113 12 19MB
German Pages 205 Year 1991
JOHANN KILLINGER
Insolvenzanfechtung gegen Insider
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 145
Insolvenzanfechtung gegen Insider
Von
Johann Killinger
DUßcker & Humblot . Berliß
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Killinger, Johann: Insolvenzanfechtung gegen Insider / von Johann Killinger. Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Schriften zum Bürgerlichen Recht; Bd. 145) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1989/90 ISBN 3-428-07209-X
NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-07209-X
Vorwort Die Arbeit wurde im Wintersemester 1989190 von der juristischen Fakultät der Albert Ludwigs Universität in Freiburg angenommen. Das Manuskript wurde im Sommer 1989 abgeschlossen. Rechtsprechung und Literatur wurden bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt Für die Betreuung der Dissertation und die schöne Zeit mit ihren vielfältigen Anregungen an seinem Lehrstuhl möchte ich zunächst und vor allem Herrn Professor Dr. Peter Arens danken. Dankbar bin ich ferner Herrn Professor Dr. Dieter Leipold, Zweitgutachter der Arbeit. Besonderen Dank schulde ich schließlich meinem Vater, der mir stets.mit Rat und Tat zur Seite stand. Berlin, im Mai 1990
Johann Killinger
Inhalt AbkÜfZungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Erster Teil
Einführung in die Problematik und Analyse des Konkursanfechtungsrechts im Hinblick auf verschärfte Sanktionen gegen Insider Erstes Kapitel: Einleitung und Definitionen ...................
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I. Einleitung und Ziele der Arbeit ...................... 11. Begriffsdefinitionen .............................. 1. Insider ...................................... 2. Insiderrechtshandlungen ..........................
19 21 21 22
Zweites Kapitel: Problematik und Lösungsansatz I. Problematik .................................... 1. Schwächen des Konkursanfechtungsrechts ............. a) Schwierige Beweislage ......................... b) Knappe Fristen ............................... 2. Besondere Ineffizienz des Anfechtungsrechts bei Insiderrechtshandlungen .............................. 11. Lösungsansatz .................................. 1. Notwendigkeit verschärfter Sanktionen gegen Insider ...... a) Relevanz von Insiderrechtshandlungen ............... b) Maßstab für den Sanktionsbedarf .................. aa) Die Grundlagen des Anfechtungsrechts ............ bb) Zweifel an der Realitätsnähe des Anfechtungsrechts ... cc) Korrigierter Maßstab ........................ 2. Aufbau der Untersuchung ......................... a) Analyse des Anfechtungsrechts im Hinblick auf verschärfte Sanktionen gegen Insider ........................ b) Prüfung anfechtungsrechtlicher Sanktionen gegen Insider .. c) Keine Prüfung der Schenkungsanfechtung ............
24 24 24 24 25 26 30 30 30 32 32 34 34 35 35 35 36
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Inhalt
Drittes Kapitel: Absichtsanfechtung Überblick über die Absichtsanfechtung ................. Dogmatischer Ansatz und Grundtatbestand der Absichtsanfechtung ........................................ 2. Beweiserleichterungen bei der Absichtsanfechtung ........ a) Gesetzlich geregelte Beweiserleichterungen ........... aa) § 31 Nr. 2 KO ............................ (1) Vennutung der Benachteiligungsabsicht ......... (2) Vennutung der Kenntnis der Benachteiligungsabsicht bb) § 30 Nr. 2 KO ............................ cc) § 237 HGB ............................... b) Beweiserleichterungen in der Rechtsprechung .......... aa) Inkongruente Deckungen ..................... bb) Analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO .......... c) Refonnliteratur ............................... d) Diskussionsentwurf ............................ 11. Verschärfte Sanktionen gegen Insider bei der Absichtsanfechtung 1. Bedarf nach verschärften Sanktionen ................. 2. Realisierung verschärfter Sanktionen ................. I.
1.
Viertes Kapitel: Besondere Konkursanfechtung I.
Überblick über die besondere Konkursanfechtung .......... Grundlagen der besonderen Konkursanfechtung .......... a) Dogmatischer Ansatz .......................... b) Der Ausgangspunkt des Gesetzgebers, Überlegungen 1-3 .. c) Der Grundtatbestand: § 30 Nr. 1 Halbs. 2 KO ......... d) Der "Bargeschäftsvorbehalt" § 30 Nr. 1 Hs. 1 KO ...... 2. Verschärfungen bei der besonderen Konkursanfechtung .... a) Gesetzlich geregelte Beweiserleichterungen ............ b) Literatur ................................... aa) Beweiserleichterungen bei Rechtshandlungen in der Krise bb) Eingreifen der besonderen KOnkursanfechtung vor der Krise ................................... c) Rechtsprechung .............................. d) Diskussionsentwurf ............................ aa) Beweiserleichterungen ....................... bb) Eingreifen der besonderen Konkursanfechtung vor der Krise ...................................
1.
37 37 37 38 38 38 39 39 41 43 43 43 43 44 44
45 45 46 47 47 47 47 48 49 49 49 50 50 50 51 52 52 52 52
Inhalt
11. Insidersanktionen bei Rechtshandlungen in der Krise ....... 1. Bedarf nach Beweiserleichterungen .................. 2. Realisierung von Beweiserleichterungen .. . . . . . . . . . . .. III. Insidersanktionen bei Rechtshandlungen vor der Krise ...... 1. Die These .................................... 2. Eingreifen der besonderen Konkursanfechtung vor der Krise a) Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vor der Krise, Überlegung 1 ................................ aa) Eröffnungsgründe der KO als Anknüpfungspunkt für den Beginn der Gleichbehandlung .................. bb) Ableitung des Beginns der Gleichbehandlung aus den Grundlagen des Konkursrechts .................. (1) Grundlagen der Gleichbehandlung ............ (a) Materielle Grunde für die Gleichbehandlung .... (aa) Die Auffassung Berges ............... (bb) Die Auffassung Häsemeyers ............ (ce) Fiktive Zustimmung ................. (dd) § 242 BGB ....................... (ee) Eigene Auffassung .................. (b) Funktionale Gründe für die Gleichbehandlung (aa) Ordnungsdenken .................... (bb) Utilitaristische Grunde ................ (ce) Billigkeitserwägungen ................ (2) Beginn der Gleichbehandlung ................ b) Erkennbarkeit des "materiellen Konkursgrundes" als zeitlicher Anknüpfungspunkt für die besondere Konkursanfechtung (Überlegung 2) ........................... c) Nachweis subjektiver Kenntnis des materiellen Konkursgrundes (Überlegung 3) ......................... 3. Realisierung verschärfter Sanktionen gegen Rechtshandlungen vor der Krise ................................. a) Individuelles Eingreifen der besonderen Konkursanfechtung b) Generalisierende Festlegung des materiellen Konkursgrundes c) Praktische Durchführung ........................ Fünftes Kapitel: Das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen unter besonderer Berücksichtigung des § 32a KO
I.
Bedeutung des Rechts der eigenkapitalersetzenden Darlehen für die Prüfung anfechtungsrechtlicher Insidersanktionen .......
9
53 53 53 54 54 54 55 55 56 56 56 57 58 59 60 60 61 61 61 62 63 64 65 66 66 67 67 70 70
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Inhalt
11. Überblick über das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen 1. Eigenkapitalersetzende Darlehen ..................... 2. Sanktionen ................................... a) Gesetzlich angeordnete Sanktionen ................ . b) Rechtsprechungsgrundsätze ..................... . III. Eigenkapitalersetzende Darlehen bei anderen Rechtsformen .. . 1. Eigenkapitalersetzende Darlehen als betriebswirtschaftIiches Problem .................................... . 2. Sanktionen bei anderen Rechtsformen ............... . IV. Eigenkapitalersetzende Darlehen und Konkursanfechtungsrecht
71 71 72 72 72 73 73 73
74
Sechstes Kapitel: § 237 HGB .............................. 77 I. Einführung ..................................... 11. Die systematische Einordnung des § 237 HGB in das Konkursanfechtungsrecht ................................. 1. Meinungsstand ................................ 2. Notwendigkeit einer systematischen Einordnung ......... 3. Versuch einer systematischen Einordnung ............. a) § 237 HGB als gesellschaftsrechtIiche Haftungsnorm? .... aa) Entstehungsgeschichte des § 237 HGB ............ bb) Wortlaut des 237 HGB ....................... cc) Argument aus § 32a Abs. 3 GmbHG ............. dd) Argument aus § 237 Abs. 2 HGB ............... b) § 237 HGB als "Mittelding" zwischen Schenkungsanfechtung und besonderer Konkursanfechtung ................. c) Fraudulöses Zusammenwirken oder Kapitalabzug zur Unzeit aa) Wortlaut ................................. bb) Gesetzesmaterialien ......................... cc) Systematische Erwägungen .................... (1) Die Auffassung Gerhardts .................. (2) Eigene Auffassung ....................... III. Der Informationsvorsprung des Stillen .................. IV. Analoge Anwendung des § 237 HGB .................. V. ReformwÜßsche bei § 237 HGB ......................
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Inhalt
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Zweiter Teil
Verschärfte anfechtungsrechtliche Sanktionen gegen Insider Siebtes Kapitel: Unternehmerisch beteiligte Gesellschafter der GmbH.
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Überblick über Rechtsprechung, Literatur und Diskussionsentwurf 92 Rechtsprechung ................................ 92 a) Analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO .............. 92 b) Beweiserleichterungen bei § 31 Nr. 1 KO ............ 94 2. Literatur ..................................... 94 a) Analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO ............. 94 b) Beweiserleichterungen bei § 31 Nr. 1 KO ............ 97 c) Analoge Anwendung des § 237 HGB ............... 97 3. Diskussionsentwurf ............................. 99 a) Absichtsanfechtung ............................ 99 b) Besondere Konkursanfechtung .................... 99 11. Prüfung verschärfter anfechtungsrechtlicher Sanktionen für Rechtshandlungen zwischen der GmbH und deren unternehmerisch 100 beteiligten Gesellschaftern ....................... 1. Unternehmerisch und nicht unternehmerisch beteiligte Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Absichtsanfechtung ............................ 101 a) Sanktionsbedarf ............................. 101 aa) Beweiserleichterung für die Benachteiligungsabsicht 102 (1) Wahrscheinlichkeit eines Handelns mit Benachteiligungsabsicht ........................ 102 (2) Beweiserleichterung nur für Rechtshandlungen mit einem inkriminierenden Merkmal ......... 103 (3) Zeitraum für die Beweiserleichterung ......... 104 (4) Unwiderlegliche oder widerlegliche Vermutung .. 105 bb) Beweiserleichterung für die Kenntnis der Benachteiligungsabsicht .......................... 105 b) Realisierung verschärfter Sanktionen de lege lata ...... 106 aa) Analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO ......... 107 (1) Das "Durchgriffsproblem" ................. 107 (2) Das "Zurechnungsproblem" ................ 108 (3) Das "Analogieproblem", Vorliegen einer Regelungslücke ................................ 109 (4) Bedeutung des § 108 Abs. 2 VerglO .......... 111 I.
1.
12
Inhalt
bb) Weitere Beweiserleichterungen bei anderen Rechtshandlungen der GmbH mit Hilfe des Anscheinsbeweises bei § 31 Nr. 1 KO ............................ (1) Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises ........ (2) Einzelne Erfahrungssätze .................. (a) Unmittelbar benachteiligende Verträge ...... (b) Inkongruente Deckungen ............... (c) Rechtshandlungen ohne inkriminierendes Merkmal (d) Nachgewiesene Benachteiligungsabsicht ..... cc) Gesellschafterdarlehen ...................... (1) Unmittelbar benachteiligende Darlehen ........ (2) Inkongruente Deckungen (eigenkapitalersetzende Darlehen) ............................. c) Realisierung verschärfter Sanktionen de lege ferenda .... aa) Unmittelbar benachteiligende Verträge ........... bb) Inkongruente Deckungen .................... cc) Nachgewiesene Benachteiligungsabsicht .......... 3. Besondere Konkursanfechtung .................... . a) Sanktionsbedarf ............................. aa) Rechtshandlungen in der Krise ................ bb) Rechtshandlungen vor der Krise ............... (1) Vorliegen des materiellen Konkursgrundes ...... (2) Erkennbarkeit des materiellen Konkursgrundes ... (3) Nachweis subjektiver Kenntnis des materiellen Konkursgrundes ........................ b) Realisierung verschärfter Sanktionen de lege lata ...... aa) § 30 Nr. 1 Halbs. 2 KO ..................... bb) § 30 Nr. 1 Halbs. 1 KO ..................... cc) § 30 Nr. 2 KO ........................... dd) Analoge Anwendung des § 237 HGB ............ (1) Vorliegen einer Regelungslücke ............. (a) Die Auffassung Koenigs ............... (b) Die Auffassung UImers ................ (c) Die Auffassung Kollhossers ............. (2) Grundsätzliche Analogiefähigkeit des § 237 HGB. (3) Anwendbarkeit des § 237 HGB bei Gesellschafterdarlehen .............................. (4) Anwendbarkeit des § 237 HGB bei anderen Rechtshandlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Realisierung verschärfter Sanktionen de dege ferenda ...
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Inhalt
13
Achtes Kapitel: Nicht unternehmerisch beteiligte Gesellschafter der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Rechtsprechung, Literatur und Diskussionsentwurf . . . . . . . . . 11. Prüfung verschärfter Sanktionen ..................... 1. Absichtsanfechtung ............................ a) Sanktionsbedarf ............................. b) Realisierung verschärfter Sanktionen de lege lata ...... aa) Analoge Anwendung des § 31 Nr.2 KO ......... bb) Anscheinsbeweis .......................... c) Realisierung der Beweiserleichterungen de lege ferenda .. 2. Besondere Konkursanfechtung .................... a) Sanktionsbedarf ............................. b) Realisierung der Insidersanktionen de lege lata ........ c) Realisierung der Beweiserleichterungen de lege ferenda ..
134 134 134 134 136 136 137 138 138 138 140 140
Neuntes Kapitel: Insidersanktionen gegen Aktionäre. . . . . . . . . . . . .
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I. Literatur und Diskussionsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Prüfung verschärfter Sanktionen ..................... 1. Untemehmerisch beteiligte und nicht untemehmerisch beteiligte Aktionäre ................................... 2. Sanktionsbedarf ............................... 3. Realisierung verschärfter Sanktionen; analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zehntes Kapitel: Insidersanktionen gegen Gesellschafter einer oHG .. I. Rechtsprechung, Literatur und Diskussionsentwurf . . . . . . . . . 11. Prüfung verschärfter Sanktionen ..................... 1. Unternehmerische Beteiligung ..................... 2. Sanktionsbedarf ............................... 3. Realisierung verschärfter Sanktionen. . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Identitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verweis auf unternehmerisch beteiligte GmbH-Gesellschafter
142 143 143 144 145 146 146 148 148 148 149 149 150
Elftes Kapitel: Insidersanktionen gegen Kommanditisten. . . . . . . . . .
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I. Rechtsprechung und Literatur ....................... 11. Prüfung verschärfter Sanktionen .....................
151 152
14
Inhalt
Zwölftes Kapitel: Die juristische Person & Co. ................
154
Dreizehntes Kapitel: Ausgeschiedene Gesellschafter . . . . . . . . . . . . .
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I. Literatur und Diskussionsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Prüfung verschärfter Sanktionen ..................... 1. Merkmale ausgeschiedener Gesellschafter ............. 2. Absichtsanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sanktionsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Realisierung verschärfter Sanktionen, § 31 Nr. 2 KO . . . . 3. Besondere Konkursanfechtung .....................
155 155 155 156 156 157 158
Vierzehntes Kapitel: Insidersanktionen gegen Manager . . . . . . . . . . .
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I. Literatur und Diskussionsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Prüfung verschärfter Sanktionen ..................... 1. Der Auffangtatbestand § 145 Nr. 1 EInsO. . . . . . . . . . . . . 2. Sanktionen gegen Mitglieder von Aufsichtsrat und Vorstand einer AG, Geschäftsführer einer GmbH und Personen, denen Geschäftsführungsbefugnisse übertragen und Prokura oder Handlungsvollmacht erteilt wurden. . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Absichtsanfechtung ........................... aa) Sanktionsbedarf ........................... bb) Analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO . . . . . . . . . . b) Besondere Konkursanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sanktionsbedarf ........................... bb) § 237 HGB bei "Geschäftsführerdarlehen" . . . . . . . . . 3. Anfechtungsrechtliche Sanktionen gegen Prokuristen, Handlungsbevollmächtigte und anderen funktional gleichgestellte Personen ohne Geschäftsführungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . a) Absichtsanfechtung .......................... b) Besondere Konkursanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Andere Personen, die über Einblicksmöglichkeiten verfügen 5. Ausgeschiedene Manager. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
159 160 160
164 164 165 165 165
Fünfzehntes Kapitel: Insidersanktionen gegen Personen, die den in den Kapiteln 7 - 14 genannten Insidern persönlich nahestehen, "Persönliche Verbindungen" . .
166
Rechtsprechung, Literatur und Diskussionsentwurf . . . . . . . . .
166
I.
161 161 161 162 162 162 163
Inhalt
11. Prüfung verschärfter Sanktionen ..................... 1. Der erfaßte Personenkreis ........................ 2. Sanktionsbedarf ............................... a) Die Umgehungsgefahr ......................... b) Absichtsanfechtung ........................... c) Besondere Konkursanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Realisierung verschärfter Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 31 Nr. 2 KO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 237 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sechzehntes Kapitel: Insolvenzanfechtung im Konzern, "Gesellschaftsrechtliche Verbindungen" ...............
I. Literatur und Diskussionsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Prüfung anfechtungsrechtlicher Insidersanktionen im Konzern. 1. Begriffsbestimmung ............................ 2. Herrschende und abhängige Unternehmen, § 17 AktG . . . . . a) Gemeinschuldnerin als abhängiges Unternehmen ....... b) Gemeinschuldnerin als herrschendes Unternehmen. . . . . . 3. Verbundene Unternehmen i.S.d. § 18 AktG . . . . . . . . . . . . 4. Wechselseitig verbundene Unternehmen .............. 5. Betriebsaufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Über einen Gesellschafter verbundene Unternehmen 7. Andere Fälle gesellschaftsrechtlicher Verbindungen ...... Siebzehntes Kapitel:
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167 167 168 168 169 170 171 171 171 172 172 172 172 173 173 173 174 175 176 176 176
Insidersanktionen gegen Kreditinstitute, "Geschäftliche Verbindungen" .................. 178
I. Rechtsprechung und Literatur ....................... 11. Sanktionen gegen Kreditinstitute ..................... 1. Die Sonderstellung der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . 2. Absichtsanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedarf nach Beweiserleichterungen ................ b) Erleichterter Nachweis der objektiven Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sanierungsfeindlichkeit verschärfter anfechtungsrechtlicher Sanktionen ................................. d) Analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO ............ 3. Besondere Konkursanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung zu den eigenkapitalersetzenden Darlehen und zu den §§ 138, 826 BGB ....................... b) Sanktionsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
178 180 180 182 182 183 184 184 185 185 186
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Inhalt
c) Analoge Anwendung des § 237 HGB . . . . . . . . . . . . . . III. Sanktionen gegen andere Personen, zu denen das Gemeinschuldneruntemehmen in geschäftlichem Kontakt steht ..........
187 188
Achtzehntes Kapitel: Zusammenfassung .....................
190
Literaturverzeichnis: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
199
Abkürzungsverzeichnis a. A. AcP ADHGB-Protokolle
a.F. AG AktG a.M. AnfG Anm. Aufl. BB Begr.RegE. BGB BGH BGHZ DB ders. DJ
DIT DJZ
Eint EInsO f.(ff.) FS Fußn. GG GmbH GmbHG GmbHR Halbs. HGB h.M. Hrsg. 2 Killinger
anderer Ansicht Archiv für die civilistische Praxis Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Nümberg 1857 - 1861 alte Fassung Aktiengesellschaft Aktiengesetz anderer Meinung Gesetz betreffend die Anfechtung von Rechtshandhmgen außerhalb des Konkursverfahrens AnmerkUng Auflage Der Betriebs-Berater Begründung Regierungsentwurf Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Der Betrieb derselbe Deutsche Justiz Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung Einleitung Diskussionsentwurf einer Insolvenzordnung folgende Festschrift Fußnote Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Rundschau für GmbH, Rundschau für GmbH, Monatsschrift für Wirtschafts-, Handels- und Steuerrecht Halbsatz Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber
18
Ld.F. Ld.R. LS.d. i.S.v. JW JZ KG KO Komm. KTS KWG LG LM
LZ m.Anm. m.a.W. MDR Mot. m.w.N. n.F. NJW Nr. OJZ oHG OLG Rdnr(n). RegE RG RGZ Rspr. str. VerglO WM z.B. ZGR ZHR
ZIP
ZPO
ZZP
Abkürzungsverzeichnis
in der Fassung in der Regel im Sinne des im Sinne von Juristische Wochenschrift Juristenzeinmg Kommanditgesellschaft, in Zitaten Kammergericht Konkursordnung Kommentar Zeitschrift für Konkurs, Treuhand und Schiedsgerichtswesen Kreditwesengesetz Landgericht Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, herausgegeben von Lindenmaier, Möhring u.a. Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht mit Anmerkung mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht Motive mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Osterreichische Juristenzeinmg offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Randnummer(n) Regierungsentwurf Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rechtsprechung streitig Vergleichsordnung Wertpapierrnitteilungen zum Beispiel Zeitschrift für Untemehrnens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Zivilprozeß
Erster Teil
Einführung in die Problematik und Analyse des Konkursanfechtungsrechts im Hinblick auf verschärfte Sanktionen gegen Insider
1. Kapitel
Einleitung und Definitionen J. Einleitung und Ziele der Arbeit Kennzeichnend für Insider ist deren Infonnationsvorsprung. Typisch ist weiter, daß sie diesen Vorsprung nutzen, um sich Vorteile zu verschaffen. Das ist, für sich betrachtet, ihr gutes Recht und nicht weiter anstößig. Eine andere Beurteilung verdient dieses Verhalten, wenn es Pflichten verletzt und Dritte schädigt. Bekanntestes Beispiel sind die "Insiderskandale" an den Börsen. Hier mißbrauchen Insider ihre Kenntnis kursrelevanter Umstände für Spekulationen. Dadurch werden die Funktion der Börse beeinträchtigt und Anleger geschädigt. Das Ausnutzen von Insiderkenntnissen für Börsenspekulationen ist daher sanktionsbedürftig und wird auch, vor allem in den USA, streng geahndetl • Probleme mit Insidern gibt es nicht nur im Börsenbereich2, sondern überall, wo durch das Ausnutzen einer InsidersteIlung Dritten Schaden droht. Das ist auch durch masseschmälemde Rechtshandlungen vor einer Insolvenz möglich. Masseschmälerungen vor Konkurseröffnung zu verhindern und gegebenenfalls rückgängig zu machen, ist Aufgabe des Konkursanfechtungsrechts. Verschärfte anfechtungsrechtliche Sanktionen gegenüber Insidern gibt
1 Es wird allerdings die These vertreten, das Ausnutzen des "natürlichen Infonnationsvorsprungs" sei das gute Recht der Insider oder gar die Honorierung deren wirtschaftlicher Pionierleistungen, vgl. Arbeitslcreis Gesellschaftsrechl, Verbot des Insidemandelns, S. 22. 2 Zahn, ZGR 1981, S. 101. m.w.N.
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechnmgsrechts
es hier, abgesehen von § 31 Nr. 2 KO, bisher nicht. Das soll bei der bevorstehenden Insolvenzrechtsreform geändert werden3• Hier wird untersucht, ob Bedarf nach anfechtungsrechtlichen Insidersanktionen besteht, welche Möglichkeiten das geltende Recht für Insidersankti0nen eröffnet und welche Sanktionen de lege ferenda wünschenswert sind. Beides ist aktuell. Soweit die Ausführungen den Diskussionsentwurf betreffen, ist die Aktualität offensichtlich. Auch die Erörterung der gegenwärtigen Rechtslage ist wegen der bevorstehenden Insolvenzrechtsreform kein rechtsgeschichtliches Vorhaben. Mit der Verabschiedung der geplanten Insolvenzordnung ist vor 1995 nicht zu rechnen. Bis dahin müssen sich die Gerichte mit den Möglichkeiten des derzeitigen Rechts um eine Lösung der Insiderprobleme bemühen. Das haben das Reichsgericht, der Bundesgerichtshof und die Instanzgerichte mehrfach und erst kürzlich wieder getan4 • Dabei werden aber wichtige Fragen offengelassen. Auch die Literatur hat wiederholt zu der Problematik Stellung genommens; eine zusammenhängende Darstellung fehlt indessen. Weiteres Ziel dieser Arbeit ist es, die auch im Diskussionsentwurf beibehaltene Differenzierung des Konkursanfechtungsrechts nach verschiedenen Anfechtungsgründen hervorzuheben und insbesondere die sogenannte "besondere Konkursanfechtung" und die "Absichtsanfechtung" dogmatisch deutlich voneinander abzugrenzen. Das wird bisweilen vernachlässigt, wie insbesondere die Rechtsprechung zu § 30 Nr. 2 KO zeigt. Diese grundsätzlichen Ausführungen bleiben von der Insolvenzrechtsreform unberührt, weil das Anfechtungsrecht bei dieser Gelegenheit nur überarbeitet, in seinem Kern jedoch nicht verändert werden soll. Besonderer Wert wird auf die Abgrenzung des Konkursanfechtungsrechts zum Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen gelegt. Beide Institute dienen dem gleichen Ziel, nämlich die Haftungsmasse zu vermehren, bzw. deren Verminderung vorzubeugen. Dogmatisch bestehen aber wesentliche Unterschiede7• Die deswegen notwendige Unterscheidung beider Rechts3 Sonderregeln für "nahestehende Person" finden sich in den §§ 135 Abs. 3, 136 Nr. 3, 137 Nr. 1 Satz 2, 138 Abs. 2 EInsO i.V.m. §§ 143 - 145 BinsO. 4 RGZ 43, 105; KG KUT 1931, S. 158; OU; NÜI7Iberg KTS 1960, S. 40; BGHZ 58,20; BGH NJW 1969, S. 1719; BGH NJW 1975, S. 2193; U; HambllTg KTS 1976, S. 63; BGHZ 96, 352 = EWiR § 31 KO 1/86, 177 mit Amn. Gerhardt; OU; Hamm ZIP 1986, S. 1478. S Wassertriidinger, lZ 1926, Sp. 582; Bovensiepen, LZ 1927, Sp. 1255; JaegerlLent, KO, § 31 Rdnm. 27, 30; Lent, KTS 1958, S. 129; Inrmenga, GmbHR, 1970, S. 258; Plander, GmbHR 1972, S. 121; Fehl, ZGR 1978, S. 725; KuhnlUhlenbruck, KO, § 31 Rdnm. 23 ff.; Uhlenbruck, GmbHR 1986, S. 109. 6 Nachweise unten in Kapitel 3 I 2 a bb. 7 Ein Überblick zum Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen findet sich unten in Kapitel 6.
1. Kap. Einleitung und Definitionen
21
institute wird erschwert, weil das Konkursrecht herkömlicherweise zum Prozeßrecht gezählt wird, während das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen im Gesellschaftsrecht entwickelte wurde. Zwischen beiden Bereichen fmdet nicht immer der gebotene Austausch stauB. Der in der konkursrechtlichen Literatur etwas vernachlässigte Anfechtungstatbestand des § 237 HGB wird aus seinem Versteck im Recht der stillen Gesellschaft herausgeholt, dogmatisch in das System des Anfechtungsrechts integriert9 und auf verallgemeinerungsfähige Inhalte überprüft
11. Begrift'sdefinitionen 1. Insider
Im Börsenrecht wird versucht, den Begriff des Insiders allgemein zu definieren 1o• Kennzeichnend für Insider ist ein Informationsvorsprung hinsichtlich bestimmter UnternehmensinternalI. Auch für den hier verwendeten Insiderbegriff ist ein Informationsvorsprung wichtig, nur betrifft dieser nicht kursrelevante sondern konkursrelevante Umstände. Im allgemeinen tritt eine Insolvenz nicht plötzlich und für die Beteiligten überraschend einl 2; sie steht vielmehr am Ende eines allmählichen Niedergangs, der sich durch sogenannte Insolvenzsignale äußerlich manifestiert13• Nicht allen Beteiligten sind diese Signale gleichzeitig und in
Vgl. Karsten SchmidJ, KTS 1988, S. I, 4 f. De lege ferenda soll diese Vorschrift aus dem HGB in die zu verabschiedende Insolvenzordnung "veriegI" werden, vgl. § 141 EInsO. 10 Vgl. z.B. § 1 eines Gesetzesvorschlags des ArbeitskTeises GesellschaftsrechI, Verbot des Insiderhandelns, S. 55; Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte, insbesondere Artikel 6 sowie die anschließende Komrnentierung, BR-Drucks. 290/87 = ZIP 1987 S. 1217; Dingekky, Insider-Handel \Dld Strafrecht, S. I f., 2Ol. 11 Vgl. Volk, Strafrecht gegen Insider, ZHR 147 (1978) S. 5; Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Koordiniierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte in ZIP 87, S. 1217, 1220. 12 "Insolvenzen fallen nicht vom Himmel", so bereits Schwnann, DJ 1937, S. 1210 f.; Pfefferle, Konkursanfechtung und Rückschlagsperre, S. 109; Uhlenbrwck, Die GmbH & Co KG in Krise, Konkurs und Vergleich, S. 54 rn.w.N.; Wiringer-Seiler, Anfechtungsrecht, S. 171 ff. 13 Für frühzeitige Prognosen über die weitere Eniwickl\Dlg eines Unternehmens wurden verschiedene "Kennzahlsysteme" entwickelt, vgl. Gessner/Rhode/StraJe/Ziegert, Praxis der Konkursabwickl\Dlg, S. 511, ff., 520. Zu Methoden \Dld Grenzen der Insolvenzfrüherkennung vgl. auch Uhlenbruck, Gläubigerberatung in der Insolvenz, S. 47 ff.; ders. Die GmbH & Co. KG in Krise, Konkurs \Dld Vergleich, S. 54 ff. I
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
gleichem Umfang erkennbar. Insider haben aus unterschiedlichen Gründen besseren Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens und können einen bevorstehenden Zusammenbruch erkennen, bevor er durch Zahlungseinstellung oder Konkursantrag allgemein offenbar wird14• Der bessere Einblick der Insider folgt aus deren unternehmensnaher Stellung, sei es innerhalb des Unternehmens, z.B. als Gesellschafter, sei es außerhalb des Unternehmens, z.B. die Hausbank. Teilweise sind die Informationsrechte gesetzlich oder vertraglich abgesichert, z.B. in § 51a GmbHG. Teilweise beruhen sie auf persönlicher Vertrautheit oder anderen typischen Informationsmöglichkeiten. So hat die Hausbank Einblick in den Zahlungsverkehr ihres Kunden und kann daraus Rückschlüsse ziehen. Einige Insidergruppen verfügen über Einfluß auf die Unternehmensleitung und/oder nehmen am Gewinn oder Verlust des Unternehmens teil. Diese Unterschiede sind später für den Umfang zu fordernder Insidersanktionen wichtig; für die Begriffsbestimmmung sind sie es nicht Hier geht es nur darum, den Kreis derer abzugrenzen, für den überhaupt die Notwendigkeit anfechtungsrechtlicher Insidersanktionen untersucht werden soll. Um die Diskussion nicht zu verkürzen, werden an den Begriff des Insiders keine zu strengen Anforderungen gestellt.
2. Insiderrechtshandlungen
Erst am Ende der Untersuchung läßt sich überblicken, ob nur bestimmte Rechtshandlungen besonders "insidergefährdet" sind und verschärfte Sanktionen auf diese beschränkt werden können. Bis dahin ist von dem in Rechtsprechung und Literatur weit ausgelegten Begriff der Rechtshandlung i.S.v. § 29 KO auszugehen. Anfechtbar sind danach Rechtshandlungen des Gemeinschuldners aber auch Rechtshandlungen der potentiellen Anfechtungsgeg-
14 Kreditinstitute zum Beispiel haben gegenüber gewölm1ichen Konkursgläubigern einen deutlichen Infonnationsvorsprung. Nach der rechtssoziologischen Studie von Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 251, hatten mindestens 84 % der Kreditinstitute vor der Insolvenz ihres Kunden Kenntnis von dessen Problemen. Andere Gläubiger sind weniger gut informiert. 25 % hatten weder von einem bevorstehenden Konkurs gehört noch aus eigenen Indikatoren auf einen Konkurs des Geschäftspartners schließen können. Die anderen hatten zwar mit einer Insolvenz gerechnet, wußten aber auch zwn überwiegenden Teil nicht rechtzeitig genug Bescheid, IBn noch ausstehende Forderungen sichern zu können. Erwartungsgemäß erfahren große Unternehmen früher von einer bevorstehenden Insolvenz ihres Schuldners als kleine (S. 440). Zum InfonnatiOIlsvorsprung der Kreditinstitute siehe unten Kapitel 17.
1. Kap. Einlei.nmg und Definitionen
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ner S• Rechtshandlung wird definiert als jedes vorkonkursliehe Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslöse 6• Erfaßt werden zunächst urunittelbar und mittelbar gläubigerbenachteiligende Rechtshandlungen. Auch in zeitlicher Hinsicht wird keine Beschränkung auf Rechtshandlungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor der Insolvenz vorgenommen.
