnung Gewerbearchiv (Zeitschrift) Gewerbeordnung Grundgesetz Gerichtskostengesetz Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschrsnkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Der GmbH-Steuer-Berater (Zeitschrift)

GmbHR GmbH-StB

XXXII

Festschrift

AbkÅrzungsverzeichnis

GrS GVG

Großer Senat Gerichtsverfassungsgesetz

HamburgerKomm HeidelbergerKomm Hess. HFR HGB h.M. HRRS

Hamburger Kommentar Heidelberger Kommentar

Hrsg.

Hessen HÇchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Online-Zeitschrift fÅr hÇchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht Herausgeber

IBR i.E. IFG NRW IFRS INF InsbÅrO InsO InsVV InVO i.S.d. i.V.m.

Immobilien & Baurecht (Zeitschrift) im Ergebnis Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen International Financial Reporting Standards Information Åber Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Zeitschrift fÅr das InsolvenzbÅro Insolvenzordnung Insolvenzrechtliche VergÅtungsverordnung Insolvenz und Vollstreckung (Zeitschrift) im Sinne des in Verbindung mit

JR JuS JZ

Juristische Rundschau (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung

Kap. KG KO KySDI KStG KStR KStZ KTS

Kapitel Kommanditgesellschaft; Kammergericht Konkursordnung KÇlner Steuerdialog (Zeitschrift) KÇrperschaftsteuergesetz KÇrperschaftsteuer-Richtlinien Kommunale Steuerzeitschrift Zeitschrift fÅr Insolvenzrecht

LAG LG

Landesarbeitsgericht Landgericht

XXXIII

AbkÅrzungsverzeichnis

LKV LMK

Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift) Kommentierte BGH-Rechtsprechung LindenmaierMÇhring

MBP

Mandant im Blickpunkt – Steuern, BuchfÅhrung, Bilanzen (Zeitschrift) Monatsschrift fÅr Deutsches Recht (Zeitschrift) MÅnchener Kommentar Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Nachweisen Mehrwertsteuersystemrichtlinie

MDR MÅnchKomm MV m.w.N. MwStSystRL Nds. n.F. NJOZ NJW NJW-RR

nv NW NWB NZA NZG NZI NZS

Niedersachsen; Niedersschsisches neue Fassung Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenzeitschrift Neue Juristische Wochenzeitschrift – Rechtsprechungs-Report Zeitschrift fÅr die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis nicht verÇffentlicht Nordrhein-Westfalen Neue Wirtschafts-Briefe (Zeitschrift) Neue Zeitschrift fÅr Arbeits- und Sozialrecht Neue Zeitschrift fÅr Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift fÅr Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift fÅr Sozialrecht

OFD OLG

Oberfinanzdirektion Oberlandesgericht

PiR

Praxis der Internationalen Rechnungslegung (Zeitschrift) Praxis Internationale Steuerberatung (Zeitschrift) Praxis Steuerstrafrecht (Zeitschrift)

NotBZ

PIStB PStR RGZ Rh.-Pf. Rpfleger RpflStud RsDE Rz. XXXIV

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinland-Pfalz Der Deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift) Rechtspfleger Studienhefte Beitrsge zum Recht der sozialen Dienste und Einrichtungen Randziffer

AbkÅrzungsverzeichnis

s. Sa.-Anh. Saarl. Sachs. SchiedsVZ Schl.-Holst. SGB Slg. StB StBerG Stbg SteuerStud SteuK StuB StuW StW StWK SVR

siehe Sachsen-Anhalt Saarland Sachsen Zeitschrift fÅr Schiedsverfahren Schleswig-Holstein Sozialgesetzbuch Sammlung Der Steuerberater (Zeitschrift) Steuerberatungsgesetz Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuer und Studium (Zeitschrift) Steuerrecht kurzgefasst (Zeitschrift) Unternehmensteuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuer-Warte (Zeitschrift) Steuer- und Wirtschafts-Kurzpost (Zeitschrift) Straßenverkehrsrecht (Zeitschrift)

ThÅr.

ThÅringen

UmwStG Urt. UStAE UStG

Umwandlungssteuergesetz Urteil Umsatzsteuer-Anwendungserlass Umsatzsteuergesetz

v. VG VGH VIA VO VollstrA VR VwGO VwVG

vom Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Verbraucherinsolvenz aktuell (Zeitschrift) Verordnung Allgemeine Verwaltungsvorschrift Åber die DurchfÅhrung der Vollstreckung nach der Abgabenordnung Verwaltungsrundschau (Zeitschrift) Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsvollstreckungsgesetz

WaffG WEG wistra

Waffengesetz Wohnungseigentumsgesetz Zeitschrift fÅr Wirtschafts- und Steuerstrafrecht

XXXV

AbkÅrzungsverzeichnis

WM Wpg. WRV WuM

Zeitschrift fÅr Wirtschaft- und Bankrecht Die WirschaftsprÅfung (Zeitschrift) Weimarer Reichsverfassung Wohnungswirtschaft und Mietrecht (Zeitschrift)

z.B. ZEuS ZFSH SGB ZfZ ZInsO ZIP ZIS ZKF ZollkodexAnpG

zum Beispiel Zeitschrift fÅr europarechtliche Studien Zeitschrift fÅr die sozialgerichtliche Praxis Zeitschrift fÅr ZÇlle und Verbrauchsteuern Zeitschrift fÅr das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift fÅr Wirtschaftsrecht Zeitschrift fÅr Internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift fÅr Kommunalfinanzen Zollkodexanpassungsgesetz v. 22.12.2014, BGBl. I 2014, 2417 Zivilprozessordnung Zwangsversteigerungsgesetz

ZPO ZVG

XXXVI

Gesamtliteraturverzeichnis Andres, Dirk/Leithaus, Rolf/Dahl, Michael, Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2014 Bauer, Joachim, Die GmbH in der Krise: Rechts- und Haftungsfragen der Unternehmenssanierung, Insolvenzgesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2013 Baumbach, Adolf, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 36. Aufl. 2014 Baumbach, Adolf/Hueck, Alfred, GmbH-Gesetz Kommentar, 20. Aufl. 2013 Beck, Siegfried/Deprp, Peter, Praxis der Insolvenz, 2. Aufl. 2010 Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, 2015, Online-Ausgabe Beermann, Albert/Gosch, Dietmar, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Loseblatt, 116. Ergsnzungslieferung, Stand: Juli 2015 Beitzke, GÅnther (Hrsg.), Staudingers Kommentar zum BÅrgerlichen Gesetzbuch, 11. Aufl. 1980 von Betteray, Wolfgang (Hrsg.), Festschrift fÅr Friedrich Wilhelm Metzeler zum 70. Geburtstag, 2003 Biener, Herbert/Berneke, Wilhelm, Bilanzrichtlinien-Gesetz, Textausgabe des Bilanzrichtliniengesetzes vom 19.12.1985, 1986 Birk, Dieter, Steuerrecht, 17. Aufl. 2014 Blersch, JÅrgen/Goetsch, Hans-W./Haas, Ulrich, Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Loseblatt, 53. Ergsnzungslieferung, Stand: 7.2015 Boochs, Wolfgang/Dauernheim, JÇrg, Steuerrecht in der Insolvenz, 3. Aufl. 2007 Bopp, Gerhard/Beckert, Manuela/von Drygalski, Andrea, Formularbuch Recht und Steuern, 6. Aufl. 2008 Bork, Reinhard, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, 7. Aufl. 2014 Boruttau, Ernst Paul/Klein, Otto, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl. 2011. Braun, Eberhard (Hrsg.), Insolvenzordnung, Kommentar, 6. Aufl. 2014 Braun, Eberhard/Uhlenbruck, Wilhelm, Unternehmensinsolvenz: Grundlagen, GestaltungsmÇglichkeiten, Sanierung mit der Insolvenzordnung, 1997 Braun, Rainer, Steuerrechtliche Aspekte der KonkurserÇffnung, 1987 Bringewat Bernd/Waza, Thomas, Insolvenzen und Steuern, 6. Aufl. 2004 Brox, Hans/Walker, Wolf-Dietrich, Allgemeiner Teil des BGB, 38. Aufl. 2014 Bunjes, Johann/Geist, Reinhold, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 14. Aufl. 2015 Buth, Andrea/Hermanns, Michael, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 4. Aufl. 2014 Canaris, Claus-Wilhelm, Handelsrecht, 24. Aufl. 2006 Canaris, Claus-Wilhelm/Schilling, Wolfgang/Ulmer, Peter, Staub Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 2005 XXXVII

Gesamtliteraturverzeichnis

Creifelds, Carl/Weber, 21. Aufl. 2014

Klaus

(Hrsg.),

Creifelds

RechtswÇrterbuch,

Dauses, Manfred, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Loseblatt, 36. Ergsnzungslieferung, Stand: 10.2014 Dinkelbach, Andreas, Ertragsteuern, 6. Aufl. 2015 Droege, Michael, GemeinnÅtzigkeit im offenen Steuerstaat, Habil., 2008 Ebenroth, Carsten Thomas/Boujong, Karlheinz/Joost, Detlev/Strohn, Lutz (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 3. Aufl. 2015 Farr, Carsten, Die Besteuerung in der Insolvenz, 2005 Fehrenbacher, Oliver, Steuerrecht, 5. Aufl. 2015 Foerste, Ulrich, Insolvenzrecht, 6. Aufl. 2014 Forster, Ernst/Ertl, Jutta, Umsatzsteuerrecht, 1995 Frege, Michael/Keller, Ulrich/Riedel, Ernst, Insolvenzrecht, 8. Aufl. 2015 Freihalter, Andersen (Hrsg.), Aus- und Absonderungsrechte in der Insolvenz, 1999 Frotscher, Gerrit, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl. 2014 Geist, Reinhold (Hrsg.), Umsatzsteuergesetz – Kommentar, 14. Aufl. 2015 Glanegger, Peter/GÅroff, Georg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 8. Aufl. 2014 Gottwald, Peter (Hrsg.), Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2015 Grabitz, Eberhard (Hrsg.), Vertrag Åber die Europsische Union, 3. Aufl. 1995 Grabitz, Eberhard/Hilf, Meinhard/Nettesheim, Martin, Das Recht der Europsischen Union, Loseblatt, 56. Ergsnzungslieferung, Stand 04/2015 Graf-Schlicker, Marie Luise (Hrsg.), Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2014 Grunsky, Wolfgang (Hrsg.), Festschrift fÅr Fritz Baur, 1981 Gummert, Hans (Hrsg.), MÅnchener Anwalts Handbuch, Personengesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2015 Haarmeyer, Hans/Wutzke, Wolfgang/FÇrster, Karsten, Handbuch zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2010 Haarmeyer, Hans/Wutzke, Wolfgang/FÇrster, Karsten, PrssenzKommentar zur Insolvenzordnung, 2010 Hnsemeyer, Ludwig, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007 Halaczinsky, Raymond, Die Haftung im Steuerrecht, 4. Aufl. 2013 Henckel, Wolfram/Gerhardt, Walter (Hrsg.), Jaeger, Insolvenzordnung – Großkommentar, 2004–2014 Herrmann, Carl/Heuer, Gerhard/Raupach, Arndt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz und KÇrperschaftsteuergesetz, Loseblatt, 269. Ergsnzungslieferung, Stand: 4.2015 Hess, Harald, Kommentar zur Konkursordnung, 6. Aufl. 1998 Hess, Harald, Insolvenzrecht Großkommentar, 2. Aufl. 2013

XXXVIII

Gesamtliteraturverzeichnis

Heuermann, Bernd (Hrsg.), BlÅmich, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, KÇrperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz: EStG, KStG, GewStG, Loseblatt, Stand: 127. Ergsnzungslieferung, 3.2015 Hofmann, Ruth/Hofmann, Gerda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 10. Aufl. 2014 HÅbschmann, Walter/Hepp, Ernst/Spitaler, Armin, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Loseblatt, 233. Ergsnzungslieferung, Stand: 7.2015 HÅttemann, Rainer, GemeinnÅtzigkeit- und Spendenrecht, 3. Aufl. 2015 Jaeger, Ernst, Kommentar zur Konkursordnung, 9. Aufl. 1997 Kahlert, GÅnter/RÅhland, Bernd, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl. 2011 Kilger, Joachim/Schmidt, Karsten, Kurz-Kommentar zur Konkursordnung, 16. Aufl. 1993 Kilian, Wolfgang (Hrsg.)/Heussen, Benno, Computerrechts-Handbuch, Loseblatt, 32. Ergsnzungslieferung, Stand: 8.2013 Kindler, Peter/Nachmann, Josef, Handbuch Insolvenzrecht in Europa, Loseblatt, 4. Ergsnzungslieferung, Stand: 11.2014 Kirchhof, Hans-Peter/EidenmÅller, Horst/StÅrner, Rolf (Hrsg.), MÅnchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2013 Klein, Franz, Kommentar zur Abgabenordnung, 12. Aufl. 2014 Klein, Otto, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl. 2007 Koenig, Ulrich, Abgabenordnung, Kommentar, 3. Aufl. 2014 KÇhler, Helmut, BGB AT kompakt, 4. Aufl. 2014 Kramer, Andreas, Konkurs und Steuerverfahren, Diss.,1993 Kreft, Gerhart (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 7. Aufl. 2014 Kropff, Bruno, Aktiengesetz, Textausgabe vom 6.9.1965, 1965 KÅbler, Bruno M./PrÅtting, Hanns/Bork, Reinhard, Kommentar zur Insolvenzordnung, Loseblatt, 64. Ergsnzungslieferung, Stand 7.2015 KÅhn, Rolf/von Wedelstndt, Alexander, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 21. Aufl. 2015 Kuhn, Georg/Uhlenbruck, Wilhelm, Kommentar zur Konkursordnung, 10. Aufl. 1985 Larenz, Karl/Wolf, Manfred/Neuner, JÇrg Allgemeiner Teil des BÅrgerlichen Rechts, 10. Aufl. 2012 Leipold, Dieter, BGB I: EinfÅhrung und allgemeiner Teil, 7. Aufl. 2013 LÅdicke, Jochen/Sistermann, Christian, Unternehmenssteuerrecht, 2008 Maus, Karl Heinz, Steuern im Insolvenzverfahren, 2004 Mohrbutter, Harro/Ringstmeier, Andreas (Hrsg.), Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl. 2007 Musielak, Hans-Joachim, Grundkurs ZPO, 12. Aufl. 2014 Musielak, Hans-Joachim (Hrsg.), Kommentar zur Zivilprozessordnung, 10. Aufl. 2013 XXXIX

Gesamtliteraturverzeichnis

Nerlich, JÇrg/Keplin, Georg, MÅnchener Anwalts Handbuch Insolvenz und Sanierung, 2. Aufl. 2012 Nerlich, JÇrg/RÇmermann, Volker, Kommentar zur Insolvenzordnung, Loseblatt, 28. Ergsnzungslieferung, Stand: 1.2015 Onusseit, Dietmar/Kunz, Peter, Steuern in der Insolvenz, 2. Aufl. 1997 Pahlke, Armin/Franz, Willy, Grunderwerbsteuergesetz, 5. Aufl. 2014 Palandt, Otto, Kommentar zum BÅrgerlichen Gesetzbuch, 74. Aufl. MÅnchen 2015 Pape, Gerhard/Uhlenbruck, Wilhelm/Voigt-Salus, Joachim, Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2010 Paulus, Christoph G., Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2012 Pelka, JÅrgen/Niemann, Walter, Beck’sches Steuerberaterhandbuch 2015/2016, 15. Aufl. 2015 Picot, Gerhard/Aleth, Franz, Unternehmenskrise und Insolvenz, 1999 Piepenburg, Horst (Hrsg), Festschrift fÅr GÅnter Greiner zum 70. Geburtstag am 19. Msrz 2005, 2005 Pink, Andreas, Insolvenzrechnungslegung: eine Analyse der konkurs-, handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegungspflichten des Insolvenzverwalters, Diss., 1995 Rau, GÅnter/DÅrrwnchter, Erich/Flick, Hans/Geist, Reinhold (Hrsg.), Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, Loseblatt, 162. Ergsnzungslieferung, Stand: 06.2015 Rauscher, Thomas/KrÅger, Wolfgang (Hrsg.), MÅnchener Kommentar zur Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen, 4. Aufl. 2013 Sncker, Franz JÅrgen/Rixecker, Roland (Hrsg.), MÅnchener Kommentar zum BÅrgerlichen Gesetzbuch, 6. Aufl. 2012 Rechel, Hans-Peter, Die Aufsicht des Insolvenzgerichts Åber den Insolvenzverwalter: „Aufsicht“ als Erkenntnisprozess – „Aufsichtsmaßnahme“ als Vollzug, Diss., 2008 Reichert, Gudrun, Lehr- und Trainingsbuch Gewerbesteuer, 5. Aufl. 2011 Reuber, Hans-Georg, Die Besteuerung der Vereine, Loseblatt, 96. Ergsnzungslieferung, Stand: 03. 2015 Reul, Adolf/Heckschen, Heribert/Wienberg, RÅdiger, Insolvenzrecht in der Kautelarpraxis, 2006 Roth, GÅnter H./Altmeppen, Holger, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschrsnkter Haftung (GmbHG), 7. Aufl. 2012 Roth, Jan, Interessenwiderstreit im InsolvenzerÇffnungsverfahren: eine Untersuchung des InsolvenzerÇffnungsverfahrens unter verfahrens- und verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, Diss., 2004 Roth, Jan/Pfeuffer, JÅrgen, Praxishandbuch fÅr Nachlassinsolvenzverfahren, Berlin 2009 Ruhe, Christian, Steuern in der Insolvenz, 2003 Runkel, Hans Peter (Hrsg.), Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2015 XL

Gesamtliteraturverzeichnis

Schnfer, Berthold, Insolvenzanfechtung: anhand von Rechtsprechungsbeispielen, 4. Aufl. 2013 Schauhoff, Stephan, Handbuch der GemeinnÅtzigkeit, 3. Aufl. 2010 Schick, Stefan, GemeinnÅtzigkeits- und Steuerrecht, 2005 Schilken, Eberhard (Hrsg.), Festschrift fÅr Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag: 19. November 1997, 1997 Schilken, Eberhard (Hrsg.), Festschrift fÅr Walter Gerhardt, 2004 SchlÅter, Andreas/Stolte, Stefan, Stiftungsrecht- Erscheinungsformen und Errichtung der Stiftung, Stiftungsaufsicht, Verwaltung des StiftungsvermÇgens, Besteuerung von Stiftung und Stifter, Internationales Stiftungsrecht mit Mustern, 2. Aufl. 2013 Schmidt, Andreas (Hrsg.), Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 5. Aufl. 2015 Schmidt, Karsten, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002 Schmidt, Karsten (Hrsg.), Kommentar zu den Insolvenzgesetzen: KO/ VglO/GesO, 17. Aufl. 1997 Schmidt, Karsten (Hrsg.), MÅnchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 3. Aufl. 2010. Schmidt, Ludwig/Drenseck, Walter (Hrsg.), Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 30. Aufl. 2011 Schwarz, Bernhard, Kommentar zur Abgabenordnung, Loseblatt, 165. Ergsnzungslieferung, Stand: 07. 2015 Siebert, Wolfgang, Soergel Kommentar zum BÅrgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl. 1999–2012 Smid, Stefan, Kommentar zur Insolvenzordnung mit Insolvenzrechtlicher VergÅtungsverordnung, 2. Aufl. 2001 Smid, Stefan, Praxishandbuch Insolvenzrecht, 5. Aufl. 2007 Streck, Michael, Kommentar zum KÇrperschaftsteuergesetz, 8. Aufl. 2014 Tipke, Klaus/Kruse, Heinrich Wilhelm, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Loseblatt, 140. Ergsnzungslieferung, Stand: 06.2015 Tipke, Klaus/Lang, Joachim, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015 Uhlenbruck, Wilhelm (Hrsg.), Insolvenzordnung, Kommentar, 14. Aufl. 2015 Wabnitz, Heinz-Bernd (Hrsg.), Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 4. Aufl. 2014 Wagner, Wilfried (Hrsg.), SÇlch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, 74. Ergsnzungslieferung, Stand: 04.2015 Waldner, Wolfram/Schweyer, Gerhard/Sauter, Eugen, Der eingetragene Verein, 19. Aufl. 2010 Walter, Gerhardt (Hrsg.), Festschrift fÅr Wolfram Henckel zum 70. Geburtstag am 21. April 1995, 1995 Waza, Thomas/Uhlnnder, Christoph/Schmittmann, Jens M., Insolvenzen und Steuern, 10. Aufl. 2014

XLI

Gesamtliteraturverzeichnis

Weiß, Eberhard (Hrsg.), Steuer-Rechtsprechung in Karteiform, 631. Ergsnzungslieferung, Stand: 09.2004 Werdan, Ingrid/Ott, Wolfgang/Rauch, Klaus, Das Steuerberatungsmandat in der Krise, Sanierung und Insolvenz, 2006 Wicke, Hartmut, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschrsnkter Haftung (GmbHG), 2. Auflage 2011 Wimmer, Klaus (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Aufl. 2015 Wrobel-Sachs, Hildegard (Red.), KÇlner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2009 Zeuner, Mark, Die Anfechtung in der Insolvenz, 2. Aufl. 2007

XLII

Kapitel 1 Grundlagen A. Das Spannungsfeld von Insolvenz- und Steuerrecht Insolvenzsteuerrecht ist keine in sich geschlossene Rechtsmaterie. Der Begriff bezeichnet vielmehr das Schnittfeld von Insolvenz- und Steuerrecht. Maßgeblich sind hier bestimmte Teile des Insolvenzrechts, die mit bestimmten Teilen des Steuerrechts interagieren. Es findet eine wechselseitige Beeinflussung der beiden Rechtsgebiete statt, keine einseitige xberlagerung. Zwar liest man mitunter, Insolvenzrecht gehe vor Steuerrecht. Doch diese einseitige Betrachtung ist verfehlt. Tatsschlich bestimmt das Insolvenzrecht, welche Forderungen in welcher Weise gegen das SchuldnervermÇgen geltend gemacht und vollstreckt werden kÇnnen. Ob aber eine Steuerforderung gegen das SchuldnervermÇgen Åberhaupt be- oder entsteht und in welcher HÇhe, sind Fragen, die allein nach steuerrechtlichen Maßstsben zu beurteilen sind.

1.1

Im Grunde genommen kÇnnten die im Insolvenzsteuerrecht relevanten Fragen nach diesem sehr einfachen System beantwortet werden. So ist es wohl außer Zweifel, dass eine Einkommensteuerforderung, die gegen den Insolvenzschuldner fÅr vor der Insolvenzantragstellung liegende Veranlagungszeitrsume bereits vor Insolvenzantragstellung bestandskrsftig festgesetzt worden ist, im Insolvenzverfahren den Rang einer einfachen Insolvenzforderung (§ 38 InsO) einnimmt. Aber schon die in diesem Satz enthaltenden Einschrsnkungen lassen erkennen, dass die Komplexitst steuerrechtlicher AnsprÅche vielfsltige Zweifelsfragen aufwerfen kann. Im Gegensatz zu der eben vorgenommenen Einordnung der Steuerforderung zu den Insolvenzforderungen fsllt die Frage nach der Art und Weise der Geltendmachung der Forderung nach InsolvenzerÇffnung nicht mehr ganz so leicht. Um es an dieser Stelle vorweg zu nehmen: Eine Festsetzung der Steuerforderung durch Bescheid nach abgabenrechtlichen Vorschriften darf es aus insolvenzrechtlichen GrÅnden nicht mehr geben.

1.2

Vollends angekommen im insolvenzsteuerrechtlichen Epizentrum ist derjenige, der nach der Zuordnung der Einkommensteuerschuld des Insolvenzschuldners fÅr den Veranlagungszeitraum fragt, in den die InsolvenzerÇffnung – bzw. seit Verabschiedung des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 am 28.10.2010 die Anordnung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung – fsllt: Zwar kann die Einkommensteuerschuld steuerrechtlich nur als einheitlicher Steueranspruch fÅr den gesamten Veranlagungszeitraum entstehen, insolvenzrechtlich muss aber eine – in den Einzelheiten aus verstsndlichen GrÅnden hÇchst streitige – Zuordnung von Teilen dieses steuerrechtlich einheitlichen Anspruchs zu den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien vorgenommen werden, die – in Ermangelung spezieller

1.3

1

Kapitel 1

Grundlagen

gesetzlicher (insolvenzrechtlicher) Anordnungen – nur mehr oder weniger scharf vorgenommen werden kann.

1.4 Das eben vorgestellte Beispiel verdeutlicht die Probleme bei der Harmoni-

sierung des Steuerrechts mit dem Insolvenzrecht. Wshrend das Steuerrecht auf bestimmte Besteuerungszeitrsume abstellt, schafft das Insolvenzrecht eigene Zssuren durch die Insolvenzantragstellung, die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen wshrend des ErÇffnungsverfahrens, die InsolvenzerÇffnung und – nicht zuletzt – die Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Diese Zssuren bringen es mit sich, dass – dem Steuerrecht ansonsten vollkommen fremd – einheitliche Besteuerungszeitrsume in davon abweichende Besteuerungsabschnitte zerlegt werden mÅssen. Dabei kommt es freilich zu Friktionen, die Anlass zu juristischer Diskussion bieten, sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung.

1.5 FÅr den Insolvenzrechtler schwer ertrsglich ist, dass das Insolvenzsteuer-

recht nicht allzu selten fiskalpolitisch beeinflusst zu sein scheint. Das Insolvenzrecht wird – nach der endlich Åberwundenen Schieflage, die dem Konkursrecht noch immanent war – von einem obersten Grundsatz bestimmt: Dem Grundsatz der Gllubigergleichbehandlung. Wer die Glsubigergleichbehandlung abschafft oder auch nur einschrsnkt, der schafft das moderne Insolvenzrecht ab, das international hohes Ansehen genießt und Vorbildfunktion einnimmt, und fsllt in die Tradition des Åberkommenen Konkursrechtes zurÅck. Solches muss durchweg vermieden werden. Deswegen kann und muss der Fiskus wie alle anderen Glsubiger auch mit gleicher Quote aus der Insolvenzmasse Befriedigung fÅr bei ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Verbindlichkeiten erhalten. Eine Bevorzugung des Fiskus darf es nicht geben. Ob man sie, wenn der Gesetzgeber sich eines Tages aus haushaltspolitischen GrÅnden entschließen sollte, die konkursrechtlichen Rangvorrechte des Fiskus wieder einzufÅhren, Åberhaupt als verfassungskonform ansehen kÇnnte, darf zu Recht bezweifelt werden, weil jeder Glsubiger durch die InsolvenzerÇffnung eine grundrechtlich relevante Einschrsnkung seiner Eigentumsrechte an der ihm zustehenden Forderung erfshrt und bei dieser Einschrsnkung Gleichbehandlung mit den Åbrigen Glsubigern verlangen kann. Eine Glsubigerbevorzugung in Form von Rangvorrechten ist daher nicht zu erwarten. Allerdings eignen sich auch Einschrsnkungen der Anfechtbarkeit von Befriedigungen oder besondere Aufrechnungsbefugnisse zur Bevorzugung einzelner Glsubiger. Auch hier greifen aber letztlich die eben angedeuteten verfassungsrechtlichen Bedenken. Deswegen ist auch hier sußerste Vorsicht geboten. Allerdings ist der Fiskus in einem rein tatsschlichen Punkt schon vom Grundsatz her nicht „gleich“ den meisten anderen Glsubigern: Der Fiskus kann sich den Insolvenzschuldner nicht als Schuldner aussuchen und er kann ihn schon gar nicht ablehnen. Wshrend die meisten Glsubiger sich ihren Schuldner aussuchen und frei entscheiden kÇnnen, ob sie mit ihm in Rechtsbeziehungen eintreten oder nicht, wird der Fiskus regelmsßig ungewollt kraft Gesetzes Glsubiger oder Schuldner eines Steuerpflichtigen. Diese Sonderrolle kann punktuell Son2

A. Das Spannungsfeld von Insolvenz- und Steuerrecht

derrechte rechtfertigen. Und hier wird wieder das Spannungsverhsltnis der beiden Rechtsmaterien offenbar: Diese Sonderrechte dÅrfen die insolvenzrechtlichen Grundpfeiler nicht umwerfen, sondern – wenn Åberhaupt – allenfalls die Last der Zwangsglsubigerschaft des Fiskus kompensieren. Es darf also nicht das bei InsolvenzerÇffnung vorhandene, allen Glsubigern gemeinsam als Haftungssubstrat zugewiesene VermÇgen zugunsten einer einseitigen Befriedigung des Fiskus geschmslert werden, sondern es dÅrfen nur die abgabenrechtlich zulsssigen und insolvenzrechtlich fÅr die jeweilige Forderungskategorie nicht ausgeschlossenen DurchsetzungsmÇglichkeiten zugelassen werden. Deswegen ist die Vollstreckung einer Steuerforderung, die Masseverbindlichkeit ist, grundsstzlich nach abgabenrechtlichen Maßstsben zuzulassen. Schwierigkeiten bringt auch die Rollenverteilung der am Insolvenzverfahren Beteiligten im Steuerverfahren mit sich. Auch im erÇffneten Insolvenzverfahren bleibt der Insolvenzschuldner Beteiligter i.S.v. § 78 AO. Somit bleibt er auch zur Mitwirkung und zur Erteilung von AuskÅnften gegenÅber der Finanzverwaltung verpflichtet. Zur Vorlage von Unterlagen ist er hingegen weder verpflichtet noch befugt, weil insoweit das alleinige VerfÅgungsrecht des Insolvenzverwalters besteht. Der Pflichtenkreis des Insolvenzverwalters hingegen umfasst alles, was ohne Insolvenzverfahren den Schuldner betroffen hstte, also insbesondere die Pflicht zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts, die Auskunftspflicht und die BuchfÅhrungs- und Steuererklsrungspflichten. Die Steuererklsrungspflichten treffen den Insolvenzverwalter auf Grund der auf ihn Åbergegangenen Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis Åber das schuldnerische VermÇgen, die seine Stellung als VermÇgensverwalter mit sich bringt, auch fÅr Zeitrsume, die vor der InsolvenzerÇffnung liegen. Praktisch ist diese Pflicht fÅr den Insolvenzverwalter in den allermeisten Insolvenzverfahren allerdings nicht befriedigend oder gar nicht erfÅllbar, weil er auf eine geordnete Buchhaltung des Insolvenzschuldners und dessen Auskunftsfreudigkeit angewiesen wsre – schließlich war der Insolvenzverwalter vor seiner Stellung „noch nicht dabei“. Soll ihm respektive dem Insolvenzgericht zugemutet werden, das insolvenzrechtlich theoretisch zulsssige Instrumentarium zur Informationserlangung, bestehend aus gerichtlicher VorfÅhrung, eidesstattlicher Versicherung und ggf. sogar Verhaftung des Schuldners zu exerzieren, nur um der Çffentlich-rechtlichen Pflicht zur Abgabe ordnungsgemsßer Steuererklsrungen nachkommen zu kÇnnen? Aus steuerrechtlicher Sicht ist diese Frage klar zu beantworten und es ist schwer einsehbar, warum der Insolvenzverwalter hier anders behandelt werden soll, als ein „normaler“ Steuerpflichtiger. Schließlich tritt er als Partei kraft Amtes vollumfsnglich in die Rechtsstellung des Schuldners ein. Aus insolvenzrechtlicher Sicht hingegen muss einem solchen Aufwand hingegen eine klare Absage erteilt werden, denn solcher Aufwand bringt erhebliche Kosten mit sich, die die Insolvenzmasse zu tragen hat, wodurch die Befriedigungsquoten sinken und – nicht zuletzt – der Fiskus als Steuerglsubiger ebenfalls Geld verliert. Was außerhalb von Insolvenzverfahren ordnungspolitisch geboten ist, kann im Insolvenzverfahren 3

1.6

Kapitel 1

Grundlagen

bloße Vernichtung von Steuermitteln sein. Augenmaß ist hier gefragt, mit den Unzulsnglichkeiten der Eruptionen, die jedes Insolvenzverfahren mit sich bringt, pragmatisch umzugehen, gehÇrt auf Seiten aller Beteiligter zum Geschsft.

4

B. Erfahrungen der Insolvenz- und Finanzpraktiker

B. Erfahrungen der Insolvenz- und Finanzpraktiker Jede einseitige Betrachtung der insolvenzsteuerrechtlichen Materie verbietet sich. Man stÇßt bei der Befassung mit der Materie stsndig an Punkte, an denen der insolvenzrechtlich vorgeprsgte Jurist anders entscheiden mÇchte als der steuerrechtlich vorgeprsgte. Ein funktionierendes, in sich schlÅssiges Insolvenzsteuerrecht entsteht in diesem Spannungsfeld nur, wenn man ssmtliche Facetten in den Blick nimmt – verfahrensrechtliche wie auch materiell-rechtliche – und die Einzelfragen im Zusammenhang jeweils folgerichtig entscheidet. Beide Gebiete dÅrfen dabei nicht in ihrem Kern, in ihren jeweiligen Grundstrukturen zerstÇrt werden, nur um die jeweils andere Materie zur Geltung zu bringen.

1.7

Genau hier liegt das praktische Problem. Wenige Praktiker fÅhlen sich sowohl im Steuerrecht als auch im Insolvenzrecht gleichermaßen heimisch. Finanzrichter bewegen sich stsndig in schwierigsten steuerrechtlichen Fragestellungen und bewsltigen eine Sintflut aus Gesetzen, anderen Normen, Rechtsprechung und terra incognita. Die insolvenzrechtliche Komponente in einer steuerrechtlichen Fragestellung kommt nur in einem kleinen Teil des finanzgerichtlichen Rechtsprechungsgeschehens vor. Eine systematische Durchdringung des Insolvenzrechts und eine Inkorporation der insolvenzrechtlichen Maximen, insbesondere der nicht geschriebenen, ist bei peripherer Befassung mit der Materie kaum mÇglich. Es erfordert ein engagiertes und grundlegendes Studium des Insolvenzrechts, um nicht Fernwirkungen der Entscheidung einer zu entscheidenden Fragestellung zu Åbersehen. Der Insolvenzpraktiker ist gut beraten, in finanzgerichtlichen Auseinandersetzungen ein wenig „auszuholen“ und insolvenzrechtliche Grundlagen, HintergrÅnde und Auswirkungen konkreter Streitfragen im finanzgerichtlichen Verfahren zu erhellen. Erfreulicher Weise zeigen viele Entscheidungen der vergangenen Monate, dass die Bereitschaft vieler FG und insbesondere des BFH stark ausgeprsgt ist, sich des Insolvenzrechts anzunehmen. Reflektierte und gut durchdachte Entscheidungen sind die erfreuliche Folge.

1.8

Ebenfalls vor großen Herausforderungen insolvenzrechtlicher Natur stehen viele Steuerberater. Die Beratung von Mandanten in der Krise ist ein heikles Pflaster, nicht nur, weil der Steuerberater Gefahr lsuft, dass die Zahlung seines Honorars von einem spsteren Insolvenzverwalter angefochten wird und der Steuerberater somit fÅr Gottes Lohn gearbeitet hat, sondern weil ein Steuerberater schnell in die persÇnliche Haftung wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung geraten kann. Dieses Risikos scheinen sich bislang nur wenige Steuerberater bewusst zu sein, und Insolvenzverwalter erkennen dieses Terrain zunehmend. Ein interessantes Geschsftsfeld erschließen sich hingegen manche Steuerberater zunehmend: Die Steuerberatung fÅr Insolvenzverwalter. Viele Insolvenzverwalter beauftragen die schuldnerische Finanz- und Lohnbuchhaltung fÅr den Insolvenzschuldner an externe Steuerberater. Derzeit sind aber Steuerberater

1.9

5

Kapitel 1

Grundlagen

rar, die die insolvenzrechtlichen Grundsstze und insolvenzsteuerrechtliche Einzelfragen sicher beherrschen.

.10

Umgekehrt sollte sichere Kenntnis der steuerrechtlichen Materie zum Repertoire jedes Insolvenzverwalters gehÇren. Viel Masse ist zu generieren, viel Masse ist zu verlieren, wenn sich der Insolvenzverwalter im Steuerrecht zu wenig auskennt. Freilich lassen sich Steuerangelegenheiten an externe Steuerberater beauftragen, aber eine routinemsßige Beauftragung externer Steuerberater ist bei manchen Insolvenzgerichten nicht gerne gesehen. Die Beauftragung eines externen Steuerberaters sollte daher nur dann erfolgen, wenn es im konkreten Verfahren einen besonderen Anlass dafÅr gibt. Und um diesen Anlass zu erkennen, muss der Insolvenzverwalter – oder zumindest sein internes Verwaltungsteam – Åber die nÇtige steuerrechtliche Sachkunde verfÅgen. Sicher ist: Die eingehende Befassung mit dem Steuerrecht lohnt sich fÅr jeden Insolvenzverwalter.

.11

Schließlich kommt auch der Insolvenzrichter nicht selten mit steuerrechtlichen Problemen in BerÅhrung. Schon bei der Insolvenzantragstellung durch ein Finanzamt als Glsubiger des Antragsgegners kÇnnen sich schwer zu beantwortende Fragen ergeben. Ist die Forderung des Antragstellers hinreichend glaubhaft gemacht, wenn gegen den entsprechenden Bescheid Einspruch eingelegt wurde? Was, wenn die Vollziehung ausgesetzt ist? Hat der Insolvenzrichter in Bezug auf Bestand und Fslligkeit der dem Antrag zugrunde liegenden Forderung eine eigene PrÅfungskompetenz oder gar eine eigene materielle PrÅfungspflicht? Mitunter wird der Insolvenzrichter in mschtigen Schriftverkehr eingebunden, insbesondere wenn es um Schstzungen seitens der Finanzverwaltung geht. Soll der Insolvenzrichter dann die Zulsssigkeit der Schstzung oder gar die Schstzungsgrundlagen prÅfen mÅssen? Unklar ist auch, ob und in wie weit der Insolvenzrichter sich mit einem vom Insolvenzschuldner behaupteten Erstattungsanspruch gegen die Finanzverwaltung auseinandersetzen muss, wenn von diesem die xberschuldung abhsngt. FÅr die Frage der Verfahrenskostendeckung kann es darauf ankommen, ob und ggf. welche Teile der Umsatzsteuer aus der VergÅtung fÅr den (vorlsufigen) Insolvenzverwalter an die Insolvenzmasse zurÅckerstattet werden. Die PrÅfung der Vorsteuerabzugsberechtigung kann aber durchaus nicht trivial sein. Und last but not least kommt auch noch einstweiliger Rechtsschutz des Antragsgegners gegen den InsolvenzerÇffnungsantrag vor den FG in Betracht, und es stellt sich die Frage, wie sich ein solcher Antrag zum laufenden Insolvenzantragsverfahren vor dem Insolvenzgericht verhslt. Soll der Insolvenzrichter mit seiner ErÇffnungsentscheidung bis zu einer Entscheidung des FG zuwarten mÅssen, um nicht dessen Entscheidung ins Leere gehen zu lassen?

.12

Die tsglichen praktischen Fragestellungen im Bereich des Insolvenzsteuerrechts sind oft nicht ohne weiteres einem kurzweiligen Studium des Standes der Rechtsentwicklung zugsnglich. Finanzgerichtliche Entscheidungen hierzu sind zwar reichhaltig vorhanden, zuweilen aber zu knapp

6

B. Erfahrungen der Insolvenz- und Finanzpraktiker

begrÅndet, nicht verÇffentlicht oder widersprechen sich sogar diametral – was wiederum mit fehlender Zugsnglichkeit mancher vorangegangener Entscheidungen zu tun hat. Entscheidungen des BFH im Kontext des Insolvenzsteuerrechts sind zwar – insbesondere in jÅngerer Zeit – zumeist ausfÅhrlich und erfreulich gewinnbringend begrÅndet, aber leider doch nur punktuell vorhanden und geben deswegen kein lÅckenloses Gesamtbild von der Materie ab. Außerdem widersprechen sich manche Entscheidungen insbesondere bestimmter Senate in wichtigen Punkten derart, dass sie fÅr den nicht stsndig im Insolvenzsteuerrecht tstigen Praktiker ohne Sekundsrliteratur von trÅgerischem Wert sind. In der Literatur sieht es nur bedingt besser aus. Die insolvenzrechtlichen Kommentare begnÅgen sich zum großen Teil mit einer Darstellung der insolvenz-, handelsund steuerrechtlichen Rechnungslegungspflichten des Insolvenzverwalters. Fragen des materiellen Steuerrechts im Insolvenzverfahren und teilweise sogar steuerverfahrensrechtliche Fragestellungen behandeln sie nicht oder nur viel zu knapp. Die wenigen vorhandenen PraxishandbÅcher zum Insolvenzsteuerrecht sind teilweise zum Einen ebenfalls nicht ausfÅhrlich genug, um unterschiedliche Facetten und Fallgestaltungen darzustellen, was die Gefahr einer in der Sache verfehlten undifferenzierten xbertragung von AusfÅhrungen des Autors auf andere Sachverhalte birgt, zum Anderen kommen sie der extrem schnell fortschreitenden Rechtsentwicklung in der Materie kaum nach. Dies lssst vermuten, dass es eine große Zahl an Zeitschriftenaufsstzen zur Thematik gibt. Das ist aber nicht der Fall. Fachaufsstze zu den Brennpunktthemen sind zwar verÇffentlicht, aber weit verstreut, teilweise lsngst veraltet und nicht durch aktuellere Beitrsge ergsnzt und schließlich auch wiederum schwer zu finden. Daher bietet wohl das umfangreiche Praxishandbuch die beste MÇglichkeit, schnell zu einer gerade interessierenden Fragestellung vorzudringen und den – zumindest im Zeitpunkt der Drucklegung – aktuellen Rechtsentwicklungsstand zu studieren.

7

Kapitel 1

8

Grundlagen

Kapitel 2 Insolvenzrecht A. EinfÅhrung Das Insolvenzrecht hat sich in den vergangenen 15 Jahren rasant fortentwickelt. Das bis zum 31.12.1998 geltende Konkursrecht hatte zu keiner Zeit eine derart Åberragende praktische Relevanz wie das seitdem geltende Insolvenzrecht. Das hsngt sicher damit zusammen, dass durch zahlreiche Neuerungen, die die Insolvenzordnung mit sich gebracht hat, heute eine wesentlich hÇhere ErÇffnungsquote verwirklicht werden kann als in Zeiten der Konkursordnung. Dadurch hat das wirtschaftliche Interesse der Glsubiger an einer Teilnahme am Insolvenzverfahren ihrer Schuldner zugenommen. Außerdem sind die mit dem Insolvenzverfahren in Zusammenhang stehenden rechtlichen Fragestellungen immer stsrker in die juristische Fachdiskussion gerÅckt. Sie greifen heute in fast alle Rechtsbereiche Åber – nicht zuletzt auch in das Steuerrecht. Kenner und Praktiker anderer Rechtsmaterien sind zunehmend gefordert, sich auch mit insolvenzrechtlichen Grundsstzen und Implikationen auseinander zu setzen. Soweit sie fÅr die Befassung mit steuerrechtlichen Problemen maßgeblich sind, werden die insolvenzrechtlichen Grundlagen nachfolgend Åberblickartig dargestellt.

9

2.1

Kapitel 2 Insolvenzrecht

B. ErÇffnungsverfahren Literatur Beth, Amtsermittlung des Insolvenzgerichts im ErÇffnungsverfahren, NZI 2014, 487; Gehrlein, Aktuelle Rechtsprechung des BGH zur Unternehmensinsolvenz: ErÇffnungsverfahren und VerfÅgungsbeschrsnkungen, NZI 2009, 457; Meyer, ZurÅckweisung der KÅndigung von Arbeitsvertrsgen im ErÇffnungsverfahren, DZWIR 2004, 58; Pape, znderungen im ErÇffnungsverfahren durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens, NZI 2007, 425; Paulus, Grundlagen des neuen Insolvenzrechts – ErÇffnungsverfahren, ErÇffnung und Beteiligung der Glsubiger, DStR 2003, 1709; Reinhart, Die Bedeutung der EuInsVO im InsolvenzerÇffnungsverfahren – Besonderheiten paralleler ErÇffnungsverfahren, NZI 2009, 201; Smid, Gegen den Strom – ErÇffnet das deutsche Insolvenzgericht durch Bestellung eines vorlsufigen Insolvenzverwalters ein Hauptinsolvenzverfahren?, NZI 2009, 150; Undritz, BetriebsfortfÅhrung im ErÇffnungsverfahren – Die Quadratur des Kreises?, NZI 2007, 65; Wiester, Zur Insolvenzfestigkeit von Zahlungszusagen im ErÇffnungsverfahren, NZI 2003, 632; Zipperer, Treuepflichten im InsolvenzerÇffnungsverfahren, NZI 2010, 281.

I. Struktur des ErÇffnungsverfahrens und Verfahrensgrundsltze

2.2 Jedes Insolvenzverfahren setzt zwingend einen schriftlichen Antrag des

Schuldners oder eines Glsubigers voraus, vgl. § 13 InsO (sog. Antragsprinzip). Dass das Insolvenzverfahren nur auf Antrag erÇffnet wird, ist Ausfluss der das ErÇffnungsverfahren beherrschenden Dispositionsmaxime, die den Gegensatz zum vor allem aus der Strafverfolgung und Teilen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit bekannten Offizialprinzip bildet.1 Neben dem Antragserfordernis kommt der Grundsatz der Parteiherrschaft insbesondere darin zum Ausdruck, dass der Antragsteller seinen Antrag bis zur gerichtlichen Entscheidung jederzeit zurÅcknehmen und so die Einstellung des ErÇffnungsverfahrens erwirken kann. Als Prozesshandlung ist der ErÇffnungsantrag bedingungs- und befristungsfeindlich.2

2.3 Mit Zugang des Antrags bei Gericht beginnt das Insolvenzantragsverfah-

ren (sog. „ErÇffnungsverfahren“), dessen Ziel die Feststellung der formellen und materiellen Voraussetzungen fÅr die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens sowie die Sicherung des schuldnerischen VermÇgens ist.3 Bevor das Insolvenzgericht in die PrÅfung der materiellen ErÇffnungsvoraussetzungen einsteigen kann, muss es zunschst in einem ersten Verfahrens-

1 Grundlegend zur Dispositionsmaxime StÅrner, FS Baur, 647 (650 ff.); Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 13 Rz. 5; MÇnning in Nerlich/RÇmermann, § 13 InsO Rz. 5. 2 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 79; Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 13 Rz. 77; MÇnning in Nerlich/RÇmermann, § 13 InsO Rz. 14. 3 Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 13 Rz. 1; Roth, Interessenwiderstreit im InsolvenzerÇffnungsverfahren, S. 38.

10

B. ErÇffnungsverfahren

abschnitt die Zulsssigkeit des Insolvenzantrages einschließlich seiner eigenen Çrtlichen Zustsndigkeit (§ 3 InsO) feststellen. Da die PrÅfung der Zulsssigkeit von Eigenantrsgen des Schuldners in der Regel keine Probleme bereitet, weil das Gesetz diesbezÅglich keine besonderen Anforderungen stellt, spielt das „Zulassungsverfahren“ in diesem Bereich keine Rolle. Umso wichtiger ist es jedoch bei Fremdantrsgen, die gem. § 14 InsO wesentlich hÇheren Anforderungen genÅgen mÅssen. Danach mÅssen Glsubiger insbesondere ihre Forderung und das Vorliegen eines Insolvenzgrundes glaubhaft machen. In diesem Stadium des ErÇffnungsverfahrens gilt folglich der Beibringungsgrundsatz. Die nicht notwendig fÇrmliche Zulassung des Antrages bildet in diesen Fsllen die Voraussetzung fÅr die Bestellung eines vorlsufigen Insolvenzverwalters bzw. die Anordnung anderer Sicherungsmaßnahmen gem. §§ 21 ff. InsO, das Entstehen von AnhÇrungs- (§ 14 Abs. 2 InsO) und Auskunftspflichten (§ 20 Abs. 1 InsO) und auch fÅr die bei Eigenantrsgen logischerweise nicht erforderliche Zustellung des Antrages an den Schuldner.1 Ist der Antrag zulsssig, beginnt das eigentliche ErÇffnungsverfahren. In diesem Stadium prÅft das Insolvenzgericht, ob nach Maßgabe der §§ 16 ff. InsO InsolvenzgrÅnde gegeben sind und ggf. eine die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) deckende Insolvenzmasse vorhanden ist. Parallel ist zu klsren, ob bis zur Sachentscheidung Åber den Insolvenzantrag eine nachteilige Versnderung der VermÇgenslage des Schuldners droht und daher ein BedÅrfnis fÅr die Anordnung massesichernder Maßnahmen i.S.d. §§ 21 ff. InsO besteht.

2.4

Das ErÇffnungsverfahren endet gem. §§ 26, 27 InsO mit der Entscheidung des Insolvenzgerichts Åber die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens. Ab diesem Zeitpunkt ist das Verfahren der Disposition des Antragstellers entzogen, eine Beendigung durch RÅcknahme des Antrages also nicht mehr mÇglich.

2.5

II. Gllubigerantragsverfahren 1. Zweck des Gllubigerantragsverfahrens Das Antragsrecht der Glsubiger (§ 13 Abs. 1 Satz 1 InsO) trsgt dem Interesse des Rechtsverkehrs Rechnung, in einem geordneten Verfahren bestmÇgliche, gleichmlßige Befriedigung zu erhalten, sobald das VermÇgen des Schuldners nicht mehr ausreicht, um ssmtliche Verbindlichkeiten vollstsndig zu bedienen. WÅrde man Glsubiger in dieser Situation weiterhin ausschließlich auf die Einzelzwangsvollstreckung verweisen, drohte auf Grund des in diesem Bereich geltenden Prioritstsprinzips ein „Windhundrennen“ um die letzten verbliebenen VermÇgenswerte. Die Folge

1 Vgl. Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 14 Rz. 98 f.

11

2.6

Kapitel 2 Insolvenzrecht

wsre neben oft zufslligen1 Ergebnissen, dass betrieblich-organisatorische Sachgesamtheiten vorschnell zerschlagen und auseinandergerissen wÅrden, obwohl diese in einem geordneten Verfahren unter Umstsnden deutlich besser „en bloc“ verwertet werden oder gar zu einer erfolgreichen Sanierung des Unternehmens beitragen kÇnnten. 2. Voraussetzungen

2.7 Der Insolvenzantrag eines Glsubigers setzt gem. § 14 InsO zunschst vo-

raus, dass dieser ein rechtliches Interesse an der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens geltend machen kann. Daran fehlt es, wenn einfachere RechtsschutzmÇglichkeiten existieren oder wenn mit dem ErÇffnungsantrag insolvenzfremde Zwecke verfolgt werden.2 Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn der Antrag einzig zu dem Zweck gestellt wird, Zahlungsdruck auf den Schuldner auszuÅben. Unschsdlich hingegen ist, dass dem Glsubiger nur eine verhsltnismsßig geringe Forderung zusteht.3 Auch ist er nicht verpflichtet, zunschst die Einzelzwangsvollstreckung zu betreiben.4

2.8 DarÅber hinaus muss der Glsubiger gem. § 14 InsO seine Forderung und den ErÇffnungsgrund darlegen und glaubhaft machen (§ 4 InsO i.V.m. § 294 ZPO). Ein Vollstreckungstitel ist hierfÅr ebenso wenig erforderlich wie eine Bescheinigung Åber einen fruchtlosen Pfsndungsversuch.5 Kann der Glsubiger dem Insolvenzgericht gleichwohl beides vorlegen, erleichtert und beschleunigt dies das Procedere erfahrungsgemsß jedoch erheblich. Ohne Titel und Fruchtlosigkeitsbescheinigung des Gerichtsvollziehers entsteht vor der fÇrmlichen Zulassung des Antrages durch das Gericht nicht selten eine dem Erkenntnisverfahren des Zivilprozesses angensherte, quasi-streitige Auseinandersetzung Åber das Bestehen von Forderung und ggf. auch Insolvenzgrund, wohingegen bei Vorlage von Titel und Fruchtlosigkeitsbescheinigung regelmsßig umgehend ein Sachverstsndiger oder vorlsufiger Insolvenzverwalter eingesetzt und mit der amtswegigen Ermittlung der ErÇffnungsvoraussetzungen begonnen wird.

1 Schließlich mÅssen sich Glsubiger ihre Forderung in der Zwangsvollstreckung in der Regel zunschst in einem gerichtlichen Erkenntnisverfahren, auf dessen Dauer sie wenig Einfluss nehmen kÇnnen, titulieren lassen. DarÅber hinaus kommen nicht beeinflussbare VerzÇgerungen bei der Bearbeitung ihres Vollstreckungsauftrags durch das Vollstreckungsorgan in Betracht. 2 Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 13 Rz. 27; MÇnning in Nerlich/RÇmermann, § 14 InsO Rz. 10; ausfÅhrlich: Roth, Interessenwiderstreit im InsolvenzerÇffnungsverfahren, S. 50 ff.; Bußhardt in Braun, § 14 InsO Rz. 8. 3 BGH v. 20.3.1986 – III ZR 55/85, NJW-RR 1986, 1188 (1188); FG Sachs. v. 2.7.2013 – 6 K 813/13; Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 13 Rz. 90. 4 BGH v. 5.2.2004 – IX ZB 29/03, ZIP 2004, 1466 = NZA-RR 2005, 91 (92); v. 11.4.2013 – IX ZB 256/11, ZIP 2013, 1086 = NZI 2013, 594 (595); Uhlenbruck in Gottwald, Insolvenzrechts- Handbuch, § 4 Rz. 7. 5 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 80; ausfÅhrlich zu dieser Thematik: Roth, Interessenwiderstreit im InsolvenzerÇffnungsverfahren, S. 47.

12

B. ErÇffnungsverfahren

3. Risiken der Antragstellung Die Insolvenzantragstellung birgt fÅr einen Glsubiger gewisse, allerdings Åberschaubare Risiken. Zum einen kann den Glsubiger nach allgemeinen Grundsstzen (§ 4 InsO i.V.m. § 91 ZPO) die Kostentragungslast in Bezug auf die Gerichtskosten und die Auslagen des Gerichts (zu denen auch die VergÅtung eines gem. § 5 InsO hinzugezogenen Sachverstsndigen gehÇrt) treffen, wenn der Antrag unzulsssig oder unbegrÅndet ist. Unzulsssig sind insbesondere Druckantrsge, mit denen Glsubiger in Wahrheit nicht die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens intendieren, sondern nur Druck auf den Schuldner ausÅben, damit er die dem Antrag zugrunde liegende Forderung begleicht.1 Wird die Forderung des Antragstellers auf einen solchen Druckantrag hin (teilweise) befriedigt und nimmt der Glsubiger seinen Antrag daraufhin zurÅck, riskiert er, dass er die erhaltene Zahlung spster im Wege der insolvenzrechtlichen Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) an den Insolvenzverwalter herausgeben muss, wenn das Verfahren zu einem spsteren Zeitpunkt auf einen anderen Insolvenzantrag hin doch erÇffnet wird.

2.9

Bei leichtfertiger Insolvenzantragstellung in Fsllen, in denen der Antragsgegner in Wahrheit weder zahlungsunfshig noch Åberschuldet ist, droht Glsubigern eine weitergehende Schadensersatzhaftung. Nach Ansicht des BGH verletzt ein fahrlsssig gestellter, unbegrÅndeter ErÇffnungsantrag zwar nicht das Recht am eingerichteten und ausgeÅbten Gewerbebetrieb, so dass eine Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 1 BGB in aller Regel ausscheidet.2 In Betracht kommen ggf. aber SchadensersatzansprÅche gegen den Antragsteller gem. § 824 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB sowie gegebenenfalls § 826 BGB.3 Stellt eine FinanzbehÇrde oder ein Sozialversicherungstrsger vorsstzlich und pflichtwidrig Insolvenzantrag, so kann eine Haftung nach § 839 BGB jedenfalls dann in Betracht kommen, wenn hoheitliches Handeln vorgelegen hat.4

2.10

4. AntragsrÅcknahme und Erledigungserkllrung Der Glsubiger kann seinen Antrag bis zur ErÇffnung des Insolvenzverfahrens oder der rechtskrsftigen Abweisung jederzeit zurÅcknehmen, § 13 Abs. 2 InsO. Allerdings ist mit der RÅcknahme des Antrags nach ganz

1 Schmahl in MÅnchKomm/InsO § 14 Rz. 53. 2 BGH v. 3.10.1961 – VI ZR 242/60, BGHZ 36, 18 (21 f.); v. 15.2.1990 – III ZR 293/88, ZIP 1990, 805 = NJW 1990, 2675 (2675); Smid, Praxishandbuch Insolvenzrecht, § 3 Rz. 39; Schillgalis, Rechtsschutz des Schuldners bei fahrlsssig unberechtigten Insolvenzantrsgen, 2006, S. 113 ff. 3 Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 14 Rz. 141 ff.; Smid, Praxishandbuch Insolvenzrecht, § 3 Rz. 39. 4 BGH v. 15.2.1990 – III ZR 293/88, ZIP 1990, 805 = NJW 1990, 2675 (2675); Schillgalis, Rechtsschutz des Schuldners bei fahrlsssig unberechtigten Insolvenzantrsgen, 2006, S. 206 ff.

13

2.11

.12

Kapitel 2 Insolvenzrecht

Åberwiegender Auffassung wegen der in § 4 InsO enthaltenen Verweisung auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung die Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO verbunden, so dass der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.1 Anstelle der AntragsrÅcknahme kommt eine Erledigungserkllrung in Betracht. Obwohl diese MÇglichkeit in der Insolvenzordnung nicht ausdrÅcklich vorgesehen ist, ist die Erledigungserklsrung im InsolvenzerÇffnungsverfahren weitestgehend anerkannt.2 Der Antrag erledigt sich in der Praxis hsufig dadurch, dass der antragstellende Glsubiger befriedigt wird, so dass sein Antrag unzulsssig wird. Die Erledigungserklsrung fÅhrt anders als die RÅcknahme des Insolvenzantrages in aller Regel zur Kostentragungspflicht auf Seiten des Schuldners. Nach h.M. ergibt sich die Kostenfolge aus § 91a ZPO.3 Dem Schuldner sind die Kosten aufzuerlegen, wenn die Erledigungserklsrung eines Glsubigers erfolgt, nachdem er hinsichtlich seiner dem Antrag zugrunde liegenden Forderung befriedigt wurde, sofern der Antrag zunschst zulsssig und voraussichtlich auch begrÅndet war. Die Erledigung des Antrages hat das Insolvenzgericht durch Beschluss festzustellen; etwaige Sicherungsanordnungen sind aufzuheben. Vor der Aufhebung von Sicherungsanordnungen hat das Insolvenzgericht einem vorlsufigen Insolvenzverwalter allerdings gem. § 25 Abs. 2 InsO Gelegenheit zu geben, die Kosten des Verfahrens und die von ihm begrÅndeten Verbindlichkeiten zu befriedigen. § 25 Abs. 2 InsO gilt nicht nur fÅr den vorlsufigen starken Insolvenzverwalter, sondern fÅr den vorlsufigen schwachen Insolvenzverwalter entsprechend.4

1 Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 13 Rz. 130; Schmerbach in FrankfurterKomm/ InsO, § 13 Rz. 19; Roth, Interessenwiderstreit im InsolvenzerÇffnungsverfahren, S. 168. 2 OLG Celle v. 2.11.2000 – 2 W 110/00, NZI 2001, 150 (150); LG Bonn v. 8.1.2001 – 2 T 58/00, ZIP 2001, 342 = NZI 2001, 488 (488); OLG KÇln v. 28.3.2001 – 2 W 39/01, ZIP 2001, 1018 = NZI 2001, 318 (319); Uhlenbruck, KTS 1986, 541 (545); MÇnning in Nerlich/RÇmermann, § 13 InsO Rz. 111; a.A. AG Kleve v. 25.2.2000 – 34 IN 93/99, DZWIR 2000, 215 (215). 3 Schmerbach in FrankfurterKomm/InsO, § 13 Rz. 100 ff.; Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 13 Rz. 135 ff.; wie bei Roth, Interessenwiderstreit im InsolvenzerÇffnungsverfahren, S. 175 ff., ausfÅhrlich dargelegt, ist das ErÇffnungsverfahren aus verfassungsrechtlichen GrÅnden als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu verstehen. Dann ergibt sich die Kostenfolge aus § 81 Abs. 1 FamFG (§ 13a FGG a.F.). Der Unterschied einer Anwendung von § 91a ZPO und § 81 FamFG zeigt sich vor allem darin, dass nach § 91a ZPO nur der bisherige Sach- und Streitstand in die Ermessensentscheidung des Gerichts Eingang findet, wshrend bei § 81 FamFG auch andere Aspekte wie etwa die individuelle Leistungsfshigkeit der Beteiligten Einfluss auf die Kostenentscheidung haben. Die beiden Auffassungen gelangen aber im Wesentlichen zu gleichen Ergebnissen. 4 Mit Einschrsnkungen: Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 25 Rz. 9; Haarmeyer in MÅnchKomm/InsO, § 25 Rz. 7; Schmerbach in FrankfurterKomm/ InsO, § 25 Rz. 15a; offen gelassen bei BGH v. 22.2.2007 – IX ZR 2/06, ZIP 2007, 827 = NZI 2007, 338 (339); a.A. SchrÇder, HamburgerKomm/InsO, § 25 Rz. 10.

14

B. ErÇffnungsverfahren ! Hinweis: Erledigung des Insolvenzantrages tritt allerdings nicht ein, wenn Åber das VermÇgen des Schuldners VerfÅgungsbeschrsnkungen nach § 21 Abs. 2 Ziff. 1, 2 InsO (vorlsufige Insolvenzverwaltung) angeordnet worden waren und der Schuldner aus diesem VermÇgen der VerfÅgungsbeschrsnkung zuwider an den Glsubiger gezahlt hat. In einem solchen Fall ist nsmlich keine ErfÅllung der Forderung des Glsubigers eingetreten.1 Ist dem Insolvenzgericht bei seiner Entscheidung bekannt, dass der Schuldner der VerfÅgungsbeschrsnkung zuwider an den Glsubiger gezahlt hat, ist eine Erledigungserklsrung des Glsubigers in der Regel als RÅcknahme des Insolvenzantrages auszulegen mit der Folge, dass dem Glsubiger die Kosten aufzuerlegen sind.

III. Eigenantragsverfahren Gemsß § 13 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 InsO ist auch der Schuldner berechtigt, Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber sein VermÇgen zu stellen. Da § 14 InsO nur fÅr Fremdantrsge gilt, ist die Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrundes bei der Eigenantragstellung des Schuldners grundsstzlich nicht erforderlich. Etwas anderes kann aber gelten, wenn es sich bei dem Schuldner um eine juristische Person oder Gesellschaft ohne RechtspersÇnlichkeit handelt, deren GeschsftsfÅhrungsorgan pluralistisch besetzt ist. Hier kann der Antrag gem. § 15 Abs. 1 InsO von jedem Mitglied des Vertretungsorgans, jedem persÇnlich haftenden Gesellschafter und jedem Abwickler gestellt werden.2 Soweit der Antrag in diesen Fsllen nicht von ssmtlichen Mitgliedern des Gremiums gestellt wird, kÇnnen Gerichte vom Antragsteller vor der Zulassung des Antrages durchaus verlangen, dass dieser das Vorliegen des Insolvenzgrundes glaubhaft macht.

2.13

Eine Antragspflicht gibt es nur auf Schuldnerseite und lediglich fÅr die Organe juristischer Personen und Gesellschaften, bei der kein persÇnlich haftender Gesellschafter eine natÅrliche Person ist (§ 15a Abs. 1, 2 InsO). Die frÅheren Regelungen in den Einzelgesetzen sind somit obsolet (vgl. §§ 42 Abs. 2 BGB, 130a Abs. 1 HGB, 99 GenG, 92 Abs. 2, 268 Abs. 2, 278 Abs. 3, 283 Ziff. 14 AktG, 64 Abs. 1, 71 Abs. 4 GmbHG).3 Danach mÅssen die Mitglieder des betreffenden Vertretungsorgans ohne schuldhaftes ZÇgern, spstestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfshigkeit oder xberschuldung, einen Insolvenzantrag stellen.

2.14

Nicht antragspflichtig sind natÅrliche Personen, Gesellschaften des bÅrgerlichen Rechts, und offene Handelsgesellschaften, sofern bei diesen Gesellschaften mindestens ein Gesellschafter eine natÅrliche Person ist.

2.15

Verletzen die Organe juristischer Personen ihre Antragspflicht, so haften sie fÅr den dadurch entstandenen Schaden mit ihrem PrivatvermÇgen

2.16

1 Hess in Hess, § 4 Rz. 88. 2 Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 13 Rz. 18. 3 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 81; MÇnning in Nerlich/RÇmermann, § 13 InsO Rz. 67 ff.

15

Kapitel 2 Insolvenzrecht

(§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO).1 DarÅber hinaus droht eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 15a Abs. 4 und 5 InsO.

IV. Insolvenzantrag der Finanzverwaltung Literatur Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzantrsge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411; Bruns/Schaake, Insolvenzantrsge aus Sicht des Finanzamts – Rechtsschutz, Ermessen und Implikationen durch das ESUG, ZInsO 2011, 1581; Jacobi, Die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes: Eine Tendenz in der Praxis der Finanzverwaltung, ZInsO 2011, 1094 ff.; Marotzke, Sinn und Unsinn einer insolvenzrechtlichen Privilegierung des Fiskus, ZInsO 2010, 2163; Obermair, Stundung, Vollstreckungsaufschub, Insolvenzantrag, BB 2006, 582; Rein, Schadensersatz bei unberechtigtem Insolvenzantrag, NJW-Spezial 2013, 213; Schmahl, Zur Darstellung und Glaubhaftmachung der Forderung eines Çffentlich-rechtlichen Glsubigers im InsolvenzerÇffnungsantrag – Ein Vorschlag zur Vereinfachung: Die substantiierte Vollstreckbarkeitsbeststigung, NZI 2007, 20; Schmittmann, Einstweiliger Rechtsschutz gegen Insolvenzantrsge der Finanzverwaltung unter besonderer BerÅcksichtigung des Rechtswegs, in FS Haarmeyer, 2013, 289 ff.; Schmittmann in Waza/Uhlsnder/ Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 192 ff.; Viertelhausen, Das Finanzamt als Glsubiger im Insolvenzverfahren, InVo 2002, 45.

1. Darlegungserfordernisse: Darlegungserleichterungen?

.17

Soweit ihr die Stellung eines Glsubigers zukommt, ist auch die Finanzverwaltung nach allgemeinen Grundsstzen zur Stellung eines Insolvenzantrages berechtigt. FÅr solche Antrsge gelten jedoch gewisse Besonderheiten. Der Insolvenzantrag kann gemsß Abschn. 58 Abs. 3 VollstrA grundsstzlich von der VollstreckungsbehÇrde gestellt werden, die die Vollstreckung betreibt. Damit liegt die Zustsndigkeit bei Steuerforderungen bei den Finanzsmtern. Einer Zustimmung der Oberfinanzdirektion bedarf es nicht.

.18

Die Finanzverwaltung hat ein großes Interesse daran, bei nicht mehr leistungsfshigen Steuerpflichtigen das Auflaufen weiterer Steuerschulden dadurch zu verhindern, dass die unternehmerische Tstigkeit des Steuerpflichtigen eingestellt wird.2 DafÅr ist die Insolvenzantragstellung ein probates und zugleich legitimes Mittel.

.19

Fraglich ist, ob an die Zulsssigkeit von Insolvenzantrsgen seitens der Finanzverwaltung in puncto Glaubhaftmachung von Forderung und Insol1 BGH v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, BGHZ 138, 211 (214) = ZIP 1998, 776; v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (192 ff.) = ZIP 1993, 1543; Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 81; MÇnning in Nerlich/RÇmermann, § 13 InsO Rz. 87. 2 So auch Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 192.

16

B. ErÇffnungsverfahren

venzgrund geringere Anforderungen gestellt werden kÇnnen, als an solche privat-rechtlicher Glsubiger. Nach einem Urteil des BayObLG1 soll zur Glaubhaftmachung genÅgen, dass die Finanzverwaltung eine schriftliche Erklsrung vorlegt, wonach Maßnahmen zur Betreibung der Steuerschuld erfolglos geblieben sind. In diesem Zusammenhang ist zunschst zu beachten, dass die Finanzverwaltungen nach den Grundsstzen der Verwaltungsvollstreckung zugleich VollstreckungsbehÇrde sind. Als solche sind sie in der Lage, sich ihre Forderungen relativ problemlos, schnell und kostengÅnstig selbst zu titulieren und hieraus die Vollstreckung zu betreiben. Auf diese Weise kommen Çffentlich-rechtliche Glsubiger wesentlich schneller in den Besitz von Titel und Fruchtlosigkeitsbescheinigung als private Glsubiger. Bei FinanzbehÇrden kommt hinzu, dass Rechtsbehelfe gegen Steuerbescheide grundsstzlich keine aufschiebende Wirkung haben. Dadurch kann es vorkommen, dass Insolvenzantrsgen dieser Glsubiger streitige Forderungen zugrunde liegen, die bislang noch von keinem Gericht auf ihre materielle Rechtmsßigkeit hin ÅberprÅft wurden. Dies wirft die Frage auf, ob allein die Vorlage eines Titels nebst Fruchtlosigkeitsbescheinigung der glsubigereigenen Vollstreckungsabteilung automatisch zur Zulassung des betreffenden Insolvenzantrages fÅhren kann. Hierdurch wÅrden die Finanzverwaltungen gegenÅber privaten Glsubigern faktisch erheblich privilegiert.

2.20

FÅr die Hinnahme einer solchen Besserstellung Çffentlich-rechtlicher Glsubiger im Bereich der Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes wurde in der Vergangenheit2 vorgebracht, dass Finanzsmter angewiesen sind, vor Antragstellung die Zustimmung der zustsndigen Oberfinanzdirektion einzuholen, was zu einer hÇheren Gewshr fÅr die Rechtmsßigkeit des ErÇffnungsantrages und zum Ausschluss von Ermessensfehlern fÅhren sollte.3 Allerdings handelte es sich dabei lediglich um einen verwaltungsinternen Vorgang und keine Rechtsnorm, so dass selbst die Zustimmung der Oberfinanzdirektion nach h.M. keine Auswirkungen auf die PrÅfungsmaßstsbe hatte.4 Trotz der besonderen Bindung der Çffentlich-rechtlichen Glsubiger an das Gesetz folgt daraus nicht automatisch, dass diese ihr Antragsrecht immer verantwortungsbewusst ausÅben und somit zu privilegieren sind.5

2.21

Aus § 251 Abs. 2 S. 1 AO, wonach die Vorschriften der Insolvenzordnung unberÅhrt bleiben, ergibt sich, dass der Fiskus als Insolvenzglsubiger

2.22

1 BayObLG v. 3.4.2000 – 4Z BR 6/00, NZI 2000, 320 (320). 2 Genauer gesagt bis zur Aufhebung einer diesbezÅglichen Verwaltungsvorschrift im Jahre 2001. 3 MÇnning in Nerlich/RÇmermann, § 14 InsO Rz. 44. 4 Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 14 Rz. 89; MÇnning in Nerlich/RÇmermann, § 14 InsO Rz. 44; Hess in Hess, § 14 Rz. 88. 5 BGH v. 8.12.2005 – IX ZB 38/05, ZIP 2006, 141 = NZI 2006, 172 (172); Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 14 Rz. 85.

17

Kapitel 2 Insolvenzrecht

keine grundsstzliche Sonderstellung gegenÅber den anderen Insolvenzglsubigern einnimmt, sondern gewÇhnlicher Insolvenzglsubiger nach § 38 InsO ist.1 Anders als frÅher nach der Konkursordnung (vgl. § 61 Abs. 1 Ziff. 1 KO) ist der Fiskus folglich nicht mehr mit bestimmten Forderungen bevorrechtigt. Somit sind auch an die Glaubhaftmachung keine geringeren Maßstsbe anzulegen als sonst.2

.23

Auch aus der Verpflichtung der Finanzverwaltung zur Wahrung des Steuergeheimnisses gem. § 30 AO kann nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Anforderungen an die Glaubhaftmachung bei Antrsgen von Steuerglsubigern zu reduzieren sind.3 Denn soweit die Offenbarung der DurchfÅhrung eines gerichtlichen Verfahrens in Steuersachen dient, ist sie nach § 30 Abs. 4 Ziff. 1, Abs. 2 Ziff. 1 AO zulsssig. Zu den gerichtlichen Verfahren in diesem Sinne zshlt auch das Verfahren vor dem Insolvenzgericht.4 Je substantiierter der Steuerschuldner dem Vorbringen des antragstellenden Steuerglsubigers entgegentritt, desto mehr muss und darf die SteuerbehÇrde ihre Kenntnis gegenÅber dem Gericht offenbaren. DarÅber hinaus hat der Schuldner bereits aufgrund seiner umfassenden Auskunftspflicht gegenÅber dem Insolvenzgericht nach §§ 20 Abs. 1, 97 InsO kein schutzwÅrdiges Interesse an der Geheimhaltung durch den Steuerglsubiger.

.24

Im Ergebnis kann dem BayObLG5 daher nicht gefolgt werden. Sind dem ErÇffnungsantrag erfolglose Einzelvollstreckungsmaßnahmen vorausgegangen, ist ihr Ergebnis im Einzelnen darzustellen und durch nachvollziehbare Protokolle oder Berichte der Vollziehungsorgane zu belegen, pauschale Erkllrungen genÅgen diesen Anforderungen nicht.6

.25

Insbesondere ein lediglich als Druckmittel zur Abgabe einer Steuererklsrung oder Steueranmeldung gestellter ErÇffnungsantrag ist ermessensfehlerhaft.7 Rechtsmissbrsuchlich und somit unzulsssig ist ein Insolvenzantrag des Finanzamtes nach Ansicht des BGH auch dann, wenn es dem Antragsteller um die Erreichung anderer Ziele als derjenigen der gemeinschaftlichen Befriedigung aller Glsubiger geht.8

1 Bartone, GmbHR 2005, 865 (866). 2 Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 14 Rz. 85. 3 MÇnning in Nerlich/RÇmermann, § 14 InsO Rz. 44; Schmahl in MÅnchKomm/ InsO, § 14 Rz. 90; Onusseit, EWiR 2001, 69 (70); Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 105. 4 Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 14 Rz. 90. 5 BayObLG v. 3.4.2000 – 4Z BR 6/00, NZI 2000, 320 (320). 6 Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 14 Rz. 85. 7 BFH v. 1.3.1990 – VII B 155/89, ZIP 1991, 457 (457); v. 1.2.2005 – VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002; Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 202. 8 BGH v. 29.6.2006 – IX ZB 245/05, ZIP 2006, 1452 = ZInsO 2006, 824 (825); v. 19.5.2011 – IX ZB 214/10, ZIP 2011, 1161 = NZI 2011, 540 (541).

18

B. ErÇffnungsverfahren

Das LG Duisburg bestimmt die Anforderungen an eine Glaubhaftmachung des rechtlichen Interesses an der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens in seiner Entscheidung vom 25.3.20091 wie folgt: „Eine amtliche Erklnrung, es bestehe eine Forderung und die Stellung eines Insolvenzantrags reichen nicht zur Glaubhaftmachung einer Forderung aus. Hat die antragstellende FinanzbehÇrde jedoch einen amtlichen Erhebungsausdruck zur Akte gereicht, aus welchem hervorgeht, fÅr welchen Zeitraum und in welcher HÇhe rÅckstnndige Steuern geschuldet werden und wurden Snumniszuschlnge gesondert kenntlich gemacht, ist dies zur Glaubhaftmachung ausreichend, wenn der Schuldner den dem Insolvenzantrag zugrunde liegenden Forderungen nicht substantiiert entgegentritt.“

Problematisch sind InsolvenzerÇffnungsantrlge der Finanzverwaltung, denen lediglich eine Aufstellung der angeblich offenen Steuerforderungen beigefÅgt ist, nicht aber Ablichtungen der zugrunde liegenden Bescheide selbst. Diese Aufstellungen ermÇglichen es dem Insolvenzrichter nsmlich nicht, sich ein eigenes Bild von der inhaltlichen Richtigkeit der dem InsolvenzerÇffnungsantrag zugrunde liegenden Forderungen zu machen. Zwar hat der Insolvenzrichter auch zivilrechtliche Forderungen, die tituliert sind, nicht inhaltlich zu ÅberprÅfen. In Bezug auf titulierte Steuerforderungen sind insoweit aber andere Maßstsbe anzulegen, weil die Titel durch den Glsubiger selbst hergestellt worden sind. Dem Insolvenzrichter muss also mindestens eine Plausibilitltskontrolle ermÇglicht werden. Dies ist anhand der in der Praxis oft den InsolvenzerÇffnungsantrsgen der Finanzverwaltung beigefÅgten Aufstellungen nicht mÇglich. Diesen Aufstellungen ist schon nicht zu entnehmen, ob es sich um Schstzungen (§ 162 AO) handelt oder nicht. Noch weniger ist ihnen zu entnehmen, ob und gegebenenfalls inwieweit Steuerforderungen streitig sind. Jedenfalls aber muss der Insolvenzrichter positiv feststellen, dass die dem ErÇffnungsantrag zugrunde liegenden Steuerbescheide nicht nichtig sind. Dabei kommen viele unterschiedliche NichtigkeitsgrÅnde in Betracht; insbesondere bei Steuerpflichtigen, die ihre steuerlichen Angelegenheiten nicht mit letzter Akribie wahrnehmen, findet man in der Praxis hsufig nichtige Steuerbescheide vor. Um nur einige Beispiele zu nennen: Schriftliche Steuerbescheide mÅssen nach § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Danach muss der Regelungsinhalt dem Verwaltungsakt eindeutig entnommen werden kÇnnen. Bleibt trotz Auslegung letztlich unklar, welche Sachverhalte von der Steuerfestsetzung erfasst werden sollten, ist der Bescheid wegen inhaltlicher Unbestimmtheit insgesamt nichtig.2 Besondere PrÅfung ist bei Schltzungsbescheiden erforderlich: Nach § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt – und damit auch ein Steuerbescheid – nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und 1 LG Duisburg v. 25.3.2009 – 7 T 256/08, BeckRS 2009, 21441. 2 BFH v. 2.7.2004 – II R 74/01, BFH/NV 2004, 1411.

19

2.26

Kapitel 2 Insolvenzrecht

dies außerdem bei verstsndiger WÅrdigung aller in Betracht kommenden Umstsnde offenkundig ist. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts wird von der Rechtsprechung als Ausnahme von dem Grundsatz angesehen, dass ein Akt der staatlichen Gewalt die Vermutung seiner GÅltigkeit in sich trsgt.1 In der Regel ist ein rechtswidriger Verwaltungsakt lediglich anfechtbar. Einen im vorstehenden Sinne besonders schwerwiegenden Fehler nimmt die Rechtsprechung an, wenn er die an eine ordnungsgemsße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so hohen Maße verletzt, dass von niemandem erwartet werden kann, den ergangenen Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen.2 Welche Fehler im Einzelnen als so schwerwiegend anzusehen sind, dass sie die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes zur Folge haben, lssst sich nur von Fall zu Fall entscheiden und muss anhand der jeweiligen fÅr das Verhalten der BehÇrde maßgebenden Rechtsvorschrift beurteilt werden.3 In § 121 Abs. 1 AO ist bestimmt, dass ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer BegrÅndung zu versehen ist, soweit dies zu seinem Verstsndnis erforderlich ist. Die BegrÅndungspflicht dient der Verwirklichung des gem. Art. 19 Abs. 4 GG gewshrleisteten Rechtsschutzes gegen Çffentliche Hoheitsakte. Der Betroffene kann Rechtsschutz nur dann effektiv in Anspruch nehmen, wenn er weiß, wie die BehÇrde ihren Verwaltungsakt rechtfertigt und auf welche Rechtsgrundlagen sie ihn stÅtzt. Die FinanzbehÇrde darf sich zwar u.U. in ihrer zum Verstsndnis des Verwaltungsakts erforderlichen BegrÅndung darauf beschrsnken, die ihre Entscheidung maßgebend tragenden Erwsgungen bekannt zu geben.4 Diese Erleichterungen hinsichtlich der BegrÅndungspflicht bedeuten aber nicht, dass die BehÇrde sich z.B. damit begnÅgen darf, lediglich festzustellen, dass die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung erfÅllt seien oder der Steuerpflichtige seinen steuerlichen Mitwirkungs-, Anmeldungs- oder Erklsrungspflichten nicht genÅgt habe und die Finanzverwaltung daher die Steuerforderung schstze. Vielmehr muss der Bescheid auch unter BerÅcksichtigung des durch § 121 Abs. 1 AO vorgegebenen Rahmens erkennen lassen, wie die BehÇrde ihren Verwaltungsakt rechtfertigt, insbesondere auf welchen Sachverhalt und welche BegrÅndung sie ihn stÅtzt.5 Das erfordert etwa bei Schltzungen, dass die Schltzungsgrundlagen in der BegrÅndung angegeben werden – was in praxi hlufig nicht der Fall ist. Ferner sind etwa Schstzungsbescheide nichtig, wenn sich das Finanzamt nicht an den wahrscheinlichen Besteuerungsgrundlagen orientiert, sondern be1 BFH v. 30.11.1987 – VIII B 3/87, BStBl. II 1988, 183. 2 Vgl. BFH v. 26.7.2007 – VI B 41/07, BFH/NV 2007; 1813; v. 15.5.2002 – X R 33/99, BFH/NV 2002, 1415; v. 20.12.2000 – I R 50/00, BStBl. II 2001, 381. 3 BFH v. 17.11.2005 – III R 8/03, BStBl. II 2006, 287; v. 23.2.1995 – VII R 51/94, BFH/NV 1995, 862; v. 22.11.1988 – VII R 173/85, BStBl. II 1989, 220; v. 9.12.1998 – II R 6/97, BFH/NV 1999, 1091; v. 30.1.1980 – II R 90/75, BStBl. II 1980, 316. 4 BFH v. 11.2.2004 – II R 5/02, BFH/NV 2004, 1062; v. 26.11.1991 – VII K 5/91, BFH/NV 1992, 355. 5 Instruktiv: FG Hamburg v. 28.2.2008 – 4 K 307/07, DStRE 2009, 954, aufgehoben und Klage abgewiesen durch BFH v. 17.3.2009 – VII R 40/08, BFH/NV 2009, 1287.

20

B. ErÇffnungsverfahren

wusst zum Nachteil des Steuerpflichtigen schltzt.1 WillkÅrlich und damit nichtig ist nach der Rechtsprechung ein Schstzungsbescheid aber auch, wenn das Schstzungsergebnis trotz der vorhandenen MÇglichkeiten, den Sachverhalt aufzuklsren, krass von den tatslchlichen Gegebenheiten abweicht, wenn also ein objektiv willkÅrlicher Hoheitsakt vorliegt.2 Diesen Fallkonstellationen ist die Sachverhaltsvariante gleich zu stellen, dass der Schltzungsbescheid nicht erkennen llsst, dass Åberhaupt und gegebenenfalls welche Schltzungserwlgungen angestellt wurden.3 Eine solche Schstzung steht nicht mehr mit der Rechtsordnung und den diese Ordnung tragenden Prinzipien in Einklang, denn die BehÇrde ist grundsstzlich gehalten, diejenigen Erkenntnismittel, die sie verwertet und ausgeschÇpft hat, dem betroffenen SteuerbÅrger auch bekannt zu geben. Auch einer Einkommensteuerfestsetzung zugrunde liegende Grundlagenbescheide kÇnnen durch das Insolvenzgericht bei der Beurteilung der Zullssigkeit des Insolvenzantrages der Finanzverwaltung zu berÅcksichtigen sein: Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist ein Steuerbescheid zu sndern, soweit ein fÅr ihn bindender Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) erlassen, aufgehoben oder gesndert wird. Aufgrund der Bindungswirkung des Grundlagenbescheids fÅr den Folgebescheid ist das fÅr den Erlass des Folgebescheids zustsndige Finanzamt verpflichtet, die Folgerungen aus dem Grundlagenbescheid zu ziehen. Ein solches Verhsltnis zwischen Grundlagen- und Folgebescheid besteht insbesondere in den Fsllen, in denen die Besteuerungsgrundlagen – abweichend von § 157 Abs. 2 AO – durch Feststellungsbescheid gesondert festgestellt werden (§§ 179 ff. AO). Insoweit ist das Finanzamt, das die Steuern festsetzt, an den Bescheid Åber die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gebunden; es hat demgemsß die Folgerungen aus dem Feststellungsbescheid zu ziehen und einen bereits vorhandenen Steuerbescheid dem Erlass, der Aufhebung oder der znderung des Feststellungsbescheids anzupassen. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO begrÅndet eine „absolute Anpassungsverpflichtung“.4 Kein taugliches Argument gegen eine amtswegige PrÅfungspflicht des Insolvenzgerichts dahingehend, ob die dem InsolvenzerÇffnungsantrag der Finanzverwaltung zugrunde liegenden Steuerforderungen bei summarischer PrÅfung standhalten oder nicht, ist, dass das Insolvenzgericht fachfremd ist. Ein Insolvenzrichter wird vermutlich einen InsolvenzerÇffnungsantrag, den ein Glsubiger auf eine zivilrechtliche Wettforderung stÅtzt, ohne weiteres als unzulsssig zurÅckweisen, weil er schnell er1 FG Hamburg v. 28.2.2008 – 4 K 307/07, DStRE 2009, 954, aufgehoben und Klage abgewiesen durch BFH v. 17.3.2009 – VII R 40/08, BFH/NV 2009, 1287; BFH v. 20.12.2000 – I R 50/00, BStBl. II 2001, 381. 2 BFH v. 15.5.2002 – X R 33/99, BFH/NV 2002, 1415. 3 FG Hamburg v. 28.2.2008 – 4 K 307/07, DStRE 2009, 954, aufgehoben und Klage abgewiesen durch BFH v. 17.3.2009 – VII R 40/08, BFH/NV 2009, 1287; shnlich FG MÅnster v. 25.4.2006 – 11 K 1172/05 E, EFG 2006, 1130; FG Nds. v. 13.12.2005 – 13 K 327/05, NZB VIII B 199/06. 4 FG Schl.-Holst. v. 18.5.2010 – 2 K 146/06, EFG 2010, 1950.

21

.27

Kapitel 2 Insolvenzrecht

kennt, dass durch die Wette eine Verbindlichkeit nicht begrÅndet worden ist (§ 762 BGB). FÅr die Frage, ob ein Insolvenzverfahren erÇffnet wird oder nicht, kann es aber nicht darauf ankommen, ob der Insolvenzrichter die dem InsolvenzerÇffnungsantrag des Glsubigers zugrunde liegende Forderung rechtlich beurteilen kann oder nicht. Freilich ist das Insolvenzgericht kein Prozessgericht und nicht dazu berufen, materiell darÅber zu entscheiden, ob zwischen Glsubiger und Schuldner ein Anspruchsverhsltnis besteht oder nicht. Die fehlende Durchsetzbarkeit einer Wettforderung und die fehlende Durchsetzbarkeit einer Steuerforderung unterscheiden sich indessen inhaltlich nicht erheblich. Genauso, wie der Insolvenzrichter einen auf eine Wettforderung gestÅtzten Antrag eines Glsubigers zurÅckweisen muss, muss er dies auch bei einem auf einen nichtigen Steuerbescheid gestÅtzten Antrag tun. 2. Rechtsschutz gegen Insolvenzantrlge der Finanzverwaltung Ein Antrag des Finanzamts auf ErÇffnung des Verfahrens stellt eine Maßnahme des behÇrdlichen Vollstreckungsverfahrens dar. Dabei handelt es sich nicht um einen hoheitlichen Akt, der vom Finanzamt in seiner Funktion als Trsger Çffentlicher Gewalt zu stellen ist, sondern um „schlichtes Verwaltungshandeln“.1 Folglich kann gegen die Maßnahme nach allgemeinen Grundsstzen der Finanzrechtsweg erÇffnet sein. Denkbar ist beispielsweise, dass der Schuldner den Amtstrsger auf RÅcknahme des Insolvenzantrages in Anspruch nimmt.2 Dies geschieht ggf. durch allgemeine Leistungsklage gem. § 40 Abs. 1 Alt. 3 FGO3 bzw. durch einstweiligen Rechtsschutz im Wege der vorlsufigen Anordnung i.S.v. § 114 Abs. 1 FGO.4 Gemsß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das FG auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorlsufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhsltnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen GrÅnden nÇtig erscheint (Regelungsanordnung). Voraussetzung fÅr einen erfolgreichen Antrag ist, dass der Antragsteller einen Grund fÅr die zu treffende Regelung (Anordnungsgrund) und den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (Anordnungsanspruch), schlÅssig darlegt und deren tatsschliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht hat. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (§ 114 Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Der Anordnungsanspruch auf 1 FG Hess. v. 25.4.2013 – 1 V 495/13; Trossen, DStZ 2001, 877 (878); Uhlnnder, ZInsO 2005, 1192 (1193); Schmittmann, InsBÅro 2006, 341 (341). 2 Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 14 Rz. 35; Hess in Hess, § 14 InsO Rz. 94; Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 194. 3 FG Hess. v. 25.4.2013 – 1 V 495/13. 4 BFH v. 28.2.2011 – VII B 224/10, ZIP 2011, 724; Bartone, GmbHR 2005, 865 (865); v. 26.4.1988 – VII B 176/87, ZIP 1989, 247 = BFH/NV 1988, 762 (763).

22

B. ErÇffnungsverfahren

RÅcknahme eines Antrages auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens besteht, wenn ein Insolvenzgrund nicht vorliegt oder die Entscheidung Åber die Stellung des Insolvenzantrages trotz Bestehens eines Insolvenzgrundes ermessensfehlerhaft ist.1 Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes erfordert grundsstzlich so schwerwiegende GrÅnde, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabweisbar machen. Insoweit setzen die ausdrÅcklich genannten GrÅnde „wesentliche Nachteile“ und „drohende Gewalt“ Maßstsbe auch fÅr die „anderen GrÅnde“ i.S.d. § 114 Abs. 1 S. 2 FGO. Letztere rechtfertigen daher eine einstweilige Anordnung nur, wenn sie fÅr die begehrte Regelungsanordnung shnlich gewichtig und bedeutsam sind wie wesentliche Nachteile oder drohende Gewalt. Dies ist nur der Fall, wenn die wirtschaftliche oder persÇnliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist.2 Dies gilt insbesondere, wenn nicht nur eine vorlsufige Maßnahme begehrt wird, sondern die Vorwegnahme der Hauptsache. Ein solches Rechtsschutzziel widerspricht grundsstzlich der Funktion des vorlsufigen Rechtsschutzes. Daher darf eine Regelungsanordnung nach stsndiger Rechtsprechung des BFH grundsstzlich nur eine einstweilige Regelung enthalten und das Ergebnis des Hauptprozesses nicht vorwegnehmen oder diesem endgÅltig vorgreifen, es sei denn, es entstÅnden ohne vorlsufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile, zu deren nachtrsglicher Beseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht mehr in der Lage wsre.3 Derartige existenzbedrohende, wesentliche GrÅnde sind regelmsßig darin zu erblicken, dass die drohende InsolvenzerÇffnung regelmsßig geeignet ist, den Schuldner um seine wirtschaftliche Existenz zu bringen. Dies kÇnnte durch eine ihm gÅnstige Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr korrigiert werden. Dem BFH4 ist darin allerdings zuzustimmen, dass das primsre Ziel eines Insolvenzverfahrens nicht die Zerschlagung von VermÇgenswerten ist, sondern die Schuldenbereinigung, so dass die bevorstehende InsolvenzerÇffnung allein nicht zwingend geeignet ist, eine ZerstÇrung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners anzunehmen. Gleichwohl ist die Beendigung der wirtschaftlichen Tstigkeit von Insolvenzschuldnern in Folge der InsolvenzerÇffnung die Regel, nicht die Ausnahme. Besonders betroffen sind Handelsunternehmen. Da diese auf Wareneinkauf angewiesen sind und im Insolvenzverfahren die Liquiditst fÅr die dann notwendige Vorfinanzierung des Wareneinkaufs regelmsßig nicht vorhanden ist, bleibt in aller Regel nur die Betriebseinstellung. Auch andere Branchen, 1 FG Hess. v. 25.4.2013 – 1 V 495/13; FG Sachs. v. 12.8.2011 – 6 V 915/11. 2 FG Hess. v. 25.4.2013 – 1 V 495/13; BFH v. 12.5.1992 – VII B 173/91, BFH/NV 1994, 103; v. 7.1.1999 – VII B 170/98, BFH/NV 1999, 818; v. 24.4.2012 – III B 180/11, BFH/NV 2012, 1303. 3 Vgl. BFH v. 7.1.1999 – VII B 170/98, BFH/NV 1999, 818. 4 BFH v. 28.2.2011 – VII B 224/10, ZIP 2011, 724 = BFH/NV 2011, 763.

23

.28

Kapitel 2 Insolvenzrecht

in denen Schuldner in nicht unerheblichem Umfange auf Zulieferungen von Dritten angewiesen sind, sind typischerweise betroffen. Dem BFH ist deswegen nicht darin zuzustimmen, dass die Schuldenregulierung, die das Insolvenzverfahren intendiert, bezwecke, die unternehmerische Tstigkeit des Schuldners fortzusetzen. Das Insolvenzverfahren ist Teil des Vollstreckungsrechtes, dient also der Durchsetzung der Glsubigerforderungen. Diese gewinnen nach InsolvenzerÇffnung sofort Oberhand; eine FortfÅhrung der unternehmerischen Tstigkeit des Insolvenzschuldners ist nur in dem Rahmen mÇglich, in dem die Insolvenzglsubiger dies beschließen, um letzten Endes eine Versußerung des schuldnerischen Geschsftsbetriebes mit dem Ziel einer Maximierung des eigenen Haftungssubstrates zu erreichen. Wenn also im Insolvenzverfahren die unternehmerische Tstigkeit des Insolvenzschuldners aufrechterhalten wird, dann nicht, um ihm die wirtschaftliche Existenz zu erhalten, sondern allein, um den Insolvenzglsubigern eine Maximierung des Haftungssubstrats zu ermÇglichen. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung dÅrfte zur Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes gehÇren, dass der Insolvenzschuldner vor dem FG im einzelnen darlegt, wie sich eine InsolvenzerÇffnung auf seinen Geschsftsbetrieb und seine wirtschaftliche Existenz voraussichtlich auswirken wÅrde. Der pauschale Verweis darauf, dass die InsolvenzerÇffnung den Insolvenzschuldner in seiner wirtschaftlichen Existenz vernichte, dÅrfte danach nicht mehr ausreichen. Eine in diesem Sinne relevante Existenzvernichtung liegt aber nicht vor, wenn dem Steuerpflichtigen die AusÅbung seines weiterhin betriebenen Gewerbes bereits zuvor bestandskrsftig untersagt worden ist.1 Nicht statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage, da es sich bei dem Insolvenzantrag des Finanzamtes nicht um einen Verwaltungsakt i.S.v. § 118 AO handelt, weil durch diesen nicht bereits eine Regelung getroffen wird. Vielmehr soll durch die Stellung des Antrages eine Regelung, namentlich die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens durch das Insolvenzgericht, erreicht werden. Da das Insolvenzgericht jedoch bezÅglich der Entscheidung Åber die ErÇffnung eine selbstsndige Entscheidungskompetenz hat, liegt erst mit dessen Entscheidung eine Regelung vor2 (Rz. 3.403 ff.). Finanzgerichtlichem Rechtsschutz dahingehend, die FinanzbehÇrde zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurÅckzunehmen, steht nicht ein fehlendes RechtsschutzbedÅrfnis des Insolvenzschuldners entgegen.3 Die finanzgerichtliche Entscheidung ist nicht etwa deswegen obsolet, weil das Insolvenzgericht die Voraussetzungen fÅr die ErÇffnung eines Insolvenz1 FG MÅnchen v. 29.8.2013 – 5 V 2425/13. 2 BFH v. 12.12.2005 – VII R 63/04, ZInsO 2006, 603 (603). 3 BFH v. 25.2.2011 – VII B 226/10; inzident ebenso FG MÅnchen v. 29.8.2013 – 5 V 2425/13; FG Hess. v. 25.4.2013 – 1 V 495/13; FG Sachs. v. 12.8.2011 – 6 V 915/11; a.A. Fu, DStR 2010, 1411.

24

B. ErÇffnungsverfahren

verfahrens zu prÅfen hat. Dem Insolvenzgericht fehlt jede Kompetenz zur xberprÅfung der Rechtmsßigkeit der Insolvenzantragstellung durch die Finanzverwaltung unter Verhsltnismsßigkeitsgesichtspunkten und unter weiteren entscheidungserheblichen Umstsnden.1 Eine unverhsltnismsßige Insolvenzantragstellung ist ermessensfehlerhaft und deswegen rechtswidrig. Sie ist aber nicht nichtig oder in anderer Weise unwirksam. Abgesehen davon, dass den Insolvenzgerichten die Erfahrung und die Fachkompetenz fehlt, die Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung inhaltlich zu ÅberprÅfen, sind sie dafÅr auch nicht zustsndig. In diesem fÅr den Insolvenzschuldner existenziellen Grundrechtsbereich (vor allem Kernbereiche von Art. 12 GG und Art. 14 GG, aber auch PersÇnlichkeitsrecht, Art. 10 GG, Art. 13 GG) kann eine inzidente ZweckmsßigkeitsÅberprÅfung durch ein fÅr die Kontrolle des Verwaltungshandelns unzustsndiges Gericht aus rechtsstaatlichen GrÅnden schlechterdings nicht erfolgen. Eine ganz andere Frage ist es, ob das Insolvenzgericht an eine Entscheidung des FG gem. § 114 FGO gebunden ist. Dieses ist zu verneinen. Mit dieser Fragestellung hatte sich das AG GÇttingen2 zu befassen. Allerdings verkennt das AG GÇttingen, dass in dem dort zu entscheidenden Fall die Problemkreise der Rechtswegzustsndigkeit der FG und der Bindung der Insolvenzgerichte an eine finanzgerichtliche Entscheidung ineinandergriffen. Entgegen der Auffassung des AG GÇttingen sind die FG fÅr den einstweiligen Rechtsschutz des Insolvenzschuldners gegen die Insolvenzantragstellung durch das Finanzamt im Rahmen des § 114 FGO zustsndig. Es fehlt auch nicht an einem RechtsschutzbedÅrfnis fÅr einen solchen Antrag. Allerdings bindet eine Entscheidung des FG nur die Finanzverwaltung, nicht aber das Insolvenzgericht. Verpflichtet das FG das Finanzamt, den InsolvenzerÇffnungsantrag zurÅckzunehmen, so ist das Finanzamt daran gebunden. Solange aber das Finanzamt den Antrag nicht zurÅckgenommen hat, liegt bei dem Insolvenzgericht ein mÇglicherweise unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten zulsssiger InsolvenzerÇffnungsantrag vor, der zu einer rechtmsßigen InsolvenzerÇffnung fÅhren kann. FÅr die Beurteilung der Rechtmsßigkeit der InsolvenzerÇffnung ist nsmlich nicht maßgeblich, ob der InsolvenzerÇffnungsantrag der Finanzverwaltung unter verwaltungsrechtlichen Gesichtspunkten ordnungsgemsß war oder nicht. Kommt das Finanzamt der Entscheidung des FG nicht nach, kann und muss das Insolvenzgericht Åber den bei ihm vorliegenden, mÇglicherweise zulsssigen InsolvenzerÇffnungsantrag entscheiden. Es hat keinen Raum, bei seiner insolvenzrechtlichen Entscheidung zu berÅcksichtigen, dass das antragstellende Finanzamt durch das FG verpflichtet worden ist, den Insolvenzantrag zurÅck zu nehmen, es sei denn, dass die dem Antrag zugrunde liegenden Steuerforderungen gar nicht bestehen, die Steuerbescheide nichtig sind oder sich sonst GrÅnde feststel1 Zu Einzelheiten der Umstsnde, die nur durch die FG ÅberprÅft werden kÇnnen vergleiche ausfÅhrlich BFH v. 25.2.2011 – VII B 226/10. 2 AG GÇttingen v. 31.5.2011 – 74 IN 174/10.

25

.29

Kapitel 2 Insolvenzrecht

len lassen, die gegen die dem Antrag zugrunde liegenden Steuerforderungen als solche sprechen. Solche durch das Insolvenzgericht aus insolvenzrechtlichen GrÅnden zu berÅcksichtigende GrÅnde kÇnnen sich freilich auch aus der Entscheidung des FG ergeben; sie entstehen aber nicht durch die Entscheidung des FG. Kommt das Finanzamt der Entscheidung des FG also nicht nach, ist es Sache des Insolvenzschuldners, darauf nÇtigenfalls im Wege der Vollstreckung hinzuwirken; eine amtswegige BerÅcksichtigung der Entscheidung des FG durch das Insolvenzgericht kommt nicht in Betracht. In dem der Entscheidung des AG GÇttingen zugrunde liegenden Fall war der InsolvenzerÇffnungsantrag durch Finanzamt und Insolvenzschuldner Åbereinstimmend fÅr erledigt erklsrt worden – das Finanzamt hat also nicht wie durch das FG entschieden (aber durch den BFH aufgehoben) den Antrag zurÅckgenommen. Die RÅcknahme des InsolvenzerÇffnungsantrags hstte dem Insolvenzgericht die Entscheidungsbefugnis Åber die Sache genommen. Die Erledigungserklsrung hingegen hat dem Insolvenzgericht die MÇglichkeit belassen, Åber die Kosten gem. § 91a ZPO zu entscheiden. Im Rahmen dieser Entscheidung war das AG GÇttingen – ungeachtet der inzwischen erfolgten Aufhebung der finanzgerichtlichen Entscheidung durch den BFH – nicht an die Entscheidung des Niedersschsischen FG gebunden. 3. Besondere Anforderungen an die Insolvenzantragstellung Çffentlichrechtlicher Gllubiger yffentlich-rechtliche Glsubiger unterliegen den gleichen Anforderungen an die Glaubhaftmachung sowohl der Forderung als auch des ErÇffnungsgrundes wie privatrechtliche Glsubiger. Die Entscheidung der FinanzbehÇrde Åber die Stellung eines Insolvenzantrages ist gem. § 5 AO eine Ermessensentscheidung und stellt ein hoheitliches Handeln1 dar. Dabei ist die BehÇrde gem. Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz und speziell den Grundsatz der Verhlltnismlßigkeit gebunden.2 Bei der Abwsgung sind nicht nur die gravierenden Rechtsfolgen fÅr den Schuldner selbst, sondern auch jene fÅr dessen Arbeitnehmer, Glsubiger und weitere Verfahrensbeteiligte zu berÅcksichtigen. Eine solche Maßnahme darf nur nach grÅndlicher WÅrdigung aller maßgeblichen Umstsnde, insbesondere auch der HÇhe der Steuerforderung ergriffen werden. Der BGH verlangt ausdrÅcklich, dass die HÇhe des zu vollstreckenden Steueranspruchs in einem angemessenen Verhlltnis zu den wirtschaftlichen Folgen der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens stehen muss.3 Von mehreren in Betracht kommenden Maßnahmen ist stets diejenige zu wshlen, die fÅr den Schuldner den geringstmÇglichen Eingriff darstellt.4 So wsre es beispielsweise ermessensfehlerhaft, wenn die BehÇrde bei leicht Åber1 2 3 4

Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 14 Rz. 72. FG Hess. v. 25.4.2013 – 1 V 495/13. BGH v. 15.2.1990 – III ZR 293/88, ZIP 1990, 805 = NJW 1990, 2675 (2676). Vgl. auch Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 201.

26

B. ErÇffnungsverfahren

schaubaren VermÇgensverhsltnissen des Schuldners nicht vorab alle MÇglichkeiten der Einzelzwangsvollstreckung ausgenutzt hstte.1 Eine Insolvenzantragstellung ist ermessensfehlerhaft, wenn die FinanzbehÇrde weiß, dass eine die Kosten des Insolvenzverfahrens deckende Masse nicht vorhanden ist und der Insolvenzantrag folglich nur zur Existenzvernichtung des Steuerpflichtigen fÅhren wÅrde.2 Umgekehrt mÅssen der FinanzbehÇrde vor Antragstellung nicht positiv Anhaltspunkte dafÅr vorliegen, dass eine die Kosten deckende Masse vorhanden ist.3 Ermessensfehlerfrei handelt die BehÇrde auch dann, wenn Grund zur Annahme besteht, dass der Steuerpflichtige bei seinen Zahlungen die FinanzbehÇrde zugunsten anderer Glsubiger benachteiligt.4 Die Stellung des Insolvenzantrages ist darÅber hinaus nicht vom Erreichen einer bestimmten SchuldhÇhe abhsngig, soweit die grÅndliche WÅrdigung aller maßgeblichen Umstsnde zu dem Ergebnis fÅhrt, dass der beizutreibende Betrag nicht außer Verhsltnis zu den wirtschaftlichen Folgen der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens steht.5 Ermessensfehlgebrauch liegt im xbrigen nicht bereits deswegen vor, weil die VollstreckungsrÅckstsnde noch nicht bestandskrlftig sind. Das gilt auch dann, wenn es sich hierbei um Schstzungsbescheide handelt.6 Ein sehr zÅgig nach Fslligkeit der Steuerschulden gestellter Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ist nicht zwangslsufig rechtsmissbrsuchlich.7 Entscheidend ist, ob noch erfolgversprechende VollstreckungsmÇglichkeiten bestehen. Ist dies der Fall, sind diese zuvor auszuschÇpfen; ein InsolvenzerÇffnungsantrag ist in diesem Fall ermessensfehlerhaft.8 Ob nach einer oder mehreren ergebnislosen Vollstreckungsmaßnahmen vor einem Insolvenzantrag noch weitere Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden mÅssen, hsngt von den Umstsnden des Einzelfalles ab. Das Finanzamt ist insoweit nicht in jedem Fall verpflichtet, vor Stellung eines Insolvenzantrages die Vorlage eines VermÇgensverzeichnisses anzuordnen und den Schuldner zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu laden (§ 284 AO). Muss das Finanzamt auf Grund der Gesamtumstsnde annehmen, dass die Vorlage des VermÇgensverzeichnisses oder weitere Vollstre1 FG Hess. v. 22.1.1982 – VI B 139/81, EFG 1982, 419 (420); FG Rh.-Pf. v. 3.9.1986 – 5 V 9/86, EFG 1987, 103 (104). 2 FG DÅsseldorf v. 1.2.1993 – 17 V 7392/92, EFG 1993, 592 (593); FG MÅnster v. 14.4.1987 – III 1166/87 V, EFG 1987, 516 (517). 3 Uhlnnder, ZInsO 2005, 1192 (1194). 4 BFH v. 23.7.1985 – VII B 29/85, BFH/NV 1986, 41 (43). 5 Fritsch in Pahlke/KÇnig, § 251 AO Rz. 22. 6 FG Hamburg v. 13.6.2014 – 6 V 76/14. 7 FG Hamburg v. 13.6.2014 – 6 V 76/14. 8 FG Hess. v. 25.0.2013 – 1 V 495/13; FG Hamburg v. 13.6.2014 – 6 V 76/14.

27

2.30

Kapitel 2 Insolvenzrecht

ckungsmaßnahmen ebenfalls fruchtlos verlaufen werden, handelt es nicht ermessensfehlerhaft, wenn es keine weiteren Vollstreckungsversuche vor Stellung des Insolvenzantrages mehr unternimmt.1 Die Stellung des Insolvenzantrages ist ermessensgerecht, wenn sie der Unterbindung des Anwachsens der SteuerrÅckstsnde und der weiteren Verschuldung des Steuerpflichtigen dient.2

.31

Wird der ErÇffnungsantrag auf eine Çffentlich-rechtliche Forderung gestÅtzt, so muss stets ein vollstreckbarer Leistungsbescheid oder eine ihm gleichstehende Urkunde vorliegen, in dem der Anspruch im Einzelnen festgesetzt ist, vgl. §§ 218 Abs. 1, 249 Abs. 1 AO, § 3 Abs. 2 VwVG.3 Als gleichstehende Urkunden gelten dabei Selbstberechnungserklsrungen des Schuldners, in denen er die HÇhe seiner Schuld selbst vorlsufig berechnet oder einschstzt, etwa Steueranmeldungen gem. §§ 167, 168 AO oder Beitragsnachweise des Arbeitgebers fÅr die Gesamtsozialversicherungsbeitrsge i.S.d. § 28f Abs. 3 SGB IV. Die Vollstreckbarkeit ist somit ein wichtiger Teil der vom Glsubiger darzulegenden Glaubhaftmachung der antragsbegrÅndenden Forderung.4

.32

Der Leistungsbescheid darf nicht nichtig, er braucht aber auf der anderen Seite noch nicht bestandskrsftig zu sein.5 Auch eine vorlsufige oder unter dem Vorbehalt der NachprÅfung ergangene Steuerfestsetzung nach §§ 135, 164 AO ist nach der Rechtsprechung des BFH eine geeignete Grundlage fÅr den Insolvenzantrag.6

.33

Die Vollstreckbarkeit bestimmt sich dabei nach den allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen (Bekanntgabe, Fslligkeit, Frist), insbesondere darf die Vollziehung des Verwaltungsaktes nicht ausgesetzt sein. (vgl. vor allem §§ 254, 251 Abs. 1, 361 AO, § 80 Ziff. 2 VwGO)

.34

Einwendungen gegen die dem ErÇffnungsantrag zugrunde gelegte vollstreckbare Çffentlich-rechtliche Forderung sind fÅr das Insolvenzgericht dabei unerheblich, der Schuldner kann solche Einwendungen nur außerhalb des Insolvenzverfahrens mit den allgemein vorgesehenen Rechtsbehelfen verfolgen, d.h. insbesondere durch Einspruch (§ 347 AO) oder Widerspruch (§ 68 VwGO) gegen den Leistungsbescheid und einer anschließenden Anfechtungsklage.7 Durch diese Rechtsbehelfe wird die Betreibung der vollstreckbaren Forderung jedoch nicht gehemmt (vgl. § 361 AO, § 80 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO), die Vollstreckbarkeit entfsllt nur, wenn 1 2 3 4 5 6

FG Hess. v. 25.4.2013 – 1 V 495/13. FG MÅnchen v. 29.8.2013 – 5 V 2425/13. Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 14 Rz. 75. Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 14 Rz. 82. Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 14 Rz. 78. BFH v. 11.12.1990 – VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787 (789); Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 14 Rz. 78. 7 Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 14 Rz. 86.

28

B. ErÇffnungsverfahren

die Vollziehung des zugrunde liegenden Verwaltungsaktes ausgesetzt ist oder die Vollstreckung aus einem anderen Grund eingestellt ist. Ein leichtfertig gestellter, letztlich unbegrÅndeter Antrag kann eine Amtspflichtverletzung i.S.d. § 839 BGB begrÅnden.1

2.35

4. Antragspflicht Çffentlich-rechtlicher Gllubiger? Zu Åberlegen ist darÅber hinaus, ob sich aus dem Grundsatz der Gleichmsßigkeit der Besteuerung unter Umstsnden sogar eine Pflicht der Finanzverwaltung ergibt, bei Kenntnis der ErÇffnungsgrÅnde Insolvenzantrsge zu stellen, um im unternehmerischen Bereich Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern.

2.36

Dies wird jedoch von der ganz herrschenden Meinung2 zu Recht abgelehnt. Die Gegenmeinung,3 welche eine Ermessensreduzierung auf Null gegeben sieht, verkennt, dass der FinanzbehÇrde, wie bei allen in §§ 249 ff. AO geregelten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und entsprechend auch bei der Antragstellung kraft Gesetzes ein Ermessensspielraum zusteht, welcher auch bei grÇßeren Steuerschulden nicht entfsllt. Eine ausdrÅckliche Pflicht zur Antragstellung ist im Gesetz gerade nicht vorgesehen. Vielmehr hat die BehÇrde die MÇglichkeit und im Rahmen des Verhsltnismsßigkeitsgrundsatzes unter Umstsnden sogar die Pflicht, zunschst die Einzelzwangsvollstreckung oder andere MÇglichkeiten der Eintreibung der Forderung zu suchen, selbst wenn Anhaltspunkte fÅr das Bestehen eines ErÇffnungsgrundes vorliegen. Auf das Risiko einer Amtshaftung nach § 839 BGB wegen eines grundlos gestellten Antrags muss sie sich nicht einlassen. Sie ist insofern wie ein gewÇhnlicher privatrechtlicher Insolvenzglsubiger zu betrachten, der ebenfalls nicht zur Antragstellung verpflichtet ist. Anders als der Schuldner selber, welcher einen direkten Einblick in seine wirtschaftlichen Verhsltnisse hat, wird die antragstellende FinanzbehÇrde regelmsßig lediglich Indizien fÅr das Vorliegen eines Insolvenzgrundes haben, jedoch keine Gewissheit, so dass die Entscheidung Åber die Antragstellung einer pflichtgemlßen ErmessensprÅfung bedarf. Zwar kann sich die BehÇrde durch eigene Ermittlungen von Amts wegen Einblick in die VermÇgensverhsltnisse verschaffen, diese werden in aller Regel jedoch nicht weitergehen als bei anderen Glsubigern und kÇnnen somit ebenfalls keine Antragspflicht begrÅnden.4

2.37

1 BGH v. 15.2.1990 – III ZR 293/88, ZIP 1990, 805 = NJW 1990, 2675 (2675); Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 21. 2 Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 21; Krnmer, Stbg 1994, 323; Uhlenbruck, BB 1972, 1266 (1268). 3 Braun, Steuerrechtliche Aspekte der KonkurserÇffnung, S. 11. 4 Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 14 Rz. 85.

29

.38

Kapitel 2 Insolvenzrecht

V. Sicherungsmaßnahmen Literatur Ampferl, Der „starke“ vorlsufige Insolvenzverwalter in der Unternehmensinsolvenz, 2002; Blank/MÇller, Der gesetzestreue (vormals „starke“ vorlsufige) Insolvenzverwalter in der Bredouille?, ZInsO 2001, 780; Fritsche, Entwicklungstendenzen der Zustimmungsverwaltung nach §§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 2. Alternative, 22 Abs. 2 InsO im InsolvenzerÇffnungsverfahren, DZWIR 2005, 265; Ganter, Sicherungsmaßnahmen gegenÅber Aus- und Absonderungsberechtigten im InsolvenzerÇffnungsverfahren, NZI 2007, 549; Gerhardt, VerfÅgungsbeschrsnkungen in der ErÇffnungsphase und nach VerfahrenserÇffnung, in KÇlner Schrift zur Insolvenzordnung, 2000, 193; Gundlach/Frenzel/Schmidt, Zur Postsperre des § 99 InsO, ZInsO 2001, 979; Kirchhoff, Zur Haftung des vorlsufigen Insolvenzverwalters bei UnternehmensfortfÅhrung und zu Fragen der Masseschulden und Masseunzulsnglichkeit, ZInsO 1999, 365; Die Rechtsstellung vorlsufiger Insolvenzverwalter im Lastschriftverfahren, WM 2009, 337; Lenenbach, Sicherungsmaßnahmen im InsolvenzerÇffnungsverfahren, 2003; MÅnzel/BÇhm, Postsperre fÅr E-Mail?, ZInsO 1998, 363; Prager/Thiemann, Die Aufhebung der vorlsufigen Verwaltung und sonstiger Sicherungsmaßnahmen, NZI 2001, 634; Schillgalis, Rechtsschutz des Schuldners bei fahrlsssig unberechtigten Insolvenzantrsgen – insbesondere bei Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gem. § 21 InsO, Baden-Baden 2006; Smid, Kritische Anmerkungen zu § 21 II Nr. 1a InsO n.F., ZInsO 2012, 757; MÅnzel/BÇhm, Postsperre fÅr E-Mail?, ZInsO 1998, 363; Gesetzlich zulsssige Reichweite der Entmachtung von Schuldner und schuldnerischen Gesellschaftsorganen und der Ermschtigung des vorlsufigen Verwalters durch insolvenzgerichtliche Anordnung nach §§ 21, 22 InsO, DZWIR 2002, 444; Steder, Auswirkungen des Vollstreckungsverbots gem. § 21 II Nr. 3 InsO, ZIP 2002, 65; Stephan, Vorlsufige Sicherungsmaßnahmen beim Eigenantrag in der Unternehmensinsolvenz (Das „Gutachtenmodell“), NZI 1999, 104; Vallender, Aktuelle Tendenzen zum Unternehmensinsolvenzrecht, DStR 1999, 2034; Kostentragungspflicht bei Anordnung der Postsperre, NZI 2003, 244; Voß, Zu den Anforderungen an die BegrÅndung einer Postsperre nach InsO § 99, EWiR 2009, 753; Zipperer, Sicherungsmaßnahmen gem. § 21 InsO – Neuer Wein in alten Schlsuchen?, NZI 2004, 656.

1. Katalog des § 21 Abs. 2 InsO Im Zeitraum zwischen Antragstellung und Entscheidung Åber die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens besteht hsufig ein BedÅrfnis, das von der Insolvenz betroffene VermÇgen vor einer weiteren Aufzehrung durch den Schuldner oder einzelne Glsubiger zu bewahren. Zu diesem Zweck kann das Insolvenzgericht gem. §§ 21, 22 InsO nach pflichtgemsßem Ermessen Sicherungsmaßnahmen ergreifen. Dabei kann es alle Maßnahmen treffen, die erforderlich erscheinen, um nachteilige Versnderungen in der VermÇgenslage des Schuldners zu verhindern. § 21 Abs. 2 InsO zshlt zulsssige Maßnahmen beispielhaft auf. Die dort benannten Maßnahmen sind jedoch nicht abschließend und auch frei miteinander kombinierbar.1 Im

1 Smid, § 4 Rz. 12.

30

B. ErÇffnungsverfahren

Laufe des ErÇffnungsverfahrens kÇnnen Maßnahmen ergsnzend angeordnet oder bereits angeordnete Maßnahmen aufgehoben werden.1 2. Vorllufiger Insolvenzverwalter ohne VerfÅgungsbefugnis Die in der Praxis hsufigste und wichtigste Sicherungsmaßnahme des Insolvenzgerichts ist die Einsetzung eines vorlsufigen Insolvenzverwalters nach § 21 Abs. 2 Ziff. 1 InsO. Ein vorlsufiger Insolvenzverwalter hat vor allem das vorhandene VermÇgen des Schuldners zu sichern. xblicherweise bestellt das Insolvenzgericht einen vorlsufigen Insolvenzverwalter, ohne zugleich gegen den Schuldner ein allgemeines VerfÅgungsverbot zu verhsngen. In solchen Fsllen kann der Schuldner gem. § 21 Abs. 2 Ziff. 2 Alt. 2 InsO fortan nur noch mit Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters wirksam Åber sein VermÇgen verfÅgen. Man spricht in diesen Fsllen von einem sog. „schwachen“ vorlsufigen Insolvenzverwalter. Der Schuldner bleibt zwar formal verfÅgungsbefugt, kann wirksame VerfÅgungen aber nur mit Zustimmung des vorlsufigen Verwalters treffen. VerfÅgungen, die ohne Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters vorgenommen wurden, sind gem. § 24 Abs. 1 i.V.m. § 81 Abs. 1 S. 1 InsO absolut unwirksam. VerfÅgung ist jedes Rechtsgeschsft, durch das ein Gegenstand auf einen Dritten Åbertragen, belastet, aufgehoben oder in seinem Inhalt versndert wird.2 Trifft der Schuldner entgegen der VerfÅgungsbeschrsnkung eine VerfÅgung, so kann der vorlsufige Insolvenzverwalter sie allerdings analog § 185 Abs. 2 BGB genehmigen.3 Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die VerfÅgung zu einem Vorteil fÅr die Insolvenzmasse fÅhrt.

2.39

Verpflichtungsgeschsfte werden von § 81 InsO nicht erfasst.4 Geht der Schuldner ohne Zustimmung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters Verpflichtungsgeschsfte ein, so sind diese uneingeschrsnkt wirksam. Dies fÅhrt allerdings nicht dazu, dass der Dritte durch die eingegangene Verpflichtung irgendeine besondere BefriedigungsmÇglichkeit erhielte. Soweit zur ErfÅllung der eingegangenen Verpflichtung nsmlich wiederum eine VerfÅgung Åber Gegenstsnde erforderlich wsre, die zum schuldnerischen VermÇgen gehÇren, ist hierfÅr die Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters nÇtig.

2.40

Die Tstigkeit des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters beschrsnkt sich in erste Linie auf Aufsichts- und Sicherungsfunktionen. Er ist weder prozessfÅhrungsbefugt, noch Åbernimmt er die Stellung des Arbeitgebers

2.41

1 2 3 4

MÇnning in Nerlich/RÇmermann, § 22 InsO Rz. 228. Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, Rz. 104. Windel in Jaeger, § 81 InsO Rz. 30. Kuleisa in HamburgerKomm/InsO, § 81 Rz. 5; Hess in Hess, § 81 InsO Rz. 11; Ott/Vuia in MÅnchKomm/InsO, § 81 Rz. 5; Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 81 InsO Rz. 2; Hnsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 10.02; Kayser in HeidelbergerKomm/ InsO, § 81 Rz. 6; Windel in Jaeger, § 81 InsO Rz. 7, 8.

31

Kapitel 2 Insolvenzrecht

anstelle des Schuldners.1 Ebenso wenig kann er Masseverbindlichkeiten begrÅnden, solange er nicht vom Insolvenzgericht dazu ermschtigt wurde.2 Der schwache vorlsufige Insolvenzverwalter ist somit darauf beschrsnkt, Handlungen des Schuldners zu unterbinden oder ihnen zuzustimmen.3

.42

BezÅglich der Auswahl eines vorlsufigen Verwalters finden Åber § 21 Abs. 2 Ziff. 1 InsO die Vorschriften der §§ 56, 58 bis 66 InsO zur Auswahl des Insolvenzverwalters entsprechende Anwendung. Die Bestellung eines vorlsufigen Insolvenzverwalters vollzieht sich grundsstzlich nach den gleichen Kriterien, die fÅr den endgÅltigen Insolvenzverwalter gelten. Gemsß § 56 InsO hat es sich bei der zu bestellenden Person um eine fÅr den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschsftskundige und von den Glsubigern sowie dem Schuldner unabhsngige Person zu handeln.

.43

Ein schwacher vorlsufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt ist weder VermÇgensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO, noch ist er VerfÅgungsberechtigter i.S.v. § 35 AO. Dies gilt selbst dann, wenn er die ihm vom Insolvenzgericht Åbertragenen Verwaltungsbefugnisse Åberschreitet und tatsschlich Åber Gelder des noch verfÅgungsberechtigten Schuldners verfÅgt.4 Somit bleibt der Schuldner wshrend des ErÇffnungsverfahrens persÇnlich zur ErfÅllung seiner steuerlichen Pflichten verpflichtet.

.44

Gemsß § 55 Abs. 4 InsO gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhsltnis, die mit Zustimmung eines vorlsufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt begrÅndet worden sind, nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Die Vorschrift ist hochproblematisch und verursacht eine Vielzahl von Zweifelsfragen. Im Einzelnen s. dazu unten Rz. 4.340 ff. 3. Vorllufiger Insolvenzverwalter mit VerfÅgungsbefugnis Daneben kommt als weitere wichtige Sicherungsmaßnahme die Anordnung eines allgemeinen VerfÅgungsverbotes gem. § 21 Abs. 2 Ziff. 2 Alt. 1 InsO in Betracht. Dieses Verbot bezieht sich auf das bei seiner Anordnung vorhandene VermÇgen sowie diejenigen VermÇgensgegenstsnde, die der Schuldner bis zur Entscheidung Åber den ErÇffnungsantrag erwirbt und die im Falle der ErÇffnung zur Insolvenzmasse gehÇren.5 Es stellt die rechtlich wirksamste Maßnahme zur Verhinderung manipulativer Eingriffe zum Nachteil der kÅnftigen Insolvenzmasse dar.6 Ein allgemeines 1 MÇnning in Nerlich/RÇmermann, § 22 InsO Rz. 214 ff. 2 BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625 (356 ff.) = BGHZ 151, 354; v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 191 (193); Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 105a. 3 MÇnning in Nerlich/RÇmermann, § 22 InsO Rz. 219. 4 BFH v. 27.5.2009 – VII B 156/08, ZIP 2009, 2255 (2255). 5 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 106. 6 Smid, Praxishandbuch Insolvenzrecht, § 4 Rz. 35.

32

B. ErÇffnungsverfahren

VerfÅgungsverbot hat zur Folge, dass VerfÅgungen des Schuldners absolut unwirksam sind, vgl. § 24 Abs. 1 i.V.m. §§ 81, 82 InsO.1 Wegen der besonders einschneidenden Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Schuldners ist hierbei besonders auf den Verhsltnismsßigkeitsgrundsatz zu achten. Die Anordnung eines allgemeinen VerfÅgungsverbotes kommt daher regelmsßig nur dann in Betracht, wenn die vorlsufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt sich als nicht ausreichend erwiesen hat oder erkennbar ist, dass die Glsubigerinteressen dadurch nicht hinreichend geschÅtzt werden kÇnnen, beispielsweise weil der Schuldner flÅchtig ist und ohne ihn Maßnahmen zur Aufrechterhaltung seines Geschsftsbetriebes getroffen werden mÅssen. Das allgemeine VerfÅgungsverbot kann grundsstzlich nicht als alleinstehende Sicherungsmaßnahme angeordnet werden, da es sonst niemanden gsbe, der Åber das SchuldnervermÇgen verfÅgen kÇnnte.2 Es ist daher mit der Bestellung eines vorlsufigen Insolvenzverwalters zu verbinden, der dann an Stelle des Schuldners verfÅgungsberechtigt ist.3 Man spricht in diesem Fall von einem starken vorllufigen Insolvenzverwalter. Seine Kompetenzen entsprechen weitgehend denen eines endgÅltigen Insolvenzverwalters.4 Anders als beim endgÅltigen Insolvenzverwalter beziehen sich die Aufgaben des vorlsufigen starken Insolvenzverwalters gem. § 22 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 InsO jedoch in erster Linie auf die Sicherung des schuldnerischen VermÇgens. Eine Verwertung von VermÇgensgegenstsnden ist grundsstzlich nur in Notfsllen mÇglich, etwa wenn es sich um verderbliche Ware handelt oder zur xberwindung einer Liquiditstskrise eine sofortige Versußerung nÇtig ist, um die FortfÅhrung des Unternehmens zu sichern.5

2.45

Zur Insolvenzanfechtung ist auch der starke vorlsufige Insolvenzverwalter nicht berechtigt. Dazu kann ihn auch das Insolvenzgericht nicht ermschtigen.6 Ein Unternehmen hat er bis zur Entscheidung Åber den Insolvenzantrag fortzufÅhren. Stilllegen kann er ein Unternehmen aufgrund der Entscheidungszustsndigkeit der Glsubigerversammlung gem. § 22 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 InsO nur mit Zustimmung des Gerichts, falls dies erforderlich sein sollte, um eine erhebliche Verminderung des VermÇgens zu vermeiden.7

2.46

1 Smid, Praxishandbuch Insolvenzrecht, § 4 Rz. 35; Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 24 Rz. 3; Uhlenbruck in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 14 Rz. 2; Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 106. 2 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 107. 3 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 107. 4 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 104; Haarmeyer in MÅnchKomm/ InsO, § 22 Rz. 23. 5 Drees/J. Schmidt in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 7 Rz. 230b; Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 22 Rz. 14. 6 Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 22 Rz. 3. 7 Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 22 Rz. 22.

33

Kapitel 2 Insolvenzrecht

.47

Verbindlichkeiten, die der starke Insolvenzverwalter eingeht, sind im erÇffneten Verfahren von § 55 Abs. 4 InsO abgesehen anders als beim vorlsufigen schwachen Insolvenzverwalter gem. § 55 Abs. 2 InsO als Masseverbindlichkeiten zu befriedigen. Die Norm findet beispielsweise Anwendung auf Massekredite, die der vorlsufige Insolvenzverwalter aufnimmt, um ein Unternehmen fortzufÅhren bzw. zu sanieren.1 Die zwingende Rechtsfolge des § 55 Abs. 2 InsO kann vom Insolvenzgericht nicht eingeschrsnkt werden.2 FÅr die spstere Uneinbringlichkeit von Masseverbindlichkeiten haftet der Insolvenzverwalter unter Umstsnden gem. § 61 InsO. Im Hinblick auf dieses kaum kalkulierbare Risiko, das von den meisten Verwaltern nur ungern eingegangen wird, kommt es in der Praxis nur selten zur Anordnung eines allgemeinen VerfÅgungsverbotes.3 Kommt es im Einzelfall doch dazu, sind den Beteiligten die BeschlÅsse Åber die Anordnung des allgemeinen VerfÅgungsverbotes und die Bestellung des starken vorlsufigen Verwalters gem. § 23 InsO zuzustellen, Çffentlich bekannt zu machen und in die entsprechenden Register einzutragen.

.48

Der starke vorlsufige Verwalter ist VermÇgensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO. Somit hat er die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners an dessen Stelle zu erfÅllen, § 34 Abs. 1 AO (Rz. 3.173 ff.). 4. Vorllufiger Insolvenzverwalter mit punktuellen Einzelermlchtigungen

.49

Ein in der Praxis hsufig beschrittener Mittelweg liegt zwischen der Anordnung eines allgemeinen VerfÅgungsverbotes und der Anordnung des bloßen Zustimmungsvorbehaltes. Das Insolvenzgericht kann dem vorlsufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt nsmlich gem. § 22 Abs. 2 Satz 1 InsO konkrete Ermschtigungen erteilen und Pflichten auferlegen. Die Konkretisierung erfolgt, indem Befugnisse in Bezug auf bestimmte Geschsfte bzw. Geschsftsarten erteilt werden, beispielsweise in Bezug auf den Forderungseinzug oder die FÅhrung des Bankverkehrs. In diesem begrenzten Umfang erwirbt der schwache vorlsufige Insolvenzverwalter dann VerfÅgungsmacht, wshrend im xbrigen der Schuldner die VerfÅgungsbefugnis behslt, die unter dem Vorbehalt der Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters steht. In Bezug auf solche vorlsufige Insolvenzverwalter spricht man auch von „halbstarken“ vorlsufigen Insolvenzverwaltern.

.50

Durch Einzelermschtigungen kann ein schwacher vorlsufiger Insolvenzverwalter, der grundsstzlich nicht prozessbefugt ist, durch Beschluss des Insolvenzgerichts auch ermschtigt werden, Prozesse mit Wirkung fÅr den Schuldner zu fÅhren.4 Die einem schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalter erteilten Einzelermschtigungen kÇnnen zwar grundsstzlich alle Bereiche der VermÇgenssphsre des Insolvenzschuldners bzw. alle seine recht1 2 3 4

Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 105. Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 22 Rz. 38. Drees/J. Schmidt in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 7 Rz. 230. Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 22 Rz. 58.

34

B. ErÇffnungsverfahren

lichen HandlungsmÇglichkeiten betreffen, dÅrfen jedoch im Ergebnis nicht Åber die Befugnisse eines starken vorlsufigen Insolvenzverwalters, auf den die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis Åbergegangen ist, hinausgehen.1 Es ist daher nicht mÇglich, den vorlsufigen Insolvenzverwalter zu ermschtigen, AnfechtungsansprÅche geltend zu machen, weil dazu auch ein starker vorlsufiger Insolvenzverwalter nicht berechtigt wsre. Der vorlsufige Insolvenzverwalter mit punktuellen Einzelermschtigungen ist kein VermÇgensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO und auch nicht VerfÅgungsberechtigter i.S.v. § 35 AO. Entscheidend fÅr die Stellung als VermÇgensverwalter oder VerfÅgungsberechtigter ist nsmlich die Befugnis, Åber ein bestimmtes VermÇgen im Ganzen verfÅgen zu kÇnnen. Eine Ermschtigung, Åber einzelne VermÇgensgegenstsnde verfÅgen zu kÇnnen oder bestimmte Verbindlichkeiten zu Lasten eines VermÇgens begrÅnden zu dÅrfen, reicht dafÅr nicht aus.

Abbildung 1: Unterschiede zwischen dem starken und dem schwachen Insolvenzverwalter 1 Haarmeyer in MÅnchKomm/InsO, § 22 Rz. 28.

35

2.51

Kapitel 2 Insolvenzrecht

5. Sachverstlndiger

.52

Das zentrale Ziel des ErÇffnungsverfahrens ist die Feststellung der formellen und materiellen Voraussetzungen fÅr die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens. Die dazu erforderliche Sachverhaltserforschung erfolgt dabei gemsß des Untersuchungsgrundsatzes (Inquisitionsmaxime) grundsstzlich von Amts wegen, insbesondere ist das Gericht an die Darlegungen im Insolvenzantrag nicht gebunden, sondern hat diese mit den ihm als geboten erscheinenden Mitteln auf ihre Richtigkeit zu prÅfen.1 Das Gericht hat insbesondere festzustellen, ob ein ErÇffnungsgrund vorliegt und eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse vorhanden ist.

.53

Mangels hinreichender betriebswirtschaftlicher Sachkunde und in Ermangelung eines eigenen Ermittlungsapparates ist es dem Gericht regelmsßig unmÇglich, diese Feststellungen ohne Hinzuziehung externer Spezialisten zu treffen. Daher Åbertrsgt das Gericht die Ermittlung der VermÇgensverhsltnisse in aller Regel gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 InsO auf einen Sachverstlndigen. Der PrÅfungsauftrag eines solchen Sachverstsndigen orientiert sich dabei an § 22 Abs. 1 S. 2 Ziff. 3 InsO. Je nach den regional unterschiedlichen Gepflogenheiten bestellt das Gericht den Sachverstsndigen zugleich zum vorlsufigen Insolvenzverwalter. Als solchen trifft ihn dann die zusstzliche Pflicht, das SchuldnervermÇgen vor nachteiligen znderungen bis zur Sachentscheidung Åber den Insolvenzantrag zu schÅtzen und ein ggf. zum schuldnerischen VermÇgen gehÇrendes Unternehmen unter Ausloten von Sanierungschancen einstweilen fortzufÅhren. Daneben bleibt der Betreffende verpflichtet, das Vorliegen von InsolvenzgrÅnden und ggf. die Deckung der Verfahrenskosten gutachterlich festzustellen.

.54

Die gleichzeitige Bestellung als Sachverstsndiger und vorlsufiger Insolvenzverwalter ist fast immer zweckmsßig, weil das Insolvenzgericht einen Sachverstsndigen nicht mit Eingriffskompetenzen ausstatten kann. Außerdem wÅrden die Rechtsinstitute der Sachverstsndigenbestellung und der Anordnung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung ansonsten in unzulsssiger Weise vermischt.2 Richtigerweise beschrsnkt sich die Auskunftspflicht des Schuldners im ErÇffnungsverfahren gem. § 22 Abs. 3 S. 3 InsO auf das Gericht und den vorlsufigen Insolvenzverwalter, wohingegen ein Sachverstsndiger gegen den Willen des Schuldners weder dessen Wohn- und Geschlftsrlume betreten, noch Bank- oder Geschsftsunterlagen einsehen darf.3 Um den Sachverstsndigen mit derlei Kompetenzen ausstatten zu kÇnnen, bedÅrfte es wegen Art. 10, 13 GG spezieller formell-rechtlicher Ermschtigungsgrundlagen. 1 Ganter in MÅnchKomm/InsO, § 5 Rz. 11; § 22 Rz. 138; LG Mannheim v. 4.5.1999 – 1 T 50/99, NZI 2000, 490 (491); Haarmeyer/Wutzke/FÇrster, Handbuch zur InsO, Kap. 3, Rz. 131 ff. 2 Ganter in MÅnchKomm/InsO, § 5 Rz. 36; Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 22 Rz. 7. 3 Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 22 Rz. 8; Ernestus in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 4 Rz. 5.

36

B. ErÇffnungsverfahren

Insbesondere in einfach gelagerten Fsllen, in denen der Schuldner redlich und kooperativ ist und die VermÇgensverhsltnisse ohne weiteres Åberschaubar sind, kommt aber auch die isolierte Bestellung eines Sachverstsndigen ohne gleichzeitige Anordnung der vorlsufigen Verwaltung in Betracht.

2.55

Zu beachten ist, dass der vom Gericht bestellte Sachverstsndige sowohl von dem Schuldner, als auch von dem antragstellenden Glsubiger wegen Befangenheit gem. § 4 InsO i.V.m. §§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 ZPO abgelehnt werden kann, beispielsweise weil der Sachverstsndige frÅher fÅr den Schuldner oder einen Glsubiger tstig gewesen ist.1

2.56

6. Postsperre Um fÅr die Glsubiger nachteilige Rechtshandlungen aufzuklsren oder zu verhindern, kann das Insolvenzgericht gem. § 21 Abs. 2 Ziff. 4 InsO bereits im vorlsufigen Insolvenzverfahren eine Postsperre anordnen, § 99 Abs. 1 InsO. Die Postsperre bewirkt, dass die in dem Beschluss benannten PostbefÇrderungsunternehmen demjenigen, gegen den sie verhsngt wurde, keine PoststÅcke mehr zuleiten dÅrfen, sondern diese dem vorllufigen Insolvenzverwalter zu Åbergeben haben. Der vorlsufige Insolvenzverwalter ist berechtigt, diese PoststÅcke zu Çffnen und deren Inhalt zur Kenntnis zu nehmen, § 99 Abs. 2 InsO. Darin liegt ein Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG. Das Zitiergebot ist durch § 102 InsO gewahrt. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht.2 Die Postsperre umfasst zwar regelmsßig nur Postsendungen; das Insolvenzgericht kann allerdings auch E-Mails in seine Anordnung mit einbeziehen.3 Der Beschluss hat dann den Netzbetreiber und die Emailadresse zu enthalten, auf die sich die Postsperre beziehen soll.4

2.57

Die Anordnung einer Postsperre ist insbesondere angebracht, wenn der Schuldner die Arbeit des vorlsufigen Insolvenzverwalters behindert oder unzureichende Angaben Åber seine VermÇgensverhsltnisse macht; eine Postsperre kommt vor allem in Betracht, wenn er Betriebsunterlagen verschwinden lssst.5

2.58

7. Untersagung und Einstellung der Zwangsvollstreckung Nach § 21 Abs. 2 Ziff. 3 InsO kÇnnen wshrend des ErÇffnungsverfahrens Maßnahmen der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Schuldnerver1 Ganter in MÅnchKomm/InsO, § 5 Rz. 34. 2 BVerfG v. 6.11.2000 – 1 BvR 1746/00, ZIP 2000, 2311 = NZI 2001, 132 (133); Kayser in HeidelbergerKomm/InsO, § 99 Rz. 3: verfassungsrechtlich unbedenklich, weil es den Grundrechten der Glsubiger auf effektive Justizgewshrung angemessen Rechnung trsgt; Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 99 InsO Rz. 2. 3 AusfÅhrlich hierzu: Stephan in MÅnchKomm/InsO, § 99 Rz. 20. 4 Kayser in HeidelbergerKomm/InsO, § 99 Rz. 8. 5 Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 21 Rz. 12.

37

2.59

.60

.61

Kapitel 2 Insolvenzrecht

mÇgen untersagt bzw. einstweilen eingestellt werden. Die Einstellung erfolgt, wenn Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bereits begonnen haben. Von der Untersagung sind Zwangsvollstreckungsmaßnahmen betroffen, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Anordnung noch nicht begonnen haben. Untersagung und Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen haben vor allem den Zweck, das im Falle einer ErÇffnung des Insolvenzverfahrens zur Masse gehÇrende VermÇgen vorlsufig zusammen zu halten, um die Zerschlagung betrieblich-organisatorischer Sachgesamtheiten zu verhindern und ggf. eine Åberlegte, gÅnstigere VerwertungsmÇglichkeit zu finden bzw. die FortfÅhrung eines zum SchuldnervermÇgen gehÇrenden Unternehmens zu ermÇglichen. Es soll verhindert werden, dass sich einzelne Glsubiger noch im InsolvenzerÇffnungsverfahren rechtswirksam zwangsweise Befriedigung aus dem SchuldnervermÇgen verschaffen und die Haftungsmasse zum Nachteil der Åbrigen Glsubiger verkÅrzen.1 Das Interesse der Glsubigergesamtheit an einer bestmÇglichen gleichmsßigen Befriedigung (par conditio creditorum) geht insoweit dem Interesse eines einzelnen Glsubigers an der DurchfÅhrung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vor. Durch diese gerichtliche Anordnung wird die im erÇffneten Verfahren eintretende Vollstreckungssperre gem. § 89 InsO in das ErÇffnungsverfahren vorverlagert.2 Auf Antrag des vorlsufigen Insolvenzverwalters gem. § 30d Abs. 4 ZVG kann auch die einstweilige Einstellung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche VermÇgen erfolgen.3 Der Insolvenzverwalter muss dabei gem. § 30d Abs. 4 ZVG glaubhaft machen, dass mit der weiteren FortfÅhrung des Versteigerungsverfahrens nachteilige Versnderungen in der VermÇgenslage des Schuldners verbunden sind. Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn Gegenstand der Immobiliarvollstreckung ein BetriebsgrundstÅck ist, das im Rahmen einer mÇglichen Sanierung des Schuldnerunternehmens benÇtigt wird. 8. Sonstige Maßnahmen Da § 21 Abs. 2 InsO die denkbaren Sicherungsmaßnahmen nicht abschließend regelt, kann das Insolvenzgericht auch andere Maßnahmen anordnen, wenn es diese fÅr erforderlich und verhsltnismsßig hslt. Diese Maßnahmen kÇnnen beispielsweise umfassen: – Beschlagnahme von Geschsftsrsumen oder -unterlagen des Schuldners – Kontosperre4 – Untersagung an die Banken, auf Schuldnerkonten Verrechnungen vorzunehmen5 1 Gerhardt in Jaeger, § 21 InsO Rz. 4. 2 Haarmeyer in MÅnchKomm/InsO, § 21 Rz. 59, 60. 3 Vgl. hierzu ausfÅhrlich Hintzen, ZInsO 1998, 318 (319 ff.); Jungmann, NZI 1999, 352 (353). 4 Foerste, Insolvenzrecht, Rz. 105. 5 Vallender in Uhlenbruck, § 21 InsO Rz. 21.

38

B. ErÇffnungsverfahren

– Befreiung vom Bankgeheimnis zugunsten des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters – Befreiung vom Steuergeheimnis zugunsten des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters – Befreiung eines Steuerberaters von der Pflicht zur Verschwiegenheit zugunsten des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters. Die Regelung des § 21 Abs. 3 InsO erlaubt als ultima ratio sogar Beschrsnkungen gegenÅber der Person des Schuldners. Ist zu befÅrchten, dass der Schuldner Handlungen vornimmt, die die Insolvenzmasse gefshrden, kann er zwangsweise vorgefÅhrt und in Haft genommen werden.1 Dies gilt auch im Verbraucherinsolvenzverfahren und sogar bei einem Eigenantrag.2 Die Haft stellt die einschneidendste Maßnahme dar, so dass sie nur zulsssig ist, wenn weniger einschrsnkende Maßnahmen nicht mehr ausreichen, um den Insolvenzverfahrenszweck sicherzustellen. Außerdem ist der Schuldner vor dieser Anordnung anzuhÇren.3 Zur Sicherung der Erreichbarkeit des Schuldners und der Vermeidung einer Flucht ins Ausland ist auch der Entzug des Reisepasses oder der Eintrag eines Ausreiseverbots zulsssig.4

2.62

9. Aufhebung von Sicherungsmaßnahmen Die Sicherungsmaßnahmen sind aufzuheben, sobald sie nicht mehr erforderlich sind, so etwa, wenn der Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen wird.5 Gemsß § 25 Abs. 1 InsO ist die Aufhebung Çffentlich bekannt zu machen. Mit ErÇffnung des Insolvenzverfahrens verlieren die Sicherungsmaßnahmen automatisch ihre Wirksamkeit, sie werden jedoch durch die materiell-rechtlichen Wirkungen der VerfahrenserÇffnung (§§ 80 ff. InsO) adsquat ersetzt.6

VI. ErÇffnungsgrÅnde Literatur Altmeppen, Zur Frage, ob eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen im xberschuldungsstatus zu passivieren sind und zur Haftung des GeschsftsfÅhrers einer GmbH, ZIP 2001, 240; Anton, FortfÅhrungsquoten im neuen Insolvenzrecht – Bewertung und Ausblick, ZInsO 2009, 506; Burger/Schellberg, Die AuslÇsetatbestsnde im neuen Insolvenzrecht, BB 1995, 261; Dahl, Die znderung des xberschuldungsbegriffes durch Art. 5 des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes, NZI 1 2 3 4

Gottwald in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 130 Rz. 29. Kirchhof in HeidelbergerKomm, § 21 Rz. 27. Sietz in Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 20, Rz. 17. Vallender in Uhlenbruck, § 21 InsO Rz. 10; a.A. Haarmeyer in MÅnchKomm/ InsO, § 21 Rz. 93. 5 Vallender in Uhlenbruck, § 311 InsO Rz. 32. 6 Kind in Braun, § 25 InsO Rz. 7.

39

2.63

.64

Kapitel 2 Insolvenzrecht 2008, 719; Eckert/Happe, Totgesagte leben lsnger – Die (vorÅbergehende) RÅckkehr des zweistufigen xberschuldungsbegriffes, ZInsO 2008, 1098; Frystatzki, Ungeklsrte Probleme bei der Ermittlung der Zahlungsunfshigkeit und der neue IDW PS 800, NZI 2010, 389; Greil/Herden, Die ErÇffnungsgrÅnde des Insolvenzverfahrens, ZJS 2010, 690; Gruber, Zur Frage, zu welchem Zeitpunkt die GrÅnde fÅr die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens vorliegen mÅssen, DZWIR 2007, 154; Henkel, Die PrÅfung des ErÇffnungsgrundes durch das Insolvenzgericht bei Ableitung aus einer streitigen Verbindlichkeit, ZInsO 2011, 1237; Niesert, xbersicht Åber die Rechtsprechung zu den InsolvenzgrÅnden Zahlungsunfshigkeit und xberschuldung in 2001, ZInsO 2002, 35; NÇll, Das insolvenzrechtliche Stichtagsprinzip und die beschwerdegerichtliche PrÅfung der materiellen ErÇffnungsvoraussetzungen, ZInsO 2007, 249; Pape, InsolvenzgrÅnde im Verbraucherinsolvenzverfahren, WM 1998, 2125; Penzlin, Kritische Anmerkungen zu den InsolvenzerÇffnungsgrÅnden der drohenden Zahlungsunfshigkeit und der xberschuldung (§§ 18 und 19 InsO), NZG 2000, 464; Penzlin, Kritische Anmerkungen zum InsolvenzerÇffnungsgrund der Zahlungsunfshigkeit (§ 17 InsO), NZG 1999, 1203; Pohl, Der Insolvenzgrund der Zahlungsunfshigkeit, 2010; Roth, Die ErÇffnungsgrÅnde im Nachlassinsolvenzverfahren, ZInsO 2009, 2265; Rugullis, Die InsolvenzgrÅnde des Vereins, DZWIR 2008, 404; Schmahl, Zur Darstellung und Glaubhaftmachung der Forderung eines Çffentlich-rechtlichen Glsubigers im InsolvenzerÇffnungsantrag, NZI 2007, 20; Schmitz/Dahl, Probleme von xberschuldung und Zahlungsunfshigkeit nach FMStG und MoMiG, NZG 2009, 567; Tetzlaff, Neues zum Insolvenzgrund der Zahlungsunfshigkeit, ZInsO 2007, 1334; Uhlenbruck, Der Insolvenzgrund im Verbraucherinsolvenzverfahren, NZI 2000, 15; Zipperer, Nichterweislichkeit des Insolvenzgrundes oder Abweisung mangels Masse – Zum Rechnen mit Unbekannten, NZI 2003, 590 ff.; Arbeitshinweise des AG Duisburg fÅr Insolvenzsachverstsndige im ErÇffnungsverfahren, NZI 1999, 308.

1. Erforderlichkeit der pberzeugung des Gerichts vom Vorliegen wenigstens eines ErÇffnungsgrundes Aufgrund der schwerwiegenden Eingriffe in die Rechte des Schuldners setzt § 16 InsO fÅr die ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens zwingend das Vorliegen eines Insolvenzgrundes voraus.1 Als InsolvenzgrÅnde kommen gem. §§ 17 ff. InsO neben dem allgemeinen Insolvenzgrund der Zahlungsunfshigkeit, je nach Person des Antragstellers und Insolvenzsubjekts auch die drohende Zahlungsunfshigkeit und die xberschuldung in Betracht. Im Hinblick darauf hat das Insolvenzgericht den Sachverhalt im Rahmen seiner PrÅfung der BegrÅndetheit des Insolvenzantrages amtswegig zu ermitteln.2 Das Gericht bedient sich dabei oft externer Hilfe, indem es einen Sachverstsndigen (§ 5 InsO) beauftragt. Das schriftliche Gutachten des Sachverstsndigen bildet spster die Grundlage, auf der das Insolvenzgericht sachlich Åber die Frage der VerfahrenserÇffnung entscheidet. Demgemsß hat der Sachverstsndige die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhsltnisse des Schuldners, die Ursachen der Krise und die aktuelle Situation umfassend zu ermitteln und anschaulich darzulegen.

1 Pape in Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 17, Rz. 1. 2 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 22.

40

B. ErÇffnungsverfahren

Um das Insolvenzverfahren erÇffnen zu kÇnnen, muss das Vorliegen wenigstens eines InsolvenzerÇffnungsgrundes zur xberzeugung des Gerichts feststehen.1

2.65

2. Zahlungsunflhigkeit (§ 17 InsO) § 17 InsO enthslt den allgemeinen ErÇffnungsgrund der Zahlungsunfshigkeit. Allgemeiner ErÇffnungsgrund bedeutet, dass dieser Insolvenzgrund bei Schuldnern aller Art in Betracht kommt, unabhsngig davon ob es sich um eine natÅrliche oder juristische Person oder eine Gesellschaft ohne RechtspersÇnlichkeit handelt.2 Die Zahlungsunfshigkeit ist in der Praxis der hsufigste Insolvenzgrund.3

2.66

Als Zahlungsunfshigkeit wird ein Zustand bereits eingetretener Illiquiditst bezeichnet, der durch eine vorhandene LiquiditstslÅcke gekennzeichnet ist.4 Nach der Legaldefinition des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO liegt Zahlungsunfshigkeit vor, wenn der Schuldner zur ErfÅllung seiner fslligen Zahlungspflichten nicht in der Lage ist. Aus dem Wortlaut lssst sich ableiten, dass die Begriffsbestimmung auf Basis rein objektiver Merkmale erfolgt.5 Unter die Zahlungspflichten i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO fallen alle persÇnlichen Verbindlichkeiten des Schuldners, die auf Zahlung von Geld gerichtet sind.6 Grundsstzlich kÇnnen jedoch auch nicht geleistete Sach- oder Dienstleistungen in dem Maß BerÅcksichtigung finden, wie sie SchadensersatzansprÅche in Geld begrÅnden, die von dem Schuldner nicht befriedigt werden kÇnnen.7 Die Verbindlichkeiten mÅssen einredeund einwendungsfrei bestehen und fsllig sein.8 Die Voraussetzungen der Fslligkeit richten sich dabei zunschst nach den allgemeinen Vorschriften des § 271 BGB. Demnach steht eine wirksam vereinbarte Stundung der Fslligkeit der Zahlungspflicht entgegen, so dass gestundete Forderungen bei der Beurteilung der Zahlungsunfshigkeit nicht zu berÅcksichtigen sind.9 Auf der anderen Seite setzt Fslligkeit nicht voraus, dass sich der Schuldner mit der betreffenden Zahlungspflicht bereits in Verzug befindet.10

2.67

Fslligkeit i.S.d. § 17 Abs. 2 InsO setzt zusstzlich zu den allgemeinen zivilrechtlichen Anforderungen voraus, dass der Glsubiger die Forderung auch

2.68

1 BGH v. 26.4.2007 – IX ZB 86/06, ZInsO 2007, 1275; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rz. 300. 2 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 84. 3 Paulus, Insolvenzrecht, S. 69. 4 Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 212 ff. 5 Eilenberger in MÅnchKomm/InsO, § 17 Rz. 6. 6 Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rz. 302. 7 MÅller in Jaeger, § 17 InsO Rz. 6. 8 Eilenberger in MÅnchKomm/InsO, § 17 Rz. 7. 9 Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rz. 304. 10 Eilenberger in MÅnchKomm/zur InsO, § 17 Rz. 7.

41

Kapitel 2 Insolvenzrecht

„ernsthaft einfordert“.1 Entgegen zunschst anderslautender Literaturmeinungen2 hslt der BGH damit an seiner bereits zur Konkursordnung ergangenen Rechtsprechung fest. Danach ist zur BegrÅndung insolvenzrechtlicher Fslligkeit grundsstzlich eine Zahlungsaufforderung, etwa in Form einer Rechnung, erforderlich. Ein ernsthaftes Einfordern liegt demgegenÅber dann nicht vor, wenn der Glsubiger in eine spstere oder nachrangige Befriedigung einwilligt. Im konkreten Fall sah der BGH die Forderung eines Steuerberaters als nicht fsllig an, weil dieser sich mit dem Schuldner darauf verstsndigt hatte, dass dieser die Forderung „im Rahmen seiner finanziellen MÇglichkeiten“ begleicht.

.69

Der Schuldner ist zur Zahlung nicht in der Lage, wenn eine LiquiditstslÅcke zwischen den verfÅgbaren Zahlungsmitteln auf der einen und den fslligen Zahlungspflichten auf der anderen Seite besteht.3 Das UnvermÇgen zur Leistung muss auf einem objektiven Mangel an auszugebenden Zahlungsmitteln beruhen.4 Man bezeichnet die Zahlungsunfshigkeit deshalb auch als „Geldilliquiditst“.5 Wann jedoch ein UnvermÇgen i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO vorliegt, ist der Legaldefinition nicht zu entnehmen. Insbesondere bleibt unklar, wie lange die LiquiditstslÅcke des Schuldners anhalten darf, bis eine vorÅbergehende Zahlungsstockung in eine Zahlungsunfshigkeit umschlsgt. Zum anderen stellt sich die Frage, ob jede noch so geringfÅgige LiquiditstslÅcke zur Annahme einer Zahlungsunfshigkeit ausreicht.6

.70

Die Rechtsprechung hatte lange keine eindeutigen Kriterien entwickelt, wie der insolvenzrechtliche Zeitpunkt der Zahlungsunfshigkeit prszise zu definieren ist. Orientierungspunkt war in der Regel die frÅhere BGHRechtsprechung zur Konkurs- und Gesamtvollstreckungsordnung, nach der eine vorÅbergehende Zahlungsstockung jedenfalls dann nicht mehr vorlag, wenn der Schuldner in einem Zeitraum von vier Wochen seine fslligen Verbindlichkeiten bzw. 3/5 der fslligen Verbindlichkeiten nicht begleichen konnte.7 Erst im Rahmen seines Grundsatzurteils vom 24.5.20058 hat der BGH dazu Stellung genommen, wie lange das UnvermÇgen des Schuldners zur Begleichung seiner Verbindlichkeiten anhalten darf, damit noch eine vorÅbergehende Zahlungsstockung vorliegt. Eine vorÅbergehende Zahlungsunterbrechung und damit eine unschsdliche Zahlungsstockung liegt nach der BGH-Entscheidung nur dann vor, wenn sie voraussichtlich innerhalb eines Zeitraums von drei Wochen beseitigt werden kann. Dies entspricht dem Zeitraum, den eine kreditwÅrdige Per1 BGH v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZIP 2007, 1666 = BGHZ 173, 286; v. 22.5.2014 – IX ZR 95/13, ZIP 2014, 1289; v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12. 2 Vgl. Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 17 InsO Rz. 8. 3 MÅller in Jaeger, § 17 InsO Rz. 19. 4 MÅller in Jaeger, § 17 InsO Rz. 14. 5 Uhlenbruck in Gottwald, Insolvenzrechts- Handbuch, § 6 Rz. 5. 6 Neumaier, NJW 2005, 3041 (3042). 7 BGH v. 9.1.2003 – IX ZR 175/02, ZIP 2003, 410 = NJW-RR 2003, 697 (699). 8 BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, NJW 2005, 3062 (3064).

42

B. ErÇffnungsverfahren

son Åblicherweise benÇtigt, um sich die benÇtigen Mittel bei seiner Bank bzw. am Geldmarkt zu verschaffen.1 Eine Zahlungsstockung schlsgt in Zahlungsunfshigkeit um, wenn nach Ablauf dieser dreiwÇchigen Frist nicht alle Glsubiger befriedigt werden oder eine Befriedigung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in einem fÅr die Glsubiger zumutbaren Zeitraum nicht zu erwarten ist.2 Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen jedoch quantitativ geringfÅgige LiquiditltslÅcken außer Acht bleiben.3 Betrsgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende LiquiditstslÅcke des Schuldners weniger als 10 % seiner fslligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmsßig von Zahlungsstockung auszugehen.4 Werte von 10 % und mehr lassen widerlegbar das Vorliegen einer Zahlungsunfshigkeit vermuten, stellen jedoch keine starre Grenze dar.5 Eine Zahlungsunfshigkeit liegt z.B. trotz einer LiquiditstslÅcke von 10 % und mehr ausnahmsweise dann nicht vor, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die LiquiditstslÅcke demnschst – in einem Åberschaubaren Zeitraum von mehr als drei Wochen – vollstsndig oder fast vollstsndig beseitigt wird und den Glsubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umstsnden des Einzelfalles z.B. bei einer positiven Zukunftsprognose, zuzumuten ist.6 Abzugrenzen ist die Zahlungsunfshigkeit von der bloßen Zahlungsunwilligkeit, die gesetzlich nicht geregelt ist.7 Sie liegt vor, wenn der Schuldner trotz vorhandener Geldliquiditst seine fslligen Verpflichtungen nicht begleicht, was einen Fall der Leistungsverweigerung darstellt. Im Gegensatz hierzu setzt die Zahlungsunfshigkeit gem. § 17 InsO den objektiven Mangel an Zahlungsmitteln voraus.8 Auf subjektive Merkmale beim Schuldner kommt es nicht an.9 Stehen dem Schuldner demnach ausreichende liquide Mittel zur VerfÅgung, und zahlt der Schuldner beispielsweise aufgrund von Einreden oder schlichter BÇswilligkeit nicht, besteht keine insolvenzrechtliche Zahlungsunfshigkeit.10 Der Glsubiger eines zahlungsunwilligen Schuldners wird sich daher vielmehr auf die Einzelzwangsvollstreckung verweisen lassen mÅssen.11

1 So auch: Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 17 Rz. 18. 2 BGH v. 8.10.1998 – IX ZR 337, ZIP 1998, 2008; Eilenberger in MÅnchKomm/ InsO, § 17 Rz. 5. 3 Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rz. 309. 4 BGH v. 9.10.2012 – II ZR 298/11, ZIP 2012, 2391; v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, NJW 2005, 3062 (3063); Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 17 Rz. 118; Sommerbach in FrankfurterKomm/InsO, § 17 Rz. 17. 5 BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, ZIP 2013, 2015 = NZI 2013, 932; Sommerbach in FrankfurterKomm/InsO, § 17 Rz. 17. 6 Neumaier, NJW 2005, 3041 (3042). 7 Uhlenbruck in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 6 Rz. 8. 8 MÅller in Jaeger, § 17 InsO Rz. 13. 9 Bußhardt in Braun, § 17 InsO Rz. 22. 10 Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 17 InsO Rz. 11 ff., 26. 11 Bußhardt in Braun, § 17 InsO Rz. 22.

43

2.71

Kapitel 2 Insolvenzrecht

.72

Da in der Praxis hsufig eine Zahlungsunwilligkeit nur vorgeschoben wird, um eine tatsschlich schon bestehende Zahlungsunfshigkeit zu verheimlichen, muss hier eine sorgfsltige PrÅfung im Insolvenzantragsverfahren durch das Insolvenzgericht bzw. den dafÅr bestellten Sachverstsndigen erfolgen. Grundsstzlich trsgt der Antragsteller die materielle Beweislast fÅr die Zahlungsunfshigkeit.1 Da der Nachweis der Zahlungsunfshigkeit fÅr den antragstellenden Glsubiger jedoch nur schwer zu erbringen sein wird, begrÅndet die Zahlungseinstellung des Schuldners gem. § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO die gesetzliche und widerlegbare Vermutung fÅr das Vorliegen von Zahlungsunfshigkeit.2 Daneben kÇnnen sich Indizien fÅr eine Zahlungseinstellung auch beispielsweise aus der Schließung des schuldnerischen Geschsftslokals ohne ordnungsgemsße Abwicklung, der Verhaftung des Schuldners, Nichtbezahlung notwendiger Betriebskosten wie Miete oder Sozialversicherungsabgaben oder der Hsufung von Pfsndungen oder hsufigen Wechselprotesten ergeben.3

.73

Maßgeblicher Zeitpunkt fÅr die Feststellung der Zahlungsunfshigkeit ist nach ganz Åberwiegender Meinung der Moment der Entscheidung des Insolvenzgerichts, wie er im ErÇffnungsbeschluss mit Datum und Zeit beurkundet ist.4 Zu diesem Zeitpunkt muss der Schuldner nach der xberzeugung des Gerichts zahlungsunfshig sein, also dauerhaft seine fslligen Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen kÇnnen. Nicht abzustellen ist hingegen auf den Zeitpunkt der Antragstellung.5 Somit ist das Verfahren selbst dann zu erÇffnen, wenn der Schuldner bei Antragstellung noch nicht zahlungsunfshig war, es aber im Laufe des ErÇffnungsverfahrens wurde.6 Bei zwischenzeitlichem Wegfall der Zahlungsunfshigkeit ist der Antrag hingegen als unbegrÅndet zurÅckzuweisen.

.74

3. Drohende Zahlungsunflhigkeit, § 18 InsO § 18 InsO enthslt den InsolvenzerÇffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfshigkeit. Wshrend bei der drohenden Zahlungsunfshigkeit im Rahmen einer Zukunftsprognose auch alle derzeit noch nicht fslligen Zahlungspflichten, sowie alle bereits voraussehbaren aber noch nicht begrÅndeten Verbindlichkeiten erfasst werden (z.B. LohnansprÅche), sind im Rahmen des § 17 Abs. 2 S. 1 InsO lediglich alle bereits fsllig gewordenen Zahlungspflichten zu berÅcksichtigen.7 Im Falle der drohenden Zahlungs1 BGH v. 15.3.2012 – IX ZR 239/09, ZIP 2012, 735 = NZI 2012, 416; Eilenberger in MÅnchKomm/InsO, § 17 Rz. 28. 2 Bußhardt in Braun, § 17 InsO Rz. 31. 3 Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rz. 324; Foerste, Insolvenzrecht, Rz. 110. 4 BGH v. 27.7.2006 – IX ZB 204/04, BGHZ 169, 17 = ZIP 2006, 1957; Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 86; Schmahl in MÅnchKomm/InsO, § 16 Rz. 41; ausfÅhrlich zum Ganzen: NÇll, ZInsO 2007, 249 (249 ff.). 5 Vgl. MÇnning in Nerlich/RÇmermann, § 17 InsO Rz. 32. 6 Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 16 Rz. 16. 7 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 89.

44

B. ErÇffnungsverfahren

unfshigkeit ist der Schuldner nicht zur Antragstellung verpflichtet.1 Einem Glsubiger steht bei bloß drohender Zahlungsunfshigkeit noch kein Antragsrecht zu. Zweck dieses ErÇffnungsgrundes ist es, eine MÇglichkeit fÅr den Schuldner zu schaffen, bei einer sich fÅr die Zukunft abzeichnenden Insolvenz bereits frÅhzeitig verfahrensrechtliche Maßnahmen zu seiner Sanierung einzuleiten.2 Der Prognosezeitraum wird in der Regel begrenzt durch das Fslligwerden der letzten gegenwsrtig bestehenden Verbindlichkeit, wobei eine Prognose Åber einen lsngeren Zeitraum als 1 bis 2 Jahre kaum zuverlsssig sein wird.3 In die Prognose muss die gesamte Entwicklung der Finanzlage des Schuldners mit einbezogen werden. Vorhandene Liquiditst und zu erwartende Einnahmen sind denjenigen Verbindlichkeiten gegenÅberzustellen, die in einem Åberschaubaren Zeitraum voraussichtlich fsllig werden. Auf dieser Grundlage ist zu prÅfen, ob der Eintritt der Zahlungsunfshigkeit wahrscheinlicher ist als deren Vermeidung, d.h. die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Zahlungsunfshigkeit muss Åber 50 % liegen.4

2.75

4. pberschuldung (§ 19 InsO) a) Gesetzliche Definition Bei juristischen Personen und diesen nach § 11 Abs. 1 Satz 2 InsO gleichgestellten nicht rechtsfshigen Vereinen kommt neben dem allgemeinen ErÇffnungsgrund der Zahlungsunfshigkeit auch die xberschuldung als ErÇffnungsgrund (§ 19 Abs. 1 InsO) in Betracht. Gleiches gilt gem. § 19 Abs. 3 InsO fÅr Personengesellschaften, bei denen – wie bei der GmbH & Co. KG – keine natÅrliche Person persÇnlich haftet, und gem. § 320 InsO fÅr Nachlssse.

2.76

xberschuldung liegt nach der Legaldefinition des § 19 Abs. 2 InsO immer dann vor, wenn das VermÇgen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Maßgeblicher Bezugszeitpunkt fÅr die xberschuldungsprÅfung ist der Moment der VerfahrenserÇffnung, in aller Regel also der Tag der insolvenzgerichtlichen Entscheidung Åber den ErÇffnungsantrag.5

2.77

1 SchrÇder in HamburgerKomm/InsO, § 18 Rz. 4. 2 Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 18 Rz. 2; SchrÇder in HamburgerKomm/ InsO, § 18 Rz. 1. 3 Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 18 Rz. 8. 4 Spliedt in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 1 Rz. 102; Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 89; ausfÅhrlich: Begr. RegE zu § 22 RegE in Balz/ Landfermann, S. 91. 5 SchrÇder in HamburgerKomm/InsO, § 19 Rz. 11; ausfÅhrlich zum Ganzen NÇll, ZInsO 2007, 249 (249). Danach hat sich auch eine denkbare beschwerdegerichtliche xberprÅfung auf den Tag der insolvenzgerichtlichen Entscheidung (rÅck-)zu beziehen, d.h. etwaige zwischenzeitliche Entwicklungen außer Betracht zu belassen.

45

Kapitel 2 Insolvenzrecht

b) pberschuldungsprÅfung nach frÅherem Recht

.78

Die Ermittlung der xberschuldung erfolgte anhand des Schuldendeckungsprinzips mit Hilfe der Erstellung einer pberschuldungsbilanz.1 In dieser waren Aktiva und Passiva einander wertmsßig gegenÅber zu stellen.2 Dabei waren die aufzunehmenden Gegenstsnde des AktivvermÇgens zunschst mit Liquidationswerten anzusetzen, d.h. denjenigen Werten, die sich bei einer Einzelversußerung im Zuge einer Zerschlagung des Unternehmens fÅr jeden einzelnen Gegenstand erzielen ließen.3 Ergab sich daraus rechnerisch eine xberschuldung, so war getreu dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 InsO a.F. auf zweiter Stufe eine FortfÅhrungsprognose zu erstellen (sog. mehrstufige xberschuldungsprÅfung). Dabei war zu ermitteln, ob eine FortfÅhrung Åberwiegend wahrscheinlich ist. Maßgebend fÅr die FortfÅhrungsprognose war, ob sich ein ordentlicher GeschsftsfÅhrer auf der Grundlage einer gewissenhaften, sachkundigen PrÅfung aller am Stichtag erkennbaren wesentlichen Umstsnde fÅr eine FortfÅhrung des Unternehmens entscheiden wÅrde.4 Wurde diese Frage verneint, stand die xberschuldung fest. Wurde sie bejaht, war eine zweite xberschuldungsbilanz zu erstellen. In dieser waren die Aktiva mit ihren in der Regel hÇheren FortfÅhrungswerten (sog. „Going-concern-Werte“) anzusetzen.5 Ergab auch diese PrÅfung, dass die Aktiva die Verbindlichkeiten nicht voll abdeckten, lag der ErÇffnungsgrund der xberschuldung vor. Anderenfalls war der Antrag als unbegrÅndet abzuweisen.

.79

Die Feststellung der xberschuldung erfolgt anhand einer besonderen Berechnung. FÅr diesen sog. xberschuldungsstatus gelten gsnzlich andere Grundsstze als im Rahmen der handelsrechtlichen Bilanzierung nach §§ 253 ff. HGB. Eine handelsrechtliche Unterbilanz, die dadurch gekennzeichnet ist, dass das ReinvermÇgen die Eigenkapitalziffer nicht mehr erreicht, kann allenfalls indizielle Bedeutung fÅr das Vorliegen einer xberschuldung haben und den GeschsftsfÅhrer verpflichten, eine xberschuldungsprÅfung vorzunehmen. In der xberschuldungsbilanz ist das vorhandene VermÇgen realistisch abzubilden. Abschreibungen auf WirtschaftsgÅter sind unerheblich. Alle stillen Reserven (einschließlich eines etwaigen „good-will“) und Lasten der Bilanzwerte sind aufzulÇsen und die tatsschlich erzielbaren Marktpreise anzusetzen. Bei der Bewertung eines GrundstÅckes kann bei Zugrundelegung von FortfÅhrungswerten auf den nach der Ertragswertmethode zu bestimmenden objektiven Verkehrswert zurÅckgegriffen werden. Andernfalls wsre auf den gegenwsrtig tatsschlich am Markt fÅr vergleichbare Objekte zu erzielenden Preis abzustellen. Soweit bei der Ermittlung des Wertes von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Halb- und Fertigerzeugnissen, Liquidationswerte anzusetzen wsren, wsre der Zeitwert der Produkte maßgeblich. Wsren 1 2 3 4 5

Dazu ausfÅhrlich: Harz, ZInsO 2001, 193 (198 ff.). SchrÇder in HamburgerKomm/InsO, § 19 Rz. 19. Schmerbach in FrankfurterKomm/InsO, § 19 Rz. 10. Schmerbach in FrankfurterKomm/InsO, § 19 Rz. 19. Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 93.

46

B. ErÇffnungsverfahren

FortfÅhrungswerte zugrunde zu legen, wsren demgegenÅber die am Markt kÅnftig durchsetzbaren Verkaufspreise der Endprodukte unter Abzug aller noch anfallenden StÅckkosten anzusetzen. Bei der Verwertung der Außenstsnde (Debitoren) ist besonderes Augenmerk auf Verjshrung und die Bonitst der Schuldner zu richten. Im xberschuldungsstatus aktivierbar sind auch offene Einlageforderungen gegen Gesellschafter. Gleiches gilt theoretisch auch fÅr gesellschaftsrechtliche AnsprÅche gegen Gesellschafter und GeschsftsfÅhrer wegen fehlerhafter Kapitalaufbringung, Verstoßes gegen das Auszahlungsverbot der §§ 30 f. GmbHG oder der Abgabe einer Patronatserklsrung. Voraussetzung ist, dass der jeweilige Anspruch nicht – wie dies beispielsweise bei dem Anspruch auf Ersatz von Insolvenzverschleppungsschsden gem. §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO der Fall ist – seinerseits die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens voraussetzt. Vorinsolvenzlich nicht aktivierbar und daher nicht in den xberschuldungsstatus aufzunehmen sind daher insbesondere insolvenzrechtliche AnfechtungsansprÅche. Auf der Passivseite der pberschuldungsbilanz sind ssmtliche bestehenden Verbindlichkeiten zu berÅcksichtigen, die im Fall der VerfahrenserÇffnung Insolvenzforderungen wsren. Die zivilrechtliche Fslligkeit spielt in dem Zusammenhang keine Rolle, mit der Folge, dass auch gestundete Forderungen zu berÅcksichtigen wsren. Der Ansatz von Verbindlichkeiten erfolgt grundsstzlich zum Nennwert. Durch Dritte gesicherte Verbindlichkeiten sind in den xberschuldungsstatus einzustellen, soweit der Dritte im Fall seiner Inanspruchnahme – wie es meist der Fall sein dÅrfte – einen RÅckgriffsanspruch gegen den Schuldner hstte. Verbindlichkeiten aus schwebenden Geschsften sind bei positiver FortfÅhrungsprognose mit dem Wert des zur Erbringung der schuldnerseits geschuldeten Leistung erforderlichen Aufwandes zu passivieren. Ist das Unternehmen aufgrund der wirtschaftlichen Schieflage nicht mehr in der Lage oder willens, schwebende Auftrsge auszufÅhren, sind entsprechende SchadensersatzansprÅche wegen NichterfÅllung zu berÅcksichtigen. Eventualverbindlichkeiten wie z.B. solche aus der Begebung von Wechseln, BÅrgschaften oder Gewshrleistungspflichten sind insoweit zu passivieren, wie mit einer Inanspruchnahme zu rechnen ist. Nicht zu passivieren sind Eigenkapitalpositionen sowie die Kosten des Insolvenzverfahrens gem. § 54 InsO. Fremdkapital, das dem Unternehmen von Gesellschafterseite zur VerfÅgung gestellt wurde, ist unabhsngig von einem etwaigen eigenkapitalersetzenden Charakter immer zu passivieren. Etwas anderes gilt nur bei der Vereinbarung eines sog. qualifizierten RangrÅcktritts. Hiervon spricht man, wenn der Glsubiger mit seiner Forderung hinter alle sonstigen Glsubiger zurÅcktritt und sich zugleich verpflichtet, seine Forderung gegenÅber der Gesellschaft so lange nicht geltend zu machen wie deren Befriedigung zu einer xberschuldung fÅhren wÅrde.1

1 S. hierzu die Grundsatzentscheidung des BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/88, NZI 2001, 196 (198).

47

2.80

Kapitel 2 Insolvenzrecht

c) rnderungen durch Finanzmarktstabilisierungsgesetz

.81

Als Reaktion auf die globale Finanzkrise und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Realwirtschaft wurde § 19 Abs. 2 InsO durch Art. 5 des Gesetzes zur Errichtung eines Finanzmarktstabilisierungsfonds vom 17.10.20081 gesndert.2

.82

xberschuldung liegt danach bis auf weiteres nur dann vor, „wenn das VermÇgen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die FortfÅhrung des Unternehmens ist nach den Umstsnden Åberwiegend wahrscheinlich“. Bei diesem neuen xberschuldungsbegriff stehen Schuldendeckungsprinzip und FortfÅhrungsprognose somit zunschst nebeneinander, entscheidend ist jedoch die FortfÅhrungsprognose. Man spricht von einer sog. zweistufigen modifizierten xberschuldungsprÅfung.3 Diese znderung ist in der Literatur zu Recht Åberwiegend mit Kritik aufgenommen worden, etwa mit dem Argument, dass auf diese Weise Schutzbehauptungen TÅr und Tor geÇffnet werde.4

.83

Ungeachtet dieser Kritik wurde die Regelung, die gem. Art. 6 Abs. 2 FMStG ursprÅnglich nur bis zum 31.12.2010 Geltung beanspruchen sollte, nunmehr durch Art. 1 des Gesetzes zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 24.9.20095 bis zum 31.12.2013 verlsngert.

.84

FÅr den Schuldner besteht eine positive FortfÅhrungsprognose, wenn die FortfÅhrung nach den Umstsnden Åberwiegend wahrscheinlich ist. Es geht hierbei um mehr als eine reine LiquiditstsprÅfung. Die FortfÅhrung muss nach den „gesamten Umstsnden“ Åberwiegend wahrscheinlich sein, so dass neben der Liquiditlt auch das Unternehmenskonzept und die Ertragsfshigkeit eine gewichtige Rolle spielen.6 xberwiegende Wahrscheinlichkeit der FortfÅhrung bedeutet dabei, dass diese zu mehr als 50 % vorliegen muss.7 Kriterien sind dabei der FortfÅhrungswille des Schuldners bzw. seiner Organe sowie die objektive xberlebensfshigkeit des Unternehmens, welche aus einem aussagekrsftigen Unternehmenskonzept mit entsprechender Ertrags- und Finanzplanung herzuleiten ist, aus der erkennbar ist, dass das Unternehmen mittelfristig xberschÅsse erzielen wird, aus denen die gegenwsrtigen und kÅnftigen Verbindlichkei-

1 FMStG; BGBl. I 2008, 1982. 2 Siehe hierzu ausfÅhrlich: MÇhlmann-Mahlau/Schmitt, Der „vorÅbergehende“ Begriff der xberschuldung, NZI 2009, 19; Wazlawik, Die xberschuldung als ErÇffnungsgrund, NZI 2012, 98. 3 SchrÇder in HamburgerKomm/InsO, § 19 Rz. 1a. 4 Vgl. Schmerbach in FrankfurterKomm/InsO, § 19 Rz. 24a; Rakos, ZInsO 2009, 18 (20, 21); Bitter, ZInsO 2008, 1097 (1097); Eckert/Happe, ZInsO 2008, 1098 (1100 ff.); Dahl, NZI 2008, 719 (719). 5 BGBl. I 2010, Nr. 35, S. 847 ff. 6 SchrÇder in HamburgerKomm/InsO, § 19 Rz. 12. 7 Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 19 Rz. 8.

48

B. ErÇffnungsverfahren

ten gedeckt werden kÇnnen.1 Ein fehlender FortfÅhrungswille des Schuldners bzw. seiner Organe kann außer Betracht bleiben, wenn das Unternehmen zum Zweck der FortfÅhrung versußert werden kann.2 Die Dauer des Prognosezeitraums ist nach h.M.3 aus PraktikabilitstsgrÅnden grundsstzlich auf das laufende und folgende Geschsftsjahr beschrsnkt, wobei jedoch unter BerÅcksichtigung der Umstsnde des Einzelfalls durchaus ein lsngerer oder kÅrzerer Prognosezeitraum angebracht sein kann.4 d) Beweislast Sowohl fÅr die frÅhere Fassung des § 19 Abs. 2 InsO als auch bezÅglich der Neufassung gilt, dass die FortfÅhrung als gesetzlicher Ausnahmefall anzusehen ist („es sei denn“-Formulierung in § 19 Abs. 2 InsO), so dass im Zweifel von einer rechtlichen pberschuldung auszugehen ist. Wird die Geschsftsleitung wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch genommen, so obliegt es ihr, die Umstsnde darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, aus denen sich eine positive FortfÅhrungsprognose herleiten ließ.5

2.85

! Hinweis: Der Berater des Krisenunternehmens sollte deswegen die laufende xberschuldungsprÅfung stsndig – auch fÅr Dritte nachvollziehbar – dokumentieren. Wenn es spster trotz zunschst angenommener positiver FortfÅhrungsprognose zur InsolvenzerÇffnung kommt, kÇnnten sonst Haftungsgefahren drohen, allein wegen der fehlenden Dokumentation.

e) Praktische Bedeutung des Insolvenzgrundes der pberschuldung Zahlungsunfshigkeit und xberschuldung liegen hsufig, aber nicht zwingend gleichzeitig vor. Es ist durchaus mÇglich, dass ein Schuldner trotz fehlender xberschuldung zahlungsunfshig ist, beispielsweise wenn werthaltige Aktiva gebunden sind und weder als Kreditmittel benutzt, noch versußert werden kÇnnen.6 Umgekehrt kann trotz fehlender Zahlungsunfshigkeit xberschuldung gegeben sein, beispielsweise wenn eine Åberschuldete GmbH noch Åber eine offene Kreditlinie verfÅgt. Gerade in letzterem Beispiel kann der ErÇffnungsgrund der xberschuldung den Insolvenzzeitpunkt hsufig vorverlegen.7 Allerdings ist die praktische Bedeu1 BGH v. 9.10.2006 – II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171 = ZInsO 2007, 36 (37); OLG Naumburg v. 20.8.2003 – 5 U 67/03, ZInsO 2004, 512 (513); LG GÇttingen v. 3.11.2008 – 10 T 119/08, ZIP 2009, 382 = NZI 2008, 751 (752); SchrÇder in HamburgerKomm/InsO, § 19 Rz. 14. 2 MÇnning in Nerlich/RÇmermann, § 19 InsO Rz. 19; Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 19 Rz. 9. 3 Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 19 Rz. 12; Schmerbach in FrankfurterKomm/InsO, § 19 Rz. 24a; MÅller in Jaeger, § 19 InsO Rz. 37; Drukarczyk in MÅnchKomm/InsO, § 19 Rz. 124. 4 SchrÇder in HamburgerKomm/InsO, § 19 Rz. 18. 5 MÅller in Jaeger, § 19 InsO Rz. 41. 6 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 94. 7 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 94; vgl. ausfÅhrlich dazu auch Drukarczyk in MÅnchKomm/InsO, § 19 Rz. 124.

49

2.86

.87

Kapitel 2 Insolvenzrecht

tung des Insolvenzgrundes der xberschuldung nicht sehr hoch und spielt bei Antragstellungen eine untergeordnete Rolle. Insbesondere bei Glsubigerantrsgen ist die xberschuldung fÅr Außenstehende nur schwer glaubhaft zu machen.1 Selbst in den Fsllen, in denen der Antrag mit dem Eintritt der xberschuldung begrÅndet wird, liegt regelmsßig auch Zahlungsunfshigkeit vor.2

VII. Abschließende Entscheidung des Insolvenzgerichts 1. Entscheidung des Gerichts Kommt das Insolvenzgericht aufgrund des Sachverstsndigengutachtens oder kraft eigener PrÅfung zu dem Ergebnis, dass ein Insolvenzgrund vorliegt, erÇffnet es das Insolvenzverfahren gem. § 27 InsO, sofern eine zumindest die Verfahrenskosten deckende Insolvenzmasse vorhanden ist. Fehlt es an letzterer Voraussetzung, ist der Insolvenzantrag gem. § 26 InsO mangels Masse abzuweisen, sofern nicht der Antragsteller einen Verfahrenskostenvorschuss leistet. Bei unzulsssigem Antrag oder Fehlen eines Insolvenzgrundes wird der Antrag als unzulsssig bzw. unbegrÅndet zurÅckgewiesen. 2. ErÇffnungsbeschluss

.88

Ist ein zulsssiger InsolvenzerÇffnungsantrag gestellt, so muss das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren erÇffnen, wenn ein Insolvenzgrund vorliegt und eine die Verfahrenskosten deckende Masse vorhanden ist; ein Ermessensspielraum besteht in diesem Fall nicht.3 Die ErÇffnung darf jedoch u.U. hinausgezÇgert werden, um den Insolvenzgeldzeitraum auszuschÇpfen.4 Die Entscheidung ergeht durch Beschluss, gegen welchen dem Schuldner die sofortige Beschwerde nach § 34 InsO zusteht, wenn er nicht selbst Antragsteller war. Der Beschluss Åber die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens schließt das ErÇffnungsverfahren formell ab und ist somit gleichzeitig die verfahrensmsßige Grenze fÅr eine AntragsrÅcknahme gem. § 13 Abs. 2 InsO oder eine Erledigungserklsrung des Antragstellers.5

.89

Der Beschluss ist gem. § 30 Abs. 1 InsO Çffentlich bekannt zu machen, und nach § 30 Abs. 2 InsO dem Schuldner, seinen Glsubigern und seinen Schuldnern zuzustellen. Die Çffentliche Bekanntmachung erfolgt gem. 1 MÇnning in Nerlich/RÇmermann, § 19 InsO Rz. 13; Schmerbach in FrankfurterKomm/InsO, § 19 Rz. 2; Drukarczyk/SchÅler in MÅnchKomm/InsO, § 19 Rz. 146. 2 Schmerbach in FrankfurterKomm/InsO, § 19 Rz. 2. 3 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 112. 4 Schmerbach in FrankfurterKomm/InsO, § 27 Rz. 8a; SchrÇder in Hamburger Komm/InsO, § 27 Rz. 9. 5 BGH v. 11.11.2004 – IX ZB 258/03, ZIP 2005, 91 = NJW-RR 2005, 418 (419); OLG KÇln v. 1.9.1993 – 2 W 130/93, ZIP 1993, 1483 = NJW-RR 1994, 445 (445).

50

B. ErÇffnungsverfahren

§ 30 Abs. 1 Satz 2 InsO durch auszugsweise VerÇffentlichung des Beschlusses im Bundesanzeiger und/oder andere ortsÅbliche Bekanntmachung in einer Tageszeitung sowie zunehmend auch in elektronischen Informations- und Kommunikationssystemen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Bekanntmachung gilt zwei Tage nach der VerÇffentlichung als bewirkt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 InsO). Außerdem ist der ErÇffnungsbeschluss dem zustsndigen Registergericht zu Åbermitteln, falls der Schuldner im Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister eingetragen ist (§ 31 InsO). Entsprechendes gilt gem. § 32 InsO fÅr das Grundbuchamt, soweit der Schuldner im Grundbuch eingetragen ist. Eine gesonderte AnhÇrung des Schuldners vor VerfahrenserÇffnung ist grundsstzlich nicht erforderlich, beim Schuldnerantrag entspricht die ErÇffnung dem gestellten Antrag.1 Beim Glsubigerantrag wird der Schuldner gem. § 14 Abs. 2 InsO angehÇrt, eine erneute AnhÇrung zum Ergebnis der Ermittlungen ist grundsstzlich nicht erforderlich, wenn der Schuldner dem Glsubigerantrag nicht substantiiert entgegengetreten ist.2

2.90

Der Inhalt des ErÇffnungsbeschlusses ergibt sich aus §§ 27 ff. InsO. Darin ist der Zeitpunkt der ErÇffnung mÇglichst genau anzugeben (§ 27 Abs. 2 Ziff. 3 InsO). Hilfsweise gilt die Mittagsstunde des Tages, an dem der Beschluss erlassen wurde, als Stunde der ErÇffnung. DarÅber hinaus ernennt das Insolvenzgericht im ErÇffnungsbeschluss den Insolvenzverwalter, es sei denn, das Insolvenzgericht ordnet die Eigenverwaltung durch den Schuldner gem. § 27 Abs. 1 Satz 2 InsO an. Des Weiteren werden die Glsubiger gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 InsO aufgefordert, ihre Rechte einschließlich der Sicherungsrechte beim Insolvenzverwalter anzumelden. Etwaige Schuldner des Schuldners werden aufgefordert, nur noch an den Verwalter zu leisten (§ 28 Abs. 3 InsO). Zuletzt werden nach § 29 InsO der Berichts- und PrÅfungstermin festgelegt.

2.91

Handelt es sich um die ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen einer natÅrlichen Person, so schreibt § 30 Abs. 3 InsO vor, dass der Schuldner auf die MÇglichkeit hinzuweisen ist, nach Maßgabe der §§ 286 ff. InsO die Restschuldbefreiung zu beantragen.

2.92

Ist der ErÇffnungsbeschluss fehlerhaft, so ist er gleichwohl wirksam, beispielsweise bei Çrtlicher Unzustsndigkeit des Insolvenzgerichts3 oder unzulsssiger Vordatierung des ErÇffnungsbeschlusses.4 Ein fehlerhafter ErÇffnungsbeschluss kann jedoch mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, allerdings gem. § 34 Abs. 2 InsO nur vom Schuldner. Gleichwohl setzt die Beschwerdebefugnis des Schuldners voraus, dass der Schuldner

2.93

1 SchrÇder in HamburgerKomm/InsO, § 27 Rz. 4. 2 AG Hamburg v. 11.2.2005 – 67c IN 6/05, ZInsO 2005, 669 (671); Schmerbach in FrankfurterKomm/InsO, § 27 Rz. 12; Schmahl in MÅnchKomm/InsO, §§ 27–29, Rz. 14. 3 BGH v. 22.1.1998 – IX ZR 99/97, ZIP 1998, 477 = NJW 1998, 1318 (1319). 4 BGH v. 17.2.2004 – IX ZR 135/03, ZIP 2004, 766 = NZI 2004, 316 (316).

51

.94

Kapitel 2 Insolvenzrecht

nicht selbst den Antrag gestellt hat, denn in der Stattgabe seines eigenen Antrags liegt keine Beschwerde.1 Da die Beschwerde jedoch gem. § 4 InsO i.V.m. § 570 Abs. 1 ZPO keine aufschiebende Wirkung hat, treten die Wirkungen der ErÇffnung zunlchst einmal ein. Hat die Beschwerde Erfolg, ist die Aufhebung des Verfahrens in derselben Weise bekannt zu machen wie der ErÇffnungsbeschluss.2 Die Aufhebung wird erst mit der Rechtskraft der Beschwerdeentscheidung wirksam, hat aber rÅckwirkende Kraft, eine Anfechtung der Beschwerdeentscheidung durch den Insolvenzverwalter ist nicht mÇglich.3 Der Schuldner wird dann so behandelt, als wlre das Verfahren nie erÇffnet worden. Gleichwohl bleiben im Interesse des Rechtsverkehrs zwischenzeitliche Handlungen des Insolvenzverwalters, insbesondere seine VerfÅgungen Åber das SchuldnervermÇgen, nach § 34 Abs. 3 Satz 3 InsO wirksam. Von ihm begrÅndete Verbindlichkeiten sind vom Schuldner zu erfÅllen. 3. Abweisung mangels Masse a) Voraussetzungen

.95

Eine Abweisung mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse erfolgt, wenn zwar ein ErÇffnungsgrund vorliegt, das VermÇgen des Schuldners voraussichtlich aber nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Der Begriff des VermÇgens des Schuldners ist in § 26 InsO weiter zu verstehen als in § 19 InsO. Er umfasst zusltzlich zu den im Rahmen der pberschuldungsprÅfung zu berÅcksichtigenden Aktivpositionen des Schuldners auch den wlhrend des Verfahrens zu erwartenden Neuerwerb des Schuldners, AnsprÅche aus Insolvenzanfechtung, sowie HaftungsansprÅche, die dem Insolvenzverwalter gem. §§ 92, 93 InsO, 171 Abs. 2 HGB zugewiesen sind.4 Das zur Verfahrenskostendeckung erforderliche VermÇgen des Schuldners muss nicht schon am Anfang des Verfahrens, sondern erst in angemessener Zeit nach VerfahrenserÇffnung liquide vorhanden sein.5 Das Gesetz nennt fÅr einen Prognosezeitraum keine feste zeitliche Grenze, nach Ansicht des BGH ist jedoch ein Zeitraum von einem Jahr nach VerfahrenserÇffnung unbedenklich.6

.96

Zu den Kosten des Verfahrens gehÇren nach § 54 InsO die Gerichtskosten, die VergÅtungen und die Auslagen des vorllufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gllubigerausschusses. Bei der Kostenprognose ist grundsltzlich gem. §§ 7, 10, 18 Abs. 2 InsVV auch die auf die VergÅtungen des vorllufigen Insolvenzverwalters, des Insol1 2 3 4

Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 114. Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 114. BGH v. 8.3.2007 – IX ZB 163/06, ZIP 2007, 792 = NZI 2007, 349 (349). SchrÇder in HamburgerKomm/InsO, § 26 Rz. 10; Haarmeyer in MÅnchKomm/ InsO, § 26 Rz. 20. 5 BGH v. 17.6.2003 – IX ZB 476/02, ZIP 2003, 2171 = ZInsO 2003, 706 (707). 6 BGH v. 17.6.2003 – IX ZB 476/02, ZIP 2003, 2171 = ZInsO 2003, 706 (707).

52

B. ErÇffnungsverfahren

venzverwalters und des Glsubigerausschusses anfallende Umsatzsteuer mit anzusetzen. Anders ist dies nur, wenn die zukÅnftige Insolvenzmasse die Umsatzsteuer als Vorsteuer gem. § 15 UStG liquide zurÅckerhslt, was grundsstzlich der Fall ist, wenn der Schuldner Unternehmer i.S.d. § 2 UStG ist.1 b) Verfahrenskostenvorschuss Die Abweisung unterbleibt jedoch trotz nicht kostendeckender Masse gem. § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO, wenn seitens des Schuldners, eines bzw. mehrerer Glsubiger oder eines Dritten ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird. Man spricht von einem Verfahrenskostenvorschuss. Sind die Kosten teilweise gedeckt, muss nur der Restbetrag vorgeschossen werden. Nach ErÇffnung besteht keine weitere Nachschusspflicht mehr, ein Nachschuss kann jedoch zur Abwendung der Einstellung mangels Masse gem. § 207 InsO geboten sein.2

2.97

Die Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses kann fÅr die Gllubiger von Interesse sein, wenn die realistische Chance besteht, die Insolvenzmasse durch die Geltendmachung von AnsprÅchen gegenÅber Dritten anzureichern.3 Zu denken ist dabei insbesondere an die nur im erÇffneten Verfahren durchsetzbaren AnsprÅche aus Insolvenzanfechtung nach den §§ 129 ff. InsO, aus der Geltendmachung von HaftungsansprÅchen gem. § 93 InsO und aus der Einforderung nicht geleisteter Stammeinlagen. Der Glsubiger sollte allerdings bei seiner Entscheidung Åber die Leistung eines Verfahrenskostenvorschusses abwsgen, ob fÅr ihn eine realistische Befriedigungschance besteht.4

2.98

Vom Schuldner wird kein Vorschuss angefordert. Allerdings werden natÅrliche Personen vor Abweisung mangels Masse auf die MÇglichkeit der Kostendeckung durch Stundung hingewiesen.5 Ein Vorschuss wird jedoch regelmsßig von den antragstellenden Glsubigern angefordert.

2.99

Wer einen Verfahrenskostenvorschuss geleistet hat, kann gem. § 26 Abs. 3 InsO von jeder fÅr den Schuldner insolvenzantragspflichtigen Person Erstattung des vorgeschossenen Betrages verlangen, wenn die Antragstellung pflichtwidrig und schuldhaft verspstet erfolgt ist. Es kommt dabei nicht darauf an, ob wshrend des VerzÇgerungszeitraums eine Masseschmslerung eingetreten ist.6 Ist streitig, ob die antragspflichtige Person pflichtwidrig und schuldhaft gehandelt hat, trsgt diese die Beweislast.

2.100

1 2 3 4 5 6

SchrÇder in HamburgerKomm/InsO, § 26 Rz. 19. Schmerbach in FrankfurterKomm/InsO, § 26 Rz. 17. Schmerbach in FrankfurterKomm/InsO, § 26 Rz. 22. Schmerbach in FrankfurterKomm/InsO, § 26 Rz. 22. Schmerbach in FrankfurterKomm/InsO, § 26 Rz. 57. Spliedt in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 2 Rz. 139.

53

Kapitel 2 Insolvenzrecht

c) Rechtsschutz und Rechtsfolgen

101

Wird der Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen, so steht dem Antragsteller grundsstzlich immer gem. § 34 InsO die MÇglichkeit der sofortigen Beschwerde offen. Dies gilt auch fÅr den Schuldner, der keinen Antrag gestellt hat.1

102

Im Falle der Abweisung mangels Masse werden AGs, die KGaAs und GmbHs mit Eintritt der Rechtskraft des Abweisungsbeschlusses aufgelÇst (vgl. §§ 131 Abs. 1 Ziff. 3, Abs. 2 Ziff. 2 HGB, 262 Abs. 1 Ziff. 4 AktG, 60 Abs. 1 Ziff. 5 GmbHG, 81a Ziff. 1 GenG). Sie werden liquidiert und nach vollstsndiger Abwicklung im jeweiligen Register gelÇscht.2

103

Im Falle der Abweisung eines gegen natÅrliche Personen gerichteten ErÇffnungsantrags mangels Masse hat das Insolvenzgericht den Schuldner zur Warnung des Geschsftsverkehrs in ein Schuldnerverzeichnis gem. § 26 Abs. 2 Satz 1 InsO einzutragen. Die LÇschfrist betrsgt gem. § 26 Abs. 2 Satz 2 InsO fÅnf Jahre. Falls der Schuldner im Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister eingetragen ist, wird der Beschluss Åber die Abweisung mangels Masse auch diesen Registern mitgeteilt, § 31 Ziff. 2 InsO.

104

Ein erneuter Insolvenzantrag Åber das VermÇgen des Schuldners ist nur zulsssig, wenn nach der Abweisung neues VermÇgen ermittelt wird und das Verfahren somit nun finanzierbar ist.3

105

d) Kosten Im Falle der Abweisung mangels Masse stellt sich die Frage, wer die bis dahin entstandenen Kosten zu tragen hat. Die Insolvenzordnung sieht fÅr diese Frage keine ausdrÅckliche Regelung vor. In aller Regel sind bei der Abweisung eines Glsubigerantrags mangels Masse in entsprechender Anwendung von § 4 InsO i.V.m. § 91 ZPO dem Schuldner die Verfahrenskosten einschließlich der Auslagen aufzuerlegen.4 Denn Grund fÅr die Verhinderung der ErÇffnung des Verfahrens ist die Unzulsnglichkeit des schuldnerischen VermÇgens als objektives Verfahrenshindernis. Insofern erfolgt die Abweisung des Antrags nicht deshalb, weil der Antrag unbegrÅndet ist, sondern aus GrÅnden, die ausschließlich in der Person des Schuldners liegen. Bei zulsssigem und begrÅndetem Glsubigerantrag hat der Schuldner gerade Anlass zu der Einleitung des Insolvenzverfahrens gegeben, so dass die Kostenentscheidung in aller Regel gegen ihn zu ergehen hat.5 Problematisch ist dabei jedoch, dass nach § 50 Abs. 1 GKG der An1 Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 191. 2 Uhlenbruck, ZIP 1996, 1641 (1645). 3 BGH v. 5.8.2002 – IX ZB 51/02, ZIP 2002, 1695 = NZI 2002, 601 (601). 4 Runkel in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 132. 5 Runkel in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 132.

54

B. ErÇffnungsverfahren

tragsteller bei Ausfall des Schuldners als Zweitschuldner haftet. Dies kann insbesondere aufgrund der damit verbundenen Haftung fÅr Auslagen zu einer erheblichen Inanspruchnahme fÅhren. Zwar zshlt die VergÅtung eines vorlsufigen Verwalters nicht zu den Auslagen, da diese nicht im Kostenverzeichnis aufgefÅhrt ist, umfasst sind jedoch die Sachverstsndigenkosten, bei denen es sich der Sache nach um gerichtliche Auslagen handelt.1

1 Vgl. LG Fulda v. 18.5.2001 – 3 T 105/01, NZI 2002, 61 (61).

55

Kapitel 2 Insolvenzrecht

C. ErÇffnetes Verfahren I. Rechtsstellung des Insolvenzverwalters Literatur Arbeitskreis der Insolvenzverwalter Deutschlands e.V., Verhaltenskodex der Mitglieder des Arbeitskreises der Insolvenzverwalter Deutschland e.V., NZI 2002, 23; Bales, EinflussmÇglichkeiten von Banken bei der Auswahl des Insolvenzverwalters, BKR 2003, 967; Busch, Die Bestellung des Insolvenzverwalters nach dem „Detmolder Modell“, DZWIR 2004, 353; Degenhart/Borchers, Das Anforderungsprofil des Insolvenzverwalters – Ergebnisse einer Befragung von Insolvenzgerichten und Kreditinstituten, ZInsO 2001, 337; Frind, Der Einfluss von Glsubigern bei der Auswahl des und der Aufsicht Åber den Insolvenzverwalter, FD-InsR 2007, 233549; Frege, Der Sonderinsolvenzverwalter, KÇln 2008; FÇrster, Verwalterkontrolle durch „harte“ Inhaltskriterien oder geht es um ein Problem der Justiz?, ZInsO 2006, 685; FÅchsl, Bemerkungen zur Insolvenzverwalterbestellung, ZInsO 2002, 414 ff.; FÅlges, Reform der Verwalterauswahl – ein Dauerthema? in NF Wellensiek, Heidelberg 2011, 279; Gaier, Verfassungsrechtliche Aspekte der Auswahl und Abwahl des Insolvenzverwalters, ZInsO 2006, 1177; Graeber, Die Aufgaben des Insolvenzverwalters im Spannungsfeld zwischen DelegationsbedÅrfnis und HÇchstpersÇnlichkeit, NZI 2003, 569; Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, DZWIR 2005, 177; Die Auswahl des Insolvenzverwalters durch das Gericht, FPR 2006, 74; Graeber/Pape, Der Sonderinsolvenzverwalter im Insolvenzverfahren, ZIP 2007, 991; Graf-Schlicker, Die Auswahl des Insolvenzverwalters im Lichte der Dienstleistungsrichtlinie in KÇlner Schrift zur Insolvenzordnung, 2009, S. 235 ff.; GrafSchlicker, Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3.8.2004 zur Auswahl des Insolvenzverwalters – Konsequenzen fÅr die gerichtliche Praxis und die Gesetzgebung in FS fÅr Greiner, 2005, S. 71 ff.; Hensler, Das Berufsbild des Insolvenzverwalters im Wandel der Zeit, ZIP 2002, 1053; Hess/Ruppe, Auswahl und Einsetzung des Insolvenzverwalters und die Justiziabilitst des Nichtzugangs zur Insolvenzverwaltertstigkeit, NZI 2004, 641; Jacoby, Auswahlermessen auch im Insolvenzverwalter-Vorauswahlverfahren, ZIP 2009, 2081; Kesseler, Das Grundrecht auf Bestellung zum Insolvenzverwalter, ZInsO 2002, 201; Kirchhof, Die Rechtsstellung vorlsufiger Insolvenzverwalter im Lastschriftverfahren, WM 2009, 337; Kluth, Die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters oder die „Insolvenz“ der Verwaltertheorien, NZI 2000, 351; Kunitzki-Neu, Warum wird die Konkursverwaltung nicht Frauen Åbertragen?, KuT 1929, 5; Kunz/Mundt, Rechnungslegungspflichten in der Insolvenz (1), DStR 1997, 620; Rechnungslegungspflichten in der Insolvenz (2), DStR 1997, 664; Marotzke, Die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters, ZInsO 2009, 1929; PrÅtting, Die Unabhsngigkeit des Insolvenzverwalters, ZIP 2002, 1965; Riggert, Die Unabhsngigkeit des Insolvenzverwalters gegenÅber Glsubigern, NZI 2002, 352; Sabel/Wimmer, Die Auswirkungen der europsischen Dienstleistungsrichtlinie auf Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, ZIP 2008, 2097; Schmidt, Privatinsolvenz, 3. Aufl., § 4: Regelinsolvenzverfahren Rz. 29–31; Schaprian, Das Zertifizierungsverfahren des DIAI fÅr Unternehmensinsolvenzverwalter, ZVI 2007, 243; Smid, Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht als Rechtsfrage betrachtet, DZWIR 2001, 485; Uhlenbruck, Zur Rechtsstellung des vorlsufigen Insolvenzverwalters, NZI 2000, 289; Braucht der Markt neue Maßstsbe fÅr die Auswahl von Insolvenzverwaltern?, BB 2007, 1; Uhlenbruck-Kommission, Empfehlungen zur Vorauswahl und Bestellung von InsolvenzverwalterInnen sowie Transparenz, Aufsicht und Kontrolle im Insolvenz-

56

C. ErÇffnetes Verfahren verfahren, ZIP 2007, 1432; Uhlenbruck/Wieland, Die Bestellung des Insolvenzverwalters, ZIP 2007, 462; Wellensiek, Die Fachanwaltschaft fÅr Insolvenzrecht, NZI 1999, 169; Wolf, Rechtsschutz des unterlegenen Bewerbers bei der Insolvenzverwalterbestellung, DStR 2006, 1769; Vallender, Steine statt Brot, NJW 2004, 3614; Rechtsschutz gegen die Bestellung eines Konkurrenten zum Insolvenzverwalter, NJW 2006, 2597.

1. pbergang der VerfÅgungsbefugnis des Schuldners auf den Insolvenzverwalter Mit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, sein zur Insolvenzmasse gehÇrendes VermÇgen zu verwalten und darÅber zu verfÅgen, auf den Insolvenzverwalter Åber, § 80 InsO. Zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters gehÇrt neben der Verwaltung und Verwertung des SchuldnervermÇgens, die Feststellung der zu befriedigenden AnsprÅche und die ErlÇsverteilung an die zu befriedigenden Glsubiger. Er ist somit die zentrale Gestalt des Insolvenzverfahrens.1 Mit dem xbergang der Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter ist verbunden, dass die ProzessfÅhrungsbefugnis in Ansehung des schuldnerischen VermÇgens ebenfalls auf den Insolvenzverwalter Åbergeht. Diese entfsllt erst wieder mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens.

2.106

2. Auswahl des Insolvenzverwalters Die Ernennung des Insolvenzverwalters erfolgt im ErÇffnungsbeschluss. BezÅglich der Kriterien zur Ernennung eines Insolvenzverwalters gilt gem. § 56 InsO, dass das Insolvenzgericht eine fÅr den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschlftskundige und von dem Schuldner und Glsubiger unabhlngige natÅrliche Person zu ernennen hat. Juristische Personen kÇnnen demnach nicht zum Insolvenzverwalter ernannt werden. Hierauf hat der Gesetzgeber im Hinblick auf Aufsichts- und Haftungsprobleme, die bei juristischen Personen allein schon wegen der Austauschbarkeit des gesetzlichen Vertreters auftreten kÇnnen, wie auch mit RÅcksicht auf mÇgliche Interessenkollisionen bewusst verzichtet.2

2.107

In der Regel handelt es sich bei den bestellten Insolvenzverwaltern um in besonderer Weise wirtschaftsrechtlich geschulte und erfahrene Rechtsanwslte mit betriebswirtschaftlichem Know-how und einem auf die speziellen BedÅrfnisse von Insolvenzverwaltungen zugeschnittenen Backoffice. Vertieftes insolvenzrechtliches Spezialwissen ist dabei nicht zuletzt mit Blick auf die betrschtlichen persÇnlichen Haftungsrisiken ebenfalls eine unabdingbare Voraussetzung fÅr die xbernahme des Amtes. Daher kommt es nur in Ausnahmefsllen zur Bestellung eines WirtschaftsprÅfers oder Steuerberaters als Insolvenzverwalter.

2.108

1 Runkel in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 167. 2 BGH v. 19.9.2013 – IX AR (VZ) 1/12, ZIP 2013, 2070 = NZI 2013, 1022; Runkel in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 157.

57

109

Kapitel 2 Insolvenzrecht

In der ersten Glsubigerversammlung, die auf die Bestellung des Insolvenzverwalters folgt, kÇnnen die Glsubiger gem. § 57 Satz 1 InsO anstelle der vom Insolvenzgericht bestellten Person einen anderen Insolvenzverwalter wshlen. Das Insolvenzgericht kann dann die Bestellung nur versagen, wenn dieser fÅr die xbernahme des Amtes offensichtlich nicht geeignet ist, vgl. § 57 Satz 2 InsO. Nach der ersten Glsubigerversammlung kann das Insolvenzgericht den Insolvenzverwalter gem. § 59 Abs. 1 InsO nur noch aus wichtigem Grund entlassen. Ein wichtiger Grund ist beispielsweise die Nichtanzeige bestehender Interessenkollisionen oder die Bevorzugung einzelner Glsubiger oder Gruppen von Glsubigern.1 3. Zivilrechtliche Stellung des Insolvenzverwalters

110

In der Literatur sehr umstritten ist die zivilrechtliche Stellung des Insolvenzverwalters. VordergrÅndig geht es dabei um die Frage, in welcher Beziehung der Verwalter zur Insolvenzmasse steht. Da dieser Streit in der Praxis jedoch kaum Auswirkungen hat, soll hier nur die sowohl von der Rechtsprechung2 als auch der ganz herrschenden Meinung in der Literatur3 vertretene sog. „Amtstheorie“ kurz angerissen werden. Danach ist der Insolvenzverwalter ein unabhsngiges Rechtspflegeorgan, das in den rechtlichen Auseinandersetzungen, die er fÅr den Schuldner fÅhrt, als „Partei kraft Amtes“ fungiert. Gesetzlichen Niederschlag findet diese Auffassung in § 116 Satz 1 Ziff. 1 ZPO. Außerdem passt sie am ehesten zu §§ 80 Abs. 1, 92, 93 InsO und bringt ohne Bruch mit der zivilrechtlichen Dogmatik zum Ausdruck, dass der Insolvenzverwalter funktionsbezogen fÅr ein SondervermÇgen zustlndig ist, das er als unabhlngiges Organ der Rechtspflege im allgemeinen Interesse zu verwalten und zu verwerten hat. Der Insolvenzverwalter Åbt seine Kompetenzen also nicht im eigenen Interesse, sondern treuhsnderisch fÅr andere aus.4

111

Der Insolvenzverwalter handelt demnach fÅr die Insolvenzmasse im eigenen Namen als Inhaber eines privaten Amtes in ErfÅllung der ihm auferlegten gesetzlichen Verpflichtungen. Prozesse fÅhrt er in gesetzlicher Prozessstandschaft fÅr den Schuldner, dessen Rechte er kraft der ihm Åbertragenen VerfÅgungsbefugnis im eigenen Namen geltend machen kann.5 Nach der herrschenden Amtstheorie ist nicht der vom Insolvenzverwalter vertretene Schuldner Partei, sondern der Insolvenzverwalter als solcher. Folglich hat er auch die Prozesskosten aus der Masse zu begleichen, falls er den Prozess verliert. Will er vollstrecken, benÇtigt er einen 1 OLG ZweibrÅcken v. 31.5.2000 – 3 W 94/00, NZI 2000, 373 (373). 2 Vgl. z.B. BGH v. 14.4.1987 – IX ZR 260/86, ZIP 1987, 650 = NJW 1987, 3133 (3135); v. 27.10.1983 – ARZ 334/83, BGHZ 88, 331 (334). 3 Ganz herrschende Meinung, vgl. nur beispielhaft: Ott/Vuia in MÅnchKomm/ InsO, § 80 Rz. 20 ff. m.w.N.; Wittkowski in Nerlich/RÇmermann, § 80 InsO Rz. 40; Smid, Praxishandbuch Insolvenzrecht, § 9 Rz. 90. 4 Ott/Vuia in MÅnchKomm/InsO, § 80 Rz. 27. 5 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 68.

58

C. ErÇffnetes Verfahren

auf seinen Namen lautenden Titel. Hatte jedoch der Schuldner bereits einen auf seinen Namen lautenden Titel, so ist dieser auf den Insolvenzverwalter als Rechtsnachfolger (in die VerfÅgungsmacht) umzuschreiben. Werden AnsprÅche gegen die Masse geltend gemacht, so ist nach Ansicht der Amtstheorie der Insolvenzverwalter als solcher, nicht jedoch der Schuldner zu verklagen, was vor allem auch im arbeitsrechtlichen KÅndigungsschutzprozess gilt.1 4. Pflichten des Insolvenzverwalters Gemsß § 148 InsO hat der Insolvenzverwalter nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens das gesamte zur Insolvenzmasse gehÇrende VermÇgen in Besitz und Verwaltung zu nehmen. Notfalls kann er die Herausgabe gegen den Schuldner nach §§ 883 ff. ZPO unter Einschaltung eines Gerichtsvollziehers durchsetzen. Titel ist dabei gem. § 148 Abs. 2 InsO der ErÇffnungsbeschluss, auch wenn dieser die Massegegenstsnde nicht einzeln auffÅhrt. Um sich einen xberblick Åber die Aktiva und Passiva zu verschaffen, hat er ein Verzeichnis der einzelnen Gegenstsnde der Insolvenzmasse (§ 151 InsO), ein Glsubigerverzeichnis (§ 152 InsO) und eine VermÇgensÅbersicht nach § 153 InsO aufzustellen.

2.112

Das Amt des Insolvenzverwalters ist hÇchstpersÇnlich. Besonders bedeutsame Rechtshandlungen muss der Insolvenzverwalter daher auch persÇnlich vornehmen. Insoweit kommt Bevollmschtigung eines Dritten nicht in Frage, weder durch Erteilung einer Generalvollmacht noch durch beschrsnkte Vollmacht.2 Solche verfahrenstypischen Tstigkeiten umfassen beispielsweise: – Wahrnehmung der Glsubigerversammlung einschließlich PrÅfungstermine und Schlusstermin, insbesondere die Abgabe der dort vorgesehenen Erklsrungen – PrÅfung angemeldeter Forderungen,3 – ErfÅllungswahl nach § 103 InsO, – AusÅbung des Insolvenzanfechtungsrechts, – Entscheidung Åber die Aufnahme von Prozessen, – Einreichung der Schlussrechnung und des Schlussverzeichnisses.

2.113

In dem Berichtstermin (§ 156 InsO) hat der Insolvenzverwalter die Glsubigerversammlung Åber die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ursachen zu unterrichten. Um der Glsubigerversammlung eine ihrer wichtigsten Aufgaben, die Entscheidung Åber den Fortgang des Verfahrens gem. § 157 InsO, zu ermÇglichen, muss der Verwalter darlegen, ob Aussichten bestehen, das Unternehmen ganz oder in Teilen zu erhalten, wel-

2.114

1 BAG v. 21.9.2006 – 2 AZR 573/05, ZIP 2007, 1078 = NJW 2007, 458 (459); v. 17.1.2002 – 2 AZR 57/01, ZIP 2002, 1412 = NZA 2002, 999 (999). 2 Runkel in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 193. 3 Vgl. dazu sehr ausfÅhrlich: Smid, Praxishandbuch Insolvenzrecht, § 9 Rz. 29 ff.

59

Kapitel 2 Insolvenzrecht

che MÇglichkeiten fÅr einen Insolvenzplan bestehen und wie sich Sanierung bzw. Insolvenzplan auf die Befriedigung der Glsubiger auswirken wÅrden, § 156 InsO. Im Anschluss an den Berichtstermin hat der Insolvenzverwalter unverzÅglich mit der Verwertung der Insolvenzmasse zu beginnen, soweit nicht die Glsubigerversammlung etwas anderes beschlossen hat, vgl. § 159 InsO. Da an die Glsubiger nur Zahlungsmittel verteilt werden dÅrfen, mÅssen die zur Insolvenzmasse gehÇrenden werthaltigen VermÇgensgegenstsnde zu Geld gemacht werden.1 Dies geschieht in der Regel durch den Einzug von Forderungen und die Versußerung aller VermÇgensgegenstsnde, einschließlich solcher, an denen einzelne Glsubiger ein dingliches Recht haben, § 166 InsO. In der Wahl der konkreten Verwertungsart ist der Insolvenzverwalter im Grundsatz vÇllig frei. Er muss allerdings dafÅr sorgen, dass die VermÇgensgegenstsnde bestmÇglich verwertet werden.

115

Parallel muss der Insolvenzverwalter die auf seine Aufforderung hin angemeldeten Forderungen auf ihren rechtlichen Bestand hin ÅberprÅfen und ggf. zur Insolvenztabelle feststellen (Rz. 3.269 ff.).

116

Der Umfang der Rechtsmacht des Insolvenzverwalters wird durch den Insolvenzzweck bestimmt. Demzufolge sind Maßnahmen, welche dem Verfahrenszweck offenbar, d.h. fÅr den Geschsftsgegner erkennbar, zuwiderlaufen, unwirksam.2 Als diesbezÅgliches Abgrenzungskriterium kÇnnen die von Rechtsprechung3 und Literatur4 entwickelten Grundsstze zum Missbrauch der Vertretungsmacht herangezogen werden, also insbesondere die Fallgruppen der Kollusion und Evidenz, etwa bei der Bevorzugung eines Glsubigers gegenÅber anderen.

117

5. pberwachung des Insolvenzverwalters Der Insolvenzverwalter unterliegt der Aufsicht des Insolvenzgerichts, das von ihm gem. § 58 InsO jederzeit Rechenschaft verlangen kann. Grundsstzlich ist der Insolvenzverwalter in seiner AmtsfÅhrung jedoch frei, was 1 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 53. 2 Eickmann in HeidelbergerKomm/InsO, § 80 Rz. 12. 3 St. Rspr.; vgl. BGH v. 25.3.1968 – II ZR 208/64, RGZ 136, 356 (359); v. 25.3.1968 – II ZR 208/64, BGHZ 50, 112 (114) = NJW 1968, 1379 (1380, 1381); v. 15.12.1975 – II ZR 148/74, BGH WM 1976, 658 (659); v. 10.12.1980 – VIII ZR 186/79, WM 1981, 66, (67); v. 5.12.1983 – II ZR 56/82, ZIP 1984, 310 = NJW 1984, 1461 (1462); v. 18.5.1988 – IVa ZR 59/87, ZIP 1988, 847 = NJW 1988, 3012 (3013); v. 3.10.1989 – XI ZR 154/88, ZIP 1989, 1382 = NJW 1990, 384 (385); v. 31.1.1991 – VII ZR 291/88, BGHZ 113, 315 (320) = NJW 1991, 1812 (1813); v. 28.4.1992 – XI ZR 164/91, NJW-RR 1992, 1135 (1135, 1136). 4 Leptien in Soergel, § 177 BGB Rz. 15; Schilken in Staudinger, § 167 BGB Rz. 94; Krebs in MÅnchKomm/HGB, Vor § 48 Rz. 69, 71; Joost in Staub, § 50 HGB, Rz. 45, 51; Canaris, HandelsR, § 14 Rz. 40; KÇhler, BGB AT, § 11 Rz. 63; Larenz/ Wolf, BGB AT, § 46 Rz. 141; Leipold, BGB AT, Rz. 830; Hopt in Baumbach, § 50 HGB, Rz. 6.

60

C. ErÇffnetes Verfahren

bedeutet, dass er auch bei wirtschaftlich einschneidenden Maßnahmen nicht der Zustimmung des Insolvenzgerichts bedarf, sondern nur gem. § 60 Abs. 1 Satz 2 InsO der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters unterworfen ist. Somit ist etwa die Erteilung von Weisungen durch das Insolvenzgericht ausgeschlossen. Bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen kommt allerdings gem. § 59 InsO eine Entlassung des Verwalters in Betracht. Außerdem kÇnnen gesetzliche Rechnungslegungs- und Berichtspflichten durch Androhung und Verhsngung von Zwangsgeldern durchgesetzt werden (§ 58 Abs. 2 InsO).1 Daneben sieht § 69 InsO eine pberwachung des Insolvenzverwalters durch den Gllubigerausschuss vor, sofern ein solcher im konkreten Verfahren bestellt ist. FÅr besonders bedeutsame Maßnahmen hat der Insolvenzverwalter gem. § 160 InsO die Zustimmung des Glsubigerausschusses, wenn ein solcher nicht bestellt ist, die Zustimmung der Glsubigerversammlung einzuholen. Eine ohne die erforderliche Zustimmung getroffene Maßnahme des Insolvenzverwalters ist allerdings gleichwohl gem. § 164 InsO wirksam. Der Glsubigerausschuss hat wie auch das Insolvenzgericht gegenÅber dem Insolvenzverwalter kein Weisungsrecht, ist aber gehalten, sich Åber die Tstigkeit des Insolvenzverwalters zu informieren, ihn zu beraten und notfalls das Insolvenzgericht einzuschalten. Zu beachten ist, dass die Aufsichts- und Beteiligungsrechte nur dem Gremium als solchem, nicht aber einzelnen Glsubigern zustehen.2

2.118

6. Beendigung des Amtes Die Insolvenzverwaltertstigkeit endet mit der Aufhebung oder endgÅltigen Einstellung des Verfahrens (§§ 200, 215 InsO), anderenfalls mit der Ernennung eines neuen Verwalters gem. § 57 InsO, dem Tode oder der Geschsftsunfshigkeit des Verwalters sowie mit seiner vorzeitigen Entlassung aus wichtigem Grund gem. § 59 InsO. Zuletzt ist eine Entlassung des Insolvenzverwalters auch auf eigenen Wunsch mÇglich.3 Mit Beendigung des Insolvenzverfahrens endet grundsstzlich auch die ProzessfÅhrungsbefugnis des Insolvenzverwalters in Ansehung der zur Insolvenzmasse gehÇrenden Gegenstsnde. Dies gilt auch dann, wenn er Adressat eines durch ihn angefochtenen Steuerbescheids geworden war.4 Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens wird ein Einspruchsverfahren oder ein Rechtsstreit analog § 239 ZPO unterbrochen. Solange die Unterbrechung andauert, kÇnnen in einem Rechtsstreit Prozesshandlungen nicht wirksam vorgenommen werden und in einem Einspruchsverfahren Einspruchsentscheidungen nicht wirksam bekannt gegeben werden. Des1 Vgl. BGH v. 14.4.2005 – IX ZB 76/04, ZIP 2005, 865 = NZI 2005, 391 (391); LG KÇln v. 20.12.2000 – 19 T 148/00, NZI 2001, 157 (158). 2 BGH v. 5.2.2009 – IX ZB 187/08, ZIP 2009, 529 = NZI 2009, 238 (239). 3 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 62. 4 BFH v. 6.7.2011 – II R 34/10, NZI 2011, 911 = BFH/NV 2012, 10.

61

2.119

Kapitel 2 Insolvenzrecht

wegen kann wshrend der Dauer der Unterbrechung auch eine Klagefrist nicht in Gang gesetzt werden.1

II. Stellung des Insolvenzverwalters als VermÇgensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO

120

Die Vorschriften des Steuerrechts werden durch das Insolvenzverfahren grundsstzlich nicht berÅhrt.2 Das Insolvenzrecht wirkt auf das Steuerrecht nur soweit ein, wie eine unversnderte Geltung der steuerrechtlichen Vorschriften mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens unvereinbar wsre.3

121

Der Insolvenzverwalter muss nach § 34 Abs. 3 AO die steuerlichen Pflichten des Schuldners wahrnehmen, dem durch die VerfahrenserÇffnung die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis entzogen worden ist.4 Der Insolvenzverwalter ist verfahrensrechtlich VermÇgensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO.5 Die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens lssst jedoch die steuerliche Rechtsstellung des Schuldners unberÅhrt. Dieser bleibt auch wshrend des Verfahrens fÅr alle Steuerarten Steuersubjekt und daher auch Steuerschuldner i.S.v. § 43 AO und Steuerpflichtiger i.S.v. § 33 AO.6 Allerdings hat der Insolvenzverwalter die steuerlichen Pflichten des Schuldners in Bezug auf das von ihm verwaltete VermÇgen vollumfsnglich zu erfÅllen.7

122

Die steuerlichen Pflichten ergeben sich vor allem aus §§ 90, 93 ff., 137 ff., 140 ff., 149 ff. AO und bestehen insbesondere in – der Steuererklsrungspflicht, – den BuchfÅhrungs- und Aufzeichnungspflichten und – den Auskunfts-, Anzeige- und Nachweispflichten.8

123

AuskÅnfte zur Sachaufklsrung darf die FinanzbehÇrde vom Insolvenzverwalter jedoch erst dann einfordern, wenn die Sachverhaltsaufklsrung durch die Beteiligten i.S.d. § 78 AO nicht zum Ziel fÅhrt oder keinen Erfolg verspricht, § 93 Abs. 1 Satz 3 AO.9 Die handels- und steuerrechtlichen Pflichten zur BuchfÅhrung und Rechnungslegung bestehen nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens unversndert fort (§ 155 Abs. 1 Satz 1 InsO). 1 2 3 4 5 6 7

BFH v. 6.7.2011 – II R 34/10, NZI 2011, 911 = BFH/NV 2012, 10. Voigt-Salus in Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 44, Rz. 1. Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 33 Rz. 2. Olbrich, ZInsO 2004, 1292 (1293). Onusseit, ZInsO 2000, 363 (365); Maus, ZInsO 1999, 683 (686). Onusseit/Kunz, Steuern in der Insolvenz, Rz. 2.1. BGH v. 14.11.2013 – IX ZB 161/11, ZIP 2013, 2413 = NZI 2014, 21; Schmittmann, Steuererklsrungspflicht des Insolvenzverwalters bzw. Treuhsnders, NZI 2014, 596; Ott/Vuia in MÅnchKomm/InsO, § 80 Rz. 131. 8 Maus, ZInsO 1999, 683 (686). 9 FG Bdb. v. 12.5.2004 – 1 K 2447/01, ZIP 2005, 41 (42).

62

C. ErÇffnetes Verfahren

Nach § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO hat der Insolvenzverwalter diese Pflichten in Bezug auf die Insolvenzmasse zu erfÅllen (Rz. 3.114 ff.). Die Pflicht des Insolvenzverwalters, die die Insolvenzmasse betreffenden Steuererkllrungen abzugeben, folgt aus § 34 AO.1 Die Bestimmung des § 34 Abs. 3 AO lssst die Abgabe von Steuererklsrungen durch andere Personen auch dann nicht zu, wenn diese dazu willens wsren. Selbst im Fall der Massearmut wird der Insolvenzverwalter nicht von den Steuererklsrungspflichten frei (Rz. 2.274 ff.,3.179 f.). Der Insolvenzverwalter ist trotz Masseunzulsnglichkeit grundsstzlich verpflichtet, Steuererklsrungen selbst zu erstellen, wenn die Masse nicht ausreicht, ein Steuerberaterhonorar zu bezahlen (Rz. 3.179).2

III. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse Literatur Andres/Pape, Die Freigabe des Neuerwerbs als Mittel zur Bewsltigung der Probleme einer selbstsndigen Tstigkeit des Schuldners, NZI 2005, 141; Bncher, KfzSteuererstattungsansprÅche bei unpfsndbaren Fahrzeugen, ZInsO 2010, 939; Massekostenbeitrsge bei der Immobiliarverwertung, ZInsO 2010, 1084; Benne, Einkommensteuerliche und steuerverfahrensrechtliche Probleme bei Insolvenzen im Zusammenhang mit Personengesellschaften, BB 2001, 1977; Bergmann, Die Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters Åber einen zur Insolvenzmasse gehÇrenden GmbH-Geschsftsanteil, ZInsO 2004, 225; Brandt, Softwarelizenzen in der Insolvenz, NZI 2001, 337; Busch/Krankenberg, Pfsndung von SteuererstattungsansprÅchen in der Insolvenz, NWB 12/2010, 893; du Carrois, Freigabe eines GrundstÅckes (Schuldner, was ist zu tun?), ZInsO 2005, 472; Casse, Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit?, ZInsO 2008, 795; Deppe/Schmittmann, KÇrperschaftsteuerguthaben in der Insolvenz: Steuerliche und insolvenzrechtliche Aspekte, InsBÅro 2008, 367; Eisold/Schmidt, Praxisfragen der externen Rechnungslegung in der Insolvenz, BB 2009, 654; Elz, Verarbeitungsklauseln in der Insolvenz des Vorbehaltsksufers – Aussonderung oder Absonderung?, ZInsO 2000, 478; Elfring, Die Verwertung verpfsndeter und abgetretener LebensversicherungsansprÅche in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, NJW 2005, 2192; Ganter, BetriebsfortfÅhrung durch den vorlsufigen Verwalter trotz Globalzession?, NZI 2010, 551; Gerhardt, VerfÅgungsbeschrsnkungen in der ErÇffnungsphase und nach VerfahrenserÇffnung, KÇlner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2000, S. 193; Gleichenstein, Der Steuererstattungsanspruch als Bestandteil der Insolvenzmasse?, NZI 2006, 624; Gundlach/Frenzel/Jahn, Die Inbesitznahme von Aussonderungsgut, DZWIR 2007, 320; Gundlach/Frenzel, Zu den Konsequenzen der Inbesitznahme des Sicherungsgutes vor InsolvenzerÇffnung, DZWIR 2007, 458; Gundlach/Frenzel/Jahn, Die Inbesitznahme durch den vorlsufigen schwachen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt, ZInsO 2010, 122; Blick ins Insolvenzrecht, DStR 2010, 658; Gundlach/ Frenzel/Schmidt, Die Haftung des Insolvenzverwalters gegenÅber Aus- und Absonderungsberechtigten, NZI 2001, 350; Gundlach/Schirrmeister, Die aus- und absonderungsfshigen Gegenstsnde in der vorlsufigen Verwaltung, NZI 2010, 176; 1 Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 33 ff. 2 BFH v. 23.8.1994 – VII R 143/92, BStBl. II 1995, 194 = ZIP 1994, 1969 = NJW 1995, 1696 (1696).

63

Kapitel 2 Insolvenzrecht Hain, Das Wohnraummietverhsltnis des Insolvenzschuldners unter besonderer BerÅcksichtigung der Rsumungs- und Herausgabeverpflichtung des Insolvenzverwalters/Treuhsnders, ZInsO 2007, 192; Hartmann, Kraftfahrzeugsteuer in der Insolvenz nach neuer BFH-Rechtsprechung, NZI 2012, 168; Heubrich, Steuerpflichten des Verwalters bei Neuerwerb des Schuldners?, ZInsO 2004, 1292; Horner/Rand, Kfz-Steuer: Massehaftung fÅr insolvenzfreies VermÇgen?, NZI 2011, 898; Humbeck, Kosten der Verwertung des VorratsvermÇgens bei UnternehmensfortfÅhrung, § 171 Abs. 2 InsO, DZWIR 2003, 283; Kranenberg, Kraftfahrzeugsteuer in der Insolvenz – neuere Entwicklungen in der Rechtsprechung, NZI 2008, 81; Modifizierte Freigabe – Quo vadis?, NZI 2009, 156; Mankowski, Bestimmung der Insolvenzmasse und Pfsndungsschutz unter der EuInsVO, NZI 2009, 785; MÅhlmann, Neues aus dem Bereich Insolvenzverfahren und Gewerbeuntersagung bei „Freigabe“ des Gewerbebetriebs, ZInsO 2011, 2023; Nehrig, Umsatzsteuerpflicht der Masse bei vorinsolvenzlicher Inbesitznahme des Sicherungsgutes durch den Sicherungsnehmer, DZWIR 2006, 141; Obermair, Der Neuerwerb – eine unendliche Geschichte – Anmerkung zum Urteil des BFH vom 7.4.2005, DStR 2005, 1561; ObermÅller, Kostenbeitrsge und AusgleichsansprÅche bei Verwertung von Mobiliarsicherheiten, NZI 2003, 416; Verwertung von Mobiliarsicherheiten im Insolvenzantragsverfahren, DZWIR 2000, 10; Schlegel, Der Verwalter als Zahlstelle nach § 166 InsO, NZI 2003, 17; Smid, Zahlung von Lsstigkeitsprsmien aus der Insolvenzmasse, DZWIR 2008, 501; de Weerth, Zur Frage der Umsatzsteuerschuld bei der Anfechtung bei Inbesitznahme von sicherungsÅbereigneten Gegenstsnden durch Glsubiger vor und Verwertung nach VerfahrenserÇffnung, NZI 2007, 396; Wellensiek, Die Aufgaben des Insolvenzverwalters nach der Insolvenzordnung, in KÇlner Schrift zur Insolvenzordnung, S. 297; Wischemeyer, Maßnahmen der Sicherung, Verwaltung und Verwertung bei Mitberechtigung des Schuldners an Immobilien im Insolvenzverfahren, FD-InsR 2009, 275674; Zimmer, Eigentumsaufgabe und Aneignung nach § 928 BGB, NotBZ 2009, 397.

1. Legaldefinition der Insolvenzmasse

124

Die Verwaltung der Masse umfasst die Sichtung, Sammlung und Sicherung der Insolvenzmasse. Dabei beinhaltet „Sichten“ nicht einzig das Feststellen kÇrperlich vorhandener VermÇgensgegenstsnde oder die Erfassung von Forderungen oder Rechten, sondern auch die PrÅfung eines Unternehmens dergestalt, dass festgestellt werden muss, ob entsprechend der Intention des Gesetzgebers eine erfolgreiche Sanierung desselben in Betracht kommt.1

125

In § 35 InsO wird die Insolvenzmasse als das gesamte VermÇgen definiert, das dem Schuldner zur Zeit der ErÇffnung des Verfahrens gehÇrt und das er wshrend des Verfahrens erlangt.2 Anders als etwa der VermÇgensbegriff des § 1922 BGB umfasst jener des § 35 InsO lediglich die Gesamtheit des schuldnerischen AktivvermÇgens. Hierunter fallen alle geldwerten kÇrperlichen Gegenstsnde, Forderungen, einschließlich anfechtungsrechtlicher RÅckgewshransprÅche nach § 143 InsO, Unternehmensbeteiligun1 Vgl. Runkel in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 171. 2 Zur Definition der Insolvenzmasse im Nachlassinsolvenzverfahren s.: Roth in Roth/Pfeuffer, Praxishandbuch Nachlassinsolvenzverfahren, S. 25 ff.

64

C. ErÇffnetes Verfahren

gen und andere Finanzanlagen, sonstige Rechte sowie alle im Ausland1 befindlichen VermÇgensgegenstsnde. Die Grenzen der Beschlagswirkung bestimmt § 36 InsO. Danach fallen grundsstzlich nur solche Gegenstsnde in die Masse, die auch der Zwangsvollstreckung unterliegen. 2. Inbesitznahme Gemsß §§ 148 ff. InsO hat der Insolvenzverwalter das gesamte zur Insolvenzmasse gehÇrende VermÇgen nach der ErÇffnung des Verfahrens in Besitz zu nehmen. Das von §§ 35 f. InsO umfasste VermÇgen stellt aber regelmsßig nicht die Masse dar, die der Insolvenzverwalter nach seiner Bestellung beim Schuldner vorfindet. Man spricht in dem Zusammenhang daher auch von Sollmasse als der Summe der letztlich im Interesse der Glsubiger verwertbaren VermÇgensgegenstsnde des Schuldners.2 Die Summe der VermÇgensgegenstsnde, die der Insolvenzverwalter beim Schuldner vorfindet, ist demgegenÅber die Istmasse. Diese ist vom Insolvenzverwalter in Besitz zu nehmen und im weiteren Verfahrensverlauf zur Sollmasse zu bereinigen, etwa indem schuldnerfremde VermÇgensgegenstsnde durch Herausgabe an den Berechtigten ausgesondert werden.

2.126

Die Inbesitznahme erfolgt durch BegrÅndung der tatsschlichen Sachherrschaft i.S.v. § 854 BGB. Ob die VermÇgensgegenstsnde mit Rechten Dritter belastet sind, ist fÅr die Inbesitznahme bedeutungslos. Sind die Gegenstsnde mit Absonderungsrechten i.S.v. § 50 ff. InsO belastet, ist der Insolvenzverwalter grundsstzlich zur Verwertung befugt (§ 166 Abs. 1 InsO). Hierzu muss er sie auch in Besitz nehmen dÅrfen. Sind AussonderungsansprÅche nicht abschließend geklsrt, greift die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB zugunsten der Masse. Daher kÇnnen sich aus- und absonderungsberechtigte Dritte gegen die Inbesitznahme nicht wehren.3 Haben allerdings die Ermittlungen im ErÇffnungsverfahren ergeben, dass Aussonderungsrechte bestehen, so muss der Insolvenzverwalter diese Gegenstsnde nicht in Besitz nehmen.4 Befinden sich bewegliche Gegenstsnde im Besitz des Schuldners und verweigert dieser die Herausgabe, kann der Insolvenzverwalter mit einer vollstreckbaren Ausfertigung des ErÇffnungsbeschlusses die Herausgabevollstreckung betreiben.5

2.127

Der Insolvenzverwalter muss auch Rechte in Besitz nehmen. Soweit diese in einer Urkunde (Wertpapiere, SparbÅcher, Grundpfandbriefe etc.) verkÇrpert sind, hat der Insolvenzverwalter Letztere in Besitz zu nehmen. DarÅber hinaus muss er sicherstellen, dass die Rechte nicht durch Dritte

2.128

1 BGH v. 14.11.1996 – IX ZR 339/95, ZIP 1997, 39 = NJW 1997, 524 (524). 2 Mohrbutter in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 6 Rz. 164. 3 Wegener in FrankfurterKomm/InsO, § 148 Rz. 4. 4 BGH v. 5.10.1994 – XII ZR 53/93, BGHZ 127, 156 (161) = ZIP 1994, 1700; FÅchsl/ Weishnupl in MÅnchKomm/InsO, § 148 Rz. 12. 5 Runkel in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 172.

65

Kapitel 2 Insolvenzrecht

beeintrschtigt werden.1 FÅr die wirksame Inbesitznahme von Forderungen ist erforderlich, dass die VerfahrenserÇffnung den Drittschuldnern angezeigt wird, jeweils verbunden mit dem Hinweis, dass erfÅllungswirksam nurmehr an die Masse geleistet werden kann.

129

Die Insolvenzmasse umfasst auch die GeschlftsbÅcher des Schuldners, § 36 Abs. 2 Ziff. 1 InsO. Daher kann der Insolvenzverwalter diese von den Stellen, die diese in der Vergangenheit gefÅhrt haben, heraus verlangen.2 Das gilt gleichermaßen fÅr Unterlagen, die ein Steuerberater oder Buchhalter im Rahmen seiner Auftragsleistung fÅr den Schuldner erstellt hat. AusfÅhrlich zu den Rechtsverhsltnissen des Insolvenzverwalters in Bezug auf den Steuerberater des Insolvenzschuldners (Rz. 2.386 ff.).3

130

GehÇren Immobilien zur Insolvenzmasse, erfolgt deren Sicherung zugunsten der Masse mittels Eintragung des Insolvenzvermerkes in das Grundbuch, § 32 InsO. Soweit Immobilien vermietet sind, ist zusstzlich eine Anzeige gegenÅber den Mietern als Drittschuldnern erforderlich.4

131

Komplexer gestaltet sich die Inbesitznahme bei der xbernahme des schuldnerischen Unternehmens. Hier hat der Insolvenzverwalter das gesamte Anlage- und UmlaufvermÇgen zu Åbernehmen. DarÅber hinaus muss der Insolvenzverwalter unverzÅglich Klarheit Åber die FortfÅhrungsperspektiven herbeifÅhren. Die FortfÅhrung kommt freilich nur bei einer positiven Zukunftsprognose in Betracht, die regelmsßig bereits im Rahmen des ErÇffnungsverfahrens umfassend geprÅft wird.

132

Wurde das Unternehmen nicht bereits im ErÇffnungsverfahren im Rahmen einer vorlsufigen Insolvenzverwaltung in Besitz genommen, muss die Inbesitznahme sofort nach VerfahrenserÇffnung erfolgen.5 Bei einer schuldhaften VerzÇgerung der Besitzergreifung sind SchadensersatzansprÅche gegen den Verwalter nach § 60 InsO mÇglich.6 Der Insolvenzverwalter bleibt wshrend der gesamten Dauer des Verfahrens zur Inbesitznahme verpflichtet, muss also auch etwaigen Neuerwerb gem. § 35 Abs. 1 Alt. 2 InsO fÅr die Masse in Beschlag nehmen.7 Die Vorschrift ist vor allem in der Insolvenz natÅrlicher Personen von Bedeutung. Der Neuerwerb umfasst dort insbesondere die aufgrund rechtsgeschsftlichen Handelns des Schuldners wshrend des Insolvenzverfahrens hinzuerworbenen VermÇgensgegenstsnde.8 Dazu gehÇrt in erster Linie der Anspruch auf den nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO pfsndbaren Teil des Arbeitseinkommens des Schuldners. Der Anspruch auf Insolvenzgeld (§§ 183 ff. SGB III) ist nach 1 2 3 4 5 6 7 8

Wegener in FrankfurterKomm/InsO, § 148 Rz. 4a. FÅchsl/Weishnupl in MÅnchKomm/InsO, § 148 Rz. 16. OLG Hamm v. 4.8.1987 – 25 U 173/86, ZIP 1987, 1330 = EWiR 1987, 1121 (1121). Wegener in FrankfurterKomm/InsO, § 148 Rz. 4c. FÅchsl/Weishnupl in MÅnchKomm/InsO, § 148 Rz. 24. Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 148 InsO Rz. 8. Hnsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 13.02. Hnsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 9.20, 9.28.

66

C. ErÇffnetes Verfahren

§ 189 SGB III wie Arbeitseinkommen pfsndbar und daher, soweit er die Pfsndungsfreigrenzen des § 850c ZPO Åbersteigt, auch Teil der Insolvenzmasse. VermÇgen, das der Masse durch Handlungen des Insolvenzverwalters zufließt, ist kein Neuerwerb i.S.d. § 35 InsO, sondern VermÇgen, das kraft Surrogation zur Masse gehÇrt.1 Denkbare Fslle von Neuerwerb bei juristischen Personen sind Gesellschafterleistungen in Form von KapitalerhÇhungen oder NachschÅssen,2 SteuererstattungsansprÅchen oder auch Erbschaften. Die Besitzergreifung hat nach Åberwiegender Auffassung zur Folge, dass der Insolvenzverwalter unmittelbarer Fremdbesitzer (und der Schuldner mittelbarer Besitzer) wird mit der Konsequenz, dass ihm auch die Besitzschutzrechte unmittelbar zustehen.3

2.133

Aufgrund der Tatsache, dass die Inbesitznahme regelmsßig mit Kosten verbunden ist, prÅft der Insolvenzverwalter regelmsßig, ob die Gegenstsnde bis zur Verwertung im Besitz des Schuldners oder eines Dritten verbleiben kÇnnen. In diesen Fsllen muss der Insolvenzverwalter sicherstellen, dass der unmittelbare Besitzer seinen Weisungen Folge leistet.4

2.134

3. Insolvenzfreies VermÇgen a) Reichweite des Insolvenzbeschlags Der Insolvenzbeschlag erfasst nicht notwendigerweise das gesamte VermÇgen des insolventen Rechtstrsgers. Insolvenzfreies VermÇgen ist vor allem in Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen natÅrlicher Personen unter unterschiedlichen Gesichtspunkten denkbar.

2.135

b) Unpflndbare VermÇgensgegenstlnde aa) Grundlagen Das Gesetz schrsnkt den Insolvenzbeschlag zunschst dergestalt ein, dass Gegenstsnde, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, auch nicht zur Insolvenzmasse gehÇren, § 36 InsO. Darin kommt zum Ausdruck, dass es sich beim Insolvenzverfahren um ein (Gesamt-)Vollstreckungsverfahren handelt, das als solches rechtsstaatlichen Grundsstzen genÅgen muss. Die Pfsndungsschutzvorschriften der ZPO, auf welche in § 36 InsO verwiesen wird, sind Ausfluss des verfassungsimmanenten Sozialstaatsprinzips (Art. 20, 28 GG). Der Schutz vor andernfalls drohender Kahlpfsndung stellt sicher, dass dem Schuldner auch in der Insolvenz die MÇglichkeit verbleibt, seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten, wodurch nicht zuletzt die Sozialkassen geschÅtzt werden sollen. Angesichts 1 2 3 4

S. dazu BT-Drucks. 12/2442, 122, Rz. 472. Kuhn/Uhlenbruck, § 1 KO Rz. 4a. Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 148 InsO Rz. 11. Wegener in FrankfurterKomm/InsO, § 148 Rz. 7.

67

2.136

137

Kapitel 2 Insolvenzrecht

dieses Normzwecks ist § 36 InsO auf das Insolvenzverfahren natÅrlicher Personen beschrsnkt.1 Inwieweit VermÇgensgegenstsnde der Zwangsvollstreckung und damit dem Insolvenzbeschlag entzogen sind, ist fÅr das bewegliche VermÇgen in §§ 808 ff. ZPO bzw. §§ 850 ff. ZPO geregelt. Unbewegliches VermÇgen des Schuldners ist grundsstzlich ohne Einschrsnkung der Zwangsvollstreckung und damit auch dem Insolvenzbeschlag unterworfen, vgl. §§ 864 bis 871 ZPO.2 bb) Bewegliche Sachen

138

FÅr die Frage der Pfsndbarkeit beweglicher Sachen bildet § 811 ZPO die zentrale Schutznorm. Unpfsndbar sind danach insbesondere Sachen, derer der Schuldner fÅr seinen Haushalt und fÅr seinen persÇnlichen Gebrauch einschließlich seiner Berufststigkeit im Rahmen einer der Verschuldung angemessenen bescheidenen Lebens- und HaushaltsfÅhrung bedarf, wie Bett, Fernseher, Kleidung, Nahrungsmittel sowie die Kosten fÅr Strom und Heizung, vgl. § 811 Abs. 1 Ziff. 1, 2 ZPO.

139

SchÇpft der Schuldner seinen Erwerb aus einer selbstsndigen persÇnlichen (kÇrperlichen oder geistigen) Tstigkeit, sind auch alle zur Fortsetzung dieser Tstigkeit erforderlichen Arbeitsmittel unpfsndbar, vgl. § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO. Wesentliches Kriterium fÅr die Anwendbarkeit des § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO ist, dass im Rahmen der Erwerbststigkeit bei natÅrlicher Betrachtungsweise die persÇnliche Leistung im Vordergrund steht. Dies ist nur der Fall, wenn den individuellen Fshigkeiten des Schuldners im Rahmen der WertschÇpfung mehr Bedeutung zukommt als der Ausnutzung der sschlichen Betriebsmittel.3 Auf Handelsvertreter, KÅnstler, Architekten, Steuerberater und andere Freiberufler trifft dies regelmsßig zu. cc) Forderungen und andere VermÇgensrechte

140

Die MassezugehÇrigkeit von Forderungen und anderen VermÇgensrechten richtet sich nach § 36 InsO i.V.m. §§ 850 ff. ZPO. Die Pfsndbarkeit von Arbeitseinkommen oder an dessen Stelle tretende BezÅge ist in den §§ 850 bis 850i ZPO geregelt. Die Pfsndbarkeit von anderen Forderungen und anderen VermÇgensrechten richtet sich nach den §§ 851 bis 852 ZPO und den §§ 857 bis 863 ZPO.

141

Große praktische Bedeutung hat vor allem der Pfsndungsschutz im Bereich des Arbeitseinkommens (§§ 850 ff. ZPO): Die Vorschriften bestimmen, dass der Schuldner Åber EinkÅnfte, die unterhalb der Pfsndungsfrei1 Peters in MÅnchKomm/InsO, § 36 Rz. 6; Henckel in Jaeger, § 35 InsO Rz. 145. 2 Schumacher in FrankfurterKomm/InsO, § 36 Rz. 3. 3 LG Augsburg v. 2.12.1996 – 5 T 3697/96, DGVZ 1997, 27 (28); LG Hamburg v. 31.3.1983 – 2 T 32/83, DGVZ 1984, 26 (26); ausfÅhrlich zum Ganzen ferner Smid, DZWIR 2008, 133 (142).

68

C. ErÇffnetes Verfahren

grenze der ZPO liegen, auch wshrend des Insolvenzverfahrens grundsstzlich frei verfÅgen kann. Die nach oben offene Staffelung der Pfsndungsfreigrenzen schafft einen Anreiz fÅr den Schuldner, seine Arbeitskraft im Interesse seiner Glsubiger bestmÇglich und effizient einzusetzen. dd) RÅckfall von insolvenzfreiem VermÇgen in die Masse Bewegliche Sachen, die nach § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO unpfsndbar und damit massefrei sind, kÇnnen diese Qualitst im Laufe des Insolvenzverfahrens einbÅßen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn dem Schuldner die weitere AusÅbung seiner selbstsndigen Tstigkeit durch Verwaltungsakt einer BehÇrde verboten wird. Da der Schuldner die Arbeitsmittel in der Folge objektiv nicht mehr benÇtigt, ist fÅr § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO ab Eintritt der Bestands- oder Rechtskraft des Verbotes kein Raum mehr. Die Gegenstsnde sind dann wie Neuerwerb zu behandeln und als Teil der Sollmasse zu verwerten. Gleiches gilt, wenn der Schuldner seine selbstsndige Tstigkeit im erÇffneten Insolvenzverfahren aus anderen GrÅnden nicht fortsetzen kann, etwa weil keine Geschsftsrsume mehr zur VerfÅgung stehen und sich auch kein Vermieter findet, der bereit ist, mit dem Schuldner einen entsprechenden Miet- oder Pachtvertrag abzuschließen. Die beweglichen Arbeitsmittel unterfallen dann nicht mehr dem Pfsndungsschutz des § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO, weil die bloße MÇglichkeit kÅnftiger BerufsausÅbung fÅr eine Anwendung der Vorschrift nicht ausreicht.

2.142

4. Freigabe durch den Insolvenzverwalter a) Echte Freigabe Insolvenzfreies VermÇgen ist ferner unter dem Gesichtspunkt denkbar, dass der Insolvenzverwalter Gegenstsnde der Insolvenzmasse aus dieser freigibt.

2.143

Freigabe bezeichnet die HerauslÇsung von Rechten und VermÇgensgegenstsnden aus dem Insolvenzbeschlag durch einen rechtsgeschsftlichen Akt des Insolvenzverwalters mit der Rechtsfolge, dass der Schuldner wieder uneingeschrsnkt Åber sie verfÅgen kann.1 Die Freigabebefugnis des Insolvenzverwalters ergibt sich aus seiner Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis Åber das zur Insolvenzmasse gehÇrende VermÇgen. Durch die Freigabeerklsrung wird der bisher vom Insolvenzbeschlag umfasste Gegenstand wieder vollumfsnglich der Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis des Schuldners unterstellt. Dies hat zur Folge, dass der Gegenstand (wieder) insolvenzfreies VermÇgen wird.2 Die Freigabe erfolgt durch einseitige, an den Schuldner zu richtende, empfangsbedÅrftige Willenserklsrung, die

2.144

1 Ott/Vuia in MÅnchKomm/InsO, § 80 Rz. 65. 2 Kalter, KTS 1975, 1 (9); Lwowski/Peters in MÅnchKomm/InsO, § 35 Rz. 58.

69

145

Kapitel 2 Insolvenzrecht

auch konkludent erfolgen kann.1 Die Freigabeerklsrung bezieht sich auf bestimmte massezugehÇrige Gegenstsnde2 und muss einen Verzicht auf die MassezugehÇrigkeit enthalten.3 Um der Rechtssicherheit in geeignetem Maße Rechnung zu tragen, ist die Freigabe unwiderruflich.4 Sie ist jedoch nach bÅrgerlich-rechtlichen Vorschriften anfechtbar.5 Die Freigabe kann sich auf bewegliche und unbewegliche Gegenstsnde sowie Forderungen und sonstige Rechte erstrecken. Eine gesetzliche Regelung der Freigabe gibt es in der Insolvenzordnung nicht, allerdings wird ihre Zulsssigkeit vom Gesetzgeber vorausgesetzt (vgl. § 32 Abs. 3 Satz 1 InsO). Zulsssigkeit und Wirksamkeit der Freigabe sind in Rechtsprechung und Schrifttum grundsstzlich anerkannt, auch in Bezug auf juristische Personen und Handelsgesellschaften.6 Der BGH hat sich zur Zulsssigkeit der Freigabe und ihrer Notwendigkeit im Insolvenzverfahren unmissverstsndlich gesußert: „Das berechtigte Interesse der Glnubiger, aus der Masse eine Befriedigung ihrer AnsprÅche zu erhalten und deshalb mÇglichst die Entstehung von Verbindlichkeiten zu vermeiden, die das zur Verteilung zur VerfÅgung stehende VermÇgen schmnlern, hat im Rahmen der insolvenzrechtlichen Abwicklung unbedingten Vorrang. Ein rechtlich schutzwÅrdiges BedÅrfnis, dem Verwalter die MÇglichkeit der Freigabe einzurnumen, besteht regelmnßig dort, wo zur Masse Gegenstnnde gehÇren, die wertlos sind oder Kosten verursachen, welche den zu erwartenden VernußerungserlÇs mÇglicherweise Åbersteigen. Dies hat insbesondere bei wertausschÇpfend belasteten oder erheblich kontaminierten GrundstÅcken große praktische Bedeutung. Es wnre mit dem Zweck der Glnubigerbefriedigung nicht zu vereinbaren, wenn der Insolvenzverwalter in solchen Fnllen gezwungen wnre, Gegenstnnde, die nur noch geeignet sind, das SchuldnervermÇgen zu schmnlern, allein deshalb in der Masse zu behalten, um eine Vollbeendigung der Gesellschaft zu bewirken“.7

1 2 3 4

Hirte in Uhlenbruck, § 35 InsO Rz. 73. Kalter, KTS 1975, 1 (9). Lwowski/Peters in MÅnchKomm/InsO, § 35 Rz. 100. Lwowski/Peters in MÅnchKomm/InsO, § 35 Rz. 100; Vgl. HÇpfner, ZIP 2000, 1517 (1520). 5 Lwowski/Peters in MÅnchKomm/InsO, § 35 Rz. 102. 6 BGH v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, ZIP 2004, 2024 = NJW 2005, 2015 (2015) = NZI 2005, 387 (387); v. 18.4.2002 – IX ZR 161/01, ZIP 2002, 1043 = NZI 2002, 425 (425) = VIZ 2002, 540 (540); BVerwG v. 23.9.2004 – 7 C 22/03, NZI 2005, 51 (51 ff.); Hirte in Uhlenbruck, § 35 InsO Rz. 71 ff.; Smid, § 80 InsO Rz. 30; Wittkowski in Nerlich/RÇmermann, § 80 InsO Rz. 95; Andres in Nerlich/RÇmermann, § 36 InsO Rz. 48 ff.; Eickmann in HeidelberKomm/InsO, § 35 Rz. 42 ff.; Hnsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 13.14 ff.; Kleine/FlÇther, NJW 2000, 405 (405 ff.); Lwowski/Tetzlaff, NZI 2004, 225 (229); ebenso schon zur KO: BGH v. 29.5.1961 – VII ZR 46/60, NJW 1961, 1528 (1528); v. 27.11.1981 – V ZR 144/80, ZIP 1982, 189 (189); v. 5.10.1994 – XII ZR 53/93, BGH NJW 1994, 3232 (3234); OLG Naumburg v. 1.3.2000 – 5 U 192/99, ZIP 2000, 976 (976 ff.); Kuhn/Uhlenbruck, § 6 KO Rz. 35; Jaeger/Henckel, § 6 KO Rz. 17. 7 BGH v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, ZIP 2004, 2024 = JuS 2005, 846 (847 f.).

70

C. ErÇffnetes Verfahren

Die Freigabe bietet sich an, um eine Belastung der Masse mit Realsteuern wie Grundsteuern zu verhindern. Gibt der Insolvenzverwalter ein zur Masse gehÇrendes GrundstÅck frei, so bilden die vor ErÇffnung entstandenen SteueransprÅche einfache Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO. Die spsteren AnsprÅche bis zur Freigabe sind Masseverbindlichkeiten im Rang von § 55 InsO, wshrend der Fiskus SteueransprÅche fÅr den Zeitraum ab der Freigabe gegenÅber dem insolvenzfreien VermÇgen des Schuldners geltend machen muss.1

2.146

Wird durch die Versußerung des freigegebenen Gegenstandes durch den Schuldner ein ErlÇs erzielt, so fließt dieser nicht zur Masse, sondern wird ebenfalls insolvenzfreies VermÇgen des Schuldners.2 Die Freigabe stellt praktisch das „GegenstÅck“ zur Inbesitznahme dar.3

2.147

b) Unechte Freigabe Im Fall der unechten Freigabe gibt der Insolvenzverwalter einen nicht dem Schuldner gehÇrenden und damit massefremden Gegenstand an den Berechtigten, den Aussonderungsberechtigten, heraus (§ 47 InsO). Der Freigabe kommt in diesem Fall lediglich deklaratorische Bedeutung zu, denn der Insolvenzverwalter handelt insoweit nur in Anerkennung der ohnehin gegebenen materiellen Rechtslage.4

2.148

Davon zu unterscheiden ist der Fall des § 170 Abs. 2 InsO. Hierbei gibt der Insolvenzverwalter einen VermÇgensgegenstand an den Absonderungsberechtigten zur Verwertung heraus, zu den umsatzsteuerrechtlichen Auswirkungen Rz. 4.456 f. Allerdings bleibt der Gegenstand Teil der Insolvenzmasse. Der Glsubiger ist lediglich berechtigt, die Verwertung durchzufÅhren und sich aus dem ErlÇs zu befriedigen. Den xbererlÇs muss er an den Insolvenzverwalter abfÅhren, was sich aus der MassezugehÇrigkeit des Gegenstandes ergibt. Der Fall ist nicht mit der unechten Freigabe identisch, da dort der herauszugebende Aussonderungsgegenstand zu keinem Zeitpunkt zur Insolvenzmasse gehÇrt hat. Im zuletzt geschilderten Fall sndert selbst die Herausgabe des Gegenstandes an den Glsubiger nichts an dessen MassezugehÇrigkeit.5

2.149

c) Modifizierte Freigabe Eine modifizierte Freigabe liegt vor, wenn der Insolvenzverwalter den Schuldner ermschtigt, ein Recht, das zur Insolvenzmasse gehÇrt, gericht-

1 2 3 4 5

Lwowski/Peters in MÅnchKomm/InsO, § 35 Rz. 90. Lwowski/Peters in MÅnchKomm/InsO, § 35 Rz. 103. Runkel in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 174. Schumacher in FrankfurterKomm/InsO, § 35 Rz. 14. Insoweit noch zutreffend: BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 170 Rz. 9. Der Schluss, es handle sich um eine unechte Freigabe, ist jedoch nicht zutreffend.

71

2.150

151

Kapitel 2 Insolvenzrecht

lich geltend zu machen, um die Masse von dem Prozesskostenrisiko zu befreien.1 5. Sonderfall: Freigabe eines Geschlftsbetriebes gem. § 35 Abs. 2, 3 InsO Literatur Andres, Die geplante Neuregelung des Neuerwerbs des selbstsndigen Schuldners in der Insolvenz, NZI 2006, 198; Andres/Pape, Die Freigabe des Neuerwerbs als Mittel zur Bewsltigung der Probleme einer selbstsndigen Tstigkeit des Schuldners, NZI 2005, 141; Dahl, Auswirkung der Freigabe des Geschsftsbetriebs auf Mietverhsltnis, VIA 2010, 54; Gundlach/Frenzel/Schirrmeister, Das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens, DStR 2007, 1352; Kranenberg, Modifizierte Freigabe – Quo vadis?, NZI 2009, 156; Lindemann, Arbeitsrechtliche Zusammenhsnge bei der „Freigabe“ des Geschsftsbetriebes des Schuldners in der Insolvenz, BB 2011, 2357; Pape, znderungen im erÇffneten Verfahren durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens, NZI 2007, 481; Schmerbach, Gewerbeuntersagung bei freigegebenem Geschsftsbetrieb, VIA 2011, 56; Schulz, Gewerberechtliche Fragen bei FortfÅhrung des Gewerbebetriebes des Gemeinschuldners durch den Konkursverwalter, GewA 1959, 73; Smid, Freigabe des Neuerwerbs in der Insolvenz selbstsndig tstiger Schuldner, DZWIR 2008, 133; Freigabeerklsrungen des Insolvenzverwalters/Treuhsnders bei selbstsndiger Tstigkeit des Insolvenzschuldners? – Zugleich Bemerkungen zu den znderungsvorschlsgen zu § 35 InsO im Referentenentwurf eines Gesetzes zur znderung der InsO, WM 2005, 625.

a) Entstehungsgeschichte In den Fsllen des § 36 InsO i.V.m. § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO (Rz. 2.139) stellte die Einbeziehung des Neuerwerbs in die Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1 Alt. 2 InsO) die Insolvenzpraxis vor erhebliche Probleme. Aufgrund der Neuregelung gehÇrten die AnsprÅche, die der Schuldner im Rahmen einer selbstsndigen Tstigkeit unter Einsatz seiner persÇnlichen Arbeitskraft und der gem. § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO massefreien Betriebsmittel nach VerfahrenserÇffnung ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters begrÅndete, als Neuerwerb zur Insolvenzmasse. Problematisch daran war, dass die vom Schuldner im Rahmen der WertschÇpfung begrÅndeten Verbindlichkeiten nach allgemeinen Grundsstzen nicht am Verfahren teilnehmen durften. Vom Schuldner nach VerfahrenserÇffnung begrÅndete Verbindlichkeiten hatten angesichts des in § 38 InsO verankerten Stichtagsprinzips nsmlich weder den Status von Insolvenzforderungen noch die Qualitst von Masseverbindlichkeiten, da letztere in §§ 55, 100, 123 Abs. 2 Satz 1 oder § 324 InsO abschließend geregelt waren. Bei wortgetreuer Rechtsanwendung hstte der Schuldner seinen betrieblichen Kostenaufwand folglich ausschließlich aus seinem pfsndungsfreien VermÇgen bestreiten, auf der anderen Seite aber seine kompletten UmsatzerlÇse an die Masse abfÅhren mÅssen. Dass BetriebsfortfÅhrungen durch selbstsndige Schuldner, wie sie das Gesetz in § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO vor1 Schumacher in FrankfurterKomm/InsO, § 35 Rz. 16.

72

C. ErÇffnetes Verfahren

sieht, so nicht mÇglich sind, versteht sich von selbst, zumal sich auch kein verstsndiger Geschsftspartner darauf einlassen wÅrde, mit seiner Forderung fÅr die Dauer des Insolvenzverfahrens (und einer sich ggf. anschließenden Wohlverhaltensperiode) auf keinerlei pfsndbares VermÇgen zugreifen zu kÇnnen. Die Praxis behalf sich zunschst damit, dass dem Insolvenzverwalter zugestanden wurde, den Neuerwerb selbstsndig tstiger Schuldner durch eine pauschale Erklsrung insgesamt aus der Masse freigeben zu kÇnnen. Dem trat der BGH in seiner „Psychologinnen-Entscheidung“ jedoch entgegen. Danach sei der Insolvenzverwalter verpflichtet, ssmtliche Einnahmen des Insolvenzschuldners aus der selbstsndigen Tstigkeit zur Masse zu ziehen und dem Schuldner im Gegenzug analog §§ 850 ff. ZPO die nÇtigen Mittel fÅr die AusÅbung der selbstsndigen Tstigkeit zu Åberlassen.1 Die vom BGH vorgeschlagene Vorgehensweise erwies sich in der Folge als unpraktikabel. Außerdem blieb unklar, welche rechtliche Qualitst die vom Insolvenzschuldner selbstsndig begrÅndeten Verbindlichkeiten – allen voran etwaige Umsatzsteuerschulden – besaßen. DiesbezÅglich ging der BFH davon aus, dass die Umsatzsteuerforderung der Finanzverwaltung jedenfalls dann keine Masseschuld gem. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO darstelle, wenn der Schuldner die steuerpflichtige Leistung durch seine Arbeit und mit Gegenstsnden erbracht hat, die gem. § 811 Ziff. 5 ZPO unpfsndbar sind.2 Der Gesetzgeber hat auf die anhaltende Kritik aus der Praxis reagiert und die von Verwalterseite favorisierte LÇsung auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Nach § 35 Abs. 2, 3 InsO muss der Insolvenzverwalter in Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen Selbstsndiger fortan explizit wshlen, ob Aktiva und Passiva, die aus einer kÅnftigen selbstsndigen Tstigkeit des Schuldners erwachsen, massezugehÇrig sind oder nicht.

2.152

b) Rechtsfolgen Erklsrt der Insolvenzverwalter demgemsß – unter Beachtung der Formalia des § 35 Abs. 3 InsO – die MasseunzugehÇrigkeit der betreffenden VermÇgensteile, ist der gesamte spltere Neuerwerb des Schuldners aus der betreffenden Tstigkeit massefrei. Andererseits kÇnnen die von dem Schuldner im Rahmen der BetriebsfÅhrung begrÅndeten Verbindlichkeiten ggf. weder als Masseverbindlichkeiten noch als Insolvenzforderungen an dem laufenden Insolvenzverfahren teilnehmen. Die Freigabe fÅhrt mit anderen Worten dazu, dass den Neuglsubigern selbstsndig tstiger Schuldner auch in Zukunft – so wie dies unter Geltung der Konkursordnung automatisch der Fall war – ausschließlich, aber dafÅr auch exklusiv, d.h. unter Ausschluss der Altglsubiger, die am Insolvenzverfahren teilnehmen, der Neuerwerb als Haftungsmasse zur VerfÅgung steht. Sie kÇnnen gegen den Schuldner persÇnlich klagen, aber nur in das massefreie VermÇgen 1 BGH v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, NJW 2003, 2167 (2167). 2 BFH v. 7.4.2005 – V R 5/04, BStBl. II 2005, 848 = ZIP 2005, 1376 = ZInsO 2005, 774 (774).

73

2.153

Kapitel 2 Insolvenzrecht

vollstrecken. xber das massefreie VermÇgen kann spster unter Umstsnden ein zweites, paralleles Insolvenzverfahren erÇffnet werden.1 Gegenstand des Zweitinsolvenzverfahrens ist dann das nicht vom Insolvenzbeschlag des ersten Insolvenzverfahrens erfasste VermÇgen. In Betracht kommen insoweit vor allem der Neuerwerb des Schuldners sowie AnfechtungsansprÅche gegen Neuglsubiger.

154

Angesichts der Anordnung der entsprechenden Geltung des § 295 Abs. 2 InsO in § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO obliegt es dem Schuldner im Fall der Fortsetzung seiner selbstsndigen Tstigkeit allerdings, die Masse wirtschaftlich so zu stellen wie diese stÅnde, wenn er stattdessen in ein seinen Fshigkeiten angemessenes Dienstverhsltnis eingetreten wsre.2 Er muss also denjenigen Betrag an die Masse abfÅhren, den er im Rahmen eines angemessenen Dienstverhsltnisses unter BerÅcksichtigung der Pfsndungsfreigrenzen an Beitrsgen an die Insolvenzmasse abzufÅhren hstte.3 Fraglich ist, ob es sich hierbei lediglich um eine Obliegenheit handelt mit der Folge, dass eine Verletzung keinen klagbaren Anspruch der Masse begrÅnden, sondern allenfalls zur Versagung einer ggf. beantragten Restschuldbefreiung fÅhren kÇnnte.

155

Gibt der Insolvenzverwalter pflichtwidrig keine Erklsrung ab und duldet er in der Folge die selbstsndige AusÅbung einer selbstsndigen Tstigkeit durch den Schuldner, werden alle in dem Zusammenhang kÅnftig von diesem begrÅndeten Verpflichtungen – und damit entgegen der bisherigen BFH-Rechtsprechung (Rz. 2.152) auch Steuerschulden gegenÅber dem Finanzamt4 – automatisch Masseverbindlichkeiten. Der Abgabe einer ausdrÅcklichen „Positiverklsrung“ bedarf es hierzu nicht. Sie hstte folglich allenfalls deklaratorische Bedeutung.

156

Nicht abschließend geklsrt ist der in der Praxis keineswegs seltene Fall, dass der Schuldner hinter dem RÅcken des Insolvenzverwalters agiert. Da der Insolvenzverwalter in solchen Fsllen freilich keine (rechtzeitige) Negativerklsrung nach § 35 Abs. 2 InsO abgeben kann, wsre es nicht sachgerecht, die Masse auch dann mit den vom Schuldner neu begrÅndeten Verbindlichkeiten zu belasten. Streitig sind aber solche Fslle, in denen der Insolvenzverwalter zwar keine positive Kenntnis von dem Treiben des Schuldners hat, dieses aber ohne grÇßere Schwierigkeiten hstte erkennen kÇnnen. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht setzt eine solche Duldung zwingend die positive Kenntnis des Insolvenzverwalters von der betreffenden Tstigkeit voraus.5 Nach anderer Auffassung soll bloße Er1 Vgl. AG Hamburg v. 18.6.2008 – 67g IN 37/08, ZIP 2009, 384 = ZInsO 2008, 680 (681); AG GÇttingen v. 26.2.2008 – 74 IN 304/07, NZI 2008, 313 (314); Lwowski/ Peters in MÅnchKomm/InsO, § 35 Rz. 75; Holzer, ZVI 2007, 289 (292 f.). 2 Schmerbach/Wegener, ZInsO 2006, 400 (406). 3 Runkel in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 17 Rz. 93. 4 LÅdtke in HamburgerKomm/InsO, § 35 Rz. 249. 5 Holzer, ZVI 2007, 289 (293); Pape, NZI 2007, 481 (482); Andres, NZI 2006, 198 (199).

74

C. ErÇffnetes Verfahren

kennbarkeit ausreichen.1 Nach vermittelnder und vorzugswÅrdiger Ansicht darf der Insolvenzverwalter jedenfalls nicht vor klaren Anzeichen die Augen verschließen. Daher muss er insbesondere Hinweisen des Finanzamtes nachgehen.2 c) Abgrenzung zu § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO Der gegenstsndliche Anwendungsbereich des § 35 Abs. 2 und 3 InsO ist in Rechtsprechung und Literatur bislang ebenso ungeklsrt wie das Verhsltnis der Norm zu § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO. Beide Normen betreffen explizit das BetriebsvermÇgen selbstsndig tstiger Schuldner. Auf den ersten Blick scheinen sich die Anwendungsbereiche von §§ 36 InsO i.V.m. 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO einerseits und § 35 Abs. 2 und 3 InsO andererseits auszuschließen. Schließlich ist es denklogisch unmÇglich, VermÇgen, das bereits gemsß der erstgenannten Bestimmungen massefrei ist, nochmals gemsß der zweitgenannten Vorschriften aus der Masse freizugeben. Auf den zweiten Blick wird indessen klar, dass § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO nur die sschlichen Betriebsmittel des Selbstsndigen, nicht aber die unter Einsatz derselben erzielten kÅnftigen EinkÅnfte massefrei stellt. Jedenfalls was die letzteren angeht, ist daher Raum fÅr § 35 Abs. 2 und 3 InsO. Dies entspricht zugleich dem originsren Anwendungsbereich der Normen. Dass diese Regelungen nach der Vorstellung des Gesetzgebers von dem gesamten betrieblichen AktivvermÇgen lediglich den Neuerwerb erfassen sollen, ergibt sich sowohl aus der systematischen Stellung der Norm im Kontext des § 35 Abs. 1 Alt. 2 InsO als auch aus der schwerfslligen Gesetzesformulierung.

2.157

Bei Lichte besehen vertrsgt sich die Einschstzung des Gesetzgebers, alles andere außer dem Neuerwerb sei in der Selbstsndigeninsolvenz ohnehin gem. § 36 InsO i.V.m. § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO massefrei, jedoch weder mit objektiv-teleologischen Zwecken des Insolvenzrechtes noch mit einer mit RÅcksicht hierauf schon seit vielen Jahren in der insolvenzrechtlichen Literatur vertretenen Auffassung. Danach fallen freiberufliche Praxen entgegen §§ 36 InsO i.V.m. 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO automatisch in die Insolvenzmasse.3 HierfÅr wird insbesondere vorgebracht, dass alles andere einer unzulsssigen und mit § 35 InsO nicht zu vereinbarenden Privilegierung von Freiberuflern gleichksme.4 Die Vertreter dieser Ansicht sprechen § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO in der Insolvenz de facto jeden Anwendungsbereich ab.

2.158

1 Windel in Jaeger, § 80 InsO Rz. 33; Berger, ZInsO 2008, 1101 (1105). 2 Ebenso: Schmerbach, InsBÅro 2007, 202 (210). 3 Uhlenbruck, FS Henckel 1995, 877; W. Gerhardt, FS Gaul 1997, 139 (145); Andres in Nerlich/RÇmermann, § 35 InsO Rz. 73; Lwowski/Peters in MÅnchKomm/ InsO, § 35 Rz. 509; Kluth, NJW 2002, 186 (186); Klopp/Kluth in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 26 Rz. 7; Vallender, FS Metzeler 2003, 6. 4 Hirte in Uhlenbruck, § 35 InsO Rz. 276 f.

75

Kapitel 2 Insolvenzrecht

159

Folgte man dem, hstte § 35 Abs. 2 und 3 InsO automatisch einen sehr viel grÇßeren, potentiellen Anwendungsbereich. Insbesondere betrsfe die Freigabe ggf. nicht mehr nur den Neuerwerb, sondern auch ssmtliche Betriebsmittel des selbstsndig tstigen Schuldners. Die Frage unter wessen Regie (Insolvenzverwalter/Schuldner) und in welchem rechtlichen Korsett (Insolvenzrecht/allgemeines Zivilrecht) der Betrieb kÅnftig fortgefÅhrt wÅrde, stÅnde letztlich in allen Fsllen im Ermessen des Insolvenzverwalters und die Frage drsngte sich auf, welche Aspekte im Rahmen seiner Ermessensentscheidung maßgeblich wsren.

160

Die Gegenansicht1 lehnt die ZugehÇrigkeit freiberuflicher Praxen zur Masse unter Berufung auf § 36 InsO i.V.m. § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO ab. Danach kÇnnten Freiberufler ihre selbstsndige Tstigkeit auch in der Insolvenz zumindest solange auch gegen den Willen des Insolvenzverwalters fortsetzen, wie Çffentlich-rechtliche Vorschriften (z.B. §§ 13, 14 BRAO) dem nicht entgegenstÅnden.

161

Eine differenzierte Ansicht vertritt Smid. Ihm zufolge sollen zwar die sschlichen Betriebsmittel grundsstzlich gem. § 36 InsO i.V.m. § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO massefrei sein. Jedoch soll es dem Insolvenzverwalter ggf. unbenommen sein, sich fÅr eine BetriebsfortfÅhrung im Rahmen des Insolvenzverfahrens oder aber fÅr eine Betriebsschließung zu entscheiden. Hierdurch wÅrden die Gegenstsnde ggf. „pfsndungspfandrechtlich entwidmet“ und kÇnnten in der Folge vom Insolvenzverwalter genutzt bzw. entwertet werden. Etwas anderes wÅrde ggf. nur gelten, wenn der Schuldner faktisch in der Lage sei, mit den Gegenstsnden andernorts selbstsndig weiter zu wirtschaften, was ihm aber regelmsßig nicht mÇglich sein werde.2

162

Ebenso ungeklsrt wie die Frage des tatbestandlichen Anwendungsbereiches ist die Frage, in welchen Fsllen Freigabeerklsrungen ggf. pflichtgemsßer- bzw. zweckmsßigerweise zu erfolgen haben. Nach verbreiteter Meinung3 sollen Insolvenzverwalter insbesondere dann verpflichtet sein, eine Negativerklsrung abzugeben, wenn im Rahmen der Fortsetzung der Tstigkeit durch den Schuldner keine xberschÅsse zu erwarten sind. In solchen Fsllen sei die Abgabe einer Negativerklsrung das einzige Instrument, die Haftung der Masse und eine Quotenschmslerung zu verhindern, zumal die Betriebsmittel mÇglicherweise ohnehin gem. §§ 36 InsO, 811 Abs. 1 Ziff. 5 und 7 ZPO massefrei seien und der Verwalter wegen Art. 12 GG dem Schuldner eine Fortsetzung der Tstigkeit nicht verbieten kÇnne.4 1 Holzer in KÅbler/PrÅtting, § 35 InsO Rz. 74; Breutigam in BerlinerKomm/InsO, § 35 Rz. 18. 2 Smid, DZWIR 2008, 133 (133 ff.). 3 Berger, ZInsO 2008, 1101 (1102); Smid, WM 2006, 625 (627); Tetzlaff, ZInsO 2005, 393(398); LÅdtke in HamburgerKomm/InsO, § 35 Rz. 251. 4 LÅdtke in HamburgerKomm/InsO, § 35 Rz. 245 ff.; Berger, ZInsO 2008, 1101 (1102); Andres, NZI 2006, 198 (198).

76

C. ErÇffnetes Verfahren

d) Stellungnahme Die bisherigen Versuche einer dogmatischen Einordnung des Verhsltnisses von § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO und § 35 Abs. 2, 3 InsO begegnen durchweg erheblichen Bedenken.

2.163

Zunschst einmal ist zu beachten, dass § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO fÅr den Fall der Freigabe des Geschsftsbetriebes die entsprechende Geltung des § 295 Abs. 2 InsO anordnet. Danach hat der Schuldner die Masse ggf. so zu stellen wie diese stÅnde, wenn er ein seiner Qualifikation entsprechendes Vollzeit-Dienstverhsltnis eingegangen wsre und nach Maßgabe der §§ 850 ff. ZPO die pfsndbaren Lohnteile abfÅhren mÅsste. Der Gesetzgeber geht also offensichtlich davon aus, dass Negativerklsrungen gerade (auch) dann statthaft sein sollen, wenn im Rahmen der BetriebsfortfÅhrung xberschÅsse erwirtschaftet werden.

2.164

Nicht Åberzeugend ist ferner die Einschstzung, der Insolvenzverwalter habe aufgrund von Art. 12 GG keine Handhabe, dem Schuldner die Fortsetzung seiner verlustbringenden Tstigkeit zu verbieten. Bei solcher Argumentation wird Åbersehen, dass Unternehmungen, die bereits seit lsngerem keine xberschÅsse abwerfen und die der Schuldner aus reiner Liebhaberei fortsetzen mÇchte, richtigerweise weder durch Art. 12 GG geschÅtzt, noch steuerlich anerkannt und folglich auch nicht durch die genannte Pfsndungsschutznorm geschÅtzt werden kÇnnen. Verfassungsrechtlich wird Liebhaberei nsmlich nur unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG und gerade nicht durch Art. 12 GG geschÅtzt. Der Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG muss aber bereits Åberall dort zurÅcktreten, wo andernfalls die Verletzung grundrechtlich oder auch nur einfach gesetzlich geschÅtzter Rechte Dritter droht. Materiell insolvente, verlustbringende Unternehmen ohne nennenswertes Haftungskapital sind eine Gefahr fÅr alle anderen Marktteilnehmer und drohen diese in ihrerseits durch Art. 14 GG und Art. 12 GG geschÅtzten Positionen zu verletzen. Solche Unternehmen mÅssen daher in einem geordneten Verfahren von einem Insolvenzverwalter entweder saniert oder aber liquidiert werden.

2.165

Bereits vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund wird deutlich, dass eine FortfÅhrung von Unternehmen selbstsndiger Schuldner nach allgemeinen Grundsstzen auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens, d.h. fÅr Rechnung und auf Risiko der Insolvenzmasse mÇglich sein muss.1

2.166

Allerdings wsre es verfehlt, § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO mit RÅcksicht darauf pauschal jeden Anwendungsbereich in der Insolvenz abzusprechen. Dies Åbersshe, dass § 35 Abs. 2, 3 InsO in seinem originsren Anwendungsbereich gerade an die durch § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO geschaffene Rechtslage anknÅpft, der Reformgesetzgeber also selbst von der grundsstzlichen Beachtlichkeit des § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO in der Insolvenz ausgeht. Tat-

2.167

1 Vgl. LÅdtke in HamburgerKomm/InsO, § 35 Rz. 245 ff.

77

Kapitel 2 Insolvenzrecht

sschlich wollte der Gesetzgeber BetriebsfortfÅhrungen durch den Schuldner außerhalb des Insolvenzverfahrens in den durch § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO vorgegebenen Fsllen gerade erleichtern. Die damit einhergehende Privilegierung Selbstsndiger ist daher grundsstzlich hinzunehmen, allerdings mit der Einschrsnkung, dass hierdurch nicht gsnzlich untragbare, verfassungswidrige Zustsnde geschaffen werden dÅrfen.

168

Die Vertreter der Auffassung, der zufolge freiberufliche Praxen entgegen §§ 36 i.V.m. 811 Abs. 1 Ziff. 5 InsO automatisch massezugehÇrig sind,1 Åbersehen, dass sich diejenigen BetriebsfortfÅhrungen durch den Insolvenzverwalter, die sie mit ihren Theorien ermÇglichen wollen, von einem selbstsndigen (Weiter-)Wirtschaften des Schuldners (wie es § 35 Abs. 2 und 3 InsO und auch § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO vorschwebt) grundlegend unterscheiden. Zwar wird dem Insolvenzverwalter eine FortfÅhrung regelmsßig nur mÇglich sein, wenn der Schuldner daran aktiv mitwirkt. Unternehmer im Rechtssinne ist in Fsllen einer BetriebsfortfÅhrung im Rahmen des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter. In diesen Fsllen gehÇren die Betriebseinnahmen aber bereits als Surrogationserwerb zur Masse und die Ausgaben gem. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO zu den Masseverbindlichkeiten. Dementsprechend dÅrften diese Fslle nicht nur einer Anwendung des § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO, sondern auch einer solchen des § 35 Abs. 1 Alt. 2 InsO von vornherein entzogen sein. Das wirft die Frage auf, was als Anwendungsbereich fÅr § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO einerseits und § 35 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 u. 3 InsO andererseits Åberhaupt Åbrig bleibt.

169

Richtigerweise ist § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO in den Fsllen verlustbringender selbstsndiger Tstigkeit des Insolvenzschuldners tatbestandlich schon nicht anwendbar. Die Norm setzt schließlich eine Tstigkeit voraus, aus der der Schuldner „seinen Erwerb zieht“. Davon kann namentlich in solchen Fsllen keine Rede (mehr) sein, in denen die Insolvenz ihre Ursache gerade in dem verlustbringenden Praxisbetrieb als solchem hat. § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO kann schon dem Gesetzeswortlaut nach nur greifen, wenn die Tstigkeit des Schuldners ohne weiteres, also ohne besondere Sanierungsmaßnahmen oder Interimsmanagement durch den Insolvenzverwalter, objektiv geeignet ist, dem Schuldner eine (auskÇmmliche) Erwerbsgrundlage zu bieten. Letzteres ist immer (aber auch nur) dann der Fall, wenn die Insolvenz außerbetriebliche Ursachen (z.B. Åbermsßiger privater Konsum, Krankheit oder eine vorausgegangene lsngere Arbeitslosigkeit) hat. Erzielt der Schuldner aus der betreffenden Tstigkeit demgegenÅber schon lsngere Zeit keine xberschÅsse, muss der gesamte Betrieb folglich in die Masse fallen.

1 Uhlenbruck, FS Henckel 1995, 877; W. Gerhardt, FS Gaul 1997, 139 (145); Andres in Nerlich/RÇmermann, § 35 InsO Rz. 73; Lwowski/Peters in MÅnchKomm/ InsO, § 35 Rz. 509; Kluth, NJW 2002, 186 (186); Klopp/Kluth in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 26 Rz. 7; Vallender, FS Metzeler 2003, 6.

78

C. ErÇffnetes Verfahren

IV. Verwertung der Insolvenzmasse Literatur App, Die Glsubigeranfechtung in der Praxis der Finanzverwaltung und der Finanzrechtsprechung, KTS 1988; Bnhr/Smid, Das Absonderungsrecht gem. § 76 AO im neuen Insolvenzverfahren, InVo 2000, 401; von Bismarck/SchÅmann-Kleber, Insolvenz eines deutschen Sicherungsgebers – Auswirkungen auf die Verwertung im Ausland belegener Kreditsicherheiten, NZI 2005, 89; Bork, Die Verbindung, Vermischung und Verarbeitung von Sicherungsgut durch den Insolvenzverwalter in FS Gaul, 1997, 71; Burmeister/Nohlen, Insolvenzanfechtung des „Stehenlassens“ einer Gesellschafterleistung in der Doppelinsolvenz – Fortgeltung der BGH-Rechtsprechung auch nach MoMiG?, NZI 2010, 41; BÅchler, EigentÅmergrundschuld in der Insolvenz, ZInsO 2011, 802, Befriedigung von Immobiliarglsubigern, ZInsO 2011, 718; Elfring, Die Verwertung verpfsndeter und abgetretener LebensversicherungsansprÅche in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, NJW 2005, 2192; Fischer, Aufrechnung und Verrechnung in der Insolvenz, WM 2008, 1; FlÇther/Brnuer, Die Inthronisierung des Glsubigersouversns – Zur Privilegierung von Fiskus und Sozialkassen durch znderung des Insolvenzanfechtungsrechts, InVo 2005, 387; Frege/Keller, „Schornsteinhypothek“ und Lsstigkeitsprsmie bei Verwertung von ImmobiliarvermÇgen in der Insolvenz, NZI 2009, 11; FÇrster, Der Immobilienverkauf unter aufschiebender Bedingung – Verwalterhandeln in der Pattsituation, ZInsO 1998, 13 f.; Fuchs/Bayer, Untersagung und einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wshrend der Dauer des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens, ZInsO 2000, 429; Furche, Das Gesamtgrundpfandrecht in der Insolvenz, 2005; Gehrlein, Aktuelle Rechtsprechung zur Insolvenzanfechtung in systematischer Darstellung, WM 2009, Sonderbeilage Nr. 1, 40; Ganter/BrÅnink, Insolvenz und Umsatzsteuer aus zivilrechtlicher Sicht, NZI 2006, 257; Geßler, Zur Problematik bei kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen, ZIP 1981, 228; GÇcke, Zur Anwendbarkeit des § 135 Abs. 3 InsO in der Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Gesellschafter sowie bei Zwangsverwaltung, ZInsO 2009, 170; Gundlach/Frenzel/ Schmidt, Die Fslligkeit von Absonderungsrechten mit InsolvenzerÇffnung, DZWIR 2002, 367 ff.; Haunschild, Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters und Kostenbeitrsge der Glsubiger nach §§ 165 ff. InsO, DZWiR 1999, 60; Haertlein, Insolvenzanfechtung bei KontoverfÅgung bei lediglich geduldeter KontoÅberziehung, LMK 2010, 298836; Hnfele/Wurzer, Bewertung und Verwertung gewerblicher Schutzrechte im Insolvenzverfahren, DZWIR 2001, 282; Hahne, „Dreifach“-Besteuerung der Sicherheitenverwertung erst nach Erreichen der Verwertungsreife, BB 2009, 2746; Henning, Insolvenzanfechtung: Glsubigerbenachteiligung bei Zahlung aus einer bloß geduldeten xberziehung, NJW 2010, 1055; Hirte, Insolvenzanfechtung im xbergang, ZInsO 2001, 784; HÇlzle, Existenzvernichtungshaftung, „Klimapflege“ und Insolvenzanfechtung, ZIP 2003, 1376; Huber, Insolvenzanfechtung im Dreiecksverhsltnis – vier Fallstudien fÅr eine Erfolg versprechende Anfechtungsklage des Insolvenzverwalters nach Tilgung fremder Schuld, ZInsO 2010, 977; Humbeck, Kosten der Verwertung des VorratsvermÇgens bei UnternehmensfortfÅhrung, § 171 Abs. 2 InsO, DZWIR 2003, 283; Jensen, Grundfragen des Rechts der Glsubiger- und Insolvenzanfechtung, 2008; Kuder, Insolvenzfestigkeit revolvierender Kreditsicherheiten, ZIP 2008, 289; Leithaus, Zur Insolvenzanfechtung von Kontokorrentverrechnungen, NZI 2002, 188; Marotzke, Freiwillige ForderungserfÅllung, Zwangsvollstreckung und Vollstreckungsdruck im Fokus des Insolvenzanfechtungsrechts, DZWIR 2007, 265; Maus, Wechsel der Steuerschuldnerschaft und verschsrfte Steuerhaftung als Ausgleich fÅr den Fortfall des Fiskalvorrechts gem. § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO, ZIP 2004, 1560; Umsatzsteuer bei Sicherheitenverwertung durch den Glsubi-

79

170

Kapitel 2 Insolvenzrecht ger im Insolvenzverfahren, ZInsO 2005, 82; GÅnter Mayer, Grundsteuer im Insolvenzverfahren, in der Zwangsversteigerung und der Zwangsverwaltung, Rpfleger 2000, 260; Michalski/Barth, Umsatzsteuer bei der Immobiliarverwertung in der Insolvenz, NZI 2002, 534; Mroß, Sinnlose Zwangsvollstreckung durch Insolvenzanfechtung?, DGVZ 2010, 94; Nitsch, Sorgfaltspflichten bei der Verwertung von Leasingfahrzeugen, NZV 1999, 405; ObermÅller, Kostenbeitrsge und AusgleichsansprÅche bei Verwertung von Mobiliarsicherheiten, NZI 2003, 416; ObermÅller, Verwertung von Drittsicherheiten im Insolvenzverfahren, NZI 2001, 225; ObermÅller, Verwertung von Mobiliarsicherheiten im Insolvenzantragsverfahren, DZWIR 2000, 10; Onusseit, Die insolvenzrechtlichen Kostenbeitrsge unter BerÅcksichtigung ihrer steuerrechtlichen Konsequenzen sowie Massebelastungen durch GrundstÅckseigentum, ZIP 2000, 777; Psaroudakis, Globalzession und Insolvenzanfechtung, ZInsO 2009, 1039; Riggert, Neue Anforderungen an RaumsicherungsÅbereignungen?, NZI 2009, 137; Der Lieferantenpool im neuen Insolvenzrecht, NZI 2000, 525; Schulz, Zur Frage der Wirksamkeit einer Insolvenzanfechtung von Zahlungen des Insolvenzschuldners aufgrund von Regressforderungen eines Dritten, WuB VI A § 134 InsO 2.10; Stiller, Das Ende von § 28e I 2 SGB IV bei der Insolvenzanfechtung von Arbeitnehmeranteilen am Gesamtsozialversicherungsbeitrag, NZI 2010, 250; Stritz, Zur Insolvenzanfechtung der Zahlung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung durch den Arbeitgeber, DZWIR 2010, 84; Tetzlaff, Probleme bei der Verwertung von Grundpfandrechten und GrundstÅcken im Insolvenzverfahren, ZInsO 2004, 521; Lsstigkeitsprsmien fÅr nachrangige Grundpfandglsubiger, ZInsO 2012, 726; Verwertung von Pfandrechten an Unternehmensbeteiligungen durch eine Çffentliche Versteigerung und freihsndige Versußerung, ZInsO 2007, 478; Thiemann/Schulz, Zur Feststellung der Zahlungsunfshigkeit und zur Insolvenzanfechtung wegen inkongruenter Deckung durch Hingabe von Kundenschecks, DZWIR 2010, 71; Weigel, Erfolglose Insolvenzanfechtung des Insolvenzverwalters Åber das VermÇgen einer Organgesellschaft, die kurz vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens eine Steuerschuld des Organtrsgers zahlte, AO-StB 2010, 75; Vallender, Verwertungsrecht des Treuhsnders an mit Absonderungsrechten belasteten Immobilien, NZI 2000, 148 ff.; Welzel, Masseverwertung nach der InsO aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht, ZIP 1998, 1823; Wulf/von Lucius, Verwerter und Verwertungsgesellschaften, ZUM 2008, 925; Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, 2. Aufl. 2007.

1. Verwertungspflicht UnverzÅglich nach dem Berichtstermin hat der Insolvenzverwalter nach § 159 InsO das zur Insolvenzmasse gehÇrende VermÇgen zu verwerten. Dies gilt nicht bei entgegenstehenden BeschlÅssen der Glsubigerversammlung. Der Gesetzgeber hatte hier vor allem an abweichende Regelungen im Zusammenhang mit einem Insolvenzplan oder an eine UnternehmensfortfÅhrung ohne Insolvenzplan gedacht. Eine gesetzliche Normierung der Verwertungsformen sieht die Insolvenzordnung nicht vor; daher hat der Insolvenzverwalter geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Glsubigerversammlung gefassten BeschlÅsse umzusetzen.1 Ziel der Verwertung ist die Erlangung von Geldbetrsgen, die spster an die Glsubiger verteilt werden kÇnnen. 1 Smid, Praxishandbuch Insolvenzrecht, § 24 Rz. 2.

80

C. ErÇffnetes Verfahren

Als Verwertungshandlungen kommen insbesondere in Betracht: – Forderungseinzug, – Unternehmensverkauf en bloc, – Einzelversußerung aller unbelasteten Assets, – Verkauf oder Versteigerung von Absonderungsgut, – Realisierung von AnfechtungsansprÅchen und GesamtschadensansprÅchen, – Verkauf von Rechten und Beteiligungen.

2.171

2. Forderungseinzug Die Pflicht zum unverzÅglichen Debitoreneinzug ist Teil der in § 148 InsO begrÅndeten Pflicht zur sofortigen vollstsndigen Inbesitznahme der Insolvenzmasse. Die materiell-rechtliche Befugnis zum Einzug offener Debitorenpositionen ergibt sich aus dem xbergang der Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter. Hierzu hat der Insolvenzverwalter den Drittschuldnern gem. § 30 Abs. 2 InsO den ErÇffnungsbeschluss zuzustellen und diese darauf hinzuweisen, dass Leistungen mit schuldbefreiender Wirkung nur noch an den Insolvenzverwalter mÇglich sind. Werden die AnsprÅche daraufhin nicht freiwillig erfÅllt, sind diese notfalls gerichtlich durchzusetzen. Der Insolvenzverwalter ist im Prozess Partei kraft Amtes und kann sich dort von einem Rechtsanwalt vertreten lassen. Hatte der Schuldner bereits vor der VerfahrenserÇffnung einen Titel gegen den ssumigen Drittschuldner erwirkt, kann sich der Insolvenzverwalter diesen auf seinen Namen gem. § 727 ZPO analog umschreiben lassen.1

2.172

3. Unternehmensverkauf „en bloc“ Kommt eine Sanierung des Schuldners als Rechtstrsger des massezugehÇrigen Unternehmens – etwa im Rahmen eines Insolvenzplanes – nicht in Betracht, bleibt dem Insolvenzverwalter mit RÅcksicht auf seine Pflicht zur bestmÇglichen Verwertung, oft nur der Verkauf des Unternehmens. Dabei werden die gesamten Aktiva eines Unternehmens im Wege eines „Asset Deals“ en bloc an einen anderen Rechtstrsger zum Zwecke der BetriebsfortfÅhrung Åbertragen, wshrend die Verbindlichkeiten im Rahmen der Insolvenz abgewickelt werden.2 Im Rahmen solcher „Åbertragender Sanierungen“ lassen sich regelmsßig bessere Preise erzielen als bei einer Zerschlagung des Unternehmens durch Einzelversußerung seiner verschiedenen Bestandteile. Dies gilt besonders in den nicht seltenen Fsllen, in denen sich der Unternehmenswert vornehmlich aus immateriellen VermÇgensbestandteilen wie Firmenwert, good-will, Arbeitnehmern, Know-how etc. zusammensetzt, was insbesondere der Fall ist, wenn das

1 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 195. 2 Wegener in FrankfurterKomm/InsO, § 159 Rz. 15.

81

2.173

174

Kapitel 2 Insolvenzrecht

gegenstsndliche Anlage- und UmlaufvermÇgens – wie meist – weitgehend mit Sicherungsrechten Dritter belastet ist. Neben den zivilrechtlichen Besonderheiten des Unternehmensverkaufs hat der Insolvenzverwalter ggf. auch den Zustimmungsvorbehalt der Glsubigerorgane gem. § 160 Abs. 2 Ziff. 1 InsO zu berÅcksichtigen. 4. Einzelverwertung

175

Kann der Betrieb als Ganzes nicht versußert werden, muss eine Einzelverwertung ssmtlicher liquidierbarer Gegenstsnde des gesamten Anlage- und UmlaufvermÇgens erfolgen. Dies kann auch parallel zu einer Betriebsversußerung geschehen, sofern nur Teilbetriebe einer Åbertragenden Sanierung zugefÅhrt werden kÇnnen.1 Der Insolvenzverwalter ist bei der Einzelverwertung grundsstzlich keinen Beschrsnkungen unterworfen und benÇtigt insbesondere nicht die Zustimmung eines Glsubigerausschusses.2 Der Insolvenzverwalter ist kraft seiner VerfÅgungsbefugnis (§ 80 InsO) insbesondere berechtigt, die zum SchuldnervermÇgen gehÇrenden Gegenstsnde freihsndig zu versußern. Alternativ kommt in Betracht, die Gegenstsnde von einem spezialisierten Dienstleister bewerten und versteigern zu lassen.

176

Zu beachten ist, dass der Insolvenzverwalter grundsstzlich auch alle Gegenstsnde verwerten darf, die mit Absonderungsrechten (Pfandrechte, Sicherungseigentum etc.) belastet sind. Dadurch soll verhindert werden, dass betrieblich-organisatorische Einheiten des Unternehmens vorschnell auseinandergerissen werden. Hierdurch sollten insbesondere die FortfÅhrungs- und Sanierungschancen gegenÅber der fÅr ihre Zerschlagungsautomatik bekannten frÅheren Rechtslage der Konkursordnung erhÇht werden. § 166 InsO ist zwingendes Recht und kann daher nicht durch Vereinbarung zwischen Schuldner und Absonderungsberechtigtem abbedungen werden.3

177

Das Verfahren der Verwertung drittrechtsbelasteter beweglicher Sachen einschließlich der ErlÇsverteilung ist in den §§ 167 ff. InsO im Einzelnen geregelt. Die Verwertung dinglich belasteter Immobilien richtet sich gem. § 49 InsO nach den Vorschriften des ZVG, d.h. Grundpfandglsubiger kÇnnen grundsstzlich parallel zum Insolvenzverfahren die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung betreiben.4 Gemsß § 165 InsO hat daneben auch der Insolvenzverwalter die MÇglichkeit, nach §§ 172 ff. ZVG die Zwangsvollstreckung zu betreiben.

1 2 3 4

Runkel in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 182. Runkel in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 182. OLG Rostock v. 15.5.2008 – 3 U 18/08, ZIP 2008, 1128 = NZI 2008, 431 (433). Vgl. BGH v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZIP 2006, 1554 (340) = BGHZ 168, 339, vergleiche auch BGH v. 3.2.2011 – V ZB 54/10, ZIP 2011, 926 = NJW 2011, 1818.

82

C. ErÇffnetes Verfahren

5. Insolvenzanfechtung a) Zielsetzung Wichtiger Bestandteil der Massebildung im Insolvenzverfahren ist der Bereich des Insolvenzanfechtungsrechts der §§ 129 bis 147 InsO. Ziel der insolvenzrechtlichen Anfechtung ist es, ungerechtfertigte VermÇgensversnderungen, die die spstere Masse zum Nachteil der Glsubiger verkÅrzt haben, rÅckgsngig zu machen, wenn sie in zeitlicher Nshe zur VerfahrenserÇffnung oder unter Bedingungen erfolgt sind, die eine RÅckgewshr an die Masse und ein ZurÅckstehen der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes als gerechtfertigt erscheinen lassen.1 Hiermit soll die Geltung des Grundsatzes der „par conditio creditorum“ d.h. der Gleichbehandlung aller Glsubiger auf Zeitrsume ausgedehnt werden, in denen typischerweise bereits materielle Insolvenz vorlag.2 Entsprechend dieser Zielsetzung betont der BGH regelmsßig die Bedeutung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Bereich des Anfechtungsrechts.3

2.178

Das Recht der Insolvenzanfechtung wird vom Insolvenzverwalter wahrgenommen. Dabei wird die glsubigerbenachteiligende Wirkung angefochten, die durch eine Rechtshandlung verursacht wird.4 Allerdings dient die Insolvenzanfechtung nicht dazu, der Masse Vorteile zu verschaffen, die sie ohne die angefochtene Rechtshandlung nicht erlangt hstte.5

2.179

Die Insolvenzanfechtung ist fÅr den Insolvenzverwalter von enormer praktischer Relevanz.6 Der Insolvenzverwalter ist zur Aufdeckung von anfechtungsrelevanten Sachverhalten verpflichtet, auch wenn dies zum Teil mit aufwendigen Nachforschungen und komplexen rechtlichen PrÅfungen verbunden ist.7 Aufgrund der hohen Komplexitst der Rechtsmaterie gelangt eine verhsltnismsßig große Zahl von Anfechtungsrechtsstreiten bis zum BGH, der seine Rechtsprechung zum Anfechtungsrecht stetig fortentwickelt und aktualisiert.

2.180

b) Allgemeine Voraussetzungen Allgemeine Voraussetzung einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung ist, dass eine vor oder in den Fsllen des § 147 InsO nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Rechtshandlung zu einer Benachteiligung der Insolvenzglsubiger fÅhrt, zwischen Rechtshandlung und Benachteiligung ein Zurechnungszusammenhang besteht und der Vorgang einen der in den §§ 130 bis 136 InsO genannten Tatbestsnde erfÅllt, § 129 InsO. Der 1 2 3 4 5 6 7

Dauernheim in FrankfurterKomm/InsO, § 129 Rz. 1. Dauernheim in FrankfurterKomm/InsO, § 129 Rz. 1. BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, ZIP 2007, 1120 = ZInsO 2007, 600 (601). BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, ZIP 2001, 885 = NJW 2001, 1940 (1941). Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rz. 1387a. Schnfer, Insolvenzanfechtung anhand von Rechtsprechungsbeispielen, Rz. 16. Dauernheim in FrankfurterKomm/InsO, § 129 Rz. 1.

83

2.181

Kapitel 2 Insolvenzrecht

Begriff der Rechtshandlung i.S.v. § 129 InsO ist dabei weit auszulegen. Darunter ist grundsstzliche jede rechtsgeschsftliche oder rechtsgeschsftsshnliche Handlung zu verstehen, die – gewollt oder ungewollt – rechtliche Wirkung ausgelÇst hat.1 Der Gesetzgeber hat ausdrÅcklich bestimmt, dass ein Unterlassen ebenfalls eine Rechtshandlung darstellen kann, § 129 Abs. 2 InsO. Voraussetzung ist dabei aber, dass das Unterlassen wissentlich und willentlich geschieht.2 Bei unbewusstem und fahrlsssigem Handeln fehlt es an der notwendigen Willensbetstigung.3

182

Sofern nicht etwas anderes bestimmt ist (vgl. §§ 132 Abs. 1, 2; 133 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2; § 134 Abs. 1; 142 InsO), ist es nicht erforderlich, dass die Rechtshandlung vom Schuldner selbst vorgenommen wurde; auch das Handeln eines Glsubigers kann eine Rechtshandlung i.S.v. § 129 InsO sein.4 Als reine Glsubigerhandlungen kommen in erster Linie Vollstreckungshandlungen in Betracht.5 Die Rechtshandlung gilt in dem Zeitpunkt als vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten, § 140 InsO.

183

Weitere Grundvoraussetzung jeder anfechtungsrelevanten Rechtshandlung ist eine durch sie verursachte objektive Benachteiligung der Insolvenzgllubiger.6 Anders als unter Geltung der Konkursordnung genÅgt bereits eine Benachteiligung der nachrangigen (§ 39 InsO) Insolvenzglsubiger.7 Glsubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt8 oder die Aktivmasse verkÅrzt9 und dadurch den Zugriff auf das SchuldnervermÇgen vereitelt, erschwert oder verzÇgert hat,10 wenn sich also die BefriedigungsmÇglichkeiten der Glsubiger ohne die Rechtshandlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise11 gÅnstiger gestaltet hstten.12 Dabei muss eine Benachteiligung der Insolvenzglsubiger (§ 38 InsO) in ihrer Gesamtheit vorliegen.13 Die Beweislast fÅr die Glsubigerbenachteiligung obliegt dem Verwalter.14 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

84

BGH v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, ZIP 2004, 620 = NJW 2004, 1660 (1661). BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 144 = ZIP 2005, 494 (154). Hirte in Uhlenbruck, § 129 InsO Rz. 65. BGH v. 20.1.2000 – IX ZR 58/99, BGHZ 143, 332 = ZIP 2000, 364 (335); Kirchhof in MÅnchKomm/InsO, § 129 Rz. 35. Hirte in Uhlenbruck, § 129 InsO Rz. 82. BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 254/81, BGHZ 86, 349 (354 f.); v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, ZIP 1993, 271 (273); Kilger/Schmidt, § 29 KO Rz. 13. OLG MÅnchen v. 23.11.2001 – 23 U 2639/01, ZIP 2002, 1210 = NZI 2002, 207 (209). Hirte in Uhlenbruck, § 129 InsO Rz. 117. Hirte in Uhlenbruck, § 129 InsO Rz. 113. Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rz. 1409. BGH v. 3.3.1960 – VIII ZR 86/59, BB 1960, 380 (380). BGH v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92, BGHZ 124, 76 (78 f.); v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, ZIP 2003, 1506 (1508); OLG Stuttgart v. 24.7.2002 – 3 U 14/02, ZIP 2002, 1900 (1902). Kreft in HeidelbergerKomm/InsO, § 129 Rz. 38. BGH v. 6.4.1995 – IX ZR 61/94, ZIP 1995, 1021 (1024).

C. ErÇffnetes Verfahren

Die angefochtene Rechtshandlung muss zu der VerkÅrzung des den Glsubigern zu ihrer Befriedigung zur VerfÅgung stehenden Haftungssubstrats in einem ursschlichen Zusammenhang stehen.1 Ausreichend ist es, wenn die Rechtshandlung im natÅrlichen Sinn eine Bedingung fÅr die Glsubigerbenachteiligung darstellt.2 Es muss daher geprÅft werden, ob die BefriedigungsmÇglichkeit der Glsubiger ohne die angefochtene Rechtshandlung gÅnstiger gewesen wsre.

2.184

Die Anfechtung hat nicht die Nichtigkeit des angefochtenen Rechtsgeschsfts zur Folge, sondern fÅhrt zu einem verzinslichen RÅckgewshranspruch zugunsten der Insolvenzmasse, § 143 Abs. 1 InsO. Dem Anfechtungsgegner sind etwaige von ihm erbrachte Leistungen an den Schuldner aus der Masse zurÅck zu gewshren, sofern sie noch unterscheidbar in der Insolvenzmasse vorhanden sind, § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO. Sollte dies nicht der Fall sein und eine Bereicherung der Masse um den Wert der Leistung des Anfechtungsgegners nicht vorliegen, kann der Anfechtungsgegner seine Forderung auf RÅckgewshr als Insolvenzforderung zur Tabelle anmelden, § 144 Abs. 2 Satz 1 und 2 InsO.

2.185

In den Fsllen des § 142 InsO, des sog. Bargeschsftes, ist eine Anfechtung ausgeschlossen. Ein Bargeschlft liegt vor, wenn auf vertraglicher Grundlage wertsquivalente Leistungen ausgetauscht werden, die in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang stehen.3 Hintergrund ist die xberlegung, dass ein in der Krise befindlicher Schuldner praktisch vom Geschsftsverkehr ausgeschlossen wÅrde, wenn selbst die von ihm abgeschlossenen gleichwertigen Bargeschsfte der Anfechtung unterlsgen.4 Der BGH beschrsnkt Bargeschsfte auf kongruente Deckungsgeschsfte.5 Bei einer inkongruenten Deckung nimmt die Rechtsprechung grundsstzlich keine Bargeschsfte an. Daher werden Anfechtungen nach § 131 InsO oder § 133 InsO nicht durch § 142 InsO ausgeschlossen.

2.186

Der Anfechtungsanspruch ist zivilrechtlicher Natur unabhsngig davon, ob die angefochtene Rechtshandlung selbst dem Zivilrecht, Arbeitsrecht oder dem Çffentlichen Recht zuzuordnen ist.6 Daher sind die ordentlichen Gerichte gem. § 13 GVG zustsndig. Allerdings ist in Fsllen einer nach § 96 Abs. 1 Ziff. 3 InsO wegen anfechtbarer Herstellung der Aufrechnungslage unzulsssigen Aufrechnung die Frage der Anfechtbarkeit nicht rechtswegbestimmend.7

2.187

1 Hirte in Uhlenbruck, § 129 InsO Rz. 123; Rogge in HamburgerKomm/InsO, § 129 Rz. 111. 2 BGH v. 9.12.1999 – IX ZR 102/97, ZIP 2000, 238 = BGHZ 143, 246 (253). 3 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 212a. 4 Nerlich in Nerlich/RÇmermann, § 142 InsO Rz. 2. 5 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, ZIP 1993, 1653 = BGHZ 123, 320 (320); gegen Bargeschsft bei inkongruenten Sicherungen: BGH v. 8.3.2007 – IX ZR 127/05, ZIP 2007, 924 (926). 6 Kreft in HeidelbergerKomm/InsO, § 129 Rz. 94. 7 BGH v. 2.6.2005 – IX ZB 235/04, ZIP 2005, 1335 (1335).

85

Kapitel 2 Insolvenzrecht

Im Folgenden werden die in der Praxis bedeutsamsten Anfechtungstatbestsnde dargestellt: c) Kongruente Deckung (§ 130 InsO)

188

§ 130 InsO regelt die Anfechtbarkeit einer dem Glsubiger gebÅhrenden (kongruenten) Sicherung oder Befriedigung (Deckung).1 Grundsstzlich ist dagegen nichts einzuwenden. Allerdings berechtigt eine kongruente Sicherung oder Befriedigung den Insolvenzverwalter nach § 130 Abs. 1 Ziff. 1 InsO dann zur Anfechtung, wenn die Rechtshandlung in den letzten drei Monaten vor dem ErÇffnungsantrag vorgenommen worden ist, der Schuldner zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfshig war und der Glsubiger dies zum Zeitpunkt der Vornahme der Handlung wusste (oder Umstsnde kannte, die zwingend auf die Zahlungsunfshigkeit schließen lassen.)

189

FÅr die Kenntnis von der Zahlungsunflhigkeit genÅgt bereits die Kenntnis von der Zahlungseinstellung.2 Bei einer zwischen InsolvenzerÇffnungsantrag und ErÇffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommener Rechtshandlung genÅgt die Kenntnis des Glsubigers vom Insolvenzantrag, § 130 Abs. 1 Ziff. 2 InsO. Der Insolvenzverwalter muss diese Anspruchsvoraussetzungen beweisen. Lediglich bei Rechtshandlungen gegenÅber nahestehenden Personen des Schuldners wird die Kenntnis vom InsolvenzerÇffnungsantrag oder der Zahlungsunfshigkeit vermutet, § 130 Abs. 3 InsO.

190

Der Beweis der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfshigkeit des Schuldners bereitet in der Praxis hsufig Schwierigkeiten. Der BGH hat fÅr verschiedene Konstellationen daher Kriterien aufgestellt, die eine Beweislastumkehr zugunsten des Verwalters bewirken. So gilt bei stockenden Zahlungen auf rÅckstsndige Steuerforderungen fÅr die Kenntnis der Finanzverwaltung beispielsweise folgendes:3 „Leistet der Schuldner, der mit seinen laufenden steuerlichen Verbindlichkeiten seit mehreren Monaten zunehmend in RÅckstand geraten ist, lediglich eine Teilzahlung und bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafÅr, dass er in Zukunft die fnlligen Forderungen alsbald erfÅllt, so kennt die Finanzverwaltung in der Regel Umstnnde, die zwingend auf die Zahlungsunfnhigkeit des Schuldners schließen lassen.“

1 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 219; Kreft in HeidelbergerKomm/ InsO, § 130 Rz. 2; Dauernheim in FrankfurterKomm/InsO, § 130 Rz. 1; Rogge in HamburgerKomm/InsO, § 130 Rz. 1. 2 BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, ZIP 2009, 526 = NZI 2009, 228 (229); v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469 = NZI 2007, 517 (519); v. 29.3.2012 – IX ZR 40/10. 3 BGH v. 9.1.2003 – IX ZR 175/02, ZIP 2003, 410 = WM 2003, 400 (400).

86

C. ErÇffnetes Verfahren

d) Inkongruente Deckung (§ 131 InsO) In § 131 InsO ist die Anfechtung einer Sicherung oder Befriedigung geregelt, die der Glsubiger nicht, nicht in der erfolgten Weise oder nicht zu dieser Zeit zu beanspruchen hatte. Aufgrund der Tatsache, dass sie dem Anspruch des Glsubigers nicht (voll) entspricht, wird sie als inkongruent bezeichnet.1 FÅr die Inkongruenz ist von entscheidender Bedeutung, dass die konkrete Deckungshandlung vom Inhalt des zwischen Schuldner und Glsubiger bestehenden Schuldverhsltnisses abweicht.2

2.191

Im Vergleich zu § 130 InsO stellt § 131 InsO niedrigere Voraussetzungen an die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung, weil der Anfechtungsgegner, der eine ihm nicht gebÅhrende Deckung erlangt, weniger schutzwÅrdig ist. Wurde die inkongruente Rechtshandlung im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag oder nach diesem vorgenommen, so ist sie ohne weiteres anfechtbar. Wenn sie im zweiten oder dritten Monat vor dem Antrag vorgenommen wurde, ist sie anfechtbar, wenn der Schuldner im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung bereits zahlungsunfshig war (§ 131 Abs. 1 Ziff. 2 InsO). Hier wird die Kenntnis des Glsubigers von der Zahlungsunfshigkeit wegen der besonderen Umstsnde unwiderleglich vermutet.3 Im zweiten oder dritten Monat vor dem Insolvenzantrag erlangte inkongruente Sicherungen oder Befriedigungen kÇnnen angefochten werden, wenn der Glsubiger von der glsubigerbenachteiligenden Wirkung der Rechtshandlung wusste (§ 131 Abs. 1 Ziff. 3 InsO) oder Umstsnde kannte, die zwingend darauf schließen lassen (§ 131 Abs. 2 Satz 1 InsO).

2.192

Bei sog. Druckzahlungen, die der Abwendung eines Insolvenzantrags oder der Zwangsvollstreckung dienen, ist nach der Rechtsprechung des BGH automatisch von einer inkongruenten Deckung auszugehen:4

2.193

„Leistet der Schuldner zur Abwendung eines angekÅndigten Insolvenzantrags, den der Glnubiger zur Durchsetzung seiner Forderung angedroht hat, bewirkt dies eine inkongruente Deckung.“

Das gilt auch bei Vollstreckungshandlungen von Glsubigern und auch fÅr Vollstreckungen von FinanzbehÇrden.5 Es entspricht der Rechtsprechung des BGH, dass eine wshrend der „kritischen“ Zeit im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung auch dann als inkongruent anzusehen ist, wenn die Vollstreckung auf einer spezialgesetzlichen Ermschtigungsgrundlage der FinanzbehÇrden beruht.6 Anfechtungsgegner ist diejenige FinanzbehÇrde, die die anfechtbare Rechtshandlung 1 BGH v. 7.6.2001 – IX ZR 134/00, ZIP 2001, 1250 (1251). 2 BGH v. 11.3.2004 – IX ZR 160/02, ZIP 2004, 1060 (1061), Kirchhof in MÅnchKomm/InsO, § 131 Rz. 9. 3 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 220. 4 BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 (242) = ZIP 2004, 319. 5 BGH v. 11.10.2007 – IX ZR 87/06, ZIP 2007, 2228 = NZI 2006, 532 (533); v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, ZIP 2004, 513 = NZI 2004, 206 (206 ff.). 6 BGH v. 11.4.2002 – IX ZR 211/01, ZIP 2002, 1159 = NZI 2002, 378 (379).

87

2.194

195

196

197

198

Kapitel 2 Insolvenzrecht

vorgenommen bzw. der gegenÅber der Schuldner die anfechtbare Rechtshandlung vorgenommen hat. Unerheblich ist es, wenn diese FinanzbehÇrde die erlangten Steuerbetrsge an eine andere FinanzbehÇrde abfÅhrt oder bereits abgefÅhrt hat.1 Auch in den Fsllen von § 131 InsO liegt die Beweislast beim Insolvenzverwalter. Aufgrund der damit verbundenen Schwierigkeiten hat die Rechtsprechung die Anforderungen an die Darlegungslast allerdings vielfach eingeschrsnkt:2 „Dem Insolvenzverwalter stehen hnufig zur BegrÅndung einer Anfechtungsklage Åber die aufgefundenen schriftlichen Unterlagen hinaus nur geringe ErkenntnismÇglichkeiten zur VerfÅgung. Zu hohe Anforderungen an die Substantiierungslast wÅrden daher hnufig die Erfolgsaussichten einer Anfechtungsklage von vornherein vereiteln. Deshalb reicht ein Vortrag aus, der zwar in bestimmten Punkten lÅckenhaft ist, eine Ergnnzung fehlender Tatsachen aber auf der Grundlage allgemeiner Erfahrungen und Gebrnuche im Geschnftsverkehr zulnsst (BGH, Urt. v. 8.10.1998 – IX ZR 337/97, ZIP 1998, 2008, 2010). Deshalb kann die Vorlage von Listen Åber die Verbindlichkeiten der Schuldnerin in Verbindung mit ergnnzenden Anlagen, insbesondere den Rechnungen der Glnubiger, zur Substantiierung genÅgen, wenn sich hieraus die notwendigen Informationen Åber den jeweiligen Anspruch und seine Fnlligkeit entnehmen lassen.“

Eine Beweislastumkehr ist nur gegenÅber nahestehenden Personen vorgesehen, § 131 Abs. 2 Satz 2 InsO. e) Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen (§ 132 InsO) In Ergsnzung zu den Vorschriften der §§ 130, 131 InsO werden von § 132 InsO Rechtsgeschsfte (Abs. 1) und sonstige Rechtshandlungen (Abs. 2) des Schuldners erfasst, die nicht bereits als Deckungshandlungen anfechtbar sind. Hiervon sollen insbesondere Unterlassungen erfasst werden.3 f) Vorsltzliche Benachteiligung (§ 133 InsO) Gemsß § 133 Abs. 1 InsO sind Rechtshandlungen des Schuldners, die dieser mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Glsubiger zu benachteiligen, anfechtbar, wenn der Empfsnger im Zeitpunkt der Handlung (§ 140 InsO)4 diesen Vorsatz kannte und die Handlung innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem ErÇffnungsantrag (oder zwischen Antrag und ErÇffnung) vorgenommen wurde. Der BGH fÅhrt zum Benachteiligungsvorsatz des Schuldners aus:5

1 2 3 4 5

BGH v. 11.10.2007 – IX ZR 87/06, ZIP 2007, 2228 = NZI 2007, 721 (721). BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 210/04, ZIP 2007, 1913 = NZI 2007, 722 (722). BT-Drucks. 12/7302, 55 f. BGH v. 11.12.2008 – IX ZR 194/07, ZIP 2009, 228 = NZI 2009, 165 (166). BGH v. 18.12.2008 – IX ZR 79/07, ZIP 2009, 573 = NZI 2009, 239 (240).

88

C. ErÇffnetes Verfahren „Der Schuldner handelt mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er die Benachteiligung der Glnubiger als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt (BGHZ 155, 75, 84; 162, 143, 153). Er muss also entweder wissen, dass er neben dem Anfechtungsgegner nicht alle Glnubiger innerhalb angemessener Zeit befriedigen kann, oder sich diese Folge zumindest als mÇglich vorgestellt und in Kauf genommen haben, ohne sich durch die Vorstellung dieser MÇglichkeit von seinem Handeln abhalten zu lassen (BGH, Urt. v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511 Rz. 8). Kennt der Schuldner seine Zahlungsunfnhigkeit oder seine drohende Zahlungsunfnhigkeit, kann daraus nach stnndiger Rechtsprechung auf einen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden (BGHZ 155, 75, 83 f.; 167, 190, 195 Rz. 14; BGH, Urt. v. 24.5.2007, a.a.O., S. 1513 Rz. 19; Urt. v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, ZIP 2008, 190, 193 Rz. 32). In diesem Fall handelt der Schuldner nur dann nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er aufgrund konkreter Umstnnde – etwa der sicheren Aussicht, demnnchst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu kÇnnen – mit einer baldigen sberwindung der Krise rechnen kann. Droht die Zahlungsunfnhigkeit, bedarf es konkreter Umstnnde, die nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann (BGH, Urt. v. 24.5.2007, a.a.O., S. 1511 f. Rz. 8)“.

Ferner muss der Anfechtungsgegner den Glsubigerbenachteiligungsvorsatz kennen, was positive Kenntnis voraussetzt – grob fahrlsssige Unkenntnis genÅgt nicht.1 Die Beweislast fÅr alle Voraussetzungen obliegt auch in diesem Falle dem Insolvenzverwalter.2 Allerdings hat der BGH Indizien und Beweisanzeichen zur Erleichterung der BeweisfÅhrung entwickelt. Als starkes Beweisanzeichen fÅr das Vorliegen des Glsubigerbenachteiligungsvorsatzes und auch der entsprechenden Kenntnis des Anfechtungsgegners wird eine inkongruente Deckung angesehen, wenn der Anfechtungsgegner die Inkongruenz der Deckung kannte.3 Dabei ist zu beachten, dass Zahlungen, die aufgrund eines zumindest angedrohten Insolvenzantrages erfolgten, auch außerhalb des Dreimonatszeitraums zu einer inkongruenten Deckung fÅhren, da die Insolvenzantragsstellung niemals legitimes Mittel zur „Abpressung“ von Geldern ist.4 Die Zahlung aufgrund einer zumindest angedrohten Zwangsvollstreckung fÅhrt allerdings nur im Dreimonatszeitraum zur Inkongruenz, da nur in diesem Zeitraum keine Vorteile durch staatliche Zwangsmaßnahmen erlangt werden dÅrfen.5

2.199

Kann der Insolvenzverwalter beweisen, dass der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfshigkeit des Schuldners drohte und die Handlung die Glsubiger benachteiligte, wird die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners widerleglich vermutet, § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO.

2.200

1 Kirchhof in MÅnchKomm/InsO, § 133 Rz. 19; Hirte in Uhlenbruck, § 133 InsO Rz. 25. 2 BGH v. 18.12.2008 – IX ZR 79/07, ZIP 2009, 573 = NZI 2009, 239 (240); v. 10.1.2008 – IX ZR 33/07, ZIP 2008, 467 = NZI 2008, 233 (234). 3 BGH v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, ZIP 2006, 290 = ZInsO 2006, 94 (96). 4 BGH v. 18.6.2009 – IX ZR 7/07, ZIP 2009, 1434 = ZInsO 2009, 1394 (1394); v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, DStR 2004, 737 (737). 5 BGH v. 17.7.2003 – IX ZR 215/02, ZIP 2003, 1900, (1902).

89

201

Kapitel 2 Insolvenzrecht „Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfnhigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umstnnden gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfnhigkeit hinweisen (BGH, Urt. v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511, 1513 Rz. 25; v. 20.11.2008 – IX ZR 188/07, ZInsO 2009, 145, 146 Rz. 10 m.w.N.; v. 13.8.2009, a.a.O., S. 1910 Rz. 8; Ganter WM 2009, 1441, 1444 f. m.w.N.). Es genÅgt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsnchlichen Umstnnde kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Beurteilung die drohende Zahlungsunfnhigkeit zweifelsfrei folgt (BGH, Urt. v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, ZInsO 2009, 515, 516 Rz. 13, z.V.b. in BGHZ 180, 63).“1 „Weiß der Glnubiger, dass der Schuldner nicht in der Lage ist oder voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fnlligkeit im Wesentlichen zu erfÅllen, so weiß er in der Regel auch, dass dessen Rechtshandlung die Glnubiger benachteiligt.“2

Daher ist in der Regel auf die Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfshigkeit abzustellen.3 Dies wurde vom BGH vor allem fÅr Dauerschuldverhlltnisse wie folgt formuliert: „... ist eine Kenntnis des Glnubigers von drohender Zahlungsunfnhigkeit des Schuldners und von einer Glnubigerbenachteiligung i.S.v. § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem spnteren Anfechtungsgegner Åber einen lnngeren Zeitraum hinweg stnndig in betrnchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden und diesem den Umstnnden nach bewusst ist, dass es noch weitere Glnubiger mit ungedeckten AnsprÅchen gibt.“4

202

Will der Anfechtungsgegner einer Inanspruchnahme entgehen, muss er konkrete Umstsnde darlegen und beweisen, die seine Unkenntnis „naheliegend erscheinen lassen“.5

203

Angesichts dieser neueren Rechtsprechung verwischen die Grenzen zwischen den §§ 130, 131 InsO einerseits und § 133 Abs. 1 InsO andererseits zusehends. Der BGH wendet § 133 Abs. 1 InsO zunehmend auf Fslle an, in denen die Beantragung des an sich lsngst gebotenen Insolvenzverfahrens offensichtlich so lange hinausgezÇgert wurde, dass die §§ 130 f. InsO wegen des zwischenzeitlichen Zeitablaufes leer laufen. FÅr den Rechtsanwender bedeutet das zugleich Chance und (Prozess-)Risiko zugleich. Erforderlich ist in dem Zusammenhang jedenfalls stets eine GesamtwÅrdigung aller Umstsnde des Einzelfalles. Wichtig außerdem: Das Bargeschsftsprivileg des § 142 InsO findet im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO nach BGH keine Anwendung.

204

In § 133 Abs. 2 InsO ist schließlich der Sonderfall geregelt, bei dem der Schuldner mit nahestehenden Personen entgeltliche Vertrsge abschließt, durch die die Glsubiger unmittelbar benachteiligt werden. 1 2 3 4 5

BGH v. 8.10.2009 – IX ZR 173/07, ZIP 2009, 2253 = NZI 2009, 847 (848). BGH v. 20.11.2008 – IX ZR 188/07, ZIP 2009, 189 = NZI 2009, 168 (168). Kirchhof in MÅnchKomm/InsO, § 133 Rz. 24d. BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, ZIP 2009, 1966 = NZI 2009, 768 (769). BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511 = NZI 2007, 512 (513).

90

C. ErÇffnetes Verfahren

g) Unentgeltliche Leistung (§ 134 InsO) Nach § 134 InsO sind unentgeltliche Leistungen des Schuldners anfechtbar, die innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Insolvenzantrag vorgenommen wurden. Darunter fallen alle Leistungen des Schuldners, durch die zugunsten einer anderen Person ein schuldnerischer VermÇgenswert aufgegeben wurde, ohne dass der Empfsnger der Leistung einen entsprechenden Gegenwert an den Schuldner oder mit dessen Zustimmung auch an einen Dritten erbracht hat.1 Erfasst werden auch sog. gemischte Schenkungen. Darunter versteht man Versußerungsgeschsfte, die bewusstermaßen erheblich unter Preis vorgenommen wurden. Der Insolvenzverwalter muss die Unentgeltlichkeit der Leistung des Schuldners beweisen.

2.205

h) Gesellschafterdarlehen (§ 135 InsO) In § 135 InsO ist die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen geregelt, die zur Sicherung oder Befriedigung einer Forderung aus einem Gesellschafterdarlehen in den Fsllen des § 39 Abs. 1 Ziff. 5 InsO gefÅhrt haben. Gemsß § 39 Abs. 1 Ziff. 5, Abs. 4 und 5 InsO sind DarlehensrÅckgewshransprÅche von Gesellschaftern haftungsbeschrsnkter Gesellschaften nachrangig, soweit der Betreffende mit mehr als 10 Prozent am Haftkapital der Gesellschaft beteiligt ist und seine Gesellschaftsbeteiligung nicht zum Zwecke der Unternehmenssanierung erworben hat. Die Befriedigung solcher Darlehen ist ohne weiteres anfechtbar, wenn sie innerhalb der letzten 12 Monate vor der Insolvenzantragstellung erfolgt ist. Auf die Frage, ob die vorausgegangene Gesellschafterleistung eigenkapitalersetzenden Charakter hatte, kommt es damit kÅnftig nicht mehr an. § 135 Abs. 2 InsO erweitert die Anfechtung in einer der Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatzrecht entsprechenden Weise auf RÅckzahlungen von Darlehen, die zwar nicht direkt von Gesellschaftern gestellt, aber von diesen besichert wurden. Dies ist sachgerecht, da in solchen Fsllen bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Darlehen des Gesellschafters vorliegt.

2.206

Handelsrechtlich sind Gesellschafterdarlehen ungeachtet ihrer insolvenzrechtlichen Nachrangigkeit als Verbindlichkeiten zu passivieren, auch wenn fÅr sie mit dem Gesellschafter ein RangrÅcktritt gem. § 39 Abs. 2 InsO vereinbart wurde. Dies gilt wegen des Maßgeblichkeitsprinzips (§ 5 Abs. 1 EStG) auch fÅr die Steuerbilanz. Im pberschuldungsstatus sind Gesellschafterdarlehen und andere Verbindlichkeiten, fÅr die ein RangrÅcktritt erklsrt wurde, allerdings nicht zu passivieren. Der Ausfall mit einem Gesellschafterdarlehen kann in Bezug auf die Beteiligung des Betroffenen zu nachtrsglichen Anschaffungskosten i.S.d. § 17 EStG fÅhren.2

2.207

1 BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, ZIP 2008, 1291 = NStZ 2009, 521 (522); v. 13.3.2008 – IX ZR 117/07, ZIP 2008, 975 = NJW-RR 2008, 1006 (1006); v. 20.7.2006 – IX ZR 226/03, ZIP 2006, 1639 = NJW-RR 2006, 1555 (1556). 2 AusfÅhrlich zum Letzteren: Waclawik, ZIP 2007, 1838 (1841 ff.).

91

Kapitel 2 Insolvenzrecht

V. FortfÅhrung des schuldnerischen Geschlftsbetriebes Literatur Adam, BetriebsfortfÅhrung und Gleichbehandlung der Insolvenzglsubiger, DZWIR 2007, 357; Anton, FortfÅhrungsquoten im neuen Insolvenzrecht – Bewertung und Ausblick, ZInsO 2009, 506; Blank, ZurÅckbehaltungsrecht des Arbeitnehmers an seiner Arbeitsleistung bei BetriebsfortfÅhrung durch den starken vorlsufigen Insolvenzverwalter trotz Sicherstellung des Lohnanspruchs Åber das demnschst zu erwartende Insolvenzgeld (§ 273 BGB)?, ZInsO 2007, 426; Braun, Insolvenzgeldanspruch – neues Insolvenzereignis – xberwachung des Insolvenzplanverfahrens – Beendigung der Zahlungsunfshigkeit, SGb 2009, 437; Ganter, BetriebsfortfÅhrung durch den vorlsufigen Verwalter trotz Globalzession?, NZI 2010, 551; Gerster, Insolvenzplan, „das unbekannte Wesen“ oder „Maßanzug des Insolvenzrechts“, ZInsO 2008, 437; Heidrich/Prager, Keine BegrÅndung von Masseverbindlichkeiten durch vorlsufigen schwachen Verwalter – Kann ein Betrieb nur noch von vorlsufigen starken Verwaltern fortgefÅhrt werden?, NZI 2002, 653; Hess, Zur VergÅtung des Insolvenzverwalters bei BetriebsfortfÅhrung, Hausverwaltung und bei Verletzung der Kooperationspflichten des Schuldners, WuB VI A § 63 InsO 4.08; Hingerl, Richterliche Begleitung des Insolvenzplans, ZInsO 2009, 759; Hintzen, BetriebsfortfÅhrung in der Zwangsverwaltung, RpflStud 2002, 142; Joachim/Schwarz, Beschrsnkung der Aufrechnung des Insolvenzglsubigers nach einem beststigten Insolvenzplan auf die Quote?, ZInsO 2009, 408; Nielandt, Der Konflikt von SGB IIIMaßnahmen mit dem Europsischen Beihilfenrecht am Beispiel des Insolvenzgeldes, RsDE Nr. 62, 29–56 (2006); Pape, Erhalt der InsolvenzgeldvorfinanzierungsmÇglichkeit im InsolvenzerÇffnungsverfahren, ZInsO 2002, 1171; Paul, RechtsprechungsÅbersicht zum Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2006, 532; ZInsO 2007, 856; Ricken, Insolvenzgeld bei grenzÅbergreifenden Fsllen, EuZA 2010, 109; Roth, Berechnung des Insolvenzgeldes – BerÅcksichtigung einer Jahressonderzahlung – Zuordnung – Fslligkeit – Insolvenzgeldzeitraum – Tarifvertrag – betriebliche xbung – Stundung, SGb 2001, 587; Sasse/Stelzer, Zwischen Betriebsstilllegung und BetriebsfortfÅhrung in der Insolvenz, ArbRB 2006, 114; Schlegel, Eigentumsvorbehalt und SicherungsÅbereignung – unÅberwindbare Hindernisse einer BetriebsfortfÅhrung durch den vorlsufigen Insolvenzverwalter?, DZWIR 2000, 94; SchluckAmend/Seibold, FortfÅhrungsvereinbarungen als Mittel der UnternehmensfortfÅhrung in der Insolvenz, ZIP 2010, 62; Schmidt-Rnntsch, BetriebsfortfÅhrung in der Zwangsverwaltung, ZInsO 2006, 303; Schmittmann, Sanierung mittels Insolvenzplanverfahren, VR 2009, 289; Schoor, Gestaltungswahlrecht bei BetriebsfortfÅhrung einer Personengesellschaft durch einen Gesellschafter, StuB 2003, 743; SchrÇder, Zur Berechnung der InsolvenzverwaltervergÅtung bei BetriebsfortfÅhrung, EWiR 2008, 761; Seer, Erbschaftsteuerliche BegÅnstigung der BetriebsfortfÅhrung – Analyse der parteiÅbergreifenden GesetzentwÅrfe zur Sicherung der Unternehmensnachfolge vom 10.5. u. 30.5.2005, StuW 2005, 353; Spies, Insolvenzplan und Eigenverwaltung, ZInsO 2005, 1254; Stapper/Jacobi, Rechtliche Aspekte der UnternehmensfortfÅhrung in der Insolvenz, NJW 2009, 270; Undritz, BetriebsfortfÅhrung im ErÇffnungsverfahren – Die Quadratur des Kreises?, NZI 2007, 65; Unterbusch, Der vorlsufige Insolvenzverwalter unter besonderer BerÅcksichtigung aktueller Probleme der BetriebsfortfÅhrung, Diss., 2006; Wank, Insolvenzgeld – tarifliche Jahressonderzahlung – Zuordnung zum Insolvenzgeldzeitraum – Fslligkeit – Verschiebung, EWiR 2006, 281; Insolvenzgeld, Beitragsbemessungsgrenze, betriebliche Altersversorgung, Entgeltumwandlung, Insolvenzgeldanspruch, EWiR 2007, 605–606; Windel, Modelle der UnternehmensfortfÅhrung im InsolvenzerÇffnungsverfahren, ZIP 2009, 101; Wischemeyer, Auswirkungen einer BetriebsfortfÅh-

92

C. ErÇffnetes Verfahren rung im erÇffneten Insolvenzverfahren auf die VergÅtung des Insolvenzverwalters, NZI 2005, 534.

1. Grundlagen Die Liquidation des schuldnerischen Unternehmens ist nicht das einzige Mittel der Glsubigerbefriedigung in der Insolvenz. Insbesondere in Fsllen, in denen die Insolvenz rechtzeitig beantragt wurde, kommt auch eine FortfÅhrung des Unternehmens zum Zwecke der Sanierung in Betracht. In § 1 Satz 1 InsO hat der Gesetzgeber den Erhalt des schuldnerischen Unternehmens ausdrÅcklich als gleichrangig neben der Glsubigerbefriedigung stehendes Verfahrensziel anerkannt. Vorteil dieser Verwertungsalternative sind ein zumindest partieller Erhalt der gefshrdeten Arbeitsplstze sowie der Erhalt des (gesundeten) Marktteilnehmers fÅr den Wettbewerb.1 Doch auch fÅr die Glsubiger stellt eine Sanierung oft die bessere BefriedigungsmÇglichkeit dar – erhalten sie bei einer FortfÅhrung doch regelmsßig hÇhere Quoten als bei einer Zerschlagung des Unternehmens in seine Einzelteile.

2.208

Auch das schuldnerische Unternehmen ist Gegenstand der Insolvenzmasse und daher auch von der Verwaltungs- und VerfÅgungsmacht des Insolvenzverwalters (§ 80 InsO) umfasst. FÅr den vorlsufigen Insolvenzverwalter gilt § 22 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 InsO. Nach VerfahrenserÇffnung entscheidet nicht der Insolvenzverwalter, sondern die Gllubigerversammlung im Berichtstermin Åber die Stilllegung oder (vorlsufige) FortfÅhrung des Geschsftsbetriebes, § 157 Satz 1 InsO. Der Insolvenzverwalter ist bezÅglich der Entscheidung, ob eine UnternehmensfortfÅhrung durchgefÅhrt werden soll, an die Entscheidung der Glsubigerversammlung gebunden. Dabei muss er jederzeit prÅfen, ob die UnternehmensfortfÅhrung den durch sie verursachten Aufwand erwirtschaftet, also die Masse nicht schmslert, andernfalls muss er nach § 75 Abs. 1 Ziff. 1 InsO beantragen, eine Glsubigerversammlung einzuberufen, die Åber die weitere UnternehmensfortfÅhrung beschließt.2 Im Falle einer FortfÅhrung hat der Verwalter ssmtliche Pflichten zu erfÅllen, die zuvor den Schuldner bzw. dessen organschaftliche Vertreter trafen.3 Der Verwalter muss das gesamte Anlageund UmlaufvermÇgen Åbernehmen und tritt im Rahmen der §§ 103 ff. InsO in die zivil- und Çffentlich-rechtlichen Pflichten ein.4

2.209

2. Beendigung von „ungÅnstigen“ Vertrlgen Schwebende gegenseitige Vertrsge, die nicht den Spezialregelungen der §§ 108 ff. InsO unterfallen, kann der Verwalter nach § 103 InsO mit Wirkung auf den Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung beenden. Voraussetzung 1 2 3 4

Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 355. Kuhn in Uhlenbruck, § 117 KO Rz. 14d. Jarchow in HamburgerKomm/InsO, § 148 Rz. 35. Wegener in FrankfurterKomm/InsO, § 148 Rz. 4e.

93

2.210

Kapitel 2 Insolvenzrecht

fÅr das Wahlrecht nach § 103 Abs. 1 InsO ist, dass ein synallagmatischer (gegenseitiger) Vertrag vorliegt, der vor ErÇffnung geschlossen wurde und den beide Seiten nicht vollstsndig erfÅllt haben. Das ist der Fall, wenn beide Seiten ihre Leistung noch nicht vollstsndig erbracht haben oder noch der Leistungserfolg aussteht (wie dies bei vereinbartem Eigentumsvorbehalt vor vollstsndiger Entgeltzahlung der Fall ist).1

211

Wshlt der Insolvenzverwalter ErfÅllung, kann er die dem Schuldner versprochene Leistung fÅr die Masse beanspruchen und muss im Gegenzug die Forderung des Vertragspartners als Masseverbindlichkeit begleichen, § 55 Abs. 1 Ziff. 2 InsO. Handelt es sich um teilbare Vertrsge, gilt dies gem. § 105 InsO jedoch nur fÅr die nach VerfahrenserÇffnung erbrachten Teilleistungen.2 Wshlt der Insolvenzverwalter die NichterfÅllung, kann der Glsubiger Leistungen aus der Insolvenzmasse nicht mehr verlangen – dem Glsubiger steht lediglich ein Schadensersatzanspruch zu, der als einfache Insolvenzforderung im Rang von § 38 InsO zu behandeln ist. Der Vertragspartner kann den Insolvenzverwalter auffordern, sich zur ErfÅllung des Vertrages zu sußern, mit der Folge, dass dieser keine ErfÅllung mehr verlangen kann, sofern er sich nicht unverzÅglich erklsrt, § 103 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsO.

212

Der Gesetzgeber hat demgegenÅber die Vertragspartner aus Miet- und Pachtvertrlgen Åber Immobilien gegenÅber sonstigen Vertragspartnern aus schwebenden Vertrsgen privilegiert, da diese Vertrsge zunschst mit Wirkung fÅr und gegen die Masse fortbestehen (§§ 108 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO). Das kann zu einer erheblichen Belastung fÅr die Insolvenzmasse fÅhren, weil die Raumkosten regelmsßig den zweitgrÇßten Kostenblock nach den Personalkosten darstellen.3 Diese Kosten wshrend des KÅndigungsauslaufs muss der Insolvenzverwalter unabhsngig davon, ob er die Immobilie nutzt oder nicht, als Masseverbindlichkeiten befriedigen. Die aus der Zeit vor ErÇffnung des Verfahrens rÅckstsndigen Forderungen der Vertragspartner bleiben Insolvenzforderungen, § 108 Abs. 2 InsO.

213

Bei Schadensersatz- und Abwicklungspflichten aus einem Schuldverhsltnis gilt der Grundsatz, dass diese nur dann zu Masseverbindlichkeiten werden, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht bereits vor InsolvenzerÇffnung angelegt waren.4 Andernfalls sind diese AnsprÅche lediglich Insolvenzforderungen, da sich mit der Insolvenz gerade das Risiko realisiert, welches die Vertragspartner mit einer Vorleistung oder ungesicherten Preisgabe von Rechten eingegangen sind. So entstehen bei Beendi-

1 Hnsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 20.14. 2 Vgl. BGH v. 27.2.1997 – IX ZR 5/96, BGHZ 135, 25 (27) = ZIP 1997, 688. 3 Voigt-Salus in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 22 Rz. 106. 4 Homann in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 7 Rz. 52.

94

C. ErÇffnetes Verfahren

gung eines Miet- oder Pachtverhsltnisses Åber unbewegliche Sachen und Rsume Renovierungs-, Rsumungs- und RÅckbaupflichten als Masseverbindlichkeit nur insoweit, als sie auf der tatsschlichen Nutzung des Gegenstandes durch den Insolvenzverwalter beruhen.1 Allerdings begÅnstigt das Insolvenzverfahren den Insolvenzverwalter dergestalt, dass er sich stets auf die gesetzlichen KÅndigungsfristen des § 580a BGB berufen kann, § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO, so dass eine zwischen Vermieter und Schuldner vereinbarte lange Vertragslaufzeit den Insolvenzverwalter nicht in gleichem Maße bindet. Wurde unter Eigentumsvorbehalt gekauft, muss differenziert werden: In der Insolvenz des Ksufers, bleibt es bei § 103 Abs. 1 InsO mit der Maßgabe, dass der Insolvenzverwalter die Erklsrung nach § 103 Abs. 2 Satz 2 InsO erst unverzÅglich nach dem Berichtstermin abgeben muss, vgl. § 107 Abs. 2 InsO. Lehnt der Insolvenzverwalter die ErfÅllung ab, kann der Verksufer vom Vertrag zurÅcktreten, die Sache aussondern und einen Schadensersatzanspruch wegen NichterfÅllung zur Tabelle anmelden.2 Bei verlsngertem oder erweitertem Eigentumsvorbehalt hat der Vorbehaltsverksufer lediglich ein Absonderungsrecht (vgl. § 51 Abs. 1 Ziff. 1 InsO). In der Insolvenz des Vorbehaltsverksufers ist das Wahlrecht des Insolvenzverwalters gem. § 107 Abs. 1 InsO ausgeschlossen. Das Anwartschaftsrecht des Ksufers ist insolvenzfest. Solange er die geschuldeten Raten vereinbarungsgemsß bezahlt, wird er mit Zahlung der letzten Rate EigentÅmer der Sache. Der Insolvenzverwalter muss den Ksufer unmittelbar nach VerfahrenserÇffnung auffordern, die weiteren Raten ausschließlich an die Insolvenzmasse zu zahlen. Kommt der Ksufer in der Folge in Verzug, kann der Insolvenzverwalter nach den allgemeinen Regeln (§ 323 BGB) vom Vertrag zurÅcktreten und nach § 985 BGB Herausgabe der Sache verlangen.

2.214

3. Insolvenzfestigkeit betriebsnotwendiger Vertrlge a) KÅndigungssperre Um eine UnternehmensfortfÅhrung zu ermÇglichen, muss zudem verhindert werden, dass das Unternehmen durch die Beendigung betriebsnotwendiger Vertrsge weiter geschwscht wird. Diesem Ziel dient § 112 InsO. Die Norm enthslt eine KÅndigungssperre fÅr Miet- und Pachtverhlltnisse, die der Schuldner als Mieter oder Pschter eingegangen war. Nach Insolvenzantragsstellung ist eine KÅndigung von Miet- oder Pachtvertrsgen wegen der bis zum Antrag aufgelaufenen ZahlungsrÅckstsnde oder der durch den Insolvenzantrag zum Ausdruck kommenden Verschlechterung der schuldnerischen VermÇgensverhsltnisse nicht mÇglich. Ist allerdings vor Antragsstellung wirksam durch den Vermieter oder Verpschter gekÅndigt worden, ist es dem Insolvenzverwalter nicht mÇglich, die ausgelÇsten 1 BGH v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, ZIP 2001, 1469 = NJW 2001, 2966 (2966). 2 Ahrendt in HamburgerKomm/InsO, § 108 Rz. 21.

95

2.215

216

217

Kapitel 2 Insolvenzrecht

Rechtsfolgen einseitig abzuwenden.1 In § 112 InsO ist daher der Gedanke des „fresh start“ enthalten, da im Falle eines von nun an vertragstreuen Schuldners der Fortbestand des Vertrages gesichert ist.2 Weitere Sperrwirkungen fÅr gleichermaßen betriebsnotwendige Vertrsge sind in der Insolvenzordnung ausdrÅcklich nicht geregelt. Vereinzelt wird daher eine weite Auslegung des § 112 InsO bzw. eine mÇgliche analoge Anwendung der Norm in Betracht gezogen.3 b) LÇsungsklauseln Ein weiteres Hindernis fÅr die BetriebsfortfÅhrung sind sog. LÇsungsklauseln in Vertrsgen, die fÅr den Fall eines Insolvenzereignisses (Insolvenzantrag, Anordnung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung, InsolvenzerÇffnung oder allgemein: VermÇgensverfall) eine automatische Vertragsbeendigung in Form einer auflÇsenden Bedingung oder zumindest ein RÅcktrittsrecht des Vertragspartners vorsehen. Wurden derartige Klauseln unter GÅltigkeit der Konkursordnung noch fÅr zulsssig erachtet, wird heute aufgrund der Schutzbestimmungen der §§ 112, 119 InsO weitestgehend deren Wirksamkeit abgelehnt. Grund dafÅr ist, dass derartige LÇsungsklauseln dem Sinn und Zweck des insbesondere in § 103 InsO normierten Wahlrechts des Insolvenzverwalters zuwider laufen.4 4. Insolvenzgeld Die bedeutendste Erleichterung der UnternehmensfortfÅhrung im Insolvenzverfahren dÅrfte in betriebswirtschaftlicher Hinsicht in der MÇglichkeit der Inanspruchnahme von Insolvenzgeld (§§ 183 ff. SGB III) liegen.5 Jedenfalls dann, wenn zum Zeitpunkt der Anordnung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung keine LohnrÅckstsnde bestehen, kann durch Inanspruchnahme von Insolvenzgeld Åber einen Zeitraum von drei Monaten (§ 183 Abs. 1 SGB III) eine BetriebsfortfÅhrung ohne Personalkosten organisiert werden. Das Insolvenzgeld ist einkommensteuerfrei (§ 3 Ziff. 2 EStG). Allerdings entsteht der Anspruch auf Insolvenzgeld erst mit ErÇffnung des Insolvenzverfahrens, § 183 Abs. 1 Ziff. 1 SGB III. Um zu verhindern, dass die Arbeitnehmer bis zu diesem Zeitpunkt von ihrem ZurÅckbehaltungsrecht hinsichtlich ihrer Arbeitsleistung Gebrauch machen, kann der vorlsufige Insolvenzverwalter die Insolvenzgeldzahlungen vor1 Vgl. Berscheid in Uhlenbruck, § 112 InsO Rz. 7. 2 Voigt-Salus in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 22 Rz. 107. 3 Berscheid in Uhlenbruck, § 112 InsO Rz. 5; Wegener in FrankfurterKomm/InsO, § 112 Rz. 5. 4 FÅr die Unwirksamkeit von LÇsungsklauseln aufgrund einer teleologischen Reduktion des § 119 InsO v.a. PrÅtting, FS Gerhardt, 761 (771 f.); im Ergebnis ebenso: Balthasar in Nerlich/RÇmermann, § 119 InsO Rz. 15, mit Verweis auf das Wahlrecht in § 113 InsO. 5 Voigt-Salus in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 22 Rz. 110.

96

C. ErÇffnetes Verfahren

finanzieren. Dabei zahlt ein Kreditinstitut die LÇhne der Arbeitnehmer bereits im InsolvenzerÇffnungsverfahren bei Fslligkeit aus. Im Gegenzug treten die Arbeitnehmer im Rahmen eines Forderungskaufvertrages ihre InsolvenzgeldansprÅche an die vorfinanzierende Bank ab, die wiederum nach ErÇffnung von der Bundesagentur fÅr Arbeit die Betrsge erstattet verlangen kann. Die bei Finanzierung des Darlehens anfallenden Zinsen werden aus der Insolvenzmasse gezahlt.1 Eine Insolvenzgeldvorfinanzierung ist allerdings von der Zustimmung des zustsndigen Arbeitsamtes abhsngig, § 188 Abs. 4 SGB III. Die Zustimmung darf nur erteilt werden, wenn voraussichtlich ein erheblicher Teil der Arbeitsplstze dauerhaft erhalten bleibt. Daher ist die frÅhzeitige Erstellung eines erfolgversprechenden Sanierungskonzepts durch den Insolvenzverwalter unabdingbare Voraussetzung fÅr eine positive Prognoseentscheidung der Bundesagentur. Zu den steuerlichen Aspekten des Insolvenzgeldes s. Rz. 4.111.

2.218

5. Personalanpassung Dienstverhsltnisse des Schuldners bestehen gem. § 108 Abs. 1 InsO mit Wirkung fÅr die Insolvenzmasse fort. Daher muss der Insolvenzverwalter die Arbeitnehmer zunschst weiterbeschsftigen und ihre LÇhne und Gehslter aus der Masse bezahlen, § 55 Abs. 1 Ziff. 2 InsO. LohnrÅckstsnde aus der Zeit vor der ErÇffnung sind einfache Insolvenzforderungen, § 108 Abs. 3 InsO. Zur Kompensation dieser fÅr den Arbeitnehmer nachteiligen Regelung dient das Insolvenzgeld.

2.219

Regelmsßig mÅssen im Rahmen einer BetriebsfortfÅhrung in der Insolvenz Maßnahmen der Personalkostenreduzierung durch den Abbau von Lohnzulagen oder Pensionszusagen vorgenommen werden. Da dies hsufig jedoch nicht genÅgend Einsparungspotential mit sich bringt, ist ein Personalabbau hsufig unausweichlich. Dabei setzt das Arbeitsrecht einer znderung der Personalstruktur Grenzen. Im Bereich des KÅndigungsrechts gelten allerdings insolvenzspezifische Erleichterungen. Der Insolvenzverwalter kann in zeitlicher Hinsicht wegen § 113 Satz 2 InsO in Durchbrechung lsngerer einzeltarifvertraglicher oder gesetzlicher KÅndigungsfristen immer spstestens mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende kÅndigen. Nachteile des Arbeitnehmers wegen einer VerkÅrzung der KÅndigungsfrist kann dieser als Insolvenzforderung geltend machen, § 113 Satz 3 InsO. Die gesetzlichen KÅndigungshindernisse etwa nach §§ 85 ff. SGB IX fÅr Schwerbehinderte, nach § 9 MutterschutzG fÅr Schwangere oder nach § 15 KSchG fÅr Betriebsratsmitglieder, bestehen aber auch in der Insolvenz fort.2 Im Anwendungsbereich des KÅndigungsschutzgesetzes mÅssen die gesetzlichen KÅndigungsgrÅnde vorliegen. Die KÅndigung

2.220

1 Voigt-Salus in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 22 Rz. 110. 2 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 175.

97

221

222

223

Kapitel 2 Insolvenzrecht

muss sozial gerechtfertigt sein, § 1 KSchG, was den Insolvenzverwalter zur Beachtung der Anforderungen an die Sozialauswahl und die betrieblichen Erfordernisse verpflichtet. Erfolgt eine Versußerung des Betriebes oder eines Betriebsteils, tritt der Erwerber gem. § 613a BGB in die Rechte und Pflichten aus bestehenden Arbeitsverhsltnissen ein, was auch in der Insolvenz gilt.1 6. Nutzung von Absonderungsgut Regelmsßig sind Gegenstsnde, die zur Insolvenzmasse gehÇren, umfassend mit Drittrechten belastet. Um die MÇglichkeit einer UnternehmensfortfÅhrung zu gewshrleisten, hat der Gesetzgeber dem Insolvenzverwalter mit § 30d ZVG die MÇglichkeit gegeben, die einstweilige Einstellung eines Zwangsversteigerungsverfahrens zu erreichen sowie bewegliche Gegenstsnde der Insolvenzmasse, an denen Absonderungsrechte bestehen, weiter zu nutzen, § 172 Abs. 1 Satz 1 InsO. Diese NutzungsmÇglichkeit wird jedoch dadurch kompensiert, dass dem gesicherten Glsubiger AusgleichsansprÅche zustehen, die dem Rang nach Masseverbindlichkeiten sind, § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO. Diese umfassen zunschst die Ausgleichspflicht fÅr die Wertminderung des Absonderungsgutes im Rahmen der BetriebsfortfÅhrung (§§ 172 Abs. 1 Satz 1 InsO, 30e Abs. 2 ZVG). DarÅber hinaus stehen dem Glsubiger ab dem Berichtstermin die vertraglich geschuldeten Zinsen zu, § 169 Satz 1 InsO bzw. § 30e Abs. 1 ZVG. In Ermangelung einer individuellen Zinsabrede sind dies die nach §§ 288, 247 BGB geltenden Verzugszinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten Åber dem Basiszinssatz.2 7. Ausschluss der gesetzlichen HaftungsÅbernahme bei Betriebserwerb Die xbertragung eines Unternehmens aus der Insolvenz wird maßgeblich dadurch erleichtert, dass der Erwerber auch bei FortfÅhrung unter der bisherigen Firma grundsstzlich nicht fÅr Altverbindlichkeiten haftet.3 § 25 Abs. 1 HGB ist nach allgemeiner Ansicht nicht anwendbar. Die Vorschrift bestimmt, dass der Erwerber das Unternehmen im Fall einer FortfÅhrung unter Beibehaltung der bisherigen Firma mit allen Aktiva und Passiva Åbernimmt. Die bei einer Åbertragenden Sanierung außerhalb des Insolvenzverfahrens bestehenden Haftungsrisiken werden bei einer Unternehmensversußerung im Rahmen des Insolvenzverfahrens daher deutlich gemildert.4 Eine Haftung des Erwerbers widersprsche grundlegenden Prinzi1 Vgl. BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 917/06, ZInsO 2008, 572 (573). 2 Voigt-Salus in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 22 Rz. 117. 3 Vgl. BGH v. 11.4.1988 – II ZR 313/87, ZIP 1988, 727 = NJW 1912 (1913); BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 215/06, ZIP 2007, 386 = BB 2007, 401 (402); Undritz in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 15 Rz. 62; Voigt-Salus in Mohrbutter/ Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 22 Rz. 118. 4 Picot/Aleth, Unternehmenskrise und Insolvenz, Rz. 773.

98

C. ErÇffnetes Verfahren

pien des Insolvenzrechts. Insbesondere ginge die Befriedigung der Unternehmensglsubiger durch den Erwerber zu Lasten der Åbrigen Glsubiger, weil der Erwerber die Belastung durch die Altverbindlichkeiten von dem Kaufpreis abzÇge und den Åbrigen Glsubigern infolgedessen nur die um die Altverbindlichkeiten verringerte Masse zur VerfÅgung stÅnde.1 Dass der Erwerber ggf. auch nicht fÅr bestehende Steuerverbindlichkeiten haftet, ist explizit in § 75 Abs. 2 AO geregelt. 8. qffentlich-rechtliche Rahmenbedingungen GehÇren kontaminierte GrundstÅcke zur Insolvenzmasse, droht dieser eine Belastung durch die Kosten, die im Rahmen einer Beseitigung der Verunreinigungen entstehen. Die Kosten dieser durch eine behÇrdliche Ersatzvornahme durchgefÅhrten Sanierung, werden als Masseverbindlichkeit behandelt.2 Daher bedienen sich Insolvenzverwalter regelmsßig des Instrumentes der Freigabe (Rz. 2.143 ff.), um eine Masseschmslerung zu verhindern. Bei einer erfolgreichen Freigabe eines GrundstÅcks beseitigt der Insolvenzverwalter eine vorher bestehenden Zustandsverantwortlichkeit mit der Folge, dass die BehÇrde keine OrdnungsverfÅgungen mehr gegen ihn richten und folglich auch keine Ersatzvornahmekosten als Masseverbindlichkeit geltend machen kann.3

2.224

Diese Praxis ist vereinzelt auf Kritik gestoßen,4 die aber in Anbetracht der Grundsatzentscheidung des BGH5 zur generellen Zulsssigkeit der Freigabe zum Zwecke der bestmÇglichen Glsubigerbefriedigung zurÅckzuweisen ist.

2.225

Die MÇglichkeit der Freigabe besteht auch in Fsllen, in denen es nicht um kontaminierten Grundbesitz geht, dieser aber wertausschÇpfend mit Grundpfandrechten belastet ist. yffentliche Lasten wie z.B. die Grundsteuer schmslern in Ermangelung einer besonderen, etwa im Rahmen einer Verwertungsvereinbarung mit dem Glsubiger geschlossenen Regelung grundsstzlich die Insolvenzmasse. Daher kann der Insolvenzverwalter das GrundstÅck ggf. freigeben. Dies hat zur Folge, dass kÅnftig fsllig werdende Lasten nicht mehr aus der Insolvenzmasse zu bedienen sind.6

2.226

1 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, § 25 Rz. 41 ff.; vgl. zum Ganzen ferner BGH v. 19.2.1976 – III ZR 75/74, BGHZ 66, 217 (228); v. 11.4.1988 – II ZR 313/87, ZIP 1988, 727 = BGHZ 104, 151 (153); OLG DÅsseldorf v. 21.5.1999 – 22 U 259/98, NZI 2000, 24 (25); Henckel in Jaeger, § 35 InsO Rz. 30. 2 BVerwG v. 10.2.1999 – 11 C 9/97, NJW 1999, 2131 (2131). 3 Lwoeski/Peters in MÅnchKomm/InsO, § 35 Rz. 95. 4 OVG Greifswald v. 16.1.1997 – 3 L 94/96, ZIP 1997, 1460 = WM 1998, 1548 (1553). 5 BGH v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, ZIP 2004, 2024 = NJW 2005, 2015 (2015). 6 Hnsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 13, 19.

99

Kapitel 2 Insolvenzrecht

9. Insolvenzplanverfahren a) Grundlagen

227

In § 1 Satz 1 InsO wird der Insolvenzplan ausdrÅcklich als Instrumentarium der Unternehmenssanierung aufgefÅhrt. Die Tatsache, dass in einem Insolvenzplan von den Regelungen der InsO abgewichen werden kann (vgl. § 217 InsO) zeigt, dass der Grundsatz der Glsubigerautonomie im gesamten Insolvenzverfahren Beachtung findet, soweit dies einer besseren Glsubigerbefriedigung zutrsglich ist. Daher darf der Insolvenzplan auch nicht ausschließlich als Sanierungsinstrument angesehen werden. Je nach Verwertungsart kann man zwischen einem Sanierungsplan, einem xbertragungsplan und einem Liquidationsplan unterscheiden.1 Der konkrete Inhalt des Insolvenzplans ist gesetzlich nicht geregelt, dies ist Aufgabe der Beteiligten. Der Gesetzgeber hat in den §§ 217 ff. InsO lediglich festgelegt, wie ein Insolvenzplan ausgestaltet sein muss, wie er zustande kommt und umgesetzt wird.

228

Gemsß § 219 Satz 1 InsO besteht ein Insolvenzplan aus darstellendem und gestaltendem Teil. Der gestaltende Teil des Plans enthslt die Rechtssnderungen, die durch die Beststigung des Plans konstitutiv verwirklicht werden sollen. Im darstellenden Teil des Plans hingegen wird der status quo beschrieben, das Plankonzept dargelegt und erlsutert und anschließend dem Alternativszenario einer regelinsolvenzrechtlichen Abwicklung gegenÅbergestellt. Außerdem sind dem Plan bestimmte Anlagen beizufÅgen, vgl. § 219 Satz 2 InsO i.V.m. §§ 229 f. InsO. b) Darstellender Teil des Insolvenzplans

229

Der darstellende Teil des Insolvenzplans dient der Information der Glsubiger und des Gerichts Åber die Tatsachen, die fÅr eine Zustimmung zum Plan bzw. fÅr dessen gerichtliche Beststigung erforderlich sind. Nach § 220 Abs. 1 InsO ist insbesondere darzulegen, „welche Maßnahmen nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens getroffen worden sind oder noch getroffen werden sollen, um die Grundlagen fÅr die geplante Gestaltung der Rechte der Beteiligten zu schaffen“. Des Weiteren soll der darstellende Teil „alle sonstigen Angaben zu den Grundlagen und den Auswirkungen des Plans enthalten, die fÅr die Entscheidung der Glsubiger Åber die Zustimmung zum Plan und fÅr dessen gerichtliche Beststigung erheblich sind“, § 220 Abs. 2 InsO.

230

Folglich muss sich der Plan zur VermÇgens-, Finanz- und Ertragslage des Schuldners sußern2 – dies ist zwar nicht ausdrÅcklich gesetzlich bestimmt, doch ist eine derartige Bestandsaufnahme elementare Grundlage einer sinnvollen Entscheidung Åber den Plan.3 Entsprechendes gilt fÅr die 1 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 312. 2 Vgl. dazu im Einzelnen: Bnhr/Landry in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 14 Rz. 15 ff. 3 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 315.