15 16
Vgl. KuhnJUhJenbruc/c, KO, § 29 Rdnr. 5; BGH WM 1975, S. 1182, 1184. Zmn Begriff der Rechtshandlung vgl. KuhnJUhJenbruc/c, KO, § 29 Rdnm. 6 ff. m.w.N.
2. Kapitel
Problematik und Lösungsansatz I. Problematik 1. Scbwäcben des Konkursanfecbtungsrecbts
Das Konkursanfechtungsrecht wird seit langem als unzulänglich und ineffektiv kritisiere. Richter und Konkursverwalter halten die mangelhafte Konkursanfechtung für einen der wichtigsten Gründe der Massearmut im Konkurs2• Anfechtungsprozesse werden wegen des unzureichenden Anfechtungsrechts aber auch wegen der Massearmut nur ungern gefiilnf. Zumeist unterliegt der Konkursverwalter oder der Prozeß wird durch Vergleich beendd. Die Kritik am Konkursanfechtungsrecht betrifft vor allem die für den Konkursverwalter schwierige Beweislage und die zu knapp bemessenen Fristen. a) Für die schwierige Beweislage des Konkursverwalters wird die "Überfrachtung des Anfechtungsrechts mit subjektiven Tatbestandsmerkmalen" verantwortlich gemachts. Der Nachweis dieser "inneren Tatsachen"6 belastet den Anfechtungsprozeß mit Unsicherheiten, die auch eine Beweislastumkehr nicht völlig beseitigen kann. Konkursverwalter nannten bei der Umfrage im Rahmen der rechtssoziologischen Untersuchung Beweisschwierigkeiten als
1 BaurlStÜTner. Rdnr. 1249; GessnerlRhodelStratelZiegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 38,111,215 f.; Kuhn/Uhlenbruclc, KO, § 29 Rdnr. 1. 2 GessnerlRhodelStratelZ~gert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 38, 111 f., 214 f. 3 GessnerlRhodelStratelZ~gert, Praxis der Konkursabwicklung. S. 194,215. ( Von 69 im Rahmen der rechtsoziologischen Untersuchung untersuchten Anfechtungsprozes· sen wurden nur 9 erfolgreich durch Urteil und 19 durch Vergleich beendet, GessnerlRhodelStratelZ~gert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 38. Es ist daher verständlich, wenn Uhlenbruclc in seiner Glällbigerberatung den potentiellen Konkursgläubigern die Scheu vor Anfechtungsprozessen zu nehmen versuchL Er hält die Hereinnahrne anfechtbarer Sicherheiten von einem erkennbar konkursreifen Schuldner und die Zwangsvollstreckung trotz erkennbarer Krise für gleichennaßen risikolos, Gläubigerberanmg in der Insolvenz, S. 17, 19, 64. Nach Weber ist der Anreiz zu Vennögensverschiebungen besonders groß, wenn diese nur durch einen IDDständlichen und fast immer ungewissen Prozeß rückgängig gemacht werden können, 100 Jahre KO, S. 321, 348. 5 Hanisch, ZZP 90 (1977), S. 1,21 ff.; BallTIStÜTner, Rdnr. 1249; Weber KTS 1959, S. SO. 6 BaurlStÜTner, Rdnr. 1124; Kuhn/Uhlenbruc/c, KO, § 31 Rdnr.15 rn.w.N.
2. Kap. Problematik und Lösungsansatz
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das Hauptproblern in Anfechtungsprozessen7 • Für Uhlenbruck ist die Konkursanfechtung wegen der schwierigen Beweissituation ein "risikobeladenes Abenteuer"8. Die Beweisschwierigkeiten betreffen die Absichtsanfechtung und die besondere Konkursanfechtung gleichermaßen. Teile der Reformliteratur wollen daher bei der besonderen Konkursanfechtung die subjektiven Voraussetzungen des § 30 KO als "historische Restbestande" beseitigen9 • Bei der bevorstehenden Insolvenzrechtsreform sind zaghafte Schritte in diese Richtung beabsichtigt, zaghaft deswegen, weil sie nur inkongruente Deckungen betreffen, § 136 EInsO. b) Die Fristen sind ein weiteres Problem. Bemängelt wird die einjährige Anfechtungsfrist des § 31 KO IO• Hier will die Reform Abhilfe schaffen: Die Frist soll auf zwei Jahre verlängert und als Verjährungsfrist ausgestaltet werden, § 155 EInsO.
Wichtiger aber ist die Kritik an den anfechtungsrelevanten Zeiträumen der §§ 30 - 32a KO. Als zu kurz werden insbesondere der Anfechtungszeitraum des § 30 Nr. 1 KO und die zehn-tägige Frist des § 30 Nr. 2 KO empfundenlI, weil die Gläubiger über die kritische Lage ihres Schuldners schon länger informiert seien12• Gleichwohl ist bei der Reform keine nennenswerte Verlängerung der Anfechtungszeiträume geplant, §§ 135, 136 Nr. 1 und 2, 137 EInsO. Bei der Absichtsanfechtung soll der einjährige Zeitraum des § 31 Nr. 2 KO auf zwei Jahre ausgedehnt werden, § 138 Abs. 2 EInsO. Beanstandet wird in diesem Zusammenhang auch, daß die KO bei der Berechnung der Fristen in den §§ 31 Nr. 2 KO, 32 und 32a KO auf die Konkurseröffnung abstellt. Dadurch ist die Anfechtbarkeit von der Länge des Eröffnungsverfahrens abhängig, die im Einzelfall sehr unterschiedlich sein kann. Potentielle Anfechtungsgegner werden dazu verleitet, die Dauer des Eröffnungsverfahrens zu beeinflussen. Die Reform will hier abhelfen, indem sie den Konkursantrag als maßgeblichen Anknüpfungspunkt bestimmt, §§ 138 - 141 EInsO.
Gessl'IIirlRJuxkIStratelZiegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 38, 215. KuhnJUhJenbruck, KO, § 29 Rdnr. 37. 9 Zu den Refonnüberlegungen Weber KTS 1959, 80, 85; tkrs., 100 Jahre KO, S. 321, 348 f.; Hanisch ZZ1' 90, S. I, 21 ff.; BaurlStiirl'llir, Rdnr. 1249; Henckel ZZP 97, S. 369, 375; Hanisch ZZP 90, S. 21 f.; Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, S. 74 ff., 399 ff.; kritisch, Gerhardt, 100 Jahre KO, S.129 ff. 10 Gessl'IIirlRJuxkIStratelZiegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 215; Hanisch ZZ1' 90, S. 22. 11 JaegerlLent, KO, EinleitlDlg S. LIX f.; Schumann DJ 1937, S. 1210, 1212; Hanisch, ZZP 90, S. I, 11; gute Übersicht bei Wiringer-Seiler. Anfechtungsrecht, S. 162 ff. m.w.N. 12 JaegerlLent. KO. Einl. S. LIX f.; Sch/ll1lQ1l1l, DJ 1937, S. 1210 ff.; Wiringer-Seiler. AnfechtlDlgsrecht, S. 167. 7 I
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechnmgsrechts
2. Besondere Inemzienz des Anfecbtungsrecbts bei Insiderrecbtsbandlungen
Die Vermutung liegt nahe, daß sich die Ineffizienz des Anfechtungsrechts bei Insidergeschäften verstärkt. Insider können wegen des Informationsvorsprungs nicht erst in letzter Minute, sondern schon geraume Zeit vor Konkurseröffnung masseschmälernde Rechtshandlungen vornehmen13 • Sie können daher vor allem die knapp bemessenen Anfechtungsszeiträume des § 30 KO mühelos umgehen. Drei Fälle sollen die besondere IneffIZienz des Anfechtungsrechts bei Insiderrechtshandlungen verdeutlichen. Falll
14
A hatte von früheren Gesellschaftern einer GmbH, der späteren Gemeinschuldnerin, nach und nach deren Geschäftsanteile zusammen mit bereits früher bestehenden Darlehensforderungen gegen die Gesellschaft in Höhe von DM 60.000,-- aufgekauft, bis er Alleingesellschafter war. Die Forderungen waren im Dezember 1962 zur Rückzahlung fällig. A war zu diesem Zeitpunkt bekannt, daß die Gesellschaft überschuldet war. Um die Darlehensforderungen zurückzuzahlen, mußte die Gesellschaft einen Bankkredit aufnehmen. Am 15. Juli 1963 veräußerte A seine Geschäftsanteile zum Preis von DM 40.000,--. Im Januar 1965 wurde über das Gesellschaftsvermögen das Konkursverfahren eröffnet Mit der Klage begehrt der Konkursverwalter Rückgewähr der an A erfolgten Zahlungen. Der Bundesgerichtshof sah die für eine Anfechtung nach § 31 Nr. 1 1(0 geforderte Benachteiligungsabsicht nicht als erwiesen an und verneinte daher einen Rückgewähranspruch. Heute würde dieser Fall über das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen gelöst A müßte das empfangene Geld zurückzahlen und könnte mit seinen Darlehensforderungen nicht am Konkurs teilnehmen. Gleichwohl ist eine Auseinandersetzung mit dem Konkursanfechtungsrecht kein Scheingefecht. Wenn das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen nicht anwendbar ist, muß gegebenenfalls auf Konkursanfechtungsrecht zurückgegriffen werden lS • Das ist der Fall, wenn der oftmals schwierige Nachweis der eigenka-
Vgl. Immenga, GmbHR 1970, S. 259. BGH NJW 1969, S. 1719; Sachverhalt bei Immenga, GmbHR 1970, S. 258. 15 Vgl. Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, §§ 32a, 32b, Rdnr. 17; Karsten Schmidt, ZIP 1981, S. 689, 697; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, §§ 32a, 32b Rdnr. 18; BaumbachlHueck, GmbHG, § 32a, Rdm. 9; KuhnlUhlenbruck, KO, § 32a Rdnr. 2; Uhlenbruclc, GmbH & Co. KG, S. 687. 13
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2. Kap. Problematik und Lösungsansatz
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pitalersetzenden Funktion eines Darlehens nicht gelingt16. Regelmäßig nicht anwendbar ist das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen auch, wenn der Anfechtungsgegner Geschäftsführer einer GmbH ist, ohne an dieser beteiligt zu sein. Schließlich sieht das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen (bisher) nur bei der GmbH, der GmbH & Co. und - in reduziertem Umfang - bei der AG Sanktionen vor, §§ 32a, 32b GmbHG, 3b AnfG, 32a KO, 129a, 172a HGB sowie die Rechtsprechungsgrundsätze des Bundesgerichtshofs17. Für die folgenden Überlegungen wird daher unterstellt, das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen sei aus einem der genannten Gründe nicht anwendbar. Die praktisch bedeutsamste und - trotz der gezeigten Schwächen - effektivste Vorschrift des Konkursanfechtungsrechts ist § 30 KO. Wäre die Rückzahlung innerhalb der Krise, d.h. innerhalb des Zeitraums nach AntragsteIlung bzw. Zahlungseinstellung, erfolgt, so hätte der Konkursverwalter nur die ZahlungseinsteUung oder die AntragsteUung und die Kenntnis eines dieser Ereignisse beim Anfechtungsgegner nachweisen müssen, § 30 Nr. 1 Halbs. 2 KO. Das wäre ihm hier vermutlich gelungen. Da die anzufechtende Rechtshandlung vor der Krise erfolgt ist, kommt die besondere Konkursanfechtung (§ 30 KO) hier nicht zur Anwendung. Das überrascht nicht und dürfte bei Insidern die Regel sein. Sie erkennen wegen ihres Informationsvorsprungs rechtzeitig, wann sie ihre Interessen wahren müssen und können daher zumal wenn sie Einfluß auf die Geschäftsführung haben - vor der Krise handeln18. In Betracht kommt daher die Absichtsanfechtung gemäß § 31 KO. Dessen Nr. 1 beschränkt die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen zwar nicht auf einen bestimmten Zeitraum vor Konkurseröffnung. Dafür muß der Konkursverwalter aber beweisen, daß der Gemeinschuldner in Benachteiligungsabsicht handelte und der Anfechtungsgegner davon wußte. Je länger die Rechtshandlung zurückliegt, desto schwieriger ist dieser Nachweis. Auch bei der Absichtsanfechtung kommt Insidern also der Informationsvorsprung zugute, zumal, wenn es sich - wie hier - um eine kongruente Deckung handelt Der Bundesgerichtshof stellt dann an den Nachweis der Benachteiligungsabsicht und deren Kenntnis strenge Anforderungen19. Die Beweisführung wird bei
16 Vgl. die umfangreiche Kommentierung bei HachenburglUlmer, GmbHG, §§ 32a, 32b, Rdnm. 39 ff. m.w.N. 17 Sehr deutlich bei Karsten Schmidt, Kapitalersetzende Kommanditistendadehen, GmbHR 1986, S. 337; siehe auch unten Kapitel 6 I. 11 Vgl. Jmmenga GmbHR 1970, S. 258, 259. 19 RG IW 1938, S. 1536; BGH ZIP 1984, S. 572, 579 f.; KuhnlUhJenbruck, KO, § 31 Rdnr.9b.
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
Rechtshandlungen zwischen Insidern zusätzlich durch deren nahezu uneingeschränkten Kollusionsmöglichkeiten erschwert. Wenn es sich - wie hier um eine Einmanngesellschaft handelt, aber nicht nur dann, besteht eine völlige Interessenübereinstimmung zwischen den "Geschäftspartnern "20. Die oft verdeckten und undurchsichtigen Geschehensabläufe vor einem Konkurs sind nur schwer aufzuklären.
§ 31 Nr. 2 KO, ein weiterer Tatbestand der Absichtsanfechtung, ist auf den Zeitraum des letzten Jahres vor Konkurseröffnung beschränkt und kam hier schon deswegen nicht zur Anwenduni\ ebensowenig § 237 HGB, der ebenfalls nur den innerhalb des letzten Jahres vor Konkurseröffnung vereinbarten Kapitalabzug erfaßt und dessen Anwendung außerhalb des Rechts der stillen Gesellschaft bisher nur in der gesellschaftsrechtlichen Literatur diskutiert wird22• § 32 KO schließlich ist auf unentgeltliche Zuwendungen beschränkt und nach der Intention des Gesetzgebers bei inkongruenten Deckungen nicht anwendbarD. Fall 224 In einem anderen Rechtsstreit ging es um folgendes: S und R betrieben ein Bauunternehmen in der Rechtsform einer GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer S war. Im letzten Jahr vor Konkurseroffnung "verkaufte" die GmbH unter Wert eine Planierraupe und Büromöbel an eine oHG, deren Gesellschafter S und V (Vater des S) waren; außerdem zahlte sie an diese 60.000 DM. Die Konkursmasse der GmbH bestand lediglich aus einer Forderung auf Gasölrückvergütung in Höhe von 3.900 DM. Der Konkursverwalter hat die Rechtshandlungen nach § 31 Nr. 2 KO angefochten. Der Bundesgerichtshof hat der Klage stattgegeben. Der Leitsatz lautet: "Im Konkurs einer GmbH gelten grundsätzlich die Gesellschafter und deren nahe Angehörige als nahe Angehörige der Gesellschaft". Ob das auch
2Il Trotzdem sah der BGH keinen Grund an den Nachweis der Benachteiligungsabsicht weniger strenge Anforderungen zu stellen: "...ein Gesellschaftergläubiger kann nicht allein deshalb weil er Alleingesellschafter ist anders behandelt werden als ein sonstiger Gläubiger", BGH NJW 1970, S. 1719; kritisch dazu,lmrMllga, GmbHR 1970, S. 258,260. 21 Das übersieht Plander, der die Nichtanwendung des § 31 Nr. 2 KO durch den BGH kritisiert, GmbHR 1972, S. 121, 125. 22 Nachweise bei KarsteIl Schmidt, ZGR 1986, S. 178, 205 Fn. 26. Zu § 237 HGB siehe unten Kapitel 6. 23 Hahn, Materialien zur KO, S. 139; vgl. auch BGHZ 58, 240; MohrbuJter, Handbuch des Konkurs- und Vergleichsrechts, § 78 II 4; KuhnJUhlenbruck, KO, § 32 Rdnr. 3a. 24 BGHZ 58, 20; ähnlich neuerdings BGHZ 96, 352.
2. Kap. Problematik und Lösungsansatz
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für einen Gesellschafter mit Minderheitsbeteiligung gilt, hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich offengelassen. Die Beweissituation des Konkursverwalters hat sich durch diese Entscheidung verbessert Aber § 31 Nr. 2 KO ist kein allzu scharfes Schwert: Der Zeitraum von einem Jahr vor Konkurseröffnung ist zu knapp bemessen, wie in Fall 1 deutlich wurde. Außerdem hat der Bundesgerichtshof die Rechtslage nur für den geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH geklärt. Der Bundesgerichtshof versucht also - soviel läßt sich als Zwischenergebnis feststellen - beide Fälle über die Absichtsanfechwng zu lösen und überlegt, wie sich der schwierige Nachweis der Benachteiligungsabsicht erleichtern läßt. Dabei stellt sich gerade in diesen Fällen die Frage, ob nicht allein die den Insidern bekannte Tatsache, daß nicht mehr alle Gläubiger voll befriedigt werden können, für die Anfechtbarkeit ausreichen soUte. Deutlicher wird das in Fall 3
Die Bank B erkennt aus den bei ihr geführten Geschäftskonten der Gemeinschuldnerin GS, daß diese in Konkurs zu fallen droht. Sie kündigt aus wichtigem Grund die Geschäftsverbindung, stellt sämtliche Darlehen faIlig und erwirkt nach erfolgloser Zahlungsaufforderung einen vollstreckbaren Titel mit dem sie in die letzten, noch nicht sicherungsübereigneten Gegenstände pfändet. Zwei Monate später wird Konkursantrag gestellt, vier Monate später wird das Konkursverfahren eröffnet. Die Absichtsanfechwng scheidet bei einseitigen, gegen die Gemeinschuldnerin gerichteten Rechtshandlungen grundsätzlich aus. Die besondere Konkursanfechtung nach § 30 KO ist zwar in solchen Fällen grundsätzlich möglich. Diese Vorschrift erfaßt aber nur den Zeitraum der Krise bzw. der letzten zehn Tage davor und greift daher in diesem "Insiderfall" ebenfalls nicht ein. Selbst wenn Rechtshandlungen in dem von § 30 KO erfaßten Zeitraum vorgenommen wurden, ist die Anfechtung nach § 30 KO oftmals schwierig. Zweifelhaft ist schon, ob § 30 Nr. 2 KO auf Zwangsvollstrekkungsmaßnahmen innerhalb der letzten zehn Tage vor der Krise überhaupt angewendet werden kannlS • Eine "Begünstigungsabsicht" des Gemeinschuldners dürfte regelmäßig fehlen. Im übrigen verdeutlichen die umfangreichen Kommentierungen zum Tat-
25 Entgegen der heute vielfach vertretenen Ansicht ist § 30 Nr. 2 KO ein Tatbestand der Absichtsanfechtung; siehe unten Kapitel 3 I 2 a bb.
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
bestandsmerkmal der Zahlungseinstellung, wie mühsam deren Nachweis im Einzelfall sein kann26• Auch der vom Konkursverwalter verlangte Nachweis positiver Kenntnis der Krise ist nicht immer einfach, aber gerade in Fällen der vorliegenden Art entbehrlich, weil die geforderte Kenntnis, zumindest aber grob fahrlässige Unkenntnis, immer vorliegen dürfte. Der Verdacht, daß sich die typischen Schwächen des Anfechtungsrechts bei Insiderrechtshandlungen besonders auswirken, hat sich also bestätigf1.
11. Lösungsansatz 1. Notwendigkeit verschärfter Sanktionen gegen Insider
Die gezeigten Schwächen des Anfechtungsrechts gegenüber Insiderrechtshandlungen erfordern noch nicht zwingend verschärfte anfechtungsrechtliche Sanktionen, es sei denn, sie werden tatsächlich ausgenutzt und das Ausnutzen muß von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden. a) Untersuchungen über die Häufigkeit von Insidergeschäften im Bereich des Insolvenzrechts fehlen. Die wenigen bekanntgewordenen Fälle28 lassen kaum Rückschlüsse zu. Die Neigung der Konkursverwalter, Anfechtungsprozesse zu führen, ist wegen der gezeigten Mängel des Anfechtungsrechts gering29 , außerdem wird ein Konkursverfahren oftmals mangels Masse nicht eröffnet
Man muß aber davon ausgehen, daß Insider ihre Vorteile nutzen: Häufig ist eigenes Vermögen der Insider im Konkurs eines Unternehmens vom Verlust bedroht, z.B. Beteiligungen am Gesellschaftsvermögen oder Darlehen. Drohende Verluste sind ein Motiv, vor dem Konkurs die Masse durch Ver-
26 Zwn Merkmal der ZahlWlgseinstellung siehe KuhnlUhlenbruc/c, KO, Rdnm. 2 ff. Oe lege ferenda soll das Merkmal der "Zahlungseinstellung" durch "Zahlungsunfähigkeit" ersetzt werden, § 135 - 137 EInsO. Für die Feststellung des Zeitpunktes der Zahlungsunfähigkeit bzw. der Antragstellung ist ein einheitliches Feststellungsverfahren vorgesehen, §§ 147, 148 EInsO. 'EI Zur geplanten Anfechtung für "nahe Angehörige" de lege ferenda vgl. §§ 144, 145 EInsO. und die entsprechende Begründung, Diskussionsentwurf, S. B130 ff. Siehe auch Baur/StÜTner, Rdnm. 1248 ff. m.w.N.; KuhnlUhJenbrwc/c, KO, § 29 Rdnr. 1 a.E.; Gerhardl, ZIP 1985, S. 582 ff. 21 RGZ 43, 104; KG KUT 1931, S. 158; OLG NÜTnberg, KTS 1960, S. 40; BGH NJW 1969, S. 1719; BGHZ 58,20; LG Hambwg. KTS 1976, S. 63; BGHZ 96,352; OLG Hamm, ZIP 1986, S. 1478. 29 Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 38, 111 f., 214 f.
2. Kap. Problematik und Lösungsansatz
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mögensverschiebungen zu schmälern. Zu beachten ist hier folgende von
Benne geäußerte Überlegung: Solange ein Unternehmen gesund ist oder nur
leicht "kränkelt", verhindere das Gewinnstreben des Unternehmers einen Kapitalabzug. Das Kapital werde für die gewinnbringende Teilnahme am Wirtschaftsleben gebraucht Diese "Kapitalsicherungsfunktion" des Unternehmers lasse nach, wenn der Zusammenbruch des Unternehmens wahrscheinlich wird30• Auch wenn kein Verlust eigenen Vermögens droht, wie z.B. bei organschaftlichen Vertretern einer Gesellschaft, ist es ein verlockender Gedanke, weitgehend ohne Risiko "billig einkaufen" zu können. Eine fortdauernde Haftung gegenüber den Konkursgläubigern droht nicht, Konkursanfechtung wegen der Unzulänglichkeit des Anfechtungsrechts kaum und auch nur dann, wenn ein Konkursverfahren durchgeführt wird3l • Eigene Interessen und geringes Risiko legen es daher nahe, daß Insider von ihren Möglichkeiten Gebrauch machen 32• Ein zusätzlicher Anhaltspunkt dafür, daß Insider ihren Informationsvorsprung nutzen, wo im Falle einer Insolvenz bevorstehende Nachteile zu vermeiden, ist die umfangreiche Judikatur zum Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen. Die InsidersteIlung ermöglicht es den Gesellschaftergläubigern, ihre Darlehen vor dem Zusammenbruch des Unternehmens abzuziehen oder zu sichern. Gerade um diesen Kapitalabzug zu Lasten der Konkursgläubiger zu verhindern, wurde das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen entwickele3 • Die Rückzahlung oder Besicherung kapitalersetzender Darlehen ist im übrigen regelmäßig auch anfechtungsrechtlich relevant; das wird im dargestellten Fall I deutlich, ebenso im bekannten Fall BuM/WestLB 34• Auch die zahlreichen Insiderskandale im Börsenrecht lassen darauf schließen, daß Insider den Informationsvorsprung nutzen, selbst wenn, wie in den USA, das Börsengeschehen scharf überwacht wird und empfindliche Strafen drohen.
Benne, Hafnmgsdurchgriff, S. 150 f. Sonst droht die Gläubigeranfechtung nach dem AnfG. Dort ergeben sich allerdings die gleichen Beweisschwierigkeiten. 32 Uhlenbruck, Gläubigerberatung. S. 16 C., fordert geradezu auf, Rechtshandlungen vorzunehmen die "eigentlich anfechtbar" sind. Wörtlich: "Die Hereinnahme anfechtbarer Sicherheiten von einem erkennbar konkursreifen Schuldner iSL ... fast ebenso risikolos wie Vollstreckungen in das Schuldnervermögen trotz erkennbarer Krise". ]] Das im Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen sanktionierte Verhalten ist allerdings nicht der Kapitalabzug unter Ausnutzung der Insiderstellung sondern ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung, siehe dazu unten Kapitel 5 II 1. 34 BGHZ 90, 381; das LG Düsseldorf befasste sich auch mit der anfechtungsrechtlichen Problematik des Falles, ZIP 1981, S. 601. ]0
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
b) Die Antwort auf die zweite Frage fällt schwerer. Selbst wenn Insider ihre Stellung und ihren Infonnationsvorsprung nutzen, steht die Sanktionsbedürfigkeit damit nicht fest. Möglicherweise muß die Rechtsordnung das Ausnutzen dieses Vorteils hinnehmen, weil Begründung, Erwerb und Ausnutzen eines Privilegs Bestandteile der Privatautonomie sind35• Das gilt weniger für vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung im Sinne der Absichtsanfechtung. Dort werden sich verschärfte Sanktionen gegenüber Insidern begründen lassen. Problematischer ist die besondere Konkursanfechtung und hier insbesondere die Frage, ob die besondere Konkursanfechtung bereits vor der Krise in Betracht kommen kann, nur weil der betreffende Insider die wirtschaftliche Lage des Unternehmens kannte und dessen baldigen Zusammenbruch erwartete (Fall 3). Ob allein die Vornahme einer masseschmälernden Rechtshandlung in Kenntnis dieser Umstände für die Anfechtung ausreicht. ist zweifelhaft
Entscheidend für die Zulässigkeit verschärfter anfechtungsrechtlicher Sanktionen sind die Grundlagen des Anfechtungsrechts. Diese seien hier zunächst kurz skizziert aa) Die Konkursanfechtung soll Schmälerungen der Konkursmasse vor Konkurseröffnung zugunsten der Konkursgläubiger ausgleichen36• Weil der nachmalige Gemeinschuldner bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens in seinen Verfügungen nicht beschränkt ist, kann aus Gründen der Rechtssicherheit die Masseschmälerung als solche keine Rückgewährpflicht rechtfertigen3? Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die sogenannten Anfechtungsgründe. Herkömmlicherweise werden drei Anfechtungsgründe genannf8: Die Unentgeltlichkeit einer Zuwendung, die Absicht der Gläubigerbenachteiligung und die volle Befriedigung eines Konkursgläubigers zu einer Zeit in der bereits erkennbar war, daß das Vermögen des Schuldners nicht mehr zur vollen Befriedigung aller Konkursgläubiger ausreichen wird, kurz:
Ähnlich Stiirner, 'ZZP 94, S. 263, 270. "Die Erfahrung lehrt, daß vor der KonkurseIÖffnung die wertvollsten Bestandteile des Schuldnervennögens beiseite geschafft werden, weil der Schuldner selbst seine Zukunft sichern will oder einzelne robuste Gläubiger eine Sicherung oder Befriedigung ihrer Forderungen vor anderen durchsetzen", Baur/Stiirner, Rdnr. 1105. 17 Vgl. BaUT/Stürner, Rdnr. 1118; JfU!ger, Lehrbuch, § 21 II (So 141). 31 Hahn, Materialien zur KO, S. 113 spricht insoweit von den drei Systemen des Anfechtungsrechts. Vgl. auch Jaeger, Lehrbuch, § 21 II (So 141). 3S
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2. Kap. Problematik und Lösungsansatz
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die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Mit der GmbH-Novelle von 1980 ist als vierter Anfechtungsgrund die Rückzahlung eines eigenkapitalersetzenden Darlehens hinzugekommen39• Unklar ist, ob § 237 HGB ein Sondertatbestand der genannten AnfechtungsgrüDde ist oder ob diese Vorschrift auf einem eigenständigen Anfechtungsgrund beruht40• Die Differenzierung in die genannten Anfechtungsgründe soll in der geplanten Insolvenzordnung beibehalten werden41 • Auf diesen AnfechtungsgrüDden beruhen die einzelnen Anfechtungsnormen. Diese verschaffen dem jeweiligen Anfechtungsgrund allerdings nicht uneingeschränkte Geltung. Anderenfalls wäre beispielweise auch eine acht Jahre vor Konkurs erfolgte unentgeltliche Zuwendung ohne weiteres anfechtbar. Maßgeblich für die konkrete gesetzliche Fassung waren vor allem bestimmte gesetzgeberische Erfahrungen oder Vorstellungen über die Häufigkeit des Vorliegens bestimmter AnfechtungsgrüDde42• Das Gesetz stellt geringere Anforderungen an den Nachweis eines Anfechtungsgrundes, wenn dessen Vorliegen in einer bestimmten Fallkonstellation besonders wahrscheinlich ist. Ein Beispiel dafür ist § 31 Nr. 2 KO, der bei unmittelbar benachteiligenden entgeltlichen Verträgen des Gemeinschuldners mit dessen nahen Angehörigen die Benachteiligungsabsicht vermutet Ein weiteres Beispiel ist § 30 Nr. 2 KO. Diese Vorschrift vermutet bei Vorliegen einer inkongruenten Deckung die "Begünstigungsabsicht" bzw. die "Kenntnis der Zahlungseinstellung". Daneben führen Aspekte des Vertrauensschutzes dazu, daß die Anfechtungsgründe nur in eingeschränktem Maße durchsetzbar sincf3•
39 Hier bedient sich das Gesellschaftsrecht der Konkunanfechtung, um § 32a GmbHG gegen Umgehungen ab:rusichem, vgl. unten Kapitel 6 I 2. Kritisch :ru der Fassung als Anfechtungstatbestand Kilger, KO, § 32a Amn. 7; Karste" Schmidt, Gese1lschaftsrecht, § 37 IV 4 a. Stall eines Anfechtungstatbestandes hälle man eine Rückgewährpflicht entsprechend § 32b GmbHG oder, weil nicht auf ein förmliches Konkursverfahren beschränkt, entsprechend § 31 GmbHG nonmeren sollen. Cl Dam unten Kapitel 6 11. 41 Als "Kernstück auch der neuen Regelung werden die vier Haupttatbestände der geltenden Konkursanfechtung im Gnmdsatz beibehalten", Dislrussionsentwurf, S. 8113. 42 Eine Analyse der ein7.e1nen Anfechtungmonnen erfolgt unten in den Kapiteln 3 - 6. C Hahn, Materialien :rur KO, S. 116; Benne, Hafnmgsdurchgriff, S. 157; Pfefferle, Konkursanfechtung und Rückschlagsperre, S. 51 ff.
3 Killinger
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
bb) Wegen der geringen Effizienz des Anfechtungsrechts muß schon für den Nonnalfall, d.h. ohne Beteiligung von Insidern, bezweifelt werden, ob die Vorstellungen des Gesetzgebers, die für die derzeitigen Fassung der Anfechtungsnonnen maßgeblich waren, mit der Wirklichkeit übereinstimmen oder ob sie nicht die Durchsetzung der Anfechtungsgründe zu sehr einschränken44 • Ebenso fragt sich, ob der Vertrauensschutz nicht zu Lasten der Konkursgläubiger übertrieben worden ist4s • Bei Insiderrechtshandlungen dürften die genannten Prämissen des Gesetzgeber noch weniger zutreffen. Auch auf Vertrauensschutz kann sich der Insider als Anfechtungsgegner nicht in gleichem Umfang berufen, zumal, wenn er als Gesellschafter am Vennögen der Gemeinschuldnerin beteiligt ist. Erinnert sei hier an den Gedanken des fehlenden Verkehrsgeschäfts aus dem Recht des gutgläubigen Erwerbs46• Danach ist das Vertrauen in den für die Eigentümerstellung des Veräußerers sprechenden Rechtsschein, der durch den Besitz an einer Sache oder durch die Eintragung im Grundbuch hervorgerufen wird, nicht schutzwürdig, wenn der Erwerber dieser Sache gleichzeitig auf der Veräußererseite beteiligt ist Fazit: Auf der Grundlage, daß sich Anfechtungsgrund und Anfechtungsnonn in der geschilderten Weise trennen lassen47 , kann man folgendes festhalten: Verschärfte anfechtungsrechtliche Sanktionen gegenüber Insidern sind notwendig, wenn bei Insiderrechtshandlungen ein Anfechnmgsgrund zwar vorliegt, diese Rechtshandlung von den Anfechnmgsnonnen aber nicht oder nicht sachgerecht erfaßt wird, weil die Vorstellungen, von denen der Gesetzgeber bei Erlaß dieser Anfechtungsnonnen ausging, bei Insidern nicht zutreffen oder weil Vertrauensschutz hier nicht in gleichem Umfang zu berücksichtigen ist. cc) Insidersanktionen müssen sich daran orientieren, welche Anfechtungsgründe nicht oder nicht genügend zur Geltung kommen. Diejenigen Nonnen, die auf diesem Anfechnmgsgrund beruhen, müssen der Realität der Insiderrechtshandlungen angepaßt werden; der Vertrauensschutz ist auf das gebotene Maß zu reduzieren. Das ist de lege lata und de lege ferenda gleichennaßen zu berücksichtigen.
44 So bereits Schumann DJ 1937, 1210 C.: In der Mehrzahl sind die Gläubiger über die finanzielle Lage ihrer Schuldner genau infonniert; ähnlich, Jaeger/Lenl, KO, Eint. S. LIX. 4S Weber, KTS 1959, S. 80 Cf., 85. 46 Münchener Kommentar/Wacu, BGB, § 929, Rdnr. 39; vgl. auch unten Kapitel 4 m 2 c. 47 Das wird in den Kapiteln 3 - 6 getrennt für die einzelnen Anfechtungsgründe dargelegt.
2. Kap. Problematik und Lösungsansatz
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Folgende Überlegungen sind daher notwendig: Werden Insiderrechtshandlungen typischerweise mit Benachteiligungsabsicht vorgenommen? Dann ist der Nachweis der Benachteiligungsabsicht und deren Kennblis beim Anfechtungsgegner zu erleichtern. Wissen Insider typischerweise von der Zahlungseinstellung bzw. Konkursantragstellung? Dann ist bei der besonderen Konkursanfechtung der Nachweis der Kennblis der Zahlungseinstellung bzw. der Antragstellung zu erleichtern. Kennen Insider den Konkursgrund regelmäßig vor der Krise, muß ein entsprechend früheres Eingreifen der besonderen Konkursanfechtung diskutiert werden. Gegebenenfalls sind auch § 32a KO und § 237 HGB entsprechend zu verbessern. Insidersanktionen bei der Schenkungsanfechtung werden dagegen aus den unten unter III 3. dargestellten Gründen nicht untersucht.
2. Aufbau der Untersuchung a) Erforderlich ist zunächst eine Analyse der bei Insiderrechtshandlungen regelmäßig betroffenen Anfechtungsgründe und deren Normierung in den Anfechtungstatbeständen der KO und der geplanten InsO im Hinblick auf verschärfte anfechtungsrechtliche Sanktionen gegenüber Insidern. Insbesondere ist zu prüfen, welche Vorstellungen den Gesetzgeber bei der Fassung der einzelnen Anfechtungsnormen leiteten. Diese Untersuchung erfolgt in den Kapiteln 3 - 6. b) Erst dann läßt sich beurteilen, ob diese Vorstellungen bei Insiderrechtshandlungen möglicherweise unzutreffend sind. Nur soweit das der Fall ist, besteht entsprechender Bedarf nach verschärften anfechtungsrechtlichen Sanktionen gegenüber Insidern. Als zweiter Schritt müssen daher die Besonderheiten der Insider(-rechtshandlungen) herausgearbeitet werden. Das geschieht im zweiten Teil der Arbeit und nicht für alle Insider einheitlich, weil es zwischen diesen hinsichtlich ihres Informationsvorsprungs aber auch hinsichtlich ihres Verlustrisikos und ihres Einflusses auf die Geschäftsleitung des Gemeinschuldnerunternehmens wesentliche Unterschiede gibt. Die Insider werden daher in Gruppen zusammengefaßt. Für die Einteilung kommt es darauf an, bei welchen Insidern wegen vergleichbarer äußerer Umstände ein vergleichbarer Sanktionsbedarf zu erwarten ist
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
c) Auf eine besondere Prüfung der Schenkungsanfechtung wird verzichtet. Anfechtungsgrund ist hier die geringere SchutZwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs48 • Auf Benachteiligungs- oder BegüDstigungsabsicht kommt es nicht an. Vertrauensschutz war entscheidend dafür, diese Anfechtung auf den Zeitraum von einem Jahr vor KonkurselÖffnung bzw. zwei Jahre bei Eheleuten zu beschränken49 • Eine nähere Untersuchung des § 32 KO ist hier entbehrlich, weil unentgeltliche Zuwendungen unter Insidern die Ausnahme seien dürften. Insbesondere sind inkongruente Deckungen keine unentgeltlichen Zuwendungenso. Im übrigen bereiten diese Tatbestände in der Praxis schon jetzt kaum Probleme. Die Insolvenzrechtsreform will die Frist für die Schenkungsanfechtung auf vier Jahre vor AntragsteIlung verlängern und sieht eine Beweislastumkehr vor; es wird vermutet, daß die unentgeltliche Rechtshandlung in diesem Zeitraum stattgefunden hat, § 139 EInsO.
Hahn, Materialien zur KO, S. 140. Hahn, Materialien zur KO, S. 141. so Vgl. Hahn, Materialien zur KO, S. 139; vgl. auch 8GHZ 58,240; MohrbIllter, Handbuch des Konkurs- und Vergleichsrechts, § 78 II 4; KuhnJUhlenbrllC/c, KO, § 32 Rdnr. 3a. 48
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3. Kapitel
Absichtsanfechtung
I. Überblick über die Absichtsanfechtung 1. Dogmatischer Ansatz und Grundtatbestand der Absichtsanfechtuog
Dogmatischer Ansatz bei der Absichtsanfechtung ist die Überlegung, daß Rechtshandlungen, die in dem Anfechtungsgegner bekannter Gläubigerbenachteiligungsabsicht vorgenommen werden, gegenüber dem "Komplettierungs-interesse" der Masse keinen Schutz verdienenl . Grundtatbestand der Absichtsanfechtung ist § 31 Nr. 1 KO. Hier muß der Konkursverwalter dem Gemeinschuldner Benachteiligungsabsicht und dem Anfechtungsgegner deren Kenntnis nachweisen, weil der Gesetzgeber im Regelfall davon ausgeht, daß der Gemeinschuldner ohne Benachteiligungsabsicht handelt, jedenfalls solange kein inkriminierendes Merkmal wie z.B. eine inkongruente Deckung Verdacht erweckt. Für die Benachteiligungsabsicht reicht dolus eventualis aus2 • Oe lege ferenda soll es daher Vorsatz statt - wie bisher - Absicht heißen, § 138 EInsO. Sogenannte Bargeschäfte, also Geschäfte, bei denen für eine Leistung des Gemeinschuldners unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in dessen Vermögen gelangt, .sind ebenfalls nach § 31 KO anfechtbar. Das ist nach geltendem Recht unproblematisch, falls es gelingt, die Benachteiligungsabsicht nachzuweisen. Im Diskussionsentwurf wird die Anfechtbarkeit von Bargeschäften nach den Regeln der Absichtsanfechtung gleichwohl ausdrücklich hervorgehoben, § 151 EIosO. Um den systematischen Zusammenhang dieser Vorschrift zur Absichtsanfechtung zu verdeutlichen, sollte man überlegen, sie im Gesetz unmittelbar hinter den Vorschriften der Absichtsanfechtung zu lokalisieren.
1
BaurlSti.iI-Mr. Rdnr. 1121.
Vgl. BGH WM 1975, S. 1182: Es reicht aus, daß der Schuldner die GläubigerbenachteiliglBlg als muttnaßliche Folge seines HandeIns erlcannt und gebilligt hat und daß dies dem anderen Teil bekannt war. Weitere Nachweise bei KuJua/UhJellbruc/c, KO, § 31 Rdnm. 7 ff. 2
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechnmgsrechts
2. Beweiserleichterungen bei der Absichtsanfechtung
In einigen Fallgruppen ist der Nachweis der Benachteiligungsabsicht und deren Kenntnis zu erleichtern, weil sich hier die Annahme des Gesetzgebers, Rechtshandlungen würden regelmäßig ohne Benachteiligungsabsicht und ohne deren Kenntnis beim Anfechtungsgegner vorgenommen, als unzutreffend erwiesen hat Dieser Erkenntnis tragen gesetzliche Sondertatbestände der Absichtsanfechtung, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshnfs, Reformliteratur und schließlich der Diskussionsentwurf Rechnung. Die folgende Übersicht zeigt, in welchen Fällen der Gesetzgeber, die Rechtsprechung und die (Reform)-Literatur bisher den Beweis erleichtert haben. Daraus lassen sich Anhaltspunkte gewinnen, wann für Insiderrechtshandlungen eine Beweiserleichterung in Betracht kommen kann. Außerdem kommen die Sondertatbestände für analoge Anwendungen in Betracht - wie bei § 31 Nr. 2 KO geschehen3 • a) Da der Nachweis der Benachteiligungsabsicht und deren Kenntnis als "innerer Tatbestand" schwierig ist, stellt die KO geringere Anforderungen, wenn diese besonders wahrscheinlich sind.
aa) § 31 Nr. 2 KO vermutet die Benachteiligungsabsicht und deren Kenntnis bei unmittelbar benachteiligenden entgeltlichen Verträgen, die der Gemeinschuldner innerhalb des letzten Jahres vor Konkurseröffnung mit einem "nahen Angehörigen" abgeschlossen hat. Der Gesetzgeber rechtfertigt das mit dem knappen Hinweis, daß sich solche Verträge regelmäßig als betrügerisch erwiesen4 • In Rechtsprechung und Literatur wird die Beweislastumkehr unterschiedlich begründet Stereotyp wird vielfach der Satz wiederholt, daß "nahe Angehörige die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Gemeinschuldner kennen, daher dessen Absichten leichter durchschauen und wegen ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Verbundenheit zum Schuldner eher bereit sind, zum Schaden seiner Gläubiger Verträge abzuschließen"s. Fehl hält das für unrichtig. Für ihn betrifft § 31 Nr. 2 KO nur Beide Begründungen haben Schwächen. § 31 Nr. 2 KO enthält eine doppe/te Vermutung. Erstens wird vermutet, daß der Gemeinschuldner mit Benachteiligungsabsicht handelt, wenn er innerhalb des letzten Jahres vor
3 BGHZ 58, 20, vgl oben Kapitel 2 I, Fall 2. • Hahn., Materialien zur KO, S. 139. 5 Lent, KTS 1958, S. 129; Plander, GrnbHR 1972, S. 121, 123; Kuhn./UhJenbruck, KO, § 31 Rdnr. 16; BGH NJW 1966, S. 730; BGHZ 58,20; BGHZ 96,352,358.
3. Kap. Absichtsanfechtung
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Konkurseröffnung mit nahen Angehörigen unmittelbar benachteiligende Verträge abschließt Zweitens wird vermutet, daß die betreffenden nahen Angehörigen die Benachteiligungsabsicht kennen6 • Beide Vermutungen sind berechtigt, wenn bei den von § 31 Nr. 2 KO erfaßten Verträgen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für ein Handeln des Gemeinschuldners in Benachteiligungsabsicht und für deren Kenntnis beim Anfechtungsgegner besteht. (1) Für ein Handeln mit Benachteiligungsabsicht sprechen die Interessenlage des Gemeinschuldners und die Möglichkeit, diese Interessen bei Geschäften mit nahen Angehörigen wahrzunehmen. Der Gemeinschuldner ist daran interessiert, sein vom Konkurs bedrohtes Vermögen zu retten. Häufig wird der Gemeinschuldner daher nur zum Vorwand Teile seines Vermögens an nahe Angehörige weggeben, um sie wegen des für ihn erkennbar drohenden Konkurses dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen. Im "Innenverhältnis" bleiben sie dem Gemeinschuldner zumindest anteilig erhalten. Selbst wenn dies nicht so sein sollte, macht es einen Unterschied, ob man sein Vermögen den Gläubigem überläßt oder ob es "in der Familie bleibt". Bei Verträgen mit nahen Angehörigen sind solche "Schiebungen" eher möglich, weil diese oftmals den Gemeinschuldner aus persönlicher Verbundenheit unterstützen, aber auch, weil ein solches "familiäres Entgegenkommen" nicht selten durch materielle Anreize unterstützt werden dürfte. Unschädlich ist, daß nicht alle "nahen Angehörigen" i.S.v. § 31 Nr. 2 KO bzw. "persönlich nahestehenden Personen" i.S.d. § 143 EInsO zum Gemeinschuldner in einem Verhältnis stehen, in dem solches Entgegenkommen zu erwarten ist. Der Gemeinschuldner wird sich diejenigen nahen Angehörigen aussuchen, mit denen sich Verschiebungen durchführen lassen. Im übrigen wird der Kreis der anfechtbaren Rechtshandlungen zusätzlich eingegrenzt: Nur unmittelbar benachteiligende Verträge, die innerhalb des letzten Jahres vor der Konkurseröffnung abgeschlossen wurden, werden erfaßt, also Verträge bei denen keine gleichwertige Gegenleistung in die Masse fließe. Solche Verträge erwecken schon für sich den Verdacht einer Schiebung im Hinblick auf einen möglichen Konkurs. (2) Zu der zweiten Vermutung, für die Kenntnis der Benachteiligungsabsicht, heißt es vielfach, nahe Angehörige würden die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Gemeinschuldners kennen und daher dessen Absichten leichter durchschauen 8 • Fehl vertritt dagegen die· Auffassung, Familienangehörige
Vgl. KuJm/UhJenbrwclc, KO, § 31 Rdnr. 31. Vgl. KuJm/UhJenbrwclc, KO, § 29 Rdnrn. 22 f. • Lent, KTS 1958, S. 129; Plander, GrnbHR 1972, S. 121, 123; KuJm/UhJenbrwck, KO, § 31 Rdnr. 16; BGH NJW 1966, S. 730; BGHZ 58, 20; BGHZ 96, 352, 358. 6
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
hätten regelmäßig keinen vertieften Einblick in die finanziellen Verhältnisse ihres in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen nahen Angehörigen, deswegen könne man deren Kenntnis der Benachteiligungsabsicht nicht unterstellen9 • Entscheidend sei vielmehr, daß nahe Angehörige geneigt seien, den Gemeinschuldner in dessen Tätigkeit ohne Rücksicht auf deren Beschaffenheit zu unterstützen. Es erscheint sehr zweifelhaft, ob letzteres der Realität entspricht Auch die Behauptung Fehls, eine Kenntnis der Benachteiligungsabsicht des Gemeinschuldners könne man nahen Angehörigen nicht unterstellen, ist nicht bedenkenfrei. Warum sollte § 31 Nr. 2 KO die Kenntnis der Benachteiligungsabsicht vermuten, wenn diese nicht üblicherweise vorliegt? Der Entlastungsbeweis gelänge immer, die widerlegliche Vermutung wäre überflüssig. Es muß also Gründe dafür geben, daß nahe Angehörige die Benachteiligungsabsicht des Gemeinschuldners für gewöhnlich kennen. Fehl ist zuzugeben, daß nahen Angehörigen die fmanziellen Verhälblisse des Gemeinschuldners häufig unbekannt sein werden. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an, weil § 31 Nr. 2 KO nicht die Kenntnis der finanziellen Verhälblisse des Gemeinschuldners, sondern die Kenntnis der Benachteiligungsabsicht vermutet Ein Anfechtungsgegner, der die wirtschaftlichen Verhältnisse des späteren Gemeinschuldners kennt, wird zwar häufig auf die Benachteiligungsabsicht schließen können. Ebensogut kann er die Benachteiligungsabsicht aber aus anderen Quellen erfahren. So können wirtschaftlich erfahrene Anfechtungsgegner allein aus der unmittelbar benachteiligenden Wirkung des betreffenden Vertrages auf eine Benachteiligungsabsicht schließen10• Bei nahen Angehörigen darf man diese Erfahrung nicht regelmäßig voraussetzen. Sie erfahren die Benachteiligungsabsicht in den meisten Fällen von dem Gemeinschuldner selbst Der Gemeinschuldner verfolgt mit den in § 31 Nr.2 KO genannten Verträgen die Absicht, sein Vermögen für die Gläubiger unerreichbar zu machen. Das geschieht meist-ens nicht aus "Nächstenliebe" gegenüber den nahen Angehörigen, sondern um zumindest Teile davon für sich zu behalten. Dafür muß sich der Gemeinschuldner diejenigen Angehörigen aussuchen, mit denen er entsprechende Verträge abwickeln, d.h. "gemeinsame Sache" machen kann. Diese muß er über seine Absichten aufklären. Die betreffenden Angehörigen unterstützen ihn dann gerade, weil sie seine Absichten kennen und weil sie von den Verträgen oftmals auch profitieren. Aus den genannten Gründen spricht also eine erhöhte Wahrscheinlichkeit dafür, daß Verträge der vorgenannten Art in dem Anfechtungsgegner bekannter Benachteiligungsabsicht abgeschlossen werden. Hinzu kom-
9 10
ZGR 1978, S. 725,7'1:1 f. Zutreffend, Colsman, ÖJZ 1964, S. 332.
3. Kap. Absichtsanfechtung
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mt die Überlegung, daß Vertrauensschutz bei Geschäften zwischen nahen Angehörigen nicht in gleichem Maße zu berücksichtigen istlI. Diese Umstände rechtfertigen die Beweislastumkehr des § 31 Nr. 2 KO. bb) § 30 Nr. 2 KO vermutet bei inkongruenten Deckungen innerhalb der letzten zehn Tage vor der Krise, d.h. vor Zahlungseinstellung bzw. Antragstellung, daß der Gemeinschuldners mit Begünstigungsabsicht gehandelt hat und der Anfechtungsgegner hiervon wußte. Bei inkongruenten Deckungen innerhalb der Krise vermutet diese Vorschrift Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungseinstellung bzw. AntragsteIlung. In beiden Fällen ist die Beweislastumkehr durch die besondere Verdächtigkeit inkongruenter Deckungen kurz vor dem Zusammenbruch des Gemeinschuldners gerechtfertigt: "Eine Rechtsvermuthung des bösen Glaubens läßt sich nur da begründen, wo die Natur des stattgefundenen Geschäfts in Jedermann den Verdacht wachrufen muß, daß der Schuldner sich in schlechter Vermögenslage befinde"ll. Auch erscheint der Gläubiger, der eine ihm nicht zustehende Leistung erhält, weniger schutzwürdig, ähnlich dem Empfänger einer Schenkung13• Soweit § 30 Nr. 2 KO inkongruente Deckungen, die ein Konkursgläubiger innerhalb der letzten zehn Tage vor der Krise erhalten hat, für anfechtbar erklärt, handelt es sich nach der Intention des Gesetzgebers um einen Sondertatbestand der Absichtsanfechtung. Wörtlich heißt es in den Gesetzesmaterialien: "Der dolus bleibt der Rechtsgrund für die Anfechtung"14. Durch das Tatbestandsmerkmal "Begünstigungsabsicht" hat der Gesetzgeber diese Intention im Gesetz zum Ausdruck gebracht1s. Dieses Merkmal weist deutlich dogmatische Verwandschaft zu der in § 31 KO verlangten Benachteiligungsabsicht auf. Identisch sind beide Merkmale jedoch niche 6• Soweit § 30 Nr. 2 KO dagegen Rechtshandlungen in der Krise für anfechtbar erklärt, handelt es sich um einen Sondertatbestand der besonderen Konkursanfechtung. Das ist daran erkennbar, daß das Gesetz jetzt nicht mehr eine subjektive (BegÜDstigungs)Absicht verlangt, sondern statt dessen die Zahlungseinstellung bzw. KonkursantragsteIlung. Die Anfechtbarkeit nach § 30 Nr. 2 KO beruht also auf unterschiedlichen
11 In den Materialien heißt es insoweit: "Der Verkehr werde hierdurch (die Beweislastumkehr) nicht geflihrdet", Hahn, Materialien zur KO, S. 139. 12 Hahn, Materialien zur KO, S. 117, 134. 1] Henckel, ZIP 1982, S. 391,395; Begründung zu § 136 EInsO, Diskussioosentwurf S. B119. 14 Hahn, Materialien zur KO, S. 134; Henckel, ZIP 1982, S. 391, 394 f. 15 Hahn, Materialien zur KO, S. 133 f; Henckel, ZIP 1982, S. 391, 395. 16 KuhnlUhJenbruck, KO, § 30 Rdnr. 61.
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1. Teil. Analyse des Konkunanfechtungsrechts
Anfechtungsgründen, je nachdem ob in den letzten zehn Tagen vor oder in der Krise gehandelt wurde. Heute wird diese Unterscheidung kaum noch beachtet. Der Grund für die Anfechtbarkeit kongruenter (§ 30 Nr. I Halbs. 2 KO) und inkongruenter Deckungen (§ 30 Nr. 2 KO) wird jetzt ganz überwiegend einheitlich in der Verletzung des konkursrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gesehen17• Diese Interpretation dient vor allem dem Zweck, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen innerhalb der letzten zehn Tage vor der Zahlungseinstellung erfassen zu können. Mit der Absichtsanfechtung, die einen dolus des Gemeinschuldners verlangt, war das nicht möglich, weil Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im allgemeinen gegen den Willen des Schuldners erfolgen. Die einheitliche Deutung des § 30 Nr. 2 KO als Tatbestand der besonderen Konkursanfechtung ist wegen der geforderten "Begünstigungsabsicht" nicht unproblematisch, ebensowenig die Anfechtung von Zwangsvollstrekkungsmaßnahmen innerhalb der letzten zehn Tage vor der Krise wegen der geforderten Inkongruenz. Beide Tatbestandsmerkmale werden daher weit ausgelegt: Durch Zwangsvollstreckungen erlangte Deckungen gelten als inkongruent, weil der Gläubiger zwar einen Anspruch auf Zahlung hat, aber keinen Anspruch auf ein Pfandungspfandrecht. Dieses begründet nämlich ein Absonderungsrecht, das er sonst nicht hätte18 • "Begünstigungsabsicht" ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nur ausgeschlossen, wenn der Gemeinschuldner der vollen Überzeugung war, seine Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigen zu können19 • Noch weiter geht Henckel, für den es allein darauf ankommt, ob der Gläubiger innerhalb des von § 30 Nr. 2 KO erfaßten Zeitraums ein Recht hat, sich mit Hilfe des Prioritätsprinzips einen Vorzug gegenüber anderen Gläubigem zu verschaffen 20• Das ist zwar konsequent, wenn man § 30 Nr. 2 KO als Tatbestand der besonderen Konkursanfechtung auslegen will. Mit dem Wortlaut des § 30 Nr. 2 KO ist diese Auffassung aber - ebenso wie die dargestellte Auslegung des Bundesgerichtshofs - kaum vereinbar. Den Gesetzgeber trifft wegen der wenig glücklichen Gesetzesfassung insoweit allerdings eine MitverantwortunglI. Regel und Ausnahme sind bei § 30 KO erst auf den zweiten Blick auszumachen. Zusätzlich wird das Verständnis dieser Vorschrift dadurch erschwert, daß sie neben Tatbeständen der
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KuhnJUhJenbruck, KO, § 30 Rdnr. 1,45; Henckel, ZIP 1982, s. 395; BGHZ 58,240. Ständige RechtsprechlDlg; Nachweise bei KuhnJUhJenbruck, KO, § 30 Rdnr. 47b rn.w.N. BGH KTS, 1962, S. 55; 1963, S. 177; BGH NJW 1977, S. 1884. ZIP 1982, S. 391, 396. Schumann DJ 1937, S. 1210 nennt den § 30 KO gekünstelt, kompliziert und lebensfremd.
3. Kap. Absichtsanfechtung
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besonderen Konkursanfechtung - wie gezeigt - auch einen Tatbestand der Absichtsanfechtung normiert. Eine Vermischung beider Anfechtungsgründe war damit vorgezeichnet. Umso weniger ist es zu verstehen, daß der Reformgesetzgeber diesen Gesetzesaufbau im Prinzip beibehalten will. Der Diskussionsentwurf enthält in § 136 Nr. 1 und 2 Tatbestände der besonderen Konkursanfechtung; § 136 Nr. 3 ist dann ein Sondertatbestand der Absichtsanfechtung (ähnlich § 30 Nr. 2 KO); § 137 ist wieder ein Sondertatbestand der besonderen Konkursanfechtung (ähnlich § 30 Nr. 1 Halbs. 1 KO); in § 138 Abs. 1 folgt schließlich der Grundtatbestand der Absichtsanfechtung22• Es ist zu überlegen, ob man die Anfechtungsnormen nicht systematisch getrennt nach Anfechtungsgründen gliedern sollte. cc) In der Literatur wird die Auffassung vertreten, § 237 HGB vermute unwiderleglich fraudulöses, gläubigerbenachteiligendes Zusammenwirken des Gemeinschuldners mit dem Stillen. Träfe das zu - das wird unten gesondert geprüff3 - bestünde eine dogmatische Nähe zur Absichtsanfechtung. b) Neben den gesetzlich normierten hat die Rechtsprechung, unterstützt von der Literatur, weitere Beweiserleichterungen geschaffen. Maßgebend war auch hier wieder die verglichen mit den "Normalfall" erhöhte Wahrscheinlichkeit, daß der Gemeinschuldner mit Benachteiligungsabsicht handelt und der Anfechtungsgegner davon Kenntnis hat.
aa) Inkongruente Deckungen vor einem drohenden Konkurs erwecken bereits für sich den Verdacht eines fraudulösen Zusammenwirkens24• In der Rechtsprechung heißt es: "schon die Tatsache, daß der Gemeinschuldner eine inkongruente Deckung gewährt, ist ein wesentlicher Anhaltspunkt für das Vorliegen eines solchen Bewußtseins" (Benachteiligungsabsicht)25. Ebenso spricht in diesen Fällen eine tatsächliche Vermutung für die Kenntnis der Benachteiligungsabsicht beim Anfechtungsgegner: Der vom Anfechtungsgegner erkannte Umstand, ihm sei eine inkongruente Deckung gewährt worden, wird als "starkes Beweiszeichen" dafür gewertet, daß ihm der Vorsatz des Gemeinschuldners, die anderen Gläubiger zu benachteiligen, bewußt w~.
bb) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einer analogen Anwendung des § 31 Nr. 2 KO auf Verträge zwischen einer GmbH und deren
Diskussionsentwurf, S. B119 ff. Unten Kapitel 6 II. U Vgl. Wiringer.Seiler, Anfechtungsrecht, S. 168; BallTlStiirner, § 64 II 1. 2S Ständige Rechtsprechung, vgl. BGH WM 1959, S. 1007; BGH ZIP 1984, S. 572; weitere Nachweise bei KuhnlUhlenbrvek, KO, § 31 Rdnm. 7b, 9a. 7JS BGH ZIP 1984, S. 572; weitere Nachweise bei KuhnlUhle"brvek, KO, § 31 Rdnr. 9a m.w.N. 22 D
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
Gesellschaftern bzw. nahen Angehörigen der Gesellschafter ist ein weiteres Beispiel für judikative Beweiserleichterungen27 • Auf diese Fälle wird später im einzelnen einzugehen sein28 • c) In der Reformliteratur werden darüberhinaus weitere Beweiserleichterungen gefordert: - der Kreis der nahen Angehörigen in § 31 Nr. 2 KO soll ausgeweitet werden29 • - die Beweislastumkehr des § 31 Nr. 2 KO soll einen Zeitraum von zwei Jahren erfassen30• - die verschuldete Unkenntnis soll der positiven Kenntnis gleichgesetzt werden3!. - das Merkmal "unmittelbar benachteiligender Vertrag" soll durch "Rechtshandlung" ersetzt werden. d) Der Diskussionsentwur[ enthält keine wesentlichen Unterschiede zur Absichtsanfechtung nach geltendem Recht. Für unmittelbar benachteiligende, entgeltliche Verträge mit "nahestehenden Personen" wird der anfechtungsrelevante Zeitraum von bisher einem Jahr (§ 31 Nr. 2 KO) auf zwei Jahre ausgedehnt und vermutet, daß die Rechtshandlung innerhalb dieses Zeitraums stattgefunden hat, § 138 Abs. 2 EInsO. Bei inkongruenten Deckungen wird Benachteiligungsabsicht schon dann bejaht, wenn der Schuldner die Benachteiligung der anderen Gläubiger als notwendige Folge seines Handelns erkannt hat, § 136 Nr. 3 EInsO. Das gilt aber nur für inkongruente Deckungen, die innerhalb des letzten zweiten oder dritten Monats vor Antragstellung bzw. Zahlungsunfähigkeit gewährt wurden. Zur Begründung der Beweiserleichterung beruft sich die Reformkommission auf die oben zitierte Rechtsprechung des BundesgerichtshofSJ2. Angesichts dieser Begründung ist die zeitliche Beschränkung dieser Anfechtungsmöglichkeit auf inkongruente Dekkungen innerhalb des zweiten bzw. dritten Monat vor Antragstellung überraschend, weil die genannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine derartige Beschränkung - berechtigterweise - nicht enthält. Einen weiteren
XI
BGHZ 58, 20, oben Kapitel 2 II, Fall 1; weitere Nadtweise oben Fußn. 5, 6.
Unten Kapitel 7 II 2 a bb. Bovensiepen, I.Z 1927, Sp. 1256: "Es ist eine immer wieder von neuern bestätigte Erfahrung, daß der Familiensinn sich nur gar zu gern auf Kosten der Gläubiger bei einern in Zahlungsschwierigkeiten geratenen, verwandten Schuldner geltend macht". 30 JaegerlLenl, KO, Ein!. S. LIX; Bovensiepen, I.Z 1927, Sp. 1258. 3\ Bovensiepen, LZ 1927, Sp. 1257 in Anlehnung an schweizerisches und österreichisches RechL 32 Diskussionsentwurf, S. B121 f. Zur genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs siehe oben Kapitel 3 12 b aa m.w.N. 21
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3. Kap. Absichtsanfechtung
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Fall der Beweiserleichtenmg enthält § 138 Abs. 1 Satz 2 EInsO. Wenn der Anfechwngsgegner wußte, daß Zahlungsunfähigkeit "drohte" und die Rechtshandlung die Gläubiger benachteiligt, wird die Beweislast für die Benachteiligungsabsicht umgekehrt.
n.
Verschärfte Sanktionen gegen Insider bei der Absichtsanfechtung I. Bedarf nach verschärften Sanktionen
Wegen fehlender Spezialvorschriften sind Insiderrechtshandlungen an § 31 Nr. 1 KO, also am Gnmdtatbestand der Absichtsanfechwng, zu messen. Da die Absichtsanfechtung weder zeitlich noch auf bestimmte Rechtshandlungen - z.B. inkongruente Deckungen - des Gemeinschuldners beschränkt ist, kann es nur darum gehen, ob und unter welchen Umständen für Rechtshandlungen zwischen einem Unternehmen und dessen Insidern ein Bedarf nach erleichtertem Nachweis der Benachteiligungsabsicht und deren Kenntnis bestehL Das ist der Fall, wenn die oben dargestellte Prämisse des Gesetzgebers bei der Absichtsanfechtung, Rechtshandlungen würden regelmäßig ohne Benachteiligungsabsicht vorgenommen, bei Insiderrechtshandlungen nicht zutrifft. Es kommt also darauf an, ob bei Insiderrechtshandlungen eine erhöhte
Wahrscheinlichkeit für ein Handeln mit Benachteiligungsabsicht und deren
Kenntnis besteht. Das läßt sich nicht für alle Insider einheitlich beantworten, sondern nur - unten im zweiten Teil der Arbeit - konkret für einzelne Insidergruppen. Die einschlägige Judikatur, die in der Literatur erhobenen Fordenmgen und die Vorschläge des Diskussionsentwurfs sind Anhaltspunkte für einen Sanktionsbedarf; sie werden daher bei der Prüfung der einzelnen 10sidergruppen jeweils vorangestellL Weiteres Indiz für die erhöhte Wahrscheinlichkeit eines Handelns mit Benachteiligungsabsicht und damit für einen Bedarf nach Beweiserleichtenmg ist die potentielle Interessenlage der für die Gemeinschuldnerin handelnden Personen und deren Möglichkeiten, dieses Interesse zu verwirldichen, d.h. deren Einfluß auf die Untemehmensleitung. Diese Interessenlage bestimmt auch den Zeitraum innerhalb dessen von einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für ein Handeln mit Benachteiligungsabsicht auszugehen isL Das Interesse der Gemeinschuldnerin bzw. der für diese handelnden Personen, das gemeinschuldnerische Vermögen für die
46
1. Teil. Analyse des Konkursanfechnmgsrechts
Gläubiger unerreichbar zu machen, entsteht, wenn die betreffenden Personen erste Anzeichen einer Krise wahrnehmen.
2. Realisierung verschärfter Sanktionen
Sollte ein Bedarf nach verschärften anfechwngsrechtlichen Sanktionen bestehen, ist zu überlegen, wie diesem Bedarf abzuhelfen ist. Oe lege ferenda ist das leicht zu beantworten: noch ist der Diskussionsentwurf der geplanten Insolvenzordnung nicht Gesetz. Oe lege lata fällt die Antwort schwerer: In Betracht kommt eine analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO. Daneben sind Beweiserleichterungen nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises denkbar.