100

C. ErÇffnetes Verfahren

Art der Verwertung. Aus dem Plan muss ersichtlich sein, auf welche Weise das VermÇgen verwertet werden soll, das an die Glsubiger verteilt wird. Soll dazu von den gesetzlichen Regelungen abgewichen werden, so sind deren Auswirkungen auf die BefriedigungsmÇglichkeiten der Glsubiger aufzuzeigen und in einer Vergleichsrechnung den BefriedigungsmÇglichkeiten der Glsubiger ohne einen Insolvenzplan gegenÅber zu stellen.1 Auch dies ist im Gesetz nicht ausdrÅcklich vorgesehen, aber zwingende Voraussetzung, da eine Schlechterstellung der Glsubiger eine Umsetzung des Insolvenzplans massiv erschwert. Der Plan muss Åber wshrend des Verfahrens getroffene oder noch zu treffende Maßnahmen informieren. Hierzu gehÇren Betriebssnderungen und andere organisatorische und personelle Maßnahmen innerhalb des Unternehmens, Sozialplanforderungen und eine fÅr zukÅnftige Sozialplsne etwa getroffene Vereinbarung sowie HÇhe und Bedingungen der Darlehen, die wshrend des Verfahrens aufgenommen wurden oder aufgenommen werden sollen.2

2.231

Sofern der Insolvenzplan eine Sanierung des schuldnerischen Unternehmens zum Gegenstand hat, ist das Sanierungskonzept ausfÅhrlich darzulegen.3 Der Plan muss in diesem Fall die Sanierungsfshigkeit des Unternehmens sowie das finanzwirtschaftliche und leistungswirtschaftliche Sanierungskonzept im Einzelnen darlegen und begrÅnden. Soll der Schuldner selbst das sanierte Unternehmen fortfÅhren, ist anzugeben, welche znderungen der Rechtsform des Schuldners, des Gesellschaftsvertrages, der Satzung und der Beteiligungsverhsltnisse vorgenommen wurden oder noch vorgenommen werden sollen.4

2.232

c) Gestaltender Teil des Insolvenzplans Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans wird festgelegt, wie die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Plan gesndert werden soll, § 221 InsO. „Beteiligte“ i.S.v. § 221 InsO sind diejenigen, deren Rechte und Pflichten nach § 217 InsO abweichend von den Vorschriften der Insolvenzordnung gesndert werden kÇnnen, demnach die Absonderungsberechtigten (§§ 49 bis 51 InsO), die Insolvenzglsubiger (§§ 38, 39, 52 InsO) und der Schuldner (§ 11 InsO). Folglich kann in die Rechtsstellung der Masseglsubiger (§§ 53 bis 55 InsO)5 und der Aussonderungsberechtigten (§§ 47, 48 InsO) durch

1 Bnhr/Landry in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 14 Rz. 29–32. 2 Flessner in HeidelbergerKomm/InsO, § 220 Rz. 3. 3 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 318. 4 Flessner in HeidelbergerKomm/InsO, § 220 Rz. 4. 5 Ausgenommen nach h.M. bei Masseunzulsnglichkeit, vgl. Flessner in HeidelbergerKomm/InsO, § 217 Rz. 9; EidenmÅller in MÅnchKomm/InsO, § 217 Rz. 84; Braun in Nerlich/RÇmermann, § 217 InsO Rz. 25; Braun in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 67 Rz. 22.

101

2.233

Kapitel 2 Insolvenzrecht

einen Insolvenzplan nicht eingegriffen werden, es sei denn, sie stimmen einer entsprechenden Regelung zu.1

234

Bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Insolvenzplans sind die Beteiligten grundsstzlich frei. Allerdings ist bei der Festlegung der Rechte der Beteiligten, die Bildung von Gruppen gesetzlich vorgeschrieben, soweit Glsubiger unterschiedlicher Rechtsstellung betroffen sind, § 222 InsO. Innerhalb der einzelnen Gruppen kÇnnen, soweit sie sachgerecht voneinander abgegrenzt werden, weitere Untergruppen gebildet werden, in denen Glsubiger mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefasst sind, § 222 Abs. 2 InsO.

235

Die Bildung von Gruppen hat zur Folge, dass Gleichbehandlungen der Glsubiger nur innerhalb der einzelnen Gruppe erforderlich sind (§ 226 Abs. 1 InsO) und dass die Abstimmung Åber den Insolvenzplan getrennt nach Gruppen erfolgt (§ 243 InsO). Dies erÇffnet Planverfassern einen gewissen Spielraum, durch taktische Gruppenbildung die gem. §§ 244, 245 InsO erforderlichen Mehrheiten fÅr die Zustimmung zu organisieren.

236

Ist in dem Insolvenzplan vorgesehen, dass in die Rechte von Absonderungsberechtigten eingegriffen wird, ist der Inhalt dieser Regelung im gestaltenden Teil des Insolvenzplans ausdrÅcklich zu erwshnen, § 223 Abs. 2 InsO. Als Eingriff in die Absonderungsrechte kommt beispielsweise in Betracht, dass die gesicherten Forderungen gekÅrzt oder gestundet werden oder die Verwertung des Sicherungsguts hinausgeschoben wird. Wird ein Glsubiger durch den Insolvenzplan schlechter gestellt, als er ohne den Plan stÅnde, kann er das Wirksamwerden des Planes verhindern, § 251 InsO. Daher wird hsufig von Eingriffen in Absonderungsrechte abgesehen.

237

! Hinweis: FÅr gewÇhnlich ist nur ein Teil der Absonderungsberechtigten derart gesichert, unabhsngig vom Ausgang des Verfahrens eine Vollbefriedigung erwarten zu kÇnnen. Sollte der Wert ihrer Sicherheiten im Falle einer FortfÅhrung des Unternehmens grÇßer sein als bei einer Einzelverwertung, sind diese Absonderungsberechtigten als „potentiell gesicherte Glsubiger“ verstsndlicherweise an einer FortfÅhrung interessiert und deshalb regelmsßig eher gewillt, bei einem Sanierungsplan Zugestsndnisse zu gewshren.2

Der Insolvenzplan wird sich im Allgemeinen hauptsschlich zu den Rechten der nicht nachrangigen Insolvenzglsubiger sußern.3 Gemsß § 224 InsO ist insbesondere anzugeben, um welchen Bruchteil die betreffenden Forderungen gekÅrzt oder wie lange sie gestundet werden. Sofern fÅr die gestundete oder eine verbliebene Restforderung Sicherheit geleistet wer-

1 EidenmÅller in MÅnchKomm/InsO, § 217 Rz. 154; Bnhr/Landry in Mohrbutter/ Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 14 Rz. 36. 2 Bnhr/Landry in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 14 Rz. 51. 3 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 326; Bnhr/Landry in Mohrbutter/ Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 14 Rz. 53.

102

C. ErÇffnetes Verfahren

den soll, kann das Sicherungsgeschsft zum Teil des Insolvenzplans gemacht werden, §§ 228, 254 Abs. 1 Satz 2 InsO. Zudem kÇnnen mit den nicht nachrangigen Insolvenzglsubigern beispielsweise Forderungsverzichte mit Besserungsschein, RangrÅcktritte oder Umwandlungen von Fremd- in Eigenkapital (debt-to-equity-swap) vereinbart werden.1 Grundsstzlich bleiben die Anteilsrechte und Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen vom Insolvenzplan unberÅhrt. Anders lautende Bestimmungen sind aber gem. § 225a InsO zulsssig. Sind die Insolvenzglsubiger in Untergruppen zusammengefasst, ist eine unterschiedliche Behandlung dieser Gruppen mÇglich. ! Hinweis: Die Entscheidung der FinanzbehÇrden Åber die Zustimmung oder Ablehnung zu einem Insolvenzplan und einem darin enthaltenen Forderungserlass steht im pflichtgemsßen Ermessen der Çrtlichen Finanzsmter.2 Eine vor Antragstellung oder nach ErÇffnung des Verfahrens von der FinanzbehÇrde gesußerte Ablehnung in Bezug auf einen mÇglichen Forderungserlass ist fÅr eine Aufnahme eines Erlasses im gestaltenden Teil eines Insolvenzplans ohne Bedeutung.3

Sofern im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt ist, gelten die Forderungen der nachrangigen Glsubiger als erlassen, § 225 Abs. 1 InsO. Diese Vermutung beruht auf dem Gedanken, dass bei einer ErlÇsverteilung im Regelfall nicht einmal die nicht nachrangigen Insolvenzglsubiger voll befriedigt werden kÇnnen, mit der Folge, dass die nachrangigen Glsubiger nichts erhalten. Wenn die vollrangigen Glsubiger in einem Insolvenzplan Beschrsnkungen ihrer Rechte hinnehmen, kann nichts anderes gelten. Daher wird ein Insolvenzplan, der einen Erhalt der Forderungen der nachrangigen Glsubiger vorsieht, voraussichtlich am Widerspruch vollrangiger Glsubiger nach § 251 Abs. 1 Ziff. 2 InsO scheitern.

2.238

Der Schuldner wird mit der im gestaltenden Teil des Insolvenzplans vorgesehenen Befriedigung der Insolvenzglsubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenÅber diesen Glsubigern befreit, sofern im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt ist (§ 227 Abs. 1 InsO). Andernfalls wsre ein mit dem Insolvenzplan fÅr gewÇhnlich bezweckter „fresh start“ des Schuldners nicht mÇglich. Bei Gesellschaften ohne RechtspersÇnlichkeit (§ 11 Abs. 2 Ziff. 1 InsO) und Kommanditgesellschaften auf Aktien (§ 278 AktG) kann dies in aller Regel nur gelingen, wenn die Planwirkungen sich auch auf die Haftung der persÇnlich haftenden Gesellschafter erstrecken, weshalb in § 227 Abs. 2 InsO auch eine Befreiung der persÇnlich haftenden Gesellschafter von ihrer persÇnlichen Haftung vorgesehen ist.

2.239

1 Thies in HamburgerKomm/InsO, § 224 Rz. 2; Bnhr/Landry in Mohrbutter/ Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 14 Rz. 52. 2 Brockmeyer in Klein, § 251 AO Rz. 36. 3 Bnhr/Landry in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 14 Rz. 54.

103

Kapitel 2 Insolvenzrecht

d) Ablauf des Insolvenzplanverfahrens

240

Das Insolvenzplanverfahren beginnt mit der Vorlage eines Insolvenzplans an das Insolvenzgericht. Nur Insolvenzverwalter oder Schuldner sind zur Vorlage eines Insolvenzplans berechtigt. Die in § 218 InsO enthaltene Aufzshlung ist abschließend.1 Die Glsubiger kÇnnen jedoch den Insolvenzverwalter durch Beschluss der Glsubigerversammlung im Berichtstermin mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplans beauftragen, § 157 Abs. 2 InsO. Zudem wirkt der Glsubigerausschuss bei der Aufstellung des Insolvenzplans mit, wenn der Insolvenzverwalter den Plan erstellen will oder damit beauftragt wird.2 Die Vorlage kann bis zum Schlusstermin (197 InsO) erfolgen, § 218 Abs. 1 Satz 3 InsO.

241

Der Plan ist dabei von demjenigen zu formulieren, der ihn vorlegen mÇchte, also entweder vom Schuldner oder vom Insolvenzverwalter. Wird der Plan durch den Insolvenzverwalter erstellt, wirken neben dem Glsubigerausschuss zudem der Betriebsrat, der Sprecherausschuss der leitenden Angestellten sowie der Schuldner beratend mit, § 218 Abs. 3 InsO.

242

Das Insolvenzgericht prÅft nach Eingang des Plans, ob es diesen nach § 231 InsO zurÅckweisen muss. Die ZurÅckweisung erfolgt durch Beschluss, der mit sofortiger Beschwerde anfechtbar ist, § 231 Abs. 3 InsO. Wird der Plan nicht zurÅckgewiesen, erfolgt eine Weiterleitung durch das Gericht zur Stellungnahme an den Glsubigerausschuss, den Betriebsrat, den Sprecherausschuss der leitenden Angestellten sowie den Insolvenzverwalter bzw. den Schuldner (soweit der Plan nicht durch letztere eigens vorgelegt wurde), § 232 Abs. 1 InsO.

243

DarÅber hinaus wird der Plan zur Einsichtnahme in der Geschsftsstelle des Insolvenzgerichts ausgelegt, § 234 InsO.

244

Ist der Insolvenzplan mit seinen Anlagen und Stellungnahmen niedergelegt, muss eine Entscheidung Åber die Annahme oder Ablehnung des Plans herbeigefÅhrt werden. Das Insolvenzgericht bestimmt daher einen ErÇrterungs- und Abstimmungstermin (also eine Glsubigerversammlung), in der Insolvenzplan und Stimmrechte der Glsubiger erÇrtert werden. Die ErÇrterung kann umfassende znderungen des Plans durch den Vorlegenden nach sich ziehen, um die Wahrscheinlichkeit einer Planannahme zu erhÇhen (vgl. § 240 InsO). Das Ergebnis der ErÇrterung und Festsetzung der Stimmrechte wird durch den Urkundsbeamten der Geschsftsstelle des Insolvenzgerichts in einem Verzeichnis, der „Stimmliste“, festgehalten, § 239 InsO. In der folgenden Abstimmung Åber den Plan (noch im selben oder in einem gesonderten Termin, §§ 241, 242 InsO), die jeweils in den im gestaltenden Teil des Plans festgelegten Gruppen erfolgt. Alle dort aufgefÅhrten Glsubiger, deren Forderungen durch den Plan beeintrschtigt werden, sind stimmberechtigt, §§ 237, 238 InsO. 1 Thies in HamburgerKomm/InsO, § 218 Rz. 2. 2 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 330.

104

C. ErÇffnetes Verfahren

FÅr eine erfolgreiche Annahme des Insolvenzplans ist die Zustimmung aller Gruppen durch Kopf- und Stimmenmehrheit innerhalb jeder einzelnen Gruppe erforderlich, § 244 InsO. Dabei wird die Zustimmung der Mehrheit aller abstimmenden Glsubiger innerhalb einer Gruppe als Kopfmehrheit und die Summe der Forderungen1 der zustimmenden Glsubiger, sofern sie mehr als die Hslfte der Forderungen aller abstimmenden Glsubiger ausmachen, als Summenmehrheit bezeichnet.2 Durch das in § 245 InsO normierte Obstruktionsverbot soll verhindert werden, dass einzelne Glsubiger einen wirtschaftlich sinnvollen Plan durch ihre Ablehnung scheitern lassen. Sofern das Werterhaltungsprinzip (keine Schlechterstellung durch den Plan) und die par conditio creditorum (Gleichbehandlungsgrundsatz) gewahrt sind, ist es mÇglich, dass ihre Zustimmung dennoch als erteilt gilt.

2.245

Der Schuldner muss gem. § 247 InsO dem Plan ebenfalls zustimmen. Erfolgt ein Widerspruch nicht spstestens im Abstimmungstermin, gilt die Zustimmung als erteilt, § 247 Abs. 1 InsO. Ein Widerspruch ist jedoch unbeachtlich, wenn der Schuldner durch den Plan nicht schlechter gestellt wird, als er ohne den Plan stÅnde, und wenn kein Glsubiger durch den Plan eine Åberbetragsmsßige Befriedigung erhslt, § 247 Abs. 2 InsO.

2.246

Nach erfolgter Zustimmung von Glsubigern und Schuldner muss der Plan vom Insolvenzgericht beststigt werden, § 248 Abs. 1 InsO. Vor seiner Entscheidung soll das Gericht den Insolvenzverwalter, den Glsubigerausschuss, sofern ein solcher bestellt ist, und den Schuldner hÇren, § 248 Abs. 2 InsO. Wenn keine GrÅnde nach §§ 249 bis 251 InsO entgegenstehen, muss das Gericht die Bestltigung aussprechen.3 Der Gesetzgeber hat ganz bewusst die Verantwortungshoheit den am Planverfahren Beteiligten Åberlassen4 und dem Insolvenzgericht eine bloße Rechtmsßigkeitskontrolle zugewiesen.5

2.247

Mit rechtskrlftigem Bestltigungsbeschluss des Insolvenzgerichts treten die im gestaltenden Teil des Insolvenzplans festgelegten Wirkungen fÅr und gegen alle Beteiligten ein, § 254 Abs. 1 Satz 1 InsO. Diejenigen Glsubiger, deren Forderungen durch den Insolvenzplan beeintrschtigt worden sind, behalten jedoch ihre HaftungsansprÅche gegen Dritte in voller HÇhe, § 254 Abs. 2 Satz 2 InsO. Der Insolvenzverwalter muss nach rechtskrsftigem Beststigungsbeschluss die unstreitigen MasseansprÅche berichtigen und fÅr die streitigen Sicherheit leisten, § 258 Abs. 2 InsO. Das Insolvenzgericht beschließt anschließend die Aufhebung des Verfahrens, § 258

2.248

1 Gemeint sind die Anspruchsbetrsge, vgl. Flessner in HeidelbergerKomm/InsO, § 244 Rz. 4, 5. 2 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 337; Bnhr/Landry in Mohrbutter/ Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 14 Rz. 147. 3 Bnhr/Landry in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 14 Rz. 168. 4 BSG v. 21.11.2002 – B 11 AL 35/02 R, ZIP 2003, 445 (447). 5 Vgl. Jaffp in FrankfurterKomm/InsO, § 248 Rz. 5, 6.

105

Kapitel 2 Insolvenzrecht

Abs. 1 InsO. Dies hat zur Folge, dass die zmter des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Glsubigerausschusses erlÇschen und der Schuldner das Recht zurÅckerhslt, Åber die Masse wieder frei zu verfÅgen, § 259 Abs. 1 InsO. e) pberwachung der ErfÅllung des Plans

249

Um sicherzustellen, dass der nun wieder verfÅgungsbefugte Schuldner seinen Verpflichtungen aus dem Plan nachkommt, ist in § 255 InsO eine sog. Wiederauflebensklausel vorgesehen. Kommt der Schuldner mit der Befriedigung einer gestundeten oder teilweise erlassenen Forderung erheblich in RÅckstand, werden Stundung bzw. Erlass fÅr diesen Glsubiger hinfsllig, sofern er den Schuldner schriftlich gemahnt und eine mindestens zweiwÇchige Nachfrist gesetzt hat, § 255 Abs. 1 InsO. Sollte ein neues Insolvenzverfahren Åber das SchuldnervermÇgen erÇffnet werden, bevor der Plan vollstsndig erfÅllt ist, so sind Stundungen und Erlasse fÅr alle Glsubiger hinfsllig, § 255 Abs. 2 InsO.

250

Unter bestimmten Umstsnden ist es mÇglich, dass die ErfÅllung des Insolvenzplans Åberwacht wird, § 260 InsO. Dies kommt beispielsweise in Betracht, wenn ein Unternehmen durch den Schuldner fortgefÅhrt wird und dieser die Glsubiger aus den Ertrsgen befriedigen soll. Die zur pberwachung anfallenden Kosten trsgt der Schuldner, § 269 InsO. Ist im Plan nichts anderes bestimmt, ist der Insolvenzverwalter fÅr die xberwachung zustsndig, dessen Amt zu diesem Zwecke fortbesteht, § 261 InsO. Dem Insolvenzverwalter werden in dieser Phase allerdings lediglich die Rechte eines vorlsufigen Insolvenzverwalters eingersumt.1 Seine Befugnisse sehen zunschst eine beobachtende Kontrolle vor – er prÅft lediglich, ob der Schuldner den Plan ordnungsgemsß erfÅllt. Andernfalls informiert der Insolvenzverwalter umgehend das Insolvenzgericht und den Glsubigerausschuss, damit diese Åber mÇgliche Folgen entscheiden kÇnnen (Wiederaufleben der Forderungen, Aufhebung von Vollstreckungsbeschrsnkungen, Einleitung eines Folgeinsolvenzverfahrens).

251

FÅr eine erfolgreiche Sanierung ist hsufig erforderlich, dass dem Schuldner nach der Beststigung des Insolvenzplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens wieder Kredite gewshrt werden, mit deren Hilfe die schwierige Zeit nach dem Insolvenzverfahren bewerkstelligt werden kann. Um den Kreditinstituten zumindest eine gewisse Sicherheit zu geben, kann neben der xberwachung des Schuldners ein Kreditrahmen gem. §§ 264 ff. InsO im Insolvenzplan vorgegeben und angeordnet werden, dass die Insolvenzglsubiger fÅr den Fall eines erneuten Insolvenzverfahrens wshrend der PlanÅberwachungsphase bis zu einem bestimmten Betrag zurÅckstehen. Der RangrÅcktritt erfolgt zugunsten derjenigen, die dem Schuldner wshrend der xberwachung ein Darlehen oder sonstigen Kredit gewshren, § 264 Abs. 1 InsO. Die Privilegierung derartiger Kredite fÅhrt 1 Jaffp in FrankfurterKomm/InsO, § 261 Rz. 6.

106

C. ErÇffnetes Verfahren

allerdings nicht dazu, dass sie in einem spsteren Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeiten zu behandeln sind.1 Die xberwachung ist gem. § 268 InsO aufzuheben, wenn der Plan erfÅllt oder seine ErfÅllung gewshrleistet ist. Er ist ferner aufzuheben, wenn seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens drei Jahre vergangen sind und kein erneuter Antrag auf ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegt.

2.252

VI. Rechtsstellung des Schuldners Mit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner zwar die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis hinsichtlich des dem Insolvenzbeschlag unterliegenden VermÇgens, er bleibt jedoch weiterhin EigentÅmer der Massegegenstsnde und Rechte.2 Seine VerfÅgungen Åber Massebestandteile sind unwirksam, § 81 InsO. Die Rechtsfolgen des § 80 InsO beziehen sich ausschließlich auf das massezugehÇrige VermÇgen, weshalb der Schuldner Åber das insolvenzfreie VermÇgen ungehindert verfÅgen kann.

2.253

Der Schuldner bleibt rechts- und geschlftsflhig.3 Allerdings erlÇschen von ihm erteilte auf Massegegenstsnde bezogene Vollmachten (§ 117 InsO), sofern nicht das zugrunde liegende Rechtsgeschsft fortbesteht – eine erteilte Prokura oder Handlungsvollmacht erlischt ebenfalls.4 Ferner bleibt der Schuldner scheck- und wechselfshig.5 Wechselverpflichtungen nach ErÇffnung sind weder Insolvenzforderungen noch Masseverbindlichkeiten – der Schuldner begrÅndet eine Neuschuld und haftet daher nur mit seinem insolvenzfreien VermÇgen.6 Das gilt auch fÅr den Scheck.7

2.254

Auch die Prozessfshigkeit des Schuldners wird von der ErÇffnung des Verfahrens nicht berÅhrt. Allerdings verliert er fÅr das vom Insolvenzbeschlag betroffene VermÇgen die ProzessfÅhrungsbefugnis.8 FÅr bereits rechtshsngige Verfahren gilt § 240 ZPO.

2.255

Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters binden die Insolvenzmasse und den Schuldner.9 Die Bindungswirkung geht Åber den Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens hinaus, als hstte der Schuldner die Rechts-

2.256

1 Flessner in HeidelbergerKomm/InsO, § 264 Rz. 9; Braun in Nerlich/RÇmermann, § 264 InsO Rz. 9; Wittig in MÅnchKomm/InsO, § 264 Rz. 22. 2 Kroth in Braun, § 80 InsO Rz. 11; Kuleisa in HamburgerKomm/InsO, § 80 Rz. 57. 3 Ott/Vuia in MÅnchKomm/InsO, § 80 Rz. 11; Eickmann in HeidelbergerKomm/ InsO, § 80 Rz. 34. 4 Eickmann in HeidelbergerKomm/InsO, § 80 Rz. 4. 5 Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 80 InsO Rz. 7; Hess in Hess, § 80 InsO Rz. 16. 6 Kuleisa in HamburgerKomm/InsO, § 80 Rz. 59. 7 Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 80 InsO Rz. 8. 8 Eickmann in HeidelbergerKomm/InsO, § 80 Rz. 6. 9 Kuleisa in HamburgerKomm/InsO, § 80 Rz. 61.

107

Kapitel 2 Insolvenzrecht

geschsfte selbst geschlossen.1 Auch in Bezug auf die Rechtskraft von Urteilen, die Massegegenstsnde betreffen, gilt nichts anderes.

257

Gemsß § 97 Abs. 1 InsO ist der Schuldner verpflichtet, dem Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgericht Åber alle das Verfahren betreffenden Verhsltnisse umfassend Auskunft zu erteilen. Dies impliziert insbesondere zu Beginn des Verfahrens eine Pflicht zu jederzeitiger Erreichbarkeit.2 Gemsß § 97 Abs. 2 InsO hat der Schuldner den Verwalter darÅber hinaus bei der ErfÅllung von dessen Aufgaben zu unterstÅtzen. Dem Schuldner kÇnnen danach grundsstzlich alle dem Insolvenzverwalter zweckmsßig erscheinenden UnterstÅtzungshandlungen wie etwa die Anfertigung und xberlassung von xbersichten Åber Geschsftsablsufe, Organigramme, VermÇgensverzeichnisse, Herausgabe von SchlÅsseln, Angaben zur Systematik elektronischer Speichermedien etc. grundsstzlich entschsdigungslos abverlangt werden. Die Arbeitskraft des Schuldners fsllt allerdings nicht in die Masse. Dem Schuldner muss daher Gelegenheit verbleiben, einer ordentlichen Erwerbststigkeit nachzugehen.3 Ist der Insolvenzverwalter etwa im Rahmen einer BetriebsfortfÅhrung auf eine Åber die bloße UnterstÅtzungststigkeit hinausgehende Mitwirkung des Schuldners angewiesen, muss er den Schuldner hierzu unter Umstsnden besonders motivieren. Dies geschieht zumeist durch das Inaussichtstellen von Unterhaltszahlungen aus der Insolvenzmasse gem. § 100 InsO oder eine andere Form der VergÅtung.

258

Begehrt der Schuldner Restschuldbefreiung, trifft ihn gem. § 295 Abs. 1 Ziff. 1 InsO die Obliegenheit, seine Arbeitskraft bestmÇglich in den Dienst der Insolvenzmasse zu stellen. Auch dies ist ggf. aber nicht mit den Mitteln des § 98 InsO erzwingbar. Eine Verletzung der Obliegenheit kann ggf. nur zur Versagung der Restschuldbefreiung fÅhren.

VII. Rechtsstellung der Gllubiger Literatur App, Aufrechnungsbefugnis des Finanzamts nach ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens, SteuerStud 2001, 68; Gemeinden als Inhaber von Insolvenzforderungen (Insolvenzglsubiger) in einem Insolvenzverfahren – zur Terminologie des Gesetzes, KStZ 2010, 30; Barnert, Insolvenzspezifische Pflichten des Insolvenzverwalters gegenÅber Aussonderungsberechtigten, KTS 2005, 431; Bauer, Ungleichbehandlung der Glsubiger im geltenden Insolvenzrecht, DZWIR 2007, 188; Insolvenzglsubiger als Einnahmequelle des Fiskus und der Sozialversicherungen?, ZInsO 2010, 1917; Braun, Aufrechnung mit im Insolvenzplan erlassenen Forderungen, NZI 2009, 409; Bork/Jacoby, AuskunftsansprÅche des Schuldners und des persÇnlich haftenden Gesellschafters gegen den Insolvenzverwalter, ZInsO 2002, 398; Eckardt, Die Feststellung und Befriedigung des Insolvenzglsubigerrechts, KÇlner Schrift zur Insol1 Kroth in Braun, § 80 InsO Rz. 17. 2 Vgl. Passauer/Stephan in MÅnchKomm/InsO, § 97 Rz. 35 ff. 3 Vgl. Passauer/Stephan in MÅnchKomm/InsO, § 97 Rz. 33.

108

C. ErÇffnetes Verfahren venzordnung, 3. Aufl. 2010, 533; FlÇther/Wehner, Insolvenzplanbedingter Forderungserlass und Aufrechnungsbefugnis, ZInsO 2009, 503; Ganter, Zweifelsfragen bei der Ersatzaussonderung und Ersatzabsonderung, NZI 2005, 1; Die Verwertung von Gegenstsnden mit Absonderungsrechten im Lichte der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH, ZInsO 2007, 841; Gerhardt, Zur Insolvenzanfechtung eines Vergleichs i.S.d. § 779 BGB, KTS 2004, 195; Gundlach/Frenzel/Schirrmeister, Nochmals – die sog. zweite Ersatzaussonderung, KTS 2003, 69; Gundlach/Frenzel/ Schmidt, Die Rechtsstellung des obligatorisch Aussonderungsberechtigten, DZWIR 2001, 95; Die Anwendbarkeit des § 48 InsO auf Versußerungen durch den Insolvenzschuldner, DZWIR 2001, 441 ff.; Der Umfang der Ersatzaussonderung, InVo 2002, 81; Gundlach/Schirrmeister, Die aus- und absonderungsfshigen Gegenstsnde in der vorlsufigen Verwaltung, NZI 2010, 176; Jacobi, Die Aufrechnungsbefugnis des Rechtsanwalts in der Insolvenz des Mandanten, NZI 2007, 495; Kahlert, „WiedereinfÅhrung“ des Fiskusvorrechts im Insolvenzverfahren? – Die Fiskusvorrechte sind schon lange da!, ZIP 2010, 1274; Kayser, Wirksame und unwirksame Aufrechnungen und Verrechnungen in der Insolvenz (§§ 94 bis 96 InsO), WM 2008, 1477; Keller, Zur Zweitschuldnerhaftung der Insolvenzmasse fÅr gerichtliche Kosten einer abgesonderten Befriedigung, EWiR 2009, 483; Loose, Aufrechnungsbefugnis gegenÅber einer Forderung des Insolvenzschuldners auf Grund einer neuen gewerblichen Tstigkeit, EFG 2007, 330; Mitlehner, Zur Sicherung nachtrsglich entstandener ZinsansprÅche durch das Recht auf abgesonderte Befriedigung, EWiR 2007, 569; Moll/MÅller, Rechtsstellung der Bundesanstalt fÅr Arbeit – Insolvenzglsubiger oder Masseglsubiger im Falle von Insolvenzgeldzahlung nach Bestellung eines vorlsufigen Insolvenzverwalters mit VerfÅgungsbefugnis gem. § 22 I InsO, KTS 2000, 587; Onusseit, Aufrechnung mit und gegen Steuerforderungen in der Insolvenz, in KÇlner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2009, 1265; Pape, Zum Fortbestand von Absonderungsrechten bei einem Wahlrecht des Insolvenzverwalters und zur persÇnlichen Haftung des Verwalters bei Verletzung von Rechten des Absonderungsberechtigten, WuB VI C § 8 GesO 1.06; Rendels, Ist die Aufrechnungsbefugnis kraft einer Konzern-Netting-Abrede insolvenzfest?, ZIP 2003, 1583; Reszel, Zur Reichweite der Aufrechnungsbefugnisse des Abtretungsverbotsverwenders, FLF 2005, 277; Ries, Der Wunsch des Absonderungsglsubigers nach Eigenverwertung, ZInsO 2007, 62; Snmisch, Fiskalische Begehrlichkeiten: Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit?, ZInsO 2010, 934; Schnurr, Einkommensteuer infolge abgesonderter Befriedigung – Zur BerÅcksichtigung und Durchsetzbarkeit des staatlichen VermÇgensanspruchs, FS fÅr Braun, 2007, 309; Schur, Zur Aufrechnungsbefugnis gemsß InsO § 94 bei rechtskrsftigem Insolvenzplan, EWiR 2009, 119; Scherer, Zulsssigkeit einer „zweiten Ersatzaussonderung“?, KTS 2002, 197; Sengl, Der vollstreckbare Tabellenauszug Åber eine Forderung aus vorsstzlicher unerlaubter Handlung als vollstreckbarer Schuldtitel nach § 184 II InsO, NZI 2009, 31; Siegmann, Zur Einbeziehung von Zinsen und Kosten in die abgesonderte Befriedigung im Rahmen der Insolvenz, WuB VI A § 39 InsO 1.09; Schoppe, Nachhaftung fÅr Deliktforderungen im Anschluss an das Restschuldbefreiungsverfahren, ZVI 2004, 377; Steinberg, Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit: die insolvenzrechtliche Einordnung von Steuern, Hamburg 2012; Theewen, Rechtsstellung der Insolvenzglsubiger, Berlin 2010; Undritz, BetriebsfortfÅhrung im ErÇffnungsverfahren – Die Quadratur des Kreises?, NZI 2007, 65; Ureta, Kassensrztliche Vereinigung – Aufrechnungsbefugnis von Altschulden einer Einzelpraxis gegen Abschlagszahlungen einer neu betriebenen Gemeinschaftspraxis, GesR 2006, 508; Vallender, Auswirkungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes auf die Anmeldung von Forderungen im Insolvenzverfahren, ZInsO 2002, 110; Viertelhausen, Das Finanzamt als Glsubiger im Insolvenzverfahren, InVo 2002, 45; Wagner, Zur Aufrechnungsbefugnis des Schuldners gegenÅber dem Zessionar bei Kenntnis der Voraus-

109

Kapitel 2 Insolvenzrecht abtretung, WuB IV A § 406 BGB 1.01; Wagner, Zur Frage der Auslegung einer steuerlich motivierten Sicherungsabtretung von AnsprÅchen aus kapitalbildenden Lebensversicherungen, WuB I F 4 Sicherungsabtretung 1.08; Wazlawik, Aufrechnungsbefugnis und Wirksamkeit der Zession nach ErfÅllungswahl des Insolvenzverwalters, DB 2002, 2587; Zuleger, Verrechnung von Zahlungseingsngen bei offener Kreditlinie, ZInsO 2002, 49.

1. Insolvenzgllubiger

259

Im Insolvenzverfahren sind verschiedene Glsubigergruppen zu unterscheiden. Die gesetzliche Formulierung „Glsubiger“ meint dabei grundsstzlich die einfachen Insolvenzglsubiger.1

260

Das Glsubigerrecht des § 38 InsO ist dadurch gekennzeichnet, dass der Schuldner mit seinem gesamten VermÇgen (bzw. SondervermÇgen, § 333 InsO) fÅr die Verbindlichkeiten einzustehen verpflichtet ist.2 Insolvenzglsubiger sind jene Glsubiger, die bei der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens einen VermÇgensanspruch gegen den Schuldner haben, § 38 InsO. Dabei muss es sich um persÇnliche, also nicht um dingliche Glsubiger handeln. Dabei ist zu beachten, dass ihre Forderungen VermÇgensansprÅche sein mÅssen, also AnsprÅche, die auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet sind oder in einen derartigen Zahlungsanspruch umgewandelt werden kÇnnen, § 45 InsO. Der Glsubiger ist also selbst dafÅr verantwortlich, seine Forderung mit einem bestimmten Geldbetrag zu beziffern, um am Verfahren teilnehmen zu kÇnnen.3 Ferner mÅssen diese VermÇgensansprÅche bereits bei ErÇffnung des Verfahrens begrÅndet sein, also der Rechtsgrund ihrer Entstehung bei der VerfahrenserÇffnung bereits gelegt sein.4 Bereits entstandene, aber nicht fsllige Forderungen gelten als fsllig, § 41 InsO. AuflÇsend bedingte Forderungen werden behandelt wie unbedingte Forderungen, sofern die Bedingung nicht bereits eingetreten ist, § 42 InsO. FÅr aufschiebend bedingte Forderungen gilt Entsprechendes. Dies ist damit zu begrÅnden, dass das bei VerfahrenserÇffnung vorhandene VermÇgen nur zur Befriedigung der AnsprÅche derjenigen Glsubiger dienen soll, deren AnsprÅche zu diesem Zeitpunkt wenigstens angelegt waren.5 Die ErÇffnung des Verfahrens bewirkt also eine Zssur dergestalt, dass das SchuldnervermÇgen fÅr die zu diesem Zeitpunkt berechtigten Glsubiger verwertet werden soll. Dies erfolgt durch anteilige (quotale) Befriedigung der Insolvenzglsubiger aus der Insolvenzmasse. Innerhalb der Insolvenzforderungen gibt es, im Gegensatz zu der Vorschrift des § 61 Abs. 1 Ziff. 1–6 KO, keine Vorrechte mehr. Die Forderungen aller Insolvenzglsubiger stehen im gleichen Rang und das Verhsltnis untereinander ist von den jeweils angemeldeten Betrsgen abhsngig. 1 2 3 4 5

Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 70. Runkel in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 278. Runkel in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 278. OLG Frankfurt v. 16.9.2004 – 3 U 205/03, ZIP 2005, 409 = NZI 2004, 667 (667). Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 70.

110

C. ErÇffnetes Verfahren

Insolvenzglsubiger kÇnnen ihre Forderungen nur nach den Vorschriften der Insolvenzordnung verfolgen, § 87 InsO. Dies bedeutet vor allem, dass sie zur Insolvenztabelle angemeldet werden mÅssen. Die Anmeldung von Insolvenzforderungen ist in den §§ 174 ff. InsO geregelt. Die Anmeldung der Forderung ist Voraussetzung fÅr die Teilnahme am Verfahren.1 Die Anmeldung hat den Betrag und den Grund der Forderung zu enthalten.2 Dabei sind Zinsforderungen auf die Hauptforderung gesondert auszuweisen mit Angabe des Verzinsungsbeginns und des Zinssatzes. Der zugrunde liegende Lebenssachverhalt ist dabei als Forderungsgrund anzugeben, eine lediglich rechtliche WÅrdigung genÅgt nicht. FÇrderlich ist die BeifÅgung von Beweisen, die die Forderung beststigen, um einem Bestreiten des Anspruchs durch den Verwalter entgegenzuwirken (Rz. 3.246 f.).

2.261

Die Eintragung der angemeldeten Forderungen in die Insolvenztabelle obliegt gem. § 175 Satz 1 InsO dem Insolvenzverwalter. Dieser muss die Tabelle innerhalb der Frist des § 175 Satz 2 InsO bei der Geschsftsstelle des Insolvenzgerichts zur Einsicht der Beteiligten niederlegen (Rz. 3.269 ff.).

2.262

2. Nachrangige Insolvenzgllubiger Neben den einfachen Insolvenzglsubigern im Rang von § 38 InsO gibt es noch die Gruppe der nachrangigen Insolvenzglsubiger, deren AnsprÅche bei der Verteilung erst zuletzt zum Zuge kommen (§ 39 InsO). Befriedigung erhalten diese Glsubiger nur in dem seltenen Fall, dass nach Abzug der Verfahrenskosten und Befriedigung ssmtlicher nicht nachrangiger Glsubiger noch ein xberschuss verbleibt. Dieser Gruppe zugehÇrig sind u.a. Glsubiger, deren AnsprÅche auf Geldstrafen etc. (§ 39 Abs. 1 Ziff. 3 InsO), auf unentgeltliche Zuwendungen (§ 39 Abs. 1 Ziff. 4 InsO) und vor allem auf RÅckzahlung von Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Ziff. 5 InsO) gerichtet sind. Nachrangige Insolvenzforderungen sind insbesondere auch Zwangsgelder gem. § 328 AO (Rz. 3.240 f.).

2.263

3. Massegllubiger Gemsß § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO sind Masseverbindlichkeiten insbesondere solche Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise aus der Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begrÅndet werden, ohne zu den Kosten gem. § 54 InsO zu gehÇren. Auch der Steuerglsubiger kann Masseglsubiger sein. Der Masseschuldcharakter einer Forderung setzt grundsstzlich voraus, dass es sich um eine Verbindlichkeit handelt, die nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens begrÅndet worden ist. Ob ein Glsubiger ein nach § 38 InsO zu behandelnder Insolvenzglsubiger oder ein nach § 53 InsO zu befriedigender Masseglsubiger ist, bestimmt sich danach, ob sein vermÇgensrechtlicher Anspruch zum Zeitpunkt der ErÇffnung begrÅndet war. Ein vor ErÇffnung 1 Runkel in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 282. 2 Runkel in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 285.

111

2.264

Kapitel 2 Insolvenzrecht

begrÅndeter Anspruch ist grundsstzlich Insolvenzforderung, wshrend eine nach diesem Zeitpunkt begrÅndete Forderung als Masseverbindlichkeit berÅcksichtigt wird.1 Zur Verwirklichung der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 Ziff. 1 Alt. 1 InsO muss eine Handlung des Insolvenzverwalters vorliegen, die er in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter vorgenommen hat.2 Unerheblich ist, ob es sich um rechtsgeschsftliche Handlungen oder Realakte handelt. Entscheidend kommt es darauf an, dass der Bezug zur Insolvenzmasse klar und eindeutig hervortritt. Zweifel gehen zu Lasten des Glsubigers, der sich auf die Einstandspflicht der Insolvenzmasse beruft.

265

Hsufig entstehen Masseverbindlichkeiten durch Handlung des Insolvenzverwalters durch Vertrsge Åber die Versußerung von Massegegenstsnden. Durch einen Kaufvertrag, den der Insolvenzverwalter Åber einen Massegegenstand schließt, erwirbt der Ksufer einen gegen die Insolvenzmasse gerichteten Eigentumsverschaffungsanspruch. Auch Dienstvertrsge, die der Insolvenzverwalter mit Wirkung fÅr und gegen die Masse mit Hilfskrsften wie beispielsweise Steuerberatern, Verwertungsgesellschaften oder besonderen Sachverstsndigen schließt, fÅhren zur Entstehung von Masseverbindlichkeiten. Kauft der Insolvenzverwalter im Rahmen einer BetriebsfortfÅhrung Waren und ggf. Dienstleistungen ein, erwerben die Lieferanten und Dienstleister ebenfalls unmittelbar AnsprÅche gegen die Insolvenzmasse.

266

Auch kann der Insolvenzverwalter Dauerschuldverhsltnisse begrÅnden, beispielsweise Gegenstsnde anmieten oder Arbeitsvertrsge abschließen.

267

Masseverbindlichkeiten entstehen gem. § 55 Abs. 1 Ziff. 2 InsO auch aus bei VerfahrenserÇffnung bereits bestehenden gegenseitigen Vertrsgen, wenn der Insolvenzverwalter deren ErfÅllung wshlt (§ 103 ff. InsO) oder die ErfÅllung aus anderen GrÅnden auch nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss. Letzteres ist vor allem wshrend des KÅndigungsauslaufes bei Dauerschuldverhsltnissen der Fall, die nicht automatisch mit VerfahrenserÇffnung enden oder dem Wahlrecht des § 103 InsO unterfallen. Dies gilt vor allem gem. § 113 InsO wshrend des Dreimonatszeitraums fÅr Dienstverhsltnisse, bei denen der Schuldner der Dienstberechtigte ist und gem. § 109 InsO fÅr Miet- und Pachtverhsltnisse, bei denen der Schuldner der Mieter oder Pschter ist. Selbst wenn der Insolvenzverwalter solche Dauerschuldverhsltnisse unmittelbar nach VerfahrenserÇffnung kÅndigt und die vertragliche Leistung nicht in Anspruch nimmt, bleibt der Entgeltanspruch des Vertragspartners Masseverbindlichkeit. Verbindlichkeiten aus Vertrsgen, die unter § 103 InsO fallen, sind nur dann und erst ab dem Zeitpunkt Masseverbindlichkeiten, wenn der Insolvenzverwalter die ErfÅllung wshlt. 1 Schumacher in FrankfurterKomm/InsO, § 96 Rz. 20. 2 Smid, § 55 InsO Rz. 1; Jarchow in HamburgerKomm/InsO, § 55 Rz. 4, 4a; Hess in Hess, § 55 InsO Rz. 14.

112

C. ErÇffnetes Verfahren

Gemsß § 55 Abs. 1 Ziff. 3 InsO sind Masseverbindlichkeiten auch solche Verbindlichkeiten, die aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Insolvenzmasse resultieren. Es muss sich um AnsprÅche i.S.v. §§ 812 ff. BGB handeln, die nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Dies bedeutet, dass die Masse erst nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bereichert worden sein darf.1 Eine teleologische Extension auf BereicherungsansprÅche, die in der Zeit der vorlsufigen Insolvenzverwaltung bereits entstanden sind, ist nicht geboten und verbietet sich.2

2.268

Steuerforderungen nehmen grundsstzlich dann den Rang einer Masseforderung ein, wenn sie durch Handlungen des Insolvenzverwalters zur Entstehung gebracht worden sind. Sofern sie im Zusammenhang mit zivilrechtlichen AnsprÅchen der Insolvenzmasse stehen, teilen sie grundsstzlich die insolvenzrechtliche Forderungsqualitst der zivilrechtlichen Forderung. Im Einzelnen ergeben sich hier jedoch diffizile Abgrenzungsfragen, die im Zusammenhang mit den Einzelsteuern behandelt werden (ausfÅhrlich zur Abgrenzung bei der Einkommensteuer Rz. 4.169 ff.; zur KÇrperschaftsteuer Rz. 4.287 ff.; zur Umsatzsteuer Rz. 4.327 ff.; zur Gewerbesteuer Rz. 4.548 ff.; zur Grundsteuer Rz. 4.640 ff.; zur Grunderwerbsteuer Rz. 4.624 ff.).

2.269

Ein vorllufiger Insolvenzverwalter begrÅndet dann Masseverbindlichkeiten, wenn dem Schuldner ein allgemeines VerfÅgungsverbot auferlegt worden und die VerfÅgungsbefugnis gem. § 22 InsO auf den vorlsufigen Insolvenzverwalter Åbergegangen ist oder aber soweit der schwache vorlsufige Insolvenzverwalter durch Einzelermlchtigung des Insolvenzgerichtes punktuell zur BegrÅndung von Masseverbindlichkeiten ermschtigt worden ist, § 55 Abs. 2 InsO. Die vorstehenden AusfÅhrungen bezÅglich der Handlungen des Insolvenzverwalters gelten fÅr den (partiell) mit VerfÅgungsbefugnis ausgestatteten vorlsufigen Insolvenzverwalter entsprechend.

2.270

Seit NeueinfÅhrung von § 55 Abs. 4 InsO gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzverwalters aus dem Steuerschuldverhsltnis, die mit Zustimmung eines vorlsufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt (schwacher vorlsufiger Insolvenzverwalter) begrÅndet worden sind, nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten. Die Vorschrift ist im Einzelnen hoch problematisch. Siehe dazu im Einzelnen Rz. 4.340. Im Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO begrÅndet der Insolvenzschuldner Masseverbindlichkeiten, wenn das Gericht dies auf seinen Antrag hin anordnet (§ 270b Abs. 3 S. 1 InsO). Adressat der Ermschtigung ist der Schuldner selbst und nicht etwa der vorlsufige Sachwalter.3 Ist Eigen1 BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 228/02, ZIP 2003, 1554 = NZI 2003, 537 (539). 2 Henckel in Jaeger, § 55 InsO Rz. 79; a.A. Smid, § 55 InsO Rz. 37; OLG Stuttgart v. 13.2.1981 – 2 U 132/80, ZIP 1981, 252 (253). 3 AG KÇln v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12.

113

Kapitel 2 Insolvenzrecht

verwaltung beantragt, ohne dass ein Antrag nach § 270b InsO vorliegt, so ist die Einzelermschtigung, Masseverbindlichkeiten zu begrÅnden, ebenfalls zugunsten des Schuldners zu erteilen.1 In diesem Fall kann das Gericht die BegrÅndung der Masseverbindlichkeit unter den Vorbehalt der Zustimmung des vorlsufigen Sachwalters nach § 275 Abs. 1 S. 1 InsO stellen.2

271

Abgesehen davon kÇnnen Masseverbindlichkeiten noch im Rahmen von Sozialplsnen (vgl. § 123 InsO) oder im Zusammenhang mit Unterhaltsgewshrungen an den Schuldner (vgl. § 100 InsO) begrÅndet werden. In Nachlassinsolvenzverfahren erweitert § 324 InsO mit RÅcksicht auf dortige Besonderheiten den Kreis der Masseverbindlichkeiten.

272

Die gesetzlichen Regelungen der Masseverbindlichkeiten haben abschließenden Charakter.

273

Masseglsubiger werden bei der Verteilung des ErlÇses vor den Insolvenzglsubigern befriedigt, § 53 InsO. Vorrangig zu den Masseverbindlichkeiten sind nur die Verfahrenskosten i.S.d. § 54 InsO. Der Insolvenzverwalter ist im Insolvenzverfahren grundsstzlich verpflichtet, alle Masseverbindlichkeiten zu bedienen. Masseglsubiger sind im Gegensatz zu den Insolvenzglsubigern grundsstzlich nicht den Beschrsnkungen des Insolvenzverfahrens (§§ 87 ff. InsO) unterworfen, wenn sie ihre Forderungen geltend machen und durchsetzen wollen.3 Ist der Anspruch nach den allgemeinen Vorschriften fsllig, ist der Insolvenzverwalter zur Befriedigung aus der Masse verpflichtet. Masseglsubiger kÇnnen mit ihrer Forderung gegen AnsprÅche des Insolvenzverwalters aufrechnen und auch die Zwangsvollstreckung in die Insolvenzmasse betreiben. FÅr Masseverbindlichkeiten, die nicht durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begrÅndet wurden (sog. „oktroyierte Masseverbindlichkeiten“), gilt dies wegen § 90 InsO jedoch nicht innerhalb der ersten 6 Monate des Verfahrens.

274

4. Massearmut und Masseunzullnglichkeit KÇnnen nicht einmal die Massekosten, also die Gerichtskosten sowie VergÅtung und Auslagen des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Glsubigerausschusses (§ 54 InsO) aus der Masse beglichen werden, so spricht man von Massearmut (Rz. 3.215 ff.). Das Insolvenzverfahren ist in solchen Fsllen nach § 207 Abs. 1 InsO mangels Masse einzustellen, es sei denn, die weiteren Kosten werden vorgeschossen oder gestundet.4 Die Pflicht des Insolvenzverwalters beschrsnkt sich dann darauf, mit den vorhandenen Barmitteln die Verfahrenskosten zu bezahlen.5 Von den Ge1 2 3 4 5

AG KÇln v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12. Vergleiche AG KÇln v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12. Jarchow in HamburgerKomm/InsO, § 53 Rz. 11. Bork, EinfÅhrung in das neue Insolvenzrecht, Rz. 276. Kießner in FrankfurterKomm/InsO, § 207 Rz. 29.

114

C. ErÇffnetes Verfahren

richtskosten und den VergÅtungen des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Glsubigerausschusses sind zunschst die Auslagen zu begleichen und danach – im Verhsltnis ihrer Åbrigen Betrsge quotal – die Åbrigen Kosten. Vorhandene Masse braucht der Insolvenzverwalter nicht mehr zu verwerten, § 207 Abs. 3 Satz 2 InsO. Da die VergÅtung des Insolvenzverwalters nicht gesichert ist, kann ihm nicht zugemutet werden, die Verwertung weiter fortzusetzen.1 Allerdings ist dem Insolvenzverwalter die Vornahme weiterer Verwertungshandlungen nicht verboten, sofern sich dadurch die zu verteilenden Barmittel vergrÇßern lassen.2 GenÅgt die Masse zwar zur Befriedigung der Massekosten, aber nicht fÅr die sonstigen Masseverbindlichkeiten, spricht man von Masseunzullnglichkeit. Reicht die Masse nicht zur Befriedigung ssmtlicher Masseverbindlichkeiten, hat der Verwalter dies dem Gericht zur Vermeidung einer persÇnlichen Haftung (vgl. § 61 InsO) unverzÅglich anzuzeigen (§ 208 Abs. 1 Satz 1 InsO). Nach § 208 Abs. 1 Satz 2 InsO ist eine entsprechende Anzeige auch bei lediglich drohender Masseunzulsnglichkeit mÇglich. Das Gericht hat die Anzeige der Masseunzulsnglichkeit ggf. unverzÅglich Çffentlich bekannt zu machen und den Masseglsubigern besonders mitzuteilen, vgl. § 208 Abs. 2 InsO. Die Anzeige der Masseunzulsnglichkeit bewirkt, dass zwischen Masseglsubigern, die ihre AnsprÅche bereits erworben haben („Altmasseglsubiger“) und jenen, die ihre AnsprÅche nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit erwerben, sog. „Neumasseglsubigern“, differenziert wird.3 Letztere sind vorab zu befriedigen, erstere demgegenÅber nur quotal und gleichmsßig aus dem unzulsnglichen Rest. Das Verhsltnis von Alt- und Neumasseglsubigern entspricht damit grundsstzlich jenem von Insolvenzglsubigern zu Masseglsubigern vor Anzeige der Masseunzulsnglichkeit.

2.275

Nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit bleibt der Insolvenzverwalter verpflichtet, die Masse zu verwalten und zu verwerten, um das vorhandene VermÇgen wenigstens an die Masseglsubiger verteilen zu kÇnnen. In diesem Verfahrensabschnitt ist die gleichmsßige Befriedigung der Masseglsubiger von großer Bedeutung. Daher ordnet § 210 InsO ein Vollstreckungsverbot fÅr Altmasseglsubiger an, um die Verschaffung etwaiger Sondervorteile zu verhindern.4 Auch kommt eine Verurteilung des Insolvenzverwalters zur vollstsndigen Befriedigung eines Masseglsubigers nicht mehr in Betracht – lediglich Feststellungsklagen sind zulsssig.5 Die Auswirkungen der Masseunzulsnglichkeit auf die Steuerfestsetzung und die Vollstreckung wegen einer Steuerforderung wird unten ausfÅhrlich dargestellt (Rz. 3.215 ff.).

2.276

1 2 3 4 5

BT-Drucks. 12/2443, 218. Kießner in FrankfurterKomm/InsO, § 207 Rz. 30. Vgl. OLG Rostock v. 29.12.2004 – 3 U 164/04, ZIP 2005, 360 (360 f.). Vgl. BGH v. 21.9.2006 – IX ZB 11/04, ZIP 2006, 1999 (1999, 2000). BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 22/05, ZIP 2006, 1004 = BGHZ 167, 178 (182).

115

Kapitel 2 Insolvenzrecht

277

Aufrechnungen kÇnnen nur erfolgen, wenn die Aufrechnungslage bereits vor Anzeige der Masseunzulsnglichkeit entstanden war.1 Das Verfahren kann erst eingestellt werden, wenn die Masse nach Maßgabe des § 209 InsO verteilt ist, § 211 InsO.

278

Bei der Verteilung der Masse sieht § 209 Abs. 1 InsO eine Rangordnung fÅr Masseglsubiger vor. Die Vorschrift unterscheidet drei Rangklassen, mit der Folge, dass die Masse zuerst auf die erste Rangklasse verteilt werden muss und weitere Rangklassen nur berÅcksichtigt werden kÇnnen, wenn die in der vorrangigen Klasse platzierten Forderungen vollstsndig befriedigt worden sind. Kann eine Rangklasse nicht vollstsndig befriedigt werden, so findet innerhalb dieser Klasse eine quotale Befriedigung statt. Die Verfahrenskosten nach § 54 InsO bilden nach § 209 Abs. 1 Ziff. 1 InsO den ersten Rang. Die AnsprÅche der Neumasseglsubiger, die erst nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit begrÅndet worden sind, stehen im zweiten Rang, § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO. Zuletzt werden im dritten Rang alle Åbrigen Masseverbindlichkeiten befriedigt, § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO. Unter diesen gibt es keine weitere Rangabstufung, mit der Ausnahme, dass die UnterhaltsansprÅche des Schuldners an letzter Stelle rangieren, § 209 Abs. 1 Ziff. 3 Halbs. 2 InsO. 5. Aussonderung a) Grundlagen

279

Mit der Aussonderung (§ 47 InsO) wird geltend gemacht, dass ein bestimmter Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehÇrt.2 Aus der Sicht des Insolvenzverwalters wird mit der Aussonderung die sog. „Ist-Masse“ zur sog. „Soll-Masse“ bereinigt. Dabei werden alle VermÇgensgegenstsnde, die der Insolvenzverwalter beim Schuldner vorfindet, als „Ist-Masse“ bezeichnet, die verbleibende Insolvenzmasse i.S.v. § 35 InsO einschließlich der mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstsnde als „Soll-Masse“.3

280

Zunschst wird in § 47 InsO klargestellt, dass der Aussonderungsberechtigte seine Rechte gegenÅber dem Insolvenzverwalter ungeachtet des Insolvenzverfahrens geltend machen kann. Aufgrund seiner materiellen Rechtsposition kann der Aussonderungsberechtigte Herausgabe bzw. Feststellung seines Rechts begehren oder sich gegen ein Herausgabeverlangen des Insolvenzverwalters verteidigen. Er muss darlegen, dass der betroffene Gegenstand nicht zum haftenden SchuldnervermÇgen gehÇrt.4 Zum anderen bestimmt § 47 Satz 1 InsO, dass der Aussonderungsberechtigte mit seinen AnsprÅchen nicht Insolvenzglsubiger ist. Dies bedeutet, dass Aussonderungsberechtigte nicht wie Insolvenzglsubiger bei der Gel1 2 3 4

BGH v. 18.5.1995 – IX ZR 189/94, ZIP 1995, 1204 = BGHZ 130, 38 (44 ff.). BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 47 Rz. 1. BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 47 Rz. 1. Bork, EinfÅhrung in das neue Insolvenzrecht, Rz. 237; BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 47 Rz. 2.

116

C. ErÇffnetes Verfahren

tendmachung ihrer Rechte an die Beschrsnkungen des Insolvenzverfahrens gebunden sind. Damit kommt den Aussonderungsberechtigten die stsrkste Stellung unter allen in der Insolvenzordnung genannten Glsubigern zu. ! Hinweis: Der Aussonderungsberechtigte kann seine AnsprÅche gegenÅber dem Insolvenzverwalter in gleicher Weise entsprechend den Vorschriften des BGB und der ZPO geltend machen, als sei der Schuldner nicht insolvent geworden.

Aussonderungsfshig i.S.v. § 47 InsO sind alle Gegenstsnde, also bewegliche und unbewegliche Sachen, dingliche und persÇnliche Rechte und Forderungen aller Art.1 Allerdings muss das Aussonderungsobjekt individuell bestimmt oder bestimmbar sein.2 Das ist bei vertretbaren Sachen nur dann der Fall, wenn sich diese unterscheidbar in der Masse befinden.3 Liegt Unterscheidbarkeit wegen Vermischung oder Vermengung mit den schuldnerischen Gegenstsnden nicht vor, folgt die Abwicklung nach § 84 InsO. Der an sich Aussonderungsberechtigte hat ggf. nur ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem VerwertungserlÇs. Wesentliche Bestandteile (§§ 93, 94 BGB) werden zusammen mit der Sache ausgesondert.4

2.281

Der Aussonderungsberechtigte hat ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters kein Recht, die Geschsftsrsume des Gemeinschuldners zu betreten, um dort das Aussonderungsobjekt zu besichtigen, herauszusuchen oder mitzunehmen.5 Betritt der Aussonderungsberechtigte ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters zum Zwecke der Inbesitznahme des Aussonderungsgutes die schuldnerischen Rsumlichkeiten, begeht er verbotene Eigenmacht, woran auch vorab vereinbarte Wegnahme- und RÅcknahmeklauseln nichts sndern,6 da diese in der Insolvenz wirkungslos sind.7

2.282

Erfolgt keine Geltendmachung von Aussonderungsrechten an Gegenstsnden, trifft den Verwalter keine Verpflichtung von sich aus die Fremdrechte zu ermitteln und die Aussonderungsberechtigten zu kontaktieren.8 Sind allerdings AussonderungsansprÅche konkretisiert durch Unterlagen oder nshere Angaben erhoben, muss der Insolvenzverwalter das Vorliegen der Fremdrechte ÅberprÅfen, ob, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen die Aussonderung zu erfolgen hat.9

2.283

1 Vgl. Ganter in MÅnchKomm/InsO, § 47 Rz. 16; BÅchler in HamburgerKomm/ InsO, § 47 Rz. 4. 2 BGH v. 8.3.1972 – VIII ZR 40/71, BGHZ 58, 257 (258). 3 Imberger in FrankfurterKomm/InsO, § 47 Rz. 7. 4 BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 47 Rz. 5. 5 OLG KÇln v. 2.4.1987 – 12 U 169/86, ZIP 1987, 653 = NJW-RR 1987, 1012 (1013). 6 Bnuerle in Braun, § 47 InsO Rz. 8. 7 Bnuerle in Braun, § 47 InsO Rz. 8. 8 Haarmeyer/Wutzke/FÇrster, Handbuch zur InsO, Kap. 5, Rz. 396. 9 OLG Jena v. 27.10.2004 – 2 U 414/04, ZInsO 2005, 45 (47).

117

Kapitel 2 Insolvenzrecht

b) Eigentum

284

Zur Aussonderung berechtigt insbesondere das einem Dritten zustehende Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen, die der Verwalter beim Schuldner bei seiner Bestellung vorfindet. Die Durchsetzung des dem EigentÅmer zustehenden Herausgabeanspruchs ist der Grundfall der Aussonderung. Die Gegenstsnde, die im Eigentum eines Dritten stehen, gehÇren nicht zum insolvenzbefangenen VermÇgen des Schuldners und zshlen daher nicht zur Insolvenzmasse. Ein Aussonderungsrecht besteht fÅr den EigentÅmer, wenn ihm zugleich auch ein fslliger, einwendungsfreier Anspruch auf Herausgabe z.B. nach § 985 BGB in Bezug auf den auszusondernden Gegenstand zukommt.1

285

Kein Aussonderungs-, sondern lediglich ein Absonderungsrecht gewshrt das Sicherungseigentum, § 51 Ziff. 1 InsO.

286

Der Eigentumsvorbehalt hingegen berechtigt den Eigentumsvorbehaltsverksufer zur Aussonderung.2 Allerdings steht dem Insolvenzverwalter in der Insolvenz des Ksufers das Wahlrecht des § 103 Abs. 2 InsO zu. Wshlt dieser die ErfÅllung, tritt mit seiner Leistung (§ 55 Abs. 1 Ziff. 2 InsO) die vertraglich vereinbarte Bedingung fÅr den EigentumsÅbergang ein; das auf den Schuldner Åbergehende Eigentum fsllt mithin an die Masse.3 Wshlt der Insolvenzverwalter die NichterfÅllung, ist der Verksufer aussonderungsberechtigt. Verlsngerungs- und Erweiterungsformen des einfachen Eigentumsvorbehalts berechtigen als Sicherungsvereinbarungen nur zur abgesonderten Befriedigung.4 Das Aussonderungsrecht beim einfachen Eigentumsvorbehalt dient der Sicherung des Warenkreditgebers.5 xbertrsgt dieser den Eigentumsvorbehalt an einen Geldkreditgeber, um dessen Darlehensforderung zu sichern, entspricht diese Sicherungsfunktion derjenigen einer SicherungsÅbereignung. Der Geldkreditgeber erwirbt in diesen Fsllen daher nur ein Absonderungsrecht an der Ware.6

287

c) Sonstige dingliche Aussonderungsrechte Bestimmte dingliche Rechte gewshren ebenfalls AussonderungsansprÅche, z.B. das Erbbaurecht, der Nießbrauch, die Grunddienstbarkeit, beschrsnkt persÇnliche Dienstbarkeiten, dingliche Wohnrechte, das dingliche Vorkaufsrecht sowie das dingliche Wiederkaufsrecht.7 Allerdings 1 Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 47 InsO Rz. 9. 2 Ganter in MÅnchKomm/InsO, § 47 Rz. 62; Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 47 InsO Rz. 19; Imberger in FrankfurterKomm/InsO, § 47 Rz. 19. 3 Eickmann in HeidelbergerKomm/InsO, § 47 Rz. 5. 4 BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, ZIP 2011, 773 = NZI 2011, 366; Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 238; BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 47 Rz. 11; Eickmann in HeidelbergerKomm/InsO, § 47 Rz. 6. 5 BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 47 Rz. 14a. 6 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 220/05, ZIP 2008, 842 = ZInsO 2008, 445 (445). 7 Henckel in Jaeger, § 47 InsO Rz. 110 ff.; Ganter in MÅnchKomm/InsO, § 47 Rz. 328 ff.; BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 47 Rz. 7.

118

C. ErÇffnetes Verfahren

werden nur die dinglichen Rechte selbst ausgesondert, nicht die belasteten Sachen oder Rechte.1 Die Geltendmachung des beschrsnkt dinglichen Rechts entspricht wirtschaftlich der Aussonderung der belasteten Sache, wenn das Recht auch ein Besitzrecht an der Sache verschafft (z.B. beim Erbbaurecht oder Nießbrauch an Sachen).2 Daher fÅhrt das Pfandrecht, soweit seinetwegen Befriedigung aus einem zur Masse gehÇrenden Gegenstand gesucht wird, lediglich zu einem Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem pfandbelasteten Gegenstand gem. §§ 49 ff. InsO. d) PensionsrÅckstellungen/Lebensversicherungen Vom insolventen Arbeitgeber zur Abdeckung von Pensionszusagen gebildete BilanzrÅckstellungen begrÅnden zugunsten der insoweit bedachten Arbeitnehmer keine AussonderungsansprÅche, da es sich hierbei um rechtlich unselbstsndige Bilanzposten handelt.3

2.288

Allerdings werden zur ErfÅllung von Versorgungszusagen zugunsten der Arbeitnehmer hsufig Versicherungsvertrsge abgeschlossen. Diese kÇnnen – je nach Ausgestaltung der Widerruflichkeit des Bezugsrechts – Aus- oder Absonderungsrechte begrÅnden. Bei widerruflichen Bezugsrechten (§ 159 VVG n.F.) hat der Versorgungszusageempfsnger kein Aussonderungsrecht, wobei insoweit ausschließlich die Regelungen des Versicherungsvertragsverhsltnisses ausschlaggebend sind4 und ein etwa im Arbeitsvertrag vereinbarter Ausschluss des Widerrufs bedeutungslos ist.5 Dies gilt auch fÅr den Fall, dass die Prsmien aus einer Gehaltsumwandlung aufgebracht worden sind,6 wenn insoweit nicht ausnahmsweise ein Treuhandverhsltnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer konstruiert werden kann.7 Ferner ist unerheblich, ob die Versorgungsanwartschaft nach § 1 Abs. 2 BetrAVG bereits unverfallbar geworden ist.8 Der Insolvenzverwalter kann vielmehr das Bezugsrecht gegenÅber dem Versicherer widerrufen, die Versicherung kÅndigen bzw. nach § 103 InsO NichterfÅllung des Vertrages wshlen und den RÅckkaufswert zur Insolvenzmasse ziehen.9 Ist das Bezugsrecht dagegen unwiderruflich, kann der Arbeitnehmer Aussonderung der Versicherung verlangen.10

2.289

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 47 InsO Rz. 66. BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 47 Rz. 7. Gottwald in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 40 Rz. 54 ff. BGH v. 4.3.1993 – IX ZR 169/92, ZIP 1993, 600 (601). Breutigam in BerlinerKomm/InsO, § 47 Rz. 58. BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 264/01, ZIP 2002, 1696 = NZI 2002, 604 (604); Smid, § 47 InsO Rz. 34. OLG Karlsruhe v. 18.1.2007 – 12 U 185/06, ZIP 2007, 286 = NZI 2008, 188 (190). Andres in Nerlich/RÇmermann, § 47 InsO Rz. 43; Gottwald in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 40 Rz. 58. LAG MÅnchen v. 22.7.1987 – 4 Sa 60/87, ZIP 1988, 1070 (1071); Ganter in MÅnchKomm/InsO, § 47 Rz. 316. BAG v. 26.9.1990 – 3 AZR 641/88, NJW 1991, 717 (717).

119

Kapitel 2 Insolvenzrecht

e) Ersatzaussonderung

290

Wurde ein Gegenstand, dessen Aussonderung hstte verlangt werden kÇnnen, vor VerfahrenserÇffnung vom Schuldner oder nach ErÇffnung durch den Verwalter unberechtigt versußert, setzt sich das Aussonderungsrecht nach § 48 InsO an der Gegenleistung (bzw. bei Nichterbringung der Gegenleistung an dem auf die Gegenleistung gerichteten Anspruch) fort.1 DafÅr ist allerdings notwendige Voraussetzung, dass die Gegenleistung noch unterscheidbar in der Masse vorhanden ist.2 Andernfalls ist das Aussonderungsrecht erloschen3 und es kommen lediglich Bereicherungs- und SchadensersatzansprÅche in Betracht.4

291

Versußert der Insolvenzverwalter wiederum die der Ersatzaussonderung unterliegenden Gegenstsnde (die Gegenleistung), so ist § 48 InsO auf diesen Vorgang erneut anwendbar.5 6. Abgesonderte Befriedigung a) Grundlagen

292

Der Gesetzgeber differenziert innerhalb der Gruppe der zur Absonderung berechtigten Glsubiger danach, ob sich das Befriedigungsrecht auf unbewegliche Gegenstsnde bezieht, die der Immobiliarzwangsvollstreckung nach den §§ 864, 865 ZPO unterliegen (§ 49 InsO), oder ob es sich um Pfandrechte (§ 50 InsO) oder ihnen gleichgestellte Rechte an beweglichem VermÇgen (§ 51 InsO) handelt, wobei nach dem Gesetz sowohl bewegliche Sachen als auch Forderungen umfasst sind. Das Absonderungsrecht muss grundsstzlich bereits zum Zeitpunkt der VerfahrenserÇffnung bestehen, § 91 Abs. 1 InsO.6

293

Auch dem Steuergllubiger kÇnnen Absonderungsrechte zustehen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn schuldnerische Gegenstsnde im Rahmen der Vollstreckung gepfsndet worden sind (§ 281 AO), wenn Sicherungshypotheken an dem Schuldner gehÇrenden GrundstÅcken eingetragen worden sind (§ 322 Abs. 1 AO) oder bei der Sachhaftung (§ 76 AO), s. zur Sachhaftung und zur evtl. Anfechtbarkeit ausfÅhrlich Rz. 4.664 ff. FÅr die Rechtstellung des absonderungsberechtigten Steuerglsubigers ergeben sich gegenÅber dem privatrechtlichen Absonderungsberechtigten keine Besonderheiten, weil sich die Geltendmachung und die AusÅbung der sich aus dem Absonderungsrecht ergebenden Rechte ausschließlich nach der Insolvenzordnung und nicht nach abgabenrechtlichen Vorschriften richten und diese keine Sonderregelungen fÅr den Fiskus enthslt. 1 2 3 4 5 6

Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 244. BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 48 Rz. 24. Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 244. Vgl. OLG Hamm v. 18.4.2000 – 27 U 125/99, NZI 2000, 477 (478, 479). Henckel, JuS 1985, 836 (841); Gundlach, KTS 1997, 453 (456). Zur Entstehung nach ErÇffnung vgl. Drees/J. Schmidt in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 7 Rz. 140a f.

120

C. ErÇffnetes Verfahren

Dem Glsubiger, der ein Sicherungsrecht an einem zum VermÇgen des Schuldners gehÇrenden Gegenstand hat, gebÅhrt grundsstzlich nicht die Sache selbst, sondern nur der in ihr verkÇrperte Wert bis zur HÇhe der gesicherten Forderung.1 Daher steht dem auf diese Weise gesicherten Glsubiger auch kein Aussonderungsrecht bezogen auf das Sicherungsgut in der Insolvenz des Schuldners zu – das Sicherungsgut gehÇrt als solches zur Masse.2 Der Absonderungsberechtigte kann lediglich verlangen, dass er vor allen anderen Glsubigern zur Befriedigung aus dem Sicherungsgut berechtigt ist, dass also der VerwertungserlÇs vorrangig zur Tilgung der besicherten Forderung verwendet wird.3 Erzielt der Verwalter bei der Verwertung nach Abdeckung der Absonderungsrechte einen xberschuss, fließt dieser in die Masse4 und steht zur Befriedigung der Insolvenzglsubiger zur VerfÅgung.

2.294

Die Absonderungsberechtigten sind am Verfahren beteiligt, unabhsngig davon ob sie selbst (§ 173 InsO) oder der Insolvenzverwalter (§§ 165, 166 InsO) zur Verwertung befugt sind. Sie sind berechtigt, an Glsubigerversammlungen teilzunehmen (§ 74 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die absonderungsberechtigten Glsubiger sind in der Glsubigerversammlung stimmberechtigt (§ 76 Abs. 2 InsO), und zwar unter Umstsnden auch dann, wenn das Absonderungsrecht bestritten ist (§ 77 Abs. 3 Ziff. 2 i.V.m. Abs. 2 InsO).5 Nach § 76 Abs. 2 Halbs. 2 InsO tritt bei absonderungsberechtigten Glsubigern, denen der Schuldner nicht persÇnlich haftet, der Wert des Absonderungsrechts an die Stelle des Forderungsbetrags. Dieser Wert entspricht dem Betrag, der dem Glsubiger aus der Verwertung voraussichtlich zufließen wird. Gemsß § 67 Abs. 2 InsO sollen Absonderungsberechtigte im Glsubigerausschuss vertreten sein. Sie kÇnnen ferner Åber die Annahme und Beststigung eines Insolvenzplans abstimmen, allerdings nur, wenn durch den Plan in ihre Rechte eingriffen wird. In diesem Fall bilden sie eine eigene Abstimmungsgruppe, vgl. § 222 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 InsO. Als Absonderungsberechtigte sind sie jedoch lediglich mit dem gesicherten Teil ihrer Forderung stimmberechtigt.6

2.295

b) Abgesonderte Befriedigung aus beweglichen Gegenstlnden Glsubiger, denen an einem beweglichen Gegenstand der Insolvenzmasse ein Pfandrecht oder vergleichbare Sicherungsrechte zustehen, sind nach Maßgabe der §§ 166 bis 173 ff. InsO zur abgesonderten Befriedigung aus dem Pfandgegenstand berechtigt, vgl. §§ 50 f. InsO. Das Recht der abge-

1 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 246. 2 BGH v. 29.3.2007 – IX ZR 27/06, ZIP 2007, 1126 = NZI 2007, 394 (394). 3 Imberger in FrankfurterKomm/InsO, vor §§ 49 bis 52 ff., Rz. 1; Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 246. 4 Eickmann in HeidelbergerKomm/InsO, § 49 Rz. 2. 5 Ganter in MÅnchKomm/InsO, vor §§ 49–52, Rz. 150. 6 Ganter in MÅnchKomm/InsO, vor §§ 49–52, Rz. 150.

121

2.296

Kapitel 2 Insolvenzrecht

sonderten Befriedigung dient dem Schutz der Kreditsicherungsmittel in der Insolvenz.

297

„Prototyp“1 aller Absonderungsrechte ist das Pfandrecht an beweglichen VermÇgensgegenstlnden gem. § 50 InsO, unabhsngig davon, ob es sich dabei um ein rechtsgeschsftlich bestelltes, ein gesetzliches Pfandrecht oder ein Pfsndungspfandrecht handelt.2 In § 51 InsO werden andere Sicherungsmittel den Pfandrechten gleichgestellt. Den fÅr die Praxis bedeutsamsten Fall stellt dabei die SicherungsÅbereignung oder Sicherungsabtretung dar, § 51 Ziff. 1 InsO. Hier wird der Sicherungsnehmer zwar formalrechtlich EigentÅmer, das Recht, die Sache zu verwenden und auf selbige einzuwirken bleibt jedoch beim Sicherungsgeber. Die Rechtsstellung des SicherungseigentÅmers entspricht insoweit derjenigen von Inhabern besitzloser Pfandrechte (Vermieter, Verpschter). Letztere haben in der Insolvenz ihres Vertragspartners ebenfalls ein Recht auf abgesonderte Befriedigung an den eingebrachten Gegenstsnden des Schuldners.

298

Abgesehen von Pfandrechten und Sicherungseigentum kÇnnen auch bestimmte ZurÅckbehaltungsrechte zur Absonderung berechtigen. Besteht aufgrund werterhÇhender Verwendungen oder nach den Vorschriften des HGB ein ZurÅckbehaltungsrecht, so ist die Befriedigung aus dem Gegenstand nach materiellem Recht mÇglich (vgl. §§ 1003 BGB, 371 HGB) und berechtigt folglich auch in der Insolvenz zur abgesonderten Befriedigung, § 51 Ziff. 2, 3 InsO. Dies gilt allerdings nur fÅr bewegliche Sachen.3 Kein Absonderungsrecht gewshrt das ZurÅckbehaltungsrecht des § 273 BGB, da es nicht zur Befriedigung berechtigt.4

299

Das Verfahren der Verwertung drittrechtsbelasteter beweglicher Sachen einschließlich der ErlÇsverteilung ist in den §§ 167 ff. InsO im Einzelnen geregelt. Die Vorschriften sorgen einerseits fÅr einen angemessenen Interessenausgleich mit dem absonderungsberechtigten Glsubiger, indem diesem die MÇglichkeit eingersumt wird, selbst einen Kaufinteressenten zu bezeichnen oder indem der Zeitraum, in dem sich die Verwertung Åber den Berichtstermin hinaus verzÇgert, aus der Masse zu verzinsen ist. Andererseits sehen die §§ 170, 171 InsO vor, dass der Feststellungs- und Verwertungsaufwand des Insolvenzverwalters der Masse pauschal mit 4 % bzw. 5 % des VersußerungserlÇses vergÅtet wird. Die Verwertung von Absonderungsgut durch den Verwalter erleichtert damit nicht nur BetriebsfortfÅhrungen und Sanierungen, sondern stellt gerade in massearmen Verfahren oftmals ein probates Mittel zur Massegenerierung dar. Nach § 313 Abs. 3 InsO findet § 166 InsO im Verbraucherinsolvenzverfahren keine Anwendung.

1 2 3 4

Gottwald in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 42 Rz. 1. Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 248. BGH v. 23.5.2003 – V ZR 279/02, ZIP 2003, 1406 = ZInsO 2003, 767 (768). BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 457/99, BGHZ 150, 138 = ZIP 2002, 858 (144 ff.).

122

C. ErÇffnetes Verfahren

Das Verwertungsrecht des Verwalters in Bezug auf bewegliche Sachen setzt gem. § 166 Abs. 1 InsO voraus, dass sich der fragliche Gegenstand im Besitz des Schuldners befand. Bei juristischen Personen, Handelsgesellschaften und Gesellschaften bÅrgerlichen Rechts ist die Sachherrschaft des GeschsftsfÅhrers bzw. des geschsftsfÅhrenden Gesellschafters entscheidend.1 Es genÅgt auch mittelbarer Besitz des Insolvenzverwalters oder des Schuldners, es sei denn, dass der Absonderungsberechtigte selbst unmittelbarer Besitzer ist.2 Entscheidend ist grundsstzlich der Besitz des Verwalters bei InsolvenzerÇffnung.3

2.300

Im Regelfall verwertet der Insolvenzverwalter durch freihlndigen Verkauf. Das Verfahren ist in § 168 InsO geregelt. Danach hat der Insolvenzverwalter dem Absonderungsglsubiger auf dessen Verlangen Auskunft Åber den Zustand der Sache zu erteilen. DarÅber hinaus muss er eine konkrete Verlußerungsabsicht vor der Versußerung anzeigen. Er hat dem Glsubiger Gelegenheit zu geben, binnen einer Woche auf eine andere fÅr den Glsubiger gÅnstigere MÇglichkeit der Verwertung des Gegenstandes hinzuweisen. Erfolgt ein entsprechender Hinweis, hat der Verwalter die vom Glsubiger genannte VerwertungsmÇglichkeit wahrzunehmen oder den Glsubiger so zu stellen, als sei entsprechend der aufgezeigten MÇglichkeit verwertet worden. Bei gepfsndeten Sachen muss vor der Verwertung das Pfandsiegel durch den Gerichtsvollzieher entfernt werden.4 Die Versußerung fÅhrt zum lastenfreien Erwerb des Ksufers. Die Rechte der Absonderungsberechtigten setzen sich am ErlÇs fort.5

2.301

Dem Glsubiger steht gegenÅber dem Insolvenzverwalter ein Anspruch auf Auskunft Åber den Zustand des Absonderungsgutes zu, § 167 InsO. Der Insolvenzverwalter kann die Unterrichtungspflicht jedoch zu seiner Entlastung auf eine Besichtigung der Gegenstsnde, § 167 Abs. 1 Satz 1 InsO, und eine Einsichtnahme in die GeschsftsbÅcher, § 167 Abs. 2 Satz 2 InsO, beschrsnken. Auch hier ist die Auskunftsverpflichtung des Insolvenzverwalters an die Grenze des Zumutbaren gebunden.

2.302

Der Zeitpunkt der Verwertung wird vom Insolvenzverwalter bestimmt. Er muss den Glsubiger Åber die geplante Art der Verwertung benachrichtigen, § 168 InsO. Diese Mitteilung muss konkrete Angaben Åber den Zeitpunkt der Verwertung, die HÇhe des erwarteten ErlÇses und die Zahlungsbedingungen enthalten, damit der Zweck der Mitteilung gewahrt ist, dem Glsubiger die MÇglichkeit zu geben, alternative VerwertungsmÇglichkeiten mit der des Insolvenzverwalters wirtschaftlich zu vergleichen. Dabei hat er dem Glsubiger die Gelegenheit zu geben, ihn binnen einer Woche auf eine wirtschaftlich gÅnstigere VerwertungsmÇglichkeit

2.303

1 BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 166 Rz. 5. 2 BGH v. 16.2.2006 – IX ZR 26/05, ZIP 2006, 814 = ZInsO 2006, 433 (436); v. 16.11.2006 – IX ZR 135/05, ZIP 2006, 2390 = ZInsO 2006, 1320 (1320). 3 BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 166 Rz. 5. 4 Vgl. Brinkmann in Uhlenbruck, § 166 InsO Rz. 10. 5 BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 166 Rz. 7.

123

Kapitel 2 Insolvenzrecht

hinzuweisen. Dabei ist eine VerwertungsmÇglichkeit als gÅnstiger anzusehen, wenn Kosten gespart oder ein hÇherer ErlÇs erzielt werden kann. Der Insolvenzverwalter muss jedoch die vom Glsubiger aufgezeigte VerwertungsmÇglichkeit nicht wahrnehmen. Ist diese allerdings gÅnstiger als die von ihm gewshlte, hat er den Glsubiger so zu stellen, als hstte er dessen Hinweis befolgt, § 168 Abs. 2 InsO. Dabei trsgt der Glsubiger die Beweislast fÅr die gÅnstigere VerwertungsmÇglichkeit.1

304

Als eine gÅnstigere VerwertungsmÇglichkeit kann auch eine pbernahme des Absonderungsguts durch den Glsubiger gem. § 168 Abs. 3 InsO in Betracht kommen. Ein Anspruch darauf besteht freilich nicht, stellt die xbernahme doch nur eine besondere VerwertungsmÇglichkeit i.S.d. § 168 Abs. 1 InsO dar. Der Glsubiger wird diese MÇglichkeit vor allem dann in Erwsgung ziehen, wenn er den Gegenstand im unmittelbaren Besitz hat oder ihn zu einem hÇheren Preis versußern kann.2 Dabei ist eine Verrechnung des Anspruchs des Glsubigers auf ErlÇsauskehr mit dem an die Masse zu zahlenden Preis mÇglich.

305

Die Gegenstsnde und Forderungen, an denen Absonderungsrechte bestehen, verursachen Kosten fÅr die Feststellung der Sicherungsrechte, fÅr die Erhaltung und die Verwahrung des Sicherungsgutes sowie fÅr die Verwertung. Bedeutsam ist dies vor allem bei den besitzlosen Mobiliarsicherheiten. Bereits die Klsrung, mit welchen Sicherungsrechten die Gegenstsnde belastet sind, hat regelmsßig nicht zu unterschstzende Bearbeitungskosten zur Folge. Die Verwertungskosten hingegen fallen nur dann an, wenn der Verwalter auch tatsschlich selbst verwertet. Daher wird in § 171 InsO zwischen Feststellungs- und Verwertungskosten einschließlich der Umsatzsteuer unterschieden. Nach der Verwertung werden die Kostenbeitrsge vorweg aus dem VerwertungserlÇs fÅr die Masse entnommen. Die Feststellungskosten betragen grundsstzlich 4 % des BruttoverwertungserlÇses, unabhsngig von der tatsschlichen HÇhe. FÅr die Verwertungskosten gilt entsprechendes, wobei sie mit 5 % des VerwertungserlÇses zu berechnen sind. Bei einer erheblichen Abweichung der Pauschale von der tatsschlichen HÇhe der Kosten, sind diese in Ansatz zu bringen, § 171 Abs. 2 Satz 2 InsO.

306

Der Insolvenzverwalter darf die Verwertung nicht unnÇtig herauszÇgern. Der Glsubiger hat gem. § 169 InsO einen Ausgleichsanspruch fÅr den Zinsnachteil, der aufgrund der nicht vorgenommenen Verwertung entstanden ist, beginnend ab dem Berichtstermin. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass dem Glsubiger durch eine VerzÇgerung der Verwertung aufgrund einer BetriebsfortfÅhrung oder Gesamtversußerung ein Schaden entsteht. Der Zinsanspruch ist Masseverbindlichkeit und richtet sich, sofern nicht ein anderes vereinbart ist, nach §§ 288, 247 oder § 352 BGB. 1 Dithmar in Braun, § 168 InsO Rz. 7; BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 168 Rz. 10. 2 ObermÅller, WM 1994, 1869 (1874).

124

C. ErÇffnetes Verfahren

Fehlt es am Besitz des Verwalters, steht das Verwertungsrecht dem Absonderungsberechtigten zu. Dies betrifft etwa Fslle, in denen der Schuldner die Sache vorinsolvenzlich verpfsndet hat. Die Verwertungsart richtet sich dabei nach den gesetzlichen Regelungen, die fÅr das jeweilige Absonderungsrecht maßgeblich sind oder nach Vereinbarungen mit dem Schuldner. Verletzt der Absonderungsberechtigte die Verwertungsvorschriften, steht dem Insolvenzverwalter ein Schadensersatzanspruch gegen den Absonderungsberechtigten zu, sofern er einen hÇheren ErlÇs im Falle ordnungsgemsßer Verwertung nachweisen kann.

2.307

Um die Verwertung durch den Absonderungsberechtigten zu beschleunigen, sieht § 173 Abs. 2 InsO vor, dass der Insolvenzverwalter den Glsubiger zur Verwertung zwingen kann. Verstreicht die gesetzte Frist fruchtlos, steht dem Verwalter das Verwertungsrecht zu. Zwar kann der Glsubiger dann die Verwertung selbst betreiben, jedoch bleibt er dem Insolvenzverwalter zur Herausgabe verpflichtet.

2.308

c) qffentlich-rechtliche Absonderungsrechte der Zoll- und FinanzbehÇrden Soweit zoll- und steuerpflichtige Waren nach gesetzlichen Vorschriften dem Bund, Lsndern und Gemeinden oder Gemeindeverbsnden als Sicherheit fÅr bestimmte mit diesen in Zusammenhang stehende Çffentliche Abgaben dienen, besteht hieran gem. § 51 Ziff. 4 InsO zugunsten des Abgabenglsubigers ein Absonderungsrecht an den Gegenstsnden.1 Praktische Bedeutung hat in dem Zusammenhang vor allem § 76 AO. Danach dienen verbrauchsteuer- und zollpflichtige Waren als Sicherheit fÅr die mit ihnen verbundenen Abgabenlasten. Diese Sachhaftung verschafft dem Fiskus ein dem Pfandrecht vergleichbares dingliches Recht, das den Çffentlichrechtlichen Steueranspruch sichern soll. Anders als nach frÅherem Recht ist fÅr die Wirksamkeit des Absonderungsrechtes nicht mehr erforderlich, dass sich die Sache in der VerfÅgungsgewalt der FinanzbehÇrden befindet.

2.309

Verbrauchsteuerpflichtige Erzeugnisse haften entsprechend der §§ 76 Abs. 2, 327 AO 1977 bereits ab Herstellung, zollpflichtige Waren ab xberschreitung der Zollgrenze fÅr die auf ihnen lastende Steuer- oder Zollschuld.2 Dieses Absonderungsrecht geht dabei allen anderen vor.3 Die Sachhaftung gem. § 76 Abs. 1 AO entsteht ohne RÅcksicht auf mÇgliche Rechte Dritter an der verbrauchsteuerpflichtigen Ware.4 Dabei steht die RÅckschlagsperre des § 88 InsO der Entstehung der Sachhaftung nicht entgegen, da die gesetzliche Wirkung des § 76 Abs. 2 AO an einen rein tatsschlichen Vorgang anknÅpft und einer Maßnahme der Zwangsvollstre-

2.310

1 2 3 4

Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 51 InsO Rz. 38; Bnhr/Smid, InVo 2000, 401 (402). Bnhr/Smid, InVo 2000, 401 (401). Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 51 InsO Rz. 38. BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 = NJW-RR 2010, 118 (119).

125

311

Kapitel 2 Insolvenzrecht

ckung nicht gleichsteht.1 Zur Sachhaftung und Anfechtbarkeit von Pfandrechten s. Rz. 4.664 ff. Wird der auf eine Steuerforderung geschuldete Betrag nach §§ 241, 242 AO hinterlegt, erwirbt die FinanzbehÇrde ein Pfandrecht an der Forderung auf RÅckerstattung des hinterlegten Betrages.2 Die wegen Steuerhinterziehung eingezogenen Sachen (§ 375 Abs. 2 AO) unterliegen nicht der Absonderung, sondern kÇnnen sogar ausgesondert werden.3 d) Abgesonderte Befriedigung aus Forderungen und Rechten

312

Gemsß § 166 Abs. 2 InsO unterliegen auch sicherungszedierte Forderungen dem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Abtretung zuvor offengelegt wurde.4 Zugleich wird das Einziehungsrecht und daher auch die ProzessfÅhrungsbefugnis des Absonderungsberechtigten ausgeschlossen.5 Mit VerfahrenserÇffnung kann der Drittschuldner lediglich an den Insolvenzverwalter befreiend leisten.6

313

Die Verwertung erfolgt durch Verkauf oder Einzug der Forderung. Erkennt der Verwalter Einwendungen oder Einreden des Drittschuldners an, ist dies auch fÅr den Absonderungsberechtigten bindend.7 Werden sicherungsweise abgetretene Forderungen nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens vom Absonderungsberechtigten eingezogen, so ist dieser verpflichtet, den Feststellungskostenbeitrag gem. §§ 170, 171 InsO an den Insolvenzverwalter abzufÅhren.8

314

Liegt die Verwertungsbefugnis hinsichtlich der sicherungsabgetretenen Forderungen nach § 166 Abs. 2 InsO beim Insolvenzverwalter, so kann es nach § 13c UStG zu einer Haftung des Zessionars fÅr die Umsatzsteuerschuld aus der zugrunde liegenden Lieferung kommen (Rz. 4.500 ff.).

315

e) Abgesonderte Befriedigung aus Immobilien Die Verwertung unbeweglicher Gegenstsnde, die mit Absonderungsrechten belastet sind, richtet sich gem. §§ 49, 165 InsO grundsstzlich nach 1 BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 = NJW-RR 2010, 118 (119); Imberger in FrankfurterKomm/InsO, § 51 Rz. 67; Henckel in Jaeger, § 51 InsO Rz. 62; Ganter in MÅnchKomm/InsO, § 51 Rz. 251. 2 Ganter in MÅnchKomm/InsO, § 51 Rz. 261. 3 Ganter in MÅnchKomm/InsO, § 51 Rz. 263. 4 Andres in Andres/Leithaus, § 166 InsO Rz. 9; a.A. Schlegel, NZI 2003, 17 (18). 5 OLG Dresden v. 10.8.2006 – 13 U 926/06, ZInsO 2006, 1168 (1169). 6 KG v. 13.8.2001 – 12 U 5843/00, ZIP 2001, 2012 (2013); OLG Celle v. 27.3.2008 – 13 U 160/07, ZIP 2008, 749 = ZInsO 2008, 925 (926). 7 OLG Rostock v. 15.5.2008 – 3 U 18/08, ZIP 2008, 1128 = NZI 2008, 431 (433). 8 BGH v. 20.11.2003 – IX ZR 259/02, ZInsO 2003, 1137 (1137); v. 20.2.2003 – IX ZR 81/02, ZIP 2003, 632 = NJW 2003, 2240 (2241).

126

C. ErÇffnetes Verfahren

den Vorschriften des Gesetzes Åber die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung. Ein Absonderungsrecht nach den §§ 49, 165 InsO gewshren alle in § 10 ZVG erfassten Rechte und AnsprÅche, da diesen in § 10 ZVG ein Recht auf Befriedigung zugeschrieben wird, und damit vor allem Hypotheken, Grund- und Rentenschuld, Reallasten und Registerpfandrechte bei eingetragenen Luftfahrzeugen und Schiffen. Die Rangfolge mehrerer Absonderungsberechtigter untereinander und welcher Inhalt dem einzelnen Absonderungsrecht zukommt, ist in §§ 10–14 ZVG geregelt. Der Umfang des Absonderungsrechts wird nach dem Inhalt des Sicherungsrechts des betreibenden Glsubigers bestimmt.1 Das Sicherungsrecht bestimmt, aus welchen Gegenstsnden sich der Glsubiger vorzugsweise befriedigen darf. Bei der VermÇgensverwertung im Wege der Zwangsvollstreckung muss der Glsubiger zwischen Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung wshlen und dabei berÅcksichtigen, dass der Umfang der Beschlagnahme in beiden Fsllen unterschiedlich ist. Der Insolvenzverwalter kann jedoch davon unabhsngig gem. § 165 InsO die sog. Verwaltervollstreckung betreiben, fÅr die in §§ 172 ff. ZVG Sonderregeln vorgesehen sind.

2.316

Besteht ein Absonderungsrecht an unbeweglichen VermÇgensgegenstsnden, kann der Glsubiger parallel zum Insolvenzverfahren die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung nach den Vorschriften des ZVG betreiben, § 49 InsO.2 Die Verwertung liegt daher grundsstzlich in seinem Zustsndigkeitsbereich, wobei er den gegen den Schuldner gerichteten Titel gem. § 727 ZPO auf den Insolvenzverwalter umschreiben lassen muss.3 Dem Interesse des Insolvenzverwalters an einem Zusammenhalt der Masse wird dadurch Rechnung getragen, dass ihm unter bestimmten Voraussetzungen das Recht eingersumt wird, die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung durch das Vollstreckungsgericht zu erwirken.4 Im Gegenzug erhslt der absonderungsberechtigte Glsubiger als Ausgleich fÅr die Einstellung ab dem Berichtstermin die vertraglichen oder gesetzlichen Zinsen (§ 288 BGB, § 352 HGB) auf seine gesicherte Forderung sowie Ersatz fÅr einen etwaigen zwischenzeitlichen Wertverlust als Masseforderung.5

2.317

Gemsß § 165 InsO hat daneben auch der Insolvenzverwalter die MÇglichkeit, nach §§ 172 ff. ZVG die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Die zur Absonderung berechtigenden Grundpfandrechte bleiben in der Zwangsversteigerung bestehen, § 52 ZVG. Der Insolvenzverwalter kann allerdings anstelle der Zwangsvollstreckung die freihlndige Verlußerung des GrundstÅcks betreiben, es also an einen Dritten versußern oder es an den

2.318

1 Drees/J. Schmidt in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 7 Rz. 145. 2 Vgl. BGH v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZIP 2006, 1554 = NJW 2006, 3356 (3356). 3 BGH v. 24.11.2005 – V ZB 84/95, Rpfleger 2006, 423 (423); Kesseler, ZInsO 2005, 918 (919). 4 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 252. 5 Lwowski/Tetzlaff in MÅnchKomm/InsO, § 165 Rz. 105.

127

Kapitel 2 Insolvenzrecht

Schuldner freigeben.1 Will der Insolvenzverwalter die Versußerung eines belasteten GrundstÅcks vornehmen, so ist er allerdings auf eine Zusammenarbeit mit den Grundpfandglsubigern angewiesen. Denn von diesen muss er LÇschungsbewilligungen beschaffen, da das GrundstÅck andernfalls erfahrungsgemsß praktisch nicht versußerbar wsre.2 Schließlich will der Erwerber das GrundstÅck im Regelfall lastenfrei erwerben.3 Die freihsndige Versußerung von Grundbesitz bedarf der Zustimmung eines Glsubigerausschusses, § 160 Abs. 2 Ziff. 1 InsO. Ist ein Ausschuss nicht bestellt, ist die Zustimmung der Glsubigerversammlung erforderlich.4 Die Art der Verwertung steht im pflichtgemsßen Ermessen des Insolvenzverwalters.5 Bei einer vom Insolvenzverwalter betriebenen Zwangsversteigerung vereinigt dieser in seiner Person die Stellung eines betreibenden Glsubigers und die des Vollstreckungsschuldners.6 FÅr die Verteilung des ErlÇses sind die Regelungen der §§ 10 ff. ZVG maßgeblich.

319

Verstsndigt sich der Insolvenzverwalter mit dem Grundpfandglsubiger auf eine freihsndige Verwertung im Rahmen des Insolvenzverfahrens, ist es ratsam, vorab im Rahmen einer besonderen Vereinbarung die HÇhe der Verwertungskostenbeteiligung der Insolvenzmasse festzulegen.7 Wurde nichts vereinbart, erwirbt die Masse ggf. keine AnsprÅche. Die Regelungen des § 171 InsO sind nicht analog anwendbar.

320

Grundpfandglsubiger kÇnnen grundsstzlich auch parallel zum Insolvenzverfahren die Zwangsverwaltung des GrundstÅcks beantragen. In diesem Fall erfolgt hsufig die Freigabe des GrundstÅcks an den Schuldner, da der Insolvenzmasse durch die Zwangsverwaltung die laufenden Einnahmen verloren gehen und ein weiteres Halten des Gegenstandes in der Masse fÅr diese keinen Nutzen mehr hstte und zudem mit Verwaltungsaufwand belastet wsre. Die Freigabe hstte ggf. zur Folge, dass die Absonderungsberechtigten die Verwertung fortan gegenÅber dem Schuldner persÇnlich betreiben mÅssten. Dies wÅrde die Rechtsverfolgung verkomplizieren, verzÇgern und nicht zuletzt auch verteuern. Daher einigen sich die Beteiligten stattdessen oftmals darauf, dass der Verwalter die Vermietung bzw. Verpachtung des GrundstÅcks im Rahmen des laufenden Insolvenzverfahrens organisiert und auf die Einleitung eines fÇrmlichen Zwangsverwaltungsverfahrens verzichtet wird. Verwertungsvereinbarungen Åber die Aufteilung der Miet- bzw. Pachtzinsen zur Abwendung der Zwangsverwaltung werden als „kalte Zwangsverwaltung“ bezeichnet. In diesen Fsllen bewirtschaftet der Insolvenzverwalter fÅr den Grundpfandglsubiger wie ein gerichtlich bestellter Zwangsverwalter die vermieteten bzw. ver1 2 3 4 5 6

Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 253. Tetzlaff, ZInsO 2004, 521 (529). BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 165 Rz. 12. Runkel in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 183. Kuhn/Uhlenbruck, § 126 KO Rz. 1; Tetzlaff, ZInsO 2004, 521 (528 f.). Kuhn/Uhlenbruck, § 126 KO Rz. 1a; Wegener in FrankfurterKomm/InsO, § 165 Rz. 21. 7 BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 165 Rz. 12.

128

C. ErÇffnetes Verfahren

pachteten Immobilien und zieht die Miet- und Pachtzinsen ein.1 Gleichzeitig verpflichtet sich der Verwalter, die laufenden xberschÅsse nach Abzug der laufenden Kosten und Lasten sowie einer zu verhandelnden Massekostenbeteiligung an den bzw. die Grundpfandglsubiger abzufÅhren.2 ! Hinweis: Grundpfandglsubigern stellt sich in der Insolvenz des GrundstÅckseigentÅmers daher die Frage nach der bestmÇglichen Verwertung ihrer Absonderungsrechte. Ein RÅckgriff auf die gesetzlich geregelten Instrumentarien der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung sind meist nur die zweitbeste LÇsung.3 Der freihsndige Verkauf ist kostengÅnstiger und wird in der Regel schneller abgewickelt. Da sowohl Insolvenzverwalter als auch Grundpfandglsubiger an einer bestmÇglichen Verwertung von mit Grundpfandrechten belasteten Immobilien interessiert sind, werden in der Praxis regelmsßig Verwertungsvereinbarungen getroffen, die z.B. eine freihsndige Verwertung oder eine den Rechtsfolgen der gerichtlichen Zwangsverwaltung nachgebildete sog. „kalte Zwangsverwaltung“ zum Gegenstand haben.4

f) Ersatzabsonderung Bei einer unberechtigten Versußerung eines mit einem Absonderungsrecht belasteten VermÇgensgegenstandes findet die Vorschrift der Ersatzaussonderung des § 48 InsO auf die Ersatzabsonderung entsprechende Anwendung. Danach hat der Sicherungsnehmer einen Anspruch auf Ersatzabsonderung, wenn der Insolvenzschuldner vor VerfahrenserÇffnung5 oder der (vorlsufige) Insolvenzverwalter einen mit einem Absonderungsrecht belasteten Gegenstand unberechtigt6 versußert.

2.321

7. Aufrechnung im Insolvenzverfahren a) Grundlagen In der Insolvenzordnung wird lediglich die Aufrechnungsbefugnis von Insolvenzglsubigern ausdrÅcklich geregelt. Das Recht zur Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB) bleibt trotz ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens grundsstzlich bestehen. Hat ein Glsubiger einmal eine Aufrechnungsbefugnis erworben, ergibt sich daraus eine gesicherte Rechtsposition, die im Insolvenzverfahren ebenfalls beachtet wird.7 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass es unbillig wsre, dass ein an sich aufrechnungsbefugter Insolvenzglsubiger die volle Leistung zur Masse erbringen mÅsste, mit der eigenen Forderung aber auf die Insolvenzquote verwiesen wÅrde.8 Bestand die Aufrechnungslage bereits bei InsolvenzerÇffnung, gilt dieser Grundsatz un1 2 3 4 5 6

Lwowski/Tetzlaff in MÅnchKomm/InsO, § 165 Rz. 181. BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 165 Rz. 14. BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 165 Rz. 19. AusfÅhrlich dazu: Tetzlaff, ZInsO 2004, 521 (528 f.). BGH v. 19.1.2006 – IX ZR 154/03, ZIP 2006, 959 = ZInsO 2006, 493 (494). BGH v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009 = ZInsO 2006, 544 (545); v. 19.1.2006 – IX ZR 154/03, ZIP 2006, 959 = ZInsO 2006, 493 (495). 7 Kroth in Braun, § 94 InsO Rz. 1. 8 Kroth in Braun, § 94 InsO Rz. 1.

129

2.322

Kapitel 2 Insolvenzrecht

eingeschrsnkt, § 94 InsO. Bei einer nach InsolvenzerÇffnung eingetretenen Aufrechnungslage sieht § 95 InsO bestimmte Voraussetzungen vor, unter denen eine Aufrechnung ausnahmsweise mÇglich ist. In den in § 96 InsO genannten Fsllen ist eine Aufrechnung hingegen gsnzlich ausgeschossen.

323

Die in §§ 94–96 InsO genannten Regelungen gelten nicht fÅr den Insolvenzverwalter – dieser kann nur nach den allgemeinen Regeln (§§ 387 ff. BGB) aufrechnen.1

324

Insolvenzrechtliche Sonderregelungen zur Aufrechnung finden sich in § 110 Abs. 3 InsO (Aufrechnungsbefugnis des Mieters/Pschters) sowie in § 114 Abs. 2 InsO (Aufrechnung gegen BezÅge aus Dienstverhsltnis). b) Massegllubiger

325

Dem Masseglsubiger steht auf Grund seiner Rechtsstellung nach § 53 InsO ein wirtschaftlich vollwertiger Anspruch gegen die Insolvenzmasse zu.2 Er kann gegenÅber den AnsprÅchen des Insolvenzverwalters mit seinem Masseanspruch zum Zwecke der ErfÅllung aufrechnen, soweit die sonstigen Aufrechnungsvoraussetzungen nach den §§ 387 ff. BGB gegeben sind. Weiteren Einschrsnkungen unterliegen sie nicht, da die Vorschriften der §§ 95, 96 InsO nicht fÅr Masseglsubiger gelten,3 sondern lediglich fÅr Insolvenzglsubiger.4

326

Der Masseglsubiger, der die Aufrechnung anstrebt, muss, ebenso wie ohne Insolvenz jeder andere Glsubiger, auf Pfsndbarkeit der gegen ihn selbst gerichteten Forderung achten. Gemsß § 394 Satz 1 BGB darf er dem Schuldner nicht durch Aufrechnung den Gegenstand einer unpfsndbaren Forderung entziehen. Das gilt gleichermaßen vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens wie auch danach. Da die Grenze zwischen Pfsndbarkeit und Unpfsndbarkeit außerdem (im Wesentlichen) zugleich die Grenze zwischen Masse (§ 35 InsO) und beschlagfreiem SchuldnervermÇgen darstellt (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO), ergibt sich auch, dass der Masseglsubiger nach der ErÇffnung nicht gegen eine Forderung aufzurechnen im Stande ist, die sich im freien VermÇgen des Schuldners befindet.

327

Nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit (§ 208 InsO) gilt fÅr Altmasseverbindlichkeiten das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO.

1 2 3 4

Bernsau in FrankfurterKomm/InsO, § 94 Rz. 4. Hefermehl in MÅnchKomm/InsO, § 53 Rz. 52. Bernsau in FrankfurterKomm/InsO, § 96 Rz. 20. BGH v. 15.10.2003 – VIII ZR 358/02, ZIP 2003, 2166 = NJW-RR 2004, 50 (52); Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 94 InsO Rz. 4.

130

C. ErÇffnetes Verfahren

c) Ab- und Aussonderungsberechtigte Bei Glsubigern mit Aussonderungsrechten wird sich die Frage einer mÇglichen Aufrechnung in Anbetracht des Anspruchsinhalts kaum stellen. Eine Ausnahme ist allenfalls denkbar, wenn ein vor InsolvenzerÇffnung begrÅndeter Herausgabeanspruch auf eine (ausnahmsweise) kÇrperlich abgrenzbare Geldmenge mit einer Geldschuld des Aussonderungsberechtigten zusammentrifft. Wird der Anspruch auf Herausgabe erst nach ErÇffnung begrÅndet, vermittelt dieser kein Aussonderungsrecht, sondern stellt eine Masseverbindlichkeit dar, deren Aufrechnung unter den oben genannten Voraussetzungen mÇglich ist.

2.328

Auch bei Absonderungsglsubigern stellen aufrechnungsfshige AnsprÅche eher eine Ausnahme dar.

2.329

d) Neugllubiger Die ErÇffnung trennt das VermÇgen des Schuldners zumindest bei natÅrlichen Personen in Masse und insolvenzfreies VermÇgen (Rz. 2.135 ff.). Folglich kÇnnen zu Lasten des insolvenzfreien VermÇgens des Schuldners erneut Verbindlichkeiten entstehen. Diese Trennung der VermÇgensmassen fÅhrt dazu, dass eine Aufrechnung einer Forderung der Masse gegen einen Anspruch, gerichtet auf das insolvenzfreie VermÇgen des Schuldners, nicht mÇglich ist. Andernfalls partizipierte der Neuglsubiger am Insolvenzverfahren, das der Befriedigung der Insolvenzglsubiger dient, ohne selbst Insolvenzglsubiger zu sein. Dieser Schutz der Glsubiger vor einer Durchbrechung der VermÇgensmassen hat in dem Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Ziff. 4 InsO fÅr Neuglsubiger, deren Anspruch im insolvenzfreien VermÇgen des Schuldners entstanden ist, gesetzliche Beachtung gefunden.

2.330

Eine ursprÅnglich vom Insolvenzbeschlag erfasste, aber vom Insolvenzverwalter freigegebene Forderung ist der Aufrechnung nicht entzogen. Auch das Verbot des § 394 BGB steht dem nicht entgegen. Die Aufrechnung mit Steuerforderungen wird bei den AusfÅhrungen zu Rz. 3.338 ff. ausfÅhrlich behandelt.

2.331

VIII. Haftung des Insolvenzverwalters Literatur Adam, Die Haftung des Insolvenzverwalters aus § 61 InsO, DZWIR 2008, 14; Amend, SchadensersatzansprÅche gegen den Insolvenzverwalter auf Grund eingetretenen Individualschadens, LMK 2004, 176; Antoni, Die Haftung des Insolvenzverwalters fÅr unterlassene Sanierungsmaßnahme und gescheiterte Sanierungsplsne, NZI 2013, 236; App, Zur Haftung eines vorlsufigen Insolvenzverwalters, ZKF 2010, 131; Bank, Entwicklungen der Haftung des Zwangsverwalters unter besonderer BerÅcksichtigung aktueller ober- und hÇchstrichterlicher Rechtsprechung, ZfIR 2008, 781; Bank/Weinbeer, Insolvenzverwalterhaftung unter besonderer BerÅck-

131

Kapitel 2 Insolvenzrecht sichtigung der aktuellen BGH-Rechtsprechung, NZI 2005, 478; Barnert, Insolvenzspezifische Pflichten des Insolvenzverwalters gegenÅber Aussonderungsberechtigten, KTS 2005, 431; Bernsau, Haftung des Insolvenzverwalters nach BGB § 826 fÅr Schsden des Prozessgegners, LMK 2003, 136; Bork, Verfolgungspflichten – Muss der Insolvenzverwalter alle Forderungen einziehen?, ZIP 2005, 1120; van BÅhren, Die Berufshaftpflichtversicherung des Insolvenzverwalters, NZI 2003, 465; Deimel, Schadensersatzpflicht des Insolvenzverwalters gegenÅber Masseglsubigern, ZInsO 2004, 783; Drasdo, Haftung des Insolvenzverwalters fÅr Wohngeldverbindlichkeiten nach §§ 60, 61 InsO, NZI 2007, 52; Eckert, Zur Haftung des vorlsufigen Insolvenzverwalters bei unrichtiger Auskunftserteilung, EWiR 2008, 309; Fischer, Die Haftung des Insolvenzverwalters nach neuem Recht, WM 2004, 2185; Haftungsrisiken fÅr Insolvenzverwalter bei unterlassener Inanspruchnahme gewerblicher Prozessfinanzierung, NZI 2014, 241; FÇlsing, Zur Haftung des vorlsufigen Insolvenzverwalters aus einem Garantieversprechen, EWiR 2009, 617; Franke/BÇhme, Zur Haftung des Insolvenzverwalters nach InsO § 61 (negatives Interesse) und wegen Pflichtverletzung (unterlassene KÅndigung eines vermieterseits gekÅndigten Mietverhsltnisses), DZWIR 2004, 427; Gundlach/Frenzel/Schmidt, Die Haftung des Insolvenzverwalters gegenÅber Aus- und Absonderungsberechtigten, NZI 2001, 350; Kaufmann, Die Verschsrfung der Haftung nach § 61 InsO durch die Rechtsprechung, InVo 2004, 128; Zur Frage der Voraussetzungen und der Reichweite der Haftung des Insolvenzverwalters nach § 61 InsO, NZI 2004, 439; Kexel, Zur persÇnlichen Haftung des Insolvenzverwalters, EWiR 2010, 253; Laukemann, Gesamtschuldnerische Haftung nach Verfahrensaufhebung, ZInsO 2006, 415; Laws, Insolvenzverwalter-Haftung wegen NichterfÅllung von Masseverbindlichkeiten nach § 61 InsO, MDR 2003, 787; Keine Haftung des Insolvenzverwalters fÅr aus § 61 InsO fÅr ungerechtfertigte Bereicherungen der Masse und USt-Masseverbindlichkeiten, ZInsO 2009, 996; Leibner, Die Haftung nach § 60 InsO – Stand und Entwicklungsperspektiven, KTS 2005, 75; Leibner/Pump, Beckmann, Neuere finanzgerichtliche Rechtsprechung zur Haftung § 69 AO, DB 2007, 994; Looff, Die Haftung des Treuhsnders im Restschuldbefreiungsverfahren, ZVI 2009, 9; LÅke, Haftungsrecht Åberdacht – xberlegungen zur Systematik der Insolvenzverwalterhaftung, ZIP 2005, 1113; PersÇnliche Haftung des Verwalters in der Insolvenz, 4. Aufl. 2011; Maus, Die steuerrechtliche Haftung des Insolvenzverwalters, ZInsO 2003, 965; Meyer/Schulteis, Die Haftung des Insolvenzverwalters gem. §§ 60, 61 InsO bei der FortfÅhrung von Unternehmen, DZWIR 2004, 319; MÅnzel, Pflichtverletzung gegenÅber dem Insolvenzglsubiger durch Feststellung seiner Haftpflichtforderung?, NZI 2007, 441; NÇll, Die „strengen“ Anforderungen des OLG Celle an persÇnliche SchuldÅbernahmen – neue Haftungsfalle fÅr Insolvenzverwalter, ZInsO 2004, 1058; Olshausen, Die Haftung des Insolvenzverwalters fÅr die NichterfÅllung von Masseverbindlichkeiten und das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts (§ 311a Abs. 2 BGB nF), ZIP 2002, 237; Onusseit, Einige umsatzsteuerliche Aspekte in der Insolvenz insbesondere steuerliche Risiken bei der BetriebsfortfÅhrung, KTS 2004, 537; Pape, Zur Haftung des Insolvenzverwalters nach InsO § 61, EWiR 2005, 679, Qualitst durch Haftung? – Die Haftung des rechtsanwaltlichen Insolvenzverwalters, ZInsO 2005, 953, Keine Verschsrfung der Haftung aus § 61 InsO bei fehlerhafter Verteilung der Masse durch den Insolvenzverwalter (Anm. zu BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZInsO 2004, 609 ff.), ZInsO 2004, 605; Pape/Graeber, Handbuch der Insolvenzverwalterhaftung, 2009; Runkel, Zur Haftung des Insolvenzverwalters bei NichterfÅllung von Masseverbindlichkeiten, EWiR 2005, 229; Schmehl/Mohr, Umsatzsteuer auf die Insolvenzverwalterhaftung nach § 61 InsO, NZI 2006, 276; Karsten Schmidt, „Altlasten in der Insolvenz“ – unendliche Geschichte oder ausgeschriebenes Drama?, ZIP 2000, 1913; Smid, Die Haftung des Insolvenzverwalters in der Insolvenzordnung in KÇlner Schrift zur Insolvenzord-

132

C. ErÇffnetes Verfahren nung, 265; Schreiner/Hellenkemper, PersÇnliche Haftung des Insolvenzverwalters bei KÅndigungsschutzprozessen, ZInsO 2013,0538; Uhlenbruck, Die Haftung des vorlsufigen Insolvenzverwalters als gerichtlicher Sachverstsndiger, ZInsO 2002, 809; Vallender, Zur Haftung des Insolvenzverwalters nach InsO § 61, EWiR 2004, 765; Wallner/Neuenhahn, Ein Zwischenbericht zur Haftung des (vorlsufigen) Insolvenzverwalters – Gratwanderung zwischen FortfÅhrungs- und Einstandspflicht, NZI 2004, 63; Webel, Haftung des Insolvenzverwalters aus § 61 InsO fÅr ungerechtfertigte Bereicherungen der Masse und USt-Masseverbindlichkeiten, ZInsO 2009, 363; Weinbeer, Die Insolvenzverwalterhaftung gem. §§ 60 ff. InsO, AnwBl. 2004, 48; Weisemann/Nisters, Die Haftungsrisiken der Insolvenzverwalter und die MÇglichkeiten einer versicherungsmsßigen LÇsung, DZWiR 1999, 138; Weitzmann, Zur Haftung des Insolvenzverwalters nach InsO § 60, EWiR 2006, 723; Wellensiek, Die Aufgaben des Insolvenzverwalters nach der Insolvenzordnung in KÇlner Schrift zur Insolvenzordnung, 208.

1. Haftung nach § 60 InsO a) Anspruchsvoraussetzungen Verletzt der Insolvenzverwalter die ihm nach der Insolvenzordnung obliegenden Pflichten schuldhaft, so ist er nach § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO allen Beteiligten gegenÅber zum Schadensersatz verpflichtet. Die wichtigsten Fallgruppen der Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten sind Fehler bei der Verwaltung und Verwertung der Masse. Bei der Inbesitznahme lsuft der Verwalter regelmsßig Gefahr, durch ein Unterlassen eine Pflichtverletzung zu begehen. Zu denken ist hierbei vor allem an Åbersehene AnsprÅche, das Verjshrenlassen von Forderungen, Nichtbeachtung einer GeschsftsfÅhrer- oder Gesellschafterhaftung oder das Unterlassen bzw. die nicht rechtzeitige Erhebung von Anfechtungsklagen. In Bezug auf die Erhaltung der Masse stehen vor allem nicht gesicherte oder versicherte Sachen im Mittelpunkt. Nicht selten kommt es auch zu pflichtwidrigen Fehlbeurteilungen in Bezug auf den Rang einer Verbindlichkeit. Zahlt der Insolvenzverwalter auf die Forderung eines Glsubigers aus der Masse, obwohl die Forderung nicht Masseforderung, sondern vielmehr nur Insolvenzforderung im Rang des § 38 InsO war, so ist damit eine Schmslerung der Masse und zugleich eine Verringerung der Quote verbunden, die den Schadensersatzanspruch nach § 60 InsO auslÇst, wenn von dem Glsubiger RÅckzahlung zur Masse nicht erreicht werden kann. Dies ist im Zusammenhang mit Steuerforderungen nicht selten der Fall, weil bei ihnen besonders hsufig der Charakter der Forderung rechtlich problematisch ist. Bei der Verwertung der Masse kÇnnen durch eine falsche Verwertungsart oder ein zu langes ZÇgern Schsden entstehen. Den hsufigsten Fall der Masseschsdigungen bilden allerdings unzweckmsßige BetriebsfortfÅhrungen.1

2.332

Unter Beteiligten i.S.v. § 60 InsO versteht man alle Personen, denen gegenÅber der Insolvenzverwalter insolvenzrechtliche Pflichten zu erfÅllen

2.333

1 Drees/J. Schmidt in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 209.

133

Kapitel 2 Insolvenzrecht

hat, auch wenn sie – wie beispielsweise die Gesellschafter des Schuldners – nicht selbst unmittelbar am Verfahren teilnehmen.1 Voraussetzung fÅr die Haftung ist die Verletzung einer insolvenzrechtlichen Pflicht und darÅber hinaus, dass diese verletzte Norm auch den geschsdigten Anspruchssteller schÅtzen will. Schadet die Verletzung der insolvenzspezifischen Pflicht der Masse und damit der Gemeinschaft der ungesicherten Glsubiger als solcher, so spricht man von einem Gesamtschaden.2

334

FÅr eine Haftung des Insolvenzverwalters ist Voraussetzung, dass der den Beteiligten entstandene Schaden adsquat kausal aus einer Verletzung der ihm obliegenden Pflichten resultiert. Zudem muss der Insolvenzverwalter die ihm obliegende insolvenzspezifische Pflicht auch schuldhaft verletzt haben. Dabei gilt gem. § 60 Abs. 1 Satz 2 InsO die „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters“ als Maßstab. Bei der Bestimmung des Maßstabs fÅr die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters mÅssen die jeweiligen, insolvenzverfahrensspezifischen Erschwernisse berÅcksichtigt werden. Hsufig hat der Insolvenzverwalter nicht alle relevanten Informationen zur Hand, um sich objektiv fehlerfrei verhalten zu kÇnnen, beispielsweise, weil die Buchhaltung und Geschsftsunterlagen des Schuldners unvollstsndig sind oder der Schuldner ihm bestimmte Informationen bewusst vorenthslt. FÅr eigene Hilfskrsfte hat der Verwalter nach § 278 BGB einzustehen.3 FÅr den in der Praxis hsufigen Fall, dass sich der Insolvenzverwalter der Hilfe von Angestellten des Schuldners wegen deren unverzichtbaren Kenntnissen Åber den Schuldnerbetrieb bedient, haftet er gem. § 60 Abs. 2 InsO – sofern die Angestellten nicht vÇllig ungeeignet sind – fÅr deren Fehler nur, wenn er diese nicht ordentlich Åberwacht und wichtige Entscheidungen nicht selbst trifft.

335

Im Falle eines Rechtsirrtums ist der Insolvenzverwalter nur dann entschuldigt, wenn dieser bei sorgfsltiger juristischer xberprÅfung ggf. auch durch einen besonders spezialisierten Juristen nicht vermeidbar war.4 Bei hÇchstrichterlich ungeklsrten Rechtsfragen kann ein Verschulden dann nicht angenommen werden, wenn sich der Verwalter einer in der Literatur vertretenen Meinung anschließt.5 Dies muss auch fÅr die Fslle gelten, in denen der Insolvenzverwalter neue Rechtsauffassungen zu gsnzlich unbehandelten Fragestellungen entwickelt, da andernfalls eine praxisbezogene Rechtsfortbildung massiv behindert wÅrde. Daher kann eine Haftung des Insolvenzverwalters im Falle von RechtsirrtÅmern wohl nur im Nichtbeachten hÇchstrichterlicher Rechtsprechung oder bei grob abwegigen Rechtsauffassungen in Betracht gezogen werden. 1 Vgl. Abeltshauser in Nerlich/RÇmermann, § 60 InsO Rz. 17. 2 Runkel in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 208. 3 BGH v. 19.7.2001 – IX ZR 62/00, ZIP 2001, 1507 = NJW 2001, 3190 (3190); Runkel in Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 214. 4 Eickmann in HeidelbergerKomm/InsO, § 60 Rz. 13. 5 Vgl. BGH v. 9.6.1994 – IX ZR 191/93, ZIP 1994, 1118 = NJW 1994, 2286 (2287).

134

C. ErÇffnetes Verfahren

Ein Verschulden des Insolvenzverwalters scheidet in den Fsllen aus, in denen der Glsubigerversammlung eine eigenstsndige Entschließungskompetenz zukommt und die Glsubigerversammlung von dieser Gebrauch gemacht hat. Die Amtspflicht des Insolvenzverwalters besteht in diesen Fsllen nsmlich darin, die BeschlÅsse der Glsubigerversammlung umzusetzen. Die Glsubigerversammlung kann grundsstzlich auch Entscheidungen treffen, die fÅr die Masse und die Befriedigungsaussichten der Glsubiger nachteilig sind. Es ist dem Insolvenzverwalter verwehrt, solche aus seiner Sicht nachteiligen BeschlÅsse zu korrigieren. Die entsprechende Entscheidungsbefugnis der Glsubigerversammlung ist Ausfluss der das Insolvenzverfahren beherrschenden Glsubigerautonomie. Wenn die Glsubigerversammlung beispielsweise gem. § 157 InsO eine BetriebsfortfÅhrung beschließt, kÇnnen dem Insolvenzverwalter die aus der FortfÅhrung resultierenden Verluste nicht vorgeworfen werden, es sei denn, er hstte die Glsubigerversammlung unzutreffend Åber die FortfÅhrungsperspektiven informiert.

2.336

Der Schadensersatzanspruch gem. § 60 InsO ist regelmsßig auf das negative Interesse gerichtet und unterliegt gem. § 62 InsO einer dreijshrigen Verjshrungsfrist, die mit Kenntnis von dem Schaden und von den die Ersatzpflicht des Insolvenzverwalters begrÅndenden Umstlnden, spstestens aber mit Aufhebung oder rechtskrsftiger Einstellung des Insolvenzverfahrens beginnt.

2.337

In Bezug auf Steuerforderungen bzw. Steuerbescheide trifft den Insolvenzverwalter die insolvenzspezifische Pflicht, diese auf ihre formelle und materielle Richtigkeit zu ÅberprÅfen. In Bezug auf Einspruchsentscheidungen des Finanzamtes hat er unter Heranziehung aller ihm zur VerfÅgung stehenden Unterlagen und verfÅgbaren Informationen die Erfolgsaussichten einer Klage zu prÅfen.1 DafÅr muss sich der Insolvenzverwalter nach Zugang von Einspruchsentscheidungen innerhalb offener Einspruchsfrist darum bemÅhen, sich eine Entscheidungsgrundlage zu schaffen, die eine angemessene Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Klage ermÇglicht. Regelmsßig werden dafÅr zumindest Ablichtungen der zugrunde liegenden Bescheide, der EinsprÅche und EinspruchsbegrÅndungen und etwaiger znderungsantrsge der Schuldnerin herbeigezogen werden mÅssen.2 Auch in Bezug auf solche Steuersachverhalte genÅgt fÅr eine Haftung nach § 60 InsO einfache Fahrlsssigkeit; nicht anwendbar ist der Haftungsmaßstab des § 69 AO (grobe Fahrlsssigkeit).3 b) Haftung gegenÅber dem Schuldner Dem Schuldner kÇnnen AnsprÅche insbesondere dann erwachsen, wenn der Insolvenzverwalter auf VermÇgensgegenstsnde zugreift und diese ggf. 1 LG DÅsseldorf v. 10.1.2011 – 7 O 193/09. 2 LG DÅsseldorf v. 10.1.2011 – 7 O 193/09. 3 LG DÅsseldorf v. 10.1.2011 – 7 O 193/09.

135

2.338

339

340

Kapitel 2 Insolvenzrecht

versußert, die gar nicht Bestandteil der Insolvenzmasse, sondern des sonstigen (insolvenzfreien) SchuldnervermÇgens waren. Dies gilt insbesondere fÅr die nach § 36 InsO unpfsndbaren Gegenstsnde. Aus einer ungÅnstigen Masseverwertung kÇnnen dem Schuldner hingegen nur in seltenen Fsllen AnsprÅche gegen den Insolvenzverwalter erwachsen. Typischerweise erleiden ggf. nur die Glsubiger einen Schaden, da sich eine geminderte Teilungsmasse automatisch negativ auf ihre Quote auswirkt. FÅr den Schuldner besteht demgegenÅber grundsstzlich unabhsngig von der HÇhe der im Insolvenzverfahren unbefriedigt gebliebenen Verbindlichkeiten die MÇglichkeit der Restschuldbefreiung gem. §§ 286 ff. InsO. HaftungsansprÅche des Schuldners sind vor diesem Hintergrund nur denkbar, wenn bei pflichtgemsßer Verwertung ein (grÇßerer) xberschuss erzielt worden wsre, der gem. § 199 InsO dem Schuldner gebÅhrt hstte. c) Haftung gegenÅber Massegllubigern GegenÅber Masseglsubigern kÇnnen SchadensersatzansprÅche nach § 60 InsO grundsstzlich nur entstehen, wenn ihre Forderungen nicht (vollstsndig) aus der Masse beglichen werden kÇnnen, also namentlich in Fsllen von Masseunzulsnglichkeit, § 208 InsO (Rz. 2.274 ff.). Die Vorschrift hat insbesondere Bedeutung fÅr die Glsubiger sog. oktroyierter Masseverbindlichkeiten, also solcher, auf deren Entstehung der Insolvenzverwalter keinen Einfluss nehmen konnte. FÅr Masseverbindlichkeiten, die durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begrÅndet wurden, enthslt § 61 InsO demgegenÅber eine Spezialregelung. d) Haftung gegenÅber Insolvenzgllubigern

341

Pflichtverletzungen, die einen Schaden bei den Insolvenzglsubigern verursachen, begrÅnden in der Regel einen Gesamtschaden. Hierhin gehÇren alle pflichtwidrigen Schmslerungen der zur Verteilung zur VerfÅgung stehenden Insolvenzmasse sowie alle pflichtwidrigen Mehrungen der Passivmasse, beispielsweise durch unberechtigte Feststellung von Forderungen zur Insolvenztabelle. Der Anspruch auf Ersatz eines Gesamtschadens gehÇrt zur Insolvenzmasse. Wshrend des Insolvenzverfahrens kÇnnen AnsprÅche gegen den Insolvenzverwalter nur von einem neu bestellten Insolvenzverwalter oder einem Sonderinsolvenzverwalter geltend gemacht werden.1 Die durch Minderung der Masse mittelbar geschsdigten Glsubiger kÇnnen den jeweiligen auf sie entfallenden Quotenschaden erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens gegen den Insolvenzverwalter persÇnlich geltend machen (§ 92 InsO).

342

Aber auch Einzelschlden sind denkbar, beispielsweise bei einer Nichtaufnahme einer angemeldeten Forderung zur Tabelle bzw. in das Verteilungs1 BGH v. v. 5.10.1989 – IX ZR 233/87, ZIP 1989, 1407 = NJW-RR 1990, 45 (46).

136

C. ErÇffnetes Verfahren

verzeichnis, bei unterlassener Hinterlegung gem. § 189 Abs. 2 InsO oder §§ 190 Abs. 2 Satz 2, 191 Abs. 1 Satz 2, 198 InsO.1 Auch die Nichtaufnahme nachrangiger Forderungen trotz Feststellung in das Schlussverzeichnis, weil sie ohnehin keine Zuteilung erlangen kÇnnen, ist eine Pflichtverletzung, da die nicht aufgenommenen Glsubiger bei einer Nachtragsverteilung trotz vorhandener Masse prskludiert sind, § 205 InsO. Ist der Fiskus als Steuerglsubiger durch eine pflichtwidrige Handlung des Insolvenzverwalters geschsdigt, muss zwischen der Verletzung insolvenzspezifischer oder steuerrechtlicher Pflichten differenziert werden. Bei einer Verletzung steuerrechtlicher Pflichten ist ein Haftungsbescheid nach § 69 AO zu erlassen. Einer Klage der Finanzverwaltung gegen den Insolvenzverwalter auf Ersatz des Einzelschadens vor den Zivilgerichten fehlt aus diesem Grund das RechtsschutzbedÅrfnis.2 Siehe ausfÅhrlich zur Haftungsinanspruchnahme des (vorlsufigen) Insolvenzverwalters nach § 69 AO Rz. 3.84 ff.

2.343

e) Haftung gegenÅber Aus- und Absonderungsberechtigten Eine Haftung gegenÅber Aus- und Absonderungsberechtigten kann nur begrÅndet werden, wenn der Insolvenzverwalter deren Sicherungsrechte vereitelt.3 Voraussetzung fÅr eine Inanspruchnahme ist, dass die Drittrechte ihm eindeutig bekannt sind bzw. nachgewiesen werden. Der gesicherte Glsubiger muss die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB widerlegen.4 Den Insolvenzverwalter trifft dabei keine eigene Nachforschungsund Ermittlungspflicht.5 MÇgliche Pflichtverletzungen kÇnnen sich aber aus der Verschleuderung von ZubehÇr oder der NichtabfÅhrung6 oder verspsteten AbfÅhrung von VerwertungserlÇsen ergeben. Auch eine Verletzung von Auskunfts- oder Benachrichtigungspflichten nach §§ 167–169 InsO, sowie die Verletzung der Ausgleichspflicht nach § 172 InsO, stellen eine Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters i.S.v. § 60 InsO dar, die dem Aus- oder Absonderungsberechtigten einen Schadensersatzanspruch erwachsen lassen kann.

2.344

2. Haftung nach § 61 InsO Gemsß § 61 Satz 2 InsO haftet der Insolvenzverwalter persÇnlich auf Schadensersatz, soweit Masseverbindlichkeiten, die er selbst begrÅndet hat, spster nicht oder nicht vollstsndig aus der Insolvenzmasse erfÅllt werden kÇnnen. Die Haftung entfsllt gem. § 61 Satz 2 InsO, wenn der In1 2 3 4 5

Lohmann in HeidelbergerKomm/InsO, § 60 Rz. 19 ff. OLG Frankfurt v. 5.11.1986 – 13 U 186/85, ZIP 1987, 456 (456). Eickmann in HeidelbergerKomm/InsO, § 60 Rz. 9. Vgl. OLG Hamburg v. 12.10.1983 – 8 U 52/83, ZIP 1984, 348 (349). BGH v. 9.5.1996 – IX ZR 244/95, ZIP 1996, 1181 = NJW 1996, 2233 (2235); OLG KÇln v. 14.7.1982 – 2 U 20/82, ZIP 1982, 1107 (1107). 6 Vgl. BGH v. 2.12.1993 – IX ZR 241/92, ZIP 1994, 140 (140).

137

2.345

Kapitel 2 Insolvenzrecht

solvenzverwalter darlegen und beweisen kann, dass er die spstere Masseunzulsnglichkeit bei Vornahme der Rechtshandlung nicht erkennen konnte.1

346

Voraussetzung der Haftung ist, dass der Insolvenzverwalter die Masseverbindlichkeit durch eine eigene Rechtshandlung begrÅndet hat. Entsprechend ist eine Haftung nach § 61 InsO fÅr die NichterfÅllung von Masseverbindlichkeiten ausgeschlossen, die ohne seine Beteiligung zustande gekommen sind. Die Haftung wegen NichterfÅllung solcher „oktroyierter“ Masseverbindlichkeiten richtet sich ggf. nach § 60 InsO.

347

Der Insolvenzverwalter haftet im Fall des § 61 InsO auf das negative Interesse.2 Der Insolvenzverwalter muss den geschsdigten Beteiligten so stellen, als hstte er die Masseverbindlichkeit nicht begrÅndet.3 Dabei muss der Glsubiger seinen Ausfallschaden darlegen und beweisen.4

348

Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist zudem ein Verschulden des Insolvenzverwalters erforderlich.5 § 61 Satz 2 InsO statuiert insoweit eine Beweislastumkehr. Der Insolvenzverwalter kann sich nach allgemeiner Auffassung auf zweierlei Art entlasten. Die Haftung entfsllt, wenn objektiv von einer hinreichenden Masse zur ErfÅllung der Masseverbindlichkeiten auszugehen war, oder wenn der Verwalter nicht erkennen konnte, dass dies nicht der Fall war.6 Die Beweislast trsgt insoweit der Insolvenzverwalter.7 Die Exkulpation wird dem Insolvenzverwalter regelmsßig nur gelingen, wenn er zu Dokumentationszwecken auf eine zu Beginn der BetriebsfortfÅhrung zum Zwecke der Liquiditstssteuerung aufgestellte Finanzplanung zurÅckgreifen kann, die in der Folge stsndig Åberwacht und aktualisiert wurde. Der Beweis scheitert, wenn aus der objektiven Sicht eines ordentlichen Insolvenzverwalters der Eintritt der Masseunzulsnglichkeit wahrscheinlicher war, als deren Nichteintritt.8

1 Klopp/Kuth in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 23 Rz. 24. 2 BGH v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZIP 2004, 1107 = BGHZ 159, 104; v. 17.12.2004 – IX ZR 185/03, ZIP 2005, 311 = ZInsO 2005, 205 (206); BAG v. 19.1.2006 – 6 AZR 600/04, ZIP 2006, 1058 (1058). 3 BGH v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, BGHZ 159, 104 = ZIP 2004, 1107 (117 ff.); BAG v. 19.1.2006 – 6 AZR 600/04, NZI 2006, 719 (720). 4 Weitzmann in HamburgerKomm/InsO, § 61 Rz. 10. 5 Vergleiche BGH v. 22.1.1985 – VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423; Blersch in BerlinerKomm/InsO, § 61 Rz. 5. 6 BGH v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZIP 2004, 1107 = DStR 2004, 1220 (1223). 7 BGH v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZIP 2004, 1107 = DStR 2004, 1220 (1224). 8 Sinz in Uhlenbruck, § 61 InsO Rz. 25.

138

C. ErÇffnetes Verfahren

IX. VergÅtung des Insolvenzverwalters Literatur Andres, Die VergÅtung des vorlsufigen Insolvenzverwalters, Rpfleger 2006, 517; Becker, Die „kalte Zwangsverwaltung“ im VergÅtungssystem der InsVV, ZInsO 2013, 2532; Blersch, Die znderung der insolvenzrechtlichen VergÅtungsverordnung, ZIP 2004, 2311; Graeber, VergÅtungsrecht in der Insolvenzpraxis: VergÅtung des Sonderinsolvenzverwalters – ZukÅnftig pro bono?, ZInsO 2008, 847; Die Einbeziehung von Forderungen und Betriebsausgaben des Insolvenzschuldners in die Berechnungsgrundlage des vorlsufigen Insolvenzverwalters, NZI 2007, 492; Graeber/ Graeber, Die Behandlung verjshrter VergÅtungsansprÅche des vorlsufigen Insolvenzverwalters im gerichtlichen Festsetzungsverfahren, ZInsO 2010, 465; Die Vergleichsrechnung bei mehreren masseerhÇhenden ZuschlagsgrÅnden in der InsolvenzverwaltervergÅtung, NZI 2012, 355; Haarmeyer, Zwischenruf: Schuldner, kommst du nach Dessau, lass alle Hoffnung fahren oder terra incognita, ZInsO 2010, 324; Der (vergÅtungsrechtliche) Normalfall der Insolvenz ist die Abwesenheit jedweder Normalitst, oder „Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab.“, ZInsO 2014, 1237; BerÅcksichtigung von Aus- und Absonderungsrechten bei der VergÅtungsberechnung des vorlsufigen Insolvenzverwalters, NZI 2006, 271; Holzer, Die Reform der InsVV, NZI 2013, 1049; Keller, Advs. haereses – Glaubenskampf um die Berechnungsgrundlage der VergÅtung des vorlsufigen Insolvenzverwalters, ZIP 2008, 1615; Berechnungsformeln zur VergÅtung des Insolvenzverwalters, NZI 2005, 23; Die VergÅtung des Insolvenzverwalters bei UnternehmensfortfÅhrung, DZWIR 2009, 231; Zur Berechnungsgrundlage fÅr die VergÅtung des Insolvenzverwalters, insbesondere zur BerÅcksichtigung der auf seine VergÅtung gezahlten und erstatteten Umsatzsteuer, DZWIR 2009, 350; Zur Geltendmachung der Verjshrung des VergÅtungsanspruchs des vorlsufigen Insolvenzverwalters, EWiR 2009, 783; KÅpper/Heinze, Die Verfassungswidrigkeit der Absnderungsbefugnis nach § 11 Abs. 2 Satz 2 InsVV, ZInsO 2007,231; Looff, Die VergÅtung des Sonderinsolvenzverwalters, DZWIR 2009, 14; LÅke/Scherz, Zur VergÅtung des Sonderinsolvenzverwalters, WuB VI A 3 § 63 InsO 1.09; Mitlehner, Zur Festsetzung der VergÅtung des vorlsufigen Insolvenzverwalters bei NichterÇffnung des Verfahrens, EWiR 2010, 195; Nicht/Schildt, Der Vorschussanspruch des Insolvenzverwalters – Rechtsgrundlage, Festsetzung und Rechtsmittel des Insolvenzverwalters, NZI 2010, 466; Onusseit, Zur Einbeziehung der Vorsteuer in die Berechnungsgrundlage, ZInsO 2009, 2285; Prasser, Zur Reduzierung der InsolvenzverwaltervergÅtung bei vorhergehender Tstigkeit als Sachverstsndiger, EWiR 2010, 65; Rauschenbusch, Zur Zuschlagsberechnung bei einer BetriebsfortfÅhrung, ZInsO 2011, 1730; Riewe, Festsetzung der VergÅtung des vorlsufigen Insolvenzverwalters bei fehlender ErÇffnung des Insolvenzverfahrens, NZI 2010, 131; Schildt, Der Vorschussanspruch des Insolvenzverwalters – Rechtsgrundlage, Festsetzung und Rechtsmittel des Insolvenzverwalters, NZI 2010, 466; Smid, Sofortige Beschwerde des nach § 57 InsO neugewshlten Insolvenzverwalters gegen den unter Verletzung von Amtsermittlungspflichten erlassenen Beschluss Åber die VergÅtung des abgewshlten Verwalters, ZInsO 2009, 650; Uhlenbruck, Ablehnung einer Entscheidung Åber die Kosten des vorlsufigen Insolvenzverwalters – ein Fall der Rechtsschutzverweigerung?, NZI 2010, 161; VIll, Die VergÅtung des vorlsufigen Insolvenzverwalters – Zur Neufassung des § 11 InsVV durch die zweite znderungsverordnung zur InsVV, FS Fischer 2008, 547; Vallender, Die BeschlÅsse des BGH zur VergÅtung des vorlsufigen Insolvenzverwalters – eine Gefahr fÅr den Insolvenzstandort Deutschland?, NJW 2006, 2956; Vortmann, Zur VergÅtung des Sonderinsolvenzverwalters, KTS 2009, 234;

139

Kapitel 2 Insolvenzrecht Wischemeyer, Auswirkungen einer BetriebsfortfÅhrung im erÇffneten Insolvenzverfahren auf die VergÅtung des Insolvenzverwalters, NZI 2005, 534.

349

Der Insolvenzverwalter hat nach § 63 InsO einen Anspruch auf VergÅtung fÅr seine GeschsftsfÅhrung und Erstattung seiner Auslagen, welche gem. § 64 InsO durch das Insolvenzgericht festgesetzt werden. Die HÇhe richtet sich dabei nach der Insolvenzrechtlichen VergÅtungsverordnung (InsVV).

350

Ausgangspunkt fÅr die Festsetzung der InsolvenzverwaltervergÅtung ist die Berechnungsgrundlage (§ 1 InsVV). Diese richtet sich nach dem Wert der Insolvenzmasse, auf die sich die Schlussrechnung bezieht. Die Schlussrechnung (§ 66 InsO) stellt die Summe aller vom Insolvenzverwalter erzielten Einnahmen bzw. VerwertungserlÇse dar. Fallen nach Schlussrechnungslegung weitere Betrsge an, die der Insolvenzmasse zufließen, so sind diese nachtrsglich zu berÅcksichtigen. Dies gilt insbesondere fÅr SteuererstattungsansprÅche und insbesondere die Vorsteuererstattung auf die InsolvenzverwaltervergÅtung.1 Hinzuzusetzen sind zudem gem. § 1 Abs. 2 Ziff. 1 InsVV Gegenstsnde, die mit Absonderungsrechten belastet waren, wenn sie durch den Insolvenzverwalter verwertet wurden. Allerdings ist der Mehrbetrag der VergÅtung, der sich durch BerÅcksichtigung von Absonderungsgegenstsnden ergibt, auf 50 % des an die Masse als Feststellungskosten geflossenen Betrages (gemsß § 171 Abs. 1 InsO 4 % des VerwertungserlÇses) begrenzt, § 1 Abs. 2 Ziff. 1 Satz 2 InsVV. Die Kappung erfordert bei der BerÅcksichtigung von Absonderungsrechten eine Vergleichsrechnung, durch die festgestellt wird, wie hoch die VergÅtung bei Außerachtlassung der Absonderungsgegenstsnde und bei voller BerÅcksichtigung ihres Wertes wsre, um sodann die Deckelung zu ermitteln.2 Von der als Berechnungsgrundlage zu berÅcksichtigenden Masse sind die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten grundsstzlich nicht abzusetzen (§ 1 Abs. 2 Ziff. 4 InsVV). Ausnahmen hiervon gelten lediglich fÅr solche Betrsge, die der Verwalter nach § 5 InsVV fÅr den Einsatz besonderer Sachkunde erhalten hat und fÅr die im Rahmen einer BetriebsfortfÅhrung angefallenen Masseverbindlichkeiten. Ansonsten sind Masseverbindlichkeiten nicht von der Berechnungsgrundlage abzusetzen, auch wenn sie einen erheblichen Umfang ausmachen.

351

Die HÇhe der RegelvergÅtung richtet sich nach § 2 InsVV. Unabhsngig von der HÇhe der Insolvenzmasse insgesamt erhslt der Insolvenzverwalter von den ersten Euro 25 000 der Insolvenzmasse 40 %, von dem Mehrbetrag bis zu Euro 50 000 25 %, von dem Mehrbetrag bis zu Euro 250 000 7 %, von dem Mehrbetrag zu Euro 500 000 3 %, von dem Mehrbetrag bis Euro 25 000 000 2 % und von dem Mehrbetrag bis zu Euro 50 000 000 1 % und von dem darÅber hinausgehenden Betrag 0,5 %. Die MindestvergÅtung betrsgt gem. § 2 Abs. 2 InsVV Euro 1000,00. Auch hierbei handelt 1 Kind in Braun, § 63 InsO Rz. 3. 2 Vgl. hierzu das sehr hilfreiche Berechnungsbeispiel von Lorenz in FrankfurterKomm/InsO, Anhang III, § 1 InsVV, Rz. 18.

140

C. ErÇffnetes Verfahren

es sich um eine RegelmindestvergÅtung. Gemsß § 3 InsVV kÇnnen Zuund Abschlsge zu der RegelvergÅtung festgesetzt werden. Die hsufigsten Fslle von Zuschlsgen sind besonders aufwendige Bearbeitung von Ausund Absonderungsrechten, die UnternehmensfortfÅhrung und die Abwicklung von Arbeitsverhsltnissen, insbesondere das Ausstellen von Insolvenzgeldbescheinigungen und die Insolvenzgeldvorfinanzierung. Das System der Zu- und Abschlsge gem. § 3 InsVV stellt ein flexibles System zur Findung einer angemessen VergÅtung in jedem Einzelfall dar. Keinesfalls sind die katalogartig aufgefÅhrten Fslle von Zu- und Abschlsgen in § 3 InsVV abschließend:1 Rechtsprechung und Literatur haben eine Vielzahl weiterer Kriterien entwickelt, anhand derer Zu- und Abschlsge im Einzelfall vorgenommen werden kÇnnen. Entscheidend ist lediglich, dass das konkrete Insolvenzverfahren außergewÇhnliche Umstsnde aufweist, die von dem Durchschnitt der Insolvenzverfahren abweichen. Zuschlsge sind demnach je nach den Gegebenheiten des Einzelfalles insbesondere fÅr folgende Umstsnde zu gewshren: – Arbeitnehmerangelegenheiten, unbeschadet der ErhÇhungen fÅr Insolvenzgeld und Sanierungsmaßnahmen (bis zu 25 %)2 – Auffanggesellschaft (5 % bis 10 %)3 – AuslandsberÅhrung (bis zu 30 %)4 – Beschsftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (5 % bis 10 %)5 – Beteiligungen an anderen Unternehmen (5 % bis 20 % je Unternehmensbeteiligung zumindest dann, wenn diesbezÅglich Gesellschafterrechte aktiv wahrgenommen und VerwertungsbemÅhungen unternommen worden sind)6 – BetriebsfortfÅhrung (30 % bis 100 %)7 1 Nowak in MÅnchKomm/InsO, § 3 InsVV, Rz. 1. 2 LG Bielefeld v. 15.7.2004 – 28 T 280/04, ZInsO 2004, 1250 (1252): ErhÇhung um 10 %; AG Bonn v. 9.7.1999 – 98 IN 23/99, ZIP 1999, 2167 = ZInsO 2000, 55 (55): Bei 50 Arbeitnehmern und 150 Glsubigern ErhÇhung um 25 %. 3 LG Neubrandenburg v. 26.11.2002 – 4 T 257/02, ZInsO 2003, 26(28): ErhÇhung um 5 %. 4 LG Braunschweig v. 29.1.2001 – 8 T 947/00 (588), ZInsO 2001, 552 (554): ErhÇhung wegen erschwerter Verwaltung um ca. 6 %. 5 LG Neubrandenburg v. 26.11.2002 – 4 T 257/02, ZInsO 2003, 26 (28): 5 %. 6 LG Baden-Baden v. 21.12.1998 – 3 T 43/97, ZIP 1999, 1138 = ZIP 2000, 1138 = NZI 1999, 159 (161 ff.): Bei 6 Tochtergesellschaften ErhÇhung um 100 %. 7 BGH v. 14.12.2000 – IX ZB 105/00, ZIP 2001, 296 = NJW 2001, 1496 (1499): ErhÇhung um 15 % nicht zu beanstanden; LG Traunstein v. 13.4.2004 – 4 T 3690/03, ZIP 2004, 1657 (1659): ErhÇhung um 65 % bei 138 Arbeitnehmern und 2 Monaten BetriebsfortfÅhrung; AG Chemnitz v. 16.3.2001 – 128 IN 1617/99, ZIP 2001, 1473 (1474): ErhÇhung um 100 % bei BetriebsfortfÅhrung Åber 2,5 Monate mit 120 Arbeitnehmern und 2 Betriebsststten; LG Bielefeld v. 15.7.2004 – 28 T 280/04, ZInsO 2004, 1250 (1252): ErhÇhung um 75 % bei BetriebsfortfÅhrung Åber 3 Monate mit 60 Arbeitnehmern; AG Dresden v. 12.11.2004 – 558 IN 163/99, ZIP 2005, 88 (88): Bei BetriebsfortfÅhrung eines Restaurants mit 3 Arbeitnehmern Åber 2 Monate ErhÇhung um 10 %.

141

2.352

Kapitel 2 Insolvenzrecht

– Betriebsststten (bei mehreren Betriebsststten je zusstzlicher Betriebsststte bis zu 50 %, wobei die HÇhe des jeweiligen Zuschlags an der organisatorischen Selbstsndigkeit der Betriebsststte zu orientieren ist, weil mit steigender Selbstsndigkeit der Betriebsststte der Organisationsaufwand des Insolvenzverwalters steigt)1 – Buchhaltung (bei unvollstsndiger Finanz- oder Personalbuchhaltung 30 % bis 50 %)2 – Destruktiver/obstruierender/nicht zur vollstsndigen Auskunft fshiger Schuldner bzw. Erbe, Nachlassverwalter, Nachlasspfleger oder Testamentsvollstrecker (25 % bis 50 %)3 – Besonders große Glsubigerzahl (bis zu 20 %)4 – Immobilienverwaltung bei vermieteten Immobilien (Zuschlag kann an den ZwangsverwaltervergÅtungssstzen nach § 152a ZVG orientiert werden;5 grundsstzlich dÅrfte es angemessen sein, je Gewerbe- oder Wohneinheit einen Zuschlag von 3 % zu gewshren, wenn die Mieteinnahmen in der Masse verbleiben; verbleiben die Mieteinnahmen etwa wegen Vereinbarung einer „kalten Zwangsverwaltung“ nur zu einem geringen Teil in der Insolvenzmasse, weil sie zu einem großen Teil an den Grundpfandrechtsinhaber ausgekehrt werden mÅssen, so sind Zuschlsge von 5 % bis 10 % je Einheit angemessen, da der Verwaltungsaufwand des Insolvenzverwalters hoch ist, ohne dass die Berechnungsgrundlage entsprechend erhÇht wird)6 – Insolvenzgeldvorfinanzierung (5 % bis 10 %)7 – Insolvenzplan (bei Erarbeitung eines Insolvenzplanes durch den Insolvenzverwalter bis zu 50 %; bei PrÅfung eines Insolvenzplanes, der durch einen anderen Beteiligten vorgelegt worden ist bis zu 10 %) – Masse (bei besonders großer Masse bis zu 50 %)8

1 LG Neubrandenburg v. 26.11.2002 – 4 T 257/02, ZInsO 2003, 26 (28): ErhÇhung um 20 % bei 12 Filialen; LG Braunschweig v. 29.1.2001 – 8 T 947/00 (588), ZInsO 2001, 552 (554): ErhÇhung um 62,5 % wegen zweiter Betriebsststte. 2 BGH v. 23.9.2004 – IX ZB 215/03, BGH NZI 2004, 665 (665): ErhÇhung um 50 %. 3 LG MÇnchengladbach v. 5.7.2001 – 5 T 109/01, ZInsO 2001, 750 (751): ErhÇhung bei bloßer Auskunftsverweigerung um 10 %. 4 AG GÇttingen v. 2.7.1999 – 71/74 IN 49/99, ZInsO 1999, 482 (482): Bei 350 Glsubigern ErhÇhung um 5 %; AG Bonn v. 9.7.1999 – 98 IN 23/99, ZIP 1999, 2167 = ZInsO 2000, 55 (55): Bei 150 Glsubigern ErhÇhung um 25 %. 5 So auch Lorenz in FrankfurterKomm/InsO, Anhang III, § 3 InsVV, Rz. 15a. 6 BGH v. 4.11.2004 – IX ZB 52/04, ZIP 2004, 2448 = ZInsO 2004, 1350 (1350): ErhÇhung um mehr als 15 % bei 103 Objekten; LG Neubrandenburg v. 26.11.2002 – 4 T 257/02, ZInsO 2003, 26 (28): ErhÇhung um 10 %. 7 LG Traunstein v. 26.8.2004 – 4 T 885/04, ZInsO 2004, 1198 (1200): ErhÇhung um 10 %; LG Traunstein v. 13.4.2004 – 4 T 3690/03, ZIP 2004, 1657 (1659): ErhÇhung um 25 % bei 138 Arbeitnehmern; BGH v. 4.11.2004 – IX ZB 52/04, ZIP 2004, 2448 = ZInsO 2004, 1350 (1351): ErhÇhung um 5 %; BGH v. 14.12.2000 – IX ZB 105/00, ZIP 2001, 296 = ZInsO 2001, 165 (169): ErhÇhung um 5 %. 8 LG Braunschweig v. 29.1.2001 – 8 T 947/00 (588), ZInsO 2001, 552 (555); Bei mehr als 50 Mio. DM ErhÇhung um 50 %.

142

C. ErÇffnetes Verfahren

– – – –

Poolvereinbarung (20 % bis 50 %)1 Rechnungswesen, desolates (10 %)2 Sanierung (30 % bis 80 %)3 SanierungsbemÅhungen ohne tatsschlichen Sanierungserfolg (20 % bis 40 %) – Sozialplan (10 % bis 25 %)4 – Verhandlungen mit Glsubigerbanken (bis zu 10 %)5 – Verhandlungen mit Interessenten/xbernehmern (5 % bis 20 %)6 Anerkannte Abschlsge: – UngewÇhnlich kurze Dauer des Verfahrens7 – Vorzeitige Beendigung8

2.353

Die VergÅtung nach §§ 2, 3 InsVV deckt grundsstzlich ssmtliche Verwaltungskosten des Insolvenzverwalters ab (§ 4 InsVV). Zu dem Verwaltungsaufwand gehÇren neben seinen allgemeinen BÅrokosten wie Miete, Kosten der Ausstattung, Strom und zhnliches insbesondere seine Personalkosten. Dessen ungeachtet kÇnnen jedoch bestimmte Leistungen, die der Insolvenzverwalter unmittelbar fÅr die Masse in Anspruch nimmt, auf Kosten und Rechnung der Masse ausgefÅhrt werden. Es haben sich bestimmte Bereiche entwickelt, in denen der Insolvenzverwalter grundsstzlich ganz oder teilweise auf aus der Masse bezahlte Hilfskrsfte zurÅckgrei-

2.354

1 LG Bielefeld v. 15.7.2004 – 28 T 280/04, ZInsO 2004, 1250 (1252): ErhÇhung um 25 % bei 800 Glsubigern; LG Braunschweig v. 29.1.2001 – 8 T 947/00 (588), ZInsO 2001, 552 (553): ErhÇhung um 50 %. 2 Vgl.: LG Bonn v. 20.9.2002 – 2 T 12/02, ZInsO 2002, 1030 (1030). 3 LG Bielefeld v. 15.7.2004 – 28 T 280/04, ZInsO 2004, 1250 (1252): Bei unattraktivem Unternehmen und hohem Zeitaufwand ErhÇhung um 20 %; AG Bergisch Gladbach v. 11.1.2000 – 33 N 68/98, ZIP 2000, 283 = ZInsO 2000, 172 (172): Bei 53 Arbeitnehmern und Erstellung eines Sanierungskonzeptes ErhÇhung um 200 %. 4 AG Bielefeld v. 18.5.2000 – 43 IN 466/99, ZInsO 2000, 350 (350): ErhÇhung um 25 %. 5 BGH v. 4.11.2004 – IX ZB 52/04, ZIP 2004, 2448 = ZInsO 2004, 1350 (1351): Bei Verhandlung bezÅglich der Verwertung von belastetem ImmobilienvermÇgen ErhÇhung um 5 %. 6 LG Traunstein v. 26.8.2004 – 4 T 885/04, ZInsO 2004, 1198 (1200): ErhÇhung um 5 %; LG Bielefeld v. 15.7.2004 – 28 T 280/04, ZInsO 2004, 1250 (1252): ErhÇhung um 20 %. 7 OLG Celle v. 25.9.2001 – 2 W 92/01, NZI 2001, 650 (652); OLG KÇln v. 19.12.2001 – 2 W 218/01, ZInsO 2002, 873 (873 f.): Dauer von nur 1 Monat und 5 Tagen fÅhrt zu einem Abschlag von 10 %; LG GÇttingen v. 25.11.2002 – 10 T 62/02, ZInsO 2003, 25 (26): Dauer von 2,5 Wochen fÅhrt bei nur geringfÅgiger Tstigkeit zu einem Abschlag von 15 %; OLG Celle v. 17.9.2001 – 2 W 53/01, NZI 2001, 653 (653): Bei Dauer von nur 2 Monaten ist kein Abschlag vorzunehmen. 8 BGH v. 16.12.2004 – IX ZB 301/03, ZIP 2005, 180 = ZInsO 2005, 85 (85): BerÅcksichtigung durch Reduzierung der Regelsstze.

143

Kapitel 2 Insolvenzrecht

fen darf. Im Einzelnen sind insbesondere folgende Bereiche hervorgetreten:

355

Buchhaltung und Bilanzierung: Sofern ein Insolvenzverfahren eine Buchhaltung und Bilanzierung erfordert, kann der Insolvenzverwalter diese Tstigkeitsbereiche grundsstzlich auf Kosten der Masse von Externen bearbeiten lassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Schuldner zuvor diese Tstigkeiten bereits von einem Drittunternehmen hatte ausfÅhren lassen. Zur Buchhaltung und Bilanzierung gehÇrt es auch, die Buchhaltung aus der Zeit vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens durch geschultes Personal sichten und ggf. berichtigen zu lassen. FÅhrt der Insolvenzverwalter diese Tstigkeiten mit eigenem Personal aus, so ist dies jedenfalls vergÅtungserhÇhend zu berÅcksichtigen.

356

Steuerangelegenheiten: Die Erstellung von Steuererklsrungen, die DurchfÅhrung von Einspruchs- und Klageverfahren und sonstige Steuerangelegenheiten sind grundsstzlich solche Tstigkeiten, die der Insolvenzverwalter durch externe Dritte auf Kosten der Masse durchfÅhren lassen kann. FÅhrt der Insolvenzverwalter solche Tstigkeiten selbst mit Hilfe eigenen Personals durch, so sind diese Tstigkeiten vergÅtungserhÇhend zu berÅcksichtigen.

357

Beitreibung von Forderungen: Die Beitreibung von Forderungen gehÇrt grundsstzlich zur originsren Tstigkeit des Insolvenzverwalters. Da das Insolvenzgericht bei der Auswahl des Insolvenzverwalters regelmsßig eine geschsftserfahrene Person auswshlen wird, die Åber die MÇglichkeiten des Einzugs von Forderungen verfÅgt, kann dieser Tstigkeitsbereich weder auf Dritte Åbertragen werden, noch fÅhrt die SelbstausfÅhrung durch den Insolvenzverwalter zu einer VergÅtungserhÇhung. Anderes gilt lediglich dann, wenn der Forderungseinzug in einem bestimmten Verfahren einen außergewÇhnlichen Umfang annimmt oder auf außergewÇhnliche Schwierigkeiten trifft. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn kurz nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens in einer Vielzahl von Forderungen, die ihrem Grunde nach noch ÅberprÅft werden mÅssen (z.B. Bauforderungen) Verjshrung einzutreten droht. Auch wenn die Forderungen streitig sind und die Einschaltung eines Rechtsanwaltes erforderlich ist, der die Forderungen gerichtlich geltend macht, darf der Verwalter Externe einschalten. Dies fÅhrt dann nicht zu einem Abschlag von seiner VergÅtung. Ebenfalls kann eine xbertragung auf Dritte erfolgen, wenn Vollstreckungen im Ausland durchzufÅhren sind, da der Insolvenzverwalter Åber derartige personelle Kapazitsten grundsstzlich nicht zu verfÅgen braucht.

358

Verwertung von Massegegenstlnden: Die Verwertung von Massegegenstsnden darf der Insolvenzverwalter regelmsßig durch externe Verwertungsgesellschaften durchfÅhren lassen. Er muss hierfÅr auch keine Abschlsge von seiner VergÅtung hinnehmen. Der Insolvenzverwalter verfÅgt regelmsßig nicht Åber die speziellen Kenntnisse des Immobilienmarktes,

144

C. ErÇffnetes Verfahren

des Gebrauchtmaschinenmarktes, des Gebrauchtautomobilmarktes oder zhnlicher, so dass es hier regelmsßig der Einschaltung eines externen Dritten bedarf. Haftpflichtversicherung: § 4 Abs. 3 InsVV ermÇglicht es ausdrÅcklich, dass der Insolvenzverwalter zur Abdeckung besonderer Risiken eines Insolvenzverfahrens eine Individualhaftpflichtversicherung abschließt. Der Abschluss dieser Versicherung darf grundsstzlich auf Kosten der Masse erfolgen, wenn in dem Insolvenzverfahren besondere, verfahrensspezifische Risiken zu entstehen drohen. xberdurchschnittliche Risiken ergeben sich insbesondere bei BetriebsfortfÅhrungen, bei der Beurteilung gesellschaftsrechtlicher Verhsltnisse oder bei der Beurteilung gewerblicher Schutzrechte. Auch im GrundstÅcksbereich kÇnnen besondere Risiken entstehen.

2.359

pber die VergÅtung hinausgehende, besondere Honorare erhslt der Insolvenzverwalter, wenn er als Rechtsanwalt zugelassen ist und Tstigkeiten ausfÅhrt, fÅr die ein nicht als Rechtsanwalt zugelassener Insolvenzverwalter Åblicherweise einen Rechtsanwalt einschalten wÅrde (§ 5 InsVV). Gleiches gilt fÅr WirtschaftsprÅfer oder Steuerberater in Ansehung von ihnen ausgefÅhrter Buchhaltungs- oder Bilanzierungststigkeiten. Die besonderen Honorare sind fÅr ssmtliche Angelegenheiten jeweils einzeln nach den fÅr die VergÅtung von Rechtsanwslten, WirtschaftsprÅfern oder Steuerberatern geltenden gesetzlichen Vorschriften zu bemessen. Die Erstattungsfshigkeit von Honoraren eines Rechtsanwaltes ist nicht auf Zivilrechtstreite beschrsnkt, sondern gilt auch fÅr Arbeits-, Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsstreitigkeiten. Ein gesondertes Honorar steht dem Rechtsanwalt aber auch dann zu, wenn nicht eine prozessuale Auseinandersetzung entstanden ist, sondern der Rechtsanwalt im Bereich der Verhandlung oder Bearbeitung komplizierter Vertrsge tstig geworden ist.

2.360

Zusstzlich zur VergÅtung und zur Erstattung von Auslagen erhslt der Insolvenzverwalter die gesetzliche Umsatzsteuer festgesetzt (§ 7 InsVV). Schließlich erhslt der Insolvenzverwalter Ersatz seiner Auslagen (§ 8 Abs. 1, 3 InsVV). Der Insolvenzverwalter kann wshlen, ob er die ihm tatsschlich entstandenen Auslagen gesondert aufzshlen und deren Festsetzung beantragen mÇchte, oder ob er gem. § 8 Abs. 3 InsVV einen Pauschalsatz verlangt. Dieser betrsgt im ersten Jahr 15 %, danach 10 % der RegelvergÅtung, hÇchstens jedoch Euro 250 je angefangenen Monat der Dauer der Tstigkeit des Insolvenzverwalters. Der Pauschalsatz darf insgesamt 30 % der RegelvergÅtung nicht Åberschreiten. Die Pauschalsstze sind zwingend. Weder dem Insolvenzverwalter noch dem Insolvenzgericht steht ein Ermessen bei der Bestimmung der Pauschalsstze zu. Die Begrenzung auf 30 % der RegelvergÅtung ist absolut. Auch sie ist nicht versnderbar.

2.361

145

362

363

Kapitel 2 Insolvenzrecht

X. Abwicklung des schuldnerischen Rechtstrlgers In der Literatur ist nach wie vor umstritten, ob die Pflichten des Insolvenzverwalters auch die Aufgabe umfassen, die Schuldnergesellschaft gsnzlich im Insolvenzverfahren abzuwickeln – eine gesellschaftsrechtliche Liquidation wsre damit hinfsllig.1 Dies hstte zur Folge, dass die Freigabe von Gegenstsnden nicht mehr mÇglich und der Insolvenzverwalter zudem verpflichtet wsre, originsre gesellschaftsrechtliche Pflichten zur Abwicklung der Gesellschaft zu erledigen. Die daraus anfallenden Kosten fielen der Masse und damit der Glsubigergemeinschaft zur Last. Das auf Gesamtvollstreckung ausgerichtete Insolvenzverfahren wÅrde damit um die Sicherstellung der ErfÅllung nichtvermÇgensrechtlicher Pflichten des Schuldners erweitert. Der BGH hat zu der aufgeworfenen Problematik Stellung bezogen, indem er den von der Vorinstanz2 vertretenen Grundsatz der Vollbeendigung ausdrÅcklich abgelehnt hat:3 „Das Insolvenzverfahren dient vorrangig dazu, die Glnubiger des Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem dessen VermÇgen verwertet und der ErlÇs verteilt wird (§ 1 Satz 1 InsO). ... Daraus folgt, dass das Ziel einer Vollbeendigung der Gesellschaft im Insolvenzverfahren jedenfalls dort zurÅcktreten muss, wo es in Widerspruch zu den Belangen der Glnubigergesamtheit gernt. Das berechtigte Interesse der Glnubiger, aus der Masse eine Befriedigung ihrer AnsprÅche zu erhalten und deshalb mÇglichst die Entstehung von Verbindlichkeiten zu vermeiden, die das zur Verteilung zur VerfÅgung stehende VermÇgen schmnlern, hat im Rahmen der insolvenzrechtlichen Abwicklung unbedingten Vorrang ... ... Ein rechtlich schutzwÅrdiges BedÅrfnis, dem Verwalter die MÇglichkeit der Freigabe einzurnumen, besteht regelmnßig dort, wo zur Masse Gegenstnnde gehÇren, die wertlos sind oder Kosten verursachen, welche den zu erwartenden VernußerungserlÇs mÇglicherweise Åbersteigen. Dies hat insbesondere bei wertausschÇpfend belasteten oder erheblich kontaminierten GrundstÅcken große praktische Bedeutung. Es wnre mit dem Zweck der Glnubigerbefriedigung nicht zu vereinbaren, wenn der Insolvenzverwalter in solchen Fnllen gezwungen wnre, Gegenstnnde, die nur noch geeignet sind, das SchuldnervermÇgen zu schmnlern, allein deshalb in der Masse zu behalten, um eine Vollbeendigung der Gesellschaft zu bewirken.“4

Der BGH hat damit den Umfang der insolvenzrechtlichen Abwicklungspflichten des Insolvenzverwalters fÅr alle Schuldner einheitlich auf den vermÇgensrechtlichen Bereich beschrsnkt. Daher gilt fÅr die Liquidation von Gesellschaften, dass im Falle einer vollstsndigen Abwicklung des GesellschaftsvermÇgens im Insolvenzverfahren, bei der es außer der LÇschung im Handelsregister keiner zusstzlichen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen zur Abwicklung mehr bedarf, kein Nachtragsliquidator bestellt werden muss, da die LÇschung von Amts wegen erfolgt. Der Insol1 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 133; MÅller in Jaeger, § 35 InsO Rz. 146. 2 OLG Karlsruhe v. 25.7.2003 – 14 U 207/01, ZIP 2003, 1510 (1511, 1512). 3 Gegen eine Pflicht zur Vollbeendigung auch: Ott/Vuia in MÅnchKomm/InsO, § 80 Rz. 69, 114, 142 m.w.N. 4 BGH v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, ZIP 2004, 2024 = NJW 2005, 2015 (2016); a.A. Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 135.

146

C. ErÇffnetes Verfahren

venzverwalter kann einen etwaigen xberschuss direkt an die Gesellschafter herausgeben, § 199 Satz 2 InsO. Wurde das GesellschaftsvermÇgen hingegen nicht vollstsndig abgewickelt, weil beispielsweise Gegenstsnde freigegeben wurden oder sind weitere gesellschaftsrechtliche Maßnahmen erforderlich, verbleibt dies in der Zustsndigkeit und Pflicht der Gesellschaft selbst.

147

Kapitel 2 Insolvenzrecht

D. Insolvenz des Steuerberaters I. Besonderheiten bei Steuerberatern

364

Der Steuerberater ist als unabhsngiges Organ der Steuerrechtspflege verpflichtet, seine persÇnliche und wirtschaftliche Unabhsngigkeit gegenÅber jedermann zu wahren (§ 2 Abs. 1, 3 BOStB). Vor diesem Hintergrund wirft die Zahlungsunfshigkeit bzw. der VermÇgensverfall eines Steuerberaters Probleme auf. Gemsß §§ 286 ff. InsO haben aber auch Steuerberater die MÇglichkeit, sich im Rahmen der Restschuldbefreiung von ihren Verbindlichkeiten zu befreien.

365

Einstweilen frei.

II. Berufsrechtliche Konsequenzen 1. VermÇgensverfall des Steuerberaters

366

Dem Steuerberater ist gem. § 46 Abs. 2 Ziff. 4 StBerG die Zulassung zu entziehen, wenn er in VermÇgensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefshrdet sind. Daraus lssst sich entnehmen, dass allein der VermÇgensverfall des Steuerberaters nicht ausreicht, um den Entzug der Zulassung zu rechtfertigen. Kann er glaubhaft darlegen, dass die Interessen seiner Auftraggeber nicht gefshrdet sind, so ist ihm die Zulassung zu belassen.1

367

Die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Steuerberaters oder die Eintragung in das vom Insolvenzgericht nach § 26 Abs. 2 InsO bzw. das vom Vollstreckungsgericht gem. § 915 ZPO zu fÅhrende Verzeichnis begrÅndet die gesetzliche Vermutung des VermÇgensverfalls des Steuerberaters.2 Trotz der gesetzlichen Vermutung des VermÇgensverfalls des Steuerberaters durch die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis besteht die MÇglichkeit, diese Vermutung zu widerlegen, beispielsweise durch Vorlage eines VermÇgensverzeichnisses oder Darlegung eines geordneten Zahlungsverhaltens.

368

Nach der Rechtsprechung des BFH wird VermÇgensverfall eines Steuerberaters ferner angenommen, wenn dieser in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhlltnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und er außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen.3 Ungeordnete wirtschaftliche Verhsltnisse sind zu vermuten, wenn der 1 BFH v. 22.9.1992 – VII R 43/92, BStBl. II 1993, 203 = DStR 1993, 1044 (1044). 2 BFH v. 17.12.2009 – VII B 71/09, DStR 2010, 776 (776); v. 3.3.2009 – VII B 126/08; FG Nds. v. 27.11.2008 – 6 K 416/07, DStRE 2009, 1281 (1281). 3 BFH v. 3.11.1992 – VII R 95/91, BFH/NV 1993, 624 (624); v. 9.4.2009 – VII B 113/08, BFH/NV 2009, 1282 (1282); FG Rh.-Pf. v. 9.4.2008 – 2 K 1796/07, BeckRS 2008 26026676.

148

D. Insolvenz des Steuerberaters

Steuerberater seinen elementaren finanziellen Verpflichtungen, wie die Leistung der Haftpflichtversicherung1 oder die Zahlung der Arbeitnehmerentgelte, nicht nachkommt. Hierbei ist der Grund fÅr die Nichtleistung des Schuldners vÇllig unerheblich.2 Die Annahme nicht geordneter wirtschaftlicher Verhsltnisse lssst sich aber nicht allein mit der Verschuldung des Steuerberaters begrÅnden, wenn die MÇglichkeit besteht, dass der Steuerberater seine Schulden durch sein Einkommen in einem Åberschaubaren Zeitraum tilgen kann bzw. der Schuldendienst gesichert ist.3 Kann der verschuldete Steuerberater die Verbindlichkeiten aber nicht mit seinen laufenden Einnahmen decken und ist der Ausgang eines Schuldenbereinigungsverfahrens ungewiss, so sind ungeordnete, schlechte finanzielle Verhsltnisse anzunehmen und damit auch der VermÇgensverfall des Steuerberaters zu bejahen.4 Will der Steuerberater die Vermutung des VermÇgensverfalls widerlegen, so muss er seine Einkommens- und VermÇgensverhsltnisse vollstsndig und lÅckenlos offenlegen, indem er eine Aufstellung seiner Glsubiger nebst der HÇhe der jeweiligen Verbindlichkeiten vornimmt und darlegt, welche Forderungen bereits beglichen sind und wie er gedenkt, die noch offenen Verbindlichkeiten zu tilgen.5 Zur Widerlegung der Vermutung des VermÇgensverfalls genÅgt das Vorbringen des Steuerberaters nicht, er habe seine schlechte wirtschaftliche Lage nicht selbst verschuldet oder es handele sich bei seinen Glsubigern nicht um seine Mandanten.6

2.369

2. Geflhrdung der Auftraggeberinteressen Nach § 46 Abs. 2 Ziff. 4 StBerG kann von der Entziehung der Zulassung des Steuerberaters trotz VermÇgensverfalls abgesehen werden, wenn fÅr die Interessen der Auftraggeber keine Gefahr besteht. Grundsltzlich ist aber von der Geflhrdung der Auftraggeberinteressen im Falle des VermÇgensverfalls eines Steuerberaters auszugehen. Die Ausnahme kommt nur zur Anwendung, wenn der Steuerberater den VermÇgensverfall widerlegen kann.7 Der Steuerberater trsgt die Darlegungs- und Feststellungslast fÅr den in § 46 Abs. 2 Ziff. 4 StBerG gesetzlich normierten Ausnahme-

1 FG BW v. 7.3.2001 – 4 K 288/00, BeckRS 2001 26017385. 2 Schmittmann, NJW 2002, 182 (183). 3 BFH v. 22.8.1995 – VII R 63/94, BStBl. II 1995, 909 = NJW 1996, 2598 (2599); v. 4.12.2007 – VII R 64/06, BStBl. II 2008, 401 = ZIP 2008, 657 = DStR 2008, 995 (996). 4 BFH v. 4.12.2007 – VII R 64/06, BStBl. II 2008, 401 = ZIP 2008, 657 = DStR 2008, 995 (996). 5 FG Berlin-Bdb. v. 25.11.2009 – 12 K 12120/09, EFG 2010, 672 (672 ff.); Schmittmann, NJW 2002, 182 (182); FG DÅsseldorf v. 28.9.1994 – 2 K 4418/93, DStR 1995, 155 (155). 6 BFH v. 4.12.2007 – VII R 64/06, BStBl. II 2008, 401 = ZIP 2008, 657 = DStR 2008, 995 (996). 7 Vgl. ausfÅhrlich dazu FG Hamburg v. 30.6.2014 – 1 K 149/13.

149

2.370

371

Kapitel 2 Insolvenzrecht

tatbestand.1 Dabei hat der Schuldner glaubhaft darzulegen bzw. einen Nachweis darÅber zu erbringen, dass eine Gefshrdung der Interessen seiner Auftraggeber durch seine desolate VermÇgenslage nicht vorliegt und auch fÅr die Zukunft ausgeschlossen ist.2 An diesen Nachweis sind hohe Anforderungen zu stellen. Tilgungsvereinbarungen mit allen Glsubigern, die nach substantiierter Darlegung durch den Steuerberater auch eingehalten werden kÇnnen3 oder die vollstsndige Unterbindung des Zugriffs des Steuerberaters auf Mandantengelder kÇnnen aber ausreichen, um eine Gefshrdung der Interessen der Auftraggeber fÅr die Zukunft auszuschließen.4 Die Rechtsprechung lssst aber bereits eine potentielle(abstrakte) Gefshrdung der Auftraggeberinteressen ausreichen, um den Ausnahmetatbestand abzulehnen.5 Daher ist eine Gefshrdung der Auftraggeberinteressen nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass der Steuerberater in einem Angestelltenverhsltnis tstig ist;6 immerhin steht ihm jederzeit die MÇglichkeit offen, selbstsndig tstig zu werden.7 Vielmehr muss im Wege von strengen xberwachungsmaßnahmen sichergestellt sein, dass der in VermÇgensverfall geratene Steuerberater keinerlei Zugriff auf Mandantengelder hat.8 Die xberwachungsmaßnahmen kÇnnen im Falle eines Anstellungsverhsltnisses durch den Arbeitgeber erfolgen, indem der Steuerberater lediglich ein festes Gehalt bezieht und keine Kontovollmachten eingersumt bekommt. Im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Steuerberaters kann der Insolvenzverwalter sicherstellen, dass eine Gefshrdung fÅr die Auftraggeberinteressen nicht fortbesteht. Der Insolvenzverwalter hat – wie in jedem Insolvenzverfahren – sicherzustellen, dass der Schuldner nicht mehr Åber sein VermÇgen verfÅgen kann. Er hat einen geordneten Zahlungsverkehr herzustellen und aus der vorhandenen Insolvenzmasse nur noch die Masseverbindlichkeiten (§§ 53, 55 InsO) vorab zu befriedigen. Eine Gefshrdung der Auftraggeberinteressen kÇnnte im erÇffneten Insolvenzverfahren lediglich noch dann anzunehmen sein, wenn die Gefahr bestÅnde, dass Auftraggeber des Steuerberaters mit Forderungen ausfallen, die sie nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens gegen die Insolvenzmasse erworben haben. Das aber ist kein Regelfall, so dass eine dementsprechende Vermutung nicht Platz greift. Einen solchen Fall kÇnnte man beispielsweise ausnahmsweise dann annehmen, wenn in grÇßerem Maße Masse1 BFH v. 4.12.2007 – VII R 64/06, BStBl. II 2008, 401 = ZIP 2008, 657 = DStR 2008, 995 (996); v. 3.7.2009 – VII B 258/08, BFH/NV 2009, 1846 (1847). 2 BFH v. 4.3.2004 – VII R 21/02, BFH/NV 2004, 895 (895 ff.); Jatzke, DStR 2008, 424 (425). 3 FG Berlin-Bdb. v. 25.11.2009 – 12 K 12120/09, EFG 2010, 672 (673). 4 Offen lassend BFH v. 15.11.1994 – VII R 48/94, DStR 1995, 622 (623). 5 Schmittmann, NJW 2002, 182 (182); BFH v. 2.5.1991 – VII R 81/90, HFR 1992, 254 (254). 6 FG Berlin-Bdb. v. 25.11.2009 – 12 K 12120/09, EFG 2010, 672 (672 ff.). 7 FG DÅsseldorf v. 30.11.2000 – 2 K 2886/00, BeckRS 2000 21012606; BFH v. 4.3.2004 – VII R 21/02, DStRE 2004, 733 (735). 8 Ehlers, NJW 2008, 1480 (1481).

150

D. Insolvenz des Steuerberaters

verbindlichkeiten entstehen, die nicht in der FortfÅhrung der Kanzlei des Steuerberaters wurzeln (z.B. laufende Lasten fÅr im Eigentum des Steuerberaters stehende Immobilien) und die Gefahr besteht, dass die xberschÅsse aus der beruflichen Tstigkeit des Steuerberaters zu deren Deckung nicht ausreichen. Soweit im Zusammenhang mit der AusÅbung der freiberuflichen Tstigkeit des Steuerberaters wshrend des Insolvenzverfahrens die Notwendigkeit besteht, Mandantengelder treuhsnderisch zu verwalten, ist es geboten, dass der Insolvenzverwalter dafÅr ein besonderes Mandantengeld-Anderkonto einrichtet, das von der Åbrigen Insolvenzmasse getrennt bleibt und als echtes Fremdgeld selbst im Fall der Masseunzulsnglichkeit nicht den wirtschaftlich an diesem Geld berechtigten Mandanten verloren geht. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Steuerberater Åber dieses Mandantengeld-Anderkonto nicht verfÅgen kann; insoweit ist – um eine Gefshrdung der Auftraggeberinteressen auszuschließen – allein eine VerfÅgungsmacht des Insolvenzverwalters tolerabel. Da die treuhsnderische Verwaltung von Fremdgeld eine Vertrauenssache ist, muss der Insolvenzverwalter den betreffenden Mandanten offen legen, dass nicht der Steuerberater die Treuhandschaft bezÅglich der verwalteten Gelder wahrnimmt, sondern der Insolvenzverwalter. Ist im Regelinsolvenzverfahren ein Insolvenzplan angenommen und beststigt (§§ 235 ff. InsO) ist davon auszugehen, dass der Schuldner sich von den Verbindlichkeiten lÇsen kann.1 In solchen Fsllen ist regelmsßig davon auszugehen, dass eine Gefshrdung der Auftraggeberinteressen nicht (mehr) vorliegt. Gleiches gilt, wenn die Restschuldbefreiung angekÅndigt und das Insolvenzverfahren aufgehoben sind.2 Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens entfsllt die Vermutung des VermÇgensverfalls (§ 46 Abs. 2 Ziff. 4 Halbs. 2 StBerG). Erst recht kann eine Gefshrdung der Auftraggeberinteressen nicht angenommen werden, wenn die Restschuldbefreiung erteilt worden ist, es sei denn, der Steuerberater hstte nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens im insolvenzfreien Bereich derart viele Neuverbindlichkeiten begrÅndet, dass er (erneut) nicht in der Lage sein wird, diese im Rahmen eines geordneten Zahlungsverkehrs zu bedienen. Allein der Umstand, dass ein Steuerberater frÅher einmal in wirtschaftliche Schieflage geraten war, rechtfertigt keinesfalls die Annahme, seine Zulassung als Steuerberater bedeute eine Gefshrdung von Auftraggeberinteressen.

2.372

3. Verfahren bei Entziehung der Zulassung Der Entzug der Zulassung eines Steuerberaters erfolgt im Wege eines Widerrufs der Bestellung zum Steuerberater durch die zustsndige Steuerberaterkammer. Dem Steuerberater steht gegen den Widerruf der Bestellung die Klage zu, fÅr die das FG zustsndig ist (§ 164a StBerG).

1 BFH v. 12.9.2005 – VII B 240/04, BFH/NV 2006, 135 (135 ff.). 2 FG Rh.-Pf. v. 16.12.2008 – 2 K 2084/08, DStR 2009, 876 (876).

151

2.373

374

375

Kapitel 2 Insolvenzrecht

4. Zulassungsentzug und Berufsfreiheit Der Widerruf der Bestellung eines Steuerberaters, der in VermÇgensverfall geraten ist und den Ausschluss der Gefshrdung der Interessen seiner Auftraggeber nicht dargelegt hat (§ 46 Abs. 2 Ziff. 4 StBerG), greift zwar in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ein, ist aber verhsltnismsßig und damit mit Art. 12 GG vereinbar.1 Der BFH sieht das Prinzip der Verhsltnismsßigkeit als gewahrt an, weil die Steuerberatung ein wichtiges Gemeinschaftsgut darstellt, welches nur durch die ordnungsgemsße BerufsausÅbung des Steuerberaters gewshrleistet ist.2 Das Allgemeininteresse, das in einer Vermeidung der Gefshrdung der Auftraggeberinteressen liegt, steht im Verhsltnis zum Interesse des Steuerberaters an seiner BerufsausÅbung hÇher, da die Ordnung seiner VermÇgensverhsltnisse und der Erhalt dieser Ordnung einzig seinem Verantwortungsbereich unterliegt.3 Allerdings ist im Hinblick auf die Schwere des Grundrechtseingriffs eine sorgfsltige PrÅfung geboten, ob im Einzelfall Umstsnde vorliegen, die die Widerlegung der Vermutung des VermÇgensverfalls ergeben.4 5. FortfÅhrung der Steuerberaterkanzlei im Rahmen des Insolvenzverfahrens Der Insolvenzverwalter kann eine Steuerberaterkanzlei oder eine Steuerberatungsgesellschaft im Insolvenzverfahren fortfÅhren. Voraussetzung ist nur, dass dem Insolvenzschuldner die Bestellung zum Steuerberater nicht widerrufen worden ist. Einschrsnkungen hinsichtlich der Verwaltung von Mandantengeldern oder von Treuhandkonten beeintrschtigen den Steuerberater in seiner beratenden Tstigkeit nicht, so dass der Insolvenzverwalter die Arbeitskraft des Steuerberaters sinnvoll zur Bewsltigung des Arbeitsaufwandes nutzen kann. Die FortfÅhrung einer Steuerberaterkanzlei kann zur Anreicherung der Insolvenzmasse und damit zum Zwecke optimaler Glsubigerbefriedigung durchaus geboten sein, weil der Kanzleiwert zumeist auf der Vertrauensbasis zwischen Auftraggeber und Steuerberater beruht, so dass eine Versußerung problematisch ist und durch die Fortsetzung der Beratungststigkeit durch den Steuerberater auch eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht vermieden werden kann.5 Nach § 35 Abs. 2 InsO hat der Insolvenzverwalter dem selbstsndig tstigen Schuldner zu erklsren, ob das durch die selbstsndige Tstigkeit des Schuldners erwirtschaftete VermÇgen zur Insolvenzmasse gehÇrt und ob daraus im Insolvenzverfahren AnsprÅche geltend gemacht werden kÇn1 FG Nds. v. 19.9.2013 – 6 K 85/13; BFH v. 4.7.2000 – VII R 103/99, HFR 2001, 61 (61); v. 11.8.2009 – VII B 247/08, BeckRS 2009 25015539; v. 23.2.2009 – VII B 201/08, BeckRS 2009 25014924; Vgl. auch BVerfG v. 31.8.2005 – 1 BvR 912/04, NJW 2005, 3057 (3057). 2 BFH v. 16.9.2009 – VII B 75/09, BeckRS 2009 25015747. 3 BFH v. 4.7.2000 – VII R 103/99, HFR 2001, 61 (61); v. 17.11.1987 – VII R 120/86, BStBl. II 1988, 81 = StB 1988, 304 (304). 4 BVerfG v. 31.8.2005 – 1 BvR 912/04, NJW 2005, 3057 (3058). 5 Hess/RÇpke, NZI 2003, 233 (234).

152

D. Insolvenz des Steuerberaters

nen. Erklsrt sich der Insolvenzverwalter dahingehend, dass die Verbindlichkeiten aus der selbstsndigen Tstigkeit des Steuerberaters im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden kÇnnen, dann fallen auch ssmtliche Einnahmen aus dieser selbstsndigen Tstigkeit des Insolvenzschuldners in die Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter zahlt dem Insolvenzschuldner als Abgeltung fÅr seinen Arbeitseinsatz dann in der Regel einen „Unternehmerlohn“ aus der Insolvenzmasse; der Insolvenzschuldner braucht auf diesen Unternehmerlohn nicht (nochmals) Einkommensteuer zu entrichten, weil die einkommensteuerrechtliche Erfassung der EinkÅnfte des Insolvenzschuldners bei der Insolvenzmasse erfolgt und die Insolvenzmasse die Einkommensteuer auf diese EinkÅnfte als Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO) trsgt. Nur wenn der Insolvenzverwalter sich gem. § 35 Abs. 2 InsO dahingehend erklsrt, dass Verbindlichkeiten aus der selbstsndigen Tstigkeit des Insolvenzschuldners nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden kÇnnen, hat der Insolvenzverwalter keinen Zugriff auf die Einnahmen aus dieser Tstigkeit. In diesem Fall ist der Steuerberater in Bezug auf seine Geschsftststigkeit allein verantwortlich. Ist die Zulassung des Steuerberaters widerrufen, so kann der Insolvenzverwalter ihn gleichwohl als einfachen Angestellten mit besonderen berufsspezifischen Qualifikationen in der Kanzlei beschsftigen und auch hier einen „Unternehmerlohn“ zahlen. Auf diese Weise kann er die berufliche Kompetenz des ehemaligen Steuerberaters zur FortfÅhrung der Steuerberaterkanzlei zugunsten der Insolvenzmasse nutzen. Auch dient die Weiterbeschsftigung des ehemaligen Steuerberaters auch als einfacher Angestellter dem Schutz des Vertrauens der Mandanten, da er weiterhin als Ansprechpartner der Mandanten zur VerfÅgung steht. Sofern der Steuerberater seine Kanzlei in Form einer Freiberuflerpraxis alleine betrieben hatte, bestehen keine Bedenken dagegen, dass der Insolvenzverwalter, der selbst Åber die Berufsqualifikation des Steuerberaters oder auch des Rechtsanwaltes verfÅgt, die Kanzlei fortfÅhrt, ohne auf Rechnung der Insolvenzmasse einen Steuerberater zu beschsftigen, denn auch der Rechtsanwalt ist gem. § 3 Ziff. 1 StBerG zur Wahrnehmung steuerlicher Angelegenheiten befugt.1 Hat der Steuerberater seinen Beruf allerdings im Rahmen einer Steuerberatungsgesellschaft ausgeÅbt und sind andere Steuerberater nicht Mitglieder des Vorstands oder der GeschsftsfÅhrung, so muss fÅr die Steuerberatungsgesellschaft ein Steuerberater zum Vorstand oder GeschsftsfÅhrer bestellt werden. Der Insolvenzverwalter kann selbst zum GeschsftsfÅhrer oder Vorstand bestellt werden, wenn er Åber die Berufsqualifikation als Steuerberater verfÅgt. Das gilt nicht, wenn er nicht Steuerberater ist, sondern Rechtsanwalt, weil eine Gesellschaft, in der nur ein Rechtsanwalt GeschsftsfÅhrer ist, die Voraussetzungen fÅr die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft nicht erfÅllt.2 Aus dem eindeutigen Wortlaut des § 50 Abs. 2 und § 50 Abs. 4 StBerG, der besagt, dass 1 Vgl. OLG Rostock v. 29.11.2005 – 6 W 12/05, NJW-Spezial 2006, 239 (239). 2 BFH v. 21.11.2002 – VII B 230/02, BFH/NV 2003, 209 (209).

153

2.376

377

Kapitel 2 Insolvenzrecht

die Zahl der GeschsftsfÅhrer einer Gesellschaft, die nicht Steuerberater sind, im Falle der Steuerberatungsgesellschaft die Zahl der Steuerberater unter den GeschsftsfÅhrern nicht Åberschreiten darf, und des § 32 Abs. 3 Satz 2 StBerG, nach dem die Steuerberatungsgesellschaft verantwortlich von Steuerberatern gefÅhrt werden muss, folgt dies ohne weiteres. Fallen die Geschsftsanteile an der Steuerberatungsgesellschaft in die Insolvenzmasse des Åber das VermÇgen des ehemaligen Steuerberaters durchgefÅhrten Insolvenzverfahrens, ist es unter dem Gesichtspunkt bestmÇglicher Masseschonung geboten, dass der Insolvenzverwalter einen Steuerberater aus seiner eigenen Kanzlei zum GeschsftsfÅhrer dieser Steuerberatungsgesellschaft bestellt, um die Belastung der Steuerberatungsgesellschaft mit Ausgaben fÅr die GeschsftsfÅhrertstigkeit so gering wie mÇglich zu halten und auch im xbrigen eine Vertragsgestaltung in Bezug auf den GeschsftsfÅhreranstellungsvertrag verwirklichen zu kÇnnen, die fÅr die Steuerberatungsgesellschaft gÅnstigere als marktÅbliche Konditionen darstellen. So wird sich beispielsweise am freien Markt kaum ein Steuerberater finden lassen, der sich auf einen GeschsftsfÅhrervertrag einlssst, kraft dessen seine GeschsftsfÅhrerbestellung endet, wenn der Insolvenzschuldner seine Bestellung zum Steuerberater zurÅck erhslt. Da dies im Interesse der Insolvenzmasse aber geboten sein kann, spricht vieles dafÅr, auf eigene Mitarbeiter zurÅck zu greifen. Auch fÅr den Steuerberater, dessen Bestellung zum Steuerberater von der Steuerberaterkammer widerrufen worden ist, ist die FortfÅhrung seiner Kanzlei durch den Insolvenzverwalter von Vorteil, da ihm bei Wiederherstellung geordneter wirtschaftlicher Verhsltnisse die Wiederbestellung zum Steuerberater zusteht1 und er seine Kanzlei sodann wieder unter eigener Leitung betreiben kann. 6. Wiederbestellung des Steuerberaters nach Entziehung der Zulassung In der Regel kann erst dann, wenn das Insolvenzverfahren zu einem Abschluss fÅhrt, bei dem mit einer Konsolidierung der VermÇgensverhsltnisse des Insolvenzschuldners gerechnet werden kann, das heißt mit der AnkÅndigung der Restschuldbefreiung durch Beschluss des Insolvenzgerichts, davon ausgegangen werden, dass nicht nur der VermÇgensverfall, sondern auch eine Gefshrdung von Auftraggeberinteressen nach dem Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht mehr fortbesteht.2 Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens entfsllt die Vermutung des VermÇgensverfalls (§ 46 Abs. 2 Ziff. 4 Halbs. 2 StBerG). Ebenso wie fÅr Rechtsanwslte3 gilt fÅr Steuerberater, dass ein Schuldner, der ein Insolvenzverfahren und anschließend mit Erfolg ein Restschuldbefreiungsverfahren durchlaufen hat – auch ohne dass die Glsubiger befriedigt worden 1 FG Hamburg v. 27.8.2003 – V 234/02, DStRE 2004, 667 (670). 2 FG Nds. v. 19.9.2013 – 6 K 85/13. 3 BGH v. 7.12.2004 – AnwZ (B) 40/04, NJW 2005, 1271.

154

D. Insolvenz des Steuerberaters

sind – keine durchsetzbaren Verbindlichkeit mehr hat. Dies genÅgt zur (Wieder-) Herstellung geordneter VermÇgensverhsltnisse. Der BGH hat dies im ersten Leitsatz des Urteils wie folgt formuliert: „Ist Åber das VermÇgen eines frÅheren Rechtsanwalts ein Insolvenzverfahren durchgefÅhrt und mit dessen Aufhebung dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekÅndigt worden, kann wshrend der sog. Wohlverhaltensphase ein Antrag auf Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft grundsstzlich nicht mit der BegrÅndung abgelehnt werden, es seien geordnete VermÇgensverhsltnisse noch nicht wiederhergestellt.“ Das FG Rheinland-Pfalz hat sich dem unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung fÅr den Bereich der Steuerberater angeschlossen.1 Durch die bloße AnkÅndigung habe sich die spstere MÇglichkeit der Restschuldbefreiung im Sinne einer konkreten Aussicht derart verdichtet, dass bereits mit dieser von einer Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhsltnisse tatsschlich auszugehen ist. Auch das Hessische FG hslt geordnete wirtschaftliche Verhsltnisse fÅr gegeben, wenn die Restschuldbefreiung angekÅndigt wurde.2 § 48 Abs. 1 Ziff. 1 StBerG gewshrt einen Rechtsanspruch auf Wiederbestellung zum Steuerberater. Wshrend der Wohlverhaltensphase eines Insolvenzverfahrens kann ein Antrag auf Wiederzulassung grundsstzlich somit nicht deshalb abgelehnt werden, weil geordnete VermÇgensverhsltnisse noch nicht wieder hergestellt sind. Etwas anderes gilt, wenn es sich bei einem Großteil der zur Tabelle angemeldeten Forderungen um solche aus unerlaubter Handlung handelt, die bei entsprechender gerichtlicher Feststellung auf Antrag der Glsubiger an der Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO nicht teilnehmen. Die theoretische MÇglichkeit der Glsubiger, entsprechende Feststellungsklagen zu erheben, reicht dazu nach Ablauf eines lsngeren Zeitraumes allerdings nicht aus.3 Die achtjshrige Sperrfrist des § 48 Abs. 1 Ziff. 1 StBerG ist auf Fslle insolvenzbedingter Entziehung der Zulassung nicht anwendbar.4

III. Verlußerung der Steuerberaterkanzlei durch den Insolvenzverwalter Allgemein anerkannt ist, dass eine Steuerberaterkanzlei mit allen ihr zugrunde liegenden VermÇgenswerten, wie Rsumlichkeiten, Einrichtungen und bestehenden Rechtsbeziehungen, zur Insolvenzmasse i.S.v. § 35 Abs. 1 InsO gehÇrt und damit grundsstzlich versußerbar ist.5 Ebenso versußerbar ist der sog. „good will“ einer Steuerberaterkanzlei. Der „good 1 2 3 4 5

FG Rh.-Pf. v. 16.12.2008 – 2 K 2084/08, EFG 2009, 687. FG Hess. v. 7.10.2010 – 13 K 716/09, DStRE 2011, 787. FG Hess. v. 7.10.2010 – 13 K 716/09, DStRE 2011, 787. FG Hess. v. 7.10.2010 – 13 K 716/09, DStRE 2011, 787. Lwowski/Peters in MÅnchKomm/InsO, § 35 Rz. 507; Hess/RÇpke, NZI 2003, 233 (234).

155

2.378

Kapitel 2 Insolvenzrecht

will“ einer Steuerberaterkanzlei zeichnet sich durch die vom Steuerberater bereits erbrachte Arbeitsleistung und seine dadurch gewonnene Mandantenkartei aus.1 Im Gegensatz dazu herrscht Uneinigkeit darÅber, ob der Schuldner bei Versußerung der Steuerberaterkanzlei durch den Insolvenzverwalter ein Mitspracherecht hat. Teilweise wird die Auffassung vertreten, fÅr die Versußerung der Kanzlei durch den Insolvenzverwalter sei die Zustimmung des Schuldners erforderlich. Zur BegrÅndung wird angefÅhrt, dass dem Schuldner die MÇglichkeit gegeben werden soll, seine Kanzlei selbst fortzufÅhren und zum Anderen wird auf das persÇnliche Vertrauen der Mandanten gegenÅber dem Steuerberater abgestellt.2 Nach der Gegenansicht besteht kein Zustimmungserfordernis des Schuldners zur Kanzleiversußerung, weil dies eine effektive Verwertung der Insolvenzmasse verhindern kÇnnte.3 Letzterer Auffassung ist der Vorzug zu geben. In der Insolvenzordnung ist an keiner Stelle ein Mitspracherecht des Schuldners bei der Verwertung der Insolvenzmasse vorgesehen; es kann daher auch hier nicht anerkannt werden.

IV. Verschwiegenheitspflicht des Steuerberaters im erÇffneten Insolvenzverfahren

379

Nach § 57 Abs. 1 StBerG i.V.m. § 9 BOStB sind Steuerberater zur Verschwiegenheit verpflichtet. Daneben stellt § 203 Abs. 1 Ziff. 3 StGB den Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht des Steuerberaters unter Strafe, wenn dieser die ihm im Rahmen seiner BerufsausÅbung anvertrauten Geheimnisse seiner Mandanten unbefugt offenbart. Unter das Tatbestandsmerkmal des Geheimnisses fallen alle Angelegenheiten, welche ausschließlich einem beschrsnkten Personenkreis zugsnglich sind. Die Geheimhaltungspflicht Åber den Inhalt von Mandantenakten gilt fÅr den Steuerberater auch Åber das Auftragsverhsltnis hinaus.4

380

Die Verschwiegenheitspflicht des insolventen Steuerberaters gilt grundsstzlich auch gegenÅber dem Insolvenzverwalter. Der Verkauf der Steuerberaterkanzlei an einen kanzleifremden Erwerber verletzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) der durch die xbergabe von Akten betroffenen Mandanten, sofern nicht vor Vertragsschluss die Zustimmung der Mandanten eingeholt wurde.5 Gleiches gilt aber auch im Rahmen der FortfÅhrung der Steuerberaterkanzlei durch den Insolvenzverwalter. Die Zustimmung der Mandanten 1 Haas in Staudinger, § 2311 BGB Rz. 84. 2 Lwowski/Peters in MÅnchKomm/InsO, § 35 Rz. 157; Hess/RÇpke, NZI 2003, 233 (237). 3 Kluth, NJW 2002, 186 (187); Hess/RÇpke, NZI 2003, 233 (237). 4 Schramm, DStR 2003, 1316 (1316, 1317). 5 OLG MÅnchen v. 5.5.2000 – 23 U 6086/99, NJW 2000, 2592 (2594); BGH v. 22.5.1996 – VIII ZR 194/95, NJW 1996, 2087 (2088); OLG Sa.-Anh. v. 25.3.2002 – 1 U 137/01, DStRE 2003, 126 (127); OLG Rostock v. 23.9.2005 – 8 U 91/04, NJOZ 2006, 1263 (1267).

156

D. Insolvenz des Steuerberaters

zur Offenlegung ihrer Akten bzw. die Entbindung des Steuerberaters von seiner Verschwiegenheitsverpflichtung ist nur wirksam, wenn den Mandanten der Grund und der Umfang der Offenbarung eingehend erlsutert werden und diese sich Åber eventuelle Auswirkungen bewusst sind.1 Insoweit geht die Berufsverschwiegenheit der Insolvenzordnung vor.2 Ebenso bedarf es der Zustimmung der jeweiligen Mandanten im Fall der Abtretung von Honorarforderungen, auch wenn es sich bei dem Abtretungsempfsnger um einen Rechtsanwalt handelt, welcher ebenfalls aufgrund seines Berufsstandes zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.3 Daraus ergibt sich aber nicht, dass es einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht des Steuerberaters darstellt, wenn er im Rahmen des Åber sein VermÇgen gefÅhrten Insolvenzverfahrens gegenÅber dem Insolvenzverwalter offenlegt, welche Honorarforderungen ihm gegen welche Mandanten zustehen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Insolvenzverwalter seinerseits zur Berufsverschwiegenheit beispielsweise als Rechtsanwalt verpflichtet ist, weil der Steuerberater auch ohne Verletzung seiner Verschwiegenheitspflicht mit der Beitreibung seiner Honorarforderungen einen Rechtsanwalt beauftragen dÅrfte.4 Der Steuerberater ist im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten (§§ 97, 98 InsO) sogar zur entsprechenden Offenbarung gegenÅber dem Insolvenzverwalter verpflichtet. Diese Verpflichtung gilt auch bereits im vorlsufigen Insolvenzverfahren (§ 22 Abs. 3 InsO) und ggf. auch kraft besonderer insolvenzgerichtlicher Anordnung gegenÅber dem nach § 5 InsO bestellten Sachverstsndigen, der damit beauftragt ist, die VermÇgensverhsltnisse des Insolvenzschuldners zu ermitteln. Die Verlußerung der Steuerberaterkanzlei einschließlich der Mandantenakten an einen Mitarbeiter des insolventen Steuerberaters verstÇßt nicht gegen die in § 203 Abs. 1 Ziff. 3 StGB normierte Pflicht zur Verschwiegenheit. Dem Steuerberater ist es gestattet, sachkundige Mitarbeiter bei der Bearbeitung ihm erteilter Mandate heranzuziehen, ohne dabei seine Verschwiegenheitsverpflichtung zu verletzen. Bei Steuerberatern beschsftigte Mitarbeiter unterliegen nach § 203 Abs. 3 Satz 2 StGB einer eigenen Schweigepflicht, indem die berufsmsßig tstigen Gehilfen und Personen denen in § 203 Abs. 1 Satz 1 StGB gleichstehen. Hierbei kommt es darauf an, dass der Mitarbeiter vor der Versußerung der Kanzlei an ihn bereits umfassend Kenntnis von dem Inhalt der Mandantenakten nehmen konnte, ohne dass die Einsichtnahme zum Zwecke der Vorbereitung der Kanzleiversußerung erfolgt. In einem solchen Fall gehÇrt der Mitarbeiter „zum Kreis der zum Wissen Berufenen“.5 Zudem wird eine stillschweigende oder mutmaßliche Einwilligung des Mandanten hinsichtlich der Offenbarung von Geheimnissen gegenÅber sachgerecht eingesetzten Hilfskrsf1 Schramm, DStR 2003, 1316 (1317). 2 Schick, NJW 1990, 2359 (2360 f.); Lwowski/Peters in MÅnchKomm/InsO, § 35 Rz. 156. 3 Huffer, NJW 2002, 1382 (1382). 4 Wimmer, DStR 1996, 440 (441). 5 OLG Rostock v. 23.9.2005 – 8 U 91/04, NJOZ 2006, 1263 (1267).

157

2.381

382

Kapitel 2 Insolvenzrecht

ten angenommen, da sich der Steuerberater ebenso wie der Rechtsanwalt selbstverstsndlich zur Bewsltigung der Aufgaben seines Personals bedient.1

V. Kanzleiabwickler Nach § 70 Abs. 1 Satz 1, 2 StBerG hat die zustsndige Steuerberaterkammer einen anderen Steuerberater oder Steuerbevollmschtigten als Abwickler einer Steuerberaterkanzlei zu bestellen, wenn die Bestellung des frÅheren Steuerberaters zurÅckgenommen, erloschen oder widerrufen wurde und keine andere Alternative gegeben ist, die bestehenden Mandate abzuwickeln oder fortzufÅhren. Eine solche andere Alternative fehlt, wenn es sich um die Angelegenheiten einer Ein-Mann-Steuerberaterkanzlei handelt, so dass die FortfÅhrung der Kanzlei nicht durch Sozien gewshrleistet ist.2 Der von der Kammer bestellte Kanzleiabwickler hat nach § 70 Abs. 3 StBerG einerseits die schwebenden Angelegenheiten des ehemaligen Steuerberaters abzuwickeln und andererseits die laufenden Auftrsge fortzufÅhren, wobei ihm dabei im Rahmen seiner eigenen beruflichen Qualifikation die gleichen Befugnisse zustehen, die auch der frÅhere Steuerberater innehatte (§ 70 Abs. 3 Satz 3, Abs. 5, § 69 Abs. 2 StBerG).3 Aus § 70 Abs. 5 StBerG i.V.m. § 69 Abs. 4 StBerG ergibt sich die Berechtigung des Abwicklers, die Rsumlichkeiten des ehemaligen Steuerberaters zu betreten, das Praxisinventar und die Handakten in Besitz zu nehmen, von Dritten herauszuverlangen und darÅber zu verfÅgen. Der Abwickler ist als AngehÇriger des steuerberatenden Berufsstandes der Schweigepflicht unterworfen.4 Die Bestellung eines Kanzleiabwicklers dient der Erhaltung des Vertrauensschutzes der Mandanten des Steuerberaters, nachdem diesem die Zulassung entzogen wurde. Hierdurch wird eine ordentliche Verwaltung der Handakten des ehemaligen Steuerberaters gewshrleistet.5 Neben dem Schutz der Mandanten soll die Bestellung eines Kanzleiabwicklers dazu dienen, den Erhalt des Ansehens der steuer- und rechtsberatenden Berufe zu gewshrleisten.6 Der Abwickler ist nach § 70 Abs. 3 Satz 2 StBerG berechtigt, innerhalb der ersten sechs Monate nach seiner Bestellung neue Auftrsge anzunehmen. Nach Beendigung seiner Tstigkeit hat der Abwickler die Handakten an die betreffenden Mandanten herauszugeben. Sind die betreffenden Mandanten nicht auffindbar, so hat der Abwickler die Akten selbst zu verwahren.

1 2 3 4 5

BGH v. 10.8.1995 – IX ZR 220/94, ZIP 1995, 1678 = NJW 1995, 2915 (2916). Ueberfeldt, DStR 2008, 2386 (2386). KG v. 25.1.2005 – 27 U 80/04, DStRE 2005, 423 (423). Knodel, ZRP 2006, 263 (264). KG v. 25.1.2005 – 27 U 80/04, DStRE 2005, 423 (423); Knodel, ZRP 2006, 263 (264). 6 Ueberfeldt, DStR 2008, 2386 (2386).

158

D. Insolvenz des Steuerberaters

Zwischen den Aufgaben und Funktionen des Kanzleiabwicklers und des Åber das VermÇgen des (ehemaligen) Steuerberaters bestellten Insolvenzverwalters ergeben sich xberschneidungen, mitunter auch Spannungsfelder. Auf der einen Seite stehen dem Abwickler bis zur Beendigung seiner Tstigkeit ssmtliche noch offene Honorarforderungen des ehemaligen Steuerberaters zu, um die laufenden Betriebskosten sowie seine VergÅtung zu sichern; diese Zuweisung der Honorare an den Abwickler bezweckt die ordnungsgemsße Abwicklung der laufenden Mandate.1 Auf der anderen Seite fallen Forderungen des Insolvenzschuldners im Insolvenzverfahren in die Insolvenzmasse (§ 35 InsO), um spster an die Gesamtheit aller Glsubiger des Insolvenzschuldners – also nicht nur der Glsubiger, deren Forderungen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Steuerberatungskanzlei stehen – verteilt zu werden. Auch Forderungen, die der Insolvenzschuldner im Verlaufe des erÇffneten Insolvenzverfahrens erwirbt, fallen grundsstzlich gem. § 35 InsO in die Insolvenzmasse (sog. Neuerwerb).

2.383

Gleichwohl geht die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis des Abwicklers in Bezug auf die zum Betrieb der Steuerberatungskanzlei gehÇrenden Rechtsverhsltnisse und VermÇgensgegenstsnde derjenigen des Insolvenzverwalters aus § 80 InsO vor.2 Der Insolvenzverwalter hat gegenÅber dem Abwickler kein Weisungsrecht und darf diesen auch nicht in seiner Tstigkeit beeintrschtigen.3 Der Abwickler hat alle Honorarforderungen des ehemaligen Steuerberaters in eigenem Namen geltend zu machen und einzuziehen. Vereinnahmt der Insolvenzverwalter Betrsge, die Honorarforderungen der abzuwickelnden Kanzlei darstellen, so hat er diese grundsstzlich an den Kanzleiabwickler herauszugeben.4 Es ist hinzunehmen, dass der Kanzleiabwickler somit eine von der Insolvenzmasse getrennte Sondermasse verwaltet und nicht an die insolvenzrechtlichen Befriedigungsgrundsstze gebunden ist. Deswegen handelt der Abwickler nicht pflichtwidrig, wenn er eine Forderung eines Glsubigers aus dem von ihm verwalteten SondervermÇgen bezahlt, obwohl diese im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Steuerberaters nur den Rang einer einfachen Insolvenzforderung i.S.v. § 38 InsO einnehmen wÅrde. Die Bildung dieser Sondermasse wird aus dem SchutzbedÅrfnis des Rechtsverkehrs in Bezug auf die Zuverlsssigkeit der Steuerrechtspflege abgeleitet.5 Nach Beendigung des Abwicklungsverhsltnisses hat der Abwickler das wshrend der Abwicklungszeit Erwirtschaftete abzgl. seiner VergÅtung gem. § 667 BGB an den Insolvenzverwalter herauszugeben, da dieser im laufenden Insolvenzverfahren gem. § 80 Abs. 1 InsO das Verwaltungs- und VerfÅgungs-

2.384

1 OLG KÇln v. 4.11.2009 – 17 U 40/09, ZIP 2009, 2395 = DStR 2010, 718 (718). 2 LG Aachen v. 27.3.2009 – 8 O 480/08, ZInsO 2009, 875 (875); OLG KÇln v. 4.11.2009 – 17 U 40/09, ZIP 2009, 2395 = DStR 2010, 718 (718). 3 Ueberfeldt, DStR 2008, 2386 (2388). 4 LG Aachen v. 27.3.2009 – 8 O 480/08, ZInsO 2009, 875 (875). 5 Vgl. LG Aachen v. 27.3.2009 – 8 O 480/08, ZInsO 2009, 875 (875).

159

385

Kapitel 2 Insolvenzrecht

recht Åber das VermÇgen des Schuldners hat.1 Der Insolvenzverwalter hat vor Beendigung der Tstigkeit des Abwicklers demzufolge nicht die MÇglichkeit, auf die vom Abwickler erwirtschafteten Einnahmen zuzugreifen. Die Rechtsprechung hslt eine Abgrenzung zwischen laufenden und beendeten Mandaten hinsichtlich einer etwaigen Verpflichtung des Abwicklers, nach jedem beendeten Mandat das jeweils erzielte Honorar an den Verwalter herauszugeben, fÅr sachfremd, da dem Abwickler die MÇglichkeit belassen werden muss, die Kanzlei im Ganzen zu betreuen. Zudem wÅrde eine solche Verfahrensweise dem Sinn und Zweck des Abwicklungsverfahrens widersprechen.2 Der BGH sieht allenfalls einen mÇglichen Anspruch des Insolvenzverwalters gegen den Abwickler im laufenden Abwicklungsverfahren auf Herausgabe des Erwirtschafteten durch § 271 Abs. 1 Fall 2 BGB begrÅndet, soweit es sich dabei um xberschÅsse handelt, welche offensichtlich fÅr die weitere ordnungsgemsße Tstigkeit des Abwicklers nicht mehr benÇtigt werden.3 Jedweder wirtschaftliche Nutzen aus der Kanzlei, der Verwendung des Mandantenstammes und sonstiger immaterieller Rechte steht ausschließlich der Insolvenzmasse zu, soweit nicht eine Mittelverwendung zur Abwicklung der Kanzlei notwendig ist. Der Abwickler hat dem Insolvenzverwalter auch die nÇtige UnterstÅtzung zu geben, wenn dieser die Kanzlei insgesamt an einen Dritten versußern mÇchte. Der Insolvenzverwalter ist nicht auf eine Zustimmung des Abwicklers zur Versußerung der Kanzlei im Ganzen angewiesen.4 Der Abwickler einer Steuerberaterkanzlei ist VermÇgensverwalter gem. § 34 Abs. 3 AO, soweit von ihm VermÇgen verwaltet wird, das zu der abzuwickelnden Kanzlei gehÇrt. Er ist deswegen in Bezug auf das KanzleivermÇgen verpflichtet, die steuerlichen Pflichten des Inhabers zu erfÅllen.5 Die steuerlichen Pflichten des Abwicklers zur Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuererklsrungen sind aber auf die fÅr die Abwicklungszeit selbst einzureichenden Voranmeldungen und Erklsrungen beschrsnkt. FÅr Zeitrsume, die vor dem Beginn seiner Abwicklertstigkeit liegen, hat der Abwickler hingegen keine Erklsrungspflichten.6 Da die vom Kanzleiabwickler verwaltete Masse eine von der Insolvenzmasse zu trennende Sondermasse darstellt, mÅssen sowohl fÅr die Insolvenzmasse als auch fÅr das AbwicklungsvermÇgen separate Steuernum1 BGH v. 23.6.2005 – IX ZR 139/04, ZInsO 2005, 929 (929, 930); OLG Rostock v. 14.6.2004 – 3 U 37/03, ZIP 2004, 1857 = ZInsO 2004, 748 (748); Ueberfeldt, DStR 2008, 2386 (2388). 2 LG Aachen v. 27.3.2009 – 8 O 480/08, ZInsO 2009, 875 (875); OLG KÇln v. 4.11.2009 – 17 U 40/09, ZIP 2009, 2395 = DStR 2010, 718 (718). 3 BGH v. 23.6.2005 – IX ZR 139/04, NZI 2005, 681 (682); LG Aachen v. 27.3.2009 – 8 O 480/08, ZInsO 2009, 875 (875). 4 Lwowski/Peters in MÅnchKomm/InsO, § 35 Rz. 158. 5 FG Berlin-Bdb. v. 17.1.2013 – 7 K 7141/09, EFG 2013, 660. 6 FG Berlin-Bdb. v. 17.1.2013 – 7 K 7141/09, EFG 2013, 660.

160

D. Insolvenz des Steuerberaters

mern vergeben werden. Das gilt auch dann, wenn der Insolvenzverwalter zugleich zum Abwickler der Kanzlei des Steuerberaters bestellt ist, weil die Funktionsverschiedenheit der beiden Bestellungen eine Vermischung der VermÇgensmassen auch in diesem Fall verbietet. Steuerforderungen mÅssen den VermÇgensmassen zugeordnet werden. Soweit der Abwickler Umsatzsteuerbetrsge vereinnahmt, muss er die entsprechenden Betrsge aus dem von ihm verwalteten AbwicklungsvermÇgen begleichen. VorsteuererstattungsansprÅche stehen ihm zu. Soweit der Insolvenzverwalter umsatzsteuerpflichtige Umsstze in der Insolvenzmasse ausfÅhrt, die nicht das KanzleivermÇgen des Steuerberaters betreffen (etwa weil der Insolvenzschuldner neben seiner Kanzlei noch ein nicht freiberufliches Einzelunternehmen betrieben hat), treffen Umsatzsteuerforderungen die Insolvenzmasse. FÅr die Ermittlung der Einkommensteuer haben der Abwickler und der Insolvenzverwalter getrennte Gewinnermittlungen vorzunehmen, da beide jeweils fÅr den von ihnen verwalteten VermÇgensbereich des Insolvenzschuldners VermÇgensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO sind. Einkommensteuerforderungen sind zwischen dem Abwickler und dem Insolvenzverwalter aufzuteilen, wobei das Verhsltnis der TeileinkÅnfte zueinander den Aufteilungsmaßstab fÅr die einheitlich zu ermittelnde Jahressteuerschuld bildet. Soweit Verbindlichkeiten des AbwicklungsvermÇgens aus dem AbwicklungsvermÇgen nicht befriedigt werden kÇnnen, nehmen sie nach Beendigung der Abwicklung, Rechnungslegung durch den Abwickler und Herausgabe des AbwicklungsvermÇgens an den Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren den Rang von Masseverbindlichkeiten ein, soweit sie nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens begrÅndet worden sind, weil insoweit eine Verwaltung der Insolvenzmasse in anderer Weise i.S.v. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 Alt. 2 InsO vorliegt. Dem Kanzeleiabwickler steht ein Anspruch auf Akteneinsicht in die bei dem Finanzamt gefÅhrten Steuerakten des insolventen Steuerberaters nicht zu.1 Ihm steht insoweit lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu.

1 FG MÅnster v. 28.3.2012 – 6 K 4441/10, EFG 2012, 1414.

161

Kapitel 2 Insolvenzrecht

E. Rechtsverhlltnisse des Insolvenzverwalters zum Steuerberater des Schuldners Literatur Biegelsack, Zulsssigkeit der Zahlung von Erfolgschancen durch Verwalter an Steuerberater, NZI 2008, 153; Ehlers, Ein Plsdoyer fÅr eine begrenzte Haftung der Steuerberater, DStR 2010, 2154; Fahlbusch, Steuerberater, Insolvenzverwalter, SStR 2008, 893; Sanierungsberatung und Insolvenzverwaltung durch den Steuerberater – Eine risikoanalytische Skizze, Stbg 2008, 123; GrÅrmann, „Erfolg durch Qualitst“ aus der Sicht des Steuerberaters, DStR 2006, 2331; Heidbrink, Beraterhonorare in der Insolvenz des Auftraggebers – aktuelle Entwicklungen, BB 2008, 958; HÇlzle, Steuerberater, Insolvenz, ZurÅckbehaltungsrecht, DStR 2003, 2075; Kamps/Wollweber, Formen der BerufsausÅbung fÅr Steuerberater – Steuerberatungs-GmbH und Partnerschaftsgesellschaft, DStR 2009, 1870; Lange, Schadensersatzpflicht des Steuerberaters wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung eines GmbH-GeschsftsfÅhrers, DStR 2007, 954; Olbing, Das ZurÅckbehaltungsrecht des Steuerberaters, DStR 2009, 2700; Scheffler/Beigel, Der Steuerberater als Insolvenzberater, DStR 2000, 1277; Schmittmann, Steuerberater im Visier von Insolvenzverwalters: Hinweise zur Haftungsvermeidung, StuB 2009, 696; Sundermeier/Gruber, Die Haftung des Steuerberaters in der wirtschaftlichen Krise des Mandanten, DStR 2000, 929; Wagner, Der Steuerberater in der ZwickmÅhle – Die Wahl zwischen Mandatsniederlegung oder Beihilfe zur Insolvenzverschleppung, ZInsO 2009, 449; Wollweber, Honorarsicherung in der wirtschaftlichen Krise des Mandanten, DStR 2010, 1801; Das ZurÅckbehaltungsrecht des Steuerberaters, DStR 2009, 2700; ZugehÇr, Haftung des Steuerberaters fÅr Insolvenzverschleppungsschsden, NZI 2008, 652.

I. Verschwiegenheitspflicht des Steuerberaters Literatur Bamberg, Steuerberatung, EDV und Verschwiegenheit, DStR 2006, 2052; Bncher, Steuergeheimnis bei Zusammenveranlagung?, ZInsO 2009, 1147; Beck, Mediation und Vertraulichkeit, Diss. 2009; Christ, Zeugnisverweigerungsrechte und Schweigepflicht der steuerberatenden Berufe, StWK Gruppe 24, 21 (3/2003); Cremer, Das Berufsrecht des Steuerberaters, SteuerStud 2009, 219; Diversy, Der Steuerberater im Spannungsfeld zwischen Schweigepflicht und Zeugenpflicht im Insolvenzstrafverfahren, ZInsO 2004, 960; Gilgan, Beratungspflichten in der Krise des Mandanten, BBKM 2007, 294; Grnfe, Zur Abtretung von GebÅhrenforderungen des Steuerberaters, EWiR 2006, 731; Hentschel, Freiberufler zwischen Skylla und Charybdis – Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren und berufliche Schweigepflicht, NJW 2009, 810; HÇlzle, Das Steuerberatungsmandat in der Insolvenz des Mandanten – Mandatsfragen im Vorfeld der Insolvenz, im vorlsufigen und im erÇffneten Insolvenzverfahren, DStR 2003, 2075; JÇrißen, Umfang und Grenzen des Steuergeheimnisses im Insolvenzverfahren, AO-StB 2008, 46; Kiethe, Prozessuale Zeugnisverweigerungsrechte in der Insolvenz, NZI 2006, 267; Marx, Paradigmenwechsel beim Steuergeheimnis? – Die EinfÅhrung eines § 31b AO durch das 4. FinanzmarktfÇrderungsgesetz zur Beksmpfung der Geldwssche, DStR 2002, 1467; Mutschler, BetriebsprÅfung bei Berufsgeheimnistrsgern – Vorlagepflicht, DStR 2010, 951; BetriebsprÅfungen bei Steuerberatern und die Pflicht zur Verschwiegenheit, DStR 2008, 2087; Reck, Berichtspflicht von Steuerberatern Åber die xber-

162

E. RechtsverhWltnisse des Insolvenzverwalters zum Steuerberater des Schuldners schuldung und Zahlungsunfshigkeit von Unternehmen, StuB 2002, 154; Spnth, Neues zur Verschwiegenheitspflicht der Steuerberater und Steuerbevollmschtigter, DStZ 1994, 78; Uhlenbruck, Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners und seiner organschaftlichen Vertreter im Insolvenzverfahren, NZI 2002, 401.

In der Insolvenz des Schuldners sieht sich der Insolvenzverwalter hsufig mit der Situation konfrontiert, dass er vom Schuldner nur vÇllig unzureichende Informationen Åber dessen VermÇgensverhsltnisse erlangt. Zwar trifft den Schuldner gem. §§ 20, 97, 98, 101 InsO eine umfassende Auskunftspflicht. Diese fÅhrt jedoch in der Praxis oft nicht sehr weit, weil der Schuldner nur Åber unvollstsndige Unterlagen verfÅgt und viele Zusammenhsnge seiner geschsftlichen und insbesondere steuerlichen Verhsltnisse gar nicht kennt.1 Daher ist es fÅr den Insolvenzverwalter von gesteigertem Interesse, auf die Fachkunde des Steuerberaters des Insolvenzschuldners und die bei diesem vorhandenen Unterlagen des Insolvenzschuldners zugreifen zu kÇnnen. Der Steuerberater des Schuldners gehÇrt aber nicht zu dem von §§ 20, 97, 98, 101 InsO umfassten Personenkreis,2 so dass er ihn nicht nach insolvenzrechtlichen Regeln zur Auskunftserteilung oder Mitwirkung heranziehen kann. Auskunftspflichten gegenÅber dem Steuerberater kÇnnen sich daher nur aus den allgemeinen Regeln ergeben. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Steuerberater gegenÅber dem Schuldner faktisch „das Sagen“ hat und damit zu einem faktischen GeschsftsfÅhrer des Schuldners geworden ist.3 Im Regelfall geht der Einfluss des Steuerberaters aber nicht so weit, so dass auf die allgemeinen Regeln zurÅckgegriffen werden muss. Der Vertrag, durch den einem steuerlichen Berater allgemein die Wahrnehmung aller steuerlichen Interessen des Auftraggebers Åbertragen wird, ist regelmsßig ein Dienstvertrag, der eine Geschsftsbesorgung zum Gegenstand hat.4 Worin diese Geschsftsbesorgung liegt, ist gesetzlich nicht geregelt, sondern richtet sich nach dem Inhalt des Mandats.5 Aus dem Beratervertrag ergibt sich schließlich auch die Auskunftspflicht des Steuerberaters gegenÅber seinem Mandanten. Sie resultiert folglich aus §§ 666, 675 BGB.

2.386

Dadurch, dass sich die Auskunftsverpflichtung des Steuerberaters ausschließlich nach allgemeinen bÅrgerlich-rechtlichen Regeln richtet, entsteht ein Konflikt. Das Auskunftsbegehren des Insolvenzverwalters kollidiert vordergrÅndig betrachtet mit der Verschwiegenheitspflicht des Steuerberaters, die sich aus § 57 Abs. 1 StBerG, § 9 BOStB ergibt. Sie umfasst alles, was dem Steuerberater in AusÅbung des Berufs oder bei Gelegenheit

2.387

1 Leibner, INF 2003, 718. 2 Kind in Braun, § 20 InsO Rz. 10; Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 20 Rz. 7. 3 Leibner, INF 2003, 718. 4 Olbig/Wollweber, DStR 2009, 2700 (2700); BGH v. 4.6.1970 – VII ZR 187/68, NJW 1970, 1596 (1597); v. 1.7.1971 – VII ZR 295/69, WM 1971, 1206 ff.; v. 17.2.1988 – IVa ZR 262/86, NJW 1988, 2608 (2608); Thomas in Palandt/BGB, Vorbemerkung zu § 631 Rz. 18; Heermann in MÅnchKomm/BGB, § 675 Rz. 41. 5 BGH v. 6.12.1979 – VII ZR 19/79, WM 1980, 308 (309).

163

388

Kapitel 2 Insolvenzrecht

der Berufststigkeit anvertraut worden oder bekannt geworden ist. Eine Auskunftspflicht des Steuerberaters kann sich folglich nur ergeben, wenn er von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden wird. Eine Befugnis dahingehend steht grundsstzlich dem Mandanten des Steuerberaters zu. Mit der InsolvenzerÇffnung geht diese Befugnis auf den Insolvenzverwalter Åber; dem Insolvenzverwalter gegenÅber kommt daher keine Verschwiegenheitsverpflichtung zur Anwendung. Im InsolvenzerÇffnungsverfahren ist dies nur der Fall, wenn ein starker vorlsufiger Verwalter bestellt wird, auf den die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis bezÅglich des schuldnerischen VermÇgens Åbergeht. Anders ist dies, soweit lediglich ein vorlsufiger schwacher Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt wird; diesem gegenÅber besteht zwar die Verschwiegenheitsverpflichtung des Steuerberaters, der Schuldner muss den Steuerberater aber im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten von der Verschwiegenheitsverpflichtung gegenÅber dem vorlsufigen schwachen Insolvenzverwalter befreien.1

II. HonoraransprÅche des Steuerberaters Literatur Arens, Das Steuerberatungsmandat in der Insolvenz, sj 2006, 42; Best/Ende, Fallstrick: § 46 Abs. 4 AO – Abtretung von SteuererstattungsansprÅchen an Steuerberater, DStR 2007, 595; Ehlers Notwendige Haftungsprsvention fÅr Steuerberater (Teil II), DStR 208, 636; Goetz, Die Neuregelung des Steuerberatungsrechts durch das 8. StBerznd, DB 2008, 971; Hnssel/Hengsberger, Katalog von Rechtsdienstleistungen fÅr Steuerberater, BB 2009, 135; Juretzek, Zur Frage des Gerichtsstands fÅr Honorarklagen von Steuerberatern, DStR 2007, 1100; Klaeren, MÇglichkeiten zur Absicherung des Steuerberaterhonorars, StW 2003, 877; Lange, Schadensersatzpflicht des Steuerberaters wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung eines GmbH-GeschsftsfÅhrers, DStR 2007, 954; Look, Offenlegung nach EHUG – AuftragsÅbernahme durch den Steuerberater, DStR 2007, 2231; Lotz, Die VergÅtung von Steuerberatern – Praktische Hinweise zur Gestaltung von VergÅtungsvereinbarungen, DStR 2009, 1716; Michels/Laufenberg, Private VermÇgensplanung als neues Tstigkeitsfeld des Steuerberaters, DStR 2000, 929; MÅller, Der Pflichtenkatalog fÅr Steuerberater und andere Freiberufler nach dem Geldwsschebeksmpfungsgesetz, DStR 2004, 1313; Olbing/Wollweber, Das ZurÅckbehaltungsrecht des Steuerberaters, DStR 2009, 2700; Spnth, Beratungspflicht des Steuerberaters ohne sicheren adsquaten GebÅhrenanspruch?, DStR 2003, 1590; Voraussetzungen eines wirksamen Honoraranspruchs eines Steuerberaters – Beweislast, DStR 1990, 286; Sundermeier/ Gruber, Die Haftung des Steuerberaters in der wirtschaftlichen Krise des Mandanten, DStR 2000, 929; Wolf, Steuerberatung und Erfolgshonorar – zur zulsssigen Vereinbarung im Ausnahmefall, DStR 2008, 1257.

Mit dem ErÇffnungsantrag erlÇschen gem. §§ 115, 116 und 117 InsO alle Auftrsge, Geschsftsbesorgungsvertrsge und Vollmachten, die einen Bezug zur Insolvenzmasse aufweisen. Der Beratervertrag ist als Geschsftsbesor1 MÇnning in Nerlich/RÇmermann, § 20 InsO Rz. 34; HÇlzle, DStR 2003, 2075 (2078).

164

E. RechtsverhWltnisse des Insolvenzverwalters zum Steuerberater des Schuldners

gungsvertrag einzuordnen. Somit endet das Mandatsverhsltnis kraft Gesetz mit VerfahrenserÇffnung;1 einer KÅndigung bedarf es nicht.2 Im Wege der NotgeschsftsfÅhrung nach § 115 Abs. 1 Satz 1 InsO kann der Steuerberater jedoch angehalten sein, die Geschsftsbesorgung so lange fortzufÅhren, bis der Insolvenzverwalter entsprechende Maßnahmen ergriffen hat, um Gefahren von der Masse abzuwenden.3 In diesem Fall gilt der Vertrag ausnahmsweise gem. § 115 Abs. 2 Satz 2 InsO als fortbestehend. AnsprÅche des Beraters aus NotgeschsftsfÅhrung sind gem. § 115 Abs. 2 Satz 3 InsO Masseforderungen. HonoraransprÅche, die aus der Zeit vor der ErÇffnung des Verfahrens stammen, sind einfache Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO. Etwas anderes ergibt sich nur in den seltenen Fsllen, in denen eine starke vorlsufige Verwaltung angeordnet wurde und der Steuerberater im Auftrag des vorlsufigen Insolvenzverwalters tstig wurde.4 Die im Auftrage des vorlsufigen starken Insolvenzverwalters erbrachten Leistungen begrÅnden Masseverbindlichkeiten.

2.389

Schließt der Insolvenzverwalter nach ErÇffnung einen neuen Steuerberatervertrag mit dem Steuerberater ab, so entstehen hieraus Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 InsO, welche vorrangig zu befriedigen sind. In der Regel Åbertrsgt der Insolvenzverwalter die Geschsftsbesorgung auf einen in insolvenzrechtlichen Angelegenheiten erfahrenen Steuerberater seines Vertrauens.

2.390

III. Anfechtung von Steuerberaterhonoraren Literatur Fuhst, Neue Anfechtungsrisiken fÅr Steuerberater – ein Praxisleitfaden, DStR 2013, 782; GrÇnwoldt, Abtretung von SteuererstattungsansprÅchen – Alternativen insbesondere im Licht des Insolvenzrechts, DStR 2007, 1058; Heidbrink, Beraterhonorare in der Insolvenz des Auftraggebers – aktuelle Entwicklungen, BB 2008, 958; KrÇll, Die schiedsrechtliche Rechtsprechung 2007 (Teil 2), SchiedsVZ 2008, 112; Meyer, Zur Anfechtbarkeit von Beraterhonoraren und der Reichweite der Barausnahme des § 142 InsO bei Geschsftsbesorgungen, DZWIR 2003, 6; Plathner, Risiken des steuerlichen Beraters bei insolvenzgefshrdeten Mandanten, DStR 2013, 1349; Sundermeier/Gruber, Die Haftung des Steuerberaters in der wirtschaftlichen Krise des Mandanten, DStR 2000, 929.

Nicht selten hat der Insolvenzschuldner an seinen Steuerberater Honorare in anfechtbarer Weise gezahlt. Da der Steuerberater nicht nur die Jahres1 BGH v. 30.11.1989 – III ZR 112/88, ZIP 1990, 48 = NJW 1990, 510 (510). 2 Olbig, DStR 2009, 2700 (2704); Waza/Uhlnnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 617; LG Cottbus v. 2.5.2001 – 1 S 42/01, DStRE 2002, 63 (63). 3 BGH v. 6.7.2006 – IX ZR 121/05, ZIP 2006, 1781 = NZI 2006, 637 (637). 4 Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 3022.

165

2.391

392

Kapitel 2 Insolvenzrecht

abschlÅsse seiner Mandanten erstellt, sondern Åblicherweise auch mit der laufenden Buchhaltung beauftragt ist, hat er einen permanenten Einblick in die Geschsftsentwicklung seiner Mandanten. Dies gilt insbesondere, wenn er monatliche betriebswirtschaftliche Auswertungen erstellt.1 Dann hat er regelmsßig einen tiefgreifenden Einblick in die Finanzen und wird somit zwingend Kenntnis von der Zahlungsunfshigkeit bzw. xberschuldung seines Mandanten haben oder zumindest Kenntnis von Umstsnden, die auf dessen Zahlungsunfshigkeit schließen lassen.2 BezÅglich der Kenntnis des Steuerberaters von der Zahlungsunfshigkeit kommt es somit nicht darauf an, ob er vom Schuldner Åber seine wirtschaftliche Schieflage unterrichtet wurde.3 Anfechtbar sind gem. § 130 Abs. 1 InsO auch Zahlungen des Schuldners auf Honorarforderungen des Steuerberaters, die in dieser HÇhe und zu diesem Zeitpunkt tatsschlich bestanden, wenn diese Zahlungen in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens geleistet wurden und der Steuerberater zu dieser Zeit wusste, dass der Schuldner zahlungsunfshig war. Zwar ist der Steuerberater nach Rechtsprechung des BGH4 keine nahestehende Person i.S.v. § 138 Abs. 2 Ziff. 2 InsO, so dass die Vermutungsregel des § 130 Abs. 3 InsO zu seinen Lasten nicht gilt. Wegen der Åblicherweise gegebenen Einblicke des Steuerberaters in die VermÇgensverhsltnisse des Schuldners ist jedoch gleichfalls in aller Regel von einer Kenntnis des Steuerberaters von der Zahlungsunfshigkeit auszugehen. Das gilt vor allem dann, wenn der Steuerberater – wie es zunehmend Åblich ist – Lesezugriff auf die Bankkonten des Insolvenzschuldners hat, weil er die Buchungen auf diesen Bankkonten im automatisierten Verfahren in die Finanzbuchhaltung des Schuldners – etwa per DATEV – einliest. Gepaart mit der Kenntnis des Steuerberaters von Ein- und Ausgangsrechnungen des Mandanten, die der Steuerberater jedenfalls bei Mandanten, die nach vereinbarten Entgelten besteuert werden, in aller Regel zeitnah vorliegen hat, ergibt sich ein ausgezeichneter xberblick Åber die Liquiditstslage des Mandanten. Somit sind Honorarzahlungen, die der Insolvenzschuldner in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag geleistet hat, in der Praxis nahezu durchgehend anfechtbar. Gleiches gilt auch fÅr Sicherheiten, die der Steuerberater in diesem Zeitraum fÅr seine offenen Honorarforderungen erhalten hat.

1 Siehe: LG Essen v. 8.3.2006 – 13 S 213/05, DStRE 2007, 935 (936); AG Hattingen v. 25.11.2005 – 7 C 147/05, DStRE 2006, 192 (192); Heidbrink, BB 2008, 958 (960); Bauer, Die GmbH in der Krise, Rz. 397. 2 LG Essen v. 8.3.2006 – 13 S 213/05, DStRE 2007, 935 (936); LG Stuttgart v. 18.5.2005 – 13 S 34/05, BeckRS 2005, 05882; AG OsnabrÅck v. 21.6.2001 – 42 C 49/01, ZInsO 2001, 1021 ff. bezÅglich der Kenntnis eines Steuerberaters, der auf Grund eines geplatzten Wechsels selbst zur Stellung eines Insolvenzantrags rst. 3 LG Essen v. 8.3.2006 – 13 S 213/05, DStRE 2007, 935 (936). 4 BGH v. 11.12.1997 – IX ZR 278/96, ZIP 1998, 247 = VIZ 1998, 164 (165); v. 15.11.2012 – IX ZR 205/11, ZIP 2012, 2449 = NJW 2013, 694.

166

E. RechtsverhWltnisse des Insolvenzverwalters zum Steuerberater des Schuldners

Allerdings kommt in Ansehung der Steuerberaterhonorare oft auch Åber den Dreimonats-Zeitraum hinaus die Anfechtung nach § 133 InsO in Betracht. Der Anfechtungszeitraum betrsgt hier 10 Jahre und kann den Steuerberater daher sehr empfindlich treffen. Tatbestandlich muss hier zwar hinzu kommen, dass der Insolvenzschuldner bei der Honorarzahlung an den Steuerberater mit dem Vorsatz gehandelt hat, seine Åbrigen Glsubiger zu benachteiligen und dass der Steuerberater diesen Vorsatz im Zeitpunkt des Empfangs der Zahlung bereits kannte. Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird diese Kenntnis jedoch vermutet, wenn der Steuerberater wusste, dass die Zahlungsunfshigkeit des Schuldners drohte oder gar bereits eingetreten war. Diese Kenntnis wird sich auf Grund der eben dargelegten tiefen Einblicke des Steuerberaters in aller Regel darlegen lassen.1

2.393

Eine Einschrsnkung erfshrt die Insolvenzanfechtung jedoch durch § 142 InsO. Damit der Schuldner in der Krise noch in gewissem Umfang am Wirtschaftsleben teilnehmen kann, ist ein sog. Bargeschlft nicht anfechtbar. Aus der Formulierung „unmittelbar“ ergibt sich, dass ein Bargeschsft nur vorliegen kann, wenn ein gewisser zeitlicher Zusammenhang vorliegt. Ein solcher wird Åblicherweise nach Ablauf von drei Wochen verneint.2 Leistung und Gegenleistung mÅssen durch Parteivereinbarung miteinander verknÅpft sein.3 Gewshrt der Schuldner eine andere Leistung als die geschuldete, so ist diese inkongruent und fsllt nicht mehr unter § 142 InsO.4

2.394

Das Honorar des Steuerberaters im Rahmen eines Sanierungsversuchs, das in angemessener HÇhe zeitnah gezahlt wird, ist Bargeschsft, wenn der Sanierungsversuch nicht von Anfang an objektiv ungeeignet ist, sondern davon auszugehen ist, dass ausreichende Chancen fÅr einen erfolgreichen Abschluss bestehen.5

2.395

IV. HerausgabeansprÅche des Insolvenzverwalters 1. Grundlagen Gemsß §§ 115, 116 und 117 InsO erlÇschen mit der InsolvenzerÇffnung alle Auftrsge und somit auch der Beratervertrag zwischen Steuerberater und seinem Mandanten. Trotz Beendigung des Vertragsverhsltnisses besteht der Herausgabeanspruch des Mandanten nach §§ 675 Abs. 1, 667 1 BGH v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, ZIP 2003, 1799 = NZI 2003, 597 (598), vergleiche auch: BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 205/11, ZIP 2012, 2449 = NJW 2013, 694; Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2992. 2 BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524 (526). 3 BT-Drucks. 12/2443, 167 zu § 161. 4 HÇlzle, DStR 2003, 2075 (2077); BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, NJW 1978, 758 (759); zum ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der kongruenten Deckung bei § 142 InsO zuletzt: BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, ZIP 2006, 1261 (1264). 5 Leibner, GmbHR 2004, 405 (406).

167

2.396

397

Kapitel 2 Insolvenzrecht

BGB fort. Hiernach muss der Beauftragte dem Auftraggeber alles, was er zur AusfÅhrung des Auftrags erhslt oder was er aus der Geschsftsbesorgung erlangt hat, herausgeben. Zur AusfÅhrung seines Auftrags erhslt der Steuerberater regelmsßig umfangreiche Unterlagen und Informationen, aus welchen er ein Arbeitsergebnis erstellt.1 Zu diesen gehÇren ssmtliche Unterlagen, alle vom Schuldner oder einem Dritten zur VerfÅgung gestellten Belege aber auch alle in schriftlicher, elektronisch oder sonstiger Form erbrachten Erzeugnisse der geschuldeten Vertragsleistung. Aus der Geschsftsbesorgung erlangt ist alles, was der Beauftragte auf Grund eines inneren Zusammenhangs mit dem gefÅhrten Geschsft erhalten hat. Somit sind auch die von Beauftragten erstellten Akten, sonstigen Unterlagen und Dateien von diesem Anspruch erfasst, solange sie nicht als private Aufzeichnungen einzustufen sind.2 Dieser Herausgabeanspruch wird mit Erledigung des einzelnen Auftrags oder mit Beendigung des Auftragsverhsltnisses, also durch ErÇffnung des Insolvenzverfahrens, fsllig.3 Der Herausgabeanspruch ist Holschuld; der Steuerberater muss die Unterlagen lediglich zur Abholung in seinen yrtlichkeiten bereitstellen.4 Der Herausgabeanspruch steht im Insolvenzverfahren dem Insolvenzverwalter zu, nicht dem Insolvenzschuldner.5 2. ZurÅckbehaltungsrecht des Steuerberaters Dem Steuerberater steht gem. § 66 Abs. 2 StBerG ein ZurÅckbehaltungsrecht an der Handakte des Mandanten zu, wenn dieser seine Honorarforderungen nicht begleicht. Zudem kann er sich auf das allgemeine ZurÅckbehaltungsrecht nach § 273 BGB sowie die Einrede des nicht erfÅllten Vertrags nach § 320 BGB berufen. Das ZurÅckbehaltungsrecht aus § 66 Abs. 2 StBerG geht als lex specialis dem des § 273 BGB vor. Es ist als Sonderrecht weiter gefasst und soll dem Steuerberater ermÇglichen, seine AnsprÅche privilegiert außergerichtlich durchzusetzen.6 Damit soll ihm ein wirkungsvolles Druckmittel an die Hand gegeben werden.7 Zulsssig ist die Berufung auf das ZurÅckbehaltungsrecht jedoch nur, wenn der Steuerberater damit nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstÇßt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Honoraranspruch unverhsltnismsßig niedrig ist8 oder in einer Art und Weise streitig ist, dass dessen Klsrung einen hohen Zeitaufwand bedeuten wÅrde.9 Umfasst ist von diesem 1 2 3 4 5 6

LG Hannover v. 4.3.2009 – 44 StL 19/06, NZI 2010, 119 (120). BGH v. 11.3.2004 – IX ZR 178/03, ZIP 2004, 1267 = DStR 2004, 1397 (1398). LG Cottbus v. 2.5.2001 – 1 S 42/01, DStRE 2002, 63 (63). Olbig/Wollweber, DStR 2009, 2700 (2700). LG Hannover v. 4.3.2009 – 44 StL 19/06, NZI 2010, 119 (119). BGH v. 3.7.1997 – IX ZR 244/96, NJW 1997, 2944 (2945) zum vergleichbaren § 50 BRAO. 7 BGH v. 3.7.1997 – IX ZR 244/96, NJW 1997, 2944 (2945). 8 BGH v. 17.2.1988 – IVa ZR 262/86, ZIP 1988, 442 = NJW 1988, 2607 (2808); v. 13.7.1970 – VII ZR 176/68, NJW 1970, 2019 (2012); OLG DÅsseldorf v. 21.12.2004 – 23 U 36/04, NJW 2005, 1131 (1131). 9 BGH v. 11.4.1984 – VIII ZR 302/82, NJW 1984, 2151 (2154).

168

E. RechtsverhWltnisse des Insolvenzverwalters zum Steuerberater des Schuldners

Recht jedoch nur die Handakte, § 66 Abs. 2 Satz 1 StBerG. Aus Zwecken der Rechtsklarheit ist die Handakte in § 66 Abs. 3 StBerG legaldefiniert: Handakten sind demnach nur die SchriftstÅcke, die der Steuerberater oder Steuerbevollmschtigte aus Anlass seiner beruflichen Tstigkeit von dem Auftraggeber oder fÅr ihn erhalten hat. Dazu gehÇren insbesondere KontoauszÅge, Rechnungen und sonstige BuchfÅhrungsunterlagen, Bescheinigungen, Belege und auch alle SchriftstÅcke, die er fÅr den Mandanten erhalten hat wie beispielsweise Steuerbescheide oder Urteile.1 Mit umfasst sind auch Vermerke und Notizen des Steuerberaters sowie ein vom Steuerberater bereits gefertigtes Arbeitsergebnis, soweit es noch nicht an den Mandanten Åbersandt ist und damit unter § 66 Abs. 1 Satz 2 StBerG fsllt.2 Im Insolvenzverfahren ist das ZurÅckbehaltungsrecht des Steuerberaters aus § 66 Abs. 2 StBerG jedoch eingeschrlnkt (wie auch alle anderen außerinsolvenzrechtlichen ZurÅckbehaltungsrechte). § 51 Ziff. 2 InsO regelt abschließend, welche Arten des ZurÅckbehaltungsrechts insolvenzfest gegenÅber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kÇnnen. Die Regelung ist dahin zu verstehen, dass der Gesetzgeber regeln wollte, welche Rechte der Insolvenzverwalter sich entgegenhalten lassen muss und dass bei allen anderen Rechten der Glsubiger auf die Quote zu verweisen sei.3 Das allgemeine schuldrechtliche ZurÅckbehaltungsrecht ist daher auf Grund der Spezialregelung des § 51 InsO gegenÅber dem Insolvenzverwalter ausgeschlossen.4 Der Ausschluss gilt auch fÅr das dem § 273 BGB nachempfundene ZurÅckbehaltungsrecht aus § 66 Abs. 2 StBerG.5 Auch das auf § 66 Abs. 4 StBerG gestÅtzte ZurÅckbehaltungsrecht kann daher gegenÅber dem Insolvenzverwalter nicht durchgreifen, wenn die geltend zu machenden Honorarforderungen nicht den Rang von Masseverbindlichkeiten, sondern nur den von Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) einnehmen, weil die geltend gemachten Honorarforderungen dann nicht (mehr) im Gegenseitigkeitsverhsltnis zum Herausgabeanspruch des Insolvenzverwalters stehen.6

2.398

3. Sonderproblem: DATEV-Daten Oft entbrennt der eigentliche Streit Åber die Herausgabe der Steuerunterlagen des Insolvenzschuldners vom Steuerberater an den Insolvenzverwalter an den gespeicherten DATEV-Daten. Grundsstzlich umfasst der in § 66 Abs. 3 StBerG legaldefinierte Begriff der Handakte gem. § 66 Abs. 4 1 OLG DÅsseldorf v. 21.12.2004 – 23 U 36/04, NJW 2005, 1131 (1131); Olbing/ Wollweber, DStR 2009, 2700 (2700); LG Heidelberg v. 29.9.1997 – 4 O 53/97, NJW-RR 1998, 1072 (1072). 2 LG Heidelberg v. 29.9.1997 – 4 O 53/97, NJW-RR 1998, 1072 (1072). 3 LG Cottbus v. 2.5.2001 – 1 S 42/01, DStRE 2002, 63 (64). 4 Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl., § 49 Rz. 24, m.w.N. 5 Olbing/Wollweber, DStR 2009, 2700 (2704). 6 LG Cottbus v. 2.5.2001 – 1 S 42/01, DStRE 2002, 63 (64); so i.E. auch Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 3035 ff.; LG Hannover v. 4.3.2009 – 44 StL 19/06, NZI 2010, 119 (119).

169

2.399

400

Kapitel 2 Insolvenzrecht

Satz 1 StBerG auch die bei einem Rechenzentrum gespeicherten DATEVStammdaten.1 BezÅglich des Herausgabeanspruchs besteht kein Unterschied dahingehend, ob die Unterlagen kÇrperlich Åbergeben werden oder elektronisch abgespeichert werden.2 Somit bestehen auch keine Bedenken dagegen, die Zustimmung zur DatenÅbertragung auf den Insolvenzverwalter als Inhalt der Verpflichtung zur Herausgabe der vom Steuerberater bei einem Dritten abgespeicherten Daten anzusehen.3 Eine Herausgabepflicht des Steuerberaters ist also zu bejahen. Kommt er seiner Verpflichtung nicht nach, so kann der Insolvenzverwalter den Anspruch auf Herausgabe der Steuerdaten im Wege der einstweiligen VerfÅgung gem. § 935 ZPO durchsetzen. Der VerfÅgungsgrund i.S.d. § 935 ZPO ergibt sich daraus, dass der Insolvenzverwalter ohne diese Daten seinen Verwalterpflichten nicht ordnungsgemsß nachkommen kann.4

1 2 3 4

LG Hannover v. 4.3.2009 – 44 StL 19/06, NZI 2010, 119 (119). LG Hannover v. 4.3.2009 – 44 StL 19/06, NZI 2010, 119 (120). BGH v. 11.3.2004 – IX ZR 178/03, ZIP 2004, 1267 = DStR 2004, 1397 (1398). LG Berlin v. 3.3.2006 – 28 O 92/06, ZIP 2006, 962 ff.

170

Kapitel 3 Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren A. DurchfÅhrung der Besteuerung Literatur Bartone, Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf das Besteuerungsverfahren, AO-StB 2002, 22; Der Erlass und die znderung von Steuerverwaltungsakten im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Steuerpflichtigen, AO-StB 2007, 308; Bauer, Ungleichbehandlung der Glsubiger im geltenden Insolvenzrecht, DZWIR 2007, 188; Unzulsssigkeit der WiedereinfÅhrung des Fiskusvorrechts im Insolvenzverfahren, ZInsO 2010, 1432; Benne, Einkommensteuerliche und steuerverfahrensrechtliche Probleme bei Insolvenzen im Zusammenhang mit Personengesellschaften, BB 2001, 1977; Busch/Kranenberg, Abtretung von SteuererstattungsansprÅchen in der Insolvenz, NWM 11/2010, 824; EidenmÅller, Forschungsperspektiven im Unternehmensrecht, ZGR 2007, 484; Hagen, Bekanntgabe von Feststellungsbescheiden im Insolvenzverfahren, NWB Nr. 46 v. 13.11.2006, Fach 2, 9063; Heese, Forderungsbewertung und Wertermittlungspflichten im Insolvenzfall, DStR 2008, 150; HÇlzle, Das Steuerberatungsmandat in der Insolvenz des Mandanten – Mandatsfragen im Vorfeld der Insolvenz, im vorlsufigen und im erÇffneten Insolvenzverfahren, DStR 2003, 2075; Jnger, ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens wshrend eines Finanzgerichtsverfahrens, DStR 2008, 1272; Krumm, Steuervollzug und formelle Insolvenz, Frankfurt/M., 2009; Linn, Die Anwendung des Beihilfeverbots im Unternehmensteuerrecht, IStR 2008, 601; Maus, Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen als Problem in der Unternehmensinsolvenz, NZI 2000, 449; Nicht/Frege/Berger, Unternehmerische Ermessensentscheidungen im Insolvenzverfahren – Entscheidungsfindung, Kontrolle und persÇnliche Haftung, NZI 2010, 321; Onusseit, Die steuerrechtlichen Rechte und Pflichten de Insolvenzverwalters in den verschiedenen Verfahrensarten nach der InsO, ZInsO 2000, 363; Pflaum, Steuerbescheide in der Insolvenz, StW 2009, 244; RÅsken, Die Rechtsprechung des VII. Senats des BGH zum steuerlichen Insolvenzverfahrensrecht und zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren, NZI 2006, 330; Aufrechnung von Steuern im Insolvenzverfahren in der neueren Rechtsprechung des BFH, ZIP 2007, 2053; Snmisch/Adam, Fiskalische Begehrlichkeiten: Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten?, ZInsO 2010, 934; Schmidt-De Caluwe, Vorlsufige Verwaltungsakte im ArbeitsfÇrderungsrecht, NZS 2001, 240; Schmittmann, AuskunftsansprÅche des Insolvenzverwalters gegen die Finanzverwaltung anhand der aktuellen Rechtsprechung, ZInsO 2010, 1469; Steinhauff, Die Treuhand im Ertragsteuerrecht, SteuK 2010, 249; Sterzinger, Probleme bei der Auszahlung des KÇrperschaftsteuerguthabens im Insolvenzverfahren, BB 2008, 1480; Uhlnnder, Aktuelle Zweifelsfragen zum Steuerverfahren in der Insolvenz, AO-StB 2002, 83; Uhlenbruck, Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners und seiner organschaftlichen Vertreter im Insolvenzverfahren, NZI 2002, 401; Waza, Steuerverfahrensrechtliche Problemfelder in der Insolvenz, NWB Nr. 43 v. 20.10.2003, Fach 2, 8237; Werth, Insolvenzaufrechnung von Forderungen aus dem Steuerschuldverhsltnis – aktuelle Entwicklungen auf Grund der neueren Rechtsprechung des BGH, DStZ 2010, 572; Wollweber, Honorarsicherung in der wirtschaftlichen Krise des Mandanten, DStR 2010, 1801.

171

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

I. Grundsltzlicher Fortbestand der Rechtsflhigkeit

3.1 Der Insolvenzschuldner bleibt auch nach InsolvenzerÇffnung weiter

rechtsfshig und Steuerrechtssubjekt. FÅr natÅrliche Personen versteht sich dies von selbst (§ 1 BGB). Aber auch juristische Personen behalten wshrend des Insolvenzverfahrens ihre Rechtsfshigkeit und ihre Steuersubjektfshigkeit. Die Rechtsfshigkeit der juristischen Person endet nsmlich erst mit Eintritt der VermÇgenslosigkeit und der LÇschung im Handelsregister.1 Die LÇschung allein bewirkt keine Vollbeendigung der KÇrperschaft. Da die juristische Person, Åber deren VermÇgen das Insolvenzverfahren erÇffnet ist, auch wshrend des Insolvenzverfahrens Trsger der zur Insolvenzmasse gehÇrenden VermÇgensgegenstsnde und Verbindlichkeiten (sowohl Insolvenzforderungen als auch Masseverbindlichkeiten) ist, kann Vollbeendigung erst dann eintreten, wenn die gesamte Insolvenzmasse an die Glsubiger verteilt ist, denn vor diesem Zeitpunkt ist die juristische Person noch VermÇgenstrsger. Wird die Gesellschaft trotz vorhandenen VermÇgens gelÇscht, berÅhrt dies ihre Rechtsfshigkeit nicht. Auch steuerrechtlich tritt durch die LÇschung im Handelsregister nicht die Beendigung der KÇrperschaft ein. Nach stsndiger Rechtsprechung des BFH besteht eine juristische Person trotz ihrer LÇschung im Handelsregister steuerrechtlich fort, solange sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfÅllen hat oder gegen sie ergangene Steuerbescheide angreift.2 Dies gilt auch fÅr auslsndische Kapitalgesellschaften.3 Daher ist auch wshrend des Insolvenzverfahrens die Besteuerung von Insolvenzschuldnern durchzufÅhren, die juristische Personen sind.

II. Zustlndigkeiten der FinanzbehÇrde

3.2 Die sachliche Zustsndigkeit der FinanzbehÇrden richtet sich gem. § 16

AO nach dem Gesetz Åber die Finanzverwaltung (FVG), soweit keine besonderen Regelungen getroffen sind. Solche besonderen Regelungen finden sich beispielsweise in §§ 249 Abs. 1, 328 Abs. 1, 386 Abs. 1 AO. Sachliche Zustsndigkeit bedeutet die Verteilung behÇrdlicher Aufgaben auf verschiedene Verwaltungstrsger. Unterarten der sachlichen Zustsndigkeit sind die funktionelle und die verbandsmsßige Zustsndigkeit. Gegenstand der funktionellen Zustsndigkeit sind diejenigen Regelungen, die festlegen, welche Aufgaben auf welcher Hierarchieebene (Unter-, Mittel- und OberbehÇrden) wahrgenommen werden. Verbandsmsßige Zustsndigkeit

1 Haas in Baumbach/Hueck, § 60 GmbHG, Rz. 6; OLG Stuttgart v. 28.2.1986 – 2 U 148/85, ZIP 1986, 647 = NJW-RR 1986, 836 (836). 2 BFH v. 15.2.2006 – I B 38/05, BFH/NV 2006, 1049 ff.; v. 28.1.2004 – I B 210/03, BFH/NV 2004, 670 ff.; kritisch Koenig in Pahlke/Koenig, § 33 AO Rz. 10. Fehl geht insoweit FG Nds. v. 15.9.2005 – 6 K 609/00, EFG 2006, 1195 ff., wonach eine Stiftung durch ErÇffnung des Konkursverfahrens ihre Rechtsfshigkeit verlieren soll. Das soll sich aus §§ 86, 42 Abs. 1 BGB ergeben. § 42 Abs. 1 BGB bestimmt indessen nur die AuflÇsung, nicht aber die Beendigung der Rechtsfshigkeit. 3 BFH v. 28.1.2004 – I B 210/03, BFH/NV 2004, 670 ff.

172

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

meint die Abgrenzung der Zustsndigkeiten verschiedener Rechtstrsger zueinander. So sind beispielsweise die Gemeinden gem. § 4 Abs. 1 GewStG in Ansehung der Gewerbesteuer verbandsmsßig zustsndig. Verwaltungsakte, die von einer sachlich unzustsndigen BehÇrde erlassen worden sind, sind nichtig (§ 125 Abs. 1 AO), wenn der Fehler offensichtlich ist, sonst zumindest rechtswidrig. Fehlt der erlassenden BehÇrde die erforderliche Sachkunde fÅr den Erlass eines bestimmten Verwaltungsaktes, so ist grundsstzlich von Nichtigkeit auszugehen. Die Çrtliche Zustsndigkeit der FinanzbehÇrden richtet sich nach §§ 17 ff. AO. FÅr die Çrtliche Zustsndigkeit sind die Verhsltnisse im Zeitpunkt des Verwaltungshandelns maßgeblich.1 FÅr natÅrliche Personen richtet sich die Çrtliche Zustsndigkeit der FinanzbehÇrde nach § 19 AO, also nach dem Ort, an dem die Person ihren Wohnsitz hat. Soweit gesonderte Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen erforderlich sind, wie vor allem bei Personengesellschaften, richtet sich die Çrtliche Zustsndigkeit nach § 18 Abs. 1 AO i.V.m. § 180 Abs. 1 AO. Die Çrtliche Zustlndigkeit der FinanzbehÇrde fÅr KÇrperschaften bestimmt sich gem. § 20 Abs. 1 AO nach ihrem Geschsftssitz. Ein Zustsndigkeitswechsel tritt gem. § 26 AO dann ein, wenn sich die Umstsnde, die die Zustsndigkeit begrÅnden, sndern und eine der beiden FinanzbehÇrden hiervon erfshrt. Wshrend des Insolvenzantragsverfahrens und wshrend eines erÇffneten Insolvenzverfahrens tritt allerdings gem. § 26 Satz 3 AO kein Zustsndigkeitswechsel ein, auch wenn der Insolvenzverwalter die Geschsfte des insolvenzschuldnerischen Unternehmens von einem anderen als dem bisherigen Geschsftssitz aus fÅhrt, beispielsweise von seinen Kanzleirsumlichkeiten. § 26 Satz 3 AO gilt sowohl fÅr das Regelinsolvenzverfahren (§§ 11 ff. InsO), als auch fÅr das Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 304 ff. InsO).

3.3

In den Fsllen, in denen eine natÅrliche Person wshrend des erÇffneten Insolvenzverfahrens in einem anderen Finanzamtsbezirk eine neue gewerbliche oder selbstsndige Tstigkeit i.S.d. § 35 Abs. 2 InsO aufnimmt, gilt Folgendes2:

3.4

Ist der Steuerpflichtige bereits bisher ertrag- und betriebsteuerlich gefÅhrt worden, verbleibt es fÅr diese Steuerarten gem. § 26 Satz 3 AO bei der bisherigen Zustsndigkeit.

3.5

Handelt es sich hingegen um die erstmalige Aufnahme einer unternehmerischen Tstigkeit, wird hinsichtlich der Betriebssteuern erstmals eine Zustsndigkeit begrÅndet und mithin dies mangels eines Zustsndigkeitswechsels nicht von § 26 Satz 3 AO erfasst. Die Çrtliche Zustsndigkeit fÅr die Betriebssteuern liegt damit bei dem Finanzamt, von dessen Bezirk der Unternehmer das Unternehmen ganz oder vorwiegend betreibt.

3.6

1 BFH v. 22.9.1989 – III R 227/84, BFH/NV 1990, 568. 2 OFD Hannover v. 23.12.2008 – S 0127 - 36 - StO 142, DStR 2009, 588 (588) VerfÅgung betr. Çrtliche Zustsndigkeit in Insolvenz- und Liquidationsfsllen.

173

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

3.7 Wechselt der Schuldner wshrend der Wohlverhaltensphase (§ 287 Abs. 2

Satz 1 InsO) seinen Wohnsitz in den Bezirk eines anderen Finanzamts, so ist die Besteuerung von dem fÅr den neuen Wohnsitz zustsndigen Finanzamt durchzufÅhren, weil die Wohlverhaltensphase erst an das bereits eingestellte oder aufgehobene Insolvenzverfahren anschließt.1

3.8 Sofern die Çrtlich unzustlndige BehÇrde einen Verwaltungsakt erlassen

hat, so ist dieser gem. § 125 Abs. 3 Ziff. 1 AO nicht bereits deswegen nichtig. Sofern keine andere Entscheidung in der Sache hstte ergehen kÇnnen, kann die Aufhebung des Verwaltungsaktes wegen § 127 AO nicht verlangt werden. Gleichwohl ist der durch die Çrtlich unzustsndige BehÇrde erlassene Verwaltungsakt rechtswidrig; er ist aufzuheben, wenn in der Sache materiell-rechtlich eine andere Entscheidung hstte ergehen kÇnnen. FÅr den Erlass eines Abrechnungsbescheides ist diejenige FinanzbehÇrde zustlndig, die den Anspruch aus dem Steuerschuldverhsltnis, um dessen Verwirklichung gestritten wird, festgesetzt hat. Ein Zustsndigkeitswechsel tritt auch dann nicht ein, wenn sich nach der Festsetzung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhsltnis znderungen der die Çrtliche Zustsndigkeit fÅr die Besteuerung begrÅndenden Umstsnde ergeben haben, wie etwa ein Wohnsitzwechsel.2

III. Steuergeheimnis Literatur Bamberg, Steuerberatung, EDV und Verschwiegenheit, DStR 2006, 2052; Bncher, Steuergeheimnis bei Zusammenveranlagung?, ZInsO 2009, 1147; Beck, Mediation und Vertraulichkeit, Diss. 2009; Christ, Zeugnisverweigerungsrechte und Schweigepflicht der steuerberatenden Berufe, StWK Gruppe 24, 21 (3/2003); Cremer, Das Berufsrecht des Steuerberaters, SteuerStud 2009, 219; Diversy, der Steuerberater im Spannungsfeld zwischen Schweigepflicht und Zeugenpflicht im Insolvenzstrafverfahren, ZInsO 2004, 960; DrÅen, Die Zukunft des Steuerverfahrens, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts, 2009, 1; Eich, GrenzÅberschreitende Amtshilfe in Steuersachen, KySDI 2010, 17041; Gilgan, Beratungspflichten in der Krise des Mandanten, BBKM 2007, 294; Grnfe, Zur Abtretung von GebÅhrenforderungen des Steuerberaters, EWiR 2006, 731; Haarmann/Suttorp, Zustimmung des Kabinetts zum Steuerhinterziehungsbeksmpfungsgesetz, BB 2009, 1275; Hagen, Steuergeheimnis im Verfahren nach der Insolvenzordnung, StW 2009, 16; Hentschel, Freiberufler zwischen Skylla und Charybdis – Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren und berufliche Schweigepflicht, NJW 2009, 810; HÇll, Die Mitteilungspflichten bei Korruptionssachverhalten im RegelungsgefÅge des Steuergeheimnisses, ZIS 2010, 309; HÇlzle, Das Steuerberatungsmandat in der Insolvenz des Mandanten – Mandatsfragen im Vorfeld der Insolvenz, im vorlsufigen und im erÇffneten Insolvenzverfahren, DStR 2003, 2075; Jacobsen/Peters, Schwarzmalerei in Strafsachen, wistra 2009, 458; JÇrißen, Umfang und Grenzen des Steuergeheim1 OFD Hannover v. 23.12.2008 – S 0127 - 36 - StO 142, DStR 2009, 588 (588) VerfÅgung betr. Çrtliche Zustsndigkeit in Insolvenz- und Liquidationsfsllen. 2 BFH v. 12.7.2011 – VII R 69/10, BFH/NV 2011, 431.

174

A. DurchfÅhrung der Besteuerung nisses im Insolvenzverfahren, AO-StB 2008, 46; KÇnig, Grundwissen zur Zumessung der Geldstrafe, JA 2009, 809; Kiethe, Prozessuale Zeugnisverweigerungsrechte in der Insolvenz, NZI 2006, 267; Leitner, Aufforderung zur Vorlage der Buchhaltungsdaten einer Bank auf Datentrsger wshrend einer AußenprÅfung, EFG 2010, 98; Loose, Anspruch des Insolvenzverwalters auf Auskunft des Finanzamtes, EFG 2009, 639; Matthes, Kein uneingeschrsnktes Recht auf Akteneinsicht im Besteuerungsverfahren wegen einer anonymen Anzeige, EFG 2010, 611; Marx, Paradigmenwechsel beim Steuergeheimnis? – Die EinfÅhrung eines § 31b AO durch das 4. FinanzmarktfÇrderungsgesetz zur Beksmpfung der Geldwssche, DStR 2002, 1467; Micker, Die Anwendung des Steuergeheimnisses auf freiwillige und verpflichtete Anzeigeerstatter, AO-StB 2010, 92; Mutschler, BetriebsprÅfung bei Berufsgeheimnistrsgern – Vorlagepflicht, DStR 2010, 951; BetriebsprÅfungen bei Steuerberatern und die Pflicht zur Verschwiegenheit, DStR 2008, 2087; Reck, Berichtspflicht von Steuerberatern Åber die xberschuldung und Zahlungsunfshigkeit von Unternehmen, StuB 2002, 154; Schwedhelm, Praxiserfahrungen in der Steuerstrafverteidigung, BB 2010, 731; Spnth, Neues zur Verschwiegenheitspflicht der Steuerberater und Steuerbevollmschtigten, DStZ 1994, 78; Uhlenbruck, Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners und seiner organschaftlichen Vertreter im Insolvenzverfahren, NZI 2002, 401; Wagner, MÇglichkeiten und Schranken bei der Fertigung von Kontrollmitteilungen anlssslich von AußenprÅfungen bei Kreditinstituten, DStZ 2010, 69; v. Wedelstndt, Die znderungen und Ergsnzungen im Anwendungserlass zur Abgabenordnung durch das BMF-Schreiben v. 2.1.2009, DB 2009, 254; Die znderungen und Ergsnzungen im AEAO durch das BMF-Schreiben v. 22.12.2009, DB 2010, 189; Wegber, Investitionszulagen; Welche strafrechtlichen Risiken drohen dem steuerlichen Berater?, PStR 2009, 233; Winner, Der Kampf gegen „Steueroasen“: Eine Çkonomische Betrachtung, StuW 2010, 101.

1. Grundlagen Das Steuergeheimnis ist in § 30 AO statuiert. Es soll den Steuerpflichtigen vor der Weitergabe von ihn betreffenden Informationen schÅtzen und somit auch dafÅr Sorge tragen, dass der einzelne BÅrger wahrheitsgemsße AuskÅnfte erteilt.1 Außerdem soll die Gleichmsßigkeit der Besteuerung gesichert werden.2 Im Ergebnis werden dadurch also sowohl private, als auch Çffentliche Interessen geschÅtzt. Dieses Interesse geht aber nicht weiter, als es der Schutz des Steuerpflichtigen erfordert.3

3.9

Dem Steuergeheimnis verpflichtet sind Amtstrlger i.S.v. § 7 AO. Dazu zshlen u.a. auch Angestellte des Finanzamts. Verhlltnisse i.S.v. § 30 Abs. 2 AO sind alle persÇnlichen und wirtschaftlichen Umstsnde, welche mit einer anderen Person in Zusammenhang stehen.4 Der Begriff ist weit auszulegen.5 Darunter fallen z.B. geschsftliche und berufliche Aktivitsten des Steuerpflichtigen, Grundlagen von schon abgegeben Steuererklsrun-

3.10

1 2 3 4 5

Intemann in Pahlke/Koenig, § 30 AO Rz. 1. BFH v. 8.2.1994 – VII R 88/92, BStBl. II 1994, 552 = DStR 1994, 1081 (1081). BFH v. 25.4.1967 – VII 151/60, NJW 1967, 2228 (2228). Intemann in Pahlke/Koenig, § 30 AO Rz. 41. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 205.

175

.11

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

gen, aber auch Daten zur ReligionszugehÇrigkeit, dem Familienstand oder dem Gesundheitszustand. Offenbart werden kÇnnen Steuergeheimnisse durch jede Handlung, die zur Kenntnisnahme durch andere Personen fÅhren kann. Eine Offenbarung liegt jedoch nur dann vor, wenn die betreffenden Informationen nicht schon vor der Auskunft durch den Verpflichteten bekannt waren.1 GegenÅber dem GeschÅtzten gilt das Steuergeheimnis nicht. Dies bedeutet, dass der Steuerpflichtige selbst AuskÅnfte Åber seine Verhsltnisse verlangen kann, ohne dass dadurch eine Verletzung des § 30 AO vorliegt. Sofern es einen befugten Vertreter des Steuerpflichtigen gibt, ist dieser insoweit zur Einholung von AuskÅnften berechtigt, wie seine Vertretungsmacht reicht.2 Sofern das Steuergeheimnis verletzt wird, liegt darin eine Straftat nach § 355 StGB, welche fÅr den handelnden Amtstrsger auch disziplinarrechtliche Konsequenzen haben kann. Der betroffene Steuerpflichtige kann bei Verletzungen des ihn betreffenden Steuergeheimnisses SchadensersatzansprÅche geltend machen. MÇgliche Anspruchsgrundlagen sind § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG; §§ 823 Abs. 2, 831 BGB i.V.m. § 30 AO oder §§ 823 Abs. 2, 31, 89 BGB i.V.m. § 30 AO. Ferner kann der Betroffene im Wege des Unterlassungsanspruchs nach § 1004 BGB analog i.V.m. § 30 AO oder Åber § 114 Abs. 1 FGO (einstweilige Anordnung) gegen eine Auskunft Åber ihn vorgehen. Die AnsprÅche des Betroffenen ergeben sich daraus, dass § 30 AO ein subjektiv-Çffentliches Recht darstellt. 2. Steuergeheimnis wlhrend des Insolvenzverfahrens

.12

Auch wshrend des Insolvenzverfahrens ist das Steuergeheimnis grundsstzlich zu wahren.3

.13

Die Erteilung von AuskÅnften Åber den steuerpflichtigen Insolvenzschuldner an das Insolvenzgericht oder an den Insolvenzverwalter fÅhrt aber nicht unbedingt zu einer Verletzung des Steuergeheimnisses. Vielmehr kann die Auskunftserteilung durch § 30 Abs. 4 AO gerechtfertigt sein. Abs. 4 rechtfertigt die Weitergabe von Informationen, wenn diese zur DurchfÅhrung von Verwaltungsverfahren, RechnungsprÅfungsverfahren, gerichtlichen Verfahren in Steuersachen, Strafverfahren oder Bußgeldverfahren benÇtigt werden. Zulsssig ist die Weitergabe auch, soweit sie ausdrÅcklich durch Gesetz gestattet ist, der Betroffene zustimmt oder ein besonderes Çffentliches Interesse besteht.

.14

Da die DurchfÅhrung eines Insolvenzverfahrens die DurchfÅhrung eines Verwaltungsverfahrens in Steuersachen darstellt, darf die Finanzverwaltung zum Zwecke der DurchfÅhrung eines Insolvenzverfahrens gem. § 30

1 BFH v. 29.4.1993 – IV R 107/92, BStBl. II 1993, 666. 2 Intemann in Pahlke/Koenig, § 30 AO Rz. 47. 3 FG Rh.-Pf. v. 24.11.2009 – 1 K 1752/07, ZIP 2010, 892 (894).

176

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

Abs. 4 Ziff. 1 AO jedenfalls folgende Informationen an das Insolvenzgericht und auch einen (vorlsufigen) Insolvenzverwalter weitergeben:1 – die in einem InsolvenzerÇffnungsantrag des Finanzamtes zur Glaubhaftmachung eines ErÇffnungsgrundes notwendigen Angaben, – die Anmeldung der Abgabenforderungen zur Insolvenztabelle, – die genaue Bezeichnung der SteueransprÅche dem Grund und der HÇhe nach. DarÅber hinaus ist eine Weitergabe von Informationen durch das Finanzamt an den Insolvenzverwalter zwecks Anreicherung der Masse und Erreichung einer hÇheren Quote fÅr die Finanzverwaltung ebenfalls gem. § 30 Abs. 4 Ziff. 1 AO zulsssig, da auch diese Informationsweitergabe der erfolgreichen DurchfÅhrung des Besteuerungsverfahrens dient.2 Auch die Offenbarung von persÇnlichen und wirtschaftlichen Verhsltnissen des Steuerpflichtigen, welche die Tabellenforderungen des Finanzamtes in tatsschlicher und rechtlicher Hinsicht begrÅnden und stÅtzen, verletzt nicht das Steuergeheimnis.3

3.15

Außerdem kann die Auskunftserteilung an den Insolvenzverwalter notwendig sein, damit dieser seinen steuerlichen Pflichten nachkommen kann. Im Insolvenzverfahren ist nicht mehr der Insolvenzschuldner zur ErfÅllung seiner steuerlichen Pflichten verpflichtet, sondern der Insolvenzverwalter, weil er gem. § 34 Abs. 3 AO VermÇgensverwalter des Insolvenzschuldners ist. Dies bedeutet, dass er sowohl die BuchfÅhrungsund Rechnungslegungspflichten als auch die Pflicht zur Abgabe und Berichtigung der Steuererklsrungen zu erfÅllen hat.4 Die NichterfÅllung der steuerlichen Pflichten durch den Insolvenzverwalter kann Verspstungszuschlsge (§ 152 AO) oder die Anordnung von Zwangsmitteln (§ 328 ff. AO) nach sich ziehen. Damit ihm die ErfÅllung seiner Pflichten Åberhaupt mÇglich ist, benÇtigt der Insolvenzverwalter alle diesbezÅglichen Informationen. Sofern der Schuldner selbst keinen ausreichenden xberblick mehr Åber seine wirtschaftlichen (und steuerlichen) Verhsltnisse hat oder nicht bereit ist, umfassend Auskunft zu erteilen, muss dem Insolvenzverwalter der Zugang zu den erforderlichen Grundlagen fÅr die ErfÅllung seiner Pflichten gewshrt werden. Soweit die Finanzverwaltung daher AuskÅnfte an den Insolvenzverwalter erteilt, kann sie das Steuergeheimnis nicht verletzen. Dies gilt sogar dann, wenn durch die Auskunftserteilung auch AuskÅnfte Åber Dritte erteilt werden mÅssen:5

3.16

„Der vorlnufige Insolvenzverwalter und der Insolvenzverwalter sind Vertreter gem. § 34 Abs. 3 AO und haben auch die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfÅllen. Ihnen kÇnnen deshalb alle AuskÅnfte Åber Verhnltnisse des Schuldners 1 2 3 4

Zutr. OFD Frankfurt/M. v. 15.3.2001 – 115 - St II 42, DStR 2001, 1077 (1077). OFD Frankfurt/M. v. 15.3.2001 – 115 - St II 42, DStR 2001, 1077 (1077). OFD Frankfurt/M. v. 15.3.2001 – 115 - St II 42, DStR 2001, 1077 (1077). Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 3, Rz. 1130 ff.; Fritsch in Pahlke/Koenig, § 251 AO Rz. 37 ff. 5 OFD Frankfurt/M. v. 15.3.2001 – 115 - St II 42, DStR 2001, 1077 (1077).

177

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

erteilt werden, die sie zur ErfÅllung dieser steuerlichen Pflichten benÇtigen. Soweit Steuerforderungen streitig sind, bei denen der Schuldner Gesamtschuldner zusammen mit anderen ist, steht das gegenÅber den restlichen Gesamtschuldnern zu wahrende Steuergeheimnis einer Auskunftserteilung an den Insolvenzverwalter (als Rechtsnachfolger des Schuldners) nicht entgegen (BFH v. 15.6.2000, BStBl. II, 431, m.w.N.).“

.17

Dies gilt auch fÅr zusammen veranlagte Ehegatten,1 und zwar in dem Ausmaß, in dem die Auskunft bei Getrenntveranlagung zu geben wsre. Der BFH hat diesbezÅglich festgestellt:2

.18

„Soweit das Verwaltungs- und VerfÅgungsrecht reicht, kann der Insolvenzverwalter als Rechtsnachfolger des BeschwerdefÅhrers (Gemeinschuldners) Auskunft Åber dessen steuerliche Verhnltnisse auch dann verlangen, wenn dadurch zugleich die steuerlichen Verhnltnisse des anderen Gesamtschuldners – im Streitfall der mit dem BeschwerdefÅhrer zusammen veranlagten Klngerin – offenbart werden (Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 30 AO Rz. 22).“

.19

Auch das FG DÅsseldorf, das FG Rheinland-Pfalz und das FG des Saarlands gehen in ihren Entscheidungen davon aus, dass der Insolvenzverwalter grundsstzlich ohne Verletzung des Steuergeheimnisses AuskÅnfte Åber den Schuldner erhalten kann.3

.20

Bei der Erteilung von AuskÅnften an einen vorlsufigen Insolvenzverwalter ist zwischen dem schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalter, der nur mit Zustimmungsvorbehalt ausgestattet ist und dem starken vorlsufigen Insolvenzverwalter zu unterscheiden, auf den die VerfÅgungsbefugnis Åber das schuldnerische VermÇgen Åbergegangen ist.

.21

Der starke vorllufige Insolvenzverwalter ist Verpflichteter i.S.d. § 34 Abs. 3 AO und demnach auch Verpflichteter bezÅglich der steuerlichen Pflichten des Schuldners.4 Somit wird der starke vorlsufige Insolvenzverwalter auch Beteiligter i.S.d. § 78 AO. Deshalb ist ihm auch grundsstzlich Auskunft zu geben.5

.22

Der schwache vorlsufige Insolvenzverwalter ist nicht als VermÇgensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 3 AO anzusehen und hat demnach auch nicht die steuerlichen Pflichten des Schuldners wahrzunehmen. Er hat lediglich eine vermÇgenssichernde Funktion. Daraus ergibt sich, dass dem schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalter gegenÅber das Steuergeheimnis zu 1 So auch BFH v. 15.6.2000 – IX B 13/00, BStBl. II 2000, 431 = ZIP 2000, 1262 = DStRE 2000, 945 (946). 2 BFH v. 28.3.2007 – III B 10/07, BFH/NV 2007, 1182. 3 FG DÅsseldorf v. 14.5.2008 – 4 K 242/07 AO, ZInsO 2009, 681 (682); FG Rh.-Pf. v. 24.11.2009 – 1 K 1752/07, ZIP 2010, 892 (893); FG Saarl. v. 17.12.2009 – 1 K 1598/08, ZInsO 2010, 484 (485). 4 BFH v. 29.4.1986 – VII R 184/83, BStBl. II 1986, 586 = ZIP 1986, 849 = BFH/NV 2007, 1182. 5 BMF v. 17.12.2008 – IV A 3 - S 0030/08/10001, BStBl. I 2009, 6 = DStR 2009, 274 (274).

178

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

wahren ist. Eine Auskunftserteilung ohne Zustimmung des Schuldners wÅrde demnach zur Verletzung des Steuergeheimnisses fÅhren. Allerdings ist eine insolvenzgerichtliche Anordnung mÇglich, nach der u.a. die FinanzbehÇrden dem vorlsufigen schwachen Insolvenzverwalter diejenigen AuskÅnfte zu erteilen haben, die auch dem Schuldner zu erteilen wsren. Zwar kann das Insolvenzgericht keine vollstreckbaren Anordnungen gegenÅber Dritten erlassen. Eine solche Anordnung ist jedoch wie eine Zustimmung des Schuldners zur Offenbarung von Informationen durch die Finanzverwaltung anzusehen. Der Insolvenzschuldner ist nsmlich im Rahmen des InsolvenzerÇffnungsverfahrens bereits ebenso wie im Rahmen des erÇffneten Insolvenzverfahrens zur Auskunftserteilung und Mitwirkung verpflichtet (§§ 20, 97, 98, 101 InsO). Im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten muss der Schuldner auch Dritte von ihrer Verschwiegenheitsverpflichtung gegenÅber dem Insolvenzverwalter befreien, wenn nur dadurch alle fÅr das Insolvenzverfahren relevanten Informationen gewonnen werden kÇnnen.1 Es wsre ein ÅberflÅssiger Formalismus, wenn man annehmen wollte, das Insolvenzgericht mÅsse den Insolvenzschuldner zur Not durch Haftanordnung dazu zwingen, die Befreiung von der Verschwiegenheitsverpflichtung zu erteilen. Stattdessen ist es als zulsssig anzusehen, wenn das Insolvenzgericht – das schließlich auch jederzeit die vorlsufige starke Insolvenzverwaltung anordnen kÇnnte, wodurch die Verschwiegenheitspflicht Dritter gegenÅber dem Insolvenzverwalter jedenfalls entfiele – auf diese Weise die Befreiung durch den Schuldner ersetzt. Ist eine solche Anordnung erlassen, kann die Finanzverwaltung dem vorlsufigen schwachen Insolvenzverwalter jedwede Information erteilen. Der Sachverstlndige hat im InsolvenzerÇffnungsverfahren die Aufgabe, die relevanten Tatsachen festzustellen und gutachterlich zu ermitteln, ob die ErÇffnungsgrÅnde gegeben sind und eine die Verfahrenskosten deckende Masse vorhanden ist. Mitunter hat er auch zu prÅfen, ob die MÇglichkeit der UnternehmensfortfÅhrung besteht.2 Er hat somit nicht die Aufgabe, die steuerlichen Pflichten des Schuldners wahrzunehmen. Folglich besteht ihm gegenÅber das Steuergeheimnis des Insolvenzschuldners fort. AuskÅnfte Åber die Verhsltnisse des Schuldners wÅrden demnach das Steuergeheimnis verletzen und sind somit nicht zulsssig. In der Praxis findet sich mitunter eine insolvenzgerichtliche Anordnung, nach der u.a. die FinanzbehÇrden dem Sachverstsndigen diejenigen AuskÅnfte zu erteilen haben, die auch dem Schuldner zu erteilen wsren. Eine solche Anordnung ist als insolvenzgerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Schuldners zur Offenbarung von Informationen durch die Finanzverwaltung anzusehen. In der Literatur wird eine solche Befreiung zugunsten eines Sachverstsndigen kritisch gesehen.3Zweifel an der Zulsssigkeit einer solchen Anordnung bzw. wirksamen Befreiung der Finanzverwaltung vom

1 Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 20 InsO Rz. 28. 2 Beck in Beck/Depru, Praxis der Insolvenz, § 1 Rz. 30. 3 Gerhardt in Jaeger, § 5 InsO Rz. 15.

179

3.23

.24

.25

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Steuergeheimnis sind jedoch nicht angebracht. Es ist wohl unstreitig, dass die Anordnung eines allgemeinen VerfÅgungsverbotes zur Befreiung vom Steuergeheimnis fÅhrt. Das Insolvenzgericht kann diese Anordnung wshrend des laufenden Insolvenzantragsverfahrens jederzeit treffen, wenn es sie fÅr angemessen hslt. Dabei bewirkt die Anordnung eines allgemeinen VerfÅgungsverbotes einen außerordentlich schwerwiegenden Eingriff in grundrechtlich geschÅtzte Rechtspositionen des Insolvenzschuldners und wird im xbrigen Çffentlich bekannt gemacht. Es ist nicht zielfÅhrend anzunehmen, dass das Insolvenzgericht die vorlsufige Insolvenzverwaltung anordnen muss, um die Erkenntnisquelle der Auskunftserteilung von FinanzbehÇrden (oder anderen Dritten wie etwa Steuerberatern oder Banken) zu erschließen. Als den Schuldner schonende Minusmaßnahme gegenÅber der Anordnung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung wird kaum etwas gegen eine entsprechende insolvenzgerichtliche Befreiung vom Steuergeheimnis auch zugunsten eines Sachverstsndigen einzuwenden sein. Ohne besondere Befreiung vom Steuergeheimnis ist auch eine Auskunftserteilung an einen Sachwalter im Rahmen der Eigenverwaltung nicht zulsssig. Die Rechtsstellung des Sachwalters richtet sich nach den §§ 270 ff. InsO. Der Sachwalter hat zwar eine insolvenzverwaltershnliche Stellung inne, ist in seinen Befugnissen und Pflichten diesem jedoch nicht gleich zu stellen.1 Zu seinen Aufgaben und Befugnissen zshlt es zum Beispiel, die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prÅfen, sowie die Ausgaben des Schuldners zu Åberwachen (§ 274 Abs. 2 InsO). Um diese Aufgaben ordnungsgemsß zu erfÅllen, darf der Sachwalter die Geschsftsrsume des Schuldners betreten, Einsicht in die BÅcher nehmen und Nachforschungen anstellen.2 Ferner hat der Schuldner dem Sachwalter alle erforderlichen AuskÅnfte zu erteilen.3 Er hat aber nicht die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfÅllen. 3. Zusammenfassung Erteilung von AuskÅnften ist zullssig – an den Steuerpflichtigen selbst, – an das Insolvenzgericht zwecks Antragstellung, – an den vorlsufigen „starken“ Insolvenzverwalter, – an den vorlsufigen „schwachen“ Insolvenzverwalter mit zusstzlicher Anordnung durch das Insolvenzgericht, – an den Sachverstsndigen mit besonderer gerichtlicher Anordnung, – an den Insolvenzverwalter.

1 Haas in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rz. 28 ff. 2 Haas in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rz. 30. 3 Haas in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rz. 30.

180

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

Erteilung von AuskÅnften ist unzullssig, – an den Sachverstsndigen im ErÇffnungsverfahren, soweit keine besondere insolvenzgerichtliche Anordnung getroffen ist, – an den vorlsufigen „schwachen“ Insolvenzverwalter ohne besondere Anordnung durch das Insolvenzgericht, – an den Sachwalter.

IV. Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters Literatur Beck, Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters gegenÅber der Finanzverwaltung, ZIP 2006, 2009; Blank, Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters gegen Sozialversicherungstrsger nach IFG § 1 Abs. 1 S 1, EWiR 2009, 719; Blank/Blank, Der Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters nach IFG bei fiskalischem Handeln der BehÇrde zur Vorbereitung einer insolvenzrechtlichen Anfechtung, ZInsO 2009, 1881; Claßen, Anspruch des Insolvenzverwalters auf Auskunftserteilung, EFG 2010, 70; Gundlach/FlÇther, Neue AuskunftsansprÅche des Insolvenzverwalters gegen bestimmte Anfechtungsgegner, NZI 2009, 719; Jungmann, Zum Schicksal selbstsndiger und unselbstsndiger AuskunftsansprÅche in der Insolvenz, WUB VI A § 38 InsO 1.05; Loose, Anspruch des Insolvenzverwalters auf Auskunft des Finanzamtes, EFG 2009, 639; Schmittmann, AuskunftsansprÅche des Insolvenzverwalters gegen die Finanzverwaltung anhand der aktuellen Rechtsprechung, ZInsO 2010, 1469; Onusseit, Die steuerrechtlichen Rechte und Pflichten des Insolvenzverwalters in den verschiedenen Verfahrensarten nach der InsO, ZInsO 2000, 363.

1. Grundlagen Eine andere Frage ist es, ob die Finanzverwaltung gegenÅber dem Insolvenzverwalter verpflichtet ist, diejenigen AuskÅnfte zu erteilen, die der Insolvenzverwalter anfordert. Die Finanzverwaltung lehnt einen Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters ab und erteilt AuskÅnfte nur nach ihrem Ermessen, wenn der um Auskunft Ersuchende ein berechtigtes Interesse an der Auskunftserteilung hat. In dem insoweit maßgeblichen Schreiben des BMF vom 17.12.2008 heißt es dazu:1 „1. Beteiligten (§§ 78, 359 AO) ist – unabhnngig von ihrer Rechtsform – auf Antrag Auskunft Åber die zu ihrer Person gespeicherten Daten zu erteilen, wenn sie ein berechtigtes Interesse darlegen und keine GrÅnde fÅr eine Auskunftsverweigerung vorliegen. 2. Ein berechtigtes Interesse ist z.B. bei einem Beraterwechsel oder in einem Erbfall gegeben, wenn der Antragsteller durch die Auskunft in die Lage versetzt wer-

1 BMF v. 17.12.2008 – IV A 3 - S 0030/08/10001, BStBl. I 2009, 6 = DStR 2009, 274 (274).

181

3.26

.27

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

den will, zutreffende und vollstnndige Steuererklnrungen abzugeben. Hinsichtlich solcher Daten, die ohne Beteiligung und ohne Wissen des Beteiligten erhoben wurden, liegt ein berechtigtes Interesse vor. 3. Ein berechtigtes Interesse liegt nicht vor, soweit der Beteiligte bereits in anderer Weise Åber zu seiner Person gespeicherten Daten informiert wurde, der FinanzbehÇrde nur Daten vorliegen, die ihr vom Beteiligten Åbermittelt wurden, oder die spntere Information des Beteiligten in rechtlich gesicherter Weise vorgesehen ist. Ein berechtigtes Interesse ist namentlich nicht gegeben, wenn die Auskunft dazu dienen kann, zivilrechtliche AnsprÅche gegen den Bund oder ein Land durchzusetzen und Bund oder Land zivilrechtlich nicht verpflichtet sind Auskunft zu erteilen (z.B. Amtshaftungssachen, Insolvenzanfechtung). 4. FÅr Daten, die nur deshalb gespeichert sind, weil sie auf Grund gesetzlicher, satzungsmnßiger oder vertraglicher Aufbewahrungsvorschriften nicht gelÇscht werden dÅrfen, oder die ausschließlich Zwecken der Datensicherung oder der Datenschutzkontrolle dienen, gilt Nr. 1 nicht, wenn eine Auskunftserteilung einen unverhnltnismnßigen Aufwand erfordern wÅrde. 5. In dem Antrag sind die Art der Daten, Åber die Auskunft erteilt werden soll, nnher zu bezeichnen und hinreichend prnzise Angaben zu machen, die das Auffinden der Daten ermÇglichen. 6. Die FinanzbehÇrde bestimmt das Verfahren, insbesondere die Form der Auskunftserteilung nach pflichtgemnßem Ermessen. Die Auskunft kann schriftlich, elektronisch oder mÅndlich, aber auch durch Gewnhrung von Akteneinsicht erteilt werden. Akteneinsicht ist nur an Amtsstelle zu gewnhren. ... 11. Die Ablehnung eines Antrags auf Auskunftserteilung ist mit dem Einspruch (§ 347 AO) anfechtbar.“

Auch die Rechtsprechung lehnt einen Auskunftsanspruch bislang soweit ersichtlich durchweg ab.1 Lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung Åber ein Auskunftsersuchen bestehe. Im Gegensatz etwa zum allgemeinen Verwaltungsverfahren nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (dort § 29 VwVfG) sieht die Abgabenordnung einen Auskunftsanspruch nicht vor. Nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung handelt es sich hierbei nicht um eine unbewusste RegelungslÅcke. Der Gesetzgeber hat vielmehr ausdrÅcklich und bewusst darauf verzichtet, dem Steuerpflichtigen ein Recht auf Akteneinsicht zu gewshren.2 Ein Akteneinsichtsrecht des Steuerpflichtigen ergibt sich nach gefestigter finanzgerichtlicher Rechtsprechung auch weder aus dem Datenschutzgesetz oder aus dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes oder eines Landes3 noch 1 BFH v. 19.3.2013 – II R 17/11, BStBl. II 2013, 639 = ZIP 2013, 1133; v. 15.9.2010 – II B 4/10, BFH/NV 2011, 2; FG DÅsseldorf v. 14.5.2008 – 4 K 242/07 AO, ZInsO 2009, 681 (681); FG Rh.-Pf. v. 24.11.2009 – 1 K 1752/07, ZIP 2010, 892 (893); FG Saarl. v. 17.12.2009 – 1 K 1598/08, ZInsO 2010, 484 (485). 2 Vgl. BFH v. 4.6.2003 – VII B 138/01, BStBl. II 2003, 790 = NJW 2004, 1760 (1760); FG Saarl. v. 17.12.2009 – 1 K 1598/08, ZInsO 2010, 484 (485). 3 FG MÅnster v. 5.11.2002 – 1 K 7155/00 S, EFG 2003, 499 ff.

182

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

aus Art. 12 der EG-Richtlinie RL 95/46/EG.1 Die Abgabenordnung regelt danach als spezielle Rechtsmaterie die Frage des Akteneinsichtsrechts abschließend. Die allgemeinen Regelungen der Datenschutzgesetze bzw. des Informationsfreiheitsgesetzes treten dem zufolge hinter diese spezielle Negativregelung der Abgabenordnung zurÅck.2 FÅr das Akteneinsichtsrecht des Insolvenzverwalters fÅhrt das FG des Saarlandes aus:3

3.28

„2.2 Ein besonderes Akteneinsichtsrecht steht auch dem Insolvenzverwalter nicht zu. Er kann keine weiterreichenden Auskunftsrechte bzw. Akteneinsichtsrechte in Anspruch nehmen als der Steuerpflichtige selbst. Die Insolvenzordnung sieht in §§ 66, 154, 175, 188 und 234 InsO Einsichtsrechte vor, die sich jedoch nur auf die Unterlagen des Insolvenzverfahrens (z.B. Schlussrechnung, Verzeichnis der Massegegenstnnde, Glnubigerverzeichnis, Verteilungsverzeichnis) beziehen und den am Verfahren Beteiligten zustehen. Soweit die InsO keine eigenen Regelungen zur Akteneinsicht enthnlt, gilt § 299 ZPO entsprechend (...). § 299 ZPO gewnhrt jedoch nur eine Akteneinsicht in Prozessakten bzw. solche Akten, die fÅr das Insolvenzverfahren gefÅhrt werden. Die Aufgabe des Insolvenzverwalters besteht u.a. darin, im Rahmen der Entscheidung der Glnubigerversammlung zur bestmÇglichen Befriedigung der Insolvenzglnubiger zu sorgen (§ 1 InsO). Dies berechtigt ihn zu allen Maßnahmen, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen und die dem Insolvenzzweck zugute kommen (Braun, a.a.O., Rz. 25 zu § 80 InsO). Allerdings erfahren diese Maßnahmen ihre Konkretisierung und damit auch ihre Einschrnnkung durch die Åbrige Rechtsordnung. Die Pflicht des Insolvenzverwalters, InsolvenzanfechtungsmÇglichkeiten nach §§ 129 ff. InsO zu prÅfen und bei Vorliegen solcher GrÅnde die Anfechtung zu erklnren, stÇßt dort an ihre rechtlichen Grenzen, wo dem Insolvenzverwalter eine weitere PrÅfungsmÇglichkeit nicht zur VerfÅgung steht. 2.3. Obwohl ein generelles Akteneinsichtsrecht nicht besteht, gewnhrt die Finanzverwaltung in ihrem Anwendungserlass zur Abgabenordnung (in Nr. 4 zu § 91 AEAO vom 15.7.1998, BStBl. I 1998, 630 ff.) im Einzelfall nach Ermessen der FinanzbehÇrde eine Akteneinsicht. Der BFH geht in stnndiger Rechtsprechung davon aus, dass der Steuerpflichtige bzw. sein Vertreter demzufolge einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung Åber seinen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens gestellten Antrag auf Akteneinsicht habe (st. Rspr. des BFH, vgl. BFH vom 4.6.2003 – VII B 138/01, BStBl. II 2003, 790 m.w.N.).“

In dieselbe Richtung geht auch die – insgesamt lesenswerte – Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz vom 24.11.2009.4 Dort scheiterte das Akteneinsichtsrecht des Insolvenzverwalters vor allem an personenbezogenen Daten Dritter, die dem Insolvenzverwalter bei Einsichtnahme in die Steuerakten des Insolvenzschuldners offenbar geworden wsren.

1 2 3 4

BFH v. 4.6.2003 – VII B 138/01, BStBl. II 2003, 790 = NJW 2004, 1760 (1760). BFH v. 4.6.2003 – VII B 138/01, BStBl. II 2003, 790 = NJW 2004, 1760 (1760). FG Saarl. v. 17.12.2009 – 1 K 1598/08, ZInsO 2010, 484 (485). FG Rh.-Pf. v. 24.11.2009 – 1 K 1752/07, ZIP 2010, 892 ff.

183

3.29

.30

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

2. Kriterien der Ermessensentscheidung In die Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung sind verschiedene Aspekte mit einzubeziehen. FÅr die Gewshrung von Akteneinsicht streitet es, wenn der Insolvenzverwalter durch die Auskunft in die Lage versetzt werden will, zutreffende und vollstsndige Steuererklsrungen abzugeben1 bzw. solche, die durch den Insolvenzschuldner abgegeben worden waren, auf ihre Richtigkeit hin zu ÅberprÅfen und ggf. zu berichtigen. Solche Umstsnde hat der Insolvenzverwalter – will er sie im Rahmen der zu begrÅndenden Ermessensentscheidung des Finanzamtes einbezogen wissen – bereits in seinem Antrag auf Gewshrung von Akteneinsicht dezidiert darzulegen. Spsterer Vortrag hierzu im finanzgerichtlichen Verfahren kann bei der gerichtlichen Beurteilung der Frage, ob die Ablehnung des Finanzamtes rechtmsßig war, nicht mehr berÅcksichtigt werden; entscheidend ist vielmehr die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung.2 Die Finanzverwaltung hat bei ihrer Ermessensentscheidung auch zu berÅcksichtigen, ob der Insolvenzverwalter andere MÇglichkeiten zur Informationsbeschaffung in ausreichender Weise in Anspruch genommen hat, ob er z.B. versucht hat, sich die von ihm benÇtigten Informationen (z.B. Ablichtungen der Steuererklsrungen bzw. Steuerbescheide) vom Schuldner selbst zu besorgen. Hat der Insolvenzverwalter alles Zumutbare unternommen, um sich die Informationen von Schuldnerseite oder dritter Seite zu beschaffen, so sollte er seine diesbezÅglichen BemÅhungen in der BegrÅndung seines Antrags auf Akteneinsicht dezidiert darlegen.3 Hat der Insolvenzverwalter diesen Versuch nicht unternommen, kann es zulsssig sein, ihn zunschst hierauf zu verweisen. Eine Auskunft, die der Insolvenzverwalter vom Finanzamt begehrt, um die vom Finanzamt angemeldeten Insolvenzforderungen ÅberprÅfen zu kÇnnen, hat einen hinreichenden Bezug zum Steuerrechtsverhsltnis.4 Denn das Verfahren nach der Anmeldung bestimmt sich im Falle des Bestreitens der angemeldeten Forderungen nach § 251 Abs. 3 AO. Die Auskunft kann also im Vorfeld dazu dienen, eine Feststellung von Insolvenzforderungen nach § 251 Abs. 3 AO entbehrlich zu machen; auch bei angemeldeten Forderungen, die nicht bestritten wurden, besteht eine znderungsmÇglichkeit nach § 130 AO,5 so dass selbst nach Feststellung einer angemeldeten Forderung zum Zwecke deren nachtrsglicher xberprÅfung bzw. den Aussichten eines Antrags auf Absnderung nach § 130 1 BMF v. 17.12.2008 – IV A 3 - S 0030/08/10001, BStBl. I 2009, 6 = DStR 2009, 274 (274). 2 BFH v. 19.3.2013 – II R 17/11, BStBl. II 2013, 639 = ZIP 2013, 1133. 3 BFH v. 19.3.2013 – II R 17/11 BStBl. II 2013, 639 = ZIP 2013, 1133. 4 BFH v. 19.3.2013 – II R 17/11 BStBl. II 2013, 639 = ZIP 2013, 1133. 5 BFH v. 19.3.2013 – II R 17/11 BStBl. II 2013, 639 = ZIP 2013, 1133.

184

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

AO Akteneinsicht zu gewshren sein kann. In Fsllen, in denen zwischen angemeldeter Forderung und den Betrsgen, die dem Insolvenzverwalter auf Grund der ihm bekannten Bescheide als Forderungsbetrsge zu erwarten gewesen wsren, eine Diskrepanz vorliegt – etwa weil der Schuldner Teilbetrsge gezahlt oder das Finanzamt auf die betreffenden Forderungsbetrsge von irgendwo anders her Umbuchungen vorgenommen hat – ist eine xberprÅfung der Berechnung des angemeldeten Betrages regelmsßig ohne Vorlage des Kontoauszugs des Steuerkontos bzw. Gewshrung von Akteneinsicht nicht mit der hinreichenden Sicherheit mÇglich. In solchen Fsllen ist die Versagung der Akteneinsicht bzw. die Versagung der Vorlage eines Kontoauszuges regelmsßig ermessensfehlerhaft. Im Grundsatz zullssig ist die Erwsgung, Akteneinsicht zu versagen, um den Insolvenzverwalter nicht in die Lage zu versetzen, AnfechtungsansprÅche gegen die Finanzverwaltung geltend zu machen. Allerdings darf die potentielle MÇglichkeit, dass der Insolvenzverwalter durch die gewshrte Akteneinsicht oder die Vorlage des Kontoauszuges auf anfechtbare Rechtshandlungen stoßen kÇnnte, nicht dazu fÅhren, dass Akteneinsicht schematisch abgelehnt wird. Vor allem haben Finanzverwaltung und FG bei der Gewichtung dieses Abwlgungsaspekts auch zu berÅcksichtigen, dass es sich bei anfechtbaren Rechtshandlungen um solche handelt, die von der Rechtsordnung missbilligt werden.1 Anfechtbaren Rechtshandlungen fehlt vom Zeitpunkt ihrer Vornahme an der rechtliche Bestand; sie schaffen auf Seiten des Empfsngers keinen Behaltensgrund.2 Es wsre daher mit rechtsstaatlichen Anforderungen nicht vereinbar, wenn die Finanzverwaltung, nur um im Besitz von Betrsgen zu bleiben, deren Beitreibung von der Rechtsordnung missbilligt wird, Einsichtnahme in behÇrdliche Akten verweigerte.

3.31

Sofern der Insolvenzverwalter darlegen kann, dass jedenfalls ein Anfechtungsanspruch besteht, er aber Art und Umfang noch nicht genau bestimmen kann, reduziert sich das Ermessen der Finanzverwaltung sogar auf Null: Dem Insolvenzverwalter muss die begehrte Akteneinsicht dann gewshrt werden, weil ihm nach der stsndigen Rechtsprechung des BGH gegen den Anfechtungsgegner in einem solchen Fall ein Auskunftsanspruch aus § 143 InsO i.V.m. § 242 BGB zusteht.3 Soweit ein solcher Auskunftsanspruch besteht, ist – anders als bei Geltendmachung des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung Åber das Auskunftsersuchen – gegen eine Ablehnung nicht der Finanzrechtsweg, sondern der Zivilrechtsweg gegeben.4

3.32

Maßgeblicher Gesichtspunkt, der fÅr eine Akteneinsichtnahme durch den Insolvenzverwalter bzw. fÅr eine Auskunftserteilung an ihn spricht,

3.33

1 2 3 4

Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, § 2 Rz. 18. Henckel in Jaeger, § 129 InsO Rz. 16. BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 58/06, ZIP 2009, 1823 = NZI 2009, 722 (722). BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 58/06, ZIP 2009, 1823 = NZI 2009, 722 (722).

185

.34

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

ist es auch, wenn der Insolvenzverwalter auf Grund dieser Akteneinsicht mÇglicherweise in die Lage versetzt wird, zur Insolvenzmasse gehÇrende Gegenstlnde zu ermitteln und im Glsubigerinteresse zu verwerten. Nicht selten verheimlichen Insolvenzschuldner gegenÅber dem Insolvenzverwalter VermÇgensgegenstsnde oder – besonders oft – vorangegangene VermÇgensÅbertragungen an Dritte. Nicht selten sind dann anhand der Steuerakten des Insolvenzschuldners AnfechtungsansprÅche gegen Dritte festzustellen, z.B. die schenkweise xbertragung eines Mietshauses an Kinder (§ 134 InsO). Begehrt der Insolvenzverwalter z.B. die Auskunft, ob der Schuldner in den letzten 10 Jahren vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens EinkÅnfte aus Vermietung und Verpachtung oder auslsndische KapitaleinkÅnfte erzielt hat, kann die Finanzverwaltung ihm diese AuskÅnfte in der Regel unschwer erteilen und damit u.U. maßgeblich zur Quotenverbesserung beitragen, was zumindest in Verfahren, in denen der Fiskus als Insolvenzglsubiger beteiligt ist, jedenfalls auch im Interesse der Finanzverwaltung liegt. Ferner darf das Finanzamt die Auskunft nicht deshalb verweigern, weil es sich um Informationen handelt, die der BehÇrde vom Schuldner Åbermittelt wurden. Das BMF fÅhrt hierzu zwar aus: „3. Ein berechtigtes Interesse liegt nicht vor, soweit der Beteiligte bereits in anderer Weise Åber zu seiner Person gespeicherte Daten informiert wurde, der FinanzbehÇrde nur Daten vorliegen, die ihr vom Beteiligten Åbermittelt wurden, oder die spntere Information des Beteiligten in rechtlich gesicherter Weise vorgesehen ist.“1

.35

Jedoch muss dies fÅr den Fall der Insolvenz relativiert werden. Denn im Insolvenzverfahren ist es geradezu der Regelfall, dass die schuldnerischen Unterlagen lÅckenhaft sind und auch unter Zuhilfenahme des Schuldners nicht mehr festzustellen ist, welche Informationen der Schuldner der BehÇrde Åbergeben hat bzw. welche Erklsrungen er abgegeben hat. Dem Insolvenzverwalter kann daher nicht zugerechnet werden, was der Insolvenzschuldner wissen mÅsste, wenn er ein gewissenhafter Steuerpflichtiger wsre.

.36

Zulsssig ist grundsstzlich auch die BerÅcksichtigung des Aufwands, den die FinanzbehÇrde zum Zwecke der ErfÅllung des Auskunftsbegehrens leisten muss. Der Rechtsgedanke des § 31a Abs. 2 AO ist insofern zu Åbertragen, wonach eine Mitteilungspflicht nicht besteht, soweit deren ErfÅllung mit einem unverhsltnismsßigen Aufwand verbunden wsre. Unverhsltnismsßig wsre der Aufwand dann, wenn der durch die FinanzbehÇrde zu leistende Aufwand außer Verhsltnis zum Interesse des Insolvenzverwalters an der Aufklsrung der steuerlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Verhsltnisse des Schuldners steht. Sofern sich das Begehren des Insolvenzverwalters nur auf Daten bezieht, die der Finanzverwaltung in irgendeiner Form ohnehin schon vorliegen, kann grundsstzlich nicht von 1 BMF v. 17.12.2008 – IV A 3 - S 0030/08/10001, BStBl. I 2009, 6 = DStR 2009, 274 (274).

186

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

Unverhsltnismsßigkeit ausgegangen werden. Anders ist dies, wenn die Finanzverwaltung zum Zwecke der Auskunftserteilung selbst Ermittlungen anstellen oder PrÅfungen durchfÅhren mÅsste. Die bloße Bereitstellung der Steuerakten des Insolvenzschuldners zum Zwecke der Einsichtnahme durch den Insolvenzverwalter stellt jedoch keinen solch großen Aufwand dar, dass man ihn als unverhsltnismsßig ansehen mÅsste. Das FG KÇln fÅhrt dazu aus:1 „Abgesehen davon, dass in diesem Fall nur die Pflicht zur Mitteilung aufgehoben ist – so dass der Antragsgegner im Rahmen einer zu treffenden Ermessensentscheidung gleichwohl die Auskunft freiwillig erteilen kÇnnte –, ist im Streitfall kein unverhnltnismnßiger Aufwand beim Antragsgegner zu erkennen. Denn sowohl die LeistungsbezÅge als auch die im Rahmen der AußenprÅfung ohnehin ermittelten freiberuflichen EinkÅnfte des Antragstellers sind bekannt und erfordern keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen seitens des Antragsgegners.“

3.37

3. Geltendmachung des Auskunftsanspruchs und Entscheidung der BehÇrde Geltend zu machen ist der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung als Antrag,2 der an die Finanzverwaltung zu richten ist, die im Besitz der begehrten Unterlagen ist. Inhaltlich muss der Antrag die Art der Daten nsher bezeichnen und hinreichend genaue Angaben enthalten, um die Daten auffinden zu kÇnnen.3 Sofern das Finanzamt den Antrag des Insolvenzverwalters ablehnt, ist die Entscheidung grundsstzlich zu begrÅnden. Dabei ist auszufÅhren, welche Ermessenserwsgungen die BehÇrde angestellt hat.

3.38

4. Rechtsbehelfe gegen die Ablehnung des Auskunftsgesuchs Sofern die Finanzverwaltung den Antrag des Insolvenzverwalters auf Auskunftserteilung ablehnt, ist dagegen der Einspruch statthaft (§ 347 AO). Gegen den ablehnenden Einspruchsbescheid ist die Verpflichtungsklage zu den FG gegeben. Es besteht auch die MÇglichkeit einer Regelungsanordnung gem. § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO.4 Steht dem Insolvenzverwalter ein (zivilrechtlicher) Auskunftsanspruch aus § 143 InsO i.V.m. § 242 BGB zu, weil er zwar darlegen kann, dass jedenfalls ein Anfechtungsanspruch gegen die Finanzverwaltung besteht, aber Art und Umfang noch nicht genau bestimmt werden kÇnnen, ist – anders als bei Geltendmachung des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung Åber das Auskunftsersuchen – gegen eine Ablehnung nicht 1 FG KÇln v. 11.5.2007 – 7 V 1438/07, EFG 2007, 1126 ff. 2 BMF v. 17.12.2008 – IV A 3 - S 0030/08/10001, BStBl. I 2009, 6 = DStR 2009, 274 (274). 3 BMF v. 17.12.2008 – IV A 3 - S 0030/08/10001, BStBl. I 2009, 6 = DStR 2009, 274 (274). 4 Bncher, ZInsO 2009, 1147 (1152).

187

3.39

.40

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

der Finanzrechtsweg, sondern der Zivilrechtsweg gegeben.1 Eines Einspruchs gegen die ablehnende Entscheidung Åber das Auskunftsersuchen bedarf es vor Erhebung der Klage bei den ordentlichen Gerichten nicht. 5. Auskunftsanspruch nach den Informationsfreiheitsgesetzen In den Informationsfreiheitsgesetzen mancher Bundeslsnder sind Vorschriften enthalten, nach denen der Insolvenzverwalter AuskÅnfte Åber bei BehÇrden gespeicherte Informationen verlangen kann. Der in den betreffenden Informationsfreiheitsgesetzen der Lsnder normierte Auskunftsanspruch ist dem Çffentlichen Recht zuzuordnen, so dass bei einem Anspruch, der darauf gestÅtzt gegen die Finanzverwaltung geltend gemacht wird, nach § 33 Abs. 1 FGO der Finanzrechtsweg gegeben ist.2 Nach Auffassung des BFH besteht aber im Finanzverwaltungsverfahren allenfalls ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung Åber einen Antrag auf Akteneinsicht. Erst im finanzgerichtlichen Verfahren werde dem Steuerpflichtigen das Recht zugestanden, in die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten Einsicht zu nehmen (§ 78 Abs. 1 FGO).3 Nach Auffassung des OVG Nordrhein-Westfalen kann ein Insolvenzverwalter nach § 4 Abs. 1 IFG NRW von der Finanzverwaltung AuskÅnfte Åber Jahreskontoauszuges Insolvenzschuldners verlangen.4 Dieser Informationszugangsanspruch wird nach Auffassung des OVG NordrheinWestfalen auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass in der Abgabenordnung ein Akteneinsichtsrecht der am steuerlichen Verwaltungsverfahren Beteiligten nicht geregelt ist. Auch das Steuergeheimnis nach § 30 AO steht der Informationserteilung an den Insolvenzverwalter nicht entgegen.

V. SteuerbegÅnstigte Zweckverfolgung des Insolvenzschuldners Literatur Arnold, GemeinnÅtzigkeit von Vereinen und Beteiligung an Gesellschaften, DStR 2005, 581; Balmes, Wann fÅhren RechtsverstÇße zum Verlust der GemeinnÅtzigkeit?, AO-StB 2011, 47; Becker, Der Wegfall des gemeinnÅtzigkeitsrechtlichen Status, DStR 2010, 953; Becker/Meining, Auswirkungen des Scheiterns einer KÇrperschaft auf deren gemeinnÅtzigkeitsrechtlichen Status, FR 2006, 686; Campos Nave, SteuerbegÅnstigte Abfindung bei Arbeitsreduzierung, BB 2010, 39; Fischer/Ihle, Satzungsgestaltung bei gemeinnÅtzigen Stiftungen, DStR 2008, 1692; Ganter, Die Rechtsprechung des BGH zum Insolvenzrecht im Jahr 2009, NZI 2010, 361; Gersch, Die neue Definition der steuerbegÅnstigten Zwecke seit 2009 – unter Be1 2 3 4

BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 58/06, ZIP 2009, 1823 = NZI 2009, 722 (722). BFH v. 10.2.2011 – VII B 183/10, ZIP 2011, 883 = BFH/NV 2011, 992. BFH v. 10.2.2011 – VII B 183/10, ZIP 2011, 883 = BFH/NV 2011, 992. OVG NW v. 15.6.2011 – 8 A 1150/10, ZIP 2011, 1426.

188

A. DurchfÅhrung der Besteuerung rÅcksichtigung von Spenden Åber die Grenze, AO-StB 2009, 141; HÅttemann, Der neue Anwendungserlass zum Abschnitt „SteuerbegÅnstigte Zwecke“, DB 2012, 250; Jnschke, VerstÇße gegen die Rechtsordnung und Extremismus im GemeinnÅtzigkeitsrecht – Zur neuen Regelung des § 51 Abs. 3 AO, DStR 2009, 1669; Kirchhain/Schauhoff, Was bringt der neue AO-Anwendungserlass fÅr gemeinnÅtzige KÇrperschaften?, DStR 2012, 261; KÇster, Bindende Mustersatzung fÅr gemeinnÅtzige KÇrperschaften?, DStZ 2010, 166; KÅmpel, Anforderungen an die tatsschliche GeschsftsfÅhrung bei steuerbegÅnstigten (gemeinnÅtzigen) KÇrperschaften, DStR 1999, 93; MÇllmann, Haftungsfalle Ehrenamt – PersÇnliche Haftung des ehrenamtlichen Vereinsvorstands fÅr Steuerschulden des gemeinnÅtzigen Vereins, DStR 2009, 2125; Orth, Verluste gemeinnÅtziger Stiftungen aus VermÇgensverwaltung, DStR 2009, 1397; Osterkorn, Zur Fassung des Satzungszwecks steuerbegÅnstigter KÇrperschaften, DStR 2002, 16; Schauhoff, Handbuch der GemeinnÅtzigkeit, 3. Aufl. 2010; Schiffer, Aktuelles Beratungs-Know-how GemeinnÅtzigkeit- und Stiftungsrecht, DStR 2002, 1206; Schmidt/Fritz, znderungen des GemeinnÅtzigkeitssteuerrechts zu FÇrdervereinen, Werbebetrieben, Totalisatoren, Blutspendediensten und Lotterien, LSK 2002, 110344; SchrÇder, Die Steuerpflichtige und steuerbegÅnstigte GmbH im GemeinnÅtzigkeitsrecht, DStR 2008, 1069; Stahlschmidt, Die znderungen des Anwendungserlasses zur AO zum GemeinnÅtzigkeitsrecht, LSK 2003, 180108.

1. Grundlagen Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen KÇrperschaften in der Krise und ggf. im Insolvenzverfahren „ausschließlich und unmittelbar gemeinnÅtzige, mildtstige oder kirchliche Zwecke“ i.S.v. § 51 AO verfolgen und deswegen Steuerbefreiungen oder SteuervergÅnstigungen in Anspruch nehmen kÇnnen, ist weitgehend unbearbeitetes rechtliches Neuland. Der BFH hat in seiner soweit ersichtlich einzigen Entscheidung1 die wichtigen Problemfelder der GemeinnÅtzigkeit wshrend des Insolvenzverfahrens zwar angesprochen, konnte sie aber durchweg offen lassen. Die Auseinandersetzungen der Literatur mit dem Fragenkreis sind soweit erkennbar ebenfalls sehr dÅrftig. Daher soll hier eine etwas grundlegendere Betrachtung erfolgen:

3.41

GemeinnÅtzigkeit einer KÇrperschaft hat zur Folge, dass ihr verschiedene steuerrechtliche VergÅnstigungen zukommen. Beispielhaft zu nennen sind Steuerbefreiungen im KÇrperschaftsteuergesetz oder verminderte Steuersstze im Umsatzsteuergesetz.

3.42

GemeinnÅtzige KÇrperschaften sind grundsstzlich in vier Sphlren einzuteilen. Diese kÇnnen, mÅssen jedoch nicht nebeneinander bestehen. Jede Sphsre unterliegt einer bestimmten Besteuerung und ist in der Bilanz der KÇrperschaft gesondert auszuweisen.

3.43

Ideeller Bereich: In diesem Bereich geht die KÇrperschaft ihrer gemeinnÅtzigen/satzungsgemsßen Tstigkeit nach, ohne dafÅr finanzielle Gegenleis-

3.44

1 BFH v. 16.5.2007 – I R 14/06, BStBl. II 2007, 808 = ZIP 2007, 1570 = DStR 2007, 1438 (1438 f.).

189

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

tungen zu erhalten und ohne die Absicht, Gewinne zu erzielen.1 Einnahmen aus diesem Bereich sind beispielsweise Spenden oder Mitgliedsbeitrsge. Auch Erbschaften und ZuschÅsse durch die Çffentliche Hand kÇnnen diesem Bereich unterfallen.2 Der ideelle Bereich ist grundsstzlich steuerbefreit.3 Einnahmen aus Spenden mÅssen fÅr den in der Spendenquittung angegebenen – gemeinnÅtzigen – Zweck verwendet werden. Gleiches gilt fÅr Mitgliedsbeitrsge.

.45

Wirtschaftlicher Geschlftsbetrieb: Der wirtschaftliche Geschsftsbetrieb ist gem. § 14 AO der Bereich, in dem eine selbstsndige nachhaltige Tstigkeit verfolgt wird, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden. Dieser Bereich wird nach den gesetzlichen Bestimmungen ohne BegÅnstigungen besteuert.4 Den § 64 AO und § 5 KStG ist zu entnehmen, dass wirtschaftliche Geschsftsbetriebe grundsstzlich auch im Rahmen einer gemeinnÅtzigen Einrichtung bestehen dÅrfen, ohne dass sich dies auf die Anerkennung der GemeinnÅtzigkeit auswirkt. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass die den wirtschaftlichen Geschsftsbetrieb in den meisten Fsllen beherrschende Gewinnerzielungsabsicht das Ziel gemeinnÅtzigen Tstigwerdens nicht Åbersteigt. Zur Abgrenzung ist im Einzelfall auf die sog. Geprsgetheorie zu verweisen. Nach dieser kommt es entscheidend darauf an, ob die wirtschaftliche oder die gemeinnÅtzige Tstigkeit das Geprsge der KÇrperschaft bildet. Indizien sind in diesem Zusammenhang z.B. der Umsatz des wirtschaftlichen Geschsftsbetriebs oder der Personaleinsatz in den verschiedenen Bereichen.5 Einnahmen aus dem wirtschaftlichen Geschsftsbetrieb kÇnnen z.B. Einnahmen eines Vereinslokals sein.

.46

VermÇgensverwaltung: VermÇgensverwaltung liegt gem. § 14 Satz 3 AO vor, wenn VermÇgen der KÇrperschaft zur Einnahmeerzielung genutzt wird, z.B. wenn unbewegliches VermÇgen vermietet oder verpachtet wird oder wenn KapitalvermÇgen gegen Entgelt einem Dritten Åberlassen wird. Auf den Umfang der verwaltenden Tstigkeit kommt es dabei nicht an.6 Die in dieser Sphsre erwirtschafteten Einnahmen sind steuerbefreit.7 Die Einnahmen aus der VermÇgensverwaltung mÅssen aber strikt von dem wirtschaftlichen Bereich getrennt werden. Zur Abgrenzung hat der BFH ausgefÅhrt:8 „Nach der Rechtsprechung des BFH wird der Bereich der VermÇgensverwaltung Åberschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Verhnltnisse und unter BerÅcksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller VermÇgenswerte 1 2 3 4 5 6 7 8

Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rz. 491. Schauhoff, Handbuch der GemeinnÅtzigkeit, § 6 Rz. 36, 51. Schauhoff, Handbuch der GemeinnÅtzigkeit, Einleitung, Rz. 65 ff. v. Twickel in BlÅmich, § 5 KStG Rz. 78. Schauhoff, Handbuch der GemeinnÅtzigkeit, § 6 Rz. 112. Schauhoff, Handbuch der GemeinnÅtzigkeit, § 6 Rz. 61. Schauhoff, Handbuch der GemeinnÅtzigkeit, § 6 Rz. 61. BFH v. 26.2.1992 – I R 149/90, BStBl. II 1992, 693 = BB 1992, 1702 (1703).

190

A. DurchfÅhrung der Besteuerung durch Umschichtung gegenÅber der Nutzung von vorhandenem VermÇgen i.S. einer Fruchtziehung aus den zu erhaltenden Substanzwerten in den Vordergrund tritt.“

So liegt eine VermÇgensverwaltung bei Vermietung von VermÇgensgegenstsnden nicht mehr vor, wenn es zu einem stsndigen Mieterwechsel kommt (z.B. Standplatzvermietung auf jshrlichen Volksfesten).1 Zweckbetrieb: Innerhalb des Zweckbetriebs geht die KÇrperschaft, wie auch im ideellen Bereich, ihren satzungsmsßig festgelegten Tstigkeiten nach, jedoch mit der Maßgabe, dass in diesem Bereich Entgelt fÅr die Leistung der KÇrperschaft verlangt wird.2 Die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs sind in § 65 AO geregelt. Demnach ist ein Zweckbetrieb dem Grunde nach ein wirtschaftlicher Geschsftsbetrieb, der wegen seiner Ausrichtung auf die ErfÅllung der gemeinnÅtzigen Ziele steuerlich begÅnstigt wird. Im Einzelfall mÅssen Einnahmen des Zweckbetriebs gegen Einnahmen im ideellen Bereich und Einnahmen aus der VermÇgensverwaltung abgegrenzt werden. Zum ideellen Bereich lssst sich der Bereich des Zweckbetriebs vor allem Åber das Merkmal der Gegenleistung abgrenzen, zur VermÇgensverwaltung Åber das Merkmal der Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr. BezÅglich der Zweckbetriebe im Bereich der Wohlfahrtspflege, der Krankenhsuser, des Sports, der Bildungseinrichtungen und sonstiger Einrichtungen im Sinne der Vorschriften, finden sich nshere Bestimmungen in §§ 66–68 AO.

3.47

Abbildung 2: Die vier Sphsren der gemeinnÅtzigen KÇrperschaft

Diese vier genannten Bereiche sind zwar steuerrechtlich voneinander zu trennen, mÅssen aber alle als Teilbereiche ein und desselben Steuersub-

1 BFH v. 25.4.1968 – V 120/64, BStBl. II 1969, 94. 2 Schick, GemeinnÅtzigkeits- und Steuerrecht, S. 47.

191

3.48

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

jekts verstanden werden. Die Bereiche des wirtschaftlichen Geschsftsbetriebs, der VermÇgensverwaltung und des Zweckbetriebs werden in den meisten Fsllen dazu dienen, die gemeinnÅtzige Tstigkeit zu finanzieren. Eine VermÇgensverschiebung aus diesen Bereichen in den ideellen Bereich ist demnach gewollt.

.49

Der Verlustausgleich dieser Bereiche ist jedoch nicht uneingeschrsnkt mÇglich. Der Ausgleich von Verlusten aus dem wirtschaftlichen Geschsftsbetrieb durch Mittel aus der ideellen Sphsre, der VermÇgensverwaltung oder des Zweckbetriebs fÅhrt grundsstzlich zur Aberkennung der GemeinnÅtzigkeit.1 Nach der Rechtsprechung2 und dem Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO), AEAO zu § 55 Abs. 1 Ziff. 1 AO, Tz. 4 ff. gelten jedoch folgende Einschrsnkungen:

.50

„Es ist grundsntzlich nicht zulnssig, Mittel des ideellen Bereichs (insbesondere Mitgliedsbeitrnge, Spenden, ZuschÅsse, RÅcklagen), Gewinne aus Zweckbetrieben, Ertrnge aus der VermÇgensverwaltung und das entsprechende VermÇgen fÅr einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschnftsbetrieb zu verwenden, z.B. zum Ausgleich eines Verlustes. FÅr das Vorliegen eines Verlustes ist das Ergebnis des einheitlichen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschnftsbetriebs (§ 64 Abs. 2) maßgeblich. Eine Verwendung von Mitteln des ideellen Bereichs fÅr den Ausgleich des Verlustes eines einzelnen wirtschaftlichen Geschnftsbetriebs liegt deshalb nicht vor, soweit der Verlust bereits im Entstehungsjahr mit Gewinnen anderer steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschnftsbetriebe verrechnet werden kann. Verbleibt danach ein Verlust, ist keine Verwendung von Mitteln des ideellen Bereichs fÅr dessen Ausgleich anzunehmen, wenn dem ideellen Bereich in den sechs vorangegangenen Jahren Gewinne des einheitlichen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschnftsbetriebs in mindestens gleicher HÇhe zugefÅhrt worden sind. Insoweit ist der Verlustausgleich im Entstehungsjahr als RÅckgabe frÅherer, durch das GemeinnÅtzigkeitsrecht vorgeschriebener GewinnabfÅhrungen anzusehen.

.51

5. Ein nach ertragsteuerlichen Grundsntzen ermittelter Verlust eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschnftsbetriebs ist unschndlich fÅr die SteuerbegÅnstigung der KÇrperschaft, wenn er ausschließlich durch die BerÅcksichtigung von anteiligen Abschreibungen auf gemischt genutzte WirtschaftsgÅter entstanden ist und wenn die folgenden Voraussetzungen erfÅllt sind:

– Das Wirtschaftsgut wurde fÅr den ideellen Bereich angeschafft oder hergestellt

und wird nur zur besseren Kapazitntsauslastung und Mittelbeschaffung teiloder zeitweise fÅr den steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschnftsbetrieb genutzt. Die KÇrperschaft darf nicht schon im Hinblick auf eine zeit- oder teilweise Nutzung fÅr den steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschnftsbetrieb ein grÇßeres Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt haben, als es fÅr die ideelle Tntigkeit notwendig war. – Die KÇrperschaft verlangt fÅr die Leistungen des steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschnftsbetriebs marktÅbliche Preise. – Der Steuerpflichtige wirtschaftliche Geschnftsbetrieb bildet keinen eigenstnndigen Sektor eines Gebnudes (z.B. Gaststnttenbetrieb einer Sporthalle).

1 BMF v. 19.10.1998 – IV C 6 - S 0171 - 10/98, BStBl. I 1998, 1423. 2 BFH v. 13.11.1996 – I R 152/93, BStBl. II 1998, 711 = NJW 1997, 1462 (1463) m.w.N.

192

A. DurchfÅhrung der Besteuerung Diese Grundsntze gelten entsprechend fÅr die BerÅcksichtigung anderer gemischter Aufwendungen (z.B. zeitweiser Einsatz von Personal des ideellen Bereichs in einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschnftsbetrieb) bei der gemeinnÅtzigkeitsrechtlichen Beurteilung von Verlusten. 6. Der Ausgleich des Verlustes eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschnftsbetriebs mit Mitteln des ideellen Bereichs ist außerdem unschndlich fÅr die SteuerbegÅnstigung, wenn

3.52

– der Verlust auf einer Fehlkalkulation beruht, – die KÇrperschaft innerhalb von zwÇlf Monaten nach Ende des Wirtschaftsjah-

res, in dem der Verlust entstanden ist, dem ideellen Tntigkeitsbereich wieder Mittel in entsprechender HÇhe zufÅhrt und – die zugefÅhrten Mittel nicht aus Zweckbetrieben, aus dem Bereich der steuerbegÅnstigten VermÇgensverwaltung, aus Beitrngen oder aus anderen Zuwendungen, die zur FÇrderung der steuerbegÅnstigten Zwecke der KÇrperschaft bestimmt sind, stammen (BFH, Urt. v. 13.11.1996, BStBl. II 1998, 711). – Die ZufÅhrungen zu dem ideellen Bereich kÇnnen demnach aus dem Gewinn des (einheitlichen) steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschnftsbetriebs, der in dem Jahr nach der Entstehung des Verlustes erzielt wird, geleistet werden. Außerdem dÅrfen fÅr den Ausgleich des Verlustes Umlagen und ZuschÅsse, die dafÅr bestimmt sind, verwendet werden. Derartige Zuwendungen sind jedoch keine steuerbegÅnstigten Spenden.“

2. Voraussetzungen der GemeinnÅtzigkeit im Einzelnen Die Voraussetzungen der GemeinnÅtzigkeit ergeben sich aus §§ 51 ff. AO, insbesondere § 52 AO. Eine KÇrperschaft verfolgt danach gemeinnÅtzige Zwecke, wenn ihre Tstigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fÇrdern.

3.53

Eine FÇrderung der Allgemeinheit ist nicht gegeben, wenn der Kreis der Personen, dem die FÇrderung zugute kommt, fest abgeschlossen ist. Die Allgemeinheit wird auf jeden Fall dann gefÇrdert, wenn die Tstigkeit dem Gemeinwohl nÅtzt.1 Die FÇrderung kleiner Gruppen kann sich als FÇrderung der Allgemeinheit darstellen, wenn die Gruppe als Ausschnitt der Allgemeinheit anzusehen ist.2 Bei zahlenmsßiger Begrenzung auf z.B. Vereinsmitglieder scheidet eine FÇrderung der Allgemeinheit nicht generell aus.3 Eine FÇrderung der Allgemeinheit ist aber dann zu verneinen, wenn die AufnahmegebÅhren fÅr eine Mitgliedschaft so hoch sind, dass schon auf Grund der HÇhe die Allgemeinheit den Betrag nicht zu entrichten vermag.4

3.54

1 2 3 4

Koenig in Pahlke/Koenig, § 52 AO Rz. 18. BFH v. 13.12.1978 – I R 39/78, BFHE 127, 330. BFH v. 13.12.1978 – I R 64/77, BFHE 127, 342. v. Twickel in BlÅmich, § 5 KStG Rz. 117.

193

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

.55

FÇrderung bedeutet, „dass etwas vorangebracht, vervollkommnet oder verbessert wird“.1 Dies kann z.B. durch Informationsverbreitung, Vortrsge oder Preisverleihungen geschehen.

.56

Die KÇrperschaft muss ihren Zweck zudem selbstlos verfolgen. Das Prinzip der Selbstlosigkeit ist § 55 AO zu entnehmen. Danach darf die KÇrperschaft nicht in erster Linie mit Gewinnerzielungsabsicht handeln. Gewinne schaden aber an sich nicht.2 Auch die Mittelverwendung fÅr Mitgliederwerbung steht dem Merkmal der Selbstlosigkeit nicht zwangslsufig entgegen.3 Der BFH fÅhrt hierzu aus:4 „Die satzungsmnßigen Zwecke einer KÇrperschaft kÇnnen vielmehr auch durch mittelbar unterstÅtzende Maßnahmen gefÇrdert werden. Daher entfnllt das Merkmal der Selbstlosigkeit nicht bereits deshalb, weil Mittel der KÇrperschaft fÅr Verwaltung, Mitgliederwerbung oder tffentlichkeitsarbeit verwendet werden, wenn derartige Ausgaben zur BegrÅndung und Erhaltung der Funktionsfnhigkeit und damit auch zur Verfolgung des satzungsgemnßen Zwecks erforderlich sind.“

.57

Eine durch § 55 Abs. 1 Ziff. 1 AO ausgeschlossene BegÅnstigung von Mitgliedern liegt allein nicht deshalb vor, weil diese fÅr ihre Tstigkeit angemessen vergÅtet werden oder angemessene Aufmerksamkeiten erhalten.5 Etwas anderes kann auch nicht fÅr die VergÅtung von GeschsftsfÅhrern gelten. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind § 58 AO zu entnehmen.

.58

DarÅber hinaus muss die Tstigkeit der gemeinnÅtzigen KÇrperschaft Inlandsbezug aufweisen. Inlandsbezug ist gegeben, wenn natÅrliche Personen, die ihren Wohnsitz bzw. ihren gewÇhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, gefÇrdert werden oder wenn die KÇrperschaft durch ihre Tstigkeit das Ansehen der BRD im Ausland verbessern kann.6

.59

Des Weiteren muss der Grundsatz der VermÇgensbindung gewahrt sein (§ 55 Abs. 1 Ziff. 4 AO). Dieser besagt, dass auch bei AuflÇsung oder sonstigen Beendigung der KÇrperschaft oder bei Wegfall des gemeinnÅtzigen Zwecks das VermÇgen der KÇrperschaft (sofern es den Kapitalanteil oder den Wert der Sacheinlage Åbersteigt) nur fÅr steuerbegÅnstigte Zwecke verwendet werden darf. Es muss also eine xbertragung des RestvermÇgens an eine oder mehrere ebenfalls als gemeinnÅtzig anerkannte KÇrperschaften gewshrleistet sein.7 Durch die VermÇgensbindung soll verhindert werden, dass die GemeinnÅtzigkeit fÅr die Gewinnung von wirtschaftlichen Vorteilen missbraucht wird und nur als „Deckmantel“ zur Erlangung von SteuervergÅnstigungen verwendet wird. Mit „VermÇgen“ im Sinne der Vorschrift ist das gesamte VermÇgen der KÇrperschaft, also 1 2 3 4 5 6 7

BFH v. 23.11.1988 – I R 11/88, BStBl. II 1989, 391. Schick, GemeinnÅtzigkeits- und Steuerrecht, S. 35. BFH v. 18.12.2002 – I R 60/01, BFH/NV 2003, 1025 ff. BFH v. 18.12.2002 – I R 60/01, BFH/NV 2003, 1025 ff. Schick, GemeinnÅtzigkeits- und Steuerrecht, S. 37. Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, GemeinnÅtzigkeit, Rz. 8. Schauhoff, Handbuch der GemeinnÅtzigkeit, § 5 Rz. 105.

194

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

auch zeitnah zu verwendende Mittel, das nutzungsgebundene VermÇgen, sowie stille Reserven gemeint.1 Von den sich aus dem Grundsatz der VermÇgensbindung ergebenden Beschrsnkungen ist jedoch nur das VermÇgen erfasst, das wshrend der Zeit, fÅr die SteuerbegÅnstigungen in Anspruch genommen wurden, gebildet wurde.2 Der Grundsatz der VermÇgensbindung steht jedoch der „RÅckzahlung“ von Einlagen an Gesellschafter nicht im Wege. Es ist daher zulsssig, wenn satzungsmsßig festgelegt wird, dass VermÇgen, welches zur VermÇgensausstattung verwendet wurde, im Fall der AuflÇsung oder Zwecksnderung zurÅckgefordert werden kann. Außerdem steht es dem Grundsatz nicht entgegen, wenn die KÇrperschaft vor AuflÇsung ihre Verbindlichkeiten begleicht.3 Der Grundsatz der Ausschließlichkeit ergibt sich aus § 51 AO i.V.m. § 56 AO und bezieht sich nur auf die ideelle Sphsre der KÇrperschaft.4 Dieser Grundsatz besagt, dass eine steuerbegÅnstigte KÇrperschaft (grundsstzlich) nur ihre steuerbegÅnstigten satzungsmsßigen Zwecke verfolgen darf. Dieser Grundsatz besagt zwar nicht, dass jede Tstigkeit der Organe ausschließlich gemeinnÅtzig sein muss, aber er verlangt, dass alle Tstigkeiten zumindest geeignet sind den gemeinnÅtzigen Zweck zu fÇrdern.5 Ausdruck findet der Grundsatz der Ausschließlichkeit z.B. in dem Verbot des uneingeschrsnkten Verlustausgleichs zwischen den verschiedenen Sphsren (Rz. 3.49 ff.).

3.60

Der Grundsatz der Unmittelbarkeit ist § 57 AO zu entnehmen. Er besagt, dass die KÇrperschaft die steuerbegÅnstigten satzungsgemsßen Zwecke selbst verwirklichen muss und sich hierzu Hilfspersonen bedienen darf. Diese Hilfspersonen mÅssen jedoch den Weisungen der Organe der KÇrperschaft unterliegen6 und das Wirken muss sich fÅr Dritte als Wirken der KÇrperschaft selbst darstellen.7 Bestimmte Ausnahmen sind nach § 58 AO zulsssig.

3.61

Die KÇrperschaft muss gem. §§ 55, 56 AO die ihr fÅr die Verfolgung gemeinnÅtziger Zwecke zur VerfÅgung stehenden Mittel auch zeitnah verwenden. Zeitnah ist die Verwendung von Mitteln dann, wenn sie spstestens in dem auf den Zufluss folgenden Kalender- oder Wirtschaftsjahr fÅr die steuerbegÅnstigten satzungsmsßigen Zwecke verwendet werden.8 DafÅr trsgt die KÇrperschaft die Beweislast.9 Dem Grundsatz der zeitnahen Mittelverwendung steht es nicht entgegen, wenn die Mittel so angelegt werden, dass die daraus erzielten Gewinne wieder fÅr gemeinnÅtzige Ts-

3.62

1 2 3 4 5 6 7 8 9

HÅttemann, GemeinnÅtzigkeit und Spendenrecht, § 5 Rz. 177, 179. Schauhoff, Handbuch der GemeinnÅtzigkeit, § 5 Rz. 103. Koenig in Pahlke/Koenig, § 55 AO Rz. 27. Droege, GemeinnÅtzigkeit im offenen Steuerstaat, S. 158. BFH v. 23.10.1991 – I R 19/91, DStR 1992, 392 (393). Schick, GemeinnÅtzigkeits- und Steuerrecht, S. 43. Schauhoff, Handbuch der GemeinnÅtzigkeit, § 8 Rz. 5. Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, GemeinnÅtzigkeit, Rz. 16. Schauhoff, Handbuch der GemeinnÅtzigkeit, § 6 Rz. 12.

195

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

tigkeiten eingesetzt werden,1 es genÅgt also auch eine Umschichtung der Mittel in einen steuerbegÅnstigten Bereich.2

.63

Die Einhaltung der dargestellten Voraussetzungen und Grundsstze muss sich gem. §§ 59 ff. AO aus der Satzung der KÇrperschaft ergeben (sog. Satzungsbindung). Gemsß § 60 Abs. 2 AO muss die Satzung den vorgeschriebenen Erfordernissen bei der KÇrperschaftsteuer und bei der Gewerbesteuer wshrend des ganzen Veranlagungs- oder Bemessungszeitraums, bei den anderen Steuern im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer entsprechen. Auch die Einhaltung der Erfordernisse der VermÇgensbindung muss sich gem. § 61 AO anhand der Satzung feststellen lassen. Sofern in der Satzung festgelegt wird, dass das VermÇgen nach AuflÇsung der KÇrperschaft einer anderen KÇrperschaft zugewiesen werden soll, so muss diese auch gemeinnÅtzig sein bzw. deren GemeinnÅtzigkeit anerkannt sein.3 BezÅglich des Grundsatzes der Ausschließlichkeit genÅgt es, wenn in der Satzung keine anderen zu verfolgenden Zwecke als die gemeinnÅtzigen Zwecke vorgesehen sind.4 Der Grundsatz der Unmittelbarkeit ist auch dann bzw. gemsß den Anforderungen des § 59 AO aus der Satzung ersichtlich, wenn aus der Satzung nicht ausdrÅcklich hervorgeht, dass die KÇrperschaft sich Hilfspersonen bedient.5

.64

Gemsß § 63 AO muss schließlich die tatslchliche GeschlftsfÅhrung der KÇrperschaft auf die ErfÅllung des steuerbegÅnstigten Zwecks gerichtet sein. Dies bedeutet, dass die GeschsftsfÅhrung der KÇrperschaft sich nicht anders als den Zwecksetzungen der Satzung entsprechend verhalten soll und nicht gar nicht tstig sein soll.6 Demnach darf die KÇrperschaft auch nicht den satzungsmsßigen Zweck faktisch sndern oder einen anderen zusstzlichen Zweck verfolgen.7 Dem Erfordernis des § 63 AO schadet es jedoch nicht, wenn die KÇrperschaft kurzzeitig die gemeinnÅtzige Tstigkeit nur unvollstsndig ausÅbt, so z.B. in der GrÅndungsphase.8

.65

3. Auswirkungen der GemeinnÅtzigkeit auf die Besteuerung Verfolgt eine KÇrperschaft ausschließlich und unmittelbar gemeinnÅtzige, mildtstige oder kirchliche Zwecke, so erfshrt sie eine Reihe von SteuervergÅnstigungen: – Gemsß § 5 Abs. 1 Ziff. 9 Satz 1 KStG ist eine gemeinnÅtzige KÇrperschaft grundsstzlich von der KÇrperschaftsteuer befreit. 1 2 3 4 5 6 7

Schauhoff, Handbuch der GemeinnÅtzigkeit, § 6 Rz. 12. KÅmpel, DStR 2001, 152 (153). Schauhoff, Handbuch der GemeinnÅtzigkeit, § 5 Rz. 102. Schauhoff, Handbuch der GemeinnÅtzigkeit, § 5 Rz. 101. Schauhoff, Handbuch der GemeinnÅtzigkeit, § 5 Rz. 101. Koenig in Pahlke/Koenig, § 63 AO Rz. 2. BFH v. 16.5.2007 – I R 14/06, BStBl. II 2007, 808 = ZIP 2007, 1570 = DStR 2007, 1438 (1439). 8 BFH v. 23.7.2003 – I R 29/02, BStBl. II 2003, 930 = DStRE 2004, 31 (32).

196

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

– Die Befreiung von der Gewerbesteuer ergibt sich aus § 3 Ziff. 6 GewStG. – FÅr die Umsatzsteuer ergeben sich die folgenden Befreiungen und VergÅnstigungen: – Umsstze der gemeinnÅtzigen KÇrperschaften kÇnnen nach § 4 Ziff. 16, 18, 20, 22, 24, 25, 27 UStG steuerfrei sein. Auf die Steuerfreiheit kann die KÇrperschaft gem. § 9 UStG fÅr dort genannte Umsstze verzichten. – Gemsß § 12 Abs. 2 Ziff. 8a) UStG betrsgt der Steuersatz fÅr Leistungen gemeinnÅtziger Einrichtungen nur 7 %, statt 19 %, sofern nicht bereits Steuerfreiheit besteht. – Nach § 4a Abs. 1 wird KÇrperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnÅtzige, mildtstige oder kirchliche Zwecke verfolgen, auf Antrag eine SteuervergÅtung zum Ausgleich der Steuer gewshrt, die auf der an sie bewirkten Lieferung eines Gegenstands, seiner Einfuhr oder seinem innergemeinschaftlichen Erwerb lastet, wenn die weiteren dort bestimmten Voraussetzungen erfÅllt sind. – Der Vorsteuerabzug ist fÅr den von der Umsatzsteuer befreiten Bereich ausgeschlossen. FÅr den nicht befreiten Bereich bleibt das Recht zum Vorsteuerabzug hingegen unberÅhrt. – Von der Grunderwerbsteuer kann zwar gem. §§ 3, 4 GrEStG befreit werden, jedoch haben diese Befreiungstatbestsnde nicht die GemeinnÅtzigkeit zur Voraussetzung. – Gemsß § 3 Ziff. 5 und 5a KfzStG kommen Befreiungen von der Kraftfahrzeugsteuer in Betracht. – Von der Grundsteuer ist der Grundbesitz einer gemeinnÅtzigen KÇrperschaft gem. § 3 Abs. 1 Ziff. 3b GrStG steuerbefreit, soweit er unmittelbar und ausschließlich zu gemeinnÅtzigen Zwecken genutzt wird. Dies ist der Fall, sofern die Nutzung im ideellen Bereich, in der VermÇgensverwaltung oder im Zweckbetrieb erfolgt.1 Sofern nur ein rsumlich abgrenzbarer Teil dieses GrundstÅcks zu gemeinnÅtzigen Zwecken genutzt wird ist auch nur dieser von der Steuer befreit.2 Sofern sich die Nutzung nicht rsumlich abgrenzen lssst, wird die KÇrperschaft nur von der Steuer befreit, wenn der gemeinnÅtzige Zweck Åberwiegt.3 – Zuwendungen an gemeinnÅtzige KÇrperschaften sind unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Ziff. 16b ErbStG von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit. 4. Ende der GemeinnÅtzigkeit Die SteuervergÅnstigungen enden, sobald die Voraussetzungen der §§ 51 ff. AO nicht mehr vorliegen. Wird die Bestimmung Åber die Ver1 Reuber, Die Besteuerung der Vereine, Grundsteuer, Rz. 16. 2 Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rz. 206. 3 Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rz. 206.

197

3.66

.67

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

mÇgensbindung nachtrsglich so gesndert, dass sie den Anforderungen des § 55 Abs. 1 Ziff. 4 AO nicht mehr entspricht, so gilt sie sogar als von Anfang an als steuerlich nicht ausreichend (§ 61 Abs. 3 Satz 1 AO), woraus sich das Problem der Zuordnung etwa daraus resultierender Steuerforderungen zu den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien ergibt. In anderen Fsllen der Beendigung der Voraussetzungen fÅr die SteuerbegÅnstigungen nach § 51 ff. AO ist die KÇrperschaft ab dem Veranlagungszeitraum, in dem die GemeinnÅtzigkeit entfsllt, wieder nach den allgemeinen Vorschriften zu besteuern.1 Insolvenzantragstellung und auch InsolvenzerÇffnung fÅhren aber nicht zwingend zur Beendigung der Voraussetzungen nach §§ 51 ff. AO, wie im Folgenden darzulegen ist. 5. GemeinnÅtzigkeit des Insolvenzschuldners wlhrend des Insolvenzverfahrens

.68

Denkbar sind folgende Fallkonstellationen: – Der Insolvenzschuldner hat die gemeinnÅtzige Tstigkeit bereits vor InsolvenzerÇffnung vollstsndig eingestellt. – Der Insolvenzschuldner verfolgt seine gemeinnÅtzige Tstigkeit im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung tatsschlich noch und – der Insolvenzverwalter stellt sie sofort ein, – der Insolvenzverwalter fÅhrt die gemeinnÅtzige Tstigkeit noch einige Zeit lang fort, wshrend er aber schon die Insolvenzmasse verwertet und stellt die gemeinnÅtzige Tstigkeit dann ein, um die Schlussverteilung vorzunehmen, – der Insolvenzverwalter versußert den schuldnerischen Tstigkeitsbereich mitsamt der gemeinnÅtzigen Tstigkeit, – es kommt zur Annahme eines Insolvenzplanes oder – das Insolvenzverfahren endet wegen Wegfalls des ErÇffnungsgrundes (§ 212 InsO) oder mit Zustimmung der Insolvenzglsubiger (§ 213 InsO).

.69

Hat der Insolvenzschuldner die gemeinnÅtzige Tltigkeit bereits vor InsolvenzerÇffnung vollstlndig eingestellt, so ist jedenfalls der Grundsatz der Ausschließlichkeit verletzt, denn der Insolvenzverwalter verfolgt nur noch das Ziel, das schuldnerische VermÇgen zu verwerten und zu verteilen; der gemeinnÅtzige Zweck wird hingegen gar nicht mehr verfolgt. Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, bei dem Insolvenzverwalter handele es sich gar nicht um die tatsschliche GeschsftsfÅhrung und demnach kÇnne der Grundsatz der Ausschließlichkeit nicht durch ihn verletzt werden, denn es ist auch derjenige wie ein Organ zu behandeln, der selbstsndig fÅr die KÇrperschaft reprssentierende Aufgaben

1 Schauhoff, Handbuch der GemeinnÅtzigkeit, § 8 Rz. 35.

198

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

wahrnimmt.1 Auch der BFH geht in einem seiner neueren Urteile2 davon aus, dass sich der Insolvenzverwalter im Fall der Insolvenz als die „tatsschliche GeschsftsfÅhrung“ darstellt. Es kommt fÅr den Fortbestand der sich aus der (frÅheren) gemeinnÅtzigen Tstigkeit des Insolvenzschuldners ergebenden SteuervergÅnstigungen daher in diesem Fall entscheidend darauf an, ob eine steuerlich begÅnstigte Abwicklungsphase im Insolvenzverfahren anerkannt wird. Die Anerkennung einer steuerbegÅnstigten Abwicklungsphase wÅrde dazu fÅhren, dass eine KÇrperschaft trotz Einstellung der steuervergÅnstigten Tstigkeit noch gleich einer gemeinnÅtzig tstigen KÇrperschaft besteuert wÅrde, solange die Abwicklung des VermÇgens andauert.3 Der BFH hatte in seinem Urteil vom 16.5.20074 keinen Anlass, zu der fÅr die Praxis Åberaus relevanten Frage, ob eine steuerbegÅnstigte Abwicklungsphase anzuerkennen ist, Stellung zu nehmen. FÅr die Anerkennung einer steuerbegÅnstigten Abwicklungsphase sprechen aber gewichtige GrÅnde. Insoweit kann auf die Vorentscheidung des Niedersschsischen FG verwiesen werden, in der es heißt:5

3.70

„Allerdings zieht das Gericht fÅr die rechtliche Beurteilung das Urteil des BFH vom 23.7.2003 I.S. eines Umkehrschlusses auf den hier zu entscheidenden Fall heran. Der BFH billigt einer neu gegrÅndeten KÇrperschaft eine Anlaufphase zu, in der satzungsgemnße Ziele noch nicht verwirklicht sein mÅssen, weil sich die KÇrperschaft nur auf die DurchfÅhrung von vorbereitenden Handlungen beschrnnkt. Die KÇrperschaft darf sich in der Anlaufphase auf die Einleitung von Geschnften und die Ansammlung von VermÇgen beschrnnken. FÅr den Zeitraum dieser Anlaufphase will der BFH schon die SteuerbegÅnstigung annehmen. Der hier zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke ist auch auf eine Auslaufphase einer steuerbegÅnstigten KÇrperschaft anzuwenden. Hier greift der Gedanke, dass einer aufgelÇsten oder sonst beendeten KÇrperschaft oder einer in Konkurs gefallenen KÇrperschaft eine gewisse sbergangszeit eingernumt werden muss, um ihre Geschnfte abzuwickeln oder ihr RestvermÇgen zu verteilen oder zu Åbertragen. Das gilt insbesondere in den Fnllen, in denen innerhalb eines Veranlagungszeitraums die ideelle Tntigkeit aus welchen GrÅnden auch immer endgÅltig eingestellt wird. Vom Sinn und Zweck der Vorschriften des GemeinnÅtzigkeitsrechts vermag es nicht einzuleuchten, einer steuerbegÅnstigten KÇrperschaft fÅr den ganzen Veranlagungszeitraum, in dem der Beschluss zur endgÅltigen Zweckaufgabe gefasst wird, die GemeinnÅtzigkeit zu versagen. So lag es auch bei der Stiftung. Im ... 01 stellte sie den Antrag auf ErÇffnung des Vergleichsverfahrens. Erst Ende 01 konnte sie ihre ideelle Tntigkeit endgÅltig aufgeben. Dies deutet darauf hin und ist vom Gericht auch nachvollziehbar, dass die Abwicklung der Geschnfte und die sbertragung der ideellen Tntigkeit auf andere Trnger eine gewisse Zeitdauer beanspruchte.

3.71

1 BGH v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, NJW 1968, 391 (392). 2 BFH v. 16.5.2007 – I R 14/06, BStBl. II 2007, 808 = ZIP 2007, 1570 = DStR 2007, 1438 (1439). 3 FÅr die Anerkennung einer steuerbegÅnstigten Abwicklungsphase auch: Kahlert/ Eversberg, ZIP 2010, 260 (260); FG Nds. v. 15.9.2005 – 6 K 609/00, EFG 2006, 1195. 4 BFH v. 16.5.2007 – I R 14/06, BStBl. II 2007, 808 = ZIP 2007, 1570 = DStR 2007, 1438 (1439). 5 FG Nds. v. 15.9.2005 – 6 K 609/00, EFG 2006, 1195 ff.

199

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

.72

Die Lnnge der Auslaufphase richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles. Es ist z.B. zu berÅcksichtigen, ob die KÇrperschaft noch umfangreiches VermÇgen zu verwerten und Verbindlichkeiten zu begleichen hat. Die Art der ideellen Tntigkeit mag eine kÅrzere oder lnngere Auslaufphase erfordern. Im Fall der Stiftung braucht das Gericht die Auslaufphase nicht zeitlich zu bestimmen. Die Stiftung hat ihre steuerbegÅnstigte Tntigkeit Ende des Jahres 01 endgÅltig aufgegeben. Es ist noch GrundvermÇgen zu verwerten. Es ist zwischen den Beteiligten streitig, ob der Verkauf des GrundstÅcks in 02 hntte durchgefÅhrt werden kÇnnen. Der Klnger bezeichnet die Weigerung der dinglich Berechtigten als Grund dafÅr, dass das GrundstÅck der Stiftung bis heute nicht vernußert oder sonst verwertet wurde. Das Gericht braucht den GrÅnden fÅr das lange Andauern des Konkursverfahrens nicht nachzugehen, denn wegen der erforderlichen Verwertung von GrundvermÇgen, die erfahrungsgemnß nicht immer kurzfristig erfolgen kann, ist das Jahr 02 noch als Auslaufphase anzusehen. Jedenfalls hat die VermÇgensverwaltung im Jahre 02 noch einen engen zeitlichen Bezug zu der ideellen Betntigung der Stiftung und steht wegen der Verwendung der Ertrnge zur Schuldentilgung inhaltlich mit ihr im Zusammenhang.

.73

Obwohl die Stiftung im Streitjahr keine aktive steuerbegÅnstigte Tntigkeit mehr verfolgte, ist ihr fÅr die Auslaufphase im Jahr 02 die Anerkennung als gemeinnÅtzigen und mildtntigen Zwecken dienend und damit die Steuerbefreiung zu gewnhren. Der angegriffene Steuerbescheid ist aufzuheben.“

.74

Außerdem ist zu bedenken, dass Zuwendungen Dritter an gemeinnÅtzige KÇrperschaften mit der Intention erfolgen, den gemeinnÅtzigen Zweck der KÇrperschaft zu unterstÅtzen. Es besteht also ein Vertrauen des Zuwendenden in die GemeinnÅtzigkeit. Der Spender darf auch grundsstzlich davon ausgehen, dass sein Geld – auch im Fall der AuflÇsung der KÇrperschaft – zu einem gemeinnÅtzigen Zweck verwendet wird (Grundsatz der VermÇgensbindung).

.75

Sofern man eine steuerbegÅnstigte Abwicklungsphase nicht anerkennt, findet die Besteuerung wshrend des Insolvenzverfahrens nach allgemeinen Maßstsben statt. Die sich aus der Beendigung der GemeinnÅtzigkeit ergebenden Steuerforderungen, insbesondere auch solche nach § 61 Abs. 3 Satz 1 AO, sind dann Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO, weil der Rechtsgrund fÅr ihre Entstehung vor der InsolvenzerÇffnung gelegt worden ist (vgl. zur Abgrenzung von Insolvenzforderungen zu den Masseverbindlichkeiten bei vor InsolvenzerÇffnung bereits angelegten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners ausfÅhrlich Rz. 4.288 ff.). Theoretisch denkbar ist der Fall, dass der Insolvenzverwalter die steuerbegÅnstigte Tstigkeit des Insolvenzschuldners wieder aufnimmt; dann sind ihm – wie in dem nachfolgend erlsuterten Fall, dass die gemeinnÅtzige Tstigkeit Åber den ErÇffnungszeitpunkt hinaus andauert – u.U. entsprechende SteuervergÅnstigungen zu gewshren.

.76

xbt der Insolvenzschuldner die gemeinnÅtzige Tstigkeit im Zeitpunkt der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens tatsschlich noch aus, stellt sie der Insolvenzverwalter aber unmittelbar nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ein, ist die Lage nicht anders zu beurteilen, als wenn der Insolvenzschuldner selbst die gemeinnÅtzige Tstigkeit bereits vor der Insol-

200

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

venzerÇffnung eingestellt hat. Es kommt entscheidend darauf an, ob man im Insolvenzverfahren eine steuerbegÅnstigte Abwicklungsphase anerkennt oder nicht. Erkennt man sie nicht an, findet die Besteuerung von Umsstzen und Ertrsgen der Insolvenzmasse nach allgemeinen Maßstsben statt; soweit sich Steuerforderungen aus der Beendigung der GemeinnÅtzigkeit ergeben (vgl. insbesondere § 61 Abs. 3 Satz 1 AO), nehmen diese den Rang von Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) ein, weil der Rechtsgrund fÅr ihre Entstehung vor der InsolvenzerÇffnung gelegt worden ist. Die Abgrenzung von Insolvenzforderungen zu den Masseverbindlichkeiten bei vor InsolvenzerÇffnung bereits angelegten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners wird ausfÅhrlich bei Rz. 4.327 ff. behandelt. xbt der Insolvenzschuldner die gemeinnÅtzige Tstigkeit im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnungsverfahrens tatsschlich noch aus und wird diese auch wshrend des gesamten Insolvenzverfahrens beibehalten und schließlich der Insolvenzschuldner saniert aus dem Insolvenzverfahren wieder entlassen, so ist die Sachlage von den beiden zuvor beschriebenen Fsllen grundverschieden. Paradefslle einer solchen gelungenen Sanierung kÇnnten ein erfolgreiches Insolvenzplanverfahren, die Einstellung des Insolvenzverfahrens wegen Wegfalls des ErÇffnungsgrundes (§ 212 InsO) oder die Einstellung des Insolvenzverfahrens mit Zustimmung der Insolvenzglsubiger (§ 213 InsO) sein. Der Sanierungserfolg drohte ernsthaft in Gefahr zu geraten, wenn es nicht gelsnge, die SteuervergÅnstigungen gem. §§ 51 ff. AO i.V.m. den Einzelsteuergesetzen auch im Insolvenzverfahren zu erhalten. Eine nshere Betrachtung der Voraussetzungen fÅr diese SteuervergÅnstigungen zeigt, dass diese auch im Insolvenzverfahren durchaus eingehalten werden kÇnnen.

3.77

Zunschst muss es nicht zu einer Verletzung des Grundsatzes der VermÇgensbindung kommen, denn weder das Verteilen der Insolvenzmasse an die Glsubiger, noch die Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens stehen dem Grundsatz der VermÇgensbindung entgegen. BezÅglich der Insolvenzforderungen ergibt sich das daraus, dass auch sie Verbindlichkeiten sind, die zumindest auch durch die gemeinnÅtzige Tstigkeit des Insolvenzschuldners veranlasst sind. Daran sndert auch die Tatsache nichts, dass die Verfahrenskosten nicht „freiwillig“ zustande gekommen sind, sondern vielmehr kraft Gesetzes entstehen. Der Grundsatz der VermÇgensbindung lssst es ohne weiteres zu, dass eine KÇrperschaft – auch und gerade im Zusammenhang mit ihrer AuflÇsung – ihre Verbindlichkeiten befriedigt.1 Nichts Anderes kann im Insolvenzverfahren gelten. Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, es handele sich bei den Verfahrenskosten, soweit sie an den Insolvenzverwalter zur Auszahlung gelangen, um eine ÅberhÇhte VergÅtung des Organs einer KÇrperschaft, die deswegen den Grundsatz der VermÇgensbindung verletzt. Denn es ist insoweit zu berÅcksichtigen, dass der Insolvenzverwalter nicht bloß wie ein

3.78

1 Koenig in Pahlke/Koenig, § 55 AO Rz. 27.

201

.79

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

sonst fÅr eine gemeinnÅtzige KÇrperschaft geschsftsfÅhrend Tstiger tstig wird, sondern daneben eine Vielzahl von Aufgaben und Funktionen wahrzunehmen hat, wofÅr er im xbrigen eine gesetzlich festgelegte, angemessene VergÅtung erhslt. Schsdlich ist auch nicht zwingend (zu Einschrsnkungen, die sich aus der Sphsrentrennung der Tstigkeitsbereiche gemeinnÅtziger KÇrperschaften ergeben, Rz. 3.82 ff.) die Befriedigung der wshrend des Insolvenzverfahrens entstandenen Masseverbindlichkeiten; Gleiches gilt auch fÅr die Befriedigung der Insolvenzforderungen. Die Glsubigerbefriedigung im Insolvenzverfahren ist mit der Befriedigung der Glsubiger zwischen AuflÇsung und Abwicklung im Liquidationsverfahren nach § 11 Abs. 1 bis 6 KStG vergleichbar, denn durch § 11 Abs. 7 KStG wird die Insolvenzabwicklung der Abwicklung im Sinne der Liquidation gleich gestellt.1 Zusstzlich ist fÅr den Fall außerhalb des Insolvenzverfahrens auch anerkannt, dass der Grundsatz der VermÇgensbindung durch die Begleichung der offenen Verbindlichkeiten vor AuflÇsung nicht verletzt ist.2 Etwas anderes findet dem Grunde nach durch die Befriedigung der Glsubiger im Insolvenzverfahren auch nicht statt, denn auch in diesem Fall werden schlicht die offenen Verbindlichkeiten beglichen. Der einzige Unterschied ist im Fall der Insolvenz die zeitliche Verschiebung und die BÅndelung der Verbindlichkeiten. Dies ist jedoch in Bezug auf die VermÇgensbindung nicht ausschlaggebend. Auch der Sinn und Zweck des Grundsatzes der VermÇgensbindung steht dem nicht entgegen, denn dieser liegt darin, zu verhindern, dass VermÇgen, welches sich auf Grund der SteuerbegÅnstigung gebildet hat, spster zu nicht begÅnstigten Zwecken verwendet wird.3 Eine solche sinnwidrige Verwendung droht jedoch durch die Glsubigerbefriedigung nicht. Auch der Grundsatz der Ausschließlichkeit wird durch die Verteilung des VermÇgens an die Glsubiger nicht unbedingt verletzt. Eine Verletzung liegt vor, wenn der Insolvenzverwalter Åber einen erheblichen Zeitraum die gemeinnÅtzige Tstigkeit komplett eingestellt hat und sich auf Verwertungshandlungen beschrsnkt, selbst wenn er die gemeinnÅtzige Tstigkeit anschließend wieder aufnimmt. Anders ist dies, wenn die gemeinnÅtzigen Zwecke wshrend des gesamten Insolvenzverfahrens – auch mit verminderter Intensitst – verfolgt werden.4 Der Insolvenzverfahrenszweck der Glsubigerbefriedigung (§ 1 InsO) verbietet eine solche gemeinnÅtzige Tstigkeit des Insolvenzschuldners wshrend des Insolvenzverfahrens auch nicht. Zwar werden zum Zwecke der FÇrderung des gemeinnÅtzigen Zwecks u.U. Massemittel verwendet werden mÅssen, ohne dass der Insolvenzmasse daraus eine adsquate Gegenleistung zufließt. Vorteile fÅr die

1 2 3 4

Hofmeister in BlÅmich, § 11 KStG Rz. 90. Koenig in Pahlke/Koenig, § 55 AO Rz. 27. Koenig in Pahlke/Koenig, § 55 AO Rz. 27. Dies wurde zumindest fÅr die Anlaufphase anerkannt, BFH v. 23.7.2003 – I R 29/02, BStBl. II 2003, 930 = DStRE 2004, 31 (31), und muss demnach auch hier gelten.