4. Kapitel
Besondere Konkursanfechtung I. Überblick über die besondere Konkursanfechtung 1. Grundlagen der besonderen Konkursanfecbtung Auch bei der besonderen Konkursanfechtung ist eine eingehende Darstellung ihrer Grundlagen erforderlich, um später mögliche Insidersanktionen bei der besonderen Konkursanfechtung dogmatisch zutreffend begründen zu können. a) Die besondere Konkursanfechtung ist der dogmatisch schwierigste Anfechtungsgrund, weil sie kein "anstößiges" Verhalten des Gemeinschuldners sanktioniert wie die Absichtsanfechtung, sondern nur die objektive Verletzung des konkursrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Die Gleichbehandlung der Gläubiger ist der Zweck des Konkurses. Sie gilt nicht erst mit Konkurseröffnung; vielmehr ist die Konkurseröffnung nur zulässig, weil "der Anspruch der Gläubiger auf Verwendung des Vermögens des Gemeinschuldners zu ihrer gemeinschaftlichen Befriedigung" (Gleichbehandlungsgrundsatz) bereits entstanden istl , und zwar mit Vorliegen des Konkursgrundes2• Die Konkurseröffnung ist also nicht Voraussetzung für die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Sie ist aber entscheidend für die Frage, wie der Gleichbehandlungsgrundsatz gegen Verletzungen geschützt wird:
Nach Konkurseröffnung geschieht das durch eine Verfügungsbeschränkung, §§ 7, 14, 15 KO. Das ist unbedenklich, weil die Konkurseröffnung öffentlich bekannt gemacht wird. Für Rechtshandlungen vor Konkurseröffnung geschieht das durch die in § 30 KO normierte besondere Konkursanfechtuni, de lege lata allerdings nur für den Zeitraum nach Zahlungseinstellung bzw. AntragsteIlung. Weil diese Ereignisse, anders als die Konkurseröffnung, nicht öffentlich bekannt ge-
Hahn, Materialien zur KO, S. 115. Hahn, Materialien zur KO, S. 115, 118 f., 129. 3 Vgl. Jaeger, Lehrbuch, § 21 11; KuhnJUhlenbrueJc, KO, § 30 Rdnr. 1: "Durch die besondere Konkursanfechtung soll verhindert werden, daß sich bei Vorliegen des Krise, also des materiellen Konkurses, einzelne Gläubiger noch Deckung verschaffen und hierdurch das Prinzip der par condicio credilOnun verletzen". 1
2
48
1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
macht werden, ist die Kenntnis des Anfechtungsgegners im Einzelfall nachzuweisen. Die Beweislast dafür trägt regelmäßig der Konkursverwalter, § 30 Nr. 1 KO. b) Für die tatbestandliehe Fassung des § 30 KO waren folgende drei Überlegungen ausschlaggebend:
Überlegung 1 - Die besondere Konkursanfechtung ahndet die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Dieser gilt mit Vorliegen des Konkursgrundes; das ist die Zahlungsunfähigkeit, bei juristischen Personen alternativ die Überschuldung4• Überlegung 2 - "Die Stunde und die Thatsache zu bestimmen, mit der die Zahlungsunfähigkeit eintritt, ist kaum möglich. Wo also auch das Gesetz die Zahlungsunfähigkeit als die Voraussetzung hinstellt, ohne die der Anspruch der Konkursgläubiger (Gleichbehandlungsgrundsatz) nicht entstehen kann, so muß es doch aus Gründen des Vertrauensschutzes die allgemeine Anfechtbarkeit aller Verfügungen des Schuldners an eine spätere, äußerlich wahrnehmbare Thatsache knüpfen, die zweifelsfrei zu erkennen gibt, daß der Anspruch der Konkursgläubiger begründet ist"s. Als solche sieht das Gesetz die Zahlungseinstellung des Schuldners oder den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens an. Überlegung 3 - Ebenfalls aus Vertrauensschutzerwägungen ist weitere Voraussetzung, daß der Anfechtungsgegner die Zahlungseinstellung bzw. Antragstellung kennt. Grundsätzlich nimmt der Gesetzgeber dessen Unkenntnis an, denn: "Die Zahlungseinstellung tritt durch eine Handlung oder Erklärung des Schuldners, oder durch einen Akt, den ein Gläubiger gegen ihn vornimmt zu Tage. Von diesen Thatsachen erhalten die übrigen Gläubiger und noch weniger unbeteiligte Personen nicht nothwendig und nicht einmal in der Regel Kenntnis. Ihnen den schwierigen Nachweis des Nichtwissens aufzulegen, würde den für nöthig erkannten Schutz des guten Glaubens meist illusorisch machen... "6. Regelmjjßig muß daher der Konkursverwalter nachweisen, daß der Anfechtungsgegner die genannten Ereignisse kannte. "Eine Rechtsvermuthung des bösen Glaubens läßt sich nur da begründen, wo die Natur des stattgefundenen Geschäfts in jedermann den Verdacht wachrufen muß, daß der Schuldner sich in schlechter Vermögenslage befmde"7. Das ist der Grund, bei inkongruenten
• Hahn, 5 Hahn, 6 Hahn, 7 Hahn,
Materialien Materialien Materialien Materialien
zur KO, zur KO, zur KO, zur KO,
S. S. S. S.
118. 119. 119. 117 f.
4. Kap. Besondere KonkursanfechtlDlg
49
Deckungen die Kennblis der Zahlungseinstellung bzw. des Konkursantragstellung zu vermuten. c) Grundtatbestand der besonderen Konkursanfechtung ist § 30 Nr. I Halbs. 2 KO. Nur mit der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist es zu rechtfertigen, daß eine - weder unentgeltliche noch in Benachteiligungsabsicht vorgenommene - Rechtshandlung, durch die ein Gläubiger genau das erhält, was er beanspruchen kann (kongruente Deckung), anfechtbar ist8 • Die Einschränkung auf den Zeitraum der Krise beruht auf den eben geschilderten Überlegungen 1 und 2 des Gesetzgebers; die den Konkursverwalter treffende Beweislast für den Nachweis, daß der Anfechtungsgegner die Krise kannte, beruht auf der Überlegung 3. d) § 30 Nr. 1 Hs. 1 KO schränkt die Anfechtbarlceit bei Rechtsgeschäften, die der Gemeinschuldner nach Zahlungseinstellung bzw. AntragsteIlung eingegangen ist, ein. Diese Rechtsgeschäfte sind nur anfechtbar, wenn sie die Konkursgläubiger unmittelbar benachteiligen, wenn also im Austausch keine gleichwerte Gegenleistung in die Masse fließt (sogenannter Bargeschäftsvorbehalt). Der Einwand, aus Gläubigersicht, d.h. unter dem Aspekt der Gleichbehandlung komme es nur auf eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung an, ist berechtig~. Ein Verzicht auf die genannte Einschränkung würde in der Praxis jedoch dazu führen, daß ein potentieller Gemeinschuldner mit dem Eintritt erster Krisenanzeichen vom Rechtsverkehr faktisch abgeschnitten würde1o; jeder Vertragsparbier müßte Anfechtung befürchten. Im übrigen steht der "Bargeschäftsvorbehalt" im Einklang mit der Rechtsordnung. Das deutsche Zivilrecht gewährt demjenigen, der Zug um Zug leistet, mehr Schutz, als demjenigen der vorleistet. Diese Privilegierung kommt u.a in § 320 BGB zum Ausdruck, in § 17 KO und eben in § 30 Nr. 1 Halbs. I KO.
2. Verscbärfungen bei der besonderen Konkursanfecbtung
Wie bei der Absichtsanfechtung gibt es auch bei der besonderen Konkursanfechtung Erleichterungen und Verbesserungswünsche, die im Hinblick auf verschärfte anfechtungsrechtliche Sanktionen gegenüber Insidern von Interesse sind.
I
9 10
Vgl. Henclul, ZIP 1982, S. 391, 393. Wiringer.Seiler, Anfechtungsrecht, S. 168 f. Vgl. Jaeger, LZ 1915, Sp. 7(/}; KuhnJUhJeMruc/c, KO, § 30 Rdnr. 23.
4 Killinger
50
1. Teil. Analyse des Konkursanfechwngsrechts
a) Das Gesetz erleichtert die besondere Konkursanfechtung bei inkongruenten Deckungen und Sicherungen gemäß § 30 Nr. 2 KOll . Wegen der besonderen Verdächtigkeit inkongruenter Deckungen wird in diesen Fällen die Kenntnis der Zahlungseinstellung bzw. AntIagstellung vermutet12; der Anfechtungsgegner muß sich entlasten. Dagegen ist § 32a KO entgegen der Ansicht Pfefferies keine zum Schutz der Gleichbehandlung gedachte anfechtungsrechtliche Spezialnorm13, sondern eine als Anfechtungstatbestand gefaßte gesellschaftsrechtliche Norm. Sie soll das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen gegen Umgehungen schützen und zielt daher nicht auf Gleichbehandlung, sondern gerade auf Ungleichbehandlung der Gesellschaftergläubiger mit gewöhnlichen Konkursgläubigern14• Die Gesellschaftergläubiger sollen eben nicht wie andere Gläubiger am Konkursverfahren teilnehmen. Ob sich § 237 HGB als Sondertatbestand der besonderen Konkursanfechtung einordnen läßt, wird unten bei der Untersuchung dieser Vorschrift geprüftlS • Zumindest in der neueren gesellschaftsrechtlichen Literatur wird diese Norm vielfach mit dem konkursrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz in Verbindung gebrache 6•
b) Vor allem die Literatur bemüht sich seit langem um eine stärkere Betonung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und folglich auch um eine Verstärkung der besonderen Konkursanfechtung. Davon betroffen sind die oben genannten Überlegungen 2 und 3 17• Es geht um Beweiserleichterungen und um ein früheres Eingreifen der besonderen Konkursanfechtung.
aa) Der Wunsch nach Beweiserleichterungen bei der besonderen Konkursanfechtung ist nicht neu. Ältere Stimmen beschränken diesen Wunsch
II Soweit es um Rechtshandlungen in der Krise geht handelt es sich bei § 30 Nr. 2 KO um einen Sondertatbestand der besonderen Konkursanfechtung. Soweit es IBn Rechtshandlungen innerhalb der letzten zehn Tage vor der Krise geht, handelt es sich nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers um einen Tatbestand der Absichtsanfechtung, vgl. dazu oben Kapitel 3 I 2 a bb. 12 Hahn, Materialien zur KO, S. 134: "Wenn der Gläubiger kurz vor oder nach Ausbruch der Zahlungsunfähigkeit eine Sicherstellung oder eine Befriedigung erlangt, auf welche er keinen Anspruch hatte, so wird man zu der Vennutung gedrängt, daß der Gläubiger die Lage des Schuldners, die stattgehabte Zahlungseinstellung oder die Einbringung des Konkursantrags gekannt, oder daß er gewußt habe, daß der Schuldner ihn vor Thores Schluß habe begünstigen wollen; wenigstens wird man von ihm verlangen dürfen, daß er sich nach den bestehenden Verhältnissen erkundige". 13 Konkursanfechwng und Rückschlagsperre, S. 54, 56. 14 Siehe unten Kapitel 5 11 2. 15 Zur anfechwngssystematischen Einordnung des § 237 HGB vgl. unten Kapitel 6 11. 16 Wiedemann, Haftung, S. 29; Scholz/Winter, GmbHG 6. Aufl. §§ 32a, 32b Rdnr. 17; Haack, Konkursgrund der Überschuldung, S. 138. 17 Siehe oben Kapitel 4 I 1 b.
4. Kap. Besondere Konkursanfechtung
51
darauf, die Beweislastumkehr des § 30 Nr. 2 KO auch auf kongruente Deckungen auszudehnen 18• Andere gehen weiter und verlangen jedenfalls bei inkongruenten Dekkungen einen völligen Verzicht auf subjektive Tatbestandsmerkmale19• Erinnert sei an den oft zitierten Satz von Weber, "die subjektiven Tatbestandsmerkmale seien als historische Restbestände zu beseitigen, der Grundsatz der par condicio creditorum trage wohl seine Rechtfertigung in sich selbst und bedürfe nicht der zusätzlichen Rechtfertigung durch das Vorliegen einer zu mißbilligenden subjektiven Einstellung des Erwerbers"20. bb) Neben Beweiserleichterungen wird in der Literatur seit langem ein früheres Eingreifen der besonderen Konkursanjechlung geforderf1: "Zahlungseinstellung und Konkursantrag schlagen nicht wie der Blitz aus heiterem Himmel ein". Diese Ereignisse stehen vielmehr am Ende einer allmählichen Entwicklung, über die andere Gläubiger meist schon eine Weile orientiert sind22• Unterschiedliche Vorstellungen bestehen über den Zeitpunkt, von dem an die besondere Konkursanfechtung einsetzen soll. Jaeger und Schumann fordern 30 Tage vor Zahlungseinstellun~. Bovensiepen fordert nach dem Vorbild der österreichischen KO 60 Tage24• Hanisch spricht von einem halben J~. Der weitestgehende Vorschlag sieht eine Verdachtsperiode von einem Jahr vo~. Selbst von den Befürwortern der derzeitigen Regelung wird zumindest eine Lockerung der strikten Anknüpfung der besonderen Konkursanfechtung an die Zahlungseinstellung bzw. Antragstellung gefordert27 •
11 Bovensiepen, 1.Z 1928, Sp. 870, Schumann, DJ 1937, S. 1210 f.; Jaeger/Lent, KO, S. LX; aus neuerer Zeit GerhardJ, PS 100 Jahre KO, S. 131. 19 Weber, KTS 1959, S. 80,85 f.; Hanisch, ZZP 90, S. 1,21; BöhJe-Stammschriitkr, KTS 1959, S. 66, 68. 70 Z.B. Weber, KTS, 1959, S. 80, 85; kritisch, GerhardJ, 100 Jahre KO, S. 131 f. 21 Schumann, DJ 1937, S. 1210, 1212; Jaeger/Lent, KO, Einl. S. LIX; Jaeger, DJZ, 1930, S. 33,37; Bartsch, 32 DIT, Bd. 1, S. 404, 418 ff.; Bovensiepen, l.Z 1928, Sp. 869 f.; Hanisch, ZZP 90, S. 1, 11, 22 f.; Henckel, ZIP 1982, S. 391, 396 f.; Übersicht bei Wiringer-Seiler, Anfechtungsrecht, S. 162 ff. 22 Jaeger/Lent, KO, Einl. S. LIX f.; Schumann, DJ 1937, S. 1210 f.; Wiringer-Seiler, Anfechtungsrecht, S. 171 ff., m.w.N. D Jaeger, DJZ 1930, S. 33,37; Schumann, DJ 1937, S. 1210, 1213. 24 l.Z 1928, Sp. 871 f. 25 ZZP 90, S. 1, 11. 26 Wiringer-Seiler, Anfechtungsrecht, S. 167. TI Henckel, ZIP 1982, S. 391, 393.
52
1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
c) Der Wunsch nach einem früheren Eingreifen der besonderen Konkursanfechtung äußert sich auch in der Rechtsprechung. Aus dem Bedürfnis nach einem früheren Eingreifen der besonderen Konkursanfechtung erklärt sich die oben dargestellte einheitliche Auslegung des § 30 Nr. 2 KO, wonach diese Vorschrift auch insoweit ein Tatbestand der besonderen Konkursanfechtung ist, als sie Rechtshandlungen innerhalb der letzten zehn Tage vor der Krise erfaßt. Es wurde gezeigt, daß diese - wohl herrschende - Auffassung in den Gesetzesmaterialien keine Stütze findet und nur schwer mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar ist28 • In diesem Zusammenhang ist auch die gelegentlich kritisierte, aber im Ergebnis zu begrüßende Rechtsprechung zu sehen, die eine Anfechtung zuläßt, wenn der Gläubiger erst nach der Einigung, aber vor der Grundbucheintragung Kenntnis von der Zahlungseinstellung erhälf9• Diese Rechtsprechung widerspricht dem Grundsatz, daß unvermeidliche Verzögerungen beim Rechtserwerb im Liegenschaftsrecht die Rechtsstellung des Erwerbers nicht beeinträchtigen dürfen. Käme die besondere Konkursanfechtung früher zur Anwendung, wäre diese Rechtsprechung entbehrlich; sie bringt also nur zum Ausdruck, daß der von § 30 KO erfaßte Zeitraum von den Gerichten als zu knapp empfunden wird. d) Der Diskussionsentwurf sieht bei der besonderen Konkursanfechtung kaum Veränderungen vor.
aa) Lediglich das Bedürfnis nach Beweiserleichterungen wird berücksichtigt: Bei kongruenten Deckungen und in den Fällen der Verschleuderungsanfechtung (§ 30 Nr. 1 Halbs. I und 2 KO) genügt grob fahrlässige Unkenntnis, §§ 135 Abs. 1, 137 Abs. 1 EInsO; gegenüber "nahestehenden Personen" wird die Kenntnis der Krise vermutet, §§ 135 Abs. 3, 137 Abs. 1 Satz 2 EInsO. Bei inkongruenten Deckungen wird auf subjektive Voraussetzungen ganz verzichtet, § 136 Nr. 1 und 2 EInsO; weitergehende Beweiserleichterungen für nahestehende Personen erübrigen sich deswegen. bb) Ein früheres Eingreifen der besonderen Konkursanfechtung ist dagegen nicht geplant. Zwar wird die zehntägige Zeitraum des § 30 Nr. 2 KO auf einen Monat ausgedehnt, vgl. § 136 Nr. 1 EInsO. Dafür ist Anknüpfungs-
Kapitel 3 I 2 a bb. BGHZ 41, 17; Canaris, 100 Jahre KO, S. 73, 77 f.; JaegerlLent, KO, § 30 Rdnr. 22; KuhnlUhlenbruck, KO, § 30 Rdnr. 29 m.w.N.; weitere Beispiele bei Pfefferle, S. 53 f.; das gleiche Problem bei der Schenkungsanfechtung betrifft auch BGH ZIP 1988, S. 585, wonach es für die Anfechtbarkeit ausreicht, wenn das letzte Tatbestandsmerkmal des Schenkungsvollzugs innerhalb der Anfechtungsfrist erfüllt worden ist. 21
29
53
4. Kap. Besondere Konkursanfechtung
punkt aber nur noch der KonkursantIag, nicht mehr die Zahlungseinstellung, bzw. Zahlungsunfähigkeit, Wenn man bedenkt, daß die Zahlungseinstellung meist schon eine Weile vorliegt, bevor KonkursantIag gestellt wird, dürlte der Unterschied zum geltenden Recht gering sein.
11. Insidersanktionen bei Rechtshandlungen in der Krise 1. Bedarf nach BeweIserleichterungen
Der Nachweis der Kenntnis der Zahlungseinstellung bzw. Antragstellung ist zu erleichtern, wenn Insider diese Ereignisse kennen. Das ist regelmäßig der Fall, soviel sei bereits vorweggenommen30• Besonders anschaulich wird das am Beispiel der für die Stellung des KonkursantIags zuständigen Organe eines insolventen Unternehmens.
2. Realisierung von Beweiserleichterungen
Der Bedarf nach Beweiserleichterung ist de lege lata mit Hilfe des Anscheinsbeweises bei der Anwendung der §§ 30 Nr. 1 Halbs. I und Halbs. 2 KO zu realisieren, wenn sich entsprechende Erfahrungssätze nachweisen lassen. De lege ferenda ist die Kenntnis der Krise gesetzlich zu vennuten. Jedenfalls für einige Insider - "nahestehende Personen" LS.d. EInsO - ist das von der Reformkommission auch beabsichtigt, vgl. §§ 135 Abs. 3, 137 Abs. 1 Satz 2 EInsO.
30
Eine eingehende Prüfung erfolgt im 2. Teil der Arbeit, vgl. z.B. Kapitel 7
n 3 a bb.
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechnmgsrechts
ill. Insidersanktionen bei Rechtshandlungen vor der Krise 1. Die These
Nach Auffassung des Gesetzgebers ist die besondere Konkursanfechtung nur möglich, wenn der Konkursgrund vorliegt und durch Zahlungseinstellung oder Konkursantrag auch nach außen erkennbar ist. Auf diese äußeren Signale sind Insider nicht in gleichem Umfang angewiesen. Sie erkennen wegen ihrer Position den Konkursgrund früher und können daher die zeitlichen Grenzen des § 30 KO mühelos umgehen. Die geschäftsführenden Organe eines Unternehmens veranlassen die Zahlungseinstellung und stellen Konkursantrag, gerade weil sie den Konkursgrund erkannt haben. Durch Manipulation beim Konkursantrag können sie die Anfechtbarkeit nach den Regeln der besonderen Konkursanfechtung selbst steuern. § 30 KO dürfte daher bei Insidern kaum jemals zum Zuge kommen. Das formale und für alle Beteiligten einheitliche Anknüpfen der besonderen KOnkursanfechtung an die Zahlungseinstellung bzw. an den Konkursantrag führt also de facto zu einer Ungleichbehandlunt 1• Bei erster Betrachtung erscheint daher gegenüber Insidern ein früheres Eingreifen der besonderen Konkursanfechtung sachgerecht. Die besondere Konkursanfechtung sollte den Informationsvorsprung der Insider möglichst individuell ausgleichen. Sie sollte daher für verschiedene Insider differenziert eingreifen, je nachdem wann diese typischerweise erkennen, daß die Masse nicht mehr die fälligen und zukünftig fällig werdenden Forderungen decken kann und bei objektiver Betrachtung der Konkurs wahrscheinlicher ist als dessen Ausbleiben.
2. Eingreifen der besonderen Konkursanfechtung vor der Krise
Zweifelhaft ist, ob die besondere Konkursanfechtung vor der Krise überhaupt Geltung beanspruchen kann. Die heute vorherrschenden Meinung, die inkongruente Deckungen unabhängig vom Konkursgrund innerhalb der letzten zehn Tage vor der Krise für anfechtbar hält, ist insoweit wenig aufschlußreich. Ungeklärt bleibt, ab wann die besondere Konkursanfechtung möglich ist. Ungeklärt bleibt vor allem, warum ein früheres Eingreifen auf
31 Auch Benne hält § 30 KO nicht für bedenkenfrei, weil diese Vorschrift "die Systembeteiligten tratz ihrer unterschiedlichen Nähe zum System gleich behandelt, Haftlmgsdurchgriff, S. 156.
4. Kap. Besondere Konkursanfechumg
55
inkongruente Deckungen beschränkt sein soll. Inkongruenz selbst ist kein Anfechtungsgrund, sondern nur Indiz für dessen Vorliegen. Aus Gläubigersicht und auf die kommt es im Anfechtungsrecht an - ist es gleichgültig, ob die Masse durch inkongruente Deckungen oder durch kongruente Deckungen geschmälert wird32• Wenn die besondere Konkursanfechtung bei inkongruenten Deckungen früher zulässig sein sollte, müßte sie es auch bei anderen Rechtshandlungen sein. Üb ein früheres Eingreifen der besonderen Konkursanfechtung möglich ist, beurteilt sich nach deren Grundlagen, dh. nach den oben dargestellten Überlegungen 1 - 333• a) Da die besondere Konkursanfechtung eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verhindern und gegebenenfalls ahnden soll, kann sie nicht eingreifen, bevor der konkursrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gilt, oder - in der Sprache des Gesetzgebers - bevor der Konkursanspruch entsteht (Überlegung 1). Diesen Zeitpunkt gilt es zunächst zu ermitteln.
aa) Der Gesetzgebers stellt "als Voraussetzung und Grund der Konkurseröffnung und also des Konkursanspruchs" (Gleichbehandlungsgrundsatz) allgemein die Zahlungsunfähigkeit bzw. die Überschuldung des Schuldners auf34. Es erscheint zweifelhaft, ob diese formalen Eröjfnungsgründe für den Beginn der Gleichbehandlung maßgeblich sein können. Eine Folge ist, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz bei juristischen Personen, für die alternativ die Überschuldung Eröffnungsgrund ist, unter Umständen früher gilt als bei natürlichen Personen oder als bei oHG und KG. Diese Unterscheidung ist sachlich nicht gerechtfertigt; sie käme allerdings nach der Insolvenzrechtsreform im Ergebnis kaum noch zum Tragen, weil die "drohende Zahlungsunfähigkeit" als weiterer allgemeiner Eröff-nungsgrund in die Insolvenzordnung aufgenommen werden soll, § 20 EInsÜ. Bedeutsamer ist folgende Überlegung: In mehr als zwei Dritteln der Insolvenzen wird derzeit die Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt In den verbleibenden Fällen erhalten die nicht bevorrechtigten Gläubiger derzeitig im Durchschnitt eine Quote von unter 4 %35. Dafür sind auch die EröffnungsgrüDde verantwortlich. Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum die Gleichbehandlung erst einsetzen soll, wenn die Konkursmasse so
32 33 34 3S
Vgl. JaegerlLent, KO, Einl. S. LIX f. Oben Kapitel 4 I 1 b. Hahn, Materialien zur KO, S. 118. BaUTIStüTfler, § 78 11.
56
1. Teil. Analyse des Konkunanfechnmgsrechts
ausgezehrt ist, daß sie, wenn überhaupt, kaum mehr als die Verfahrenskosten deckt Das Anknüpfen der Gleichbehandlung an fonnale Eröffnungsgründe ist daher abzulehnen. bb) Richtigerweise ist der Beginn der Gleichbehandlung aus den Grundlagen des Gleichbehandlungsgrundsatzes abzuleiten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist das tragende Prinzip des Konkursrechts. Einziger Zweck des förmlichen Konkursverfahrens ist, Gleichbehandlung zu verwirklichen. Mit Einsetzen des Gleichbehandlungsgrundsatzes d.h. in der Sprache des Gesetzgebers, mit Entstehung des Konkursanspruchs müßte daher im Idealfall der Konkurs eröffnet werden. Dieser Zeitpunkt soll im folgenden als "materieller Konkursgrund" bezeichnet werden. (1) Trotz der zentralen Bedeutung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für das Konkursverfahren besteht wenig Klarheit, warum der durch Knappheit entstehende Konflikt durch Gleichbehandlung der Gläubiger zu lösen ist. (a) Fraglich ist. ob zwingende materielle Gründe für den Gleichbehandlungsgrundsatz sprechen. Der Gesetzgeber rechtfertigt die Gleichbehandlung mit Billigkeitserwägungen: Der drohende Zusammenbruch verleite die Beteiligten in einem Kampf aller gegen alle zu retten, was zu retten isel!; dieser drohende Kampf mit seinen unbilligen Zufallsergebnissen müsse vermieden werden. Die Literatur betont zwar die zentrale Bedeutung der Gleichbehandlun~7; eine Begründung für die Gleichbehandlung fehlt aber oft. Erinnert sei insoweit an Webers vielzitierten Satz, "der Gedanke, daß die Entstehung der Verlustgemeinschaft nicht an den mehr oder weniger zufaIligen Moment der Eröffnung des Konkurses anzuknüpfen sei, trägt wohl seine Rechtfertigung in sich selbst. .. "3II. Sonst wird der Gleichbehandlungsgrundsatz auch hier vor allem mit Billigkeitserwägungen oder mit einem knappen Hinweis auf den Kampf aller gegen alle, den es zu verhindern gelte, begründef9• Trotz ihrer zentralen Bedeutung ist die Gleichbehandlung in der Rechtspraxis verkümmert; die unterschiedlichen Vorrechte, insbesondere die publizitätslosen Sicherungsrechte höhlen die Masse aus und sind Schuld am
Hahn, Materialien zur KO, S. 115. Vgl. JaegerlLenl, KO, Einl. S. L; KuJua/UhlellbTllC/c, KO, Vorbem. Rdnr. 5; BGHZ 41, 101; Hallisch spricht insoweit vom obersten Grundsatz der Konkungerechtigkeit, z:zP 90, S. 1 ff.; StiiTner, ZZP 94, S. 263, 269. 31 Weber, KTS 1959, S. 85. 39 Vgl. KuJua/UhlenbTllC/c, KO, Vorbem. Rdnr. 5a; BallTl StiiTner, Rdnm. 950, 1040; Pfefferle, 36
37
Konkunanfechnmg und Rückschlagsperre, S. 56 f.
4. Kap. Besondere Konkursanfechtung
57
sogenannten "Konkurs des Konkurses"40. Wegen dieser Entwicklung versuchen einige Stimmen in der Literatur den Gleichbehandlungsgrundsatz auf materielle Grundlagen zurückzuführen. Maßgebend ist der Gedanke, daß nur ein materiellrechtlich sicher fundiertes Prinzip gegen eine "willkürliche Aushöhlung" - wie dies durch die ausufernde Vorrechtsordnung geschehen sei - geschützt ist4l • Als Billigkeitsmaxime aufgefaßt sei der Gleichbehandlungsgrundsatz dagegen "blutleer und inhaltsarm" und könne diesen Schutz nicht bieten42• Bisher hat sich allerdings eine einheitliche oder auch nur eine überwiegende Auffassung nicht gebildet. (aa) Berges rechtfertigt die Gleichbehandlung mit einem Gemeinschaftsverhältnis zwischen den Konkursgläubigern. Zwischen diesen bestehe eine konkursrechtliche, auf den Haftungsvorrat bezogene Befriedigungsgemeinschaft43 • "Zur Entstehung einer Rechtsgemeinschaft muß die Tatsache eines einheitlichen Befriedigungsrechts an den gleichen Gegenständen genügen, wie es vorliegt, wenn durch Vermögensverfall nunmehr die Haftung eines bestimmten, insgesamt unzureichenden Befriedigungsvorrats übrig geblieben ist44". Schon diese Begründung des Gemeinschaftsverhältnisses überzeugt nicht Vor allem bleibt unklar, warum die Vergemeinschaftung der Gläubigerrechte zu einer Gleichbehandlung der Gläubiger führen muß. Berges stellt denn zunächst auch nur fest, daß die Vergemeinschaftung der Befriedigungsrechte diese einschränken könne. Er beruft sich dafür auf den berühmten reichsgerichtlichen Zuckerrübensamenfall4s• Damit ist aber nicht nachgewiesen, daß die Vergemeinschaftung zu einer gleichmäßigen Einschränkung der Befriedigungsrechte führen muß. Der Hinweis auf eine für alle Gemeinschaftsverhältnisse typische Konfliktlage, die die Ausübung der Anteilsrechte beschränke46, reicht insoweit nicht aus. Ausgehend vom ZuckeITÜbensamenfall behauptet Berges weiter, jeder Vertrag enthalte die stillschweigende Abrede, daß nur aus dem tatsächlichen Vorrat (dort: der "Samenspezialität")
Vgl. Kilger, KTS 1975, S. 148 ff. Häsemeyer führt den "gefährlich schwankenden Stellenwert des Gleichbehandlungsgnmdsatzes" auf dessen fehlende dogmatische Erfassung zulÜck, KTS 1982, S. 507. 42 Berges, KTS 1957, S. 56 ff. CI Vgl. Berges, Die rechtlichen Gnmdlagen der Gleichbehandlung im Konkurs, KTS 1957, S. 49,52 44 Berges, KTS 1957, S. 49 ff. 4S RGZ 84, 125; kritisch Häsemeyer, KTS 1982, S. 507, 521. 46 Vgl. Berges, KTS 1957, S. 49,52 40
41
58
1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
zu leisten sei47 • Ob das zutrifft, soll gleich im Anschluß unter (cc) geprüft werden. Nicht erkennbar ist jedenfalls, warum die Annahme dieser Vertragsabrede ein Gemeinschaftsverhältnis voraussetzt. Es gelingt Berges also nicht, im Innenverhältnis der Gläubigergemeinschaft "einen materiellen Grund für die wechselseitigen Verlustzuweisungen" nachzuweisen48 • Vielmehr stellt sich die Beschränkung der Gläubigerrechte schlicht als Folge einer ungenügenden Konkursmasse dar. Das kann wegen des offensichtlichen Interessengegensatzes der Gläubiger nicht genügen49 • Im übrigen vermag der Gedanke einer Vergemeinschaftung der Befriedigungsrechte nicht, die Haftung der Konkursmasse für die Konkursforderungen Wld die Konkursbeständigkeit dinglicher Sicherheiten in ein überprüfbares Verhältnis zu setzen und erweist sich auch gegenüber der hierarchischen Ordnung der Konkursvorrechte als indifferent, wie Häsemeyer zutreffend feststelli'°. Die Frage, warum Gleichbehandlung geboten sein soll, wird durch die VergemeinschaftWlg der Gläubigerrechte also nur verkompliziert, aber nicht beantwortet. (bb) Häsemeyer versucht eine materielle Grundlage für den Gleichbehandlungsgrundsatz aus der BeziehWlg der Gläubiger Wltereinander zu gewinnenS1 : Jeder Gläubiger übe durch seine Forderung Einfluß auf das Schuldnervermögen aus. Diesen Einfluß auf die Rechts- Wld Haftungsverhältnisse des Gemeinschuldners könnten sich die Gläubiger wechselseitig vorhaltenS2• Die GleichbehandlWlg sei das "den wechselseitigen Gläubigereinfluß auf die Rechtsverhältnisse ausgleichende Gerechtigkeitsprinzip". Sie führe dazu, daß die Gläubiger einander mit ihren Konkursforderungen für die Befriedigung aus der Konkursmasse haften müssenS3 • Während der GleichbehandlWlgsgrundsatz überwiegend als Ausnahme von dem normalerweise geltenden Grundsatz der Priorität angesehen wird, ist für Häsemeyer Gleichbehandlung die Regel. Diese greift nur dann nicht ein, wenn ein "Enthaftungsgrund" vorliegt, der die Forderungen bzw. das zu ihrer ErfüllWlg Geleistete von der Gleichbehandlung freistellt.
KTS 1957, S. 49, 54 f. So zutreffend Häsemeyer, KTS 1982, S. 507,523. 49 Treffend schon de Boor, Kollision von Forderungsrechten, S. 23 f.: Statt ''Interessengemeinschaft" bestehe in Wahrlteit ein Interessengegensatz. so KTS 1982, S. 500, 524. SI Häsemeyer, Die Gleichbehandlung der Konkursgläubiger, KTS 1982, S. 507 ff. S2 Häsemeyer, KTS 1982, S. 507, 517. 53 KTS 1982, S. 500, 528. tri
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4. Kap. Besondere Konkursanfechtlmg
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Auch die Auffassung Häsemeyers vermag nicht überzeugend zu begründen, warum der wechselseitige Gläubigereinfluß durch Gleichbehandlung zu korrigieren isf4. Für Häsemeyer ist der Gleichbehandlungsgrundsatz ein "ausgleichendes Gerechtigkeitsprinzip"ss. Hinter dieser Formulierung verbirgt sich eben jenes Billigkeitsdenken, gegen das er sich an anderer Stelle wehrf 6• Auch die "Enthaftung" , die nach Häsemeyer für die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Einzelfall entscheidend ist, richtet sich nach Billigkeitserwägungens7 . (cc) Reinhard Schmidf 8 und Wiringer~Seiler9 versuchen die Gleichbehandlung mittels einer fIktiven Zustimmung der Konkursgläubiger zu begründen. Reinhard Schmidt nennt fünf Gründe, warum in einer fIktiven Beratung jeder einzelne Gläubiger aufgrund eigener Interessen für die Gleichbehandlung im Konkurs stimmen müßte. Keiner dieser Gründe vermag zu überzeugen. Es mag richtig sein, daß rationale und risikoscheue Gläubiger einer Gleichbehandlung zustimmen, um sich gegen ein drohendes Verteilungsrisiko abzusichem60 • Für Gläubiger, die sich - gleich aus welchen Gründen - im Verteilungskampf bessere Chancen als andere ausrechnen, trifft das aber nicht zu. Gleiches gilt auch für die anderen Gründe, die Reinhard Schmidt aufzählt Sie mögen für einige, möglicherweise für die meisten Gläubiger zutreffen, nicht aber für alle61 •
Wiringer-Seiler beschreitet einen ähnlichen Weg. Auch sie nimmt von dem Zeitpunkt, in dem das Verteilungsrisiko erkennbar wird, ein fIktives Einverständnis der Gläubiger mit einer Gleichbehandlung an62• Anders als Reinhard Schmidt erkennt sie aber zutreffend, daß nicht alle Gläubiger mit einer Gleichbehandlung einverstanden wären. Ihr Interesse gilt deswegen der Frage, wie auch diejenigen Gläubiger, die hoffen, in der "kritischen Phase" Vorteile zu erlangen, zu einer Zustimmung verpflichtet werden können. Letztlich
Vgl. Wirmger-Seiler, AnfechtlDlgsrecht, S. 91 f. KTS 1982. S. 5m. 517. 56 Häsemeyer macht u.a. den Verzicht auf eine präzise dogmatische Erfassung der Verlustzuweisungen an die einzelnen Konkursgläubiger für den gefÜlrlich schwankenden Stellenwert des GleichbehandllDlgsgrundsatzes verantwortlich. KTS 1982. S. 507.509 ff. 57 Häsemeyer. KTS 1982. S. 507. 511. 51 Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts. S. 41. 44 ff. 59 AnfechtlDlgsrecht. S. 91 ff. 60 Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts. S. 44 f. 61 Es besteht eben gerade keine Interessengemeinschaft sondern ein Interessengegensatz. wie schon de Boor feststellt. Kollision von Forderungsrechten. S. 23 f. 62 AnfechtlDlgsrecht, S. 94. 54
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
begründet sie eine derartige Pflicht mit § 242 BGB. Das ist ein anderer Ansatz, zu einer Gleichbehandlung zu kommen. Mit der "fiktiven Zustimmung" hat er nichts zu tun; er wird daher sogleich getrennt untersucht. (dd) Lösungsversuche mit § 242 BGB können ebenfalls keine zwingende materielle Grundlage für die Gleichbehandlung bieten63 • § 242 BGB enthält den Grundsatz von "Treu und Glauben" und ist die "Öffnungsklausel" des Schuldrechts für Billigkeitserwägungen. Einige wollen mit Hilfe des § 242 BGB im Falle der Forderungskollision die Forderungsrechte selbst einschränken64• Das ist systemwidrig, weil schuldrechtliche Verträge Dritte nicht binden können6s• Wiringer-Seiler bringt § 242 BGB in Zusammenhang mit den bereits angesprochenen "Gemeinschaftslösungen". Sie läßt zwischen den Gläubigem eine Sonderbeziehung entstehen, sobald sich "deren bloßes Nebeneinander durch das Auftreten von Masseknappheit zu einer Interessengemeinschaft kristallisiert hat"66. Zweifelhaft ist schon, ob die so begründete Sonderbeziehung eine tragfähige Basis für den schuldrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben bietet. Zweifelhaft ist vor allem, wie Wiringer-Seiler mit Hilfe des so eingeführten § 242 BGB den Gleichbehandlungsgrundsatz begründet. Die Prämisse, jeder müsse sich von vornherein sagen, er werde nicht der alleinige Gläubiger sein, ist richtig. Als Konsequenz ist aber nicht notwendig Gleichbehandlung geboten, auch nicht, wenn sich das "Verteilungsrisiko abzuzeichnen beginnt". (ee) Keinem der genannten Autoren gelingt es, überzeugende materielle Gründe anführen, warum der durch Knappheit entstehende Konflikt durch Gleichbehandlung zu lösen ist. StÜTner hält denn auch den Gleichbehandlungsgrundsatz für "sehr anfechtbar"67, weil das gesamte Sicherungssystem des BGB davon lebe, daß einzelne Gläubiger die übrigen Gläubiger bei der Kreditsicherung überholen könnten68• StÜTner führt jedoch keine überzeugenden Gründe für die lückenlose Geltung dieses Prinzips an. Es ist nicht ersichtlich, warum von dem Prioritätsgrundsatz in der Insolvenz eines Schuldners - z.B. aus Billigkeitserwägungen - keine Ausnahme zulässig sein soll.
Vgl. E1I1IeCCerllS-Lehma1l1l, Recltt der Schuldverhältnisse, § 1 V S. 8. Nachweise bei Berges, KTS 1975, S. 49, 54. 65 Berges, KTS 1957, S_ 49, 54. 66 Anfechumgsrecht, S. 97. ~ ZZP 94 (1981), S_ 270 f. 158 Ähnlich WirÜlger-Seiler, Anfechumgsrecht, S. 93. 63
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4. Kap. Besondere KonkursanfechtlDlg
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Zwingende Gründe für oder gegen den konkursrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz werden sich kaum finden lassen. Maßgeblich kann nur die geltende Wirtschaftsverfassung sein. Das Grundgesetz enthält nach herrschender Meinung keine Gesamtentscheidung für eine bestimmte Wirtschaftsverfassung69 • Innerhalb der vom Grundgesetz gezogenen Grenzen ist der Gesetzgeber frei. Mangels verfassungsrechtlicher Vorgabe ist der Gesetzgeber also auch frei, Gleichbehandlung anzuordnen. Das hat er getan, und zwar nicht ohne sachlichen Grund. Vielmehr "beherrscht der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung den Konkurs aufgrund jahrhundertelanger Erfahrung bei gleichgebliebener menschlicher Begehrlichkeit't7°. (b) Die Entscheidung, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz gelten soll,
kann daher nicht von einer vordergründigen dogmatischen Argumentation abhängen, sondern von dessen tatsächlicher Funktion im Konkurs"71. Die
Gleichbehandlung der Gläubiger ist seit langem als das den Konkurs tragende Prinzip anerkannt Die für dessen Entwicklung maßgeblichen Überlegungen seien hier kurz skizziert, weil sie später Aufschluß darüber geben sollen, von welchem Zeitpunkt Gleichbehandlung zu gelten hat Nach Häsemeyer waren drei rechtshistorisch nachweisbare Elemente mit wechselnder Dominanz für die Entwicklung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verantwortlich: Ordnungsdenken, pragmatischer Utilitarismus und Billigkeit72• (aa) Ordnungsdenken ist das Bemühen, den "Kampf aller gegen alle" zu vermeiden. Der Gesetzgeber nennt es als eines der wichtigsten Motive für die Gleichbehandlung73 • Heute ist die Gefahr eines Kampfes aller gegen alle durch eine ausgeprägte Rangordnung und die erhebliche Zunahme dinglicher Vorzugsrechte und konkursrechtlicher Vorrechte stark eingeschränkt. Häsemeyer spricht deswegen zutreffend von "ordnungsspezifischer Entleerung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ,,74. (bb) Aus "pragmatisch utilitaristischen Gründen" war nach Häsemeyer Gleichbehandlung nützlich, um - solange es kein normiertes Konkursverfah-
69 vgl. BVerfGE 4, 7, 17; 12, 354, 363 f.; Maunz/DiiriglHerzog, Art. 14 00. Rdnr. 8 m.w.N; Koenen, bankrechtliche Aspekte der Insolvenzrechtsrefonn, S. 101 f. 70 Berges, KTS 1957, S. 49. 11 Vgl. Wiringer-SeiJer, AnfechtlDlgsrecht, S. 93. 12 KTS 1982, S. 5m, 511. 13 Hahn, Materialien zur KO, S. 115; BaurlStiirner, § 52 I; Heime, NJW 1982, S. 1667; Häsemeyer, KTS 1982, S. 5m, 511 ff. m.w.N. 14 KTS 1982, S. 5m, 513.
1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
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ren gab - die private Haftungsabwicldung zu erleichtem75 . Dieser Grund ist ebenfalls mit der Legalisierung des Konkursverfahrens entfallen. (cc) Der Gedanke, bei nicht zureichendem Schuldnervennögen sei es nur gerecht und billig, den Gläubigern gleiche Verluste zuzumuten, wird seit langem geäußere 6• Auch heute noch werden vor allem Billigkeitsgesichtspunkte für die Gleichbehandlung angeführt: Nach Jaeger gebietet die Billigkeit, daß jeder Gläubiger zu seinem Teil den zu erwartenden Ausfall mittrage, wenn das Zahlungsunvennögen offenbar wird77• Hanisch nennt das Prinzip der par condicio creditorum für den Konkurs und jede andere Fonn gerechter Insolvenzbereinigung als Ausgangspunkt zeitlos und unverzichtbar78 . Häsemeyer bezeichnet die Gläubigergleichbehandlung als "ausgleichendes Gerechtigkeitsprinzip"79. Henckel spricht davon, daß der Gesetzgeber um gerechter Ergebnisse willen das Prioritätsprinzip der Einzelzwangsvollstreckung durch den Gleichbehandlungsgrundsatz ersetzen muß, "wenn sich alsbald herausstellt, daß andere Gläubiger keine volle Deckung erhalten können "80. Auch die Refonndiskussion betont die Gleichbehandlung als "obersten Grundsatz jedweder Konkursgerechtigkeit"81. Durch seine Einstufung als Billigkeitsmaxime wird der Gleichbehandlungsgrundsatz auch nicht dem "willkürlichen Raubbau" durch den Gesetzgeber preisgegeben, wie Teile der Literatur befürchten82• Da der Gleichbehandlungsgrundsatz unbestritten gilt, muß im Einzelfall begründet werden, ob Ausnahmen zulässig sind83 • Ob das immer genügend beachtet wurde, ist eine andere Frage84• Fazit: Die konkursrechtliche Gleichbehandlung ist ein Billigkeitsgrundsatz und basiert auf der Idee, ein egoistischer Gläubigerzugriff sei unbillig, wenn das Vennögen nicht mehr zur vollen Befriedigung aller Gläubiger ausreicht
KTS 1982,507,513. Deutlich schon in den Freiburger Statuten von 1520, vgl. Stobbe, Zur Geschichte des älteren deutschen Konkursprozesses, S. 19. 77 Lehrbuch, S. 1. 71 'Z:zJ> 90, S. 1, 4. 79 KTS 1982, S. 500,517. 10 ZIP 1982, S. 396. 11 Nachweise bei StÜTner, ZZP 94, S. 263, 269. 12 Vgl. oben Fußn. 145. 13 Wanun ein auf Billigkeit beruhender Gleichbehandlungsgrundsatz "blutleer und inhaltsann" sein muß, wie Berges behauptet, wird nicht näher begründet 14 Wenn davon gesprochen wird, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz durch die wuchernden Vorrechte ausgehöhlt wird, ist das zwar im Ergebnis richtig. Der Gleichbehandlungsgrundsatz hat sich aber immer nur im Konkursverfahren und dessen Vorfeld durchsetzen können. Er hat nie zu einer völligen Gleichstellung aller Gläubiger und zu einer Abschaffung aller Vorrechte und dinglichen Vorzugsrechte geführt, Häsemeyer, KTS 1982, S. sm, 510. 75
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4. Kap. Besondere KonkursanfechtWlg
63
(2) Damit läßt sich auch der Zeitpunkt ennitteln, von dem an Gleichbehandlung gelten muß: Gleichbehandlung darf nicht erst einsetzen, wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist und die Gläubiger nur noch mit einer derzeit realistischen Quote von unter 4 % befriedigt werden können. Vielmehr muß Gleichbehandlung einsetzen, sobald die Insolvenz des Gemeinschuldners wahrscheinlich wird und in diesem Fall nicht mehr alle Gläubiger zu 100 % befriedigt werden können. Bereits dann ist nämlich die volle Befriedigung eines Gläubigers unbillig. Das erste Kriterium erfordert eine negative Prognose. Bei dem zweiten Kriterium, ob eine 100 %ige Befriedigung aller Gläubiger möglich ist, muß man dann konsequent von den - meist niedrigeren Zerschlagungswerten des Gemeinschuldnervennögens ausgehen. Im Idealfall müßte zu diesem Zeitpunkt das Insolvenzverfahren eröffnet werden, weil jetzt der "materielle Konkursgrund" vorliegfs. Es ist daher zu begrüßen, daß die "drohende Zahlungsunfähigkeit" als weiterer Eröffnungsgrund in die geplante Insolvenzordnung aufgenommen werden soll, vgl. § 20 EInsO. Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn unter Berücksichtigung der Entwicklung der gesamten Finanzlage des Schuldners der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher ist als deren Ausbleiben86• Ebenso zu begrüßen ist aus dem gleichen Grund der beabsichtigte zweigliedrige Überschuldungsbegriff, § 21 EInsO. Bei diesem tritt neben die rechnerische Überschuldung auf der Grundlage der Liquidationswerte eine Prognose der "Überlebensfähigkeit" des Unternehmens87• Diese geplanten Novellierungen nähern die gesetzlichen Insolvenzgründe dem "materiellen Konkursgrund" an. Ein konsequenter Gesetzgeber sollte bei der geplanten Insolvenzrechtsrefonn die besondere Konkursanfechtung mit diesen neuen Eröffnungsgründen hannonisieren. Der materielle Konkursgrund markiert den Zeitpunkt, von dem ab Gleichbehandlungsgrundsatz gilt und von dem daher die besondere Konkursanfechtung frühestens gelten kann. Daraus folgt nicht automatisch, daß nach Vorliegen des Konkursgrundes alle masseschmälernden Rechtshandlungen anfechtbar sein müssen, auch nicht zwischen einem Gemeinschuldnerunternehmen und dessen Insidern. Bedenken bestehen vor allem im Hinblick auf die
15 Damit ist auch deutlich geworden, daß der GleichbehandlWlgsgrundsatz keinen lückenlosen Schutz gegen dingliche Vorzugsrechte bieten kann. Er gilt erst, wenn der "materielle Konkursgrund" vorliegt. Vorher begründete Vorzugspositionen, die sich erst im Konkurs auswiIken, kann er nicht eIfassen. Dafür müssen andere Rechtsbehelfe bemüht werden, z.B. andere Anfechtwtgsgründe, die zu § 138 Wld § 826 BGB entwickelten RechtsprechWlgsgrundsätze (Übersicherung, GläubigergefährdWlg wegen Wldurchsichtiger Besicherung) oder das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen. 86 DiskussionsentwuIf, S. Bl4 f. 17 DiskussionsentwuIf, S. B16 f.; vgl. auch Scholz/Karsten SchmidJ, GmbHG, § 63 Rdnm. 5 ff.
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
Rechtssicherheit. Hier sind die gleichen - oben dargestellten" - Überlegungen notwendig, mit denen sich auch der Gesetzgeber konfrontiert sah, nämlich, ob der "materielle Konkursgrund" durch ein äußerlich wahrnehmbares Merkmal generell erkennbar sein muß (Überlegung 2) und ob aus Gründen des Vertrauensschutzes der Insider den "materiellen Konkursgrund" auch im Einzelfall erlcannt haben muß und wer gegebenenfalls hierfür die Beweislast trägt (Überlegung 3). Beides ist bei den einzelnen Insidergruppen zu untersuchen. Einige grundsätzliche Anmerkungen seien unter b. und c. vorangestellt. b) Der materielle Konkursgrund muß äußerlich wahrnehmbar und damit die mögliche Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erkennbar sein. Die Rechtssicherheit wäre anderenfalls beeinträchtigt (Überlegung 28'). Dieser Grundsatz gilt auch gegenüber Insidern. Das bedeutet aber nicht, daß die besondere Konkursanfechtung auch hier erst mit Zahlungseinstellung bzw. Konkursantrag eingreifen darf. Der Gesetzgeber wählte diese äußerlich wahrnehmbaren Ereignisse als Anknüpfungspunkt. weil er davon ausging, daß Außenstehende den Konkursgrund erst dann unzweideutig erkennen können9o. Insider sind auf die Zahlungseinstellung bzw. den Konkursantrag als äußere Merkmale nicht angewiesen; sie können den Konkursgrund früher erkennen. Fraglich ist nur, wann. "Ein Konkurs fällt nicht vom Himmel"91, vielmehr bahnt er sich allmählich an. Das zeigt sich auch äußerlich. Die ersten "Insolvenzsignale", z.B. rückläufige Geschäftstätigkeit und verschlechterte Bilanzstruktur, sind meist nur der Unternehmensleitung bekannt. Diese ist daran interessiert. möglichst wenig nach außen dringen zu lassen, um den für eine wirtschaftliche Genesung notwendigen Kredit nicht zu gefährden. Je drängender die wirtschaftlichen Probleme werden, umso mehr Insolvenzsignale .dringen nach außen und umso größer wird der Kreis, dem diese Probleme erkennbar sind. In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur wird die Auffassung vertreten, daß sich bereits ein halbes Jahr vor Antragstellung die Insolvenzsignale derart verdichtet haben, daß selbst für Außenstehende eine zuverlässige Prognose über die bevorstehenden Insolvenz möglich ist92.
Nicht für alle Insider ist der Konkursgrund zur selben Zeit erkennbar, es kommt auf ihre Nähe zur Unternehmensleitung oder ihren Zugang zu anderen
u Vg1. oben Kapitel 4 I 1 b. 19 Vgl. oben Kapitel 4 I 1 b. 90 Hahn, Materialien zur KO, S. 119. 91 SChumaM, DJ 1937, S. 1210. 92 RallSch, Gläubigerschutz, S. 246 f.
4. Kap. Besondere KonkunanfechtlDlg
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Inforrnationsquellen an. Ideal wäre es daher, auf die Erkennbarkeit des Konkursgrundes im Einzelfall abzustellen. Praktisch ist das allerdings nicht durchführbar. Hier wird daher eine nach Insidergruppen differenzierte Lösung vorgeschlagen93 • c) Mit der Frage der Erkennbarkeit des Konkursgrundes nicht zu verwechseln ist die Frage, ob der AnfechblDgsgegner den Konkursgrund tatsächlich erkannt haben muß, Überlegung 394• Grundsätzlich ist wegen des Vertrauensschutzes bei der besonderen Konkursanfechtung individuelle Kenntnis des Konkursgrundes erforderlich9s • Nicht bei allen Insidern und bei allen Rechtshandlungen ist Vertrauen aber in gleichem Umfang schutzwürdig. Folgende Grundsätze lassen sich aufstellen: Je kürzer die anzufechtende Rechtshandlung vor Konkurseröffnung erfolgt, umso mehr hatten sich zu diesem Zeitpunkt die Insolvenzsignale verdichtet und umso weniger schutzwürdig ist daher das Vertrauen in die Solvenz des Schuldners. Auch objektive Merkmale der anzufechtenden Rechtshandlung können auf die Kenntnis des Konkursgrundes hinweisen. Solche Merkmale sind vor allem die inkongruente Deckung und die unmittelbare Gläubigerbenachteiligung. Hinzu kommt, daß diese Rechtshandlungen "wertungsmäßige Nähe" zur Schenkung aufweisen und Vertrauen auch deswegen nicht in gleichem Umfang schutzwürdig ist'6. Schließlich ist auch der im Recht des gutgläubigen Erwerbs entwikkelte Gedanke des fehlenden Verkehrsgeschäfts zu berücksichtigen: Gutgläubiger Erwerb ist seiner Zweckbestimmung nach ausgeschlossen, wenn es an einem Verkehrsgeschäft fehlt, d.h., wenn der Erwerber in irgendeiner Weise - und sei es auch nur wirtschaftlich - der Veräußererseite angehörf1. Hier geht es zwar nicht um den Schutz des guten Glaubens an das Eigentum der Gemeinschuldnerin an den anfechtbar weggegebenen Vermögensbestandteilen; der genannte Gedanke des fehlenden Verkehrsgeschäfts ist aber ein allgemeiner Grundsatz, der überall, wo es um Vertrauensschutz geht, zum Ausdruck bringt, in welchen Fällen Vertrauen weniger schutzwürdig ist
93 Vgl. oben Kapitel 4 I 1 b. Auch Häsemeyer befürwOJtet im Ergebnis ein differenziertes Eingreifen der besonderen Konkunanfechnmg, KTS 1982, S. 507, 558 ff. M V gl. oben Kapitel 4 I 1 b. 9S Hahn, Materialien zur KO, S. 119; GerhardI, 100 Jahre KO, S. 111, 129 ff. 96 Henckel, ZIP 1982, S. 394 f. rn.w.N. 97 Münchner KornrnentarIWacke, BGB, § 929, Rdnrn. 38 ff. rn.w.N.
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
Soweit der Empfänger der anzufechtenden Leistung auch auf der Veräußererseite beteiligt ist oder mit der Veräußererseite durch verwandschaftliehe Beziehungen verbunden ist, ist der "gute Glaube in die Solvenz" im Interesse der Gläubigergleichbehandlung nicht schutzwürdig. Je weniger Vertrauensschutz zu berücksichtigen ist, umso eher kann die Kenntnis des Konkursgrundes vermutet werden. Unterschiedliche Regelungen sind denkbar: -Der Konkursverwalter muß beweisen, daß der Anfechtungsgegner den Konkursgrund kannte oder kennen mußte98 . Der Anfechtungsgegner muß beweisen, daß er den Konkursgrund nicht kannte oder kennen mußte (widerlegliehe Vermutung der Kenntnis)99. Die Kenntnis des Konkursgrundes wird unwiderleglich vermutee oo.
3. Realisierung verscbärfter Sanktionen gegen Recbtsbandlungen vor der Krise
Geprüft werden muß, wie der ermittelte Bedarf nach verschärften anfechtungsrechtlichen Sanktionen in der Rechtspraxis zu verwirklichen ist a) Der Idealfall, das individuelle Eingreifen der besonderen Konkursanfechtung je nach Erkennbarkeit des Konkursgrundes, ist praktisch nicht umzusetzen. Schon die Feststellung der "formalen Konkursgründe" , Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, bereitet in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten, ebenso die Feststellung der Zahlungseinstellung als äußerlich wahrnehmbares Merkmal 10l • Noch schwieriger ist es, den "materiellen Konkursgrund" bzw. den Zeitpunkt, in dem dieser einzelnen Insidern (Insidergruppen) erkennbar wird, festzustellen. Die Vorteile einer frühzeitig eingreifenden besonderen Konkursanfechtung würden durch das Erfordernis eines solchen Nachweises weitgehend aufgehoben. Ein Anfechtungsprozeß liefe häufig auf einen Streit über die Frage hinaus, ob zum Zeitpunkt, in dem die anzufechtende Rechtshandlung vorgenommen wurde, der materielle Konkursgrund bereits erkennbar vorlag. Ein erhebliches Prozeßrisiko wäre unvermeidlich. Anfechtungsnormen, die das Prozeßrisiko gering halten, dienen aber nicht nur der vereinfachten Prozeßführung; vor allem haben sie
Vgl. §§ 30 Nr. 1 KO, 135 Abs. I, 137 EInsO. Vgl. §§ 30 Nr. 2 KO, 135 Abs. 3, 137 Abs. 1 Satz 2, 2 EInsO. UlO Vgl. § 136 Nr. 1 und 2 EInsO. \0\ Hahn, Materialien zur KO, S. 119.
9S
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4. Kap. Besondere Konkursanfechttmg
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präventive Wirkung. Die Zahl der Anfechtungsprozesse geht zuriick, weil Prozesse, deren Ausgang feststeht, nicht angestrengt werden und sich die Zahl der anfechtungsbedrohten Rechtshandlungen vennindern dürfte102• b) Statt auf den Konkursgrund und dessen Erkennbarkeit im Einzelfall abzustellen, empfiehlt sich eine generalisierende Betrachtungsweise. Es muß genügen, einheitlich einen Zeitpunkt festzulegen, in dem der materielle Konkursgrund typischerweise vorliegt. Ebenso muß es genügen, für einzelne Insidergruppen generalsierend einen Zeitpunkt zu bestimmen, in dem diesen Gruppen der materielle Konkursgrund typischerweise erkennbar ist Das ließe sich folgendennaßen handhaben:
Fonnaler Anknüpfungspunkt für die Berechnung der anfechtungsbedrohten Zeiträume bleibt die Krise, d.h. AntragsteIlung oder Zahlungseinstellung bzw. Zahlungsunfähigkeit103 • Diese Tennine, zumindest der Zeitpunkt der AntragsteIlung sind einfacher zu bestimmen als der materielle Konkursgrund im Einzelfall. Vor allem ist es de lege ferenda möglich, die Vorteile des geplanten Verfahrens zur einheitlichen Feststellung dieser Ereignisse zu nutzen 104• Von diesem Anknüpfungspunkt wird eine Frist zuriickgerechnet, deren Länge davon abhängt, wann der Konkursgrund regelmäßig vorliegt und für einzelne Insidergruppen regelmäßig erkennbar ist, z.B. sechs Monate vor AntragsteIlung. Damit wird keine Abkopplung der besonderen Konkursanfechtung vom Konkursgrund bezweckt; es wird nur innerhalb dieser Frist das Vorliegen des Konkursgrundes - widerleglich - vermutet Weil Insolvenzen gelegentlich rasch und unvorhersehbar eintreten, muß der Anfechtungsgegner die Möglichkeit haben, nachzuweisen, daß der Konkursgrund im Zeitpunkt der angefochtenen Handlung noch nicht erkennbar vorlag (Rechtsgedanke des § 237 Abs. 2 HGB 1OS). Auch die Frage, in welchem Umfang Vertrauensschutz zu berücksichtigen ist, kann nicht im Einzelfall, sondern - wie im geltenden Recht - nur pauschal beantwortet werden. c) Oe lege ferenda ist ein zeitlich früheres Eingreifen der besonderen Konkursanfechtung einfach zu realisieren. Oe lege lata ist die Realisierung schwieriger06:
102 Erinnert sei an die Aufforderung Uhlenbrucks, auch in Anbetracht eines drohenden Konkurses noch anfechtbare Rechtshandltmgen vOlZUllehmen, da das unzulängliche Anfechttmgsrecht kawn ein Risiko darstellt, Gläubigerberattmg, S. 16. Im Im Diskussionsentwurf wird das Merlanal "Zahltmgseinstellung" durch das Merlanal "Zahltmgswüwgkeit" ersetzt. 104 §§ 147, 148 EInsO; Begründung des Diskussionsentwurfs, S. B134 ff. lOS Vgl. dazu tmten Kapitel 6. 106 Vgl. BenM!, Hafnmgsdurchgriff, S. 159 f.
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechnmgsrechts
Dogmatisch geht es um eine Verlängerung der Krise i. S. d. § 30 KO. Man könnte daran denken, den in § 30 KO normierten Zeitpunkt analog zur Fristenregelung in § 31 Nr. 2 KO um ein Jahr vorzuverlegen107 • Zwar ist
ein besserer Informationsstand oftmals auch für nahe Angehörige kennzeichnend. § 31 Nr. 2 KO verlängert aber nicht die Krise für nahe Angehörige, sondern schränkt eine erleichterte Absichtsanfechtung aus Gründen der Rechtssicherheit ein. Hieraus im Wege der Analogie eine Krisenverlängerung zu konstruieren, liefe dem dogmatischen Unterschied zwischen besonderer Konkursanfechb.mg und Absichtsanfechtung zuwider 08 • Auch die Jahresfrist in § 32a KO läßt sich nicht in dem hier beabsichtigten Sinne nutzen. So wenig § 32a KO mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu bJD hat109 , so wenig handelt es sich bei der Jahresfrist um eine verlängerte Krise für Gesellschaftergläubiger.
Möglicherweise kommt aber eine analoge Anwendung des § 237 HGB jedenfalls für den Unterfall des Insiderdarlehens in Betracht, wie es von Teilen der gesellschaftsrechtlichen Literatur empfohlen wirdllo. Ob sich auf diese Weise die "Krise verlängern läßt", hängt von der (anfechtungs)-systematischen Einordnung dieser Vorschrift ab. Dazu werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Eine Darstellung des § 237 HGB und der Versuch seiner anfechblngssystematischen Einordnung erfolgen unten in Kapitel 6111 • Fazit: 1. Allgemein und daher auch bei Insiderrechtshandlungen ist ein Eingreifen der besonderen KonkursanfechbJDg vor der Krise möglich. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist dabei der "materielle Konkursgrund" . 2. Die besondere Konkursanfechtung muß bei Insidern eingreifen, sobald für diese der materielle Konkursgrund erkennbar ist. Weil dieser Zeitpunkt im Einzelfall nur schwierig festzustellen ist sollte die besondere Konkursanfechtung nach einzelnen Insidergruppen differenziert eingreifen, je nachdem, Vgl. Benne, Haftungsdurchgriff, S. 160. So auch Benne, Haftungsdurdtgriff, S. 160. 10'1 Den grundlegenden Unterschied zwischen beiden Rechtsinstituten verkennt Pfefferle, Konkursanfechnmg und Rückschlagsperre, S. 54, 56. Vgl. dazu oben Kapitel 4 I 2 a. 110 Vgl. Karsten Schmidt, ZHR 1976, S. 475, 490 f.; ders. KTS 1977, S. 65, 68 f.; ders. ZIP 1981, S. 689, 697; Wiedel1lQ1l1l, Haftung, S. 29; SonneMerger, NJW 1969, S. 2033, 2036; Elsing, GmbHR 1978, S. 103, lOS ff.; Haack, Konkursgrund, S. 140; BaumbachlHlIIlck, GmbHG, § 32a, Rdnr. 9; Andreas Müller, Regeln für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen, S. 75 f.; Benne, Haftungsdurchgriff, S. 160. 111 Kapitel 6 11. 107 101
4. Kap. Besondere KonkursamechtlDlg
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wann für diese Gruppen der materielle Konkursgrund typischerweise erkennbar ist. 3. Ob zusätzlich subjektive Kenntnis zu verlangen ist und wer diese gegebenenfalls zu beweisen hat, richtet sich danach, in welchem Umfang das Vertrauen des Anfechtungsgegners in die Solvenz des Gemeinschuldners schutzwürdig ist. Auch dabei ist eine typisierende Bettachtungsweise, differenziert nach Insidergruppen, geboten. Eine derartig fundiertes früheres Eingreifen der besonderen Konkursanfechtung steht in Übereinstimmung mit den Motiven des Gesetzgebers; insbesondere bleibt die Anknüpfung der besonderen Konkursanfechtung an den Konkursgrund gewahrt.
5. Kapitel
Das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen unter besonderer Berücksichtigung des § 32a KO I. Bedeutung des Rechts der eigenkapitalersetzenden Darlehen für die Prüfung anfechtungsrechtlicher Insidersanktionen § 32a KO ist kein konkursrechtlicher Anfechtungstatbestand, sondern Teil des gesellschaftsrechtlichen Instituts der eigenkapitalersetzenden Darlehen und daher eine gesellschaftsrechtliche Vorschrift Hier kann weder das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen im allgemeinen, noch § 32a KO im besonderen genauer untersucht werden. Eine kurzer Überblick soll aber gleichwohl erfolgen, um dieses Rechtsinstitut vom Konkursanfechtungsrecht abgrenzen zu können. Diese Abgrenzung ist aus mehreren Gründen problematisch.
Das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen und das Konkursanfechtungsrecht dienen im Ergebnis ganz ähnlichen Zielen, nämlich die Haftungsmasse des Schuldners zu vermehren. Beide Rechtsinstitute beruhen aber auch wenn gewisse Gemeinsamkeiten unverkennbar sind - auf verschiedenen dogmatischen Grundlagen l . Beide Rechtsinstitute werden von verschiedenen Rechtsdisziplinen "betreut". Das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen ist Gesellschaftsrecht; Konkursrecht wird dagegen traditionell zum Prozeßrecht gezähle. Diese Trennung erschwert die Abgrenzung, weil hierfür ein "interdisziplinärer Dialog" notwendig wäre. Schließlich ist das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen ein relativ junges Rechtsinstitut, sein Verhältnis zum Konkursanfechtungsrecht daher nicht vollständig geklärt3•
1 Zu den dogmatischen Grundlagen des Rechts der eigenkapitalersetzenden Darlehen ist die literatur fast unübersehbar. Vgl. vor allem Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 IV m.w.N.; HachenbllTglUlmer, GmbHG, §§ 32a, 32b, Rdnr. 6; RümkerlWestermann, Kapitalersetzende Darlehen, S. 5 ff.; eingehend Andreas Müller, Regeln für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen, S. 66 f., 73 ff. 2 Kritisch dazu Karsten Schmidt, KTS 1988, S. 1,4 f. 3 Vgl. Karsten Schmidt, ZIP 1981, S. 689,697; HachenbllTglUlmer §§ 32a, 32b, Rdnr. 18 f.