202

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

Insolvenzmasse und damit auch fÅr die Insolvenzglsubiger kÇnnen sich aber gleichwohl aus der Aufrechterhaltung der gemeinnÅtzigen Tstigkeiten ergeben, etwa wenn nur dadurch ein Mitgliederstamm gehalten werden kann, durch den Einnahmen von Mitgliedsbeitrsgen erzielt werden kÇnnen oder um die Entstehung von (zusstzlichen) Verbindlichkeiten zu vermeiden, die die Beendigung der gemeinnÅtzigen Tstigkeit mit sich bringen kÇnnte. Sicherheitshalber sollte der Insolvenzverwalter solche Ausgaben aber durch die Glsubigerversammlung genehmigen lassen. Auch der satzungsmlßige Zweck der gemeinnÅtzigen KÇrperschaft wird durch das Insolvenzverfahren nicht in schsdlicher Weise gesndert. Der BFH fÅhrt zur znderung des Zwecks einer KÇrperschaft im Insolvenzverfahren zwar Folgendes aus:1

3.80

„Denn hierdurch [gemeint ist: die InsolvenzerÇffnung]nndert sich der Zweck der KÇrperschaft. Statt den in § 53 AO genannten Personenkreis selbstlos zu unterstÅtzen oder die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fÇrdern (§ 52 AO), zielt sie nur noch darauf ab, alle Glnubiger durch Verwertung ihres VermÇgens zu befriedigen (§ 3 der Konkursordnung -KO-; § 1 der Insolvenzordnung). Zwar gehÇrt zur steuerbegÅnstigten Tntigkeit auch die Begleichung von Schulden aus laufenden Geschnften der ideellen Tntigkeit (Becker/Meining, FR 2006, 686); wie aus § 63 AO ersichtlich, gilt dies jedoch nur, wenn die Tntigkeit daneben noch auf die Verwirklichung steuerbegÅnstigter Zwecke gerichtet ist und die Befriedigung der Glnubiger nicht ausschließlicher Zweck der KÇrperschaft wird.“

In dieser Allgemeinheit kann dem BFH jedoch nicht gefolgt werden,2 wenn die Entscheidung dahingehend zu verstehen sein sollte, dass der Zweck der KÇrperschaft sich in der genannten Weise allein durch die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens sndere und nicht kumulativ durch die faktische Einstellung der gemeinnÅtzigen Tstigkeit. Denn es ist zwar zutreffend, dass der Insolvenzverwalter Glsubiger durch Verwertung und Verteilung des VermÇgens der KÇrperschaft befriedigt; es ist aber zu kurz gegriffen, wenn hieraus gefolgert werden sollte, dass damit die Verfolgung der steuerbegÅnstigten Zwecke nicht mehr mÇglich sein sollte oder eine Satzungssnderung in fÅr die Anerkennung der GemeinnÅtzigkeit schsdlicher Weise eintreten sollte. Insoweit gilt fÅr das Insolvenzverfahren nichts Anderes als fÅr das Liquidationsverfahren, das auch mit einer Satzungssnderung einhergeht, durch die der Zweck der KÇrperschaft (zumindest zunschst) nicht mehr auf dauerhafte Fortsetzung der bisherigen Tstigkeit, sondern auf Abwicklung gerichtet ist; insoweit ist anerkannt, dass der Unternehmenszweck bestehen bleibt und dieser lediglich durch den Zweck der Liquidation Åberlagert wird.3

1 BFH v. 16.5.2007 – I R 14/06, BStBl. II 2007, 808 = ZIP 2007, 1570 = DStR 2007, 1438 (1439). 2 So auch Kahlert/Eversberg, ZIP 2010, 260 (261). 3 Hofmeister in BlÅmich, § 11 KStG Rz. 30.

203

3.81

.82

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Abbildung 3: GemeinnÅtzigkeit wshrend des Insolvenzverfahrens

6. Sphlrentrennung im Insolvenzverfahren Wshrend des Insolvenzverfahrens sind die Sphsren der gemeinnÅtzigen KÇrperschaft (wirtschaftlicher Geschsftsbetrieb, VermÇgensverwaltung, Zweckbetrieb, ideeller Bereich) weiterhin zu trennen. Dies ist auch wshrend des Insolvenzverfahrens ohne weiteres mÇglich, weil die Tstigkeit aller Bereiche aufrechterhalten werden kann. So ist es auch wshrend des Insolvenzverfahrens mÇglich, sowohl den ideellen Bereich (z.B. Fußballtraining fÅr Kinder) neben einem wirtschaftlichen Geschsftsbetrieb (z.B. Vereinsgastststte) zu betreiben. Es ist nicht ersichtlich, warum dem Insolvenzverwalter die Trennung der VermÇgensmassen dieser Bereiche nicht gestattet sein sollte. Dies bedeutet, dass die unterschiedlichen Bereiche getrennt buchhalterisch erfasst und auch getrennt besteuert werden mÅssen. Die Beschrsnkungen fÅr den Verlustausgleich (Rz. 3.53 ff.) gelten auch wshrend des Insolvenzverfahrens, kÇnnen aber ohne Verstoß gegen insolvenzrechtliche Gebote, insbesondere den Grundsatz der Glsubigergleichbehandlung, eingehalten werden. Soweit wshrend des Insolvenzverfahrens Verluste eines wirtschaftlichen Geschsftsbetriebs mit Mitteln des ideellen Bereichs (insbesondere Mitgliedsbeitrsge, Spenden, ZuschÅsse, RÅcklagen), Gewinnen aus Zweckbetrieben oder Ertrsge aus der VermÇgensverwaltung ausgeglichen werden mÅssen, ist dieser Ausgleich unschsdlich, soweit der Verlust bereits im Entstehungsjahr mit Gewinnen anderer steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschsftsbetriebe verrechnet werden kann oder wenn dem ideellen Bereich in den sechs vorangegangenen Jahren Gewinne des einheitlichen steuerpflichtigen wirtschaftlichen 204

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

Geschsftsbetriebs in mindestens gleicher HÇhe zugefÅhrt worden sind (AEAO zu § 55 Abs. 1 Ziff. 1 AO, Tz. 4 ff.). FÅr die Sechs-Jahresregel kommt es nicht darauf an, ob die ZufÅhrung von Gewinnen aus dem wirtschaftlichen Geschsftsbetrieb in den ideellen Bereich vor oder nach InsolvenzerÇffnung erfolgt ist; die InsolvenzerÇffnung bildet insoweit keine Zssur, sondern ist schlicht unbeachtlich. 7. Satzungslnderungen nach InsolvenzverfahrenserÇffnung Gemsß § 80 InsO geht mit ErÇffnung des InsolvenzvermÇgens die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis bezÅglich des zur Insolvenzmasse gehÇrenden VermÇgens auf den Insolvenzverwalter Åber. Die Satzungsgewalt der Organe des Insolvenzschuldners bleibt jedoch unberÅhrt.1 Somit sind Satzungssnderungen trotz erÇffneten Insolvenzverfahrens grundsstzlich mÇglich, was gerade bei KÇrperschaften, die satzungsgemsß gemeinnÅtzige, mildtstige oder kirchliche Zwecke verfolgen, immense Auswirkungen auf die DurchfÅhrung des Insolvenzverfahrens haben kann. Bei Satzungslnderungen sind die Organe im Einzelfall jedoch insofern beschrsnkt, als die Satzung nur gesndert werden darf, wenn es durch die znderung nicht zu einer Beeintrschtigung der Insolvenzmasse kommt, bzw. der Insolvenzzweck nicht geflhrdet wird.2 Eine fÅr die Insolvenzmasse nachteilige Satzungssnderung ist mit Genehmigung des Insolvenzverwalters aber mÇglich.3 Sofern die Satzung wirksam in der Weise gesndert werden wÅrde, dass die Voraussetzungen der GemeinnÅtzigkeit nicht mehr vorliegen, so wÅrde sich dies nachteilig auf die Insolvenzmasse auswirken, weil ihr SteuervergÅnstigen entgehen und sich die Passivmasse der zur Tabelle angemeldeten Forderungen erhÇhen kÇnnten. Solche masseschsdigenden Satzungssnderungen wie etwa die znderung des Zwecks oder die ZerstÇrung der satzungsmsßigen VermÇgensbindung sind daher unwirksam.4 Es spielt dabei keine Rolle, ob sich Nachteile bei den Masseglsubigern oder bei den Insolvenzglsubigern einstellen.

3.83

VI. Abgabenrechtliche Haftung fÅr Steuerschulden 1. Grundlagen §§ 69 ff. AO normieren abgabenrechtliche Haftungstatbestsnde. Haftung in diesem Sinne bedeutet das Einstehen des Haftenden fÅr eine fremde Schuld.5 Daraus ergibt sich, dass der Steuerschuldner selbst nicht in Haf-

1 OLG Karlsruhe v. 8.1.1993 – 4 W 28/92, ZIP 1993, 133 = NJW 1993, 1931 (1931). 2 Wicke, § 64 GmbHG, Rz. 10; so auch OLG Karlsruhe v. 8.1.1993 – 4 W 28/92, ZIP 1993, 133 = NJW 1993, 1931 (1931), bezÅglich der KO. 3 OLG Karlsruhe v. 8.1.1993 – 4 W 28/92, ZIP 1993, 133 = NJW 1993, 1931 (1931). 4 OLG Karlsruhe v. 8.1.1993 – 4 W 28/92, ZIP 1993, 133 = NJW 1993, 1931 (1931). 5 BFH v. 12.10.1999 – VII R 98/98, BStBl. II 2000, 486 = DStRE 2000, 213 (213).

205

3.84

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

tung genommen werden kann.1 Zweck der Vorschriften ist es, das Steueraufkommen zu sichern.2 Die praktisch wichtigste Haftungsnorm ist § 69 AO.

.85

Die Haftungsschuld ist stets akzessorisch zur Steuerschuld. Besteht kein materiell-rechtlicher Anspruch gegen den Steuerpflichtigen, so kann es auch keinen Haftungsanspruch gegen den Vertreter geben. Die Haftungsschuld teilt somit das rechtliche Schicksal der Steuerschuld. Erlischt der Steueranspruch durch Zahlung oder ist dieser verjshrt, so besteht auch der Haftungsanspruch nicht mehr fort.3 § 69 AO bewirkt, dass fÅr den Anspruchsgegner ein eigenstsndiges Steuerverhsltnis gegenÅber der FinanzbehÇrde begrÅndet wird.4

.86

Die Haftung aus § 69 AO setzt eine schuldhafte Pflichtverletzung voraus und hat Schadensersatzcharakter.5 Dies bedeutet, dass sie im Umfang auf den Betrag beschrsnkt ist, der in Folge einer vorsstzlichen oder grob fahrlsssigen Pflichtverletzung nicht entrichtet worden ist.6 Sie begrÅndet eine Sonderverbindlichkeit gegenÅber dem Fiskus, welche auch nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nur vom Finanzamt und nicht vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kann. Da dieser Anspruch Çffentlich-rechtlicher Natur ist, ist er auf zivilrechtlichem Wege nicht abdingbar; vereinbarte HaftungsausschlÅsse sind unwirksam.7

.87

Nach § 69 AO haften insbesondere GeschsftsfÅhrer von Gesellschaften oder VermÇgensmassen ohne RechtspersÇnlichkeit, unter den bestimmten Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 AO auch die Gesellschafter einer nichtrechtsfshigen Personenvereinigung, wenn AnsprÅche aus dem Steuerschuldverhsltnis infolge vorsstzlicher oder grob fahrlsssiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig erfÅllt bzw. festgesetzt wurden.

.88

2. PersÇnlicher Anwendungsbereich a) Personen i.S.d. §§ 34, 35 AO Der persÇnliche Anwendungsbereich des § 69 AO ist durch die §§ 34, 35 AO abschließend geregelt. Eine Haftung kommt daher nur fÅr die nachstehenden Personen in Frage: – gesetzliche Vertreter natÅrlicher und juristischer Personen (insbesondere GeschsftsfÅhrer von Kapitalgesellschaften), 1 2 3 4 5

BFH v. 2.5.1984 – VIII R 239/82, BStBl. II 1984, 695 = BeckRS 1984, 22006858. MÅller, GmbHR 2003, 389 (389). Intemann in Pahlke/Koenig, § 69 AO Rz. 2. Gundlach/Frenzel/Schmidt, DStR 2002, 1095 (1096). Stsndige Rechtsprechung, s. nur BFH v. 1.8.2000 – V II R 110/99, BStBl. II 2001, 271 = DStR 2000, 1954 (1954) m.w.N. 6 BFH v. 31.3.2000 – VII B 187/99, GmbHR 2000, 1211 (1213). 7 Intemann in Pahlke/Koenig, § 69 AO Rz. 4.

206

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

– GeschsftsfÅhrer nichtrechtsfshiger Personenvereinigungen und VermÇgensmassen, – Mitglieder oder Gesellschafter nichtrechtsfshiger Personenvereinigungen, wenn es an einem GeschsftsfÅhrer fehlt, § 34 Abs. 2 AO, – bei nichtrechtsfshigen VermÇgensmassen diejenigen, denen das VermÇgen zusteht, wenn es an einem GeschsftsfÅhrer fehlt, – VermÇgensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 3 AO (insbesondere Insolvenzverwalter, starke vorlsufige Insolvenzverwalter, Nachlassverwalter, Zwangsverwalter und Testamentsvollstrecker), – VerfÅgungsberechtigte i.S.d. § 35 AO (insbesondere Prokuristen, faktische GeschsftsfÅhrer). Hierbei ist unerheblich, ob und in welchem Umfang der in Anspruch Genommene diese Tstigkeit tatsschlich ausfÅhrt; es ist ausreichend, dass er die entsprechende Stellung inne hat.

3.89

b) Mehrere GeschlftsfÅhrer Sind mehrere GeschsftsfÅhrer bestellt, so kann sich keiner von ihnen dadurch entlasten, dass er auf die Verantwortlichkeit des anderen verweist. Es trifft jeden GeschsftsfÅhrer die Pflicht zur GeschsftsfÅhrung und grundsstzlich auch die Verantwortung fÅr die GeschsftsfÅhrung im Ganzen.1 Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Gesamtverantwortung aller GeschsftsfÅhrer. Diese ist zwar im Wege der Verteilung der Geschsfte beschrsnkbar, kann aber nicht vollstsndig aufgehoben werden. An eine ressortmsßige Geschsftsverteilung stellt der BFH hohe Anforderungen. Voraussetzung ist, dass die Zustsndigkeit fÅr die steuerlichen Angelegenheiten innerhalb der Geschsftsleitung wirksam durch Gesellschaftsvertrag, fÇrmlichen Gesellschafterbeschluss oder durch eine Geschsftsordnung, die auf einem Gesellschafterbeschluss beruht, auf einen bestimmten GeschsftsfÅhrer Åbertragen wurde.2 Selbst wenn ein GeschsftsfÅhrer auf solcher Grundlage von der Wahrnehmung steuerlicher Pflichten befreit ist, obliegt es ihm jedoch, seine MitgeschsftsfÅhrer dahingehend zu kontrollieren, ob sie der Wahrnehmung ihrer steuerlichen Pflichten ordnungsgemsß nachkommen.3 Zeichnet sich die nahende Zahlungsunfshigkeit oder xberschuldung der Gesellschaft ab, so ist jeder einzelne GeschsftsfÅhrer im Rahmen einer solidarischen Verantwortlichkeit und Haftung4 verpflichtet, sich um die Gesamtbelange der Gesellschaft zu kÅmmern.5

1 BFH v. 26.4.1984 – V R 128/79, BStBl. II 1984, 776 = ZIP 1984, 1345 = ZKF 1985, 161 (161). 2 BFH v. 26.4.1984 – V R 128/79, BStBl. II 1984, 776 = ZIP 1984, 1345 = ZKF 1985, 161 (161). 3 Blesinger in KÅhn/von Wedelstsdt, § 69 AO Rz. 9. 4 OFD Magdeburg v. 23.11.1994 – S 0190 14 St 311, GmbHR 1995, 244 (456). 5 BFH v. 26.4.1984 – V R 128/79, BStBl. II 1984, 776 = ZIP 1984, 1345 = ZKF 1985, 161 (161).

207

3.90

.91

.92

.93

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

c) Faktischer GeschlftsfÅhrer Die Rechtsfigur des faktischen GeschsftsfÅhrers ist gesetzlich nicht normiert. Sie wurde vom BGH erstmals im Jahr 1952 anerkannt1 und seither weiter entwickelt; sie umfasst zweierlei Konstellationen. Zum einen ist damit der Gesellschafter oder ein Dritter gemeint, der fehlerhaft zum GeschsftsfÅhrer bestellt wurde, zum anderen beschreibt sie einen Gesellschafter oder Dritten, der – ohne dazu Åberhaupt bestimmt worden zu sein – wie ein GeschsftsfÅhrer im Rechtsverkehr auftritt. Als faktischer GeschsftsfÅhrer kann eine Person nur dann qualifiziert werden, wenn sie nachhaltig auf ssmtliche Belange der GeschsftsfÅhrung Einfluss nimmt und sowohl betriebsintern als auch nach außen als dispositionsbefugt auftritt.2 Der faktische GeschsftsfÅhrer ist kein gesetzlicher Vertreter nach § 34 AO,3 ist aber als VerfÅgungsberechtigter i.S.v. § 35 AO anzusehen.4 d) Formeller GeschlftsfÅhrer Neben der Inanspruchnahme des faktischen GeschsftsfÅhrers ist auch eine Haftung des formellen GeschsftsfÅhrers nicht nur mÇglich;5 sie kann unter Umstsnden sogar ermessensgerecht sein.6 Eine nur formell zum GeschsftsfÅhrer bestellte Person kann sich nicht mit der Argumentation der Haftung entziehen, dass ihr innerhalb der Gesellschaft nicht die MÇglichkeit gegeben wurde, die Pflichten eines GeschsftsfÅhrers wahrzunehmen. Eine Ausnahme lssst der BFH nur dann zu, wenn der formelle GeschsftsfÅhrer durch den auf ihn ausgeÅbten Druck tatsschlich nicht in der Lage war, seine Funktion als GeschsftsfÅhrer zu erfÅllen. Dann allerdings ist er dazu verpflichtet, von seinem Amt zurÅckzutreten.7 Daher kann auch einen „Strohmann“ die Haftung aus § 69 AO treffen.8 3. Anspruchsvoraussetzungen Die in § 69 AO aufgefÅhrten Personen mÅssen eine steuerliche Pflicht verletzt haben. Eine rein handelsrechtliche Pflichtverletzung reicht ebenso wenig aus9 wie eine insolvenzrechtliche.10 Die Pflichtverletzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BGH v. 24.6.1952 – 1 StR 153/52, BGHSt 3, 32 (37). Kritisch zum Merkmal des Auftretens nach außen: Haas, NZI 2006, 494 (494). Loose in Tipke/Kruse, § 34 AO Rz. 8. BFH v. 21.2.1989 – VII R 165/85, BStBl. II 1989, 491 = RIW 1989, 588 (588). BFH v. 22.7.1997 – I B 44/97, BFH/NV 1998, 11 (11). Vgl. BFH v. 11.3.2004 – VII R 52/02, BStBl. II 2004, 579 = DStR 2004, 907 (907 ff.). BFH v. 22.7.1997 – I B 44/97, BFH/NV 1998, 11 (11); v. 5.3.1985 – VII B 52/84, BFH/NV 1987, 459 (459 ff.). BFH v. 11.3.2004 – VII R 52/02, BStBl. II 2004, 579 = DStR 2004, 907 (908); zum berÅhmten Fall der 1915 geborenen „Strohfrau“. Intemann in Pahlke/Koenig, § 69 AO Rz. 32. BFH v. 2.2.1988 – VII R 90/86, BFH/NV 1988, 487 (487) zur verspsteten Stellung eines Konkursantrags durch einen GeschsftsfÅhrer.

208

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

muss zur Amtszeit des Vertreters begangen worden sein.1 Da die abgabenrechtliche Haftung Schadensersatzcharakter hat, muss durch die Pflichtverletzung kausal ein Schaden beim Steuerglsubiger entstanden sein.2 Gefordert ist hierbei Kausalitst im Sinne der Adsquanzlehre. Danach ist jede Pflichtverletzung ursschlich, die allgemein oder erfahrungsgemsß geeignet ist, den eingetretenen Erfolg herbeizufÅhren. An dieser fehlt es beispielsweise, wenn der Steuerschuldner mangels Liquiditst auch bei fristgerechter Erklsrung die Steuerschuld nicht hstte begleichen kÇnnen.3 Ein fÅr den Haftungstatbestand relevanter Schaden kann darin bestehen, dass Steuern nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfÅllt werden, aber auch darin, dass dem Steuerschuldner SteuervergÅtungen oder -erstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt wurden.4

3.94

Die Pflichtverletzung muss vom Vertreter schuldhaft begangen worden sein. Der Verschuldensmaßstab ist auf Vorsatz und grobe Fahrlsssigkeit beschrsnkt und muss sich auf die Pflichtverletzung beziehen, nicht auf den entstandenen Schaden.5 Es muss sich also mindestens um eine schwerwiegende, bereits ohne erhÇhte Anforderungen an die Gewissenhaftigkeit vermeidbare Außerachtlassung der Sorgfaltspflicht handeln.6 Grundsstzlich ist der Haftungsmaßstab demnach großzÅgig, dieser wird jedoch von der Rechtsprechung des BFH wieder eingeschrsnkt. Danach darf ein GeschsftsfÅhrer nur dann sein Amt antreten, wenn er Åber die erforderlichen steuerrechtlichen Kenntnisse verfÅgt. Wer ohne diese Kenntnisse die GeschsftsfÅhrung Åbernimmt, handelt bereits dadurch grob fahrlsssig.7 Eine Einarbeitungszeit wird dem Handelnden dabei nicht gewshrt,8 in Zweifelsfsllen muss er sich eines sachkundigen Beraters bedienen.9 Im Ergebnis wird folglich durch die objektive Pflichtverletzung der Schuldvorwurf indiziert.10 Bei einer vorsstzlichen Pflichtverletzung kann zudem der Haftungstatbestand des § 71 AO erfÅllt sein. Ist dies der Fall, steht es dem Finanzamt frei, ob es den Haftungsbescheid neben § 69 AO zusstzlich auf § 71 AO stÅtzt.11

3.95

War die drohende Zahlungsunfshigkeit oder die xberschuldung des Steuerschuldners fÅr die FinanzbehÇrde deutlich vorhersehbar, so ist

3.96

1 Intemann in Pahlke/Koenig, § 69 AO Rz. 33. 2 BFH v. 29.11.2006 – I R 103/05, Beck RS 2006 25011410; v. 11.8.2005 – VII B 244/04, ZIP 2005, 1797 = StW 2005, 881 (881). 3 Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, Rz. 250. 4 Intemann in Pahlke/Koenig, § 69 AO Rz. 41. 5 Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, Rz. 111. 6 Blesinger in KÅhn/von Wedelstsdt, § 69 AO Rz. 10. 7 BFH v. 31.3.2000 – VII B 187/99, GmbHR 2000, 1211 (1213). 8 BFH v. 31.3.2000 – VII B 187/99, GmbHR 2000, 1211 (1213) mit kritischer Anmerkung Neusel. 9 BFH v. 9.1.1996 – VII B 189/95, GmbHR 1996, 139 (139 ff.). 10 Intemann in Pahlke/Koenig, § 69 AO Rz. 66. 11 Blesinger in KÅhn/von Wedelstsdt, § 69 AO Rz. 9.

209

.97

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

denkbar, dass sie den Insolvenzverschleppungsschaden durch einen Glsubigerantrag hstte vermindern oder gar verhindern kÇnnen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob eine KÅrzung des Anspruchs nach § 69 AO wegen Mitverschuldens des Finanzamtes gem. § 254 BGB in Betracht kommt. Der BFH1 hat dies abgelehnt. Auf Çffentlich-rechtliche SteueransprÅche ist § 254 BGB danach nicht entsprechend anwendbar. Ein Mitverschulden der FinanzbehÇrde am Entstehen eines Steuerausfalls kann allenfalls die Inanspruchnahme des Steuerschuldners nach § 191 AO ermessensfehlerhaft machen. Dies gilt aber auch nur unter den engen Voraussetzungen, dass dessen eigenes Verschulden gering ist und das Verhalten der FinanzbehÇrde als grob fahrlsssig oder sogar vorsstzlich zu bewerten ist. Diese Rechtsprechung ist in der Literatur zu Recht auf Kritik gestoßen: Die Haftung nach § 69 AO ist als Schadensersatzanspruch ausgelegt. Diese Auffassung teilt auch der BFH.2 § 254 BGB ist als allgemeiner Rechtsgedanke im Rahmen jeder Schadensersatzhaftung zu berÅcksichtigen, also auch auf die abgabenrechtliche nach § 69 AO. Folgerichtig kann ein Mitverschulden des Finanzamtes schon auf Tatbestandsebene die Haftung ganz oder zum Teil entfallen lassen und ist nicht erst im Rahmen der ErmessenausÅbung auf Rechtsfolgenseite zu berÅcksichtigen.3 Ein mitwirkendes Mitverschulden des Finanzamts darf allerdings nur dann berÅcksichtigt werden, wenn es zumindest als grob fahrlsssig anzusehen ist und im Vergleich zum Verschulden des Haftungsschuldners entscheidend ins Gewicht fsllt.4 4. Haftungsumfang Die Haftung aus § 69 AO ist umfassend, sie erstreckt sich auf alle AnsprÅche aus dem Steuerverhsltnis. Die Haftung umfasst nicht nur die Haftung fÅr Steuern, sondern auch die fÅr steuerliche Nebenleistungen. Durch die EinfÅhrung von § 69 Satz 1 AO wurde auch der Streit, ob ohne Rechtsgrund gezahlte SteuervergÅtungen oder Steuererstattungen von der Haftung umfasst sind, beigelegt und positiv entschieden. Steuerliche Nebenleistungen sind vor allem Ssumnis- und Verspstungszuschlsge sowie Zinsen und Zwangsgelder.5 Erfasst werden nur solche Steuern und steuerlichen Nebenleistungen, die wshrend der Tstigkeit des Vertreters entstanden sind. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht § 69 Satz 2 AO, indem dieser auch Ssumniszuschlsge, die nach Beendigung der Tstigkeit anfallen, in die Haftung mit einbezieht.6 1 BFH v. 2.7.2001 – VII B 345/00, BFH/NV 2002, 4 (4 ff.). 2 BFH v. 26.7.1998 – VII R 83/87, DStR 1988, 714 (714); v. 5.3.1991 – VII R 93/88, BStBl. II 1991, 678 = ZIP 1991, 1008 = HFR 1991, 570 (570). 3 MÅller, GmbHR 2003, 389 (393); Blesinger in KÅhn/von Wedelstsdt, § 69 AO Rz. 18. 4 Blesinger in KÅhn/von Wedelstsdt, § 69 AO Rz. 18. 5 Intemann in Pahlke/Koenig, § 69 AO Rz. 122. 6 BFH v. 24.1.1989 – VII B 188/88, BStBl. II 1989, 315 = ZIP 1989, 720 = BeckRS 1989 22008843.

210

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

Der BFH hat fÅr die Krise des Steuerschuldners den Grundsatz der anteiligen Tilgung entwickelt;1 die Literatur ist weitgehend gefolgt.2 Nach diesem Grundsatz ist der Steuerschuldner verpflichtet, bei unzureichendem VermÇgen Steuerforderungen mindestens mit der gleichen Quote zu bedienen, wie auch die AnsprÅche anderer Glsubiger bedient werden. Liegt die Quote, mit der Forderungen der Finanzverwaltung bedient werden, niedriger, kann der Vertreter oder VerfÅgungsberechtigte des Steuerschuldners in HÇhe der Differenz als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden, die sich zwischen dem tatsschlich an die Finanzverwaltung abgefÅhrten Betrag und dem Betrag ergibt, der abgefÅhrt worden wsre, wenn die Finanzverwaltung dieselbe Quote auf ihre AnsprÅche erhalten hstte, die auch andere Glsubiger erhalten haben.

3.98

Unter anderen Glsubigern, die eine Quote erhalten haben, sind Glsubiger gemeint, deren Forderungen shnlich betagt sind, wie die der Finanzverwaltung im jeweiligen Zahlungszeitpunkt.

3.99

Beispiel 1: Hat eine GmbH am 1.2. eine mehrere Monate alte Umsatzsteuerschuld i.H.v. 1 000 Euro und eine ebenfalls mehrere Monate alte Werklohnschuld bei einem Subunternehmer i.H.v. ebenfalls 1 000 Euro und zahlt der GeschsftsfÅhrer am 1.2. an den Subunternehmer 1 000 Euro, aber nichts an das Finanzamt, so haftet er nach § 69 AO gegenÅber dem Finanzamt auf 1 000 Euro.

Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn der GeschsftsfÅhrer lediglich Ausgaben tstigt, die fÅr die Aufrechterhaltung des Unternehmens zwingend erforderlich sind. Insoweit kÇnnen die Maßstsbe herangezogen werden, die fÅr § 142 InsO, vor allem aber § 64 GmbHG entwickelt worden sind. Dort ist jeweils anerkannt, dass der GeschsftsfÅhrer nicht fÅr Ausgaben haftet, die nach Eintritt der materiellen Krise der Gesellschaft getstigt wurden, wenn diese notwendig waren, um den Geschsftsbetrieb aufrecht zu erhalten (§ 64 GmbHG) bzw. Leistungen an einen Glsubiger nicht der Insolvenzanfechtung unterliegen, wenn diese in einem unmittelbaren Austauschverhsltnis standen. In gleicher Weise kommt es auch fÅr eine Haftung nach § 69 AO darauf an, ob der GeschsftsfÅhrer betagte Verbindlichkeiten von Glsubigern mit den letzten Mitteln der Gesellschaft bedient hat. Nur wenn das der Fall ist, entsteht seine quotale Haftung gegenÅber der Finanzverwaltung. Das gilt aber nicht, wenn er die letzten liquiden Mittel der Gesellschaft verwendet, um im unmittelbaren Austausch wertsquivalente Leistungen durch den Dritten zu erhalten, die zur Aufrechterhaltung des Betriebs zwingend notwendig sind, wie etwa nicht aufschiebbare Warenlieferungen.

1 BFH v. 26.4.1984 – V R 128/79, BStBl. II 1984, 776 = ZIP 1984, 1345 = ZKF 1985, 161 (161); v. 12.6.1986 – VII R 192/83, BStBl. II 1986, 657 = DStR 1986, 723 (723). 2 Vgl. statt Vieler Intemann in Pahlke/Koenig, § 69 AO Rz. 109.

211

3.100

101

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Der Grundsatz der anteiligen Tilgung wurde zwar von der Rechtsprechung fÅr die Umsatzsteuer entwickelt, gilt aber ebenso fÅr KÇrperschaft-1 und Gewerbesteuer2 sowie alle diesbezÅglich festgesetzten Verspstungsund Ssumniszuschlsge. Keine Geltung erfshrt der Grundsatz der anteiligen Tilgung bei AnsprÅchen aus Lohnsteuerforderungen, soweit es sich nicht um Verspstungs- und Ssumniszuschlsge handelt. Die vom Arbeitgeber aus dem Bruttolohn zu entrichtende Lohnsteuer soll nach Rechtsprechung des BFH vorrangig an das Finanzamt abzufÅhren sein.3 Reichen wegen Illiquiditst die Mittel der Gesellschaft nicht aus, um die Lohnsteuer zu entrichten, so muss der GeschsftsfÅhrer die LÇhne kÅrzen und als Vorschuss oder Teilbetrag auszahlen.4 Aus den dabei Åbrig gebliebenen Mitteln muss dann die Lohnsteuer an das Finanzamt abgefÅhrt werden. Reichen die Mittel nur fÅr die Auszahlung des Nettogehalts, muss dieses als Bruttogehalt behandelt werden, so dass die Lohnsteuer aus diesem „neuen“ Bruttobetrag abgefÅhrt wird.5 BegrÅndet wird diese Ausnahme vom Grundsatz der anteiligen Tilgung damit, dass die abzufÅhrende Lohnsteuer ein Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts ist, den der Arbeitgeber als Treuhsnder fÅr den Arbeitnehmer und Steuerglsubiger einzieht,6 so dass die Lohnsteuer als fÅr den Arbeitgeber fremdes Geld bewertet wird.7 Diese Sonderbehandlung der Lohnsteuer ist in der Literatur auf Kritik gestoßen. Zu Recht wird eingewandt, dass die Lohnsteuer fÅr den Arbeitgeber nicht „fremdes Geld“ ist.8 Der Arbeitnehmer selbst erlangt zu keinem Zeitpunkt Eigentum an den Lohnsteuerbeitrsgen. Der Arbeitgeber hingegen ist lediglich verpflichtet, die Lohnsteuer aus seinem VermÇgen an das Finanzamt abzufÅhren; bis dahin steht das entsprechende Geld im Eigentum des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber kann frei Åber diese Betrsge verfÅgen; zudem kÇnnen Glsubiger auf diese bis zur endgÅltigen AbfÅhren an den Fiskus im Wege der Pfsndung zugreifen, ohne dass der Arbeitnehmer oder das Finanzamt dagegen einschreiten kÇnnten.9

1 BFH v. 11.6.1996 – I B 60/95, BFH/NV 1997, 7 (9). 2 BFH v. 3.5.1990 – VII R 108/88, BStBl. II 1990, 767 = HFR 1990, 605 (605). 3 Stsndige Rechtsprechung: BFH v. 11.5.1962 – VI 165/60, BB 1960, 1276 (1276); v. 6.3.1990 – VII R 63/87, BFH/NV 1990, 756 (756); v. 21.12.1998 – VII B 175/98, BFH/NV 1999, 745 (745 ff.); v. 1.8.2000 – VII R 110/99, BStBl. II 2001, 271 = GmbHR 2000, 1215 (1218). 4 Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, Rz. 254. 5 Neusel, Anmerkung zu BFH v. 1.8.2000 – VII R 110/99, BStBl. II 2001, 271 in GmbHR 2000, 1218 (1218 ff.). 6 BFH v. 1.8.2000 – VII R 110/99, BStBl. II 2001, 271 = GmbHR 2000, 1215 (1218). 7 Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1277. 8 MÅller, GmbHR 2003, 389 (390). 9 Loose in Tipke/Kruse, § 69 AO Rz. 41; MÅller, GmbHR 2003, 389 (390); Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1277.

212

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

5. Mitwirkung des Haftungsschuldners bei der Ermittlung der Haftungsquote Den Haftungsschuldner trifft gem. § 90 Abs. 1 AO eine Mitwirkungspflicht hinsichtlich der Ermittlung der Haftungsquote.1 Verletzt der Haftungsschuldner seine Mitwirkungspflichten, kÇnnen sich daraus fÅr ihn nachteilige Folgen ergeben. Er hat insbesondere ssmtliche AuskÅnfte zu erteilen, die in seinen Wissensbereich fallen.

3.102

Wird der GeschsftsfÅhrer einer GmbH als Haftungsschuldner in Anspruch genommen, ist er abgabenrechtlich verpflichtet und zugleich in aller Regel auch gesellschaftsrechtlich berechtigt, der Finanzverwaltung ssmtliche AuskÅnfte Åber die VermÇgensverhsltnisse der GmbH zu erteilen, die erforderlich sind, um seine persÇnliche Haftung als Haftungsschuldner zu reduzieren. Insoweit nimmt er berechtigtermaßen eigene Interessen wahr. Bei der Bemessung der Haftungsquote hat sich das Finanzamt auf der Grundlage ihm bekannter Tatsachen an WahrscheinlichkeitsÅberlegungen zu orientieren. Der BFH hat zuletzt offen gelassen, ob eine Haftung zu 100 % gerechtfertigt sein kann.2 Dies dÅrfte indessen regelmsßig ausscheiden, da die fehlende Befriedigung von Steuerverbindlichkeiten in insolvenznaher Zeit in der Regel auf das Fehlen von Zahlungsmitteln zurÅckzufÅhren ist, so dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass das Finanzamt zum entsprechenden Zahlungszeitpunkt noch 100 % seiner Forderungen hstte durchsetzen kÇnnen. Eine Quote von 90 % hat der BFH – in Ermangelung irgendwelcher tatsschlicher Anhaltspunkte und bei vollkommen fehlender Mitwirkung des Haftungsschuldners – hingegen zu Recht nicht beanstandet.3 6. Haftungsinanspruchnahme persÇnlich haftender Gesellschafter Bei Personengesellschaften gibt es persÇnlich haftende Gesellschafter, die mit ihrem eigenen VermÇgen fÅr die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen haben (§ 128 HGB). Bei der Haftungsinanspruchnahme solcher Personen fÅr Steuerverbindlichkeiten im Insolvenzverfahren ergeben sich wichtige Besonderheiten.

3.103

Maßgeblich ist hier § 93 InsO. Die Norm hat eine Doppelfunktion. Einerseits entfaltet sie eine Sperrwirkung bezÅglich der Inanspruchnahme des persÇnlich haftenden Gesellschafters durch einzelne Glsubiger, andererseits wird die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters statuiert. Die Gesellschaftsglsubiger werden daran gehindert, ihre AnsprÅche direkt gegen den Gesellschafter geltend zu machen, diese Befugnis geht fÅr die Dauer des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter Åber. § 93

3.104

1 BFH v. 19.11.2012 – VII B 126/12, BFH/NV 2013, 504. 2 BFH v. 19.11.2012 – VII B 126/12, BFH/NV 2013, 504. 3 BFH v. 19.11.2012 – VII B 126/12, BFH/NV 2013, 504.

213

105

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

InsO ist fÅr alle Gesellschaften ohne RechtspersÇnlichkeit und die Kommanditgesellschaft auf Aktien einschlsgig. Gemsß § 11 Abs. 2 Ziff. 1 InsO sind Gesellschaften ohne RechtspersÇnlichkeit die Gesellschaft bÅrgerlichen Rechts, die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft, die Partenreederei, die Europsische Wirtschaftliche Interessenvereinigung und die Partnerschaftsgesellschaft. Ebenso wird der Kommanditist erfasst, der nach § 176 HGB unbeschrsnkt haftet.1 Die Vor-GmbH fsllt nach der Rechtsprechung des BGH2 mangels Außenhaftung nicht unter den Anwendungsbereich des § 93 InsO. Hinter § 93 InsO steht die gesetzgeberische Intention, im Interesse der gleichmsßigen Glsubigerbefriedigung zu verhindern, dass sich einzelne Glsubiger durch einen schnellen Zugriff auf den persÇnlich haftenden Gesellschafter Sondervorteile verschaffen.3 Somit kommt § 93 InsO der Gesamtheit der Glsubiger zu Gute. In Literatur und Rechtsprechung herrscht seit langer Zeit Streit darÅber, ob § 93 InsO auch in den Fsllen, in denen § 69 AO einschlsgig ist, anwendbar ist. Anspruchsgrundlage der Finanzverwaltung ist nsmlich nicht nur die (gesellschaftsrechtliche) persÇnliche Haftung des Gesellschafters fÅr alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft (vor allem § 128 HGB), sondern vielmehr ein außerhalb des Gesellschaftsrechts liegender, gesonderter Haftungstatbestand, der dem Steuerrecht zuzuordnen ist und dem Steuerglsubiger gegenÅber anderen Glsubigern ein Privileg einrsumt. Die in der Rechtsprechung und Literatur vorherrschende Ansicht4 sieht die Sperrwirkung des § 93 InsO begrenzt auf den Bereich der gesetzlichen akzessorischen Haftung des Gesellschafters fÅr gegen die Gesellschaft gerichtete AnsprÅche.5 Darunter fallen nur AnsprÅche aus §§ 161 Abs. 2, 128 ff., 176 HGB. IndividualansprÅche einzelner Glsubiger, die eine persÇnliche Mithaftung des Gesellschafters fÅr Gesellschaftsschulden begrÅnden, sollen der Sperrwirkung nicht unterliegen. Dabei wird insbesondere auf den Wortlaut abgestellt. Die Formulierung in § 93 InsO („die persÇnliche Haftung eines Gesellschafters fÅr die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“) verweise auf die allein akzessorische Haftung.6 Es werde eindeutig von der Haftung fÅr Verbindlichkeiten der Gesellschaft gespro1 2 3 4

Brandes in MÅnchKomm/InsO, § 93 Rz. 3. BGH v. 27.1.1997 – II ZR 123/94, ZIP 1996, 590 = NJW 1997, 1507 (1510). BT-Drucks. 14/2443, 140. BFH v. 15.11.2012 – VII B 105/12; v. 2.11.2001 – VII B 155/01, ZIP 2002, 179 = BB 2002, 447 (448); FG Schl.-Holst. v. 28.6.2001 – V 65/01, EFG 2002, 1177 (1177 ff.); Blersch in BerlinerKomm/InsO, § 93 Rz. 7; LÅke in KÅbler/PrÅtting, § 93 Rz. 18; Brandes in MÅnchKomm/InsO, § 93 Rz. 21; Hess in Hess, § 93 Rz. 17; Intemann in Pahlke/Koenig, § 69 AO Rz. 24; Haas/MÅller, NZI 2002, 366 (366 f.); Bunke, NZI 2002, 591 (593, 594); Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1288; App in FrankfurterKomm/InsO, § 93 Rz. 2; Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, Rz. 248; zuletzt BFH v. 11.3.2008 – VII B 214/06, BFH/NV 2008, 1291 = BeckRS 2008, 25013428. 5 BFH v. 2.11.2001 – VII B 155/01, ZIP 2002, 179 = NZI 2002, 308 (308). 6 LG Bayreuth 30.5.2000 – 33 O 244/00, ZIP 2001, 1782 = ZInsO 2002, 40 (40 ff.).

214

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

chen, eine persÇnliche Haftung fÅr eigene Verbindlichkeiten werde nicht erwshnt und kÇnne somit auch nicht von der Norm erfasst sein. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Auch eine analoge Anwendung von § 93 InsO kommt nicht in Betracht. Die Erweiterung der Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters auf Forderungen aus BÅrgschaften und vergleichbaren persÇnlichen Verpflichtungen der Gesellschafter wurde im Gesetzgebungsverfahren erÇrtert, aber fallen gelassen.1 Auch die Kommission fÅr Insolvenzrecht hat sich mit derselben Frage befasst und im Ergebnis ausgefÅhrt, dass AnsprÅche einzelner Glsubiger lediglich die Funktion hstten, Verluste des jeweiligen Anspruchsinhabers gegenÅber dem Gesellschafter auszugleichen und somit nicht in die Insolvenzmasse fließen dÅrfen.2 Aus der Tatsache, dass dem Gesetzgeber die Problematik bekannt war, kann geschlossen werden, dass eine planwidrige LÅcke nicht vorliegt. Zudem gilt § 93 InsO nur fÅr die Haftung als Gesellschafter,3 wodurch er in seinem Anwendungsbereich schon ausgeschlossen ist, denn § 69 AO betrifft die Haftung des GeschsftsfÅhrers.4 Dass beide Stellungen unter Umstsnden (§§ 161 Abs. 2, 114 Abs. 1, 170 HGB) zusammenfallen, sndert daran nichts. Die Gegenauffassung5 vermag hingegen nicht zu Åberzeugen. Die Vertreter der Gegenauffassung verweisen vor allem darauf, dass die gesetzgeberische Intention bei Schaffung des § 93 InsO darin liegt, den Grundsatz der Glsubigergleichbehandlung zu wahren. Ein Wettlauf der Gesellschaftsglsubiger um die Inanspruchnahme des persÇnlich haftenden Gesellschafters sollte unterbunden werden. Diesen Wettlauf wÅrde das Finanzamt im vorliegenden Fall gewinnen, da es selbst einen Titel schaffen und aus diesem vollstrecken kann. Der Insolvenzverwalter hingegen muss u.U. zunschst das gerichtliche Klageverfahren einleiten, um dann die Forderung gegen den persÇnlich haftenden Gesellschafter vollstrecken. Dieser Zeitvorsprung des Finanzamtes wÅrde zu einer Ungleichbehandlung der Glsubiger fÅhren. Wessel bezeichnet dies als eine „HintertÅr“, durch die „das Fiskusprivileg nach § 61 Abs. 1 Satz 2 KO wieder eingefÅhrt wird“;6 Abenheimer spricht in seiner Besprechung des Urteils des BFH vom 11.3.2008 von einem „Windhundprinzip“, bei dem das Finanzamt nur gewinnen kann.7 Gleichwohl verbietet es die Gesetzesgenese, hier eine Extension von § 93 InsO vorzunehmen, wenn der Gesetzgeber bewusst von einer entsprechenden Regelung Abstand genommen hat.

1 Schmidt, JZ 1985, 301 (303). 2 BMJ, Erster Bericht der Kommission fÅr Insolvenzrecht, 1985, BegrÅndung zu LS 6.2, S. 446 ff. 3 Kroth in Braun, § 93 InsO Rz. 13. 4 FG Schl.-Holst. v. 28.6.2001 – V 65/01, BeckRS 2001 21009119. 5 Bork, NZI 2002, 362 (366); Wessel, DZWIR 2002, 53 (53 ff.); OLG Schl.-Holst. v. 21.9.2001 – 12 O 41/00, DZWIR 2002, 213 (213 ff.). 6 Wessel, DZWIR 2002, 53 (54). 7 Abenheimer, FD-InsR 2008, 263208.

215

106

107

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

7. Haftungsinspruchnahme trotz Insolvenzplan Nach zutreffender Auffassung des BFH steht es der Haftungsinanspruchnahme eines Dritten nicht entgegen, dass Steuerforderungen gegen den eigentlichen Steuerschuldner im Rahmen eines Insolvenzplanes, dem das Finanzamt zugestimmt hat, ihre Durchsetzbarkeit verloren haben.1 Der Insolvenzplan fÅhrt nsmlich grundsstzlich nicht zu einem ErlÇschen der Steuerforderung. Zulsssig dÅrfte es aber sein, eine davon abweichende, einen Erlass beinhaltende Regelung im Insolvenzplan zu treffen. 8. Haftung des EigentÅmers von Gegenstlnden nach § 74 AO Nach § 74 AO haftet der EigentÅmer der Gegenstsnde, die einem Unternehmen dienen, mit diesen fÅr diejenigen Steuern des Unternehmens, bei denen sich die Steuerpflicht (wie z.B. bei der Umsatzsteuer) auf den Betrieb des Unternehmens grÅndet, wenn er an dem Unternehmen wesentlich beteiligt ist. Die Haftung erstreckt sich jedoch nur auf die Steuern, die wshrend des Bestehens der wesentlichen Beteiligung entstanden sind. Die Haftung des an einem Unternehmen wesentlich beteiligten EigentÅmers nach § 74 AO erstreckt sich nicht nur auf die dem Unternehmen Åberlassenen und diesem dienenden Gegenstsnde, sondern sie erfasst nach zutreffender Auffassung des BFH2 in Fsllen der Weggabe oder des Verlustes von Gegenstsnden nach der Haftungsinanspruchnahme auch die Surrogate, wie z.B. VersußerungserlÇse oder Schadenersatzzahlungen.

VII. Ermittlung der SteueransprÅche 1. Grundsltze

108

Die FinanzbehÇrde hat gem. § 88 Abs. 1 AO alle fÅr die Besteuerung maßgeblichen Sachverhalte von Amts wegen zu ermitteln. Dabei hat sie nicht nur steuererhÇhende Tatsachen festzustellen, sondern auch steuermindernde, § 88 Abs. 2 AO. Im Besteuerungsverfahren gibt es im Grundsatz keine subjektive Beweislastverteilung mit der Pflicht des Beteiligten, einen Sachverhalt darzulegen und zu beweisen. Die FinanzbehÇrde muss daher jede mÇgliche, verhsltnismsßige und zumutbare Maßnahme zur Sachaufklsrung ergreifen. Der Untersuchungsgrundsatz gilt jedoch insoweit nicht, als nach Vorschriften des Verfahrens- oder des materiellen Rechts ausnahmsweise der Beteiligte einen Sachverhalt darlegen und beweisen muss (Beibringungsgrundsatz).

109

Die FinanzbehÇrde hat alle Erkenntnisquellen zu nutzen, die zur VerfÅgung stehen. Sie darf eigene Ermittlungen anstellen, das ihr vorliegende Datenmaterial anderer BehÇrden (z.B. Kontrollmitteilungen) und die Beweismittel des § 92 AO nutzen. Die FinanzbehÇrde entscheidet nach 1 BFH v. 15.5.2013 – VII R 2/12, ZIP 2013, 1732 = BFH/NV 2013, 1543. 2 BFH v. 22.11.2011 – VII R 63/10, BStBl. II 2012, 223.

216

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

pflichtgemsßem Ermessen (§ 5 AO) Åber Art und Umfang der Sachverhaltsaufklsrung; gesetzliche Vorgaben fÅr die ErmessensausÅbung sind allein die Umstsnde des Einzelfalls.1 So soll z.B. gem. § 97 Abs. 2 Satz 1 AO die Vorlage von BÅchern, Aufzeichnungen, Geschsftspapieren und anderen Urkunden erst dann verlangt werden, wenn der Beteiligte keine Auskunft erteilt hat. Da die FinanzbehÇrde bei ihren Ermittlungen den Verhsltnismsßigkeitsgrundsatz zu beachten hat, sind unverhsltnismsßige Ermittlungen zu unterlassen. Ist ein Sachverhalt mit den gebotenen angemessenen Mitteln nicht oder nicht vollstsndig zu ermitteln, hat die FinanzbehÇrde die Besteuerungsgrundlagen zu schstzen (§ 162 AO). Sie darf mit dem Beteiligten auch eine tatsschliche Verstsndigung Åber die der Besteuerung zugrunde zu legenden Tatsachen treffen. Im Einzelfall ist nach der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu entscheiden. Danach tragen die FinanzbehÇrden fÅr steuerbegrÅndende und steuererhÇhende Tatsachen (z.B. Betriebseinnahmen) und der Beteiligte fÅr steuerverneinende und steuermindernde Tatsachen (z.B. Werbungskosten) die Beweislast. Die Nichterweislichkeit geht jeweils zu Lasten der FinanzbehÇrde oder des Beteiligten.

3.110

Auch im erÇffneten Insolvenzverfahren bleibt der Insolvenzschuldner zwar Beteiligter i.S.v. § 78 AO.2 Der Insolvenzschuldner bleibt zur Mitwirkung und auch zur Erteilung von AuskÅnften gegenÅber der Finanzverwaltung verpflichtet. Seine Pflicht endet aber dort, wo er Unterlagen vorlegen mÅsste (§ 93 Abs. 3 Satz 2 AO), weil insoweit das alleinige VerfÅgungsrecht des Insolvenzverwalters unbeschnitten bleiben muss. Rechtlich wirksame Verfahrenshandlungen (§ 79 AO) kann der Insolvenzschuldner bezogen auf die Insolvenzmasse nach der ErÇffnung nicht mehr wahrnehmen, weil die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis bzgl. seines VermÇgens gem. § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter Åbergegangen ist. Der Pflichtenkreis des Insolvenzverwalters umfasst danach alles, was ohne Insolvenzverfahren den Schuldner betroffen hstte, also insbesondere die Pflicht zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts (§ 90 AO), die Auskunftspflicht (§ 93 AO) und die BuchfÅhrungs- und Steuererklsrungspflichten.

3.111

2. Rechnungslegung des Insolvenzverwalters Literatur Bange, Die RÅckforderung von GewinnausschÅttungen durch den Insolvenzverwalter bei nichtigen JahresabschlÅssen, ZInsO 2006, 519; Bucher, Die Archivierung von Geschsftsunterlagen, ZInsO 2007, 1031; Deffland, Unternehmen in der Krise – Sanierung, Insolvenz und Abwicklung, StB 2005, 292; Diars, Beurteilung der FortfÅhrung der Unternehmenststigkeit und Folgen einer Abkehr von der Going-con1 WÅnsch in Pahlke/Koenig, § 88 AO Rz. 17. 2 Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 514.

217

112

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

cern-Prsmisse, INF 2005, 957; Eisolt/Schmidt, Praxisfragen der externen Rechnungslegung in der Insolvenz, BB 2009, 998; Fischer-BÇhnlein/KÇrner, Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften im Insolvenzverfahren, BB 2001, 191; Frystatzki, Die Hinweise des Instituts der WirtschaftsprÅfer zur Rechnungslegung in der Insolvenz, NZI 2009, 581; FÇrschle/Weisang, Rechnungslegung im Insolvenzverfahren in Budde/FÇrschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, 4. Aufl., 737; Fuhrmann, Liquidation der GmbH im Zivil- und Steuerrecht, KySDI 2005, 14906; Gerke/Sietz, Reichweite des Auslagenbegriffs gem. § 54 InsO und steuerrechtliche Pflichten des Verwalters in massearmen Verfahren, NZI 2005, 379; Grashoff, Die handelsrechtliche Rechnungslegung durch den Insolvenzverwalter nach Inkrafttreten des EHUG, NZI 2008, 65; Haarmeyer, Insolvenzrechnungslegung, ZInsO 2010, 412; Heese, Forderungsbewertung und Wertermittlungspflichten im Insolvenzfall, DStR 2008, 150; Heni, Rechnungslegung im Insolvenzverfahren – ZahlenfriedhÇfe auf Kosten der Glsubiger?, ZInsO 1999, 609; Umgliederung in Liquidations- und Insolvenzbilanzen, ZInsO 2009, 998; Hess/Weis, Die Schlussrechnung des Insolvenzverwalters, NZI 1999, 260; HÇlzle, Besteuerung der Unternehmenssanierung – Die steuerlichen Folgen gsngiger Sanierungsinstrumente, FR 2004, 1193; Hoffmann/ LÅdenbach, Bilanzielle Sanierungsmaßnahmen im IFRS-Abschluss im Vergleich zum deutschen Handelsbilanz- und Steuerbilanzrecht, BB 2005, 1671; Klein, Handelsrechtliche Rechnungslegung im Insolvenzverfahren, Diss., Hagen, DÅsseldorf 2004; Klein, Handelsrechtliche Rechnungslegung im Insolvenzverfahren, DÅsseldorf 2004; Kunz/Mundt, Rechnungslegungspflichten in der Insolvenz, DStR 1997, 620, 664; Lammbrecht, „Sie kÇnnen nicht einmal Bilanzen lesen“ – Zur Bestellung von Juristen als Insolvenzverwalter, DZWIR 2010, 22; Leibner, SanierungsmÇglichkeiten einer GmbH und die steuerlichen Konsequenzen, DStZ 2002, 679; Leibner/ Pump, Die steuerlichen Pflichten des Liquidators einer GmbH, GmbHR 2003, 996; Moxter, Zum Verhsltnis von Handelsbilanz und Steuerbilanz, BB 1997, 195; Olbrich, Zur Besteuerung und Rechnungslegung der Kapitalgesellschaft bei AuflÇsung, DStR 2001, 1090; Uhlenbruck, Die Rechnungslegungspflicht des vorlsufigen Insolvenzverwalters, NZI 1999, 289 ff.; Weisang, Zur Rechnungslegung nach der neuen Insolvenzordnung, BB 1998, 1149.

a) Insolvenzrecht – Handelsrecht – Steuerrecht In Bezug auf die Rechnungslegungspflichten des Insolvenzverwalters ist zwischen der insolvenzrechtlichen, handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Rechnungslegung zu unterscheiden. Diese Rechnungslegungspflichten bestehen zwar grundsstzlich nebeneinander, interagieren aber in vielen Bereichen. Teilweise werden verschiedene Rechnungslegungspflichten nur wechselseitig beeinflusst, in anderen Teilen sogar vÇllig verdrsngt. Die bedeutsame Wechselwirkung zwischen steuer- und handelsrechtlicher Rechnungslegung normiert § 140 AO. Die sich hieraus ergebende abgeleitete BuchfÅhrungspflicht bestimmt, dass die außersteuerlichen BuchfÅhrungspflichten auch fÅr steuerliche Zwecke gelten. Fehlt es an handelsrechtlichen Vorschriften, so statuiert § 141 AO eine originsre BuchfÅhrungspflicht fÅr das Steuerrecht. Zusstzliche Bedeutung hat die originsre steuerrechtliche BuchfÅhrungspflicht durch die handelsrechtliche Befreiung von der BuchfÅhrungspflicht fÅr Einzelkaufleute nach § 241a HGB n.F. erhalten, denn diese bleibt trotz Wegfalls handelsrechtlicher BuchfÅhrungspflichten bestehen. 218

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

Hilfreich sind fÅr die Rechnungslegung in der Insolvenz auch die Hinweise und PrÅfungsstandards des Instituts der WirtschaftsprÅfer (IDW). In diesem Zusammenhang sind insbesondere zu nennen: – IDW RS HFA 17, vom 8.12.2005: – Auswirkungen einer Abkehr von der Going Concern-Prsmisse auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss,1 – IDW RH HFA 1 012, vom 13.6.2008: – Externe (handelsrechtliche) Rechnungslegung im Insolvenzverfahren,2 – IDW PS 800, vom 6.3.2009: – Beurteilung eingetretener oder drohender Zahlungsunfshigkeit bei Unternehmen,3 – IDW RH HFA 1 010, vom 13.6.2008: – Bestandsaufnahme im Insolvenzverfahren,4 – IDW RH HFA 1 011, vom 13.6.2008: – Insolvenzspezifische Rechnungslegung im Insolvenzverfahren.5 b) Insolvenzrechtliche Rechnungslegung Literatur Albrecht/Stein, Die Verantwortlichkeit von Insolvenzverwalter und Organen einer insolventen bÇrsennotierten Aktiengesellschaft – Teil I, ZInsO 2009, 1886; Bange, Die RÅckforderung von GewinnausschÅttungen durch den Insolvenzverwalter bei nichtigen JahresabschlÅssen, ZInsO 2006, 519; Bucher, Die Archivierung von Geschsftsunterlagen, ZInsO 2007, 1031; Eisolt/Schmidt, Praxisfragen der externen Rechnungslegung in der Insolvenz, BB 2009, 654; Fischer-BÇhnlein/KÇrner, Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften im Insolvenzverfahren, BB 2001, 191; Franke/Goth/Firmenich, Die (gerichtliche) Schlussrechnung im Insolvenzverfahren – zwischen Legalitsts- und Legitimitstskontrolle, ZInsO 2009, 123; Frystatzki, Die Hinweise des Instituts der WirtschaftsprÅfung zur Rechnungslegung in der Insolvenz, NZI 2009, 581; Haarmeywe/Hillebrand, Insolvenzrechnungslegung, ZInsO 2010, 702; Insolvenzrechnungslegung – Diskrepanz zwischen gesetzlichem Anspruch und Wirklichkeit – Teil I, ZInsO 2010, 412; Hartmann, Die Krise und ihre Auswirkungen auf das Gesellschafts-, Steuer- und Insolvenzrecht, NZG 2010, 211; Hess/Weis, Die interne Rechnungslegung des Insolvenzverwalters aus Anlass der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens, NZI 1999, 482; -215; Heyrath, Die PrÅfung der Schlussrechnung (Teil 2), ZInsO 2006, 1196; Heyrath/Ebeling/Reck, SchlussrechnungsprÅfung im Insolvenzverfahren, 2008; Hickethier, Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz und Unternehmenskrise, NWB 2009, 1502; Keller, Voraussetzungen und Umfang der Sachverstsndigenbeauftragung zur SchlussrechnungsprÅfung im Insolvenzverfahren, Rpfleger 2011, 66; Kloos, Zur Standardisierung insolvenzrechtlicher Rechnungslegung, NZI 2009, 586–591; KÅpper/Heinze, Neuers zu den Be1 2 3 4 5

WPg 1–2/2006, 40 ff., FN-IDW 3/2006, 167 ff. WPg Supplement 3/2008, 59 ff., FN-IDW 8/2008, 331 ff. WPg Supplement 2/2009, 42 ff., FN-IDW 4/2009, 161 ff. WPg Supplement 3/2008, 37 ff., FN-IDW 8/2008, 309 ff. WPg Supplement 3/2008, 49 ff., FN-IDW 8/2008, 321 ff.

219

3.113

114

115

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

triebsausgaben im Rahmen der Schlussrechnung des Insolvenzverwalters, ZInsO 2010, 214; Limvre/Stahl/Ems, Anforderungen an die Aufstellung und die PrÅfung der Schlussrechnung im Insolvenzverfahren, KTS 1999, 1; Madaus, Grundlage und Grenzen der Bestellung von Sachverstsndigen in der gerichtlichen SchlussrechnungsprÅfung, NZI 2012, 119; Mnusezahl, SchlussrechnungsprÅfung – Perspektiven fÅr die gerichtliche Praxis, ZInsO 2006, 580; MÇhlmann, Die Ausgestaltung der Masse- und Glsubigerverzeichnisse nach neuem Insolvenzrecht, DStR 1999, 163; PflÅger, Neues zur Beendigung einer KG durch Insolvenz, Gestaltende Steuerberatung 2/2007, 43; Rechel, Die Aufsicht nach § 58 InsO als Risikomanagementprozess, ZInsO 2009, 1665; Reck, Inhalte und Grundsstze der SchlussrechnungsprÅfung, ZInsO 2008, 495; Uhlenbruck, Rechnungslegungspflicht des vorlsufigen Insolvenzverwalters, NZI 1999, 28; Weitzmann, Rechnungslegung und SchlussrechnungsprÅfung, ZInsO 2007, 449; Insolvenzverwalter kein Adressat von Offenlegungspflichten, ZInsO 2008, 662; Vierhaus, Zur Verfassungswidrigkeit der xbertragung von Rechtspflegeraufgaben auf Private, ZInsO 2008, 521; Wellensiek, Die Aufgaben des Insolvenzverwalters nach der Insolvenzordnung, KÇlner Schrift zur Insolvenzordnung. Das neue Insolvenzrecht in der Praxis, 2. Aufl., 2008; Zimmer, Schlussrechnung des ausgeschiedenen Insolvenzverwalters, ZInsO 2010, 2203.

aa) Katalog der Verzeichnisse und Berichte Der Insolvenzverwalter ist als Amtstreuhsnder verpflichtet, Åber seine Tstigkeit umfassend und mÇglichst transparent Rechnung zu legen. Die Insolvenzordnung sieht dafÅr insbesondere folgende Verzeichnisse und Berichte vor: – Verzeichnis des Massegegenstsnde (§ 151 InsO), – Glsubigerverzeichnis (§ 152 InsO), – VermÇgensÅbersicht (§ 153 InsO), – Sachstandsberichte (§ 58 InsO), – Schlussrechnung (§ 66 InsO). bb) Verzeichnis der Massegegenstlnde Im Verzeichnis der Massegegenstsnde sind alle VermÇgenswerte aufzulisten, die sich bei VerfahrenserÇffnung im Besitz des Schuldners befinden oder die wshrend des Verfahrens in sein VermÇgen gelangen, ohne insolvenzfrei zu sein (nicht aufzunehmen sind daher etwa pfsndungsfreie Gegenstsnde). Maßgeblich ist insoweit, was nach § 35 InsO zur Insolvenzmasse gehÇrt. Die Aufstellung unterliegt dem Vollstsndigkeits- und Einzelerfassungsgebot.1 Grundlage des Masseverzeichnisses kann das Inventar gem. § 240 HGB sein. Allerdings sind in das Verzeichnis auch solche Gegenstsnde aufzunehmen, die handelsrechtlich nicht inventarpflichtig sind, weil sie entweder nicht aktivierungspflichtig oder nicht aktivierungsfshig sind, so ihnen ein VermÇgenswert im Insolvenzverfahren zugemessen werden kann.2 Deshalb sind alle VermÇgensgegenstsnde auf1 Dithmar in Braun, § 151 InsO Rz. 2. 2 Dithmar in Braun, § 151 InsO Rz. 2.

220

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

zunehmen, die die Aktiva der Masse bilden, also auch immaterielle VermÇgensgegenstlnde sowie AnsprÅche und Rechte des Schuldners, die ggf. nur aufgrund des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kÇnnen. Hierzu zshlen auch AnfechtungsansprÅche, AnsprÅche aus eigenkapitalersetzenden Darlehen, HaftungsansprÅche nach § 64 GmbHG und GesamtschadensansprÅche.1 Zweifelhafte Forderungen sind mit dem geschstzten Wert anzusetzen.2 Alle Positionen sind auf den Zeitpunkt der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens zu bewerten. Sofern ein zur Insolvenzmasse gehÇrendes Unternehmen fortgefÅhrt wird und im Zeitpunkt der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht sicher feststeht, dass es unverzÅglich stillzulegen ist, sind im Verzeichnis der Massegegenstsnde nach § 151 Abs. 2 InsO sowohl ein Zerschlagungs- als auch ein FortfÅhrungswert aufzufÅhren. Die Differenzierung kann schwierig sein. Vor allem aber lassen sich FortfÅhrungswerte fÅr einzelne Gegenstsnde kaum sinnvoll bestimmen, weil ihr Mehrbetrag gegenÅber den Zerschlagungswerten gerade darin liegt, dass eben keine Versußerung einzelner Gegenstsnde stattfindet, sondern das Unternehmen als Ganzes erhalten, meist verkauft werden kann. Der Ksufer wird dann einen Gesamtkaufpreis zahlen und nicht Preise fÅr einzelne Gegenstsnde. U.U. hat der Insolvenzverwalter einen externen Sachverstsndigen herbeizuziehen, um die Bewertung der einzelnen Gegenstsnde vornehmen zu lassen. Eine bestimmte Form ist fÅr das Verzeichnis der Massegegenstsnde nicht vorgeschrieben. Sinnvoll ist eine tabellarische Aufstellung, die sich an § 266 HGB orientiert. Das Insolvenzgericht kann den Insolvenzverwalter gem. § 151 Abs. 3 InsO auf begrÅndeten Antrag hin von der Pflicht zur Aufstellung eines Verzeichnisses der Massegegenstsnde entbinden. cc) Gllubigerverzeichnis Im Glsubigerverzeichnis (§ 152 InsO) sind die Glsubiger des Insolvenzschuldners einzeln unter Angabe der jeweiligen Forderungen aufzulisten. Sinn und Zweck des Glsubigerverzeichnisses ist es, dem Insolvenzgericht und den Glsubigern die Verbindlichkeiten und Belastungen der zur Insolvenzmasse gehÇrenden Gegenstsnde offenzulegen. Anzugeben sind nicht nur der Name des Glsubigers, sondern auch Anschrift sowie Grund und HÇhe der Forderungen. Außerdem sind gem. § 152 Abs. 2 InsO gesonderte Angaben zu Absonderungsrechten und besonderen Rangklassen vorzunehmen. Bestehende Aufrechnungslagen sind gem. § 152 Abs. 3 Satz 1 InsO gesondert aufzunehmen. Darzustellen sind auch die vorhandenen AufrechnungsmÇglichkeiten der Insolvenzglsubiger mit GegenansprÅchen des Schuldners. Das Glsubigerverzeichnis ist von der Insolvenztabelle (§ 175 InsO) zu unterscheiden, in die der Insolvenzverwalter die angemeldeten Forderungen der Insolvenzglsubiger eintrsgt. Das Glsubigerverzeichnis beruht im Gegensatz zur Tabelle nicht auf den Forderungsanmeldungen der Glsubiger, sondern auf den vom Insolvenzverwalter aus 1 Dithmar in Braun, § 151 InsO Rz. 2. 2 Dithmar in Braun, § 151 InsO Rz. 2.

221

3.116

117

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

den BÅchern und Geschsftspapieren des Insolvenzschuldners, durch sonstige Angaben des Insolvenzschuldners, durch bereits eingegangene Forderungsanmeldungen oder auf in anderer Weise gewonnenen Erkenntnissen.1 Das Glsubigerverzeichnis ist daher stets vorlsufig und wird im Laufe des Verfahrens von der Tabelle abgelÇst. An der spsteren Verteilung nehmen nur die angemeldeten und festgestellten Forderungen teil. dd) VermÇgensÅbersicht Zudem hat der Insolvenzverwalter in der VermÇgensÅbersicht (§ 153 InsO) die zur Insolvenzmasse gehÇrenden Gegenstsnde den vorhandenen Verbindlichkeiten gegenÅber zu stellen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens. Im Grunde genommen ist die VermÇgensÅbersicht eine Zusammensetzung aus Verzeichnis der Massegegenstsnde und des Glsubigerverzeichnisses. Die dortigen Maßgaben fÅr Bewertung und Gliederung gelten fÅr die VermÇgensÅbersicht entsprechend. Die VermÇgensÅbersicht ist wie die Handelsbilanz nach § 242 HGB in Kontoform aufzustellen. ee) Sachstandsberichte

118

Der Insolvenzverwalter untersteht gem. § 58 InsO der Rechtsaufsicht des Insolvenzgerichtes.2 Das Insolvenzgericht ist jederzeit berechtigt, von dem Insolvenzverwalter Auskunft Åber seine GeschsftsfÅhrung zu verlangen, BÅcher einzusehen und sich Belege vorlegen zu lassen sowie den Kassenstand zu prÅfen.3 In der Praxis Åben die meisten Insolvenzgerichte ihre Aufsicht dadurch aus, dass sie nicht konkrete AuskÅnfte bei dem Insolvenzverwalter einholen, sondern sich regelmsßig Berichte Åber den bisherigen Verfahrensverlauf und die noch ausstehenden Verwaltungs- und Verwertungshandlungen bzw. Åber anhsngige Rechtsstreite der Insolvenzmasse erteilen lassen. EingebÅrgert hat sich ein Berichtsturnus von sechs bis zwÇlf Monaten. Ergeben sich aufgrund dieser Sachstandsberichte Unklarheiten, so ist das Insolvenzgericht gehalten, bei dem Insolvenzverwalter nachzufragen und ggf. weitere AuskÅnfte zu verlangen.

119

Zudem stehen Glsubigern und anderen Verfahrensbeteiligten wshrend des laufenden Insolvenzverfahrens gegenÅber dem Insolvenzverwalter Informations- und Auskunftsrechte zu. Diese kÇnnen die Verfahrensbeteiligten in der Glnubigerversammlung, im Glnubigerausschuss oder durch Einsichtnahme in bestimmte Unterlagen (§§ 66, 153, 175 InsO) bzw. durch Akteneinsicht nach § 299 ZPO ausÅben.4 1 Dithmar in Braun, § 152 InsO Rz. 2. 2 Umfassend: Rechel, Die Aufsicht des Insolvenzgerichts Åber den Insolvenzverwalter, S. 174 ff. 3 Graeber in MÅnchKomm/InsO, § 58 Rz. 22; Rechel, Die Aufsicht des Insolvenzgerichts Åber den Insolvenzverwalter, S. 174 ff. 4 Graeber in MÅnchKomm/InsO, § 58 Rz. 23.

222

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

ff) Schlussrechnung und Schlussberichterstattung Zentraler Bestandteil der insolvenzrechtlichen Rechnungslegung ist die Schlussrechnung (§ 66 InsO), die der Insolvenzverwalter zusammen mit einem Schlussbericht bei Abschluss des Insolvenzverfahrens zu erstellen hat. Eine der Schlussrechnung inhaltlich vergleichbare Rechnungslegung hat auch zu erfolgen, wenn das Amt des Insolvenzverwalters vor Abschlussreife des Insolvenzverfahrens endet, beispielsweise durch Entlassung oder Wahl eines anderen Insolvenzverwalters.

3.120

Die Schlussrechnung unterliegt keinem zwingend vorgeschriebenen Aufbau. In der Praxis unterscheiden sich die von Insolvenzverwaltern vorgelegten Schlussrechnungen zwar recht stark. Entscheidend ist dabei aber stets, dass die gesamte Tstigkeit des Insolvenzverwalters berichtet und dokumentiert wird. Es reicht nicht aus, wenn der Insolvenzverwalter lediglich die Einnahmen und Ausgaben auf seinem Hinterlegungskonto erlsutert und die auf die Insolvenzglsubiger entfallende Quote mitteilt.

3.121

Eine Schlussrechnung i.S.v. § 66 InsO hat vielmehr zwei Elemente zu enthalten: 1. einen rechnerischen Teil, in dem Einnahmen und Ausgaben gegenÅbergestellt werden 2. einen darstellenden Teil, in dem die gesamte Tstigkeit des Insolvenzverwalters textlich dargestellt wird.1

3.122

Der Insolvenzverwalter hat insbesondere ausfÅhrlich zu berichten, – welche Maßnahmen er zum Zwecke der Ermittlung und Inbesitznahme der Insolvenzmasse getroffen hat, – welche Verwaltungs- und Verwertungsmaßnahmen er unternommen hat, – ob es außergewÇhnliche Besonderheiten bei der Verfahrensabwicklung gab oder nicht, – ob Absonderungs- und Aussonderungsgut vorhanden war und wie mit diesem umgegangen wurde und – ob zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens noch Massegegenstsnde vorhanden sein werden, Åber deren Schicksal eine Glsubigerversammlung zu entscheiden hat. Mit der Schlussrechnung hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht ein Schlussverzeichnis (§ 188 InsO), die KontoauszÅge seines Hinterlegungskontos, ein ggf. existierendes Kassenbuch sowie die zu den Buchungen gehÇrenden Belege zu Åbergeben. Dem Insolvenzgericht kommt als Ausfluss seiner Aufsichtspflichten (§ 58 InsO) die Aufgabe zu, die durch den Insolvenzverwalter erstellte Schlussrechnung zu prÅfen. Die PrÅfung erfolgt in formeller und materieller Hinsicht.2 Die formelle PrÅ1 Kind in FrankfurterKomm/InsO, § 66 Rz. 9 f. 2 Kind in Braun, § 66 InsO Rz. 15.

223

3.123

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

fung durch das Insolvenzgericht bezieht sich darauf, festzustellen, ob ssmtliche Belege vorhanden sind und der Bericht des Insolvenzverwalters Inhalt und Umfang seiner Verwaltungststigkeit erschÇpfend wiedergibt. Die materielle PrÅfung beinhaltet die PrÅfung der Rechtmsßigkeit des Verwalterhandelns. Dazu gehÇrt es, festzustellen, ob der Insolvenzverwalter die gebotenen Maßnahmen zur Ermittlung und Inbesitznahme der Insolvenzmasse ergriffen, ob er ssmtliche zur VerfÅgung stehenden ErmittlungsmÇglichkeiten ausgeschÇpft und ob er zeitnah und ohne verschwenderische Ausgaben zu verursachen die Verwertung betrieben hat.

124

Eine PrÅfung der Zweckmlßigkeit bestimmter Handlungen des Insolvenzverwalters gehÇrt hingegen nicht zur PrÅfungskompetenz des Insolvenzgerichts. Das Insolvenzgericht hat also nicht zu prÅfen, ob der Insolvenzverwalter bestmÇglich verwertet hat oder ob sich ihm auch nur gÅnstigere VerwertungsmÇglichkeiten hstten bieten kÇnnen. Lediglich dann, wenn beispielsweise erkennbar ist, dass der Insolvenzverwalter ohne ersichtlichen Grund von mehreren ihm bekannten VerwertungsmÇglichkeiten nicht die beste Verwertungsalternative gewshlt hat, kann der Bereich der materiell fehlerhaften VerfahrensfÅhrung betroffen sein.

125

Ist ein Glsubigerausschuss bestellt, so ist diesem die Schlussrechnung zum Zwecke der PrÅfung zuzuleiten, § 66 Abs. 2 Satz 2 InsO.

126

Kann das Insolvenzgericht die Schlussrechnung des Insolvenzverwalters aufgrund ihrer Komplexitst nicht selbst prÅfen, so darf es mit der PrÅfung gem. § 5 InsO einen Sachverstsndigen beauftragen.1 Die Beauftragung von Sachverstsndigen darf jedoch keinesfalls routinemsßig in jedem Verfahren oder aufgrund allgemeiner ArbeitsÅberlastung des Insolvenzgerichtes erfolgen, weil die Insolvenzmasse durch die Beauftragung eines Sachverstsndigen mit zusstzlichen Kosten (§ 54 InsO) belastet wird, wodurch die Befriedigungschancen der Insolvenzglsubiger abnehmen und im sußersten Fall sogar die VergÅtung des Insolvenzverwalters gefshrdet werden kann.2 Die Beauftragung des Sachverstsndigen ist wegen der damit verbundenen zusstzlichen Kosten nur dann zulsssig, wenn die PrÅfung des rechnerischen Teils der Schlussrechnung eine fachliche Kompetenz voraussetzt, die bei dem Insolvenzgericht nicht vorhanden sein kann, sondern Åber die beispielsweise nur WirtschaftsprÅfer oder ggf. andere Insolvenzverwalter verfÅgen. Die PrÅfung des textlichen Teils einschließlich der PrÅfung der Rechtmsßigkeit der Verwaltertstigkeit hat in jedem Fall dem Insolvenzgericht vorbehalten zu bleiben,3 weil die Einholung von Gutachten zur Beurteilung von Rechtsfragen durch das Gericht kaum erforderlich sein dÅrfte. 1 Kind in FrankfurterKomm/InsO, § 66 Rz. 18; Eckardt in Jaeger, § 66 InsO Rz. 39. 2 Vgl. zu der heftigen Diskussion um die Recht- und Verfassungsmsßigkeit der Bestellung eines Sachverstsndigen zum Zwecke der SchlussrechnungsprÅfung vgl. statt Vieler Vierhaus, ZInsO 2008, 521 (521 ff.). 3 Kind in FrankfurterKomm/InsO, § 66 Rz. 18; Eckhardt in Jaeger, § 66 InsO Rz. 40.

224

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

Gelangt das Insolvenzgericht zu dem Ergebnis, dass Schlussrechnung und Verwaltertstigkeit vollumfsnglich ordnungsgemsß sind, bringt es einen entsprechenden Vermerk auf der Schlussrechnung an und legt die Schlussrechnung sodann unter BeifÅgung der Belege zur Einsichtnahme der Beteiligten aus, § 66 Abs. 2 InsO. Das Insolvenzgericht beraumt eine Glsubigerversammlung an, in der die Schlussrechnung erÇrtert wird. Diese darf frÅhestens drei Wochen nach der Auslegung der Schlussrechnung zur Einsicht der Beteiligten stattfinden. Im Rahmen ihres Schlusstermins (§ 197 InsO) erÇrtert die Glsubigerversammlung die Schlussrechnung des Insolvenzverwalters. Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, den Verfahrensgang und die Verwertungserfolge sowie die voraussichtliche Befriedigungsquote auch mÅndlich zu erlsutern und Nachfragen der Insolvenzglsubiger zu beantworten.1 Die Insolvenzglsubiger kÇnnen darÅber hinaus Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis erheben, § 197 Abs. 1 Ziff. 2 InsO. xber die Einwendung entscheidet das Insolvenzgericht im Schlusstermin durch Beschluss, gegen den die sofortige Beschwerde statthaft ist (§ 197 Abs. 3 i.V.m. § 194 Abs. 3 Satz 2 InsO). c) Handelsrechtliche Rechnungslegung Literatur Bnhner/Berger/K. H. Braun, Die Schlussrechnung des Konkursverwalters, ZIP 1993, 1283; E. Braun, Handelsbilanz contra Schlussrechnung – Der entmÅndigte Rechtspfleger?, ZIP 1997, 1013; Dues/Koch, Auswirkungen des Bilanzmodernisierungsgesetzes (BilMoG) auf die Rechnungslegung von Krankenhsusern, WPg. 2010, 515; Fischer-BÇhnlein/KÇrner, Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften im Insolvenzverfahren, BB 2001, 191; FÇrschle/Weisang, Rechnungslegung im Insolvenzverfahren in Budde/FÇrschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, 4. Aufl., 2008; Gelhausen/Frey/Kirsch, xbergang auf die Rechnungslegungsvorschriften des Bilanzmodernisierungsgesetzes, WPg 2010, 65; Grashoff, Die handelsrechtliche Rechnungslegung durch den Insolvenzverwalter nach Inkrafttreten des EHUG, NZI 2008, 65; Husemann, Abschreibung eines VermÇgengegenstands entsprechend der Nutzungsdauer wesentlicher Komponenten, WPg 2010, 507; Kessler, Abschlussanalyse nach IFRS und HGB, PiR 2010, 33; Kilger/Nitze, Die BuchfÅhrungsund Bilanzierungspflicht des Konkursverwalters, ZIP 1988, 957; Klasmeyer/KÅbler, BuchfÅhrungs-, Bilanzierungs- und Steuererklsrungspflichten des Konkursverwalters sowie Sanktionen im Fall ihrer Verletzung, BB 1978, 369; Klein, Handelsrechtliche Rechnungslegung im Insolvenzverfahren, Diss. 2004; KÇnig, Gesonderte oder harmonisierte Rechnungslegung des Konkursverwalters im Unternehmenskonkurs?, ZIP 1988, 1003; Kuntz/Mundt, Rechnungslegungspflichten in der Insolvenz, DStR 1997, 620; Mujkanovic, Die Bilanzierung des derivativen Geschsfts- oder Firmenwerts, StuB 2010, 167; Niemann/Bruckner, Qualitstssicherung bei der KonzernabschlussprÅfung, DStR 2010, 345; Niethammer, Rechnungslegung im Insolvenzverfahren – Anmerkungen zum Beitrag von Heni, WirtschaftsprÅfung 1990, 202; Petersen/Zwirner/Busch, Forschung und Entwicklung in der Rechnungslegungspraxis, PiR 2010, 7; Pink, Rechnungslegungspflichten in der Insolvenz der Kapitalgesellschaft, ZIP 1997, 177; Insolvenzrechnungslegung, 1995; Staffen, Der 1 Smid, Praxishandbuch Insolvenzrecht, § 9 Rz. 29.

225

3.127

128

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

FortfÅhrungswert im VermÇgensstatus nach § 153 InsO als Ausfluss des FortfÅhrungskonzepts, ZInsO 2003, 106; Weisang, Zur Rechnungslegung nach der neuen Insolvenzordnung, BB 1998, 1149; Withus, Standardisierungsrat Åberarbeitet Rechnungslegungsstandards zum Konzernlagebericht, DB 2010, 68.

aa) Geltung der §§ 238 ff. HGB Gemsß § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO hat der Insolvenzverwalter in Bezug auf die Insolvenzmasse auch die handels- und steuerrechtlichen Pflichten des Schuldners zur BuchfÅhrung und Rechnungslegung zu erfÅllen. Die handelsrechtlichen Rechnungslegungspflichten bestimmen sich im Wesentlichen nach §§ 238 ff. HGB. Grundvoraussetzung ist, dass das zur Insolvenzmasse gehÇrende Unternehmen einen in kaufmsnnischer Weise eingerichteten Geschsftsbetrieb erfordert (§ 1 HGB) oder eine Handelsgesellschaft nach § 6 HGB gegeben ist. Erfordert ein vormals unter § 1 HGB fallendes Unternehmen ab der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens einen in kaufmsnnischer Weise eingerichteten Geschsftsbetrieb nicht mehr, so entfallen die Vorschriften der §§ 238 ff. HGB fÅr das Insolvenzverfahren.1 bb) Schluss- und ErÇffnungsbilanzen

129

Mit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens beginnt ein neues Geschsftsjahr (§ 155 Abs. 2 Satz 1 InsO). HÇchst umstritten ist, ob hieraus zu entnehmen ist, dass der Insolvenzverwalter eine Schluss- und eine ErÇffnungsbilanz zu erstellen habe. Die Auffassungen reichen von obligatorischer Erstellung einer Schluss- und ErÇffnungsbilanz2 Åber lediglich obligatorische Erstellung einer Schlussbilanz3 bis hin zu vÇlliger Wahlfreiheit, Åberhaupt ein Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden.4

130

Kern des Streits ist die Frage, ob nach § 270 AktG ein Wahlrecht dahingehend besteht, trotz des Insolvenzereignisses ein einheitliches Geschsftsjahr beizubehalten. Wird eine Aktiengesellschaft aufgelÇst, so haben die Abwickler gem. § 270 AktG eine ErÇffnungsbilanz aufzustellen. Im Unterschied zur Abwicklung im Rahmen eines Liquidationsverfahrens kann im Rahmen eines Insolvenzverfahrens auch auf Dauer eine FortfÅhrung des Unternehmens geplant sein, beispielsweise durch ein Insolvenzplanverfahren. Sogar fÅr den Fall der Abwicklung nach aktienrechtlichen Vorschriften ist entgegen der insoweit unklaren Vorschrift des § 270 AktG ein Wahlrecht anzuerkennen, Schluss- und ErÇffnungsbilanzen auf den Beginn der Liquidation aufzustellen oder ein einheitliches Geschsftsjahr beizubehalten. Die Vorgsngervorschrift von § 270 AktG, nsm1 2 3 4

Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 943. Dithmar in Braun, § 155 InsO Rz. 8. FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 5, 8. Kunz/Mundt, DStR 1997, 664 (665); in diese Richtung wohl auch Waza in Waza/ Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 947 ff.

226

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

lich § 211 Abs. 1 Halbs. 2 AktG (1937) lautete: „Die Abwickler haben fÅr den Beginn der Abwicklung eine Bilanz (Erfolgsbilanz) und weiterhin fÅr den Schluss jeden Jahres einen Jahresabschluss und einen Geschnftsbericht aufzustellen; das bisherige Geschnftsjahr der Gesellschaft kann beibehalten werden.“ Bei der Novellierung von § 211 AktG (1937) durch § 270 AktG (1965) wurde der vorstehend zitierte Halbs. 2 des § 211 Abs. 1 AktG (1937) mit folgender BegrÅndung gestrichen:1„Dass die Gesellschaft das bisherige Geschnftsjahr beibehalten kann, versteht sich von selbst und braucht nicht ausdrÅcklich bestimmt zu werden. Der Entwurf Åbernimmt deshalb nicht den zweiten Halbsatz des § 211 Abs. 1 AktG (1937).“ Zu weitgehend erscheint es allerdings, im Hinblick auf das aktienrechtliche Wahlrecht zu unterstellen, der Gesetzgeber habe bei EinfÅhrung von § 155 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht das „als selbstverstnndlich geltende Wahlrecht betreffend der Beibehaltung des bisherigen Geschnftsjahres streichen wollen“, und wenn er es gewollt hstte, dann „hntte es im Hinblick auf die BegrÅndung der Streichung von § 211 Abs. 1 Halbs. 2 AktG (1937) einer expliziten gesetzlichen Regelung bedurft.“2 Es trifft zwar zu, dass das Wahlrecht im Wortlaut von § 270 AktG keinen Anhaltspunkt mehr findet, obwohl es anzuerkennen ist. Es geht allerdings zu weit, eine entsprechende Anerkennung auch fÅr den vom aktienrechtlichen Liquidationsverfahren verschiedenen Fall des Insolvenzverfahrens annehmen zu wollen, obwohl es in § 155 InsO und auch in der GesetzesbegrÅndung hierzu keine Erwshnung findet.3 Auch fÅr den Fall der FortfÅhrung des Unternehmens im Einzelfall lssst sich § 155 Abs. 2 InsO nicht entsprechend teleologisch reduzieren. Soweit es fÅr die Erstellung einer Schlussbilanz im Einzelfall keinerlei praktisches BedÅrfnis gibt, erscheint es vertretbar, dass der Insolvenzverwalter sie gleichwohl nicht erstellt;4 einen generellen Wegfall des Erfordernisses aus KostengrÅnden annehmen zu wollen, ist hingegen dogmatisch nicht Åberzeugend.5 Wird das Unternehmen Åber den Zeitpunkt der VerfahrenserÇffnung hinaus fortgefÅhrt (§ 157 Satz 1 InsO), ist die Schlussbilanz nach den normalen Gliederungs-, Ansatz- und Bewertungsvorschriften zu erstellen, wenn von einer dauerhaften FortfÅhrung des Unternehmens auszugehen ist, sei es in Folge eines Insolvenzplanes, sei es durch Åbertragende Sanierung.

3.131

Ist nach Auffassung des Insolvenzverwalters innerhalb eines ZwÇlfMonatszeitraums keine UnternehmensfortfÅhrung mehr anzunehmen,

3.132

1 Kropff, Aktiengesetz 1965, RegierungsbegrÅndung zu § 270 AktG, S. 360. 2 So aber Kunz/Mundt, DStR 1997, 664 (666). 3 So auch FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 5; Weisang, BB 1998, 1149 (1151). 4 So auch Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 948. 5 So aber Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 948.

227

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

ist generell von der Going-Concern-Prsmisse abzukehren. Hinsichtlich des Zeitpunkts dieser Beurteilung ist grundsstzlich auf den Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses abzustellen.1 Dies gilt freilich erst recht, wenn das Unternehmen im ErÇffnungszeitpunkt bereits eingestellt ist. Unter diesen Voraussetzungen gilt fÅr die Bewertung die FortfÅhrungsprsmisse des § 252 Abs. 1 Ziff. 2 HGB nicht mehr, weil tatsschliche Gegebenheiten – schon vor dem Bilanzstichtag – entgegenstehen und damit das Prinzip der Bewertungsstetigkeit durchbrochen werden muss.2 Das AnlagevermÇgen ist grundsstzlich in UmlaufvermÇgen umzugliedern, soweit die Versußerung innerhalb eines Åbersehbaren Zeitraumes beabsichtigt ist (§§ 247 Abs. 2 HGB, 270 Abs. 2 Satz 3 AktG, 71 Abs. 2 Satz 3 GmbHG).3 Es kommt das strenge Niederstwertprinzip nach § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB zur Anwendung. Im Einzelnen gilt dabei Folgendes: – In Bezug auf die Gliederung der Bilanz bleibt es bei § 266 HGB. – Bei der Bewertung des abnutzbaren AnlagevermÇgens sind die Abschreibungszeitrsume zu modifizieren; maßgeblich sind nun nur noch die voraussichtlich bis zur endgÅltigen Abwicklung verbleibenden Jahre, wenn das AnlagevermÇgen nicht bereits in UmlaufvermÇgen umzugliedern ist.4 – Bei der Bewertung von UmlaufvermÇgen ist auf den kurzfristigen Abverkauf, also auf gsngige Marktpreise abzustellen. Freilich bilden die ursprÅnglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten die Wertobergrenze. – Die mit der insolvenzrechtlichen Abwicklung verbundenen Verbindlichkeiten (etwa Abfindungszahlungen an ausscheidende Arbeitnehmer) sowie RÅckstellungen sind zu passivieren. – Selbst erstellte immaterielle VermÇgensgegenstsnde des AnlagevermÇgens bleiben weiterhin nicht aktivierungsfshig. Selbst erstellte immaterielle VermÇgenswerte, Firmenwert usw. sind demgegenÅber im Rahmen der insolvenzrechtlichen Rechnungslegung im Verzeichnis der Massegegenstsnde aufzunehmen (Rz. 3.117). – Rechnungsabgrenzungsposten, die auf dem Abschluss gegenseitiger Vertrsge basieren, sind erfolgswirksam aufzulÇsen. Dies gilt auch dann, wenn der Insolvenzverwalter grundsstzlich die MÇglichkeit einer ErfÅllungswahl gem. § 103 InsO hat, denn so lange die ErfÅllung nicht gewshlt ist, darf von ErfÅllung nicht ausgegangen werden.

1 Grashoff, NZI 2008, 65 (66). 2 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 7. 3 Kunz/Mundt, DStR 1997, 664 (667); Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 951 ff.; a.A. Grashoff, NZI 2008, 65 (68), der eine Umgliederung von Anlage- in UmlaufvermÇgen nicht vornehmen will, weil dies zu Informationsverlusten und damit zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Bilanzklarheit fÅhren wÅrde; allerdings soll die Bewertung nach den gleichen Maßstsben erfolgen wie bei einer Umgliederung. 4 Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 956.

228

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

– Als RÅckstellungen sind Abfindungen fÅr Mitarbeiter, etwaige Vertragsstrafen, RÅckbau- und Abbruchverpflichtungen mit ihren Nominalbetrsgen und Verpflichtungen aus der Beseitigung von Altlasten einzustellen.1 – Bisher nicht passivierte PensionsrÅckstellungen sind mit dem Barwert zu erfassen.2 – Forderungen sind mit ihrem voraussichtlichen Realisierungswert zu bewerten; bisher nicht aktivierte Forderungen (beispielsweise AnsprÅche aus GeschsftsfÅhrerhaftung, Eigenkapitalersatz etc.) sind grundsstzlich mit ihrem Nominalwert zu aktivieren, sofern nicht Anhaltspunkte fÅr fehlende Werthaltigkeit gegeben sind. – Alle Verbindlichkeiten sind mit ihrem Nominalwert zu passivieren, unabhsngig davon, dass im Insolvenzverfahren mit ihrer vollstsndigen Befriedigung nicht mehr gerechnet werden kann. – Soweit die Passivseite die Aktiva Åbersteigt, ist ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag zu passivieren. Die Bedeutung des Wechsels von der Going-Concern-Prlmisse zu Abwicklungswertansltzen zeigt sich vor allem im Steuerrecht. Durch die Zuweisung der aus einer Neubewertung entstehenden Gewinne (Aufdeckung stiller Reserven) zu dem mit der InsolvenzerÇffnung ablaufenden Rumpfwirtschaftsjahr sind die darauf beruhenden SteueransprÅche bereits im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung begrÅndet und damit Insolvenzforderungen i.S.v. § 38 InsO, auch wenn der Steueranspruch erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums und damit nach InsolvenzerÇffnung entsteht (§§ 48 Ziff. c, 49 Abs. 1 KStG, 25 Abs. 1 EStG). Die gegen die BerÅcksichtigung der Neubewertung im Rahmen der Schlussbilanz fÅr den Bereich der Liquidationsrechnungslegung erhobenen Bedenken gelten fÅr die Schlussbilanz im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht.3

3.133

Aus dem Beginn eines neuen Geschsftsjahres (§ 155 Abs. 2 Satz 1 InsO) wird teilweise gefolgert, der Insolvenzverwalter mÅsse auf den ErÇffnungszeitpunkt eine ErÇffnungsbilanz (§ 154 HGB, § 270 Abs. 1 AktG, § 71 Abs. 1 GmbHG) erstellen.4 Diese Auffassung ist allerdings abzulehnen.5 Der Beginn eines neuen Geschsftsjahres erfordert nsmlich keine handelsrechtliche ErÇffnungsbilanz. § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB schreibt die Aufstellung einer ErÇffnungsbilanz nur fÅr den Beginn eines Handelsgewerbes vor. Auch aus § 155 Abs. 2 Satz 2 InsO lssst sich nicht mehr schließen, als dass der Insolvenzverwalter JahresabschlÅsse zu erstellen

3.134

1 2 3 4

Grashoff, NZI 2008, 65 (68). Grashoff, NZI 2008, 65 (68). Hierzu ausfÅhrlich FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 7. Fritsch in Pahlke/Koenig, § 251 AO Rz. 38; Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 37. 5 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 8; Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 945; Kunz/Mundt, DStR 1997, 664 (665).

229

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

hat. Der Jahresabschluss besteht nach § 242 Abs. 3 HGB aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung, erfordert aber keine ErÇffnungsbilanz. Die Pflicht zur Aufstellung einer ErÇffnungsbilanz kÇnnte sich daher allein aus einer Analogie zur Liquidationsrechnungslegung ergeben (fÅr Personenhandelsgesellschaften § 154 HGB, fÅr Kapitalgesellschaften §§ 270 AktG, 71 GmbHG). Eine vergleichbare Situation, die eine Analogie rechtfertigen kÇnnte, liegt aber im Insolvenzfall regelmsßig nicht vor, obwohl die InsolvenzerÇffnung freilich die AuflÇsung von Kapitalgesellschaften bewirkt (§§ 262 Abs. 1 Ziff. 3 AktG, 60 Abs. 1 Ziff. 4 GmbHG). Vielmehr ist zwischen Betriebseinstellung und UnternehmensfortfÅhrung zu differenzieren.1 Die Vorschriften der §§ 270 AktG, 71 GmbHG sind von dem Gedanken der Unternehmenskontinuitst geprsgt. Der Liquidationsbeschluss fÅhrt nsmlich nur in Ausnahmefsllen zu einer sofortigen Einstellung des Geschsftsbetriebes. Hieraus rechtfertigt sich die Angleichung an die Rechnungslegung der werbenden Gesellschaft.2 Nur soweit diese fÅr das Liquidationsverfahren typische Lage im Insolvenzfall gegeben ist, ist eine Analogie zulsssig, weil nur dann Vergleichbarkeit gegeben ist. Im Fall der UnternehmensfortfÅhrung ist aber die ErÇffnungsbilanz ohnehin mit der Schlussbilanz identisch (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB). Bei sofortiger Zerschlagung ist mangels Vergleichbarkeit eine Analogie zu den Liquidationsrechnungslegungsvorschriften abzulehnen und eine ErÇffnungsbilanz daher entbehrlich.3 Gleichwohl ist der Insolvenzverwalter natÅrlich darin frei, eine ErÇffnungsbilanz auf den Tag der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens aufzustellen. cc) Laufende Rechnungslegung wlhrend des Insolvenzverfahrens (1) Laufende Rechnungslegung bei eingestelltem Geschlftsbetrieb

135

Ist der Geschsftsbetrieb des Insolvenzschuldners bei VerfahrenserÇffnung bereits vollstsndig und endgÅltig eingestellt, so entfallen die laufenden BuchfÅhrungs- und Bilanzierungspflichten.

136

Ein Kaufmann verliert durch die Geschsftseinstellung die Kaufmannseigenschaft aus § 1 Abs. 1 HGB, weil es dann an dem Erfordernis eines in kaufmsnnischer Weise eingerichteten und ausgeÅbten Gewerbebetriebes fehlt (§ 1 Abs. 2 HGB). Selbst wenn der Einzelkaufmann im Handelsregister eingetragen ist, sndert sich hieran nichts, weil mangels dauernder Gewinnerzielungsabsicht kein Gewerbe mehr vorliegt.4 Unerheblich ist dabei, dass der Insolvenzverwalter freilich eine mÇglichst optimale Verwertung der Insolvenzmasse herbeizufÅhren hat und in diesem Zusammenhang auch massezugehÇrige Gegenstsnde aus dem ehemaligen Ge1 So zu Recht FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 8. 2 Begr. zu § 270 AktG, Art. 2, Nr. 60 des RegE eines Bilanzrichtliniengesetzes, abgedruckt bei Biener/Berneke, Bilanzrichtliniengesetz, 1986, 527. 3 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 8. 4 So zutr. FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 9; Grashoff, NZI 2008, 65 (66); a.A. Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, S. 242.

230

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

schsftsbetrieb des Schuldners versußert.1 Denn selbst wenn nicht nur Inventar, sondern auch Waren und Vorrste im Rahmen der Verwertung abverkauft werden, so sndert das nichts daran, dass es an einem Gewerbe fehlt, das auf Dauer zur Gewinnerzielung betrieben wird und geeignet ist. Zu einem solchen Gewerbe ist nsmlich mehr erforderlich als ein Abverkauf von Gegenstsnden; es ist vielmehr ein lebender Organismus vonnÇten, der auch die Herstellungs- oder Beschaffungsseite abdeckt. Aus diesem Grund kann anderslautenden Auffassungen2 nicht gefolgt werden. FÅr Personenhandelsgesellschaften ergibt sich das gleiche Ergebnis aus analoger Anwendung der §§ 154, 161 Abs. 2 HGB.3 Bei Kapitalgesellschaften soll die BuchfÅhrungs- und Bilanzierungspflicht hingegen nach verbreiteter Auffassung auch dann fortbestehen, wenn der Geschsftsbetrieb des Schuldners bereits bei VerfahrenserÇffnung eingestellt war.4 Nach zustimmungswÅrdiger Auffassung hingegen entfsllt die BuchfÅhrungs- und Bilanzierungspflicht bei kleineren und mittleren Kapitalgesellschaften in solchen Fsllen.5 In Bezug auf die GrÇßenklassen ist § 267 HGB analog heranzuziehen.6 Dies entspricht zwar einer durchaus vielerorts gelebten Praxis,7 sollte sich aber auch nunmehr theoretisch durchsetzen.

3.137

Insoweit sind die §§ 238 ff. HGB teleologisch zu reduzieren. Im Insolvenzverfahren lssst sich kein vernÅnftiger Sinn einer BuchfÅhrung und Bilanzierung fÅr eine Kapitalgesellschaft finden, die zu keinem Zeitpunkt wshrend des Insolvenzverfahrens gewerblich tstig war. Außerhalb des Insolvenzverfahrens haben die BuchfÅhrungs- und Bilanzierungspflichten vor allem die Aufgaben, – den Kaufmann Åber die Ertragslage seines Unternehmens zu informieren, – den Gesellschaftern Informationen zur Kontrolle der Organe zur VerfÅgung zu stellen und ihnen die Gewinnverteilung zu ermÇglichen, – Fremdkapitalgeber im Hinblick auf die Ertragslage und das vorhandene VermÇgen zu informieren und – dem Fiskus eine Grundlage fÅr die steuerliche Gewinnermittlung zu bieten.

3.138

1 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 9. 2 Klasmeyer/KÅbler, BB 1978, 369 (370); Boochs in FrankfurterKomm/InsO, § 155 Rz. 17. 3 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 10. 4 LG Frankfurt/O. v. 4.9.2006 – 32 T 12/05, NZI 2007, 294 (295); Klasmeyer/KÅbler, BB 1978, 369 (370); Boochs in FrankfurterKomm/InsO, § 155 Rz. 17. 5 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 11; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rz. 1121; Kuntz/Mundt, DStR 1997, 664, (669 ff.); Heni, WPg 1990, 92 (98 ff.). 6 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 11. 7 FÇrster, ZIP 1997, 344 (344); FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 11.

231

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

139

Soweit diese Zielsetzungen im Insolvenzverfahren bei eingestellten Geschsftsbetrieben Åberhaupt einen Sinn ergeben, werden sie vollstlndig durch die insolvenzrechtliche Rechnungslegung ersetzt. Es braucht niemand mehr Åber die Ertragslage des schuldnerischen Unternehmens informiert zu werden, weder die Organe der insolvenzschuldnerischen Kapitalgesellschaft, noch der Insolvenzverwalter, denn die Ertragskraft ist nach der Einstellung gleich Null. Die Gesellschafter brauchen die GeschsftsfÅhrung nicht mehr zu kontrollieren, weil die GeschsftsfÅhrung keine VermÇgensverwaltungsbefugnis mehr hat (§ 80 InsO). Die Frage nach Gewinnverteilung stellt sich ebenfalls nicht mehr, weil sie zwar noch GewinnverwendungsbeschlÅsse fassen kÇnnten (insoweit ist die Organkompetenz der Gesellschafterorgane durch die InsolvenzerÇffnung nicht derogiert), aber zu einer GewinnausschÅttung kÇnnte es nicht mehr kommen, weil das VermÇgen der Kapitalgesellschaft vollstsndig der Haftungsverwirklichung der Insolvenzglsubiger zugewiesen ist und Gesellschafter nur nachrangig bedient werden kÇnnen (§§ 38, 39 InsO). Kreditgewshrungen kommen im Insolvenzverfahren allenfalls bei operativ tstigen Insolvenzschuldnern beispielsweise zur xberbrÅckung von LiquiditstslÅcken bei aufwendiger Produktion in Frage, nicht aber dann, wenn der Geschsftsbetrieb vollstsndig eingestellt ist. Einer Information von Fremdkapitalgebern bedarf es mithin nicht mehr. Auch denjenigen Personen, die mit dem Insolvenzverwalter kontrahieren und Masseforderungen i.S.v. § 55 InsO erlangen, nutzt eine handelsrechtliche BuchfÅhrung und Bilanzierung nichts, wenn sie sich ein Bild darÅber verschaffen wollen, ob denn gute Aussicht besteht, dass die Insolvenzmasse auch zur Begleichung der Masseverbindlichkeiten ausreichen und nicht alsbald Masseunzulsnglichkeit (§ 208 InsO) eintreten wird. Masseunzulsnglichkeit ergibt sich nsmlich oft sehr kurzfristig; auch besteht sie vielmals nur in einer Liquiditstsunterdeckung. Jshrliche Bilanzierung hilft hier wenig. Der um seine Masseforderung besorgte Glsubiger wird daher den Insolvenzverwalter Åber die VermÇgens- und Liquiditstslage der Insolvenzmasse befragen und dabei stichhaltige und zuverlsssige Informationen darÅber erhalten, ob er bei BegrÅndung einer Forderung gegen die Masse ein Risiko eingeht oder nicht. Ertragsteuerlich ist das Liquidationsanfangs- mit dem LiquidationsendvermÇgen zu vergleichen (§ 11 Abs. 2 und 7 KStG, 7 GewStG, 16 GewStDV). Eine jshrliche Gewinnermittlung entfsllt also. Umsatzsteuervoranmeldungen kÇnnen auch auf der Grundlage der insolvenzrechtlichen Einnahmen-/Ausgabenrechnung erstellt werden.

140

Die handelsrechtliche Rechnungslegung wird also zumindest bei kleineren und mittleren Kapitalgesellschaften vollstsndig durch die insolvenzrechtliche Rechnungslegung (Rz. 3.139) ersetzt, wenn der schuldnerische Geschsftsbetrieb bereits bei InsolvenzverfahrenserÇffnung eingestellt war. FÅchsl/Weishnupl weisen zu Recht darauf hin, dass die zusstzliche handelsrechtliche BuchfÅhrungs- und Bilanzierungsverpflichtung sogar insolvenzweckwidrig wsre, weil sie eine „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme fÅr WirtschaftsprÅfer und Steuerberater“ darstellt, erhebliche Kosten ver-

232

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

ursacht, die die Quote der Insolvenzglsubiger verringert,1 ohne ihnen einen Mehrwert gegenÅber der insolvenzrechtlichen Rechnungslegung zu bringen und sich fÅr den Insolvenzrechtspfleger ein unnÇtiger zusstzlicher PrÅfungsaufwand ergibt.2 Der Hinweis von Uhlnnder, die „theoretischen ErÇrterungen“ um die Frage nach einer Einschrsnkung der handelsund steuerrechtlichen BuchfÅhrungspflichten im Insolvenzverfahren „gehen an der Wirklichkeit vorbei, wenn die Masse die Kosten fÅr die Rechnungslegung gar nicht tragen kann oder sich dadurch erschÇpft“, verstellt das Problem solch kleiner Verfahren. Gerade hier zeigt sich die Insolvenzzweckwidrigkeit offenkundig: MÅsste der Insolvenzverwalter die handelsrechtlichen BuchfÅhrungspflichten im allgemeinen Umfange erfÅllen, so mÅssten Verfahren mit einer Masse um Euro 5 000 herum nahezu regelmsßig nach § 211 InsO oder gar mangels Masse nach § 207 InsO eingestellt werden bzw. kÇnnten erst gar nicht erÇffnet werden. Der Intention des Insolvenzrechtsgesetzgebers entspricht es, u.a. die niedrige ErÇffnungsquote des Konkursrechts zu erhÇhen.3 Dies ist auch gelungen. Wshrend unter der Geltung der Konkursordnung etwa 75 % der Konkursantrsge mangels Masse abgewiesen werden mussten,4 liegt die Abweisungsquote heute unter 30 %.5 Dies ist u.a. darauf zurÅckzufÅhren, dass viele Insolvenzverfahren, fÅr die eine Insolvenzmasse von etwa Euro 3 500 im ErÇffnungsverfahren prognostiziert wird, erÇffnet werden kÇnnen. Dieser Betrag reicht in der Regel aus, um die Mindestverfahrenskosten (bestehend aus der VergÅtung und den Auslagen des vorlsufigen Insolvenzverwalters und des Insolvenzverwalters im erÇffneten Verfahren sowie die Gerichts- und VerÇffentlichungskosten) zu decken. Die Erfahrung zeigt, dass in vielen solcher Insolvenzverfahren, die mit derart knapp kalkulierter Verfahrenskostendeckung erÇffnet wurden, im Laufe eines Insolvenzverfahrens durchaus noch nicht unerhebliche VermÇgensgegenstsnde auftauchen kÇnnen, die freilich nur in Folge der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens den Glsubigern zugefÅhrt werden kÇnnen. Sshe man den Insolvenzverwalter allerdings auch bei kleinen Kapitalgesellschaften, deren Geschsftsbetrieb bereits bei VerfahrenserÇffnung vollstsndig eingestellt ist, als zur uneingeschrsnkten handelsrechtlichen BuchfÅhrung und Bilanzierung verpflichtet an, so mÅsste von vornherein mit Steuerberatungskosten i.H.v. mindestens Euro 1 500 gerechnet werden. Diese wsren zwar vom Grundsatz her nicht Verfahrenskosten i.S.v. §§ 54, 26 InsO, sondern lediglich Masseverbindlichkeiten. Sie mÅssten aber faktisch wie 1 Auch Waza/Uhlnnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1004 rsumt ein, dass die Rechnungslegungskosten ein Argument seien, das fÅr die einschrsnkende Auslegung der Rechnungslegungspflichten spricht; Uhlnnder gelangt dann aber aufgrund „Çffentlicher Interessen“ zu der Auffassung, jedenfalls fÅr nicht massearmen Verfahren komme eine Einschrsnkung der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflichten nicht in Betracht. 2 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 14. 3 MÇning in Nerlich/RÇmermann, Vorbemerkung vor §§ 11 bis 34 InsO Rz. 4. 4 Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 27 Rz. 6. 5 Beck in Beck/Depru, Praxis der Insolvenz, § 13 Rz. 3.

233

141

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Verfahrenskosten behandelt werden, denn es kÇnnte wohl kaum angehen, dass der Insolvenzverwalter einem Steuerberater, wenn die Masse zur Deckung seines Honorars nicht ausreicht, den Auftrag zu BuchfÅhrung und Jahresabschlusserstellung erteilen muss, um dann die Masseunzulsnglichkeit anzuzeigen und ihn mit seinem Honoraranspruch ausfallen zu lassen.1 In Folge dessen wÅrde man den Insolvenzverwalter in solchen Konstellationen als berechtigt ansehen mÅssen, den Steuerberater selbst zu beauftragen und die entstehenden Kosten als Auslagen des Insolvenzverwalters nach § 8 InsVV gegen die Masse geltend zu machen. Wollte man den Insolvenzverwalter in solchen Konstellationen stattdessen als verpflichtet ansehen, die Kosten eines Steuerberaters einzusparen und die handelsrechtlichen BuchfÅhrungspflichten selbst zu erfÅllen bzw. durch eigenes Personal erfÅllen zu lassen,2 so stÅnde ihm dafÅr ein Zuschlag zu seiner VergÅtung gem. § 3 InsVV zu,3 dessen HÇhe sich wiederum an den Steuerberaterkosten zu orientieren hstte.4 Somit wsren die Steuerberatungskosten Verfahrenskosten i.S.v. §§ 54, 26 InsO mit der Folge, dass Verfahren mit einer prognostizierten Masse unter Euro 5 000 praktisch nicht erÇffnet werden kÇnnten. Das geht nicht nur am Ziel des Insolvenzrechtsgesetzgebers vorbei, sondern lsuft auch dem berechtigten Interesse der Insolvenzglsubiger an einer geordneten VermÇgensabwicklung und Verteilung des RestvermÇgens zuwider. FÅr den Insolvenzverwalter stellt sich allerdings in der Praxis ein nicht zu unterschstzendes Dilemma: Solange die Frage des Umfangs handelsrechtlicher Rechnungslegungspflichten nicht hÇchstrichterlich geklsrt ist, muss er damit rechnen, dass eine NichterfÅllung der Rechnungslegungspflichten zu einer Steuerschltzung der Finanzverwaltung fÅhren kann.5 Daraus kann dem Insolvenzverwalter eine persÇnliche Haftung gem. § 60 InsO drohen, weil die Insolvenzmasse pflichtwidrig geschmslert wird. Außerdem kann der Insolvenzverwalter mÇglicherweise sogar nach § 69 AO persÇnlich in Haftung genommen werden, wenn in Folge unterbliebe1 Siehe hierzu auch OLG Koblenz v. 9.4.1992 – 5 U 471/91, ZIP 1993, 52 = DStR 1993, 71 (71) wonach der Verwalter nicht pflichtwidrig handelt, wenn er in massearmen Verfahren keine BuchfÅhrungsarbeiten vergibt, die zweifellos nur zu einer Schmslerung der Masse fÅhren. 2 So die in diesem Zusammenhang mitunter zitierten Entscheidungen des BFH v. 8.8.1995 – VII R 25/94, ZIP 1996, 430 = BFH/NV 1996, 13 ff. und BFH v. 23.8.1994 – VII R 143/92, BStBl. II 1995, 194 = ZIP 1994, 1969 = DStR 1995, 18 (19); v. 19.11.2007 – VII B 104/07, BFH/NV 2008, 334 ff., die allerdings nicht danach differenzieren, ob der Geschsftsbetrieb des Insolvenzschuldners bei VerfahrenserÇffnung bereits eingestellt war oder nicht und auch nicht danach, ob der Geschsftsbetrieb bei Eintritt der Massearmut noch fortgefÅhrt wurde oder nicht. 3 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 40; Haarmeyer/Wutzke/FÇrster, InsVV, § 4 Rz. 26. 4 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 40; FÇrster, ZInsO 2000, 444 (445). 5 Hierzu Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1006.

234

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

ner Rechnungslegung SteueransprÅche nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfÅllt werden kÇnnen.1 Nach der Auffassung des LG Frankfurt/O. kommt gem. §§ 325, 325a, 335 HGB die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Insolvenzverwalter in Betracht, wenn er den Jahresabschluss fÅr die insolvente Kapitalgesellschaft nicht offenlegt.2 Dazu muss er ihn freilich erstellen bzw. erstellen lassen, wozu das LG Frankfurt/O. ihn auch als verpflichtet ansieht.3 Das LG Frankfurt/O. Åbersieht dabei allerdings, dass der Insolvenzverwalter zwar grundsstzlich die handelsrechtlichen BuchfÅhrungspflichten der Schuldnerin Åbernimmt (§ 155 InsO), dadurch aber nicht zum gesetzlichen Vertreter der Insolvenzschuldnerin wird. Daher bleiben, wie das LG Bonn nunmehr zutreffend entschieden hat,4 GeschsftsfÅhrer bzw. Vorstsnde einer in Insolvenz befindlichen Kapitalgesellschaft zur Offenlegung des Jahresabschlusses trotz InsolvenzerÇffnung verpflichtet. Die Offenlegungspflicht trifft hingegen nicht den Insolvenzverwalter.5 Gegen die gesetzlichen Vertreter kann allerdings in der Regel kein Ordnungsgeld festgesetzt werden, wenn sie ihrer fortbestehenden Verpflichtung zur Offenlegung von JahresabschlÅssen nicht nachkommen. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 335 Abs. 3 Satz 4 HGB setzt Verschulden voraus, weil sie das Unterlassen der rechtzeitigen Offenlegung der Jahresabschlussunterlagen nachtrsglich sanktioniert.6 Die gesetzlichen Vertreter der insolventen Kapitalgesellschaft kÇnnen auf das VermÇgen der Kapitalgesellschaft nach InsolvenzerÇffnung nicht mehr zugreifen, um die Kosten der Offenlegung des Jahresabschlusses zu finanzieren, weil die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis bezÅglich des VermÇgens gem. § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter Åbergegangen ist. Dies gilt lediglich dann nicht, wenn in Folge einer Freigabe von VermÇgensgegenstsnden aus der Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter insolvenzfreies VermÇgen geschaffen worden ist, Åber das die gesetzlichen Vertreter die VerfÅgungsbefugnis zurÅckerhalten haben.7 Fehlt es daran (wie im Regelfall), so haben die gesetzlichen Vertreter keinen Zugriff auf finanzielle Mittel der Kapitalgesellschaft. Bei der Offenlegungspflicht aus § 325 HGB handelt es sich nicht um eine originsre (private) Pflicht der gesetzlichen Vertreter, sondern um eine auf Grund ihrer Vertreterstellung von der Kapitalgesellschaft abgeleitete Pflicht.8 Sofern sie die Kosten fÅr die Offenlegung aus Mitteln der Kapitalgesellschaft in Folge der ErÇffnung des Insolvenz1 2 3 4 5

Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1005. LG Frankfurt/O. v. 4.9.2006 – 32 T 12/05, NZI 2007, 294 (295). LG Frankfurt/O. v. 4.9.2006 – 32 T 12/05, NZI 2007, 294 (295). LG Bonn v. 16.9.2009 – 30 T 366/09, ZIP 2009, 2107 = NZI 2009, 781 (781). Dies entspricht inzwischen weit Åberwiegender Auffassung, vgl. nur Grashoff, NZI 2008, 65 (69); Holzer, ZVI 2007, 401 (405); LG Frankfurt/M. v. 1.10.2007 – 3-16 T 30/07, ZIP 2007, 2325 ff. 6 LG Bonn v. 30.6.2008 – 11 T 48/07, BeckRS 2008, 17128; BVerfG v. 11.3.193009 – 1 BvR 3413/08, NJW 2009, 2588 (2589) = NZG 2009, 874 (875). 7 LG Bonn v. 16.9.2009 – 30 T 366/09, ZIP 2009, 2107 = NZI 2009, 781 (782). 8 LG Bonn v. 16.9.2009 – 30 T 366/09, ZIP 2009, 2107 = NZI 2009, 781 (782).

235

3.142

143

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

verfahrens nicht mehr aufbringen kÇnnen, trifft sie hieran kein Verschulden. Sie hstten insoweit nicht einmal RÅcklagen vorhalten kÇnnen, weil diese ebenfalls unter den VermÇgensbeschlag des § 80 InsO fallen wÅrden. Zur Aufwendung der nÇtigen Kosten aus ihrem PrivatvermÇgen sind die gesetzlichen Vertreter auch nicht verpflichtet.1 Andererseits kann die Beauftragung eines Steuerberaters mit der handelsrechtlichen Rechnungslegung ebenfalls SchadensersatzansprÅche gegen den Insolvenzverwalter gem. § 60 InsO auslÇsen, wenn man ihn zur handelsrechtlichen Rechnungslegung nicht verpflichtet ansieht, weil er dann die mit der Beauftragung des Steuerberaters verbundenen Kosten nicht hstte aufwenden dÅrfen und die Masse hierdurch insolvenzzweckwidrig geschmslert hat. (2) Laufende Rechnungslegung bei BetriebsfortfÅhrung

144

Geschlftsjahr: Wird ein zur Insolvenzmasse gehÇrendes Unternehmen nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens (wenn auch nur zeitweilig) fortgefÅhrt, so sind im Grundsatz die handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften nach § 238 HGB i.V.m. § 155 InsO zu beachten.

145

Mit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens beginnt ein neues Geschsftsjahr, § 155 Abs. 2 Satz 1 InsO. Der Insolvenzverwalter kann allerdings stattdessen zum bisherigen Geschsftsjahr zurÅckkehren. Wird das bisherige Geschsftsjahr beibehalten, ist ein weiteres Rumpfgeschsftsjahr zwischen dem Tag der InsolvenzerÇffnung und dem regulsren Ende des vor der VerfahrenserÇffnung beginnenden Geschsftsjahres zu bilden.2 Es ist hierfÅr bei Kapitalgesellschaften kein Hauptversammlungs- oder Gesellschafterbeschluss erforderlich, weil das in der Satzung oder im Gesellschaftsvertrag festgelegte Geschsftsjahr beibehalten wird (§§ 179 Abs. 1 AktG, 53 Abs. 1 GmbHG) und damit keine Satzungssnderung vorliegt.3 Will der Insolvenzverwalter hingegen im Falle einer in ein laufendes Geschsftsjahr fallenden InsolvenzerÇffnung ein neues, volle zwÇlf Monate umfassendes Geschsftsjahr beginnen, so ist hierzu eine Satzungssnderung erforderlich. Gemsß § 155 Abs. 2 Satz 2 InsO werden die gesetzlichen Fristen fÅr Aufstellung und Offenlegung des Jahresabschlusses um die Zeit zwischen der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens und dem Berichtstermin verlsngert. Zum dreijshrigen Liquidationszeitraum s. Rz. 3.161.

146

JahresabschlÅsse: FÅr Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften ergibt sich die Pflicht, JahresabschlÅsse aufzustellen, aus §§ 238 ff. HGB, fÅr Kapitalgesellschaften aus §§ 270 AktG, 71 GmbHG. Die Pflicht zur Aufstellung dieser AbschlÅsse obliegt wshrend des Insolvenzverfahrens dem Insolvenzverwalter, § 155 InsO. FÅr die Bewertung der Bilanzposten 1 LG Bonn v. 16.9.2009 – 30 T 366/09, ZIP 2009, 2107 = NZI 2009, 781 (782). 2 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 18. 3 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 18.

236

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

gelten die fÅr die Schlussbilanz der werbenden Gesellschaft anzuwendenden Maßstsbe entsprechend (Rz. 3.131). Gewinn- und Verlustrechnung: Auch fÅr die nach InsolvenzerÇffnung liegenden Geschsftsjahre ist eine Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen. DafÅr gelten die gleichen Regeln wie fÅr werbende Gesellschaften (§§ 242 ff., 265, 275, 277 HGB). Allerdings sind Besonderheiten zu berÅcksichtigen, die sich daraus ergeben, dass neben die BetriebsfortfÅhrung in aller Regel zumindest auch Verwertungsmaßnahmen treten, die nicht den gewÇhnlichen Geschsftsgang des Unternehmens betreffen und bestimmte Geschsfte und ErlÇse Zeitrsume vor InsolvenzerÇffnung betreffen, andere originsre Vorgsnge aus der FortfÅhrung im Rahmen des Insolvenzverfahrens sind. Jedenfalls Ertrsge aus Verwertungen (insbesondere des AnlagevermÇgens) und sonstige Ertrsge (beispielsweise aus insolvenzbedingter AuflÇsung einer SteuerrÅckstellung) mÅssen gesondert ausgewiesen werden.1 Bei den Aufwendungen sollten die typischerweise mit Abwicklungsmaßnahmen zusammenhsngenden Kosten separiert ausgewiesen werden, also etwa Gutachter- und Verwertungskosten. Außerdem sollten die Ertrsge und Aufwendungen aus der Abwicklung des vorinsolvenzlichen VermÇgensbestandes und der originsren BetriebsfortfÅhrungststigkeit des Insolvenzverwalters separat ausgewiesen werden. Nur so kann der wirtschaftliche Wert einer BetriebsfortfÅhrung durch den Insolvenzverwalter einigermaßen objektiv dargestellt werden. Sofern also angearbeitete Auftrsge bei InsolvenzerÇffnung vorhanden waren und der Insolvenzverwalter insoweit die ErfÅllung des Vertrages gem. § 103 InsO wshlt, so ist der nach InsolvenzerÇffnung von dem Kunden bezahlte Kaufpreis aufzuteilen in Ertrag aus Verwertung (des angearbeiteten WerkstÅcks) und Ertrag aus der BetriebsfortfÅhrung, denn nur so gelingt eine objektive GegenÅberstellung insbesondere mit den Kosten, die der Insolvenzverwalter etwa fÅr Materialeinkauf zur Fertigstellung des angearbeiteten WerkstÅcks aufgewendet hat.

3.147

Anhang: Der Jahresabschluss muss einen Anhang enthalten, § 284 Abs. 2 Ziff. 1 HGB, in dem vor allem eine Erlsuterung der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden erfolgt. Dabei ist insbesondere dazu Stellung zu nehmen, in wie weit in Bezug auf Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden Abweichungen zu vorangehenden JahresabschlÅssen gegeben sind.

3.148

Lagebericht: FÅr mittelgroße und große Kapitalgesellschaften hat der Insolvenzverwalter einen Lagebericht gem. § 289 HGB aufzustellen (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 InsO). FÅr kleine Kapitalgesellschaften i.S.v. § 267 Abs. 1 HGB gilt diese Pflicht nicht (§ 264 Abs. 1 Satz 4 HGB). Die vom Insolvenzverwalter im Rahmen der laufenden insolvenzrechtlichen Berichterstattung gegenÅber dem Insolvenzgericht, vgl. § 58 InsO und Rz. 3.112, erteilten Sachstandsberichte dÅrften in aller Regel die Anforderungen des § 289 Abs. 1 HGB erfÅllen, so dass ein dop-

3.149

1 Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 959.

237

150

151

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

pelter Aufwand vermeidbar ist.1 Da Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften, bei denen mindestens ein persÇnlich haftender Gesellschafter eine natÅrliche Person ist, handelsrechtlich nicht verpflichtet sind, einen Lagebericht aufzustellen, ist auch der Åber ihr VermÇgen bestellte Insolvenzverwalter nicht verpflichtet, einen solchen aufzustellen. AbschlussprÅfung und Offenlegung: Die AbschlÅsse von Einzelkaufleuten und Personenhandelsgesellschaften sind grundsstzlich nicht prÅfungs- und offenlegungspflichtig.2 Bei mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften i.S.v. § 267 Abs. 1 HGB ist der Jahresabschluss hingegen durch einen AbschlussprÅfer zu prÅfen (§§ 316 ff. HGB i.V.m. § 155 Abs. 1 InsO). ! Hinweis: Eine Befreiung von der PrÅfungspflicht kommt entsprechend §§ 270 Abs. 3 AktG, 71 Abs. 3 GmbHG in Betracht, wenn die Verhsltnisse so Åberschaubar sind, dass eine PrÅfung der Verhsltnisse im Glsubiger- und Aktionsrsbzw. Gesellschafterinteresse nicht geboten ist.3 Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Geschsftsbetrieb des Insolvenzschuldners wshrend des gesamten Zeitraumes, auf den sich der Jahresabschluss bezieht, eingestellt war. FÅr die Befreiung ist wie auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens das Registergericht zustsndig,4 nicht das Insolvenzgericht.5 Das Registergericht wird dem Antrag in aller Regel stattgeben, weil die PrÅfung des Jahresabschlusses neben der ohnehin vorzunehmenden PrÅfung der insolvenzrechtlichen Rechnungslegung durch Glsubigerausschuss und Insolvenzgericht ihren Zweck verliert, die Glsubigerinteressen zu wahren.6 Eine Befreiung von der PrÅfungspflicht fÅr Geschsftsjahre vor der InsolvenzerÇffnung kommt allerdings grundsstzlich nicht in Betracht,7 auch nicht fÅr den letzten Jahresabschluss der werbenden Gesellschaft. Eine Befreiung von der PrÅfungspflicht kann auch dadurch eintreten, dass die Gesellschaft auf einen kleingewerblichen Umfang gem. § 1 Abs. 2 HGB herabsinkt, wodurch sie zur kleinen Kapitalgesellschaft i.S.v. § 267 Abs. 1 HGB wird.

Streitig ist, durch wen der AbschlussprÅfer gem. § 318 Abs. 1 Satz 1 HGB im Insolvenzverfahren gewlhlt wird. Einerseits wird vertreten, das Wahlrecht gehe auf die Glsubigerversammlung Åber, weil die Gesellschafterversammlung ihre Entscheidungsbefugnis Åber die Insolvenzmasse verloren habe.8 Andererseits wird vertreten, das Wahlrecht stehe auch in der

1 So auch Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 964. 2 Ausnahmen bestehen fÅr große Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften nach § 9 Abs. 2 Publizitstsgesetz (PublG). 3 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 21; Boochs/Dauernheim, Steuern in der Insolvenz, S. 276. 4 Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 974; Boochs/Dauernheim, Steuern in der Insolvenz, S. 276. 5 So aber Kunz/Mundt, DStR 1997, 664, (668). 6 Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 974. 7 OLG MÅnchen v. 10.8.2005 – 31 Wx 61/05, 31 Wx 061/05, DB 2005, 2013. 8 Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 973; so auch Kunz/Mundt, DStR 1997, 664, (668).

238

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

Insolvenz der Gesellschafterversammlung zu.1 Dabei ist letzterer Auffassung zu folgen. Im Insolvenzverfahren bleibt es nsmlich bei der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Kompetenzzuordnung und damit bei den gesellschaftsrechtlichen Organzustsndigkeiten.2 Lediglich die Verwaltungsund VerfÅgungsbefugnis bezÅglich des VermÇgens des Insolvenzschuldners geht auf den Insolvenzverwalter gem. § 80 InsO Åber. Damit ist im Wesentlichen die VerfÅgungsmacht des Vorstands bzw. GeschsftsfÅhrers beschnitten, nicht aber die Kompetenz der Gesellschafterversammlung. Diese ist nach wie vor voll funktionsfshig: Sie kann beispielsweise trotz InsolvenzerÇffnung einen GeschsftsfÅhrer abberufen und einen neuen bestellen (der allerdings freilich auch keine VerfÅgungsbefugnis hstte, was aber in Fsllen durchaus relevant werden kann, in denen der Insolvenzverwalter Massegegenstsnde aus der Insolvenzmasse freigegeben hat), sie kann KapitalerhÇhungen beschließen (beispielsweise um die Grundlage fÅr einen Insolvenzplan zu schaffen), sie kann GeschsftsfÅhrern Entlastung erteilen usw. Die Gesellschafterversammlung braucht auch keine „Entscheidungsbefugnis Åber die Insolvenzmasse“, um zur Wahl des AbschlussprÅfers berufen zu sein. Erstens hat sie eine Entscheidungsbefugnis Åber das VermÇgen einer Kapitalgesellschaft auch außerhalb des Insolvenzverfahrens auch nur hÇchst mittelbar durch Einflussnahme auf den zur VerfÅgung Åber das VermÇgen der Gesellschaft berufenen GeschsftsfÅhrer (bei Aktiengesellschaften, deren Vorstand von Weisungen der Hauptversammlung frei ist, wohl eher gar nicht). Zweitens ist eine solche Entscheidungsbefugnis auch gar nicht erforderlich, weil es um eine ordnungsgemsße Abbildung der Ertrags- und VermÇgenslage der Gesellschaft geht (also nicht nur der Aktiva, die zur Insolvenzmasse gehÇren), und nicht um eine Einflussnahme auf zur Insolvenzmasse gehÇrende Gegenstsnde. Demnach bleibt es auch im Insolvenzverfahren dabei, dass das Wahlrecht gem. § 318 Abs. 1 Satz 1 HGB grundsstzlich der Gesellschafterversammlung zusteht. Sieht der Gesellschaftsvertrag vor, dass das Wahlrecht dem GeschsftsfÅhrer zusteht, so geht es im Insolvenzverfahren auf den Insolvenzverwalter Åber.3 Ausgeschlossen ist dabei, dass sich der Insolvenzverwalter selbst zum AbschlussprÅfer wshlt, selbst wenn er Åber die Berufszulassung als WirtschaftsprÅfer verfÅgt.4 Die Auftragserteilung an den AbschlussprÅfer erfolgt entsprechend § 318 Abs. 1 Satz 4 HGB durch den Insolvenzverwalter.

3.152

Auch im Insolvenzverfahren besteht die Offenlegungspflicht aus § 325 HGB. Die Offenlegungspflicht gilt grundsstzlich nicht fÅr die AbschlÅsse von Einzelunternehmen und Personenhandelsgesellschaften. Anders als

3.153

1 Boochs/Dauernheim, Steuern in der Insolvenz, S. 275; Boochs in FrankfurterKomm/InsO, § 155 Rz. 103. 2 Deprp/BÅterÇwe in Beck/Depru, Praxis der Insolvenz, § 31 Rz. 91. 3 Ebenso Boochs/Dauernheim, Steuern in der Insolvenz, S. 275; Boochs in FrankfurterKomm/InsO, § 155 Rz. 103. 4 Boochs/Dauernheim, Steuern in der Insolvenz, S. 275; Boochs in FrankfurterKomm/InsO, § 155 Rz. 103.

239

154

155

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

die PrÅfungspflicht besteht die Offenlegungspflicht auch fÅr kleine Kapitalgesellschaften i.S.v. § 267 Abs. 1 HGB, allerdings mit der MÇglichkeit der Inanspruchnahme von Erleichterungen gem. § 326 HGB. Die Offenlegungspflicht trifft allerdings nicht den Insolvenzverwalter, weil er nicht zum gesetzlichen Vertreter der insolventen Gesellschaft wird, sondern bleibt weiterhin bei den zur Vertretung berufenen GeschsftsfÅhrern bzw. Vorstsnden.1 ZustimmungswÅrdig ist diejenige Auffassung, die eine BefreiungsmÇglichkeit fÅr die Offenlegungspflicht analog §§ 270 Abs. 3 AktG, 71 Abs. 3 GmbHG annimmt.2 Gegen die gesetzlichen Vertreter kann allerdings in der Regel kein Ordnungsgeld festgesetzt werden, wenn sie ihrer Verpflichtung zur Offenlegung von JahresabschlÅssen nicht nachkommen, weil sie mangels VerfÅgungsbefugnis Åber das VermÇgen der insolventen Gesellschaft kein Verschulden an der Unterlassung einer Offenlegung trifft.3 dd) Rechnungslegung bei Betriebseinstellung wlhrend des Insolvenzverfahrens Wird der Geschsftsbetrieb des Insolvenzschuldners wshrend des erÇffneten Insolvenzverfahrens eingestellt, so ergeben sich handelsrechtlich keine Besonderheiten. Insbesondere ist keine Schlussbilanz erforderlich.4 ee) Rechnungslegung am Schluss des Insolvenzverfahrens Grundsstzlich muss bei Beendigung des Insolvenzverfahrens keine Schlussbilanz aufgestellt werden. Das Abwicklungsergebnis ist allein im Rahmen der insolvenzrechtlichen Schlussrechnungslegung darzustellen (Rz. 3.120). Endet das Insolvenzverfahren allerdings ausnahmsweise, ohne dass der Geschsftsbetrieb des Insolvenzschuldners eingestellt bzw. versußert worden ist, so endet mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens analog § 155 Abs. 2 Satz 2 InsO auch das Geschsftsjahr.5 Dies betrifft insbesondere diejenigen Fslle, in denen ein Insolvenzplanverfahren durchgefÅhrt worden ist. Bilanzstichtag ist der Tag der Aufhebung (insbesondere § 258 InsO) oder Einstellung des Insolvenzverfahrens (§§ 212, 213 InsO),6 nicht der Vollzug der Schlussverteilung,7 weil die Befugnisse des Insolvenzverwalters durch die Aufhebung bzw. Einstellung enden (§§ 215 Abs. 2 Satz 1, 259 Abs. 1 InsO), nicht durch den Vollzug der Schlussverteilung. Die Aufstellung der Schlussbilanz obliegt in den Fsllen der Einstel1 LG Bonn v. 16.9.2009 – 30 T 366/09, ZIP 2009, 2107 = NZI 2009, 781 (781). 2 Kunz/Mundt, DStR 1997, 664 (668). 3 LG Bonn v. 16.9.2009 – 30 T 366/09, ZIP 2009, 2107 = NZI 2009, 781 (781); s. ausfÅhrlich Rz. 3.142. 4 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 23; a.A. Kunz/Mundt, DStR 1997, 664 (671). 5 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 24. 6 Zutr. FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 24. 7 So aber KÅbler in KÅbler/PrÅtting, § 155 InsO Rz. 51.

240

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

lung nach §§ 212, 213 InsO dem Insolvenzschuldner.1 FÅr den Fall der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach § 258 InsO in Folge eines Insolvenzplanes gilt dies nicht. Hier obliegt die Aufstellung der Schlussbilanz dem Insolvenzverwalter und nicht dem reorganisierten Insolvenzschuldner, auch wenn der Insolvenzverwalter infolge der Verfahrensaufhebung oder -einstellung seine Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis (§ 80 InsO) verloren hat. Die Aufstellung der Schlussbilanz kann nsmlich steuerliche Folgen haben, die sich nachteilig auf die Insolvenzmasse auswirken kÇnnen. Da der Insolvenzverwalter sicherzustellen hat, dass er vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens alle durch ihn begrÅndeten bzw. wshrend seiner Verwaltung angelegten Masseverbindlichkeiten vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens berichtigt (§ 258 Abs. 2 InsO), selbst wenn diese erst nach der Beststigung des Insolvenzplanes entstehen sollten2 und der Insolvenzverwalter persÇnlich nach § 61 InsO haftet, wenn solche Verbindlichkeiten spster durch den Insolvenzschuldner nicht voll befriedigt werden sollten,3 muss es der Insolvenzverwalter allein in der Hand haben, beispielsweise notwendige Abschreibungen vorzunehmen. Daher kann die Aufstellung der Schlussbilanz nicht dem Insolvenzschuldner Åberlassen werden. Mit der Aufhebung bzw. Einstellung des Insolvenzverfahrens beginnt ein neues Geschsftsjahr. Sofern dieser Beginn nicht mit dem satzungsmsßigen Beginn eines Geschsftsjahres zusammenfsllt, hat der frÅhere Insolvenzschuldner die Wahl, ob er ein Rumpfgeschsftsjahr bildet, um den satzungsmsßigen Turnus wiederherzustellen, oder ob er die Satzung entsprechend sndert.

3.156

d) Steuerrechtliche Rechnungslegung im Insolvenzverfahren Literatur App, Handelsrechtliche, steuerrechtliche und insolvenzrechtliche Rechenlegungspflichten eines insolventen Unternehmens, StW 2005, 139; Deffland, Unternehmen in der Krise – Sanierung, Insolvenz und Abwicklung, StB 2005, 292; Leibner/ Pump, Die steuerlichen Pflichten eines Liquidators einer GmbH, GmbHR 2003, 996; Olbrich, Zur Besteuerung und Rechnungslegung der Kapitalgesellschaft bei AuflÇsung, DStR 2001, 1090 ff.

Die steuerlichen Rechnungslegungspflichten ergeben sich aus den Vorschriften der Abgabenordnung, insbesondere §§ 140 ff. AO. Den Insolvenzverwalter treffen auch die Aufbewahrungsvorschriften aus § 147 AO. Dies gilt sowohl fÅr diejenigen Unterlagen, die Zeitrsume nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens betreffen, als auch diejenigen aus der Zeit vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens. 1 Wohl auch FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 24. 2 Huber in MÅnchKomm/InsO, § 258 Rz. 11. 3 Huber in MÅnchKomm/InsO, § 258 Rz. 11.

241

3.157

158

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

§ 140 AO normiert die abgeleitete BuchfÅhrungspflicht. Danach werden die außersteuerlichen BuchfÅhrungs- und Aufzeichnungspflichten in das Steuerrecht transformiert. Wer nach anderen deutschen1 Gesetzen als den Steuergesetzen BÅcher und Aufzeichnungen zu fÅhren hat, die fÅr die Besteuerung von Bedeutung sind, hat die Verpflichtungen, die ihm nach den anderen Gesetzen obliegen, auch fÅr die Besteuerung zu erfÅllen. Der Begriff der BÅcher umfasst die HandelsbÅcher i.S.v. §§ 238 ff. HGB und die den HandelsbÅchern entsprechenden Aufzeichnungen von Nichtkaufleuten. Aufzeichnungen sind alle Åbrigen Erfassungen, die besondere Vorfslle oder Geschsftsvorgsnge dokumentieren. Dadurch erÅbrigen sich umfangreiche steuerrechtliche BuchfÅhrungs- und Bilanzierungsvorschriften. Insoweit wird insbesondere auf die handelsrechtlichen Vorschriften zurÅckgegriffen. Daneben hat auch der Insolvenzverwalter insbesondere folgende außersteuerliche Aufzeichnungen fÅr steuerliche Zwecke anzufertigen: – Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime (§ 13 HeimG), – Apotheken (Herstellungs- und PrÅfungsbÅcher, § 22 ApothekenbetriebsO), – Auskunfteien und Detekteien (AuftragsbÅcher, § 38 Abs. 3 GewO), – Bewachungsbetriebe (AuftragsbÅcher, § 14 BewachVO i.V.m. § 34a Abs. 2 Ziff. 2 GewO), – Bezirksschornsteinfegermeister (KehrbÅcher, § 14 SchornsteinfegerVO i.V.m. § 19 SchornsteinfegerG), – Effektenverwahrer (VerwahrungsbÅcher, § 14 Abs. 1 DepotG), – Fahrschulen (§ 18 Abs. 1, 2 FahrlG), – Heimarbeit (Beschsftigungslisten und EntgeltsbÅcher, §§ 6 Satz 1, 8 Abs. 1 Satz 9 HeimarbeitG i.V.m. §§ 9 ff. der 1. DurchfÅhrungsVO), – Krankenhluser (§ 3 KrankenhausbuchfÅhrungVO i.V.m. § 16 Ziff. 7 KHG), – Kreditinstitute (Verordnung Åber die Rechnungslegung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute und Identifizierungs- und Aufzeichnungspflichten gem. §§ 2, 9 GeldwsscheG), – Kursmakler (TagebÅcher, § 33 Abs. 1 BÇrsenG), – Lohnsteuerhilfevereine (Aufzeichnungen Åber Einnahmen, Ausgaben und VermÇgenswerte nach § 21 StBerG), – Makler (§ 10 MaBV i.V.m. § 34c Abs. 3 Ziff. 6 GewO), – Milch- und Fettwirtschaftsbetriebe (GeschsftsbÅcher, § 25 MilchFettG), – Pfandleiher (Pfandleihgeschsfte und ihre Abwicklung, § 3 PfandlVO), – ReisebÅros (§ 38 Abs. 3 GewO), – Saatguterzeuger (§§ 13 Abs. 3, 19 Abs. 2 SaatgutverkehrsG), 1 FG KÇln v. 14.10.1981 – I (VII) 565/79 G, EFG 1982, 422; GÇrke in HÅbschmann/ Hepp/Spitaler, § 140 AO Rz. 4.ff.; Schwarz, § 140 AO Rz. 2; a.A. DrÅen in Tipke/ Kruse, § 140 AO Rz. 7; offen gelassen BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238.

242

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

– Schusswaffen- und Munitionshersteller (WaffenherstellungsbÅcher, WaffenhandelsbÅcher und MunitionshandelsbÅcher gem. §§ 23 ff. WaffG i.V.m. §§ 14–18 der 1. Verordnung zum WaffG), – Tierlrzte, soweit sie eine Apotheke betreiben (§§ 5 Abs. 2, 13 Verordnung Åber tiersrztliche Hausapotheken), – WEG-Verwalter (Wirtschaftsplsne, Abrechnungen und Rechnungslegungen gem. § 28 WEG). Allerdings unterscheiden sich die Zielsetzungen der steuerrechtlichen und der außersteuerlichen Rechnungslegung. So soll im Steuerrecht die Erfassung des richtigen Gewinns gewshrleistet sein, wshrend beispielsweise die BuchfÅhrungs- und Aufzeichnungspflichten im Handelsrecht (§§ 238 ff. HGB) der Dokumentation der Geschsftsvorfslle des Kaufmanns sowie dem Schutz der Glsubiger und im Gewerberecht dem Schutz des Publikums dienen.1 § 140 AO wird im Bereich der Ertragsteuern (Einkommensteuer und KÇrperschaftsteuer) durch § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ergsnzt. Allerdings ist die AusÅbung steuerlicher Wahlrechte nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG n.F. nicht mehr an die handelsrechtliche Abbildung gebunden. Nach § 140 AO werden außersteuerliche BuchfÅhrungs- und Aufzeichnungspflichten nur dann in eine steuerliche Pflicht transformiert, wenn sie fÅr die Besteuerung von Bedeutung sind. Dies ist dann der Fall, wenn die BÅcher und Aufzeichnungen Sachverhalte festhalten, die geeignet sind, den Tatbestand eines Steuergesetzes zu erfÅllen oder aus denen mÇglicherweise Folgerungen fÅr die Besteuerung gezogen werden kÇnnen.2

3.159

Neben den außersteuerlichen BuchfÅhrungs- und Aufzeichnungspflichten bestehen auch besondere steuerrechtliche Aufzeichnungspflichten, insbesondere §§ 22 UStG, 63 UStDV. Auch diese bleiben von der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens unberÅhrt, § 155 Abs. 1 Satz 1 InsO.

3.160

§ 11 KStG enthslt fÅr AuflÇsung und Abwicklung von Kapitalgesellschaften steuerliche Erleichterungen. Grundsstzlich ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG der Gewinn der gesamten Abwicklung der Besteuerung zugrunde zu legen, wobei der Besteuerungszeitraum nicht mehr als drei Jahre betragen soll, § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG. Dieser dreijshrige Besteuerungszeitraum ersetzt grundsstzlich den Veranlagungszeitraum. Wshrend des Liquidationsbesteuerungszeitraumes besteht deshalb keine Verpflichtung zur Bilanzierung. Gleiches gilt auch fÅr die Gewerbeertragsteuer gem. §§ 7 GewStG, 16 GewStDV. Zur Ermittlung des Abwicklungsgewinns ist das Abwicklungs-EndvermÇgen dem Abwicklungs-AnfangsvermÇgen gegenÅberzustellen (§ 11 Abs. 2 KStG). § 11 KStG ist allerdings nicht anzuwenden, wenn das Unternehmen des Insolvenzschuldners nach InsolvenzerÇffnung fortgefÅhrt wird, auch wenn dies im Wortlaut des § 11 Abs. 7

3.161

1 CÇster in Pahlke/Koenig, § 140 AO Rz. 2. 2 CÇster in Pahlke/Koenig, § 140 AO Rz. 14.

243

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

KStG nicht eindeutig zum Ausdruck kommt.1 Die aus § 11 KStG resultierenden Vorteile sind nsmlich nur dann gerechtfertigt, wenn ein Unternehmen auch tatsschlich abgewickelt wird. Im Falle der BetriebsfortfÅhrung sind also jshrlich JahresabschlÅsse zu erstellen. Wird das Unternehmen nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens eingestellt, richten sich Besteuerung und BuchfÅhrungspflichten nach § 11 KStG. Fsllt der Zeitpunkt der Betriebseinstellung nicht mit dem Ende des Wirtschaftsjahres zusammen, kann das AbwicklungsanfangsvermÇgen (§ 11 Abs. 4 KStG) sowohl auf der Grundlage der Schlussbilanz des letzten ordentlichen Geschsftsjahres (also Einbeziehung des Gewinns aus der letzten FortfÅhrungsperiode in die Liquidationsbesteuerung) als auch auf der Grundlage einer „Betriebseinstellungsbilanz“ ermittelt werden.2

162

Kommt der Insolvenzverwalter seinen steuerrechtlichen Aufzeichnungsund BuchfÅhrungspflichten nicht ordnungsgemsß nach, so kann dies erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Insolvenzmasse haben oder gar die persÇnliche Haftung des Insolvenzverwalters aus § 60 InsO zur Folge haben. Gemsß § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die FinanzbehÇrde eine Schltzung der Besteuerungsgrundlagen (§§ 157 Abs. 2, 199 Abs. 1 AO) vorzunehmen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Darunter fallen vor allem die tatsschlichen und rechtlichen Verhsltnisse, die fÅr die Steuerpflicht und fÅr die Bemessung der Steuer maßgebend sind. DarÅber hinaus erfasst der Begriff der Besteuerungsgrundlagen auch alle rechtlichen Schlussfolgerungen aus diesen Verhsltnissen.3 Die Schstzung umfasst neben den Ergebnissen der Sachverhaltsermittlung auch Ergebnisse der Rechtsanwendung; so z.B. bei der Gewinnschstzung auf der Grundlage eines Betriebsvergleichs oder einer VermÇgenszuwachsrechnung.4 Außerdem zshlen zu den ggf. zu schstzenden Besteuerungsgrundlagen nicht nur Werte und Betrsge wie etwa die HÇhe der EinkÅnfte, Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben oder dem Wert eines Bilanzpostens, sondern auch sog. Grundsachverhalte. Dazu zshlen beispielsweise die Annahme, dass Åberhaupt steuerpflichtige EinkÅnfte erzielt wurden oder dass einem bestimmten Steuerpflichtigen bestimmte EinkÅnfte zuzurechnen sind.5

163

Zu schstzen ist insbesondere dann, wenn der Insolvenzverwalter keine den Rechnungslegungspflichten genÅgenden Angaben machen kann, seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO verletzt oder wenn tatsschliche Anhaltspunkte fÅr die Unrichtigkeit oder Unvollstsndigkeit der vom Insolvenzverwalter gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder BetriebsvermÇgensmehrungen des Insolvenzschuldners beste1 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 26; Streck, § 11 KStG Anm. 15; Pink, Insolvenzrechnungslegung, S. 209. 2 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 27. 3 CÇster in Pahlke/Koenig, § 162 AO Rz. 33. 4 CÇster in Pahlke/Koenig, § 162 AO Rz. 33. 5 AusfÅhrlich: CÇster in Pahlke/Koenig, § 162 AO Rz. 33.

244

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

hen.1 In den Fsllen der Verletzung der Mitwirkungspflichten oder der Vorlage von im Wesentlichen unverwertbaren oder nicht zeitnah erstellten Aufzeichnungen wird widerlegbar vermutet, dass steuerpflichtige EinkÅnfte vorhanden bzw. hÇher als die erklsrten EinkÅnfte sind. Schstzungen dÅrfen fÅr die Insolvenzmasse in der Weise nachteilig sein, dass sie am oberen Rand der in Betracht kommenden EinkÅnfte orientiert werden. Zudem ist gem. § 162 Abs. 4 AO bei Sachverhalten mit Auslandsbezug ein Zuschlag i.H.v. mindestens 5 000 Euro festzusetzen, wenn der Insolvenzverwalter Aufzeichnungen i.S.v. § 90 Abs. 3 AO nicht vorlegt oder die vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar sind. Eine Schstzung ist auch dann zulsssig, wenn der Insolvenzverwalter seiner Pflicht zur Abgabe einer Steuererklsrung nicht nachkommt.2 Allerdings darf die FinanzbehÇrde Schstzungen erst dann vornehmen, wenn eine sichere Feststellung der Besteuerungsgrundlagen trotz ernsthaften BemÅhens um Aufklsrung nicht mÇglich oder nicht zumutbar ist.3 Sie ist das sußerste Mittel der FinanzbehÇrde; § 162 AO ermÇglicht keine Besteuerung auf bloßen Verdacht.4 Die Schstzung erfolgt anhand von WahrscheinlichkeitsÅberlegungen. Dabei sind alle erkennbaren tatsschlichen Verhsltnisse zu berÅcksichtigen. Dies gilt sowohl fÅr Aspekte, die zugunsten des Steuerpflichtigen streiten, als auch fÅr solche, zu Ungunsten des Steuerpflichtigen sprechen (vgl. § 162 Abs. 1 Satz 2 AO). Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Schstzung zutreffend ist, wird umso grÇßer sein, je umfangreicher der zugrunde gelegte gewisse Sachverhalt und je zuverlsssiger die angewandte Schstzungsmethode ist.5 Das Finanzamt muss die Besteuerungsgrundlagen grundsstzlich so weit wie zumutbarer Weise mÇglich ermitteln, auch wenn erkennbar ist, dass dies nicht vollstsndig gelingen wird. Dies gilt auch dann, wenn eine xberprÅfung von Angaben des Steuerpflichtigen weitere Ermittlungen erforderlich macht.6 Bei der Vornahme der Schstzung sind alle erreichbaren Unterlagen, Belege und AuskÅnfte des Steuerpflichtigen zu berÅcksichtigen, soweit gegen ihre Beweiskraft keine Bedenken bestehen.7 BuchfÅhrungsunterlagen sind selbst dann fÅr die Schstzung von Bedeutung, wenn die BuchfÅhrung nicht den Grundsstzen ordnungsmsßiger BuchfÅhrung entspricht.8 Schstzungsergebnisse mÅssen insgesamt

1 BFH v. 19.1.1993 – VIII R 128/84, BStBl. II 1993, 594 = BB 1993, 1926 (1927). 2 BFH v. 20.10.1993 – II R 59/91, BFH/NV 1994, 176. 3 BFH v. 12.6.1986 – V R 75/78, BStBl. II 1986, 721; v. 18.12.1984 – VIII R 195/82, BStBl. II 1986, 226; v. 19.2.1987 – IV R 143/84, BStBl. II 1987, 412. 4 CÇster in Pahlke/Koenig, § 162 AO Rz. 1. 5 BFH v. 18.12.1984 – VIII R 195/82, BStBl. II 1986, 226. 6 BFH v. 18.8.1960 – IV 299/58 U, BStBl. II 1960, 451 (451); v. 17.5.1990 – IV R 36/89, BFH/NV 1991, 646 (647); v. 14.9.1993 – VII R 84–85/92, BFH/NV 1994, 683 (683). 7 BFH v. 14.9.1993 – VII R 84–85/92, BFH/NV 1994, 683 (684). 8 BFH v. 19.1.1993 – VIII R 128/84, BStBl. II 1993, 594.

245

3.164

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

schlÅssig, wirtschaftlich mÇglich und vernÅnftig sein.1 Sie dÅrfen nicht den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssstzen widersprechen.2 Da es im Insolvenzverfahren den Regelfall darstellt, dass sich selbst bei BetriebsfortfÅhrung die EinkÅnfte im Vergleich zu den vorinsolvenzlichen Zeitrsumen erheblich reduzieren, muss dieser Umstand bei Schstzungen berÅcksichtigt werden, wenn nicht offensichtliche Anhaltspunkte dagegen sprechen. Die Praxis hat unterschiedliche durch den BFH gebilligte Schstzungsmethoden entwickelt.3 Dabei ist die Finanzverwaltung grundsstzlich in der Wahl der Schstzungsmethode frei, wenn diese geeignet ist, ein vernÅnftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen.4 Der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schstzungsmethode.5 Das Finanzamt ist auch grundsstzlich nicht verpflichtet, das aufgrund der von ihm gewshlten Schstzungsmethode erzielte Ergebnis noch durch die Anwendung einer weiteren Schstzungsmethode zu ÅberprÅfen oder zu untermauern.6

165

Die Schstzung ist kein Zwangsmittel. Beide Maßnahmen stehen gleichgeordnet nebeneinander, so dass die FinanzbehÇrde je nach Lage des Falles die angemessene Maßnahme auswshlen kann.7 Die FinanzbehÇrde ist nicht verpflichtet, vor dem Erlass eines Schstzungsbescheids wegen Nichtabgabe der Steuererklsrung zunschst die Abgabe der Steuererklsrung nach § 328 ff. AO zu erzwingen.8 Die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklsrung wird gem. § 149 Abs. 1 Satz 4 AO durch die Schstzung nicht berÅhrt. Auch kann die Abgabe der Steuererklsrung auch nach Erlass eines Schstzungsbescheids weiterhin nach §§ 328 ff. AO erzwungen werden.

166

Der Schstzungsbescheid ist gem. § 121 Abs. 1 AO zu begrÅnden. Die Schstzungsergebnisse mÅssen schlÅssig und nachvollziehbar dargelegt werden.9 Das rechnerische Ergebnis einer Nachkalkulation ist offen zu legen und auf Verlangen sind auch die Ermittlungen bekannt zu geben, die zu diesem Ergebnis gefÅhrt haben.10 Gegen den Schstzungsbescheid kann 1 BFH v. 18.12.1984 – VIII R 195/82, BStBl. II 1986, 226; v. 13.10.2003 – IV B 85/02, NJW 2004, 1064 (1064); v. 29.5.2008 – VI R 11/07, DStR 2008, 1526 (1528) = BFH/NV 2008, 1600. 2 BFH v. 4.6.1997 – X R 12/94, BStBl. II 1997, 740 = DStRE 1997, 922 (923). 3 AusfÅhrlich zu unterschiedlichen Schstzungsmethoden s. CÇster in Pahlke/ Koenig, § 162 AO Rz. 104. 4 BFH v. 3.9.1998 – XI B 209/95, BFH/NV 1999, 290 ff.; v. 24.11.1988 – IV R 150/86, BFH/NV 1989, 416. 5 BFH v. 3.9.1998 – XI B 209/95, BFH/NV 1999, 290 ff. 6 BFH v. 3.9.1998 – XI B 209/95, BFH/NV 1999, 290 ff. 7 CÇster in Pahlke/Koenig, § 162 AO Rz. 29; Schwarz, § 162 AO Rz. 13; Seer in Tipke/Kruse, § 162 AO Rz. 13; a.A. RÇßler, DStZ 1988, 199 (199), der einen Vorrang des Erzwingungsverfahrens nach §§ 328 ff. annimmt. 8 BFH v. 12.1.1966 – I 269/63, BStBl. II 1966, 230. 9 BFH v. 8.11.1989 – X R 178/87, BStBl. II 1990, 268; FG KÇln v. 21.3.1995 – 13 K 6492/94, HaufeIndex 940306. 10 BFH v. 11.2.1999 – V R 40/98, BStBl. II 1999, 382 = DStR 1999, 798 (799); v. 17.11.1981 – VIII R 174/77, BStBl. II 1982, 430.

246

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

Einspruch eingelegt werden. Ein Schstzungsbescheid kann nach § 164 Abs. 2 AO jederzeit sowohl zugunsten als auch zu Ungunsten des Steuerpflichtigen gesndert werden, wenn er nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der NachprÅfung ergangen und der Vorbehalt noch wirksam ist.1 Im xbrigen kann ein bestandskrsftiger Schstzungsbescheid unter den Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 AO gesndert werden, wenn dem Finanzamt bei Erlass des Schstzungsbescheids bereits existierende Tatsachen nachtrsglich bekannt werden. Die Schstzung als solche ist keine Tatsache. ! Hinweis: Eine Alternative zur Schstzung stellt die sog. tatsschliche Verstsndigung dar. Unter einer tatsschlichen Verstsndigung ist eine Einigung zwischen einem Steuerpflichtigen und der FinanzbehÇrde Åber Besteuerungsgrundlagen zu verstehen. Eine tatsschliche Verstsndigung kommt regelmsßig bei schwierig zu ermittelnden tatsschlichen Umstsnden in Betracht. Gerade dann, wenn der Insolvenzverwalter bei der ErfÅllung seiner steuerlichen Pflichten auf die Mitwirkung des Schuldners angewiesen ist, dieser aber „am Insolvenzverwalter vorbei“ wirtschaftet, kann es angezeigt sein, bei der Finanzverwaltung eine tatsschliche Verstsndigung anzuregen. Man denke beispielsweise an den Fall, dass der Insolvenzschuldner ohne Wissen des Insolvenzverwalters Einnahmen erzielt, die er nicht angibt, was z.B. bei Gastststten nicht selten der Fall sein dÅrfte. Die tatsschliche Verstsndigung bindet die Beteiligten und auch das FG.

Außerdem kÇnnen auch gegen den Insolvenzverwalter Zwangsmaßnahmen gem. §§ 328 ff. AO angewendet werden, um ihn zur ErfÅllung seiner steuerlichen Pflichten zu zwingen. Auch kÇnnen dem Insolvenzverwalter Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten angelastet werden. In Betracht kommen insbesondere die Steuerhinterziehung nach § 370 AO und die leichtfertige SteuerverkÅrzung nach § 378 AO. Ein Verstoß gegen außersteuerliche BuchfÅhrungs- und Aufzeichnungspflichten kann eine Ordnungswidrigkeit nach § 379 AO darstellen; in Betracht kommt auch eine Verbrauchsteuergefshrdung gem. § 381 AO. Die Begehung der Straftatbestsnde aus §§ 283, 283a bzw. 283b StGB wegen Verletzung der handelsrechtlichen BuchfÅhrungspflichten scheidet hingegen aus.

3.167

! Hinweis: Dem Insolvenzverwalter kann bereits unmittelbar nach InsolvenzerÇffnung das Einverstsndnis der Finanzverwaltung zu BuchfÅhrungserleichterungen nach § 148 AO einholen.2 § 148 AO erlaubt es der FinanzbehÇrde, unter bestimmten Voraussetzungen Erleichterungen von den durch die Steuergesetze begrÅndeten BuchfÅhrungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten zu bewilligen. Die FinanzbehÇrde kann zwar keine Erleichterung fÅr handelsrechtliche BuchfÅhrungs- und Bilanzierungspflichten gewshren, aber zumindest die steuerrechtlichen Folgen kÇnnen vermieden werden. BuchfÅhrungserleichterungen kÇnnen bis zur Befreiung von der BuchfÅhrungspflicht gehen (Rz. 3.169).

§ 148 AO gestattet es der FinanzbehÇrde, Erleichterungen zu bewilligen, wenn die Einhaltung der durch die Steuergesetze begrÅndeten BuchfÅhrungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten Hsrten mit sich 1 CÇster in Pahlke/Koenig, § 162 AO Rz. 143. 2 Diese Empfehlung gibt auch Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1005.

247

3.168

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

bringt und die Besteuerung durch die Erleichterung nicht beeintrschtigt wird. § 148 AO ist eine spezielle Billigkeitsvorschrift, die der Milderung von Hsrten dient, die sich aufgrund der Steuerpflicht ergeben.1 Wann ein Hsrtefall vorliegt, ist unter RÅckgriff auf die zu §§ 163, 227 AO entwickelten Grundsstze zu beantworten. Danach ist es ausgeschlossen, Belastungen zu mildern, die mit der BuchfÅhrungs- und Aufzeichnungspflicht als solcher fÅr jedermann verbunden sind.

169

Erleichterungen kÇnnen sowohl in dem Verzicht auf die FÅhrung bestimmter BÅcher und Aufzeichnungen sowie auf die Aufbewahrung bestimmter Belege oder Unterlagen bestehen, als auch in einer vollstsndigen, vorÅbergehenden oder dauerhaften Befreiung von der ErfÅllung der BuchfÅhrungs-, Aufzeichnungs- oder Aufbewahrungspflichten.2 Voraussetzung fÅr diese grÇßtmÇgliche Erleichterung ist jedoch, dass die Belastung des Steuerpflichtigen besonders hart ist und nur durch eine vollstsndige Freistellung abgemildert werden kann.3 MÇglich ist auch die Bewilligung von BuchfÅhrungserleichterungen unter einer Befristung (§ 120 Abs. 2 Ziff. 1 AO). Zulsssig ist auch die mehrfache jeweils befristete Bewilligung von BuchfÅhrungserleichterungen; die Annahme eines Vertrauensschutzes in die weitere Gewshrung von BuchfÅhrungserleichterungen von § 148 AO scheidet jedoch aus. FÅr materielle Regelungen der Gewinnermittlung und des Bilanzsteuerrechtes kÇnnen nach § 148 AO keine Erleichterungen gewshrt werden.4

170

Zwar gehÇrt die BuchfÅhrungspflicht zu den wichtigsten Pflichten, die von dem Steuerpflichtigen im Interesse einer geordneten und gleichmsßigen Besteuerung erfÅllt werden mÅssen. Im Insolvenzverfahren liegt eine vom Allgemeinen abweichende Hsrte aber jedenfalls stets dann vor, wenn die Kosten fÅr die ordnungsgemsße und vollstsndige ErfÅllung der BuchfÅhrungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten von der Insolvenzmasse nicht getragen werden kÇnnen. Dann nsmlich mÅsste das Insolvenzverfahren nach § 211 InsO oder gar § 207 InsO eingestellt werden, nur um die Verletzung steuerlicher Pflichten zu vermeiden. Soweit dieses Resultat bereits vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens erkennbar ist, mÅsste von vornherein die Abweisung mangels Masse gem. § 26 InsO erfolgen (Rz. 3.140). Da das Insolvenzverfahren jedoch neben der Glsubigerbefriedigung auch der ordentlichen Abwicklung von Unternehmen und Rechtstrsgern dient und damit ebenso eine wichtige Aufgabe im allgemeinen Interesse zu erfÅllen hat wie die BuchfÅhrungspflichten selbst, dÅrfte es regelmsßig ermessensfehlerhaft sein, gerade in solch kleinen Insolvenzverfahren umfassende Erleichterungen von der BuchfÅhrungspflicht 1 FG Saarl. v. 18.12.1996 – 1 K 55/96, HaufeIndex 929115. 2 BFH v. 17.9.1987 – IV R 31/87, BStBl. II 1988, 20; Trzaskalik in HÅbschmann/ Hepp/Spitaler, § 148 AO Rz. 7; Seeger in Schmidt, § 13 EStG Rz. 131; CÇster in Pahlke/Koenig, § 148 AO Rz. 5; a.A. FG Saarl. v. 18.12.1996 – 1 K 55/96, HaufeIndex 929115; DrÅen in Tipke/Kruse, § 148 AO Rz. 1. 3 CÇster in Pahlke/Koenig, § 148 AO Rz. 5. 4 FG Bdb. v. 22.10.2003 – 2 K 618/02, EFG 2005, 1005 ff.

248

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

bis hin zur vollstsndigen Befreiung nicht zu erteilen, zumal mit dem Insolvenzverwalter eine zuverlsssige Person zur VerfÅgung steht. Da durch die Bewilligung von BuchfÅhrungserleichterungen allerdings nur (sachliche) Hsrten beseitigt werden sollen, die mit der ErfÅllung der BuchfÅhrungspflicht als solcher verbunden sind, darf die Besteuerung selbst hierdurch jedoch nicht beeintrschtigt werden. Das bedeutet, dass das steuerliche Ergebnis, das sich bei der Bewilligung von BuchfÅhrungserleichterungen ergibt, im Wesentlichen dem entsprechen muss, was auch ohne die Gewshrung der Bewilligung eintrste.1 Der Insolvenzverwalter hat also anfallende Steuern ungeachtet einer gewshrten Erleichterung abzufÅhren.

3.171

Eine Bewilligung nach § 148 AO kann rÅckwirkend erteilt werden. Der Widerruf mit Wirkung fÅr die Zukunft ist mÇglich (§ 131 Abs. 2 Ziff. 1 AO). Die RÅcknahme einer Bewilligung kann nach § 130 Abs. 2 AO unter den dort genannten Voraussetzungen auch mit Wirkung fÅr die Vergangenheit erfolgen. Gegen die Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von Erleichterungen sind der Einspruch (§ 347 AO) und ggf. die Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) gegeben. Vorlsufiger Rechtsschutz kann durch eine einstweilige Anordnung (§ 114 FGO) gewshrt werden.

3.172

VIII. Steuererkllrungspflichten Literatur Bartone, Steuererklsrungspflicht des Insolvenzverwalters, jurisPR SteuerR 11/2008 Anm. 1; Beck, Verpflichtung zur Abgabe einer Einkommensteuererklsrung in Insolvenzverfahren, insbesondere bei der Antragsveranlagung, NZI 2012, 991; Burchard/Hechtner/Musil, Verfahrensrechtliche Fragen der elektronischen Steuererklsrung im Rahmen des Projektes ELSTER, DStR 2007, 2290; Busch/Winkens, Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklsrungen, Veranlagungswahlrecht und eigenhsndige Unterschrift des Insolvenzverwalters bzw. des Treuhsnders, ZInsO 2009, 2173; Eichhorn, Zur Rechtmsßigkeit der Vorabforderung von Steuererklsrungen, DStR 2009, 1887; Frystatzki, Steuerpflicht bei selbstsndiger Tstigkeit des Insolvenzschuldners – In wessen Namen werden die Steuererklsrungen abgegeben?, EStB 2005, 232; Gerke/Sietz, Reichweite des Auslagenbegriffs gem. § 54 InsO und steuerrechtliche Pflichten des Verwalters in massearmen Verfahren, NZI 2005, 373; Hidien/Masuch, Neue Steuererklsrungspflichten im Binnenmarkt ab 1.1.2010, StBW 2010, 31; Lorenz, Die steuerlichen Rechte und Pflichten des Insolvenzverwalters, StW 2003, 164 ff.; Onusseit, Die steuerrechtlichen Rechte und Pflichten des Insolvenzverwalters in den verschiedenen Verfahrensarten nach der InsO, ZInsO 2000, 363; Schmittmann, AnsprÅche des Insolvenzverwalters gegen die Finanzverwaltung aus dem Informationsfreiheitsrecht, NZI 2012, 633; Steuererklsrungspflicht des Insolvenzverwalters bzw. Treuhsnders, NZO 2014, 596; Uhlnnder, Steuerliche Mitwirkungspflichten des Insolvenzverwalters – „Lohnt“ sich die Abgabe von ausstehenden Steuererklsrungen?, AO-StB 2003, 279.

1 FG Saarl. v. 18.12.1996 – 1 K 55/96, Haufe-Index 929115.

249

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

173

Soweit die Verwaltung des Insolvenzverwalters reicht, hat er nach § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO dieselben steuerlichen Pflichten zu erfÅllen wie die gesetzlichen Vertreter natÅrlicher und juristischer Personen sowie die GeschsftsfÅhrer von nicht rechtsfshigen Personenvereinigungen und VermÇgensmassen; ihn treffen daher alle Pflichten, die dem Insolvenzschuldner oblsgen, wenn Åber sein VermÇgen nicht das Insolvenzverfahren erÇffnet worden wsre. Dazu gehÇrt auch die Steuererklsrungspflicht gem. § 149 Abs. 1 AO; das gilt auch fÅr Steuerabschnitte, die vor der InsolvenzerÇffnung liegen.1 Da die hÇchstrichterliche Rechtsprechung insoweit klar ist, sind Ansstze in der Literatur, die steuerrechtliche Regelung zur Abgabepflicht von Steuererklsrungen gem. § 149 Abs. 1 Satz 1 AO insolvenzsteuerrechtlich durch § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO zu modifizieren,2 gegenwsrtig nicht von praktischer Relevanz, obwohl nicht zu leugnen ist, dass § 34 Abs. 3 AO diese Interpretation nahelegt, da er die Pflichten des Insolvenzverwalters auf den Umfang der Verwaltung beschrsnkt und die steuerlich relevanten Vorgsnge aus der Zeit vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens eben nicht im Rahmen der Verwaltung durch den Insolvenzverwalter stattgefunden haben.

174

Schwierigkeiten bereitet die Steuererkllrungspflicht fÅr Zeitrlume vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens in der Praxis dort, wo dem Insolvenzverwalter die zur Erstellung der erforderlichen Erklsrungen notwendigen Unterlagen nicht zur VerfÅgung stehen. Freilich ist der Insolvenzschuldner verpflichtet, dem Insolvenzverwalter alle erforderlichen Unterlagen zur VerfÅgung zu stellen (§ 97 InsO). Er hat den Insolvenzverwalter sogar bei der Erstellung der notwendigen Erklsrungen zu unterstÅtzen. Das aber ist bei den meisten einzelkaufmsnnischen und auch kleineren Kapitalgesellschaften graue Theorie. Der Regelfall kleinerer Unternehmensinsolvenzverfahren sind vollkommen unvollstlndige Buchhaltungen. Hinzu kommt, dass meist fÅr zumindest mehrere Monate vor Insolvenzantragstellung jedwede Ordnung fehlt („Waschkorbbuchhaltung“). Diese Tatsache entbindet den Insolvenzverwalter aber grundsstzlich nicht von seiner Erklsrungspflicht, weil diese nicht an den Besitz der Buchhaltung anknÅpft, sondern an seine Funktion als VermÇgensverwalter.3 Allerdings kÇnnen in solchen Fsllen keine Zwangsmittel gegen den Insolvenzverwalter angewendet werden, weil von ihm schlechterdings nicht verlangt werden kann, dass er auf der Grundlage wahrscheinlich unvollstsndiger Buchhaltungsunterlagen Erklsrungen unterschreibt und abgibt. Zwangsmittel dÅrfen nsmlich dort nicht angewendet werden, wo der mit ihnen verfolgte Zweck nicht erreicht werden kann.4 Der Zweck kann 1 BFH v. 19.11.2007 – VII B 104/07, BFH/NV 2008, 334 ff.; v. 23.8.1994 – VII R 143/92, BStBl. II 1995, 194 = ZIP 1994, 1969 = ZIP 1995, 1798 = BB 1995, 394 (394); SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 12 f.; Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 501. 2 Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 54 ff. (58). 3 Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 503. 4 BFH v. 11.9.1996 – VII B 176/94, BFH/NV 1997, 166 ff.; Lemaire in KÅhn/von Wedelstsdt, § 328 AO Rz. 2.

250

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

nicht in der Abgabe einer – bewusstermaßen – unvollstsndigen und damit falschen Erklsrung liegen, sondern muss darin gesehen werden, dass eine Erklsrung korrekt erstellt und abgegeben wird, wenn sie korrekt erstellbar ist. ZustimmungswÅrdig ist der Vorschlag von Uhlnnder, in solchen Fsllen eine Schltzung nach § 162 AO durch die FinanzbehÇrde vorzunehmen,1 weil die sich aus § 34 Abs. 3 AO ergebenden Mitwirkungspflichten des Insolvenzverwalters unter dem Primat des Verhsltnismsßigkeitsgrundsatzes stehen. Der Insolvenzverwalter hat im Rahmen seiner VerhsltnismsßigkeitsprÅfung abzuwsgen, wie hoch der der Insolvenzmasse fÅr die Aufarbeitung der Buchhaltung entstehende Kostenaufwand anzusetzen ist (denn fÅr Buchhaltungs- und steuerliche Angelegenheiten kann der Insolvenzverwalter auf Kosten der Masse einen Steuerberater hinzuziehen, § 55 InsO) und wie hoch der Schaden sein kÇnnte, den die Insolvenzglsubiger durch eine Quotenverringerung erleiden kÇnnten, die dadurch eintritt, dass das Finanzamt eine zu hohe Schstzung zur Insolvenztabelle anmeldet. Ergibt sich dabei, dass die Kosten fÅr die Aufarbeitung der Buchhaltung unverhsltnismsßig sind, so hat er auf eine Schstzung durch die FinanzbehÇrde hinzuwirken. Der Insolvenzschuldner selbst braucht nach InsolvenzerÇffnung keine Steuererklsrungen mehr abzugeben. Er hat dem Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten gem. § 97 InsO alle Unterlagen in geordneter Form zur VerfÅgung zu stellen, die dieser benÇtigt, um die erforderlichen Erklsrungen zu erstellen und abzugeben. Eine Verletzung dieser Mitwirkungspflichten kann gem. § 98 InsO Zwangsmaßnahmen nach sich ziehen. Der Insolvenzverwalter kann sich seiner originsren Verpflichtung zur Abfassung der das SchuldnervermÇgen betreffenden Steuererklsrungen aber nicht durch eine entsprechende Aufforderung an den Schuldner entledigen und darf auch nicht auf Zusagen des Schuldners vertrauen, die Steuererklsrung selbst bei dem Finanzamt einzureichen.2 Unterlssst es der Schuldner allerdings, entgegen seiner Zusicherung die erforderlichen Erklsrungen bei dem Finanzamt einzureichen und versetzt er den Insolvenzverwalter durch Vorenthaltung der erforderlichen Unterlagen auch nicht in die Lage, die Erklsrungen selbst erstellen zu kÇnnen, so kann dies die Versagung der Restschuldbefreiung zur Folge haben.3

3.175

Die Steuererklsrungen und Antrsge, die das zur Insolvenzmasse gehÇrende VermÇgen betreffen, sind eigenhsndig vom Insolvenzverwalter zu unterzeichnen,4 die alleinige Unterschrift des Insolvenzschuldners genÅgt nicht.5

3.176

Bei Personengesellschaften trifft den Insolvenzverwalter zwar die allgemeine BuchfÅhrungs- und Bilanzierungspflicht, nicht aber auch die

3.177

1 2 3 4 5

Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 511. BGH v. 18.12.2008 – IX ZB 197/07, NZI 2009, 327 (328). BGH v. 18.12.2008 – IX ZB 197/07, NZI 2009, 327 (328). SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 10. OFD Magdeburg v. 26.8.2004 – S 0321 - 3 - St 251, BeckVerw 058995.

251

178

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Pflicht, eine Erklsrung zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung abzugeben. Die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung ist ausschließlich Sache der Gesellschafter,1 denn die Folgen der Gewinnfeststellung berÅhren nicht die in dem Insolvenzverfahren, dessen Natur ein Gesamtvollstreckungsverfahren ist, abzuwickelnde VermÇgenssphsre der Personengesellschaft, sondern sie betreffen die Gesellschafter persÇnlich.2 Daraus wird zu Recht gefolgert, dass der Insolvenzverwalter nicht zur Abgabe von Erkllrungen zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung fÅr eine in Insolvenz befindliche Personengesellschaft verpflichtet ist. Er ist hierzu nicht einmal berechtigt, weil seine Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis gem. § 80 InsO nur das zur Insolvenzmasse gehÇrende VermÇgen umfasst. Seine steuerlichen Pflichten gehen nur so weit, wie seine Verwaltung reicht (§ 34 Abs. 3 AO). Hinsichtlich der Abwicklung der außerhalb der Verwertung des der Personengesellschaft gehÇrenden VermÇgens bleibt es bei der durch die sonstigen Gesetze, hier insbesondere das bÅrgerliche und das Handelsrecht, bestimmten Kompetenzordnung. Dies steht im Einklang mit der Formulierung in § 181 Abs. 2 Ziff. 1 AO. Danach hat eine Erklsrung zur gesonderten Feststellung abzugeben, wem der Gegenstand der Feststellung ganz oder teilweise zuzurechnen ist; erklsrungspflichtig sind bei einer Kommanditgesellschaft insbesondere die Feststellungsbeteiligten, denen ein Anteil an den einkommensteuerpflichtigen EinkÅnften zuzurechnen ist. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass nicht die Gesellschaft als solche erklsrungspflichtig ist. Zwar sind nach § 181 Abs. 2 Ziff. 4 AO fÅr die Gewinnfeststellung von Personengesellschaften auch die in § 34 AO bezeichneten Personen erklsrungspflichtig. Damit sind aber die in § 34 Abs. 1 AO genannten GeschsftsfÅhrer der Gesellschaft gemeint. Der BFH vertritt zu Recht die Auffassung, fÅr den Sonderfall der in Insolvenz befindlichen Personengesellschaft kÇnne daraus nicht die Erklsrungspflicht des Insolvenzverwalters hergeleitet werden, weil dessen Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis nicht so weit reicht.3 Auch der Umstand, dass sich die BuchfÅhrungsunterlagen bzw. GeschsftsbÅcher der Personengesellschaft im Besitz des Insolvenzverwalters befinden, rechtfertigt es nicht, von diesem die Abgabe der gesonderten Gewinnfeststellungserklsrung zu verlangen. Der BFH hat zum frÅheren Konkursrecht erkannt, an der Steuererklsrungspflicht des Konkursverwalters sndere sich nichts dadurch, dass die vorhandene Konkursmasse nicht ausreicht, um die fÅr die Beauftragung eines Steuerberaters anfallenden Kosten zu decken, denn der Gesichts1 BFH v. 11.10.2007 – IV R 52/04, DStR 2008, 237 (238); v. 2.4.1998 – IX ZR 187/97, NJW-RR 1998, 1125 (1125); Kling/SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 14; a.A. Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 500; Lohkemper, BB 1998, 2030 (2030). 2 BFH v. 23.8.1994 – VII R 143/92, BStBl. II 1995, 194 = ZIP 1994, 1969 = BB 1995, 394 (394); v. 21.6.1979 – IV R 131/74, BStBl. II 1979, 780 = ZIP 1980, 53 = BFHE 128, 322; SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 14. 3 BFH v. 23.8.1994 – VII R 143/92, BStBl. II 1995, 194 = ZIP 1994, 1969 = DStR 1995, 18 (19).

252

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

punkt der Entstehung weiterer Kosten entbinde den Konkursverwalter – ebenso wie den Steuerpflichtigen selbst – nicht von der Wahrnehmung seiner Çffentlich-rechtlichen Pflichten, die ihm durch die Steuergesetze i.V.m. § 34 Abs. 3 AO auferlegt worden sind.1 Die Steuererklsrungspflicht dient nach der Rechtsprechung des BFH der ordnungsgemsßen Abwicklung des Besteuerungsverfahrens und nicht nur dem fiskalischen Interesse der Finanzverwaltung als Glsubiger. Es kÇnne deshalb nicht darauf abgestellt werden, ob ihre ErfÅllung dem generellen Zweck des Konkursverfahrens, der gemeinschaftlichen Befriedigung der Konkursglsubiger aus der Konkursmasse, diene oder ob die Konkursmasse mit Kosten belastet werde, denen keine vermÇgensmsßigen Vorteile gegenÅberstehen. Auch die Anzeige der Masseunzullnglichkeit gem. § 208 InsO soll an der Erklsrungspflicht nichts sndern.2 Erst dann, wenn das Insolvenzverfahren gem. § 207 Abs. 1 InsO mangels Masse eingestellt wird, sollen die Erklsrungspflichten entfallen.3 Die BegrÅndung hierfÅr soll allerdings nicht etwa sein, dass im Fall der Massearmut nicht einmal mehr die VergÅtung des Insolvenzverwalters vollumfsnglich beglichen werden kann und deswegen auch die insolvenzrechtlichen Pflichten, allen voran die Verwertung der Insolvenzmasse, endet (§ 207 Abs. 3 Satz 2 InsO). Die BegrÅndung soll vielmehr darin liegen, dass der Insolvenzschuldner in Folge der Einstellung das Recht zurÅck erhslt, Åber sein VermÇgen zu verfÅgen, wodurch das Verwaltungs- und VerfÅgungsrecht des Insolvenzverwalters Åber das zur Insolvenzmasse gehÇrige VermÇgen und damit seine Verpflichtung zur ErfÅllung der steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners ende.

3.179

Der BFH hat seine zum frÅheren Konkursrecht vertretene Rechtsauffassung – unreflektiert – beststigt, wonach es in masseunzulsnglichen, aber nicht massearmen Verfahren bei der Steuererklsrungspflicht des Verwalters bleiben soll.4 Allerdings hatte der BFH dabei Åber eine Nichtzulassungsbeschwerde zu entscheiden, nicht eine Revision. Soweit eine Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des BFH geklsrt ist, bedarf es nach stsndiger Rechtsprechung des BFH der Darlegung beachtlicher GrÅnde, die in Rechtsprechung oder Literatur gegen die bisherige Rechtsprechung vorgebracht worden sind oder zumindest, welche Einwsnde der BFH bisher nicht geprÅft hat. Fehlt es an solchen Darlegungen, so ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulsssig und daher abzuweisen; es ist nicht Aufgabe des BFH, im Rahmen jeder Nichtzulassungsbeschwerde von Neuem

3.180

1 BFH v. 23.8.1994 – VII R 143/92, BStBl. II 1995, 194 = ZIP 1994, 1969 = DStR 1995, 18 (19); beststigend BFH v. 19.11.2007 – VII B 104/07, BFH/NV 2008, 334 ff.; Einschrsnkungen befÅrwortend: Ott in Werdan/Ott/Rauch, Das Steuerberatungsmandat in der Krise, Sanierung und Insolvenz, S. 309 ff.; SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 9. 2 Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 502; Welzel, DStZ 1999, 559 (559); Wienberg/Voigt, ZIP 1999, 1662 (1664). 3 BFH v. 8.8.1995 – VII R 25/94, ZIP 1996, 430 = BFH/NV 1996, 13 (13). 4 BFH v. 19.11.2007 – VII B 104/07, BFH/NV 2008, 334 (334).

253

181

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Literatur und Instanzgerichtsrechtsprechung daraufhin zu untersuchen, ob es gewichtige Einwsnde gegen die bisherige Rechtsprechung gibt. Solche sind aber tatsschlich vorhanden. Gegen die Steuererklsrungspflicht in Verfahren, in denen die Insolvenzmasse zwar ausreicht, um die Verfahrenskosten zu decken, nicht aber, um weitere Masseverbindlichkeiten in Form von Steuerberaterhonoraren zu begrÅnden, hat sich mit im Wesentlichen durchgreifenden GrÅnden das AG Duisburg gewendet: „Unter dem Blickwinkel des neuen Insolvenzrechts, insbesondere angesichts der gesetzlichen Normierung des Verfahrens nach Eintritt der Masseunzulnnglichkeit (§§ 208 bis 211 InsO), erscheint es zwingend, dass allein eine Weiterentwicklung der dargestellten Tendenz der BFH-Rechtsprechung mit dem geltenden Recht vereinbar ist (vgl. Onusseit, ZIP 1995, 1798 [1802 ff.]; ferner LG MÅnchen I, ZIP 2001, 2291; Runkel, EWiR 2002, 257 f.). Die fÇrmliche Anzeige und Çffentliche Bekanntmachung der Masseunzulnnglichkeit ist nunmehr vorgeschrieben (§ 208 II InsO). Ebenso bestimmt das Gesetz, dass der Verwalter nach Anzeige der Masseunzulnnglichkeit die sonstigen Masseverbindlichkeiten, also auch die Kosten eines beauftragten Steuerberaters (§ 55 I Nr. 1 InsO, § 4 I 3, § 5 InsVV), nur mit Nachrang gegenÅber den Verfahrenskosten und nur nach Maßgabe des § 209 InsO berichtigen darf. Unter diesen Umstnnden wird sich in Verfahren mit unzulnnglicher Masse schwerlich noch ein Steuerberater bereit finden, fÅr den Verwalter ohne gesicherte Aussicht auf Zahlung der VergÅtung tntig zu werden. Ist die Einschaltung eines Steuerfachmanns wegen des Umfangs und der Schwierigkeit der steuerlichen Angelegenheiten erforderlich, so kann deshalb schon auf der Grundlage der dargestellten bisherigen Rechtsprechung des BFH dem Verwalter nach Anzeige der Masseunzulnnglichkeit nicht zugemutet werden, eigene Mittel einzusetzen. Entsprechende Zwangsmaßnahmen der FinanzbehÇrden wnren rechtswidrig. Doch auch in den Fnllen, in denen nach Auffassung des BFH der Verwalter persÇnlich oder mit eigenem Hilfspersonal die Steuererklnrungspflicht wahrzunehmen hat, ist der Verwalter nach neuer Rechtslage nicht verpflichtet, seine eigene besondere Sachkunde einzusetzen, wenn feststeht, dass die besondere VergÅtung nach § 5 InsVV, die ihm angesichts des Umfangs oder der Schwierigkeit der Tntigkeit hierfÅr zusteht, wegen ihres Nachrangs gegenÅber den Kosten des Verfahrens (§§ 54, 55 I Nr. 1, 209 InsO) nicht mehr aus der Masse gedeckt werden kann (ebenso Onusseit, ZIP 1995, 1798 [1804 f.]). Aus der gesetzlichen Pflicht des Verwalters, die Masse auch nach Anzeige der Masseunzulnnglichkeit zu verwalten (§ 208 III InsO), ergibt sich nichts anderes. Sie erzeugt nicht die Verpflichtung, neue Kosten zu verursachen, die ersichtlich aus der Masse nicht zu decken sind (§ 61 InsO). Der Verwalter hat vielmehr nach dem Willen des Gesetzes in dieser Lage alles daran zu setzen, dass das Verfahren mÇglichst zÅgig eingestellt wird (§ 211 InsO).“

Tatsschlich hat der BFH in seiner Entscheidung vom 23.8.19941 maßgebliche Einschrsnkungen gemacht. Er hat dort ausdrÅcklich offen gelassen, ob es fÅr einen Rechtsanwalt als Konkursverwalter auch dann zumutbar ist, die Steuererklsrungen des Gemeinschuldners selbst zu erstellen, wenn dies mit umfangreichen BuchfÅhrungs- und Abschlussarbeiten verbunden ist und die Kosten fÅr die Beauftragung eines Steuerfachmanns aus der Konkursmasse nicht gedeckt werden kÇnnen. Er hat ferner die Einschrsnkung angedeutet, dass die ErfÅllung der Steuererklsrungspflicht 1 BFH v. 23.8.1994 – VII R 143/92, BStBl. II 1995, 19 = ZIP 1994, 1969 = BFHE 175, 309.

254

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

des Konkursverwalters mÇglicherweise dann nicht mehr mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden kÇnne, wenn der Verwalter die Masseunzulsnglichkeit fÇrmlich Çffentlich bekannt gemacht habe (was nach altem Recht nicht ausdrÅcklich vorgeschrieben war, vgl. § 60 KO), ein von ihm beauftragter Steuerberater es daraufhin angesichts der Rangverhsltnisse des § 60 KO ablehne, fÅr die Konkursmasse tstig zu werden und der Verwalter persÇnlich nicht zur ErfÅllung der Pflicht und zu den dazu erforderlichen umfangreichen Vorarbeiten in der Lage sei. In einer solchen Situation kÇnne die Androhung und Festsetzung eines Zwangsgelds ermessensfehlerhaft sein.1 Der BGH hat die Einwsnde des AG Duisburg als „gute GrÅnde“ fÅr eine einschrsnkende Auslegung von § 34 Abs. 3 AO fÅr die Fslle der Masseunzulsnglichkeit bezeichnet,2 konnte diese Frage aber „derzeit“ dahin stehen lassen, weil es in der dort zu entscheidenden Rechtssache darum ging, ob ein Insolvenzverwalter seine Auslagen ersetzt verlangen konnte, die er im Hinblick auf die bestehende Rechtsprechung des BFH und die Auffassung der Finanzverwaltung in einem masseunzulsnglichen Verfahren fÅr einen Steuerberater aufgewendet hatte. Dies bejahte der BGH letztlich aus Vertrauensschutzgesichtspunkten heraus.

3.182

Zusstzlich verdienen zwei weitere Aspekte Beachtung: Erstens tritt das Insolvenzverfahren an die Stelle des Einzelzwangsvollstreckungsverfahrens. Es beendet die MÇglichkeit des einzelnen Glsubigers, seine berechtigten (und immerhin von Art. 14 Abs. 1 GG geschÅtzten) Rechte gegen seinen Schuldner individuell durchzusetzen.3 Dieser Eingriff in die Glsubigergrundrechte rechtfertigt sich nicht aus Gemeinwohlinteressen heraus, sondern daraus, dass das allen Glsubigern gemeinsam zur VerfÅgung stehende Haftungssubstrat nicht mehr ausreicht, um allen Glsubigern volle Befriedigung zu verschaffen. Alle Glsubiger mÅssen daher die durch die InsolvenzerÇffnung eintretende Beschrsnkung ihrer individuellen Vollstreckungsrechtsmacht hinnehmen, um sodann gemeinsam und gleichmsßig an dem Haftungssubstrat zu partizipieren. FÅr die Aufladung des Insolvenzverfahrens mit außerhalb der Haftungsverwirklichung liegenden Zwecken, Aufgaben und Funktionen ist daher nur solange und soweit Raum, wie dies die Haftungsverwirklichung nicht beeintrschtigt, also die Insolvenzmasse nichts kostet. Zweitens lsge in der Aufrechterhaltung der Steuererklsrungspflicht Åber den Zeitpunkt der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit hinaus eine unangemessene Durchbrechung der von § 209 Abs. 1, 2 InsO angeordneten Befriedigungsreihenfolge. Die Altmasseglsubiger im Rang des § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO haben im Zeitpunkt der BegrÅndung ihrer gegen die Insolvenzmasse gerichteten Forderungen

3.183

1 BFH v. 23.8.1994 – VII R 143/92, BStBl. II 1995, 19 = ZIP 1994, 1969 = BFHE 175, 309. 2 BGH v. 22.7.2004 – IX ZB 161/03, ZIP 2004, 1717 = NJW 2004, 2976 (2977). 3 AusfÅhrlich zu verfassungsrechtlichen und vollstreckungsrechtlich-systematischen Aspekten Roth, Interessenwiderstreit im InsolvenzerÇffnungsverfahren, S. 89 ff.

255

184

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

darauf vertrauen dÅrfen, dass die Insolvenzmasse ausreichen wÅrde, um ihre Forderungen schlussendlich zu befriedigen; immerhin haftet der Insolvenzverwalter u.U. persÇnlich fÅr die Nichtbegleichung von Masseverbindlichkeiten, § 61 InsO. Ergeben sich im Verlauf des Verfahrens Umstsnde, die die Begleichung der Masseverbindlichkeiten unmÇglich werden lassen, so muss dieses Vertrauen besonders geschÅtzt werden. Der Gesetzgeber hat diesen Glsubigern Vorrang vor den Insolvenzglsubigern im Rang des § 38 InsO eingersumt und lediglich den Verfahrenskosten (§ 54 InsO) und den Neumasseglsubigern (§ 209 Abs. 1 Ziff. 2) Vorrang gegeben. Die Bevorrechtigung der Verfahrenskosten und der Neumassegllubiger hat ihren Grund darin, dass ein geordneter Abschluss des Insolvenzverfahrens ermÇglicht werden soll. Es verbietet sich jedoch, Belange, die den Zeitrsumen vor der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit zuzuordnen sind, vor den Rang des § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO zu ziehen. Besonders deutlich zeigt sich der gesetzgeberische Wille am Umgang mit Dauerschuldverhsltnissen: Die (Neu-)Insolvenzmasse wird nur insoweit mit Kosten aus dem Dauerschuldverhsltnis belastet, als der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit fÅr die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch genommen hat (§ 209 Abs. 2 Ziff. 3 InsO) bzw. fÅr die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit kÅndigen konnte (§ 209 Abs. 2 Ziff. 3 InsO). Diese Befriedigungsreihenfolge wÅrde unangemessen durchbrochen, wenn der Insolvenzverwalter nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit die (Neu-)Masse mit Kosten fÅr einen Steuerberater insoweit belasten wÅrde, als er sich mit Vorgsngen aus der Zeit vor der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit befassen wÅrde. Die Steuererklsrungspflicht des Insolvenzverwalters muss sich daher nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit auf die Zeit nach der Anzeige beschrsnken. Jedenfalls aber kann gegen den Insolvenzverwalter wegen der Verletzung seiner Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses (§ 325 HGB) kein Ordnungsgeld festgesetzt werden, wenn die Masse die Kosten fÅr die Erstellung des Jahresabschlusses in Folge der Masseunzulsnglichkeit nicht decken kann.1

IX. Steuerfestsetzung Literatur Bartone, Der Erlass und die znderung von Steuerverwaltungsakten im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Steuerpflichtigen, AOStB 2008, 132; Behrens, Ernstliche Zweifel an der Additionsregelung des § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG, BB 2010, 1132; Dißars, Verfahrensrechtliche Besonderheiten bei Ehegatten, StB 97, 340; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl. 2010; Diebold, Der Bausteuerabzug – ein „Steuer“-Abzug ohne Steuer?, DStZ 2002, 252; Gebel, Zusammenfassung mehrerer Zuwendungen bei der Steuerberechnung und der 1 LG Hagen v. 11.5.2007 – 24 T 2/07, NZI 2008, 112 (113).

256

A. DurchfÅhrung der Besteuerung Steuerfestsetzung, ZEV 2001, 213; Gundlach/Frenzel/Schirrmeister Die Grenzen des abgabenrechtlichen Feststellungsbescheids in der Insolvenz, DStR 2002, 406; Der Feststellungsbescheid in der Insolvenz, DZWIR 2005, 189; Guth, Die Arten der Steuerfestsetzung und ihre verfahrensrechtliche Behandlung, DStZ 1987, 483; Jnger, ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens wshrend eines Finanzgerichtsverfahrens, DStR 2008, 1272; Kreft, Zweifel an der Verfassungsmsßigkeit des Solidaritstszuschlag, GStB 2010, 4; Kohlhaas, Grundlagenbescheid und Folgebescheid. Neue Probleme durch die §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 3 AO, FR 1984, 305; Krumm, Zur materiellen Bestandskraft im Verhsltnis zwischen Steuerfestsetzungs- und Feststellungsverfahren, DStR 2005, 631; Lieber, Neues BMF-Schreiben v. 16.4.2010, IWB 2010, 351; Martin/Bergan, Vorlsufige Steuerfestsetzung – znderungsnorm fÅr materielle Fehler?, DStR 2007, 658; Reuß, Das Verhsltnis zwischen Einkommensteuerfestsetzung und Kindergeldfestsetzung, EFG 2010, 888; Steinhauff, Mitunternehmerische Betriebsaufspaltung: Widerstreitende Steuerfestsetzung bei Gewinnfeststellungsbescheiden, SteuerR 21/2010 Anm. 2; Welzel, Steuerverfahrensrechtliche Besonderheiten wshrend der Insolvenz des Steuerpflichtigen, DStZ 1999, 559; Witt, Widerstreitende Steuerfestsetzung bei Gewinnfeststellungsbescheiden, DStRE 2010, 563.

1. Steuerbescheid Gemsß § 155 Abs. 1 AO erfolgt die Steuerfestsetzung durch Bescheid. Der Bescheid ist ein Verwaltungsakt i.S.v. § 118 AO, mit dem Åber das Bestehen oder Nichtbestehen eines Steueranspruchs nach den jeweiligen materiellen Steuergesetzen entschieden wird. Steuerbescheide sind gem. § 157 Abs. 1 AO schriftlich zu erteilen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Schriftliche Steuerbescheide mÅssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet. Die FinanzbehÇrde ist grundsstzlich zur Steuerfestsetzung von Amts wegen verpflichtet, da sie die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmsßig festzusetzen hat (vgl. § 85 AO). Es liegt nicht in ihrem pflichtgemsßen Ermessen (§ 5 AO), von einer Entscheidung im Steuerfestsetzungsverfahren abzusehen. Von der Pflicht zur Steuerfestsetzung bestehen allerdings Ausnahmen: Eine Steuerfestsetzung ist nicht mehr zulsssig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO) oder wenn die Festsetzung gegen Treu und Glauben verstÇßt.1 In einigen Fsllen besteht ausnahmsweise ein gesetzlich eingersumter Ermessensspielraum, ob eine Steuer festzusetzen ist, z.B. bei einem Absehen von der Steuerfestsetzung bei Kleinstbetrsgen (§ 156 Abs. 1 AO).

3.185

2. Festsetzungen im vorllufigen Insolvenzverfahren Ist in der Zeit zwischen der Insolvenzantragstellung und der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ein vorlsufiger Insolvenzverwalter nach §§ 21, 22 InsO bestellt, so kann eine Steuerfestsetzung nach wie vor durch Steuerbescheid erfolgen. Ist die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis noch

1 Zu Ausnahmen s. CÇster in Pahlke/Koenig, § 155 AO Rz. 23.

257

3.186

187

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

nicht auf den vorlsufigen Insolvenzverwalter Åbergegangen, sondern nur ein Zustimmungsvorbehalt gem. § 21 Abs. 2 Ziff. 2 Alt. 2 InsO angeordnet, so erfolgt die Bekanntgabe an den Insolvenzschuldner.1 Ist dem gegenÅber ein allgemeines VerfÅgungsverbot gem. §§ 21 Abs. 2 Ziff. 2 Alt. 1, 22 Abs. 1 InsO angeordnet, wird das Steuerfestsetzungsverfahren analog § 240 Satz 2 ZPO unterbrochen; soweit Bescheide bekannt zu geben sind, sind sie an den vorlsufigen Insolvenzverwalter bekannt zu geben. Dabei ist der vorlsufige Insolvenzverwalter namentlich zu nennen mit dem Zusatz, dass der Bescheid an ihn in seiner Eigenschaft als vorlsufiger Insolvenzverwalter Åber das VermÇgen des (ebenfalls namentlich benannten) Insolvenzschuldners ergeht. Fehlt der Zusatz des Insolvenzschuldners, ist der Bescheid rechtswidrig, weil er sich dann gegen den vorlsufigen Insolvenzverwalter persÇnlich richtet. 3. Festsetzung von Insolvenzforderungen durch Steuerbescheid Weder im Steuerrecht noch im Insolvenzrecht finden sich spezielle Vorschriften Åber die Steuerfestsetzung im Rahmen des Insolvenzverfahrens. Daher muss auf die allgemeinen Vorschriften zurÅckgegriffen werden. Das bedeutet, dass der Fiskus als Steuer- und Insolvenzglsubiger sich in die Reihe der Insolvenzglsubiger einreihen muss und die Geltendmachung seiner Forderungen sich nach insolvenzrechtlichen Vorschriften richtet2 (vor allem §§ 87, 55 InsO), weil § 87 InsO Åber die Verweisung in § 251 Abs. 2 AO auch im Steuerrecht zu beachten ist. Daraus leitet der BFH in stsndiger Rechtsprechung ab, dass Steuerbescheide nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ergehen dÅrfen, wenn darin Insolvenzforderungen festgesetzt werden.3 Der Steuerglsubiger ist gehalten, AnsprÅche aus dem Steuerschuldverhsltnis nach den Maßgaben des Insolvenzrechts zur Tabelle anzumelden (§§ 38, 174 Abs. 1 Satz 1 InsO; § 251 Abs. 3 AO), um an der gemeinschaftlichen Befriedigung im Insolvenzverfahren teilzunehmen (Rz. 3.246). Ein fÇrmlicher Steuerbescheid Åber einen Steueranspruch, der eine Insolvenzforderung betrifft, ist unwirksam.4 Unwirksam sind dabei insbesondere mit einem Leistungsgebot versehene Festsetzungen, die zu einer – zur Insolvenztabelle anzumeldenden – Rest-

1 2 3 4

Ziff. 2.9.3. des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO). Bartone, AO-StB 2008, 132 (132). BFH v. 13.5.2009 – XI R 63/07, BStBl. II 2010, 11 = ZIP 2009, 1631. BFH v. 10.12.2008 – I R 41/07; v. 18.12.2002 – I R 33/01, BStBl. II 2003, 630 = ZIP 2003, 1212 = BFHE 201, 392; v. 24.8.2004 – VIII R 14/02, BStBl. II 2005, 246 = ZIP 2004, 2392 = BFHE 207, 10, zu II.3.c bb aaa; FG MÅnchen v. 23.11.2005 – 10 K 4333/03, EFG 2006, 589 ff.; FG Bdb. v. 14.9.2006 – 3 K 2728/03, EFG 2007, 708 ff.; Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 44; Neumann in Beermann/Gosch, § 251 AO Rz. 50; Brockmeyer in Klein, § 251 AO Rz. 29; Beermann in HÅbschmann/ Hepp/Spitaler, § 251 AO Rz. 405; Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, Rz. 82; Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 516; Kling/SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 24b; Gundlach/Frenzel/Schirrmeister, DStR 2004, 318 (319).

258

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

oder Nachforderung fÅhren.1 Unwirksam ist eine Festsetzung selbst dann, wenn nach einer Anrechnung bereits geleisteter Zahlungen eine konkrete Zahlungsverpflichtung (zunschst) nicht mehr besteht, da ansonsten bei einem spsteren Streit Åber die HÇhe der Anrechnung eine durch diesen (evtl. bestandskrsftigen) Steuerbescheid titulierte Insolvenzforderung entstehen kÇnnte.2 Die HÇhe einer Steuer richtet sich nach den allgemeinen steuerrechtlichen Vorschriften. Soweit bei InsolvenzerÇffnung ein Steuerfestsetzungsverfahren lsuft, betrifft dieses notwendiger Weise Steuern, die nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) sind; ein solches Steuerfestsetzungsverfahren wird analog § 240 Abs. 1 ZPO unterbrochen, es sei denn, aus einem Bescheid ergibt sich keine Zahllast3 bzw. es ergeht eine Festsetzung auf 0 Euro.4

3.188

Auch znderungsbescheide nach §§ 164 Abs. 2, 172 ff. AO, die zu einer Zahllast fÅhren, kÇnnen nach InsolvenzerÇffnung nicht mehr ergehen.5 Anders als ein trotz Unterbrechung gem. § 240 Abs. 1 ZPO ergangenes Urteil ist ein Steuerbescheid, der ungeachtet der Unterbrechungswirkung von § 240 Abs. 1 ZPO analog ergeht, gem. § 125 AO nichtig.6 Die FinanzbehÇrde hat die Nichtigkeit auf Antrag des Insolvenzverwalters gem. § 125 Abs. 5 AO durch Bescheid festzustellen, da der Insolvenzverwalter regelmsßig ein berechtigtes Interesse an der Beseitigung des durch den nichtigen Steuerbescheid geschaffenen Rechtsscheins hat. Die Nichtigkeitsfeststellung kann die FinanzbehÇrde auch ohne expliziten Antrag nach § 125 Abs. 5 AO beispielsweise auf den Einspruch des Insolvenzverwalters hin treffen. Alternativ kann die FinanzbehÇrde den Steuerbescheid auch gem. § 130 Abs. 1 AO zurÅcknehmen. Beseitigt die FinanzbehÇrde den Steuerbescheid nicht, steht dem Insolvenzverwalter gem. § 41 Abs. 1 FGO die Feststellungsklage zum FG offen. Eines vorangegangenen Verfahrens nach § 125 Abs. 5 AO bedarf es nicht unbedingt. Statt der Feststellungsklage kann der Insolvenzverwalter auch die Anfechtungsklage gegen den nichtigen Steuerbescheid erheben. In diesem Fall ist der Steuerbescheid gem. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO aufzuheben.7

3.189

1 BFH v. 10.12.2008 – I R 41/07, BFH/NV 2009, 719 ff.; Welzel, DStZ 1999, 559 (560); Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 528. 2 BFH v. 10.12.2008 – I R 41/07, BFH/NV 2009, 719 ff.; Welzel, DStZ 1999, 559 (560). 3 BFH v. 13.5.2009 – XI R 63/07, BStBl. II 2010, 11 = ZIP 2009, 1631. 4 BFH v. 10.12.2008 – I R 41/07, BFH/NV 2009, 719 ff. 5 BFH v. 7.3.1968 – IV R 278/66, BStBl. II 1968, 496. 6 Loose, StuW 1999, 20 (25); Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 44; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 248. 7 BFH v. 7.8.1985 – I R 309/82, BStBl. II 1986, 42.

259

190

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

4. Berechnungsmitteilung bzgl. Insolvenzforderungen Da die FinanzbehÇrde nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens keinen Bescheid Åber eine Steuer mehr erlassen darf, die Insolvenzforderung ist (Rz. 3.187), ergeht regelmsßig eine formlose, informatorische Berechnungsmitteilung. Eine solche Berechnungsmitteilung ist kein Verwaltungsakt und hat keine Regelungswirkung.1 Die Berechnungsmitteilung erlsutert, wie sich der zur Insolvenztabelle angemeldete oder anzumeldende Betrag zusammensetzt. Da Forderungen gem. § 174 Abs. 1, 2 InsO unter Angabe von Grund und Betrag sowie der BeifÅgung von Urkunden, aus denen sich die Forderung ergibt, anzumelden sind, ist die Berechnungsmitteilung von Ausnahmefsllen abgesehen zwingend notwendiger Bestandteil einer Forderungsanmeldung (Rz. 3.246). Da Grund und Betrag der angemeldeten Forderung gemsß dem Wortlaut von § 174 Abs. 2 InsO bei der Anmeldung anzugeben sind, muss die Berechnungsmitteilung mit der Forderungsanmeldung dem Insolvenzverwalter Åbersandt werden. Eine Anmeldung, die ohne entsprechende Berechnungsmitteilung beim Insolvenzverwalter eingeht, ist nicht hinreichend begrÅndet und kann zum Widerspruch des Insolvenzverwalters im PrÅfungstermin fÅhren. Da Berechnungsmitteilungen keinen Regelungscharakter haben, kÇnnen sie jederzeit ohne weitere Voraussetzungen gesndert werden. 5. Festsetzung von Masseforderungen durch Steuerbescheid

191

Das Finanzamt hat die nach InsolvenzerÇffnung als Masseverbindlichkeit entstehenden Steuerforderungen gegenÅber dem Insolvenzverwalter im Grundsatz geltend zu machen wie außerhalb eines Insolvenzverfahrens gegenÅber jedem anderen Steuerpflichtigen auch, nsmlich mittels Bescheids.2 Zu den Masseverbindlichkeiten gehÇren auch solche Verbindlichkeiten, die durch einen vorlsufigen Insolvenzverwalter begrÅndet worden sind, § 55 Abs. 2, 4 InsO.

192

Die Bekanntgabe solcher Bescheide, die die Insolvenzmasse betreffen, hat an den Insolvenzverwalter zu erfolgen, nicht an den Insolvenzschuldner.3 Durch Bekanntgabe an den Schuldner wird Wirksamkeit nicht herbeigefÅhrt. Hatte der Insolvenzschuldner bis zur ErÇffnung des Insolvenzverfahrens einen Bevollmschtigten (§ 80 AO), so erlÇschen mit InsolvenzerÇffnung dessen Auftrag (§ 115 InsO) und Vollmacht (§ 117 AO). Damit endet auch seine Empfangszustsndigkeit, so dass eine Bekanntgabe auch an den ehemals Bevollmschtigten des Insolvenzschuldners nach InsolvenzerÇffnung nicht mehr erfolgen kann. Dabei ist der Insolvenzverwalter namentlich zu nennen mit dem Zusatz, dass der Bescheid an ihn in seiner 1 Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 45. 2 Bartone, AO-StB 2008, 132 (134 ff.); vgl. BFH v. 21.7.1994 – V R 114/91, BStBl. II 1994, 878 = ZIP 1994, 1705; FG MÅnster v. 29.3.2011 – 10 K 230/10 E, EFG 2011, 1806. 3 FG MÅnster v. 29.3.2011 – 10 K 230/10 E, EFG 2011, 1806.

260

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

Eigenschaft als Insolvenzverwalter Åber das VermÇgen des (ebenfalls namentlich benannten) Insolvenzschuldners ergeht. Fehlt der Zusatz des Insolvenzschuldners, ist der Bescheid rechtswidrig, weil er sich dann gegen den Insolvenzverwalter persÇnlich richtet. Zu den schwierigen Abgrenzungsfragen, wann eine Masseverbindlichkeit vorliegt und wann eine Verbindlichkeit des insolvenzfreien VermÇgens des Insolvenzschuldners (Rz. 4.169 ff.). Steuerbescheide wegen einer Masseforderung sind auch bei Jahressteuern auf den Zeitraum nach der InsolvenzerÇffnung zu beschrsnken. Dabei handelt es sich nicht um eine (unzulsssige) Besteuerung fÅr einen im Gesetz nicht vorgesehenen abgekÅrzten Besteuerungszeitraum, sondern um die (zulsssige) Kenntlichmachung, dass sich der Steuerbescheid auf MasseansprÅche beschrsnkt.1

3.193

Die Festsetzung einer Masseforderung erfolgt auch dann durch Bescheid, wenn in dem Insolvenzverfahren zwischenzeitlich gem. § 208 InsO Masseunzulsnglichkeit angezeigt worden ist und die Forderung den Rang einer Altmasseforderung einnimmt, so dass ihre Vollstreckung gem. § 210 InsO unzulsssig ist (Rz. 3.216).

3.194

6. Festsetzung von Steuern gegen das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners Der Insolvenzschuldner kann neben dem vom Insolvenzbeschlag umfassten VermÇgen (§§ 80, 35 InsO) Rechtstrsger auch insolvenzbeschlagsfreien VermÇgens sein, auf das sich die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis des Insolvenzverwalters nicht erstreckt. Dies ist beispielsweise in Ansehung der unpfsndbaren Gegenstsnde nach § 811 ZPO i.V.m. § 36 InsO der Fall, aber auch nach Freigabe bestimmter Gegenstsnde durch den Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse oder im Fall der nach InsolvenzerÇffnung durch den Insolvenzschuldner neu aufgenommenen gewerblichen Tstigkeit, wenn sie der Insolvenzverwalter nicht zur Masse zieht, ausfÅhrlich zu insolvenzfreiem NeuvermÇgen s. Rz. 2.135.

3.195

Soweit in dieser insolvenzfreien VermÇgenssphsre des Insolvenzschuldners steuerlich relevante Sachverhalte entstehen, sind die daraus resultierenden Steuerschulden keine Verbindlichkeiten der Insolvenzmasse gem. § 55 InsO, sondern originsre Steuerschulden des Insolvenzschuldners, die dieser aus seinem insolvenzfreien VermÇgen zu befriedigen hat.2 Insoweit erfolgt die Festsetzung durch Steuerbescheid, der dem Insolvenzschuldner bekannt zu geben ist.3 Wird ein Bescheid wegen einer das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners betreffenden Steuerschuld gegen den Insolvenzverwalter gerichtet, ist der falsche Adressat angesprochen; der

3.196

1 BFH v. 16.7.1987 – V R 2/81, BStBl. II 1988, 190 = ZIP 1987, 1194. 2 FG MÅnster v. 29.3.2011 – 10 K 230/10 E, EFG 2011, 1806. 3 FG MÅnster v. 29.3.2011 – 10 K 230/10 E, EFG 2011, 1806.

261

197

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Bescheid ist rechtswidrig1 und kann mit dem Einspruch und nÇtigenfalls der Klage angefochten werden. 7. Festsetzung von Erstattungen oder einer Steuer von Null Euro durch Steuerbescheid Die Festsetzung von Erstattungen durch Steuerbescheid ist auch nach InsolvenzerÇffnung fÅr Zeitrsume zulsssig, die vor der ErÇffnung liegen.2 Gleiches gilt fÅr Steuerfestsetzungen auf Null Euro.3 Insoweit wird ein Steuerfestsetzungsverfahren nicht analog § 240 Abs. 1 ZPO unterbrochen.4 Die Finanzverwaltung kann also mit Regelungswirkung durch Bescheid auch fÅr Zeitrsume vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Erstattungsbetrsge oder Festsetzungen auf Null Euro vornehmen. Dadurch entstehen zwar keine Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, aber der Insolvenzverwalter droht durch eine solche Festsetzung eines (noch hÇheren) Erstattungsbetrages verlustig zu gehen. Dies sieht auch der BFH, lssst aber die Regelung durch Bescheid in dogmatisch zutreffender Weise zu, wenn keine Zahllast festgesetzt wird, weil dann keine „Verfolgung einer Insolvenzforderung“ i.S.v. § 87 InsO vorliegt.5 ! Hinweis: Der Insolvenzverwalter kommt dadurch in Zugzwang, in kurzer Zeit prÅfen zu mÅssen, ob der Masse nicht ggf. (hÇhere) ErstattungsansprÅche zustehen, wenn der Bescheid nicht gem. § 164 AO unter dem Vorbehalt der NachprÅfung ergeht (durch den Vorbehalt der NachprÅfung wird der Bescheid nur formell, nicht aber materiell bestandskrsftig, so dass eine znderung der Festsetzung jederzeit erfolgen kann). Geringen Zeitgewinn kann der Insolvenzverwalter durch den Einspruch gegen den Bescheid erreichen. Gelangt er zu derartigen Erkenntnissen allerdings erst, wenn der Bescheid bereits materiell bestandskrsftig ist, kann er u.U. die Aufhebung des Steuerbescheids gem. § 173 Abs. 1 Ziff. 2 AO erreichen. Voraussetzung dafÅr ist, dass der FinanzbehÇrde nachtrsglich Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer fÅhren als festgesetzt und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachtrsglich bekannt werden. In Bezug auf das Verschulden des Steuerpflichtigen ist im Insolvenzverfahren auf den Insolvenzverwalter abzustellen, dem das Verhalten des Insolvenzschuldners selbst nicht zugerechnet werden kann. Enthslt der Insolvenzschuldner dem Insolvenzverwalter beispielsweise maßgebliche Informationen oder Beweismittel vor, die der Insolvenzverwalter zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs bzw. zur BegrÅndung eines Einspruchs gegen den Steuerbescheid benÇtigt hstte, fehlt es am groben Verschulden des Steuerpflichtigen i.S.v. § 173 Abs. 1 Ziff. 2 AO, wenn der Insolvenzverwalter diese Tatsachen oder Beweismittel erst dann der FinanzbehÇrde zur Kenntnis bringt, wenn er 1 FG MÅnster v. 29.3.2011 – 10 K 230/10 E, EFG 2011, 1806. 2 BFH v. 13.5.2009 – XI R 63/07, BStBl. II 2010, 11 = ZIP 2009, 1631; a.A. Kling/ SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 25m, die eine Steuerfestsetzung dann nicht durch Bescheid zulassen wollen, wenn neben der Erstattung ein Leistungsgebot fÅr eine noch nicht festgesetzte Steuer enthalten sein mÅsste. 3 BFH v. 10.12.2008 – I R 41/07, BFH/NV 2009, 719 (719). 4 FG MÅnchen v. 5.11.2009 – 7 K 1237/08, EFG 2010, 379 ff. 5 BFH v. 10.12.2008 – I R 41/07, BFH/NV 2009, 719 (719).

262

A. DurchfÅhrung der Besteuerung sie selbst erlangt. Gleiches gilt, wenn das Insolvenzverfahren bzw. die relevanten Geschsftsunterlagen des Insolvenzschuldners derart komplex oder ungeordnet sind, dass sich der Insolvenzverwalter bis zum Ablauf der Einspruchsfrist keinen umfassenden xberblick verschaffen kann. ! Hinweis: Hat das Finanzamt nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens geschstzte Steuerbescheide mit einer Steuerfestsetzung von jeweils Null Euro gegen den Schuldner festgesetzt und die Festsetzungsbescheide dem Insolvenzverwalter bekannt gegeben, so sind die vom Insolvenzverwalter hiergegen erhobenen EinsprÅche mangels Beschwer unzulsssig. Dies gilt auch dann, wenn der Insolvenzverwalter geltend macht, bei Nachreichung von Steuererklsrungen wÅrden sich nicht wie vom Finanzamt geschstzt Gewinne, sondern Verluste und somit Verlustvortrsge fÅr die Zukunft errechnen.1 Die Beschwer durch einen Steuerbescheid ergibt sich grundsstzlich aus der Steuerfestsetzung und gem. § 157 Abs. 2 AO nicht aus den einzelnen Besteuerungsgrundlagen, die lediglich einen mit Rechtsbehelfen nicht selbstsndig anfechtbaren Teil des Steuerbescheides bilden. Die Anfechtung eines Steuerbescheides, der eine Steuer von Null Euro festsetzt, ist daher grundsstzlich unzulsssig.2 Eine anzuerkennende Ausnahme von diesem Grundsatz3 liegt nicht darin, dass sich voraussichtlich nach Erstellung der Steuerbilanzen ein Verlust des Insolvenzschuldners ergeben wird. Der Einkommensteuerbescheid ist nsmlich kein Grundlagenbescheid fÅr den Verlustfeststellungsbescheid. Unter Aufgabe seiner frÅheren Rechtsprechung hat der BFH entschieden,4 dass das Verfahren der gesonderten Feststellung nach § 10d Abs. 4 EStG gegenÅber dem Festsetzungsverfahren selbstsndig ist. Der verbleibende Verlustabzug ist – unabhsngig von einer bestandskrsftigen Einkommensteuerveranlagung – so zu berechnen, wie er sich bei zutreffender Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen und des VerlustrÅcktrags- und -vortrags nach § 10d Abs. 1 und 2 EStG ergeben hstte.5 Ist ein solcher Verlustfeststellungsbescheid noch nicht erlassen worden und der verbleibende Verlustabzug mithin nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG erstmals gesondert festzustellen, hat das Finanzamt den bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der EinkÅnfte nicht ausgeglichenen Verlust nach den materiellrechtlichen Regelungen in § 10d Abs. 4 Satz 2 EStG zu bestimmen. Eine Bindung an den Einkommensteuerbescheid besteht nicht.

Die FinanzbehÇrde kann auch einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO erlassen, in dem ein Erstattungsanspruch als Differenz der GegenÅberstellung des Steueranspruchs und der Zahlungen ermittelt wird (Rz. 3.310 ff.). Der Abrechnungsbescheid ist dem Erhebungs- nicht dem Steuerfestsetzungsverfahren zuzurechnen. Der Abrechnungsbescheid ist zulsssig, weil er kein Leistungsgebot enthslt und daher § 87 InsO nicht verletzt wird.6

1 FG MÅnchen v. 5.11.2009 – 7 K 1237/08, EFG 2010, 379 ff. 2 BFH v. 15.2.2001 – III R 10/99, BFH/NV 2001, 1125. 3 Vgl. dazu ausfÅhrlich Seer in Tipke/Kruse, § 40 FGO Rz. 41 ff., mit umfangreichen Nachweisen. 4 BFH v. 17.9.2008 – IX R 70/06, BStBl. II 2009, 897 = BFHE 223, 50 = BFH/NV 2009, 65; v. 14.7.2009 – IX R 52/08, BStBl. II 2011, 26 = BFHE 225, 453 = BFH/NV 2009, 1885. 5 FG MÅnchen v. 5.11.2009 – 7 K 1237/08, EFG 2010, 379 ff. 6 Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 533.

263

3.198

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

8. Abweichende Festsetzung von Steuern aus BilligkeitsgrÅnden (§ 163 AO)

199

§ 163 AO erlaubt es der FinanzbehÇrde ausnahmsweise, unter bestimmten Voraussetzungen Steuern aufgrund sachlicher oder persÇnlicher Besonderheiten des Einzelfalls abweichend von der gesetzlichen Regelung niedriger festzusetzen. § 163 AO betrifft das Festsetzungsverfahren; fÅr den Billigkeitserlass im Erhebungsverfahren steht § 227 AO zur VerfÅgung. Die tatbestandsmsßigen Voraussetzungen beider Vorschriften sind trotz unterschiedlicher Rechtsfolgen identisch.1 § 163 AO dient der Einzelfallgerechtigkeit. Unbillige Hsrten sollen im Einzelfall ausgeglichen werden. § 163 AO gilt nur fÅr Steuern i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 AO, wshrend § 227 AO alle AnsprÅche aus dem Steuerschuldverhsltnis (§ 37 AO) zum Gegenstand hat.

200

Voraussetzung einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO ist, dass die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wsre. Die Unbilligkeit der Steuererhebung kann sich aus sachlichen und bzw. oder persÇnlichen GrÅnden ergeben.2 Sachliche BilligkeitsgrÅnde sind gegeben, wenn nach dem erklsrten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage – hstte er sie geregelt – im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hstte3 oder wenn angenommen werden kann, dass die Einziehung den Wertungen des Gesetzes zuwiderlsuft.4 Insbesondere im Zusammenhang mit Insolvenzverfahren, also im vorinsolvenzlichen Krisenstadium, hsufig ist der Erlass aus persÇnlichen GrÅnden. Ein Erlass aus persÇnlichen GrÅnden erfordert ErlassbedÅrftigkeit und ErlasswÅrdigkeit.5

201

PersÇnliche Unbilligkeit liegt nach stsndiger Rechtsprechung vor, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche oder persÇnliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichten oder ernstlich gefshrden wÅrde.6 Die wirtschaftliche Existenz ist gefshrdet, wenn ohne Billigkeitsmaßnahmen der notwendige Lebensunterhalt vorÅbergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden kann.7 Auch Unterhaltsleistungen fÅr die mit dem Steuerpflichtigen in Hausgemeinschaft lebenden AngehÇrigen, soweit sie von ihm unterhalten werden mÅssen, rechnen dazu; das gilt u.U. auch fÅr den Unterhalt von erwachsenen Kindern.8 FÅr die Frage, ob die Existenz des 1 BFH v. 26.10.1994 – X R 104/92, BStBl. II 1995, 297. 2 BFH v. 26.5.1994 – IV R 51/93, BStBl. II 1994, 833. 3 BFH v. 26.10.1972 – I R 125/70, BStBl. II 1973, 271; BVerfG v. 5.4.1978 – 1 BvR 117/73, BStBl. II 1978, 441. 4 BFH v. 29.8.1991 – V R 78/86, BStBl. II 1991, 906. 5 Loose in Tipke/Kruse, § 227 AO Rz. 86; BFH v. 18.8.1988 – V B 71/88, BFH/NV 1990, 137. 6 BFH v. 26.2.1987 – IV R 298/84, BStBl. II 1987, 612. 7 BFH v. 26.2.1987 – IV R 298/84, BStBl. II 1987, 612. 8 BFH v. 29.4.1981 – IV R 23/78, BStBl. II 1981, 726 = BFHE 133, 489.

264

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

Steuerpflichtigen gefshrdet ist, spielt außer seinen Einkommensverhsltnissen auch seine VermÇgenslage eine entscheidende Rolle. Grundsstzlich ist der Steuerpflichtige gehalten, zur Zahlung seiner Steuerschulden alle verfÅgbaren Mittel einzusetzen und auch seine VermÇgenssubstanz anzugreifen. Das gilt allerdings nicht in den Fsllen, in denen die Verwertung der VermÇgenssubstanz den Ruin des Steuerpflichtigen bedeuten wÅrde.1 Ist der Insolvenzfall bereits eingetreten, so liegt zwar vordergrÅndig bereits der Ruin des Steuerpflichtigen vor. BemÅht er sich aber gerade um eine Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhsltnisse und hsngt z.B. die Wiederaufnahme der beruflichen Tstigkeit des Schuldners wegen besonderer Anforderungen an geordnete persÇnliche VermÇgensverhsltnisse ab, so sind die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen gleichfalls erfÅllt. Ein Antrag des Steuerpflichtigen ist fÅr eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO zwar nicht erforderlich. Gleichwohl finden Billigkeitsmaßnahmen jedoch in der Praxis nahezu ausnahmslos ausschließlich auf Antrag statt. Hinsichtlich der Antragsberechtigung ist zu differenzieren. Soweit sich die Billigkeitsmaßnahme auf Steuerforderungen bezieht, die den Rang von Masseverbindlichkeiten einnehmen (§ 55 InsO), steht das Antragsrecht ausschließlich dem Insolvenzverwalter zu. Soweit Steuerforderungen betroffen sind, die im Rang von § 38 InsO stehen, hat die Rechtsprechung ebenfalls – stillschweigend – die Antragsberechtigung des Insolvenzverwalters angenommen.2 Unabhsngig davon, dass in Bezug auf Steuerforderungen im Rang des § 38 InsO eine Festsetzung durch Bescheid nach InsolvenzerÇffnung nicht mehr in Betracht kommt, so dass sich ein Antrag nach § 163 AO auf eine „abweichende Berechnung von Steuern aufgrund von BilligkeitsgrÅnden“ bezieht, ist es keineswegs unproblematisch, dem Insolvenzverwalter ein Antragsrecht einzursumen. Zwar tritt der Insolvenzverwalter als VermÇgensverwalter (§ 34 Abs. 3 AO) vom Grundsatz her in alle steuerlichen Rechte und Pflichten des Schuldners ein. Seine Befugnisse reichen allerdings nur so weit, wie seine Verwaltungs- und VerfÅgungsmacht (§ 80 InsO) geht. Dem Insolvenzverwalter steht danach die Befugnis zu, Åber zur Insolvenzmasse gehÇrende Gegenstsnde VerfÅgungen zu treffen. Dies gilt sowohl in Ansehung der Aktiva als auch der Passiva. Die Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO sind allerdings nicht Gegenstand seiner VerfÅgungsmacht. Der Insolvenzverwalter darf beispielsweise keine Insolvenzforderungen in den Rang von Masseverbindlichkeiten erheben, unberechtigte Insolvenzforderungen anerkennen oder sich Åber Insolvenzforderungen mit dem Insolvenzglsubiger vergleichen, weil solche Maßnahmen insolvenzzweckwidrig sind.3 Insolvenzzweckwidrige Maßnahmen sind in aller Regel sogar 1 BFH v. 26.2.1987 – IV R 298/84, BStBl. II 1987, 612. 2 BFH v. 9.7.2003 – V R 57/02, BStBl. II 2003, 901 = ZIP 2003, 2036. 3 Ott/Vuia in MÅnchKomm/InsO, § 80 Rz. 62; RG v. 16.12.1902 – III 437/02, RGZ 53, 190; BGH v. 8.12.1954 – VI ZR 189/53, JZ 1955, 337; Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 80 InsO Rz. 154.

265

3.202

203

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

unwirksam.1 Bei der Anerkennung einer unberechtigten Insolvenzforderung ergibt sich die Insolvenzzweckwidrigkeit daraus, dass dadurch der Gleichbehandlungsgrundsatz der Glsubiger durchbrochen und die Verteilungsordnung gestÇrt wird. Der Insolvenzverwalter hat in Ansehung der Insolvenzforderungen daher lediglich die eingehenden Anmeldungen in die Tabelle aufzunehmen, sie zu prÅfen und schließlich die Masse an die Insolvenzglsubiger quotal auszukehren. Er ist hingegen nicht dazu berufen, Glsubiger dazu zu bewegen, auf ihre Forderungen zu verzichten, mit einzelnen Glsubigern Vorabbefriedigungen zu vereinbaren oder in shnlicher Weise, etwa durch Vergleich, auf den materiell-rechtlichen Bestand der Insolvenzforderungen gestaltend Einfluss zu nehmen. Dies ist auch wshrend des Insolvenzverfahrens dem Schuldner vorbehalten. Dies gilt sowohl bei natÅrlichen Personen als auch bei Insolvenzschuldnern, die Gesellschaften sind. Denn auch bei Gesellschaften bleiben die organschaftlichen Vertreter wshrend des Insolvenzverfahrens im Amt und kÇnnen beispielsweise Insolvenzplsne ausarbeiten oder Zustimmungen nach § 213 InsO verhandeln und besorgen. Schließlich zeigt sich an § 213 InsO, dass dem Schuldner das Antragsrecht nach § 163 AO zustehen muss: Da der Schuldner dafÅr verantwortlich ist, die Zustimmungen der Glsubiger zur Einstellung des Insolvenzverfahrens beizubringen, die letztlich zumeist mit einem Erlass verbunden sind, muss der Schuldner auch berechtigt sein, mit diesem Ansinnen an die Finanzverwaltung heranzutreten. Aus diesem Grund ist zumindest auch dem Insolvenzschuldner in Ansehung von Steuerforderungen im Rang von § 38 InsO ein Antragsrecht nach § 163 AO einzursumen. xber die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 163 AO entscheidet die FinanzbehÇrde nach pflichtgemsßem Ermessen gem. § 5 AO. Hinsichtlich einer etwaigen abweichenden Festsetzung der Umsatzsteuer aus BilligkeitsgrÅnden gem. § 163 AO hat der XI. Senats des BFH noch am 14.3.2012 entschieden, es sei weder systemwidrig noch widerspreche es grundlegenden Wertungen des UStG, wenn ein Finanzamt die von einer Organgesellschaft bis zur InsolvenzerÇffnung verursachte Umsatzsteuer gegenÅber dem Organtrsger festsetzt, obwohl dieser von der Organgesellschaft keine Mittel erhalten hat, um die Steuer zu entrichten. Das BedÅrfnis fÅr eine abweichende Festsetzung aus BilligkeitsgrÅnden hat sich aber durch die jÅngere Entscheidung des V. Senats des BFH vom 8.8.20132 fÅr die Praxis weitestgehend erledigt. Nach dieser neueren Rechtsprechung endet die umsatzsteuerliche Organschaft nsmlich bereits dann, wenn Åber das VermÇgen der Organgesellschaft die vorlsufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt angeordnet wird. Dadurch kann es nicht mehr zu der frÅher eintretenden Situation kommen, dass der vorlsufige 1 Ott/Vuia in MÅnchKomm/InsO, § 80 Rz. 62; RG v. 16.12.1902 – III 437/02, RGZ 53, 190; BGH v. 8.12.1954 – VI ZR 189/53, JZ 1955, 337; Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 80 InsO Rz. 150 ff. 2 BFH v. 8.8.2013 – V R 18/13, BFH/NV 2013, 1747.

266

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

Insolvenzverwalter Åber das VermÇgen der Organgesellschaft dort Umsatzsteuerbetrsge aus Ausgangsleistungen der Schuldnerin vereinnahmt und der Organtrsger dafÅr – ohne AbfÅhrung aus der Organgesellschaft erhalten zu kÇnnen – Steuerschuldner wird. 9. RÅckforderung angefochtener Steuerzahlungen durch Bescheid? Der BFH hat es als ernstlich zweifelhaft bezeichnet, ob das Finanzamt Betrsge, die der Insolvenzverwalter aufgrund eines Anfechtungsanspruchs – zu Recht oder zu Unrecht – erstattet bekommen hat, mittels eines hoheitlich ergehenden Bescheides zurÅckfordern darf.1 Als Anspruchsgrundlage hatte das Finanzamt im Streitfall § 37 Abs. 2 AO angesehen und darauf einen RÅckforderungsbescheid gestÅtzt. Da es sich aber bei dem Anfechtungsanspruch selbst nicht um einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhsltnis2 i.S.d. § 37 Abs. 1 AO handelt, sondern um einen bÅrgerlich-rechtlichen Anspruch, kann das auf einen solchen Anspruch geleistete nicht mittels hoheitlich ergehenden Bescheides zurÅckgefordert werden.

3.204

xber einen solchen RÅckforderungsanspruch kann auch nicht durch Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 1 AO) entschieden werden.3 10. Festsetzung durch Bescheid nach Beendigung des Insolvenzverfahrens Mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens, die durch Aufhebung oder Einstellung eintreten kann (Rz. 3.330 ff.), entfsllt die Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters bezÅglich des zur Insolvenzmasse gehÇrenden VermÇgens, und der Schuldner ist wieder allein verwaltungs- und verfÅgungsbefugt. Glsubiger kÇnnen ihre Forderungen, soweit sie im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht befriedigt worden sind, grundsstzlich gem. § 201 InsO unbeschrsnkt gegen den Schuldner geltend machen. Dies gilt in Ansehung von Insolvenzforderungen aber dann nicht, wenn dem Schuldner Restschuldbefreiung (§ 300 Abs. 1 InsO) erteilt wurde oder die Forderungen der Glsubiger auf Grund eines Insolvenzplanes erlassen oder in der Durchsetzung beschrsnkt sind. War eine Steuerforderung vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nicht durch Bescheid festgesetzt und ist auch keine Anmeldung zur Insolvenztabelle erfolgt, so kann die Forderung somit gegen den Schuldner durch Bescheid festgesetzt werden, wenn dem nicht Restschuldbefreiung oder ein Insolvenzplan entgegenstehen. Sofern die allgemeine Festsetzungsfrist gem. §§ 169 ff. AO bereits abgelaufen ist, greift die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 13 AO, wenn die Forderung vor Eintritt der Festsetzungsverjshrung zur Insolvenztabelle ange-

1 BFH v. 27.9.2012 – VII B 190/11, BStBl. II 2013, 109 = ZIP 2012, 2451; anders noch BFH v. 23.9.2009 – VII R 43/08, BStBl. II 2010, 215 = ZIP 2009, 2455. 2 BFH v. 5.9.2012 – VII B 95/12, BStBl. II 2012, 854 = ZIP 2012, 2073. 3 BFH v. 5.9.2012 – VII B 95/12, BStBl. II 2012, 854 = ZIP 2012, 2073.

267

3.205

206

207

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

meldet worden ist; die Ablaufhemmung dauert drei Monate nach Beendigung des Insolvenzverfahrens. Die Festsetzung durch Bescheid scheidet aus, wenn die Forderung im Insolvenzverfahren zur Tabelle festgestellt worden war, weil die Feststellung zur Tabelle einen selbstsndigen Vollstreckungstitel schafft, aus dem vollstreckt werden kann, § 201 Abs. 2 InsO. Ein gleichwohl erlassener Bescheid ist rechtswidrig1 und muss auf den Einspruch oder die Klage des Schuldners hin aufgehoben werden. Sind wshrend des Insolvenzverfahrens Masseverbindlichkeiten entstanden, die vor der Beendigung des Insolvenzverfahrens nicht aus der Masse berichtigt worden sind, so kÇnnen diese nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens nur beschrsnkt gegen den Schuldner geltend gemacht werden. § 201 Abs. 1 InsO greift fÅr Masseverbindlichkeiten nicht ein, so dass das insolvenzfreie VermÇgen des Schuldners nicht fÅr Masseverbindlichkeiten haftet.2 Der unbefriedigte Masseglsubiger kann aber in Gegenstsnde vollstrecken, die bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehÇrten und die dem Schuldner im Zusammenhang mit der Beendigung zugefallen sind. Daher ist nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens die Festsetzung einer Forderung der Finanzverwaltung, die bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens den Rang einer Masseforderung eingenommen hatte, durch Bescheid gegenÅber dem Schuldner zulsssig. Die eben beschriebene Vollstreckungsbeschrsnkung muss der Schuldner im Rahmen der Vollstreckung geltend machen, zur Vollstreckung nach Beendigung des Insolvenzverfahrens Rz. 3.385. Soweit wshrend des Insolvenzverfahrens SteuererstattungsansprÅche begrÅndet worden sind und insoweit bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Nachtragsverteilung vorbehalten worden ist (§ 203 InsO), bleibt auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter Inhaltsadressat und Bekanntgabeadressat. Steuerbescheide, die solche ErstattungsansprÅche ausweisen, sind auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens an den Insolvenzverwalter zu richten, weil der Insolvenzbeschlag diese AnsprÅche weiterhin erfasst.3

X. Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und Festsetzung von Steuermessbetrlgen Die analog § 240 Abs. 1 ZPO durch die InsolvenzerÇffnung bewirkte Unterbrechung des Verfahrens bezieht sich nach stsndiger BFH-Rechtsprechung nicht nur auf das eigentliche Steuerfestsetzungsverfahren, sondern auch auf andere Verfahren, die wie insbesondere das gesonderte Feststel1 SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 26r. 2 Hintzen in MÅnchKomm/InsO, § 201 Rz. 16. 3 BFH v. 28.2.2012 – Az. 36/11.

268

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

lungsverfahren (§§ 10a GewStG, 10d EStG i.V.m. §§ 179 ff. AO) auf der Grundlage des § 182 Abs. 1 AO Auswirkungen auf die nach § 174 InsO zur Tabelle anzumeldenden Steuerforderungen haben kÇnnen.1 Auch Bescheide Åber die gesonderte Feststellung von Einheitswerten nach Maßgabe des Bewertungsgesetzes, Gewerbesteuermessbescheide und Bescheide zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns nach §§ 179 Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 1 Ziff. 2a AO2 kÇnnen nicht mehr ergehen. Der sich aus § 87 InsO ergebende Vorrang des Insolvenzverfahrens gegenÅber dem Festsetzungs- und Feststellungsverfahren nach der Abgabenordnung wÅrde nsmlich unterlaufen, wenn die FinanzbehÇrden nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens und vor Abschluss der PrÅfungen gem. §§ 176, 177 InsO noch mit Bindungswirkung Bescheide Åber die Feststellung oder Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen erlassen dÅrften, die sich auf die HÇhe der als Insolvenzforderung zur Eintragung in die Tabelle anzumeldenden AnsprÅche aus dem Steuerschuldverhsltnis auswirken kÇnnten. Dabei ist unerheblich, ob sich die festgestellten Besteuerungsgrundlagen tatsschlich auf anzumeldende Steuerforderungen auswirken oder nicht. Entscheidend ist, ob die festgestellten Besteuerungsgrundlagen abstrakt geeignet sind, sich auf mÇglicherweise als Insolvenzforderungen anzumeldende SteueransprÅche auszuwirken.3 Nur in besonderen Konstellationen, z.B. wenn die Feststellung als Grundlage einer Erstattungsforderung ausdrÅcklich beantragt wurde, kÇnnen Feststellungen erfolgen.4 Nicht betroffen ist von einer einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung nach §§ 179 Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 1 Ziff. 2a AO bei einer Personengesellschaft die Insolvenzmasse der Personengesellschaft selbst. Die Regelungswirkungen eines solchen Feststellungsbescheides betreffen nsmlich die Gesellschafter. Soweit diese nicht in Insolvenz sind, kann daher ein Feststellungsbescheid ergehen. Dieser ist den Gesellschaftern bekannt zu geben, nicht dem Insolvenzverwalter.

XI. Haftungs- und Duldungsbescheide Literatur Balmes/Ambroziak, Abwehrmaßnahmen gegen Haftungsbescheide, AO-StB 2009, 244; Bartone, Der Erlass und die znderung von Steuerverwaltungsakten im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Steuerpflichtigen, AO-StB 2007, 308; BrÇder, Die Haftung im Steuerrecht, SteuerStud Beilage 2005, Nr. 2, 1–48; Busch/Brey/App, Behandlung der Kraftfahrzeugsteuer im Insolvenzverfahren und im InsolvenzerÇffnungsverfahren, SVR 2010, 166; Thomas Carlp, Der 1 BFH v. 10.12.2008 – I R 41/07, BFH/NV 2009, 719 (720); Ziff. 2.9.1. des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO). 2 BFH v. 24.8.2004 – VIII R 14/02, BStBl. II 2005, 246 = ZIP 2004, 2392. 3 BFH v. 10.12.2008 – I R 41/07, BFH/NV 2009, 719 (720). 4 BFH v. 18.12.2002 – I R 33/01, BStBl. II 2003, 630 = ZIP 2003, 1212; v. 24.8.2004 – VIII R 14/02, BStBl. II 2005, 246 = ZIP 2004, 2392.

269

3.208

209

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Duldungsbescheid, AO-StB 2002, 302; Claßen, Gegenstand des Klageverfahrens bei der Ersetzung eines aufgehobenen Haftungsbescheids durch einen neuen Haftungsbescheid, EFG 2009, 1718; Diebold, Haftung fÅr den Bausteuerabzug, Zur Dogmatik der Haftung im Steuerrecht, DStR 2002, 1336; DrÅen, Zum Wahlrecht der FinanzbehÇrde zwischen Steuerschstzung und Haftungsbescheid bei unterbliebener Steueranmeldung, DB 2005, 299; Eppers, Haftungsbescheid gegen einen als Nachtragsliquidator handelnden Rechtsanwalt, EFG 2009, 891; Jnger, ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens wshrend eines Finanzgerichtsverfahrens, DStR 2008, 1272; Loose, Anforderungen an einen Haftungsbescheid, EFG 2008, 999; Mende, Umsatzsteuerrechtliche Haftungsvorschriften, NWB Fach 7, 6339 (35/2004); MÅller, Haftung im Steuerrecht, SteuerStud 2004, 429; Nacke, znderung von Haftungsbescheiden im Klageverfahren, AO-StB 2007, 106; Pump, Die Vermeidung von EinsprÅchen und Klagen gegen Steuer- und Haftungsbescheide durch koordinierte Straf- und Besteuerungsverfahren, StW 2007, 171; Pump/Leibner, Der Duldungsbescheid als Alternative zum Haftungsbescheid, AO-StB 2005, 346; Siebert, Der Testamentsvollstrecker und das Steuerrecht, ZEV 2010, 121.

Ein Haftungsbescheid nach § 191 AO ergeht bei Steuerhaftungsschulden z.B. gegenÅber dem GeschsftsfÅhrer einer GmbH, dem Arbeitgeber aber auch dem gesetzlichen Vertreter i.S.v. § 34 AO. Ein Haftungsbescheid gegen einen in Insolvenz gefallenen Rechtstrsger darf jedoch nach der VerfahrenserÇffnung wegen der Unterbrechung des Besteuerungsverfahrens (§ 240 Satz 1 ZPO) nicht mehr ergehen.1 Soweit ein in Insolvenz befindlicher Rechtstrsger Haftungsschuldner ist, hat das Finanzamt eine nicht rechtsmittelfshige Haftungsberechnung zu erlassen; die sich daraus ergebende Haftungsschuld kann als Ausfallforderung zur Tabelle angemeldet werden.2 Zwar wird eine Haftungsschuld nach § 220 Abs. 2 AO erst mit ihrer Festsetzung fsllig. Das aber spielt fÅr die Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle keine Rolle, weil nicht fsllige Forderungen gem. § 41 Abs. 1 InsO als fsllig gelten. Soweit ein Haftungsbescheid kurze Zeit nach InsolvenzerÇffnung hstte ergehen kÇnnen, wenn das Insolvenzverfahren nicht erÇffnet und dadurch das Besteuerungsverfahren unterbrochen worden wsre, erÅbrigt sich die Abzinsungspflicht nach § 41 Abs. 2 InsO. Die Aufrechnung mit einer Haftungsforderung ist allerdings nicht ausgeschlossen: Das Finanzamt kann in einem Insolvenzverfahren mit Haftungsforderungen aufrechnen, die vor der ErÇffnung des Verfahrens entstanden sind; nach der – wohl Åberholten – Rechtsprechung des BFH bedarf es des vorherigen Erlasses eines Haftungsbescheides, der Feststellung der Haftungsforderung oder ihrer Anmeldung zur Tabelle nicht.3 Gegen diese Rechtsprechung bestehen allerdings durchgreifende Bedenken (Rz. 3.355 f.). Richtet das Finanzamt einen Haftungsbescheid gegen den Insolvenzschuldner selbst (und nicht gegen den Åber sein VermÇgen bestellten In1 BFH v. 31.2.2012 – I S 15/11, ZIP 2012, 1099; SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/ InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 26. 2 Vgl. BFH v. 14.3.1989 – VII R 152/85, BStBl. II 1990, 363 = ZIP 1989, 869. 3 BFH v. 10.5.2007 – VII R 18/05, BStBl. II 2007, 914 = ZIP 2007, 1514; v. 4.5.2004 – VII R 45/03, BStBl. II 2004, 815 = ZIP 2004, 1423.

270

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

solvenzverwalter), so ist dieser gegen das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners gerichtet. Der BFH hat es als ernstlich zweifelhaft bezeichnet, ob § 80 Abs. 1 InsO einer Klage des Insolvenzschuldners entgegensteht, mit der dieser geltend macht, das Finanzamt habe rechtswidrig nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens einen Haftungsbescheid gegen ihn erlassen.1 In der Tat ist der Insolvenzschuldner insoweit selbst prozessfÅhrungsbefugt, weil die ProzessfÅhrungsbefugnis bezÅglich des insolvenzfreien VermÇgens nicht auf den Insolvenzverwalter Åbergeht. UnberÅhrt ist freilich der Erlass von Haftungsbescheiden gegenÅber Personen, die Haftungsschuldner fÅr Steuern sind, die der in Insolvenz befindliche Rechtstrsger schuldet. Daher ist ein Haftungsbescheid gegen den nicht in Insolvenz befindlichen GeschsftsfÅhrer einer in Insolvenz befindlichen GmbH ohne weiteres zulsssig.

3.210

Nach § 191 Abs. 3 Satz 4 AO endet die Festsetzungsfrist fÅr einen Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der fÅr die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist. Wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann gem. § 191 Abs. 1 AO durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Wegen der Unterbrechung des Steuerfestsetzungsverfahrens analog § 240 Satz 1 ZPO kann gegen den Insolvenzschuldner nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens aber kein Duldungsbescheid mehr ergehen, der zu einem Zugriff des Finanzamtes auf zum SchuldnervermÇgen gehÇrende Gegenstsnde fÅhren wÅrde. Insoweit gelten §§ 87, 89 InsO. Soweit das Finanzamt als Glsubiger des Schuldners gegen einen Dritten, der eine anfechtbare Leistung von dem Insolvenzschuldner erlangt hatte, einen Duldungsbescheid erlassen hat, wird ein insoweit bei InsolvenzerÇffnung etwa noch andauerndes Verfahren (z.B. Einspruchsverfahren) analog § 17 Abs. 1 AnfechtG unterbrochen. Eine Aufnahme durch den Insolvenzverwalter kommt allerdings nicht in Betracht,2 weil hoheitliches Handeln BehÇrden vorbehalten ist. Der Insolvenzverwalter ist auf den zivilrechtlichen Klageweg gegen den Dritten angewiesen. Mit ErÇffnung des Insolvenzverfahrens geht die Anfechtungskompetenz aus § 4, § 11 AnfG auf den Insolvenzverwalter Åber.3 Der Rechtsstreit gegen den Duldungsbescheid des Finanzamtes wandelt sich in eine Leistungsklage gegen den mit dem Duldungsbescheid in Anspruch genommenen bisherigen Klsger. Der Insolvenzverwalter Åbernimmt die Rolle des Klsgers. Die zunschst als Anfechtungsklage gegen den Duldungsbescheid erhobene, dem Finanzrechtsweg zugewiesene Klage, ist auch nach xbernahme durch den Insolvenzverwalter vom FG zu entscheiden.4 Eine Verweisung kommt nicht in Betracht. 1 2 3 4

BFH v. 31.1.2012 – I S 15/11, ZIP 2012, 1099. FG Nds. v. 20.9.1994 – XV 377/91, EFG 1994, 1066. BFH v. 18.9.2012 – VII R 14/11, BStBl. II 2013, 128 = ZIP 2013, 1046. BFH v. 18.9.2012 – VII R 14/11, BStBl. II 2013, 128 = ZIP 2013, 1046.

271

3.211

212

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

XII. AußenprÅfung Literatur App, AußenprÅfung nach ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens, StBp 1999, 63; Becker, Ort und Zustsndigkeit fÅr die AußenprÅfung in Insolvenzfsllen, InVo 2005, 169 ff.; Buse, Der Umfang der AußenprÅfung nach § 194 AO (Teil 1), AO-StB 2008, 274; Der Umfang der AußenprÅfung nach § 194 AO (Teil 2), AO-StB 2008, 341; Groß/Kampffmeyer/Eller, Klsrungsbedarf in der praktischen Umsetzung des Rechts auf Datenzugriff im Rahmen steuerlicher AußenprÅfungen, DStR 2005, 1214; Intemann/CÇster, Rechte und Pflichten bei der digitalen AußenprÅfung – zugleich Besprechung des sog. Frage-Antwort-Katalogs des BMF, DStR 2004, 1981; Klaproth, Ort einer AußenprÅfung nach § 200 Abs. 2 AO auf Antrag des Steuerpflichtigen beim Steuerberater?, DStR 2003, 1912; Rischar, Abgrenzung zwischen dem Beginn einer ernsthaften AußenprÅfung und der sog. Scheinhandlung, DStR 2001, 382; Ritzrow, Die Bekanntgabe der PrÅfungsanordnung – xberblick Åber die Rechtsprechung des BFH, StBp 2006, 205.

Bei Steuerpflichtigen, die einen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten, die freiberuflich tstig sind und bei Steuerpflichtigen i.S.d. § 147a AO ist gem. § 193 Abs. 1 AO eine AußenprÅfung zulsssig. Die AußenprÅfung dient gem. § 194 Abs. 1 AO der Ermittlung der steuerlichen Verhsltnisse des Steuerpflichtigen. Sie kann eine oder mehrere Steuerarten, einen oder mehrere Besteuerungszeitrsume umfassen oder sich auf bestimmte Sachverhalte beschrsnken. AußenprÅfungen werden hsufig als SonderprÅfungen zur Feststellung von Umsatzund Lohnsteuerforderungen oder zur PrÅfung der ErfÅllung steuerlicher Pflichten des (vorlsufigen) Insolvenzverwalters angeordnet. xber den Umfang der AußenprÅfung hat die FinanzbehÇrde gem. § 196 AO eine schriftliche PrÅfungsanordnung zu erlassen. Gemsß § 197 Abs. 1 Satz 1 AO sind die PrÅfungsanordnung selbst sowie der voraussichtliche PrÅfungsbeginn und die Namen der PrÅfer dem Steuerpflichtigen, bei dem die AußenprÅfung durchgefÅhrt werden soll, angemessene Zeit vor Beginn der PrÅfung bekannt zu geben. Im Rahmen der AußenprÅfung hat der AußenprÅfer gem. § 199 Abs. 1 AO die tatsschlichen und rechtlichen Verhsltnisse, die fÅr die Steuerpflicht und fÅr die Bemessung der Steuer maßgebend sind (Besteuerungsgrundlagen), zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen zu prÅfen. Nach § 200 Abs. 1 AO hat der Steuerpflichtige bei der Feststellung der Sachverhalte, die fÅr die Besteuerung erheblich sein kÇnnen, mitzuwirken. Er hat insbesondere AuskÅnfte zu erteilen, Aufzeichnungen, BÅcher, Geschsftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und PrÅfung vorzulegen und die zum Verstsndnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erlsuterungen zu geben. xber das Ergebnis der AußenprÅfung ergeht gem. § 202 Abs. 1 AO ein schriftlicher Bericht (PrÅfungsbericht). In diesem PrÅfungsbericht sind die fÅr die Besteuerung erheblichen PrÅfungsfeststellungen in tatsschlicher und rechtlicher Hinsicht sowie die znderungen der Besteuerungsgrundlagen darzustellen.

272

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

Findet bei dem Insolvenzschuldner im Zeitpunkt der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens gerade eine AußenprÅfung statt, so wird diese nicht unterbrochen.1 Eine erneute PrÅfungsanordnung, die dem Insolvenzverwalter bekannt zu geben wsre, ist nicht erforderlich, weil der Insolvenzverwalter als VermÇgensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO in die Rechtsstellung des Insolvenzschuldners eintritt. Die FinanzbehÇrde ist auch befugt, erst nach der ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens eine PrÅfungsanordnung zu erlassen und mit einer AußenprÅfung zu beginnen, selbst wenn sie Zeitrsume vor der ErÇffnung erfasst. Allerdings sollte die FinanzbehÇrde den mit der DurchfÅhrung der AußenprÅfung verbundenen Aufwand bei PrÅfer, Veranlagungs- und Vollstreckungsstelle des Finanzamtes und Insolvenzverwalter bedenken, zumal das sich aus der AußenprÅfung ergebende Steuerergebnis zur Insolvenztabelle anzumelden ist und sich ein tatsschliches Mehrergebnis insofern regelmsßig nur in geringem Umfange ergeben wird. Es bietet sich daher statt der DurchfÅhrung einer AußenprÅfung grundsstzlich an, Besteuerungsgrundlagen zu schstzen oder mit dem Insolvenzverwalter eine tatsschliche Verstsndigung zu erzielen. Dies gilt freilich dann nicht, wenn die sich aus einer AußenprÅfung ergebenden Mehrsteuern anderen Personen als dem Insolvenzschuldner auferlegt werden kÇnnen oder mÅssen (z.B. Haftungsschuldner) oder Steuerforderungen aus der Tstigkeit des (vorlsufigen) Insolvenzverwalters zu prÅfen sind.

3.213

Der Insolvenzschuldner sollte Åber die PrÅfungsanordnung informiert werden, weil er trotz ErÇffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 200 AO zur Mitwirkung verpflichtet bleibt und in vielen Fsllen eher AuskÅnfte erteilen kann als der Insolvenzverwalter selbst. Der PrÅfungsbericht ist allerdings nur dem Insolvenzverwalter bekannt zu geben, nicht dem Insolvenzschuldner.

3.214

XIII. Masseunzullnglichkeit und Massearmut Literatur Ahrendt/Struck, Kein Anfechtungsrecht des Verwalters bei Masseunzulsnglichkeit?, ZInsO 2000, 264; Bograkos, Insolvenzanfechtung in masseunzulsnglichen Verfahren – Zum Verstsndnis der Benachteiligung der Insolvenzglsubiger, DZWIR 2002, 139; Gerke/Sietz, Reichweite des Auslagenbegriffs gem. § 54 InsO und steuerrechtliche Pflichten des Verwalters in massearmen Verfahren, NZI 2005, 373; Gundlach/Frenzel/Schmidt, Die Insolvenzanfechtung nach Anzeige einer nicht kostendeckenden Masse durch den Insolvenzverwalter, NZI 2004, 184; Haarmeyer/ Wutzke/FÇrster, Insolvenzrechtliche VergÅtung, Masseunzulsnglichkeit; Heck, Die Glsubigerversammlung nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit, NZI 2005, 65; Huber, Absoluter Vorrang der Berichtigung der Kosten des Insolvenzverfahrens bei eingetretener Masseunzulsnglichkeit – Anmerkung zur Entscheidung des BGH vom 19.11.2009, LMK 2010, 300685; Kaufmann, Die Unzulsssigkeit der BerÅcksichtigung sonstiger Masseverbindlichkeiten bei der VerfahrenskostendeckungsprÅfung, ZInsO 2006, 961; Keller, Die Befriedigung von Masseverbindlichkeiten 1 Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 128.

273

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit im Insolvenzverfahren, Rpfleger 2008, 1; Keller, Die Befriedigung von Masseverbindlichkeiten nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit im Insolvenzverfahren, Rpfleger 2008, 1; Kluth, Das Verfahren bei unzulsnglicher Insolvenzmasse oder ein „Himmelfahrtskommando“ fÅr den Insolvenzverwalter, ZInsO 2000, 177; KrÇplein, Aktuelle Probleme der Masseunzulsnglichkeit – Wieder die Unzulsssigkeit von Leistungsklagen und zur Verfahrensabwicklung bei Neumasseverbindlichkeiten, ZIP 2003, 2341; KÅbler, Die Behandlung massearmer Insolvenzverfahren nach neuem Recht, KÇlner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2000, S. 967; Mnusezahl, Die Abwicklung masseunzulsnglicher Verfahren, ZVI 2003, 617; Runkel/Schnurbusch, Rechtsfolgen der Masseunzulsnglichkeit, NZI 2000, 49; Schnurbusch, Rechtsfolgen der Masseunzulsnglichkeit, NZI 2000, 49; Siemon, Zum Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses bei fortdauernder Masseunzulsnglichkeit, EWiR 2009, 57; SchrÇder, Die Abwicklung des masseunzulsnglichen Verfahrens (2010); Smid, Die Abwicklung masseunzulsnglicher Insolvenzverfahren nach neuem Recht, WM 1998, 1313; Uhlenbruck, Gesetzesunzulsnglichkeit bei Masseunzulsnglichkeit, NZI 2001, 408; Weber/Irschlinger/Wirth, Verfahren bei Masseunzulsnglichkeit, KTS 1979, 133; Wenner/Jauch, Die Verjshrung von Masseverbindlichkeiten im Insolvenzverfahren bei Masseunzulsnglichkeit, ZIP 2009, 1894; Wienberg/Voigt, Aufwendungen fÅr Steuerberaterkosten bei masseunzulsnglichen Insolvenzverfahren als Auslagen des Verwalters gem. § 54 Nr. 2 InsO, ZIP 1999, 1662.

215

Im Verlauf des Insolvenzverfahrens kann sich herausstellen, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Masseverbindlichkeiten zu tilgen. Man spricht dann von Masseunzulsnglichkeit. Die zentralen Vorschriften fÅr das masseunzulsngliche Verfahren finden sich in §§ 208–211 InsO.

216

Ist die Insolvenzmasse unzulsnglich, so hat der Insolvenzverwalter gegenÅber dem Insolvenzgericht die Masseunzulsnglichkeit gem. § 208 Abs. 1 InsO anzuzeigen. Die Masseunzulsnglichkeit hat der Insolvenzverwalter anzuzeigen, sobald sie eingetreten ist; er ist zur Anzeige aber auch schon dann berechtigt, wenn die Masseunzulsnglichkeit erst einzutreten droht.1 Ihm bleibt somit ein gewisser Zeitraum. Die Anzeige der Masseunzulsnglichkeit wird Çffentlich bekannt gemacht, § 208 Abs. 2 InsO. Der Insolvenzverwalter bleibt zur Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse verpflichtet. Dem Insolvenzgericht steht keine xberprÅfungspflicht oder -mÇglichkeit zu. Die Anzeige der Masseunzulsnglichkeit bewirkt eine rnderung der Befriedigungsreihenfolge. Diese wird durch § 209 Abs. 1 InsO festgelegt. An erster Stelle stehen die Verfahrenskosten; danach folgen diejenigen Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit erst begrÅndet werden (sog. Neumasseverbindlichkeiten), schließlich folgen die Åbrigen Masseverbindlichkeiten also solche, die bereits vor Anzeige der Masseunzulsnglichkeit begrÅndet worden waren (sog. Altmasseverbindlichkeiten). Verbindlichkeiten der Insolvenzmasse aus Dauerschuldverhsltnissen sind gem. § 209 Abs. 2 Ziff. 2 InsO Neumasseverbindlichkeiten fÅr die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Insolvenzverwalter nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit kÅndigen konnte bzw. soweit er die Gegenleistung in Anspruch genommen 1 KÅbler in KÇlner Schrift zur InsO, S. 974; Ries in Uhlenbruck, § 208 InsO Rz. 3.

274

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

hat, § 209 Abs. 2 Ziff. 2 InsO. Die Vollstreckung in die Insolvenzmasse ist wegen einer Altmasseverbindlichkeit nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit gem. § 210 InsO unzulsssig. Eine Leistungsklage gegen den Insolvenzverwalter ist nicht mehr mÇglich; ihr fehlt das RechtsschutzbedÅrfnis.1 Forderungen i.S.d. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO kÇnnen zivilrechtlich nur noch durch Feststellungsklage verfolgt werden. FÅr Neumasseverbindlichkeiten i.S.v. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO gelten diese Einschrsnkungen grundsstzlich nicht. Sie kÇnnen regelmsßig gegen die Masse vollstreckt werden und in diesem Umfang auch Gegenstand einer zulsssigen Leistungsklage sein. Wenn allerdings nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit auch die neu zu erwirtschaftende Insolvenzmasse wiederum nicht ausreicht, um alle fslligen Neumasseverbindlichkeiten zu decken, ist auf entsprechende Einwendung des Insolvenzverwalters hin nur noch die Feststellungsklage zulsssig. Die Frage der Zuordnung von Verbindlichkeiten zu den Alt- oder Neumasseverbindlichkeiten beantwortet sich nach den zu § 55 InsO entwickelten Grundsstzen.2 Nach verbreiteter Literaturmeinung soll die Anzeige der Masseunzulsnglichkeit bewirken, dass Steuern, die Altmasseverbindlichkeiten darstellen, nicht mehr durch Steuerbescheid festgesetzt werden kÇnnen.3 Insoweit sollen die „fÅr Insolvenzforderungen geltenden Grundsstze“ anzuwenden sein.4 Es soll statt der Festsetzung durch Bescheid eine Anmeldung beim Insolvenzverwalter vorzunehmen sein. Dabei kann es sich jedoch nicht um eine Anmeldung nach § 174 InsO handeln, denn bezÅglich der Masseverbindlichkeiten fÅhrt der Insolvenzverwalter keine der Insolvenztabelle entsprechende Tabelle. Daher kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. FÅr die Kraftfahrzeugsteuer hat der BFH zu Recht entschieden, dass auch Altmasseverbindlichkeiten nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit noch durch Steuerbescheid festgesetzt werden kÇnnen.5 Dies gilt auch fÅr andere Steuerarten. Die Anzeige der Masseunzulsnglichkeit bewirkt nach § 210 InsO nsmlich nur die Unzullssigkeit der Vollstreckung wegen einer Altmasseverbindlichkeit.

3.217

Der BFH wendet die zivilrechtlichen Grundsstze des masseunzulsnglichen Verfahrens im Steuerrecht konsequent an. FÅr die Kraftfahrzeugsteuer bedeutet dies zunschst, dass die nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Anzeige der Masseunzulsnglichkeit entstandene Kraftfahrzeugsteuer den Altmasseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige bis zum Ende der Steuerpflicht entstandene Steuer den Neumasseverbind-

3.218

1 Siegmann in MÅnchKomm/InsO, § 324 Rz. 13; BGH v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, ZIP 2003, 914 (363) = BGHZ 154, 358. 2 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 22/05, ZIP 2006, 1004 = WM 2006, 970 ff.; v. 3.4.2002 – IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358 (363). 3 Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 793; Kling/ SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 25d; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 265. 4 Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 793. 5 BFH v. 29.8.2007 – IX R 58/06, BStBl. II 2008, 322 = ZIP 2007, 2083.

275

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

lichkeiten zuzuordnen ist. Unabhsngig von dieser zeitlichen Zuordnung stehen §§ 208 ff. InsO einer Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit im Wege des Steuerbescheids nicht entgegen, gleichgÅltig, ob sie als Alt- oder Neumasseverbindlichkeit zu beurteilen ist.1 Dies ergibt sich aus der Systematik des Steuerverfahrensrechts im Allgemeinen und im Besonderen aus der Rechtsnatur des Steuerbescheids nach § 155 Abs. 1 AO. Dem Vollstreckungsverbot des § 210 InsO ist in einem Rechtsbehelfsverfahren gegen das Leistungsgebot, spstestens aber im Vollstreckungsverfahren gegen die Insolvenzmasse Rechnung zu tragen. Der Steuerbescheid entspricht nsmlich nicht einem zivilprozessualen Leistungs-, sondern einem Feststellungstitel. Der Steuerbescheid dient der Durchsetzung des materiellen Steueranspruchs i.S.d. § 38 AO durch Entscheidung Åber den Steueranspruch. In ihm wird verbindlich festgesetzt, wie hoch eine Steuer ist, die ein bestimmter Steuerschuldner schuldet. Der Rechtsnatur nach handelt es sich um einen rechtsfeststellenden Verwaltungsakt.2 Aus dieser Steuerfestsetzung allein kann eine Vollstreckung jedoch nicht erfolgen. Der Bescheid bildet zwar die Grundlage der Vollstreckung (§ 249 AO). Deren Beginn hsngt aber von einem weiteren, gesonderten Verwaltungsakt ab, dem Leistungsgebot i.S.d. § 254 Abs. 1 AO. Dieser Verwaltungsakt ist der Steuererhebung, der Steuerbescheid dagegen dem Besteuerungsverfahren zuzuordnen. Hierbei handelt es sich um getrennt zu beurteilende Verfahren. Ein Leistungsgebot darf fÅr Altmasseverbindlichkeiten nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit nicht mehr ergehen.3 Ein hiergegen gerichteter Einspruch muss Erfolg haben; andernfalls ist Klage zum FG geboten.

219

Das FG MÅnster hat zudem zu Recht anerkannt, dass ein Leistungsgebot bzw. eine Vollstreckung wegen einer Neumasseverbindlichkeit dann rechtswidrig ist, wenn die Neumasse erneut unzulsnglich geworden ist.4 Da die Insolvenzordnung eine weitere Anzeige der Masseunzulsnglichkeit allerdings nicht gesetzlich regelt, kann die Unzulsnglichkeit der Neumasse nur einredeweise durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht und muss auch im Einzelnen dargelegt werden. Eine mit konstitutiver Wirkung feststellende Anzeige der Unzulsnglichkeit der Neumasse beim Insolvenzgericht gibt es nicht.

220

Steuerforderungen, die im Zusammenhang mit sog. aufgedrlngten Dauerschuldverhlltnissen stehen, wie es bei Arbeitsverhsltnissen oder auch Mietverhsltnissen der Fall ist, nehmen den gleichen Rang ein wie die zivilrechtlichen Forderungen aus diesen Dauerschuldverhsltnissen selbst.5 Sie sind also als Neumasseschulden anzusehen, soweit sie im Zusam1 FG MÅnster v. 16.6.2006 – 13 K 3960/04 Kfz, EFG 2006, 1704 ff. 2 Tipke in Tipke/Kruse, § 155 AO Rz. 14; SÇhn in HÅbschmann/Hepp/Spitaler, § 118 AO Rz. 297 ff. 3 FG MÅnster v. 16.6.2006 – 13 K 3960/04 Kfz, EFG 2006, 1704 ff. 4 FG MÅnster v. 16.6.2006 – 13 K 3960/04 Kfz, EFG 2006, 1704 ff. 5 Kling/SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 25e.

276

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

menhang mit einem Dauerschuldverhsltnis stehen und Zeitrsume nach dem ersten Termin betreffen, zu dem der Insolvenzverwalter das Dauerschuldverhsltnis kÅndigen konnte (§ 209 Abs. 2 Ziff. 2 InsO) oder der Insolvenzverwalter die Leistung des Glsubigers aus dem Dauerschuldverhsltnis in Anspruch genommen hat (§ 209 Abs. 2 Ziff. 3 InsO). Die Anzeige der Masseunzulsnglichkeit gewshrt allerdings kein außerordentliches KÅndigungsrecht.1 Weder dem Insolvenzgericht noch einem Prozessgericht2 noch dem Finanzamt steht eine Kompetenz zu, zu prÅfen, ob die Masseunzulsnglichkeit tatsschlich vorliegt oder nicht.3 Dies ergibt sich klar aus der Entstehungsgeschichte von § 208 InsO.4 Es ist das ausschließliche und alleinige Recht des Insolvenzverwalters, durch die Anzeige der Masseunzulsnglichkeit die znderung der Befriedigungssystematik und die die Masse schÅtzenden Mechanismen von §§ 209, 210 InsO zur Anwendung zu bringen. Der Gesetzgeber hielt die alleinige Kompetenz des Insolvenzverwalters zur PrÅfung und Anzeige der Masseunzulsnglichkeit und den Ausschluss jeglicher xberprÅfungsmÇglichkeit der Masseunzulsnglichkeitsanzeige fÅr gerechtfertigt im Hinblick auf die den Verwalter nach § 61 InsO treffende persÇnliche Haftung fÅr nicht erfÅllbare Masseverbindlichkeiten. Die Haftung trifft den Insolvenzverwalter dann, wenn er fsllige Masseverbindlichkeiten wegen Masseunzulsnglichkeit nicht befriedigen kann, obgleich deren Eintritt bei BegrÅndung der Verbindlichkeit fÅr ihn vorhersehbar war. Zur Vermeidung seiner Haftung muss der Verwalter die Masseunzulsnglichkeit daher rechtzeitig anzeigen, um die bereits bestehenden Masseverbindlichkeiten in den Rang der Altmasseverbindlichkeiten zurÅck zu setzen, damit die nachfolgend von ihm begrÅndeten Masseverbindlichkeiten als Neumasseverbindlichkeiten jedenfalls voll bedient werden kÇnnen. Die Haftung aus § 61 InsO trifft den Insolvenzverwalter bereits dann, wenn er bei BegrÅndung der Masseverbindlichkeit hstte erkennen kÇnnen, dass die Masse zur Deckung der eingegangenen Verbindlichkeiten voraussichtlich nicht ausreichen wird. Er kann sich gem. § 61 Satz 2 InsO nur durch den Nachweis entlasten, dass entweder objektiv von einer ausreichenden Masse auszugehen oder die Unzulsnglichkeit fÅr ihn nicht erkennbar war. Daher ist der Insolvenzverwalter zur Anzeige der Masseunzulsnglichkeit bereits dann berechtigt, wenn er ernsthafte 1 Beck in Beck/Depru, Praxis der Insolvenz, § 13 Rz. 82. 2 BGH v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, ZIP 2003, 914 = NZI 2003, 369; BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 459/00, ZIP 2002, 628 = NZI 2003, 273 (275). 3 Allgemeine Meinung, s. statt Vieler BGH v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, ZIP 2003, 914 = NZI 2003, 369; Hefermehl in MÅnchKomm/InsO, § 208 Rz. 10 f. und Rz. 17 bei Fn. 2; Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 208 InsO Rz. 4; Kießner in Braun, § 208 InsO Rz. 25, 27; offenbar a.A. Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 796, der eine xberprÅfungsmÇglichkeit durch die Finanzverwaltung annimmt; Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, Rz. 125 nehmen ohne jede BegrÅndung sogar eine PrÅfungskompetenz des Insolvenzgerichts an. 4 §§ 318 ff. RegE-InsO und BegrÅndung zu §§ 318 ff. RegE-InsO.

277

3.221

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Zweifel daran hat, dass alle Masseverbindlichkeiten befriedigt werden kÇnnen. Man spricht in solchen Fsllen von drohender Masseunzulsnglichkeit; ihre Anzeige ist der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit von den Wirkungen her gleichgestellt.1 Die Anzeige der drohenden Masseunzulsnglichkeit ist nicht pflichtwidrig. Sie kommt auch dann in Betracht, wenn die Masse zwar absolut betrachtet ausreichen wird, um alle Masseverbindlichkeiten zu befriedigen, derzeit aber nicht genÅgend Liquiditst vorhanden ist,2 um alle Masseverbindlichkeiten bei Fslligkeit zu bedienen, so dass es des Vollstreckungsschutzes aus § 210 InsO bedarf, um dem Insolvenzverwalter seine Handlungsfshigkeit zu erhalten. Andererseits droht dem Insolvenzverwalter die persÇnliche Haftung nach § 60 InsO, wenn er die Masseunzulsnglichkeit anzeigt, obwohl nicht einmal die Voraussetzungen fÅr drohende Masseunzulsnglichkeit vorlagen.3 In diesen Fsllen wird sich der Schaden der Masseglsubiger allerdings stets nur auf den Verspstungsschaden beschrsnken, den sie dadurch erleiden, dass ihre Forderungen erst zu einem spsteren Zeitpunkt befriedigt worden sind.

222

Der Insolvenzverwalter ist weder gegenÅber dem Insolvenzgericht noch gegenÅber Glsubigern zur BegrÅndung seiner Masseunzulsnglichkeitsanzeige verpflichtet.4 Dies gilt auch fÅr den Steuerglsubiger. Der Insolvenzverwalter ist daher auch nicht gegenÅber der FinanzbehÇrde gem. §§ 249 Abs. 2, 93 Abs. 1, 34 Abs. 3 AO zur Mitwirkung bei der xberprÅfung der Masseunzulsnglichkeit verpflichtet,5 zumal eine Forderung wegen des Verspstungsschadens nach § 60 InsO stets eine zivilrechtliche ist, gegen den Insolvenzverwalter persÇnlich und nicht gegen die Insolvenzmasse gerichtet ist und daher auch nicht nach § 249 AO vollstreckt werden kann. Der Glsubiger – auch der Steuerglsubiger – ist in jeder Hinsicht auf den Prozessweg angewiesen: Will er den Insolvenzverwalter wegen – von ihm fÅr unberechtigt gehaltener – Anzeige der Masseunzulsnglichkeit nach § 60 InsO in Anspruch nehmen, so sind dafÅr die Zivilgerichte zustsndig; die Klage kann dann allerdings nur in HÇhe des Verspstungsschadens Erfolg haben, weil bereits nach dem eigenen Vortrag des Glsubigers mit seiner vollstsndigen Befriedigung aus der Masse zu rechnen ist. Will der Glsubiger den Insolvenzverwalter nach § 61 InsO in Anspruch nehmen, weil er in Folge der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit mit einer Altmasseforderung ausfsllt, so bringt er den Insolvenzverwalter im Prozess in die Lage, sich nach § 61 Satz 2 InsO exkulpieren zu mÅssen.

223

Reicht die Masse nicht einmal aus, um die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) zu decken, so spricht man von Massearmut. Liegt Massearmut vor, so ist das Insolvenzverfahren gem. § 207 InsO einzu1 2 3 4 5

Hefermehl in MÅnchKomm/InsO, § 208 Rz. 21. Hefermehl in MÅnchKomm/InsO, § 208 Rz. 24. Hefermehl in MÅnchKomm/InsO, § 208 Rz. 74, 77 ff. Kießner in Braun, § 208 InsO Rz. 25. A.A. Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 796.

278

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

stellen.1 Die vorhandene Insolvenzmasse ist in diesem Falle gem. § 207 Abs. 3 InsO zu verteilen. Der Insolvenzverwalter ist zur Verwertung der Insolvenzmasse nicht mehr verpflichtet, weil mangels Kostendeckung noch nicht einmal seine VergÅtung gedeckt werden kann. Auch zur Verwaltung anderer Gegenstsnde als Barmittel ist er nicht mehr verpflichtet. Die Einstellung unterbleibt lediglich dann, wenn ein ausreichender Verfahrenskostenzuschuss vorgeschossen wird, § 207 Abs. 1 Satz 2 InsO, oder die Verfahrenskosten gem. § 4a InsO gestundet sind. Wird das Verfahren eingestellt, so wird das unverwertete VermÇgen an den Insolvenzschuldner zurÅckgegeben.2 Rechtsstreite, die in Folge der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 240 ZPO unterbrochen worden waren, werden fortgesetzt, weil die Unterbrechung mit der Einstellung endet. Aktivrechtsstreite, die der Insolvenzverwalter selbst rechtshsngig gemacht hat, werden durch die Einstellung gem. §§ 239, 242 InsO unterbrochen, weil die ProzessfÅhrungsbefugnis entfsllt.3

XIV. Nebenforderungen 1. Slumniszuschllge Gemsß § 240 Abs. 1 AO ist fÅr jeden angefangenen Monat der Ssumnis mit der Entrichtung einer Steuer ein Ssumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rÅckstsndigen Steuerbetrags zu entrichten, wenn eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fslligkeitstages entrichtet wird. Das Gleiche gilt fÅr zurÅckzuzahlende SteuervergÅtungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurÅckzuzahlende SteuervergÅtungen erstreckt. Lediglich bei einer Ssumnis von bis zu drei Tagen wird ein Ssumniszuschlag gem. § 240 Abs. 3 Satz 1 AO nicht erhoben. Der Ssumniszuschlag entsteht allein durch Zeitablauf kraft Gesetzes. FÅr die Verwirkung ist weder ein Verschulden des Steuerpflichtigen noch eine Festsetzung oder ErmessensausÅbung durch die FinanzbehÇrde erforderlich.4

3.224

Wann eine Steuer fsllig wird, ist grundsstzlich insbesondere den Einzelsteuergesetzen zu entnehmen, § 220 Abs. 1 AO. Soweit TeilansprÅche aus dem Steuerschuldverhsltnis gesondert fsllig werden, ist diese Fslligkeit auch fÅr die Berechnung von Ssumniszuschlsgen gesondert maßgeblich. Ist durch ein Leistungsgebot gem. § 254 AO eine Zahlungsfrist bestimmt, so bestimmt sich die Fslligkeit nach dieser Zahlungsfrist, § 220 Abs. 2 Satz 1 AO. Soweit eine Steuer durch Verwaltungsakt festgesetzt wird, tritt die Fslligkeit der festgesetzten Steuer jedoch nicht vor der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes ein, § 220 Abs. 2 Satz 1 AO. Gemsß § 221 Abs. 1 AO kann die FinanzbehÇrde die Fslligkeit fÅr die Entrichtung einer Ver-

3.225

1 2 3 4

KÅbler in KÇlner Schrift zur InsO, S. 971; Ries in Uhlenbruck, § 207 InsO Rz. 1. Vgl. Marotzke in Staudinger, § 1986 BGB Rz. 2. Kießner in FrankfurterKomm/InsO, § 207 Rz. 37. BFH v. 17.7.1985 – I R 172/79, BStBl. II 1986, 122.

279

226

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

brauchsteuer oder der Umsatzsteuer auf einen Zeitpunkt vor Eintritt der gesetzlichen Fslligkeit vorverlegen, wenn der Steuerpflichtige diese Steuern mehrfach nicht rechtzeitig entrichtet hat. Gleiches gilt, wenn die Annahme begrÅndet ist, dass der Eingang einer Verbrauchsteuer oder der Umsatzsteuer gefshrdet ist. Die Stundung gem. § 222 AO hingegen bewirkt ein Hinausschieben der Fslligkeit. Die FinanzbehÇrde kann eine Stundung gewshren, wenn die Einziehung der Steuer bei Fslligkeit eine erhebliche Hsrte fÅr den Steuerschuldner bedeuten wÅrde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefshrdet erscheint. Gleiches gilt fÅr den Zahlungsaufschub nach § 223 AO fÅr die Entrichtung von Einfuhrund Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern. Wshrend eines Zeitraumes, fÅr den die Vollziehung eines Bescheides ausgesetzt ist, entstehen keine Ssumniszuschlsge, und zwar unabhsngig davon,1 ob die Aussetzung der Vollziehung zu Recht oder zu Unrecht gewshrt worden ist. Die Aussetzung der Vollziehung wird allerdings nicht rÅckwirkend gewshrt, so dass fÅr die Zeit zwischen dem Fslligkeitseintritt und der Aussetzung der Vollziehung Ssumniszuschlsge verwirkt werden. Slumniszuschllge haben eine Doppelfunktion. Einerseits stellen sie ein Druckmittel eigener Art dar, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll, andererseits soll der Fiskus vom Steuerschuldner eine Gegenleistung fÅr das Hinausschieben der Zahlung fslliger Steuern und die Verwaltungsaufwendungen abgegolten erhalten, die infolge der unterbliebenen oder nicht fristgerechten Zahlung entstehen.2 Wegen dieser Doppelfunktion ist die Erhebung von Ssumniszuschlsgen sachlich unbillig, wenn dem Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung einer Steuer wegen xberschuldung und/oder Zahlungsunfshigkeit unmÇglich ist und deshalb die AusÅbung von Druck zur Zahlung ihren Sinn verliert. In solchen Fsllen hat das Finanzamt auf Antrag regelmsßig die Hslfte der verwirkten Ssumniszuschlsge zu erlassen.3 Ein festgesetzter Ssumniszuschlag kann allerdings nicht auf den Einspruch hin beseitigt werden. Vielmehr ist ein auf Erlass gerichteter Antrag erforderlich (Rz. 3.313 ff.). Die Antragsberechtigung ist problematisch. In Bezug auf Ssumniszuschlsge, die den Rang von Masseverbindlichkeiten einnehmen, liegt die Antragsberechtigung in den Hsnden des Insolvenzverwalters. In Bezug auf Ssumniszuschlsge im Rang von § 38 InsO hat die Rechtsprechung zwar stillschweigend die Antragsberechtigung des Insolvenzverwalters angenommen.4 Dem gegenÅber ist zumindest auch die Antragsberechtigung des Insolvenzschuldners anzunehmen (Rz. 3.202). Meldet das Finanzamt festgesetzte und nicht erlassene Ssumniszuschlsge zur Insolvenztabelle 1 BFH v. 31.8.1995 – VII R 58/94, BStBl. II 1996, 55. 2 BFH v. 16.11.2004 – VII R 8/04, GmbHR 2005, 501 (501); v. 16.7.1997 – XI R 32/96, BStBl. II 1998, 7 = ZIP 1998, 340; v. 9.7.2003 – V R 57/02, BStBl. II 2003, 901 = ZIP 2003, 2036 = BFHE 203, 8; Mitlehner, NZI 2003, 189 (190). 3 BFH v. 16.7.1997 – XI R 32/96, BStBl. II 1998, 7 = ZIP 1998, 340; v. 9.7.2003 – V R 57/02, BStBl. II 2003, 901 = ZIP 2003, 2036. 4 BFH v. 9.7.2003 – V R 57/02, BStBl. II 2003, 901 = ZIP 2003, 2036.

280

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

an, so kann der Insolvenzverwalter diese zwar bestreiten. Solange aber kein expliziter Antrag auf Erlass der Ssumniszuschlsge gestellt ist, kann die Finanzverwaltung die Ssumniszuschlsge berechtigter Weise durch Verwaltungsakt gem. § 251 Abs. 3 AO feststellen. Dieser Verwaltungsakt ist so lange rechtmsßig, wie ein Erlassantrag nicht gestellt und infolgedessen ein Erlass nicht erfolgt ist. Verweigert die FinanzbehÇrde den Erlass der Hllfte der nach Eintritt der Zahlungsunfshigkeit und/oder xberschuldung des Insolvenzschuldners entstandenen Ssumniszuschlsge, so ist diese Entscheidung in aller Regel ermessensfehlerhaft. Da insoweit allerdings eine Ermessensentscheidung der FinanzbehÇrde zu treffen ist, kann das FG auf die Klage des Insolvenzverwalters hin nicht selbst einen (Teil-)Erlass aussprechen; vielmehr ist das Finanzamt zu verpflichten, erneut ermessensfehlerfrei zu entscheiden. Soweit der Insolvenzschuldner vor InsolvenzerÇffnung Ssumniszuschlsge verwirkt hat, nehmen diese im Insolvenzverfahren den Rang einfacher Insolvenzforderungen gem. § 38 InsO ein.1 Sie sind insbesondere nicht gem. § 39 Abs. 1 Ziff. 3 InsO nachrangig, weil sie keine Zwangsmittel darstellen und somit nicht mit Zwangsgeldern gleichgesetzt werden kÇnnen.2 Auch nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens entstehen kraft Gesetzes weiterhin Ssumniszuschlsge wegen der zur Insolvenztabelle anzumeldenden, nicht entrichteten Steuerforderungen im Rang von § 38 InsO. Diese nehmen den Rang nachrangiger Insolvenzforderungen ein (§ 39 Abs. 1 Ziff. 1 InsO). Sie kÇnnen daher so lange nicht zur Insolvenztabelle angemeldet werden, bis das Insolvenzgericht gem. § 174 Abs. 3 Satz 1 InsO zur Anmeldung nachrangiger Forderungen auffordert. Werden solche nachrangigen Forderungen gleichwohl beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle angemeldet, hat der Insolvenzverwalter sie zu bestreiten.

3.227

Fallen wshrend des Insolvenzverfahrens Ssumniszuschlsge an, weil der Insolvenzverwalter Steuern, die Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) darstellen, nicht bei Fslligkeit entrichtet, sind auch die hieraus resultierenden Ssumniszuschlsge Masseverbindlichkeiten.3

3.228

Zeigt der Insolvenzverwalter wshrend des Insolvenzverfahrens gem. § 208 InsO Masseunzullnglichkeit an, so nehmen bis zu diesem Zeitpunkt nicht bezahlte Steuern den Rang von Altmasseverbindlichkeiten im Rang von § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO ein. Den gleichen Rang nehmen auch die darauf anfallenden Ssumniszuschlsge ein, und zwar unabhsngig davon, ob die Zeitrsume, fÅr die sie anfallen vor oder nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit liegen. Auch fÅr die Ssumniszuschlsge, die nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit anfallen, ist nicht § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO anwendbar, sondern § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO einschlsgig. Dem steht

3.229

1 BFH v. 19.1.2005 – VII B 286/04, ZIP 2005, 1035 = ZInsO 2005, 494 (494). 2 BFH v. 19.1.2005 – VII B 286/04, ZIP 2005, 1035 = ZInsO 2005, 494 (494). 3 Mitlehner, NZI 2003, 189 (191).

281

230

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

nicht entgegen, dass die Ssumniszuschlsge erst mit jedem Monat Åberfslliger Entrichtung der Steuer entstehen. Selbst wenn somit steuerrechtlich eine Entstehung nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit liegt, teilt die „Nebenforderung Snumniszuschlag“ den insolvenzrechtlichen Rang der Hauptforderung. „BegrÅndet“ i.S.v. § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO ist eine Masseverbindlichkeit nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit nsmlich nur dann, wenn der Insolvenzverwalter auch tatsschlich nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit durch selbstbestimmtes Handeln den Rechtsgrund fÅr die Entstehung der Verbindlichkeit gelegt hat.1 Dies ist nicht der Fall, wenn das dem Anspruch zugrunde liegende Schuldverhsltnis bereits vor der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit bestanden hat.2 Auch kann nicht i.S.v. § 209 Abs. 2 Ziff. 3 InsO eine „Gegenleistung“ der Finanzverwaltung, die der Insolvenzverwalter nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit fÅr die Insolvenzmasse in Anspruch genommen hat, darin erblickt werden, dass der Insolvenzmasse ein „Geldnutzungs-“ bzw. Zinsvorteil zufließt, denn die Zahlung auf die Hauptforderung als Altmasseverbindlichkeit ist rechtlich unzulsssig geworden. Im xbrigen ist hier die entsprechende Wertung von § 39 Abs. 1 Ziff. 1 InsO zu berÅcksichtigen, die das Schicksal der Ssumniszuschlsge ebenfalls dem der Hauptforderung anpasst. Zudem sind die somit zu den Altmasseverbindlichkeiten zshlenden Ssumniszuschlsge auf Antrag des Insolvenzverwalters zur Hslfte zu erlassen, weil ihre Begleichung rechtlich unzulsssig geworden ist, so dass ihr (Teil-)Zweck, Druck auszuÅben, fehlgeht.3 Insoweit gelten obige AusfÅhrungen zum Erlass von vorinsolvenzlich angefallenen Ssumniszuschlsgen entsprechend (Rz. 3.224). Seit dem Inkrafttreten der Neufassung des § 302 Ziff. 1 InsO zum 1.7.2014 werden Ssumniszuschlsge von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berÅhrt, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO rechtskrsftig verurteilt worden ist. Zu der berechtigten rechtspolitischen Kritik an der Neuregelung vergleiche unten Rz. 3.237. 2. Verspltungszuschllge Ein Verspstungszuschlag kann gem. § 152 Abs. 1 AO gegen einen Steuerpflichtigen festgesetzt werden, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklsrung nicht oder nicht fristgemsß nachkommt. Der Verspstungszuschlag darf gem. § 152 Abs. 1 Satz 1 AO 10 Prozent der festgesetzten Steuer oder des festgesetzten Messbetrags nicht Åbersteigen und hÇchstens 25 000 Euro betragen. Der Verspstungszuschlag ist ein besonde1 BGH v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, ZIP 2003, 914 = NJW 2003, 2454 (2455); BAG v. 15.6.2004 – 9 AZR 431/03, ZIP 2004, 1660 = NZA 2005, 354 ff.; Hefermehl in MÅnchKomm/InsO, § 209 Rz. 24. 2 BAG v. 15.6.2004 – 9 AZR 431/03, ZIP 2004, 1660 = NZA 2005, 354 ff.; Hefermehl in MÅnchKomm/InsO, § 209 Rz. 24. 3 Mitlehner, NZI 2003, 189 (191).

282

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

res Druckmittel der Steuerverwaltung zur Sicherung eines ordnungsgemsßen Veranlagungsverfahrens.1 § 152 Abs. 2 Satz 2 AO bestimmt den Zweck des Verspstungszuschlages ausdrÅcklich. Dieser besteht darin, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklsrung anzuhalten und die aus der verspsteten Abgabe der Steuererklsrung gezogenen Vorteile abzuschÇpfen.2 zhnlich wie die Ssumniszuschlsge haben somit auch Verspstungszuschlsge eine Doppelfunktion. Anders als Ssumniszuschlsge entstehen Verspstungszuschlsge allerdings nicht kraft Gesetzes durch Zeitablauf, sondern setzen eine entsprechende Ermessensentscheidung der FinanzbehÇrde voraus.3 Verspstungs- und Slumniszuschlag (§ 240 AO) schließen sich gegenseitig nicht aus, da beide Zuschlsge an verschiedene Tatbestsnde anknÅpfen.4 Die Festsetzung des Verspstungszuschlags bezieht sich auf die verzÇgerte Fslligstellung des Steueranspruchs, wshrend Ssumniszuschlsge gem. § 240 Abs. 1 Satz 1 AO erst ab Fslligkeit des Steueranspruchs entstehen.

3.231

Da Verspstungszuschlsge keine Zwangsmittel sind,5 sind sie im Insolvenzverfahren einfache Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO und gehÇren nicht zu den nachrangigen Insolvenzforderungen i.S.v. § 39 Abs. 1 Ziff. 3 InsO.6

3.232

Soweit Verspstungszuschlsge nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens anfallen, weil der Insolvenzverwalter seiner Steuererklsrungspflicht nicht oder nicht fristgemsß nachkommt, entstehen Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 InsO. Die Festsetzung von Verspstungszuschlsgen gegen die Insolvenzmasse ist allerdings ermessensfehlerhaft, wenn dem Insolvenzverwalter als VermÇgensverwalter (§ 34 Abs. 3 AO) die rechtzeitige Abgabe der Steuererklsrung nicht mÇglich war. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Insolvenzschuldner mit dem Insolvenzverwalter nicht gehÇrig zusammenarbeitet und dem Insolvenzverwalter notwendige Unterlagen oder AuskÅnfte vorenthslt, denn von dem Insolvenzverwalter darf nicht die Abgabe einer Steuererklsrung verlangt werden, deren Richtigkeit er selbst ernstlich bezweifeln muss. Zu bedenken ist dabei auch, dass dem Insolvenzverwalter nur begrenzte MÇglichkeiten zur VerfÅgung stehen, um einen unkooperativen Schuldner zur umfassenden Auskunftserteilung zu bewegen, denn die Anwendung von Zwangsmitteln nach § 98

3.233

1 BFH v. 22.1.1993 – III R 92/89, BFH/NV 1993, 455; v. 18.8.1988 – V R 19/83, BStBl. II 1988, 929 = BFHE 154, 23. 2 CÇster in Pahlke/Koenig, § 152 AO Rz. 8 m.w.N. 3 Kling/SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 235b; CÇster in Pahlke/Koenig, § 152 AO Rz. 41. 4 CÇster in Pahlke/Koenig, § 152 AO Rz. 18. 5 Seer in Tipke/Kruse, § 152 AO Rz. 2; Heuermann in HÅbschmann/Hepp/Spitaler, § 152 AO Rz. 5. 6 BFH v. 19.1.2005 – VII B 286/04, ZIP 2005, 1035 (1035).

283

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

InsO unterliegt einem strengen Verhsltnismsßigkeitsgebot1 und dauert Åberdies oft lange Zeit. Außerdem kann der Insolvenzverwalter Zwangsmittel nur beim Insolvenzgericht anregen; ob das Insolvenzgericht der Anregung folgt oder nicht, liegt nicht in seiner Macht. Der Insolvenzverwalter hat insoweit auch kein Beschwerderecht.

234

Zeigt der Insolvenzverwalter im Laufe des Insolvenzverfahrens Masseunzulsnglichkeit nach § 208 InsO an, so nehmen zu diesem Zeitpunkt bereits festgesetzte Verspstungszuschlsge den Rang einer Altmasseverbindlichkeit gem. § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO ein (Rz. 3.215). Auch nach dem Eintritt der Masseunzulsnglichkeit bleibt der Insolvenzverwalter zur Erstellung und Abgabe der Steuererklsrungen verpflichtet. Kommt er nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit seiner Steuererklsrungspflicht nicht oder nicht rechtzeitig nach, kann ein Verspstungszuschlag festgesetzt werden, es sei denn, dem Insolvenzverwalter wsre aus eben beschriebenen GrÅnden die Abgabe einer Steuererklsrung nicht mÇglich. Kommt es nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit zu einer nicht zu entschuldigenden Verspstung bei der Abgabe einer Steuererklsrung, so nimmt ein deswegen festgesetzter Verspstungszuschlag den Rang einer Neumasseverbindlichkeit gem. § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO ein.

235

Wshrend Ssumniszuschlsge in der Regel zur Hslfte zu erlassen sind, wenn der Schuldner aufgrund von Zahlungsunfshigkeit und/oder xberschuldung zur rechtzeitigen Zahlung einer Steuer nicht in der Lage war (Rz. 3.224), fÅhrt die finanzielle Leistungsunfshigkeit des Schuldners nicht unbedingt zum Erlass von Verspstungszuschlsgen. Ein (Teil-)Erlass hat bei Verspstungszuschlsgen dann zu erfolgen, wenn ihr spezieller Zweck nicht erreicht werden kann bzw. die Festsetzung aus sachlichen oder persÇnlichen GrÅnden unbillig ist. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen die Abgabe einer Steuererklsrung unmÇglich war. Nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens kann ein Erlassantrag nicht mehr vom Insolvenzschuldner, sondern nur noch vom Insolvenzverwalter gestellt werden.

236

Seit dem Inkrafttreten der Neufassung des § 302 Ziff. 1 InsO zum 1.7.2014 werden Verspstungszuschlsge von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berÅhrt, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO rechtskrsftig verurteilt worden ist. Zu der berechtigten rechtspolitischen Kritik an der Neuregelung vergleiche unten Rz. 3.237. 3. Zinsen FÅhrt die Festsetzung von Einkommen-, KÇrperschaft-, VermÇgen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag i.S.v. § 233a Abs. 3 AO, so ist dieser zu verzinsen. Auch fÅr die gewshrte Stundung 1 Passauer/Stephan in MÅnchKomm/InsO, § 98 Rz. 23 m.w.N.

284

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

von AnsprÅchen aus dem Steuerschuldverhsltnis werden gem. § 234 Abs. 1 Satz 1 AO Zinsen erhoben. Hinterzogene Steuern sind gem. § 235 Abs. 1 Satz 1 AO zu verzinsen. Soweit die Vollziehung ausgesetzt wurde, Rechtsmittel des Steuerpflichtigen jedoch endgÅltig erfolglos geblieben sind, sind gem. § 237 AO Aussetzungszinsen zu entrichten. Die Zinsen betragen gem. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO fÅr jeden Monat ein halbes Prozent. Die Zinsen werden durch schriftlichen Verwaltungsakt festgesetzt (§ 155 Abs. 1 AO). Der Zinsbescheid muss gem. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO die festgesetzten Zinsen nach Art und Betrag bezeichnen und den Zinsschuldner angeben.1 Sind vor InsolvenzerÇffnung Zinsen bereits festgesetzt, so sind diese im Insolvenzverfahren Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO. Sie kÇnnen durch die Finanzverwaltung beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle angemeldet werden und nehmen somit an der quotalen Befriedigung der Insolvenzglsubiger teil. Zinsen auf Steuerforderungen im Rang von § 38 InsO, die nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens erst entstehen, sind gem. § 39 Abs. 1 Ziff. 1 InsO nachrangig. Sie kÇnnen daher nur angemeldet werden, wenn das Insolvenzgericht zur Anmeldung gem. § 174 Abs. 3 InsO besonders auffordert. Erfolgt die Anmeldung, ohne dass die Aufforderung ergangen ist, hat der Insolvenzverwalter sie zu bestreiten. Entstehen wshrend des Insolvenzverfahrens Zinsen, die aus Masseverbindlichkeiten resultieren, so sind die Zinsen ebenfalls Masseverbindlichkeiten und mÅssen aus der Insolvenzmasse bedient werden. Mit der Einschrsnkung von § 90 Abs. 1 InsO kÇnnen sie auch in die Insolvenzmasse vollstreckt werden. Erfolgt allerdings die Anzeige der Masseunzullnglichkeit (§ 208 InsO), so treten die Zinsforderungen in den Rang der Altmasseverbindlichkeiten (§ 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO) zurÅck (Rz. 3.215 ff.). Dies gilt auch fÅr Zinsen, die erst nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit entstehen, wenn sie auf Steuerforderungen beruhen, die den Rang von Altmasseverbindlichkeiten einnehmen. Insoweit gelten obige AusfÅhrungen zu Ssumniszuschlsgen im Fall der Masseunzulsnglichkeit (Rz. 3.229) entsprechend. Hinterziehungszinsen sind keine Verbindlichkeiten aus einer vorsstzlich begangenen unerlaubten Handlung i.S.d. bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung des § 302 Ziff. 1 InsO.2 Sie sind deshalb nach der bis zum 30.6.2014 geltenden Rechtslage nicht von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen.3 § 302 Ziff. 1 InsO a.F. beruhte auf dem vollstreckungsrechtlichen Gedanken, dass der Schuldner, gegen den Forderungen aus unerlaubten Handlungen bestehen, wegen dieser Forderungen weniger schutzwÅrdig ist. Deshalb ist dem Insolvenzschuldner fÅr Forderungen aus unerlaubten Handlungen die Restschuldbefreiung zu versagen. Ebenso wie der auf

1 BFH v. 28.11.1991 – IV R 96/90, BFH/NV 1992, 506. 2 BFH v. 20.3.2012 – VII R 12/11, BStBl. II 2012, 491. 3 BFH v. 20.3.2012 – VII R 12/11, BStBl. II 2012, 491.

285

3.237

238

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

einer Steuerhinterziehung beruhende Steueranspruch resultieren jedoch auch die Hinterziehungszinsen nicht auf einer unerlaubten Handlung. Sie entstehen nur, wenn die auf einem Steuertatbestand – und nicht auf einer unerlaubten Handlung – beruhende Hauptforderung entstanden ist. zhnlich wie der in § 71 AO geregelte Haftungsanspruch hsngt der Zinsanspruch nach § 235 AO somit vom Entstehen des auf einer Steuerhinterziehung beruhenden Steueranspruchs ab. Der Zinsanspruch knÅpft damit an die auf einer Steuerhinterziehung beruhenden Steuerschulden an, die – wegen der Akzessorietst des Zinsanspruchs – entstanden sein mÅssen. Dieses zusstzliche Erfordernis muss ein bloßer Deliktsanspruch nicht erfÅllen. Deshalb teilt die Zinsforderung das Schicksal der Hauptforderung und kann nicht als aus einer unerlaubten Handlung resultierender Anspruch angesehen werden.1 Auf diese zutreffende Rechtsprechung des BFH hat der Gesetzgeber reagiert. Seit dem 1.7.2014 gilt nun § 302 Ziff. 1 InsO n.F., wonach Verbindlichkeiten des Schuldners aus einem Steuerschuldverhsltnis von der Restschuldbefreiung nicht berÅhrt werden, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach §§ 370, 373 oder § 374 AO rechtskrsftig verurteilt worden ist. Steuer- und HaftungsansprÅche sind eigenstsndige Çffentlich-rechtliche AnsprÅche aus einem Steuerschuldverhsltnis. Da sie sich bei der Entstehung und ihrer Durchsetzung von den zivilrechtlichen DeliktsansprÅchen nicht unterscheiden und deshalb auch keine SchadensersatzansprÅche darstellen, ist ihre Privilegierung durch die derzeitige Gesetzesfassung rechtspolitisch verfehlt, weil dadurch der Glsubiger Gleichbehandlungsgrundsatz in einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Weise durchbrochen wird.2 Zu den Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhsltnis gehÇren nicht nur der Steueranspruch, sondern auch alle steuerlichen Nebenleistungen wie Verspstungszuschlsge, Ssumniszuschlsge, Zwangsgelder und Zinsen (§§ 37, 3 AO) Zinsen kÇnnen gem. § 227 AO erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wsre. Die Unbilligkeit kann entweder in der Sache oder in der Person des Abgabeschuldners begrÅndet sein. Sachliche BilligkeitsgrÅnde sind gegeben, wenn nach dem erklsrten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage – hstte er sie geregelt – i.S.d. beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hstte3 oder wenn angenommen werden kann, dass die Einziehung den Wertungen des Gesetzes zuwiderlsuft.4 Ein Erlass aus persÇnlichen GrÅnden erfordert das 1 BFH v. 20.3.2012 – VII R 12/11, BStBl. II 2012, 491. 2 Ebenfalls kritisch Stephan in MÅnchKomm/InsO, § 302 Rz. 8; Grote/Pape ZInsO 2013, 1433 (1444); Ahrens ZVI 2012, 122 (126). 3 BFH v. 26.10.1972 – I R 125/70, BStBl. II 1973, 271; BVerfG v. 5.4.1978 – 1 BvR 117/73, BStBl. II 1978, 441. 4 BFH v. 29.8.1991 – V R 78/86, BStBl. II 1991, 906.

286

A. DurchfÅhrung der Besteuerung

Vorliegen sowohl der ErlassbedÅrftigkeit als auch der -wÅrdigkeit. Nach InsolvenzerÇffnung ist nur noch der Insolvenzverwalter berechtigt, einen Erlassantrag zu stellen, nicht mehr der Insolvenzschuldner. 4. Vollstreckungskosten Im Vollstreckungsverfahren fallen gem. § 337 Abs. 1 AO GebÅhren und Auslagen an. Schuldner dieser Kosten ist der Vollstreckungsschuldner. Soweit die Vollstreckungskosten vor der InsolvenzerÇffnung entstanden sind, nehmen die daraus resultierenden Forderungen der Finanzverwaltung im Insolvenzverfahren den Rang von § 38 InsO ein. Soweit die Vollstreckung einer Masseverbindlichkeit Kosten verursacht, haben diese ebenfalls den Rang einer Masseverbindlichkeit.

3.239

5. Zwangs- und Ordnungsgelder Ein Verwaltungsakt, der auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, kann gem. § 328 Abs. 1 AO mit Zwangsmitteln, insbesondere einer Zwangsgeldfestsetzung, durchgesetzt werden. Das Zwangsgeld dient sowohl der Erzwingung vertretbarer als auch unvertretbarer Handlungen. Die Durchsetzung von Zwangsgeldern erfolgt nach den Vorschriften Åber die Vollstreckung wegen Geldforderungen (§§ 259–327 AO). Ist ein Zwangsgeld nicht beitreibbar, kann es unter den Voraussetzungen des § 334 AO in Ersatzzwangshaft umgewandelt werden. Der Vollzug eines Zwangsmittels ist einzustellen, wenn der Handlungs- oder Leistungspflichtige seine Verpflichtung erfÅllt, § 335 AO. Der Wortlaut des § 335 AO ist insofern zu eng gefasst, als die Verpflichtung, das weitere Zwangsverfahren einzustellen, nicht nur nach Festsetzung des Zwangsmittels, sondern in jeder Phase des Zwangsverfahrens gilt, wenn der Pflichtige die Verpflichtung erfÅllt.1 Dementsprechend darf das Zwangsmittel nach ErfÅllung nicht mehr angedroht, festgesetzt oder vollzogen werden. Werden nach der Einstellung Zwangsgelder gezahlt oder beigetrieben, so sind sie zu erstatten.2 Vor der ErfÅllung beigetriebene Zwangsgelder werden allerdings nicht erstattet.

3.240

Soweit im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung Zwangsgelder bereits festgesetzt sind, sind diese in aller Regel aufzuheben,3 weil ihr Vollzug gem. § 335 AO einzustellen ist. Der Insolvenzschuldner kann seinen steuerlichen Pflichten nicht mehr nachkommen. Daher ist der Vollzug gegen ihn nicht mehr zulsssig. Der Insolvenzverwalter hingegen wird die steuerlichen Pflichten in aller Regel ordnungsgemsß erfÅllen. Sobald die ErfÅl-

3.241

1 ZÇllner in Pahlke/Koenig, § 335 AO Rz. 4. 2 Brockmeyer in Klein, § 335 AO Rz. 2; Kruse in Tipke/Kruse, § 335 AO Rz. 6; Hohrmann in HÅbschmann/Hepp/Spitaler, § 335 AO Rz. 6; App, StBp 1991, 49 (52). 3 Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2631.

287

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

lung erfolgt ist, darf auch keine Anmeldung des Zwangsgeldes zur Insolvenztabelle mehr erfolgen. Dies wÅrde § 335 AO zuwiderlaufen. Im xbrigen nehmen Zwangsgelder stets nur den Rang von § 39 Abs. 1 Ziff. 3 InsO ein und sind damit nachrangige Insolvenzforderungen. Nicht nur der Insolvenzverwalter, sondern auch der Insolvenzschuldner sollte sich allerdings beizeiten um eine Aufhebung festgesetzter Zwangsgelder bemÅhen, weil diese gem. § 302 Ziff. 2 InsO nicht von der Restschuldbefreiung umfasst sind und daher nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gem. § 201 InsO ungehindert gegen den Schuldner vollstreckt werden kÇnnen. 6. Geldbußen und Geldstrafen

242

Mit einer Geldbuße werden gem. § 377 Abs. 1 AO Zuwiderhandlungen geahndet, die Ordnungswidrigkeiten darstellen. Steuerordnungswidrigkeiten sind insbesondere die leichtfertige SteuerverkÅrzung gem. § 378 AO und die Steuergefshrdung, § 379 ff. AO. Geldstrafe kann in den Fsllen der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) verhsngt werden.

243

Geldbußen und Geldstrafen, die der Insolvenzschuldner vor InsolvenzerÇffnung verwirkt hat, nehmen im Insolvenzverfahren den Rang des § 39 Abs. 1 Ziff. 3 InsO ein und sind damit gegenÅber den allgemeinen Insolvenzforderungen nachrangig. Allerdings nehmen Geldstrafen und Geldbußen gem. § 302 Ziff. 2 InsO bei natÅrlichen Personen nicht an der Restschuldbefreiung teil, so dass sie gem. § 201 Abs. 1 InsO ungehindert gegen den Insolvenzschuldner durchgesetzt werden kÇnnen.

288

B. Erhebungsverfahren

B. Erhebungsverfahren I. Grundlagen Die Abgabenordnung differenziert zwischen dem Festsetzungsverfahren einerseits und dem Erhebungsverfahren andererseits.1 § 218 AO stellt das maßgebliche Bindeglied zwischen dem Festsetzungs- und dem Erhebungsverfahren dar. Grundlage fÅr die Verwirklichung von AnsprÅchen aus dem Steuerschuldverhsltnis, d.h. fÅr ihre ErfÅllung im Erhebungsverfahren, ist nach § 218 Abs. 1 AO ein entsprechender im Steuerfestsetzungsverfahren ergangener Bescheid. Es ist nicht ausreichend, dass der Steueranspruch durch ErfÅllung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale gem. § 38 AO materiell entstanden ist. Der FinanzbehÇrde steht somit ein Recht auf Verwirklichung eines auf Grund der materiellen Steuergesetze bereits entstandenen Steueranspruchs nur zu, wenn er formell wirksam festgesetzt wurde. An diesen Grundsstzen sndert sich auch im Insolvenzverfahren nichts. Ab dem Zeitpunkt der Anordnung einer Sicherungsmaßnahme im vorlsufigen Insolvenzverfahren (insbesondere nach § 21 Abs. 2 Ziff. 3 InsO) bzw. spstestens mit InsolvenzerÇffnung wird diese steuerverfahrensrechtliche Situation durch insolvenzrechtliche Vorschriften ergsnzt.

3.244

Spstestens durch die InsolvenzerÇffnung (u.U. aber auch bereits im vorlsufigen Insolvenzverfahren durch Anordnung eines allgemeinen VerfÅgungsverbotes nach § 21 Abs. 2 Ziff. 2 Alt. 1 InsO) verliert der Schuldner das Recht, das zur Insolvenzmasse gehÇrende VermÇgen zu verwalten und darÅber zu verfÅgen. Die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis geht auf den Insolvenzverwalter Åber (§ 80 InsO). Bei der Insolvenz einer juristischen Person oder einer Personengesellschaft endet die GeschsftsfÅhrungs- und Vertretungsbefugnis der GeschsftsfÅhrer bzw. der Organe (§ 11 Abs. 1, Abs. 2 InsO). Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters wirken sich fÅr und gegen den Schuldner bzw. sein VermÇgen aus. Der Schuldner ist aber rechts- und geschsftsfshig und bleibt EigentÅmer der zur Masse gehÇrenden Gegenstsnde, Glsubiger der zur Masse gehÇrenden Forderungen und Schuldner der gegen die Insolvenzmasse gerichteten Forderungen. Daher ist dem Schuldner als wirtschaftlichem EigentÅmer unversndert ssmtliches VermÇgen steuerrechtlich zuzurechnen. Die Pflicht zur Entrichtung von Steuern trifft allerdings grundsstzlich nicht mehr den Schuldner selbst, sondern den Åber sein VermÇgen bestellten Insolvenzverwalter. In Folge der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens dÅrfen allerdings Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO und nachrangige Forderungen nicht mehr nach anderen Vorschriften als denen der Insolvenzordnung verfolgt werden, § 87 InsO. § 87 InsO Åberlagert damit die steuerverfahrensrechtlichen Vorschriften, ohne sie allerdings zu beseitigen. Auch im Insolvenzverfahren kann die Verwirklichung von Steuer-

3.245

1 Alber in HÅbschmann/Hepp/Spitaler, § 218 AO Rz. 3.

289

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

ansprÅchen durch die Finanzverwaltung stets Åberhaupt nur dann erfolgen, wenn eine den Anforderungen von § 218 AO genÅgende Festsetzung erfolgt ist. Ist dies der Fall, richtet sich das zulsssige weitere Vorgehen nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften. Nur soweit AnsprÅche gegen die Insolvenzmasse gerichtet sind, kann die Finanzverwaltung ggf. auch mit der Vollstreckung vorgehen. In Bezug auf einfache Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO kommt nur die Anmeldung zur Insolvenztabelle nach § 174 InsO in Betracht.

II. Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle Literatur Behr, Durchsetzung von Deliktsforderungen bei der Forderungspfsndung und im Insolvenzverfahren, Rpfleger 2003, 389; Deger, Die Durchsetzung von Forderungen des Bauunternehmers gegen insolvente Auftraggeber, InVo 2005, 301; Eisner, Der isolierte Widerspruch des Schuldners gegen eine Forderung aus unerlaubter Handlung, NZI 2003, 480; Eckardt, Die Feststellung und Befriedigung des Insolvenzglsubigerrechts, KÇlner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2009, 533; Hain, Die unerlaubte Handlung im Insolvenzverfahren – Geklsrte und ungeklsrte Rechtsfragen, ZInsO 2011, 1193; Hattwig, Ungewissheit fÅr Schuldner deliktischer Forderungen – xberlegungen zu § 184 InsO, ZInsO 2004, S. 636; Gaul, Zwangsvollstreckungserweiterung nach vorsstzlich begangener unerlaubter Handlung – Kein Nachweis durch Vollstreckungsbescheid, NJW 2005, 2894; Gehrlein, Aktuelle Rechtsprechung des BGH zur Unternehmensinsolvenz: Insolvenzmasse, Forderungsanmeldung und Insolvenzanfechtung, NZI 2009, 497; Gundlach/Frenzel/Schirrmeister, Blick ins Insolvenzrecht, DStR 2005, 1147; Gundlach/Frenzel/Schirrmeister, Der Feststellungsbescheid in der Insolvenz, DZWIR 2005, 189; Heinze, Behandlung von Forderungen aus Vorsatzdelikt im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen natÅrlicher Personen, DZWIR 2002, 369; Kahlert, Beseitigung des Widerspruchs des Schuldners gegen den Haftungsgrund der vorsstzlichen unerlaubten Handlung im Insolvenzverfahren, ZInsO 2006, 409; Kehe/Meyer/Schmerbach, Anmeldung und Feststellung einer Forderung aus vorsstzlich begangener unerlaubter HandlungTeil 1, ZInsO 2002, 615; Teil 2, ZInsO 2002, 660; Keller, Die Gewshrung von Unterhalt im Insolvenzverfahren in Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung, NZI 2007, 316; Otte/Wiester, Nachmeldungen im Planverfahren, NZI 2005, 70; Pape, Vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung bei fehlenden Forderungsanmeldungen, NZI 2004, 1; Riedel, Deliktische AnsprÅche in der Restschuldbefreiung, NZI 2002, 414; Roth/SchÅtz, Die Wirkung des § 178 Abs. 3 InsO bei widerspruchslos zur Tabelle festgestellten Steuerforderungen, ZInsO 2008, 186; B. Schmidt, Das PrÅfungsrecht des Insolvenzverwalters zum Forderungsgrund der unerlaubten Handlung, ZInsO 2006, 523; Schmidt/Jungmann, Anmeldung von Insolvenzforderungen mit Rechnungslegungslast des Schuldners, NZI 2002, 65; Schmidt/Jungmann, Anmeldung von Insolvenzforderungen mit Rechnungslegungslast des Schuldners, NZI 2002, 65; Smid, Voraussetzung der BerÅcksichtigung von Absonderungsrechten in dem Åber das VermÇgen des Sicherungsgebers erÇffneten Insolvenzverfahren, NZI 2009, 669; Schreiber/Birnbreier, Die Berichtigung der Insolvenztabelle bei Rechtsnachfolge, ZInsO 2009, 237; Zeuner, Durchsetzung von Glsubigerinteressen im Insolvenzverfahren, NJW 2007, 2952.

290

B. Erhebungsverfahren

1. Anzumeldende Forderungen Entgegen der insoweit unklaren Gesetzesformulierung besteht keine Pflicht der Insolvenzglsubiger zur Anmeldung zur Tabelle. Die Anmeldung ist ihnen vielmehr freigestellt. Die Anmeldung ist allerdings Voraussetzung dafÅr, dass der Insolvenzglsubiger an der Verteilung der Insolvenzmasse teilnehmen und damit zumindest eine quotale Befriedigung seiner Forderung erhalten kann.

3.246

Anzumelden sind nur Forderungen, die als Insolvenzforderungen den Rang des § 38 InsO einnehmen. Aussonderungsrechte (§ 47 InsO) kÇnnen nicht zur Insolvenztabelle angemeldet werden, weil die Aussonderung durch Herausgabe des Aussonderungsgutes erfolgt. Angemeldete Forderungen mÅssen nicht unbedingt fsllig oder bereits festgesetzt sein. Entscheidend fÅr eine Feststellung zur Insolvenztabelle ist vielmehr nur ihr materiell-rechtlicher Bestand. Zu den relevanten Insolvenzforderungen des Fiskus zshlen auch der bei InsolvenzerÇffnung begrÅndete, aus einer rechtsgrundlosen RÅckzahlung einer Steuer i.S.v. § 37 AO bestehende Erstattungsanspruch sowie steuerliche Nebenleistungen.1

3.247

Nachrangige Forderungen, die nicht den Rang des § 38 InsO, sondern z.B. den Rang von § 39 InsO einnehmen, kÇnnen erst dann angemeldet werden, wenn das Insolvenzgericht hierzu besonders auffordert, § 174 Abs. 3 InsO. Nachrangig sind insbesondere die ab der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen und Ssumniszuschlsge auf Insolvenzforderungen, § 39 Abs. 1 Ziff. 1 InsO (Rz. 3.224 ff.). Geht die Anmeldung einer nachrangigen Forderung beim Insolvenzverwalter ein, ohne dass ein Hinweis auf die Nachrangigkeit in der Anmeldung enthalten ist, so ist die Forderung in die Insolvenztabelle aufzunehmen und zu bestreiten. Geht eine als nachrangige Forderung bezeichnete Anmeldung bei dem Insolvenzverwalter ein, obwohl es an einer Aufforderung nach § 174 Abs. 3 InsO an die nachrangigen Glsubiger fehlt, so kann die Forderung gar nicht in die Tabelle aufgenommen werden.2 Nicht anmeldungsfshig sind auch Masseverbindlichkeiten (§§ 53, 55 InsO). Diese sind gegenÅber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen und in vollem Umfange, also nicht nur mit der Quote, zu befriedigen. Auch im Fall der Masseunzulsnglichkeit erfolgt keine Forderungsanmeldung durch Masseglsubiger.

3.248

Unschsdlich ist fÅr die Anmeldung, dass eine Insolvenzforderung im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung auflÇsend bedingt ist (§ 43 InsO). Auch aufschiebend bedingte Forderungen werden zumindest im PrÅfungsverfahren wie unbedingte Forderungen behandelt. Unerheblich ist es auch, wenn neben der Insolvenzmasse Dritte als Gesamtschuldner gegenÅber einem Insolvenzglsubiger haften. Solange und soweit der Insolvenzglsubiger nicht befriedigt ist, kann er den vollen Forderungsbetrag auch zur Insolvenztabelle anmelden und festgestellt erhalten.

3.249

1 Kling/SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 24a. 2 Kießner in FrankfurterKomm/InsO, § 174 Rz. 42.

291

250

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

2. Anmeldungsfrist Im ErÇffnungsbeschluss wird eine Frist bestimmt, binnen derer Insolvenzgldubiger ihre Forderungen anmelden sollen (§ 28 Abs. 1 InsO). Die Anmeldungsfrist ist jedoch keine Ausschlussfrist. FÅr Anmeldungen, die nach der Anmeldungsfrist erst bei dem Insolvenzverwalter eingehen, gilt § 177 InsO. Dem Insolvenzglnubiger droht bei verspnteter Anmeldung lediglich, mit einer GerichtsgebÅhr i.H.v. Euro 15 (Nr. 2340 KV) in Anspruch genommen zu werden, wenn dieserhalb ein besonderer PrÅfungstermin anberaumt werden muss. 3. Form der Anmeldung zur Tabelle

251

Die Forderungsanmeldung muss eine genaue Bezeichnung des Insolvenzverfahrens beinhalten, in dem die Forderung angemeldet werden soll. Zweifel gehen zu Lasten des anmeldenden Glnubigers. Die Anmeldung muss schriftlich erfolgen, § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO. Dem Schriftformerfordernis genÅgt eine Anmeldung per Telefax. Eine Anmeldung beim Insolvenzgericht ist nicht zulnssig. Formularzwang besteht fÅr die Anmeldung nicht.

252

Die Anmeldung mittels eines elektronischen Dokuments, wozu auch eine Email gehÇrt, ist nur dann zulnssig, wenn der Insolvenzverwalter dieser Form der sbermittlung ausdrÅcklich zugestimmt hat, § 174 Abs. 4 InsO. Fehlt es an der ausdrÅcklichen Zustimmung des Insolvenzverwalters, so ist die Anmeldung schlicht unbeachtlich und darf nicht in die Insolvenztabelle aufgenommen werden. Eine Anmeldung beim Insolvenzgericht ist nicht zulnssig. Formularzwang besteht fÅr die Anmeldung nicht. 4. Inhalt der Forderungsanmeldung

253

In der Forderungsanmeldung sind Grund und Betrag der anzumeldenden Forderung derart schlÅssig darzulegen, dass eine PrÅfung des geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruches ohne weiteres, insbesondere ohne weitere Nachforschungen des Insolvenzverwalters erfolgen kann. Der Glnubiger ist allerdings nicht verpflichtet, RechtsausfÅhrungen zum Bestand seiner Forderung vorzubringen; es genÅgt, wenn er die den Anspruch begrÅndenden Umstnnde substantiiert darlegt.

254

Der Anmeldung sind Urkunden in Ablichtung beizufÅgen (§ 174 Abs. 1 Satz 2 InsO), wenn sich aus ihnen die Forderung ergibt. Da die FinanzbehÇrde nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens keinen Bescheid Åber eine Steuer mehr erlassen darf, die Insolvenzforderung ist, ergeht regelmnßig eine formlose, informatorische Berechnungsmitteilung. Die Berechnungsmitteilung erlnutert, wie sich der zur Insolvenztabelle angemeldete oder anzumeldende Betrag zusammensetzt (Rz. 3.190 ff.).

255

Der Insolvenzverwalter ist nicht verpflichtet, einen Glnubiger, dessen Forderung er nicht festzustellen vermag, vor dem PrÅfungstermin auf diesen 292

B. Erhebungsverfahren

Umstand hinzuweisen oder ihn gar aufzufordern, ergsnzende Unterlagen vorzulegen.1 Erst recht ist der Insolvenzverwalter nicht verpflichtet, die Buchhaltung oder gar die sonstigen Geschlftsunterlagen des Schuldners zu durchforsten, um die angemeldete Forderung zu verifizieren. Die PrÅfung hat allein anhand der durch den Glsubiger selbst eingereichten Unterlagen zu erfolgen. Der Betrag der angemeldeten Forderung ist in Euro anzugeben. Dem Glsubiger steht es innerhalb der Anmeldungsfrist frei, seine Anmeldung zu ergsnzen und nsher zu erlsutern. Eine Erglnzung stellt allerdings soweit die Ergsnzung reicht (und nicht bloß eine Erlsuterung der bisher angemeldeten Forderung vorliegt) eine Neuanmeldung dar, die in einem PrÅfungstermin geprÅft werden muss und hinsichtlich derer die anfsngliche Forderungsanmeldung auch die Verjshrung nicht gehemmt hat.2 Die Mitteilung der fÅr die Anmeldung von Steuerforderungen erforderlichen Tatsachen, BegrÅndungen und sonstigen Umstsnde fÅhrt nicht zu einer Verletzung des Steuergeheimnisses (§ 30 AO), auch wenn die Forderungsanmeldungen gem. § 175 Abs. 1 Satz 2 InsO fÅr alle Beteiligten zur Einsicht in der Geschsftsstelle des Insolvenzgerichts niedergelegt werden (Rz. 2.261 f.). Neben der abgabenrechtlich erforderlichen BegrÅndung eines Steuerbescheids wie auch einer Berechnungsmitteilung, die als Grundlage fÅr die Tabellenanmeldung dienen soll, sind auch die inzwischen strengen, durch die zivilgerichtliche Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die BegrÅndung der insolvenzrechtlichen Tabellenanmeldung zu berÅcksichtigen. Regelmsßig enthslt eine Forderungsanmeldung des Finanzamtes keine Åber die zugrunde liegenden Steuerbescheide (oder Berechnungsmitteilungen) hinausgehenden BegrÅndungen oder Erlsuterungen des angemeldeten Steueranspruchs. Solche Anmeldungen genÅgen regelmsßig nicht mehr den durch die zivilgerichtliche Rechtsprechung an eine ordnungsgemsße Tabellenanmeldung gestellten Anforderungen. Zu berÅcksichtigen ist fÅr die Tabellenanmeldung, dass die zivilgerichtliche Rechtsprechung inzwischen sehr hohe Anforderungen an die exakte Bezeichnung des Grundes eines zur Tabelle angemeldeten Anspruchs in rechtlicher und tatsschlicher Hinsicht aufgestellt hat.3 So hat es beispielsweise der BGH nicht ausreichen lassen, dass eine dem Betrag nach genau bezeichnete Forderung als Darlehensforderung angemeldet worden war, obwohl der Darlehensvertrag nichtig und dem Glsubiger deswegen ein bereicherungsrechtlicher RÅckgewshranspruch zustand.4 Eine Forderung ist nach dieser Rechtsprechung nur dann ordnungsgemsß zur Insolvenz1 OLG Stuttgart v. 29.4.2008 – 10 W 21/08, ZIP 2008, 1781 = ZInsO 2008, 627; Kießner in FrankfurterKomm/InsO, § 174 Rz. 18. 2 BGH v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483. 3 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 92/12, ZIP 2013, 680. 4 BGH v. 5.7.2007 – IX ZR 221/05, ZIP 2013, 680.

293

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

tabelle angemeldet, wenn auch der rechtliche Grund, der zum Bestehen der Forderung fÅhrt (also der Lebenssachverhalt), durch den Glsubiger schlÅssig dargelegt wird.1 Es genÅgt also nicht etwa der Hinweis auf bei dem Schuldner oder dem Insolvenzverwalter vorhandene Unterlagen oder dortiges Wissen; vielmehr wird vom Glsubiger eine Darlegung in der Anmeldung verlangt. Diese durch die insoweit zustsndigen Zivilgerichte aufgestellten Anforderungen an Forderungsanmeldungen zur Insolvenztabelle gelten nicht nur fÅr zivilrechtliche Forderungen, sondern mÅssen schon aus GrÅnden der gebotenen Gleichbehandlung der Glsubiger auch fÅr und gegen den Steuerglsubiger gelten (Art. 3 Abs. 1 GG). Deswegen reicht es fÅr eine Forderungsanmeldung des Finanzamtes nicht aus, wenn lediglich Auflistungen mit Forderungsbetrlgen Åbergeben werden, aus denen lediglich Steuerart, Veranlagungszeitraum und Betrag zu entnehmen sind. Vielmehr muss der Tabellenanmeldung selbst (ein Verweis auf bei dem Schuldner oder Insolvenzverwalter vorhandene Unterlagen oder zhnliches ist danach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung ebenfalls unzureichend) mindestens die Grundlage fÅr die Berechnung der Steuer zu entnehmen sein, was typischerweise durch die xbersendung der zugrunde liegenden Bescheide erfolgt. Bei Steuerbetrsgen, die auf Schstzungen beruhen, mÅssen die Schstzungsgrundlagen und die Ermessenserwsgungen genau und fÅr jeden außenstehenden Dritten aus sich selbst heraus und ohne RÅckgriff auf andere Unterlagen nachprÅfbar angegeben werden.2 Zu Recht hat der V. Senat des BFH einschrsnkend entschieden, dass die wirksame Anmeldung einer nicht titulierten Umsatzsteuerforderung zur Insolvenztabelle allerdings nicht erfordert, dass das Finanzamt jeden einzelnen umsatzsteuerrechtlich erheblichen Sachverhalt auflistet und im Einzelnen beschreibt „(z.B. Umsatzsteuer aus Verkauf bestimmter Waren zu einem bestimmten Preis)“.3 Es sei „ausreichend, aber auch erforderlich“, dass der Inhalt der Anmeldung die fÅr die „ErÇrterung der einzelnen Forderungen im PrÅfungstermin notwendige Individualisierung einzelner Sachverhalte“4 ermÇglicht, so dass „sichergestellt“ ist, dass nur bestimmte in der Anmeldung durch die Angabe einer Summe begrenzte Sachverhalte erfasst sind.5 Danach genÅgt es eindeutig nicht, wenn das Finanzamt lediglich Steuerart, Betrag und Veranlagungszeitraum nennt. Wenn bei nicht titulierten Umsatzsteuerforderungen die HÇhe der in die Berechnung eingeschlossenen Umsstze mitgeteilt wird, ist zumindest zu verlangen, dass in nachprÅfbarer Weise individualisierbar (d.h. im Einzel1 BGH v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483. 2 BGH v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483, verlangt, dass in der Forderungsanmeldung eine „Individualisierung“ der einzelnen angemeldeten Forderung erfolgt: „Die Individualisierung der Forderung dient daneben dem Zweck, den Verwalter und die Åbrigen Insolvenzglsubiger in den Stand zu versetzen, den geltend gemachten Schuldgrund einer PrÅfung zu unterziehen.“ Dies beschreibt, wie detailliert die Sachverhaltsangaben in der Forderungsanmeldung sein mÅssen. 3 BFH v. 24.8.2011 – V R 53/09, BStBl. II 2012, 256 = ZIP 2011, 2421. 4 BFH v. 24.8.2011 – V R 53/09, BStBl. II 2012, 256 = ZIP 2011, 2421. 5 BFH v. 24.8.2011 – V R 53/09, BStBl. II 2012, 256 = ZIP 2011, 2421.

294

B. Erhebungsverfahren

nen konkret nachprÅfbar)1 mit der Anmeldung zusammen mitgeteilt wird, wie sich dieser Gesamtbetrag zusammensetzen soll. Eine genaue AufschlÅsselung darÅber, wie sich der Gesamtbetrag zusammensetzt, ist schon allein deswegen unabdingbar, weil inzwischen bei vielen Insolvenzschuldnern steuerliche Sachverhalte nicht nur in der Insolvenzmasse verwirklicht werden, sondern auch dem insolvenzfreien Bereich. Fehlt es an einer AufschlÅsselung der Betrsge, die das Finanzamt gegen die Insolvenzmasse geltend machen will, ist eine NachprÅfbarkeit dahingehend, dass in einem Gesamtbetrag auch tatsschlich nur Betrsge enthalten sind, die die Insolvenzmasse betreffen, oft nicht mÇglich. Hinzu kommt, dass die Zuordnung von Steuerforderungen zu den Masseverbindlichkeiten oder den Insolvenzforderungen inzwischen derart komplex und schwierig geworden ist, dass selbst Spezialisten der insolvenzsteuerrechtlichen Materie Åber einzelne Sachverhaltsgestaltungen lange streiten kÇnnen. Die AufschlÅsselung des durch das Finanzamt beanspruchten Gesamtbetrages muss in Ansehung der Insolvenzforderungen so weit gehen, dass eine „ErÇrterung“2 der durch die Finanzverwaltung erhobenen AnsprÅche im PrÅfungstermin durch alle Gllubiger erfolgen kann. Eine „ErÇrterung“ ist eine sachlich und rechtlich ins Detail gehende Diskussion der Forderung. Dies durch den Grad an Detailliertheit zu ermÇglichen, ist notwendiger Bestandteil einer Forderungsanmeldung. Die konkrete Herstellung eines Bezugs zwischen Verkauf einer bestimmten Ware, einem bestimmten Preis und der sich daraus ergebenden Umsatzsteuer allerdings wiederum ist nicht erforderlich. Eine Individualisierbarkeit in dem von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung geforderten Sinne fehlt jedenfalls dann, wenn die zur Tabelle angemeldeten Steuerforderungen betragsmsßig nicht mit den aus den Steuerbescheiden hervorgehenden festgesetzten Betrsgen Åbereinstimmen. Hat der Insolvenzschuldner auf die festgesetzten Betrsge bereits teilweise Zahlung geleistet, so hat das Finanzamt – wie im xbrigen jeder andere Glsubiger auch – eine nachvollziehbare Berechnung in der Forderungsanmeldung vorzunehmen, aus der sich ergibt, wie sich der angemeldete und also durch den Steuerglsubiger beanspruchte Betrag ergibt. Dabei mÅssen Zahlungen auf die Steuerschuld so genau dargelegt werden, dass es dem Insolvenzverwalter und den Åbrigen Insolvenzglsubigern mÇglich ist, die von der Finanzverwaltung vom ursprÅnglichen Forderungsbetrag abgesetzten Zahlungen auf Vollstsndigkeit zu ÅberprÅfen. Die Praxis zeigt nsmlich, dass Zahlungen gerade in der Krise nicht mehr in genau den Betrsgen und zu den Zeitpunkten vorgenommen werden, in denen sie geschuldet sind. Finanzsmter verbuchen in solchen Fsllen Zahlungen von Schuldnern in der Krise oft mehr oder weniger „wild“ auf Abgabenforderungen, Ssumniszuschlsge, Verspstungszuschlsge oder Zinsen. Zudem ergeben sich regelmsßig in einigen Veranlagungszeitrsumen ErstattungsansprÅche fÅr einzelne Steuerarten, die dann wiederum mehr oder weni1 BGH v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483. 2 BGH v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483.

295

3.256

257

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

ger „wild“ auf andere Veranlagungszeitrsume, andere Steuerarten oder Nebenforderungen umgebucht werden. Der Steuerglsubiger muss diese Vorgsnge im Rahmen seiner Forderungsanmeldung – wie jeder andere Glsubiger auch – detailliert und nachvollziehbar darlegen. Wie bei Glsubigern zivilrechtlicher Forderungen eine „Sammelanmeldung“ den Anforderungen an eine ordnungsgemsße Forderungsanmeldung nur dann genÅgt, wenn in Bezug auf jede einzelne darin enthaltene Forderung der Lebenssachverhalt hinreichend klar bestimmt und eine nachvollziehbare Summenbildung vorgenommen wird,1 muss die Ermittlung des Forderungsbetrages des Finanzamtes in gleicher detaillierter Weise erfolgen. Dem kann das Finanzamt regelmsßig durch BeifÅgung des Kontoauszuges des Steuerkontos des Insolvenzschuldners zur Forderungsanmeldung genÅgen. Aus dem Kontoauszug sind nsmlich nicht nur die zum Soll gestellten Betrsge, sondern auch Tilgungen, Umbuchungen und Erlasse ersichtlich. GenÅgt die Anmeldung einer Forderung nicht den zu beachtenden Mindestanforderungen oder wird der Forderungsgrund nach der Anmeldung ausgetauscht, hat der Insolvenzverwalter sie zu bestreiten. Eine diesen Anforderungen nicht genÅgende Forderungsanmeldung unterbricht auch die Festsetzungsverjlhrung nicht.2 Eine erforderlich werdende Neuanmeldung erfordert die DurchfÅhrung eines hierauf bezogenen PrÅfungstermins.3 Ein Nachschieben von GrÅnden im Rahmen laufender Anmeldung genÅgt nicht. Das Fehlen der Mindestanforderungen an die Tabellenanmeldung kann nur durch Neuanmeldung – in unverjshrter Zeit – beseitigt werden.4 5. Rechtsnatur der Forderungsanmeldung Die Forderungsanmeldung des Finanzamtes ist weder ein Steuerbescheid noch ein sonstiger Verwaltungsakt, denn es fehlt ihr an der Regelungswirkung. Jede angemeldete Forderung wird gem. § 175 Abs. 1 InsO vom Insolvenzverwalter in die Insolvenztabelle eingetragen. Die PrÅfung der angemeldeten Forderungen findet im PrÅfungstermin bei Gericht statt (§ 176 InsO). Dem Insolvenzverwalter kommt dabei die zentrale Rolle zu. Er kennt die Anmeldung nebst den mit ihr eingereichten die Forderung erlsuternden Unterlagen und Erklsrungen des Glsubigers. Sieht er rechtliche Einwsnde gegen Grund oder HÇhe der Forderung, so hat er sie ganz oder teilweise zu bestreiten. Die Anmeldung selbst ist daher nur die bloße Bekundung des Glsubigers, sich mit einer Forderung am Insolvenzverfahren beteiligen zu wollen; es handelt sich um eine besondere Form der Geltendmachung einer Steuerforderung, die ohne hoheitliche Befugnisse ausgeÅbt wird. 1 2 3 4

BGH v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483. BGH v. 5.7.2007 – IX ZR 221/05, ZIP 2007, 1760. BGH v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483. BGH v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483.

296

B. Erhebungsverfahren

6. Rechtsmittel gegen die Forderungsanmeldung Entgegen mancher zweifelnder Literaturstimmen1 ist dem BFH2 darin zuzustimmen, dass ein Antrag des Insolvenzschuldners nach § 114 FGO auf einstweilige Anordnung mit dem Ziel statthaft ist, der FinanzbehÇrde die Anmeldung eines Steueranspruchs zur Insolvenztabelle wegen eines beantragten Billigkeitserlasses als Maßnahme nach § 258 AO zu untersagen. Nach § 258 AO kann die VollstreckungsbehÇrde die Vollstreckung einstellen oder beschrsnken, soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist. Dem Steuerpflichtigen steht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu. Ist der Erlass (§ 227 AO) oder die abweichende Festsetzung von Steuern (§ 163 AO) aus BilligkeitsgrÅnden beantragt, so kommt eine Einstellung nach § 258 AO regelmsßig in Betracht.3 In der Literatur wird bezweifelt, dass die Anmeldung zur Tabelle eine Maßnahme sei, die in den Kreis derjenigen fsllt, die nach § 258 AO einzustellen oder zu beschrsnken sein kÇnnen, weil es ihr an einer „konkreten Wirkung (Wegnahme von VermÇgen)“4 fehle. Das trifft aber nicht zu. Die Forderungsanmeldung kann fÅr den Insolvenzschuldner erheblich nachteilige Folgen haben, deren Eintritt er anders nicht hindern kann. Die Forderungsanmeldung hat nsmlich zur Folge, dass die angemeldete Forderung in die Insolvenztabelle eingetragen werden muss. Sie muss auch im PrÅfungstermin geprÅft werden. Zwar kann der Insolvenzschuldner der Feststellung der Forderung gem. § 178 Abs. 1 Satz 2 InsO widersprechen. Dies hindert aber gem. § 178 Abs. 1 Satz 2 InsO die Feststellung der Forderung nicht. Diese Wirkung kommt nsmlich nur dem Widerspruch des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzglsubigers zu (§ 179 Abs. 1 Satz 1 InsO). Zwar kann der Insolvenzschuldner versuchen, den Insolvenzverwalter oder einen Insolvenzglsubiger zum Widerspruch zu bewegen, doch hat er hierauf letztlich keinen Einfluss und es kÇnnen die Interessen von Insolvenzverwalter und manchem Insolvenzglsubiger dem sogar entgegen stehen. Die Wirkung eines Widerspruchs des Insolvenzschuldners beschrsnkt sich darauf, dass aus Forderungen, die er bestritten hatte, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gem. § 201 Abs. 2 InsO nicht gegen ihn vollstreckt werden kann. Gleichwohl nehmen solche Forderungen aber an der Verteilung im Rahmen des Insolvenzverfahrens teil und gewshren dem betreffenden Glsubiger vollwertige Mitwirkungs- und Stimmrechte in der Glsubigerversammlung. Dies kann Rechte des Insolvenzschuldners beeintrschtigen, beispielsweise wenn er die DurchfÅhrung eines Insolvenzplanverfah1 Urteilsanmerkung zu BFH v. 12.3.1990 – V B 169/89, UR 1990, 377 von Weiss in UR 1990, 378; Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 724. 2 BFH v. 12.3.1990 – V B 169/89, UR 1990, 377. 3 BFH v. 12.3.1990 – V B 169/89, UR 1990, 377; v. 11.4.1989 – VII B 202/88, BFH/NV 1989, 766; v. 4.11.1986 – VII B 108/86, BFH/NV 1987, 555. 4 Urteilsanmerkung zu BFH v. 12.3.1990 – V B 169/89, UR 1990, 377 von Weiss in UR 1990, 378; Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 724.

297

3.258

259

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

rens beabsichtigt oder zur Einstellung nach §§ 212, 213 InsO gelangen mÇchte. Wollte man dem Insolvenzschuldner den Rechtsschutz nach § 114 FGO i.V.m. § 258 AO versagen, so liefe dies letztlich darauf hinaus, dass die Finanzverwaltung den Antrag auf Erlass aus BilligkeitsgrÅnden faktisch ins Leere laufen lassen kÇnnte, indem sie vor der Entscheidung Åber den Erlassantrag die Steuerforderung zur Insolvenztabelle anmeldet. Ist die Forderung nsmlich im PrÅfungstermin festgestellt, so begrÅndet die Feststellung die besagten Glsubigerrechte und wirkt wie ein rechtskrsftiges Urteil, § 178 Abs. 3 InsO. Die Feststellung kann auch durch den Insolvenzverwalter oder einen Insolvenzglsubiger nur noch unter hohen Anforderungen beseitigt werden, nsmlich durch Vollstreckungsgegenklage (§ 767 Abs. 1 ZPO), Wiederaufnahmeklage (§§ 578 ff. ZPO) und die Arglistklage nach § 826 BGB. Aber selbst diese Rechtsbehelfe stehen nicht dem Insolvenzschuldner, sondern nur dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzglsubigern zu.1 Wegen der Rechtskraftwirkung der Feststellung zur Insolvenztabelle (§ 178 Abs. 3 InsO) kann selbst der Glsubiger die Forderungsanmeldung nicht mehr zurÅcknehmen, nachdem sie festgestellt worden ist, selbst wenn ein Erlass der angemeldeten Forderung erfolgen sollte.2 Dies gilt nach zwar streitiger, aber Åberwiegender und zutreffender Meinung und vor allem offenbar der Auffassung des BFH zufolge auch fÅr die Feststellung einer Steuerforderung3 (Rz. 3.275). Eine nachtrsgliche Aufhebung i.S.v. § 258 AO scheidet daher aus. Die einzige MÇglichkeit, einen etwaigen Erlass insolvenzverfahrenstechnisch berÅcksichtigen zu kÇnnen, liegt also darin, die Forderungsanmeldung bis zur Entscheidung Åber den Erlassantrag aufzuschieben. Da der Insolvenzschuldner hieran ein berechtigtes Interesse haben kann, ist sein Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 114 FGO bei beantragtem Billigkeitserlass statthaft.

III. Berichtstermin In der Regel findet vor dem Insolvenzgericht ein Berichtstermin (§ 156 InsO) statt. Dies gilt nicht, wenn gem. § 5 Abs. 3 InsO das schriftliche Verfahren angeordnet ist. Der Berichtstermin soll gem. § 29 InsO nicht mehr als sechs Wochen nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens liegen; er darf nicht spster als drei Monate nach der ErÇffnung anberaumt werden. 1 Schumacher in MÅnchKomm/InsO, § 178 Rz. 85. 2 Nowak in MÅnchKomm/InsO, § 174 Rz. 26; RG v. 8.1.1926 – II 282/25, RGZ 112, 297 (299); v. 19.2.1909 – II 401/08, RGZ 70, 296 (297); Weber in Jaeger, § 139 KO Rz. 18, 21; Kilger/K. Schmidt, § 139 KO Anm. 2; Kuhn/Uhlenbruck, § 139 KO Rz. 11; Eickmann in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 63 Rz. 36. 3 BFH v. 30.6.1997 – V R 59/95, BFH/NV 1998, 42; v. 26.4.1988 – VII R 97/87, BStBl. II 1988, 865 = ZIP 1988, 1266 = BFHE 153, 490; Beermann in HÅbschmann/Hepp/Spitaler, § 251 AO Rz. 422; Kramer, Konkurs und Steuerverfahren, S. 275; Roth/SchÅtz, ZInsO 2008, 186 (189); a.A. Schumacher in MÅnchKomm/InsO, § 178 Rz. 88.

298

B. Erhebungsverfahren

Die Einberufung einer Glsubigerversammlung zur DurchfÅhrung des Berichtstermins erfolgt durch das Insolvenzgericht im Wege Çffentlicher Bekanntmachung. Die Terminsbestimmung wird den Insolvenzglsubigern, den Schuldnern des Schuldners und dem Schuldner selbst gem. § 30 Abs. 2 InsO gesondert zugestellt. Neben Ort und Zeit des Termins hat das Insolvenzgericht die Tagesordnung des Berichtstermins zu verÇffentlichen. Alle sachdienlichen BeschlÅsse des konkreten Verfahrens sollten auf die Tagesordnung gesetzt werden. Die Tagesordnung kann bis zum Termin innerhalb der Ladungsfrist von drei Tagen (§ 217 ZPO) gesndert und ergsnzt werden.1

3.260

Der Berichtstermin ist nicht Çffentlich. Zur Teilnahme sind nur das Gericht, der Insolvenzverwalter, die Insolvenzglsubiger, die Mitglieder des Glsubigerausschusses, der Schuldner, die Mitglieder des Betriebsrates, die Mitglieder des Sprecherausschusses der leitenden Angestellten und ggf. berufsstsndische Vertreter berechtigt. Die Presse kann ohne ausdrÅcklichen Beschluss der Glsubigerversammlung nicht zugelassen werden; § 175 Abs. 2 GVG ist nicht anwendbar.2 Im Berichtstermin hat der Insolvenzverwalter persÇnlich Åber die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ursache zu berichten. Er hat zu erlsutern, welchen Umfang die Insolvenzmasse hat, welche Gegenstsnde er bereits in Besitz genommen hat bzw. in Besitz nehmen wird, welche Verwertungshandlungen er vorzunehmen gedenkt und ob und ggf. wie ein in der Insolvenzmasse befindliches Unternehmen fortzufÅhren oder stillzulegen ist. Dabei hat er vor allem die FortfÅhrungschancen zu erÇrtern, ein betriebswirtschaftlich tragfshiges Konzept fÅr eine von ihm beabsichtigte FortfÅhrung vorzulegen und die MÇglichkeiten eines Insolvenzplanes darzulegen. DarÅber hinaus hat der Insolvenzverwalter Åber alle fÅr das konkrete Insolvenzverfahren maßgeblichen Besonderheiten zu berichten, die fÅr die Glsubiger von Bedeutung sein kÇnnen. Er hat auch zu etwa von ihm angestellten Ermittlungen im Ausland, AnfechtungsansprÅchen und sogar strafrechtlich relevanten Sachverhalten Bericht zu erstatten, wenn dies im Einzelfall der Sache nach angemessen erscheint. Schließlich soll der Insolvenzverwalter eine Prognose zu den Befriedigungsaussichten der Insolvenzglsubiger abgeben.

3.261

Den Glsubigern ist im Rahmen des Berichtstermins die Gelegenheit zu geben, ergsnzende Fragen an den Insolvenzverwalter zu stellen. Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, den Glsubigern entsprechende AuskÅnfte zu erteilen.3

3.262

Im Anschluss an den Bericht und die ergsnzenden AuskÅnfte des Insolvenzverwalters fasst die Glsubigerversammlung die verfahrensleitenden

3.263

1 Wegener in FrankfurterKomm/InsO, § 156 Rz. 1b; GÇrg in MÅnchKomm/InsO, § 156 Rz. 5. 2 Wegener in FrankfurterKomm/InsO, § 156 Rz. 1c. 3 Wegener in FrankfurterKomm/InsO, § 156 Rz. 8; Maus in Uhlenbruck, § 156 InsO Rz. 12.

299

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

BeschlÅsse. Die Glsubigerversammlung bestimmt zunschst Åber die Person des Insolvenzverwalters (§ 57 InsO). Zwar hat der Insolvenzrichter bereits bei ErÇffnung des Insolvenzverfahrens eine Person zum Insolvenzverwalter bestellt. Da aber im Insolvenzverfahren Glsubigerautonomie herrscht, steht es den Glsubigern frei, an dessen Stelle eine andere Person zum Insolvenzverwalter zu wshlen. DafÅr ist allerdings Åber die Summenmehrheit nach § 76 Abs. 2 InsO hinaus die Mehrheit an KÇpfen gem. § 57 InsO erforderlich.

264

Des Weiteren beschließt die Glsubigerversammlung im Berichtstermin darÅber, ob ein Glsubigerausschuss eingesetzt werden soll oder nicht und bestimmt ggf. dessen Mitglieder (§ 68 InsO). Hsufig ist auch Åber Antrsge des Insolvenzverwalters zu befinden, ihm zu gestatten, besonders bedeutsame Rechtshandlungen i.S.v. §§ 160–163 InsO vorzunehmen. Auch die Beschlussfassung darÅber, ob das Unternehmen des Insolvenzschuldners fortzufÅhren, freizugeben oder stillzulegen ist, obliegt der Glsubigerversammlung. Dem Insolvenzverwalter steht dabei lediglich die MÇglichkeit offen, der Glsubigerversammlung eine Empfehlung zu geben. Folgt die Glsubigerversammlung seiner Empfehlung nicht, so hat er sich dem Willen der Glsubigerversammlung zu beugen und deren Beschluss Folge zu leisten. Allerdings folgt aus einem Stilllegungsbeschluss nicht unbedingt, dass die Stilllegung sofort und ohne Ausproduktion zu erfolgen hat. Ein solcher Beschluss ist vielmehr als Richtungsweiser der Glsubigerversammlung zu verstehen und gegen eine dauerhafte BetriebsfortfÅhrung, Åbertragende Sanierung und einen Insolvenzplan gerichtet.

265

Schließlich entscheidet die Glsubigerversammlung darÅber, ob dem Schuldner Unterhalt gem. § 100 InsO aus der Insolvenzmasse gewshrt werden soll.

266

Liegt im Berichtstermin ein Insolvenzplan vor, so entscheidet die Glsubigerversammlung auch Åber diesen.

267

Der Berichtstermin ist, abgesehen von der MÇglichkeit einer Akteneinsicht bei Gericht, die einzige MÇglichkeit fÅr die Insolvenzglsubiger, Informationen Åber den Sachstand des Insolvenzverfahrens zu erlangen. Der Insolvenzverwalter ist nur dem Insolvenzgericht, der Glsubigerversammlung und dem Glsubigerausschuss gegenÅber auskunftspflichtig, nicht aber gegenÅber einem einzelnen Glsubiger.1 Sachstandsanfragen einzelner Glsubiger darf der Insolvenzverwalter unbeantwortet lassen.

268

In der Praxis wird der Berichtstermin hsufig mit dem PrÅfungstermin (§ 176 InsO) verbunden. Es werden dann zunschst der Berichtstermin abgehalten und die eben genannten BeschlÅsse gefasst. Anschließend findet die ForderungsprÅfung statt.

1 BGH v. 29.11.1973 – VII ZR 2/73, BGHZ 62, 1 (3).

300

B. Erhebungsverfahren

IV. ForderungsprÅfung 1. PrÅfungstermin Von den Fsllen des schriftlichen Verfahrens (§ 5 Abs. 2 InsO) abgesehen findet vor dem Insolvenzgericht ein Termin statt, in dem die von Insolvenzglsubigern angemeldeten Forderungen geprÅft werden (§ 176 InsO). Der PrÅfungstermin soll gem. § 29 Abs. 1 Ziff. 2 InsO so bestimmt werden, dass zwischen dem Ende der Anmeldefrist und dem PrÅfungstermin mindestens eine Woche und hÇchstens zwei Monate liegen.

3.269

Vor dem PrÅfungstermin ist die Insolvenztabelle, in die der Insolvenzverwalter die angemeldeten Forderungen eingetragen hat, in der Geschsftsstelle des Insolvenzgerichtes niederzulegen, § 175 Abs. 1 InsO. Die Beteiligten des Insolvenzverfahrens haben dann die MÇglichkeit, in die Tabelle, die Forderungsanmeldungen und die beigefÅgten Urkunden Einsicht zu nehmen. Dies verletzt das Steuergeheimnis (§ 30 AO) nicht (Rz. 3.9 ff.).

3.270

Der PrÅfungstermin ist nicht Çffentlich. Teilnahmeberechtigt sind das Insolvenzgericht, der Insolvenzverwalter, der Schuldner sowie die Insolvenzglsubiger. Der Insolvenzverwalter muss am PrÅfungstermin teilnehmen; ist er nicht anwesend, kann die ForderungsprÅfung nicht durchgefÅhrt werden. Die ForderungsprÅfung kann nur im PrÅfungstermin stattfinden; sie gehÇrt zu den hÇchstpersÇnlichen Verwaltertstigkeiten. Eine Vertretung des Insolvenzverwalters ist nicht zulsssig.1

3.271

Im PrÅfungstermin werden die angemeldeten Forderungen sowohl in materiell-rechtlicher als auch in formellrechtlicher Hinsicht geprÅft. Die PrÅfung erstreckt sich auch auf den Rang der Forderung, also insbesondere darauf, ob der Forderung der Rang des § 38 InsO zukommt, oder ob sie nachrangig ist. Soweit eine Forderung unbegrÅndet oder durch den Glsubiger nicht in ausreichender Weise substantiiert dargelegt worden ist, hat der Insolvenzverwalter sie zur Vermeidung seiner eigenen Haftung zu bestreiten. Dies gilt fÅr jedweden Durchsetzbarkeitsmangel, der in Ansehung einer Forderung besteht. Auch Forderungen, die zur Zeit der Anmeldung bereits verjshrt waren, muss der Insolvenzverwalter bestreiten.

3.272

Erst nach Ablauf der Anmeldefrist bei dem Insolvenzverwalter eingegangene Anmeldungen kÇnnen im PrÅfungstermin mitgeprÅft werden. Dies gilt dann nicht, wenn der Insolvenzverwalter oder ein Insolvenzglsubiger der PrÅfung insoweit widerspricht, § 177 Abs. 1 Satz 2 InsO. Dabei steht es dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzglsubigern frei, der PrÅfung aller oder auch nur einzelner nachtrsglich angemeldeter Forderungen zu widersprechen. Liegt ein entsprechender Widerspruch vor, so hat das Insolvenzgericht einen besonderen PrÅfungstermin zu bestimmen, in dem die PrÅfung dann erfolgt.

3.273

1 So zu Recht Kießner in FrankfurterKomm/InsO, § 176 Rz. 5; Irschlinger in HeidelbergerKomm/InsO, § 176 Rz. 2.

301

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

2. Wirkung der Tabellenfeststellung

274

Widerspricht im PrÅfungstermin niemand der Feststellung einer Forderung, so ist der Feststellungsvermerk vom Insolvenzgericht gem. § 178 Abs. 2 Satz 1 InsO in die Insolvenztabelle einzutragen. Handelt es sich bei der festgestellten Forderung um eine Steuerforderung, so sind alle wegen dieser Forderung noch anhsngigen Verwaltungsverfahren (Einspruchsverfahren etc.) einzustellen, denn die Tabellenfeststellung wirkt wie ein rechtskrsftiges Urteil, § 178 Abs. 3 InsO (Rz. 3.275). Wird eine Steuerforderung, wegen der ein Einspruchsverfahren oder ein Klageverfahren anhsngig und durch InsolvenzerÇffnung unterbrochen ist, widerspruchslos zur Insolvenztabelle festgestellt, so tritt Erledigung des Einspruchsverfahrens bzw. Finanzrechtsstreits in der Hauptsache ein (§ 138 Abs. 1 FGO). Diese Erledigung beendet aber nicht zugleich die Unterbrechung des finanzgerichtlichen Verfahrens.1

275

In Bezug auf zur Tabelle festgestellte Steuerforderungen bestand Streit darÅber, ob die Feststellung gem. § 178 Abs. 3 InsO wie ein rechtskrsftiges Urteil wirkt oder nicht. Die wohl Åberwiegende Auffassung ging zunschst davon aus, dass die Feststellung einer Steuerforderung zur Insolvenztabelle tatsschlich die Wirkung eines rechtskrsftigen Urteils habe.2 Dies fÅhrte in Bezug auf die AbsnderungsmÇglichkeiten dazu, dass eine znderung der Tabellenfeststellung nur unter den engen Voraussetzungen einer Wiederaufnahmeklage (§§ 578 ff. ZPO), einer Vollstreckungsgegenklage (§ 767 Abs. 1 ZPO) oder der Arglistklage (§ 826 BGB) erfolgen konnte.

276

Der BFH hat sich allerdings entgegen dieser Auffassung fÅr eine einschrsnkende Auslegung von § 178 Abs. 3 InsO dahingehend entschieden, dass der Eintragung zur Insolvenztabelle bei AnsprÅchen aus dem Steuerschuldverhsltnis dieselbe Wirkung wie der beim bestreiten vorzunehmenden Feststellung gem. § 185 InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 AO zukommt und die Feststellung zur Insolvenztabelle deswegen wie der Feststellungsbescheid selbst unter den Voraussetzungen des § 130 AO gesndert werden kann.3 Praxisrelevant wird die Reichweite der Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle ganz besonders dann, wenn Dritte betroffen sind. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der (spstere) Insolvenzschuldner einen Vorsteuererstattungsanspruch an einen Dritten abgetreten hatte und eine nach InsolvenzerÇffnung erforderlich werdende Umsatzsteuerbe1 BFH v. 14.5.2013 – X B 134/12. 2 BFH v. 30.6.1997 – V R 59/95, BFH/NV 1998, 42; v. 26.4.1988 – VII R 97/87, BStBl. II 1988, 865 = ZIP 1988, 1266 = BFHE 153, 490; FG NÅrnberg v. 29.5.2002 – III 65/1999, EFG 2002, 1274 ff.; Bartone, AO-StB 2008, 132 (133); Beermann in HÅbschmann/Hepp/Spitaler, § 251 AO Rz. 422; Kramer, Konkurs und Steuerverfahren, S. 275; David/Roth/SchÅtz, ZInsO 2008, 186 (189); zweifelnd Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 741. 3 BFH v. 24.11.2011 – V R 13/11, BStBl. II 2012, 298 = ZIP 2011, 2481; v. 24.11.2011 – V R 20/10, BFH/NV 2012, 711.

302

B. Erhebungsverfahren

richtigung (§ 17 UStG) dazu fÅhrt, dass der Finanzverwaltung eine Insolvenzforderung zusteht (Rz. 4.327 ff.). Der V. Senat des BFH hat es als ernstlich zweifelhaft angesehen, ob die Eintragung in die Tabelle nach § 178 Abs. 3 InsO eine (rÅckwirkende) znderung einer Steuerfestsetzung bewirken kÇnnte und gegenÅber Dritten Wirkung erlangt.1 § 178 Abs. 3 InsO beschrsnkt die Wirkung nsmlich auf den Betrag und den Rang und trifft keine Aussage darÅber, ob die Eintragung wie eine Steuerfestsetzung auch Wirkung gegenÅber am Insolvenzverfahren nicht Beteiligten haben kann. In Abtretungsfsllen ist zu beachten, dass der Zessionar und der Zedent (Insolvenzschuldner) hinsichtlich des RÅckzahlungsanspruchs des Finanzamtes nach § 37 Abs. 2 Satz 3 AO i.V.m. § 44 Abs. 1 AO Gesamtschuldner sind, der Zessionar aber am Insolvenzverfahren nicht beteiligt ist, so dass zweifelhaft ist, ob ihm gegenÅber Rechtswirkungen aus der Eintragung in die Tabelle abgeleitet werden kÇnnen.2 Der VII. Senat des BFH hat dem gegenÅber entschieden, die Feststellung zur Insolvenztabelle habe grundsstzlich die gleichen Rechtswirkungen wie ein entsprechender Steuerbescheid, denn das Finanzamt sei nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens gehindert, einen Steuerbescheid wirksam zu erlassen. Danach stellt die Feststellung der Forderung in der Insolvenztabelle das insolvenzrechtliche zquivalent zur Steuerfestsetzung durch Verwaltungsakt dar. Bezogen auf die Berichtigung des Vorsteueranspruchs nach § 17 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Ziff. 3 UStG bedeutet dies, dass die Eintragung der angemeldeten Umsatzsteuer in die Insolvenztabelle die gleiche Wirkung hat, die eine inhaltsgleiche fÇrmliche Berichtigung nach dieser Vorschrift gehabt hstte.

3.277

Aus der Tabellenfeststellung kann der Glsubiger – von den Fsllen der Restschuldbefreiung abgesehen – nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner unbeschrlnkt vollstrecken, § 201 Abs. 1 InsO. Der Tabellenauszug bildet die Grundlage fÅr die nachinsolvenzrechtliche Vollstreckung gegen den Schuldner.3 Die Vollstreckung selbst richtet sich dann wieder nach den Regeln der Abgabenordnung, auch die Verjshrung festgestellter Forderungen richtet sich nach der Beendigung des Verfahrens nach den Çffentlichen-rechtlichen Vorschriften, bei Steuern insbesondere nach § 228 AO.4 Die Anmeldung zur Insolvenztabelle unterbricht gem. § 231 Abs. 1 AO die Verjshrung. Mit Ablauf des Kalenderjahres, in das die Aufhebung des Insolvenzverfahrens fsllt, beginnt die Verjshrungsfrist daher gem. § 231 Abs. 3 AO neu zu laufen. War der Anspruch bereits vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens durch Steuerbescheid tituliert, tritt an dessen Stelle nunmehr der vollstreckbare Tabel-

3.278

1 BFH v. 13.7.2006 – V B 70/06, BStBl. II 2007, 415 = ZIP 2006, 1779. 2 BFH v. 13.7.2006 – V B 70/06, BStBl. II 2007, 415 = ZIP 2006, 1779. 3 BFH v. 26.4.1988 – VII R 97/87, BStBl. II 1988, 865 = ZIP 1988, 1266; Hintzen in MÅnchKomm/InsO, § 201 Rz. 20. 4 BFH v. 26.4.1988 – VII R 97/87, BStBl. II 1988, 865 = ZIP 1988, 1266; Hintzen in MÅnchKomm/InsO, § 201 Rz. 20.

303

279

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

lenauszug, nur er allein ist fÅr die weitere Vollstreckung im Rahmen der Nachhaftung maßgeblich.1 Im Falle der Zusammenveranlagung wirkt die Rechtskraft der Tabellenfeststellung allerdings nur fÅr und gegen den im Insolvenzverfahren befindlichen Ehegatten. Der andere Ehegatte kann gegen die ihn betreffende Steuerfestsetzung weiterhin das Einspruchsverfahren und ggf. das Klageverfahren betreiben. Auch eine Bescheidsnderung nach §§ 164, 172 ff. AO und eine Aufteilung der Steuerschuld sind und bleiben mÇglich.2 Auch das Veranlagungswahlrecht bleibt dem nicht insolventen Ehegatten erhalten. Auch wenn seine nachtrsgliche Wahl der getrennten Veranlagung dazu fÅhrt, dass die bei ihm einbehaltene Lohnsteuer zu erstatten ist, wshrend die sich bei dem insolventen anderen Ehegatten nach Anrechnung von Vorauszahlungen ergebende Zahllast nicht mehr beigetrieben werden kann, so ist die Wahl der getrennten Veranlagung nicht bereits aus diesem Grund rechtsmissbrsuchlich i.S.d. § 42 AO.3 3. Widerspruch gegen angemeldete Forderungen

280

Neben dem Insolvenzverwalter ist jeder Insolvenzglsubiger berechtigt, den von den Åbrigen Insolvenzglsubigern angemeldeten Forderungen zu widersprechen. Ein Insolvenzglsubiger ist auch dann berechtigt, Widerspruch gegen angemeldete Forderungen anderer Insolvenzglsubiger zu erheben, wenn die von ihm selbst angemeldete Forderung bestritten ist, es sei denn, das Nichtbestehen seiner Forderung ist rechtskrsftig festgestellt. Der Widerspruch des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgllubigers hindert die Feststellung der Forderung zur Tabelle. Wird der Widerspruch nicht rechtzeitig beseitigt, so wird die Forderung bei der Verteilung der Insolvenzmasse nicht berÅcksichtigt.