5. Kap. Eigenkapitalersetzende Darlehen
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11. Überblick über das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen Das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen bestimmt, wann ein Darlehen eigenkapitalersetzend ist und welche Rechtsfolgen für eigenkapitalersetzende Darlehen gelten4 • 1. Ein Darlehen ist eigenkapitalersetzend, wenn der Darlehensgeber unter Verstoß gegen die Grundsätze "ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung" den Eigenkapitalbedarf eines Unternehmens mit Fremdkapital deckt. Folgender Doppeltatbestand muß erfüllt seinS: Der Darlehensgeber muß Finanzierungsverantwortung für das Unternehmen tragen6 • Nur dann ist er für eine "ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung" verantwortlich. Finanzierungsverantwortung tragen in erster Linie Gesellschafter, aber nicht notwendig alle, sondern nur "unternehmerisch beteiligte" Gesellschafter7 • Bei der GmbH wird die unternehmerische Beteiligung unwiderleglich vermutet; bei der AG setzt unternehmerische Beteiligung im Grundsatz eine Beteiligung von 25 % am Grund-kapital voraus8 • Dritte, insbesondere Banken, die einem Unternehmen Fremdkapital zur Verfügung stellen, tragen regelmäßig keine Finanzierungs-verantwortung9• Das Darlehen muß eigenkapitalersetzende Funktion haben. Das ist der Fall, wenn das Unternehmen von dritter Seite keinen Kredit mehr zu marktüblichen Bedingungen erhält und ohne Zufuhr von Eigenkapital liquidiert werden müsste. Die Frage, ob ein Darlehen Eigenkapitalersatzfunktion hat, ist oft schwierig zu beantworten 10• Hier ist nur wichtig, daß nicht jedes Gesellschafterdarlehen eigenkapitalersetzend ist, wie einige vertretenll .
4 Vgl. zmn Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen, Karsten SchmidJ, Gesellschaftsrecht, § 18 III 4, § 37 IV. S Vgl. Karsten SchmidJ, Gesellschaftsrecht, § 18 n 4 c m.w.N. 6 Anschaulich neuerdings BGH ZIP 1988, S. 1248 (Hamburger Stahlwerke); Karsten SchmidJ, Gesellschaftsrecht, § 18 III 4 c aa. 7 Vgl. BGHZ 90,381 (BuM/WestLB); Karsten SchmidJ, ZHR 147 (1983), S. 165; Schalz/Karsten SchmidJ, GmbHG, §§ 32a, 32b, Rdnr. 27 ff.; HacMnbwrg/Ulmer, §§ 32a, 32b Rdnr. 31 ff. a BGHZ 90, 381 (BuM/WestLB). 9 Vgl. Karsten SchmidJ, Gesellschaftsrecht, § 37 IV 3; Rümker/Westerma1l1l, Kapitalersetzende Darlehen, S. 30 ff. Wer im einzelnen Finanzierungsverantwortung trägt, ist umstritten. 10 Vgl. Karsten SchmidJ, Gesellschaftsrecht, § 37 IV 2; HacMnbwrg/Ulmer, GmbHG, §§ 32a, 32b, Rdnm. 39 ff. 11 Vgl. Imm.enga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 413 ff., 421 f.; weitere Nachweise bei Andreas Müller, Regeln für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen, S. 266 f.
72
1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
2. Die zweite Frage, welche Sanktionen für eigenkapitalersetzende Darlehen gelten, ist nur für die GmbH, für die Kapitalgesellschaft & Co. oHG bzw. KG und ansatzweise für die AG geklärt. a) Gesetzlich angeordnete Sanktionen gibt es nur für die GmbH und die juristische Person & Co., vgl. §§ 32a, b GmbHG, 32a KO, 3b AnfG, 129a, 172a HGB. Gemäß § 32a Abs. 1 S. 1 GmbHG darf die Forderung aus einem eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen im Konkurs oder Vergleich nicht geltend gemacht werden. "Die Darlehen werden als das behandelt, was sie in Wirklichkeit sind, nämlich Gesellschaftereinlagen" (Eigenkapital)12. Die §§ 32a KO, 3b AnfG, 32b GmbHG bezwecken einen Umgehungsschutz für § 32a GmbHG. Die dort für den Fall einer vor Konkurs erfolgten Darlehensrückzahlung oder Besicherung geregelten Erstattungspflichten sollen verhindern, daß der Gesellschaftergläubiger sein Darlehen vor dem Konkurs abzieht und dadurch die erst im Konkurs geltenden Rechtsfolgen des § 32a GmbHG umgeht Weil die genannten Vorschriften nur im Konkurs weiterhelfen und weil der - an § 237 HGB orientierte - Zeitraum von einem Jahr vor Konkurseröffnung zu kurz ist, werden sie zum Teil heftig kritisiertJ3 • Für die oHG und die KG, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, verweisen die §§ 129a und 172a HGB auf die §§ 32a, b GmbHG und 32a K0 14• b) Neben den dargestellten Gesetzesnormen gelten die zuvor vom Bundesgerichtshof zu den eigenkapitalersetzenden Darlehen entwickelten Grundsätze weiterIs. Diese ordnen im Prinzip die gleichen Sanktionen an. Weil die genannten Rechtsprechungsgrundsätze auf den Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30 und 31 GmbHG beruhen, gelten sie aber nicht nur im Konkurs. Außerdem verjähren die Ansprüche der Gesellschaft gegen den Gesellschafter wegen zurückgezahlter Darlehen erst nach fünf Jahren, § 31 Abs. 5 GmbHG. Die oben genannten Mängel der §§ 32a, b GmbHG, 32a KO wirken sich daher in der Praxis kaum aus.
Der Bundesgerichtshof hat die Grundsätze zu den eigenkapitalersetzenden Darlehen auf die AG übertragen16• Sie betreffen dort - von Ausnahmen ab-
RG JW 1939. S. 355. Sehr deu1liche Kritik bei Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 IV 4; vgl. auch KiIger, KO, § 32a, Anm. 7. 1. Vgl. HachenburglUlmer, §§ 32a, 32b, Rdnm. 169 ff.; ScholzlKarsten Schmidt, §§ 32a, 32b, Rdnm.131. 15 BGHZ 90, S. 370; vgl. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 IV 4 b. 16 BGHZ 90, 381 (BuM/WestLB); Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 29 I 2; Immenga, ZIP 12 13
S. Kap. Eigenkapitalerseuende Darlehen
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gesehen - nur Gesellschafter, die mindestens 25 % des Grundkapitals halten, weil nur diese nach Ansicht des Bundesgerichtshofs Finanzierungsverantwortung tragen.
ill. Eigenkapitalersetzende Darlehen bei anderen Rechtsformen Es wird darüber nachgedacht, das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen auf andere Rechtsformen, insbesondere auf Personengesellschaften auszudehnenl1• Dabei sind wieder die beiden Problemkreise zu trennen. 1. Erstens ist fraglich, ob es auch bei anderen Rechtsformen eigenkapitalersetzende Darlehen gibt. Karsten Schmidt ist zuzugeben, daß das "Problem der eigenkapitalersetzenden Darlehen allen Verbänden gemein ist, bei denen zwischen Fremd- und Eigenkapital unterschieden werden muß"18. Die Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensfmanzierung betreffen nicht nur die GmbH, sondern alle Unternehmen; sie sind in erster Linie ein betriebswirtschaftliches Problem.
2. Zweitens ist zu untersuchen, welche Sanktionen ein Verstoß gegen die "Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung" bei anderen Rechtsformen verlangt. Karsten Schmidt kritisiert den eingeschränkten Anwendungsbereich des § 32a KO mit den deutlichen Worten: "Diese Vorschrift (§ 32a KO) hätte für alle Handelsgesellschaften eingeführt werden müssen"19. Das erscheint aus mehreren Gründen zweifelhaft Eine Gegenansicht weist für die Personengesellschaft darauf hin, daß diese gar nicht kapitalisiert sei und folglich auch nicht unterkapitalisiert sein könne20• Insoweit geht es um die allgemeine und hier nicht zu beantwortende Frage, ob Gesellschafterhaftung Eigenkapital ersetzen kann21 .
1983, S. 14OS. 17 Karsten SchmidJ, Gesellschaftsrecht, § 18 m 4, ders., Kapitalersetzende Komrnanditistendarlehen, GmbHR 1986, S. 337. 11 Gesellschaftsrecht, § 18 m 4; GmbHR 1986, S. 337. 19 ZIP 1981, S. 689, 699; zuletzt GmbHR 1986, S. 337. lD Westermann, Gläubigerschutz, S. 37. 21 VgI. Karsten SchmidJ, IZ 1985, S. 301, 304; ders., Kapitalersetzende Komrnanditistendarlehen, GmbHR 1986, S. 337 ff.; ders., Gesellschaftsrecht, § 18 IV 2; vgl. auch Westermann, Gläubigerschutz, S. 37; Elsing, GmbHR 1978, S. 103 f.
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechnmgsrechts
Die Notwendigkeit einer Ausdehnung des § 32a KO ist aber auch im Hinblick auf das KOnkursanfechtungsrecht fraglich. Das Verhältnis beider Rechtsinstitute zueinander wird im folgenden dargestellt
IV. Eigenkapitalersetzende Darlehen und Konkursanfechtungsrecht Das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen und das Konkursanfechtungsrecht sind Rechtsinstitute mit unterschiedlichen dogmatischen Grundlagen22• Im Konkurs einer Gesellschaft kommen sie, soweit ihre Voraussetzungen vorliegen, nebeneinander zur Anwendung, jedenfalls in der Theorie. In der Praxis hat das Anfechtungsrecht neben dem Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen nur noch Auffangfunktion, weil letzteres weitergehende Sanktionen vorsieht und anders als §§ 30, 31 KO keine subjektiven Merkmale kennt. Die Frage, ob nicht eine rechtzeitige Reform des Konkursanfechtungsrechts das Institut der eigenkapitalersetzenden Darlehen entbehrlich gemacht hätte23 , ist spätestens seit Inkrafttreten der GmbH-Novelle von 1980 gegenstandslos, aber nur für die GmbH und für die Kapitalgesellschaft & Co. Für andere Rechtsformen, insbesondere für Personengesellschaften ist diese Frage offen, auch wenn Karsten Schmidt schon von einem "allgemeinen Recht der kapitalersetzenden Kredite" spricht24 und nur zusätzlich "flankierend" verschärfte anfechtungsrechtliche Sanktionen für alle Gesellschafterdarlehen durch analoge Anwendung des § 237 HGB fordert. Die Frage ist auch nicht etwa abwegig, sondern, wegen der Dynamik im Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen und der Stagnation im Konkursanfechtungsrecht, zur Zeit nur "unmodern". Es ist ein Unterschied, ob ein Darlehen als kapitalersetzend qualifiziert wird oder nur durch den konkursrechtIichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden ist. Im ersten Fall wird das Darlehen zu - nachrangigem 25 - "Haftkapital" und nimmt am Konkurs nicht teil. Im zweiten Fall bleibt sein Status unverändert.
Vgl. oben Fußn. 216. In diese Richtung Westermann, Gläubigerschutz, S. 36; Benne, Hafnmgsdurchgriff, S. 179 Cf. :u Gesellschaftsrecht, § 18 m 4, § 29 I 2, § 53 IV 3 d, § 56 V; GmbHR 1986, S. 337 Cf.; AG 1984, S. 12 ff. lS Vgl. Häsemeyer, KTS 1982, S. 507,543. 22
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5. Kap. Eigenkapitalersetzende Darlehen
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In ihren Zielen und ihren Grundlagen haben beide Rechtsinstitute aber auch Gemeinsamkeiten: -
Beide Rechtsinstitute wollen die Haftungsmasse vermehren.
-
Beide Rechtsinstitute beruhen zwar auf grundsätzlich verschiedenen Erwägungen; es gibt aber auch dogmatische Parallelen26• Für beide Rechtsinstitute ist die Überlegung wichtig, daß Insider, die den nahenden Zusammenbruch erkennen, daraus keinen Vorteil zu Lasten der Konkursgläubiger ziehen sollen 27 • Beide Rechtsinstitute beruhen im übrigen auf Billigkeitserwägungen; die "Finanzierungsverantwortung" ist nichts anderes28 •
Im praktischen Ergebnis bietet das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen - jedenfalls im Grundsatz - kaum Vorteile für die Konkursgläubiger: Die besondere Konkursanfechtung greift zwar erst in der Krise ein, während § 32a KO schon das letzte Jahr vor Konkurseröffnung erfaßt De lege lata läßt sich das aber eventuell durch eine analoge Anwendung des § 237 HGB ausgleichen 29 • De lege ferenda kommt ein früheres Eingreifen der besonderen Konkursanfechtung in Betracht; die theoretische Möglichkeit dazu besteht, weil der "materielle Konkursgrund" - das wurde oben dargestellt - vor der Krise eintriteo. Der denkbare Einwand, im Konkursanfechtungsrecht sei immer der schwierige Nachweis subjektiver Tatbestandsmerkmale erforderlich, greift nicht. Bei der Konkursanfechtung gegenüber Insidern sind erhebliche Beweiserleichterungen, bei einer analogen Anwendung des § 237 HGB auf Gesellschafterdarlehen sogar ein völliger Verzicht auf subjektive Merkmale möglich. Beides wird unten, getrennt nach Insidergruppen, dargestellei. Im übrigen entfällt im Konkursanfechtungsrecht der oft
26 Einen interessanten Versuch, das Recht er eigenkapitalersetzenden Darlehen mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu hannonisieren unternimmt Häsemeyer, KTS 1982, 507, 543: Der Gleichbehandlungsgrundsatz hat seiner Auffassung nach den Zweck, den unterschiedlichen Einfluß auf das Schuldnervermögen auszugleichen. Starker Gläubigereinfluß, wie ihn Gesellschafter ausüben, wird entsprechend strenger "ausgeglichen", nämlich durch Zurücksetzung, §§ 32a GrnbHG, 32a KO. rT Im Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen ist dies nur ein TeilaspekL 21 Vgl. BGHZ 90, 381, 389; RiimkerlWestermann, Kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen, S. 7 ff. 29 Karsten Schmidt, ZGR 1986, S. 178, 204 f. m.w.N. Vgl. zu § 237 HGB eingehend unten Kapitel 6. 30 Das wurde oben in Kapitel 4 II dargestellL 31 Darstellung einer analogen Anwendung des § 237 HGB in den Kapiteln 7 ff.
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1. Teil Analyse des Konkursanfechnmgsrechts
schwierige Nachweis der eigenkapitalersetzenden Funktion eines Darlehens32• - Auch die Tatsache, daß die §§ 32a, b GmbHG, 32a KO selbst eine quotenmäßige Befriedigung des Gesellschaftergläubigers ausschließen, bietet für die Gläubiger wegen der geringen Konkursquoten keine entscheidenden Vorteile. Für sie kommt es vor allem darauf an, daß das Gesellschafterdarlehen überhaupt in die Aktivmasse kommt. Dafür genügt die Konkursanfechtung. Wegen der Möglichkeiten des Konkursanfechtungsrechts erscheint die von Karsten Schmidt geforderte Ausweitung des § 32a KO auf andere Rechtsfonnen entbehrlich33 • Karsten Schmidt begründet die Notwendigkeit der Ausweitung des § 32a KO mit dem Argument, es könne nicht dasselbe sein, ob die Mittel im Konkurs der Gesellschaft für die Befriedigung der Gesellschaft verwendet werden oder ob sie allen Gläubigem des Gesellschafters zur Verfügung stehen34• Dieses Argument ist für sich zutreffend, spricht aber nicht zwingend für eine Ausweitung des § 32a KO. Die Trennung der verschiedenen Vennögensmassen sicherzustellen, drohende Masseschmälerungen zu verhindern und gegebenenfalls rückgängig zu machen ist gerade Aufgabe des Konkursanfechtungsrechts. Daneben stützt Karsten Schmidt die Ausweitung des § 32a KO auf andere Rechtsformen mit einem erst-recht Schluß aus § 237 HGB: "Wenn schon zurückgewährte stille Einlagen (§ 237 HGB unmittelbar) und einfache Gesellschafterdarlehen (§ 237 HGB analog) in die Masse zurückgefordert werden können, dann kann für kapitalersetzende Kommanditistendarlehen nichts minderes gelten". Gerade dieses Argument zeigt aber, daß anfechtungsrechdiche Sanktionen - nämlich die analoge Anwendung des § 237 HGB - ausreichen3s•
32 Vg1. Karsten Schmidl, ZIP 1981, S. 689, 695, der in Anbetracht möglicher Beweisschierigkeiten bezüglich der eigenkapitalersetzenden Funktion eines Darlehens eine analoge Anwendung des § 237 HGB (§ 342 HGB a.F.) empfiehlt. 33 Vg1. oben Kapitel 5 n 2. 3( GmbHR 1986, S. 337 f. J5 GmbHR, 1986, S. 337, 342; Zu den Möglichkeiten einer analogen Anwendung des § 237 HGB siehe unten Kapitel 7 ff.
6. Kapitel
§ 237 HGB I. Einführung Nach § 237 HGB ist die innerhalb des letzten Jahres vor Konkurseröffnung vereinbarte Rückzahlung der Einlage an den stillen Gesellschafter anfechtbar, es sei denn, der Konkurs beruht auf Umständen, die erst nach der Vereinbarung eingetreten sind Subjektive Tatbestandsmerkmale enthält diese Vorschrift nicht. Vor allem in der gesellschaftsrechtlichen Literatur wird die analoge Anwendung des § 237 HGB auf alle - also auch auf nichtkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen befürwortet, um die Gleichbehandlung der Gläubiger sicherzustellen. Damit soll neben dem Recht der kapitalersetzenden Darlehen ein flankierender anfechtungsrechtlicher Schutz erreicht werdenl . Nach Karsten Schmidt bringt § 237 HGB ein für jede langfristige Fremdfinanzierung geltendes Prinzip zum Ausdruck; er will die Vorschrift daher auf alle langfristigen Darlehen anwenden, nicht nur auf Gesellschafterdarlehen2 • Weil Gesellschafterdarlehen oder - allgemeiner - "Insiderdarlehen" UnterflUle der hier untersuchten Insiderrechtshandlungen sind, soll § 237 HGB hier genauer untersucht werden. Die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 237 HGB hängt von dessen ratio legis und - eng damit verknüpft - von dessen anfechtungssystematischer Einordnung ab. Hierzu werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Einigkeit besteht nur darin, daß die rein objektive Anfechtbarkeit nach § 237 HGB mit der besonderen Insiderstellung des stillen Gesellschafters zusammenhängt. Der Vorteil des Stillen als "Insider", der darin besteht, daß er wegen besserer Einblicksmöglichkeiten sein Kapital rechtzeitig vor Konkurs in Sicherheit bringen kann, soll ausgeglichen, seine Teilnahme am Konkurs erzwungen werden3 •
Karsten Schmidt, ZIP 1981, S. 689, 691. SchJegelberger/Karsten Schmidt, HGB, § 342 (§ 237 n.F.) Rdnr. 34; Mrs. Gesellschaftsrecht, § 18 II 3 b, § 62 V 2 d. 3 Vgl. SchJegelberger/Karsten Schmidt, HGB, § 342 (§ 237 n.F.), Rdnr. 1; PauJick-Blaurock, Handbuch der stillen Gesellschaft, S. 333 f.; Elsing, GmbHR 1978, S. 103, 105 f. 1
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechnmgsrechts
11. Die systematische Einordnung des § 237 HGB in das Konkursanfechtungsrecht 1. Meinungsstand
Die anfechtungssystematische Einordnung des § 237 HGB ist umstritten, ihr Verhältnis zu anderen Anfechtungsnormen ungeklärt. Jaeger schreibt "Eine eigenartige Anfechtbarkeit sieht § 237 HGB vor. Sie steht selbstständig neben den Anfechtungsgründen der §§ 30 - 32 KO ... Sie beruht auf dem Gedanken, daß der stille Teilhaber in den Grenzen seiner Verlustbeteiligung nicht wie ein Darlehensgeber mit den Geschäftsgläubigern konkurriert, sondern eine Garantiehaft trägt"4. Träfe dies zu, wäre § 237 HGB kein "echter" Anfechtungstatbestand sondern eine gesellschaftsrechtliche Sanktionsnorm, vergleichbar dem § 32a KOS.
Daneben wird von einigen die Auffassung vertreten, § 237 HGB vermute unwiderleglich ein fraudulöses Zusammenwirken des Gemeinschuldners mit dem Stillen. Dann könnte man § 237 HGB als Sondertatbestand der Absichtsanfechtung ansehen6 • Andere betonen den rein objektiven Tatbestand des § 237 HGB, wonach diese Vorschrift einfach die Konsequenz daraus zieht, daß dem Unternehmen Fremdmittel zur Unzeit entzogen werden7 • Dadurch rückt § 30 mehr in systematische Nähe zur besonderen Konkursanfechtunt; auch die besondere Konkursanfechtung nach § 30 KO ist nur die Sanktion für masseschmälernde Rechtshandlungen zur Unzeit, d.h. zu einer Zeit, in der der Konkursgrund schon eingetreten war. Kohler hält den Konkursanfechtungstatbestand des § 237 HGB für ein "Mittelding" zwischen besonderer Konkursanfechtung und - wegen der fehlenden subjektiven Merkmale - Schenkungsanfechtung9 •
Jaeger, Lehrbuch, S. 151. Auch der Gesellschaftergläubiger, der ein eigenkapitalersetzendes Darlehen gewährt hat, konkurriert wegen seiner Darlehensforderung nicht mit den gewöhnlichen Konkursgläubigern, § 32aGmbHG. 6 GerhardJ, Gläubigeranfechnmg, S. 218. 7 Vor allem Karsten SchmidJ, ZHR 140 (1976), S. 475. a Vgl. Benne, Haftungsdurchgriff, S. 161. 9 Kohler, Leitfaden des Deutschen Konkursrechts, S. 72 f. (
S
6. Kap. § 237 HGB
79
2. Notwendigkeit einer systematischen Einordnung
Die Notwendigkeit einer systematischen Einordnung des § 237 HGB für die hier verfolgten Zwecke ist nicht unmittelbar einsichtig. Für die grundsätzliche Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 237 HGB auf Insiderdarlehen kommt es nicht auf dessen systematischen Einordnung an. Insoweit ist es irrelevant, ob § 237 HGB ein fraudulöses Zusammenwirken oder das erkennbare Vorliegen des Konkursgrundes vermutet. In beiden Fällen ist eine analoge Anwendung möglich, solange nur die allgemeinen Analogievoraussetzungen gegeben sind. Hier wird aber nicht nur untersucht, ob anfechtungsrechtliche Insidersanktionen grundsätzlich notwendig sind, sondern auch, welcher Anfechtungsgrund durch verschärfte Sanktionen wirksamer zur Geltung kommen muß lO• Von der systematischen Einordnung des § 237 HGB hängt dann ab, in welchem Bereich, z.B. Absichtsanfechtung oder besondere Konkursanfechtung, dessen analoge Anwendung in Betracht kommt Darüber hinaus bietet der Versuch einer systematischen Einordnung des § 237 HGB die Gelegenheit, den grundsätzlichen Unterschied zwischen Absichtsanfechtung und besonderer Konkursanfechtung einmal mehr herauszuarbeiten und beide Anfechtungsgründe gegeneinander abzugrenzen. Auch das ist ein Ziel dieser Arbeit 3. Versuch einer systematischen Einordnung
a) Vor allem von Jaeger wird die Auffassung vertreten, § 237 HGB beruhe auf dem Gedanken, daß der Stille in den Grenzen seiner Verlustbetei· ligung nicht wie ein gewöhnlicher Darlehensgeber mit den Geschäftsgläubigern konkurriere, sondern eine gewisse "Mithaft"n bzw. "Garantiehaft12" trage, die er nicht willkürlich vor dem Konkurs gegenstandslos machen dürfe l3 • Die Vertreter dieser Auffassung kommen daher im Wege teleologischer Reduktion zu dem Schluß, § 237 HGB erfasse - entgegen seinem Wortlaut - die zurückgezahlte Einlage nicht insgesamt, sondern nur in Höhe dessen Verlustbeteiligung. Im übrigen seien sie als "gewöhnliche Konkursgläubiger" nur den allgemeinen Anfechtungstatbeständen, §§ 30 ff. KO, unterworfen. Letztlich geht es um die Frage, ob es sich bei der Einlage des
V g1. oben Kapitel 2 11 2. Paulick-B/aurock, Handbuch der stillen Gesellschaft, § 18 m 2. 12 Jaeger, Lehrbuch, S. 151. 13 Paulick-B/aurock, Handbuch der stillen Gesellschaft, § 18 m 2; Jaeger, Lehrbuch, S. 151; WÜTdinger, JZ 1953, S. 226, 227; vg1. auch BGHZ 51, 350 ff. 10
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
Stillen um "haftendes" Kapital oder um Fremdkapital, nämlich eine besondere Form des Darlehens handeltl4. aa) Für den "Haftkapitalcharakter" der stillen Einlage, jedenfalls im Konkurs des Geschäftsinhabers, könnte die Entstehungsgeschichte der stillen Gesellschaft sprechen. Bei der Kodifizierung der stillen Gesellschaft orientierte sich der Gesetzgeber zunächst an der Kommanditgesellschaft. Hier wie dort kann die Einlage - Kommanditeinlage oder stille Einlage - jederzeit auch vor einer drohenden Insolvenz - zurückgezahlt werden. Einen Schutz zur Erhaltung des Kapitals gibt es nichtlS• Bei der KG führt die Rückzahlung der Kommanditeinlage allerdings nicht zu einem Erlöschen der Haftung, § 172 IV HGB. Im Recht der stillen Gesellschaft gibt es dagegen keine entsprechende Vorschrift Man könnte daher annehmen, § 237 HGB verfolge den Zweck, jedenfalls für Rückzahlungen, die innerhalb des letzten Jahres vor Konkurseröffnung vereinbart wurden, eine ähnliche Wirkung zu erzielen. So war auch noch in der 2. Lesung des ADHGB-Entwurfs eine grundsätzliche Risikobeteiligung des Stillen vorgesehen; dessen Anspruch auf Auszahlung von Gewinn und auf Rückzahlung der Einlage sollte im Konkurs des Geschäftsinhabers erst nach den anderen Konkursgläubigern befriedigt werden. Der Anfechtungstatbestand sollte verhindern, diese "Haftung" durch eine vorzeitige Rückzahlung der stillen Einlage zu umgehen l6. In der 3. Lesung distanzierte sich der Gesetzgeber ausdrücklich von dieser zu sehr an das Recht der KG angelehnten Konstruktion und betonte den rein obligatorischen Charakter der stillen Gesellschaftl7: "Wegen ihres Charakters als Innengesellschaft liegt zwischen den Gläubigern des Geschäftsinhabers und dem Stillen weder ein Schuld- noch ein Garantieverhältnis vor; nur das eine oder das andere kann aber die Begründung von Haftkapital bzw. die Annahme einer "Garantiehaft" rechtfertigen. Das Verhältnis zwischen dem Geschäftsinhaber und dem Stillen sei in keinem Falle von demjenigen verschieden, welches sich ergebe, wenn einem Kaufmanne das ... erforderliche Geld dargeliehen werde"l8. Auf dieser Überlegung beruht die heutige Fassung des § 237 HGB (243 ADHGB). Der Gesetzgeber wollte also die stille Einlage gerade nicht als "Haftkapital" verstanden wissen. bb) Der Wortlaut des § 237 HGB spricht ebenfalls gegen einen Haftkapitalcharakter der stillen Einlage. Wenn es sich bei der stillen Einlage in Höhe I. Ausführlich Karste" Schmidt, Die Kreditfunlaion der stillen Einlage, ZHR 140 (1976), s. 475 ff. m.w.N. IS Kritisch Karste" Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 IV 2; tkrs., JZ 1985, S. 302 ff. 16 Vgl. ADHGB-Protokolle, S. 4547. 17 Vgl. Karste" Schmidt, KTS 77, S. 14, 67; Koe"jgs, Die stille Gesellschaft, S. 318 f. (Fußn.200); ADHGB-Protokolle, S. 4548 ff. 1I ADHGB-ProlOkolle, S. 4549.
6. Kap. § 131 HGB
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der Verlustbeteiligung des Stillen um Haftkapital handelte, wäre die dargestellte, venneintlich teleologische Reduktion des § 237 HGB dahin, daß diese Vorschrift die zurückgezahlte Einlage nur in Höhe der Verlustbeteiligung erfasse19, konsequent Der Gesetzgeber, der die Möglichkeit einer Verlustbeteiligung nach Maßgabe individueller Vereinbarung vorsah, das Pr0blem also kannte, hat gleichwohl den § 237 HGB nicht auf die Verlustbeteiligung beschränkt. Für ein Redaktionsversehen bestehen keine Anhaltspunkte. § 237 HGB hat mit der möglichen Verlustbeteiligung des Stillen nichts zu tun. ce) Gegen den "Haftkapitalcharakter" der Einlage eines stillen Gesellschafters spricht weiterhin § 32a Abs. 3 GmbHG. § 32a Abs. 7 des Regierungsentwurfs zum GmbHG stellte die stille Beteiligung eines GmbH-Gesellschafters einem kapitalersetzenden Darlehen und damit Eigenkapital gleich, sofern die stille Beteiligung eigenkapitalersetzenden Charakter hafO. § 32a Abs. 7 des Regierungsentwurfs wird von der Generalklausei § 32a Abs. 3 GmbHG voll erfaße1• Für kapitalersetzende stille Einlagen ist § 32a Abs. 3 lex specialis gegenüber § 236 Abs. 1 HGB, dh. der Stille, dessen Einlage eigenkapitalersetzende Funktion hat, nimmt am Konkurs der "Geschäftsinhaber-GmbH" nicht teil 22• Der Gesetzgeber geht also davon aus, daß die stille Beteiligung eines GmbH-Gesellschafters an der GmbH nicht haftet, solange sie keinen eigenkapitalersetzenden Charakter hat. Die Beteiligung "gewöhnlicher Stiller", die nicht gleichzeitig GmbH-Gesellschafter sind, kann daher ebenfalls kein Eigenkapital bzw. Haftkapital sein. dd) Schließlich ist die Auffassung, es handele sich bei der stillen Einlage um "Haftkapital", mit § 237 Abs. 2 HGB nicht vereinbar; die dortige Differenzierung wäre unverständlich. Es ist nicht einzusehen, warum eine Haftung des Stillen sich nur auf Fälle, in denen sich der Konkurs bereits ein Jahr zuvor abzeichnete beschränken und nicht auch schnellere Zusammenbrüche erfassen soll. Die Auffassung, § 237 HGB bringe eine Garantiehaft des Stillen zum Ausdruck, ist daher abzulehnen.
Jaeger, Lehrbuch, S. 151. Zum Begriff des Eigenkapitalersatzes vgl. Hachenbl/Tg/Ulmer, §§ 32a, 32b Rdnr. 39 ff.; Karsten SchmidJ, Gesellschaftsrecht, § 31 IV 2. 21 Hachenblll"g/Ulmer, GrnbHG, §§ 32a,32b, Rdnm. 93, 94. 22 Vgl. BGH ZIP 1983, 561; Kamprad, Gesellschafterdarlehen, S. 42; Hachenburg/Ulmer, §§ 32a, 32b, Rdnr. 113; Andreas Müller, Regeht für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen und ihre Übertragbarkeit auf die AG, S. 81; Karsten SchmidJ, Gesellschaftsrecht, § 62 IV 1 c; Scholz/Karsten SchmidJ, GrnbHG, § 63 Rdnm. 109 ff. 19
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6 Killinger
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
b) Ebenfalls abzulehnen ist die Auffassung Kohler?, § 237 HGB sei ein "Mittelding" zwischen Schenkungsanfechtung und besonderer Konkursanfechtung. Die Rückzahlungsvereinbarung ist kein Schenkungsversprechen, ebensowenig ist die Rückzahlung eine unentgeltliche Zuwendung. Der Stille erhält nur, worauf er einen gesellschaftsvertraglichen Anspruch hat. Wegen der mit dem Geschäftsinhaber getroffenen Vereinbarung ist dieser Anspruch auch raIlig. Allein aus dem fehlenden subjektiven Tatbestand auf eine Nähe zur Schenkungsanfechwng zu schließen, kann daher nicht richtig sein. Ob "auf der anderen Seite" die Nähe zur besonderen Konkursanfechtung besteht, wird sogleich unter c. geprüft
c) Zu klären ist schließlich, ob die unwiderlegliche Vermutung eines fraudulösen Zusammenwirkens der ratio legis des § 237 HGB entspricht oder ob diese Vorschrift den Kapitalabzug zur Unzeit sanktionieren will. Im letzten Fall bestünden Gemeinsamkeiten mit der besonderen Konkursanfechtung. aa) Der Wortlaut des § 237 HGB läßt keinen eindeutigen Schluß auf dessen ratio legis zu. Mit den Tatbestandsmerkmalen vereinbar ist die Auffassung, § 237 HGB beruhe auf der Vermutung, der Konkursgrund habe bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung erkennbar vorgelegen und sei auch erkannt worden. Insbesondere die objektive Entlastungsmöglichkeit des § 237 Abs. 2 HGB, die eine Anfechwng ausschließt, wenn die Ursachen des Konkurses zum Zeitpunkt der Vereinbarung noch nicht vorlagen, spricht für diese Deutung. So interpretiert fügt sich § 237 HGB systematisch nahtlos in die besondere Konkursanfechtung ein, die ebenfalls masseschmälernde Rechtshandlungen sanktioniert, weil sie in Kenntnis des Konkursgrundes erfolgten. Mit dem Wortlaut vereinbar ist aber auch die Ansicht Gerhardts, § 237 HGB beruhe auf einem unwiderleglich vermuteten kollusiven Zusammenwirken des Geschäftsinhabers und des Stillen24• Unvertretbar ist es dagegen, § 237 HGB lediglich als Beweislastregelung für die Absichtsanfechtung anzusehen2S• § 237 HGB gestattet gerade nicht den Nachweis fehlender Benachteiligungsabsicht26• bb) Auch die Gesetzesmaterialien lassen keinen zwingenden Schluß auf die ratio legis zu. Die Auffassung, die historische ratio legis des § 237 HGB beruhe auf dem Verdacht, der Stille sei gegenüber den anderen Konkursgläubigern kollusiv bevorzugt worden, fmdet in den Gesetzesmaterialien nicht
23
Z4 2S 26
Leitfaden des Deutschen Konkursrechts, S. 72 f. GläubigeranfechtlUlg, S. 218. Nachweise bei Karste" Schmidt, KTS 1977, S. 67, Fußn. 162. Vgl. Karste" Schmidt, KTS 1977, S. 65,67; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 218 m.w.N.