281

Auch der Schuldner ist berechtigt, angemeldeten Forderungen zu widersprechen. Die Wirkung eines Widerspruchs durch den Insolvenzschuldner unterscheidet sich jedoch erheblich von derjenigen des Widerspruchs des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzglsubigers. Trotz seines Widerspruchs nimmt die Forderung nsmlich an der Verteilung teil, wenn nicht zugleich auch der Insolvenzverwalter oder ein Insolvenzglsubiger Widerspruch erhoben habt. Die Wirkung des schuldnerseitigen Widerspruchs zeigt sich erst nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Ist der Widerspruch nicht vorher beseitigt worden, kann der Glsubiger nicht aus der Tabelle vollstrecken; der Eintragung in die Insolvenztabelle kommt durch den Widerspruch keine Titelfunktion zu, § 201 Abs. 2 InsO.

282

WidersprÅche gegen die angemeldeten Forderungen kÇnnen, abgesehen von den Fsllen des schriftlichen Verfahrens (§ 5 Abs. 2 InsO), nur mÅnd1 Hintzen in MÅnchKomm/InsO, § 201 Rz. 20. 2 Zutr. Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 742. 3 BFH v. 30.8.2012 – III R 40/10, BFH/NV 2013, 193.

304

B. Erhebungsverfahren

lich im Termin erhoben werden. Schriftliche Einreichungen vor oder in dem PrÅfungstermin sind unbeachtlich.1

3.283

Das Insolvenzgericht ist nicht zum Widerspruch berechtigt. 4. Wirkungen des Schuldnerwiderspruchs Der Widerspruch des Schuldners hindert nicht die Teilnahme der Forderung an der Verteilung. Er wirkt sich vielmehr lediglich nachinsolvenzlich aus, indem er die Vollstreckung des Glsubigers aus der Tabelleneintragung gem. § 201 Abs. 2 InsO verhindert. Glsubiger sind allerdings nicht daran gehindert, ihre Forderungen gleichwohl weiter gegen den Schuldner zu betreiben, soweit ihm nicht Restschuldbefreiung erteilt worden ist und sie nicht im Rahmen der Verteilung befriedigt worden sind und soweit dem nicht ein Insolvenzplan entgegensteht. Dies gilt auch fÅr den Steuerglsubiger. Im Einzelnen ist jedoch zu differenzieren:

3.284

War die Forderung vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht festgesetzt worden, so kommt ein Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO gegen den Schuldner nicht in Betracht. Es muss vielmehr das durch die InsolvenzerÇffnung analog § 240 ZPO unterbrochene Steuerfestsetzungsverfahren nach Beendigung des Insolvenzverfahrens durch Erlass eines Steuerbescheids abgeschlossen werden.2 Sofern bei Beendigung des Insolvenzverfahrens die allgemeine Festsetzungsfrist gem. §§ 169 ff. AO bereits abgelaufen ist, greift die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 13 AO. Das Finanzamt kann den Steuerbescheid somit innerhalb von drei Monaten nach Verfahrensbeendigung erlassen, wenn die Forderung vor Ablauf der Festsetzungsfrist zur Tabelle angemeldet worden war.

3.285

War vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ein Steuerbescheid zwar bereits an den Schuldner bekannt gegeben, im Zeitpunkt der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens aber noch keine Bestandskraft eingetreten, kann das Finanzamt ebenfalls einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO gegen den Schuldner erlassen, wenn er der zur Tabelle angemeldeten Forderung widersprochen hat. Der Schuldner kann gegen den Feststellungsbescheid mit dem Einspruch und nÇtigenfalls mit der Klage zum FG vorgehen. Hat sein Vorgehen gegen den Feststellungsbescheid Erfolg, verhindert dies jedoch nur, dass der Finanzverwaltung aus der Insolvenztabelle ein vollstreckbarer Titel (§ 201 Abs. 2 InsO) erwschst. Der Schuldner muss allerdings zusstzlich den Steuerbescheid beseitigen, um zu verhindern, dass dieser bestandskrsftig wird. Die Finanzverwaltung ist nsmlich nicht gezwungen, von sich aus den Steuerbescheid aufzuheben, wenn der Schuldner Erfolg gegen den Feststellungsbescheid hatte. Solange

3.286

1 Irschlinger in HeidelbergerKomm/InsO, § 176 Rz. 5; Kießner in FrankfurterKomm/InsO, § 176 Rz. 11; a.A. Becker in Nerlich/RÇmermann, § 176 InsO Rz. 21. 2 Kling/SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 26q; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 274 f.

305

287

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

das Insolvenzverfahren andauert, kann die Bestandskraft des Steuerbescheids nicht eintreten, weil die Rechtsbehelfsfristen analog § 240 ZPO unterbrochen sind.1 Solange das Insolvenzverfahren nicht beendet ist, kann der Schuldner gegen den Steuerbescheid nicht Einspruch einlegen oder Klage erheben;2 insoweit liegt die Antragsberechtigung ausschließlich beim Insolvenzverwalter bzw. einem bestreitenden Glsubiger (Rz. 3.298). Die Unterbrechung endet jedoch mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens; es beginnt eine neue, volle Rechtsbehelfsfrist zu laufen (§ 249 Abs. 1 ZPO analog). Verssumt der Schuldner die Erhebung des Einspruchs, wird der Bescheid bestandskrsftig; die Finanzverwaltung kann aus ihm in das insolvenzfreie SchuldnervermÇgen vollstrecken. Dem Schuldner ist es wshrend des Insolvenzverfahrens unbenommen, RÅcknahme (§ 130 AO) oder Aufhebung des Bescheids (§ 172 AO) zu beantragen. Wenn ein Steuerbescheid vor InsolvenzerÇffnung bereits erlassen war, der Schuldner dagegen aber Einspruch eingelegt oder Klage erhoben hatte, so ist das Einspruchs- oder Gerichtsverfahren nach § 240 ZPO durch die InsolvenzerÇffnung unterbrochen. Ein Einspruchsverfahren ist einzustellen, wenn im PrÅfungstermin niemand – auch nicht der Schuldner – der Forderungsfeststellung widerspricht, denn dann ist die Tabellenfeststellung neue Vollstreckungsgrundlage. Ein anhsngiges Finanzgerichtsverfahren ist dann in der Hauptsache erledigt. Hat der Schuldner hingegen widersprochen, kann das Finanzamt den durch die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Rechtsstreit nach § 184 Abs. 1 Satz 2 InsO gegenÅber dem widersprechenden Schuldner aufnehmen.3 Der Insolvenzverwalter ist zur Aufnahme eines solchen Rechtsstreits nicht berechtigt; insoweit mÅssten die Voraussetzungen von § 86 InsO vorliegen, was regelmsßig nicht der Fall sein dÅrfte. Der Schuldner ist zur Aufnahme auch nicht berechtigt. Nimmt hingegen das Finanzamt nach § 184 Abs. 1 Satz 2 InsO den Rechtsstreit auf, so ist anders als im ersten Rechtsgang Streitgegenstand nunmehr die Beseitigung des Widerspruchs durch Feststellung der im PrÅfungstermin geltend gemachten Forderung zur Tabelle. Das ursprÅngliche Anfechtungsverfahren hat sich in ein Insolvenzfeststellungsverfahren gewandelt, wodurch sich auch die Parteirollen der Beteiligten gesndert haben. Nicht der Schuldner, sondern das Finanzamt tritt als Klagepartei des von ihm erhobenen Feststellungsantrags auf.4 Vom Schuldner wird nicht mehr das Anfechtungsverfahren gegen den Haftungsbescheid betrieben, sondern sein Wider1 So ist wohl auch BFH v. 3.5.1978 – II R 148/75, BStBl. II 1978, 472 zu verstehen; ebenso Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 561. 2 Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 87 InsO Rz. 16. 3 BFH v. 13.11.2007 – VII R 61/06, BStBl. II 2008, 790 = ZIP 2008, 1745; v. 7.3.2006 – VII R 11/05, BFHE 212, 11 = BStBl. II 2006, 573 = ZIP 2006, 968. 4 BFH v. 13.11.2007 – VII R 61/06, BStBl. II 2008, 790 = ZIP 2008, 1745.

306

B. Erhebungsverfahren

spruch soll mit dem Ziel der Feststellung der bestrittenen Forderung zur Tabelle beseitigt werden. Das fÅr die Zulsssigkeit der Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, und zwar auch dann, wenn der Schuldner Restschuldbefreiung beantragt hat1 und davon auszugehen ist, dass ihm diese gewshrt werden wird. Das Finanzamt kann nicht statt der Aufnahme des Rechtsstreits einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO erlassen; insoweit ist § 184 Abs. 1 Satz 2 InsO vorrangig. Ein Feststellungsbescheid ist rechtswidrig, wenn wegen der Forderung ein Rechtsstreit anhsngig und unterbrochen ist, den die Finanzverwaltung aufnehmen kÇnnte. Ein solcher rechtswidriger Feststellungsbescheid kann mit dem Einspruch und nÇtigenfalls der Klage zum FG angefochten werden. Entgegen einer slteren BFH-Entscheidung2 muss allerdings auch die Befugnis des Schuldners angenommen werden, ein solches Einspruchs- oder Gerichtsverfahren nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens aufzunehmen, wenn das Finanzamt nicht nach § 184 Abs. 1 InsO noch wshrend des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner vorgegangen ist.3 Der BFH hatte damals angenommen, dem Schuldner fehle fÅr die Aufnahme das RechtsschutzbedÅrfnis. Habe er nsmlich der Feststellung zur Tabelle widersprochen, dann habe die Fortsetzung des Verfahrens fÅr ihn kein Interesse mehr, denn die mit der Feststellung der Forderung fÅr das Insolvenzverfahren verbundenen Wirkungen kÇnnten mit der Verfolgung des anhsngigen Gerichtsverfahrens ohnehin nicht mehr beseitigt werden. Habe der Schuldner dagegen seine Bestreitungsbefugnis nicht ausgeÅbt, so kÇnne er zwar an der Fortsetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens ein Interesse haben, um durch eine erfolgreiche Abwehr des gegen ihn geltend gemachten Steueranspruchs der MÇglichkeit einer Vollstreckung aus der Tabelle nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens zu begegnen. Einer Aufnahme durch ihn fehle jedoch auch in diesem Fall das RechtsschutzbedÅrfnis, weil er den denkbaren Erfolg eines solchen Verfahrens (nsmlich Vermeidung einer Vollstreckung der Steuerforderung nach Beendigung des Insolvenzverfahrens) auf einfachere Weise durch AusÅbung der Bestreitungsbefugnis (notfalls im Wege der Nachholung nach § 186 InsO) erreichen kann. Diese xberlegungen berÅcksichtigen indessen die Vollstreckungssystematik nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht umfassend. Hat der Schuldner der Feststellung widersprochen und will er ein wegen der angemeldeten Steuerforderung vorinsolvenzlich anhsngiges Einspruchs- oder Gerichtsverfahren aufnehmen, so geht es ihm nicht darum, die mit der Feststellung der Forderung fÅr das Insolvenzverfahren verbundenen Wirkungen (wie Stimmrechte, Teilnahme an der Verteilung etc.) zu beseitigen. DafÅr wÅrde in der Tat das RechtsschutzbedÅrfnis fehlen, weil die Verteilung der Masse der Autonomie der Glsubiger unterliegt und es 1 BFH v. 13.11.2007 – VII R 61/06, BStBl. II 2008, 790 = ZIP 2008, 1745. 2 BFH v. 17.11.1977 – IV R 131–134/77, BStBl. II 1978, 165. 3 So auch Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 745.

307

3.288

289

290

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

nicht Sache des Schuldners ist, darÅber zu befinden, welcher Glsubiger in welcher Weise am Insolvenzverfahren teilnimmt. Ihm geht es aber um etwas ganz Anderes: Er will die Bestandskraft eines Bescheids verhindern, der in sein nachinsolvenzliches, also nicht mehr den Glsubigern als Haftungssubstrat zugewiesenes VermÇgen vollstreckt werden kÇnnte. Sein Widerspruch gegen die Tabellenfeststellung hindert nsmlich nur die Vollstreckung aus der Tabelleneintragung, nicht aber, dass ein zuvor ergangener Steuerbescheid nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens bestandskrsftig wird und hieraus vollstreckt werden kann. Hat der Schuldner der Feststellung zur Tabelle allerdings nicht widersprochen, so kommt eine Aufnahme des bei InsolvenzerÇffnung in Ansehung des Steuerbescheids anhsngigen Einspruchs- oder Gerichtsverfahrens deswegen nicht mehr in Betracht, weil der Steuerbescheid dann durch die Tabellenfeststellung aufgezehrt worden ist1 und eine Vollstreckung nicht mehr aus dem Steuerbescheid erfolgen kann, sondern aus der Tabellenfeststellung. Gegen die Tabellenfeststellung bleibt in der Tat nur die MÇglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 186 InsO. Das Bestreiten der Forderungsfeststellung ist somit keine „einfachere Weise“ zur Erreichung des Schutzes vor Vollstreckung, sondern es ist der einzig taugliche Weg. Soweit die FinanzbehÇrde bereits vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens einen Steuerbescheid erlassen hatte, der bestandskrsftig geworden war, kann sie nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus ihm trotz des Schuldnerwiderspruchs gegen die Tabellenanmeldung gegen den Schuldner vollstrecken. Dem Schuldner bleiben hiergegen nur die MÇglichkeiten einer Wiedereinsetzung (§ 110 AO, § 56 FGO) oder des znderungsantrages (§§ 172 ff. AO). Ein Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO kommt nicht in Betracht, da die Forderung bereits bestandskrsftig beschieden ist. Ein solcher wsre rechtswidrig. Hinsichtlich der Zahlungsverjshrung ist § 231 Abs. 1 AO zu beachten. Danach tritt durch die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle Unterbrechung der Verjshrung ein. Die Unterbrechung endet gem. § 231 Abs. 2 AO mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens. Gemsß § 231 Abs. 3 AO beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Insolvenzverfahren beendet wurde, eine neue Verjshrungsfrist zu laufen. Diese betrsgt gem. § 228 AO fÅnf Jahre. 5. Wirkungen des Widerspruchs eines Insolvenzgllubigers oder des Insolvenzverwalters a) Fallsituationen Hat der Insolvenzverwalter oder ein Insolvenzglsubiger eine zur Tabelle angemeldete Forderung bestritten, so kann grundsstzlich der Glsubiger gem. § 179 Abs. 1 InsO die Feststellung betreiben, sofern er noch nicht im Besitz eines vollstreckbaren Schuldtitels oder eines Endurteiles ist. Auch 1 RG v. 21.6.1918 – VII 140/18, RGZ 93, 209 (213); v. 8.1.1926 – II 282/25, RGZ 112, 297 (300); v. 16.3.1931 – VIII 545/30, RGZ 132, 113 (115).

308

B. Erhebungsverfahren

ein „vorlsufiges Bestreiten“ des Insolvenzverwalters erfÅllt die Voraussetzung des Bestrittenseins i.S.v. § 179 Abs. 1 InsO.1 Liegt bereits ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil Åber die angemeldete Forderung vor, so obliegt es im Grundsatz gem. § 179 Abs. 2 InsO dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen. b) Widerspruch gegen nicht titulierte Forderungen Liegt Åber eine im PrÅfungstermin vom Insolvenzverwalter oder einem Insolvenzglsubiger bestrittene Forderung kein vollstreckbarer Titel (also insbesondere keine durch Bescheid festgesetzte Steuerforderung) vor, so obliegt es dem Glsubiger, die Feststellung der Forderung zu betreiben. Das „Betreiben der Feststellung“ i.S.v. § 179 Abs. 1 InsO erfolgt im Allgemeinen gem. § 180 Abs. 1 Satz 1 InsO im Wege der Klage auf Feststellung der Forderung gegen denjenigen, der den Widerspruch erhoben hat. Haben mehrere Beteiligte der angemeldeten Forderung widersprochen, so muss der Glsubiger den Widerspruch aller Bestreitenden beseitigen und dafÅr notfalls alle Beteiligten verklagen.2 Alle Bestreitenden sind wegen der Rechtskrafterstreckung gem. § 183 InsO notwendige Streitgenossen i.S.v. § 62 Abs. 1 Alt. 1 ZPO.3 Dies gilt aber nicht fÅr Steuerforderungen.

3.291

Der FinanzbehÇrde steht mit dem Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO jedoch ein besonderes Instrument zur VerfÅgung, das die Klageerhebung bei Steuerforderungen ersetzt.4 § 185 Satz 1 InsO lssst die Feststellung durch die FinanzbehÇrde anstelle der Klageerhebung nach § 180 Abs. 1 InsO ausdrÅcklich zu. Der Feststellungsbescheid ist mangels Festsetzung einer Steuer kein Steuerbescheid i.S.v. § 155 AO, sondern ein sonstiger Verwaltungsakt.5 Richtiger Adressat ist derjenige, dessen Widerspruch beseitigt werden soll.

3.292

Der Feststellungsbescheid hat sich inhaltlich an den Erfordernissen eines Feststellungsurteils zu orientieren.6 Deshalb gleicht er in Bezug auf Form und Inhalt im wesentlichen einer Einspruchsentscheidung, denn er ist verwaltungsverfahrensrechtliches GegenstÅck des zivilrechtlichen Feststellungsurteils nach § 180 Abs. 1 InsO.7 1 BGH v. 9.2.2006 – IX ZB 160/04, ZIP 2006, 576 = NZI 2006, 295 (295); Kießner in FrankfurterKomm/InsO, § 179 Rz. 8. 2 Kießner in FrankfurterKomm/InsO, § 179 Rz. 10. 3 Kießner in FrankfurterKomm/InsO, § 179 Rz. 10. 4 Fritsch in Pahlke/Koenig, § 251 AO Rz. 51; BMF v. 17.12.1998 – IV A 4 - S 0550 28/98, BStBl. I 1998, 1500 (1502) Rz. 6; OFD Magdeburg v. 28.11.2003 – S 0550 419 - St 252, AO-Kartei § 251 Karte 1; BFH v. 26.11.1987 – V R 133/81, BStBl. II 1988, 199. 5 Bartone, AO-StB 2008, 132 (134). 6 RFH v. 4.7.1939 – V A 1014/29, RFHE 27, 40 (40); Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 69; Fritsch in Pahlke/Koenig, § 251 AO Rz. 54. 7 Zutreffend Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 752.

309

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Der Tenor des Feststellungsbescheides hat dahingehend zu lauten, dass durch den Bescheid festgestellt werde, ob und in welchem Betrag eine konkret zu bezeichnende Abgabenforderung besteht. Der Feststellungsbescheid muss insbesondere gem. § 119 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein und gem. § 121 AO ausreichend begrÅndet sein. Sind diese Voraussetzungen nicht erfÅllt, kann er gem. § 125 AO nichtig sein. Die hier anzuwendenden Maßstsbe haben zu berÅcksichtigen, dass den am insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahren Beteiligten Glsubigern und auch dem Insolvenzverwalter oft nicht die gleichen Sachverhaltskenntnisse zur VerfÅgung stehen, wie einem Steuerschuldner im Åbrigen. Aus diesem Grund ist fÅr einen Feststellungsbescheid zu verlangen, dass die BehÇrde nicht etwa nur Veranlagungszeitraum und Steuerart genau bezeichnet, sondern dass sie auch eine Berechnung der Steuer vornimmt. Zu berÅcksichtigen ist, dass die widersprechenden Gllubiger und ein widersprechender Insolvenzverwalter allein auf Grundlage der BegrÅndung des Feststellungsbescheides in der Lage sein mÅssen, zu beurteilen, ob ein nÇtigenfalls gerichtliches Vorgehen gegen den Bescheid aussichtsreich ist oder nicht. Aus GrÅnden des Rechtsstaatsprinzips und Wahrung effektiver RechtsschutzmÇglichkeiten darf die BehÇrde mit ihrem im Verhsltnis zu Glsubigern und mÇglicherweise auch dem Insolvenzverwalter Åberlegenen Wissen nicht in der Weise „taktieren“, dass sie wesentliche Tatsachen, deren Kenntnis zur BegrÅndung der festgestellten Forderungen erforderlich ist, im Stadium des Erlasses des Feststellungsbescheides verschweigt – und sie erst spster den Finanzgerichtsprozess vorbringt. Deswegen muss ein Feststellungsbescheid, der fÅr einen Dritten nicht aus sich heraus auch der HÇhe nach nachvollziehbar ist, als nicht ausreichend begrÅndet angesehen werden. Dies gilt insbesondere fÅr Schstzungsfslle (§ 162 AO). Der Feststellungsbescheid hat auch festzustellen, dass WiedereinsetzungsgrÅnde fehlen und die Voraussetzungen der Berichtigungsvorschriften der Abgabenordnung nicht vorliegen.1 Neben der abgabenrechtlich erforderlichen BegrÅndung des Feststellungsbescheides sind auch die durch die zivilgerichtliche Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die BegrÅndung der insolvenzrechtlichen Tabellenanmeldung zu berÅcksichtigen. Regelmsßig enthslt eine Forderungsanmeldung des Finanzamtes keine Åber die zugrunde liegenden Steuerbescheide (oder Berechnungsmitteilungen) hinausgehenden BegrÅndungen oder Erlsuterungen des angemeldeten Steueranspruchs. Solche Anmeldungen genÅgen regelmsßig nicht mehr den durch die zivilgerichtliche Rechtsprechung an eine ordnungsgemsße Tabellenanmeldung gestellten Anforderungen (s. dazu ausfÅhrlich oben Rz. 3.255). GenÅgt bereits die Tabellenanmeldung nicht den durch die Zivilgerichte bestimmten insolvenzrechtlichen Anforderungen an eine ordnungsgemsße Tabellenanmeldung, so ist ein Feststellungsbescheid, durch den eine dieser Art 1 Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 761.

310

B. Erhebungsverfahren

angemeldete Forderung festgestellt werden soll, in Ermangelung einer ordnungsgemsßen Forderungsanmeldung offensichtlich rechtswidrig. Keinesfalls darf ein Feststellungsbescheid ein Leistungsgebot enthalten. Solches ist insbesondere dann der Fall, wenn im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung bereits ein Steuerbescheid gegen den Insolvenzschuldner ergangen war, gegen den der Insolvenzschuldner vor InsolvenzerÇffnung Einspruch eingelegt hatte und das Finanzamt zur xberwindung der Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO die Forderung aus dem Steuerbescheid durch Feststellungsbescheid gem. § 251 Abs. 3 AO feststellt. Tenoriert das Finanzamt einen solchen Bescheid dahingehend, dass der Einspruch zurÅckgewiesen werde, ist der Bescheid gleich unter zwei erheblichen Gesichtspunkten rechtswidrig: Erstens ist und bleibt das Einspruchsverfahren so lange unterbrochen, bis es sich entweder durch Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle erledigt oder nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens fortgefÅhrt wird. Eine wshrend der Unterbrechung ergehende Entscheidung in dem unterbrochenen Einspruchsverfahren ist unwirksam. Zweitens aktualisiert die FinanzbehÇrde durch die ZurÅckweisung des Einspruchs auch das Leistungsgebot aus dem Steuerbescheid, was gegen § 89 InsO verstÇßt. § 89 InsO wird zu Recht dem Insolvenzverfahren dahingehend verstanden, dass er Festsetzungen von Insolvenzforderungen durch Bescheid verbietet. Die angemeldete und die festgestellte Forderung mÅssen hinsichtlich Rang (§§ 38, 39 InsO), Steuerschuld, Steuerart und steuerbaren Tatbestsnden identisch sein (§ 181 InsO).1 Der festgestellte Anspruch aus dem Steuerschuldverhsltnis kann nicht gegen einen anderen ausgetauscht werden.2 Die Forderungsidentitst ist daher im Feststellungsbescheid kenntlich zu machen.3 Der Erlass eines Feststellungsbescheides steht nicht im Ermessen der FinanzbehÇrde. Er ist auch dann zu erlassen, wenn es ungewiss oder unwahrscheinlich ist, dass eine Quote auf die Steuerforderung entfsllt.4 Lediglich in Ausnahmefsllen kann gem. § 156 Abs. 2 AO vom Erlass eines Feststellungsbescheids abgesehen werden, wenn die Kosten der Einziehung einschließlich der Festsetzung außer Verhsltnis zu dem Betrag stehen, den die Finanzverwaltung auf Grund der Anmeldung zur Insolvenztabelle zu erwarten hat. Eine Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO; § 69 FGO) ist mangels Vollziehbarkeit nicht mÇglich.5 1 Fritsch in Pahlke/Koenig, § 251 AO Rz. 51. 2 BFH v. 26.8.1987 – V R 114/79, BStBl. II 1987, 471. 3 BFH v. 17.5.1984 – V R 80/77, BStBl. II 1984, 545 = ZIP 1984, 1004; Fritsch in Pahlke/Koenig, § 251 AO Rz. 51. 4 Fritsch in Pahlke/Koenig, § 251 AO Rz. 53; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 254, 255; BFH v. 30.11.2004 – VII R 78/03, ZIP 2005, 954 = BFH/NV 2005, 1095. 5 Fritsch in Pahlke/Koenig, § 251 AO Rz. 55; Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 69.

311

293

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Durch den Feststellungsbescheid wird der zur Tabelle angemeldete Betrag dem Grund, der HÇhe und dem Rang nach mit Wirkung gegenÅber allen Adressaten entsprechend § 183 Abs. 1 InsO festgestellt (§ 185 Satz 2 InsO). Die Verweisung in § 185 Satz 2 InsO auf § 183 Abs. 1 InsO, der einer rechtskrnftigen Entscheidung die Feststellungswirkung zuschreibt, ist insoweit missglÅckt, als der Feststellungsbescheid der BehÇrde freilich nicht einer rechtskrlftigen Entscheidung gleichgesetzt werden darf. Gegen den Feststellungsbescheid stehen den Adressaten Einspruch1 (§ 347 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 AO) und notfalls Klage zum FG offen.2 Erst nach Eintritt der Bestandskraft des Feststellungsbescheides kommt ihm die Wirkung einer rechtskrsftigen Entscheidung i.S.v. § 183 Abs. 1 InsO zu. Der Feststellungsbescheid ist rechtswidrig, wenn auch nur eine einzige getroffene Feststellung fehlerhaft ist. Insbesondere ist der Feststellungsbescheid rechtswidrig, wenn keine vollstsndige Identitst der angemeldeten, im PrÅfungstermin geprÅften Forderung mit der festgestellten Forderung besteht, es an einer vorangehenden Anmeldung zur Insolvenztabelle oder an einem Widerspruch im PrÅfungstermin fehlt, der materiell-rechtliche Anspruch dem Grund oder der HÇhe nach nicht gegeben ist oder ein unzutreffender Rang (§§ 38, 39 InsO) festgestellt wird. Nachrangige Forderungen nach § 39 InsO dÅrfen nur dann durch Feststellungsbescheid festgestellt werden, wenn das Insolvenzgericht gem. § 174 Abs. 3 InsO gesondert zur Anmeldung nachrangiger Forderungen aufgefordert hat. Fehlt es an einer solchen Aufforderung, so ist ein Feststellungsbescheid selbst dann rechtswidrig, wenn die FinanzbehÇrde in ihm den Nachrang angibt, denn eine nachrangige Forderung kann bis zur Aufforderung nach § 174 Abs. 3 InsO nicht in die Tabelle eingetragen werden.

294

Ist der Feststellungsbescheid bestandskrlftig geworden, so ist er nur nach §§ 130, 131 AO ablnderbar,3 und dies auch nur, bis auf Grund des Feststellungsbescheids nicht die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle erfolgt ist. Nach der Feststellung zur Tabelle liegt gem. § 178 Abs. 3 InsO ein nicht mehr nach §§ 130, 131 AO snderbarer Titel vor (Rz. 3.275).

295

Nach Eintritt der Bestandskraft obliegt es gem. § 183 Abs. 2 InsO der FinanzbehÇrde, beim Insolvenzgericht die Berichtigung der Insolvenztabelle zu beantragen. Da die Zustsndigkeit fÅr die TabellenfÅhrung nach dem PrÅfungstermin in Ansehung bereits geprÅfter Forderungen vom Insolvenzverwalter auf das Insolvenzgericht Åbergeht,4 gehen Aufforderungen 1 BFH v. 19.3.2013 – II R 17/11. 2 Bartone, AO-StB 2008, 132 (134); BFH v. 30.11.2004 – VII R 78/03, ZIP 2005, 954 = BFH/NV 2005, 1095. 3 BFH v. 24.11.2011 – V R 13/11, BStBl. II 2012, 298 = ZIP 2011, 2481; Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 755; Fritsch in Pahlke/ Koenig, § 251 AO Rz. 54; Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 68; FG BW v. 2.4.1993 – 9 K 403/91, EFG 1993, 763. 4 Kießner in FrankfurterKomm/InsO, § 183 Rz. 4.

312

B. Erhebungsverfahren

oder Antrsge auf Absnderung des PrÅfungsvermerkes, die beim Insolvenzverwalter eingehen, ins Leere und sind schlicht unbeachtlich. Die Berichtigung ist unbedingt erforderlich, weil die Tabelleneintragung Grundlage des Verteilungsverzeichnisses ist und ein Glsubiger nur insoweit bei der Verteilung berÅcksichtigt werden kann, wie er mit einer festgestellten Forderung in der Insolvenztabelle steht. Da dem Feststellungsbescheid gem. § 251 Abs. 3 AO die Vollziehbarkeit fehlt, ist ein Aussetzungsantrag gem. § 361 AO, § 69 FGO oder ein auf einstweilige Anordnung gerichtetes Begehren mangels Rechtsschutzinteresse unzulsssig.1 War zur Zeit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens zwischen dem Schuldner und dem Glsubiger ein durch die ErÇffnung gem. § 240 ZPO unterbrochener Rechtsstreit anhsngig, so ist in Ansehung einer Steuerforderung auch ein Bescheid im Raum, der einen Titel darstellt, so dass die nachfolgenden AusfÅhrungen gelten.

3.296

c) Widerspruch gegen titulierte Forderungen aa) Grundsituation Liegt fÅr eine angemeldete und im PrÅfungstermin durch den Insolvenzverwalter oder einen Glsubiger bestrittene Forderung eines Glsubigers bereits ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es gem. § 179 Abs. 2 InsO dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen. Als vollstreckbarer Schuldtitel in diesem Sinne ist auch ein Steuerbescheid anzusehen,2 da Rechtsbehelfe gegen Steuerbescheide grundsstzlich ihre Durchsetzung nicht hindern. Die Verfolgung des Widerspruchs erfordert die Beseitigung des Titels oder zumindest eine durchgreifende Einwendung gegen den Rang der Forderung als Insolvenzforderung im angemeldeten Rang. DafÅr stehen dem Bestreitenden alle rechtlichen MÇglichkeiten zur VerfÅgung, die der Schuldner in diesem Verfahrensstadium im Zeitpunkt der Anordnung der starken vorlsufigen Insolvenzverwaltung oder ErÇffnung des Insolvenzverfahrens noch hstte ergreifen kÇnnen.3

1 Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 757. 2 BFH v. 23.2.2010 – VII R 48/07, BStBl. II 2010, 562 = ZIP 2010, 844 m. Anm. Kahlert; Bartone, AO-StB 2008, 132 (133); Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 748; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 140; BFH v. 26.9.2006 – X S 4/06, BStBl. II 2007, 55 = ZIP 2006, 2284; OLG Karlsruhe v. 12.5.1997 – 1 W 19/97, OLG Report Karlsruhe 1997, 26; Kilger/ K. Schmidt, § 146 KO Anm. 3; Becker in Nerlich/RÇmermann, § 179 InsO Rz. 25, § 185 InsO Rz. 17; Smid, § 185 InsO Rz. 4. 3 Schumacher in MÅnchKomm/InsO, § 185 Rz. 12.

313

3.297

298

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Problematisch ist, dass das insolvenzrechtliche Forderungsanmeldungsverfahren und das sich anschließende TabellenprÅfungsverfahren von der Rollenverteilung hier auf zivilrechtliche Forderungen zugeschnitten sind. Die Regelungen passen deswegen unmittelbar nur auf solche Forderungen, bei denen der Glsubiger notfalls in einem gerichtlichen Verfahren in die Klsgerrolle einrÅcken muss, um sich einen Vollstreckungstitel zu verschaffen. FÅr den umgekehrten Fall, der in Bezug auf Steuerforderungen vorliegt, passen die Vorschriften nicht unmittelbar und verursachen somit erhebliche Schwierigkeiten. bb) Vorinsolvenzlicher Steuerbescheid in offener Rechtsbehelfsfrist Ist vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ein Steuerbescheid ergangen, gegen den im Zeitpunkt der ErÇffnung bzw. der Anordnung einer starken vorlsufigen Insolvenzverwaltung noch Rechtsbehelfe fristgemlß eingelegt werden konnten (aber noch nicht eingelegt waren; zu dem Fall, dass Rechtsbehelfe bereits eingelegt waren s. sogleich unten), so mÅsste man dem Wortlaut des § 179 Abs. 2 InsO folgend davon ausgehen, dass es dem Bestreitenden obliegt, seinen Widerspruch zu verfolgen. Dementsprechend wird zutreffend Åberwiegend angenommen, dass der Widersprechende den Rechtsbehelf einlegen kann, den der Insolvenzschuldner im Zeitpunkt der Anordnung der vorlsufigen starken Verwaltung bzw. der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens noch hstte einlegen kÇnnen. Dies wird zu Recht damit begrÅndet, dass die Frist fÅr die Einlegung des Rechtsbehelfs analog § 240 ZPO unterbrochen wird1 weil die Unterbrechung sich auf das Besteuerungsverfahren insgesamt bezieht2 Der Insolvenzverwalter oder ein bestreitender Glsubiger kann also, um seinen Widerspruch zu verfolgen, Einspruch gegen einen Steuerbescheid einlegen, wenn dieser vor InsolvenzerÇffnung ergangen war und die Einspruchsfrist im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung bzw. Anordnung der starken vorlsufigen Insolvenzverwaltung noch nicht abgelaufen war bzw. Klage zum FG erheben, wenn bereits eine Einspruchsentscheidung vor vor InsolvenzerÇffnung ergangen war und im Zeitpunkt der ErÇffnung bzw. der Anordnung der starken vorlsufigen Insolvenzverwaltung die Klagefrist noch nicht abgelaufen war. In diesem Einspruchs- oder Klageverfahren kÇnnen alle Einwendungen geltend gemacht werden, die einer Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle entgegen stehen kÇnnten, also insbesondere solche gegen den Grund der angemeldeten Forderung, ihre HÇhe oder ihre Durchsetzbarkeit (z.B. Verjshrung). Der Insolvenzverwalter kann den Widerspruch außerdem auf die Insolvenzanfechtung 1 So ist wohl auch BFH v. 3.5.1978 – II R 148/75, BStBl. II 1978, 472 zu verstehen; ebenso Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 561; Farr, Besteuerung bei Insolvenz, Rz. 309; vgl. auch Gerhardt in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 32 Rz. 12 ff. 2 Farr, Besteuerung bei Insolvenz, Rz. 126 ff.

314

B. Erhebungsverfahren

stÅtzen (§§ 129 ff. InsO). Der bestreitende Glsubiger kann dies nur dann, wenn sich der Verwalter zuvor mindestens außergerichtlich auf die Anfechtung berufen hat. Außerdem kann als Einwendung auch geltend gemacht werden, die angemeldete Forderung sei nicht als Insolvenzforderung zu verfolgen, sondern außerhalb des Insolvenzverfahrens oder als Masseverbindlichkeit oder sie sei nachrangig (§§ 39, 327 InsO). Der Einspruch bzw. die Klage des Widersprechenden ist im Falle von Einwendungen gegen den Rang begrÅndet, wenn die von der Finanzverwaltung angemeldete Forderung nachrangig ist und es an einer gesonderten Aufforderung des Insolvenzgerichts gem. § 174 Abs. 3 InsO fehlt. Die Klage des Widersprechenden gegen den Glsubiger gem. §§ 179 Abs. 2, 180 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine negative Feststellungsklage i.S.v. § 256 ZPO.1 Der Klageantrag ist darauf zu richten festzustellen, dass dem Glsubiger fÅr die angemeldete Forderung ein Insolvenzglsubigerrecht nicht zusteht. Entsprechend ist ein Klageantrag auszulegen, der den Ausspruch begehrt, der Widerspruch sei begrÅndet. Problematisch ist aber, wenn der bestreitende Insolvenzverwalter einen solchen Einspruch gegen einen Steuerbescheid nicht erhebt. Die Aufnahme des unterbrochenen Besteuerungsverfahrens durch die FinanzbehÇrde kommt nicht in Betracht, weil die FinanzbehÇrde in diesen Fsllen bereits vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens zulsssigerweise einen Bescheid gegen den Insolvenzschuldner erlassen hat und es danach ausschließlich und alleine Sache des Steuerpflichtigen ist, darÅber zu entscheiden, ob er Einspruch einlegt oder nicht. Die FinanzbehÇrde hat keine MÇglichkeit, den Lauf der Rechtsbehelfsfrist gegen den Insolvenzverwalter in Gang zu bringen. Anstelle dessen meldet die FinanzbehÇrde ihre Forderung im Rahmen des insolvenzrechtlichen Forderungsfeststellungsverfahrens zur Insolvenztabelle an. Die Anmeldung fÅhrt zur Aufnahme der Forderung in die Insolvenztabelle. Die ForderungsprÅfung erfolgt im PrÅfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177 InsO). Insolvenzrechtlich ist nun – ungeachtet der Tatsache, dass Åber die Forderung bereits ein Bescheid besteht – jeder Insolvenzglsubiger und der Insolvenzverwalter berechtigt, Widerspruch zu erheben. Gemsß § 179 Abs. 2 InsO obliegt es nun dem Bestreitenden, seinen Widerspruch zu verfolgen. Damit liegt die Betreibungslast zwar bei dem Bestreitenden. FÅr Glsubiger zivilrechtlicher Forderungen, die Åber einen vollstreckbaren Schuldtitel verfÅgen, bedeutet dies aber, dass sie trotz dieser Betreibungslastverteilung selbst Feststellungsklage gegen den Bestreitenden erheben mÅssen, wenn der Bestreitende seiner Betreibungslast nicht nachkommt und der Glsubiger deswegen eine Feststellung seiner Forderung zur Insolvenztabelle nicht erlangt.2 Denn durch die Regelungen in § 179 Abs. 2 InsO wird nicht ausgesprochen, dass ein Titel automatisch zur Teilnahme an der Vertei-

1 Schumacher in MÅnchKomm/InsO, § 179 Rz. 36. 2 Schumacher in MÅnchKomm/InsO, § 179 Rz. 30.

315

3.299

300

301

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

lung berechtigt.1 Dem Finanzamt als Vollstreckungsglsubiger muss die MÇglichkeit verbleiben, die durch das Bestreiten verursachte Ungewissheit Åber sein Recht zu beenden.2 Die FinanzbehÇrde muss an dieser Stelle statt einer Feststellungsklage einen Feststellungsbescheid gem. § 251 Abs. 3 AO gegen den Bestreitenden erlassen3 (vergleiche dazu ausfÅhrlich oben Rz. 3.286 und Rz. 3.292). Die Lage ist fÅr die Finanzverwaltung damit faktisch identisch mit derjenigen, die bestehen wÅrde, wenn vorinsolvenzlich gar kein Bescheid ergangen wsre. cc) Angefochtener vorinsolvenzlicher Steuerbescheid War gegen einen Steuerbescheid im Zeitpunkt der Anordnung der vorlsufigen starken Insolvenzverwaltung bzw. der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bereits durch den Schuldner Einspruch eingelegt bzw. Klage zum FG erhoben, so ist das Einspruchsverfahren bzw. der Rechtsstreit nach § 240 ZPO unterbrochen. Hier wird das Problem virulent, dass das insolvenzrechtliche Forderungsanmeldungsverfahren und das sich anschließende TabellenprÅfungsverfahren von der Rollenverteilung hier auf zivilrechtliche Forderungen zugeschnitten sind und fÅr Steuerforderungen, bei denen sich der Glsubiger seine Forderung selbst tituliert, nicht passen (vgl. dazu oben Rz. 3.291 ff.). Deswegen passt auch § 180 Abs. 2 InsO nicht auf Steuerforderungen, weil die Vorschrift direkt nur auf den Glsubiger einer Forderung anzuwenden ist, der einen Rechtsstreit fÅhren muss, um seine Forderung gegen den Schuldner durchzusetzen (Wortlaut: „ist die Feststellung durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben“. Die Vorschrift bezieht sich damit auf Rechtsstreite, bei denen der Schuldner auf Beklagtenseite steht. Man mag den Bestreitenden dennoch gemsß oder analog § 180 Abs. 2 InsO als berechtigt ansehen, das Einspruchs- bzw. Klageverfahren aufnehmen, um seinen Widerspruch zu verfolgen.4 Die Aufnahme erfolgt dann durch einfache Erklsrung gegenÅber der FinanzbehÇrde bzw. dem FG. Ab dem Zeitpunkt der Aufnahmeerklsrung ist der Bestreitende dann EinspruchsfÅhrer bzw. Klsger. Durch die Aufnahmeerklsrung endet die Unterbrechung und etwaige Fristen beginnen gem. § 249 Abs. 1 ZPO neu zu laufen. Stellt das Finanzamt seinen bisherigen Klageabweisungsantrag auf einen Antrag auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle um, so ist dieser wegen des aus § 179 Abs. 2 InsO folgenden Wechsels der Betreibungslast als Klageabweisungsantrag auszulegen. Das Finanzamt kann in diesem Fall nicht in die Klsgerrolle wechseln.

1 2 3 4

BFH v. 23.2.2010 – VII R 48/07, BStBl. II 2010, 562 = ZIP 2010, 844. BFH v. 23.2.2010 – VII R 48/07, BStBl. II 2010, 562 = ZIP 2010, 844. BFH v. 23.2.2010 – VII R 48/07, BStBl. II 2010, 562 = ZIP 2010, 844. Sinz in Uhlenbruck, § 185 InsO Rz. 10 ff.

316

B. Erhebungsverfahren

Nimmt der Bestreitende das unterbrochene Einspruchsverfahren oder Klageverfahren hingegen nicht auf, so muss das Finanzamt als berechtigt angesehen werden, die von ihm zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung nach Grund, HÇhe und Rang durch Feststellungsbescheid gem. § 251 Abs. 3 AO festzustellen. Die anders lautende Auffassung des BFH1 hingegen verkennt, dass der notwendige Regelungsgehalt, der fÅr eine Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle erforderlich ist, wesentlich weiter geht, als der Streitgegenstand des unterbrochenen Einspruchs- bzw. Klageverfahrens. Gegenstand des Einspruchsverfahrens bzw. Klageverfahrens ist nsmlich schlicht die Anfechtung des betreffenden Steuerbescheids. Mit dieser Anfechtung wandte sich der EinspruchsfÅhrer bzw. Klsger gegen die Rechtmsßigkeit der Steuerfestsetzung – nicht mehr. FÅr die Feststellung der Forderung des Finanzamts zur Insolvenztabelle bedarf es allerdings erheblich mehr als lediglich der abschließenden Beurteilung der Rechtmsßigkeit der Steuerfestsetzung. Es bedarf insbesondere einer PrÅfung und Feststellung, dass die Forderung durch das Finanzamt in einer den insolvenzrechtlichen Erfordernissen genÅgenden ordnungsgemsßen Form angemeldet worden ist und dass darÅber hinaus derjenige Rang fÅr die Forderung besteht, den das Finanzamt in der Forderungsanmeldung der Forderung beigemessen hat. Diese zu der Steuerfestsetzung hinzutretenden Umstsnde kÇnnen nicht in einem aufgenommenen Einspruchsverfahren mit Verwaltungsaktsqualitst geregelt werden. Eine derartige Ausweitung des entsprechenden Anfechtungsverfahrens ist nicht mÇglich.2 Soweit in der Literatur das BedÅrfnis nach dem Erlass eines Feststellungsbescheides in diesem Zusammenhang nur dann angenommen wird, wenn sich der Widerspruch des Bestreitenden ausdrÅcklich auch auf den Rang der Forderung bezieht,3 so ist diese Einschrsnkung abzulehnen. Im insolvenzrechtlichen Forderungsfeststellungsverfahren bezieht sich das Bestreiten des Glsubigers bzw. des Insolvenzverwalters immer auf die durch einen Glsubiger angemeldete Forderung in allen Teilbereichen, die von der Forderungsanmeldung angegeben sind. Das betrifft sowohl den Grund, als auch die HÇhe und den Rang einer Forderung. Ein teilweises Bestreiten, das sich etwa nur auf den Rang einer Forderung bezieht, ist dem Insolvenzrecht fremd. Es kommt deswegen nicht in Betracht, dass das Finanzamt diejenigen Elemente, die sich auf die Festsetzung der Steuerforderung beziehen (insbesondere Grund und HÇhe der Forderung), durch Aufnahme des Einspruchsverfahrens verfolgen mÅsste und die darÅber hinausgehenden, fÅr die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle er1 BFH v. 23.2.2005 – VII R 63/03, BStBl. II 2005, 591 = ZIP 2005, 1184; ebenso noch der Verfasser in der Vorauflage, Rz. 3.302 ff. 2 So zu Recht die h.M.: Schumacher in MÅnchKomm/InsO, § 185 Rz. 13 m.w.N. 3 Schumacher in MÅnchKomm/InsO, § 185 Rz. 13.

317

3.302

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

forderlichen Elemente (insbesondere Ordnungsgemsßheit der Forderungsanmeldung unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten1 und Rang der Forderung) hingegen durch Feststellungsbescheid feststellen mÅsste. Durch den Erlass eines entsprechenden Feststellungsbescheides erledigt sich das unterbrochene Einspruchsverfahren. Der Regelungsinhalt des Feststellungsbescheides erfasst ssmtliche durch den angegriffenen Steuerbescheid geregelten Elemente.

303

Außerdem sei der Hinweis gestattet, dass die Gegenauffassung, nach der die Aufnahme eines Einspruchsverfahrens oder Klageverfahrens durch das Finanzamt mÇglich sein soll, soweit ersichtlich durchweg jede dogmatische BegrÅndung schuldig bleibt, nach welcher Vorschrift dies mÇglich sein soll – und stattdessen allein mit angeblichen Praktikabilitltserwlgungen argumentiert, dies wie oben aufgezeigt noch nicht einmal gebieten, die Aufnahme durch das Finanzamt zuzulassen. Fest steht, dass das gesamte Forderungsfeststellungsverfahren der §§ 174 ff. InsO auf Glsubigerforderungen zugeschnitten ist, die erst in einem gerichtlichen Verfahren tituliert werden. Glsubiger solcher Forderungen mÅssen bei nicht titulierten Forderungen im ordentlichen Verfahren Klage erheben (§ 180 Abs. 1 InsO), um einen Widerspruch zu beseitigen. Soweit Åber deren gegen den Schuldner gerichtete Forderung zur Zeit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit anhsngig ist, so hat der Glsubiger gem. § 180 Abs. 2 InsO diesen aufzunehmen und in diesem Rechtsstreit die Feststellung zur Insolvenztabelle zu betreiben. All das passt nicht fÅr Steuerforderungen, weil der Steuerglsubiger wegen der (systematisch nachstehenden, also spezielleren) Sondervorschrift des § 185 InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 InsO weder Klage erheben muss noch – systematisch folgerichtig – einen Rechtsstreit mit dem Ziel der Feststellung zur Tabelle aufnehmen muss. Eine solche Aufnahme passt im Åbrigen auch nicht zu den Vorschriften der §§ 85, 86 InsO: Eine Aufnahme nach § 85 InsO kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil es sich nicht um einen Streit wegen eines positiven VermÇgensgegenstandes des SchuldnervermÇgens handelt. Es handelt sich bei einem Einspruchsverfahren gegen eine Steuerfestsetzung vielmehr aus Sicht des Schuldners um einen Passivprozess. Solche kÇnnen aber gem. § 86 InsO nur unter bestimmten engen Voraussetzungen aufgenommen werden, die hier ssmtlich nicht einschlsgig sind. Nur nach dieser Vorschrift wsre auch eine Aufnahme durch den Gegner, also das Finanzamt mÇglich. Diese wiederum aber wÅrde voraussetzen, dass der Insolvenzverwalter von einer ihm nach dieser Vorschrift zustehenden AufnahmemÇglichkeit keinen Gebrauch macht, die es aber nicht gibt. Also kommt Aufnahme nach § 86 InsO durch das Finanzamt nicht in Betracht.

304

Die hier vertretene Auffassung lÇst auch das Tenorierungsproblem: Es ließe sich fÅr ein durch das Finanzamt aufgenommenes Einspruchsverfah1 BGH v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483; vgl. dazu auch oben Rz. 3.255 ff.

318

B. Erhebungsverfahren

ren schon keine zutreffende und damit rechtmsßige Tenorierung finden. Die Tenorierung dÅrfte sicher nicht lauten, dass der Einspruch zurÅckgewiesen werde. Damit wÅrde das Finanzamt nsmlich auch das in dem Steuerbescheid enthaltene Leistungsgebot aktualisieren und damit entgegen dem Vollstreckungsverbot des § 89 InsO eine Steuerfestsetzung hinsichtlich einer Insolvenzforderung gegen die Insolvenzmasse vornehmen. Eine derart tenorierte Einspruchsentscheidung wsre rechtswidrig. Andererseits dÅrfte der Tenor nicht dahin lauten, dass festgestellt werde, dass die durch den einspruchsbehafteten Bescheid festgesetzte Steuerforderung als Insolvenzforderung festgestellt werde. Damit ginge das Finanzamt nsmlich Åber das mit dem Einspruch erhobene Anfechtungsbegehren hinaus und erstreckte den Regelungsgehalt der Einspruchsentscheidung zu Lasten des Steuerpflichtigen Åber den von diesem erhobenen Einspruch hinaus auch auf den Rang der Insolvenzforderung. Letzteres aber wÅrde dazu fÅhren, dass der Rangstreit nunmehr unmittelbar in einem finanzgerichtlichen Verfahren gefÅhrt werden mÅsste, obwohl eine Regelung diesen Inhalts erstmalig durch die BehÇrde getroffen worden ist. Damit wsre die MÇglichkeit eines Einspruchs, der gegen einen Feststellungsbescheid i.S.v. § 251 Abs. 3 AO gegeben wsre, unzulsssigerweise abgeschnitten. Diese AusfÅhrungen zeigen, dass die Fortsetzung des unterbrochenen Einspruchsverfahrens unzureichend ist, so dass ein Feststellungsbescheid „erforderlich“ ist, um dem Finanzamt zu seinem Ziel, nsmlich der Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle, zu verhelfen. Nicht umsonst verwendet der Wortlaut des § 251 Abs. 3 AO deswegen den Begriff „erforderlichenfalls“. dd) Mehrere Bestreitende Haben mehrere Beteiligte die Forderung des Finanzamtes im PrÅfungstermin bestritten, kÇnnen sie ihren Widerspruch gemeinsam oder unabhsngig von einander verfolgen.1 Es ist daher zulsssig, dass sie unabhsngig von einander einen im Zeitpunkt der Unterbrechung nach § 240 ZPO noch nicht verfristeten Rechtsbehelf einlegen. Einspruchs- bzw. Klageverfahren sind in diesem Fall unabhsngig von einander zu fÅhren.

3.305

U.U. kann es dadurch auch zu divergierenden Entscheidungen kommen. Wird die Klage eines widersprechenden Glsubigers gegen das Finanzamt rechtskrsftig abgewiesen, so hat dies fÅr Einspruchs- oder Klageverfahren, mit denen andere Bestreitende ihren Widerspruch verfolgen, keine Auswirkung. Umgekehrt fÅhrt das endgÅltige Obsiegen eines Bestreitenden gegen das Finanzamt zur Erledigung aller anderen Verfahren, weil bereits ein begrÅndeter Widerspruch ausreicht, um die Feststellung der Forderung zur Tabelle und damit die Teilnahme des Glsubigers an der Verteilung zu verhindern. Nimmt (zunschst) nur ein Bestreitender ein unterbrochenes

3.306

1 Schumacher in MÅnchKomm/InsO, § 179 Rz. 41.

319

307

308

309

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Einspruchs- oder Klageverfahren auf, so werden etwaige Fristen gem. § 249 Abs. 1 ZPO nur ihm gegenÅber in Gang gesetzt. Andere Bestreitende kÇnnen diesem Verfahren jederzeit beitreten oder aber unabhsngig von diesem Verfahren ein selbstsndiges Verfahren anstrengen. Gehen die Bestreitenden gemeinsam vor und nehmen sie gemeinsam einen anhsngigen Rechtsstreit auf, so sind sie notwendige Streitgenossen i.S.v. § 62 Abs. 1 Alt. 1 ZPO. Beteiligte, die selbst der angemeldeten Forderung im PrÅfungstermin nicht widersprochen haben, kÇnnen dem seinen Widerspruch verfolgenden Glsubiger oder Insolvenzverwalter als Streithelfer beitreten.1 Dasselbe gilt fÅr einen Schuldner, der rechtzeitig der Forderung widersprochen hat. Will das Finanzamt WidersprÅche mehrerer Beteiligter beseitigen, die ihre WidersprÅche bisher nicht binnen angemessener Zeit durch Aufnahme eines unterbrochenen Verfahrens oder Klageerhebung verfolgt haben, kann es ein unterbrochenes Verfahren gegen alle Bestreitenden gemeinsam aufnehmen. Der Klageantrag ist auf die Feststellung der genau zu bezeichnenden Forderung zur Insolvenztabelle zu richten. ee) Unanfechtbarer Steuerbescheid War ein Steuerbescheid bei ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bzw. Anordnung der vorlsufigen starken Insolvenzverwaltung unanfechtbar, so kann der Bestreitende seinen Widerspruch nur noch sehr eingeschrsnkt verfolgen. MÇglich sind dann noch: – Antrag auf Wiedereinsetzung nach §§ 110 AO, 56 FGO, – Antrag auf znderung des bestandskrsftigen Bescheids nach §§ 129 ff., 172 ff. AO. – Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides (§ 218 Abs. 2 AO), in den auf der Grundlage von § 47 AO beispielsweise ein zusstzlich zu beantragender Erlass (§ 227) einbezogen werden kann, – Wiederaufnahmeklage nach § 134 FGO (Nichtigkeitsklage, § 579 ZPO oder Restitutionsklage, § 580 ZPO). ff) Unterlassene Verfolgung des Widerspruchs Verfolgt der Glsubiger oder Insolvenzverwalter, der einer angemeldeten Forderung im PrÅfungstermin widersprochen hat, seinen Widerspruch nicht in der vorstehend beschriebenen Weise, so nimmt die Forderung trotz des Widerspruchs an der Verteilung nach § 188 InsO teil.2

1 Schumacher in MÅnchKomm/InsO, § 179 Rz. 42. 2 Kießner in FrankfurterKomm/InsO, § 188 Rz. 7.

320

B. Erhebungsverfahren

6. Abrechnungsbescheid Literatur Bartone, Der Abrechnungsbescheid, AO-StB 2003, 340; Eich, Der Abrechnungsbescheid, AO-StB 2004, 133; Flies, AbrechnungsverfÅgung und Abrechnungsbescheid, DStR 1998, 153, 760; Gosch, Verhsltnis von Anrechnung und Abrechnung, StBp 97, 271; Haunhorst, Abrechnung, Anrechnung, znderung, Anfechtung und so manch andere Frage ... – Anmerkung zum Beschluss des BFH vom 13.1.2005, VII B 147/04, BStBl. II 2005, 457, DStZ 2005, 706; MÅller, Aussetzung der Vollziehung eines Abrechnungsbescheids, EFG 2007, 1396; Pump, Ist der Abrechnungsbescheid ein vollziehbarer Verwaltungsakt?, INF 1989, 30; Rispen, Abrechnungsbescheid als Mittel der Streitschlichtung, NWB Fach 2, 8181–8186 (24/2003); Schuhmann, Der Abrechnungsbescheid, BB 1988, 739; Schwebel, Der Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO, DB 1992, 9; Sedemund, Ist die znderung der AnrechnungsverfÅgung ohne Bindung an Zahlungs- und Festsetzungsverjshrung mÇglich?, DStZ 2002, 560; Siegert, Das Verhsltnis An- und Abrechnungsteil und Leistungsgebot zum Abrechnungsbescheid, DB 1997, 2398; Streck/ Schwedhelm, Zur sachlichen Reichweite des Abrechnungsbescheides, Stbg 1996, 166; Valentin, Verhsltnis zwischen Abrechnungsbescheid und AnrechnungsverfÅgung, EFG 2006, 1877; VÇllmeke, Probleme bei der Anrechnung von Lohnsteuer, DB 1994, 1746; Wenzler, Zahlungsverjshrung – Unterbrechung der Frist durch Abrechnungsbescheid?, AO-StB 2009, 145; WÅllenkemper, Einstweiliger Rechtsschutz beim Abrechnungsbescheid, EFG 2004, 1277.

Nach § 218 Abs. 2 AO entscheidet die FinanzbehÇrde mit einem Abrechnungsbescheid Åber Streitigkeiten, die die Verwirklichung der AnsprÅche i.S.d. § 218 Abs. 1 AO betreffen. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide, SteuervergÅtungsbescheide, Haftungsbescheide und Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden, die Grundlage fÅr die Verwirklichung von AnsprÅchen aus dem Steuerschuldverhsltnis. Der Abrechnungsbescheid entscheidet also, inwieweit die mit den vorgenannten Bescheiden festgestellten AnsprÅche aus dem Steuerschuldverhsltnis noch bestehen oder inzwischen ganz oder teilweise erloschen sind.1 Voraussetzung fÅr den Erlass eines Abrechnungsbescheides ist eine Meinungsverschiedenheit zwischen der Finanzverwaltung und dem Insolvenzverwalter Åber das Bestehen konkreter AnsprÅche aus dem Steuerschuldverhsltnis.2 Der Abrechnungsbescheid ist dem Erhebungsverfahren zuzurechnen, nicht dem Steuerfestsetzungsverfahren.3

3.310

Der Abrechnungsbescheid muss die streitigen SteueransprÅche im Einzelnen bezeichnen.4 Die SteueransprÅche mÅssen nach Steuerart, Zeitraum und HÇhe genau benannt werden.5 Es ist nicht ausreichend, wenn die Fi-

3.311

1 BFH v. 16.12.2008 – VII R 17/08, BStBl. II 2010, 91 = ZIP 2009, 1290. 2 Intemann in Pahlke/Koenig, § 218 AO Rz. 21. 3 BFH v. 15.6.1999 – VII R 3/97, BStBl. II 2000, 46; v. 17.1.1995 – VII R 28/94, BFH/NV 1995, 580. 4 BFH v. 18.10.1994 – VII S 16/94, BFH/NV 1995, 474. 5 BFH v. 5.7.1988 – VII R 142/84, BFH/NV 1990, 69 (69); v. 1.8.1979 – VII R 155/76, v. 1.8.1979 – VII R 115/76, BStBl. II 1979, 714 (714).

321

312

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

nanzbehÇrde darauf hinweist, dass die strittigen SteueransprÅche der jeweiligen Steuerfestsetzung entnommen werden kÇnnen.1 Soweit es fÅr das Verstsndnis des Abrechnungsbescheids notwendig ist, sind die Betrsge und AnsprÅche einzeln aufzugliedern.2 Dem Abrechnungsbescheid muss zweifelsfrei entnommen werden kÇnnen, ob und ggf. wodurch die streitige Zahlungsverpflichtung verwirklicht wurde.3 Der Insolvenzverwalter muss dem Abrechnungsbescheid entnehmen kÇnnen, welche Steuerforderung durch welche Tilgungshandlung erloschen ist bzw. mangels Tilgungshandlung noch besteht. Soweit Streit Åber den ErlÇschensgrund (Zahlung, Aufrechnung, Erlass etc.) besteht, hat die FinanzbehÇrde den ihrer Meinung nach zutreffenden ErlÇschensgrund durch Abrechnungsbescheid festzustellen.4 Ist die Verjshrung eines Steueranspruchs im Streit, hat die FinanzbehÇrde hierÅber eine eindeutige Feststellung zu treffen.5 Ein Abrechnungsbescheid kann auch nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens erlassen werden und dennoch Zeitrsume vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens umfassen.6 Dabei ist allerdings der Rang der vom Abrechnungsbescheid umfassten Forderungen zu berÅcksichtigen. Gegen einen nach InsolvenzerÇffnung ergehenden Abrechnungsbescheid kann der Insolvenzverwalter Einspruch und im Fall der erfolglosen DurchfÅhrung des Einspruchsverfahrens auch Klage zum FG erheben. Da der Abrechnungsbescheid allerdings dem Erhebungsverfahren und nicht dem Steuerfestsetzungsverfahren zuzurechnen ist, kÇnnen Einwendungen gegen Grund und HÇhe der Steuerfestsetzung im Verfahren Åber den Abrechnungsbescheid nicht mehr erhoben werden.7 Die Rechtmsßigkeit der dem Abrechnungsbescheid zugrunde liegenden Steuerbescheide ist nicht zu prÅfen. Der Insolvenzverwalter kann im Einspruchs- und Klageverfahren gegen den Abrechnungsbescheid nur Einwendungen, die die Verwirklichung des verbeschiedenen Steueranspruchs betreffen, geltend machen. Der Abrechnungsbescheid entscheidet allein Åber die Frage, ob der bereits festgesetzte Steueranspruch erloschen (§ 47 AO) ist.8 Er stellt bindend fest, ob der Steueranspruch durch Zahlung, Aufrechnung, Erlass oder Verjshrung untergegangen ist.9 1 Intemann in Pahlke/Koenig, § 218 AO Rz. 38; BFH v. 1.8.1979 – VII R 155/76, BStBl. II 1979, 714 (714); Kruse in Tipke/Kruse, § 218 AO Rz. 26. 2 Intemann in Pahlke/Koenig, § 218 AO Rz. 38. 3 Intemann in Pahlke/Koenig, § 218 AO Rz. 39; BFH v. 5.7.1988 – VII R 142/84, BFH/NV 1990, 69; v. 27.3.1968 – VII 306/64, BStBl. II 1968, 501. 4 BFH v. 18.10.1994 – VII S 16/94, BFH/NV 1995, 474 (475). 5 BFH v. 5.7.1988 – VII R 142/84, BFH/NV 1990, 69. 6 Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 533. 7 BFH v. 15.6.1999 – VII R 3/97, BStBl. II 2000, 46; v. 17.1.1995 – VII R 28/94, BFH/NV 1995, 580. 8 Intemann in Pahlke/Koenig, § 218 AO Rz. 18; BFH v. 23.8.2001 – VII R 94/99, BStBl. II 2002, 330; v. 12.8.1999 – VII R 92/98, BStBl. II 1999, 751; v. 28.4.1992 – VII R 33/91, BStBl. II 1992, 781. 9 Intemann in Pahlke/Koenig, § 218 AO Rz. 39; BFH v. 18.4.2006 – VII R 77/04, BStBl. II 2006, 578.

322

B. Erhebungsverfahren

Der Abrechnungsbescheid kann nicht nur von Amts wegen ergehen. Der Insolvenzverwalter kann jederzeit den Erlass eines Abrechnungsbescheides beantragen, wenn Streit Åber die Verwirklichung von SteueransprÅchen besteht.1 Voraussetzung ist eine Meinungsverschiedenheit Åber das Bestehen konkreter AnsprÅche aus dem Steuerschuldverhsltnis.2 Trsgt er hingegen lediglich GrÅnde vor, die sich gegen die Rechtmsßigkeit der Steuerfestsetzung richten, muss ein Abrechnungsbescheid nicht erteilt werden, weil Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung nicht Gegenstand des Abrechnungsbescheids sind. Eine Besonderheit gilt fÅr Ssumniszuschlsge, weil sie nach § 240 AO allein durch Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands entstehen und nicht ausdrÅcklich festgesetzt werden. Daher wird mit dem Abrechnungsbescheid auch Åber das Entstehen von Ssumniszuschlsgen entschieden.3 Somit kann der Insolvenzverwalter die Entstehung und einen etwaigen Erlass (§ 227 AO) von Ssumniszuschlsgen mit Hilfe des Abrechnungsbescheids ÅberprÅfen lassen.4 ! Hinweis: Der Insolvenzverwalter ist oft im Unklaren darÅber, wann welche Steuerforderung entstanden ist, ob und wie sie erloschen ist (insbesondere Zahlungsbetrsge, Zahlungszeitpunkte, Aufrechnung etc.) oder ob sie noch besteht. Anhand der Buchhaltung des Insolvenzschuldners sollte sich dies eigentlich ohne weiteres ermitteln lassen, doch zeigt die Praxis, dass dies in der weit Åberwiegenden Zahl der Insolvenzverfahren nicht der Fall ist. Meldet die Finanzverwaltung dann auch noch eine Forderung zur Insolvenztabelle an, tappt der Insolvenzverwalter regelmsßig vollkommen im Dunkeln, weil er zur PrÅfung der angemeldeten Forderung wissen mÅsste, welche Zahlungen der Insolvenzschuldner in der Vergangenheit geleistet hat, auf welche Forderungen diese Leistungen erbracht worden sind und ob es ggf. Aufrechnungen gegeben hat. In solchen Fsllen bietet sich der Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheides an, um Klarheit Åber die ausstehenden Steuerforderungen zu erhalten.

7. Erlass Literatur App, Zinsverzicht bei und nach Steuerstundung, StB 2000, 17; Bartone, Der Erlass und die znderung von Steuerverwaltungsakten im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Steuerpflichtigen, AO-StB 2008, 132; Der Erlass von AnsprÅchen aus dem Steuerschuldverhsltnis, AO-StB 2004, 356; Ebbinghaus/Hinz, Der Erlass der Umsatzsteuer bei Sanierungsgewinnen, BB 2013, 479; Eich, Erlass von Steuern und Nebenleistungen aus BilligkeitsgrÅnden, KySDI 2012, 18033; Farr, Steuererlass als Beitrag zur Entschuldung privater Haushalte, BB 2002, 1989; GÅnther, Erlass von AnsprÅchen aus dem Steuerschuldverhsltnis, AOStB 2009, 311; Hollatz, Erlass von AnsprÅchen aus dem Steuerschuldverhsltnis, NWB F. 2 S. 8197; Kohlhaas, Vollstsndiger Erlass von Ssumniszuschlsgen bei er-

1 Vgl. BFH v. 28.4.1993 – I R 123/91, BStBl. II 1994, 147; Intemann in Pahlke/Koenig, § 218 AO Rz. 30. 2 Intemann in Pahlke/Koenig, § 218 AO Rz. 21. 3 BFH v. 8.11.1989 – I R 30/84, BFH/NV 1990, 546. 4 Vgl. BFH v. 18.4.2006 – VII R 77/04, BStBl. II 2006, 578; v. 12.8.1999 – VII R 92/98, BStBl. II 1999, 751.

323

3.313

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

folgreichem Rechtsbehelfsverfahren?, DStR 2010, 2387; Meincke, Erlass von Erbschaftsteuer aus BilligkeitsgrÅnden, DStR 2004, 573; Nieland, Die Unbilligkeit beim Steuererlass, AO-StB 2004, 284; Obermair, Insolvenz als Erlassgrund?, StB 2005, 212; SchÇngart, Der Erlass nach der AO unter dem besonderen Blickwinkel der persÇnlichen Billigkeit, AO-StB 2011, 93; Seer, Der sog Sanierungserlass vom 27.3.2003 als Rechtsgrundlage fÅr Maßnahmen aus sachlichen BilligkeitsgrÅnden, FR 2010, 306; Weinreuter, Stundung, Erlass und Vollstreckungsaufschub nach der Abgabenordnung, DStZ 1999, 1953.

314

Gemsß § 227 AO kÇnnen die FinanzbehÇrden AnsprÅche aus dem Steuerschuldverhsltnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wsre. § 227 AO ist im Zusammenhang mit § 163 AO zu sehen (Rz. 3.199). § 163 AO betrifft die abweichende Festsetzung von Steuern, wshrend § 227 AO im Erhebungsverfahren verortet ist und somit den Erlass (unanfechtbar festgesetzter) AnsprÅche betrifft. § 163 AO gilt nur fÅr Steuern i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 AO, wshrend § 227 AO alle AnsprÅche aus dem Steuerschuldverhsltnis (§ 37 AO) zum Gegenstand hat. § 227 AO ist somit auf SteueransprÅche, HaftungsansprÅche und auf steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) wie z.B. Ssumniszuschlsge anwendbar.1 Die tatbestandsmsßigen Voraussetzungen von § 163 AO und § 227 AO sind trotz unterschiedlicher Rechtsfolgen identisch.2 § 227 AO ermschtigt die zustsndige FinanzbehÇrde, im Einzelfall aus BilligkeitsgrÅnden ganz oder teilweise von der Erhebung einer festgesetzten Steuer abzusehen. Durch den Erlass erlÇschen die AnsprÅche aus dem Steuerschuldverhsltnis (§ 47 AO).

315

Tatbestandliche Voraussetzung des Erlasses ist die Unbilligkeit der Einziehung einer Steuer. Diese Unbilligkeit kann entweder in der Sache oder in der Person des Abgabeschuldners begrÅndet sein. Deshalb kÇnnen fÅr Billigkeitsmaßnahmen nach § 227 AO sachliche oder persÇnliche GrÅnde in Betracht kommen.

316

Sachliche BilligkeitsgrÅnde sind gegeben, wenn nach dem erklsrten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage – hstte er sie geregelt – i.S.d. beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hstte,3 oder wenn angenommen werden kann, dass die Einziehung den Wertungen des Gesetzes zuwiderlsuft.4 Dagegen rechtfertigen Hsrten, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestands einer steuerrechtlichen Vorschrift bewusst in Kauf genommen hat, keinen Erlass aus sachlichen BilligkeitsgrÅnden.5 FÅr das Vorliegen sachlicher Unbilligkeit ha1 BFH v. 19.12.2000 – VII R 63/99, BStBl. II 2001, 217 = ZIP 2001, 427. 2 BFH v. 26.10.1994 – X R 104/92, BStBl. II 1995, 297; v. 30.8.1999 – X B 67/99, BFH/NV 2000, 301. 3 Fritsch in Pahlke/Koenig, § 227 AO Rz. 13; BFH v. 26.10.1972 – I R 125/70, BStBl. II 1973, 271; BVerfG v. 5.4.1978 – 1 BvR 117/73, BStBl. II 1978, 441. 4 BFH v. 29.8.1991 – V R 78/86, BStBl. II 1991, 906. 5 Fritsch in Pahlke/Koenig, § 227 AO Rz. 13.

324

B. Erhebungsverfahren

ben sich Fallgruppen herausgebildet. Danach ist sachliche Unbilligkeit insbesondere gegeben bei: Zweckverfehlung. Zweckverfehlung ist gegeben, wenn die Einziehung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhsltnis ausnahmsweise im Einzelfall dem Besteuerungszweck selbst widerspricht.1 Besondere Bedeutung hat die sachliche Unbilligkeit der Einziehung wegen Zweckverfehlung im Insolvenzverfahren in Bezug auf Slumniszuschllge. Eine Zweckverfehlung ist gegeben, wenn sich die Einziehung von Ssumniszuschlsgen deshalb als sinnlos erweist, weil dem Steuerschuldner die rechtzeitige Begleichung der zugrunde liegenden Steuerschuld infolge xberschuldung und/oder Zahlungsunfshigkeit unmÇglich war. Da Ssumniszuschlsge zumindest auch ein Druckmittel sind, geht ihr Zweck insoweit ins Leere, so dass sie auf Antrag in der Regel zur Hslfte zu erlassen sind.2 Antragsberechtigt ist im Insolvenzverfahren nur der Insolvenzverwalter (Rz. 3.226).

3.317

Fehlverhalten der FinanzbehÇrde. Es ist wegen Verstoßes gegen Grundsatz von Treu und Glauben sachlich unbillig, wenn die FinanzbehÇrde einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhsltnis durchsetzt, der letztlich auf ihr eigenes Fehlverhalten zurÅckzufÅhren ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Entstehung der Steuer auf einer falschen Auskunft der FinanzbehÇrde beruht,3 oder wenn die FinanzbehÇrde den Steuerpflichtigen von der rechtzeitigen Einlegung eines aussichtsreichen Rechtsbehelfs abgehalten hat.4

3.318

Vertrauensschutz. Hat ein Steuerpflichtiger im Vertrauen auf die Weitergeltung von Gesetzen, von Verwaltungsanweisungen oder einer bestimmten stsndigen Rechtsprechung Dispositionen getroffen, die er nicht mehr rÅckgsngig machen kann, so kann ein Erlass in Betracht kommen.5 Der Vertrauensschutzgesichtspunkt liegt auch der gesetzlichen Vorschrift in § 176 AO zugrunde. Gerade im nach wie vor stark im Fluss befindlichen Insolvenzsteuerrecht tritt Çfter die Situation ein, dass FG oder gar der BFH von der bisherigen Rechtsprechung abrÅcken oder Fallkonstellationen zu entscheiden haben, die bislang kaum oder nur in der Literatur erÇrtert worden sind. In solchen Fsllen kann es beispielsweise zur Einordnung einer bisher als Insolvenzforderung beurteilten Steuerforderung als Masseverbindlichkeit kommen, die den Fortgang des Insolvenzverfahrens im Ganzen gefshrden und ggf. die Masseunzulsnglichkeit herbeifÅhren kann.

3.319

1 AusfÅhrlich Fritsch in Pahlke/Koenig, § 227 AO Rz. 18. 2 BFH v. 16.7.1997 – XI R 32/96, BStBl. II 1998, 7 = ZIP 1998, 340; v. 9.7.2003 – V R 57/02, BStBl. II 2003, 901 = ZIP 2003, 2036. 3 v. Groll in HÅbschmann/Hepp/Spitaler, § 227 AO Rz. 271. 4 BFH v. 8.4.1987 – X R 14/81, BFH/NV 1988, 214. 5 Fritsch in Pahlke/Koenig, § 227 AO Rz. 22; StÇcker in Beermann/Gosch, § 227 AO Rz. 84; BVerfG v. 28.1.1970 – 1 BvL 4/67, BVerfGE 27, 375 (385); GmS-OGB v. 19.10.1971 – GmS-OGB 3/70, BStBl. II 1972, 603; BFH v. 23.11.1994 – X R 124/92, BStBl. II 1995, 824.

325

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Ein eindrucksvolles Beispiel hierfÅr bietet eine jÅngere Entscheidung des FG MÅnster.1 Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH stellen BerichtigungsansprÅche nach § 15a Abs. 1 UStG, die nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, Insolvenzforderungen dar.2 Das FG MÅnster ist dem gegenÅber zu der Auffassung gelangt, fÅr die Frage der insolvenzrechtlichen Beurteilung der Umsatzsteuerforderung der Finanzverwaltung sei der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer maßgeblich, so dass die nach InsolvenzerÇffnung erfolgende Vorsteuerberichtigung zu Masseverbindlichkeiten fÅhren kÇnne. Der Insolvenzverwalter, der im Hinblick auf die vorangegangene hÇchstrichterliche Rechtsprechung ein zur Insolvenzmasse gehÇrendes Einkaufszentrum steuerfrei vermietet hatte, durfte in diesem Zeitpunkt ohne weiteres darauf vertrauen, dass er Masseverbindlichkeiten in Form des Umsatzsteueranspruchs hierdurch nicht begrÅndete. Sofern eine solche die bisherige Rechtsprechung sndernde Entscheidung rechtskrsftig wird, wsre die Masseverbindlichkeit auf Antrag des Insolvenzverwalters aller Wahrscheinlichkeit nach zu erlassen.

320

Fehlerhafte Steuerfestsetzung. Allein die Einwendung, die bestandskrsftige Steuerfestsetzung sei materiell-rechtlich falsch, rechtfertigt noch nicht die Annahme einer sachlichen Hsrte. Nach der Rechtsprechung des BFH wird vielmehr eine sachliche xberprÅfung bestandskrsftiger Steuerfestsetzungen im Billigkeitsverfahren lediglich dann zugelassen, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig falsch ist und wenn es dem Steuerpflichtigen nicht mÇglich und nicht zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren.3

321

PersÇnliche Unbilligkeit setzt ErlassbedÅrftigkeit und ErlasswÅrdigkeit voraus. ErlassbedÅrftigkeit liegt vor, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche oder persÇnliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichten oder ernstlich gefshrden wÅrde.4 Verfehlt ist die Auffassung des VII. Senats des BFH, der drohende Widerruf der Rechtsanwaltszulassung begrÅnde die ErlassbedÅrftigkeit nicht. Im Streitfall hatte die Klsgerin – eine Rechtsanwsltin – einen Erlass gem. § 227 AO angestrebt, weil die fÅr ihre Zulassung zustsndige Rechtsanwaltskammer infolge von Steuerverbindlichkeiten bereits ein Verfahren zum Entzug der Zulassung erÇffnet hatte und nur noch die Entscheidung Åber einen insolvenzrechtlichen Schuldenbereinigungsplan abwartete. Die Steuerverbindlichkeiten resultierten im Wesentlichen aus einer Haftungsinanspruchnahme fÅr Steuerverbindlichkeiten einer Unternehmung des Vaters der Klsgerin, in der diese die GeschsftsfÅhrung auf Bitten des Vaters Åbernommen hatte. Den insolvenzrechtlichen Schuldenberei1 FG MÅnster v. 8.10.2009 – 5 K 1096/07 U, EFG 2010, 276 ff. 2 BFH v. 6.10.2005 – VII B 309/04, BFH/NV 2006, 369; v. 17.4.2007 – VII R 27/06, BStBl. II 2009, 589 = ZIP 2007, 1166. 3 Vgl. z.B. BFH v. 30.4.1981 – VI R 169/78, BFHE 133, 255 = BStBl. II 1981, 611; v. 15.7.1992 – II R 59/90, BFHE 168, 310 = BStBl. II 1993, 613. 4 Vgl. BFH v. 26.2.1987 – IV R 298/84, BStBl. II 1987, 612.

326

B. Erhebungsverfahren

nigungsplan hatte das an der Streitsache Beteiligte Finanzamt bereits abgelehnt. Das FG war erstinstanzlich noch der Auffassung gewesen, dass dem Finanzamt nach § 227 AO eingersumte Ermessen sei im Streitfall auf Null reduziert und deswegen mÅsse das Finanzamt der Klsgerin ihre Steuerschulden erlassen. Der BFH hingegen war der Auffassung, eine Ermessensreduktion auf Null komme nicht in Betracht. Die BegrÅndung Åberzeugt allerdings in keiner Weise. Der BFH ist der Auffassung, die Rechtsanwaltszulassung sei nicht bereits durch die Ablehnung des Erlasses durch das Finanzamt unmittelbar zu besorgen; vielmehr fÅhre erst ein Insolvenzantrag – dessen Stellung nicht zwingend sei – zu einer notwendigen RÅcknahme der Zulassung gem. § 14 Abs. 2 Ziff. 7 BRAO. Diese Sichtweise berÅcksichtigt nicht, dass Steuerschulden, die ein Rechtsanwalt nicht begleichen kann, auch ohne Insolvenzantragsverfahren zu einem maßgeblichen VermÇgensverfall fÅhren, der Åblicherweise zur ZurÅcknahme der Anwaltszulassung fÅhrt. Der BFH ist weiter der – insoweit zutreffenden – Auffassung, dass der Rechtsanwalt angesichts seiner juristischen Qualifikation eine große Bandbreite mÇglicher Berufe habe und deswegen auf die Anwaltszulassung nicht angewiesen sei, um fÅr seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Auch zutreffend ist, dass selbst Tstigkeiten ohne juristische Qualifikationsanforderungen einem Abgabenschuldner grundsstzlich zumutbar sind, um seine Abgabenschuld zu begleichen. Diese Sichtweise verkennt aber die Realitst: Ein Rechtsanwalt wird ohne Berufszulassung in aller Regel kaum auch nur annshernd entsprechende EinkÅnfte zur Tilgung seiner Abgabenschuld erzielen kÇnnen, wie er sie mit Anwaltszulassung erzielen kann. Ein Rechtsanwalt baut im Laufe seines Berufslebens einen Mandantenstamm und Ruf auf, der es ihm ermÇglicht, EinkÅnfte zu erzielen, die er ohne diese Zulassung nicht erzielen kann. Wird dem Rechtsanwalt die Zulassung – wenn auch nur vorÅbergehend – entzogen, so sind diese Mandantenbeziehungen aller Wahrscheinlichkeit nach endgÅltig zerstÇrt. Diese wieder aufzubauen, wsre nach einer Wiedererlangung der Anwaltszulassung mindestens schwierig, dÅrfte aber regelmsßig unmÇglich sein. Daher ist entgegen der Auffassung des BFH Art. 12 Abs. 1 GG sehr wohl ernst betroffen. Diese Betroffenheit wird auch nicht erst durch die Widerrufsentscheidung der Rechtsanwaltskammer herbeigefÅhrt. FÅr die durch die Rechtsanwaltskammer zu treffende Entscheidung ist nsmlich eine Abwsgung zwischen der Berufsfreiheit des Rechtsanwalts und dem Schutz der VermÇgensinteressen der Mandanten maßgeblich, wobei dem Çffentlichen Interesse an einem Schutz des VermÇgens von Mandanten Åblicherweise der Vorrang zu geben ist. Die Abwsgungsentscheidung, die die FinanzbehÇrde im Rahmen eines Erlasses von Steuerschulden zu treffen hat, ist aber eine Abwsgungsentscheidung zwischen dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung einer bestimmten Steuerschuld und dem Interesse des Rechtsanwalts an der Aufrechterhaltung seines Berufs – wenn zwar auch nur mittelbar, weil noch die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer hinzutreten muss, aber doch mehr oder weniger zwangslsufig. Hier hat regelmsßig das fiskalische Interesse zurÅckzutreten, wenn ohne den Erlass der Verlust der Anwaltszulassung hÇchst wahrscheinlich ist.

327

322

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

In Bezug auf Masseverbindlichkeiten ergibt sich eine Parallele dahingehend, dass ErlassbedÅrftigkeit anzunehmen ist, wenn durch die Einziehung der Forderung Masseunzulsnglichkeit (§ 208 InsO) eintreten wÅrde, denn die Masseunzullnglichkeit bedeutet gleichsam den „Konkurs im Konkurs“.1 Infolge der Masseunzulsnglichkeit kÇnnen nicht mehr alle MasseansprÅche bedient werden, so dass Masseglsubiger ausfallen. Sofern ein laufender Geschsftsbetrieb in der Insolvenzmasse vorhanden ist, gefshrdet der Eintritt der Masseunzulsnglichkeit den Bestand des Unternehmens ernsthaft, weil Zulieferer, die im Rahmen der BetriebsfortfÅhrung benÇtigt werden, in ihrem Vertrauen in die Werthaltigkeit des Masseanspruchs enttsuscht werden und zu einer Fortsetzung der Geschsftsbeziehung nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit kaum bewogen werden kÇnnen. Diese Situation ist daher der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz eines Steuerpflichtigen außerhalb eines Insolvenzverfahrens gleichzusetzen. Etwas anderes ist die Frage der ErlasswÅrdigkeit. ErlasswÅrdigkeit setzt ein Verhalten voraus, das nicht in eindeutiger Weise gegen die Interessen der Allgemeinheit verstÇßt und bei dem die mangelnde Leistungsfshigkeit nicht auf einem Verhalten des Steuerpflichtigen selbst beruht.2 Bei der PrÅfung der ErlasswÅrdigkeit soll nicht kleinlich verfahren werden.3 AllgemeingÅltige Aussagen hinsichtlich der ErlasswÅrdigkeit gibt es nicht. Ob sie vorliegt, hsngt vielmehr von der GesamtwÅrdigung aller Umstsnde des Einzelfalls ab.4 Dabei ist insbesondere bei laufendem Geschsftsbetrieb im Insolvenzverfahren die mÇgliche Gefshrdung der FortfÅhrung des Unternehmens zu berÅcksichtigen. Andererseits braucht sich die Finanzverwaltung mit berechtigten und fÅr den Insolvenzverwalter erkennbar und kalkulierbar entstehenden MasseansprÅchen auch nicht hinter die Åbrigen Masseglsubiger anzustellen, nur um die Erhaltung des Betriebs zu ermÇglichen. Ein Antrag des Steuerpflichtigen ist fÅr den Erlass zwar nicht erforderlich. Gleichwohl finden Billigkeitsmaßnahmen jedoch in der Praxis nahezu ausnahmslos ausschließlich auf Antrag statt. Hinsichtlich der Antragsberechtigung ist zu differenzieren. Soweit sich die Billigkeitsmaßnahme auf Steuerforderungen bezieht, die den Rang von Masseverbindlichkeiten einnehmen (§ 55 InsO), steht das Antragsrecht ausschließlich dem Insolvenzverwalter zu. Soweit Steuerforderungen betroffen sind, die im Rang von § 38 InsO stehen, hat die Rechtsprechung stillschweigend ebenfalls 1 Zum Begriff ausfÅhrlich: Braun in Nerlich/RÇmermann, vor §§ 217 bis 269 InsO Rz. 24 ff.; Hefermehl in MÅnchKomm/InsO, § 208 Rz. 8. 2 Fritsch in Pahlke/Koenig, § 227 AO Rz. 36; BFH v. 14.11.1957 – IV 418/56 U, BStBl. III 1958, 153; v. 30.9.1996 – X B 131/96, BFH/NV 1997, 326; krit. v. Groll in HÅbschmann/Hepp/Spitaler, § 227 AO Rz. 134. 3 Fritsch in Pahlke/Koenig, § 227 AO Rz. 36; Loose in Tipke/Kruse, § 227 AO Rz. 104. 4 BFH v. 29.4.1981 – IV R 23/78, BStBl. II 1981, 726 (728); zu GrÅnden, die die ErlassunwÅrdigkeit begrÅnden, vgl. Fritsch in Pahlke/Koenig, § 227 AO Rz. 38 ff.

328

B. Erhebungsverfahren

die Antragsberechtigung des Insolvenzverwalters angenommen.1 Dem gegenÅber ist zumindest auch die Antragsberechtigung des Schuldners anzuerkennen (Rz. 3.202). xber den Erlass entscheidet die FinanzbehÇrde nach ihrem Ermessen gem. § 5 AO.

3.323

V. Schlussrechnung und Schlusstermin Der Insolvenzverwalter hat das Insolvenzverfahren in einem nach GrÇße und Umfang des Verfahrens angemessenen Zeitraum zum Abschluss zu bringen. Regelmsßig sollte dies nach zwei bis drei Jahren Verfahrensdauer der Fall sein kÇnnen. Dies gilt lediglich dann nicht, wenn es sachliche GrÅnde dafÅr gibt, dass eine Verfahrensbeendigung noch nicht erfolgen kann, beispielsweise weil der Insolvenzverwalter Rechtsstreite fÅhren muss, die trotz aller ihm mÇglichen Beschleunigung nicht zum Ende gelangen.

3.324

Ist das Insolvenzverfahren abschlussreif, so legt der Insolvenzverwalter Schlussrechnung (§ 66 InsO). Eine der Schlussrechnung inhaltlich vergleichbare Rechnungslegung hat auch zu erfolgen, wenn das Amt des Insolvenzverwalters vor Abschlussreife des Insolvenzverfahrens endet, beispielsweise durch Entlassung oder Wahl eines anderen Insolvenzverwalters.

3.325

Die Schlussrechnung unterliegt keinem zwingend vorgeschriebenen Aufbau. Entscheidend ist dabei aber, dass die gesamte Tstigkeit des Insolvenzverwalters berichtet und dokumentiert wird. Es reicht nicht aus, wenn der Insolvenzverwalter lediglich die Einnahmen und Ausgaben auf seinem Hinterlegungskonto erlsutert und die auf die Insolvenzglsubiger entfallende Quote mitteilt. Eine Schlussrechnung i.S.v. § 66 InsO hat vielmehr zwei Elemente zu enthalten: einen rechnerischen Teil, in dem Einnahmen und Ausgaben gegenÅbergestellt werden und einen darstellenden Teil, in dem die gesamte Tstigkeit des Insolvenzverwalters textlich dargestellt wird.2

3.326

Mit der Schlussrechnung hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht ein Schlussverzeichnis (§ 188 InsO) und die KontoauszÅge seines Hinterlegungskontos sowie die zu den Buchungen gehÇrenden Belege zu Åbergeben. Dem Insolvenzgericht kommt als Ausfluss seiner Aufsichtspflichten (§ 58 InsO) die Aufgabe zu, die durch den Insolvenzverwalter erstellte Schlussrechnung zu prÅfen. Die PrÅfung erfolgt in formeller und materieller Hinsicht. Eine PrÅfung der Zweckmlßigkeit bestimmter Handlungen des Insolvenzverwalters gehÇrt hingegen nicht zur PrÅfungs-

3.327

1 BFH v. 9.7.2003 – V R 57/02, BStBl. II 2003, 901 = ZIP 2003, 2036. 2 Kind in FrankfurterKomm/InsO, § 66 Rz. 9 ff.

329

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

kompetenz des Insolvenzgerichts. Das Insolvenzgericht hat also nicht zu prÅfen, ob der Insolvenzverwalter bestmÇglich verwertet hat oder ob sich ihm auch nur gÅnstigere VerwertungsmÇglichkeiten hstten bieten kÇnnen. Lediglich dann, wenn beispielsweise erkennbar ist, dass der Insolvenzverwalter ohne ersichtlichen Grund von mehreren ihm bekannten VerwertungsmÇglichkeiten nicht die beste Verwertungsalternative gewshlt hat, kann der Bereich der materiell fehlerhaften VerfahrensfÅhrung betroffen sein.

328

Ist ein Gllubigerausschuss bestellt, so ist diesem die Schlussrechnung zum Zwecke der PrÅfung zuzuleiten, § 66 Abs. 2 Satz 2 InsO.

329

Kann das Insolvenzgericht die Schlussrechnung des Insolvenzverwalters aufgrund ihrer Komplexitst nicht selbst prÅfen, so darf es mit der PrÅfung gem. § 5 InsO einen Sachverstlndigen beauftragen.1 Die Beauftragung von Sachverstsndigen darf jedoch keinesfalls routinemsßig in jedem Verfahren oder aufgrund allgemeiner ArbeitsÅberlastung des Insolvenzgerichtes erfolgen, weil die Insolvenzmasse durch die Beauftragung eines Sachverstsndigen mit zusstzlichen Kosten (§ 54 InsO) belastet wird, wodurch die Befriedigungschancen der Insolvenzglsubiger abnehmen und im sußersten Fall sogar die VergÅtung des Insolvenzverwalters gefshrdet werden kann.2 Die Beauftragung des Sachverstsndigen ist wegen der damit verbundenen zusstzlichen Kosten nur dann zulsssig, wenn die PrÅfung des rechnerischen Teils der Schlussrechnung eine fachliche Kompetenz voraussetzt, die bei dem Insolvenzgericht nicht vorhanden sein kann, sondern Åber die beispielsweise nur WirtschaftsprÅfer oder ggf. andere Insolvenzverwalter verfÅgen.

330

Gelangt das Insolvenzgericht zu dem Ergebnis, dass Schlussrechnung und Verwaltertstigkeit vollumfsnglich ordnungsgemsß sind, bringt es einen entsprechenden Vermerk auf der Schlussrechnung an und legt die Schlussrechnung sodann unter BeifÅgung der Belege zur Einsichtnahme der Beteiligten aus, § 66 Abs. 2 InsO. Das Insolvenzgericht beraumt eine Glsubigerversammlung an, in der die Schlussrechnung erÇrtert wird. Diese darf frÅhestens drei Wochen nach der Auslegung der Schlussrechnung zur Einsicht der Beteiligten stattfinden. Im Rahmen ihres Schlusstermins (§ 197 InsO) erÇrtert die Glsubigerversammlung die Schlussrechnung des Insolvenzverwalters. Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, den Verfahrensgang und die Verwertungserfolge sowie die voraussichtliche Befriedigungsquote auch mÅndlich zu erlsutern und Nachfragen der Insolvenzglsubiger zu beantworten. Die Insolvenzglsubiger kÇnnen darÅber hinaus Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis erheben, § 197 Abs. 1 Ziff. 2 InsO. Solche Einwendungen sind nur beachtlich, wenn sie 1 Kind in FrankfurterKomm/InsO, § 66 Rz. 18; Eckardt in Jaeger, § 66 InsO Rz. 39. 2 Vgl. zu der heftigen Diskussion um die Recht- und Verfassungsmsßigkeit der Bestellung eines Sachverstsndigen zum Zwecke der SchlussrechnungsprÅfung, vgl. statt Vieler Vierhaus, ZInsO 2008, 521.

330

B. Erhebungsverfahren

mÅndlich in der Glsubigerversammlung erhoben werden; schriftliche Einwendungen hingegen sind unerheblich. Zur Erhebung von Einwendungen sind alle Insolvenzglsubiger berechtigt, die Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet haben. Eine Anmeldung von Forderungen erst im Schlusstermin ist allerdings grundsstzlich zulsssig.1 xber die Einwendung entscheidet das Insolvenzgericht im Schlusstermin durch Beschluss, gegen den die sofortige Beschwerde statthaft ist (§ 197 Abs. 3 i.V.m. § 194 Abs. 3 Satz 2 InsO). Schließlich entscheidet die Glsubigerversammlung im Schlusstermin darÅber, wie mit massezugehÇrigen aber unverwertbaren Gegenstsnden verfahren werden soll. Da der Insolvenzverwalter wertlose Gegenstsnde in der Regel bereits vor dem Schlusstermin freigegeben hat, sind zum Zeitpunkt des Schlusstermins allerdings in der Regel keine unverwertbaren Gegenstsnde mehr vorhanden. Unverwertbar in diesem Sinne sind aber auch Gegenstsnde, die zur Zeit des Schlusstermins noch nicht verwertbar sind, deren Verwertbarkeit allerdings spster eintreten wird, wie dies beispielsweise bei nicht fslligen und nicht versußerbaren Forderungen der Fall ist. Insoweit kommt die Nachtragsverteilung in Betracht.2

3.331

VI. Verteilung Verteilungen an die Insolvenzglsubiger erfolgen auf der Grundlage eines Verteilungsverzeichnisses (§ 188 InsO). Zur Verteilung gelangen die in der Insolvenzmasse befindlichen Barmittel, die nach der Befriedigung der Masseverbindlichkeiten und der Kosten (§ 54 InsO) noch verblieben sind. Wenn auch Verteilungen an die Glsubiger so oft stattfinden kÇnnen, wie hinreichende Barmittel in der Insolvenzmasse vorhanden sind (§ 187 Abs. 2 InsO), findet in der Praxis regelmsßig nur eine einzige Verteilung statt, die Schlussverteilung. Diese schließt sich an den Schlusstermin an. Grundlage fÅr die Schlussverteilung ist das Schlussverzeichnis (§ 188 InsO).

3.332

In das Verteilungsverzeichnis kÇnnen nur Forderungen aufgenommen werden, die in einem PrÅfungstermin geprÅft worden sind. Nachtrsglich angemeldete Forderungen mÅssen daher vor der Verteilung in einem gesonderten PrÅfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177 InsO) geprÅft werden. Bestrittene, nicht titulierte Forderungen im Rang von § 38 InsO sind in das Verteilungsverzeichnis nur dann aufzunehmen, wenn der Glsubiger binnen der zweiwÇchigen Ausschlussfrist des § 189 Abs. 1 InsO nachweist, dass er die Feststellung seiner Forderung betreibt. Die Ausschlussfrist beginnt mit der Bekanntmachung gem. § 9 Abs. 1 InsO. Erfolgt der Nachweis erst nach Ablauf der Ausschlussfrist, kann die

3.333

1 Kießner in FrankfurterKomm/InsO, § 197 Rz. 18; FÅchsl/Weishnupl in MÅnchKomm/InsO, § 197 Rz. 9. 2 Smid, Praxishandbuch Insolvenzrecht, § 27 Rz. 7.

331

334

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Forderung nicht mehr berÅcksichtigt werden (§ 189 Abs. 3 InsO). Bestrittene, titulierte Forderungen werden in das Verteilungsverzeichnis aufgenommen. Die Forderung nimmt jedoch so lange nicht an der Verteilung teil, wie der Widerspruch nicht beseitigt ist.1 Zur Beseitigung eines Widerspruchs (Rz. 3.297). Notfalls muss der Insolvenzverwalter auf eine solche Forderung entfallende Betrsge hinterlegen. Nach der Schlussverteilung wird das Insolvenzverfahren gem. § 200 Abs. 1 InsO aufgehoben.

1 Westphal in Nerlich/RÇmermann, § 189 InsO Rz. 14.

332

C. Aufrechnung

C. Aufrechnung Literatur Adam, Die Aufrechnung im Rahmen der Insolvenzordnung, WM 1998, 801; Becker, BegÅnstigen und ZurÅckdrsngen der Aufrechnung unter laufendem Insolvenzverfahren, DZWIR 2005, 221; Billing, Aufrechnung und Erledigung der Hauptsache – BGH, NJW 2003, 3134, JuS 2004, 186; de Bra, Die Anfechtbarkeit der Verrechnung von Zahlungseingsngen auf debitorischen Girokonten in dem letzten Monat vor dem Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens, NZI 1999, 249; Braun, Aufrechnung mit im Insolvenzplan erlassenen Forderungen, NZI 2009, 409; Dobmeier, Die Aufrechnung durch den Insolvenzverwalter, ZInsO 2007, 1208; Eckert, Aufrechnung im Mieterinsolvenzverfahren, NZM 2005, 330; Zur Aufrechnungsbefugnis des Konkursverwalters, ZIP 1995, 257; Fischer, Aus der Praxis: Vollstreckungsgegenklage bei Aufrechnung mit rechtswegfremder Forderung, JuS 2007, 921; Aufrechnung und Verrechnung in der Insolvenz, WM 2008, 1; Fricke, Unzulsssigkeit der Aufrechnung gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 KO nach RÅckerwerb der vor KonkurserÇffnung zur Sicherheit abgetretenen (Gegen-)Forderung, NJW 1974, 2118; Ganter, Aufrechnungsverbote nach §§ 96 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO bei Sicherungsabtretungen, FS Kirchhof, 2003, S. 105; GrÇnwoldt, Insolvenzrechtliche Aufrechnung – Aktuelle BFH-Rechtsprechung und kohsrente BGH-Rechtsprechung, DStR 2008, 18; Grub/Smid, Aufrechnung mit Forderungen aus Schuldverschreibung in der Insolvenz des Schuldverschreibungsschuldners, DZWIR 2003, 265; Gundlach/ Frenzel/Schirrmeister, Die Aufrechnung gegen SteuererstattungsansprÅche in der Insolvenz – Am Beispiel des Kfz-Steuer-Erstattungsanspruchs, DStR 2005, 1412; von Hall, Aufrechnungsvertrsge in der Insolvenz, KTS 2011, 34; Hnsemeyer, Die Aufrechnung nach der Insolvenzordnung in KÇlner Schrift zur Insolvenzordnung, 489; Henckel, Die Verjshrung der Hauptforderung des Insolvenzschuldners bei Unzulsssigkeit der Aufrechnung nach § 96 I Nr. 3 InsO, NZI 2007, 84; Heublein, Gutschriften in der Krise – insolvenzfester GlÅcksfall oder anfechtbare Scheindeckung?, ZIP 2000, 161; HÇhn/Kaufmann, Die Aufrechnung in der Insolvenz, JuS 2003, 751; Jacobi, Sanierung durch Insolvenzplan vs. unbegrenzte Aufrechnung, NZI 2009, 351; Die Aufrechnungsbefugnis des Rechtsanwalts in der Insolvenz des Mandanten, NZI 2007, 495; Kayser, Wirksame und unwirksame Aufrechnungen in der Insolvenz, Teil I, WM 2008, 1477, Teil II, WM 2008, 1525; Ladiges, Der Auszahlungsanspruch nach § 37 Abs. 5 KStG – Probleme bei Aufrechnung und Insolvenz, DStR 2008, 2041; Marotzke, Sinn und Unsinn einer insolvenzrechtlichen Privilegierung des Fiskus, ZInsO 2010, 2163; v. Olshausen, Die Aufrechnung mit dem Regressanspruch eines BÅrgen oder WechseleinlÇsers in der Insolvenz des Hauptschuldners oder des Akzeptanten nach der InsO – alles wie gehabt?, KTS 2000, 1; Onusseit, Aufrechnung mit und gegen Steuerforderungen in der Insolvenz, zu KÇlner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2009, 1265, Umsatzsteuerrechtliche Aufrechnungslagen und Vorsteuer in der Insolvenz, ZIP 2002, 22; Rafiqpoor/Wilmes, Wechselseitige ErfÅllung als insolvenzanfechtungsrechtliche Alternative zur Aufrechnung, NZI 2009, 91; Reher, Insolvenzfestigkeit von Konzernverrechnungsklauseln, ZInsO 2004, 900; RÅsken, Die Rechtsprechung des VII. Senats des BFH zum steuerlichen Insolvenzverfahrensrechts und zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren, NZI 2006; K. Schmidt, Keine Insolvenzfestigkeit von Konzernverrechnungsklauseln: Es bleibt dabei!, NZI 2005, 138; Schwarz/Lehre, Aufrechnung mit einer Forderung trotz Insolvenzplan – Stsrkung des Fiskusprivilegs, ZInsO 2011, 1540; Spliedt, Aufrechnung und Anfechtung wshrend des ErÇffnungsverfahrens erwirtschafteter AnsprÅche, DZWIR 2000, 418; Viertelhausen, Verrechnung von Vorsteuer aus der vorlsufigen Insolvenzverwaltung, UR 2008, 873; Das Finanzamt als

333

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Glsubiger im Insolvenzverfahren, InVo 2002, 45; Vollkommer, Aufrechnung nach Abstandnahme vom Urkundenprozess in der Berufungsinstanz, NJW 2000, 1682; Werth, Die Aufrechnung von steuerlichen ErstattungsansprÅchen im Insolvenzverfahren, AO-Stb 2007, 70; Wilmowsky, Aufrechnung in der Insolvenz, NZG 1998, 481; Zenker, Zur Frage der RÅckwirkung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO, NZI 2006, 16; Zuleger, Verrechnung von Zahlungseingsngen bei offener Kreditlinie, ZInsO 2002, 49.

I. Grundlagen

335

Die Aufrechnung dient der wechselseitigen Tilgung zweier sich gegenÅber stehender Forderungen, welche ihrem Gegenstand nach gleichartig sein mÅssen. Die allgemeinen Voraussetzungen sind den §§ 387 ff. BGB zu entnehmen. Gemsß § 389 BGB hat die wirksame Aufrechnung zur Folge, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenÅber getreten sind. Sofern die Aufrechnung im Insolvenzverfahren mÇglich ist, muss der Insolvenzglsubiger seine Forderung nicht zur Tabelle anmelden und ist demnach auch nicht auf die Insolvenzquote beschrsnkt, sondern erhslt, soweit sofern sich die Betrsge der Forderungen decken, volle Befriedigung. Einen nicht durch Aufrechnung erloschenen Teil einer Insolvenzforderung kann der Glsubiger schließlich zur Tabelle anmelden.

336

FÅr das Insolvenzverfahren werden die allgemeinen Vorschriften durch die §§ 94 ff. InsO erglnzt. Das Insolvenzverfahren hindert die Aufrechnung nicht per se, es schrsnkt die AufrechnungsmÇglichkeiten nur fÅr bestimmte Situationen ein. Nach § 94 InsO verliert derjenige, der zum Zeitpunkt der VerfahrenserÇffnung schon zur Aufrechnung berechtigt war, diese Berechtigung nicht durch die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens. § 95 InsO bestimmt die Voraussetzungen, unter denen die Aufrechnung auch noch mÇglich ist, wenn die Aufrechnungslage erst nach VerfahrenserÇffnung eintritt. Danach ist die Aufrechnung mit einer bedingten und noch nicht fslligen Steuerforderung mÇglich, sofern der Anspruch schon begrÅndet ist und kein Hindernis i.S.d. § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO entgegensteht. § 96 InsO normiert besondere Fslle, in denen die Aufrechnung im Insolvenzverfahren ausgeschlossen ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ein Insolvenzglsubiger erst nach der ErÇffnung etwas zur Masse schuldig wird. Die in § 96 InsO enthaltenen Aufrechnungsverbote sind Ausfluss des das Insolvenzverfahren beherrschenden Glsubigergleichbehandlungsgebots; sie sollen gewshrleisten, dass AnsprÅche, die originsr im Rahmen der Insolvenzverwaltung fÅr die Masse entstehen, nicht durch vorinsolvenzliche IndividualansprÅche einzelner Glsubiger entwertet, sondern der Gesamtglsubigerschaft zur VerfÅgung stehen.

337

FÅr Massegllubiger ergibt sich keine Einschrsnkung ihrer AufrechnungsmÇglichkeiten, denn Masseglsubigern steht nach § 53 InsO ein vollwertiger Anspruch gegen die Masse zu, so dass §§ 95, 96 InsO nur auf Insol334

C. Aufrechnung

venzglsubiger anwendbar sind.1 Eine Aufrechnung ist Masseglsubigern allerdings nur gegen Forderungen mÇglich, die der Insolvenzmasse zustehen; eine Aufrechnung gegen Forderungen, die dem Schuldner im insolvenzfreien Bereich (Rz. 2.135 ff.) zustehen, ist nicht zulsssig. Voraussetzungen der Aufrechnung fÅr Insolvenzglsubiger: – die Forderungen mÅssen gleichartig sein, – die Forderungen mÅssen im Gegenseitigkeitsverhsltnis stehen, – der Anspruch des Schuldners muss erfÅllbar sein, – die Gegenforderung des Insolvenzglsubigers muss fsllig sein, – es darf kein gesetzliches Aufrechnungsverbot bestehen (§§ 393 ff. BGB oder § 96 InsO).

3.338

Im Insolvenzverfahren ist eine Aufrechnungserklsrung gegenÅber dem Insolvenzverwalter abzugeben. FÅr die Aufrechnung gegen SteuererstattungsansprÅche reicht zwar an sich auch eine formlose Erklsrung, doch ergeht in der Regel ein Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO. Gegen den Abrechnungsbescheid ist der Einspruch statthaft (§ 347 AO). Sofern sich der Insolvenzverwalter gegen eine Aufrechnung zur Wehr setzen mÇchte, die nicht durch rechtsmittelfshigen Bescheid, sondern durch einfache Aufrechnungserklsrung erfolgt ist, ist ihm auf Antrag ein Abrechnungsbescheid zu erteilen.

3.339

II. Aufrechnung mit Steuerforderungen Literatur App, Zur Aufrechnung mit Steuerforderungen im Insolvenzverfahren, EWiR 2004, 1063; Benzel, Unzulsssigkeit der Aufrechnung vor ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens, NWB 2011, 981; Ebenroth, Zur Aufrechnung des Finanzamts mit Steuerforderungen im Konkurs der KG, JZ 1985, 322; GrÇnwoldt, Insolvenzrechtliche Aufrechnung – aktuelle BFH-Rechtsprechung und kohsre BGH-Rechtsprechung, DStR 2008, 16; Lechner/Johann, Qualifiziert die umsatzsteuerliche Leistungserbringung als Rechtshandlung i.S.d. insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften, BB 2011, 1131; Kahlert, Insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbote im Umsatzsteuerrecht, ZIP 2013, 22; Marschal, Aufrechnung mit Umsatzsteuerforderungen in der Insolvenz, BB 2013, 22; Obermair, Die Aufrechnung mit Steuerforderungen in der Insolvenz, BB 2004, 2610; Onusseit, Zur Aufrechnung des Finanzamts mit Steuerforderungen in der Insolvenz, EWiR 2005, 477; Ries, Zur Aufrechnung des Finanzamts gegenÅber AnsprÅchen der Masse, EWIR 2013, 17; RÅsken, Aufrechnung mit Umsatzsteuerforderung gegen VorsteuervergÅtung im Insolvenzverfahren, KFR F 2 AO, § 226, 2/05, S. 213–214 (H 6/2005); Sauerland, Aufrechnung des FA mit Steuerforderungen gegen ErstattungsansprÅche des anderen Ehegatten?, AO-StB 2009, 378; Viertelhausen, Verrechnung von Vorsteuer aus der vorlsufigen Insol-

1 Bernsau in FrankfurterKomm/InsO, § 96 Rz. 20; Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 94 InsO Rz. 4; BGH v. 15.10.2003 – VIII ZR 358/02, ZIP 2003, 2166 = NJW-RR 2004, 50 (52).

335

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

venzverwaltung, UR 2008, 873; Werth, Die Aufrechnung von steuerlichen ErstattungsansprÅchen im Insolvenzverfahren, AO-StB 2007, 70.

1. Rechtsprechung des BFH

340

Sofern mit Steuerforderungen aufgerechnet werden soll, so ist die Hauptforderung, gegen die das Finanzamt mit seinem Steueranspruch (Gegenforderung) aufrechnen will, zumeist ein Steuererstattungsanspruch des Schuldners (Hauptforderung). Die Aufrechnung ist sowohl innerhalb von Steuerarten, als auch Steuerarten Åbergreifend mÇglich. Von besonderer Bedeutung ist im Zusammenhang mit der Aufrechnung von Steuerforderungen die Frage nach der „BegrÅndung“ der aufzurechnenden Forderungen. Sofern der Anspruch vor VerfahrenserÇffnung begrÅndet wurde, handelt es sich um eine Insolvenzforderung, wenn der Anspruch nach ErÇffnung begrÅndet wurde, ist er Masseforderung.

341

BezÅglich der Frage, auf welchen Zeitpunkt bei der Beurteilung der BegrÅndetheit des Anspruchs des Finanzamts abzustellen ist, standen sich jahrelang im Wesentlichen zwei Rechtsauffassungen gegenÅber. Eine Auffassung hielt dafÅr, fÅr die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten sei in Bezug auf Steuerforderungen des Finanzamtes darauf abzustellen, ob der zugrunde liegende Lebenssachverhalt vor oder nach InsolvenzerÇffnung verwirklicht worden ist.1 Davon wich der V. Senat des BFH ab.

342

Der V. Senat fÅhrte hierzu aus:2 „Ob es sich bei einem Steueranspruch um eine Insolvenzforderung oder um eine Masseverbindlichkeit handelt, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der den Umsatzsteueranspruch begrÅndende Tatbestand vollst6ndig verwirklicht und damit abgeschlossen ist (...). Unerheblich ist dem gegenÅber der Zeitpunkt der Steuerentstehung (...). Welche Anforderungen im Einzelnen an die somit erforderliche vollsthndige Tatbestandsverwirklichung im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung zu stellen sind, richtet sich nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht aber nach dem Insolvenzrecht (...). Kommt es zur vollsthndigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor VerfahrenserÇffnung, handelt es sich um eine Insolvenzforderung, erfolgt die vollsthndige Tatbestandsverwirklichung erst nach VerfahrenserÇffnung, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor.“ 1 BFH v. 6.10.2005 – VII B 309/04, BFH/NV 2006, 369; v. 5.10.2004 – VII R 69/03, BStBl. II 2005, 195; v. 1.4.2008 – X B 201/07, ZIP 2008, 1780 (1780); Onusseit, ZInsO 2006, 516 (516); Frotscher, Steuern und Insolvenz, S. 174, Waza in Waza/ Uhlnnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1967; Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 369; Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, Rz. 3; Onusseit in KÅbler/PrÅtting/Bork, InsSteuerR II F, Rz. 155; Zeeck, KTS 2006, 407 (422); Radeisen, INF 2005, 658 (659); Ehricke in MÅnchKomm/InsO, § 38 Rz. 16; Sinz in Uhlenbruck, § 38 InsO Rz. 67; Ruhe, Steuern in der Insolvenz, S. 117; Birk, ZInsO 2007, 743 (746); Onusseit, Steuern in der Insolvenz, S. 83; Kuhn/Uhlenbruck, § 3 KO Rz. 11; Jaeger/Henckel, § 3 KO Rz. 67; Endres, UR 1988, 333 (334). 2 BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, NZI, 2011, 336.

336

C. Aufrechnung

Dieser Auffassung hat sich der VII. Senat des BFH zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung angeschlossen.1 Dies hat entscheidende Bedeutung fÅr die Aufrechnung: FÅr die Anwendung des § 96 Ziff. 1 InsO ist entscheidend, wann der materiell-rechtliche Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG verwirklicht wird.2 Nicht entscheidend ist, wann die zu berichtigende Steuerforderung begrÅndet worden ist. Ohne Bedeutung ist – ebenso wie der Zeitpunkt der Abgabe einer Steueranmeldung oder des Erlasses eines Steuerbescheids, in dem der Berichtigungsfall erfasst wird –, ob der Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum erst wshrend des Insolvenzverfahrens ablsuft3

3.343

Wird ein Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht, insbesondere etwa dadurch, dass der Unternehmer zahlungsunfshig wird (wie es in der Regel ohne weiteres aus der ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens – außer in den Fsllen des § 18 InsO – geschlossen werden kann), greift das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Ziff. 1 InsO allerdings auch dann nicht ein, wenn der betreffende Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum erst wshrend des Insolvenzverfahrens endet und mithin die Steuer i.S.d. § 13 UStG erst nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens entsteht. Einstweilen frei.

3.344–3.346

2. Fllligkeit der Gegenforderung FÅr die Fslligkeit der Gegenforderung, also der Forderung des Finanzamts, ist die Fllligkeit nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Die Vorschrift des § 41 InsO findet keine Anwendung.4 Grundsstzlich richtet sich die Fslligkeit einer Steuerforderung gem. § 220 Abs. 1 AO nach den Vorschriften der Einzelsteuergesetze, tritt also zumeist mit Festsetzung ein (§ 18 UStG, § 37 EStG). Steuerforderungen werden nur dann, wenn solche Bestimmungen fehlen, gem. § 220 Abs. 2 Satz 1 AO mit Entstehung fsllig. § 220 Abs. 2 Satz 1 AO wird durch § 220 Abs. 2 Satz 2 AO dahingehend eingeschrsnkt, dass die Fslligkeit nicht vor Bekanntgabe der Festsetzung eintritt, wenn sich der Anspruch in den Fsllen des Satzes 1 aus der Festsetzung von AnsprÅchen aus dem Steuerschuldverhsltnis ergibt.

3.347

Im Insolvenzverfahren ergibt sich fÅr die Finanzverwaltung das Problem, dass nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens aber wegen § 87 InsO keine Steuerbescheide mehr fÅr Steuerforderungen ergehen dÅrfen, die den Rang von Insolvenzforderungen einnehmen.5 Das fÅhrt zu der Frage,

3.348

1 2 3 4 5

BFH v. 25.7.2012 – VII R 29/11, BStBl. II 2013, 36 = ZIP 2012, 2217. BFH v. 25.7.2012 – VII R 29/11, BStBl. II 2013, 36 = ZIP 2012, 2217. BFH v. 25.7.2012 – VII R 29/11, BStBl. II 2013, 36 = ZIP 2012, 2217. Henckel in Jaeger, § 41 InsO Rz. 9. BFH v. 4.5.2004 – VII R 45/03, BStBl. II 2004, 815 = ZIP 2004, 1423 = DStR 2004, 1172.

337

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

wie und wann das Finanzamt die Fslligkeit solcher Forderungen herbeifÅhren kann, wenn die Fslligkeit bei InsolvenzerÇffnung noch nicht gegeben war. Nach Auffassung des BFH1 soll in solchen Fsllen auf die Vorschrift des § 220 Abs. 2 Satz 1 AO zurÅck zu greifen sein:

349

„Nach § 220 Abs. 1 AO 1977 richtet sich die Fnlligkeit von AnsprÅchen aus einem Steuerschuldverhnltnis wie dem zwischen dem FA und der Gemeinschuldnerin bestehenden in erster Linie nach den Vorschriften der Steuergesetze ... .

350

Greifen spezielle steuergesetzliche Fnlligkeitsbestimmungen i.S.d. § 220 Abs. 1 AO 1977 nicht ein, wird ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhnltnis nach § 220 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 – von dem hier nicht gegebenen Fall eines abweichenden Leistungsgebots abgesehen – grundsntzlich mit seiner Entstehung fnllig. ...

351

Diesen Grundsatz schrnnkt allerdings § 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 (in praktisch weitreichendem Umfang) ein. Danach tritt die Fnlligkeit erst mit der Bekanntgabe der Steuerfestsetzung ein, wenn sich in den Fnllen des § 220 Abs. 2 Satz 1 AO 1977, also bei Steuern, fÅr die keine spezialgesetzliche Fnlligkeitsbestimmung getroffen ist, der betreffende Anspruch aus der Festsetzung der Steuer ergibt. ...

352

Bestand aber im Zeitpunkt der Aufrechnung weder die Notwendigkeit noch die MÇglichkeit, die Forderung durch Steuerfestsetzungsbescheid geltend zu machen (und ist dementsprechend ein solcher Bescheid auch nicht ergangen), so fehlt es fÅr die Anwendung des § 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 ersichtlich an den Voraussetzungen und richtet sich die Fnlligkeit der Forderung des FA vielmehr nach § 220 Abs. 2 Satz 1 AO 1977. ...

353

§ 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 ist nicht sinngemnß dahin gehend erweiternd auszulegen, dass die Fnlligkeit etwa generell erst mit Titulierung der Forderung des FA eintrnte, die allerdings im Falle eines Insolvenzverfahrens erst durch die widerspruchslose Feststellung der Forderung zur Tabelle (§ 178 Abs. 1 InsO) oder durch Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO 1977 erfolgt. ... Dass die Umsatzsteuervorauszahlungsforderung des FA unter anderen Umstnnden, nnmlich wenn und solange ein Insolvenzverfahren nicht stattfindet, einer Festsetzung durch Steuerbescheid bedurft hntte (§ 218 Abs. 1 AO 1977) und in diesem Fall § 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 eingegriffen hntte, kann fÅr die Beurteilung des Streitfalls nicht entscheidend sein. Die Aufrechnung mit einer Gegenforderung verlangt im sbrigen deren vorherige steuerverfahrensrechtliche Festsetzung oder eine Anmeldung zur Tabelle auch nicht deshalb, weil die genaue Darstellung der rechtlichen und tatsnchlichen Grundlagen der Gegenforderung Voraussetzung einer wirksamen Aufrechnung wnre.

354

Wird Åber das VermÇgen des Steuerschuldners ein Insolvenzverfahren erÇffnet, so werden also – vorbehaltlich spezieller steuergesetzlicher Fnlligkeitsbestimmungen – die in diesem Zeitpunkt entstandenen Steuerforderungen des FA fnllig, ohne dass es dafÅr ihrer Festsetzung oder Feststellung durch Verwaltungsakt oder einer Anmeldung der Forderung zur Tabelle bedÅrfte.“

355

Gegen diese Rechtsprechung bestehen durchgreifende Bedenken. Der Sinn des § 220 Abs. 2 Satz 2 AO liegt darin, die Fslligkeit einer Forderung so lange aufzuschieben, bis dem Steuerpflichtigen der Anspruch – hinrei1 BFH v. 4.5.2004 – VII R 45/03, BStBl. II 2004, 815 = ZIP 2004, 1423 = DStR 2004, 1172.

338

C. Aufrechnung

chend bezeichnet – bekannt gemacht ist. Es soll also in den von der Norm erfassten Fsllen nicht fsllige Steuerforderungen geben kÇnnen, von denen der Steuerpflichtige keine Kenntnis hat. Das BedÅrfnis nach solcher Kenntnis besteht auch im Insolvenzverfahren auf Seiten des Insolvenzverwalters. Gerade die Fslle der Aufrechnung mit Haftungsforderungen1 (Rz. 4.381 ff.), die sich z.B. aus einer unerkannten umsatzsteuerlichen Organschaft ergeben kÇnnen, zeigt sich deutlich, dass es zu fÅr den Insolvenzverwalter vollkommen Åberraschenden und unvorhersehbaren Ergebnissen kommen kann, wenn man Haftungsforderungen auch ohne vorangegangene Festsetzung als fsllig ansehen will. Es kann auch keineswegs unterstellt werden, der Gesetzgeber habe Fslligkeit von Steuerforderungen im Insolvenzverfahren in der Weise verstanden haben wollen, wie sie der BFH nun annimmt;2 dafÅr gibt es keine Anhaltspunkte im Gesetzgebungsverfahren. Zweifelsohne kann das Ergebnis aber nicht sein, dass das Finanzamt keine MÇglichkeit mehr hat, entstandene Steuerforderungen auch nach InsolvenzerÇffnung fsllig zu stellen, nur weil eine Festsetzung wegen § 87 InsO ausgeschlossen ist. Aus GrÅnden der Transparenz und Erkennbarkeit steuerrechtlicher AnsprÅche muss aber fÅr die Fslle, fÅr die nach § 220 Abs. 2 Satz 2 AO fÅr die Fslligkeit die Bekanntgabe der Festsetzung erforderlich ist, das insolvenzrechtlich noch zullssige rquivalent der Festsetzung treten, das den Zweck der Bekanntgabe der Festsetzung erfÅllt. Das ist die Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle (§ 174 InsO). Es gibt keinen Grund dafÅr, warum die Fslligkeit unabhsngig von der Forderungsanmeldung eintreten sollte. Die Forderungsanmeldung ist vielmehr eine der Bekanntgabe einer Festsetzung vergleichbare Willenssußerung der FinanzbehÇrde, eine bestimmte Forderung geltend machen und fsllig stellen zu wollen. Tritt die Fslligkeit eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhsltnis also grundsstzlich erst mit der Bekanntgabe der Festsetzung ein, dann tritt sie im Insolvenzverfahren erst mit der Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle ein. Zur Aufrechnung gegen KÇrperschaftsteuerguthaben vgl. ausfÅhrlich unten Rz. 4.292. 3. Hauptforderung Die Aufrechnung kann erst dann erfolgen, wenn die Hauptforderung (also im Falle der Aufrechnung durch das Finanzamt die Forderung des Steuerpflichtigen gegen das Finanzamt) begrÅndet und erfÅllbar ist.

3.356

Gegen eine Hauptforderung, die erst nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens begrÅndet worden ist, ist die Aufrechnung nur mit Gegenforderungen zulsssig, die ebenfalls nach InsolvenzerÇffnung begrÅndet worden sind und somit den Rang von Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) einneh-

3.357

1 Vgl. BFH v. 10.5.2007 – VII R 18/05, BStBl. II 2007, 914 = ZIP 2007, 1514 = BFH/NV 2007, 1737. 2 So aber BFH v. 4.5.2004 – VII R 45/03, BStBl. II 2004, 815 = ZIP 2004, 1423 = DStR 2004, 1172.

339

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

men. Nach nunmehr einheitlicher Rechtsprechung aller Senate des BFH1 entscheidet die Frage, ob es sich bei einem Steueranspruch um eine Insolvenzforderung oder um eine Masseverbindlichkeit handelt, der Zeitpunkt, zu dem der den Steueranspruch begrÅndende Tatbestand vollstsndig verwirklicht und damit abgeschlossen ist. Unerheblich ist dem gegenÅber der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Welche Anforderungen im Einzelnen an die somit erforderliche vollstsndige Tatbestandsverwirklichung im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung zu stellen sind, richtet sich nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht aber nach dem Insolvenzrecht. Kommt es zur vollstsndigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor VerfahrenserÇffnung, handelt es sich um eine Insolvenzforderung, erfolgt die vollstsndige Tatbestandsverwirklichung erst nach VerfahrenserÇffnung, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor.

358

ErfÅllbar ist ein Anspruch dann, wenn der Schuldner die „ihm obliegende Leistung bewirken kann.“2 ErfÅllbarkeit setzt also voraus, dass der Anspruch, gegen den aufgerechnet wird, rechtswirksam bestehen muss. Nach § 38 AO entstehen die AnsprÅche aus dem Steuerschuldverhsltnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knÅpft.3

359

Zusammenfassung: – Eintritt der vollstsndigen Verwirklichung des Lebenssachverhaltes, der zur BegrÅndung der Gegenforderung (des Finanzamtes) fÅhrt nach InsolvenzerÇffnung – Fslligkeit der Gegenforderung – Vollstsndige Verwirklichung des Lebenssachverhalts, der zur BegrÅndung der Hauptforderung fÅhrt – ErfÅllbarkeit der Hauptforderung

360

4. Saldierung nach § 16 UStG Keinen Fall der Aufrechnung stellt die Saldierungen gem. § 16 UStG dar.4 Bei der Saldierung handelt es sich um eine Besonderheit des Umsatzsteuerrechts, die darin besteht, dass unselbstsndige Einzelpositionen in ihrer Gesamtheit einen saldierten Anspruch ergeben. Der insolvenzrechtlichen Aufrechnung hingegen sind nur selbstsndige und gegenseitige AnsprÅche zugsnglich. Die umsatzsteuerliche Saldierung findet somit auf einer rechtstechnischen Ebene statt, die vor der Entstehung der einer Aufrechnung zugsnglichen AnsprÅche liegt. 1 Vgl. zu der Rechtsprechung der Senate im Einzelnen die Nachweise bei BFH, Urt. v. 25.7.2012 – VII R 29/11, BStBl. II 2013, 36 = ZIP 2012, 2217. 2 Brandes in MÅnchKomm/InsO, § 94 Rz. 19. 3 FG Sa.-Anh. v. 11.3.193003 – 4 K 30542/00 (NV). 4 BFH v. 24.11.2011 – V R 13/11, BStBl. II 2012, 298 = ZIP 2011, 2481; vgl. auch BFH v. 25.7.2012 – VII R 44/10, BStBl. 2013, 33 = ZIP 2012, 2220.

340

C. Aufrechnung

KÇnnen wegen ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens positive Umsatzsteuerbetrsge und negative Berichtigungsbetrsge (§ 16 Abs. 2 UStG) im Rahmen einer Steuerfestsetzung nicht mehr durch Bescheid saldiert werden, ergibt sich nichts anderes. Einer Aufrechnungserklsrung bedarf es nicht. Spstestens mit Ablauf des Veranlagungszeitraums tritt die Saldierung automatisch ein: Nach der Rechtsprechung des BFH ist der Jahressteuerbescheid vom Zeitpunkt seines Ergehens an alleinige Grundlage fÅr die Verwirklichung des Anspruchs auf die mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entstandene Steuer sowie fÅr die Einbehaltung der als Vorauszahlung fÅr den Veranlagungszeitraum entrichteten bzw. fÅr die VergÅtung der die positiven Umsatzsteuern Åbersteigenden (Vorsteuer-)Betrsge. Das materielle Ergebnis der in dem Kalenderjahr positiv oder negativ entstandenen Umsatzsteuer wird fÅr die Zukunft ausschließlich in dem Jahressteuerbescheid festgestellt. Damit erledigen sich die den Veranlagungszeitraum betreffenden Vorauszahlungsbescheide i.S.d. § 124 Abs. 2 AO auf andere Weise und verlieren ihre Wirksamkeit; deren Regelungen nimmt der Jahressteuerbescheid in sich auf.1 Entsprechendes gilt fÅr gem. § 168 AO mit Festsetzungswirkung ausgestattete Anmeldungen.2 Kann aus insolvenzverfahrensrechtlichen GrÅnden eine Jahressteuerfestsetzung nicht ergehen, sondern ist lediglich die Steuer zu berechnen und im Insolvenzverfahren zur Tabelle anzumelden, sndert sich daran nichts: FÅr das Steuerschuldverhsltnis ist auch in diesem Fall die nach Maßgabe der Regelungen des UStG zu berechnende Jahressteuer maßgeblich, sobald die Jahressteuer entstanden ist und berechnet werden kann. Bei der Festsetzung bzw. dieser Berechnung sind nach § 16 Abs. 2 UStG die in den betreffenden Besteuerungszeitraum fallenden abziehbaren Vorsteuerbetrsge abzusetzen. Kann dies nicht durch den gem. § 218 Abs. 1 AO grundsstzlich zu erlassenden Steuerfestsetzungsbescheid geschehen, weil wegen der ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens eine (positive) Steuer nicht mehr festgesetzt werden kann, verwirklicht sich die in § 16 Abs. 2 UStG angeordnete Rechtsfolge also gleichsam automatisch, weil die fÅr den Inhalt des Steuerschuldverhsltnisses jetzt maßgebliche Jahressteuer nur insoweit besteht, als nicht der berechneten Steuer (§ 16 Abs. 1 UStG) abziehbare Vorsteuerbetrsge gegenÅberstehen.3 Deswegen erledigt sich der Streit um die Wirksamkeit einer vom Finanzamt abgegebenen Aufrechnungserklsrung, Åber den ein Abrechnungsbescheid ergangen ist, sobald die Steuer fÅr das mit InsolvenzerÇffnung endende (Rumpf-)Steuerjahr berechnet werden kann und nicht ausnahmsweise von der Aufrechnungserklsrung als solcher fortbestehende Rechtswirkungen ausgehen, welche die Rechte des Schuldners berÅhren.4 Da ein Åber die Wirksamkeit der Aufrechnung ergangener Abrechnungsbescheid 1 2 3 4

BFH v. 15.6.1999 – VII R 3/97, BStBl. II 2000, 46. BFH v. 25.7.2012 – VII R 44/10, BStBl. 2013, 33 = ZIP 2012, 2220. BFH v. 25.7.2012 – VII R 44/10, BStBl. 2013, 33 = ZIP 2012, 2220. BFH v. 25.7.2012 – VII R 44/10, BStBl. 2013, 33 = ZIP 2012, 2220.

341

361

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

in der Regel die Feststellung enthslt, dass aufgrund der Berichtigung entstehende VergÅtungs- oder Erstattungsbetrsge nicht auszukehren sind, bleibt eine Klage gegen den Abrechnungsbescheid zulsssig. Ist der Berichtigungstatbestand vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten, ist der Abrechnungsbescheid aufgrund des § 16 UStG ungeachtet des § 96 Abs. 1 InsO als rechtmsßig zu beststigen.1

III. Aufrechnung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens Gemsß § 201 InsO kÇnnen die Insolvenzglsubiger nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschrsnkt geltend machen, soweit nicht ein Restschuldbefreiungsverfahren lsuft oder Restschuldbefreiung erteilt ist. Die Aufrechnungsverbote der §§ 94 ff. InsO sind ab Aufhebung des Verfahrens grundsstzlich nicht mehr anzuwenden.2 Dies ergibt sich daraus, dass der Schuldner ab dem Zeitpunkt der Aufhebung wieder frei Åber sein VermÇgen verfÅgen kann. Etwas anderes ergibt sich aber dann, wenn wshrend der Dauer des Insolvenzverfahrens SteuererstattungsansprÅche bereits begrÅndet worden sind und diese weiterhin dem Insolvenzbeschlag unterliegen, weil bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens insoweit die Nachtragsverteilung vorbehalten worden ist (§ 203 InsO).3 FÅr diese auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens weiterhin dem Insolvenzbeschlag unterliegenden AnsprÅche gelten die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote fort.4

IV. Aufrechnung wlhrend der Wohlverhaltensperiode Literatur Farr, Der Fiskus als Steuer- und Insolvenzglsubiger im Restschuldbefreiungsverfahren, BB 2003, 2324; Kayser, Wirksame und unwirksame Aufrechnungen und Verrechnungen in der Insolvenz (§§ 94 bis 96 InsO) – Teil I, WM 2008, 1477; Kupka, Die Stellung des Schuldners zwischen AnkÅndigung und Erteilung der Restschuldbefreiung, ZInsO 2010, 113; Lessing, Kann das Finanzamt in der Wohlverhaltensperiode mit ErstattungsansprÅchen auf Lohn- und Einkommensteuer aufrechnen?, LMK 2005, II, 95; Loose, Aufrechnung mit SteuererstattungsansprÅchen wshrend der sog. Wohlverhaltensperiode, EFG 2005, 1827; Scheiper/Farr, Steuererstattung im Jahr der Insolvenzbeendigung, NZO 2009, 761.

1 BFH v. 25.7.2012 – VII R 44/10, BStBl. 2013, 33 = ZIP 2012, 2220. 2 Kroth in Braun, § 96 InsO Rz. 20. 3 BFH v. 28.2.2012 – VII R 36/11, BStBl. II 2012, 451 = ZIP 2012, 933; Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 856. 4 BFH v. 28.2.2012 – VII R 36/11, BStBl. II 2012, 451 = ZIP 2012, 933.

342

C. Aufrechnung

Wshrend der Wohlverhaltensperiode des Schuldners finden die §§ 94 ff. InsO keine Anwendung mehr,1 so dass die Aufrechnung sich nur nach den allgemeinen Vorschriften zu richten hat. Zweifelhaft ist die Frage, ob die Aufrechnung des Finanzamtes gegen SteuererstattungsansprÅche aus einer wshrend der Wohlverhaltensphase durch den Schuldner betriebenen selbstsndigen Tstigkeit mit SteuerrÅckstsnden aus der Zeit vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens (etwa UmsatzsteuerrÅckstsnden aus dem vor InsolvenzerÇffnung vom Schuldner betriebenen Einzelunternehmen) wshrend der Laufzeit der Abtretungserklsrung mÇglich ist. Die Finanzgerichte vertreten die Auffassung, das Finanzamt sei nicht gehindert, ihm aus einer vom Schuldner wshrend der Wohlverhaltensphase betriebenen selbstsndigen Tstigkeit des Insolvenzschuldners zustehende Umsatzsteuer-ErstattungsansprÅche gegen alte, im Insolvenzverfahren zur Tabelle angemeldete SteuerrÅckstsnde aufzurechnen.2 Dies ist zutreffend.

3.362

V. Aufrechnung gegen Forderungen aus dem insolvenzfreien Bereich wlhrend des erÇffneten Insolvenzverfahrens Grundsstzlich kÇnnen Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten nicht gegen Forderungen aus dem insolvenzfreien Bereich aufgerechnet werden. Da bereits die Verrechnung von Vorsteuererstattungsbetrsgen gegen Umsatzsteuerschulden aus dem insolvenzfreien Bereich nach § 16 UStG nicht zulsssig ist,3 ist es die Aufrechnung ebenfalls nicht. Steuerguthaben aus insolvenzfreier Tstigkeit stehen dem Schuldner mit seinem insolvenzfreien VermÇgen zu.

3.363

Entstehen im insolvenzfreien Bereich UmsatzsteuervergÅtungsansprÅche, so ist das Finanzamt nicht daran gehindert, gegen diese mit Insolvenzforderungen aufzurechnen.4 Weder steht dem das insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbot des § 96 Ziff. 1 InsO entgegen, noch handelt es sich bei der Aufrechnung um eine unzulsssige Vollstreckung i.S.v. § 89 InsO.5

VI. Aufrechnung mit Steuerforderungen aus Berichtigungen Ob und unter welchen Voraussetzungen mit oder gegen Forderungen aufgerechnet werden kann, die sich aus Umsatzsteuerberichtigungen (§§ 15a, 1 BGH v. 21.7.2005 – IX ZR 115/04, NJW 2005, 2988. 2 FG ThÅr. v. 10.4.2008 – 1 K 757/07, EFG 2008, 1485 – Rev. VII R 35/08; FG Hannover v. 16.10.2009 – 16 K 250/09, DStRE 2010, 634 (634) m. zust. Anmerkung Roth, jurisPR-InsR 5/2010 Anm. 5. 3 BFH v. 28.6.2000 – V R 87/99, BStBl. II 2000, 639 = ZIP 2000, 1778 = DStR 2000, 1689. 4 BFH v. 23.8.2011 – VII B 8/11, ZIP 2011, 2067; v. 1.9.2010 – VII R 35/08, BStBl. II 2011, 336 = ZIP 2010, 2359. 5 BFH v. 23.8.2011 – VII B 8/11, ZIP 2011, 2067; v. 1.9.2010 – VII R 35/08, BStBl. II 2011, 336 = ZIP 2010, 2359.

343

3.364

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

17 UStG) ergeben, war zwischen dem V. und dem VII. Senat des BFH umstritten. Maßgeblich ist dabei nicht nur, ob es fÅr die insolvenzrechtliche BegrÅndung eines Anspruchs auf die vollstsndige Tatbestandsverwirklichung ankommt oder ob die Verwirklichung des Kerns des Lebenssachverhaltes, der zur Steuerentstehung fÅhrt, ausreicht, sondern es kommt auch darauf an, ob eine Umsatzsteuerberichtigung gem. § 17 Abs. 1 Ziff. 3 UStG zur znderung der ursprÅnglichen Steuerfestsetzung fÅhrt, mit der Folge, dass der Rechtsgrund fÅr die Auszahlung des VorsteuerÅberschusses nachtrsglich entfsllt. Wshrend der V. Senat – in insolvenzrechtlichem Kontext – schon 2006 entschieden hat,1 dass die Berichtigung des Umsatzsteuerbetrags bzw. des Vorsteuerabzugs nach § 17 Abs. 1 UStG in dem Jahr zu erfolgen hat, in dem der zugrunde liegende Tatbestand verwirklicht wird – also nicht auf das Jahr der Entstehung des Umsatzes zurÅckwirkt – hatte der VII. Senat (ebenfalls in insolvenzrechtlichem Kontext und sogar in der selben Streitsache) entschieden,2 dass die Berichtigung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 Abs. 2 Ziff. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 UStG 1 zu einer rÅckwirkenden znderung der ursprÅnglichen Steuerfestsetzung fÅhrt. Nunmehr hat sich allerdings der VII. Senat des BFH zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung des V. Senats angeschlossen.3 FÅr die Beurteilung der insolvenzrechtlichen Forderungsqualitst einer Steuerforderung kommt es nunmehr nach Åbereinstimmender Auffassung beider Senate darauf an, ob der Lebenssachverhalt, der den Steueranspruch begrÅndet, seine vollstsndige Verwirklichung vor oder nach InsolvenzerÇffnung bzw. nach Anordnung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung (vergleiche § 55 Abs. 4 InsO) erfahren hat. FÅr die Anwendung des § 96 Ziff. 1 InsO ist konsequenterweise entscheidend, wann der materiellrechtliche Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG verwirklicht wird.4 Nicht entscheidend ist, wann die zu berichtigende Steuerforderung begrÅndet worden ist. Wird ein Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht, greift das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Ziff. 1 InsO auch dann nicht ein, wenn der betreffende Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum erst wshrend des Insolvenzverfahrens endet und mithin die Steuer i.S.d. § 13 UStG erst nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens entsteht.5

1 BFH v. 13.7.2006 – V B 70/06, BStBl. II 2007, 415 = ZIP 2006, 1779. 2 BFH v. 27.10.2009 – VII R 4/08, BStBl. II 2010, 257; v. 19.8.2008 – VII R 36/07, BStBl. II 2009, 90 = ZIP 2009, 39. 3 BFH v. 25.7.2012 – VII R 29/11, BStBl. II 2013, 36 = ZIP 2012, 2217. 4 BFH v. 25.7.2012 – VII R 29/11. 5 BFH v. 25.7.2012 – VII R 29/11.

344

C. Aufrechnung

VII. Aufrechnung trotz Insolvenzplan Besteht im Zeitpunkt der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ein Aufrechnungsrecht des Fiskus, so bleibt dieses nicht nur wshrend des erÇffneten Insolvenzverfahrens erhalten (§ 94 InsO), sondern selbst dann, wenn die Gegenforderung, mit der das Finanzamt aufrechnen mÇchte, durch einen rechtskrsftig beststigten Insolvenzplan als erlassen gilt.1 Dies ergibt sich daraus, dass gegen den Insolvenzschuldner gerichtete Forderungen durch den Insolvenzplan nicht erlÇschen, sondern lediglich ihre rechtliche Durchsetzbarkeit verlieren und somit zu unvollkommenen Verbindlichkeiten werden. Auch unvollkommene Forderungen sind grundsstzlich aufrechenbar. Dem Gesetzeswortlaut ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob sich die Aufrechnungsbefugnis gegenÅber der gestaltenden Wirkung eines Insolvenzplans (§ 254 Abs. 1 InsO) durchsetzt. Dem BGH ist aber darin zuzustimmen, dass die Zulassung der Aufrechnung gem. § 94 InsO auch nach rechtskrsftiger Beststigung eines Insolvenzplans nicht zu unbilligen Ergebnissen fÅhrt. Insbesondere – auch darin ist dem BGH zuzustimmen – steht dem nichts entgegen, die fortbestehende AufrechnungsmÇglichkeit bei der Gestaltung des Insolvenzplans mit einzubeziehen.

1 BGH v. 19.5.2011 – IX ZR 222/08.

345

3.365

366

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

D. Vollstreckungsverfahren Literatur App, Verwaltungsvollstreckung wegen Geldleistungen, JuS 87, 203; Bartone, Vollstreckungsrecht und Insolvenzrecht im Spannungsverhsltnis, AO-StB 2004, 194; Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf das Zwangsvollstreckungsverfahren nach der AO, AO-StB 2002, 66; Bruschke, Ermittlung von VollstreckungsmÇglichkeiten – LiquiditstsprÅfung als adsquates Mittel?, DStZ 2005, 731; Carlp, LiquiditstsprÅfung durch die Finanzverwaltung – Grenzen der Ausforschung der VermÇgensverhsltnisse, AO-StB 03, 133; Fischer, Vollstreckungstitel von Insolvenzglsubigern nach ErÇffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens, ZInsO 2005, 69; Giers, xbergangsrecht im Vollstreckungsrecht, FPR 2010, 74; Hub, Die Neuregelung der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen und das familienrechtliche Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren, NJW 2001, 3145; Kannowski/Distler, Der ErfÅllungseinwand im Vollstreckungsverfahren nach § 887 ZPO, NJW 2005, 865; Koritz, Zwangsvollstreckung und Anwaltsbeiordnung oder die Voraussetzungen des § 121 ZPO, FPR 2007, 447; Loschelder, Wenn die Vollstreckung wegen Steuerschulden droht, AO-StB 2001, 281; Peglau, Der Opferschutz im Vollstreckungsverfahren, ZRP 2004, 39; Schneider, Probleme der „neuen“ Umsatzsteuer im Mahn- und Vollstreckungsverfahren, NJW 2007, 1035; Pump, Die Vorlage von GeschsftsbÅchern und anderen fÅr die Vollstreckung bedeutsamen Unterlagen, StWA 2003, 133; Schulz/Niedermaier, Unwirksame Schiedsklausel in Franchisevertrsgen durch Wahl des Tagungsortes im Ausland? – Besprechung von drei OLG-Entscheidungen in Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren, SchiedsVZ 2009, 196.

I. Ausgangslage Die Vollstreckung von abgabenrechtlichen Verwaltungsakten richtet sich nach den §§ 249 ff. AO. Diese Vorschriften schließen die Anwendung des zivilrechtlichen Vollstreckungsrechts auf das steuerliche Beitreibungsverfahren aus, soweit im Abgabenrecht eigene Regelungen getroffen worden sind.1 Nach § 251 Abs. 2 Satz 1 AO bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung unberÅhrt. Dies bedeutet, dass nach InsolvenzerÇffnung fÅr die Geltendmachung aller Steuerforderungen gegen die Insolvenzmasse die Vorschriften der Insolvenzordnung maßgeblich sind.2 Danach ist eine abgabenrechtliche Vollstreckung unzulsssig, sofern ihr das Insolvenzrecht entgegensteht.

1 BFH v. 23.7.1996 – VII R 88/94, BStBl. II 1996, 511 = ZIP 1996, 1838. 2 BFH v. 23.7.1996 – VII R 88/94, BStBl. II 1996, 511 = ZIP 1996, 1838; v. 26.11.19987 – V R 130/82, BStBl. II 1988, 124.

346

D. Vollstreckungsverfahren

II. Vollstreckung einer Insolvenzforderung Die Vollstreckung wegen einer Insolvenzforderung im Rang von §§ 38, 39, 327 InsO ist gem. § 89 Abs. 1 InsO wshrend der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige VermÇgen des Schuldners zulsssig. Wegen des Vollstreckungsverbots aus § 89 InsO ist das gesamte Verfahren der Anmeldung einer Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle und der PrÅfung der Forderung systematisch dem Erhebungsund nicht dem Vollstreckungsverfahren zuzuordnen. Das gilt auch fÅr den Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO, obwohl dieser im sechsten Teil, der das Vollstreckungsverfahren betrifft, geregelt ist.

3.367

Das Vollstreckungsverbot erfasst alle in Betracht kommenden Vollstreckungshandlungen, insbesondere die Pfsndung von Sachen oder Forderungen. Ebenfalls unzulsssig ist die Vollstreckung in das unbewegliche VermÇgen. FÅr bereits eingeleitete Maßnahmen der Immobiliarvollstreckung enthalten die §§ 30d ff. ZVG Sonderregelungen. Auf Antrag des Verwalters (§ 30d Abs. 1, 3 ZVG) oder des Schuldners (§ 30d Abs. 2 ZVG) ist die Zwangsversteigerung bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einstweilen einzustellen. Zwangshypotheken an GrundstÅcken dÅrfen zur Sicherung von Insolvenzforderungen nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bzw. einer Anordnung nach § 21 Abs. 2 Ziff. 3 InsO im vorlsufigen Insolvenzverfahren nicht mehr eingetragen werden. Die Aussetzung der Vollziehung gem. § 361 AO, § 69 FGO kann fÅr einen vor VerfahrenserÇffnung ergangenen Bescheid nicht mehr angeordnet werden.1 Das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO gilt auch dann, wenn die FinanzbehÇrde hinsichtlich der Steuerforderung auf die Verfahrensteilnahme verzichtet.2 Ebenfalls von § 89 InsO erfasst werden Beschlagnahmen nach § 111c StPO und ZurÅckgewinnungshilfen nach § 111g StPO.3

3.368

Ausgeschlossen ist wegen § 89 Abs. 1 InsO auch die Gllubigeranfechtung nach dem Anfechtungsgesetz wegen einer Insolvenzforderung. Ein bereits bei VerfahrenserÇffnung rechtshsngiges Verfahren wird durch die InsolvenzerÇffnung unterbrochen und kann vom Insolvenzverwalter aufgenommen werden (§ 17 Abs. 1 AnfG).

3.369

Das Vollstreckungsverbot erfasst die gesamte Insolvenzmasse i.S.v. § 35 InsO und das sonstige VermÇgen des Insolvenzschuldners. Die Insolvenzmasse besteht gem. § 35 InsO zum einen aus dem gesamten VermÇgen, das dem Schuldner zur Zeit der ErÇffnung des Verfahrens gehÇrt und zudem aus dem VermÇgen, das der Schuldner wshrend des Verfahrens erwirbt (sog. Neuerwerb). Freilich gehÇrt zur Insolvenzmasse auch all das, was der Insolvenzmasseverwalter in AusÅbung seiner Verwaltungs- und Verwertungststigkeit fÅr die Insolvenzmasse erwirbt. Unter dem sons-

3.370

1 Breuer in MÅnchKomm/InsO, § 89 Rz. 14. 2 Breuer in MÅnchKomm/InsO, § 89 Rz. 14. 3 Breuer in MÅnchKomm/InsO, § 89 Rz. 14.

347

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

tigen VermÇgen ist das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners zu verstehen. Zum insolvenzfreien VermÇgen zshlen die in § 36 Abs. 3 InsO genannten Gegenstsnde, ferner Gegenstsnde, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen (§ 36 Abs. 1 InsO) und Gegenstsnde, die der Insolvenzverwalter an den Insolvenzschuldner aus der Insolvenzmasse freigegeben hat.

III. Vollstreckung einer Masseverbindlichkeit

371

Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) sind grundsstzlich in voller HÇhe aus der Insolvenzmasse zu befriedigen. Der Masseglsubiger kann seine Befriedigung zu jeder Zeit verlangen, wenn seine Forderung fsllig ist. In Bezug auf Masseforderungen sind weder das Steuerfestsetzungs- noch das Erhebungs- noch das Vollstreckungsverfahren nach abgabenrechtlichen Vorschriften durch insolvenzrechtliche Normen ausgeschlossen. Zum Steuerfestsetzungsverfahren bei Masseverbindlichkeiten s. Rz. 3.191.

372

Adressat einer Vollstreckungsmaßnahme wegen einer Masseforderung ist der Insolvenzverwalter, nicht der Insolvenzschuldner. Haftendes VermÇgen ist ausschließlich die Insolvenzmasse und nicht das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners oder gar das persÇnliche VermÇgen des Insolvenzverwalters. Als Vollstreckungsobjekte kommen alle zur Insolvenzmasse gehÇrenden VermÇgensgegenstsnde in Betracht, auch das durch den Insolvenzverwalter bei einer Bank fÅr die Masse eingerichtete Treuhandkonto.

373

Eine Einschrsnkung der Vollstreckung wegen einer Masseforderung enthslt § 90 InsO, der wegen § 251 Abs. 2 AO abgabenrechtlichen Vollstreckungsvorschriften vorgeht. Danach sind Vollstreckungsmaßnahmen wegen sog. aufoktroyierten Masseverbindlichkeiten wshrend eines Zeitraumes von sechs Monaten nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens unzulsssig. Aufoktroyiert sind solche Masseverbindlichkeiten, deren Entstehung der Insolvenzverwalter nicht durch eigene Rechtshandlung herbeigefÅhrt hat. Einige dieser nicht aufoktroyierten Masseverbindlichkeiten beschreibt § 90 Abs. 2 InsO. FÅr die dort genannten Masseforderungen ist die Vollstreckung ohne zeitliche Einschrsnkung nach § 90 Abs. 1 InsO zulsssig. Steuerforderungen unterfallen jedoch regelmsßig dem Vollstreckungsverbot nach § 90 Abs. 1 InsO,1 weil sie nicht gewillkÅrt durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters zur Entstehung gelangen, sondern kraft Gesetzes Folge dieser Rechtshandlung sind. Sie sind somit den Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Ziff. 1 Alt. 2 InsO zuzuordnen, also den „in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Insolvenzmasse“ begrÅndeten Verbindlichkeiten. Das Vollstreckungsverbot ist von Amts wegen zu beachten. Eine gegen das Vollstre1 Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 785; App, DStR 1995, 1678 (1678).

348

D. Vollstreckungsverfahren

ckungsverbot verstoßende Vollstreckungsmaßnahme ist allerdings nicht nichtig, sondern nur rechtswidrig1 und muss ggf. aufgehoben werden. Ein Pfsndungspfandrecht und damit ein materielles Befriedigungsrecht des Masseglsubigers entsteht allerdings nach der heute vorherrschend vertretenen gemischt Çffentlich-rechtlich/privatrechtlichen Theorie nicht.2 Ein Feststellungsbescheid entsprechend § 251 Abs. 3 AO kommt fÅr Masseverbindlichkeiten nicht in Betracht.3 Dies gilt auch dann, wenn der Rang der Forderung als Masseforderung bestritten wird.4 FÅr Masseforderungen kann ein Bescheid mit Leistungsgebot gegen den Insolvenzverwalter ergehen. Es ist dann dem Insolvenzverwalter Åberlassen, sich gegen das Leistungsgebot mit dem Einspruch und ggf. der Klage zur Wehr zu setzen. Dabei bleibt kein Raum fÅr einen Feststellungsbescheid.

3.374

Gegen eine rechtswidrige Vollstreckungsmaßnahme steht dem Insolvenzverwalter die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO zu,5 im Fall der Eigenverwaltung auch dem Insolvenzschuldner. Ist eine AnhÇrung des Insolvenzverwalters erfolgt, kommt die sofortige Beschwerde in Betracht (§ 11 RPflG, § 793 ZPO).6 Im Falle einer Pfsndung steht dem Drittschuldner die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO zu. Die Zustsndigkeit fÅr alle Einwendungen gegen die Vollstreckung in die Insolvenzmasse liegt entsprechend § 89 Abs. 3 Satz 1 InsO beim Insolvenzgericht.7 Dies gilt sowohl fÅr die Mobiliar- als auch fÅr die Immobiliarvollstreckung. Funktionell zustsndig ist der Richter (§ 20 Ziff. 17 Satz 2 RPflG). Ist die Vollstreckungsmaßnahme rechtswidrig, so stellt das Insolvenzgericht dies fest und hebt die Vollstreckungsmaßnahme auf. Soweit eine Vollstreckung in die Insolvenzmasse erst bevorsteht, kann das Insolvenzgericht die Vollstreckung in die Insolvenzmasse gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen einstellen. Ist streitig, ob eine bestimmte Forderung Insolvenz- oder Masseforderung ist, ist die Zustsndigkeit des Insolvenzgerichts in gleicher Weise gegeben.

3.375

! Hinweis: Die FG nehmen ihre Zustsndigkeit fÅr die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO an, wenn Streit Åber die Rechtmsßigkeit der Vollstreckung in die Insolvenzmasse besteht.8

1 Breuer in MÅnchKomm/InsO, § 90 Rz. 21. 2 Breuer in MÅnchKomm/InsO, § 90 Rz. 21. 3 Kling/SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 25e; BFH v. 23.8.1978 – II R 16/76, BFHE 126, 122. 4 BFH v. 23.8.1978 – II R 16/76, BFHE 126, 122. 5 Breuer in MÅnchKomm/InsO, § 90 Rz. 24. 6 Breuer in MÅnchKomm/InsO, § 90 Rz. 24. 7 AG Darmstadt v. 28.1.2008 – 9 IN 1086/05 (NV); LG Darmstadt v. 10.3.2008 – 19 T 49/08 (NV); LÅke in KÅbler/PrÅtting, § 90 InsO Rz. 21; Behr, JurBÅro 1999, 66 (68); AG KÇln v. 25.8.2004 – 71 IN 149/00, NZI 2004, 592. 8 FG Rh.-Pf. v. 20.2.2007 – 5 V 2721/07, EFG 2008, 918 ff.; FG Berlin-Brandenburg v. 19.6.2008 – 7 V 7032/08, EFG 2008, 1586 ff.; BFH v. 1.4.2008 – X B 201/07, ZIP 2008, 1780; FG Nds. v. 9.9.2003 – 14 V 103/03, ZVI 2003, 479 ff.; FG Berlin v. 14.7.2003 – 7 B 7184/03, EFG 2003, 1520 ff.

349

376

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Dadurch entsteht eine Parallelitst der RechtsschutzmÇglichkeiten, die dem Insolvenzverwalter gegen eine Vollstreckung in die Insolvenzmasse zusteht. Dies ist nicht zu beanstanden, sondern sogar sachdienlich. Die Zustsndigkeiten, insbesondere im Bereich des Eilrechtsschutzes, sind nach Sachnshe zu beurteilen.1 Da bei der Vollstreckung einer Steuerforderung in die Masse sowohl komplexe insolvenzrechtliche Fragen (beispielsweise der Masseschuldcharakter einer Forderung) zu beantworten sind, als auch u.U. schwierige steuerrechtliche Fragen, die im sich anschließenden Klageverfahren ohnehin zu beantworten sind, ist die ihre Zustsndigkeit bejahende Haltung beider Gerichtsbarkeiten zu begrÅßen. Das LG Darmstadt hat die Parallelitst der RechtsschutzmÇglichkeiten ausdrÅcklich beststigt und dahin gehend konkretisiert, das FG prÅfe die (steuerrechtliche) Rechtmsßigkeit des Steuer- bzw. Haftungsbescheids, wshrend das Insolvenzgericht Åber die Zulsssigkeit der Vollstreckung zu entscheiden habe.2 Das schließt es freilich nicht aus, dass das FG die Vollziehung aussetzt, weil es ernsthafte Zweifel am (insolvenzrechtlichen) Masseschuldcharakter der zu vollstreckenden Forderung hat.3 Dem Vollstreckungsschutzantrag beim Insolvenzgericht fehlt nicht einmal dann das RechtsschutzbedÅrfnis, wenn das FG die Vollziehung des Bescheids bereits nach § 69 Abs. 3 FGO ausgesetzt hat, denn die Aussetzung der Vollziehung ist ggf. zeitlich begrenzt.4 Der Insolvenzverwalter sollte sich daher ggf. sowohl mit einem Antrag auf Einstellung der Vollstreckung an das Insolvenzgericht, als auch mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das FG wenden.

Es steht dem RechtsschutzbedÅrfnis fÅr einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht entgegen, dass das Vollstreckungsverbot des § 90 Abs. 1 InsO besteht.5

IV. Vollstreckung bei Masseunzullnglichkeit Literatur App, Das Rechtsbehelfsverfahren gegen Vollstreckungsmaßnahmen nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens, NZI 1999, 138; Busch, Behandlung der Kraftfahrzeugsteuer im Insolvenzverfahren und im InsolvenzerÇffnungsverfahren, SVR 2010, 166; Gerhardt, Geltendmachung der Unzulsssigkeit einer Vollstreckung durch das Finanzamt bei Masseunzulsnglichkeit durch Anfechtungsklage – Darlegung- und Beweislast des Konkursverwalters, EWiR 1996, 1041; KrÇpelin, Aktuelle Probleme der Masseunzulsnglichkeit: Wider die Unzulsssigkeit von Leistungsklagen und zur Verfahrensabwicklung bei Neumasseunzulsnglichkeit, ZIP 2003, 2341; Runkel/ 1 Dies fÅhrt beispielsweise auch zur Zustsndigkeit der Insolvenzgerichte analog § 89 Abs. 3 InsO, die die Zustsndigkeit der Vollstreckungsgerichte verdrsngt, Breuer in MÅnchKomm/InsO, § 90 Rz. 25. 2 LG Darmstadt v. 10.3.2008 – 19 T 49/08 (NV); auch das FG Rheinland-Pfalz hat die Parallelitst des Rechtsschutzes inzident anerkannt, denn sein Beschl. v. 20.2.2007 – 5 V 2721/07, EFG 2008, 918 ff. erging in Ansehung desselben Haftungsbescheids, der auch der vorgenannten Entscheidung des LG Darmstadt zugrunde liegt in Kenntnis der Einstellungsentscheidung des AG Darmstadt v. 28.1.2008 – IN 1086/05 (NV). 3 FG Rh.-Pf. v. 20.2.2007 – 5 V 2721/07, EFG 2008, 918 ff. 4 LG Darmstadt v. 10.3.2008 – 19 T 49/08 (NV). 5 FG Berlin v. 14.7.2003 – 7 B 7184/03, EFG 2003, 1520 (1520).

350

D. Vollstreckungsverfahren Schnurbusch, Rechtsfolgen der Masseunzulsnglichkeit, NZI 2000, 49; Urban, Kostenfeststellungs- statt Kostenfestsetzungsbeschluss nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit?, ZVI 2004, 233; Pape, Unzulsssigkeit der Vollstreckung des Finanzamts bei Masseinsuffizienz, KTS 1997, 49.

Im Fall der Masseunzulsnglichkeit (Rz. 3.215) greift gem. § 210 InsO ein Vollstreckungsverbot fÅr Masseverbindlichkeiten im Rang von § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO ein. Das Vollstreckungsverbot aus § 210 InsO greift wegen § 251 Abs. 2 AO auch fÅr die abgabenrechtliche Vollstreckung, berÅhrt aber nicht die Steuerfestsetzung durch Bescheid, sondern ausschließlich die Vollstreckung.1 Der Bescheid bildet nsmlich nur die Grundlage der Vollstreckung. Ihr Beginn hsngt aber von einem weiteren, gesonderten Verwaltungsakt ab, dem Leistungsgebot i.S.d. § 254 Abs. 1 AO. Steuerbescheid und Leistungsgebot sind getrennt zu beurteilen. Ein Leistungsgebot darf fÅr Altmasseverbindlichkeiten nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit nicht mehr ergehen.2 Ein hiergegen gerichteter Einspruch muss Erfolg haben; andernfalls ist Klage zum FG geboten.

3.377

Das Vollstreckungsverbot greift ein, sobald der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht die Masseunzulsnglichkeit nach § 208 InsO angezeigt hat. Maßgebender Zeitpunkt ist der Eingang der Anzeige beim Insolvenzgericht. Das Vollstreckungsverbot erfasst auch bereits laufende Vollstreckungsmaßnahmen. Hatte der Masseglsubiger allerdings vor dem Wirksamwerden des Vollstreckungsverbotes im Wege der Vollstreckung fÅr seine titulierte Forderung aus der Insolvenzmasse bereits ein Pfsndungspfandrecht erlangt, so bleibt dieses wirksam.3 Insoweit darf sich der Masseglsubiger auch nach Eintritt des Vollstreckungsverbots nach § 210 InsO durch Einziehung der Forderung befriedigen. Neumasseverbindlichkeiten i.S.v. § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO, die nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit begrÅndet wurden, werden vom Vollstreckungsverbot des § 210 InsO nicht erfasst.

3.378

Ist streitig, ob eine Forderung den Rang einer Neumasseforderung nach § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO oder einer Altmasseverbindlichkeit nach § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO einnimmt, so ist der Glsubiger einer zivilrechtlichen Forderung in der Regel auf eine Klage gegen den Insolvenzverwalter angewiesen. FÅr den Steuerglsubiger wird vertreten, die Finanzverwaltung kÇnne einen Feststellungsbescheid entsprechend § 251 Abs. 3 AO erlassen, wenn der Rang einer Neumasseverbindlichkeit bestritten wird.4 Dem kann nicht gefolgt werden. § 251 Abs. 3 InsO bezieht sich schon dem Wortlaut nach nur auf Insolvenzforderungen, nicht auf MasseansprÅche. Der Feststellungsbescheid entfaltet seine Wirkung Åberhaupt nur im Rah-

3.379

1 BFH v. 29.8.2007 – IX R 58/06, BStBl. II 2008, 322 = ZIP 2007, 2083; a.A. Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 793; Kling/SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 25d. 2 FG MÅnster v. 16.6.2006 – 13 K 3960/04 Kfz, EFG 2006, 1704 ff. 3 Hefermehl in MÅnchKomm/InsO, § 210 Rz. 11. 4 Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 791.

351

380

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

men des PrÅfungsverfahrens gem. § 185 InsO, weil die festgestellte Forderung vom Bestreitenden beksmpft werden muss und dem Glsubiger die Betreibungslast aus § 179 Abs. 1 InsO abgenommen wird. Ein solches Verfahren gibt es in Bezug auf Masseforderungen nicht. Sie werden nicht angemeldet. Im xbrigen Åbersieht diese Auffassung, dass trotz Anzeige der Masseunzulsnglichkeit eine Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid mÇglich ist (was fÅr Insolvenzforderungen ausscheidet), so dass allein die Bekanntgabe eines Steuerbescheids an den Insolvenzverwalter klarstellt, dass der Rang einer Masseverbindlichkeit beansprucht wird. Soweit der Rang einer Altmasseverbindlichkeit beansprucht wird, ergeht kein Leistungsgebot. Wenn die Finanzverwaltung der Auffassung ist, eine bestimmte Forderung sei Neumasseforderung, erlssst sie einen Bescheid mit Leistungsgebot gegen den Insolvenzverwalter. Es ist dann dem Insolvenzverwalter Åberlassen, sich gegen das Leistungsgebot mit dem Einspruch und ggf. der Klage zur Wehr zu setzen. Dabei bleibt kein Raum fÅr einen Feststellungsbescheid. Der von der Finanzverwaltung beanspruchte Rang ergibt sich allein aus dem nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit erlassenen Leistungsgebot. Das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO ist von Amts wegen zu beachten. Eine gegen § 210 InsO verstoßende Vollstreckungsmaßnahme ist allerdings nur rechtswidrig, nicht nichtig. Daher tritt ungeachtet des Verbots aus § 210 InsO eine wirksame Verstrickung ein. Der Insolvenzverwalter ist daher gehalten, sich gegen eine rechtswidrige Vollstreckungsmaßnahme zur Wehr zu setzen. Als Rechtsbehelf steht ihm die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO zu. Statthaft ist die Erinnerung auch fÅr den Drittschuldner. Zustsndig fÅr die Erinnerung ist analog § 89 Abs. 3 InsO das Insolvenzgericht. Es ist auf Grund der Sachnshe geboten, analog § 89 Abs. 3 InsO die Zustsndigkeit der Insolvenzgerichte und nicht der Vollstreckungsgerichte anzunehmen, auch wenn der Gesetzgeber fÅr den Fall des § 210 InsO keine ausdrÅckliche Regelung getroffen hat.1 Funktionell zustsndig ist der Richter (§ 20 Ziff. 17 Satz 2 RPflG). Allerdings kÇnnen die FG dessen ungeachtet die Vollziehung eines Bescheids aussetzen (Rz. 3.375). Nicht zu folgen ist der Auffassung, nach der ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung von Leistungsbescheiden unzulsssig sein soll, weil die Vollziehung „nicht mehr mÇglich“ ist.2 Gerade diese Unzulsssigkeit der Vollziehung muss der Insolvenzverwalter schließlich gerichtlich geltend machen kÇnnen, wenn die Finanzverwaltung zur Vollstreckung in die Neumasse ansetzt. Etwas anderes gilt nur fÅr ein Leistungsgebot, das vor der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit ergangen ist, wenn die FinanzbehÇrde nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit nicht mehr zu erkennen gibt, dass sie an dem Vollzug festzuhalten gedenkt. Dann fehlt einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung das RechtsschutzbedÅrfnis. 1 LG Darmstadt v. 10.3.2008 – 19 T 49/08 (NV); Hefermehl in MÅnchKomm/InsO, § 210 Rz. 15. 2 So aber Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 795.

352

D. Vollstreckungsverfahren

Hat der Altmasseglsubiger vor der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit Befriedigung erlangt (sei es durch Zahlung durch den Insolvenzverwalter oder im Wege der Vollstreckung), so bleibt es dabei. Ein RÅckforderungsanspruch des Insolvenzverwalters scheidet aus. Dies gilt auch dann, wenn die Masseunzulsnglichkeit durch den Insolvenzverwalter verspstet angezeigt worden ist und tatsschlich im Zeitpunkt der Zahlung oder Vollstreckungsmaßnahme schon bestanden hatte. Hat die Finanzverwaltung allerdings ungeachtet der bereits angezeigten Masseunzulsnglichkeit Sicherung oder Befriedigung erlangt, ist diese an die Insolvenzmasse herauszugeben.

3.381

Das FG MÅnster hat zudem zu Recht anerkannt, dass ein Leistungsgebot bzw. eine Vollstreckung wegen einer Neumasseverbindlichkeit dann rechtswidrig ist, wenn die Neumasse erneut unzullnglich geworden ist.1 Da eine weitere, konstitutiv wirkende Anzeige der Masseunzulsnglichkeit gesetzlich nicht vorgesehen ist, kann die Unzulsnglichkeit der Neumasse allerdings nur einredeweise durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht und muss dazu im Einzelnen dargelegt werden. Unzulsnglichkeit der Neumasse liegt entsprechend der Beurteilung der (normalen) Masseunzulsnglichkeit nicht nur dann vor, wenn die Insolvenzmasse insgesamt wertmsßig nicht ausreicht, sondern auch dann, wenn zumindest derzeit nicht hinreichende liquide Mittel in der Masse vorhanden sind, um die Verfahrenskosten und die Neumasseverbindlichkeiten vollstsndig zu begleichen.2 Denn auch dann, wenn zu erwarten ist, dass nach Abschluss ssmtlicher Verwertungshandlungen eine ausreichend große Masse vorhanden sein wird, um alle Masseverbindlichkeiten zu befriedigen, stÇrt die Vollstreckung in die Masse die geordnete Insolvenzabwicklung derart, dass dem Glsubiger zugemutet wird, zuzuwarten, bis der Insolvenzverwalter die Verwertung abgeschlossen hat und die Verteilung der Insolvenzmasse an die Glsubiger in der insolvenzrechtlichen Befriedigungsreihenfolge durchfÅhrt. Zur Abwendung der Vollstreckung in die Neumasse hat der Insolvenzverwalter daher folgende Aufstellung vorzunehmen und die einzelnen Positionen zu begrÅnden:

3.382

Bestand der liquiden Insolvenzmasse ./. VergÅtung und Auslagen fÅr den vorlsufigen Insolvenzverwalter ./. VergÅtung und Auslagen fÅr den Insolvenzverwalter ./. Umsatzsteuer auf VergÅtungen und Auslagen, soweit keine Vorsteuerabzugsberechtigung ./. Gerichtskosten und Auslagen des Gerichts Ergibt: Freie Masse fÅr die Befriedigung der Neumasseglsubiger Summe der Neumasseverbindlichkeiten

1 FG MÅnster v. 16.6.2006 – 13 K 3960/04 Kfz, EFG 2006, 1704 ff.; ebenso Hefermehl in MÅnchKomm/InsO, § 210 Rz. 24. 2 Hefermehl in MÅnchKomm/InsO, § 210 InsO Rz. 23; Berscheid in Uhlenbruck, § 210 InsO Rz. 10.

353

383

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Wenn bei dieser GegenÅberstellung die Summe der Neumasseverbindlichkeiten die fÅr die Befriedigung der Neumasseglsubiger zur Zeit zur VerfÅgung stehende liquide Masse Åbersteigt, ist die Vollstreckung in die Insolvenzmasse rechtswidrig.

V. Vollstreckung in das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners

384

Wshrend der Dauer des Insolvenzverfahrens darf gem. § 89 Abs. 1 InsO wegen einer Insolvenzforderung keine Vollstreckung in das „sonstige VermÇgen des Schuldners“ erfolgen. Mit dem sonstigen VermÇgen ist das VermÇgen des Insolvenzschuldners gemeint, das nicht Insolvenzmasse i.S.v. § 35 InsO ist. Zum insolvenzfreien VermÇgen gehÇrt der gewÇhnliche Hausrat nach § 36 Abs. 3 InsO, Gegenstsnde, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen (§ 36 Abs. 1 InsO) und Gegenstsnde, die der Insolvenzverwalter an den Insolvenzschuldner aus der Insolvenzmasse freigegeben hat. Dazu gehÇrt auch ein Geschsftsbetrieb, den der Insolvenzverwalter gem. § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse freigegeben hat.

385

Auch die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO) ist wshrend der Dauer des Insolvenzverfahrens in das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners unzulsssig.

386

Zulsssig ist hingegen die Vollstreckung wegen einer Forderung, die gegen das insolvenzfreie VermÇgen des Schuldners gerichtet ist (Rz. 2.135 ff.). Zur Festsetzung von Steuern durch Bescheid gegen das insolvenzfreie VermÇgen s. Rz. 3.195. Die Vollstreckung richtet sich dann ohne insolvenzrechtliche Besonderheiten nach §§ 249 ff. AO und kann insbesondere auch wshrend und trotz des laufenden Insolvenzverfahrens durchgefÅhrt werden.

VI. Vollstreckung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens

387

Vom Grundsatz her kÇnnen Glsubiger, die im Insolvenzverfahren nicht befriedigt worden sind, ihre restlichen Forderungen auch nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens (Aufhebung oder Einstellung) gegen den Schuldner geltend machen, § 201 Abs. 1 InsO, und zu diesem Zweck freilich auch vollstrecken. Dies gilt auch fÅr den Steuerglsubiger.

388

Allerdings ist bei der Vollstreckung eine Reihe von besonderen Konstellationen zu beachten: – Die Vollstreckung erfolgt aus der Tabellenfeststellung, wenn der Schuldner im PrÅfungstermin nicht widersprochen hat. Die Tabellenfeststellung ist dann nach § 201 Abs. 2 InsO Vollstreckungstitel. Eine Vollstreckung aus dem der Anmeldung zugrunde liegenden Bescheid 354

D. Vollstreckungsverfahren











kann nicht erfolgen, selbst wenn dieser bereits vor InsolvenzerÇffnung bestandskrsftig geworden war. Hat der Schuldner im PrÅfungstermin Widerspruch gegen die angemeldete Forderung erhoben, war aber der Bescheid schon vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bestandskrsftig geworden, kann die Finanzverwaltung aus dem Bescheid gegen den Schuldner vollstrecken. Der Widerspruch des Schuldners entfaltet somit keine praktische Wirkung. War eine Forderung der Finanzverwaltung vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht festgesetzt und ist eine Tabellenfeststellung nicht erfolgt, fehlt es an einem vollstreckbaren Titel; es muss zunschst eine Festsetzung erfolgen (Rz. 3.204). Soll die Vollstreckung wegen einer Forderung erfolgen, die bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens den Rang einer Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO) eingenommen hatte, gleichwohl aber nicht aus der Masse bedient worden ist, darf die Vollstreckung nur in solche Gegenstsnde erfolgen, die der Schuldner bei Beendigung des Insolvenzverfahrens aus der Masse erhalten hat (solches kann der Fall sein, weil der Insolvenzverwalter etwa Gegenstsnde nicht verwerten konnte oder wollte). Die Vollstreckung in das bereits wshrend des Insolvenzverfahrens insolvenzbeschlagsfreie oder in das nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner neu erworbene VermÇgen ist unzulsssig.1 Zur Festsetzung wegen einer ehemaligen Masseverbindlichkeit s. Rz. 3.204. Hat das Insolvenzverfahren durch einen Insolvenzplan seinen Abschluss gefunden, bestimmt der Insolvenzplan Åber das rechtliche Schicksal der Forderungen der Glsubiger. Regelmsßig wird der Insolvenzschuldner gem. § 227 Abs. 1 InsO mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Glsubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten befreit. Die Befreiung tritt mit der Rechtskraft des Beststigungsbeschlusses (§ 254 Abs. 1 Satz 1 InsO) ein, nicht erst mit der tatsschlichen ErfÅllung der im Plan vorgesehenen Verpflichtungen des Schuldners.2 Kommt der Schuldner diesen nicht nach, entfsllt die Befreiung erst unter den Voraussetzungen des § 255 InsO. Die Vollstreckung ist wegen der nicht erlassenen Forderungen aus dem Insolvenzplan in Verbindung mit der Eintragung in die Tabelle gem. § 257 Abs. 1 InsO zu betreiben. In Ansehung der erlassenen Forderungen ist jede Vollstreckung unzulsssig. Auch die Festsetzung einer nicht vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens festgesetzten Steuerforderung durch Bescheid gegenÅber dem Schuldner kommt nicht in Betracht. Wurde dem Schuldner gem. § 300 Abs. 1 InsO Restschuldbefreiung erteilt, so kann wegen einer Forderung, die bereits bei ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bestanden hatte, nicht mehr gegen den Schuldner vollstreckt werden, es sei denn, es handelte sich bei der Forderung um eine solche aus vorsstzlich begangener unerlaubter Handlung, sofern die FinanzbehÇrde die entsprechende Forderung unter Angabe dieses

1 Hintzen in MÅnchKomm/InsO, § 201 Rz. 16. 2 Breuer in MÅnchKomm/InsO, § 227 Rz. 8.

355

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Rechtsgrundes zur Insolvenztabelle angemeldet hatte (§ 302 Ziff. 1 InsO) und ein Widerspruch gegen den Rechtsgrund der unerlaubten Handlung seitens des Schuldners nicht erhoben worden ist.1

389

Hat der Schuldner dem Rechtsgrund der vorsltzlich begangenen unerlaubten Handlung widersprochen, kommt es fÅr das weitere Vorgehen darauf an, ob die Forderung vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bereits durch Bescheid festgesetzt war oder nicht. Ist dies der Fall, kann die FinanzbehÇrde gegen den Schuldner einen Feststellungsbescheid gem. § 251 Abs. 3 AO erlassen und damit den Widerspruch gegen den Rechtsgrund beseitigen. War die Forderung vorinsolvenzlich nicht durch Bescheid festgesetzt, muss zunschst eine Festsetzung erfolgen, die aber erst nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens erfolgen kann. Die Festsetzung ist ungeachtet der Erteilung der Restschuldbefreiung zulsssig. Ein Leistungsgebot darf allerdings nicht ergehen, weil der Widerspruch des Schuldners gegen den Rechtsgrund der vorsstzlich unerlaubten Handlung – solange er nicht beseitigt ist – die Durchsetzung der Forderung hindert. Nachdem die Festsetzung erfolgt ist, kann ein Feststellungsbescheid gem. § 251 Abs. 3 AO ergehen, der feststellt, dass der Rechtsgrund der vorsstzlich begangenen unerlaubten Handlung vorliegt. Gegen den Feststellungsbescheid steht dem Schuldner der Einspruch und ggf. Klage zum FG zu. Bleibt der Schuldner endgÅltig erfolglos und wird der Feststellungsbescheid bestandskrsftig, ist der Widerspruch des Schuldners gegen den Rechtsgrund der vorsstzlich begangenen unerlaubten Handlung beseitigt, so dass die Vollstreckung aus der Tabellenfeststellung (§ 201 Abs. 2 InsO), nicht aus dem Steuerbescheid, erfolgen kann.

390

Eine Begriffsbestimmung der unerlaubten Handlung oder eine ausdrÅckliche Bezugnahme z.B. auf §§ 823, 826 BGB enthalten §§ 174 Abs. 2, 302 Ziff. 1 InsO nicht. Zweifelsohne sind aber jedenfalls Deliktsforderungen nach § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem entsprechenden Schutzgesetz und § 826 BGB als Verbindlichkeiten i.S.v. § 302 Nr. 1 InsO anzusehen. Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB ist ein solches Schutzgesetz.2 Die Steuerhinterziehung gem. § 370 AO hingegen ist keine solche deliktische Handlung, weil Steuer- und HaftungsansprÅche eigenstsndige, dem Çffentlichen Recht zugehÇrige AnsprÅche aus dem Steuerschuldverhsltnis (§ 37 Abs. 1 AO) darstellen, die sowohl nach ihrer Entstehung als auch nach ihrem Inhalt und ihrer Durchsetzung eigenen, von den zivilrechtlichen DeliktsansprÅchen unterschiedlichen Regeln unterliegen und deshalb keine SchadensersatzansprÅche aus unerlaubter Handlung darstellen.3 Selbst wenn der Steueranspruch auf eine vorsstzliche Nichtentrichtung der Steuer bzw. auf eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO zurÅckzufÅhren sein sollte, beruht er nicht auf einer unerlaubten Handlung des Steuer1 Stephan in MÅnchKomm/InsO, § 302 Rz. 19. 2 BGH v. 18.12.2008 – IX ZR 124/08, ZIP 2009, 389 = NJW 2009, 1280 (1282). 3 BGH v. 24.10.1996 – VII R 113/94, BStBl. II 1997, 308.

356

D. Vollstreckungsverfahren

schuldners, sondern auf der Verwirklichung eines steuerrechtlichen Tatbestandes, an den das Gesetz eine Zahlungspflicht knÅpft (§ 38 AO). Der Umstand, dass Steuerhinterziehung nicht erlaubt und insbesondere aus Prsventions- und SanktionsgrÅnden mit Strafe bedroht ist, vermag an der rechtlichen Qualifizierung des Steueranspruchs als solchem nichts zu sndern. Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung kann auch nicht als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB eingestuft werden. Ein Schutzgesetz erfordert die zumindest teilweise Ausrichtung auf den Schutz von Individualinteressen vor einer nsher bestimmten Art ihrer Verletzung.1 Von § 370 AO wird dem gegenÅber jedoch nicht ein Individualinteresse, das dem eines geschsdigten und auf einen zivilrechtlichen Ausgleich bedachten BÅrgers vergleichbar wsre, geschÅtzt, sondern das Çffentliche Interesse des Fiskus und damit des Staates am rechtzeitigen und vollstsndigen Aufkommen bestimmter einzelner Steuern.2 Damit dient § 370 AO der Sicherung des aus der Steuererhebung erwarteten Ertrages und den damit verbundenen Belangen des Gemeinwesens. Daher kann die Steuerhinterziehung auch nicht als Schutzgesetz angesehen werden. Die Restschuldbefreiung kann sich somit auch auf vorsstzlich hinterzogene Steuern erstrecken.3 Anders verhslt es sich mit Hinterziehungszinsen gem. § 235 AO. Insoweit scheint die Literatur unentschlossen zu sein. Teilweise wird vertreten, die Hinterziehungszinsen seien als Geldstrafe oder gleichgestellte Verbindlichkeit i.S.v. § 302 Ziff. 2 InsO anzusehen, wodurch sie von der Restschuldbefreiung ausgenommen seien.4 Diese Auffassung wird vor allem von dem Gedanken getragen, dass es unbillig sei, Hinterziehungszinsen an der Restschuldbefreiung teilnehmen zu lassen.5 Das Åberzeugt aber nicht. Zweck der Hinterziehungszinsen ist es, den erlangten Zinsvorteil beim Nutznießer der Steuerhinterziehung abzuschÇpfen;6 Hinterziehungszinsen haben dem gegenÅber keinen Strafcharakter.7 Sie sind daher mit einer Geldstrafe nicht vergleichbar. Die Hinterziehungszinsen fallen 1 BGH v. 13.12.1988 – VI ZR 235/87, ZIP 1989, 102 = NJW 1989, 974; v. 3.3.1987 – VI ZR 32/86, BGHZ 100, 13 ff. 2 BGH v. 23.3.1994 – 5 StR 91/94, NJW 1994, 2302 (2303) = BGHSt 40, 109; v. 1.2.1989 – 3 StR 179/88, BGHSt 36, 100. 3 BFH v. 19.8.2008 – VII R 6/07, BStBl. II 2008, 947 = ZIP 2009, 776; Specovius in Braun, § 174 InsO Rz. 43; Schmedding, DStR 2009, 520 (521); Vallender in Uhlenbruck,§ 302 InsO Rz. 12, m.w.N.; Landfermann in HeidelbergerKomm/InsO, § 302 Rz. 10; Ahrens in FrankfurterKomm/InsO, § 302 Rz. 7; vgl. Klaproth, ZInsO 2006, 1078 (1080); Schlie, ZInsO 2006, 1126 (1129). 4 Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1219; Schmittmann/RÇcken, InsBÅro 2005, 51 (52); sehr zweifelnd sußert sich auch Specovius in Braun, § 174 InsO Rz. 43; Loose, Anm. zu FG Hamburg v. 2.2.2007 – 2 K 106/06, EFG 2007, 1311 (1312). 5 So ausdrÅcklich Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1219. 6 BFH v. 12.10.1993 – VII R 44/93, BStBl. II 1994, 438. 7 BFH v. 1.8.2001 – II R 48/00, BFH/NV 2002, 155.

357

3.391

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

aber unter § 302 Ziff. 1 InsO, denn sie sind – anders als die hinterzogenen Steuern selbst, die kraft Gesetzes und nicht durch die Hinterziehung entstanden sind – kausal auf die strafbare Steuerhinterziehung zurÅckzufÅhren und damit Verbindlichkeiten, die im Sinne des Wortes „aus“ zwangslsufig aus der strafbaren Handlung resultieren.1

392

Slumniszuschllge sind keine Zwangsmittel und kÇnnen daher nicht den Geldstrafen nach § 302 Ziff. 2 InsO gleichgesetzt werden.2 Sie werden somit auch von der Restschuldbefreiung erfasst.

393

Soweit die Vollstreckung nach oben genannten Maßgaben zulsssig ist, richtet sie sich nach abgabenrechtlichen Vorschriften. Insolvenzrechtliche Besonderheiten sind bei der DurchfÅhrung der Vollstreckung dann nicht mehr zu beachten.

VII. Vollstreckungen wegen Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen wlhrend des Insolvenzverfahrens

394

Soweit Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen durchgesetzt werden sollen, sind die Vollstreckungsvorschriften der §§ 328 ff. AO zu beachten. Zweck der §§ 328 ff. AO ist es, den Pflichtigen dazu zu bewegen, eine ihm auferlegte Pflicht zu erfÅllen. Dementsprechend sind die Zwangsmittel grundsstzlich Beugemittel und haben keinen Strafcharakter.3 Die in § 328 Abs. 1 Satz 1 AO enthaltene Aufzshlung (Zwangsgeld, Ersatzvornahme, unmittelbarer Zwang) ist abschließend; andere Zwangsmaßnahmen sind nicht zulsssig. Die Handlungspflicht muss zunschst durch eine AnordnungsverfÅgung festgelegt worden sein, bevor Zwangsmittel angewendet werden dÅrfen; eine gesetzlich angeordnete Handlungspflicht reicht allein nicht aus. Mit Hilfe von Zwangsmitteln sind insbesondere erzwingbar: – Mitwirkungspflichten §§ 90, 93, 97, 135, 200 AO, – Anzeigepflichten gem. §§ 137 bis 139 AO, – BuchfÅhrungspflichten nach §§ 140 ff. AO, – Abgabepflicht von Steuererklsrungen gem. § 149 Abs. 1 AO i.V.m. den Einzelsteuergesetzen, – Beantwortung des Fragebogens zur Haftungsinanspruchnahme, – Abgabe der Drittschuldnererklsrung gem. § 316 Abs. 2 Satz 3 AO.

395

Bevor Zwangsmittel durchgesetzt werden kÇnnen, sind sie gem. § 332 AO anzudrohen. Die Anwendung der Zwangsmittel setzt des Weiteren voraus, dass der Pflichtige das von ihm geforderte Verhalten nicht vorgenommen hat. 1 So wohl auch Specovius in Braun, § 174 InsO Rz. 43; FG BW v. 16.6.1987 – I K 342/85, wistra 1987, 353 ff. 2 BFH v. 19.1.2005 – VII B 286/04, ZIP 2005, 1035 = ZInsO 2005, 494 (494). 3 BFH v. 29.4.1980 – VII R 4/79, BStBl. II 1981, 110.

358

D. Vollstreckungsverfahren

Zwangsmittel sind im Insolvenzverfahren gegen den Insolvenzverwalter in seiner Eigenschaft als Partei kraft Amtes fÅr ein bestimmtes schuldnerisches VermÇgen zu richten. Nur in dieser Funktion kann der Insolvenzverwalter eine bestimmte, die Insolvenzmasse betreffende Handlung vornehmen. Seine Befugnisse sind durch seine Amtsstellung definiert und begrenzt. Er wird nicht gesetzlicher Vertreter des Schuldners; der Schuldner behslt seine Prozess- und Parteifshigkeit und auch seine Organe behalten ihre Organstellung inne. Alle Rechte und Pflichten aus der Tstigkeit des Insolvenzverwalters treffen ausschließlich die Insolvenzmasse; das persÇnliche VermÇgen des Insolvenzverwalters kann nur Åber die speziellen insolvenzrechtlichen Haftungstatbestsnde (§§ 60, 61 InsO) betroffen werden. Die Amtsstellung des Insolvenzverwalters ist daher nicht zu vergleichen mit der Stellung eines gesetzlichen Vertreters. In Bezug auf gesetzliche Vertreter hat der BFH – in Ausnahmefsllen – eine Zwangsgeldfestsetzung zwar auch gegen den gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft zugelassen;1 diese Rechtsprechung kann wegen der Verschiedenheit von gesetzlichen Vertretern und einer Partei kraft Amtes jedoch nicht auf den Insolvenzverwalter Åbertragen werden. Daher kann eine Zwangsgeldfestsetzung nicht das persÇnliche VermÇgen des Insolvenzverwalters betreffen, sondern die betreffende Insolvenzmasse.2 Eine Zwangsgeldandrohung oder -festsetzung, die nicht ausdrÅcklich den Zusatz „in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter Åber das VermÇgen der [Insolvenzschuldnerin]“ trsgt, bezeichnet das persÇnliche VermÇgen des Insolvenzverwalters und ist damit rechtswidrig.

3.396

Die Anordnung von Ersatzzwangshaft wegen Uneinbringlichkeit eines Zwangsgeldes kommt gegen den Insolvenzverwalter nicht in Betracht, weil die Zwangsgeldfestsetzung nicht gegen ihn als natÅrliche Person, sondern gegen ihn in seiner Funktion als Partei kraft Amtes ergeht und somit der Festsetzung gegen eine juristische Person gleichzustellen ist, gegen die die Anordnung von Ersatzzwangshaft ebenfalls ausscheidet.3

3.397

1 BFH v. 6.5.2008 – I B 14/08, BFH/NV 2008, 1872 ff.; v. 12.12.1990 – I R 92/88, BStBl. II 1991, 384. 2 Vgl. auch BFH v. 23.8.1994 – VII R 143/92, ZIP 1994, 1969 = ZIP 1995, 1798 = BStBl. II 1995. 3 BFH v. 27.10.1981 – VII R 2/80, BFHE 134, 231. = BStBl. II 1982, 141

359

398

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

E. Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren I. Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf laufende Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren Durch die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens werden alle anhlngigen Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren analog § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen. Gegen welche Art von Bescheiden sich das Rechtsbehelfsverfahren richtet, ist unbeachtlich. Somit sind auch Rechtsbehelfsverfahren gegen Haftungsbescheide oder Bescheide zur Feststellung von Besteuerungsgrundlagen erfasst. Von der Unterbrechungswirkung sind nach § 155 FGO i.V.m. § 240 Abs. 1 ZPO auch finanzgerichtliche Klageverfahren betroffen,1 unabhsngig von der Instanz, in der sie sich befinden. Gleiches gilt fÅr Prozesskostenhilfe-Antragsverfahren vor den FG,2 Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren am BFH3 und fÅr Verfahren Åber Antrsge auf Aussetzung der Vollziehung oder Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO. Eine trotz Unterbrechung ergehende Entscheidung ist unwirksam (§ 249 Abs. 2 ZPO) und muss aus GrÅnden der Rechtsklarheit aufgehoben werden.4

399

Soweit bei ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelverfahren noch nicht eingeleitet worden ist, die Rechtsbehelfs- bzw. Rechtsmittelfristen aber noch laufen, werden diese Fristen ebenfalls analog § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen (Rz. 3.296).

400

Die Unterbrechungswirkung tritt bereits vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ein, wenn ein starker vorllufiger Insolvenzverwalter mit VerfÅgungsbefugnis Åber das schuldnerische VermÇgen bestellt wird.5 FÅr den schwachen vorllufigen Insolvenzverwalter, der nur mit Zustimmungsvorbehalt ausgestattet ist, gilt dies nicht,6 und zwar auch dann nicht, wenn das Insolvenzgericht punktuelle VerfÅgungsbefugnisse des vorlsufigen Insolvenzverwalters angeordnet hat.

1 BFH v. 14.5.2013 – X B 134/12, BStBl. II 2013, 585 = ZIP 2013, 1789. 2 BFH v. 27.9.2006 – IV S 11/05 (PKH), BStBl. II 2007, 130; v. 23.6.2008 – VIII S 2/08 (PKH), (NV). 3 BFH v. 10.12.2008 – I B 130/08 (NV). 4 BFH v. 27.11.2003 – VII B 236/02, BFH/NV 2004, 366; v. 21.4.2004 – XI B 17/01, BFH/NV 2004, 1285; v. 10.12.2008 – I B 130/08 (NV). 5 BFH v. 8.8.2013 – II B 3/13, BFH/NV 2013, 1805; v. 26.11.2004 – VIII B 77/03, BFH/NV 2005, 331; Beck in Beck/Depru, § 5 Rz. 53. 6 BFH v. 8.8.2013 – II B 3/13, BFH/NV 2013, 1805; v. 26.11.2004 – VIII B 77/03, BFH/NV 2005, 331.

360

E. Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren

Wird eine Steuerforderung, wegen der ein Einspruchsverfahren oder ein Klageverfahren anhsngig und durch InsolvenzerÇffnung unterbrochen ist, widerspruchslos zur Insolvenztabelle festgestellt, so tritt Erledigung des Einspruchsverfahrens bzw. Finanzrechtsstreit in der Hauptsache ein. Diese Erledigung beendet aber nicht zugleich die Unterbrechung des finanzgerichtlichen Verfahrens.1 In der Insolvenz einer Personenhandelsgesellschaft erfasst die Unterbrechungswirkung aber nicht ein Einspruchs-, Klage- oder Revisionsverfahren bezÅglich der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung, da seine steuerlichen Folgen nur die Gesellschafter persÇnlich und nicht den im Rahmen des Insolvenzverfahrens abzuwickelnden VermÇgensbereich der Personengesellschaft betreffen.2 Davon unabhsngig ist die Frage, ob gegen die Gesellschafter noch Feststellungsbescheide ergehen kÇnnen, oder ob auch in Ansehung ihrer Person in Folge eines Åber ihr VermÇgen laufenden Insolvenzverfahrens Unterbrechung eingetreten ist. Nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bzw. der Anordnung der starken vorlsufigen Insolvenzverwaltung darf das Finanzamt nsmlich Feststellungsbescheide nicht mehr erlassen, in denen Besteuerungsgrundlagen mit Auswirkung fÅr das VermÇgen des Schuldners festgestellt werden.3

3.401

AusfÅhrlich zur Wiederaufnahme bzw. anderweitigen Fortsetzung und Erledigung unterbrochener Verfahren (Rz. 3.298).

3.402

II. Finanzgerichtlicher Rechtsschutz gegen Insolvenzantrlge der Finanzverwaltung Literatur Bruns/Schaake, Insolvenzantrsge aus Sicht des Finanzamts – Rechtsschutz, Ermessen und Implikationen durch das ESUG, ZInsO 2011, 1581; Carlp, Einleitung des Insolvenzverfahrens durch die Finanzverwaltung, AO-StB 2002, 428; Fritsche, Die Zulsssigkeit des Insolvenzantrags, DZWIR 2003, 234; Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzantrsge des Finanzamts, DStR 2010, 1411; Hantke/Schmittmann, Insolvenzantragstellung durch Çffentlich-rechtliche Glsubiger, VR 2002, 335; Jacobi, Die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes: Eine Tendenz in der Praxis der Finanzverwaltung, ZInsO 2011, 1094; Marotzke, Sinn und Unsinn einer insolvenzrechtlichen Privilegierung des Fiskus, ZInsO 2010, 2163; Obermair, Stundung, Vollstreckungsaufschub, Insolvenzantrag, BB 2006, 582; Rein, Schadensersatz bei unberechtigtem Insolvenzantrag, NJW-Spezial 2013, 213; Schmahl, Zur Darstellung und Glaubhaftmachung der Forderung eines Çffentlich-rechtlichen Glsubigers im InsolvenzerÇffnungsantrag – Ein Vorschlag zur Vereinfachung: Die substantiierte Vollstreckbarkeitsbeststigung, NZI 2007, 20; Schmittmann, Einstweiliger Rechtsschutz gegen Insolvenzantrsge der Finanzverwaltung unter besonderer Be1 BFH v. 14.5.2013 – X B 134/12, BStBl. II 2013, 585 = ZIP 2013, 1789. 2 BFH v. 11.10.2007 – IV R 52/04, BStBl. II 2009, 705; v. 24.7.1990 – VIII R 194/84, BStBl. II 1992, 508; v. 2.4.1998 – IX ZR 187/97, DStR 1998, 947. 3 BFH v. 24.8.2004 – VIII R 14/02, BStBl. II 2005, 246 = ZIP 2004, 2392.

361

403

404

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

rÅcksichtigung des Rechtswegs in FS Haarmeyer, 2013, 289; Smid, Rechtsschutz gegen Insolvenzrichter, DZWIR 2004, 359; Viertelhausen, Das Finanzamt als Glsubiger im Insolvenzverfahren, InVo 2002, 45; Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzantrsge des Finanzamts, AO-StB 2007, 210.

1. Statthafter Rechtsbehelf Die Finanzverwaltung ist als Steuerglsubiger zur Insolvenzantragstellung berechtigt (Rz. 2.17 ff.). Dem Schuldner stehen gegen einen Insolvenzantrag der Finanzverwaltung finanzgerichtliche RechtsschutzmÇglichkeiten offen, denn der Insolvenzantrag ist eine Vollstreckungshandlung des Finanzamts auf dem Gebiet des Abgabenrechts (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO).1 Der Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ist kein Verwaltungsakt, denn durch ihn wird keine Regelung getroffen, sondern eine gerichtliche Entscheidung, nsmlich die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens, angestrebt.2 Dies gilt unabhsngig davon, dass gegen den ErÇffnungsbeschluss und gegen die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse Rechtsmittel zu den ordentlichen Gerichten gegeben sind (§§ 34 Abs. 2, 6 und 7 InsO).3 Somit kommen vor dem FG die allgemeine Leistungsklage bzw. die einstweilige Anordnung nach § 114 FGO in Betracht, wobei in aller Regel aufgrund der extremen EilbedÅrftigkeit nur die einstweilige Anordnung effektiven Rechtsschutz bringen kann, da der Schuldner in der Regel bereits durch die Anordnung vorlsufiger Sicherungsmaßnahmen durch das Insolvenzgericht schwerwiegend und nachhaltig in seinen geschsftlichen EntfaltungsmÇglichkeiten beeintrschtigt wird. Im Rahmen des finanzgerichtlichen Rechtsschutzes prÅft das Gericht vor allem, ob das Finanzamt im Rahmen der Entscheidung Åber die Insolvenzantragstellung von seinem Ermessen fehlerfreien Gebrauch gemacht hat.4 2. Einstweilige Anordnung auf RÅcknahme des Insolvenzantrages Begehrt der Schuldner einstweiligen Rechtsschutz, hat er den Antrag zu stellen, dem Finanzamt aufzugeben, den InsolvenzerÇffnungsantrag zurÅckzunehmen. Der Erlass der entsprechenden einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Schuldner das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes darlegt und glaubhaft macht (§ 114 Abs. 3 FGO).5 Die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs setzt die Darlegung voraus, dass der in das pflichtgemsße Ermessen der FinanzbehÇrde gestellten Vollstreckungsmaßnahme (also hier dem Insolvenzantrag) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass fÅr den 1 FG Nds. v. 10.1.2006 – 15 V 503/05, PStR 2006, 245. 2 Werth, AO-StB 2007, 210 ff.; BFH v. 19.12.1989 – VII R 30/89, ZIP 1991, 458 = BFH/NV 1990, 710. 3 FG Nds. v. 10.1.2006 – 15 V 503/05, PStR 2006, 245. 4 BFH v. 26.4.1988 – VII B 176/87, ZIP 1989, 247 = BFH/NV 1988, 762. 5 FG MÅnchen v. 23.7.2009 – 14 V 1869/09, ZInsO 2009, 2348 ff.; BFH v. 26.4.1988 – VII B 176/87, ZIP 1989, 247 = BFH/NV 1988, 762.

362

E. Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren

Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag auf sachfremden Erwsgungen oder unter missbrsuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde.1 Ein Anordnungsanspruch ist insbesondere gegeben, wenn – ein InsolvenzerÇffnungsgrund nicht vorliegt, – es vom Kenntnishorizont der Finanzverwaltung aus betrachtet keine klaren Anhaltspunkte fÅr das Vorliegen von InsolvenzerÇffnungsgrÅnden gibt (z.B. Zahlungsunwilligkeit statt Zahlungsunfshigkeit Grund fÅr die Nichtbegleichung einer Steuerschuld sein kann), – das Finanzamt von seinem Ermessen keinen Gebrauch gemacht hat, – das Finanzamt mit dem Insolvenzantrag insolvenzzweckwidrige Ziele verfolgt,2 beispielsweise wenn der Antrag lediglich als „Druckmittel“ fÅr die Abgabe von Steuererklsrungen oder -anmeldungen dient,3 – das Finanzamt ohne plausible GrÅnde von dem Schuldner angebotene Sicherheiten nicht angenommen hat,4 – der Insolvenzantrag unter missbrsuchlicher Ausnutzung der Rechtsstellung des Steuerglsubigers oder aus sachfremden Erwsgungen gestellt worden ist, z.B. weil damit nicht die Befriedigung wegen der Steuerforderungen, sondern die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners bezweckt wird,5 – wenn fÅr das Finanzamt feststeht, dass eine die Kosten der DurchfÅhrung eines Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) deckende Masse nicht vorhanden ist,6 – der Antrag unverhsltnismsßig ist: Aus dem Grundsatz der Verhlltnismlßigkeit folgt, dass ein Insolvenzantrag als die fÅr den Schuldner am meisten einschneidende und gefshrlichste Maßnahme der Zwangsvollstreckung erst in Betracht kommt, wenn weniger belastende Maßnahmen der Einzelvollstreckung ausgeschÇpft sind oder keine Aussicht auf Erfolg versprechen.7 Ob andere MÇglichkeiten der Einzelvollstreckung ausgeschÇpft sind, kann regelmsßig erst nach Einsicht in das VermÇgensverzeichnis beantwortet werden.8 Die FinanzbehÇrde ist allerdings nicht in jedem Fall zwingend verpflichtet, vor Stellung eines Antrages auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Schuldners, diesen gem. § 284 Abs. 1 AO zur Vorlage eines VermÇgens1 2 3 4 5

BFH v. 25.2.2011 – VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017. BFH v. 11.12.1990 – VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787. BFH v. 1.3.1990 – VII B 155/89, ZIP 1991, 457 = BFH/NV 1990, 787. BFH v. 26.4.1988 – VII B 176/87, ZIP 1989, 247 = BFH/NV 1988, 762. BFH v. 12.12.2005 – VII R 63/04, ZInsO 2006, 603 (604); v. 23.7.1985 – VII B 29/85, BFH/NV 1986, 41 ff. 6 BFH v. 12.12.2005 – VII R 63/04, ZInsO 2006, 603 (604). 7 FG Nds. v. 10.1.2006 – 15 V 503/05, PStR 2006, 245; AG GÇttingen v. 1.11.2006 – 74 IN 117/06, ZIP 2007, 295 = ZInsO 2007, 48; FG MÅnster v. 15.3.193000 – 12 V 1054/00, FG MÅnster v. 15.3.2000 – 12 V 1054/00 AO, EFG 2000, 634 ff. 8 BFH v. 11.12.1990 – VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787; FG Nds. v. 10.1.2006 – 15 V 503/05, PStR 2006, 245.

363

3.405

406

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

verzeichnisses aufzufordern.1 Dies gilt auch fÅr das Verlangen der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs. 3 AO, das voraussetzt, dass der Schuldner gegenÅber der FinanzbehÇrde entsprechende Angaben gemacht hat, deren Richtigkeit und Vollstsndigkeit er versichern soll. Hat sich der Vollstreckungsschuldner der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung mehrmals entzogen, kann ein Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens auch ohne vorherige Aufforderung zur Vorlage eines VermÇgensverzeichnisses ermessensfehlerfrei gestellt werden.2 Eine derartige Verweigerung ist aber nicht gegeben, wenn der Vollstreckungsschuldner lediglich von seinem Recht Gebrauch macht, die Anordnung mit einem zulsssigen Rechtsmittel auf ihre Rechtmsßigkeit hin zu ÅberprÅfen.3 Somit liegt einem Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nicht von vornherein ein Ermessensfehler zugrunde, wenn die FinanzbehÇrde zuvor an den Steuerschuldner keine Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gerichtet hat. Vielmehr kommt es auf die Umstsnde des jeweiligen Einzelfalls an, ob eine Vorgehensweise nach § 284 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AO vor Antragstellung erforderlich ist und ob sich ein Absehen von der DurchfÅhrung solcher Vollstreckungsmaßnahmen als ermessensfehlerhaft darstellen wÅrde,4 – das Finanzamt von seinem Ermessen auf sonstige Weise fehlerhaft Gebrauch gemacht hat. Ein Anordnungsanspruch liegt nicht allein deshalb vor, weil – die Forderungen des Finanzamtes noch nicht bestandskrsftig festgesetzt sind,5 – die Forderung des Finanzamtes sehr gering ist (deswegen allein fehlt es nicht an der Verhsltnismsßigkeit), – das Finanzamt keine Anhaltspunkte dafÅr hat, dass eine die Kosten der DurchfÅhrung eines Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) deckende Masse vorhanden ist, solange das Finanzamt nicht sicher weiß, dass eine solche nicht vorhanden ist,6 – die Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der NachprÅfung stehen (§ 164 AO),7 – das Finanzamt auf ein Ratenzahlungsangebot des Schuldners nicht eingegangen ist, das Ratenzahlungen zum Gegenstand hatte, die nicht in absehbarer Zeit zu einer Begleichung der Schuld hstten fÅhren kÇnnen,8 1 2 3 4 5 6 7 8

BFH v. 26.2.2007 – VII B 98/06; v. 12.12.2005 – VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900. FG KÇln v. 19.3.2009 – 15 V 111/09, EFG 2009, 1128 ff. FG KÇln v. 19.3.2009 – 15 V 111/09, EFG 2009, 1128 ff. BFH v. 26.2.2007 – VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270 ff. BFH v. 11.12.1990 – VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787. BFH v. 12.12.2005 – VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900 ff. BFH v. 11.12.1990 – VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787. BFH v. 12.12.2005 – VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900 ff.

364

E. Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren

– der Schuldner beim Finanzamt einen Antrag auf Vollstreckungsaufschub,1 Ratenzahlung oder Erlass2 gestellt und das Finanzamt darÅber noch nicht entschieden hat, – der Schuldner zusichert, die dem Insolvenzantrag zugrunde liegenden Forderungen kurzfristig auszugleichen. Zum einen sind solche Zahlungen nsmlich ohnehin regelmsßig der Insolvenzanfechtung unterworfen, zum anderen zeigt die Praxis, dass solche Zahlungsbeteuerungen an der Tagesordnung sind, wshrend kaum einmal tatsschlich ein Ausgleich der Forderungen erfolgt. Der BFH hat es in seiner Rechtsprechung bisher offen gelassen, ob es wegen der einschneidenden Folgen einer Insolvenz fÅr den Schuldner der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes fÅr die erstrebte einstweilige Regelung Åberhaupt bedarf.3 Man wird dies jedoch bejahen mÅssen, ohne allerdings zu strenge Anforderungen zu stellen und ohne die Eilsituation des Insolvenzantragsverfahrens aus dem Blick zu verlieren. Die in § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO genannten AnordnungsgrÅnde („wesentliche Nachteile“ und „drohende Gewalt“) setzen Maßstsbe fÅr die Beurteilung der Frage, ob „andere GrÅnde“ fÅr den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegen.4 Diese Parallele zeigt, dass nicht unbedingt die wirtschaftliche oder persÇnliche Existenz des Schuldners unmittelbar bedroht sein muss.5 Die den Anordnungsgrund rechtfertigenden Umstsnde mÅssen aber Åber die Nachteile hinausgehen, die im Regelfall bei der Einzelvollstreckung zu erwarten sind.6 Zu bedenken ist, dass in Folge der Insolvenzantragstellung in kurzer Zeit eine ganze Reihe von Maßnahmen durch das Insolvenzgericht getroffen werden (mÅssen), die den Schuldner nicht nur wirtschaftlich schwerwiegend beeintrschtigen, sondern vor allem auch seine Zuverlsssigkeit im Geschsftsverkehr in Frage stellen und ihn in Wirtschaftskreisen diskreditieren kÇnnen. Die Praxis zeigt sehr deutlich, dass die Anordnung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung (die auch Çffentlich bekannt gemacht wird, § 23 Abs. 1 Satz 1 InsO) Schockwellen bei allen mit dem Schuldner in Geschsftsbeziehung stehenden Personen auslÇst. Lieferanten stellen oft per sofort ihre Lieferungen ein, Arbeitnehmer erkundigen sich bei der Arbeitsagentur nach Insolvenzgeld, Banken sperren unverzÅglich Konten und Dispositionslinien, Kunden leisten keine Vorauskasse mehr und suchen sich oft sogar sehr schnell neue Bezugsquellen. Alle diese Reflexe der Anordnung von Sicherungsmaßnah-

1 BFH v. 12.12.2005 – VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900 ff. 2 BFH v. 11.12.1990 – VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787. 3 Wohl bejahend BFH v. 28.2.2011 – VII B 224/10, ZIP 2011, 724; offengelassen in BFH v. 11.12.1990 – VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787 m.w.N. 4 FG Nds. v. 10.1.2006 – 15 V 503/05, PStR 2006, 245. 5 So streng aber FG Nds. v. 10.1.2006 – 15 V 503/05, PStR 2006, 245. 6 So zu Recht FG Nds. v. 10.1.2006 – 15 V 503/05, PStR 2006, 245; zu weitgehend Werth, AO-StB 2007, 210, die offenbar Nachteile fordert, die sogar „Åber die InsolvenzerÇffnung als solche hinausgehen“.

365

3.407

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

men kÇnnen kaum aufgehalten werden. Zwar gelingt es vorlsufigen Insolvenzverwaltern in der Regel, zumindest einen großen Teil der Kunden, Lieferanten und Arbeitnehmer „bei der Stange“ zu halten. Gleichwohl sind zumeist herbe Verluste zu verzeichnen. Zudem entsteht ein fataler Imageverlust, der auch durch eine Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen nicht wieder vÇllig beseitigt werden kann. Die vorlsufige Insolvenzverwaltung lÇst einen Vertrauensverlust aus, den der Schuldner nur Åber lsngere Zeit wieder wettmachen kann. Da das Insolvenzgericht nicht die Rechtmsßigkeit (insbesondere fehlerfreie ErmessensausÅbung durch die Finanzverwaltung) des Insolvenzantrages des Finanzamtes prÅfen darf und manche Insolvenzgerichte – zu Recht – auf einen Glsubigerantrag hin innerhalb weniger Tage mit der Anordnung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung reagieren, wenn der Schuldner einen Geschsftsbetrieb unterhslt, sind sußerst kurzfristige Entscheidungen der FG Åber Antrsge auf einstweilige Anordnung erforderlich.

408

Im Hinblick auf die einschneidenden Folgen eines Insolvenzantragsverfahrens dÅrfen keine ÅberhÇhten Anforderungen an den Umfang der Darlegungen und deren Glaubhaftmachung gestellt werden. Insbesondere kann nicht verlangt werden, der Schuldner mÅsse darlegen, dass das Insolvenzgericht alsbald Sicherungsmaßnahmen anordnen wird. Da deren Anordnung im pflichtgemsßen Ermessen des Insolvenzrichters liegt, kann das FG ohne weiteres antizipieren, ob mit der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen zu rechnen ist oder nicht. Ist dies der Fall, so ist vom Bestehen des Anordnungsgrundes (und auch einer genÅgenden Darlegung) auszugehen.

409

Sind Sicherungsmaßnahmen bereits angeordnet, liegt in deren Aufrechterhaltung in der Regel ebenfalls ein Anordnungsgrund, denn die Tatsache, dass der Schuldner Åber sein VermÇgen nicht verfÅgen kann, schrsnkt ihn in seiner wirtschaftlichen und gewerblichen Tstigkeit stark ein. Ein geordneter Zahlungsverkehr ist nicht mÇglich, weil der vorlsufige Insolvenzverwalter der Befriedigung von Insolvenzforderungen nicht zustimmen darf und auch Arbeitnehmer nicht aus dem schuldnerischen VermÇgen bezahlt werden dÅrfen, sondern diese AnsprÅche auf Insolvenzgeld geltend machen mÅssen. Je lsnger die Sicherungsmaßnahmen andauern, desto mehr verfestigt sich bei Vertragspartnern des Schuldners somit der Eindruck, man mÅsse sich nach Alternativen umschauen. Ist ein vorlsufiger Insolvenzverwalter bereits bestellt, so ist er gem. § 60 Abs. 1 Satz 1 FGO von Amts wegen beizuladen. Er ist zwar nicht in seiner persÇnlichen Rechtsstellung betroffen. Seine Beiladung dient aber der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der Insolvenzglsubiger, zu deren gemeinsamer Interessenwahrnehmung die Anordnung der Sicherungsmaßnahmen erfolgt ist, und die vom FG kaum alle einzeln beigeladen werden kÇnnen.

410

Der BFH hat bisher offengelassen, ob der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO, durch die das Finanzamt zur RÅcknahme eines InsolvenzerÇffnungsantrages verpflichtet wird, eine unzulsssige Vorweg-

366

E. Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren

nahme der Hauptsache darstellt.1 Das ist jedoch zu verneinen.2 Ein Rechtsschutzziel, das die Hauptsache vorwegnimmt, widerspricht zwar grundsstzlich der Funktion des vorlsufigen Rechtsschutzes. Eine Regelungsanordnung darf nach stsndiger Rechtsprechung grundsstzlich nur eine einstweilige Regelung enthalten und das Ergebnis der Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen oder diesem endgÅltig vorgreifen.3 Anderes gilt aber im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) dann, wenn ohne vorlsufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstÅnden, zu deren nachtrsglicher Beseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht mehr in der Lage wsre.4 Dies ist im Insolvenzantragsverfahren regelmsßig der Fall, denn nach Ergehen des ErÇffnungsbeschlusses sind vollendete Tatsachen geschaffen, die in einem Hauptsacheverfahren nicht korrigierbar und im Hinblick auf ihre einschneidenden Folgen ohne effektiven Rechtsschutz nicht hinnehmbar wsren.5 Nach § 13 Abs. 2 InsO kann der Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nsmlich nur zurÅckgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren erÇffnet oder der Antrag rechtskrsftig abgewiesen ist. Nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens soll nach dem Willen des Gesetzgebers im Interesse der Rechtssicherheit die ErÇffnung des Verfahrens wegen ihrer Wirkungen gegenÅber Dritten durch eine RÅcknahme des Antrages nicht mehr in Frage gestellt werden kÇnnen; nicht erforderlich ist, dass der Beschluss Åber die VerfahrenserÇffnung rechtskrsftig ist. Die MÇglichkeit der RÅcknahme entfsllt daher mit dem Wirksamwerden des ErÇffnungsbeschlusses.6 Auch kann keine taugliche Alternative zur AntragsrÅcknahme in der nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens mÇglichen Einstellung nach §§ 212, 213 InsO gesehen werden, weil dazu die in diesen Normen enthaltenen besonderen Voraussetzungen gegeben sein mÅssten, die keineswegs vorliegen mÅssen, wenn die Stellung des Insolvenzantrages rechtswidrig war. Ergsnzend s. auch ausfÅhrlich oben Rz. 2.27. ! Hinweis: In der Praxis stellen Schuldner oft nicht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO, sondern sie beantragen Aussetzung der Vollziehung des dem Insolvenzantrag zugrunde liegenden Bescheids (§§ 361 AO, 69 Abs. 3 FGO). Dieses kann, muss aber nicht den gewÅnschten Erfolg haben, dass die Finanzverwaltung ihren Insolvenzantrag zurÅcknimmt oder jedenfalls, dass es nicht zur Anordnung von Sicherungsmaßnahmen durch das Insolvenzgericht kommt.

1 BFH v. 11.12.1990 – VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787; allerdings wohl inzident verneinend in BFH v. 28.2.2011 – VII B 224/10, BFH/NV 2011, 763 = ZIP 2011, 724. 2 So zu Recht FG KÇln v. 19.3.2009 – 15 V 111/09, EFG 2009, 1128 ff. 3 BFH v. 22.8.1995 – VII B 153/95, VII B 154/95, VII B 167/95, VII B 172/95, BStBl. II 1995, 645, m.w.N. 4 BFH v. 7.1.1999 – VII B 170/98, BFH/NV 1999, 818. 5 FG Nds. v. 10.1.2006 – 15 V 503/05, PStR 2006, 245. 6 LG GÇttingen v. 23.3.1998 – 10 T 10/98, ZIP 1998, 571 = NZI 1998, 92 (92).

367

411

412

Kapitel 3

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Wird Aussetzung der Vollziehung gewshrt, darf der materielle Regelungsinhalt des nach wie vor wirksamen Bescheids bis auf weiteres nicht mehr verwirklicht werden, so dass rechtliche und tatsschliche Folgerungen aus dem Bescheid nicht gezogen werden dÅrfen.1 Der FinanzbehÇrde ist nach der Aussetzung der Vollziehung jegliches Gebrauchmachen von den Wirkungen des Bescheids untersagt. Bei bereits durchgefÅhrten Vollziehungsmaßnahmen kommt deren RÅckgsngigmachung durch Aufhebung der Vollziehung (§ 361 Abs. 2 Satz 3 AO) in Betracht. Somit darf die FinanzbehÇrde auf der Grundlage eines Bescheids, dessen Vollziehung ausgesetzt ist, keinen Insolvenzantrag stellen und ist auch verpflichtet, einen bereits gestellten Insolvenzantrag zurÅckzunehmen. Stellt sie aber dennoch einen Insolvenzantrag bzw. nimmt sie einen bereits gestellten Insolvenzantrag nicht zurÅck, so hilft dem Schuldner gegen dieses rechtswidrige Vorgehen nur der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO. FÅr das Tstigwerden des Insolvenzgerichts ist nsmlich ein zulsssiger Insolvenzantrag maßgeblich. An der (insolvenzverfahrensrechtlichen) Zulsssigkeit des Insolvenzantrages sndert die fehlende Vollziehbarkeit des Bescheides nichts, weil es hier auf die Glaubhaftmachung einer fslligen Forderung des Antragstellers ankommt. Die Aussetzung der Vollziehung hebt jedoch weder den der Insolvenzantragstellung zugrunde liegenden Bescheid auf, noch schiebt sie die Fslligkeit der festgesetzten Betrsge hinaus. Das Insolvenzgericht kann zwar aus der Aussetzung der Vollziehung einen RÅckschluss auf materielle Rechtswidrigkeit des Bescheids ziehen und den Bescheid in Folge dessen als fÅr die Glaubhaftmachung einer Forderung unzureichend erachten, muss dies aber nicht. Ist die Vollziehung beispielsweise nicht aufgrund eines Zweifels an der materiellen Rechtmsßigkeit des Bescheids ausgesetzt, sondern weil die Vollziehung fÅr den Schuldner eine unbillige, nicht durch Åberwiegende Çffentliche Interessen gebotene Hsrte zur Folge hstte (§ 361 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 AO), so hat das Insolvenzgericht von einer bestehenden und fslligen Steuerschuld des Schuldners auszugehen und – wenn auch die Åbrigen fÅr die Glaubhaftmachung des Steueranspruchs der Finanzverwaltung erforderlichen Unterlagen (Rz. 2.31 ff.) beigebracht werden – nach pflichtgemsßem Ermessen Sicherungsmaßnahmen anzuordnen. Das Insolvenzgericht kann dabei nicht den Umstand berÅcksichtigen, dass die Finanzverwaltung auf der Grundlage des Bescheids, dessen Vollziehung ausgesetzt ist, gar nicht (abgabenrechtlich) zur Stellung des Insolvenzantrages berechtigt wsre und insoweit rechtswidrig handelt.

Nach § 128 Abs. 3 FGO steht dem Schuldner die Beschwerde gegen die Entscheidung des FG Åber eine einstweilige Anordnung nach § 114 Abs. 1 FGO nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Eine Beschwerdezulassung durch den BFH findet auch dann nicht statt, wenn die Verletzung rechtlichen GehÇrs gerÅgt wird.2 3. Allgemeine Leistungsklage Statthaft ist auch die Leistungsklage auf RÅcknahme des Insolvenzantrags.3 Es bedarf keines Vorverfahrens. Mit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens wird die Klage wegen fehlenden RechtsschutzbedÅrfnisses unzulsssig, da der Insolvenzantrag nach der ErÇffnung gem. § 13 Abs. 2 InsO 1 BFH v. 3.7.1995 – GrS 3/93, BStBl. II 1995, 730. 2 BFH v. 3.5.2007 – VII B 50/07 (NV). 3 BFH v. 26.4.1988 – VII B 176/87, ZIP 1989, 247 = BFH/NV 1988, 762.

368

E. Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren

nicht mehr zurÅckgenommen werden kann. Der Klsger kann dann nur noch durch Klagesnderung nach § 67 FGO von der allgemeinen Leistungsklage zur Feststellungsklage wechseln. Stellt das FG fest, dass der Insolvenzantrag rechtswidrig war, entfaltet sein Urteil Bindungswirkung fÅr einen zivilgerichtlichen Schadensersatzprozess, in dem der Insolvenzschuldner seinen Schadensersatzanspruch aus Amtspflichtverletzung gem. Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB geltend machen kann.1

III. Beendigung des Insolvenzverfahrens Mit Beendigung des Insolvenzverfahrens entfsllt die ProzessfÅhrungsbefugnis des Insolvenzverwalters hinsichtlich ssmtlicher Gegenstsnde, die zu dem schuldnerischen VermÇgen gehÇren. Die ProzessfÅhrungsbefugnis entfsllt auch dann, wenn der Insolvenzverwalter Adressat des angefochtenen Steuerbescheids war.2 Ist zur Zeit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ein die Insolvenzmasse betreffendes Einspruchsverfahren oder ein finanzgerichtliches Klageverfahren anhsngig, so wird dieses analog § 239 ZPO unterbrochen.3 Wshrend der Verfahrensunterbrechung kann eine Einspruchsentscheidung dem Insolvenzschuldner nicht wirksam bekannt gegeben werden. Eine Klagefrist kann nicht zu laufen beginnen. Eine gerichtliche Entscheidung kann nicht wirksam ergehen.

1 Werth, AO-StB 2007, 210 (213). 2 BFH v. 6.7.2011 – II R 34/10, BFH/NV 2012, 10. 3 BFH v. 6.7.2011 – II R 34/10, BFH/NV 2012, 10.

369

3.413

Kapitel 3

370

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz A. Einkommensteuer Literatur Beck, Ertragsteuerliches Fiskusprivileg im vorlsufigen Insolvenzverfahren – mÇgliche Auswirkungen des neuen § 55 Abs. 4 InsO, ZIP 2011, 551; Boochs, Steuerliche Auswirkungen des RegE-ESUG, BB 2011, 857; Bunte/von Kaufmann, Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG): Kontrsre Positionen im Gesetzgebungsverfahren, DZWIR 2011, 359; Carlp/Urbach, Betriebsaufspaltung – Gestaltungschancen und Gestaltungsrisiken, KySDI 2012, 18093; Crezelius, Aktuelle Steuerrechtsfragen in Krise und Insolvenz, NZI 2009, 837; NZI 2010, 88; NZI 2010, 252; NZI 2010, 435, NZI 2011, 581; NZI 2012, 72; NZI 2012, 267; NZI 2012, 446; NZI 2012, 606; NZI 2012, 750; NZI 2013, 76; Demuth/Helms, Gesellschafterforderungen und NutzungsÅberlassung in der InsO – steuerliche Fernwirkung zivilrechtlicher Bestimmungen, KySDI 2012, 18066; Eisolt, Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG an den Insolvenzverwalter, ZInsO 2013, 1564; Farr, Der Fiskus als Steuer- und Insolvenzglsubiger im Restschuldbefreiungsverfahren, BB 2003, 2324; Fichtelmann, Einkommensteuer und Insolvenz, EFG 2005, 255; Fuhrmann, Gesellschafterfremdfinanzierung von Personen- und Kapitalgesellschaften, KySDI 2012, 17977; Gundlach/Rautmann, znderungen der Insolvenzordnung durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011, DStR 2011, 82; Hackemann/Momen, Sanierungsklausel (§ 8c Abs. 1a KStG) – Analyse der EntscheidungsbegrÅndung der EU-Kommission, BB 2011, 2135; Herzig, Ertragsteuerliche Begleitmaßnahmen zur Modernisierung des Insolvenzrechts, WPg 2011, Sonderheft, 27; Janssen, Erlass von Steuern auf Sanierungsgewinne, DStR 2003, 1055; Kahlert, Fiktive Masseverbindlichkeiten im Insolvenzverfahren: Wie funktioniert § 55 Abs. 4 InsO?, ZIP 2011, 401; Kalte Zwangsverwaltung von GrundstÅcken im Insolvenzverfahren und Einkommensteuer, DStR 2013, 97; Kammeter, Einkommensteuer fÅr LohneinkÅnfte nach InsolvenzerÇffnung keine (vorrangig zu befriedigende) Masseverbindlichkeit, HFR 2011, 664; Klaas/Zimmer, Zeitpunkt der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit als taugliches Qualitstsmerkmal des Insolvenzverwalters?, ZInsO 2011, 666; KrÅger, Insolvenzsteuerrecht Update 2010, ZInsO 2010, 164; Ley, Neuere Entwicklungen und Praxiserkenntnisse zu § 15a EStG, KySDI 2004, 14374; Loose, Nach InsolvenzerÇffnung durch nichtselbstsndige Tstigkeit begrÅndete Einkommensteuerschulden keine Masseverbindlichkeiten, EFG 2010, 885; Nawroth, Der neue § 55 Abs. 4 InsO – die Gedanken sind frei ..., ZInsO 2011, 107; Onusseit, Zur Neuregelung des § 55 Abs. 4 InsO, ZInsO 2011, 641; Reichle, Die Betriebsaufspaltung als Finanzierungsinstrument des (vorlsufigen) Insolvenzverwalters – Eine Haftungsfalle fÅr Steuerberater, NWB 2013, 2074; Roth, Aufdeckung stiller Reserven im Insolvenzverfahren, FR 2013, 441; Umwandlungsrechtliche Spaltungsvorgsnge und Insolvenzanfechtung, ZInsO 2013, 1709; Roth, Einkommensteuer als sonstige Masseverbindlichkeit bei Versußerung von mit Absonderungsrechten belasteten WirtschaftsgÅtern des BetriebsvermÇgens durch den Insolvenzverwalter, Kommentierung zu BFH, IV R 23/11, FR 2014, 243; Schmittmann, Vernichtung virtueller Insolvenzmassen von Amts wegen: Ein Trauerspiel in drei Akten, ZInsO 2011, 105; Schmittmann in Schmidt, Insolvenzordnung 18. Aufl., MÅnchen 2013, § 155 InsO; Anhang Steuerrecht Rz. 92 ff.; SchÇler, Verlustvortrag und Zusammenveranlagung in der Insolvenz eines Ehegatten, DStR

371

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz 2013, 1453; Trottner, WiedereinfÅhrung des Fiskusprivilegs? § 55 Abs. 4 InsO in der Fassung des HBeglG 2011, NWB 4/2011, 309; Uhlnnder, Steuern als Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO – xberblick zur Neuregelung ab dem 1.1.2011, AO-StB 2011, 84; Der Steuerberater als Lotse in der Krise des Mandanten!, GastEditorial, NWB 26/2012, 2113; Zimmer, Keine Haftung der Gesellschafter fÅr Masseverbindlichkeiten in der Insolvenz einschließlich § 55 Abs. 4 InsO?, ZInsO 2011, 1081.

I. Grundlagen

4.1 NatÅrliche Personen, die in Deutschland einen Wohnsitz oder ihren ge-

wÇhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschrsnkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG). Daneben kÇnnen deutsche StaatsangehÇrige auch unter den Voraussetzungen gem. § 1 Abs. 2 EStG einkommensteuerpflichtig sein. Der Wohnsitz einer Person liegt gem. § 8 AO dort, wo diese Person eine Wohnung unter Umstsnden innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten oder benutzen wird. Es ist unerheblich, ob die Person weitere Wohnsitze innehat, die im Ausland liegen. Der gewÇhnliche Aufenthalt einer Person ist gem. § 9 Satz 1 AO dort, wo sich jemand unter Umstsnden aufhslt, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorÅbergehend verweilt.

4.2 Der Einkommensteuer unterliegen gem. § 2 Abs. 1 EStG EinkÅnfte aus sieben Einkunftsarten: – EinkÅnfte aus Land- und Forstwirtschaft, – EinkÅnfte aus Gewerbebetrieb, – EinkÅnfte aus selbstsndiger Arbeit, – EinkÅnfte aus nichtselbstsndiger Arbeit, – EinkÅnfte aus KapitalvermÇgen, – EinkÅnfte aus Vermietung und Verpachtung, – Sonstige EinkÅnfte i.S.d. § 22 EStG.

4.3 Die Art und Weise der EinkÅnfteermittlung ist nicht bei allen Einkunfts-

arten einheitlich. Bei EinkÅnften aus Land und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstsndiger Arbeit sind EinkÅnfte der Gewinn (§ 2 Abs. 2 Ziff. 1 EStG); man spricht deshalb bei diesen Einkunftsarten von GewinneinkÅnften (zum Gewinnbegriff s. § 4 EStG). Bei den Åbrigen Einkunftsarten spricht man von xberschusseinkÅnften (zur Ermittlung des xberschusses s. §§ 8, 9 EStG), weil sich hier die EinkÅnfte aus dem xberschuss der EinkÅnfte Åber die Werbungskosten ergeben (§ 2 Abs. 2 Ziff. 2 EStG). FÅr bestimmte Einkunftsarten sind besondere Steuererhebungsarten vorgesehen, z.B. fÅr die EinkÅnfte aus nichtselbstsndiger Arbeit das Lohnsteuerabzugsverfahren (Rz. 4.82 ff.) und fÅr Kapitalertrsge der Abzug vom Kapitalertrag (Rz. 4.71 ff.). FÅr die einzelnen Einkunftsarten finden sich jeweils in den §§ 15 bis 22 EStG ausfÅhrliche Sondervorschriften.

4.4 Steuersubjekt ist diejenige natÅrliche Person, die die EinkÅnfte erzielt. Bemessungsgrundlage fÅr die Einkommensteuer ist das zu versteuernde

372

A. Einkommensteuer

Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG). Das zu versteuernde Einkommen ergibt sich aus der Summe der EinkÅnfte, vermindert bestimmte Entlastungsund Abzugsbetrsge sowie Sonderausgaben (vgl. § 2 Abs. 3 bis 5 EStG). Der tatsschlich zu entrichtende Steuerbetrag ergibt sich durch Anwendung des Einkommensteuertarifs (§ 32a Abs. 1, 5 EStG) auf das zu versteuernde Einkommen. Dieser Steuerbetrag wird auch als tarifliche Einkommensteuer bezeichnet. Mit gewissen Modifikationen (§ 2 Abs. 6 EStG) entspricht die tarifliche Einkommensteuer der durch Steuerbescheid festzusetzenden Einkommensteuer. Die festzusetzende Einkommensteuer ist nicht nur der Betrag, den der Steuerpflichtige gegenÅber dem Fiskus schuldet; dieser Betrag ist zugleich Maßstab fÅr die Bemessung des Solidaritstszuschlags und der Kirchensteuer (Rz. 4.700 f.). Besteuerungszeitraum ist das Kalenderjahr (§ 2 Abs. 7 EStG). Bei einer solchen Jahressteuer werden nicht die einzelnen Geschsftsvorfslle, die EinkÅnfte auslÇsen, separat erfasst, sondern es wird der Einkommenserfolg des gesamten Kalenderjahres saldiert und der Besteuerung unterworfen. Die Einkommensteuerschuld entsteht am Ende des Kalenderjahres (§ 36 Abs. 1 EStG). Davon ist die Fslligkeit des Steueranspruchs zu unterscheiden. Diese richtet sich nach § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG. Die Norm bildet eine Sondervorschrift zu § 220 Abs. 2 AO.

4.5

Der Steuerpflichtige hat gem. § 25 Abs. 3 EStG nach Ablauf eines Veranlagungszeitraumes eine Steuererklsrung abzugeben. Die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklsrung besteht somit unabhsngig von einer Aufforderung durch die Finanzverwaltung. Hat der Steuerpflichtige einen VermÇgensverwalter (§ 34 Abs. 3 AO), wie etwa im Insolvenzverfahren den Insolvenzverwalter, so ist dieser VermÇgensverwalter zur Abgabe der Steuererklsrung verpflichtet (Rz. 2.106 ff.). Ehegatten, die zusammenveranlagt werden (§ 26b EStG), haben eine gemeinsame Einkommensteuererklsrung abzugeben (§ 26 Abs. 2 Satz 3 EStG). Auf der Grundlage der Einkommensteuererklsrung erfolgt die Veranlagung durch Festsetzung der Steuer mittels Steuerbescheid gem. §§ 155, 157 AO. Die Veranlagung erfolgt von Amts wegen. Dem Steuerpflichtigen steht aber auch ein Anspruch auf die Veranlagung zu.

4.6

II. Praktische Bedeutung der Einkommensteuer im Insolvenzverfahren Im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen einer natÅrlichen Person ist regelmsßig Einkommensteuerpflicht des Insolvenzschuldners gegeben. Zwar sind die Voraussetzungen fÅr die Einkommensteuerpflicht und die DurchfÅhrung eines Insolvenzverfahrens nicht deckungsgleich: FÅr die Einkommensteuerpflicht ist nur die Innehabung einer Wohnung unter Umstsnden, die darauf schließen lassen, dass die betreffende Person sie beibehalten oder benutzen wird, erforderlich, wshrend fÅr die DurchfÅhrung eines Insolvenzverfahrens der Ort maßgeblich ist, an dem der Schuldner im Zeitpunkt des Insolvenzantrages seinen allgemeinen Ge373

4.7

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

richtsstand hat (§ 3 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der allgemeine Gerichtsstand liegt gem. § 13 ZPO an dem Ort, an dem jemand seinen Wohnsitz hat. Als Wohnsitz wird nicht lediglich eine Wohnung angesehen, die jemand innehat; vielmehr ist ein Wohnsitz nur dort gegeben, wo der rsumliche Mittelpunkt der gesamten Lebensverhsltnisse einer Person liegt.1 Spsterer Wegzug ist unmaßgeblich. Die Praxis zeigt aber, dass es nur in seltenen Fsllen zur DurchfÅhrung eines Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen einer Person kommt, die in Deutschland keine Wohnung innehat.

4.8 Einkommensteuerrechtliche Fragen stellen sich daher in vielen Insol-

venzverfahren. Einige Probleme werden seit lsngerer Zeit in der Literatur diskutiert und von der Rechtsprechung behandelt, ohne dass es bislang durchweg abschließende und Åberzeugende LÇsungen gibt. So werden beispielsweise zur Aufteilung der Einkommensteuerschuld des Veranlagungszeitraumes, in den die InsolvenzerÇffnung fsllt, in Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten im Wesentlichen zwei Modelle vorgeschlagen, die aber beide im Ergebnis zu unstimmigen Ergebnissen fÅhren. Hier wird ein anderes Modell vorgestellt, das zu insolvenzrechtlich Åberzeugenderen und steuerrechtlich weniger aufwendigen Ergebnissen fÅhrt (Rz. 4.177 ff.). Manche Fragen wie etwa die des Bausteuerabzugs im Insolvenzverfahren sind bislang wenig erÇrtert, so dass zu vielen Detailfragen Antworten noch fehlen (Rz. 4.113 ff.). Von hoher praktischer Relevanz ist auch der Umgang mit Erstattungsbetrsgen, die sich aus zu viel geleisteten Vorauszahlungen ergeben. Hier steht oft die Aufrechenbarkeit in Frage.

4.9 Besondere Schwierigkeiten ergeben sich im Insolvenzverfahren Åber das

.10

VermÇgen natÅrlicher Personen dann, wenn diese wshrend des Insolvenzverfahrens sowohl insolvenzverhaftete EinkÅnfte erzielt, als auch solche, die dem insolvenzfreien Bereich des Schuldners (Rz. 2.135 ff.) zuzuordnen sind, so dass sie nicht in die Insolvenzmasse fallen. Auch in diesen Fsllen ist eine Aufteilung der einheitlichen Einkommensteuerjahresschuld in eine Verbindlichkeit der Insolvenzmasse und eine Verbindlichkeit des Insolvenzschuldners selbst vorzunehmen, fÅr das er ausschließlich mit seinem insolvenzfreien VermÇgen haftet. Der Aufteilungsmaßstab ist dabei nicht abschließend geklsrt (Rz. 4.177 ff.); im Einzelfall kÇnnen sich schwierige Abgrenzungen ergeben.

III. Ermittlung des zu versteuernden Einkommens wlhrend des Insolvenzverfahrens Durch die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens sndert sich nichts daran, dass die EinkÅnfte des Insolvenzschuldners weiterhin steuerrechtlich diesem zugerechnet werden. Der Schuldner bleibt Trsger der EinkÅnfte und auch Steuerschuldner; keinesfalls kann der Insolvenzverwalter als Steuer1 Patzina in MÅnchKomm/ZPO, § 13 Rz. 6.

374

A. Einkommensteuer

schuldner angesehen werden. Dies gilt unabhsngig davon, ob die EinkÅnfte in das insolvenzfreie VermÇgen des Schuldners fließen oder in die Insolvenzmasse.1 Daran sndert auch nichts, dass durch die InsolvenzerÇffnung ein neues Wirtschaftsjahr beginnt (§ 155 Abs. 2 InsO); die Einkommensteuer bleibt eine Jahressteuer, § 2 Abs. 7 EStG; der Veranlagungszeitraum wird durch die InsolvenzerÇffnung – und auch die Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens – nicht geteilt. Die Einkommensteuerschuld des Insolvenzschuldners entsteht als einheitlicher Steueranspruch nach steuerrechtlichen Grundsstzen. Lediglich die Geltendmachung des Steueranspruchs wird insolvenzrechtlich determiniert. FÅr die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens bedeutet dies, dass im Grundsatz alle EinkÅnfte, egal ob vor InsolvenzerÇffnung oder nach InsolvenzerÇffnung, ob als Massebestandteil oder im insolvenzfreien VermÇgen des Schuldners, positiv oder negativ, zu erfassen sind. Unerheblich ist, ob der Schuldner die EinkÅnfte selbst, etwa durch eigene Arbeit erzielt, oder ob sie der Insolvenzverwalter durch Versußerung der zur Insolvenzmasse gehÇrenden Gegenstsnde erzielt. Gewinne und Verluste, die sich aus den einzelnen Einkommensarten ergeben, sind, soweit nach §§ 2a, 15a und 15b EStG zulsssig, innerhalb der Einkunftsarten und auch zwischen diesen zu saldieren.2 In die Veranlagung sind auch die EinkÅnfte eines zusammenveranlagten Ehegatten aufzunehmen.

4.11

Steuererkllrungen kÇnnen, solange das Insolvenzverfahren erÇffnet und nicht eingestellt oder aufgehoben ist, nur durch den Insolvenzverwalter abgegeben werden. Er ist hierzu nach §§ 80 InsO, 34 Abs. 3 AO verpflichtet, da er als Verwalter des schuldnerischen VermÇgens anzusehen ist.

4.12

IV. Versteuerung stiller Reserven Literatur von Campenhausen, Steuersubjekt- und objektgebundene stille Reserven bei Ergsnzungsbilanzen nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG und § 24 UmwStG, DB 2004, 1282; Hoffmann, Steuerlatenz bei Ent- und Verstrickung von stillen Reserven des AnlagevermÇgens, PiR 2007, 88; Roth, Aufdeckung stiller Reserven im Insolvenzverfahren, FR 2013, 441; Wessel, Das Aufdecken stiller Reserven – Haftungsfalle fÅr den Insolvenzverwalter?, DZWIR 2009, 112; Wienands, Stille Reserven noch vor der Steuerverstrickung steuerfrei aufdecken, GStB 2001, 132.

Durch die Verwertung der Insolvenzmasse kann es zur Aufdeckung stiller Reserven kommen. Als stille Reserve bezeichnet man die aus der Unternehmensbilanz nicht erkennbare Differenz zwischen dem Buchwert und einem Åber dem Buchwert liegenden Marktwert einzelner Bilanzpositio-

1 BFH v. 7.11.1963 – IV 210/62 S, BStBl. III 1964, 70. 2 SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 30.

375

4.13

.14

.15

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

nen. Wird ein Aktivposten, in dem stille Reserven enthalten sind, verkauft, so muss die Differenz zwischen dem Bilanzwert und dem Verkaufspreis als außerordentlicher Gewinn versteuert werden. Das gilt auch in der Insolvenz. Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters fÅhren dieselben steuerlichen Folgen herbei wie Versußerungshandlungen eines Unternehmers außerhalb des Insolvenzverfahrens. Sehr problematisch ist die insolvenzrechtliche Zuordnung der Versußerungsgewinne zu den Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO bzw. zu den Masseverbindlichkeiten im Rang von § 55 InsO. Der BFH hatte zu dieser Fragestellung bereits unter der Konkursordnung im Jahre 1993 Stellung bezogen.1 Er hat damals die aus der Aufdeckung stiller Reserven nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens resultierenden Steuerbetrsge zu den Masseverbindlichkeiten gezshlt. Als BegrÅndung fÅhrt der BFH dort aus: „Die Einkommensteuerschuld entsteht zwar gem. § 36 Abs. 1 EStG am Ende des Veranlagungszeitraums. Sie wird aber i.S.v. § 3 Abs. 1 KO regelmnßig dadurch begrÅndet, dass im Laufe des Veranlagungszeitraums die einzelnen fÅr die HÇhe des Jahreseinkommens maßgebenden Besteuerungsmerkmale erfÅllt werden. FÅr die konkursrechtliche Betrachtung ist danach grundsntzlich entscheidend, ob die Besteuerungsmerkmale vor oder nach KonkurserÇffnung verwirklicht werden. ... Dies hat zur Folge, dass auch jene Einkommensteuer, die auf Verwertungsmaßnahmen des Konkursverwalters i.S.d. § 117 Abs. 1 KO entfnllt, stets als nachkonkursliche Massekosten zu beurteilen ist. Die Besteuerung von stillen Reserven, die in betrieblichen WirtschaftsgÅtern enthalten sind, kann erst durch entsprechende Verwertungshandlungen ausgelÇst werden. Das Ansammeln und Halten stiller Reserven ist hingegen einkommensteuerrechtlich irrelevant; ihre Erfassung in diesem Stadium der betrieblichen VermÇgensbildung widersprnche sowohl dem Realisations- als auch dem Leistungsfnhigkeitsprinzip. Dies ist auch fÅr die konkursrechtliche Beurteilung ausschlaggebend. Die mit der Versilberung der Konkursmasse in Zusammenhang stehende Einkommensteuerschuld stellt deshalb grundsntzlich eine Masseschuld dar; eine Konkursforderung kann darin nicht gesehen werden. Der Senat folgt auch insoweit der bisherigen stnndigen Rechtsprechung des BFH und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Urteile in BFHE 78, 172; BStBl. III 1964, 70, und in BFHE 141, 2; BStBl. II 1984, 602.“

Daran ist in der Folgezeit seitens der Literatur viel Kritik geÅbt worden.2 Die Kritik ist berechtigt (dazu s. sogleich unten). Der IV. Senat des BFH hat hingegen an der frÅheren Rechtsprechung des BFH festgehalten und hat nunmehr sogar die bisher durch den IV. Senat des BFH angenommene Einschrsnkung aufgegeben, nach der die Einkommensteuerschuld nur in derjenigen HÇhe Masseverbindlichkeit werden konnte, in der das verwerteten Wirtschaftsgut nicht mit Absonderungsrechten belastet ist, sondern 1 BFH v. 11.11.1993 – XI R 73/92, ZIP 1994, 1286 = BFH/NV 1994, 477 ff. 2 Roth, FR 2013, 441; Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, S. 93; Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1467 ff.; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 119 ff.; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 142; Onusseit/Kunz, Steuern in der Insolvenz, Rz. 523.

376

A. Einkommensteuer

der VerwertungserlÇs zur Insolvenzmasse geflossen ist.1 Dem ist nun auch der X. Senat gefolgt.2 Die Rechtsprechung des BFH knÅpft ausschließlich an den Entstehungszeitpunkt der aus der Aufdeckung der stillen Reserven resultierenden Steuerforderungen an.3 Diese verkÅrzte Sichtweise widerspricht aber zum einen dem insolvenzrechtlichen Befriedigungssystem4 und ist zum anderen in anderen Zusammenhsngen inzwischen auch Åberwunden. Zutreffend ist, dass die Gewinne aus stillen Reserven erst in dem Zeitpunkt realisiert werden, wenn die Versußerung stattfindet. Zutreffend ist auch, dass der Aufdeckung der stillen Reserven durch Versußerung des Insolvenzverwalters eine Handlung des Insolvenzverwalters bzw. eine Verwertungshandlung nach § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO zugrunde liegt. Gleichwohl ist die Annahme einer Masseverbindlichkeit in solcher Fallkonstellation mit dem tragenden insolvenzrechtlichen Prinzip der Glsubigergleichbehandlung (also der gleichmsßigen, quotalen Verteilung der bei InsolvenzerÇffnung vorhandenen Masse an die in diesem Zeitpunkt bereits vorhandenen Glsubiger) nicht in Einklang zu bringen und beschneidet den Vorrang des insolvenzrechtlichen Befriedungssystems vor dem Steuerrecht in seinem Kern. FÅr die Annahme einer Masseverbindlichkeit, die nicht willentlich durch den Insolvenzverwalter eingegangen wird, muss zur Einhaltung dieses Systems verlangt werden, dass es eine ausdrÅckliche gesetzliche Regelung fÅr „aufoktroyierte“ Masseverbindlichkeiten gibt (wie etwa §§ 109, 113 InsO). Solche Vorschriften, die Masseverbindlichkeiten entstehen lassen, ohne dass der Insolvenzverwalter sie willentlich begrÅndet, durchbrechen die insolvenzrechtliche Befriedigungssystematik, da sie bestimmten Glsubigern aufgrund vor InsolvenzerÇffnung erworbenen Rechtspositionen ein Recht auf Befriedigung aus der Insolvenzmasse einrsumen. Nach dem Grundsatz des Vorrangs des insolvenzrechtlichen Befriedigungssystems vor dem Steuerrecht mÅssen solche Vorschriften im Insolvenzrecht verankert sein und dÅrfen nicht dem Steuerrecht entnommen werden.

4.16

Die mit der Bildung der stillen Reserven verbundenen Steuervorteile sind vorinsolvenzlich entstanden.5 Es ist dadurch im VermÇgen des Insolvenzschuldners zu einer latenten Steuerschuld gekommen, die erst bei Realisierung der stillen Reserve zur steuerrechtlichen Entstehung einer Schuld fÅhrt. Der wirtschaftliche Vorteil, den der Steuerpflichtige dadurch erlangt, dass die Ertragsbesteuerung auf einen spsteren Zeitpunkt nachverlagert wird, wirkt wirtschaftlich betrachtet wie eine Kreditierung, die der Fiskus zugunsten des Steuerpflichtigen vornimmt. Zu bedenken ist, dass

4.17

1 BFH v. 16.5.2013 – IV R 23/11, BStBl. II 2013, 759 = ZIP 2013, 1481 = DStR 2013, 1584; s. dazu Roth, Kommentierung zu BFH, IV R 23/11, BStBl. II 2013, 759 = ZIP 2013, 1481 = FR 2014, 243. 2 BFH v 18.12.2014 – X B 89/14, ZIP 2015, 389 = BFH/NV 2015, 470. 3 BFH v 18.12.2014 – X B 89/14, ZIP 2015, 389 = BFH/NV 2015, 470. 4 AusfÅhrlich, auch zu verfassungsrechtlichen Bedenken Roth, FR 2013, 441-447. 5 AusfÅhrlich Roth, FR 2013, 441.

377

.18

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

aus verfassungsrechtlichen GrÅnden1 bei der Ertragsbesteuerung eine Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfshigkeit zu erfolgen hat. Werden im VermÇgen des Steuerpflichtigen stille Reserven aufgebaut, so ist damit im betreffenden Zeitpunkt eine Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfshigkeit verbunden. Dabei ist es unerheblich, ob eine stille Reserve dadurch entsteht, dass die Verkehrswerte von WirtschaftsgÅtern bei gleich bleibenden oder gar sinkenden Buchwerten steigen oder ob die Buchwerte durch Abschreibungen stsrker sinken als die Verkehrswerte. Jedenfalls fÅhrt die Entstehung einer stillen Reserve dazu, dass der Steuerpflichtige einen geringeren Ertrag versteuert, als es seiner wirtschaftlichen Leistungsfshigkeit entspreche. Dies ist aus verfassungsrechtlicher Sicht hinzunehmen, weil die Durchbrechung der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfshigkeit aus VerwaltungsvereinfachungsgrÅnden punktuell hingenommen werden muss und deswegen das Realisationsprinzip verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Meines Erachtens verfassungswidrig wird die uneingeschrsnkte Umsetzung des Realisationsprinzips in der Insolvenz aber dadurch, dass aus dieser aus bloßen VerwaltungsvereinfachungsgrÅnden verfassungsrechtlich tolerierten Ausnahme zum Gebot der gleichmsßigen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfshigkeit ein manifester, definitiver wirtschaftlicher Vorteil in materieller Hinsicht geschaffen wird2: Nur in Anwendung dieses Systems ist es nsmlich mÇglich, dass der Fiskus seine Besserstellung gegenÅber sonst in jeder Hinsicht gleichen Forderungen zivilrechtlicher Glsubiger erlangt. Außerdem ist die Rechtsprechung des BFH nicht bis zu Ende gedacht und ergibt im Ergebnis auch keinen wirklichen Sinn. Dies sei an folgendem Beispiel, das in der Praxis geradezu den Regelfall darstellen dÅrfte, veranschaulicht: R ist Insolvenzverwalter Åber das VermÇgen des I. I ist natÅrliche Person und einzelunternehmerisch tstig. Zu seinem VermÇgen gehÇrt das Eigentum an einem GrundstÅck, das er betrieblich nutzt. Das GrundstÅck hat einen Buchwert von Euro 1,00. Der Verkehrswert des GrundstÅcks betrsgt Euro 1 000 000. Das GrundstÅck ist mit einer Grundschuld zugunsten der Çrtlichen Sparkasse i.H.v. nominal Euro 700 000 belastet. Die Grundschuld valutiert voll.

Versußert der Insolvenzverwalter dieses GrundstÅck nach InsolvenzerÇffnung, so fÅhrt dies – in Ermangelung von Verlustvortrsgen – zu einer Einkommensteuerschuld i.H.v. Åberschlsgig Euro 500 000. Da der Insolvenzverwalter das GrundstÅck nur lastenfrei stellen kann, wenn er der Sparkasse Euro 700 000 aus dem VersußerungserlÇs zahlt, wÅrde eine Versußerung zu einer Belastung der Insolvenzmasse fÅhren, die Åber den VerwertungserlÇs hinausgeht. Nachdem nun der IV. Senat seine Begrenzung der Masseverbindlichkeiten auf die HÇhe des VersußerungserlÇses aufgegeben hat, muss der Insolvenzverwalter nach dieser Rechtsprechung 1 Siehe ausfÅhrlich dazu Roth, FR 2013, 441. 2 AusfÅhrlich Roth, FR 2013, 441.

378

A. Einkommensteuer

diesen Grundbesitz aus der Insolvenzmasse freigeben – und das, obwohl darin eine freie Insolvenzmasse von Euro 300 000 liegt. Dass es auch in solchen Konstellationen „vermehrt zur Freigabe der mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstsnde kommen“ kÇnnte, hat auch der IV. Senat gesehen.1 Der IV. Senat meint aber, dieses Ergebnis hinnehmen zu kÇnnen, weil die Einkommensteuerschuld aus der Aufdeckung der stillen Reserve dann eben das insolvenzfreie VermÇgen treffe. Dahinter scheint der Gedanke zu stecken, dass die Steuerforderung des Fiskus so jedenfalls nicht verloren wsre (wie in dem Fall, dass man die Forderung als Insolvenzforderung qualifiziert – wobei die Forderung als Insolvenzforderung gar nicht ganz so wertlos wsre, weil der Insolvenzverwalter, wenn er nicht zur Freigabe gezwungen wÅrde, den freien Wert des Gegenstandes zur Masse ziehen und das Finanzamt quotal an diesem Wert partizipieren lassen wÅrde) und der Insolvenzschuldner immerhin die MÇglichkeit eines Zweitinsolvenzverfahrens2 hstte, wenn es in Folge dessen zu einer ineffizienten Restschuldbefreiung kommt, weil der Insolvenzschuldner durch die Einkommensteuerbelastung aus der Aufdeckung der stillen Reserve sogleich wieder insolvent wird. Man muss aber dieses Szenario bis zu Ende denken: Erfolgt in obigem Fall die Freigabe durch den Insolvenzverwalter, so kann der Fall im Wesentlichen auf 3 verschiedene Arten weitergehen: Fortsetzung Variante 1: Der Insolvenzschuldner versußert das freigegebene GrundstÅck alsbald zu einem Kaufpreis i.H.v. Euro 1 000 000. Er wird aus diesem Kaufpreis Euro 700 000 an die Sparkasse zahlen, um das GrundstÅck lastenfrei zu stellen und hslt danach Euro 300 000 flÅssige Mittel in seiner Hand. Am Jahresende (!) entsteht eine Einkommensteuerschuld i.H.v. Euro 500 000, die der Schuldner rund ein weiteres Jahr spster durch seine Einkommensteuererklsrung dem Finanzamt zu erkennen gibt. Aller Voraussicht nach wird das Finanzamt den Einkommensteueranspruch i.H.v. Euro 500 000 dann nicht realisieren kÇnnen und es ist GlÅcksache, ob das Finanzamt noch Euro 300 000 realisieren kann. Ein Zweitinsolvenzverfahren dÅrfte unausweichlich sein. Fortsetzung Variante 2: Der Insolvenzschuldner versußert das freigegebene GrundstÅck nicht. In dem Åber sein VermÇgen erÇffneten Insolvenzverfahren erhalten die Insolvenzglsubiger durch Feststellung ihrer Forderungen zur Insolvenztabelle Vollstreckungstitel gegen den Insolvenzschuldner (§ 178 Abs. 3 InsO). Irgendwann wird das Insolvenzverfahren aufgehoben werden mÅssen. Durch die Aufhebung entfsllt das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO. Spstestens nach 6 Jahren endet auch das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO. Den Insolvenzglsubigern steht es ab diesem Zeitpunkt frei, aus ihren Vollstreckungstiteln Zwangssicherungshypotheken in den noch unbelasteten Teil des GrundstÅcks auszubringen. Dabei ist es freilich GlÅcksache, welcher Glsubiger am schnellsten ist und somit den besten Rang ergattert. Das „Windhundrennen“, das durch die InsolvenzerÇffnung gerade beendet werden und durch eine geordnete und gleichmsßige Glsubigerbefriedigung ersetzt werden sollte, wird geradezu systematisch wieder erÇffnet. Bedenklich ist das vor allen Dingen deswegen, weil jeder Glsubiger einen verfassungsrechtlich geschÅtzten Anspruch gegen den Staat hat, dass dieser seine Forderungen mit den Åb-

1 BFH v. 16.5.2013 – IV R 23/11, BStBl. II 2013, 759 = ZIP 2013, 1481 (Tz. 37) = DStR 2013, 1584. 2 BGH v. 9.6.2011 – IX ZB 175/10, ZIP 2011, 1326 = NJW-RR 2011, 1615.

379

.19

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz rigen Glsubigern im Vollstreckungswege quotal gleichmsßig befriedigt.1 Irgendwann wird einer dieser Glsubiger aus seinem dinglichen Recht die Zwangsversteigerung betreiben. Bis dorthin haben die Åbrigen Glsubiger vermutlich ebenfalls dingliche Rechte erworben, so dass das GrundstÅck wertausschÇpfend dinglich belastet ist. Durch die Zwangsversteigerung wird nun der Versußerungsgewinn realisiert, mit der Folge, dass eine Einkommensteuerschuld i.H.v. Euro 500 000 entsteht. Der Fiskus wird allerdings leer ausgehen, weil diese Einkommensteuerforderung gegen das insolvenzfreie VermÇgen gerichtet ist, in dem nun nichts mehr „ankommt“, weil der VersteigerungserlÇs an die inzwischen dinglich gesicherten Glsubiger verteilt wird. Fortsetzung Variante 3: Die bedenklichste Variante ist allerdings die folgende: Der Insolvenzschuldner versußert das freigegebene GrundstÅck zunschst nicht. In seinem insolvenzfreien VermÇgen entstehen neue Verbindlichkeiten (etwa aus dem privaten Wohnraummietverhsltnis, aus einem freigegebenen Geschsftsbetrieb oder aus sonstigen Rechtsgeschsften, die nicht die Insolvenzmasse betreffen). Diese Neuglsubiger unterliegen nicht dem Vollstreckungsverbot des § 89 InsO. Sie kÇnnen also auch wshrend des erÇffneten Insolvenzverfahrens gegen den Insolvenzschuldner mit seinem insolvenzfreien VermÇgen klagen und auch gegen das insolvenzfreie VermÇgen Titel erwirken. Mithilfe dieser Titel erwirken Sie nun Zwangssicherungshypotheken in den bisher nicht dinglich belasteten Teil des freigegebenen GrundstÅcks. Das Ergebnis ist fatal: Obwohl das GrundstÅck zivilrechtlich werthaltig war und einen freien Wert von Euro 300 000 hatte und obwohl dieser Wert vollstreckungsrechtlich zugunsten der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Glsubiger bereits durch die InsolvenzerÇffnung in Vollstreckungsbeschlag gelangt war, haben nun ganz andere Glsubiger, die weit weniger schutzwÅrdig und schutzbedÅrftig sind, dinglichen Zugriff auf das Haftungssubstrat. Dass dies mit der effektiven Vollstreckung, die der Staat aufgrund des von ihm in Anspruch genommenen Gewaltmonopols verfassungsrechtlich jedem Glsubiger schuldet,2 nicht mehr vereinbar ist, ist offensichtlich.

Nicht selten stellt der Insolvenzverwalter einen Betrieb des Insolvenzschuldners ein oder versußert ihn im Rahmen eines asset deals im Ganzen. Insoweit stellt sich allerdings auch das zuvor beschriebene Problem, ob die Gewinne aus der Betriebsaufgabe bzw. -verlußerung tatsschlich als Masseverbindlichkeiten angesehen werden kÇnnen. In diesen Fsllen kommt eine Anwendung der §§ 16, 34 EStG in Betracht, also die Gewshrung eines Freibetrages (§ 16 Abs. 4 EStG) und eine SteuertarifvergÅnstigung fÅr Betriebsaufgabe- und -versußerungsgewinne. Ob eine Betriebsaufgabe oder eine tarifvergÅnstigte Betriebsversußerung vorliegt, richtet sich nach allgemeinen steuerrechtlichen Grundsstzen. Die InsolvenzerÇffnung selbst stellt keine Betriebsaufgabe dar. Entscheidend ist, dass der Betrieb in Folge eines einheitlichen Aufgabevorganges innerhalb kurzer Zeit abgewickelt wird. Einheitliche Vorgaben dafÅr, wie lang dieser 1 AusfÅhrlich Roth, Interessenwiderstreit im InsolvenzerÇffnungsverfahren, S. 91 f. m.w.N. und S. 89 ff.; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rz. 17 ff.; Baur/ StÅrner, Zwangsvollstreckungsrecht Band II, § 6 Rz. 6.27. 2 Dies ergibt sich aus dem Gebot effektiver Vollstreckung und der darauf abzielenden staatlichen Schutzpflicht; ausfÅhrlich dazu Roth, Interessenwiderstreit im Insolvenzverfahren, S. 90 ff.; BVerfG v. 23.4.1974 – 1 BvR 2270/73, BVerfGE 37, 132, 148; v. 9.4.1975 – 1 BvR 352/74, BVerfGE 39, 276, 294; Baur/StÅrner, Zwangsvollstreckungsrecht Band I, § 7 Rz. 7.1.

380

A. Einkommensteuer

Zeitraum sein darf, gibt es nicht. Die Bestimmung des Zeitraumes erfolgt einzelfallbezogen.1 Die Finanzverwaltung nimmt im Regelfall ein halbes Jahr an. Der Zeitraum beginnt nicht bereits mit der InsolvenzerÇffnung, sondern in dem Zeitpunkt, in dem die Glsubigerversammlung den Beschluss fasst, den schuldnerischen Geschsftsbetrieb einzustellen.

V. Behandlung von Sanierungsgewinnen Literatur Bareis, Mindestbesteuerung im Liquidationszeitraum, DB 2013, 1265; Becker, Die steuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen, DStR 2003, 1602; Bergmann, Einheitlicher Besteuerungszeitraum und Zwischenveranlagungen in Liquidation und Insolvenz, GmbHR 2012, 943; Bethmann/Mammen/Sassen, Analyse gesetzlicher Ausnahmetatbestsnde zum Erhalt kÇrperschaftsteuerlicher Verlustvortrsge, StB 2012, 148; Blumenberg/Haisch, Die unionsrechtliche Beihilfeproblematik der Sanierungsklausel nach § 8c Abs. 1a KStG, FR 2012, 12; Braun/Geist, Zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen – Bestandsaufnahme und Empfehlungen, BB 2009, 2508; Forderungsverzichte im „Bermudadreieck“ von Sanierungsgewinn, Verlustverrechnung und Mindestbesteuerung, BB 2013, 351; Bruschke, Der steuerfreie Sanierungsgewinn, DStZ 2009, 166; Steuerliche VergÅnstigungen bei Sanierungsgewinnen, ZSteu 2009, 298; Cahn/Simon/Theiselmann, Nennwertanrechnung beim Dept Equity Swap!, DB 2012, 501; DrÅen/Schmitz, Zur Unionsrechtskonformitst des Verlustuntergangs bei KÇrperschaften, GmbHR 2012, 485; Ebbinghaus/ Neu, Der Sanierungsgewinn bei Einstellung der Geschsftststigkeit, DB 2012, 2831; Ebbinghaus/Osenroth/Hinz, SchuldÅbernahme durch Gesellschafter als Sanierungsinstrument unter BerÅcksichtigung der Schenkungsteuer, BB 2013, 1374; Ekkenga, Neuerliche Vorschlsge zur Nennwertanrechnung beim Dept-Equity-Swap – Erkenntnisfortschritt oder Wiederbelebungsversuche am untauglichen Objekt?, DB 2012, 331; Farle, Verbindlichkeiten in der Liquidation – xberprÅfung verbindlicher AuskÅnfte, DStR 2012, 1590; Fromm, Der Dept-Equity-Swap als Sanierungsbeitrag im Zeitpunkt der xberschuldung, ZInsO 2012, 1253; Geist, Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen – Zur Anwendbarkeit, Systematik und Auslegung des BMFSchreibens v. 27.3.2003, BB 2008, 2658; Die ordentliche Liquidation einer GmbH unter dem Einfluss von Mindestbesteuerung und steuerfreiem Sanierungsgewinn, GmbHR 2008, 969; Gondert/BÅttner, Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen – Anmerkungen zum Urteil des FG MÅnchen v. 12.12.2007, DStR 2008, 1676; Haase/ Dorn, Forderungsverzicht als zwingende Folge der Liquidation einer verbundenen Unternehmung?, BB 2011, 2907; Herzig, Ertragsteuerliche Begleitmaßnahmen zur Modernisierung des Insolvenzrechts, WPg 2011, Sonderheft, 27; Hoffmann, Billigkeitsregelung zur Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen unwirksam, EFG 2008, 616; Der Debt-Mezzanine-Swap, StuB 2012, 417; Horst, xberblick Åber Entscheidungsinstrumente und ihre bilanz- und steuerrechtlichen Auswirkungen, DB 2013, 656; Janssen, Erlass von Steuern auf Sanierungsgewinne, DStR 2003, 1055; Kahlert, Ein Plsdoyer fÅr eine gesetzliche Regelung der Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns, ZIP 2009, 643; Passivierung eines RangrÅcktritts in der Steuerbilanz, NWB 26/2012, 2141; Kahlert/Schmidt, LÇst ein Forderungsverzicht zu Sanierungszwecken nach § 7 Abs. 8 ErbStG Schenkungsteuer aus?, DStR 2012, 1208; Karl, Verfassungswidrigkeit oder teleologische Reduktion des § 8c KStG bei mittelbarer 1 Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1383.

381

.20

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz AnteilsÅbertragung von Verlustgesellschaften, BB 2012, 92; Kerz, Sanierungsbescheinigungen als neues Tstigkeitsfeld, DStR 2012, 204; Khan/Adam, Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen aus steuerrechtlicher, insolvenzrechtlicher und europarechtlicher Sicht, ZInsO 2008, 899; Klusmeier, Richtige Formulierung des qualifizierten RangrÅcktritts – aus steuerlicher Sicht, ZInsO 2012, 965; Kroener/Momen, Dept-Mezzanine-Swap – Die OFD Rheinland auf dem Irrweg?, DB 2012, 829; Kroninger/Korb, Die Handhabung von Sanierungsgewinnen vor und nach dem Urteil des FG MÅnchen v. 12.12.2007, BB 2008, 2656; Linse, Ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen, ZInsO 2003, 934; Maile, SchenkSt beim Forderungsverzicht im Sanierungsfall?, DB 2012, 1952; Mertzbach, Aktuelle steuerliche Probleme im Insolvenzplanverfahren von Kapitalgesellschaften, GmbHR 2013, 75; Nolte, Ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen, NWB Nr. 46 v. 14.11.2005, Fach 3, 13735; Rauber, Erlass der Gewerbesteuer fÅr Sanierungsgewinne?, Gemeindehaushalt 2010, 83; Richter/Pluta, Bescheinigung zum Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO nach IDW ES 9 im Praxistest, BB 2012, 1591; Ritzer/Stangl, Ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen, Information StW 2003, 547; Roth, Aufdeckung stiller Reserven im Insolvenzverfahren, FR 2013, 441; Roth in Hess/Groß/Reill-Ruppe/Roth, Insolvenzplan, Sanierungsgewinn, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz, 4. Aufl. 2014, S. 267 ff.; Schmid, Der erfolgswirksame RangrÅcktritt – Die BFH-Entscheidung des I. Senats v. 30.11.2011 – I R 100/10, FR 2012, 837; Schmittmann in Schmidt, Insolvenzordnung 18. Aufl., MÅnchen 2013, § 155 InsO, Anhang Steuerrecht Rz. 147 ff.; Schneider/HÇpfner, Die Sanierung von Konzernen durch Eigenverwaltung und Insolvenzplan, BB 2012, 87; Steinbach/Claußen, Die Bilanzierung latenter Steuern in der Liquidations-Rechnungslegung nach HGB, ZInsO 2013, 1109; Uhlnnder, Der Steuerberater als Lotse in der Krise des Mandanten!, Gast-Editorial, NWB 26/2012, 2113; Weitnauer, Der RangrÅcktritt – Welche Anforderungen gelten nach aktueller Rechtslage?, GWR 2012, 193; Willeke, Klare Anforderungen an Sanierungskonzepte, StuB 2013, 144;

Findet im Rahmen eines Insolvenzverfahrens eine FortfÅhrung des schuldnerischen Unternehmens mit Sanierung (vor allem im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens) statt, so ist damit regelmsßig ein zumindest teilweiser Verzicht auf Forderungen seitens der Glsubiger verbunden. Dadurch entstehen BetriebsvermÇgensmehrungen, die den Gewinn des schuldnerischen Unternehmens erhÇhen. Nach § 3 Ziff. 66 EStG a.F. waren ErhÇhungen des BetriebsvermÇgens, die dadurch entstanden, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen wurden, von der Einkommensteuer befreit. Nach stsndiger hÇchstrichterlicher Rechtsprechung sind unter einer Sanierung Maßnahmen zu verstehen, die geeignet sind, ein Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfshig zu machen.1 Die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns setzte nach dieser gesetzlichen Regelung voraus, dass das Unternehmen sanierungsbedÅrftig war, die Glsubiger in Sanierungsabsicht handelten und der Schulderlass sanierungsgeeignet war. Fehlte nur eine dieser Voraussetzungen, war das Vorliegen eines steuerfreien Sanierungsgewinns zu verneinen.2 1 BFH v. 10.4.2003 – IV R 63/01, BStBl. II 2004, 9. 2 Vgl. z.B. BFH v. 16.5.2002 – IV R 11/01, BStBl. II 2002, 854, m.w.N.

382

A. Einkommensteuer

Die vormalige Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen gem. § 3 Ziff. 66 EStG hat der Gesetzgeber aufgehoben.1 Die hierzu ergangene Anwendungsregelung des § 52 Abs. 2i EStG sieht die letztmalige Anwendung des vormaligen § 3 Ziff. 66 EStG auf ErhÇhungen des BetriebsvermÇgens vor, die in dem Wirtschaftsjahr entstehen, das vor dem 1.1.1998 endet. In Folge der Abschaffung von § 3 Ziff. 66 EStG wurden die Sanierungsgewinne vom Grundsatz her in vollem Umfange steuerpflichtig. Dadurch trat eine – vom Gesetzgeber wohl nicht bedachte – Erschwernis von Sanierungsvorhaben sowohl innerhalb als auch außerhalb von Insolvenzverfahren ein. Daher hat das BMF im Einvernehmen mit den obersten FinanzbehÇrden der Lsnder mit Schreiben vom 27.3.20032 eine Verwaltungsvorschrift erlassen, die die Anwendung der Billigkeitsregeln fÅr diese Fslle vereinheitlichen soll. Dieses Schreiben setzt die Rechtsfolge des frÅheren § 3 Ziff. 66 EStG im Wege der Billigkeit – zum Teil – wieder in Kraft. Die von der Rechtsprechung zum frÅheren § 3 Ziff. 66 EStG gefundenen Rechtsgrundsstze wurden in dem BMF-Schreiben inhaltlich Åbernommen. Nach Rz. 13 des Schreibens ist dieses in allen noch offenen Fsllen anzuwenden, fÅr die die Regelung des § 3 Ziff. 66 EStG nicht mehr gilt. Ein Sanierungsgewinn ist danach die ErhÇhung des BetriebsvermÇgens, die dadurch entsteht, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden. Voraussetzungen fÅr die Annahme eines begÅnstigten Sanierungsgewinns sind SanierungsbedÅrftigkeit und Sanierungsfshigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung des Schulderlasses und die Sanierungsabsicht der Glsubiger. Gemsß Rz. 5 fÅhrt auch der Forderungsverzicht eines Glsubigers gegen Besserungsschein unter den vorgenannten Voraussetzungen zu einem begÅnstigten Sanierungsgewinn. Tritt der Besserungsfall ein, so dass der Schuldner die in der Besserungsvereinbarung festgelegten Zahlungen an den Glsubiger leisten muss, ist der Abzug dieser Aufwendungen als Betriebsausgaben entsprechend den Rechtsgrundsstzen des § 3c Abs. 1 EStG ausgeschlossen. Insoweit verringert sich allerdings nachtrsglich der Sanierungsgewinn. Die vor Eintritt des Besserungsfalls auf den nach Verlustverrechnungen verbleibenden Sanierungsgewinn entfallende Steuer ist zunschst Åber den fÅr den Eintritt des Besserungsfalls maßgeblichen Zeitpunkt hinaus zu stunden.

4.21

Das FG MÅnster hat weitergehend die Auffassung vertreten, der Steuerpflichtige habe einen Anspruch auf Erlass der auf den verbleibenden Sanierungsgewinn entfallenden Steuern, wenn die Voraussetzungen eines steuerfreien Sanierungsgewinns i.S.d. § 3 Ziff. 66 EStG a.F. vorliegen und nach AusschÇpfung der ertragsteuerlichen VerlustverrechnungsmÇglichkeiten ein Sanierungsgewinnverbleibt.3 Es genÅgt danach fÅr die Sanierungseignung, wenn der Forderungserlass dem Einzelunternehmer ermÇg-

4.22

1 Art. 1 Ziff. 1 des Gesetzes v. 29.10.1997, BGBl. I 1997, 2590. 2 BMF v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240. 3 FG MÅnster v. 27.5.2004 – 2 K 1307/02 AO, EFG 2004, 1572 ff.

383

.23

.24

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

licht, das von ihm betriebene Unternehmen aufzugeben, ohne von weiter bestehenden Schulden beeintrschtigt zu sein. zhnlich hat das FG KÇln1 geurteilt, ein Erlass der auf Sanierungsgewinne entfallenden Steuern komme auch Åber das BMF-Schreiben v. 27.3.2003 hinaus in Betracht. Sachlich unbillig ist danach die Besteuerung des Gewinns aus dem Erlass von Schulden, wenn der Abzug des Verlustes aus der Entstehung der Schuld nicht mÇglich ist. Das BMF-Schreiben v. 27.3.2003 sei insofern zu eng gefasst, als es eine Unbilligkeit nur dann annehmen will, wenn ein Sanierungsgewinn vorliegt und die Sanierung unternehmensbezogen ist. Das FG KÇln fÅhrt weiter aus: „Wie bereits ausgefÅhrt, stellt sich die Frage nach der sachlichen Unbilligkeit einer Besteuerung von erlassenen Schulden nicht nur im Rahmen einer Sanierung. Es handelt sich vielmehr um ein grundsntzliches Problem in allen Fnllen, in denen Betriebsschulden aus betrieblichem Anlass erlassen werden. Erlnsst der Steuerpflichtige bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG aus betrieblichen GrÅnden seinem Schuldner eine Honorarforderung, ist auch dieser Vorgang nur bei periodenÅbergreifender Betrachtung erfolgsneutral. Im Jahr der Entstehung ist die Forderung gewinnerhÇhend zu erfassen und erst im Jahr des Erlasses wirkt sich das ErlÇschen der Forderung gewinnmindernd aus. Es ist nicht einzusehen, dass eine sachliche Unbilligkeit der Besteuerung nur in Sanierungsfnllen vorliegen soll, bei anderen betrieblich veranlassten ErlassgrÅnden jedoch nicht. ... In diesem Zusammenhang weisen die Klnger zu Recht darauf hin, dass sich die Sanierung nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. nicht auf ein Unternehmen beziehen musste. Ein Sanierungsgewinn konnte auch dann steuerfrei sein, wenn dem Unternehmer durch den Erlass eine schuldenfreie Liquidation seines Unternehmens und der Aufbau einer Existenz in selbstnndiger oder nicht selbstnndiger Position ermÇglicht wurde (vgl. grundlegend BFH-Urt. v. 14.3.1990 – I R 106/85, BFHE 161, 34; BStBl. II 1990, 813 und aus neuerer Zeit das Urt. v. 12.10.2005 – X R 42/03, BFH/NV 2006, 715 m.w.N.). Diese Auslegung ist insbesondere mit dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfnhigkeit und dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG begrÅndet worden. § 3 Nr. 66 EStG habe den Zweck, die Leistungsfnhigkeit des Schuldners wieder herzustellen, ohne dass er aufgrund von Maßnahmen, die auf dieses Ziel gerichtet seien, zur Einkommensteuer herangezogen werde. Dabei dÅrfe nicht verlangt werden, dass die Leistungsfnhigkeit gerade im Hinblick auf den Betrieb wieder hergestellt werde, in dem die Schulden begrÅndet worden seien. Soweit das BMF-Schreiben demgegenÅber die sachliche Unbilligkeit auf Fnlle der unternehmensbezogenen Sanierung beschrnnkt, fehlt dafÅr eine nachvollziehbare BegrÅndung.“

Zwischenzeitlich ist das BMF-Schreiben v. 22.12.2009 ergangen, wonach das BMF-Schreiben v. 27.3.2003 fÅr die Restschuldbefreiung bzw. die Verbraucherinsolvenz entsprechend anzuwenden ist. Danach ist auch die auf Grund einer Restschuldbefreiung eintretende Steuer auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 163 AO abweichend festzusetzen und nach § 222 AO mit dem Ziel des spsteren Erlasses (§ 227 AO) zunschst unter Widerrufsvorbehalt ab Fslligkeit zu stunden.

1 FG KÇln v. 24.4.2008 – 6 K 2488/06, BB 2008, 2666 ff. – Rev. X R 34/08.

384

A. Einkommensteuer

Allerdings sollen Billigkeitsentscheidungen der Finanzverwaltung auf der Grundlage des BMF-Schreibens vom 27.3.2003 nach Auffassung des FG MÅnchen gegen den Grundsatz der Gesetzmsßigkeit der Verwaltung verstoßen.1 FÅr eine abweichende Festsetzung der Ertragsteuer bestÅnden weder sachliche noch persÇnliche BilligkeitsgrÅnde. § 3 Ziff. 66 EStG a.F. sei vom Gesetzgeber bewusst und in Ansehung der historischen Entwicklung und Rechtsprechung abgeschafft worden. Der Grundsatz der Gesetzmsßigkeit der Verwaltung schließe jede hiervon abweichende Handhabung aus. Gegen die Entscheidung ist Revision eingelegt worden.2

4.25

Dem FG MÅnchen kann nicht gefolgt werden. Ihm ist die Literatur zu Recht entschieden entgegen getreten.3 Laut GesetzesbegrÅndung4 sollte mit Abschaffung des § 3 Ziff. 66 EStG lediglich eine nicht mehr zeitgemsße Regelung beseitigt werden. Die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns sei nach den Grundprinzipien des Einkommensteuerrechts systemwidrig, da der durch den Erlass der Verbindlichkeiten entstehende Gewinn entgegen den allgemeinen ertragsteuerlichen Regeln nicht besteuert werde. Die Vorschrift stamme aus einer Zeit, in der das EStG einen unbegrenzten Verlustvortrag (und damit die MÇglichkeit zur vollstsndigen Kompensation von Sanierungsgewinnen) noch nicht vorsah. Sie sollte ursprÅnglich einen Ausgleich fÅr nicht abzugsfshige Verluste darstellen und sei mit EinfÅhrung des unbegrenzten Verlustvortrags nicht mehr gerechtfertigt. Mit Abschaffung des § 3 Ziff. 66 EStG sollte also lediglich eine ungerechtfertigte DoppelbegÅnstigung vermieden werden (BegÅnstigung des Sanierungsgewinns unter gleichzeitiger Erhaltung verrechenbarer Verluste).5 Der Gesetzgeber war offensichtlich davon ausgegangen, dass die aufwendige PrÅfung von Sanierungsgewinnen durch die Ausweitung des Verlustabzugs nach § 10d EStG entfallen kÇnne. Außerdem hat der Gesetzgeber ausdrÅcklich darauf hingewiesen, dass persÇnliche oder sachliche Hsrten im Stundungs- oder Erlasswege vermieden werden kÇnnen.6

4.26

Das FG Sachsen7 hat sich nun allerdings dem FG MÅnchen angeschlossen. Die Argumentation ist identisch: Da der Gesetzgeber die Steuerbefreiung fÅr Sanierungsgewinne nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. fÅr nach dem 31.12.1997 endende Wirtschaftsjahre abgeschafft hat, besteht seither nach dem Grundsatz der Gesetzmsßigkeit der Verwaltung wegen des ausdrÅck-

1 FG MÅnchen v. 12.12.2007 – 1 K 4487/06, ZIP 2008, 1784 = EFG 2008, 615 ff. = FR 2008, 1114 m. abl. Anm. Kanzler. 2 Az. des BFH: VIII R 2/08. 3 Geist, BB 2008, 2658 ff.; Gondert/BÅttner, DStR 2008, 1676 ff.; Forst/Schaaf/ Koofmann, EStB 2009, 287 ff.; Seer, FR 2010, 306 ff.; Groh, DB 1996, 1890 ff. 4 BT-Drucks. 13/7480, 192. 5 Gondert/BÅttner, DStR 2008, 1676 (1677). 6 BT-Drucks. 13/7480, 192. 7 FG Sachsen v. 24.4.2013 – 1 K 759/12, EFG 2013, 1898 = ZIP 2013, 2274 – Rev. X R 23/13; ebenso zuvor FG DÅsseldorf v. 16.3.2011 – 7 K 3831/10 AO, EFG 2011, 1685 – Rev. I R 24/11.

385

.27

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

lichen Willens des Gesetzgebers im Regelfall keine Rechtsgrundlage mehr fÅr den von der Verwaltung und Rechtsprechung praktizierten Einkommensteuererlass auf Sanierungsgewinne wegen sachlicher Unbilligkeit auf Basis des BMF-Schreibens v. 27.3.2003. Der X. Senat hat die Sache auf die Revision hin nun dem großen Senat vorgelegt.1 Schließlich hat auch der I. Senat des BFH2 bisher keine Entscheidung Åber die Anwendbarkeit und die Reichweite der Verwaltungsanweisungen getroffen. In einer durch den I. Senat entschiedenen Streitsache ging es allein um die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages. Der sog. Sanierungserlass ist danach weder eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung noch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift einer obersten LandesfinanzbehÇrde i.S.d. § 184 Abs. 2 AO, so dass sich daraus fÅr die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags grundsstzlich keine Zustsndigkeit des Finanzamtes zur abweichenden Festsetzung aus sachlichen BilligkeitsgrÅnden nach § 163 S. 1 AO ergeben kann; zustsndig dafÅr sind die Gemeinden. AusdrÅcklich offen gelassen hat der I. Senat, inwieweit der Erlassgeber in Rz. 15 des Sanierungserlasses ausschließlich die Stundung und den Erlass nach § 227 AO, nicht aber auch die abweichende Steuerfestsetzung gem. §§ 163, 184 AO regeln wollte und dies auch nur bezogen auf die Gewerbesteuer, nicht aber auf den Gewerbesteuermessbetrag. Unbeantwortet geblieben sind ausdrÅcklich auch „die nach wie vor umstrittenen Fragen danach, ob der Sanierungserlass den Erfordernissen des allgemeinen Gesetzesvorbehalts sowie des unionsrechtlichen Beihilfeverbots ... uneingeschrsnkt genÅgt“. Der VIII. Senat des BFH hat es als zweifelhaft bezeichnet, ob die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen durch Forderungsverzicht von Glsubigern allein wegen sachlicher Unbilligkeit aufgrund des BMF-Schreibens beansprucht werden kann.3 Der VIII. Senat hat die Erfolgsaussichten einer diesbezÅglichen Revision, die in der Hauptsache fÅr erledigt erklsrt worden ist, nachdem dem Schuldner im Rahmen des Insolvenzverfahrens Restschuldbefreiung gewshrt worden war, als „offen“ bezeichnet. Nicht zuletzt ist es unzutreffend, dass das BMF-Schreiben die alte Rechtslage faktisch wieder herstellt. Denn nach § 3 Ziff. 66 EStG a.F. stellten Sanierungsgewinne in voller HÇhe nicht steuerpflichtigen Ertrag dar. Diese Rechtsfolge ergibt sich nach dem BMF-Schreiben keineswegs. Als Sanierungsgewinn steuerfrei ist nach dem BMF-Schreiben lediglich der Åberschießende Betrag nach vorrangiger BerÅcksichtigung von Verlusten und negativen EinkÅnften.4

1 BFH v. 25.3.2015 – X R 23/13, NZI 2015, 725, weil er beabsichtige, das Urteil des FG aufzuheben. 2 BFH v. 25.4.2012 – I R 24/11, ZIP 2012, 1571 = DStR 2012, 1544. 3 BFH v. 28.2.2012 – VIII R 2/08, ZIP 2012, 989 = DStR 2012, 943. 4 Gondert/BÅttner, DStR 2008, 1676 (1677).

386

A. Einkommensteuer

Nach dem BMF-Schreiben v. 27.3.2003 gilt fÅr Sanierungsgewinne Folgendes:

4.28

Die Erhebung der Steuer auf einen nach AusschÇpfen der ertragsteuerrechtlichen VerlustverrechnungsmÇglichkeiten verbleibenden Sanierungsgewinn bedeutet fÅr den Steuerpflichtigen aus sachlichen BilligkeitsgrÅnden eine erhebliche Hsrte. Die entsprechende Steuer ist daher auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 163 AO abweichend festzusetzen (Satz 3 ff.) und nach § 222 AO mit dem Ziel des spsteren Erlasses (§ 227 AO) zunschst unter Widerrufsvorbehalt ab Fslligkeit (AEAO zu § 240 Nr. 6a) zu stunden.

4.29

Zu diesem Zweck sind die Besteuerungsgrundlagen in der Weise zu ermitteln, dass Verluste/negative EinkÅnfte unbeschadet von Ausgleichs- und Verrechnungsbeschrsnkungen fÅr die Anwendung des BMF-Schreibens im Steuerfestsetzungsverfahren bis zur HÇhe des Sanierungsgewinns vorrangig mit dem Sanierungsgewinn verrechnet werden.

4.30

Eine Stundung oder ein Erlass aus persÇnlichen GrÅnden ist zulsssig.

4.31

! Hinweis: Es ist dringend zu empfehlen, im Einzelfall eine verbindliche Auskunft der zustsndigen FinanzbehÇrde einzuholen, dass die Steuern auf Antrag nach § 163 AO abweichend festgesetzt und nach § 222 AO mit dem Ziel des spsteren Erlasses (§ 227 AO) zunschst unter Widerrufsvorbehalt ab Fslligkeit (AEAO zu § 240 Nr. 6a) gestundet werden.1 Erfahrungsgemsß erteilen Finanzsmter entsprechende verbindliche AuskÅnfte.

Allerdings bestehen erhebliche unionsrechtliche Bedenken hinsichtlich des Sanierungserlasses.2 In Bezug auf eine shnlich gelagerte Konstellation hat die Europsische Kommission mit Beschluss vom 26.1.2011 die Unvereinbarkeit der deutschen Sanierungsklausel § 8c Abs. 1a KStG mit dem europsischen Beihilferecht festgestellt.3 Unklar ist derzeit, ob der Sanierungs- Erlass die Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfÅllt und somit eine grundsstzlich verbotene Beihilfe darstellt. MÇglicherweise kommt eine Ausnahmenach Art. 107 Abs. 3 AEUV in Betracht. Eindeutig einschlsgig ist von den dort genannten Fsllen aber keiner. Außerdem steht der europsischen Kommission in Bezug auf die Beurteilung der entsprechenden Ausnahmetatbestsnde ein weiter Ermessensspielraum zu.

1 AusfÅhrliche Praxishinweise dazu und auch zu fortbestehenden Risiken selbst bei Erteilung einer verbindlichen Auskunft s. Roth in Hess/Groß/Reill-Ruppe/ Roth, Insolvenzplan, Sanierungsgewinn, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz, 4. Aufl. 2014, S. 280 ff. 2 AusfÅhrlich dazu Roth in Hess/Groß/Reill-Ruppe/Roth, Insolvenzplan, Sanierungsgewinn, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz, 4. Aufl. 2014, S. 279 ff. 3 Europsische Kommission, ABlEU 2011, L 235, 26.

387

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

VI. Steuerliche Auswirkungen des Wegfalls von Verbindlichkeiten im Rahmen der Restschuldbefreiung

.32

Die unklare Rechtslage bezÅglich der Versteuerung stiller Reserven und der Sanierungsgewinne wirkt sich auch auf die steuerlichen Folgen der Restschuldbefreiung aus. Restschuldbefreiung kann natÅrlichen Personen auf Antrag erteilt werden, die ein Insolvenzverfahren durchlaufen und eine sechsjshrige Wohlverhaltensphase (§ 287 InsO) durchlaufen haben. Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so sind Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO gegen den Schuldner nicht mehr durchsetzbar, § 301 Abs. 1 InsO. Von der Restschuldbefreiung sind auch Forderungen des Steuerglsubigers erfasst.

.33

Durch die Erteilung der Restschuldbefreiung tritt also faktisch ein Forderungsverzicht der Glsubiger ein, der bei einem Schuldner, der vorinsolvenzlich einen Geschsftsbetrieb gefÅhrt hat, in Ansehung der zum Betrieb gehÇrenden Verbindlichkeiten zu einer BetriebsvermÇgensmehrung fÅhrt, die an sich einen außerordentlichen Ertrag darstellt. Nach der Aufhebung von § 3 Ziff. 66 EStG a.F. greift keine gesetzliche Steuerbefreiung mehr. Die von der Finanzverwaltung fÅr Sanierungsgewinne angewendete Befreiung von Sanierungsgewinnen1 (Rz. 4.20) sollte nach zunschst vertretener Verwaltungsauffassung nicht fÅr die Erteilung der Restschuldbefreiung gelten.2 Ein Erlass von Steuerforderungen komme daher nicht aus sachlichen, sondern allenfalls aus persÇnlichen BilligkeitsgrÅnden in Frage.3 Regelmsßig sei danach ein bei der Betriebsaufgabe entstandener Gewinn bzw. Verlust in Folge der eingetretenen Befreiung von betrieblichen Verbindlichkeiten zu korrigieren und die entsprechende Steuerfestsetzung gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2 AO zu sndern,4 da die Restschuldbefreiung ein rÅckwirkendes Ereignis sei.

.34

Dem ist das BMF entgegen getreten. Zwischenzeitlich ist das BMF-Schreiben v. 22.12.2009 ergangen, wonach das BMF-Schreiben v. 27.3.2003 fÅr die Restschuldbefreiung bzw. die Verbraucherinsolvenz entsprechend anzuwenden ist. In diese Richtung hatte zuvor bereits das FG KÇln erkannt.5 Danach ist auch die auf Grund einer Restschuldbefreiung eintretende Steuer auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 163 AO abweichend festzusetzen und nach § 222 AO mit dem Ziel des spsteren Erlasses (§ 227 AO) zunschst unter Widerrufsvorbehalt ab Fslligkeit zu stunden. Allerdings ist auch dieses BMF-Schreiben mit der Unsicherheit verbunden, die das FG MÅnchen6 verursacht hat. 1 BMF v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, Tz. 2 S. 2. 2 BMF v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, Tz. 2 S. 2. 3 OFD MÅnster v. 21.10.2005, Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 027, DStR 2005, 2079 ff. 4 OFD MÅnster v. 21.10.2005, Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 027, DStR 2005, 2079 ff. 5 FG KÇln v. 24.4.2008 – 6 K 2488/06, BB 2008, 2666 ff. Rev. X R 34/08. 6 FG MÅnchen v. 12.12.2007 – 1 K 4487/06, ZIP 2008, 1784 = EFG 2008, 615 ff.

388

A. Einkommensteuer

Außerdem leidet das BMF-Schreiben v. 22.12.20091 an der unrichtigen Grundannahme, dass die Erteilung der Restschuldbefreiung kein rÅckwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2 AO sei. Diese Annahme verstellt die zutreffende Zuordnung der aus dem mit der Restschuldbefreiung verbundenen Forderungserlass resultierenden Gewinne zu den Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO und bemÅht sich, auf dem Erlasswege die fatalen Folgen der Annahme von Masseverbindlichkeiten zu revidieren. Folgt man der insolvenzrechtlichen Befriedigungssystematik konsequent, so nehmen Steuerforderungen, die aus der Erteilung der Restschuldbefreiung resultieren, stets den Rang von § 38 InsO ein und werden somit auch von der Restschuldbefreiung erfasst. Dies gilt unabhsngig davon, ob sie bei Erteilung der Restschuldbefreiung bereits festgesetzt sind oder nicht. Zu diesem Ergebnis gelangt man, wenn man nicht auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe oder -versußerung abstellt, sondern zutreffender Weise auf den Zeitpunkt, in dem erstmalig ein insolvenzbedingtes Durchsetzungshindernis eintritt. Dies ist gem. §§ 87, 89 InsO der Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung. Ab diesem Zeitpunkt kÇnnen Glsubiger ihre Forderungen nur noch nach den Vorschriften der Insolvenzordnung verfolgen und nicht mehr vollstrecken. Allerdings ist diese Durchsetzbarkeitsschranke noch nicht unbedingt endgÅltig. Es ist also zumindest dann, wenn der Insolvenzverwalter einen schuldnerischen Betrieb noch nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens fortfÅhrt, nicht bereits im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung eine dem Verzicht aller Glsubiger auf ihre Forderungen entsprechende GewinnerhÇhung anzunehmen. Die Durchsetzbarkeitsschranke, die durch §§ 87, 89 InsO mit der InsolvenzerÇffnung eintritt, wird aber endgÅltig, wenn die Restschuldbefreiung erteilt wird. Da der Insolvenzverwalter wshrend des erÇffneten Insolvenzverfahrens nicht verpflichtet, ja – von quotalen Verteilungen abgesehen – nicht einmal berechtigt ist, auf solche in ihrer Durchsetzbarkeit gehinderten Forderungen zu leisten, tritt die GewinnerhÇhung auch nicht mit Wirkung fÅr und gegen die Insolvenzmasse ein. Es entsteht somit ein auf den Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung zurÅckwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2 AO. Die Lage ist shnlich, wie diejenige bei der Besteuerung stiller Reserven (Rz. 4.13). Auch wertungsmsßig passen die aus dem restschuldbefreiungsbedingten Forderungserlass resultierenden GewinnerhÇhungen nur in den Bereich der Insolvenzforderungen und nicht in den Bereich der Masseforderungen, denn die aus den Schulden des Schuldners resultierenden Steuervorteile sind vorinsolvenzlich bereits eingetreten; die Insolvenzmasse hat durch sie in der Regel keine Vorteile erlangt. Es ksme daher zu einer systemwidrigen Bevorzugung des Fiskus, wenn man die vorinsolvenzlich gezogenen Steuervorteile durch die BegrÅndung von Masseverbindlichkeiten kompensieren wÅrde (Rz. 4.17).2

1 BMF v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2140/07/10001-01 – DOK 2009/0860000, DStR 2010, 52 ff. 2 Siehe hierzu BFH v. 17.4.2007 – VII R 27/06, BStBl. II 2009, 589 = ZIP 2007, 1166.

389

4.35

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

VII. Verwertung von Absonderungsgegenstlnden Literatur Berger, Die Verwertung von Absonderungsgut, KTS 2007, 433; Graeber, Zur VergÅtung des vorlsufigen Insolvenzverwalters bei Versußerung von Absonderungsgut, DZWIR 2000, 167; Gundlach, Zu den Verwertungsrechten am Absonderungsgut beim Verbraucherinsolvenzverfahren, DZWIR 2000, 217; Smid, Zur Verwertung von Absonderungsgut im Rahmen einer Åbertragenden Sanierung, DZWIR 2003, 392; Uhlenbruck, Zur Verwertung von Absonderungsgut durch den Insolvenzverwalter – Anmerkung, KTS 2008, 91; Zenker, Zur Anfechtung der Verwertung des Absonderungsguts durch den Glsubiger, weil der Masse die Feststellungskostenpauschale entgeht, WuB VI A § 129 InsO 2.05.

.36

Der Insolvenzverwalter ist zur Verwertung von Gegenstsnden berechtigt, die im Eigentum des Schuldners stehen, auch wenn Dritten daran Absonderungsrechte zustehen (§ 166 InsO). Absonderungsrechte gewshren vor allem dingliche Sicherungsrechte wie das Pfandrecht, aber auch das Sicherungseigentum (Rz. 2.292 ff.). Die Verwertung von Absonderungsgegenstsnden erfolgt in der Regel durch freihsndige Versußerung, kann aber auch insbesondere bei Grundbesitz durch Zwangsversteigerung erfolgen. Der ErlÇs aus der Verwertung eines Absonderungsgegenstandes ist von der Insolvenzmasse – u.U. nach Abzug von Feststellungs- und Verwertungskosten nach §§ 170, 171 InsO – an den absonderungsberechtigten Glsubiger herauszugeben. Dadurch tritt eine individuelle Befriedigung dieses Glsubigers außerhalb der Verteilung der Insolvenzmasse an die Insolvenzglsubiger im Rang von § 38 InsO ein.

.37

EinkÅnfte aus der Versußerung des Absonderungsgutes sind dem Insolvenzschuldner einkommensteuerrechtlich zuzuordnen, nicht dem absonderungsberechtigten Glsubiger.1 Positive EinkÅnfte ergeben sich dann, wenn der Buchwert eines Absonderungsgegenstandes niedriger ist als der VersußerungserlÇs, in dem Absonderungsgut also stille Reserven enthalten waren. Sofern man die aus der Aufdeckung der stillen Reserven resultierenden Ertragsteuern – mit der derzeitigen Rechtsprechung (dazu ausfÅhrlich oben Rz. 4.13 ff.) – als Masseverbindlichkeiten im Rang von § 55 InsO behandelt, kann der Fall eintreten, dass die Insolvenzmasse mit Steuern belastet wird, die sogar hÇher sind als der an Feststellungs- und Verwertungskosten zur Masse fließende ErlÇs. Dem kann der Insolvenzverwalter noch nicht einmal dadurch entgehen, dass er den Absonderungsgegenstand dem Absonderungsglsubiger zur Verwertung Åberlssst, denn selbst dann fallen Ertragsteuern beim SchuldnervermÇgen an. Nur die Freigabe an den Schuldner verhindert nach gegenwsrtiger Rechtsprechung die Entstehung einer Masseschuld (zu den Folgeproblemen s. oben Rz. 4.13 ff.).

.38 –4.42 Einstweilen frei. 1 Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1488.

390

A. Einkommensteuer

VIII. Verlustabzug und Verlustausgleich Verluste i.S.v. § 2 Abs. 1 EStG sind gem. § 2 Abs. 3 EStG grundsstzlich im Veranlagungszeitraum des Entstehens mit positiven EinkÅnften (sowohl innerhalb der Einkunftsarten als auch einkunftsartenÅbergreifend) zu verrechnen. Soweit dies nicht mÇglich ist, ermÇglicht § 10d EStG deren zumindest teilweisen Abzug im vorangegangenen Veranlagungszeitraum (VerlustrÅcktrag, § 10d Abs. 1 EStG) bzw. einen der HÇhe nach begrenzten Vortrag in zukÅnftige Veranlagungszeitrsume (Verlustvortrag, § 10d Abs. 2 EStG). Bestandskrsftige Steuerbescheide des RÅcktragsjahres kÇnnen nach § 10d Abs. 1 Sstze 3 und 4 EStG gesndert werden. Ein verbleibender Verlustabzug, der auf kÅnftige Veranlagungszeitrsume vorzutragen ist, ist gesondert durch Feststellungsbescheid festzustellen (§ 10d Abs. 4 Satz 1 EStG).

4.43

Diese Grundsstze gelten auch im Insolvenzverfahren. Die InsolvenzerÇffnung steht weder dem Verlustabzug nach § 10d EStG entgegen noch einer gesonderten Verlustfeststellung nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG. Auch kommt es fÅr den Verlustabzug nicht darauf an, ob der Insolvenzschuldner die den Verlusten zugrunde liegenden Forderungen der Glsubiger tatsschlich befriedigt oder nicht, weil sie beispielsweise von einer Restschuldbefreiung erfasst werden.1 Das gilt bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten auch dann, wenn die EinkÅnfte, auf die sich die Verluste auswirken, allein von dem anderen Ehegatten erzielt worden sind.2

4.44

! Hinweis: Im Insolvenzverfahren kann der Insolvenzverwalter bestehende Verlustvortrsge nutzen, um EinkÅnfte des Insolvenzschuldners, die fÅr die Masse wshrend des erÇffneten Insolvenzverfahrens erzielt werden, im Ergebnis steuerfrei zur Masse zu ziehen. Unter Umstsnden kÇnnen sich sogar durch VerlustrÅcktrsge in ein Vorjahr ErstattungsansprÅche ergeben, die zur Masse gezogen werden kÇnnen.

Besonderheiten ergeben sich fÅr den Verlustabzug nach einem Erbfall. Der Erbe ist Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers. Gemsß § 45 Abs. 1 AO gehen die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhsltnis auf den Gesamtrechtsnachfolger Åber. Grundsstzlich geht demzufolge das Recht des Erblassers, Verluste der Vorjahre wie Sonderausgaben von positiven EinkÅnften in den Folgejahren abzuziehen, auf den Erben Åber.3 Der BFH judizierte zunschst, der Erbe kÇnne Verluste des Erblassers dann abziehen, wenn er durch sie wirtschaftlich belastet sei.4 Dabei komme es nicht darauf an, dass eine rechtliche Inanspruchnahme des Erben mÇglich ist, sondern es sei fÅr die wirtschaftliche Belastung des Erben erforderlich, dass er die Verbindlichkeiten, die mit den Verlusten des Erblassers in Zu-

1 BFH v. 4.9.1969 – IV R 288/66, BStBl. II 1969, 726. 2 BFH v. 4.9.1969 – IV R 288/66, BStBl. II 1969, 726. 3 BFH v. 13.11.1979 – VIII R 193/77, BStBl. II 1980, 188, m.w.N.; zweifelnd aber BFH v. 5.5.1999 – XI R 1/97, BStBl. II 1999, 653. 4 BFH v. 5.5.1999 – XI R 1/97, BStBl. II 1999, 653.

391

4.45

.46

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

sammenhang stehen, tatsschlich ausgleicht.1 Es kÇnne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beeintrschtigung der Leistungsfshigkeit des Erblassers Åber die Gesamtrechtsnachfolge beim Erben fortwirkt, da die Einkommensteuer eine Personensteuer sei und Erbe bzw. Erblasser verschiedene Rechtssubjekte seien, die jeder fÅr sich zur Einkommensteuer veranlagt werden. Dem ist der Große Senat des BFH nun entgegen getreten.2 Der Große Senat fÅhrt aus: „Die Einkommensteuer ist eine Personensteuer. Sie erfasst die im Einkommen zu Tage tretende Leistungsfnhigkeit der einzelnen natÅrlichen Person. Sie wird daher vom Grundsatz der Individualbesteuerung und vom Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfnhigkeit beherrscht. Die personale AnknÅpfung der Einkommensteuer garantiert die Verwirklichung des verfassungsrechtlich fundierten Gebots der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfnhigkeit (...). Die einzelne natÅrliche Person ist das Zurechnungssubjekt der von ihr erzielten EinkÅnfte (§ 2 Abs. 1 EStG). ... Erblasser und Erbe sind verschiedene Rechtssubjekte, die jeweils fÅr sich zur Einkommensteuer herangezogen werden und deren EinkÅnfte getrennt ermittelt und dem jeweiligen Einkommensteuerrechtssubjekt zugerechnet werden. a) Diese Grundsntze sprechen dagegen, die beim Erblasser bis zu seinem Tod nicht aufgezehrten Verlustvortrnge auf ein anderes Einkommensteuerrechtssubjekt – und sei es auch nur auf seinen Erben (Gesamtrechtsnachfolger) – zu Åbertragen und diesem zu gestatten, die „Verluste“ mit eigenen – positiven – EinkÅnften zu verrechnen. ... Es entspricht demnach allgemeinen Grundsntzen des Einkommensteuerrechts, dass ein Steuerpflichtiger Aufwendungen und Verluste eines Dritten nicht abziehen kann. ... Auf eine nach diesen Maßstnben unzulnssige Abziehbarkeit von Drittaufwand liefe es indessen im wirtschaftlichen Ergebnis hinaus, wenn der Erbe die aus AufwandsÅberschÅssen des Erblassers resultierenden Verlustvortrnge bei der Ermittlung seiner eigenen EinkÅnfte abziehen kÇnnte.“

.47

Damit haben sich fÅr die Zukunft alle frÅheren xberlegungen erledigt, ob und ggf. wie die Verlustvortrsge des Erblassers fÅr den Erben fruchtbar gemacht werden kÇnnen. Lediglich fÅr diejenigen Erbfslle, die bis zum Ablauf des Tages der VerÇffentlichung des Beschlusses des Großen Senats eingetreten sind, ist die bisherige gegenteilige Rechtsprechung des BFH aus GrÅnden des Vertrauensschutzes weiterhin anzuwenden.3 Danach gilt:

.48

Eine den Verlustabzug ausschließende Haftungsbeschrsnkung des Erben stellt § 1975 BGB im Falle der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber den Nachlass dar. Das allerdings gilt dann nicht, wenn § 2013 BGB einschlsgig ist (s. ausfÅhrlich zu einkommensteuerlichen Fragen im Nachlassinsolvenzverfahren unten Rz. 4.160 ff.).

.49

Anderes muss aber dann gelten, wenn das Nachlassinsolvenzverfahren mit einer Vollbefriedigung der Nachlassglsubiger und einer Auskehrung des xberschusses an den Erben (§ 199 InsO) endet. In diesem Fall hat der 1 BFH v. 5.5.1999 – XI R 1/97, BStBl. II 1999, 653. 2 BFH v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608. 3 So ausdrÅcklich BFH v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608.

392

A. Einkommensteuer

Erbe nsmlich die in der Hand des Erblassers begrÅndeten Verbindlichkeiten, die zu den maßgeblichen Verlusten gefÅhrt haben, im Ergebnis getragen. Gleiches muss insoweit gelten, als der Erblasser eine Auskehrung erhalten hstte, wenn nicht im Rahmen des Nachlassinsolvenzverfahrens Nachlassverbindlichkeiten getilgt worden wsren, die in der Hand des Erblassers steuerlich relevante Verluste verursacht hatten.

4.50

IX. Zusammenveranlagung mit dem Ehegatten des Schuldners Literatur Farr, Insolvenzbehaftete Zusammenveranlagung – Ein Hauen und Stechen?, BB 2006, 1302; Kahlert, Zum Anspruch auf Zustimmung zur Zusammenveranlagung in der Insolvenz des Ehegatten, EWiR 2008, 47; Kahlert/RÅhland, Getrennte Veranlagung oder Zusammenveranlagung – Wem steht das Wahlrecht in der Insolvenz eines Ehegatten zu?, ZVI 2006, 101; von Spiessen, Zur Pflicht des Insolvenzverwalters, auf Verlangen des Ehegatten des Schuldners der Zusammenveranlagung zuzustimmen, EWiR 2009, 749.

1. AusÅbung des Wahlrechts Die Einkommensteuer von Ehegatten wird auch dann nach allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regeln ermittelt, wenn Åber das VermÇgen eines oder beider Ehegatten das Insolvenzverfahren erÇffnet worden ist. Insbesondere besteht das Recht weiter, gem. §§ 26–26c EStG zwischen verschiedenen Veranlagungsformen zu wshlen. Die Wahl der Veranlagung kann allerdings nur einheitlich getroffen werden, weil Veranlagungszeitraum das Kalenderjahr bleibt.

4.51

Ist Åber das VermÇgen eines Ehegatten das Insolvenzverfahren erÇffnet, so nimmt der Åber sein VermÇgen bestellte Insolvenzverwalter oder Treuhsnder dessen Wahlrecht hinsichtlich der Getrennt- oder Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer wahr.1 Davon unberÅhrt bleibt freilich das Veranlagungswahlrecht des nicht in Insolvenz befindlichen anderen Ehegatten, der sein Wahlrecht frei und unabhsngig wahrnehmen kann. Der Einordnung des Veranlagungswahlrechts als hÇchstpersÇnliches Recht (wodurch die AusÅbung dem Insolvenzverwalter verwehrt wsre) steht entgegen, dass es zwar an die bestehende Ehe anknÅpft, sich aber nur vermÇgensrechtlich auf diese auswirkt.2 Auch der verfassungsrechtliche Grundsatz, wonach es sich bei der Zusammenveranlagung um eine am Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG und der wirtschaftlichen Leistungsfshigkeit der Ehepaare orientierte sachgerechte Besteuerung handelt, er-

4.52

1 BFH v. 22.3.2011 – II B 114/09, BFH/NV 2011, 1142; v. 24.5.2007 – IX ZR 8/06, ZIP 2007, 1917 = DZWIR 2007, 469 (470). 2 BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 8/06, ZIP 2007, 1917 = DZWIR 2007, 469 (470).

393

.53

.54

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

fordern ein hÇchstpersÇnliches Wahlrecht nicht.1 Auch steht der AusÅbung des Wahlrechtes durch den Insolvenzverwalter nicht entgegen, dass er gem. §§ 80, 35 InsO in seiner Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis auf das zur Insolvenzmasse gehÇrende VermÇgen beschrsnkt ist. Das Veranlagungswahlrecht selbst ist kein VermÇgensgegenstand, sondern ein Verwaltungsrecht, welches lediglich einen vermÇgensrechtlichen Bezug aufweist. Der vom Veranlagungsergebnis abhsngige Lohn- oder Einkommensteuererstattungsanspruch ist nach § 46 Abs. 1 AO pfsndbar und gehÇrt zur Insolvenzmasse.2 Das gilt auch, soweit der Erstattungsanspruch Veranlagungszeitrsume vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens betrifft.3 Da die Art der Veranlagung aber auch Auswirkungen auf die Besteuerung etwaiger insolvenzfreier EinkÅnfte des Schuldners hat, wenn er solche erzielt, muss neben dem Veranlagungswahlrecht des Insolvenzverwalters ein (zusstzliches) Wahlrecht des Schuldners selbst anerkannt werden, sofern insolvenzfreie EinkÅnfte vorhanden sind.4 Es kommt daher nur dann zu einer Zusammenveranlagung, wenn Insolvenzverwalter, Schuldner und Ehegatte die Zusammenveranlagung wshlen. Widerspricht einer von ihnen der Zusammenveranlagung, kommt es zur getrennten Veranlagung.5 Die (nachtrsgliche) Wahl der getrennten Veranlagung ist nicht bereits dann rechtsmissbrsuchlich i.S.d. § 42 AO, wenn dies bei dem einen Ehegatten zur Erstattung von einbehaltener Lohnsteuer fÅhrt, wshrend sich bei dem anderen Ehegatten nach Anrechnung von Vorauszahlungen ergebende Zahllasten nicht mehr beigetrieben werden kÇnnen.6 Zu den Auswirkungen einer (nachtrsglichen) Wahl der getrennten Veranlagung im Insolvenzverfahren vgl. im Einzelnen ausfÅhrlich unten Rz. 4.63. 2. DurchfÅhrung der Zusammenveranlagung Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten werden die EinkÅnfte, die die Ehegatten erzielt haben, gem. § 26b EStG zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die Ehegatten sodann gemeinsam als ein Steuerpflichtiger behandelt. § 26b EStG ist Zurechnungsnorm fÅr die Festsetzung der gemeinsamen Einkommensteuer. Maßgeblich sind auch im Insolvenzverfahren eines oder beider Ehegatten fÅr die Zusammenveranlagung steuerrechtliche Regelungen. Die Besteuerungsgrundlagen, die aus der Insol1 BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 8/06, ZIP 2007, 1917 = DZWIR 2007, 469 (470). 2 BFH v. 18.8.1998 – VII R 114/97, BStBl. II 1999, 84 = NJW 1999, 1056; v. 12.12.2004 – IXa ZB 115/03, NJW 2004, 941 (945). 3 BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 8/06, ZIP 2007, 1917 = NJW 2007, 2556 (2557). 4 So zu Recht Frotscher in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 121 Rz. 40. 5 Frotscher in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 121 Rz. 40. 6 BFH v. 30.8.2012 – III R 40/10, BFH/NV 2013, 193.

394

A. Einkommensteuer

venzmasse entstehen, werden mit den Besteuerungsgrundlagen aus dem insolvenzfreien VermÇgen des Schuldners sowie mit denen des Ehegatten zusammengerechnet.1 Die Ehegatten gelten zur Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer, nicht aber steuerschuldrechtlich als Einheit. Dies bewirkt, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, dass ein gemeinsamer Gesamtbetrag der EinkÅnfte (§ 2 Abs. 3 EStG), ein gemeinsames Einkommen (§ 2 Abs. 4 EStG), ein zu versteuerndes Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG) und eine tarifliche und eine festzusetzende Einkommensteuer (§ 2 Abs. 5, 6 EStG) vorliegen. Der Verlustabzug nach § 10d EStG erfolgt in gleicher Weise mit Wirkung fÅr beide Ehegatten, auch wenn der Verlust bei nur einem Ehegatten entstanden war. Somit kommt ein Verlustvortrag des einen Ehegatten auch dem anderen zugute, wenn Zusammenveranlagung erfolgt. ! Hinweis: Da bei einem Insolvenzschuldner in der Regel Verlustvortrsge vorhanden sind, ist es fÅr einen nicht in Insolvenz befindlichen Ehegatten, der positive EinkÅnfte erzielt, u.U. sehr attraktiv, mit dem insolventen Ehegatten zusammen veranlagt zu werden.

Sonderausgaben sind bei der Zusammenveranlagung vom gemeinsamen Gesamtbetrag der EinkÅnfte abziehbar. Dies gilt unabhsngig davon, welcher der Ehegatten die Aufwendungen getragen hat. Auch außergewÇhnliche Belastungen sind unabhsngig davon, welcher Ehegatte sie tatsschlich getragen hat, vom Gesamtbetrag der EinkÅnfte abzuziehen.

4.55

Zusammen veranlagte Ehegatten sind gem. § 44 AO Gesamtschuldner fÅr die Steuerschuld. Das darf jedoch nicht darÅber hinwegtsuschen, dass Steuerschuldner i.S.v. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO und Adressat des Einkommensteuerbescheids (§ 124 Abs. 1 AO) jeder Ehegatte fÅr sich ist. Das Finanzamt richtet grundsstzlich gegen jeden der zusammen veranlagten Ehegatten einen einzelnen Einkommensteuerbescheid. Allerdings darf das Finanzamt auch in der Insolvenz eines Ehegatten gem. § 155 Abs. 3 S. 1 AO zusammengefasste Einkommensteuerbescheide erlassen.

4.56

Insolvenzverfahrensrechtlich ist fÅr die Gesamtschuld § 43 InsO maßgeblich. Danach darf die Finanzverwaltung die von beiden Ehegatten gemeinsam geschuldeten Steuerbetrsge in voller HÇhe im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen eines Ehegatten geltend machen. Es ist dann Sache des Insolvenzverwalters, zu verhindern, dass die Insolvenzmasse mit Steuerschulden belastet wird, die bei getrennter Veranlagung den anderen Ehegatten treffen wÅrden. Dem Insolvenzverwalter steht das Recht zu, gem. §§ 268 ff. AO die Aufteilung der sich aus der Zusammenveranlagung ergebenden einheitlichen Steuerschuld zwischen den Ehegatten zu beantragen. Dies gilt nicht nur dann, wenn die Finanzverwaltung die Ehegatten gemeinsam betreffende Steuerbetrsge als Masseschuld festgesetzt hat, sondern auch dann, wenn sie solche Steuerschuldbetrsge zur Insolvenztabelle anmeldet. Eine solche Forderung muss der Insolvenzverwalter bis

4.57

1 Frotscher in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 121 Rz. 41.

395

.58

.59

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

zur Erteilung des Aufteilungsbescheides (§ 279 AO) bestreiten. Die Aufteilung beseitigt zwar nicht die Gesamtschuldnerschaft der Ehegatten (§ 44 Abs. 2 Satz 4 AO). Im Vollstreckungsverfahren und somit auch im Insolvenzverfahren werden die Gesamtschuldner aber wie Teilschuldner behandelt, so dass die Finanzverwaltung gegen jeden Gesamtschuldner nur noch den auf ihn entfallenden Teilbetrag durchsetzen kann.1 Der durch den xbergang von der Zusammenveranlagung auf die getrennte Veranlagung begrÅndete Steuererstattungsanspruch ist zwischen den Eheleuten – unabhsngig vom GÅterstand – nach KÇpfen aufzuteilen. Dies gilt auch dann, wenn mit der Wahl der getrennten Veranlagung allein der Zweck verfolgt wird, eine Steuererstattung zu erreichen und der korrespondierende Nachzahlungsanspruch aufgrund der Insolvenz des anderen Ehegatten nicht durchsetzbar ist.2 ! Hinweis: Unter Massebildungsgesichtspunkten kann die Aufteilung der Steuerschuld auch im Hinblick auf etwaige Vorauszahlungen sehr interessant sein. Die Aufteilungsvorschriften fÅhren nsmlich Åber ihren Wortlaut hinaus nicht nur zu einer Vollstreckungsbeschrsnkung. Sie haben vielmehr auch zur Folge, dass jede Verwirklichung der Gesamtschuld – insbesondere durch Aufrechnung – Åber den auf den jeweiligen Ehegatten entfallenden Aufteilungsbetrag hinaus ausgeschlossen ist.3 Im Rahmen der Aufteilung sind auch Vorauszahlungen, die tatsschlich geleistet wurden, aufzuteilen. Fehlen klare Anhaltspunkte oder Angaben des zahlenden Ehegatten dazu, auf wessen Schuld die Vorauszahlungen geleistet wurden, ist im Zweifel anzunehmen, dass der die Vorauszahlung leistende Ehegatte die Steuerschuld fÅr Rechnung beider Ehegatten begleichen will. Vorauszahlungsbetrsge sind daher in Ermangelung anderer Tilgungsbestimmungen des Zahlenden nach KÇpfen aufzuteilen.4 Ergibt sich bei spsterer Aufteilung der Steuern, dass auf einen der Ehegatten gar keine Steuerschuld entfsllt, so steht ihm in Ansehung der (ggf. von dem anderen Ehegatten) geleisteten Vorauszahlungen ein hslftiger Erstattungsanspruch zu (§ 37 Abs. 2 AO).5 Diesen kann der Insolvenzverwalter zur Insolvenzmasse ziehen.6 Insoweit ist der Finanzverwaltung die Aufrechnung mit der Schuld des anderen Ehegatten versagt.7

Ein Ehegatte braucht der einkommensteuerrechtlichen Zusammenveranlagung grundsstzlich nur Zug um Zug gegen eine bindende Zusage des anderen Teils zuzustimmen, seine gegenÅber einer Getrenntveranlagung entstehenden steuerlichen Nachteile auszugleichen.8 Ist der die Zustimmung begehrende Ehegatte womÇglich auf Grund seiner VermÇgenslage 1 2 3 4 5 6 7 8

BFH v. 12.1.1988 – VII R 66/87, BStBl. II 1988, 406. FG BW v. 11.6.2008 – 2 K 73/06, EFG 2008, 1511 (1511). FG MÅnchen v. 24.5.2006 – 1 K 3658/04, (NV). BFH v. 30.9.2008 – VII R 18/08, BStBl. II 2009, 38; v. 18.2.1997 – VII R 117/95, DStRE 1997, 658 (659). BFH v. 18.2.1997 – VII R 117/95, DStRE 1997, 658 (659). BFH v. 30.9.2008 – VII R 18/08, BStBl. II 2009, 38. FG MÅnchen v. 24.5.2006 – 1 K 3658/04, (NV). BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 8/06, ZIP 2007, 1917 = BGHZ 155, 249.

396

A. Einkommensteuer

nicht im Stande, dem anderen Ehegatten die Verluste auszugleichen, so muss der andere Ehegatte die Zustimmungserklsrung grundsstzlich nur Zug um Zug gegen entsprechende Sicherheit fÅr den geschuldeten Nachteilsausgleich abgeben.1 Daher braucht der Insolvenzverwalter eines Schuldners die Zustimmungserklsrung zur Zusammenveranlagung auf Begehren des sich in der Wohlverhaltensphase befindlichen anderen Ehegatten ohne entsprechende Sicherheitsleistung in der Regel nicht zu erteilen, wenn dadurch eine Verbindlichkeit der von ihm verwalteten Insolvenzmasse entsteht.2 Die Eheleute kÇnnen allerdings eine von der gesetzlichen Regel abweichende interne Aufteilung ihrer Einkommensteuerschulden vereinbart haben. Ist danach bei der Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer der gegenÅber der Getrenntveranlagung fÅr einen von ihnen entstehende Nachteil nicht auszugleichen, kann die Zustimmung zur Zusammenveranlagung auch nicht von einer (vereinbarungswidrigen) Zusage abhsngig gemacht werden.3 Eine solche Vereinbarung abweichender Aufteilung der Einkommensteuerlast kann bereits durch konkludentes Handeln zustande kommen und somit bei InsolvenzerÇffnung bereits vorliegen. AusgleichsansprÅche, die sich aus derartigen Vereinbarungen der Ehegatten untereinander ergeben, sind in der Insolvenz eines Ehegatten Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO. Bislang nicht entschieden ist die Frage, ob ein zum Ausgleich verpflichtender Nachteil auch dann bestehen kann, wenn durch die Zusammenveranlagung eine Zahlungsverpflichtung der Insolvenzmasse durch BegrÅndung einer Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO) nicht entsteht, sondern nur Verlustvortrlge des im Insolvenzverfahren befindlichen Ehegatten ausgenutzt werden4 oder Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO entstehen. Man wird in beiden Fsllen aber wohl annehmen mÅssen, dass jedenfalls der Insolvenzverwalter seine Zustimmung zur Zusammenveranlagung verweigern kann, wenn der andere Ehegatte die Zusammenveranlagung begehrt und nicht bereit ist, der Insolvenzmasse entsprechenden Ausgleich zu gewshren. Trotz der MÇglichkeit der Zusammenveranlagung ist die Einkommensteuer eine Personensteuer, die sich nach der Leistungsfshigkeit der einzelnen natÅrlichen Person richtet. Sie wird vom Grundsatz der Individualbesteuerung und vom Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfshigkeit beherrscht. Verlustvortrsge und

1 2 3 4

BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 8/06, ZIP 2007, 1917 = BGHZ 155, 249. BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 8/06, ZIP 2007, 1917 = BGHZ 155, 249. BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 8/06, ZIP 2007, 1917 = BGHZ 155, 249. BGH v. 25.6.2003 – XII ZR 161/01, BB 2003, 2033 (2034) bezeichnet es als „zweifelhaft“, ob ein Ehegatte berechtigt ist, die vom anderen Ehegatten begehrte Zustimmung zur Zusammenveranlagung auch dann zu verweigern, wenn ihm durch die gemeinsame Veranlagung fÅr den Veranlagungszeitraum keine steuerlichen Nachteile entstehen, ihm vielmehr lediglich die Chance genommen wird, die von ihm im Veranlagungszeitraum erwirtschafteten Verluste im Wege des Verlustvortrags (§ 10d EStG) von etwaigen kÅnftigen Einnahmen steuermindernd in Abzug zu bringen.

397

4.60

.61

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

rÅcktragsfshige Verluste sind notwendig, um wirtschaftlichen Belastungen Rechnung zu tragen, die in anderen Veranlagungszeitrsumen entstehen, als positive EinkÅnfte. Eine allein veranlagungszeitraumbezogene Betrachtungsweise spiegelte die Leistungsfshigkeit des Steuerpflichtigen nicht hinreichend wider, weil sie die Tatsache außer Acht ließe, dass es im Wirtschaftsleben beispielsweise Investitionszyklen gibt, in denen typischerweise Verluste entstehen, wshrend GewinnschÇpfung erst spster mÇglich ist. Auch in der Insolvenz muss diese einheitliche Betrachtungsweise gelten, weil nur so das den Glsubigern zugewiesene Haftungssubstrat (das schuldnerische VermÇgen) ohne sußere EinflÅsse in sich konsistent erhalten werden kann. Es ist nicht die Ausnahme, dass Insolvenzverwalter unter Ausnutzung von Verlustvortrsgen aus der Zeit vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nach InsolvenzerÇffnung Masse bilden, die unter Ausnutzung der Verlustvortrsge steuerfrei zu bleiben hat, um nicht das den Glsubigern haftende VermÇgen entgegen den wirtschaftlichen Zusammenhsngen zu schmslern. Daher muss der nicht in Insolvenz befindliche Ehegatte gegenÅber der Insolvenzmasse Ausgleich leisten, wenn er im Wege der Zusammenveranlagung auf die Verlustvortrsge des in Insolvenz befindlichen Ehegatten zurÅckgreifen will. Gleiches gilt freilich fÅr die Verluste aus nach InsolvenzerÇffnung liegenden Veranlagungszeitrsumen. Entsprechendes gilt, wenn durch die Zusammenveranlagung Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO entstehen, obwohl diese nicht aus der Masse berichtigt werden, sondern nur im Rahmen der Verteilung der Insolvenzmasse (quotal) berÅcksichtigt werden. Hier ist die Notwendigkeit eines Ausgleichs zwar nicht ganz so offensichtlich wie in dem bereits durch den BGH entschiedenen Fall,1 in dem durch die Zusammenveranlagung Masseverbindlichkeiten entstehen wÅrden. Aber durch die Vermehrung der zur Insolvenztabelle festzustellenden Insolvenzforderungen nehmen die Befriedigungsquoten der Insolvenzglsubiger ab, so dass auch hierdurch das auf den einzelnen Glsubiger entfallende Haftungssubstrat des schuldnerischen VermÇgens abnimmt. Durch die Zusammenveranlagung erhslt der Insolvenzverwalter Åber das VermÇgen eines Ehegatten zwangslsufig Kenntnis von den EinkÅnften des anderen Ehegatten. Die damit verbundene Einschrlnkung des Steuergeheimnisses ist durch § 30 Abs. 2 Ziff. 1a), Abs. 4 Ziff. 1 AO gerechtfertigt. Der Insolvenzverwalter kann Auskunft Åber die steuerlichen Verhsltnisse des Insolvenzschuldners auch dann verlangen, wenn dadurch zugleich die steuerlichen Verhsltnisse des anderen Ehegatten offenbart werden.2 Dies gilt sogar bereits vor dessen Erklsrung, ob er einen anhsngigen Rechtsstreit oder ein anhsngiges Beschwerdeverfahren aufnimmt oder nicht.3

1 BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 8/06, ZIP 2007, 1917 = DStR 2007, 1411 ff. 2 DrÅen in Tipke/Kruse, § 30 AO Rz. 22; BFH v. 28.3.2007 – III B 10/07, BFH/NV 2007, 1182. 3 BFH v. 28.3.2007 – III B 10/07, BFH/NV 2007, 1182.

398

A. Einkommensteuer

Fsllt nur einer der zusammen veranlagten und gegen den Einkommensteuerbescheid gemeinsam klagenden Ehegatten in Insolvenz, so ist die Abtrennung des vom anderen Ehegatten fortgefÅhrten (Beschwerde-)Verfahrens zulsssig und zweckmsßig.1

4.62

3. Getrennte Veranlagung Bei der getrennten Veranlagung werden jedem Ehegatten diejenigen EinkÅnfte, die er selbst erzielt hat, zugerechnet (§ 26a EStG). Verlustausgleich und Verlustabzug (§ 10d EStG) zwischen den EinkÅnften der Ehegatten finden nicht statt. Der Verlustabzug nach § 10d EStG kann nach § 62d Abs. 1 EStDV nur von demjenigen Ehegatten geltend gemacht werden, der den Verlust erlitten hat. Die Ehegatten haben somit weder ein einheitliches Einkommen, noch eine einheitliche Steuerschuld. Sonderausgaben nach § 9c EStG, das sind erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten, und außergewÇhnliche Belastungen (§§ 33–33b EStG) werden gem. § 26a Abs. 2 EStG in HÇhe des bei einer Zusammenveranlagung in Betracht kommenden Betrags bei beiden Veranlagungen jeweils zur Hslfte abgezogen, wenn die Ehegatten nicht gemeinsam eine andere Aufteilung beantragen. Befindet sich einer der Ehegatten im Insolvenzverfahren, so ist fÅr eine andere Aufteilung die Zustimmung des Insolvenzverwalters erforderlich. Die nach § 33b Abs. 5 EStG Åbertragbaren Pauschbetrsge stehen den Ehegatten insgesamt nur einmal zu; sie werden jedem Ehegatten zur Hslfte gewshrt. Die (nachtrsgliche) Wahl der getrennten Veranlagung ist nicht bereits dann rechtsmissbrsuchlich i.S.d. § 42 AO, wenn dies bei dem einen Ehegatten zur Erstattung von einbehaltener Lohnsteuer fÅhrt, wshrend bei dem anderen Ehegatten nach Anrechnung von Vorauszahlungen ergebende Zahllasten nicht mehr beigetrieben werden kÇnnen.2 Wird im Insolvenzverfahren durch den Insolvenzverwalter oder den nicht im Insolvenzverfahren befindlichen anderen Ehegatten (nachtrlglich) die getrennte Veranlagung gewlhlt, so sind bisher ergangene Steuerbescheide mit Zusammenveranlagung aufzuheben. FÅr den nicht in Insolvenz befindlichen Ehegatten sind sodann Steuerbescheide zu erlassen. FÅr den insolventen Ehegatten kÇnnen keine Steuerbescheide mit einer Zahllast mehr ergehen,3 stattdessen sind fÅr die auf ihn entfallende Steuerschuld Berechnungsmitteilungen zu erstellen, die Grundlage fÅr die Anmeldung der betreffenden Steuerforderung zur Insolvenztabelle bilden. Vorsicht ist geboten, wenn das Finanzamt einen Steuerbescheid, mit dem die Ehegatten zusammen veranlagt worden sind, wegen einer nachtrsglichen getrennten Veranlagungswahl aufhebt und die auf den insolventen Ehegatten entfallende Steuerschuld in einem Bescheid mit getrennter Veranla1 BFH v. 23.8.2007 – X B 130/06, BFH/NV 2007, 2320. 2 BFH v. 30.8.2012 – III R 40/10, BFH/NV 2013, 193. 3 BFH v. 13.5.2009 – XI R 63/07, BStBl. II 2010, 11 = ZIP 2009, 1631.

399

4.63

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

gung auf Null festsetzt. Eine Festsetzung auf Null kann und darf nlmlich auch wshrend des erÇffneten Insolvenzverfahrens fÅr den insolventen Ehegatten erfolgen – und kann deswegen bestandskrsftig werden.1 Eine solche Festsetzung ist geeignet, einen sich aus der nunmehr getrennten Veranlagung ergebenden, auf den insolventen Ehegatten entfallenden Erstattungsanspruch zu Fall zu bringen, weil die Festsetzung auf Null in Bestandskraft erwachen kann. Umgekehrt kann aber die FinanzbehÇrde nach Eintritt einer solchen Bestandskraft auch nicht mehr splter eine Forderung zur Insolvenztabelle festgestellt erhalten, wenn nicht die Voraussetzungen des § 173 AO vorliegen, weil auch dem die Bestandskraft der Festsetzung auf Null entgegensteht.

X. Anrechnungen auf die Steuerschuld 1. Regime des Insolvenzrechts

.64

Welcher Einkommensteuerbetrag tatsschlich zu zahlen ist, ergibt sich erst nach BerÅcksichtigung maßgeblicher Anrechnungen. Anrechnungsbetrsge ergeben sich auf Grund von Vorauszahlungen und SteuerabzÅgen.

.65

Auch bei der BerÅcksichtigung der Anrechnungsbetrsge muss die insolvenzrechtliche Rangordnung beachtet werden. Anrechnungen dÅrfen grundsstzlich nur insoweit erfolgen, als Steuerschuld und anzurechnender Betrag denselben insolvenzrechtlichen Rang einnehmen. 2. Vorauszahlungen

.66

Nach § 37 Abs. 1 und 3 EStG hat ein Steuerpflichtiger auf die von ihm voraussichtlich geschuldete Einkommensteuer vierteljshrliche Vorauszahlungen zu entrichten. Die Vorauszahlungsschulden entstehen jeweils mit Beginn des Kalendervierteljahrs (§ 37 Abs. 1 Satz 2 EStG). Das Finanzamt hat die Vorauszahlungen durch Vorauszahlungsbescheid festzusetzen. Hierbei handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, ein Ermessensspielraum steht der BehÇrde nicht zu.2 Die Vorauszahlungen bemessen sich grundsstzlich nach der Einkommensteuer, die sich bei der letzten Veranlagung ergeben hat (§ 37 Abs. 3 Satz 2 EStG). Eine Anpassung an die voraussichtlich entstehende Einkommensteuer ist aber mÇglich (§ 37 Abs. 3 Satz 3 EStG). Auf die Art der EinkÅnfte kommt es nach § 37 EStG nicht an.

.67

Im Insolvenzverfahren kÇnnen Vorauszahlungen sowohl gegen die Insolvenzmasse als auch gegen den Insolvenzschuldner festgesetzt werden. Grundlage fÅr die Festsetzung von Vorauszahlungen gegen die Insolvenzmasse ist die Einkommensteuer, die sich bei der letzten Veranlagung als 1 Ganz Åberwiegende Meinung, vgl. statt Vieler BFH v. 13.5.2009 – XI R 63/07, BStBl. II 2010, 11 = ZIP 2009, 1631. 2 BFH v. 20.12.2004 – VI R 182/97, BStBl. II 2005, 358.

400

A. Einkommensteuer

Masseverbindlichkeit ergeben hat. Ist das Insolvenzverfahren jedoch noch nicht von so hinreichend langer Dauer, dass es bereits einen Veranlagungszeitraum gegeben hat, fÅr den gegen die Insolvenzmasse Einkommensteuer festgesetzt worden ist, kann als Grundlage fÅr die Festsetzung von Vorauszahlungen gegen die Insolvenzmasse die voraussichtlich von dieser zu zahlende Einkommensteuer herangezogen werden.1 Gegen den Insolvenzschuldner selbst kÇnnen Vorauszahlungen auch wshrend des erÇffneten Insolvenzverfahrens festgesetzt werden, wenn zu erwarten ist, dass er EinkÅnfte erzielt, die nicht zur Insolvenzmasse, sondern zu seinem insolvenzfreien VermÇgen gelangen (Rz. 2.135 ff.). Grundlage fÅr die Festsetzung ist grundsstzlich die Einkommensteuer, die sich bei der letzten Veranlagung im insolvenzfreien VermÇgenskreis des Insolvenzschuldners ergeben hat. Hat bei der letzten Veranlagung noch keine Trennung zwischen insolvenzverhaftetem und insolvenzfreiem VermÇgen stattgefunden, weil das Insolvenzverfahren noch nicht erÇffnet war, kÇnnen die voraussichtlich im insolvenzfreien VermÇgen anfallenden EinkÅnfte als Grundlage herangezogen werden.2 Eine Festsetzung von Vorauszahlungen gegen das insolvenzfreie VermÇgen kommt insbesondere in Betracht, wenn der Insolvenzverwalter einen vom Insolvenzschuldner gefÅhrten Geschsftsbetrieb gem. § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse freigegeben hat. Dann ist nsmlich regelmsßig mit insolvenzfreien EinkÅnften des Schuldners zu rechnen. Eine Festsetzung von Vorauszahlungen als Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO kommt nach InsolvenzerÇffnung nicht mehr in Betracht. Die als Insolvenzforderung entstandene Einkommensteuerschuld ist (notfalls geschstzt) zur Insolvenztabelle anzumelden (Rz. 3.246). Vorauszahlungen, die auf Masseverbindlichkeiten geleistet wurden, dÅrfen nur auf die gegen die Masse festzusetzende Einkommensteuer angerechnet werden; Vorauszahlungen, die auf Einkommensteuerschulden geleistet wurden, fÅr die das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners haftet, dÅrfen nur auf die gegen das insolvenzfreie VermÇgen festzusetzende Einkommensteuer angerechnet werden; Vorauszahlungen, die (vor InsolvenzerÇffnung) auf Einkommensteuern gezahlt wurden, die im Insolvenzverfahren den Rang einfacher Insolvenzforderungen nach § 38 InsO einnehmen, dÅrfen nur auf Insolvenzforderungen angerechnet werden. Soweit sich bei letzterer Anrechnung ein Erstattungsbetrag ergibt, ist dieser an die Insolvenzmasse auszuzahlen. Er darf auch nicht etwa mit einer Einkommensteuerschuld des insolvenzfreien VermÇgens des Schuldners verrechnet werden. Zur Aufrechnung eines der Masse zustehenden Erstattungsbetrages mit Steuerschulden, die den Rang von Masseverbindlichkeiten einnehmen s. Rz. 3.340 ff.

4.68

Ergibt sich in Bezug auf das insolvenzfreie VermÇgen nach der (isoliert hierauf vorgenommenen) Anrechnung ein Erstattungsbetrag, so ist dieser

4.69

1 BFH v. 29.3.1984 – IV R 271/83, BStBl. II 1984, 602 = ZIP 1984, 853. 2 BFH v. 29.3.1984 – IV R 271/83, BStBl. II 1984, 602 = ZIP 1984, 853.

401

.70

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

an den Insolvenzschuldner in dessen insolvenzfreies VermÇgen zu erstatten. Eine MassezugehÇrigkeit scheidet aus, weil dem Schuldner sonst in der (ggf. sogar vom Insolvenzverwalter freigegebenen) insolvenzfreien betrieblichen Sphsre vernÅnftiges Wirtschaften unmÇglich wÅrde. Die strikte Einhaltung der o.g. Anrechnungsbeschrlnkungen ist zwingende Voraussetzung fÅr die Einhaltung der insolvenzrechtlichen Befriedigungssystematik, weil sich der Fiskus sonst gegenÅber den Åbrigen Glsubigern insolvenzzweckwidrige Sondervorteile verschaffen und die Aufrechnungsvorschriften (§§ 94 ff. InsO) unterminiert wÅrden.1 3. EinkÅnfte aus KapitalvermÇgen

.71

FÅr EinkÅnfte aus KapitalvermÇgen galt nach § 43a Abs. 1 Ziff. 3 EStG bis zum 31.12.2008 grundsstzlich eine 30 %ige Zinsabschlagsteuer; Bankinstitute mussten die Zinsabschlagsteuer einbehalten und an die Finanzverwaltung abfÅhren.

.72

Kapitalertrsge, die nach dem 31.12.2008 erzielt werden, sind bei Privatpersonen der 25 %igen Abgeltungsteuer unterworfen; fÅr Kapitalertrsge im BetriebsvermÇgen bzw. dem Anwendungsbereich von § 17 EStG gilt das TeileinkÅnfteverfahren. Die in § 43 Abs. 1 Ziff. 7 EStG genannten Kapitalertrsge unterliegen dem Steuerabzug an der Quelle. SteuerabzÅge sind Erhebungsformen der Einkommensteuer, vgl. zu Grundlagen, Systematik und Behandlung von Steuerabzugsbetrsgen im Insolvenzverfahren die entsprechenden AusfÅhrungen zum Steuerabzug bei Bauleistungen Rz. 4.113. SteuerabzÅge haben den Charakter pauschaler Vorauszahlungen auf die endgÅltig festgesetzte Jahressteuer, die im Rahmen der Einkommensteuer auf die Steuerschuld angerechnet werden. Die FinanzbehÇrden sind an der Steuererhebung nicht unmittelbar beteiligt. Sie erlegt vor allem dem Schuldner der Kapitalertrsge bzw. der die Kapitalertrsge auszahlenden Stelle steuerrechtliche Pflichten auf, da diese zum Einbehalt, zur Anmeldung und zur AbfÅhrung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer verpflichtet sind (§§ 44, 45a EStG). Insolvenzrechtlich gelten im Wesentlichen die allgemeinen Grundsstze der Steuervorauszahlungen; der Steuerabzug ist unabhsngig von der InsolvenzerÇffnung vorzunehmen,2 auch wenn die Insolvenzmasse Kapitalertrsge erzielt.

.73

Zur Kapitalertragsteuer bei Kapitalertrlgen von in Insolvenz befindlichen Personengesellschaften oder bei Nachlassinsolvenzverfahren s. Rz. 4.147 ff.

1 SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 77; Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1536; s. auch BFH v. 29.3.1984 – IV R 271/83, ZIP 1984, 853 = BStBl. II 1984, 602. 2 SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 70.

402

A. Einkommensteuer

4. Lohnsteuer Literatur Becker, Berechnung des Arbeitslosengeldes – Bemessungsentgelt – Lohnsteuerabzug – Nettolohn – Vereinbarung – Nichtvorlage der Lohnsteuerkarte – eingetragene Lohnsteuerklasse III – NichtberÅcksichtigung der Lohnsteuerklasse VI, SGb 2003, 297; Bergkemper, Gegenseitiger Ausschluss von Nachforderung pauschalierter Lohnsteuer und Haftung fÅr die Lohnsteuer, FR 2009, 624; Lohnsteuer-Merkblatt 2010, DB Beilage 2010, Nr. 2, 1–72; Drenseck, MÇglichkeiten der Arbeitnehmer zur Einsparung von Lohnsteuer, DB Beilage 2008, Nr. 3, 1; Drenseck/Bergkemper, MÇglichkeiten der Arbeitnehmer zur Einsparung von Lohnsteuer, DB Beilage 2009, Nr. 3, 1; Hartmann, Neuregelungen im Bereich der Lohnsteuer zum Jahreswechsel 2009, DStR 2009, 79; Hilbert, Der Kommentar zur Verwaltungsanweisung Åber die lohnsteuerliche Behandlung der xberlassung von VermÇgensbeteiligungen ab 2009, NWB 2010, 89; Kaponig/ThÇnnes, Neuerungen bei der Lohnsteuerklassenwahl ab 2010, SteuerStud 2010, 4; LÅhn, Lohnsteuererstattungsanspruch des Arbeitnehmers bei abkommenswidrigem Lohnsteuerabzug, BB 2010, 1008; Nacke, Ermessensfehler bei der Lohnsteuerhaftung: In folgenden Fsllen sollten Sie sich wehren, GStB 2006, 446; Keine Haftung des Insolvenzverwalters fÅrs Lohnsteuer der GmbH, NWB 2010, 432; Plenker, Aktuelle Entwicklungen im lohnsteuerlichen Verfahrensrecht, DB 2010, 192.

a) Grundlagen Unter dem Begriff Lohnsteuer versteht man keine eigenstsndige Steuerart, sondern vielmehr nur die in §§ 38 ff. EStG geregelte besondere Erhebungsform der Einkommensteuer.1 Bei den EinkÅnften aus nichtselbstsndiger Arbeit wird die Einkommensteuer als Lohnsteuer in der Form des Quellenabzugs erhoben. Inhaltlich handelt es sich bei den Lohnsteuer-Abzugsbetrsgen um Vorauszahlungen auf die erst zum Jahresende entstehende Jahreseinkommensteuerschuld des Arbeitnehmers.2 Die Lohnsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt. Anders als Einkommensteuervorauszahlungen (§ 37 EStG; Rz. 4.66 ff.) nimmt der Arbeitgeber bei Auszahlung des Lohns an seinen Arbeitnehmer bereits einen Lohnsteuerabzug vor und fÅhrt den Lohnsteuerbetrag unmittelbar an die Finanzverwaltung ab (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG). Der Arbeitgeber ist fÅr die korrekte Ermittlung der Lohnsteuer (§§ 38a ff. EStG) verantwortlich, wobei er Besonderheiten des einzelnen Arbeitnehmers wie etwa Freibetrsge zu berÅcksichtigen hat. Die HÇhe der Jahreslohnsteuer richtet sich nach den fÅr die Einkommensteuer maßgeblichen Regelungen (§ 38a Abs. 2 EStG). Auch fÅr die Lohnsteuer gilt damit der in § 32a EStG geregelte Einkommensteuertarif.

1 BVerfG v. 26.1.1977 – 1 BvL 7/76, BStBl. II 1977, 297; FG KÇln v. 5.3.2004 – 15 K 6011/03, EFG 2004, 1124 (1125). 2 BFH v. 20.12.2004 – VI R 182/97, BStBl. II 2005, 358; v. 29.4.1992 – VI B 152/91, BStBl. II 1992, 752.

403

4.74

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

.75

Steuerschuldner ist bei der Lohnsteuer nicht der Arbeitgeber, sondern – von den Fsllen der Pauschalierung der Lohnsteuer abgesehen – der Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG).

.76

Hat der Arbeitgeber zu viel Lohnsteuer an die Finanzverwaltung abgefÅhrt, so kann der Arbeitnehmer auch wshrend des laufenden Kalenderjahres Erstattung der Åberzahlten Betrsge verlangen.1 Der Erstattungsanspruch entsteht bereits im Zeitpunkt der Vornahme des Lohnsteuerabzugs durch den Arbeitgeber.

.77

Ist zu wenig Lohnsteuer einbehalten bzw. zu wenig Lohnsteuer abgefÅhrt, so hat das Finanzamt die zu wenig gezahlten Betrsge grundsstzlich beim Arbeitnehmer nachzufordern (§§ 42d Abs. 3, 41c Abs. 4 Satz 2, 38 Abs. 4 Satz 4, 39 Abs. 5a Satz 4 EStG). Behslt der Arbeitgeber Lohnsteuer nicht vorschriftsmsßig ein, sondern zahlt den ungekÅrzten Arbeitslohn an den Arbeitnehmer aus, so haftet er nach § 42d Abs. 1 Ziff. 1 AO gegenÅber der Finanzverwaltung. Der Arbeitgeber wird dadurch Haftungsschuldner, nicht aber Steuerschuldner. Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner. Das Betriebsststtenfinanzamt kann die Steuerschuld oder Haftungsschuld nach pflichtgemsßem Ermessen gegenÅber jedem Gesamtschuldner geltend machen. Die Einzelheiten der Rechtsverhsltnisse zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzamt und ihre jeweilige Rechtsstellung im Lohnsteuerabzugsverfahren sind umstritten.2 Der Arbeitnehmer kann aber jedenfalls im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft gem. § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG nur in Anspruch genommen werden,

.78

wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmsßig vom Arbeitslohn einbehalten (also an den Arbeitnehmer ausgezahlt) hat, oder

.79

wenn der Arbeitnehmer weiß, dass der Arbeitgeber die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmsßig angemeldet hat und der Arbeitnehmer dies nicht unverzÅglich dem Finanzamt mitgeteilt hat.

.80

Liegen die Voraussetzungen fÅr die Haftung des Arbeitgebers vor, so hat die FinanzbehÇrde zu prÅfen, ob nicht vorrangig der Arbeitnehmer in Anspruch zu nehmen ist, weil er schließlich Steuerschuldner der Lohn- bzw. Einkommensteuer ist. Einen entsprechenden Grundsatz gibt es allerdings nicht. Es ist vielmehr nach den jeweiligen Umstsnden des Einzelfalls zu entscheiden.3 Wird der Arbeitgeber als Haftungsschuldner in Anspruch genommen, so kann er im Innenverhsltnis bei seinem Arbeitnehmer RÅckgriff nehmen. Maßgeblich sind hierfÅr die Grundsstze von § 426 BGB. Im Ergebnis hat der Arbeitnehmer die Lohnsteuer allein zu tragen, weil er Steuerschuldner ist. 1 ThÅrmer in BlÅmich, § 38 EStG Rz. 41 m.w.N. 2 Siehe hierzu ausfÅhrlich und mit weiteren Nachweisen Heuermann in BlÅmich, § 42d EStG Rz. 19 ff., 28 ff. 3 Heuermann in BlÅmich, § 42d EStG Rz. 108.

404

A. Einkommensteuer

Gemsß § 46 Abs. 4 EStG gilt die Einkommensteuer, die auf die EinkÅnfte aus nichtselbstsndiger Arbeit entfsllt, durch den Lohnsteuerabzug als abgegolten, wenn eine Veranlagung nicht in Betracht kommt. Nach § 46 Abs. 2 Ziff. 5 EStG ist eine Einkommensteuerveranlagung durchzufÅhren, wenn die Lohnsteuer fÅr einen sonstigen Bezug i.S.d. § 34 Abs. 1 und 2 Ziff. 2 EStG nach § 39b Abs. 3 Satz 9 EStG ermittelt wurde.

4.81

b) Insolvenz des Arbeitnehmers Literatur Foerster, EinfÅhrung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale, StuB 2008, 232; JStG 2010: Aktualisierung im Bereich der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM), StBW 2010, 366; Harder-Buschner/Jungblut, Vorsorgeaufwendungen im Lohnsteuerabzugsverfahren ab 2010, NWB 2009, 2636; Kreft, Lohnsteuerabzug beim Wechsel der Einkommensteuerpflicht, PIStB 2009, 6; Merker, Die Vorsorgepauschale beim Lohnsteuerabzugsverfahren, StW 2010, 27; Der Lohnsteuerabzug beim Faktorverfahren, StW 2010, 75; Paetsch, Lohnsteuerabzug bei Vorteilsgewshrungen innerhalb einer Versicherungsgruppe, HFR 2007, 981; PfÅtzenreuter, Rechtsweg fÅr die Klage eines Arbeitnehmers auf Abschluss des LohnsteuerAbzugs, EFG 2007, 1708; Riehle/Dusolt, Lohnsteuerabzug bei nach Deutschland einpendelnden Grenzgsngern aus der Schweiz, PIStB 2010, 143.

aa) Lohnsteuerabzug Wird Åber das VermÇgen eines Arbeitnehmers ein Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahren erÇffnet, so sndert dies am grundsstzlichen Lohnsteuerabzug von seinem Arbeitseinkommen nichts. Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer ungeachtet der InsolvenzerÇffnung einzubehalten und an das zustsndige Finanzamt abzufÅhren.

4.82

Kommt der Arbeitgeber seiner Pflicht zur AbfÅhrung der Lohnsteuer nicht nach, so ist zu differenzieren: Hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht einbehalten, sondern an den Åber das VermÇgen des Arbeitnehmers bestellten Insolvenzverwalter ausgezahlt, so kann die FinanzbehÇrde den Arbeitgeber gem. § 42d Abs. 1 EStG als Haftungsschuldner in Anspruch nehmen. Die FinanzbehÇrde kann aber auch den Insolvenzverwalter als Steuerschuldner in Anspruch nehmen; es handelt sich um einen Masseanspruch i.S.v. § 55 InsO, soweit der Lohnsteueranspruch nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Wird der Arbeitgeber als Haftungsschuldner in Anspruch genommen, hat er als Masseglsubiger einen RÅckgriffsanspruch gegen den Insolvenzverwalter.

4.83

Hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht einbehalten, sondern an den Arbeitnehmer ausgezahlt, obwohl Åber dessen VermÇgen das Insolvenzverfahren erÇffnet war, so kann die FinanzbehÇrde ebenfalls den Arbeitgeber gem. § 42d Abs. 1 EStG als Haftungsschuldner in Anspruch nehmen. Die

4.84

405

.85

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

FinanzbehÇrde kann auch in diesem Fall den Insolvenzverwalter als Steuerschuldner in Anspruch nehmen, soweit der Lohnsteueranspruch nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, denn die Einkommensteuer ist insoweit Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 InsO. Der Insolvenzmasse steht dann aber gegen den Arbeitgeber ein Schadensersatzanspruch zu, den man wohl aus einer Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten herleiten wird. Der Arbeitgeber seinerseits hat dann gegen das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners einen Bereicherungsanspruch, weil der Arbeitgeber weder eine Pflicht hatte, in Ansehung der Lohnsteuer in das insolvenzfreie VermÇgen zu leisten, noch gegenÅber dem Insolvenzverwalter als allein verfÅgungsberechtigtem (§ 80 InsO) VermÇgensverwalter (§ 34 Abs. 3 AO) des Lohnsteuerschuldners berechtigt war, in dieses VermÇgen zu leisten, so dass in Bezug auf den Bruttolohnanspruch keine ErfÅllungswirkung eintreten kann (§ 82 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO). Stattdessen kÇnnte man daran denken, die Auszahlung des Steuerbetrages an den Insolvenzschuldner als nicht unpfsndbaren Neuerwerb i.S.v. § 35 Abs. 1 InsO anzusehen und dem Insolvenzverwalter somit einen direkten Zugriff auf den entsprechenden Betrag zu geben. Das aber wÅrde erstens die erforderliche konsequente Trennung der VermÇgensmassen der Insolvenzmasse und des insolvenzfreien VermÇgens des Schuldners durchbrechen, zweitens das aus der pflichtwidrigen Zahlung des Arbeitgebers in das dem Zugriff des Insolvenzverwalters unzugsngliche (weil mÇglicherweise freigegebene Gehaltskonto) VermÇgen des Schuldners resultierende Risiko unberechtigter Weise auf die Insolvenzglsubiger verlagern und drittens gegen § 82 Satz 1 InsO verstoßen. Hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer einbehalten, aber nicht abgefÅhrt, haftet der Arbeitgeber gem. § 42d Abs. 1 EStG fÅr die abzufÅhrende Lohnsteuer. Eine Inanspruchnahme des Insolvenzschuldners durch die Finanzverwaltung nach § 42d Abs. 3 Satz 4 Ziff. 1 EStG kommt nicht in Betracht. Aber auch eine Inanspruchnahme der Insolvenzmasse nach § 42d Abs. 3 Satz 4 Ziff. 1 EStG scheidet aus, obwohl die Insolvenzmasse die Einkommensteuerschuld des Insolvenzschuldners aus der Zeit nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO) zu tragen hat. Durch den Einbehalt muss nsmlich bereits eine Anrechnung der (vom Arbeitgeber einbehaltenen, wenn auch nicht abgefÅhrten) Lohnsteuer auf die Lohnsteuerschuld des Insolvenzschuldners erfolgen. Gemsß § 36 Abs. 2 Ziff. 2 EStG wird die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer nsmlich auf die Jahreseinkommensteuer angerechnet, soweit sie auf die bei der Veranlagung erfassten EinkÅnfte entfsllt.1„Erhoben“ i.S.d. § 36 Abs. 2 Ziff. 2 EStG ist eine Abzugsteuer dann, wenn sie vom Abzugspflichtigen einbehalten worden ist.2 Lohnsteuer ist nach stsndiger Rechtsprechung des BFH immer dann anzurechnen, wenn sie als vom Arbeitnehmer entrichtet gelten muss, weil sie aus seiner Sicht vor1 BFH v. 1.4.1999 – VII R 51/98, DStRE 1999, 864 (865). 2 BFH v. 18.6.1993 – VI R 67/90, BStBl. II 1994, 182.

406

A. Einkommensteuer

schriftsmsßig einbehalten worden ist. Voraussetzung hierfÅr ist, dass entweder der Arbeitgeber die Lohnsteuer bei Auszahlung des dem Arbeitnehmer zustehenden Lohnes tatsschlich und vorschriftsmsßig einbehalten (oder sie im Rahmen einer sog. Nettolohnvereinbarung) Åbernommen hat.1 Hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer also einbehalten, so hat er den Lohnsteueranspruch des Fiskus gegen den Arbeitnehmer erfÅllt; die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers ist somit nach § 47 AO erloschen, und zwar unabhsngig davon, ob sie an das Finanzamt abgefÅhrt wurde.2 Allerdings kann eine Inanspruchnahme der Insolvenzmasse nach § 42d Abs. 3 Satz 4 Ziff. 2 EStG in Betracht kommen. Hiernach kann der Arbeitnehmer trotz vorschriftsmsßigen Lohnsteuereinbehalts in Anspruch genommen werden, wenn er weiß, dass der Arbeitgeber die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmsßig angemeldet hat. Weil die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers mit dem korrekten Lohnsteuereinbehalt bereits erfÅllt ist, begrÅndet die Vorschrift eine Haftung des Arbeitnehmers fÅr die Anmeldungs- und AbfÅhrungspflicht des Arbeitgebers gem. § 41a Abs. 1 EStG.3 Hintergrund fÅr diese Einstandspflicht ist, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen fÅr die korrekte Ermittlung der einzubehaltenden Lohnsteuer verantwortlich sind. Da im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Arbeitnehmers der hier bestellte Insolvenzverwalter dessen steuerliche Pflichten wahrzunehmen hat, kommt diese Pflicht ihm und nicht dem Insolvenzschuldner zu; daher ist im Rahmen von § 42d Abs. 3 Satz 4 Ziff. 2 EStG auf die Kenntnis des Insolvenzverwalters abzustellen. Wissen bedeutet Gewissheit, d.h. positive Kenntnis, dass fÅr die einbehaltene Lohnsteuer keine vorschriftsmsßige Anmeldung abgegeben wurde; dahingehende Vermutungen und selbst eine grob fahrlsssige Unkenntnis reichen nicht aus.4 Der Nachweis, dass der Arbeitnehmer die Nichtanmeldung der Lohnsteuer gekannt hat, obliegt der FinanzbehÇrde.5 Die Inanspruchnahme des Insolvenzschuldners nach § 42d Abs. 3 Satz 4 Ziff. 2 EStG scheidet stets aus, selbst wenn er positive Kenntnis davon hat, dass fÅr die einbehaltene Lohnsteuer keine vorschriftsmsßige Anmeldung abgegeben wurde. Die steuerlichen Handlungspflichten obliegen nsmlich allein dem Insolvenzverwalter. Zur Zuordnung von Lohnsteuerschulden zu den Insolvenzforderungen (§ 38 InsO), Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) oder insolvenzfreiem VermÇgen des Insolvenzschuldners s. Rz. 4.169).

1 BFH v. 18.6.1993 – VI R 67/90, BStBl. II 1994, 182; vgl. dazu BFH v. 8.11.1985 – VI R 238/80, BStBl. II 1986, 186; v. 6.12.1991 – VI R 122/89, BStBl. II 1992, 441; v. 18.2.1992 – VI R 146/87, BStBl. II 1992, 733, m.w.N. 2 BFH v. 1.4.1999 – VII R 51/98, DStRE 1999, 864 (865); Heuermann in BlÅmich, § 42d EStG Rz. 88. 3 Heuermann in BlÅmich, § 42d EStG Rz. 95. 4 BFH v. 1.4.1999 – VII R 51/98, FR 1999, 1187 (1189); Starke in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 42d EStG Anm. 145; Schmidt/Drenseck, § 42d EStG Rz. 19. 5 BFH v. 1.4.1999 – VII R 51/98, FR 1999, 1187 (1189).

407

4.86

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

bb) Wahl der Steuerklasse

.87

FÅr die DurchfÅhrung des Lohnsteuerabzugs werden unbeschrsnkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer gem. § 38b EStG in Steuerklassen eingereiht. Je nach Besteuerungsmerkmalen werden Arbeitnehmer in sechs Steuerklassen eingruppiert.

.88

Sind bei Ehepaaren beide Ehegatten berufststig, kÇnnen sie entweder beide der Steuerklasse IV angehÇren oder ein Ehegatte erhslt die Steuerklasse III, wshrend der andere der Steuerklasse V angehÇrt. Der Steuerklasse V liegt ein sog. Aufholtarif zugrunde. Die Steuerbetrsge sind so errechnet, als wsre der in die Steuerklasse V eingereihte Arbeitnehmer am Gesamteinkommen der Ehegatten mit 40 % beteiligt, der andere Ehegatte, der dann automatisch zur Steuerklasse III gehÇrt, mit 60 %. Trifft diese Prsmisse zu, ergibt sich – zusammen mit der vom Arbeitslohn des anderen Ehegatten nach der Steuerklasse III einbehaltenen Lohnsteuer – die zutreffende Jahreslohnsteuer der Ehegatten.1 Unterjshrige xber- oder Unterzahlungen kÇnnen also weitgehend vermieden werden, wenn die Einkommensverhsltnisse der Ehegatten in diesem Verhsltnis zueinander stehen und die Ehegatten auch die entsprechenden Steuerklassen wshlen – und nicht umgekehrt, was ebenfalls grundsstzlich zulsssig ist.

.89

Ist einer der Ehegatten Vollstreckungszugriffen seiner Glsubiger ausgesetzt, so versucht er in der Praxis nicht selten, den pfsndbaren Teil seines Arbeitseinkommens dadurch zu reduzieren, dass er fÅr sich die ungÅnstige Steuerklasse V wshlt und seinem Ehegatten die gÅnstige Steuerklasse III. Dadurch tritt nicht nur eine zeitlich verschobene Benachteiligung der Glsubiger ein, sondern eine endgÅltige, weil die auf den Schuldner bezogenen LohnsteuerÅberzahlungen mit den auf dessen Ehegatten bezogenen Unterzahlungen verrechnet werden.

.90

FÅr den Bereich der Einzelzwangsvollstreckung hat der BGH dem einen Riegel vorgeschoben:2

.91

„Grundsntzlich kann in der Zwangsvollstreckung nur auf Arbeitseinkommen des Schuldners Zugriff genommen werden, das dieser tatsnchlich bezieht. § 850h Abs. 1 ZPO ermÇglicht davon abweichend unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen auch auf Einkommen Zugriff zu nehmen, das tatsnchlich einem Dritten zufließt. DarÅber hinaus gilt gem. Abs. 2 dieser Vorschrift fÅr Leistungen, die der Schuldner tatsnchlich unentgeltlich oder gegen eine unverhnltnismnßig geringe VergÅtung erbringt, im Verhnltnis zum Glnubiger eine angemessene VergÅtung als geschuldet. § 850h ZPO dient damit dem Glnubigerschutz; es soll verhindert werden, dass durch unlautere Manipulationen Schuldnereinkommen dem Glnubigerzugriff entzogen wird.

.92

[9] b) Eine solche Manipulation kann auch gegeben sein, wenn der Schuldner durch Wahl einer fÅr ihn ungÅnstigen Steuerklasse ohne sachlichen Grund sein zur Auszahlung kommendes und der Pfnndung unterliegendes Nettoarbeitsein1 ThÅrmer in BlÅmich, § 38b EStG Rz. 26. 2 BGH v. 4.10.2005 – VII ZB 26/05, DStR 2005, 2096.

408

A. Einkommensteuer kommen verkÅrzt. In entsprechender Anwendung des § 850h ZPO kommt in einem solchen Fall eine Anordnung dahin gehend in Betracht, dass der Arbeitgeber bei der Berechnung des pfnndbaren Teils des Arbeitsentgelts das sich unter BerÅcksichtigung der gÅnstigeren Steuerklasse ergebende Nettoeinkommen zugrunde zu legen hat (Schuschke/Walker, ZPO, 3. Aufl., § 850h Rz. 11). [10] c) Umstritten ist, ob erst die nach der Pfnndung erfolgte Wahl der ungÅnstigen Steuerklasse eine solche Anordnung rechtfertigt, oder ob dies auch gilt, wenn diese Wahl bereits vorab erfolgte.

4.93

[11] Zum einen wird vertreten, der Glnubiger mÅsse die vor der Pfnndung getroffene Wahl der Steuerklasse im laufenden Jahr in gleicher Weise gegen sich gelten lassen, wie er eine vor der Pfnndung wirksam gewordene Abtretung des pfnndbaren Teils der LohnansprÅche des Schuldners hinzunehmen hntte (...). Erst fÅr das Folgejahr kÇnne eine entsprechende Anordnung erfolgen.

4.94

[12] Nach anderer Ansicht ist die entsprechende Anordnung auch mÇglich, wenn die Wahl der ungÅnstigen Steuerklasse bereits vor erfolgter Pfnndung vorgenommen wurde (...).