6. Kap. § 237 HGB
83
in dem Maße Unterstützung, wie einige Stimmen in der Literatur meinen27 • In den ADHGB-Protokollen heißt es zwar, daß die Vorschrift "nur eine Präsumption des Betruges enthalte und auf Grund dieser Präsumption die Beweislast regele, hierdurch aber selbstverständlich von dem materiellen Rechte nichts geändert werde"28. In der betreffenden Passage der ADHGBProtokolle geht es aber um etwas ganz anderes, nämlich um einen Vorbehalt gläubigergünstiger landesrechtlicher Bestimmungen. Mit den zitierten Worten weisen einige Abgeordnete darauf hin, daß sich ein derartiger Vorbehalt (gläubigergünstiger landesrechtlicher Bestimmungen) "von selbst verstehe" und dessen Aufnahme ins Gesetz entbehrlich sei. An den maßgeblichen Stellen der ADHGB-Protokolle ist denn auch nur von einer "unzeitigen Rückzahlung" der Beteiligung die Rede29, nicht von einer Präsumption des Betruges. Die Gesetzesmaterialien bei HahnlMugdan enthalten ebenfalls keine Hinweise auf ein vermutetes betrügerisches Zusammenwirken30• Im Gegenteil; folgt man ihnen, liegt die Rechtfertigung des § 237 HGB darin, zu verhindern, daß der Stille seine Einlage zu einer Zeit abzieht, in der die Ursachen des späteren Konkurses bereits vorliegen. Das spricht für eine Interpretation als Tatbestand der besonderen Konkursanfechtung. Auch diese will verhindern, daß nach Vorliegen des Konkursgrundes masseschmälernde Rechtshandlungen vorgenommen werden. cc) Die Gesetzesmaterialien und der Wortlaut sprechen mehr für eine objektive Interpretation des § 237 HGB. Zwingend ist das aber nicht, zumal seit dem Erlaß der Vorschrift über 130 Jahre vergangen sind. Zu prüfen ist daher, ob mit Hilfe systematischer Erwägungen eine eindeutige systematische Einordnung des § 237 HGB möglich ist. (1) Einen Versuch der systematischen Einordnung des § 237 HGB unternimmt Gerhardf 1• Er sieht die materielle Rechtfertigung des Anfechtungsrechts in den Kriterien der Bösgläubigkeit des Erwerbers und der Unentgeltlichkeit des Erwerbs. In dieses Schema fügt sich § 237 HGB ohne weiteres ein, wenn man mit Gerhardt unterstellt, § 237 HGB beruhe auf einer unwiderleglichen Vermutung eines gläubigerbenachteiligenden Zusammenwirkens des Stillen mit dem Geschäftsinhaber32• Pfefferles Einwand, § 237 HGB sei wegen fehlender subjektiver Tatbestandsmerkmale nicht mit der "Unredlich-
'EI Gerhardt, Gläubigeranfechnmg, S. 218; Koenigs, Die stille Gesellschaft, S. 318; weilere Nachweise bei Karsten Schmidt, KTS 1977, S. 65,68. :m ADHGB-Protokolle, S. 4558 f. 29 ADHGB-Protokolle, S. 4549, 4557. 30 HahniMugdan, Materialien :rum HGB, S. 346. 31 GläubigeranfechtlDlg, S. 218. 32 GläubigeranfechtlDlg, S. 218.
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
keitstheorie"33 vereinbar, beruht auf einer petitio principii und kann nicht überzeugen 34• Gerhardts Verdienst war es gerade nachzuweisen, daß § 237 HGB trotz fehlender subjektiver Merkmale mit der Unredlichkeitstheorie vereinbar ist; Pfefferle behauptet das Gegenteil, ohne sich mit der Auffassung Gerhardts auseinanderzusetzen. Schon die Prämisse Gerhardts, das ganze Anfechtungsrecht beruhe auf den Kriterien der BösgIäubigkeit und Unentgeltlichkeit (Unredlichkeitstheorie) ist jedoch möglicherweise zu eng, weil sie nur die Seite des Empfängers der anfechtbaren Leistung berücksichtigt. Auch wenn man der Unredlichkeitstheorie grundsätzlich folgt, läßt sich § 237 HGB ohne weiteres mit § 30 KO, also mit der besonderen Konkursanfechtung, in Verbindung bringen. Nach Gerhardt kommt in § 30 KO die Unredlichkeitstheorie zum Ausdruck, weil die Anfechtung nur gegenüber einem unredlichen Empfänger möglich isfs. Ebensogut ließe sich daher vertreten, § 237 HGB vermute zwar nicht ein kollusives Zusammenwirlcen, wohl aber - wegen der Nähe des Stillen zum Unternehmen des Geschäftsinhabers - einen unredlichen Empfang der zurückgezahlten stillen Einlage. Selbst unter der Annahme, § 237 HGB vermute unwiderleglich ein kollusives Zusammenwirken, spräche dies nicht zwingend für dessen Nähe zur Absichtsanfechtung und gegen eine systematische Verwandschaft zur besonderen Konkursanfechtung. Genausogut ließe sich vertreten, auch § 30 KO vermute bei Rechtshandlungen, die in der Krise vorgenommen wurden, ein kollusives Zusammenwirlcen, wenn dem Anfechtungsgegner die Zahlungseinstellung bzw. Konkursantragstellung bekannt war. Diese Auffassung fände aber ebensowenig wie bei § 237 HGB im Wortlaut der Vorschrift eine Stütze36. Die "Unredlichkeitstheorie" ist also bei dem Versuch einer systematischen Einordnung des § 237 HGB wenig hilfreich. (2) § 237 HGB ist - ähnlich wie § 30 Nr. 2 KQ37 - ein anschauliches Beispiel dafür, wie leicht die Grenzen zwischen besonderer Konkursanfechtung und Absichtsanfechtung unkenntlich werden. Die Unterscheidung verschiedener Anfechtungsgründe ist vom Gesetzgeber gewollt und wird von der Literatur gebilligf8 • Sie soll im geplanten· Insolvenzrecht beibehalten
33 Der Ausdruck wurde von Canaris, 100 lahre KO, S. 73, 77 f., geprägL Gemeint ist damit die Auffassung, die die besondere Konkursanfechtung als Sanktion für unredliches Handeln verstehL 34 Konkursanfechtung und Rückschlagsperre, S. 54 f. 35 Gläubigeranfechtung, S. 216 f. 36 Hier zeigen sich deutliche Berührungspunkte zwischen Absichtsanfechtung und besonderer Konkursanfechtung. 37 Vgl. oben Kapitel 3 I 2 a bb. 31 Hahn, Materialien zur KO, S. 108 ff.; Jaeger, Lehrbuch, S. 141; BaurlStiirner, Rdnr. 1118.
6. Kap. § 237 HGB
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werden; das wird in der Begründung des Diskussionsentwurfs ausdrücklich betonf9• Die Unterscheidung zwischen besonderer Konkursanfechtung und Absichtsanfechtung darf daher nicht nur in der Theorie bestehen, sie muß auch normativ zum Ausdruck kommen. Gerade bei § 237 HGB lassen sich Die beiden genannten AnfechtungsgrüDde gut voneinander abgrenzen. Die Absichtsanfechtung verlangt eine Benachteiligungsabsicht beim Gemeinschuldner und deren Kenntnis beim Anfechtungsgegner. Bei der besonderen Konkursanfechtung kommt es dagegen nicht auf eine subjektive Einstellung des Gemeinschuldners an; sie wird ersetzt durch das objektiv erkennbare Vorliegen des Konkursgrundes. Beim Anfechtungsgegner wird hier, statt Kenntnis der Benachteiligungsabsicht, Kenntnis des Konkursgrundes gefordert. Es gibt Fälle, in denen eine BenachteiligungsabSicht sehr wahrscheinlich ist, insbesondere wenn der Konkursgrund bereits vorliegt und ein objektives Merkmal darauf hindeutet, daß der Anfechtungsgegner den Konkursgrund erkannt hat Ein solcher Fall ist auch die innerhalb des letzten Jahres vor Konkurseröffnung zwischen dem Geschäftsinhaber und dem Stillen vereinbarte Rückzahlung der stillen Einlage (Situation des § 237 HGB). In diesen Fällen ist eine widerlegliehe Vermutung der Benachteiligungsabsicht gerechtfertigt. Durch eine unwiderlegliche Vermutung einer Benachteiligungsabsicht, bzw. eines "fraudulösen Zusammenwirkens" würde der Unterschied zur besonderen Konkursanfechtung im objektiven Tatbestand unkenntlich. Was für einen Sinn aber hat die Unterscheidung zwischen besonderer Konkursanfechtung und Absichtsanfechtung, wenn die für die Absichtsanfechtung erforderliche Benachteiligungsabsicht unwiderleglich vermutet werden kann? Die unwiderlegliche Vermutung, also der Verzicht auf eine subjektive Entlastungsmöglichkeit bei der Benachteiligungsabsicht40, zeigt nur, daß es auf diese Absicht gar nicht mehr ankommt, wenn der Konkursgrund vorliegt. Letzteres wird aber durch den Entlastungsbeweis nach § 237 Abs. 2 HGB gewährleistet Es ist inkonsequent, einerseits der subjektiven Einstellung des Gemeinschuldners im Tatbestand jede Bedeutung abzusprechen, andererseits aber zu vertreten, die ratio legis des § 237 HGB beruhe gerade auf einer unwiderleglich vermuteten - Benachteiligungsabsicht. Tatbestand und ratio legis des § 237 HGB lassen sich nur harmonisieren, wenn man § 237 HGB systematisch als Sondertatbestand der besonderen Konkursanfechtung einordnet Für diese kommt es nach der ratio und nach deren Tatbestand (§ 30 Nr. 1 KO) nicht auf die subjektive Einstellung des Diskussionsentwurf, s. B113. Es geht hier nur um die Entlasnmgsmöglichkeit für die BenachteiliglDlgsabsicht, nicht für deren Kenntnis. 39
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
Gemeinschuldners an; ratio legis und Tatbestand stimmen also überein. § 237 HGB fügt sich in das Schema der besonderen Konkursanfechtung dogmatisch ohne weiteres ein: Es wurde bereits ·gezeigt, daß die besondere Konkursanfechtung nicht in jedem Fall und nicht notwendig erst in der Krise eingreifen muß41 • Das ist, wenn überhaupt. nur beim Grundtatbestand der besonderen Konkursanfechtung, § 30 Nr. 1 Halbs. 2 KO, gerechtfertigt Der Grundtatbestand wendet sich an alle Konkursgläubiger, also an Personen, die mit dem Gemeinschuldner nicht in einer näheren Beziehung stehen und daher den Konkursgrund oftmals erst spät erkennen. Aus Rechtssicherheitsgründen muß zusätzlich der Empfänger im Einzelfall unredlich gewesen sein42• § 237 HGB wendet sich dagegen an den Stillen, einen Insider. Dieser erkennt den Konkursgrund früher; § 237 HGB soll diesen Insidervorteil ausgleichen, deswegen die Jahresfrist und deswegen auch der Verzicht auf den individuellen Nachweis der Unredlichkeit. Das Vertrauen in die Solvenz des Geschäftsinhabers ist nicht schutzwürdig, weil der Stille als Insider regelmäßig gute Einblicksmöglichkeiten in dessen finanziellen Verhältnisse hat43 • § 237 Abs. 2 HGB reicht aus, die Anfechtbarkeit in den seltenen Fällen sehr plötzlicher und unvorhersehbarer Insolvenzen auszuschließen.
ill. Der Informationsvorsprung des Stillen Nur gestreift wurde bisher die Frage, warum es gerechtfertigt ist. die Kenntnis des Konkursgrundes bei § 237 HGB unwiderleglich zu vermuten. Das wird vor allem für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift wichtig. Einigkeit besteht. daß der Stille verglichen mit "gewöhnlichen" Konkursgläubigern bessere Einblicksmöglichkeiten in die finanziellen Verhältnisse des Geschäftsinhabers hat und daher einen nahenden Konkurs früher als dieser erkennen kann und auch eIkennt. Streitig ist dagegen, worauf der Informationsvorsprung beruht. Einige stellen vor allem auf die Informationsund Kontrollrechte ab44 • Für Koenigs sind dagegen die engen gesellschaftlichen Beziehungen zwischen dem Geschäftsinhaber und dem Stillen ent-
Oben Kapitel 4 m 2 Dabei ist es allerdings wegen der allgemeinen Zugänglichkeit der Insolvenzsignale gerechtfenigt, die Beweislast umzukehren. 43 Dazu sogleich unten m. 44 Vgl. Diiringer-Hachenburg-Flechlheim, HGB, § 342 (§ 237 n.F.), Anm. 1; SchJegelbergerlKarsten Schmidt, HGB, § 342 (§ 237 n.F.), Rdnr. 1. 41
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6. Kap. § 237 HGB
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scheidend4S • Beides greift möglicherweise zu kurz. Es kommt darauf an, aus welchen Informationsquellen der Stille üblicherweise Kennblis des nahenden Konkurses erhält Diese Informationsquellen müssen mit hinreichender Sicherheit bestehen und auch tatsächlich genutzt werden. Anderenfalls wäre die unwiderlegliche Vermutung der Kennblis des Konkursgrundes nicht zu rechtfertigen. Auf die "engen gesellschaftlichen Beziehungen" kann es nur ankommen, wenn die stille Gesellschaft nach dem gesetzlichen Leitbild oder ihrem tatsächlichen Erscheinungsbild derartige Beziehungen aufweist. Nach dem gesetzlichen Leitbild hat die stille Gesellschaft vor allem Kapitalanlagefunktion46 • Enge gesellschaftliche Beziehungen bestehen dann nicht. Auch ein typisches tatsächliches Erscheinungsbild der stillen Gesellschaft, das diese Beziehungen zwischen dem Geschäftsinhaber und dem Stillen aufweist, gibt es nicht. Im Gegenteil; die Erscheinungsformen sind mannigfaltig und reichen von reiner Kapitalanlage bis hin zur echten Mituntemehmerschaft47 • Von engen gesellschaftlichen Beziehungen kann nur im letzten Fall gesprochen werden. Gleichwohl erfaßt § 237 HGB alle angesprochenen Fälle, also auch die vom Gesetzgeber als Normalfall angesehenen Fälle reiner Kapitalanlage. Auf enge gesellschaftliche Beziehungen zwischen dem Stillen und dem Geschäftsinhaber kann es daher nicht entscheidend ankommen. Wichtig sind dagegen die Kontroll- und Informationsrechte nach § 233 HGB, die jeder Stille, auch der nur kapitalanlegerisch beteiligte, hat. Auch das reicht aber allein nicht aus. Wegen der fehlenden subjektiven Entlastungsmöglichkeit muß die tatsächliche Inanspruchnahme dieser oder anderer Informationsquellen hinreichend sichergestellt sein. Wichtig ist daher auch das mit der stillen Beteiligung verbundene Verlustrisiko. Dieses besteht auch ohne besondere Verlustbeteiligung des Stillen, denn § 236 Abs. 1 HGB gestattet zwar seine Teilnahme am Konkurs, führt aber nur zu einer Befriedigung nach Maßgabe der meist geringen Quote, wenn überhaupt ein Konkursverfahren durchgeführt wird Wichtig ist weiter das Charakteristikum der stillen Gesellschaft, die unverzichtbare Gewinnbeteiligung des Stillen48 • Bevor der Geschäftsinhaber in Konkurs fällt, ist er meist schon eine ganze Weile nicht mehr in der Lage, Gewinne auszuschütten. Dadurch wird der Stille frühzeitig auf fmanzielle Engpässe des Geschäftsinhabers und späteren Gemeinschuldners hingewiesen. Er wird dann seine Informationsrechte ver-
4S Die stille Gesellschaft, S. 345. Was Koenigs genau unter einer engen gesellschaftlichen Beziehung versteht, wird nicht ganz deutlich. 016 Karsten SchmidJ, Gesellschaftsrecht, § 62 I 2. 1;/ Nachweise in OB 1976, 1705. 41 Vgl. Karsten SchmidJ, Gesellschaftsrecht, § 62 nie.
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechtungsrechts
stäIkt nutzen. Wichtig ist auch die Langfristigkeit der stillen Beteiligung. Die stille Beteiligung ist typischerweise und nach dem gesetzlichen Leitbild eine Form langfristiger Kapitalanlage49• Langfristige Fremdfinanzierung ist regelmäßig mit besonderen Informationsmöglichkeiten verbundenso. Insbesondere tritt im Laufe der Zeit eine Vertrautheit mit den Gepflogenheiten des Geschäftsinhabers ein, die den Stillen in die Lage versetzt, aus Verhaltensänderungen auf einen drohenden Konkurs, zumindest auf finanzielle Schwierigkeiten zu schließen. Auch dann wird er sich verstäIkt um weitere Informationen bemühen. Schließlich spricht auch das von § 237 HGB sanktionierte Verhalten, nämlich die Vereinbarung einer Rückzahlung innerhalb des letzten Jahres vor Konkurseröffnung, für eine Kenntnis des Konkursgrundes. Erst das Zusammenspiel dieser verschiedenen Informationsquellen garantiert einen hohen Informationsstand. Der Stille, der die kritische finanzielle Lage der Gesellschaft kennt, aber auch derjenige, der diese nicht kennt, aufgrund seiner Informations- und Kontrollrechte aber erkennen müßte, hat keinen Grund, der Leistungsfähigkeit des Gemeinschuldners zu vertrauen. Er hat folglich auch keinen Grund, darauf zu vertrauen, die unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz an ihn zurückgezahlte (oder besicherte) Einlage zu Lasten der übrigen Konkursgläubiger behalten zu dürfen. Vertraute er gleichwohl "blind", so ist ein Schutz dieses Vertrauens aus Gründen der Rechtssicherheit nicht geboten. Die Rechtsordnung hat nur dann Anlaß, Vertrauensschutz zu gewähren, wenn sich das Vertrauen auf eine objektive Grundlage stützen kann51 •
IV. Analoge Anwendung des § 237 HGB Die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 237 HGB wird unten für die verschiedenen Insidergruppen im Einzelfall geprüftS~ hier seien nur einige grundsätzliche Anmerkungen erlaubt. Der Charakter als "Ausnahmevorschrift" schließt die analoge Anwendung des § 237 HGB nicht aus, sondern schränkt diese lediglich eins3. Es kommt darauf an, ob im Einzelfall
Karsten Schmidl, Gesellschaftsrecht, § 62 V 2 d. so Karsten Schmidl, Gesellschaftsrecht, § 18 11 3 b. 51 Vgl. Canaris, Vertrauenshafnmg, S. 491; Pfefferle, Konkursanfechtung und Rüchschlagsperre, S. 58 ff, 117; ders. ZIP 1984, S. 147 ff. 52 Unten in den Kapiteln 7 ff. 53 Karsten Schmidl, KTS 1977, S. 65, 71. .9
6. Kap. § '137 HGB
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eine Regelungslücke vorliegt und ob § 237 HGB nach seinem Sinn und Zweck geeignet ist, in analoger Anwendung diese Regelungslücke zu ausfüllen. Weil § 237 HGB den Informationsvorsprung des Stillen auszugleichen soll, muß derjenige, der von einer analogen Anwendung betroffen wäre, mit mindestens gleicher Wahrscheinlichkeit das Vorliegen des Konkursgrundes kennen, also einen vergleichbaren Informationsvorsprung haben. Dabei ist es gleichgültig, ob einzelne der oben dargelegten Merkmale, die den Informationsvorsprung des Stillen begründen, fehlen. Diese Merkmale sind nur austauschbare Indizien für den gesicherten Informationsvorsprung.
v. Reformwünsche bei § 237 HGB Zu bemängeln ist das Anknüpfen der Jahresfrist an die Konkurseröffnun!f4. Dadurch hängt die Anfechtungsmöglichkeit im Einzelfall von der sehr unterschiedlichen Dauer des Eröffnungsverfahrens ab. Das kann im Einzelfall unbillig sein. Gleiches, nämlich Einlagenrückzahlungen z.B. 11 Monate vor dem Konkursantrag, wird ungleich behandelt, je nachdem ob der Konkursrichter das Verfahren innerhalb eines Monats nach Antragstellung eröffnet oder nicht Außerdem verleitet diese Anknüpfung dazu, die Dauer des Eröffnungsverfahrens zu beeinflussen. Besser wäre daher ein Anknüpfen an den Konkursantrag, wie es der Diskussionsentwurf auch vorsieht, § 141 EInsO. Darüber hinaus sollte man alternativ auch eine Anknüpfung an die nach § 147 EInsO einheitlich festzustellende - Zahlungsunfahigkeit überlegen, weil auch die Antragstellung manipulativ verzögert werden kann 55• Karsten Schmidt erwägt daneben, den anfechtungsrelevanten Jahreszeitraum des § 237 HGB zu verlängern. Bereits durch die Veränderung des Anknüpfungspunktes in der eben geschilderten Weise wird eine im Einzelfall nicht unerhebliche Verlängerung erreicht Ob darüber hinaus noch eine Fristverlängerung gerechtfertigt ist, hängt davon ab, wie lange vor Antragstellung der Konkursgrund regelmäßig vorliegt und dem Stillen erkennbar ist. Das wird für andere Insider unten genauer untersucht.
De lege ferenda sollte auch die einseitig mittels Kündigung durchgesetzte Rückzahlung oder Besicherung der stillen Einlage erfaßt werden. Die ratio legis, der Ausgleich des Informationsvorsprungs, verlangt keine Beschränkung auf einen vereinbarten Kapitalabzug. Der innerhalb des letzten Jahres
54
55
Vgl. Schlege/berger/Karsten Schmidt, HGB, § 342 (§ 237 n.F.), Rdnr. 7. Vgl. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrec:ht, § 37 IV 4, Beispielsfall Nr. 36.
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1. Teil. Analyse des Konkursanfechnmgsrechts
vor Konkurseröffnung bzw. AntragsteIlung einseitig durchgesetzte Kapitalabzug weckt in gleichem Maße wie der beiderseitig vereinbarte Kapitalabzug den Verdacht, daß der Stille den Konkursgrund erkannt hat.
Zweiter Teil
Verschärfte anfechtungsrechtliche Sanktionen gegen einzelne Insidergruppen
7. Kapitel
Unternehmerisch beteiligte Gesellschafter der GmbH Verschärfte anfechtungsrechtliche Sanktionen werden in Rechtsprechung und Literatur bisher fast ausschließlich für Rechtshandlungen im Verhältnis einer Gesellschaft zu deren Gesellschaftern diskutiert. Gemeinsam ist den Gesellschaftern deren Beteiligung am Gesellschaftsvermögen und am Gewinn und Verlust der Gesellschaft. Gemeinsames Merkmal der Gesellschafter ist weiterhin deren gesetzliches I nformationsrecht1, dessen Umfang allerdings je nach Rechtsform der Gesellschaft sehr unterschiedlich ist Gemeinsames Merkmal der Gesellschafter ist schließlich deren im einzelnen unterschiedlicher Einfluß auf die Geschäftsleitung; in zahlreichen Fällen ist der Gesellschafter auch Mitglied der Geschäftsleitung. Wegen dieser Unterschiede können rechtsformabhängig unterschiedliche anfechtungsrechtliche Sanktionen geboten sein. Es empfiehlt sich daher eine nach der Rechtsform der Gesellschaft differenzierte Untersuchung. Dabei soll mit der GmbH begonnen werden, weil die GmbH die meistverbreitete Rechtsform ist und deshalb Rechtsprechung und Literatur zur Frage verschärfter anfechtungsrechtlichen Sanktionen am reichhaltigsten sind. Bei der GmbH ist auch das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen am weitesten entwickelt. Die zahlreichen Berührungspunkte und möglichen Überschneidungen mit dem Konkursanfechtungsrecht lassen sich hier am anschaulichsten darstellen. Auch die GmbH-Gesellschafter sind aber keine homogene Insidergruppe. Zwischen ihnen bestehen hinsichtlich ihres Informationsgrades und ihres Einflußes auf die Unternehmensleitung wesentliche
I
1 a.
Vgl. zum Infonnationsrecht der Gesellschafter Karste1l Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 III
92
2. Teil. Insidersaoktionen im einzelnen
Unterschiede, die für die Notwendigkeit verschärfter anfechtungsrechtlicher Sanktionen von Bedeutung sind. Die GmbH-Gesellschafter werden daher in "unternehmerisch beteiligte" und "nicht unternehmerisch beteiligte" Gesellschafter unterteilf.
I. Überblick über Rechtsprechung, Literatur und Diskussionsentwurf Rechtsprechung und L.iteratur haben sich vor allem mit verschärften anfechtungsrechtlichen Sanktionen für Rechtshandlungen zwischen der Gesellschaft und nahen Angehörigen der Gesellschafter befaßt und die Lösung durch "erst-recht-Schluß" auf Rechtshandlungen im Verhältnis der Gesellschaft zu deren Gesellschaftern übertragen. Dieses Vorgehen ist zu bemängeln, weil zwischen beiden Gruppen erhebliche Unterschiede bestehen. Hier wird deshalb die Notwendigkeit verschärfter anfechtungsrechtlicher Sanktionen für beide Gruppen getrennt untersucht. Der Überblick orientiert sich jedoch an Literatur und Rechtsprechung und stellt daher beides zusammen dar. 1. Rechtsprechung
a) Die Rechtsprechung befaßt sich vor allem mit der analogen Anwendung des § 31 Nr. 2 KO. Eine Entscheidung des Kammergerichts aus dem Jahr 1931 betraf eine Einmann-GmbH, die mit nahen Angehörigen des Alleingesellschafters einen unmittelbar benachteiligenden Vertrag geschlossen hatte3 • Das Kammergericht erklärte den § 31 Nr. 2 KO für anwendbar, wenn die Gemeinschuldnerin eine Einmann-GmbH ist: Die Wirkung eines die Voraussetzungen des § 31 Nr 2 KO im übrigen erfüllenden Vertrages im Verhältnis zu den geschädigten Gläubigern sei die gleiche wie wenn eine physische Person den Vertrag geschlossen hätte. Daher liefe es Sinn und Zweck zuwider, wenn man bei einer derartigen Sachlage die Anwendung der Gesetzesbestimmung wegen ihrer nicht dem unmittelbaren Wortsinne nach erfüllten Voraussetzungen für unzulässig halten wollte.
2 3
Zur Abgrenzung siehe IDlten KG KuT 1931, S. 158.
n 1.
7. Kap. Sanktionen gegen GmbH-Gesellschafter
93
Wichtig war die Entscheidung BGHZ 58, 20, die eine analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO auf eine GmbH mit zwei Gesellschafter betraf. Die GmbH hatte vor Eröffnung des Konkursverfahrens eine Planierraupe und Büromöbel an eine oHG verkauft bzw. sicherungsübereignet sowie 60.000 DM an diese gezahlt. Der alleingeschäftsführende Gesellschafter der GmbH war zugleich Gesellschafter der oHG. Eine Gleichsetzung der GmbH mit deren Gesellschaftern, also einen "Durchgriff, hält der Bundesgerichtshof nur bei der Einmann-GmbH für möglich. Statt dessen begründet er die analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO mit dessen Sinn und Zweck. "Die Gesellschafter einer GmbH sind bei nahender Krise der Gesellschaft in gleicher Weise der Versuchung ausgesetzt, Vennögen der Gesellschaft durch Vermittlung ihrer Angehörigen zum Nachteil der Gläubiger in Sicherheit zu bringen wie eine natürliche Person bei nahender Krise ihres eigenen Unternehmens". Als Maßstab dafür, in welchen Grenzen die analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO auf die GmbH möglich ist, hat der Bundesgerichtshof auf § 108 Abs. 2 Vergl zurückgegriffen. Nach dieser Vorschrift gelten im Vergleichsverfahren über das Vennögen einer GmbH die Gesellschafter und deren nahe Angehörige als "nahe Angehörige" der GmbW. In einem obiter dictum läßt der Bundesgerichtshof schließlich die Frage offen, ob eine analoge Anwendung auch dann in Betracht kommt, wenn der Gesellschafter in der GmbH nur eine untergeordnete Rolle spielt. Bei einem spiegelbildlichen Sachverhalt, den der Bundesgerichtshof in jüngerer Zeit zu entscheiden hatte, bestätigte der Bundesgerichtshof die eben genannte Entscheidung'. In einer anderen Entscheidung grenzt der Bundesgerichtshof den Bereich der analogen Anwendbarkeit des § 31 Nr. 2 KO genauer ab6: Bei Rechtsgeschäften zweier nicht miteinander verwandter Gesellschafter einer GmbH hielt er die Analogie für unzulässig7 • Das begründet er - im Anschluß an BGHZ 58, 20 konsequent - mit Sinn und Zweck des § 31 Nr. 2 KO: es fehle zwischen zwei Gesellschaftern an einer vennögensmäßigen Verknüpfung. Kein Gesellschafter könne sich anband des Gesellschaftsvertrags Einblick in die Vennögensverhälblisse des anderen verschaffen. Die Voraussetzungen der Vennutung des § 31 Nr. 2 KO seien also nicht gegeben. Als weiteres Argument zieht der Bundesgerichtshof - im Anschluß an BGHZ 58, 20 ebenfalls konsequent - § 108 Abs. 2 VerglO heran, diesmal zur negativen Abgrenzung, weil auch in dieser Vorschrift Gesellschafter untereinander nicht als nahe
( Diese Fiktion ist für die in § 4 Abs. 1 Nr. 3 VerglO geregelte Pflicht des Vergleichsschuldners, bestinunte Geschäfte mit nahen Angehörigen offenzulegen, wichtig. s BGHZ 96, 352 = ZIP 1986, S. 170; ähnlich aus jüngster Zeit OW Hamm. ZIP 1986, S.
1478. 6
7
BGH NJW 1975, S. 2193. BGH NJW 1975, S. 2193, Abgrenzung zu BGHZ 58,20.
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2. Teil. Insidersanktionen im einzelnen
Angehörige gelten. Da der Gesetzgeber § 108 Abs. 2 VerglO in Kenntnis des hinsichtlich juristischer Personen unzureichenden § 31 Nr. 2 KO in die VerglO aufgenommen habe, ließe sich daraus .auf die vom Gesetzgeber gewollten Grenzen einer rechtsähnlichen Anwendung des § 31 Nr. 2 KO für das gesamte Insolvenzrecht schließen. b) Beweiserleichterungen für Rechtshandlungen mit Insidern bei der Anwendung des § 31 Nr. 1 KO lehnt der Bundesgerichtshof ab. Eine GmbH hatte dem Alleingesellschafter sein Gesellschafterdarlehen bei Fälligkeit zurückgezahlt. Schon zu diesem Zeitpunkt war das Stammkapital nicht mehr vollständig vorhanden. Zwei Jahre später fiel die GmbH in Konkurs8 • Der Bundesgerichtshof hat sich mit dem damals noch weniger entwickelten Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen nicht auseinandergesetzt. Eine analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO kam nicht in Betracht, weil die Rückzahlung vor der maßgeblichen Jahresfrist erfolgte9. Es ging daher um § 31 Nr. 1 KO. Da an den Nachweis der Benachteiligungsabsicht bei inkongruenten Deckungen geringere Anforderungen gestellt werden, wurde das geprüft Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs - und entgegen der Auffassung der Revision ist die Befriedigung einer fälligen Forderung nicht deswegen inkongruent, weil das Gesellschaftsvermögen nicht die Höhe des Stammkapitals erreicht. Im übrigen lehnte der Bundesgerichtshof verschärfte anfechtungsrechtliche Sanktionen ab: Ein Gesellschaftergläubiger könne bei der Anfechtung nicht allein deshalb, weil er Alleingesellschafter sei, anders behandelt werden, als ein sonstiger Gläubiger. Eine andere Lösung liefe auf einen unzulässigen Haftungsdurchgriff hinaus.
2. Literatur
a) Für Rechtshandlungen im Verhälblis GmbH/nahe Angehörige der Gesellschafter werden verschärfte anfechtungsrechtliche Sanktionen in der Literatur seit langem gefordert, und zwar überwiegend durch analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO. Früher wurde meist vom wirtschaftlichen Ergebnis her argumentiert, ohne sich mit Sinn und Zweck der Vorschrift näher auseinanderzusetzen. "Ob ein Einzelkaufmann, die Gesellschafter einer oHG oder der oder die Gesellschaf-
• BGH NJW 1969, S. 1719. 9 Das übersieht PlaNkr, GrnbHR 1972, S. 121, 125, der die Nichtanwendung des § 31 Nr. 2 KO kritisien.