4.95

[13] d) Der Senat schließt sich fÅr einen Fall, in dem der Schuldner vor der Pfnndung nachweislich die Wahl der ungÅnstigeren Steuerklasse in Glnubigerbenachteiligungsabsicht vorgenommen hat, der letzteren Auffassung an. Der Schuldner ist dann bei der Berechnung des pfnndungsfreien Betrags auch schon im Jahre der Pfnndung so zu behandeln, als sei sein Arbeitseinkommen gemnß der gÅnstigeren Steuerklasse, hier also Steuerklasse IV, zu versteuern.“

4.96

Diesen Gedanken Åbertragen Rechtsprechung und Literatur in den Bereich des Insolvenzverfahrens, setzen ihn allerdings dort weder dogmatisch konsequent fort, noch fÅhren sie praktikable LÇsungen herbei. Die Problematik wird nsmlich in den Bereich der Mitwirkungspflichten des Insolvenzschuldners und der Verfahrenskostenstundung nach §§ 4a ff. InsO verlegt. Der Schuldner ist nach der jÅngsten Rechtsprechung des BGH im Hinblick auf die Subsidiaritst der Stundung der Verfahrenskosten verpflichtet, seine Steuerklasse so zu wshlen, dass sein pfsndbares Einkommen nicht zum Nachteil der Glsubiger und der Staatskasse reduziert wird. Dort heißt es:

4.97

„Hat er [lies: der Schuldner] ... ohne einen sachlichen Grund [Anmerkung: der nicht in der bloßen Schlechterstellung seiner Glnubiger, sondern in anderen, anerkennenswerten GrÅnden liegen mÅsste] die Steuerklasse V gewnhlt, um seinem nicht insolventen Ehegatten die Vorteile der Steuerklasse III zukommen zu lassen, ist ihm in Hinblick auf die Verfahrenskostenstundung zuzumuten, in die Steuerklasse IV zu wechseln, um sein liquides Einkommen zu erhÇhen. Dies entspricht allgemeiner, auch vom Senat geteilter Auffassung (vgl. AG Kaiserslautern, ZVI 2002, 378 [380]; Ernst, ZVI 2003, 107 [109]; Braun/Lang, InsO, 3. Aufl., § 290 Rz. 23; Graf-Schlicker/Kexel, InsO, § 4a Rz. 28; Kirchhof in Heidelberger Komm. z. InsO, 4. Aufl., § 4a Rz. 17; Jaeger/Eckardt, InsO, § 4a Rz. 26; Wenzel in KÅbler/ PrÅtting, InsO, § 4a Rz. 33a; Pape in Mohrbutter/Ringstmeier, Hdb. d. Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., § 18 Rz. 14). Ob der Ehegatte bereit ist, dabei mitzuwirken, ist unbeachtlich, zumal dem Schuldner gegen diesen ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss zusteht (vgl. Ganter in MÅnchKomm/InsO, 2. Aufl., § 4a Rz. 13). Entsprechend den Grundsntzen der Individualzwangsvollstreckung, nach denen analog § 850h Abs. 2 ZPO eine missbrnuchliche Steuerklassenwahl den Glnubi-

409

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz gern gegenÅber unbeachtlich ist (...), muss sich auch der Schuldner bei der Verfahrenskostenstundung so behandeln lassen, als hntte er keine die Staatskasse benachteiligende Steuerklassenwahl getroffen.“

.98

Wechselt der Schuldner nicht in die Steuerklasse IV, so hat er demzufolge die Differenz der pfsndbaren Betrsge bei Zugrundelegung der Steuerklasse IV zu den pfsndbaren Betrsgen bei Zugrundelegung der Steuerklasse V an die Insolvenzmasse zu zahlen. Kommt er der Zahlungsaufforderung nicht nach, kann die Verfahrenskostenstundung nach § 4c Ziff. 5 InsO aufgehoben werden.1

.99

Zutreffend dÅrfte es demgegenÅber sein, dass es einer Zustimmung des anderen Ehegatten zum Wechsel der Steuerklasse von V nach IV gar nicht bedarf und das Wahlrecht durch den Insolvenzverwalter auszuÅben ist. Jedenfalls aber stÅnde dem Insolvenzverwalter ein Schadensersatzanspruch gegen den Ehegatten des Schuldners zu, wenn dieser seine Zustimmung verweigern sollte, so sie denn Åberhaupt erforderlich wsre.

100

FÅr die rnderung der Lohnsteuerklasse ist § 39 Abs. 5 EStG maßgeblich. Nach § 39 Abs. 5 EStG kÇnnen Ehegatten, die beide in einem Dienstverhsltnis stehen, im Laufe des Kalenderjahres einmal, spstestens bis zum 30. November, bei der Gemeinde beantragen, die auf ihren Lohnsteuerkarten eingetragenen Steuerklassen in andere nach § 38b Satz 2 Ziff. 3–5 EStG in Betracht kommende Steuerklassen zu sndern. Dieser Wortlaut legt zunschst nahe, dass es zum Wechsel der Steuerklasse eines gemeinsamen Antrages der Eheleute bedarf, weil sich der Wechsel eines Ehegatten von der Steuerklasse V in die Steuerklasse IV automatisch bei dem anderen Ehegatten dergestalt auswirkt, dass diesem nunmehr Steuerklasse III zuteil wird. Das Gesetz regelt den Fall nicht, dass der mit Steuerklasse V benachteiligte Ehegatte ohne Zutun des anderen Ehegatten in die – ihm an sich gebÅhrende – Steuerklasse IV wechseln will. Er muss diesen Zustand ohne Einwilligung seines Ehegatten beenden kÇnnen. Das LG Bonn hat zutreffend festgestellt, die Wahl der fÅr die Ehegatten gÅnstigsten Steuerklasse sei vergleichbar mit der Zustimmung der Ehegatten zur gemeinsamen Veranlagung.2 In der Tat zeigen sich hier sehr deutliche Parallelen. FÅr Zusammenveranlagung bestimmt § 26 Abs. 2 EStG, dass die Ehegatten getrennt veranlagt werden, wenn einer der Ehegatten die getrennte Veranlagung wshlt. Es kann weder bei der Frage der Zusammenveranlagung noch bei der Frage der Steuerklassenwahl angehen, dass ein Ehegatte zugunsten des anderen Ehegatten daran festgehalten wird, steuerliche Nachteile in Kauf zu nehmen. FÅr die Wahl der Steuerklasse bedeutet das, dass ein Ehegatte nur so lange der Steuerklasse V angehÇrt, wie er seine Zustimmung zu dieser Eingruppierung nicht widerruft. Tut er dies, gilt fÅr beide Ehegatten automatisch Steuerklasse IV. Genauso wie das Wahlrecht bezÅglich der Zusammenveranlagung im Insolvenzverfahren ausschließlich dem Insolvenzverwalter und nicht dem Insolvenz1 BGH v. 3.7.2008 – IX ZB 65/07, ZIP 2008, 2132 = ZInsO 2008, 976. 2 LG Bonn v. 5.11.1998 – 8 T 168/98, NJWE-FER 1999, 220 (220).

410

A. Einkommensteuer

schuldner zusteht (Rz. 4.51),1 steht das Wahlrecht bzw. das Recht zum Widerruf der Zustimmung zu Steuerklasse V dem Insolvenzverwalter bzw. dem im Verbraucherinsolvenzverfahren bestellten Treuhsnder zu.2 Schließlich ist die Steuerklassenwahl eine Entscheidung mit vermÇgensrechtlicher Auswirkung; Entscheidungen, die das VermÇgen (Insolvenzmasse (!), § 35 InsO) des Schuldners betreffen, stehen nsmlich nach InsolvenzerÇffnung dem Insolvenzverwalter zu (§ 80 InsO). Wollte man dem nicht zustimmen, stÅnde dem Insolvenzverwalter gegen den Ehegatten jedenfalls ein Anspruch auf Zustimmung zum Wechsel der Steuerklasse zu. Sollte der Ehegatte seine Zustimmung verweigern, steht dem Insolvenzverwalter ein Anspruch auf Schadensersatz, i.E. Ausgleich der durch die Steuerklasse V des Insolvenzschuldners geringer ausfallenden Pfsndungsbetrsge zu. Jedenfalls insoweit ist die jÅngste Rechtsprechung zur Wahl der Veranlagung auf die Wahl der Steuerklasse anzuwenden.3

4.101

c) Insolvenz des Arbeitgebers aa) Lohnsteuerabzug In der Insolvenz des Arbeitgebers sndert sich an den Grundsstzen des Lohnsteuerabzugs nach § 38 EStG nichts (Rz. 4.74). FÅhrt der Insolvenzverwalter das Unternehmen des Arbeitgebers fort und beschsftigt er Arbeitnehmer auf Rechnung der Insolvenzmasse, so hat er fÅr diese Lohnsteuer einzubehalten und abzufÅhren, wie jeder andere Arbeitgeber auch, weil er VermÇgensverwalter des Arbeitgebers ist (§ 34 Abs. 3 AO). Der Insolvenzverwalter hat auch Lohnsteueranmeldungen abzugeben. Steuerschuldner der Lohnsteuer bleibt – von den Fsllen der Pauschalierung der Lohnsteuer (§§ 40 Abs. 3, 37b Abs. 3, 40a Abs. 5, 40b Abs. 5 EStG) abgesehen – der Arbeitnehmer.

4.102

Zur Zuordnung der Verbindlichkeiten aus Lohnsteuer zu den Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten s. Rz. 4.223.

4.103

bb) Haftung fÅr den Lohnsteuerabzug Kommt der Insolvenzverwalter seinen lohnsteuerrechtlichen Pflichten, insbesondere Einbehaltung und AbfÅhrung der Lohnsteuerbetrsge, nicht ordnungsgemsß nach, entsteht gegen ihn ein Haftungsanspruch nach § 42d Abs. 1 EStG. Der Anspruch ist allerdings nicht gegen den Insolvenzverwalter persÇnlich gerichtet, sondern richtet sich gegen die Insolvenzmasse. Ein etwaiger Haftungsbescheid, der auf § 42d Abs. 1 EStG gestÅtzt 1 BFH v. 22.3.2011 – II B 114/09, BFH/NV 2011, 1142; BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 8/06, ZIP 2007, 1917 = ZInsO 2007, 656 (656). 2 Anders ohne jede inhaltliche BegrÅndung BFH v. 27.7.2011 – VI R 9/11, ZIP 2011, 2118 = BFH/NV 2011, 2111. 3 BGH v. 18.11.2009 – XII ZR 173/06, DStR 2010, 266 ff.

411

4.104

105

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

wird, muss daher an den „Insolvenzverwalter Åber das VermÇgen des ...“ gerichtet sein und darf nicht lediglich den Insolvenzverwalter namentlich benennen. Zustsndig ist fÅr den Erlass des Haftungsbescheids nach § 42d Abs. 3 Satz 2 EStG das Betriebsststtenfinanzamt. Das Finanzamt kann den Insolvenzverwalter in einem Haftungsbescheid fÅr die Lohnsteuer mehrerer Arbeitnehmer in Anspruch nehmen und damit verschiedene selbstsndige HaftungsansprÅche gleichzeitig in einem Bescheid geltend machen.1 Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt nicht, den Haftungsbescheid nach einzelnen AbfÅhrungs-, Lohnzahlungszeitrsumen oder nach Kalenderjahren aufzugliedern.2 Soweit neben einer Haftung der Insolvenzmasse auch eine Inanspruchnahme des Arbeitnehmers in Betracht kommt, hat das Finanzamt gem. § 42d Abs. 3 EStG eine Ermessensentscheidung zu treffen, wen es fÅr die nicht abgefÅhrte Lohnsteuer in Anspruch nimmt. FÅr die Haftungsinanspruchnahme der Insolvenzmasse gelten dieselben Ermessenserwsgungen, die auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens fÅr die Inanspruchnahme von Arbeitnehmer als Steuerschuldner bzw. Arbeitgeber als Haftungsschuldner gelten.3 Die Ermessensentscheidung kann allerdings um insolvenzspezifische Facetten zu ergsnzen sein. Beispielsweise wird man es zugunsten eines Insolvenzverwalters zu berÅcksichtigen haben, wenn die fehlerhafte Einbehaltung der Lohnsteuer auf Unzulsnglichkeiten in der Lohnbuchhaltung des Insolvenzschuldners zurÅckzufÅhren ist und dem Insolvenzverwalter seit seiner Bestellung noch keine genÅgende Einarbeitungszeit zur VerfÅgung gestanden hat, um diese zu beseitigen. Wird die Insolvenzmasse ermessensfehlerfrei als Haftungsschuldner in Anspruch genommen, so steht ihr gegen den Arbeitnehmer gem. § 426 BGB ein RÅckgriffsanspruch zu, wenn Lohnsteuerbetrsge an den Arbeitnehmer ausgezahlt worden sind, weil im Rechtsverhsltnis zwischen Insolvenzmasse und Arbeitnehmer allein letzterer Schuldner der Steuerforderung ist.4 Gelingt der RÅckgriff nicht, kommt eine Haftung des Insolvenzverwalters persÇnlich fÅr den der Insolvenzmasse entstandenen Schaden nach § 60 InsO in Betracht, weil es zu den insolvenzspezifischen Pflichten des Insolvenzverwalters gehÇrt, die lohnsteuerrechtlichen Pflichten des in Insolvenz befindlichen Arbeitgebers ordnungsgemsß wahrzunehmen, ausfÅhrlich zur Haftung des Insolvenzverwalters nach § 60 InsO s. Rz. 2.332 ff.). Neben der Haftung der Insolvenzmasse aus § 42d Abs. 1 EStG kommt auch eine persÇnliche Haftung des Insolvenzverwalters gegenÅber dem Finanzamt aus § 34 Abs. 3 i.V.m. § 69 AO in Betracht (ausfÅhrlich zur abgabenrechtlichen Haftung fÅr Steuerschulden s. Rz. 3.84 ff.). Nach §§ 34 Abs. 1, 3, 69 Satz 1 und 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer durch grob fahrlsssige Ver1 BFH v. 4.7.1986 – VI R 182/80, BStBl. II 1986, 921. 2 BFH v. 8.3.1988 – VII R 6/87, BStBl. II 1988, 480 oder nach den einzelnen Arbeitnehmern aufzuschlÅsseln BFH v. 17.1.1989 – VII B 96–97/88, BFH/NV 1989, 424. 3 Siehe hierzu ausfÅhrlich Heuermann in BlÅmich, § 42d EStG Rz. 97 ff. 4 BAG v. 16.6.2004 – 5 AZR 521/03, ZIP 2004, 1867 = NJW 2004, 3588 (3588).

412

A. Einkommensteuer

letzung der ihm als VermÇgensverwalter einer anderen Person auferlegten Pflicht, fÅr die ErfÅllung der steuerlicher Pflichten zu sorgen, bewirkt, dass AnsprÅche aus dem Steuerschuldverhsltnis nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfÅllt werden. Diese Haftung hat Schadensersatzcharakter und ist daher an Vorsatz bzw. grobe Fahrlsssigkeit gebunden.1 Liquiditstsprobleme der Insolvenzmasse lassen Vorsatz bzw. grobe Fahrlsssigkeit jedoch nicht entfallen. KÇnnen die BruttolÇhne nicht voll einschließlich der abzufÅhrenden Lohnsteuer aus der Insolvenzmasse gezahlt werden, muss der Insolvenzverwalter Masseunzulsnglichkeit nach § 208 InsO anzeigen. Vor der Inanspruchnahme muss das Finanzamt gem. § 219 Satz 2 AO nicht zunschst versuchen, in das bewegliche VermÇgen der Insolvenzmasse zu vollstrecken. Eine Haftungsinanspruchnahme des GeschsftsfÅhrers des insolventen Arbeitgebers nach § 69 AO scheidet im Insolvenzverfahren jedoch aus, weil dieser in Bezug auf das zur Insolvenzmasse gehÇrende VermÇgen gem. § 80 InsO keine Verwaltungs- und VerfÅgungsmacht mehr besitzt. Zu den Besonderheiten der Haftung des vorlsufigen Insolvenzverwalters fÅr nicht abgefÅhrte Lohnsteuerbetrsge s. Rz. 4.108. cc) Arbeitnehmerdarlehen Gewshrt ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber ein verzinsliches Darlehen (Arbeitnehmerdarlehen), so ist auch bei der Vereinbarung einer normalen ZinshÇhe der (wirtschaftliche) Verlust der Darlehensforderung dann als Werbungskosten bei den EinkÅnften aus nichtselbstsndiger Arbeit zu berÅcksichtigen, wenn der Arbeitnehmer das Risiko des Darlehensverlustes aus beruflichen GrÅnden bewusst auf sich genommen hat.2 Berufliche GrÅnde kÇnnen dann angenommen werden, wenn ein Außenstehender wie etwa eine Bank mit RÅcksicht auf die Gefshrdung der Darlehensforderung das Darlehen nicht gewshrt hstte. Wenn nsmlich ein fremder Dritter kein Darlehen mehr gewshrt hstte, bleiben als GrÅnde fÅr die Gewshrung nur eine private Beziehung oder das Gesellschaftsbzw. das Arbeitsverhsltnis. Dass der Einsatz des Kapitals durch das Arbeitsverhsltnis veranlasst ist, kann auch dann noch angenommen werden, wenn zwar eine Bank neben den Arbeitnehmern Kredite gibt, jedoch nur so weit, als ihr Sicherheiten gewshrt werden, wshrend die Kredite der Arbeitnehmer ungesichert bleiben oder die eingersumten Sicherheiten so nachrangig sind, dass die Bank sie nicht mehr als ausreichend akzeptiert hstte.3

4.106

dd) Besonderheiten im vorllufigen Insolvenzverfahren Wird der Geschsftsbetrieb des Insolvenzschuldners wshrend des vorlsufigen Insolvenzverfahrens fortgefÅhrt, kommt es regelmsßig zur Auszah1 BFH v. 21.6.1994 – VII R 34/92, BStBl. II 1995, 230 = ZIP 1995, 229. 2 BFH v. 7.5.1993 – VI R 38/91, BStBl. II 1993, 663 unter ausdrÅcklicher Aufgabe von BFH, Urt. v. 19.10.1982 – VIII R 97/79, BStBl. II 1983, 295. 3 BFH v. 7.5.1993 – VI R 38/91, BStBl. II 1993, 663.

413

4.107

108

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

lung von Insolvenzgeld durch die Bundesagentur fÅr Arbeit. Der Insolvenzschuldner leistet dann zumeist wshrend eines bis zu drei Monate langen Zeitraumes keinen Arbeitslohn an seine Arbeitnehmer; vielmehr zahlt die Bundesagentur fÅr Arbeit den Arbeitnehmern das nach § 3 Ziff. 2 EStG steuerfreie Insolvenzgeld aus und meldet den Auszahlungsbetrag im Insolvenzverfahren zur Insolvenztabelle an (§ 174 InsO). Kommt es wshrend des vorlsufigen Insolvenzverfahrens gleichwohl zur Auszahlung von Arbeitsentgelt von dem insolventen Arbeitgeber an die Arbeitnehmer, entsteht der Lohnsteueranspruch der Finanzverwaltung. Eine solche Auszahlung von Arbeitsentgelt aus dem SchuldnervermÇgen ist auch wshrend des vorlsufigen Insolvenzverfahrens keineswegs ausgeschlossen oder unzulsssig: Dauert das vorlsufige Insolvenzverfahren aus welchen GrÅnden auch immer so lange an, dass der Insolvenzgeldzeitraum von drei Monaten Åberschritten wird, ohne dass das Insolvenzereignis (ErÇffnung des Insolvenzverfahrens oder Abweisung des Insolvenzantrages mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse, § 26 InsO) eintreten kann, beispielsweise weil die PrÅfung der VermÇgensverhsltnisse des Insolvenzschuldners durch den Sachverstsndigen (§ 5 InsO) noch nicht abgeschlossen werden konnte, ist es ohne weiteres zulsssig, dass der Insolvenzschuldner bzw. der GeschsftsfÅhrer des Insolvenzschuldners Lohnzahlungen an die Arbeitnehmer fÅr die am lsngsten zurÅck liegenden Perioden veranlasst und der vorlsufige schwache Insolvenzverwalter diesen Zahlungen aus dem SchuldnervermÇgen zustimmt. Das verstÇßt nicht gegen seine Massesicherungspflicht, weil die Pflicht zur Sicherung der vorhandenen Insolvenzmasse nicht absolut ist, sondern vernÅnftiges Wirtschaften erlaubt. Zahlt der Insolvenzschuldner mit Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters an die Arbeitnehmer NettolÇhne aus, entsteht der Finanzverwaltung der korrespondierende Lohnsteueranspruch. Dieser Anspruch besteht gegenÅber dem insolventen Arbeitgeber, nicht gegenÅber dem Arbeitnehmer. Dieser Steueranspruch nimmt im Insolvenzverfahren den Rang einer einfachen Insolvenzforderung (§ 38 InsO) ein, weil der vorlsufige schwache Insolvenzverwalter keine Masseverbindlichkeiten begrÅnden kann. Eine Haftungsinanspruchnahme des GeschlftsfÅhrers oder des vorllufigen Insolvenzverwalters nach § 69 AO fÅr den Steuerausfall kommt nicht in Betracht. Der schwache vorlsufige Insolvenzverwalter kann schon deswegen nicht in die Haftung genommen werden, weil er weder VermÇgensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO ist, noch VerfÅgungsberechtigter i.S.v. § 35 AO. Im xbrigen handelt er nicht schuldhaft, wenn er zwar die Zahlung der NettolÇhne zulssst, nicht aber die Zahlung der Lohnsteuer, weil der Insolvenzmasse fÅr die Zahlung der NettolÇhne eine adsquate Gegenleistung in Form der Arbeitsleistung zu Gute kommt, so dass er durch diese Zahlung die Insolvenzmasse nicht entgegen seinem Massesicherungsauftrag vermindert, wshrend fÅr die Leistung der Lohnsteuer keine Gegenleistung in die Masse gelsnge, so dass er gegen seine Massesicherungsaufgabe verstieße, wenn er der Lohnsteuerzahlung zustimmen wÅrde, so dass dann seine Haftung aus § 60 InsO gegeben wsre. 414

A. Einkommensteuer

Aber auch der GeschsftsfÅhrer haftet nicht fÅr nicht abgefÅhrte Lohnsteuer, wenn der vorlsufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt eine Kontosperrung veranlasst hat und er deswegen nicht in der Lage ist, die auf die Lohnzahlungen entfallende Lohnsteuerschuld zu bedienen. In einem solchen Fall handelt der GeschsftsfÅhrer nsmlich nicht schuldhaft i.S.v. § 69 AO.1

4.109

Wird der vom GeschsftsfÅhrer einer GmbH gestellte Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so kann dieser sich im Rahmen seiner Haftung fÅr Lohnsteuer der Gesellschaft nicht darauf berufen, dass der Schaden wegen der bestehenden AnfechtungsmÇglichkeit des Insolvenzverwalters (§ 130 Abs. 1 Satz 1 InsO) auch bei pflichtgemsßem Verhalten (rechtzeitiger Zahlung) nicht hstte verhindert werden kÇnnen.2

4.110

d) Besteuerung von Insolvenzgeld Arbeitnehmer haben im Fall der Insolvenz ihres Arbeitgebers nach Maßgabe der §§ 183 ff. SGB III fÅr die letzten drei Monate vor dem Insolvenzereignis (ErÇffnung des Insolvenzverfahrens, Abweisung eines Insolvenzantrages mangels Masse oder vollstsndiger Beendigung der Betriebststigkeit des Arbeitgebers im Inland, wenn ein Insolvenzantrag nicht gestellt ist und mangels Masse offensichtlich nicht in Betracht kommt) Anspruch auf Insolvenzgeld von der Bundesagentur fÅr Arbeit. Mit Auszahlung des in HÇhe des Nettoarbeitslohns bemessenen Insolvenzgeldes an die Arbeitnehmer gehen die Lohnforderungen auf die Bundesagentur fÅr Arbeit Åber (§ 187 Satz 1 SGB III). Befriedigt der Insolvenzverwalter die daraus resultierenden AnsprÅche (insbesondere im Rahmen der Verteilung der Insolvenzmasse), so hat er keine Lohnsteuer an das Finanzamt abzufÅhren, weil diese Leistungen steuerfrei sind (R 3.2. LStR 2008 mit Hinweisen 2010).

4.111

Hat ein Arbeitnehmer wshrend eines Veranlagungszeitraumes Insolvenzgeld bezogen, so ist gem. § 32b Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. a EStG auf das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden. Der besondere Steuersatz ist nach § 32b Abs. 2 Ziff. 1 EStG der Steuersatz, der sich ergibt, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen vermehrt oder vermindert wird um die Summe der Leistungen nach § 32b Abs. 1 Ziff. 1 EStG nach Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, soweit dieser nicht bei der Ermittlung der EinkÅnfte aus nichtselbstsndiger Arbeit abziehbar ist. Die Summe der Lohnersatzleistungen kann allein um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag gekÅrzt werden, sofern jener nicht bereits bei den EinkÅnften aus nichtselbstsndiger Arbeit BerÅcksichtigung gefunden hat; in diesem Falle ist die Summe der Lohnersatzleistungen ungekÅrzt in Ansatz zu bringen.3

4.112

1 BFH v. 5.6.2007 – VII R 19/06, DStRE 2008, 44 (44). 2 FG Hess. v. 2.9.2005 – 12 K 286/00, BeckRS 2005, 26019110. 3 BFH v. 5.3.2009 – VI R 78/06, BFH/NV 2009, 1110 (1111).

415

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

5. Steuerabzug bei Bauleistungen Literatur Apitz, Steuerabzug fÅr Bauleistungen im Blickpunkt der BetriebsprÅfung, StBp 2002, 322; Steuerabzug fÅr Bauleistungen, FR 2002, 10; Balmes/Ambroziak, Vorschriften zum Steuerabzug bei Bauleistungen mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar?, BB 2009, 706; Bruschke, Steuerabzug bei Bauleistungen, StB 2002, 130; DÇrn, Steuerabzug bei Bauleistungen – Freistellungsbescheinigung, BuW 2002, 331; Ebling, Das neue BMF-Schreiben v. 27.12.2002 zum Steuerabzug von VergÅtungen fÅr im Inland erbrachte Bauleistungen, DStR 2003, 402; Fuhrmann, Neuer Steuerabzug fÅr Bauleistungen, KySDI 2001, 13093; GÅnther, Aktuelle Einzelfragen zum Steuerabzug bei Bauleistungen, GStB 2002, 176; Hentschel, Straf- und bußgeldrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem neuen Steuerabzug bei Bauleistungen, Information StW 2002, 6; Mertes, Steuerabzug von VergÅtungen fÅr Bauleistungen, LSW Gruppe 14, 471 (4/2003); Mitlehner, Der Steuerabzug bei Bauleistungen im Insolvenzverfahren, NZI 2002, 143; Schaller, Gesetz zur Eindsmmung illegaler Betstigung im Baugewerbe, FiWi 2002, 128; Singer, Neue Verwaltungsanweisung zum Steuerabzug bei Bauleistungen, ZAP Fach 5, 151.

a) Grundlagen

113

Erbringt jemand im Inland eine Bauleistung1 (Leistender) an einen Unternehmer (Leistungsempfsnger), so ist der Leistungsempfsnger nach § 48 Abs. 1 EStG verpflichtet, von der Gegenleistung einen Steuerabzug i.H.v. 15 Prozent fÅr Rechnung des Leistenden vorzunehmen, wenn die Freigrenzen des § 48 Abs. 2 EStG nicht Åberschritten werden oder der Leistende eine Freistellungsbescheinigung (§ 48b EStG) vorlegt. Der Leistungsempfsnger hat den Steuerabzugsbetrag gem. § 48a EStG zu berechnen, anzumelden und an das fÅr den Leistenden zustsndige Finanzamt abzufÅhren. Gemsß § 48c EStG erfolgt eine Anrechnung des Abzugsbetrages auf vom Leistenden zu entrichtende Steuern. Nimmt der Leistungsempfsnger keinen oder einen zu niedrigen Abzug vor bzw. fÅhrt er den Abzugsbetrag nicht ordnungsgemsß an die Finanzverwaltung ab, so haftet er gem. § 48a Abs. 3 EStG fÅr den zu niedrigen Abzugsbetrag. Die Haftung entfsllt durch Zahlung, sei es seitens des Leistenden oder des Leistungsempfsngers.

114

Mit der in § 48 Abs. 1 EStG geregelten Abzugsverpflichtung tritt in HÇhe des Abzugsbetrags fÅr den Leistungsempfsnger neben seine zivilrechtliche Leistungsverpflichtung gegenÅber dem Leistenden eine Çffentlichrechtliche Zahlungsverpflichtung und Haftung gegenÅber dem Finanzamt des Leistenden. Das zivilrechtliche Vertragsverhsltnis wird durch die gesetzliche Abzugsverpflichtung abgabenrechtlich Åberlagert.2 Sofern der Leistungsempfsnger seiner bestehenden Zahlungspflicht gegenÅber dem Finanzamt des Leistenden zur Vermeidung einer Haftung nach § 48a 1 Zum Begriff der Bauleistung s. Ebling, DStR 2003, 402 ff. 2 BGH v. 12.5.2005 – VII ZR 97/04, NJW-RR 2005, 1261 (1262).

416

A. Einkommensteuer

Abs. 3 Satz 1 EStG nachkommt, verhslt er sich im Verhsltnis zum Leistenden nicht vertragswidrig. Der Leistungsempfsnger erfÅllt in HÇhe des Abzugsbetrags seine zivilrechtliche Leistungspflicht, indem er der ihm abgabenrechtlich auferlegten Abzugsverpflichtung gegenÅber dem Finanzamt des Leistenden nachkommt.1 b) Freistellungsbescheinigung Literatur Brandis, Streitwert fÅr Klage des Insolvenzverwalters auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG, EFG 2004, 61; Holthaus, Erteilung einer Freistellungsbescheinigung von der Bauabzugsteuer nach § 48b EStG, Information StW 2003, 579; Hufer, Bauabzugsteuer: Wann muss gÅltige Freistellungsbescheinigung vorliegen?, IBR 2004, 191; NÇcker, Die Freistellungsbescheinigung bei der Bauabzugssteuer – Ein Erfahrungsbericht aus der Praxis, StuB 2003, 494; SchrÇder/SpÇnemann, Zur Rechtmsßigkeit des Widerrufs einer Freistellungsbescheinigung gem. § 48b EStG im Falle der Insolvenz des Bauauftragnehmers, NZI 2003, 130.

Der Leistungsempfsnger hat keinen Steuerabzug vorzunehmen, wenn ihm der Leistende eine gÅltige Freistellungsbescheinigung vorlegt. Die Freistellungsbescheinigung hat das Finanzamt gem. § 48b Abs. 1 EStG auf Antrag des Leistenden zu erteilen, wenn der zu sichernde Steueranspruch nicht gefshrdet erscheint. Die Gefshrdung des Steueranspruchs i.S.d. § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG ist im Gesetz nicht definiert. § 48b Abs. 1 Satz 2 EStG enthslt lediglich eine beispielhafte Aufzshlung von Fallgestaltungen (im Wesentlichen die Verletzung von Anzeige- und Mitwirkungspflichten), in denen eine solche Gefshrdung in Betracht kommt. Diese Aufzshlung ist jedoch nicht abschließend; Åber die im Gesetz selbst genannten Gestaltungen hinaus kÇnnen auch andere Anzeichen auf eine Gefshrdung des zu sichernden Steueranspruchs hindeuten. Entscheidend ist, ob nach dem Gesamtbild der Verhsltnisse die BefÅrchtung gerechtfertigt erscheint, dass die rechtzeitige und vollstsndige ErfÅllung des durch das Abzugsverfahren gesicherten Steueranspruchs durch die Erteilung der Freistellungsbescheinigung gefshrdet werden kÇnnte.2 Eine Gefshrdung kann sich auch daraus ergeben, dass der Leistende Steuerbetrsge nicht vollstsndig oder nicht rechtzeitig anmeldet und abfÅhrt oder Steuererklsrungen nicht vollstsndig oder nicht rechtzeitig abgibt.3 Hat der Leistende diese Pflichten in der Vergangenheit nachhaltig verletzt, so gibt dies Anlass zu der Prognose, dass kÅnftige, zu sichernde SteueransprÅche gefshrdet erscheinen. Je grÇßer die SteuerrÅckstsnde sind und je lsnger sie bestehen, umso mehr spricht dies grundsstzlich fÅr eine mÇgliche Gefshrdung des 1 BGH v. 12.5.2005 – VII ZR 97/04, NJW-RR 2005, 1261 (1262). 2 BFH v. 13.11.2002 – I B 147/02, BStBl. II 2003, 716 = ZIP 2003, 173 = NV 2003, 262; FG Hamburg v. 15.9.2003 – II 293/03. 3 FG DÅsseldorf v. 4.3.2002 – 10 V 1007/02 AE (E), EFG 2002, 688; v. 3.7.2002 – 18 V 1183/02 AE (KV), EFG 2003, 99; v. 22.8.2002 -14 K 1418 E, EFG 2002, 1604.

417

4.115

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Steueranspruchs.1 DemgegenÅber kann bei nur vorÅbergehenden SteuerrÅckstsnden und im Wesentlichen ordnungsgemsßer ErfÅllung der Steuererklsrungspflichten nicht angenommen werden, dass der zu sichernde Steueranspruch gefshrdet erscheint.2

116

Nachllssiges Vorverhalten des Insolvenzschuldners geht dabei aber nicht zu Lasten des Insolvenzverwalters. Von einem Insolvenzverwalter ist zu erwarten, dass er seinen steuerlichen Pflichten ordnungsgemsß nachkommt, so dass in Ermangelung konkreter anderweitiger Anhaltspunkte auf seinen Antrag hin grundsstzlich eine Freistellungsbescheinigung zu erteilen ist.3 Dies gilt auch fÅr einen vorlsufigen starken Insolvenzverwalter, auf den die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis Åber das schuldnerische VermÇgen Åbergegangen ist. Im Hinblick auf dessen Verpflichtung, gem. § 25 Abs. 2 InsO, vor Aufhebung seiner Bestellung von ihm begrÅndete Masseverbindlichkeiten zu befriedigen, kann die Erteilung der Freistellungsbescheinigung auch nicht von der Prognose abhsngig gemacht werden, ob das Insolvenzverfahren erÇffnet werden wird.4

117

Erteilt die FinanzbehÇrde dem Insolvenzverwalter bzw. dem starken vorlsufigen Insolvenzverwalter die Freistellungsbescheinigung auf seinen Antrag hin nicht, kann er nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO bei dem FG den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Erteilung der Freistellungsbescheinigung beantragen. Der Anordnungsanspruch des Insolvenzverwalters ergibt sich regelmsßig aus § 48b Abs. 1 EStG.5 Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass die Finanzverwaltung mit ihrer Weigerung, die Freistellungsbescheinigung auszustellen, zu erkennen gibt, dass sie von einem Vorrang des Steuerabzugsverfahrens vor dem Insolvenzrecht ausgeht und dass in diesem Zusammenhang u.U. gerichtliche Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung Åber eine Erstattung gefÅhrt werden mÅssten, wodurch sich das Insolvenzverfahren ÅbergebÅhrlich verzÇgern kÇnnte.6 Unter diesen Umstsnden steht auch der Grundsatz, dass im Eilverfahren nur in besonderen Ausnahmefsllen die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen werden darf, dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht entgegen.7

1 FG Hamburg v. 15.9.2003 – II 293/03, BeckRS 2003 26015643. 2 FG DÅsseldorf v. 4.3.2002 – 10 V 1007/02 AE (E), EFG 2002, 688; v. 3.7.2002 – 18 V 1183/02 AE (KV), EFG 2003, 99; v. 22.8.2002 – 14 K 1418 E, EFG 2002, 1604. 3 BFH v. 13.11.2002 – I B 147/02, BStBl. II 2003, 716 = ZIP 2003, 173. 4 A.A. Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1596. 5 BFH v. 13.11.2002 – I B 147/02, BStBl. II 2003, 716 = ZIP 2003, 173. 6 BFH v. 13.11.2002 – I B 147/02, BStBl. II 2003, 716 = ZIP 2003, 173. 7 BFH v. 13.11.2002 – I B 147/02, BStBl. II 2003, 716 = ZIP 2003, 173.

418

A. Einkommensteuer

c) Steuerabzug nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Auftragnehmers aa) Bei InsolvenzerÇffnung bestehende Werklohnforderungen Soweit einem Bauauftragnehmer, dem keine Freistellungsbescheinigung erteilt war, bei ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber sein VermÇgen Forderungen gegen seinen Auftraggeber zustehen, fallen diese in vollem Umfange in die Insolvenzmasse. Die insolvenzrechtliche Verstrickung erfasst den gesamten Anspruch und Åberlagert die grundsstzliche abgabenrechtliche Pflicht des Leistungsempfsngers zur AbfÅhrung des Steuerabzugsbetrages, weil dessen AbfÅhrung insolvenzzweckwidrig wsre. Außerdem entsteht der Anspruch der Finanzverwaltung auf den Steuerabzugsbetrag erst, wenn der Leistungsempfsnger an den Leistenden zahlt.1

4.118

Der Bausteuerabzug ist selbst keine Steuer,2 sondern er ist ein Sicherungsmittel fÅr bestimmte Steuern.3 Da nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens an Gegenstsnden, die zur Insolvenzmasse gehÇren, keine Rechte Dritter (insbesondere auch keine Sicherungsrechte) mehr entstehen kÇnnen (§ 91 Abs. 1 InsO), kann auch kein Anspruch der Finanzverwaltung auf den Steuerabzugsbetrag mehr entstehen. Ein abstraktes SicherungsbedÅrfnis mag zwar in Bezug auf spster entstehende Steuerschulden, die den Rang von Masseverbindlichkeiten einnehmen, bestehen; die Sicherungsmittel dÅrfen dann allerdings nur dem nach InsolvenzerÇffnung entstehenden Massebestand (also etwa im Wege des Steuerabzugs auf nach InsolvenzerÇffnung erst entstehende Werklohnforderungen, Rz. 4.127) entnommen werden, um nicht die Zssur der InsolvenzerÇffnung, die fÅr und gegen alle Glsubiger gleich den vorhandenen Massebestand sichern soll, insolvenzzweckwidrig zu durchlÇchern. Der Leistungsempflnger ist zum Steuerabzug nach InsolvenzerÇffnung somit weder berechtigt, noch verpflichtet.4 Es ergsbe im xbrigen auch gar keinen Sinn, die Pflicht zum Steuerabzug zwar nach InsolvenzerÇffnung grundsstzlich bestehen lassen zu wollen, der Finanzverwaltung aber andererseits jedwede Verwendung des Abzugsbetrages (insbesondere die Aufrechnung) zu verweigern;5 die FinanzbehÇrde wsre dann reine Zahlstelle, die den Abzugsbetrag entgegennehmen und an den Insolvenzverwalter auskehren mÅsste. Dies gilt in Bezug auf Werklohnforderungen des insolventen Bauauftragnehmers, die vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bereits entstanden waren,

4.119

1 Ebling in BlÅmich, § 48 EStG Rz. 165 ff. 2 Diebold, DStR 2002, 1336 (1138). 3 Dieses Verstsndnis ergibt sich aus § 48b Abs. 1 EStG: „... der zu sichernde Steueranspruch ...“. 4 Das FG MÅnchen v. 24.9.2009 – 7 K 1238/08, EFG 2010, 147 ff. hat dem gegenÅber entschieden, die Pflicht zum Steuerabzug bestehe fÅr den Leistungsempfsnger trotz InsolvenzerÇffnung Åber das VermÇgen des Bauauftragnehmers; die Frage war dort allerdings nur ein obiter dictum, denn der streitgegenstsndliche Haftungsbescheid betraf VerstÇße gegen die Pflicht zur AbfÅhrung des Steuerabzugsbetrages vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens. 5 So BFH v. 13.11.2002 – I B 147/02, BStBl. II 2003, 716 = ZIP 2003, 173.

419

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

unabhsngig davon, ob der Insolvenzverwalter Åber eine Freistellungsbescheinigung verfÅgt oder nicht, weil der zivilrechtliche Bauwerklohnanspruch der Insolvenzmasse nur noch mit schuldbefreiender Wirkung an den Insolvenzverwalter erfÅllt werden kann, wshrend eine Befriedigung von Insolvenzforderungen des Steuerglsubigers stets insolvenzzweckwidrig ist.

120

FÅhrt der Leistungsempfsnger dennoch den Steuerabzugsbetrag an die Finanzverwaltung ab, so ist die Finanzverwaltung zur Aufrechnung mit Steuerforderungen aus der Zeit vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nicht berechtigt.1 Der BFH fÅhrt hierzu aus:

121

„aaa) In welchem Umfang Steuerforderungen gegen einen insolvent gewordenen Steuerschuldner befriedigt werden mÅssen, wird allein durch die Regelungen des Insolvenzrechts bestimmt. Danach ist der Steuerglnubiger mit Forderungen, die schon bei ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bestanden haben, in der Regel Insolvenzglnubiger (§ 38 InsO). Seine Steuerforderungen sind zur Insolvenztabelle anzumelden (§ 174 Abs. 1 InsO) und werden nach Maßgabe der Gleichbehandlung der Insolvenzglnubiger aus der Insolvenzmasse getilgt (§§ 187 ff. InsO). Die Befriedigung des Steuerglnubigers wird hierdurch auf die Verteilungsquote beschrnnkt, die sich aus dem Verhnltnis zwischen dem Umfang des verteilbaren VermÇgens einerseits und der GesamthÇhe aller Insolvenzforderungen andererseits ergibt.

122

bbb) Diese insolvenzrechtlichen Vorgaben gelten auch fÅr Steuerforderungen, die durch den Bausteuerabzug abgesichert werden. Das steuerrechtliche Abzugsverfahren dient ausschließlich dem Ziel, Steuerausfnlle zu vermeiden oder zu vermindern, die durch ein pflichtwidriges Verhalten des Steuerschuldners verursacht werden kÇnnen (...). Dass durch ihn darÅber hinaus die insolvenzrechtliche Stellung des Steuerglnubigers verbessert werden soll, lnsst sich weder dem Gesetzeswortlaut noch der GesetzesbegrÅndung entnehmen. Deshalb steht dem Steuerglnubiger auch fÅr Forderungen, die im Wege des Abzugsverfahrens beglichen werden, insolvenzrechtlich nur die allgemeine Verteilungsquote zu.

123

ccc) Aus insolvenzrechtlicher Sicht folgt hieraus, dass eine gem. § 48a Abs. 1 Satz 2 EStG geleistete AbfÅhrung entweder unwirksam ist (§ 81 Abs. 1 Satz 1, § 91 Abs. 1 InsO) oder vom Insolvenzverwalter angefochten werden kann (§§ 129 ff. InsO).... Jedenfalls handelt es sich bei AbfÅhrung des Steuerbetrags durch den Leistungsempfnnger um eine Leistung fÅr Rechnung des Steuerschuldners (§ 48 Abs. 1 Satz 1 EStG), die insolvenzrechtlich genau so zu behandeln ist wie eine entsprechende Leistung des Schuldners selbst (...). Hntte aber der Insolvenzschuldner selbst den betreffenden Steuerbetrag nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens an das FA gezahlt, so mÅsste dieses den so erlangten Betrag an die Insolvenzmasse auskehren und sich seinerseits auf die Verteilungsquote verweisen lassen. Bei der Zahlung durch einen Abzugsverpflichteten kann deshalb nichts anderes gelten.“

124

Der BFH hatte in der zitierten Entscheidung keine Veranlassung, zu klsren, wer bei einem zu Unrecht vorgenommenen Steuerabzug bzw. zu Unrecht erfolgter AbfÅhrung des Abzugsbetrages Anspruchsinhaber und wer Anspruchsgegner des Erstattungsanspruchs ist. Die vom BFH angedachte Variante eines Anfechtungsanspruchs scheidet aber jedenfalls aus, wenn der Leistungsempfsnger den Abzugsbetrag erst nach InsolvenzerÇffnung 1 BFH v. 13.11.2002 – I B 147/02, BStBl. II 2003, 716 = ZIP 2003, 173.

420

A. Einkommensteuer

an die Finanzverwaltung gezahlt hat, denn nach InsolvenzerÇffnung erfolgende Rechtshandlungen kÇnnen schon nach dem Wortlaut des § 129 InsO nicht der Anfechtung unterliegen. Eine solche AbfÅhrung ist vielmehr nach § 81 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 InsO unwirksam. Dem Wortlaut von § 362 Abs. 1 BGB folgend mÅsste man daher davon ausgehen, dass die Zahlung des Leistungsempfsngers an die Finanzverwaltung deswegen keine schuldbefreiende Wirkung gegenÅber dem Insolvenzverwalter haben kann, so dass der Anspruch des Insolvenzverwalters gegen den Leistungsempfsnger unversndert bestehen bliebe. Da die Zahlung des Leistungsempfsngers an die Finanzverwaltung ohne (wirklich bestehenden) Rechtsgrund erfolgt ist, kommt es nicht zu einer Anrechnung gem. § 48c EStG und somit auch nicht zu einem Erstattungsanspruch der Insolvenzmasse nach § 48c Abs. 2 EStG. Der Erstattungsanspruch stÅnde vielmehr dem Leistungsempfsnger zu. Diese Rechtslage wÅrde jedoch zum einen dem Leistungsempfsnger alleine die mitunter schwierig zu beurteilende Frage, ob er zum Steuerabzug verpflichtet ist oder nicht, auferlegen, zum anderen mÅssten die Zivilgerichte inzident die Frage beantworten, ob eine Pflicht zum Steuerabzug bestand, wenn der Bauauftragnehmer seinen restlichen Werklohn dort gerichtlich geltend macht. Der BGH hat aus diesen GrÅnden entschieden, dass hinsichtlich der Werklohnforderung des Bauauftragnehmers bei unklarer steuerrechtlicher Lage hinsichtlich der Abzugsverpflichtung stets dann ErfÅllungswirkung eintritt, wenn ein Leistungsempfsnger den Steuerabzug vornimmt und den Abzugsbetrag an das Finanzamt abfÅhrt, es sei denn, fÅr den Leistungsempfsnger war auf Grund der ihm zum Zeitpunkt der Zahlung bekannten Umstsnde eindeutig erkennbar, dass eine Verpflichtung zum Steuerabzug nicht bestand.1 Wenn die Zahlung des Leistungsempfsngers an die Finanzverwaltung aber den zivilrechtlichen Werklohnanspruch des Bauauftragnehmers zum ErlÇschen bringt, dann muss der gegen die Finanzverwaltung gerichtete Erstattungsanspruch dem Bauauftragnehmer zustehen. Zumindest gegenwsrtig ist in der Insolvenz des Bauauftragnehmers von einer unklaren Steuerrechtslage im Sinne der zitierten BGH-Rechtsprechung auszugehen, die durch die AbfÅhrung des Steuerabzugsbetrages ErfÅllungswirkung hinsichtlich der Werklohnforderung eintreten lssst und in der Hand des Bauauftragnehmers den korrespondierenden Erstattungsanspruch zur Entstehung bringt. ! Hinweis: Sollte die Finanzverwaltung zur Erstattung gegenÅber dem Insolvenzverwalter mit der BegrÅndung nicht bereit sein, der Leistungsempfsnger habe erkennen kÇnnen, dass eine Pflicht zum Steuerabzug nicht bestand, so dass der Erstattungsanspruch dem Leistungsempfsnger zustehe, so kann der Åber das VermÇgen des Bauauftragnehmers bestellte Insolvenzverwalter die Zahlung des Leistungsempfsngers an die Finanzverwaltung nach § 362 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 BGB genehmigen. Die Genehmigung hat die Folge, dass der Zahlung an den Fiskus ErfÅllungswirkung zukommt. Jedenfalls dann ist der Insolvenzverwalter Inhaber des Erstattungsanspruchs gegen die FinanzbehÇrde.

1 BGH v. 12.5.2005 – VII ZR 97/04, NJW-RR 2005, 1261 (1261).

421

4.125

126

127

128

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Hat der Bauauftragnehmer seine Werklohnforderung vor InsolvenzerÇffnung an einen Dritten abgetreten, so umfasst die Abtretung nur den Werklohnanspruch unter Abzug des Steuerabzugsbetrages. Soweit der Steuerabzugsbetrag von dem Leistungsempfsnger an die Finanzverwaltung abgefÅhrt ist, steht ein Erstattungsanspruch dem Åber das VermÇgen des Bauauftragnehmers bestellten Insolvenzverwalter zu, weil der Steuerabzug stets zur Sicherung etwaiger Steuerschulden des Auftragnehmers und nicht solcher des Zessionars erfolgt.1 bb) Nach InsolvenzerÇffnung entstehende Werklohnforderungen Soweit nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Bauauftragnehmers Werklohnforderungen entstehen, weil der Insolvenzverwalter den schuldnerischen Geschsftsbetrieb fortfÅhrt, hat der Steuerabzug nach den allgemeinen Grundsstzen der §§ 48 ff. EStG stattzufinden (Rz. 4.113). Ist dem Insolvenzverwalter eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG erteilt und legt der Insolvenzverwalter diese dem Leistungsempfsnger vor, so unterbleibt der Steuerabzug. Eine dem Schuldner vor InsolvenzerÇffnung erteilte Freistellungsbescheinigung gilt auch zugunsten des Insolvenzverwalters, wenn sie nicht wirksam widerrufen worden ist. Die FinanzbehÇrde muss dem Insolvenzverwalter regelmsßig eine Freistellungsbescheinigung erteilen, weil davon auszugehen ist, dass er seinen steuerlichen Pflichten ordnungsgemsß nachkommt (Rz. 4.115). Die Steuerabzugsbetrsge, die an die Finanzverwaltung abgefÅhrt werden, dÅrfen nach Maßgabe von § 48c EStG auf Lohn- und Einkommen- bzw. KÇrperschaftsteuerschulden, die den Rang von Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) einnehmen, angerechnet werden. Soweit die abgefÅhrten Betrsge die Masseschulden Åbersteigen, ist die Finanzverwaltung zur Erstattung an die Insolvenzmasse verpflichtet. Eine Anrechnung auf Steuerforderungen, die nur den Rang von Insolvenzforderungen einnehmen, ist unzulsssig.2 cc) Steuerabzug wlhrend des InsolvenzerÇffnungsverfahrens Die Pflicht zur AbfÅhrung des Abzugsbetrages wird gem. § 48a EStG durch die Erbringung der Gegenleistung begrÅndet, also durch die Zahlung des Leistungsempfsngers an den Leistenden.3 Die Anmeldung des Abzugsbetrages steht einer Steueranmeldung und damit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der NachprÅfung gleich (§ 48a Abs. 1 Satz 3 EStG, § 168 AO). Durch die AbfÅhrung des angemeldeten Abzugsbetrages erhslt die Finanzverwaltung ein Sicherungsmittel fÅr bestimmte Steuerschulden des Leistenden (Rz. 4.118). Der Erwerb von SicherungsmÇglichkeiten an zum schuldnerischen VermÇgen gehÇrenden Gegenstsnden (hier der Werklohnforderung des Insolvenzschuldners) wird insolvenzrechtlich 1 Mitlehner, NZI 2002, 143 (144). 2 BFH v. 13.11.2002 – I B 147/02, BStBl. II 2003, 716 = ZIP 2003, 173. 3 Ebling in BlÅmich, § 48 EStG Rz. 165.

422

A. Einkommensteuer

durch § 91 Abs. 1 InsO ausgeschlossen. Dieser greift jedoch erst ab der InsolvenzerÇffnung. Die Norm gilt nicht fÅr das ErÇffnungsverfahren.1 Somit darf sich die Finanzverwaltung auch wshrend des ErÇffnungsverfahrens Sicherungsrechte verschaffen; der Leistungsempfsnger bleibt also zu Einbehalt und AbfÅhrung des Steuerabzugsbetrages verpflichtet. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann gegen ihn ein Haftungsbescheid ergehen (Rz. 4.132). Allerdings ist die durch die AbfÅhrung des Abzugsbetrages eintretende Sicherung der Finanzverwaltung bzw. die dadurch entstehende Aufrechnungslage der Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO unterworfen. Nach § 96 Abs. 1 Ziff. 3 InsO ist eine Aufrechnung ausgeschlossen, wenn ein Insolvenzglsubiger die MÇglichkeit dazu durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Der Begriff der Rechtshandlung ist im Anfechtungsrecht weit auszulegen. Rechtshandlung ist jedes von einem Willen getragene Handeln, das rechtliche Wirkungen auslÇst und das VermÇgen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzglsubiger versndern kann.2 Zu § 96 Abs. 1 Ziff. 3 InsO ist anerkannt, dass die glsubigerbenachteiligende Wirkung, die mit der Herstellung einer Aufrechnungslage eintritt, selbstsndig angefochten werden kann.3 Eine sichernde und die spstere ErfÅllung einer Forderung vorbereitende Rechtshandlung kann unter den in §§ 129 ff. InsO bestimmten Voraussetzungen angefochten werden.4 Ob die BegrÅndung der Aufrechnungslage zu einer kongruenten (§ 130 InsO) oder einer inkongruenten (§ 131 InsO) Deckung fÅhrt, richtet sich nach gefestigter Rechtsprechung des BGH danach, ob der Aufrechnende einen Anspruch auf den Eintritt der Aufrechnungslage hatte oder ob dies nicht der Fall war.5 Die Vorschrift des § 131 InsO bezeichnet jede Rechtshandlung als inkongruent, die dem Insolvenzglsubiger eine Befriedigung gewshrt, auf die er keinen Anspruch hatte. Deshalb ist die Herstellung einer Aufrechnungslage inkongruent, soweit die Aufrechnungsbefugnis sich nicht aus einem zwischen dem Schuldner und dem Glsubiger bereits bestehenden Rechtsverhsltnis ergibt.6

4.129

Die Finanzverwaltung hat jedoch keinen Anspruch darauf, dass der Leistungsempfsnger den bestehenden Werklohnanspruch des Leistenden befriedigt. Dieser Anspruch steht nsmlich allein dem Leistenden zu. Er allein kann bis zur Befriedigung Åber den Anspruch verfÅgen, ihn stunden oder auf ihn verzichten. Die Befriedigung des Werklohnanspruchs ist daher eine anfechtbare Rechtshandlung, die auf Seiten der Finanzverwaltung eine Aufrechnungslage entstehen lssst, soweit sie AbfÅhrungs-

4.130

1 Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 91 InsO Rz. 2. 2 BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 147/06, ZIP 2010, 90 = DStR 2010, 1145 (1145). 3 BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 147/06, ZIP 2010, 90 = DStR 2010, 1145 (1145); v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, ZIP 2004, 1558 = BB 2004, 1872 (1874). 4 BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 441/99, BGHZ 147, 233 (236); v. 29.6.2005 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388 (393). 5 Vgl. BGH v. 9.2.2006 – IX ZR 121/03, ZIP 2006, 818 ff. m.w.N. 6 BGH v. 9.2.2006 – IX ZR 121/03, ZIP 2006, 818 (819).

423

131

132

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

betrsge erhslt. In Folge der Anfechtung ist die Finanzverwaltung zur Anrechnung nach § 48c EStG auf Steuerforderungen, die den Rang von Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) einnehmen, nicht berechtigt und muss den AbfÅhrungsbetrag an den Insolvenzverwalter erstatten. Gleiches gilt freilich auch fÅr eine Befriedigung, die noch vor Insolvenzantragstellung erfolgt ist, soweit die Åbrigen Voraussetzungen der §§ 130, 131 InsO vorliegen. dd) Steuerabzug im masseunzullnglichen Insolvenzverfahren Die Anzeige der Masseunzulsnglichkeit (§ 208 InsO Rz. 3.213 ff.) bewirkt eine shnliche Zssur wie die InsolvenzerÇffnung und bringt eine znderung der Befriedigungsreihenfolge mit sich. Diese wird durch § 209 Abs. 1 InsO festgelegt. An erster Stelle stehen die Verfahrenskosten; danach folgen diejenigen Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit erst begrÅndet werden (sog. Neumasseverbindlichkeiten), schließlich folgen die Åbrigen Masseverbindlichkeiten, also solche, die bereits vor Anzeige der Masseunzulsnglichkeit begrÅndet worden waren (sog. Altmasseverbindlichkeiten). Aus insolvenzrechtlicher Sicht ist fÅr das masseunzulsngliche Verfahren wichtig, dass kein Altmasseglsubiger – also ein Glsubiger, der vor Anzeige der Masseunzulsnglichkeit – einen Anspruch gegen die Insolvenzmasse erworben hat, Gegenstsnde aus der Insolvenzmasse erhslt, solange nicht die Neumasseglsubiger befriedigt sind und soweit nicht die Åbrigen Altmasseglsubiger mit gleicher Quote Befriedigung aus der Masse erhalten. Hier gelten die obigen AusfÅhrungen zu bei InsolvenzerÇffnung bereits bestehenden Werklohnforderungen entsprechend (Rz. 4.118). Auch § 91 Abs. 1 InsO ist analog anzuwenden. Somit hat der Leistungsempfsnger nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit keinen Steuerabzug mehr vorzunehmen, soweit die Werklohnforderung des insolventen Bauauftragnehmers vor Anzeige der Masseunzulsnglichkeit bereits entstanden war. FÅhrt der Leistungsempfsnger dennoch den Steuerabzugsbetrag an die Finanzverwaltung ab, so ist die Finanzverwaltung zur Aufrechnung mit Steuerforderungen, fÅr die der Rechtsgrund bereits vor Anzeige der Masseunzullnglichkeit gelegt war, nicht berechtigt.1 Sie ist dann zur Erstattung des abgefÅhrten Betrages an den Insolvenzverwalter verpflichtet. ee) Haftung des Auftraggebers Ist der Leistungsempfsnger vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Bauauftragnehmers seiner Pflicht zur AbfÅhrung des Steuerabzugsbetrages nicht nachgekommen, kann gegen ihn auch nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Bauauftragnehmers ein Haftungsbescheid erlassen werden.2 Bei der Entscheidung Åber die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners hat das Finanzamt 1 Vgl. BFH v. 13.11.2002 – I B 147/02, BStBl. II 2003, 716 = ZIP 2003, 173. 2 Zutr. FG MÅnchen v. 24.9.2009 – 7 K 1238/08, EFG 2010, 147 (147).

424

A. Einkommensteuer

neben den tatbestandlichen Voraussetzungen auch zu ÅberprÅfen, ob es einen Haftungsbescheid erlassen und wen es als Haftenden in Anspruch nehmen will (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO). Diese Ermessensentscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen in des § 102 FGO auf Ermessensfehler zu ÅberprÅfen. Um eine fehlerfreie ErmessensausÅbung treffen zu kÇnnen, ist es erforderlich, dass die BehÇrde den Sachverhalt umfassend und einwandfrei ermittelt. Im Rahmen der Ermessensentscheidung hat die FinanzbehÇrde auch den Gesichtspunkt zu berÅcksichtigen, inwieweit nach den Umstsnden des Einzelfalles SteueransprÅche gegen den Leistenden bestehen oder entstehen kÇnnen. Dies ergibt sich aus dem mit dem Bausteuerabzug verfolgten Sicherungszweck, der bei einem unterbliebenen Abzug gefshrdet sein kann.1 Daher kann nach InsolvenzerÇffnung kein Haftungsbescheid mehr fÅr Abzugsbetrsge ergehen, fÅr die vor InsolvenzerÇffnung keine Pflicht zur AbfÅhrung entstanden war (weil z.B. die Gegenleistung noch nicht an den Auftragnehmer erbracht wurde), denn insoweit kann keine zu sichernde Steuerschuld mehr entstehen und dÅrften abgefÅhrte Abzugsbetrsge nicht mehr durch die Finanzverwaltung aufgerechnet werden. Ergeht ein Haftungsbescheid gegen den Leistungsempfsnger jedoch wegen eines vor der InsolvenzerÇffnung liegenden Verstoßes gegen die AbfÅhrungspflicht und zahlt der Leistungsempfsnger auf seine Haftungsschuld an die Finanzverwaltung, so darf die Finanzverwaltung den Haftungsbetrag auf die Steuerschulden des Insolvenzschuldners anrechnen. Darin liegt keine insolvenzzweckwidrige Bevorzugung des Steuerglsubigers gegenÅber anderen Insolvenzglsubigern. Ein Erstattungsanspruch des Insolvenzverwalters kommt insoweit nicht in Betracht, weil die Haftung nach § 48a EStG ein außerinsolvenzliches Sicherungsmittel ist, das ausschließlich die SteueransprÅche des Fiskus sichern soll. Der Haftungstatbestand des § 48a Abs. 3 EStG hat Schadensersatzcharakter.2 d) Steuerabzug im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Leistungsempflngers Wird Åber das VermÇgen des Leistungsempfsngers das Insolvenzverfahren erÇffnet, so bleibt dieser nach den allgemeinen steuerrechtlichen Vorschriften zum Steuerabzug nach §§ 48 ff. EStG verpflichtet. Der Insolvenzverwalter muss also, wenn er aus der Masse Zahlungen auf die Werklohnforderung des Bauauftragnehmers leistet, nach den Vorschriften der §§ 48 ff. EStG Abzugsbetrsge einbehalten, anmelden und abfÅhren. Dies gilt unabhsngig davon, ob er selbst einen Werkauftrag erteilt oder ob er in Ansehung eines bereits bestehenden Vertrages nach § 103 InsO die ErfÅllung wshlt. Der Insolvenzverwalter hat den Steuerabzug auch dann vorzunehmen, wenn an den Bauauftragnehmer im Rahmen der (Schluss-)Verteilung Zahlungen erfolgen.3 1 FG MÅnchen v. 24.9.2009 – 7 K 1238/08, EFG 2010, 147 (148). 2 BFH v. 29.10.2008 – I B 160/08, BB 2009, 703 (705). 3 Mitlehner, NZI 2002, 143 (145).

425

4.133

134

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Soweit der Insolvenzschuldner vor InsolvenzerÇffnung den §§ 48 ff. EStG zuwider Abzugsbetrsge nicht einbehalten oder nicht abgefÅhrt hat, sind daraus resultierende Haftungsforderungen (§ 48a Abs. 3 Satz 1 EStG) der Finanzverwaltung Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO. Ist allerdings auch die Bauwerklohnforderung nicht befriedigt worden, hat die Finanzverwaltung auch keinen Haftungsanspruch,1 so dass eine Feststellung des Abzugsbetrages zur Insolvenztabelle nicht erfolgen darf.

XI. Auswirkungen der Insolvenz von Gesellschaften auf die Einkommensteuer der Gesellschafter 1. Insolvente Kapitalgesellschaften

135

Nach § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG gehÇrt zu den EinkÅnften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der AuflÇsung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fÅnf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem PrivatvermÇgen hslt. Entsprechendes gilt fÅr die aus der AuflÇsung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste.2 AuflÇsungsverlust i.S.v. § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der AuflÇsung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persÇnlich getragenen Kosten (entsprechend den Versußerungskosten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) sowie seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurÅckgezahlten VermÇgens der Kapitalgesellschaft Åbersteigen.3 Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB Aufwendungen, die geleistet werden, um einen VermÇgensgegenstand zu erwerben; dazu gehÇren nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachtrsglichen Anschaffungskosten. Zu den nachtrsglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zshlen neben (verdeckten) Einlagen auch nachtrsgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhsltnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den EinkÅnften aus KapitalvermÇgen noch Versußerungskosten sind.

136

Die Entstehung des AuflÇsungsgewinnes oder -verlustes bei Steuerpflichtigen setzt bei der Kapitalgesellschaft zunschst deren AuflÇsung voraus. Die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt zwar die AuflÇsung der Gesellschaft (vgl. §§ 60 Abs. 1 Ziff. 4, 63 f. GmbHG). FÅr die Entstehung des AuflÇsungsverlustes ist aber zudem erforderlich, dass der wesentlich beteiligte Gesellschafter nicht mehr mit Zuteilungen und RÅckzahlungen aus dem GesellschaftsvermÇgen rechnen kann und dass feststeht, ob und in welcher HÇhe noch nachtrsgliche Anschaffungskosten oder sonstige 1 Mitlehner, NZI 2002, 143 (145). 2 BFH v. 25.1.2000 – VIII R 63/98, BStBl. II 2000, 343; v. 4.11.1997 – VIII R 18/94, BStBl. II 1999, 344. 3 BFH v. 25.2.2009 – IX R 28/08, BFH/NV 2009, 1416; v. 2.4.2008 – IX R 76/06, BStBl. II 2008, 706 = ZIP 2008, 1587, m.w.N.

426

A. Einkommensteuer

im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berÅcksichtigende Versußerungsoder Aufgabekosten anfallen werden.1 Diese Voraussetzungen sind im Fall der AuflÇsung der Gesellschaft mit anschließender Liquidation regelmsßig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation erfÅllt. Ausnahmsweise kann der Zeitpunkt, in dem der AuflÇsungsverlust realisiert ist, schon vor Abschluss der Liquidation liegen, wenn mit einer wesentlichen znderung des bereits festgestellten Verlustes nicht mehr zu rechnen ist.2 Im Fall der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens kann nach der Rechtsprechung des BFH regelmsßig nicht sogleich eine Feststellung dahingehend getroffen werden, ob und in welchem Umfange der wesentlich beteiligte Gesellschafter noch mit RÅckzahlungen rechnen darf:3 „aa) Der Senat hat ... in nunmehr stnndiger Rechtsprechung entschieden, dass der AuflÇsungsgewinn oder -verlust nach den Grundsntzen ordnungsmnßiger BuchfÅhrung zu ermitteln ist, soweit die Eigenart der Gewinnermittlung nach § 17 EStG keine Abweichungen von diesem Grundsatz erfordert. Danach ist insbesondere das Realisationsprinzip zu beachten. ... Die stillen Reserven sind bei Vernußerungsgeschnften erst dann realisiert, wenn der Vernußerer seine Sachleistung erbracht hat (...). Davon ist auch im Konkursfall auszugehen; der Vernußerungsgewinn oder -verlust ist erst realisiert, wenn der Konkursverwalter die einzelnen WirtschaftsgÅter des GesellschaftsvermÇgens oder das Unternehmen im Ganzen vernußert und mit dem letzten Geschnftsvorfall die Grundlage fÅr die Schlussverteilung geschaffen hat. Die Dauer eines Konkursverfahrens ist nicht abzuschntzen, wenn – wie auch im Streitfall – erhebliches BetriebsvermÇgen abzuwickeln ist (...). In dieser Zeit kÇnnen sich die Marktwerte der WirtschaftsgÅter erheblich vernndern (...). Eine strenge Beachtung des Realisationsprinzips ist auch deshalb geboten, weil damit der oft erhebliche Aufwand einer Ermittlung und Bewertung des GesellschaftsvermÇgens durch die Beteiligten und Prognosen Åber den vermutlichen Ausgang des Konkursverfahrens vermieden werden.“

4.137

In einer spsteren Entscheidung prszisiert der BFH die Voraussetzungen, unter denen im Fall der ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens Åber eine Kapitalgesellschaft davon auszugehen ist, dass es zu einer RÅckzahlung von RestvermÇgen der Åberschuldeten Gesellschaft an den Gesellschafter nicht mehr kommt, wie folgt:4

4.138

„Entscheidend fÅr diese Beurteilung ist, wie sich die VermÇgenslage auf der Ebene der Gesellschaft darstellt und wie sie sich in dem fÅr die Gesellschaft gÅnstigsten Fall entwickeln wird. Ist danach eine Auskehrung vom GesellschaftsvermÇgen ausgeschlossen, liegt auch der Zeitpunkt der Entstehung des AuflÇsungsverlustes fest, wenn folgende Voraussetzungen erfÅllt sind:

4.139

– Bei einer AuflÇsung der Gesellschaft wegen ErÇffnung des Konkursverfahrens

Åber ihr VermÇgen muss die MÇglichkeit ausgeschlossen sein, dass die Gesellschaft nach Abschluss eines Zwangsvergleichs fortgefÅhrt wird ... . Solange diese MÇglichkeit besteht, ist auch nach KonkurserÇffnung das zukÅnftige Schicksal der Gesellschaft noch ungewiss.

1 FG Rh.-Pf. v. 25.9.2008 – 5 K 1225/06, BeckRS 2008 26027439. 2 FG Rh.-Pf. v. 25.9.2008 – 5 K 1225/06, BeckRS 2008 26027439; BFH v. 25.1.2000 – VIII R 63/98, BStBl. II 2000, 343. 3 BFH v. 25.1.2000 – VIII R 63/98, BStBl. II 2000, 343. 4 BFH v. 25.3.2003 – VIII R 24/02, DStRE 2003, 1025 ff.

427

140

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

– Es muss absehbar sein, ob und in welcher HÇhe den Gesellschaftern noch nach-

trngliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berÅcksichtigende Vernußerungs- oder Aufgabekosten anfallen werden; insofern dÅrfen keine wesentlichen underungen mehr eintreten (...). Zu der Beurteilung der VermÇgenslage auf der Ebene der Gesellschaft muss also die Beurteilung der VermÇgenslage auf der Ebene des Gesellschafters hinzutreten.“ ! Hinweis: Diese Rechtsprechung hindert freilich nicht daran, dass im Einzelfall durchaus direkt bei InsolvenzerÇffnung feststehen kann, dass der wesentlich beteiligte Gesellschafter mit keiner RÅckzahlung von VermÇgen aus der insolventen Gesellschaft mehr rechnen kann. Nachdem sich auch unter der Geltung der Insolvenzordnung nur in seltenen Fsllen Befriedigungsquoten fÅr die Insolvenzglsubiger eingestellt haben, die Åber 20 % ihrer Forderungen liegen und es Sensationswert hat, wenn es einmal zu einer 100 %-Quote oder einer Sanierung durch Insolvenzplanverfahren kommt, ist eher ein Erfahrungssatz dahingehend anzunehmen, dass der Gesellschafter aus einer in Insolvenz geratenen Gesellschaft keine Auszahlung von RestvermÇgen mehr erhslt. Kommt es dem Gesellschafter darauf an, den AuflÇsungsverlust bereits in der Veranlagungszeitraum geltend machen zu kÇnnen, in den die InsolvenzerÇffnung fsllt, sollte er die VermÇgenslage der insolventen Gesellschaft mÇglichst detailliert dokumentieren und auch darlegen, ob und in wie weit noch mit der Aufdeckung stiller Reserven aus der Versußerung von WirtschaftsgÅtern durch den Insolvenzverwalter gerechnet werden kann. Zudem muss dargelegt werden, in welcher HÇhe bereits Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet sind, denn es melden regelmsßig nicht alle Glsubiger ihre Forderungen zur Insolvenztabelle an, so dass allein die Tatsache der xberschuldung noch nichts darÅber aussagt, ob es zu einer RestvermÇgensauskehrung an den Gesellschafter kommen kann. Das kann sich erst ergeben, wenn feststeht, dass mehr Glsubigerforderungen am Verfahren teilnehmen, als im gÅnstigen Fall Masse gebildet werden kann. Zudem muss der Gesellschafter sichere Feststellungen darÅber ermÇglichen, ob und inwieweit es noch zu nachtrsglichen Anschaffungskosten kommen kann.

Der AuflÇsungsverlust steht dann fest, wenn ein Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens gegen die Kapitalgesellschaft mangels einer die Verfahrenskosten (§ 54 InsO) deckenden Masse abgewiesen worden ist (§ 26 InsO).1 Verzichtet ein Gesellschafter-GeschlftsfÅhrer gegenÅber der Gesellschaft auf bestehende oder kÅnftige EntgeltansprÅche, so fließen ihm insoweit keine Einnahmen aus nichtselbstsndiger Arbeit zu, als er dadurch eine tatsschliche VermÇgenseinbuße erleidet.2

1 BFH v. 25.1.2000 – VIII R 63/98, BStBl. II 2000, 343; FG Rh.-Pf. v. 25.9.2008 – 5 K 1225/06, BeckRS 2008 26027439; BFH v. 27.11.1995 – VIII B 16/95, BFH/NV 1996, 406. 2 BFH v. 3.2.2011 – VI R 4/10, BStBl. II 2014, 493 = ZIP 2011, 1060 = BFH/NV 2011, 904.

428

A. Einkommensteuer

2. Insolvente Personengesellschaften a) Grundlagen Die Einkommensteuer ist eine Personensteuer. NatÅrliche Personen sind einkommensteuerpflichtig (§ 1 EStG), Personengesellschaften als solche dagegen nicht. Man bezeichnet Personengesellschaften daher als ertragsteuerrechtlich transparent, weil die Besteuerung der von ihnen erzielten Gewinne auf der Ebene ihrer Gesellschafter erfolgt.

4.141

Dessen ungeachtet ist die Personengesellschaft aber „insoweit Steuerrechtssubjekt, als sie in der Einheit der Gesellschaft Merkmale eines Besteuerungstatbestandes verwirklicht, welche den Gesellschaftern fÅr deren Besteuerung zuzurechnen sind. Solche Merkmale sind insbesondere die Verwirklichung oder Nichtverwirklichung des Tatbestands einer bestimmten Einkunftsart und das Erzielen von Gewinn oder sberschuss im Rahmen dieser Einkunftsart“.1 Das Ergebnis dieser Tstigkeit wird den Gesellschaftern als Anteil am Gewinn oder xberschuss zugerechnet. Dazu bedarf es keiner Zurechnung der einzelnen Geschsftsvorfslle der Gesellschaft an die Gesellschafter. Die Gesellschaft wird deshalb, soweit sie ein gewerbliches Unternehmen betreibt, als „Subjekt der Gewinnerzielung“ bezeichnet. Die Personengesellschaft ist Steuerrechtssubjekt bei der Feststellung der Einkunftsart und der EinkÅnfteermittlung. Die Eigenschaft der Personengesellschaften als Steuerrechtssubjekt lssst die Grundentscheidung der §§ 1 und 2 EStG jedoch unberÅhrt, da Subjekte der Einkommensteuer allein die einzelnen Gesellschafter sind. Bei gewerblichen EinkÅnften i.S.v. § 15 Abs. 1 Ziff. 2 EStG sind Trsger des Gewerbebetriebs einer Personengesellschaft deren Gesellschafter, sofern sie Mitunternehmerrisiko tragen und Mitunternehmerinitiative entfalten kÇnnen. Weil die Gesellschafter die Mitunternehmer des Betriebes sind und der Betrieb auf ihre Rechnung und Gefahr gefÅhrt wird, werden ihnen die Ergebnisse (Gewinn und Verlust) der gemeinschaftlichen Tstigkeit anteilig als originsre EinkÅnfte zugerechnet.2

4.142

Auf einer Vorstufe der EinkÅnfteermittlung ist zu prÅfen, welche Gewinne oder xberschÅsse die Personengesellschaft erzielt hat und welcher Einkunftsart die gemeinsame Betstigung zuzuordnen ist. In einem weiteren Schritt ist der von der Gesellschaft erwirtschaftete Gewinn auf die Gesellschafter zu verteilen. Dieser Gewinnanteil bildet den Ausgangspunkt fÅr die Ermittlung der EinkÅnfte des Gesellschafters aus seiner Beteiligung. Einzubeziehen sind dabei auch EinkÅnfte, die der Gesellschafter außerhalb der Einheit der Gesellschaft, indes im Rahmen der Beteiligung, erzielt hat, wie z.B. bei den EinkÅnften aus Gewerbebetrieb die in

4.143

1 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617; v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751, unter C. III. 3. a; vgl. ferner BFH v. 19.8.1986 – IX S 5/83, BStBl. II 1987, 212; v. 7.4.1987 – IX R 103/85, BStBl. II 1987, 707; v. 20.11.1990 – VIII R 15/87, BStBl. II 1991, 345. 2 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617.

429

144

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

§ 15 Abs. 1 Ziff. 2 EStG genannten VergÅtungen, Gewinne aus der Versußerung seines Gesellschaftsanteils (§ 16 EStG) oder ihm gehÇrender, der Gesellschaft zur Nutzung Åberlassener WirtschaftsgÅter. Subjekt der EinkÅnfteerzielung ist auch bei gemeinschaftlich erzielten Gewinnen oder xberschÅssen immer der einzelne Gesellschafter.1 An diesen steuerrechtlichen Grundsstzen sndert sich auch dann nichts, wenn Åber das VermÇgen der Personengesellschaft das Insolvenzverfahren erÇffnet wird.2 In der Beurteilung durch die Rechtsprechung in Bezug auf den Steuerabzug bei insolventen Personengesellschaften ist ein Wandel eingetreten (Rz. 4.156). Personengesellschaften sind nach § 11 Abs. 1 InsO insolvenzfshig. Durch die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen einer Personengesellschaft werden die VermÇgenskreise der Personengesellschaft und der Gesellschafter voneinander getrennt; Åber das zur Insolvenzmasse der Personengesellschaft gehÇrende VermÇgen verfÅgt nur noch und alleine der Insolvenzverwalter (§ 80 InsO). Dieses VermÇgen wird zum Zwecke der Verteilung an die Glsubiger der Personengesellschaft im Rahmen des Insolvenzverfahrens verwertet. Diese insolvenzrechtliche Trennung von Gesellschafts- und GesellschaftervermÇgen bei gleichzeitiger steuerrechtlicher Zuordnung von Gewinnen und Verlusten der Personengesellschaft zu den einkommensteuerrechtlich relevanten EinkÅnften der Gesellschafter bringt es mit sich, dass sich etwa eine BetriebsfortfÅhrung oder Verwertungshandlungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen der Personengesellschaft nicht hier, sondern auf der einkommensteuerlichen Ebene der Gesellschafter auswirken.3 Dadurch kann es durchaus zu Hsrten kommen, wenn nsmlich im Rahmen des Insolvenzverfahrens hohe Gewinne erzielt werden, an denen nicht die Gesellschafter, sondern nur die Gesellschaftsglsubiger partizipieren, wshrend die Ertragsteuern von den Gesellschaftern zu tragen sind. Das fÅhrt aber nicht zu einem Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfshigkeit.4 Der Gesetzgeber ist auch bei der Einkommensteuer nicht von Verfassungs wegen zur lÅckenlosen Verwirklichung des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfshigkeit verpflichtet.5 FÅr den Regelfall dÅrfte aber davon auszugehen sein, dass eine in Insolvenz gefallene Personengesellschaft vor der InsolvenzerÇffnung Verluste erwirtschaftet hat, die auf Seiten der Gesellschafter einkommensteuerrechtlich berÅcksichtigt worden sind. Bei einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung sind somit vorinsolvenzlich auf Seiten der Ge1 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617. 2 BFH v 18.12.2014 – X B 89/14, ZIP 2015, 389 = BFH/NV 2015, 470; BFH v. 5.3.2008 – X R 60/04, BStBl. II 2008, 787 = ZIP 2008, 1643; Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 314 ff. 3 BFH v 18.12.2014 – X B 89/14, ZIP 2015, 389 = BFH/NV 2015, 470. 4 Vgl. hierzu BFH v. 23.8.1999 – GrS 2/97, BStBl. II 1999, 782; v. 22.7.1988 – III R 175/85, BStBl. II 1988, 995; BVerfG v. 23.11.1976 – 1 BvR 150/75, NJW 1977, 241 (241); Kahlert, Anmerkung zu BFH v. 5.3.2008 – X R 60/04, BStBl. II 2008, 787, ZIP 2008, 1645. 5 BVerfG v. 2.10.1969 – 1 BvL 12/68, BStBl. II 1970, 140.

430

A. Einkommensteuer

sellschafter einkommensteuerlich relevante Verluste zu Lasten der Glsubiger der Personengesellschaft entstanden, die ohne Verstoß gegen das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfshigkeit dadurch kompensiert werden dÅrfen, dass nachinsolvenzlich entstehende Gewinne der Personengesellschaft zur Tilgung der Forderungen der Glsubiger der Personengesellschaft verwendet werden, die darauf anfallende Ertragsteuer allerdings von den Gesellschaftern getragen werden muss. Insolvenzrechtliche Zuordnungsfragen ergeben sich dabei dann, wenn nicht nur Åber das VermÇgen der Personengesellschaft das Insolvenzverfahren erÇffnet wird, sondern zugleich auch noch Åber das VermÇgen des oder der Gesellschafter (Rz. 4.210). Soweit vorinsolvenzlich bei den Gesellschaftern nicht Verluste der Personengesellschaft ertragsteuerlich relevant geworden sind oder zumindest Gewinnminderungen, wie etwa die Bildung von RÅckstellungen, zu steuerlichen Vorteilen bei den Gesellschaftern gefÅhrt haben, ist der die Steuer erhÇhende Gewinnanteil aus sachlichen BilligkeitsgrÅnden bei der Festsetzung der Einkommensteuer des Gesellschafters nach § 163 AO nicht zu berÅcksichtigen oder zumindest nach § 227 AO auf Antrag zu erlassen.1

4.145

Ist nach Verwertung und Verteilung der Masse im Insolvenzverfahren einer Personengesellschaft kein pberschuss vorhanden, so haben die Gesellschafter, deren Kapitalkonten positiv sind, einen schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen diejenigen Mitgesellschafter, deren Kapitalkonten negativ sind.2 Soweit dieser Ausgleichsanspruch eines Gesellschafters wertlos ist, erzielt der zum Ausgleich berechtigte Gesellschafter einen persÇnlichen Verlust in HÇhe der Summe der Guthaben auf dem festen und dem beweglichen Kapitalkonto. Der Verlust ist einkommensteuerrechtlich in dem Zeitpunkt realisiert, in dem die Gesellschaft ihren Gewerbebetrieb aufgibt, also mit Versußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen durch den Insolvenzverwalter.3

4.146

Im Fall der Doppelinsolvenz, wenn also nicht nur die Personengesellschaft selbst in Insolvenz gefallen ist, sondern auch Åber das VermÇgen der Gesellschafter das Insolvenzverfahren erÇffnet ist, bilden die auf den jeweiligen Gesellschafter entfallenden EinkÅnfte im dortigen Insolvenzverfahren grundsstzlich Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO.4 Dies gilt allerdings nur insoweit, als die Gewinnanteile (aus der Tstigkeit der Personengesellschaft) aus der Zeit nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Gesellschafters herrÅhren5 (aus1 Vgl. Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 316 ff.; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 137 ff. 2 Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 319. 3 Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 319. 4 BFH v. 18.12.2014 – X B 89/14, ZIP 2015, 389 = BFH/NV 2015, 470. 5 So zu Recht auch ThÅringer FG v. 30.11.2011 – 3 K 581/09, EFG 2013, 317 = ZIP 2013, 790, Rev. X R 12/12.

431

147

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

fÅhrlich dazu unten Rz. 4.220 ff.). Gibt der Åber das VermÇgen des Gesellschafters bestellte Insolvenzverwalter die Beteiligung des Gesellschafters aus der von ihm verwalteten Insolvenzmasse frei, so betreffen Einkommensteuerschulden, die aus der Beteiligung resultieren, fortan das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners. Entscheidend ist fÅr die Zuordnung der Einkommensteuerschuld zur Insolvenzmasse oder zum insolvenzfreien VermÇgen darauf abzustellen, ob im Zeitpunkt der Entstehung der Einkommensteuerschuld, also mit Ablauf des Kalenderjahres, die Beteiligung zur Insolvenzmasse gehÇrt oder nicht. Wird bei einer zweigliedrigen Personengesellschaft ohne einen von den Vorgaben des § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB abweichenden Gesellschaftsvertrag das Insolvenzverfahren sowohl Åber das VermÇgen der KG als auch das ihrer geschsftsfÅhrenden GmbH erÇffnet, so scheidet die geschsftsfÅhrende und allein vollhaftende GmbH aus der Personengesellschaft aus (§ 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB). Durch das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters wird die Personengesellschaft ohne Liquidation vollbeendet. Eine derartige vollbeendete Personengesellschaft kann nicht Beteiligte eines finanzgerichtlichen Verfahrens zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der EinkÅnfte sein, denn sie ist dann nicht mehr i.S.d. § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO als Prozessstandschafterin fÅr die Gesellschafter prozessfÅhrungsbefugt. Deshalb kann sie auch nicht mehr notwendig beigeladen werden.1 b) Steuerabzug (insb. Bauabzugsteuer und Kapitalertragsteuer) Besondere Probleme bereitet die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Steuerabzug zulsssig ist, wenn dieser zu einer Belastung der Insolvenzmasse einer Personengesellschaft oder eines Nachlasses fÅhrt. Sowohl Personengesellschaft als auch Nachlass sind nsmlich insolvenzrechtlich insolvenzfshig, ohne zugleich Einkommensteuersubjekt zu sein. Steht einem Nachlass oder einer Personengesellschaft, Åber deren VermÇgen das Insolvenzverfahren erÇffnet ist, eine Forderung aus Bauleistungen zu oder erzielt sie Kapitalertrlge, so stellt sich die Frage, ob der Leistungsempfsnger oder die die Kapitalertrsge auszahlende Stelle zum Steuerabzug verpflichtet ist oder nicht. Das Problem stellt sich, weil Schuldner der Einkommensteuer nicht die Personengesellschaft ist, sondern ihre Gesellschafter, gleichzeitig aber die Forderungen aus Bauleistungen bzw. Kapitalertrsge zum VermÇgen der Personengesellschaft gehÇren. Soweit der Steuerabzug vorzunehmen ist, gelangen die Abzugsbetrsge nicht in die Insolvenzmasse des Nachlasses oder der Personengesellschaft, sondern entfalten ihre Wirkungen (zunschst) nur im VermÇgenskreis der Gesellschafter bzw. Erben. Dort aber dÅrfen die Wirkungen aus insolvenzrechtlicher Sicht nicht eintreten.

1 BFH v. 30.8.2012 – IV R 44/10, BFH/NV 2013, 376.

432

A. Einkommensteuer

Der BFH hat die auf Kapitalertrsge einer in Insolvenz befindlichen Personengesellschaft anfallende Zinsabschlagsteuer zunschst zu den Masseverbindlichkeiten im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen der Personengesellschaft gezshlt.1 Dem lagen folgende Erwsgungen zugrunde:

4.148

„Nach stnndiger BFH-Rechtsprechung sind Einkommensteuerforderungen aufgrund der nach der KonkurserÇffnung vom Gemeinschuldner erzielten EinkÅnfte Massekosten, wenn die EinkÅnfte aus der Verwertung der Konkursmasse resultieren und die entsprechenden VermÇgensmehrungen zur Konkursmasse gelangen ... Als Verwertung der Konkursmasse sieht der erkennende Senat auch die ertragbringende Nutzung der zur Konkursmasse gehÇrenden VermÇgensgegenstnnde an. Diese Nutzung – z.B. die zinsbringende Anlage der vom Konkursverwalter eingezogenen Forderungen – ist im weitesten Sinne Teil der Verwertung der Masse.“2

4.149

„Es ist insoweit ohne Bedeutung, dass die Zinsertrnge einkommensteuerlich den Gesellschaftern der KG und nicht der KG als der zivilrechtlichen Glnubigerin der Zinsforderung zuzurechnen sind. Die Abzugspflicht des § 43 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b EStG knÅpft nicht an den steuerrechtlichen oder zivilrechtlichen Anspruchsberechtigten an, sondern an die Art der Kapitalertrnge. Die Abzugspflicht entfnllt auch nicht dadurch, dass die im Rahmen einer Mitunternehmerschaft erzielten Zinsertrnge auch nach KonkurserÇffnung gewerbliche EinkÅnfte der Gesellschafter bleiben.“3

4.150

Diese Betrachtung ist indessen rein insolvenzrechtlicher Natur und fÅhrt zu einer unnÇtigen Verdrsngung des steuerrechtlichen Grundsatzes, dass Personengesellschaften keine einkommensteuerrechtlichen Steuersubjekte sind. Es liegt hierin der Versuch, eine Besteuerung der Ertrsge in der VermÇgensmasse vorzunehmen, der sie (haftungsrechtlich) zuzuordnen sind. Das kann nur in Bezug auf Entscheidungen einzelner Streitfragen zu sachgerecht erscheinenden Ergebnissen fÅhren, nicht aber zu einem stimmigen Gesamtkonzept der Besteuerung im Zusammenhang mit insolventen Personengesellschaften (oder Nachlsssen), das durchgehend Åberzeugende Ergebnisse liefert. Ein solches Gesamtkonzept setzt voraus, dass die steuerrechtlichen Grundsltze beibehalten und nicht aufgrund von xberlegungen in Zusammenhang mit speziellen Konstellationen oder Einzelfsllen durchbrochen werden. Im Ergebnis fÅhrt diese offensichtlich insolvenzrechtlich ausgerichtete Entscheidung sogar in manchen Konstellationen zu insolvenzrechtlich unangemessenen Ergebnissen, so dass es geboten ist, den Gesamtkontext in den Blick zu nehmen.

4.151

Mitlehner ist der eben zitierten Rechtsprechung des BFH entschieden entgegengetreten.4 Auch bei DurchfÅhrung eines Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen einer Personengesellschaft sei nicht diese, sondern ausschließlich die Gesellschafter Schuldner der Einkommensteuer. Hierzu sei es unerheblich, ob die Einkommensteuer beim Steuerschuldner oder

4.152

1 BFH v. 9.11.1994 – I R 5/94, BStBl. II 1995, 255 = ZIP 1995, 661; v. 15.3.1995 – I R 82/93, BFHE 177, 257 = ZIP 1995, 1275. 2 BFH v. 15.3.1995 – I R 82/93, BFHE 177, 257 = ZIP 1995, 1275. 3 BFH v. 9.11.1994 – I R 5/94, BStBl. II 1995, 255 = ZIP 1995, 661. 4 Mitlehner, NZI 2002, 143 (144).

433

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

im Wege der Quellenbesteuerung am Ort der EinkÅnfte erhoben werde. Eine Korrektur der durch das Postulat der Steuerabzugspflicht bei Bauleistungen eintretenden Verringerung der Insolvenzmasse der Personengesellschaft sei weder durch einkommensteuerrechtliche Vorschriften noch Åber den Weg eines Bereicherungsanspruchs des Insolvenzverwalters gegen den Fiskus mÇglich. Die Finanzverwaltung sei nsmlich im Verhsltnis zum Insolvenzverwalter nicht ungerechtfertigt bereichert, weil sie „von dem zur Einbehaltung und AbfÅhrung zustnndigen – persÇnlich fÅr die Steuer haftenden – Schuldner der Baulohnzahlung die Abzugszahlung als Leistung auf eine gegenÅber dem Steuerschuldner [i.e. der Leistende!] bestehende Steuerforderung“ erhalten hat. Allerdings sei der Gesellschafter auf Kosten der Insolvenzmasse bereichert, so dass der Insolvenzmasse ein Bereicherungsanspruch gegen den Gesellschafter zustehen kÇnne.1

153

Wenn sich auch die Auffassung von Mitlehner im Ergebnis als richtig erweist, so ist die BegrÅndung gleichwohl angreifbar. Sie Åbersieht nsmlich den Vorrang der Leistungskondiktion vor der Eingriffskondiktion. Bereicherungsrechtliche AnsprÅche sind grundsstzlich im Leistungsverhsltnis rÅckabzuwickeln.2 Soweit eine Steuerschuld der Insolvenzmasse gar nicht bestehen kann, leistet der Leistungsempfsnger der Bauleistung bzw. die die Kapitalertrsge auszahlende Stelle auf eine fÅr die Insolvenzmasse fremde Schuld an den Fiskus. Somit griffen der Fiskus und der Gesellschafter in das GesellschaftsvermÇgen ein, ohne dass ihnen der Insolvenzmasse gegenÅber ein Recht dazu zustÅnde. Gleichwohl haben sie eine Leistung durch den Leistungsempflnger bzw. die die Kapitalertrlge auszahlende Stelle erhalten und nicht (mittelbar) eine Leistung der insolventen Personengesellschaft. Im Verhsltnis zum Leistenden haben aber weder der Fiskus noch der Gesellschafter einen Behaltens- bzw. Rechtsgrund, weil die Bauwerklohnforderung bzw. die Kapitalertrsge nicht dem Gesellschafter zustanden und der Leistungsempfsnger bzw. die die Kapitalertrsge auszahlende Stelle nicht Steuerschuldner, sondern nur theoretisch Haftungsschuldner werden kÇnnte. Die Haftungsschuld setzt aber eine AbfÅhrungspflicht voraus, die wiederum nur dann anzunehmen ist, wenn die Personengesellschaft Schuldner der Einkommensteuer auf die Kapitalertrsge bzw. die Bauwerklohnforderung wsre. Das ergibt einen circulus vitiosus.

154

Zu stimmigen Ergebnissen gelangt man, wenn man die Steuerschuldnerschaft der Gesellschafter (§ 43 Abs. 1 EStG, wonach die Kapitalertragsteuer durch Abzug vom Kapitalertrag „erhoben“ wird, ergibt nsmlich nicht etwa eine Steuerschuldnerschaft derjenigen VermÇgensmasse, der die Kapitalertrsge zustehen, sondern ordnet lediglich eine besondere Form der Erhebung einer Steuer an, ohne gleichzeitig in materiell-rechtlicher Hinsicht die Schuld einer bestimmten VermÇgensmasse zu normieren) konsequent umsetzt und die durch die InsolvenzerÇffnung eintretende 1 Mitlehner, NZI 2002, 143 (145). 2 Sprau in Palandt, BGB, § 812 Rz. 2.

434

A. Einkommensteuer

haftungsrechtliche Trennung von Gesellschafter- und GesellschaftsvermÇgen einbezieht. Ohne die frÅhere Rechtsprechung ausdrÅcklich aufzugeben, ist der BFH nunmehr der Auffassung, die Einkommensteuer einer Mitunternehmerin kÇnne nicht im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen der Mitunternehmerschaft geltend gemacht werden.1 Die Entscheidung enthslt zwar keine Aussagen darÅber, wie mit dem Steuerabzug umzugehen ist, sie legt jedoch nahe, dass ein Steuerabzug von zur Insolvenzmasse einer Personengesellschaft gehÇrenden Gegenstsnden nicht stattfindet. Der BFH fÅhrt aus:

4.155

„Der im Streitfall erlassene Leistungsbescheid [i.e. ein Leistungsbescheid fÅr Einkommensteuer, die auf Ertrngen der Personengesellschaft beruhten] kann – ebenso wenig wie ein regulnrer Einkommensteuerbescheid – nicht gegen die Masse der Mitunternehmerschaft selbst (der OHG) gerichtet werden. Insoweit ist der Systematik des Einkommensteuerrechts Rechnung zu tragen; die Personengesellschaft als Mitunternehmerschaft ist einkommensteuerrechtlich lediglich Gewinnerzielungssubjekt, nicht aber Steuersubjekt (vgl. statt vieler Schmidt/Wacker, EStG, 27. Aufl., § 15 Rz. 164). Die steuerliche Zuordnung und Erfassung von EinkÅnften wird durch die Vorschriften der Konkursordnung und der Insolvenzordnung nicht vernndert, weder bei einem Konkurs Åber das VermÇgen der Mitunternehmerschaft noch bei einem Konkurs Åber das VermÇgen eines Mitunternehmers noch in dem Fall, in dem – wie im Streitfall – sowohl Åber das VermÇgen der Mitunternehmerschaft als auch Åber das des Mitunternehmers Konkurs erÇffnet worden ist (Frotscher, a.a.O., S. 133).

4.156

Diese steuerrechtliche Zurechnung hat zur Folge, dass von der im Konkurs befindlichen Personengesellschaft erwirtschaftete Gewinne den Masse- und Konkursglnubigern zur VerfÅgung stehen, wnhrend steuerrechtlich diese Gewinne den Gesellschaftern zugerechnet werden. Diese Unabgestimmtheit von Insolvenzrecht und Steuerrecht (...) fÅhrt zu unbefriedigenden Ergebnissen. Das Problem ist auf der Grundlage steuerlicher Grundsntze zu lÇsen. Bei unbeschrnnkt haftenden Gesellschaftern – wie den gem. § 128 des Handelsgesetzbuchs unbeschrnnkt haftenden Gesellschaftern einer OHG – kommen die auf der Ebene der im Konkurs befindlichen OHG erzielten Gewinne dem Gesellschafter haftungsmindernd zugute. Dies rechtfertigt es, dass der Gesellschafter die auf seinen Gewinnanteil entfallende Einkommensteuer selbst zu zahlen hat (...). Eine Inanspruchnahme des Konkursverwalters der insolventen OHG wegen der aus dem Gewinnanteil des Gesellschafters resultierenden Einkommensteuerschulden als Massekosten kommt daneben nicht mehr in Betracht. ... Entgegen der Auffassung des FA kann Einkommensteuer auf Gewinne aus der Bewirtschaftung der Konkursmasse einer Mitunternehmerschaft nicht gegen diese Konkursmasse bzw. deren Konkursverwalter geltend gemacht werden [Hervorhebung durch den Verfasser].“

4.157

Dies bedeutet eine Kehrtwende gegenÅber obigen AusfÅhrungen des BFH, wonach „die zinsbringende Anlage ... der Forderungen“ ungeachtet der Tatsache, dass Insolvenzgesellschaft eine Personengesellschaft war, in Ansehung der Einkommensteuer eine Masseschuld begrÅnden sollte.

4.158

In diesen Zusammenhang einzubeziehen ist Åbrigens auch § 91 Abs. 1 InsO. Danach kÇnnen Rechte an zur Insolvenzmasse gehÇrenden Gegen1 BFH v. 5.3.2008 – X R 60/04, BStBl. II 2008, 787 = ZIP 2008, 1643.

435

159

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

stsnden nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden. Soweit der Insolvenzmasse im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen einer Personengesellschaft oder einen Nachlass Bauwerklohnforderungen oder Kapitalertrsge zustehen, handelt es sich bei den betreffenden AnsprÅchen auf den Bauwerklohnforderungen oder auf die Zinsgutschrift um zur Insolvenzmasse gehÇrende Gegenstsnde. Kein Dritter – weder der Leistungsempflnger, noch die die Kapitalertrlge auszahlende Stelle noch das Finanzamt – kÇnnen wegen § 91 Abs. 1 InsO an diesen zur Insolvenzmasse gehÇrenden Gegenstlnden Rechte erwerben. Greift also etwa eine Bank, indem sie eine Zinsgutschrift um die abgefÅhrte Kapitalertragsteuer kÅrzt, in die Insolvenzmasse ein, so verletzt sie den Insolvenzbeschlag. Nimmt der Leistungsempflnger oder die die Kapitalertrlge auszahlende Stelle zu Unrecht den Steuerabzug vor und fÅhrt die Abzugsbetrsge an das Finanzamt ab, steht dem Insolvenzverwalter somit ein Erstattungsanspruch gem. § 37 Abs. 2 AO gegen das Finanzamt zu. Dieser ist gegen dasjenige Finanzamt gerichtet, das fÅr den Leistungsempfsnger bzw. die die Kapitalertrsge auszahlende Stelle zustsndig ist. Der Erstattungsanspruch steht auch nicht etwa dem wahren Einkommensteuersubjekt, also den Gesellschaftern der Personengesellschaft bzw. den Erben zu, sondern vielmehr der Insolvenzmasse im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen der Personengesellschaft bzw. den Nachlass. Zwar steht ein Erstattungsanspruch in Fsllen des Kapitalertragsteuerabzugs grundsstzlich demjenigen zu, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt wurde. Dieses ist – in Ermangelung der Einkommensteuersubjektqualitst von Personengesellschaft oder Nachlass – zwar der Gesellschafter der Personengesellschaft bzw. der Erbe. Diese Annahme verbietet sich aber im hier interessierenden Fall, weil sie widersinnig wsre. Es soll durch den Erstattungsanspruch schließlich gerade eine materiell-rechtlich unberechtigte Zahlung aus einem nicht die Steuerschulden den VermÇgen rÅckglngig gemacht werden. Unerheblich ist schließlich, dass dem Insolvenzverwalter eine Nichtveranlagungsbescheinigung nach § 44a Abs. 1 S. 4 i.V.m. Abs. 2 S. 1 Ziff. 2, Abs. 6 EStG nicht erteilt werden kann. Auch das Fehlen einer Nichtveranlagungsbescheinigung ergibt nsmlich keine materiell-rechtliche Schuldnerschaft der Insolvenzmasse fÅr die Steuerschuld der Gesellschafter bzw. Erben, sondern bewirkt lediglich, dass die die Kapitalertrsge auszahlende Stelle im Verhsltnis zum Finanzamt verpflichtet ist, den Steuerabzug vorzunehmen und abzufÅhren. Ein Behaltensgrund im Verhsltnis zwischen der die Steuer materiell-rechtlich nicht schuldenden Insolvenzmasse und dem Finanzamt ergibt sich fÅr das Finanzamt daraus aber nicht. Daraus ergibt sich zusammenfassend: Kommt die Personengesellschaft nicht als Steuerschuldner und damit nicht als Haftungssubstrat fÅr die auf Bauwerklohnforderungen oder Kapitalertrsge anfallende Einkommen-

436

A. Einkommensteuer

steuer in Betracht, so kann es auch keine zu sichernde Steuerschuld dieser Personengesellschaft geben. Somit ist ein zu Lasten der Insolvenzmasse einer Personengesellschaft gehender Steuerabzug nicht hinzunehmen. Der Leistungsempfsnger bzw. die die Kapitalertrsge auszahlende Stelle hat der Insolvenzmasse daher die Bauwerklohnforderung bzw. die Kapitalertrsge ungeschmllert auszuzahlen. Die Finanzverwaltung hat die darauf entfallende Einkommensteuer gegen die Gesellschafter zu verfolgen, ggf. in einem Insolvenzverfahren Åber deren VermÇgen.1 Hat der Leistungsempfsnger bzw. die die Kapitalertrsge auszahlende Stelle gleichwohl – materiell-rechtlich – zu Unrecht aus der Insolvenzmasse an das Finanzamt gezahlt, ist das Finanzamt im Verhsltnis zur Insolvenzmasse rechtsgrundlos bereichert, so dass dem Insolvenzverwalter gegen das Finanzamt gem. § 37 Abs. 2 AO ein Erstattungsanspruch zusteht. Dieser ist gegen das Finanzamt zu richten, das fÅr den Steuerpflichtigen zustsndig ist, der den Steuerabzug vorgenommen hat. c) BetriebsvermÇgen BetriebsvermÇgen einer Personengesellschaft bleibt auch im Åber das VermÇgen der Personengesellschaft erÇffneten Insolvenzverfahren steuerlich betrachtet BetriebsvermÇgen der Personengesellschaft. Das bezieht sich sowohl auf das GesamthandsvermÇgen als auch auf das SonderbetriebsvermÇgen. Gewinne aus der Versußerung eines Wirtschaftsgutes, welches vor InsolvenzerÇffnung im SonderbetriebsvermÇgen eines Gesellschafters bilanziert war und vom Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse freigegeben wurde, sind gesondert und einheitlich gegenÅber dem Gesellschafter festzustellen.2 Ein zum notwendigen SonderbetriebsvermÇgen gehÇrendes Wirtschaftsgut, das die Eigenschaft als „notwendiges“ SonderbetriebsvermÇgen verliert, aber nicht zu notwendigem PrivatvermÇgen wird, scheidet nicht ohne eine eindeutige Entnahmehandlung aus dem BetriebsvermÇgen aus, sondern bleibt weiterhin „geduldetes“ BetriebsvermÇgen. Eine Entnahme kann so lange nicht angenommen werden, wie ein Steuerpflichtiger das Wirtschaftsgut weiterhin in seiner Bilanz als BetriebsvermÇgen ausweist und objektive Merkmale fehlen, die darauf schließen lassen, dass eine spstere Verwendung zu betrieblichen Zwecken ausgeschlossen erscheint. In Insolvenzfsllen scheidet ein Wirtschaftsgut des notwendigen SonderbetriebsvermÇgens weder durch ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen der Personengesellschaft, noch durch Abweisung des Antrags auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen der Personengesellschaft mangels Masse (§ 26 InsO) noch durch ErÇffnung des 1 Vgl. auch zu diesem Fall der Doppelinsolvenz BFH v. 5.3.2008 – X R 60/04, BStBl. II 2008, 787 = ZIP 2008, 1643 = DStR 2008, 1478 ff. 2 FG MÅnster v. 14.5.2013 – 11 K 1015/11 F, EFG 2013, 1350.

437

4.160

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Gesellschafters automatisch aus dem SonderbetriebsvermÇgen des Gesellschafters aus.1 Auch eine Freigabe bewirkt kein Ausscheiden des Gegenstandes aus dem SonderbetriebsvermÇgen. Nach stsndiger Rechtsprechung des BFH erfordert eine Entnahme eine von einem Entnahmewillen getragene Entnahmehandlung, aus welcher nach außen erkennbar wird, dass die VerknÅpfung des Wirtschaftsguts mit dem BetriebsvermÇgen gelÇst wird und das Wirtschaftsgut nur noch fÅr private Zwecke genutzt werden soll.2 Eine solche Handlung stellt die Freigabe des Insolvenzverwalters gegenÅber dem Gesellschafter nicht dar.3 Der Insolvenzverwalter wird durch die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nicht selbst Feststellungsbeteiligter i.S.d. § 179 Abs. 2 Satz 2 AO, sondern bleibt lediglich VermÇgensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 3 AO.

XII. Besonderheiten im Nachlassinsolvenzverfahren

161

Mit dem Erbfall wird der Erbe als solcher gem. §§ 1922, 1967 BGB Rechtstrsger des gesamten Nachlasses. Damit wird er nach allgemeinen steuerrechtlichen Prinzipien zugleich Einkommensteuerschuldner in Bezug auf EinkÅnfte, die aus der Versußerung von Nachlassgegenstsnden resultieren oder im Rahmen der FortfÅhrung eines nachlasszugehÇrigen Unternehmens generiert werden. Wird ein im Wege der Erbfolge erworbener Betrieb nachfolgend von dem Erben versußert bzw. aufgegeben, so verwirklicht der Erbe den Gewinnrealisierungstatbestand des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 3 EStG. Der Erbe wird mit dem Erbfall automatisch Gewerbetreibender bzw. Unternehmer mit der Folge, dass ihm die bis zur Weiterversußerung anfallenden betrieblichen EinkÅnfte als seine eigenen gewerblichen EinkÅnfte zuzurechnen sind. Alle Geschsftsvorfslle nach dem Tode des Erblassers bis zur Versußerung des Betriebs wie auch die Versußerung selbst bzw. die Betriebsaufgabe gehen auf den Erben zurÅck, der als Rechtsnachfolger des Erblassers den Einkunftstatbestand in seiner Person selbst verwirklicht. Entsprechendes gilt fÅr die Versußerung des Anteils eines Gesellschafters, der als Mitunternehmer des Betriebs i.S.d. § 15 Abs. 1 Ziff. 2 EStG anzusehen ist (§ 16 Abs. 1 Ziff. 2 EStG). Als Steuerschuldner ist der Erbe auch zutreffender Adressat des entsprechenden Einkommensteuerbescheids im Festsetzungsverfahren.

162

Wird das Unternehmen nach ErÇffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens von einem Insolvenzverwalter fortgefÅhrt, bleibt es bei der formalen Steuerschuldnerschaft des Erben. Der xbergang der Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter nach § 80 InsO sndert daran 1 FG MÅnster v. 14.5.2013 – 11 K 1015/11 F, EFG 2013, 1350. 2 BFH v. 16.3.1983 – IV R 36/79, BStBl. II 1983, 459; v. 25.6.2003 – X R 72/98, BStBl. II 2004, 403. 3 FG MÅnster v. 14.5.2013 – 11 K 1015/11 F, EFG 2013, 1350.

438

A. Einkommensteuer

nichts. Der Insolvenzverwalter ist zwar fÅr die Umsatzsteuer und Gewerbesteuer erklsrungspflichtig, nicht aber fÅr die Einkommensteuer, denn insoweit ist er nicht VermÇgensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO (dafÅr mÅsste er nsmlich zum VermÇgensverwalter Åber das VermÇgen des Einkommensteuersubjektes „Erbe“ bestellt sein). Die formale Steuerschuldnerschaft des Erben sagt nichts darÅber aus, mit welchem VermÇgen dieser im Fall einer spsteren Nachlassinsolvenz fÅr die zwischenzeitlich aufgelaufenen Steuerschulden einzustehen hat. Zwar gehÇrt die Steuerschuld in Ansehung der erst nach dem Tode des Erblassers verwirklichten Besteuerungsgrundlagen grundsstzlich nicht zum Nachlass (es sei denn, es handelte sich um sog. Nachlassverwaltungsschulden oder Nachlasserbenschulden), weil der Erbe originsrer Steuerschuldner wird. Das schließt aber nicht aus, dass der Erbe seine Haftung fÅr die Einkommensteuerschuld auf den Nachlass beschrsnken kann (§ 1975 BGB). Maßgeblich hierfÅr ist die Rechtsnatur, die der Einkommensteuerschuld beizumessen ist. Der BFH differenziert dabei danach, ob die nach ErÇffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens entstandene Einkommensteuerschuld durch Handlung des Erben oder Insolvenzverwalters oder ohne deren Zutun angefallen ist.1 Ist die Entstehung der Steuerschuld bereits durch den Erblasser zu dessen Lebzeiten unvermeidlich in Gang gesetzt worden und daher ohne jedes Zutun des Erben oder des Insolvenzverwalters nach dem Tod entstanden, liegt danach eine (reine) Nachlassverbindlichkeit und nicht zugleich eine Eigenschuld des Erben vor. Folglich kann der Erbe in solchen Fsllen nach allgemeinen Grundsstzen seine Haftung auf den Nachlass beschrsnken. Abgesehen von den Fsllen einer unbeschrsnkten Erbenhaftung (§ 2013 BGB) haftet er im Fall der ErÇffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens (§ 1975 BGB) fÅr solchermaßen entstandene Einkommensteuerschulden also nicht mit seinem EigenvermÇgen.

4.163

Offen gelassen hat der BFH hingegen, wie mit Einkommensteuerschulden umzugehen ist, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters ausgelÇst werden.2 Nach der frÅheren Rechtsprechung des BFH3 gehÇrte die Einkommensteuer aufgrund von EinkÅnften, die der Erbe nach dem Tode des Erblassers mit Mitteln des Nachlasses erzielte, weder zu den Erblasser-, noch zu den Erbfallschulden. Da der Erbe den Tatbestand der EinkÅnfteerzielung als nunmehriger Rechtstrsger des Nachlasses in eigener Person verwirklichte und dementsprechend selbst als Steuerschuldner anzusehen war, wurden die betreffenden Steuerschulden entweder als reine Eigenschuld des Erben oder als sog. „Nachlasserbenschuld“ angesehen. Der Nachlas1 BFH v. 11.8.1998 – VII R 118/95, BStBl. II 1998, 705 = DStRE 1998, 816 (818 ff.). 2 BFH v. 11.8.1998 – VII R 118/95, BStBl. II 1998, 705 = DStRE 1998, 816 (818 ff.). 3 BFH v. 5.6.1991 – XI R 26/89, BStBl. II 1991, 820 = DStR 1991, 1313 (1313); v. 28.4.1992 – VII R 33/91, BStBl. II 1992, 781 = NJW 1993, 350 (350); v. 11.8.1998 – VII R 118/95, BStBl. II 1998, 705 = DStRE 1998, 816 (817).

439

4.164

165

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

serbenschuld wird nach herrschender Meinung eine Doppelstellung (doppelter Haftungsgrund) beigemessen. Sie ist danach zugleich Nachlassverbindlichkeit und Eigenschuld des Erben.1 Nachlasserbenschulden entstehen aus Rechtshandlungen des Erben anlssslich des Erbfalls. Hierzu zshlen vor allem Verbindlichkeiten, die im Rahmen der Verwaltung des Nachlasses wie insbesondere der FortfÅhrung eines zum Nachlass gehÇrenden Unternehmens begrÅndet wurden.2 Unabhsngig von der exakten Einordnung der betreffenden Einkommensteuerschuld war die Haftung des Erben – nach dieser frÅheren Rechtsprechung – hinsichtlich der Eigenschuld nicht beschrsnkbar. Es lag nsmlich jedenfalls keine reine Nachlassverbindlichkeit vor. Diese Rechtsprechung ist in der Literatur auf Kritik gestoßen.3 Danach ist die Frage, welches Haftungssubstrat fÅr Verbindlichkeiten des Erblassers bzw. Verbindlichkeiten aus der spsteren Verwaltung des Nachlass bzw. im Zusammenhang damit entstehen, zur VerfÅgung steht, zivilrechtlicher und nicht steuerrechtlicher Natur.4 Demgemsß kann sie auch nur zivilrechtlich und nicht unter Heranziehung steuerrechtlicher Argumente wie jenem der formalen Steuerschuldnerschaft des Erben entschieden werden. Die zivilrechtliche Beurteilung ist indessen kaum anders denkbar, als dass es sich um Nachlasserbenschulden/Nachlassverwaltungsschulden handelt. Denn unter diese Kategorie der Nachlassverbindlichkeiten, die eine Doppelnatur als Nachlassschuld und Eigenschuld des Erben einnehmen, fallen alle Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit der Verwaltung von zum Nachlass gehÇrenden Gegenstsnden entstehen. Da im 1 Nachlasserbenschulden kÇnnen entweder gegen den Erben als Trsger seines EigenvermÇgens mit der Folge geltend gemacht werden, dass aus einem Titel ggf. in das gesamte (Eigen-) VermÇgen des Erben vollstreckt werden kann. Alternativ kann sie aber auch gegen den Erben als solchen, d.h. als Rechtstrsger des Nachlasses, durchgesetzt werden. Vollstreckungsobjekt ist ggf. jedoch allein der Nachlass. Letztere Variante ist vor allem dann zweckmsßig, wenn der Erbe als Trsger seines EigenvermÇgens insolvent ist, der Nachlass jedoch zureichend. Seine Stellung als Nachlassglsubiger ermÇglicht dem Glsubiger einer Nachlasserbenschuld, hier die Beantragung der Nachlassverwaltung gem. § 1981 Abs. 2 BGB. Die Anordnung der Nachlassverwaltung fÅhrt ggf. zur Separation des Nachlasses und damit zum Ausschluss der Eigenglsubiger vom Nachlass bis zur vollstsndigen Befriedigung ssmtlicher Nachlassglsubiger. Und bei gleichzeitiger Insolvenz von Nachlass und Erbe hat die Rechtsstellung als Nachlasserbenglsubiger den weiteren Vorteil, – entgegen § 331 Abs. 1 InsO – in beiden Verfahren bis zur vollstsndigen Befriedigung jeweils den vollen Betrag seiner Forderung anmelden zu kÇnnen, § 43 InsO, vgl. zum Letzteren: Marotzke in HeidelbergerKomm/InsO, § 331 Rz. 6. 2 Grundlegend zu Rechtsfigur und Erscheinungsformen der Nachlasserbenschuld Marotzke in Staudinger (2002), § 1967 BGB Rz. 5 ff., 21, 33, 42, 47, 51 ff., 61 ff. 3 Vor allem Siegmann, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Anmerkungen, AO 1977, § 45, Rechtsspruch 8, S. 1 ff.; Siegmann/Siegmann, StVj 1993, 337 (344); Depping, DStR 1993, 1246 (1246). 4 Vgl. Siegmann, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Anmerkungen, AO 1977, § 45, Rechtsspruch 8, S. 2; Siegmann/Siegmann, StVj 1993, 337, (344 f.).

440

A. Einkommensteuer

Nachlassinsolvenzverfahren zur Insolvenzmasse nur solche Gegenstsnde gehÇren, die zum Nachlass gehÇren, kÇnnen hier durch Handlungen des Nachlassinsolvenzverwalters kaum Verbindlichkeiten entstehen, die nicht im Zusammenhang mit der Verwaltung von Nachlassgegenstsnden stehen. Man wird also Einkommensteuerschulden, die wegen einer Verwaltung oder Versußerung von Nachlassgegenstsnden entstehen, immer als Nachlassverbindlichkeiten i.S.v. § 325 InsO und damit auch § 1975 BGB anzusehen haben. FÅr die Ansicht der Literatur spricht nicht zuletzt auch § 45 Abs. 2 Satz 1 AO. Die Norm verweist in Bezug auf die im Erbgang befindlichen Steuerschulden ausdrÅcklich auf die zivilrechtlichen Vorschriften Åber die Haftung fÅr Nachlassverbindlichkeiten. Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 AO sollen hiervon erkennbar allein die Vorschriften Åber die Erbschaftsteuer unberÅhrt bleiben.

4.166

Eine ganz andere Frage ist diejenige, ob der Nachlassinsolvenzverwalter in Bezug auf die Einkommensteuer Mitwirkungs- oder Erkllrungspflichten hat. Diese Frage ist zu verneinen.1 Dies ergibt sich vor allem daraus, dass er nicht Verwalter eines VermÇgens eines Einkommensteuersubjektes ist, aber auch aus der Rechtsnatur des Insolvenzverfahrens Åber einen Nachlass und die damit einhergehende Rechtsstellung des Nachlassinsolvenzverwalters. Diese unterscheidet sich in maßgeblichen Punkten von der Rechtsstellung eines Åber das VermÇgen einer juristischen oder natÅrlichen Person bestellten Insolvenzverwalters. Daneben ergibt sich diese Rechtslage aus einer ganzen Reihe von abgabenrechtlichen, insolvenzrechtlichen und erbrechtlichen GrÅnden. Der Nachlass ist kein in sich geschlossenes VermÇgen eines Einkommensteuersubjektes, sondern eine Ansammlung von Gegenstsnden, die nur gemeinsam haben, dass sie frÅher einmal – in Zusammenhang mit anderen, jetzt nicht mehr vorhandenen Gegenstsnden – das VermÇgen eines Einkommensteuersubjektes gebildet haben. Die weit Åberwiegende Auffassung vertritt daher zu Recht den Standpunkt, dass der maßgebliche Zeitpunkt zur Bestimmung des Umfangs der Insolvenzmasse auch im Nachlassinsolvenzverfahren der Tag der VerfahrensÇffnung ist.2 Das Nachlassinsolvenzverfahren keinesfalls ein Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Erblassers, sondern ein Sondermasseinsolvenzverfahren, in dem aus rein vollstreckungsrechtlichen GrÅnden bestimmte Einzelgegenstsnde, die inzwischen im Eigentum und damit VermÇgen des Erben als Rechtsnachfolger stehen, einer

4.167

1 AusfÅhrlich dazu Roth, ZVI 2014, 45 ff. 2 Bauch in Braun, Insolvenzordnung, § 315 Rz. 5; Riering in Nerlich/RÇmermann, Insolvenzordnung, § 315 Rz. 23; Smid, GrundzÅge des Insolvenzrechts, § 28 Rz. 6: Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rz. 2393; DÇberein in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 113 Rz. 1; Siegmann in MÅnchKomm zur InsO, Anhang zu § 315 Rz. 29; LÅer in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, § 315 Rz. 6; BÇhm in Hamburger Kommentar zur InsO, Anmerkung zu §§ 315 ff., Rz. 5; Busch, Die Haftung des Erben, S. 64; Roth in Roth/Pfeuffer, Praxishandbuch fÅr Nachlassinsolvenzverfahren, S. 25 ff.

441

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

einheitlichen Verwertung zugefÅhrt werden.1 Genau genommen ist das Nachlassinsolvenzverfahren sogar ein Insolvenzverfahren ohne Schuldner.2 Allgemein anerkannt ist, dass die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten der §§ 97, 98 InsO im Nachlassinsolvenzverfahren den Erben treffen.3 Ist ein Nachlassverwalter, Nachlasspfleger oder Testamentsvollstrecker bestellt, so treffen diesen diese Pflichten daneben und zusstzlich analog § 101 InsO.4 Auf Grund der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten ist es Sache des Erben bzw. der Nachlasspfleger, Nachlassverwalter und Testamentsvollstrecker, selbst alle nÇtigen Ermittlungen anzustellen, um alle AuskÅnfte lÅckenlos erteilen zu kÇnnen, auf die sich die Auskunftsund Mitwirkungspflichten erstrecken. Das sind alle Umstsnde, die fÅr die zur Insolvenzmasse gehÇrenden Gegenstsnde von Bedeutung sein kÇnnen. Die Auskunftspflicht beschrsnkt sich dabei nicht auf das unmittelbar prnsente Wissen des Schuldners bzw. hier des Erben bzw. Nachlasspflegers, Nachlassverwalters oder Testamentsvollstreckers.5 Dieser hat vielmehr alles zu unternehmen, um die von der Auskunft umfassten Umstsnde zu ermitteln und notfalls entsprechende Vorarbeiten zu erbringen. All diese Personen – mit Ausnahme des Nachlassverwalters – behalten auch im erÇffneten Insolvenzverfahren ihre zmter und erbrechtlichen Funktionen – und haben Pflichten, die sie wahrzunehmen haben. Der Nachlass ist kein Einkommensteuersubjekt, weil er keine lebende Person ist. Er ist Åbrigens auch nicht Rechtstrsger, weil er im bÅrgerlich-rechtlichen Sinne keine Rechtstrsgerqualitst hat. Der Erblasser kann auch nicht mehr Rechtstrsger sein, denn die Rechtstrsgereigenschaft endet mit dem Tod. Die einkommensteuerrechtlichen Erkllrungs- und Mitwirkungspflichten (§§ 90, 93, 97, 149, 153 AO) gehen mit dem Erbfall auf den Erben Åber.6 Ab diesem Zeitpunkt trifft den Erben allein die Steuerschuldnerschaft fÅr ssmtliches zum Nachlass gehÇrendes VermÇgen und es trifft ihn damit verbunden freilich auch die alleinige Steuererklsrungspflicht in Bezug auf dieses VermÇgen. Das gilt Åbrigens auch fÅr einkommensteuerrechtlich relevante Vorglnge, die zu Lebzeiten des Erblassers verwirklicht worden sind, weil der Nachlassinsolvenzverwalter nie Åber dessen Ver1 AusfÅhrlich dazu Roth, ZVI 2014, 46. 2 AusfÅhrlich dazu Roth, ZVI 2014, 46. 3 AG Montabaur v. 16.5.2012 – 14 IN 170/11, unverÇffentlicht; Hess in Hess, Kommentar zum Insolvenzrecht, Band II, 2. Aufl. 2013, § 315 Rz. 36; Roth in Roth/ Pfeuffer, Praxishandbuch fÅr Nachlassinsolvenzverfahren, S. 62 f. 4 AusfÅhrlich dazu Roth in Roth/Pfeuffer, Praxishandbuch fÅr Nachlassinsolvenzverfahren, S. 62 ff.; im Ergebnis ebenso Passauer/Stephan in MÅnchKomm zur InsO, § 101 Rz. 14; Schilken in Jaeger, Insolvenzordnung, § 101 Rz. 12; SchrÇder in Hamburger Kommentar zur InsO, § 20 Rz. 8. 5 BGH v. 19.1.2006 – IX ZB 14/03 m.w.N.; Schilken in Jaeger, Kommentar zur Insolvenzordnung, § 97 Rz. 20. 6 FG Rh.-Pf. v. 20.1.2005 – 4 K 1213/02, EFG 2005, 438; BFH v. 21.6.2007 – III R 59/06, BStBl. II 2007, 770; Buciek, in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 45 AO, Rz. 36 Stichwort: „Erklsrungs- und Mitwirkungspflichten“; Schwarz in Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 45 Rz. 14 ff.; ausfÅhrlich dazu Roth, ZVI 2014, S. 47 f.

442

A. Einkommensteuer

mÇgen zum VermÇgensverwalter bestellt worden ist, sondern nur Åber das Sammelsurium von Einzelgegenstlnden, die zu einem weit nach dem Tod des Erblassers zufslligerweise noch unterscheidbar im ErbenvermÇgen vorhandenen Gegenstsnde.1 Abgesehen davon ist die Frage der einkommensteuerlichen Mitwirkungs- und Erklsrungspflichten in der vergleichbaren Konstellation eines Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen einer Personengesellschaft (die schließlich auch kein Einkommensteuersubjekt ist) ebenfalls nach soweit ersichtlich allgemeiner Auffassung dahingehend zu beantworten, dass den Insolvenzverwalter keine fÅr die Einkommensteuer relevanten Pflichten treffen.2 Der Insolvenzverwalter Åber das VermÇgen einer Personengesellschaft ist nicht einmal zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung berechtigt, weil seine Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis gem. § 80 InsO nur das zur Insolvenzmasse gehÇrende VermÇgen umfasst, sich aber die steuerlichen Folgen im VermÇgen der Gesellschafter abspielen.3 Auch in der parallelen Fallgestaltung der Zwangsverwaltung (auch der Zwangsverwalter verwaltet nur einzelne Gegenstsnde aus dem GesamtvermÇgen eines Einkommensteuersubjektes)4 besteht Einigkeit, dass der Zwangsverwalter in Bezug auf die Ertragsteuern keine Steuerpflicht und auch keine Erklsrungspflicht gegenÅber der Finanzverwaltung hat.5 Somit ist insgesamt festzuhalten, dass der Insolvenzverwalter Åber einen Nachlass in keiner Weise einkommensteuerliche Erkllrungs- oder Mitwirkungspflichten hat, egal, ob einkommensteuerlich relevante Vorgsnge zu Lebzeiten des Erblassers oder nach seinem Ableben in Bezug auf Nachlassgegenstsnde stattgefunden haben. Die Beschrlnkung der Erbenhaftung ist vom Erben nicht notwendig bereits im Steuerfestsetzungsverfahren geltend zu machen. Ausreichend ist, wenn der Einwand im Zwangsvollstreckungsverfahren erhoben wird, vgl. § 265 AO i.V.m. § 781 ZPO.6 Wie dies im Einzelnen zu geschehen hat, ist fÅr die Verwaltungsvollstreckung nicht ausdrÅcklich geregelt. Da weder § 780 ZPO noch § 785 ZPO entsprechende Anwendung finden (vgl. § 265 1 Zum Umfang der Insolvenzmasse im Nachlassinsolvenzverfahren ausfÅhrlich Roth in Roth/Pfeuffer, Praxishandbuch fÅr Nachlassinsolvenzverfahren, S. 25 ff., 33. 2 BFH v. 23.8.1994 – VII R 143/92, BStBl. II 1995, 194 = ZIP 1994, 1969 = ZIP 1995, 1798; v. 11.10.2007 – IV R 52/04, DStR 2008, 237, 238; BGH v. 2.4.1998 – IX ZR 187/97, ZIP 1998, 1076 = NJW-RR 1998, 1125; ausfÅhrlich dazu Roth, ZVI 2014, S. 47 f. 3 BGH v. 2.4 1998 – IX ZR 187/97, ZIP 1998, 1076; BFH, v. 23.8.1994 – VII R 143/92, BStBl. II 1995, 194 = ZIP 1994, 1969 = ZIP 1995, 1798; v. 11.10.2007 – IV R 52/04, DStR 2008, 237, 238. 4 AusfÅhrlich zur Parallelitst mit der hier gegebenen Fallkonstellation Roth, ZVI 2014, S. 49 f. 5 Draso, NJW 2013, 1775, 1780 m.w.N.; FG Hamburg v. 5.5.2006 – 2 K 342/04, EFG 2006, 1798; vorausgesetzt in BFH, Urt. v. 11.3.2003 – IX R 65-67/01. 6 BFH v. 24.6.1981 – I B 18/81, BStBl. II 1981, 729 = NJW 1981, 2600 (2600); v. 11.8.1998 – VII R 118/95, BStBl. II 1998, 705 = NJW 1998, 816 (819).

443

4.168

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

AO) und andere Rechtsbehelfe nicht vorgesehen sind, dÅrfte zur Geltendmachung der Einrede eine formlose Erklsrung des Vollstreckungsschuldners gegenÅber der VollstreckungsbehÇrde genÅgen.1 Jedenfalls reicht es aus, wenn der Erbe einen Rechtsbehelf gegen die Zwangsvollstreckungsmaßnahme einlegt und sich dabei auf die Beschrsnkung seiner Haftung beruft.2

XIII. Zuordnung der Einkommensteuerschuld zu den Insolvenzforderungen, Masseverbindlichkeiten oder Forderungen gegen das insolvenzfreie VermÇgen 1. Einkommensteuer a) Grundlagen der Zuordnung

169

Die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens fÅhrt steuerrechtlich nicht zu Steuerfestsetzungen fÅr einen Besteuerungszeitraum vor und nach InsolvenzerÇffnung, denn die Einkommensteuer ist nach § 2 Abs. 7 Satz 1 EStG eine Jahressteuer. Die Grundlagen fÅr die Festsetzung sind fÅr das jeweilige Kalenderjahr zu ermitteln (§ 2 Abs. 7 Satz 2 EStG). Der Veranlagungszeitraum fÅr die Festsetzung der Einkommensteuer ist ebenfalls das Kalenderjahr (§ 25 Abs. 1 EStG).

170

Auch in der Insolvenz ist daher fÅr den jeweiligen Besteuerungszeitraum eine grundsstzlich einheitliche Veranlagung durchzufÅhren, in die ssmtliche EinkÅnfte einzubeziehen sind, die der Insolvenzschuldner in dem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Die steuerlichen Rechtsfolgen der Tatbestandsverwirklichung, also der Grund und die HÇhe des Einkommensteueranspruchs, richten sich allein nach dem Steuerrecht.3

171

Im Falle einer Insolvenz ist diese einheitlich ermittelte Einkommensteuer verschiedenen insolvenzrechtlichen Forderungskategorien zuzuordnen.4 Forderungskategorien sind vor allem Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO, Masseverbindlichkeiten im Rang von § 55 InsO und Forderungen gegen das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners (Rz. 2.135 ff.). Daneben gibt es noch die Verfahrenskosten im Rang von § 54 InsO und nachrangige Forderungen im Rang von § 39 InsO, bzw. im Nachlassinsolvenzverfahren Masseverbindlichkeiten im Rang von § 324 InsO bzw. nachrangige Insolvenzforderungen im Rang von § 327 InsO. (Zu den Forderungskategorien Alt- bzw. Neumasseverbindlichkeiten im 1 BFH v. 11.8.1998 – VII R 118/95, BStBl. II 1998, 705 = NJW 1998, 816 (819); MÅller-Eiselt in HÅbschmann/Hepp/Spitaler, § 265 AO Rz. 23, m.w.N. 2 BFH v. 11.8.1998 – VII R 118/95, BStBl. II 1998, 705 = NJW 1998, 816 (819). 3 FG Nds. v. 28.10.2008 – 13 K 457/07, DStRE 2009, 841 (842); BFH v. 7.11.1963 – IV 210/62 S, BStBl. III 1964, 70. 4 Vgl. statt Vieler FG MÅnster v. 29.3.2011 – 10 K 230/10, EFG 2011, 1806; FG MÅnchen v. 21.7.2010 – 10 K 3005/07, ZInsO 2011, 1311.

444

A. Einkommensteuer

masseunzulsnglichen Verfahren s. Rz. 2.274 ff.; 3.215 ff.) Die hier zu erÇrternden zentralen Zuordnungsfragen spielen sich aber im Zusammenhang mit der Abgrenzung von Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO, Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO bzw. dem insolvenzfreien VermÇgen des Insolvenzschuldners ab. Die Zuordnung der Steuerforderung zu den verschiedenen insolvenzrechtlichen Forderungskategorien bestimmt sich nicht nach dem Steuerrecht, sondern nach dem Insolvenzrecht.1 Maßgeblich ist der Zeitpunkt des BegrÅndetseins des gegen den Insolvenzschuldner gerichteten Anspruchs. Auf die Entstehung des Steueranspruchs i.S.d. § 38 AO kommt es nicht an.2 Sind in einem Veranlagungszeitraum mehrere insolvenzrechtliche Forderungskategorien betroffen, so ist die einheitlich ermittelte Einkommensteuerschuld aufzuteilen.3 Die Steuerforderung stellt eine Insolvenzforderung dar, soweit es sich um einen vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens begrÅndeten VermÇgensanspruch handelt (vgl. § 38 InsO), es sei denn, dieser ist mit Zustimmung eines vorlsufigen schwachen Insolvenzverwalters begrÅndet worden (§ 55 Abs. 4 InsO) oder durch Rechtshandlung eines starken vorlsufigen Insolvenzverwalters (§ 55 Abs. 2 InsO). Eine als Insolvenzforderung zu qualifizierende Steuerforderung kann nur durch Anmeldung zur Insolvenztabelle gem. §§ 174 ff. InsO durchgesetzt werden. Sie nimmt an dem insolvenzrechtlichen Masseverteilungsverfahren teil.

4.172

Wird die Steuerforderung dagegen nach der ErÇffnung durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse begrÅndet (oder durch einen vorlsufigen Insolvenzverwalter, auf den durch insolvenzgerichtlichen Beschluss die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis Åber das schuldnerische VermÇgen Åbergegangen ist (dann § 55 Abs. 2 InsO) oder mit Zustimmung eines vorlsufigen schwachen Insolvenzverwalters, dann (§ 55 Abs. 4 InsO)), so handelt es sich um eine sonstige Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO.4 Eine als Masseverbindlichkeit zu qualifizierende Steuerforderung ist nach § 53 InsO vorweg aus der Insolvenzmasse zu berichtigen. Sie wird mittels Einkommensteuerbescheid gegenÅber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht (Rz. 3.185 ff.).

4.173

FÅr das insolvenzrechtliche BegrÅndetsein einer Einkommensteuerforderung kommt es entscheidend darauf an, ob der einzelne (unselbstlndige) zur Besteuerung fÅhrende Tatbestand – insbesondere die EinkÅnfte nach 1 FG Nds. v. 28.10.2008 – 13 K 457/07, DStRE 2009, 841 (842); BFH v. 14.2.1978 – VIII R 28/73, BStBl. II 1978, 356; v. 11.11.1993 – XI R 73/92, ZIP 1994, 1286 = BFH/NV 1994, 477; v. 25.7.1995 – VIII R 61/94, BFH/NV 1996, 117. 2 FG Nds. v. 28.10.2008 – 13 K 457/07, DStRE 2009, 841 (842); BFH v. 1.4.2008 – X B 201/07, ZIP 2008, 1780 = BFH/NV 2008, 925. 3 BFH v. 25.7.1995 – VIII R 61/94, BFH/NV 1996, 117; v. 5.3.2008 – X R 60/04, BStBl. II 2008, 787 = ZIP 2008, 1643 = BFH/NV 2008, 1569; FG MÅnster v. 29.3.2011 – 10 K 230/10, EFG 2011, 1806. 4 BFH v. 11.11.1993 – XI R 73/92, ZIP 1994, 1286 = BFH/NV 1994, 477.

445

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

§ 2 Abs. 1 EStG – vor oder nach der InsolvenzerÇffnung bzw. vor oder nach Anordnung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung verwirklicht worden sind.1 Insoweit sind allerdings Ausnahmen von diesem Grundsatz fÅr die Fslle der Aufdeckung stiller Reserven zuzulassen (vergleiche dazu oben Rz. 4.13 ff.).

174

Von dem Problem der Aufteilung der einheitlichen Jahressteuer im Veranlagungszeitraum, in den die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens fsllt (Rz. 4.177), abgesehen, richtet sich die Frage, ob der Steueranspruch vor oder nach der InsolvenzerÇffnung begrÅndet wurde, danach, ob der Lebenssachverhalt, der (spster) zur Entstehung einer Einkommensteuerschuld gefÅhrt hat, vor oder nach InsolvenzerÇffnung verwirklicht worden ist. Zwar entsteht die Einkommensteuerschuld nach § 36 Abs. 1 EStG steuerrechtlich erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. Sie wird aber fÅr die insolvenzrechtliche Zuordnungsentscheidung schon dann „begrÅndet“, wenn im Laufe des Veranlagungszeitraums die einzelnen fÅr die HÇhe des Jahreseinkommens maßgebenden Besteuerungsmerkmale verwirklicht werden. Der Tatbestand, der die Grundlage fÅr den Steueranspruch bildet, muss vollstsndig abgeschlossen sein. FÅr die insolvenzrechtliche Betrachtung ist es daher entscheidend, ob die die Steuer auslÇsenden Besteuerungsmerkmale vor oder nach der InsolvenzerÇffnung verwirklicht worden sind.2

175

Schließlich kann die Steuerforderung auf dem insolvenzfreien VermÇgen des Insolvenzschuldners beruhen. Hierbei handelt es sich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO um Gegenstsnde, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, also um das pfsndungsfreie VermÇgen. Soweit die Steuerforderung durch das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners entstanden ist, ist sie gegenÅber dem Insolvenzschuldner festzusetzen.3 xbt der Insolvenzschuldner ohne Wissen und Billigung des Insolvenzverwalters eine eigene selbstsndige Tstigkeit aus, so sind die daraus resultierenden Steuerschulden gegen das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners gerichtet und nicht Masseverbindlichkeiten, wenn die Ertrsge aus dieser Tstigkeit nicht zur Insolvenzmasse gelangt sind.4 Gleiches gilt auch, wenn eine selbstsndige Tstigkeit des Insolvenzschuldners durch den Insolvenzverwalter nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO aus der Insolvenzmasse freigegeben und sodann EinkÅnfte erzielt worden sind.5 Zu dem insolvenzfreien VermÇgenskreis des Insolvenzschuldners gehÇrt auch sein Kindergeldanspruch bzw. ein gegen ihn gerichteter RÅckforderungs-

1 BFH v. 16.5.2013 – IV R 23/11, BStBl. II 2013, 759 = ZIP 2013, 1481 = BFH/NV 2013, 1503. 2 FG Nds. v. 28.10.2008 – 13 K 457/07, DStRE 2009, 841 (842); BFH v. 29.3.1984 – IV R 271/83, ZIP 1984, 853 = BStBl. II 1984, 602; v. 1.4.2008 – X B 201/07, ZIP 2008, 1780 = BFH/NV 2008, 925. 3 FG Nds. v. 28.10.2008 – 13 K 457/07, DStRE 2009, 841 (842). 4 BFH v. 18.9.2012 – VIII R 47/09, BFH/NV 2013, 411. 5 FG Nds. v. 1.10.2009 – 15 K 110/09, DStRE 2010, 632 (632).

446

A. Einkommensteuer

anspruch bezÅglich ausgezahlten Kindergeldes. Zutreffend hat das FG MÅnchen erkannt:1 „1. Der Kindergeldanspruch des Insolvenzschuldners gehÇrt zum insolvenzfreien VermÇgen und fnllt nicht in die Insolvenzmasse. Die Festsetzung hat auch wnhrend eines laufenden Insolvenzverfahrens gegenÅber dem Insolvenzschuldner zu erfolgen.

4.176

Ein RÅckforderungsanspruch wegen zu Unrecht ausgezahlten Kindergelds stellt keine Insolvenzforderung dar, wenn der Insolvenzschuldner das streitige Kindergeld fÅr einen nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Zeitraum bezogen hat. Von einer Leistung des Kindergeldes in die Insolvenzmasse kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Leistung der Familienkasse aufgrund einer an den Insolvenzverwalter adressierten Festsetzung erfolgt. Andernfalls erfolgt die Leistung in das insolvenzfreie VermÇgen. Ist der RÅckforderungsanspruch weder Insolvenzforderung noch Masseverbindlichkeit, sondern gegen das insolvenzfreie VermÇgen gerichtet, so ist der RÅckforderungsbescheid an den Insolvenzschuldner und nicht an den Insolvenzverwalter zu richten.“

b) Veranlagungszeitraum der InsolvenzerÇffnung Die Einkommensteuerschuld, die fÅr den Veranlagungszeitraum entsteht, in den die InsolvenzerÇffnung fsllt, ist in einen vorinsolvenzlichen und einen nachinsolvenzlichen Teil aufzuteilen. Der vorinsolvenzliche Teil der Einkommensteuerschuld gehÇrt zu den Insolvenzforderungen, der nach InsolvenzerÇffnung angefallene Teil gehÇrt zu den Masseverbindlichkeiten, ggf. auch zum insolvenzfreien VermÇgen des Insolvenzschuldners. Seit Inkrafttreten des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 muss hier allerdings eine weitere Facette angefÅgt werden: Wegen § 55 Abs. 4 InsO muss die Aufteilung fÅr denjenigen Veranlagungszeitraum vorgenommen werden, in den die Anordnung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung fsllt, es sei denn, der vorlsufige Insolvenzverwalter hat keine Steuerverbindlichkeiten begrÅndet. Soweit die nachfolgenden AusfÅhrungen auf den ErÇffnungszeitpunkt fÅr die Aufteilung abstellen, wird davon ausgegangen, dass ein Insolvenzverfahren ohne vorangegangene vorlsufige Insolvenzverwaltung erÇffnet worden ist. Soweit eine vorllufige Insolvenzverwaltung der ErÇffnung vorangegangen ist, gelten die AusfÅhrungen entsprechend fÅr den Zeitpunkt der Anordnung der vorllufigen Insolvenzverwaltung.

4.177

Nach Auffassung des BFH ist der Maßstab fÅr die Aufteilung der Jahressteuerschuld das Verhsltnis der TeileinkÅnfte zueinander. Der BFH hat die Jahreseinkommensteuerschuld in zwei – etwas slteren – Entscheidungen2 unabhsngig von dem Zeitpunkt, in dem die Zu- bzw. AbflÅsse erfolgt

4.178

1 FG MÅnchen v. 19.9.2007 – 9 K 4047/06, EFG 2008, 462 ff. 2 BFH v. 29.3.1984 – IV R 271/83, ZIP 1984, 853 = BStBl. II 1984, 602; v. 11.11.1993 – XI R 73/92, ZIP 1994, 1286 = BFH/NV 1994, 477.

447

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

sind bzw. die Erfolgswirksamkeit eingetreten ist, zeitanteilig auf die vor bzw. nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Zeitabschnitte verteilt. Um die Jahreseinkommensteuerschuld in Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten aufzuteilen, ist danach der Gesamtbetrag der EinkÅnfte, der vor InsolvenzerÇffnung erzielt worden ist, ins Verhsltnis zu dem Gesamtbetrag der nach InsolvenzerÇffnung erzielten EinkÅnfte zu setzen; die Jahreseinkommensteuerschuld ist sodann im gleichen Verhsltnis in Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten aufzuteilen.1 Der BFH begrÅndet seine Auffassung damit, alle Einkommensteile hstten unabhsngig von ihrem zeitlichen Anfall ununterscheidbar zur Jahreseinkommensteuerschuld beigetragen.2

179

Die bloße Zugrundelegung des Verhsltnisses der TeileinkÅnfte kann jedoch zu unangemessenen Ergebnissen fÅhren, weil dabei die Progression der Einkommensteuer nicht berÅcksichtigt wird.

180

Zur Verdeutlichung dient folgendes Beispiel 2: (FÅr dieses Beispiel werden zu Vereinfachungszwecken Gesamtbetrag der EinkÅnfte und zu versteuerndes Einkommen gleichgesetzt, es wird also davon ausgegangen, dass keine Vorsorgeaufwendungen, außergewÇhnliche Belastungen, Freibetrsge u.z. zu berÅcksichtigen sind; insolvenzfreie EinkÅnfte sind nicht erzielt worden.) Bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen 2010 entsteht fÅr einen Steuerpflichtigen der Steuerklasse I eine Einkommensteuerschuld i.H.v. 42 228 Euro. Das entspricht einem Durchschnittssteuersatz von 35,19 %. Wird Åber das VermÇgen des Steuerpflichtigen am 1.7.2010 das Insolvenzverfahren erÇffnet und hat er vor wie auch nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens einen Gesamtbetrag der EinkÅnfte von jeweils 60 000 Euro erzielt, fÅhrt die Aufteilung nach TeileinkÅnften zum insolvenzrechtlich richtigen Ergebnis: Die Jahressteuerschuld ist hslftig aufzuteilen; es entsteht eine Insolvenzforderung i.H.v. 21 114 Euro sowie eine Masseverbindlichkeit i.H.v. 21 114 Euro. Wird Åber das VermÇgen des Steuerpflichtigen im Laufe des Jahres 2010 das Insolvenzverfahren erÇffnet, hat er aber vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens einen Gesamtbetrag der EinkÅnfte von 100 000 Euro erzielt, nach InsolvenzerÇffnung aber nur 20 000 Euro, so fÅhrt die Aufteilung nach TeileinkÅnften zu einem insolvenzrechtlich ungenauen Ergebnis, wenn das Insolvenzverfahren nicht genau am 1.11.2010 erÇffnet wurde: Die (mit 42 228 Euro gleich bleibende) Jahressteuerschuld ist im Verhsltnis 5/6 Insolvenzforderung und 1/6 Masseverbindlichkeit aufzuteilen, so dass sich eine Insolvenzforderung i.H.v. 35 190 Euro und eine Masseverbindlichkeit i.H.v. 7 038 Euro ergibt. Ist der ErÇffnungszeitpunkt der 1.11.2010, dann entspricht der Zeitanteil dem Verhsltnis der TeileinkÅnfte, so dass die Progression auf beiden Seiten gleich zu Buche schlsgt. Ist die ErÇffnung jedoch am 1.3.2010 erfolgt, so ist die Aufteilung nach TeileinkÅnften zu Lasten der Masse unangemessen: Auf Rechnung der Insolvenzmasse wurden dann nsmlich innerhalb von 10 Monaten 20 000 Euro Gesamtbetrag der EinkÅnfte erzielt, was auf 12 Mo1 Zu Fallbeispielen vergleiche Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 294. 2 BFH v. 11.11.1993 – XI R 73/92, ZIP 1994, 1286 (1287); v. 29.3.1984 – IV R 271/83, BStBl. II 1984, 602.

448

A. Einkommensteuer nate hochgerechnet 24 000 Euro ergibt, worauf aber nur eine Einkommensteuerschuld i.H.v. 3 815 Euro entfsllt, so dass – um nicht eine insolvenzzweckwidrige Privilegierung des Fiskus in Ansehung seiner Insolvenzforderungen herbeizufÅhren – nur 20/24 hieraus, also 3 179 Euro Masseverbindlichkeiten sein dÅrften – also weniger als die Hslfte des Betrages i.H.v. 7 038 Euro, der sich aus der reinen BerÅcksichtigung des Verhsltnisses der TeileinkÅnfte ergibt. Die Progression wirkt sich in diesem Fall bei bloßer BerÅcksichtigung des Verhsltnisses der TeileinkÅnfte klar zu Lasten der Insolvenzmasse und damit der einfachen Insolvenzglsubiger aus. Aber auch der umgekehrte Fall ist denkbar: Ist der ErÇffnungstag der 1.11.2010 und hat der Insolvenzschuldner bis zu diesem Zeitpunkt nur einen Gesamtbetrag der EinkÅnfte i.H.v. 20 000 Euro erzielt, nach ErÇffnung aber bis Jahresende 100 000 Euro, dann mÅssten die eben berechneten 3 179 Euro aus insolvenzrechtlicher Sicht Insolvenzforderungen und zur Tabelle anzumelden sein, die restliche Einkommensteuerschuld i.H.v. 39 049 Euro mÅsste Masseverbindlichkeit sein.

Die Literatur hat daher eine Aufteilungsmethode entwickelt, die auf §§ 268 ff. AO basiert.1 Danach sind die Besteuerungsgrundlagen zur DurchfÅhrung fiktiver getrennter Veranlagungen aufzuteilen. Ausgangspunkt ist auch hier die fÅr die sowohl den Zeitraum vor als auch den Zeitraum nach InsolvenzerÇffnung insgesamt entstandene Jahressteuerschuld. Diese ist in fÅnf Schritten aufzuteilen:

4.181

Im ersten Schritt ist fÅr den vor bzw. nach InsolvenzerÇffnung liegenden Zeitraum jeweils der Gesamtbetrag der EinkÅnfte zu ermitteln. Entscheidend ist fÅr bilanzierende Steuerpflichtige der Zeitpunkt der Erfolgswirksamkeit, ansonsten der Zeitpunkt des Zu- bzw. Abflusses (Werbungskosten, Betriebsausgaben).2

4.182

In einem zweiten Schritt sind die Sonderausgaben und außergewÇhnlichen Belastungen zuzuordnen. Sie sind jeweils von dem vor- bzw. nachinsolvenzlichen Gesamtbetrag der EinkÅnfte abzuziehen, je nachdem, ob sie vor InsolvenzerÇffnung von dem schuldnerischen VermÇgen abgeflossen sind oder aus der Insolvenzmasse gezahlt worden sind (soweit sie aus dem insolvenzfreien VermÇgen des Insolvenzschuldners nach InsolvenzerÇffnung gezahlt worden sind, ergibt sich u.U. eine dreiteilige fiktive Veranlagung, Rz. 4.204).

4.183

In einem dritten Schritt sind Pauschbetrsge abzusetzen. HierfÅr kommt mangels konkreter VermÇgensabflÅsse nur eine zeitanteilige BerÅcksichtigung in Betracht.3

4.184

1 Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 295 ff.; Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/ Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1461; Weiß, FR 1992, 255 (261); Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 108 ff. 2 Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1461. 3 Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 296; Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/ Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1461; SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 48; Weiß, FR 1992, 255 (261); Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 108 ff.

449

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

185

In einem vierten Schritt sind Verlustvor- und rÅcktrsge zuzuordnen. Da Verlustvortrsge meistens aus vorinsolvenzlicher Tstigkeit des Insolvenzschuldners resultieren, sind sie regelmsßig zunschst von den vorinsolvenzlichen EinkÅnften und erst dann von den vom Insolvenzverwalter erzielten EinkÅnften abzuziehen.1 Negative EinkÅnfte, die der Insolvenzverwalter auf Rechnung der Insolvenzmasse in dem auf die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens folgenden Veranlagungszeitraum erzielt, sind im Wege des VerlustrÅcktrages (§ 10d Abs. 1 EStG) ausschließlich von positiven EinkÅnften der Insolvenzmasse abzuziehen, wenn wegen der vorinsolvenzlichen EinkÅnfte Insolvenzforderungen bestehen (Rz. 4.200). Es kommt auch kein Abzug von insolvenzfreien EinkÅnften des Insolvenzschuldners in Betracht.

186

Im letzten Schritt ist die einheitlich ermittelte Jahressteuerschuld wie folgt aufzuteilen:

187

Farr2 und Uhlnnder3 schlagen vor, die Aufteilung in der Weise vorzunehmen, dass fÅr die in den Schritten zwei bis vier bereinigten Gesamtbetrsge der EinkÅnfte Schattenveranlagungen durchgefÅhrt werden, aus denen sich jeweils Steuerbetrsge ergeben. Im Rahmen dieser Schattenveranlagungen wird der sich aus den bereinigten Gesamtbetrsgen der EinkÅnfte ergebende Steuerbetrag ermittelt und die Jahressteuer sodann in dem Verhsltnis der sich aus den Schattenveranlagungen ergebenden Steuerbetrsge aufgeteilt.

188

Beispiel 3: Die InsolvenzerÇffnung fsllt in den Veranlagungszeitraum 2009. Der bereinigte Gesamtbetrag der vor InsolvenzerÇffnung erzielten EinkÅnfte betrsgt 20 000 Euro; der bereinigte Gesamtbetrag der nach InsolvenzerÇffnung erzielten, zur Insolvenzmasse gehÇrenden EinkÅnfte betrsgt 10 000 Euro. Insolvenzfreie EinkÅnfte sind nach InsolvenzerÇffnung nicht angefallen. Daraus ergeben sich im Rahmen der Schattenveranlagungen nach der Grundtabelle fÅr die vorinsolvenzlichen EinkÅnfte ein Steuerbetrag i.H.v. 2 759 Euro und fÅr die nachinsolvenzlichen EinkÅnfte ein Steuerbetrag i.H.v. 347 Euro. Das Verhsltnis hieraus ist 88,83 % vorinsolvenzliche EinkÅnfte und 11,17 % nachinsolvenzliche EinkÅnfte. Die gesamte Jahressteuer, die wegen der Progression nicht schlicht der Summe der sich aus den Schattenveranlagungen ergebenden Steuerbetrsge entspricht, sondern hÇher liegen muss, betrsgt nach der Grundtabelle 5 698 Euro. Dieser Betrag ist sodann zu 88,83 %, also 5 062 Euro, als Insolvenzforderung anzumelden und zu 11,17 % (somit 636 Euro) Masseverbindlichkeit. (Zum Vergleich: Die vom BFH gebilligte Aufteilung nach TeileinkÅnften (Rz. 4.178) wÅrde dazu fÅhren, dass der Jahressteuerbetrag von 5 698 Euro im Verhsltnis 2/3 zu 1/3 aufzuteilen wsre, also 3 799 Euro Insolvenzforderungen sind und 1 899 Euro als Masseverbindlichkeiten zu behandeln sind.)

1 Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 296. 2 Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 296. 3 Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1461; dem folgend SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 48.

450

A. Einkommensteuer

Wenn in einem Veranlagungszeitraum sogar drei insolvenzrechtliche Forderungskategorien vorliegen, weil auch noch insolvenzfreie EinkÅnfte erzielt worden sind (Rz. 4.204 ff.), dann mÅssen sogar drei Schattenveranlagungen durchgefÅhrt, das Verhsltnis der sich aus allen drei Schattenveranlagungen ergebenden Steuerbetrsge ermittelt und die Jahressteuer dann nach diesem Verhsltnis aufgeteilt werden.1 Dieses Vorgehen berÅcksichtigt aber zum einen die Progression nicht hinreichend, weil sie die Lsnge der Zeitrsume, wshrend deren vor- bzw. nachinsolvenzliche EinkÅnfte angefallen sind, unberÅcksichtigt lssst, zum anderen ist sie sehr aufwendig. Daher konstatiert Uhlnnder2:

4.189

„Um eine annnhernd genaue Aufteilung vornehmen zu kÇnnen, wird man letztlich nicht umhin kommen, ... Schattenveranlagungen durchzufÅhren. ... Grundlage der Aufteilung ... sind ... die Steuerbetrnge, bei denen zumindest das Progressionselement mit eingeflossen ist.“

Farr stellt fest, es sei offenkundig, dass diese sehr arbeitsintensive Aufteilungsmethode nur im Ausnahmefall angewendet werde.3 Vor allem aber ist gegen diese Methode der DurchfÅhrung von Schattenveranlagungen einzuwenden, dass auch sie nicht zu insolvenzrechtlich stimmigen Ergebnissen fÅhrt. Die Zuordnung von Schulden des Insolvenzschuldners zu den Forderungskategorien richtet sich ausschließlich nach insolvenzrechtlichen Maßstsben. Daher verbieten sich steuerrechtliche Schematisierungen, die die insolvenzrechtlich getrennten VermÇgenssphsren des Insolvenzschuldners verschwimmen lassen, so dass die Ermittlung des auf den massezugehÇrigen EinkÅnften lastenden Steuerbetrages isoliert aus der Betrachtung der EinkÅnfte, die zur Insolvenzmasse zu zshlen sind, ermittelt werden. Liegen die nach der InsolvenzerÇffnung pro Tag (oder zur Vereinfachung pro Monat, wenn die ErÇffnung auf einen Monatsersten fsllt) durchschnittlich erzielten EinkÅnfte niedriger als diejenigen, die pro Tag vor der InsolvenzerÇffnung erzielt worden sind, dann wird die Progression bzw. der Durchschnittssteuersatz auf die nach InsolvenzerÇffnung erzielten EinkÅnfte auf Grund der vor der ErÇffnung erzielten EinkÅnfte zu Lasten der Masse erhÇht. Das darf aber nicht sein, weil dadurch eine DurchlÇcherung der insolvenzrechtlichen Zssur der VerfahrenserÇffnung eintritt. Den Insolvenzglsubigern muss das bei InsolvenzerÇffnung vorhandene VermÇgen des Insolvenzschuldners zur gleichmsßigen Befriedigung zur VerfÅgung gestellt werden; die Belastung der Insolvenzglsubiger auf Grund von vor der InsolvenzerÇffnung liegenden Ereignissen – hier den von dem Insolvenzschuldner und nicht der Insolvenzmasse vereinnahmten EinkÅnften – ist insolvenzzweckwidrig und kann daher nicht gebilligt werden. Die Insolvenzmasse – i.e. das den In-

1 Ein Berechnungsbeispiel hierfÅr und eine Berechnungsformel finden sich bei Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 296. 2 Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1461. 3 Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 296.

451

4.190

191

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

solvenzglsubigern zustehende Haftungssubstrat – muss daher genau mit derjenigen Progression bzw. mit demjenigen Durchschnittssteuersatz belastet werden, die den von ihr vereinnahmten1 EinkÅnften entspricht. Welche Progression bzw. welcher Durchschnittssteuersatz das ist, lssst sich dadurch ermitteln, dass man den nachinsolvenzlich angefallenen (gemsß den in obigem Beispiel in den Schritten zwei bis vier um Sonderausgaben, außergewÇhnliche Belastungen, anteilige Pauschbetrsge, Verlustvor- bzw. -rÅcktrsge u.z. bereinigten) Gesamtbetrag der EinkÅnfte auf ein gesamtes Kalenderjahr hochrechnet und auf dieser Basis eine fiktive Veranlagung durchfÅhrt. Der sich dabei ergebende Durchschnittssteuersatz ist auf den von der Insolvenzmasse bereinigten Gesamtbetrag der EinkÅnfte anzuwenden. Der sich hieraus ergebende Steuerbetrag ist Masseverbindlichkeit (zur Kappungsgrenze s. Rz. 4.192). Diese Vorgehensweise ist nicht nur wesentlich weniger arbeitsaufwendig als die DurchfÅhrung mehrerer Schattenveranlagungen, die hinterher ins Verhsltnis gesetzt und dann auf die Jahressteuer verteilt werden mÅssen, sondern sie berÅcksichtigt das Zeitmoment und belastet die zur Insolvenzmasse gelangten EinkÅnfte genau mit derjenigen Steuerbelastung, die auch ihrer HÇhe entspricht. Hierzu sei obiges Beispiel (Rz. 4.188) fortgefÅhrt: Beispiel 4: Variante 1: Die InsolvenzerÇffnung erfolgt am 1.2.2009. Der bereinigte Gesamtbetrag der vor InsolvenzerÇffnung erzielten EinkÅnfte betrsgt 20 000 Euro; der bereinigte Gesamtbetrag der nach InsolvenzerÇffnung erzielten EinkÅnfte betrsgt 10 000 Euro. Nach InsolvenzerÇffnung liegen 11 Monate. Hochgerechnet auf ein volles Kalenderjahr wsren somit 10 909 Euro erzielt worden. Dies ergibt nach der Grundtabelle einen Steuerbetrag i.H.v. 519 Euro und entspricht einem Durchschnittssteuersatz von 4,75 %. Die HÇhe der Masseverbindlichkeiten kann auf zwei Wegen ermittelt werden: Entweder man nimmt die tatsschlich von der Masse erzielten EinkÅnfte und multipliziert sie mit dem Durchschnittsteuersatz, ergibt 475 Euro, oder man nimmt 11/12 von dem Jahressteuerbetrag, ergibt ebenfalls 475 Euro. Dieser Betrag i.H.v. 475 Euro entspricht demjenigen Betrag, mit dem die von der Masse erzielten EinkÅnfte durchschnittlich zu besteuern sind und vermeidet eine Belastung dieser den Insolvenzglsubigern in ihrer Gesamtheit gebÅhrenden Masse durch vorinsolvenzliche Ereignisse. Der Jahressteuerbetrag bleibt wie im Beispiel oben (Rz. 4.188) freilich gleich bei 5 698 Euro. Davon sind 475 Euro Masseverbindlichkeit und 5 223 Euro sind Insolvenzforderungen. Variante 2: Die InsolvenzerÇffnung erfolgt am 1.12.2009. Der bereinigte Gesamtbetrag der vor InsolvenzerÇffnung erzielten EinkÅnfte betrsgt 10 000 Euro; der bereinigte Gesamtbetrag der nach InsolvenzerÇffnung erzielten EinkÅnfte betrsgt 20 000 Euro. Nach InsolvenzerÇffnung liegt ein Monat. Hochgerechnet auf ein volles Kalenderjahr wsren somit 240 000 Euro EinkÅnfte erzielt worden. Dies ergibt nach der Grundtabelle einen Steuerbetrag i.H.v. 92 736 Euro und entspricht einem Durchschnittssteuersatz von 38,64 %. Die (maximale) HÇhe der Masseverbindlichkeiten

1 Vgl. BFH v. 29.3.1984 – IV R 271/83, ZIP 1984, 853 = BStBl. II 1984, 602.

452

A. Einkommensteuer kann auf zwei Wegen ermittelt werden: Entweder man nimmt die tatsschlich von der Masse erzielten EinkÅnfte und multipliziert sie mit dem Durchschnittssteuersatz, ergibt 7 728 Euro, oder man nimmt 11/12 von dem Jahressteuerbetrag, ergibt ebenfalls 7 728 Euro. Der Jahressteuerbetrag bleibt allerdings wie im Beispiel oben (Rz. 4.188) freilich gleich bei 5 698 Euro.

Hieran zeigt sich, dass die auf diese Weise ermittelte HÇhe der Masseverbindlichkeit eine Kappungsgrenze erfahren muss: Es kann freilich keine hÇhere Einkommensteuerschuld als Masseverbindlichkeit entstehen, als tatsschlich die Jahressteuer ausmacht. Oberste Grenze bildet daher die Jahressteuer. Gleichwohl ist eine Kappungsgrenze fÅr die HÇhe der Masseverbindlichkeiten in solchen Fsllen, in denen die vorinsolvenzlich pro Zeiteinheit erzielten EinkÅnfte durchschnittlich niedriger sind als die nachinsolvenzlich durchschnittlich pro Zeiteinheit erzielten EinkÅnfte, auf der Basis der vom BFH gebilligten Aufteilung nach dem Verhsltnis der TeileinkÅnfte zu finden. Die Aufteilung nach TeileinkÅnften fÅhrt in Variante 2 des obigen Beispiels dazu, dass der Jahressteuerbetrag von 5 698 Euro im Verhsltnis 2/3 zu 1/3 aufzuteilen ist, also 3 799 Euro Masseverbindlichkeiten und 1 899 Euro als Insolvenzforderungen zu behandeln sind. Die Kappungsgrenze bildet also der im Verhsltnis der TeileinkÅnfte aufgeteilte Steuerbetrag. In der Annahme dieser Kappungsgrenze fÅr die Masseverbindlichkeiten ist kein Widerspruch zu der bei Variante 1 vorgenommenen Berechnung der Masseverbindlichkeiten und der dort abgelehnten Aufteilung der Steuerschuld im Verhsltnis der TeileinkÅnfte zu sehen. Anders als in Variante 1 kommt es nsmlich in Variante 2 bei Aufteilung der Jahressteuer im Verhsltnis der TeileinkÅnfte nicht zu einer auf Grund vorinsolvenzlicher Ereignisse eintretenden Schmslerung des den im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung vorhandenen Glsubigern haftenden VermÇgenssubstrates. Wollte man hier nicht eine Aufteilung des Jahressteuerbetrages im Verhsltnis der TeileinkÅnfte als Kappungsgrenze fÅr die Bemessung der Masseverbindlichkeiten annehmen, sondern etwa die in Variante 1 fÅr die Ermittlung der Masseverbindlichkeiten dargestellte Berechnungsweise umkehren und auf diesem Weg die HÇhe der Insolvenzforderung berechnen und nur den Restbetrag der Masse zuweisen, dann wÅrde dies faktisch eine „Anwartschaft des Fiskus auf gleichbleibend niedrige EinkÅnfte“ bedeuten, die es freilich nicht gibt. Wie hoch die durchschnittliche Steuerbelastung der vor InsolvenzerÇffnung erzielten EinkÅnfte ist, steht eben erst am Ende des Veranlagungszeitraumes fest; die dann auf die vorinsolvenzlichen EinkÅnfte entfallenden Einkommensteuerschulden sind Insolvenzforderungen. Die Zssur der InsolvenzerÇffnung wirkt nicht zugunsten des Fiskus als einzelnem Glsubiger, sondern nur – wie im Fall Variante 1 – zugunsten der Insolvenzglsubigergemeinschaft. ! Hinweis: Angesichts der in der Literatur entwickelten, von der bisherigen Rechtsprechungslinie abweichenden Aufteilungsmodelle erscheint es wÅnschenswert, dass der BFH alsbald Gelegenheit erhslt, sich zu dieser grundsstzlichen Frage, die in einer großen Vielzahl von Insolvenzverfahren eine – wenn auch zumeist wirtschaftlich nicht außerordentlich große, aber doch wichtige – Rolle spielt, sußern kann.

453

4.192

193

194

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz Dem gegen die schlichte Aufteilung der Jahressteuerschuld im Verhsltnis der TeileinkÅnfte klagenden Insolvenzverwalter ist zu empfehlen, die Berechnung der HÇhe der Masseverbindlichkeit nach den in der Literatur favorisierten Aufteilungsmodellen selbst vorzunehmen, um veranschaulichen zu kÇnnen, in welchem Maße die Insolvenzglsubigergemeinschaft im konkreten Fall durch vor InsolvenzerÇffnung liegende Ereignisse – die ZuflÅsse beim Insolvenzschuldner – zu Unrecht belastet wird, wenn es bei der schlichten Aufteilung der Jahressteuerschuld im Verhsltnis der TeileinkÅnfte bleibt.

FÅr die Aufteilung der Jahreseinkommensteuerschuld in dem Veranlagungszeitraum, in den die InsolvenzerÇffnung fsllt, ist daher Folgendes festzuhalten: – Es ist zuerst die Jahreseinkommensteuerschuld fÅr die gesamten (also vorinsolvenzlichen plus nachinsolvenzlichen) EinkÅnfte des Insolvenzschuldners zu ermitteln. – Sodann ist der Gesamtbetrag der nach InsolvenzerÇffnung zur Insolvenzmasse geflossenen EinkÅnfte zu ermitteln und um hier zuzuordnende Sonderausgaben, außergewÇhnliche Belastungen, anteilige Pauschbetrsge, Verlustvor- bzw. -rÅcktrsge u.z. zu bereinigen. – Dieser bereinigte Gesamtbetrag der EinkÅnfte der Insolvenzmasse ist auf ein volles Kalenderjahr hochzurechnen; auf der Basis dieser fiktiven EinkÅnfte ist eine fiktive Veranlagung durchzufÅhren. Dabei ist der Durchschnittssteuersatz festzustellen. – Dieser Durchschnittssteuersatz ist mit dem von der Insolvenzmasse erzielten bereinigten Gesamtbetrag der EinkÅnfte zu multiplizieren. Das Ergebnis ist die (maximale) HÇhe der Masseverbindlichkeiten. – Schließlich ist zu prÅfen, ob die Masseverbindlichkeit nicht auf Grund Eingreifens der Kappungsgrenze niedriger ist: Die Kappungsgrenze ergibt sich aus der Aufteilung des Jahressteuerbetrages im Verhsltnis der vor bzw. nach InsolvenzerÇffnung angefallenen TeileinkÅnfte. Mit der Problematik der Aufteilung der Einkommensteuerschuld im Veranlagungszeitraum, in den die InsolvenzerÇffnung fsllt, hat sich das FG DÅsseldorf1 beschsftigt. Dabei hat das FG DÅsseldorf zwar die hier vertretene Auffassung wiedergegeben, kommt aber bedauerlicherweise zu dem unzutreffenden Schluss, diese stimme mit der Rechtsprechung des BFH Åberein. Dies ist wie oben ausfÅhrlich dargestellt nicht der Fall. Auch Praktikabilitstsgesichtspunkte streiten nicht fÅr die Auffassung des BFH, weil die hier vertretene Auffassung keinen nennenswerten Mehraufwand fÅr die Aufteilung erfordert. c) Zuordnung wlhrend des Insolvenzverfahrens Auch in Veranlagungszeitrlumen, die vollstlndig in die Zeit des erÇffneten Insolvenzverfahrens fallen, kann es notwendig sein, die einheitlich zu ermittelnde Jahreseinkommensteuerschuld aufzuteilen. Dies resultiert 1 FG DÅsseldorf v. 19.8.2011 – 11 K 4201/10, DStRE 2012, 996, die zunschst eingelegte Revision wurde zurÅckgenommen, BFH v. 9.8.2013 – IX R 17/12.

454

A. Einkommensteuer

daraus, dass u.U. nicht alle einkommensteuerlich relevanten EinkÅnfte zur Insolvenzmasse gehÇren, sondern es auch sog. insolvenzfreies VermÇgen des Insolvenzschuldners gibt, in dem auch – dann ebenfalls – insolvenzfreie EinkÅnfte anfallen kÇnnen. Soweit der Schuldner mit einem aus dem Insolvenzbeschlag gem. § 35 Abs. 2 InsO freigegebenen Geschlftsbetrieb EinkÅnfte erzielt, sind diese dem insolvenzfreien VermÇgensbereich zuzurechnen.1 Einkommensteuerschulden, die aus einer freiberuflichen oder gewerblichen Tltigkeit des Insolvenzschuldners resultieren, die dieser ohne Wissen des Insolvenzverwalters oder mit bloßer Duldung oder Kenntnis des Insolvenzverwalters selbst – also nicht auf Rechnung der Insolvenzmasse2 – betreibt, betreffen ebenfalls nicht die Insolvenzmasse, sondern das insolvenzfreie VermÇgen.3 Dies gilt sogar dann, wenn der Insolvenzschuldner zur AusÅbung dieser Tstigkeit in untergeordneter Weise Gegenstlnde nutzt, die zur Insolvenzmasse gehÇren. Auch den insolvenzfreien Bereich treffen Einkommensteuerschulden, die aus der Verlußerung von aus der Insolvenzmasse freigegebenen Gegenstlnden resultieren (vgl. oben Rz. 4.13 ff.). AusfÅhrlich zum insolvenzfreien VermÇgen vergleiche oben Rz. 2.135 ff.). Schließlich sind Einkommensteuernachzahlungen, die ein nichtselbstsndig tstiger Schuldner fÅr die von ihm erzielten EinkÅnfte aus nichtselbstsndiger Arbeit schuldet, Verbindlichkeiten des insolvenzfreien VermÇgens; das gilt sogar dann, wenn pflndbarer Arbeitslohn zur Insolvenzmasse gelangt ist.4 FÅr die Ermittlung des Jahreseinkommensteuerbetrages sind zunschst alle dem Schuldner zuzurechnenden EinkÅnfte eines Kalenderjahres (§ 2 Abs. 7 Satz 2 EStG) zu ermitteln und solche aus der insolvenzfreien mit denen aus dem insolvenzverhafteten VermÇgensbereich zusammenzurechnen. Es ist eine einheitliche Veranlagung durchzufÅhren, in die ssmtliche EinkÅnfte einzubeziehen sind, die der Insolvenzschuldner in dem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Es sind also nicht etwa getrennte Veranlagungen fÅr das zur Insolvenzmasse gehÇrende und das insolvenzfreie VermÇgen vorzunehmen, weil dadurch weder eine dem Steuerrecht folgende korrekte BerÅcksichtigung von Freibetrsgen erfolgen, noch es zu einer richtigen Anwendung der Progression kommen kÇnnte. Die HÇhe des Einkommensteueranspruchs richtet sich indessen allein nach dem Steuerrecht.5

4.195

Der BFH hat in zwei – etwas slteren – Entscheidungen die Auffassung vertreten, Maßstab fÅr die Aufteilung der Jahressteuerschuld sei das Verhsltnis der TeileinkÅnfte zueinander.6 Um die Jahreseinkommensteuerschuld

4.196

1 2 3 4 5

BFH v. 18.9.2012 – VIII R 47/09, BFH/NV 2013, 411. Zur Abgrenzung siehe BFH v. 16.4.2015 – III R 21/11, DB 2015, 2242. BFH v. 18.9.2012 – VIII R 47/09, BFH/NV 2013, 411. BFH v. 27.7.2011 – VI R 9/11, ZIP 2011, 2118 = BFH/NV 2011, 2111. FG Nds. v. 28.10.2008 – 13 K 457/07, EFG 2009, 486; BFH v. 29.3.1984 – IV R 271/83, ZIP 1984, 853 = BStBl. II 1984, 602; v. 7.11.1963 BStBl. III 1964, 70. 6 BFH v. 29.3.1984 – IV R 271/83, ZIP 1984, 853 = BStBl. II 1984, 602; v. 11.11.1993 – XI R 73/92, ZIP 1994, 1286 = BFH/NV 1994, 477 (477).

455

197

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

in eine den Masseverbindlichkeiten zuzuordnende Einkommensteuerschuld der Insolvenzmasse und einen gegen das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners gerichteten Einkommensteueranspruch der Finanzverwaltung aufzuteilen, ist danach der Gesamtbetrag der EinkÅnfte, den der Insolvenzverwalter auf Rechnung der Masse erzielt hat (vgl. § 35 InsO), ins Verhsltnis zu dem Gesamtbetrag der nach InsolvenzerÇffnung durch den Insolvenzschuldner im insolvenzfreien Bereich erzielten EinkÅnfte zu setzen; die Jahreseinkommensteuerschuld ist sodann im gleichen Verhsltnis in Masseverbindlichkeiten und Forderungen gegen das insolvenzfreie VermÇgen aufzuteilen.1 Einige Vertreter in der Literatur widmen sich im Zusammenhang mit der Aufteilung der einheitlichen Steuerschuld nicht gesondert dem Problem der Aufteilung zwischen Masseverbindlichkeiten und Forderungen gegen das insolvenzfreie VermÇgen – offenbar weil es im Hinblick darauf, dass der Neuerwerb des Insolvenzschuldners nach § 35 Abs. 1 InsO grundsstzlich zur Insolvenzmasse gehÇrt, in der Vergangenheit oft nicht zu relevanten insolvenzfreien EinkÅnften des Insolvenzschuldners gekommen ist. Letzteres dÅrfte sich allerdings im Hinblick auf die nunmehr gem. § 35 Abs. 2 InsO mÇgliche Freigabe eines Geschsftsbetriebes des Insolvenzschuldners zukÅnftig sndern. Das Aufteilungsproblem wird sich daher hsufiger stellen. Andererseits wird in der Literatur dagegen auch fÅr Zwecke der Aufteilung der einheitlichen Jahressteuerschuld auf Masseverbindlichkeiten bzw. Forderungen gegen das insolvenzfreie VermÇgen auf die DurchfÅhrung von Schattenveranlagungen fÅr den jeweiligen Gesamtbetrag der EinkÅnfte und die Verteilung der Jahressteuer im Verhsltnis der sich aus den Schattenveranlagungen ergebenden Steuerbetrsge vorgeschlagen (Rz. 4.181 f.).2 Durch diese Methode wird das Progressionselement bei der Aufteilung zumindest mitberÅcksichtigt. Dabei bleibt allerdings ein wesentlicher Unterschied zwischen der Aufteilung der einheitlichen Jahressteuerschuld in Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten einerseits sowie Masseverbindlichkeiten und Forderungen gegen das insolvenzfreie VermÇgen andererseits unberÅcksichtigt. Dieser Unterschied liegt darin, dass die InsolvenzerÇffnung eine strikte Zssur bewirkt, die ohne gesetzliche Ausnahmeregelung keine Durchbrechung erfshrt, wshrend das – insolvenzbefangene und insolvenzfreie – VermÇgen des Insolvenzschuldners nach der VerfahrenserÇffnung ein dynamisches ist und es zwischen diesen beiden VermÇgenssphsren durchaus Wechselwirkungen und xbergsnge gibt. Die durch die InsolvenzerÇffnung eintretende Zssur ist zwingend erforderlich, um die Gleichbehandlung aller Glsubiger, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt – nsmlich der ErÇffnungsstunde – Forderungen gegen den Schuldner erlangt haben, zu gewshrleisten. Deutlich zeigt sich das Regel-/Ausnahmeverhsltnis hier an §§ 103 ff. InsO: Glsubiger kÇnnen ihre Forderungen aus beiderseits unerfÅllten Rechtsverhsltnissen nicht durchsetzen, es sei denn, der Insolvenz1 Zu Fallbeispielen vgl. Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 294. 2 Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 296.

456

A. Einkommensteuer

verwalter wshlt die ErfÅllung oder die nachfolgenden Normen ordnen ausdrÅcklich Anderes an. Kein Verfahrensbeteiligter, auch nicht der Insolvenzverwalter, darf Insolvenzforderungen in den Rang von Masseverbindlichkeiten erheben und dem Glsubiger somit ein Vorrecht einrsumen.1 Dass es hingegen zwischen dem insolvenzbefangenen und dem insolvenzfreien VermÇgen des Insolvenzschuldners Wechselbeziehungen gibt, zeigt sich deutlich an der MÇglichkeit der Freigabe, insbesondere auch an der Freigabe gegen Zahlung eines Ausgleichsbetrages aus dem insolvenzfreien VermÇgen an die Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter kann hier mit dem Insolvenzschuldner „Geschsfte machen“, insbesondere Vereinbarungen treffen.2 Vor allem aber bewirken Wechselbeziehungen zwischen dem insolvenzbefangenen und dem insolvenzfreien VermÇgen des Insolvenzschuldners keine Durchbrechung des zentralen Grundsatzes der gleichmsßigen Insolvenzglsubigerbefriedigung (§ 1 InsO), weil es, wenn hierdurch Belastungen der Insolvenzmasse eintreten, zu einer sich zu Lasten aller Insolvenzglsubiger gleichermaßen auswirkenden Belastung kommt. Aus diesem Grund bedarf es keines Ausgleichs der Progressionsbelastung, die sich aus den EinkÅnften des insolvenzfreien und des insolvenzbefangenen VermÇgens in einer der VermÇgenssphsren ergibt. Insoweit schmiedet das Steuerrecht ein Band um die insolvenzbefangenen und die insolvenzfreien EinkÅnfte des Insolvenzschuldners. Alle diese EinkÅnfte sind mit einem einheitlichen Durchschnittssteuersatz belastet. Da die Aufteilung der VermÇgensmassen in zur Befriedigung der Glsubiger heranzuziehendes VermÇgen und dem Schuldner haftungsfrei zur VerfÅgung stehendem VermÇgen allein durch das Insolvenzrecht determiniert wird, ist es nicht geboten, in beiden Bereichen Progressionselemente unterzubringen. Es kann schlicht dabei bleiben, dass alle EinkÅnfte mit dem nach dem Steuerrecht bemessenen gleichen Durchschnittssteuersatz belastet sind und der sich daraus ergebende Steuerbetrag jeweils aus der VermÇgensmasse gezahlt wird, der die EinkÅnfte insolvenzrechtlich zugeordnet sind. Dieses Ergebnis wird durch die Aufteilung der einheitlichen Jahressteuerschuld im Verhsltnis der TeileinkÅnfte zueinander erreicht, die der BFH bisher vertreten hat. FÅr die Aufteilung der einheitlichen Jahreseinkommensteuerschuld zwischen Masseverbindlichkeiten und Forderungen gegen das insolvenzfreie VermÇgen (nicht aber fÅr die Aufteilung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten, hierzu Rz. 4.190) ist daher dem BFH zu folgen. Soweit allerdings in einer der VermÇgenssphsren insolvenzbefangenes bzw. insolvenzfreies VermÇgen in einem Veranlagungszeitraum Verluste entstehen, dÅrfen diese nicht mit Gewinnen der jeweils anderen VermÇgenssphsre verrechnet werden. Der Verlustabzug (§ 10d EStG) muss derjenigen VermÇgensmasse zugute kommen, in der der Verlust angefallen ist. Verlustvortrsge (§ 10d Abs. 2 EStG) aus der Zeit vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens sind zuerst bei den vorinsolvenzlichen EinkÅnf1 Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 80 InsO Rz. 154. 2 Smid, Praxishandbuch Insolvenzrecht, § 7 Rz. 51.

457

4.198

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

ten abzuziehen, die den Rang von Insolvenzforderungen einnehmen. Soweit hier Verlustvortrsge verbleiben, sind diese von den EinkÅnften abzuziehen, die die Insolvenzmasse erzielt, weil die Verlustvortrsge in der Regel eine Art Spiegelbild zu den Verbindlichkeiten darstellen, die vor der InsolvenzerÇffnung entstanden sind und deren Befriedigung die Insolvenzglsubiger im Insolvenzverfahren suchen. In ihnen ist eine Art Anwartschaft auf steuerfreie EinkÅnfteerzielung wshrend des Insolvenzverfahrens beinhaltet, die zugunsten der Insolvenzglsubigerschaft zu erschließen ist. Ein Abzug vorinsolvenzlicher Verlustvortrsge von den insolvenzfreien EinkÅnften des Insolvenzschuldners kommt daher so lange nicht in Betracht, wie das Insolvenzverfahren nicht aufgehoben oder eingestellt worden ist.1 Soweit die Verlustvortrsge nicht von EinkÅnften der Insolvenzmasse aufgezehrt werden, sind sie gem. § 10d Abs. 4 EStG jeweils gesondert festzustellen. Der Verlustfeststellungsbescheid ist an den Insolvenzverwalter zu richten. Der Verlustabzug ist zeitlich unbegrenzt zulsssig, so dass die Insolvenzmasse von den Verlustvortrsgen u.U. wshrend der gesamten Dauer des Insolvenzverfahrens profitieren kann.

199

Entstehen wlhrend des Insolvenzverfahrens in dem zur Insolvenzmasse gehÇrenden VermÇgensbereich relevante Verluste, sind diese ebenfalls nur zugunsten der Insolvenzmasse abzuziehen, nicht zugunsten des insolvenzfreien VermÇgens des Insolvenzschuldners. Soweit der Abzug mangels EinkÅnften der Insolvenzmasse nicht mÇglich ist, sind sie nach § 10d Abs. 4 EStG durch Verlustfeststellungsbescheid, der an den Insolvenzverwalter zu ergehen hat, gesondert festzustellen. Entstehen in Veranlagungszeitrsumen, die nach dem Veranlagungszeitraum liegen, in den die InsolvenzerÇffnung fsllt, nicht ausgeglichene vortragsfshige Verluste, so mÅssen diese umgekehrt auch allein der insolvenzfreien VermÇgenssphsre des Insolvenzschuldners zugute kommen, weil ihm sonst ein geordnetes Wirtschaften (beispielsweise im Rahmen einer von dem Insolvenzverwalter nach § 35 Abs. 2 InsO freigegebenen selbstsndigen Tstigkeit) gar nicht mÇglich wsre. Soweit der Abzug mangels insolvenzfreier EinkÅnfte des Insolvenzschuldners nicht mÇglich ist, sind sie § 10d Abs. 4 EStG durch Verlustfeststellungsbescheid gesondert festzustellen, der an den Insolvenzschuldner zu richten ist.

200

Erwirtschaftet der Insolvenzverwalter auf Rechnung der Insolvenzmasse Verluste, die einen VerlustrÅcktrag (§ 10d Abs. 1 EStG) ermÇglichen, so sind diese Verluste ausschließlich von positiven EinkÅnften der Insolvenzmasse abzuziehen. Es kommt weder ein Abzug von insolvenzfreien EinkÅnften des Insolvenzschuldners noch ein Abzug von den vorinsol1 Vgl. aber Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1462, wonach diese Verlustvortrsge zuerst von den insolvenzbefangenen EinkÅnften, der Rest beim insolvenzfreien VermÇgen abzuziehen sein sollen, und Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 296, wonach diese Verlustvortrsge zu gleichen Teilen von den insolvenzbefangenen und den insolvenzfreien EinkÅnften abzuziehen sein sollen; vgl. auch Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 112 ff.

458

A. Einkommensteuer

venzlichen EinkÅnften des Insolvenzschuldners in Betracht, die zu Insolvenzforderungen gefÅhrt haben. Soweit ein Abzug von den durch die Insolvenzmasse im vorangegangenen Veranlagungszeitraum erzielten EinkÅnften nicht mÇglich ist, kommt auch nicht darÅber hinausgehend ein Abzug von den vorinsolvenzlichen EinkÅnften in Frage, wenn daraus resultierende Insolvenzforderungen der Finanzverwaltung bestehen. In solchen Fsllen muss ein verbleibender Verlustvortrag gem. § 10d Abs. 4 EStG festgestellt werden.

4.201

Beispiel 5: Das Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Schuldners wird am 1.7.2008 erÇffnet. Der Gesamtbetrag der EinkÅnfte aus der Zeit vor der InsolvenzerÇffnung betrsgt 100 000 Euro, der Gesamtbetrag der in der Zeit nach der InsolvenzerÇffnung auf Rechnung der Insolvenzmasse erzielten EinkÅnfte betrsgt ebenfalls 100 000 Euro. Insolvenzfreie EinkÅnfte wurden im Veranlagungszeitraum 2008 nicht erzielt. Nach der Grundtabelle ergibt sich ein Steuerbetrag i.H.v. 76 086 Euro, wovon jeweils die Hslfte, also 38 043 Euro auf Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten entfallen. Im Veranlagungszeitraum 2009 wurden negative EinkÅnfte i.H.v. 120 000 Euro auf Rechnung der Insolvenzmasse erzielt. Insolvenzfreie EinkÅnfte gibt es auch im Veranlagungszeitraum 2009 nicht. Von den auf Rechnung der Insolvenzmasse in 2009 erzielten negativen EinkÅnfte sind 100 000 Euro auf die von der Insolvenzmasse in 2008 erzielten EinkÅnfte anzurechnen; 20 000 Euro sind als Verlustvortrag gem. § 10d Abs. 4 EStG gesondert festzustellen.

Diese Beschrlnkung des VerlustrÅcktrags ist insolvenzrechtlich unbedingt erforderlich, um zu verhindern, dass eine VermÇgensminderung aus dem erÇffneten Insolvenzverfahren, die letztlich die Gesamtglsubigerschaft belastet, zu einer Verminderung – und damit faktischen Befriedigung – einer Forderung eines Insolvenzglsubigers fÅhrt.

4.202

Soweit allerdings aus den vor InsolvenzerÇffnung erzielten EinkÅnften des Insolvenzschuldners keine Steuerforderungen als Insolvenzforderungen bestehen, kÇnnen die durch die Insolvenzmasse erzielten negativen EinkÅnfte auch in die Zeit vor der InsolvenzerÇffnung zurÅckgetragen werden; ein etwaiger Erstattungsanspruch steht der Insolvenzmasse zu.

4.203

d) Dreiteilung der Einkommensteuerschuld Liegen in dem Veranlagungszeitraum, in den die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens fsllt, nicht nur vor InsolvenzerÇffnung erzielte EinkÅnfte des Insolvenzschuldners, sondern auch auf Rechnung der Insolvenzmasse angefallene EinkÅnfte vor, sondern zudem auch noch EinkÅnfte des Insolvenzschuldners, die seiner insolvenzbeschlagsfreien VermÇgenssphsre zuzurechnen sind, so ergibt sich eine Dreiteilung der einheitlich zu ermittelnden Jahreseinkommensteuerschuld.1 Anders als nach der von anderen Autoren vertretenen Aufteilung der Jahreseinkommensteuerschuld im Verhsltnis der sich aus drei Schattenveranlagungen ergebenden Steuer1 Vgl. Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 296.

459

4.204

205

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

betrsge ergibt sich nach der hier vertretenen Auffassung (Rz. 4.190; Rz. 4.194 ff.) eine verhsltnismsßig unkomplizierte Aufteilung. Zunschst sind danach die auf die vorinsolvenzlichen EinkÅnfte des Insolvenzschuldners entfallenden Steuerschulden von den nach InsolvenzerÇffnung entstandenen Steuern (gleich, ob auf Rechnung der Masse oder im insolvenzfreien VermÇgen angefallen) zu trennen, weil insoweit der Grundsatz der Glsubigergleichbehandlung unangegriffene Geltung beansprucht und eine Durchsetzung solcher Forderungen weder gegen das zur Insolvenzmasse gehÇrende VermÇgen, noch in das insolvenzfreie VermÇgen zulsssig ist (§§ 87, 89 InsO). Die Aufteilung erfolgt nach obigen Erlsuterungen (Rz. 4.190 ff.). Daraus ergibt sich der Betrag, der als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anzumelden ist. Der sich aus dieser Aufteilung ergebende Åbrige Betrag ist in einen gegen die Insolvenzmasse gerichteten Teil und einen gegen das insolvenzfreie VermÇgen gerichteten Teil aufzuteilen. Diese Aufteilung erfolgt im Verhsltnis der TeileinkÅnfte zueinander (Rz. 4.194). ! Hinweis: Zu einer Vierteilung der einheitlichen Jahressteuerschuld kommt es selbst dann nicht, wenn ErÇffnung und Aufhebung des Insolvenzverfahrens in denselben Veranlagungszeitraum fallen. Die insolvenzfreien EinkÅnfte und die nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erzielten EinkÅnfte betreffen dieselbe VermÇgensmasse, so dass sie zusammen gegen den Insolvenzschuldner festzusetzen sind.

e) Veranlagungszeitraum der Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens

206

Wird das Insolvenzverfahren aufgehoben oder eingestellt, so erzielt der Insolvenzschuldner in der Folgezeit wieder ausschließlich insolvenzfreie EinkÅnfte. Es kommt zu einer shnlichen Aufteilung der auch hier einheitlich zu ermittelnden Jahreseinkommensteuerschuld wie in dem Veranlagungszeitraum, in den die InsolvenzerÇffnung fsllt. Auch hier ist eine Ermittlung der auf die von der Insolvenzmasse erzielten EinkÅnfte vorzunehmen, die sowohl den Zeitanteil des Insolvenzverfahrens am gesamten Veranlagungszeitraum als auch die entsprechende Progression bzw. der entsprechende auf die wshrend dieser Zeit erzielten EinkÅnfte (pro rata temporis) Durchschnittssteuersatz zu ermitteln und der Besteuerung der Insolvenzmasse zugrunde zu legen (Rz. 4.190).

207

Beispiel 6: Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgt am 1.2.2009. Der bereinigte Gesamtbetrag (Rz. 4.187) der vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens auf Rechnung der Insolvenzmasse erzielten EinkÅnfte betrsgt 10 000 Euro; der bereinigte Gesamtbetrag der nach der Aufhebung bis zum Ende des Kalenderjahres erzielten EinkÅnfte betrsgt 20 000 Euro. Wshrend des Insolvenzverfahrens hat der Schuldner keine insolvenzfreien EinkÅnfte erzielt. Vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens liegt ein Kalendermonat. Hochgerechnet auf ein volles Kalenderjahr wsren somit 120 000 Euro erzielt worden. Dies ergibt nach der Grundtabelle einen Steuerbetrag i.H.v. 42 336 Euro und entspricht einem Durchschnittssteuersatz von 35,28 %. Die HÇhe der Masseverbindlichkeiten

460

A. Einkommensteuer kann auf zwei Wegen ermittelt werden: Entweder man nimmt die tatsschlich von der Masse erzielten EinkÅnfte und multipliziert sie mit dem Durchschnittssteuersatz, ergibt 3 528 Euro, oder man nimmt 1/12 von dem Jahressteuerbetrag, ergibt ebenfalls 3 528 Euro. Dieser Betrag i.H.v. 3 528 Euro entspricht demjenigen Betrag, mit dem die von der Masse erzielten EinkÅnfte durchschnittlich zu besteuern sind und vermeidet eine Belastung der den Insolvenzglsubigern in ihrer Gesamtheit gebÅhrenden Masse durch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens eingetretene Ereignisse.

Auch hier kann es zu einer Kappungsgrenze kommen (Rz. 4.192).

4.208

Soweit bei Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens Verlustvortrlge verbleiben, kommen diese anschließend dem Insolvenzschuldner zugute. Nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens kann in Ansehung der von der Insolvenzmasse nicht verbrauchten Verlustvortrsge sogar ein VerlustrÅcktrag (§ 10d Abs. 1 EStG) in den vor der Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens liegenden Veranlagungszeitraum in Betracht kommen, wenn der Insolvenzschuldner dort positive insolvenzfreie EinkÅnfte erzielt hat.

4.209

f) Zuordnung der Steuerschuld aus Gewinnanteilen an Personengesellschaften Die oben (Rz. 4.169 ff.) dargelegten Grundsstze gelten auch, wenn eine nicht insolvente Personengesellschaft Gewinne erzielt, die steuerrechtlich einem Gesellschafter zuzurechnen sind, Åber dessen VermÇgen das Insolvenzverfahren erÇffnet ist. Auch in diesem Fall wird die Einkommensteuer des Gesellschafters nach steuerrechtlichen Grundsstzen ermittelt. Die Personengesellschaft ist selbst kein Ertragsteuersubjekt, so dass die von ihr erzielten Gewinne bei ihren Gesellschaftern einkommensteuerlich erfasst werden mÅssen (§ 15 Abs. 1 Ziff. 2 EStG). Man bezeichnet Personengesellschaften daher als ertragsteuerrechtlich transparent.

4.210

Ist Åber das VermÇgen eines Gesellschafters einer Personengesellschaft das Insolvenzverfahren erÇffnet, so mÅssen Steuerforderungen, die sich im Zusammenhang mit Gewinnanteilen des Gesellschafters ergeben, zu den verschiedenen insolvenzrechtlichen Forderungskategorien nach insolvenzrechtlichen Kriterien zugeordnet werden.

4.211

Dem Niedersschsischen FG ist darin zuzustimmen, dass die Zuordnungsfrage nicht im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung nach §§ 179 Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 2 Buchst. a AO auf der Ebene der Gesellschaft zu entscheiden ist.1 Die in der Literatur vertretene Gegenauffassung nutzt zwar den Umstand fÅr sich, dass das fÅr die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung zustsndige Betriebsfinanzamt regelmsßig die genaueren Kenntnisse Åber die einzelnen Vorgsnge in der Gesellschaft hat.2 Dies wÅrde dem rein steuerrechtlichen Zwecken die-

4.212

1 FG Nds. v. 28.10.2008 – 13 K 457/07, ZInsO 2009, 288 (288). 2 Benne, BB 2001, 1977 (1987 ff.).

461

213

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

nenden Grundlagenbescheid, nsmlich die Zuordnung von Gewinnen und Verlusten zu ertragsteuerrechtsfshigen Steuersubjekten, einen zusstzlichen Regelungsgehalt insolvenzrechtlicher Natur beilegen. Außerdem kann sich die insolvenzrechtliche Zuordnungsfrage immer nur auf Steuerforderungen beziehen. Auf der Ebene der Gewinnfeststellung existiert aber noch keine festgesetzte Steuerforderung. Es ist auf dieser Ebene auch nicht absehbar, ob eine Einkommensteuerforderung entstehen wird und wie hoch sie sein wird. Daher kann die insolvenzrechtliche Zuordnungsentscheidung nur auf der Ebene der Einkommensteuerfestsetzung beim Gesellschafter getroffen werden.1 Etwas zu kurz gegriffen ist die Auffassung des Niedersschsischen FG, wonach die aus dem Gewinnanteil der Personengesellschaft resultierende Einkommensteuerforderung zu den Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Ziff. 1 Fall 2 InsO gehÇren soll, da sie „in anderer Weise“ im Zusammenhang mit der Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse begrÅndet worden seien.2 Dem liegt das Verstsndnis zugrunde, das „Halten“ der Beteiligung an der Personengesellschaft sei als Verwaltung i.S.v. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 Fall 2 InsO anzusehen, weil der Insolvenzverwalter auf Grund der MassezugehÇrigkeit der Beteiligung auch zugunsten der Insolvenzmasse Zugriff auf die Gewinne der Personengesellschaft nehmen wÅrde, soweit sie auf den insolventen Gesellschafter entfallen, er einen ErlÇs aus dem Verkauf der Beteiligung zur Masse ziehen wÅrde und er – wenn beides keinen nennenswerten Massezufluss erwarten lssst – berechtigt und verpflichtet ist, die Beteiligung aus der Insolvenzmasse freizugeben. Das aber durchlÇchert die durch die InsolvenzerÇffnung eintretende Zssur und die damit zu manifestierende insolvenzrechtliche Befriedigungssystematik, wenn der Einkommensteuerforderung kein entsprechender Massezufluss (in die Insolvenzmasse des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Gesellschafters) gegenÅber steht. Richtiger Weise ist danach zu differenzieren, ob und inwieweit die Gewinnanteile aus Ertrsgen der Personengesellschaft aus der Zeit nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Gesellschafters resultieren und inwieweit sie aus vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Gesellschafters erfolgten Vorgsngen, wie etwa der Bildung stiller Reserven oder RÅckstellungen resultieren.3 Die Notwendigkeit dieser Differenzierung hat der BFH in seiner die Entscheidung des FG Niedersachen beststigenden Revisionsentscheidung4 verkannt und stattdessen 1 Zutr. FG Nds. v. 28.10.2008 – 13 K 457/07, ZInsO 2009, 288 (288). 2 FG Nds. v. 28.10.2008 – 13 K 457/07, ZIP 2009, 772 = EFG 2009, 486, beststigt durch BFH v. 18.5.2010 – X R 60/08, BStBl. II 2011, 429 = ZIP 2010, 1612 = BFH/NV 2010, 1685 = DStRE 2010, 1081; v. 18.12.2014 – X B 89/14, ZIP 2015, 389 = BFH/NV 2015, 470. 3 So nun auch zu Recht FG ThÅr. v. 30.11.2011 – 3 K 581/09, EFG 2013, 317 = ZIP 2013, 790 – Rev. X R 12/12. 4 BFH v. 18.5.2010 – X R 60/08, BStBl. II 2011, 429 = ZIP 2010, 1612 = BFH/NV 2010, 1685 = DStRE 2010, 1081.

462

A. Einkommensteuer

allein auf den Zeitpunkt der Realisierung des Gewinns aus der AuflÇsung der RÅckstellung abgestellt (vgl. im Åbrigen auch oben Rz. 4.12 ff. und 4.141 ff.). Soweit im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen der Gesellschaft stille Reserven realisiert oder RÅckstellungen aufgelÇst werden, ist die insolvenzrechtliche Zuordnung daraus resultierender Ertragsteuern auf der Gesellschafterebene shnlich wie bei der Besteuerung der aus der Aufdeckung stiller Reserven oder der AuflÇsung von RÅckstellungen resultierenden Ertrsge bei Kapitalgesellschaften und Einzelunternehmern (Rz. 4.13 ff.). Der BFH ist der Auffassung, die aus der Aufdeckung stiller Reserven nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens resultierende Ertragsteuer sei Masseverbindlichkeit.1 An dieser Judikatur ist seitens der Literatur viel Kritik geÅbt worden.2 Die Kritik ist berechtigt (ausfÅhrlich dazu s. oben Rz. 4.16 f.).Wie auch bei der Aufdeckung stiller Reserven oder der AuflÇsung von RÅckstellungen im VermÇgen des insolventen Rechtstrsgers selbst wirkt sich die AuflÇsung stiller Reserven oder die AuflÇsung von RÅckstellungen in einer Personengesellschaft, an der ein insolventer Gesellschafter beteiligt ist, steuerlich in dem Zeitpunkt aus, in dem diese Vorgsnge stattfinden. Es darf fÅr die insolvenzrechtliche Einordnung der aus diesen Vorgsngen resultierenden Steuerforderungen aber nicht ausschließlich an den Entstehungszeitpunkt der Steuerforderungen angeknÅpft werden. Eine solche rein zeitliche Sichtweise widersprsche zum einen dem insolvenzrechtlichen Befriedigungssystem und ist zum anderen in anderen Zusammenhsngen inzwischen auch Åberwunden. Zutreffend ist, dass die Gewinne aus stillen Reserven erst in dem Zeitpunkt realisiert werden, in dem die Versußerung stattfindet. Gleichwohl ist die Annahme einer Masseverbindlichkeit in solcher Fallkonstellation mit dem tragenden insolvenzrechtlichen Prinzip der Glsubigergleichbehandlung (also der gleichmsßigen, quotalen Verteilung der bei InsolvenzerÇffnung vorhandenen Masse an die in diesem Zeitpunkt bereits vorhandenen Glsubiger) nicht in Einklang zu bringen und beschneidet den Vorrang des insolvenzrechtlichen Befriedigungssystems vor dem Steuerrecht in seinem Kern. FÅr die Annahme einer Masseverbindlichkeit, die nicht willentlich durch den Insolvenzverwalter (hier des Gesellschafters!) eingegangen wird, muss zur Einhaltung des insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verlangt werden, dass es eine ausdrÅckliche gesetzliche Regelung fÅr „aufoktroyierte“ Masseverbindlichkeiten gibt (wie etwa §§ 109, 113 InsO), weil diese das allen Insolvenzglsubigern zur VerfÅgung stehende Haftungssubstrat zugunsten eines einzelnen Glsubigers verringern. Nach dem Grundsatz des Vorrangs des insolvenzrecht1 BFH v. 16.5.2013 – IV R 23/11, BStBl. II 2013, 759 = ZIP 2013, 1481 = DStR 2013, 1584; s. dazu Roth, Kommentierung zu BFH, IV R 23/11, FR 2014, 243. 2 Vor allem Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, 93; Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1467 ff.; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 119 ff.; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 142; Onusseit/Kunz, Steuern in der Insolvenz, Rz. 523.

463

4.214

215

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

lichen Befriedigungssystems vor dem Steuerrecht mÅssen solche Vorschriften im Insolvenzrecht verankert sein und dÅrfen nicht dem Steuerrecht entnommen werden. Die mit der Bildung der stillen Reserven oder der Bildung von RÅckstellungen in der Personengesellschaft verbundenen Steuervorteile sind bei dem Gesellschafter vorinsolvenzlich entstanden. Es ist dadurch im VermÇgen des Insolvenzschuldners zu einer latenten Steuerschuld gekommen, die erst bei Realisierung der stillen Reserven bzw. der AuflÇsung von RÅckstellungen steuerrechtlich zur Entstehung einer Schuld fÅhrt. Gleichwohl ist der die Schuld auslÇsende Vorgang bereits vorinsolvenzlich erfolgt, so dass ein maßgeblicher Akt, ohne den die Steuer nicht entstehen kÇnnte, vor InsolvenzerÇffnung liegt. Im Zusammenhang mit der Berichtigung eines vor InsolvenzerÇffnung erfolgten, und nach InsolvenzerÇffnung berichtigten Vorsteuerabzugs hat der BFH nunmehr folgendes ausgefÅhrt:1 „Entsprechendes muss im sbrigen in dem umgekehrten Fall gelten, dass der Steuerpflichtige vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens einen Steuervorteil erhalten hat – z.B. eine Investitionszulage oder das Recht zum Vorsteuerabzug –, aufgrund eines nach ErÇffnung des Verfahrens eintretenden Ereignisses er aber die betreffende SteuervergÅtung zurÅckzahlen (z.B. wegen Aufgabe der betrieblichen Nutzung eines Wirtschaftsgutes vor Ablauf der Drei-Jahres-Frist im Investitionszulagerecht;...) oder in anderer Weise den ihm seinerzeit gewnhrten Steuervorteil zurÅckfÅhren muss (wie z.B. wegen der Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG; anders aber offenbar BFH, Urt. v. 6.6.1991 – V R 115/87, BFHE 165, 113 = BStBl. II 1991, 817). Der diesbezÅgliche Anspruch der FinanzbehÇrde ist dann keine Masseforderung, sondern als vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und mithin als Insolvenzforderung anzusehen.“

216

Dieses Verstsndnis der insolvenzrechtlichen Befriedigungssystematik zeigt sich an einer grÇßeren Zahl neuerer Entscheidungen des BFH. Das muss dann auch fÅr stille Reserven oder RÅckstellungen von Personengesellschaften gelten, an denen ein insolventer Gesellschafter beteiligt ist. Die daraus resultierenden Steuerlasten des Gesellschafters nehmen deswegen in der Insolvenz des Gesellschafters stets den Rang bloßer Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO ein, wenn die Bildung der RÅckstellungen oder der stillen Reserven vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber sein persÇnliches VermÇgen liegt.2

217

Soweit Ertragsteuerforderungen gegen einen insolventen Gesellschafter einer Personengesellschaft aus Ertrlgen des operativen Geschlfts und nicht AuflÇsung vorinsolvenzlich gebildeter stiller Reserven oder RÅckstellungen resultieren, die die Personengesellschaft nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Gesellschafters erzielt hat, nehmen diese im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Gesellschafters 1 BFH v. 17.4.2007 – VII R 27/06, BStBl. II 2009, 589 = ZIP 2007, 1166. 2 So auch Keller, Anmerkung zu BFH v. 5.3.2008 – X R 60/04, BStBl. II 2008, 787 = ZIP 2008, 1643 = BB 2008, 2781 ff.

464

A. Einkommensteuer

den Rang von Masseverbindlichkeiten ein,1 solange der Insolvenzverwalter die Beteiligung an der Personengesellschaft nicht aus der Insolvenzmasse des Gesellschafters freigegeben hat. Der Rang von Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) scheidet in diesem Fall aus, weil die Ertrsge in keiner Weise vorinsolvenzlich angelegt sind, so dass kein AnknÅpfungspunkt fÅr die Entstehung der Ertragsteuer vor der InsolvenzerÇffnung liegt. Eine Besteuerung der Personengesellschaft selbst scheidet auch hier aus, weil die Personengesellschaft kein Ertragsteuersubjekt ist. Allerdings ist der die Einkommensteuer des Gesellschafters erhÇhende Gewinnanteil aus sachlichen BilligkeitsgrÅnden bei der Festsetzung der Einkommensteuer des Gesellschafters nach § 163 AO nicht zu berÅcksichtigen oder zumindest nach § 227 AO auf Antrag des Åber das VermÇgen des Gesellschafters bestellten Insolvenzverwalters zu erlassen.2 Eine Billigkeitsmaßnahme dÅrfte hier zwingend sein, weil die Unabgestimmtheit zwischen Steuerrecht und Insolvenzrecht sonst eine Friktion mit sich brschte, die die insolvenzrechtliche Befriedigungssystematik in dem Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Gesellschafters vÇllig zunichte machte. GehÇrt die Beteiligung des insolventen Gesellschafters an einer Personengesellschaft (gleich, ob diese selbst auch in Insolvenz befindlich ist oder nicht) wshrend des gesamten Veranlagungszeitraumes zu seinem insolvenzfreien VermÇgen (etwa weil der Insolvenzverwalter die Beteiligung bereits im vorangegangenen Veranlagungszeitraum freigegeben hat), so gehÇrt die aus dem Gewinnanteil der Personengesellschaft resultierende Einkommensteuerforderung zu den gegen das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners gerichteten Forderungen. Der Einkommensteuerbescheid ist insoweit gegen den Schuldner und nicht gegen den Insolvenzverwalter zu richten. Auch hier ist der die Einkommensteuer des Gesellschafters erhÇhende Gewinnanteil in der Regel aus sachlichen BilligkeitsgrÅnden bei der Festsetzung der Einkommensteuer des Gesellschafters nach § 163 AO nicht zu berÅcksichtigen oder zumindest nach § 227 AO auf Antrag des Insolvenzschuldners zu erlassen.3

4.218

2. Lohnsteuer a) Insolvenz des Arbeitnehmers Die Lohnsteuerforderung gegen den Arbeitnehmer stellt im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Arbeitnehmers eine Insolvenzforderung, eine Masseverbindlichkeit oder eine gegen das insolvenzfreie VermÇgen gerichtete Forderung dar, je nachdem, wann die Forderung insolvenzsteuerrechtlich begrÅndet war.4 Dieser Zeitpunkt fsllt mit dem der Lohn1 Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, 2005, Rz. 318. 2 Vgl. Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, 2005, Rz. 316 ff.; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 137 ff. 3 Vgl. Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, 2005, Rz. 316 ff.; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 137 ff. 4 SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 91.

465

4.219

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

anspruchsbegrÅndung zusammen.1 Insolvenzrechtlich ist die Lohnsteuerforderung des Finanzamts dann begrÅndet, wenn die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht wurde.2 Auf das Zufließen des Arbeitslohns kommt es nicht an. Ist die Arbeitsleistung, fÅr die der Lohnanspruch besteht, vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens erbracht worden, so handelt es sich um eine Insolvenzforderung.

220

Ist die Arbeitsleistung, fÅr die der Lohnanspruch besteht, nach InsolvenzerÇffnung erbracht worden, kommen als Forderungskategorien Masseverbindlichkeiten oder Verbindlichkeiten des insolvenzfreien VermÇgens in Betracht. Soweit der Lohnanspruch unpfsndbar ist, handelt es sich gem. § 36 Abs. 1 InsO um insolvenzfreien Neuerwerb. Die hierauf entfallende Steuerforderung ist eine gegen das insolvenzfreie VermÇgen des Arbeitnehmers gerichtete Forderung.3

221

Das gilt aber nach neuer Rechtsprechung des BFH auch dann, wenn Teile des Neuerwerbs pfsndbar sind und in die Insolvenzmasse fallen (§ 35 Abs. 1 InsO). Allein die ZugehÇrigkeit des pfsndbaren Lohnanteils zur Insolvenzmasse stellt nsmlich keine durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begrÅndete Verbindlichkeit dar.4

222

Beschsftigt der Insolvenzverwalter den Insolvenzschuldner auf Rechnung der Insolvenzmasse nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens zum Zwecke einer BetriebsfortfÅhrung weiter, so ist hierfÅr keine Lohnsteuer abzufÅhren. Es fehlt nsmlich bereits an EinkÅnften aus nichtselbstsndiger Arbeit i.S.v. §§ 38 Abs. 1 Satz 1, 19 EStG. Der Insolvenzverwalter wird dann nicht Arbeitgeber des Insolvenzschuldners und der Insolvenzschuldner wird kein Arbeitnehmer.5 Bei dem „Unternehmerlohn“, den der Insolvenzverwalter dem Schuldner aus der Masse fÅr die Erbringung seiner Arbeitsleistung im Rahmen der BetriebsfortfÅhrung auszahlt, handelt es sich insolvenzrechtlich entweder um Unterhalt i.S.v. § 100 InsO (was regelmsßig abzulehnen ist, weil Unterhalt nicht Gegenwert fÅr erbrachte Leistungen ist), oder es handelt sich um schlichte Freigabe (Rz. 2.143 ff.) von Massegegenstsnden zugunsten des Insolvenzschuldners. Im Insolvenzverfahren gibt es zwar zwei VermÇgenssphsren des Insolvenzschuldners, nsmlich die von der Verwaltungs- und VerfÅgungsmacht des Insolvenzverwalters gem. § 80 InsO erfasste und die insolvenzfreie VermÇgens1 SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 91. 2 SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 91. 3 BFH v. 27.7.2011 – VI R 9/11, ZIP 2011, 2118 = BFH/NV 2011, 2111; v. 24.2.2011 – VI R 21/10, BStBl. II 2011, 520 = ZIP 2011, 873 = DStR 2011, 804; FG ThÅr. v. 30.11.2011 – 3 K 581/09, EFG 2013, 317 – Rev. X R 12/12. 4 BFH v. 24.2.2011 – VI R 21/10, BStBl. II 2011, 520 = ZIP 2011, 873 = DStR 2011, 804; FG ThÅringen v. 30.11.2011 – 3 K 581/09, EFG 2013, 317, Revision anhsngig, Az. beim BFH: X R 12/12. FG ThÅr. v. 30.11.2011 – 3 K 581/09, EFG 2013, 317 – Rev. X R 12/12. 5 Anders noch das frÅhere konkursrechtliche Verstsndnis: BFH v. 21.1.1977 – III R 107/73, DB 1977, 896.

466

A. Einkommensteuer

masse, Åber die der Schuldner alleine verfÅgen kann. Rechtstrsger beider VermÇgensmassen ist aber der Insolvenzschuldner, so dass die xberfÅhrung von VermÇgensgegenstsnden aus dem zur Insolvenzmasse gehÇrenden VermÇgen in das insolvenzfreie VermÇgen schlicht insolvenz- bzw. vollstreckungsrechtliche Wirkungen hat, nicht aber steuerrechtliche. b) Insolvenz des Arbeitgebers Zu den Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO zshlen alle AnsprÅche der Finanzverwaltung, fÅr die bis zum Zeitpunkt der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens der maßgebliche Rechtsgrund gelegt ist.1 Schuldner der Lohnsteuer ist aber von den Fsllen der Pauschalierung (§§ 40 Abs. 3, 37b Abs. 3, 40a Abs. 5, 40b Abs. 5 EStG) abgesehen der Arbeitnehmer; auch der grundsstzlich durch den Arbeitgeber an den Fiskus abzufÅhrende Teil des Bruttoarbeitslohnes ist zivilrechtlich betrachtet eine materiell-rechtliche Schuld des Arbeitgebers gegenÅber seinem Arbeitnehmer. FÅr den Arbeitnehmer entsteht die Lohnsteuerschuld im Zeitpunkt des Zuflusses des Arbeitsentgeltes. Ob und auf welche Weise die FinanzbehÇrde Lohnsteuerforderungen im Insolvenzverfahren geltend machen kann, ist differenziert zu betrachten: – Kommt es in Folge der InsolvenzerÇffnung gar nicht zu einer Zahlung des fÅr die vor InsolvenzerÇffnung geleistete Arbeit geschuldeten Arbeitslohnes an den Arbeitnehmer (also weder vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzschuldner, noch nach InsolvenzerÇffnung durch den Insolvenzverwalter), so entsteht mangels Zufluss beim Arbeitnehmer auch kein Lohnsteueranspruch der Finanzverwaltung. Der Arbeitnehmer kann seinen ausstehenden Lohn als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anmelden. Erst wenn er hieraus eine Quote erhslt, entsteht ein Lohnsteueranspruch des Fiskus. Der Insolvenzverwalter darf in solchen Fsllen die Quote nur unter Beachtung des Lohnsteuerabzugs an den Arbeitnehmer auszahlen. – Hat der Arbeitnehmer seinen Nettolohn vor InsolvenzerÇffnung nicht erhalten, zahlt der Insolvenzverwalter ihn aber nach InsolvenzerÇffnung dennoch aus (beispielsweise, um den Arbeitnehmer fÅr eine BetriebsfortfÅhrung nicht zu verlieren), so verstÇßt der Insolvenzverwalter dadurch gegen die insolvenzrechtliche Befriedigungssystematik, denn er begleicht eine Insolvenzforderung mit Mitteln der Masse. Dadurch gerst er gegenÅber den Insolvenzglsubigern in die Haftung nach § 60 InsO. Dessen ungeachtet findet beim Arbeitnehmer ein Zufluss von Arbeitslohn statt, wodurch er Schuldner der Lohnsteuer wird. Der Insolvenzverwalter ist bei Auszahlung dieses Lohnes zur Einbehaltung und AbfÅhrung der Lohnsteuer verpflichtet. FÅhrt der Insolvenzverwalter die Lohnsteuer nicht an die Finanzverwaltung ab, entsteht eine Haftungsschuld der Insolvenzmasse nach § 42d EStG, und zwar als Masseverbindlichkeit im Rang von § 55 InsO. Auch insoweit entsteht 1 Vgl. BFH v. 22.5.1979 – VIII R 58/77, BFHE 128, 146.

467

4.223

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

den Insolvenzglsubigern ein Anspruch nach § 60 InsO gegen den Insolvenzverwalter. Im xbrigen haftet er auch nach §§ 69, 34 Abs. 3 AO gegenÅber der Finanzverwaltung auf die Lohnsteuer, weil es fÅr die Pflicht zur AbfÅhrung der Lohnsteuer nicht darauf ankommt, ob dem Arbeitnehmer gegen das VermÇgen, das seinen Lohnanspruch befriedigt, tatsschlich ein durchsetzbarer Anspruch zusteht oder nicht.1 – Hat der Arbeitnehmer vor InsolvenzerÇffnung seinen Nettolohn erhalten, der nun im Insolvenzverfahren befindliche Arbeitgeber aber die Lohnsteuer einbehalten und nicht abgefÅhrt, so nimmt der Haftungsanspruch der Finanzverwaltung den Rang einer einfachen Insolvenzforderung (§ 38 InsO) ein.2 Dies gilt unabhsngig davon, ob bei InsolvenzerÇffnung ein Haftungsbescheid bereits erlassen ist oder nicht. Nach InsolvenzerÇffnung darf ein solcher nicht mehr ergehen, weil Insolvenzforderungen nicht durch Bescheid gegen die Insolvenzmasse festgesetzt werden dÅrfen (Rz. 3.209). – Wird der Arbeitnehmer nach InsolvenzerÇffnung weiter beschlftigt (oder neu eingestellt), so erwirbt er fÅr die nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens erbrachte Arbeit einen Masseanspruch im Rang von § 55 InsO. Er hat Anspruch darauf, dass ihm der Insolvenzverwalter seinen Lohn aus der Masse auszahlt und die Lohnsteuer an die Finanzverwaltung abfÅhrt. Die Lohnsteuer ist ebenfalls Masseverbindlichkeit. FÅhrt der Insolvenzverwalter die Lohnsteuer nicht an die Finanzverwaltung ab, entsteht eine Haftungsschuld der Insolvenzmasse nach § 42d EStG, und zwar als Masseverbindlichkeit im Rang von § 55 InsO. Daneben kann eine persÇnliche Haftung des Insolvenzverwalters nach §§ 34 Abs. 3, 69 AO bestehen. – FÅr die Zuordnung der pauschalen Lohnsteuer ist umstritten, ob sie zu den Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO3 oder zu dem Masseverbindlichkeiten im Rang von § 55 InsO4 gehÇrt, wenn die Leistung des Arbeitnehmers vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens erbracht ist, die Entscheidung fÅr die Pauschalierung aber erst nach ErÇffnung erfolgt. Zuzustimmen ist ersterer Auffassung. Bei der pauschalierten Lohnsteuer handelt sich zwar um eine vom Arbeitnehmer abgeleitete Steuer, gleichwohl wird sie vom Arbeitgeber Åbernommen und verfahrenstechnisch vom Arbeitgeber erhoben; der Arbeitgeber ist in formeller Hinsicht alleiniger Steuerschuldner.5 Das Einkommensteuergesetz enthslt fÅr die pauschale Lohnsteuer keine Vorschrift, die ausdrÅcklich bestimmt, in welchem Zeitpunkt sie entsteht. Vielmehr ist in §§ 40, 40a EStG lediglich geregelt, dass der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz „erheben“ kann bzw. dass die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz „erhoben“ wird. § 40 Abs. 3 EStG – auf den auch 1 2 3 4

BFH v. 22.11.2005 – VII R 21/05, BStBl. II 2006, 397 = ZIP 2006, 1203. BFH v. 16.5.1975 – VI R 101/71, BStBl. II 1975, 621. So zutr. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 162. Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1586; Fichtelmann, DStZ 1993, 332 (333). 5 BFH v. 20.3.2006 – VII B 230/05, BFH/NV 2006, 1292 (1292).

468

A. Einkommensteuer

in § 40a Abs. 5 EStG verwiesen wird – bestimmt, dass der Arbeitgeber die pauschale Lohnsteuer zu Åbernehmen hat. Das Fehlen einer eigenstsndigen Vorschrift Åber die Entstehung der pauschalen Lohnsteuer in Verbindung mit der Regelung, dass der Arbeitgeber die pauschale Lohnsteuer zu Åbernehmen hat, spricht fÅr die Annahme, dass der Gesetzgeber eine Regelung Åber die Entstehung der pauschalen Lohnsteuer deswegen nicht fÅr erforderlich gehalten hat, weil er sie ihrem Wesensgehalt nach als eine Åbernommene und somit bereits entstandene Steuerschuld beurteilt hat.1 Die pauschale Lohnsteuer entsteht somit aufgrund einer Tatbestandsverwirklichung durch den Arbeitnehmer.2 Die Tatbestandsverwirklichung durch den Arbeitnehmer besteht gem. § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG darin, dass diesem Lohn zugeflossen ist.3 Allerdings hsngt die Erhebung pauschaler Lohnsteuer bei Vorliegen der Åbrigen gesetzlichen Tatbestandsmerkmale des § 40 EStG zusstzlich von der AusÅbung eines Wahlrechts durch den Arbeitgeber (Antrag) und einer „Zulassung“ durch das Betriebsststtenfinanzamt ab. Dem BFH ist aber darin zuzustimmen, dass die Erklsrung des Arbeitgebers, die pauschale Lohnsteuer Åbernehmen zu wollen, neben der SchuldÅbernahme lediglich bewirkt, dass die im Zeitpunkt des Zuflusses des Arbeitslohns dem Grunde nach bereits entstandene Entrichtungsschuld abweichend berechnet wird.4 Somit ist bei Erbringung der Leistung vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nicht nur der Rechtsgrund fÅr den gegen den Insolvenzschuldner gerichteten Lohnanspruch (und somit auch der Rechtsgrund fÅr die abzufÅhrende Lohnsteuer) im insolvenzrechtlichen Sinne gelegt (Rz. 4.219), sondern der Lohnsteueranspruch ist sogar ungeachtet der Wahl der Pauschalierung bereits steuerrechtlich vor InsolvenzerÇffnung entstanden. Es muss sich somit auch dann um eine Insolvenzforderung handeln, wenn die Wahl der Pauschalierung erst nach InsolvenzerÇffnung erfolgt.

XIV. Auswirkungen der Anzeige der Masseunzullnglichkeit 1. Einkommensteuer Die Anzeige der Masseunzulsnglichkeit gem. § 208 InsO bei dem Insolvenzgericht bewirkt den Eintritt einer gelnderten Befriedigungssystematik. Danach werden an erster Stelle die Kosten fÅr das Insolvenzverfahren beglichen, danach die nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit begrÅndeten Masseverbindlichkeiten, welche nicht als Verfahrenskosten gelten (sog. Neumasseverbindlichkeiten), und schließlich die Åbrigen Masseverbindlichkeiten (sog. Altmasseverbindlichkeiten). Die Pflicht des 1 BFH v. 6.5.1994 – VI R 47/93, BStBl. II 1994, 715; v. 30.11.1989 – I R 14/87, BStBl. II 1990, 993. 2 BFH v. 30.11.1989 – I R 14/87, BStBl. II 1990, 993. 3 BFH v. 20.3.2006 – VII B 230/05, BFH/NV 2006, 1292 (1292); v. 6.5.1994 – VI R 47/93, BStBl. II 1994, 715. 4 BFH v. 6.5.1994 – VI R 47/93, BStBl. II 1994, 715.

469

4.224

225

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Insolvenzverwalters, fÅr den Insolvenzschuldner Einkommensteuererklsrungen abzugeben, bleibt auch nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit bestehen. Diese Pflicht entfsllt nur bei Einstellung des Verfahrens mangels Masse gem. §§ 207, 211 InsO.1 So lange aber das Verfahren „nur“ masseunzulsnglich ist, bleibt es bei der Erklsrungspflicht des Insolvenzverwalters. Die Einkommensteuerschuld des Veranlagungszeitraumes, in den die Anzeige der Masseunzulsnglichkeit fsllt, ist in Altmasseverbindlichkeiten und Neumasseverbindlichkeiten aufzuteilen. Die Aufteilung ist in der gleichen Weise vorzunehmen wie auch die Aufteilung der einheitlichen Einkommensteuerjahresschuld des Veranlagungszeitraumes, in den die InsolvenzerÇffnung flllt (vgl. dazu ausfÅhrlich oben Rz. 4.177 ff.). Dort erfolgt die Aufteilung in Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten, hier erfolgt die Aufteilung in Altmasseverbindlichkeiten und Neumasseverbindlichkeiten. FÅr das insolvenzrechtliche BegrÅndetsein einer Einkommensteuerforderung kommt es auch hier entscheidend darauf an, ob der einzelne (unselbstlndige) zur Besteuerung fÅhrende Tatbestand – insbesondere die EinkÅnfte nach § 2 Abs. 1 EStG – vor oder nach Eintritt der Masseunzulsnglichkeit verwirklicht worden sind.2 Insoweit sind allerdings wiederum Ausnahmen von diesem Grundsatz fÅr die Fslle der Aufdeckung stiller Reserven zuzulassen (vergleiche dazu oben Rz. 4.12 ff.). Da die Aufteilung der einheitlichen Jahreseinkommensteuerschuld im Verhsltnis der TeileinkÅnfte zueinander und die DurchfÅhrung von Schattenveranlagungen nach dem bisher in der Literatur vorgeschlagenen Modell zu unsachgemsßen Ergebnissen fÅhrt, ist auch fÅr die Aufteilung der Steuerschuld in Alt- und Neumasseverbindlichkeiten das Modell der Anwendung des Durchschnittssteuersatzes (Rz. 4.169 ff.) zu favorisieren. Danach ist folgende Aufteilung vorzunehmen: – Es ist zuerst die Jahreseinkommensteuerschuld fÅr die gesamten (also vor und nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit) auf Rechnung der Insolvenzmasse (also nicht dem insolvenzfreien VermÇgen des Insolvenzschuldners) erzielten EinkÅnfte zu berechnen. – Sodann ist der Gesamtbetrag der nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit zur Insolvenzmasse geflossenen EinkÅnfte zu ermitteln und um hier zuzuordnende Sonderausgaben, außergewÇhnliche Belastungen, anteilige Pauschbetrsge, Verlustvor- bzw. -rÅcktrsge u.z. zu bereinigen. – Dieser bereinigte Gesamtbetrag der nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit erzielten EinkÅnfte der Insolvenzmasse ist auf ein volles Kalenderjahr hochzurechnen; auf der Basis dieser fiktiven EinkÅnfte ist

1 Nerlich/Kreplin/Damaschke, MÅnchener Anwaltshandbuch, Sanierung und Insolvenz, § 25 Rz. 16; Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 502. 2 Vgl. BFH v. 16.5.2013 – IV R 23/11, BStBl. II 2013, 759 = ZIP 2013, 1481 = BFH/NV 2013, 1503.

470

A. Einkommensteuer

eine fiktive Veranlagung durchzufÅhren. Dabei ist der Durchschnittssteuersatz festzustellen. – Dieser Durchschnittssteuersatz ist mit dem von der Insolvenzmasse nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit erzielten bereinigten Gesamtbetrag der EinkÅnfte zu multiplizieren. Das Ergebnis ist die (maximale) HÇhe der Neumasseverbindlichkeiten. – Schließlich ist zu prÅfen, ob die Neumasseverbindlichkeit nicht auf Grund Eingreifens der Kappungsgrenze niedriger ist: Die Kappungsgrenze ergibt sich aus der Aufteilung des Jahressteuerbetrages im Verhsltnis der vor bzw. nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit angefallenen TeileinkÅnfte. 2. Lohnsteuerabzug FÅhrt der Insolvenzverwalter das Unternehmen des Arbeitgebers fort und beschsftigt er Arbeitnehmer auf Rechnung der Insolvenzmasse, so hat er fÅr diese Lohnsteuer einzubehalten und aus Mitteln der Insolvenzmasse abzufÅhren. Tritt wshrend des Insolvenzverfahrens Masseunzullnglichkeit ein, so darf der Insolvenzverwalter ab der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit Lohnsteuer nur noch insoweit abfÅhren, als der Lohnsteueranspruch des Finanzamts nicht bereits vor Anzeige der Masseunzulsnglichkeit „angelegt“ war. Steuerrechtlich entsteht der Lohnsteueranspruch zwar erst in dem Zeitpunkt, in dem dem Arbeitnehmer der Arbeitslohn zufließt, also regelmsßig am Ende eines Monats fÅr die wshrend des Monats erbrachte Arbeitsleistung. Im insolvenzrechtlichen Sinne „angelegt“ sind die LohnsteueransprÅche demgegenÅber aber bereits dann, wenn der Rechtsgrund gelegt,1 also die Arbeitsleistung erbracht wird, und zwar ungeachtet dessen, wann dem Arbeitnehmer ein Arbeitslohnanspruch arbeitsrechtlich zusteht und wann er fsllig wird. Der Zeitpunkt des Zuflusses ist insolvenzrechtlich unerheblich.2 Diese fÅr die Zuordnung bestimmter Lohnsteuerforderungen zu den Insolvenzforderungen bzw. Masseverbindlichkeiten anerkannten3 Grundsstze gelten auch fÅr die Zuordnung zu den Alt- bzw. Neumasseverbindlichkeiten i.S.v. § 209 Abs. 1 InsO. Der Insolvenzverwalter darf daher nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit nur noch diejenige Lohnsteuer an die Finanzverwaltung abfÅhren, die auf die nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit entrichtete Arbeit entfsllt – genau so, wie er auch nur noch diese Arbeit gegenÅber dem Arbeitnehmer entlohnen darf, weil dieser mit dem vor der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit erwirtschafteten Lohnanspruch Altmasseglsubiger im Rang von § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO ist. Zahlt der Insolvenzverwalter dem zuwider den Nettolohn an den Arbeitnehmer auch fÅr die vor Anzeige der Masseunzulsnglichkeit entrichtete Arbeit aus, so be1 Vgl. BFH v. 22.5.1979 – VIII R 58/77, BFHE 128, 146; v. 12.1.2006 – IX ZB 239/04, NJW 2006, 246. 2 SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 91. 3 SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 91; Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1590.

471

4.226

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

grÅndet dies nicht nur insoweit einen Schadensersatzanspruch der Neumasseglsubiger gegen den Insolvenzverwalter persÇnlich, sondern die Finanzverwaltung kann den Insolvenzverwalter persÇnlich nach §§ 34 Abs. 3, 69 AO fÅr die abzufÅhrende Lohnsteuer in Haftung nehmen. Der Insolvenzverwalter kann sich dann nicht darauf berufen, die Lohnsteuer sei schließlich Altmasseverbindlichkeit gewesen, so dass der Arbeitnehmer sie nicht gegen die (Neu-)Masse habe durchsetzen kÇnnen. Es trifft zwar zu, dass Schuldner der Lohnsteuer allein der Arbeitnehmer ist und der Lohnsteuerbetrag im Grunde einen Teil des Arbeitseinkommens des Arbeitnehmers darstellt, den der Arbeitgeber grundsstzlich lediglich auf fremde (nsmlich des Arbeitnehmers) Schuld an die Finanzverwaltung leistet. Wer aber Nettolohn auszahlt, kann fÅr die darauf zu entrichtende Lohnsteuer mittels Haftungsbescheids nach §§ 34, 69 AO unabhsngig davon in Anspruch genommen werden, aus welchem VermÇgen der Nettolohn gezahlt wird und ob dem Arbeitnehmer ein Anspruch gegen diese VermÇgensmasse zustand oder nicht.1

1 BFH v. 22.11.2005 – VII R 21/05, BStBl. II 2006, 397 = ZIP 2006, 1203.

472

B. KÇrperschaftsteuer

B. KÇrperschaftsteuer Literatur App, Liquidation und LÇschung von KapG, NWB Nr. 51 v. 15.12.2003, Fach 18, 4033 ff.; Arbeitskreis „Steuerliche Beratungshinweise des IDW“, Unternehmen in der Krise, Beiheft zu FN-IDW 12/2009; Bareis, Mindestbesteuerung und Liquidationszeitraum, DB 2013, 1265; Beck, Ertragsteuerliches Fiskusprivileg im vorlsufigen Insolvenzverfahren – mÇgliche Auswirkungen des neuen § 55 Abs. 4 InsO, ZIP 2011, 551; Becker/Pape/Wobbe, Forderungsverzicht mit Besserungsschein – ein vermehrt genutztes Instrument zur xberwindung der Krise, DStR 2010, 506; Bergmann, Einheitlicher Besteuerungszeitraum und Zwischenveranlagungen in Liquidation und Insolvenz, GmbHR 2012, 943; Bethmann/Mammen/Sassen, Analyse gesetzlicher Ausnahmetatbestsnde zum Erhalt kÇrperschaftsteuerlicher Verlustvortrsge, StB 2012, 148; Blumenberg/Haisch, Die unionsrechtliche Beihilfeproblematik der Sanierungsklausel nach § 8c Abs. 1a KStG, FR 2012, 12; Boochs, Steuerliche Auswirkungen des RegE-ESUG, BB 2011, 857; Braun/Geist, Forderungsverzichte im „Bermudadreieck“ von Sanierungsgewinn, Verlustverrechnung und Mindestbesteuerung, BB 2013, 351; Bretz/Gude, Beurteilung des neuen xberschuldungsbegriffs in der InsO anhand von Bilanzinformationen, ZInsO 2010, 515; Bultmann, Der GewinnabfÅhrungsvertrag in der Insolvenz, ZInsO 2007, 785; Bunte/ von Kaufmann, Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG): Kontrsre Positionen im Gesetzgebungsverfahren, DZWIR 2011, 359; Buth/Hermanns, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten nach dem neuen IDW S 6, DStR 2010, 288; Cahn/Simon/Theiselmann, Nennwertanrechnung beim Debt Equity Swap!, DB 2012, 501; Carlp/Urbach, Betriebsaufspaltung – Gestaltungschancen und Gestaltungsrisiken, KySDI 2012, 18093; Beratung in der Krise: Steuerliche und zivilrechtliche Hinweise, KySDI 2010, 16896; Crezelius, Aktuelle Steuerrechtsfragen in der Krise und Insolvenz, NZI 2011, 581; Demuth/Helms, Gesellschafterforderungen und NutzungsÅberlassung in der InsO – steuerliche Fernwirkung zivilrechtlicher Bestimmungen, KySDI 2012, 18066; DrÅen, Verfassungsrechtliche Positionen zur Mindestbesteuerung, FR 2013, 393; Die Sanierungsklausel des § 8c KStG als europarechtswidrige Beihilfe, DStR 2011, 289; DrÅen/Schmitz, Zur Unionrechtskonformitst des Verlustuntergangs bei KÇrperschaften, GmbHR 2012, 485; Ebbinghaus/Osenroth/Hinz, SchuldÅbernahme durch Gesellschafter als Sanierungsinstrument unter BerÅcksichtigung der Schenkungsteuer, BB 2013, 1374; Ehlers, Sanierung mit oder ohne Insolvenz, ZInsO 2010, 257; Ehlers/Meimberg, Die steuerrechtlichen Konsequenzen der Betriebsaufgabe einer GmbH in der Krise, ZInsO 2010, 1726; Ekkenga, Neuerliche Vorschlsge zur Nennwertanrechnung beim Debt-Equity-Swap – Erkenntnisfortschritt oder Wiederbelebungsversuche am untauglichen Objekt?, DB 2012, 331; Endres, Zinsabschlagsteuern und Insolvenzrechnungslegung, ZInsO 2011, 258; Farle, Verbindlichkeiten in der Liquidation – xberprÅfung verbindlicher AuskÅnfte, DStR 2012, 1590; Fichtelmann, Die Beendigung des GewinnabfÅhrungsvertrags und ihre Auswirkungen auf die Organschaft, GmbHR 2010, 576; Fromm, Der Debt-Equity-Swap als Sanierungsbeitrag im Zeitpunkt der xberschuldung, ZInsO 2012, 1253; FrÅchtl/Proschka, Die einkommensteuerliche Behandlung von ErlÇsen aus der Liquidation von Kapitalgesellschaften nach dem SEStEG, BB 2007, 2147; Fuhrmann, Gesellschafterfremdfinanzierung von Personen- und Kapitalgesellschaften, KySDI 2012, 17977; Liquidation der GmbH im Zivil- und Steuerrecht, KySDI 2005, 14906; Giltz/Kuth, Mindestbesteuerung – Situation im Insolvenzverfahren, DStR 2005, 184; Grashoff/ Kleinmanns, Vorsicht Falle: Die Abtretung von KÇrperschaftsteuerguthaben in der Insolvenz, ZInsO 2008, 609; GrÇgler/Urban, Die „Befreiung“ einer Kapitalgesell-

473

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz schaft von lsstig gewordenen Pensionsverpflichtungen, DStR 2006, 1389; GrÅttner, Zur Anrechnung der KÇrperschaftsteuer bei Insolvenz der ausschÅttenden Gesellschaft, BB 2000, 1220; Gundlach/Rautmann, Aufrechnung des Finanzamts mit dem Erstattungsanspruch gem. § 37 Abs. 5 KStG, DStR 2011, 1404; Haarmeyer, Insolvenzrechnungslegung, ZInsO 2010, 412; Haase/Dorn, Forderungsverzicht als zwingende Folge der Liquidation einer verbundenen Unternehmung?, BB 2011, 2907; Hackemann/Momen, Sanierungsklausel (§ 8c Abs. 1a KStG) – Analyse der EntscheidungsbegrÅndung der EU-Kommission, BB 2011, 2135; Hans/Engelen, Wegfall der Mantelkaufregelung durch das Unternehmensteuerreformgesetz, NWB Nr. 24 v. 11.6.2007, 1981; Heinstein, Realisierung des Guthabens aus KÇrperschaftsteuer und Solidaritstszuschlag (!) nach § 37 Abs. 5 KStG, DStR 2008, 381; Helm/ Krinninger, Steuerrechtliche Folgen des Gesellschafter-Verzichts auf Forderungen gegenÅber einer Kapitalgesellschaft, DB 2005, 1989; Herzig, Ertragsteuerliche Begleitmaßnahmen zur Modernisierung des Insolvenzrechts, WPg 2011, Sonderheft, 27; Hoffmann, Der Debt-Mezzanine-Swap, StuB 2012, 417; Beteiligungen an Kapitalgesellschaften als Sanierungsobjekte in der Steuerbilanz, DStR 2002, 1233; Horst, xberblick Åber Entschuldungsinstrumente und ihre bilanz- und steuerrechtlichen Auswirkungen, DB 2013, 656; Janssen, Sanierungserlass nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens, NWB 23/2010, 1854; Die verdeckte GewinnausschÅttung bei der Ltd., Ltd. & Co. KG und der Ltd. & Still, GStB 5/2007, 178; Jochum, Systemfragen zu Mantelkauf und Sanierungsklausel, FR 2011, 497; Kahlert, Passivierung eines RangrÅcktritts in der Steuerbilanz, NWB 26/2012, 2141; Kahlert/Eversberg, Insolvenz und GemeinnÅtzigkeit, ZIP 2010, 260; Kahlert/Gehrke, Der RangrÅcktritt nach MoMiG im GmbH-Recht: Insolvenz- und steuerrechtliche Aspekte, DStR 2010, 227; Kahlert/Schmidt, LÇst ein Forderungsverzicht zu Sanierungszwecken nach § 7 Abs. 8 ErbStG Schenkungsteuer aus?, DStR 2012, 1208; Kaluza/ Baum, yrtliche Zustsndigkeit bei doppelt anssssigen Kapitalgesellschaften – znderung des Anwendungserlasses zu §§ 20a, 21 und 27 AO, NWB Nr. 48 v. 27.11.2006, Fach 2, 9070; Karl, Verfassungswidrigkeit oder teleologische Reduktion des § 8c KStG bei mittelbarer AnteilsÅbertragung von Verlustgesellschaften, BB 2012, 92; Kerz, Sanierungsbescheinigungen als neues Tstigkeitsfeld, DStR 2012, 204; Kessler/Eicke, Die Limited – Fluch oder Segen fÅr die Steuerberatung?, DStR 2005, 2102; Klent, Richtungsentscheidung fÅr Kompetenzen in Europa – lssst das Beihilferecht die Sanierungsklausel in § 8c Abs. 1a KStG zu?, DStR 2013, 1057; Klusmeier, Richtige Formulierung des qualifizierten RangrÅcktritts – aus steuerlicher Sicht, ZInsO 2012, 965; Kroener/Momen, Debt-Mezzanine-Swap – Die OFD Rheinland auf dem Irrweg?, DB 2012, 829; KrÅger, Kommt die Kehrtwende bei der Aufrechnung von KÇrperschaftsteuerguthaben im Insolvenzverfahren?, ZInsO 2010, 1732; Krumm/Wolf, Der Unternehmenserwerb aus der Insolvenzmasse, NWB 43/2010, 3465; KÅster, Die Nachtragsliquidation von Kapitalgesellschaften unter dem Blickwinkel des § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG, DStR 2006, 209; Lambrecht, „Sie kÇnnen nicht einmal Bilanzen lesen“ – Zur Bestellung von Juristen als Insolvenzverwalter, DZWIR 2010, 22; Leibner/Pump, Die steuerlichen Pflichten des Liquidators einer GmbH, GmbHR 2003, 996; Ley, Ertragsbrennpunkte bei der Liquidation einer GmbH & Co. KG, KySDI 2005, 14815; Lohmann/Bascopp, Liquidationsbesteuerung von KÇrperschaften: Ermittlung des Abwicklungsgewinns bei Vornahme von Zwischenveranlagungen, GmbHR 2006, 1313; Lornsen-Veit/Behrendt, Forderungsverzicht mit Besserungsschein nach dem SEStEG – weiterhin Direktzugriff auf das Einlagekonto, FR 2007, 179; Maile, SchenkSt beim Forderungsverzicht im Sanierungsfall?, DB 2012, 1952; Matzke, Der steuerbefreiende GemeinnÅtzigkeitsstatus in der Insolvenz, ZInsO 2010, 2314; Mertzbach, Aktuelle steuerliche Probleme im Insolvenzplanverfahren von Kapitalgesellschaften, GmbHR 2013, 75; Nayel, Aufrechterhaltung der Beschlagnahmewirkung im Schlusstermin am Beispiel von

474

B. KÇrperschaftsteuer SteuererstattungsansprÅchen, ZInsO 2011, 153; Olbrich, Zur Besteuerung und Rechnungslegung der Kapitalgesellschaft bei AuflÇsung, DStR 2001, 1090; Ortmann-Babel/Bolik, Praxisprobleme des SEStEG bei der Auszahlung des KSt-Guthabens nach § 37 KStG n.F., BB 2007, 73; Ott, Gesetzliche Zwangsbesteuerung des Alt-EK 02 nach den znderungen durch das JStG 2008, DStZ 2008, 274; Paulus, Durchbrechung der Grundsstze der eingeschrsnkten Erwerberhaftung beim Asset Deal fÅr Insolvenzforderungen aufgrund von § 25 HGB, ZInsO 2011, 162; PÇhlmann/FÇlsing, Das Steuerprivileg von Stiftungen im Insolvenzverfahren, ZInsO 2010, 612; Pyszka/Hahn, AusgleichsansprÅche bei verunglÅckter umsatzsteuerrechtlicher Organschaft, GmbHR 2010, 689; Richter/Pluta, Bescheinigung zum Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO nach IDW ES 9 im Praxistest, BB 2012, 1591; Risthaus, Verdeckte Einlage durch Verzicht eines Gesellschafter-GeschsftsfÅhrers auf den „future-service“ seiner Pensionszusage, DStZ 2010, 212; Roth, Aufdeckung stiller Reserven im Insolvenzverfahren, FR 2013, 441; Snmisch/Adam, Glsubigerschutz in der Insolvenz von abhsngigen Konzerngesellschaften, ZInsO 2007, 520; Schlagheck, Ertragsteuerliche Organschaft und Verlustnutzung, StuB 2004, 401; Schmid; Der erfolgswirksame RangrÅcktritt – Die BFH-Entscheidung des I. Senats v. 30.11.2011 – I R 100/10, FR 2012, 837; Schmittmann in Schmidt, Insolvenzordnung 18. Aufl., MÅnchen 2013, § 155 InsO, Anhang Steuerrecht Rz. 170 ff.; xberlegungen zur Haftung des Sanierungsberaters, ZInsO 2011, 545; Nochmals: KÇrperschaftsteuerguthaben im Insolvenzverfahren, ZInsO 2008, 502 ff.; KÇrperschaftsteuerguthaben nach dem Jahressteuergesetz 2008: Konsequenzen fÅr laufende Insolvenzverfahren, StuB 2008, 83; Anm. zu OFD, Verf. v. 20.4.2007 (KSt-Guthaben gem. § 37 KStG « Insolvenz), ZInsO 2007, 706; Schneider/HÇpfner, Die Sanierung von Konzernen durch Eigenverwaltung und Insolvenzplan, BB 2012, 87; Schwenker/Fischer, Restrukturierungsmaßnahmen in der Krise der GmbH, DStR 2010, 1117; Steinbach/Claußen, Die Bilanzierung latenter Steuern in der Liquidations-Rechnungslegung nach HGB, ZInsO 2013, 1109; Teiche, Maßgeblichkeit bei Umwandlungen – trotz SEStEG?, DStR 2008, 1757 ff.; Uhlnnder, Der Steuerberater als Lotse in der Krise des Mandanten!, Gast-Editorial, NWB 26/2012, 2113; Steuern als Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO – xberblick zur Neuregelung ab dem 1.1.2011, AO-StB 2011, 84; Aktuelle Entwicklungen im Insolvenzsteuerrecht 2010, AO-StB 2010, 81; von Craushaar/Holdt, Keine Aufrechnung gegen ein KÇrperschaftsteuerguthaben im Insolvenzverfahren, BB 2011, 1703; Weitnauer, Der RangrÅcktritt – Welche Anforderungen gelten nach aktueller Rechtslage?, GWR 2012, 193; Wiese, Der Untergang des Verlust- und Zinsvortrags bei KÇrperschaften, DStR 2007, 741; Willeke, Klare Anforderungen an Sanierungskonzepte, StuB 2013, 144; Wohltmann, KÇrperschaftsteuer und Gewebesteuer in der Liquidation, NWB Nr. 13 v. 23.3.2009, 950; Wollweber, Honorarsicherung in der wirtschaftlichen Krise des Mandanten, DStR 2010, 1801.

I. Grundlagen Die KÇrperschaftsteuer ist eine direkte Steuer, da Steuerzahler (derjenige, der die KÇrperschaftsteuer entrichtet) und Steuertrsger (derjenige, der damit wirtschaftlich belastet wird) identisch sind. Sie ist Ertragsteuer, weil sie den Ertrag von KÇrperschaften besteuert. Auf die KÇrperschaftsteuer finden viele Vorschriften aus dem Einkommensteuerrecht Anwendung. Dies gilt vor allem fÅr die DurchfÅhrung der Besteuerung einschließlich der Anrechnung, Entrichtung und VergÅtung der KÇrperschaftsteuer so475

4.227

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

wie die Festsetzung und Erhebung von Steuern, die nach der veranlagten KÇrperschaftsteuer bemessen werden (Zuschlagsteuern), soweit das KÇrperschaftsteuergesetz nichts anderes bestimmt (§ 31 Abs. 1 KStG).

228

Der unbeschrsnkten KÇrperschaftsteuerpflicht unterliegen die in § 1 Abs. 1 Ziff. 1–6 KStG genannten Rechtsgebilde. Das KÇrperschaftsteuergesetz stellt dabei allein auf die Rechtsform ab. Es sind dies im Einzelnen:

229

Rechtsfshige Gebilde Kapitalgesellschaften

Genossenschaften einschließlich der Europsischen Genossenschaften

VersicherungsSonstige juristische vereine auf Gegen- Personen des seitigkeit (VVaG) privaten Rechts und Pensionsfonds

Nichtrechtsfshige Gebilde Nichtrechtsfshige Vereine, Anstalten, Stiftungen u.a. ZweckvermÇgen des privaten Rechts

Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des Çffentlichen Rechts

Abbildung 4: Der KÇrperschaftsteuer unterliegende Rechtsgebilde

230

Der Katalog des § 1 KStG ist abschließend (R2 Abs. 1 KStR).

231

Kapitalgesellschaften nach § 1 Abs. 1 Ziff. 1 KStG sind SE (Societas Europaea = Europsische AG), AG, GmbH und KGaA. Hat eine Kapitalgesellschaft ihren Sitz im Ausland und ihre Geschsftsleitung im Inland, sind auch andere Rechtsformen hierunter zu fassen, wenn sie den deutschen Rechtsformen entsprechen, z.B. entspricht die britische Ltd. der GmbH. Auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise kommt es nicht an. Daher ist z.B. eine GmbH & Co KG, deren alleiniger persÇnlich haftender Gesellschafter eine GmbH ist, keine Kapitalgesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 1 Ziffer KStG.

232

Die Rechtsverhsltnisse der in § 1 Abs. 1 Ziff. 2 KStG genannten Genossenschaften regelt das Genossenschaftsgesetz. Nach § 17 Abs. 2 GenG gelten Genossenschaften als Kaufleute im Sinne des HGB, soweit im Genossenschaftsgesetz nichts anderes vorgeschrieben ist. Unter § 1 Abs. 1 Ziff. 2 KStG fallen auch die Europsischen Genossenschaften.

233

Die Rechtsverhsltnisse des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (VVaG) nach § 1 Abs. 1 Ziff. 3 KStG regelt § 15 VAG (zu Pensionsfonds s. § 113 VAG). Danach ist der VVaG ein rechtsfshiger Verein. FÅr VVaG gelten weitgehend die Rechnungslegungsvorschriften des HGB (§ 16 VAG).

234

Zu den sonstigen juristischen Personen nach § 1 Abs. 1 Ziff. 4 KStG gehÇren die rechtsflhigen Vereine, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschsftsbetrieb gerichtet ist und die ihre Rechtsfshigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister des zustsndigen AG erlangen (eingetra-

476

B. KÇrperschaftsteuer

gene Vereine, e.V.) sowie die rechtsflhigen Stiftungen. Bei ihnen handelt es sich um rechtsfshige Gebilde mit der Aufgabe, ein ihnen vom Stifter gewidmetes VermÇgen zu bestimmten Zwecken dauernd zu verwenden, §§ 80 ff. BGB. Nichtrechtsfshige Rechtsgebilde i.S.d. § 1 Abs. 1 Ziff. 5 KStG sind die nichtrechtsflhigen Vereine (nicht in das Vereinsregister eingetragene Vereine, § 54 BGB) und die nichtrechtsflhigen Stiftungen. Bei letzteren handelt es sich um die Zuwendung eines VermÇgens an einen Anderen mit der Vorschrift, es fÅr einen dauernden bestimmten Zweck zu verwenden, R2 Abs. 5 KStR.

4.235

Betriebe gewerblicher Art nach § 1 Abs. 1 Ziff. 6 KStG sind nur diejenigen, die von inlsndischen juristischen Personen des Çffentlichen Rechts unterhalten werden. Auslsndische juristische Personen fallen grundsstzlich unter § 2 Ziff. 1 KStG.

4.236

Die Rechtsform allein ist allerdings nur eine Voraussetzung fÅr die Steuerpflicht. Hinzutreten muss noch ein steuerpflichtiger Tatbestand, dessen Umfang sich nach der Art der Steuerpflicht richtet. Unterschieden werden die unbeschrsnkte und die beschrsnkte Steuerpflicht. Eine erweiterte beschrsnkte Steuerpflicht (wie im AStG) gibt es im KStG nicht.

4.237

Juristische Personen sind Steuersubjekt der KÇrperschaftsteuer, wshrend die an Gesellschaft beteiligten Gesellschafter ihrerseits der Einkommensteuer oder KÇrperschaftsteuer unterliegen, je nachdem, ob es sich bei den Gesellschaftern um natÅrliche Personen oder ebenfalls um Kapitalgesellschaften (KÇrperschaften) handelt. Daher ist bei der Besteuerung stets zwischen der Besteuerungsebene der Kapitalgesellschaft und der Besteuerungsebene ihrer Gesellschafter zu unterscheiden (sog. Trennungsprinzip). Die Besteuerungsebene der Gesellschafter wird erst dann berÅhrt, wenn die Kapitalgesellschaft ihre Gewinne an die Gesellschafter ausschÅttet.

4.238

Beispiel 7:

4.239

An der AB-GmbH sind die natÅrlichen Personen A und B zu jeweils 50 % beteiligt. Im Jahr 13 wird der Gewinn des Vorjahres an die Gesellschafter ausgeschÅttet. LÇsung: Der Gewinn des Vorjahres unterliegt zunschst im Jahr 12 bei der GmbH der KÇrperschaftsteuer. Erst mit AusschÅttung des Gewinns in 13 erzielen die Gesellschafter EinkÅnfte, die bei ihnen der Einkommensteuer unterliegen.

Durch die strikte Trennung der Gesellschafts- und der Gesellschafterebene unterscheidet sich die Besteuerung der Kapitalgesellschaften insbesondere von der Besteuerung von Personengesellschaften bzw. Einzelunternehmen. Bei diesen ist nicht die Personengesellschaft bzw. das Einzelunternehmen selbst, sondern ausschließlich die Personengesellschafter bzw. der Inhaber des Einzelunternehmens Steuersubjekt der Einkommensteuer oder KÇrperschaftsteuer (sog. Transparenzprinzip).

477

4.240

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

241

Nach dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung hat die Kapitalgesellschaft die KÇrperschaftsteuer jeweils fÅr einen zeitlich begrenzten Zeitraum zu entrichten. Dieser Zeitraum ist das Kalenderjahr, weil es sich bei der KÇrperschaftsteuer gem. § 7 Abs. 3 Satz 1 KStG um eine Jahressteuer handelt. Veranlagungszeitraum und Bemessungszeitraum fÅr die KÇrperschaftsteuer ist somit stets das Kalenderjahr (§§ 31 Abs. 1 KStG, 25 Abs. 1 EStG). Vom Veranlagungszeitraum zu trennen ist der Gewinnermittlungszeitraum, d.h. der Zeitraum, fÅr den die KÇrperschaft ihre Gewinne zu ermitteln hat. Soweit die Pflicht zur FÅhrung von BÅchern nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs besteht, ist der Gewinn nach dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln, fÅr das regelmsßig AbschlÅsse erstellt werden (§ 7 Abs. 4 KStG). Weicht dabei das Wirtschaftsjahr, fÅr das regelmsßig AbschlÅsse erstellt werden, vom Kalenderjahr ab, so gilt der Gewinn aus Gewerbebetrieb als in dem Kalenderjahr bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Mit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen einer KÇrperschaft beginnt zwar ein neues Wirtschaftsjahr (§ 155 Abs. 2 InsO); das sndert aber nichts daran, dass die KÇrperschaftsteuer eine Jahressteuer bleibt.

242

Bemessungsgrundlage der KÇrperschaftsteuer ist weder der handelsrechtliche noch der steuerliche Gewinn der KÇrperschaft, sondern das zu versteuernde Einkommen (§ 7 Abs. 1 KStG). Dieses ist auf der Basis des handels- bzw. steuerrechtlichen Gewinns zu ermitteln. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens sind nach § 8 Abs. 1 KStG sowohl die Vorschriften des EStG als auch des KStG zu beachten. Kapitalgesellschaften erzielen gem. § 8 Abs. 2 KStG dabei stets und ausschließlich EinkÅnfte aus Gewerbebetrieb. Einer Trennung in eine betriebliche und eine außerbetriebliche Sphsre bedarf es bei Kapitalgesellschaften somit nicht.1 Eine Einordnung der Tstigkeiten einer Kapitalgesellschaft als Liebhaberei, d.h. als Tstigkeiten, die nicht mit Gewinnerzielungsabsicht verfolgt werden, scheidet damit aus, denn ein Gewerbebetrieb wird kraft gesetzlicher Definition stets mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben.

243

Auf das zu versteuernde Einkommen wird der seit dem Jahr 2008 geltende einheitliche KÇrperschaftsteuertarif i.H.v. 15 % angewendet (§ 23 Abs. 1 KStG). Zusstzlich schuldet die GmbH den Solidaritltszuschlag i.H.v. 5,5 % der veranlagten KÇrperschaftsteuer (§ 1 Abs. 1, 2 Ziff. 3, § 3 Abs. 1 Ziff. 1 SolZG).

1 BFH v. 4.12.1996 – I R 54/95, BFHE 182, 123; vgl. auch BFH v. 6.7.2000 – I B 34/00, BStBl. II 2002, 490; v. 8.8.2001 – I R 106/99, BStBl. II 2003, 487; v. 31.3.2004 – I R 83/03, ZIP 2004, 2000 = BFH/NV 2004, 1482; v. 17.11.2004 – I R 56/03, BFH/NV 2005, 793.

478

B. KÇrperschaftsteuer

II. Praktische Bedeutung der KÇrperschaftsteuer im Insolvenzverfahren Die KÇrperschaftsteuer stellt neben der Umsatzsteuer die wichtigste Steuerart in der Insolvenz von Unternehmen dar. Zwar sind manche Problemfelder deckungsgleich mit denen bei der Einkommensteuer, z.B. bei der Besteuerung von Sanierungsgewinnen, s. Rz. 4.20 ff. Das aber macht die rechtlichen Fragestellungen nicht minder komplex. Die wirtschaftliche Bedeutung kÇrperschaftsteuerrechtlicher Probleme in der Insolvenz ist nicht zu unterschstzen. In unterschiedlichen Zusammenhsngen kann ungewollt eine Masseverbindlichkeit entstehen, die die Insolvenzmasse und damit auch die Befriedigungsaussichten der Insolvenzglsubiger erheblich nachteilig beeinflussen kann. Besonderes Augenmerk ist auf die KÇrperschaftsteuer dann zu legen, wenn vor InsolvenzerÇffnung eine kÇrperschaftsteuerliche Organschaft bestanden hat (Rz. 4.295 ff.). Außerdem ist es fÅr den Insolvenzverwalter von besonderem Interesse, wie die AuszahlungsansprÅche nach § 37 Abs. 5 KStG zu behandeln sind und vor allem, ob gegen diese aufgerechnet werden kann (Rz. 4.292 ff.).

4.244

III. Umfang der KÇrperschaftsteuerpflicht 1. Unterscheidung der Steuerpflicht Zur Bestimmung des Umfangs, in dem eine KÇrperschaft persÇnlich kÇrperschaftsteuerpflichtig ist, unterscheidet das Gesetz die unbeschrsnkte KÇrperschaftsteuerpflicht (§ 1 KStG) und die beschrsnkte KÇrperschaftsteuerpflicht (§ 2 KStG). Wshrend im Rahmen der unbeschrsnkten Steuerpflicht ssmtliche EinkÅnfte der KÇrperschaft in die Besteuerung einbezogen werden, unterliegen bei der beschrsnkten Steuerpflicht nur ganz bestimmte EinkÅnfte der deutschen Besteuerung. Die Unterscheidung spielt außerdem fÅr die Form der Erhebung der KÇrperschaftsteuer eine wichtige Rolle. Bei der unbeschrsnkten Steuerpflicht wird die KÇrperschaftsteuer stets im Wege der Veranlagung der KÇrperschaft erhoben, wshrend bei der beschrsnkten Steuerpflicht in bestimmten Fsllen ausschließlich ein Steuerabzug vorgenommen wird.

4.245

2. Unbeschrlnkte KÇrperschaftsteuerpflicht KÇrperschaften sind gem. § 1 Abs. 1 Ziff. 1 KStG unbeschrsnkt kÇrperschaftsteuerpflichtig, wenn sie ihre Geschsftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben. Die unbeschrsnkte Steuerpflicht verlangt also, dass ein besonderer Bezug zum Gebiet der Bundesrepublik Deutschland besteht. Aufgrund der alternativen AnknÅpfung an die Geschsftsleitung oder den Sitz ist es ausreichend, wenn eines dieser beiden Merkmale erfÅllt ist. Im Regelfall unschwer zu bestimmen ist der Sitz einer KÇrperschaft. Ihren Sitz hat eine KÇrperschaft an dem Ort, der durch den Gesellschaftsvertrag oder die Satzung bestimmt wird (§ 11 AO). Maßgeblich ist somit der sta479

4.246

247

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

tutarische Sitz (auch: Satzungssitz) der Gesellschaft, der auch im Handelsregister einzutragen ist (s. § 10 Abs. 1 GmbHG). Ob an diesem Ort auch ein tatsschlicher Sitz im Sinne eines Verwaltungssitzes o. z., gegeben ist, ist fÅr die Bestimmung des Sitzes i.S.v. § 11 AO irrelevant. Hat die KÇrperschaft ihren statutarischen Sitz nicht im Inland, ist sie dennoch unbeschrsnkt kÇrperschaftsteuerpflichtig, wenn sich ihre Geschlftsleitung im Inland befindet. Der Begriff der Geschsftsleitung ist in § 10 AO definiert als „Mittelpunkt der geschsftlichen Oberleitung“. 3. Beschrlnkte KÇrperschaftsteuerpflicht Der beschrsnkten KÇrperschaftsteuerpflicht unterliegen KÇrperschaften, die weder ihren Sitz noch ihre Geschlftsleitung im Inland haben (§ 2 Ziff. 1 KStG). Der AnknÅpfungspunkt an das Inland beschrsnkt sich bei der beschrsnkten Steuerpflicht darauf, dass Gegenstand der Besteuerung ausschließlich die inlsndischen EinkÅnfte i.S.d. § 49 EStG der KÇrperschaft sind (sog. Territorialitstsprinzip). Eine Gesellschaft, die weder ihren Sitz noch ihre Geschsftsleitung im Inland hat, kann aber nur dann in Deutschland beschrsnkt kÇrperschaftsteuerpflichtig sein, wenn es sich bei der auslsndischen Gesellschaft um eine einer inlsndischen Kapitalgesellschaft vergleichbare Rechtsform handelt. Die Entscheidung ist nach den leitenden Gedanken des Einkommensteuer- und KÇrperschaftsteuerrechts zu treffen.1 Die Feststellung der Vergleichbarkeit hat – wie bei der unbeschrsnkten Steuerpflicht – nach Maßgabe des sog. Typenvergleichs zu erfolgen.2 Ist die auslsndische Gesellschaft nach ihren gesellschaftsrechtlichen Kriterien nicht einer deutschen KÇrperschaft vergleichbar, kommt keine Besteuerung nach dem KÇrperschaftsteuergesetz, sondern nur eine Besteuerung als Mitunternehmerschaft nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (§ 15 Abs. 1 Ziff. 2 EStG) in Betracht. Welche EinkÅnfte nach § 2 Ziff. 1 KStG als inllndische EinkÅnfte anzusehen sind, ergibt sich im Einzelnen aus § 49 EStG (s. § 8 Abs. 1 KStG). Die Vorschrift enthslt eine abschließende Definition der inlsndischen EinkÅnfte. Welche dieser EinkÅnfte von einer auslsndischen Gesellschaft erzielt werden kÇnnen, zeigt die nachfolgende Aufstellung:

1 BFH v. 3.2.1988 – I R 134/84, BStBl. II 1988, 588. 2 Siehe BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tabellen 1 und 2.

480

B. KÇrperschaftsteuer InlandseinkÅnfte i.S.d. § 49 EStG Norm

Einkunftsart

Inlandsbezug

§ 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG

EinkÅnfte aus Land- und Forstwirtschaft (§§ 13, 14 EStG)

im Inland betrieben

§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG

EinkÅnfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15–17 EStG)

inlsndische Betriebsststte oder inlsndischer Vertreter

§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG

EinkÅnfte aus selbstsndiger AusÅbung oder Verwertung im Arbeit (§ 18 EStG) Inland; Inlsndische feste Einrichtung oder Betriebsststte

§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG

EinkÅnfte aus KapitalvermÇgen (§ 20 EStG)

z.B. bei Dividenden: Schuldner hat Wohnsitz, Geschsftsleitung oder Sitz im Inland; bei Zinsen: inlsndische Besicherung

§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG

EinkÅnfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG)

im Inland belegen; in inlsndisches Register eingetragen; in inlsndischer Betriebsststte verwertet

§ 49 Abs. 1 Nr. 8, 9 EStG

Sonstige EinkÅnfte (§ 22 Nr. 2, 3 EStG)

Private Versußerungsgeschsfte inlsndischer GrundstÅcke, Rechte, Kapitalgesellschaft-Anteile: Nutzung im Inland

Abbildung 5: Inlsndische EinkÅnfte i.S.v. §§ 49 EStG, 8 Abs. 1, 2 Nr. 1 KStG

Bei der Ermittlung, ob inlsndische EinkÅnfte i.S.d. § 49 Abs. 1 EStG vorliegen, bleiben im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale unberÅcksichtigt, soweit bei ihrer Beachtung keine inlsndischen EinkÅnfte angenommen werden kÇnnten (§ 49 Abs. 2 EStG).

4.248

IV. Beginn und Ende der KÇrperschaftsteuerpflicht, Steuerbefreiungen 1. Beginn der KÇrperschaftsteuerpflicht a) Unbeschrlnkte KÇrperschaftsteuerpflicht aa) Phase der VorgrÅndung Ab welchem Zeitpunkt eine neu gegrÅndete oder zugezogene KÇrperschaft kÇrperschaftsteuerpflichtig ist, regelt das KÇrperschaftsteuergesetz nicht. Der Beginn der KÇrperschaftsteuerpflicht richtet sich daher bei einer NeugrÅndung nach den zivilrechtlichen Vorgaben. Wird eine Gesellschaft anderer Rechtsform in eine GmbH umgewandelt, sind spezialgesetzliche Vorschriften des UmwStG fÅr den Beginn der KÇrperschaftsteuerpflicht zu beachten.

481

4.249

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

250

Eine Kapitalgesellschaft entsteht mit ihrer Eintragung im Handelsregister (vgl. §§ 7 Abs. 1, 11 Abs. 1 GmbHG). Der Eintragung in das Handelsregister kommt konstitutive Wirkung zu. Entsprechend den zivilrechtlichen Vorschriften sind bei der NeugrÅndung einer Kapitalgesellschaft auch steuerlich drei GrÅndungsphasen zu unterscheiden.

251

Die Zeit zwischen dem Entschluss der kÅnftigen Gesellschafter zur GrÅndung einer Kapitalgesellschaft und dem Abschluss eines notariellen Gesellschaftsvertrages wird als VorgrÅndungsphase bezeichnet. Wshrend dieser Zeit besteht eine sog. VorgrÅndungsgesellschaft.1 Die kÅnftigen Gesellschafter vereinbaren hier zunschst nur im Rahmen eines (formlosen) Vorvertrages, eine Kapitalgesellschaft zu grÅnden. Die VorgrÅndungsgesellschaft ist weder mit der Vorgesellschaft noch mit der spster entstehenden Kapitalgesellschaft rechtlich identisch. Je nachdem, ob und in welchem Umfang die VorgrÅndungsgesellschaft bereits geschsftlich tstig wird, handelt es sich bei ihr entweder um eine Gesellschaft bÅrgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) oder um eine offene Handelsgesellschaft (§§ 105 ff. HGB). Eine OHG liegt dann vor, wenn die Gesellschaft bereits ihren Geschsftsbetrieb aufnimmt und ein Handelsgewerbe betreibt (§ 105 Abs. 1 HGB). Als Personengesellschaft (GbR oder OHG) unterliegt die VorgrÅndungsgesellschaft nicht der KÇrperschaftsteuer. Sie wird vielmehr nach dem Mitunternehmerkonzept i.S.v. § 15 Abs. 1 Ziff. 2 EStG besteuert. Im Ergebnis unterliegen damit die zukÅnftigen GmbH-Gesellschafter mit den aus der VorgrÅndungsgesellschaft erzielten EinkÅnften der Einkommensteuer. Die EinkÅnfte sind auf Ebene der VorgrÅndungsgesellschaft zu ermitteln (sog. Gewinnermittlungssubjekt) und im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten EinkÅnftefeststellung (s. § 180 Abs. 1 Ziff. 2 AO) den Gesellschaftern zuzurechnen. Die VorgrÅndungsgesellschaft ist insolvenzfshig (§ 11 Abs. 2 Ziff. 1 InsO).

252

Kommt es zum Abschluss eines notariellen Gesellschaftsvertrages, endet die VorgrÅndungsphase. Aufgrund der fehlenden Identitst der VorgrÅndungsgesellschaft mit der nachfolgenden Gesellschaft gehen die Rechte und Verbindlichkeiten der VorgrÅndungsgesellschaft nicht automatisch auf die nachfolgende Gesellschaft Åber. Die Rechte und Verbindlichkeiten mÅssen vielmehr einzeln Åbertragen bzw. Åbernommen werden.2 Eine steuerliche Verrechnung der Gewinne oder Verluste der VorgrÅndungsgesellschaft mit spsteren Gewinnen oder Verlusten der Gesellschaft ist nicht mÇglich.

1 BFH v. 8.11.1989 – I R 174/86, BStBl. II 1990, 91. 2 BGH v. 13.12.1982 – II ZR 282/81, ZIP 1983, 158 = BGHZ 86, 122.

482

B. KÇrperschaftsteuer

bb) Phase der Vorgesellschaft Mit dem Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages entsteht die sog. Vorgesellschaft.1 Diese besteht grundsstzlich so lange, bis die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen wird und dadurch zivilrechtlich wirksam errichtet ist (vgl. § 11 Abs. 1 GmbHG). Auf die Vorgesellschaft sind bereits die Vorschriften der jeweiligen Kapitalgesellschaft anzuwenden, soweit die einzelnen Vorschriften nicht explizit das Bestehen der Kapitalgesellschaft voraussetzen. Die Vorgesellschaft hat nach außen den Firmenzusatz „in GrÅndung“ („i. Gr.“) zu verwenden. Die Vorgesellschaft ist eine Kapitalgesellschaft im GrÅndungsstadium, die mit der spster durch Handelsregistereintragung entstehenden Kapitalgesellschaft als wirtschaftlich und rechtlich identisch beurteilt wird.2 Dieser Identitltstheorie schließt sich das Steuerrecht an und behandelt bereits die Vorgesellschaft als KÇrperschaftsteuersubjekt.3 Folglich tritt schon in dieser Phase eine steuerliche Trennung zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterebene ein, und zwar unabhsngig davon, ob die Vorgesellschaft nach außen operativ tstig ist. Eine Vorverlagerung des Beginns der KÇrperschaftsteuerpflicht durch RÅckbezug der GrÅndung auf einen Zeitpunkt vor Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages ist nach der Rechtsprechung des BFH nicht mÇglich.4

4.253

Die Behandlung der Vorgesellschaft als kÇrperschaftsteuerpflichtiges Gebilde hsngt allerdings von der einschrsnkenden Bedingung ab, dass die Vorgesellschaft spster auch tatsschlich in das Handelsregister eingetragen wird.5 Bestehen bei der Vorgesellschaft hingegen Eintragungshindernisse und scheitert aufgrund dessen eine Handelsregistereintragung, scheidet auch eine KÇrperschaftsteuerpflicht insgesamt aus. Eine Besteuerung erfolgt dann auf Ebene der Gesellschafter, die nach den fÅr Personengesellschafter maßgebenden zivilrechtlichen Vorschriften außerdem unmittelbar und unbeschrsnkt haften.6

4.254

cc) Im Handelsregister eingetragene KÇrperschaft Die in das Handelsregister eingetragene KÇrperschaft erfÅllt als zivilrechtlich wirksam gegrÅndete Kapitalgesellschaft alle Voraussetzungen der unbeschrsnkten KÇrperschaftsteuerpflicht i.S.v. § 1 Abs. 1 Ziff. 1 KStG. Eine eingetragene Kapitalgesellschaft ist damit stets Steuersubjekt der KÇrperschaftsteuer. Mit der Eintragung der Kapitalgesellschaft in das Handelsregister gehen ssmtliche Rechte und Pflichten der Vorgesellschaft automatisch auf die dann errichtete Kapitalgesellschaft Åber. Gesonderter 1 2 3 4 5 6

Vgl. Wicke, GmbHG, § 11 Rz. 3. BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, ZIP 1981, 394 = BGHZ 80, 129. BFH v. 14.10.1992 – I R 17/92, BStBl. II 1993, 352. BFH v. 20.10.1982 – I R 118/78, BStBl. II 1983, 247. BFH v. 14.10.1992 – I R 17/92, BStBl. II 1993, 352. BFH v. 16.12.1986 – VII R 154/84, BFH/NV 1987, 687.

483

4.255

256

257

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

xbertragungsakte bedarf es hierbei nicht. Außerdem erlangt die Kapitalgesellschaft mit der Eintragung die volle Rechtsfshigkeit (§§ 11, 13 Abs. 1 GmbHG). Gesellschaft(sform)

Zeitraum bzw. Zeitpunkt

Steuerpflicht

VorgrÅndungsgesellschaft

Abschluss eines Vorvertrages zur Errichtung einer GmbH durch die GrÅndungsgesellschafter bis Abschluss eines notariellen Gesellschaftsvertrages

Keine KÇrperschaftsteuerpflicht Besteuerung als Mitunternehmerschaft (GbR oder OHG) gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG bei gewerblichen EinkÅnften

Vorgesellschaft

Abschluss eines notariellen Gesellschaftsvertrages bis Eintragung der GmbH ins HR

KÇrperschaftsteuerpflicht Identitst der Vor-GmbH mit der durch Eintragung entstehenden GmbH

Eingetragene GmbH

Ab dem Zeitpunkt der Eintragung der GmbH ins Handelsregister

KÇrperschaftsteuerpflicht

Abbildung 6: Steuerpflicht wshrend der GrÅndungsphasen einer GmbH

b) Beschrlnkte KÇrperschaftsteuerpflicht Zum Beginn der beschrsnkten KÇrperschaftsteuerpflicht nach § 2 Ziff. 1 KStG trifft das Gesetz keine ausdrÅckliche Aussage. Es werden lediglich die Voraussetzungen der beschrsnkten Steuerpflicht genannt. Diese bestehen darin, dass eine KÇrperschaft weder ihren Sitz noch ihre Geschsftsleitung im Inland hat, aber inlsndische EinkÅnfte bezieht. Nach R 4 Abs. 1 KStR 2004 beginnt die beschrsnkte KÇrperschaftsteuerpflicht, sobald inllndische EinkÅnfte i.S.d. § 49 EStG vorliegen. 2. Ende der KÇrperschaftsteuerpflicht Ebenso wie der Beginn der unbeschrsnkten KÇrperschaftsteuerpflicht an die zivilrechtlichen GrÅndungsphasen einer Kapitalgesellschaft anknÅpft, endet die Steuerpflicht auch nicht, bevor die Kapitalgesellschaft als zivilrechtlich beendet gilt.1 Umgekehrt kann die unbeschrsnkte KÇrperschaftsteuerpflicht jedoch Åber die zivilrechtliche Beendigung der KÇrperschaft durch LÇschung aus dem Handelsregister hinaus reichen (vgl. R 51 Abs. 2 Satz 4 KStR). Das Ende der unbeschrsnkten KÇrperschaftsteuerpflicht tritt grundsstzlich erst dann ein, wenn die KÇrperschaft ihre Geschsftststigkeit eingestellt und ssmtliches VermÇgen verteilt hat. Zudem besteht die KÇrperschaftsteuerpflicht solange fort, bis auch alle steuerlichen Pflichten

1 BFH v. 13.12.1989 – I R 98/86, I R 99/86, BStBl. II 1990, 468.

484

B. KÇrperschaftsteuer

erfÅllt und alle Streitigkeiten betreffend gegen die KÇrperschaft ergangener Steuerbescheide entschieden sind.1 Soweit nicht ein Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen einer Kapitalgesellschaft durchgefÅhrt wird, geht der LÇschung aus dem Handelsregister regelmsßig ein Liquidationsverfahren voraus, dessen Zeitraum (genauer: Besteuerungszeitraum) drei Zeitjahre nicht Åbersteigen soll (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG). Wshrend dieses Abwicklungszeitraums gilt die KÇrperschaft zivilrechtlich bereits als aufgelÇst. Ihre Rechtsfshigkeit besteht jedoch noch bis zu ihrem ErlÇschen, d.h. der LÇschung aus dem Handelsregister, fort. Die KÇrperschaftsteuerpflicht endet frÅhestens mit dem rechtsgÅltigen Abschluss der Liquidation. Dazu gehÇrt auch der Ablauf des Sperrjahres (vgl. § 73 GmbHG). Wshrend des Sperrjahres beenden weder die vollstsndige AusschÅttung des VermÇgens noch die LÇschung aus dem Handelsregister die unbeschrsnkte KÇrperschaftsteuerpflicht.

4.258

3. Steuerbefreiungen Der in § 5 Abs. 1 KStG enthaltene Katalog zshlt abschließend diejenigen inlsndischen KÇrperschaften auf, die entweder persÇnlich oder sachlich von der KÇrperschaftsteuer befreit sind. Die Befreiungen verfolgen den Zweck der FÇrderung des Gemeinwohls. Die Steuerbefreiungen sind ausschließlich bei unbeschrsnkt kÇrperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaften, d.h. Gesellschaften, die entweder ihren Satzungssitz oder ihren Ort der Geschsftsleitung im Inland haben, anwendbar (vgl. § 5 Abs. 2 Ziff. 2 KStG).

4.259

V. Ermittlung der KÇrperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage 1. Das zu versteuernde Einkommen als Bemessungsgrundlage der KÇrperschaftsteuer Das KÇrperschaftsteuerrecht unterscheidet zwischen – den EinkÅnften (vgl. z.B. § 8 Abs. 2 KStG), – der Summe der EinkÅnfte (§ 26 Abs. 6 KStG i.V.m. § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG), – dem Gesamtbetrag der EinkÅnfte und – dem (zu versteuernden) Einkommen.

1 BFH v. 28.1.2004 – I B 210/03, BFH/NV 2004, 670.

485

4.260

261

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Nach R 29 KStR 2004 gilt folgendes Schema zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens ist: Erster Schritt 1 Gewinn/Verlust lt. Steuerbilanz bzw. nach § 60 Abs. 2 EStDV korrigierter JahresÅberschuss/Jahresfehlbetrag lt. Handelsbilanz unter BerÅcksichtigung der besonderen Gewinnermittlung bei Handelsschiffen nach § 5a EStG Zweiter Schritt 2 + Hinzurechnung von vGA (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) 3 ./. Abzug von GewinnerhÇhungen im Zusammenhang mit bereits in vorangegangenen Veranlagungszeitraum versteuerten vGA 4 ./. Berichtigungsbetrag nach § 1 AStG 5 ./. Einlagen (§ 4 Abs. 1 Satz 5 EStG) 6 + Nichtabziehbare Aufwendungen (z.B. § 10 KStG, § 4 Abs. 5 EStG, § 160 AO) 7 + Gesamtbetrag der Zuwendungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG 8 +/./. KÅrzungen/Hinzurechnungen nach § 8b KStG und § 3c Abs. 1 EStG 9 ./. sonstige inlsndische steuerfreie Einnahmen (z.B. Investitionszulagen) 10 +/./. Korrekturen bei Organschaft i.S.d. §§ 14, 17 und 18 KStG (z.B. gebuchte GewinnabfÅhrung, VerlustÅbernahme, Ausgleichszahlungen i.S.d. § 16 KStG) 11 +/./. Hinzurechnungen und KÅrzungen bei auslsndischen EinkÅnften u.a. – Korrektur um nach DBA steuerfreie EinkÅnfte unter BerÅcksichtigung des § 3c Abs. 1 EStG, – Hinzurechnung nach § 52 Abs. 3 EStG i.V.m. § 2a Abs. 3 und 4 EStG 1997, – Abzug auslsndischer Steuern nach § 26 Abs. 6 KStG oder § 12 Abs. 3 AStG i.V.m. § 34c Abs. 2, 3 und 6 EStG, – Hinzurechnungsbetrag nach § 10 AStG einschl. Aufstockungsbetrag nach § 12 Abs. 1 und 3 AStG,

12

Hinzurechnungen und KÅrzungen von nicht nach einem DBA steuerfreien negativen EinkÅnften nach § 2a Abs. 1 EStG +/./. Hinzurechnungen und KÅrzungen bei Umwandlung u.a. – nach § 4 Abs. 6 und 7 bzw. § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG nicht zu berÅcksichtigender xbernahmeverlust oder -gewinn, Hinzurechnungsbetrag nach § 12 Abs. 2 Satz 2 und 3 UmwStG

486

B. KÇrperschaftsteuer

13

+/./. sonstige Hinzurechnungen und KÅrzungen u.a. – nach § 52 Abs. 59 EStG i.V.m. § 50c EStG i.d.F. des Gesetzes vom 24.3.1999 (BGBl. I 1999, 402) nicht zu berÅcksichtigende Gewinnminderungen, – nicht ausgleichsfshige Verluste nach § 8 Abs. 4 Satz 4 und nach § 13 Abs. 3 KStG sowie nach §§ 2b, 15 Abs. 4, 15a Abs. 1 EStG, Hinzurechnungen nach § 15a Abs. 3 EStG, § 13 Abs. 3 Satz 10 KStG, – KÅrzungen nach § 2b Satz 4, § 15 Abs. 4 Satz 2, 3 und 6, § 15a Abs. 2, Abs. 3 Satz 4 EStG, § 13 Abs. 3 Satz 7 KStG,

14 15 16

Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 und 8, § 7g Abs. 5 EStG Steuerlicher Gewinn (Summe der EinkÅnfte in den Fsllen des R 19 Abs. 2 Satz 1 KStR 2004; Einkommen i.S.d. § 9 Abs. 2 Satz 1 KStG) ./. abzugsfshige Zuwendungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG +/./. bei OT: =

– Zurechnung des Einkommens von OG (§§ 14, 17 und 18 KStG), – KÅrzungen/Hinzurechnungen nach § 8b KStG, § 3c Abs. 1 EStG und § 4 Abs. 7 UmwStG bezogen auf das dem OT zugerechnete Einkommen von OG (§ 15 Nr. 2 KStG) bei OG:

17 18

= ./.

19 20 21 22

./. = ./. ./.

23

=

Abzug des dem OT zuzurechnenden Einkommens (§§ 14, 17 und 18 KStG) Gesamtbetrag der EinkÅnfte i.S.d. § 10d EStG bei der Åbernehmenden KÇrperschaft im Jahr des VermÇgensÅbergangs zu berÅcksichtigender Verlust nach § 12 Abs. 3 Satz 2 bzw. § 15 Abs. 4 UmwStG Verlustabzug nach § 10d EStG Einkommen Freibetrag fÅr bestimmte KÇrperschaften (§ 24 KStG) Freibetrag fÅr Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie Vereine, die Land- und Forstwirtschaft betreiben (§ 25 KStG) zu versteuerndes Einkommen

Abbildung 7: Schema zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens

487

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

2. Verdeckte GewinnausschÅttungen als wichtigste Form der außerbilanziellen Hinzurechnung (vGA)

262

Verdeckte GewinnausschÅttungen sind gesetzlich nicht definiert, sondern werden von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG vorausgesetzt. Der Begriff der verdeckten GewinnausschÅttung ist daher in der Rechtsprechung des BFH entwickelt worden.1

263

Eine verdeckte GewinnausschÅttung liegt im KÇrperschaftsteuerrecht dann vor, wenn – bei einer Kapitalgesellschaft eine VermÇgensminderung bzw. verhinderte VermÇgensmehrung vorliegt, – die durch das Gesellschaftsverhsltnis veranlasst ist und – sich auf die HÇhe des Unterschiedsbetrags i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG der Kapitalgesellschaft auswirkt2 und – (gleichzeitig) in keinem Zusammenhang mit einer offenen GewinnausschÅttung steht.

264

Zwischen dem Begriff der verdeckten GewinnausschÅttung im KÇrperschaftsteuerrecht und dem gleichen Terminus im Einkommensteuerrecht (§ 20 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 2 EStG) besteht ein wichtiger Unterschied: Im Einkommensteuerrecht kommt es nur dann zu einem steuerpflichtigen Tatbestand seitens des Gesellschafters, wenn der VermÇgensnachteil der Kapitalgesellschaft tatsschlich beim Gesellschafter als VermÇgensvorteil ankommt. Dieses Erfordernis besteht im KÇrperschaftsteuerrecht nicht. Diese Unterscheidung ist steuertechnisch fÅr die zeitliche Erfassung einer verdeckten GewinnausschÅttung von Bedeutung (Beispiel: ein VermÇgensnachteil bei der Kapitalgesellschaft muss sich nicht im gleichen Veranlagungszeitraum als VermÇgensvorteil beim Gesellschafter bemerkbar gemacht haben, z.B. ÅberhÇhte Pensions-RÅckstellungen).

265

Von der verdeckten GewinnausschÅttung sind im Ergebnis betroffen: – die Einkommens(erzielungs)ebene der Kapitalgesellschaft: nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG wird die verdeckte GewinnausschÅttung beim zu versteuernden Einkommen der Kapitalgesellschaft berÅcksichtigt (hinzugerechnet); – die Einkommensverwendungsebene der Kapitalgesellschaft: bei der Kapitalgesellschaft geht auch bei der verdeckten GewinnausschÅttung ausschÅttbares Einkommen verloren; – die Einkommensebene des Gesellschafters: grundsstzliche Gleichbehandlung mit einer offenen GewinnausschÅttung gem. § 20 Abs. 1 Ziff. 1 EStG.

1 BFH v. 20.1.2015 – X R 49/13, BFH/NV 2015, 704; vgl. BFH v. 22.2.1989 – I R 44/85, BStBl. II 1989, 475; vgl. auch R 36 Abs. 1 KStR 2004. 2 BFH v. 7.8.2002 – I R 2/02, BStBl. II 2004, 131.

488

B. KÇrperschaftsteuer

VI. Steuersatz und Steuerbescheid Der Steuersatz betrsgt gem. § 23 KStG 15 % des zu versteuernden Einkommens. Bei der KÇrperschaftsteuer wird, anders als bei der Einkommensteuer, kein „Existenzminimum“ (vgl. § 32a Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 EStG) berÅcksichtigt.

4.266

Der Steuerbescheid ergeht grundsstzlich an den Steuerschuldner. Im Fall der Insolvenz ist zu differenzieren. Sofern es sich um Steuerforderungen handelt, die nach InsolvenzerÇffnung entstanden sind, ist der Steuerbescheid Åber die entstandenen Masseverbindlichkeiten an den Insolvenzverwalter zu richten.1 FÅr Steuerschulden, die in der Zeit vor ErÇffnung entstanden sind, darf ein Steuerbescheid nicht mehr ergehen. Vielmehr sind solche Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden (§ 251 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 87 InsO).2 Anderes gilt nur fÅr die Festsetzung eines Erstattungsbetrages, eine Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 4 InsO (s. dazu ausfÅhrlich oben Rz. 2.43 und unten Rz. 4.340 ff.) oder eine Steuerfestsetzung auf Null Euro (Rz. 3.188 f.).

4.267

VII. Verhlltnis von KÇrperschaftsteuer zur Einkommensteuer der Anteilseigner Das System der KÇrperschaftsteuer in Verbindung mit der Einkommensteuer, welche sich auf das Einkommen der natÅrlichen Person bezieht, stellt sich als System der Doppelbelastung dar.3 Die Doppelbelastung ergibt sich daraus, dass Ertrsge der KÇrperschaft zunschst mit der KÇrperschaftsteuer belastet werden und die durch die KÇrperschaft erfolgenden AusschÅttungen dann als Einkommen der natÅrlichen Person versteuert werden.

4.268

Von 1977 bis 2001 wurde das Problem der Doppelbelastung durch die Vollanrechnung der KÇrperschaftsteuer auf den ausgeschÅtteten Gewinn beseitigt.4 Das System der Vollanrechnung stellte sich wie folgt dar:

4.269

Wenn die GewinnausschÅttung einer KÇrperschaft beim AusschÅttungsempfsnger der Einkommensteuer unterlag, so wurde die von der KÇrperschaft zu zahlende KÇrperschaftsteuer auf die Einkommensteuer der natÅrlichen Person angerechnet (§ 36 Abs. 2 Ziff. 3 EStG in der bis 2000 geltenden Fassung).

1 2 3 4

Ott/Vuia in MÅnchKomm/InsO, § 80 Rz. 133. Ott/Vuia in MÅnchKomm/InsO, § 80 Rz. 133. Roth in Roth/Altmeppen, Kommentar zum GmbHG, Einleitung, Rz. 40. Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1674.

489

270

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz Beispiel 8: Gewinn der KÇrperschaft: Zu entrichtende KÇrperschaftsteuer (gemsß der a.F.): AusschÅttung: EinkÅnfte AusschÅttungsempfsnger: Einkommensteuer AusschÅttungsempfsnger (gemsß der a.F.): Anrechnung der KSt auf die ESt: Einkommensteuerschuld:

100 30 70 100 44 30 14

FÅr die BerÅcksichtigung von Minderungen oder ErhÇhungen gab es Sonderregelungen. Von 2001 bis 2009 galt das HalbeinkÅnfteverfahren.1 Dieses stellte sich wie folgt dar: Die KÇrperschaftsteuer betrug einheitlich 25 % (bzw. ab 2008 15 %). Diese Besteuerung war nicht anrechenbar.2 Der AusschÅttungsempfsnger hatte den Betrag der AusschÅttung dann nur zur Hslfte bei der Bemessungsgrundlage fÅr die Einkommensteuer anzusetzen. Beispiel 9: Gewinn der KÇrperschaft: Zu entrichtende KÇrperschaftsteuer (gemsß a.F.). AusschÅttung: Zu versteuerndes Einkommen des AusschÅttungsempfsngers:

100 25 75 37,5

271

Seit 2009 wurde das System durch ein duales System ersetzt. Die AusschÅttung unterliegt in diesem System entweder einer Abgeltungsteuer von 25 % (bei Beteiligung im PrivatvermÇgen) oder dem TeileinkÅnfteverfahren (bei Beteiligung im BetriebsvermÇgen).3

272

In Bezug auf das Verhsltnis der KÇrperschaftsteuer zur Einkommensteuer des Anteilseigners ist § 32a KStG zu beachten. Diese Norm soll auf eine korrespondierende Besteuerung von verdeckten GewinnausschÅttungen hinwirken und ist auf die Kongruenz der Besteuerung der Ebene der Gesellschafter angelegt.4 Sie ermÇglicht die znderung eines Einkommensteuerbescheids, wenn der mit diesem in Verbindung stehende KÇrperschaftsteuerbescheid gesndert wurde. Der BFH hat diesbezÅglich ausgefÅhrt:5 „das der Finanzverwaltung eingernumte Ermessen in den Fnllen des § 32a KStG regelmnßig auf Null reduziert wird, wenn die Steuerfestsetzung fÅr den Gesellschafter ohne die underung sachlich unrichtig wnre und daher jede andere Entscheidung als die der underung der unrichtigen Steuerfestsetzung als ermessens1 2 3 4 5

Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1674. Birk, Steuerrecht, Rz. 1204. Teufel in LÅdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, § 2 Rz. 85 ff. BFH v. 20.3.2009 – VIII B 170/08, BFHE 224, 439 = DStR 2009, 795. BFH v. 20.3.2009 – VIII B 170/08, BFHE 224, 439 = DStR 2009, 795.

490

B. KÇrperschaftsteuer widrig beurteilt werden mÅsste ... Wenn sich aber im Insolvenz-Feststellungsverfahren die Beteiligten Åber eine Verminderung der ursprÅnglich angesetzten vGA einigen, das FA seine Anmeldungen zur Insolvenztabelle entsprechend vermindert und die Beteiligten den Rechtsstreit in der KÇrperschaftsteuersache dann in der Hauptsache fÅr erledigt erklnren, spricht das dafÅr, dass die gennderten KÇrperschaftsteuerberechnungen, die zu einer Verminderung der angemeldeten KÇrperschaftsteuerforderungen gefÅhrt haben, jedenfalls im Ergebnis einer underung der KÇrperschaftsteuerbescheide gleichkommen. Eine sinngemnße Anwendung des § 32a Abs. 1 KStG auf derartige Fnlle liegt bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Betrachtungsweise daher nahe.“

VIII. Auswirkung der InsolvenzerÇffnung auf die KÇrperschaftsteuer 1. Fortbestand der Steuerrechtsflhigkeit Durch die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens sndert sich nichts daran, dass die EinkÅnfte einer KÇrperschaft weiterhin steuerrechtlich dieser zugerechnet werden. Die insolvenzschuldnerische KÇrperschaft bleibt Trsger der EinkÅnfte und auch Steuerschuldner; keinesfalls kann der Insolvenzverwalter als Steuerschuldner angesehen werden. Daran sndert auch nichts, dass durch die InsolvenzerÇffnung ein neues Wirtschaftsjahr beginnt (§ 155 Abs. 2 InsO); die KÇrperschaftsteuer bleibt eine Jahressteuer; der Veranlagungszeitraum wird durch die InsolvenzerÇffnung – und auch durch die Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens – nicht geteilt.1 Die KÇrperschaftsteuerschuld des Insolvenzschuldners entsteht als einheitlicher Steueranspruch nach steuerrechtlichen Grundsstzen. Lediglich die Geltendmachung des Steueranspruchs wird insolvenzrechtlich determiniert.

4.273

Besonderheiten ergeben sich bezÅglich der Einkommensermittlung bzw. dem Veranlagungszeitraum der KÇrperschaftsteuer fÅr den Zeitraum der Liquidation der KÇrperschaft. Dies ergibt sich aus § 11 KStG. Diese von der normalen Gewinnermittlung im Insolvenzverfahren abweichende Vorschrift ist jedoch nur auf die Insolvenz von Kapitalgesellschaften, Genossenschaften und Versicherungs- und Pensionsfondvereinen auf Gegenseitigkeit anwendbar (§ 11 Abs. 7 i.V.m. § 1 Abs. 1 Ziff. 1–3 KStG). Liquidation bezeichnet dabei nicht den Zeitpunkt der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens, sondern vielmehr den Zeitpunkt, in dem jegliche werbende Tstigkeit der KÇrperschaft eingestellt wird und die Tstigkeit des Insolvenzverwalters nur noch auf das Verwerten und Verteilen der Insolvenzmasse gerichtet ist.2 Aus § 22 Abs. 1 Ziff. 2 InsO ergibt sich die FortfÅhrungspflicht im Insolvenzantragsverfahren. Gemsß § 158 InsO hat der Insolvenzverwalter das Unternehmen des Insolvenzschuldners Åber die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens hinaus bis zum Berichtstermin fort-

4.274

1 Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1633. 2 Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 331.

491

275

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

zufÅhren. Im Berichtstermin fsllt dann die Entscheidung, ob der Geschsftsbetrieb des Insolvenzschuldners fortgefÅhrt oder stillgelegt werden soll. Sofern es zur FortfÅhrung kommt, kann es demnach auch nicht zum Beginn einer „Liquidationsphase“ kommen. Sofern im Berichtstermin die Entscheidung fÅr die Stilllegung getroffen wird, so beginnt die „Liquidationsphase“ i.S.d. § 11 KStG in dem Zeitpunkt, in dem die Tstigkeit des Insolvenzverwalters nur noch auf das Verwerten und Verteilen der Insolvenzmasse gerichtet ist, nicht hingegen schon in dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung im Berichtstermin getroffen wird.1 Im Ergebnis kann die „Liquidationsphase“ also grundsstzlich nicht vor dem Berichtstermin beginnen und nur fÅr den Fall entstehen, dass im Berichtstermin die Entscheidung fÅr die Stilllegung der KÇrperschaft getroffen wird. Steuererkllrungen kÇnnen, solange das Insolvenzverfahren erÇffnet und nicht eingestellt oder aufgehoben ist, nur durch den Insolvenzverwalter abgegeben werden. Er ist hierzu nach §§ 80 InsO, 34 Abs. 3 AO verpflichtet, da er als Verwalter des schuldnerischen VermÇgens anzusehen ist. 2. Verllngerter Besteuerungszeitraum

276

§ 11 KStG ordnet ab dem Zeitpunkt der Liquidation an, dass das Einkommen fÅr einen von dem normalen Veranlagungszeitraum abweichenden Zeitraum ermittelt werden soll. Die Liquidationsgrundsstze der Abs. 1 bis 6 gelten gem. § 11 Abs. 7 KStG sinngemsß fÅr die Liquidation im Insolvenzverfahren. Besteuerungszeitraum ist dann nicht mehr das Kalenderjahr, sondern der Liquidationszeitraum. Es handelt sich dabei um einen verlsngerten Besteuerungszeitraum, der gem. § 11 Abs. 1 KStG drei Jahre nicht Åbersteigen soll. Sofern das Insolvenzverfahren auch nach 3 Jahren noch nicht beendet ist, so kann die Finanzverwaltung den Besteuerungszeitraum der „Liquidationsphase“ auf Antrag nochmals verlsngern.2 Dies ist mÇglich, da es sich bei § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG um eine Sollvorschrift handelt.

277

Innerhalb des verlsngerten Besteuerungszeitraums ist der Gewinn durch den Vergleich des Abwicklungs-EndvermÇgens mit dem AbwicklungsAnfangsvermÇgen zu ermitteln (§ 11 Abs. 2 KStG). Der Gewinn wird also nicht je Wirtschaftsjahr, sondern bezogen auf den kompletten Abwicklungszeitraum ermittelt.

278

FÅr den Fall der Liquidation außerhalb des Insolvenzfalls beginnt der verlsngerte Besteuerungszeitraum gem. § 11 Abs. 4 KStG grundsstzlich am Schluss des letzten Wirtschaftsjahres vor dem Zeitpunkt, in dem die Liquidation erfolgt. FÅr den Fall der Insolvenz ergibt sich diesbezÅglich aber eine Besonderheit. Gemsß § 155 Abs. 2 InsO beginnt mit ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ein neues Geschsftsjahr, und somit auch ein neues 1 Hofmeister in BlÅmich, § 11 KStG Rz. 90 ff. 2 Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 332.

492

B. KÇrperschaftsteuer

Wirtschaftsjahr.1 Es kommt also zur Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres zwischen dem letzten vollen Wirtschaftsjahr und dem Beginn des neuen Wirtschaftsjahres, welches durch InsolvenzerÇffnung entsteht.2 Wshrend des Liquidationsbesteuerungszeitraumes besteht keine Verpflichtung zur Bilanzierung. Zur Ermittlung des Abwicklungsgewinns ist das Abwicklungs-EndvermÇgen dem Abwicklungs-AnfangsvermÇgen gegenÅberzustellen (§ 11 Abs. 2 KStG). § 11 KStG ist allerdings nicht anzuwenden, wenn das Unternehmen des Insolvenzschuldners nach InsolvenzerÇffnung fortgefÅhrt wird, auch wenn dies im Wortlaut des § 11 Abs. 7 KStG nicht eindeutig zum Ausdruck kommt.3 Die aus § 11 KStG resultierenden Vorteile sind nsmlich nur dann gerechtfertigt, wenn ein Unternehmen auch tatsschlich abgewickelt wird. Fsllt der Zeitpunkt der Betriebseinstellung nicht mit dem Ende des Wirtschaftsjahres zusammen, kann das AbwicklungsanfangsvermÇgen (§ 11 Abs. 4 KStG) sowohl auf der Grundlage der Schlussbilanz des letzten ordentlichen Geschsftsjahres (also Einbeziehung des Gewinns aus der letzten FortfÅhrungsperiode in die Liquidationsbesteuerung) als auch auf der Grundlage einer „Betriebseinstellungsbilanz“ ermittelt werden.4 Dem Insolvenzverwalter steht das Wahlrecht zu.

4.279

3. Abwicklungsgewinn Das Abwicklungs-AnfangsvermÇgen muss – je nachdem, fÅr welche Variante sich der Insolvenzverwalter entscheidet – auf den Zeitpunkt des Endes des letzten vollen Wirtschaftsjahres oder auf den Zeitpunkt des Endes des Rumpfwirtschaftsjahres ermittelt werden. Es ist das BetriebsvermÇgen, welches zum maßgeblichen Zeitpunkt vorhanden ist. Maßgeblich fÅr dessen Ermittlung sind die Buchwerte der Steuerbilanz des letzten vollen Wirtschaftsjahres bzw. des Rumpfwirtschaftsjahres.5 Durch die Bezugnahme auf den Buchwert wird sichergestellt, dass die Gewinne aus der Aufdeckung stiller Reserven berÅcksichtigt werden. Wenn es an einer Steuerbilanz fehlt, weil der Insolvenzschuldner in der Vergangenheit nicht zur KÇrperschaftsteuer veranlagt wurde, ist eine hypothetische Veranlagung durchzufÅhren bzw. der Betrag zu schstzen (§ 11 Abs. 4 KStG). Sofern zum maßgeblichen Zeitpunkt noch gar kein BetriebsvermÇgen vorhanden war, so ist gem. § 11 Abs. 5 KStG die Summe der geleisteten Einlagen anzusetzen. Gemsß § 11 Abs. 4 Satz 3 KStG ist das AbwicklungsAnfangsvermÇgen um den Gewinn des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zu kÅrzen, der wshrend des Abwicklungszeitraums ausgeschÅttet wird. 1 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 34. 2 Frotsch in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch,§ 96 Rz. 4. 3 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 26; Streck, § 11 KStG Anm. 15; Pink, Insolvenzrechnungslegung, S. 209. 4 FÅchsl/Weishnupl/Jaffp in MÅnchKomm/InsO, § 155 Rz. 27. 5 Hofmeister in BlÅmich, § 11 KStG Rz. 60.

493

4.280

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

281

Das Abwicklungs-EndvermÇgen ist gem. § 11 Abs. 3 KStG das zur Verteilung kommende VermÇgen. Im Fall der Insolvenz ist dies das VermÇgen, das bei Beendigung des Insolvenzverfahrens als freie Masse zur VerfÅgung steht, also das VermÇgen, das zur Befriedigung der Verfahrenskosten und zur Befriedigung der Insolvenzglsubiger dient.

282

Der Abwicklungsgewinn ergibt sich, wenn man den wie eben dargestellten Wert des Abwicklungs-AnfangsvermÇgens von dem Wert des Abwicklungs-EndvermÇgens abzieht. Von dem so ermittelten Gewinn sind vor allem folgende Positionen zuzurechnen bzw. abzuziehen (§ 11 Abs. 6 KStG): – der Betrag, der an persÇnlich haftende Gesellschafter verteilt wurde (vgl. § 9 Abs. 1 Ziff. 1 KStG), – die Spenden i.S.d. § 9 Abs. 1 Ziff. 2 KStG, die im Abwicklungszeitraum geleistet wurden, – ein Verlustvortrag nach §§ 10d EStG i.V.m. § 8 Abs. 4 KStG.

283

284

285

286

287

4. Besteuerung des Abwicklungsgewinns Der Abwicklungsgewinn unterliegt dem gleichen Steuersatz, wie der außerhalb eines Insolvenzverfahrens oder einer Liquidation ermittelte Gewinn einer KÇrperschaft und richtet sich nach § 23 KStG. Wenn sich wshrend des Besteuerungszeitraums der Steuersatz sndert, so ist fÅr die Besteuerung grundsstzlich der Steuersatz anzuwenden, der bei Ablauf des Besteuerungszeitraums gilt.1 Auch im Abwicklungszeitraum sind Vorauszahlungen zu leisten, sofern Gewinne entstehen.

IX. Insolvenzrechtliche Qualitlt der KÇrperschaftsteuerschuld Nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens kÇnnen Glsubiger des Schuldners ihre zur Zeit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner „begrÅndeten“ VermÇgensansprÅche nur grundsstzlich noch nach den Vorschriften Åber das Insolvenzverfahren verfolgen (§ 87 InsO; Ausnahme von diesem Grundsatz sind die besonderen Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 2 und 4 InsO, vgl. dazu ausfÅhrlich oben 4.340 ff.). Diese zur Zeit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bereits begrÅndeten, nicht von § 55 Abs. 2 oder Abs. 4 InsO erfassten Forderungen werden Insolvenzforderungen genannt (§ 38 InsO), die betreffenden Glsubiger Insolvenzglsubiger. AnsprÅche aus einem Steuerschuldverhsltnis, die gem. § 174 InsO als Insolvenzforderung zur Eintragung in die Tabelle anzumelden sind, dÅrfen deshalb nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens von den Finanzsmtern nicht mehr durch Steuerbescheid festgesetzt, sondern nur erforderlichenfalls durch Verwaltungsakt festgestellt werden (Rz. 3.191). Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die nicht bereits zur Zeit der 1 BFH v. 18.9.2007 – I R 44/06, BStBl. II 2008, 319.

494

B. KÇrperschaftsteuer

ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bestehen, sind Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO, wenn die besonderen, in § 55 InsO genannten Voraussetzungen erfÅllt sind. Masseverbindlichkeiten kÇnnen auch nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens durch Steuerbescheid gegenÅber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Der Insolvenzverwalter hat sie nach § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO aus der Insolvenzmasse zu bezahlen (Rz. 3.192 f.).1 Soweit bei InsolvenzerÇffnung KÇrperschaftsteuerschulden aus bereits abgeschlossenen Veranlagungszeitrsumen vorliegen, nehmen diese stets den Rang von einfachen Insolvenzforderungen ein. Soweit nach der InsolvenzerÇffnung ein Veranlagungszeitraum beginnt und auch noch wshrend des erÇffneten Insolvenzverfahrens abgeschlossen wird, nehmen die KÇrperschaftsteuerforderungen der Finanzverwaltung regelmsßig den Rang von Masseverbindlichkeiten ein. Besonderheiten kÇnnen sich bei der Aufdeckung stiller Reserven ergeben (Rz. 4.13; 4.293 ff.). FÅr den Veranlagungszeitraum, in den die InsolvenzerÇffnung fsllt, ist eine Aufteilung der KÇrperschaftsteuerschuld in Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten vorzunehmen. FÅr die Aufteilung der KÇrperschaftsteuerschuld gelten die gleichen Grundsstze wie fÅr die Aufteilung von Einkommensteuerschulden (Rz. 4.169 ff.).

4.288

X. Vorauszahlungen Vorauszahlungen entstehen gem. § 30 Ziff. 2 KStG grundsstzlich mit Beginn des Kalendervierteljahres, in dem die Vorauszahlungen zu entrichten sind oder mit BegrÅndung der Steuerpflicht. BezÅglich der Bemessung der HÇhe der KÇrperschaftsteuervorauszahlungen gelten die gleichen Maßstsbe wie fÅr die Bemessung der Einkommensteuervorauszahlungen (Rz. 4.66 ff.). Eine Festsetzung von Vorauszahlungen als Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO kommt nach InsolvenzerÇffnung nicht mehr in Betracht. Die als Insolvenzforderung entstandene KÇrperschaftsteuerschuld ist (notfalls geschstzt) zur Insolvenztabelle anzumelden2 (Rz. 3.246). Vorauszahlungen, die auf KÇrperschaftsteuerschulden, die den Rang von Masseverbindlichkeiten einnehmen, geleistet wurden, dÅrfen nur auf die gegen die Masse festzusetzende KÇrperschaftsteuer angerechnet werden; Vorauszahlungen, die (vor InsolvenzerÇffnung) auf KÇrperschaftsteuerschulden gezahlt wurden, die im Insolvenzverfahren den Rang einfacher Insolvenzforderungen nach § 38 InsO einnehmen, dÅrfen nur auf Insolvenzforderungen angerechnet werden. Soweit sich bei letzterer Anrechnung ein Erstattungsbetrag ergibt, ist dieser an die Insolvenzmasse auszuzahlen. Zur Verrechnung eines der Masse zustehenden Er1 FG BW v. 27.5.2009 – 1 K 105/06, EFG 2009, 1585; BFH v. 29.8.2007 – IX R 4/07, ZIP 2007, 2081 = BStBl. II 2010, 145 = BFHE 218, 435 = BFH/NV 2007, 2429. 2 So auch Farr, Besteuerung der Insolvenz, Rz. 297 bezÅglich der ESt-Vorauszahlung.

495

4.289

290

291

292

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

stattungsbetrages mit Steuerschulden, die den Rang von Masseverbindlichkeiten einnehmen s. Rz. 3.340 ff. Die strikte Einhaltung der o.g. Anrechnungsbeschrlnkungen ist zwingende Voraussetzung fÅr die Einhaltung der insolvenzrechtlichen Befriedigungssystematik, weil sich der Fiskus sonst gegenÅber den Åbrigen Glsubigern insolvenzzweckwidrige Sondervorteile verschaffen und die Aufrechnungsvorschriften (§§ 94 ff. InsO) unterminiert wÅrden.1

XI. ErstattungsansprÅche Ein Erstattungsanspruch entsteht gem. § 37 Abs. 2 AO, wenn Steuern ohne rechtlichen Grund gezahlt wurden. Dieser Fall ist gegeben, wenn die JahreskÇrperschaftsteuerschuld die Summe der geleisteten Vorauszahlungen unterschreitet. Vorauszahlungen fÅhren also zu einem Erstattungsanspruch, der dadurch aufschiebend bedingt ist, dass die Jahressteuerschuld in der entsprechenden HÇhe tatsschlich entsteht. Erst wenn die Jahressteuerschuld feststeht und sie die Summe der Vorauszahlungen unterschreitet, erstarkt der bisher aufschiebend bedingte Erstattungsanspruch zu einem durchsetzbaren Anspruch auf Erstattung. Liegt der Bedingungseintritt nach der InsolvenzerÇffnung, muss eine Erstattung an die Insolvenzmasse erfolgen, soweit nicht eine Aufrechnung mit Steuerschulden mÇglich ist, die den Rang von Masseverbindlichkeiten einnehmen. Eine Aufrechnung gegen Insolvenzforderungen ist nicht mÇglich.2

XII. KÇrperschaftsteuerguthaben (§ 37 Abs. 5 KStG) Von ErstattungsansprÅchen gem. § 37 Abs. 2 AO sind die AuszahlungsansprÅche gem. § 37 Abs. 5 KStG zu unterscheiden. § 37 Abs. 5 KStG wurde aus Anlass der Umstellung des Anrechnungs- auf das HalbeinkÅnfteverfahren eingefÅhrt. Die Norm bewirkt, dass noch bestehende KÇrperschaftsteuerguthaben an die KÇrperschaft auszuzahlen sind. Der Anspruch auf Auszahlung entstand steuerrechtlich mit Ablauf des Jahres 2006 (§ 37 Abs. 5 KStG). Die Auszahlung soll in zehn gleichen Jahresbetrsgen von 2008 bis 2017 erfolgen. Im Ergebnis fÅhrt die Regelung dazu, dass dem Fiskus die Auszahlungspflicht gestundet wird. Nach § 37 Abs. 5 Satz 9 KStG gelten § 10d Abs. 4 Sstze 4 und 5 EStG sinngemsß, so dass ein Bescheid Åber die Festsetzung des KÇrperschaftsteuerguthabens zu erlassen, aufzuheben oder zu sndern ist, wenn sich die Grundlagen fÅr die Ermittlung des KÇrperschaftsteuerguthabens sndern.

1 SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 77; Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1536; s. auch BFH v. 29.3.1984 – IV R 271/83, ZIP 1984, 853 = BStBl. II 1984, 602. 2 Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1635.

496

B. KÇrperschaftsteuer ! Hinweis: Der Anspruch auf Auszahlung des KÇrperschaftsteuerguthabens ist abtretbar. Da § 46 Abs. 4 AO gem. § 37 Abs. 5 Satz 10 KStG auf die Abtretung des KÇrperschaftsteuerguthabens nicht anzuwenden ist, kann eine Abtretung an gewerbsmsßig handelnde Unternehmen erfolgen. Dies ermÇglicht eine Verwertung von KÇrperschaftsteuerguthaben im Insolvenzverfahren, so dass in Folge einer Verwertung eine Beendigung des Insolvenzverfahrens auch vor Ende 2017 erfolgen kann.

Das Finanzamt kann gegen die AuszahlungsansprÅche des Insolvenzverwalters aus dem KÇrperschaftsteuerguthaben nicht mit Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO aufrechnen. FÅr vor dem 31.12.2006 erÇffnete Insolvenzverfahren hat der BFH ausdrÅcklich entschieden, dass der Aufrechnung des Finanzamtes gegen einen Anspruch auf Auszahlung des KÇrperschaftsteuerguthabens das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Ziff. 1 InsO entgegensteht.1 Aber auch fÅr nach dem 31.12.2006 erÇffnete Insolvenzverfahren ergibt sich dieselbe Rechtslage. Dazu liegt eine hÇchstrichterliche Entscheidung soweit ersichtlich bisher nicht vor; insbesondere hat der BFH dazu in den beiden eben genannten Entscheidungen nicht Stellung genommen. Der Umkehrschluss zu diesen Entscheidungen ist jedenfalls unzulsssig. Zwar ist der Auszahlungsanspruch in nach dem Stichtag erÇffneten Insolvenzverfahren fÅr den Zeitraum von 10 Jahren (2008 bis 2017) unbedingt entstanden (§ 37 Abs. 5 Satz 1 KStG). Dieser Anspruch ist auch von keinen weiteren Voraussetzungen abhsngig, insbesondere nicht von einem GewinnausschÅttungsbeschluss der KÇrperschaft. Die Aufrechnung scheitert aber an § 96 Abs. 1 Ziff. 1 InsO, denn zum „Schuldigwerden“ im Sinne dieser Norm gehÇrt auch das FJlligsein des gegen den Insolvenzglsubiger gerichteten Anspruchs.2 Wollte man die Norm nsmlich anders verstehen dahingehend, dass sie die Aufrechnung nur dann hindert, wenn der Anspruch der Masse nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens entsteht, dann wsre sie vÇllig ÅberflÅssig, denn die Aufrechnung eines Insolvenzglsubigers gegen solche AnsprÅche kÇnnte ohnehin nie zulsssig sein, denn dann wsre schon die „Generalnorm“ des § 94 InsO nicht einschlsgig. Dass somit fÅr Insolvenzfslle ein Aufrechnungsverbot besteht, ist letztlich „der Preis“, den die Finanzverwaltung dafÅr zahlen muss, dass der Gesetzgeber die KÇrperschaftsteuerguthaben nicht sofort in 2007 zur Auszahlung an die Steuerpflichtigen fsllig gestellt, sondern die den Steuerpflichtigen zustehenden Erstattungsbetrsge zugunsten des Fiskus gestundet hat. Diese Stundung fÅhrt in Insolvenzfsllen eben zur Vorrangigkeit der Glsubigergleichbehandlung gegenÅber dem an einer Aufrechnung interessierten Einzelglsubiger.

1 BFH v. 23.2.2011 – I R 38/10, BFH/NV 2011, 1298; v. 23.2.2011 – I R 20/10, DStR 2011, 1029, beststigt durch BFH v. 16.6.2015 – VII S 35/14, BeckRS 2015, 95481. 2 xbersehen in BFH v. 16.6.2015 – VII S 35/14, BeckRS 2015, 95481.

497

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

XIII. Stille Reserven

293

Durch die Verwertung der Insolvenzmasse kann es zur Aufdeckung stiller Reserven kommen. Als stille Reserve bezeichnet man die aus der Unternehmensbilanz nicht erkennbare Differenz zwischen dem Buchwert und einem Åber dem Buchwert liegenden Marktwert einzelner Bilanzpositionen. Wird ein Aktivposten, in dem stille Reserven enthalten sind, verkauft, so muss die Differenz zwischen dem Bilanzwert und dem Verkaufspreis als außerordentlicher Gewinn versteuert werden. Das gilt auch in der Insolvenz. Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters fÅhren dieselben steuerlichen Folgen herbei, wie Versußerungshandlungen eines Unternehmers außerhalb des Insolvenzverfahrens.

294

Sehr problematisch ist die insolvenzrechtliche Zuordnung der Versußerungsgewinne zu den Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO bzw. zu den Masseverbindlichkeiten im Rang von § 55 InsO (ausfÅhrlich zum Meinungsstand s. obige AusfÅhrungen bei der Einkommensteuer, die fÅr die KÇrperschaftsteuer entsprechend gelten, Rz. 4.13 ff.). Soweit vor InsolvenzerÇffnung stille Reserven gebildet worden sind, sind die damit verbundenen Steuervorteile vorinsolvenzlich entstanden. Es ist dadurch im VermÇgen des Insolvenzschuldners zu einer latenten Steuerschuld gekommen, die erst bei Realisierung der stillen Reserve zur steuerrechtlichen Entstehung einer Schuld fÅhrt. Gleichwohl ist der die Schuld auslÇsende Vorgang bereits vorinsolvenzlich erfolgt, so dass ein maßgeblicher Akt, ohne den die Steuer nicht entstehen kÇnnte, vor InsolvenzerÇffnung liegt. Deswegen nehmen KÇrperschaftsteuerforderungen insoweit den Rang von Insolvenzforderungen ein, wie sie auf der Aufdeckung stiller Reserven basieren, die bereits vor der InsolvenzerÇffnung gebildet worden sind.

295

XIV. KÇrperschaftsteuerliche Organschaft Literatur Gockeln, Mindestvertragslaufzeit bei kÇrperschaftsteuerlicher Organschaft – Was sind fÅnf Jahre?, NWB 2010, 1312; Krau, Tatsschliche DurchfÅhrung des GewinnabfÅhrungsvertrages bei kÇrperschaftsteuerlicher Organschaft, StBp 2010, 65; Neu, Anerkennung eines kÇrperschaftsteuerlichen Organschaftsverhsltnisses, EFG 2007, 1108; Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2015; Scheidle/Koch, Zweifelsfragen bei der kÇrperschaftsteuerlichen Organschaft aufgrund mittelbarer Beteiligung, DB 2005, 2656.

1. Grundlagen Als Organschaft wird die steuerrechtliche Eingliederung einer eigenstsndigen juristischen Person in ein davon unabhsngiges Unternehmen bezeichnet.1 Um eine Organschaft zu bilden, sind ein Organtrsger, eine Or1 Leicht in Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Organschaft, Rz. 1.

498

B. KÇrperschaftsteuer

gangesellschaft, sowie die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organtrsger erforderlich.1 Organtrsger kÇnnen Unternehmen mit Sitz oder Geschsftsleitung im Inland oder Zweigniederlassungen auslsndischer Unternehmen mit Sitz im Inland sein (§§ 14 Abs. 1, 18 KStG). Sie kÇnnen entweder als Kapitalgesellschaft, ein anderes in § 1 KStG genanntes Steuersubjekt, Personengesellschaft oder unbeschrsnkt steuerpflichtige Personen organisiert sein. Sofern es sich bei dem Organtrsger um eine unbeschrsnkt steuerpflichtige Person handelt, so muss diese ein gewerbliches Unternehmen betreiben, damit die Voraussetzungen fÅr die Organschaft erfÅllt werden. Als Organgesellschaft kommen die europsische Gesellschaft, die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien (§ 14 Abs. 1 KStG) oder eine andere Kapitalgesellschaft wie z.B. die GmbH in Betracht (§ 17 KStG). Diese muss Geschsftsleitung und Sitz im Inland haben. Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen kÇnnen seit dem Veranlagungszeitraum 2002 keine Organgesellschaft mehr sein (§ 14 Abs. 2 KStG). Bis zum Veranlagungszeitraum 2000 musste die Organgesellschaft nicht nur finanziell, sondern auch wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organtrsgers eingegliedert sein. Seit dem Veranlagungszeitraum 2000 genÅgt die finanzielle Eingliederung. Finanziell eingegliedert ist die Organgesellschaft dann, wenn der Organtrsger in einem solchen Maße an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass dem Organtrsger die Mehrheit der Stimmrechte (also mehr als 50 %) aus den Anteilen der Organgesellschaft zusteht (§ 14 Abs. 1 Ziff. 1 KStG). Mittelbare Beteiligungen sind zu berÅcksichtigen (§ 14 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 2 KStG). Somit ist eine finanzielle Eingliederung beispielsweise auch dann gegeben, wenn die Muttergesellschaft nur 40 % der Tochtergesellschaft (TG 1) hslt, aber 100 % einer anderen Tochtergesellschaft (TG 2) hslt, die an TG 1 mit 60 % beteiligt ist. Die finanzielle Eingliederung muss bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahres vorliegen und darf nicht im Laufe des Wirtschaftsjahres unterbrochen werden.

4.296

Zwischen der Organgesellschaft und dem Organtrsger muss ein ErgebnisabfÅhrungsvertrag vorliegen (§§ 291 Abs. 1, 301 AktG). Der Vertrag muss fÅr mindestens fÅnf Jahre abgeschlossen sein und wshrend seiner Geltungsdauer auch tatsschlich durchgefÅhrt werden.2 § 14 Abs. 1 KStG fordert fÅr die steuerliche Anerkennung von GewinnabfÅhrungsvertrsgen keine fÅnfjshrige finanzielle Eingliederung, sondern eine fÅnfjshrige Mindestdauer des GewinnabfÅhrungsvertrages.3 Wesentlicher Inhalt eines ErgebnisabfÅhrungsvertrages ist die Verpflichtung der Organgesellschaft, ihren gesamten Gewinn an den Organtrsger abzufÅhren und die Verpflichtung des Organtrsgers, Verluste der Organgesellschaft auszugleichen

4.297

1 Danelsing in BlÅmich, § 14 KStG Rz. 1 ff. 2 FG Hamburg v. 19.5.2015 – 6 K 236/12, NV – NZB. I B 77/15. 3 FG DÅsseldorf v. 3.3.2015 – 6 K 4332/12, NZG 2015, 608.

499

298

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

(§ 302 AktG). Zur DurchfÅhrung eines Gewinn-/ErgebnisabfÅhrungsvertrages gehÇrt die bilanzielle Ermittlung bei der Organgesellschaft, die bilanzielle Erfassung beim Organtrsger und die tatsschliche ErfÅllung der Verbindlichkeit durch die Organgesellschaft.1 Die fÅnfjshrige Mindestdauer gem. § 14 Abs. 1 Ziff. 3 S. 1 KStG ist ein auf tatsschliche Umstsnde abstellendes Tatbestandsmerkmal, das einer fiktiven RÅckbeziehung nicht zugsnglich ist.2 Der ErgebnisabfÅhrungsvertrag wird in der Praxis nicht selten mit einem Beherrschungsvertrag kombiniert. Ein solcher Vertrag wird dann als „Organschaftsvertrag“ bezeichnet.3 Durch den Beherrschungsvertrag unterstellt sich eine abhsngige Gesellschaft der Leitung durch eine Obergesellschaft.4 Obergesellschaft ist der Organtrsger. Gemsß § 308 AktG wird das herrschende Unternehmen (Organtrsger) durch den Vertrag ermschtigt, dem Vorstand der abhsngigen Gesellschaft (Organgesellschaft) Weisungen zu erteilen. Der Organschaftsvertrag hat jedoch an Bedeutung verloren, nachdem die Organschaft auch bereits allein durch die Herstellung einer finanziellen Eingliederung erreicht werden kann. Das Einkommen der Organgesellschaft wird gem. § 14 Abs. 1 KStG dem Organtrsger zugerechnet. Ausgleichszahlungen i.S.d. § 16 KStG sind davon ausgenommen. Diese hat die Organgesellschaft selbst zu versteuern. Ferner ist ein Verlustabzug nach § 10d EStG gem. § 15 KStG bei der Organgesellschaft nicht mÇglich. Die Steuerbefreiungen nach § 8b KStG, sowie nach § 4 UmwStG sind auf die Organgesellschaft nicht anwendbar. Im Ergebnis fÅhrt dies dazu, dass Verluste der Organgesellschaft mit Gewinnen des Organtrsgers verrechnet werden kÇnnen. 2. Organschaft in der Insolvenz a) Insolvenz des Organtrlgers

299

Es ist zwischen der Insolvenz des Organtrsgers, der Insolvenz der Organgesellschaft und der gemeinsamen Insolvenz von Organgesellschaft und Organtrsger zu unterscheiden.

300

In der Insolvenz des Organtrsgers muss es nicht zwangslsufig zur Beendigung der Organschaft kommen, weil die Rechte des Mehrheitsgesellschafters auch in der Insolvenz des Organtrsgers von diesem – zwar in der Person des Insolvenzverwalters, aber immerhin dem Organtrsger zurechenbar – wahrgenommen werden kÇnnen.

301

Diejenige Auffassung, die den ErgebnisabfÅhrungsvertrag als mit ErÇffnung des Insolvenzverfahrens beendet betrachtet (sog. „Beendigungs1 2 3 4

FG Hamburg v. 19.5.2015 – 6 K 236/12, NV – NZB. I B 77/15. FG Hamburg v. 19.5.2015 – 6 K 236/12, NV – NZB. I B 77/15. Bultmann, ZInsO 2007, 785 ff. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 17, S. 503.

500

B. KÇrperschaftsteuer

lÇsung“)1 ist abzulehnen.2 Denn diese Auffassung verkennt, dass mit dem Wechsel von der KO zur InsO ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Nunmehr ist die FortfÅhrung des schuldnerischen Unternehmens der gesetzliche Regelfall, nicht mehr die Zerschlagung und Abwicklung. Zur Fortsetzung des betrieblichen Bestandes einer insolventen Obergesellschaft gehÇrt aber auch die Fortsetzung der Unternehmensstrukturen mitsamt ihren Beteiligungen. Auch die sog. „SuspendierungslÇsung“, welche den ErgebnisabfÅhrungsvertrag zwar weiterhin als bestehend ansehen will, ihn aber fÅr eine gewisse Dauer suspendiert,3 Åberzeugt nicht. Die Insolvenzordnung kennt nur den Fortbestand von Dauerschuldverhsltnissen (z.B. § 108 InsO), ihre Beendigung (z.B. §§ 115, 116 InsO) oder das Wahlrecht des Insolvenzverwalters gem. § 103 InsO. Suspendierte Dauerschuldverhsltnisse passen nicht in dieses System. Es mÅsste daher schon zwingende GrÅnde fÅr eine derartige Annahme geben, die aber fehlen.

4.302

Auszugehen ist daher mangels spezialgesetzlicher Regelung von dem Grundsatz des § 103 InsO. Demgemsß hat der Insolvenzverwalter grundsstzlich die MÇglichkeit der ErfÅllungswahl. § 103 InsO soll fÅr eine interessengerechten Ausgleich zwischen den Vertragsparteien bei beiderseits noch nicht vollstsndig erfÅllten Vertrsgen fÅhren.4 So kann der Insolvenzverwalter bei fÅr den insolventen Organtrsger gÅnstigen ErgebnisabfÅhrungsvertrsgen (wenn also Gewinne der Organgesellschaft zu erwarten sind) die ErfÅllung wshlen, andernfalls die NichterfÅllung. Hat der Insolvenzverwalter allerdings die ErfÅllung des ErgebnisabfÅhrungsvertrages nach § 103 InsO gewshlt, so ist die korrespondierende Verpflichtung, Verluste der Organgesellschaft auszugleichen (§ 302 AktG) Masseverbindlichkeit.

4.303

Das gesetzliche KÅndigungsrecht des § 297 Abs. 1 Satz 1 AktG steht, wenn Åberhaupt, nur der Organgesellschaft zu. Dies ergibt sich daraus, dass die Insolvenz des Organtrsgers nur fÅr die Organgesellschaft einen wichtigen Grund darstellt, denn nur fÅr diese kann bei ksrglicher Masse Unsicherheit bestehen, ob der Organtrsger seinen Verpflichtungen – insbesondere dem Verlustausgleich – nachkommen kann.

4.304

b) Insolvenz der Organgesellschaft Auf den ersten Blick erscheint es zwingend zu sein, dass die isolierte Insolvenz der Organgesellschaft nicht mÇglich ist, weil der Organtrsger

1 Bultmann, ZInsO 2007, 785 (786); noch zur Konkursordnung BGH v. 14.12.1987 – II ZR 170/87, BGHZ 103, 1 (6) = ZIP 1988, 229. 2 So auch J. Wagner in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 24.50; Rz. 24.57. 3 Kirchhof/Lwowski/StÅrner, MÅnchKomm/InsO, 2. Auflage 2008, Internationales Konzerninsolvenzrecht, Rz. 40. 4 Balthasar in Nerlich/RÇmermann, § 103 InsO Rz. 3.

501

4.305

306

307

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

zum Verlustausgleich verpflichtet ist.1 § 302 AktG enthslt jedoch keine generelle Verpflichtung zum Ausgleich jeglicher Verluste. Vielmehr bezieht sich die Verlustausgleichspflicht nur auf Verluste, die wshrend der Vertragsdauer entstehen. Verluste, die bereits vor dem Inkrafttreten des ErgebnisabfÅhrungsvertrages entstanden sind, kÇnnen also im Einzelfall dazu fÅhren, dass es nur zur Insolvenz der Organgesellschaft kommt. Außerdem begrÅndet die Verlustausgleichsverpflichtung keine Verpflichtung zur Liquiditstssicherung, so dass auch unterjshrig eintretende Zahlungsunfshigkeit der Organgesellschaft unabhsngig von der VerlustÅbernahmeverpflichtung der Obergesellschaft eintreten kann. Obwohl die Rechtsfrage keineswegs eindeutig zu beantworten ist, ist in der Insolvenz der Organgesellschaft nicht von einer zwingenden Beendigung der finanziellen Eingliederung und damit von einer zwingenden Beendigung der kÇrperschaftlichen Organschaft auszugehen.2 Zwar geht die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis bezÅglich des VermÇgens der Organgesellschaft gem. § 80 InsO mit InsolvenzerÇffnung auf den Insolvenzverwalter Åber. Der Organtrsger kann seine Stimmrechte aber nach wie vor ausÅben. Unerheblich ist, dass er in bestimmter Hinsicht durch den xbergang der Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis auf den Insolvenzverwalters beschnitten ist. ! Hinweis: Es kann sich durchaus die Situation einstellen, dass der Insolvenzverwalter der Organgesellschaft ein Interesse daran hat, an dem ErgebnisabfÅhrungsvertrag festzuhalten und die Sanierung des Unternehmens zu betreiben.

Der Fortbestand des ErgebnisabfÅhrungsvertrages stellt bei hinreichender Solvenz der Organgesellschaft sicher, dass der Insolvenzverwalter Verluste, die sich aus der vorlsufigen FortfÅhrung des schuldnerischen Unternehmens und seiner Sanierung ergeben, ausgeglichen erhslt. Vor diesem Hintergrund kann es durchaus aus Verwalter- und Glsubigersicht hingenommen werden, dass eine korrespondierende Verpflichtung besteht, wshrend der Vertragsdauer anfallende Gewinne als Masseverbindlichkeit an die Organgesellschaft abzufÅhren. Ein schutzwÅrdiges Interesse des Organtrsgers an einer Beendigung des ErgebnisabfÅhrungsvertrages – ohne gesetzliche Grundlage – besteht nicht. c) Insolvenz von Organtrlger und Organgesellschaft Wird sowohl Åber das VermÇgen der Organgesellschaft als auch des Organtrsgers das Insolvenzverfahren erÇffnet, wird teilweise angenommen, die Organschaft ende ohne weiteres, weil die VermÇgensabfÅhrung der Organgesellschaft an den Organtrsger dem Zweck des Insolvenzverfahrens widerspreche, so dass der ErgebnisabfÅhrungsvertrag „nicht mehr

1 So auch SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 88d. 2 So zu Recht Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1656; anders Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 151.

502

B. KÇrperschaftsteuer

durchgefÅhrt“1 werden kÇnne. In dieser Allgemeinheit kann dem nicht gefolgt werden.2 Aus Sicht der Insolvenzglsubiger der Organgesellschaft kann es durchaus wirtschaftlich zweckmsßig erscheinen, einen ErgebnisabfÅhrungsvertrag auch mit der insolventen Organgesellschaft aufrecht zu erhalten. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sie Gewinne der Organgesellschaft erwarten. Um diese abgefÅhrt zu erhalten, kann es durchaus sein, dass sie das Risiko in Kauf nehmen, mit Mitteln der Insolvenzmasse Verluste der Organgesellschaft ausgleichen zu mÅssen (§ 302 AktG). Auch kann das KalkÅl bei einer großen Organtrsgergesellschaft durchaus dahin gehen, einen (vorÅbergehenden) Verlustausgleich bewusst in Kauf zu nehmen, um mit Mitteln der Insolvenzmasse des Organtrsgers zu einer Sanierung der Organgesellschaft beizutragen, um spster die Beteiligung an der Organgesellschaft gewinnbringend versußern zu kÇnnen. Aus Sicht der Insolvenzglsubiger der Organgesellschaft kann umgekehrt ein Interesse daran bestehen, an dem ErgebnisabfÅhrungsvertrag festzuhalten und die Sanierung des Unternehmens zu betreiben – ggf. unter Inanspruchnahme der Verlustausgleichsverpflichtung des Organtrsgers. Vor diesem Hintergrund kann es durchaus aus Verwalter- und Glsubigersicht akzeptabel sein, dass eine korrespondierende Verpflichtung besteht, wshrend der Vertragsdauer anfallende Gewinne als Masseverbindlichkeit an die Organgesellschaft abzufÅhren. Die Grundvoraussetzung einer kÇrperschaftsteuerlichen Organschaft – nsmlich der Fortbestand des ErgebnisabfÅhrungsvertrages – kann also bei beiderseitiger ErfÅllungswahl mÇglich sein. Solange sich in der Insolvenzmasse des Organtrsgers hinreichend Anteile an der Organgesellschaft befinden, damit der Insolvenzverwalter des Organtrsgers die Mehrheit der Stimmrechte in der Organgesellschaft inne hat, ist bei fortbestehenden ErgebnisabfÅhrungsvertrag auch von einem Fortbestand der kÇrperschaftsteuerlichen Organschaft auszugehen.

XV. Sanierungsgewinne Literatur Bareis, Mindestbesteuerung und Liquidationszeitraum, DB 2013, 1265; Bergmann, Einheitlicher Besteuerungszeitraum und Zwischenveranlagungen in Liquidation und Insolvenz, GmbHR 2012, 943; Bethmann/Mammen/Sassen, Analyse gesetzlicher Ausnahmetatbestsnde zum Erhalt kÇrperschaftsteuerlicher Verlustvortrsge, StB 2012, 148; Blumenberg/Haisch, Die unionsrechtliche Beihilfeproblematik der Sanierungsklausel nach § 8c Abs. 1a KStG, FR 2012, 12; Braun/Geist, Forderungsverzichte im „Bermudadreieck“ von Sanierungsgewinn, Verlustverrechnung und Mindestbesteuerung, BB 2013, 351; Zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen – Bestandsaufnahme und Empfehlungen, BB 2009, 2508; Bruschke, Der steuerfreie Sanierungsgewinn, DStZ 2009, 166; Steuerliche VergÅnstigungen bei Sanierungs1 SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 88e. 2 So auch J. Wagner in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 24.60.

503

4.308

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz gewinnen, ZSteu 2009, 298; Cahn/Simon/Theiselmann, Nennwertanrechnung beim Debt Equity Swap!, DB 2012, 501; DrÅen/Schmitz, Zur Unionrechtskonformitst des Verlustuntergangs bei KÇrperschaften, GmbHR 2012, 485; DÅll/Fuhrmann/Eberhard, Aktuelles Beratungs-Know-how mittelstsndischer Kapitalgesellschaften, DStR 2003, 862; Ebbinghaus/Neu, Der Sanierungsgewinn bei Einstellung der Geschsftststigkeit, DB 2012, 2831; Ebbinghaus/Osenroth/Hinz, SchuldÅbernahme durch Gesellschafter als Sanierungsinstrument unter BerÅcksichtigung der Schenkungsteuer, BB 2013, 1374; Ekkenga, Neuerliche Vorschlsge zur Nennwertanrechnung beim Debt-Equity-Swap – Erkenntnisfortschritt oder Wiederbelebungsversuche am untauglichen Objekt?, DB 2012, 331; Farle, Verbindlichkeiten in der Liquidation – xberprÅfung verbindlicher AuskÅnfte, DStR 2012, 1590; Fromm, Der Debt-Equity-Swap als Sanierungsbeitrag im Zeitpunkt der xberschuldung, ZInsO 2012, 1253; Geist, Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen – Zur Anwendbarkeit, Systematik und Auslegung des BMF-Schreibens vom 27.3.2003, BB 2008, 2658; Die ordentliche Liquidation einer GmbH unter dem Einfluss von Mindestbesteuerung und steuerfreiem Sanierungsgewinn, GmbHR 2008, 969; Gondert/BÅttner, Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen – Anmerkungen zum Urteil des Finanzgerichts MÅnchen v. 12.12.2007, DStR 2008, 1676; Haase/Dorn, Forderungsverzicht als zwingende Folge der Liquidation einer verbundenen Unternehmung?, BB 2011, 2907; Herzig, Ertragsteuerliche Begleitmaßnahmen zur Modernisierung des Insolvenzrechts, WPg 2011, Sonderheft, 27; Hoffmann, Der Debt-Mezzanine-Swap, StuB 2012, 417; Billigkeitsregelung zur Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen unwirksam, EFG 2008, 616; Horst, xberblick Åber Entschuldungsinstrumente und ihre bilanz- und steuerrechtlichen Auswirkungen, DB 2013, 656; Janssen, Sanierungserlass nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens, NWB 23/2010, 1854; Steuererlass in Sanierungsfsllen – faktisches Wiederaufleben des § 3 Nr. 66 EStG a.F.?, BB 2005, 1026; Erlass von Steuern auf Sanierungsgewinne, DStR 2003, 1055; Kahlert, Passivierung eines RangrÅcktritts in der Steuerbilanz, NWB 26/2012, 2141; Ein Plsdoyer fÅr eine gesetzliche Regelung der Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns, ZIP 2009, 643; Kahlert/Schmidt, LÇst ein Forderungsverzicht zu Sanierungszwecken nach § 7 Abs. 8 ErbStG Schenkungsteuer aus?, DStR 2012, 1208; Karl, Verfassungswidrigkeit oder teleologische Reduktion des § 8c KStG bei mittelbarer AnteilsÅbertragung von Verlustgesellschaften, BB 2012, 92; Kerz, Sanierungsbescheinigungen als neues Tstigkeitsfeld, DStR 2012, 204; Khan/Adam, Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen aus steuerrechtlicher, insolvenzrechtlicher und europarechtlicher Sicht, ZInsO 2008, 899; Klusmeier, Richtige Formulierung des qualifizierten RangrÅcktritts – aus steuerlicher Sicht, ZInsO 2012, 965; Kroener/Momen, Debt-Mezzanine-Swap – Die OFD Rheinland auf dem Irrweg?, DB 2012, 829; Kroninger/Korb, Die Handhabung von Sanierungsgewinnen vor und nach dem Urteil des Finanzgerichts MÅnchen vom 12.12.2007, BB 2008, 2656; Maile, SchenkSt beim Forderungsverzicht im Sanierungsfall?, DB 2012, 1952; Mertzbach, Aktuelle steuerliche Probleme im Insolvenzplanverfahren von Kapitalgesellschaften, GmbHR 2013, 75; Nolte, Ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen, NWB Nr. 46 v. 14.11.2005, Fach 3, 13735; Rauber, Erlass der Gewerbesteuer fÅr Sanierungsgewinne?, Gemeindehaushalt 2010, 83; Richter/ Pluta, Bescheinigung zum Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO nach IDW ES 9 im Praxistest, BB 2012, 1591; Roth, Aufdeckung stiller Reserven im Insolvenzverfahren, FR 2013, 441; Schmid; Der erfolgswirksame RangrÅcktritt – Die BFH-Entscheidung des I. Senats v. 30.11.2011 – I R 100/10, FR 2012, 837; Schmittmann in Schmidt, Insolvenzordnung 18. Aufl., MÅnchen 2013, § 155 InsO, Anhang Steuerrecht Rz. 147 ff.; Schneider/HÇpfner, Die Sanierung von Konzernen durch Eigenverwaltung und Insolvenzplan, BB 2012, 87; Steinbach/Claußen, Die Bilanzierung latenter Steuern in der Liquidations-Rechnungslegung nach HGB, ZInsO 2013, 1109;

504

B. KÇrperschaftsteuer StrÅber/von Donat, Die ertragsteuerliche Freistellung von Sanierungsgewinnen durch das BMF, Schr. v. 27.3.2003, BB 2003, 2036; Thouet, Der Sanierungserlass des BMF – (k)eine Rechtswohltat contra legem, ZInsO 2008, 664; TÇben, Keine Steuer auf Sanierungsgewinne: Ein Gebot der Stunde – kein Privileg!, DB 2010, Heft 18, M1; Uhlnnder, Der Steuerberater als Lotse in der Krise des Mandanten!, Gast-Editorial, NWB 26/2012, 2113; Aktuelles Insolvenzsteuerrecht 2010, 81 ff.; Erlass der Einkommensteuer auf den Sanierungsgewinn, ZInsO 2005, 76; Wagner, BB-Kommentar zum Urteil des FG KÇln v. 24.4.2008, BB 2008, 2671; Weitnauer, Der RangrÅcktritt – Welche Anforderungen gelten nach aktueller Rechtslage?, GWR 2012, 193; Willeke, Klare Anforderungen an Sanierungskonzepte, StuB 2013, 144.

Sanierungsgewinne sind „ErhÇhungen des BetriebsvermÇgens, die dadurch eintreten, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden“.1 Im Fall der Insolvenz kommt es oft dadurch zur Entstehung von Sanierungsgewinnen, dass Glsubiger im Wege eines Insolvenzplans (teilweise) auf ihre Forderungen verzichten. Bis zum 31.12.1997 wurden solche Gewinne gem. § 3 Ziff. 66 EStG von der Einkommensteuer befreit. Diese Vorschrift war gem. § 8 KStG auch auf die KÇrperschaftsteuer anwendbar, so dass auf Sanierungsgewinne keine KÇrperschaftsteuer erhoben wurde. Mit Abschaffung dieser Vorschrift wurden Sanierungsgewinne grundsstzlich steuerpflichtig. BegrÅndet wurde die Abschaffung damit, dass es zu keiner DoppelbegÅnstigung Åber die Steuerfreiheit der Sanierungsgewinne einerseits und die Beibehaltung der verrechenbaren Verluste andererseits kommen sollte.2 Das BMF hat im Einvernehmen mit den obersten FinanzbehÇrden der Lsnder mit Schreiben vom 27.3.20033 eine Verwaltungsvorschrift erlassen, das die Rechtsfolge des frÅheren § 3 Ziff. 66 EStG im Wege der Billigkeit – zum Teil – wieder in Kraft setzt. Die von der Rechtsprechung zum frÅheren § 3 Ziff. 66 EStG gefundenen Rechtsgrundsstze wurden in dem BMF-Schreiben inhaltlich Åbernommen. Voraussetzungen fÅr die Annahme eines begÅnstigten Sanierungsgewinns sind SanierungsbedÅrftigkeit und Sanierungsfshigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung des Schulderlasses und die Sanierungsabsicht der Glsubiger; ausfÅhrlich zu Sanierungsgewinnen s. obige AusfÅhrungen zur Einkommensteuer (Rz. 4.20 f.).

4.309

Nach dem BMF-Schreiben v. 27.3.2003 gilt fÅr Sanierungsgewinne folgendes: – Die Erhebung der Steuer auf einen nach AusschÇpfen der ertragsteuerrechtlichen VerlustverrechnungsmÇglichkeiten verbleibenden Sanierungsgewinn bedeutet fÅr den Steuerpflichtigen aus sachlichen BilligkeitsgrÅnden eine erhebliche Hsrte. – Die entsprechende Steuer ist daher auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 163 AO abweichend festzusetzen (Satz 3 ff.) und nach § 222 AO

4.310

1 BMF v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, DStR 2003, 690. 2 Maus in Uhlenbruck, § 80 InsO Rz. 39. 3 BMF v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, DStR 2003, 690.

505

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

mit dem Ziel des spsteren Erlasses (§ 227 AO) zunschst unter Widerrufsvorbehalt ab Fslligkeit (AEAO zu § 240 Nr. 6a) zu stunden. – Zu diesem Zweck sind die Besteuerungsgrundlagen in der Weise zu ermitteln, dass Verluste/negative EinkÅnfte unbeschadet von Ausgleichsund Verrechnungsbeschrsnkungen fÅr die Anwendung des BMF-Schreibens im Steuerfestsetzungsverfahren bis zur HÇhe des Sanierungsgewinns vorrangig mit dem Sanierungsgewinn verrechnet werden. – Eine Stundung oder ein Erlass aus persÇnlichen GrÅnden ist zulsssig. Der X. Senat des BFH hat nun dem Großen Senat die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob das BMF-Schreiben v. 27.3.2003 gegen den Grundsatz der Gesetzmsßigkeit der Verwaltung verstoße.1

XVI. Auswirkungen der Anzeige der Masseunzullnglichkeit

311

Gemsß § 208 InsO kann der Insolvenzverwalter Masseunzulsnglichkeit anzeigen, sofern die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt sind, die Insolvenzmasse jedoch nicht ausreicht, um die fslligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfÅllen bzw. voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die sonstigen Masseverbindlichkeiten bei Fslligkeit zu erfÅllen. Nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit hat der Insolvenzverwalter eine gesnderte Befriedigungsreihenfolge zu beachten (§ 209 InsO). Die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit i.S.d. § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO ist gem. § 210 InsO ab Anzeige der Masseunzulsnglichkeit unzulsssig. Bezogen auf die Kraftfahrzeugsteuer hat der BFH2 entschieden, dass die Steuer zwar festgesetzt werden kann, es jedoch bei dem Vollstreckungsverbot bleibt. Dieser Grundsatz kann auf die KÇrperschaftsteuer Åbertragen werden, so dass auch diese nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit festgesetzt werden kann. Eine Vollstreckung aber ist unzulsssig.

312

Die KÇrperschaftsteuer, die auf den Veranlagungszeitraums entfsllt, in dem die Masseunzulsnglichkeit angezeigt wird, ist aufzuteilen. Der Teil der einheitlichen Jahressteuerschuld, der auf die Zeit vor der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit entfsllt, ist Altmasseverbindlichkeit, der Åbrige Teil ist Neumasseverbindlichkeit. Insoweit gelten die obigen AusfÅhrungen zur Einkommensteuer entsprechend, s. Rz. 4.224 f.

1 BFH v. 25.3.2015 – X R 23/13, DStR 2015, 1443. 2 BFH v. 29.8.2007 – IX R 58/06, ZIP 2007, 2083 = BStBl. II 2008, 322.

506

C. Umsatzsteuer

C. Umsatzsteuer I. Grundlagen Der Umsatzsteuer unterliegen gem. § 1 Abs. 1 Ziff. 1 UStG die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausfÅhrt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tstigkeit selbstsndig ausÅbt. Nichtselbstsndig tstig sind natÅrliche Personen nach § 2 Abs. 2 Ziff. 1 UStG, soweit sie in einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen eines Unternehmers zu folgen verpflichtet sind. Die Frage, ob jemand eine Tstigkeit selbstsndig oder nichtselbstsndig ausÅbt, ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen.1 Es mÅssen die fÅr und gegen die Unternehmereigenschaft sprechenden Merkmale, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden kÇnnen, gegeneinander abgewogen werden; maßgebend ist anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Kriterien das Gesamtbild der Verhsltnisse.2 FÅr Selbstlndigkeit sprechen insbesondere die Selbstsndigkeit in Organisation und DurchfÅhrung der Tstigkeit, das Unternehmerrisiko (VergÅtungsrisiko), die Unternehmerinitiative, die Bindung nur fÅr bestimmte Tage an den Betrieb und geschsftliche Beziehungen zu mehreren Vertragspartnern.3 Die sozial- und arbeitsrechtliche Einordnung der Tstigkeit als selbstsndig oder unselbstsndig ist fÅr die umsatzsteuerliche Beurteilung ohne Bedeutung.4 Mit Subunternehmervertrag beauftragte Auslieferungsfahrer, denen die Auslieferungsrouten vorgegeben sind und die Åber kein wesentliches AnlagevermÇgen verfÅgen, weil die Fahrzeuge gestellt werden, sind nach dem Gesamtbild der Verhsltnisse beispielsweise nicht als umsatzsteuerpflichtige selbstsndige Unternehmer anzusehen, selbst wenn im Krankheits- und Urlaubsfall kein Lohnfortzahlungsanspruch besteht.5

4.313

FÅr die Besteuerung eines Unternehmers (§ 2 Abs. 1 UStG) als Steuerschuldner (§ 13 Abs. 2 Ziff. 1 UStG) ist maßgebend, ob und welche Lieferungen oder sonstige Leistungen von ihm erbracht werden. FÅr die Bestimmung der Leistungen und der Leistungsbeziehungen folgt das Umsatzsteuerrecht grundsstzlich dem Zivilrecht. Gemsß § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen eines Unternehmers Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befshigt, im eigenen Namen Åber einen Gegenstand zu verfÅgen (Verschaffung der VerfÅgungsmacht). Sonstige Leistungen sind gem. § 3 Abs. 9 UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind. Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Ziff. 1 UStG wird einer Lieferung gegen Entgelt die Entnahme eines Ge-

4.314

1 FG NÅrnberg v. 11.8.2009 – 2 K 471/2009 (NV). 2 BFH v. 2.12.1998 – X R 83/96, BStBl. II 1999, 534; v. 20.12.2004 – VI B 137/03, BFH/NV 2005, 552. 3 FG NÅrnberg v. 11.8.2009 – 2 K 471/2009 (NV). 4 BFH v. 29.7.2003 – V B 22/03, BFH/NV 2003, 1615 (1616). 5 FG Hess. v. 28.10.2004 – 6 K 1405/99, EFG 2005, 573 (573).

507

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

genstandes durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen fÅr Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, gleichgestellt. Bei § 3 Abs. 1b UStG handelt es sich um eine gegenÅber § 3 Abs. 1 UStG eigenstsndige Regelung. So liegt eine Entnahme z.B. nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Ziff. 1 UStG auch dann vor, wenn der Unternehmer einen Gegenstand fÅr eigene nichtunternehmerische Zwecke entnimmt und somit keinem Abnehmer – wie von § 3 Abs. 1 UStG vorausgesetzt – VerfÅgungsmacht verschafft wird.1 Ist eine Lieferung sowohl fÅr den unternehmerischen Bereich als auch fÅr den nichtunternehmerischen Bereich des Unternehmens vorgesehen (sog. gemischte Nutzung), hat der Unternehmer ein Zuordnungswahlrecht.2 Er kann den Gegenstand insgesamt oder im Umfang der tatsschlichen unternehmerischen Verwendung seinem Unternehmen zuordnen oder ihn in vollem Umfang seinem nichtunternehmerischen Bereich zuordnen, wodurch er dem Mehrwertsteuersystem vollstsndig entzogen wird.3 Die Zuordnungsentscheidung eines Gegenstandes zum Unternehmen erfordert eine durch Beweisanzeichen gestÅtzte Zuordnungsentscheidung des Unternehmers bei der Anschaffung, Herstellung oder Einlage des Gegenstandes; dabei ist die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs regelmsßig ein gewichtiges Indiz fÅr, die Unterlassung des Vorsteuerabzugs ein ebenso gewichtiges Indiz gegen die Zuordnung eines Gegenstandes zum Unternehmen.4 Die im Zeitpunkt des Leistungsbezugs zu treffende Zuordnungsentscheidung des Unternehmers ist in der Regel in der Umsatzsteuer-Voranmeldung des Voranmeldungszeitraums, in den der Leistungsbezug fsllt, spstestens aber in der Umsatzsteuererklsrung fÅr das Jahr, in das der Leistungsbezug fsllt, nach außen hin zu dokumentieren.5

315

Der Umsatz wird nach dem Entgelt bemessen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG). Entgelt ist alles, was der Leistungsempfsnger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzgl. der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG).

316

Die Umsatzsteuer ist grundsstzlich nach vereinbarten Entgelten (Sollbesteuerung) zu berechnen (§ 16 Abs. 1 UStG). Steuerberechnung nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) ist bei Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von nicht mehr 500 000 Euro im Vorjahr, NichtbuchfÅhrungspflichtigen und AngehÇrigen freier Berufe mÇglich (§ 20 UStG). Die Umsatzsteuer betrsgt seit 1.1.2007 fÅr jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 v.H. der Bemessungsgrundlage (§ 12 Abs. 1 UStG; vom 1.4.1998 bis 31.12.2006 16 v.H.); sie ermsßigt sich fÅr verschiedene Umsstze auf 7 v.H. (§ 12 Abs. 2 UStG).

1 FG MÅnchen v. 16.7.2009 – 14 K 4671/06, BeckRS 2009 26027872. 2 BFH v. 26.6.2009 – V B 34/08, BFH/NV 2009, 2011 (2011). 3 EuGH v. 21.4.2005 – Rs. C-25/03 – HE, Slg. 2005, I-3123 = BFH/NV Beilage 2005, 196, Rz. 46. 4 BFH v. 26.6.2009 – V B 34/08, BFH/NV 2009, 2011 (2012). 5 BFH v. 26.6.2009 – V B 34/08, BFH/NV 2009, 2011 (2012).

508

C. Umsatzsteuer

Ein Unternehmer kann gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 UStG die in Rechnungen i.S.d. § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer fÅr Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern fÅr sein Unternehmen ausgefÅhrt worden sind, abziehen. Der Vorsteuerabzug erfordert, dass der diesen geltend machende Unternehmer Leistungsempfsnger der den Rechnungen zugrunde liegenden Lieferungen oder sonstigen Leistungen von anderen Unternehmern ist. Nach § 15 Abs. 2 Ziff. 1 UStG ist jedoch die Steuer fÅr Leistungen, die der Unternehmer zwar gem. § 15 Abs. 1 UStG fÅr sein Unternehmen bezieht, aber in dessen Rahmen zur AusfÅhrung steuerfreier Umsstze verwendet, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Nach § 9 Abs. 1 UStG kann der Unternehmer allerdings bestimmte Umsstze, die § 4 UStG steuerfrei sind, als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer fÅr dessen Unternehmen ausgefÅhrt wird. FÅr die Voraussetzung des Vorsteuerabzugs ist der diesen begehrende Unternehmer darlegungs- und beweispflichtig.1

4.317

Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist, schuldet den ausgewiesenen Betrag, § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG. Die Vorschrift dient der Umsetzung des Art. 21 Abs. 1 Buchst. d der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG (6. EG-Richtlinie; heute: Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates Åber das gemeinsame Mehrwertsteuersystem – Mehrwertsteuer-SystemRL), wonach Mehrwertsteuer von jeder Person geschuldet wird, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist. Gleiches gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er eine Lieferung oder Leistung nicht ausgefÅhrt hat (§ 14c Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 UStG).2

4.318

Nach BerÅcksichtigung der abziehbaren Vorsteuer- und KÅrzungsbetrsge verbleibt eine Zahllast bzw. ein Steuererstattungsanspruch gegenÅber dem Finanzamt, der im Wege der Umsatzsteuervorauszahlung oder -rÅckzahlung monatlich oder vierteljshrlich beglichen wird.

4.319

Gemsß § 13 Abs. 1 Ziff. 1a) Satz 4 UStG entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist. Unabhsngig von dieser steuerrechtlichen Entstehungsvoraussetzung des Ablaufs des Voranmeldungszeitraumes kommt es fÅr die insolvenzrechtliche Qualifizierung der Forderungen auf die Verwirklichung des Lebenssachverhaltes an, auf dem die Steuerforderung beruht. Es ist die BegrÅndetheit der Umsatzsteuer (§ 38 InsO) von ihrer Entstehung (§ 38 AO i.V.m. § 13 UStG) und ihrer Fslligkeit (§ 220 AO i.V.m. § 18 UStG) zu unterscheiden. Nur die BegrÅndetheit ist fÅr die Beurteilung der insolvenzrechtlichen Forderungsqualitst der Umsatzsteuer-

4.320

1 FG Nds. v. 26.8.2009 – 16 K 56/09, DStRE 2010, 169 (169). 2 Vgl. hierzu FG ThÅr. v. 23.7.2009 – 2 K 184/07, EFG 2009, 1684 (1685).

509

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

schuld maßgeblich (Rz. 4.327). Die steuerrechtliche Entstehung ist insoweit nicht maßgeblich.1

321

Der Unternehmer hat fÅr das Kalenderjahr oder ggf. einen kÅrzeren Besteuerungszeitraum eine Steuererkllrung abzugeben (§ 18 Abs. 3 UStG). Im Vorgriff auf die Steuererklsrung und die spstere Veranlagung hat der Unternehmer jeweils bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Kalendervierteljahres bzw. Kalendermonats (Voranmeldungszeitraum) eine Voranmeldung abzugeben und eine Umsatzsteuervorauszahlung zu leisten (§ 18 Abs. 1 und 2 UStG). Bei Unternehmern, deren Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr mehr als 7 500 Euro betragen hat, ist der Kalendermonat Voranmeldungszeitraum (§ 18 Abs. 2 UStG). Auf Antrag kann das Finanzamt die Fristen fÅr die Abgabe der Voranmeldung und fÅr die Entrichtung der Vorauszahlungen um einen Monat verlsngern (sog. Dauerfristverlsngerung). Betrsgt die Steuer fÅr das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1 000 Euro, kann das Finanzamt von der Abgabe der Voranmeldung und der Vorauszahlung befreien.

322

FÅr die Umsatzsteuer mit Ausnahme der Einfuhrumsatzsteuer ist das Finanzamt zustsndig, von dessen Bezirk aus der Unternehmer sein Unternehmen ganz oder vorwiegend betreibt (§ 21 Abs. 1 Satz 1 AO).

323

II. Praktische Bedeutung der Umsatzsteuer im Insolvenzverfahren Die Umsatzsteuer ist der HÇhe nach die nach der Lohnsteuer zweitgrÇßte Einnahmequelle des Staates. Das Aufkommen der Umsatzsteuer betrug in 2014 ca. 154 Mrd. Euro.2 Damit liegt der Anteil der Umsatzsteuer am Gesamtsteueraufkommen der Bundesrepublik Deutschland bei ungefshr 24 Prozent. Auch im Insolvenzverfahren spielt die Umsatzsteuer von allen Steuerarten die wohl grÇßte Rolle. Das hat nicht nur etwas mit der enormen wirtschaftlichen Bedeutung zu tun, die umsatzsteuerrechtliche Fragen in den allermeisten Insolvenzverfahren einnehmen und damit erheblichen Einfluss auf die Befriedigungsquoten der Insolvenzglsubiger haben, sondern es hat auch viel mit rechtlichen Problemen zu tun, die zum Teil heftig umstritten sind und bereits in den Grundlagen uneinheitlich gesehen werden.

1 BFH v. 29.1.2009 – V R 64/07, BStBl. II 2009, 682 = ZIP 2009, 977; v. 13.11.1986 – V R 59/79, BStBl. II 1987, 226 = ZIP 1987, 119; v. 21.12.1988 – V R 29/86, BStBl. II 1989, 434 = ZIP 1989, 384; vgl. auch BFH v. 29.3.1984 – IV R 271/83, BStBl. II 1984 = ZIP 1984, 853, 602; v. 30.4.2007 – VII B 252/06, ZIP 2007, 1277 = BFH/NV 2007, 1395; v. 1.4.2008 – X B 201/07, ZIP 2008, 1780 = BFH/NV 2008, 925. 2 Statistisches Bundesamt DESTATIS InternetverÇffentlichung, abgerufen am 9.8.2015 unter https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/ OeffentlicheFinanzenSteuern/Steuern/Steuerhaushalt/Tabellen/KassenmaessigeSteuereinnahmen.html.

510

C. Umsatzsteuer

In kleinen Insolvenzverfahren kann die Frage, ob der Insolvenzmasse die Vorsteuer aus der VergÅtung und den Auslagen des (vorlsufigen) Insolvenzverwalters als Vorsteuer erstattet wird, bereits fÅr die Frage der Verfahrenskostendeckung (§ 54 InsO) entscheidend sein und damit den Ausschlag geben, ob ein Insolvenzverfahren Åberhaupt erÇffnet werden kann. Die MindestvergÅtung des Insolvenzverwalters betrsgt fÅr das erÇffnete Insolvenzverfahren 1 000 Euro (§ 2 Abs. 2 InsVV), die Auslagen 150 Euro (§ 8 InsVV). Ist der Schuldner vorsteuerabzugsberechtigt, so mÅssen also fÅr den Insolvenzverwalter im erÇffneten Verfahren nur 1 150 Euro veranschlagt werden; ist der Schuldner hingegen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, so muss die Umsatzsteuer zusstzlich aus der Insolvenzmasse getragen werden; die Kosten fÅr den Insolvenzverwalter inklusive Auslagen belaufen sich dann bereits auf 1 368,50 Euro. Gleiches gilt freilich auch fÅr die VergÅtung und die Auslagen des vorlsufigen Insolvenzverwalters und des Sachverstsndigen (§ 5 InsO), aber auch fÅr Leistungen, die der Insolvenzverwalter im Rahmen der Verfahrensabwicklung von Dritten in Anspruch nehmen muss, wie etwa Steuerberaterleistungen oder Verwertungskosten. Daher wirkt sich die Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung nicht nur auf die Frage der Verfahrenskostendeckung und damit auf die Frage aus, ob ein Insolvenzverfahren Åberhaupt erÇffnet werden kann, sondern sie wirkt sich auch erheblich auf die Befriedigungsquoten der Insolvenzglsubiger aus.

4.324

Rechtlich sind im Hinblick auf die Umsatzsteuer im Insolvenzverfahren viele Fragen ungeklsrt. Zwar hat die Rechtsprechung, allen Gerichten voran der BFH, in den vergangenen Jahren viele Fragestellungen geklsrt. Viele Einzelfragen sind aber offen geblieben oder inzwischen sogar von verschiedenen FG entgegen der vorhandenen Rechtsprechung des BFH entschieden worden. Zwar haben sich der V. Senat und der VII. Senat des BFH bei der Frage, welche Voraussetzungen fÅr die Einordnung eines Umsatzsteueranspruchs zu den Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten gegeben sind, auf eine gemeinsame Linie verstsndigt. Welche Auswirkungen diese nunmehr gemeinsame Linie aber auf bestimmte Fragen der Aufrechnung oder Berichtigung hat, ist noch nicht abschließend geklsrt.

4.325

Nicht zuletzt birgt die Verwertung von Sicherungsgut eine nahezu unendliche FÅlle von Fallgestaltungen, die differenzierter umsatzsteuerlicher Betrachtung bedarf. Bei keiner anderen Steuerart kann der Insolvenzverwalter so viele, wichtige und gefahrtrschtige Weichenstellungen zugunsten oder zu Ungunsten der Insolvenzmasse treffen, wie bei der Umsatzsteuer.

4.326

511

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

III. Insolvenzrechtliche Qualitlt der Umsatzsteuerschuld 1. Rechtsprechungsvereinheitlichung bei der Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten

327

Nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens kÇnnen Insolvenzglsubiger ihre Insolvenzforderungen i.S.v. § 38 InsO und damit ihre zur Zeit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner „begrÅndeten“ VermÇgensansprÅche nur nach den Vorschriften Åber das Insolvenzverfahren verfolgen (§ 87 InsO). AnsprÅche aus einem Steuerschuldverhsltnis, die gem. § 174 InsO als Insolvenzforderung zur Eintragung in die Tabelle anzumelden sind, dÅrfen deshalb nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens von den Finanzsmtern nicht mehr durch Steuerbescheid festgesetzt, sondern nur erforderlichenfalls durch Verwaltungsakt festgestellt werden (Rz. 3.187). Diese Einschrsnkungen gelten jedoch nicht fÅr Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO, die durch Steuerbescheid gegenÅber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen sind und die der Insolvenzverwalter nach § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO aus der Insolvenzmasse zu bezahlen hat (Rz. 3.191).1 Zu den Masseverbindlichkeiten gehÇren gem. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begrÅndet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehÇren. Gleiches gilt nach § 55 Abs. 1 Ziff. 2 InsO fÅr Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Vertrsgen, soweit deren ErfÅllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder fÅr die Zeit nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss und nach § 55 Abs. 4 InsO fÅr Steuerverbindlichkeiten, die durch einen vorlsufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt begrÅndet worden sind. Hinsichtlich der Verbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO sind viele Streitfragen aufgetaucht, die noch offen sind (vgl. dazu ausfÅhrlich unten Rz. 4.340 ff.).

328

Nach nunmehr einheitlicher Rechtsprechung des V. und VII. Senats des BFH kommt es fÅr die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten in Bezug auf Umsatzsteuerforderungen des Finanzamtes darauf an, ob der zugrunde liegende Lebenssachverhalt vor oder nach InsolvenzerÇffnung tatbestandlich vollstsndig abgeschlossen worden ist.2 Um diese Rechtsprechung mit einem kurzen Begriff zu beschreiben, bÅrgert sich die Begrifflichkeit der „Theorie der vollstlndigen Tatbestandsverwirklichung“ ein. Der VII. Senat des BFH hatte zuvor die Auffassung vertreten, fÅr die Einordnung der Umsatzsteuerforderungen zu den Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten komme es entscheidend darauf an, wann die Steuerforderung „ihrem Kern nach“ insol-

1 FG BW v. 27.5.2009 – 1 K 105/06, BStBl. II 1989, 434; BFH v. 29.8.2007 – IX R 4/07, BStBl. II 2010, 145 = ZIP 2007, 2081 = BFH/NV 2007, 2429 = BFHE 218, 435. 2 BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 = ZIP 2011, 782 = ZInsO 2011, 823; v. 25.7.2012 – VII R 29/11, BStBl. II 2013, 36 = ZIP 2012, 2217 = NZI 2012, 1022 (ausdr. Aufgabe der frÅheren Rechtsprechung des VII. Senats).

512

C. Umsatzsteuer

venzrechtlich „angelegt“ worden sei. Diese Rechtsprechung ist nunmehr Åberholt, weswegen an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen wird.1 Dem jetzt bestehenden Konsens zwischen dem V. Senat des BFH und dem VII. Senat des BFH hat sich auch der XI. Senat des BFH angeschlossen. Er hat dazu ausgefÅhrt: „Auch der VII. Senat des BFH ... folgt dem Verstrndnis des V. und XI. Senats darin, dass sich die „BegrÅndung“ steuerlicher Forderungen und damit die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen danach bestimmt, ob der den Umsatzsteueranspruch begrÅndende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach InsolvenzerÇffnung „vollstrndig verwirklicht und damit abgeschlossen“ ist; nicht maßgeblich ist lediglich der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG. ... Es liegt daher keine unterschiedliche oder widersprÅchliche Rechtsprechung des BFH vor, die ernstliche Zweifel an der Rechtmrßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids begrÅnden kÇnnte.“2 2. Istbesteuerung Bei der Berechnung nach vereinnahmten Entgelten („Istbesteuerung“) entsteht die Steuer nach § 13 Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. b UStG fÅr Lieferungen und sonstige Leistungen mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt wird. Dieser Zeitpunkt liegt in Fall 2 (Rz. 4.352) nach InsolvenzerÇffnung. Daher hat der V. Senat des BFH in seinem Grundsatzurteil vom 29.1.20093 (V R 64/07) entschieden, dass es fÅr die Abgrenzung von Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten auf die Vereinnahmung des Entgelts ankommt, weil nach seiner damaligen wie heutigen (damals aber von der Rechtsprechung des VII. Senats abweichenden Auffassung) die vollstrndige Verwirklichung aller fÅr die Entstehung der Steuer relevanten Tatbestrnde vor InsolvenzerÇffnung erfÅllt worden sein mÅssen, um die Umsatzsteuerforderung den Insolvenzforderungen zuzuordnen. Zwingend erforderliches Merkmal fÅr die Steuerentstehung ist bei der Istbesteuerung (§ 13 Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. b UStG) aber die Vereinnahmung des Entgelts; die Leistungserbringung allein reicht nicht. Somit entsteht eine Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 InsO, wenn der Insolvenzverwalter in Frllen der Istbesteuerung nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens das Entgelt fÅr eine Leistung, die der Insolvenzschuldner vor InsolvenzerÇffnung bereits erbracht hat, vereinnahmt.

1 Zum frÅheren Meinungsstand vgl. aber die Vorauflage, Rz. 4.328 ff. 2 BFH v. 11.7.2013 – XI B 41/13, ZIP 2013, 1680 = NZI 2013, 992. 3 BFH v. 29.1.2009 – V R 64/07, BStBl. II 2009, 682 = ZIP 2009, 977 = ZInsO 2009, 920.

513

4.329

330

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

3. Sollbesteuerung Von zentraler Bedeutung fÅr die Einordnung von Umsatzsteuerforderungen zu den Insolvenzforderungen oder den Masseverbindlichkeiten ist neben der Theorie der vollstsndigen Tatbestandsverwirklichung (s. dazu Rz. 4.328) die „Berichtigungsrechtsprechung“ des V. Senats des BFH,1 nach der in Fsllen der Sollbesteuerung im Ergebnis die gleiche Einordnung der Umsatzsteuerforderung entsteht, wie es in Fsllen der Istbesteuerung der Fall ist. Diese Berichtigungsrechtsprechung geht im Kern dahin, dass mit InsolvenzerÇffnung ein neuer Unternehmensteil entstehen soll, der fÅr umsatzsteuerliche Zwecke von dem vorinsolvenzlichen Unternehmensteil verschieden ist.2 Nunmehr hat der V. Senat des BFH diese Berichtigungsrechtsprechung sogar auf die Anordnung der vorllufigen schwachen Insolvenzverwaltung erstreckt.3 Das gilt im vorlsufigen Insolvenzverfahren jedenfalls dann, wenn das Insolvenzgericht anordnet, dass der vorlsufige Insolvenzverwalter berechtigt ist, Bankguthaben und sonstige Forderungen des Insolvenzschuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen und es zudem den Drittschuldnern verbietet an den Insolvenzschuldner zu zahlen – wie Åblich. Nach dieser Berichtigungsrechtsprechung gilt im wesentlichen folgendes: Nach § 13 Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. a UStG entsteht die Umsatzsteuer bei der Berechnung nach vereinbarten Entgelten (Sollbesteuerung, § 16 Abs. 1 Satz 1 UStG) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgefÅhrt worden sind. Durch sein Grundsatzurteil vom 9.12.20104 (V R 22/10) hat der V. Senat eine Konstruktion geschaffen, die derzeit das gesamte Insolvenz-Umsatzsteuerrecht determiniert. Diese Konstruktion, die sogleich nsher ausgefÅhrt werden wird, ist nicht nur einfachgesetzlich mindestens kÅhn, sondern sie begegnet m.E. durchgreifenden verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Bedenken. Letztere spielen in der Rechtsanwendungspraxis aber so lange keine flschendeckende Rolle, bis sie nicht Widerhall in gerichtlichen Entscheidungen gefunden haben. Gleichwohl sollen sie hier angesprochen werden, um in der weiteren Diskussion und Rechtsentwicklung ihrer großen Bedeutung entsprechend angemessen BerÅcksichtigung zu finden.

1 BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 = ZIP 2011, 782 = ZInsO 2011, 823; lesenswert dazu KrÅger, ZInsO 2013, 2200. 2 BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 = ZIP 2011, 782 = ZInsO 2011, 823. 3 BFH v. 24.9.2014 – V R 48/13, ZIP 2014, 2451 = ZInsO 2014, 2589. 4 BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 = ZIP 2011, 782 = ZInsO 2011, 823.

514

C. Umsatzsteuer

4. Dogmatischer Hintergrund: Uneinbringlichkeit der Aktivforderungen

4.331

Die angesprochene Konstruktion ist die folgende: Im Fall der Sollbesteuerung beruht die Masseverbindlichkeit auf § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO i.V.m. § 17 Abs. 2 Ziff. 1 Satz 2 UStG. zndert sich die Bemessungsgrundlage fÅr einen steuerpflichtigen Umsatz, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgefÅhrt hat, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafÅr geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Diese Vorschrift gilt gem. § 17 Abs. 2 Ziff. 1 UStG sinngemsß, wenn das vereinbarte Entgelt fÅr eine steuerpflichtige Leistung uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachtrsglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen. Uneinbringlichkeit setzt nach stsndiger BFH-Rechtsprechung voraus, dass der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfÅllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsschlich nicht durchsetzen kann.1 Zumindest im Sonderfall der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens kann sich die fehlende Durchsetzbarkeit fÅr den Leistenden aus Umstsnden ergeben, die in seiner Person oder in der Person des Leistungsempfsngers begrÅndet sind. Wird Åber das VermÇgen eines Unternehmers das Insolvenzverfahren erÇffnet, tritt daher hinsichtlich der noch nicht entrichteten Leistungsentgelte Uneinbringlichkeit ein. Unerheblich ist, ob es sich um ein Entgelt fÅr eine vom Unternehmer bezogene oder erbrachte Leistung handelt: Hat der Unternehmer, Åber dessen VermÇgen das Insolvenzverfahren erÇffnet wird, eine Leistung vor VerfahrenserÇffnung bezogen und das hierfÅr geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt nicht entrichtet, wird die der Umsatzsteuer unterliegende Entgeltforderung gegen ihn als Leistungsempfsnger spstestens mit VerfahrenserÇffnung unbeschadet einer mÇglichen Insolvenzquote in voller HÇhe uneinbringlich; bei einer nachtrsglichen Zahlung auf das uneinbringlich gewordene Entgelt ist der Umsatzsteuerbetrag nach § 17 Abs. 2 Ziff. 1 Satz 2 UStG erneut zu berichtigen.2 Maßgeblich ist hierfÅr, dass Entgeltforderungen gegen den Unternehmer mit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber sein VermÇgen von Rechts wegen gegen ihn persÇnlich als Insolvenzschuldner nicht durchsetzbar sind, sondern nur zur Tabelle nach § 174 ff. InsO angemeldet werden kÇnnen. Ohne Bedeutung ist dabei, ob den VermÇgensansprÅchen gegen den Leistungsempfsnger, den Insolvenzschuldner, bei ErÇffnung des Insolvenzverfahrens noch ein wirtschaftlicher Wert zukommt, so dass Uneinbringlichkeit selbst dann in vollem Umfang eintritt, wenn mit einer quotalen Befriedigung der Insolvenzforderungen zu

1 Z.B. BFH v. 20.7.2006 – V R 13/04, BStBl. II 2007, 22 = BFHE 214, 471 = DStR 2006, 1699, Leitsatz 1. 2 Z.B. BFH v. 20.7.2006 – V R 13/04, BStBl. II 2007, 22 = BFHE 214, 471 = DStR 2006, 1699, Leitsatz 1.

515

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

rechnen ist.1 Erbringt der Unternehmer, Åber dessen VermÇgen das Insolvenzverfahren erÇffnet wird, eine Leistung vor VerfahrenserÇffnung, ohne das hierfÅr geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, tritt gleichfalls mit ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Uneinbringlichkeit ein. Der Grundsatz der Unternehmenseinheit hindert nicht die Trennung in mehrere Unternehmensteile nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens (das allerdings ist hochproblematisch und findet im europsischen Mehrwertsteuerrecht keine StÅtze). Zwar gilt auch nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens der Grundsatz der Unternehmenseinheit (§ 2 Abs. 1 S. 2 UStG), das Unternehmen besteht jedoch nach VerfahrenserÇffnung aus mehreren Unternehmensteilen, zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nach Auffassung des V. Senats des BFH nicht miteinander verrechnet werden kÇnnen (obwohl im allgemeinen im Umsatzsteuerrecht der Grundsatz gilt, dass auch verschiedene Unternehmensteile nicht dazu fÅhren, dass Verrechnungen Åber die Grenzen dieser Teile hinweg verhindert wsren, das ein Unternehmer gem. § 2 Abs. 1 S. 2 UStG stets nur ein umsatzsteuerlich relevantes Unternehmen betreiben kann)2. Durch die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des leistenden Unternehmers kommt es nach Auffassung des V. Senats des BFH zu einer Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile, bei denen es sich z.B. um die Insolvenzmasse und das vom Insolvenzverwalter freigegebene VermÇgen handeln kann. Die bei VerfahrenserÇffnung noch nicht vereinnahmten Entgelte aus vor VerfahrenserÇffnung erbrachten Leistungen sollen im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil aus RechtsgrÅnden uneinbringlich werden, da der Entgeltanspruch ab der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr durch diesen Unternehmensteil vereinnahmt werden kann. Der Unternehmer ist somit aus rechtlichen GrÅnden nicht mehr in der Lage, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da diese in die Insolvenzmasse zu leisten sind. Wird demnach die Entgeltforderung fÅr vor VerfahrenserÇffnung erbrachte Leistungen mit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens uneinbringlich, begrÅndet die spstere Entgeltvereinnahmung durch den Insolvenzverwalter eine erneute Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Ziff. 1 Satz 2 UStG. Diese Berichtigung ist nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung vorzunehmen. Die erste Steuerberichtigung aufgrund der Uneinbringlichkeit im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil und die zweite Steuerberichtigung aufgrund der Vereinnahmung fÅhren somit zu einer zutreffenden Besteuerung des Gesamtunternehmens.

1 BFH v. 13.11.1986 – V R 59/79, BStBl. II 1987, 226 = ZIP 1987, 119 = BFHE 148, 346. 2 AusfÅhrlich dazu Nieskens, BB 2015, 1303 ff.

516

C. Umsatzsteuer

5. Verfassungswidrigkeit der richterrechtlich geschaffenen Bevorrechtigung des Fiskus Die Annahme der Uneinbringlichkeit von Forderungen des Insolvenzschuldners im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung gemsß der Entscheidung des V. Senats des BFH vom 9.12.20101 (V R 22/10) ist jedoch m.E. verfassungswidrig und darf deswegen nicht angewendet werden.2 Diese rechtsschÇpferische Schaffung einer Zssur innerhalb des Steuerschuldverhsltnisses bewirkt nsmlich auf zweierlei Weise eine durch den Gesetzgeber nicht legitimierte Privilegierung des Fiskus gegenÅber privaten Gllubigern. Eine derartige Privilegierung des Fiskus greift damit in die Rechte der Åbrigen Glsubiger gem. Art. 14 Abs. 1 GG und damit auch in den den anderen Gllubigern zu Teil werdenden Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG ein. Der Fiskus ist, wenn er im Gesamtvollstreckungsverfahren Insolvenzverfahren Forderungen durchsetzt, kein anderer Glsubiger, als andere Glsubiger auch und fÅr ihn gelten in Ermangelung besonderer gesetzlich legitimierter Eingriffsnormen die gleichen Befriedigungsregeln, wie es auch fÅr alle anderen Insolvenzglsubiger der Fall ist. Maßgeblich sind insoweit zwei grundlegende Entscheidungen des BVerfG: Das BVerfG hatte in seiner Entscheidung vom 5.11.19823 (1 BvR 796/81) zunschst darÅber zu entscheiden, ob in der Konkursordnung gesetzlich geregelte Rangvorrechte der Sozialversicherung mit der Verfassung vereinbar seien, insbesondere mit Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 20 Abs. 1 GG. Maßgeblich war, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn der Gesetzgeber bestimmte Glsubigerforderungen im Rahmen des Gesamtvollstreckungsverfahrens Insolvenzverfahren gegenÅber anderen privilegiert. Solange der Gesetzgeber diese Privilegierungen im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens ausdrÅcklich und klar vornimmt, greift er damit in die ansonsten gleich zu behandelnden Rechte der Åbrigen Glsubiger ein, was seinem Gestaltungsspielraum Åberantwortet ist. Das BVerfG hat daher dort geurteilt, dass diese durch den Gesetzgeber geregelte Privilegierung die Grenzen einer zulsssigen Inhaltsbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht Åberschreite, insbesondere auch sachlich gerechtfertigt sei. Das BVerfG hat dann allerdings kurze Zeit spster die Frage zu beantworten gehabt, ob ein Rangvorrecht, das nicht ausdrÅcklich gesetzlich geregelt ist, durch richterrechtliche Rechtsfortbildung geschaffen werden darf. Das BVerfG hat eine solche richterrechtliche Rechtsfortbildung als Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip und damit verfassungswidrig beur1 BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 = ZIP 2011, 782 = ZInsO 2011, 823. 2 In diese Richtung auch KrÅger, ZInsO 2013, 2200 (2203). 3 BVerfG v. 5.11.1982 – 1 BvR 796/81, ZIP 1982, 1457

517

4.332

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

teilt.1 Wie dort die Regelung in § 61 KO die gesetzlich legitimierten Bevorrechtigungen statuiert hat, statuiert heute die Insolvenzordnung ein geschlossenes System an durch den Gesetzgeber legitimierten Bevorrechtigungen zu Lasten anderer Glsubiger. Eine Privilegierung des Fiskus ist dort nicht zu finden. Eine solche Privilegierung wird allerdings richterrechtlich durch die Entscheidung des V. Senates (V R 22/10) geschaffen. Dies geschieht auf zweierlei Weise: Erstens werden UmsatzsteueransprÅche des Fiskus fÅr den Fall der Sollversteuerung von Insolvenzforderungen in den Rang von Masseverbindlichkeiten erhoben, wenn die Vereinnahmung des Entgeltes durch den Insolvenzverwalter nach InsolvenzerÇffnung erfolgt.2 Niemand wird leugnen wollen, dass bei der Sollversteuerung die entsprechenden UmsatzsteueransprÅche der Finanzverwaltung steuerrechtlich bereits vor InsolvenzerÇffnung entstanden waren, wenn dort die Lieferungen ausgefÅhrt und ggf. sogar Rechnungen erteilt worden sind. Damit haben im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung die entsprechenden UmsatzsteueransprÅche der Finanzverwaltung bestanden. Genau wie die ZahlungsansprÅche jedes anderen Glsubigers sind sie damit Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO. Bei der Sollbesteuerung entstehen steuerrechtliche AnsprÅche aber nicht mehrfach, sondern sie entstehen einmal. Im Zusammenhang mit der Beurteilung einer Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung mit anderen AnsprÅchen anderer Glsubiger muss es auf diesen Entstehungszeitpunkt ankommen. Ein anderer Glsubiger kann auch nicht seine Forderung dadurch von einer Insolvenzforderung in eine Masseverbindlichkeit umqualifizieren, dass er auf eine Insolvenzforderung verzichtet und sie sodann spster wieder erhebt. Die Konstruktion des Uneinbringlichwerdens solcher Forderungen durch den allein fÅr Zwecke der Schaffung eines Rangvorrechtes fiktiv gebildeten „vorinsolvenzlichen Unternehmensteil“ ist schon mit dem Wortlaut des § 17 Abs. 2 UStG nicht vereinbar, weil diese Forderungen eben nicht uneinbringlich werden, nur weil das Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Schuldners erÇffnet wird. Die Grenze des Wortlautes der Norm ist damit Åbertreten. Uneinbringlich ist eine Forderung dann, wenn sie nicht mehr eingetrieben werden kann, d.h. vom Schuldner nicht mehr bezahlt wird. Ist aber die Grenze der Wortbedeutung Åbertreten, dann liegt methodisch eine Analogiebildung vor. Diese Analogiebildung dient erkennbar nur diesem einen Zweck, die Insolvenzforderungen in den Rang von Masseverbindlichkeiten umzuzonen. Colorandi causa sei erwshnt, dass eine Privilegierung des Fiskus zumindest in Ansehung der Umsatzsteuer auch offen ausgesprochen die Zielset1 BVerfG v. 19.10.1983 – 2 BvR 485/80 und 2 BvR 486/80, BVerfGE 65, 182 = ZIP 1984, 539. 2 Ebenso KrÅger, ZInsO 2013, 2200 (2203).

518

C. Umsatzsteuer

zung dieser Rechtsprechung ist. Dem liegt der – nachvollziehbare – Gedanke zugrunde, dass die Umsatzsteuer fÅr den Unternehmer und damit auch fÅr den Insolvenzschuldner lediglich durchlaufender Posten sein darf. Der Unternehmer, der Steuervereinnahmer fÅr den Fiskus ist, soll die von ihm vereinnahmte Umsatzsteuer nicht zugunsten der Gesamthaftungsmasse vereinnahmen kÇnnen, sondern soll den Umsatzsteuerbetrag dem Fiskus zufÅhren. Dies drÅckt der V. Senat in seiner Entscheidung deutlich aus, es ist aber auch durch die VorsRiBFH Schuster ausdrÅcklich literarisch ausgefÅhrt.1 Der Gedanke ist sicherlich im Ansatz und fÅr die große Vielzahl aller Fslle richtig, aber eben nicht in der Insolvenz. FÅr den Bereich der Umsatzsteuer gibt es nlmlich weder ein durch den Gesetzgeber legitimiertes Rangvorrecht, noch gibt es ein Aussonderungsrecht oder sonst eine Sicherung fÅr als Insolvenzforderungen ausfallende UmsatzsteueransprÅche, auch dann, wenn die Umsatzsteuer nach InsolvenzerÇffnung zufließt. Was hier teleologisch durch den BFH gewollt ist, ist, die zur Masse fließenden Umsatzsteuerbetrlge quasi dinglich zu separieren und zu Lasten der Gesamtglsubigerschaft dem Fiskus (wie etwa, wenn ein Aussonderungsrecht bestÅnde) zuzuweisen. Da es aber eine Norm, die eine dingliche Separation des zur Masse fließenden Umsatzsteuerbetrages bewirken kÇnnte, nicht gibt und deren Konstruktion noch offensichtlicher verfassungswidrig wsre, wird hier Åber diesen Kunstgriff versucht, der mit dem Wortlaut des § 17 Abs. 2 UStG nicht vereinbar ist, dieses Ergebnis auf der Ebene Insolvenzforderung/Masseverbindlichkeiten herbeizufÅhren. Es ist aber nun einmal dem Wesen der Umsatzsteuer immanent, dass Umsatzsteuerbetrlge in das VermÇgen des Unternehmers fließen, dort dem Bonitltsrisiko des Unternehmers ausgesetzt sind und erst dann – mitunter zeitlich verspltet – an den Fiskus abgefÅhrt werden. Dass dies auch europarechtlich gar nicht anders machbar ist (dazu s. unten Rz. 4.334), mÅssen deutsche Gerichte auch zur Kenntnis nehmen. Die mit dieser Intention einer gesetzlich nicht geschriebenen Rangbevorrechtigung des Fiskus vorgenommene, mit dem Wortlaut nicht mehr zu vereinbarende faktische Umzonung von Insolvenzforderungen in Masseverbindlichkeiten ist deswegen als richterrechtliches Rangvorrecht mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar, verstÇßt gegen den Gleichheitssatz gemlß Art. 3 Abs. 1 GG und ist somit verfassungswidrig. Diese Rechtsprechung fÅhrt auch auf eine zweite Weise zu einer entsprechenden, deswegen ebenfalls verfassungswidrigen Rangbevorrechtigung des Fiskus. In Fsllen wie dem hier zu entscheidenden Streitfall soll sie nsmlich erreichen, dass ein nach InsolvenzerÇffnung entstehender Erstattungsanspruch nicht zur Masse fließen muss, sondern als Aufrechnungssubstrat fÅr vorinsolvenzliche Steuerforderungen fruchtbar gemacht werden kann. DafÅr gilt das Gleiche, wie eben ausgefÅhrt: Es ist eine richterrechtliche Privilegierung des Fiskus, die wegen des Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Gleichbehandlungsgrundsatz verfassungs1 Schuster, DStR 2013, 1509.

519

4.333

334

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

widrig ist. Wenn irgendein anderer privater Gllubiger nach InsolvenzerÇffnung etwas zur Insolvenzmasse schuldig wird, also der Insolvenzmasse gegen ihn ein Erstattungs- oder Zahlungsanspruch erwschst, dann kann er diesen selbstverstsndlich wegen § 96 Abs. 1 Ziff. 1 InsO nicht mit Insolvenzforderungen aufrechnen. Das ist nach dem Willen des Gesetzgebers auch fÅr Steuerforderungen so. Nur durch die mit dem Wortlaut nicht mehr vereinbare xberdehnung des Tatbestandsmerkmals der „Uneinbringlichkeit“ und somit Annahme einer Uneinbringlichkeit im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung soll jedwedes Berichtigungspotential, das zu einer nach InsolvenzerÇffnung liegenden Erstattung fÅhren kÇnnte, abgeschnitten und auf die Zeit vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens vorverlagert werden. Nur dadurch kann fÅr den Fiskus das Privileg gegenÅber anderen Glsubigern geschaffen werden, gegen ZahlungsansprÅche der Masse aufrechnen zu kÇnnen, die aus vor InsolvenzerÇffnung liegenden, spster rechtsgrundlos werdenden Zahlungen resultieren. Ein zivilrechtlicher Glsubiger, der vor InsolvenzerÇffnung durch den Schuldner eine Zahlung erhalten hat, kÇnnte gegen einen RÅckzahlungsanspruch des Schuldners dann nsmlich nicht aufrechnen, wenn nach InsolvenzerÇffnung der Rechtsgrund fÅr die vor InsolvenzerÇffnung geleistete Zahlung wegfsllt, so dass nach InsolvenzerÇffnung ein Bereicherungsanspruch gem. § 812 BGB entsteht. Dieser zivilrechtliche Glsubiger kÇnnte sich dann auch nicht darauf berufen, dass der RÅckzahlungsanspruch bereits vor InsolvenzerÇffnung, d.h. im ursprÅnglichen Zahlungszeitpunkt „angelegt“ worden sei und er kÇnnte sich freilich auch nicht darauf berufen, dass der RÅckzahlungsanspruch doch in der logischen Sekunde vor InsolvenzerÇffnung entstanden sei, weil dieser vorinsolvenzliche Unternehmer, mit dem er kontrahiert hat, nach InsolvenzerÇffnung eben nicht mehr existiert. So aber argumentiert der V. Senat des BFH, um die entsprechende Privilegierung fÅr Steuerforderungen herbeizufÅhren. 6. Europarechtswidrigkeit der Annahme von Uneinbringlichkeit im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung Im xbrigen ist die Aufspaltung des einheitlichen Unternehmens des Insolvenzschuldners in einen vorinsolvenzlichen und einen nachinsolvenzlichen Unternehmensteil europarechtlich nicht haltbar.1 Unter welchen Voraussetzungen eine Berichtigung durchzufÅhren ist, ergibt sich aus Art. 90 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie. Der Fall einer InsolvenzerÇffnung ist dort nicht genannt. Europarechtlich zwingend ist allerdings, dass es umsatzsteuerrechtlich nur ein Unternehmen geben kann, nicht mehrere und dass das Unternehmen, das Steuerschuldner ist, auch das Unternehmen ist, das AnsprÅche, die sich aus einer Berichtigung ergeben, geltend machen kann und muss und dass dieses Unternehmen auch VorsteuererstattungsansprÅche hat. Europarechtlich ist hier kein Raum fÅr eine Zlsur, die sich aus nationalem Vollstre1 So auch KrÅger, ZInsO 2013, 2000 (2203).

520

C. Umsatzsteuer

ckungsrecht wie dem Insolvenzrecht ergibt. FÅr die Annahme umsatzsteuerrechtlich selbstsndiger Unternehmensteile gibt es im europsischen Mehrwertsteuerrecht keinerlei RÅckhalt. Der V. Senat des BFH hat nun versucht, die unionsrechtlichen Bedenken gegen seine Berichtigungsrechtsprechung zu entkrsften. Er hat dazu ausgefÅhrt: „Nach Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL ist die Steuerbemessungsgrundlage insbesondere im Fall der vollstnndigen oder teilweisen Nichtbezahlung unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen zu vermindern. Die Bestimmung ist ohne inhaltliche underung an die Stelle von Art. 11 Teil C Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten Åber die Umsatzsteuern 77/388/EWG getreten. Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH lnsst die Regelung einen „Gestaltungsspielraum bei der Festlegung der Maßnahmen zur Bestimmung des Betrags der Minderung“ (EuGH v. 3.9.2014 – Rs. C-589/12, GMAC, DStR 2014, 1921, Rz. 32). Ohne dass es insoweit einer eigenstnndigen Regelung fÅr den Insolvenzfall bedarf, gehÇrt zu den Bedingungen i.S.v. Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL auch § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG und die Anwendung dieser Vorschrift im InsolvenzerÇffnungsverfahren unter BerÅcksichtigung der fÅr den vorlnufigen Insolvenzverwalter bestehenden Befugnisse. Zudem sind die Mitgliedstaaten nach Art. 273 MwStSystRL berechtigt, weitere Pflichten vorzusehen, um eine genaue Erhebung der Steuer und damit die zutreffende Berechnung der Mehrwertsteuer-Eigenmittel der EU nach Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1553/89 vom 29.5.1989 Åber die endgÅltige einheitliche Regelung fÅr die Erhebung der Mehrwertsteuereigenmittel (ABl. EG Nr. L 155 v. 7.6.1989, 9) auch in Insolvenzfnllen sicherzustellen.“

Diese AusfÅhrungen sind allerdings nicht geeignet dazu, die durchgreifenden unionsrechtlichen Angriffe gegen die Berichtigungsrechtsprechung des V. Senats des BFH zu entkrlften: Schon der durch den V. Senat des BFH zitierte Wortlaut des Art. 90 Abs. 1 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, der ein „vollstsndiges oder teilweises Nichtbezahlen“ voraussetzt, steht dieser Rechtsprechung entgegen. Es kann schlechterdings mit dem Wortlaut nicht vereinbart werden, diesem Tatbestand als erfÅllt anzusehen, wenn einer Rechnung einen Tag vor InsolvenzerÇffnung gestellt worden ist und einen Tag nach InsolvenzerÇffnung gezahlt wird. Selbst wenn man aber diesem Tatbestand als erfÅllt ansehen wollte, ksme man dennoch nicht zu dem Ergebnis, dass es fÅr die Berichtigungsrechtsprechung unionsrechtlichen RÅckhalt gibt. Dem BFH ist noch darin zuzustimmen, dass nach der Rechtsprechung des EuGH einen Gestaltungsspielraum bei der Festlegung der Maßnahmen zur Bestimmung des Minderungsbetrages hinsichtlich der Bemessungsgrundlage fÅr die Umsatzsteuerberechnung einrsumt. Es geht hier allerdings offenkundig nicht um die Ausnutzung eines Gestaltungsspielraumes bei der Festlegung der HÇhe des Minderungsbetrages, sondern es geht darum, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen fÅr die ErÇffnung eines Gestaltungsspielraumes gegeben sind oder nicht. Insoweit lssst das Unionsrecht keinen Gestaltungsspielraum zu. Schon gar nicht besteht etwa ein Gestaltungsspielraum dahingehend, gegen den Wortlaut des Art. 90 Abs. 1 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie Fallkonstellationen auf nationaler Ebene einzufÅhren, in denen die uni521

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

onsrechtlich gebotene Unternehmenseinheit durchbrochen und ein nach außen offenkundig einheitliches Unternehmen in mehrere – mehrwertsteuerrechtlich relevant getrennte – Unternehmensteile zerlegt werden kÇnnen soll. Dass eine solche Zerlegung eines einheitlichen Unternehmens entgegen jeder unionsrechtlicher Grundlage in mehrere mehrwertsteuerrechtlich getrennt zu betrachtende Unternehmensteile dadurch mÇglich sein soll, dass „Gestaltungsspielrsume bei der Bestimmung der HÇhe von Minderungsbetrsgen hinsichtlich der Berichtigung von Bemessungsgrundlagen“ eingersumt sind, ist nicht nachvollziehbar. Auch das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat dem V. Senat des BFH mit shnlicher BegrÅndung widersprochen.1 Die durch die Finanzverwaltung eingelegte Revision ist beim XI. Senat des BFH anhsngig geworden. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Senat dem V. Senat folgen wird. Schließlich ist es europarechtlich zwingend, dass die Umsatzsteuer ohne Sicherheit fÅr den Fiskus durch den leistenden Unternehmer vereinnahmt wird. Ausnahmen von diesem tragenden Prinzip sind unionsrechtlich (von Fsllen des hier nicht vorliegenden Wechsels der Steuerschuldnerschaft abgesehen) nicht vorgesehen, also unionsrechtswidrig. Einer solchen Besicherung kommt die mit dem Wortlaut nicht zu vereinbarende Konstruktion zum Zweck der Herstellung einer Masseverbindlichkeit aber gleich. Das Reverse-Charge-Verfahren ist fÅr Insolvenzverfahren nicht statthaft. 7. Auffassung der Finanzverwaltung, zeitliche Anwendung der Rechtsprechung

335

Die Finanzverwaltung hat ihre Auffassung im BMF-Schreiben vom 9.12.2011 dargelegt. Die Finanzverwaltung Åbernimmt darin die durch den BFH aufgestellten Grundsstze. Besondere Bedeutung hat das BMFSchreiben allerdings fÅr den zeitlichen Anwendungsbereich: Die Grundsstze des BMF-Schreibens sind ausdrÅcklich (nur) auf alle Insolvenzverfahren anzuwenden, die nach dem 31.12.2011 erÇffnet wurden. Damit dÅrfte sich die Finanzverwaltung dahingehend selbst gebunden haben, dass diese Grundsstze fÅr vorher erÇffnete Insolvenzverfahren nicht zur Anwendung gelangen. FÅr davor erÇffnete Insolvenzverfahren sind die FinanzbehÇrden jedenfalls angewiesen, die frÅhere Rechtslage weiter anzuwenden.

336

Die gleichen Grundsstze gelten auch fÅr Teilleistungen. Teilleistungen liegen vor, wenn fÅr bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Soweit Teilleistungen vor InsolvenzerÇffnung erbracht wurden, ist der auf diese Teilleistungen entfallende Teil der Umsatzsteuer Insolvenzforderung. Allein die Tatsache, dass der spstere Insolvenzschuldner bis zur VerfahrenserÇffnung nur teilweise 1 FG Berlin-Bdb. v. 2.4.2014 – 7 K 7337/12, EFG 2014, 1427 – Rev. XI R 21/14.

522

C. Umsatzsteuer

geleistet hat, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme einer fÅr die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung als Teilleistung i.S.d. § 13 Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. a Satz 3 UStG notwendige Entgeltvereinbarung fÅr bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung.1 Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgefÅhrt worden ist, so entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist. Zu einer Darstellung der unterschiedlichen mÇglichen Fallgestaltungen vergleiche auch unten stehende FallÅbersicht Insolvenzfreies VermÇgen, Rz. 4.339.

4.337

Der BFH hat bereits frÅh das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners als eigenen VermÇgensbereich anerkannt, in dem Steuertatbestsnde verwirklicht werden kÇnnen, die nicht die Insolvenzmasse betreffen.

4.338

Zur Zuordnung einer Umsatzsteuerschuld bzw. eines Vorsteuerbetrages zur Insolvenzmasse bzw. dem insolvenzfreien NeuvermÇgen des Insolvenzschuldners (Rz. 2.135 ff.) hat der BFH2 instruktiv ausgefÅhrt: „Wird das Unternehmen des Gemeinschuldners zum Teil vom Konkursverwalter im Rahmen des ihm zustehenden Verwaltungs- und VerfÅgungsrechts und zum Teil vom Unternehmer (Gemeinschuldner) mit Mitteln betrieben, die nicht dem Verwaltungs- und VerfÅgungsrecht des Konkursverwalters unterliegen, so ist die Umsatzsteuer in zwei getrennten Umsatzsteuerbescheiden festzusetzen, von denen der eine an den Gemeinschuldner persÇnlich und der andere an den Konkursverwalter zu richten ist. ... Die Umsatzsteuer fÅr Umsntze, die im Rahmen des dem Verwaltungs- und VerfÅgungsrecht des Konkursverwalters unterliegenden Unternehmensteils ausgefÅhrt wurden, sind in dem an den Konkursverwalter zu richtenden Umsatzsteuerbescheid zu erfassen. Die Vorsteuerbetrnge aus LeistungsbezÅgen fÅr diesen Unternehmensteil sind in diesem Bescheid gem. § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG abzusetzen. Sind im Rahmen dieses Unternehmensteils keine Umsntze ausgefÅhrt worden und ist auch keine sonstige Steuer gem. § 16 Abs. 1 UStG zu berechnen, fÅhren die Vorsteuerbetrnge zu einem VorsteuerÅberschuss, der gegenÅber dem Konkursverwalter festzusetzen ist. Entsprechendes gilt fÅr die Umsatzsteuer, die in dem an den Gemeinschuldner gerichteten Steuerbescheid festzusetzen ist. Hieraus folgt notwendig, dass die Vorsteuer, die im Bereich der Konkursmasse angefallen ist, nicht gem. § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG von der Steuer abgesetzt werden kann, die gem. § 16 Abs. 1 UStG fÅr den konkursfreien Unternehmensteil anzusetzen ist.

1 BFH v. 30.4.2009 – V R 1/06, BStBl. II 2010, 138 = ZIP 2009, 1677; abl. FÇlsing, NZI 2009, 794. 2 BFH v. 28.6.2000 – V R 87/99, BStBl. II 2000, 639 = ZIP 2000, 1778.

523

339

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz Aus dem Grundsatz, dass der Gemeinschuldner umsatzsteuerrechtlich nur ein einziges Unternehmen hat (vgl. oben unter 1.), folgt nichts anderes. Aus ihm ergibt sich lediglich, dass die Summe der gegenÅber dem Konkursverwalter und der gegenÅber dem Gemeinschuldner festgesetzten Umsatzsteuer die nach den Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes entstandene Jahresumsatzsteuer fÅr das gesamte Unternehmen ergeben muss. Die Teilbetrnge, die in dem an den Konkursverwalter und an den Gemeinschuldner gerichteten Steuerbescheiden festzusetzen sind, kÇnnen sich nur danach richten, in welchem Unternehmensteil die einzelnen Steuertatbestnnde, die zur Jahressteuer fÅhren, verwirklicht worden sind. Deshalb ist es auch mÇglich, dass in dem einen Steuerbescheid eine negative (Teil-)Umsatzsteuer fÅr den einen Unternehmensteil und in dem anderen Steuerbescheid eine positive (Teil-)Umsatzsteuer fÅr den anderen Unternehmensteil festgesetzt wird.“

Diese Rechtsprechung hat der BFH in der Zwischenzeit konsequent weiterverfolgt und fortentwickelt: Bei einer unternehmerischen Tstigkeit des Schuldners nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ist die Umsatzsteuer auf die erbrachten Leistungen nicht schon deshalb eine Masseverbindlichkeit, weil die Entgelte aus dieser Tltigkeit in die Insolvenzmasse fallen.1 Nutzt der Insolvenzschuldner unberechtigt einen zur Masse gehÇrenden Gegenstand fÅr seine nach InsolvenzerÇffnung aufgenommene Erwerbststigkeit, ist die durch sonstige Leistungen des Insolvenzschuldners begrÅndete Umsatzsteuer jedenfalls dann keine Masseverbindlichkeit, wenn die Umsstze im Wesentlichen auf dem Einsatz seiner persÇnlichen Arbeitskraft und nicht im Wesentlichen auf der Nutzung des Massegegenstandes beruhen.2 Hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzschuldner eine gewerbliche Tltigkeit durch Freigabe aus dem Insolvenzbeschlag ermÇglicht, fsllt ein durch diese Tstigkeit erworbener UmsatzsteuervergÅtungsanspruch nicht in die Insolvenzmasse (und kann vom Finanzamt mit vorinsolvenzlichen Steuerschulden verrechnet werden).3 Gleichermaßen richten sich Umsatzsteuerforderungen, die aus UmsatzerlÇsen resultieren, die der Insolvenzschuldner mit seinem freigegebenen Gewerbebetrieb erwirtschaftet hat, gegen das insolvenzfreie VermÇgen und nicht gegen die Insolvenzmasse, so dass sie auch nicht gegen den Insolvenzverwalter festgesetzt werden kÇnnen, sondern gegen den Insolvenzschuldner festzusetzen sind. Dementsprechend ist in der Festsetzung ausdrÅcklich klarzustellen, dass das insolvenzfreie VermÇgen betroffen sein soll. Vom Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse freigegebene UmsatzsteuervergÅtungsansprÅche des Schuldners unterliegen weder insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverboten, noch stehen der Aufrechnung gegen diese Forderungen Pfsndungsschutzvorschriften der ZPO entgegen.4 1 BFH v. 8.9.2011 – V R 38/10, BStBl. II 2012, 270 = ZIP 2012, 88 = DStR 2012, 33. 2 BFH v. 8.9.2011 – V R 38/10, BStBl. II 2012, 270 = ZIP 2012, 88 = DStR 2012, 33. 3 BFH v. 1.9.2010 – VII R 35/08, BStBl. II 2011, 336 = ZIP 2010, 2359 = NZI 2011, 35. 4 BFH v. 22.1.2013 – VII S 35/12, BFH/NV 2013, 712.

524

C. Umsatzsteuer

Diese sicher richtige Erkenntnis leitet der BFH daraus ab, dass ErstattungsansprÅche wegen Åberzahlter Einkommensteuer nicht Bestandteil des Arbeitseinkommens im Sinne der Pfsndungsschutzbestimmungen des § 319 AO i.V.m. §§ 850 ff. ZPO sind und somit fÅr das Finanzamt weder ein Pfsndungs- noch ein Aufrechnungsverbot besteht. Der Schluss von ErstattungsansprÅchen aus Åberzahlter Einkommensteuer auf UmsatzsteuervergÅtungsansprÅche ist vor allen Dingen deswegen fern liegend, weil der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen dann zur Insolvenzmasse gehÇrt, wenn der die Erstattungsforderung begrÅndende Sachverhalt vor oder wshrend des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist.1 Das gilt also auch fÅr durch den Arbeitgeber des Insolvenzschuldners abgefÅhrte Lohnsteuerbetrlge, auf deren Grundlage am Ende des Kalenderjahres EinkommensteuererstattungsansprÅche entstehen. Entscheidend fÅr die Zuordnung von UmsatzsteuervergÅtungsansprÅchen des Insolvenzschuldners zur Insolvenzmasse oder dem insolvenzfreien VermÇgen ist daher vielmehr, ob es tatsschlich eine Freigabe dieser UmsatzsteuervergÅtungsansprÅche durch den Insolvenzverwalter gibt oder nicht. Dies fÅhrt zu der bisher nicht abschließend beantworteten Frage, ob die Freigabe des Geschsftsbetriebes des Insolvenzschuldners gem. § 35 Abs. 2 InsO ex tunc oder ex nunc wirkt. Geht man von einer ex tunc Wirkung aus, dann erfasst eine Freigabe des Geschsftsbetriebes auch solche UmsatzsteuervergÅtungsansprÅche, die in dem Geschsftsbetrieb vor der Freigabe entstanden sind. Geht man hingegen von einer ex nunc Wirkung aus, dann gehÇren UmsatzsteuervergÅtungsansprÅche, die vor der Freigabeerklsrung entstanden sind, auch nach der Freigabe des Geschsftsbetriebs zur Insolvenzmasse, wenn der Insolvenzverwalter sie nicht ausnahmsweise zusstzlich ausdrÅcklich aus der Insolvenzmasse freigegeben haben sollte. Die Annahme einer ex tunc Wirkung ist jedoch abzulehnen, weil Glsubiger, die mit dem durch den Insolvenzverwalter verwalteten VermÇgen des Insolvenzschuldners kontrahieren, sich darauf verlassen kÇnnen mÅssen, dass ihre Forderungen den Rang von Masseverbindlichkeiten einnehmen und nicht rÅckwirkend diesen Schutz verlieren kÇnnen. Wenn aber die gegen den Schuldner gerichteten Forderungen fÅr die Zeit bis zur Freigabe den Rang von Masseverbindlichkeiten einnehmen, dann muss bei der Masse auch das bis zur Erklsrung der Freigabe generierte VermÇgen des Insolvenzschuldners, das aus diesem Geschsftsbetrieb heraus resultiert, bei der Masse bleiben. Somit sind von einer Freigabe des Geschsftsbetriebes auch solche UmsatzsteuervergÅtungsansprÅche nicht erfasst, die aufgrund von Lebenssachverhalten entstanden sind, die vor der Freigabeerklsrung des Insolvenzverwalters verwirklicht worden sind.2

1 BGH v. 12.1.2006 – IX ZB 239/04, ZIP 2006, 340 = NJW 2006, 1127. 2 FÅr eine bloße Wirkung der Freigabeerklsrung fÅr die Zukunft tritt auch Peters, MÅnchKomm/InsO, § 35 Rz. 103 ein.

525

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

IV. Besonderheiten der vorllufigen Insolvenz 1. Schwacher vorllufiger Insolvenzverwalter (Zustimmungsvorbehalt)

340

Im Zeitraum zwischen Insolvenzantragstellung und ErÇffnung des Insolvenzverfahrens besteht in vielen Insolvenzverfahren bereits das BedÅrfnis nach einer vorlsufigen Sicherung des schuldnerischen VermÇgens vor nachteiligen VermÇgensabflÅssen. In solchen Fsllen wird gem. §§ 21, 22 InsO die vorlsufige Insolvenzverwaltung angeordnet (Rz. 2.38 ff.). Zu unterscheiden sind zwei Arten der vorlsufigen Insolvenzverwaltung: Die sog. schwache Verwaltung, bei der VerfÅgungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters wirksam sind und die sog. starke Verwaltung, bei der dem Schuldner ein allgemeines VerfÅgungsverbot auferlegt wird und der vorlsufige Insolvenzverwalter allein Åber das VermÇgen des Schuldners verfÅgen kann. Diese Unterscheidung ist auch fÅr Fragen der Umsatzsteuer von großer Bedeutung.

341

Wird der vorlsufige Insolvenzverwalter ohne ein allgemeines VerfÅgungsverbot und nur mit einem Zustimmungsvorbehalt bestellt, so gelten gem. § 55 Abs. 4 InsO Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhsltnis, die durch ihn oder vom Schuldner mit Zustimmung dieses vorlsufigen Insolvenzverwalters begrÅndet worden sind, als Masseverbindlichkeiten. Die Vorschrift ist im Einzelnen hoch problematisch, weil ein vorlsufiger Insolvenzverwalter, auf den die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis nicht Åbergegangen ist, Verbindlichkeiten nicht begrÅnden und VerfÅgungen nicht treffen kann. Das Problem der Norm liegt schlicht und ergreifend darin, dass der Gesetzgeber mÇglicherweise etwas ganz anderes gewollt haben kÇnnte, als das, was er ausdrÅcklich in der Norm formuliert hat. Es ist auch davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber das dem deutschen Recht immanente Abstraktionsprinzip bekannt ist und dass der deutsche Gesetzgeber in der Lage dazu ist, zwischen VerfÅgungs- und Verpflichtungsgeschsften zu unterscheiden. Der Gesetzgeber hat sich dafÅr entschieden, zu normieren, dass Verbindlichkeiten, die vom Schuldner mit Zustimmung eines vorlsufigen Insolvenzverwalters begrÅndet worden sind, nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten anzusehen sind. Es darf davon ausgegangen werden, dass er damit nicht gemeint hat, dass Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit VerfÅgungen, zu denen der vorlsufige Insolvenzverwalter seine Zustimmung erteilt hat, entstanden sind, nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten anzusehen sind. Insoweit wird Åberwiegend zu Recht in der Literatur die Ansicht vertreten, dass der Begriff der „Zustimmung“ in § 55 Abs. 4 InsO nicht anders ausgelegt werden kann als in § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO,1 wonach ein durch das Gericht angeordneter Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO) lediglich fÅr die Wirksamkeit von VermÇgensverfÅgungen des zukÅnfti1 Vgl. auch Loose in Tipke/Kruse, AO, § 251 Rz. 70 b.

526

C. Umsatzsteuer

gen Insolvenzschuldners Bedeutung haben kann.1 Irgendwelche Erklsrungen eines vorlsufigen schwachen Insolvenzverwalters in Ansehung von Verpflichtungsgeschsften sind rechtlich ein Nullum. Der Insolvenzschuldner kann nsmlich auch bei vorlsufiger schwacher Insolvenzverwaltung ohne Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters Verpflichtungen eingehen, Kaufvertrsge schließen und Rechnungen ausstellen. Die aus solchen Verpflichtungsgeschsften resultierenden Verbindlichkeiten haben aber nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens die Qualitst von Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO. Die Finanzverwaltung hat ihre Sichtweise zu § 55 Abs. 4 InsO in einem ersten Schritt – der inzwischen Åberholt ist2 – wie folgt gesußert3: Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO werden begrÅndet – durch Handlungen des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters (z.B. Verwertung von AnlagevermÇgen durch den vorlsufigen Insolvenzverwalter im Rahmen einer Einzelermschtigung, Einziehung von Forderungen), – durch Handlungen des Insolvenzschuldners, die mit Zustimmung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters (z.B. Zustimmung zu Umsatzgeschsften) erfolgen. Die Zustimmung kann aktiv oder durch konkludentes Handeln erfolgen (z.B. Tun, Dulden, Unterlassen). Soweit der schwache vorlsufige Insolvenzverwalter „ausdrÅcklich der Handlung des Insolvenzschuldners widersprochen“ hat, entstehen nach damaliger Auffassung der Finanzverwaltung keine Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO. Offen gelassen hat die Finanzverwaltung dort, wie sie sich einen derartigen Widerspruch vorstellte. MerkwÅrdig war diese Theorie vor allem deswegen, weil dieser Widerspruch insolvenzrechtlich ein Nullum ist. Wenn die GeschsftsfÅhrung des Insolvenzschuldners nsmlich Verpflichtungsgeschsfte eingeht, obwohl der vorlsufige schwache Insolvenzverwalter in welcher Form auch immer widersprochen hat, dann hat das auf die bÅrgerlich-rechtliche Wirksamkeit dieser Verpflichtungsgeschsfte zwar keinen Einfluss und beeinflusst auch die insolvenzrechtliche Durchsetzbarkeit der aus dem Verpflichtungsgeschsft resultierenden Forderung des Vertragspartners nicht, aber es liegt immerhin ein Widerspruch im Sinne dieses BMF-Schreibens vor. Die soweit ersichtlich erste Entscheidung eines FG zu der Thematik hat das FG DÅsseldorf getroffen.4 Die oben beschriebene dem Normtext folgende Auslegung des § 55 Abs. 4 InsO hat nach Auffassung des FG DÅs1 Vgl. auch Graf-Schlicker, Kommentar zur InsO, 3. Aufl., § 55 Rz. 54. 2 Durch neue Verwaltungsanweisung BMF v. 20.5.2015 – IV A 3 - S 0550/10/10020-05 – DOK 2015/0416027, BStBl. I 2015, 476 = FR 2015, 668; dazu s. unten Rz. 4.345. 3 BMF v. 17.1.2012 – IV A 3 - S 0550/10/10020-05 – DOK 2012/0042691, BStBl. I 2012, 120, Tz. 3 f. 4 FG DÅsseldorf v. 27.9.2013 – 1 K 3372/12 U, ZIP 2013, 2224 = NZI 2014, 43.

527

4.342

343

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

seldorf zur Folge, dass bei einem schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt die Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 Abs. 4 InsO nicht erfÅllt werden kÇnnten, denn die BegrÅndung neuer Rechte oder Pflichten fÅr sich ist keine (zustimmungsbedÅrftige) VerfÅgung i.S.v. § 21 Abs. 2 Ziff. 2 InsO. Insoweit wsre eine Zustimmung eines schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters zu den vom Steuerschuldner begrÅndeten Verbindlichkeiten rechtlich unerheblich. Dies hat das FG DÅsseldorf insolvenzrechtlich vollkommen richtig erfasst. Bedenklich ist nur, dass es dann nicht dem Normtext folgend zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Norm auf den Fall nicht anzuwenden ist, sondern dass es aus rein teleologischen Gesichtspunkten heraus die Norm auf einen Fall anwendet, den sie von ihrem Wortlaut her nicht erfasst. So kommt das FG DÅsseldorf zu der Entscheidung, dass unter BerÅcksichtigung der Tatsache, dass der schwache vorlsufige Insolvenzverwalter in der Phase des vorlsufigen Verfahrens nicht anstelle des Schuldners selbst die Umsatztstigkeit ausÅbt, sondern nur neben dem unternehmerisch tstigen zukÅnftigen Insolvenzschuldner eine mitbestimmende Funktion innehat, mit „Zustimmung“ des vorlsufigen Insolvenzverwalters vom Schuldner „begrÅndete“ Umsatzsteuerverbindlichkeiten nach dem Gesetzeszweck nur die Steuern sein kÇnnen, die durch die FortfÅhrung des Unternehmens im InsolvenzerÇffnungsverfahren verursacht wurden, wenn der vorlsufige Insolvenzverwalter zugleich mit dieser Handlungsweise (UnternehmensfortfÅhrung) einverstanden war. Nun hat sich der V. Senat des BFH erstmals mit einer denkwÅrdigen Entscheidung zu der Thematik gelußert.1 Der Kern seiner Entscheidung besteht in der Erkenntnis, die in der Literatur bereits heftig kritisierte Berichtigungsrechtsprechung, die wie oben dargelegt (vgl. oben Rz. 4.332 ff.,) sowohl verfassungsrechtlichen als auch unionsrechtlichen Bedenken gegenÅber steht, sei auf den Zeitpunkt der Anordnung der vorlsufigen schwachen Insolvenzverwaltung zu Åbertragen, da man andernfalls zu einer verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung zwischen Handelsunternehmen und Dienstleistungsunternehmen gelange, weswegen die Norm des § 55 Abs. 4 InsO als verfassungswidrig angesehen werden mÅsste. Die Problematik unterschiedlicher Ergebnisse bei Handelsunternehmen und Dienstleistungsunternehmen resultiert daraus, dass bei Handelsunternehmen im InsolvenzerÇffnungsverfahren Lieferungen des Insolvenzschuldners an seine Kunden sachenrechtlich wirksam nur mit Zustimmung eines vorlsufigen schwachen Insolvenzverwalters mÇglich sind, so dass bei diesen der Wortlaut des § 55 Abs. 4 InsO durchaus dazu fÅhren kÇnnte, dass man Umsatzsteuerverbindlichkeiten, die aus solchen Lieferungen resultieren, nach InsolvenzerÇffnung als Masseverbindlichkeiten gelten lssst, wshrend man bei Dienstleistungsunternehmen, bei denen es keine VerfÅgungen gibt, sondern lediglich sonstige

1 BFH v. 24.9.2014 – V R 48/13, ZIP 2014, 2451 = ZInsO 2014, 2532; siehe auch Wnger, ZInsO 2014, 1121.

528

C. Umsatzsteuer

Leistungen, konstatieren mÅsste, dass diese ohne eine erforderliche Zustimmung eines vorlsufigen Insolvenzverwalters erbracht werden kÇnnten, so dass die daraus resultierenden Umsatzsteuerverbindlichkeiten nach InsolvenzerÇffnung – jedenfalls dem Wortlaut nach – nicht als Masseverbindlichkeiten gelten kÇnnten. Daraus leitet der V. Senat des BFH ab, dass dies im Hinblick auf eine mÇgliche Sanierungsfshigkeit eine Schlechterstellung der Handelsunternehmen gegenÅber Dienstleistungsunternehmen mit sich bringen wÅrde, weil bei Handelsunternehmen die nach InsolvenzerÇffnung zur VerfÅgung stehende Masse, die letztlich fÅr die DurchfÅhrung von Restrukturierungs- und Sanierungsmaßnahmen aufgewendet werden kann, geringer wsre, weil die Masse die Umsatzsteuer aus der vorlsufigen Insolvenzverwaltung tragen mÅsste. Nach dieser kritikwÅrdigen neuen Rechtsprechung des BFH kommt es fÅr die Anwendung von § 55 Abs. 4 InsO auf die rechtlichen Befugnisse an, die dem vorlsufigen Insolvenzverwalter zustehen. Ist Zustimmungsvorbehalt angeordnet und ist der vorlsufige Insolvenzverwalter – wie Åblich – zum Forderungseinzug berechtigt, entsteht die Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO insoweit, als der vorlsufige Insolvenzverwalter Entgelte aus Leistungen des Unternehmers vereinnahmt. Dabei sind vom vorlsufigen Insolvenzverwalter veranlasste Zahlungen auf zum Vorsteuerabzug berechtigende LeistungsbezÅge masseverbindlichkeitsmindernd zu berÅcksichtigen. Es ist im InsolvenzerÇffnungsverfahren nicht zwischen den vor und nach der Verwalterbestellung erbrachten oder bezogenen Leistungen zu unterscheiden. Zu diesem Ergebnis gelangt der BFH durch folgende pbertragung seine Berichtigungsrechtsprechung auf den Zeitpunkt der Anordnung der vorlsufigen schwachen Insolvenzverwaltung: Bestellt das Insolvenzgericht – wie im Streitfall – fÅr einen Unternehmer einen vorlsufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug fÅr die Leistungen, die der Unternehmer bis zur Verwalterbestellung erbracht und bezogen hat, nach § 17 Abs. 2 Ziff. 1 UStG zu berichtigen. Gleiches gilt fÅr den Steuerbetrag und den Vorsteuerabzug aus Leistungen, die das Unternehmen danach bis zum Abschluss des InsolvenzerÇffnungsverfahrens erbringt und bezieht. Ausstehende Entgelte fÅr erbrachte Leistungen werden uneinbringlich. Denn auch im InsolvenzerÇffnungsverfahren sei es, wenn das Insolvenzgericht den vorlsufigen Insolvenzverwalter zum Forderungseinzug ermschtigt hat, dem Unternehmer aufgrund der auf den vorlsufigen Insolvenzverwalter Åbergegangenen Einziehungsbefugnis nicht mehr mÇglich, das Entgelt fÅr die zuvor entstandene Steuerschuld zu erlangen. Ob es zu einer ErÇffnung des Insolvenzverfahrens kommt, sei als erst nachtrsglich eintretender Umstand fÅr die steuerrechtliche Beurteilung unerheblich. Es soll also konstruktiv bereits bei Anordnung der vorlsufigen schwachen Insolvenzverwaltung mit Recht zum Forderungseinzug fÅr den vorlsufigen schwachen Insolvenzverwalter eine Teilung in zwei Unternehmensteile eintreten, die nach dem Berichtigungsrechtspre529

344

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

chung dafÅr verantwortlich ist, dass umsatzsteuerrechtlich bereits zwei Unternehmen vorliegen. MerkwÅrdig ist allerdings, dass diese Folge wiederum bedingt durch die spstere InsolvenzerÇffnung ist, weil § 55 Abs. 4 InsO nsmlich eine Fiktion enthslt dahingehend, dass Verbindlichkeiten nach InsolvenzerÇffnung als Masseverbindlichkeiten „gelten“ (obwohl sie keine sind). Die xbertragung der Berichtigungsrechtsprechung auf den Zeitpunkt der Anordnung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung erfordert somit ein rÅckwirkendes Ereignis, denn die Aufteilung in zwei Unternehmensteile setzt – wenn sie fÅr den Zeitpunkt der Anordnung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung angenommen werden soll – die Bedingung der InsolvenzerÇffnung voraus – ohne dieses Ereignis ist nsmlich der Anwendungsbereich der Norm gar nicht erÇffnet. Nach Auffassung des BFH soll auch der Vorsteuerabzug zu berichtigen sein. Uneinbringlich werden sollen auch die Entgelte fÅr die Leistungen, die der Unternehmer nach Bestellung des vorllufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und Recht zum Forderungseinzug bis zur Beendigung des InsolvenzerÇffnungsverfahrens erbringt oder bezieht. FÅr eine differenzierende Betrachtung nach den Leistungen, die das Unternehmen vor der Bestellung des vorlsufigen Insolvenzverwalters erbringt oder bezieht und den Leistungen, die das Unternehmen nach dessen Bestellung bis zur Beendigung des InsolvenzerÇffnungsverfahrens erbringt oder bezieht, bestehe insbesondere unter BerÅcksichtigung der insolvenzrechtlichen Befugnisse des vorlsufigen Insolvenzverwalters kein sachlicher Rechtfertigungsgrund. Erbringe der Unternehmer Leistungen, sei die Befugnis, die hierfÅr geschuldeten Entgelte zu vereinnahmen, in beiden Fsllen auf den vorlsufigen Insolvenzverwalter Åbergegangen. Anders als bei Leistungen, die durch einen verwaltungs- und verfÅgungsberechtigten vorlsufigen Insolvenzverwalter oder nach InsolvenzerÇffnung durch den Insolvenzverwalter erbracht werden, komme es damit zu einer Trennung von Leistungserbringung und Entgeltvereinnahmung. Im Anschluss an die Uneinbringlichkeit komme es durch die Entgeltentrichtung gem. § 17 Abs. 2 Ziff. 1 S. 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung. Vereinnahme der vorlsufige Insolvenzverwalter mit Recht zum Forderungseinzug und allgemeinem Zustimmungsvorbehalt ein zuvor uneinbringlich gewordenes Entgelt aus einer Ausgangsleistung vor seiner Bestellung oder nach seiner Bestellung, fÅhre die Entgeltvereinnahmung zu einer zweiten Berichtigung des Steuerbetrags nach § 17 Abs. 2 Ziff. 1 S. 2, Abs. 1 S. 1 UStG. Dem stehe nicht entgegen, dass die erste Berichtigung aufgrund Uneinbringlichkeit und die zweite Berichtigung aufgrund nachfolgender Vereinnahmung ggf. im selben Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum zusammentreffen. Die zweite Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Ziff. 1 S. 2 UStG sei – im Gegensatz zur ersten Berichtigung – aufgrund einer spsteren ErÇffnung des Insolvenzverfahrens insolvenzrechtlich bei der Berechnung der sich fÅr den Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum ergebenden Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO zu berÅcksichtigen, da es hierfÅr auf die rechtlichen Befugnisse des

530

C. Umsatzsteuer

vorlsufigen Insolvenzverwalters und damit auf das ihm eingersumte Recht zum Forderungseinzug und zur Entgeltvereinnahmung ankomme. Ebenso fÅhre die durch den vorlsufigen Insolvenzverwalter – im Rahmen seines Zustimmungsvorbehalts – veranlasste Zahlung von Entgelten aus vor oder nach seiner Bestellung bezogenen Leistungen zu einer zweiten Berichtigung des Vorsteuerabzugs. Auch dies soll im selben Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum zusammentreffen kÇnnen. Diese jÅngste Rechtsprechung des V. Senats des BFH hat die Finanzverwaltung zum Anlass genommen, ihre Verwaltungsanweisung vom 17.1.20121 durch ihre neue Verwaltungsanweisung vom 20.5.20152 zu ersetzen. Nach der nunmehr geltenden Verwaltungsanweisung ist die Rechtsprechung des BFH „mit sofortiger Wirkung“, d.h. auf alle offenen Besteuerungsfslle anzuwenden. Die Finanzverwaltung schließt sich der Rechtsprechung des BFH vollumfsnglich an. Sie will die Rechtsprechung Åber die Entscheidung des BFH hinaus jedoch zusstzlich auch auf solche Fslle vorlsufiger Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt anwenden, in denen ein ausdrÅckliches Recht des vorlsufigen Insolvenzverwalters zum Forderungseinzug durch das Insolvenzgericht nicht angeordnet worden ist.3 Die Finanzverwaltung beruft sich dafÅr auf die Rz. 13 und 14 der Entscheidung des BFH, was allerdings fehlgeht. Vielmehr hat der BFH die xbertragung seiner Berichtigungsrechtsprechung auf den Zeitpunkt der Anordnung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung in der genannten Entscheidung gerade darauf gestÅtzt, dass das Insolvenzgericht nicht nur einen Zustimmungsvorbehalt angeordnet hatte, sondern zudem den vorlsufigen Insolvenzverwalter auch zum Forderungseinzug ermschtigt hat. FÅr Fslle der Istversteuerung gelangt man nach der neuen Rechtsprechung des BFH bei Vereinnahmung der Entgelte durch den schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalter im vorlsufigen Insolvenzverfahren mit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ebenfalls zur Entstehung von Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 4 InsO, denn hier entsteht der Steueranspruch insgesamt erst wshrend der vorlsufigen Insolvenzverwaltung.4 VorsteuerberichtigungsansprÅche aus nicht bezahlten LeistungsbezÅgen des Insolvenzschuldners nach § 17 Abs. 2 Ziff. 1 S. 1, Abs. 1 S. 2 UStG entstehen nach dieser Rechtsprechung bereits im Zeitpunkt der Anord1 BMF v. 17.1.2012 – IV A 3 - S 0550/10/10020-05 – DOK 2012/0042691, BStBl. I 2012 120, Tz. 3 f. 2 BMF v. 20.5.2015 – IV A 3 - S 0550/10/10020-05 – DOK 2015/0416027, BStBl. I 2015, 476 = FR 2015, 668, abgedruckt im Anhang. 3 BMF v. 20.5.2015 – IV A 3 - S 0550/10/10020-05 – DOK 2015/0416027, BStBl. I 2015, 476 = FR 2015, 668, Tz. 15, abgedruckt im Anhang. 4 So denn auch BMF v. 20.5.2015 – IV A 3 - S 0550/10/10020-05 – DOK 2015/0416027, BStBl. I 2015, 476 = FR 2015, 668, Tz. 19; Wnger, ZInsO 2014, 1121.

531

4.345

346

347

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

nung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt. Entsprechende VorsteuerrÅckforderungsansprÅche der Finanzverwaltung stellen somit Insolvenzforderungen dar.1 Die Wirkungen des § 55 Abs. 4 InsO beziehen sich auf ssmtliche Steuerarten. Steuerliche Nebenleistungen zu den von § 55 Abs. 4 InsO erfassten Steuerarten teilen grundsstzlich das Schicksal der Hauptforderung (z.B. Ssumniszuschlsge auf als Masseverbindlichkeiten zu qualifizierende Steuern aus dem ErÇffnungsverfahren). Die bis zur Festsetzung gegen den Insolvenzverwalter entstandenen Ssumniszuschlsge auf als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO zu qualifizierende Umsatz- und Lohnsteuerforderungen sind aber nach allgemeinen Grundsstzen als Insolvenzforderungen zur Insolvenztabelle anzumelden.2 Verspstungszuschlsge, Zwangsgelder oder VerzÇgerungsgelder, die gegen den Insolvenzschuldner im InsolvenzerÇffnungsverfahren festgesetzt worden sind, fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 55 Abs. 4 InsO, da diese nicht vom schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalter bzw. durch seine Zustimmung begrÅndet worden sind.3 2. Starker vorllufiger Insolvenzverwalter (allgemeines VerfÅgungsverbot) Im Ergebnis shnlich ist dies bei der starken vorllufigen Insolvenzverwaltung. Da hier Handlungen des vorlsufigen Insolvenzverwalters gem. § 55 Abs. 2 InsO (spstere) Masseverbindlichkeiten auslÇsen, soweit sie zu Forderungen gegen den Insolvenzschuldner fÅhren, sind auch die mit vom vorlsufigen starken Insolvenzverwalter ausgefÅhrten Umsstzen verbundenen Umsatzsteuerforderungen des Finanzamtes nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Masseverbindlichkeiten. 3. Vorllufiger Insolvenzverwalter mit Einzelermlchtigungen Als Zwischenform zwischen starker und schwacher vorlsufiger Insolvenzverwaltung kann das Insolvenzgericht den schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalter auch punktuell mit Einzelermlchtigungen versehen, bestimmte VerfÅgungen Åber das schuldnerische VermÇgen zu treffen oder bestimmte Verbindlichkeiten einzugehen. Die gerichtliche Anordnung von Einzelermschtigungen muss inhaltlich zum Schutz der Verfahrensbeteiligten sowie aus GrÅnden der Rechtsklarheit so bestimmt sein, dass sie die damit begrÅndbaren Masseverbindlichkeiten eindeutig bezeichnet.4 Soweit § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO auf (hinreichend bestimmte) Einzel1 BMF v. 20.5.2015 – IV A 3 - S 0550/10/10020-05 – DOK 2015/0416027, BStBl. I 2015, 476 = FR 2015, 668, Tz. 20. 2 BMF v. 20.5.2015 – IV A 3 - S 0550/10/10020-05 – DOK 2015/0416027, BStBl. I 2015, 476 = FR 2015, 668, Tz. 7. 3 BMF v. 20.5.2015 – IV A 3 - S 0550/10/10020-05 – DOK 2015/0416027, BStBl. I 2015, 476 = FR 2015, 668, Tz. 8. 4 FG BW v. 27.5.2009 – 1 K 105/06, ZInsO 2009, 1825 ff.

532

C. Umsatzsteuer

ermschtigungen des vorlsufigen Insolvenzverwalters erweitert wird, kann dieser Masseverbindlichkeiten fÅr das spster erÇffnete Insolvenzverfahren begrÅnden. Umsatzsteuerforderungen, die aus Handlungen des vorlsufigen Insolvenzverwalters im Rahmen seiner Einzelermschtigungen resultieren, nehmen im spster erÇffneten Insolvenzverfahren den Rang von Masseverbindlichkeiten ein. Eine Åber die jeweilige Einzelermschtigung hinausgehende entsprechende Anwendung des § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO ist nicht zulsssig.

4.348

Beispiel 11: Das Insolvenzgericht F bestellt am 1.2.2010 Rechtsanwalt R zum vorlsufigen Insolvenzverwalter Åber das VermÇgen der I-GmbH. Es ordnet Zustimmungsvorbehalt an und ermschtigt den vorlsufigen Insolvenzverwalter zugleich, ein der I-GmbH von dem Auftraggeber A in Auftrag gegebenes, fast fertig gebautes Schiff an A zu Åbereignen. Am 10.2.2010 liefert R das Schiff an A und stellt darÅber eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis aus. Am 20.2.2010 zahlt A auf das von R eingerichtete Treuhandkonto. Am 1.3.2010 wird das Insolvenzverfahren erÇffnet. Die Umsatzsteuerforderung des Finanzamtes ist in diesem Fall Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 2 InsO (nicht § 55 Abs. 4 InsO), weil sie unmittelbar mit der AusfÅhrung der Lieferung des Schiffes an A zusammenhsngt und die Einzelermschtigung den vorlsufigen Insolvenzverwalter hierzu ermschtigte.

Entscheidend kommt es fÅr die Qualifizierung der Umsatzsteuerforderung als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 InsO aber darauf an, dass sie durch die Ausnutzung der auf Grund der Einzelermschtigung bestehenden VerfÅgungsmacht des vorlsufigen Insolvenzverwalters zur Entstehung gelangt. Dies ist nicht der Fall, wenn sich die durch die Einzelermschtigung eingersumte VerfÅgungsmacht auf die Eingehung von Verbindlichkeiten beschrsnkt, die Umsatzsteuerforderung aber schließlich durch eine Lieferung ausgelÇst wird, die der Schuldner selbst – wenn auch mit Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters – vorgenommen hat. Hierzu instruktiv das FG Baden-WÅrttemberg:1 „In diesem Sinne hat das Insolvenzgericht der Schuldnerin den Abschluss von Vertrngen mit Warenlieferanten und Dienstleistern untersagt und die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis insoweit auf den vorlnufigen Insolvenzverwalter Åbergeleitet. Mit dieser Einzelanordnung war fÅr die zur abschließenden VertragserfÅllung der Schuldnerin notwendigen Dienstleister ein Vertrauenstatbestand geschaffen, der ihnen auch in der Zeit der vorlnufigen Insolvenzverwaltung die Bezahlung ihrer Rechnungen durch die Masse gewnhrleistete. Auf diesen sachlich und persÇnlich begrenzten Vertrauensschutz kann sich das FA aber nicht zur BegrÅndung seiner Umsatzsteuerforderung berufen. Der geltend gemachte Steueranspruch beruhte auf Ausgangsleistungen der Schuldnerin, die diese erst nach abschließender ErfÅllung ihrer Auftrnge in Rechnung stellen konnte. FÅr die der Besteuerung zugrunde liegenden Ausgangsleistungen war der Klnger aber nicht speziell ermnchtigt worden. Die VertragserfÅllung geschah zwar mit Zustimmung des vorlnufigen Insolvenzverwalters; sie war aber nicht Ausdruck einer Åbergegangen Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis, wie es fÅr § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO auch im Rahmen seiner entsprechenden Anwendung erforderlich wnre. Das ergibt sich auch daraus, dass die festgesetzte Umsatzsteuer auf Leistungen beruht, welche 1 FG BW v. 27.5.2009 – 1 K 105/06, ZInsO 2009, 1825 ff.

533

4.349

350

351

352

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz die Schuldnerin zur ErfÅllung bereits erteilter Auftrnge vor InsolvenzerÇffnung ausfÅhrte. Die Steuerforderung wurde daher nicht vom Klnger als vorlnufigem Insolvenzverwalter begrÅndet, was ebenfalls fÅr eine entsprechende Anwendung des § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO notwendig wnre.“

Die Ermlchtigung des vorlsufigen Insolvenzverwalters, Forderungen des Schuldners einzuziehen und der xbergang der VerfÅgungsbefugnis Åber die Außenstlnde fÅhren nach der Rechtsprechung des BFH zu Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO (s. dazu ausfÅhrlich oben Rz. 4.339). Zu dem Problem der Beendigung einer umsatzsteuerlichen Organschaft wshrend des ErÇffnungsverfahrens s. Rz. 4.374 ff.

V. FallÅbersicht Fall 1: Der Ausgangspunkt Die I-GmbH (spstere Insolvenzschuldnerin) erbringt in 2010 an ihren Kunden K Lieferungen und stellt in 2010 dafÅr eine Rechnung i.H.v. Euro 10 000 zzgl. Euro 1 900 USt. K hat in 2010 an I den Bruttobetrag gezahlt, I hat die USt. aber nicht an das Finanzamt abgefÅhrt. Am 1.4.2011 wird die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen der I beantragt; am 1.6.2011 wird das Insolvenzverfahren erÇffnet.

xber diesen Fall dÅrfte allgemeine Einigkeit bestehen: Die Steuerforderung des Finanzamtes ist Insolvenzforderung im Rang von § 38 InsO, die gem. § 174 Abs. 1 InsO zur Insolvenztabelle angemeldet werden kann.1 Fall 2: Leistung vor, aber Zahlung erst nach InsolvenzerÇffnung Die I-GmbH (spstere Insolvenzschuldnerin) erbringt in 2010 an ihren Kunden K Lieferungen und stellt in 2010 dafÅr eine Rechnung i.H.v. Euro 10 000 zzgl. Euro 1 900 USt. Am 1.4.2011 wird die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen der I beantragt; am 1.6.2011 wird das Insolvenzverfahren erÇffnet. Zu diesem Zeitpunkt hat K noch nicht an I gezahlt. Erst auf die Zahlungsaufforderung des Insolvenzverwalters hin zahlt K an den Insolvenzverwalter den Bruttobetrag.

Vereinnahmt der Insolvenzverwalter eines Unternehmers das Entgelt fÅr eine vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ausgefÅhrte Leistung nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens, begrÅndet die Entgeltvereinnahmung nicht nur bei der Ist-,2 sondern auch bei der Sollbesteuerung3 nach Auffassung des BFH gemsß seiner umstrittenen Berichtigungsrechtsprechung (dazu ausfÅhrlich oben Rz. 4.330 ff.) eine Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO.

1 Vgl. statt Vieler BFH v. 11.7.2013 – XI B 41/13, ZIP 2013, 1680 = ZInsO 2013, 1739. 2 BFH v. 29.1.2009 – V R 64/07, BStBl. II 2009, 682 = ZIP 2009, 977 = ZInsO 2009, 920 = BFHE 224, 24. 3 BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 = ZIP 2011, 782.

534

C. Umsatzsteuer

Fall 3: Rechnungstellung und/oder (Abschlags-)Zahlung vor InsolvenzerÇffnung, Lieferung nach InsolvenzerÇffnung durch den Insolvenzverwalter Die I-GmbH (spstere Insolvenzschuldnerin) erteilt in 2010 ihrem Kunden K eine (Abschlags-)Rechnung. K leistet in 2010 darauf wie vereinbart Vorkasse i.H.v. Euro 10 000 zzgl. Euro 1 900 USt., I fÅhrt die darin enthaltene Umsatzsteuer aber nicht an das Finanzamt ab. Am 1.4.2011 wird die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen der I beantragt; am 1.6.2011 wird das Insolvenzverfahren erÇffnet. Zu diesem Zeitpunkt hat I noch nicht an K geliefert. Die Lieferung erfolgt erst nach InsolvenzerÇffnung auf Veranlassung des Insolvenzverwalters.

Die Umsatzsteuer entsteht grundsstzlich mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem eine Lieferung oder Leistung ausgefÅhrt worden ist (bei Versteuerung nach vereinbarten Entgelten, Sollbesteuerung, § 13 Abs. 1 Nr. 1 a S. 1 UStG), es sei denn, der Unternehmer versteuert nach vereinnahmten Entgelten (bei Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten, Istbesteuerung, § 13 Abs. 1 Nr. 1 b UStG). Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgeltes (§§ 10, 11, 13 Abs. 1 Nr. 1 a) Satz 4 UStG) jedoch vor LeistungsausfÅhrung vereinnahmt, entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf desjenigen Voranmeldungszeitraumes, in dem das Entgelt vereinnahmt wurde. Somit ist der Umsatzsteueranspruch des Finanzamtes hier mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes in 2010 entstanden, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist. Im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung ist somit ein gegen den Schuldner gerichteter, begrÅndeter und nicht beglichener Zahlungsanspruch des Finanzamtes vor, der alle Voraussetzungen des § 38 InsO erfÅllt und somit eine Insolvenzforderung darstellt. Zu diesem Ergebnis gelangt auch eine Entscheidung des V. Senates aus 2009;1 daran hat die neuere Rechtsprechung, insbesondere die Entscheidung BFH, Urt. v. 9.12.20102 (V R 22/10) nichts gesndert. Maßgeblich dafÅr ist, dass die Entgeltforderung des Insolvenzschuldners nicht mehr uneinbringlich werden kann, nachdem sie bereits an ihn entrichtet worden ist. Man gelangt auch nicht zu einer znderung der Bemessungsgrundlage gem. § 17 Abs. 1 UStG Åber § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Nach dieser Norm gilt § 17 Abs. 1 UStG sinngemsß wenn fÅr eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgefÅhrt worden ist. Zwar kÇnnte man in der Zssur der InsolvenzerÇffnung einen Umstand sehen, durch den der vorinsolvenzliche Unternehmensteil ein Leistungsentgelt vereinnahmt, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht mehr ausgefÅhrt hat und der nachinsolvenzliche Teil die Lieferung oder sonstige Leistung ausfÅhrt. Diese Sichtweise wsre aber mit der zivilrechtlichen Konstruktion des ErfÅllungswahlrechtes nach § 103 InsO nicht vereinbar, die der BGH seit der Aufgabe der ErlÇschenstheorie vertritt.3 Die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt nach gegenwsrtiger Rechtsprechung des BGH kein ErlÇschen der ErfÅllungsansprÅche aus gegenseitigen Vertrsgen im Sinn einer materiell1 BFH v. 30.4.2009 – V R 1/06, BStBl. II 2010, 138 = ZIP 2009, 1677. 2 BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 = ZIP 2011, 782. 3 BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZIP 2002, 1093 = BGHZ 150, 353.

535

4.353

354

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

rechtlichen Umgestaltung. Vielmehr verlieren die noch offenen AnsprÅche im Insolvenzverfahren ihre Durchsetzbarkeit, soweit sie nicht auf die anteilige Gegenleistung fÅr vor VerfahrenserÇffnung erbrachte Leistungen gerichtet sind. Wshlt der Verwalter ErfÅllung, so erhalten die zunschst nicht durchsetzbaren AnsprÅche die Rechtsqualitst von originsren Forderungen der und gegen die Masse. Durch die ErfÅllungswahl nach § 103 InsO hebt der Insolvenzverwalter in Bezug auf das konkrete Vertragsverhsltnis des Insolvenzschuldners die ErÇffnungswirkungen auf. In Bezug auf dieses Vertragsverhsltnis sind damit die wechselseitigen AnsprÅche in gleicher Weise wechselseitig durchsetzbar, wie es auch ohne InsolvenzerÇffnung der Fall gewesen wsre. Dadurch die ErfÅllungswahl die Durchsetzbarkeit der dem Vertragspartner geschuldeten Leistung des Insolvenzschuldners uneingeschrsnkt wieder hergestellt wird, mÅsste man spstestens im Zeitpunkt der ErfÅllungswahl, die der Insolvenzverwalter auch konkludent treffen kann, eine erneute Berichtigung i.S.v. § 17 Abs. 1 UStG vornehmen, wenn man davon ausgehen wollte, dass § 17 Abs. 2 Ziff. 2 UStG im ErÇffnungszeitpunkt eine Berichtigung erfordern wÅrde. Ist in Fall 3 nur ein Teil des gesamten Leistungsentgeltes vor VerfahrenserÇffnung an I gezahlt worden, so handelt es sich bei der Umsatzsteuer um eine Masseverbindlichkeit, soweit das vereinbarte Entgelt nach VerfahrenserÇffnung durch den Insolvenzverwalter vereinnahmt wurde.1 Wird etwa die Leistung nach der Vereinnahmung von Anzahlungen ausgefÅhrt, hat der Unternehmer die Leistung fÅr den Voranmeldungszeitraum der LeistungsausfÅhrung nsmlich nur insoweit zu versteuern, als die Steuer nicht schon auf Grund der zuvor vereinnahmten Anzahlungen entstanden ist. Die Besteuerung auf Grund der Leistungserbringung steht einerseits unter dem Vorbehalt, dass das Entgelt tatsschlich vereinnahmt und nicht uneinbringlich wird (§ 17 Abs. 2 Ziff. 1 UStG), andererseits steht die Steuererhebung auf Grund der Entgeltvereinnahmung unter der Bedingung erfolgt, dass die Leistung ausgefÅhrt wird (§ 17 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 2 Ziff. 2 UStG).2 Fall 4: Leistungserbringung und Entgeltvereinnahmung wlhrend der vorllufigen starken Insolvenzverwaltung Die I-GmbH stellt am 1.4.2010 den Antrag, das Insolvenzverfahren Åber ihr VermÇgen zu erÇffnen. Am 1.4.2010 wird ein vorlsufiger Insolvenzverwalter (I) bestellt und der Schuldnerin zugleich ein allgemeines VerfÅgungsverbot auferlegt (starke vorlsufige Insolvenzverwaltung). Am 10.4.2010 verkauft der vorlsufige Insolvenzverwalter auf Rechnung der Insolvenzschuldnerin an K eine Maschine, liefert diese sofort an K aus und stellt K sogleich vereinbarungsgemsß eine ordnungsgemsße Rechnung aus Åber den Betrag i.H.v. Euro 10 000 zzgl. Euro 1 900 USt. K zahlt die vereinbarten Betrsge am 20.4.2010 an I. Am 1.8.2010 wird das Insolvenzverfahren erÇffnet. Zu diesem Zeitpunkt ist Umsatzsteuer i.H.v. Euro 1 900 aus dem Verkauf an K noch nicht an das Finanzamt abgefÅhrt. 1 BFH v. 30.4.2009 – V R 1/06, BStBl. II 2010, 138 = ZIP 2009, 1677. 2 BFH v. 30.4.2009 – V R 1/06, BStBl. II 2010, 138 = ZIP 2009, 1677.

536

C. Umsatzsteuer

Die Umsatzsteuer stellt hier eine Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 2 InsO dar. Der Anspruch des Finanzamtes entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums April. Auf § 55 Abs. 4 InsO kommt es nicht an, weil diese Vorschrift nur dann eingreift, wenn nicht bereits § 55 Abs. 2 InsO eingreift. Fall 5: Leistungserbringung vor Anordnung der vorllufigen Insolvenzverwaltung und Entgeltvereinnahmung wlhrend der vorllufigen starken Insolvenzverwaltung

4.355

Am 1.3.2010 verkauft die I-GmbH (spstere Insolvenzschuldnerin) an K eine Maschine, liefert diese sofort aus und stellt K sogleich vereinbarungsgemsß eine ordnungsgemsße Rechnung aus Åber den Betrag i.H.v. Euro 10 000 zzgl. Euro 1 900 USt. Die I-GmbH stellt am 1.4.2010 den Antrag, das Insolvenzverfahren Åber ihr VermÇgen zu erÇffnen. Zu diesem Zeitpunkt hat K noch nicht an die I-GmbH gezahlt. Am 1.4.2010 wird ein vorlsufiger Insolvenzverwalter (I) bestellt und der Schuldnerin zugleich ein allgemeines VerfÅgungsverbot auferlegt (starke vorlsufige Insolvenzverwaltung). K zahlt die vereinbarten Betrsge am 20.4.2010 an I. Am 1.8.2010 wird das Insolvenzverfahren erÇffnet. Zu diesem Zeitpunkt ist Umsatzsteuer i.H.v. Euro 1 900 aus dem Verkauf an K noch nicht an das Finanzamt abgefÅhrt.

Auch hier kommt nicht § 55 Abs. 4 InsO zur Anwendung, weil ein Fall der starken vorlsufigen Insolvenzverwaltung vorliegt. FÅr die Frage, ob die Umsatzsteuer Masseverbindlichkeit wird, ist deswegen § 55 Abs. 2 InsO maßgeblich. Vor-aussetzung ist nach dieser Vorschrift, dass es sich bei der Umsatzsteuer um eine Verbindlichkeit handeln mÅsste, die durch den vorlsufigen Insolvenzverwalter begrÅndet worden ist. Nachdem der V. Senat des BFH seine Berichtigungsrechtsprechung auf den Zeitpunkt der Anordnung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung vorverlagert hat,1 ist auch fÅr Fslle der starken vorlsufigen Insolvenzverwaltung davon auszugehen, dass die bis zu diesem Zeitpunkt nicht vereinnahmten Leistungsentgelte des Insolvenzschuldners im Zeitpunkt der Anordnung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung gem. § 17 UStG zu berichtigen sind. In Fall 5 tritt dann am 20.4.2010 die zweite Berichtigung ein, weil der vorlsufige starke Insolvenzverwalter das Entgelt zu diesem Zeitpunkt vereinnahmt. Diese weitere Berichtigung fÅhrt dann nach Auffassung des V. Senats dazu, dass die dadurch entstehende Umsatzsteuerschuld ab ErÇffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 55 Abs. 4 InsO Masseverbindlichkeit ist. Fall 6: Leistungserbringung wlhrend der vorllufigen starken Insolvenzverwaltung, Entgeltvereinnahmung nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Die I-GmbH stellt am 1.4.2010 den Antrag, das Insolvenzverfahren Åber ihr VermÇgen zu erÇffnen. Am 1.4.2010 wird ein vorlsufiger Insolvenzverwalter (I) bestellt 1 BFH v. 24.9.2014 – V R 48/13, ZIP 2014, 2451 = ZInsO 2014, 2589; zur Kritik daran s. oben Rz. 4.343 ff.; ebenso nun BMF v. 20.5.2015 – IV A 3 - S 0550/10/10020-05 – DOK 2015/0416027, BStBl. I 2015, 476 = FR 2015, 668.

537

4.356

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz und der Schuldnerin zugleich ein allgemeines VerfÅgungsverbot auferlegt (starke vorlsufige Insolvenzverwaltung). Am 10.4.2010 verkauft der vorlsufige Insolvenzverwalter auf Rechnung der Insolvenzschuldnerin an K eine Maschine, die auch sofort ausgeliefert wird, und stellt K sogleich vereinbarungsgemsß eine ordnungsgemsße Rechnung aus Åber den Betrag i.H.v. Euro 10 000 zzgl. Euro 1 900 USt. Am 1.6.2010 wird das Insolvenzverfahren erÇffnet. Zu diesem Zeitpunkt ist Umsatzsteuer i.H.v. Euro 1 900 aus dem Verkauf an K noch nicht an das Finanzamt abgefÅhrt. K zahlt die vereinbarten Betrsge am 20.8.2010 an I.

Der Umsatzsteueranspruch ist durch Rechtshandlung des vorlsufigen Insolvenzverwalters entstanden. Da es sich um einen vorlsufigen starken Insolvenzverwalter handelte, ist die Umsatzsteuerforderung Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 2 InsO. Auf § 55 Abs. 4 InsO kommt es nicht an. Es sind auf der Basis der Grundsatzentscheidung BFH vom 9.12.20101 (V R 22/10) zwei Berichtigungen gem. § 17 UStG durchzufÅhren: Auch bei vorangegangener vorlsufiger starker Verwaltung ist die Zssur und die Aufteilung in mehrere Unternehmensteile vorzunehmen. FÅr die Konstruktion des BFH kommt es nicht darauf an, ob eine einzelne konkrete Forderung ihre Durchsetzbarkeit verliert oder ob sie sie nicht verliert. Es ist deswegen unmaßgeblich, dass die hier gem. § 55 Abs. 2 InsO entstandene Forderung nach InsolvenzerÇffnung als Masseverbindlichkeit gelten wÅrde – wenn sie denn steuerrechtlich noch bestehen wÅrde. Allein maßgeblich ist, dass die Forderung bei InsolvenzerÇffnung, als das zur Berichtigung fÅhrende Ereignis eintrat, als Forderung vorhanden war und dass der vorinsolvenzliche Unternehmensteil diese Entgeltforderung nicht mehr liquidieren kann, nachdem das Insolvenzverfahren erÇffnet ist. Mit InsolvenzerÇffnung geht also dieser Steueranspruch in Folge der Berichtigung der Bemessungsgrundlage steuerrechtlich unter.2 Durch das Uneinbringlichwerden der dem Insolvenzschuldner zustehenden Forderung gegen den K im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung hat die I-GmbH also insoweit eine Berichtigung nach § 17 UStG durchzufÅhren. Damit wird die BegrÅndung der Masseverbindlichkeit durch § 55 Abs. 2 InsO wieder aufgehoben3: Da die Umsatzsteuerforderung durch die Berichtigung hinweggefallen ist und fÅr die Durchsetzung von Steuerforderungen ihr steuerrechtliches Bestehen Voraussetzung ist, kann die Forderung so lange nicht erhoben werden, bis nicht das zur erneuten Berichtigung fÅhrende Ereignis der Entgeltvereinnahmung eingetreten ist. FÅr den Voranmeldungszeitraum August 2010 hat der Insolvenzverwalter daher eine erneute Berichtigung vorzunehmen. Die daraus resultierende Steuerforderung des Finanzamtes ist Masseverbindlichkeit. Anders hat

1 BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 = ZIP 2011, 782. 2 So nun fÅr diese Fallkonstellation ausdrÅcklich BFH v. 24.9.2014 – V R 48/13, ZIP 2014, 2451 Tz. 41 = ZInsO 2014, 2589. 3 So nun fÅr diese Fallkonstellation ausdrÅcklich BFH v. 24.9.2014 – V R 48/13, ZIP 2014, 2451 Tz. 41 = ZInsO 2014, 2589.

538

C. Umsatzsteuer

das die Finanzverwaltung noch im BMF-Schreiben vom 9.12.20111 gesehen. Dort vertritt das BMF in Tz. 13 die Auffassung, fÅr Steuerbetrsge aus Umsstzen, die nach der Bestellung als sog. starker vorlsufiger Insolvenzverwalter erbracht worden sind, komme ebenfalls keine Berichtigung des Umsatzsteuerbetrags nach § 17 Abs. 2 Ziff. 1 Satz 2 UStG in Betracht; diese Umsstze sollen mit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens sonstige Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO darstellen. Fall 7: Rechnungstellung und/oder (Abschlags-)Zahlung vor Anordnung der vorllufigen Insolvenzverwaltung und Leistungserbringung wlhrend der vorllufigen starken Insolvenzverwaltung

4.357

Am 1.3.2010 verkauft die I-GmbH (spstere Insolvenzschuldnerin) an K eine Maschine. Die Parteien vereinbaren Vorkasse. Die I-GmbH stellt K sogleich vereinbarungsgemsß eine ordnungsgemsße Rechnung aus Åber den Betrag i.H.v. Euro 10 000 zzgl. Euro 1 900 USt., die K auch sofort an die I-GmbH zahlt. Die I-GmbH stellt am 1.4.2010 den Antrag, das Insolvenzverfahren Åber ihr VermÇgen zu erÇffnen. Zu diesem Zeitpunkt hat die I-GmbH noch nicht an K geliefert. Am 1.4.2010 wird ein vorlsufiger Insolvenzverwalter (I) bestellt und der Schuldnerin zugleich ein allgemeines VerfÅgungsverbot auferlegt (starke vorlsufige Insolvenzverwaltung). I liefert die Maschine am 20.4.2010 an K. Am 1.8.2010 wird das Insolvenzverfahren erÇffnet.

Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgeltes (§§ 10, 11, 13 Abs. 1 Nr. 1 a) Satz 4 UStG) vor LeistungsausfÅhrung vereinnahmt, entsteht die Umsatzsteuerschuld mit Ablauf desjenigen Voranmeldungszeitraumes, in dem das Entgelt vereinnahmt wurde. Somit ist der Umsatzsteueranspruch des Finanzamtes hier mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes Msrz 2010 entstanden. Es besteht somit eine Insolvenzforderung, die auch nicht durch die Lieferung wshrend der vorlsufigen Insolvenzverwaltung ihre insolvenzrechtliche Forderungsqualitst verliert. Es ergeben sich insoweit hinsichtlich der Beurteilung keine Abweichungen gegenÅber Fall 3 bzw. BFH, Urt. v. 30.4.20092 (V R 1/06). Eine Berichtigung i.S.v. § 17 UStG muss auf den ErÇffnungszeitpunkt nicht vorgenommen werden, weil zu diesem Zeitpunkt eine Entgeltforderung der I-GmbH nicht mehr bestand, also auch nicht uneinbringlich werden konnte. Fall 8: Entgeltvereinnahmung wlhrend der vorllufigen starken Insolvenzverwaltung, Leistungserbringung nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Die I-GmbH stellt am 1.4.2010 den Antrag, das Insolvenzverfahren Åber ihr VermÇgen zu erÇffnen. Am 1.4.2010 wird ein vorlsufiger Insolvenzverwalter (I) bestellt und der Schuldnerin zugleich ein allgemeines VerfÅgungsverbot auferlegt (starke vorlsufige Insolvenzverwaltung). Am 10.4.2010 verkauft der vorlsufige Insolvenzverwalter auf Rechnung der Insolvenzschuldnerin an K eine Maschine und stellt K sogleich vereinbarungsgemsß eine ordnungsgemsße Rechnung aus Åber den Betrag i.H.v. Euro 10 000 zzgl. Euro 1 900 USt. Es wird Vorkasse vereinbart; K zahlt am 10.4.2010 an I. Am 1.8.2010 wird das Insolvenzverfahren erÇffnet. I liefert am 20.8.2010 an K. 1 BMF v. 9.12.2011 – IV D 2 - S 7330/09/10001 :001 – DOK 2011/0992053, BStBl. I 2011, 1273. 2 BFH v. 30.4.2009 – V R 1/06, BStBl. II 2010, 138 = ZIP 2009, 1677.

539

4.358

359

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgeltes (§§ 10, 11, 13 Abs. 1 Nr. 1 a) Satz 4 UStG) vor LeistungsausfÅhrung vereinnahmt, entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf desjenigen Voranmeldungszeitraumes, in dem das Entgelt vereinnahmt wurde. Somit ist der Umsatzsteueranspruch des Finanzamtes hier mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes April 2010 entstanden. Da zu diesem Zeitpunkt bereits die vorlsufige starke Insolvenzverwaltung angeordnet war, hat der Umsatzsteueranspruch gem. § 55 Abs. 2 InsO die Forderungsqualitst einer Masseverbindlichkeit. Daran sndert die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nichts: Die zivilrechtliche Forderung des K aus dem Kaufvertrag ist Masseverbindlichkeit und nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens voll durchsetzbar. Eine zu berichtigende Entgeltforderung der I-GmbH hat im ErÇffnungszeitpunkt nicht bestanden. Da der Umsatzsteueranspruch bereits Masseverbindlichkeit ist und hinsichtlich seines steuerrechtlichen Bestehens durch eine Berichtigung keine znderungen eintreten, bleibt die Leistungserbringung nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ohne jede Auswirkung. Fall 9: Vereinnahmung des Entgelts in der vorllufigen Insolvenzverwaltung von bereits vor oder wlhrend der vorllufigen Insolvenzverwaltung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG berichtigten Umsltzen Die I-GmbH hat offene Forderungen aus im April 2010 erfolgten umsatzsteuerpflichtigen Lieferungen i.H.v. Euro 119 000 inkl. USt. gegenÅber dem Leistungsempfsnger K. I hat diese Umsstze in dem Voranmeldungszeitraum April 2010 angemeldet. xber das VermÇgen des K wird am 15.7.2010 das Insolvenzverfahren erÇffnet. Mit Wirkung zum 15.8.2010 wird Åber das VermÇgen der I-GmbH ein allgemeines VerfÅgungsverbot angeordnet und I zum vorlsufigen (starken) Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis bestellt. Am 15.9.2010 geht auf dem Geschsftskonto der I-GmbH der Rechnungsbetrag i.H.v. Euro 119 000 ein. Am 2.10.2010 wird das Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen der I-GmbH erÇffnet.1

Die I-GmbH hatte nach BFH-Urteil v. 9.12.20102 (V R 22/10) die in den offenen Forderungen enthaltene Umsatzsteuer nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UStG i.H.v. Euro 19 000 unbeschadet einer mÇglichen Insolvenzquote in voller HÇhe spstestens im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung Åber das VermÇgen des K zu berichtigen. Die Berichtigung ist fÅr den Voranmeldungszeitraum Juli 2010 durchzufÅhren. Nach Vereinnahmung des Entgeltes im vorlsufigen Insolvenzverfahren ist eine erneute Berichtigung der Steuerbetrsge nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG durchzufÅhren. Die Berichtigung ist fÅr den Voranmeldungszeitraum September 2010 vorzunehmen. Die hieraus resultierende Umsatzsteuer i.H.v. Euro 19 000 stellt mit ErÇffnung des Insolvenzverfahrens eine sonstige Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 InsO dar, da es sich insoweit um Verbindlichkeiten der I-GmbH aus dem Steuerschuldverhslt1 Siehe dazu BMF v. 12.4.2013 – IV D 2 - S 7330/09/10001 :001 – DOK 2013/0336253, BStBl. I 2013, 518. 2 BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 = ZIP 2011, 782 = ZInsO 2011, 823.

540

C. Umsatzsteuer

nis handelt, die durch den starken vorlsufigen Insolvenzverwalters begrÅndet worden sind. Fall 10: Leistungserbringung und Entgeltvereinnahmung wlhrend der vorllufigen schwachen Insolvenzverwaltung Die I-GmbH stellt am 1.4.2011 den Antrag das Insolvenzverfahren Åber ihr VermÇgen zu erÇffnen. Am 1.4.2011 wird ein vorlsufiger Insolvenzverwalter (I) mit Zustimmungsvorbehalt bestellt (schwache vorlsufige Insolvenzverwaltung). Am 10.4.2011 verkauft die Schuldnerin an K eine Maschine und stellt K sogleich vereinbarungsgemsß eine ordnungsgemsße Rechnung aus Åber den Betrag i.H.v. Euro 10 000 zzgl. Euro 1 900 USt. Die Maschine wird mit Zustimmung des I auch sogleich an K geliefert. K zahlt die vereinbarten Betrsge am 20.4.2011 an I. Am 1.8.2011 wird das Insolvenzverfahren erÇffnet.

Nach § 55 Abs. 4 InsO gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhsltnis, die von einem vorlsufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorlsufigen Insolvenzverwalters begrÅndet worden sind, nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten. Es handelt sich insoweit um Verbindlichkeiten, die wshrend der vorlsufigen Insolvenzverwaltung begrÅndet wurden. Die neue Regelung ist auf alle Insolvenzverfahren anzuwenden, deren ErÇffnung nach dem 31.12.2010 beantragt wurde. Die Norm ist hÇchst problematisch. Insoweit wird Åberwiegend zu Recht in der Literatur die Ansicht vertreten, dass der Begriff der „Zustimmung“ in § 55 Abs. 4 InsO nicht anders ausgelegt werden kann als in § 21 Abs. 2 Ziff. 2 InsO,1 wonach ein durch das Gericht angeordneter Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Ziff. 2 InsO) lediglich fÅr die Wirksamkeit von VermÇgensverfÅgungen des zukÅnftigen Insolvenzschuldners Bedeutung haben kann.2 Irgendwelche Erklsrungen eines vorlsufigen schwachen Insolvenzverwalters in Ansehung von Verpflichtungsgeschsften sind rechtlich ein Nullum. Der Insolvenzschuldner kann nsmlich auch bei vorlsufiger schwacher Insolvenzverwaltung ohne Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters Verpflichtungen eingehen. Diese haben nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens die Qualitst von Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO. Dennoch hat der BFH Bedenken der Literatur hinsichtlich der Norm des § 55 Abs. 4 InsO im Ganzen abgelehnt.3 In Fall 10 entsteht der Umsatzsteueranspruch der Finanzverwaltung mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums April 2010 weil die Lieferung in diesem Voranmeldungszeitraum erfolgt. Auf die Entgeltvereinnahmung kommt es nur in Fsllen der Istbesteuerung an. Soweit die Umsatzsteuerforderung im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung noch nicht beglichen ist, gilt die entsprechende Um1 Vgl. auch Loose in Tipke/Kruse, AO, § 251 Rz. 70 b. 2 Vgl. auch Graf-Schlicker, Kommentar zur InsO, 3. Aufl., § 55 Rz. 54. 3 BFH v. 24.9.2014 – V R 48/13, ZIP 2014, 2451 = ZInsO 2014, 2589; zur Kritik daran s. oben Rz. 4.330 ff.; ebenso nun BMF v. 20.5.2015 – IV A 3 - S 0550/10/10020-05 – DOK 2015/0416027, BStBl. I 2015, 476 = FR 2015, 668.

541

4.360

361

362

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

satzsteuerforderung ab ErÇffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 4 InsO. Eine Besichtigung ist nicht durchzufÅhren, weil im ErÇffnungszeitpunkt keine Entgeltforderung mehr vorhanden ist. Fall 11: Leistungserbringung vor Anordnung der vorllufigen Insolvenzverwaltung und Entgeltvereinnahmung wlhrend der vorllufigen schwachen Insolvenzverwaltung Am 1.3.2011 verkauft die I-GmbH (spstere Insolvenzschuldnerin) an K eine Maschine, liefert diese sofort aus und stellt K sogleich vereinbarungsgemsß eine ordnungsgemsße Rechnung aus Åber den Betrag i.H.v. Euro 10 000 zzgl. Euro 1 900 USt. Die I-GmbH stellt am 1.4.2011 den Antrag, das Insolvenzverfahren Åber ihr VermÇgen zu erÇffnen. Zu diesem Zeitpunkt hat K noch nicht an die I-GmbH gezahlt. Am 1.4.2011 wird ein vorlsufiger Insolvenzverwalter (I) bestellt durch das Insolvenzgericht angeordnet, dass VerfÅgungen der I-GmbH nur noch mit Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (schwache vorlsufige Insolvenzverwaltung). K zahlt die vereinbarten Betrsge am 20.4.2011 an I. Am 1.8.2011 wird das Insolvenzverfahren erÇffnet.

Im Fall der Istversteuerung fÅhrt die Vereinnahmung der Entgelte durch den schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalter im vorlsufigen Insolvenzverfahren mit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens zur Entstehung von Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO, weil bei der Istversteuerung der Steueranspruch der Finanzverwaltung erst in diesem Zeitpunkt entsteht.1 In Fsllen der Sollbesteuerung gilt nach nunmehr neuester Rechtsprechung des V. Senats des BFH, dass die im Zeitpunkt der Anordnung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung noch nicht vereinnahmte Entgeltforderung des Insolvenzschuldners gem. § 17 UStG zu berichtigen ist.2 Dadurch wird die Steuerforderung, die eigentlich bereits entstanden ist und somit im erÇffneten Insolvenzverfahren den Rang einer Insolvenzforderung gem. § 38 InsO einnehmen wÅrde, steuerrechtlich auf Null reduziert. Durch die Entgeltvereinnahmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters am 20.4.2011 wird ein erneuter Berichtigungstatbestand gem. § 17 UStG ausgelÇst, so dass dann § 55 Abs. 4 InsO dahingehend eingreift, dass dieser neu begrÅndete Umsatzsteueranspruch nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit gilt. Fall 12: Leistungserbringung wlhrend der vorllufigen schwachen Insolvenzverwaltung, Entgeltvereinnahmung nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Die I-GmbH stellt am 1.4.2011 den Antrag, das Insolvenzverfahren Åber ihr VermÇgen zu erÇffnen. Am 1.4.2011 wird ein vorlsufiger Insolvenzverwalter (I) mit Zustimmungsvorbehalt bestellt (schwache vorlsufige Insolvenzverwaltung). Am 1 Vgl. BFH v. 29.1.2009 – V R 64/07, BStBl. II 2009, 682 = ZIP 2009, 977. 2 BFH v. 24.9.2014 – V R 48/13, ZIP 2014, 2451 = ZInsO 2014, 2589; zur Kritik daran s. oben Rz. 4.330 ff.; ebenso nun BMF v. 20.5.2015 – IV A 3 - S 0550/10/10020-05 – DOK 2015/0416027, BStBl. I 2015, 476 = FR 2015, 668.

542

C. Umsatzsteuer 10.4.2011 verkauft die I-GmbH an K eine Maschine, die auch sofort ausgeliefert wird, und stellt K sogleich vereinbarungsgemsß eine ordnungsgemsße Rechnung aus Åber den Betrag i.H.v. Euro 10 000 zzgl. Euro 1 900 USt. Am 1.8.2011 wird das Insolvenzverfahren erÇffnet. Zu diesem Zeitpunkt ist Umsatzsteuer i.H.v. Euro 1 900 aus dem Verkauf an K noch nicht an das Finanzamt abgefÅhrt. K zahlt die vereinbarten Betrsge am 20.8.2011 an I.

In diesem Fall ist § 55 Abs. 4 InsO einschlsgig. Die Umsatzsteuerschuld ist nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Masseverbindlichkeit. Unklar war bis zur Entscheidung des BFH vom 24.9.20141 (V R 48/13), ob gleichwohl im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung eine Berichtigung gem. § 17 UStG nach der Grundsatzentscheidung des BFH vom 9.12.20102 (V R 22/10) erfolgen muss. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll eine Berichtigung im ErÇffnungszeitpunkt nicht vorzunehmen sein.3 Umsatzsteuerverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO, bei denen das Entgelt im Falle der Sollversteuerung zum Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung noch nicht vereinnahmt wurde, sollen danach nicht nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen sein, weil diese Umsatzsteuerbetrsge durch den Unternehmensteil „Insolvenzmasse“ begrÅndet und daher auch aus der Insolvenzmasse zu entrichten seien. Da kein Wechsel des leistenden Unternehmensteils („Insolvenzmasse“) vorliege, sei auch keine Berichtigung durchzufÅhren. Der BFH hat dies nun anders entschieden: Auch solche Entgeltforderungen, die durch einen vorlsufigen schwachen Insolvenzverwalter begrÅndet worden sind, werden mit InsolvenzerÇffnung uneinbringlich i.S.v. § 17 UStG, wenn sie nicht vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens durch den vorlsufigen Insolvenzverwalter auch vereinnahmt worden sind.4 Damit wird das Vorhandensein einer Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO zeitweilig wieder aufgehoben: Da die Umsatzsteuerforderung steuerrechtlich durch die Berichtigung im ErÇffnungszeitpunkt hinweggefallen ist und fÅr die Durchsetzung von Steuerforderungen ihr steuerrechtliches Bestehen Voraussetzung ist, kann die Forderung so lange nicht erhoben werden, bis nicht das zur erneuten Berichtigung fÅhrende Ereignis der Entgeltvereinnahmung eingetreten ist. Dem Fiskus geht dadurch aber nichts verloren, weil bei Neuentstehung der Umsatzsteuerforderung sowohl kraft gesetzlicher Anordnung in § 55 Abs. 4 InsO als auch nach der Konstruktion des Uneinbringlichwerdens des V. Senates eine Massever-

1 BFH v. 24.9.2014 – V R 48/13, ZIP 2014, 2451 = ZInsO 2014, 2589. 2 BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 = ZIP 2011, 782 = ZInsO 2011, 823 3 BMF v. 17.1.2012 – IV A 3 - S 0550/10/10020-05 – DOK 2012/0042691, BStBl. I 2012, 120, Tz. 14. 4 BFH v. 24.9.2014 – V R 48/13, ZIP 2014, 2451 (Tz. 31) = ZInsO 2014, 2589; zur Kritik daran s. oben Rz. 4.330 ff.

543

363

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

bindlichkeit entsteht. FÅr den Voranmeldungszeitraum August 2011 hat der Insolvenzverwalter daher eine erneute Berichtigung vorzunehmen. Dieser „Stundungseffekt“ kann fÅr den Insolvenzverwalter insbesondere bei BetriebsfortfÅhrungen außerordentlich wertvoll sein. Fall 13: Verfahrensrechtliches – Umsatzsteuerfestsetzung von Umsatzsteuerforderungen gem. § 55 Abs. 4 InsO gegenÅber dem Insolvenzverwalter Am 7.6.2011 beantragte die GmbH die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber ihr VermÇgen. Ebenfalls am 7.6.2011 wurde I zum schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalter bestellt, VerfÅgungen der I-GmbH waren damit nur noch mit Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters wirksam. Die GmbH fÅhrte ihren Geschsftsbetrieb mit Einwilligung des vorlsufigen Insolvenzverwalters zunschst fort. FÅr die Monate Juni, Juli und August 2011 reichte die I-GmbH Umsatzsteuer-Voranmeldungen beim Finanzamt ein, die jeweils mit einer Zahllast endeten. Zahlungen auf die Umsatzsteuer durch die I-GmbH erfolgten jedoch nicht. Am 1.9.2011 wurde das Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen der I-GmbH erÇffnet und I zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 5.10.2011 Åbersandte das Finanzamt dem I eine VollstreckungsankÅndigung fÅr die Umsatzsteuervorauszahlungen der Monate Juni bis August 2011. Mit Schreiben vom 10.11.2011 forderte das Finanzamt den I unter Hinweis auf § 55 Abs. 4 InsO zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen fÅr die Zeitrsume Juni bis August 2011 auf. Dem kam I jedoch nicht nach. Am 5.12.2011 erließ das Finanzamt unter der Masse-Steuernummer der I-GmbH Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide fÅr die Monate Juni bis August 2011 gegen I als Insolvenzverwalter und forderte diesen jeweils zur Zahlung der festgesetzten Umsatzsteuer auf. Die HÇhe der festgesetzten Steuerforderungen entsprach jeweils der von der I-GmbH eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldung. Die Bescheide Åber die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung trugen jeweils den handschriftlichen Vermerk: „Die Steuerfestsetzung betrifft die Festsetzung als sonstige Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO“. Gegen die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide vom 5.12.2011 legte I Einspruch ein und beantragte gleichzeitig erfolglos die Aussetzung der Vollziehung. I begehrte die Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide fÅr die Monate Juni bis August 2011 nunmehr durch das FG DÅsseldorf – mit Erfolg.1

Der Fall dÅrfte einer derzeit weit verbreiteten Praxis der Finanzverwaltung entsprechen. Die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide sind allerdings rechtswidrig und auf den Einspruch des Insolvenzverwalters hin aufzuheben. Maßgeblich sind dafÅr folgende, durch das FG DÅsseldorf in instruktiver Weise herausgearbeitete verfahrensrechtliche Aspekte: Auch nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens gilt der Grundsatz der Unternehmereinheit fÅr den Insolvenzschuldner. Bedingt durch die Erfordernisse des Insolvenzrechtes besteht das Unternehmen nach VerfahrenserÇffnung jedoch aus mehreren Unternehmensteilen. Zu unterscheiden sind der vorinsolvenzliche Unternehmensteil, gegen den Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden sind (§ 38, 174 ff. InsO), der die Insolvenzmasse betreffende Unternehmensteil, gegen den die Masseverbindlichkeiten geltend zu machen sind (§ 55 InsO), sowie gegebenenfalls das vom In1 Siehe FG DÅsseldorf v. 21.3.2012 – 1 V 152/12, ZInsO 2012, 1036.

544

C. Umsatzsteuer

solvenzverwalter freigegebene VermÇgen. FÅr Insolvenzverfahren, die auf Grund eines nach dem 31.12.2010 gestellten Antrags erÇffnet werden, kommen noch die vor InsolvenzerÇffnung aufschiebend bedingt entstandenen Masseverbindlichkeiten des § 55 Abs. 4 InsO hinzu. Soweit der Insolvenzschuldner im Rahmen des vorlsufigen Insolvenzverfahrens mit Billigung des schwachen Insolvenzverwalters seinen Steuererklsrungspflichten nachkommt und die Umsatzsteuer-Voranmeldungen gem. § 18 Abs. 1 UStG ordnungsgemsß einreicht, stehen diese gem. § 168 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der NachprÅfung gleich. Da die Umsatzsteuer-Voranmeldungen in Fall 13 mit einer Zahllast enden, stehen sie einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der NachprÅfung gleich. Adressat dieser Steuerfestsetzung i.S.v. § 155 AO ist die I-GmbH. Diese Steuerfestsetzungen fÅr die Vorauszahlungszeitrlume Juni, Juli und August 2011 werden durch die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen der GmbH am 1.9.2011 nicht gegenstandslos. Lediglich die MÇglichkeiten der Beitreibung der bereits festgesetzten Steuerforderungen richten sich nunmehr nach den Vorschriften des Insolvenzrechts. Eine erneute Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen der Monate Juni, Juli und August 2011 fÅr die GmbH erfolgte gegenÅber I ohne Rechtsgrundlage. Ausreichend fÅr die vom Finanzamt wohl beabsichtigte Einziehung der bereits festgesetzten Umsatzsteuerverbindlichkeiten der I-GmbH als Masseforderung gem. § 55 Abs. 4 InsO wsre der Erlass eines schlichten Leistungsgebots gewesen (was aber auch nur dann zulsssig ist, wenn das Entgelt durch die Schuldnerin entweder wshrend der vorlsufigen Insolvenzverwaltung bereits vereinnahmt worden ist oder die Vereinnahmung durch den Insolvenzverwalter im erÇffneten Insolvenzverfahren bereits erfolgt ist, vergleiche oben Fall 12, Rz. 4.362. Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung ist jedoch – worauf das FG DÅsseldorf zu Recht ausdrÅcklich hinweist – eine Steuerfestsetzung gegenÅber dem Insolvenzverwalter nur dann mÇglich, wenn noch keine Steuerfestsetzung der nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nach § 55 Abs. 4 InsO als Masseverbindlichkeit geltenden Steuerverbindlichkeit vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens gegenÅber dem Insolvenzschuldner erfolgt ist.1 Die Geltendmachung erfolgt allein mittels eines Leistungsgebots. Da § 55 Abs. 4 InsO fÅr die betreffenden Steuerverbindlichkeiten die Insolvenzmasse als in Anspruch zu nehmenden insolvenzrechtlichen VermÇgensbereich bestimmt und gegenÅber diesem VermÇgensbereich noch kein Leistungsgebot erfolgt ist, ist insoweit an den Insolvenzverwalter ein Leistungsgebot mit der ursprÅnglichen Fslligkeit und unter AusfÅhrung der bereits entstandenen Nebenleistungen zu erlassen. 1 BMF v. 17.1.2012 – IV A 3 - S 0550/10/10020-05 – DOK 2012/0042691, BStBl. I 2012, 120, Tz. 36.

545

364

365

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Diesen Voraussetzungen entsprechen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide in aller Regel nicht: Solche sind typischerweise ausdrÅcklich als Umsatzsteuer-Festsetzungen bezeichnet und fordern den Insolvenzverwalter zur Zahlung dieser nunmehr festgesetzten Umsatzsteuern ultimativ auf. Die Bescheide enthalten Åblicherweise weder Angaben zur ursprÅnglichen Fslligkeit der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen fÅr die Zeit des vorlsufigen Insolvenzverfahrens, noch fÅhren sie bereits entstandene Nebenleistungen auf. Sie kÇnnen regelmsßig auch nicht in ein schlichtes Leistungsgebot umgedeutet werden. Auch ein handschriftlicher Zusatz „Die Steuerfestsetzung betrifft die Festsetzung als sonstige Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO.“ sndert daran nichts. Fall 14: Rechnungstellung und/oder (Abschlags-)Zahlung vor Anordnung der vorllufigen Insolvenzverwaltung und Leistungserbringung wlhrend der vorllufigen schwachen Insolvenzverwaltung Am 1.3.2011 verkauft die I-GmbH (spstere Insolvenzschuldnerin) an K eine Maschine. Die Parteien vereinbaren Vorkasse. Die I-GmbH stellt K sogleich vereinbarungsgemsß eine ordnungsgemsße Rechnung aus Åber den Betrag i.H.v. Euro 10 000 zzgl. Euro 1 900 USt., die K auch sofort an die I-GmbH zahlt. Die I-GmbH stellt am 1.4.2011 den Antrag, das Insolvenzverfahren Åber ihr VermÇgen zu erÇffnen. Zu diesem Zeitpunkt hat die I-GmbH noch nicht an K geliefert. Am 1.4.2011 wird ein vorlsufiger Insolvenzverwalter (I) mit Zustimmungsvorbehalt bestellt (schwache vorlsufige Insolvenzverwaltung). I liefert die Maschine am 20.4.2011 an K. Am 1.6.2011 wird das Insolvenzverfahren erÇffnet.

Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgeltes (§§ 10, 11, 13 Abs. 1 Ziff. 1 a) Satz 4 UStG) vor LeistungsausfÅhrung vereinnahmt, entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf desjenigen Voranmeldungszeitraumes, in dem das Entgelt vereinnahmt wurde. Somit ist der Umsatzsteueranspruch des Finanzamtes hier mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes Msrz 2011 entstanden. Es besteht somit eine Insolvenzforderung, die auch nicht durch die Lieferung wshrend der vorlsufigen Insolvenzverwaltung ihre insolvenzrechtliche Forderungsqualitst verliert. Es ergeben sich insoweit hinsichtlich der Beurteilung keine Abweichungen gegenÅber Fall 3 bzw. BFH-Urteil vom 30.4.20091 (V R 1/06). Eine Berichtigung i.S.v. § 17 UStG muss auf den ErÇffnungszeitpunkt nicht vorgenommen werden, weil zu diesem Zeitpunkt eine Entgeltforderung der I-GmbH nicht mehr bestand, also auch nicht uneinbringlich werden konnte. Fall 15: Entgeltvereinnahmung wlhrend der vorllufigen schwachen Insolvenzverwaltung, Leistungserbringung nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Die I-GmbH stellt am 1.4.2011 den Antrag, das Insolvenzverfahren Åber ihr VermÇgen zu erÇffnen. Am 1.4.2011 wird ein vorlsufiger Insolvenzverwalter (I) mit Zustimmungsvorbehalt bestellt (schwache vorlsufige Insolvenzverwaltung). Am 10.4.2011 verkauft die I-GmbH an K eine Maschine und stellt K sogleich vereinbarungsgemsß eine ordnungsgemsße Rechnung aus Åber den Betrag i.H.v.

1 BFH v. 30.4.2009 – V R 1/06, BStBl. II 2010, 138 = ZIP 2009, 1677

546

C. Umsatzsteuer Euro 10 000 zzgl. Euro 1 900 USt. Es wird Vorkasse vereinbart; K zahlt am 10.4.2011 an I. Am 1.6.2011 wird das Insolvenzverfahren erÇffnet. I liefert am 20.6.2011 an K.

Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgeltes (§§ 10, 11, 13 Abs. 1 Nr. 1 a) Satz 4 UStG) vor LeistungsausfÅhrung vereinnahmt, entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf desjenigen Voranmeldungszeitraumes, in dem das Entgelt vereinnahmt wurde. Somit ist der Umsatzsteueranspruch des Finanzamtes hier mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes April 2011 entstanden. Da zu diesem Zeitpunkt bereits die vorlsufige schwache Insolvenzverwaltung angeordnet war, hat der Umsatzsteueranspruch gem. § 55 Abs. 4 InsO jedenfalls dann die Forderungsqualitst einer Masseverbindlichkeit, wenn man den bei Fall 10 dargelegten Argumenten nicht folgt. Daran sndert die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nichts: Eine zu berichtigende Entgeltforderung der I-GmbH hat im ErÇffnungszeitpunkt nicht mehr bestanden. Da der Umsatzsteueranspruch bereits Masseverbindlichkeit ist und hinsichtlich seines steuerrechtlichen Bestehens durch eine Berichtigung keine znderungen eintreten, bleibt die Leistungserbringung nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ohne jede Auswirkung. Fall 16: Aufrechnung des Finanzamtes gegen einen Erstattungsanspruch, der aus einer nach InsolvenzerÇffnung eintretenden Berichtigung resultiert Die I-GmbH (spstere Insolvenzschuldnerin) fÅhrte in 2001 diverse Lieferungen an K aus. Sie stellte diese Lieferungen mit ordnungsgemsßen Rechnungen K in Rechnung. Am 1.11.2001 beantragte die I-GmbH die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber ihr VermÇgen. Dieser Antrag fÅhrte am 1.3.2002 zur ErÇffnung des Insolvenzverfahrens und zur Bestellung des I zum Insolvenzverwalter. In 2003 wurden die der I-GmbH zustehenden Forderungen gegen K uneinbringlich i.S.v. § 17 UStG, weil auch Åber das VermÇgen des K das Insolvenzverfahren erÇffnet wurde. I berichtigte entsprechend die Anmeldungen fÅr 2001 mit berichtigten Anmeldungen, die er in 2006 dem Finanzamt Åbermittelte. Diese Berichtigungen fÅhrten zu Erstattungsbetrsgen, weil die Berichtigung der betreffenden Anmeldungen zu einer Verminderung der Zahllast-Betrsge gefÅhrt hat. I begehrt deswegen deren Erstattung. Das Finanzamt hat gegen diese Betrsge indes die Aufrechnung mit seinen unbefriedigten Umsatzsteuerforderungen Msrz, April und September 2001 erklsrt und hierÅber aufgrund des Widerspruchs des Klsgers einen Abrechnungsbescheid vom 17.10.2006 erlassen. Dagegen wandte sich I mit der Klage zum FG.1

Entscheidend ist fÅr Fall 16 die Frage, wann der Erstattungsanspruch aus der Berichtigung entsteht. Entsteht er – rÅckwirkend auf den Zeitpunkt der Steuerschuld – bereits in 2001, dann ist die Aufrechnung des Finanzamtes zulsssig; entsteht er hingegen erst in dem Zeitpunkt, in dem der Lebenssachverhalt eintritt, der zur Berichtigung fÅhrt, dann greift das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ein.

1 Fall nach BFH v. 25.7.2012 – VII R 29/11, BStBl. II 2013, 36 = ZIP 2012, 2217.

547

4.366

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Der VII. Senat hat den Streitfall Az. VII R 29/111 zum Anlass genommen, seine bisherige Rechtsprechung diesbezÅglich zu lndern und sich konstruktiv in wichtigen Punkten der Rechtsprechung des V. Senats anzuschließen. Bei steuerlichen Erstattungs- und VergÅtungsforderungen hatte der VII. Senat bis zur Entscheidung der Streitsache VII R 29/11 verlangt, dass die Forderung „ihrem Kern nach“ bereits vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens begrÅndet ist. Er hatte dies angenommen, wenn der Sachverhalt, der zu der Entstehung des steuerlichen Anspruchs fÅhrte, vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden sei.2 So liege es in der Regel, wenn eine Steuer, die vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sei, zu erstatten oder zu vergÅten oder in anderer Weise dem Steuerpflichtigen wieder gutzubringen sei. Ein diesbezÅglicher Anspruch des Steuerpflichtigen werde dann nicht erst nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens begrÅndet, sondern stelle eine vor ErÇffnung des Verfahrens aufschiebend bedingt begrÅndete Forderung dar, gegen welche die FinanzbehÇrde gem. § 95 InsO im Verfahren aufrechnen kÇnne, wenn das als aufschiebende Bedingung zu behandelnde, die Erstattung, VergÅtung oder sonst die RÅckfÅhrung der steuerlichen Belastung auslÇsende Ereignis selbst – z.B. die Notwendigkeit einer Berichtigung der Umsatzsteuer gem. § 17 UStG3 – nach ErÇffnung des Verfahrens eintrete. Insbesondere in den Fsllen des § 17 UStG entstehe zwar ein steuerverfahrensrechtlich selbstsndiger Anspruch, der jedoch kompensatorischen Charakter habe, indem er die ursprÅnglich vorgenommene Besteuerung ausgleiche und die damals fÅr ein bestimmtes Ereignis erhobene Steuer aufgrund eines spsteren, entgegengesetzten Ereignisses zurÅckfÅhre. Das rechtfertige es, ihn als bereits mit der Verwirklichung des Besteuerungstatbestands insolvenzrechtlich begrÅndet anzusehen. Der fÅr das Umsatzsteuerrecht zustsndige V. Senat des BFH ist dem VII. Senat fÅr die Einordnung von Steuerforderungen des Finanzamtes zu den Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten jedoch konstruktiv entgegengetreten. Er hat entschieden, jedenfalls fÅr das Festsetzungsverfahren sei § 38 InsO dahin auszulegen, dass sich die „BegrÅndung“ steuerlicher Forderungen und damit die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen danach bestimme, ob der den Umsatzsteueranspruch begrÅndende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach InsolvenzerÇffnung „vollstsndig verwirklicht und damit abgeschlossen“ ist.4 Der VII. Senat hat dies zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zu ÅberprÅfen. Er hslt 1 BFH v. 25.7.2012 – VII R 29/11, BStBl. II 2013, 36 = ZIP 2012, 2217. 2 Vgl. statt aller BFH v. 17.4.2007 – VII R 27/06, BFHE 217, 8 = BStBl. II 2009, 589 = ZIP 2007, 1166 = DStRE 2007, 1057. 3 Vgl. BFH v. 4.8.1987 – VII R 11/84, BFH/NV 1987, 707. 4 BFH v. 29.1.2009 – V R 64/07, BStBl. II 2009, 682 = ZIP 2009, 977 = ZInsO 2009, 920.

548

C. Umsatzsteuer

nun nicht lsnger an seiner Rechtsansicht fest, dass eine aufgrund Berichtigung gem. § 17 Abs. 2 UStG entstehende steuerliche Forderung bereits mit BegrÅndung der zu berichtigenden Steuerforderung im insolvenzrechtlichen Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO begrÅndet ist. FÅr die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist danach als entscheidend anzusehen, wann der materiell-rechtliche Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG verwirklicht wird, die in dieser Vorschrift aufgefÅhrten Tatbestandsvoraussetzungen also eintreten. Wird ein Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht, greift das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht ein, und zwar unabhsngig davon ob der betreffende Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum erst wshrend des Insolvenzverfahrens endet und mithin die Steuer i.S.d. § 13 UStG erst nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens entsteht.1 Auf den Zeitpunkt der Abgabe einer Steueranmeldung oder des Erlasses eines Steuerbescheids, in dem der Berichtigungsfall erfasst wird, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Tritt der Lebenssachverhalt, der die Berichtigung auslÇst, allerdings erst nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ein, so ist das Finanzamt auch erst nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Masse schuldig geworden, so dass das Finanzamt in Fall 16 gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht zur Aufrechnung berechtigt ist. Der Fall hat allerdings noch eine verfahrensrechtliche Finesse: FÅr den Fall noch nicht entrichteter Umsatzsteuer hat der V. Senat in seinem Urteil vom 9.12.20102 (V R 22/10) erkannt, erbringe ein Unternehmer, Åber dessen VermÇgen das Insolvenzverfahren erÇffnet wird, eine Leistung vor VerfahrenserÇffnung, ohne das hierfÅr geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, trete mit ErÇffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der wegfallenden Empfangszustsndigkeit des Insolvenzschuldners Uneinbringlichkeit der an ihn noch nicht entrichteten Entgelte ein (vgl. dazu ausfÅhrlich Fall 2, Rz. 4.352). Mithin werde der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG verwirklicht und die Umsatzsteuer sei in einer logischen Sekunde vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens zu berichtigen, um sie bei Vereinnahmung des Entgelts durch den Verwalter erneut entstehen lassen zu kÇnnen. Danach hstten die Berichtigungen in Fall 16 eigentlich im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung erfolgen mÅssen und wsren nach der ebenfalls als obiter dictum mitgeteilten Auffassung des VII. Senates in VII R 29/11,3 BStBl. II 2013, 36 aufrechenbar gewesen, weil die sich aus den Berichtigungen ergebenden Erstattungsbetrsge dann vor In1 Insoweit beruft sich der VII. Senat auf BGH v. 19.7.2007 – IX ZR 81/06, ZIP 2007, 1612 = NJW-RR 2008, 206. 2 BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 = ZIP 2011, 782 = ZInsO 2011, 823. 3 BFH v. 25.7.2012 – VII R 29/11, BStBl. II 2013, 36 = ZIP 2012, 2217.

549

367

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

solvenzerÇffnung entstanden sein sollen (was methodisch hÇchst zweifelhaft ist, weil dann ein Ereignis seine Rechtswirkungen vorverlagern wÅrde). Aufgrund der Steueranmeldungen des I, denen das Finanzamt im Streitfall (= Fall 16) zugestimmt hat, stand gem. § 168 Satz 2 AO – wenn auch unter dem Vorbehalt der NachprÅfung – zwischen den Beteiligten fest, dass in dem Veranlagungszeitraum 2002 zugunsten der Schuldnerin negative Umsatzsteuerbetrsge zu berÅcksichtigen sind, die den vom Finanzamt verrechneten Anspruch ausgelÇst haben. Der fÅr Fall den Streitfall – vorbehaltlich einer znderung aufgrund des NachprÅfungsvorbehalts – verbindlichen Rechtswirkung dieser Festsetzungen steht auch nicht entgegen, dass bei Abgabe der betreffenden Anmeldungen bereits das Insolvenzverfahren erÇffnet war und im Insolvenzverfahren grundsstzlich keine Steuerfestsetzungen ergehen kÇnnen, vielmehr die Forderungen des Finanzamtes nach den Vorschriften der InsO geltend zu machen, nsmlich zur Tabelle anzumelden, zu erÇrtern und zur Tabelle mangels Widerspruchs gegen die Anmeldung oder aufgrund eines Bescheids nach § 251 Abs. 3 AO festzustellen sind. Es geht hier nsmlich nicht um die Festsetzung einer Steuer zu Lasten der Insolvenzmasse, sondern um die Berichtigung einer Steuerfestsetzung mit dem Ziel einer Verringerung der gegen I festgesetzten nachinsolvenzlichen Steuerschuld der Schuldnerin. Fall 17: Aufrechnungsverbot wegen inkongruenter Herstellung der Aufrechnungslage Die I-GmbH beantragt am 1.4.2010, das Insolvenzverfahren Åber ihr VermÇgen zu erÇffnen. Am gleichen Tage ordnet das Insolvenzgericht die vorlsufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt an. Am 1.6.2010 wird das Insolvenzverfahren erÇffnet. Danach stellt der (ehemalige vorlsufige) Insolvenzverwalter Antrag auf Festsetzung seiner VergÅtung, erhslt diese i.H.v. Euro 10 000 zzgl. Euro 1 900 USt. festgesetzt und stellt der Schuldnerin eine ordnungsgemsße Rechnung Åber diesen Betrag aus. Sodann begleicht er aus der Masse diese Rechnung brutto. In der Umsatzsteuervoranmeldung Juni 2010 meldet der Insolvenzverwalter einen VorsteuerÅberhang i.H.v. Euro 1 900 an und begehrt Erstattung der Vorsteuer an die Insolvenzmasse. Das Finanzamt will mit Steuerschulden der I-GmbH aus 2009 aufrechnen.

Die Aufrechnung ist gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzullssig: Der VII. Senat hat dazu in einer bedeutsamen Grundsatzentscheidung1 geurteilt, die Aufrechnung von Insolvenzforderungen des Finanzamts mit einem aus der Honorarzahlung an einen vorlsufigen Insolvenzverwalter resultierenden VorsteuervergÅtungsanspruch des Insolvenzschuldners sei, sofern bei Erbringung der Leistungen des vorlsufigen Insolvenzverwalters die Voraussetzungen des § 130 InsO oder des § 131 InsO vorgelegen haben, unzulsssig. Damit hat der VII. Senat seine anderslautende frÅhere Rechtsprechung ausdrÅcklich aufgegeben. Der VII. Senat hatte in seinem Urteil vom 1 BFH v. 2.11.2010 – VII R 6/10, BStBl. II 2011, 374 = ZIP 2011, 181 = DStRE 2011, 521, beststigt in BFH v. 5.5.2015 – VII R 37/13, BFH/NV 2015, 1318.

550

C. Umsatzsteuer

16.11.20041 erkannt, § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO hindere die Aufrechnung des Finanzamts mit Steuerforderungen aus der Zeit vor ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens gegen einen durch einen VorsteuerÅberhang ausgelÇsten VergÅtungsanspruch des Insolvenzschuldners nicht, denn es fehle in einem solchen Fall an einer Rechtshandlung, weil die Verpflichtung des Schuldners zur VergÅtung der Tstigkeit eines vorlsufigen Insolvenzverwalters nicht auf einer vertraglichen Vereinbarung, sondern auf dessen Bestellung durch das Insolvenzgericht und der von diesem vorgenommenen Festsetzung seiner VergÅtung beruhe, die vom vorlsufigen Insolvenzverwalter fÅr die AusfÅhrung seiner Leistung zu entrichtende Umsatzsteuer – wie jede Steuer – kraft Gesetzes entstehe und das Gleiche fÅr die damit korrespondierende Berechtigung des Leistungsempfsngers (Insolvenzschuldner) zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG gelte. DemgegenÅber hatte der BGH aber in seinem Urteil vom 22.10.20092 darauf hingewiesen, dass Steuertatbestsnde in der Regel an Rechtshandlungen des Steuerpflichtigen oder Dritter anknÅpfen und hieraus die Steuerpflicht ableiten, so wie es auch bei umsatzsteuerpflichtigen Leistungen der Fall sei, die zum Entstehen einer Steuerforderung des Finanzamts fÅhren. Das sndert aber nach Auffassung des BGH nichts daran, dass die betreffenden (umsatzsteuerpflichtigen) Leistungen, welche zum Entstehen der Steuerforderung fÅhren, eine Rechtshandlung i.S.d. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO darstellen. Der VII. Senat ist nach erneuter rechtlicher PrÅfung dieser Beurteilung des BGH gefolgt. Der in diesem Zusammenhang entscheidende Begriff „Rechtshandlung“ ist in § 129 InsO als Handlung definiert, die vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist und die Insolvenzglsubiger benachteiligt; er bezeichnet also ein von einem Willen getragenes Handeln, das rechtliche Wirkungen auslÇst und das VermÇgen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzglsubiger versndern kann. Umsatzsteuer – und damit auch zu vergÅtende Umsatzsteuer – entsteht zwar von Gesetzes wegen – sowohl die Steuerschuld des Leistenden wie der Anspruch des Leistungsempfsngers auf Anrechnung der im an den Leistenden zu entrichtenden Entgelt enthaltenen sog. Vorsteuer –, das Entstehen von Umsatzsteuer bzw. Vorsteuer setzt jedoch voraus, dass eine Leistung erbracht wird. Diese Leistungserbringung sieht der VII. Senat in xbereinstimmung mit dem BGH als eine Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO an. Eine Leistungserbringung ist damit Rechtshandlung. i.S.v. § 129 Abs. 1 InsO. Dass die (unter den weiteren Voraussetzungen der § 130 ff. InsO anfechtbare) Rechtshandlung unmittelbar und unabhsngig vom Hinzutreten etwaiger weiterer Umstsnde von dem (spsteren) Insolvenzschuldner vor-

1 BFH v. 16.11.2004 – VII R 75/03, BStBl. II 2006, 193 = ZIP 2005, 628 = DStRE 2005, 479 = BFHE 208, 296. 2 BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 147/06, ZIP 2010, 90 = NZG 2010, 275 = NZI 2010, 17.

551

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

genommen wird, setzen die §§ 129 und § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ebenso wenig voraus, wie dass sie unmittelbar und unabhsngig vom Hinzutreten etwaiger weiterer Umstsnde (hier insbesondere der spsteren gerichtlichen Festsetzung der VergÅtung des vorlsufigen Insolvenzverwalters auf Grund der von diesem erstellten Rechnung sowie gegebenenfalls dem Fehlen verrechnungsfshiger positiver Umsatzsteuerbetrsge in dem – insolvenzrechtlich – maßgeblichen Voranmeldungszeitraum) eine Aufrechnungslage zum Entstehen bringen mÅssten. § 96 Abs. 1 Ziff. 3 InsO verlangt lediglich, dass die Rechtshandlung vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist – die Leistungen des vorlsufigen Insolvenzverwalters wurden in diesem Zeitraum erbracht –, dass sie irgendeine Voraussetzung fÅr die AufrechnungsmÇglichkeit des Insolvenzschuldners geschaffen hat und dass die Rechtshandlung die Insolvenzglsubiger benachteiligt. Wenn es an Letzterem auch im Hinblick auf die Leistungserbringung des vorlsufigen Insolvenzverwalters als solcher fehlen mag – der Verpflichtung der Masse zur Zahlung des Entgelts fÅr die der Schuldnerin erbrachten Leistungen des vorlsufigen Insolvenzverwalters steht gegenÅber, dass zugunsten der Insolvenzschuldnerin (mutmaßlich zumindest) gleichwertige Leistungen erbracht worden sind –, fehlt es daran nicht im Hinblick auf die durch die Leistungserbringung und den daraus folgenden Anspruch auf Anrechnung von Vorsteuer ausgelÇste MÇglichkeit des Finanzamts zur Aufrechnung seiner vorinsolvenzlich begrÅndeten Forderungen. Die Leistungserbringung zeitigte in Fall 17 neben einem Anspruch auf das Leistungsentgelt u.a. das Entstehen einer Aufrechnungslage fÅr das Finanzamt. Dadurch sind die Åbrigen Glsubiger des Schuldners benachteiligt. Denn durch eine Aufrechnung erhJlt das Finanzamt nach Art einer abgesonderten Befriedigung vollstJndige Befriedigung fÅr seine verrechneten Forderungen, fÅr die es sonst, weil es sich um Insolvenzforderungen handelt, nur mit einer Befriedigung nach Maßgabe der im Insolvenzverfahren errechneten Quote rechnen kÇnnte. Schließlich fehlt es fÅr die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO auch nicht daran, dass das Finanzamt – wie diese Vorschrift sinngemsß voraussetzt – infolge einer vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens begangenen Rechtshandlung in den Genuss einer AufrechnungsmÇglichkeit gelangt ist. Die als AnknÅpfungspunkt der Anfechtung maßgebliche Rechtshandlung, das Erbringen der Leistung, ist im gleichsam natÅrlichen Sinne vor diesem Zeitpunkt vorgenommen worden. Durch sie ist der VorsteuervergÅtungsanspruch zwar noch nicht steuer(verfahrens)rechtlich begrÅndet worden, wohl aber als insolvenzrechtlicher Anspruch. Denn fÅr das insolvenzrechtliche BegrÅndetsein einer Forderung oder eines Anspruchs kommt es nach der stsndigen Rechtsprechung des VII. Senats1 nicht auf 1 Vgl. dazu zusammenfassend RÅsken, ZIP 2007, 2053.

552

C. Umsatzsteuer

das Entstehen im steuer (verfahrens)rechtlichen Sinn, sondern auf die Verwirklichung des Lebenssachverhalts an, der die betreffenden steuerrechtlichen Folgen hat. Aber schon die tatsschliche Verwirklichung des Besteuerungstatbestands lssst den steuerlichen Anspruch aufschiebend bedingt durch das Eintreten der steuerverfahrensrechtlichen Voraussetzungen seiner Wirksamkeit entstehen. Die Herstellung der Aufrechnungslage ist damit zusammengefasst anfechtbar: Da das Finanzamt nsmlich keinen Anspruch auf die Bestellung eines vorlsufigen Insolvenzverwalters hat, hat es auch keinen Anspruch darauf, dass der Schuldnerin gegen das Finanzamt ein Vorsteuererstattungsanspruch entsteht. Hat das Finanzamt keinen Anspruch darauf, dass der Schuldnerin ein Vorsteuererstattungsanspruch entsteht, dann ist die Entstehung des Vorsteuererstattungsanspruchs eine inkongruente Deckung fÅr bereits vorhandene vorinsolvenzliche Steuerforderungen des Finanzamtes. Damit ist die Herstellung der Aufrechnungslage, die letztlich durch Anordnung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung und die damit verbundene Entgeltforderung des vorlsufigen Insolvenzverwalters gegen die Insolvenzschuldnerin entsteht, anfechtbar, so dass § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO eingreift. Interessant ist, dass man auch auf anderem Weg zum selben Ergebnis gelangt: Wendet man das BFH-Urteil vom 9.12.20101 (V R 22/10) konsequent an, dann ergibt sich Folgendes: Der vorlsufige Insolvenzverwalter hat seine Leistung vor InsolvenzerÇffnung erbracht. Er hat damit zwar eine Forderung gegen die Schuldnerin erworben, aber diese Forderung ist bis zur InsolvenzerÇffnung nicht beglichen worden. Sie ist damit, weil mit InsolvenzerÇffnung ein ganz anderer Unternehmensteil entsteht, der den vorangehenden ablÇst, i.S.v. § 17 Abs. 2 Ziff. 1 UStG uneinbringlich geworden. Die Schuldnerin hstte also im vorinsolvenzlichen Bereich, wenn sie denn die VergÅtung des vorlsufigen Insolvenzverwalters passiviert hstte, dieselbe zu berichtigen, der VergÅtungsanspruch entfiele. Nach InsolvenzerÇffnung wird nun die Forderung des vorlsufigen Insolvenzverwalters aus dem VermÇgen der I-GmbH beglichen, weil es sich um eine bevorrechtigte Forderung nach § 54 InsO handelt. Durch die Befriedigung muss die zunschst uneinbringliche Forderung erneut berichtigt werden, woraus dann nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ein VorsteuervergÅtungsanspruch entsteht. Das passt auch zum BFH-Urteil vom 25.7.20122 (VII R 29/11), wonach die Berichtigung nicht mehr – wie nach der frÅheren Rechtsprechung des VII. Senates – zurÅckwirkt, sondern zu einem Steueranspruch in dem Zeitpunkt fÅhrt, in dem das zur Berichtigung fÅhrende Ereignis stattfindet. Wenn dieses Ereignis darin besteht, dass die – bisher in Folge der InsolvenzerÇffnung als uneinbringlich anzu-

1 BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 = ZIP 2011, 782 = ZInsO 2011, 823. 2 BFH v. 25.7.2012 – VII R 29/11, BStBl. II 2013, 36 = ZIP 2012, 2217.

553

368

369

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

sehende Forderung des Insolvenzverwalters – doch beglichen wird, dann liegt dieses Ereignis nach InsolvenzerÇffnung und fÅhrt zu einem nach dem BFH-Urteil vom 25.7.2012 (VII R 29/11) nicht mit vorinsolvenzlichen Forderungen aufrechenbaren, nach InsolvenzerÇffnung entstehenden Erstattungsanspruch. Fall 18: Aufrechnungsverbot hinsichtlich des Erstattungsanspruchs aus der insolvenzerÇffnungsbedingten Berichtigung gem. § 17 UStG Die I-GmbH hat am 10.4.2010 an K eine umsatzsteuerpflichtige Lieferung zu einem Kaufpreis i.H.v. Euro 10 000 zzgl. USt. i.H.v. Euro 1 900 ausgefÅhrt; die Lieferung ist tatsschlich erfolgt. Die I-GmbH hat am gleichen Tage an K eine ordnungsgemsße Rechnung erteilt. In der Voranmeldung fÅr April 2010 meldet sie einen Umsatz i.H.v. Euro 10 000 an, weist eine Zahllast i.H.v. Euro 1 900 aus und entrichtet diesen Betrag ordnungsgemsß bei Fslligkeit. Im August 2010 beantragt die I-GmbH die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber ihr VermÇgen; das Insolvenzverfahren wird am 1.11.2010 erÇffnet. Zu diesem Zeitpunkt hat K Zahlung an die I-GmbH noch nicht geleistet. Aus 2009 steht eine Umsatzsteuerschuld der I-GmbH i.H.v. Euro 5 000 offen.

Das Finanzamt ist nicht berechtigt, gegen den Erstattungsanspruch der I-GmbH i.H.v. Euro 1 900 mit den Steuerforderungen aus 2009 aufzurechnen: Nach dem Grundsatzurteil des BFH vom 9.12.20101 (V R 22/10) muss die der I-GmbH im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung gegen K zustehende Forderung in diesem Zeitpunkt voll berichtigt werden, weil sie fÅr den vorinsolvenzlichen Unternehmensteil uneinbringlich geworden ist. Das fÅhrt zu einem Erstattungsanspruch hinsichtlich der bereits abgefÅhrten Euro 1 900. Durch die Entstehung dieses Erstattungsanspruchs ist eine Aufrechnungslage fÅr das Finanzamt entstanden. Auf die HerbeifÅhrung dieser Aufrechnungslage hatte das Finanzamt aber keinen Anspruch, so dass die Herstellung der Aufrechnungsweise in exakt gleicher Weise wie in Fall 16 (Rz. 4.366) inkongruent ist. Soweit die Herstellung der Aufrechnungslage somit anfechtbar ist, greift § 96 Abs. 1 Ziff. 3 InsO ein, so dass der Erstattungsbetrag an den Insolvenzverwalter auszuzahlen ist.

VI. Voranmeldungsverfahren Voranmeldungszeitraum ist gem. § 18 Abs. 2 Satz 1 UStG grundsstzlich das Kalendervierteljahr; betrsgt die Steuer fÅr das vorangegangene Kalenderjahr mehr als 7 500 Euro, ist der Kalendermonat Voranmeldungszeitraum. Die InsolvenzerÇffnung lssst den laufenden Umsatzsteuervoranmeldungszeitraum unberÅhrt. Nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ist aber nicht mehr der Schuldner selbst zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet, sondern der Insolvenzverwalter, weil die Verwal1 BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 = ZIP 2011, 782 = ZInsO 2011, 823.

554

C. Umsatzsteuer

tungs- und VerfÅgungsbefugnis Åber das schuldnerische VermÇgen gem. § 80 InsO auf ihn Åbergegangen ist und er somit VermÇgensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO ist. Den Insolvenzverwalter trifft nicht nur die Pflicht, die Voranmeldungen fÅr die Zeit ab der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens abzugeben, sondern er muss auch die Anmeldungen fÅr die Zeit vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens vornehmen, soweit ihm dies anhand der Buchhaltungsunterlagen des Schuldners mÇglich ist (Rz. 3.173 ff.). ! Hinweis: Es muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die Voranmeldungen, die die Insolvenzmasse betreffen, unter einer neuen Masse-Steuernummer vorgenommen werden. Die alte Steuernummer des Insolvenzschuldners darf nur noch fÅr solche Anmeldungen verwendet werden, die zu Insolvenzforderungen fÅhren, weil sie vor der InsolvenzerÇffnung im insolvenzrechtlichen Sinne „begrÅndet“ worden sind (Rz. 3.173 ff.). FÅr den Voranmeldungszeitraum, in den die InsolvenzerÇffnung fsllt, sind also zwei Umsatzsteuervoranmeldungen unter unterschiedlichen Steuernummern einzureichen, die denselben Voranmeldungszeitraum betreffen.

Kommt der Insolvenzverwalter seiner Voranmeldungspflicht nicht nach, kann die FinanzbehÇrde die Umsatzsteuer im Wege der Schstzung nach § 162 AO festsetzen. ! Hinweis: Zu beachten ist, dass eine etwaige insolvenzfreie Tstigkeit des Insolvenzschuldners (Rz. 2.143 ff.) weder unter der alten, vor InsolvenzerÇffnung geltenden Steuernummer, noch unter der Masse-Steuernummer erfolgen darf, weil die daraus resultierende Steuer sich gegen das insolvenzfreie VermÇgen des Schuldners richtet. Insoweit muss der Schuldner selbst eine eigene, neue Steuernummer erhalten, unter der er die Voranmeldungen fÅr seine insolvenzfreie Tstigkeit vornimmt.

Wird das Insolvenzverfahren aufgehoben oder eingestellt, bleibt es beim laufenden Umsatzsteuervoranmeldungszeitraum. Nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens ist wieder der Insolvenzschuldner allein zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet. Das gilt auch, wenn noch das Restschuldbefreiungsverfahren lsuft. Der Schuldner darf die Umsatzsteuervoranmeldungen aber nicht unter der Masse-Steuernummer abgeben. Sofern er bereits wshrend des erÇffneten Insolvenzverfahrens eine eigene Steuernummer fÅr seine insolvenzfreien Umsltze zugeteilt erhalten hatte, kann diese fÅr die Umsstze des Schuldners, die nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens erfolgen, verwendet werden. Hatte der Schuldner eine solche insolvenzfreie Tstigkeit nicht ausgeÅbt und deswegen auch keine eigene Steuernummer, so ist ihm eine solche zu erteilen. FÅr den Voranmeldungszeitraum, in den die Beendigung des Insolvenzverfahrens fsllt, sind regelmsßig zwei Voranmeldungen abzugeben, von denen die eine die Masse-Steuernummer betrifft und der die bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens auf Rechnung der Masse ausgefÅhrten Umsstze zugrunde liegen, die andere die nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens und somit die den insolvenzbeschlagsfreien VermÇgensbereich des Schuldners betreffenden Umsstze.

555

4.370

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

VII. Insolvenzfreie unternehmerische Tltigkeit des Insolvenzschuldners

371

Das Insolvenzverfahren erfasst nicht unbedingt das gesamte VermÇgen des Insolvenzschuldners. Der VermÇgensbeschlag (§ 80 InsO) erstreckt sich nur auf das zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO) gehÇrende VermÇgen. Bei natÅrlichen Personen gibt es daneben regelmsßig eine der Zwangsvollstreckung und damit auch dem Insolvenzverfahren (§ 36 InsO) entzogene VermÇgenssphsre, bezÅglich derer der Insolvenzschuldner auch wshrend des Insolvenzverfahrens verfÅgungsbefugt bleibt (Rz. 2.135 ff.). In Insolvenzverfahren, die nach dem 1.7.2007 erÇffnet worden sind, hat der Insolvenzverwalter die MÇglichkeit, zu erklsren, dass Verbindlichkeiten aus der selbstsndigen Tstigkeit eines Schuldners nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden kÇnnen (§ 35 Abs. 2 Satz 1 InsO). Gibt er die entsprechende Erklsrung ab, so kann er zwar die Ertrsge aus der Selbstsndigkeit des Schuldners nicht fÅr die Masse beanspruchen, die Insolvenzmasse trsgt allerdings auch nicht das Risiko, mit Verbindlichkeiten aus dieser Tstigkeit belastet zu werden. Die gleiche Rechtsfolge konnte der Insolvenzverwalter aber bereits vor der am 1.7.2007 in Kraft getretenen znderung von § 35 Abs. 2 InsO durch seine an den Schuldner adressierte Freigabeerklsrung erreichen, denn aus den Materialen zur Gesetzessnderung ergibt sich, dass dem neu eingefÅgten Abs. 2 lediglich eine klarstellende Funktion zukommt.1 Daher sind eventuelle Umsatzsteuerschulden aus einer solchen freigegebenen Tstigkeit auch nicht Verbindlichkeiten im Insolvenzverfahren; sie sind weder Masseverbindlichkeiten, noch kÇnnen sie als Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Die Finanzverwaltung muss sie vielmehr gegen den Schuldner selbst durchsetzen. Insoweit hat der Insolvenzschuldner – trotz und wshrend des laufenden Insolvenzverfahrens – Voranmeldungen abzugeben und die entsprechende Umsatzsteuer abzufÅhren. Der Vorsteuerabzug, der mit dieser insolvenzfreien Tstigkeit des Insolvenzschuldners zusammenhsngt, steht auch allein dem Insolvenzschuldner zu. Der Insolvenzverwalter hat hierauf keinen Zugriff.

372

Mitunter unterhslt der Insolvenzschuldner ohne Wissen und Billigung des Insolvenzverwalters eine selbstsndige Tstigkeit. Eine solche Tstigkeit fÅhrt in der Regel nicht zu Masseverbindlichkeiten, weil die daraus nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens entstehenden Verbindlichkeiten weder solche sind, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters begrÅndet wurden, noch solche, die in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begrÅndet wurden (§ 55 Abs. 1 InsO). Mangels konkreter Anhaltspunkte kann auch nicht von einer konkludenten Billigung des Insolvenzverwalters bzw. einer still1 Entwurf eines Gesetzes zur znderung der Insolvenzordnung, des Kreditwesengesetzes und anderer Gesetze, NZI 2004, 549 (562); FG MÅnchen v. 29.5.2008 – 14 K 3613/06, EFG 2008, 1483 ff., beststigt durch BFH v. 17.3.2010 – XI R 30/08, ZIP 2010, 2211 = BFH/NV 2010, 2128.

556

C. Umsatzsteuer

schweigenden Genehmigung der Eingehung bestimmter Verbindlichkeiten durch den Insolvenzschuldner ausgegangen werden. Der BFH stellt fÅr die Frage, ob Umsatzsteuerforderungen, die aus einer solchen Tstigkeit des Schuldners resultieren, zu den Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten gehÇren, entscheidend darauf ab, ob der Schuldner zur AusÅbung dieser Tstigkeit Gegenstsnde verwendet, die zur Insolvenzmasse gehÇren (§ 35 InsO).1 Diese Rechtsprechung ist insbesondere fÅr diejenigen Fslle relevant, in denen der Insolvenzschuldner nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens eine selbstsndige Tstigkeit aufnimmt, zu der er keine besonderen Gerstschaften benÇtigt, er sich also beispielsweise im Beratungsgeschsft bewegt. Sofern der Schuldner keine zur Masse gehÇrenden Gegenstsnde fÅr seine Tstigkeit verwendet bzw. die von ihm verwendeten Gegenstsnde gem. § 811 Ziff. 5 ZPO unpfsndbar und damit gem. § 36 InsO nicht Bestandteil der Insolvenzmasse sind, gehÇren Umsatzsteuerforderungen auch nicht zu den Masseverbindlichkeiten, sondern sind außerhalb des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner geltend zu machen, der dafÅr nur mit seinem insolvenzfreien VermÇgen haftet. Nutzt der Insolvenzschuldner unberechtigt einen zur Masse gehÇrenden Gegenstand fÅr seine nach InsolvenzerÇffnung aufgenommene Erwerbststigkeit, ist die durch sonstige Leistungen des Insolvenzschuldners begrÅndete Umsatzsteuer jedenfalls dann keine Masseverbindlichkeit, wenn die Umsstze im Wesentlichen auf dem Einsatz seiner persÇnlichen Arbeitskraft und nicht im Wesentlichen auf der Nutzung des Massegegenstandes beruhen.2 Siehe dazu auch ausfÅhrlich oben Rz. 4.339. Unerheblich ist, ob die Pfsndbarkeit derjenigen Gegenstsnde, mit denen der Insolvenzschuldner seiner selbstsndigen Tstigkeit nachgeht, bereits von vornherein kraft Gesetzes nicht gegeben ist, oder ob sie durch eine Freigabe aus der Insolvenzmasse (Rz. 2.143 ff.) eingetreten ist,3 denn die Freigabe beendet die MassezugehÇrigkeit. Nach der Freigabe stehen die Gegenstsnde im selben Rechtsverhsltnis zur Insolvenzmasse wie solche, die bereits ab ErÇffnung unpfsndbar waren: Sie sind massefremd. Es kann auch nicht etwa in der Freigabe dieser Gegenstsnde eine Verwaltungsoder Verwertungshandlung i.S.v. § 55 Abs. 1 InsO gesehen werden, die dazu fÅhrt, dass anschließend mit Hilfe dieser Gegenstsnde getstigter Erwerb der Masse zuzurechnen wsre. Damit wÅrde die Freigabe in ihrer Wirkung konterkariert. Hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzschuldner eine gewerbliche Tltigkeit durch Freigabe aus dem Insolvenzbeschlag ermÇglicht, fsllt ein durch diese Tstigkeit erworbener Umsatzsteuerver1 BFH v. 7.4.2005 – V R 5/04, BStBl. II 2005, 848 = ZIP 2005, 1376. 2 BFH v. 8.9.2011 – V R 38/10, BStBl. II 2012, 270 = ZIP 2012, 88 = DStR 2012, 33. 3 FG MÅnchen v. 29.5.2008 – 14 K 3613/06, EFG 2008, 1483; beststigt durch BFH v. 17.3.2010 – XI R 30/08, ZIP 2010, 2211 = BFH/NV 2010, 2128; anders das FG Nds. v. 6.12.2007 – 16 K 147/07, EFG 2008, 1485, das offenbar entscheidungserheblich darauf abstellt, dass keine Freigabe erfolgt sei, sondern „nur“ eine unentgeltliche NutzungsÅberlassung bestimmter Gegenstsnde an den Insolvenzschuldner; beststigt durch BFH v. 17.3.2010 – XI R 2/08, BStBl. II 2015, 196 = ZIP 2010, 1405 = DStRE 2010, 938 = UR 2010, 619.

557

4.373

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

gÅtungsanspruch nicht in die Insolvenzmasse (und kann vom Finanzamt mit vorinsolvenzlichen Steuerschulden verrechnet werden).1 Gleichermaßen richten sich Umsatzsteuerforderungen, die aus UmsatzerlÇsen resultieren, die der Insolvenzschuldner mit seinem freigegebenen Gewerbebetrieb erwirtschaftet hat, gegen das insolvenzfreie VermÇgen und nicht gegen die Insolvenzmasse, so dass sie auch nicht gegen den Insolvenzverwalter festgesetzt werden kÇnnen, sondern gegen den Insolvenzschuldner festzusetzen sind. Dementsprechend ist in der Festsetzung ausdrÅcklich klarzustellen, dass das insolvenzfreie VermÇgen betroffen sein soll. Bei einer unternehmerischen Tstigkeit des Schuldners nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ist die Umsatzsteuer auf die erbrachten Leistungen nicht schon deshalb eine Masseverbindlichkeit, weil die Entgelte aus dieser Tltigkeit in die Insolvenzmasse fallen.2 Nutzt der Insolvenzschuldner unberechtigt einen zur Masse gehÇrenden Gegenstand fÅr seine nach InsolvenzerÇffnung aufgenommene Erwerbststigkeit, ist die durch sonstige Leistungen des Insolvenzschuldners begrÅndete Umsatzsteuer jedenfalls dann keine Masseverbindlichkeit, wenn die Umsstze im Wesentlichen auf dem Einsatz seiner persÇnlichen Arbeitskraft und nicht im Wesentlichen auf der Nutzung des Massegegenstandes beruhen.3 Es ist in solchen Fsllen auf die tatsschliche Besitzergreifung der massezugehÇrigen Gegenstsnde durch den Insolvenzverwalter abzustellen; auf die bloße (theoretische) Pfsndbarkeit der Gegenstsnde kommt es nicht an. Dies zeigt bereits der Wortlaut von § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO, der fÅr die Entstehung von Masseverbindlichkeiten verlangt, dass die Verbindlichkeit durch Handlung des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begrÅndet worden ist. Eine Verwaltung dem Insolvenzverwalter unbekannter Gegenstsnde durch ihn kann es denklogisch nicht geben; seine bloße Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis (§ 80 InsO) reicht fÅr die tatsschliche Verwaltung allein nicht aus.

VIII. Umsatzsteuerliche Organschaft Literatur Hummel, Begriff der juristischen Person im Rahmen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaftsregelungen aus verfassungsrechtlicher Sicht, UR 2010, 207; Jahn/Gierlich, Umsatzsteuerliche Organschaft und Insolvenz – Steuerfallen und Chancen in Organkreisen unter besonderer BerÅcksichtigung neuer Finanzrechtsprechung, SAM 2010, 59; Juretzek, Zur Anfechtung der Tilgung von Umsatzsteuerverbindlichkeiten eines Organtrsgers durch die Organgesellschaft, NZI 2012, 138; Kahlert, Zur umsatzsteuerlichen Organschaft, EWiR 2010, 227; Kußmaul/Ruiner/Pfeifer, VorsteuerberichtigungsansprÅche aus uneinbringlichen Forderungen bei Insolvenz der Organgesellschaft, UbG 2012, 239; Leonard, Taugt die Organschaft noch als Ge1 BFH v. 1.9.2010 – VII R 35/08, BStBl. II 2011, 336 = ZIP 2010, 2359 = NZI 2011, 35. 2 BFH v. 8.9.2011 – V R 38/10, BStBl. II 2012, 270 = ZIP 2012, 88 = DStR 2012, 33. 3 BFH v. 8.9.2011 – V R 38/10, BStBl. II 2012, 270 = ZIP 2012, 88 = DStR 2012, 33.

558

C. Umsatzsteuer staltungsinstrument bei steuerfreien Umsstzen?, DStR 2010, 721; Maus, Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft in Liquidation und Insolvenz, GmbHR 2005, 859; Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2015, Kap. 24; de Weerth, Umsatzsteuerliche Organschaft und Insolvenz, DStR 2010, 590; Weiß, Zur Insolvenzanfechtung bei der umsatzsteuerlichen Organschaft, EWiR 2010, 367.

1. Begriff und Voraussetzungen der Organschaft Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt gem. § 2 Abs. 2 Ziff. 2 UStG vor, wenn eine Organgesellschaft nach den tatsschlichen Verhsltnissen wirtschaftlich, organisatorisch und finanziell in das Unternehmen eines Organtrsgers eingegliedert ist. Die umsatzsteuerliche Organschaft fÅhrt dazu, dass nur der Organtrsger, nicht aber die Organgesellschaft Unternehmer im Sinne des UStG ist. Organtrsger kann jeder Unternehmer i.S.d. § 2 UStG sein, Organgesellschaften kÇnnen nur juristische Personen sein. Leistungsbeziehungen zwischen Organtrsger und Organgesellschaft lÇsen keine Umsatzsteuer aus, sondern fÅhren zu nichtsteuerbaren Innenumsstzen. Voraussetzung sind die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen des Organtrsgers. Dabei ist nicht erforderlich, dass alle drei Eingliederungsmerkmale unbedingt gleich stark ausgeprsgt sind. Eine Organschaft kann auch dann vorliegen, wenn die Eingliederung auf einem der Gebiete nicht vollkommen, dafÅr auf den anderen Gebieten umso eindeutiger ist.1 Es reicht jedoch nicht aus, dass die Eingliederung nur hinsichtlich zwei der im Gesetz genannten drei Merkmale besteht.2 Die Wirkungen der Organschaft treten unabhsngig von der Kenntnis der Beteiligten ein. Zu den Folgen einer unerkannten umsatzsteuerlichen Organschaft s. Rz. 4.398 ff.).3

4.374

Finanzielle Eingliederung liegt vor, wenn ein Gesellschafter an der Organgesellschaft die entscheidende Anteilsmehrheit hslt, die es ermÇglicht, seinen Willen in der Organgesellschaft autonom durchzusetzen.4 Entsprechen die Beteiligungsverhsltnisse den Stimmrechtsverhsltnissen, so ist die finanzielle Eingliederung gegeben, wenn die Beteiligung mehr als 50 % betrsgt.5

4.375

1 Vgl. BFH v. 20.2.1992 – V R 80/85, BFH/NV 1993, 133; v. 16.8.2001 – V R 34/01, BFH/NV 2002, 223 ff.; Foerster/Ertl, Umsatzsteuerrecht, Rz. 378; HÇlzle, DStR 2006, 1210 (1211); Leicht in Beck’sches Steuerlexikon, Rz. 53; Maus, GmbHR 2005, 859 (859). 2 BFH v. 29.7.1998 – II R 88/97, GmbHR 1998, 1097; HÇlzle, DStR 2006, 1210 (1211); Onusseit, ZInsO 2004, 1182 (1182); Heidner in Bunjes/Geist, § 2 UStG Rz. 113. 3 Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1945; HÇlzle, DStR 2006, 1210 (1211); Leicht in Beck’sches Steuerlexikon, Rz. 53; Maus, GmbHR 2005, 859 (859); Walter/StÅmper, GmbHR 2006, 68 (69). 4 Roth/Germer, NWB 2005, Fach 7, 6540 (6541); Onusseit, ZInsO 2004, 1182 (1182); Maus, GmbHR 2005, 859 (860); Leicht in Beck’sches Steuerlexikon, Rz. 55. 5 Maus, GmbHR 2005, 860; Onusseit, ZInsO 2004, 1182 (1182); Heidner in Bunjes/ Geist, § 2 Rz. 116; Leicht in Beck’sches Steuerlexikon, Rz. 55.

559

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

376

Wirtschaftliche Eingliederung liegt vor, wenn die Organgesellschaft nach dem Willen des Organtrsgers wirtschaftlich tstig wird und als dessen Bestandteil erscheint.1 Es muss eine einheitliche Gesamtkonzeption zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft vorliegen, wobei ein vernÅnftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung genÅgt.2 Die fÅr die umsatzsteuerrechtliche Organschaft erforderliche wirtschaftliche Eingliederung kann bereits dann vorliegen, wenn zwischen dem Organtrsger und der Organgesellschaft aufgrund gegenseitiger FÇrderung und Ergsnzung mehr als nur unerhebliche wirtschaftliche Beziehungen bestehen; insbesondere braucht die Organgesellschaft nicht wirtschaftlich vom Organtrsger abhsngig zu sein.3 FÅr die umsatzsteuerrechtliche Organschaft kann eine den Betrieb der Untergesellschaft fÇrdernde Tstigkeit der Obergesellschaft ausreichen.4 In Betracht kommt dabei neben Lieferungen von Waren auch das Erbringen sonstiger Leistungen.5 So genÅgt z.B. die Vermietung eines BetriebsgrundstÅckes, wenn dieses fÅr die Organgesellschaft von nicht nur geringer Bedeutung ist, weil es die rsumliche und funktionale Grundlage der Geschsftststigkeit der Organgesellschaft bildet.6 Die wirtschaftliche Eingliederung aufgrund der Vermietung eines GrundstÅcks, das die rsumliche und funktionale Grundlage der Geschsftststigkeit der Organgesellschaft bildet, entfsllt aber dann, wenn fÅr das GrundstÅck Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung angeordnet wird.7 Auch die xberlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen begrÅndet die wirtschaftliche Eingliederung.8 Die bloß unentgeltliche Bereitstellung von Material fÅr die Untergesellschaft durch die Obergesellschaft reicht allerdings fÅr die Annahme der wirtschaftlichen Eingliederung nicht aus.9

377

Organisatorische Eingliederung bedeutet, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene MÇglichkeit der Beherrschung der Organgesellschaft durch den Organtrsger in der laufenden GeschsftsfÅhrung der Organgesellschaft wirklich wahrgenommen wird.10 Es kommt darauf an,

1 Onusseit, ZInsO 2004, 1182 (1182); Leicht in Beck’sches Steuerlexikon, Rz. 56. 2 BFH v. 20.9.2006 – V B 138/05; Maus, GmbHR 2005, 859 (860); Leicht in Beck’sches Steuerlexikon, Rz. 56. 3 BFH v. 3.4.2003 – V R 63/01, BStBl. II 2004, 434. 4 BFH v. 3.4.2003 – V R 63/01, BStBl. II 2004, 434; v. 17.4.1969 – V 44/65, BFHE 95, 353 = BStBl. II 1969, 413, m.w.N. 5 BFH v. 3.4.2003 – V R 63/01, BStBl. II 2004, 434; v. 17.4.1969 – V R 123/68, BFHE 95, 558 = BStBl. II 1969, 505, zu 2. c. 6 BFH v. 3.4.2003 – V R 63/01, BStBl. II 2004, 434; v. 16.8.2001 – V R 34/01, BFH/NV 2002, 223; v. 25.4.2002 – V B 128/01, BFH/NV 2002, 1058, m.w.N. 7 BFH v. 29.1.2009 – V R 67/07, UR 2009, 554; dagegen allerdings Nichtanwendungserlass BMF v. 1.12.2009 – IV B 8 - S 7105/09/1003, DOK 2009/0793833, BStBl. I 2009, 1609. 8 Hollatz, DB 1994, 855 (855). 9 BFH v. 20.8.2009 – V R 30/06, BStBl. II 2010, 863 = BFHE 226, 465. 10 BFH v. 29.1.2009 – V R 67/07, BStBl. II 2009, 1029.

560

C. Umsatzsteuer

dass der Organtrsger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der GeschsftsfÅhrung beherrscht oder aber zumindest nach den zwischen Organtrsger und Organgesellschaft bestehenden Beziehungen sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organtrsgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht mÇglich ist.1 Die organisatorische Eingliederung i.S.v. § 2 Abs. 2 Ziff. 2 UStG kann sich auch allein daraus ergeben, dass die GeschsftsfÅhrer der Organgesellschaft leitende Mitarbeiter des Organtrsgers sind.2 Sind alle vorstehenden Voraussetzungen erfÅllt, so liegt umsatzsteuerlich betrachtet lediglich ein Unternehmen vor, einziger Steuerschuldner ist der Organtrsger.3 Folglich ist die bis zur Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft entstandene, auf die Aktivitsten der Organgesellschaft zurÅckzufÅhrende Umsatzsteuer vom Organtrsger abzufÅhren. Letzterer hat einen zivilrechtlichen Erstattungsanspruch gegenÅber der Organgesellschaft.4

4.378

2. Insolvenz der Organgesellschaft a) ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Spstestens mit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen der Organgesellschaft endet das Organschaftsverhsltnis, da zu diesem Zeitpunkt das Verwaltungs- und VerfÅgungsrecht nach § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter Åbergeht und somit die organisatorische Eingliederung entfsllt. Ab diesem Zeitpunkt ist nicht mehr gewshrleistet, dass der Wille des Organtrsgers in der Organgesellschaft auch tatsschlich ausgefÅhrt wird.5 Mit Beendigung der Organschaft ist die ehemalige Organgesellschaft als selbstsndiger Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG zu beurteilen. Die Unternehmereigenschaft ist auch dann zu bejahen, wenn nach Beendigung des Organschaftsverhsltnisses lediglich Verwertungshandlungen im geringen Umfang vorgenommen werden, so dass diese Tstigkeit fÅr sich betrachtet nicht nachhaltig ist.6 Die Organgesellschaft war jedoch zur Zeit der Organschaft ein Unternehmensteil, der lediglich nicht selbstsndig war, so dass auch die Tstigkeit vor Beendigung der Organschaft in die Beurteilung der Unternehmereigenschaft einzubeziehen ist. Die Unterneh1 BFH v. 29.1.2009 – V R 67/07, BStBl. II 2009, 1029; Onusseit, ZInsO 2004, 1182 (1182); Maus, GmbHR 2005, 859 (860); Leicht in Beck’sches Steuerlexikon, Rz. 57. 2 BFH v. 20.8.2009 – V R 30/06, BStBl. II 2010, 863 = BFHE 226, 465. 3 Walter/StÅmper, GmbHR 2006, 68 (69). 4 HÇlzle, DStR 2006, 1120 (1211). 5 Vgl. BFH v. 13.3.1997 – V R 96/96, BStBl. II 1997, 580 = ZIP 1997, 1656 = DStR 1997,1487; OFD Frankfurt/M. v. 20.7.2009 – S 7105 A - 21 - St 110, NZI 2009, 798 ff.; J. Wagner in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2015, Rz. 24.20. 6 OFD Frankfurt/M. v. 20.7.2009 – S 7105 A - 21 - St 110, NZI 2009, 798 ff.

561

4.379

380

381

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

mereigenschaft endet nicht vor Abschluss der letzten Liquidationshandlungen.1 Daher ist auf eine getrennte umsatzsteuerliche Erfassung der ehemaligen Organgesellschaft zu achten. FÅr die Frage der Besteuerungsform und des Voranmeldungszeitraums der ehemaligen Organgesellschaft sind grundsstzlich die Verhsltnisse des Organkreises zu berÅcksichtigen.2 b) ErÇffnungsverfahren mit allgemeinem VerfÅgungsverbot Sofern ein vorlsufiger Insolvenzverwalter bestellt und der Organgesellschaft ein allgemeines VerfÅgungsverbot auferlegt wird, geht die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis Åber das VermÇgen der Organgesellschaft nach § 22 Abs. 1 InsO auf den vorlsufigen starken Insolvenzverwalter Åber. Das Organschaftsverhsltnis endet insoweit bereits ab diesem Zeitpunkt.3 c) ErÇffnungsverfahren mit vorllufiger Insolvenzverwaltung und Zustimmungsvorbehalt Wird ein vorlsufiger Insolvenzverwalter bestellt, ohne dass dem Schuldner ein allgemeines VerfÅgungsverbot auferlegt wird, sollte die Organschaft nach frÅherer Auffassung des BFH und der Finanzverwaltung regelmsßig bis zur ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bestehen bleiben.4 Dies sollte auch dann gelten, wenn das Insolvenzgericht anordnete, dass VerfÅgungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. BegrÅndet wurde diese Auffassung vor allem damit, dass der vorlsufige Insolvenzverwalter ohne allgemeines VerfÅgungsverbot nicht allein Åber das VermÇgen des Schuldners verfÅgen kann. Daran sndere es auch nichts, dass der Schuldner ohne Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters keine VerfÅgungen mehr vornehmen kÇnne und diese grundsstzlich unwirksam seien. FÅr die Annahme der umsatzsteuerlichen Organschaft sei es ausreichend, dass sich der GeschsftsfÅhrer des Schuldners und der vorlsufige Insolvenzverwalter in einer „vergleichbar starken Stellung“ gegenÅberstehen, da zumindest eine vom Willen des Organtrsgers abweichende Willensbildung nicht mÇglich sei.5 Die tatsschliche AmtsfÅhrung oder die etwaige Anmaßung dem vorlsufigen Insolvenzverwalter nicht Åbertragener Rechte fÅhrt nach Ansicht des BFH indessen nicht zur Beendigung der Organschaft, maßgeblich sei

1 OFD Frankfurt/M. v. 20.7.2009 – S 7105 A - 21 - St 110, NZI 2009, 798 ff.; BFH v. 9.12.1993 – V R 108/91, BStBl. II 1994, 483 = DStR 1994, 1457. 2 OFD Frankfurt/M. v. 20.7.2009 – S 7105 A - 21 - St 110, NZI 2009, 798 ff. 3 OFD Frankfurt/M. v. 20.7.2009 – S 7105 A - 21 - St 110, NZI 2009, 798 ff. 4 BFH v. 1.4.2004 – V R 24/03, BStBl. II 2004, 905 = ZIP 2004, 1269 = DStR 2004, 951 = BFHE 204, 520; OFD Frankfurt/M. v. 20.7.2009 – S 7105 A - 21 - St 110, NZI 2009, 798 ff. 5 BFH v. 1.4.2004 – V R 24/03, BStBl. II 2004, 905 = ZIP 2004, 1269 = DStR 2004, 951 (953); so auch Kind in Braun, § 21 InsO Rz. 18.

562

C. Umsatzsteuer

allein die im Beschluss des Insolvenzgerichts niedergelegte Rechtsstellung des Insolvenzverwalters.1 ! Hinweis: Die Rechtsprechung des BFH hatte in der Praxis fÅr den Organtrsger massive, mitunter sogar existenzvernichtende Folgen. Die von der Organgesellschaft wshrend des vorlsufigen Insolvenzverfahrens ausgefÅhrten umsatzsteuerpflichtigen Umsstze fÅhrten nicht zu einer Umsatzsteuerschuld der insolventen Organgesellschaft, sondern zu einer Umsatzsteuerschuld des Organtrsgers. Die wshrend des vorlsufigen Insolvenzverfahrens anfallende Umsatzsteuerschuld war in aller Regel wesentlich hÇher als der Vorsteuerabzug, weil der vorlsufige Insolvenzverwalter zur Liquiditstsschonung keine Lagerbestsnde aufbaut, sondern vielmehr Åblicherweise – auch unter Inkaufnahme erheblicher Rabatte – Lagerbestsnde abverkauft oder sogar Warenverksufe mit Abschlsgen auf Ziel vornimmt, um zeitnah Liquiditst zu generieren. Die Rechtsprechung des BFH fÅhrte in der Praxis Åberspitzt ausgedrÅckt dazu, dass der Organtrsger wshrend des vorlsufigen Insolvenzverfahrens die Umsstze der Organgesellschaft in HÇhe der darauf entfallenden Umsatzsteuer zu subventionieren hatte, weil der vorlsufige Insolvenzverwalter die Umsatzsteuerbetrsge zwar vereinnahmen kann, sie aber nicht an die Finanzverwaltung abfÅhrt und den Organtrsger mit seinem zivilrechtlichen Erstattungsanspruch auf die Insolvenztabelle verweisen kann.

Diese Auffassung von BFH und Finanzverwaltung ist in der Literatur ganz Åberwiegend auf heftige und begrÅndete Kritik gestoßen.2 Die Entscheidung wurde u.a. als „ausschließlich fiskalisch motiviert“3 kritisiert.

4.382

Nunmehr hat der BFH seine frÅhere Rechtsprechung aufgegeben. Bestellt das Insolvenzgericht fÅr die Organgesellschaft einen vorlsufigen Insolvenzverwalter und ordnet es zugleich gem. § 21 Ziff. 2 Alt. 2 InsO an, dass VerfÅgungen nur noch mit Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, so endet nach dieser neuen Rechtsprechung die organisatorische Eingliederung.4 Der Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Ziff. 1 UStG entsteht mit der Bestellung des vorlsufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt. Endet zugleich die Organschaft, richtet sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch fÅr LeistungsbezÅge der Organgesellschaft, die unbezahlt geblieben sind, gegen den bisherigen Organtrsger.5

4.383

1 BFH v. 13.6.2007 – V B 47/06, BFH/NV 2007, 1936 ff.; SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 191a; Maus, GmbHR 2005, 859 (862). 2 Trinks, UVR 2010, 12 (17); Roth, DZWIR 2009, 274 (274); Mitlehner, ZIP 2002, 1816 (1818); Onusseit, ZInsO 2004, 1182 ff.; Roth/Germer, NWB 2005, Fach 7, 6539 ff.; HÇlzle, DStR 2006, 1210 ff.; Maus, GmbHR 2005, 859 ff.; Waza/Uhlnnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 7. Aufl., Rz. 1561 brachten Zweifel an der Rechtsprechung an, verweisen nunmehr in 8. Aufl. allerdings nur noch auf die gefestigte Rechtsprechung des BFH; zweifelnd auch Walter/StÅmper, GmbHR 2006, 68 (69). 3 HÇlzle, DStR 2006, 1210 (1212). 4 BFH v. 8.8.2013 – V R 18/13, ZIP 2013, 1773 = DStR 2013, 1883; J. Wagner in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2015, Rz. 24.22. 5 BFH v. 8.8.2013 – V R 18/13, ZIP 2013, 1773 = DStR 2013, 1883.

563

384

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

d) Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse Wird der Antrag der Organgesellschaft auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt, so bleibt die vorher bestehende finanzielle, organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung unberÅhrt.1 Die Organgesellschaft zshlt so lange zum Unternehmen des Organtrsgers, bis die Liquidation abgeschlossen und das vorhandene GesellschaftsvermÇgen versußert ist.2 3. Insolvenz des Organtrlgers

385

Wird ein Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Organtrsgers erÇffnet, hat dies grundsstzlich keine Auswirkungen auf die finanzielle und wirtschaftliche Eingliederung. FÅr das Fortbestehen der Organschaft kommt es daher auf den Fortbestand der organisatorischen Eingliederung an. DafÅr ist darauf abzustellen, ob der Organtrsger auch weiterhin seinen Willen in der Organgesellschaft durchsetzen kann.3 Unerheblich ist dabei, dass die Willensbildung des Organtrsgers nunmehr durch den Åber das VermÇgen des Organtrsgers bestellten Insolvenzverwalter erfolgt und nicht mehr durch den Organtrsger selbst bzw. seine gesellschaftsrechtlichen Organe.4 In der Regel wird der Insolvenzverwalter zur Sicherung der Masse, zu der die Anteile an der Organgesellschaft gehÇren, durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass sein Wille in der Organgesellschaft durchgesetzt wird. Dann bleiben die organisatorische Eingliederung und damit auch die Organschaft erhalten. Der Insolvenzverwalter des Organtrsgers ist dann verpflichtet, die Umsstze der Organgesellschaft unter der Massesteuernummer des Organtrsgers anzumelden.

386

Die Organschaft endet allerdings mit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Organtrsgers ausnahmsweise dann, wenn deren Insolvenzverwalter tatslchlich keinen Einfluss auf die Organgesellschaft nimmt.5 Außerdem endet die Organschaft, wenn die wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Organgesellschaft und dem Organtrsger entfsllt, also keine wirtschaftliche Kooperation mehr vorhanden ist. Das muss allerdings noch nicht zwingend dann der Fall sein, wenn die Liquidation des VermÇgens des Organtrsgers im Rahmen des Insolvenzverfahrens beginnt.6 Entscheidend ist vielmehr, dass die Liquidation ein Stadium erreicht hat, in dem der Insolvenzverwalter Åber das VermÇgen des 1 OFD Frankfurt/M. v. 20.7.2009 – S 7105 A - 21 - St 110, NZI 2009, 798. 2 Vgl. FG MÅnster v. 31.1.1991 – 5 K 3761/88 U, UR 1992, 378 m.w.N.; BFH v. 27.9.1991 – V B 78/91, BFH/NV 1992, 346. 3 OFD Frankfurt/M. v. 20.7.2009 – S 7105 A - 21 - St 110, NZI 2009, 798; vgl. BFH v. 28.1.1999 – V R 32/98, BStBl. II 1999, 258 = NZI 1999, 207 = BFHE 187, 355. 4 Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1936; Kling/SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 191b. 5 BFH v. 28.1.1999 – V R 32/98, BStBl. II 1999, 258; Kling/SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 191b. 6 A.A. Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1938.

564

C. Umsatzsteuer

Organtrsgers keine operativ-wirtschaftlichen Aktivitsten mehr in Bezug auf die Organgesellschaft entfaltet. Auch die Freigabe der Geschlftsanteile an der Organgesellschaft aus der Insolvenzmasse bewirkt nicht die Beendigung der organisatorischen Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen des Organtrsgers. Durch die Freigabe endet nsmlich nur die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis des Insolvenzverwalters Åber die Geschsftsanteile an der Organgesellschaft. Durch die Freigabe wird aber wieder der Schuldner selbst in Ansehung dieser Geschsftsanteile verfÅgungs- und umfassend handlungsbefugt. Ist der Organtrsger eine juristische Person, so erhalten die organschaftlichen Vertreter des Organtrsgers die Handlungsbefugnis zurÅck. Die Organschaft besteht dann allerdings nicht mehr zwischen der Organgesellschaft und der Insolvenzmasse, sondern zwischen der Organgesellschaft und dem insolvenzfreien VermÇgen (Rz. 2.143 ff.) des Organtrsgers. Der Organtrsger hat dann die Umsstze der Organgesellschaft unter der Steuernummer des insolvenzfreien VermÇgens anzumelden.

4.387

Die Organgesellschaft haftet in der Insolvenz des Organtrsgers nach § 73 AO fÅr solche Steuern des Organtrsgers, fÅr welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist. Eine Haftung kommt nur fÅr die Steuern in Betracht, die wshrend des Bestehens der Organschaft entstanden sind, wshrend es auf die Fslligkeit der Steuer nicht ankommt.1 Die Organgesellschaft haftet nicht nur fÅr die Steuern des Organtrsgers, die durch ihre eigene wirtschaftliche Tstigkeit verursacht wurden. Vielmehr hat sie nach Åberwiegender, wenn auch streitiger Auffassung auch fÅr Steuern des Organtrsgers einzustehen, die durch die wirtschaftliche Tstigkeit einer anderen Tochtergesellschaft entstanden sind.2 Die Organgesellschaft muss also fÅr alle Steuern haften, die im Organkreis entstanden sind. Nach § 73 Satz 2 AO erstreckt sich die Haftung der Organgesellschaft auf die Erstattung von SteuervergÅtungen. Dies betrifft insbesondere zu Unrecht erstattete Vorsteuerbetrsge, die der Organtrsger zurÅckzahlen muss.3 Dagegen haftet die Organgesellschaft nicht fÅr dem Organtrsger zu Unrecht erstattete Steuern, denn der auf § 37 Abs. 2 AO zu stÅtzende Erstattungsanspruch der Finanzverwaltung ist kein Steueranspruch. Die Haftung nach § 73 AO ist durch Haftungsbescheid (§ 191 AO) geltend zu machen. Auch nach Beendigung des Organschaftsverhsltnisses kann ein Bescheid noch erlassen werden, soweit es sich um Steuern handelt, die wshrend des Bestehens der Organschaft entstanden sind.4 Der Haftungsbescheid ist an die Organgesellschaft zu richten.

4.388

1 Intemann in Pahlke/Koenig, § 73 AO Rz. 8. 2 Intemann in Pahlke/Koenig, § 73 AO Rz. 13; RÅsken in Klein, § 73 AO Rz. 7; Boeker in HÅbschmann/Hepp/Spitaler, § 73 AO Rz. 15; Loose in Tipke/Kruse, § 73 AO Rz. 5; Schwarz, § 73 AO Rz. 7; a.A. Probst, BB 1987, 1992 ff.; Reiß, StuW 1979, 343 (344); Sturm, StuW 1992, 252 ff.; Breuer, AO-StB 2003, 342. 3 Intemann in Pahlke/Koenig, § 73 AO Rz. 16. 4 Intemann in Pahlke/Koenig, § 73 AO Rz. 17; BFH v. 8.9.1983 – V R 114/78, UR 1983, 222 (223).

565

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

4. Insolvenz von Organgesellschaft und Organtrlger

389

Wird sowohl Åber das VermÇgen der Organgesellschaft als auch Åber das VermÇgen des Organtrsgers das Insolvenzverfahren erÇffnet, ist die Organschaft beendet.1 Eine frÅhere Literaturmeinung, nach der die umsatzsteuerliche Organschaft fortbestehen sollte, wenn Åber das VermÇgen des Organtrsgers und der Organgesellschaft dieselbe natÅrliche Person zum Insolvenzverwalter bestellt werde, ist nicht haltbar. Diese Auffassung ist damit nicht vereinbar, dass ein Insolvenzverwalter auch dann – im jeweiligen Insolvenzverfahren – ausschließlich die Interessen der dortigen Glsubiger zu wahren hat. Kennzeichen der organisatorischen Eingliederung ist es aber, dass der Organtrsger seinen Willen auch zu seinem alleinigen Vorteil in der Organgesellschaft durchsetzen kann. Auf den Fall der Doppelinsolvenz von Organgesellschaft und Organtrsger bezogen bedeutete dies, dass der Insolvenzverwalter eine Willensbetstigung zum Nutzen der Insolvenzglsubiger des Organtrsgers und zum Nachteil der Glsubiger der Organgesellschaft vornehmen mÅsste, woran er auf Grund seiner FÅrsorgepflichten fÅr die Insolvenzglsubiger der Organgesellschaft gehindert ist. Eine einheitliche Willensbetstigung innerhalb des Organkreises, wie sie fÅr die organisatorische Eingliederung erforderlich ist, kann daher im Falle der Doppelinsolvenz nicht angenommen werden, selbst wenn – was den Ausnahmefall darstellen sollte – dieselbe natÅrliche Person in beiden Verfahren Insolvenzverwalter sein sollte.

390

Werden die Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen der Organgesellschaft und das VermÇgen des Organtrsgers nicht gleichzeitig erÇffnet, mÅssen die Umsatzsteuerschulden den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien zugeordnet werden: – Wird das Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Organtrsgers nach dem Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen der Organgesellschaft erÇffnet, dann ist die gesamte Umsatzsteuerschuld Insolvenzforderung im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Organtrsgers. – Wird das Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen der Organgesellschaft nach dem Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Organtrsgers erÇffnet, dann ist die Umsatzsteuerschuld aufzuteilen: – Soweit die Umsatzsteuerschuld vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Organtrsgers im insolvenzrechtlichen Sinne begrÅndet (Rz. 4.327 ff.) worden ist, ist sie Insolvenzforderung im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Organtrsgers. – Soweit die Umsatzsteuerschuld nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Organtrsgers im insolvenzrechtlichen Sinne begrÅndet worden ist, ist sie im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Organtrsgers Masseverbindlichkeit im Rang von § 55 InsO.

1 BFH v. 19.3.2014 – V B 14/14, ZIP 2014, 889 = DStR 2014, 793.

566

C. Umsatzsteuer

– Der zivilrechtliche Erstattungsanspruch des Organtrsgers ist in beiden Fsllen im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen der Organgesellschaft Insolvenzforderung im Rang von § 38 InsO. – Etwaige ErstattungsansprÅche stehen der Insolvenzmasse des Organtrsgers zu, wenn die Organschaft in dem Zeitpunkt, in dem die ErstattungsansprÅche begrÅndet worden sind, bestand. Dies gilt auch dann, wenn die Zahlungen, die die ErstattungsansprÅche ausgelÇst haben, von der Organgesellschaft an die Finanzverwaltung geleistet worden sind. – HaftungsansprÅche nach § 73 AO sind im Insolvenzverfahren der Organgesellschaft Insolvenzforderungen, wenn die Umsatzsteuerschuld des Organtrsgers bereits vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber sein VermÇgen im insolvenzrechtlichen Sinne begrÅndet war. DafÅr kommt es nicht auf die Entstehung der Umsatzsteuerschuld im steuerrechtlichen Sinne an, sondern auf die AusfÅhrung des Umsatzes durch die Organgesellschaft, weil diese den Umsatzsteueranspruch der Finanzverwaltung im insolvenzrechtlichen Sinne begrÅndet. Soweit die Organgesellschaft nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Organtrsgers noch Umsstze ausgefÅhrt hat, ist der Haftungsanspruch der Finanzverwaltung Masseverbindlichkeit im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Organtrsgers. 5. Rechtsfolgen der Beendigung der Organschaft Ab dem Zeitpunkt der Beendigung der Organschaft handelt es sich beim Organtrsger und der Organgesellschaft wieder um zwei selbstsndige Unternehmer. Die wshrend der Organschaft geltenden „Vereinfachungsregelungen“ (Zusammenfassung der Umsstze des Organtrsgers und der Organgesellschaft in einer Erklsrung, Behandlung der Umsstze zwischen dem Organtrsger und der Organgesellschaft als nicht steuerbare Innenumsstze etc.) kÇnnen ab dem Zeitpunkt der Beendigung der Organschaft nicht mehr angewendet werden.1

4.391

Entscheidend fÅr die Zurechnung von Umsstzen ist der Zeitpunkt des Umsatzsteuer auslÇsenden Ereignisses. Erbringt die Organgesellschaft Leistungen vor Beendigung der Organschaft, werden diese dem Organtrlger zugerechnet; liegt der Zeitpunkt der Leistungserbringung nach Beendigung der Organschaft, werden sie grundsltzlich der Organgesellschaft als eigenstlndiger Unternehmerin zugerechnet.2 Unerheblich hierbei sind der Zeitpunkt der Rechnungserteilung sowie der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer.3 Endet die Organschaft, richtet sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch fÅr LeistungsbezÅge der Organgesellschaft, die unbezahlt geblieben sind, gegen den bisherigen Organtrlger.4

4.392

1 2 3 4

OFD Frankfurt/M. v. 20.7.2009 – S 7105 A - 21 - St 110, NZI 2009, 798. OFD Frankfurt/M. v. 20.7.2009 – S 7105 A - 21 - St 110, NZI 2009, 798. FG DÅsseldorf v. 23.4.1993 – 5 K 531/90 U, EFG 1993, 747. BFH v. 8.8.2013 – V R 18/13, ZIP 2013, 1773 = DStR 2013, 1883.

567

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

393

Hat der Organtrsger An- und Vorauszahlungen auf Umsstze aus Leistungen der Organgesellschaft, die nach Beendigung der Organschaft erbracht wurden, bereits der Umsatzbesteuerung unterworfen, so sind diese bei der Steuerfestsetzung der ehemaligen Organgesellschaft steuermindernd zu berÅcksichtigen, weil die Regelung Åber die Entstehung der Steuer fÅr vereinnahmte Anzahlungen nach § 13 Abs. 1 Ziff. 1 lit. a Satz 4 UStG einen selbstsndigen und abschließenden Steuerentstehungstatbestand enthslt.1

394

FÅr die Zurechnung des Vorsteueranspruchs ist ebenfalls der Leistungsbezug als auslÇsendes Ereignis entscheidend. Vorsteuern aus Leistungen, die die Organgesellschaft vor Beendigung der Organschaft bezieht, stehen demnach dem Organtrsger zu,2 unabhsngig davon, ob ssmtliche materiellrechtlichen Voraussetzungen des § 15 UStG erfÅllt sind.3

395

Vorsteuern aus Leistungen, die die Organgesellschaft erst nach Beendigung der Organschaft bezieht, kÇnnen grundsstzlich nur von der Organgesellschaft abgezogen werden. Hat jedoch der Organtrsger vor Beendigung der Organschaft An- oder Vorauszahlungen auf diese Leistungen entrichtet und hieraus den (vorgezogenen) Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 2 UStG vorgenommen, so ist die Organgesellschaft lediglich zum Vorsteuerabzug aus dem im Zeitpunkt der Beendigung der Organschaft noch offenen Restpreis berechtigt.4 Der vorgezogene Vorsteuerabzug aus den An- und Vorauszahlungen steht weiterhin dem Organtrsger zu. Von dem Organtrsger versteuerte Anzahlungen fÅr Leistungen, die erst nach Beendigung der Organschaft abschließend erbracht werden, sind bei der Steuerfestsetzung gegenÅber der vormaligen Organgesellschaft steuermindernd zu berÅcksichtigen.5

396

VorsteuerberichtigungsansprÅche, die LeistungsbezÅge der Organgesellschaft vor Beendigung der Organschaft betreffen und bei denen das den Berichtigungsanspruch auslÇsende Ereignis vor Beendigung der Organschaft eintritt, richten sich gegen den Organtrsger.6 Uneinbringlich i.S.d. § 17 Abs. 2 Ziff. 1 UStG ist eine Forderung, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfÅllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann.7 Die Entgeltforderungen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen werden spstestens im Augenblick der InsolvenzerÇffnung unbeschadet einer mÇglichen In1 2 3 4 5 6

OFD Frankfurt/M. v. 20.7.2009 – S 7105 A - 21 - St 110, NZI 2009, 798. Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1943. Zutr. OFD Frankfurt/M. v. 20.7.2009 – S 7105 A - 21 - St 110, NZI 2009, 798. Zutr. OFD Frankfurt/M. v. 20.7.2009 – S 7105 A - 21 - St 110, NZI 2009, 798. BFH v. 21.6.2001 – V R 68/00, BStBl. II 2002, 255 = DStR 2001,1838 (1838). BFH v. 22.10.2009 – V R 14/08, BStBl. II 2011, 988 = ZIP 2010, 383 = DStR 2010, 323 = BFH, BFH/NV 2002, 1352; OFD Frankfurt/M. v. 20.7.2009 – S 7105 A - 21 St 110, NZI 2009, 798. 7 BFH v. 22.10.2009 – V R 14/08, ZIP 2010, 383 = DStR 2010, 323; v. 20.7.2006 – V R 13/04, BStBl. II 2007, 22; v. 22.4.2004 – V R 72/03, DStR 2004, 1214.

568

C. Umsatzsteuer

solvenzquote an den spsteren Schuldner in voller HÇhe i.S.d. § 17 Abs. 2 Ziff. 1 UStG uneinbringlich. Spstestens zu diesem Zeitpunkt ist die Umsatzsteuer des leistenden Unternehmers und dementsprechend der Vorsteuerabzug des Leistungsempfsngers nach § 17 Abs. 1 UStG zu berichtigen. Im Rahmen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft nach § 2 Abs. 2 Ziff. 2 UStG hat die Vorsteuerberichtigung gegenÅber dem (bisherigen) Organtrsger zu erfolgen, wenn die Uneinbringlichkeit vor der Organschaftsbeendigung eingetreten ist oder durch die InsolvenzerÇffnung sowohl die Organschaftsbeendigung als auch die Uneinbringlichkeit gleichzeitig erfolgen.1 Ob der Insolvenzverwalter die zunschst uneinbringlichen Forderungen spster erfÅllt, sndert an der vollstsndigen Berichtigungspflicht spstestens im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung nichts. Wird ein uneinbringlich gewordenes Entgelt nachtrsglich vereinnahmt, sind der Umsatzsteuerbetrag und der Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Ziff. 1 Satz 2 UStG).2 Das gilt auch fÅr den Fall, dass der Insolvenzverwalter die durch die ErÇffnung uneinbringlich gewordene Forderung erfÅllt. Da bereits die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens zur Uneinbringlichkeit fÅhrt, ist die sich hieraus ergebende znderung nach § 17 UStG aus GrÅnden der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bereits fÅr den Voranmeldungszeitraum der VerfahrenserÇffnung zu vollziehen und kann nicht von erst spster eintretenden Umstsnden wie einer ErfÅllungswahl durch den Insolvenzverwalter nach § 103 InsO abhsngen.3 DarÅber hinaus spricht fÅr die Uneinbringlichkeit bereits mit VerfahrenserÇffnung auch im Anwendungsbereich des § 103 InsO, dass noch ausstehende ErfÅllungsansprÅche aufgrund der VerfahrenserÇffnung nach neuerer Rechtsprechung des BGH lediglich ihre Durchsetzbarkeit verlieren, nicht aber erlÇschen.4 Durch Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters Åber das VermÇgen der (ehemaligen) Organgesellschaft kann eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG ausgelÇst werden. Der Berichtigungsanspruch richtet sich als Masseanspruch gegen die (ehemalige) Organgesellschaft, auch wenn der erstmalige Vorsteueranspruch nach § 15 UStG dem Organtrsger zugestanden hatte. Die ehemalige Organgesellschaft fÅhrt die fÅr § 15a UStG maßgebenden Verhsltnisse fort.5

1 BFH v. 22.10.2009 – V R 14/08, BStBl. II 2011, 988 = ZIP 2010, 383 = DStR 2010, 323. 2 BFH v. 22.10.2009 – V R 14/08, BStBl. II 2011, 988 = ZIP 2010, 383 = DStR 2010, 323. 3 BFH v. 22.10.2009 – V R 14/08, BStBl. II 2011, 988 = ZIP 2010, 383 = DStR 2010, 323. 4 BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353 = ZIP 2002, 1093; v. 1.3.2007 – IX ZR 81/05, ZIP 2007, 778 = NJW 2007, 1594. 5 Zutr. OFD Frankfurt/M. v. 20.7.2009 – S 7105 A - 21 - St 110, NZI 2009, 798.

569

4.397

398

399

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

6. Unerkannte Organschaft Die umsatzsteuerliche Organschaft entsteht kraft Gesetzes, wenn die wirtschaftliche, finanzielle und organisatorische Eingliederung einer Gesellschaft in das Unternehmen eines Unternehmers eintritt. Eines besonderen Vertrages oder einer anderen, auf die BegrÅndung eines Organschaftsverhsltnisses abzielenden Aktes bedarf es nicht. Die Rechtsfolgen der Organschaft kÇnnen die Beteiligten auch ohne oder gar gegen ihren Willen treffen.1 ! Hinweis: Hat die Organgesellschaft anstelle des Organtrsgers Umsatzsteuer an die Finanzverwaltung abgefÅhrt, so steht ihr grundsstzlich ein RÅckerstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2 AO) zu. Dies gilt auch im Insolvenzverfahren der Organgesellschaft. Auf entsprechende Erklsrungen bzw. Anmeldungen des Insolvenzverwalters hin sind unter dem Vorbehalt der NachprÅfung ergangene Steuerfestsetzungen und Steueranmeldungen bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO) zu korrigieren und die Steuer auf Null Euro festzusetzen. FÅr bestandskrsftige Festsetzungen kommt die Anfechtung nach § 134 InsO in Betracht.2

Gegen den Erstattungsanspruch der Organgesellschaft kann das Finanzamt mit einem Haftungsanspruch gegen die Organgesellschaft aus § 73 AO grundsstzlich nicht aufrechnen. Die Aufrechnung des Finanzamts ist nach heute wohl nicht mehr haltbarer, aber noch nicht revidierter Rechtsprechung des BFH3 auch nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen der Organgesellschaft mit Haftungsforderungen zulsssig, die vor der ErÇffnung des Verfahrens tatbestandlich angelegt worden sind, ohne dass es des vorherigen Erlasses eines Haftungsbescheides, der Feststellung der Haftungsforderung oder ihrer Anmeldung zur Tabelle bedarf. Der Aufrechnung steht danach nicht entgegen, dass bei ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen der Organgesellschaft die gegen sie gerichteten Umsatzsteuerfestsetzungen noch Bestand hatten, deren Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt also steuerverfahrensrechtlich bei ErÇffnung noch nicht entstanden war.4 Dies ist mit dem neuerdings hergestellten Konsens zwischen den Senaten des BFH nicht vereinbar, nach dem die frÅher durch den VII. Senat des BFH vertretene Auffassung nicht weiterverfolgt wird, nach der die Zuordnung von Steuerforderungen zu den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien danach erfolgen sollte, ob die Steuerforderung ihrem Kern nach bereits vor Insolvenz sich angelegt worden war oder nicht. Nunmehr besteht Konsens dahingehend, dass Steuerforderungen im Insolvenzverfahren dann Masseverbindlichkeiten sind, wenn der Lebenssachverhalt, der zu ihrer Entstehung gefÅhrt hat, seine vollstsndige Verwirklichung in der Zeit nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens erfahren hat.5 Anerkannt ist auch, dass Aufrechnungen 1 Treiber in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2015, Rz. 22.97 2 Nickert/Nickert, ZInsO 2004, 479 ff., 596 ff. 3 BFH v. 10.5.2007 – VII R 18/05, BStBl. II 2007, 914 = ZIP 2007, 1514; v. 4.5.2004 – VII R 45/03, BStBl. II 2004, 815 = ZIP 2004, 1423 = BFHE 205, 409. 4 BFH v. 10.5.2007 – VII R 18/05, BStBl. II 2007, 914 = ZIP 2007, 1514. 5 BFH v. 11.7.2013 – XI B 41/13, ZIP 2013, 1680 = NZI 2013, 992.

570

C. Umsatzsteuer

nur innerhalb der Forderungskategorien erfolgen kÇnnen. Steht also der Insolvenzmasse ein Erstattungsanspruch zu, weil eine gegen die Insolvenzmasse der Organgesellschaft gerichtete Steuerfestsetzung erst nach InsolvenzerÇffnung beseitigt wird, so ist der Erstattungsanspruch dem nachinsolvenzlichen VermÇgensbereich zuzuordnen. Eine Haftungsinanspruchnahme der Organgesellschaft fÅr die durch den Organtrsger nicht abgefÅhrten Umsatzsteuerbetrsge scheitert daran, dass der Haftungsanspruch gem. § 191 AO die AusÅbung behÇrdlichen Ermessens sowohl Åber das Ob der Haftungsinanspruchnahme als auch hinsichtlich der HÇhe der Haftungsinanspruchnahme voraussetzt. Diese behÇrdliche Entscheidung ist somit konstitutives Element des Haftungsanspruchs als solchem. Gleichzeitig soll die Haftung aber fÅr Lebenssachverhalte bewirkt werden, die vor InsolvenzerÇffnung liegen. Einigkeit besteht dahingehend, dass es fÅr die Zuordnung einer Steuerforderung zu den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien nicht auf die steuerrechtliche Entstehung eines Anspruchs ankommt, sondern vielmehr auf die vollstlndige Verwirklichung eines bestimmten Steuertatbestandes.1 Die Lebenssachverhalte, die zu den gegen den Organtrsger gerichteten Steuerforderungen, die nicht befriedigt worden sind, gefÅhrt haben und wegen derer nun die Organgesellschaft in Haftung genommen werden soll, liegen aber vor InsolvenzerÇffnung. Somit nehmen solche Haftungsforderungen gegen die Organgesellschaft auch dann den Rang bloßer Insolvenzforderungen ein, wenn die erforderliche Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung erst nach InsolvenzerÇffnung erfolgt. Haftungsbescheide kÇnnen nicht erlassen werden; vielmehr darf lediglich eine bloße formlose Haftungsberechnung erteilt werden, die Grundlage fÅr die Anmeldung der Haftungsforderung zur Insolvenztabelle gem. § 174 InsO ist. I.x. s. Rz. 3.355 f.

IX. Vorsteuer im Insolvenzverfahren Literatur BÅchter-Hole, Vorsteuerberichtigung aufgrund des tatsschlich nicht ausgefÅhrten Umsatzes nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG, EFG 2009, 1165; Vorsteuerberichtigung nach § 17 UStG nur bei RÅckgewshr des geleisteten Entgelts, EFG 2008, 1160; Hahne, Vorsteuerberichtigung gem. § 15a Abs. 3 und 4 UStG und ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben der MwStSystRL, BB 2008, 247; Kraeusel, Neuregelung der Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG, JbFfSt 2005/2006, 496; Kremer, Zur insolvenzrechtlichen Einordnung des Vorsteuerberichtigungsanspruchs, EWiR 2010, 219; KrÅger, Bei Aufrechnung des Finanzamts gegen VorsteuervergÅtungsanspruch des Insolvenzschuldners ist Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu beachten, HFR 2007, 315; Leitner, ZugehÇrigkeit des Vorsteuererstattungsanspruchs eines freiberuflich tstigen Schuldners zur Insolvenzmasse, EFG 2010, 835; Martin, Vorsteuerabzug bei Erwerb eines Sicherungsguts vom Sicherungsgeber, HFR 2006,

1 BFH v. 11.7.2013 – XI B 41/13, ZIP 2013, 1680 = NZI 2013, 992.

571

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz 810; Meyer, Vorsteuerberichtigungsanspruch als Masseverbindlichkeit, EFG 2008, 1587; Schmitz/ErdbrÅgger, Vorsteuerberichtigung: Das BMF-Schreiben zu § 15a Abs. 3 und 4 UStG, BB 2008, 253.

1. Vorsteuerabzug a) Grundlagen

400

Vorsteuerbetrsge sind die Umsatzsteuerbetrsge, die einem Unternehmer fÅr Lieferungen und sonstige Leistungen, die fÅr sein Unternehmen ausgefÅhrt worden sind, in einer nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnung gesondert ausgewiesen wurden. Nach §§ 15, 16 Abs. 2, 18 Abs. 1 und 3 UStG kann der Unternehmer seine eigene Umsatzsteuerschuld um die Vorsteuerbetrsge mindern (sog. Vorsteuerabzug). Soweit die Vorsteuerbetrsge die eigene Umsatzsteuerschuld des Unternehmers Åbersteigen, hat er gegen den Fiskus Anspruch auf VergÅtung der Vorsteuerbetrsge. Bei der Weiterlieferung einer erworbenen Ware braucht der Unternehmer die Vorsteuer aus der Vorlieferung nicht dem Verkaufspreis aufzuschlagen, um die Umsatzsteuerbelastung aus dieser Vorlieferung abzuwslzen; er erhslt vom Finanzamt im Ergebnis den Betrag zurÅck, den er als Umsatzsteuer fÅr die Vorlieferung an den Lieferer zahlen musste.1 Dadurch wird das Grundprinzip auch des europarechtlichen Mehrwertsteuersystems verwirklicht, dass im Ergebnis nur der Endverbraucher mit der Umsatzsteuer belastet wird.

401

Aussteller der Rechnung, die den Vorsteuerbetrag ausweist und leistender Unternehmer mÅssen grundsstzlich identisch sein.2 Regelmsßig ergibt sich aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenÅber einem Anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausfÅhrt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem Anderen zuzurechnen ist, hsngt grundsstzlich davon ab, ob der Handelnde gegenÅber Dritten im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines Anderen bei AusfÅhrungen entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist.3

402

Eine Lieferung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne besteht in der Verschaffung der VerfÅgungsmacht zugunsten des Leistungsempfsngers (§ 3 Abs. 1 UStG); das bedeutet, dass ihm Substanz, Wert und Ertrag an dem betreffenden Gegenstand Åbertragen werden. Dabei kann der Lieferer dem Abnehmer die VerfÅgungsmacht an dem Gegenstand auch dadurch verschaffen, dass er einen Dritten, der die VerfÅgungsmacht bislang innehat, mit

1 Vgl. Wagner in SÇlch/Ringleb, § 15 UStG Rz. 16. 2 Stsndige Rechtsprechung, z.B. BFH v. 31.1.2002 – V B 108/01, BStBl. II 2004, 622 = BFHE 198, 208; v. 5.4.2001 – V R 5/00, BFH/NV 2001, 1307 m.w.N. 3 BFH v. 28.1.1999 – V R 4/98, BStBl. II 1999, 628 = BFHE 188, 456; v. 30.9.1999 – V R 8/99, BFH/NV 2000, 353; v. 28.6.2000 – V R 70/99, BFH/NV 2001, 210.

572

C. Umsatzsteuer

dem Vollzug dieser Maßnahme beauftragt, mit der Folge, dass mit der xbergabe des Gegenstandes zugleich eine Lieferung des Dritten an den Lieferer und eine des Lieferers an seinen Abnehmer stattfindet. Ein solcher Sachverhalt liegt jedoch nur vor, wenn sich die Verschaffung der VerfÅgungsmacht an den Empfsnger des Gegenstandes tatsschlich als Vollzug einer fremden – vertraglich vereinbarten – Leistungsbeziehung erweist.1 Es kommt deshalb eine von den „vertraglichen Vereinbarungen“ abweichende Bestimmung des Leistenden in Betracht, wenn nach den konkreten Umstsnden erkennbar eine eigene Lieferung des Handelnden vorliegt, weil dieser lediglich unter dem Namen eines Anderen tstig wurde und der Empfsnger der Lieferung aber erkennbar keinen geschsftlichen Kontakt mit dem angeblichen Lieferanten hat, bzw. wenn nach den Umstsnden des Falles erkennbar ein Eigengeschsft des Handelnden und nicht des „Vertragspartners“ vorliegt, der die Leistung auch nicht als eigene Leistung der Umsatzsteuer unterwirft, und bei denen der Leistungsempfsnger typischerweise mit der Nichtbesteuerung durch den „Rechnungsaussteller“ rechnet oder rechnen muss.2 Zur Bestimmung des Leistungsempflngers gelten diese Grundsstze entsprechend.3 Danach ist Leistungsempfsnger grundsstzlich diejenige Person, die aus dem schuldrechtlichen Vertragsverhsltnis, das dem Leistungsaustausch zugrunde liegt, berechtigt oder verpflichtet ist,4 somit der Ksufer eines Gegenstands, der geliefert wird. Die als Leistungsempfsnger bestimmte Person muss in der Rechnung bezeichnet sein, mit der Åber die Leistung abgerechnet wird.5 Dementsprechend mÅssen Lieferungen auch gegenÅber dem Leistungsempfsnger abgerechnet werden. Der Annahme eines Leistungsaustausches (§ 1 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 1 UStG) steht nicht entgegen, dass der Leistende die gewollte, erwartete oder erwartbare Gegenleistung, das Entgelt, nicht oder nicht in dem erwarteten Umfang erhslt, sei es, dass sich die begrÅndete Entgeltserwartung nicht erfÅllt, dass das Entgelt uneinbringlich wird oder dass es sich nachtrsglich mindert.6 Hierdurch wird lediglich die Bemessungsgrundlage i.S.d. § 10 Abs. 1 UStG berÅhrt. Nach § 15 Abs. 1 UStG sind zum Vorsteuerabzug nur Unternehmer mit Ausnahme der Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG berechtigt. Maßgeblich ist der Unternehmerbegriff des § 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 UStG. Wer keine Leistungen gegen Entgelt – als nachhaltige, selbstsndige

1 BFH v. 4.9.2003 – V R 9, 10/02, BFH/NV 2004, 149. 2 BFH v. 4.9.2003 – V R 9, 10/02, BFH/NV 2004, 149; v. 5.4.2001 – V R 5/00, BFH/NV 2001, 1307; v. 9.11.1999 – V B 16/99, BFH/NV 2000, 611; v. 31.1.2002 – V B 108/01, BStBl. II 2004, 622 = BFHE 198, 208. 3 BFH v. 13.9.1984 – V B 10/84, BStBl. II 1985, 21 = BFHE 142, 164. 4 BFH v. 4.4.2000 – V B 186/99, BFH/NV 2000, 1370; v. 13.9.1984 – V B 10/84, BStBl. II 1985, 21 = BFHE 142, 164. 5 BFH v. 4.4.2000 – V B 186/99, BFH/NV 2000, 1370; v. 2.4.1997 – V B 26/96, BStBl. II 1997, 443 = BFHE 182, 430; v. 16.4.1997 – XI R 63/93, BStBl. II 1997, 582 = BFHE 182, 440. 6 BFH v. 22.6.1989 – V R 37/84, BStBl. II 1989, 913.

573

4.403

404

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Tstigkeit zur Einnahmeerzielung – ausfÅhrt bzw. auszufÅhren beabsichtigt, ist kein zum Vorsteuerabzug berechtigter Steuerpflichtiger. Die Unternehmereigenschaft endet grundsstzlich mit der Beendigung der unternehmerischen Tltigkeit. Dies kann aber nicht bereits dann angenommen werden, wenn der Unternehmer vorÅbergehend keine Umsstze bewirkt, also keine auf Entgeltserzielung gerichteten Leistungen erbringt.1 Es mÅssen vielmehr Anhaltspunkte vorliegen, dass der Unternehmer seine Tstigkeit endgÅltig aufgeben wollte. Nach der endgÅltigen Aufgabe der unternehmerischen Tstigkeit bleibt das Recht zum Vorsteuerabzug fÅr den Liquidationszeitraum, d.h. bis zur vollstsndigen Abwicklung der mit der unternehmerischen Tstigkeit in Zusammenhang stehenden VermÇgensgegenstsnde und Rechtsverhsltnisse, erhalten,2 soweit nicht rechtsmissbrsuchliche Gestaltungen vorliegen. Die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens hat auf die Unternehmereigenschaft des Insolvenzschuldners (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG) keinen Einfluss; sie sndert auch nichts daran, dass das Unternehmen die gesamte gewerbliche und berufliche Tstigkeit des Unternehmers erfasst.3 Die Tstigkeit des Insolvenzverwalters ist dem Schuldner, dessen Unternehmereigenschaft und Steuerschuldnerschaft unberÅhrt bleibt, voll zuzurechnen. Die durch den Insolvenzverwalter getstigten Umsstze bei der Masseverwertung oder BetriebsfortfÅhrung sind dem Schuldner weiterhin zuzurechnen. Die Besteuerungsart (Soll- oder Istbesteuerung) wird ebenfalls beibehalten.4 Die Verrechnung einzelner Vorsteuerbetrsge mit Umsatzsteuern aus dem Besteuerungszeitraum gem. § 16 Abs. 2 UStG (insbesondere bei Umsatzsteuerfestsetzungen fÅr das Massekonto) hat Vorrang vor einer Aufrechnung.5 Zu berÅcksichtigen ist grundsstzlich, dass eine Aufrechnung als Teil des Erhebungsverfahrens erst erfolgen kann, wenn die Umsatzsteuer festgesetzt ist, und die Steuerfestsetzung, zu der im Umsatzsteuerrecht auch die Verrechnung gem. § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG gehÇrt, nicht beeinflussen kann. Hieran sndern die insolvenzrechtlichen Vorschriften nichts. Aus einer Umsatzsteuerfestsetzung fÅr einen Besteuerungszeitraum nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens kÇnnen daher einzelne Vorsteuerbetrsge aus Leistungen, die bereits vor InsolvenzerÇffnung erbracht wurden, nicht ausgeschieden und durch Aufrechnung zum ErlÇschen gebracht werden.6 Der Verrechnungsvorrang des § 16 UStG gilt auch fÅr die Umsatzsteuerberichtigungen wegen mit der InsolvenzerÇffnung dauerhaft eingetretenen Forderungsausfalls.7

1 BFH v. 22.6.1989 – V R 37/84, BStBl. II 1989, 913. 2 EuGH v. 3.3.2005 – Rs. C-32/03, Slg. 2005, I-1599; BFH v. 11.9.1989 – VII B 129/89, BFH/NV 1990, 212. 3 BFH v. 28.6.2000 – V R 45/99, BStBl. II 2000, 703 = ZIP 2000, 2120. 4 SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 116. 5 FG Berlin-Bdb. v. 17.6.2009 – 2 K 925/06, EFG 2009, 1690 (1690). 6 FG Berlin-Bdb. v. 17.6.2009 – 2 K 925/06, EFG 2009, 1690 (1690). 7 FG Berlin-Bdb. v. 17.6.2009 – 2 K 925/06, EFG 2009, 1690 (1690).

574

C. Umsatzsteuer

b) Vorsteuerberichtigung gem. § 17 Abs. 2 UStG aa) Uneinbringlichkeit von Forderungen Ist das vereinbarte Entgelt fÅr eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden, so hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgefÅhrt hat, gem. § 17 Abs. 2 Ziff. 1 UStG den dafÅr geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgefÅhrt wurde, zu berichtigen. Uneinbringlich in diesem Sine ist eine Forderung nicht nur dann, wenn sie definitiv und endgÅltig keinen Wert mehr hat, sondern auch dann, wenn der Leistungsempfsnger das Bestehen der Forderung substantiiert bestreitet1 oder aber mit ganz Åberwiegender Wahrscheinlichkeit nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass der Leistungsempfsnger noch eine Zahlung auf die Forderung erbringen wird. Uneinbringlich ist eine Forderung hingegen nicht schon dann, wenn der Leistungsempfsnger die Zahlung nach Fslligkeit verzÇgert, sondern erst, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfÅllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung ganz oder teilweise jedenfalls auf absehbare Zeit nicht wird durchsetzen kÇnnen.2

4.405

Der Umsatzsteuer unterliegende Entgeltforderungen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen an den spsteren Insolvenzschuldner werden spstestens im Augenblick der InsolvenzerÇffnung unbeschadet einer mÇglichen Insolvenzquote in voller HÇhe uneinbringlich.3 Spstestens fÅr den Voranmeldungszeitraum, in den die VerfahrenserÇffnung fsllt, ist die Umsatzsteuer des leistenden Unternehmers und dementsprechend der Vorsteuerabzug des Leistungsempfsngers nach § 17 Abs. 1 UStG zu berichtigen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob beispielsweise noch die ErfÅllungswahl nach § 103 InsO durch den Insolvenzverwalter mÇglich ist.4

4.406

Das bedeutet aber nicht, dass Uneinbringlichkeit nicht auch bereits vor InsolvenzerÇffnung eintreten kann5 und deswegen bereits im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung anzunehmen sein kann, insbesondere, wenn der Insolvenzschuldner selbst den InsolvenzerÇffnungsantrag stellt. Dem FG KÇln ist darin zuzustimmen, dass von der Uneinbringlichkeit der Forderung gegen den Insolvenzschuldner regelmsßig dann auszugehen ist, wenn der Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insol-

4.407

1 SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 147. 2 Stsndige Rspr. des BFH, vgl. BFH v. 22.4.2004 – V R 72/03, BStBl. II 2004, 684; v. 20.7.2006 – V R 13/04, BStBl. II 2007, 22. 3 BFH v. 22.10.2009 – V R 14/08, BStBl. II 2011, 988 = ZIP 2010, 383 = DStR 2010, 323. 4 BFH v. 22.10.2009 – V R 14/08, BStBl. II 2011, 988 = ZIP 2010, 383 = DStR 2010, 323. 5 SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 147; Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2122.

575

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

venzschuldners und der sachliche Insolvenzgrund der Zahlungsunfshigkeit gem. § 17 InsO oder der xberschuldung gem. § 19 InsO gegeben sind.1 Bereits zu diesem Zeitpunkt, also vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens, ist die Uneinbringlichkeit gegeben, da aller Wahrscheinlichkeit nach anderenfalls auch kein Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden wsre. Beantragt daher der Schuldner die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens, so ist in diesem Fall die Uneinbringlichkeit i.S.d. § 17 Abs. 2 Ziff. 1 UStG gegeben. Es ist dann nsmlich in absehbarer Zeit nicht mehr damit zu rechnen, dass der Schuldner die Forderungen erfÅllen wird.

408

Zur Zuordnung von AnsprÅchen des Finanzamtes, die sich aus der Vorsteuerberichtigung ergeben zu den Insolvenzforderungen bzw. den Masseverbindlichkeiten s. Rz. 4.327 ff.

409

Wird das uneinbringlich gewordene Entgelt nachtrlglich doch noch vereinnahmt, sind die Umsatzsteuer des leistenden Unternehmers und dementsprechend der Vorsteuerabzug des Leistungsempfsngers erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Ziff. 1 Satz 2 UStG). Das gilt auch fÅr den Fall, dass der Insolvenzverwalter die durch die ErÇffnung uneinbringlich gewordene Forderung erfÅllt.2 Somit ist auf Seiten des Insolvenzschuldners als Leistungsempfsnger der Betrag der ursprÅnglichen Vorsteuerberichtigung schließlich um die Quote „zurÅck zu korrigieren“. Dieser zweite Vorsteuerabzugsanspruch ist als vor VerfahrenserÇffnung begrÅndet anzusehen,3 weil es fÅr den Zeitpunkt des insolvenzrechtlichen BegrÅndetseins eines Anspruchs auf den Zeitpunkt des zivilrechtlichen Leistungsaustausches ankommt. Der Berichtigungsbetrag kann also, wenn die Finanzverwaltung Umsatzsteuerforderungen zur Insolvenztabelle angemeldet hatte, wegen deren MÇglichkeit zur Aufrechnung nicht zur Masse gezogen werden.

410

bb) Berichtigung in Folge von Insolvenzanfechtung Hat der Insolvenzschuldner vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Zahlungen an den leistenden Glsubiger erbracht, so ist dieser zunschst befriedigt, so dass im Normalfall keine Uneinbringlichkeit des Entgelts i.S.v. § 17 Abs. 2 Ziff. 1 UStG vorliegt. Der Anfechtungsanspruch ist unstreitig ein solcher, der rein insolvenzspezifisch ist und der ausschließlich durch die ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens entsteht.4 Setzt der Insolvenzverwalter einen solchen An1 FG KÇln v. 20.2.2008 – 7 K 3972/02, DStRE 2008, 1011 (1014). 2 BFH v. 22.10.2009 – V R 14/08, BStBl. II 2011, 988 = ZIP 2010, 383 = DStR 2010, 323. 3 SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 148; Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2124; BFH v. 12.8.2008 – VII 213/07, BFH/NV 2008, 1819. 4 Stsndige Rechtsprechung, vergleiche zuletzt BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 275/13, NZI 2015, 178.

576

C. Umsatzsteuer

spruch durch und zahlt der Glsubiger an die Insolvenzmasse auf diesen Anfechtungsanspruch, so wird das gesetzliche Schuldverhsltnis, das durch den gesetzlichen Anfechtungsanspruch begrÅndet wird, erfÅllt. Es liegen somit zwei unterschiedliche Rechtsverhlltnisse vor: Zum ersten liegt der vorinsolvenzlich abgeschlossene Leistungsaustausch vor, hinsichtlich dessen die Zahlungsforderung des Glsubigers durch ErfÅllung seitens des Schuldners erloschen war. Zum Zweiten liegt ein gesetzliches Schuldverhlltnis vor, das durch die Anfechtungsnorm begrÅndet worden ist und nach InsolvenzerÇffnung erst entstanden ist. Dieses gesetzliche Schuldverhsltnis, das durch den Anfechtungsanspruch mit InsolvenzerÇffnung begrÅndet wird, stellt selbst aber keinen steuerbaren Umsatz dar, weil dabei weder eine Lieferung noch eine sonstige Leistung erbracht wird. Es handelt sich auch nicht etwa um eine RÅckabwicklung des ursprÅnglichen Umsatzgeschsftes, weil dieses von beiden Seiten vorinsolvenzlich abschließend erledigt und die wechselseitigen AnsprÅche zur ErfÅllung gebracht worden sind. Der insolvenzrechtliche Anfechtungsanspruch ist nicht etwa so etwas wie ein RÅcktrittsrecht, das zu einer RÅckabwicklung des Umsatzgeschsftes fÅhren wÅrde, sondern ein insolvenzrechtlicher und damit bÅrgerlich rechtlicher separater Anspruch. Abgesehen davon ließe sich die Annahme einer Masseverbindlichkeit wegen der in einem angefochtenen Bruttobetrag enthaltenen Umsatzsteuerbetrsge auch weder mit der insolvenzrechtlichen Zielsetzung des Anfechtungsrechtes vereinbaren, noch „ginge diese Auffassung im Ergebnis auf“: Die insolvenzrechtliche Zielsetzung ist es, dem den Glsubigern haftenden VermÇgen (also der Insolvenzmasse) wertmsßig genau das wieder zuzufÅhren, was in durch den Gesetzgeber nicht tolerierter Weise (also anfechtbar) wirtschaftlich aus dem SchuldnervermÇgen abgeflossen ist (denn dieser Abfluss ist wertmsßig genau das, was die Insolvenzglsubiger benachteiligt, § 129 Abs. 1 InsO). Die gllubigerbenachteiligende Wirkung der Zahlung auf die Forderung eines Glsubigers bezieht sich aber nicht nur auf die Zahlung des Nettoentgeltes fÅr die Leistung, sondern auf den gesamten, aus dem SchuldnervermÇgen abgeflossenen Bruttobetrag. Außerdem geht die Annahme einer Masseverbindlichkeit insofern nicht auf, als man den Fall konsequent zu Ende denken muss: Wsre die Annahme zutreffend, dass aus der Insolvenzmasse die Vorsteuer berichtigt und abgefÅhrt werden muss, die in dem angefochtenen Bruttobetrag enthalten ist, dann mÅsste spiegelbildlich auf Seiten des Glsubigers, der auf den Anfechtungsanspruch hin an die Insolvenzmasse gezahlt hat, ein Erstattungsanspruch entstehen. Der Glsubiger wÅrde seine wiederaufgelebte Bruttoforderung (§ 144 Abs. 1 InsO) dann zur Insolvenztabelle anmelden, die aber gleich wieder als uneinbringlich i.S.v. § 17 UStG anzusehen ist. Hat der Insolvenzschuldner die Vorsteuer bereits vorinsolvenzlich geltend gemacht und durch die Finanzverwaltung ausgezahlt erhalten, dann wsre – wenn der Schuldner zu keinem Zeitpunkt

577

411

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Zahlung an den Glsubiger geleistet hstte – dieser Anspruch der Finanzverwaltung auf Erstattung der wegen eingetretener Uneinbringlichkeit zu berichtigenden Vorsteuerbetrsge bloße Insolvenzforderung. Nun mÅsste nur dadurch, dass der Insolvenzschuldner in einer durch den Gesetzgeber missbilligten Weise – nsmlich anfechtbar – an den Glsubiger gezahlt hat, ein fÅr die Glsubiger in ihrer Gesamtheit nachteiliges Ergebnis eintreten, weil nsmlich die Vorsteuererstattungsforderung des Finanzamtes nicht den Rang einer Insolvenzforderung, sondern plÇtzlich den Rang einer Masseverbindlichkeit einnimmt. Das geht nicht zusammen. Siehe ausfÅhrlich noch unten Rz. 4.507. cc) Berichtigung wegen nicht vollstlndig erbrachter Leistungen (1) Nicht ausgefÅhrte Lieferung oder sonstige Leistung Ist fÅr eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgefÅhrt worden, so hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgefÅhrt hat, gem. § 17 Abs. 2 Ziff. 2 UStG den dafÅr geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgefÅhrt wurde, zu berichtigen. Die Vorschrift ist Korrektiv zur Anzahlungsbesteuerung gem. § 13 Abs. 1 Ziff. 1 lit. a Satz 4 bzw. lit. b UStG, wonach die Steuer bei Voraus- bzw. Anzahlungen bereits vor AusfÅhrung der Leistung entsteht, und zur Regelung des § 15 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 2 UStG, wonach die Steuer, die auf eine Zahlung vor AusfÅhrung der Leistung entfsllt, als Vorsteuer bereits abziehbar ist, wenn die Zahlung geleistet ist. Kommt der Unternehmer seinen Pflichten aus § 17 UStG zur Berichtigung nicht nach, ist das Finanzamt berechtigt und verpflichtet, die Berichtigungen von Amts wegen durchzufÅhren. (2) Insolvenz des Leistungserbringers

412

Hat der Leistungserbringer vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber sein VermÇgen fÅr eine Lieferung oder eine sonstige Leistung von dem Leistungsempfsnger ein Entgelt erhalten und hat sich bereits vor der InsolvenzerÇffnung herausgestellt, dass der Leistungserbringer gleich aus welchen GrÅnden die Lieferung oder sonstige Leistung an den Leistungsempfsnger endgÅltig nicht vollstsndig erbringen wird, dann fÅhrt das auf Seiten des Leistungserbringers zu einer Umsatzsteuerberichtigung (§ 17 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Ziff. 2 UStG) vor InsolvenzerÇffnung. Der entsprechende Erstattungsanspruch des Leistungserbringers ist dann vorinsolvenzlich begrÅndet und kann seitens der Finanzverwaltung auch nach InsolvenzerÇffnung mit Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO aufgerechnet werden. Das gilt auch dann, wenn er im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung steuerrechtlich noch nicht entstanden war.

413

Hat der Insolvenzverwalter nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Leistungserbringers den gesamten, zur Umsatzsteuer-

578

C. Umsatzsteuer

berichtigung fÅhrenden Sachverhalt verwirklicht, dann ist der fÅr die Insolvenzmasse aus der Umsatzsteuerberichtigung resultierende Erstattungsanspruch ungeschmslert durch die Insolvenzmasse zu realisieren; eine Aufrechnung der Finanzverwaltung mit Insolvenzforderungen kommt gegen einen solchen Anspruch der Insolvenzmasse nicht in Betracht. Voraussetzung dafÅr ist aber, dass der Insolvenzverwalter die Umsatzsteuer zunschst aus der Insolvenzmasse abgefÅhrt hat. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Insolvenzverwalter im Rahmen der FortfÅhrung des schuldnerischen Geschsftsbetriebes Lieferungen ausfÅhrt. Schwieriger sind Fallkonstellationen zu beurteilen, bei denen ein Teil des Tatbestandes vor InsolvenzerÇffnung verwirklicht worden ist, ein anderer danach. Das ist insbesondere bei den im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung beiderseits unerfÅllten Vertragsverhsltnissen des Schuldners der Fall. In der Insolvenz des Leistungserbringers steht dem Insolvenzverwalter nsmlich in Ansehung dieser Vertragsverhsltnisse gem. § 103 InsO ein Wahlrecht zu, ob er die ErfÅllung des Vertragsverhsltnisses wshlt, oder ob er die ErfÅllung ablehnt. Wshlt er die ErfÅllung, so kann er die von dem Vertragspartner des Schuldners geschuldete Leistung voll zur Masse verlangen, soweit diese noch nicht vor InsolvenzerÇffnung erbracht worden war; er muss dann seinerseits aber auch mit Mitteln der Insolvenzmasse (also als Masseverbindlichkeit, § 55 InsO) die von dem Insolvenzschuldner vertraglich geschuldete Gegenleistung an den Vertragspartner erbringen. Lehnt der Insolvenzverwalter die ErfÅllung hingegen ab, stehen der Insolvenzmasse gegen den Vertragspartner des Insolvenzschuldners keine ErfÅllungsansprÅche zu; der Vertragspartner kann seinerseits AnsprÅche wegen NichterfÅllung als SchadensersatzansprÅche nur als Insolvenzglsubiger im Rang von § 38 InsO verfolgen.

4.414

Die Wahl der NichterfÅllung fÅhrt dazu, dass die Leistung, die der Insolvenzschuldner hstte erbringen sollen, entgegen der vormals getroffenen zivilrechtlichen Vereinbarung nun nicht mehr erbracht wird. Hat der Leistungsempfsnger bereits eine Anzahlung an den spsteren Insolvenzschuldner geleistet, dann muss er den daraus resultierenden Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 2 Ziff. 2 UStG berichtigen. Entscheidend fÅr die Anwendung des § 17 Abs. 2 Ziff. 2 UStG ist ausschließlich, dass kein Umsatz erfolgt ist und auch nicht mehr erfolgen wird. Nach dem Wortlaut der Norm ist die zivilrechtliche RÅckabwicklung des Kaufvertrages ohne Belang.1 Denn die Vorschrift stellt nicht darauf ab, ob das Entgelt zurÅckgewshrt worden ist. Mit der (zu Lasten des Leistungsempfsngers gehenden) Berichtigung des Vorsteuerabzugs korrespondiert die Berichtigung der Umsatzsteuer auf Seiten des Leistungserbringers. Um der misslichen Lage des Leistungsempfsngers, der nicht nur eine wertlos gewordene Anzahlung geleistet hat, sondern auch noch die Vorsteuer nicht abziehen

4.415

1 FG Hamburg v. 23.3.2009 – 6 K 80/08, DStRE 2009, 1209 (1210); FG NÅrnberg v. 25.11.2008 – II 19/2006, BeckRS 2008 26027048.

579

416

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

darf, abzuhelfen, wird erwogen, dem Leistungsempfsnger den Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt zuzubilligen und somit die Vorsteuerberichtigung entfallen zu lassen, wenn der Leistungserbringer die von dem Leistungsempfsnger erhaltenen Umsatzsteuerbetrsge an das Finanzamt abgefÅhrt hat.1 Diese xberlegungen sind jedoch insolvenzrechtlich verfehlt, weil ein solcher Erstattungsanspruch wegen (zu berichtigender) Umsatzsteuer des Leistungserbringers der Insolvenzmasse des Insolvenzschuldners zusteht. Dies hat das FG Rheinland-Pfalz in einer sußerst lesenswerten Entscheidung festgestellt.2 Auszugsweise fÅhrt das FG Rheinland-Pfalz dort aus: „Wnhlt der Insolvenzverwalter die NichterfÅllung eines Vertrages nach § 103 Abs. 2 InsO, so liegt ein Fall des § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG vor; die Umsatzsteuer ist zu berichtigen. ... FÅr den Streitfall bedeutet dies, dass die Versteuerung der erhaltenen Anzahlungen rÅckgnngig zu machen war. Nach § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG war die Berichtigung in dem Voranmeldungszeitraum vorzunehmen, in dem der Insolvenzverwalter die NichterfÅllung der Vertrnge wnhlte, also Dezember 2001. Die Berichtigung erfolgte somit gem. § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG nach InsolvenzerÇffnung. ...

417

1.3. Die Zulnssigkeit der Aufrechnung von aus Berichtigungen gem. § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG resultierenden ErstattungsansprÅchen mit Insolvenzforderungen des Fiskus richtet sich nach §§ 94–96 InsO. Nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist die Aufrechnung unzulnssig, wenn das Finanzamt erst nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens den Erstattungsanspruch zur Insolvenzmasse schuldig wurde. Entscheidend ist danach, ob der Erstattungsanspruch des Klngers, mit dem aufgerechnet werden soll, im insolvenzrechtlichen Sinne (§ 38 InsO) bereits vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens begrÅndet war.

418

Der BFH hatte mit Urt. v. 16.7.1987 – V R 2/81 (BStBl. II 1988, 190) auch entschieden, dass der Anspruch aus der Vorsteuerberichtigung Konkursforderung ist, folglich also dem Zeitpunkt vor KonkurserÇffnung zuzuordnen ist. Da fÅr die Vorsteuerberichtigung der Eintritt der Zahlungsunfnhigkeit maßgeblich ist, mithin keine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters, lnsst sich hieraus fÅr den Streitfall nichts ableiten.

419

Der VII. Senat des BFH (Urt. v. 4.2.2005 – VII R 20/04, BFHE 209, 13; v. 17.4.2007 – VII R 27/06, BFHE 217, 8, BFH/NV 2007, 1391) bejaht die Zulnssigkeit der Aufrechnung mit der BegrÅndung, die die ursprÅngliche Steuerpflicht auslÇsenden Ereignisse (hier die Leistung der Anzahlungen) hntten vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens stattgefunden. Mithin sei der Steueranspruch vorher entstanden. Der aus der Berichtigung gem. § 17 UStG resultierende Erstattungsanspruch sei bereits im Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs latent vorhanden gewesen; nicht entscheidend sei, dass das die Berichtigung auslÇsende Ereignis erst nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens stattgefunden habe. Ebenso wenig komme es darauf an, ob nach § 175 Abs. 2 Nr. 2 AO ein rÅckwirkendes Ereignis

1 FG Hamburg v. 23.3.2009 – 6 K 80/08, DStRE 2009, 1209 (1210); Waza in Waza/ Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2137. 2 FG Rh.-Pf. v. 25.6.2009 – 6 K 2636/08, EFG 2009, 1793 – Rev. V R 33/09, nach Abgabe den VII. Senat: VII R 56/09.

580

C. Umsatzsteuer anzunehmen sei, oder ob wie im Falle des § 17 UStG die Berichtigung erst in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen sei, in den das Ereignis falle. Der V. Senat des BFH hat im Beschl. v. 13.7.2006 – V B 70/06 (BStBl. II 2007, 415) Zweifel daran genußert, ob er sich dieser Rechtsauffassung anschließen kann. Er begrÅndet diese damit, dass § 17 UStG nicht die ursprÅngliche Besteuerung zurÅckwirkend nndert, sondern einen eigenen Besteuerungstatbestand in einem anderen Veranlagungszeitraum darstellt. Nach der Auffassung des V. Senats richtet sich die insolvenzrechtliche Einordnung von BerichtigungsansprÅchen nach § 17 UStG nach dem Zeitpunkt der underung der Bemessungsgrundlage ... .

4.420

Der BGH hatte mit Urt. v. 29.6.2004 – IX ZR 147/03 ... entschieden, dass gem. § 95 Abs. 1 InsO nach Eintritt der Aufrechnungslage nicht nur aufgerechnet werden kann, wenn die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen zunnchst bedingt oder betagt waren, sondern auch in Fnllen, in denen eine rechtliche Voraussetzung fÅr das Entstehen der einen oder anderen Forderung fehlte. Eine derartige Rechtsbedingung liegt nach dieser Entscheidung jedoch nicht vor, wenn der Eintritt der Aufrechnungslage von rechtsgeschnftlichen Erklnrungen abhnngt.

4.421

Der Erstattungsanspruch aufgrund einer Berichtigung gem. § 17 UStG entsteht zwar kraft Gesetzes, sofern der gesetzliche Tatbestand erfÅllt ist. Gleichwohl bedarf es allerdings zur ErfÅllung des gesetzlichen Tatbestandes einer Erklnrung des Insolvenzverwalters gem. § 103 Abs. 2 InsO, die Vertrnge nicht zu erfÅllen.

4.422

... Mit Urt. v. 19.8.2008 – VII R 36/07 (BStBl. II 2009, 90) hatte der VII. Senat erneut Åber die Frage zu entscheiden, ob eine spntere Berichtigung des Vorsteuerabzugs insolvenzrechtlich auf den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs zurÅckwirkt. Der VII. Senat hnlt an seiner Rechtsauffassung fest und begrÅndet dies damit, dass immer dann, wenn eine Lieferung, fÅr die der Vorsteuerabzug in Anspruch genommen worden ist, rÅckgnngig gemacht und dadurch die Berichtigungspflicht des Unternehmers nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 UStG 1999 ausgelÇst wird, die vom Finanzamt vollzogene Berichtigung die (Teil-)Erledigung der vorangegangenen (negativen) Umsatzsteuerfestsetzung bewirkt und der RÅckforderungsanspruch des Fiskus im Umfang der zu hoch ausgezahlten SteuervergÅtung entsteht. Er hebt hervor, dass es sich bei der Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG – zumindest auch – um eine verfahrensrechtliche Sonderregelung, um eine Spezialvorschrift zu den underungsvorschriften der AO handelt, die der umsatzsteuerrechtlichen Systematik und Praktikabilitnt Rechnung trngt, ohne die materiellen umsatzsteuerrechtlichen Grundsntze Åber das Beanspruchen und BehaltendÅrfen zu modifizieren. Diese Einschntzung untermauert er damit, dass es in dem umsatzsteuerlich allein interessierenden Verhnltnis zwischen dem steuerpflichtigen Unternehmer und dem Fiskus keinen Unterschied macht, ob die umsatzsteuerlichen Folgen aus einer rÅckgnngig gemachten Lieferung durch rÅckwirkende underung der frÅheren Voranmeldung oder durch Berichtigung in dem Voranmeldungszeitraum, in dem die underung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist, gezogen werden. Zwischen den Steuerpflichtigen und dem Fiskus ist jedenfalls sichergestellt, dass im Ergebnis nur die Vorsteuer vergÅtet wird, die auf die tatsnchlich erbrachte Gegenleistung entfnllt ...

4.423

Das Urteil des BFH v. 29.1.2009 – V R 64/07 erging zwar zur Ist-Besteuerung im Rahmen des § 13 Abs. 1 Nr. 1b UStG und ist insofern fÅr den Streitfall nicht einschlngig. Allgemein fÅhrt der BFH aber aus, dass die Abgrenzung danach erfolgt, ob der betreffende Steuertatbestand vor oder nach InsolvenzerÇffnung vollstnndig verwirklicht wurde. Die Anforderungen an die vollstnndige Tatbestandverwirklichung richten sich dabei nach dem Steuerrecht, nicht dem Insolvenzrecht.

4.424

581

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz Der Senat schließt sich der im Beschl. v. 13.7.2006 – V B 70/06 vertretenen Rechtsauffassung des V. Senats an. ...

425

Der Senat sieht in der Sichtweise des VII. Senats des BFH auch dann einen Widerspruch zu dieser Rechtsprechung des BGH, wenn eine Rechtsfolge – wie im Falle des § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG zwar kraft Gesetzes eintritt, der die Rechtsfolge auslÇsende Sachverhalt aber die Abgabe einer rechtsgeschnftlichen Erklnrung – hier die Wahl der NichterfÅllung von Vertrngen gem. § 103 Abs. 2 InsO durch den Insolvenzverwalter – voraussetzt. Wenn man entscheidend darauf abstellt, ob es fÅr den Eintritt der Aufrechnungslage noch der Abgabe einer rechtsgeschnftlichen Willenserklnrung durch den Insolvenzverwalter oder einen Dritten bedarf, kann die Entscheidung des BGH nicht so interpretiert werden, dass sie fÅr KorrekturansprÅche aus dem Steuerschuldverhnltnis nicht gelten soll.

426

Der Senat verkennt nicht, dass die LÇsung des VII. Senats pragmatische Vorteile hat. So fÅhrt er aus, dass gerade wenn ein solches Ereignis wie in den Fnllen des § 17 UStG nicht zu einer Korrektur der ursprÅnglichen Steuerfestsetzung, sondern zu einem dieser entgegen gesetzten selbstnndigen Anspruch bzw. zur BerÅcksichtigung zugunsten des Steuerpflichtigen in einem spnteren Besteuerungszeitraum fÅhrt, es geboten ist, eine Aufrechnung der FinanzbehÇrde im Insolvenzverfahren zuzulassen, wie in dem Fall deutlich wird, dass die ursprÅnglich festgesetzte Steuer nicht bezahlt worden ist; es wÅrde nnmlich dann schwerlich gerechtfertigt sein, anzunehmen, die FinanzbehÇrde mÅsse eine (Umsatz-) Steuererstattung an die Insolvenzmasse leisten, kÇnne aber ihre korrespondierende, unbefriedigte Steuerforderung lediglich als Insolvenzforderung geltend machen und mÅsse hinnehmen, mit ihr mÇglicherweise ganz oder teilweise auszufallen (VII R 27/06, a.a.O.).

427

Weiter hntte diese Sichtweise den pragmatischen Vorteil, dass im Falle von Vorsteuerberichtigungen es nicht darauf ankommt, ob diese von der Abgabe einer Willenserklnrung durch den Insolvenzverwalter abhnngen oder ihr Eintritt lediglich von einem Ereignis – Eintritt der Zahlungsunfnhigkeit – abhnngt und dass alle Berichtigungen gem. § 17 UStG gleich behandelt werden.

428

Andererseits hat der BGH jedoch Åberzeugend argumentiert, dass die Aufrechnungslage nicht angenommen werden kann, wenn die Entstehung der Gegenforderung noch von der Abgabe von Willenserklnrungen abhnngig ist. Das Abstellen auf die Besonderheit der Berichtigung gem. § 17 UStG im Voranmeldungszeitraum des Eintritts des die Berichtigung auslÇsenden Ereignisses und die insolvenzrechtliche Einordnung unter BerÅcksichtigung des Zeitpunkts der underung der Bemessungsgrundlage berÅcksichtigt diese Rechtsprechung und wahrt damit die Einheitlichkeit der Rechtsordnung. Der Senat gibt deshalb dieser Auffassung den Vorzug.“

429

Siehe zur Zuordnung der sich aus der Berichtigung ergebenden Forderungen zu den Insolvenzforderungen bzw. den Masseverbindlichkeiten ausfÅhrlich Rz. 4.327 ff.

430

(3) Insolvenz des Leistungsempflngers Hat der Leistungsempfsnger vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber sein VermÇgen fÅr eine Lieferung oder eine sonstige Leistung ein Entgelt an den Leistungserbringer entrichtet und hat sich bereits vor der InsolvenzerÇffnung herausgestellt, dass der Leistungserbringer gleich aus 582

C. Umsatzsteuer

welchen GrÅnden die Lieferung oder sonstige Leistung an den Leistungsempfsnger endgÅltig nicht vollstsndig erbringen wird, dann fÅhrt das auf Seiten des Leistungsempfsngers zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs (§ 17 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Ziff. 2 UStG). Der fÅr die Finanzverwaltung daraus resultierende Anspruch ist im Insolvenzverfahren Insolvenzforderung im Rang von § 38 InsO. Das gilt auch dann, wenn er im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung steuerrechtlich noch nicht entstanden war. Hat der Insolvenzverwalter nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Leistungsempfsngers den gesamten, zur Vorsteuerberichtigung fÅhrenden Sachverhalt verwirklicht, dann ist der fÅr die Finanzverwaltung aus der Berichtigung des Vorsteuerabzugs resultierende Anspruch Masseverbindlichkeit im Rang von § 55 InsO. Voraussetzung dafÅr ist aber, dass der Insolvenzverwalter zunschst den Vorsteuerabzug zugunsten der Insolvenzmasse geltend gemacht hat. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Insolvenzverwalter im Rahmen der FortfÅhrung des schuldnerischen Geschsftsbetriebes Waren bestellt. Leistet er hierauf Entgelte und stellt sich spster heraus, dass der Leistungserbringer die vertraglich geschuldete Lieferung oder sonstige Leistung nicht vollstsndig an den Insolvenzverwalter erbringen wird, dann hat der Insolvenzverwalter den Vorsteuerabzug gem. § 17 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Ziff. 2 UStG zu Lasten der Insolvenzmasse zu berichtigen.

4.431

Weniger eindeutig ist die Zuordnung des aus der Berichtigung resultierenden Anspruchs zu den Insolvenzforderungen bzw. den Masseverbindlichkeiten dann, wenn der Insolvenzschuldner das Entgelt an den Leistungserbringer noch vor InsolvenzerÇffnung gezahlt hat, sich aber erst nach der InsolvenzerÇffnung herausgestellt, dass der Leistungserbringer die Lieferung oder sonstige Leistung an den Insolvenzschuldner endgÅltig nicht vollstsndig erbringen wird. Es ist dann bei dem Insolvenzschuldner eine Vorsteuerberichtigung durchzufÅhren (§ 17 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Ziff. 2 UStG). Der fÅr die Finanzverwaltung daraus resultierende Anspruch ist im Insolvenzverfahren Insolvenzforderung im Rang von § 38 InsO, weil es auf den Zeitpunkt der steuerrechtlichen Entstehung des Steueranspruchs im Hinblick auf die Zuordnung zu den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien nicht ankommt.1 Daher ist es auch unerheblich, ob der Voranmeldungszeitraum, in dem die Ereignisse eingetreten sind, die dazu gefÅhrt haben, dass der Leistungserbringer die Leistung an den Insolvenzschuldner dauerhaft nicht erbringen wird, bei InsolvenzerÇffnung bereits abgelaufen war oder nicht.

4.432

1 BFH v. 29.1.2009 – V R 64/07, BStBl. II 2009, 682 = ZIP 2009, 977 = ZInsO 2009, 920; v. 13.11.1986 – V R 59/79, BStBl. II 1987, 226 = ZIP 1987, 119 = BFHE 148, 346; v. 21.12.1988 – V R 29/86, BStBl. II 1989, 434 = ZIP 1989, 384 = BFHE 155, 475; v. 29.3.1984 – IV R 271/83, BStBl. II 1984, 602 = ZIP 1984, 853 = BFHE 141, 2; v. 30.4.2007 – VII B 252/06, ZIP 2007, 1277 = BFH/NV 2007 = BFHE 217, 212, 1395; v. 1.4.2008 – X B 201/07, ZIP 2008, 1780 = BFH/NV 2008, 925.

583

433

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Gleiches muss auch gelten, wenn der Umstand, dass der Leistungserbringer die Leistung an den Insolvenzschuldner dauerhaft nicht erbringen wird, darauf beruht, dass der Insolvenzverwalter gem. § 103 InsO die NichterfÅllung eines im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung beiderseits nicht vollstsndig erfÅllten Vertragsverhsltnisses des Insolvenzschuldners wshlt. Die anders lautende Entscheidung des V. Senats des BFH vom 24.8.19951 ist mit der spster ergangenen Rechtsprechung des BGH2 bezÅglich der Rechtsnatur der ErfÅllungswahl nach § 103 InsO nicht vereinbar. Die Literatur Åbernimmt die sltere Entscheidung des V. Senats mit der BegrÅndung, dass der Berichtigungsanspruch im Fall der Wahl der NichterfÅllung durch eine Handlung des Insolvenzverwalters ausgelÇst werde und damit erst i.S.v. § 38 InsO begrÅndet sei, wenn das Vertragsverhsltnis im Interesse der Insolvenzmasse beendet wurde.3 Diese BegrÅndung trlgt jedoch aus zweierlei GrÅnden nicht: Erstens ist die Entscheidung des V. Senats des BFH vom 24.8.1995 nicht damit zu vereinbaren, dass die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nach der neueren Dogmatik des BGH4 kein ErlÇschen der ErfÅllungsansprÅche aus gegenseitigen Vertrsgen im Sinn einer materiell-rechtlichen Umgestaltung bewirkt, sondern vielmehr die noch offenen AnsprÅche durch die InsolvenzerÇffnung lediglich ihre Durchsetzbarkeit, soweit sie nicht auf die anteilige Gegenleistung fÅr vor VerfahrenserÇffnung erbrachte Leistungen gerichtet sind. Wshlt der Insolvenzverwalter ErfÅllung, so erhalten die zunschst nicht durchsetzbaren AnsprÅche die Rechtsqualitst von originsren Forderungen fÅr und gegen die Masse. Damit tritt mit – und nicht nach – der InsolvenzerÇffnung bereits ein dauerhaftes Hindernis fÅr die Leistungserbringung ein, wenn der Insolvenzverwalter untstig bleibt. Es liegt also kein Leistungshindernis vor, das durch Rechtshandlung des Insolvenzverwalters bewirkt wÅrde. Das durch die InsolvenzerÇffnung eintretende Leistungshindernis ist auch keines, das zu Masseverbindlichkeiten „in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse“ i.S.v. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 Alt. 2 InsO eingetreten ist, denn die InsolvenzerÇffnung ist kein durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse eintretendes Ereignis. Zweitens kann die aus der NichterfÅllung gem. § 103 InsO resultierende Umsatzsteuerschuld auch vom Ergebnis her keine Masseverbindlichkeit sein: § 103 InsO gelangt nsmlich nur zur Anwendung, wenn das Vertragsverhsltnis im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung beiderseits nicht vollstsndig erfÅllt ist. Hstte der Leistungserbringer an den Insolvenzschuldner die vollstsndige Lieferung oder sonstige Leistung bereits vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens erbracht, dann ksme keine ErfÅllungswahl des Insolvenzverwalters nach 1 BFH v. 24.8.1995 – V R 55/94, BStBl. II 1995, 808 = ZIP 1996, 465; anders und zutreffend hingegen BFH v. 13.11.1986 – V R 59/79, BStBl. II 1987, 226 = ZIP 1987, 119. 2 BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZIP 2002, 1093 = NJW 2002, 2783. 3 Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2134; Klenk in SÇlch/Ringleb, § 17 UStG Rz. 150. 4 BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZIP 2002, 1093 = ZInsO 2002, 577 (577).

584

C. Umsatzsteuer

§ 103 InsO mehr in Betracht. Soweit der Leistungsempfsnger an den Leistungserbringer noch nicht gezahlt hat, wird das Entgelt fÅr den Leistungserbringer im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung uneinbringlich, so dass er seinerseits eine Umsatzsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Ziff. 1 UStG vorzunehmen hat (Rz. 4.387), wshrend der insolvente Leistungsempfsnger insoweit den Vorsteuerabzug zu berichtigen hat. Die aus der Vorsteuerberichtigung resultierende Forderung der Finanzverwaltung ist Insolvenzforderung i.S.v. § 38 InsO.1 Es wsre doch ein merkwÅrdiges Ergebnis, wenn der aus der Vorsteuerberichtigung resultierende Anspruch der Finanzverwaltung demgegenÅber Masseverbindlichkeit werden sollte, wenn der Leistungserbringer noch nicht voll geleistet hat. Schließlich sind Vorsteuerberichtigungen in der eben genannten Fallkonstellation Åber § 17 Abs. 2 Ziff. 1 UStG zu lÇsen. Der V. Senat des BFH hat nsmlich entschieden, dass der Umsatzsteuer unterliegende Entgeltforderungen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen an den spsteren Insolvenzschuldner spstestens im Augenblick der InsolvenzerÇffnung unbeschadet einer mÇglichen Insolvenzquote und unbeschadet einer mÇglichen ErfÅllungswahl des Insolvenzverwalters in voller HÇhe uneinbringlich werden.2 Spstestens fÅr den Voranmeldungszeitraum, in den die VerfahrenserÇffnung fsllt, ist die Umsatzsteuer des leistenden Unternehmers und dementsprechend der Vorsteuerabzug des Leistungsempfsngers nach § 17 Abs. 1 UStG zu berichtigen. Der V. Senat betont dabei ausdrÅcklich, dass es dabei nicht darauf ankommt, ob beispielsweise noch die ErfÅllungswahl nach § 103 InsO durch den Insolvenzverwalter mÇglich ist.3 Diese im Zeitpunkt der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens erforderlich werdende Berichtigung des Vorsteuerabzugs auf Seiten des Leistungsempfsngers fÅhrt aber jedenfalls zu Insolvenzforderungen.4

4.434

c) Vorsteuerberichtigung bei RÅckglngigmachung einer Leistung Wird eine Lieferung oder eine sonstige Leistung rÅckgsngig gemacht, so hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgefÅhrt hat, gem. § 17 Abs. 2 Ziff. 3 UStG den dafÅr geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgefÅhrt wurde, zu berichtigen. Typischer Weise geht es hierbei um Fslle des Eigentumsvorbehaltskaufs. Die die Umsatzsteuer auslÇsende Lieferung ist beim Eigentumsvorbehaltsverkauf bereits mit der xbergabe 1 Klenk in SÇlch/Ringleb, § 17 UStG Rz. 117, 166; BGH v. 19.0 7.2007 – IX ZR 81/06, ZIP 2007, 1612 = UR 2007, 743. 2 BFH v. 22.10.2009 – V R 14/08, BStBl. II 2011, 988 = ZIP 2010, 383 = DStR 2010, 323. 3 BFH v. 22.10.2009 – V R 14/08, BStBl. II 2011, 988 = ZIP 2010, 383 = DStR 2010, 323. 4 BFH v. 13.11.1986 – V R 59/79, BStBl. II 1987, 226 = ZIP 1987, 119; Klenk in SÇlch/Ringleb,§ 17 UStG Rz. 117, 166; BGH v. 19.7.2007 – IX ZR 81/06, ZIP 2007, 1612 = UR 2007, 743.

585

4.435

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

der Kaufsache vom Verksufer an den Ksufer erfolgt; auf die vollstsndige Entrichtung des Kaufpreises bzw. den EigentumsÅbergang kommt es nicht an.

436

Wird Åber das VermÇgen des Vorbehaltsklufers das Insolvenzverfahren erÇffnet und ist im Zeitpunkt der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens der Kaufpreis noch nicht vollstsndig entrichtet, so liegt ein beiderseits nicht vollstsndig erfÅllter Vertrag i.S.v. § 103 InsO vor. Dem Insolvenzverwalter steht dann ein ErfÅllungswahlrecht zu. Wshlt er die ErfÅllung, so muss er mit Mitteln der Insolvenzmasse (also als Masseverbindlichkeit, § 55 InsO) die von dem Insolvenzschuldner vertraglich geschuldete Gegenleistung an den Vertragspartner erbringen; im Gegenzug geht nach vollstsndiger ErfÅllung das Eigentum an der Kaufsache auf den Insolvenzschuldner Åber und fsllt damit in die Insolvenzmasse. Lehnt der Insolvenzverwalter die ErfÅllung hingegen ab, stehen der Insolvenzmasse gegen den Vertragspartner des Insolvenzschuldners keine ErfÅllungsansprÅche zu; der Vertragspartner kann seinerseits AnsprÅche wegen NichterfÅllung als SchadensersatzansprÅche nur als Insolvenzglsubiger im Rang von § 38 InsO verfolgen und in Ansehung der Kaufsache Aussonderung nach § 47 InsO verlangen, weil er in Ermangelung eines Kaufvertrages nicht mehr zur xberlassung an den Insolvenzschuldner verpflichtet ist. Infolge der NichterfÅllungswahl kommt es also zur Herausgabe der Sache an den Leistungserbringer, also zu einer RÅckgsngigmachung der Lieferung i.S.v. § 17 Abs. 2 Ziff. 3 UStG. Soweit der Insolvenzschuldner den Vorsteuerabzug fÅr die Lieferung in Anspruch genommen hat, ergibt sich aus der Berichtigung ein Anspruch des Finanzamtes. Dieser nimmt im Insolvenzverfahren den Rang einer Insolvenzforderung (§ 38 InsO) ein,1 weil bereits durch die InsolvenzerÇffnung Uneinbringlichkeit des zivilrechtlichen Anspruchs des Leistungserbringers eingetreten war (§ 17 Abs. 2 Ziff. 1 UStG). Daran sndert die NichterfÅllungswahl des Insolvenzverwalters nichts mehr.2

437

Wshlt der Insolvenzverwalter nach § 103 InsO die ErfÅllung, so kommt es nicht zu einer RÅckgsngigmachung der Lieferung. Er muss dann seinerseits die Restforderung des Vertragspartners des Schuldners aus der Masse bezahlen. Soweit der Schuldner fÅr die Restforderungen aber bereits den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hatte, muss der Insolvenzverwalter dies gegen sich gelten lassen und hat seinerseits keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug zugunsten der Insolvenzmasse mehr. Zwar ist durch die InsolvenzerÇffnung Uneinbringlichkeit der gegen den Schuldner gerichteten Restforderungen i.S.v. § 17 Abs. 2 Ziff. 1 UStG eingetreten, wodurch es zu einer Vorsteuerberichtigung kommt, die in HÇhe des in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs auf Seiten des Finanzamtes lediglich zu ei1 BFH v. 13.11.1986 – V R 59/79, BStBl. II 1987, 226 = ZIP 1987, 119; OFD Frankfurt/M. v. 25.5.2007 – S 7340 A 85 - St 11, Rz. 58. 2 Im Ergebnis ebenso Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2142.

586

C. Umsatzsteuer

ner Insolvenzforderung im Rang von § 38 InsO gefÅhrt hat.1 Wird das uneinbringlich gewordene Entgelt nachtrsglich vereinnahmt, sind der Umsatzsteuerbetrag und der Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Ziff. 1 Satz 2 UStG). Das gilt auch fÅr den Fall, dass der Insolvenzverwalter die durch die ErÇffnung uneinbringlich gewordene Forderung erfÅllt.2 Gleichwohl entsteht aber kein neuer Anspruch auf Vorsteuerabzug, weil durch die ErfÅllungswahl des Insolvenzverwalters lediglich die Durchsetzbarkeit der beiderseitigen zivilrechtlichen Pflichten aus dem Vertragsverhsltnis wieder hergestellt wird,3 nicht aber ein eigenstsndiger, neuer Leistungsaustausch vereinbart wird. Die durchzufÅhrende zweite Berichtigung des Vorsteuerabzugs4 fÅhrt also nur zum Wegfall der zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung des Finanzamtes aus der infolge der zunschst gegebenen Uneinbringlichkeit durchgefÅhrten ersten Vorsteuerberichtigung, nicht aber zu einem eigenstsndigen Vorsteuerabzug von Masseschulden.5 In der Praxis wird gelegentlich versucht, den Vorsteuerabzug zugunsten der Insolvenzmasse dennoch dadurch zu erlangen, dass zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Vertragspartner des Schuldners ein neues Vertragsverhlltnis begrÅndet wird, dessen Gegenstand die Lieferung der Kaufsache an den Insolvenzschuldner ist. Die Finanzverwaltung erkennt solche Vertrsge in aller Regel jedoch nicht an, sondern sieht darin einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO.6 Auch der BFH hat in einem derart gelagerten Fall berechtigte Einwsnde gegen den aus einem solchen Vertrag resultierenden Vorsteuerabzug erhoben, weil „keine neuen Vertrsge geschlossen worden“ waren.7 Der BFH hat es in dieser Entscheidung allerdings nicht generell ausgeschlossen, dass eine zivilrechtliche Gestaltung gefunden werden kann, die dem Insolvenzverwalter den Vorsteuerabzug sichert. Der BFH formuliert die (Mindest-)Voraussetzungen eines Vorsteuerabzugs aber recht deutlich:

4.438

„Gemnß § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S.d. § 14 UStG 1980 gesondert ausgewiesene Steuer fÅr Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern fÅr sein Unternehmen ausgefÅhrt worden sind, abziehen. Lieferungen eines Unternehmers sind gem. § 3 Abs. 1 UStG 1980 Leistungen, durch die er den Abnehmer befnhigt, im eigenen Namen Åber einen Gegenstand zu verfÅgen (Verschaffung der VerfÅgungsmacht). Auch eine Lieferung unter Eigentumsvorbehalt erfÅllt den Tatbestand des § 3 Abs. 1 UStG 1980 (...). Zu einer nochmaligen Lieferung der Mate-

4.439

1 BFH v. 13.11.1986 – V R 59/79, BStBl. II 1987, 226 = ZIP 1987, 119; v. 22.10.2009 – V R 14/08, ZIP 2010, 383 = DStR 2010, 323. 2 BFH v. 22.10.2009 – V R 14/08, BStBl. II 2011, 988 = ZIP 2010, 383 = DStR 2010, 323. 3 BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZIP 2002, 1093 = NJW 2002, 2783. 4 BFH v 22.10.2009 – V R 14/08, BStBl. II 2011, 988 = ZIP 2010, 383 = DStR 2010, 323. 5 Zutr. BFH v. 15.3.1994 – XI R 89/92, ZIP 1995, 483 = BFH/NV 1995, 74 (74). 6 OFD Frankfurt/M., Vfg. v. 25.5.2007 – S 7340 A 85 - St 11, Rz. 59. 7 BFH v. 15.3.1994 – XI R 89/92, ZIP 1995, 483 = BFH/NV 1995, 74 (74).

587

440

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz rialien kÇnnte es deshalb nur gekommen sein, wenn die VerfÅgungsmacht an den Materialien rÅckÅbertragen und sie dem Klnger erneut verschafft wurde. Das ist nicht der Fall. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass bereits die Anerkennung eines Aussonderungsrechts zu einer RÅckÅbertragung fÅhre. Den Lieferanten ist zu keinem Zeitpunkt erneut VerfÅgungsmacht an den Materialien verschafft worden, so dass sie in der Lage gewesen wnren, mit den Gegenstnnden nach Belieben zu verfahren, insbesondere sie wie ein EigentÅmer nutzen zu kÇnnen. Nur die Aussonderung als solche, nicht aber die Anerkennung eines Rechts zur Aussonderung, hltte zur RÅckÅbertragung (RÅckgabe, RÅcklieferung) und anschließend zu einer erneuten Lieferung fÅhren kÇnnen (vgl. Reiß, a.a.O., S. 67; vgl. ferner Urteil des FG MÅnchen vom 17.10.1984 III 195/80 U, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1985, 204). Der Klnger selbst rnumt ein, dass die Materialien nicht mehr „bewegt“ worden seien. Auch den an die Lieferanten gerichteten Schreiben lnsst sich nicht entnehmen, dass die Materialien rÅckÅbertragen werden sollten. Der Klnger kam dem Antrag der Lieferanten auf Aussonderung nicht nach. Insbesondere die Formulierung „Ihren Eigentumsvorbehalt an diesen Gegenstnnden rnume ich durch Zahlung des Restkaufpreises aus“ zeigt, dass die ursprÅnglichen Lieferungen Bestand haben sollten und dass lediglich der Eigentumsvorbehalt ausgernumt werden sollte. Die vom Klnger gewnhlte Formulierung kann nicht in dem Sinne verstanden werden, dass die Waren zunnchst aus der VerfÅgungsmacht des Klngers entfernt und diesem spnter wieder neu verschafft werden sollten. Entgegen der Auffassung des FG ist mit dem „Restkaufpreis“ die Zahlung des Restkaufpreises aus den Altvertrngen bezeichnet worden, auch wenn die offenen Kaufpreisforderungen aus diesen Vertrngen jeweils hÇher als der Warenwert der sichergestellten Waren gewesen waren. Das FA weist zu Recht darauf hin, dass der Klnger nur fÅr die sichergestellten Materialien, die er fÅr die Abwicklung restlicher Auftrnge benÇtigte, den Eigentumsvorbehalt aufgeben und nur den auf diese Materialien entfallenden Kaufpreis, den er als Restkaufpreis bezeichnete, zahlen wollte. Mit dieser Erklnrung hat der Klnger die (teilweise) ErfÅllung der bestehenden Vertrnge verlangt; neue Vertrnge wurden nicht abgeschlossen, entsprechend auch keine „Neulieferungen“ vorgenommen. ...; bei der Beurteilung der Verschaffung der VerfÅgungsmacht sind der tatsnchliche Ablauf und die tatsnchlich vollzogenen Vereinbarungen maßgebend. Dem Klnger kann nicht in der Ansicht gefolgt werden, dass diese Rechtsauffassung zu wirtschaftlich unvertretbaren Ergebnissen fÅhre. Verbleibt die Ware in der VerfÅgungsmacht des Unternehmers, besteht kein Grund, einen erneuten Vorsteuerabzug zuzulassen. Die Auffassung des Senats beruht auf dem in § 3 Abs. 1 UStG 1980 bestimmten Begriff der Lieferung, der die Verschaffung der VerfÅgungsmacht erfordert. Eine erneute Lieferung desselben Gegenstandes an denselben Unternehmer kommt demnach nur in Betracht, wenn dieser zuvor die VerfÅgungsmacht verloren hatte. Ist das nicht der Fall, kann erneut in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden, weil dieser Rechnung keine Lieferung zugrunde liegt.“ (Hervorhebung durch den Verfasser) ! Hinweis: Es kommt also darauf an, dass der Insolvenzverwalter zunschst ausdrÅcklich die NichterfÅllung des Vertrages wshlt und die Kaufsache aussondert, d.h. die VerfÅgungsgewalt dem Vertragspartner tatsschlich wieder vollstsndig Åbertrsgt. Kommt es danach zum Abschluss eines Vertrages zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Lieferanten dahingehend, dass die Sache wieder der Insolvenzmasse Åbertragen wird, dann ist ein solcher Vertrag auch vor dem Hintergrund des Vorsteuerabzugs anzuerkennen, selbst wenn als Kaufpreis nicht mehr als der offen gebliebene Restkaufpreis aus dem ursprÅnglichen Vertrag vereinbart wird.

588

C. Umsatzsteuer

2. Vorsteuerberichtigung bei rnderung der Verhlltnisse (§ 15a UStG) zndern sich bei einem Wirtschaftsgut die Verhsltnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung fÅr den Vorsteuerabzug maßgebend waren, innerhalb von fÅnf Jahren seit dem Beginn der Verwendung, so ist fÅr jedes Kalenderjahr der znderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbetrsge vorzunehmen (§ 15a Abs. 1 Satz 1 UStG). Bei GrundstÅcken betrsgt der Berichtigungszeitraum gem. § 15a Abs. 1 Satz 2 UStG zehn Jahre. Die Verhsltnisse sndern sich im Sinne dieser Vorschrift, wenn der Unternehmer mit dem Wirtschaftsgut in den Folgejahren – innerhalb des Berichtigungszeitraums – Umsstze ausfÅhrt, die fÅr den Vorsteuerabzug anders zu beurteilen sind als die Umsstze im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung,1 sich also aufgrund von § 15 Abs. 2 und 3 UStG ein hÇherer oder niedrigerer Vorsteuerabzug ergsbe, als er ursprÅnglich zulsssig war.

4.441

Die Umsstze in den Folgejahren mÅssen aus tatsschlichen oder rechtlichen GrÅnden fÅr den Vorsteuerabzug anders als im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung zu qualifizieren sein. Die znderung der maßgebenden Verhsltnisse kann nach stsndiger Rechtsprechung des BFH auch dadurch eintreten, dass bei tatsschlich gleichbleibenden Verwendungsumsstzen die rechtliche Beurteilung, die der Gewshrung des Vorsteuerabzugs im Abzugsjahr zugrunde lag, sich in einem der Folgejahre als unzutreffend erweist, wobei allerdings Voraussetzung ist, dass die Steuerfestsetzung fÅr das Abzugsjahr bestandskrsftig und unabsnderbar ist.2 Zur Veranschaulichung der Berichtigung nach § 15a UStG s. folgende typische Fslle:

4.442

Beispiel 12: Unternehmer U errichtet im Jahr 2006 ein Gebsude und vermietet es umsatzsteuerfrei an einen anderen Unternehmer (§ 4 Ziff. 12 UStG). Im Jahr 2008 verzichtet er auf die Steuerbefreiung (§ 9 UStG) und vermietet das Gebsude an einen anderen Unternehmer. U kann ab 2008 im Berichtigungswege pro Jahr 1/10 der Vorsteuerbetrsge geltend machen. Beispiel 13: U errichtet im Jahr 2006 eine Einkaufspassage. Die einzelnen Ladenlokale wurden an verschiedene Mieter vermietet. Aus den Herstellungskosten zog U die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in HÇhe der Quote der im Erstjahr 2006 erfolgten steuerpflichtigen Vermietung von 79 % als Vorsteuer ab. Durch Wechsel der Mieter bzw. znderung der Mietvertrsge verringerte sich diese Quote im Jahr 2008 auf 75 %. Ab dem Jahr 2008 ist daher die Vorsteuer bis zum Ende des Berichtigungszeitraumes von 10 Jahren zu berichtigen. 1 FG NÅrnberg v. 12.5.2009 – II 262/2006, EFG 2009, 1688 ff. 2 BFH V. 31.8.2007 – V B 193/06, BFH/NV 2007, 2366 (2366); v. 10.11.2003 – V B 134/02, BFH/NV 2004, 381 (381); v. 24.2.2000 – V R 33/97, BStBl. II 2000, 235 = BFH/NV 2000, 1144 (1144); v. 12.6.1997 – V R 36/95, BStBl. II 1997, 589; v. 9.2.1997 – XI R 51/93, BStBl. II 1997, 370 und BFH v. 16.12.1993 – V R 56/91, BFH/NV 1995, 444 (444).

589

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

443

Gerst der Unternehmer in Insolvenz und muss die Vorsteuer zu Lasten des Unternehmers berichtigt werden, muss die daraus resultierende Forderung der Finanzverwaltung den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien zugeordnet werden. Dabei kÇnnen zwei unterschiedliche Gestaltungen eintreten. Zum einen kann die znderung der Verhsltnisse bereits vor InsolvenzerÇffnung eingetreten sein (also die InsolvenzerÇffnung in obigem Beispiel 2 im Jahr 2009 erfolgt sein), zum anderen kann die znderung der Verhsltnisse aber auch nach InsolvenzerÇffnung durch Rechtshandlung des Insolvenzverwalters eintreten (also die InsolvenzerÇffnung in obigem Beispiel 2 im Jahr 2007 erfolgt sein).

444

Beruht die Berichtigung nach § 15a UStG auf einer steuerfreien Versußerung durch den Insolvenzverwalter im Rahmen der Verwaltung und Verwertung der Masse, ist der Berichtigungsanspruch eine Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO.1 Im Verhsltnis zwischen Festsetzungsund Erhebungsverfahren ist die im Festsetzungsverfahren vorgenommene Steuerfestsetzung fÅr das Erhebungsverfahren vorgreiflich. Dies gilt auch fÅr die Frage, ob Berichtigungen nach § 15a UStG zu Lasten oder zugunsten der Masse in einem an den Insolvenzverwalter gerichteten Steuerbescheid zu berÅcksichtigen sind.

445

Die InsolvenzerÇffnung ist fÅr die Berichtigung nach § 15a UStG ohne Bedeutung. Die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt weder tatsschlich noch rechtlich eine znderung in der Verwendung von WirtschaftsgÅtern. Allein die InsolvenzerÇffnung sndert die tatsschliche Verwendung nicht. Auch in rechtlicher Hinsicht wirkt sich – anders als bei dem von § 15a Abs. 7 UStG vorausgesetzten xbergang zum Kleinunternehmerstatus nach § 19 Abs. 1 UStG oder zur Pauschalbesteuerung nach § 24 UStG – die InsolvenzerÇffnung nicht auf die fÅr den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhsltnisse aus; insbesondere enthslt die InsO anders als z.B. §§ 19, 24 UStG keine materiell-rechtlichen Regelungen, die fÅr den Vorsteuerabzug maßgeblich sind.

446

Der Berichtigungsanspruch nach § 15a UStG aufgrund der steuerfreien Versußerung des Wirtschaftsguts durch einen Insolvenzverwalter ist eine Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO und in die Steuerberechnung (§ 16 Abs. 2 Satz 2 UStG) und Steuerfestsetzung fÅr die Masse einzubeziehen. Die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen bestimmt sich nach stsndiger Rechtsprechung der beiden Umsatzsteuersenate des BFH danach, ob der den Umsatzsteueranspruch begrÅndende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach InsolvenzerÇffnung vollstsndig verwirklicht und damit abgeschlossen ist; nicht maßgeblich ist der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG.

1 BFH v. 8.3.2012 – V R 24/11, BStBl. II 2012, 466 = ZIP 2012, 684.

590

C. Umsatzsteuer

Versußert der Insolvenzverwalter ein Wirtschaftsgut steuerpflichtig, das aufgrund einer zunschst beabsichtigten Verwendung fÅr Åberwiegend steuerfreie Umsstze durch den Insolvenzschuldner nur teilweise mit Recht auf Vorsteuerabzug erworben wurde, ergibt sich fÅr die Masse ein Berichtigungsanspruch aus § 15a UStG, der bei Fehlen anderer Umsatztatbestsnde fÅr den Besteuerungszeitraum zu einem SteuervergÅtungsanspruch fÅr die Masse fÅhrt.

X. Verwertung von Sicherungsgut Literatur App, Zur Verwertung sicherungsabgetretener Forderungen nach ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens, KKZ 2010, 78; Zusstzliche Erfordernisse bei der Verwertung von in Wertpapieren verbrieften Forderungen und anderen VermÇgensrechten, KKZ 2008, 248; Ganter, Die Verwertung von Gegenstsnden mit Absonderungsrechten im Lichte der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH, ZInsO 2007, 841; Ganter/Bitter, Rechtsfolgen berechtigter und unberechtigter Verwertung von Gegenstsnden mit Absonderungsrechten durch den Insolvenzverwalter – Eine Analyse des Verhsltnisses von § 48 zu § 170 InsO, ZIP 2005, 93; Goldbach, Zur unzulsssigen Bevollmschtigung bei der Forderungsverwertung im Wege der Zwangsversteigerung, Rpfleger 2008, 325; Heublein, Zur Umsatzsteuerpflicht bei der GrundstÅcksverwertung durch den Insolvenzverwalter, EWiR 2005, 513; Heuking, Zur Insolvenzverwalterhaftung bei Verwertung des Sicherungsguts, EWiR 2009, 277; Hintzen, GrundstÅcksverwertung durch den Treuhsnder in der Verbraucherinsolvenz, ZInsO 2004, 713; JÅtten, Verwertung von Sicherungsgut durch den Sicherungsgeber fÅr Rechnung des Sicherungsnehmers, SteuerStud 2008, 199; Klomfaß, Zur freihsndigen GrundstÅcksverwertung im Insolvenzverfahren, KKZ 2010, 121; Kulke, Zum Tilgungsbestimmungsrecht des Schuldners bei Verwertung einer sicherungshalber abgetretenen Forderung, EWiR 2008, 741; Lwowski/Tetzlaff, Verwertung unbeweglicher Gegenstsnde im Insolvenzverfahren, WM 1999, 2336; Meyer, Dreifachumsatz bei Verwertung von Sicherungsgut durch den Sicherungsgeber, EFG 2009, 698; Mitlehner, Zur Steuerschuld des Sicherungsnehmers nach Verwertung des Sicherungsguts, EWiR 2010, 225; Tetzlaff, Probleme bei der Verwertung von Grundpfandrechten und GrundstÅcken im Insolvenzverfahren, ZInsO 2004, 521; Wagner, Verwertung beweglicher Sachen und GrundstÅcke durch Insolvenzverwalter als steuerbare sonstige Leistung?, FS fÅr Reiß, 2008, 185; Zenker, Zur Frage der Abdingbarkeit der Verwertungskompetenz des Insolvenzverwalters fÅr sicherungszedierte Forderungen gem. § 166 Abs. 2 InsO durch eine Abrede zwischen Zessionar und Drittschuldner, NJ 2008, 415.

1. Grundlagen In vielen Insolvenzverfahren spielt die Verwertung von Sicherungsgut eine große Rolle, so dass die umsatzsteuerrechtliche Behandlung dieser Verwertungshandlungen enorm praxisrelevant ist.

4.447

Die Verwertung von Gegenstsnden, an denen ein Absonderungsrecht besteht, regeln die §§ 165–173 InsO, welche als Ergsnzung zu den §§ 49, 50

4.448

591

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

InsO zu verstehen sind. Die Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters generell ergibt sich aus dem xbergang der Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis gem. § 80 Abs. 1 InsO. Danach unterliegen alle pfsndbaren Gegenstsnde des Insolvenzschuldners dem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters. Im vereinfachten Verfahren ist der Treuhsnder wegen § 313 Abs. 3 Satz 1 InsO nicht zur Verwertung befugt, das Verwertungsrecht steht vielmehr den Glsubigern zu. Das Gesetz unterscheidet zwischen der Verwertung von beweglichen und unbeweglichen VermÇgensgegenstsnden.

449

§ 165 InsO befasst sich mit der Verwertung von unbeweglichem VermÇgen. Dieses umfasst Gegenstsnde, die der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche VermÇgen unterliegen1 inklusive dem ZubehÇr nach § 1120 BGB, sowie grundstÅcksgleiche Rechte, Schiffe und Luftfahrzeuge.2 Durch diese Vorschrift wird dem Insolvenzverwalter ermÇglicht, unbewegliche Gegenstsnde aus der Insolvenzmasse zu verwerten, selbst wenn ein Glsubiger an diesen absonderungsberechtigt ist.3 Die Verwertung kann im Wege der Zwangsversteigerung nach dem Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG) oder der Zwangsverwaltung geschehen.4 Zu dieser Form der Verwertung ist der Insolvenzverwalter jedoch nicht gezwungen. Er kann die Immobilie vielmehr grundsstzlich auch freihsndig verwerten.5 Alternativ kann er die betroffene Immobilie auch freigeben, was sich insbesondere dann anbietet, wenn diese hoch belastet ist, ausfÅhrlich zur Freigabe s. Rz. 2.143 ff. Voraussetzung fÅr die Verwertung nach § 165 InsO ist zum einen, dass der betroffene unbewegliche Gegenstand zur Insolvenzmasse gehÇrt. Dies ist gem. § 35 InsO der Fall, wenn er dem Schuldner zur Zeit der VerfahrenserÇffnung gehÇrt oder er ihn wshrend des Verfahrens erwirbt und kein Fall der Unpfsndbarkeit nach § 36 InsO vorliegt. Auf der anderen Seite muss der Insolvenzverwalter den Gegenstand i.S.d. § 148 Abs. 1 InsO tatsschlich Åbernommen haben.6

450

Die Verwertung von beweglichem VermÇgen ist in den §§ 166 ff. InsO geregelt. § 166 InsO hindert den absonderungsberechtigten Glsubiger daran, den betroffenen Gegenstand nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens aus der Masse heraus zu verlangen und zu verwerten; die Norm beinhaltet demnach einen automatischen Verwertungsstopp7 und stellt ein absolutes VerfÅgungshindernis dar. Verwertung i.S.d. §§ 166 ff. InsO meint Handlungen, die den Substanzwert des Gegenstands realisieren, also die Ver-

1 2 3 4 5

Brinkmann in Uhlenbruck, § 165 InsO Rz. 2. FlÇther in KÅbler/PrÅtting/Bork, § 165 InsO Rz. 3. FlÇther in KÅbler/PrÅtting/Bork, § 165 InsO Rz. 2. Becker in Nerlich/RÇmermann, § 165 InsO Rz. 1. BFH v. 18.8.2005 – V R 31/04, ZIP 2005, 1289 = BB 2005, 2563 (2563); d‘Avoine, NZI 2008, 17 (17). 6 FlÇther in KÅbler/PrÅtting/Bork, § 165 InsO Rz. 5. 7 BT-Drucks. 12/2443, 87.

592

C. Umsatzsteuer

sußerung oder auch den Verbrauch der Sache. Das Prozedere der Versußerung ist in § 168 InsO geregelt. 2. Verwertung von beweglichem VermÇgen a) Ausgangslage § 166 InsO hindert den absonderungsberechtigten Glsubiger daran, nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens den Gegenstand aus der Masse heraus zu verlangen und zu verwerten. § 166 Abs. 1 InsO betrifft mit Absonderungsrechten belastete Sachen, § 166 Abs. 2 InsO zur Sicherung abgetretene Forderungen. Jedoch unterliegen nicht alle Absonderungsrechte nach §§ 50 ff. InsO der Regelung des § 166 Abs. 1 InsO. Insbesondere das besitzlose Pfandrecht nach §§ 1204 ff. BGB wird nicht erfasst.1 Hauptanwendungsfall sind die zur Absonderung berechtigenden Mobiliarsicherheiten wie das Sicherungseigentum gem. § 51 Ziff. 1 InsO mit all seinen Erweiterungs- und Verlsngerungsformen, sowie die Varianten des Eigentumsvorbehalts, ausgenommen des einfachen Eigentumsvorbehalts, der ein Aussonderungsrecht i.S.d. § 47 InsO begrÅndet.2 Durch Abs. 3 wird das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters in speziellen Fsllen ausgeschlossen.

4.451

Verwertung i.S.d. §§ 166 ff. InsO umfasst nur Handlungen, die den Substanzwert des Gegenstands realisieren, also die Versußerung oder auch den Verbrauch. Nicht umfasst von diesen Vorschriften sind Handlungen, die auf Fruchtziehung abzielen, wie beispielsweise Vermietung oder Verpachtung.3 Die Verwertungsbefugnis steht ab VerfahrenserÇffnung dem Insolvenzverwalter zu. Nur in Ausnahmefsllen (§ 173 InsO) bleibt der Sicherungsnehmer zur Verwertung befugt. Die Regelung des § 166 InsO ist zwingend, kann also nicht abbedungen werden.4

4.452

Der Verwalter muss die Absonderungsrechte beachten, gegebenenfalls die Absonderungsgegenstsnde sichern und nach den gesetzlichen Vorschriften entweder selbst verwerten oder den Berechtigten die Verwertung ermÇglichen.5 Der Sicherungsnehmer verliert durch die Verwertungshandlung sein Sicherungsrecht, u.U. sogar sein Eigentum; es wird ihm kein Ersatzabsonderungsrecht zugebilligt und auch kein Anspruch aus § 816 BGB, da der Verwalter als Berechtigter handelt. Ihm bleibt nur ein Anspruch auf Anteil am ErlÇs nach den §§ 170, 171 InsO.6 Voraussetzung fÅr

4.453

1 BT-Drucks. 12/2443, BegrÅndung zu § 191 RegE, S. 178. 2 FlÇther in KÅbler/PrÅtting/Bork, § 166 InsO Rz. 12; Dithmar in Braun, § 166 InsO Rz. 5, 6. 3 Brinkmann in Uhlenbruck, § 166 InsO Rz. 9. 4 BGH v. 24.3.2009 – IX ZR 112/08, ZIP 2009, 768 = DZWIR 2009, 348 ff.; BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 166 Rz. 1. 5 Hnsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 18.72. 6 Gundlach/Frenzel/Schmidt, NZI 2001, 119 ff. (120).

593

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

die Verwertungsbefugnis ist der Besitz des Insolvenzverwalters an der beweglichen Sache. Streitig ist, ob unmittelbarer Besitz erforderlich ist oder auch mittelbarer Besitz ausreicht.1 Richtigerweise muss entscheidend darauf abgestellt werden, ob der Insolvenzverwalter tatsschlich Åber die Sache verfÅgen kann. HierfÅr spricht auch der Wortlaut des § 166 InsO, der keinerlei Hinweise auf das Erfordernis des unmittelbaren Besitzes gibt.2 So hat auch der BGH entschieden, dass der mittelbare Besitz in den Fsllen ausreicht, in denen der Schuldner den Gegenstand einem Dritten im Wege der Miete oder der Pacht gewerblich zum Gebrauch Åberlassen hatte.3 Die Formulierung des „Besitzes“ des Insolvenzverwalters meint selbstverstsndlich Gegenstsnde, die der Schuldner bei ErÇffnung in seinem Besitz hatte und die gem. § 148 Abs. 1 InsO durch xbernahme der Masse in den Besitz des Insolvenzverwalters Åbergegangen sind.4 Zudem muss der Glsubiger wirksam ein Absonderungsrecht an dem Gegenstand erworben haben (§§ 50, 51 InsO). Der Bestand dieses Absonderungsrechts ist nach materiellem Recht zu beurteilen. ! Hinweis: Die Entstehung des Absonderungsrechts kann nach §§ 129 ff. InsO anfechtbar sein. Deswegen ist vorrangig stets die Anfechtbarkeit zu prÅfen.5

454

§ 166 InsO gilt auch im Nachlassinsolvenzverfahren.6

455

Im Rahmen des § 166 InsO ist der freihsndige Verkauf der Regelfall. Die verschiedenen VerwertungsmÇglichkeiten von beweglichem VermÇgen zeigt nachfolgende Darstellung auf. Je nach Konstellation kÇnnen sich umsatzsteuerrechtlich relevante Lieferungen i.S.d. § 1 Abs. 1 UStG ergeben; es kann sich hierbei um Einfach-, Doppel- und sogar Dreifachumsstze handeln.

1 DafÅr: Landfermann in HeidelbergerKomm/InsO, § 166 Rz. 11; BÅchler, in HamburgerKomm/InsO, § 166 Rz. 5; dagegen: Becker in Nerlich/RÇmermann, § 166 InsO Rz. 17; Klasmeyer/Elsner/Ringstmeier in KÇlner Schrift zur InsO, Rz. 15; differenzierend: Wegener in FrankfurterKomm/InsO, § 166 Rz. 5; FlÇther in KÅbler/PrÅtting/Bork, § 166 InsO Rz. 8; Dithmar in Braun, § 166 InsO Rz. 7; Brinkmann in Uhlenbruck, § 166 InsO Rz. 4; alternative LÇsung: Gaul, ZInsO 2000, 256 ff. 2 So auch: FlÇther in KÅbler/PrÅtting/Bork, § 166 InsO Rz. 8. 3 BGH v. 16.2.2006 – IX ZR 26/05, ZIP 2006, 814 = NZI 2006, 342 (342); beststigt durch BGH v. 16.11.2006 – IX ZR 135/05, ZIP 2006, 2390 = NZI 2007, 95 ff. (96). 4 BGH v. 16.11.2006 – IX ZR 135/05, ZIP 2006, 2390 = DZWIR 2007, S. 162; Brinkmann in Uhlenbruck, § 166 InsO Rz. 4; Landfermann in HeidelbergerKomm/InsO, § 166 Rz. 9. 5 BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 = NJW 2010, 118. 6 LG Berlin v. 25.5.2000 – 9 O 365/99, ZInsO 2000, 459 (459).

594

C. Umsatzsteuer

Abbildung 8: Verwertung von Sicherungsgut im Insolvenzverfahren

Seit der Streichung von § 313 InsO findet § 166 InsO auch im Verbraucherinsolvenzverfahren Anwendung.

4.456

b) Verwertung außerhalb eines Insolvenzverfahrens Außerhalb des Insolvenzverfahrens herrscht Einigkeit darÅber, dass es in den Fsllen, in denen ein Sicherungsnehmer nach Eintritt der Verwertungsreife sein Sicherungsgut verwertet, zu zwei umsatzsteuerlich relevanten Umsstzen kommt, sofern der Sicherungsgeber Unternehmer ist.1

4.457

Die rechtliche BegrÅndung von Sicherungseigentum und die bloße Herausgabe des sicherungsÅbereigneten Gegenstandes von dem Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer sind zunschst noch keine Lieferungen i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG, da der Sicherungsnehmer hierdurch erst ein Recht zur abgesonderten Befriedigung erhslt, nicht aber die tatsschliche VerfÅgungsgewalt.2 Ein sog. Doppelumsatz entsteht aber bei der Versußerung durch den Sicherungsnehmer dadurch, dass es dabei zu einer Lieferung vom Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer und danach zu einer weiteren Lieferung vom Sicherungsnehmer an den Erwerber kommt.3 Umsatzsteuerrechtlich handelt es sich bei dieser Art der Lieferungen um ein sog. Reihengeschsft.4 Ein solches liegt gem. § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG immer dann vor, wenn mehrere Unternehmer Åber denselben Gegenstand Um-

4.458

1 Abschn. 2, Abs. 1 Satz 2 UStR 2008; Nieskens in Rau/DÅrrwschter, § 3 UStG Rz. 860. 2 BFH v. 23.7.2009 – V R 27/07, BStBl. II 2010, 859 = ZIP 2009, 2285 = DStR 2009, 2193; v. 17.7.1980 – V R 124/75, BStBl. II 1980, 673 = ZIP 1980, 791 = UR 1980, 225 (225); Boochs/Dauernheim, Rz. 180; Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 402; ObermÅller, ZInsO 1999, 249 (249); Bonertz, UR 2007, 241; a.A. lediglich: Knobbe-Keuk, BB 1977, 757 (764). 3 BFH v. 30.3.2006 – V R 9/03, BStBl. II 2006, 933 = DStR 2006, 985. 4 OFD Frankfurt/M. v. 25.5.2007 – S 7100 A - 2/85 - St 11, DStR 2007, 1910 ff.

595

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

satzgeschsfte abschließen und der Gegenstand bei der BefÇrderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer in der Reihe an den letzten in der Reihe gelangt:

Abbildung 9: Doppelumsatz bei Verwertung außerhalb eines Insolvenzverfahrens

459

Sind diese beiden Lieferungen steuerbar und steuerpflichtig, so schuldet der Sicherungsnehmer fÅr die Lieferung des Sicherungsgebers an ihn die Umsatzsteuer im Wege nach § 13b Abs. 1 Ziff. 2 UStG, sowie fÅr die Lieferung seinerseits an den Erwerber nach § 13a Abs. 1 Ziff. 1 UStG. Die fÅr die Lieferung an ihn zu entrichtende Umsatzsteuer kann der Sicherungsnehmer im Wege des Vorsteuerabzugs geltend machen, so dass es im Ergebnis nur zu einer einfachen Steuerbelastung kommt.1 Ist er nicht vorsteuerabzugsberechtigt, weil er z.B. Kleinunternehmer oder pauschalierender Land- und Forstwirt ist oder nur steuerfreie Umsstze erbringt wie z.B. zrzte, bleibt er mit der von ihm an das Finanzamt abzufÅhrenden Umsatzsteuer belastet.2

460

Die durch Verwertungshandlungen vor Anordnung einer vorlsufigen Insolvenzverwaltung bzw. vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Umsatzsteuerschuld stellt unter keinen Umstsnden Masseverbindlichkeit dar, sie ist vielmehr als Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden.

461

c) InsolvenzerÇffnungsverfahren aa) Verlußerung durch den vorllufigen Insolvenzverwalter Das Verwertungsrecht des § 166 InsO entsteht erst mit ErÇffnung des Insolvenzverfahrens. Dies ergibt sich aus der systematischen Stellung der Vorschrift im 4. Teil der InsO, welcher die ErÇffnung des Verfahrens voraussetzt.3 Eine Verwertungsbefugnis des vorlsufigen Insolvenzverwalters (unabhsngig davon, ob er als starker oder schwacher Verwalter bestellt wurde) kann sich daher nicht aus § 166 InsO ergeben.4 Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift scheidet aus, da der vorlsufige Insolvenzverwalter vornehmlich die Aufgabe hat, das schuldnerische VermÇgen zu erhalten und nicht, es zu verwerten.5 Ein Vorgriff auf die spstere Verwertung im ErÇffnungsverfahren darf schon deshalb nicht stattfinden, weil nicht 1 MÇßlang in SÇlch/Ringleb, § 13b UStG Rz. 3. 2 MÇßlang in SÇlch/Ringleb, § 13b UStG Rz. 3. 3 Klasmeyer/Elsner/Ringstmeier in KÇlner Schrift zur InsO, Rz. 15; Castrup in Graf-Schlicker, Vorb. vor §§ 165–173 InsO Rz. 3. 4 BGH v. 14.12.2000 – IX ZB 105/00, ZIP 2001, 296 = ZInsO 2001, 165 (165). 5 Klasmeyer/Elsner/Ringstmeier in KÇlner Schrift zur InsO, Rz. 52; Gerhardt in Jaeger, § 22 InsO Rz. 37; Ahrendt/Struck, ZInsO 1999, 450 (451).

596

C. Umsatzsteuer

feststeht, ob es Åberhaupt zur ErÇffnung kommt oder nicht. Zunschst gilt also im ErÇffnungsverfahren der Grundsatz, dass der vorlsufige Insolvenzverwalter SchuldnervermÇgen nicht verwerten darf.1 Davon unberÅhrt ist freilich die Versußerung von schuldnerischen VermÇgensgegenstsnden im Rahmen des Åblichen Geschlftsbetriebes, also beispielsweise die Versußerung von Erzeugnissen aus dem schuldnerischen Betrieb, die von einer RaumsicherungsÅbereignung erfasst sind. Umsatzsteuerrechtlich liegt ein Einfachumsatz vor, wenn die Versußerung durch den Insolvenzschuldner mit Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters bzw. kraft gerichtlich angeordneter VerfÅgungsbefugnis durch den vorlsufigen Insolvenzverwalter erfolgt.2 Diese Ansicht teilt auch der EuGH.3 Schuldner der Umsatzsteuer ist mithin der Insolvenzschuldner, nicht der Sicherungsnehmer, weil der Sicherungsnehmer selbst keine Lieferung ausfÅhrt. § 13b Abs. 1 Ziff. 2 UStG ist nicht anwendbar. DafÅr ist es unerheblich, ob die Versußerung durch den vorlsufigen Insolvenzverwalter bzw. durch den Schuldner mit Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmung oder gegen den Willen des Sicherungsnehmers erfolgt ist. Der Wille des Sicherungsnehmers ist umsatzsteuerrechtlich unerheblich, solange die Versußerung nicht als eine Lieferung durch den Sicherungsnehmer selbst, sondern als eine Handlung des Schuldners anzusehen ist.

4.462

Im Hinblick auf die insolvenzrechtliche Qualitlt der Umsatzsteuerforderung gilt folgendes: Seit der EinfÅhrung von § 55 Abs. 4 InsO kann auch eine Versußerung wshrend der vorlsufigen schwachen Insolvenzverwaltung dazu fÅhren, dass die daraus resultierende Umsatzsteuerschuld nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit gilt (s. dazu ausfÅhrlich oben Rz. 4.342 ff.). Soweit in Bezug auf die Versußerung des Sicherungsgegenstandes die VerfÅgungsbefugnis des vorlsufigen Insolvenzverwalters gegeben ist (unerheblich ist dabei, ob sich diese auf Grund eines allgemeinen VerfÅgungsverbotes auf das gesamte schuldnerische VermÇgen bezieht oder sich kraft insolvenzgerichtlicher Einzelermschtigung explizit auf den konkreten versußerten Gegenstand bezieht), nimmt die aus der Versußerung resultierende Umsatzsteuerforderung den Rang einer Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 2 InsO ein. § 13b Abs. 1 Ziff. 2 UStG ist nicht anwendbar.4 Der starke vorlsufige Insolvenzverwalter ist

4.463

1 Wohl hM: BGH v. 14.12.2000 – IX ZB 105/00, ZIP 2001, 296 = ZInsO 2001, 165 (167); Kirchhof, ZInsO 1999, 436 (436); Kirchhof, ZInsO 2001, 1 (2); Kirchhof in HeidelbergerKomm/InsO, § 22 Rz. 13; Haarmeyer in MÅnchKomm/InsO, § 22 Rz. 76; Schmerbach in FrankfurterKomm/InsO, § 22 Rz. 39; Schmidt, InsbÅrO 2006, 322 ff. (333); Kirchhof, ZInsO 2001, 1 (3). 2 OFD Frankfurt/M. v. 25.5.2007 – S 7100 A - 2/85 - St 11, DStR 2007, 1910 (1911); BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 171 Rz. 3 a. 3 EuGH v. 6.2.2003 – Rs. C-185/01, UR 2003, 137 (140). 4 OFD Frankfurt/M. v. 25.5.2007 – S 7100 A - 2/85 - St 11, DStR 2007, 1910, abgedruckt Rz. 4.438 ff.

597

464

465

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

dann auch zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung verpflichtet.1 Praktische Schwierigkeiten ergeben sich aus dieser Einordnung als Masseverbindlichkeit, weil sich hier frÅhzeitig eine Masseunzulsnglichkeit ergeben kann, wenn die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, die Umsatzsteuer am Fslligkeitstag zu entrichten. Dem kann abgeholfen werden, indem die Finanzverwaltung einer Stundung zustimmt.2 bb) Verlußerung durch den Sicherungsnehmer Da § 166 InsO im ErÇffnungsverfahren nicht greift, steht die Verwertung grundsstzlich dem absonderungsberechtigten Glsubiger zu. In der Regel ist er zur Verwertung zwar nicht in der Lage, wenn sich das Sicherungsgut im Besitz des Insolvenzschuldners befindet, insbesondere, wenn das Insolvenzgericht eine Anordnung nach § 21 Abs. 1 Ziff. 3 oder Ziff. 5 InsO trifft. Dann kann der Sicherungsnehmer seine HerausgabeansprÅche nicht mehr durchsetzen und eine Verwertung nicht durchfÅhren. Es kann aber vorkommen, dass der vorlsufige Insolvenzverwalter dem Sicherungsnehmer einen Sicherungsgegenstand zur eigenen Verwertung bereits im ErÇffnungsverfahren Åberlssst. In solchen Fsllen liegt umsatzsteuerrechtlich ein Doppelumsatz vor, wenn der Sicherungsnehmer den Gegenstand versußert.3 Der Sicherungsnehmer ist dann Steuerschuldner fÅr die aus der Lieferung des Sicherungsgebers an ihn resultierende Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 1 Ziff. 2 UStG, sowie fÅr die Lieferung seinerseits an den Erwerber nach § 13a Abs. 1 Ziff. 1 UStG. Die fÅr die Lieferung an ihn zu entrichtende Umsatzsteuer kann der Sicherungsnehmer im Wege des Vorsteuerabzugs geltend machen, wenn er vorsteuerabzugsberechtigt ist, so dass es im Ergebnis nur zu einer einfachen Steuerbelastung kommt.4 d) ErÇffnetes Insolvenzverfahren aa) Verwertung durch den Insolvenzverwalter Nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens hat der Insolvenzverwalter gem. § 148 Abs. 1 InsO das gesamte massezugehÇrige VermÇgen des Schuldners in Besitz und Verwaltung zu nehmen. Die xbernahme der VerfÅgungsbefugnis und die Inbesitznahme des Sicherungsguts durch den Insolvenzverwalter stellen hierbei noch keinen steuerlichen Umsatz dar; erst die Verwertungshandlung selbst ist als Leistung i.S.d. § 1 Abs. 1 Ziff. 1 UStG anzusehen.5

1 Gerhardt in Jaeger, § 22 InsO Rz. 163. 2 MÇnning in Nerlich/RÇmermann, § 22 InsO Rz. 239. 3 BFH v. 30.3.2006 – V R 9/03, BStBl. II 2006, 933 = DStR 2006, 985; Stadie in Rau/ DÅrrwschter, § 13b UStG Rz. 69. 4 MÇßlang in SÇlch/Ringleb, § 13b UStG Rz. 3. 5 Bonertz, UR 2007, 241 (242).

598

C. Umsatzsteuer

Hat der Insolvenzverwalter den zur Absonderung berechtigenden Gegenstand in seinem Besitz, so ist er gem. § 166 Abs. 1 InsO zu dessen Verwertung befugt. Dabei ist unerheblich, welche dinglichen Rechte der Sicherungsnehmer an dem Absonderungsgegenstand hat oder ob er gar SicherungseigentÅmer ist. In einer Verwertungshandlung, durch die der Insolvenzverwalter einem Erwerber das Eigentum an dem Absonderungsgegenstand Åbertrsgt, ist umsatzsteuerrechtlich eine Lieferung des Insolvenzschuldners an den Erwerber zu sehen (sog. Erstumsatz).1 Eine (zusstzliche) Lieferung vom Insolvenzverwalter an den Sicherungsnehmer liegt nicht vor, da der Sicherungsnehmer zu keinem Zeitpunkt die VerfÅgungsmacht an dem Gegenstand erhslt.2 Der xbergang von Gefahr, Nutzen und Lasten stellt die Lieferung des Insolvenzverwalters fÅr den umsatzsteuerpflichtigen Gemeinschuldner an den Erwerber dar.3 Die aus einer solchen Lieferung entstehende Umsatzsteuer ist Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO), da sie aus einer Lieferung entsteht, die nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter ausgefÅhrt wird.4

4.466

Aus dem aus der Verwertung erzielten ErlÇs muss der Insolvenzverwalter die Kosten fÅr die Feststellung und die Verwertung vorweg fÅr die Masse entnehmen. Die Kosten der Feststellung werden gem. § 171 Abs. 1 Satz 2 InsO pauschal mit 4 % des VerwertungserlÇses beziffert, die Kosten der Verwertung gem. § 171 Abs. 2 Satz 1 InsO mit pauschal 5 %, wenn die tatsschlichen Kosten nicht erheblich geringer oder hÇher liegen. Ist die Insolvenzmasse aus der Verwertung mit Umsatzsteuer belastet, so fÅhrt der Insolvenzverwalter nur den NettoerlÇs, vermindert um die Feststellungsund Verwertungskosten an den Absonderungsberechtigten ab. Die Feststellungs- und Verwertungskostenpauschalen sind nach zutreffender Åberwiegender Auffassung aus dem BruttoerlÇs zu berechnen, nicht aus dem NettoerlÇs.5 Der verbleibende Betrag dient ausschließlich der Befriedigung des absonderungsberechtigten Glsubigers, er ist ihm gem. § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO in HÇhe der gesicherten Forderung auszukehren. xbersteigt der ErlÇs die gesicherte Forderung, so fließt dieser xberschuss der Masse zu.

4.467

Die Verwertungskostenpauschale gem. § 171 Abs. 2 InsO i.V.m. § 170 Abs. 1 InsO unterliegt der Umsatzsteuer. Zwar hatte der V. Senat noch in

4.468

1 BFH v. 20.7.1978 – V R 2/75, DStR 1979, 46 (47); v. 9.3.1995 – V R 102/89, BStBl. II 1995, 564 = ZIP 1995, 1429; ObermÅller, ZInsO 1999, 249 (250); BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 171 Rz. 10; Kling, DStR 1998, 1813 (1816). 2 BFH v. 28.7.2011 – V R 28/09, BStBl. II 2014, 406 = ZIP 2011, 1923 = DStR 2011, 1853; Freihalter, Aus- und Absonderungsrechte in der Insolvenz, Rz. 686. 3 de Weerth, UR 2003, 161 (162). 4 BFH v. 20.7.1978 – V R 2/75, DStR 1979, 46 (46); OFD Frankfurt v. 1.10.1998 – S 7340 A - 85 - St IV 10, UR 1999, 297 (299). 5 LG DÅsseldorf v. 15.1.2004 – 21 S 156/03, ZInsO 2004, 1091 (1091); Onusseit, ZInsO 2007, 247 ff.; Brinkmann in Uhlenbruck, § 171 InsO Rz. 2f.

599

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

seiner Entscheidung vom 18.8.20051 entschieden, dass der Insolvenzverwalter bei der Versußerung von beweglichen Gegenstsnden, an denen ein Absonderungsrecht besteht, trotz Vereinnahmung der Verwertungskostenpauschalen des § 171 Abs. 2 InsO keine entgeltliche Leistung an den Sicherungsnehmer erbringe. Diese Rechtsprechung hat der V. Senat aber inzwischen aufgegeben.2 Nunmehr ist der V. Senat der Auffassung, dass der Insolvenzverwalter, der die einem Absonderungsrecht unterliegende Sache fÅr die Masse verwertet, im Interesse des Sicherungsnehmers eine entgeltliche Leistung an diesen erbringt. Es handelt sich dabei um eine Leistung aus einem Geschlftsbesorgungsvertrag, wobei die Hauptleistungspflicht in der Besorgung eines Geschsftes fÅr den Sicherungsnehmer, nsmlich DurchfÅhrung einer Verwertungshandlung, besteht. Dabei ist es unschsdlich, dass der Insolvenzverwalter sein Verwertungsrecht unmittelbar aus dem Gesetz, nsmlich aus § 166 InsO ableitet und nicht aus dem Geschsftsbesorgungsvertrag selbst. Der Insolvenzverwalter ist nsmlich zur freihsndigen Verwertung nicht verpflichtet, sondern nur berechtigt. Lsge ausnahmsweise einmal der Fall vor, dass der Insolvenzverwalter Gegenstsnde, die er gem. § 166 InsO verwerten darf, dem Sicherungsnehmer zur Verwertung Åberllsst und sodann gleichwohl im Namen des Sicherungsnehmers an einen Erwerber verlußert, dann lsge ein echter Fall eines Doppelumsatzes (Erstumsatz in Form der Lieferung von dem Insolvenzschuldner an den Sicherungsnehmer und Zweitumsatz von dem Sicherungsnehmer an den Enderwerber) vor, so dass dann freilich keine Geschsftsbesorgungsleistung auf Rechnung der Masse mehr erbracht wÅrde, die eine umsatzsteuerbare Leistung darstellte.3 Im Regelfall allerdings ist eine Verwertung des Absonderungsgegenstandes durch den Insolvenzverwalter eine Verwertung auf Rechnung der Insolvenzmasse, so dass dann die Verwertungskostenpauschale oder des anderweit vereinbarte Verwertungskostenentgelt Entgelt fÅr eine Leistung umsatzsteuerrechtlichen Sinne ist, so dass der Insolvenzverwalter auf die Verwertungskostenpauschale Umsatzsteuer zu berechnen hat. Er hat dem Sicherungsnehmer darÅber eine ordnungsgemsße Rechnung auszustellen. Der Steueranteil ist Bestandteil der Insolvenzmasse, § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO (und fÅhrt zur ErhÇhung der Berechnungsgrundlage fÅr die VergÅtung des Insolvenzverwalters, obwohl eine Masseverbindlichkeit in gleicher HÇhe entsteht). Dies gilt nicht fÅr die Feststellungskostenpauschale, die nicht der Umsatzsteuer unterliegt, weil die Feststellungskostenpauschale stets kraft Gesetzes anfsllt und nicht Entgelt fÅr eine Leistung ist.

1 BFH v. 18.8.2005 – V R 31/04, ZIP 2005, 1289 = DStR 2005, 1477. 2 BFH v. 28.7.2011 – V R 28/09, BStBl. II 2014, 406 = ZIP 2011, 1923 = DStR 2011, 1853. 3 Einen solchen Fall meint BFH v. 28.7.2011 – V R 28/09, BStBl. II 2014, 406 = ZIP 2011, 1923 (Tz. 28), DStR 2011, 1853; BMF v. 30.4.2014 – IV D 2 - S 7100/07/10037, DStR 2014, 957, Tz. II. 1.

600

C. Umsatzsteuer

Kein Entgelt fÅr die Verwertung liegt im Åbrigen dann vor, wenn nicht eine Verwertungskostenpauschale bei der Masse bleibt, sondern ein Åber die besicherte Forderung hinausgehender pbererlÇs. Eine xbererlÇsverwertung lÇst mithin keine Åber die Umsatzsteuerpflicht des Erstumsatzes hinausgehenden umsatzsteuerlichen Folgen aus. Diese Rechtsprechung des BFH verdient Zustimmung, weil sie Åberzeugend ist. In der Tat muss man von einem Geschsftsbesorgungsverhsltnissen zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Sicherungsnehmer ausgehen, weil der Sicherungsnehmer durch die Tstigkeit des Insolvenzverwalters eigene VerwertungsbemÅhungen einspart. Gleichzeitig kann man aber nicht davon ausgehen, dass der Insolvenzverwalter, der einen Absonderungsgegenstand verwertet, rein fremdnÅtzig, das heißt auf Rechnung des Sicherungsnehmers tstig werden wollte. Vielmehr verwertet er kraft seiner gesetzlichen Verwertungsbefugnis im Interesse der Insolvenzmasse, nsmlich um den Massebestand zu vermehren. Abzulehnen ist demgegenÅber die jÅngst gesußerte Auffassung der Finanzverwaltung, nach der nicht 2 Umsstze (Erstumsatz in Form der Lieferung des Gegenstandes und Zweitumsatz in Form der Erbringung einer Geschsftsbesorgungsleistung) vorliegen sollen, sondern vielmehr ein Dreifachumsatz gegeben sein soll, in dem die Geschsftsbesorgungsleistung „aufgehen“ soll. Die Finanzverwaltung hat sich wie folgt gesußert:1 „Verwertet hingegen der Insolvenzverwalter die einem Absonderungsrecht unterliegende bewegliche Sache fÅr die Masse selbst, ist zwar, ebenso wie unter Abschnitt I zur Verwertung eines grundpfandrechtsbelasteten GrundstÅcks dargestellt, von einer Geschnftsbesorgungsleistung der Masse an den Sicherungsnehmer/Glnubiger auszugehen. Bei der Verwertung beweglicher Gegenstnnde findet jedoch ein Dreifachumsatz statt, in welchem die Geschnftsbesorgungsleistung aufgeht. Da der Insolvenzverwalter bei der eigentlichen Lieferung des Sicherungsgutes an den Erwerber im Namen der Masse auftritt, ist diese Lieferung der Masse zuzurechnen. Der Insolvenzverwalter erbringt diesen Umsatz jedoch wie ein Kommissionnr fÅr Rechnung des Sicherungsnehmers/Glnubigers, weil durch die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Verwertungsreife eingetreten ist (...). Der Lieferung an den Erwerber ist deshalb Åber § 3 Abs. 3 UStG eine fiktive Lieferung des Sicherungsnehmers/Glnubigers als Kommittent an die Masse vorgeschaltet, in welcher die an sich vorliegende Geschnftsbesorgungsleistung aufgeht (...). Im Rahmen dieses Kommissionsgeschnfts sind die Kosten der Feststellung und Verwertung nach § 170 Abs. 1 i.V.m. § 171 InsO umsatzsteuerlich genauso zu behandeln wie die Provisionen des Kommissionnrs bei einem Åblichen Verkaufskommissionsgeschnft. Der Sicherungsnehmer/Glnubiger kann das Sicherungsgut jedoch nur dann an die Masse liefern, wenn er selbst hieran VerfÅgungsmacht erhalten hat. Dies bedingt, dass die SicherungsÅbereignung im Zeitpunkt der Verwertung zu einer Lieferung der Masse an den Sicherungsnehmer/Glnubiger gefÅhrt hat. Das Entgelt fÅr diese

1 BMF v. 30.4.2014 – IV D 2 - S 7100/07/10037, DStR 2014, 957, Tz. II. 2.

601

4.469

470

471

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz Lieferung besteht in dem Betrag, um den die Masse von ihren Schulden gegenÅber dem Sicherungsnehmer/Glnubiger befreit wird.“

Die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung lssst sich mit der Åberzeugenden Auffassung des BFH1 vom Bestehen eines Geschsftsbesorgungsverhsltnisses zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Sicherungsnehmer nicht vereinbaren. Dass dieses Geschsftsbesorgungsverhsltnis in einer Lieferung des Sicherungsgutes von dem Sicherungsgeber „aufgehen“ kÇnnen soll, ist nicht nachvollziehbar. Die Lieferung des Gegenstandes zur Verschaffung der VerfÅgungsmacht an den Sicherungsnehmer ist nsmlich etwas grundlegend Anderes, als die durch den BFH dargelegte Geschsftsbesorgung fÅr den Sicherungsnehmer. BezÅglich des VerwertungserlÇses ist der Insolvenzverwalter gegenÅber den absonderungsberechtigten Glsubigern gem. § 259 BGB rechenschaftsverpflichtet.2 bb) Verwertung durch den Sicherungsnehmer (1) Keine Verwertungsbefugnis des Sicherungsnehmers Der Sicherungsnehmer ist nach § 166 InsO nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr zur Verwertung solcher Gegenstsnde befugt, die sich im Besitz des Insolvenzverwalters befinden. Der Herausgabeanspruch des § 985 BGB steht ihm nicht mehr zu.3 Versußert der Sicherungsnehmer den absonderungsberechtigten Gegenstand unter Verstoß gegen § 166 InsO, so ist diese Versußerung absolut unwirksam; es handelt sich um eine bewusste Kompetenzverletzung des Glsubigers. Sie kann jedoch durch Genehmigung des Insolvenzverwalters nach § 185 Abs. 2 BGB geheilt werden.4 Eine berechtigte Verwertung durch den gesicherten Glsubiger kommt nach VerfahrenserÇffnung nur noch in den gesetzlich geregelten Fsllen in Betracht (§ 173 InsO) oder wenn der Sicherungsnehmer mit dem Insolvenzverwalter dahingehend eine Vereinbarung trifft, dass der Sicherungsnehmer die Verwertung selbst vornimmt (§ 170 Abs. 2 InsO). (2) pberlassung zur Verwertung durch den Insolvenzverwalter Hat der Insolvenzverwalter das Sicherungsgut in Besitz, so kann er dieses gem. § 170 Abs. 2 InsO dem Sicherungsnehmer zur Verwertung Åberlassen. Macht der Insolvenzverwalter von dieser MÇglichkeit Gebrauch, so ist der Sicherungsnehmer zur Verwertung des Absonderungsgutes befugt. Kommt es zur Verwertung, so liegen zwei umsatzsteuerrechtlich rele1 BFH v. 28.7.2011 – V R 28/09, BStBl. II 2014, 406 = ZIP 2011, 1923 = DStR 2011, 1853. 2 de Weerth, ZInsO 2003, 246 (248); Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2212. 3 Landfermann in HeidelbergerKomm/InsO, § 166 Rz. 32. 4 Becker in Nerlich/RÇmermann, § 166 InsO Rz. 8.

602

C. Umsatzsteuer

vante Lieferungen vor.1 Die Freigabe des Sicherungsgutes durch den Verwalter an den Sicherungsnehmer stellt den ersten steuerbaren Umsatz dar, die Verwertung durch den Sicherungsnehmer den anderen:

Abbildung 10: Doppelumsatz im Falle des § 170 Abs. 2 InsO

Die aus der xberlassung an den Sicherungsnehmer resultierende Umsatzsteuer wird durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begrÅndet und ist somit Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO.2 Bemessungsgrundlage fÅr die Umsatzsteuer ist in diesem Fall gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was der Leistungsempfsnger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzgl. der Umsatzsteuer und seiner Aufwendungen, mit denen er den Sicherungsgeber belasten darf. Der Sicherungsnehmer als Leistungsempfsnger wendet in diesem Fall denjenigen Betrag auf, um den seine Forderung gegenÅber dem Insolvenzschuldner durch die xberlassung des Gegenstandes zur Verwertung abnimmt. Dieser Betrag kann regelmsßig erst nach der Versußerung des Gegenstandes durch den Sicherungsnehmer genau bestimmt werden. Bis zur Versußerung durch den Sicherungsnehmer kann der voraussichtliche Tilgungsbetrag nur geschstzt werden. Zu erwartende Verwertungskosten, die der Sicherungsnehmer zu tragen hat, sind von dem Tilgungsbetrag abzusetzen, weil der Sicherungsnehmer im Verhsltnis zum Sicherungsgeber berechtigt ist, sich in Ansehung seiner Verwertungskosten aus dem ErlÇs zu befriedigen. Zudem sind die Feststellungskosten gem. § 171 Abs. 1 InsO abzusetzen;3 außerdem ist die Umsatzsteuer aus der Versußerung abzuziehen. Steht der tatsschliche Tilgungsbetrag schließlich fest, nachdem der Sicherungsnehmer den Gegenstand versußert hat und seine Verwertungskosten bekannt sind, ist die Umsatzsteuer ggf. gem. § 17 UStG zu berichtigen. Soweit die Insolvenzmasse mit Umsatzsteuer belastet wird, muss der Sicherungsnehmer den Umsatzsteuerbetrag aus seinem VerwertungserlÇs vorab an die Insolvenzmasse erstatten (§ 170 Abs. 2 InsO i.V.m. § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO). Der Sicherungsnehmer hat dem Insolvenzverwalter eine Gutschrift

1 BFH v. 28.7.2011 – V R 28/09, ZIP 2011, 1923 (Tz. 28) = DStR 2011, 1853; v. 20.7.1978 – V R 2/75, DStR 1979, 46 (47); v. 4.6.1987 – V R 57/79, ZIP 1987, 1134 = BB 1987, 2010 (2010); v. 16.4.1997 – XI R 87/96, BStBl. II 1997, 585; so auch: Leonard in Bunjes/Geist, § 3 UStG Rz. 16; Ruhe, Steuern in der Insolvenz, S. 115; de Weerth, ZInsO 2003, 246 (249); Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 217; Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 409; Schmidt, InsbÅrO 2006, 322 (332); Bonertz, UR 2007, 241 (242). 2 BFH v. 28.11.1997 – V B 90/97, ZIP 1998, 2065 = UR 1998, 397 (398), so auch: Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 219. 3 Str., a.A. de Weerth, BB 1999, 821; Stadie in Rau/DÅrrwschter, UStG, § 18 Rz. 846.

603

4.472

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

gem. § 14 Abs. 5 UStG Åber die Lieferung des Insolvenzschuldners an den Sicherungsnehmer zu erteilen. (3) Verwertung von Gegenstlnden im Besitz des Sicherungsnehmers

473

Ist der Insolvenzverwalter nicht im Besitz des Sicherungsgutes, so hat der Sicherungsnehmer auch nach der ErÇffnung ein originsres Verwertungsrecht, gem. § 173 Abs. 1 InsO.

474

Versußert der Sicherungsnehmer den Sicherungsgegenstand an einen Erwerber, so kommt es umsatzsteuerrechtlich zu zwei Lieferungen. Mit der Lieferung des Gegenstands an den Erwerber kommt es zugleich zu einer Lieferung des Insolvenzschuldners an den Sicherungsnehmer; es liegt demnach ein Doppelumsatz vor.1 Daran sndert es nichts, dass der Insolvenzverwalter in Ansehung des Sicherungsgegenstandes gar kein VerfÅgungsrecht hatte. Entscheidend ist vielmehr, dass der Gegenstand – trotz fehlender VerfÅgungsmacht des Insolvenzverwalters – zum SchuldnervermÇgen und damit zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO) gehÇrt. Die Lieferungen stellen sich somit wie folgt dar:

475

Abbildung 11: Doppelumsatz im Falle des § 173 Abs. 1 InsO

Die Lieferung des Insolvenzschuldners an den Sicherungsnehmer lÇst eine Umsatzsteuerschuld aus, die den Rang einer Masseverbindlichkeit einnimmt (§ 55 InsO).2 Steuerschuldner fÅr die Umsatzsteuer aus der Versußerung an den Erwerber ist hingegen der Sicherungsnehmer. Der Sicherungsnehmer hat in HÇhe der wegen der Lieferung des Sicherungsguts an ihn angefallenen Umsatzsteuerschuld aus dem VerwertungserlÇs einen Betrag in dieser HÇhe in analoger Anwendung von § 13b Abs. 1 Ziff. 2 UStG, §§ 170 Abs. 2, 171 Abs. 2 Satz 3 InsO an die Masse abzufÅhren.3 Bemessungsgrundlage fÅr die die Insolvenzmasse belastende Umsatzsteuer ist gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was der Leistungsempfsnger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzgl. der Umsatzsteuer und derjenigen Aufwendungen, mit denen er den Sicherungsgeber belasten 1 BGH v. 29.3.2007 – IX ZR 27/06, ZIP 2007, 1126 = DB 2007, 1351 (1351); Scholten, ZInsO 1999, 81 (81); Bonertz, UR 2007, 241 ff. (243); Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2236. 2 de Weerth, ZInsO 2003, 246 (250). 3 BGH v. 29.3.2007 – IX ZR 27/06, ZIP 2007, 1126 = BB 2007, 1294 (1294).

604

C. Umsatzsteuer

darf, insoweit gelten obige AusfÅhrungen zur xberlassung des Insolvenzverwalters an den Sicherungsnehmer zum Zwecke der Verwertung entsprechend (Rz. 4.462 f.). Dieser durch den Insolvenzverwalter zur Masse gegenÅber dem verwertenden Sicherungsnehmer geltend zu machende Umsatzsteuerbetrag erhÇht die Berechnungsgrundlage fÅr die VergÅtung des Insolvenzverwalters gem. § 1 InsVV, obwohl dem eine entsprechende Masseverbindlichkeit gegenÅber dem Finanzamt in gleicher HÇhe gegenÅbersteht, also letztlich daraus nichts bei der Masse verbleibt. Dass das aber richtig ist, ergibt sich schon daraus, dass die Masseverbindlichkeit gegenÅber dem Finanzamt nicht entfsllt, wenn der Insolvenzverwalter den zivilrechtlichen Anspruch gegenÅber dem Sicherungsnehmer nicht geltend machen wÅrde. Vielmehr geriete der Insolvenzverwalter dann in die Haftung gem. § 60 InsO, so dass er den zivilrechtlichen Anspruch zu verwalten und notfalls durchzufechten hat, weswegen die ErhÇhung der Berechnungsgrundlage gerechtfertigt ist. (4) Selbsterwerb des Sicherungsnehmers Will der Insolvenzverwalter die Verwertung vornehmen, so hat er dem Glsubiger gem. § 168 Abs. 1 Satz 1 InsO mitzuteilen, auf welche Art er den Gegenstand versußern will. Der Glsubiger erhslt dann nach § 168 Abs. 1 Satz 2 InsO die Gelegenheit, den Verwalter auf eine gÅnstigere Verwertungsmethode aufmerksam zu machen. Anstelle der Mitteilung einer besseren VerwertungsmÇglichkeit kann der Glsubiger das Sicherungsgut nach § 168 Abs. 3 Satz 1 InsO auch selbst zu den vom Insolvenzverwalter mitgeteilten Bedingungen Åbernehmen. Infolge der xbernahme entsteht zugunsten der Insolvenzmasse ein Zahlungsanspruch gegenÅber dem Sicherungsnehmer in HÇhe des von dem Insolvenzverwalter als beabsichtigtem Versußerungspreis genannten Betrages, weil auch der Selbsteintritt des Sicherungsnehmers eine Verwertung von Absonderungsgut durch den Insolvenzverwalter darstellt. Gleichzeitig steht dem Sicherungsnehmer aber der ErlÇsherausgabeanspruch (§ 170 Abs. 1 InsO) gegen die Insolvenzmasse zu. Der Sicherungsnehmer ist zur Aufrechnung berechtigt. Die Feststellungskosten und die Verwertungskosten muss der Sicherungsnehmer aber der Insolvenzmasse belassen. Der Glsubiger ist also nicht berechtigt, im Rahmen einer Verrechnung von VerwertungserlÇs und gesicherten Forderungen die Kostenbeitrsge nach §§ 170, 171 InsO einzubehalten.1 Man wird aber in diesen Fsllen nicht annehmen kÇnnen, dass der Insolvenzverwalter an den Sicherungsnehmer eine Geschsftsbesorgungsleistung2 in Form einer Verwertungshandlung durchfÅhrt, die der Umsatzsteuer unterliegen kÇnnte. In Fsllen des Selbsterwerbs ist daher davon auszugehen, dass zwar bei der Insolvenzmasse 9 % aus dem fiktiven VersußerungserlÇs verbleiben, nicht aber auf die Verwertungskostenpauschale Umsatzsteuer zu berechnen ist. 1 Lwowski/Tetzlaff in MÅnchKomm/InsO, § 168 Rz. 41 m.w.N. 2 Vgl. dazu BFH v. 28.7.2011 – V R 28/09, BStBl. II 2014, 406 = ZIP 2011, 1923 = DStR 2011, 1853.

605

4.476

477

478

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

xbernimmt der Sicherungsnehmer das Sicherungsgut im Wege des Selbsterwerbs, so fÅhrt bereits die xbernahme des Sicherungsguts durch den Sicherungsnehmer und nicht erst die Weiterversußerung an einen Dritten zu einem steuerbaren Umsatz, weil durch den Selbsterwerb eine Lieferung des Insolvenzschuldners an den Sicherungsnehmer zu sehen ist.1 Die entstehende Umsatzsteuer ist Masseverbindlichkeit.2 Der Sicherungsnehmer hat in HÇhe der wegen der Lieferung des Sicherungsguts an ihn angefallenen Umsatzsteuerschuld einen entsprechenden Betrag in analoger Anwendung von § 13b Abs. 1 Ziff. 2 UStG, §§ 170 Abs. 2, 171 Abs. 2 Satz 3 InsO an die Masse abzufÅhren.3 Bemessungsgrundlage fÅr die die Insolvenzmasse belastende Umsatzsteuer ist der von dem Insolvenzverwalter als beabsichtigtem Versußerungspreis genannte Betrag, abzgl. der Feststellungs- und Verwertungskosten und abzgl. der Umsatzsteuer. (5) Verwertung durch den Insolvenzverwalter fÅr Rechnung des Sicherungsnehmers In seltenen Fsllen kann es zu rechtlichen Gestaltungen kommen, in denen der Insolvenzverwalter im Auftrage des Sicherungsnehmers, aber fÅr Rechnung der Insolvenzmasse Sicherungsgut verwertet. Selten sind diese Fslle deswegen, weil der Insolvenzverwalter grundsstzlich ein originsres Verwertungsrecht (§ 166 InsO) hat und sich ein Verwertungsrecht des Sicherungsnehmers regelmsßig nur daraus ergibt, dass der Insolvenzverwalter dem Sicherungsnehmer den Absonderungsgegenstand zur Verwertung Åberlssst (§ 170 Abs. 2 InsO). Lsge ausnahmsweise einmal der Fall vor, dass der Insolvenzverwalter Gegenstsnde, die er gem. § 166 InsO verwerten darf, dem Sicherungsnehmer zur Verwertung Åberlssst und sodann gleichwohl im Namen des Sicherungsnehmers an einen Erwerber versußert, dann lsge der Fall eines Doppelumsatzes (Erstumsatz in Form der Lieferung von dem Insolvenzschuldner an den Sicherungsnehmer und Zweitumsatz von dem Sicherungsnehmer an den Enderwerber) vor, so dass dann freilich keine Geschsftsbesorgungsleistung auf Rechnung der Masse mehr erbracht wÅrde, die eine umsatzsteuerbare Leistung darstellte.4 In Betracht kann aber auch kommen, dass sich der Sicherungsnehmer und der Insolvenzverwalter auf eine „RÅcknahme der xberlassung i.S.v. § 170 Abs. 2 InsO“ verstsndigt haben mit der Folge, dass das originlre Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters aus § 166 InsO wieder aufgelebt ist. Dann verbliebe es bei einem Erstumsatz in Form einer Lieferung von dem Insolvenzschuldner an den Erwerber nebst einer Geschsfts1 Ganter/RÅsken, NZI 2006, 257 (257). 2 Freihalter, Aus- und Absonderungsrechte in der Insolvenz, Rz. 691. 3 Insoweit treffen die entsprechenden Erwsgungen des BGH in seinem BGH, Urt. v. 29.3.2007 – IX ZR 27/06, ZIP 2007, 1126 = BB 2007, 1294 (1294) zur Bildung der Analogie ebenfalls zu. 4 Einen solchen Fall meint BFH v. 28.7.2011 – V R 28/09, BStBl. II 2014, 406 = ZIP 2011, 1923 (Tz. 28) = DStR 2011, 1853, BMF v. 30.4.2014 – IV D 2 - S 7100/07/10037, DStR 2014, 957, Tz. II. 1.

606

C. Umsatzsteuer

besorgungsleistung des Insolvenzverwalters zugunsten des Sicherungsnehmers, die Umsatzsteuer auf das Verwertungsentgelt auslÇst.1 cc) Freigabe an und Verwertung durch den Schuldner Allgemein anerkannt ist, dass der Insolvenzverwalter zur Insolvenzmasse gehÇrende Gegenstsnde aus der Insolvenzmasse freigeben kann. Kurz gesprochen bewirkt die Freigabe nur, dass die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis des Insolvenzverwalters (§ 80 InsO) in Ansehung des betroffenen Gegenstandes endet und wieder auf den Insolvenzschuldner Åbergeht, ausfÅhrlich zur Freigabe s. Rz. 2.143 ff. In Bezug auf die Freigabe von Gegenstsnden, an denen Absonderungsrechte bestehen, werden in der Praxis hsufig von Insolvenzverwaltern Erklsrungen abgegeben, die rechtlich vollkommen unklaren Inhalt haben. Solche Freigabeerklsrungen kÇnnen folgende Erklsrungsinhalte haben:

4.479

Echte Freigabe

4.480

Die Freigabe bewirkt, dass die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis des Insolvenzverwalters beendet wird und an den Insolvenzschuldner zurÅckfsllt. Da der Insolvenzverwalter in diesem Fall nicht Åber das Sicherungsrecht des Absonderungsberechtigten verfÅgt, liegt keine Verwertung i.S.v. § 166 InsO vor. Es ist dies der Fall der echten Freigabe. Das Sicherungsrecht des Sicherungsnehmers bleibt unberÅhrt; ein Massezufluss erfolgt nicht. Der Sicherungsnehmer muss sich in der Folge wegen der Verwertung des Sicherungsgegenstandes mit dem Insolvenzschuldner auseinandersetzen, der fÅr die ErfÅllung der Befriedigungsrechte des Sicherungsnehmers mit seinem insolvenzfreien VermÇgen haftet. Die Freigabe selbst stellt keine umsatzsteuerliche Lieferung dar.2 Gibt der Insolvenzschuldner den Sicherungsgegenstand an den Sicherungsnehmer in der Folge heraus, dann liegt darin eine umsatzsteuerrechtlich relevante Lieferung vom Insolvenzschuldner an den Sicherungsnehmer; wenn der Sicherungsnehmer spster an einen Dritten versußert, dann liegt darin ein zweiter steuerbarer Umsatz. Steuerschuldner der Umsatzsteuer ist bei einer Versußerung durch den Insolvenzschuldner der Insolvenzschuldner, nicht der Sicherungsnehmer, weil der Insolvenzschuldner die Lieferung an den Erwerber ausfÅhrt. § 13b Abs. 1 Ziff. 2 UStG ist nicht anwendbar. Der BFH hat in einer etwas slteren Entscheidung angenommen, es komme insoweit zu einer Belastung der Insolvenzmasse mit der Umsatzsteuer, da eine Masseverbindlichkeit entstehe (§ 55 InsO).3 Die Entscheidung leidet an einem entscheidenden gedanklichen Fehler. Der BFH hat damals ausgefÅhrt:

1 BFH v. 28.7.2011 – V R 28/09, BStBl. II 2014, 406 = ZIP 2011, 1923 (Tz. 28) = DStR 2011, 1853. 2 Sinz in Uhlenbruck, Kommentar zur InsO, 14. Aufl., § 171 Rz. 23. 3 BFH v. 16.8.2001 – V R 59/99, BStBl. II 2003, 208 = ZIP 2002, 230.

607

481

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz „Der Senat beurteilt die Vernußerung eines zur Konkursmasse gehÇrenden GrundstÅcks als Verwertung fÅr Rechnung der Konkursmasse, wenn ihr – wie im Streitfall – der VerwertungserlÇs zugute kommt. Unter diesen Voraussetzungen ist umsatzsteuerrechtlich unerheblich, dass der Gemeinschuldner die GrundstÅckslieferung ausgefÅhrt hat, nachdem er vom Konkursverwalter dazu berechtigt worden war. Ebenso ist umsatzsteuerrechtlich nicht erheblich, ob konkursrechtlich eine „echte Freigabe“ des GrundstÅcks oder lediglich eine sog. „modifizierte Freigabe“ (...) vorlag. Sowohl bei modifizierter als auch bei echter Freigabe fÅhrt die Vernußerung eines mit Grundpfandrechten der Konkursglnubiger belasteten zur Konkursmasse gehÇrenden GrundstÅcks durch den Gemeinschuldner zu einer die Konkursmasse betreffenden Verwertung, wenn der ErlÇs an die Stelle des belasteten GrundstÅcks tritt, vereinbarungsgemnß an die absonderungsberechtigten Konkursglnubiger (§ 47 KO) ausgekehrt wird und deshalb die Konkursmasse in dieser HÇhe entlastet. Der Konkursverwalter, der fÅr die Konkursmasse den wirtschaftlichen Wert des konkursbefangenen Gegenstands erhalten will, weil der VerwertungserlÇs der Konkursmasse zugute kommen soll (...), trngt dadurch zum Verwertungserfolg bei, auch wenn der Gemeinschuldner an seiner Stelle im Ergebnis zugunsten der Konkursmasse die Verwertung durchfÅhren soll.“

Der gedankliche Fehler liegt darin, dass der Insolvenz- bzw. Konkursverwalter, der einen Massegegenstand im Wege der echten Freigabe freigibt, der Insolvenzmasse und damit den ungesicherten Insolvenzglsubigern nichts aus diesem Gegenstand erhalten will. Er will diese Glsubiger nur schlicht vor Lasten aus einem Gegenstand bewahren, der wertmsßig in vollem Umfange einem einzelnen Glsubiger zugute kommt. Deswegen tritt auch nicht der ErlÇs aus einer solchen, durch den Insolvenzschuldner außerhalb des Insolvenzverfahrens durchgefÅhrten Versußerung an die Stelle des belasteten GrundstÅcks. Dass sich die Forderung des Absonderungsberechtigten durch die Versußerung reduziert, spielt sich außerhalb der Insolvenzmasse ab. Entscheidend aber dÅrfte sein, dass sich das Verstsndnis des insolvenzfreien VermÇgens seit der genannten BFH-Entscheidung maßgeblich versndert hat. Es ist heute wohl allgemein anerkannt, dass es auch wshrend des Insolvenzverfahrens eine insolvenzfreie VermÇgenssphsre des Insolvenzschuldners gibt, in der dieser ohne Beteiligung des Insolvenzverwalters frei wirtschaften und auch Verbindlichkeiten begrÅnden kann (Rz. 2.135 ff.). Von diesem heutigen Verstsndnis konnte der BFH bei seiner Entscheidung im Jahr 2001 noch nicht ausgehen. Es wsre damals nicht plausibel gewesen, dem Insolvenzschuldner selbst die Umsatzsteuerschuldnerschaft zuzuweisen. Das ist vom heutigen Verstsndnis her jedoch sicher anders zu beurteilen. Modifizierte Freigabe Die Freigabeerklsrung des Insolvenzverwalters kann auch in der Weise modifiziert sein, dass der Insolvenzverwalter den Sicherungsgegenstand mit der Maßgabe an den Insolvenzschuldner freigibt, dass dieser den Gegenstand versußern solle und der VerwertungserlÇs der Insolvenzmasse

608

C. Umsatzsteuer

zugute kommen soll. Man spricht dann von modifizierter Freigabe.1 Eine solche Freigabeerklsrung kann zivilrechtlich zweierlei bedeuten: – Entweder will der Insolvenzverwalter an seinem aus § 166 InsO fließenden Verwertungsrecht festhalten und lediglich die tatsschlichen BemÅhungen und Vorgsnge der Versußerung dem Insolvenzschuldner (der unter Umstsnden die Branche, in der die Versußerung stattfinden muss, wesentlich besser kennt) Åberlassen. Dann ist die Erklsrung des Insolvenzverwalters zivilrechtlich nichts anderes als eine Beauftragung des Insolvenzschuldners mit der Verwertung, die insolvenzrechtlich dem Insolvenzverwalter zuzurechnen ist. – Oder aber der Insolvenzverwalter hebt seine VerfÅgungsbefugnis in Bezug auf den freigegebenen Gegenstand auf und vereinbart mit dem Insolvenzschuldner, dass dieser den Gegenstand auf eigene Rechnung (also Rechnung des insolvenzfreien VermÇgens) verwertet und den ErlÇs (abzgl. einer Aufwandsentschsdigung fÅr den Insolvenzschuldner) an die Insolvenzmasse herausgibt. In beiden Fsllen kÇnnen der Insolvenzverwalter und der Insolvenzschuldner aber nichts daran sndern, dass das Sicherungsrecht des Sicherungsnehmers an dem Gegenstand besteht. Im erstgenannten Fall bleibt der Herausgabeanspruch des Sicherungsnehmers aber gesperrt, weil das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters fortbesteht. Im zweiten Fall ist der Sicherungsnehmer berechtigt, vom Insolvenzschuldner Herausgabe des Gegenstandes zu verlangen, weil das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters erloschen ist und der Insolvenzschuldner nur noch bilateral schuldrechtlich zur Herausgabe des VerwertungserlÇses verpflichtet ist; in diesem Fall geht die ErlÇsherausgabeverpflichtung des Insolvenzschuldners ins Leere, wenn der Sicherungsnehmer die Herausgabe des Gegenstandes verlangt und anschließend selbst verwertet; dann geht die Masse leer aus. Verwertet der Insolvenzschuldner im erstgenannten Fall, dann steht der ErlÇs der Insolvenzmasse zu; der Insolvenzverwalter hat dann den ErlÇs abzgl. Feststellungs- und Verwertungskosten und abzgl. etwa darin enthaltener Umsatzsteuer an den Sicherungsnehmer auszukehren. Leistender ist dann der Insolvenzverwalter; die Umsatzsteuerforderung ist Masseverbindlichkeit. Im zweitgenannten Fall ergeben sich schwierige zivilrechtliche Probleme: Der Insolvenzschuldner hat die Versußerung dann im Verhsltnis zum Sicherungsnehmer als Nichtberechtigter vorgenommen; ob der Insolvenzverwalter kraft seiner vormaligen VerfÅgungsbefugnis zu einer Genehmigung Åber den Zeitpunkt der Freigabe hinaus berechtigt ist, ist doch mehr als zweifelhaft. Der Sicherungsnehmer hat dann, wenn er die VerfÅgung des Insolvenzschuldners genehmigt, einen ErlÇsherausgabeanspruch nach § 816 BGB. Gleichzeitig bleibt der Schuldner gegenÅber dem Insolvenzverwalter schuldrechtlich zur ErlÇsherausgabe berechtigt. Man wird diesen Fall nur Åber die Gesamtglsubigerschaft lÇsen kÇnnen. Im Ergebnis mÅssen auch hier der Insolvenz1 Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 33 Rz. 107.

609

482

483

484

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

masse die Feststellungs- und Verwertungskosten sowie die Umsatzsteuerbetrsge zufließen. Freigabe an den Absonderungsberechtigten Eine als Freigabe bezeichnete Erklsrung des Insolvenzverwalters kann auch den Erklsrungsinhalt haben, dass der Sicherungsgegenstand dem Absonderungsberechtigten zur Verwertung Åberlassen werden soll. Dann sind die oben zu § 170 Abs. 2 InsO ausgefÅhrten Erlsuterungen maßgeblich (Rz. 4.462 ff.). 3. Verwertung von unbeweglichem VermÇgen a) Grundsatz Im Insolvenzverfahren steht dem Grundpfandglsubiger ein Absonderungsrecht nach § 49 InsO zu. In den Haftungsverband nach § 1120 BGB fallen neben dem GrundstÅck auch die bleibenden Erzeugnisse und die wesentlichen sowie nichtwesentlichen Bestandteile des GrundstÅcks i.S.d. §§ 93, 94, 99 BGB.1 Dem Insolvenzverwalter stehen bezÅglich der Verwertung von unbeweglichem VermÇgen verschiedene VerwertungsmÇglichkeiten zur VerfÅgung. Er kann auf die Mittel der Zwangsversteigerung oder -verwaltung zugreifen, die Immobilie freihsndig versußern oder aber auch sie an den Insolvenzschuldner freigeben. Die Versußerung einer Immobilie kann eine umsatzsteuerlich relevante Lieferung i.S.d. § 1 Abs. 1 UStG darstellen. b) Zwangsversteigerung Gemsß § 165 InsO hat der Insolvenzverwalter das Recht, die Zwangsversteigerung in eine zur Insolvenzmasse gehÇrende Immobilie zu betreiben, unabhsngig davon, ob ein Absonderungsrecht an dieser besteht oder nicht. Diese sog. Verwalterversteigerung2 richtet sich nach den §§ 172 ff. ZVG. Das Recht eines jeden Absonderungsglsubigers, die Zwangsversteigerung selbst zu beantragen, bleibt unberÅhrt. Bei der Verwertung von unbeweglichem VermÇgen durch den Insolvenzverwalter ergeben sich umsatzsteuerrechtliche Besonderheiten. Die Versußerung eines zum Unternehmen des Insolvenzschuldners gehÇrigen GrundstÅcks fÅhrt grundsstzlich zu einer steuerbaren Lieferung nach § 1 Abs. 1 Ziff. 1 UStG. FÅr die Zwangsversteigerung eines GrundstÅcks hat der BFH3 entschieden, dass das GrundstÅck unmittelbar vom Schuldner an den Ersteher „geliefert“ wird. Dieser Auffassung hat sich auch der Gesetzgeber in § 18 Abs. 8 UStG angeschlossen. Die Lieferung ist aber steu1 Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2289. 2 BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 165 Rz. 19. 3 BFH v. 19.12.1985 – V R 139/76, BStBl. II 1986, 500 = ZIP 1986, 991.

610

C. Umsatzsteuer

erfrei, da sie unter das GrEStG fsllt. Bei der Verwertung im Wege der Zwangsversteigerung (aber auch bei der freihsndigen Versußerung) fsllt nach § 1 Abs. 1 Ziff. 4, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Ziff. 4, § 13 Ziff. 4 GrEStG Grunderwerbsteuer an, wodurch der GrundstÅcksumsatz gem. § 4 Ziff. 9a UStG von der Umsatzsteuer befreit wird. Die Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 9a UStG erstreckt sich indes nicht auf ZubehÇr und Betriebseinrichtungen, da diese nicht unter das GrEStG fallen; ihre Versußerung unterliegt somit stets der Umsatzsteuer.1 Zu beachten ist im xbrigen die Steuerfreiheit der Geschsftsversußerung im Ganzen (Rz. 4.494 ff.), weil eine Immobilie ein Betrieb oder Teilbetrieb sein kann.2 Der Insolvenzverwalter kann allerdings auch zur Umsatzsteuer optieren, wenn das GrundstÅck an einen Unternehmer versußert wird, § 9 Abs. 1 UStG. Das Optionsrecht gehÇrt zu den Rechten, die durch § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter Åbergehen.3 Der Verzicht auf die Steuerbefreiung kann u.U. zum Schutze der Insolvenzmasse dringend geboten sein: Sofern das versußerte GrundstÅck vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens zur AusfÅhrung von steuerpflichtigen Umsstzen verwendet worden war, fÅhrt die steuerfreie Lieferung von Gebsuden, die nicht slter als zehn Jahre sind, nsmlich regelmsßig zu einem Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15a UStG, der zu Masseverbindlichkeiten fÅhren kann (Rz. 4.425 f.).4 Schuldner der Umsatzsteuer ist der Erwerber, § 13b Abs. 1 Ziff. 3, Abs. 2 UStG. Bei der Zwangsversteigerung ist das Meistgebot der Berechnung der Steuer als Nettobetrag zugrunde zu legen.5 Im Meistgebot ist somit keine Umsatzsteuer enthalten; der Meistgebotsbetrag muss daher vollstsndig an das Vollstreckungsgericht abgeliefert werden.6 Der Ersteigerer kann daher vom Vollstreckungsschuldner keine Rechnung mit gesondertem Ausweis der Steuer erhalten. Der Vorsteuerabzug ist auch mit einer Rechnung gem. § 14a Abs. 4 UStG ohne gesonderten Ausweis der Umsatzsteuer mÇglich.7 Der Ersteher schuldet die Umsatzsteuer im Ergebnis zusstzlich zum Meistgebot gegenÅber dem Finanzamt. Das Meistgebot bezÅglich des ZubehÇrs ist ebenfalls immer ein Nettobetrag. Dies ergibt sich bereits daraus, dass hier gar keine Option mÇglich ist.8 Bei der Zwangsversteigerung kann der Verzicht auf die Steuerbefreiung gem. § 9 Abs. 3 UStG nur bis zur Aufforderung der Abgabe von Geboten im Versteigerungstermin wirksam erklsrt werden. ! Hinweis: Erklsrt der Insolvenzverwalter den Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 UStG und kommt es im Rahmen der Zwangsversteigerung zu einem Zuschlag an einen Ersteigerer, der nicht Unternehmer ist, so kommt 1 2 3 4 5 6

BFH v. 24.6.1992 – V R 130/89, KTS 1993, 143 (143). Deprp/Dobler in Beck/Depru, Praxis der Insolvenz, § 35 Rz. 34. Schmittmann, ZInsO 2006, 1299 (1302). Stadie in Rau/DÅrrwschter, § 18 UStG Rz. 866; Mitlehner, NZI 2002, 534 (535). Klenk in SÇlch/Ringleb, § 9 UStG Rz. 212. Grundlegende znderung durch BGH v. 3.4.2003 – IX ZR 93/02, ZIP 2003, 1109 = NZI 2003, 565 (566). 7 Klenk in SÇlch/Ringleb, § 9 UStG Rz. 212. 8 Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, Rz. 296.

611

4.485

486

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz auch dessen Steuerschuldnerschaft fÅr die Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 1 Ziff. 3, Abs. 2 UStG nicht in Betracht. Teilweise wird vertreten, dass die Insolvenzmasse dann mit der Umsatzsteuer als Masseverbindlichkeit belastet werde und der Grundpfandglsubiger gleichwohl den Bruttobetrag erhalte und nicht etwa nur den um die Umsatzsteuer berichtigten NettoerlÇs.1 Zutreffend ist, dass weder § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO noch § 10 Abs. 1 Nr. 1a ZVG analog angewendet werden kÇnnen, weil die gesamte Regelungssystematik der Verwertung unbeweglicher Sachen eine andere ist als diejenige der Verwertung beweglicher Sachen, so dass eine Analogiebildung nicht mÇglich ist, ohne das jeweils andere System zu beeintrschtigen. Es kann aber bereits rein umsatzsteuerrechtlich eine Belastung der Masse mit Umsatzsteuer – trotz vorangegangenem Verzicht auf die Steuerbefreiung – vermieden werden. Es ist nsmlich anerkannt, dass der Versußerer den Verzicht auf die Steuerbefreiung zurÅcknehmen kann.2 Die Umsatzsteuer ist lediglich dann geschuldet, wenn der Insolvenzverwalter dem Ersteher eine die Umsatzsteuer ausweisende Rechnung ausgestellt hat, weil dann § 14c UStG greift. Der Insolvenzverwalter ist aber jederzeit berechtigt, eine berichtigte Rechnung zu erteilen. Die Berichtigung des Steuerbetrags muss gegenÅber dem Leistungsempfsnger erfolgen (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG).3 Voraussetzung dafÅr ist lediglich, dass dem Leistungsempfsnger eine hinreichend bestimmte, schriftliche Berichtigung der Rechnung zugeht. Die RÅckgabe der ursprÅnglichen Rechnung durch den Leistungsempfsnger ist nicht erforderlich. Notwendig ist ferner eine „Berichtigung“ der Rechnung, und zwar durch den Leistenden. Aus ihr muss – notfalls durch Auslegung – hervorgehen, dass der leistende Unternehmer Åber seine Leistung – statt, wie bisher, unter Ansatz des ursprÅnglich ausgewiesenen Steuerbetrags – nunmehr nur noch ohne Umsatzsteuer abrechnen will.4 Bedenken gegen diese umsatzsteuerrechtlich zulsssige Berichtigung ergeben sich auch nicht aus dem vom BGH zu Recht herausgestellten BedÅrfnis nach der Klarheit und Verlssslichkeit des Zwangsversteigerungsverfahrens. Der BGH hat es fÅr gegen dieses Gebot verstoßend angesehen, wenn man in dem Meistgebot einen Bruttobetrag erblicken wollte, weil dann im Rahmen des Versteigerungsverfahrens unklar sein kann, wer denn nun der Meistbietende sei: Da bei einem Unternehmer aus dem Gebot der Umsatzsteuerbetrag hinauszurechnen wsre, um den tatsschlichen ErlÇs feststellen zu kÇnnen, bei einem Nichtunternehmer hingegen nicht, mÅssten u.U. schwierige umsatzsteuerrechtliche Fragen im Rahmen des Versteigerungsverfahrens geklsrt werden. Nicht zuletzt um dieses Ergebnis zu vermeiden, hat der BGH das Meistgebot zu Recht als ein Nettogebot interpretiert. Das Versteigerungsverfahren bleibt allerdings vollkommen unberÅhrt, wenn es nach Erteilung des Zuschlags doch nicht – wie zuvor auf Grund des Verzichts zur Umsatzsteuer anzunehmen war – zu einer Umsatzsteuerforderung kommt. Denn es ist fÅr die Feststellung des Meistgebotes unerheblich, ob der Ersteigerer Unternehmer ist (und deswegen Umsatzsteuerschuldner nach § 13b Abs. 1 Ziff. 3, Abs. 2 UStG wird) oder ob der Ersteigerer Nichtunternehmer ist und es infolge der RÅcknahme des Verzichts auf die Steuerbefreiung nicht zu einer Umsatzsteuerforderung kommt.

Bei der Verwertung von Immobilien im Rahmen der Zwangsversteigerung liegt nicht etwa eine Lieferung des Insolvenzschuldners an das jeweilige 1 Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2291. 2 Klenk in SÇlch/Ringleb, § 9 UStG Rz. 87 ff.; Heidner in Bunjes/Geist, § 9 UStG Rz. 29. 3 BFH v. 11.10.2007 – V R 27/05, BStBl. II 2008, 438. 4 BFH v. 11.10.2007 – V R 27/05, BStBl. II 2008, 438.

612

C. Umsatzsteuer

Bundesland, dem die Vollstreckungsorgane angehÇren und eine weitere Lieferung dieses Bundeslandes an den Erwerber vor, sondern vielmehr eine einzige Lieferung des Insolvenzschuldners unmittelbar an den Erwerber.1 Die Immobilie scheidet mit Erteilung des Zuschlags nach § 90 ZVG aus der Insolvenzmasse aus. Der Ersteher wird mit Erteilung des Zuschlags EigentÅmer der Immobilie und zugleich gem. § 13 Ziff. 4 GrEStG Steuerschuldner.

4.487

c) Zwangsverwaltung Ist Åber die GrundstÅcke eines Unternehmers die Zwangsverwaltung angeordnet, bleibt der Insolvenzschuldner als Unternehmer umsatzsteuerrechtlich Steuerschuldner nach § 43 AO und damit Steuerpflichtiger nach § 33 Abs. 1 AO.2 Der Insolvenzverwalter nimmt als VermÇgensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners wahr. Jedes der Zwangsverwaltung unterliegende GrundstÅck bildet eine Sondermasse innerhalb der Insolvenzmasse.3 Zwangsverwalter und Insolvenzverwalter werden parallel tstig, beide Verfahren existieren also nebeneinander. Deswegen ist auch der Zwangsverwalter in Ansehung jedes GrundstÅcks gem. § 34 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO Steuerpflichtiger (§ 33 Abs. 1 AO), soweit seine Verwaltung reicht.4 Insoweit sind die Umsatzsteuerbescheide an den Zwangsverwalter zu richten.

4.488

Unterliegen mehrere GrundstÅcke der Zwangsverwaltung, sind die Nutzungen des GrundstÅcks und die Ausgaben der Verwaltung gem. § 155 ZVG grundsstzlich fÅr jedes GrundstÅck gesondert zu ermitteln.5 Nach dieser Vorschrift sind aus den Nutzungen des GrundstÅcks die Ausgaben der Verwaltung und die Åbrigen in § 155 Abs. 1 ZVG genannten Kosten vorweg zu bestreiten; die xberschÅsse werden auf die in § 10 Abs. 1 Ziff. 1 bis 5 ZVG bezeichneten AnsprÅche verteilt. Da die Glsubiger dieser AnsprÅche bei jedem GrundstÅck unterschiedliche Personen sein kÇnnen und auch identischen Glsubigern die Nutzungen aus jedem GrundstÅck regelmsßig in unterschiedlicher HÇhe gebÅhren, mÅssen die Nutzungen grundsstzlich fÅr jedes GrundstÅck gesondert ermittelt werden. Die Umsatzsteuer ist deshalb ebenfalls fÅr jedes GrundstÅck gesondert zu ermitteln und anzumelden.6

4.489

1 BFH v. 16.4.1997 – XI R 87/96, BStBl. II 1997, 585; v. 19.12.1985 – V R 139/76, BStBl. II 1986, 500 = ZIP 1986, 991. 2 DrÅen in Tipke/Kruse, § 33 AO Rz. 13. 3 FlÇther in KÅbler/PrÅtting/Bork, § 165 InsO Rz. 55. 4 BFH v. 28.6.2011 – XI B 18/11, ZIP 2011, 2018 = NZI 2011, 737; v. 18.10.2001 – V R 44/00, BStBl. II 2002, 171. 5 BFH v. 18.10.2001 – V R 44/00, BStBl. II 2002, 171. 6 BFH v. 18.10.2001 – V R 44/00, BStBl. II 2002, 171.

613

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

490

FÅhrt der Insolvenzverwalter außerhalb des Unternehmensbereichs, auf den sich die Zwangsverwaltung erstreckt, Umsstze aus, ist die hieraus entstandene Umsatzsteuer – allein – durch einen an den Insolvenzverwalter zu richtenden Umsatzsteuerbescheid geltend zu machen.1

491

Anstelle einer gerichtlichen Zwangsverwaltung kÇnnen sich Insolvenzverwalter und Glsubiger fÅr eine sog. „kalte Zwangsverwaltung“ entscheiden. Die „kalte Zwangsverwaltung“ zeichnet sich dadurch aus, dass der Insolvenzverwalter das GrundstÅck fÅr den absonderungsberechtigten Glsubiger bewirtschaftet, also die Miet- oder Pachtzinsen einzieht und die Lasten zahlt, den wesentlichen Teil des xberschusses aber nicht fÅr die Insolvenzmasse vereinnahmt, sondern an den Grundpfandglsubiger herausgibt, der im Gegenzug auf die Zwangsverwaltung verzichtet. AusfÅhrlich zur „kalten Zwangsverwaltung s. Rz. 4.498 f. d) Freihlndiger Verkauf

492

Durch den Verkauf einer massezugehÇrigen Immobilie durch den Insolvenzverwalter kommt es zu einer steuerbaren, aber steuerfreien GrundstÅckslieferung, die durch Verzicht auf die Steuerbefreiung (§ 9 Abs. 1 UStG) der Umsatzsteuer unterworfen werden kann. Beim freihsndigen Verkauf ist eine solche Optierung gem. § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG nur durch einen notariell beurkundeten Kaufvertrag mÇglich.

493

Vereinbaren der absonderungsberechtigte Grundpfandglsubiger und der Insolvenzverwalter, dass der Insolvenzverwalter ein GrundstÅck versußert und vom VersußerungserlÇs einen bestimmten Betrag fÅr die Masse einbehalten darf, fÅhrt der Insolvenzverwalter neben der GrundstÅckslieferung an den Erwerber nach Auffassung des BFH eine sonstige entgeltliche Leistung an den Grundpfandglsubiger aus.2 Der fÅr die Masse einbehaltene Betrag sei in diesem Fall Entgelt fÅr eine Leistung. Der Massekostenbeitrag ist Entgelt im Rahmen eines Geschsftsbesorgungsvertrags und somit nach § 1 Abs. 1 Ziff. 1 UStG umsatzsteuerpflichtig.3 Das entgeltlich besorgte Geschsft ist hierbei die Versußerung des GrundstÅcks fÅr die Rechnung des Grundpfandglsubigers.

494

Der BFH hat nunmehr die vormals bestehende Ungleichbehandlung der umsatzsteuerlichen Lage im Hinblick auf die Verwertung von beweglichen Sachen, an denen Absonderungsrechte bestehen und unbeweglichen Sachen, an denen Absonderungsrechte bestehen, beseitigt.4 In beiden Fsllen geht der BFH nunmehr davon aus, dass der Insolvenzverwalter 1 BFH v. 23.6.1988 – V R 203/83, BStBl. II 1988, 920 = ZIP 1989, 122 = BFHE 154, 181. 2 BFH v. 18.8.2005 – V R 31/04, ZIP 2005, 1289 = DZWIR 2005, 23 (24); abl. Onusseit, ZInsO 2005, 815 ff.; Spliedt/Schacht, EWiR 2005, 841 ff.; Beck, ZInsO 2006, 244 (246). 3 BFH v. 18.8.2005 – V R 31/04, ZIP 2005, 1289 = DZWIR 2005, 23 (24). 4 BFH v. 28.7.2011 – V R 28/09, BStBl. II 2014, 406 = ZIP 2011, 1923 = DStR 2011, 1853.

614

C. Umsatzsteuer

als Geschsftsbesorger fÅr den Sicherungsnehmer tstig wird, wenn er einen zur Insolvenzmasse gehÇrenden Absonderungsgegenstand verwertet. Die frÅhere Differenzierung danach, ob der Insolvenzverwalter kraft seiner gesetzlichen Verwertungsbefugnis gem. § 166 InsO (bei beweglichen Sachen) verwertet oder ob er kraft einer Vereinbarung mit dem Absonderungsberechtigten (bei unbeweglichen Sachen) verwertet, war nicht Åberzeugend und ist nun aufgegeben worden. 4. Verwertung von Forderungen Gemsß § 51 Ziff. 1 InsO sind auch solche Glsubiger absonderungsberechtigt, denen der Insolvenzschuldner zur Sicherung eines Anspruchs eine Forderung Åbertragen hat. Die Verwertung von Forderungen ist in § 166 Abs. 2 InsO geregelt. Sie erfolgt durch Forderungseinzug oder Verkauf, beziehungsweise Abtretung der Forderung.1 § 170 Abs. 2 InsO berechtigt den Insolvenzverwalter auch, die Forderung dem Sicherungsnehmer zur Verwertung zu Åberlassen oder diese an den Insolvenzschuldner freizugeben.2

4.495

Die Verwertung einer zur Sicherheit abgetretenen Forderung erfolgt regelmsßig durch Einziehung der Forderung. Das Recht zum Einzug einer solchen Forderung ergibt sich aus § 166 Abs. 2 InsO. Der Sicherungsnehmer kann allerdings nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens und Einziehung der Forderung durch den Insolvenzverwaltern lediglich die Auskehrung des NettoerlÇses abzgl. der Feststellungskostenpauschale und abzgl. der Verwertungskostenpauschale gem. §§ 170, 171 InsO verlangen. Dies ergibt sich daraus, dass die dem Insolvenzschuldner zivilrechtlich zustehenden Forderungen gegen Dritte nach der derzeitigen – berechtigter Kritik ausgesetzten – Rechtsprechung des BFH3 im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung umsatzsteuerrechtlich betrachtet gem. § 17 UStG uneinbringlich werden (s. dazu ausfÅhrlich oben Rz. 4.331 ff.). Dies fÅhrt im Ergebnis dazu, dass infolge des Forderungseinzugs des Insolvenzverwalters eine erneute Berichtigung gem. § 17 UStG durchzufÅhren ist, wodurch die in der eingezogenen Forderung enthaltene Umsatzsteuer als Masseverbindlichkeit an die Finanzverwaltung abzufÅhren ist. Somit verbleibt bei der Insolvenzmasse lediglich der Nettobetrag der Forderung, die Umsatzsteuer hingegen gehÇrt zu den Verwertungskosten gem. § 171 Abs. 2 S. 3 InsO.4 Der Insolvenzverwalter hat somit den aus der Verwertung resultierenden Nettobetrag unter Abzug der Feststellungs- und Verwertungskosten gem. § 170 Abs. 1 InsO an den Zessionar auszuzahlen.5 Die Finanzverwaltung ist demgegenÅber der Auffassung, dass § 13c UStG eingreifen soll, wenn der Insolvenzverwalter die Forderung gem. § 166 Abs. 2 InsO ein-

4.496

1 BÅchler in HamburgerKomm/InsO, § 166 Rz. 17; Brinkmann in Uhlenbruck, § 166 InsO Rz. 15. 2 Lwowski/Tetzlaff in MÅnchKomm/InsO, § 166 Rz. 48. 3 BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 = ZIP 2011, 782. 4 Sinz in Uhlenbruck, InsO, § 171 Rz. 37. 5 Sinz in Uhlenbruck, InsO, § 171 Rz. 37.

615

497

498

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

zieht.1 Dies trifft dann zu, wenn der Abtretungsempfsnger tatsschlich das Entgelt einschließlich der Umsatzsteuer erhslt (also zur eigenen VerfÅgung zugewendet erhslt),2 nicht aber, wenn er nur das Entgelt ohne Umsatzsteuer enthslt.3 Dann nsmlich ist die tatbestandliche Voraussetzung des § 13c Abs. 1 S. 1 UStG nicht gegeben, dass der Sicherungszessionar den Umsatzsteuerbetrag vereinnahmt hat, denn kraft gesetzlicher Anordnung in § 171 Abs. 2 InsO gehÇrt die Umsatzsteuer zu den Verwertungskosten. Die Einziehung der Forderung selbst stellt keinen steuerbaren Umsatz dar.4 Die Leistung, die der Forderung zugrunde liegt, hat der Schuldner seinem Vertragspartner gegenÅber schon bewirkt. Auch die Befriedigung des Zessionars durch den aus der Verwertung resultierenden Betrag ist nicht als steuerbare Leistung anzusehen.5 Gleiches gilt fÅr den Einbehalt der Feststellungs- und Verwertungskosten. Die Verwertungskosten unterliegen allerdings ihrerseits der Umsatzsteuer (vgl. dazu ausfÅhrlich oben Rz. 4.468). zhnlich ist die Lage nach zutreffender Auffassung des FG DÅsseldorf bei der Einziehung von verpfsndeten Forderungen durch den Insolvenzverwalter kraft einer besonderen Einziehungsvereinbarung mit dem Pfsndungsglsubiger zu beurteilen.6 Dieser Fall tritt in praxi vor allem bei der sog. kalten Zwangsverwaltung von Immobilien in Erscheinung. Siehe hierzu ausfÅhrlich sogleich.

XI. „Kalte Zwangsverwaltung“ von GrundstÅcken durch den Insolvenzverwalter Anstelle einer gerichtlichen Zwangsverwaltung kÇnnen sich Insolvenzverwalter und Glsubiger fÅr eine sog. „kalte Zwangsverwaltung“ entscheiden. Bei der „kalten Zwangsverwaltung“ wird die Immobilie, die mit Grundpfandrechten belastet ist, durch den Insolvenzverwalter verwaltet. Grundpfandglsubiger und Insolvenzverwalter verzichten im Rahmen einer Verwertungsvereinbarung einvernehmlich auf die DurchfÅhrung einer Zwangsverwaltung nach den Vorschriften des ZVG. Gegenstand der Verwertungsvereinbarung ist, dass der Insolvenzverwalter wie ein Zwangsverwalter handelt, ohne dass dies gerichtlich angeordnet wird.7 FÅr den Grundpfandglsubiger hat die Vereinbarung der „kalten Zwangsverwaltung“ den Vorteil, dass ihm der mit der Anordnung der „echten“ 1 2 3 4

Abschn. 2.4 Abs. 8 UStAE. BFH v. 20.3.2013 – XI R 11/12, ZIP 2013, 1289 = DStRE 2013, 1002. So auch Sinz in Uhlenbruck, InsO, § 171 Rz. 37; Wnger, WM 2012, 769, 776. Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2321 ff.; Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 414; a.A. Stadie in Rau/DÅrrwschter, UStG, § 18 Rz. 858. 5 Farr, Die Besteuerung der Insolvenz, Rz. 414. 6 FG DÅsseldorf v. 10.6.2009 – 5 K 3940/07 U, DStRE 2009, 1392 (1394). 7 Ringstmeier in Beck/Depru, Praxis der Insolvenz, Rz. 114.

616

C. Umsatzsteuer

Zwangsverwaltung nach den Vorschriften des ZVG verbundene Aufwand erspart wird, vornehmlich aber darin, dass die Immobilie nicht mit dem „Makel der Zwangsverwaltung“ behaftet wird, der fÅr jedermann ersichtlich ist, weil die Zwangsverwaltung im Grundbuch eingetragen wird. Auf der anderen Seite erÇffnet die „kalte Zwangsverwaltung“ dem Insolvenzverwalter die MÇglichkeit, einen Anteil an dem verteilungsfshigen xberschuss aus der Bewirtschaftung der Immobilie fÅr die Insolvenzmasse zu verhandeln. Bei der „echten“ Zwangsverwaltung erhslt die Insolvenzmasse dagegen regelmsßig nichts. Allerdings ist die Vereinbarung der „kalten Zwangsverwaltung“ fÅr den Insolvenzverwalter mit hÇherem Aufwand verbunden, da er anstelle eines gerichtlich eingesetzten Zwangsverwalters die Mieten einziehen und das GrundstÅck verwalten muss. Auch trsgt er ein hÇheres Haftungsrisiko.1 ! Hinweis: Sinnvoller Weise sollten bei der „kalten Zwangsverwaltung“ alle Eventualitsten in der Verwertungsvereinbarung geregelt werden, fÅr die im Falle der gerichtlichen Zwangsverwaltung eine klare Risikoverteilung besteht. So kann beispielsweise im xbrigen, d.h. soweit in der Verwertungsvereinbarung nichts Abweichendes bestimmt ist, auf die Rechtslage bei der gerichtlichen Zwangsverwaltung verwiesen werden. So sollte beispielsweise geregelt werden, dass nicht die Insolvenzmasse, sondern der Grundpfandrechtsinhaber dafÅr einsteht, dass an einen Mieter der Immobilie eine Kaution herausgegeben werden muss, die nicht mehr vorhanden ist. Insoweit hat nsmlich der BGH entschieden, dass der (gerichtliche) Zwangsverwalter im Falle der KÅndigung eines Mieters verpflichtet ist, die Kaution herauszugeben, und zwar auch dann, wenn der Zwangsverwalter die Kaution bei xbernahme der Zwangsverwaltung gar nicht vereinnahmt hat. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Rechtsprechung auch auf die „kalte Zwangsverwaltung“ ausgeweitet wird, sollte ein Insolvenzverwalter eine entsprechende Vereinbarung mit den Glsubigern treffen.2

Bei der Vereinbarung einer „kalten Zwangsverwaltung“ gegen Beteiligung der Insolvenzmasse an den eingezogenen Mietforderungen zwischen Insolvenzverwalter und Grundpfandglsubigern handelt es sich umsatzsteuerrechtlich um ein Leistungsaustauschverhsltnis i.S.d. § 1 Abs. 1 Ziff. 1 UStG.3 Dem ist der BFH zu Recht in der Revisionsentscheidung gefolgt.4

XII. Geschlftsverlußerung im Ganzen Literatur Demuth/Kaiser, Geschsftsversußerung im Ganzen bei der Versußerung eines nur teilweise vermieteten Vermietungsobjekts, BB 2010, 168; Hidien, Die Geschsftsversußerung im Ganzen (§ 1 Abs. 1a UStG) – xberblick Åber neue rechtsanhsngige Revisionsverfahren, UVR 2009, 11; Korf, Anteilsversußerung als Geschsftsversuße1 Andres in Andres/Leithaus, § 165 InsO Rz. 6. 2 Tetzlaff, ZInsO 2004, 521 (528). 3 FG DÅsseldorf v. 10.6.2009 – 5 K 3940/07 U, DStRE 2009, 1392 (1394) – Rev. V R 28/09. 4 BFH v. 28.7.2011 – V R 28/09, BStBl. II 2014, 406 = ZIP 2011, 1923 = DStR 2011, 1853.

617

4.499

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz rung im Ganzen, UVR 2010, 74; Meyer, Versußerung verpachteter GrundstÅcke als Geschsftsversußerung im Ganzen, EFG 2009, 1601; Nieskoven, Zur Einordnung von GrundstÅcksÅbertragungen als „Geschsftsversußerung im Ganzen“, GStB 2009, 78; Wagner, Geschsftsversußerung im Ganzen, JbFfSt 2008/2009, 605.

500

Gemsß § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG unterliegt eine Geschsftsversußerung im Ganzen nicht der Umsatzsteuer. Wann eine solche Geschsftsversußerung im Ganzen vorliegt, konkretisiert § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG. Danach ist Voraussetzung, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert gefÅhrter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich Åbereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht werden muss. Abschn. 5 UStR verlangt weiter, dass die wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens oder eines gesondert gefÅhrten Betriebs Åbertragen werden. Welches hierbei die wesentlichen Grundlagen sind, soll sich nach den tatsschlichen Verhsltnissen im Zeitpunkt der xbereignung richten.

501

Versußert der Insolvenzverwalter den schuldnerischen Geschsftsbetrieb im Rahmen eines asset deals, kann darin somit ein nicht der Umsatzsteuer unterliegender Umsatz zu sehen sein. Ob ein solcher vorliegt, ist in der Praxis hsufig nicht zweifelsfrei festzustellen. Oft werden verschiedene VermÇgensgegenstsnde, die bisher dem schuldnerischen Betrieb dienten, nicht mitverkauft (z.B. Forderungsbestsnde) oder es ist unklar, ob es sich bei dem versußerten Unternehmensteil bereits in der Vergangenheit um einen gesondert gefÅhrten Betrieb handelte.1 Eine nichtsteuerbare Geschsftsversußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG setzt voraus, dass der Erwerber die wirtschaftliche Tstigkeit des Versußerers fortfÅhren kann.2

502

Dabei muss es dem Erwerber mÇglich sein, mit dem Åbertragenen Unternehmensteil die bisherige wirtschaftliche Tstigkeit fortzufÅhren. Dies muss jedoch nicht in derselben Art und Weise geschehen, in der der Versußerer das Geschsft betrieben hat. Entscheidend ist, dass der Erwerber die Absicht hat, den Geschsftsbetrieb fortzufÅhren und diesen nicht sofort einzustellen und die Gegenstsnde zu versilbern beabsichtigt. Unschsdlich ist, wenn der Erwerber geringfÅgige Versnderungen oder Modernisierungsmaßnahmen vornimmt.3

503

Der BFH hat weiterhin entschieden, dass wegen richtlinienkonformer Auslegung die Geschsftsversußerung im Ganzen kein „lebendes Unternehmen“ voraussetzt.4 Nach der Rechtsprechung des EuGH5 handelt bereits derjenige als steuerpflichtiger Unternehmer, der in der Absicht, eine wirtschaftliche Tstigkeit auszuÅben, Investitionen fÅr die Zwecke der be-

1 2 3 4 5

Kammel, NZI 2000, 100 (106). BFH v. 24.2.2005 – V R 45/02, BStBl. II 2006, 61 = DStR 2005, 1226 (1226). Klenk in SÇlch/Ringleb, § 1 UStG Rz. 475. BFH v. 8.3.2001 – V R 24/98, BStBl. II 2003, 430. EuGH v. 27.11.2003 – Rs. C-497/01, UR 2004, 19 (19).

618

C. Umsatzsteuer

absichtigten Umsstze tstigt. Die Aufnahme des tatsschlichen Betriebs seines Unternehmens braucht er nicht abzuwarten.1 Eine Geschsftsversußerung kann auch dann gegeben sein, wenn nur ein Gegenstand Åbereignet wird, dieser aber die unternehmerische Tstigkeit ausmacht.2 Insbesondere der Verkauf einer Immobilie, die der Vermietung oder Verpachtung dient, stellt eine Geschsftsversußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG dar, wenn die entsprechenden Miet- oder Pachtvertrsge weitergefÅhrt werden.3

4.504

Eine Geschsftsversußerung beruht regelmsßig auf einer vertraglichen Vereinbarung. Diese setzt ein Rechtsgeschsft unter Lebenden voraus, so dass ein Erwerb von Todes wegen keine Geschsftsversußerung im Sinne der Vorschrift sein kann. Es ergibt sich auch dann nichts anderes, wenn der Erwerb von Todes wegen auf einer letztwilligen VerfÅgung des Unternehmer-Erblassers oder auf einem Erbvertrag beruht.4

4.505

XIII. Kleinunternehmerreglung § 19 UStG Nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens steht die Befugnis, auf die Kleinunternehmerregelung zu verzichten, nach Auffassung des BFH allein dem Insolvenzverwalter zu.5 Er Åbt dieses Recht fÅr das gesamte Unternehmen des Insolvenzschuldners aus. Das ist vor allem deswegen problematisch, weil eine solche Wahl des Insolvenzverwalters sich auch auf das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners erstreckt. Hat beispielsweise der Insolvenzschuldner zwei Gewerbebetriebe im insolvenzrechtlichen Sinne, so ist es durchaus mÇglich, dass der Insolvenzverwalter den einen gem. § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse freigibt, wshrend er den anderen auf Rechnung der Insolvenzmasse weiterfÅhrt. An dieser Stelle wird die sonst durch den BFH so feinsinnig und prszise durchgefÅhrte Trennung zwischen den VermÇgensmassen im Insolvenzverfahren (s. dazu ausfÅhrlich oben Rz. 4.339 ff.) nicht konsequent vollzogen: Hier wirkt sich eine Entscheidung des Insolvenzverwalters in erheblicher Weise auf den insolvenzfreien Bereich des Insolvenzschuldners aus. FÅhrt der Insolvenzschuldner mit seinem insolvenzfreien Bereich im Wesentlichen Umsstze an Verbraucher aus und wÅrde ohne den auf Rechnung der Insolvenzmasse betriebenen Gewerbebetrieb in Ansehung dieser Umsstze im insolvenzfreien Bereich Umsatzsteuer gem. § 19 Abs. 1 InsO nicht erhoben, dann bedeutet die AusÅbung des Verzichts gem. § 19 Abs. 2 InsO durch den Insolvenzverwalter wirtschaftlich betrachtet fÅr den Insolvenzschuldner mit seinem insolvenzfreien Bereich im Ergebnis wirtschaftlich 1 2 3 4 5

BFH v. 8.3.2001 – V R 24/98, DStR 2001, 700 (702). BFH v. 18.11.1999 – V R 13/99, BStBl. II 2000, 153 = DStR 2000, 549 (549). BFH v. 1.4.2004 – V B 112/03, BStBl. II 2004, 802 = DStR 2004, 1126 ff. (1126). Husmann in Rau/DÅrrwschter, § 1 UStG Rz. 1095. BFH v. 20.12.2012 – V R 23/11, BStBl. II 2013, 334 = ZIP 2013, 469 = DStR 2013, 359.

619

4.506

507

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

eine Schlechterstellung um 19 %, weil sich die Preise fÅr seine Leistungen, die er gegenÅber seinen Kunden durchsetzen kann, nicht danach unterscheiden, ob er Umsatzsteuer ausweisen kann oder nicht. Eine konsequente Trennung der VermÇgensmassen im Insolvenzverfahren erfordert es, zu verhindern, dass sich die Wahl des Insolvenzverwalters auf den insolvenzfreien Bereich auswirkt. Freilich kÇnnen die Umsatzgrenzen i.H.v. Euro 17 500 bzw. Euro 50 000 nur einmal fÅr das gesamte Unternehmen des Insolvenzschuldners, wenn auch bestehend aus mehreren Unternehmensteilen, gelten.1 Es ist aber ohne Not mÇglich, die Umsstze aus dem einen Unternehmensteil der Umsatzsteuer zu unterwerfen und die Umsstze aus dem anderen Unternehmensteil nicht.2 Das stÇrt auch nicht den Grundsatz, dass der Unternehmer umsatzsteuerrechtlich betrachtet stets nur ein Unternehmen hat (zumal der BFH selbst diesen Grundsatz fÅr das Insolvenzverfahren durch seine Berichtigungsrechtsprechung (dazu s. ausfÅhrlich oben Rz. 4.330 ff.) im Ergebnis aufgegeben hat). Dem Insolvenzschuldner ist daher fÅr seinen insolvenzfreien Bereich eine eigene WahlmÇglichkeit zuzugestehen.

XIV. Umsatzsteuerliche Folgen erfolgreicher Insolvenzanfechtung Hat der Insolvenzschuldner vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens an einen Glsubiger einen Rechnungsbetrag gezahlt, in dem Umsatzsteuer enthalten war und ficht der Insolvenzverwalter diese Zahlung an, so stellt sich die Frage, ob der Insolvenzverwalter den Umsatzsteuerbetrag an die Finanzverwaltung abzufÅhren hat, wenn er den Bruttorechnungsbetrag in Folge seiner Anfechtung von dem Glsubiger zurÅckgezahlt bekommt. Man kÇnnte nsmlich zu der Auffassung gelangen, dass die anfechtungsbedingte RÅckzahlung durch den Gllubiger zu einer Berichtigung der Bemessungsgrundlage fÅr den Eingangsumsatz des Insolvenzschuldners gem. § 17 UStG fÅhrt (siehe auch Rz. 4.410). Immerhin steht der Glsubiger nach der RÅckzahlung der erhaltenen Zahlung an den Insolvenzverwalter wirtschaftlich so, wie er stÅnde, wenn er nie eine Zahlung durch den Schuldner erhalten hstte; seine Forderung lebt gem. § 144 Abs. 1 InsO wieder auf und er kann sie zur Insolvenztabelle anmelden. Gleichzeitig hatte der Schuldner die in der Zahlung enthaltene Vorsteuer ggf. bereits vor InsolvenzerÇffnung abgezogen bzw. erstattet erhalten. Nach nunmehr einheitlicher Rechtsprechung des V. und VII. Senats des BFH kommt es fÅr die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten in Bezug auf Umsatzsteuerforderungen des Fi1 So noch zu Recht BFH v. 20.12.2012 – V R 23/11, BStBl. II 2013, 334 = ZIP 2013, 469 = DStR 2013, 359. 2 A.A. BFH v. 20.12.2012 – V R 23/11, BStBl. II 2013, 334 = ZIP 2013, 469 = DStR 2013, 359.

620

C. Umsatzsteuer

nanzamtes darauf an, ob der zugrunde liegende Lebenssachverhalt vor oder nach InsolvenzerÇffnung tatbestandlich vollstsndig abgeschlossen worden ist.1 Tatsschlich liegen Anfechtung und RÅckzahlung des zunschst Erlangten nach InsolvenzerÇffnung. Man kÇnnte also annehmen wollen, dass dies den vollstsndigen Abschluss eines Lebenssachverhaltes darstellt, der dazu fÅhrt, dass das eingetretene umsatzsteuerliche Ergebnis (der Schuldner hat die Vorsteuer erstattet bekommen und nicht etwa die Bemessungsgrundlage fÅr den Eingangsumsatz mit der Berichtigungsrechtsprechung des BFH (vgl. dazu ausfÅhrlich oben Rz. 4.330 ff.) bei InsolvenzerÇffnung berichtigt) nicht mehr richtig ist – also ein Berichtigungstatbestand gegeben ist, der nach InsolvenzerÇffnung liegt, so dass der in dem vom Glsubiger zurÅckgezahlten Rechnungsbetrag rechnerisch enthaltene Teil, der dem Umsatzsteuerbetrag entspricht, als Masseverbindlichkeit in Folge einer Berichtigung gem. § 17 UStG abzufÅhren wsre. Diese pberlegung ist aber nur vordergrÅndig schlÅssig. Bei genauerer Betrachtung ist hingegen festzustellen, dass die anfechtungsbedingte RÅckzahlung keinen Berichtigungstatbestand gem. § 17 UStG erfÅllt (siehe auch Rz. 4.410). In Fsllen, in denen der Insolvenzschuldner vor InsolvenzerÇffnung auf eine Forderung seines Glsubigers hin Zahlung geleistet hat, liegt zunschst im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung Uneinbringlichkeit aus RechtsgrÅnden hinsichtlich der Glsubigerforderung nicht vor. Der Anfechtungsanspruch ist ein solcher, der rein insolvenzspezifisch ist und der ausschließlich durch die ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens entsteht.2 Setzt der Insolvenzverwalter einen solchen Anspruch durch und zahlt der Glsubiger an die Insolvenzmasse auf diesen Anfechtungsanspruch, so wird das gesetzliche Schuldverhsltnis, das durch den gesetzlichen Anfechtungsanspruch begrÅndet wird, erfÅllt. Es liegen somit zwei unterschiedliche Rechtsverhlltnisse vor: Zum einen liegt der vorinsolvenzlich abgeschlossene Leistungsaustausch vor, hinsichtlich dessen die Zahlungsforderung des Glsubigers durch ErfÅllung seitens des Schuldners erloschen war. Zum Zweiten liegt ein – daneben stehendes, unabhsngiges – gesetzliches Schuldverhsltnis vor, das durch die Anfechtungsnorm begrÅndet worden und nach InsolvenzerÇffnung erst entstanden ist. Dieses gesetzliche Schuldverhsltnis, das durch den Anfechtungsanspruch mit InsolvenzerÇffnung begrÅndet wird, stellt selbst aber keinen steuerbaren Umsatz dar, weil dabei weder eine Lieferung noch eine sonstige Leistung erbracht wird. Es handelt sich auch nicht etwa um eine RÅckabwicklung des ursprÅnglichen Umsatzgeschsftes, weil dieses von beiden Seiten vorinsolvenzlich abschließend erledigt und die wechselseitigen AnsprÅche zur ErfÅllung gebracht worden sind. Der insolvenzrechtliche Anfech-

1 BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 = ZIP 2011, 782 = ZInsO 2011, 823; v. 25.7.2012 – VII R 29/11, BStBl. II 2013, 36 = ZIP 2012, 2217 = NZI 2012, 1022 (ausdr. Aufgabe der frÅheren Rechtsprechung des VII. Senats). 2 Stsndige Rechtsprechung, vergleiche zuletzt BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 275/13, NZI 2015, 178.

621

508

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

tungsanspruch ist nicht etwa so etwas wie ein RÅcktrittsrecht, das zu einer RÅckabwicklung des Umsatzgeschsftes fÅhren wÅrde, sondern ein insolvenzrechtlicher und damit bÅrgerlich rechtlicher separater Anspruch (siehe ausfÅhrlich oben Rz. 4.410).

XV. Steuerhaftung des Abtretungsempflngers gem. § 13c UStG Literatur Bantleon/Siebert, Umsatzsteuerhaftung gem. § 13c UStG bei Einziehung einer abgetretenen Forderung, StuB 2005, 752; Hahne, Fiktion der Vereinnahmung von Forderungen als Grundlage fÅr eine Haftung gem. § 13c UStG, UR 2006, 433; Haftungsinanspruchnahme eines Factors fÅr Umsatzsteuerschulden des Forderungsverksufers nach § 13c UStG, UR 2007, 509; Molitor, Insolvenzanfechtung und die Haftung des kontofÅhrenden Instituts nach § 13c UStG, ZInsO 2006, 804; Siebert, Die Haftung gem. § 13c UStG bei Hinterlegung, UStB 2006, 333; Sobotta, Haftungsrisiken bei der Vereinnahmung abgetretener Forderungen, NWB Fach 7, 6589 (7/2006); Viertelhausen, Die Haftung nach § 13c UStG, InVo 2006, 85; Wenzel, Haftung fÅr Umsatzsteuer in Insolvenzfsllen, NWB Fach 7, 6937 (40/2007).

1. Grundlagen Die Vorschrift des § 13c UStG wurde mit Wirkung zum 1.1.2004 eingefÅhrt. Sie ist gem. § 27 Abs. 7 UStG auf alle Forderungen anzuwenden, die nach dem 7.11.2003 abgetreten, verpfsndet oder gepfsndet wurden. Hierbei ist der Zeitpunkt der Entstehung unerheblich. Eine Bank haftet nicht als Abtretungsempfsngerin nach § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG i.V.m. § 27 Abs. 7 Satz 1 UStG fÅr die in der Forderung enthaltene Umsatzsteuer, wenn ihr die Forderung vor dem 8.11.2003 abgetreten worden ist.1 Die EinfÅhrung des § 13c UStG erfolgte auf Empfehlung des Bundesrechnungshofs.2 Durch diese Vorschrift wird eine Haftung des Abtretungsempfsngers normiert, wenn der Unternehmer Kundenforderungen an einen anderen Unternehmer abtritt und der Abtretungsempfsnger die Forderung einzieht oder an einen Dritten Åbertrsgt. Entrichtet der leistende Unternehmer die Umsatzsteuerforderung bei Fslligkeit nicht, so haftet der Abtretungsempfsnger fÅr die in der Forderung enthaltene Umsatzsteuer. Durch diese neu eingefÅhrte Regelung wird den Kreditglsubigern die MÇglichkeit genommen, sich Kreditsicherungsvolumen auf Kosten des Steuerglsubigers und damit auf Kosten der Allgemeinheit um 19 % auszudehnen.3 Das Insolvenzrisiko der Finanzverwaltung wird so auf den Abtretungsempfsnger der Forderung verlagert.4 Durch die Verlagerung wer1 BFH v. 3.6.2009 – XI R 57/07, BStBl. II 2010, 520 = BB 2010, 104 (104). 2 Empfehlung des Bundesrechnungshofes v. 3.9.2003 Åber „Steuerausfslle bei der Umsatzsteuer durch Steuerbetrug und Steuervermeidung“, BT-Drucks. 15/1495. 3 Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Rz. 2342; Stadie in Rau/DÅrrwschter, § 13c UStG Rz. 4. 4 Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, Rz. 204.

622

C. Umsatzsteuer

den Umsatzsteuerausfslle vermieden, die dadurch entstanden sind, dass Unternehmen im Vorfeld der Insolvenz ihre Kundenforderungen mittels Globalzession an Glsubiger sicherungsÅbereigneten und der abtretende Unternehmer finanziell nicht mehr in der Lage war, die Umsatzsteuer zu entrichten, weil der Abtretungsempfsnger die Forderung bereits eingezogen hat.1 2. Voraussetzungen der Haftung Grundvoraussetzung der Haftung des Abtretungsempfsngers ist eine Abtretung i.S.d. § 398 BGB. Die Rechtsnatur des der Abtretung zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschsfts ist unerheblich. Ausreichend ist auch eine nur zum Teil abgetretene Forderung oder auch die Abtretung nur des Nettobetrags. Im Einzelnen ergeben sich folgende Haftungsvoraussetzungen: – Die Abtretung muss bereits vollzogen sein, die bloße Abtretungsvereinbarung ist nicht ausreichend,2 – Die erfolgte Abtretung muss auf die Gegenleistung fÅr einen steuerpflichtigen Umsatz gerichtet sein, wobei die Steuer gegenÅber dem abtretenden Unternehmer festgesetzt sein muss, – Die festgesetzte Steuer muss zum Zeitpunkt der Fllligkeit nicht oder nicht vollstlndig an den Steuergllubiger entrichtet worden sein. Bei einer Anmeldung zur Insolvenztabelle wird die Fslligkeit gem. § 41 Abs. 1 InsO fingiert, – Zudem muss die Forderung durch den Abtretungsempfsnger oder einen Dritten vereinnahmt worden sein.3 Nach der Fiktion des § 13c Abs. 1 Satz 3 UStG gilt eine Forderung als durch den Zessionar vereinnahmt, wenn der Zessionar sie nicht selbst einnimmt, sondern sich an einen Dritten weiter abtritt. Der erste Abtretungsempfsnger haftet also stets in voller HÇhe, unabhsngig davon, ob er oder der Dritte etwas auf die Forderung erhalten.4 Die Finanzverwaltung vertritt eine weite Auslegung des § 13c UStG im Hinblick auf die Vereinnahmung.5 Insbesondere dann, wenn die Forderungsbetrsge auf einem beim Abtretungsempfsnger gefÅhrten Konto des leistenden Unternehmers eingehen, soll eine Vereinnahmung durch den Zessionar anzunehmen sein. Die Vereinnahmung wird hierbei fingiert, wenn der Abtretende die Forderung zwar einzieht, aber nur der Abtretungsempfsnger faktisch die MÇglichkeit hat, darauf zuzugreifen.6

1 2 3 4 5 6

BR-Drucks. 630/03, 78; Hahne, BB 2003, 2720 (2720). Marx/Salentin, NZI 2005, 258 (259). Hahne, BB 2003, 2720 (2720); Wagner in SÇlch/Ringleb, § 13c UStG Rz. 38. BT-Drucks. 15/1562, zu § 13c, S. 46. BMF v. 30.1.2006 – IV A 5 - S 7279a - 2/06, BStBl. I 2006, 207 ff. Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2353.

623

4.509

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

3. Mangelnde Gemeinschaftskonformitlt?

510

Vielfach wird angezweifelt, ob die Regelung des § 13c UStG gemeinschaftskonform ist.1 Die EinfÅhrung der Norm wird in der GesetzesbegrÅndung auf Art. 21 Abs. 3 der 6. Richtlinie zur Harmonisierung des Mehrwertsteuerrechts a.F. (heute: Art. 205 i.V.m. Art. 194 MwStSystRL) gestÅtzt.2 Die nationale Vorschrift muss sich folglich an dieser Richtlinie messen lassen. Einer Literaturauffassung zufolge ist schon aus dem Wortlaut ein Verstoß gegen die Richtlinie begrÅndet,3 da § 13c UStG auf die festgesetzte Steuer abstellt, Art. 21 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie hingegen auf die tatsschlich angefallene Steuer. Zudem bestehen systematische Bedenken.4 Auch die Entscheidung des EuGH in Sachen Federation of Techological Industries nshrt die Zweifel daran, dass § 13c UStG gemeinschaftskonform ist. Der EuGH fÅhrt darin aus, dass Personen der Haftung unterliegen sollen, die offensichtlich Kenntnis von einem Mehrwertsteuerbetrug haben.5 Hingegen sollen Gutglsubige von der Haftung ausgeschlossen sein.6 Hiervon weicht § 13c UStG maßgeblich ab, denn hier wird eine Haftung allein auf Grund der Nichtentrichtung der Umsatzsteuer statuiert. Die Haftung ist somit verschuldensunabhsngig und knÅpft zudem an eine Person an, die nicht in die Leistungskette eingeschaltet ist und folglich auch keine Kenntnis von den Umstsnden der Leistung und der Umsatzsteuerpflicht hat.7

511

Andere Literaturstimmen sehen § 13c UStG als gemeinschaftskonform an.8 Da § 13 UStG dem legitimen Zweck diene, Umsatzsteuerausfslle zu vermeiden, ergsben sich keinerlei Bedenken; u.U. mÅsse in bestimmten Konstellationen eine eingeschrsnkte Interpretation der Norm vorgenommen werden. Es sei in jedem Fall unerheblich, dass § 13c UStG von einer Haftung spreche. Die Unterscheidung zwischen Schuldnerschaft und Haftung sei eine deutsche Eigenheit der rechtlichen Ausgestaltung. Zudem normiert§ 44 AO, dass Steuerschuldner und Haftender Gesamtschuldner sind. Dieser Auffassung dÅrfte zuzustimmen sein.

512

4. Verwertung zedierter Forderungen im Insolvenzverfahren Abgetretene Forderungen begrÅnden insolvenzrechtlich gem. §§ 49, 51 Ziff. 1 InsO ein Absonderungsrecht. Nach § 166 Abs. 2 InsO darf der Insolvenzverwalter abgetretene Forderungen einziehen oder auf sonstige 1 2 3 4 5

de Weerth, DStR 2006, 1071 (1071); vgl. Nieskens, UR 2004, 105 (127). BR-Drucks. 630/03, 78. de Weerth, DStR 2006, 1071 (1071). AusfÅhrlich de Weerth, DStR 2006, 1071 (1071). EuGH v. 11.5.2006 – Rs. C-384/04 – Federation of Technological Industries, DStR 2006, 897 (900), Rz. 33. 6 EuGH v. 11.5.2006 – Rs. C-384/04 – Federation of Technological Industries, DStR 2006, 897 (900), Rz. 34; Lwowski/Tetzlaff in MÅnchKomm/InsO, § 166 Rz. 54. 7 de Weerth, DStR 2006, 1071 (1072). 8 Stadie in Rau/DÅrrwschter, § 13c UStG Rz. 11 ff.

624

C. Umsatzsteuer

Art verwerten. Der Zessionar kann von dem Insolvenzverwalter nur Auskehrung des NettoerlÇses (abzgl. der Feststellungs- und Verwertungskosten (auf die wiederum Umsatzsteuer zu berechnen ist), §§ 170, 171 InsO) verlangen. Die Finanzverwaltung ist demgegenÅber der Auffassung, dass § 13c UStG eingreifen soll, wenn der Insolvenzverwalter die Forderung gem. § 166 Abs. 2 InsO einzieht.1 Dies trifft allenfalls dann zu, wenn der Abtretungsempfsnger tatsschlich das Entgelt einschließlich der Umsatzsteuer erhslt, nicht aber, wenn er nur das Entgelt ohne Umsatzsteuer enthslt.2 Dann nsmlich ist die tatbestandliche Voraussetzung des § 13c Abs. 1 S. 1 UStG nicht gegeben, dass der Sicherungszessionar den Umsatzsteuerbetrag vereinnahmt hat, denn kraft gesetzlicher Anordnung in § 171 Abs. 2 InsO gehÇrt die Umsatzsteuer zu den Verwertungskosten. Hatte der Drittschuldner bereits vor der InsolvenzerÇffnung an den Schuldner oder einen vorlsufigen schwachen Insolvenzverwalter gezahlt, so ist der Anspruch des Zessionars Insolvenzforderung im Rang von § 38 InsO. 5. Teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs In der Literatur wird teilweise kritisiert, dass § 13c UStG einen Åberschießenden Anwendungsbereich habe. Diese Problematik resultiert vor allem daraus, dass in § 13c Abs. 2 Satz 2 UStG abweichend von § 191 AO ein Ermessensausschluss normiert ist. Die Finanzverwaltung muss den Haftungsschuldner folglich bei Vorliegen der Normvoraussetzungen zwingend in Anspruch nehmen. Eine einzelfallgerechte Entscheidung durch AusÅbung von Ermessen ist demnach von vornherein ausgeschlossen.3

4.513

6. Grenzen der Haftung Nach dem Grundsatz der Akzessorietst der Haftung haftet der Zessionar insoweit, als zum Zeitpunkt der Fslligkeit die Steuer noch nicht beglichen ist und maximal in HÇhe der in der abgetretenen Forderungen enthaltenen Umsatzsteuer. Dies berÅcksichtigt auch die Empfehlung des BMF,4 wonach § 13c UStG nicht anwendbar sein soll, wenn die Steuer innerhalb der Frist des § 240 Abs. 3 AO entrichtet wurde.5 Beispiel 14: Unternehmer U liefert Waren an den Großhsndler H fÅr 100 000 Euro zzgl. Umsatzsteuer, also 119 000 Euro. U hat mit seiner Bank eine Globalzession vereinbart, 1 2 3 4

Abschn. 2.4 Abs. 8 UStAE. So auch Sinz in Uhlenbruck, InsO, § 171 Rz. 37; Wnger, WM 2012, 769, 776. Zu Recht kritisch Hahne, DStR 2004, 210 (212). BMF v. 24.5.2004 – IV B 7 - S 7279a - 17/04, IV B 7 - S 7279b - 2/04, DStR 2004, 1000 (1001), Tz. 20. 5 Marx/Salentin, NZI 2005, 258 (259).

625

4.514

515

516

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz die alle Forderungen aus Lieferungen und Leistungen umfasst. U zahlt die Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt. Der Sicherungsfall tritt ein und die Bank zieht die komplette Forderung ein. Sie kann nun vom Finanzamt in HÇhe der Umsatzsteuer, also 19 000 Euro nach § 13c UStG in Anspruch genommen werden. Kann die Bank – aus welchen GrÅnden auch immer – nur 59 500 Euro bei H einziehen, so haftet sie gem. § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG nur anteilig, also soweit Umsatzsteuer in der eingezogenen Forderung enthalten ist – in diesem Fall also i.H.v. 9 500 Euro.

Soweit Umsatzsteuer durch den Zedenten bzw. den Åber das VermÇgen des Zedenten bestellten Insolvenzverwalter tatsschlich abgefÅhrt wird, erlischt die Haftung des Zessionars. Dies gilt auch fÅr Zahlungen, die im Rahmen der Schlussverteilung auf eine Forderungsanmeldung des Finanzamtes hin an dieses geleistet werden. Soweit im Zeitpunkt der Schlussverteilung noch ein Haftungsbescheid gegen den Zessionar im Raume steht, ist dieser in HÇhe des Betrages zu widerrufen, den die Finanzverwaltung durch die Schlussverteilung aus der Insolvenzmasse erhalten hat. Soweit der Zessionar den Haftungsbetrag bereits an das Finanzamt gezahlt hat und das Finanzamt durch die Zahlung im Rahmen der Verteilung doppelt befriedigt ist, steht der Erstattungsanspruch dem Zessionar zu, weil der Insolvenzschuldner im Innenverhsltnis zum Zessionar gem. § 426 Abs. 1 BGB zur alleinigen Zahlung der Umsatzsteuer verpflichtet war. Sofern es durch die Erstattung bei dem Zessionar zu einem xberschuss Åber die ihm gegen den Schuldner durch die Zession gesicherten AnsprÅche kommt, muss eine Erstattung an die Insolvenzmasse bzw. eine Herausgabe des erstatteten Betrages vom Zessionar an den Insolvenzverwalter erfolgen; solche Betrsge kÇnnen nur im Wege der Nachtragsverteilung an die Glsubiger verteilt werden. 7. Verhlltnis von Insolvenzanfechtung und Haftung nach § 13c UStG Streitig war bisher, ob eine Haftung des Abtretungsempfsngers gem. § 13c UStG auch dann gegeben sein sollte, wenn er eine Forderung einschließlich Umsatzsteuer zunschst vereinnahmt, dann aber in Folge von Insolvenzanfechtung an den Insolvenzverwalter wieder herausgegeben hatte. Der BFH ist der Auffassung, auch unter BerÅcksichtigung des mit § 13c UStG verfolgten Normzwecks bestehe die Haftung nur insoweit, als Umsatzsteuer im tatsschlich vereinnahmten Betrag enthalten ist.1 Bleibe die Vereinnahmung nicht bestehen, sondern erfolge eine RÅckzahlung der vereinnahmten Betrsge, scheide eine Haftung insoweit aus. Der BFH weist allerdings auch ausdrÅcklich darauf hin, dass die Haftung nicht bereits dadurch entfsllt, dass der Insolvenzverwalter die Anfechtung erklsrt. Auch eine angefochtene Rechtshandlung ist so lange nach § 41 Abs. 1 AO der Besteuerung zugrunde zu legen, wie das wirtschaftliche Ergebnis der angefochtenen Rechtshandlung besteht. Die Insolvenzanfechtung ist daher steuerrechtlich nur zu berÅcksichtigen, soweit gem. § 143 Abs. 1 InsO RÅckgewshr zur Insolvenzmasse erfolgt ist.

1 BFH v. 21.11.2013 – V R 21/12, ZIP 2014, 737 = DStR 2014, 528.

626

C. Umsatzsteuer

XVI. Haftung des Unternehmers gem. § 25d UStG beim Karussellgeschlft Literatur de Weerth, Haftung fÅr nicht abgefÅhrte Umsatzsteuer nach UStG § 25d im Insolvenzverfahren, ZInsO 2008, 613; Lohse, Umsstze des spsteren Insolvenzschuldners mit Zustimmung eines schwachen Insolvenzverwalters, UR 2008, 475; Merkt, Die Haftung beim Mehrwertsteuerbetrug, AO-StB 2009, 81; Mehrwertsteuerbetrug des innergemeinschaftlichen Erwerbers, UR 2008, 757; Nieskoven, Vorsteuerrisiken durch unwissentliche Involvierung in Umsatzsteuerbetrug, GStB 2008, 289.

Nach § 25d UStG haftet der Unternehmer fÅr die Steuer aus einem vorangegangenen Umsatz, soweit diese in einer nach § 14 UStG ausgestellten Rechnung ausgewiesen wurde, der Aussteller der Rechnung entsprechend seiner vorgefassten Absicht die ausgewiesene Steuer nicht entrichtet oder sich vorsstzlich außer Stande gesetzt hat, die ausgewiesene Steuer zu entrichten und der Unternehmer bei Abschluss des Vertrages Åber seinen Eingangsumsatz davon Kenntnis hatte oder nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hstte haben mÅssen.

4.517

Von der Kenntnis oder dem KennenmÅssen ist insbesondere auszugehen, wenn der Unternehmer fÅr seinen Umsatz einen Preis in Rechnung stellt, der zum Zeitpunkt des Umsatzes unter dem marktÅblichen Preis liegt (§ 25d Abs. 2 Satz 1 UStG). Dasselbe gilt, wenn der ihm in Rechnung gestellte Preis unter dem marktÅblichen Preis oder unter dem Preis liegt, der seinem Lieferanten oder anderen Lieferanten, die am Erwerb der Ware beteiligt waren, in Rechnung gestellt wurde (§ 25d Abs. 2 Satz 2 UStG). Weist der Unternehmer nach, dass die Preisgestaltung betriebswirtschaftlich begrÅndet ist, finden die Sstze 1 und 2 keine Anwendung (§ 25d Abs. 2 Satz 3 UStG).

4.518

Die Vorschrift des § 25d UStG wurde geschaffen, um dem Umsatzsteuerbetrug durch sog. „Karussellgeschsfte“ entgegenzutreten. Bei einem Karussellgeschsft handelt es sich um eine Form des organisierten Verbrechens, welche das System des Vorsteuerabzugs missbrsuchlich ausnutzt.1 Um diesem Missbrauch entgegenzuwirken, wurde eine Haftung des Leistungsempfsngers fÅr von dem Leistenden schuldhaft nicht abgefÅhrte Umsatzsteuer statuiert. Der Leistungsempfsnger haftet gem. § 25d UStG fÅr die Umsatzsteuer, die sein Lieferant oder Leistungserbringer nicht an das Finanzamt abfÅhrt, wenn die Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen: – Die geschuldete Umsatzsteuer aus einem vorangegangenen Umsatz wurde nicht entrichtet, – diese Umsatzsteuer wurde in einer Rechnung i.S.d. § 14 UStG ausgewiesen,

4.519

1 Nieskens in Rau/DÅrrwschter, § 25d UStG Rz. 8.

627

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

– die ausgewiesene Umsatzsteuer wurde vom Rechnungsaussteller absichtlich nicht entrichtet oder er hat sich vorsstzlich außer Stande gesetzt, sie zu entrichten, – der Leistungsempfsnger hatte bei Abschluss des Vertrags Åber seinen Eingangsumsatz Kenntnis vom vorsstzlichen Handeln des Rechnungsausstellers oder hstte nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns Kenntnis haben mÅssen.

520

Die bis 2003 geltende Fassung dieser Haftungsnorm lief weitestgehend ins Leere, da der Nachweis der Kenntnis des Leistungsempfsngers in der Praxis kaum erbringbar war. Daher wurde ein neuer Abs. 2 eingefÅhrt, welcher eine Fiktion bezÅglich der Kenntnis begrÅndet. Demnach reicht es heute aus, dass der Haftende nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns die erforderliche Kenntnis hstte haben mÅssen, dass ein Unternehmer in der Leistungskette vor ihm die ausgewiesene Umsatzsteuer absichtlich nicht entrichtet oder sich vorsstzlich außer Stande gesetzt hat, sie zu entrichten.

521

HierfÅr gelten folgende Kriterien: – Der in Haftung zu nehmende Unternehmer hat fÅr seinen Umsatz einen Preis in Rechnung gestellt, der zum Zeitpunkt des Umsatzes unter dem marktÅblichen Preis liegt, oder – der dem in Haftung zu nehmenden Unternehmer in Rechnung gestellte Preis liegt unter dem marktÅblichen Preis, oder – der dem in Haftung zu nehmenden Unternehmer in Rechnung gestellte Preis liegt unter dem Preis, der seinem Lieferanten oder anderen Lieferanten, die in der Kette beteiligt waren, in Rechnung gestellt wurde.

522

MarktÅblich ist hierbei ein Preis, der im gewÇhnlichen Geschsftsverkehr unter fremden Dritten unter BerÅcksichtigung der Handelsstufe Åblicherweise realisiert wird.1 Der Unternehmer hat nach § 25d Abs. 2 Satz 3 UStG die MÇglichkeit, diese Vermutung zu widerlegen, wenn er nachweist, dass die Preisgestaltung betriebswirtschaftliche GrÅnde hatte; hierbei handelt es sich um ein Modell der Beweislastumkehr, welches sich in anderen europsischen Lsndern bereits bewshrt hat.2 In dieser Beweislastumkehr wird jedoch in der Literatur eine Verletzung des Grundsatzes der Verhsltnismsßigkeit gesehen, da durch die Formulierung der Norm Åber das gesetzgeberische Ziel hinausgeschossen wurde.3

523

Die Haftung nach § 25d UStG ist nicht allein auf die Umsatzsteuer beschrlnkt, die der Lieferant oder Leistungserbringer schuldet, sondern schließt auch die Umsatzsteuerschuld des Vorlieferanten oder Vorleistungserbringers mit ein, so dass die gesamte Leistungskette in die Haf-

1 Farr, DStR 2007, 206 (706). 2 Nieskens in Rau/DÅrrwschter, § 25d UStG Rz. 16.3. 3 Widmann, DB 2002, 166 (166).

628

C. Umsatzsteuer

tung einbezogen ist.1 Handelt es sich um mehrere Unternehmer, die nach § 25d UStG haftbar sind, so haften diese gem. § 25d Abs. 1 Satz 2 UStG als Gesamtschuldner. § 25d UStG stÅtzt sich inhaltlich wie auch § 13c UStG auf Art. 21 der 6. EG-Richtlinie, welcher den Mitgliedsstaaten das Recht gibt, neben dem Steuerschuldner eine andere Person die Steuer gesamtschuldnerisch entrichten zu lassen. Auch hier wird die Konformitst mit Gemeinschaftsrecht diskutiert.2 Der BFH3 hat diese Frage bislang bewusst offen gelassen. Eine vergleichbare Norm aus England wurde jedoch durch den EuGH4 als gemeinschaftskonform beurteilt.

4.524

Ob § 25d UStG auch außerhalb von sog. Umsatzsteuerkarussellen Anwendung findet, ist bisher nicht einheitlich geklsrt. Die Finanzverwaltung hat in einigen Bundeslsndern versucht, die Anwendbarkeit auf Verwertungshandlungen des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters zu erstrecken, um den durch die Nichtanwendbarkeit des § 55 InsO bedingten Steuerausfall zu kompensieren. Die Anwendbarkeit im (vorlsufigen) Insolvenzverfahren wurde durch das FG Schleswig-Holstein5 verneint. Der BFH hat diese Entscheidung zu Recht beststigt,6 weil in Insolvenzfsllen jedenfalls nicht generell davon ausgegangen werden kann, dass der spstere Insolvenzschuldner (Rechnungsaussteller) die Absicht hat, die von ihm ausgewiesene Umsatzsteuer nicht zu entrichten.

4.525

XVII. Besonderheiten im Nachlassinsolvenzverfahren GehÇrt im Nachlassinsolvenzverfahren ein Unternehmen zu Nachlass, so ist Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne der Erbe.7 FÅhrt der Insolvenzverwalter Åber den Nachlass ein im Nachlass befindliches Unternehmen fort, so ist der Erbe als Umsatzsteuerschuldner i.S.v. § 13 UStG anzusehen. Durch den xbergang der Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter nach § 80 InsO ist es ab InsolvenzerÇffnung aber ausschließlich die Pflicht des Insolvenzverwalters, Umsatzsteuererkls1 Forster/Schorer, UR 2002, 361 (361). 2 FÅr eine Konformitst mit Gemeinschaftsrecht: Nieskens in Rau/DÅrrwschter, § 25d UStG Rz. 13; dagegen: Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, § 25d UStG Rz. 32. 3 BFH v. 28.2.2008 – V R 44/06, BStBl. II 2008, 586 = ZIP 2008, 932 = UR 2008, 471 (473). 4 EuGH v. 11.5.2006 – Rs. C-384/04 – Federation of Technological Industries, UR 2006, 410. 5 FG Schl.-Holst. v. 3.8.2006 – 5 K 198/05, EFG 2006, 1869 ff. 6 BFH v. 28.2.2008 – V R 44/06, BStBl. II 2008, 586 = ZIP 2008, 932 = UR 2008, 471 mit abweichender Anmerkung von Lohse. 7 Im allgemeinen Regelinsolvenzverfahren Åber das VermÇgen einer natÅrlichen Person der Schuldner: BFH v. 16.7.1987 – V R 80/82, BStBl. II 1987, 691 = DStZ/E 1987, 296 (296); v. 14.5.1998 – V R 74/97, NZI 1998, 48 (48); v. 28.6.2000 – VR 45/99, ZIP 2000, 2120 (2121).

629

4.526

527

528

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

rungen abzugeben (§ 34 Abs. 3 AO). Dies betrifft auch den Veranlagungszeitraum, in den die InsolvenzerÇffnung fsllt.1 Der Insolvenzverwalter begrÅndet insoweit Erbfallschulden. Gleichzeitig begrÅndet der Insolvenzverwalter im Rahmen der UnternehmensfortfÅhrung in Ansehung der Umsatzsteuerschuld Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO.2 Kommt der Insolvenzverwalter seiner Pflicht, die Umsatzsteuer aus der Insolvenzmasse abzufÅhren nicht nach, so kann die Finanzverwaltung grundsstzlich auf den Erben als Steuerschuldner zugreifen. Dieser kann sich allerdings im Vollstreckungsverfahren auf die Beschrsnkung seiner Erbenhaftung berufen, sofern er nicht unbeschrsnkt haftet, vgl. im xbrigen auch die AusfÅhrungen zur vergleichbaren Problematik bezÅglich der Einkommensteuer (Rz. 4.162 ff.).

XVIII. Aufrechnungsbefugnisse der Finanzverwaltung 1. Grundlagen In der Insolvenz des Steuerpflichtigen hat die Finanzverwaltung oft ein Interesse daran, bestehende Aufrechnungsbefugnisse gegenÅber dem Steuerschuldner zu prÅfen und anschließend zu nutzen, weil dadurch u.U. Insolvenzforderungen unabhsngig von der quotalen Verteilung reduziert werden kÇnnen. Der Aufrechnung kommt daher im Insolvenzverfahren erhebliche praktische und wirtschaftliche Bedeutung zu. Nach § 226 Abs. 1 AO gelten fÅr die Aufrechnung mit AnsprÅchen aus dem Steuerschuldverhsltnis sowie fÅr die Aufrechnung gegen diese AnsprÅche die Vorschriften des bÅrgerlichen Rechts sinngemsß, soweit nichts anderes bestimmt ist. § 387 BGB setzt fÅr die Aufrechnung u.a. voraus, dass der Aufrechnende die ihm gebÅhrende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann; es mÅssen sich also eine erfÅllbare Hauptforderung und eine fsllige Gegenforderung gegenÅberstehen. Im Insolvenzverfahren sind zudem §§ 94 ff. InsO zu beachten, wodurch es zu insolvenzrechtlichen Modifikationen der bÅrgerlich-rechtlichen Aufrechnungsregeln kommt. § 94 InsO schÅtzt den Glsubiger, der vor InsolvenzerÇffnung hstte aufrechnen kÇnnen, dadurch, dass eine vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Aufrechnungslage nach ErÇffnung erhalten bleibt. Eine Aufrechnung mit nach ErÇffnung begrÅndeten Forderungen ist gem. § 96 Abs. 1 Ziff. 1 InsO unzulsssig. Siehe weiterfÅhrend zur Aufrechnung im Allgemeinen Rz. 3.335 ff. 2. Besonderheiten bei der Umsatzsteuer Bei der Umsatzsteuer ergibt sich durch § 16 UStG ein Spannungsverhsltnis zwischen der umsatzsteuerrechtlichen Zwangsverrechnung von Vor1 SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 124. 2 BFH v. 29.1.2009 – V R 64/07, BStBl. II 2009, 682 = ZIP 2009, 977 = ZInsO 2009, 920 = DZWIR 2009, 239 (239 ff.).

630

C. Umsatzsteuer

steuer- und Umsatzsteuerbetrsgen und den insolvenzrechtlichen Aufrechnungsregeln. Auch wshrend des Insolvenzverfahrens liegt ein einheitliches Unternehmen vor. Daher erfolgt nur eine Festsetzung der Umsatzsteuer. Diese einheitliche Umsatzsteuerschuld ist dann auf die insolvenzrechtlich unterschiedlichen VermÇgensmassen aufzuteilen.1 Umsatzsteuerforderungen aus einzelnen Umsstzen entstehen nicht als eigenstsndige AnsprÅche, gleiches ergibt sich bei VorsteueransprÅchen des Steuerschuldners. UmsatzsteueransprÅche und Vorsteuerbetrsge werden vielmehr zwingend kraft Gesetz verrechnet, ohne dass es einer Aufrechnung bedarf;2 es tritt eine Zwangsverrechnung nach § 16 Abs. 2 UStG ein. Sowohl der Besteuerungszeitraum als auch Voranmeldungszeitraum werden durch die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nicht unterbrochen. Auch wenn einzelne Vorsteuerbetrsge umsatzsteuerrechtlich lediglich eine unselbstsndige Besteuerungsgrundlage darstellen, ist es aus insolvenzrechtlichen GrÅnden geboten, zum Zweck der Feststellung der Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 Ziff. 1 InsO zu differenzieren, inwieweit ein festgesetzter VorsteuerÅberschuss auf vor oder nach der InsolvenzerÇffnung erbrachten Unternehmerleistungen beruht. Das aus § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG folgende umsatzsteuerrechtliche Erfordernis, wonach ssmtliche in den Besteuerungszeitraum fallenden abziehbaren Vorsteuerbetrsge mit der berechneten Umsatzsteuer zu saldieren sind, hat zwar Vorrang gegenÅber einer Aufrechnung des Finanzamt mit anderen AnsprÅchen, hindert jedoch ebenfalls aus insolvenzrechtlicher Sicht nicht, einen nach dieser umsatzsteuerrechtlichen Saldierung verbleibenden festgesetzten VorsteuervergÅtungsanspruch daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit dieser bereits vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens begrÅndet worden und damit nach §§ 95, 96 InsO aufrechenbar ist.3 Sofern sich fÅr Zeitrsume, die nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens liegen, VorsteuervergÅtungsansprÅche ergeben, die erst nach InsolvenzerÇffnung durch vollstsndige Tatbestandsverwirklichung begrÅndet worden sind, muss das Finanzamt, um dem Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Ziff. 1 InsO Rechnung zu tragen, sicherstellen, dass der festgesetzte VorsteuervergÅtungsanspruch des Schuldners, gegen den es die Aufrechnung mit eigenen Forderungen erklsren will, ausschließlich auf vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens (insolvenzrechtlich) begrÅndeten Vorsteuerbetrsgen beruht.4 Ist fÅr den jeweiligen Besteuerungszeitraum keine berechnete Umsatzsteuer gem. § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG zu verrechnen, ist derjenige Teil des VergÅtungsanspruchs, der aus nach der InsolvenzerÇffnung erbrachten Unternehmerleistungen resultiert, auszuzahlen und le1 Damaschke in Nerlich/Kreplin, MÅnchner Anwaltshandbuch Sanierung und Insolvenz, § 25 Rz. 70. 2 Stadie in Rau/DÅrrwschter, § 18 UStG Rz. 945. 3 BFH v. 5.10.2004 – VII R 69/03, BStBl. II 2005, 195 = ZIP 2005, 266 = ZIP 2005, 266. 4 BFH v. 16.11.2004 – VII R 75/03, BStBl. II 2006, 193 = ZIP 2005, 628.

631

4.529

530

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

diglich gegen die Restforderung die Aufrechnung zu erklsren. Ist dagegen fÅr den jeweiligen Besteuerungszeitraum auch Umsatzsteuer festzusetzen, ist die fÅr den Besteuerungszeitraum berechnete Umsatzsteuer zunschst nach § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG mit den Vorsteuerbetrsgen dieses Zeitraums zu verrechnen, und zwar zunschst mit solchen, die vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens begrÅndet worden sind. Setzt sich in einem solchen Fall auch der ggf. noch verbleibende VergÅtungsanspruch aus Vorsteuerbetrsgen aus sowohl vor als auch nach der InsolvenzerÇffnung ausgefÅhrten Lieferungen und Leistungen zusammen, ist wiederum derjenige Teil des VergÅtungsanspruchs, der aus nach der InsolvenzerÇffnung erbrachten Unternehmerleistungen resultiert, vom Finanzamt auszuzahlen.1 Auf diese Weise wird sichergestellt, dass bei der Aufrechnung gegen den dann noch verbleibenden Teil des VorsteuervergÅtungsanspruchs des Schuldners das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Ziff. 1 InsO beachtet wird. Zu Aufrechnungsproblemen im Åbrigen s. ausfÅhrlich oben Rz. 3.335 ff. 3. Aufrechnung gegen ErstattungsansprÅche aus erÇffnungsbedingten Berichtigungen nach § 17 UStG Nach der „Berichtigungsrechtsprechung“ des V. Senats des BFH2 (s. dazu ausfÅhrlich oben Rz. 4.330 ff.) – die allerdings Berechtigter verfassungsrechtlicher und unionsrechtlicher Kritik ausgesetzt ist – soll durch die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bzw. nach nunmehr neuester Rechtsprechung auch durch Anordnung der vorlsufigen Insolvenzverwaltung das schuldnerische Unternehmen in zwei Unternehmensteile geteilt werden, was dazu fÅhren soll, dass fÅr den vorinsolvenzlichen Unternehmensteil die hier bestehenden Forderungen gegenÅber Dritten uneinbringlich i.S.v. § 17 UStG werden. Diese Berichtigung soll im Zeitpunkt unmittelbar vor InsolvenzerÇffnung vorzunehmen sein, mit der Folge, dass es zu einer weiteren Berichtigung kommt, wenn das Entgelt spster doch noch vereinnahmt werden kann – wodurch das Ergebnis eintritt, dass diese zweite Berichtigung nach InsolvenzerÇffnung liegt und somit zur Entstehung von Masseverbindlichkeiten in Ansehung der mit dem Entgelt vereinnahmten Umsatzsteuerbetrsge fÅhrt. Bisher nicht hÇchstrichterlich gekllrt ist aber, ob die Finanzverwaltung gegen einen aus dieser Berichtigung resultierenden etwaigen Erstattungsanspruch des Insolvenzschuldners mit ihren Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO aufrechnen darf. Dies ist indessen nicht der Fall, weil dem ebenfalls nach hÇchstrichterlicher Rechtsprechung des Aufrech1 BFH v. 5.10.2004 – VII R 69/03, BStBl. II 2005, 195 = ZIP 2005, 266 = ZIP 2005, 266, allerdings offen lassend, ob auch andere Berechnungsmethoden zulsssig sein kÇnnen; in BFH v. 16.1.2007 – VII R 4/06, BStBl. II 2007, 747 = ZIP 2007, 829, erkennt der BFH auch ausdrÅcklich ein hiervon abweichendes Modell an. 2 BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 = ZIP 2011, 782 = ZInsO 2011, 823.

632

C. Umsatzsteuer

nungsverbot des § 96 Abs. 1 Ziff. 3 InsO entgegensteht. Dies ergibt sich aus folgender Rechtsprechung des VII. Senats des BFH: Gemsß § 96 Abs. 1 Ziff. 3 InsO ist die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen ausgeschlossen, wenn der Glsubiger die MÇglichkeit der Aufrechnung durch anfechtbare Handlung erlangt hat. Der VII. Senat des BFH hat seine frÅhere Auffassung, wonach es bei der bloßen Steuerentstehung (kraft Gesetzes) an einer Rechtshandlung i.S.v. § 129 Abs. 1 InsO fehlen sollte, ausdrÅcklich aufgegeben und sich der Rechtsauffassung des BGH angeschlossen,1 wonach die Steuerentstehung selbst, auch wenn sie kraft Gesetzes erfolgt, eine glsubigerbenachteiligende Rechtshandlung i.S.v. § 129 InsO ist. Dass die zugrunde liegende Rechtshandlung unmittelbar und unabhsngig vom Hinzutreten etwaiger weiterer Umstsnde von dem Insolvenzschuldner vorgenommen wird, setzt § 129 Abs. 1 InsO danach nicht voraus. Entscheidend ist vielmehr, dass sie irgendeine Voraussetzung fÅr eine glsubigerbenachteiligende Wirkung geschaffen hat. Dies gilt fÅr den Bereich der Umsatzsteuer, weil die Erbringung einer Leistung Rechtshandlung in diesem Sinne ist, denn sie zeitigt eine Rechtswirkung. Von diesem Verstsndnis des Anfechtungsrechtes ausgehend gelangt man zu dem Ergebnis, dass die Entstehung des Erstattungsanspruchs aus der Berichtigung eine anfechtbare Rechtshandlung in diesem Sinne ist. Genau dies hat der VII. Senat dort auch folgerichtig erkannt: Streitig war, ob die Finanzverwaltung gegen einen Vorsteuererstattungsanspruch aufrechnen konnte, der daraus resultierte, dass der vorlsufige Insolvenzverwalter nach InsolvenzerÇffnung seine VergÅtungsrechnung gegenÅber der Insolvenzmasse erteilte und daraus der brutto VergÅtungsbetrag an ihn gezahlt worden war. In Ansehung der Entstehung dieses Aufrechnungssubstrates war das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen gem. § 131 Abs. 1 Ziff. 1 InsO zu bejahen, denn das Finanzamt konnte keinen Anspruch darauf haben, dass ein vorlsufiger Insolvenzverwalter Åber das VermÇgen des Schuldners bestellt wÅrde, der dann einen VergÅtungsanspruch erwerben wÅrde, auf den Umsatzsteuer zu berechnen wsre und dass insoweit ein Vorsteuererstattungsanspruch des Insolvenzschuldners entstehen wÅrde. Da insoweit aber kein Anspruch der Finanzverwaltung auf die Entstehung des Aufrechnungssubstrates bestand, war diese als solche inkongruent. Die Erbringung einer Leistung durch einen vorlsufigen Insolvenzverwalter erfolgt notwendigerweise nach Insolvenzantragstellung. Somit sind die Anfechtungsvoraussetzungen des § 131 Abs. 1 Ziff. 1 InsO insoweit zu bejahen. Genau das Gleiche gilt freilich aber auch fÅr andere LeistungsbezÅge, denn auch insoweit hat das Finanzamt keinen Anspruch auf die Entstehung von ErstattungsansprÅchen. Auch hat das Finanzamt keinen Anspruch darauf, dass ein Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen eines Insolvenzschuldners erÇffnet wird und somit fehlt es auch an einem 1 BFH v. 2.11.2010 – VII R 6/10, BStBl. II 2011, 374 = ZIP 2011, 181 = DStRE 2011, 521, beststigt in BFH v. 5.5.2015 – VII R 37/13, ZIP 2015, 1598 = ZInsO 2015, 1675.

633

531

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Anspruch darauf, infolge der Berichtigung, die dies mit sich bringt, ErstattungsansprÅche auf Seiten des Steuerpflichtigen entstehen lassen zu kÇnnen. Klarzustellen ist, dass der Anfechtung nicht die InsolvenzerÇffnung als solche unterliegt, sondern vielmehr nur die Wirkungen der Rechtshandlung. Deswegen ist der Erstattungsanspruch in anfechtbarer Weise erlangt, so dass im Einklang mit der Rechtsprechung des VII. Senats des BFH das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Ziff. 3 InsO anzunehmen ist. Der Insolvenzverwalter kann dieses Aufrechnungsverbot nur innerhalb dreijshriger Verjshrungsfrist durchsetzen (analog § 146 Abs. 1 InsO i.V.m. §§ 195 ff. BGB). Die Verjshrungsfrist beginnt frÅhestens mit Ablauf desjenigen Jahres, in dem der VorsteuervergÅtungsanspruch steuerrechtlich entstanden ist.1

XIX. Umsatzsteuerpflicht des Verzichts auf AnsprÅche der Insolvenzmasse Verzichtet der Insolvenzverwalter etwa im Rahmen eines Vergleichs auf AnsprÅche, die der Insolvenzmasse zustehen, so liegt in dem Verzicht regelmsßig eine umsatzsteuerbare sonstige Leistung i.S.v. § 1 Abs. 1 Ziff. 1, § 3 Abs. 9 UStG.2 Diese Rechtslage entspricht auch dem Unionsrecht.3 Dies ergibt sich daraus, dass ein entgeltlicher Verzicht auf eine Rechtsposition wie etwa das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters als eine steuerbare sonstige Leistung zu beurteilen ist. Entscheidend fÅr die Steuerbarkeit eines Verzichtes etwa im Rahmen eines Vergleiches ist es, ob der Verzicht selbst gegen Entgelt erbracht wird. Ficht also ein Insolvenzverwalter etwa eine Rechtshandlung, die in der Zahlung eines Betrages i.H.v. Euro 10 000 bestanden hat, an und vergleicht er sich danach mit dem Anfechtungsgegner dergestalt, dass der Anfechtungsgegner Euro 7 000 an die Insolvenzmasse zurÅckzahlt und der Insolvenzverwalter im Rahmen dieses Vergleichs auf weitergehende AnsprÅche verzichtet, so erbringt er gegen Entgelt eine Leistung i.H.v. Euro 3 000 an den Anfechtungsgegner, die der Umsatzsteuer zu unterwerfen ist. Anders liegt der Fall, wenn der Insolvenzverwalter zwei Rechtshandlungen anficht, etwa eine, die in der Zahlung eines Betrages i.H.v. Euro 7 000 und eine weitere, die in der Zahlung eines Betrages i.H.v. Euro 3 000 bestanden hat und vergleicht er sich dergestalt, dass der Anfechtungsgegner den Anfechtungsanspruch wegen der ersten Rechtshandlung anerkennt und folglich Euro 7 000 an die Insolvenzmasse zahlt und wegen der wei1 BFH v. 5.5.2015 – VII R 37/13, ZIP 2015, 1598 = ZInsO 2015, 1675. 2 Stsndige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH v. 7.7.2005 – V R 34/03, BStBl. II 2006, 66 = BFHE 211, 59; v. 30.3.2011 – XI R 5/09, BFH/NV 2011, 1724. 3 AusfÅhrlich BFH v. 6.5.2004 – V R 40/02, BFHE 205, 535 = BStBl. II 2004, 854 unter II.2.b.

634

C. Umsatzsteuer

teren Rechtshandlung der Insolvenzverwalter anerkennt, dass ihm ein Anfechtungsanspruch nicht zusteht, so liegt ein Verzicht nicht vor, weil in der Feststellung, dass ein Anspruch nicht besteht, keine steuerbare sonstige Leistung erkannt werden kann. Schließlich ist auch ein teilweiser Verzicht auf einen Anspruch dann keine gegen Entgelt erbrachte umsatzsteuerbare sonstige Leistung, wenn der Insolvenzverwalter auf einen wertlosen Teil seines Anspruchs verzichtet. Dies ist etwa der Fall, wenn der Insolvenzverwalter die Zahlung eines Betrages i.H.v. Euro 10 000 durch den Schuldner anficht, der Anfechtungsgegner aber glaubhaft darlegt, dass er maximal Euro 7 000 zahlen kann, darÅber hinaus aber wirtschaftlich nicht leistungsflhig ist. Vergleicht sich der Insolvenzverwalter in diesem Fall mit dem Anfechtungsgegner beispielsweise dergestalt, dass er auf den weitergehenden Anspruch i.H.v. Euro 3 000 verzichtet, falls der Anfechtungsgegner innerhalb einer bestimmten Frist den Vergleichsbetrag i.H.v. Euro 7 000 zahlt, so ist der Verzicht keine umsatzsteuerbare Leistung, weil der Insolvenzverwalter insoweit wirtschaftlich nichts aufgegeben hat.

XX. Vorsteuerabzug aus der VergÅtungsrechnung des Insolvenzverwalters Literatur Grashoff/Kleinmanns, Umsatzsteuerpflicht der Leistung des Insolvenzverwalters in einer Sozietst, DB 2009, 1900; NiedenfÅhr, Zur Frage der BerÅcksichtigung nachtrsglicher Umsatzsteuererstattung bei der Bemessung der VergÅtung des Insolvenzverwalters, LMK 2008, 253737; Onusseit, Umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Insolvenzverwalterleistung, ZInsO 2008, 1337.

Soweit der Insolvenzverwalter der Insolvenzmasse seine VergÅtung und seine Auslagen in Rechnung stellt, erteilt er der Insolvenzmasse eine Rechnung, in der Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen ist (§ 7 InsVV, § 14 UStG). Aus dieser Rechnung steht der Insolvenzmasse der Vorsteuerabzug zu, wenn der Insolvenzschuldner Unternehmer war. Der Vorsteuerabzug ist zuzulassen, soweit die VergÅtung und Auslagen des Insolvenzverwalters tatsschlich an diesen bezahlt werden (kÇnnen), und nicht etwa eine Reduzierung des Zahlbetrages erforderlich ist, weil Massearmut eingetreten ist (§ 207 InsO). Im Fall der Massearmut ist der Vorsteuerabzug nur insoweit zulsssig, wie in dem tatsschlich an den Insolvenzverwalter gezahlten Betrag Umsatzsteuer enthalten ist. Der Insolvenzschuldner bzw. die Insolvenzmasse darf die an den Insolvenzverwalter bezahlte Umsatzsteuer jedoch nicht abziehen, wenn weder der Insolvenzverwalter eine Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer ausgestellt hat, noch im Beschluss des Insolvenzgerichts Åber die VergÅtung des Insolvenzverwalters die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen ist.1 Der Insolvenzverwalter 1 BFH v. 7.4.2005 – V B 187/04, BFH/NV 2005, 1640.

635

4.532

533

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

kann aber seine Rechnung ggf. berichtigen. Ist im Beschluss des Insolvenzgerichts die Umsatzsteuer nicht gesondert ausgewiesen, ist der Insolvenzverwalter gleichwohl zur Ausstellung einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis berechtigt.1 Ein nur teilweiser Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Insolvenzverwalters ist gegeben, wenn die Tstigkeit des Insolvenzverwalters zu einem nicht zu vernachlsssigenden Teil auf steuerfreie Umsstze entfsllt. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind nach § 15 Abs. 2 Ziff. 1 UStG nsmlich die Umsatzsteuerbetrsge, die der Unternehmer zur AusfÅhrung bestimmter steuerfreier Umsstze verwendet. Solche umsatzsteuerfreien Umsstze sind u.a. die Umsstze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen (§ 4 Ziff. 9a UStG) und die Umsstze aus der Vermietung und Verpachtung von GrundstÅcken (§ 4 Ziff. 12a UStG), wenn nicht eine Option zur Umsatzsteuer nach § 9 Abs. 1 UStG erfolgt ist. Verwendet ein Unternehmer einen fÅr sein Unternehmen gelieferten oder eingefÅhrten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur AusfÅhrung von Umsltzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbetrsge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug fÅhrenden Umsstzen wirtschaftlich zuzurechnen ist (§ 15 Abs. 4 UStG). Dieser Grundsatz kann auch auf die VergÅtung und die Auslagen des Insolvenzverwalters anzuwenden sein.2 Es ist aber wegen des durch die InsVV geregelten VergÅtungssystems nicht mÇglich, aus der festgesetzten VergÅtung des Insolvenzverwalters genau zu bestimmen, welche VergÅtungsanteile auf die von dem Insolvenzverwalter durchgefÅhrten umsatzsteuerfreien Umsstze und die nicht umsatzsteuerfreien Umsstze entfallen, wenn bei der Verfahrensabwicklung beide angefallen sind.3 Daher ist nach § 15 Abs. 4 UStG eine Aufteilung nach wirtschaftlicher Zurechnung vorzunehmen. Der Insolvenzverwalter kann nach § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG die nicht abziehbaren Teilbetrsge im Wege einer sachgerechten Schstzung ermitteln. Die Schstzung kann – am einfachsten – durch die Ermittlung der Relation der steuerpflichtigen zu den steuerfreien Umsstzen erfolgen.4 Diese Aufteilung wird jedoch in vielen Flllen nicht zu sachgerechten Ergebnissen fÅhren. Das gilt vor allem deswegen, weil dabei außer Betracht bleibt, dass die Tstigkeit des Insolvenzverwalters zu einem nicht unerheblichen Teil auch darin besteht, Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen, die gar nicht zu Umsstzen fÅhren. Die FÅhrung der Insolvenztabelle, die PrÅfung der ange1 BFH v. 7.4.2005 – V B 187/04, BFH/NV 2005, 1640. 2 FG Sachsen v. 5.8.2002 – 3 K 366/01, BeckRS 2002 26020713; dem folgend der abweisende Nichtzulassungsbeschwerdebeschluss des BFH v. 8.4.2003 – V B 197/02 (NV). 3 So zu Recht FG Sachsen v. 5.8.2002 – 3 K 366/01, BeckRS 2002, 26020713. 4 FG Sachsen v. 5.8.2002 – 3 K 366/01, BeckRS 2002 26020713; dem folgend der abweisende Nichtzulassungsbeschwerdebeschluss des BFH v. 8.4.2003 – V B 197/02 (NV).

636

C. Umsatzsteuer

meldeten Forderungen und die DurchfÅhrung der Glsubigerversammlungen nehmen einen erheblichen Teil der Arbeitszeit des Insolvenzverwalters ein, die z.T. nicht einmal delegierbar sind – anders als die Verwertung von Massegegenstsnden. Es ksme daher zu unsachgemlßen Ergebnissen, wenn der Insolvenzverwalter aus der wenig zeitintensiven Versußerung der privaten Immobilie des Insolvenzschuldners einen großen Teil der spsteren Teilungsmasse erwirtschaftet, er aber im Hinblick auf die Abwicklung des ehemaligen Geschsftsbetriebs des Insolvenzschuldners Hunderte von Forderungen zu prÅfen, mehrere Glsubigerversammlungen durchzufÅhren, diverse Prozesse zu fÅhren und vielleicht sogar auch noch Insolvenzgeldbescheinigungen zu erstellen und steuerliche Angelegenheiten wahrzunehmen hat. Da all diese Tstigkeiten der Abwicklung des Unternehmens des Insolvenzschuldners zuzuordnen sind, ist auf den Teil der VergÅtung, der hierauf entfsllt, der Vorsteuerabzug zu gewshren. Als einzig tauglicher Aufteilungsmaßstab kommt daher der Zeitaufwand des Insolvenzverwalters in Betracht. Der Insolvenzverwalter sollte diesen daher sorgfsltig dokumentieren oder zumindest im Nachhinein eine plausible Grundlage fÅr eine Schstzung erstellen kÇnnen. Sicher unzureichend ist dabei eine Bezugnahme auf die Berichte, die der Insolvenzverwalter im Rahmen des Insolvenzverfahrens gegenÅber dem Insolvenzgericht erteilt hat oder die Bezugnahme auf die Schlussrechnung.

4.534

Der unternehmerischen Sphsre sind auch die Tstigkeiten zuzuordnen, die sowohl dem privaten als auch dem unternehmerischen Bereich des Insolvenzschuldners zuzuordnen sind, also beispielsweise die Verwertung einer Immobilie, die zugunsten eines Betriebsmittelkredits dinglich belastet war.1

4.535

Dient ein Insolvenzverfahren sowohl der Befriedigung von Verbindlichkeiten des – zum Vorsteuerabzug berechtigten – Unternehmens wie auch der Befriedigung von Privatverbindlichkeiten des Unternehmers, ist ebenfalls eine Aufteilung vorzunehmen. Nach Auffassung des BFH ist diese grundsstzlich im Verhsltnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten, die im Insolvenzverfahren jeweils als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden, vorzunehmen.2 Der BFH hat jedoch ausdrÅcklich offen gelassen, ob in anderen Fsllen auch eine andersartige sachgerechte Aufteilung zulsssig sein kann. Tatsschlich ist dies der Fall: Die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen werden sogar regelmsßig kein angemessenes Verhsltnis dafÅr abgeben, den Vorsteuerabzug aufzuteilen. Zu berÅcksichtigen ist nsmlich, dass sich aus der HÇhe der verwalteten Insolvenzmasse und aus der Intensitlt der Arbeitsleistung des Insolvenzverwalters die HÇhe der VergÅtung ergibt, die wiederum Bemessungsgrundlage fÅr die entsprechende Umsatzsteuer ist. Dies zeigt, 1 Ebenso Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2105. 2 BFH v. 15.4.2015 – V R 44/14, ZIP 2015, 1239 = ZInsO 2015, 1328.

637

536

537

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

dass sich die HÇhe des Umsatzsteuerbetrages insgesamt nicht danach richtet, wie viele und welche Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet sind, sondern allein danach, was der Verwalter verwaltet und verwertet hat. Wollte man allein auf die Zusammensetzung der zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen abstellen, kÇnnte sich beispielsweise eine Situation einstellen, in der ein Insolvenzverwalter mit hohem Aufwand im Rahmen einer lang andauernden BetriebsfortfÅhrung eine verhsltnismsßig große Masse gebildet hat, die dann – weil betriebliche Glsubiger nur in untergeordnetem Umfange vorhanden waren – ganz Åberwiegend an private Glsubiger des Unternehmers verteilt werden wÅrden. In solchem Fall wsre offensichtlich, dass ein recht hoher Umsatzsteuerbetrag daraus resultieren wÅrde, dass eine große Masse gebildet, also eine große Berechnungsgrundlage vorhanden ist und erhebliche Zuschlsge zur VerwaltervergÅtung infolge der lang andauernden BetriebsfortfÅhrung zu gewshren sind. Die Vorsteuererstattung dann aber zu versagen, mit dem Verweis darauf, das Verhsltnis der Glsubiger sei ein anderes, ist nicht sachgerecht. Eine Aufrechnung der Finanzverwaltung gegen den VorsteuervergÅtungsanspruch, der sich aus der Rechnung des Insolvenzverwalters ergibt, ist mit Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO nicht zulsssig. Zu den Aufrechnungsbefugnissen der Finanzverwaltung s. Rz. 3.335 ff. Der Vorsteuerabzug zugunsten der Insolvenzmasse ist aber nur so lange mÇglich, wie das Insolvenzverfahren nicht aufgehoben oder eingestellt worden ist, es sei denn, die Nachtragsverteilung wsre wegen des zu erwartenden Erstattungsbetrages vorbehalten. Erfolgt die Aufhebung bzw. Einstellung des Insolvenzverfahrens, bevor die Erstattung erfolgt ist, kann die Finanzverwaltung mit diesem Erstattungsanspruch gegen Forderungen aufrechnen, die ihr gegen den (ehemaligen) Insolvenzschuldner aus dessen nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ausgeÅbten Tstigkeit entstehen. Mit Insolvenzforderungen, die am Insolvenzverfahren teilgenommen hatten, ist eine Aufrechnung nicht mÇglich, wenn und soweit diese von einer Restschuldbefreiung erfasst waren.

XXI. Vorsteuerabzug aus der VergÅtungsrechnung des vorllufigen Insolvenzverwalters Literatur Meyer, Keine Aufrechnung einer Insolvenzforderung des FA gegen einen sich aus dem VergÅtungsanspruch des vorlsufigen Insolvenzverwalters ergebenden Vorsteuerabzugsanspruch mÇglich, EFG 2006, 1142; Nickert, Verrechnung des Vorsteuerabzugsanspruchs aus der VergÅtung des vorlsufigen Insolvenzverwalters, ZInsO 2006, 722; Viertelhausen, Verrechnung von Vorsteuer aus der vorlsufigen Insolvenzverwaltung, UR 2008, 873.

Der vorlsufige Insolvenzverwalter stellt dem Insolvenzschuldner seine VergÅtung und seine Auslagen in Rechnung. Darin ist Umsatzsteuer ge638

C. Umsatzsteuer

sondert auszuweisen (§ 7 InsVV, § 14 UStG). Der Vorsteuerabzug steht dem Insolvenzschuldner zu, wenn das Insolvenzverfahren nicht zur ErÇffnung gelangt. Ist das Insolvenzverfahren erÇffnet, steht der Vorsteuerabzug dem Insolvenzverwalter fÅr die Insolvenzmasse zu. Der Vorsteuerabzug ist aber generell ausgeschlossen, wenn der Insolvenzschuldner nicht Unternehmer ist. Soweit sich die Tstigkeit des vorlsufigen Insolvenzverwalters zum Teil auf steuerfreie Umsstze und zum anderen Teil auf steuerpflichtige Umsstze bezieht, kann der Vorsteuerabzug ggf. entsprechend den fÅr die Aufteilung des Vorsteuerabzugs bei dem endgÅltigen Insolvenzverwalter aufzuteilen sein (Rz. 4.531 ff.). Auch im erÇffneten Insolvenzverfahren kann die Finanzverwaltung grundsstzlich mit einem Vorsteuererstattungsanspruch gegen eine Insolvenzforderung im Rang von § 38 InsO aufrechnen. Dieser Grundsatz erfshrt jedoch eine maßgebliche Einschrsnkung. Vor der Aufrechnung hat nsmlich die Zwangsverrechnung des § 16 Abs. 1 und 2 UStG Vorrang. Der einzelne Vorsteuerbetrag, der sich aus der Rechnung des vorlsufigen Insolvenzverwalters ergibt, begrÅndet nsmlich keinen eigenstsndigen VergÅtungsanspruch, sondern ist lediglich unselbstsndige Besteuerungsgrundlage, die bei der Berechnung der Umsatzsteuer zu berÅcksichtigen ist und (zuvÇrderst) in die Festsetzung der Umsatzsteuer eingeht.1 Aus einer Umsatzsteuer-Voranmeldung fÅr einen Besteuerungszeitraum nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens, die zu einer Steuerschuld fÅhrt, kÇnnen daher einzelne Vorsteuerabzugsbetrsge nicht ausgeschieden und durch Aufrechnung zum ErlÇschen gebracht werden, selbst wenn die zugrunde liegenden Leistungen vor InsolvenzerÇffnung erbracht worden sind.2 Erst wenn sich nach der Saldierung der Vorsteuer- und Umsatzsteuerbetrsge eines Voranmeldungszeitraumes ein Erstattungsanspruch zugunsten der Insolvenzmasse ergibt, kann die Finanzverwaltung dagegen aufrechnen. Die Aufrechnung ist dann mit Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) insoweit zulsssig, als der Erstattungsanspruch bereits vor InsolvenzerÇffnung begrÅndet ist (s. zur insolvenzrechtlichen Forderungsqualitst und Theorie der vollstsndigen Tatbestandsverwirklichung oben ausfÅhrlich Rz. 4.328 ff.); im xbrigen ist eine Aufrechnung nur mit Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) mÇglich.

4.538

Der Insolvenzschuldner bzw. die Insolvenzmasse darf die an den vorlsufigen Insolvenzverwalter bezahlte Umsatzsteuer jedoch nicht abziehen, wenn weder der vorlsufige Insolvenzverwalter eine Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer ausgestellt hat, noch im Beschluss des Insolvenzgerichts Åber die VergÅtung des vorlsufigen Insolvenzverwalters die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen ist.3 Der vorlsufige Insolvenzverwalter kann aber seine Rechnung ggf. berichtigen. Ist im Beschluss des Insolvenzgerichts die Umsatzsteuer nicht gesondert ausgewiesen, ist der

4.539

1 BFH v. 16.1.2007 – VII R 4/06, BStBl. II 2007, 747 = ZIP 2007, 829. 2 BFH v. 16.1.2007 – VII R 4/06, BStBl. II 2007, 747 = ZIP 2007, 829. 3 BFH v. 7.4.2005 – V B 187/04, BFH/NV 2005, 1640.

639

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

vorlsufige Insolvenzverwalter gleichwohl zur Ausstellung einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis berechtigt.1 ! Hinweis: Sofern durch die Zahlung der VergÅtung des vorlsufigen Insolvenzverwalters auf Grund der in dem Zahlungsbetrag beinhalteten Umsatzsteuer ein VorsteuervergÅtungsanspruch der Insolvenzmasse entsteht, ist die Finanzverwaltung dagegen zur Aufrechnung mit Insolvenzforderungen nicht berechtigt, weil das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Ziff. 3 InsO eingreift.2 Die Entscheidung lssst sich i.x. auf alle anderen Fslle von LeistungsbezÅgen des Insolvenzschuldners wshrend des vorlsufigen Insolvenzverfahrens Åbertragen. Eine Aufrechnung mit Steuerforderungen, die nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten gelten (§ 55 Abs. 4 InsO) ist jedoch zulsssig, soweit man § 55 Abs. 4 InsO nicht generell wegen der daran bestehenden Kritik einschrsnkt (vgl. dazu ausfÅhrlich oben Rz. 4.342 ff.).

XXII. Auswirkungen der Anzeige der Masseunzullnglichkeit

540

Gemsß § 208 InsO kann der Insolvenzverwalter Masseunzulsnglichkeit anzeigen, wenn zwar die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt sind, die Insolvenzmasse aber nicht ausreicht, um die fslligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfÅllen bzw. voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die sonstigen Masseverbindlichkeiten bei Fslligkeit zu erfÅllen. Nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit hat der Insolvenzverwalter eine gesnderte Befriedigungsreihenfolge zu beachten (§ 209 InsO). Die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit i.S.d. § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO ist gem. § 210 InsO ab Anzeige der Masseunzulsnglichkeit unzulsssig (Rz. 2.274 ff.; Rz. 3.215 ff.)

541

FÅr die Abgrenzung von Altmasse- und Neumasseverbindlichkeiten kann auf die zur Abgrenzung von Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten entwickelten Grundsstze zurÅck gegriffen werden (Rz. 4.327 ff.). Es kommt auch hier entscheidend darauf an, wann der Lebenssachverhalt verwirklicht wurde, der zur Steuerschuld des Insolvenzschuldners gefÅhrt hat. Ist der maßgebliche Teil des Lebenssachverhalts vor der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit verwirklicht worden, liegt eine Altmasseverbindlichkeit vor, andernfalls eine Neumasseverbindlichkeit. Ist vor der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit eine Vorsteuererstattung erfolgt, die auf Grund nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit erfolgter Umsatzsteuerberichtigung zurÅck zu erstatten ist, nimmt der RÅckzahlungsanspruch der Finanzverwaltung den Rang einer Altmasseverbindlichkeit ein.

1 BFH v. 7.4.2005 – V B 187/04, BFH/NV 2005, 1640. 2 BFH v. 2.11.2010 – VII R 6/10, BStBl. II 2011, 374 = ZIP 2011, 181 = DStRE 2011, 521.

640

D. Gewerbesteuer

D. Gewerbesteuer Literatur Arbeitskreis „Steuerliche Beratungshinweise des IDW“, Unternehmen in der Krise, Beiheft zu FN-IDW 12/2009; Bareis, Mindestbesteuerung und Liquidationszeitraum, DB 2013, 1265; Becker/Pape/Wobbe, Forderungsverzicht mit Besserungsschein – ein vermehrt genutztes Instrument zur xberwindung der Krise, DStR 2010, 506; Behrendt/Arjes/Jeziorski, Gewerbesteuer auf Gewerbesteuer bei Versußerung von Mitunternehmeranteilen nach der Unternehmensteuerreform, BB 2008, 1993; Bergmann, Einheitlicher Besteuerungszeitraum und Zwischenveranlagungen in Liquidation und Insolvenz, GmbHR 2012, 943; Bethmann/Mammen/ Sassen, Analyse gesetzlicher Ausnahmetatbestsnde zum Erhalt kÇrperschaftsteuerlicher Verlustvortrsge, StB 2012, 148; Blumenberg/Haisch, Die unionsrechtliche Beihilfeproblematik der Sanierungsklausel nach § 8c Abs. 1a KStG, FR 2012, 12; Bonertz, Wer ist Schuldner der Gewerbesteuer nach § 7 Satz 2 GewStG n.F. bei gewerbesteuerpflichtigen Mitunternehmeranteilsversußerungen?, DStR 2002, 795; Boochs, Steuerliche Auswirkungen des RegE-ESUG, BB 2011, 857; Braun/Geist, Forderungsverzichte im „Bermudadreieck“ von Sanierungsgewinn, Verlustverrechnung und Mindestbesteuerung, BB 2013, 351; Bretz/Gude, Beurteilung des neuen xberschuldungsbegriffs in der InsO anhand von Bilanzinformationen, ZInsO 2010, 515; Buth/Hermanns, Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten nach dem neuen IDW S 6, DStR 2010, 288; Cahn/Simon/Theiselmann, Nennwertanrechnung beim Debt Equity Swap!, DB 2012, 501; Carlp/Urbach, Beratung in der Krise: Steuerliche und zivilrechtliche Hinweise, KySDI 2010, 16896; DrÅen, Die Sanierungsklausel des § 8c KStG als europarechtswidrige Beihilfe, DStR 2011, 289; DrÅen/Schmitz, Zur Unionrechtskonformitst des Verlustuntergangs bei KÇrperschaften, GmbHR 2012, 485; Ebbinghaus/Osenroth/Hinz, SchuldÅbernahme durch Gesellschafter als Sanierungsinstrument unter BerÅcksichtigung der Schenkungsteuer, BB 2013, 1374; Ehlers, Sanierung mit oder ohne Insolvenz, ZInsO 2010, 257; Ehlers/Meimberg, Die steuerrechtlichen Konsequenzen der Betriebsaufgabe einer GmbH in der Krise, ZInsO 2010, 1726; Ekkenga, Neuerliche Vorschlsge zur Nennwertanrechnung beim Debt-Equity-Swap – Erkenntnisfortschritt oder Wiederbelebungsversuche am untauglichen Objekt?, DB 2012, 331; Endres, Zinsabschlagsteuern und Insolvenzrechnungslegung, ZInsO 2011, 258; Farle, Verbindlichkeiten in der Liquidation – xberprÅfung verbindlicher AuskÅnfte, DStR 2012, 1590; Fichtelmann, Die Beendigung des GewinnabfÅhrungsvertrags und ihre Auswirkungen auf die Organschaft, GmbHR 2010, 576; Fromm, Der Debt-Equity-Swap als Sanierungsbeitrag im Zeitpunkt der xberschuldung, ZInsO 2012, 1253; Fuhrmann, Liquidation der GmbH im Zivil- und Steuerrecht, KySDI 2005, 14906; Geist, Die ordentliche Liquidation einer GmbH unter dem Einfluss von Mindestbesteuerung und steuerfreiem Sanierungsgewinn, GmbHR 2008, 969; Giltz/Kuth, Mindestbesteuerung – Situation im Insolvenzverfahren, DStR 2005, 184; Haarmeyer, Insolvenzrechnungslegung, ZInsO 2010, 412; Haase/Dorn, Forderungsverzicht als zwingende Folge der Liquidation einer verbundenen Unternehmung?, BB 2011, 2907; Hans/Engelen, Wegfall der Mantelkaufregelung durch das Unternehmensteuerreformgesetz, NWB Nr. 24 v. 11.6.2007, 1981; Harder, Gewerbesteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen – Anmerkung zur VerfÅgung der OFD Magdeburg v. 21.3.2013, ZInsO 2013, 1070; Herzig, Ertragsteuerliche Begleitmaßnahmen zur Modernisierung des Insolvenzrechts, WPg 2011, Sonderheft, 27; Hidien, Staatliche Gewerbesteuerpflicht und gemeindliches Gewerbesteuerertragsrecht, ZKF 2004, 29; Hoffmann, Der Debt-Mezzanine-Swap, StuB 2012, 417; Horst, xberblick Åber Entschuldungsinstrumente und ihre bilanz- und steuerrechtlichen Auswirkungen, DB

641

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz 2013, 656; Janssen, Sanierungserlass nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens, NWB 23/2010, 1854; Jochum, Systemfragen zu Mantelkauf und Sanierungsklausel, FR 2011, 497; Das BVerfG als HÅter der Gewerbesteuer?, StB 2005, 254; Kahlert, Passivierung eines RangrÅcktritts in der Steuerbilanz, NWB 26/2012, 2141; Kahlert/Eversberg, Insolvenz und GemeinnÅtzigkeit, ZIP 2010, 260; Kahlert/Gehrke, Der RangrÅcktritt nach MoMiG im GmbH-Recht: Insolvenz- und steuerrechtliche Aspekte, DStR 2010, 227; Kahlert/Schmidt, LÇst ein Forderungsverzicht zu Sanierungszwecken nach § 7 Abs. 8 ErbStG Schenkungsteuer aus?, DStR 2012, 1208; Karl, Verfassungswidrigkeit oder teleologische Reduktion des § 8c KStG bei mittelbarer AnteilsÅbertragung von Verlustgesellschaften, BB 2012, 92; Klusmeier, Richtige Formulierung des qualifizierten RangrÅcktritts – aus steuerlicher Sicht, ZInsO 2012, 965; Kollruss, Abzug auslsndischer Gewerbesteuer als Betriebsausgabe in Deutschland trotz Nichtabzugsfshigkeit deutscher Gewerbesteuer nach § 4 Abs. 5b EStG, BB 2008, 1373; Kroener/Momen, Debt-Mezzanine-Swap – Die OFD Rheinland auf dem Irrweg?, DB 2012, 829; Krumm/Wolf, Der Unternehmenserwerb aus der Insolvenzmasse, NWB 43/2010, 3465; Lambrecht, „Sie kÇnnen nicht einmal Bilanzen lesen“ – Zur Bestellung von Juristen als Insolvenzverwalter, DZWIR 2010, 22; Ley, Ertragsbrennpunkte bei der Liquidation einer GmbH & Co. KG, KySDI 2005, 14815; Lindner, Verfassungswidrigkeit der Gewerbeertragsteuer und der Abfsrberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG?, StuB 2004, 659; Maile, SchenkSt beim Forderungsverzicht im Sanierungsfall?, DB 2012, 1952; Matzke, Der steuerbefreiende GemeinnÅtzigkeitsstatus in der Insolvenz, ZInsO 2010, 2314; Mertzbach, Aktuelle steuerliche Probleme im Insolvenzplanverfahren von Kapitalgesellschaften, GmbHR 2013, 75; Nayel, Aufrechterhaltung der Beschlagnahmewirkung im Schlusstermin am Beispiel von SteuererstattungsansprÅchen, ZInsO 2011, 153; Paulus, Durchbrechung der Grundsstze der eingeschrsnkten Erwerberhaftung beim Asset Deal fÅr Insolvenzforderungen aufgrund von § 25 HGB, ZInsO 2011, 162; Plewka/Herr, Gewerbesteuerfalle: Verlsngerung der fÅnfjshrigen Gewerbesteuer-Sperrfrist bei Betriebseinbringungen zu Buchwerten nach Formwechsel?, BB 2009, 2736; PÇhlmann/FÇlsing, Das Steuerprivileg von Stiftungen im Insolvenzverfahren, ZInsO 2010, 612; Pyszka/Hahn, AusgleichsansprÅche bei verunglÅckter umsatzsteuerrechtlicher Organschaft, GmbHR 2010, 689; Risthaus, Verdeckte Einlage durch Verzicht eines Gesellschafter-GeschsftsfÅhrers auf den „future-service“ seiner Pensionszusage, DStZ 2010, 212; RÇdder, Aktuelle gewerbesteuerliche Verschsrfungen und Probleme der pauschalierten Gewerbesteueranrechnung, JbFfSt 2002/2003, 92; Roth, Aufdeckung stiller Reserven im Insolvenzverfahren, FR 2013, 441; Schlagheck, Ertragsteuerliche Organschaft und Verlustnutzung, StuB 2004, 401; Schmid; Der erfolgswirksame RangrÅcktritt – Die BFH-Entscheidung des I. Senats v. 30.11.2011 – I R 100/10, FR 2012, 837; Schmittmann, xberlegungen zur Haftung des Sanierungsberaters, ZInsO 2011, 545; Schwenker/Fischer, Restrukturierungsmaßnahmen in der Krise der GmbH, DStR 2010, 1117; Tetzlaff/Weichhaus, Grundlagen der Gewerbesteuer, SteuerStud 2006, 576; Uhlnnder, Der Steuerberater als Lotse in der Krise des Mandanten!, Gast-Editorial, NWB 26/2012, 2113; Steuern als Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO – xberblick zur Neuregelung ab dem 1.1.2011, AO-StB 2011, 84; Aktuelle Entwicklungen im Insolvenzsteuerrecht 2010, AO-StB 2010, 81; Weitnauer, Der RangrÅcktritt – Welche Anforderungen gelten nach aktueller Rechtslage?, GWR 2012, 193; Wiese, Der Untergang des Verlustund Zinsvortrags bei KÇrperschaften, DStR 2007, 741; Willeke, Klare Anforderungen an Sanierungskonzepte, StuB 2013, 144; Wohltmann, KÇrperschaftsteuer und Gewebesteuer in der Liquidation, NWB Nr. 13 v. 23.3.2009, 950; Wollweber, Honorarsicherung in der wirtschaftlichen Krise des Mandanten, DStR 2010, 1801.

642

D. Gewerbesteuer

I. Grundlagen Die Gewerbesteuer wird gem. § 1 GewStG als Gemeindesteuer erhoben.1 § 1 GewStG beinhaltet seit dem 1.1.2004 nicht nur die Berechtigung der Gemeinden, sondern auch deren Verpflichtung zur Erhebung der Gewerbesteuer.2 Ziel der EinfÅhrung der Verpflichtung zur Erhebung der Gewerbesteuer durch die Gemeinden ist die AuflÇsung der sog. „GewerbesteuerOasen“.3 Historisch betrachtet, beruht die EinfÅhrung der Gewerbesteuer auf der zquivalenztheorie. Den Gemeinden sollte die MÇglichkeit gegeben werden, die Gewerbesteuer zur Kostendeckung fÅr die Erhaltung der Infrastruktur zu erheben, welche den Gemeinden durch die Ansiedlung und das Bestehen von Gewerbebetrieben entstehen.4

4.542

Bei der Gewerbesteuer handelt es sich um eine Objektsteuer, oder auch Realsteuer genannt,5 die nicht an die persÇnliche Leistungsfshigkeit einer Person anknÅpft,6 sondern auf eine Sache, ein GrundstÅck oder einen Gewerbebetrieb erhoben wird.7 Jeder im Inland bestehende und betriebene Gewerbebetrieb hat die Gewerbesteuer gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG zu leisten.8 Als Gewerbebetrieb wird ein gewerbliches Unternehmen i.S.d. Einkommensteuergesetzes verstanden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Nach § 15 Abs. 2 EStG handelt es sich um einen Gewerbebetrieb, wenn eine selbstsndige nachhaltige Betstigung mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen und diese Betstigung zur Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr ausgeÅbt wird. Dabei darf es sich nicht um eine AusÅbung im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft, eines freien Berufes oder einer anderen selbstsndigen Tstigkeit handeln. In einem solchen Fall liegt kein Gewerbebetrieb vor.

4.543

Gemsß § 5 Abs. 1 Satz 1, 2 GewStG ist der Unternehmer der Schuldner der Gewerbesteuer und damit das Steuersubjekt.9 Unternehmer im Sinne dieser Vorschrift ist derjenige, fÅr dessen Rechnung der Gewerbebetrieb ausgeÅbt wird.10 Eine Gesellschaft schuldet die Gewerbesteuer gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG, soweit es sich um eine Personengesellschaft handelt, welche ein eigenes gewerbliches Unternehmen i.S.v. § 2 Abs. 1

4.544

1 Hnsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 23.52; GÅroff in Glanegger/GÅroff, § 1 GewStG Rz. 2. 2 Montag in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 12 Rz. 1. 3 GÅroff in Glanegger/GÅroff, § 1 GewStG Rz. 16. 4 Dinkelbach, Ertragsteuern, S. 367. 5 Birk, Steuerrecht, Rz. 1352. 6 BFH v. 7.3.2007 – I R 60/06, BStBl. II 2007, 654; Reichert, Lehrbuch der Gewerbesteuer, S. 22. 7 Schneider, Finanz und Steuern, Band 16, Lexikon des Steuerrechts, S. 285. 8 Maus in Uhlenbruck, § 80 InsO Rz. 56. 9 Maus in Uhlenbruck, § 80 InsO Rz. 56. 10 Montag in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 12 Rz. 15; Selder in Glanegger/GÅroff, § 5 GewStG Rz. 3.

643

545

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

GewStG darstellt.1 Dient das Unternehmen hinsichtlich der Einkommenund KÇrperschaftsteuer einem der Gesellschafter als Betriebststte, so ist nicht die Gesellschaft, sondern der Unternehmer selbst Steuerschuldner.2 Der Gewerbeertrag i.S.d. § 6 GewStG liegt der Gewerbesteuer als Besteuerungsgrundlage zugrunde.3 Bis 1998 wurde als Besteuerungsgrundlage neben dem Ertrag auch das Gewerbekapital bei der Bemessung der HÇhe der Gewerbesteuer berÅcksichtigt.4 Der Berechnung des Gewerbeertrages liegt gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 GewStG der einkommensteuerrechtliche oder der kÇrperschaftsteuerrechtliche zu ermittelnde Gewinn eines Gewerbebetriebes zugrunde, welcher durch Hinzurechnungen i.S.d. § 8 GewStG und KÅrzungen nach § 9 GewStG entsprechend angepasst wird, so dass das Ergebnis der Berechnung in der Regel die Ertragsfshigkeit eines Betriebes darstellt.5 Zum Gewerbeertrag zshlt nach § 7 Abs. 1 Satz 2 GewStG auch der Gewinn, welcher sich aus der Versußerung oder der Aufgabe des Gewerbebetriebes ergibt. Der Gewerbeertrag wird durch GrÅndungskosten oder durch den Erwerb eines Gewerbebetriebes nicht gemindert. Ebenso fÅhren Finanzierungskosten fÅr die GrÅndung oder den Erwerb eines Gewerbebetriebes nach § 8 Ziff. 1, 2 GewStG nicht zu einer Minderung des Gewerbeertrages.6 Das Finanzamt stellt den Gewerbesteuermessbetrag nach §§ 11, 14 GewStG anhand des errechneten Gewerbeertrages fest und erlssst sodann den Gewerbesteuermessbescheid.7 Daraufhin setzt die jeweilige Gemeinde unter BerÅcksichtigung ihres jeweiligen Hebesatzes die Gewerbesteuer gem. § 16 GewStG fest. Das Recht der Erhebung und der Festsetzung der Gewerbesteuer kommt ausschließlich den Gemeinden zu.8 Die HÇhe der Gewerbesteuer bemisst sich an dem Gewerbeertrag eines Gewerbebetriebes und wird fÅr einen Bemessungszeitraum festgelegt. Zur Ermittlung der HÇhe der Gewerbesteuer ist der Bemessungszeitraum zumeist das Kalenderjahr gem. § 10 Abs. 1, § 14 Satz 2 GewStG, so dass der Steuermessbetrag nach dem Ablauf des Erhebungszeitraumes festgesetzt wird.9 Der Erhebungszeitraum bei Unternehmen, deren Wirtschaftsjahr, fÅr das sie regelmsßig AbschlÅsse machen, vom Kalenderjahr abweicht, ist nach § 10 Abs. 2 GewStG nicht das Kalenderjahr, sondern das unternehmensbedingte Wirtschaftsjahr.10

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Birk, Steuerrecht, § 6 Rz. 1376–1380. Montag in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 12 Rz. 15. Maus in Uhlenbruck, § 80 InsO Rz. 56. Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1851. Birk, Steuerrecht, § 6 Rz. 1382. BFH v. 7.3.2007 – I R 60/06, BStBl. II 2007, 654. GÅroff in Glanegger/GÅroff, § 14 GewStG Rz. 2. Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1851. Montag in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 12 Rz. 17; GÅroff in Glanegger/GÅroff, § 14 GewStG Rz. 4. 10 GÅroff in Glanegger/GÅroff, § 10 GewStG Rz. 3.

644

D. Gewerbesteuer

II. Praktische Bedeutung der Gewerbesteuer im Insolvenzverfahren Die ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens Åber das SchuldnervermÇgen tangiert die Pflicht zur Leistung der Gewerbesteuer gem. § 4 Abs. 2 GewStDV nicht.1 Nach § 4 Abs. 1 GewStDV bleibt der aufgegebene oder aufgelÇste Gewerbebetrieb bis zur Beendigung der Aufgabe oder Abwicklung Steuergegenstand. Der im Zeitraum der Abwicklung entstandene Gewerbeertrag wird gem. § 16 GewStDV auf die Jahre des Abwicklungszeitraumes verteilt.2 Allerdings bestehen gesetzliche Normierungen hinsichtlich der Auswirkung der ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens auf das formelle und materielle Steuerrecht nicht im Steuerrecht und auch nicht im Insolvenzrecht.3 In der Literatur wie auch in der Rechtsprechung galt seit der Entscheidung des Reichsfinanzhofes vom 25.10.1926 der Vorrang des Insolvenzrechts vor dem Steuerrecht.4 Diesem Grundsatz wird mittlerweile nicht mehr uneingeschrsnkt gefolgt. Unter den Oberbegriff des „Insolvenzsteuerrechts“ fallen die Bereiche der Geltendmachung und Durchsetzung der bis zur InsolvenzverfahrenserÇffnung entstandenen Steuerforderungen und zum anderen die Steuerforderungsentstehung und das Verfahren im erÇffneten und laufenden Insolvenzverfahren.5

4.546

FÅr die Ermittlung des Messbetrages im Jahr der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens wird das ganze Jahr als Bemessungsgrundlage fÅr die Gewerbesteuer herangezogen, da der Veranlagungszeitraum durch die ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens nicht unterbrochen wird. Der Zeitpunkt der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ist insoweit relevant, dass die von der jeweiligen Gemeinde zu erhebende Gewerbesteuer je nach ihrer zeitlichen BegrÅndung entweder als Insolvenzforderung gem. § 38 InsO oder als Masseverbindlichkeit gem. § 55 InsO zu behandeln ist.6

4.547

III. Insolvenzrechtliche Qualitlt der Gewerbesteuerschuld Bei der Gewerbesteuerschuld kann es sich entweder um eine Insolvenzforderung gem. § 38 InsO oder um eine Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 InsO handeln. Insolvenzforderungen sind Forderungen gegen den Insolvenzschuldner, die im Zeitpunkt der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens begrÅndet sind; sie sind zum Zwecke ihrer Geltendmachung zur Insolvenztabelle anzumelden, § 174 InsO. Masseverbindlichkeiten sind solche 1 SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 105. 2 Maus in Uhlenbruck, § 80 InsO Rz. 56; Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1867. 3 Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 20. 4 Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 20; RFH v. 25.10.1926 – GrS 1/26, RFHE 19, 355 ff. 5 Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 24 Rz. 2, 4. 6 Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1852.

645

4.548

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Verbindlichkeiten, die unter den in § 55 InsO beschriebenen Voraussetzungen nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens begrÅndet werden.

549

Die Gewerbesteuer ist als Insolvenzforderung nach § 38 InsO zu behandeln, wenn sie im Zeitpunkt der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens >bereits begrÅndet ist. Hinsichtlich der BegrÅndung einer Forderung i.S.d. § 38 InsO besteht Uneinigkeit in Rechtsprechung und Literatur (Rz. 4.327 ff.). Zur Feststellung, wann eine Forderung im insolvenzrechtlichen Sinne begrÅndet ist, kommt es auf die steuerrechtliche Entstehung des Anspruchs nicht an. Eine Steuerforderung ist nach zutreffender Ansicht als Insolvenzforderung zu behandeln, wenn der Kern des zivilrechtlichen Sachverhalts, auf welchem die Entstehung des Steueranspruchs basiert, vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht wurde. Handelt es sich um eine Abschlusszahlung der Gewerbesteuer, bei der der Zeitraum der Veranlagung vor der InsolvenzverfahrenserÇffnung liegt und ist die Fslligkeit der Gewerbesteuerforderung zur Zeit der VerfahrenserÇffnung noch nicht eingetreten, spricht man von einer „betagten Forderung“, welche der Anmeldung zur Insolvenztabelle bedarf. Nach § 21 GewStG entstehen die Vorauszahlungen auf die Gewerbesteuer mit Beginn des Kalendervierteljahres, fÅr welches die Vorauszahlungen zu leisten sind. Bei diesen Vorauszahlungen auf die Gewerbesteuer handelt es sich um Insolvenzforderungen, soweit die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens am ersten Tag des Kalendervierteljahres oder danach stattfindet.1

550

Als Masseforderung ist die Gewerbesteuer zu behandeln, wenn sie nach ErÇffnung bzw. im laufenden Insolvenzverfahren begrÅndet worden ist. Steuerschuldner bleibt der Unternehmer bzw. die Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft. Insolvenzschuldner und Steuerschuldner sind in diesem Fall personengleich.2 Die Forderungen der Gemeinde als Masseglsubiger sind dann nach § 53 InsO aus der Insolvenzmasse vor den Insolvenzglsubigern zu befriedigen.3 Gewerbesteuerforderungen der hebeberechtigten Gemeinde sind insbesondere bei der BetriebsfortfÅhrung Masseverbindlichkeiten. Ebenso gelten nach § 55 Abs. 2 InsO durch einen vorlsufigen Insolvenzverwalter nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens begrÅndete Steuerforderungen als Masseverbindlichkeiten, sofern die VerfÅgungsbefugnis Åber das VermÇgen des Schuldners auf den vorlsufigen Insolvenzverwalter Åbergegangen ist. Steht dem Insolvenzschuldner nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ein RÅckerstattungsanspruch aufgrund einer Vorauszahlung zu viel geleisteter Gewerbesteuer gegen die Gemeinde zu, so fsllt dieser Anspruch in die Insolvenzmasse.4

1 2 3 4

Maus in Uhlenbruck, § 80 InsO Rz. 59. Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 24 Rz. 50. Meyer/VerfÅrth, BB 2007, 862 (863, 864). Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 24 Rz. 51.

646

D. Gewerbesteuer

IV. Gewerbeertrag in der Insolvenz Der Gewerbeertrag dient gem. § 6 GewStG als Grundlage der Bemessung und Besteuerung der Gewerbesteuer. Nach § 7 Satz 1 GewStG ergibt sich der Gewerbeertrag aus dem nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und KÇrperschaftsteuergesetzes zu ermittelnden Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, welcher bei der Ermittlung des Einkommens fÅr den dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berÅcksichtigen ist. Dieser Betrag wird dann durch Hinzurechnungen oder KÅrzungen i.S.d. §§ 8, 9 GewStG entsprechend vermehrt oder vermindert.1 Aufgrund des vom Finanzamt errechneten Gewerbeertrages setzt das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag i.S.v. § 11 GewStG fest, woraufhin die hebeberechtigte Gemeinden ihren jeweiligen Hebesatz anwendet, um dann die endgÅltige HÇhe der Gewerbesteuer zu erhalten.2 Im Jahr der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens wird der Gewerbeertrag nach den allgemeinen gewerbesteuerrechtlichen Regelungen fÅr das gesamte Veranlagungsjahr bestimmt.3

4.551

Nach § 16 Abs. 1 GewStDV wird der bei einem in der Abwicklung befindlichen Gewerbebetrieb im Zeitraum der Abwicklung entstandene Gewerbeertrag auf die Jahre des Abwicklungszeitraumes verteilt. Das gilt nach § 16 Abs. 2 GewStDV auch fÅr Gewerbebetriebe, Åber deren VermÇgen das Insolvenzverfahren erÇffnet ist. Der Abwicklungszeitraum beginnt aber erst mit der Verwertung des Unternehmens und nicht bereits mit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens. Das bedeutet fÅr den Fall der FortfÅhrung des Gewerbebetriebes durch den Insolvenzverwalter, dass der Abwicklungszeitraum in das Jahr fsllt, in welchem mit der Abwicklung begonnen wird.4 Die Steuerschuld wird auf die einzelnen Jahre des Insolvenzverfahrens verteilt. Die Verteilung erfolgt in der Weise, dass die Zahl der einzelnen steuerpflichtigen Monate der Jahre des Insolvenzverfahrens in Verhsltnis zur Gesamtzahl der Monate gesetzt wird. Nach Ablauf des Erhebungszeitraumes wird der Steuermessbetrag von dem zustsndigen Finanzamt festgesetzt.5 Bei der Festsetzung der Steuermessbetrsge fÅr den Gewerbeertrag muss die Zeit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens in der Weise beachtet werden, dass eine Aufteilung des Messbetrages fÅr die jeweiligen Zeitrsume vor und nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens im Verhsltnis des vor und nach VerfahrenserÇffnung erzielten Gewinns steht.6 Nach § 14 Satz 2 GewStG ist der Erhebungszeitraum das Kalenderjahr. Handelt es sich nicht um einen Einzelunternehmer oder eine Personengesellschaft, sondern um eine Kapitalgesellschaft, ist zu berÅcksich-

4.552

1 2 3 4 5

Dinkelbach, Ertragsteuern, S. 381. Birk, Steuerrecht, Rz. 1417. Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1866. Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1866. Beck/Deprp, Praxis der Insolvenz, § 35 Rz. 62; Maus in Uhlenbruck, § 80 InsO Rz. 58. 6 Buth/Hermanns, Restrukturierung, § 24 Rz. 90.

647

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

tigen, dass der Gewinn aus der Versußerung oder Verwertung des Gewerbebetriebes in die Berechnung des Gewerbeertrages mit einfließen muss.1 Hinsichtlich des Veranlagungszeitraumes bei Einzelunternehmern und Personengesellschaften muss beachtet werden, dass die Gewerbesteuerpflicht nicht zwangslsufig bis zum Ende des Abwicklungszeitraumes besteht, sondern bereits mit Beendigung der werbenden Tstigkeit erlischt.2

V. Dauer der Gewerbesteuerpflicht

553

Die Gewerbesteuerpflicht entsteht mit ErfÅllung der Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG,3 bei Personengesellschaften und Einzelunternehmen also mit der Aufnahme des Geschsftsbetriebes. Das bedeutet, dass alle Voraussetzungen fÅr die TstigkeitsausÅbung eines Gewerbes vorliegen mÅssen. FÅr die Entstehung der Gewerbesteuerpflicht reichen reine Vorbereitungshandlungen des Unternehmers, wie die Anmietung von Geschsftsrsumen, nicht aus.4 Handelt es sich um einen Gewerbebetrieb kraft Rechtsform, also kraft Eintragung in das entsprechende Handelsregister, entsteht die Gewerbesteuerpflicht mit der Eintragung in das jeweilige Register, da es in einem solchen Fall auf die Art und den Umfang der jeweiligen Tstigkeit nicht mehr ankommt.5 Die Gewerbesteuerpflicht kann bei einer in das Handelsregister eingetragenen Gesellschaft auch schon vor der Eintragung entstehen, wenn diese bereits vor der Eintragung nach außen im Rahmen einer Vorgesellschaft in Erscheinung tritt und geschsftlich tstig wird.6

554

Die Rechtsform des Gewerbebetriebes ist ausschlaggebend fÅr die Bestimmung der Dauer bzw. der Beendigung der Gewerbesteuerpflicht.7

555

Die Gewerbesteuerpflicht von Einzelgewerbebetreibenden und Personengesellschaften endet gem. § 4 Abs. 2 GewStDV, wenn der Betrieb endgÅltig eingestellt worden ist, insbesondere mit Beendigung der werbenden Tstigkeit. Es wird nicht mehr von einer Betriebststigkeit gesprochen, wenn es lediglich noch um die Versußerung des restlichen Inventars des Betriebes geht.8 Der Insolvenzverwalter kann im Rahmen eines Insolvenzverfahrens den Betrieb fortfÅhren oder eine „Ausproduktion“ vornehmen. Diese Tstigkeiten des Insolvenzverwalters gehÇren zu den werbenden Tstigkeiten i.S.v. § 4 Abs. 2 GewStDV. Dagegen zshlt die Versußerung des

1 2 3 4 5 6 7 8

Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 1866. SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 109. Montag in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 12 Rz. 13. Dinkelbach, Ertragsteuern, S. 378. Dinkelbach, Ertragsteuern, S. 379. Dinkelbach, Ertragsteuern, S. 379. Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 7. Maus in Uhlenbruck, § 80 InsO Rz. 57; Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, § 24 Rz. 88.

648

D. Gewerbesteuer

SachanlagevermÇgens von Unternehmern und Personengesellschaften in Form von Verwertung der Insolvenzmasse nicht mehr zu den werbenden Tstigkeiten des Insolvenzverwalters.1 Ausschlaggebender Zeitpunkt fÅr die Beendigung der Gewerbesteuerpflicht ist somit der Zeitpunkt, auf den der Beginn der Versußerung der wesentlichen Grundlagen eines Gewerbebetriebes fsllt. Ein zeitliches Zusammentreffen von InsolvenzerÇffnung und Entfallen der Gewerbesteuerpflicht ist dabei nicht ausgeschlossen. Dies ist der Fall, wenn der Insolvenzverwalter von einer BetriebsfortfÅhrung aufgrund mangelnder Erfolgschancen absieht und lediglich die Versußerung des AnlagevermÇgens vornimmt.2 Ob die Betriebseinstellung mit oder ohne Zustimmung der Glsubigerversammlung erfolgt, ist unerheblich. Die Gewerbesteuerpflicht von Kapitalgesellschaften und sonstigen Gesellschaften i.S.d. § 2 GewStG ist allerdings erst mit der vollstsndigen AuflÇsung der Gesellschaft, insbesondere mit der gesamten Verteilung des GesellschaftsvermÇgens erloschen.3 Die Gewinne, welche aus der Versußerung des GesellschaftsvermÇgens gezogen werden, sind im Unterschied zu der Versußerung des GewerbebetriebsvermÇgens von Einzelgewerbebetreibenden und Personengesellschaften gewerbesteuerpflichtig.4 Die Tstigkeiten des Insolvenzverwalters im Rahmen der Insolvenzabwicklung werden demnach noch als gewerbliche Tstigkeiten behandelt.

4.556

Zur steuerlichen Auswirkung sog. Sanierungsgewinne s. Rz. 4.20 ff. Der Sanierungserlass5 ist weder eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung noch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift einer obersten LandesfinanzbehÇrde i.S.d. § 184 Abs. 2 AO. Deswegen hat der I. Senat des BFH im Jahre 2012 entschieden, dass sich aus dem Sanierungserlass bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags grundsstzlich keine Zustsndigkeit des Finanzamtes zur abweichenden Festsetzung aus sachlichen BilligkeitsgrÅnden nach § 163 Satz 1 AO ergebe; zustsndig dafÅr seien die Gemeinden.6

4.557

Darauf hat der Gesetzgeber reagiert und § 184 Abs. 2 S. 1 AO durch das ZollkodexAnpG dergestalt gesndert, dass die Befugnis, Realsteuermessbetrsge festzusetzen, nunmehr auch die Befugnis zu Maßnahmen nach § 163 S. 1 AO einschließt, soweit fÅr diese in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der obersten BundesfinanzbehÇrde Richtlinien aufgestellt worden sind. § 163 S. 1 AO regelt, dass Steuern niedriger fest-

1 2 3 4

Beck/Deprp, Praxis der Insolvenz, § 35 Rz. 61. Waza in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1857. Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 24 Rz. 89. Maus in Uhlenbruck, § 80 InsO Rz. 57; Beck/Deprp, Praxis der Insolvenz, § 35 Rz. 61. 5 BMF v. 27.3.2003 – IV A6 - S 2140-8/03, BStBl. I 2003, 240 = DStR 2003, 690. 6 BFH v. 25.4.2012 – I R 24/11, ZIP 2012, 1571 = DStR 2012, 1544.

649

558

559

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

gesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhÇhen, bei der Festsetzung der Steuer unberÅcksichtigt bleiben kÇnnen, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wsre. BezÅglich der Åbergesetzlichen Verlustverrechnung bei der Gewerbesteuer weist die OFD Nordrhein-Westfalen allerdings zu Recht darauf hin, dass nach wie vor § 184 Abs. 2 S. 2 AO zu beachten ist.1 Danach wirkt eine Maßnahme nach § 163 S. 2 AO nur insoweit auch fÅr den Gewerbeertrag, wie sie die gewerblichen EinkÅnfte als Grundlage fÅr die Festsetzung der Steuer vom Einkommen beeinflusst. Dies ist bei der Verlustverrechnung nach § 10a GewStG nicht der Fall. Der Sanierungserlass betrifft darÅber hinaus Billigkeitsmaßnahmen im Erhebungsverfahren wie die Stundung und den Erlass der auf den – nach Verlustverrechnung verbleibenden – Sanierungsgewinn entfallenden Steuer. Der Anwendungsbereich des § 184 Abs. 2 S. 1 AO ist diesbezÅglich jedoch bereits dem Grunde nach nicht erÇffnet, da § 184 AO das Festsetzungs- und nicht das Erhebungsverfahren betrifft.

VI. Aufrechnung durch die Gemeinde Die hebeberechtigte Gemeinde hat die MÇglichkeit, mit Insolvenzforderungen gegenÅber dem Insolvenzverwalter aufzurechnen, wenn der Insolvenzverwalter einen Anspruch gegen die Gemeinde auf teilweise RÅckerstattung der aufgrund von Vorauszahlungsbescheiden zu viel geleisteten Gewerbesteuer hat. In einem solchen Fall ist die Aufrechnung der Gemeinde zulsssig und verstÇßt nicht gegen § 96 Abs. 1 Ziff. 1 InsO, da der Erstattungsanspruch des Insolvenzverwalters aufschiebend bedingt mit Beendigung des Erhebungszeitraumes entsteht.2 FÅr die jeweiligen gegeneinander aufzurechnenden Forderungen gelten die allgemeinen Regelungen der §§ 387 ff. BGB i.V.m. § 226 AO. DiesbezÅglich mÅssen auch die insolvenzrechtlichen Ausnahmen der §§ 94 bis 96 InsO berÅcksichtigt werden (Rz. 3.335 ff.). Nach § 94 InsO bleibt die Aufrechnungslage auch nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bestehen. Die Aufrechnungserklsrung hat gegenÅber dem Insolvenzverwalter zu erfolgen und muss nicht zur Insolvenztabelle angemeldet werden.3

VII. Auswirkungen der Anzeige der Masseunzullnglichkeit Der Insolvenzverwalter wird mit der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit (§ 208 InsO) nicht von der Pflicht zur Abgabe von Steuererklsrungen fÅr den Insolvenzschuldner befreit. Die Pflicht zur Abgabe von Steuererkls-

1 OFD Nordrhein-Westfalen, Kurzinformation v. 6.2.2015 – Kurzinformation Gewerbesteuer Nr. 02/2015, FR 2015, 296 = DStR 2015, 1114. 2 Maus in Uhlenbruck, § 95 InsO Rz. 29. 3 Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 24 Rz. 52.

650

D. Gewerbesteuer

rung entfsllt nur bei Einstellung des Verfahrens mangels Masse gem. §§ 207, 211 InsO.1 Ist die Masseunzulsnglichkeit i.S.d. § 208 InsO gegenÅber dem Insolvenzgericht angezeigt, werden die Glsubiger in einer neuen Rangfolge i.S.v. § 209 Abs. 1 InsO befriedigt.2 An erster Stelle werden die Kosten fÅr das Insolvenzverfahren beglichen, danach die nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit begrÅndeten Masseverbindlichkeiten, welche nicht als Verfahrenskosten gelten, und schließlich die Åbrigen Masseverbindlichkeiten. Gewerbesteuerrechtliche Besonderheiten ergeben sich nicht. Zum Zwecke der Abgrenzung der als Altmasseverbindlichkeiten anzusehenden Gewerbesteuerbetrsge von den als Neumasseverbindlichkeiten anzusehenden Gewerbesteuerbetrsgen wird der Gewerbeertrag nach den allgemeinen gewerbesteuerrechtlichen Regelungen fÅr das gesamte Veranlagungsjahr, in das die Anzeige der Masseunzulsnglichkeit fsllt, bestimmt und die Gewerbesteuerschuld zeitanteilig aufgeteilt.

1 Nerlich/Kreplin/Damaschke, MÅnchener Anwaltshandbuch, Sanierung und Insolvenz, § 25 Rz. 16; Uhlnnder in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 502. 2 Wittig/Tetzlaff in MÅnchKomm/InsO, § 285 Rz. 16.

651

4.560

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

E. Kraftfahrzeugsteuer Literatur Busch/Hilbertz, Aufrechnung von Kraftfahrzeugsteuer im erÇffneten Insolvenzverfahren, ZInsO 2005, 195; Busch/Winkens, Insolvenzrecht, S. 34; Farr, Belastung der Masse mit Kraftfahrzeugsteuer, NZI 2008, 78.; Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 432 ff.; Kahlert/RÅhland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rz. 2499 ff.; Kling/SchÅppen/Ruh, MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 228 ff.; Looff, Kraftfahrzeugsteuerschuld im Insolvenzverfahren nach neuester BFH-Rechtsprechung, ZInsO 2008, 75; Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, Rz. 467 ff.; Menn, Kfz-Steuer im Insolvenzverfahren: Masseverbindlichkeit oder Forderung gegen das insolvenzfreie vermÇgen des Schuldners?, ZInsO 2009, 1189; Wohlers, Die Kraftfahrzeugsteuer im Insolvenzverfahren – Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit?, ZInsO 2002, 1074.

I. Grundlagen

561

Die Kraftfahrzeugsteuer ist Verkehrssteuer1 und dient dem Ausgleich fÅr die Beanspruchung der Çffentlichen Straßen.2 Kraftfahrzeuge i.S.d. KraftStG sind neben Kraftfahrzeugen auch Anhsnger. Die HÇhe der zu entrichtenden Steuer wird gem. § 12 KraftStG i.V.m. § 17 Abs. 2 FVG vom zustsndigen Finanzamt festgesetzt und kommt gem. Art. 106 Abs. 2 Ziff. 3 GG den Lsndern zu Gute. Die Kraftfahrzeugsteuer entsteht gem. § 6 KraftStG mit Beginn des in der Regel ein Jahr betragenden Entrichtungszeitraumes (§ 11 Abs. 1 KraftStG), wird also Åblicherweise im Voraus entrichtet. Sofern die Steuer halb- oder vierteljshrlich entrichtet wird, erhebt die BehÇrde ein Aufgeld von 3 % bzw. 6 % (§ 11 Abs. 2 KraftStG). Die Steuerschuld endet grundsstzlich mit Abmeldung des Kraftfahrzeugs, bei Kraftfahrzeugen i.S.d. § 5 Abs. 1 Ziff. 4 KraftStG mit Ablauf der Berechtigung bzw. mit Beendigung der widerrechtlichen Nutzung oder bei auslsndischen Kraftfahrzeugen nach Beendigung des Aufenthalts im Inland (§ 5 KraftStG). Subjekt der Kraftfahrzeugsteuer ist der Halter des Kraftfahrzeugs oder derjenige, der das Kraftfahrzeug widerrechtlich fÅhrt. Bei auslsndischen Kraftfahrzeugen richtet sich die Steuer gegen den, der das Kraftfahrzeug im Inland fÅhrt und bei Saisonfahrzeugen gegen die Person, der das Kennzeichen zugeteilt ist (§ 7 KraftStG).

562

Die Kraftfahrzeugsteuer knÅpft grundsstzlich an das Halten des Kraftfahrzeugs zum Verkehr auf Çffentlichen Straßen an, so dass es diesbezÅglich nicht auf das Eigentum am Kraftfahrzeug oder den Besitz daran ankommt. Im Fall der Insolvenz ist die Kenntnis des Insolvenzverwalters von der Existenz des Kraftfahrzeugs nicht erforderlich. Die Zulassung fÅhrt zu einer Haltervermutung, die auch im Insolvenzverfahren Bestand hat.3 1 BFH v. 27.6.1973 – II R 179/71, BStBl. II 1973, 807. 2 Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 18 Rz. 85. 3 BFH v. 29.8.2007 – IX R 4/07, BStBl. II 2010, 145 = ZIP 2007, 2081.

652

E. Kraftfahrzeugsteuer

Kein Steuerobjekt, weil von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, sind die Kraftfahrzeuge, die den Anforderungen des §§ 3 ff. KraftStG genÅgen. Dazu zshlen z.B. Fahrzeuge der Çffentlichen Hand, Fahrzeuge fÅr Schwerbeschsdigte oder Elektrofahrzeuge fÅr einen Zeitraum von fÅnf Jahren.

4.563

Bemessungsgrundlage fÅr die Kraftfahrzeugsteuer ist gem. § 8 KraftStG der Hubraum, beziehungsweise die Schadstoff- und Kohlendioxidemissionen, das Gesamtgewicht und die Gersuschemissionen. Danach richtet sich der dem § 9 KraftStG zu entnehmende Steuersatz. Der so ermittelte Steuersatz kann jedoch auch ermsßigt werden, so z.B. bei Schwerbeschsdigten, die nicht § 3a Abs. 1 KraftStG unterfallen (§ 3a Abs. 2 KraftStG).

4.564

II. Praktische Bedeutung der Kraftfahrzeugsteuer im Insolvenzverfahren Praktische Bedeutung erlangt die Kraftfahrzeugsteuer zumeist im Verbraucherinsolvenzverfahren, da besonders in diesen Fsllen die Pfsndbarkeit nach § 811 ZPO oder das Problem der Freigabe durch den Insolvenzverwalter von Bedeutung werden kÇnnen. In diesem Zusammenhang ist vor allem § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO von Bedeutung, der die Unpfsndbarkeit von Gegenstsnden anordnet, die der Schuldner zur Fortsetzung seiner Erwerbststigkeit benÇtigt. Ein Kraftfahrzeug ist vor allem dann unpfsndbar, wenn es benÇtigt wird, um die Arbeitsststte zu erreichen, bzw. die Arbeit ordnungsgemsß durchzufÅhren.1 Auch die Rechtsfolgen der Freigabe eines Kraftfahrzeugs an den Schuldner sind keineswegs trivial.

4.565

Bei Unternehmensinsolvenzen kommen immer wieder Fslle vor, in denen das schuldnerische Unternehmen eine Vielzahl von Kraftfahrzeugen unterhslt, die teilweise geleast sind oder im Außendienst benÇtigt werden. Dann kÇnnen kraftfahrzeugsteuerrechtliche Fragestellungen Gewicht bekommen, weil grÇßere Steuerbetrsge im Raume stehen kÇnnen. Im xbrigen ist die wirtschaftliche Bedeutung der Kraftfahrzeugsteuer im Insolvenzverfahren eher gering; andererseits sind es aber viele Fslle, fÅr die Fragen im Zusammenhang mit der Kraftfahrzeugsteuer relevant sind.

4.566

III. Insolvenzrechtliche Qualitlt der Kraftfahrzeugsteuerschuld Literatur Busch/App, Behandlung der Kraftfahrzeugsteuer im Insolvenzverfahren und im InsolvenzerÇffnungsverfahren, SVR 2010, 166; Busch/Brey/App, Behandlung der Kraftfahrzeugsteuer im Insolvenzverfahren und im InsolvenzerÇffnungsverfahren, SVR 2010 Heft 5, 166; Busch/Hilbertz, Aufrechnung von Kraftfahrzeugsteuer im erÇffneten Insolvenzverfahren, ZInsO, 2005, 195; Busch/Winkens, Insolvenzrecht, S. 34; Farr, Belastung der Masse mit Kraftfahrzeugsteuer, NZI 2008, 78; Gundlach/ 1 Becker in Musielak, § 811 ZPO Rz. 20.

653

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz Frenzel/Schirrmeister, Die Aufrechnung gegen SteuererstattungsansprÅche in der Insolvenz – Am Beispiel des Kfz-Steuer-Erstattungsanspruchs, DStR 2005, 1412; Hartmann, Kraftfahrzeugsteuer in der Insolvenz nach neuer BFH-Rechtsprechung, NZI 2012, 168; Horner/Rand, Kfz-Steuer: Massehaftung fÅr insolvenzfreies VermÇgen? – Neue Rechtsprechung und ein insolvenz-steuerverfahrensrechtliches LehrstÅck, NZI 2011, 898; Kahlert/RÅhland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rz. 2499 ff.; Klein/Humberg, Die Behandlung der Kraftfahrzeugsteuer im Falle der Insolvenz, JR 2008, 224; Kranenberg, Kraftfahrzeugsteuer in der Insolvenz – neuere Entwicklungen in der Rechtsprechung, NZI 2008, 81; Loof, Kraftfahrzeugsteuerschuld im Insolvenzverfahren nach neuester BFH-Rechtsprechung, ZInsO 2008, 75; Menn, Kfz-Steuer im Insolvenzverfahren: Masseverbindlichkeit oder Forderung gegen das insolvenzfreie VermÇgen des Schuldners?, ZInsO 2009, 1189; Roth, BFH zur Kraftfahrzeugsteuer: Masseverbindlichkeit trotz Freigabe, ZInsO 2008, 304; Sterzinger, Kraftfahrzeugsteuerpflicht im Insolvenzverfahren, DStR 2008, 1672; Wohlers, Die Kraftfahrzeugsteuer im Insolvenzverfahren – Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit?, ZInsO 2002, 1074.

567

Kraftfahrzeugsteuerschulden kÇnnen im Insolvenzverfahren den Rang von Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) oder von Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) einnehmen. Außerdem kÇnnen Kraftfahrzeugsteuerschulden das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners betreffen (Rz. 2.135 ff.); in solchen Fsllen ist die Kraftfahrzeugsteuerschuld nicht im Insolvenzverfahren, sondern trotz laufenden Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner geltend zu machen. Sofern es sich um eine Insolvenzforderung handelt, muss das Finanzamt seine Forderung zur Insolvenztabelle anmelden (§ 174 InsO) und wird anschließend bei der Verteilung des VerwertungserlÇses berÅcksichtigt.1 Handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit, so wird diese gem. § 53 InsO vorrangig aus der Insolvenzmasse befriedigt.

568

Ist die Haltereigenschaft des Schuldners bei InsolvenzverfahrenserÇffnung bereits beendet und sind dennoch Forderungen aus nicht entrichteter Kraftfahrzeugsteuer offen, so nehmen diese den Rang einfacher Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) ein.

569

Bei Fsllen, in denen der Insolvenzschuldner im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung Halter eines Kraftfahrzeuges ist, sind diverse Differenzierungen vorzunehmen.

570

IV. Steuerschuld fÅr massezugehÇrige Kraftfahrzeuge fÅr das Jahr der InsolvenzerÇffnung Soweit Kraftfahrzeugsteuer fÅr einen Entrichtungszeitraum, der bei InsolvenzerÇffnung bereits begonnen hat, nicht entrichtet ist, ist der Kraftfahrzeugsteuerbetrag aufzuteilen:2 Der Teil der Kraftfahrzeugsteuerschuld, der 1 Bork, EinfÅhrung in das Insolvenzrecht, Rz. 281. 2 BFH v. 16.9.2014 – II B 52/14, BFH/NV 2015, 240.

654

E. Kraftfahrzeugsteuer

auf die vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens im Entrichtungszeitraum bereits vergangenen Tage entfsllt, ist stets Insolvenzforderung (§ 38 InsO); der Teil der nicht entrichteten Kraftfahrzeugsteuerschuld, der auf die Tage nach der InsolvenzerÇffnung entfsllt, nimmt – soweit das Kraftfahrzeug in die Insolvenzmasse (§ 35 InsO) fsllt und die Haltereigenschaft des Insolvenzschuldners nicht vor Ablauf des Entrichtungszeitraumes endet – den Rang einer Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 InsO ein.1 Unterliegt das Fahrzeug wegen seiner ZugehÇrigkeit zur Insolvenzmasse nach § 80 InsO der Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis des Insolvenzverwalters, weist die Kraftfahrzeugsteuer, die aus dem Halten dieses Fahrzeugs resultiert, einen Bezug zur Insolvenzmasse auf, denn der Insolvenzverwalter kann Åber die Art und Weise seiner Verwendung oder Verwertung bestimmen und gegebenenfalls verhindern, dass weiterhin Kraftfahrzeugsteuer entsteht, indem er das Fahrzeug versußert oder außer Betrieb setzt und der ZulassungsbehÇrde dies anzeigt.2 Die nach InsolvenzerÇffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer fÅr ein zur Insolvenzmasse gehÇrendes Kraftfahrzeug ist Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO, solange die Steuerpflicht wegen der verkehrsrechtlichen Zulassung des Fahrzeugs auf den Schuldner noch andauert – und das Fahrzeug massezugehÇrig, also insbesondere weder unpflndbar noch freigegeben ist (vgl. Rz. 4.587) Unerheblich ist hingegen, ob es an einer tatsschlichen Nutzung des Kraftfahrzeuges zugunsten der Insolvenzmasse fehlt.3 Die Masseverbindlichkeit stÅtzt sich vielmehr auf eine der Halterstellung unwiderlegbar innewohnende Vermutung, dass der Halter das Kraftfahrzeug auch nutzt. Auf die tatsschliche Nutzung kommt es nicht an; maßgeblich fÅr die Beendigung der Haltereigenschaft ist der Zeitpunkt der Abmeldung, bzw. der Anzeige der Versußerung oder der Freigabe.4

4.571

V. Steuerschuld fÅr massezugehÇriges Kraftfahrzeug ist bei InsolvenzerÇffnung im Voraus entrichtet In dem Fall, dass die Steuer bereits fÅr den Entrichtungszeitraum vor VerfahrenserÇffnung entrichtet worden ist, muss die auf die Tage nach VerfahrenserÇffnung entfallende Steuer entweder gegen den Insolvenzverwalter oder gegen den Schuldner festgesetzt werden. Dies hat die Folge, dass der vor VerfahrenserÇffnung vorausbezahlte Betrag vom Finanzamt der Masse zu erstatten ist, wobei das Finanzamt mit Insolvenzforderungen

1 BFH v. 16.11.2004 – VII R 62/03, BStBl. II 2005, 309 = ZIP 2005, 264; SchÅppen/ Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 228; Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2535. 2 BFH v. 13.4.2011 – II R 49/09, BStBl. II 2011, 944. 3 BFH v. 29.8.2007 – IX R 4/07, BStBl. II 2010, 145 = ZIP 2007, 2081. 4 BFH v. 29.8.2007 – IX R 4/07, BStBl. II 2010, 145 = ZIP 2007, 2081.

655

4.572

573

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

aufrechnet.1 Sofern das Kraftfahrzeug nach VerfahrenserÇffnung nicht im Rahmen der Verwaltung der Insolvenzmasse vom Insolvenzverwalter genutzt, sondern dem Schuldner freigegeben wird oder wegen Unpfsndbarkeit kraft Gesetzes nicht Gegenstand des Insolvenzverfahrens ist (§ 36 Abs. 1 InsO), ist die Steuer von dem Schuldner aus dem insolvenzfreien VermÇgen oder Erwerb zu tragen. Der im Voraus entrichtete Betrag ist gleichwohl an die Masse zu erstatten (und nicht etwa dem Schuldner in sein insolvenzfreies VermÇgen) bzw. kann durch die Finanzverwaltung gegen Insolvenzforderungen aufgerechnet werden.2 Aber auch wenn der Insolvenzverwalter das Fahrzeug im Rahmen der Verwaltung der Insolvenzmasse nutzt und folglich aus derselben die Kraftfahrzeugsteuer als Masseforderung ungekÅrzt entrichten muss, erÅbrigt sich eine Festsetzung der wshrend des Insolvenzverfahrens entstehenden Kraftfahrzeugsteuer und eine Erstattung der im Voraus entrichteten Kraftfahrzeugsteuer nicht (und bleibt folglich dem Finanzamt die AufrechnungsmÇglichkeit gegen Insolvenzforderungen erhalten).3

VI. Kraftfahrzeugsteuerschuld bei Freigabe von (zunlchst) massezugehÇrigen Kraftfahrzeugen

574

Die Freigabe ist eine einseitig empfangsbedÅrftige Willenserklsrung,4 die bewirkt, dass der Insolvenzbeschlag des freigegebenen Gegenstands endet.5 Die Erklsrung ist weder widerruflich, noch kann der Schuldner ihr widersprechen,6 ausfÅhrlich zur Freigabe s. Rz. 2.143 ff.

575

In den meisten Fsllen wird im Insolvenzverfahren eine sog. echte Freigabe erfolgen, da sich fÅr die Masse aus der Nutzung des Kraftfahrzeuges oder dessen Verwertung kein Vorteil erzielen lssst, sondern im Gegenteil die Masse mit Kosten belastet wird.7 Voraussetzung einer Freigabe ist zwingend, dass das Kraftfahrzeug zum Zeitpunkt der Freigabe zur Masse gehÇrt; es darf sich also nicht um ein nach § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO bereits unpfsndbares Kraftfahrzeug handeln, das nach § 36 InsO nicht zur Insolvenzmasse gehÇrt. Ein solches nicht massezugehÇriges Kraftfahrzeug un-

1 BFH v. 16.9.2014 – II B 52/14, BFH/NV 2015, 240; v. 16.11.2004 – VII R 62/03, BStBl. II 2005, 309 = ZIP 2005, 264. 2 BFH v. 26.11.2013 – VII B 243/12, ZIP 2014, 979 m. Anm. Kahlert = BFH/NV 2014, 581; v. 16.11.2004 – VII R 62/03, BStBl. II 2005, 309 = ZIP 2005, 264. 3 BFH v. 16.11.2004 – VII R 62/03, BStBl. II 2005, 309 = ZIP 2005, 264. 4 Smid, Praxishandbuch Insolvenzrecht, § 7 Rz. 49. 5 Mohrbutter in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 6 Rz. 211. 6 Mohrbutter in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 6 Rz. 228, 229. 7 Vgl. dazu Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2540.

656

E. Kraftfahrzeugsteuer

terliegt nicht der VerfÅgungsbefugnis des Insolvenzverwalters, die sich aus § 80 Abs. 1 InsO ergibt, so dass es einer durch die Freigabe bewirkten Aufhebung der VerfÅgungsbefugnis auch gar nicht bedarf.1 Die Freigabe der selbstsndigen Tstigkeit des Insolvenzschuldners nach § 35 Abs. 2 InsO durch den Insolvenzverwalter ist dabei fÅr die Beurteilung der Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit oder insolvenzfreie Verbindlichkeit ohne Belang.2 Der BFH hat seine Rechtsprechung dahingehend gesndert dass Kraftfahrzeugsteuer nur dann und nur so lange Masseverbindlichkeit ist, wie das Kraftfahrzeug Massebestandteil ist.3 Bei insolvenzfreien Fahrzeugen besteht kein Bezug der Kraftfahrzeugsteuer zur Insolvenzmasse. Dem Insolvenzverwalter ist es auch weder mÇglich noch besteht aus seiner Sicht ein BedÅrfnis dafÅr, das Entstehen von Kraftfahrzeugsteuer fÅr solche Fahrzeuge zu verhindern, da die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis des Insolvenzverwalters sich auf die zur Masse gehÇrenden VermÇgensgegenstsnde beschrsnkt. Ebenso wenig ist Kraftfahrzeugsteuer allein deshalb als Masseverbindlichkeit zu beurteilen, weil das (insolvenzfreie) Fahrzeug fÅr die Masse genutzt worden ist.

4.576

Nach der Freigabe ist die Kraftfahrzeugsteuer vom Insolvenzschuldner mit seinem insolvenzfreien VermÇgen geschuldet. Kann der Schuldner die nach der Freigabe anfallenden Kraftfahrzeugsteuerschulden nicht bezahlen, kann die FinanzbehÇrde nach § 14 KraftStG vorgehen.4

4.577

Einstweilen frei.

4.578–4.579

VII. Kraftfahrzeugsteuer bei unpflndbaren Kraftfahrzeugen Ein Kraftfahrzeug kann insbesondere gem. § 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO unpfsndbar sein.5 Diese Vorschrift soll einen Ausgleich zwischen den Belangen des Schuldners und des Glsubigers schaffen6 und vor allem dafÅr sorgen, dass der Schuldner seinen Lebensunterhalt weiter selbst erwirtschaften kann.7 Ein Kraftfahrzeug kann dann Gegenstand i.S.d. Vorschrift sein, wenn es mittelbar oder unmittelbar zur DurchfÅhrung der Arbeit benÇtigt wird.8 Dies ist z.B. bei Kundenbesuchen oder Transporten der Fall. Die 1 So auch Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2540. 2 BFH v. 8.9.2011 – II R 54/10, BStBl. II 2012, 149 = ZIP 2012, 42. 3 So auch FG Schl.-Holst. v. 8.3.2012 – 3 K 17/11, EFG 2012, 1382. 4 So auch Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2555. 5 Vgl. auch Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2538 f. 6 Becker in Musielak, § 811 ZPO Rz. 1. 7 Gruber in MÅnchKomm/ZPO, § 811 Rz. 34. 8 Gruber in MÅnchKomm/ZPO, § 811 Rz. 40; Becker in Musielak, § 811 ZPO Rz. 20.

657

4.580

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Vorschrift greift auch, wenn der Ehegatte das Kraftfahrzeug benÇtigt, jedoch nicht, wenn Çffentliche Verkehrsmittel in zumutbarer Weise zur VerfÅgung stehen.1 Das Kraftfahrzeug muss also dazu dienen, den gegenwsrtig bestehenden Arbeitsverpflichtungen nachzugehen bzw. es muss die hinreichend konkrete MÇglichkeit bestehen, dass in naher Zukunft eine solche Verpflichtung besteht.2

581

Gemsß § 36 InsO gehÇren Gegenstsnde, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse. Die Rechtsposition des „Halters“ eines Fahrzeugs fsllt nicht unter das VermÇgen i.S.v. § 35 InsO und gehÇrt folglich nicht zur Insolvenzmasse.3 Maßgeblich ist allein, ob das Fahrzeug Teil der Insolvenzmasse ist.4

582

Zu den Masseverbindlichkeiten gehÇren nach § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO solche Verbindlichkeiten, die sich aus der Verwaltung der Insolvenzmasse ergeben. Dies ist der Fall, wenn die Abgabenforderung selbst einen Bezug zur Insolvenzmasse aufweist und erst nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens begrÅndet wurde.5 Ein Kraftfahrzeug, das unter die Pfsndungsschutzvorschriften des § 811 ZPO fsllt und deswegen nicht der Zwangsvollstreckung unterliegt, gehÇrt gem. § 36 InsO nicht zur Insolvenzmasse.6 Bei insolvenzfreien Fahrzeugen besteht kein Bezug der Kraftfahrzeugsteuer zur Insolvenzmasse. Dem Insolvenzverwalter ist es insbesondere nicht mÇglich, das Entstehen von Kraftfahrzeugsteuer fÅr solche Fahrzeuge zu verhindern, denn die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis des Insolvenzverwalters erstreckt sich auf alle zur Masse gehÇrenden VermÇgensgegenstsnde, beschrsnkt sich aber auch auf diese.

583

Die Kraftfahrzeugsteuer ist auch nicht allein deshalb als Masseverbindlichkeit zu beurteilen, weil das (insolvenzfreie) Fahrzeug fÅr die Masse genutzt worden ist. Handelt es sich bei dem betroffenen Fahrzeug also um eine nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO pfsndungs- und somit insolvenzfreie Sache, ist die Kraftfahrzeugsteuer gegen den Schuldner festzusetzen.7

1 Gruber in MÅnchKomm/ZPO, § 811 Rz. 39; Becker in Musielak, § 811 ZPO Rz. 20. 2 Becker in Musielak, § 811 ZPO Rz. 19. 3 BFH v. 13.4.2011 – II R 49/09, BStBl. II 2011, 944; v. 8.9.2011 – II R 54/10, BStBl. II 2012, 149 = ZIP 2012, 42; Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2538. 4 BFH v. 8.9.2011 – II R 54/10, BStBl. II 2012, 149 = ZIP 2012, 42; FG Schl.-Holst. v. 8.3.2012 – 3 K 17/11, EFG 2012, 1382. 5 BVerwG v. 16.12.2009 – 8 C 9/09, NJW 2010, 2152 (2153). 6 BFH v. 13.4.2011 – II R 49/09, BStBl. II 2011, 944. 7 BFH v. 13.4.2011 – II R 49/09, BStBl. II 2011, 944 m.w.N.

658

E. Kraftfahrzeugsteuer

VIII. MÇglichkeit zur Beendigung der Kraftfahrzeugsteuerschuld der Insolvenzmasse Zur Beendigung der Kraftfahrzeugsteuerschuld der Insolvenzmasse gibt es mehrere MÇglichkeiten:

4.584

1. Außerbetriebsetzung Die Außerbetriebsetzung des Kraftfahrzeugs richtet sich nach § 14 FZV. FÅr diese muss der Halter – im Fall der Insolvenz der Insolvenzverwalter – die Zulassungsbescheinigung, die Anhsngerverzeichnisse und die Kennzeichen vorlegen. Bei nicht zulassungs-, aber kennzeichenpflichtigen Fahrzeugen sind der Nachweis Åber die Zuteilung des Kennzeichens oder die Zulassungsbescheinigung Teil I sowie das Kennzeichen vorzulegen. Folge der Abmeldung ist die Beendigung der Halterstellung. Mit Beendigung der Halterstellung endet auch die Haltervermutung. Das hat zur Folge, dass das Kraftfahrzeug ab dem Tag der Abmeldung nicht mehr steuerpflichtig ist (§ 5 Abs. 1 Ziff. 1 KraftStG) und keine Steuerforderungen mehr gegen die Masse entstehen.

4.585

2. Verlußerungsanzeige Die Versußerungsanzeige gem. § 13 Abs. 4 FZV hat zur Folge, dass das Fahrzeugregister berichtigt wird. Tritt ein Wechsel in der Person des Halters ein, hat der bisherige Halter oder EigentÅmer dies unverzÅglich der ZulassungsbehÇrde zum Zwecke der Berichtigung der Fahrzeugregister mitzuteilen. Die Mitteilung muss das Kennzeichen des Fahrzeugs, Namen, Vornamen und vollstsndige Anschrift des Erwerbers sowie dessen Beststigung enthalten, dass die Zulassungsbescheinigung und die Kennzeichenschilder Åbergeben wurden. Danach ist die Halterstellung des Versußerers beendet; eine Haltervermutung besteht nicht mehr. Demzufolge entfsllt ab diesem Zeitpunkt auch die an die Halterstellung anknÅpfende Steuerschuld.

4.586

3. Freigabe und deren Anzeige Die Anzeige der Freigabe hat die gleiche Wirkung wie die Anzeige der Versußerung nach § 13 Abs. 4 FZV, nsmlich die Beendigung der Halterstellung. Die Haltereigenschaft endet, wenn der Insolvenzverwalter die Freigabe des Kraftfahrzeugs der Zulassungsstelle unter Nennung des Kennzeichens und der Daten des Schuldners als neuem Halter anzeigt.1

1 BFH v. 10.3.2010 – II B 172/09, ZIP 2010, 1302 m. Anm. Meyer = NZI 2010, 497; so auch Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2548.

659

4.587

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Nach neuerer Rechtsprechung des BFH beendet allerdings schon die bloße Freigabe an sich die Entstehung von Masseverbindlichkeiten, weil dadurch der Bezug der Kraftfahrzeugsteuer zur Insolvenzmasse entfsllt.1 Auf eine der Beststigung des Erwerbers gleichzusetzende Beststigung des Schuldners kann verzichtet werden, da es sich bei der Freigabe, anders als bei der Versußerung, nicht um ein zweiseitiges Rechtsgeschsft handelt. Ebenso ist eine entsprechende Mitteilung an die FinanzbehÇrde zwar sinnvoll, aber nicht notwendig. Gibt der Insolvenzverwalter hingegen ein fremdes Fahrzeug aus der Insolvenzmasse frei, erkennt er lediglich bestehende Eigentumsrechte an und gibt damit einen massefremden Gegenstand dem Aussonderungsberechtigten frei, ist er nicht verpflichtet, dem Finanzamt den EigentÅmer eines Kfz zu nennen. Die Mitteilung, dass das Fahrzeug nicht im Eigentum der Insolvenzschuldnerin steht, reicht regelmsßig aus.2

IX. Kraftfahrzeuge mit Absonderungsrechten 1. SicherungsÅbereignung

588

Nicht selten sind Kraftfahrzeuge mit Absonderungsrechten belastet (Rz. 2.292 ff.). Bei der SicherungsÅbereignung wird der Sicherungsnehmer EigentÅmer des Kraftfahrzeugs. Der sicherungsÅbereignende Schuldner ist dann nicht mehr EigentÅmer, erhslt das Kraftfahrzeug aber weiterhin zur Nutzung Åberlassen. Somit bleibt es auch bei der SicherungsÅbereignung bei der Halterstellung des Schuldners.

589

Der Sicherungsnehmer ist gem. § 51 Ziff. 1 InsO absonderungsberechtigt. Dies hat zur Folge, dass das Kraftfahrzeug zwar zur Insolvenzmasse gehÇrt, der Sicherungsnehmer aber vorzugsweise aus dem Kraftfahrzeug zu befriedigen ist. Die Verwertung obliegt im Regelinsolvenzverfahren gem. §§ 166, 168 InsO grundsstzlich dem Insolvenzverwalter. Der ErlÇs aus der Verwertung ist nach Abzug der Feststellungs- und Verwertungskostenpauschalen (§§ 170, 171 InsO) und ggf. der Umsatzsteuer an den Absonderungsberechtigten abzufÅhren (Rz. 2.292 ff.). Entsteht bei der Verwertung ein xberschuss Åber den gesicherten Anspruch des Absonderungsberechtigten, so steht dieser der Masse zu.3 Soweit das Kraftfahrzeug im Regelinsolvenzverfahren zur Insolvenzmasse gehÇrt und im Rahmen des Insolvenzverfahrens verwertet wird, ist auch die auf die Zeit nach der InsolvenzerÇffnung entfallende Kraftfahrzeugsteuer ungeachtet etwaiger Absonderungsrechte Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO).

1 BFH v. 8.9.2011 – II R 54/10, BStBl. II 2012, 149 = ZIP 2012, 42. 2 FG Hamburg v. 12.12.2012 – 2 K 234/12, juris. 3 Vortmann in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 8 Rz. 91 ff.

660

E. Kraftfahrzeugsteuer

2. Unpflndbare Kraftfahrzeuge mit Sicherungsrechten Sofern Kraftfahrzeuge unpfsndbar sind (§ 811 ZPO i.V.m. § 36 InsO; Rz. 2.153 ff.) fehlt die MassezugehÇrigkeit. Das gilt auch dann, wenn Sicherungsrechte wie Sicherungseigentum oder Pfandrechte Dritter an im SchuldnervermÇgen stehenden unpfsndbaren Gegenstsnden bestehen. Es ist dann verfehlt, im Hinblick auf solche Sicherungsrechte von Absonderungsrechten zu sprechen, denn Absonderungsrechte kÇnnen per definitionem nur an Gegenstsnden der Insolvenzmasse bestehen (vgl. § 50 InsO). In Bezug auf unpfsndbare Kraftfahrzeuge fehlt es an der Halterstellung der Insolvenzmasse, so dass die Kraftfahrzeugsteuerschuld auch nicht die Insolvenzmasse, sondern das insolvenzfreie VermÇgen des Schuldners trifft. Hier gilt Gleiches wie fÅr unpfsndbare Kraftfahrzeuge im Allgemeinen (Rz. 4.584).

4.590

3. Freigabe bei Kraftfahrzeugen mit Absonderungsrechten Auch Kraftfahrzeuge, an denen Absonderungsrechte Dritter bestehen, kann der Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse freigeben. Das gilt sogar in Bezug auf Gegenstsnde, bei denen das Absonderungsrecht im Sicherungseigentum eines Dritten besteht. Durch die SicherungsÅbereignung erlangt der Sicherungsnehmer zwar Volleigentum im Sinne des BGB, gleichzeitig gehÇrt der Gegenstand jedoch zur Insolvenzmasse und ist insolvenzrechtlich „nur“ mit einem Absonderungsrecht des SicherungseigentÅmers belegt.1 Das nach BGB vollwertige Eigentum ist im Fall der Insolvenz also gerade kein vollwertiges Eigentum. Vielmehr hat der Insolvenzverwalter auf Grund der MassezugehÇrigkeit volle VerfÅgungsbefugnis Åber das Kraftfahrzeug. Er kann gem. §§ 166, 168 InsO auch freihsndig verwerten, sofern er das Kraftfahrzeug in Besitz hat. Aus der Befugnis zur Verwertung ergibt sich auch die Befugnis zur Freigabe. Der Freigabe an den Schuldner steht auch nicht die EigentÅmerstellung des Sicherungsnehmers entgegen,2 denn die Zulsssigkeit der Freigabe knÅpft an den Insolvenzbeschlag und nicht an die EigentÅmerstellung des Schuldners an. Dem Sicherungsnehmer wird durch die Freigabe sein Recht zur Befriedigung aus dem Gegenstand nicht genommen, denn dieses haftet dem Gegenstand an und besteht demnach auch nach der Freigabe unversndert fort.

4.591

Die Freigabe allein bewirkt allerdings nicht unmittelbar die Beendigung der Steuerpflicht der Insolvenzmasse (Rz. 4.574 f.). Auch die an die ZulassungsbehÇrde gerichtete Mitteilung des Insolvenzverwalters, dass die Freigabe erfolgt sei, reicht nach der jÅngsten Judikatur des BFH nicht aus.3

4.592

1 Ganter in MÅnchKomm/InsO, § 47 Rz. 53. 2 Vortmann in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 8 Rz. 213. 3 BFH v. 10.3.2010 – II B 172/09, ZIP 2010, 1302 m. Anm. Meyer = ZInsO 2010, 959 (959).

661

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Ein Insolvenzverwalter ist nicht verpflichtet, der FinanzbehÇrde den EigentÅmer eines Kraftfahrzeuges zu nennen. Die Mitteilung, dass das Fahrzeug nicht im Eigentum des Insolvenzschuldners steht, reicht regelmsßig aus.1 4. Verlußerung bzw. Abmeldung bei Kraftfahrzeugen mit Absonderungsrechten

593

Auch soweit an Kraftfahrzeugen Rechte Dritter bestehen, ist der Insolvenzverwalter – zumindest im Regelinsolvenzverfahren – gem. §§ 166, 168 InsO zur Verwertung berechtigt und kann ein Kraftfahrzeug versußern bzw. abmelden, soweit es nicht unpfsndbar ist, zu unpfsndbaren Kraftfahrzeugen s. Rz. 4.580 f. Die Steuerpflicht der Insolvenzmasse endet wie auch bei Kraftfahrzeugen, an denen keine Drittrechte bestehen, durch die Außerbetriebsetzung, die den Anforderungen des § 14 FZV2 genÅgt bzw. durch die Versußerungsanzeige, die den Anforderungen des § 13 FZV genÅgt (Rz. 4.586).

594

Einstweilen frei.

595

596

X. Kraftfahrzeug als insolvenzfreier Neuerwerb Der Insolvenzschuldner kann in seiner insolvenzfreien VermÇgenssphsre (Rz. 2.143 ff.) sowohl ein Kraftfahrzeug anschaffen, als es auch unterhalten. Soweit die Haltereigenschaft des Insolvenzschuldners erst nach der InsolvenzerÇffnung erfolgt, das Kraftfahrzeug nicht in die Insolvenzmasse fsllt und auch nicht zum Nutzen der Insolvenzmasse verwendet wird, ist die Kraftfahrzeugsteuerschuld originsre Verbindlichkeit des Schuldners mit seinem insolvenzfreien VermÇgen. Masseverbindlichkeiten kÇnnen hieraus nicht erwachsen.

XI. Auswirkungen der Anzeige der Masseunzullnglichkeit Die Anzeige der Masseunzulsnglichkeit gem. § 208 InsO hat gem. § 210 InsO zur Folge, dass die Vollstreckung wegen Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO unzulsssig wird. Nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit sndert sich die Befriedigungsreihenfolge der Glsubiger. Vorrang haben nun die Kosten des Verfahrens; daran schließen sich die Masseverbindlichkeiten an, die nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit begrÅndet werden bzw. dazu gehÇrende Verbindlichkeiten nach § 209 Abs. 2 InsO. Die Kraftfahrzeugsteuer, die nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist und zu den Masseverbindlichkeiten 1 FG Hamburg v. 12.12.2012 – 2 K 234/12, Haufe-Index 3642408. 2 Vgl. BFH v. 10.3.2010 – II B 172/09, ZIP 2010, 1302 m. Anm. Meyer = ZInsO 2010, 959 (959).

662

E. Kraftfahrzeugsteuer

zshlt, kann vollstsndig auch nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit gegen die Insolvenzmasse festgesetzt werden; die Vollstreckung ist aber nur noch wegen derjenigen Steuerbetrsge mÇglich, die nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit entstanden sind.1

XII. Kraftfahrzeugsteuer bei parallel bestehender Zwangsverwaltung Die nach InsolvenzerÇffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer fÅr ein Fahrzeug, das als ZubehÇr bereits vor InsolvenzerÇffnung durch Anordnung der Zwangsverwaltung Åber ein GrundstÅck beschlagnahmt worden war, ist keine Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO und daher nicht gegenÅber dem Insolvenzverwalter, sondern gegenÅber dem Zwangsverwalter festzusetzen.2 Die Verwaltungs- und Nutzungsbefugnis des Zwangsverwalters Åber das von der Beschlagnahme eines GrundstÅcks erfasste ZubehÇr besteht grundsstzlich fort, wenn nach der Beschlagnahme das Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Insolvenzschuldners erÇffnet wird. Zwar werden das GrundstÅck und dessen ZubehÇr aufgrund des fortgeltenden Eigentumsrechts des Vollstreckungsschuldners mit ErÇffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 35 Abs. 1 InsO Teil der Insolvenzmasse. Die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis Åber die im Wege der Zwangsverwaltung bereits beschlagnahmten Sachen geht jedoch nicht auf den Insolvenzverwalter Åber. Die Anordnung der Zwangsverwaltung lssst das Eigentumsrecht des Vollstreckungsschuldners an dem GrundstÅck unberÅhrt. Die Beschlagnahme fÅhrt aber dazu, dass der unter Zwangsverwaltung stehende Grundbesitz von dem Åbrigen VermÇgen des Schuldners getrennt wird und ein SondervermÇgen bildet, welches den die Zwangsverwaltung betreibenden Vollstreckungsglsubigern zur Sicherung ihres Befriedigungsrechtes zur VerfÅgung steht. Auch ZubehÇr eines GrundstÅcks, das im Alleineigentum nur eines von mehreren GrundstÅckseigentÅmern (Miteigentum oder Gesamthandseigentum) steht, fsllt gem. § 1120 BGB in den Haftungsverband der Hypothek, da die Hypothek an einem GrundstÅck das ganze GrundstÅck belastet und jeder der EigentÅmer fÅr die ganze Forderung dinglich haftet. Zwar erfÅllt auch nach der Beschlagnahme weiterhin der Insolvenzschuldner, auf den das Fahrzeug zugelassen ist, den steuerrechtlichen Tatbestand des Haltens eines Fahrzeugs i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Nr. 1 KraftStG, so dass er weiterhin Steuerschuldner und Steuerpflichtiger i.S.v. § 33 Abs. 1 AO ist. Der Zwangsverwalter tritt jedoch insoweit als VermÇgensverwalter gem. § 34 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO neben den Insolvenzschuldner, der zugleich Vollstreckungsschuldner ist. Als VermÇgens1 BFH v. 29.8.2007 – IX R 58/06, BStBl. II 2008, 322 = ZIP 2007, 2083. 2 BFH v. 1.8.2012 – II R 28/11, BStBl. II 2013, 131 = ZIP 2012, 2306.

663

4.597

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

verwalter hat der Zwangsverwalter die steuerlichen Pflichten zu erfÅllen, soweit die Zwangsverwaltung reicht, und daher die aus der Verwaltung des beschlagnahmten VermÇgens resultierenden Steuern aus der Zwangsverwaltungsmasse heraus zu erfÅllen. Er hat somit auch die Kraftfahrzeugsteuer fÅr ein seiner Verwaltungs- und Nutzungsbefugnis unterliegendes Kraftfahrzeug zu entrichten.1 Dem ist zuzustimmen, da hinsichtlich der Kraftfahrzeugsteuer von einer Trennung der VermÇgensmasse auszugehen ist. In diesem Zusammenhang bildet die Zwangsverwaltungsmasse eine Sondermasse. Die beschlagnahmten Gegenstsnde fallen nicht unter die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis des Insolvenzverwalters nach § 80 Abs. 1 InsO. Demensprechend sind die Verbindlichkeiten, welche aus der Verwaltung dieser Sondermasse resultieren, auch gehen den Zwangsverwalter festzusetzen.

1 BFH v. 1.8.2012 – II R 28/11, BStBl. II 2013, 131 = ZIP 2012, 2306.

664

F. Erbschaft- und Schenkungsteuer

F. Erbschaft- und Schenkungsteuer I. Grundlagen Der Erbschaftsteuer unterliegt vor allem der Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Ziff. 1 ErbStG). Die Vorschriften des Erbschaftsteuergesetzes Åber die Erwerbe von Todes wegen gelten auch fÅr Schenkungen, § 1 Abs. 2 ErbStG; insoweit spricht man von Schenkungsteuer. Die Steuerpflicht tritt gem. § 2 ErbStG ein, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes bzw. der Schenker zur Zeit der AusfÅhrung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) ein Inlsnder ist. Die nshere Bestimmung, wer Inlsnder in diesem Sinne ist, findet sich in § 2 Abs. 1 Satz 2 ErbStG. Welche Rechtsvorgsnge als Erwerb von Todes wegen anzusehen sind, bestimmt § 3 ErbStG. Dies sind insbesondere der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB), durch Vermschtnis (§§ 2147 ff. BGB) oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§§ 2303 ff. BGB). Die Steuer entsteht bei Erwerben von Todes wegen grundsstzlich mit dem Tode des Erblassers (vgl. im Einzelnen § 9 Abs. 1 ErbStG). Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). FÅr die Wertermittlung ist gem. § 11 ErbStG in Ermangelung ausdrÅcklicher anderslautender Bestimmungen der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer maßgebend. Nach dem persÇnlichen Verhsltnis des Erwerbers zum Erblasser oder Schenker werden die in § 15 ErbStG geregelten drei Steuerklassen unterschieden. Die Steuerklassen sind sowohl fÅr die Freibetrsge (§ 16 ErbStG) als auch fÅr den Steuersatz (§ 19 ErbStG) entscheidend. Der Steuersatz reicht von 7 % fÅr einen Wert des steuerpflichtigen Erwerbs bis zu 75 000 Euro bei der Steuerklasse I bis hin zu einem Steuersatz von 50 % bei einem Wert des steuerpflichtigen Erwerbs Åber 13 000 000 Euro in der Steuerklasse III. Steuerschuldner ist gem. § 20 ErbStG der Erwerber, bei einer Schenkung auch der Schenker. Der Nachlass haftet gem. § 20 Abs. 3 ErbStG bis zur Auseinandersetzung (§ 2042 BGB) fÅr die Steuer der am Erbfall Beteiligten.

4.598

Das Finanzamt kann gem. § 31 Abs. 1 ErbStG von jedem an einem Erbfall oder an einer Schenkung Beteiligten die Abgabe einer Erklsrung innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist verlangen. Die Erklsrung hat gem. § 31 Abs. 2 ErbStG ein Verzeichnis der zum Nachlass gehÇrenden Gegenstsnde und die sonstigen fÅr die Feststellung des Gegenstands und des Werts des Erwerbs erforderlichen Angaben zu enthalten. Sind mehrere Erben vorhanden, sind sie berechtigt, die Steuererklsrung gemeinsam abzugeben. In diesem Fall ist die Steuererklsrung von allen Beteiligten zu unterschreiben.

4.599

665

600

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

II. Praktische Bedeutung der Erbschaftsteuer im Insolvenzverfahren Erbschaftsteuerrechtliche Fragen spielen in den meisten Insolvenzverfahren keine Rolle. Stirbt der Schuldner im Laufe eines Insolvenzverfahrens, fsllt in aller Regel keine Erbschaftsteuer an, da der Nachlass wertlos ist bzw. die Erbschaft mit RÅcksicht auf das laufende Insolvenzverfahren kollektiv ausgeschlagen wird. Etwas anderes kann unter Umstsnden in Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 315 ff. InsO) gelten. Letztere unterscheiden sich von dem vorbezeichneten Fall dadurch, dass die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens dem Erbfall hier zeitlich nachfolgt. Erbschaftsteuer fsllt aber auch in dieser Situation nach allgemeinen Grundsstzen nur an, wenn der Wert der nachlasszugehÇrigen Aktiva die Summe der Verbindlichkeiten des Erblassers (Åber die jeweils gÅltigen Freibetrsge hinaus) Åbersteigt. Ausnahmsweise kann diese Voraussetzung trotz Nachlassinsolvenz erfÅllt sein. Seit der Insolvenzrechtsreform kÇnnen Nachlassinsolvenzverfahren nsmlich nicht mehr nur bei xberschuldung, sondern auch bei Zahlungsunfshigkeit erÇffnet werden, vgl. § 320 InsO. Außerdem kann es passieren, dass der Nachlass anfsnglich, d.h. im fÅr die Besteuerung maßgeblichen Zeitpunkt des Todes (vgl. § 11 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Ziff. 1 ErbStG), noch nicht Åberschuldet war, sondern erst aufgrund nachtrsglicher Entwicklungen, etwa einem Kurssturz am Aktienmarkt, Åberschuldet wurde. In beiden Fsllen kann nach allgemeinen Grundsstzen Erbschaftsteuer anfallen. Dann stellt sich die Frage, ob der Erbe seine Haftung auch in Bezug auf die Erbschaftsteuer gem. §§ 1975 BGB auf den Nachlass beschrsnken kann oder ob er zusstzlich mit seinem EigenvermÇgen haftet.

III. Insolvenzrechtliche Qualitlt der Erbschaftsteuerforderungen

601

Steuerschuldner ist grundsstzlich der Erbe, vgl. § 20 Abs. 1 ErbStG. In einer Erbengemeinschaft haftet jeder einzelne Miterbe grundsstzlich nur fÅr die auf seinen Erbteil entfallende Erbschaftsteuer. Allerdings haftet der Nachlass bis zur Auseinandersetzung (§ 2042 BGB) fÅr die Verbindlichkeiten aller Beteiligten, vgl. § 20 Abs. 3 ErbStG.1

602

Die Steuerschuldnerschaft des Erben sagt unterdessen nichts darÅber aus, mit welchem VermÇgen fÅr die ErfÅllung der Erbschaftsteuerverbindlichkeiten gehaftet wird. Sollte es sich bei der Erbschaftsteuerschuld um (reine) Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 1967 Abs. 2 BGB handeln, wsre die 1 Zum nach § 13a Abs. 5 ErbStG erbschafts- und schenkungssteuerrechtlich begÅnstigten Erwerb von BetriebsvermÇgen, von Betrieben oder Land- und Forstwirtschaft und von Anteilen der Kapitalgesellschaften von Todes Wegen oder durch Schenkung unter Lebenden nach Betriebsaufgabe oder Insolvenz vgl. Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2691 ff.

666

F. Erbschaft- und Schenkungsteuer

Haftung im Fall der ErÇffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens grundsstzlich gem. §§ 1975 ff. BGB auf den Nachlass beschrsnkt. Die Frage, ob die vom Erben geschuldete Erbschaftsteuer eine Nachlassverbindlichkeit darstellt oder als Eigenschuld des Erben zu qualifizieren ist, ist seit jeher in Rechtsprechung1 und Literatur2 umstritten. Das Reichsgericht hat seinerzeit die Auffassung vertreten, bei der Erbschaftsteuer handele es sich um eine originsre Eigenschuld des Erben, die im Konkursverfahren keine BerÅcksichtigung finden kÇnne.3 Die Erbschaftsteuer sei keine eigentliche Nachlassverbindlichkeit, denn sie treffe den Erben persÇnlich mit seinem ganzen VermÇgen. Der Erbe sei Schuldner und Haftender in einer Person. Die nach § 20 Abs. 3 ErbStG (§ 15 Abs. 3 ErbStG a.F.) angeordnete Haftung des Nachlasses stelle lediglich eine Sicherungsmaßnahme zugunsten des Fiskus dar. Das Reichsgericht bekrsftigte seine Entscheidung mit dem Verweis auf §§ 2378 Abs. 1, 2379 Satz 3 BGB. Wsre die Erbschaftsteuer eine Nachlassverbindlichkeit, bedÅrfte es neben der Regelung des § 2378 Abs. 1 BGB nicht des gesonderten Hinweises in § 2379 Satz 3 BGB. Jahrzehnte spster haben sich das OLG Hamm,4 das OLG DÅsseldorf,5 das OLG Frankfurt6 und Teile der Literatur7 dieser Auffassung angeschlossen. Dass der Erbe nicht fÅr die Steuerschuld der anderen Erwerber von Todes wegen aufzukommen habe, sei Indiz dafÅr, dass der Nachlass nicht bereits mit der Erbschaftsteuer belastet auf diesen Åbergehe. Aus der Tatsache, dass die Erbschaftsteuer der Nachlassabwicklung auch nachfolgen kÇnne, wie § 9 Abs. 1 Ziff. 1a)-i) ErbStG belegen, folge, dass sie zudem nicht zur Abwicklung des Nachlasses gehÇre. Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 20 Abs. 3 ErbStG unnÇtig sei, wenn die Erbschaftsteuer bereits originsr Nachlassverbindlichkeit wsre. Weiter wird damit argumentiert, dass die HÇhe der Erbschaftsteuerschuld vom Verwandtschaftsgrad des Erben zum Erblasser abhsngig sei. Dies zeige, dass es sich um eine den Erben persÇnlich treffende Schuld handele. Schließlich wird noch auf die Regelung des § 2311 BGB verwiesen. Dort bleibt bei der Berechnung des pflichtteilsbezogenen Nachlasses die Erbschaftsteuer außer Ansatz.

1 BFH v. 18.6.1986 – II R 38/84, BStBl. II 1986, 704 = NJW 1987, 1039 (1040); v. 28.4.1992 – VII R 33/91, BStBl. II 1992, 781 = NJW 1993, 350 (350); v. 11.8.1998 – VII R 118/95, BStBl. II 1998, 705 = DStRE 1998, 816 (819). 2 Siegmann in MÅnchKomm/BGB, § 1967 Rz. 16; Edenhofer in Palandt, § 1967 BGB Rz. 7; Kuhn in Uhlenbruck, § 226 KO Rz. 3; Goetsch in BerlinerKomm/InsO, § 325 Rz. 5; Hausmann/Hohloch, Handbuch des Erbrechts, S. 1492, Rz. 11; SchÇnert, BWNotZ 2008, 81 (84); Graf, ZEV 2000, 125 (126). 3 RG v. 15.11.1943 – III - 77/43, RStBl. 1944, 131 (131 ff.). 4 OLG Hamm v. 3.7.1990 – 15 W 493/89, MittBayNot 1990, 360 (360). 5 OLG DÅsseldorf v. 18.12.1998 – 7 U 72/98, FamRZ 1999, 1465 (1465). 6 OLG Frankfurt v. 13.2.2003 – 20 W 35/02. 7 Siegmann in MÅnchKomm/InsO, § 325 Rz. 7; Siegmann in MÅnchKomm/BGB, § 1967 Rz. 16; Schallenberg/Rafiqpoor in FrankfurterKomm/InsO, § 325 Rz. 9; Marotzke, in Staudinger (2002), § 1967 BGB Rz. 33; Meincke, § 20 ErbStG Rz. 12.

667

4.603

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

604

Der vom Reichsgericht begrÅndeten Ansicht sind weite Teile der Literatur1 schon frÅhzeitig entgegengetreten. Danach handelt es sich bei der Erbschaftsteuer um eine reine Nachlassverbindlichkeit. Da die Erbschaftsteuer gem. § 9 Abs. 1 Ziff. 1 ErbStG bereits mit dem Tode des Erblassers entstehe und nicht erst im Steuerfestsetzungsverfahren, sei sie eine durch den Erbfall anfallende Verbindlichkeit, mithin eine Erbfallschuld und damit nach allgemeinen Grundsstzen auch automatisch eine Nachlassverbindlichkeit. Dieser Sichtweise haben sich in der Folge das OLG KÇln,2 das OLG Naumburg,3 vor allem aber der BFH4 und das Hessische FG5 angeschlossen.

605

Auffsllig ist, dass die Entscheidungen des OLG Hamm6 und des OLG Frankfurt7 primlr kostenrechtlich impliziert sind. Sie lassen den systematischen Gesamtzusammenhang aus dem Blick. Das OLG Frankfurt gesteht denn auch offen ein, dass es zu unnÇtigen zeitlichen VerzÇgerungen und erheblichem Mehraufwand kommen wÅrde, wenn sich das Kostenrecht8 „[...] mit Rechtsfragen aus dem allgemein als schwierig angesehenen, unÅbersichtlichen und hsufigen znderungen unterliegenden Steuerrecht [...]“ belastet sshe. Bezieht man den Gesamtzusammenhang ein, so muss festgestellt werden, dass § 20 ErbStG von dem Regelfall ausgeht, dass sich die Erbschaftsteuer betragsmsßig auf einen Bruchteil des Nachlasses (§ 19 Abs. 1 ErbStG) belsuft, mithin typischerweise vollstsndig aus diesem gedeckt werden kann. § 20 ErbStG regelt die Steuerschuldnerschaft. Es ist nicht verwunderlich, dass das Steuerrecht (fÅr den Normalfall eines positiven Nachlasses) aus GrÅnden der Verwaltungsvereinfachung in Ansehung der Erbschaftsteuer sowohl das EigenvermÇgen des Erwerbers als auch den Nachlass zum Zugriffsobjekt erklsrt. In Fsllen eines ungeteilten Nachlasses bei Erbengemeinschaft wsre der Fiskus ohne § 20 Abs. 1 ErbStG u.U. gezwungen, eine aufwendige und kostenintensive Vollstreckung in den Nachlass ausbringen zu mÅssen. Ohne eine besondere Vorschrift, die eine Steuerschuldnerschaft des Erben begrÅndet, 1 SchlÅter in Erman, § 1967 BGB Rz. 6; Edenhofer in Palandt, § 1967 BGB Rz. 7; Stein in Soergel, § 1967 BGB Rz. 7; Goetsch in BerlinerKomm/InsO, § 325 Rz. 5; Hess in Hess, § 325 Rz. 9; Pahlke in Pahlke/Koenig, § 45 AO Rz. 34; Gebel in Troll, § 20 ErbStG Rz. 50; Hausmann/Hohloch, Handbuch des Erbrechts, S. 1492, Rz. 11; Lange/Kuchinke, Lehrbuch des Erbrechts, § 47 III 2b, IV s; SchÇnert, BWNotZ 2008, 81 (84); Boeker in HÅbschmann/Hepp/Spitaler, § 45 AO Rz. 64; Brox, Erbrecht, Rz. 656; Kruse in Tipke/Kruse, § 45 AO Rz. 27. 2 OLG KÇln v. 7.5.2001 – 2 Wx 6/01, MDR 2001, 1320 (1320). 3 OLG Naumburg v. 20.10.2006 – 10 U 33/06, ZEV 2007, 381 (381). 4 BFH v. 18.6.1986 – II R 38/84, BStBl. II 1986, 704 = NJW 1987, 1039 (1040); v. 28.4.1992 – VII R 33/91, BStBl. II 1992, 781 = NJW 1993, 350 (350); v. 11.8.1998 – VII R 118/95, BStBl. II 1998, 705 = DStRE 1998, 816 (818). 5 FG Hess. v. 9.4.2009 – 1 V 115/09 (NV). 6 OLG Hamm v. 3.7.1990 – 15 W 493/89, MittBayNot 1990, 360 (360 f.). 7 OLG Frankfurt v. 13.2.2003 – 20 W 35/02. 8 Dem Beschluss lag die Frage zugrunde, ob die Erbschaftsteuer im Rahmen des § 107 Abs. 2 Satz 1 KostO in Ansatz gebracht werden kann.

668

F. Erbschaft- und Schenkungsteuer

kÇnnte die Vollstreckung der Erbschaftsteuer durch § 2059 Abs. 1 BGB darÅber hinaus erheblich verzÇgert werden, beispielsweise bei im Ausland belegenem Nachlass. § 20 Abs. 1 ErbStG hat folglich primlr verfahrensÇkonomische, denn materiell-rechtliche Bedeutung. Keinesfalls wollte der Gesetzgeber mit der Regelung in den hier interessierenden atypischen Fsllen, in denen trotz (spster) unzureichendem Nachlass Erbschaftsteuer angefallen ist, Åber die zivilrechtlichen Haftungsvorschriften hinaus fÅr den Steuerglsubiger mit dem EigenvermÇgen des Erben ein zusstzliches Haftungssubstrat erschließen. Tatsschlich hat er diesen Sonderfall im Gesetzgebungsverfahren gar nicht bedacht.

4.606

Der zustimmungswÅrdigen Entscheidung des Hessischen FG vom 9.4.20091 lag ein solcher Sonderfall zugrunde. Hier befanden sich Unternehmensbeteiligungen in der Erbschaft. Diese hatten im Zeitpunkt des Erbfalles einen relativ hohen Wert, so dass Erbschaftsteuer in nicht unerheblicher GrÇßenordnung anfiel. Etwa zwei Jahre waren die Beteiligungen deutlich im Wert gefallen. Der ErlÇs reichte nicht aus, um die angefallene Erbschaftsteuer zu zahlen. xber den Nachlass wurde in der Folge das Insolvenzverfahren erÇffnet.

4.607

Wie bei jedem Glsubiger hat sich auch die Haftungsverwirklichung der Finanzverwaltung in Ansehung der Erbschaftsteuer nach zivilrechtlichen Grundsltzen zu beurteilen. Daher kann § 20 Abs. 1 ErbStG keine vom Schicksal des Nachlasses losgelÇste Haftung der Erben mit ihrem EigenvermÇgen begrÅnden. Da die Erbschaftsteuer durch den Tod des Erblassers ausgelÇst worden ist und grundsstzlich einen Teil der (positiven) Erbschaft ausmacht, muss der Nachlass als solcher neben der Befriedigung der sonstigen Nachlassverbindlichkeiten zur Befriedigung der Erbschaftsteuerschuld verwendet werden; nur der pberschuss gebÅhrt dem Erben. Wenn der Nachlass zwischen dem Erbfall und der spsteren Befriedigung der Verbindlichkeiten, die vom Erblasser herrÅhren oder durch den Tod entstanden sind, unzulsnglich wird, so gebietet es der fundamentale Grundsatz des Insolvenzverfahrens – nsmlich der Grundsatz der Glsubigergleichbehandlung –, dass alle Glsubiger aus dem unzureichenden Haftungssubstrat gleichmsßig und anteilig befriedigt werden. Vorrechte sind nur dann anzuerkennen, wenn der Gesetzgeber diesen Grundsatz ausdrÅcklich durchbricht. Das ist in Ansehung der das Verfahren vereinfachenden Norm des § 20 ErbStG nicht der Fall. Dem Hessischen FG ist daher darin zuzustimmen, dass die Finanzverwaltung im dort zu entscheidenden Fall auf das Nachlassinsolvenzverfahren zu verweisen und die Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit ausschließlich im Nachlassinsolvenzverfahren geltend zu machen war.2

4.608

1 FG Hess. v. 9.4.2009 – 1 V 115/09 (NV). 2 FG Hess. v. 9.4.2009 – 1 V 115/09 (NV).

669

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Die entgegenstehende Auffassung, die nunmehr das FG MÅnster1 vertritt, ist deswegen abzulehnen. Im Ergebnis kann der Erbe somit auch in Ansehung der Erbschaftsteuer seine Haftung auf den Nachlass beschrsnken.

609

Hat der Erbe den Wertverlust des Nachlasses zu vertreten, stellt das Zivilrecht in Form der §§ 1978 ff. BGB die dafÅr nÇtigen Sanktionen zur VerfÅgung. Bei schuldhafter Verschlechterung der zum Nachlass gehÇrenden Gegenstsnde kommt namentlich eine Haftung des Erben gem. §§ 1978 Abs. 1, 662 ff., 280 Abs. 1 BGB in Betracht.2 Dieser Anspruch gehÇrt ggf. gem. § 1978 Abs. 2 BGB zum Nachlass. Er fsllt damit in die Insolvenzmasse und kommt der Gesamtglsubigerschaft zugute. Diese Wertung des Gesetzgebers wÅrde unterlaufen, wenn man der Finanzverwaltung Åber § 20 ErbStG gestatten wÅrde, außerhalb des Insolvenzverfahrens exklusiv Zugriff auf das EigenvermÇgen des Erben zu nehmen.

610

Die Anwendung der nachlassinsolvenzspezifischen Haftungsinstrumentarien fÅhrt schließlich auch in Ansehung der Erbschaftsteuer zu sachgerechten Ergebnissen. Hat der Erbe den Wertverfall beispielsweise nicht erkennen kÇnnen, ist es legitim, ihn von einer Haftung mit seinem PrivatvermÇgen frei zu stellen, wenn der Nachlass in einem Nachlassinsolvenzverfahren zugunsten der Gesamtglsubigerschaft abgesondert wird. Ist unbeschrsnkte Erbenhaftung eingetreten, so ist diese wshrend des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter zugunsten der Glsubigergesamtheit geltend zu machen.

611

In dem Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Erben ist die Erbschaftsteuerschuld des Erben Insolvenzforderung im Rang von § 38 InsO, wenn der Erbfall vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens angefallen ist. Ist der Erbfall nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten, tritt die Erbschaftsteuerforderung der Finanzverwaltung die Insolvenzmasse als Masseverbindlichkeit, weil die Erbschaft in die Insolvenzmasse fsllt.3 Fehl geht die Auffassung des FG DÅsseldorf,4 das meint, die Erbschaftsteuer kÇnne keine Masseverbindlichkeit darstellen, weil sie nicht durch eine Handlung des Insolvenzverwalters begrÅndet wird, sondern kraft Gesetzes durch den Erbfall entsteht. Zutreffend ist an dieser Entscheidung noch, dass in der Entscheidung Åber Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft keine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters liegt, 1 FG MÅnster v. 30.4.2014 – 3 K 1915/12 Erb, BeckRS 2014, 95465 – Rev. II R 34/14. 2 Eine vollstsndige xbersicht Åber die nachlassinsolvenzspezifischen AnsprÅche findet sich bei Roth/Pfeuffer, Praxishandbuch fÅr Nachlassinsolvenzverfahren, S. 291 ff. 3 Zutreffend FG Niedersachsen v. 12.7.2013 – 3 K 436/12, EFG 2013, 1985; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 281 f.; Windel in Jaeger, InsO, § 83 Rz. 6 ff.; a.A. FG DÅsseldorf v. 18.3.2015 – 4 K 3087/14 Erb, juris. 4 FG DÅsseldorf v. 18.3.2015 – 4 K 3087/14 Erb, juris.

670

F. Erbschaft- und Schenkungsteuer

weil diese Entscheidung hÇchstpersÇnlicher Natur ist und deswegen einzig und alleine durch den Insolvenzschuldner getroffen wird. Das FG DÅsseldorf Åbersieht allerdings, dass es Åber die grundlegende Entscheidung Åber Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft hinaus einer eindeutigen Verwaltungsentscheidung des Insolvenzverwalters bedarf: Der Insolvenzverwalter hat nsmlich das ererbte VermÇgen insgesamt auf Werthaltigkeit zu ÅberprÅfen und darÅber zu entscheiden, ob er das gesamte ererbte VermÇgen zur Insolvenzmasse zieht (und damit auch die dem Nachlass vorhandenen Verbindlichkeiten zu Masseverbindlichkeiten im Insolvenzverfahren macht) oder ob er Maßnahmen ergreift, um das Insolvenzverfahren von der Inanspruchnahme durch Glsubiger des Erblassers freizuhalten. Erkennt der Insolvenzverwalter beispielsweise, dass der Nachlass Åberschuldet ist, so hat er seinerseits die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber den Nachlass zu beantragen, wodurch das ererbte VermÇgen aus der von ihm verwalteten Insolvenzmasse auszusondern und im Rahmen eines eigenen Nachlassinsolvenzverfahrens abzuwickeln ist. Steht die xberschuldung des ererbten Nachlasses nicht fest, ist sie aber zu besorgen, hat der Insolvenzverwalter aus VorsichtsgrÅnden regelmsßig die Anordnung einer Nachlassverwaltung gem. § 1981 BGB zu beantragen.1 Abgesehen davon bleibt das FG DÅsseldorf die Antwort auf die Frage schuldig, welche insolvenzrechtliche Forderungsqualitst die Erbschaftsteuerschuld denn haben sollte, wenn sie keine Masseverbindlichkeit wsre. Insolvenzforderung kann die Erbschaftsteuer im Fall eines nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des (spsteren) Erben eintretenden Erbfalls wohl kaum sein, da Insolvenzforderung in diesem Insolvenzverfahren nur eine Verbindlichkeit des Insolvenzschuldners (Erben) ist, die zur Zeit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber sein VermÇgen bereits bestanden hat (§ 38 InsO). Eine Verbindlichkeit des insolvenzfreien VermÇgens wird man auch kaum annehmen kÇnnen: Es darf nicht aus dem Blick geraten, dass die Entscheidung des Erben darÅber, ob er die Erbschaft annimmt oder ausschlsgt eine hÇchstpersÇnliche ist, die nicht durch vermÇgensmsßige Aspekte vorgezeichnet werden darf, sondern die der Erbe frei auf der Grundlage seiner persÇnlichen Beziehung zum Erblasser treffen kÇnnen muss. Aus genau diesem Grund ist allgemein anerkannt, dass es sich um eine hÇchstpersÇnliche Entscheidung handelt. Diese persÇnliche Entscheidungsfreiheit nshme man dem Insolvenzschuldner, wenn man fÅr den Fall seiner Entscheidung, die Erbschaft anzunehmen, annehmen wollte, dass das positive VermÇgen aus der Erbschaft in die Insolvenzmasse fsllt (Neuerwerb, § 35 InsO), die damit untrennbar zusammenhsngende Erbschaftsteuerschuld hingegen das mehr oder weniger zwangslsufig unzureichende insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners. Es kommt also letzten Endes auch unter wertungsmsßigen Gesichtspunkten nur die Annahme einer Masseverbindlichkeit in diesen Fallkonstellationen in Frage.

1 A.A. FG DÅsseldorf v. 18.3.2015 – 4 K 3087/14 Erb, juris.

671

612

613

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

Tritt der Erbfall nach der Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens, aber noch wlhrend der Wohlverhaltensphase des Restschuldbefreiungsverfahrens ein, so ist die Erbschaftsteuerforderung der Finanzverwaltung gegen das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners gerichtet. Eine Masseverbindlichkeit kann in diesem Stadium nicht mehr entstehen. Der Insolvenzschuldner hat die Erbschaftsteuer in diesem Fall in voller HÇhe aus seinem insolvenzfreien VermÇgen zu begleichen, auch wenn er die Hslfte des (noch nicht um den auf den Erwerb entfallenden Steuerbetrag geminderten) Wertes des ererbten VermÇgens an den Treuhsnder zum Zwecke der Verteilung an die Insolvenzglsubiger herausgeben muss (§ 295 Abs. 1 Ziff. 2 InsO). Im Insolvenzverfahren Åber den Nachlass des Erblassers nehmen die Erbschaftsteuerforderungen stets den Rang von Insolvenzforderungen ein, wenn die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nach dem Erbfall erfolgt. War zur Zeit des Todes des Erblassers bereits das Insolvenzverfahren Åber sein VermÇgen erÇffnet und noch nicht beendet, so haftet sein Nachlass gem. § 20 Abs. 3 InsO fÅr etwa anfallende Erbschaftsteuer. Sollte Erbschaftsteuer anfallen (was nur bei einem positiven Nachlass und damit einer reichhaltigen Insolvenzmasse Åberhaupt in Frage kommt), nimmt diese im dann Åbergeleiteten Nachlassinsolvenzverfahren den Rang einer Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO) ein.

IV. Auswirkungen der Anzeige der Masseunzullnglichkeit Die Anzeige der Masseunzulsnglichkeit gem. § 208 InsO hat gem. § 210 InsO zur Folge, dass die Vollstreckung wegen Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO unzulsssig wird. Nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit sndert sich die Befriedigungsreihenfolge der Glsubiger. Vorrang haben nun die Kosten des Verfahrens; daran schließen sich die Masseverbindlichkeiten an, die nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit begrÅndet werden bzw. dazu gehÇrende Verbindlichkeiten nach § 209 Abs. 2 InsO. Im Fall der Masseunzulsnglichkeit (§ 208 InsO) ergeben sich in Bezug auf die Erbschaftsteuer keine Besonderheiten, s. Rz. 2.274 ff.; Rz. 3.215 ff.

672

G. Grunderwerbsteuer

G. Grunderwerbsteuer Literatur Adolf, Kapitalgesellschaft als Grunderwerbsteuerschuldnerin bei xbertragungen nach § 1 Abs. 2a GrEStG, GmbHR 2007, 689; Fuchs/Lieber, Grunderwerbsteuer bei Organschaft – Inflation von Grunderwerbsteuertatbestsnden?, DStR 2000, 1333; Fumi, Bei der Anteilsvereinigung entstandene Grunderwerbsteuer als Anschaffungsnebenkosten?, EFG 2010, 668; Gottwald, Ermittlung der Bemessungsgrundlage fÅr Grunderwerbsteuer bzw. des grunderwerbsteuerfreien Teils bei Erwerb der Anteile der anderen Personengesellschafter durch einen Gesellschafter im Rahmen einer gemischten Schenkung, ZEV 2007, 44; Aktuelle Entwicklungen im Grunderwerbsteuerrecht in den Jahren 2008/2009, MittBayNot 2010, 1; JÅrging, Anschaffungskosten in Form der Grunderwerbsteuer, die durch Anteilsvereinigungen ausgelÇst wird, BB 2010, 1337; Neitz/Lange, Grunderwerbsteuer bei Umwandlungen – Neue Impulse durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, Ubg 2010, 17; Pahlke, GrunderwerbsteuervergÅnstigung fÅr Rechtsvorgsnge im Konzern – Der neue § 6a GrEStG, MittBayNot 2010, 169; Wnlzholz, Grunderwerbsteuerneutrale Umwandlungen nach § 6a GrEStG i.d.F. des WBeschG, GmbH-StB 2010, 108; Wohltmann, Der Grunderwerbsteuerbescheid im Korrektursystem der Abgabenordnung, UVR 2010, 108.

I. Grundlagen Die Grunderwerbsteuer besteuert GrundstÅcksumsstze und stellt der Sache nach eine Sonderumsatzsteuer dar.1 Im Gegensatz zur Umsatzsteuer erfasst die Grunderwerbsteuer jeden GrundstÅcksumsatz, sei es durch Unternehmer oder Nichtunternehmer.2 Mit einem jshrlichen Aufkommen von ca. 6,0 Mrd. Euro stellt die Grunderwerbsteuer die wichtigste Rechtsverkehrssteuer dar.3 Verkehrssteuern knÅpfen an einen Rechtsvorgang an und besteuern den durch bestimmte Rechtsgeschsfte ausgetauschten Wert.4 Hierbei wird nicht die wirtschaftliche Leistungsfshigkeit berÅcksichtigt,5 denn ein wirtschaftlicher Umsatz oder gar Zugewinn ist nicht erforderlich.6 Es wird vielmehr auf die freiwillige VermÇgensdisposition beim Erwerb eines GrundstÅckes abgestellt, in welcher bereits eine besondere steuerliche Leistungsfshigkeit gesehen wird.7 Rechtsgrundlage stellt das in seiner ursprÅnglichen Fassung am 1.1.1983 in Kraft getretene Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) dar.8

1 2 3 4 5 6 7 8

Pelka/Niemann, Beck’sches Steuerberater-Handbuch, F, Rz. 366. Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 18 Rz. 3. Birk, Steuerrecht, Rz. 1801. Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 14. Fehrenbacher, Steuerrecht, § 1 Rz. 14. Birk, Steuerrecht, Rz. 1801. Fischer in Boruttau/Klein, Vorbemerkung, Rz. 109. Pahlke in Pahlke/Franz, Einleitung zum GrEStG, Rz. 1.

673

4.614

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

615

Der Grunderwerbsteuertatbestand findet sich in § 1 GrEStG. Dort ist eine abschließende Aufzshlung von Rechtsvorgsngen aufgefÅhrt, die der Grunderwerbsteuer unterliegen. Es sind dies insbesondere der Kaufvertrag und sonstige Verpflichtungsgeschsfte (§ 1 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG), der EigentumsÅbergang ohne Verpflichtungsgeschsft (§ 1 Abs. 1 Ziff. 2–4 GrEStG), die Zwischengeschsfte und der Erwerb der Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 1 Ziff. 5–7, Abs. 2 GrEStG) sowie AnteilsÅbergsnge und Anteilsvereinigungen bei Gesellschaften (§ 1 Abs. 2a GrEStG).

616

Eine Pflicht zur Entrichtung der Grunderwerbsteuer besteht, sofern keine Befreiungstatbestsnde (§§ 3 ff. GrEStG) vorliegen.

617

Grundsstzlich bemisst sich die Grunderwerbsteuer gem. §§ 8 Abs. 1, 9 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung. Als Gegenleistung wird jede Leistung verstanden, die der Erwerber als Entgelt fÅr den Erwerb aufbringt und die der Versußerer als Entgelt fÅr die Versußerung erhslt,1 wobei Åber den zivilrechtlichen Gegenleistungsbegriff hinaus auch Leistungen Dritter an den Versußerer, die kausal wegen des Erwerbsvorganges erbracht werden, hinzuzurechnen sind.2 Ist eine Gegenleistung ausnahmsweise nicht vorhanden oder lssst sie sich nicht ermitteln (§ 8 Abs. 2 Ziff. 1 GrEStG), so ist als Bemessungsgrundlage statt der Gegenleistung der GrundstÅckswert im Sinne des Bewertungsgesetzes §§ 138 ff. BewG heranzuziehen.3

618

Der Steuersatz betrsgt gem. § 11 GrEStG 3,5 % und ist auf volle Euro nach unten abzurunden, wobei nach Maßgabe des § 12 GrEStG auch eine pauschale Besteuerung mÇglich ist.

619

Die Adressaten der Grunderwerbsteuerpflicht (Steuerschuldner, § 13 GrEStG) sind in der Regel die am Erwerbsvorgang beteiligten Vertragsteile, also Erwerber und Versußerer, wobei grundsstzlich alle Rechtstrsger vertraglicher Beziehungen, Rechtstrsger des Eigentums oder der Verwertungsbefugnis an einem GrundstÅck, unabhsngig von ihrer Rechtsform, als Steuerschuldner in Betracht kommen.4 Bei mehreren Steuerschuldnern besteht eine gesamtschuldnerische Haftung, selbst wenn die Beteiligten vereinbaren, dass nur einer die Grunderwerbsteuer trsgt.

620

Nach § 38 AO entsteht der Steueranspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knÅpft. In § 14 GrEStG wird von dieser Regel abgewichen und eine auf Besonderheiten des Grunderwerbsteuerrechts abgestellte Sonderregelung getroffen. Nach § 15 Satz 1 GrEStG wird die Grunderwerbsteuer in der Regel einen Monat nach der Bekanntgabe des Steuerbescheids fsllig.

1 2 3 4

Pelka/Niemann, Beck’sches Steuerberater-Handbuch, F. Rz. 373 a. Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 18 Rz. 55. Pelka/Niemann, Beck’sches Steuerberater-Handbuch, F. Rz. 373. Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 15 Rz. 53.

674

G. Grunderwerbsteuer

Der Erwerber eines GrundstÅcks darf erst nach Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigung als EigentÅmer in das Grundbuch eingetragen werden.1 Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung gegenÅber dem Finanzamt, wenn die Grunderwerbsteuer entrichtet, sichergestellt oder gestundet worden ist oder wenn keine sachliche Steuerpflicht besteht. DarÅber hinaus haben die FinanzbehÇrden nach § 22 Abs. 2 Satz 2 GrEStG auch in anderen Fsllen die MÇglichkeit, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen, sofern nach ihrem Ermessen die Steuerforderung gesichert ist. Zur Pflicht der Finanzverwaltung zur Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung bei Anmeldung der Grunderwerbsteuerforderung und drohendem Ausfall s. Rz. 4.632 f.

4.621

Wird ein Erwerbsvorgang rÅckglngig gemacht, bevor das Eigentum am GrundstÅck auf den Erwerber Åbergegangen ist, so wird auf Antrag die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn die Voraussetzungen von § 16 GrEStG gegeben sind. Die Grunderwerbsteuer ist auch dann nicht festzusetzen bzw. eine Festsetzung ist auch dann aufzuheben, wenn infolge erfolgreicher Insolvenzanfechtung gem. §§ 129 ff. InsO das durch die angefochtene Handlung aus dem VermÇgen des Insolvenzschuldners versußerte GrundstÅck an die Insolvenzmasse zurÅckgewshrt werden muss. § 16 Abs. 2 Ziff. 2 GrEStG hat zur Folge, dass bei einem RÅckerwerb des Eigentums an einem GrundstÅck die Steuer sowohl fÅr den RÅckerwerb als auch fÅr den vorausgegangenen Erwerbsvorgang entfsllt.2 Seinem Wortlaut nach ist § 16 Abs. 2 Ziff. 2 GrEStG zwar nur auf die Anfechtung einer Willenserklsrung nach §§ 119, 120, 123 BGB zugeschnitten, die die ursprÅngliche Nichtigkeit des anfechtbaren Rechtsgeschsfts gem. § 142 Abs. 1 BGB bewirkt,3 wshrend die Insolvenzanfechtung nicht zur Nichtigkeit der angefochtenen Rechtshandlung, sondern nur zu einer relativen Unwirksamkeit des Rechtsgeschsfts fÅhrt.4 Eine unmittelbare Anwendung von § 16 Abs. 2 Ziff. 2 GrEStG auf die Insolvenzanfechtung ist daher an sich nicht mÇglich.5 Der BFH wendet die Norm auf die Insolvenzanfechtung allerdings zu Recht gleichwohl an, weil sich der Erwerber der RÅckgsngigmachung des Erwerbsvorganges bzw. einer RÅckÅbertragung des GrundstÅcks aus RechtsgrÅnden nicht entziehen kann, also ein durchsetzbarer Anspruch auf RÅckgsngigmachung des Erwerbsvorgangs besteht.6

4.622

1 Heine, ZInsO, 2004, 230 (230). 2 Zum RÅckerwerbsvorgang eines Erbbaurechts infolge von Insolvenzanfechtung vgl. KG v. 26.4.2012 – 1 W 96/12, ZIP 2012, 1722 = ZInsO 2012, 1170. 3 Hofmann/Hofmann, § 16 GrEStG Rz. 48. 4 Sack in Boruttau/Klein, § 16 GrEStG Rz. 167. 5 Hofmann/Hofmann, § 16 GrEStG Rz. 48. 6 BFH v. 6.2.1980 – II R 7/76, BStBl. II 1980, 363 = BFHE 130, 186.

675

623

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

II. Praktische Bedeutung der Grunderwerbsteuer im Insolvenzverfahren Nicht selten findet der Insolvenzverwalter bei ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen eines Insolvenzschuldners Grundbesitz in der Insolvenzmasse vor. Hsufig wird dieser Grundbesitz im Insolvenzverfahren verwertet, so dass Grunderwerbsteuer anfsllt. Die damit verbundenen insolvenzsteuerrechtlichen Fragen scheinen auf den ersten Blick unspektakulsr zu sein. Freilich entsteht die Grunderwerbsteuer als Masseverbindlichkeit, wenn der Insolvenzverwalter ein massezugehÇriges GrundstÅck freihsndig verkauft. Keineswegs trivial sind allerdings GrundstÅcksgeschsfte des Insolvenzschuldners, die vor InsolvenzerÇffnung bereits geschlossen worden sind und nach der InsolvenzerÇffnung neue Wendungen erfahren, wie beispielsweise die Insolvenzanfechtung, den RÅcktritt einer Vertragspartei oder zusstzliche Leistungen seitens einer der Parteien, die vor InsolvenzerÇffnung noch nicht vereinbart waren. Nicht zu allen die Praxis interessierenden Fragestellungen liegen bislang hÇchstrichterliche Entscheidungen vor, so dass auch grunderwerbsteuerrechtliche Fragestellungen im Insolvenzverfahren von wesentlicher Bedeutung sein kÇnnen. Zu beachten ist allerdings, dass der xbergang der Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO nicht eine Befugnis zur Verwertung auf eigene Rechnung durch Nutzung oder Versußerung i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG zur Folge hat, sondern lediglich der Ausschaltung der EinwirkungsmÇglichkeiten des Schuldners auf das massezugehÇrige VermÇgen im Çffentlichen Interesse der gemeinschaftlichen Befriedigung der Glsubiger dient.1

III. Insolvenzrechtliche Qualitlt der Grunderwerbsteuerforderungen

624

FÅr die Beurteilung der insolvenzrechtlichen Forderungsqualitst der Grunderwerbsteuerschuld kommt es grundsstzlich darauf an, ob der die Grunderwerbsteuer auslÇsende Lebenssachverhalt vor oder nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens stattgefunden hat. Die Grunderwerbsteuer ruht im Gegensatz zur Grundsteuer nicht als Çffentliche Last auf dem GrundstÅck, weswegen eine abgesonderte Befriedigung des Steuerglsubigers nach § 49 InsO ausscheidet.2

625

Da es sich bei der Grunderwerbsteuer um einen selbstsndigen gesetzlichen Steueranspruch handelt, der nicht aus dem GrundstÅckskaufvertrag als vertraglicher Anspruch abgeleitet werden kann, kommt die Annahme 1 FG MÅnster v. 31.1.2011 – 8 V 329/10 GrE, Rz. 22, juris. 2 Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2422.

676

G. Grunderwerbsteuer

einer Masseschuld nach § 55 Abs. 1 Ziff. 2 InsO nicht in Betracht.1 Eine Masseverbindlichkeit kann sich daher nur dann ergeben, wenn die Grunderwerbsteuer durch eine Handlung des Insolvenzverwalters bzw. sonst durch Verwaltung oder Verwertung der Insolvenzmasse zur Entstehung gelangt (§ 55 Abs. 1 Ziff. 2 InsO). Soweit der vollstsndige Erwerbsvorgang vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens stattgefunden hat, also insbesondere der EigentumsÅbergang am GrundstÅck vor InsolvenzerÇffnung erfolgt ist, nimmt die Grunderwerbsteuerforderung stets den Rang einer Insolvenzforderung (§ 38 InsO) ein; die Forderung kann dann nur zur Insolvenztabelle angemeldet werden (§ 174 InsO). Differenziertere Beurteilungen der Forderungsqualitlt der Grunderwerbsteuerforderung sind erforderlich, wenn der EigentumsÅbergang im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung noch nicht abschließend verwirklicht ist, etwa weil der Kaufvertrag noch unter einer Bedingung steht. FÅr die Zuordnung der Grunderwerbsteuerforderung zu den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien ist zunschst der steuerrechtlich fÅr die Entstehung der Steuer maßgebliche Zeitpunkt unerheblich, so dass § 14 GrEStG keine Rolle spielt.2 Entscheidend ist vielmehr die insolvenzrechtliche „BegrÅndung“ der Steuer. Um die Beurteilung dieses Merkmals wird zurzeit viel diskutiert und heftig gestritten (Rz. 4.327 ff.). Die in anderen Zusammenhsngen, namentlich im Bereich der Umsatzsteuer noch auszutragenden Streitstsnde haben auch fÅr die Grunderwerbsteuer entsprechende Bedeutung. Der fÅr die Grunderwerbsteuer maßgebliche Vorgang ist dabei grundsltzlich der Abschluss des Rechtsgeschlfts, kraft dessen der EigentumsÅbergang erfolgen soll.3 Damit nimmt auch eine Grunderwerbsteuerforderung, die gem. § 14 GrEStG nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens entsteht (weil der EigentumsÅbergang vom Eintritt einer Bedingung abhsngt oder genehmigungsbedÅrftig ist), im Insolvenzverfahren gleichwohl den Rang einer einfachen Insolvenzforderung (§ 38 InsO) ein, wenn das maßgebliche Rechtsgeschsft vor der InsolvenzerÇffnung stattgefunden hat und ihre Entstehung nicht mehr von einer persÇnlichen Handlung des Schuldners abhsngt.4

4.626

Ist ein GrundstÅcksvertrag zwischen dem Schuldner und dem anderen Teil vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens zwar abgeschlossen, zur Zeit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens jedoch nicht oder nicht vollstsndig erfÅllt worden (§ 103 Abs. 1 InsO), so kann der Insolvenzverwalter die ErfÅllung des Anspruchs aus dem Vertrag verlangen oder die ErfÅllung ablehnen (§ 103 Abs. 2 InsO). Die Grunderwerbsteuer wird durch eine ErfÅllungswahl aber nicht in den Rang einer Masseverbindlichkeit erhoben, da

4.627

1 2 3 4

Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 230. SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 223. Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, Rz. 462. Boochs in FrankfurterKomm/InsO, § 155 Rz. 427; Viskorf in Boruttau/Klein, § 14 GrEStG Rz. 79; Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2413.

677

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

nicht das ErfÅllungsverlangen des Insolvenzverwalters den Tatbestand der Grunderwerbsteuer nach § 1 GrEStG verwirklicht, sondern das vor InsolvenzerÇffnung vorgenommene und im Anschluss genehmigte Rechtsgeschsft.1 Dasselbe gilt fÅr die Grunderwerbsteuer, wenn der andere Teil als Erwerber die ErfÅllung wegen der Eintragung einer Vormerkung (§ 883 BGB) nach § 106 InsO verlangen kann.2

628

Anders ist die Forderungsqualitst der Grunderwerbsteuerforderung zu beurteilen, wenn der Insolvenzverwalter wshrend des Insolvenzverfahrens ein zur Insolvenzmasse gehÇrendes GrundstÅck verwertet, indem er es versußert oder gar selbst fÅr die Insolvenzmasse ein GrundstÅck erwirbt. In beiden Fsllen wird der die Grunderwerbsteuerforderung auslÇsende Tatbestand erst nach der InsolvenzerÇffnung verwirklicht; die anfallende Grunderwerbsteuer ist somit als Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO zu qualifizieren.3 Steuerforderungen, die als Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO einzuordnen sind, werden gegenÅber der Insolvenzmasse geltend gemacht.

629

Im Falle der Versußerung eines GrundstÅcks, an dem ein Grundpfandgllubiger im Insolvenzverfahren gem. § 49 InsO ein Absonderungsrecht hat, ist zu beachten, dass das ZubehÇr gem. §§ 1120, 1192 BGB zwar mithaftet, steuerrechtlich aber nur bezÅglich des GrundstÅcks Grunderwerbsteuer anfsllt, wshrend die Versußerung des ZubehÇrs Umsatzsteuer auslÇst.4

630

Unter Umstsnden kÇnnen auch im Zusammenhang mit ein und demselben Erwerbsvorgang in Ansehung der Grunderwerbsteuer sowohl Insolvenzforderungen als auch Masseverbindlichkeiten entstehen. Das ist dann der Fall, wenn ein rechtsgeschsftlicher Erwerbsvorgang vor InsolvenzerÇffnung Grunderwerbsteuer auslÇst und nach der InsolvenzerÇffnung ein davon unabhsngiger, selbstsndiger Rechtsakt stattfindet, der eine zusltzliche Leistung i.S.v. § 9 Abs. 2 Ziff. 1 GrEStG zum Gegenstand hat. Als zusstzliche Leistung in diesem Sinne ist jede Leistung anzusehen, die der Erwerber als Entgelt fÅr den Erwerb des GrundstÅcks gewshrt und die nicht bereits von § 9 Abs. 1 GrEStG erfasst ist. Im Regelfall handelt es sich dabei um Leistungen, die vom Erwerber zusstzlich zu der beim Erwerbsvorgang selbst bereits vereinbarten Gegenleistung, also nachtrsglich, gewshrt werden,5 um sich das Eigentum am GrundstÅck zu verschaffen oder zu erhalten. Die nachtrsgliche Gegenleistung ist dann zwar mit dem GrundstÅckserwerb nicht mehr kausal verknÅpft, zwi-

1 Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 428. 2 Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2415. 3 Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2417; SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 225. 4 Boochs in FrankfurterKomm/InsO, § 155 InsO Rz. 429. 5 Vgl. BFH v. 24.2.1982 – II R 4/81, BStBl. II 1982, 625 = BFHE 136, 146.

678

G. Grunderwerbsteuer

schen ihr und dem GrundstÅckserwerb muss aber dennoch ein innerer rechtlicher Zusammenhang bestehen.1 Ein solcher kann sich bei einem bereits abgewickelten Geschsft auch daraus ergeben, dass bestehende Zweifel an dessen Wirksamkeit vergleichsweise durch Zahlung eines zusstzlichen Entgelts ausgersumt werden bzw. durch das zusstzliche Entgelt das BehaltendÅrfen des GrundstÅcks gesichert wird.2 Eine solche zusstzliche Leistung ist somit auch dann anzunehmen, wenn der Insolvenzverwalter den vor InsolvenzerÇffnung erfolgten Erwerbsvorgang zunschst anficht, sich dann aber zur Erledigung der Auseinandersetzung um die Anfechtbarkeit mit dem Vertragspartner des Schuldners auf eine Vergleichszahlung einigt und als Gegenleistung dem vorinsolvenzlichen Erwerbsvorgang zustimmt.3 Der aus einer zusstzlichen Leistung i.S.v. § 9 Abs. 2 Ziff. 1 GrEStG resultierende Steuerbetrag kann in einem gesonderten Grunderwerbsteuerbescheid festgesetzt werden; einer znderung des ursprÅnglichen Grunderwerbsteuerbescheids bedarf es nicht.4 Ist bei der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens eine Grunderwerbsteuer zwar bereits (im steuerrechtlichen Sinne gem. § 14 GrEStG) entstanden, aber noch nicht fsllig, so wird nach § 41 InsO die Fslligkeit fingiert und die Steuerforderung kann als fsllige Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet werden.5 Ein Grunderwerbsteuerbescheid darf nicht mehr ergehen (Rz. 3.189 ff.).

4.631

IV. Unbedenklichkeitsbescheinigung Literatur Heine, Die grunderwerbsteuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung im Insolvenzverfahren, ZInsO 2004, 230; Schuhmann, Zur grunderwerbsteuerrechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung, UVR 1996, 76; Wnlzholz, Die Beantragung der Eigentumsumschreibung ohne Unbedenklichkeitsbescheinigung zur Minderung der Grunderwerbsteuerbelastung, MittBayNot 2006, 365; Wohltmann, Die Erteilung der grunderwerbsteuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung – Eine lsstige Formalie?, UVR 2006, 154.

Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung gegenÅber dem Finanzamt, wenn die Grunderwerbsteuer entrichtet, sichergestellt oder gestundet worden ist oder wenn keine sachliche Steuerpflicht besteht. Als sichergestellt in diesem Sinne ist die Entrichtung der Grundsteuer auch dann anzusehen, 1 BFH v. 13.4.1994 – II R 93/90, BStBl. II 1994, 817 = ZIP 1994, 1545; v. 12.12.1979 – II R 15/76, BStBl. II 1980, 162 (163) = BFHE 129, 280. 2 BFH v. 13.4.1994 – II R 93/90, BStBl. II 1994, 817 = ZIP 1994, 1545. 3 BFH v. 13.4.1994 – II R 93/90, BStBl. II 1994, 817 = ZIP 1994, 1545. 4 BFH v. 13.4.1994 – II R 93/90, BStBl. II 1994, 817 = ZIP 1994, 1545; Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2419. 5 Beck/Deprp, Praxis der Insolvenz, § 35 Rz. 64.

679

4.632

633

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

wenn sie zur Insolvenztabelle angemeldet worden ist und der Insolvenzverwalter sie festgestellt hat (§ 178 Abs. 1 InsO); ausfÅhrlich zu den Wirkungen der Tabellenfeststellung s. Rz. 3.272 ff. Daher besteht spstestens mit der Tabellenfeststellung ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer grunderwerbsteuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung.1 Gleiches gilt auch dann, wenn die Finanzverwaltung die Grunderwerbsteuer nicht zeitnah zur Insolvenztabelle anmeldet, obwohl die Anmeldung ohne weiteres mÇglich wsre. Andernfalls kÇnnte die Anmeldung ÅbergebÅhrlich verzÇgert und ein im Rahmen der Insolvenzabwicklung gebotener Vollzug eines Erwerbsvorganges gefshrdet werden. Besonders relevant ist dieser Rechtsanspruch auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung, wenn eine krisenbehaftete Gesellschaft GrundvermÇgen an eine andere krisenbehaftete Gesellschaft Åbertrsgt und es zur InsolvenzerÇffnung Åber das VermÇgen sowohl von Ksufer als auch Verksufer kommt. Ist dann die Grunderwerbsteuer noch nicht entrichtet, steht in aller Regel fest, dass die Grunderwerbsteuer jedenfalls nicht vollstsndig entrichtet werden wird; gleichwohl muss die Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt werden.2

V. Erstattung der Grunderwerbsteuer Ist vor der InsolvenzerÇffnung durch den Insolvenzschuldner Grunderwerbsteuer entrichtet worden und wird das GrundstÅcksgeschsft spster jedoch nicht endgÅltig vollzogen, so kann es zu Grunderwerbsteuererstattungen kommen.3 Hat der Insolvenzschuldner vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens einen Kaufvertrag Åber ein GrundstÅck geschlossen, in dem ein RÅcktrittsrecht vorgesehen ist und hat der Insolvenzschuldner vor InsolvenzerÇffnung Grunderwerbsteuer entrichtet, dann entsteht mit der AusÅbung des RÅcktrittsrechts ein Grunderwerbsteuererstattungsanspruch der Insolvenzmasse gegen die Finanzverwaltung, auch wenn das RÅcktrittsrecht erst nach der InsolvenzerÇffnung ausgeÅbt wird. Es ist dabei unerheblich, ob der Insolvenzverwalter ein dem Insolvenzschuldner vorbehaltenes RÅcktrittsrecht ausÅbt, oder der andere Vertragsteil ein ihm vorbehaltenes. Gegen den Grunderwerbsteuererstattungsanspruch kann die Finanzverwaltung allerdings in diesem Fall nach der Auffassung des VII. Senats des BFH mit Insolvenzforderungen aufrechnen, weil dieser RÅckerstattungsanspruch bereits vor InsolvenzerÇffnung begrÅndet war und nach InsolvenzerÇffnung lediglich nur noch im steuerrechtlichen 1 Im Ergebnis ebenso Heine, ZInsO, 2004, 230 (231), der allerdings einen Anspruch auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung aus § 22 Abs. 2 Satz 2 GrEStG annimmt, weil das Ermessen der FinanzbehÇrde auf Null reduziert sei; ebenso SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 227; Kahlert/ RÅhland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rz. 2489. 2 Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, Rz. 205. 3 Zur Erstattung der Grunderwerbsteuer im Nachlassinsolvenzverfahren vgl. BFH v. 7.5.2014 – II B 117/13, BFH/NV 2014, 1232.

680

G. Grunderwerbsteuer

Sinne entstanden ist.1 Deswegen soll auch § 96 Abs. 1 Ziff. 1 InsO nicht einschlsgig sein, weil die Finanzverwaltung einen aufgrund eines RÅcktritts vom Vertrag nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ausgelÇsten Erstattungsbetrag somit nicht erst nach VerfahrenserÇffnung schuldig geworden ist.2 FÅr den Fall eines (vertraglichen oder gesetzlichen) RÅcktrittsrechtes mag dem mit der xberlegung zugestimmt werden, dass dieses Vertragsverhsltnis bereits vor InsolvenzerÇffnung unter dem ihm inhsrenten Damoklesschwert des RÅcktritts stand. Anders ist aber der Fall zu beurteilen, dass die RÅckglngigmachung des Kaufvertrages Åber ein GrundstÅck auf der NichterfÅllungswahl des Insolvenzverwalters nach § 103 Abs. 2 InsO beruht. Auch in diesem Fall entfsllt die Grunderwerbsteuer.3 Hat der Insolvenzschuldner die Grunderwerbsteuer aus seinem VermÇgen vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens gezahlt, ist die Grunderwerbsteuer vom Finanzamt an die Insolvenzmasse zu erstatten.4 Der soweit ersichtlich allgemein vertretenen Auffassung zu Folge ist gegen einen solchen Erstattungsanspruch eine Aufrechnung mit Insolvenzforderungen des Finanzamtes nicht zulsssig, weil ein Fall des § 96 Abs. 1 Ziff. 1 InsO gegeben ist.5 Der Rechtsgrund fÅr den Erstattungsanspruch liegt nsmlich nicht in der abstrakten Regelung des § 16 Abs. 1 GrEStG, sondern vielmehr in der insolvenzrechtlichen NichterfÅllungswahl.6 Diese ist aber kein dem Vertragsverhsltnis bereits vor InsolvenzerÇffnung inhsrentes Moment, das den Bestand des Vertragsverhsltnisses bereits vor InsolvenzerÇffnung unentschieden sein ließ, sondern das Recht zur NichterfÅllungswahl ist ein originsres insolvenzrechtliches Gestaltungsrecht des Insolvenzverwalters, das erst mit der InsolvenzerÇffnung – und damit dem nach der InsolvenzerÇffnung zuzurechnenden Zeitabschnitt – kraft Gesetzes und außerhalb des eigentlichen Vertragsverhsltnisses entsteht. Gleiches gilt auch fÅr RÅckerstattungsbetrsge, die sich in Folge einer Insolvenzanfechtung eines GrundstÅcksgeschsftes des Insolvenzschuldners ergeben.7 Auch das Anfechtungsrecht ist ein originsres insolvenzrechtliches Gestaltungsrecht des Insolvenzverwalters, das erst mit der InsolvenzerÇffnung entsteht und nicht bereits vor InsolvenzerÇffnung im Vertragsverhsltnis zwischen dem Schuldner und seinem Vertragspartner bereits angelegt war. Die Vorteile aus der RÅckgsngigmachung einer vom Insolvenzrechts-Gesetzgeber missbilligten und deswegen anfechtbaren VermÇgensverschiebung des Insolvenz1 BFH v. 17.4.2007 – VII R 27/06, BStBl. II 2009, 589 = ZIP 2007, 1166. 2 BFH v. 17.4.2007 – VII R 27/06, BStBl. II 2009, 589 = ZIP 2007, 1166. 3 Nerlich/Kreplin, MÅnchener Anwalts Handbuch Sanierung und Insolvenz, § 25 Rz. 101. 4 Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, Rz. 205; Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2416. 5 Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 429; Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2416; FG Bremen v. 19.12.1973 – II 44/73, EFG 1974, 220 ff. 6 Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 429. 7 Ebenso Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz. 430.

681

4.634

635

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

schuldners mÅssen dem insolvenzrechtlichen Gebot der Glsubigergleichbehandlung folgend der Gesamtglsubigerschaft zufließen und dÅrfen nicht auf dem Wege der Aufrechnung von einzelnen Insolvenzglsubigern der Gesamtheit entzogen werden. Insoweit ist im xbrigen auch § 96 Abs. 1 Ziff. 3 InsO anzuwenden. Auch wenn ein Vertrag aufgehoben wird und der Insolvenzverwalter das GrundstÅck anschließend an eine gesellschafteridentische Schwestergesellschaft versußert, verbleibt dem ursprÅnglichen Erwerber die MÇglichkeit der Verwertung einer aus dem rÅckgsngig gemachten Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition, wenn Aufhebungs- und Weiterversußerungsvertrag in einer einzigen Urkunde zusammengefasst worden sind.1 Da sowohl der Aufhebungs-, als auch der neue Kaufvertrag jeweils durch die Genehmigungen der Vertragsparteien wirksam werden, kann der ursprÅngliche Erwerber sicherstellen, dass das GrundstÅck an einen erwÅnschten neuen Erwerber (hier eine Tochtergesellschaft) versußert wird. Demnach ist die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ausgeschlossen, denn der Ersterwerber verwertet die verbleibenden Rechtspositionen im eigenen wirtschaftlichen Interesse.

VI. Auswirkungen der Anzeige der Masseunzullnglichkeit Die Anzeige der Masseunzulsnglichkeit gem. § 208 InsO hat gem. § 210 InsO zur Folge, dass die Vollstreckung wegen Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO unzulsssig wird. Nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit sndert sich die Befriedigungsreihenfolge der Glsubiger. Vorrang haben nun die Kosten des Verfahrens; daran schließen sich die Masseverbindlichkeiten an, die nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit begrÅndet werden bzw. dazu gehÇrende Verbindlichkeiten nach § 209 Abs. 2 InsO. Im Fall der Masseunzulsnglichkeit (§ 208 InsO) ergeben sich in Bezug auf die Grunderwerbsteuer keine spezifischen Probleme. Daher kann auf die AusfÅhrungen Rz. 3.215 ff. verwiesen werden.

1 Vgl. BFH v. 25.8.2010 – II R 35/08, BFH/NV 2010, 2301 m. Anm. Roth, jurisPRInsR 10/2011 Anm. 3.

682

H. Grundsteuer

H. Grundsteuer Literatur Balke, Grundsteuer unter Verfassungsdruck, ZSteu 2005, 322; Becker, Grundsteuererlass bei Wohnungsleerstand: znderungen durch das JStG 2009, StWK Gruppe 11, 167 (4/2009); Deprp/Lambert, Aktuelle steuerliche Aspekte bei der Verwaltung und Verwertung von Immobilien in der Insolvenz, ZfIR 2012, 1; Dieterich/Josten, Freistellung der Gebsude von der Grundsteuer, WuM 1998, 531; Drosdzol, Grundsteuer(teil-)Erlass fÅr GrundstÅcke in eingemeindeten Ortsteilen – zur Problematik der Grundsteuer-Messzahlen in den neuen Lsndern, KStZ 2005, 184; Eisele, Die Grundsteuer auf selbst genutzte Wohnimmobilien ist verfassungsgemsß, Gemeindehaushalt 2009, 206; Erlass der Grundsteuer bei wesentlicher Ertragsminderung, NWB 2009, 2231; Hartung, Grundsteuer und weitere Çffentliche GrundstÅckslasten in der Zwangsverwaltung, Rpfleger 2013, 661; Heine, Zur Festsetzung der Grundsteuer bei noch ausstehendem Grundsteuermessbescheid, KStZ 2004, 239; Huschke/Hanisch/Wilms, Der neue § 33 GrStG: Zu den Auswirkungen eines erschwerten Grundsteuererlasses und dem Reformbedarf im Grundsteuerrecht, DStR 2009, 2513; Janssen, Zur Verfassungswidrigkeit von Grundsteuer und Einheitsbewertung, Grundeigentum 2006, 100; Leuchtenberg, Grundsteuer im Brennpunkt des Verfassungsrechts, DStZ 2006, 36; Meier, ErhÇhung der Grundsteuer statt Erhebung von StraßenreinigungsgebÅhren – GrundÅberlegungen zum Systemwechsel am Beispiel Nordrhein-Westfalen, ZKF 2008, 55; Puhl, Grundsteuererlass bei wesentlicher Ertragsminderung (§ 33 GrStG), KStZ 2010, 67; Schmidberger, Stellung der Çffentlichen Glsubiger im Insolvenzverfahren, NZI 2012, 953; StÇckel, Grundsteuer nach der Ersatzbemessungsgrundlage Wohn-/Nutzflsche (§ 42 GrStG) oder nach Einheitswert und Grundsteuermessbetrag (§ 132 BewG), DStZ 2001, 356; Grundsteuersparmodell Einheitswert, NWB Fach 11, 741 (51/2006); Kommt die Entscheidung des BFH zum Erlass der Grundsteuer nach § 33 Grundsteuergesetz bei strukturell bedingtem Leerstand die Stsdte und Gemeinden in den Flschenlsndern teuer zu stehen?, KStZ 2008, 141; Die GrundstÅcksbewertung von WohngrundstÅcken – FÅr Zwecke der Grundsteuer, Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer, NWB 2009, 3052.

I. Grundlagen Steuergegenstand der Grundsteuer sind die land- und fortwirtschaftlichen Betriebe und GrundstÅcke (§ 2 GrStG). Dabei ist es unerheblich, ob GrundstÅcke zu privaten oder betrieblichen Zwecken verwendet werden.1 Hebeberechtigt sind gem. § 1 GrStG die Gemeinden, denen das Grundsteueraufkommen zukommt. Steuerbefreiungen sind gem. § 3 GrStG fÅr den Grundbesitz bestimmter Rechtstrsger normiert. Schuldner der Grundsteuer ist derjenige, dem der Steuergegenstand bei der Feststellung des Einheitswerts zugerechnet ist (§ 10 Abs. 1 GrStG). Die Grundsteuer entsteht mit Beginn eines Kalenderjahres (§ 9 Abs. 2 GrStG) und wird fÅr das gesamte Kalenderjahr im Voraus festgesetzt (§ 27 Abs. 1 GrStG); entscheidend fÅr die Festsetzung sind die Verhsltnisse zu Beginn des Kalenderjahres (§ 9 Abs. 1 GrStG). Die Festsetzung erfolgt auf der Grundlage 1 BFH v. 19.7.2006 – II R 81/05, BStBl. II 2006, 767.

683

4.636

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

eines Grundsteuermessbescheides, der wiederum auf einem durch das Lagefinanzamt erlassenen Einheitswertbescheides basiert. Der Grundsteuerbescheid bestimmt dann auf der Grundlage des Steuermessbetrages und unter Anwendung des Hebesatzes der betreffenden Gemeinde den Grundsteuerbetrag.

637

Die Grundsteuer wird grundsstzlich zu je einem Viertel ihres Jahresbetrags am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November fsllig (§ 28 Abs. 1 GrStG). Abweichungen davon sind gem. § 28 Abs. 2, 3 GrStG mÇglich.

638

Die Grundsteuer und die ihr zugrunde liegende Systematik sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, auch wenn es dieserhalb in jÅngerer Zeit einige markante Rechtsstreite gab.1 Zweifel daran ergeben sich auch nicht daraus, dass die Grundsteuer eine Substanzsteuer ist, die dann zu einem schleichenden VermÇgensverzehr bei dem Steuerschuldner fÅhren kann, wenn der zu besteuernde Grundbesitz nicht entsprechende Wertsteigerungen erfshrt.2

639

II. Praktische Bedeutung der Grundsteuer im Insolvenzverfahren Oft findet der Insolvenzverwalter bei ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen eines Insolvenzschuldners Grundbesitz in der Insolvenzmasse vor. Regelmsßig fsllt dann auch Grundsteuer an, wobei es durchaus nicht selten auch Streit um die insolvenzrechtliche Forderungsqualitst der Grundsteuerschulden gibt. Die wirtschaftliche Bedeutung der Grundsteuer ist in den meisten Fsllen zwar fÅr das Insolvenzverfahren insgesamt nicht Åberragend, weil die Grundsteuerbetrsge hsufig im Verhsltnis zur Åbrigen Masse recht niedrig liegen. In kleineren Insolvenzverfahren, namentlich in Verbraucherinsolvenzverfahren kann aber durch die Belastung der Insolvenzmasse mit Grundsteuer schnell Masseunzulsnglichkeit (§ 208 InsO) eintreten, weil eine Masse Åberhaupt nur aus der Verwertung des Grundbesitzes des Insolvenzschuldners gebildet werden kann, daraus der Masse aber wegen der dinglichen Belastungen nur ein geringer Massekostenbeitrag zufließt und vorrangig vor der Grundsteuer die Verfahrenskosten (§ 54 InsO) befriedigt werden mÅssen.

III. Insolvenzrechtliche Qualitlt der Grundsteuerforderungen Literatur App, Haftung des Insolvenzverwalters fÅr nach Freigabe eines GrundstÅcks aus der Insolvenzmasse fsllig werdende Grundsteuer, KKZ 2005, 50; PrÅfung von Gewer1 Vgl. BFH v. 19.7.2006 – II R 81/05, BStBl. II 2006, 767; BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, 655 = ZIP 1995, 1337 = BVerfGE 93, 121. 2 Vgl. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, 655 = ZIP 1995, 1337 = BVerfGE 93, 121.

684

H. Grundsteuer besteuer und Grundsteuer im Insolvenzfall, KKZ 2009, 25; Dahl, Zur Aufhebung eines Grundsteuerbescheides nach InsolvenzerÇffnung Åber das VermÇgen des GrundstÅcksversußerers, EWiR 2007, 695; Drasdo, Rechte und Pflichten des Zwangsverwalters, NJW 2014, 1855; Beck/Hackenberg, Die Grundsteuer in der Insolvenz, ZfIR 2007, 264; Hagen, Erlass von Steuerverwaltungsakten im Insolvenzverfahren, StBp 2004, 217; Hartung, Grundsteuer und weitere Çffentliche GrundstÅckslasten in der Zwangsverwaltung, Rpfleger 2013, 661; Loose, Zulsssiger Erlass von EW- und Grundsteuermessbescheiden nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens, EFG 2007, 710; Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, Rz. 465 ff.; Mayer, Grundsteuer im Insolvenzverfahren, in der Zwangsversteigerung und der Zwangsverwaltung, Rpfleger 2000, 260; Schmidberger, Stellung der Çffentlichen Glsubiger im Insolvenzverfahren, NZI 2012, 953; Werth, Die Aufrechnung von steuerlichen ErstattungsansprÅchen im Insolvenzverfahren, AO-StB 2007, 70.

Grundsteuerschulden kÇnnen im Insolvenzverfahren den Rang von Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) oder von Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) einnehmen.1 Außerdem kÇnnen Grundsteuerschulden das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners betreffen (Rz. 2.135 ff.); in solchen Fsllen ist die Grundsteuerforderung nicht im Insolvenzverfahren, sondern trotz laufenden Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner geltend zu machen. Sofern es sich um eine Insolvenzforderung handelt, kann das Finanzamt seine Forderung zur Insolvenztabelle anmelden (§ 174 InsO) und wird anschließend bei der Verteilung des VerwertungserlÇses berÅcksichtigt, nicht aber Zahlung aus der Insolvenzmasse außerhalb der allgemeinen Verteilung verlangen. Handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit, ist der Erlass eines Steuerbescheides zulsssig und die zugrunde liegende Forderung wird gem. § 53 InsO vorrangig aus der Insolvenzmasse befriedigt.2

4.640

Soweit der Insolvenzschuldner bei InsolvenzerÇffnung Grundsteuerschulden hat, die Verlangungszeitrsume (also Kalenderjahre) betreffen, die bereits vor dem Kalenderjahr endeten, in das die InsolvenzerÇffnung fsllt, sind diese Grundsteuerschulden im Insolvenzverfahren stets einfache Insolvenzforderungen im Rang von § 38 InsO.

4.641

Zuordnungsprobleme ergeben sich aber dann, wenn innerhalb eines Kalenderjahres Verlnderungen der fÅr die Grundsteuer maßgeblichen Verhlltnisse eintreten. So ist es streitig, ob die Grundsteuer fÅr das Kalenderjahr, in das die InsolvenzerÇffnung fsllt, zeitanteilig aufzuteilen und die auf die Zeit vor der InsolvenzerÇffnung entfallende Grundsteuer den Insolvenzforderungen und der auf die Zeit nach der InsolvenzerÇffnung entfallende Teil den Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) zuzuordnen sein soll,3 oder ob der gesamte Jahressteuerbetrag den Insolvenzforderungen

4.642

1 Zur Forderungskategorie von JahresbenutzungsgebÅhren (hier MÅllgebÅhren) vgl. VG WÅrzburg v. 14.12.2012 – W 7 K 11.1053, ZVI 2013, 238. 2 OVG NW v. 10.1.2014 – 14 E 893/13, ZIP 2014, 693. 3 So Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 232.

685

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

zuzuordnen ist.1 Letztere Auffassung verdient den Vorzug, weil der Grundsteuertatbestand zu Beginn des Kalenderjahres vollstsndig verwirklicht wird; lediglich die Fslligkeit der Grundsteuerbetrsge tritt vierteljshrlich ein. Nach dem gesetzlichen System der Grundsteuer sind fÅr die Steuerschuldnerschaft und die Festsetzung der Grundsteuer ausschließlich die Verhsltnisse zu Beginn des Kalenderjahres maßgebend. So wirken sich auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens Versnderungen wie etwa ein durch Versußerung des Grundbesitzes eintretender Eigentumswechsel nicht auf die Grundsteuerschuld und Grundsteuerfestsetzung fÅr das laufende Kalenderjahr, sondern erst fÅr das auf die Versußerung folgende Kalenderjahr aus. Das zeigt, dass die Grundsteuer nicht – wie etwa die Kraftfahrzeugsteuer (Rz. 4.561 ff.) – an das jeden Tag im Veranlagungszeitraum wiederkehrende Eigentums- oder Nutzungsverhsltnis bezÅglich des Steuergegenstandes anknÅpft, sondern es vielmehr zu einer einmal im Jahr im Sinne eines reinen Stichtagsprinzips eintretenden Steuerbelastung kommt. Daher verbietet sich eine zeitanteilige Aufteilung der Grundsteuerschuld im Veranlagungszeitraum der InsolvenzerÇffnung.2

643

Umgekehrt kommt es allerdings auch nicht zu einer Aufteilung, wenn der Grundbesitz sich zu Beginn eines Kalenderjahres in der Insolvenzmasse befindet und sodann wshrend des Kalenderjahres Versnderungen eintreten. In diesem Fall ist der gesamte Jahressteuerbetrag Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 Alt. 2 InsO.

644

DafÅr ist es unerheblich, welche Versnderung im Laufe des Kalenderjahres eintritt, ob also entweder eine Versußerung an einen Dritten erfolgt, oder die Freigabe des Grundbesitzes an den Insolvenzschuldner (Rz. 2.143 f., insbesondere Rz. 2.146).

645

Soweit die Freigabe im Laufe eines Kalenderjahres erfolgt, entsteht die Grundsteuer zu Beginn des folgenden Kalenderjahres zu Lasten des insolvenzfreien VermÇgens des Insolvenzschuldners. Ein Grundsteuerbescheid ist dann nicht mehr an den Insolvenzverwalter zu richten, sondern an den Insolvenzschuldner selbst. Ein an den Insolvenzverwalter gerichteter Bescheid ist rechtswidrig und auf den Einspruch hin aufzuheben.

646

IV. Bekanntgabe von Einheitswertbescheiden und Grundsteuermessbescheiden wlhrend des Insolvenzverfahrens Grundsstzlich dÅrfen nach der InsolvenzerÇffnung keine Grundlagenbescheide mehr erlassen werden, die die Insolvenzmasse betreffen, wenn dadurch Besteuerungsgrundlagen festgestellt oder festgesetzt werden, wel1 Fritsch in Pahlke/Koenig, § 251 AO Rz. 65; Schmittmann in Waza/Uhlsnder/ Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2442; Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 75; Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, Rz. 465. 2 So auch Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2442.

686

H. Grundsteuer

che Auswirkungen auf nach § 174 InsO zur Tabelle anzumeldende Steuerforderungen haben kÇnnen. Nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens dÅrfen daher keine Bescheide mehr erlassen werden, in denen Besteuerungsgrundlagen festgestellt oder festgesetzt werden, welche die HÇhe der zur Insolvenztabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen kÇnnten, denn andernfalls wÅrde der sich aus § 87 InsO ergebende Vorrang des Insolvenzverfahrens gegenÅber dem Festsetzungs- und Feststellungsverfahren nach der Abgabenordnung unterlaufen. Es ist unerheblich, dass Grundlagenbescheide nicht unmittelbar auf eine Befriedigung der Steuerglsubiger gerichtet sind. Es genÅgt, dass die festgestellten oder festgesetzten Besteuerungsgrundlagen fÅr das Insolvenzverfahren insoweit prsjudiziell sind, als sie Steuern betreffen, die Insolvenzforderungen sein kÇnnen.1 Diese grundsltzliche Rechtslage bedarf aber fÅr Grundsteuermessbescheide und Einheitswertbescheide einer Einschrlnkung. Der II. Senat des BFH hat den Erlass eines Einheitswertbescheides auch nach der ErÇffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gegenÅber dem Gesamtvollstreckungsverwalter zugelassen, weil im Einheitswertbescheid Besteuerungsgrundlagen nicht ausschließlich zu dem Zweck ermittelt und festgestellt werden, um Grundsteuerforderungen zur Insolvenztabelle anmelden zu kÇnnen.2 Dem Einheitswertbescheid kommt nsmlich eine dingliche Wirkung zu, denn gem. § 182 Abs. 2 Satz 1 AO wirkt ein Feststellungsbescheid Åber einen Einheitswert auch gegenÅber dem Rechtsnachfolger, auf den der Gegenstand der Feststellung nach dem Feststellungszeitpunkt mit steuerlicher Wirkung Åbergeht. Dem ist beizupflichten. Zwar wird hierdurch das insolvenzrechtliche Forderungsanmeldungsund -prÅfungsverfahren ebenso gestÇrt wie in den Fsllen von Gewerbesteuermessbescheiden, die nach der ebenfalls zustimmungswÅrdigen Rechtsprechung des I. Senats des BFH3 nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens grundsstzlich nicht mehr gegen den Insolvenzverwalter erlassen werden dÅrfen, eben weil der sich aus § 87 InsO ergebende Vorrang des Insolvenzverfahrens gegenÅber dem Festsetzungs- und Feststellungsverfahren nach der Abgabenordnung unterlaufen wird. Diese StÇrung des insolvenzrechtlichen Forderungsanmeldungs- und -prÅfungsverfahrens wirkt sich aber auf das Insolvenzverfahren jedenfalls im Ergebnis nicht nachteilig aus, so dass es zumindest dann zugelassen werden kann, einen Grundlagenbescheid gegenÅber dem Insolvenzverwalter zu erlassen, wenn dadurch außerhalb des Insolvenzverfahrens liegende Regelungswirkungen herbeigefÅhrt werden. Die StÇrung des insolvenzrechtlichen For1 BFH v. 1.4.2003 – I R 51/02, BStBl. II 2003, 779; v. 18.12.2002 – I R 33/01, BStBl. II 2003, 630 = ZIP 2003, 1212. 2 BFH v. 24.7.2002 – II B 52/02, BFH/NV 2003, 8 ff. 3 BFH v. 2.7.1997 – I R 11/97, BStBl. II 1998, 428 = ZIP 1997, 2160; ebenso der I. Senat des BFH fÅr Feststellungen gem. § 47 Abs. 2 KStG a.F. und Bescheide Åber die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 Abs. 1 KStG a.F. und die verbleibenden VerlustabzÅge zur KÇrperschaftsteuer, BFH v. 18.12.2002 – I R 33/01, BStBl. II 2003, 630 = ZIP 2003, 1212; vgl. auch BFH v. 1.4.2003 – I R 51/02, BStBl. II 2003, 779.

687

4.647

648

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

derungsanmeldungs- und -prÅfungsverfahrens ist deshalb nicht besonders schwerwiegend, weil es nicht zu einer Verbesserung der insolvenzrechtlichen Forderungsqualitst der Steuerforderung kommt und bei einem Streit Åber Grund und/oder HÇhe der zur Insolvenztabelle angemeldeten Steuerforderung ohnehin die FG angerufen werden mÅssen und nicht etwa die Zivilgerichte. Wird eine angemeldete Steuerforderung im PrÅfungstermin bestritten und liegt noch kein Grundlagen- bzw. Messbescheid vor, so ist dieser trotz der InsolvenzerÇffnung unmittelbar gegenÅber dem Insolvenzverwalter zu erlassen.1 Selbst wenn ein Grundlagenbescheid bereits vorliegt, stellt die Finanzverwaltung einen zur Insolvenztabelle angemeldeten und bestrittenen Steueranspruch gem. § 251 Abs. 3 AO durch Verwaltungsakt fest. Gegen diesen Feststellungsbescheid ist der Einspruch (§ 347 AO) statthaft; gegen die Einspruchsentscheidung ist die Klage zum FG statthaft.2 Es bedeutet im Ergebnis keine Schlechterstellung der Insolvenzmasse, wenn der Insolvenzverwalter sich statt dieses im Korsett des insolvenzrechtlichen PrÅfungs- und Feststellungsverfahrens mÇglicherweise notwendigen finanzgerichtlichen Verfahrens bei Beanstandungen, die er gegenÅber den Feststellungen in einem Grundlagenbescheid erheben will, notfalls an die FG wenden muss, um ein Prsjudiz fÅr die Tabellenfeststellung zu vermeiden. In Anschluss an die eben dargestellte, zur Rechtmsßigkeit des Erlasses eines Einheitswertbescheides ergangenen Entscheidung des II. Senats des BFH3 hat das FG Brandenburg zutreffend entschieden, dass Grundsteuermessbescheide jedenfalls dann trotz der zwischenzeitlich erfolgten InsolvenzerÇffnung gegen den Insolvenzschuldner auf einen Stichtag vor der InsolvenzerÇffnung ergehen dÅrfen, wenn sich daraus dingliche Wirkungen gegenÅber Dritten, die am Insolvenzverfahren nicht beteiligt sind, ergeben.4 Die BegrÅndung stÅtzt sich im Wesentlichen auf die gleichen Aspekte, die auch der II. Senat des BFH ausgefÅhrt hat.

V. Grundsteuer als Absonderungsrecht Die Grundsteuer berechtigt, unabhsngig der jeweiligen Rangklasse i.S.v. § 10 Abs. 1 ZVG, den Steuerglsubiger zur abgesonderten Befriedigung nach § 49 InsO, wenn es sich bei der betroffenen Forderung um eine Insolvenzforderung handelt.5 Die in § 10 Abs. 1 ZVG genannten Rechte werden im Zeitpunkt der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens zu Absonderungsrechten an dem GrundstÅck. Dies ist nicht an die tatsschliche DurchfÅhrung einer 1 BFH v. 2.7.1997 – I R 11/97, BStBl. II 1998, 428 = ZIP 1997, 2160. 2 BFH v. 30.11.2004 – VII R 78/03, ZIP 2005, 954 = BFH/NV 2006, 1095; Fritsch in Pahlke/Koenig, § 251 AO Rz. 55. 3 BFH v. 24.7.2002 – II B 52/02, BFH/NV 2003, 8 ff. 4 FG des Landes Brandenburg v. 14.9.2006 – 3 K 2728/03, ZInsO 2006, 1339 (1341). 5 BGH v. 6.10.2011 – V ZB 18/11, ZIP 2012, 147 = NZI 2011, 939; OLG Brandenburg v. 7.3.2007 – 7 U 105/06, juris; SchÅppen/Ruh in MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 220a; Schmidberger, NZI 2012, 953 (956).

688

H. Grundsteuer

Zwangsversteigerung gebunden.1 Die Grundsteuer ruht nach § 12 GrStG stets als Çffentliche Last auf dem GrundstÅck, nicht etwa erst und nur dann, wenn eine Zwangsversteigerung tatsschlich erfolgt.2 Im Falle der Zwangsversteigerung gelten nach § 12 GrStG die Vorschriften des ZVG. Dem voranzugehen hat allerdings ein Duldungsbescheid gegenÅber dem Insolvenzverwalter. Dieser kann trotz § 89 InsO gegen den Insolvenzverwalter im laufenden Verfahren erlassen werden. Die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle stellt dabei die Grundlage des Duldungstitels nach § 191 AO dar.3 Wird das GrundstÅck hingegen freihsndig versußert, kann der Berechtigte kein Absonderungsrecht an dem GrundstÅck geltend machen.4 Das GrundstÅck haftet vielmehr weiterhin fÅr die rÅckstsndigen Grundsteuerforderungen. Die Haftung nach § 12 GrStG ist in diesem Falle im Wege des Duldungsbescheides gegenÅber dem GrundstÅckserwerber geltend zu machen. Dies kann nicht im Wege der Vereinbarung durch die Vertragsparteien abbedungen werden.5 Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO kÇnnen jedoch nicht im Wege der abgesonderten Befriedigung am GrundstÅck geltend gemacht werden. Solche GrundsteuerrÅckstsnde sind vielmehr vorab aus der Insolvenzmasse zu befriedigen.6

VI. Erlass der Grundsteuer Literatur Balzerkiewicz/Voigt, Grundsteuererlass bei strukturellem Leerstand?, Grundeigentum 2006, 1457; Barbier/Arbert, Grundsteuererlass gem. § 33 GrStG bei strukturell bedingtem Leerstand, BB 2007, 1421; Beck, Grundsteuererlass bei strukturell bedingter Ertragsminderung, BTR 2008, 36; Eich, Grundsteuererlass nach der Rechtsprechungssnderung, KySDI 2008, Nr. 2, 15915; Eisele, Grundsteuererlass bei strukturellem Leerstand – eine unendliche Geschichte?, Gemeindehaushalt 2007, 106; El-Tounsy/KÅhnold/Rave, Einheitswert – Grundsteuer – Erlass wegen Ertragsminderung, DStZ 2009, 798; Englert/Alex, Grundsteuererlass oder Wertfortschreibung im Falle dauerhaften Leerstands, DStR 2007, 95; Hoffmann, Grundsteuererlass auch bei strukturell bedingten nicht nur vorÅbergehenden Ertragsminderun1 A.A. OLG Hamm v. 21.10.1993 – 27 U 125/93, NJW-RR 1994, 469. 2 BGH v. 18.2.2010 – IX ZR 101/09, ZIP 2010, 994 = NZI 2010, 482; OVG SachsenAnhalt v. 14.3.2006 – 4 L 328/05, WM 2007, 1622; a.A. Schmittmann in Waza/ Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2447. 3 OVG Saarlouis v. 12.10.2007 – 1 B 340/07, NJW 2008, 250; Schmidberger NZI 2012, 953 (956); Glotzbach/Goldbach Immobiliarvollstreckung aus Sicht der kommunalen VollstreckungsbehÇrden Rz. 722. 4 BGH v. 18.2.2010 – IX ZR 101/09, ZIP 2010, 994 = NZI 2010, 482; BVerwG v. 13.2.1987 – 8 C 25/85, BVerwGE 77, 38; BVerwG v. 20.9.1974 – IV C 32/72, KStZ 1975, 10. 5 BGH v. 11.3.2010 – IX ZR 34/09, ZIP 2010, 791 = NZI 2010, 399. 6 Hefermehl in MÅnchKomm/InsO, § 55 Rz. 81; Schmidberger, NZI 2012, 953 (956).

689

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz gen?, StuB 2007, 274; Hosser, Chancen auf Grundsteuererlass wegen strukturellen Leerstands gestiegen, StB 2007, 264; Jochum, Gefangen in der Substanz? Grundsteuererlass auf Grund strukturell bedingter Ertragsminderung bei Einheitswertermittlung im Sachwertverfahren, DStZ 2007, 635; Kilches, Grundsteuererlass trotz strukturell bedingter Ertragsminderung, BFH-PR 2008, 70; KÅhnold, Zum Grundsteuererlass bei strukturellem Leerstand, ZKF 2007, 128; Martini, Der Grundsteuererlass nach § 33 GrStG bei auf Versnderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhsltnisse beruhenden Ertragsminderungen in der Rechtsprechung des BVerwG, BayVBl. 2006, 329; Quambusch, Grundsteuererlass wegen benachbarter Windkraftanlagen, VR 2007, 414; StÇckel, BVerwG schafft einheitliches Recht fÅr den Grundsteuererlass, NWB Fach 11, 793 (43/2008); StÇckel/KÅhnold, Grundsteuererlass nach § 33 GrStG, NWB Fach 11, 783 (13/2008).

649

Nach §§ 32, 33 GrStG kommt unter dort nsher bestimmten Voraussetzungen ein Erlass der Grundsteuer in Frage. Der Erlass ist insbesondere fÅr Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, fÅr bebaute GrundstÅcke und fÅr eigengewerblich genutzte bebaute GrundstÅcke vorgesehen, wenn der normale Rohertrag erheblich gemindert wird und der Steuerschuldner die Minderung nicht zu vertreten hat. Normaler Rohertrag ist bei bebauten GrundstÅcken die nach den Verhsltnissen zu Beginn des Erlasszeitraums – d.h. des Kalenderjahres, fÅr das die jahresweise zu erhebende und ggf. zu erlassende Steuer festgesetzt worden ist – geschstzte Åbliche Jahresrohmiete. Jahresrohmiete ist gem. § 79 Abs. 1 BewG das Gesamtentgelt, das der Mieter fÅr die Benutzung des GrundstÅcks aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Feststellungszeitpunkt fÅr ein Jahr zu entrichten hat. Ist das GrundstÅck oder sind Teile desselben eigengenutzt, ungenutzt – d.h. auch leer stehend1 –, zu vorÅbergehendem Gebrauch oder unentgeltlich Åberlassen, gilt gem. § 79 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 BewG als Jahresrohmiete die Åbliche Miete, die gem. Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift in Anlehnung an die fÅr Rsume gleicher oder shnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmsßig gezahlte Jahresrohmiete zu schstzen ist.

650

Ein Grundsteuerlass gem. § 33 Abs. 1 GrStG kommt entgegen der frÅheren Rechtsprechung des BVerwG nicht nur bei atypischen und vorÅbergehenden Ertragsminderungen in Betracht, sondern auch bei strukturell bedingten Ertragsminderungen.2Nunmehr sind alle Differenzierungen – nach typischen oder atypischen, – nach strukturell bedingten oder nicht strukturell bedingten, – nach vorÅbergehenden oder nicht vorÅbergehenden Ertragsminderungen und – nach den verschiedenen MÇglichkeiten, diese Merkmale zu kombinieren, hinfsllig.3 1 BFH v. 24.10.2007 – II R 5/05, BStBl. II 2007, 469 = BFHE 218, 396. 2 GmS-OGB v. 24.4.2007 – 1/07, ZKF 2007, 211; BFH v. 24.10.2007 – II R 5/05, BStBl. II 2007, 469 = BFHE 218, 396. 3 BFH v. 24.10.2007 – II R 5/05, BStBl. II 2007, 469 = BFHE 218, 396.

690

H. Grundsteuer

Daher kann in vielen Insolvenzverfahren, in denen leer stehende Immobilien zu verwalten sind, zumindest eine Belastung mit Grundsteuer vermieden werden.

4.651

! Hinweis: Der Erlass wird nur auf Antrag gewshrt (§ 34 Abs. 2 Satz 1 GrStG); antragsberechtigt ist im Insolvenzverfahren der Insolvenzverwalter. Der Antrag kann bis zu dem auf den Erlasszeitraum folgenden 31. Msrz gestellt werden (§ 34 Abs. 2 Satz 2 GrStG).

Die Erlassvorschrift des § 33 GrStG ist allerdings allein auf den Grundsteuerschuldner und die Erhaltung seiner wirtschaftlichen Existenz ausgerichtet.1 Er soll im Interesse seiner weiteren wirtschaftlichen Existenz in den Genuss des Erlasses kommen. Die ErlassbedÅrftigkeit ist zu bejahen, wenn die Einziehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhsltnis in konkreter Art und Weise die Existenz des Steuerschuldners vernichten oder ernsthaft gefshrden wÅrde, so dass ohne Billigkeitsmaßnahmen der notwendige Lebensunterhalt vorÅbergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden kann.2 Diesem gesetzlichen Zweck soll aber nicht mehr genÅgt werden kÇnnen, wenn die wirtschaftliche Existenz des Grundsteuerschuldners schon vernichtet ist und ein Erlass wirtschaftlich damit nicht ihm, sondern in erster Linie seinen Glsubigern zugute kommen wÅrde.3 Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, denn auch im Insolvenzverfahren ist generell nicht auszuschließen, dass der Erlass zumindest dazu beitrsgt, die wirtschaftliche Situation des Insolvenzschuldners zu verbessern oder seine Sanierung zu ermÇglichen. Es ist wshrend des laufenden Insolvenzverfahrens kaum vorherzusehen, ob es spster zu der Erteilung einer Restschuldbefreiung kommt oder ob der Schuldner nach Beendigung des Insolvenzverfahrens seine Verbindlichkeiten weiter schuldig bleibt (§ 201 InsO).4 Dazu gehÇren auch die Verbindlichkeiten, die wshrend des Insolvenzverfahrens zu den Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) zshlten, wenn sie im Insolvenzverfahren wegen Masseunzulsnglichkeit (§ 208 InsO) nicht befriedigt werden konnten. Außerdem kann der Erlass dazu beitragen, ein Insolvenzplanverfahren zu ermÇglichen, wodurch eine wirtschaftliche Sanierung des Insolvenzschuldners eintreten kann. Gerade wenn der Erlass der Beseitigung von Masseverbindlichkeiten dient, kann dadurch u.U. die fÅr die DurchfÅhrung eines erfolgreichen Insolvenzplanverfahrens notwendige verteilungsfshige Masse zusammengehalten werden. Der Erlass von Grundsteuer kommt in jedem Fall zu-

1 OVG Sachsen v. 7.8.2012 – 5 A 298/09, Rz. 14 n.v.; VG KÇln v. 18.6.2008 – 23 K 4903/07, ZInsO 2009, 192 (193). 2 OVG Sachsen v. 7.8.2012 – 5 A 298/09, Rz. 14 n.v. 3 VG MÅnchen v. 14.6.2012 – M – 10 K 11.4717, Rz. 19, n.v.; Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2450. 4 A.A. OVG Sachsen v. 7.8.2012 – 5 A 298/09, Rz. 16 n.v., wonach ein Erlass nicht allein geboten ist, um eine komplette Schuldenfreiheit des Insolvenzschuldners nach Abschluss des Insolvenzverfahrens und Restschuldbefreiung zu erreichen, denn mit der Restschuldbefreiung sei ein gsnzlich unbelasteter Neustart des Insolvenzschuldners nicht verbunden.

691

4.652

653

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

mindest mittelbar auch dem Insolvenzschuldner zugute, so dass es zu kurz gegriffen wsre, einen Vorteil allein bei den Glsubigern zu sehen. Ist das betroffene GrundstÅck vom Insolvenzverwalter freigegeben worden und die Grundsteuerforderung daher nicht im Insolvenzverfahren, sondern gegen das insolvenzfreie VermÇgen durchzusetzen, kommt ein Billigkeitserlass trotz Insolvenz ausnahmsweise in Betracht, wenn die SteuerrÅckstsnde den Steuerpflichtigen hindern, eine neue (selbstsndige) Erwerbststigkeit aufzunehmen und sich somit eine eigene, von Sozialhilfeleistungen unabhsngige wirtschaftliche Existenz aufzubauen.1 Eine Ertragsminderung ist allerdings dann kein Erlassgrund, wenn sie fÅr den Erlasszeitraum durch Fortschreibung des Einheitswerts berÅcksichtigt werden kann oder bei rechtzeitiger Stellung des Antrags auf Fortschreibung hstte berÅcksichtigt werden kÇnnen (§ 33 Abs. 5 GrStG, § 22 BewG). Auch rnderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhlltnisse („Wertverhsltnisse“ i.S.d. § 27 BewG) kÇnnen einen Grundsteuererlass nach § 33 GrStG nicht begrÅnden.2 Solche Umstsnde wirken sich auf die Erhebung der Grundsteuer nur Åber die Festsetzung der Steuermessbetrsge im Hauptfeststellungszeitpunkt aus (Hauptveranlagung gem. § 16 GrStG) und werden erst bei der nschsten Hauptfeststellung (§ 21 BewG) erfasst, bleiben somit in der Zwischenzeit als im System berÅcksichtigter Regelfall auch im Rahmen des Grundsteuererlasses nach § 33 GrStG unberÅcksichtigt.3 Wirtschaftliche pberlegungen, die den Steuerschuldner hindern, ein fÅr ein bestimmtes Gewerbe baulich besonders ausgestattetes Gewerbeobjekt mit einer anderen, weniger aufwendigen Nutzung zu einem geringeren Mietzins weiter zu vermieten und stattdessen einen llnger wlhrenden Leerstand in Kauf zu nehmen, betreffen dessen Risikosphsre, beruhen somit auf dessen eigenem Verhalten bzw. auf dessen persÇnlichen Umstsnden und sind somit i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG vom Steuerschuldner zu vertreten, so dass ein Erlass der Grundsteuer ausscheidet.4

VII. Inanspruchnahme des GrundstÅckserwerbers Der GrundstÅckserwerber haftet kraft Gesetz nach §§ 191 Abs. 1 AO, 11 Abs. 2 S. 1 GrStG neben den vormaligen EigentÅmern fÅr die auf den Steuergegenstand oder Teilen des Steuergegenstandes entfallene Grundsteuer, die fÅr die seit dem Beginn des letzten vor der xbereignung liegenden Kalenderjahres zu entrichten ist, wenn ein Steuergegenstand ganz 1 OVG Sachsen v. 7.8.2012 – 5 A 298/09, Rz. 15, n.v.; BFH v. 27.9.2001 – X R 134/98, BStBl. II 2002, 176. 2 VGH Mannheim v. 16.3.2006 – 2 S 1002/05, BeckRS 2006, 22464. 3 VGH Mannheim v. 16.3.2006 – 2 S 1002/05, BeckRS 2006, 22464; VGH MÅnchen v. 15.12.2005 – 4 B 04.1948, BayVBl. 2006, 349 ff. 4 VGH Mannheim v. 16.3.2006 – 2 S 1002/05, BeckRS 2006, 22464.

692

H. Grundsteuer

oder teilweise einer anderen Person Åbereignet wird.1 Zwar ist nach § 219 AO ein Haftungsschuldner auf Zahlung nur dann in Anspruch zu nehmen, soweit die Vollstreckung in das bewegliche VermÇgen des Schuldners ohne Erfolg geblieben und daher anzunehmen ist, dass eine Vollstreckung aussichtslos bleiben wÅrde. Jedoch ist an die Aussichtslosigkeit der Vollstreckung, ausgehend von der ratio legis des § 11 Abs. 2 GrStG und der gesetzessystematischen Zweiteilung in Steuer- und Haftungsschuldner keine unangemessen hohen Anforderungen zu stellen.2 Die SteuerbehÇrde muss demnach vor Inanspruchnahme des GrundstÅckserwerbes als Haftungsschuldner nicht alle in Betracht kommenden VollstreckungsmÇglichkeiten gegenÅber dem Steuerschuldner ausschÇpfen. Der GrundstÅckserwerber hat die Zwangsvollstreckung in das GrundstÅck auch fÅr RÅckstsnde zu dulden, deren Erhebungszeitraum mehr als zwei Jahre vor dem GrundstÅckserwerb zurÅckliegt und die rÅckstsndige Grundsteuer nicht im Rahmen des Insolvenzverfahrens hstten geltend gemacht werden kÇnnen.3 FÅr Forderungen, die den Zeitraum des Insolvenzverfahrens betreffen, mÅssen die insolvenzrechtlichen Regelungen gewahrt werden. Ist die Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet und vom Insolvenzverwalter festgestellt worden, liegt dem akzessorischen Duldungsbescheid ein fslliger und vollstreckbarer Grundsteueranspruch zugrunde.4

VIII. Auswirkungen der Anzeige der Masseunzullnglichkeit Die Anzeige der Masseunzulsnglichkeit gem. § 208 InsO hat gem. § 210 InsO zur Folge, dass die Vollstreckung wegen Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO unzulsssig wird. Nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit sndert sich die Befriedigungsreihenfolge der Glsubiger. Vorrang haben nun die Kosten des Verfahrens; daran schließen sich die Masseverbindlichkeiten an, die nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit begrÅndet werden bzw. dazu gehÇrende Verbindlichkeiten nach § 209 Abs. 2 InsO. Im Fall der Masseunzulsnglichkeit (§ 208 InsO) ergeben sich in Bezug auf die Grundsteuer keine Besonderheiten. Daher kann auf die AusfÅhrungen Rz. 3.215 ff. verwiesen werden.

4.654

IX. Grundsteuer bei zeitgleich bestehender Zwangsverwaltung Bei parallel zum Insolvenzverfahren bestehender Zwangsverwaltung oder angeordneter Zwangsversteigerung ist der Insolvenzverwalter nicht mehr 1 VG Gießen v. 14.6.2012 – 8 K 2454/10.GI, BeckRS 2012, 53886; VG Dresden 30.3.2010 – 2 K 351/08, BeckRS 2011, 51293. 2 VG Dresden v. 30.3.2010 – 2 K 351/08, BeckRS 2011, 51293. 3 VG Halle v. 22.1.2010 – 4 A 311/09, NZM 2011, 268; OVG Bautzen v. 8.1.2009 – 5 A 168/08, BeckRS 2009, 32731. 4 OVG Sachsen-Anhalt v. 7.12.2011 – 4 L 70/10, NZI 2012, 254.

693

4.655

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

zur Verwaltung des betroffenen GrundstÅckes befugt, so dass Grundsteuerforderungen nicht gegenÅber der Insolvenzmasse geltend gemacht werden kÇnnen.1 Der Zwangsverwalter hat die auf dem GrundstÅck ruhenden Çffentlichen Lasten nach § 156 Abs. 1 S. 1 ZVG vorab aus der Zwangsverwaltungsmasse zu begleichen. Daher trifft auch diesen die Pflicht, bei Vorliegen der Voraussetzungen und zur Vermeidung einer Haftung, den Erlass der Grundsteuer zu beantragen.2 Ein Erstattungsanspruch aus vorausgezahlter Grundsteuer fsllt in die Insolvenzmasse, da der Insolvenzschuldner mit der Vorauszahlung eine Anwartschaft auf den am Ende des Veranlagungszeitraumes entstehenden Erstattungsanspruch hat, wenn der den Anspruch begrÅndende Sachverhalt vor VerfahrenserÇffnung oder wshrend des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist.3

1 VG DÅsseldorf v. 21.2.1985 – 11 K 2805/82, juris (Ls.) m. Anm. Frotscher, EWiR 1986, 389; Maus in Uhlenbruck, InsO, § 80 Rz. 64; RÇpke in Hess, InsO, § 55 Rz. 493. 2 Drasdo, NJW 2014, 1855 (1856); Hartung, Rpfleger 2013, 661 (663). 3 LG Hannover v. 26.5.2006 – 4 O 15/16, ZInsO 2006, 1113; Schmidberger, NZI 2012, 953 (956).

694

I. Indirekte Verbrauchsteuern

I. Indirekte Verbrauchsteuern Literatur Falthauser, Die Harmonisierung der speziellen Verbrauchsteuern in der EG am Beispiel der Biersteuer, DStZ 1993, 17; Jansen, Verwendungsorientierung der Verbrauchsteuern bei der Auslegung von SteuerbegÅnstigungen, ZfZ 2009, 210; Versandhandel vor und nach dem 4. Gesetz zur znderung der Verbrauchsteuergesetze, ZfZ 2010, 88; Keß, ykologisierung von Abgaben – MÇglichkeiten und Grenzen, SteuerStud 2004, 307; Reiß, Subjektive Elemente in verkehr – und verbrauchsteuerlichen Tatbestsnden, Beihefter zu DStR 39 2007, 27; Schaumburg, Das Leistungsfshigkeitsprinzip im Verkehr- und Verbrauchsteuerrecht, FS fÅr Reiß, 2008, 25; Thiele, Das Europsische Steuerrecht – Eine Herausforderung fÅr den nationalen Gesetzgeber, ZEuS 2006, 41; Wittuhn/Hamann, Verwirrende Vorschriften im Verbrauchssteuerrecht, BB 2009, Heft 48, M1.

I. Grundlagen Im deutschen Rechtssystem ist grundsstzlich zwischen Verbrauchs- und Verkehrsteuern zu unterscheiden. Verbrauchsteuern besteuern den Erwerb oder den Verbrauch von GÅtern oder auch Dienstleistungen. Verkehrsteuern hingegen betreffen Vorgsnge des Rechtsverkehrs und besteuern den wirtschaftlichen Leistungsaustausch. Verbrauchsteuern sind als indirekte Steuern ausgestaltet. Rechtstechnisch wird nicht der Verbrauch an sich besteuert, sondern der Unternehmer, der das Gut dem Rechtsverkehr zugefÅhrt hat.1 Dieser wslzt die Steuer dann auf den Verbraucher Åber, indem er den Steuerbetrag dem Preis aufschlsgt. Bei indirekten Steuern fallen also Steuertrsger und Steuerschuldner auseinander.

4.656

Folgende GÅter sind von der indirekten Verbrauchsteuer betroffen: – Energie, § 1 EnergieStG; – Strom, § 1 StromStG; – Kaffee, §§ 1, 2 KaffeeStG; – Schaumweine wie Champagner, Qualitstsschaumwein, Obst- und Fruchtschaumweine sowie deren Zwischenerzeugnisse (beispielsweise Sherry, Portwein, Madeira), § 1 SchaumwZwStG; – Branntwein, § 130 BranntwMonG; – Tabak (Zigaretten, Zigarillos, Zigarren) so wie Tabakwaren gleichgestellte Erzeugnisse (beispielsweise ZigarettenhÅllen und-papier, Kauund Schnupftabak), § 1 Satz 1 i.V.m. §§ 2, 3 TabStG; – Bier, § 1 BierStG – Alkopops, § 1 AlkopopStG.

4.657

Die sog. kleinen Verbrauchsteuern auf Salz, Zucker, Leuchtmittel und Tee wurden zum 1.1.1993 abgeschafft.

4.658

1 Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 18 Rz. 109.

695

659

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

II. Praktische Bedeutung der indirekten Verbrauchsteuern im Insolvenzverfahren Die praktische Bedeutung der Verbrauchsteuern im Insolvenzverfahren ist recht gering. Wie aber der jÅngst vom BGH entschiedene Fall bezÅglich der Sachhaftung am Bier zeigt,1 gibt es aber doch auch praktische Relevanz. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang insbesondere, ob und unter welchen Voraussetzungen Sachhaftung bestimmter GÅter nach § 76 AO entsteht und wie und unter welchen Voraussetzungen sich die Finanzverwaltung trotz des Insolvenzverfahrens aus diesen GÅtern befriedigen darf.

III. Insolvenzrechtliche Qualitlt der Steuerforderungen

660

Bei den Verbrauchsteuern stellt sich in der Insolvenz des Steuerschuldners zunschst die Frage der BegrÅndetheit i.S.d. § 38 InsO. Hierbei ist grundsstzlich auf den Zeitpunkt der Herstellung oder Einfuhr der Waren abzustellen.2 Sind die Steuerforderungen vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens begrÅndet, so handelt es sich bei ihnen um einfache Insolvenzforderungen. Sind sie erst nach ErÇffnung begrÅndet, so sind sie als Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 InsO vorrangig zu befriedigen. Die jeweilige Einordnung des BegrÅndetseins der einzelnen Steuerforderungen richtet sich nach dem Lebenssachverhalt, dem diese Steuer unterliegt.3 Bei der Kaffeesteuer wird gem. § 1 KaffeeStG die Einfuhr besteuert, also ist die Steuerforderung mit Einfuhr des Gutes auch begrÅndet i.S.d. § 38 InsO. Die Energiesteuer besteuert nicht den Verbrauch der Energie, sondern das Entfernen des Energieerzeugnisses aus dem Steuerlager, ohne dass sich ein weiteres Verfahren anschließt, § 8 EnergieStG. Die §§ 20–23 EnergieStG regeln weitere Entstehungstatbestsnde. Diese Zeitpunkte bestimmen auch die BegrÅndetheit i.S.d. § 38 InsO, weil weitere Tatbestsnde nicht verwirklicht werden mÅssen.

661

Die Stromsteuer entsteht gem. § 5 StromStG durch die Entnahme von Strom aus dem Versorgungsnetz entweder vom Endverbraucher oder vom Versorger zur Selbstnutzung.

662

Die Biersteuer entsteht gem. §§ 5 Abs. 2, 7 Abs. 2 BierStG mit der Herstellung und ist dann gem. § 9 BierStG sofort fsllig. Bemessungsgrundlage fÅr die Biersteuer ist gem. § 2 Abs. 1 BierStG die StammwÅrze, welche in Grad Plato gemessen und nach der sog. „Großen Billingschen Formel“ berechnet wird.

663

Bei der Tabaksteuer ist im Regelfall der Hersteller Steuerschuldner. Die Steuer entsteht gem. § 15 TabStG mit der xberfÅhrung des Tabakerzeug1 BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 = DZWIR 2009, 515. 2 SchÅppen/Ruh, MÅnchKomm/InsO, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 235a. 3 Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 235.

696

I. Indirekte Verbrauchsteuern

nisses in den steuerrechtlichen Verkehr, also in der Regel im Zeitpunkt der Entfernung des Tabakprodukts aus dem Herstellerbetrieb bzw. bei Verbrauch innerhalb des Betriebs, ohne dass sich ein Steuerfestsetzungsverfahren anschließt. Die Tabaksteuer ist die einzige Steuer, die nicht durch Zahlung des Steuerbetrags entrichtet wird, sondern gem. § 17 Abs. 1 TabStG durch das Verwenden von Steuerzeichen. Das geschieht durch Entwerten und Anbringen der Steuerzeichen an der Kleinverkaufspackung. Die Fslligkeit der Steuer richtet sich nach § 18 TabStG.

IV. Sachhaftung gem. § 76 AO Literatur BrÇder, Die Haftung im Steuerrecht, SteuerStud Beilage 2005, Nr. 2, 1; Bnhr/Smid, Das Absonderungsrecht gem. § 76 AO im neuen Insolvenzverfahren, InVo 2000, 401; Schumann, Sachhaftung und verlsngerter Eigentumsvorbehalt bei Energiesteuerlagern, NWB Fach 2, 9633 (52/2007); Schmittmann, Biersteuer, Anfechtung und Sachhaftung, ZInsO 2009, 1949; OlgemÇller, Haftung fÅr Zollschulden, ZfZ 2006, 74; Kraus, Sicherung von Einfuhrabgaben und Verbrauchsteuern, ZfZ 2008, 294; Kock, Die Sachhaftung nach § 76 AO, DDZ 1997, F 42-F 46.

1. Grundlagen Von praktischer Bedeutung ist im Insolvenzverfahren besonders die abgabenrechtliche Sachhaftung gem. § 76 AO. Sie ist anwendbar bei den oben dargestellten Verbrauchsteuern. Eine analoge Anwendung auf die Umsatzsteuer ist nicht mÇglich.1

4.664

Die Sachhaftung schafft ein dingliches Çffentlich-rechtliches Verwertungsrecht fÅr die FinanzbehÇrde. Sie erstreckt sich auf Erzeugnisse und Waren fÅr die auf ihnen ruhenden ZÇlle und Verbrauchsteuern.2 Da die Haftung gem. § 76 Abs. 2 AO bereits mit Gewinnung oder mit Beginn des Herstellungsprozesses einsetzt, erstreckt sie sich nicht nur auf die fertig gestellte Ware als solche, sondern auch auf ihre Vorstufen im Produktionsverfahren.3

4.665

Die Sachhaftung besteht ohne RÅcksicht auf Rechte Dritter wie beispielsweise Besitz, Eigentum, Pfandrecht oder Sicherungseigentum.4 Auch die MÇglichkeit eines gutglsubigen Erwerbs nach bÅrgerlich-rechtlichen Vor-

4.666

1 Loose in Tipke/Kruse, § 76 AO Rz. 1; Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, Rz. 381; Ganter in MÅnchKomm/InsO, § 51 Rz. 245. 2 Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, Rz. 381. 3 Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, Rz. 384. 4 Vgl. BFH v. 22.7.1980 – VII B 3/80, BStBl. II 1980, 592 = DStR 1980, 629; v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, DZWIR 2009, 515 (516); Blesinger in KÅhn/von Wedelstsdt, § 75 AO Rz. 1.

697

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

schriften ist ausgeschlossen.1 FÅr die Entstehung der Sachhaftung ist unerheblich, ob die Steuer schon entstanden ist. Will die FinanzbehÇrde jedoch verwerten, um ihre Forderungen zu befriedigen, so entsteht dieses dingliche Verwertungsrecht erst mit der Festsetzung der Steuer.2

667

Dem Steuerglsubiger wird durch § 76 AO das Recht gegeben, – sich ohne RÅcksicht auf Privatrechte irgendwelcher Art wegen der Steuer- und Zollschulden an die Waren und Erzeugnisse zu halten und die Bezahlung durch deren ZurÅckhaltung zu erzwingen oder sich durch Versteigerung der Waren und Erzeugnisse zu befriedigen und – zur Sicherung dieses Rechts die tatsschliche VerfÅgung Dritter Åber die Waren und Erzeugnisse zu verhindern.3

668

Jede Ware lÇst fÅr sich selbst eine Abgabenpflicht aus, daher haftet jede Ware grundsstzlich auch nur fÅr die Steuern und ZÇlle, die auf ihr ruhen.4 Eine Haftung fÅr Åbrigen AnsprÅche aus dem Steuerschuldverhsltnis, insbesondere fÅr die steuerlichen Nebenleistungen i.S.v. § 3 Abs. 3 AO, ist ausgeschlossen.5 Ob die BehÇrde die Beschlagnahme oder Verwertung anordnet, ist gem. § 5 AO eine Ermessensentscheidung. Die MÇglichkeit der Beschlagnahme soll die Sachhaftung sicherstellen und vor einer Beeintrschtigung schÅtzen.6 Beschlagnahme meint hierbei die tatsschliche Sicherstellung des Gegenstands;7 sie ist rechtlich als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Die Beschlagnahme ist schon vor Entstehung der Abgabenoder Steuerschuld zulsssig, nsmlich dann, wenn die Haftung entstanden ist.8 Gemsß § 76 Abs. 3 Satz 2 AO genÅgt zur Beschlagnahme auch ein Verbot an denjenigen, der die Erzeugnisse oder Waren in Gewahrsam hat, Åber diese zu verfÅgen. Alternativ kann die FinanzbehÇrde sich den Gewahrsam Åber die Waren verschaffen, z.B. durch Wegnahme, Einschließung oder Anbringung von Pfandsiegeln.

669

Die Beschlagnahme oder spstere Verwertung kann vom Steuerschuldner dadurch abgewendet werden, dass er die Abgaben- oder Steuerschuld begleicht und damit gem. § 76 Abs. 3 Satz 1 AO die Haftung zum ErlÇschen bringt.9

1 Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, Rz. 381; Intemann in Pahlke/Koenig, § 76 AO Rz. 9; Blesinger in KÅhn/von Wedelstsdt, § 76 AO Rz. 1. 2 Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, Rz. 384. 3 So wÇrtlich bereits: RFH v. 23.2.1927 – IV A 3/27, RFHE 20, 255 (257); Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2477; Loose in Tipke/Kruse, § 76 AO Rz. 4. 4 Intemann in Pahlke/Koenig, § 76 AO Rz. 8. 5 Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, Rz. 393. 6 BFH v. 23.5.2006 – VII R 49/05, DStRE 2007, 39 (39). 7 Blesinger in KÅhn/von Wedelstsdt, § 76 AO Rz. 4. 8 RFH v. 23.2.1927 – IV A 3/27, RFHE 20, 255 (257); BFH v. 21.2.1989 – VII R 165/85, BStBl. II 1989, 491; Loose in Tipke/Kruse, § 76 AO Rz. 8. 9 Loose in Tipke/Kruse, § 76 AO Rz. 14.

698

I. Indirekte Verbrauchsteuern

Die MÇglichkeit der Beschlagnahme bleibt – vorbehaltlich der Anfechtbarkeit – auch nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens bestehen.1 Da das Absonderungsrecht an die Sachhaftung anknÅpft und diese nicht von einer Beschlagnahme abhsngt, stehen die §§ 89, 91 InsO dem nicht entgegen.2 Sofern die Sachhaftung aber nach ErÇffnung geltend gemacht wird, um eine Verwertung des Gegenstands durch den Insolvenzverwalter nach § 166 InsO abzuwenden, stehen dem berechtigte Bedenken entgegen.3 Das Recht zur Beschlagnahme soll der Finanzverwaltung nsmlich kein Selbstverwertungsrecht im Insolvenzfall gewshren. Lssst man die Beschlagnahme in diesen Fsllen nach ErÇffnung nicht mehr zu, so entstehen der Finanzverwaltung auch keine finanziellen Nachteile. Der Insolvenzverwalter Åbernimmt dann die Aufgabe der Verwertung, so dass die Forderung mindestens in gleicher Weise, wenn nicht sogar deutlich besser, befriedigt wird.4

4.670

Außerhalb eines Insolvenzverfahrens befriedigt sich die FinanzbehÇrde an den der Sachhaftung unterliegenden Gegenstsnden durch deren Verwertung gem. § 327 Satz 1 AO, welcher auf die §§ 259–323 AO verweist, also im Rahmen einer Çffentlichen Versteigerung. Voraussetzung hierfÅr ist, dass die Forderung bei Fslligkeit nicht erfÅllt wurde und die Sachhaftung an dem Gegenstand fortbesteht. Zudem muss die Verwertungsabsicht vorher dem Schuldner bekannt gegeben werden.5 Die vorherige Beschlagnahme ist hingegen grundsstzlich keine Voraussetzung des § 327 AO. NÇtig ist sie jedoch immer dann, wenn die zu verwertende Ware nicht dem Zugriff der Finanzverwaltung unterliegt oder diese verhindern will, dass ihr der Zugriff zukÅnftig entzogen wird.

4.671

Insolvenzrechtlich betrachtet lssst § 76 Abs. 2 AO ein Absonderungsrecht an den verbrauchsteuerpflichtigen Waren entstehen. Dieses wird in § 51 Ziff. 4 InsO ausdrÅcklich normiert. Der absonderungsberechtigte Steuerglsubiger kann gem. § 52 InsO seine Forderungen nur insoweit als Insolvenzforderung geltend machen, wie die abgesonderte Befriedigung die Steuerschuld nicht deckt.6 Ist die Sachhaftung innerhalb von einem Monat vor VerfahrenserÇffnung entstanden, so greift die RÅckschlagsperre des § 88 InsO nicht ein. Dies liegt daran, dass die gesetzliche Wirkung des § 76 Abs. 2 AO an eine tatsschliche Handlung anknÅpft und so mit einer Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht vergleichbar ist.7

4.672

1 Andres in Nerlich/RÇmermann, § 51 InsO Rz. 15; Brinkmann in Uhlenbruck, § 51 InsO Rz. 38; a.A. Bnhr/Smid, InVo 2000, 401 (405). 2 Ganter in MÅnchKomm/InsO, § 51 Rz. 255. 3 So zu Recht Ganter in MÅnchKomm/InsO, § 51 Rz. 255. 4 Ganter in MÅnchKomm/InsO, § 51 Rz. 255. 5 Zum Amtshaftungsanspruch bei unterbliebener Benachrichtigung: BGH v. 3.3.2005 – III ZR 273/03, NJW 2005, 1865 ff. 6 Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 236. 7 Ganter in MÅnchKomm/InsO, § 52 Rz. 251; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 69; a.A. Bnhr/Smid, InVo 2000, 401 (403).

699

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

673

Im Insolvenzverfahren hat die Finanzverwaltung nur dann ein originsres Verwertungsrecht, wenn sie im Besitz des Gegenstands ist, sonst steht dem Insolvenzverwalter gem. § 166 Abs. 1 InsO das Verwertungsrecht zu. Verwertet der Insolvenzverwalter, so hat er den ErlÇs der Finanzverwaltung auszukehren, diesen jedoch abzgl. der Umsatzsteuer und pauschalisierten Kosten fÅr die Feststellung und Verwertung des Gegenstands gem. § 170 Abs. 1 i.V.m. § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO.

674

ErlÇschensgrÅnde fÅr die Sachhaftung sind Zahlung gem. §§ 224, 225 AO, Aufrechnung gem. § 226 AO, Verjshrung gem. §§ 228–232 AO und der Untergang der Ware. Der Tod des Steuerpflichtigen lssst die Sachhaftung nicht erlÇschen, vielmehr geht diese gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 AO auf den Rechtsnachfolger Åber.1 2. Insolvenzanfechtung der Sachhaftung

675

Der BGH hat im Jahre 2009 eine viel beachtete Entscheidung im Zusammenhang mit der Sachhaftung an Bier getroffen,2 die in der Literatur auf uneingeschrsnkte Zustimmung, aber auch Erheiterung3 gestoßen ist. In dieser Entscheidung macht der BGH grundlegende AusfÅhrungen zur Anfechtbarkeit von Realakten. Eine vergleichbare Entscheidung wurde bezÅglich der Entstehung eines Vermieterpfandrechts im Jahre 2006 getroffen.4 Hier beststigte der BGH seine Rechtsprechung aus Zeiten der Konkursordnung, wonach das gesetzliche Vermieterpfandrecht an eingebrachten pfsndbaren Sachen des Mieters mit deren Einbringung entstehe, auch wenn damit kÅnftig entstehende Forderungen aus dem Mietverhsltnis abgesichert werden sollen. Eine Insolvenzanfechtung der Entstehung des Vermieterpfandrechts sei dann nicht mÇglich, wenn die vom Pfandrecht erfassten Gegenstsnde bereits vor ErÇffnung eingebracht wurden.

676

Der BGH hatte Åber folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Der Klsger war zunschst vorlsufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt und wurde anschließend zum Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen des Schuldners bestellt. Der Schuldner fÅhrte im ErÇffnungsverfahren seine Gastststte mit angeschlossener Brauerei fort. Durch das Bierbrauen entstand der BRD Biersteuer, welche vom Finanzamt mit fÅnf Bescheiden mit Datum jeweils vor VerfahrenserÇffnung festgesetzt wurde. Zusstzlich wurde zur Sicherung der Forderungen die Beschlagnahme und ein VerfÅgungsverbot bezÅglich des Bieres ausgesprochen. Da dem Schuldner die BetriebsfortfÅhrung ohne den Ausschank des Bieres nicht mÇglich war, zahlte der Schuldner mit Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters unter Vorbehalt der Insolven1 2 3 4

Loose in Tipke/Kruse, § 76 AO Rz. 7. BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 = DZWIR 2009, 515 ff. Siehe: Nasall, jurisPR-BGHZivilR20/2009, Anm. 1; LG, FR 2009, 979. BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, ZIP 2007, 191 = DZWIR 2007, 240 ff.

700

I. Indirekte Verbrauchsteuern

zanfechtung die Biersteuer, um die Beschlagnahme zu verhindern. Der Insolvenzverwalter forderte dann nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens die RÅckerstattung des gezahlten Betrags im Wege der Insolvenzanfechtung. Zu entscheiden waren demnach zwei Fragestellungen: – Ist Bierbrauen eine Rechtshandlung? – Wenn ja, fÅhrt diese zu einer Glsubigerbenachteiligung und unterliegt sie damit der Anfechtung nach § 129 ff. InsO?

4.677

Zunschst hat der BGH entschieden, dass das Brauen eine Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO darstellt. Eine Rechtshandlung ist unumstritten jedes von einem Willen getragene Handeln, das rechtliche Wirkungen auslÇst und das VermÇgen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzglsubiger versndern kann.1 Der Begriff der Rechtshandlung ist dabei weit auszulegen, damit grundsstzlich alle Arten von glsubigerbenachteiligenden Maßnahmen Gegenstand der Anfechtung sein kÇnnen.2 Daher sind unter diesen Begriff nicht nur Willenserklsrungen zu fassen, die Bestandteil von Rechtgeschsften aller Art und rechtsgeschsftsshnlichen Handlungen sind, sondern auch Realakte, denen durch Gesetz Rechtswirkung beigemessen wird. Dies kann beispielsweise das Einbringen einer Sache sein, die zum Entstehen eines Vermieterpfandrechts fÅhrt3 – oder das Brauen von Bier, das zur Entstehung einer Sachhaftung nach § 76 Abs. 2 AO fÅhrt. Somit kommt als Rechtshandlung jedes Geschsft in Betracht, das zum (eventuell anfechtbaren) Erwerb einer Glsubiger- oder Schuldnerstellung fÅhrt.4

4.678

Durch das Brauen entsteht die Sachhaftung fÅr die Biersteuer, wodurch das SchuldnervermÇgen belastet wird.5 Daher ist das Brauen von Bier als Rechtshandlung anzusehen.

4.679

Des Weiteren stellte sich die Frage, ob diese Rechtshandlung auch zu einer Glsubigerbenachteiligung fÅhrt. Eine Glsubigerbenachteiligung liegt grundsstzlich immer dann vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder aber die Aktivmasse verkÅrzt,6 d.h., wenn sich die BefriedigungsmÇglichkeiten der Insolvenzglsubiger bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ohne die vorgenommene Rechtshandlung gÅnstiger gestaltet hstte.7 Die Vorinstanz hatte eine solche abgelehnt, da das Bier bereits mit der Sachhaftung belastet entstanden

4.680

1 2 3 4 5 6

BGH v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, ZIP 2004, 620 = DZWIR 2004, 379 (379). Kirchhof in MÅnchKomm/InsO, § 129 Rz. 7. BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, ZIP 2007, 191 = DZWIR 2007, 240 (240). BGH v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, ZIP 2009, 186 = BB 2009, 403 (404). BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 = NZI 2009, 644 (645). BGH v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009 = NJW-RR 2006, 1134 (1135) im Seitenumbruch. 7 Kreft in HeidelbergerKomm/InsO, § 129 Rz. 137 m.w.N.

701

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

sei, so dass es im SchuldnervermÇgen nie von der Sachhaftung freies Bier gegeben habe.1 Es sei zwar wahrscheinlich, dass das Bier aus bereits im VermÇgen des Schuldners vorhandenen Grundstoffen hergestellt wurde, welche durch den Brauvorgang als solche untergegangen sind. Eine mittelbare Belastung von Teilen des SchuldnervermÇgens mit der Sachhaftung sei daher mÇglich. Jedoch wÅrde bei einer solchen Betrachtungsweise nicht berÅcksichtigt, dass das Produkt Bier einen wesentlich hÇheren Wert aufweist als die benutzten Zutaten Hopfen, Malz und Wasser. Das SchuldnervermÇgen sei durch die Produktion daher gemehrt und nicht gemindert worden. Lediglich die Mehrung des VermÇgens sei durch die Biersteuer geringer ausgefallen.

681

Der BGH teilt diese Ansicht nicht. Durch das Brauen und die dadurch entstehende Sachhaftung fÅr die Biersteuer sei das SchuldnervermÇgen mit einer dinglichen Haftung fÅr eine einfache Insolvenzforderung belastet worden. Diese Belastung habe die BefriedigungsmÇglichkeiten der anderen Glsubiger verschlechtert. Die Tatsache, dass durch dieselbe Handlung Aktivmasse gemehrt worden sei, sei unerheblich, da im Anfechtungsrecht eine Saldierung von Vor- und Nachteilen nicht stattfindet.2 Wsre eine solche zugelassen, so wsre der Schutz der Insolvenzmasse nicht mehr gewshrleistet. Es mÅsse vielmehr eine isolierte Betrachtung vorgenommen werden.3 Die Rechtshandlung des Bierbrauens stellt demnach eine Glsubigerbenachteiligung dar und ist folglich anfechtbar.

682

Anfechtbar ist jedoch nicht die Rechtshandlung an sich, sondern lediglich deren glsubigerbenachteiligende Rechtswirkung.4 Die Anfechtung ist keine Sanktion fÅr ein ergangenes Handlungsunrecht. Um beurteilen zu kÇnnen, ob eine Rechtshandlung anfechtbar ist, kommt es daher auf den konkreten Bestand der glsubigerbenachteiligenden Wirkung an.

683

Im Ergebnis ist festzustellen, dass das Entstehen der Sachhaftung nach § 76 AO anfechtbar ist.5

684

Praxisrelevanz hat auch die Feststellung des BGH, dass sich der Glsubiger nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, wenn eine Zahlung unter dem Vorbehalt der Insolvenzanfechtung erfolgt.6

1 2 3 4

LG Regensburg v. 6.5.2008 – 2 S 262/07, BeckRS 2009 22760. Schmittmann, ZInsO 2009, 1949 (1950). BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 = NZI 2009, 644 (645). BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, ZIP 2001, 885 = NJW 2001, 1940 (1941); Henckel in KÇlner Schrift zur InsO, Rz. 76. 5 Anders: Frotscher, Besteuerung der Insolvenz, S. 69. 6 Riggert, Anmerkung zu BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 = FD-InsR 2009, 287565; zum Vertrauensschutz bei Handlungen des vorlsufigen Insolvenzverwalters s. BGH v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, ZIP 2005, 314 = NJW 2005, 1118 ff.

702

I. Indirekte Verbrauchsteuern

3. Auswirkungen der Anzeige der Masseunzullnglichkeit Das Insolvenzverfahren wird durch Aufhebung nach §§ 200, 258 InsO oder Einstellung nach §§ 211 ff. InsO beendet. Wichtigster Einstellungsgrund ist hierbei die Masseunzulsnglichkeit. Diese liegt gem. § 208 Abs. 1 InsO immer dann vor, wenn zwar die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) gedeckt sind, die Insolvenzmasse aber nicht ausreicht, um die sonstigen Masseverbindlichkeiten zu decken. Die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis bleibt nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit beim Insolvenzverwalter. Verfahrensrechtlich ergibt sich durch die Anzeige jedoch eine znderung des Verfahrenszwecks dahingehend, dass ab diesem Zeitpunkt eine zÅgige Restabwicklung ausschließlich im Interesse der Masseglsubiger zu erfolgen hat.1 Werden im masseunzulsnglichen Verfahren noch Steuerforderungen begrÅndet, so sind diese Neumasseverbindlichkeiten und gem. § 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO gleich nach den Kosten des Insolvenzverfahrens aus der Masse zu begleichen. Die im Insolvenzverfahren begrÅndeten Steuerforderungen werden dann zu nachrangigen Forderungen gem. § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO.

4.685

Soweit wshrend des erÇffneten Insolvenzverfahrens auf Grund Sachhaftung Rechte der Finanzverwaltung gem. § 76 InsO an zur Insolvenzmasse gehÇrenden Gegenstsnden entstehen, lssst die Anzeige der Masseunzulsnglichkeit einmal entstandene Rechte nicht mehr entfallen. Eine Insolvenzanfechtung einer Besicherung fÅr eine Altmasseverbindlichkeit entsprechend §§ 129 ff. InsO, die ein Befriedigungsrecht der Finanzverwaltung nach Anzeige der Masseunzulsnglichkeit entfallen lassen kÇnnte, ist abzulehnen. Somit ist die Finanzverwaltung nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit auch zur Beschlagnahme und ggf. zur Befriedigung aus Gegenstsnden, die zur Insolvenzmasse berechtigt, soweit sie Forderungen geltend macht, die den Rang von Masseverbindlichkeiten einnehmen.

V. Steuerentlastung bei Zahlungsausfall nach § 60 EnergieStG Dem Verksufer von nachweislich nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 versteuerten Energieerzeugnissen wird auf Antrag unter Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 EnergieStG eine Steuerentlastung fÅr die im Verkaufspreis enthaltene Steuer gewshrt, die beim Warenempfsnger wegen Zahlungsunfshigkeit ausfsllt.2 Zu beachten ist dabei insbesondere, dass nach § 60 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG eine Entlastung nur dann gewshrt wird, wenn der Zahlungsausfall trotz vereinbarten Eigentumsvorbehalts, laufender xberwachung der Außenstsnde, rechtzeitiger Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung und gerichtlicher Verfolgung des Anspruchs nicht zu vermeiden war. Die 1 Beck in Beck/Depru, Praxis der Insolvenz, § 13 Rz. 52. 2 Vgl. Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2472 ff.

703

4.686

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

genannten Voraussetzungen mÅssen kumulativ vorliegen, so dass der gesamte Anspruch mangels VergÅtungsfshigkeit entfsllt, sofern auch nur eine dieser Voraussetzungen durch den Verksufer nicht erfÅllt worden ist.1 Ist Åber das VermÇgen des Schuldners das Insolvenzverfahren erÇffnet worden, hat der Verksufer zur Wahrung der Voraussetzung der weiteren gerichtlichen Verfolgung die ausstehenden Forderungen innerhalb der Anmeldefrist des § 28 Abs. 1 InsO rechtzeitig zur Insolvenztabelle anzumelden, um die Chance einer zumindest anteiligen BerÅcksichtigung bei einer mÇglichen Verteilung der Masse zu erhalten.2 Auch hat ein die Grundsstze ordnungsgemsßer kaufmsnnischer GeschsftsfÅhrung beachtender MineralÇllieferant bei ergebnislosen Vollstreckungsversuchen die nicht entfernt liegende MÇglichkeit in Erwsgung zu ziehen, dass Åber das VermÇgen des Vertragspartners frÅher oder spster das Insolvenzverfahren erÇffnet werden wird und ssmtliche zumutbare Anstrengungen wie etwa Einsicht in das Handels- oder Melderegister zu unternehmen. Entscheidend sind ein rechtzeitiges Tstigwerden des Lieferanten und die Vermeidung von Risiken, welche die Realisierung der Forderung gefshrden kÇnnten. Der Lieferant kann sich daher bei nicht rechtzeitiger Forderungsanmeldung zur Tabelle, also bis zum PrÅfungstermin, nicht darauf berufen, dass die Ssumnis aufgrund der hypothetischen MÇglichkeit einer nachtrsglichen BerÅcksichtigung der Forderung nach § 192 InsO ohne nachteilige Folgen bleiben wird.3

1 BFH v. 11.1.2011 – VII R 11/10, BFH/NV 2011, 1022; v. 22.5.2001 – VII R 33/00, BFHE 195, 78; zur gerichtlichen Verfolgung vgl. BFH v. 8.1.2003 – VII R 7/02, BFHE 200, 475; v. 17.12.1998 – VII R 148/97, BFHE 188, 199. 2 FG Hamburg v. 18.9.2014 – 4 K 195/13, juris, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, Az. des BFH: VII B 164/14. 3 BFH v. 11.1.2011 – VII R 11/10, BFH/NV 2011, 1022.

704

J. ZÇlle

J. ZÇlle Literatur Baumann, ZÇlle auf Mobiltelefone?!, AW-Prax 2009, 329; Dutta, Keine zivilrechtliche Durchsetzung auslsndischer ZÇlle und Steuern durch US-amerikanische Gerichte, IPRax 2004, 446; Gellert, ZÇlle, Externes Versandverfahren, Betrug, Entstehung und Erhebung der Zollschuld, ZfZ 2000, 33; Glashoff, ZÇlle und Verbrauchsteuern – eine Chance fÅr den Steuerberater, Steuerberaterkongress-Report 1994, 371; Hein, Eintreibung europsischer Steuern und ZÇlle mit Hilfe US-amerikanischer Gerichte, RIW 2001, 249; Lux, 40 Jahre Zollunion – wie geht es weiter?, AWPrax 2008, 283; MÇllenhoff, Die Autonome Zollaussetzung und Zollkontingente, AW-Prax 2008, 206; MÇller, Neue Dienstvorschrift Einfuhrumsatzsteuerrecht des BMF, UStB 2009, 136; Neue Dienstvorschrift fÅr die Einfuhrumsatzsteuer, AW-Prax 2009, 81; MÇller/Weiß, Zollmanagement – Finanzplanung mit Einfuhrabgaben, AW-Prax 2007, 38; Musil, Steuern und ZÇlle als Mittel zur Steuerung sozialer und wirtschaftlicher Prozesse im 20. Jahrhundert, Der Staat 46, 420; Reuter, Zollbefreiung fÅr Sendungen geringen Wertes – ein Fall fÅr Rechtsexperten?, AW-Prax 2008, 513; SchÇn, Der freie Warenverkehr, die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten und der Systemgedanke im europsischen Steuerrecht, EuR 2001, 216.

I. Grundlagen ZÇlle und zollgleiche Abgaben werden auf die Verbringung von Waren Åber Zollgrenzen hinaus erhoben, insbesondere auf den Warenverkehr zwischen der Europsischen Gemeinschaft und Drittlsndern. Nach Art. 4 Ziff. 13 ZK1 ist eine Zollschuld die Verpflichtung einer Person zur Entrichtung eines Betrages in HÇhe der vorgesehenen Einfuhr- und Ausfuhrabgaben fÅr eine bestimmte Ware im Sinne der zollrechtlichen Vorschriften. Mit der „Person“ ist eine natÅrliche oder juristische Person ebenso wie eine Personenvereinigung gem. Art. 4 Ziff. 4 ZK gemeint. Zollschuldner ist gem. Art. 4 Ziff. 12 ZK die zur Entrichtung der Zollschuld verpflichtete Person. Art. 4 Ziff. 18 ZK bezeichnet den Anmelder als die Person, welche eine Zollanmeldung im eigenen Namen vornimmt oder ein Vertretener, dessen Name in der Zollanmeldung angegeben wird. Der Anmelder der Zollschuld entspricht in diesem Fall der Person des Zollschuldners.2 Nach Art. 51 ZK kÇnnen auch mehrere Personen verpflichtet sein, die Zollschuld in Form eines entsprechenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrages zu entrichten. Diese Personen unterliegen dann einer gesamtschuldnerischen Haftung.

4.687

ZÇlle werden erhoben auf die Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr von Waren in bzw. aus einem Zollgebiet. Innerhalb der Zollunion der EG werden an

4.688

1 Verordnung (EG) Nr. 450/2008 des Europsischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaft, Modernisierter Zollkodex, VerkÅndungsstand 13.4.2010. 2 FG Hamburg v. 8.12.2001 – IV 235/01, BeckRS 2001 21009745; Jatzke in SÇlch/ Ringleb, § 21 UStG Rz. 63.

705

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

den Grenzen der Mitgliedstaaten keine ZÇlle erhoben. Die Erhebung von ZÇllen erfolgt in Form von GemeinschaftszÇllen der Mitgliedstaaten an ihren Außengrenzen auf der Grundlage eines gemeinsamen Zolltarifs i.S.v. Art. 23 ff. EGV unter Zugrundlegung des gemeinschaftlichen Zollkodex, welcher eine Vereinheitlichung des Zollrechts innerhalb der EG darstellt.1

689

Der Einfuhrzoll ist die Pflicht zur Leistung von Abgaben auf die Einfuhr von Waren in die Gemeinschaft nach Art. 4 Ziff. 15 ZK. Die Einfuhrzollschuld entsteht im Zusammenhang mit der xberfÅhrung einer Ware in den freien Verkehr zu dem Zeitpunkt, zu dem die Zollanmeldung von der ZollbehÇrde angenommen und die ordnungsgemsße xberfÅhrung der betreffenden Ware in den freien Verkehr und somit eine ordnungsgemsße znderung ihres Status erfolgt ist.2 Die zollamtliche xberwachung dauert Åber den Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung hinaus fort und endet gem. Art. 37 Abs. 2 ZK erst zu dem Zeitpunkt, zu dem es u.a. zu einem Wechsel des zollrechtlichen Status der Nichtgemeinschaftswaren kommt und diese zu Gemeinschaftswaren werden.

690

Das entsprechende GegenstÅck zum Einfuhrzoll ist der Ausfuhrzoll, welcher auf die Ausfuhr von Gemeinschaftswaren aus dem gemeinschaftlichen Zollgebiet gem. Art. 4 Ziff. 16 ZK. Nach Art. 48 Abs. 1 ZK entsteht die Ausfuhrzollschuld mit der xberfÅhrung der ausfuhrabgabenpflichtigen Waren in das Ausfuhrverfahren oder alternativ mit dem Verfahren der passiven Veredelung. Ausschlaggebend fÅr den Entstehungszeitpunkt der Zollschuld ist die Annahme der Zollanmeldung gem. Art. 48 Abs. 2 ZK durch die ZollbehÇrde.3

691

Bei dem Durchfuhrzoll handelt es sich um die Zollerhebung auf Waren, welche lediglich das Zollgebiet passieren, aber nicht in das Zollgebiet als Endstation verbracht werden sollen. Ebenso spricht man von dem Durchfuhrzoll, wenn die Waren zeitlich begrenzt in einem Zollgebiet verwahrt werden, weil z.B. die endgÅltige Bestimmung hinsichtlich des Zollrechts noch nicht feststeht. In diesen Fsllen kann von der Zollerhebung unter bestimmten Voraussetzungen abgesehen werden.4 Bei der Durchfuhr von Gemeinschaftswaren der Zollgemeinschaft der EU im Zollgebiet der Mitgliedstaaten ist die Erhebung von Durchfuhrabgaben verboten, so dass Durchfuhrfreiheit herrscht.5

1 Harder in Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, Rz. 93. 2 EuGH v. 1.2.2001 – C-66/99, Slg. 2001, I-873 ff. 3 Landry/Harings in Kilian/Heussen, Computerrechts-Handbuch, 26, Teil 8, Rz. 116. 4 Lux/Sack in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, C. II.1. a. Rz. 1. 5 EuGH v. 16.3.1983 – C-266/81, Slg. 1983, 731; Voß in Grabitz/Hilf, EGV, Art. 23 Rz. 6.

706

J. ZÇlle

II. Praktische Bedeutung der ZÇlle im Insolvenzverfahren ZÇlle spielen in Insolvenzverfahren nur selten eine Rolle. Dies ist naturgemsß bei Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen von Import-Export-Gesellschaften eher der Fall oder aber bei Großinsolvenzverfahren. Wichtiger Aspekt ist dann vor allem die Sachhaftung von Gegenstsnden fÅr Zollforderungen. Nach § 76 Abs. 1 AO dienen einfuhr- und ausfuhrabgabenpflichtige Waren dem Fiskus als Sicherheit fÅr die darauf ruhenden Steuern, ohne dass die Rechte Dritter berÅcksichtigt werden mÅssen. Zudem ermschtigt § 76 Abs. 3 AO die FinanzbehÇrde zur Beschlagnahme der Waren, solange die Abgabenschuld nicht erfÅllt wird. Insoweit gelten die AusfÅhrungen zur Sachhaftung von Gegenstsnden zur Sicherung indirekter Verbrauchsteuern entsprechend (Rz. 4.664 ff.).

4.692

III. Insolvenzrechtliche Qualitlt der ZÇlle Ebenso wie bei Steuerforderungen der Zeitpunkt der steuerrechtlichen Entstehung unmaßgeblich fÅr die insolvenzrechtliche Zuordnung zu den Forderungskategorien ist (Rz. 4.327 ff.), ist die zollrechtliche Entstehung einer Zollschuld insolvenzrechtlich unerheblich.

4.693

ZÇlle sind als Insolvenzforderung im Rang von § 38 InsO anzusehen, wenn die Zollschuld vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens im insolvenzrechtlichen Sinne begrÅndet worden ist. Auch in Bezug auf Zollforderungen ist der Auffassung des VII. Senats des BFH zu folgen,1 wonach es fÅr die Zuordnung einer Forderung zu den Insolvenzforderungen nicht erforderlich ist, dass alle fÅr die steuerrechtliche Entstehung des Anspruchs maßgeblichen Tatbestandselemente vor InsolvenzerÇffnung verwirklicht worden sind, sondern es ausreicht, wenn der der Steuerforderung zugrunde liegende Lebenssachverhalt seinem Kern nach vor InsolvenzerÇffnung stattgefunden hat.

4.694

Die Einfuhrabgabenfestsetzung wird stets durch das Verbringen von Nichtgemeinschaftswaren in das Zollgebiet der Union ausgelÇst. Auch wenn es zur Entstehung der Zollschuld weiterer Realakte und Rechtshandlungen wie Gestellung, Zollanmeldung und deren Annahme bedarf, wird eine Einfuhrabgabenforderungen auf in den zollrechtlich freien Verkehr ÅberfÅhrt Ware bereits mit dem Verbringen der jeweiligen Ware in das Zollgebiet der Union als insolvenzrechtlich begrÅndet.2 AusfÅhrlich zur insolvenzrechtlichen BegrÅndung von Forderungen s. Rz. 4.327; die dortigen AusfÅhrungen zu Steuerforderungen gelten fÅr Zollforderungen entsprechend. Wird der fÅr die Entstehung der Zollschuld maßgebliche Lebenssachverhalt dagegen erst nach der ErÇffnung des In1 BFH v. 16.11.2004 – VII R 75/03, ZIP 2005, 628 = DStR 2005, 479 (481). 2 BFH v. 19.4.2011 – VII B 234/10, BFH/NV 2011, 1202.

707

695

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

solvenzverfahrens durch Handlung des Insolvenzverwalters verwirklicht, handelt es sich bei den Zollschulden um Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO. Im ErÇffnungszeitpunkt noch nicht flllige Zollschulden sind nach § 41 Abs. 1 InsO als fsllig zu behandeln.

708

K. Sonstige Steuern

K. Sonstige Steuern I. Hundesteuer Literatur GÇssl, ErhÇhte Hundesteuer bei Kampfhunden zulsssig, BWGZ 2000, 535; Jahn, Zur Zulsssigkeit kommunaler Kampfhundesteuern – BVerwG, NVwZ 2000, 929; Kasper, Die Hundesteuer, KStZ 2007, 1; KStZ 2007, 21; Kellner, Befreiungstatbestsnde in kommunalen (Kampf-)Hundesteuersatzungen, LKV 2003, 123; MÅnch, Der Hundesteueranspruch und seine Konkretisierung – Berichtigung eines bestandskrsftigen Hundesteuerbescheides, KF 1994, 79; Kosow, Hundesteuer, KommunalPraxis BY 2004, 248; KÇster, Die Besteuerung der Hundehaltung im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs, KStZ 2005, 67; Meier, AuskunftsmÇglichkeiten des kommunalen Steueramtes zu hundesteuerrelevanten Tatbestsnden gegenÅber dem Sozialamt, KStZ 2000, 209; Kann ein Zuschlag zur Hundesteuer wegen fehlenden Nachweises der fÅr die Haltung erforderlichen Sachkunde und Zuverlsssigkeit rechtmsßig erhoben werden?, KStZ 2000, 141; Kommt fÅr sog. Firmenhunde eine Steuerbefreiung bzw. Steuerermsßigung bei der Hundesteuer in Betracht?, KStZ 2002, 165; Ist eine Ungleichbehandlung von Tierschutzorganisationen bei der Veranlagung zur Hundesteuer mit Art. 3 I GG vereinbar?, KStZ 2004, 150; Mohl/Fritz, Probleme und Entwicklungen betreffend die Erhebung von Hundesteuern, KStZ 2003, 50; Rhein/Zitzen, Neues zur Kampfhundesteuer, KStZ 2009, 163; Spranger, Der praktische Fall – „Die erdrosselnde Kampfhundesteuer“, VR 2001, 274.

Bei der Hundesteuer handelt es sich um eine direkte Aufwandsteuer. Solche Aufwandsteuern knÅpfen an den Aufwand an, welcher durch bestimmte WirtschaftsgÅter oder bestimmte Verhaltensweisen hervorgerufen wird.1 Die indirekten und direkten Aufwandsteuern stehen nach Art. 106 Abs. 6 GG den Gemeinden oder, wenn es die Landesgesetzgebung vorsieht, auch den Gemeindeverbsnden zu. Die Hundesteuer besteuert die Hundehaltung im privaten Lebensbereich. In den Satzungen einiger Gemeinden sind jedoch Ausnahmen zur grundsstzlichen Hundesteuerpflicht vorgesehen, wie z.B. Steuerermsßigungen oder die Befreiung von der Hundesteuer in Fsllen von Sozialhilfeempfsngern oder bei Schwerbehinderten. Zu Verschsrfungen bzw. ErhÇhung der steuerlichen Abgaben kommt es hingegen, wenn es sich um sog. „Kampfhunde“ handelt. Hierbei kommt es auf die Gefshrlichkeit eines Tieres entweder im Einzelfall an oder darauf, welcher Rasse der Hund angehÇrt.2 Steuerobjekt der Hundesteuer ist demnach die Haltung eines Hundes zu privaten Zwecken. Das Steuersubjekt der Hundesteuer ist der Hund selbst.3

1 Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 18 Rz. 121. 2 BVerwG v. 19.1.2000 – 11 C 8/99, BVerwGE 110, 265 ff.; Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 16 Rz. 16. 3 Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2670.

709

4.696

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

697

Schuldner der Hundesteuer ist in der Regel der Halter des Hundes. Im Falle einer nicht eindeutigen Zuweisung der Haltereigenschaft wird diese in der Art und Weise fingiert, dass der Besitzer des Hundes als Halter angesehen wird, solange dieser nicht nachweist, dass die Hundesteuer bereits von dem EigentÅmer oder einer anderen Person in derselben Gemeinde oder in einer anderen Gemeinde bezahlt wird oder eine Steuerbefreiung fÅr das Tier vorliegt.1

698

Hunde, welche ausschließlich als Haustiere gehalten werden, zshlen in der Regel nicht zur Insolvenzmasse (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO i.V.m. § 811c Abs. 1 ZPO). Danach sind Gegenstsnde, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, auch nicht der Insolvenzmasse zugehÇrig. § 811c Abs. 1 ZPO bestimmt, dass Haustiere, welche in keiner Weise zu gewerblichen Zwecken genutzt werden, nicht gepfsndet werden dÅrfen. Eine Ausnahme hiervon sieht § 811c Abs. 2 ZPO vor, wonach Haustiere, deren Unpfsndbarkeit aufgrund ihres hohen Wertes fÅr den Glsubiger eine Hsrte darstellen wÅrde, auf Antrag des Glsubigers durch das Vollstreckungsgericht als pfsndbar erklsrt werden, soweit die Belange des Tierschutzes i.S.v. Art. 20a GG und die berechtigten Interessen des Schuldners ausreichend gewÅrdigt werden und die Interessen des Glsubigers hÇher wiegen.2 Unter hohem Wert ist nicht der ideelle Wert des Haustieres zu verstehen, sondern lediglich der materielle Wert, bei welchem der ErlÇs eines Haustieres den Betrag von 250 Euro bei weitem Åbersteigen muss.3

699

Soweit im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung HundesteuerrÅckstsnde bestehen, nehmen diese im Insolvenzverfahren den Rang von einfachen Insolvenzforderungen nach § 38 InsO ein.4 Ob nach InsolvenzerÇffnung anfallende Hundesteuer eine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 InsO darstellt oder eine gegen das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners gerichtete Forderung des Steuerglsubigers ist, hsngt davon ab, ob der Hund in die Insolvenzmasse fsllt oder nicht. Ist der Hund unpfsndbar und somit nicht Bestandteil der Insolvenzmasse, so entsteht die Hundesteuer auch nicht als Masseverbindlichkeit, sondern richtet sich ausschließlich gegen das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners (oder andere Steuerschuldner).5 Gleiches gilt ab dem Zeitpunkt der Freigabe eines zunschst pfsndbaren Hundes. 1 Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2660. 2 Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2657. 3 Becker in Musielak, § 811c ZPO Rz. 3; Gruber in MÅnchKomm/ZPO, § 811c Rz. 6; Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2657. 4 Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2651. 5 Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2654.

710

K. Sonstige Steuern

II. Kirchensteuer Literatur DrÅen/RÅping, Verfassungs- und Rechtsfragen der Kirchensteuer, StuW 2004, 178; Eggesiecker/Ellerbeck, Zeitliche Zuordnung von Kirchensteuererstattungen, FR 2008, 1087; Hammer, Zur Erhebung von Kirchensteuer bei pauschalierter Lohnsteuer und zur Kirchensteuerfestsetzung bei Ehegatten, die verschiedenen Konfessionen angehÇren, JZ 1996, 572; Aspekte der Sachgerechtigkeit der Kirchensteuer, DyV 2008, 975; Zur Kirchlichkeit der Kirchensteuer, StuW 2009, 120; Homburg, Das HalbeinkÅnfteverfahren und die Kirchensteuer, FR 2008, 153; Neues zur Kirchensteuer, DStR 2009, 2179; Kronenthaler, Kirchensteuerkappung und Kirchensteuerermsßigung in Erlassfsllen, MBP 2005, 113; KÅhnen, NichtberÅcksichtigung von Verlustvortrsgen bei der Bemessung der Kirchensteuer, EFG 2008, 1910; Kußmaul/Meyering, Abgeltungsteuer: Der Umgang mit der Kirchensteuer am Beispiel von Zinseinnahmen und Dividenden, DStR 2008, 2298; Loose, Keine sachliche Unbilligkeit durch fehlende RÅcktragsfshigkeit fÅr Kirchensteuernachzahlungen, EFG 2008, 522; Oltmanns, EndgÅltiger Verlust von Verlusten bei der Kirchensteuer? – Verfassungskonforme Auslegung von § 51a Abs. 2 EStG, BB 2009, 2014; PfÅtzenreuter, KÅrzung der als Sonderausgabe berÅcksichtigten Kirchensteuer bei ErstattungsÅberhang im Zweitfolgejahr, EFG 2008, 1874; Rausch, Die Kirchensteuer auf Kapitalertragsteuer, NWB 2009, 3725; Rolletschke, Kirchensteuerbetrug und Steuerhinterziehung durch Ehegatten bei Zusammenveranlagung, HRRS 2008, 383; Schoppe, Die Kirchensteuer vs. Trennung von Staat und Kirche, Diss., 2008; SchÅtzeberg, Zur Hinterziehung von Kirchensteuer und zur verdeckten GewinnausschÅttung im strafrechtlichen Sinne, wistra 2009, 31; Thouet, Rechtswidrige znderungsbescheide bei Kirchensteuer-ErstattungsÅberhsngen, DStR 2008, 29.

Die Berechtigung zur Steuererhebung der einzelnen Religionsgemeinschaften ergibt sich aus Art. 137 Abs. 6 WRV i.V.m. Art. 140 GG. Danach sind die Religionsgesellschaften als KÇrperschaften des Çffentlichen Rechts auf Grund der bÅrgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen zur Steuererhebung berechtigt.1 Die Entstehung der Kirchensteuer ist davon abhsngig, dass der Steuerschuldner einer zur Erhebung der Steuer berechtigten Kirche oder sonstige Religionsgemeinschaft als Mitglied angehÇrt. Die Mitgliedschaft in einer solchen Religionsgemeinschaft ist freiwillig und hÇchstpersÇnliches Recht eines jeden Einzelnen und grundgesetzlich geschÅtzt (Art. 4 Abs. 1 GG). Der Insolvenzverwalter hat keine Kompetenz, den Insolvenzschuldner zum Austritt aus einer Religionsgemeinschaft zu zwingen, um den Anfall von Kirchensteuer zu verhindern.2 Im Rahmen des Insolvenzverfahrens dÅrfen dem Insolvenzschuldner aus seiner ZugehÇrigkeit zu einer Religionsgemeinschaft nicht deswegen Nachteile erwachsen, weil der Masse dadurch mÇglicherweise Betrsge entgehen.

1 Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rz. 956. 2 So auch Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2522.

711

4.700

Kapitel 4 Materielles Steuerrecht in der Insolvenz

701

Nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbstsndig innerhalb der gesetzlichen Schranken.1 Gemsß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV haben die Lsnder die Gesetzgebungshoheit, so dass der Steuersatz von der jeweiligen Regelung in den einzelnen Bundeslsndern abhsngig ist und damit zwischen 8 % und 9 % der festgesetzten Einkommensteuer liegt.2 Die Regelungen zur Kirchensteuer finden sich in den jeweiligen landesrechtlichen Kirchensteuergesetzen. Jede Religionsgemeinschaft hat eine eigene Kirchensteuerordnung oder einen Kirchensteuerbeschluss.3

702

Die Aufnahme einer natÅrlichen Person in die Kirche oder die Wohnsitzsnderung in ein anderes Bundesland ebenso wie der gewÇhnliche Aufenthalt im Gebiet einer zur Erhebung der Kirchensteuer berechtigten Religionsgemeinschaft sind ausschlaggebend fÅr den Zeitpunkt des Beginns der Kirchensteuerpflicht. Am Monatsersten nach den zuvor aufgefÅhrten MÇglichkeiten beginnt die Pflicht zur Kirchensteuer und wird mit dem Tod, mit einer Wohnsitzaufhebung oder mit dem Austritt aus der Religionsgemeinschaft beendet.4

703

Die HÇhe der Kirchensteuer ist einkommensabhsngig.5 Die Erhebung der Kirchensteuer erfolgt im Rahmen eines Zuschlages zur Einkommensteuer, so dass fÅr die Erhebung der Kirchensteuer die Vorschriften des EStG entsprechend anzuwenden sind.6 Dem entsprechend folgt die Zuordnung von Kirchensteuerforderungen in die insolvenzrechtlichen Forderungskategorien der jeweiligen Zuordnung der Einkommensteuerschuld. Soweit Kirchensteuer vor der InsolvenzerÇffnung im insolvenzrechtlichen Sinne begrÅndet worden ist, ist sie im Insolvenzverfahren einfache Insolvenzforderung im Rang von § 38 InsO. Soweit nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Einkommensteuer zu den Masseverbindlichkeiten gehÇrt, gehÇrt auch der darauf entfallende Zuschlag in Form der Kirchensteuer zu den Masseverbindlichkeiten. Soweit die nach InsolvenzerÇffnung anfallende Einkommensteuer sich gegen das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners richtet, ist auch die darauf anfallende Kirchensteuer nicht Masseverbindlichkeit, sondern gegen das insolvenzfreie VermÇgen des Insolvenzschuldners gerichtet. Auch die Aufteilung fÅr den Veranlagungszeitraum, in den die InsolvenzerÇffnung fsllt, ist entsprechend der Aufteilung der Einkommensteuerschuld vorzunehmen (Rz. 4.169 ff.).

1 Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rz. 962. 2 Birk, Steuerrecht, § 1 Rz. 74. 3 Schmittmann in Waza/Uhlsnder/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2521. 4 Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rz. 959. 5 Zum Erlass von Kirchensteuer vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof v. 12.10.2012 – 5 A 1082/12.Z, juris. 6 BAG v. 17.9.2014 – 10 AZB 4/14, ZIP 2014, 2309 = ZInsO 2014, 2456; s. beispielsweise § 5 Abs. 1 S. 1 KiStG NW, § 2 Abs. 2 S. 1 KiStG HE.

712

Anhang Ausgewlhlte Gesetzesnormen und Verwaltungsvorschriften Abdruck von Vorschriften, die vielleicht nicht immer unmittelbar zur Hand genommen werden kÇnnen.

I. Ausgewlhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen 1. Abgabenordnung § 16 Sachliche Zustlndigkeit Die sachliche Zustsndigkeit der FinanzbehÇrden richtet sich, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz Åber die Finanzverwaltung. § 30 Steuergeheimnis (1) Amtstrsger haben das Steuergeheimnis zu wahren. (2) Ein Amtstrsger verletzt das Steuergeheimnis, wenn er 1. Verhsltnisse eines anderen, die ihm a) in einem Verwaltungsverfahren, einem RechnungsprÅfungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen, b) in einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit, c) aus anderem Anlass durch Mitteilung einer FinanzbehÇrde oder durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheids oder einer Bescheinigung Åber die bei der Besteuerung getroffenen Feststellungen bekannt geworden sind, oder 2. ein fremdes Betriebs- oder Geschsftsgeheimnis, das ihm in einem der in Nummer 1 genannten Verfahren bekannt geworden ist, unbefugt offenbart oder verwertet oder 3. nach Nummer 1 oder Nummer 2 geschÅtzte Daten im automatisierten Verfahren unbefugt abruft, wenn sie fÅr eines der in Nummer 1 genannten Verfahren in einer Datei gespeichert sind. (3) Den Amtstrsgern stehen gleich 1. die fÅr den Çffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 des Strafgesetzbuchs), 1a. die in § 193 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Personen, 2. amtlich zugezogene Sachverstsndige, 3. die Trsger von zmtern der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, die KÇrperschaften des Çffentlichen Rechts sind. (4) Die Offenbarung der nach Absatz 2 erlangten Kenntnisse ist zulsssig, soweit 1. sie der DurchfÅhrung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstaben a und b dient, 2. sie durch Gesetz ausdrÅcklich zugelassen ist, 3. der Betroffene zustimmt,

713

Anhang 4. sie der DurchfÅhrung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die keine Steuerstraftat ist, und die Kenntnisse a) in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden sind; dies gilt jedoch nicht fÅr solche Tatsachen, die der Steuerpflichtige in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens offenbart hat oder die bereits vor Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens im Besteuerungsverfahren bekannt geworden sind, oder b) ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht erlangt worden sind, 5. fÅr sie ein zwingendes Çffentliches Interesse besteht; ein zwingendes Çffentliches Interesse ist namentlich gegeben, wenn a) Verbrechen und vorsstzliche schwere Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, b) Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stÇren oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschsftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemsße Arbeit der BehÇrden und der Çffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschÅttern, oder c) die Offenbarung erforderlich ist zur Richtigstellung in der yffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschÅttern; die Entscheidung trifft die zustsndige oberste FinanzbehÇrde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen; vor der Richtigstellung soll der Steuerpflichtige gehÇrt werden. (5) Vorsstzlich falsche Angaben des Betroffenen dÅrfen den StrafverfolgungsbehÇrden gegenÅber offenbart werden. (6) Der automatisierte Abruf von Daten, die fÅr eines der in Absatz 2 Nr. 1 genannten Verfahren in einer Datei gespeichert sind, ist nur zulsssig, soweit er der DurchfÅhrung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstaben a und b oder der zulsssigen Weitergabe von Daten dient. Zur Wahrung des Steuergeheimnisses kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, welche technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen den unbefugten Abruf von Daten zu treffen sind. Insbesondere kann es nshere Regelungen treffen Åber die Art der Daten, deren Abruf zulsssig ist, sowie Åber den Kreis der Amtstrsger, die zum Abruf solcher Daten berechtigt sind. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie die Kraftfahrzeugsteuer, die Luftverkehrsteuer, die Versicherungsteuer sowie Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern, mit Ausnahme der Biersteuer, betrifft. (7) Werden dem Steuergeheimnis unterliegende Daten durch einen Amtstrsger oder diesem nach Absatz 3 gleichgestellte Personen nach Maßgabe des § 87a Absatz 4 Åber De-Mail-Dienste im Sinne des § 1 des De-Mail-Gesetzes versendet, liegt keine unbefugte Offenbarung, Verwertung und kein unbefugter Abruf von dem Steuergeheimnis unterliegenden Daten vor, wenn beim Versenden eine kurzzeitige automatisierte EntschlÅsselung durch den akkreditierten Diensteanbieter zum Zweck der xberprÅfung auf Schadsoftware und zum Zweck der Weiterleitung an den Adressaten der De-Mail-Nachricht stattfindet.

714

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen § 34 Pflichten der gesetzlichen Vertreter und der VermÇgensverwalter (1) Die gesetzlichen Vertreter natÅrlicher und juristischer Personen und die GeschsftsfÅhrer von nicht rechtsfshigen Personenvereinigungen und VermÇgensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfÅllen. Sie haben insbesondere dafÅr zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten. (2) Soweit nicht rechtsfshige Personenvereinigungen ohne GeschsftsfÅhrer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfÅllen. Die FinanzbehÇrde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. FÅr nicht rechtsfshige VermÇgensmassen gelten die Sstze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das VermÇgen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfÅllen haben. (3) Steht eine VermÇgensverwaltung anderen Personen als den EigentÅmern des VermÇgens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die VermÇgensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht. § 51 Allgemeines (1) Gewshrt das Gesetz eine SteuervergÅnstigung, weil eine KÇrperschaft ausschließlich und unmittelbar gemeinnÅtzige, mildtstige oder kirchliche Zwecke (steuerbegÅnstigte Zwecke) verfolgt, so gelten die folgenden Vorschriften. Unter KÇrperschaften sind die KÇrperschaften, Personenvereinigungen und VermÇgensmassen im Sinne des KÇrperschaftsteuergesetzes zu verstehen. Funktionale Untergliederungen (Abteilungen) von KÇrperschaften gelten nicht als selbststsndige Steuersubjekte. (2) Werden die steuerbegÅnstigten Zwecke im Ausland verwirklicht, setzt die SteuervergÅnstigung voraus, dass natÅrliche Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewÇhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, gefÇrdert werden oder die Tstigkeit der KÇrperschaft neben der Verwirklichung der steuerbegÅnstigten Zwecke auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beitragen kann. (3) Eine SteuervergÅnstigung setzt zudem voraus, dass die KÇrperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsschlichen GeschsftsfÅhrung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fÇrdert und dem Gedanken der VÇlkerverstsndigung nicht zuwiderhandelt. Bei KÇrperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgefÅhrt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfÅllt sind. Die FinanzbehÇrde teilt Tatsachen, die den Verdacht von Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes oder des Zuwiderhandelns gegen den Gedanken der VÇlkerverstsndigung begrÅnden, der VerfassungsschutzbehÇrde mit. § 69 Haftung der Vertreter Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit AnsprÅche aus dem Steuerschuldverhsltnis (§ 37) infolge vorsstzlicher oder grob fahrlsssiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfÅllt oder soweit infolgedessen SteuervergÅtungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Ssumniszuschlsge.

715

Anhang § 76 Sachhaftung (1) Verbrauchsteuerpflichtige Waren und einfuhr- und ausfuhrabgabenpflichtige Waren dienen ohne RÅcksicht auf die Rechte Dritter als Sicherheit fÅr die darauf ruhenden Steuern (Sachhaftung). (2) Die Sachhaftung entsteht bei einfuhr- und ausfuhrabgaben- oder verbrauchsteuerpflichtigen Waren, wenn nichts anderes vorgeschrieben ist, mit ihrem Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes, bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren auch mit Beginn ihrer Gewinnung oder Herstellung. (3) Solange die Steuer nicht entrichtet ist, kann die FinanzbehÇrde die Waren mit Beschlag belegen. Als Beschlagnahme genÅgt das Verbot an den, der die Waren im Gewahrsam hat, Åber sie zu verfÅgen. (4) Die Sachhaftung erlischt mit der Steuerschuld. Sie erlischt ferner mit der Aufhebung der Beschlagnahme oder dadurch, dass die Waren mit Zustimmung der FinanzbehÇrde in einen steuerlich nicht beschrsnkten Verkehr Åbergehen. (5) Von der Geltendmachung der Sachhaftung wird abgesehen, wenn die Waren dem VerfÅgungsberechtigten abhanden gekommen sind und die verbrauchsteuerpflichtigen Waren in einen Herstellungsbetrieb aufgenommen oder die einfuhrund ausfuhrabgabenpflichtigen Waren eine zollrechtliche Bestimmung erhalten. § 140 BuchfÅhrungs- und Aufzeichnungspflichten nach anderen Gesetzen Wer nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen BÅcher und Aufzeichnungen zu fÅhren hat, die fÅr die Besteuerung von Bedeutung sind, hat die Verpflichtungen, die ihm nach den anderen Gesetzen obliegen, auch fÅr die Besteuerung zu erfÅllen.

2. Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz § 1 Steuerpflichtige Vorglnge (1) Der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) unterliegen 1. der Erwerb von Todes wegen; 2. die Schenkungen unter Lebenden; 3. die Zweckzuwendungen; 4. das VermÇgen einer Stiftung, sofern sie wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist, und eines Vereins, dessen Zweck wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien auf die Bindung von VermÇgen gerichtet ist, in Zeitabstsnden von je 30 Jahren seit dem in § 9 Abs. 1 Nr. 4 bestimmten Zeitpunkt. (2) Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften dieses Gesetzes Åber die Erwerbe von Todes wegen auch fÅr Schenkungen und Zweckzuwendungen, die Vorschriften Åber Schenkungen auch fÅr Zweckzuwendungen unter Lebenden. § 2 PersÇnliche Steuerpflicht (1) Die Steuerpflicht tritt ein 1. in den Fsllen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der AusfÅhrung der Schenkung oder der Erwerber zur

716

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9) ein Inlsnder ist, fÅr den gesamten VermÇgensanfall. Als Inlsnder gelten a) natÅrliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewÇhnlichen Aufenthalt haben, b) deutsche StaatsangehÇrige, die sich nicht lsnger als fÅnf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben, c) unabhsngig von der FÅnfjahresfrist nach Buchstabe b deutsche StaatsangehÇrige, die aa) im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewÇhnlichen Aufenthalt haben und bb) zu einer inlsndischen juristischen Person des Çffentlichen Rechts in einem Dienstverhsltnis stehen und dafÅr Arbeitslohn aus einer inlsndischen Çffentlichen Kasse beziehen, sowie zu ihrem Haushalt gehÇrende AngehÇrige, die die deutsche StaatsangehÇrigkeit besitzen. Dies gilt nur fÅr Personen, deren Nachlaß oder Erwerb in dem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz oder ihren gewÇhnlichen Aufenthalt haben, lediglich in einem der Steuerpflicht nach Nummer 3 shnlichen Umfang zu einer Nachlaß- oder Erbanfallsteuer herangezogen wird, d) KÇrperschaften, Personenvereinigungen und VermÇgensmassen, die ihre Geschsftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben; 2. in den Fsllen des § 1 Abs. 1 Nr. 4, wenn die Stiftung oder der Verein die Geschsftsleitung oder den Sitz im Inland hat; 3. in allen anderen Fsllen, vorbehaltlich des Absatzes 3, fÅr den VermÇgensanfall, der in InlandsvermÇgen im Sinne des § 121 des Bewertungsgesetzes besteht (beschrsnkte Steuerpflicht). 2Bei InlandsvermÇgen im Sinne des § 121 Nr. 4 des Bewertungsgesetzes ist es ausreichend, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Schenker zur Zeit der AusfÅhrung der Schenkung entsprechend der Vorschrift am Grund- oder Stammkapital der inlsndischen Kapitalgesellschaft beteiligt ist. 3Wird nur ein Teil einer solchen Beteiligung durch Schenkung zugewendet, gelten die weiteren Erwerbe aus der Beteiligung, soweit die Voraussetzungen des § 14 erfÅllt sind, auch dann als Erwerb von InlandsvermÇgen, wenn im Zeitpunkt ihres Erwerbs die Beteiligung des Erblassers oder Schenkers weniger als ein Zehntel des Grund- oder Stammkapitals der Gesellschaft betrsgt. (2) Zum Inland im Sinne dieses Gesetzes gehÇrt auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil am Festlandsockel, soweit dort Naturschstze des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes erforscht oder ausgebeutet werden. (3) Auf Antrag des Erwerbers wird ein VermÇgensanfall, zu dem InlandsvermÇgen im Sinne des § 121 des Bewertungsgesetzes gehÇrt (Absatz 1 Nummer 3), insgesamt als unbeschrsnkt steuerpflichtig behandelt, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der AusfÅhrung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9) seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der Europsischen Union oder einem Staat hat, auf den das Abkommen Åber den Europsischen Wirtschaftsraum anwendbar ist. In diesem Fall sind auch mehrere innerhalb von zehn Jahren vor dem VermÇgensanfall und innerhalb von zehn Jahren nach dem VermÇgensanfall von derselben Person anfallende Erwerbe als unbeschrsnkt steuerpflichtig zu behandeln und nach Maßgabe des § 14 zusammenzurechnen. Die Festsetzungsfrist fÅr die Steuer endet im Fall des Satzes 2 Nummer 1 nicht vor Ablauf des vierten Jahres, nachdem die FinanzbehÇrde von dem Antrag Kenntnis erlangt.

717

Anhang § 20 Steuerschuldner (1) Steuerschuldner ist der Erwerber, bei einer Schenkung auch der Schenker, bei einer Zweckzuwendung der mit der AusfÅhrung der Zuwendung Beschwerte und in den Fsllen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 die Stiftung oder der Verein. In den Fsllen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 und § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ist die VermÇgensmasse Erwerber und Steuerschuldner, in den Fsllen des § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ist Steuerschuldner auch derjenige, der die VermÇgensmasse gebildet oder ausgestattet hat. (2) Im Falle des § 4 sind die AbkÇmmlinge im Verhsltnis der auf sie entfallenden Anteile, der Åberlebende Ehegatte oder der Åberlebende Lebenspartner fÅr den gesamten Steuerbetrag Steuerschuldner. (3) Der Nachlaß haftet bis zur Auseinandersetzung (§ 2042 des BÅrgerlichen Gesetzbuchs) fÅr die Steuer der am Erbfall Beteiligten. (4) Der Vorerbe hat die durch die Vorerbschaft veranlaßte Steuer aus den Mitteln der Vorerbschaft zu entrichten. (5) Hat der Steuerschuldner den Erwerb oder Teile desselben vor Entrichtung der Erbschaftsteuer einem anderen unentgeltlich zugewendet, haftet der andere in HÇhe des Werts der Zuwendung persÇnlich fÅr die Steuer. (6) Versicherungsunternehmen, die vor Entrichtung oder Sicherstellung der Steuer die von ihnen zu zahlende Versicherungssumme oder Leibrente in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes zahlen oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes wohnhaften Berechtigten zur VerfÅgung stellen, haften in HÇhe des ausgezahlten Betrags fÅr die Steuer. Das gleiche gilt fÅr Personen, in deren Gewahrsam sich VermÇgen des Erblassers befindet, soweit sie das VermÇgen vorsstzlich oder fahrlsssig vor Entrichtung oder Sicherstellung der Steuer in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bringen oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes wohnhaften Berechtigten zur VerfÅgung stellen. (7) Die Haftung nach Absatz 6 ist nicht geltend zu machen, wenn der in einem Steuerfall in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes gezahlte oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes wohnhaften Berechtigten zur VerfÅgung gestellte Betrag 600 Euro nicht Åbersteigt.

3. Einkommensteuergesetz § 1 Steuerpflicht (1) NatÅrliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewÇhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschrsnkt einkommensteuerpflichtig. 2Zum Inland im Sinne dieses Gesetzes gehÇrt auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil 1. am Festlandsockel, soweit dort Naturschstze des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes erforscht oder ausgebeutet werden, und 2. an der ausschließlichen Wirtschaftszone, soweit dort Energieerzeugungsanlagen errichtet oder betrieben werden, die erneuerbare Energien nutzen. 1

(2) 1Unbeschrsnkt einkommensteuerpflichtig sind auch deutsche StaatsangehÇrige, die 1. im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewÇhnlichen Aufenthalt haben und

718

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen 2. zu einer inlsndischen juristischen Person des Çffentlichen Rechts in einem Dienstverhsltnis stehen und dafÅr Arbeitslohn aus einer inlsndischen Çffentlichen Kasse beziehen, sowie zu ihrem Haushalt gehÇrende AngehÇrige, die die deutsche StaatsangehÇrigkeit besitzen oder keine EinkÅnfte oder nur EinkÅnfte beziehen, die ausschließlich im Inland einkommensteuerpflichtig sind. 2Dies gilt nur fÅr natÅrliche Personen, die in dem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz oder ihren gewÇhnlichen Aufenthalt haben, lediglich in einem der beschrsnkten Einkommensteuerpflicht shnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen werden. (3) 1Auf Antrag werden auch natÅrliche Personen als unbeschrsnkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewÇhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inlsndische EinkÅnfte im Sinne des § 49 haben. 2Dies gilt nur, wenn ihre EinkÅnfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 Prozent der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden EinkÅnfte den Grundfreibetrag nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 nicht Åbersteigen; dieser Betrag ist zu kÅrzen, soweit es nach den Verhsltnissen im Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen notwendig und angemessen ist. 3Inlsndische EinkÅnfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der HÇhe nach beschrsnkt besteuert werden dÅrfen, gelten hierbei als nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegend. 4UnberÅcksichtigt bleiben bei der Ermittlung der EinkÅnfte nach Satz 2 nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende EinkÅnfte, die im Ausland nicht besteuert werden, soweit vergleichbare EinkÅnfte im Inland steuerfrei sind. 5Weitere Voraussetzung ist, dass die HÇhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden EinkÅnfte durch eine Bescheinigung der zustsndigen auslsndischen SteuerbehÇrde nachgewiesen wird. 6Der Steuerabzug nach § 50a ist ungeachtet der Sstze 1 bis 4 vorzunehmen. (4) NatÅrliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewÇhnlichen Aufenthalt haben, sind vorbehaltlich der Absstze 2 und 3 und des § 1a beschrsnkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie inlsndische EinkÅnfte im Sinne des § 49 haben. § 2 Umfang der Besteuerung, Begriffsbestimmungen (1) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Der Einkommensteuer unterliegen EinkÅnfte aus Land- und Forstwirtschaft, EinkÅnfte aus Gewerbebetrieb, EinkÅnfte aus selbstsndiger Arbeit, EinkÅnfte aus nichtselbstsndiger Arbeit, EinkÅnfte aus KapitalvermÇgen, EinkÅnfte aus Vermietung und Verpachtung, sonstige EinkÅnfte im Sinne des § 22,

1

die der Steuerpflichtige wshrend seiner unbeschrsnkten Einkommensteuerpflicht oder als inlsndische EinkÅnfte wshrend seiner beschrsnkten Einkommensteuerpflicht erzielt. 2Zu welcher Einkunftsart die EinkÅnfte im einzelnen Fall gehÇren, bestimmt sich nach den §§ 13 bis 24. (2) 1EinkÅnfte sind 1. bei Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstsndiger Arbeit der Gewinn (§§ 4 bis 7k und 13a),

719

Anhang 2. bei den anderen Einkunftsarten der xberschuss der Einnahmen Åber die Werbungskosten (§§ 8 bis 9a). Bei EinkÅnften aus KapitalvermÇgen tritt § 20 Absatz 9 vorbehaltlich der Regelung in § 32d Absatz 2 an die Stelle der §§ 9 und 9a. 2

(3) Die Summe der EinkÅnfte, vermindert um den Altersentlastungsbetrag, den Entlastungsbetrag fÅr Alleinerziehende und den Abzug nach § 13 Absatz 3, ist der Gesamtbetrag der EinkÅnfte. (4) Der Gesamtbetrag der EinkÅnfte, vermindert um die Sonderausgaben und die außergewÇhnlichen Belastungen, ist das Einkommen. (5) 1Das Einkommen, vermindert um die Freibetrsge nach § 32 Absatz 6 und um die sonstigen vom Einkommen abzuziehenden Betrsge, ist das zu versteuernde Einkommen; dieses bildet die Bemessungsgrundlage fÅr die tarifliche Einkommensteuer. 2KnÅpfen andere Gesetze an den Begriff des zu versteuernden Einkommens an, ist fÅr deren Zweck das Einkommen in allen Fsllen des § 32 um die Freibetrsge nach § 32 Absatz 6 zu vermindern. (5a) 1KnÅpfen außersteuerliche Rechtsnormen an die in den vorstehenden Absstzen definierten Begriffe (EinkÅnfte, Summe der EinkÅnfte, Gesamtbetrag der EinkÅnfte, Einkommen, zu versteuerndes Einkommen) an, erhÇhen sich fÅr deren Zwecke diese GrÇßen um die nach § 32d Absatz 1 und nach § 43 Absatz 5 zu besteuernden Betrsge sowie um die nach § 3 Nummer 40 steuerfreien Betrsge und mindern sich um die nach § 3c Absatz 2 nicht abziehbaren Betrsge. 2KnÅpfen außersteuerliche Rechtsnormen an die in den Absstzen 1 bis 3 genannten Begriffe (EinkÅnfte, Summe der EinkÅnfte, Gesamtbetrag der EinkÅnfte) an, mindern sich fÅr deren Zwecke diese GrÇßen um die nach § 10 Absatz 1 Nummer 5 abziehbaren Kinderbetreuungskosten. (5b) Soweit Rechtsnormen dieses Gesetzes an die in den vorstehenden Absstzen definierten Begriffe (EinkÅnfte, Summe der EinkÅnfte, Gesamtbetrag der EinkÅnfte, Einkommen, zu versteuerndes Einkommen) anknÅpfen, sind Kapitalertrsge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 nicht einzubeziehen. (6) 1Die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die anzurechnenden auslsndischen Steuern und die Steuerermsßigungen, vermehrt um die Steuer nach § 32d Absatz 3 und 4, die Steuer nach § 34c Absatz 5 und den Zuschlag nach § 3 Absatz 4 Satz 2 des Forstschsden-Ausgleichsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1985 (BGBl. I S. 1756), das zuletzt durch Artikel 18 des Gesetzes vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2794) gesndert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, ist die festzusetzende Einkommensteuer. 2Wurde der Gesamtbetrag der EinkÅnfte in den Fsllen des § 10a Absatz 2 um Sonderausgaben nach § 10a Absatz 1 gemindert, ist fÅr die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer der Anspruch auf Zulage nach Abschnitt XI der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen; bei der Ermittlung der dem Steuerpflichtigen zustehenden Zulage bleibt die ErhÇhung der Grundzulage nach § 84 Satz 2 außer Betracht. 3Wird das Einkommen in den Fsllen des § 31 um die Freibetrsge nach § 32 Absatz 6 gemindert, ist der Anspruch auf Kindergeld nach Abschnitt X der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen. (7)1 Die Einkommensteuer ist eine Jahressteuer. 2Die Grundlagen fÅr ihre Festsetzung sind jeweils fÅr ein Kalenderjahr zu ermitteln. 3Besteht wshrend eines Kalenderjahres sowohl unbeschrsnkte als auch beschrsnkte Einkommensteuerpflicht, so sind die wshrend der beschrsnkten Einkommensteuerpflicht erzielten inlsndischen

720

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen EinkÅnfte in eine Veranlagung zur unbeschrsnkten Einkommensteuerpflicht einzubeziehen. (8) Die Regelungen dieses Gesetzes zu Ehegatten und Ehen sind auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden. § 26 Veranlagung von Ehegatten* (1) 1Ehegatten kÇnnen zwischen der Einzelveranlagung (§ 26a) und der Zusammenveranlagung (§ 26b) wshlen, wenn 1. beide unbeschrsnkt einkommensteuerpflichtig im Sinne des § 1 Absatz 1 oder 2 oder des § 1a sind, 2. sie nicht dauernd getrennt leben und 3. bei ihnen die Voraussetzungen aus den Nummern 1 und 2 zu Beginn des Veranlagungszeitraums vorgelegen haben oder im Laufe des Veranlagungszeitraums eingetreten sind. Hat ein Ehegatte in dem Veranlagungszeitraum, in dem seine zuvor bestehende Ehe aufgelÇst worden ist, eine neue Ehe geschlossen und liegen bei ihm und dem neuen Ehegatten die Voraussetzungen des Satzes 1 vor, bleibt die zuvor bestehende Ehe fÅr die Anwendung des Satzes 1 unberÅcksichtigt. 2

(2) 1Ehegatten werden einzeln veranlagt, wenn einer der Ehegatten die Einzelveranlagung wshlt. 2Ehegatten werden zusammen veranlagt, wenn beide Ehegatten die Zusammenveranlagung wshlen. 3Die Wahl wird fÅr den betreffenden Veranlagungszeitraum durch Angabe in der Steuererklsrung getroffen. 4Die Wahl der Veranlagungsart innerhalb eines Veranlagungszeitraums kann nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids nur noch gesndert werden, wenn 1. ein Steuerbescheid, der die Ehegatten betrifft, aufgehoben, gesndert oder berichtigt wird und 2. die znderung der Wahl der Veranlagungsart der zustsndigen FinanzbehÇrde bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des znderungs- oder Berichtigungsbescheids schriftlich oder elektronisch mitgeteilt oder zur Niederschrift erklsrt worden ist und 3. der Unterschiedsbetrag aus der Differenz der festgesetzten Einkommensteuer entsprechend der bisher gewshlten Veranlagungsart und der festzusetzenden Einkommensteuer, die sich bei einer gesnderten AusÅbung der Wahl der Veranlagungsarten ergeben wÅrde, positiv ist. 2Die Einkommensteuer der einzeln veranlagten Ehegatten ist hierbei zusammenzurechnen. (3) Wird von dem Wahlrecht nach Absatz 2 nicht oder nicht wirksam Gebrauch gemacht, so ist eine Zusammenveranlagung durchzufÅhren. § 38 Erhebung der Lohnsteuer (1) Bei EinkÅnften aus nichtselbstsndiger Arbeit wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), soweit der Arbeitslohn von einem Arbeitgeber gezahlt wird, der 1

*

Nach Maßgabe der Entscheidungsformel mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar gem. BVerfGE v. 7.5.2013 – 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BGBl. I 2013, 1647.

721

Anhang 1. im Inland einen Wohnsitz, seinen gewÇhnlichen Aufenthalt, seine Geschsftsleitung, seinen Sitz, eine Betriebsststte oder einen stsndigen Vertreter im Sinne der §§ 8 bis 13 der Abgabenordnung hat (inlsndischer Arbeitgeber) oder 2. einem Dritten (Entleiher) Arbeitnehmer gewerbsmsßig zur Arbeitsleistung im Inland Åberlssst, ohne inlsndischer Arbeitgeber zu sein (auslsndischer Verleiher). Inlsndischer Arbeitgeber im Sinne des Satzes 1 ist in den Fsllen der Arbeitnehmerentsendung auch das in Deutschland anssssige aufnehmende Unternehmen, das den Arbeitslohn fÅr die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trsgt; Voraussetzung hierfÅr ist nicht, dass das Unternehmen dem Arbeitnehmer den Arbeitslohn im eigenen Namen und fÅr eigene Rechnung auszahlt. 3Der Lohnsteuer unterliegt auch der im Rahmen des Dienstverhsltnisses von einem Dritten gewshrte Arbeitslohn, wenn der Arbeitgeber weiß oder erkennen kann, dass derartige VergÅtungen erbracht werden; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn Arbeitgeber und Dritter verbundene Unternehmen im Sinne von § 15 des Aktiengesetzes sind. 2

(2) 1Der Arbeitnehmer ist Schuldner der Lohnsteuer. 2Die Lohnsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt. (3) 1Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer fÅr Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten. 2Bei juristischen Personen des Çffentlichen Rechts hat die Çffentliche Kasse, die den Arbeitslohn zahlt, die Pflichten des Arbeitgebers. 3In den Fsllen der nach § 7f Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch an die Deutsche Rentenversicherung Bund Åbertragenen Wertguthaben hat die Deutsche Rentenversicherung Bund bei Inanspruchnahme des Wertguthabens die Pflichten des Arbeitgebers. (3a) 1Soweit sich aus einem Dienstverhsltnis oder einem frÅheren Dienstverhsltnis tarifvertragliche AnsprÅche des Arbeitnehmers auf Arbeitslohn unmittelbar gegen einen Dritten mit Wohnsitz, Geschsftsleitung oder Sitz im Inland richten und von diesem durch die Zahlung von Geld erfÅllt werden, hat der Dritte die Pflichten des Arbeitgebers. 2In anderen Fsllen kann das Finanzamt zulassen, dass ein Dritter mit Wohnsitz, Geschsftsleitung oder Sitz im Inland die Pflichten des Arbeitgebers im eigenen Namen erfÅllt. 3Voraussetzung ist, dass der Dritte 1. sich hierzu gegenÅber dem Arbeitgeber verpflichtet hat, 2. den Lohn auszahlt oder er nur Arbeitgeberpflichten fÅr von ihm vermittelte Arbeitnehmer Åbernimmt und 3. die Steuererhebung nicht beeintrschtigt wird. Die Zustimmung erteilt das Betriebsststtenfinanzamt des Dritten auf dessen Antrag im Einvernehmen mit dem Betriebsststtenfinanzamt des Arbeitgebers; sie darf mit Nebenbestimmungen versehen werden, die die ordnungsgemsße Steuererhebung sicherstellen und die xberprÅfung des Lohnsteuerabzugs nach § 42f erleichtern sollen. 5Die Zustimmung kann mit Wirkung fÅr die Zukunft widerrufen werden. 6In den Fsllen der Sstze 1 und 2 sind die das Lohnsteuerverfahren betreffenden Vorschriften mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Arbeitgebers der Dritte tritt; der Arbeitgeber ist von seinen Pflichten befreit, soweit der Dritte diese Pflichten erfÅllt hat. 7ErfÅllt der Dritte die Pflichten des Arbeitgebers, kann er den Arbeitslohn, der einem Arbeitnehmer in demselben Lohnabrechnungszeitraum aus mehreren Dienstverhsltnissen zufließt, fÅr die Lohnsteuerermittlung und in der Lohnsteuerbescheinigung zusammenrechnen. 4

(4) 1Wenn der vom Arbeitgeber geschuldete Barlohn zur Deckung der Lohnsteuer nicht ausreicht, hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber den Fehlbetrag zur Ver-

722

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen fÅgung zu stellen oder der Arbeitgeber einen entsprechenden Teil der anderen BezÅge des Arbeitnehmers zurÅckzubehalten. 2Soweit der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung nicht nachkommt und der Arbeitgeber den Fehlbetrag nicht durch ZurÅckbehaltung von anderen BezÅgen des Arbeitnehmers aufbringen kann, hat der Arbeitgeber dies dem Betriebsststtenfinanzamt (§ 41a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1) anzuzeigen. 3Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber die von einem Dritten gewshrten BezÅge (Absatz 1 Satz 3) am Ende des jeweiligen Lohnzahlungszeitraums anzugeben; wenn der Arbeitnehmer keine Angabe oder eine erkennbar unrichtige Angabe macht, hat der Arbeitgeber dies dem Betriebsststtenfinanzamt anzuzeigen. 4 Das Finanzamt hat die zu wenig erhobene Lohnsteuer vom Arbeitnehmer nachzufordern. § 48 Steuerabzug (1) 1Erbringt jemand im Inland eine Bauleistung (Leistender) an einen Unternehmer im Sinne des § 2 des Umsatzsteuergesetzes oder an eine juristische Person des Çffentlichen Rechts (Leistungsempfsnger), ist der Leistungsempfsnger verpflichtet, von der Gegenleistung einen Steuerabzug in HÇhe von 15 Prozent fÅr Rechnung des Leistenden vorzunehmen. 2Vermietet der Leistungsempfsnger Wohnungen, so ist Satz 1 nicht auf Bauleistungen fÅr diese Wohnungen anzuwenden, wenn er nicht mehr als zwei Wohnungen vermietet. 3Bauleistungen sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, znderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. 4Als Leistender gilt auch derjenige, der Åber eine Leistung abrechnet, ohne sie erbracht zu haben. (2) 1Der Steuerabzug muss nicht vorgenommen werden, wenn der Leistende dem Leistungsempfsnger eine im Zeitpunkt der Gegenleistung gÅltige Freistellungsbescheinigung nach § 48b Absatz 1 Satz 1 vorlegt oder die Gegenleistung im laufenden Kalenderjahr den folgenden Betrag voraussichtlich nicht Åbersteigen wird: 1. 15 000 Euro, wenn der Leistungsempfsnger ausschließlich steuerfreie Umsstze nach § 4 Nummer 12 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes ausfÅhrt, 2. 5 000 Euro in den Åbrigen Fsllen. FÅr die Ermittlung des Betrags sind die fÅr denselben Leistungsempfsnger erbrachten und voraussichtlich zu erbringenden Bauleistungen zusammenzurechnen. 2

(3) Gegenleistung im Sinne des Absatzes 1 ist das Entgelt zuzÅglich Umsatzsteuer. (4) Wenn der Leistungsempfsnger den Steuerabzugsbetrag angemeldet und abgefÅhrt hat, 1. ist § 160 Absatz 1 Satz 1 der Abgabenordnung nicht anzuwenden, 2. sind § 42d Absatz 6 und 8 und § 50a Absatz 7 nicht anzuwenden. § 48a Verfahren (1) Der Leistungsempfsnger hat bis zum zehnten Tag nach Ablauf des Monats, in dem die Gegenleistung im Sinne des § 48 erbracht wird, eine Anmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, in der er den Steuerabzug fÅr den Anmeldungszeitraum selbst zu berechnen hat. 2Der Abzugsbetrag ist am zehnten Tag nach Ablauf des Anmeldungszeitraums fsllig und an das fÅr den Leistenden zustsndige Finanzamt fÅr Rechnung des Leistenden abzufÅhren. 3Die Anmeldung des Abzugsbetrags steht einer Steueranmeldung gleich. 1

723

Anhang (2) Der Leistungsempfsnger hat mit dem Leistenden unter Angabe 1. des Namens und der Anschrift des Leistenden, 2. des Rechnungsbetrags, des Rechnungsdatums und des Zahlungstags, 3. der HÇhe des Steuerabzugs und 4. des Finanzamts, bei dem der Abzugsbetrag angemeldet worden ist, Åber den Steuerabzug abzurechnen. (3) 1Der Leistungsempfsnger haftet fÅr einen nicht oder zu niedrig abgefÅhrten Abzugsbetrag. 2Der Leistungsempfsnger haftet nicht, wenn ihm im Zeitpunkt der Gegenleistung eine Freistellungsbescheinigung (§ 48b) vorgelegen hat, auf deren Rechtmsßigkeit er vertrauen konnte. 3Er darf insbesondere dann nicht auf eine Freistellungsbescheinigung vertrauen, wenn diese durch unlautere Mittel oder durch falsche Angaben erwirkt wurde und ihm dies bekannt oder infolge grober Fahrlsssigkeit nicht bekannt war. 4Den Haftungsbescheid erlssst das fÅr den Leistenden zustsndige Finanzamt. (4) § 50b gilt entsprechend.

4. Gewerbesteuergesetz § 1 Steuerberechtigte Die Gemeinden erheben eine Gewerbesteuer als Gemeindesteuer. § 5 Steuerschuldner (1) 1Steuerschuldner ist der Unternehmer. 2Als Unternehmer gilt der, fÅr dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird. 3Ist die Tstigkeit einer Personengesellschaft Gewerbebetrieb, so ist Steuerschuldner die Gesellschaft. 4Wird das Gewerbe in der Rechtsform einer Europsischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung mit Sitz im Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 Åber die Schaffung einer Europsischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) – (ABl. L 199 vom 31.7.1985, S. 1) betrieben, sind abweichend von Satz 3 die Mitglieder Gesamtschuldner. (2) 1Geht ein Gewerbebetrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer Åber (§ 2 Abs. 5), so ist der bisherige Unternehmer bis zum Zeitpunkt des xbergangs Steuerschuldner. 2Der andere Unternehmer ist von diesem Zeitpunkt an Steuerschuldner. § 6 Besteuerungsgrundlage Besteuerungsgrundlage fÅr die Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag.

5. Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschrlnkter Haftung § 11 Rechtszustand vor der Eintragung (1) Vor der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft besteht die Gesellschaft mit beschrsnkter Haftung als solche nicht. (2) Ist vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persÇnlich und solidarisch.

724

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen § 64 Haftung fÅr Zahlungen nach Zahlungsunflhigkeit oder pberschuldung Die GeschsftsfÅhrer sind der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfshigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer xberschuldung geleistet werden. Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschsftsmanns vereinbar sind. Die gleiche Verpflichtung trifft die GeschsftsfÅhrer fÅr Zahlungen an Gesellschafter, soweit diese zur Zahlungsunfshigkeit der Gesellschaft fÅhren mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der in Satz 2 bezeichneten Sorgfalt nicht erkennbar. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 43 Abs. 3 und 4 entsprechende Anwendung.

6. Handelsgesetzbuch § 1 [Istkaufmann] (1) Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt. (2) Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, daß das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmsnnischer Weise eingerichteten Geschsftsbetrieb nicht erfordert. § 128 [PersÇnliche Haftung der Gesellschafter] Die Gesellschafter haften fÅr die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Glsubigern als Gesamtschuldner persÇnlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenÅber unwirksam. § 238 BuchfÅhrungspflicht (1) Jeder Kaufmann ist verpflichtet, BÅcher zu fÅhren und in diesen seine Handelsgeschsfte und die Lage seines VermÇgens nach den Grundsstzen ordnungsmsßiger BuchfÅhrung ersichtlich zu machen. Die BuchfÅhrung muß so beschaffen sein, daß sie einem sachverstsndigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen xberblick Åber die Geschsftsvorfslle und Åber die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Geschsftsvorfslle mÅssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen. (2) Der Kaufmann ist verpflichtet, eine mit der Urschrift Åbereinstimmende Wiedergabe der abgesandten Handelsbriefe (Kopie, Abdruck, Abschrift oder sonstige Wiedergabe des Wortlauts auf einem Schrift-, Bild- oder anderen Datentrsger) zurÅckzubehalten.

7. Insolvenzordnung § 1 Ziele des Insolvenzverfahrens Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Glsubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das VermÇgen des Schuldners verwertet und der ErlÇs verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.

725

Anhang § 4b RÅckzahlung und Anpassung der gestundeten Betrlge (1) Ist der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht in der Lage, den gestundeten Betrag aus seinem Einkommen und seinem VermÇgen zu zahlen, so kann das Gericht die Stundung verlsngern und die zu zahlenden Monatsraten festsetzen. § 115 Abs. 1 bis 3 sowie § 120 Abs. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. (2) Das Gericht kann die Entscheidung Åber die Stundung und die Monatsraten jederzeit sndern, soweit sich die fÅr sie maßgebenden persÇnlichen oder wirtschaftlichen Verhsltnisse wesentlich gesndert haben. Der Schuldner ist verpflichtet, dem Gericht eine wesentliche znderung dieser Verhsltnisse unverzÅglich anzuzeigen. § 120a Absatz 1 Satz 2 und 3 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Eine znderung zum Nachteil des Schuldners ist ausgeschlossen, wenn seit der Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind. § 11 Zullssigkeit des Insolvenzverfahrens (1) Ein Insolvenzverfahren kann Åber das VermÇgen jeder natÅrlichen und jeder juristischen Person erÇffnet werden. Der nicht rechtsfshige Verein steht insoweit einer juristischen Person gleich. (2) Ein Insolvenzverfahren kann ferner erÇffnet werden: 1. Åber das VermÇgen einer Gesellschaft ohne RechtspersÇnlichkeit (offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft, Gesellschaft des BÅrgerlichen Rechts, Partenreederei, Europsische wirtschaftliche Interessenvereinigung); 2. nach Maßgabe der §§ 315 bis 334 Åber einen Nachlaß, Åber das Gesamtgut einer fortgesetzten GÅtergemeinschaft oder Åber das Gesamtgut einer GÅtergemeinschaft, das von den Ehegatten gemeinschaftlich verwaltet wird. (3) Nach AuflÇsung einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne RechtspersÇnlichkeit ist die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens zulsssig, solange die Verteilung des VermÇgens nicht vollzogen ist. § 14 Antrag eines Gllubigers (1) Der Antrag eines Glsubigers ist zulsssig, wenn der Glsubiger ein rechtliches Interesse an der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den ErÇffnungsgrund glaubhaft macht. War in einem Zeitraum von zwei Jahren vor der Antragstellung bereits ein Antrag auf ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Schuldners gestellt worden, so wird der Antrag nicht allein dadurch unzulsssig, dass die Forderung erfÅllt wird. In diesem Fall hat der Glsubiger auch die vorherige Antragstellung glaubhaft zu machen. (2) Ist der Antrag zulsssig, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner zu hÇren. (3) Wird die Forderung des Glsubigers nach Antragstellung erfÅllt, so hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn der Antrag als unbegrÅndet abgewiesen wird.

726

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen § 15 Antragsrecht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne RechtspersÇnlichkeit (1) Zum Antrag auf ErÇffnung eines Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne RechtspersÇnlichkeit ist außer den Glsubigern jedes Mitglied des Vertretungsorgans, bei einer Gesellschaft ohne RechtspersÇnlichkeit oder bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien jeder persÇnlich haftende Gesellschafter, sowie jeder Abwickler berechtigt. Bei einer juristischen Person ist im Fall der FÅhrungslosigkeit auch jeder Gesellschafter, bei einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft zudem auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Antragstellung berechtigt. (2) Wird der Antrag nicht von allen Mitgliedern des Vertretungsorgans, allen persÇnlich haftenden Gesellschaftern, allen Gesellschaftern der juristischen Person, allen Mitgliedern des Aufsichtsrats oder allen Abwicklern gestellt, so ist er zulsssig, wenn der ErÇffnungsgrund glaubhaft gemacht wird. Zusstzlich ist bei Antragstellung durch Gesellschafter einer juristischen Person oder Mitglieder des Aufsichtsrats auch die FÅhrungslosigkeit glaubhaft zu machen. Das Insolvenzgericht hat die Åbrigen Mitglieder des Vertretungsorgans, persÇnlich haftenden Gesellschafter, Gesellschafter der juristischen Person, Mitglieder des Aufsichtsrats oder Abwickler zu hÇren. (3) Ist bei einer Gesellschaft ohne RechtspersÇnlichkeit kein persÇnlich haftender Gesellschafter eine natÅrliche Person, so gelten die Absstze 1 und 2 entsprechend fÅr die organschaftlichen Vertreter und die Abwickler der zur Vertretung der Gesellschaft ermschtigten Gesellschafter. Entsprechendes gilt, wenn sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt. § 15a Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne RechtspersÇnlichkeit (1) Wird eine juristische Person zahlungsunfshig oder Åberschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes ZÇgern, spstestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfshigkeit oder xberschuldung, einen Insolvenzantrag zu stellen. Das Gleiche gilt fÅr die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermschtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne RechtspersÇnlichkeit, bei der kein persÇnlich haftender Gesellschafter eine natÅrliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persÇnlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehÇrt, bei der ein persÇnlich haftender Gesellschafter eine natÅrliche Person ist. (2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 gilt Absatz 1 sinngemsß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermschtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persÇnlich haftender Gesellschafter eine natÅrliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt. (3) Im Fall der FÅhrungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschrsnkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der FÅhrungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfshigkeit und der xberschuldung oder der FÅhrungslosigkeit keine Kenntnis. (4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen ErÇffnungsantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig stellt.

727

Anhang (5) Handelt der Tster in den Fsllen des Absatzes 4 fahrlsssig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. (6) Auf Vereine und Stiftungen, fÅr die § 42 Absatz 2 des BÅrgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absstze 1 bis 5 nicht anzuwenden. § 16 ErÇffnungsgrund Die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens setzt voraus, daß ein ErÇffnungsgrund gegeben ist. § 17 Zahlungsunflhigkeit (1) Allgemeiner ErÇffnungsgrund ist die Zahlungsunfshigkeit. (2) Der Schuldner ist zahlungsunfshig, wenn er nicht in der Lage ist, die fslligen Zahlungspflichten zu erfÅllen. Zahlungsunfshigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. § 18 Drohende Zahlungsunflhigkeit (1) Beantragt der Schuldner die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens, so ist auch die drohende Zahlungsunfshigkeit ErÇffnungsgrund. (2) Der Schuldner droht zahlungsunfshig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fslligkeit zu erfÅllen. (3) Wird bei einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne RechtspersÇnlichkeit der Antrag nicht von allen Mitgliedern des Vertretungsorgans, allen persÇnlich haftenden Gesellschaftern oder allen Abwicklern gestellt, so ist Absatz 1 nur anzuwenden, wenn der oder die Antragsteller zur Vertretung der juristischen Person oder der Gesellschaft berechtigt sind. § 19 pberschuldung (1) Bei einer juristischen Person ist auch die xberschuldung ErÇffnungsgrund. (2) xberschuldung liegt vor, wenn das VermÇgen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die FortfÅhrung des Unternehmens ist nach den Umstsnden Åberwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf RÅckgewshr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, fÅr die gemsß § 39 Abs. 2 zwischen Glsubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berÅcksichtigen. (3) Ist bei einer Gesellschaft ohne RechtspersÇnlichkeit kein persÇnlich haftender Gesellschafter eine natÅrliche Person, so gelten die Absstze 1 und 2 entsprechend. Dies gilt nicht, wenn zu den persÇnlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehÇrt, bei der ein persÇnlich haftender Gesellschafter eine natÅrliche Person ist.

728

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen § 20 Auskunfts- und Mitwirkungspflicht im ErÇffnungsverfahren. Hinweis auf Restschuldbefreiung (1) Ist der Antrag zulsssig, so hat der Schuldner dem Insolvenzgericht die AuskÅnfte zu erteilen, die zur Entscheidung Åber den Antrag erforderlich sind, und es auch sonst bei der ErfÅllung seiner Aufgaben zu unterstÅtzen. Die §§ 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 gelten entsprechend. (2) Ist der Schuldner eine natÅrliche Person, so soll er darauf hingewiesen werden, dass er nach Maßgabe der §§ 286 bis 303 Restschuldbefreiung erlangen kann. § 21 Anordnung vorllufiger Maßnahmen (1) Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung Åber den Antrag eine den Glsubigern nachteilige Versnderung in der VermÇgenslage des Schuldners zu verhÅten. Gegen die Anordnung der Maßnahme steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. (2) Das Gericht kann insbesondere 1. einen vorlsufigen Insolvenzverwalter bestellen, fÅr den § 8 Abs. 3 und die §§ 56, 56a, 58 bis 66 entsprechend gelten; 1a. einen vorlsufigen Glsubigerausschuss einsetzen, fÅr den § 67 Absatz 2 und die §§ 69 bis 73 entsprechend gelten; zu Mitgliedern des Glsubigerausschusses kÇnnen auch Personen bestellt werden, die erst mit ErÇffnung des Verfahrens Glsubiger werden; 2. dem Schuldner ein allgemeines VerfÅgungsverbot auferlegen oder anordnen, daß VerfÅgungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters wirksam sind; 3. Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstsnde betroffen sind; 4. eine vorlsufige Postsperre anordnen, fÅr die die §§ 99, 101 Abs. 1 Satz 1 entsprechend gelten; 5. anordnen, dass Gegenstsnde, die im Falle der ErÇffnung des Verfahrens von § 166 erfasst wÅrden oder deren Aussonderung verlangt werden kÇnnte, vom Glsubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dÅrfen und dass solche Gegenstsnde zur FortfÅhrung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden kÇnnen, soweit sie hierfÅr von erheblicher Bedeutung sind; § 169 Satz 2 und 3 gilt entsprechend; ein durch die Nutzung eingetretener Wertverlust ist durch laufende Zahlungen an den Glsubiger auszugleichen. 2Die Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen besteht nur, soweit der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des absonderungsberechtigten Glsubigers beeintrschtigt. 3Zieht der vorlsufige Insolvenzverwalter eine zur Sicherung eines Anspruchs abgetretene Forderung anstelle des Glsubigers ein, so gelten die §§ 170, 171 entsprechend. Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen berÅhrt nicht die Wirksamkeit von VerfÅgungen Åber Finanzsicherheiten nach § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes und die Wirksamkeit der Verrechnung von AnsprÅchen und Leistungen aus Zahlungsauftrsgen, Auftrsgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Auftrsgen zur xbertragung von Wertpapieren, die in Systeme nach § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden. 3Dies gilt auch dann, wenn ein solches Rechtsgeschsft des Schuldners am Tag der Anordnung getstigt und verrechnet oder eine Finanzsicherheit bestellt wird und der andere Teil nachweist, dass er die Anordnung weder kannte noch hstte kennen mÅssen; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich

729

Anhang der Tag der Anordnung nach dem Geschsftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes. (3) Reichen andere Maßnahmen nicht aus, so kann das Gericht den Schuldner zwangsweise vorfÅhren und nach AnhÇrung in Haft nehmen lassen. Ist der Schuldner keine natÅrliche Person, so gilt entsprechendes fÅr seine organschaftlichen Vertreter. FÅr die Anordnung von Haft gilt § 98 Abs. 3 entsprechend. § 22 Rechtsstellung des vorllufigen Insolvenzverwalters (1) Wird ein vorlsufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines VerfÅgungsverbot auferlegt, so geht die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis Åber das VermÇgen des Schuldners auf den vorlsufigen Insolvenzverwalter Åber. In diesem Fall hat der vorlsufige Insolvenzverwalter: 1. das VermÇgen des Schuldners zu sichern und zu erhalten; 2. ein Unternehmen, das der Schuldner betreibt, bis zur Entscheidung Åber die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens fortzufÅhren, soweit nicht das Insolvenzgericht einer Stillegung zustimmt, um eine erhebliche Verminderung des VermÇgens zu vermeiden; 3. zu prÅfen, ob das VermÇgen des Schuldners die Kosten des Verfahrens decken wird; das Gericht kann ihn zusstzlich beauftragen, als Sachverstsndiger zu prÅfen, ob ein ErÇffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten fÅr eine FortfÅhrung des Unternehmens des Schuldners bestehen. (2) Wird ein vorlsufiger Insolvenzverwalter bestellt, ohne daß dem Schuldner ein allgemeines VerfÅgungsverbot auferlegt wird, so bestimmt das Gericht die Pflichten des vorlsufigen Insolvenzverwalters. Sie dÅrfen nicht Åber die Pflichten nach Absatz 1 Satz 2 hinausgehen. (3) Der vorlsufige Insolvenzverwalter ist berechtigt, die Geschsftsrsume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Der Schuldner hat dem vorlsufigen Insolvenzverwalter Einsicht in seine BÅcher und Geschsftspapiere zu gestatten. Er hat ihm alle erforderlichen AuskÅnfte zu erteilen und ihn bei der ErfÅllung seiner Aufgaben zu unterstÅtzen; die §§ 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 gelten entsprechend. § 26 Abweisung mangels Masse (1) Das Insolvenzgericht weist den Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ab, wenn das VermÇgen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Die Abweisung unterbleibt, wenn ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4a gestundet werden. Der Beschluss ist unverzÅglich Çffentlich bekannt zu machen. (2) Das Gericht hat die Schuldner, bei denen der ErÇffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist, in ein Verzeichnis einzutragen (Schuldnerverzeichnis). Die Vorschriften Åber das Schuldnerverzeichnis nach der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend; jedoch betrsgt die LÇschungsfrist fÅnf Jahre. (3) Wer nach Absatz 1 Satz 2 einen Vorschuß geleistet hat, kann die Erstattung des vorgeschossenen Betrages von jeder Person verlangen, die entgegen den Vorschriften des Insolvenz- oder Gesellschaftsrechts den Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens pflichtwidrig und schuldhaft nicht gestellt hat. Ist streitig, ob die Person pflichtwidrig und schuldhaft gehandelt hat, so trifft sie die Beweislast.

730

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen (4) Zur Leistung eines Vorschusses nach Absatz 1 Satz 2 ist jede Person verpflichtet, die entgegen den Vorschriften des Insolvenz- oder Gesellschaftsrechts pflichtwidrig und schuldhaft keinen Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat. Ist streitig, ob die Person pflichtwidrig und schuldhaft gehandelt hat, so trifft sie die Beweislast. Die Zahlung des Vorschusses kann der vorlsufige Insolvenzverwalter sowie jede Person verlangen, die einen begrÅndeten VermÇgensanspruch gegen den Schuldner hat. § 35 Begriff der Insolvenzmasse (1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte VermÇgen, das dem Schuldner zur Zeit der ErÇffnung des Verfahrens gehÇrt und das er wshrend des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). (2) xbt der Schuldner eine selbststsndige Tstigkeit aus oder beabsichtigt er, demnschst eine solche Tstigkeit auszuÅben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenÅber zu erklsren, ob VermÇgen aus der selbststsndigen Tstigkeit zur Insolvenzmasse gehÇrt und ob AnsprÅche aus dieser Tstigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden kÇnnen. § 295 Absatz 3 gilt entsprechend. Auf Antrag des Glsubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Glsubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklsrung an. (3) Die Erklsrung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenÅber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklsrung und den Beschluss Åber ihre Unwirksamkeit Çffentlich bekannt zu machen. § 36 Unpflndbare Gegenstlnde (1) Gegenstsnde, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehÇren nicht zur Insolvenzmasse. Die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850l, 851c und 851d der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. (2) Zur Insolvenzmasse gehÇren jedoch 1. die GeschsftsbÅcher des Schuldners; gesetzliche Pflichten zur Aufbewahrung von Unterlagen bleiben unberÅhrt; 2. die Sachen, die nach § 811 Abs. 1 Nr. 4 und 9 der Zivilprozeßordnung nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen. (3) Sachen, die zum gewÇhnlichen Hausrat gehÇren und im Haushalt des Schuldners gebraucht werden, gehÇren nicht zur Insolvenzmasse, wenn ohne weiteres ersichtlich ist, daß durch ihre Verwertung nur ein ErlÇs erzielt werden wÅrde, der zu dem Wert außer allem Verhsltnis steht. (4) FÅr Entscheidungen, ob eine Gegenstand nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Vorschriften der Zwangsvollstreckung unterliegt, ist das Insolvenzgericht zustsndig. Anstelle eines Glsubigers ist der Insolvenzverwalter antragsberechtigt. FÅr das ErÇffnungsverfahren gelten die Sstze 1 und 2 entsprechend. § 38 Begriff der Insolvenzgllubiger Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persÇnlichen Glsubiger, die einen zur Zeit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens begrÅndeten VermÇgensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzglsubiger).

731

Anhang § 47 Aussonderung Wer auf Grund eines dinglichen oder persÇnlichen Rechts geltend machen kann, daß ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehÇrt, ist kein Insolvenzglsubiger. Sein Anspruch auf Aussonderung des Gegenstands bestimmt sich nach den Gesetzen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten. § 49 Abgesonderte Befriedigung aus unbeweglichen Gegenstlnden Glsubiger, denen ein Recht auf Befriedigung aus Gegenstsnden zusteht, die der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche VermÇgen unterliegen (unbewegliche Gegenstsnde), sind nach Maßgabe des Gesetzes Åber die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung zur abgesonderten Befriedigung berechtigt. § 53 Massegllubiger Aus der Insolvenzmasse sind die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten vorweg zu berichtigen. § 54 Kosten des Insolvenzverfahrens Kosten des Insolvenzverfahrens sind: 1. die Gerichtskosten fÅr das Insolvenzverfahren; 2. die VergÅtungen und die Auslagen des vorlsufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Glsubigerausschusses. § 55 Sonstige Masseverbindlichkeiten (1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten: 1. die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begrÅndet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehÇren; 2. aus gegenseitigen Vertrsgen, soweit deren ErfÅllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder fÅr die Zeit nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß; 3. aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse. (2) Verbindlichkeiten, die von einem vorlsufigen Insolvenzverwalter begrÅndet worden sind, auf den die VerfÅgungsbefugnis Åber das VermÇgen des Schuldners Åbergegangen ist, gelten nach der ErÇffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt fÅr Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhsltnis, soweit der vorlsufige Insolvenzverwalter fÅr das von ihm verwaltete VermÇgen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. (3) Gehen nach Absatz 2 begrÅndete AnsprÅche auf Arbeitsentgelt nach § 187 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur fÅr Arbeit Åber, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzglsubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend fÅr die in § 175 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten AnsprÅche, soweit diese gegenÅber dem Schuldner bestehen bleiben. (4) Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhsltnis, die von einem vorlsufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorlsufigen Insolvenzverwalters begrÅndet worden sind, gelten nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit.

732

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen § 60 Haftung des Insolvenzverwalters (1) Der Insolvenzverwalter ist allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Er hat fÅr die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen. (2) Soweit er zur ErfÅllung der ihm als Verwalter obliegenden Pflichten Angestellte des Schuldners im Rahmen ihrer bisherigen Tstigkeit einsetzen muß und diese Angestellten nicht offensichtlich ungeeignet sind, hat der Verwalter ein Verschulden dieser Personen nicht gemsß § 278 des BÅrgerlichen Gesetzbuchs zu vertreten, sondern ist nur fÅr deren xberwachung und fÅr Entscheidungen von besonderer Bedeutung verantwortlich. § 80 pbergang des Verwaltungs- und VerfÅgungsrechts (1) Durch die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehÇrende VermÇgen zu verwalten und Åber es zu verfÅgen, auf den Insolvenzverwalter Åber. (2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Versußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des BÅrgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften Åber die Wirkungen einer Pfsndung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberÅhrt. § 88 Vollstreckung vor VerfahrenserÇffnung (1) Hat ein Insolvenzglsubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung eine Sicherung an dem zur Insolvenzmasse gehÇrenden VermÇgen des Schuldners erlangt, so wird diese Sicherung mit der ErÇffnung des Verfahrens unwirksam. (2) Die in Absatz 1 genannte Frist betrsgt drei Monate, wenn ein Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 erÇffnet wird. § 89 Vollstreckungsverbot (1) Zwangsvollstreckungen fÅr einzelne Insolvenzglsubiger sind wshrend der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige VermÇgen des Schuldners zulsssig. (2) Zwangsvollstreckungen in kÅnftige Forderungen auf BezÅge aus einem Dienstverhsltnis des Schuldners oder an deren Stelle tretende laufende BezÅge sind wshrend der Dauer des Verfahrens auch fÅr Glsubiger unzulsssig, die keine Insolvenzglsubiger sind. Dies gilt nicht fÅr die Zwangsvollstreckung wegen eines Unterhaltsanspruchs oder einer Forderung aus einer vorsstzlichen unerlaubten Handlung in den Teil der BezÅge, der fÅr andere Glsubiger nicht pfsndbar ist. (3) xber Einwendungen, die auf Grund des Absatzes 1 oder 2 gegen die Zulsssigkeit einer Zwangsvollstreckung erhoben werden, entscheidet das Insolvenzgericht. Das Gericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, daß die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen oder nur gegen Sicherheitsleistung fortzusetzen sei.

733

Anhang § 93 PersÇnliche Haftung der Gesellschafter Ist das Insolvenzverfahren Åber das VermÇgen einer Gesellschaft ohne RechtspersÇnlichkeit oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien erÇffnet, so kann die persÇnliche Haftung eines Gesellschafters fÅr die Verbindlichkeiten der Gesellschaft wshrend der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. § 96 Unzullssigkeit der Aufrechnung (1) Die Aufrechnung ist unzulsssig, 1. wenn ein Insolvenzglsubiger erst nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist, 2. wenn ein Insolvenzglsubiger seine Forderung erst nach der ErÇffnung des Verfahrens von einem anderen Glsubiger erworben hat, 3. wenn ein Insolvenzglsubiger die MÇglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat, 4. wenn ein Glsubiger, dessen Forderung aus dem freien VermÇgen des Schuldners zu erfÅllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet. (2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der VerfÅgung Åber Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von AnsprÅchen und Leistungen aus Zahlungsauftrsgen, Auftrsgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Auftrsgen zur xbertragung von Wertpapieren entgegen, die in ein System im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der AusfÅhrung solcher Vertrsge dient, sofern die Verrechnung spstestens am Tage der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. § 97 Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners (1) Der Schuldner ist verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Glsubigerausschuß und auf Anordnung des Gerichts der Glsubigerversammlung Åber alle das Verfahren betreffenden Verhsltnisse Auskunft zu geben. Er hat auch Tatsachen zu offenbaren, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizufÅhren. Jedoch darf eine Auskunft, die der Schuldner gemsß seiner Verpflichtung nach Satz 1 erteilt, in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz Åber Ordnungswidrigkeiten gegen den Schuldner oder einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozeßordnung bezeichneten AngehÇrigen des Schuldners nur mit Zustimmung des Schuldners verwendet werden. (2) Der Schuldner hat den Verwalter bei der ErfÅllung von dessen Aufgaben zu unterstÅtzen. (3) Der Schuldner ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Gerichts jederzeit zur VerfÅgung zu stellen, um seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zu erfÅllen. Er hat alle Handlungen zu unterlassen, die der ErfÅllung dieser Pflichten zuwiderlaufen. § 129 Grundsatz (1) Rechtshandlungen, die vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzglsubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten. (2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.

734

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen § 155 Handels- und steuerrechtliche Rechnungslegung (1) Handels- und steuerrechtliche Pflichten des Schuldners zur BuchfÅhrung und zur Rechnungslegung bleiben unberÅhrt. In bezug auf die Insolvenzmasse hat der Insolvenzverwalter diese Pflichten zu erfÅllen. (2) Mit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens beginnt ein neues Geschsftsjahr. Jedoch wird die Zeit bis zum Berichtstermin in gesetzliche Fristen fÅr die Aufstellung oder die Offenlegung eines Jahresabschlusses nicht eingerechnet. (3) FÅr die Bestellung des AbschlußprÅfers im Insolvenzverfahren gilt § 318 des Handelsgesetzbuchs mit der Maßgabe, daß die Bestellung ausschließlich durch das Registergericht auf Antrag des Verwalters erfolgt. Ist fÅr das Geschsftsjahr vor der ErÇffnung des Verfahrens bereits ein AbschlußprÅfer bestellt, so wird die Wirksamkeit dieser Bestellung durch die ErÇffnung nicht berÅhrt. § 174 Anmeldung der Forderungen (1) Die Insolvenzglsubiger haben ihre Forderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden. Der Anmeldung sollen die Urkunden, aus denen sich die Forderung ergibt, in Abdruck beigefÅgt werden. Zur Vertretung des Glsubigers im Verfahren nach diesem Abschnitt sind auch Personen befugt, die Inkassodienstleistungen erbringen (registrierte Personen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes). (2) Bei der Anmeldung sind der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben sowie die Tatsachen, aus denen sich nach Einschstzung des Glsubigers ergibt, dass ihr eine vorsstzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners zugrunde liegt. (3) Die Forderungen nachrangiger Glsubiger sind nur anzumelden, soweit das Insolvenzgericht besonders zur Anmeldung dieser Forderungen auffordert. Bei der Anmeldung solcher Forderungen ist auf den Nachrang hinzuweisen und die dem Glsubiger zustehende Rangstelle zu bezeichnen. (4) Die Anmeldung kann durch xbermittlung eines elektronischen Dokuments erfolgen, wenn der Insolvenzverwalter der xbermittlung elektronischer Dokumente ausdrÅcklich zugestimmt hat. In diesem Fall sollen die Urkunden, aus denen sich die Forderung ergibt, unverzÅglich nachgereicht werden. § 207 Einstellung mangels Masse (1) Stellt sich nach der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens heraus, daß die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken, so stellt das Insolvenzgericht das Verfahren ein. Die Einstellung unterbleibt, wenn ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4a gestundet werden; § 26 Abs. 3 gilt entsprechend. (2) Vor der Einstellung sind die Glsubigerversammlung, der Insolvenzverwalter und die Masseglsubiger zu hÇren. (3) Soweit Barmittel in der Masse vorhanden sind, hat der Verwalter vor der Einstellung die Kosten des Verfahrens, von diesen zuerst die Auslagen, nach dem Verhsltnis ihrer Betrsge zu berichtigen. Zur Verwertung von Massegegenstsnden ist er nicht mehr verpflichtet.

735

Anhang § 208 Anzeige der Masseunzullnglichkeit (1) Sind die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt, reicht die Insolvenzmasse jedoch nicht aus, um die fslligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfÅllen, so hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht anzuzeigen, daß Masseunzulsnglichkeit vorliegt. Gleiches gilt, wenn die Masse voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die bestehenden sonstigen Masseverbindlichkeiten im Zeitpunkt der Fslligkeit zu erfÅllen. (2) Das Gericht hat die Anzeige der Masseunzulsnglichkeit Çffentlich bekanntzumachen. Den Masseglsubigern ist sie besonders zuzustellen. (3) Die Pflicht des Verwalters zur Verwaltung und zur Verwertung der Masse besteht auch nach der Anzeige der Masseunzulsnglichkeit fort. § 304 Grundsatz (1) Ist der Schuldner eine natÅrliche Person, die keine selbstsndige wirtschaftliche Tstigkeit ausÅbt oder ausgeÅbt hat, so gelten fÅr das Verfahren die allgemeinen Vorschriften, soweit in diesem Teil nichts anderes bestimmt ist. Hat der Schuldner eine selbstsndige wirtschaftliche Tstigkeit ausgeÅbt, so findet Satz 1 Anwendung, wenn seine VermÇgensverhsltnisse Åberschaubar sind und gegen ihn keine Forderungen aus Arbeitsverhsltnissen bestehen. (2) xberschaubar sind die VermÇgensverhsltnisse im Sinne von Absatz 1 Satz 2 nur, wenn der Schuldner zu dem Zeitpunkt, zu dem der Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wird, weniger als 20 Glsubiger hat.

8. Insolvenzrechtliche VergÅtungsverordnung § 1 Berechnungsgrundlage (1) Die VergÅtung des Insolvenzverwalters wird nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet, auf die sich die Schlußrechnung bezieht. Wird das Verfahren nach Beststigung eines Insolvenzplans aufgehoben oder durch Einstellung vorzeitig beendet, so ist die VergÅtung nach dem Schstzwert der Masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens zu berechnen. (2) Die maßgebliche Masse ist im einzelnen wie folgt zu bestimmen: 1. Massegegenstsnde, die mit Absonderungsrechten belastet sind, werden berÅcksichtigt, wenn sie durch den Verwalter verwertet werden. Der Mehrbetrag der VergÅtung, der auf diese Gegenstsnde entfsllt, darf jedoch 50 vom Hundert des Betrages nicht Åbersteigen, der fÅr die Kosten ihrer Feststellung in die Masse geflossen ist. Im Åbrigen werden die mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstsnde nur insoweit berÅcksichtigt, als aus ihnen der Masse ein xberschuß zusteht. 2. Werden Aus- und Absonderungsrechte abgefunden, so wird die aus der Masse hierfÅr gewshrte Leistung vom Sachwert der Gegenstsnde abgezogen, auf die sich diese Rechte erstreckten. 3. Steht einer Forderung eine Gegenforderung gegenÅber, so wird lediglich der xberschuß berÅcksichtigt, der sich bei einer Verrechnung ergibt. 4. Die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten werden nicht abgesetzt. Es gelten jedoch folgende Ausnahmen: a) Betrsge, die der Verwalter nach § 5 als VergÅtung fÅr den Einsatz besonderer Sachkunde erhslt, werden abgezogen.

736

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen b) Wird das Unternehmen des Schuldners fortgefÅhrt, so ist nur der xberschuß zu berÅcksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen ergibt. 5. Ein Vorschuß, der von einer anderen Person als dem Schuldner zur DurchfÅhrung des Verfahrens geleistet worden ist, und ein Zuschuß, den ein Dritter zur ErfÅllung eines Insolvenzplans geleistet hat, bleiben außer Betracht. § 2 Regelsltze (1) Der Insolvenzverwalter erhslt in der Regel 1. von den ersten 25 000 Euro der Insolvenzmasse 40 vom Hundert, 2. von dem Mehrbetrag bis zu 50 000 Euro 25 vom Hundert, 3. von dem Mehrbetrag bis zu 250 000 Euro 7 vom Hundert, 4. von dem Mehrbetrag bis zu 500 000 Euro 3 vom Hundert, 5. von dem Mehrbetrag bis zu 25 000 000 Euro 2 vom Hundert, 6. von dem Mehrbetrag bis zu 50 000 000 Euro 1 vom Hundert, 7. von dem darÅber hinausgehenden Betrag 0,5 vom Hundert. (2) Haben in dem Verfahren nicht mehr als 10 Glsubiger ihre Forderungen angemeldet, so soll die VergÅtung in der Regel mindestens 1 000 Euro betragen. Von 11 bis zu 30 Glsubigern erhÇht sich die VergÅtung fÅr je angefangene 5 Glsubiger um 150 Euro. Ab 31 Glsubiger erhÇht sich die VergÅtung je angefangene 5 Glsubiger um 100 Euro. § 3 Zu- und Abschllge (1) Eine den Regelsatz Åbersteigende VergÅtung ist insbesondere festzusetzen, wenn a) die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten einen erheblichen Teil der Tstigkeit des Insolvenzverwalters ausgemacht hat, ohne daß ein entsprechender Mehrbetrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 angefallen ist, b) der Verwalter das Unternehmen fortgefÅhrt oder Hsuser verwaltet hat und die Masse nicht entsprechend grÇßer geworden ist, c) die Masse groß war und die RegelvergÅtung wegen der Degression der Regelsstze keine angemessene Gegenleistung dafÅr darstellt, daß der Verwalter mit erheblichem Arbeitsaufwand die Masse vermehrt oder zusstzliche Masse festgestellt hat, d) arbeitsrechtliche Fragen zum Beispiel in bezug auf das Insolvenzgeld, den KÅndigungsschutz oder einen Sozialplan den Verwalter erheblich in Anspruch genommen haben oder e) der Verwalter einen Insolvenzplan ausgearbeitet hat. (2) Ein ZurÅckbleiben hinter dem Regelsatz ist insbesondere gerechtfertigt, wenn a) ein vorlsufiger Insolvenzverwalter in Verfahren tstig war, b) die Masse bereits zu einem wesentlichen Teil verwertet war, als der Verwalter das Amt Åbernahm, c) das Insolvenzverfahren vorzeitig beendet wird oder das Amt des Verwalters vorzeitig endet, oder d) die Masse groß war und die GeschsftsfÅhrung geringe Anforderungen an den Verwalter stellte.

737

Anhang § 8 Festsetzung von VergÅtung und Auslagen (1) Die VergÅtung und die Auslagen werden auf Antrag des Insolvenzverwalters vom Insolvenzgericht festgesetzt. Die Festsetzung erfolgt fÅr VergÅtung und Auslagen gesondert. Der Antrag soll gestellt werden, wenn die Schlußrechnung an das Gericht gesandt wird. (2) In dem Antrag ist nsher darzulegen, wie die nach § 1 Abs. 2 maßgebliche Insolvenzmasse berechnet worden ist und welche Dienst- oder Werkvertrsge fÅr besondere Aufgaben im Rahmen der Insolvenzverwaltung abgeschlossen worden sind (§ 4 Abs. 1 Satz 3). (3) Der Verwalter kann nach seiner Wahl anstelle der tatsschlich entstandenen Auslagen einen Pauschsatz fordern, der im ersten Jahr 15 vom Hundert, danach 10 vom Hundert der RegelvergÅtung, hÇchstens jedoch 250 Euro je angefangenen Monat der Dauer der Tstigkeit des Verwalters betrsgt. Der Pauschsatz darf 30 vom Hundert der RegelvergÅtung nicht Åbersteigen. § 10 Grundsatz FÅr die VergÅtung des vorlsufigen Insolvenzverwalters, des Sachwalters und des Insolvenzverwalters im Verbraucherinsolvenzverfahren gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts entsprechend, soweit in den §§ 11 bis 13 nichts anderes bestimmt ist. § 11 VergÅtung des vorllufigen Insolvenzverwalters (1) FÅr die Berechnung der VergÅtung des vorlsufigen Insolvenzverwalters ist das VermÇgen zugrunde zu legen, auf das sich seine Tstigkeit wshrend des ErÇffnungsverfahrens erstreckt. VermÇgensgegenstsnde, an denen bei VerfahrenserÇffnung Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, werden dem VermÇgen nach Satz 1 hinzugerechnet, sofern sich der vorlsufige Insolvenzverwalter in erheblichem Umfang mit ihnen befasst. Sie bleiben unberÅcksichtigt, sofern der Schuldner die Gegenstsnde lediglich auf Grund eines BesitzÅberlassungsvertrages in Besitz hat. (2) Wird die Festsetzung der VergÅtung beantragt, bevor die von Absatz 1 Satz 1 erfassten Gegenstsnde versußert wurden, ist das Insolvenzgericht spstestens mit Vorlage der Schlussrechnung auf eine Abweichung des tatsschlichen Werts von dem der VergÅtung zugrunde liegenden Wert hinzuweisen, sofern die Wertdifferenz 20 vom Hundert bezogen auf die Gesamtheit dieser Gegenstsnde Åbersteigt. (3) Art, Dauer und der Umfang der Tstigkeit des vorlsufigen Insolvenzverwalters sind bei der Festsetzung der VergÅtung zu berÅcksichtigen. (4) Hat das Insolvenzgericht den vorlsufigen Insolvenzverwalter als Sachverstsndigen beauftragt zu prÅfen, ob ein ErÇffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten fÅr eine FortfÅhrung des Unternehmens des Schuldners bestehen, so erhslt er gesondert eine VergÅtung nach dem JustizvergÅtungs- und -entschsdigungsgesetz.

9. Kraftfahrzeugsteuergesetz § 6 Entstehung der Steuer Die Steuer entsteht mit Beginn der Steuerpflicht, bei fortlaufenden Entrichtungszeitrsumen mit Beginn des jeweiligen Entrichtungszeitraums.

738

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen

10. KÇperschaftsteuergesetz § 1 Unbeschrlnkte Steuerpflicht (1) Unbeschrsnkt kÇrperschaftsteuerpflichtig sind die folgenden KÇrperschaften, Personenvereinigungen und VermÇgensmassen, die ihre Geschsftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben: 1. Kapitalgesellschaften (insbesondere Europsische Gesellschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschrsnkter Haftung); 2. Genossenschaften einschließlich der Europsischen Genossenschaften; 3. Versicherungs- und Pensionsfondsvereine auf Gegenseitigkeit; 4. sonstige juristische Personen des privaten Rechts; 5. nichtrechtsfshige Vereine, Anstalten, Stiftungen und andere ZweckvermÇgen des privaten Rechts; 6. Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des Çffentlichen Rechts. (2) Die unbeschrsnkte KÇrperschaftsteuerpflicht erstreckt sich auf ssmtliche EinkÅnfte. (3) Zum Inland im Sinne dieses Gesetzes gehÇrt auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil 1. am Festlandsockel, soweit dort Naturschstze des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes erforscht oder ausgebeutet werden, und 2. an der ausschließlichen Wirtschaftszone, soweit dort Energieerzeugungsanlagen errichtet oder betrieben werden, die erneuerbare Energien nutzen. § 7 Grundlagen der Besteuerung (1) Die KÇrperschaftsteuer bemisst sich nach dem zu versteuernden Einkommen. (2) Zu versteuerndes Einkommen ist das Einkommen im Sinne des § 8 Abs. 1, vermindert um die Freibetrsge der §§ 24 und 25. (3) 1Die KÇrperschaftsteuer ist eine Jahressteuer. Die Grundlagen fÅr ihre Festsetzung sind jeweils fÅr ein Kalenderjahr zu ermitteln. 2Besteht die unbeschrsnkte oder beschrsnkte Steuerpflicht nicht wshrend eines ganzen Kalenderjahrs, so tritt an die Stelle des Kalenderjahrs der Zeitraum der jeweiligen Steuerpflicht. (4) 1Bei Steuerpflichtigen, die verpflichtet sind, BÅcher nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs zu fÅhren, ist der Gewinn nach dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln, fÅr das sie regelmsßig AbschlÅsse machen. 2Weicht bei diesen Steuerpflichtigen das Wirtschaftsjahr, fÅr das sie regelmsßig AbschlÅsse machen, vom Kalenderjahr ab, so gilt der Gewinn aus Gewerbebetrieb als in dem Kalenderjahr bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet. 3Die Umstellung des Wirtschaftsjahrs auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum ist steuerlich nur wirksam, wenn sie im Einvernehmen mit dem Finanzamt vorgenommen wird. § 8 Ermittlung des Einkommens (1) Was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und dieses Gesetzes. 2 Bei Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 sind die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht erforder1

739

Anhang lich. 3Bei den inlsndischen Çffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten betrsgt das Einkommen aus dem Geschsft der Veranstaltung von Werbesendungen 16 Prozent der Entgelte (§ 10 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes) aus Werbesendungen. (2) Bei unbeschrsnkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 sind alle EinkÅnfte als EinkÅnfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln. (3) 1FÅr die Ermittlung des Einkommens ist es ohne Bedeutung, ob das Einkommen verteilt wird. 2Auch verdeckte GewinnausschÅttungen sowie AusschÅttungen jeder Art auf Genussrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am LiquidationserlÇs der Kapitalgesellschaft verbunden ist, mindern das Einkommen nicht. 3Verdeckte Einlagen erhÇhen das Einkommen nicht. 4Das Einkommen erhÇht sich, soweit eine verdeckte Einlage das Einkommen des Gesellschafters gemindert hat. 5Satz 4 gilt auch fÅr eine verdeckte Einlage, die auf einer verdeckten GewinnausschÅttung einer dem Gesellschafter nahe stehenden Person beruht und bei der Besteuerung des Gesellschafters nicht berÅcksichtigt wurde, es sei denn, die verdeckte GewinnausschÅttung hat bei der leistenden KÇrperschaft das Einkommen nicht gemindert. 6In den Fsllen des Satzes 5 erhÇht die verdeckte Einlage nicht die Anschaffungskosten der Beteiligung. (4) (weggefallen) (5) Bei Personenvereinigungen bleiben fÅr die Ermittlung des Einkommens Beitrsge, die auf Grund der Satzung von den Mitgliedern lediglich in ihrer Eigenschaft als Mitglieder erhoben werden, außer Ansatz. (6) Besteht das Einkommen nur aus EinkÅnften, von denen lediglich ein Steuerabzug vorzunehmen ist, so ist ein Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht zulsssig. (7) 1Die Rechtsfolgen einer verdeckten GewinnausschÅttung im Sinne des Absatzes 3 Satz 2 sind 1. bei Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschsft ausÅben; 2. bei Kapitalgesellschaften nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschsft ausÅben. 2Satz 1 gilt nur bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des Çffentlichen Rechts entfsllt und nachweislich ausschließlich diese Gesellschafter die Verluste aus Dauerverlustgeschsften tragen. Ein Dauerverlustgeschsft liegt vor, soweit aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen GrÅnden eine wirtschaftliche Betstigung ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird oder in den Fsllen von Satz 1 Nr. 2 das Geschsft Ausfluss einer Tstigkeit ist, die bei juristischen Personen des Çffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehÇrt. 2

(8) 1Werden Betriebe gewerblicher Art zusammengefasst, ist § 10d des Einkommensteuergesetzes auf den Betrieb gewerblicher Art anzuwenden, der sich durch die Zusammenfassung ergibt. 2Nicht ausgeglichene negative EinkÅnfte der einzelnen Betriebe gewerblicher Art aus der Zeit vor der Zusammenfassung kÇnnen nicht beim zusammengefassten Betrieb gewerblicher Art abgezogen werden. 3Ein RÅcktrag von Verlusten des zusammengefassten Betriebs gewerblicher Art auf die einzelnen Betriebe gewerblicher Art vor Zusammenfassung ist unzulsssig. 4Ein bei einem Betrieb gewerblicher Art vor der Zusammenfassung festgestellter Verlustvortrag kann nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes vom Gesamtbetrag der EinkÅnfte abgezogen werden, den dieser Betrieb gewerblicher Art nach

740

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen Beendigung der Zusammenfassung erzielt. 5Die Einschrsnkungen der Sstze 2 bis 4 gelten nicht, wenn gleichartige Betriebe gewerblicher Art zusammengefasst oder getrennt werden. (9) 1Wenn fÅr Kapitalgesellschaften Absatz 7 Satz 1 Nr. 2 zur Anwendung kommt, sind die einzelnen Tstigkeiten der Gesellschaft nach folgender Maßgabe Sparten zuzuordnen: 1. Tstigkeiten, die als Dauerverlustgeschsfte Ausfluss einer Tstigkeit sind, die bei juristischen Personen des Çffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehÇren, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen; 2. Tstigkeiten, die nach § 4 Abs. 6 Satz 1 zusammenfassbar sind oder aus den Åbrigen, nicht in Nummer 1 bezeichneten Dauerverlustgeschsften stammen, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen, wobei zusammenfassbare Tstigkeiten jeweils eine einheitliche Sparte bilden; 3. alle Åbrigen Tstigkeiten sind einer einheitlichen Sparte zuzuordnen. FÅr jede sich hiernach ergebende Sparte ist der Gesamtbetrag der EinkÅnfte getrennt zu ermitteln. 3Die Aufnahme einer weiteren, nicht gleichartigen Tstigkeit fÅhrt zu einer neuen, gesonderten Sparte; Entsprechendes gilt fÅr die Aufgabe einer solchen Tstigkeit. 4Ein negativer Gesamtbetrag der EinkÅnfte einer Sparte darf nicht mit einem positiven Gesamtbetrag der EinkÅnfte einer anderen Sparte ausgeglichen oder nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes abgezogen werden. 5Er mindert jedoch nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes die positiven Gesamtbetrsge der EinkÅnfte, die sich in dem unmittelbar vorangegangenen und in den folgenden Veranlagungszeitrsumen fÅr dieselbe Sparte ergeben. 6Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 ab einem Zeitpunkt innerhalb eines Veranlagungszeitraums nicht mehr vor, sind die Sstze 1 bis 5 ab diesem Zeitpunkt nicht mehr anzuwenden; hiernach nicht ausgeglichene oder abgezogene negative Betrsge sowie verbleibende Verlustvortrsge aus den Sparten, in denen Dauerverlusttstigkeiten ausgeÅbt werden, entfallen. 7Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 erst ab einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb eines Veranlagungszeitraums vor, sind die Sstze 1 bis 5 ab diesem Zeitpunkt anzuwenden; ein bis zum Eintritt der Voraussetzungen entstandener Verlust kann nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes abgezogen werden; ein danach verbleibender Verlust ist der Sparte zuzuordnen, in denen keine Dauerverlustgeschsfte ausgeÅbt werden. 8Der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende negative Gesamtbetrag der EinkÅnfte einer Sparte ist gesondert festzustellen; § 10d Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes gilt entsprechend. 2

(10) 1Bei EinkÅnften aus KapitalvermÇgen ist § 2 Abs. 5b des Einkommensteuergesetzes nicht anzuwenden. 2§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und Nr. 3 Satz 1 und Satz 3 bis 6 des Einkommensteuergesetzes ist entsprechend anzuwenden; in diesen Fsllen ist § 20 Abs. 6 und 9 des Einkommensteuergesetzes nicht anzuwenden. § 14 Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien als Organgesellschaft (1) 1Verpflichtet sich eine Europsische Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Geschsftsleitung im Inland und Sitz in einem Mitgliedstaat der Europsischen Union oder in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens (Organgesellschaft) durch einen GewinnabfÅhrungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 des Aktiengesetzes, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzufÅhren, ist das Einkommen der Organgesellschaft, soweit sich aus § 16 nichts anderes ergibt, dem Trsger des Unternehmens (Organtrsger) zuzurechnen, wenn die folgenden Voraussetzungen erfÅllt sind:

741

Anhang 1.

Der Organtrsger muss an der Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahrs an ununterbrochen in einem solchen Maße beteiligt sein, dass ihm die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht (finanzielle Eingliederung). 2Mittelbare Beteiligungen sind zu berÅcksichtigen, wenn die Beteiligung an jeder vermittelnden Gesellschaft die Mehrheit der Stimmrechte gewshrt. 2. 1Organtrsger muss eine natÅrliche Person oder eine nicht von der KÇrperschaftsteuer befreite KÇrperschaft, Personenvereinigung oder VermÇgensmasse sein. 2 Organtrsger kann auch eine Personengesellschaft im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Einkommensteuergesetzes sein, wenn sie eine Tstigkeit im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes ausÅbt. 3Die Voraussetzung der Nummer 1 muss im Verhsltnis zur Personengesellschaft selbst erfÅllt sein. 4Die Beteiligung im Sinne der Nummer 1 an der Organgesellschaft oder, bei mittelbarer Beteiligung an der Organgesellschaft, die Beteiligung im Sinne der Nummer 1 an der vermittelnden Gesellschaft, muss ununterbrochen wshrend der gesamten Dauer der Organschaft einer inlsndischen Betriebsststte im Sinne des § 12 der Abgabenordnung des Organtrsgers zuzuordnen sein. 5Ist der Organtrsger mittelbar Åber eine oder mehrere Personengesellschaften an der Organgesellschaft beteiligt, gilt Satz 4 sinngemsß. 6 Das Einkommen der Organgesellschaft ist der inlsndischen Betriebsststte des Organtrsgers zuzurechnen, der die Beteiligung im Sinne der Nummer 1 an der Organgesellschaft oder, bei mittelbarer Beteiligung an der Organgesellschaft, die Beteiligung im Sinne der Nummer 1 an der vermittelnden Gesellschaft zuzuordnen ist. 7Eine inlsndische Betriebsststte im Sinne der vorstehenden Sstze ist nur gegeben, wenn die dieser Betriebsststte zuzurechnenden EinkÅnfte sowohl nach innerstaatlichem Steuerrecht als auch nach einem anzuwendenden Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der inlsndischen Besteuerung unterliegen. 3. 1Der GewinnabfÅhrungsvertrag muss auf mindestens fÅnf Jahre abgeschlossen und wshrend seiner gesamten Geltungsdauer durchgefÅhrt werden. 2Eine vorzeitige Beendigung des Vertrags durch KÅndigung ist unschsdlich, wenn ein wichtiger Grund die KÅndigung rechtfertigt. 3Die KÅndigung oder Aufhebung des GewinnabfÅhrungsvertrags auf einen Zeitpunkt wshrend des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft wirkt auf den Beginn dieses Wirtschaftsjahrs zurÅck. 4Der GewinnabfÅhrungsvertrag gilt auch als durchgefÅhrt, wenn der abgefÅhrte Gewinn oder ausgeglichene Verlust auf einem Jahresabschluss beruht, der fehlerhafte Bilanzansstze enthslt, sofern a) der Jahresabschluss wirksam festgestellt ist, b) die Fehlerhaftigkeit bei Erstellung des Jahresabschlusses unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht hstte erkannt werden mÅssen und c) ein von der Finanzverwaltung beanstandeter Fehler spstestens in dem nschsten nach dem Zeitpunkt der Beanstandung des Fehlers aufzustellenden Jahresabschluss der Organgesellschaft und des Organtrsgers korrigiert und das Ergebnis entsprechend abgefÅhrt oder ausgeglichen wird, soweit es sich um einen Fehler handelt, der in der Handelsbilanz zu korrigieren ist. 5 Die Voraussetzung des Satzes 4 Buchstabe b gilt bei Vorliegen eines uneingeschrsnkten Beststigungsvermerks nach § 322 Absatz 3 des Handelsgesetzbuchs zum Jahresabschluss, zu einem Konzernabschluss, in den der handelsrechtliche Jahresabschluss einbezogen worden ist, oder Åber die freiwillige PrÅfung des Jahresabschlusses oder der Bescheinigung eines Steuerberaters oder WirtschaftsprÅfers Åber die Erstellung eines Jahresabschlusses mit umfassenden Beurteilungen als erfÅllt. 1

742

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen 4. Die Organgesellschaft darf Betrsge aus dem JahresÅberschuss nur insoweit in die GewinnrÅcklagen (§ 272 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs) mit Ausnahme der gesetzlichen RÅcklagen einstellen, als dies bei vernÅnftiger kaufmsnnischer Beurteilung wirtschaftlich begrÅndet ist. 5. Negative EinkÅnfte des Organtrsgers oder der Organgesellschaft bleiben bei der inlsndischen Besteuerung unberÅcksichtigt, soweit sie in einem auslsndischen Staat im Rahmen der Besteuerung des Organtrsgers, der Organgesellschaft oder einer anderen Person berÅcksichtigt werden. Das Einkommen der Organgesellschaft ist dem Organtrsger erstmals fÅr das Kalenderjahr zuzurechnen, in dem das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft endet, in dem der GewinnabfÅhrungsvertrag wirksam wird. 2

(2) (weggefallen) (3) 1MehrabfÅhrungen, die ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit haben, gelten als GewinnausschÅttungen der Organgesellschaft an den Organtrsger. 2MinderabfÅhrungen, die ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit haben, sind als Einlage durch den Organtrsger in die Organgesellschaft zu behandeln. 3MehrabfÅhrungen nach Satz 1 und MinderabfÅhrungen nach Satz 2 gelten in dem Zeitpunkt als erfolgt, in dem das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft endet. 4Der Teilwertansatz nach § 13 Abs. 3 Satz 1 ist der vororganschaftlichen Zeit zuzurechnen. (4) 1FÅr Minder- und MehrabfÅhrungen, die ihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben, ist in der Steuerbilanz des Organtrsgers ein besonderer aktiver oder passiver Ausgleichsposten in HÇhe des Betrags zu bilden, der dem Verhsltnis der Beteiligung des Organtrsgers am Nennkapital der Organgesellschaft entspricht. 2Im Zeitpunkt der Versußerung der Organbeteiligung sind die besonderen Ausgleichsposten aufzulÇsen. 3Dadurch erhÇht oder verringert sich das Einkommen des Organtrsgers. 4 § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes und § 8b dieses Gesetzes sind anzuwenden. 5Der Versußerung gleichgestellt sind insbesondere die Umwandlung der Organgesellschaft auf eine Personengesellschaft oder eine natÅrliche Person, die verdeckte Einlage der Beteiligung an der Organgesellschaft und die AuflÇsung der Organgesellschaft. 6Minder- oder MehrabfÅhrungen im Sinne des Satzes 1 liegen insbesondere vor, wenn der an den Organtrsger abgefÅhrte Gewinn von dem Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft abweicht und diese Abweichung in organschaftlicher Zeit verursacht ist. (5) 1Das dem Organtrsger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft und damit zusammenhsngende andere Besteuerungsgrundlagen werden gegenÅber dem Organtrsger und der Organgesellschaft gesondert und einheitlich festgestellt. 2Die Feststellungen nach Satz 1 sind fÅr die Besteuerung des Einkommens des Organtrsgers und der Organgesellschaft bindend. 3Die Sstze 1 und 2 gelten entsprechend fÅr von der Organgesellschaft geleistete Steuern, die auf die Steuer des Organtrsgers anzurechnen sind. 4Zustsndig fÅr diese Feststellungen ist das Finanzamt, das fÅr die Besteuerung nach dem Einkommen der Organgesellschaft zustsndig ist. 5Die Erklsrung zu den gesonderten und einheitlichen Feststellungen nach den Sstzen 1 und 3 soll mit der KÇrperschaftsteuererklsrung der Organgesellschaft verbunden werden. § 37 KÇrperschaftsteuerguthaben und KÇrperschaftsteuerminderung (1) Auf den Schluss des Wirtschaftsjahrs, das dem in § 36 Abs. 1 genannten Wirtschaftsjahr folgt, wird ein KÇrperschaftsteuerguthaben ermittelt. 2Das KÇrperschaftsteuerguthaben betrsgt 1/6 des Endbestands des mit einer KÇrperschaftsteuer von 40 Prozent belasteten Teilbetrags. 1

743

Anhang (2) 1Das KÇrperschaftsteuerguthaben mindert sich vorbehaltlich des Absatzes 2a um jeweils 1/6 der GewinnausschÅttungen, die in den folgenden Wirtschaftsjahren erfolgen und die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss beruhen. 2Satz 1 gilt fÅr MehrabfÅhrungen im Sinne des § 14 Abs. 3 entsprechend. 3Die KÇrperschaftsteuer des Veranlagungszeitraums, in dem das Wirtschaftsjahr endet, in dem die GewinnausschÅttung erfolgt, mindert sich bis zum Verbrauch des KÇrperschaftsteuerguthabens um diesen Betrag, letztmalig in dem Veranlagungszeitraum, in dem das 18. Wirtschaftsjahr endet, das auf das Wirtschaftsjahr folgt, auf dessen Schluss nach Absatz 1 das KÇrperschaftsteuerguthaben ermittelt wird. 4Das verbleibende KÇrperschaftsteuerguthaben ist auf den Schluss der jeweiligen Wirtschaftsjahre, letztmals auf den Schluss des 17. Wirtschaftsjahrs, das auf das Wirtschaftsjahr folgt, auf dessen Schluss nach Absatz 1 das KÇrperschaftsteuerguthaben ermittelt wird, fortzuschreiben und gesondert festzustellen. 5§ 27 Abs. 2 gilt entsprechend. (2a) Die Minderung ist begrenzt 1. fÅr GewinnausschÅttungen, die nach dem 11. April 2003 und vor dem 1. Januar 2006 erfolgen, jeweils auf 0 Euro; 2. fÅr GewinnausschÅttungen, die nach dem 31. Dezember 2005 erfolgen auf den Betrag, der auf das Wirtschaftsjahr der GewinnausschÅttung entfsllt, wenn das auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs festgestellte KÇrperschaftsteuerguthaben gleichmsßig auf die einschließlich des Wirtschaftsjahrs der GewinnausschÅttung verbleibenden Wirtschaftsjahre verteilt wird, fÅr die nach Absatz 2 Satz 3 eine KÇrperschaftsteuerminderung in Betracht kommt. (3) 1Erhslt eine unbeschrsnkt steuerpflichtige KÇrperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen bei den Empfsngern zu den Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3858) gehÇren, BezÅge, die nach § 8b Abs. 1 bei der Einkommensermittlung außer Ansatz bleiben, und die bei der leistenden KÇrperschaft zu einer Minderung der KÇrperschaftsteuer gefÅhrt haben, erhÇht sich bei ihr die KÇrperschaftsteuer und das KÇrperschaftsteuerguthaben um den Betrag der Minderung der KÇrperschaftsteuer bei der leistenden KÇrperschaft. 2 Satz 1 gilt auch, wenn der KÇrperschaft oder Personenvereinigung die entsprechenden BezÅge einer Organgesellschaft zugerechnet werden, weil sie entweder Organtrsger ist oder an einer Personengesellschaft beteiligt ist, die Organtrsger ist. 3Im Fall des § 4 des Umwandlungssteuergesetzes sind die Sstze 1 und 2 entsprechend anzuwenden. 4Die leistende KÇrperschaft hat der Empfsngerin die folgenden Angaben nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu bescheinigen: 1. den Namen und die Anschrift des Anteilseigners, 2. die HÇhe des in Anspruch genommenen KÇrperschaftsteuerminderungsbetrags, 3. den Zahlungstag. 5 § 27 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 und 5 gilt entsprechend. 6Die Sstze 1 bis 4 gelten nicht fÅr steuerbefreite KÇrperschaften und Personenvereinigungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9, soweit die Einnahmen in einem wirtschaftlichen Geschsftsbetrieb anfallen, fÅr den die Steuerbefreiung ausgeschlossen ist.

(4) 1Das KÇrperschaftsteuerguthaben wird letztmalig auf den 31. Dezember 2006 ermittelt. 2Geht das VermÇgen einer unbeschrsnkt steuerpflichtigen KÇrperschaft durch einen der in § 1 Abs. 1 des Umwandlungssteuergesetzes vom 7. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2782, 2791) in der jeweils geltenden Fassung genannten Vorgsnge, bei denen die Anmeldung zur Eintragung in ein Çffentliches Register nach dem 12. Dezember 2006 erfolgt, ganz oder teilweise auf einen anderen Rechtstrsger

744

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen Åber, wird das KÇrperschaftsteuerguthaben bei der Åbertragenden KÇrperschaft letztmalig auf den vor dem 31. Dezember 2006 liegenden steuerlichen xbertragungsstichtag ermittelt. 3Wird das VermÇgen einer KÇrperschaft oder Personenvereinigung im Rahmen einer Liquidation im Sinne des § 11 nach dem 12. Dezember 2006 und vor dem 1. Januar 2007 verteilt, wird das KÇrperschaftsteuerguthaben letztmalig auf den Stichtag ermittelt, auf den die Liquidationsschlussbilanz erstellt wird. 4Die Absstze 1 bis 3 sind letztmals auf GewinnausschÅttungen und als ausgeschÅttet geltende Betrsge anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2007 oder bis zu dem nach Satz 2 maßgebenden Zeitpunkt erfolgt sind. 5In Fsllen der Liquidation sind die Absstze 1 bis 3 auf Abschlagszahlungen anzuwenden, die bis zum Stichtag erfolgt sind, auf den das KÇrperschaftsteuerguthaben letztmalig ermittelt wird. (5) 1Die KÇrperschaft hat innerhalb eines Auszahlungszeitraums von 2008 bis 2017 einen Anspruch auf Auszahlung des KÇrperschaftsteuerguthabens in zehn gleichen Jahresbetrsgen. 2Der Anspruch entsteht mit Ablauf des 31. Dezember 2006 oder des nach Absatz 4 Satz 2 oder Satz 3 maßgebenden Tages. 3Der Anspruch wird fÅr den gesamten Auszahlungszeitraum festgesetzt. 4Der Anspruch ist jeweils am 30. September auszuzahlen. 5FÅr das Jahr der Bekanntgabe des Bescheids und die vorangegangenen Jahre ist der Anspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids auszuzahlen, wenn die Bekanntgabe des Bescheids nach dem 31. August 2008 erfolgt. 6Abweichend von Satz 1 ist der festgesetzte Anspruch in einem Betrag auszuzahlen, wenn das festgesetzte KÇrperschaftsteuerguthaben nicht mehr als 1 000 Euro betrsgt. 7Der Anspruch ist nicht verzinslich. 8Die Festsetzungsfrist fÅr die Festsetzung des Anspruchs lsuft nicht vor Ablauf des Jahres ab, in dem der letzte Jahresbetrag fsllig geworden ist oder ohne Anwendung des Satzes 6 fsllig geworden wsre. 9§ 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes gilt sinngemsß. 10Auf die Abtretung oder Verpfsndung des Anspruchs ist § 46 Abs. 4 der Abgabenordnung nicht anzuwenden. (6) 1Wird der Bescheid Åber die Festsetzung des Anspruchs nach Absatz 5 aufgehoben oder gesndert, wird der Betrag, um den der Anspruch, der sich aus dem gesnderten Bescheid ergibt, die Summe der Auszahlungen, die bis zur Bekanntgabe des neuen Bescheids geleistet worden sind, Åbersteigt, auf die verbleibenden Fslligkeitstermine des Auszahlungszeitraums verteilt. 2Abweichend von Satz 1 ist der Åbersteigende Betrag in einer Summe auszuzahlen, wenn er nicht mehr als 1 000 Euro betrsgt und auf die vorangegangene Festsetzung Absatz 5 Satz 6 oder dieser Satz angewendet worden ist. 3Ist die Summe der Auszahlungen, die bis zur Bekanntgabe des neuen Bescheids geleistet worden sind, grÇßer als der Auszahlungsanspruch, der sich aus dem gesnderten Bescheid ergibt, ist der Unterschiedsbetrag innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids zu entrichten. (7) 1Ertrsge und Gewinnminderungen der KÇrperschaft, die sich aus der Anwendung des Absatzes 5 ergeben, gehÇren nicht zu den EinkÅnften im Sinne des Einkommensteuergesetzes. 2Die Auszahlung ist aus den Einnahmen an KÇrperschaftsteuer zu leisten.

11. Sozialgesetzbuch III § 165 Anspruch (1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschsftigt waren und bei einem Insolvenzereignis fÅr die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhsltnisses noch AnsprÅche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt

745

Anhang 1. die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen des Arbeitgebers, 2. die Abweisung des Antrags auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. die vollstsndige Beendigung der Betriebststigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Auch bei einem auslsndischen Insolvenzereignis haben im Inland beschsftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf Insolvenzgeld. (2) Zu den AnsprÅchen auf Arbeitsentgelt gehÇren alle AnsprÅche auf BezÅge aus dem Arbeitsverhsltnis. Als Arbeitsentgelt fÅr Zeiten, in denen auch wshrend der Freistellung eine Beschsftigung gegen Arbeitsentgelt besteht (§ 7 Absatz 1a des Vierten Buches), gilt der Betrag, der auf Grund der schriftlichen Vereinbarung zur Bestreitung des Lebensunterhalts im jeweiligen Zeitraum bestimmt war. Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einen Teil ihres oder seines Arbeitsentgelts nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes umgewandelt und wird dieser Entgeltteil in einem Pensionsfonds, in einer Pensionskasse oder in einer Direktversicherung angelegt, gilt die Entgeltumwandlung fÅr die Berechnung des Insolvenzgeldes als nicht vereinbart, soweit der Arbeitgeber keine Beitrsge an den Versorgungstrsger abgefÅhrt hat. (3) Hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch auf Insolvenzgeld fÅr die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhsltnisses. (4) Anspruch auf Insolvenzgeld hat auch der Erbe der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers. (5) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen Beschluss des Insolvenzgerichts Åber die Abweisung des Antrags auf InsolvenzerÇffnung mangels Masse dem Betriebsrat oder, wenn kein Betriebsrat besteht, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unverzÅglich bekannt zu geben.

12. Steuerberatungsgesetz § 57 Allgemeine Berufspflichten (1) Steuerberater und Steuerbevollmschtigte haben ihren Beruf unabhsngig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuÅben. (2) Steuerberater und Steuerbevollmschtigte haben sich jeder Tstigkeit zu enthalten, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar ist. Sie haben sich auch außerhalb der Berufststigkeit des Vertrauens und der Achtung wÅrdig zu erweisen, die ihr Beruf erfordert. (2a) Steuerberater und Steuerbevollmschtigte sind verpflichtet, sich fortzubilden. (3) Mit dem Beruf eines Steuerberaters oder eines Steuerbevollmschtigten sind insbesondere vereinbar 1. die Tstigkeit als WirtschaftsprÅfer, Rechtsanwalt, niedergelassener europsischer Rechtsanwalt oder vereidigter BuchprÅfer;

746

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen 2. eine freiberufliche Tstigkeit, die die Wahrnehmung fremder Interessen einschließlich der Beratung zum Gegenstand hat; 3. eine wirtschaftsberatende, gutachtliche oder treuhsnderische Tstigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen Åber die Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften in VermÇgensÅbersichten und Erfolgsrechnungen; 4. die Tstigkeit eines Lehrers an Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten; dies gilt nicht fÅr Lehrer an staatlichen verwaltungsinternen Fachhochschulen mit Ausbildungsgsngen fÅr den Çffentlichen Dienst; 5. eine freie schriftstellerische Tstigkeit sowie eine freie Vortrags- und Lehrtstigkeit; 6. die DurchfÅhrung von Lehr- und Vortragsveranstaltungen zur Vorbereitung auf die SteuerberaterprÅfung sowie die PrÅfung als WirtschaftsprÅfer und vereidigter BuchprÅfer und zur Fortbildung der Mitglieder der Steuerberaterkammern und deren Mitarbeiter. (4) Als Tstigkeiten, die mit dem Beruf des Steuerberaters und des Steuerbevollmschtigten nicht vereinbar sind, gelten insbesondere 1. eine gewerbliche Tstigkeit; die zustsndige Steuerberaterkammer kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit durch die Tstigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist; 2. eine Tstigkeit als Arbeitnehmer mit Ausnahme der Fslle des Absatzes 3 Nr. 4 sowie der §§ 58 und 59. Eine Tstigkeit als Angestellter der Finanzverwaltung ist stets mit dem Beruf des Steuerberaters oder Steuerbevollmschtigten unvereinbar. § 66 Handakten (1) Der Steuerberater oder Steuerbevollmschtigte hat die Handakten fÅr die Dauer von zehn Jahren nach Beendigung des Auftrages aufzubewahren. Diese Verpflichtung erlischt mit der xbergabe der Handakten an den Auftraggeber, spstestens jedoch binnen sechs Monaten, nachdem der Auftraggeber die Aufforderung des Steuerberaters oder Steuerbevollmschtigten erhalten hat, die Handakten in Empfang zu nehmen. (2) Der Steuerberater oder Steuerbevollmschtigte kann seinem Auftraggeber die Herausgabe der Handakten verweigern, bis er wegen seiner GebÅhren und Auslagen befriedigt ist. Dies gilt nicht, soweit die Vorenthaltung der Handakten und der einzelnen SchriftstÅcke nach den Umstsnden unangemessen ist. (3) Handakten im Sinne dieser Vorschrift sind nur die SchriftstÅcke, die der Steuerberater oder Steuerbevollmschtigte aus Anlass seiner beruflichen Tstigkeit von dem Auftraggeber oder fÅr ihn erhalten hat, nicht aber der Briefwechsel zwischen dem Steuerberater oder Steuerbevollmschtigten und seinem Auftraggeber, die SchriftstÅcke, die dieser bereits in Urschrift oder Abschrift erhalten hat, sowie die zu internen Zwecken gefertigten Arbeitspapiere. (4) Die Absstze 1 bis 3 gelten entsprechend, soweit sich der Steuerberater oder Steuerbevollmschtigte zum FÅhren von Handakten der elektronischen Datenverarbeitung bedient. Die in anderen Gesetzen getroffenen Regelungen Åber die Pflicht zur Aufbewahrung von Geschsftsunterlagen bleiben unberÅhrt.

747

Anhang

13. Umsatzsteuergesetz § 1 Steuerbare Umsltze (1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsstze: 1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausfÅhrt. Die Steuerbarkeit entfsllt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behÇrdlicher Anordnung ausgefÅhrt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgefÅhrt gilt; 2. (weggefallen) 3. (weggefallen) 4. die Einfuhr von Gegenstsnden im Inland oder in den Çsterreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteuer); 5. der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt. (1a) Die Umsstze im Rahmen einer Geschsftsversußerung an einen anderen Unternehmer fÅr dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschsftsversußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert gefÅhrter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich Åbereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Versußerers. (2) Inland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von BÅsingen, der Insel Helgoland, der Freizonen des Kontrolltyps I nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Zollverwaltungsgesetzes (Freihsfen), der Gewssser und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehÇren. Ausland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das danach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgefÅhrt, so kommt es fÅr die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher StaatsangehÇriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsststte unterhslt, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfsngt. (2a) Das Gemeinschaftsgebiet im Sinne dieses Gesetzes umfasst das Inland im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und die Gebiete der Åbrigen Mitgliedstaaten der Europsischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten (Åbriges Gemeinschaftsgebiet). Das FÅrstentum Monaco gilt als Gebiet der FranzÇsischen Republik; die Insel Man gilt als Gebiet des Vereinigten KÇnigreichs Großbritannien und Nordirland. Drittlandsgebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist. (3) Folgende Umsstze, die in den Freihsfen und in den Gewsssern und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie bewirkt werden, sind wie Umsstze im Inland zu behandeln: 1. die Lieferungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenstsnden, die zum Gebrauch oder Verbrauch in den bezeichneten Gebieten oder zur AusrÅstung oder Versorgung eines BefÇrderungsmittels bestimmt sind, wenn die Gegenstsnde a) nicht fÅr das Unternehmen des Abnehmers erworben werden, oder b) vom Abnehmer ausschließlich oder zum Teil fÅr eine nach § 4 Nr. 8 bis 27 steuerfreie Tstigkeit verwendet werden; 2. die sonstigen Leistungen, die a) nicht fÅr das Unternehmen des Leistungsempfsngers ausgefÅhrt werden, oder

748

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen

3. 4.

5. 6. 7.

b) vom Leistungsempfsnger ausschließlich oder zum Teil fÅr eine nach § 4 Nr. 8 bis 27 steuerfreie Tstigkeit verwendet werden; die Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und die sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a; die Lieferungen von Gegenstsnden, die sich im Zeitpunkt der Lieferung a) in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung oder b) einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden; die sonstigen Leistungen, die im Rahmen eines Veredelungsverkehrs oder einer Lagerung im Sinne der Nummer 4 Buchstabe a ausgefÅhrt werden; (weggefallen) der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch die in § 1a Abs. 3 und § 1b Abs. 1 genannten Erwerber.

Lieferungen und sonstige Leistungen an juristische Personen des Çffentlichen Rechts sowie deren innergemeinschaftlicher Erwerb in den bezeichneten Gebieten sind als Umsstze im Sinne der Nummern 1 und 2 anzusehen, soweit der Unternehmer nicht anhand von Aufzeichnungen und Belegen das Gegenteil glaubhaft macht. § 2 Unternehmer, Unternehmen (1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tstigkeit selbstsndig ausÅbt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tstigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tstigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenÅber ihren Mitgliedern tstig wird. (2) Die gewerbliche oder berufliche Tstigkeit wird nicht selbstsndig ausgeÅbt, 1. soweit natÅrliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind, 2. wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsschlichen Verhsltnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organtrsgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschrsnkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organtrsger seine Geschsftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer. (3) Die juristischen Personen des Çffentlichen Rechts sind nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 des KÇrperschaftsteuergesetzes) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tstig. Auch wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht gegeben sind, gelten als gewerbliche oder berufliche Tstigkeit im Sinne dieses Gesetzes 1. (weggefallen) 2. die Tstigkeit der Notare im Landesdienst und der Ratschreiber im Land BadenWÅrttemberg, soweit Leistungen ausgefÅhrt werden, fÅr die nach der Bundesnotarordnung die Notare zustsndig sind; 3. die Abgabe von Brillen und Brillenteilen einschließlich der Reparaturarbeiten durch Selbstabgabestellen der gesetzlichen Trsger der Sozialversicherung;

749

Anhang 4. die Leistungen der Vermessungs- und KatasterbehÇrden bei der Wahrnehmung von Aufgaben der Landesvermessung und des Liegenschaftskatasters mit Ausnahme der Amtshilfe; 5. die Tstigkeit der Bundesanstalt fÅr Landwirtschaft und Ernshrung, soweit Aufgaben der Marktordnung, der Vorratshaltung und der Nahrungsmittelhilfe wahrgenommen werden. § 13 Entstehung der Steuer (1) Die Steuer entsteht 1. fÅr Lieferungen und sonstige Leistungen a) bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgefÅhrt worden sind. Das gilt auch fÅr Teilleistungen. Sie liegen vor, wenn fÅr bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgefÅhrt worden ist, so entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist, b) bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind, c) in den Fsllen der BefÇrderungseinzelbesteuerung nach § 16 Abs. 5 in dem Zeitpunkt, in dem der Kraftomnibus in das Inland gelangt, d) in den Fsllen des § 18 Abs. 4c mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Abs. 1a Satz 1, in dem die Leistungen ausgefÅhrt worden sind; e) in den Fsllen des § 18 Absatz 4e mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1b Satz 1, in dem die Leistungen ausgefÅhrt worden sind; 2. fÅr Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und 9a mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem diese Leistungen ausgefÅhrt worden sind; 3. im Fall des § 14c Abs. 1 in dem Zeitpunkt, in dem die Steuer fÅr die Lieferung oder sonstige Leistung nach Nummer 1 Buchstabe a oder Buchstabe b entsteht, spstestens jedoch im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung; 4. im Fall des § 14c Abs. 2 im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung; 5. im Fall des § 17 Abs. 1 Satz 6 mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die znderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist; 6. fÅr den innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 1a mit Ausstellung der Rechnung, spstestens jedoch mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Kalendermonats; 7. fÅr den innergemeinschaftlichen Erwerb von neuen Fahrzeugen im Sinne des § 1b am Tag des Erwerbs; 8. im Fall des § 6a Abs. 4 Satz 2 in dem Zeitpunkt, in dem die Lieferung ausgefÅhrt wird; 9. im Fall des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem der Gegenstand aus einem Umsatzsteuerlager ausgelagert wird. (2) FÅr die Einfuhrumsatzsteuer gilt § 21 Abs. 2. (3) (weggefallen)

750

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen § 13c Haftung bei Abtretung, Verpflndung oder Pflndung von Forderungen (1) Soweit der leistende Unternehmer den Anspruch auf die Gegenleistung fÅr einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 an einen anderen Unternehmer abgetreten und die festgesetzte Steuer, bei deren Berechnung dieser Umsatz berÅcksichtigt worden ist, bei Fslligkeit nicht oder nicht vollstsndig entrichtet hat, haftet der Abtretungsempfsnger nach Maßgabe des Absatzes 2 fÅr die in der Forderung enthaltene Umsatzsteuer, soweit sie im vereinnahmten Betrag enthalten ist. Ist die Vollziehung der Steuerfestsetzung in Bezug auf die in der abgetretenen Forderung enthaltene Umsatzsteuer gegenÅber dem leistenden Unternehmer ausgesetzt, gilt die Steuer insoweit als nicht fsllig. Soweit der Abtretungsempfsnger die Forderung an einen Dritten abgetreten hat, gilt sie in voller HÇhe als vereinnahmt. (2) Der Abtretungsempfsnger ist ab dem Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen, in dem die festgesetzte Steuer fsllig wird, frÅhestens ab dem Zeitpunkt der Vereinnahmung der abgetretenen Forderung. Bei der Inanspruchnahme nach Satz 1 besteht abweichend von § 191 der Abgabenordnung kein Ermessen. Die Haftung ist der HÇhe nach begrenzt auf die im Zeitpunkt der Fslligkeit nicht entrichtete Steuer. Soweit der Abtretungsempfsnger auf die nach Absatz 1 Satz 1 festgesetzte Steuer Zahlungen im Sinne des § 48 der Abgabenordnung geleistet hat, haftet er nicht. (3) Die Absstze 1 und 2 gelten bei der Verpfsndung oder der Pfsndung von Forderungen entsprechend. An die Stelle des Abtretungsempfsngers tritt im Fall der Verpfsndung der Pfandglsubiger und im Fall der Pfsndung der Vollstreckungsglsubiger. § 15 Vorsteuerabzug (1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbetrsge abziehen: 1. die gesetzlich geschuldete Steuer fÅr Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer fÅr sein Unternehmen ausgefÅhrt worden sind. Die AusÅbung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor AusfÅhrung dieser Umsstze entfsllt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist; 2. die entstandene Einfuhrumsatzsteuer fÅr Gegenstsnde, die fÅr sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingefÅhrt worden sind; 3. die Steuer fÅr den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenstsnden fÅr sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird; 4. die Steuer fÅr Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die fÅr sein Unternehmen ausgefÅhrt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor AusfÅhrung dieser Leistungen entfsllt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist; 5. die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer fÅr Umsstze, die fÅr sein Unternehmen ausgefÅhrt worden sind. Nicht als fÅr das Unternehmen ausgefÅhrt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent fÅr sein Unternehmen nutzt. (1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbetrsge, die auf Aufwendungen, fÅr die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht fÅr Bewirtungsaufwendungen, soweit

751

Anhang § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt. (1b) Verwendet der Unternehmer ein GrundstÅck sowohl fÅr Zwecke seines Unternehmens als auch fÅr Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder fÅr den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer fÅr die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie fÅr die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem GrundstÅck vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des GrundstÅcks fÅr Zwecke des Unternehmens entfsllt. Bei Berechtigungen, fÅr die die Vorschriften des bÅrgerlichen Rechts Åber GrundstÅcke gelten, und bei Gebsuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden. (2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer fÅr die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenstsnden sowie fÅr die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur AusfÅhrung folgender Umsstze verwendet: 1. steuerfreie Umsstze; 2. Umsstze im Ausland, die steuerfrei wsren, wenn sie im Inland ausgefÅhrt wÅrden. Gegenstsnde oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur AusfÅhrung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsstzen zuzurechnen, fÅr die der eingefÅhrte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird. (3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsstze 1. in den Fsllen des Absatzes 2 Nr. 1 a) nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder b) nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstsnde beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgefÅhrt werden; 2. in den Fsllen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2 a) nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wsren oder b) nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wsren und der Leistungsempfsnger im Drittlandsgebiet anssssig ist oder diese Umsstze sich unmittelbar auf Gegenstsnde beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgefÅhrt werden. (4) Verwendet der Unternehmer einen fÅr sein Unternehmen gelieferten, eingefÅhrten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur AusfÅhrung von Umsstzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbetrsge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug fÅhrenden Umsstzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbetrsge im Wege einer sachgerechten Schstzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbetrsge nach dem Verhsltnis der Umsstze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsstzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulsssig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung mÇglich ist. In den Fsllen des Absatzes 1b gelten die Sstze 1 bis 3 entsprechend.

752

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen (4a) FÅr Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschrsnkungen des Vorsteuerabzugs: 1. Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer. 2. Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der fÅr die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet wÅrde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wsre. 3. Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausfÅhrt. (4b) FÅr Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet anssssig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5 schulden, gelten die Einschrsnkungen des § 18 Abs. 9 Sstze 4 und 5 entsprechend. (5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nshere Bestimmungen darÅber treffen, 1. in welchen Fsllen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens fÅr den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann, 2. unter welchen Voraussetzungen, fÅr welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Hsrten in den Fsllen, in denen ein anderer als der Leistungsempfsnger ein Entgelt gewshrt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und 3. wann in Fsllen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Hsrten bei der Aufteilung der Vorsteuerbetrsge (Absatz 4) Umsstze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberÅcksichtigt bleiben kÇnnen oder von der Zurechnung von Vorsteuerbetrsgen zu diesen Umsstzen abgesehen werden kann. § 16 Steuerberechnung, Besteuerungszeitraum und Einzelbesteuerung (1) Die Steuer ist, soweit nicht § 20 gilt, nach vereinbarten Entgelten zu berechnen. Besteuerungszeitraum ist das Kalenderjahr. Bei der Berechnung der Steuer ist von der Summe der Umsstze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 5 auszugehen, soweit fÅr sie die Steuer in dem Besteuerungszeitraum entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Der Steuer sind die nach § 6a Abs. 4 Satz 2, nach § 14c sowie nach § 17 Abs. 1 Satz 6 geschuldeten Steuerbetrsge hinzuzurechnen. (1a) Macht ein nicht im Gemeinschaftsgebiet anssssiger Unternehmer von § 18 Abs. 4c Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum das Kalendervierteljahr. Bei der Berechnung der Steuer ist von der Summe der Umsstze nach § 3a Abs. 5 auszugehen, die im Gemeinschaftsgebiet steuerbar sind, soweit fÅr sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Absatz 2 ist nicht anzuwenden. (1b) Macht ein im Åbrigen Gemeinschaftsgebiet anssssiger Unternehmer (§ 13b Absatz 7 Satz 2) von § 18 Absatz 4e Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum das Kalendervierteljahr. Bei der Berechnung der Steuer ist von der Summe der Umsstze nach § 3a Absatz 5 auszugehen, die im Inland steuerbar sind, soweit fÅr sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Absatz 2 ist nicht anzuwenden.

753

Anhang (2) Von der nach Absatz 1 berechneten Steuer sind die in den Besteuerungszeitraum fallenden, nach § 15 abziehbaren Vorsteuerbetrsge abzusetzen. § 15a ist zu berÅcksichtigen. Die Einfuhrumsatzsteuer ist von der Steuer fÅr den Besteuerungszeitraum abzusetzen, in dem sie entrichtet worden ist. Die bis zum 16. Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums zu entrichtende Einfuhrumsatzsteuer kann bereits von der Steuer fÅr diesen Besteuerungszeitraum abgesetzt werden, wenn sie in ihm entstanden ist. (3) Hat der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tstigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeÅbt, so tritt dieser Teil an die Stelle des Kalenderjahres. (4) Abweichend von den Absstzen 1, 2 und 3 kann das Finanzamt einen kÅrzeren Besteuerungszeitraum bestimmen, wenn der Eingang der Steuer gefshrdet erscheint oder der Unternehmer damit einverstanden ist. (5) Bei BefÇrderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind, wird die Steuer, abweichend von Absatz 1, fÅr jeden einzelnen steuerpflichtigen Umsatz durch die zustsndige Zolldienststelle berechnet (BefÇrderungseinzelbesteuerung), wenn eine Grenze zum Drittlandsgebiet Åberschritten wird. Zustsndige Zolldienststelle ist die Eingangszollstelle oder Ausgangszollstelle, bei der der Kraftomnibus in das Inland gelangt oder das Inland verlssst. Die zustsndige Zolldienststelle handelt bei der BefÇrderungseinzelbesteuerung fÅr das Finanzamt, in dessen Bezirk sie liegt (zustsndiges Finanzamt). Absatz 2 und § 19 Abs. 1 sind bei der BefÇrderungseinzelbesteuerung nicht anzuwenden. (5a) Beim innergemeinschaftlichen Erwerb neuer Fahrzeuge durch andere Erwerber als die in § 1a Abs. 1 Nr. 2 genannten Personen ist die Steuer abweichend von Absatz 1 fÅr jeden einzelnen steuerpflichtigen Erwerb zu berechnen (Fahrzeugeinzelbesteuerung). (5b) Auf Antrag des Unternehmers ist nach Ablauf des Besteuerungszeitraums an Stelle der BefÇrderungseinzelbesteuerung (Absatz 5) die Steuer nach den Absstzen 1 und 2 zu berechnen. Die Absstze 3 und 4 gelten entsprechend. (6) Werte in fremder Wshrung sind zur Berechnung der Steuer und der abziehbaren Vorsteuerbetrsge auf Euro nach den Durchschnittskursen umzurechnen, die das Bundesministerium der Finanzen fÅr den Monat Çffentlich bekanntgibt, in dem die Leistung ausgefÅhrt oder das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vor AusfÅhrung der Leistung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4) vereinnahmt wird. Ist dem leistenden Unternehmer die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten gestattet (§ 20), so sind die Entgelte nach den Durchschnittskursen des Monats umzurechnen, in dem sie vereinnahmt werden. Das Finanzamt kann die Umrechnung nach dem Tageskurs, der durch Bankmitteilung oder Kurszettel nachzuweisen ist, gestatten. Macht ein nicht im Gemeinschaftsgebiet anssssiger Unternehmer von § 18 Absatz 4c Gebrauch, hat er zur Berechnung der Steuer Werte in fremder Wshrung nach den Kursen umzurechnen, die fÅr den letzten Tag des Besteuerungszeitraums nach Absatz 1a Satz 1 von der Europsischen Zentralbank festgestellt worden sind; macht ein im Åbrigen Gemeinschaftsgebiet (§ 13b Absatz 7 Satz 2) anssssiger Unternehmer von § 18 Absatz 4e Gebrauch, hat er zur Berechnung der Steuer Werte in fremder Wshrung nach den Kursen umzurechnen, die fÅr den letzten Tag des Besteuerungszeitraums nach Absatz 1b Satz 1 von der Europsischen Zentralbank festgestellt worden sind. Sind fÅr die in Satz 4 genannten Tage keine Umrechnungskurse festgestellt worden, hat der Unternehmer die Steuer nach den fÅr den nschsten Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums nach Absatz 1a Satz 1 oder

754

I. AusgewWhlte Gesetzesnormen und Normen in Verordnungen Absatz 1b Satz 1 von der Europsischen Zentralbank festgestellten Umrechnungskursen umzurechnen. (7) FÅr die Einfuhrumsatzsteuer gelten § 11 Abs. 5 und § 21 Abs. 2. § 17 rnderung der Bemessungsgrundlage (1) Hat sich die Bemessungsgrundlage fÅr einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 gesndert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgefÅhrt hat, den dafÅr geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgefÅhrt wurde, zu berichtigen. Dies gilt nicht, soweit er durch die znderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begÅnstigt wird. Wird in diesen Fsllen ein anderer Unternehmer durch die znderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begÅnstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen. Die Sstze 1 bis 4 gelten in den Fsllen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 und des § 13b sinngemsß. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs kann unterbleiben, soweit ein dritter Unternehmer den auf die Minderung des Entgelts entfallenden Steuerbetrag an das Finanzamt entrichtet; in diesem Fall ist der dritte Unternehmer Schuldner der Steuer. Die Berichtigungen nach den Sstzen 1 und 2 sind fÅr den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die znderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Die Berichtigung nach Satz 4 ist fÅr den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der andere Unternehmer wirtschaftlich begÅnstigt wird. (2) Absatz 1 gilt sinngemsß, wenn 1. das vereinbarte Entgelt fÅr eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachtrsglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen; 2. fÅr eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgefÅhrt worden ist; 3. eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb rÅckgsngig gemacht worden ist; 4. der Erwerber den Nachweis im Sinne des § 3d Satz 2 fÅhrt; 5. Aufwendungen im Sinne des § 15 Abs. 1a getstigt werden. (3) Ist Einfuhrumsatzsteuer, die als Vorsteuer abgezogen worden ist, herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden, so hat der Unternehmer den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Absatz 1 Satz 7 gilt sinngemsß. (4) Werden die Entgelte fÅr unterschiedlich besteuerte Lieferungen oder sonstige Leistungen eines bestimmten Zeitabschnitts gemeinsam gesndert (z.B. Jahresboni, JahresrÅckvergÅtungen), so hat der Unternehmer dem Leistungsempfsnger einen Beleg zu erteilen, aus dem zu ersehen ist, wie sich die znderung der Entgelte auf die unterschiedlich besteuerten Umsstze verteilt. § 25d Haftung fÅr die schuldhaft nicht abgefÅhrte Steuer (1) Der Unternehmer haftet fÅr die Steuer aus einem vorangegangenen Umsatz, soweit diese in einer nach § 14 ausgestellten Rechnung ausgewiesen wurde, der Aussteller der Rechnung entsprechend seiner vorgefassten Absicht die ausgewiesene Steuer nicht entrichtet oder sich vorsstzlich außer Stande gesetzt hat, die ausgewiesene Steuer zu entrichten und der Unternehmer bei Abschluss des Vertrags Åber seinen Eingangsumsatz davon Kenntnis hatte oder nach der Sorgfalt eines or-

755

Anhang dentlichen Kaufmanns hstte haben mÅssen. Trifft dies auf mehrere Unternehmer zu, so haften diese als Gesamtschuldner. (2) Von der Kenntnis oder dem KennenmÅssen ist insbesondere auszugehen, wenn der Unternehmer fÅr seinen Umsatz einen Preis in Rechnung stellt, der zum Zeitpunkt des Umsatzes unter dem marktÅblichen Preis liegt. Dasselbe gilt, wenn der ihm in Rechnung gestellte Preis unter dem marktÅblichen Preis oder unter dem Preis liegt, der seinem Lieferanten oder anderen Lieferanten, die am Erwerb der Ware beteiligt waren, in Rechnung gestellt wurde. Weist der Unternehmer nach, dass die Preisgestaltung betriebswirtschaftlich begrÅndet ist, finden die Sstze 1 und 2 keine Anwendung. (3) yrtlich zustsndig fÅr den Erlass des Haftungsbescheides ist das Finanzamt, das fÅr die Besteuerung des Unternehmers zustsndig ist. Im Falle des Absatzes 1 Satz 2 ist jedes Finanzamt Çrtlich zustsndig, bei dem der Vorsteueranspruch geltend gemacht wird. (4) Das zustsndige Finanzamt hat zu prÅfen, ob die Voraussetzungen fÅr den Erlass des Haftungsbescheides vorliegen. Bis zum Abschluss dieser PrÅfung kann die Erteilung der Zustimmung im Sinne von § 168 Satz 2 der Abgabenordnung versagt werden. Satz 2 gilt entsprechend fÅr die Festsetzung nach § 167 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung, wenn sie zu einer Erstattung fÅhrt. (5) FÅr den Erlass des Haftungsbescheides gelten die allgemeinen Grundsstze, mit Ausnahme des § 219 der Abgabenordnung.

14. Zivilprozessordung § 240 Unterbrechung durch Insolvenzverfahren Im Falle der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den fÅr das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis Åber das VermÇgen des Schuldners auf einen vorlsufigen Insolvenzverwalter Åbergeht.

II. Ausgewlhlte Verwaltungsanweisungen 1. Zur Erteilung von AuskÅnften Åber Daten, die zu einer Person im Besteuerungsverfahren gespeichert worden sind BMF, Schr. v. 17.12.2008 – IV A 3 - S 0030/08/10001, BStBl. I 2009, 6 = Steuererlasse in Karteiform (StEK) AO 1977 § 30 Nr. 166 = DStR 2009, 274 Nach dem Ergebnis der ErÇrterungen mit den obersten FinanzbehÇrden der Lsnder gilt Folgendes: 1. Beteiligten, §§ 78, 359 AO, ist – unabhsngig von ihrer Rechtsform – auf Antrag Auskunft Åber die zu ihrer Person gespeicherten Daten zu erteilen, wenn sie ein berechtigtes Interesse darlegen und keine GrÅnde fÅr eine Auskunftsverweigerung vorliegen.

756

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen 2. Ein berechtigtes Interesse ist zum Beispiel bei einem Beraterwechsel oder in einem Erbfall gegeben, wenn der Antragsteller durch die Auskunft in die Lage versetzt werden will, zutreffende und vollstsndige Steuererklsrungen abzugeben. Hinsichtlich solcher Daten, die ohne Beteiligung und ohne Wissen des Beteiligten erhoben wurden, liegt ein berechtigtes Interesse vor. 3. Ein berechtigtes Interesse liegt nicht vor, soweit der Beteiligte bereits in anderer Weise Åber zu seiner Person gespeicherte Daten informiert wurde, der FinanzbehÇrde nur Daten vorliegen, die ihr vom Beteiligten Åbermittelt wurden, oder die spstere Information des Beteiligten in rechtlich gesicherter Weise vorgesehen ist. Ein berechtigtes Interesse ist namentlich nicht gegeben, wenn die Auskunft dazu dienen kann, zivilrechtliche AnsprÅche gegen den Bund oder ein Land durchzusetzen, und Bund oder Land zivilrechtlich nicht verpflichtet sind, Auskunft zu erteilen, z.B. Amtshaftungssachen, Insolvenzanfechtung. 4. FÅr Daten, die nur deshalb gespeichert sind, weil sie auf Grund gesetzlicher, satzungsmsßiger oder vertraglicher Aufbewahrungsvorschriften nicht gelÇscht werden dÅrfen, oder die ausschließlich Zwecken der Datensicherung oder der Datenschutzkontrolle dienen, gilt Nr. 1 nicht, wenn eine Auskunftserteilung einen unverhsltnismsßigen Aufwand erfordern wÅrde. 5. In dem Antrag sind die Art der Daten, Åber die Auskunft erteilt werden soll, nsher zu bezeichnen und hinreichend prszise Angaben zu machen, die das Auffinden der Daten ermÇglichen. 6. Die FinanzbehÇrde bestimmt das Verfahren, insbesondere die Form der Auskunftserteilung nach pflichtgemsßem Ermessen. Die Auskunft kann schriftlich, elektronisch oder mÅndlich, aber auch durch Gewshrung von Akteneinsicht erteilt werden. Akteneinsicht ist nur an Amtsstelle zu gewshren. 7. Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit a) die Auskunft die ordnungsgemsße ErfÅllung der in der Zustsndigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden Aufgaben gefshrden wÅrde, b) die Auskunft die Çffentliche Sicherheit oder Ordnung gefshrden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten wÅrde oder c) die Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der Åberwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden mÅssen und deswegen das Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung zurÅcktreten muss. 8. Eine Auskunftsverweigerung nach Nr. 7 Buchst. a) kommt insbesondere in Betracht, wenn der Antragsteller bei Erteilung der Auskunft Informationen erlangen wÅrde, die ihn in die Lage versetzen kÇnnten, Sachverhalte zu verschleiern oder Spuren zu verwischen. Eine Auskunftsverweigerung nach Nr. 7 Buchst. a) kommt auch vor Beginn des Steuerfestsetzungsverfahrens in Betracht, wenn die Auskunft dem Beteiligten offenbaren wÅrde, Åber welche Besteuerungsgrundlagen die FinanzbehÇrde bereits informiert ist, wodurch der Beteiligte sein Erklsrungsverhalten auf den Kenntnisstand der FinanzbehÇrde einstellen kÇnnte. Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 10.3.2008 – 1 BvR 2388/03, HFR 2008, 623.

757

Anhang 9. Eine Auskunftserteilung hat nach Nr. 7 Buchst. a) zu unterbleiben, – solange eine FinanzbehÇrde durch die Zahl oder den Umfang gestellter Auskunftsantrsge daran gehindert wsre, ihre gesetzlichen Aufgaben ordnungsgemsß zu erfÅllen, oder – wenn sichere Anhaltspunkte dafÅr vorliegen, dass es dem Antragsteller nicht auf die Erteilung der Auskunft, sondern allein darauf ankommt, die Arbeit der FinanzbehÇrde zu blockieren und sie an der zeitnahen, gesetzmsßigen und gleichmsßigen Festsetzung und Erhebung der Steuern zu hindern. 10. Eine Auskunftsverweigerung nach Nr. 7 Buchst. c kommt insbesondere in Betracht, soweit durch die Auskunft vom Steuergeheimnis geschÅtzte Daten Åber Dritte bekannt wÅrden. Eine Auskunftserteilung Åber Daten Dritter ist nur unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 AO zulsssig. So kann z.B. die Identitst eines Anzeigeerstatters gegenÅber dem Steuerpflichtigen dem Steuergeheimnis unterliegen; im Einzelfall ist eine Abwsgung vorzunehmen. Dabei kommt dem Informantenschutz regelmsßig ein hÇheres Gewicht gegenÅber dem allgemeinen PersÇnlichkeitsrecht des Steuerpflichtigen zu, wenn sich die vertraulich mitgeteilten Informationen im Wesentlichen als zutreffend erweisen und zu Steuernachforderungen fÅhren, BFH, Beschl. v. 7.12.2006 – V B 163/05, BStBl. II 2007, 275. Siehe auch Nr. 4.7 des AEAO, StEK AO 1977 Vor § 1 Nr. 68 Zu § 30, zur Auskunft Åber die Besteuerung Dritter bei Anwendung drittschÅtzender Steuernormen. 11. Die Ablehnung eines Antrags auf Auskunftserteilung ist mit dem Einspruch, § 347 AO, anfechtbar. Die Ablehnung ist nicht zu begrÅnden, wenn dadurch der mit der Auskunftsverweigerung verfolgte Zweck gefshrdet wÅrde. Gegen die Einspruchsentscheidung ist der Finanzrechtsweg gegeben. 12. Kann der Beteiligte infolge des Ausschlusses seines Auskunftsanspruchs die Richtigkeit der zu seiner Person gespeicherten Daten und die Rechtmsßigkeit ihrer fortdauernden Speicherung nicht zeitnah ÅberprÅfen lassen, sind ihm diese Daten spstestens dann mitzuteilen, wenn sie in einem konkreten steuerlichen Verfahren zu seinem Nachteil herangezogen werden.

2. Sog. „Sanierungserlass“ Steuern auf Sanierungsgewinne kÇnnen aus sachlichen BilligkeitsgrÅnden gestundet und erlassen werden. Voraussetzung ist die SanierungsbedÅrftigkeit und Sanierungsfshigkeit des Unternehmens sowie die Sanierungseignung des Schulderlasses und die Sanierungsabsicht der Glsubiger. Beim Vorliegen eines Sanierungsplans kann vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgegangen werden (nichtamtlicher Orientierungssatz). BMF, Schr. v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = Steuererlasse in Karteiform (StEK) AO 1977 § 163 Nr. 247 = DStR 2003, 690 Im Einvernehmen mit den obersten FinanzbehÇrden der Lsnder nehme ich zur Frage der ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen wie folgt Stellung: I. Sanierung 1. Begriff [1] Eine Sanierung ist eine Maßnahme, die darauf gerichtet ist, ein Unternehmen oder einen Unternehmenstrsger (juristische oder natÅrliche Person) vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfshig zu machen (= unter-

758

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen nehmensbezogene Sanierung). Das gilt auch fÅr außergerichtliche Sanierungen, bei denen sich die Gesellschaftsstruktur des in die Krise geratenen zu sanierenden Unternehmens (Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft) sndert, bei anderen gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen im Rahmen der außergerichtlichen Sanierung von Kapitalgesellschaften sowie fÅr Sanierungen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. 2. Einstellung des Unternehmens/xbertragende Sanierung [2] Wird das Unternehmen nicht fortgefÅhrt oder trotz der Sanierungsmaßnahme eingestellt, liegt eine Sanierung im Sinne dieser Regelung nur vor, wenn die Schulden aus betrieblichen GrÅnden (z.B. um einen Sozialplan zu Gunsten der Arbeitnehmer zu ermÇglichen) erlassen werden. Keine begÅnstigte Sanierung ist gegeben, soweit die Schulden erlassen werden, um dem Steuerpflichtigen oder einem Beteiligten einen schuldenfreien xbergang in sein Privatleben oder den Aufbau einer anderen Existenzgrundlage zu ermÇglichen. Im Fall der Åbertragenden Sanierung, vgl. BFH, Urt. v. 24.4.1986 – IV R 282/84, BStBl. II 1986, 672, ist von einem betrieblichen Interesse auch auszugehen, soweit der Schuldenerlass erforderlich ist, um das Nachfolgeunternehmen (Auffanggesellschaft) von der Inanspruchnahme fÅr Schulden des Vorgsngerunternehmens freizustellen, z.B. wegen § 25 Abs. 1 HGB. II. Sanierungsgewinn [3] Ein Sanierungsgewinn ist die ErhÇhung des BetriebsvermÇgens, die dadurch entsteht, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden. Schulden werden insbesondere erlassen – durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Glsubiger, durch die der Glsubiger auf eine Forderung verzichtet, Erlassvertrag nach § 397 Abs. 1 BGB, oder – durch ein Anerkenntnis, dass ein Schuldverhsltnis nicht besteht, negatives Schuldanerkenntnis nach § 397 Abs. 2 BGB, BFH, Urt. v. 27.1.1998 – VIII R 64/96, BStBl. II 1998, 537. [4] Voraussetzungen fÅr die Annahme eines im Sinne dieses BMF-Schreibens begÅnstigten Sanierungsgewinns sind die SanierungsbedÅrftigkeit und Sanierungsfshigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung des Schulderlasses und die Sanierungsabsicht der Glsubiger. Liegt ein Sanierungsplan vor, kann davon ausgegangen werden, dass diese Voraussetzungen erfÅllt sind. [5] Unter den in Rn. 4 genannten Voraussetzungen fÅhrt auch der Forderungsverzicht eines Glsubigers gegen Besserungsschein zu einem begÅnstigten Sanierungsgewinn. Tritt der Besserungsfall ein, so dass der Schuldner die in der Besserungsvereinbarung festgelegten Zahlungen an den Glsubiger leisten muss, ist der Abzug dieser Aufwendungen als Betriebsausgaben entsprechend den Rechtsgrundsstzen des § 3c Abs. 1 EStG ausgeschlossen. Insoweit verringert sich allerdings nachtrsglich der Sanierungsgewinn. Die vor Eintritt des Besserungsfalls auf den nach Verlustverrechnungen verbleibenden Sanierungsgewinn entfallende Steuer ist zunschst Åber den fÅr den Eintritt des Besserungsfalles maßgeblichen Zeitpunkt hinaus zu stunden, vgl. Rn. 7 ff. [6] Wird der Gewinn des zu sanierenden Unternehmens gesondert festgestellt, erfolgt die Ermittlung des Sanierungsgewinns im Sinne der Rn. 3 bis 5 durch das Betriebsfinanzamt. Das sich daran anschließende Stundungs- und Erlassverfahren (Rn. 7 ff.) erfolgt durch das jeweilige Wohnsitzfinanzamt. Auf Beispiel 2 in Rn. 8 wird hingewiesen.

759

Anhang III. Steuerstundung und Steuererlass aus sachlichen BilligkeitsgrÅnden [7] Zum 1.1.1999 ist die InsO v. 5.10.1994, BGBl. I 1994, 2866, zuletzt gesndert durch das Gesetz zur EinfÅhrung des Euro in Rechtspflegegesetzen und in Gesetzen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, zur znderung der Mahnvordruckverordnungen sowie zur znderung weiterer Gesetze v. 13.12.2001, BGBl. I 2001, 3574, in Kraft getreten. Die InsO hat die bisherige Konkurs- und Vergleichsordnung (alte Bundeslsnder) sowie die Gesamtvollstreckungsordnung (neue Bundeslsnder) abgelÇst. Die InsO verfolgt als wesentliche Ziele die bessere Abstimmung von Liquidations- und Sanierungsverfahren, die innerdeutsche Vereinheitlichung des Insolvenzrechts, die FÇrderung der außergerichtlichen Sanierung, die Stsrkung der Glsubigerautonomie sowie die EinfÅhrung einer gesetzlichen Schuldenbefreiung fÅr den redlichen Schuldner. Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen nach Streichung des § 3 Nr. 66 EStG, zuletzt idF der Bekanntmachung vom 16.4.1997, BGBl. I 1997, 821, ab dem 1.1.1998 steht mit der neuen InsO im Zielkonflikt. [8] Die Erhebung der Steuer auf einen nach AusschÇpfen der ertragsteuerrechtlichen VerlustverrechnungsmÇglichkeiten verbleibenden Sanierungsgewinn im Sinne der Rn. 3 bis 5 bedeutet fÅr den Steuerpflichtigen aus sachlichen BilligkeitsgrÅnden eine erhebliche Hsrte. Die entsprechende Steuer ist daher auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 163 AO abweichend festzusetzen (Satz 3 ff.) und nach § 222 AO mit dem Ziel des spsteren Erlasses (§ 227 AO) zunschst unter Widerrufsvorbehalt ab Fslligkeit (AEAO, StEK AO 1977 Vor § 1 Nr. 42 Zu § 240 Nr. 6a) zu stunden, vgl. Rn. 9 bis 11. Zu diesem Zweck sind die Besteuerungsgrundlagen in der Weise zu ermitteln, dass Verluste/negative EinkÅnfte unbeschadet von Ausgleichs- und Verrechnungsbeschrsnkungen (insbesondere nach § 2 Abs. 3, § 2a, § 2b, § 10d, § 15 Abs. 4, § 15a, § 23 Abs. 3 EStG) fÅr die Anwendung dieses BMFSchreibens im Steuerfestsetzungsverfahren bis zur HÇhe des Sanierungsgewinns vorrangig mit dem Sanierungsgewinn verrechnet werden. Die Verluste/negativen EinkÅnfte sind insoweit aufgebraucht; sie gehen daher nicht in den nach § 10d Abs. 4 EStG festzustellenden verbleibenden Verlustvortrag oder den nach § 15a Abs. 4 und 5 EStG festzustellenden verrechenbaren Verlust ein. Das gilt auch bei spsteren znderungen der Besteuerungsgrundlagen, z.B. aufgrund einer BetriebsprÅfung, sowie fÅr spster entstandene Verluste, die im Wege des VerlustrÅcktrags berÅcksichtigt werden kÇnnen; insoweit besteht bei Verzicht auf Vornahme des VerlustrÅcktrags (§ 10d Abs. 1 Sstze 7 und 8 EStG) kein Anspruch auf die Gewshrung der Billigkeitsmaßnahme. Die Festsetzung nach § 163 AO und die Stundung nach § 222 AO sind entsprechend anzupassen. Sollte der Steuerpflichtige sich gegen die vorgenommene Verlustverrechnung im Festsetzungsverfahren wenden und die Verrechnung mit anderen EinkÅnften oder die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags (§ 10d Abs. 4 EStG) begehren, ist darin die RÅcknahme seines Erlassantrags zu sehen mit der Folge, dass die Billigkeitsmaßnahme keine Anwendung findet.

Beispiel 1: Einzelunternehmen; Gewinn aus Gewerbebetrieb 1 500 000 Euro (darin enthalten: Verlust aus laufendem Geschsft – 500 000 Euro Sanierungsgewinn 2 000 000 Euro) Verrechenbare Verluste/negative EinkÅnfte: Negative EinkÅnfte – 250 000 Euro aus Vermietung und Verpachtung (V+V) Verlustvortrag aus dem Vorjahr aus V+V – 350 000 Euro aus Gewerbebetrieb – 600 000 Euro aus einem Verlustzuweisungsmodell im Sinne des § 2b EStG – 100 000 Euro Der Unternehmer beantragt den Erlass der auf den Sanierungsgewinn entfallenden Steuern.

760

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen Es ergibt sich folgende Berechnung: Sanierungsgewinn 2 000 000 Euro ./. Verlust aus laufendem Geschsft – 500 000 Euro ./. Negative EinkÅnfte aus V+V – 250 000 Euro ./. Verlustvortrag aus dem Vorjahr (insgesamt) – 1 050 000 Euro Nach Verrechnung mit den Verlusten/negativen EinkÅnften 200 000 Euro verbleibender zu versteuernder Sanierungsgewinn Bei Vorliegen der in Rn. 3 bis 5 genannten Voraussetzungen ist die Steuer auf diesen verbleibenden Sanierungsgewinn unter Widerrufsvorbehalt ab Fslligkeit zu stunden. Aus dem folgenden Verlanlagungszeitraum ergibt sich ein VerlustrÅcktrag, der sich wie folgt zusammensetzt: Negative EinkÅnfte aus Gewerbebetrieb – 80 000 Euro Negative EinkÅnfte nach § 2b EStG – 20 000 Euro – 100 000 Euro Die Stundung ist entsprechend anzupassen.

Beispiel 2: Die AB-KG (Komplementsr A, Gewinn- und Verlustbeteiligung 75 %, Kommanditist B, Gewinn- und Verlustbeteiligung 25 %) erzielt im VZ 02 neben einem Verlust aus dem laufenden Geschsft i.H.v. 500 000 Euro einen Sanierungsgewinn i.H.v. 2 000 000 Euro. Aus der Beteiligung an der C-KG werden dem B negative EinkÅnfte i.S.d. § 2b EStG i.H.v. 100 000 Euro zugerechnet. B beantragt den Erlass der auf den Sanierungsgewinn entfallenden Steuern. Gesonderte Feststellung des AB-KG: EinkÅnfte aus Gewerbebetrieb (2 000 000 Euro – 500 000 Euro =) 1 500 000 Euro davon B (25 %) 375 000 Euro (nachrichtlich: Sanierungsgewinn 2 000 000 Euro davon B (25 %) 500 000 Euro) Das Betriebsfinanzamt stellt den Gewinn (1 500 000 Euro) gesondert fest und nimmt die Verteilung auf die einzelnen Gesellschafter vor. Zusstzlich teilt es nachrichtlich die HÇhe des Sanierungsgewinns (2 000 000 Euro) sowie die entsprechend anteilige Verteilung auf die Gesellschafter mit. DarÅber hinaus teilt es mit, dass es sich um einen Sanierungsgewinn im Sinne der Rn. 3 bis 5 dieses Schreibens handelt. Einkommensteuerveranlagung des B: EinkÅnfte aus Gewerbebetrieb aus dem Anteil an der AB-KG 375 000 Euro darin enthalten: Sanierungsgewinn 500 000 Euro ./. negative EinkÅnfte im Sinne des § 2b EStG – 100 000 Euro Nach Verrechnung mit den Verlusten/negativen EinkÅnften verbleibender zu versteuernder Sanierungsgewinn 275 000 Euro Das Wohnsitzfinanzamt stundet unter Widerrufsvorbehalt ab Fslligkeit die anteilig auf den verbleibenden zu versteuernden Sanierungsgewinn von 275 000 Euro entfallende Steuer. Soweit B in spsteren Veranlagungszeitrsumen positive EinkÅnfte aus der Beteiligung an der C-KG erzielt, sind diese bei der Veranlagung anzusetzen; eine Verrechnung mit den negativen EinkÅnften im Sinne des § 2b EStG aus Veranlagungszeitraum 02 ist nicht mÇglich, da diese bereits mit dem Sanierungsgewinn steuerwirksam verrechnet worden sind. [9] Zahlungen auf den Besserungsschein nach Rn. 5 vermindern nachtrsglich den Sanierungsgewinn. Entsprechend verringert sich die zu stundende/zu erlassende Steuer.

761

Anhang

Beispiel 3: Veranlagungszeitraum 01 Glsubigerverzicht gegen Besserungsschein auf eine 1 500 000 Euro Forderung in HÇhe von Sanierungsgewinn nach Verlustverrechnungen 1 000 000 Euro Laufender Gewinn 0 Euro Bei einem angenommenen Steuersatz in HÇhe von 25 v.H. ergibt sich eine zu stundende Steuer von 250 000 Euro. Veranlagungszeitraum 02 Laufender Gewinn 300 000 Euro Zahlung an den Glsubiger aufgrund Besserungsschein in HÇhe von 100 000 Euro ist keine Betriebsausgabe. Daher bleibt es bei einem zu versteuernden Gewinn in HÇhe von 300 000 Euro. Das Schreiben ist in allen Fsllen anzuwenden, fÅr die die Regelung des § 3 Nr. 66 EStG i.d.F. der Bekanntmachung v. 16.4.1997, BGBl. I 1997, 821, nicht mehr gilt. Eine Stundung oder ein Erlass aus persÇnlichen BilligkeitsgrÅnden bleibt unberÅhrt. V. Aufhebung der Mitwirkungspflichten [14] Die mit BMF, Schr. v. 2.1.2002 – IV D 2 - S 0457 - 1/02, BStBl. I 2002, 61 = StEK AO 1977 § 227 Nr. 161 vorgesehenen Mitwirkungspflichten des BMF gelten nicht fÅr Fslle der Anwendung dieses BMF-Schreibens. Allerdings sind diese Fslle, soweit sie die im BMF, Schr. v. 2.1.2002 – IV D 2 - S 0457 - 1/02 genannten Betrags- oder Zeitgrenzen Åbersteigen, dem BMF mitzuteilen. VI. Gewerbesteuerliche Auswirkungen [15] FÅr Stundung und Erlass der Gewerbesteuer ist die jeweilige Gemeinde zustsndig. Spricht die Gemeinde Billigkeitsmaßnahmen aus, ist die Steuerermsßigung bei EinkÅnften aus Gewerbebetrieb (§ 35 EStG) entsprechend zu mindern.

3. Allgemeine Verwaltungsvorschrift Åber die DurchfÅhrung der Vollstreckung nach der Abgabenordnung (VollstrA) v. 13.3.1980, BStBl. I 1980, 112, gesndert durch Verwaltungsvorschriften v. 19.3.1987, BStBl. I 1987, 370, v. 21.4.1992, BStBl. I 1992, 283, v. 5.7.1996, BStBl. I 1996, 1114, v. 18.9.2001, BStBl. I 2001, 605, v. 23.10.2003, BStBl. I 2003, 542, v. 22.1.2008, BStBl. I 2008, 274 und v. Msrz 2011, BR-Drs. 826/10, Zustimmung des BR am 11.2.2011, BR-Drs. 826/10 (B). InhaltsÅbersicht Erster Teil Allgemeine Vorschriften Allgemeines 1. Anwendungsbereich 2. VollstreckungsbehÇrden 3. Vollstreckungsschuldner

762

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen Vollstreckbarkeit von Verwaltungsakten 4. Vollstreckbarkeit von Verwaltungsakten Einstellung, Beschrlnkung, Aufhebung und Unbilligkeit der Vollstreckung 5. Einstellung und Beschrsnkung der Vollstreckung 6. Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen 7. Unbilligkeit der Vollstreckung Vollstreckungsersuchen 8. Amtshilfe 9. AusfÅhrung von Vollstreckungsersuchen 10. Zwischenstaatliche Vollstreckungshilfe Einwendungen gegen die Vollstreckung, Rechtsbehelfe 11. Einwendungen gegen die Vollstreckung 12. Rechtsbehelfsverfahren 13. Rechte Dritter Niederschlagung 14. Niederschlagung 15. Entscheidung Åber die Niederschlagung 16. Anzeige der Niederschlagung 17. xberwachung der Niederschlagung Vollstreckung gegen juristische Personen des Çffentlichen Rechts 18. Vollstreckung gegen juristische Personen des Çffentlichen Rechts Zweiter Teil Anordnung und DurchfÅhrung der Vollstreckung Allgemeines 19. Voraussetzungen fÅr den Beginn der Vollstreckung 20. Vorbereitung der Vollstreckung 21. Anfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens 22. Anordnung der Vollstreckung 23. Einleitung der Vollstreckung 24. AusfÅhrung der Vollstreckung durch Vollziehungsbeamte 25. AusfÅhrung der Vollstreckung durch die Vollstreckungsstelle 26. Vollstreckungs- und Insolvenzantrag Vollstreckung gegen Ehegatten, Nießbraucher, Erben, nichtrechtsflhige Personenvereinigungen 27. Vollstreckung gegen Ehegatten 28. Vollstreckung in Nießbrauch an einem VermÇgen 29. Vollstreckung in einen Nachlass und gegen Erben; Grundsatz 30. Vollstreckung in den Nachlass vor und nach Annahme der Erbschaft 31. Beschrsnkung der Haftung des Erben und des Vermschtnisnehmers 32. (weggefallen) 33. Vollstreckung gegen eine nichtrechtsfshige Personenvereinigung

763

Anhang Dritter Teil Vollstreckung in das bewegliche und unbewegliche VermÇgen Vollstreckung in Sachen 34. Vollstreckungsauftrag 35. Vollstreckung in bewegliche Sachen 36. Verwertung gepfsndeter Sachen 37. Verwertung gepfsndeter Wertpapiere 38. Verwertung von Kostbarkeiten 39. Besondere Verwertung 40. Aussetzung der Verwertung gepfsndeter Sachen Vollstreckung in Forderungen und andere VermÇgensrechte 41. Pfsndung und Einziehung einer Geldforderung 42. Pfsndung und Einziehung eines Herausgabeanspruchs und anderer VermÇgensrechte 43. Pfsndung einer durch Hypothek gesicherten Forderung 44. Weiteres Verfahren bei der Pfsndung von Forderungen Vollstreckung in das unbewegliche VermÇgen 45. Gegenstand und Voraussetzung der Vollstreckung in das unbewegliche VermÇgen 46. Verfahren 47. Verfahren in Erbfsllen 48. Verfahren bei nachfolgendem Eigentumswechsel 49. Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Grundbuchamts und des Vollstreckungsgerichts 50. Behandlung Çffentlicher Lasten bei der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung 51. Versteigerungstermin Eidesstattliche Versicherung 52. Eidesstattliche Versicherung 53. Eidesstattliche Versicherung in anderen Fsllen Vierter Teil Arrest 54. Dinglicher Arrest 55. Vollziehung des Arrestes 56. PersÇnlicher Sicherheitsarrest FÅnfter Teil Insolvenzverfahren 57. Verfahrensarten 58. ErÇffnungsantrag der VollstreckungsbehÇrde 59. Kostenvorschuss 60. Steuerforderungen im Insolvenzverfahren 61. Insolvenzplan 62. Glsubigerausschuss 63. Verbraucherinsolvenzverfahren 64. Restschuldbefreiung

764

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen Sechster Teil LÇschung, gewerbe- und berufsrechtliche Verfahren, Maßnahmen nach dem Pass- sowie Aufenthaltsgesetz, Abmeldung von Fahrzeugen von Amts wegen 65. LÇschung im Handelsregister oder im Genossenschaftsregister 66. Gewerbe- und berufsrechtliche, pass- und auslsnderrechtliche Maßnahmen 67. Abmeldung von Fahrzeugen von Amts wegen Siebenter Teil Schlussvorschriften 68. Inkrafttreten Erster Teil Allgemeine Vorschriften Allgemeines 1. Anwendungsbereich (1) 1Die Vollstreckungsanweisung gilt fÅr das Vollstreckungsverfahren der Bundesund LandesfinanzbehÇrden. 2In gerichtlichen Vollstreckungsverfahren ist die Vollstreckungsanweisung nicht anzuwenden. (2) 1Die Vollstreckungsanweisung gilt namentlich fÅr die Vollstreckung von 1. Steuern einschließlich ZÇllen und AbschÇpfungen (§ 3 Abs. 1 AO) sowie SteuervergÅtungen, 2. steuerlichen Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO), 3. vom Vollstreckungsschuldner zurÅckzuzahlenden Betrsgen, die ihm ohne rechtlichen Grund erstattet oder vergÅtet worden sind (§ 37 Abs. 2 AO), 4. Geldbußen (§§ 377 bis 383, § 412 Abs. 2 AO), 5. Ordnungsgeldern und 6. Kosten des Bußgeldverfahrens (§ 412 Abs. 2 AO). FÅr die Vollstreckung der in Satz 1 Nr. 4 bis 6 bezeichneten Geldleistungen gelten die Vorschriften der Vollstreckungsanweisung nur, soweit sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt (vgl. §§ 89 bis 104 OWiG i.V.m. § 412 Abs. 2 AO; Art. 7, 8 und 9 Abs. 2 EGStGB). 2

(3) xber die AusfÅhrung der Vollstreckung durch Vollziehungsbeamte enthslt die allgemeine Verwaltungsvorschrift fÅr Vollziehungsbeamte der Finanzverwaltung (Vollziehungsanweisung) nshere Bestimmungen. 2. VollstreckungsbehÇrden VollstreckungsbehÇrden sind die Finanzsmter und die Hauptzollsmter (§ 249 Abs. 1 Satz 3 AO). 3. Vollstreckungsschuldner (1) Als Vollstreckungsschuldner im Sinne dieser Bestimmungen gilt derjenige, gegen den sich ein Vollstreckungsverfahren tatsschlich richtet, unabhsngig davon, ob seine Inanspruchnahme zu Recht erfolgt (§ 253 AO). (2) 1Das Vollstreckungsverfahren kann sich auch gegen denjenigen richten, der kraft Gesetzes, z.B. nach den §§ 69 bis 75 der Abgabenordnung, dem § 2382 des BÅrgerli-

765

Anhang chen Gesetzbuches, den §§ 25, 128 des Handelsgesetzbuches oder nach den Einzelsteuergesetzen, fÅr eine Steuer haftet und durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen worden ist (§ 191 Abs. 1 AO). 2Wer sich auf Grund eines Vertrages verpflichtet hat, fÅr die Steuer eines anderen einzustehen, kann nur nach den Vorschriften des bÅrgerlichen Rechts in Anspruch genommen werden (§ 192 AO). (3) Vollstreckungsschuldner ist auch derjenige, der kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden und durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen worden ist (§§ 77, 191 Abs. 1 AO); z.B. Ehegatten (Abschnitt 27), Nießbraucher (Abschnitt 28), Erben (Abschnitte 29 bis 31) und Rechtsnachfolger i.S.d. § 323 der Abgabenordnung. Vollstreckbarkeit von Verwaltungsakten 4. Vollstreckbarkeit von Verwaltungsakten Verwaltungsakte kÇnnen vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt ist (§ 251 Abs. 1 AO). 2In Insolvenzverfahren (Abschnitt 57 bis 64) ist § 251 Abs. 2, 3 der Abgabenordnung zu beachten. 1

Einstellung, Beschrlnkung, Aufhebung und Unbilligkeit der Vollstreckung 5. Einstellung und Beschrlnkung der Vollstreckung (1) Die Vollstreckung ist nach § 257 der Abgabenordnung einzustellen oder zu beschrsnken, sobald 1. die Vollstreckbarkeitsvoraussetzung des § 251 Abs. 1 der Abgabenordnung weggefallen ist, 2. der Verwaltungsakt, aus dem vollstreckt wird, aufgehoben wird, 3. der Anspruch auf die Leistung erloschen ist, z.B. durch Zahlung, Aufrechnung, Erlass, Verjshrung (§ 47 AO), 4. die Leistung gestundet worden ist (§ 222 AO). (2) 1In den Fsllen des Abs. 1 Nr. 2 und 3 sind bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben. 2Ist der Verwaltungsakt durch eine gerichtliche Entscheidung aufgehoben worden, so gilt dies nur, soweit die Entscheidung unanfechtbar geworden ist und nicht auf Grund der Entscheidung ein neuer Verwaltungsakt zu erlassen ist. 3Ist die Leistung gestundet oder die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ausgesetzt worden, bleiben die Vollstreckungsmaßnahmen bestehen, soweit nicht ihre Aufhebung ausdrÅcklich angeordnet oder die RÅckwirkung der Aufhebung der Vollziehung verfÅgt worden ist. 4Bleiben Vollstreckungsmaßnahmen bestehen, unterbleiben fÅr die Dauer einer Stundung oder Aussetzung der Vollziehung weitere Maßnahmen zur DurchfÅhrung der Vollstreckung, wie z.B. die Verwertung gepfsndeter Sachen. (3) 1Ist die Aufteilung einer Gesamtschuld nach den §§ 268 bis 280 der Abgabenordnung beantragt worden, dÅrfen Vollstreckungsmaßnahmen, solange Åber den Antrag durch die fÅr die Steuerfestsetzung zustsndige Stelle nicht unanfechtbar entschieden worden ist, nur insoweit durchgefÅhrt werden, als dies zur Sicherung des Anspruchs erforderlich ist. 2Sicherungsmaßnahmen kÇnnen gegen jeden der Schuldner wegen des Gesamtanspruchs ergriffen werden. 3Nach der Aufteilung darf die Vollstreckung nur nach Maßgabe der auf die einzelnen Schuldner entfallenden Betrsge durchgefÅhrt werden (§ 278 Abs. 1 AO), soweit nicht nach § 278 Abs. 2 der Abgabenordnung eine weitergehende Inanspruchnahme mÇglich ist.

766

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen (4) 1Hat der Vollstreckungsschuldner wegen RÅckstsnden, die der Vollstreckungsstelle bereits mitgeteilt worden sind, Stundung (§ 222 AO), Erlass (§ 227 AO) oder Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO, § 69 Abs. 2 FGO) beantragt, soll Åber die Antrsge unverzÅglich entschieden werden. 2Die fÅr die Entscheidung Åber den Antrag zustsndige Stelle soll die Vollstreckungsstelle Åber das Vorliegen des Antrags unterrichten – soweit der Antrag der Vollstreckungsstelle nicht bereits bekannt ist – und sich zu den Erfolgsaussichten des Antrags sußern. 3Hat der Vollstreckungsschuldner bei Gericht Antrag auf vorlsufigen Rechtsschutz gestellt (§ 69 Abs. 3, § 114 FGO), hat die Vollstreckungsstelle mit dem Gericht wegen des weiteren Vorgehens Verbindung aufzunehmen. 4Die Vollstreckungsstelle hat sodann zu entscheiden, ob Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet oder bereits begonnene Vollstreckungsverfahren eingestellt, beschrsnkt oder fortgefÅhrt werden sollen. 5Das Vollstreckungsverfahren ist einzuleiten oder fortzufÅhren, wenn die Antrsge aussichtslos erscheinen, wenn sie offensichtlich nur den Zweck verfolgen, das Vollstreckungsverfahren hinauszuschieben oder wenn Gefahr im Verzug besteht; entsprechendes gilt, wenn bei Gericht Antrag auf vorlsufigen Rechtsschutz gestellt worden ist (§§ 69, 114 FGO). 6. Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen (1) Soweit nach Abschnitt 5 Abs. 2 bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben sind, ist im einzelnen wie folgt zu verfahren: 1. Pfsndungen (Sachpfsndungen, Pfsndungen von Forderungen und anderen VermÇgensrechten) sind aufzuheben. 2. Ist dem Vollziehungsbeamten Vollstreckungsauftrag erteilt worden (vgl. Abschnitt 34), ist er anzuweisen, keine weiteren Vollstreckungsmaßnahmen mehr zu ergreifen. 3. Der Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek (Abschnitte 45 bis 47) ist durch schriftliche Erklsrung gegenÅber dem Grundbuchamt zurÅckzunehmen, wenn die Sicherungshypothek noch nicht eingetragen ist (§§ 29, 31 GBO). Ist die Sicherungshypothek bereits eingetragen, bleibt es dem GrundstÅckseigentÅmer Åberlassen, das Grundbuch berichtigen zu lassen. Dem Vollstreckungsschuldner oder einem anderen Berechtigten, z.B. einem Dritten, auf den durch Entrichtung des beizutreibenden Betrages der Anspruch des Glsubigers gem. §§ 268, 1150 des BÅrgerlichen Gesetzbuches Åbergegangen ist, ist eine Zahlungsbeststigung und lÇschungsfshige Quittung oder LÇschungsbewilligung zu erteilen. 4. Der Antrag auf Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung (Abschnitte 45 bis 48) ist durch schriftliche Erklsrung gegenÅber dem Vollstreckungsgericht, durch mÅndliche Erklsrung im Versteigerungstermin (zur Aufnahme in die Sitzungsniederschrift) oder zu Protokoll des Urkundsbeamten des Vollstreckungsgerichts zurÅckzunehmen. Der Antrag auf Zwangsversteigerung kann bis zur Erteilung des Zuschlags, der Antrag auf Zwangsverwaltung kann jederzeit zurÅckgenommen werden. Der Insolvenzantrag (Abschnitt 58) ist – im Hinblick auf die Kostenfolge (§ 91a ZPO) – schriftlich gegenÅber dem Insolvenzgericht fÅr erledigt zu erklsren. Der Insolvenzantrag kann nicht mehr fÅr erledigt erklsrt werden, wenn das Gericht den Beschluss Åber die ErÇffnung verkÅndet, einem Beteiligten zugestellt oder Çffentlich bekannt gemacht hat. (2) 1Sind die Voraussetzungen fÅr eine Aufhebung oder Beschrsnkung der Vollstreckung nur zum Teil gegeben, so sind die Vollstreckungsmaßnahmen entsprechend zu beschrsnken. 2In den Fsllen des Abs. 1 Nr. 3 ist ein Eintragungsantrag immer zurÅckzunehmen, wenn der verbleibende Betrag siebenhundertfÅnfzig Euro nicht Åbersteigt (vgl. § 866 Abs. 3 ZPO).

767

Anhang 7. Unbilligkeit der Vollstreckung (1) 1Soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist, kann die VollstreckungsbehÇrde die Vollstreckung Åber die in den Abschnitten 5, 6 gezogenen Grenzen hinaus einstweilen einstellen, beschrsnken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben (§ 258 AO). 2Die Entscheidung hierÅber ist von der VollstreckungsbehÇrde nach pflichtgemsßem Ermessen (§ 5 AO) zu treffen. 3Die Einstellung oder Beschrsnkung ist nicht von einem Antrag des Vollstreckungsschuldners abhsngig. (2) 1Unbilligkeit i.S.d. Abs. 1 ist anzunehmen, wenn die Vollstreckung oder eine einzelne Vollstreckungsmaßnahme dem Vollstreckungsschuldner einen unangemessenen Nachteil bringen wÅrde, der durch kurzfristiges Zuwarten oder durch eine andere Vollstreckungsmaßnahme vermieden werden kÇnnte. 2Nachteile, die Åblicherweise mit der Vollstreckung oder der einzelnen Vollstreckungsmaßnahme verbunden sind, begrÅnden keine Unbilligkeit. (3) 1Bei Maßnahmen nach Abs. 1 Satz 1 sind grundsstzlich Ssumniszuschlsge weiter zu erheben. 2Wird die Maßnahme dem Vollstreckungsschuldner mitgeteilt, so ist er hierauf hinzuweisen. Vollstreckungsersuchen 8. Amtshilfe (1) 1Wird die AusfÅhrung von Vollstreckungsmaßnahmen außerhalb der Çrtlichen Zustsndigkeit der VollstreckungsbehÇrde erforderlich, so ist die Çrtlich zustsndige VollstreckungsbehÇrde um die DurchfÅhrung zu ersuchen. 2Das gleiche gilt fÅr Maßnahmen, die nicht Vollstreckungshandlungen sind, aber mit der Vollstreckung im Zusammenhang stehen, z.B. die Vernehmung von Auskunftspersonen. 3UnberÅhrt bleiben die Vorschriften der §§ 111 bis 115 der Abgabenordnung Åber die Rechts- und Amtshilfe sowie entsprechende bundes- und landesrechtliche Regelungen, soweit Geldleistungen, die nicht auf Grund von Steuergesetzen gefordert werden, von den Finanzsmtern oder Hauptzollsmtern als VollstreckungsbehÇrden zu vollstrecken sind. (2) 1Amtshilfe kommt regelmsßig in Betracht, wenn in bewegliche Sachen außerhalb der Çrtlichen Zustsndigkeit der VollstreckungsbehÇrde vollstreckt werden soll. 2Bei der Vollstreckung in Forderungen, andere VermÇgensrechte und in das unbewegliche VermÇgen soll um Amtshilfe nur ersucht werden, wenn dies nach Sachlage geboten erscheint. (3) 1Bei Gefahr im Verzug kann die VollstreckungsbehÇrde auch ohne Ersuchen tstig werden. 2Die Çrtlich zustsndige VollstreckungsbehÇrde ist hiervon unverzÅglich zu unterrichten (§ 29 AO). (4) 1Das Ersuchen um Amtshilfe soll von der VollstreckungsbehÇrde schriftlich gestellt werden. 2Bei Gefahr im Verzug kann das Ersuchen auch mÅndlich erfolgen. 3 In diesem Fall ist das Ersuchen jedoch unverzÅglich schriftlich zu beststigen. 4Das Ersuchen kann auf eine bestimmte, genau zu bezeichnende Maßnahme beschrsnkt werden. 5Wird das Ersuchen lediglich aus ZweckmsßigkeitsgrÅnden gestellt, ist dies besonders zu begrÅnden. 6Im Åbrigen soll das Ersuchen die in Abschnitt 34 Abs. 2 Nr. 1 bis 8 und 11 genannten Angaben enthalten. 7Die Vollstreckbarkeit des Anspruchs ist zu beststigen. (5) Vollstreckungsersuchen der VollstreckungsbehÇrden sollen nicht gestellt werden, wenn die Summe der rÅckstsndigen Betrsge weniger als fÅnfundzwanzig Euro betrsgt.

768

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen 9. AusfÅhrung von Vollstreckungsersuchen (1) 1Soweit eine VollstreckungsbehÇrde auf Ersuchen einer anderen VollstreckungsbehÇrde Vollstreckungsmaßnahmen ausfÅhrt, tritt sie an die Stelle der anderen VollstreckungsbehÇrde. 2Die ersuchte VollstreckungsbehÇrde hat die Vollstreckung im eigenen Namen zu betreiben. 3Pfsndungspfandrechte werden von der KÇrperschaft erworben, der die ersuchte VollstreckungsbehÇrde angehÇrt. 4FÅr die Vollstreckbarkeit des Anspruchs bleibt die ersuchende VollstreckungsbehÇrde verantwortlich (§ 250 Abs. 1 AO). 5Sind die Voraussetzungen fÅr eine Einstellung oder Beschrsnkung der Vollstreckung nach Abschnitt 5 gegeben, ist dies der ersuchten VollstreckungsbehÇrde unverzÅglich mitzuteilen. (2) 1Hslt sich die ersuchte VollstreckungsbehÇrde fÅr unzustsndig oder hslt sie die Handlung, um die sie ersucht worden ist, fÅr unzulsssig oder unzweckmsßig, teilt sie ihre Bedenken der ersuchenden VollstreckungsbehÇrde mit. 2Kommt zwischen den VollstreckungsbehÇrden eine Einigung nicht zustande, entscheidet die AufsichtsbehÇrde der ersuchten VollstreckungsbehÇrde (§ 250 Abs. 2 AO). 3Steht zweifelsfrei fest, dass fÅr die DurchfÅhrung des Vollstreckungsersuchens eine andere als die ersuchte VollstreckungsbehÇrde zustsndig ist, ist das Vollstreckungsersuchen an die zustsndige VollstreckungsbehÇrde weiterzuleiten. 4Die ersuchende VollstreckungsbehÇrde ist Åber die Abgabe zu unterrichten. 10. Zwischenstaatliche Vollstreckungshilfe Die Erledigung zwischenstaatlicher Rechts- und Amtshilfeersuchen ist in § 117 der Abgabenordnung geregelt. 2Vollstreckungsersuchen anderer Staaten sind nach den Vorschriften der Abgabenordnung zu erledigen, soweit die Voraussetzungen fÅr die Gewshrung von Amtshilfe gegeben sind. 1

Einwendungen gegen die Vollstreckung, Rechtsbehelfe 11. Einwendungen gegen die Vollstreckung (1) 1Die DurchfÅhrung der Vollstreckung wird nicht dadurch gehindert, dass der Vollstreckungsschuldner Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt, z.B. gegen die Steuerfestsetzung, erhebt. 2Einwendungen dieser Art sind außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfÅr zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen (§ 256 AO). (2) 1Bei Einwendungen gegen die Zulsssigkeit der Vollstreckung selbst ist die Vollstreckung gegebenenfalls nach Maßgabe des Abschnitts 5 einzustellen oder zu beschrsnken, wenn die Voraussetzungen hierfÅr nachgewiesen werden. 2Kann der Nachweis nicht gefÅhrt werden, ist die Vollstreckung in der Regel fortzusetzen. 3 Der Vollstreckungsschuldner kann gegebenenfalls außerhalb des Vollstreckungsverfahrens den Erlass eines Verwaltungsaktes nach § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung beantragen. (3) 1Abs. 2 gilt entsprechend, wenn der Steuerpflichtige gegen den zu vollstreckenden Anspruch die Aufrechnung erklsrt. 2Die Aufrechnung ist nur zulsssig mit unbestrittenen oder rechtskrsftig festgestellten fslligen GegenansprÅchen (§ 226 Abs. 3 AO). 3Das Erfordernis der Kassengleichheit (§ 395 BGB) findet keine Anwendung. 4Besteht keine Kassengleichheit, ist die BehÇrde, die den geschuldeten Betrag auszuzahlen hat, um Auskunft zu ersuchen, ob der Anspruch des Steuerpflichtigen unbestritten oder rechtskrsftig festgestellt und fsllig ist. 5Will der Steuerpflichtige mit einer noch nicht fslligen, aber in KÅrze fsllig werdenden Gegenforderung aufrechnen, ist in der Regel zu prÅfen, ob die Vollstreckung einstweilen einzustellen

769

Anhang oder zu beschrsnken ist (vgl. Abschnitt 7). 6Wegen der Aufrechnung gegenÅber dem Steuerpflichtigen wird auf Abschnitt 22 Abs. 4 hingewiesen. (4) Ist die Vollziehung des Verwaltungsaktes gegen Sicherheitsleistung ausgesetzt, ist die Vollstreckung in der Regel erst einzustellen oder zu beschrsnken, wenn die Leistung der Sicherheit nachgewiesen ist. 12. Rechtsbehelfsverfahren (1) Bei Streitigkeiten wegen Vollstreckungsmaßnahmen sind die Rechtsbehelfe der Abgabenordnung und der Finanzgerichtsordnung gegeben, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) 1Rechtsbehelf gegen Maßnahmen der Vollstreckung ist vorbehaltlich des Abschnitts 13 der Einspruch (§ 347 AO). 2Er ist unzulsssig vor Beginn und nach Beendigung der Vollstreckungsmaßnahme, gegen die er sich richtet. 3Auf die Bestimmungen der Abschnitte 22 Abs. 5 und 34 Abs. 5 Satz 2 wird hingewiesen. (3) 1Zur Einlegung des Einspruchs ist nur befugt, wer geltend macht, durch eine Vollstreckungsmaßnahme beschwert zu sein. 2Durch Einlegung des Einspruchs wird die Vollstreckung vorbehaltlich des Abschnitts 52 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 nicht gehemmt. 13. Rechte Dritter (1) 1xber Einwendungen Dritter nach §§ 262, 293 der Abgabenordnung hat die Vollstreckungsstelle unverzÅglich zu entscheiden. 2Gibt die Vollstreckungsstelle den Einwendungen nicht statt, soll sie auf die MÇglichkeit der Klage vor den ordentlichen Gerichten hinweisen. (2) 1FÅr die Klage ist ausschließlich das ordentliche Gericht zustsndig, in dessen Bezirk die Vollstreckung erfolgt (§ 262 Abs. 3 AO). 2Bei der Pfsndung einer Forderung oder eines sonstigen VermÇgensrechts richtet sich die Zustsndigkeit nach dem Sitz der pfsndenden VollstreckungsbehÇrde. 3Bei der Vollstreckung in das unbewegliche VermÇgen ist das Gericht der belegenen Sache zustsndig. (3) 1Die Vollstreckung wird durch Einwendungen und durch Klage nach Abs. 1 und 2 nicht gehemmt. 2Das Prozessgericht kann die Einstellung der Vollstreckung und die Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen nach §§ 769, 770 der Zivilprozessordnung einstweilig anordnen (§ 262 Abs. 2 AO). (4) 1Besteht das Recht des Dritten in einem Pfand- oder Vorzugsrecht an einer Sache, die nicht in seinem Besitz ist, kann er der Pfsndung nicht widersprechen, sondern lediglich vorzugsweise Befriedigung verlangen (§ 293 AO). 2Macht der Pfandberechtigte sein Recht gegenÅber der Vollstreckungsstelle geltend, ist entsprechend Abs. 1 zu verfahren. 3Die Vollstreckung ist auch dann fortzusetzen, wenn der Dritte seinen Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung im Wege der Klage geltend macht. 4 FÅr die Klage auf vorzugsweise Befriedigung ist das ordentliche Gericht zustsndig, in dessen Bezirk gepfsndet worden ist (§ 293 Abs. 2 AO). Niederschlagung 14. Niederschlagung (1) 1AnsprÅche aus dem Steuerschuldverhsltnis (§ 37 AO) sollen niedergeschlagen werden, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhsltnis zu dem Betrag stehen (§ 261 AO). 2Dies

770

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen gilt auch fÅr Ordnungsgelder sowie fÅr Kosten auf Grund von Bescheiden der FinanzbehÇrden im Bußgeldverfahren (§ 412 Abs. 2, 3 AO). (2) 1Die Niederschlagung ist eine verwaltungsinterne Maßnahme der VollstreckungsbehÇrde; sie fÅhrt nicht zum ErlÇschen der AnsprÅche. 2Bis zum ErlÇschen des Anspruchs (§ 47 AO) ist seine jederzeitige Geltendmachung mÇglich. (3) 1Die Niederschlagung soll dem Vollstreckungsschuldner nicht mitgeteilt werden. 2Wird sie dennoch mitgeteilt, soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Niederschlagung nicht die Wirkung einer Stundung oder eines Erlasses hat. 15. Entscheidung Åber die Niederschlagung (1) 1Ob die Kosten der Einziehung außer Verhsltnis zum niederzuschlagenden Betrag stehen, ist nach den Verhsltnissen des Einzelfalles zu entscheiden. 2Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass die Kosten der Einziehung außer Verhsltnis zu dem geschuldeten Betrag stehen, wenn 1. die Summe der rÅckstsndigen Betrsge weniger als fÅnfundzwanzig Euro betrsgt, es sei denn, der Vollstreckungsauftrag kann zusammen mit Vollstreckungsauftrsgen gegen andere Vollstreckungsschuldner ohne Åbermsßigen Zeitaufwand ausgefÅhrt werden, 2. die Summe der rÅckstsndigen Betrsge weniger als zweihundertfÅnfzig Euro betrsgt, die Vollstreckung in das bewegliche VermÇgen durch den Vollziehungsbeamten erfolglos verlaufen ist und andere VollstreckungsmÇglichkeiten, z.B. Lohn- oder Kontenpfsndungen, auch nach Auswertung der Steuerakten, nicht ersichtlich sind, 3. die Summe der rÅckstsndigen Betrsge weniger als zweihundertfÅnfzig Euro betrsgt, der Vollstreckungsschuldner aber unbekannt verzogen ist, Aufenthaltsermittlungen bei den zustsndigen BehÇrden erfolglos verlaufen sind und im Åbrigen auch keine VollstreckungsmÇglichkeiten nach Nr. 2 bestehen. (2) 1Erkennt die VollstreckungsbehÇrde, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, z.B. wegen Zahlungsunfshigkeit des Vollstreckungsschuldners oder weil der Vollstreckungsschuldner unbekannt verzogen ist und Aufenthaltsermittlungen erfolglos geblieben sind, soll die PrÅfung, ob andere Personen den rÅckstsndigen Betrag schulden oder dafÅr haften, mÇglichst frÅhzeitig veranlasst werden. 2Die Niederschlagung ist erst zu verfÅgen, wenn feststeht, dass die rÅckstsndigen Betrsge weder vom Vollstreckungsschuldner noch von einem Dritten eingezogen werden kÇnnen. 3Nach der ErÇffnung eines Verfahrens nach der Insolvenzordnung sind Abgabenforderungen, soweit es sich um Insolvenzforderungen handelt, mit xberwachung niederzuschlagen; die PrÅfung der Inanspruchnahme Dritter bleibt unberÅhrt. (3) 1Die Niederschlagung bedarf der Genehmigung der vorgesetzten FinanzbehÇrde, wenn der niedergeschlagene Betrag die von den obersten FinanzbehÇrden festgesetzte Grenze Åberschreitet oder die Genehmigung aus sonstigen GrÅnden der vorgesetzten FinanzbehÇrde vorbehalten ist. 2Der Genehmigungsvorbehalt gilt nicht fÅr Niederschlagungen i.S.d. Abs. 2 Satz 3. (4) Der Grund fÅr die Niederschlagung ist festzuhalten. 16. Anzeige der Niederschlagung Die Vollstreckungsstelle hat die Kasse, bei der die niedergeschlagenen Betrsge zum Soll stehen, von der Niederschlagung zu unterrichten. 2Im automatisierten Verfahren ist die Niederschlagung der Datenerfassungsstelle zur Datenerfassung 1

771

Anhang mitzuteilen; diese Mitteilung entfsllt, wenn der RÅckstand in einem vereinfachten maschinellen Verfahren niedergeschlagen worden ist. 3Die Veranlagungs- oder Festsetzungsstelle ist mit Ausnahme der Fslle des Abschnitts 15 Abs. 1 Satz 2 ebenfalls Åber die Niederschlagung in Kenntnis zu setzen. 4Im Bereich der Zollverwaltung gilt die in Satz 3 enthaltene Ausnahmeregelung grundsstzlich nicht. 17. pberwachung der Niederschlagung (1) 1In Fsllen der Niederschlagung wegen mangelnder Erfolgsaussicht der Vollstreckung hat die Vollstreckungsstelle – insbesondere bei grÇßeren RÅckstsnden – stichprobenweise vor dem Eintritt der Verjshrung die VermÇgens- und Einkommensverhsltnisse des Vollstreckungsschuldners zu prÅfen (Abschnitt 20 Abs. 2), gegebenenfalls die Verjshrung durch Maßnahmen nach § 231 der Abgabenordnung zu unterbrechen und die Vollstreckung fortzusetzen. 2Das Ergebnis der PrÅfung ist in geeigneter Form festzuhalten. 3Auf eine xberwachung kann verzichtet werden, sobald feststeht, dass mit einer kÅnftigen Realisierung der AnsprÅche mit Sicherheit nicht mehr zu rechnen ist, z.B. im Falle des Nachlassinsolvenzverfahrens oder der aufgelÇsten Gesellschaft ohne Haftungsschuldner. (2) Zahlungen auf niedergeschlagene RÅckstsnde sollen auf der RÅckstandsanzeige oder auf der NiederschlagungsverfÅgung vermerkt werden, sofern ihre BerÅcksichtigung nicht in anderer Form sichergestellt ist. Vollstreckung gegen juristische Personen des Çffentlichen Rechts 18. Vollstreckung gegen juristische Personen des Çffentlichen Rechts (1) Gegen den Bund oder ein Land ist die Vollstreckung nicht zulsssig (§ 255 Abs. 1 Satz 1 AO). (2) 1Gegen juristische Personen des Çffentlichen Rechts, die der Staatsaufsicht unterliegen, z.B. Gemeinden, Gemeindeverbsnde, Handels- und Handwerkskammern und Sozialversicherungstrsger, ist die Vollstreckung nur mit Zustimmung der AufsichtsbehÇrde des Vollstreckungsschuldners zulsssig. 2Die AufsichtsbehÇrde bestimmt den Zeitpunkt der Vollstreckung und die VermÇgensgegenstsnde, in die vollstreckt werden kann (§ 255 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO). (3) 1Ist der Vollstreckungsstelle ein RÅckstand angezeigt worden, der von einem der in Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 genannten Schuldner zu entrichten ist, wendet sich die Vollstreckungsstelle zunschst an die Stelle, der es obliegt, zur Zahlung des RÅckstands Anweisung zu erteilen. 2Wird dabei kein Einvernehmen erreicht, berichtet die Vollstreckungsstelle hierÅber der vorgesetzten FinanzbehÇrde. 3Diese versucht sodann, gegebenenfalls durch Einschaltung der obersten FinanzbehÇrde, zu einer Regelung der Angelegenheit zu gelangen. (4) GegenÅber Çffentlich-rechtlichen Kreditinstituten gelten die Beschrsnkungen der Abs. 2 und 3 nicht (§ 255 Abs. 2 AO). Zweiter Teil Anordnung und DurchfÅhrung der Vollstreckung Allgemeines 19. Voraussetzungen fÅr den Beginn der Vollstreckung (1) 1Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf die Vollstreckung nach § 254 Abs. 1 der Abgabenordnung erst beginnen, wenn die Leistung fsllig ist, der Vollstre-

772

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen ckungsschuldner zur Leistung aufgefordert worden (Leistungsangebot) und seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist. 2Der Erlass des Leistungsgebotes ist keine Maßnahme der Vollstreckung; es wird regelmsßig mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden. 3Ein besonderes Leistungsgebot ist jedoch dann erforderlich, wenn der Verwaltungsakt gegen den Rechtsnachfolger wirkt, ohne ihm bekanntgegeben zu sein (§ 254 i.V.m. § 45 AO); dies gilt nicht im Fall der Vollstreckung nach Abschnitt 30 Abs. 2. 4Hat der Vollstreckungsschuldner eine von ihm auf Grund einer Steueranmeldung geschuldete Leistung nicht erbracht, ist weder ein Leistungsgebot noch die Einhaltung der Wochenfrist erforderlich. (2) Ein Leistungsgebot wegen der Ssumniszuschlsge, Zinsen und Vollstreckungskosten ist nicht erforderlich, wenn sie zusammen mit dem Hauptanspruch beigetrieben werden (§ 254 Abs. 2 AO). (3) Vollstreckungsmaßnahmen sind nicht deshalb unzulsssig, weil eine nach § 259 der Abgabenordnung gebotene Mahnung unterblieben oder vor Ablauf der Mahnfrist mit der Vollstreckung begonnen worden ist. 20. Vorbereitung der Vollstreckung (1) Nach Eingang der RÅckstandsanzeige prÅft die Vollstreckungsstelle, ob und welche Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden sollen. (2) 1Zur Vorbereitung der Vollstreckung kÇnnen die FinanzbehÇrden die VermÇgens- und Einkommensverhsltnisse des Vollstreckungsschuldners ermitteln (§ 249 Abs. 2 Satz 1 AO); §§ 85 bis 107 und §§ 111 bis 117 der Abgabenordnung sind insoweit anwendbar. 2Unter den Voraussetzungen des § 93 der Abgabenordnung kÇnnen auch Dritte und Vorlagepflichtige zur Auskunft herangezogen werden. 3Zur Ermittlung der VermÇgens- und Einkommensverhsltnisse kann die Vollstreckungsstelle auch die DurchfÅhrung einer AußenprÅfung anregen (§§ 193 bis 203 AO) oder gegebenenfalls die Steuerfahndung oder Zollfahndung um Mitwirkung ersuchen (§ 208 Abs. 2 Nr. 1 AO). (3) 1Werden nichtsteuerliche Geldleistungen vollstreckt, darf die FinanzbehÇrde alle ihr bekanntgewordenen und nach § 30 der Abgabenordnung geschÅtzten Daten verwenden (§ 249 Abs. 2 Satz 2 AO). 2Soweit die FinanzbehÇrde zur Vorbereitung der Vollstreckung Ermittlungen auf Grund außersteuerlicher Rechtsvorschriften durchfÅhrt, stehen ihr die Ermittlungsbefugnisse nach Abs. 2 nicht zur VerfÅgung. (4) 1Die Vollstreckung soll nicht versucht werden, wenn sie nach den VermÇgensund Einkommensverhsltnissen des Vollstreckungsschuldners aussichtslos erscheint. 2Die Vollstreckungsstelle kann in geeigneten Fsllen vom Vollstreckungsschuldner die Vorlage eines VermÇgensverzeichnisses verlangen. 21. Anfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens (1) 1Erlangt die FinanzbehÇrde Kenntnis von VermÇgensÅbertragungen durch den Steuerpflichtigen auf Dritte, so ist die Anfechtung der zugrunde liegenden Rechtshandlungen nach dem Gesetz Åber die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (AnfG) zu prÅfen. 2Bestehen keine fslligen AnsprÅche, ist zu prÅfen, ob Leistungsgebote als Voraussetzung fÅr das Anfechtungsverfahren zu erlassen sind. (2) 1Die Anfechtung wegen AnsprÅchen aus dem Steuerschuldverhsltnis erfolgt durch Duldungsbescheid (§ 191 AO in Verbindung mit den Vorschriften des Anfechtungsgesetzes), soweit sie nicht einredeweise (§ 9 AnfG) geltend zu machen ist.

773

Anhang Durch Duldungsbescheid kann auch Wertersatz gefordert werden (Hinweise auf §§ 812 ff. BGB), wenn der Dritte nicht in der Lage ist, der VollstreckungsbehÇrde den erhaltenen Gegenstand zur VerfÅgung zu stellen. 2

22. Anordnung der Vollstreckung (1) 1Vor Anordnung der Vollstreckung hat die Vollstreckungsstelle, soweit dies nach dem Inhalt der RÅckstandsanzeige oder des der Vollstreckungsstelle zugeleiteten Leistungsgebotes mÇglich ist, zu prÅfen, 1. ob dem Vollstreckungsschuldner das Leistungsgebot bekanntgegeben und seit der Bekanntgabe mindestens eine Woche verstrichen ist, 2. ob die Leistung fsllig und 3. ob der Vollstreckungsschuldner gemahnt oder vor Eintritt der Fslligkeit an die Zahlung erinnert worden ist. Bei der Vollstreckung von Geldbußen und Kosten des Bußgeldverfahrens (Abschnitt 1 Abs. 2 Nr. 4 und 6) ist außerdem zu prÅfen, ob die Rechtskraft eingetreten ist. 3FÅhrt die PrÅfung zu Beanstandungen, hat sich die Vollstreckungsstelle mit der Kasse oder der fÅr den Erlass des Leistungsgebotes zustsndigen Stelle (Veranlagungsstelle, Festsetzungsstelle) in Verbindung zu setzen. 2

(2) 1Stellt die Vollstreckungsstelle fest, dass ein nach Abschnitt 19 erforderliches Leistungsgebot dem Vollstreckungsschuldner nicht bekanntgegeben worden ist, holt sie die Bekanntgabe nach oder ersucht die Veranlagungs- oder Festsetzungsstelle um Bekanntgabe des Leistungsgebots. 2Ist die Mahnung unterblieben, soll die Vollstreckungsstelle sie nachholen, wenn zu erwarten ist, dass sich dadurch Vollstreckungsmaßnahmen erÅbrigen. (3) 1Ergibt die PrÅfung nach Abs. 1, dass die Voraussetzungen fÅr den Beginn der Vollstreckung gegeben sind, ordnet die Vollstreckungsstelle die Vollstreckung durch Erlass der PfsndungsverfÅgung, Erteilung des Vollstreckungsauftrages oder Einleitung sonstiger Vollstreckungsmaßnahmen an. 2Eine besondere AnordnungsverfÅgung wird in der Regel nicht erlassen. (4) 1Die Vollstreckung soll nicht angeordnet werden, wenn mit der zu vollstreckenden Forderung gegen AnsprÅche des Vollstreckungsschuldners aufgerechnet werden kann; der Grundsatz der Kassengleichheit (§ 395 BGB) und das Erfordernis des Unbestrittenseins oder der rechtskrsftigen Feststellung der Forderung des Vollstreckungsschuldners gilt insoweit nicht. 2Gegen AnsprÅche des Vollstreckungsschuldners, die von der Kasse einer anderen FinanzbehÇrde oder von einer anderen Çffentlichen Kasse zu begleichen sind, soll eine Aufrechnung nur erklsrt werden, wenn die Kasse, die den geschuldeten Betrag auszuzahlen hat, nicht mit eigenen Gegenforderungen aufrechnen kann. 3Die Aufrechnung ist schriftlich zu erklsren. 4In der Aufrechnungserklsrung sind die AnsprÅche, die gegeneinander aufgerechnet werden, nach Grund und Betrag genau zu bezeichnen. 5Je eine Ausfertigung der Aufrechnungserklsrung ist dem Vollstreckungsschuldner und den beteiligten Kassen zu Åbersenden. (5) 1Die Anordnung der Vollstreckung ist eine verwaltungsinterne – nicht anfechtbare – Maßnahme, die dem Vollstreckungsschuldner nicht bekanntgegeben wird. 2 Die Vollstreckungsstelle kann jedoch aus GrÅnden der Zweckmsßigkeit dem Vollstreckungsschuldner ankÅndigen, dass demnschst Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden, wenn damit zu rechnen ist, dass er daraufhin leisten wird; auch gegen diese AnkÅndigung ist kein fÇrmlicher Rechtsbehelf gegeben.

774

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen 23. Einleitung der Vollstreckung (1) 1Mit Einleitung der Vollstreckung hat die Vollstreckungsstelle zu entscheiden, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen. 2In Betracht kommen folgende MÇglichkeiten: 1. Die Vollstreckungsstelle fÅhrt die Vollstreckung selbst aus (Abschnitt 25; z.B. Vollstreckung in Forderungen und andere VermÇgensrechte). 2. Die Vollstreckungsstelle beauftragt den Vollziehungsbeamten, die Vollstreckung auszufÅhren (Abschnitte 24, 34; z.B. Vollstreckung in bewegliche Sachen). 3. Die Vollstreckungsstelle stellt beim AG als Vollstreckungs- oder Insolvenzgericht oder beim Grundbuchamt den Antrag, Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen (Abschnitte 26, 45 bis 51, 58; z.B. Antrag auf Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung oder Eintragung einer Sicherungshypothek). 4. Die Vollstreckungsstelle macht den Anspruch des Vollstreckungsglsubigers in einem Insolvenzverfahren geltend (Abschnitte 57 ff.; z.B. durch Anmeldung beim Insolvenzverwalter). 5. Die Vollstreckungsstelle ersucht eine andere BehÇrde, die Vollstreckung auszufÅhren (Abschnitte 8 bis 10; z.B. Vollstreckung im Bezirk einer anderen VollstreckungsbehÇrde). 6. Die Vollstreckungsstelle nimmt einen Dritten nach dem Anfechtungsgesetz in Anspruch (Abschnitt 21; z.B. auf Grund eines Duldungsbescheides, § 191 AO i.V.m. den Vorschriften des Anfechtungsgesetzes). (2) 1Soweit die Zulsssigkeit einzelner Vollstreckungsmaßnahmen nicht durch besondere Bestimmungen (Abschnitt 45 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4, Abschnitt 60 Abs. 1) eingeschrsnkt ist, entscheidet die Vollstreckungsstelle nach pflichtgemsßem Ermessen Åber die zu treffenden Vollstreckungsmaßnahmen. 2In erster Linie sollen solche Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden, von denen nach den besonderen Umstsnden des Falles bei angemessener BerÅcksichtigung der Belange des Vollstreckungsschuldners am schnellsten und sichersten ein Erfolg zu erwarten ist. 3Die beabsichtigte Vollstreckungsmaßnahme muss in angemessenem Verhsltnis zu dem erstrebten Erfolg stehen, die HÇhe der Forderung den mit ihr verbundenen Verwaltungsaufwand rechtfertigen. (3) 1Mehrere Vollstreckungsmaßnahmen kÇnnen gleichzeitig ergriffen werden, wenn es zur Deckung der RÅckstsnde einschließlich der Kosten der Vollstreckung erforderlich ist. 2Besteht fÅr den Anspruch des Vollstreckungsglsubigers ein Pfandrecht an einer beweglichen Sache des Vollstreckungsschuldners und hat der Vollstreckungsglsubiger das Pfand im Besitz (im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz, im Alleinbesitz oder Mitbesitz), soll in das Åbrige VermÇgen des Vollstreckungsschuldners oder in das VermÇgen eines anderen Gesamtschuldners insoweit nicht vollstreckt werden, als der Anspruch des Vollstreckungsglsubigers durch den Wert des Pfandes gedeckt ist. 3Haftet das Pfand noch fÅr andere AnsprÅche des Vollstreckungsglsubigers, gilt Satz 2 insoweit, als die anderen AnsprÅche durch den Wert des Pfandes gedeckt sind. 4Außer einer derartigen xberpfsndung ist auch jede andere xbersicherung, z.B. durch SicherungsÅbereignung, zu vermeiden. 5Sstze 2 und 3 gelten nicht im Rahmen der Sachhaftung nach § 76 der Abgabenordnung. 6Inhaberpapiere und Orderpapiere gelten als bewegliche Sachen im Sinne der Sstze 2 und 3. (4) FÅhren Vollstreckungsmaßnahmen nicht zum Erfolg oder erscheinen sie aussichtslos, ist zu prÅfen, ob die LÇschung im Handels- oder Genossenschaftsregister (Abschnitt 65), ein gewerbe- und berufsrechtliches Untersagungsverfahren, eine

775

Anhang Maßnahme nach dem Pass- oder Aufenthaltsgesetz (Abschnitt 66) oder eine Abmeldung von Fahrzeugen von Amts wegen (Abschnitt 67) in Betracht kommt. 24. AusfÅhrung der Vollstreckung durch Vollziehungsbeamte (1) Mit der AusfÅhrung der Vollstreckung kann die Vollstreckungsstelle einen Vollziehungsbeamten insbesondere in folgenden Fsllen beauftragen: 1. Vollstreckung in bewegliche Sachen einschließlich der auf den Inhaber oder auf Namen lautenden Wertpapiere sowie der vom Boden noch nicht getrennten FrÅchte (§§ 285 bis 308 AO), 2. Pfsndung von Forderungen aus Wechseln und anderen Papieren, die durch Indossament Åbertragen werden kÇnnen, z.B. Wechsel, kaufmsnnische Orderpapiere (§ 312 AO), 3. Vollstreckung zur Herausgabe von Sachen (§ 310 Abs. 1 Satz 2, § 315 Abs. 2 Satz 2, § 321 Abs. 4 zweiter Halbsatz AO), 4. Entgegennahme und Verwertung von Sachen in den Fsllen des § 318 Abs. 2 der Abgabenordnung, 5. Verwertung von Forderungen und anderen VermÇgensrechten in den Fsllen des § 317 der Abgabenordnung. (2) Ein Vollziehungsbeamter kann auch beauftragt werden, zur Feststellung von Forderungen und anderen VermÇgensrechten in die GeschsftsbÅcher Einsicht zu nehmen. (3) Vollziehungsbeamte i.S.d. Abs. 1 sind Amtstrsger, die zur AusfÅhrung von Vollstreckungsmaßnahmen stsndig eingesetzt oder mit der AusfÅhrung solcher Vollstreckungsmaßnahmen in Einzelfsllen beauftragt worden sind. 25. AusfÅhrung der Vollstreckung durch die Vollstreckungsstelle Der Vollstreckungsstelle obliegen namentlich folgende Maßnahmen: 1. Pfsndung und Einziehung von Forderungen und anderen VermÇgensrechten (Abschnitte 41 bis 44); dies gilt nicht, soweit die Vollstreckung in Forderungen, die in Wertpapieren verbrieft sind, durch den Vollziehungsbeamten auszufÅhren ist (Abschnitt 24 Abs. 1 Nr. 1, 2), 2. Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek, auf Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung (Abschnitte 45 bis 51), 3. Abnahme der eidesstattlichen Versicherung (Abschnitte 52, 53), 4. Anmeldung von Steuerforderungen im Insolvenzverfahren (Abschnitt 60, 63), 5. Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens (Abschnitt 58). 26. Vollstreckungs- und Insolvenzantrag (1) 1Die Vollstreckungsstelle stellt bei der zustsndigen Stelle die erforderlichen Antrsge, wenn 1. in das unbewegliche VermÇgen vollstreckt (§ 322 AO) oder 2. Åber das VermÇgen des Vollstreckungsschuldners das Insolvenzverfahren erÇffnet werden soll. Zustsndig fÅr die Entgegennahme von Antrsgen auf Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung oder die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ist das zustsndige AG als Vollstreckungs- oder Insolvenzgericht, fÅr die Entgegennahme von Antrsgen auf Eintragung einer Sicherungshypothek das zustsndige Grundbuchamt. 2

776

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen (2) 1Der Antrag ist schriftlich zu stellen. 2Er soll die in Abschnitt 34 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 und 11 erster Halbsatz bezeichneten Angaben enthalten. 3Bei der Vollstreckung in das unbewegliche VermÇgen ist zu beststigen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen fÅr die Vollstreckung vorliegen (§ 322 Abs. 3 Satz 2 AO). (3) Die Frage, ob der zu vollstreckende Anspruch besteht und vollstreckbar ist, unterliegt nicht der Beurteilung der in Abs. 1 Satz 2 genannten Stellen (vgl. § 322 Abs. 3 Satz 3 AO). (4) 1Ein Antrag im vorstehenden Sinne liegt nicht vor, wenn die in Abs. 1 Satz 2 genannten Stellen um Mitwirkung bei Vollstreckungsmaßnahmen ersucht werden. 2 Dies gilt namentlich fÅr Ersuchen um 1. Eintragung in das Grundbuch, wenn die Vollstreckungsstelle eine Forderung, fÅr die eine Hypothek besteht, oder eine Grundschuld, eine Rentenschuld oder eine Reallast pfsndet (§ 310 Abs. 1 Satz 3, § 321 Abs. 6 AO, §§ 29, 30 GBO), 2. Bestellung eines Treuhsnders in den Fsllen des § 318 Abs. 3 der Abgabenordnung, 3. Einleitung des gerichtlichen Verteilungsverfahrens (§ 308 Abs. 4, § 320 AO), 4. Berichtigung des Grundbuchs (vgl. Abschnitt 46 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1). Ersuchen der in Nr. 1 und 4 bezeichneten Art sind an das Grundbuchamt und Ersuchen der in Nr. 2 und 3 genannten Art sind an das AG als Vollstreckungsgericht zu richten. 3

Vollstreckung gegen Ehegatten, Nießbraucher, Erben, nichtrechtsflhige Personenvereinigungen 27. Vollstreckung gegen Ehegatten (1) FÅr die Vollstreckung gegen Ehegatten sind die Vorschriften der §§ 739, 740, 741, 743, 744a und 745 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden (§ 263 AO). (2) 1Zugunsten der Glsubiger eines Ehegatten wird vermutet, dass die im Besitz eines oder beider Ehegatten befindlichen beweglichen Sachen dem Schuldner gehÇren (§ 1362 BGB). 2Soweit die Eigentumsvermutung nach § 1362 des BÅrgerlichen Gesetzbuches reicht, gilt, unbeschadet der Rechte Dritter, fÅr die DurchfÅhrung der Vollstreckung nur der Schuldner als Gewahrsamsinhaber und Besitzer (§ 739 ZPO). 3Bei ausschließlich zum persÇnlichen Gebrauch eines Ehegatten bestimmten Sachen wird im Verhsltnis der Ehegatten zueinander und zu den Glsubigern vermutet, dass sie dem Ehegatten gehÇren, fÅr dessen Gebrauch sie bestimmt sind. 4 Leben die Ehegatten getrennt, so gilt die Eigentumsvermutung nicht hinsichtlich der Sachen, die sich im Besitz des Ehegatten befinden, der nicht Schuldner ist. 5In diesem Fall ist davon auszugehen, dass der Schuldner nur an den Sachen Gewahrsam hat, die sich in seiner tatsschlichen Gewalt befinden. (3) Die Vollstreckung gegen Ehegatten, die im GÅterstand der Zugewinngemeinschaft (gesetzlicher GÅterstand) oder in GÅtertrennung leben, findet nur in das VermÇgen des zur Leistung verpflichteten Ehegatten statt. (4) 1Leben die Ehegatten in GÅtergemeinschaft (§§ 1415 bis 1518 BGB) und verwaltet einer von ihnen das Gesamtgut allein, ist zur Vollstreckung in das Gesamtgut ein Leistungsgebot (Haftungsbescheid/Duldungsbescheid) gegen diesen Ehegatten erforderlich und genÅgend. 2Verwalten die Ehegatten das Gesamtgut gemeinschaftlich, ist die Vollstreckung in das Gesamtgut nur zulsssig, wenn gegen beide Ehegat-

777

Anhang ten ein Leistungsgebot vorliegt (§ 740 ZPO). 3Betreibt ein Ehegatte, der das Gesamtgut nicht oder nicht allein verwaltet, selbstsndig ein Erwerbsgeschsft, so genÅgt zur Vollstreckung in das Gesamtgut ein Leistungsgebot gegen diesen Ehegatten, es sei denn, dass bei Bekanntgabe des Leistungsgebots ein Einspruch gegen den Betrieb des Erwerbsgeschsfts oder ein Widerruf der Einwilligung des anderen Ehegatten zu dessen Betrieb im GÅterrechtsregister eingetragen war (§ 741 ZPO). (5) 1Nach Beendigung der GÅtergemeinschaft ist vor der Auseinandersetzung die Vollstreckung in das Gesamtgut nur zulsssig, wenn sich das Leistungsgebot gegen beide Ehegatten richtet oder der eine Ehegatte zur Leistung und der andere zur Duldung der Vollstreckung verpflichtet ist (§ 743 ZPO). 2Eine Duldungspflicht des anderen Ehegatten besteht in Ansehung des Gesamtgutes nur hinsichtlich einer Gesamtgutsverbindlichkeit (§ 1437 BGB). 3Wird eine Gesamtgutsverbindlichkeit in diesem Fall nicht vor der Auseinandersetzung berichtigt (§ 1475 BGB), so haftet der zuvor duldungspflichtige Ehegatte auch persÇnlich als Gesamtschuldner mit den zugeteilten Gegenstsnden (§ 1480 BGB). (6) 1FÅr Ehegatten, die bis zum Ablauf des 2.10.1990 im gesetzlichen GÅterstand der Eigentums- und VermÇgensgemeinschaft des Familiengesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik gelebt haben, gelten mit Wirkung vom 3.10.1990 die Bestimmungen des BÅrgerlichen Gesetzbuches Åber den gesetzlichen GÅterstand der Zugewinngemeinschaft. 2Dies gilt nicht, wenn die Ehegatten vor der zustsndigen Stelle in der vorgeschriebenen Form bis zum 2.10.1992 erklsrt haben, dass der bisherige gesetzliche GÅterstand weitergelten soll. 3Ist eine Erklsrung nach Satz 2 nicht abgegeben worden, gilt die widerlegbare Vermutung, dass das gemeinschaftliche Eigentum der Ehegatten Bruchteilseigentum zu gleichen Bruchteilen geworden ist, sofern sich nicht aus dem Grundbuch andere Bruchteile ergeben oder im GÅterrechtsregister des AG keine Eintragung Åber die Beibehaltung des alten GÅterstands erfolgt ist (Art. 234 §§ 4, 4a EGBGB). 4Leben die Ehegatten im GÅterstand der Eigentums- und VermÇgensgemeinschaft, sind fÅr die Vollstreckung in das Gesamtgut die Vorschriften der §§ 740 bis 744, 774 und 860 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden (§ 744a ZPO). (7) 1Im Falle der fortgesetzten GÅtergemeinschaft ist zur Vollstreckung in das Gesamtgut ein gegen den Åberlebenden Ehegatten ergangenes Leistungsgebot erforderlich und genÅgend (§ 745 Abs. 1 ZPO). 2Ein vor Eintritt der fortgesetzten GÅtergemeinschaft ergangenes Leistungsgebot ist zur Vollstreckung in das Gesamtgut nur dann hinreichend, wenn es gegen den Åberlebenden Ehegatten gerichtet war oder die Vollstreckung in das Gesamtgut bereits begonnen hatte. 3Andernfalls ist das Leistungsgebot dem Åberlebenden Ehegatten nochmals bekanntzugeben. (8) Nach Beendigung der fortgesetzten GÅtergemeinschaft gelten die Vorschriften des Abs. 5 mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Ehegatten, der das Gesamtgut allein verwaltet, der Åberlebende Ehegatte und an die Stelle des anderen Ehegatten die anteilsberechtigten AbkÇmmlinge treten (§ 745 Abs. 2 ZPO). 28. Vollstreckung in Nießbrauch an einem VermÇgen (1) FÅr die Vollstreckung in Gegenstsnde, die dem Nießbrauch an einem VermÇgen unterliegen, ist § 737 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden (§ 264 AO). (2) 1Aus Leistungsgeboten wegen Forderungen, die vor der Bestellung eines Nießbrauchs an einem VermÇgen (§ 1085 BGB) gegen den Besteller entstanden sind, kann in Gegenstsnde des dem Nießbrauch unterliegenden VermÇgens vollstreckt werden, wenn gegen den Nießbraucher ein vollstreckbares Leistungsgebot auf Dul-

778

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen dung der Vollstreckung ergangen ist (§ 737 Abs. 1 ZPO; § 1086 BGB). 2FÅr die Dauer des Nießbrauchs haftet der Nießbraucher persÇnlich neben dem Besteller gesamtschuldnerisch fÅr Zinsen solcher Forderungen gegen den Besteller, die vor Bestellung des Nießbrauchs an dem VermÇgen entstanden und verzinslich waren, sowie unter den gleichen Voraussetzungen fÅr diejenigen wiederkehrenden Leistungen, die bei ordnungsgemsßer Verwaltung aus den EinkÅnften des VermÇgens bestritten werden (§ 1088 BGB). 3Die Haftung nach Satz 2 ist durch Haftungsbescheid geltend zu machen (§§ 191, 219 AO). (3) Abs. 2 gilt bei dem Nießbrauch an einer Erbschaft fÅr die Nachlassverbindlichkeiten entsprechend (§ 737 Abs. 2 ZPO). 29. Vollstreckung in einen Nachlass und gegen Erben; Grundsatz FÅr die Vollstreckung gegen Erben sind die Vorschriften der §§ 1958, 1960 Abs. 3, § 1961 des BÅrgerlichen Gesetzbuches sowie der §§ 747, 748, 778, 779, 781 bis 784 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden (§ 265 AO). 2FÅr die Vollstreckung gegen einen Vermschtnisnehmer sind § 781 der Zivilprozessordnung und § 2187 des BÅrgerlichen Gesetzbuches entsprechend anzuwenden (§ 266 AO). 1

30. Vollstreckung in den Nachlass vor und nach Annahme der Erbschaft (1) Solange der Erbe die Erbschaft nicht angenommen hat, ist eine Vollstreckung wegen eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, nur in den Nachlass zulsssig (§ 778 Abs. 1 ZPO). (2) 1Eine Vollstreckung, die vor dem Tode des Schuldners bereits begonnen hatte, wird in seinen Nachlass fortgesetzt, ohne dass es eines weiteren Leistungsgebots oder dessen erneuter Bekanntgabe gegen den Erben, Nachlasspfleger oder shnliche Personen bedarf. 2Die Vollstreckung kann auf alle Gegenstsnde ausgedehnt werden, die zum Nachlass gehÇren. 3Ist bei einer Vollstreckungshandlung die Zuziehung des Schuldners nÇtig, so hat, wenn die Erbschaft noch nicht angenommen oder der Erbe unbekannt oder es ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat, die Vollstreckungsstelle bei dem AG, in dessen Bezirk die Vollstreckung ausgefÅhrt werden soll, die Bestellung eines einstweiligen besonderen Vertreters zu beantragen. 4Die Bestellung hat zu unterbleiben, wenn ein Nachlasspfleger bestellt ist oder wenn die Verwaltung des Nachlasses einem Testamentsvollstrecker zusteht (§ 779 ZPO). (3) 1Hat die Vollstreckung zu Lebzeiten des Schuldners noch nicht begonnen, ist sie in den Nachlass vor Annahme der Erbschaft nur zulsssig, wenn auf Antrag der VollstreckungsbehÇrde ein Nachlasspfleger bestellt (§ 1961 BGB) und diesem das Leistungsgebot, aus dem vollstreckt werden soll, bekanntgegeben worden ist. 2Die Bestellung eines Nachlasspflegers ist nicht erforderlich, wenn ein verwaltungsbefugter Testamentsvollstrecker vorhanden ist (§ 2213 BGB). 3Der Testamentsvollstrecker tritt insoweit an die Stelle eines Nachlasspflegers. Steht dem Testamentsvollstrecker keine Verwaltungsbefugnis oder eine solche nur hinsichtlich einzelner Nachlassgegenstsnde zu, so bedarf es vor Annahme der Erbschaft durch den Erben der Bestellung eines Nachlasspflegers, dem das Leistungsgebot bekanntzugeben ist; zur Vollstreckung in die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstsnde ist das Leistungsgebot auch ihm bekanntzugeben. (4) 1Zur Vollstreckung in einen Nachlass wegen einer Forderung, die vor dem Tode des Erblassers begrÅndet, jedoch diesem gegenÅber noch nicht geltend gemacht worden ist, bedarf es eines Leistungsgebots gegen den Nachlasspfleger oder den verwaltungsbefugten Testamentsvollstrecker, solange der Erbe die Erbschaft noch nicht angenommen hat. 2Die Bestellung eines Nachlasspflegers ist gegebenenfalls zu beantragen. 3Abs. 2 Satz 4 gilt entsprechend.

779

Anhang (5) 1Ist der Schuldner von mehreren Personen beerbt worden, ist zur Vollstreckung in den Nachlass ein gegen alle Erben ergangenes Leistungsgebot erforderlich (§ 747 ZPO). 2Im Åbrigen sind die Abs. 1 bis 4, 6 entsprechend anzuwenden. (6) 1Unterliegt ein Nachlass der Verwaltung eines Testamentsvollstreckers, so ist zur Vollstreckung in den Nachlass ein Leistungsgebot gegen den Testamentsvollstrecker auch dann erforderlich und genÅgend, wenn der Erbe die Erbschaft angenommen hat. 2Nach Annahme der Erbschaft durch den Erben ist zur Vollstreckung in den der Verwaltung eines Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlass ein auf Duldung gerichtetes Leistungsgebot gegen diesen genÅgend, wenn dem Erben das auf Zahlung gerichtete Leistungsgebot bekanntgegeben worden ist (§ 748 ZPO). (7) Wegen eigener Verbindlichkeiten des Erben ist eine Vollstreckung in den Nachlass vor Annahme der Erbschaft nicht zulsssig (§ 778 Abs. 2 ZPO). (8) 1Ein Leistungsgebot gegen den Erben wegen Steuerschulden des Erblassers ist vor Annahme der Erbschaft nicht zulsssig (§ 1958 BGB). 2In diesen Fsllen ist nach Abs. 3 zu verfahren (§§ 1960, 1961 BGB). 3Der Annahme der Erbschaft steht der Ablauf der Ausschlagungsfrist des § 1944 des BÅrgerlichen Gesetzbuches gleich. 31. Beschrlnkung der Haftung des Erben und des Vermlchtnisnehmers (1) 1Der Erbe kann auch nach Annahme der Erbschaft oder Ablauf der Ausschlagungsfrist die Haftung auf den Nachlass beschrsnken. 2Die Beschrsnkung der Erbenhaftung bleibt unberÅcksichtigt, bis auf Grund derselben von dem Erben Einwendungen gegen die Vollstreckung erhoben werden (§ 781 ZPO). 3Einwendungen dieser Art sind als Einspruch nach § 347 der Abgabenordnung zu behandeln und kÇnnen sein: 1. die Dreimonatseinrede nach § 2014 des BÅrgerlichen Gesetzbuches; danach ist der Erbe berechtigt, die Berichtigung einer Steuerschuld des Erblassers bis zum Ablauf der ersten drei Monate nach der Annahme der Erbschaft, jedoch nicht Åber die Errichtung des Inventars hinaus (Abs. 3 Nr. 1), zu verweigern, 2. die Aufgebotseinrede nach § 2015 des BÅrgerlichen Gesetzbuches; danach ist der Erbe berechtigt, die Berichtigung einer Steuerschuld des Erblassers bis zur Beendigung des Aufgebotsverfahrens zu verweigern, wenn er innerhalb eines Jahres nach Annahme der Erbschaft Antrag auf Erlass des Aufgebots der Nachlassglsubiger gestellt hat und der Antrag zugelassen ist, 3. die Beschrsnkung der Haftung fÅr Steuerschulden des Erblassers, wenn Nachlassverwaltung angeordnet oder Nachlassinsolvenzverfahren erÇffnet ist (§ 1975 BGB), 4. die Ausschließungseinrede nach § 1973 des BÅrgerlichen Gesetzbuches; danach kann der Erbe die Befriedigung eines im Aufgebotsverfahren ausgeschlossenen Steuerglsubigers verweigern, soweit der Nachlass durch die Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Glsubiger erschÇpft wird, 5. die Verschweigungseinrede nach § 1974 des BÅrgerlichen Gesetzbuches; danach kann der Erbe die Berichtigung einer Steuerschuld des Erblassers verweigern, wenn der Steuerglsubiger seine Forderung spster als fÅnf Jahre nach dem Erbfall dem Erben gegenÅber geltend macht, soweit der Nachlass durch die Befriedigung der Åbrigen Nachlassglsubiger erschÇpft wird, es sei denn, dass dem Erben die Forderung vor Ablauf der fÅnf Jahre bekanntgeworden oder diese im Aufgebotsverfahren angemeldet worden ist, 6. die ErschÇpfungseinrede nach § 1990 des BÅrgerlichen Gesetzbuches; danach kann der Erbe die Berichtigung einer Steuerschuld des Erblassers insoweit verweigern, als der Nachlass hierzu nicht ausreicht,

780

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen 7. die Auseinandersetzungseinrede nach § 2059 des BÅrgerlichen Gesetzbuches; danach kann bei mehreren Miterben jeder Erbe bis zur Teilung des Nachlasses die Berichtigung von Steuerschulden des Erblassers aus seinem persÇnlichen VermÇgen verweigern. Die Einreden des Erben nach Nr. 1 und 2 fÅhren dazu, dass die Vollstreckung innerhalb der genannten Fristen auf solche Maßnahmen beschrsnkt wird, die zur Vollziehung eines Arrests zulsssig sind (§ 782 ZPO). 5Die Einreden des Erben nach Nr. 3 schließen auch nach Beendigung der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens die Vollstreckung in das persÇnliche VermÇgen des Erben aus. Im Falle der Nr. 4 und 5 ist der Erbe weiterhin verpflichtet, einen xberschuss aus der Verwertung des Nachlasses nach den Vorschriften Åber die ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben. 6Pfandglsubiger und Glsubiger, die im Insolvenzverfahren Pfandglsubigern gleichstehen, sowie Glsubiger, fÅr die dingliche Rechte an unbeweglichen Nachlassgegenstsnden bestehen, werden hinsichtlich dieser Gegenstsnde in ihrem Befriedigungsrecht nicht berÅhrt. 7Unabhsngig von der rechtlichen Wirkung der Einreden des Erben bleibt die Vollstreckung in den Nachlass nach Abschnitt 30 zulsssig. 4

(2) 1Hinsichtlich der Nachlassgegenstsnde kann der Erbe die Beschrsnkung der Vollstreckung nach Abs. 1 Nr. 1 und 2 auch wegen seiner persÇnlichen Steuerschulden verlangen, es sei denn, er haftet fÅr die Nachlassverbindlichkeiten unbeschrsnkt (§ 783 ZPO). 2Soweit Nachlassverwaltung angeordnet oder ein Nachlassinsolvenzverfahren erÇffnet ist, kann der Erbe verlangen, dass Vollstreckungsmaßnahmen wegen Steuerschulden des Erblassers in sein nicht zum Nachlass gehÇrendes VermÇgen aufgehoben werden, es sei denn, dass er fÅr die Nachlassverbindlichkeiten unbeschrsnkt haftet (§ 784 ZPO). 3Die Rechte aus den Sstzen 1 und 2 kann der Erbe mit dem Einspruch nach § 347 der Abgabenordnung geltend machen. (3) 1Der Erbe haftet unbeschrsnkt mit dem Nachlass und seinem eigenen VermÇgen fÅr Steuerschulden des Erblassers, wenn er 1. die nach § 1994 des BÅrgerlichen Gesetzbuches auf Antrag des Glsubigers gesetzte Frist zur Inventarerrichtung verssumt hat, 2. Inventaruntreue i.S.d. § 2005 des BÅrgerlichen Gesetzbuches begangen hat, 3. auf die Beschrsnkung der Erbenhaftung gegenÅber den Nachlassglsubigern oder dem Verfahren betreibenden Glsubiger verzichtet hat. Die Vollstreckungsstelle hat gegebenenfalls auf die Errichtung eines Inventars hinzuwirken (§ 1994 BGB). 2

(4) Der Vermschtnisnehmer haftet bei geltend gemachter ErschÇpfungseinrede (§ 2187 Abs. 3, § 1992 BGB) nur mit dem Wert des vermachten Gegenstandes. Im Åbrigen gilt Abs. 1 Nr. 6 entsprechend. 32. weggefallen 33. Vollstreckung gegen eine nichtrechtsflhige Personenvereinigung (1) 1Zur Vollstreckung in das VermÇgen einer nichtrechtsfshigen Personenvereinigung, die als solche steuerpflichtig ist, ist ein Leistungsgebot gegen diese Personenvereinigung erforderlich. 2Das gleiche gilt fÅr ZweckvermÇgen und sonstige einer juristischen Person shnliche steuerpflichtige Gebilde (§ 267 AO). (2) Die Vollstreckung in das VermÇgen eines Gesellschafters oder eines Mitglieds einer Vereinigung i.S.d. Abs. 1 ist nur auf Grund eines gegen den einzelnen Gesell-

781

Anhang schafter oder das einzelne Mitglied gerichteten Haftungsbescheides und Leistungsgebotes mÇglich (§ 191 Abs. 1 und 4, § 249 Abs. 1 und § 254 Abs. 1 AO). Dritter Teil Vollstreckung in das bewegliche und unbewegliche VermÇgen Vollstreckung in Sachen 34. Vollstreckungsauftrag (1) Der Vollstreckungsauftrag ist schriftlich zu erteilen und dem Vollziehungsbeamten auszuhsndigen. (2) Der Vollstreckungsauftrag soll enthalten: 1. die Steuernummer oder Sollbuchnummer, unter der der RÅckstand zum Soll steht. Steht der RÅckstand bei einer anderen Kasse als der fÅr die Vollstreckungsstelle zustsndigen Kasse zum Soll, soll die andere Kasse in dem Vollstreckungsauftrag angegeben werden, 2. Familienname, Vornamen und Anschrift, gegebenenfalls auch Betriebsanschrift, des Vollstreckungsschuldners, 3. die Bezeichnung des beizutreibenden Geldbetrages und des Schuldgrundes, z.B. Steuerart, Entrichtungszeitraum (§ 260 AO), 4. die Angabe des Tages, bis zu dem die aufgefÅhrten Ssumniszuschlsge berechnet worden sind, 5. den Betrag der Kosten fÅr einen Postnachnahmeauftrag (§ 337 Abs. 2 Satz 2 AO), 6. den Betrag der Kosten der Vollstreckung, die vor Erteilung des Vollstreckungsauftrages entstanden sind, 7. die Feststellung, dass der Vollstreckungsschuldner die Leistung (Nr. 3) sowie die Kosten (Nr. 5, 6) schuldet, 8. die Bezeichnung der Vollstreckungsmaßnahmen, die getroffen werden sollen, z.B. die Pfsndung beweglicher Sachen; richtet sich die Vollstreckung gegen die in Abschnitt 3 Abs. 3 bezeichneten Personen oder ist die Vollstreckung gegenstsndlich zu beschrsnken, z.B. nach §§ 74, 75 der Abgabenordnung, ist auch das VermÇgen, in das vollstreckt werden soll, aufzufÅhren, 9. die Anweisung an den Vollziehungsbeamten, den Auftrag innerhalb einer bestimmten Frist auszufÅhren, 10. den Hinweis, dass der Vollziehungsbeamte befugt ist, die geschuldete Leistung anzunehmen und Åber den Empfang Quittung zu erteilen, 11. die Unterschrift eines zustsndigen Bediensteten der Vollstreckungsstelle; bei mit Hilfe automatischer Einrichtungen erstellten Vollstreckungsauftrsgen kann die Unterschrift fehlen. (3) Soweit die in Abs. 2 geforderten Angaben bereits in der RÅckstandsanzeige oder dem Vollstreckungsersuchen enthalten sind, kann in dem Vollstreckungsauftrag, wenn er damit fest verbunden wird, darauf Bezug genommen werden. (4) 1FÅr die in einer RÅckstandsanzeige zusammengefassten RÅckstsnde wird nur ein Vollstreckungsauftrag erteilt. 2Liegen fÅr einen Vollstreckungsschuldner mehrere RÅckstandsanzeigen vor, kann fÅr ssmtliche RÅckstsnde ein gemeinsamer Vollstreckungsauftrag erteilt werden. (5) 1Der Vollstreckungsauftrag soll dem Vollziehungsbeamten nicht vor Ablauf der in Abschnitt 22 Abs. 1 Nr. 1 genannten Frist ausgehsndigt werden. 2Der Vollstreckungsauftrag ist nicht anfechtbar (vgl. Abschnitt 22 Abs. 5 Satz 1).

782

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen 35. Vollstreckung in bewegliche Sachen Die Vollstreckung in bewegliche Sachen obliegt den Vollziehungsbeamten (§ 285 Abs. 1 AO). 2Das Verfahren regelt die allgemeine Verwaltungsvorschrift fÅr Vollziehungsbeamte der Finanzverwaltung. 3Die Vollstreckungsstelle bestimmt den Einsatz und Åberwacht die Tstigkeit der Vollziehungsbeamten. 4Die xberprÅfung hat sich auch darauf zu erstrecken, dass von den Vollziehungsbeamten die Vorschriften Åber Kosten, Pfsndungsverbote und -beschrsnkungen, Vorwegpfsndungen, Austauschpfsndungen, vorlsufige Austauschpfsndungen und Schstzung der Sachen (§ 295 AO, § 811 bis 812 und 813 Abs. 1 bis 3 ZPO) eingehalten werden und Niederschriften und andere Çffentliche Urkunden (§§ 415 bis 418 ZPO) in ihrer Beweiskraft nicht durch Msngel (vgl. § 419 ZPO) beeintrschtigt sind. 1

36. Verwertung gepflndeter Sachen (1) 1Gepfsndete Sachen und Sicherheiten (§ 327 AO) sind auf schriftliche Anordnung der Vollstreckungsstelle zu versteigern (§ 296 Abs. 1 AO). 2In der Versteigerungsanordnung ist eine Frist zu bestimmen, innerhalb welcher die Versteigerung auszufÅhren ist. 3Die gepfsndeten Sachen dÅrfen nicht vor Ablauf einer Woche seit dem Tag der Pfsndung versteigert werden, sofern sich nicht der Vollstreckungsschuldner mit einer frÅheren Versteigerung einverstanden erklsrt oder diese erforderlich ist, um die Gefahr einer betrschtlichen Wertverringerung abzuwenden oder unverhsltnismsßige Kosten lsngerer Aufbewahrung zu vermeiden (§ 298 Abs. 1 AO). (2) 1Die Versteigerung wird durch den Vollziehungsbeamten oder eine andere Person ausgefÅhrt. 2Ist die andere Person AngehÇriger der VollstreckungsbehÇrde, sind die Vorschriften der Abschnitte 51 bis 55 der Vollziehungsanweisung zu beachten. Wird nach Maßgabe des § 305 der Abgabenordnung eine andere Person mit der Versteigerung beauftragt, ist in der Versteigerungsanordnung zu bestimmen, dass der VersteigerungserlÇs an die Kasse der VollstreckungsbehÇrde abzuliefern ist. 37. Verwertung gepflndeter Wertpapiere (1) 1Gepfsndete Wertpapiere, die einen BÇrsen- oder Marktpreis haben, sind von der Vollstreckungsstelle unverzÅglich durch ein Kreditinstitut zum Tageskurs zu verkaufen. 2Wertpapiere ohne BÇrsen- oder Marktpreis sind nach Abschnitt 36 nach den allgemeinen Vorschriften zu versteigern, sofern keine besondere Verwertung (Abschnitt 39, § 305 AO) zweckmsßig ist. (2) Lautet ein gepfsndetes Wertpapier auf einen Namen, so ist die Vollstreckungsstelle berechtigt, die Umschreibung auf den Namen des Ksufers oder, wenn es sich um ein auf einen Namen umgeschriebenes Inhaberpapier handelt, die RÅckverwandlung in ein Inhaberpapier zu erwirken und die hierzu erforderlichen Erklsrungen an Stelle des Vollstreckungsschuldners abzugeben (§ 303 AO). (3) 1Sind Forderungen aus Wechseln und anderen Papieren, die durch Indossament Åbertragen werden kÇnnen, gepfsndet worden (§ 312 AO), ordnet die Vollstreckungsstelle die Einziehung der Forderung durch besondere VerfÅgung an (§ 314 AO). 2Die Bestimmungen der Abschnitte 41 bis 44 gelten entsprechend. 38. Verwertung von Kostbarkeiten Hat der Vollziehungsbeamte Kostbarkeiten gepfsndet, lssst die Vollstreckungsstelle die Pfandsachen nach ihrem Verkaufswert, Gold- und Silbersachen auch nach ihrem Metallwert, durch einen Sachverstsndigen schstzen (§ 295 Satz 1 AO i.V.m. § 813 Abs. 1 Satz 2 ZPO). 2In der Versteigerungsanordnung ist anzugeben, 1

783

Anhang wie hoch der Sachverstsndige den Verkaufswert, bei Gold- und Silbersachen auch den Metallwert, der Pfandsachen geschstzt hat. 3Der mit der Versteigerung Beauftragte darf Gold- oder Silbersachen nicht unter ihrem Metallwert zuschlagen (§ 300 Abs. 3 Satz 1 AO). 4Wird ein Gebot, das den Metallwert erreicht, nicht abgegeben, so lssst die Vollstreckungsstelle die Gold- oder Silbersachen aus freier Hand verkaufen. 5Der Verkaufspreis darf den Gold- oder Silberwert und die Hslfte des gewÇhnlichen Verkaufswerts nicht unterschreiten. 39. Besondere Verwertung Auf Antrag des Vollstreckungsschuldners oder aus besonderen ZweckmsßigkeitsgrÅnden kann die Vollstreckungsstelle anordnen, dass eine gepfsndete Sache in anderer Weise, als in den vorstehenden Abschnitten bestimmt ist, zu verwerten ist (§ 305 AO). 2Als andere Art der Verwertung kommt z.B. der freihsndige Verkauf einer Pfandsache in Betracht. 3Besondere ZweckmsßigkeitsgrÅnde fÅr eine abweichende Verwertung liegen in der Regel vor, wenn durch sie der Zweck der Verwertung, die Erzielung eines mÇglichst hohen ErlÇses – unter Vermeidung ungebÅhrlicher Nachteile fÅr den Vollstreckungsschuldner –, besser erreicht wird. 4xber einen Antrag des Vollstreckungsschuldners hat die Vollstreckungsstelle nach pflichtgemsßem Ermessen zu entscheiden. 5Liegt kein Antrag des Vollstreckungsschuldners vor, soll der Vollstreckungsschuldner vor Anordnung der besonderen Verwertung angehÇrt werden. 1

40. Aussetzung der Verwertung gepflndeter Sachen Die Vollstreckungsstelle kann die Verwertung gepfsndeter Sachen unter Anordnung von Zahlungsfristen zeitweilig aussetzen, wenn die alsbaldige Verwertung unbillig wsre (§ 297 AO). 2Neben dem Vorliegen von BilligkeitsgrÅnden ist weitere Voraussetzung fÅr eine Aussetzung der Verwertung, dass hinreichende Anhaltspunkte dafÅr vorliegen, dass der Vollstreckungsschuldner die in Aussicht genommenen Zahlungsfristen einhalten kann und will. 3Keine BilligkeitsgrÅnde liegen vor, wenn der Vollstreckungsschuldner nur die Verwertung hinauszÇgern will. 1

Vollstreckung in Forderungen und andere VermÇgensrechte 41. Pflndung und Einziehung einer Geldforderung (1) 1Soll eine Geldforderung, die dem Vollstreckungsschuldner gegen einen Dritten (Drittschuldner) zusteht, gepfsndet und eingezogen werden, hat die Vollstreckungsstelle die Pfsndung schriftlich zu verfÅgen und die Einziehung der gepfsndeten Forderung anzuordnen (§ 309 Abs. 1, § 314 Abs. 1 AO). 2Hierbei sind Beschrsnkungen und Verbote, die nach §§ 850 bis 852 der Zivilprozessordnung und anderen gesetzlichen Bestimmungen fÅr die Pfsndung von Forderungen und AnsprÅchen bestehen, zu beachten (§ 319 AO). (2) Die PfsndungsverfÅgung muss enthalten: 1. Familienname, Vornamen, Anschrift des Vollstreckungsschuldners, 2. den beizutreibenden Geldbetrag und den Schuldgrund, z.B. Steuerart, Entrichtungszeitraum (§ 260 AO), wobei es genÅgt, wenn diese Angaben aus einer der PfsndungsverfÅgung beigefÅgten Anlage hervorgehen; in der an den Drittschuldner zuzustellenden PfsndungsverfÅgung ist der beizutreibende Geldbetrag nur in einer Summe, ohne Angabe der Steuerarten und der Zeitrsume, fÅr die er geschuldet wird, anzugeben (§ 309 Abs. 2 Satz 2 AO), 3. die Kosten fÅr einen Postnachnahmeauftrag (§ 259 Satz 2, § 337 Abs. 2 Satz 2 AO), die Kosten fÅr bisher ergriffene Vollstreckungsmaßnahmen und die Kosten fÅr den Erlass der PfsndungsverfÅgung,

784

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen 4. die Feststellung, dass der Vollstreckungsschuldner die in Nr. 2, 3 bezeichneten Betrsge schuldet, 5. die Bezeichnung der Forderung, die dem Vollstreckungsschuldner gegen den Drittschuldner zusteht (Abs. 4), sowie den Ausspruch, dass wegen der in Nr. 2, 3 bezeichneten Betrsge die Forderung gepfsndet wird, 6. das an den Drittschuldner zu richtende Verbot, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen, sowie das an den Vollstreckungsschuldner zu richtende Gebot, sich jeder VerfÅgung Åber die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten, 7. die Unterschrift eines zustsndigen Bediensteten der Vollstreckungsstelle. (3) Die PfsndungsverfÅgung soll ferner die Aufforderung an den Drittschuldner enthalten, binnen zwei Wochen, von der Zustellung der PfsndungsverfÅgung an gerechnet, zu erklsren: 1. ob und inwieweit er die Forderung als begrÅndet anerkenne und bereit sei zu zahlen, 2. ob und welche AnsprÅche andere Personen an die Forderung erheben, 3. ob und wegen welcher AnsprÅche die Forderung bereits fÅr andere Glsubiger gepfsndet sei. (4) 1In der PfsndungsverfÅgung ist die Forderung, die gepfsndet wird (Abs. 2 Nr. 5), so eindeutig zu bezeichnen, dass kein Zweifel am Gegenstand der Pfsndung mÇglich ist. 2Dazu gehÇrt die Angabe des Drittschuldners und des Schuldgrundes, z.B. Lohn, Darlehen, Mietzins, Pachtzins, Kaufpreis, Sparkasseneinlage. 3Bei Pfsndung einer Forderung, fÅr die eine Hypothek besteht, sind, soweit nicht nach § 310 Abs. 3 der Abgabenordnung zu verfahren ist, außer den Angaben, die zur Bezeichnung der Forderung dienen, eine Angabe Åber die Art der Hypothek, z.B. Briefhypothek oder Buchhypothek, und die Bezeichnung des belasteten GrundstÅcks in die PfsndungsverfÅgung aufzunehmen. (5) 1Die Anordnung der Einziehung (EinziehungsverfÅgung) soll regelmsßig mit der PfsndungsverfÅgung verbunden werden. 2Sie soll die Aufforderung an den Drittschuldner enthalten, in HÇhe der Pfsndung den von ihm geschuldeten Betrag bei Eintritt der Fslligkeit an die zustsndige Kasse zu zahlen. (6) 1Eine Zahlungsaufforderung an den Drittschuldner (Abs. 5 Satz 2) ist in die EinziehungsverfÅgung nicht aufzunehmen, wenn der Drittschuldner nur gegen Aushsndigung oder Vorlegung einer Åber die Forderung ausgestellten Urkunde, z.B. eines Sparkassenbuchs, zur Zahlung verpflichtet ist und die Urkunde dem Drittschuldner nicht zusammen mit der EinziehungsverfÅgung ausgehsndigt werden kann. 2In diesem Fall muss die Vollstreckungsstelle zunschst die EinziehungsverfÅgung dem Drittschuldner zustellen und dies dem Vollstreckungsschuldner mitteilen, sich die Urkunde verschaffen (§ 315 Abs. 2 AO) und nach Eintritt der Fslligkeit gegen Aushsndigung oder unter Vorlage der Urkunde die gepfsndete Forderung bei dem Drittschuldner einziehen. (7) 1Die PfsndungsverfÅgung und die EinziehungsverfÅgung sind dem Drittschuldner in der Regel durch die Post mit Zustellungsurkunde zuzustellen. 2Richtet sich die gepfsndete Forderung gegen mehrere Drittschuldner, z.B. gegen Miterben, ist die Zustellung an jeden erforderlich. (8) Nach Zustellung der PfsndungsverfÅgung und EinziehungsverfÅgung an den Drittschuldner hat die Vollstreckungsstelle dem Vollstreckungsschuldner eine Abschrift der PfsndungsverfÅgung und EinziehungsverfÅgung zu Åbersenden und mitzuteilen, an welchem Tag die Zustellung an den Drittschuldner erfolgt ist.

785

Anhang 42. Pflndung und Einziehung eines Herausgabeanspruchs und anderer VermÇgensrechte (1) 1FÅr die Pfsndung von AnsprÅchen auf Herausgabe oder Leistung von Sachen, z.B. beweglichen Sachen, Liegenschaften, Schiffen, Luftfahrzeugen, die dem Vollstreckungsschuldner gegen einen Dritten – Drittschuldner – zustehen, gelten die Bestimmungen des Abschnitts 41 entsprechend. 2In der EinziehungsverfÅgung ordnet die Vollstreckungsstelle an, dass der Drittschuldner nach Eintritt der Fslligkeit 1. bewegliche Sachen an einen in der EinziehungsverfÅgung zu bezeichnenden Vollziehungsbeamten, 2. unbewegliche Sachen an einen vom AG als Vollstreckungsgericht zu bestellenden Treuhsnder herauszugeben hat (§ 318 Abs. 2 bis 4 AO). (2) Die Vollstreckungsstelle hat 1. in den Fsllen des Abs. 1 Nr. 1 den Vollziehungsbeamten mit der Entgegennahme der Sache zu beauftragen (Abschnitt 24 Nr. 4), 2. in den Fsllen des Abs. 1 Nr. 2 bei dem zustsndigen AG als Vollstreckungsgericht die Bestellung eines Treuhsnders zu beantragen. Dem Antrag ist eine Ausfertigung der PfsndungsverfÅgung und EinziehungsverfÅgung beizufÅgen. Den Beschluss, durch den das AG als Vollstreckungsgericht den Treuhsnder bestellt, lssst die Vollstreckungsstelle dem Drittschuldner und dem Vollstreckungsschuldner zustellen; dies kann zusammen mit der Zustellung der PfsndungsverfÅgung und EinziehungsverfÅgung geschehen. (3) Die Pfsndung in andere VermÇgensrechte, die nicht Gegenstand der Vollstreckung in das unbewegliche VermÇgen sind, z.B. Anteilsrechte an einer OHG, KG, GmbH, Urheberrechte, Patentrechte, richtet sich nach § 321 der Abgabenordnung. 43. Pflndung einer durch Hypothek gesicherten Forderung (1) 1Wird eine Forderung gepfsndet, fÅr die eine Buchhypothek (§ 1116 Abs. 2, § 1185 Abs. 1 BGB) besteht, ersucht die VollstreckungsbehÇrde, soweit nicht § 1159 oder § 1187 des BÅrgerlichen Gesetzbuches anzuwenden ist (vgl. § 310 Abs. 3 AO), das Grundbuchamt, die Pfsndung in das Grundbuch einzutragen. 2Dem Ersuchen ist eine Ausfertigung der PfsndungsverfÅgung beizufÅgen (§§ 29, 30 GBO). (2) 1Wird eine Forderung gepfsndet, fÅr die eine Briefhypothek (§ 1116 Abs. 1 BGB) besteht, stellt die VollstreckungsbehÇrde, soweit nicht § 1159 des BÅrgerlichen Gesetzbuches anzuwenden ist (vgl. § 310 Abs. 3 AO), dem Vollstreckungsschuldner die PfsndungsverfÅgung mit der Aufforderung zu, den Hypothekenbrief unverzÅglich an die VollstreckungsbehÇrde herauszugeben. 2Wird mit der Zustellung ein Vollziehungsbeamter beauftragt, kann ihm gleichzeitig der Auftrag auf Wegnahme des Hypothekenbriefes erteilt werden (§ 310 Abs. 1 Satz 2, § 315 Abs. 2 Satz 2 AO). (3) 1Wird die PfsndungsverfÅgung und EinziehungsverfÅgung vor der xbergabe des Hypothekenbriefes oder der Eintragung der Pfsndung in das Grundbuch dem Drittschuldner zugestellt, so gilt die Pfsndung diesem gegenÅber mit der Zustellung als bewirkt (§ 310 Abs. 2 AO). 2In einer mit der PfsndungsverfÅgung verbundenen EinziehungsverfÅgung ist darauf hinzuweisen, dass die EinziehungsverfÅgung erst mit der Eintragung der Pfsndung im Grundbuch oder der xbergabe des Hypothekenbriefes an die VollstreckungsbehÇrde wirksam wird. 3Der Hinweis nach Satz 2 ist nicht erforderlich, wenn der Hypothekenbrief bereits vom Vollziehungsbeamten im Wege der Hilfspfsndung in Besitz genommen worden ist. 4Sobald die Einzie-

786

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen hungsverfÅgung wirksam geworden ist, hat die Vollstreckungsstelle den Drittschuldner hierÅber unverzÅglich zu unterrichten. 44. Weiteres Verfahren bei der Pflndung von Forderungen (1) Hsngt die Fslligkeit der vom Drittschuldner geschuldeten Leistung von einer KÅndigung ab, ist die VollstreckungsbehÇrde auf Grund der EinziehungsverfÅgung (§ 315 Abs. 1 AO) berechtigt, das dem Vollstreckungsschuldner zustehende KÅndigungsrecht auszuÅben. (2) 1Die Vollstreckungsstelle hat den Eingang der Drittschuldnererklsrung zu Åberwachen. 2Sie kann ein Zwangsgeld festsetzen, wenn die Erklsrung nicht abgegeben wird (§ 316 Abs. 2 Satz 3 AO). (3) 1Leistet der Drittschuldner nicht oder erhebt er unbegrÅndete Einwendungen, soll die VollstreckungsbehÇrde unverzÅglich gegen ihn vorgehen (§ 316 Abs. 3 AO, § 842 ZPO). 2Klagt die VollstreckungsbehÇrde gegen den Drittschuldner, ist dem Vollstreckungsschuldner der Streit zu verkÅnden (§ 316 Abs. 3 AO, § 841 ZPO). 3Erscheint es nicht angebracht, gegen den Drittschuldner vorzugehen, ist die Pfsndung insoweit aufzuheben. 4Die Aufhebung ist dem Drittschuldner und dem Vollstreckungsschuldner mitzuteilen. (4) 1Die Vollstreckungsstelle soll dem Vollstreckungsschuldner eine Bescheinigung erteilen, dass seine RÅckstsnde in HÇhe der vom Drittschuldner geleisteten Zahlungen getilgt worden sind. 2Urkunden Åber die gepfsndete Forderung sind, soweit sie nicht dem Drittschuldner auszuhsndigen sind, dem Vollstreckungsschuldner zurÅckzugeben, sobald die Pfsndung erledigt oder aufgehoben ist. 3Dies gilt auch fÅr Gegenstsnde, die zur Sicherung der dem Vollstreckungsschuldner gegen den Drittschuldner zustehenden Forderung dienen. 4Ist die Pfsndung einer Forderung, fÅr die eine Hypothek besteht, in das Grundbuch eingetragen worden, bleibt nach Erledigung oder Aufhebung der Pfsndung die Berichtigung des Grundbuchs dem Vollstreckungsschuldner Åberlassen. 5Dem Vollstreckungsschuldner ist eine Bescheinigung in grundbuchmsßiger Form (§ 29 GBO) zu erteilen. Vollstreckung in das unbewegliche VermÇgen 45. Gegenstand und Voraussetzung der Vollstreckung in das unbewegliche VermÇgen (1) 1Der Vollstreckung in das unbewegliche VermÇgen unterliegen außer den GrundstÅcken die Berechtigungen, fÅr welche die sich auf GrundstÅcke beziehenden Vorschriften gelten (sog. grundstÅckgleiche Rechte, wie z.B. Erbbaurechte, Kohlenabbaugerechtigkeiten), die im Schiffsregister eingetragenen Schiffe, die Schiffsbauwerke und Schwimmdocks, die im Schiffsbauregister eingetragen sind oder in dieses Register eingetragen werden kÇnnen, sowie die Luftfahrzeuge, die in der Luftfahrzeugrolle eingetragen sind oder nach LÇschung in der Luftfahrzeugrolle noch in dem Register fÅr Pfandrechte an Luftfahrzeugen eingetragen sind (§ 322 Abs. 1 AO). 2Wegen der anzuwendenden Vorschriften wird auf § 322 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 der Abgabenordnung verwiesen. (2) Soll in das unbewegliche VermÇgen vollstreckt werden, hat die Vollstreckungsstelle zu entscheiden, ob die Eintragung einer Sicherungshypothek, Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung oder mehrere dieser Vollstreckungsmaßnahmen nebeneinander beantragt werden sollen. (3) 1Die Eintragung einer Sicherungshypothek darf nur beantragt werden, wenn der rÅckstsndige Betrag siebenhundertfÅnfzig Euro Åbersteigt; Zinsen (Abschnitt 1

787

Anhang Abs. 2 Nr. 2) bleiben dabei unberÅcksichtigt, soweit sie als Nebenforderungen geltend gemacht sind. 2Verschiedene Forderungen der VollstreckungsbehÇrde werden bei der Berechnung der Wertgrenze zusammengerechnet (§ 866 Abs. 3 ZPO). (4) Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung soll nur beantragt werden, wenn festgestellt ist, dass der Geldbetrag durch Vollstreckung in das bewegliche VermÇgen nicht beigetrieben werden kann (§ 322 Abs. 4 AO), oder wenn die Vollstreckung in das bewegliche VermÇgen die Belange des Vollstreckungsschuldners in nicht vertretbarer Weise beeintrschtigen wÅrde. 46. Verfahren (1) 1Die Eintragung einer Sicherungshypothek, die Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwaltung eines GrundstÅcks kann beantragt werden, wenn der Vollstreckungsschuldner im Grundbuch als EigentÅmer eingetragen ist (§ 39 Abs. 1 GBO; § 17 Abs. 1, § 146 Abs. 1 ZVG). 2Wegen eines Anspruchs aus einem im Grundbuch eingetragenen Rechte kann die Zwangsverwaltung eines dem Vollstreckungsschuldner gehÇrigen GrundstÅcks auch dann beantragt werden, wenn der Vollstreckungsschuldner zwar nicht als EigentÅmer im Grundbuch eingetragen ist, aber das GrundstÅck im Eigenbesitz hat (§ 147 Abs. 1 ZVG). (2) 1Ist ein GrundstÅck, dessen EigentÅmer der Vollstreckungsschuldner ist, im Grundbuch nicht auf seinen Namen eingetragen, kann die Eintragung einer Sicherungshypothek, die Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwaltung unbeschadet Abschnitt 48 erst beantragt werden, nachdem seine Eintragung als EigentÅmer des GrundstÅcks erfolgt ist. 2Die Vollstreckungsstelle kann die Berichtigung des Grundbuchs beantragen, wenn sie seine Unrichtigkeit durch Çffentliche Urkunden (§ 415 ZPO) nachweisen kann (§§ 14, 22 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO; vgl. § 792 ZPO). 3Kann die Vollstreckungsstelle diesen Nachweis nicht fÅhren, kann sie den Anspruch auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs, der dem Vollstreckungsschuldner gegen den im Grundbuch Eingetragenen zusteht, pfsnden (§ 894 BGB; § 321 Abs. 1, 3 AO). (3) 1Bei gemeinschaftlichem Eigentum von Ehegatten ist die Berichtigung des Grundbuchs zu beantragen, wenn die Ehegatten keine Erklsrung nach Art. 234 § 4 Abs. 2 Satz 1 des EinfÅhrungsgesetzes zum BÅrgerlichen Gesetzbuch abgegeben haben und gemeinschaftliches Eigentum zu Eigentum zu gleichen Bruchteilen geworden ist (§ 14 GBBerG, § 14 GBO). 2Der fÅr die Berichtigung des Grundbuchs erforderliche Nachweis, dass eine Erklsrung nach Art. 234 § 4 Abs. 2 und 3 des EinfÅhrungsgesetzes zum BÅrgerlichen Gesetzbuch nicht abgegeben wurde, kann durch Berufung auf die Vermutung nach Art. 234 § 4a Abs. 3 des EinfÅhrungsgesetzes zum BÅrgerlichen Gesetzbuch, durch Åbereinstimmende Erklsrung beider Ehegatten oder bei dem Ableben eines von ihnen durch Versicherung des Åberlebenden Ehegatten erbracht werden. 3Beim Ableben beider Ehegatten genÅgt eine entsprechende Versicherung der Erben. 4Die Erklsrung, die Versicherung und der Antrag bedÅrfen nicht der in § 29 Grundbuchordnung vorgesehenen Form. (4) 1Der Antrag, der auf Eintragung einer Sicherungshypothek gerichtet ist, muss das zu belastende GrundstÅck Åbereinstimmend mit dem Grundbuch oder durch Hinweis auf das Grundbuchblatt bezeichnen (§ 28 Satz 1 GBO). 2Sollen mehrere GrundstÅcke des Vollstreckungsschuldners mit der Sicherungshypothek belastet werden, hat die Vollstreckungsstelle in dem Antrag zu bestimmen, wie der Geldbetrag auf die einzelnen GrundstÅcke verteilt werden soll (§ 867 Abs. 2 Satz 1 ZPO); die Mindestsumme von siebenhundertfÅnfzig Euro (§ 866 Abs. 3 Satz 1 ZPO) muss auch fÅr die entsprechenden Teile jeweils eingehalten werden.

788

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen (5) 1In dem Antrag auf Zwangsversteigerung oder auf Zwangsverwaltung eines GrundstÅcks ist das GrundstÅck, in das vollstreckt werden soll, zu bezeichnen (§ 16 Abs. 1, § 146 Abs. 1 ZVG). 2Dem Antrag ist eine Bescheinigung des Grundbuchamtes darÅber beizufÅgen, wer als EigentÅmer des GrundstÅcks im Grundbuch eingetragen ist. 3GehÇren Vollstreckungsgericht und Grundbuchamt demselben AG an, kann die Beibringung durch Bezugnahme auf das Grundbuch ersetzt werden (§ 17 Abs. 2 Satz 2, § 146 Abs. 1 ZVG). (6) 1In dem Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek, auf Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung ist zu beststigen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen fÅr die Vollstreckung vorliegen (§ 322 Abs. 3 Satz 2 AO). 2Der Antrag ist dem Vollstreckungsgericht oder Grundbuchamt – in der Regel gegen Empfangsbekenntnis – zuzustellen. 3Nach der Zustellung hat die Vollstreckungsstelle dem Vollstreckungsschuldner eine Durchschrift des Antrags zu Åbersenden. 47. Verfahren in Erbflllen (1) 1Wird bei Vollstreckung gegen einen Erben die Eintragung einer Sicherungshypothek auf ein GrundstÅck beantragt, das im Grundbuch noch auf den Namen des Erblassers eingetragen ist, ist zum Zwecke der vorherigen Umschreibung die Erbfolge durch Çffentliche Urkunden nachzuweisen (§ 29 Abs. 1, § 35 GBO). 2Soweit die nach Satz 1 erforderlichen Urkunden bei den Akten des Grundbuchamts sind, soll die Vollstreckungsstelle in dem Antrag auf die Urkunden Bezug nehmen. 3Befinden sich die Urkunden bei den Akten eines anderen Grundbuchamts, hat die Vollstreckungsstelle die Urkunden zu beschaffen (vgl. § 792 ZPO) und sie mit dem Antrag dem Grundbuchamt vorzulegen. 4Abweichend von Satz 1 kann die Eintragung einer Sicherungshypothek fÅr RÅckstsnde des Erblassers, fÅr die der Vollstreckungsschuldner als Gesamtrechtsnachfolger in Anspruch genommen wird, auch ohne vorherige Umschreibung beantragt werden, wenn dem Erblasser bereits das Leistungsgebot bekanntgegeben worden war (vgl. § 40 Abs. 1 GBO). (2) 1Die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung eines ererbten GrundstÅcks kann auch dann beantragt werden, wenn anstelle des Vollstreckungsschuldners noch der Erblasser als EigentÅmer eingetragen ist (§ 17 Abs. 1, § 146 Abs. 1 ZVG). 2 Es genÅgt, wenn die Erbfolge durch Urkunden glaubhaft gemacht wird, sofern sie nicht bei dem AG als Vollstreckungsgericht offenkundig ist (§ 17 Abs. 3 ZVG). (3) 1Richtet sich die Vollstreckung gegen einen Nachlasspfleger oder Nachlassverwalter, kann die Eintragung einer Sicherungshypothek, die Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwaltung auch in ein zum Nachlass gehÇriges GrundstÅck beantragt werden, das im Grundbuch noch auf den Namen des Erblassers eingetragen ist, selbst wenn gegen den Erblasser kein Leistungsgebot ergangen war. 2Entsprechendes gilt, wenn gegen einen Testamentsvollstrecker in ein GrundstÅck vollstreckt werden soll, das seiner Verwaltung unterliegt (§ 40 GBO; § 17 Abs. 1, § 146 Abs. 1 ZVG). 3Die Erbfolge und die Bestellung zum Nachlasspfleger oder Nachlassverwalter bzw. die Befugnis des Testamentsvollstreckers, Åber das GrundstÅck zu verfÅgen, sind bei Eintragung einer Sicherungshypothek entsprechend Abs. 1 Sstze 1 bis 3 und bei Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung entsprechend Abs. 2 Satz 2 darzulegen. 48. Verfahren bei nachfolgendem Eigentumswechsel Ist nach Eintragung einer Sicherungshypothek, einer Schiffshypothek oder eines Registerpfandrechts an einem Luftfahrzeug ein Eigentumswechsel eingetreten, hat die Vollstreckungsstelle gegen den Rechtsnachfolger einen Duldungsbescheid zu erlassen (Abschnitte 3 Abs. 3, 19 Abs. 1), bevor sie die Zwangsversteigerung oder 1

789

Anhang die Zwangsverwaltung aus diesem Recht beantragt (§ 323 AO). 2Ein Duldungsbescheid ist in den Fsllen des Abschnitts 30 Abs. 2 Satz 1 nicht erforderlich. 49. Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Grundbuchamts und des Vollstreckungsgerichts (1) 1Lehnt das Grundbuchamt einen Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek ab, so steht der VollstreckungsbehÇrde gegen die Entscheidung die Beschwerde zu (§§ 71 bis 81 GBO). 2Die Beschwerde kann durch Beschwerdeschrift beim Grundbuchamt oder beim Beschwerdegericht (LG) eingelegt werden (§ 73 GBO). 3 Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist die weitere Beschwerde gegeben, wenn die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 78 GBO). 4 Die weitere Beschwerde kann beim Grundbuchamt, LG oder OLG eingelegt werden (§ 80 GBO). 5Beschwerde und weitere Beschwerde sind unbefristet. (2) 1Gegen Entscheidungen des AG als Vollstreckungsgericht Åber einen Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung oder der Zwangsverwaltung oder auf Zulassung des Beitritts zu einem Zwangsversteigerungs- oder Zwangsverwaltungsverfahren steht der VollstreckungsbehÇrde der Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde zu. 2Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen; die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung, spstestens mit Ablauf von fÅnf Monaten nach der VerkÅndung des Beschlusses (§ 96 ZVG, § 569 ZPO). 3Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts Åber die sofortige Beschwerde ist die Rechtsbeschwerde gegeben, wenn sie im Beschluss zugelassen ist (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). 4Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses Åber die sofortige Beschwerde bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen (§ 575 ZPO). 50. Behandlung Çffentlicher Lasten bei der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung (1) 1AnsprÅche auf Entrichtung Çffentlicher Lasten eines GrundstÅcks gewshren im Zwangsversteigerungsverfahren ein Recht auf Befriedigung aus dem GrundstÅck (§ 10 Abs. 1 Nr. 3, 7 ZVG). 2Im Zwangsverwaltungsverfahren werden laufende Betrsge Çffentlicher Lasten ohne weiteres Verfahren aus den xberschÅssen gezahlt (§ 155 Abs. 2, § 156 Abs. 1 ZVG). 3Zu den Çffentlichen Lasten des GrundstÅcks gehÇrt eine Steuer dann, wenn das Bestehen und der Umfang der Steuerpflicht von dem Vorhandensein und von den Eigenschaften des GrundstÅcks abhsngt, z.B. die Grundsteuer und Hypothekengewinnabgabe. 4Steuern, die an die persÇnlichen Verhsltnisse des Steuerpflichtigen anknÅpfen, sind auch insoweit keine Çffentlichen Lasten des GrundstÅcks, als sie den Wert des GrundstÅcks oder das Einkommen aus dem GrundstÅck erfassen, z.B. Einkommensteuer, KÇrperschaftsteuer, VermÇgensteuer. (2) 1Die in Abs. 1 Satz 1 bezeichneten AnsprÅche werden – soweit sie nicht aus dem Grundbuch ersichtlich sind – bei der Verteilung des VersteigerungserlÇses nur dann berÅcksichtigt, wenn sie spstestens in dem Termin, den das AG als Vollstreckungsgericht zur Verteilung des VersteigerungserlÇses anberaumt hat, bei diesem angemeldet worden sind (§ 114 ZVG). 2Zwecks Rangwahrung sind die AnsprÅche spstestens bis zum Versteigungstermin anzumelden (§ 37 Nr. 4, § 110 ZVG). (3) 1Verwaltet die FinanzbehÇrde Abgaben, die unter die Bestimmung des Abs. 1 Satz 1 fallen, hat die Vollstreckungsstelle, sobald sie von der Anordnung der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung Kenntnis erlangt, bei der Kasse und der Veranlagungs- oder Festsetzungsstelle festzustellen, inwieweit rÅckstsndige

790

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen oder laufende AnsprÅche beim AG als Vollstreckungsgericht anzumelden sind. 2 Die Anmeldung hat schriftlich zu erfolgen. 3Sie soll die in Abschnitt 34 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 und 11 erster Halbsatz genannten Angaben sowie die Bezeichnung des GrundstÅcks enthalten. 4Soweit nicht nur laufende, sondern auch rÅckstsndige Betrsge angemeldet werden, sollen die Zeitpunkte, an denen die Betrsge fsllig geworden sind, in der Anmeldung angegeben werden. 51. Versteigerungstermin (1) 1Die VollstreckungsbehÇrde soll in dem Versteigerungstermin vertreten sein. 2 Wird das Mindestgebot nicht erreicht, so soll sie unter den Voraussetzungen des § 74a des Gesetzes Åber die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung die Versagung des Zuschlags beantragen, soweit der Zuschlag nicht bereits nach § 85a dieses Gesetzes zu versagen ist. (2) 1In geeigneten Fsllen kann die VollstreckungsbehÇrde mit vorheriger Zustimmung der vorgesetzten FinanzbehÇrde im Versteigerungstermin auch als Mitbietender auftreten. 2Die obersten FinanzbehÇrden des Bundes oder der Lsnder kÇnnen das Verfahren im einzelnen in eigener Zustsndigkeit und auch abweichend von Satz 1 regeln. Eidesstattliche Versicherung 52. Eidesstattliche Versicherung (1) 1Die VollstreckungsbehÇrde kann vom Vollstreckungsschuldner die Vorlage eines VermÇgensverzeichnisses verlangen und ihn zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (§ 284 AO) vorladen, wenn 1. die Vollstreckung in das bewegliche VermÇgen nicht zur vollstsndigen Befriedigung gefÅhrt hat, 2. anzunehmen ist, dass durch die Vollstreckung in das bewegliche VermÇgen eine vollstsndige Befriedigung nicht zu erlangen sein wird, 3. der Vollstreckungsschuldner die Durchsuchung (§ 287 AO) verweigert hat oder 4. der Vollziehungsbeamte den Vollstreckungsschuldner wiederholt in seinen Wohn- und Geschsftsrsumen nicht angetroffen hat, nachdem er einmal die Vollstreckung mindestens zwei Wochen vorher angekÅndigt hatte; dies gilt nicht, wenn der Vollstreckungsschuldner seine Abwesenheit genÅgend entschuldigt und den Grund glaubhaft macht. Die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist dem Vollstreckungsschuldner selbst zuzustellen. 3Der Termin fÅr die Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist auf einen Zeitpunkt nach Bestandskraft der LadungsverfÅgung festzusetzen. 2

(2) Von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung soll Abstand genommen werden, wenn nach xberzeugung der Vollstreckungsstelle feststeht, dass das vom Vollstreckungsschuldner vorgelegte VermÇgensverzeichnis vollstsndig und wahrheitsgemsß ist. (3) 1Die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung ist unzulsssig, 1. wenn die letzte Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch den Vollstreckungsschuldner im Schuldnerverzeichnis noch nicht gelÇscht ist und weniger als drei Jahre zurÅckliegt, es sei denn, es ist anzunehmen, dass er spster VermÇgen erworben hat oder dass ein bisher mit ihm bestehendes Arbeitsverhsltnis aufgelÇst worden ist (§ 284 Abs. 4 AO),

791

Anhang 2. solange Åber einen gegen die Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung eingelegten Rechtsbehelf nicht unanfechtbar entschieden ist, es sei denn, dass in gleicher Sache frÅhere Einwendungen derselben Art bereits unanfechtbar zurÅckgewiesen worden sind; der Rechtsbehelf entfaltet nur dann aufschiebende Wirkung, wenn er begrÅndet worden ist (§ 284 Abs. 6 Sstze 2 und 3 AO). Die Vollstreckungsstelle hat von Amts wegen festzustellen, ob im Schuldnerverzeichnis (Abs. 7) eine Eintragung darÅber besteht, dass der Vollstreckungsschuldner innerhalb der letzten drei Jahre eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. 2

(4) Die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung darf nicht erzwungen werden, wenn der Vollstreckungsschuldner nicht bereit ist, die eidesstattliche Versicherung vor einer anderen als der fÅr seinen Wohnsitz Çrtlich zustsndigen VollstreckungsbehÇrde abzugeben. In diesem Falle hat die VollstreckungsbehÇrde die Çrtlich zustsndige VollstreckungsbehÇrde um Abnahme der eidesstattlichen Versicherung zu ersuchen. (5) 1Verweigert der Vollstreckungsschuldner ohne Grund die Vorlage des VermÇgensverzeichnisses oder die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung oder erscheint er ohne ausreichende Entschuldigung nicht zu dem anberaumten Termin vor der zustsndigen VollstreckungsbehÇrde (§ 284 Abs. 5 Satz 1 AO), kann die VollstreckungsbehÇrde, die die Vollstreckung betreibt, das AG, in dessen Bezirk der Vollstreckungsschuldner seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthaltsort hat (§ 899 Abs. 1 ZPO), um Anordnung der Erzwingungshaft ersuchen (§ 284 Abs. 8 AO). 2Im Åbrigen ist das Ersuchen unter den gleichen Voraussetzungen zulsssig wie die Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. 3In dem Ersuchen ist zu beststigen, dass der Vollstreckungsschuldner zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet ist und die Voraussetzungen zur Anordnung der Haft vorliegen. 4Dem Ersuchen sind beizufÅgen: 1. eine beglaubigte Abschrift der Anordnung Åber die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, 2. eine Zweitschrift des Ersuchens. Das Ersuchen ist dem AG zuzustellen, in der Regel gegen Empfangsbekenntnis. Gleichzeitig ist dem Vollstreckungsschuldner eine Durchschrift des Ersuchens zu Åbersenden. 6Lehnt das AG das Ersuchen der VollstreckungsbehÇrde um Anordnung der Haft ab, ist gegen die Entscheidung die sofortige Beschwerde nach § 567 bis 573 ZPO gegeben (§ 284 Abs. 9 AO); gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts Åber die sofortige Beschwerde ist die Rechtsbeschwerde gegeben, wenn sie im Beschluss zugelassen ist (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). 7Die Vorschriften der §§ 901, 902, 904 bis 906, 909 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, §§ 910 und 913 bis 915h der Zivilprozessordnung sind sinngemsß anzuwenden. 8FÅr die Verhaftung des Vollstreckungsschuldners auf Grund der Haftanordnung des AG ist der Gerichtsvollzieher zustsndig. 9Die VollstreckungsbehÇrde hat dem Gerichtsvollzieher den geschuldeten Betrag sowie den Schuldgrund mitzuteilen und ihn zu ermschtigen, den geschuldeten Betrag anzunehmen und Åber den Empfang Quittung zu erteilen. 10Der Vollstreckungsschuldner kann die Verhaftung dadurch abwenden, dass er den geschuldeten Betrag in voller HÇhe an den Gerichtsvollzieher zahlt oder nachweist, dass ihm eine Zahlungsfrist bewilligt worden oder die Schuld erloschen ist. 11Die Verhaftung kann auch dadurch abgewendet werden, dass der Vollstreckungsschuldner dem Gerichtsvollzieher eine Entscheidung vorlegt, aus der sich die Unzulsssigkeit der Maßnahme ergibt, oder eine Bankquittung vorlegt, aus der sich ergibt, dass er den geschuldeten Betrag eingezahlt hat. 12Ist der verhaftete Vollstreckungsschuldner zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bereit (§ 902 ZPO), hat ihn der Gerichtsvollzieher grundsstzlich der VollstreckungsbehÇrde zur Abnahme der eides5

792

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen stattlichen Versicherung vorzufÅhren. 13Abweichend hiervon kann die eidesstattliche Versicherung von dem Gerichtsvollzieher abgenommen werden, wenn sich der Sitz der VollstreckungsbehÇrde nicht im Bezirk des fÅr den Gerichtsvollzieher zustsndigen AG befindet oder die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung durch die VollstreckungsbehÇrde nicht mÇglich ist. 14Der Gerichtsvollzieher kann unter den gleichen Voraussetzungen wie die VollstreckungsbehÇrde von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung absehen. (6) Ist der Vollstreckungsschuldner nicht selbst handlungsfshig (§ 79 AO), ist die eidesstattliche Versicherung vom Vertreter des Vollstreckungsschuldners abzugeben. (7) Nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hat die VollstreckungsbehÇrde dem AG, in dessen Bezirk der Vollstreckungsschuldner seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthaltsort hat (§ 899 Abs. 1 ZPO), Namen, Vornamen, Geburtstag und Anschrift des Vollstreckungsschuldners sowie den Tag der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zur Aufnahme in das Schuldnerverzeichnis mitzuteilen und eine beglaubigte Abschrift des VermÇgensverzeichnisses zu Åbersenden. (8) Hat ein Vollstreckungsschuldner in einer auf Betreiben der VollstreckungsbehÇrde abgelegten eidesstattlichen Versicherung vorsstzlich unvollstsndige oder falsche Angaben gemacht (§ 156 StGB), darf nach § 30 Abs. 5 AO bei der StrafverfolgungsbehÇrde Strafanzeige erstattet werden. 53. Eidesstattliche Versicherung in anderen Flllen Die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung kann verlangt werden, wenn der Vollstreckungsschuldner die zur Geltendmachung einer von der VollstreckungsbehÇrde gepfsndeten Forderung nÇtige Auskunft verweigert. 2Sie kann auch verlangt werden, wenn wegen Herausgabe einer Urkunde, die Åber eine gepfsndete Forderung des Vollstreckungsschuldners besteht, die Vollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner versucht, die Urkunde aber nicht vorgefunden worden ist (§ 315 Abs. 2, 3 AO). 3Die Vorschriften des Abschnitts 52 Abs. 1 bis 6 und 8 sind sinngemsß anzuwenden. 1

Vierter Teil Arrest 54. Dinglicher Arrest (1) Gegen den Steuerschuldner und den Haftungsschuldner sowie gegen den Duldungspflichtigen kann die fÅr die Steuerfestsetzung zustsndige FinanzbehÇrde den dinglichen Arrest (§ 324 AO) anordnen, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: 1. Ein Arrestanspruch: Es muss glaubhaft sein, dass der FinanzbehÇrde ein Anspruch auf eine Geldleistung gegen den Schuldner oder Duldungspflichtigen zusteht. Es ist nicht erforderlich, dass der Anspruch zahlenmsßig feststeht; es genÅgt, dass er begrÅndet ist, auch wenn er bedingt oder betagt ist. 2. Ein Arrestgrund: Es muss zu besorgen sein, dass ohne die Anordnung des Arrestes die Vollstreckung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert wÅrde. Liegt ein Leistungsgebot oder eine Steueranmeldung vor (Abschnitt 19), auf Grund deren vollstreckt werden kann, besteht kein Arrestgrund. (2) 1Der dingliche Arrest wird schriftlich angeordnet. 2Die Arrestanordnung muss enthalten: 1. Familienname, Vornamen, Wohnort und Wohnung des Arrestschuldners,

793

Anhang 2. die Tatsachen, aus denen sich Bestehen und HÇhe des Arrestanspruchs (Abs. 1 Nr. 1) ergeben. 1Umfasst eine Arrestanordnung mehrere AnsprÅche, sind die Betrsge einzeln anzugeben, 3. die Tatsachen, aus denen sich der Arrestgrund (Abs. 1 Nr. 2) ergibt, 4. den Ausspruch, dass zur Sicherung des Arrestanspruchs der dingliche Arrest in das VermÇgen des Arrestschuldners angeordnet wird. Die Arrestanordnung muss einen bestimmten Geldbetrag (Arrestsumme) bezeichnen, bis zu dessen HÇhe der Arrest vollzogen werden kann. Ein Leistungsgebot (Abschnitt 19) darf in die Arrestanordnung nicht aufgenommen werden, 5. die Angabe des Geldbetrages, bei dessen Hinterlegung die Vollziehung des Arrestes gehemmt und der vollzogene Arrest aufzuheben ist (Hinterlegungssumme). Die Hinterlegungssumme ist so zu bemessen, dass Hauptanspruch und Nebenleistungen gedeckt sind, 6. die Unterschrift eines zustsndigen Bediensteten und den Abdruck des Dienststempels der FinanzbehÇrde. (3) 1Die Arrestanordnung hat eine Rechtsbehelfsbelehrung zu enthalten. 2Als Rechtsbehelf ist sowohl der Einspruch nach § 347 Abs. 1 der Abgabenordnung als auch die Anfechtungsklage nach § 45 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung gegeben. (4) 1Die Arrestanordnung ist dem Arrestschuldner zuzustellen. 2Eine Ausfertigung der Arrestanordnung ist zum Zwecke der Vollziehung (Abschnitt 55) unverzÅglich der Vollstreckungsstelle zuzuleiten. (5) 1Die Arrestanordnung ist aufzuheben, wenn nach ihrem Erlass Umstsnde bekanntwerden, die die Arrestanordnung nicht mehr gerechtfertigt erscheinen lassen (§ 325 AO). 2Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 finden entsprechende Anwendung. 3Die Aufhebung der Arrestanordnung ist dem Arrestschuldner mitzuteilen. 55. Vollziehung des Arrestes (1) 1Die Vollziehung einer Arrestanordnung obliegt der Vollstreckungsstelle. 2Die Vollziehung wird nicht dadurch gehemmt, dass der Arrestschuldner gegen die Arrestanordnung Einspruch einlegt oder Anfechtungsklage erhebt (§ 361 Abs. 1 AO, § 69 Abs. 1 FGO). 3Auf die Vollziehung des Arrestes sind die §§ 930 bis 932 der Zivilprozessordnung sowie § 99 Abs. 2 und § 106 Abs. 1, 3 und 5 des Gesetzes Åber Rechte an Luftfahrzeugen entsprechend anzuwenden; an die Stelle des Arrestgerichts und des Vollstreckungsgerichts tritt die VollstreckungsbehÇrde, an die Stelle des Gerichtsvollziehers der Vollziehungsbeamte. 4Soweit auf die Vorschriften Åber die Pfsndung verwiesen wird, sind die entsprechenden Vorschriften der Abgabenordnung anzuwenden. 5Gepfsndete bewegliche Sachen dÅrfen grundsstzlich nicht verwertet werden. 6Bei der Pfsndung von Forderungen und anderen VermÇgensrechten darf grundsstzlich die Einziehung nicht angeordnet werden. 7Es kann jedoch verlangt werden, dass die geschuldete Leistung bei Fslligkeit der Schuld hinterlegt wird. 8Soll der Arrest in ein GrundstÅck vollzogen werden, kann nur Eintragung einer Sicherungshypothek (Arresthypothek) beantragt werden; Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung sind nicht statthaft (§ 932 ZPO). (2) 1Die Vorschriften der §§ 254, 259 der Abgabenordnung gelten fÅr die Arrestvollziehung nicht. 2Die Vollziehung der Arrestanordnung ist unzulsssig, wenn seit dem Tag, an dem die Anordnung unterzeichnet worden ist, ein Monat verstrichen ist (§ 324 Abs. 3 AO). 3Die Vollziehung ist auch schon vor der Zustellung an den Arrestschuldner zulsssig; sie ist jedoch ohne Wirkung, wenn die Zustellung nicht innerhalb einer Woche nach der Vollziehung und innerhalb eines Monats seit der Unterzeichnung erfolgt. 4Bei Zustellung im Ausland und Çffentlicher Zustellung gilt § 169 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung entsprechend.

794

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen (3) 1Auf Grund der Arrestanordnung kann der Arrestschuldner zur Leistung der eidesstattlichen Versicherung herangezogen werden, wenn ein Versuch, den Arrest in das bewegliche VermÇgen des Arrestschuldners zu vollziehen oder nach Maßgabe des § 315 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung eine Urkunde, z.B. einen Hypothekenoder Grundschuldbrief, zu erlangen, erfolglos geblieben ist. 2Die Vorschriften der §§ 284, 315 Abs. 3, 4 der Abgabenordnung und der Abschnitte 52, 53 sind entsprechend anzuwenden. (4) 1Hat der Arrestschuldner oder ein Dritter den Betrag der Hinterlegungssumme (Abschnitt 54 Abs. 2 Nr. 5 Satz 1) in Geld hinterlegt, hat die Vollstreckungsstelle von Maßnahmen der Arrestvollziehung Abstand zu nehmen. 2Das gleiche gilt, wenn mit Genehmigung der Vollstreckungsstelle in anderer Weise als durch Hinterlegung von Geld Sicherheit fÅr den Betrag der Hinterlegungssumme geleistet wird (§§ 241, 246, 247 AO). (5) 1Wird der Anspruch, zu dessen Sicherung der dingliche Arrest angeordnet worden ist, nicht erfÅllt, hat die VollstreckungsbehÇrde, sobald fÅr den Anspruch ein vollstreckbares Leistungsgebot vorliegt (§ 254 AO), Sicherheiten, die der Arrestschuldner zur Abwendung der Arrestvollziehung (Abs. 4) bestellt oder die VollstreckungsbehÇrde durch Vollziehung des Arrestes erlangt hat, zu verwerten (vgl. § 327 AO). 2Die Verwertung der Sicherheiten obliegt der Vollstreckungsstelle. 3Mit der Verwertung darf erst begonnen werden, wenn dem Vollstreckungsschuldner die Verwertungsabsicht schriftlich bekanntgegeben und seit der Bekanntgabe mindestens eine Woche verstrichen ist. 4Ein Pfandrecht, das an einem VermÇgensgegenstand des Vollstreckungsschuldners besteht, wird in gleicher Weise verwertet wie ein durch Vollstreckung erlangtes Pfandrecht. 5Bei der Pfsndung von Forderungen und anderen VermÇgensrechten ist die Einziehung anzuordnen, sofern nicht auf andere Art zu verwerten ist. 56. PersÇnlicher Sicherheitsarrest (1) 1Die fÅr die Steuerfestsetzung zustsndige FinanzbehÇrde kann bei dem AG, in dessen Bezirk die FinanzbehÇrde ihren Sitz hat oder sich der Pflichtige befindet, einen Antrag auf Anordnung eines persÇnlichen Sicherheitsarrestes (§ 326 AO) stellen, wenn ein Arrestanspruch und ein Arrestgrund (vgl. Abschnitt 54 Abs. 1 Nr. 1 und 2) vorliegen. 2Der Antrag ist nur zulsssig, wenn andere Mittel zur Sicherung der Vollstreckung, namentlich der dingliche Arrest, ohne Erfolg waren oder voraussichtlich keinen Erfolg haben werden. (2) In dem Antrag hat die FinanzbehÇrde den Anspruch nach Art und HÇhe sowie die Tatsachen anzugeben, die den besonderen Arrestgrund fÅr den persÇnlichen Sicherheitsarrest ergeben. (3) 1Die FinanzbehÇrde bedarf fÅr den Antrag auf Anordnung des persÇnlichen Sicherheitsarrestes der Zustimmung der vorgesetzten FinanzbehÇrde. 2Die Zustimmung soll vor Absendung des Antrages eingeholt werden. 3Ist Gefahr im Verzug, darf der Antrag auch ohne vorherige Zustimmung gestellt werden. 4In diesem Falle ist die Genehmigung der vorgesetzten FinanzbehÇrde unverzÅglich einzuholen. 5 Wird diese versagt, ist der Antrag umgehend zurÅckzunehmen. (4) Die Anordnung und Aufhebung des persÇnlichen Sicherheitsarrestes erfolgen durch das AG, in dessen Bezirk die FinanzbehÇrde ihren Sitz hat oder sich der Pflichtige befindet.

795

Anhang FÅnfter Teil Insolvenzverfahren 57. Verfahrensarten (1) 1Das Insolvenzrecht unterscheidet zwischen dem Regelinsolvenzverfahren (§§ 1 bis 285 InsO), dem Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 304 bis 314 InsO) und besonderen Arten des Insolvenzverfahrens (§§ 315 bis 334 InsO; z.B. Nachlassinsolvenz). (2) 1Das Regelinsolvenzverfahren wird durchgefÅhrt, soweit nicht ein Verbraucherinsolvenzverfahren (Abs. 3) oder ein Verfahren nach §§ 315 bis 334 der Insolvenzordnung in Betracht kommt. 2Im Regelinsolvenzverfahren wird die gemeinschaftliche Befriedigung der Glsubiger dadurch erreicht, dass entweder das VermÇgen des Schuldners verwertet und der ErlÇs verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung getroffen wird (Abschnitte 60, 61). (3) 1Bei natÅrlichen Personen, die keine selbstsndige wirtschaftliche Tstigkeit ausÅben oder ausgeÅbt haben (§ 304 Abs. 1 Satz 1 InsO), wird das Verbraucherinsolvenzverfahren durchgefÅhrt (Abschnitt 63). 2Bei natÅrlichen Personen, die eine selbstsndige wirtschaftliche Tstigkeit ausgeÅbt haben, wird das Verbraucherinsolvenzverfahren durchgefÅhrt, wenn ihre VermÇgensverhsltnisse Åberschaubar sind und gegen sie keine Forderungen aus Arbeitsverhsltnissen bestehen (§ 304 Abs. 1 Satz 2 InsO). (4) An das Regel- oder das Verbraucherinsolvenzverfahren schließt sich auf Antrag des Schuldners, wenn dieser eine natÅrliche Person ist, das Restschuldbefreiungsverfahren an (Abschnitt 64). 58. ErÇffnungsantrag der VollstreckungsbehÇrde (1) Der Antrag, Åber das VermÇgen des Vollstreckungsschuldners das Insolvenzverfahren zu erÇffnen, kann gestellt werden, wenn dem Vollstreckungsglsubiger eine Geldforderung zusteht, bei der die Voraussetzungen fÅr die Einzelvollstreckung vorliegen (Abschnitt 4, § 254 AO) und ein Insolvenzgrund (Abs. 2) glaubhaft gemacht werden kann (§ 14 InsO). (2) 1Die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens setzt die Zahlungsunfshigkeit des Vollstreckungsschuldners voraus, soweit nicht auch xberschuldung als Insolvenzgrund bestimmt ist. 2Zahlungsunfshigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fslligen Zahlungspflichten zu erfÅllen. 3In der Regel ist Zahlungsunfshigkeit anzunehmen, wenn Zahlungseinstellung erfolgt ist (§ 17 Abs. 2 InsO). 4FÅr die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Åber das VermÇgen von juristischen Personen des Privatrechts, von Personengesellschaften (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO), wenn kein persÇnlich haftender Gesellschafter eine natÅrliche Person ist, oder eines nicht rechtsfshigen Vereins, der als Verein verklagt werden kann (§ 11 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 54 BGB, § 50 Abs. 2 ZPO), oder einen Nachlass (§ 320 InsO) bildet sowohl die Zahlungsunfshigkeit als auch die xberschuldung einen Insolvenzgrund. 5xberschuldung liegt vor, wenn das VermÇgen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (§ 19 Abs. 2 InsO). 6FÅr eingetragene Genossenschaften enthslt § 98 Abs. 1 des Genossenschaftsgesetzes Sondervorschriften. (3) 1Ein Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens obliegt grundsstzlich der VollstreckungsbehÇrde, die die Vollstreckung betreibt. 2Er muss Angaben zu den geschuldeten Betrsgen und zum Insolvenzgrund enthalten. (4) 1Lehnt das Insolvenzgericht (§ 3 InsO) einen Antrag auf ErÇffnung des Insolvenzverfahrens ab, steht der VollstreckungsbehÇrde gegen die Entscheidung das Rechts-

796

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen mittel der sofortigen Beschwerde zu (§ 34 Abs. 1 InsO). 2Die Beschwerde ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird (§ 3 InsO), oder bei dem Beschwerdegericht durch Beschwerdeschrift einzureichen (§§ 4 InsO, 569 ZPO). 3Die Frist beginnt mit der VerkÅndung der Entscheidung (§ 6 Abs. 2 InsO). 4Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichtes ist die Rechtsbeschwerde gegeben (§§ 7 InsO, 574 ZPO). 5Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses Åber die sofortige Beschwerde bei dem Rechtsbeschwerdegericht durch Beschwerdeschrift einzulegen (§ 575 ZPO). 59. Kostenvorschuss (1) 1Macht das Insolvenzgericht die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens von der Leistung eines Kostenvorschusses abhsngig, so ist dieser in der Regel erst dann einzuzahlen, wenn sich aus den Ermittlungen des Insolvenzgerichts oder nach Aktenlage ergibt, dass voraussichtlich mit einer Insolvenzmasse zu rechnen ist, die eine nennenswerte Befriedigung erwarten lssst (z.B. durch Insolvenzanfechtung). 2Das kann der Fall sein, wenn durch weitere Sachverhaltsaufklsrung, z.B. durch eidliche Vernehmung des Schuldners oder aufgrund der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners oder Dritter gem. §§ 5, 97 ff. InsO, mit Hinweisen auf verwertbares VermÇgen gerechnet werden kann, oder AuslandsvermÇgen zu vermuten ist. (2) Hat die VollstreckungsbehÇrde einen Vorschuss geleistet, so kann dieser im Fall der nicht vollstsndigen RÅckerstattung aus der Masse von Personen zurÅckverlangt werden, die eine rechtzeitige Antragstellung pflichtwidrig und schuldhaft unterlassen haben (§ 26 Abs. 3 InsO). 60. Steuerforderungen im Insolvenzverfahren (1) 1Die persÇnlichen AnsprÅche des Vollstreckungsglsubigers gegen den Vollstreckungsschuldner (Abschnitt 3 Abs. 1, 2) sind, soweit sie zur Zeit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens begrÅndet sind, in der Regel Insolvenzforderungen (§ 38 InsO). 2 Dies gilt auch, wenn dem Vollstreckungsglsubiger neben dem persÇnlichen Anspruch ein Recht auf abgesonderte Befriedigung zusteht (§§ 49 bis 51, 165 bis 173 InsO). 3Geldbußen, Ordnungsgelder, Zwangsgelder sowie ab VerfahrenserÇffnung anfallende Zinsen und Ssumniszuschlsge sind nachrangige Insolvenzforderungen i.S.v. § 39 der Insolvenzordnung. (2) 1Ist Åber das VermÇgen eines Vollstreckungsschuldners das Insolvenzverfahren erÇffnet worden, kÇnnen die Insolvenzglsubiger ihre AnsprÅche wshrend der Dauer des Verfahrens weder in das zum Zeitpunkt der ErÇffnung vorhandene noch in das danach vom Schuldner erworbene VermÇgen (sog. Neuerwerb) im Wege der Einzelzwangsvollstreckung verfolgen (§ 89 InsO). 2FÅr die Geltendmachung der Abgabenforderungen sind grundsstzlich die Vorschriften der Insolvenzordnung maßgeblich (§ 251 Abs. 2 Satz 1 AO). 3Wshrend des Insolvenzverfahrens dÅrfen hinsichtlich der Insolvenzforderungen Verwaltungsakte Åber die Festsetzung und Anforderung von AnsprÅchen aus dem Steuerschuldverhsltnis nicht mehr ergehen. 4Bescheide, die einen Erstattungsanspruch zugunsten der Insolvenzmasse festsetzen, kÇnnen bekannt gegeben werden. 5Durch die ErÇffnung des Insolvenzverfahrens wird der Erlass von Steuermess- und Feststellungsbescheiden gehindert, soweit diese ausschließlich Besteuerungsgrundlagen feststellen, auf deren Grundlage Insolvenzforderungen anzumelden sind. 6In Gewerbesteuerfsllen teilt die Festsetzungsstelle der steuerberechtigten KÇrperschaft den berechneten Messbetrag formlos fÅr Zwecke der Anmeldung im Insolvenzverfahren mit. (3) 1Sobald die Vollstreckungsstelle von der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens (§ 30 InsO) Kenntnis erlangt, sind alle in Betracht kommenden Festsetzungsstellen, evtl.

797

Anhang auch Stellen anderer FinanzbehÇrden (z.B. der fÅr die Festsetzung der Erbschaftund Schenkungsteuer zustsndigen FinanzbehÇrde), zu informieren. 2Diese haben zu ermitteln, ob außer den bereits angezeigten AnsprÅchen noch weitere Abgabenforderungen gegen den Schuldner bestehen. 3Dazu gehÇren auch Forderungen, die noch nicht festgesetzt, aber im Zeitpunkt der ErÇffnung bereits begrÅndet sind. (4) 1Hat das Insolvenzgericht im Antragsverfahren zur Sicherung der Masse einen vorlsufigen Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines VerfÅgungsverbot auferlegt (§ 21 Abs. 2, Nr. 1, 2 Alt. 1 InsO), ist Abs. 2 Sstze 2 bis 5 entsprechend anzuwenden. 2Ab diesem Zeitpunkt begrÅndete AbgabenansprÅche gelten nach der ErÇffnung des Verfahrens als sonstige Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 2 InsO). 3Nur die bis zum Zeitpunkt der Bestellung des vorlsufigen Verwalters begrÅndeten Abgabenforderungen sind Insolvenzforderungen. 4Wird das Verfahren nicht erÇffnet, hat der vorlsufige Insolvenzverwalter die von ihm begrÅndeten Abgabenforderungen aus dem von ihm verwalteten VermÇgen zu erfÅllen (§ 25 Abs. 2 InsO). (5) Hat das Insolvenzgericht im ErÇffnungsbeschluss angeordnet, dass dem Verwalter vorab mitzuteilen ist, ob Sicherungsrechte an Sachen und Rechten des Schuldners in Anspruch genommen werden, sind die erforderlichen Angaben zu Pfsndungspfand- und sonstigen Sicherungsrechten unverzÅglich dem Insolvenzverwalter bekannt zu geben (§ 28 Abs. 2 InsO). (6) 1Die Abgabenforderungen sind innerhalb der gesetzten Frist schriftlich beim Insolvenzverwalter – im Fall der Eigenverwaltung beim Sachwalter – anzumelden (§§ 87, 27, 28 Abs. 1, § 174 Abs. 1, § 270 Abs. 3 InsO), soweit nicht die MÇglichkeit einer Aufrechnung (§§ 94 bis 96 InsO) besteht. 2Dies gilt auch, soweit außer dem Schuldner noch ein anderer die Leistung schuldet oder dafÅr haftet. 3Die Anmeldung soll die in Abschnitt 34 Abs. 2 Nrn. 1 bis 7 und 11 erster Halbsatz bezeichneten Angaben sowie eine Erklsrung darÅber enthalten, ob fÅr die Abgabenforderung abgesonderte Befriedigung begehrt wird (§§ 49 bis 52, 174 InsO). 4Die Anmeldung soll ferner einen Hinweis darauf enthalten, welche Forderungen vor der ErÇffnung festgesetzt oder vorangemeldet und welche unanfechtbar sind. 5Nachrangige Abgabenforderungen i.S.v. § 39 der Insolvenzordnung sind nur anzumelden, soweit das Insolvenzgericht hierzu ausdrÅcklich auffordert (§ 174 Abs. 3 InsO); das Vollstreckungsverbot (§ 89 InsO) bleibt unberÅhrt. 6AbgabenansprÅche kÇnnen auch nach Ablauf der Frist jederzeit nachgemeldet werden (§ 177 InsO). (7) 1Ist eine zur Tabelle angemeldete Abgabenforderung vom Verwalter oder einem Insolvenzglsubiger im PrÅfungstermin bestritten worden, erteilt das Insolvenzgericht einen beglaubigten Auszug aus der Tabelle. 2Die VollstreckungsbehÇrde hat den Anspruch zeitnah durch Erlass eines Feststellungsbescheides gem. § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung selbst zu verfolgen, soweit die Eigenschaft als Insolvenzforderung bestritten wird oder der Schuldner vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens weder einen Festsetzungsbescheid noch ein Leistungsgebot erhalten oder – wenn die Vollstreckbarkeit von einer Steueranmeldung (§§ 167, 168 AO) abhsngt – keine Steueranmeldung abgegeben hat (nicht titulierte Forderungen, § 179 Abs. 1 InsO). 3 Es bleibt jedoch der VollstreckungsbehÇrde – insbesondere zur Erlangung des Stimmrechts (§ 77 InsO) – unbenommen, den Widerspruch auch dann zu verfolgen, wenn der Schuldner bereits vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens einen Festsetzungsbescheid bzw. ein Leistungsgebot erhalten oder eine Steueranmeldung abgegeben hat (titulierte Forderung, § 179 Abs. 2 InsO). 4Die Verfolgung der bestrittenen und im Zeitpunkt der VerfahrenserÇffnung bereits bestandskrsftigen titulierten Forderungen kann durch Feststellungsbescheid gem. § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung geschehen; festzustellen ist lediglich, dass die angemeldete Forderung bestandskrsftig festgesetzt ist und die Voraussetzungen fÅr eine Wiedereinsetzung

798

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen (§ 110 AO) oder eine Korrektur (§§ 129 ff., 164, 165, 172 ff. AO) nicht vorliegen. 5 Eine durch die VerfahrenserÇffnung oder die Bestellung eines vorlsufigen Insolvenzverwalters mit Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis (§ 22 Abs. 1 InsO) unterbrochene Rechtsbehelfsfrist wird durch schriftliche Erklsrung gegenÅber dem Bestreitenden in Lauf gesetzt. 6§ 240 Satz 1 und § 249 Abs. 1 ZPO sind entsprechend anzuwenden. 7War zu diesem Zeitpunkt bereits ein Einspruch anhsngig, ist das Steuerstreitverfahren aufzunehmen (§ 180 Abs. 2 InsO). 8Die fÅr eine Feststellung der bestrittenen Forderungen erforderlichen Maßnahmen werden auf Veranlassung der Vollstreckungsstelle von den Festsetzungsstellen oder den Rechtsbehelfsstellen betrieben. 9Das Bestreiten der Abgabenforderungen durch den Schuldner hindert deren Feststellung nicht (§ 178 Abs. 1 InsO). 10Verfolgt die VollstreckungsbehÇrde den Anspruch gegenÅber dem Schuldner, um nach Beendigung oder Aufhebung des Insolvenzverfahrens Åber einen vollstreckbaren Titel zu verfÅgen, sind wshrend der Verfahrensdauer lediglich feststellende Verwaltungsakte zulsssig. 61. Insolvenzplan (1) 1In einem Insolvenzplan, der nur vom Verwalter oder vom Schuldner eingebracht werden kann, kÇnnen die Beteiligten – insbesondere mit dem Ziel der (Teil-)Sanierung – von den Regelungen der Insolvenzordnung abweichende Vereinbarungen treffen. 2Die Regelungen des Insolvenzplans beinhalten ausschließlich Insolvenzforderungen i.S.d. §§ 38, 39 der Insolvenzordnung. 3Masseforderungen werden durch die Wirkungen eines Insolvenzplans nicht berÅhrt (§ 254 InsO). 4Die VollstreckungsbehÇrde kann im Rahmen der Glsubigerversammlung auf die Erstellung und den Inhalt eines Insolvenzplans einwirken (§§ 74 ff., 157 InsO). (2) 1Weist das Insolvenzgericht den Plan nicht gem. § 231 der Insolvenzordnung zurÅck, hat es diesen mit den Stellungnahmen der Beteiligten (§ 232 InsO) in der Geschsftsstelle zur Einsichtnahme niederzulegen (§ 234 InsO), einen ErÇrterungsund Abstimmungstermin zu bestimmen (§ 235 Abs. 1 InsO) und die Insolvenzglsubiger unter BeifÅgung des Plans beziehungsweise einer Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts zu laden (§ 235 Abs. 3 InsO). 2Nach Eingang des Plans hat die Vollstreckungsstelle unter Einbindung der weiterhin beteiligten Dienststellen zu prÅfen, ob ssmtliche angemeldeten AnsprÅche enthalten sind, der Planvorschlag nach den im Plan beziehungsweise in den Anlagen hierzu dargestellten wirtschaftlichen Verhsltnissen und der voraussichtlichen Entwicklung der wirtschaftlichen Lage realisierbar ist und die Regelungen im gestaltenden Teil des Plans (Zahlungen, Verzichte) im Verhsltnis zu den anderen Glsubigern angemessen sind. 3Es ist insbesondere darauf zu achten, dass die VollstreckungsbehÇrde durch den Plan nicht schlechter gestellt wird, als sie ohne den Plan stÅnde. 4Soweit absehbar ist, dass z.B. infolge erheblicher Steuerforderungen oder der Beteiligung mehrerer VollstreckungsbehÇrden eine zeitaufwendige PrÅfung notwendig ist, sollte die Vollstreckungsstelle den Insolvenzplan und die von den Beteiligten eingegangenen Stellungnahmen auch vorab bei der Geschsftsstelle des Gerichts einsehen (§ 235 Abs. 2 InsO). (3) Hat der Insolvenzverwalter oder ein stimmberechtigter Glsubiger angemeldete Forderungen oder Absonderungsrechte bestritten, ist das Feststellungsverfahren zeitnah zu betreiben (Abschnitt 60 Abs. 7), weil zunschst nur die bereits festgestellten Forderungen und Absonderungsrechte ein Stimmrecht gewshren (§§ 237, 238 i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 InsO). (4) 1FÅr die Zustimmung zum Insolvenzplan sind weitgehend wirtschaftliche Gesichtspunkte maßgeblich. 2Eine Zustimmung kommt regelmsßig dann nicht in Betracht, wenn – aufgrund des bisherigen Verhaltens nicht mit der ordnungsgemsßen ErfÅllung steuerlicher Pflichten zu rechnen ist, – die Planvereinbarungen voraus-

799

Anhang sichtlich nicht eingehalten werden oder – die VollstreckungsbehÇrde durch den Insolvenzplan schlechter gestellt wsre, als sie bei FortfÅhrung des Insolvenzverfahrens stÅnde. 3Neben der ausdrÅcklichen Ablehnung bei der Abstimmung hat die VollstreckungsbehÇrde dem Insolvenzplan spstestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll der Geschsftsstelle zu widersprechen (§ 251 InsO). 4 Bei der Zustimmung zu einem Insolvenzplan hat die VollstreckungsbehÇrde darauf zu achten, dass die Wiederauflebensklausel des § 255 der Insolvenzordnung nicht ausgeschlossen ist (Abs. 7). (5) 1Die Annahme des Insolvenzplans setzt voraus, dass die Glsubiger beziehungsweise – im Regelfall der Einteilung der Glsubiger in mehrere Gruppen (§ 222 InsO) – die einzelnen Gruppen mehrheitlich (Kopf- und Summenmehrheit) zugestimmt haben (§ 243 InsO) oder die fehlende Zustimmung einer Abstimmungsgruppe ersetzt worden ist (§ 245 InsO). 2Der Plan bedarf außerdem der Beststigung durch das Insolvenzgericht (§ 248 InsO). 3Die gerichtliche PrÅfung umfasst auf Antrag auch die Rechte der VollstreckungsbehÇrde, die dem Plan aufgrund ihrer wirtschaftlichen Schlechterstellung nicht zugestimmt und spstestens im Abstimmungstermin widersprochen hat (Minderheitenschutz, § 251 InsO). 4Die VollstreckungsbehÇrde hat die Voraussetzungen des Minderheitenschutzes im Antrag glaubhaft zu machen. 5Gegen die Entscheidung des Gerichts ist die sofortige Beschwerde zulsssig (§ 253 InsO; vgl. Abschnitt 58 Abs. 4). (6) 1Die im beststigten Insolvenzplan festgelegten Rechtswirkungen treten kraft Gesetzes ein (§ 254 Abs. 1 InsO). 2Soweit auf Abgabenforderungen verzichtet wurde, werden diese zu sog. unvollkommenen Forderungen, die gegenÅber dem Schuldner nicht mehr geltend gemacht werden kÇnnen (Vollstreckungs- und Aufrechnungsverbot). 3Etwaige Haftungsschuldner kÇnnen aber weiterhin in Anspruch genommen werden, soweit nicht ein Haftungsausschluss nach § 227 Abs. 2 der Insolvenzordnung in Betracht kommt. 4§ 191 Abs. 5 Nr. 2 der Abgabenordnung ist insoweit nicht anwendbar. (7) 1Die Vollstreckungsstelle hat die ErfÅllung des Plans zu Åberwachen. 2Hslt der Schuldner die Zahlungsverpflichtungen gegenÅber der VollstreckungsbehÇrde nicht ein, ist er schriftlich zu mahnen und ihm eine Frist von mindestens zwei Wochen zur Nachentrichtung des Betrags zu setzen (§ 255 Abs. 1 Satz 2 InsO). 3Wird der RÅckstand nicht beglichen, ist die Insolvenzplanstundung oder der Insolvenzplanerlass – vorbehaltlich anders lautender Regelungen im Insolvenzplan – gegenÅber der VollstreckungsbehÇrde hinfsllig. 4In diesem Fall ist der Schuldner zur Zahlung des gesamten RÅckstandes einschließlich der nach dem Plan als erlassen geltenden Betrsge aufzufordern. 5Erforderlichenfalls ist die Vollstreckung wegen der GesamtrÅckstsnde zu veranlassen. 6Aufgrund der Erkenntnisse aus dem bisherigen Verfahren kommt auch ein erneuter Insolvenzantrag in Betracht. (8) Die Vollstreckungsstelle hat darauf zu achten, dass der Insolvenzverwalter die steuerlichen MasseansprÅche pflichtgemsß erfÅllt beziehungsweise Sicherheit leistet (§ 258 Abs. 2 InsO). 62. Gllubigerausschuss (1) 1Wird im Insolvenzverfahren ein Glsubigerausschuss bestellt (§§ 67 bis 73 InsO) und ist das Insolvenzverfahren fÅr den Insolvenzglsubiger von besonderer Bedeutung, kann die VollstreckungsbehÇrde darauf hinwirken, dass die erhebungsberechtigte KÇrperschaft – vertreten durch die VollstreckungsbehÇrde – in den Glsubigerausschuss gewshlt wird. 2Eine besondere Bedeutung kann sich namentlich daraus ergeben, dass erhebliche Abgabenforderungen bestehen und ein Insolvenzplan eingereicht wurde oder aufgestellt werden soll.

800

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen (2) Ist ein Glsubigerausschuss nicht bestellt und liegen Umstsnde nach Abs. 1 vor, die eine Bestellung als zweckmsßig erscheinen lassen, soll die VollstreckungsbehÇrde gegebenenfalls die Bestellung eines Glsubigerausschusses anregen. 63. Verbraucherinsolvenzverfahren (1) 1Bevor der Schuldner einen Antrag auf ErÇffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens stellen kann, muss er versuchen, eine außergerichtliche Einigung mit den Glsubigern Åber die Schuldenbereinigung herbeizufÅhren (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO). 2Der Versuch gilt als gescheitert, wenn ein Glsubiger die Zwangsvollstreckung betreibt, nachdem Verhandlungen Åber die außergerichtliche Schuldenbereinigung aufgenommen wurden (§ 305a InsO). 3Hat der Schuldner nach dem Scheitern eines außergerichtlichen Einigungsversuches einen Antrag auf ErÇffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens unter BeifÅgung eines Schuldenbereinigungsplans gestellt (§ 305 InsO), ruht die Entscheidung Åber den Insolvenzantrag (§ 306 Abs. 1 InsO). 4Das Insolvenzgericht stellt den vom Schuldner eingereichten Schuldenbereinigungsplan sowie die VermÇgensÅbersicht an die Glsubiger zu, sofern es nicht nach AnhÇrung des Schuldners zu der xberzeugung gelangt ist, dass der Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich nicht angenommen wird (Abs. 4). 5Die Åbrigen in § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO genannten Verzeichnisse werden beim Insolvenzgericht zur Einsicht niedergelegt (§ 307 Abs. 1 InsO). Die Vollstreckungsstelle hat die vom Gericht zugestellte VermÇgensÅbersicht und den Schuldenbereinigungsplan unter Beteiligung aller in Betracht kommenden Dienststellen unverzÅglich daraufhin zu ÅberprÅfen, ob alle bis zum Ablauf der vom Gericht genannten Frist entstandenen AbgabenansprÅche (z.B. entstandene, aber noch nicht festgesetzte Abgabenforderungen) aufgenommen worden sind. 6Gegebenenfalls hat die Vollstreckungsstelle die beim Gericht niedergelegten Verzeichnisse einzusehen. 7Insbesondere ist das Forderungsverzeichnis einzusehen, wenn sich dem Schuldenbereinigungsplan nicht zweifelsfrei entnehmen lssst, ob alle AbgabenansprÅche berÅcksichtigt sind. 8Um Rechtsnachteile zu vermeiden (§ 308 InsO), sind Ergsnzungen und die Stellungnahme zum Plan dem Gericht fristgerecht zuzuleiten. 9Will die VollstreckungsbehÇrde dem Plan zustimmen, ist darauf hinzuwirken, dass in dem Plan das Wiederaufleben der gesamten Forderungen festgelegt ist, falls der Plan nicht erfÅllt wird (Wiederauflebensklausel, § 304 Abs. 1, § 255 InsO). 10Wshrend des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens kÇnnen weiter Verwaltungsakte Åber die Festsetzung von AbgabenansprÅchen ergehen und Einzelvollstreckungsmaßnahmen durchgefÅhrt werden, solange das Gericht keine entsprechenden Sicherungsmaßnahmen angeordnet hat (§ 306 Abs. 2, § 21 InsO). 5

(2) 1Der angenommene Schuldenbereinigungsplan hat die Wirkung eines (Prozess-)Vergleichs i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung (§ 308 Abs. 1 Satz 2 InsO). 2Diese Rechtswirkung tritt kraft Gesetzes auch fÅr Abgabenforderungen ein. 3Stehen der VollstreckungsbehÇrde aus dem angenommenen Schuldenbereinigungsplan ZahlungsansprÅche oder sonstige Rechte zu, hat sie die im Plan festgelegte Befriedigung zu Åberwachen. 4AbgabenansprÅche, die nach Ablauf der Notfrist entstanden sind (Abs. 1), werden vom Schuldenbereinigungsplan nicht berÅhrt und kÇnnen uneingeschrsnkt geltend gemacht werden. 5Gleiches gilt, wenn der VollstreckungsbehÇrde ein Schuldenbereinigungsplan nicht zugestellt wurde und daher keine MÇglichkeit zur Mitwirkung bestand (§ 308 Abs. 3 InsO). (3) Hat die VollstreckungsbehÇrde dem Schuldenbereinigungsplan widersprochen und teilt das Insolvenzgericht mit, dass es beabsichtige, die Zustimmung der VollstreckungsbehÇrde zum Schuldenbereinigungsplan zu ersetzen, hat diese die GrÅnde, die einer Zustimmungsersetzung entgegenstehen (§ 309 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 InsO), dem Gericht vorzutragen und glaubhaft zu machen; gegen den Be-

801

Anhang schluss des Gerichts ist die sofortige Beschwerde zulsssig (§ 309 Abs. 2 InsO; vgl. Abschnitt 58 Abs. 4). (4) 1Das Verfahren Åber den ErÇffnungsantrag wird wieder aufgenommen, wenn das Insolvenzgericht nach AnhÇrung des Schuldners zu der xberzeugung gelangt, dass der Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich nicht angenommen wird (§ 306 Abs. 1 Satz 3 InsO) oder Einwendungen gegen den Schuldenbereinigungsplan erhoben werden, die vom Gericht nicht gem. § 309 InsO durch gerichtliche Zustimmung ersetzt werden (§ 311 InsO). 2FÅr das vereinfachte Insolvenzverfahren finden grundsstzlich die allgemeinen Vorschriften Anwendung, soweit nicht die Vereinfachungsregelungen der §§ 312 bis 314 der Insolvenzordnung etwas anderes bestimmen. 3Abweichend von den AusfÅhrungen in Abschnitt 60 Abs. 6 sind die Abgabenforderungen beim Treuhsnder anzumelden (§ 313 InsO). 4Zur Verwertung von Gegenstsnden, an denen Absonderungsrechte bestehen, ist der Treuhsnder nicht befugt (§ 313 Abs. 3 InsO); Anfechtungen von Rechtshandlungen (§§ 129 bis 147 InsO) kann er nur vornehmen, wenn er von der Glsubigerversammlung damit beauftragt wurde (§ 313 Abs. 2 InsO). 5Ein etwaiger Anfechtungsanspruch, der im Zivilrechtsweg zu verfolgen ist, kann daher gegebenenfalls auch durch die vertretungsberechtigte BehÇrde geltend gemacht werden. 6Die VollstreckungsbehÇrde hat ferner die Verwertung von Sachen, an denen ihr Pfandrechte zustehen, selbst durchzufÅhren. 64. Restschuldbefreiung (1) 1Hat der Schuldner rechtzeitig einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt (§ 287 InsO) und sind der VollstreckungsbehÇrde VersagungsgrÅnde nach § 290 der Insolvenzordnung bekannt, hat die VollstreckungsbehÇrde im Schlusstermin die Versagung der Restschuldbefreiung zu beantragen (§ 289 Abs. 1 InsO). 2Wird dieser Antrag vom Insolvenzgericht abgewiesen, kann sofortige Beschwerde erhoben werden (§ 289 Abs. 2 InsO; vgl. Abschnitt 58 Abs. 4). (2) 1Hat das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung angekÅndigt (§ 291 InsO), beginnt die sog. Wohlverhaltensphase mit ErÇffnung des Insolvenzverfahrens (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO). 2Wshrend dieses Zeitraums sind Vollstreckungsmaßnahmen wegen der Insolvenzforderungen in das VermÇgen des Schuldners unzulsssig (§ 294 Abs. 1 InsO). 3Wird der Vollstreckungsstelle oder einer anderen beteiligten Dienststelle bekannt, dass der Schuldner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzglsubiger beeintrschtigt, hat die VollstreckungsbehÇrde beim Insolvenzgericht Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zu stellen und ihre Angaben durch entsprechende Unterlagen glaubhaft zu machen (§ 296 InsO). 4Gegen die Entscheidung des Gerichts ist die sofortige Beschwerde gegeben. (3) 1Ist die Wohlverhaltensperiode abgelaufen, entscheidet das Gericht nach AnhÇrung der Glsubiger, des Treuhsnders und des Schuldners Åber die Erteilung der Restschuldbefreiung (§ 300 InsO). 2Die VollstreckungsbehÇrde hat erneut die MÇglichkeit, etwaige VersagungsgrÅnde vorzutragen. 3Wird die Restschuldbefreiung erteilt, wirkt sie gegen alle Insolvenzglsubiger, auch wenn diese ihre Forderungen nicht angemeldet haben (§ 301 InsO). 4Die VollstreckungsbehÇrde kann deshalb die vom Verfahren betroffenen Abgabenforderungen nicht mehr gegen den Schuldner geltend machen. 5Haftungs- oder andere Gesamtschuldner kÇnnen jedoch weiterhin in Anspruch genommen werden (§ 301 Abs. 2 InsO). (4) 1Von der Restschuldbefreiung werden u.a. Geldstrafen, Geldbußen, Zwangsgelder usw. nicht berÅhrt (§ 302 InsO). 2Unter den Voraussetzungen des § 303 der Insolvenzordnung kann die Restschuldbefreiung widerrufen werden.

802

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen Sechster Teil LÇschung, gewerbe- und berufsrechtliche Verfahren, Maßnahmen nach dem Pass- sowie Aufenthaltsgesetz, Abmeldung von Fahrzeugen von Amts wegen 65. LÇschung im Handelsregister oder im Genossenschaftsregister Wshrend des Vollstreckungsverfahrens ist bei gegebenem Anlass zu prÅfen, ob Tatbestsnde vorliegen, die zur Einleitung eines Verfahrens nach 1. §§ 141a bis 144a des Gesetzes Åber die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit fÅhren kÇnnen, soweit es sich um juristische Personen oder Personengesellschaften ohne natÅrliche Person als persÇnlich haftenden Gesellschafter handelt, 2. §§ 141 bis 144a des Gesetzes Åber die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit i.V.m. §§ 143, 131, 161 des Handelsgesetzbuches fÅhren kÇnnen, soweit es sich um eine offene Handelsgesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft handelt, oder 3. §§ 141 bis 143 i.V.m. § 147 des Gesetzes Åber die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit fÅhren kÇnnen, soweit es sich um eine Genossenschaft handelt. 1

Gegebenenfalls ist beim zustsndigen Handelsregister die LÇschung zu beantragen. Das Registergericht ist darauf hinzuweisen, dass die im Rahmen der Auskunftserteilung Åbersandten Unterlagen nicht der Akteneinsicht unterliegen (§ 125a Abs. 2 Satz 2 FGG). 2 3

66. Gewerbe- und berufsrechtliche, paß- und ausllnderrechtliche Maßnahmen (1) Ergibt sich aus der Art der zu vollstreckenden RÅckstsnde, den Umstsnden ihres Entstehens, ihrer HÇhe oder aus Eigenschaften der zur Vertretung berechtigten Person (vgl. § 45 GewO), dass Unzuverlsssigkeit in gewerbe- oder berufsrechtlichem Sinne vorliegt, sind bei der zustsndigen BehÇrde 1. die Untersagung der AusÅbung eines Gewerbes oder 2. die RÅcknahme oder der Widerruf einer gewerberechtlichen Erlaubnis oder shnliche gewerberechtliche Maßnahmen oder 3. ein berufsrechtliches Verfahren anzuregen. (2) 1Ist der Vollstreckungsschuldner eine auslsndische natÅrliche Person, so ist, gegebenenfalls neben den Maßnahmen nach Abs. 1, die zustsndige AuslsnderbehÇrde nach § 87 Abs. 2 Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes Åber den Ausweisungsgrund (§ 55 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes) zu unterrichten und zu bitten, die MÇglichkeit einer Ausweisung zu prÅfen. 2Die fÅr eine Ausweisung nach dem Aufenthaltsgesetz erforderlichen Daten sind nach Maßgabe des § 88 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes mitzuteilen. (3) 1Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass eine natÅrliche Person versucht, sich durch Verlassen des Geltungsbereichs der Abgabenordnung Vollstreckungsmaßnahmen zu entziehen, oder ist dies bereits eingetreten, so ist die jeweils zustsndige BehÇrde um Entziehung des Passes nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 und § 8 des Passgesetzes, um die Anordnung nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes Åber Personalausweise oder um Erlass eines Ausreiseverbots nach § 46 Abs. 2 i.V.m. § 88 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes zu ersuchen. 2Hslt sich der Vollstreckungsschuldner im Ausland auf, so kann die zustsndige deutsche diplomatische Vertretung als PassbehÇrde ersucht werden, die GÅltigkeit des Reisepasses des Vollstreckungsschuldners dahin

803

Anhang zu beschrsnken, dass er nur fÅr die RÅckreise in die Bundesrepublik Deutschland gÅltig ist. 67. Abmeldung von Fahrzeugen von Amts wegen Bei der Vollstreckung wegen Kraftfahrzeugsteuer kann die Abmeldung des Fahrzeuges nach § 14 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes betrieben werden. 2Die Abmeldung soll in der Regel erst nach einem erfolglosen Vollstreckungsversuch erfolgen; abweichend hiervon kann das Abmeldungsverfahren bereits nach der ersten erfolglosen Mahnung eingeleitet werden, wenn der Vollstreckungsschuldner die Kraftfahrzeugsteuer wiederholt erst nach Beginn der Vollstreckung entrichtet hat oder feststeht, dass die Vollstreckung keinen Erfolg verspricht. 3Wird die Abmeldung durch das Finanzamt selbst vorgenommen (§ 14 Abs. 2 KraftStG) und vom Vollstreckungsschuldner nicht befolgt, kann der Vollziehungsbeamte mit der Durchsetzung der Abmeldung, insbesondere mit der Entstempelung des Kennzeichens, der Einziehung des Fahrzeugscheins und der Berichtigung etwa ausgestellter Anhsngerverzeichnisse, beauftragt werden. 1

Siebenter Teil Schlussvorschriften 68. Inkrafttreten Diese allgemeine Verwaltungsvorschrift tritt am 1.3.1980 in Kraft.

4. Insolvenzordnung; Anwendungsfragen zu § 55 Abs. 4 InsO BMF, Schr. v. 20.5.2015 – IV A 3 - S 0550/10/10020-05 – DOK 2015/0416027, BStBl. I 2015, 476 = FR 2015, 668 Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der ErÇrterungen mit den obersten FinanzbehÇrden der Lsnder gilt Folgendes: I. Allgemeines 1

Durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 wurde § 55 InsO um folgenden Abs. 4 erweitert: „(4) Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhsltnis, die von einem vorlsufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorlsufigen Insolvenzverwalters begrÅndet worden sind, gelten nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit.“ Diese neue Regelung ist auf alle Insolvenzverfahren anzuwenden, deren ErÇffnung ab dem 1.1.2011 beantragt wurde. II. Anwendung II.1 Betroffene Personen

2

§ 55 Abs. 4 InsO findet Anwendung auf den vorlsufigen Insolvenzverwalter, auf den die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis nicht nach § 22 Abs. 1 InsO Åbergegangen ist (sog. „schwacher“ vorlsufiger Insolvenzverwalter). Hierbei ist es unbeachtlich, ob der schwache vorlsufige Insolvenzverwalter vom Gericht mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattet wurde oder nicht. Auch ohne einen Zustimmungsvorbehalt i.S.d. § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO kÇnnen entsprechende Steuerverbindlichkeiten durch den schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalter begrÅndet werden,

804

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen insbesondere wenn ihm zahlreiche Rechte durch das Insolvenzgericht eingersumt oder Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden. FÅr den vorlsufigen Insolvenzverwalter, auf den die Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis nach § 22 Abs. 1 InsO Åbergegangen ist (sog. „starker“ vorlsufiger Insolvenzverwalter), ist § 55 Abs. 4 InsO nicht anwendbar, da insoweit sonstige Masseverbindlichkeiten bereits nach § 55 Abs. 2 InsO begrÅndet werden.

3

11.2 Steuerrechtliche Stellung des vorllufigen Insolvenzverwalters Die steuerrechtliche Stellung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters wird durch die Regelung des § 55 Abs. 4 InsO nicht berÅhrt. Der schwache vorlsufige Insolvenzverwalter ist kein VermÇgensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 3 AO, so dass er wshrend des InsolvenzerÇffnungsverfahrens weder die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners zu erfÅllen hat noch diese erfÅllen darf.

4

11.3 Verbindlichkeiten/Forderungen Die Vorschrift ist lediglich auf Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhsltnis anwendbar. SteuererstattungsansprÅche und SteuervergÅtungsansprÅche werden von der Vorschrift nicht erfasst. Zur Ermittlung der Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO bei der Umsatzsteuer vgl. Rz. 33 und 34.

5

11.4 Betroffene Steuerarten und steuerliche Nebenleistungen Der Anwendungsbereich des § 55 Abs. 4 InsO erstreckt sich auf alle Steuerarten.

6

Steuerliche Nebenleistungen zu den von § 55 Abs. 4 InsO erfassten Steuerarten teilen grundsstzlich das Schicksal der Hauptforderung (z.B. Ssumniszuschlsge auf als Masseverbindlichkeiten zu qualifizierende Steuern aus dem ErÇffnungsverfahren). Die bis zur Festsetzung gegen den Insolvenzverwalter entstandenen Ssumniszuschlsge auf als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO zu qualifizierende Umsatz- und Lohnsteuerforderungen (vgl. Rz. 34 und 46) sind aber nach allgemeinen Grundsstzen als Insolvenzforderungen zur Insolvenztabelle anzumelden.

7

Verspstungszuschlsge, Zwangsgelder oder VerzÇgerungsgelder, die gegen den Insolvenzschuldner im InsolvenzerÇffnungsverfahren festgesetzt worden sind, fallen nicht unter den Anwendungsbereich des § 55 Abs. 4 InsO, da diese nicht vom schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalter bzw. durch seine Zustimmung begrÅndet worden sind.

8

II.4.1 Umsatzsteuer 11.4.1.1 Umsatzsteuerverbindlichkeiten aufgrund ausgefÅhrter Lieferungen und sonstiger Leistungen Umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten aufgrund von Lieferungen und sonstigen Leistungen werden nach § 55 Abs. 4 InsO im Rahmen der fÅr den schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse begrÅndet. Eine solche rechtliche Befugnis liegt insbesondere dann vor, wenn der schwache vorlsufige Insolvenzverwalter durch das Insolvenzgericht zum Forderungseinzug ausdrÅcklich ermschtigt wurde (vgl. BFH, Urt. v. 24.9.2014 – V R 48/13, BStBl. II 2015, 506 = UR 2015, 192). Dabei ist auf die Entgeltvereinnahmung durch den schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalter sowie auf die Entgeltvereinnahmung durch den Schuldner mit Zustimmung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters abzustellen.

805

9

Anhang 10

Von einer Befugnis zur Entgeltvereinnahmung ist auch dann auszugehen, wenn der schwache vorlsufige Insolvenzverwalter nur mit einem allgemeinen Zustimmungsvorbehalt ausgestattet wurde, denn der Drittschuldner kann schuldbefreiend nur noch mit Zustimmung des vorlsufigen Insolvenzverwalters leisten (§ 24 Abs. 1 und § 82 InsO). Gleiches gilt, wenn der schwache vorlsufige Insolvenzverwalter zur KassenfÅhrung berechtigt ist.

11

DarÅber hinaus kÇnnen auch Handlungen des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters zur Entstehung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO fÅhren (z.B. Verwertung von AnlagevermÇgen durch den schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalter im Rahmen einer Einzelermschtigung, sofern nicht bereits § 55 Abs. 2 InsO einschlsgig ist).

12

Entgelt ist alles, was der Leistungsempfsnger aufwendet, um die Leistung zu erhalten. Daher fÅhrt auch der Erhalt einer Gegenleistung, z.B. beim Tausch oder bei tauschshnlichen Umsstzen, zu einer Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO. Unentgeltliche Wertabgaben nach Bestellung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters i.S.v. § 3 Abs. 1b und 9a UStG fallen ebenfalls in den Anwendungsbereich des § 55 Abs. 4 InsO. 11.4.1.2 Umsatzberichtigung wegen Uneinbringlichkeit aus RechtsgrÅnden (BFH, Urt. v. 24.9.2014 – V R 48/13)

13

Aufgrund der Bestellung eines schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO), mit Recht zum Forderungseinzug (§§ 22 Abs. 2, 23 InsO) oder mit Berechtigung zur KassenfÅhrung werden bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten die noch ausstehenden Entgelte fÅr zuvor erbrachte Leistungen im Augenblick vor der ErÇffnung des vorlsufigen Insolvenzverfahrens aus RechtsgrÅnden uneinbringlich. Uneinbringlich werden auch die Entgelte fÅr die Leistungen, die der Insolvenzschuldner nach Bestellung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt, mit Recht zum Forderungseinzug oder mit Berechtigung zur KassenfÅhrung bis zur Beendigung des InsolvenzerÇffnungsverfahrens (§§ 26, 27 InsO) erbringt.

14

Maßgeblich hierfÅr ist nach Auffassung des BFH, dass entsprechend § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszustsndigkeit fÅr alle Leistungen, die auf die zur Insolvenzmasse gehÇrenden Forderungen erbracht werden, auf den schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalter mit Recht zum Forderungseinzug Åbergeht und dass der Insolvenzschuldner somit aus rechtlichen GrÅnden nicht mehr in der Lage ist, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem eigenen vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da sie im Rahmen der Masseverwaltung und Masseverwertung zu vereinnahmen sind und damit zum Bereich der Masseverbindlichkeiten gehÇren. Die rechtlichen Auswirkungen des BFH-Urteils v. 9.12.2010 – V R 22/10 – BStBl. II 2011, 996 werden somit auf den Zeitpunkt der Bestellung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters vorverlegt.

15

Die in den Rz. 13 und 14 dargelegten AusfÅhrungen des BFH gelten auch bei der Bestellung eines schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt ohne ausdrÅcklichem Recht zum Forderungseinzug.

16

Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Steuerbetrag fÅr steuerpflichtige Ausgangsleistungen des Unternehmens zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist.

806

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen

Beispiel 1 Der Insolvenzschuldner hat Forderungen aus steuerpflichtigen Umsstzen, die er vor der Bestellung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters erbracht hat, i.H.v. 11.900 E. Er hat diese Umsstze zwar angemeldet, die Entrichtung des Entgelts vom Leistungsempfsnger steht aber noch aus. Durch die Bestellung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters werden diese Forderungen aus rechtlichen GrÅnden uneinbringlich, da der Leistungsempfsnger nicht mehr an den Insolvenzschuldner leisten kann. Die fÅr diese Umsstze geschuldeten Steuerbetrsge sind nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen. Beispiel 2 Nach der Bestellung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters erbringt der Insolvenzschuldner steuerpflichtige Umsstze i.H.v. 5.950 E. Diese Umsstze hat er im Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung grundsstzlich zu versteuern. Gleichzeitig sind die Steuerbetrsge fÅr diese Umsstze nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen, da die Forderung aus rechtlichen GrÅnden uneinbringlich wird. 11.4.1.3 Forderungseinzug bei der Besteuerung nach vereinbarten und nach vereinnahmten Entgelten im vorllufigen Insolvenzverfahren Im Fall der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten kommt es im Anschluss an die Uneinbringlichkeit durch die Vereinnahmung des Entgeltes gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung. Dem steht nicht entgegen, dass die erste Berichtigung aufgrund Uneinbringlichkeit und die zweite Berichtigung aufgrund nachfolgender Vereinnahmung ggf. im selben Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum zusammentreffen (BFH, Urt. v. 24.10.2013 – V R 31/12, BFHE 243, 451 = UR 2014, 238, unter II.2.d).

17

Beispiel 3 Von den berichtigten Umsstzen aus den vorherigen Beispielen vereinnahmt der schwache vorlsufige Insolvenzverwalter 2.000 E. Durch die Vereinnahmung des Entgelts sind die darin enthaltenen Steuerbetrsge fÅr die Umsstze nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG insoweit ein zweites Mal zu berichtigen. Diese zweite Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2UStG erfolgt im Gegensatz zur ersten Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG im Unternehmensteil Insolvenzmasse und fÅhrt daher zu Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO. Dies gilt auch in Fsllen der Vereinnahmung eines Entgelts, in denen das Entgelt bereits vor der Bestellung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters aus tatsschlichen GrÅnden (z.B. wegen Zahlungsunfshigkeit des Entgeltschuldners) als uneinbringlich behandelt worden ist, und der darin enthaltene Steuerbetrag nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG berichtigt wurde. Insoweit fÅhrt die aufgrund der Vereinnahmung erneut nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG durchzufÅhrende Steuerberichtigung zur Entstehung von Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 Abs. 4 InsO.

18

Im Fall der Istversteuerung fÅhrt die Vereinnahmung der Entgelte durch den schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalter im vorlsufigen Insolvenzverfahren mit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens zur Entstehung von Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO (vgl. BFH, Urt. v. 29.1.2009 – V R 64/07, BStBl. II 2009, 682 = UR 2009, 388).

19

807

Anhang 11.4.1.4 VorsteuerrÅckforderungsansprÅche nach § 17 UStG 20

Der Vorsteuerberichtigungsanspruch aus nicht bezahlten LeistungsbezÅgen nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 UStG entsteht mit der Bestellung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt. Der Glsubiger des Insolvenzschuldners kann nsmlich seinen Entgeltanspruch zumindest fÅr die Dauer des ErÇffnungsverfahrens nicht mehr durchsetzen. Entsprechende VorsteuerrÅckforderungsansprÅche stellen Insolvenzforderungen dar. Der Vorsteuerabzug aus Leistungen, die der Insolvenzschuldner im InsolvenzerÇffnungsverfahren bezieht, ist ebenfalls aus rechtlichen GrÅnden uneinbringlich und entsprechend nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen. Dies gilt sowohl bei der Besteuerung nach vereinbarten als auch nach vereinnahmten Entgelten. Da dieser Berichtigungsanspruch regelmsßig mit dem ursprÅnglichen Vorsteueranspruch im gleichen Voranmeldungszeitraum zusammenfsllt, ergeben sich grundsstzlich keine SteueransprÅche, die als Insolvenzforderungen geltend zu machen wsren (vgl. analog zum Beispiel 2 in Rz. 16).

21

Durch den schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalter veranlasste Zahlungen von Entgelten aus vor oder nach seiner Bestellung bezogenen Leistungen fÅhren zu einer zweiten Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG. Auch dies kann im selben Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum zusammentreffen. Die zweite Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG mindert den Steueranspruch und ist im Fall einer nachfolgenden InsolvenzerÇffnung bei der Berechnung der sich fÅr den Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum ergebenden Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO anspruchsmindernd zu berÅcksichtigen. 11.4.1.5 Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG

22

Ist wshrend der vorlsufigen Insolvenzverwaltung eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG durchzufÅhren, fsllt diese in den Anwendungsbereich des § 55 Abs. 4 InsO, soweit die znderung der Verhsltnisse im Rahmen der Befugnisse des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters veranlasst wurde (z.B. Zustimmung zum Verkauf eines GrundstÅcks). 11.4.1.6 Verwertung von Sicherungsgut

23

Die Verwertung von Sicherungsgut begrÅndet keine Umsatzsteuerverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO. Derartige Umsstze unterliegen weiterhin der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfsngers nach § 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG. Durch die Fiktion in § 55 Abs. 4 InsO werden diese Umsstze nicht zu Umsstzen „innerhalb“ des Insolvenzverfahrens. II.4.2 Einkommen-, KÇrperschaft- und Gewerbesteuer

24

Werden durch den schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalter oder durch den Insolvenzschuldner mit Zustimmung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters Ertragsteuern begrÅndet, stellen diese nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO dar.

25

Die Zustimmung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters kann aktiv (z.B. Versußerung von AnlagevermÇgen mit Aufdeckung stiller Reserven) oder durch konkludentes Handeln (z.B. Tun, Dulden, Unterlassen) erfolgen. Soweit der schwache vorlsufige Insolvenzverwalter der Handlung des Insolvenzschuldners wider-

808

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen sprochen hat oder von der Tstigkeit des Insolvenzschuldners keine Kenntnis haben konnte, entstehen keine Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO. Im Fall des § 55 Abs. 4 InsO erfolgt die Zuordnung in Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten durch eine zeitliche Vorverlagerung der Wirkung des erÇffneten Insolvenzverfahrens auf den Zeitpunkt der Bestellung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters. In der Folge kann aber nur eine Verteilung des einheitlichen Jahresergebnisses erfolgen.

26

II.4.3 Lohnsteuer Werden LÇhne wshrend des vorlsufigen Insolvenzverfahrens an die Arbeitnehmer ausgezahlt, stellt die hierbei entstandene Lohnsteuer mit VerfahrenserÇffnung eine Masseverbindlichkeit dar. Dies gilt nicht fÅr Insolvenzgeldzahlungen; diese unterliegen als steuerfreie Einnahmen nach § 3 Nr. 2 EStG nicht dem Lohnsteuerabzug.

27

III. Verfahrensrechtliche Fragen 111.1 Steuererkllrungspflichten § 55 Abs. 4 InsO sndert nicht den rechtlichen Status des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters und lssst das Steuerrechtsverhsltnis unberÅhrt.

28

Da der schwache vorlsufige Insolvenzverwalter nicht VermÇgensverwalter nach § 34 Abs. 3 AO ist, hat er keine Steuererklsrungspflichten fÅr den Insolvenzschuldner zu erfÅllen.

29

Bis zur ErÇffnung des Insolvenzverfahrens obliegen dem Steuerpflichtigen die Steuererklsrungspflichten auch fÅr die Besteuerungsgrundlagen, fÅr die § 55 Abs. 4 InsO gilt. § 55 Abs. 4 InsO verlagert lediglich den Zeitpunkt der Zuordnung von Steuerverbindlichkeiten in Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen von der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens auf den Zeitpunkt der Bestellung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters vor.

30

111.2 Entstehung der Masseverbindlichkeiten Erst mit der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens gelten die nach Maßgabe des § 55 Abs. 4 InsO in der vorlsufigen Insolvenzverwaltung begrÅndeten Verbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten.

31

III.3.1 Berechnung und Verteilung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO bei der Umsatzsteuer Nach den Grundsstzen der BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 = UR 2011, 551 m. Anm. Widmann und BFH v. 24.11.2011 – V R 13/11, BStBl. II 2012, 298 = UR 2012, 403 sind die mit InsolvenzerÇffnung entstehenden selbstsndigen umsatzsteuerrechtlichen Unternehmensteile „Insolvenzmasse“ und „vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil“ bei allen Umsatzsteuersachverhalten im Insolvenzverfahren zu beachten. Bei der jeweiligen Steuerberechnung der einzelnen Unternehmensteile sind nur die Umsstze und die Vorsteuern der betreffenden Unternehmensteile zu berÅcksichtigen. Eine Vermischung der Besteuerungsgrundlagen der einzelnen Unternehmensteile untereinander ist nicht zulsssig. Daher sind nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens die Steuerbetrsge und die Vorsteuern aller Besteuerungszeitrsume des vorlsufigen Insolvenzverfahrens, unabhsngig davon, ob sich aus dem einzelnen Umsatzsteuervoranmeldungszeitraum insgesamt eine Zahllast oder ein Guthaben ergibt, auf die einzelnen selbstsndigen umsatzsteuer-

809

32

Anhang rechtlichen Unternehmensteile zu verteilen. FÅr Zwecke dieser Zuordnung gilt Folgendes: 33

Die in den betreffenden Voranmeldungszeitrsumen des vorlsufigen Insolvenzverfahrens von oder mit Zustimmung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters begrÅndeten Steuern aus Lieferungen und sonstigen Leistungen i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO (vgl. Rz. 17, 18 und 22) sind um die mit Zustimmung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters begrÅndeten Vorsteuerbetrsge (vgl. Rz. 21) zu mindern. Nur soweit sich aus der Summe der so ermittelten Ergebnisse aller Voranmeldungszeitrsume des vorlsufigen Insolvenzverfahrens eine Zahllast ergibt, liegt eine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO vor.

Beispiel: Nach den erforderlichen Berichtigungen gem. § 17 UStG (s. insb. Rz. 16 und 20) ergeben sich im vorlsufigen Insolvenzverfahren fÅr den Voranmeldungszeitraum 01 ein Erstattungsbetrag von 5.000 E und fÅr die Voranmeldungszeitrsume 02 und 03 jeweils eine Zahllast von 10.000 E. Die Umsstze und Vorsteuern setzen sich wie folgt zusammen: UStVA 01 UStVA 02 UStVA 03 Umsatzsteuer auf Umsstze gem. § 55 Abs. 4 InsO 3.000 E 16.000 E 13.000 E Vorsteuern gem. § 55 Abs. 4 InsO 8.000 E 6.000 E 3.000 E -5.000 E 10.000 E 10.000 E Summe Da sich aus der Summe der so ermittelten Ergebnisse der Umsatzsteuervoranmeldungszeitrsume fÅr den Zeitraum des vorlsufigen Insolvenzverfahrens eine Zahllast ergibt (-5.000 E +10.000 E + 10.000 E = 15.000 E), liegen Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO i.H.v. 15.000 E vor. 34

Die als Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO geltenden Umsatzsteuerverbindlichkeiten (vgl. Rz. 33) sind nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens fÅr die einzelnen (Vor-)Anmeldungszeitrsume des InsolvenzerÇffnungsverfahrens gegenÅber dem Insolvenzverwalter festzusetzen (vgl. BFH, Urt. v. 24.9.2014 – V R 48/13, BStBl. II 2015, 506 = UR 2015, 192; Rz. 36 ff.). Einwendungen hiergegen kÇnnen nach den allgemeinen Grundsstzen, insbesondere im Wege des Einspruchs nach § 347 AO, geltend gemacht werden.

Beispiel: Im obigen Beispiel sind fÅr den Umsatzsteuervoranmeldungszeitraum 01 ein Erstattungsbetrag, welcher sich aus den begrÅndeten Steuern aus der Entgeltvereinnahmung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO und den mit Zustimmung des schwachen vorlsufigen Insolvenzverwalters begrÅndeten Vorsteuerbetrsgen ergibt, i.H.v. 5.000 E und fÅr die Umsatzsteuervoranmeldungszeitrsume 02 sowie 03 jeweils eine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO i.H.v. 10.000 E gegen den Insolvenzverwalter festzusetzten. Der Erstattungsbetrag fÅr den Umsatzsteuervoranmeldungszeitraum 01 kann mit den Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO oder anderen Masseverbindlichkeiten verrechnet werden. 35

Nicht als Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO geltend zu machende Umsatzsteuerverbindlichkeiten sind als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anzumelden. Dabei ist es zwar zulsssig aber nicht erforderlich, zur Insolvenztabelle die einzelnen, ggf. vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens noch angemeldeten bzw. festgesetzten Umsatzsteuerforderungen aus den einzelnen Voranmeldungszeitrsumen anzumelden. Ausreichend ist die Anmeldung der noch nicht getilgten Jahressteuer des InsolvenzerÇffnungsjahrs fÅr den vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil.

810

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen Die jahresbezogene Saldierung nach § 16 Abs. 2 UStG stellt keine Aufrechnung i.S.v. § 96 InsO dar und geht dieser somit vor (BFH, Urt. v. 25.7.2012– VII R 44/10, BStBl. II 2013, 33 = UR 2012, 972). Wshrend des vorlsufigen Insolvenzverfahrens hat der Unternehmer fÅr jeden Voranmeldungszeitraum eine Umsatzsteuervoranmeldung einzureichen, die ssmtliche unselbstsndigen Besteuerungsgrundlagen enthslt.

36

III.3.2 Geltendmachung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO bei der Umsatzsteuer Nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens sind die als Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO geltenden Umsatzsteuerverbindlichkeiten (vgl. Rz. 32 und 33) fÅr die Voranmeldungszeitrsume des vorlsufigen Insolvenzverfahrens gegenÅber dem Insolvenzverwalter festzusetzen und bekannt zu geben. Hierbei ist es unbeachtlich, wenn fÅr denselben Voranmeldungszeitraum bereits vor der InsolvenzerÇffnung ein Vorauszahlungsbescheid vorlag, der sich gem. § 168 Satz 1 AO auch aus einer Steueranmeldung ergeben kann, die einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der NachprÅfung gleichsteht (vgl. BFH, Urt. v. 24.9.2014 – V R 48/13, BStBl. II 2015, 506 = UR 2015, 192). Eventuell erfolgte Zahlungen auf die als Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO geltenden Umsatzsteuerverbindlichkeiten sind im Abrechnungsteil der Festsetzung anzurechnen.

37

FÅr die Bekanntgabe der Festsetzungen gelten die allgemeinen Grundsstze zu § 122 AO und der Nrn. 4.3, 4.4, 6.1, 13.2 und 15.1 des AEAO zu § 251. Die bisher gegen den Insolvenzschuldner (vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil) fÅr die Zeitrsume des vorlsufigen Insolvenzverfahrens festgesetzten Umsatzsteuern sind – korrespondierend zu den Festsetzungen gegen die Insolvenzmasse – in Form einer Steuerberechnung mit anschließender (gegebenenfalls berichtigter) Tabellenanmeldung zu sndern, soweit darin unselbstsndige Besteuerungsgrundlagen berÅcksichtigt sind, die wegen § 55 Abs. 4 InsO nach InsolvenzerÇffnung als Masseverbindlichkeiten dem Unternehmensteil „Insolvenzmasse“ zuzurechnen sind.

38

Der Insolvenzverwalter kann seiner Mitwirkungspflicht durch die schlichte Anzeige der unter § 55 Abs. 4 InsO fallenden Besteuerungsgrundlagen oder durch die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen entsprechen. Soweit der Insolvenzverwalter seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommt, sind die Besteuerungsgrundlagen zur Berechnung der Masseverbindlichkeiten sachgerecht zu schstzen.

39

In der Umsatzsteuerjahreserklsrung sind die die Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO begrÅndenden unselbstsndigen Besteuerungsgrundlagen mit den die Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 und ggf. § 55 Abs. 2 InsO begrÅndenden Besteuerungsgrundlagen in der (Teil-)Umsatzsteuerjahreserklsrung des Unternehmensteiles Insolvenzmasse zu berÅcksichtigen.

40

111.4.1 Bekanntgabe Es gelten die allgemeinen Grundsstze zu § 122 AO und der Nrn. 4.3, 4.4, 6.1, 13.2 und 15.1 des AEAO zu § 251. Der vorlsufige Insolvenzverwalter ohne Verwaltungsund VerfÅgungsbefugnis ist nicht Bekanntgabeadressat fÅr Verwaltungsakte.

41

Soweit bereits vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens eine Steuerfestsetzung (Steueranmeldung) der nach VerfahrenserÇffnung nach § 55 Abs. 4 InsO als Masseverbindlichkeiten geltenden Steuerverbindlichkeiten gegenÅber dem Insolvenzschuldner erfolgt ist, wirkt diese gegenÅber der Insolvenzmasse fort. Es ist keine

42

811

Anhang erneute Bekanntgabe gegenÅber dem Insolvenzverwalter vorzunehmen (zum Leistungsgebot vgl. Rz. 44 ff.). 43

Soweit noch keine Steuerfestsetzung der nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens nach § 55 Abs. 4 InsO als Masseverbindlichkeit geltenden Steuerverbindlichkeit vor der ErÇffnung des Insolvenzverfahrens gegenÅber dem Insolvenzschuldner erfolgt ist, ist gegenÅber dem Insolvenzverwalter die Steuer erstmalig festzusetzen. 111.4.2 Leistungsgebot

44

Die Geltendmachung der noch nicht beglichenen Masseverbindlichkeiten bei Ertragsteuern erfolgt mittels Leistungsgebot (Ausnahme fÅr Lohnsteuern s. III. 4.3).

45

Da § 55 Abs. 4 InsO fÅr die tatbestandlichen Steuerverbindlichkeiten die Insolvenzmasse als „haftenden“ insolvenzrechtlichen VermÇgensbereich bestimmt und gegenÅber diesem VermÇgensbereich noch kein Leistungsgebot erfolgt ist, ist insoweit an den Insolvenzverwalter ein Leistungsgebot mit der ursprÅnglichen Fslligkeit und unter AuffÅhrung der bereits entstandenen Nebenleistungen zu erlassen. III.4.3 Geltendmachung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO bei der Lohnsteuer

46

Nach ErÇffnung des Insolvenzverfahrens sind die als Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO geltenden Lohnsteuerverbindlichkeiten (vgl. Rz. 27) fÅr die Anmeldungszeitrsume des vorlsufigen Insolvenzverfahrens gegenÅber dem Insolvenzverwalter festzusetzen und bekannt zu geben. Hierbei ist es unbeachtlich, wenn fÅr denselben Anmeldungszeitraum bereits vor der InsolvenzerÇffnung eine Lohnsteuerfestsetzung vorlag, die sich gem. § 168 Satz 1 AO auch aus einer Steueranmeldung ergeben kann, die einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der NachprÅfung gleichsteht (vgl. BFH, Urt. v. 24.9.2014 – V R 48/13, BStBl. II 2015, 506 = UR 2015, 192). Eventuell erfolgte Zahlungen auf die als Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO geltenden Lohnsteuerverbindlichkeiten sind im Abrechnungsteil der Festsetzung anzurechnen.

47

Die bisher gegen den Insolvenzschuldner fÅr die Zeitrsume des vorlsufigen Insolvenzverfahrens festgesetzten Lohnsteuern sind – korrespondierend zu den Festsetzungen gegen die Insolvenzmasse – in Form einer Steuerberechnung mit anschließender (gegebenenfalls berichtigter) Tabellenanmeldung zu sndern, soweit darin unselbstsndige Besteuerungsgrundlagen berÅcksichtigt sind, die wegen § 55 Abs. 4 InsO nach InsolvenzerÇffnung als Masseverbindlichkeiten gelten.

48

Der Insolvenzverwalter kann seiner Mitwirkungspflicht durch die schlichte Anzeige der unter § 55 Abs. 4 InsO fallenden Besteuerungsgrundlagen oder durch die Abgabe von Lohnsteueranmeldungen entsprechen. Soweit der Insolvenzverwalter seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommt, sind die Besteuerungsgrundlagen zur Berechnung der Masseverbindlichkeiten sachgerecht zu schstzen. 111.5 Einwendungen gegen die Zuordnung als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO

49

Bei Streit Åber die Zuordnung anteiliger Betrsge zur Insolvenzmasse kann der Insolvenzverwalter mit VerfahrenserÇffnung die Rechte wahrnehmen, die dem Insolvenzschuldner zu diesem Zeitpunkt auch zugestanden hstten. Einwendungen gegen die Zuordnung kÇnnen nach den allgemeinen Grundsstzen, insbesondere im Wege des Einspruchs gegen die Festsetzung bei der Umsatzsteuer sowie der Lohnsteuer und im Wege des Einspruchs gegen das Leistungsgebot bei den Åbrigen Ertragsteuern geltend gemacht werden.

812

II. AusgewWhlte Verwaltungsanweisungen 111.6 Aufrechnung gegen SteuererstattungsansprÅche Vor ErÇffnung des Insolvenzverfahrens sind Steuerforderungen und Steuererstattungen ohne Einschrsnkungen aufrechenbar, soweit die Aufrechnungsvoraussetzungen vorliegen. Der Umstand, dass bestimmte Steuerforderungen spster (nach InsolvenzerÇffnung) gem. § 55 Abs. 4 InsO zu Masseverbindlichkeiten werden, hindert die Aufrechnung nicht.

50

Nach VerfahrenserÇffnung noch bestehende SteuererstattungsansprÅche aus dem Zeitraum des ErÇffnungsverfahrens sind vorbehaltlich des BFH-Urteils vom 2.11.2010 – VII R 6/10, BStBl. I 2011, 374, mit Insolvenzforderungen aufrechenbar.

51

Sofern § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO einer Aufrechnung mit Insolvenzforderungen entgegensteht, kann gegen diese Guthaben mit Masseverbindlichkeiten (insbesondere mit Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 4 InsO) aufgerechnet werden. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO gilt nicht fÅr Masseglsubiger, sondern nur fÅr Insolvenzglsubiger.

52

IV. Anfechtung Tatbestandlich ist § 55 Abs. 4 InsO im Zeitpunkt der InsolvenzerÇffnung im Falle einer anfechtbar geleisteten Zahlung mangels bestehender Steuerverbindlichkeiten nicht erfÅllt. WÅrde der Insolvenzverwalter nach der InsolvenzerÇffnung die Anfechtung der Steuerzahlung erklsren und das Finanzamt auf die Anfechtung hin zahlen, wÅrde die ursprÅngliche Steuerforderung nach § 144 Abs. 1 InsO unmittelbar, aber nunmehr als Masseforderung wieder aufleben. Das Finanzamt wÅrde eine Zahlung leisten, die es sofort wieder zurÅckfordern kÇnnte. Eine Zahlung auf den Anfechtungsanspruch kann daher wegen Rechtsmiss- brsuchlichkeit verweigert werden. Dieses Schreiben tritt mit sofortiger Wirkung an die Stelle des BMF-Schreibens v. 17.1.2012 – IV A 3 - S 0550/10/10020 - 05. Es wird im BStBl. I verÇffentlicht.

813

53

Anhang

814

Stichwortverzeichnis Abgesonderte Befriedigung 2.292 Ablaufhemmung 3.205, 3.285 Abrechnungsbescheid 3.308, 3.310, 3.339 – Zustsndige FinanzbehÇrde 3.8 AbschlussprÅfer – Wahl 3.151 AbschlussprÅfung 3.150 Absonderungsberechtigte 4.451 – Insolvenzplan 2.236 – Versußerung Sicherungsgut 4.464 Absonderungsgegenstlnde 2.222 – Einkommensteuer aus der Verwertung 4.36 – unbewegliche Gegenstsnde, Grundsteuer 4.648 – Umsatzsteuer bei Verwertung, s. Verwertung Absonderungsrechte 2.350 – Freigabe 4.591 – Kraftfahrzeug, Kfz-Steuer 4.587 – Sachhaftung 4.672 – Umsatzsteuer, s. dort – Verwertung 4.447 Abtretungsempflnger (§ 13c UStG) 4.508 Abweichende Festsetzung 3.199 Abweisung – des Insolvenzantrages mangels Masse 2.95 Abwickler 2.382 Abwicklung – des schuldnerischen Rechtstrsgers 2.362 Abwicklungsgewinn 4.280, 4.286 Abwicklungsphase – gemeinnÅtziger KÇrperschaft 3.69 Akteneinsichtsrecht 3.27 Alkopopsteuer 4.656 Allgemeines VerfÅgungsverbot 2.44, 3.23 Altlasten 2.224 Altmassegllubiger 2.275 Altmasseverbindlichkeiten 2.327, 3.218, 3.229 – Lohnsteuer 4.226, 4.540 Amtsermittlungspflicht 3.108 Amtspflichtverletzung 2.35 Amtstheorie 2.110 rnderungsbescheide – Insolvenzforderungen 3.189

Anfechtung 2.178 – Abtretungsempfsnger (§ 13c UStG), Verhsltnis zur – 4.516 – Aufrechnungslage 4.129 – Berichtigung Vorsteuer 4.410 – Beweislastumkehr 2.190 – Gesellschafterdarlehen 2.206 – Haftung nach § 13c UStG 4.516 – inkongruente Deckung 2.191 – inkongruente Herstellung der Aufrechnungslage 4.367 – kongruente Deckung 2.188 – Sachhaftung 4.675 – Schenkung 2.205 – Steuerberaterhonorar 2.391 – umsatzsteuerliche Folgen 4.507 – unentgeltliche Leistung 2.205 – Vollstreckungshandlung 2.194 – vorlsufiger starker Insolvenzverwalter 2.46 AnfechtungsansprÅche – Akteneinsicht 3.31 Anfechtungsgegner 2.194 Anfechtungsgesetz 3.369 Anhang – zum Jahresabschluss 3.148 AnhÇrung – des Schuldners 2.90 AnlagevermÇgen 3.132 Anmeldung zur Tabelle, s. Forderungsanmeldung Anmeldungsfrist – Frist fÅr die Forderungsanmeldung 3.250 Anordnungsanspruch 3.405 Anordnungsgrund 3.407 Anrechnungen auf die Steuerschuld 4.64 Anschaffungskosten – nachtrsgliche 2.207 Antragsberechtigung – Erlass 3.322 Antragspflicht 2.14, 2.36 Antragsprinzip 2.2 AntragsrÅcknahme 2.11 Antragsverfahren 2.1 Anzeigepflichten 3.394 Anwaltszulassung 3.321 Arbeitgeber – Insolvenz 4.223 Arbeitgeberdarlehen 4.106

815

Stichwortverzeichnis Arbeitnehmer – Einkommensteuer 4.219 – Insolvenz 4.219 Arbeitnehmerdarlehen 4.106 Arbeitslohnanspruch – insolvenzfreies VermÇgen 4.219 Art der Verwertung 2.318 asset deal 2.173, 4.19 Aufdeckung stiller Reserven 3.133 Aufhebung – des Insolvenzverfahrens 3.288, 3.361 – des Insolvenzverfahrens, Umsatzsteuervoranmeldungen 4.346 – des Insolvenzverfahrens, Veranlagungszeitraum 4.206 – des Insolvenzverfahrens, Vollstreckung 3.387 AuflÇsend bedingte Forderungen 2.260 AuflÇsungsverlust – aus insolventer Kapitalgesellschaft 4.140 Aufnahme 3.288 – des unterbrochenen Rechtsstreits 3.303 – eines Einspruchsverfahrens 3.300 – eines Rechtsstreits 3.296, 3.301 Aufrechnung 2.322, 3.335, 4.527 – gegen Erstattungsanspruch 4.399, 4.366 – gegen Erstattungsanspruch aus erÇffnungsbedingter Berichtigung (§ 17 UStG) 4.366, 4.368, 4.530 – Fslligkeit der Gegenforderung 3.347 – Gegenseitigkeit der Forderungen 3.335 – Gewerbesteuer 4.557 – Gleichartigkeit der Forderungen 3.335 – Hauptforderung 3.356 – inkongruente Herstellung der Aufrechnungslage 4.129, 4.367 – insolvenzfreies VermÇgen 3.363 – Insolvenzplan 3.365 – Masseglsubiger 2.325, 3.337 – mit Steuerforderungen 3.339 – mit Steuerforderungen aus Berichtigungen 3.364, 4.366, 4.530 – nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens 3.361 – Neuglsubiger 2.330 – Umsatzsteuer 4.404, 4.527 – Vorsteuer aus VerwaltervergÅtung 4.533 – Vorsteuer aus VergÅtung des vorlsufigen Verwalters 4.537 – Wohlverhaltensperiode 3.362

816

Aufrechnungserkllrung 3.339 Aufrechnungslage, s. Aufrechnung – Anfechtung 4.129 Aufrechnungsverbote, s. Aufrechnung 4.529 Aufschiebend bedingte Forderungen 2.260 Aufschiebende Wirkung 2.20 Aufsicht – des Gerichts Åber den Insolvenzverwalter 2.117, 3.118 Aufsichtspflichten – Insolvenzgericht gegenÅber Insolvenzverwalter 3.327 Aufteilung – der Steuerschuld 4.57 – Einkommensteuerschuld 4.171, 4.177, 4.197 Aufzeichnungspflichten 3.160 AusgleichsansprÅche – des Absonderungsberechtigten 2.222 Auskunftsanspruch – des Insolvenzverwalters gegenÅber Finanzverwaltung 3.26 – nach Informationsfreiheitsgesetzen (IFG) 3.40 Auskunftserteilung – an vorlsufigen Insolvenzverwalter 3.20 – an Sachverstsndigen 3.23 – an Sachwalter 3.24 Auskunftspflicht 2.54 – des Insolvenzschuldners 2.257, 3.22 – des Steuerberaters 2.386 – Insolvenzverwalter gegenÅber Finanzverwaltung 2.123 Auskunftsrecht – des Insolvenzverwalters 4.61 Auslagen – Insolvenzverwalter 2.361 Auslagenpauschale 2.361 Ausschließlichkeit 3.60, 3.69 AußenprÅfung 3.212 Außerbetriebsetzung 4.585 Aussetzung der Vollziehung 3.225, 3.368, 3.375, 3.376, 3.380, 3.410 Aussetzungszinsen 3.236 Aussonderung 2.279 Aussonderungsrechte 2.127 Auswahl – Insolvenzverwalter 2.107 Bargeschlft 2.186, 2.394 Bauabzugsteuer 4.113 – Masseunzulsnglichkeit 4.131

Stichwortverzeichnis Bauauftraggeber – Haftung 4.132 Bauforderung – Entstehung nach ErÇffnung 4.127 Bauleistungen 4.113 Bedeutsame Maßnahmen 2.118 Beendigung – der KÇrperschaft 3.1 Beendigung des Insolvenzverfahrens 3.206 – Veranlagungszeitraum 4.206 Befreiungen – KÇrperschaftsteuer 4.259 Beibringungsgrundsatz 3.108 Bekanntmachung 2.89 Belege – bei Schlussrechnung 3.123 Bemessungsgrundlage – Kraftfahrzeugsteuer 4.564 – Umsatzsteuer 4.400 Bemessungszeitraum – KÇrperschaftsteuer 4.241 Berechnungsgrundlage 2.350 Berechnungsmitteilung 3.190 Bereicherung 2.268 Berichtigung – Umsatzsteuer 4.405, 4.330 – Vorsteuer 4.405, 4.424 – Vorsteuer wegen nicht erbrachter Leistung 4.411 Berichtigungsrechtsprechung des BFH 4.330 Berichtstermin 3.259 Berufsfreiheit – Steuerberater 2.374 Beschlagnahme 4.668 Beschwerde 2.93, 2.101 – ZurÅckweisung Insolvenzplan 2.242 Besserungsschein 4.21 Bestltigung – des Insolvenzplans 2.247 Besteuerungsgrundlagen 4.643 – Ermittlung 3.164 – Feststellung 3.207 Besteuerungsverfahren – Unterbrechung 3.298 Besteuerungszeitraum – Einkommensteuer 4.5 Betriebsaufgabe 4.19 Betriebserwerb – Haftung 2.223 BetriebsfortfÅhrung – Haftung des Insolvenzverwalters 2.336 – Rechnungslegung 3.144 – schuldnerisches Unternehmen 2.208

– VergÅtung des Insolvenzverwalters 2.350 Betriebsverlußerung 2.221, 4.19 BetriebsvermÇgen – Beteiligung an Kapitalgesellschaft 4.270 Bevollmlchtigte 3.192 Bewegliche Sachen 2.138, 2.142 Bewegliche Gegenstlnde – Absonderungsrecht 2.296 Beweisanzeichen 2.199 Beweislast 2.195 Beweislastumkehr 2.348 Bewertungsstetigkeit 3.132 Bezugsrechte 2.289 Biersteuer 4.656 Billigkeitsentscheidung 3.199 BilligkeitsgrÅnde 3.199, 3.202, 3.258, 3.314, 3.316, 4.28, 4.33, 4.145, 4.217, 4.218, 4.309 Billigkeitsmaßnahmen 3.316 – Antragsberechtigung 3.202 Branntweinsteuer 4.656 BuchfÅhrungs- und Bilanzierungspflichten 3.135 BuchfÅhrungserleichterungen 3.167, 3.171 BuchfÅhrungspflicht 2.122, 3.142, 3.394 – abgeleitete 3.158 – bei Masseunzulsnglichkeit 3.170 Buchhaltungskosten 2.355 Darlegungsanforderungen 2.18 Darlegungslast 2.195 Darlehen – Arbeitnehmer an Arbeitnehmer 4.106 Darstellender Teil – Insolvenzplan 2.229 Datenschutzgesetz 3.27 DATEV-Daten 2.399 Dauerschuldverhlltnisse 2.201, 2.266, 3.220 Debitoreneinzug 2.172, 2.357 Dispositionsmaxime 2.4 Doppelinsolvenzverfahren 2.153 Doppelumsatz 4.449, 4.464, 4.470, 4.478 Drittschuldner 3.375 Druckantrag 2.24, 2.199 Druckmittel – Ssumniszuschlag 3.226 – Verspstungszuschlag 3.230 Druckzahlungen 2.193

817

Stichwortverzeichnis Duldungen – Vollstreckung 3.394 Duldungsbescheid 3.209 Ehegatten 4.51 – Steuergeheimnis 3.17 Eigenantrag 2.13 Eigenkapitalersatz 3.132 Eigenschuld des Erben 4.162 Eigentumsvermutung 2.127 Eigentumsvorbehalt 2.210, 2.214, 2.286 EigenvermÇgen – des Erben 4.608 Eigenverwaltung 3.375 Einfuhrumsatzsteuer 4.322 Eingliederung – Organschaft 4.295 – umsatzsteuerliche Organschaft 4.374 Einheitswertbescheide 4.646 Einkommen – des Insolvenzschuldners 4.10 – KÇrperschaft 4.241 Einkommensteuer 4.1 – Aufteilung 4.177 – der Gesellschafter insolventer Gesellschaften 4.135 – Insolvenzforderungen 4.169, 4.194 – insolvenzfreies VermÇgen 4.169 – Masseverbindlichkeit 4.169, 4.194 – Nachlassinsolvenzverfahren 4.161 – Steuererklsrung 4.12 – Vorauszahlungen 4.66 – Zuordnung zu Forderungskategorien 4.169 Einkommensteuerforderungen – Aufteilung Insolvenzverwalter und Abwickler 2.385 Einkommensteuerpflicht 4.1 Einkommensteuerschuld – Aufteilung Forderungskategorien 4.171 – Entstehung 4.5 Einkommensteuertarif 4.4 – Lohnsteuer 4.74 EinkÅnfteermittlung 4.3 Einkunftsarten 4.2 Einsichtnahme – des Insolvenzverwalters in Steuerakten 3.29 Einspruch – gegen Ablehnung Auskunftsgesuch 3.39 Einspruchsverfahren – unterbrochenes, durch ErÇffnung 3.300

818

Einstellung – des Insolvenzverfahrens, Umsatzsteuervoranmeldungen 4.346 – des Insolvenzverfahrens, Veranlagungszeitraum 4.206 Einstellung des Verfahrens 2.119 Einstellung mangels Masse – Steuererklsrungspflichten 3.179 Einstweilige Anordnung 2.27 – auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung 4.117 – gegen Forderungsanmeldung 3.257 – gegen Insolvenzantrag 3.403, 3.404 Einstweiliger Rechtsschutz 2.27, 3.403 Einzelermlchtigungen 2.270 – Umsatzsteuer 4.346 – vorlsufiger Insolvenzverwalter 2.49 Einzelschaden – Insolvenzglsubiger 2.342 Einzelzwangsvollstreckung 2.29 Empfangszustlndigkeit – Steuerberater des Insolvenzschuldners 3.192 Energiesteuer 4.656 Entstehung – Umsatzsteuer 4.320 Erbe – Steuerschuldner 4.161 – Steuerschuldner der Erbschaftsteuer 4.600 – Umsatzsteuer 4.526 – Unternehmer 4.526 – Verlustabzug 4.45 Erbenhaftung 4.162 Erbfall 4.161 Erbschaftsteuer 4.598 Erbschaftsteuerforderungen 4.611, 4.612 ErfÅllbarkeit – Hauptforderung 3.359 ErfÅllungswahl 3.132, 4.416, 4.437, 4.626, 4.634 – Umsatzsteuer 4.396 ErfÅllungswahlrecht – des Insolvenzverwalters 2.210, 2.267 ErgebnisabfÅhrungsvertrag 4.297 Erhebungsverfahren 3.244 Erinnerung 3.375 – gegen Vollstreckungsmaßnahme 3.380 Erlass 3.308, 3.314 – Antrag 3.322 – Einkommensteuer 4.146 – Gewerbesteuer 4.557 – Grundsteuer 4.647; 4.649 – Verspstungszuschlsge 3.235

Stichwortverzeichnis – von Ssumniszuschlsgen 3.226 – von Schulden 4.21, 4.309 – von Steuern im Sanierungsfall 4.22 – Zinsen 3.238 Erlassantrag Forderungsanmeldung – Rechtsmittel 3.257 ErlassbedÅrftigkeit 3.238, 3.239, 3.321 ErlasswÅrdigkeit 3.321 Erledigungserkllrung 2.11 Erleichterungen – BuchfÅhrungspflichten 3.168 Ermessensentscheidung – Akteneinsicht 3.30 Ermittlung der SteueransprÅche 3.108 ErÇffnungsantrag 2.2 – des Schuldners 2.13 – durch die Finanzverwaltung 2.17 ErÇffnungsbeschluss 2.88 – Titelfunktion 2.112, 2.127 ErÇffnungsbilanz 3.129 ErÇffnungsverfahren 2.1 – Steuerabzug 4.128 – Umsatzsteuer 4.336 ErÇffnungsvoraussetzungen 2.6 ErÇffnungsgrund 2.63 Ersatzabsonderung 2.321 Ersatzaussonderung 2.290 Ersatzvornahme 2.224, 3.394 Ersatzzwangshaft – gegen Insolvenzverwalter 3.397 Erstattungen 3.197 Erstattungsanspruch 4.58, 4.291, 4.366 – Bauabzugsteuer 4.124, 4.132 – Grunderwerbsteuer 4.633 – bei unerkannter Organschaft 4.399 Erstattungsbetrag 4.69 Fllligkeit 3.347 – Einkommensteuer 4.5 – Steueranspruch 3.224 Fehlverhalten – der FinanzbehÇrde 3.318 Festsetzung 3.191 – im vorlsufigen Insolvenzverfahren 3.186 – Insolvenzforderungen 3.187 – Masseforderungen 3.194 – Steuerforderungen gegen insolvenzfreies VermÇgen 3.195 Festsetzung auf Null Euro 3.197 – Feststellung zur Tabelle – Wirkung der Tabellenfeststellung 3.274 Feststellung einer Forderung 3.274

Feststellungs- und Verwertungskosten 2.305 Feststellungsbescheid 3.285, 3.289, 3.292, 3.298, 3.303, 3.374, 3.379, 3.389, 4.43 – Einheitswert 4.646 – Gewinnfeststellung 3.401 – Leistungsgebot 3.292 – Tenor 3.292 Feststellungsklage 3.290 – negative 3.299 Feststellungskosten 2.350, 4.458, 4.512 Feststellungsverfahren 3.207, 3.401 – Grundsteuer 4.645 Feststellungsvermerk 3.274 Finanzgericht 2.27 Finanzmarktstabilisierungsgesetz 2.81 Forderung – Absonderungsrecht 4.495, 4.512 – Sicherungszession 4.512 – Umsatzsteuer bei Verwertung 4.496 – Verwertung 4.495 FÇrderung der Allgemeinheit 3.54 Forderungen 2.140 – bedingte 2.260 – Bewertung 3.132 – nachrangige 3.248 – zedierte, Verwertung 4.512 – zweifelhafte 3.115 – Verwertung von, Umsatzsteuer 4.495 Forderungsanmeldung 3.187 – Anmeldung zur Insolvenztabelle 3.246 – Bestreiten des Insolvenzverwalters 3.290 – Form 3.251 – Frist 3.250 – Inhalt 3.253 – mehrere Bestreitende 3.305 – Rechtsnatur 3.256 – Widerspruch 3.280, 3.284, 3.291, 3.297 – Widerspruch des Insolvenzverwalters 3.290 – Widerspruch eines Insolvenzglsubigers 3.290 Forderungseinzug 2.172, 2.357 Forderungskategorien – Einkommensteuer 4.169, 4.194 Forderungsverzicht 4.20, 4.33 Forderungsverzichte mit Besserungsschein 2.237 Form der Forderungsanmeldung 3.251 FortfÅhrung – schuldnerisches Unternehmen 2.208 FortfÅhrungsprognose 2.82

819

Stichwortverzeichnis FortfÅhrungswerte 3.115 Freigabe – an Absonderungsberechtigten 4.482 – durch Insolvenzverwalter 2.143 – echte 2.144, 4.480 – Geschsftsbetrieb 2.151, 4.194, 4.347 – Kraftfahrzeug, Kraftfahrzeugsteuer 4.574 – modifizierte 2.150, 4.481 – Realsteuern 2.146 – selbstsndige Tstigkeit 2.151, 4.347 – Umsatzsteuer 4.479 – unechte 2.148 Freigabeerkllrung 2.144 Freihlndiger Verkauf 4.492 Freistellungsbescheinigung – bei Bauleistungen 4.115 Fruchtlosigkeitsbescheinigung 2.24 Geflhrdung Allgemeininteressen – insolventer Steuerberater 2.366 Gegenforderung – Fslligkeit 3.347 Gehllter 2.219 Gehaltsumwandlung 2.289 Geldbußen, Geldstrafen 3.242 GemeinnÅtzigkeit 3.41, 3.53 – Ende 3.66 Gesamtschaden 2.333, 2.341 GesamtschadensansprÅche 3.115 Gesamtschuldner 4.56 – Lohnsteuer 4.77 Geschlftsbesorgung 2.388 Geschlftsbetrieb – Freigabe 2.151, 4.347 GeschlftsbÅcher – des Insolvenzschuldners 2.129 GeschlftsfÅhrer – faktischer 3.91 – formeller 3.92 – mehrere 3.90 GeschlftsfÅhrerhaftung 3.132 GeschlftsfÅhrung – bei gemeinnÅtziger KÇrperschaft 3.64, 3.69 Geschlftsjahr 3.130, 3.145, 3.156 Geschlftsverlußerung – im Ganzen 4.500 Gesellschafter – Personengesellschaft, Einkommensteuer 4.141, 4.210 Gesellschafterdarlehen – Anfechtung 2.206 Gesellschafterversammlung – Wahl des AbschlussprÅfers 3.151

820

Gesetzmlßigkeit der Verwaltung 2.28 Gestaltungsmissbrauch 4.438 Getrenntveranlagung 4.59, 4.63 Gewerbeertrag 4.545, 4.551 Gewerbesteuer 4.540 – Aufrechnung 4.558 – Erlass 4.557 – Messbescheid 4.545 – Sanierungsgewinne 4.557 Gewerbesteuerforderungen 4.550 Gewerbesteuermessbetrag 4.545 Gewerbesteuerpflicht 4.553 – Ende 4.555 GewinnausschÅttungen – verdeckte 4.262 GewinneinkÅnfte 4.3 Gewinnerzielungsabsicht 3.136 Gewinnfeststellung 3.177, 3.401 – Personengesellschaft 4.212 Gewinn- und Verlustrechnung 3.147 GewinnverwendungsbeschlÅsse 3.139 Glaubhaftmachung 2.18 Gllubigeranfechtung 3.369 Gllubigerantragsverfahren 2.6 Gllubigerausschuss 2.118, 3.328 Gllubigerbenachteiligung – Rechtshandlung 2.183 Gllubigergleichbehandlung 2.178 Gllubigergruppen 2.259 Gllubigerversammlung 2.118, 2.336, 3.127, 3.264 – Absonderungsberechtigte 2.295 – Schlusstermin 3.330 – Wahl des AbschlussprÅfers 3.151 Gllubigerverzeichnis 3.116 Gleichbehandlung – aller Glsubiger 2.178, 2.245 Gleichmlßigkeit der Besteuerung 3.9 good will – Versußerung 2.378 Grunderwerbsteuer 4.614 – Erstattung 4.632 – Insolvenzanfechtung 4.621 – Masseunzulsnglichkeit 4.634 – Masseverbindlichkeit 4.625 – Unbedenklichkeitsbescheinigung 4.632 – Vormerkung 4.627 – ZubehÇr 4.629 Grundlagenbescheid – Grundsteuer 4.645 Grundpfandgllubiger 2.320 Grundsteuer 4.636 – Absonderungsrecht 4.648 – Einheitswertbescheide, Bekanntgabe 4.646

Stichwortverzeichnis – Erlass 4.649 – Forderungsqualitst 4.640 – GrundstÅckserwerber, Inanspruchnahme des 4.653 – Masseunzulsnglichkeit 4.654 – Messbescheide, Bekanntgabe 4.646 – Steuerschuldner 4.636 – Zwangsverwaltung 4.655 Grundsteuermessbescheide 4.646 GrundstÅcksverwertung 4.492 Gruppen – Insolvenzplan 2.235 Haftpflichtversicherung – Kosten 2.359 Haftung – Abtretungsempfsnger (§ 13c UStG) 4.508 – Bauauftraggeber 4.132 – des EigentÅmers von Gegenstsnden nach § 74 AO 3.107 – des Insolvenzverwalters 2.331, 3.141 – des Insolvenzverwalters fÅr Lohnsteuer 4.104 – des vorlsufigen Insolvenzverwalters 4.107 – des Vertreters 3.85 – GeschsftsfÅhrer 3.88 – in Folge der Anfechtung 4.509 – Insolvenzplan 3.106 – Insolvenzverwalter fÅr Masseverbindlichkeiten 2.345 – Insolvenzverwalter gegenÅber Ausund Absonderungsberechtigten 2.344 – Insolvenzverwalter gegenÅber Insolvenzglsubigern 2.341 – Insolvenzverwalter gegenÅber Masseglsubigern 2.340 – Insolvenzverwalter gegenÅber Schuldner 2.338 – Karussellgeschsft (§ 25d UStG) 4.517 – Lohnsteuer 4.82 – nach abgabenrechtlichen Vorschriften 3.84 – Organgesellschaft fÅr Organtrsger 4.388 – persÇnlich haftende Gesellschafter 3.103 – Umfang 3.97 Haftungsbescheid 3.209, 4.105, 4.399 – Lohnsteuer 4.104 Haftungsbescheid, Duldungsbescheid 3.209 Haftungsschuld 3.85, 4.223

Haftungsschuldner – Lohnsteuer 4.77, 4.84 Haftungsumfang 2.347 HalbeinkÅnfteverfahren 4.270 Halbstarker vorllufiger Insolvenzverwalter 2.49 Haltereigenschaft – Kraftfahrzeugsteuer 4.568 Handelsrechtliche Pflichten – des Insolvenzverwalters 3.128 Handelsregister – LÇschung 3.1 Handlungen – Vollstreckung 3.394 Handlungsvollmacht 2.254 Herausgabe – Sicherungsgegenstand 4.449 Herausgabeanspruch – gegenÅber Steuerberater des Insolvenzschuldners 2.396 Herausgabepflicht des Steuerberaters 2.400 Herausgabevollstreckung 2.127 Hinterlegung – unterlassene 2.342 Honorar – des Steuerberaters, Anfechtung 2.391 Honoraranspruch – des Steuerberaters in der Insolvenz des Mandanten 2.387 Hundesteuer 4.696 Ideeller Bereich – einer KÇrperschaft 3.44 Immaterielle VermÇgensgegenstlnde 3.132 Immobiliarverwertung 4.473, 4.484 Immobiliarvollstreckung 3.368, 3.375 Immobilien 2.130, 2.212, 2.316 Inbesitznahme – des schuldnerischen Unternehmens 2.132 – durch Insolvenzverwalter 2.126 Indirekte Verbrauchsteuern 4.656 Informationelle Selbstbestimmung – Mandanten des Steuerberaters 2.380 Informationsfreiheitsgesetze (IFG) 3.27, 3.40 Inhalt der Forderungsanmeldung 3.253 Inkasso – Kosten 2.357 Inkongruente Deckung 2.191 Inquisitionsmaxime 2.52 Insolvenzfreies VermÇgen – Aufrechnung 3.363

821

Stichwortverzeichnis Insolvenzanfechtung, s. Anfechtung 2.178 – vorlsufiger starker Insolvenzverwalter 2.46 Insolvenzantrag – der Finanzverwaltung, Rechtsschutz 2.27, 3.403 – des Schuldners 2.13 – durch die Finanzverwaltung 2.17 – rechtsmissbrsuchlich 2.24 Insolvenzantragspflicht 2.14, 2.36 Insolvenzantragsverfahren 2.1 Insolvenzbeschlag 2.135 InsolvenzerÇffnungsgrÅnde – xberschuldung 2.76 InsolvenzerÇffnungsgrund 2.63 Insolvenzforderungen 4.391 – Berechnungsmitteilung 3.190 – Einkommensteuer 4.169 – Grunderwerbsteuer 4.624 – Grundsteuer 4.640 – nachrangige 3.227 – Umsatzsteuer 4.327, 4.415 – Vollstreckung 3.367 Insolvenzfreies VermÇgen 2.135, 2.142 – Einkommensteuer 4.174, 4.197 – Kraftfahrzeug 4.595 – Steuerfestsetzung 3.196 Insolvenzgeld 2.217, 4.111 – Pfsndbarkeit 2.132 Insolvenzgeldvorfinanzierung 2.218 Insolvenzgllubiger – nachrangige 2.263 – Rechtsstellung 2.260 Insolvenzmasse 3.370 – Gesamtschaden 2.341 – Verwaltung und Verwertung 2.124 Insolvenzplan 2.227, 2.372, 3.266 – Vollstreckung 3.388 – Haftung Dritter fÅr Steuerschulden 3.107 Insolvenzplanverfahren 2.227, 2.240 Insolvenzschuldner – Rechtsstellung im Insolvenzverfahren 2.253 Insolvenzspezifische Pflichten 2.332 Insolvenztabelle – Berichtigung 3.295 – Forderungsanmeldung 2.261 Insolvenzverwalter – Aufsicht 2.117 – Auslagenerstattung 2.361 – Auswahlentscheidung 2.107

822

– Kontrolle 2.117 – Pflichten 2.112 – Pflichtverletzung 2.117 – Rechtsstellung 2.106 – xberwachung 2.117 Insolvenzverwalterhaftung 2.331 Insolvenzzweck 2.116 Istbesteuerung 4.334 Istmasse 2.126 Jahresabschluss 3.146 – Offenlegung 3.142, 3.184 Juristische Personen – KÇrperschaftsteuer 4.229 Kaffeesteuer 4.656 Kalte Zwangsverwaltung 2.320, 4.498 Kanzleiabwickler 2.382 Kapitalertrlge 4.71 – Kapitalertragsteuer 4.147 – Nichtveranlagungsbescheinigung 4.158 Kapitalgesellschaft – insolvente, Einkommensteuer der Gesellschafter 4.135 – KÇrperschaftsteuer 4.230 KapitalvermÇgen – EinkÅnfte aus 4.71 Karussellgeschlft (§ 25d UStG) 4.517 Kassenbuch 3.123 Kaufmannseigenschaft 3.136 Kindergeld 4.175 Kirchensteuer 4.700 Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) 4.403, 4.506 Kongruente Deckung 2.188 KÇrperschaft – gemeinnÅtzige 3.42 KÇrperschaftsteuer 4.227 – Guthaben 4.292 – Organschaft 4.295 – Steuererklsrung 4.275 – Vorauszahlungen 4.289 KÇrperschaftsteuerguthaben (§ 37 Abs. 5 KStG) 4.292 KÇrperschaftsteuerpflicht – beschrsnkte 4.247 – Ende 4.257 – Umfang 4.245 – unbeschrsnkte 4.249 Kostenbeitrlge 2.305 Kostentragung – bei Abweisung mangels Masse 2.105

Stichwortverzeichnis Kraftfahrzeug – Absonderungsrechte 4.588 – Insolvenzfreies VermÇgen 4.595 – unpfsndbares 4.580 Kraftfahrzeugsteuer 4.561 – Versußerungsanzeige 4.585 – Zwangsverwaltung 4.597 KÅndigungssperre 2.215 Lagebericht – zum Jahresabschluss 3.149 Lebensversicherungen 2.288 Leistungsbescheid 2.31 Leistungsempflnger 4.383 – Insolvenz 4.413 Leistungserbringer – Insolvenz 4.412 Leistungsgebot 3.377 – Insolvenzforderung 3.187 Leistungsklage 3.412 Lieferungen – Umsatzsteuer 4.313 Liquidation – des schuldnerischen Rechtstrsgers 2.362 Liquidationsbesteuerungszeitraum 3.161, 4.276 Liquidationsrechnungslegung 3.133 LÇhne 2.219 LohnrÅckstlnde 2.219 Lohnsteuer – Haftungsschuldner 4.77 – Insolvenz des Arbeitnehmers 4.219 – NichtabfÅhrung im vorlsufigen Insolvenzverfahren 4.107 Lohnsteuerabzug 4.82, 4.226 – Insolvenz des Arbeitgebers 4.102 Lohnsteuerhaftung 4.82 LÇsungsklauseln 2.216 Mandantenakten 2.379 Mandantenkartei 2.378 Massearmut 2.123, 2.274, 3.223, 3.224 – Steuererklsrungspflichten 3.179 Masseforderungen – Festsetzung 3.191 Massegegenstlnde – Bewertung 3.115 – Verzeichnis 3.115 Massegllubiger 2.264 Massekosten 2.275 Masseunzullnglichkeit 2.275, 3.215, 3.229 – Einkommensteuer 4.224 – Erbschaftsteuer 4.613

– – – – – – – –

Gewerbesteuer 4.559 Grunderwerbsteuer 4.635 Grundsteuer 4.654 Kraftfahrzeugsteuer 4.596 Lohnsteuerabzug 4.226 Schenkungsteuer 4.631 Steuerabzug 4.131 Steuererklsrungspflicht des Insolvenzverwalters 2.123 – Steuerfestsetzung 3.217 – Umsatzsteuer 4.540 – Verbrauchsteuern 4.685 – Verspstungszuschlsge 3.234 – Vollstreckung 3.377 Masseverbindlichkeit 2.264, 3.229, 3.373 – Einkommensteuer 4.169 – Grunderwerbsteuer 4.624 – Lohnsteuer 4.86 – oktroyierte 2.346 – Umsatzsteuer 4.327, 4.346, 4.371 – Umsatzsteuer aus Verwertung von Sicherungsgut 4.457 – Vollstreckung 3.371 – Vollstreckung nach Aufhebung 3.388 – vorlsufiger starker Insolvenzverwalter 2.47, 4.346, 4.354 Maßgeblichkeitsprinzip 2.207 Messbescheid – Grundsteuer 4.646 Miet- und Pachtvertrlge 2.212, 2.215 Mitwirkungspflicht 3.394 – des Insolvenzschuldners 2.380, 3.22 – des Insolvenzverwalters 3.163, 3.174 – im Nachlassinsolvenzverfahren 4.166 Nachlasserbenschuld 4.164 Nachlassinsolvenz – Verlustabzug 4.45 Nachlassinsolvenzverfahren 2.76, 4.445, 4.519 – Einkommensteuer 4.161 – Erklsrungs- und Mitwirkungspflichten 4.166 – Masseverbindlichkeiten 2.271 – Umsatzsteuer im 4.526 Nachlassverbindlichkeit 4.163 Nachrangige Insolvenzgllubiger 2.263 Nachrangige Forderungen 3.248 Nachteilsausgleich 4.59 Nachweispflichten 2.122 Neuerwerb 3.370 – Inbesitznahme 2.132 – Kraftfahrzeug 4.595

823

Stichwortverzeichnis Neumasse 3.382, 4.338 Neumassegllubiger 2.275 Neumasseverbindlichkeit – Leistungsgebot 3.219 – Lohnsteuer 4.226 – Umsatzsteuer 4.338, 4.540 NichterfÅllungswahl 2.214, 4.414, 4.436 – Grundsteuer 4.634 Nichtigkeitsklage 3.308 Niederstwertprinzip 3.132 NotgeschlftsfÅhrung – Steuerberater 2.388 Nutzungsrecht – Absonderungsgegenstsnde 2.222 Obstruktionsverbot – Insolvenzplanverfahren 2.245 Offenlegungspflicht – Jahresabschluss 3.153, 3.184 qffentliche Lasten 2.226 Optionsrecht – Umsatzsteuer 4.477 Ordnungsgeld – Offenlegung Jahresabschluss 3.184 – wegen NichtverÇffentlichung des Jahresabschlusses 3.142 Ordnungsgelder 3.240 Organgesellschaft 4.294, 4.379, 4.389 Organschaft – Beendigung 4.391 – Erstattungsanspruch, Aufrechnungsverbot 4.399 – Haftung der Organgesellschaft 4.387 – kÇrperschaftsteuerliche 4.294 – umsatzsteuerliche 4.374 – unerkannte 4.398 – VorsteuerberichtigungsansprÅche 4.396 Organtrlger 4.294, 4.385 Partei kraft Amtes 2.110 Passivmasse – Mehrung 2.341 Pauschalierung 4.223 PensionsrÅckstellungen 3.132 Pensionszusagen 2.288 Personalkostenreduzierung 2.220 Personengesellschaft 3.103, 3.401 – Gewinnanteile, Zuordnung 4.210 – Gewinnfeststellung 4.213 – insolvente, Einkommensteuer der Gesellschafter 4.141 – Steuerabzug 4.147 – Steuererklsrungspflichten 3.177

824

PersÇnlich haftende Gesellschafter 3.103 Pflndungsprotokoll 2.24 Pflndungsschutzvorschriften 4.219 Pflichtverletzung – Haftung 3.86 – Insolvenzverwalter 2.117 PlanerfÅllung – xberwachung 2.249 Planwirkungen 2.239 Postsperre 2.57 Prokura 2.254 Prozessflhigkeit – des Insolvenzschuldners 2.255 Prozesskosten 2.111 Prozessstandschaft – des Insolvenzverwalters 2.111 PrÅfungsanordnung 3.212 PrÅfungstermin 3.270 RangrÅcktritt 2.207, 2.237 Rechenschaftspflichten – des Insolvenzverwalters 2.117 Rechnung 4.401 – Vorsteuerabzug 4.317 Rechnungslegung – handelsrechtliche 3.127 – insolvenzrechtliche 3.114, 3.325 – steuerrechtliche 3.157 Rechnungslegungspflichten – des Insolvenzverwalters 3.112 Rechtsanwaltszulassung 3.321 Rechtsbehelfsfrist – Unterbrechung 3.286, 3.298, 3.399 Rechtsbehelfsverfahren 3.398 Rechtsflhigkeit 3.1 Rechtshandlung 2.181 Rechtsmissbrauch 2.24 Rechtsmittel – gegen Forderungsanmeldung 3.257 Rechtsmittelverfahren 3.399 Rechtsnachfolge 2.111 Rechtsnatur der Forderungsanmeldung 3.256 Rechtsschutz – gegen Abweisung mangels Masse 2.101 – gegen Insolvenzantrag 3.404 – gegen Insolvenzantrag der Finanzverwaltung 2.27 – gegen Insolvenzantrag, Finanzgericht 3.403 Rechtsstellung – Insolvenzglsubiger 2.259 – Insolvenzschuldner 2.253

Stichwortverzeichnis RegelvergÅtung 2.351 Reihengeschlft 4.458 Restitutionsklage 3.308 Restschuldbefreiung 4.32, 2.339 – Sanierungsgewinn 4.32 – Ssumniszuschlsge 3.229 – Versagung mangels Mitwirkung 3.175 – Verspstungszuschlsge 3.235 – Vollstreckung 3.388 – Zinsen 3.237 RÅckglngigmachung einer Leistung – Vorsteuerberichtigung 4.418 RÅckgewlhranspruch – Anfechtung 2.185 RÅcknahme – des ErÇffnungsantrages 2.11 RÅcknahme des Insolvenzantrags 3.404, 3.412 RÅckschlagsperre 4.672 RÅckstellungen 3.132 Rumpfgeschlftsjahr 3.145, 3.156 Rumpfwirtschaftsjahr 3.133, 4.280 Sachaufkllrungspflicht – des Insolvenzverwalters 2.123 Sachentscheidungsvoraussetzungen 2.4 Sachhaftung 2.309, 4.664 – Anfechtung 4.674 Sachherrschaft 2.127 Sachkunde – Einsatz besonderer 2.360 Sachstandsanfragen – von Glsubigern 3.267 Sachstandsberichte 3.118 Sachverhaltsaufkllrung 3.109 Sachverstlndiger 2.52 Sachwalter 3.24 Saldierung nach § 16 UStG 3.360, 4.404 Sanierung 2.227 – Åbertragende 2.173 Sanierungsgewinne 4.20 – Einkommensteuer 4.20 – Gewerbesteuer 4.557 – KÇrperschaftsteuer 4.309 Satzungslnderungen – gemeinnÅtzige KÇrperschaften 3.83 Satzungsbindung – gemeinnÅtzige KÇrperschaft 3.63 Satzungsgewalt – Organe des Insolvenzschuldners 3.83

Slumniszuschllge 3.224, 3.317, 3.392 – Erlass 3.226 – Restschuldbefreiung 3.229 Schltzung 3.141, 3.174 – von Besteuerungsgrundlagen 3.162 Schltzungsbescheid 3.166 Schenkungen 4.598 Schenkungsanfechtung 2.205 Schenkungsteuer 4.598 Schlussbericht 3.120 Schlussbilanz 3.129 Schlussrechnung 3.120, 3.325 Schlussrechnungslegung 3.155 SchlussrechnungsprÅfer 3.126 Schlussverteilung 3.155 Schlussverzeichnis 3.123, 3.327 – Nichtaufnahme von Forderungen 2.342 Schulderlass 4.21, 4.308 Schuldner – Rechtsstellung im Insolvenzverfahren 2.253 Schuldnerantrag 2.13 Schuldnerverzeichnis 2.103 Schwacher vorllufiger Insolvenzverwalter 2.40, 4.341 Selbstlndige Tltigkeit – Einkommensteuer 4.169, 4.197 – Freigabe 4.347 – Umsatzsteuer 4.327 Selbsteintritt/Selbsterwerb – des Sicherungsnehmers, Umsatzsteuer 4.476 Selbsteintrittsrecht – des Absonderungsberechtigten 2.304 Sicherheitsleistung 4.59 Sicherungseigentum 2.298 Sicherungsgut – Umsatzsteuer aus Verwertung 4.431 – Verwertung 4.431 Sicherungsmaßnahmen 2.37 – Aufhebung 2.63 – Aufhebung bei Erledigungserklsrung 2.12 Sicherungsmittel 2.297 Sicherungsnehmer – Versußerung Sicherungsgut 4.455, 4.475 Sicherungszedierte Forderungen 2.312 Sitz – einer KÇrperschaft 4.245 Sollbesteuerung 4.315, 4.330 Sollmasse 2.126 Sondermasse 2.384 Sphlrentrennung – bei gemeinnÅtziger KÇrperschaft 3.82

825

Stichwortverzeichnis Starker vorllufiger Insolvenzverwalter 2.45, 4.346, 4.354 Steuerabzug – bei Bauleistungen 4.113, 4.147 – ErÇffnungsverfahren 4.128 – Erstattungsanspruch des Insolvenzverwalters 4.158 – bei Kapitalertrsgen 4.147 – Masseunzulsnglichkeit 4.131 – Nichtveranlagungsbescheinigung 4.158 – Personengesellschaft 4.147 SteuerabzÅge 4.72 Steuerbefreiungen 3.41 SteuerbegÅnstigte Zwecke 3.41 Steuerberater – Anfechtung des Honorars 2.391 – des Insolvenzschuldners, Verschwiegenheitspflicht 2.386 – Gefshrdung Auftraggeberinteressen 2.370 – Herausgabepflicht 2.396 – Insolvenz des Steuerberaters 2.364 – Massekosten 2.356 – VermÇgensverfall 2.367 – Verschwiegenheitspflicht 2.379 – ZurÅckbehaltungsrecht 2.397 Steuerberaterkammer – Bestellung eines Abwicklers 2.382 – Widerruf der Bestellung zum Steuerberater 2.376 Steuerberaterkanzlei – Versußerung im Insolvenzverfahren 2.378 Steuerberatungskosten 3.140 Steuerbescheid 3.185 – Einkommensteuer 4.6 – Insolvenzforderungen 3.187 – KÇrperschaftsteuer 4.266 – unanfechtbarer 3.308 Steuerbetrag 4.4 Steuererkllrung – Einkommensteuer 4.6, 4.12 – KÇrperschaftsteuer 4.274 – Nachlassinsolvenzverfahren 4.166 – Nichtabgabe 3.235 – Umsatzsteuer 4.320 Steuererkllrungspflicht – des Insolvenzverwalters 2.122, 3.173 – Masseunzulsnglichkeit 2.123, 3.178 – Nachlassinsolvenzverfahren 4.166 Steuerfestsetzung 3.185, 3.191, 3.364 – fehlerhafte 3.320 – im vorlsufigen Insolvenzverfahren 3.186 – Insolvenzforderungen 3.187

826

– Insolvenzfreies VermÇgen 3.195 – Masseunzulsnglichkeit 3.217 – Masseverbindlichkeit 3.191 Steuerfestsetzungsverfahren – Erbenhaftung, Beschrsnkung 4.168 – Unterbrechung 3.186, 3.188 Steuerforderung – Fslligkeit 3.347 Steuergeheimnis 2.23, 3.9, 3.23, 4.61 Steuerhinterziehung 3.167, 3.390, 3.391 Steuerklasse 4.87 Steuermessbescheide 3.207 Steuermessbetrlge – Festsetzung 3.207 Steuernummer 4.346 Steuerpflichtiger 4.54 – Insolvenzschuldner 2.121 SteuerrÅckstellung 3.147 Steuersatz – KÇrperschaftsteuer 4.266 Steuerschuldner – Erbe 4.162, 4.601 – Grunderwerbsteuer 4.619 – Insolvenzschuldner 2.121 – Lohnsteuer 4.75 – Umsatzsteuer 4.313 Steuersubjekt 4.4 – Insolvenzschuldner 3.1, 2.121 SteuervergÅnstigungen 3.41 Stiftung 4.234 Stille Reserven 4.13, 4.293 – Aufdeckung 3.133, 4.13, 4.293 Stilllegung – des Unternehmens 2.46 Streitige Forderungen 2.20 Stromsteuer 4.656 Stundung 3.225 Suspensiveffekt 2.20 Tabaksteuer 4.656 Tatslchliche Verstlndigung 3.166 TeileinkÅnfteverfahren 4.270 Teilleistungen – Umsatzsteuer 4.336 Transparenzprinzip – Besteuerung der Gewinne von Personengesellschaften 4.240 Trennungsprinzip – Besteuerung von Kapitalgesellschaften 4.238 pberlassung zur Verwertung 4.477 pbernahmerecht – des Absonderungsberechtigten 2.304

Stichwortverzeichnis pberschuldung 2.76 pberschuldungsbegriff 2.78 pberschuldungsstatus 2.207 pberschusseinkÅnfte 4.3 pbertragende Sanierung 2.173, 2.223 pberwachung – ErfÅllung des Insolvenzplans 2.249 Umgliederung – Anlage- in UmlaufvermÇgen 3.132 UmlaufvermÇgen 3.132 Umsatzsteuer, s. auch Verwertung, Aufrechnung, Vorsteuerberichtigung 4.313 – Absonderungsgegenstsnde 4.431 – Aufrechnung 4.385, 4.527 – Berichtigung 4.330, 4.386 – Berichtigung wegen Anfechtung 4.391, 4.507 – Betrug 4.512 – Doppelumsatz bei Verwertung 4.449 – Entstehung 4.319 – ErÇffnungsverfahren 4.336 – Forderungskategorien 4.327 – Haftung 4.511 – Insolvenzforderungen 4.327 – insolvenzfreies VermÇgen 4.327 – Istbesteuerung 4.334 – Karussellgeschsft (§ 25d UStG) 4.517 – Masseunzulsnglichkeit 4.539 – Masseverbindlichkeiten 4.327 – Nachlassinsolvenzverfahren 4.526 – Organschaft 4.351 – Schuldner 4.477 – Sollbesteuerung 4.315 – Steuererklsrung 4.320 – Teilleistungen 4.336 – Uneinbringlichkeit von Forderungen 4.405 – Vergleich / Verzicht 4.531 – Verrechnung 4.385, 4.404 – Verwertung allgemein, s. dort – VerwaltervergÅtung, Erstattung 4.533 – Verwertung Absonderungsgut 4.442 – Verwertung durch Sicherungsnehmer 4.460 – Verwertung Sicherungsgut 4.431 – Voranmeldungen 4.344 – Voranmeldungszeitraum 4.320 – vorlsufiges Insolvenzverfahren 4.340 – Vorsteuerberichtigung, s. dort – Vorsteuer 4.385 Umsatzsteuerberichtigungen 3.364, 4.330 Umsatzsteuerbetrug 4.512

Umsatzsteuererkllrungen – Erbe 4.519 Umsatzsteuerforderung – Forderungskategorie 4.463 Umsatzsteuerkarusselle 4.517, 4.525 – Umsatzsteuerpflicht 4.403 – Verzichtsleistungen 4.531 Umsatzsteuervoranmeldungen 3.139, 4.344 Umsatzsteuervorauszahlung 4.320 Unanfechtbarer Steuerbescheid 3.308 Unbedenklichkeitsbescheinigung 4.621, 4.632 Unbefriedigte Massegllubiger 3.206 Unbewegliche Gegenstlnde 2.130, 2.315 Unbewegliches VermÇgen – Verwertung 4.483 – Zwangsversteigerung 4.484 Unbilligkeit – persÇnliche 3.201 Uneinbringlichkeit 4.330, 4.396, 4.405 Unentgeltliche Leistung – Anfechtbarkeit 2.205 Unerlaubte Handlung 3.389, 3.390 Ungerechtfertigte Bereicherung 2.268 Unmittelbarer Zwang 3.394 Unmittelbarkeitsgrundsatz – gemeinnÅtzige KÇrperschaft 3.61 Unpflndbare Gegenstlnde 2.125, 2.136, 2.157, Unpflndbare Kraftfahrzeuge 4.579 Unterbrechung 3.286, 3.289, 3.398 – AußenprÅfung 3.213 – Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren 3.300, 3.398 – Rechtsbehelfsfrist 3.298 – Steuerfestsetzungsverfahren 3.189 – von Rechtsstreiten 3.296 Unterhalt – fÅr den Schuldner 3.265 Unterlassungen – Vollstreckung 3.394 Unterlassungsanspruch – bei Verstoß gegen Steuergeheimnis 3.11 Unternehmer – bei Organschaft 4.351 Unternehmerlohn 2.375, 4.222 Untersuchungsgrundsatz 2.52, 3.108 Veranlagungsformen 4.51 Veranlagungswahlrecht 4.52, 3.279

827

Stichwortverzeichnis Veranlagungszeitraum – Aufhebung/Einstellung des Insolvenzverfahrens 4.206 – Einkommensteuer 4.6 – InsolvenzerÇffnung 4.177 – KÇrperschaftsteuer 4.241, 4.276 Verlußerungsanzeige 4.585 Verlußerungsgewinne 4.14, 4.294 Verbindliche Auskunft 4.431 Verbraucherinsolvenzverfahren – Absonderungsgegenstand 4.593 – Kraftfahrzeug 4.593 – Verwertung von Absonderungsgut 4.456 Verbrauchsteuern 4.656 – Forderungskategorie 4.660 – Sachhaftung 4.664 Verdeckte GewinnausschÅttungen 4.261 Verein – rechtsfshiger 4.233 Verfahrensgrundsltze 2.2 Verfahrenskosten 2.273, 3.140 Verfahrenskostenvorschuss 2.97 VerfÅgungsbefugnis – Åber schuldnerisches VermÇgen 2.106 VerfÅgungsverbot 2.44, 2.270 Vergleich, Umsatzsteuerpflicht 4.531 VergÅtung – Abschlsge von der VerwaltervergÅtung 2.352 – Absonderungsrechte in Berechnungsgrundlage 2.350 – BetriebsfortfÅhrung 2.350 – Insolvenzverwalter 2.349 – Zuschlsge zur VerwaltervergÅtung 2.352 – Vorsteuer / Umsatzsteuer 4.533, 4.537 Verhlltnismlßigkeit 2.374 Verhlltnismlßigkeitsgrundsatz 2.28, 2.44 Verjlhrung – Schadensersatzanspruch gegen Insolvenzverwalter 2.337 Verkauf – des schuldnerischen Unternehmens 2.173 Verlustabzug 4.43, 4.198, 4.199 Verlustausgleich 3.82, 4.43 – bei gemeinnÅtziger KÇrperschaft 3.49 Verluste 4.43 VerlustrÅcktrag 4.43, 4.200, 4.209 Verlustvortrag 4.43, 4.60, 4.198, 4.209, 4.285

828

Vermengung 2.281 Vermischung 2.281 VermÇgensbindung 3.59 – im Insolvenzverfahren 3.78 VermÇgenslosigkeit 3.1 VermÇgensÅbersicht 3.117 VermÇgensverfall – Steuerberater 2.367 VermÇgensverwalter – Haftung 3.88 – Insolvenzverwalter als 2.120, 3.173 – schwacher vorlsufiger Insolvenzverwalter 2.43, 3.22, 4.340 – vorlsufiger Insolvenzverwalter mit Einzelermschtigungen 2.51, 4.347 – vorlsufiger starker Insolvenzverwalter 2.48, 4.346 VermÇgensverwaltung 3.46, 3.47 Vermutung – Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz 2.200 Verrechnung Umsatzsteuer/Vorsteuer (§ 16 UStG) – Umsatzsteuer 3.360, 4.404, 4.527 Verschulden 2.336, 2.348 Verschwiegenheitspflicht – des insolventen Steuerberaters 2.379, 2.386 Verschwiegenheitsverpflichtung – Entbindung durch Schuldner 3.22 Verspltungszuschlag 3.230 – Masseverbindlichkeit 3.233 Verteilungen 3.332 Verteilungsverzeichnis 3.332 Vertragsverhlltnisse – des Insolvenzschuldners 2.210 – des Schuldners 4.414, 4.433, 4.626, 4.634 Vertrauensschutz 3.319 Verwalterauswahl 2.107 VerwaltervergÅtung 2.349 – Vorsteuerabzug 4.529 Verwaltung – Insolvenzmasse 2.124 Verwaltungs- und VerfÅgungsbefugnis 2.106, 2.144 – des Kanzleiabwicklers 2.384 Verwaltungsakt – Steuerfestsetzung 3.185 Verwertung 2.170, 4.447 – außerhalb des Insolvenzverfahrens 4.457 – bewegliches VermÇgen, Umsatzsteuer 4.442, 4.451 – des SchuldnervermÇgens 2.106 – ErÇffnungsverfahren 4.461

Stichwortverzeichnis – Freihsndiger Verkauf 4.492 – von Forderungen, Umsatzsteuer 4.495 – Forderungen, zedierte, Umsatzsteuer 4.512 – Insolvenzmasse 2.124 – Massegegenstsnde, Kosten 2.358 – Nachlassinsolvenzverfahren 4.455 – durch Schuldner nach Freigabe 4.479 – bewegliches Sicherungsgut 4.451 – unbewegliches Sicherungsgut 4.447 – Sicherungsnehmer, Selbsterwerb des 4.476 – Sicherungsnehmer, Versußerung durch 4.464 – Zwangsversteigerung 4.484 Verwertungskosten (§§ 170, 171 InsO) 2.305, 4.468, 4.503 Verzicht 4.20, 4.531 Vollbeendigung 3.1 – des schuldnerischen Rechtstrsgers 2.362 Vollmacht 2.254, 3.192 – des Steuerberaters im Insolvenzverfahren des Mandanten 2.388 Vollstreckung 3.366 – aus Tabellenfeststellung 3.278 – bei Masseunzulsnglichkeit 3.377 – einer Insolvenzforderung 3.367 – einer Masseverbindlichkeit 3.371 – fÅr die Insolvenzmasse 2.111 – in das insolvenzfreie VermÇgen 3.384 – nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens 3.387 Vollstreckungsbeschrlnkungen 3.206 Vollstreckungserinnerung 3.375, 3.380 Vollstreckungshandlung – Anfechtbarkeit 2.194 Vollstreckungstitel 3.277 – Umschreibung 2.111 Vollstreckungsverbot 2.327, 3.368, 3.377, 3.380 Vollziehung – Aussetzung 3.225 Voranmeldung – Umsatzsteuer 4.344 Voranmeldungszeitraum 4.320 – Umsatzsteuer 4.313 Vorauszahlung 4.393 – Einkommensteuer 4.66 – KÇrperschaftsteuer 4.288 Vorauszahlungsbescheid 4.66 Vorbehaltsklufer 4.419 Vorgesellschaft 4.253

VorgrÅndungsgesellschaft 4.251 Vorllufige Insolvenzverwaltung 2.39, 4.340 Vorllufiger Insolvenzverwalter – Einzelermschtigung 2.49, 4.347 – Masseverbindlichkeiten 2.270 – mit VerfÅgungsbefugnis 2.44, 4.346 – ohne VerfÅgungsbefugnis 2.39, 4.340 – VergÅtung, Umsatzsteuer 4.537 Vorllufiges Insolvenzverfahren – Umsatzsteuer 4.336, 4.340, 4.537 Vormerkung 4.626 Vorrechte 2.260 Vorsltzliche Gllubigerbenachteiligung 2.198 Vorsteuer – Berichtigung 4.386 Vorsteuerabzug 4.317, 4.392, 4.403 – Berechtigung 4.403 – VerwaltervergÅtung 4.533 Vorsteuerberichtigung 4.386, 4.433 – wegen Anfechtung 4.410, 4.507 – im ErÇffnungszeitpunkt 4.330 – Leistungserbringer, Insolvenz 4.412 – Leistungsempfsnger, Insolvenz 4.430 – nach § 15a UStG (znderung der wirtschaftl. Verhsltnisse) 4.441 – nach § 17 Abs. 2 UStG 4.330, 4.405 – nicht erbrachte Lieferung oder sonstige Leistung 4.411 – RÅckgsngigmachung einer Leistung 4.435 VorsteuerberichtigungsansprÅche 4.396 Vorsteuerbetrlge 4.400 Vorsteuererstattung – InsolvenzverwaltervergÅtung 2.350 VorsteuervergÅtungsanspruch 4.526 Vorwegnahme der Hauptsache 3.410 Wahl – der Steuerklasse 4.87 Wahlrecht – des Insolvenzverwalters bzgl. Steuerklasse 4.99 – Veranlagungsform 4.52 Werklohnforderung – Bauabzugsteuer 4.118 – Entstehung nach ErÇffnung 4.127 Werthaltigkeit 3.132 Wesentliche Bestandteile 2.281 Widerspruch – Forderungsanmeldung 3.280

829

Stichwortverzeichnis Widerspruch gegen Tabellenanmeldung 3.291, 3.297 – durch den Insolvenzverwalter 3.290 – durch den Schuldner 3.284 – durch einen Glsubiger 3.290 Widerspruch des Schuldners 3.281 Wiederaufnahmeklage 3.308 Wiedereinsetzung 3.308 Wirkung der Tabellenfeststellung 3.275 Wirtschaftlicher Geschlftsbetrieb 3.45 Wirtschaftsjahr 4.241 Wohlverhaltensperiode 3.362 Wohlverhaltensphase 4.32 – Wohnsitzwechsel 3.7 Zahlungsstockung 2.70 Zahlungsunflhigkeit 2.66 Zahlungsunwilligkeit 2.70 Zessionar 4.503 Zinsen 2.222, 3.236 – Restschuldbefreiung 3.237 ZÇlle 4.687 ZubehÇr 4.629 Zulassung des Rechtsanwalts 3.321 Zulassung des Steuerberaters – Insolvenzverfahren 2.366 Zulassungsentziehung – Steuerberater 2.373 Zuordnung – Forderungskategorien 4.211 ZurÅckbehaltungsrecht – des Steuerberaters 2.397 Zusammenveranlagung 4.44, 4.51, 3.279

830

Zuschllge – VergÅtung des Insolvenzverwalters 2.352 Zustlndigkeit – der FinanzbehÇrde 3.2 Zustandsverantwortlichkeit – des Insolvenzverwalters 2.224 Zwangsgeld 3.240, 3.394 – gegen Insolvenzverwalter 2.117 Zwangsgeldfestsetzung – gegen Insolvenzverwalter 3.396 Zwangsmittel 3.165, 3.240 – gegen Insolvenzschuldner 3.233 – gegen Insolvenzverwalter 3.174, 3.396 Zwangsverrechnung – Umsatzsteuer 3.360, 4.404, 4.527 Zwangsversteigerung 4.484 Zwangsverwaltung 2.316, 4.488, 4.490 – kalte 2.320, 4.498 – Grundsteuer 4.655 – Kraftfahrzeuge 4.597 Zwangsvollstreckung 2.177 – Einstellung 2.59 – in die Insolvenzmasse 2.273 – unbewegliches VermÇgen 4.449 – Untersagung 2.59 Zweckbetrieb 3.47 Zweckmlßigkeit 3.327 ZweckmlßigkeitsprÅfung – durch Insolvenzgericht 3.124 Zweckverfehlung 3.317 Zweitinsolvenzverfahren 2.153