7. Kap. Sanktionen gegen GmbH-Gesellschafter
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ter einer juristischen Person einem Verwandten Vermögensstücke (des Unternehmens) in die Hand spielen, jedesmal sind es die tatsächlich Berechtigten, die ihrer Verfügung unterliegendes Vermögen zum Schaden der Gläubiger Verwandten überlassen" 10. Als Haupthindernis für die Anwendung des § 31 Nr. 2 KO wird die rechtliche Trennung zwischen natürlicher und juristischer Person angesehenll • Folglich gilt die Aufmerksamkeit der Frage, wie diese "Kluft zu überbrücken" ist, um eine sachlich nicht gerechtfertigte Privilegierung der juristischen Person zu vermeiden. Dieser "Durchgriff' wird unterschiedlich begründd 2• Insoweit wird vor allem auf die reichsgerichtliche Rechtsprechung in anderen Bereichen und auf den in Anschluß an das österreichische Recht neugeschaffenen § 108 Abs. 2 VerglO verwiesen 13 • Die "Durchgriffslösung" findet bei der Einmann-GmbH bis heute Zustimmung14• Für die Mehrpersonen-GmbH blieb sie umstritten1S • Heute wird die analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO meist nicht mehr als "Durchgrijfsproblem" sondern als "Normanwendungsproblem" gesehen16: Die Norm beruhe auf der Überlegung, daß nahe Angehörige die wirtschaftlichen Verhältnisse des Gemeinschuldners kennen, daher seine Absichten durchschauen und wegen ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Verbundenheit zum Schuldner eher bereit sind, zum Schaden seiner Gläubiger Verträge abzuschließen17• Dieser Verdacht, daß unmittelbar benachteiligende Verträge zwischen dem Gemeinschuldner und einem nahen Angehörigen innerhalb des letzten J abres mit Benachteiligungsabsicht geschlossen wurden, träfe bei Verträgen einer GmbH mit nahen Angehörigen eines Gesellschafters ebenso ZU18 •
Wassertrüdinger, LZ 1926, Sp. 581. Wassertrüdinger, LZ 1926, Sp. 581; Scholz, IW 1935, S. 1520, 1522. 12 Der Richter hat aber vor der juristischen Konstruktion die Wirlc1ichkeit des Lebens und die Macht der Tatsachen zu berücksichtigen", RGZ 99, 234. Vgl. auch Schumacher, IW 1937, S. 282, 284; Scholz, IW 1935, S. 1520, 1522; Wassertrüdinger, LZ 1926, Sp. 581 ff. 13 Wassertrüdinger, LZ 1926, Sp. 581, 583 ff.; Scholz, IW 1935, S. 1520, 1522. 14 Vgl. Jaeger, KO 6{l Aufl., § 31 Rdnr. 30; KIIhnIUhlenbruck, KO, § 31 Rdnr. 24, ScholzlKarsten SclrmidJ, GmbHG, § 63 Rdnr. 56; Schilling, 12 1953, S. 161 C.; Lent, KTS 1958, S. 129,132; auch BGHZ 58, 20. 15 Für einen Durchgriff Scholz, IW 1935, S. 1520, 1522; Lent, KTS 1958, S. 129, 132. Gegen einen Durchgriff Jaeger, KO 6{l Aufl., § 31 Rdnr. 30; Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, S. 42 ff. 16 Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, S. 38, 42 ff., Karsten SclrmidJ, Gesellschaftsrecht, § 9 III 2 d; Fehl, ZGR 1978, S. 725, 742 17 Lent, KTS 1958, S. 129; Plander, GmbHR 1972, S. 121, 123; Uhlenbruck, Insolvenzrechtliche Insiderregeln, GmbHR 1986, S. 109, 110. 11 Vgl. Plander, GmbHR 1972, S. 121 ff.; Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 42 ff.; Uhlenbruck, GmbHR, 1986 S. 109 ff.; KIIhnIUhlenbruck, KO, § 31 Rdnr. 24; JaegerlLent, KO, § 31 Rdnr. 30; zustimmend auch Karsten SclrmidJ, Gesellschaftsrecht, § 9 III 2 d; Immenga, GmbHR 1972, S. 258, 260 f. 10
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2. Teil. Insidersanktionen im einzelnen
Unterschiedlich wird bewteilt, ob die analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO vom Umfang der Beteiligung abhängen SOll19. Die Gegner einer Einschränkung sind der Auffassung, Kenntnis und wirtschaftliche Verbundenheit lägen in jedem Falle vor, außerdem würde diese Unterscheidung die Analogie von sehr "ungewissen Momenten" abhängig machen20• Umstritten ist auch der Hinweis auf § 108 Abs. 2 VerglO zur Rechtfertigung und Begrenzung der analogen Anwendung des § 31 Nr. 2 KOZ1. Für Scfwlz verkörpert diese Vorschrift die fortschrittliche Entwicklung des Insolvenzrechts und ist daher für das ganze Insolvenzrecht zu verallgemeinern22• Plander hält § 108 Abs. 2 VerglO für eine rein verfahrensrechtliche Vorschrift, der keine Bedeutung im Anfechtungsrecht zukomme; außerdem könne die Zulässigkeit einer Analogie nicht von einer spezialgesetzlichen Ermächtigung abhängenD. Schließlich sei der von § 108 Abs. 2 VerglO erfaßte Kreis teils zu weit, weil auch ausgeschiedene Gesellschafter erfaßt würden, teils zu eng, weil Geschäftsführer nicht darunter fielen 24• Auch für Rechtshandlungen im Verhältnis GmbH/Gesellschafter wird eine analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO von vielen befürwortet und meist mit einem erst-recht-Schluß begründetlS: Wenn schon Verträge mit den nahen Angehörigen der Gesellschafter nach § 31 Nr. 2 KO anfechtbar sind, müßten Verträge der Gesellschaft mit einem der Gesellschafter erst recht anfechtbar sein. Die Kenntnis der wirtschaftlichen Verhältnisse sei nicht nur wie bei nahen Angehörigen in aller Regel, sondern stets vorhanden. Ebenso sei die Bereitschaft, zum Nachteil der Gläubiger Verträge abzuschließen, noch größer, weil kein naher Angehöriger beteiligt zu werden brauche26•
Vgl. z.B. Scholz/Karslen SchmidJ, GrnbHG, § 63 Rdnr. 31. Plander, GrnbHR 1972, S. 121, 124; Le1Jl, KTS 1958, S. 129; Scholz, IW 1935, S. 1520, 1522. 21 Vgl. BGHZ 58, 20, 24; BGHZ 96, 352,357; BGH NIW 1975, S. 2193; Scholz, IW 1935, S. 1520, 1523; Kaller, KTS 195, S. 60; Jaeger/Le1Jl, KO, § 31 Rdnr. 30; KuhnlUhlenbruck, KO, § 31 Rdnr. 25; Bley/Mohrbllller, VerglO, § 108 Rdnr. 16; Plander, GrnbHR 1972, S. 121 ff.; tiers., NIW 1976, S. 739 ff.; Wilhelm, Rechtsfonn IDId Hafwng bei der juristischen Person, S. 43; FeItl, ZGR 1978, S. 725,729. 22 "Neuer Geist hat in alte Nonnen zu fließen", Scholz, IW 1935, S. 1520, 1522 f.; ihm folgend Kaller, KTS 1955, S. 58. 13 P/ander, NIW 1976, S. 739 f.; tiers. GrnbHR 1972, S. 121 ff.; ihm folgend Fehl, ZGR 1978, S. 725, 729; Wilhelm, Rechtsfonn IDId Haftung, S. 43. 24 Plander, NIW 1976, S. 738, 741. 25 Vgl. KuhnlUhlenbruck., KO, § 31 Rdnr. 24, 25; Jaeger/Le1Jl, KO, § 31 Rdnr. 30; Scholz, IW 1935, S. 1520, 1522 f.; Plander, GrnbHR, 1972, S. 121, 125 f.; für den Spezialfall der Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen bejaht auch /1M'IIInga die Analogie, hält allerdings die analoge Anwendung des § 237 HGB für noch näherliegend, GmbHR 1970, S. 258, 261. 26 Plander, GrnbHR 1972, S. 121, 125 f. 19
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7. Kap. Sanktionen gegen GmbH-Gesellschafter
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b) Fehl, der die Anwendung des § 31 Nr. 2 KO hier für ausgeschlossen hält, weil es an einem typischen Familiengeschäfte fehlt, bejaht eine Beweiserleichterung bei § 31 Nr. 1 KO Zl : Für den Fall, daß der alleingeschäftsführende Gesellschafter Vermögenswerte der GmbH auf sich übertrage, aber auch, wenn alle Gesellschafter untereinander nahe Angehörige seien, sei das Geschäft "beweislastmqßig als Insichgeschiift" zu beurteilen28 • Wenn der Mehrheitsgesellschafter einer GmbH wegen seiner beherrschenden Stellung in der Gesellschaft die Möglichkeit der Kontrolle und Einflußnahme auf die Geschäftsführung habe, bejaht Fehl eine Beweiserleichterung für die von § 31 Nr. 1 KO geforderte Unredlichkeit mit Hilfe des Anscheinsbeweises. c) Für den Unterfall des Gesellschafterdarlehens werden von großen Teilen der gesellschaftsrechtlichen Literatur verschärfte anfechtungsrechtliche Sanktionen durch analoge Anwendung des § 237 HGB gefordert29 • Dabei handelt es sich um ein "Nebenprodukt" der umfangreichen gesellschaftsrechtlichen Literatur zur Entwicklung und Abgrenzung des Rechts der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen. Noch aus dessen Entwicklungszeit stammen Vorschläge, die alle, also auch eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen, verschärften konkursanfechtungsrechtlichen Sanktionen unterwerfen wollen 30• Man verwies darauf, daß der vorzeitige Abzug der Mittel wegen der Insiderkenntnisse des Gesellschafters gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße3l • Den Vertretern dieser Auffassung ging es nur darum, zu verhindern, daß die Gesellschafter ihre Darlehen unter Ausnutzen ihres Informationsvorsprungs vor dem Konkurs zu Lasten der Masse und damit der anderen Konkursgläubiger abziehen. Zu diesem Zweck wurde die analoge Anwendung des § 237
ZGR 1978, S. 725,729. Vgl. zur Argumentation FehJs oben Kapite13 12 a aa. "Eine etwaige Gläubigerbenachteiligungsabsicht, die dem Gesellschafter als Mitglied der Gesellschaft zugerechnet wird, muß er sich auch als Vertragspartner der GmbH entgegenhalten lassen", ZGR 1978, S. 725, 733 Fußn. 29. 29 Vgl. Wiedema1l1l, Haftung, S. 29; S01l1leMerger, NJW 1969, S. 2033, Steindorff, ZHR 132 (1969), S. 281; S. 2036; Karsten SchnUdt, ZHR 140 (1976) S. 490 f.; ders., ZIP 1981, S. 689, 697; SchJegelbergerlKarsten SchnUdt, HGB, § 342 (§ 237 n.F.), Rdnr. 34; BaumbachlHUI!ck, GmbHG, § 32a Rdm. 9; Haaclc, Konkursgnmd, S. 138; Andreas Müller, Regeln für eigenkapitalersetzende Darlehen, S. 75 f.; Elsing, GmbHR 1978, S. 103 ff.; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 415 ff.; kritisch HachenburglUbMr, GmbHG, §§ 32a, 32b Rdnr. 19; Ulmer, FS Duden, S. 673 Fn. 40; ablehnend Kollhosser, WM 1985, S. 929, 933 f. 30 Westermann, Gläubigerschutz, S. 36; Haaclc, Konkursgrund, S. 138 ff. Benne setzt sich ebenfalls für einheitliche anfechtungsrechtliche Sanktionen durch analoge Anwendung des § 237 HGB ein. Seiner Meinung ist ein durch das Recht der kapitalersetzenden Darlehen erstrebter Rangrucktritt angesichts der ohnehin geringen Konkursquoten mmötig, Haftungsdurchgriff, S. 187 ff. 31 Westermann, Gläubigerschutz, S. 36. 'EI 21
7 Killinger
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2. Teil. Insidersanktionen im einzelnen
HGB empfohlen, weil die Stellung des Stillen der Stellung eines darlehensgebenden Gesellschafters vergleichbar sein. Gesellschaftsrechtliche Sanktionen, d.h. die Gleichstellung der Gesellschafterdarlehen mit haftendem Kapital, wurden dagegen abgelehnL Diese Vorschläge sind wegen der zwischenzeitlich verabschiedeten §§ 32a, b GmbHG, § 32a KO für die GmbH überhole 3, haben aber noch Bedeutung für andere Rechtsformen34• Ebenfalls überholt sind die Vorschläge, die für alle Gesellschafterdarlehen eine Gleichstellung mit haftendem Kapital nach den Grundsätzen über eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen einführen wollen35• Heute werden vielfach gesellschaftsrechtliche - das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen - und anfechtungsrechtliche Sanktionen unterschieden36• Bei den hier allein interessierenden anjechtungsrechtlichen Sanktionen geht es vor allem um die Frage, ob die InsidersteIlung des Gesellschafters eine analoge Anwendung des § 237 HGB erfordert und rechtfertige7 , wie es vielfach vertreten wird38 • Gegenstimmen verweisen vor allem auf die §§ 32a, b GmbHG, 32a KO mit denen der Gesetzgeber die Anfechtung zurückgezahlter Darlehen abschließend geregelt habe39• Ulmer bezweifelt eine Regelungslücke wegen der Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 31 Nr. 2 und wegen § 32 Nr. I K040•
Vgl. Benne, Haftungsdurchgriff, S. 161, 187 ff. Vgl. Scholz/Karsten SchmidJ, GmbHG, §§ 32a, 32b, Rdnr. 18. 34 Vgl. dazu oben Kapitel 5 ill. 35 Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, s. 413,418 ff. befürwortet einen generellen Rangrücktrin aller Gesellschafterdarlehen und eine Ausweitung des § 32a KO auf alle, nicht nur kapitalersetzende Darlehen nach dem Vorbild des § 237 HGB; ähnlich Ballerstedt, ZHR 135, S. 383; Lutter, Probleme der GmbH-Reform, S. 63 ff.; Grossmann, Gesellschafterdarlehen bei Insolvenz, S. 130. 36 Deutlich bei Wiedemann, Haftung, S. 27 ff.; vgl. auch Karsten SchmidJ, ZIP 1981, S. 689, 695, 697; tiers., Das neue GmbHR in der Diskussion, S. 77, 81; Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, §§ 32a, 32b, Rdnr. 18; Andreas Müller, Regeln für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen, S. 75 f., m.w.N. 37 Wegen der weiterreichende Sanktionen des Rechts der eigenkapitalersetzenden Darlehen werden verschärlte anfechtungsrechtliche Sanktionen durch analoge Anwendung des § 237 HGB allerdings nur dann praktisch relevant, wenn das Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen nicht anwendbar ist, vor allem, wenn der gelegentlich schwierige Nachweis, daß ein Darlehen eigenkapitalersetzend ist, nicht gelingt, vgl. Karsten SchmidJ, ZIP, S. 689, 697. Zum Verhältnis der Konkursanfechtlll1g zmn Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen vgl. oben Kapitel 5 ill. 31 Karsten SchmidJ, ZIP 1981, S. 689, 695, 697; Schlegelberger/Karsten SchmidJ, HGB, § 342 (§ 237 n.F.) Rdnr. 34; Scholz/Winter, GmbHG 6. Aufl., § 32a, b Rdnr. 17; BaumbachiHweck, GmbHG, § 32a Rdnr. 9; wohl auch Fleck, LM Nr. 6 zu § 30 GmbHG. 39 Kol/hosser, WM 1985, S. 929, 932 f.; GerschiHerget/MarschlStwzle, GmbH-Reform 1980, Rdnr.267. 40 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Anh. § 30 Rdnr. 90, §§ 32a, 32b, Rdnr. 18 f.; tiers., FS Duden, S. 673 Fußn. 40. 32
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7. Kap. Sanktionen gegen GmbH-Gesellschafter
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3. DlskussloDSentwurf
Nach dem Diskussionsentwurf gelten Gesellschafter nur dann als einer GmbH "nahestehende Personen", wenn sie mit mindestens 25 % an deren Stammkapital beteiligt sind, § 144 EInsO.
a) Bei der Absichtsanfechtung sind in zwei Fällen verschärfte Sanktionen gegenüber "nahestehenden Personen" geplant: Gemäß § 138 Abs. 2 ElnsO sind unmittelbar benachteiligende Rechtshandlung des Gemeinschuldners mit "nahestehenden Personen" anfechtbar, es sei denn, der betreffende nahe Angehörige weist nach, daß die Rechtshandlung mehr als zwei Jahre vor Konkurseröffnung vorgenommen worden sei oder, daß er eine Benachteiligungsabsicht des Gemeinschuldners nicht gekannt habe. § 136 Abs. 3 ElnsO erklärt inkongruente Deckungen innerhalb der letzten drei Monate vor dem Insolvenzverfahren für anfechtbar, wenn der Anfechnmgsgegner die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte oder grob fahrlässig nicht kannte. Bei "nahestehenden Personen" wird die Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung vermutet, § 136 Abs. 3 ElnsO; die Benachteiligungsabsicht selbst wird unwiderleglich vermutet. b) Bei der besonderen Konkursanfechtung sind kongruente Deckungen und unmittelbar benachteiligende Rechtsgeschäfte anfechtbar, wenn die betreffende Rechtshandlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, der Schuldner zu dieser Zeit zahlungsunfähig war und der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit kannte oder grob fahrlässig nicht kannte, §§ 135 Abs. 1, 137 Abs. 1 EInsO. Diese Kenntnis wird bei Rechtshandlungen zwischen dem Gemeinschuldner und "nahestehenden Personen" vermutet, §§ 135 Abs. 3, 137 Abs. 1 Satz 2 EInsO. Bei inkongruenten Deckungen sind keine besonderen Sanktionen gegenüber "nahestehender Personen" vorgesehen, § 136 EInsO.
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2. Teil. Insidersanktionen im einzelnen
11. Prüfung verschärfter anfechtungsrechtlicher Sanktionen für Rechtshandlungen zwischen der GmbH und deren unternehmerisch beteiligten GesellSchaftern 1. Unternebmeriscb und nicbt untemebmeriscb beteiligte GeseUscbafter
In der Übersicht wurde deutlich, daß nicht gegenüber allen Gesellschaftern einer GmbH in gleichem Umfang verschärfte Sanktionen gefordert werden. Gesellschafter, die nur gering beteiligt sind, verfolgen selten unternehmerische Ziele; ihnen geht es nicht darum, die Geschicke des Unternehmens zu beeinflussen, sondern oft nur um eine Kapitalanlage oder um steuerliche Vorteile (Abschreibungsgesellschaften). Informationsgrad und Einflußmöglichkeiten dieser Gesellschafter sind gering, verglichen mit den unternehmerisch beteiligten Gesellschaftern. Selbst wenn mit der Beteiligung ein unternehmerisches Interesse verbunden ist, fehlt doch Minderheitsgesellschaftern i.d.R. die Möglichkeit, Einfluß auszuüben. Information und Einfluß sind aber entscheidende Kriterien für verschärfte anfechtungsrechtliche Sanktionen; ein hoher Informationsgrad und starker Einfluß verlangen nach einer stärkeren anfechtungsrechtlichen Reaktion. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die Gesellschafter daher für die Prüfung verschärfter anfechtungsrechtlicher Sanktionen in zwei Gruppen getrennt. Bei der Einteilung in eine der Gruppen ist entscheidend, für welche Gesellschafter in vergleichbarem Umfang ein Bedarf nach verschärften anfechtungsrechtlichen Sauktionen erwartet werden kann. Insoweit wird hier - angelehnt an die Entscheidung BGHZ 90, 381 (BuM/WestLB) - die "unternehmerische Beteiligung" als Abgrenzungskriterium gewählt Kennzeichnend für unternehmerische Beteiligung ist der gesicherte Einfluß auf die Unternehmensleitung. Diesen hat zwar, anders als bei der AG, jeder Gesellschafter, § 46 GmbHG. Nur ein unternehmerisch beteiligter Gesellschafter kann aber seine theoretischen Einflußmöglichkeiten auch praktisch umsetzen. Unternehmerische Tätigkeit erfordert ein Anpassen an sich ändernde Bedingungen innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Eine aktuelle und umfassende Information über alle Umstände, insbesondere über die finanzielle Situation des Unternehmens, ist die unerläßliche Voraussetzung, um entscheiden zu können. Unternehmerische Tätigkeit ist zukunftsgerichtet und verlangt ständige Prognosen über die zu erwartende Entwicklung. Wann ein Gesellschafter unternehmerisch beteiligt ist, läßt sich nur im Einzelfall klären. Für die Rechtspraxis ist das unbrauchbar. Generalisierend muß daher von Indizien auf die unternehmerische Beteiligung geschlossen werden. Wichtigster Anhaltspunkt ist die Höhe der Beteiligung am Stamm-
7. Kap. Sanktionen gegen GmbH-Gesellschafter
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kapital der GmbH. In der Entscheidung BGHZ 90, 381 heißt es insoweit: Bei der AG sichert ein Anteil von 25 % am Grundkapital dem Aktionär ein unter Umständen ausschlaggebendes Mitspracherecht. Der damit gegebene Einfluß läßt erfahrungsgemäß seitens des Aktionärs ein ihm entsprechendes Unternehmensinteresse vermuten. Dem trägt das Gesetz Rechnung, indem es an eine solche Beteiligung besondere Rechtsfolgen knüpft, §§ 19, 20, 21, 328 AktG. Bei der GmbH gibt es keine solche "indizierende" Sperrminorität, weil hier Mitgliedschaft und Unternehmensleitung nicht zwingend voneinander getrennt sind, sondern gemäß § 46 GmbHG jeder Gesellschafter Einfluß nehmen kann. Gleichwohl und trotz der personalistischen Struktur der GmbH sichert nicht jede Beteiligung den notwendigen Einfluß und läßt nicht jede Beteiligung ein "Unternehmensinteresse" vermuten. Bei einer Beteiligung von mehr als 10 % ist aber meist Vermögen in einem derart erheblichen Umfang gebunden, daß man davon ausgehen kann, daß der betreffende Gesellschafter, gegebenenfalls durch Vertreter, Einfluß auf die Unternehmenspolitik zu nehmen sucht und sich über die Entwicklung des Unternehmens - wiederum notfalls durch Vertreter - unterrichtet Es erscheint daher realistisch, bei einem Anteil von 10 % des Stammkapitals eine unternehmerische Beteiligung anzunehmen. Besondere anfechtungsrechtliche Sanktionen werden zunächst für die unternehmerisch beteiligten Gesellschafter untersucht, danach - falls erforderlich - auch für nicht unternehmerisch beteiligte Gesellschafter. Geprüft wird - wie im ersten Teil der Arbeit erläutert - getrennt nach Anfechtungsgründen. 2. Absichtsanfechtung
Die Diskussion hat sich bisher fast ausschließlich mit § 31 Nr. 2 KO befaßt, also einem Tatbestand der Absichtsanfechtung. Vermutlich waren hierfür nicht dogmatische Erwägungen maßgebend, sondern der Umstand, daß hier die einzige Möglichkeit gesehen wurde, die Konkursanfechtung gegenüber Insidern zu verschärfen. Die besondere Konkursanfechtung kam dafür wegen des engen zeitlichen Anwendungsbereichs des § 30 KO nicht in Betracht, zumal bei Insidern, die wegen ihres Informationsvorsprungs entsprechende Geschäfte rechtzeitig, dh. vor der Krise, abwickeln können. a) Sanktionsbedarf
Zu prüfen ist zunächst, inwieweit Bedarf nach verschärften anfechtungsrechtlichen Sanktionen, d.h. bei der Absichtsanfechtung nach Beweiserleichterungen, besteht. Allgemein, d.h. nicht auf Insider beschränkt, wird eine
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2. Teil. Insidersanktionen im einzelnen
verbesserte Beweissituation bei der Absichtsanfechtung seit langem gefordert41 • Gesellschafter können wegen ihres Informationsvorsprungs, ihrer weitgehenden Interessenübereinstimmung und ihren nahezu uneingeschränkten Kollusionsmöglichkeiten diese Schwächen in besonderem Maße ausnutzen, was eine wirksamere Absichtsanfechtung hier umso dringlicher erscheinen läßt. Bei der Prüfung im einzelnen sind Beweiserleichterungen für die Benachteiligungsabsicht und Beweiserleichterungen für deren Kenntnis zu unterscheiden, weil es bei beiden auf unterschiedliche Kriterien ankommt. aa) Zunächst werden Beweiserleichterungen für die Benachteiligungsabsicht untersucht. Da die Gemeinschuldner-GmbH selbst keine Benachteiligungsabsicht haben kann, kommt es auf die ihr nach allgemeinen Regeln, §§ 31, 166 BGB, zuzurechnende Absicht der für sie handelnden organschaftlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreter an42• Zu untersuchen ist, die grundsätzliche Interessenlage und die Möglichkeiten, dieses Interesse durchzusetzen, für welche Rechtshandlungen Bedarf nach Beweiserleichterung besteht, innerhalb welchen Zeitraums der Beweis zu erleichtern ist und welcher Art die Beweiserleichterung zu sein hat (1) Ein erleichterter Nachweis der Benachteiligungsabsicht kommt in Betracht, wenn ein Handeln mit Benachteiligungsabsicht wahrscheinlich ist43 • Das hängt entscheidend von der Interessenlage und den Möglichkeiten, diese Interessen durchzusetzen, ab. Gesellschafter, deren Vermögen im Konkurs der Gesellschaft bedroht ist, haben ein natürliches Interesse daran, dieses Vermögen den Gläubigern zu entziehen, gegebenenfalls unter billigender Inkaufnahme einer Benachteiligung der Konkursgläubiger. Unternehmerisch beteiligten Gesellschaftern ist dies wegen ihres gesicherten Einflusses auf die Unternehmensleitung leicht möglich. Im Verhältnis zwischen einer Gesellschaft und deren Gesellschaftern bestehen ideale Kollusionsmöglichkeiten. Ein Handeln mit Benachteiligungsabsicht ist daher wahrscheinlich.
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Vg1. oben Kapitel 3 I 2 c. Vg1. dazu, Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 V 2. Das wurde bei der DarstelllDlg der AbsichtsanfechtlDlg gezeigt, vgl. oben Kapitel 3 I 2 a; 3
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7. Kap. Sanktionm gegen GmbH-Gesellschafter
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(2) Fraglich ist, ob deswegen für alle Rechtshandlungen im Verhältnis GmbH/Gesellschafter Beweiserleichterungen zu fordern sind oder nur wenn ein "objektiv inkriminierendes" Merkmal die Rechtshandlung besonders verdächtig erscheinen läßt_ Solche Merkmale sind die unmittelbare Benachteiligung und die Inkongruenz einer Deckung. Unmittelbar benachteiligende Verträge vor dem Konkurs erwecken schon für sich, also nicht nur bei Verträgen mit nahen Angehörigen, den Verdacht eines fraudulösen Zusammenwirkens im Hinblick auf den drohenden Konkurs. Das ist einer der Gründe, die die Beweislastumkehr in § 31 Nr. 2 KO rechtfertigen44 • Kommt - wie im Fall des § 31 Nr. 2 KO - die InsidersteIlung des Anfechtungsgegners hinzu, liegt ein Handeln mit Benachteiligungsabsicht sehr nahe; eine Beweiserleichterung ist notwendig. Ebenso ist es bei inkongruenten Deckungen. Auch diese begründen den Verdacht eines vorsätzlichen gläubigerbenachteiligenden Handelns wegen drohenden Konkurses4s• Deshalb die vermutete BegÜDstigungsabsicht in § 30 Nr. 2 K046 und die unwiderleglich vennutete Benachteiligungsabsicht in § 136 Nr. 3 EIns047 • Aus derselben Überlegung stellt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung bei inkongruenten Deckungen erheblich geringere Anforderungen an den Nachweis der Benachteiligungsabsicht48, und zwar nicht - wie der Diskussionsentwurf, § 136 Nr. 3 EInsO - auf wenige Monate vor der Konkurseröffnung beschränkt. Anders ist die Situation dagegen bei Rechtshandlungen ohne ein zusätzliches inkriminierendes Merkmal. Unternehmerisch beteiligte Gesellschafter kennen zwar wegen ihrer InsidersteIlung die fmanzielle Situation der GmbH, wissen also immer, wann ein Konkurs bevorsteht Allein von dieser Kenntnis auf eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht zu schließen, kann aber nicht richtig sein. Die Vornahme masseschmälernder Rechtshandlungen in Kenntnis des bevorstehenden Zusammenbruchs ist Anfechtungsgrund bei der besonderen Konkursanfechtung. Die Absichtsanfechtung dagegen verlangt Vorsatz. Der Schluß von der Kenntnis der finanziellen Situation der GmbH auf den (Eventual)vorsatz einer Gläubigerbenachteiligung mag im Einzelfall zutrefVgI. oben Kapitel 3 I 2 a aa. VgI. Wiringer-Seiler, Anfechtlmgsrecht, S. 168; BaUT/Stürner, § 64 n 1. .,; Hahn, Materialien zur KO, S. 134. Entgegen einer verbreiteten Auffassung ist diese Vorschrift zum Teil ein Sondertatbestand der Absichtsanfechtung, vgI. ohm Kapitel 3 12 a bb. -n Anders als § 136 Nr. 1 und 2 - Tatbestände der besonderen Konkursanfechtung - ist § 136 Nr. 3 ein Tatbestand der Absichtsanfechtung. Durch diesm wenig übersichtlichen Gesetzesaufbau droht eine Vennischung beider Anfechtungsgründe wie bei § 30 KO, vgl. oben Kapitel 3 12 a bb. 41 Nachweise bei Kuhn/UhJenbruck, KO, § 31 Rdnm. 7b, 9a. Mit dieser Rechtsprechung wird der erleichterte Nachweis der Benachteiligungsabsicht in § 136 Nr. 3 EInsO begründet, vgI. Diskussionsentwurf, S. B119. 44
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2. Teil. Insidersanktionen im einzelnen
fend sein, immer ist er es nicht. Außerdem würde eine entsprechende Vermutung zu einer Vermischung der Absichtsanfechtung mit der besonderen Konkursanfechtung führen und ist auch deswegen abzulehnen49 • Der Nachweis der Benachteiligungsabsicht sollte daher nur dann erleichtert werden, wenn sich der dolus objektiv manifestiert. Auch der Diskussionsentwurf sieht im Rahmen der Absichtsanfechtung keine erleichterte Anfechtbarkeit "gewöhnlicher" Rechtshandlungen" ohne zusätzliche inkriminierende Merlanale vor. Besonderen Umständen des Einzelfalls, die trotz Fehlens einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung bzw. Inkongruenz ein Handeln mit Benachteiligungsabsicht sehr nahelegen, kann das Gericht bei der Beweiswürdigung Rechnung tragen. (3) Zu klären ist der Zeitraum, für den Beweiserleichterungen gelten sollten. Zunächst ist der Maßstab für die Bemessung des Zeitraums zu ermitteln. Bei der besonderen Konkursanfechtung muß eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Eintritt der Insolvenz sprechen ("materieller Konkursgrund")so. Die Absichtsanfechtung ist dagegen unabhängig von der Wahrscheinlichkeit eines Konkurses. Für sie kommt es allein auf die Benachteiligungsabsicht an. Die Wahrscheinlichkeit eines Konkurses begründet aber erst ein Interesse, das Vermögen zum Nachteil der Konkursgläubiger zu verschieben. Dieses Interesse, das für die Vermutung der Benachteiligungsabsicht wichtig ist, entsteht nicht erst, wenn der materielle Konkursgrund vorliegt, sondern wesentlich früher, nämlich sobald ein Zusammenbruch in den Bereich des Möglichen rückt. Gemeint ist der Zeitraum, in dem sich die Bilanzstrukturen bereits deutlich verschlechtern. Empirische Untersuchungen darüber, wann das regelmäßig der Fall ist, fehlen. Feste Regeln werden sich hier auch kaum fmden lassen. Insolvenzen folgen keinem einheitlichen zeitlichen Schema. Meist bahnen sie sich allerdings über einen Zeitraum von vielen Jahren an. Plötzliche Insolvenzen, vor allem wenn ein Unternehmen im Sog einer anderen Insolvenz mitgerissen wird, sind die Ausnahme. Völlig überraschend sind auch diese Fälle meistens nicht Zieht man zusätzlich in Betracht, daß die meisten Konkursverfahren viel zu spät eröffnet werden das zeigt sich an den niedrigen BefriedigungsquotenS1 - wird deutlich, daß der hier maßgebliche Zeitpunkt meist schon lange vor Konkurseröffnung eintritt Ein Zeitraum von etwa drei Jahren vor Antragstellung erscheint nicht unrealistisch. Weitergehend als im Diskussionsentwwf2 könnte man daher überlegen, für einen Zeitraum von drei Jahren vor Antragstellung den Nachweis der Benachteiligungsabsicht zu erleichtern. 49 Das wurde oben dargestellt, vg1. Kapitel 6 II 3 c ce (2). so Vg1. oben Kapitel 4lII 2 a bb (2). SI Vg1. dazu oben Kapitel 4 III 2 a aa. S2 Vg1. § 138 Abs. 2 EInsO.
7. Kap. Sanktionen gegen GmbH-Gesellschafter
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Anknüpfungspunkt für die Berechnung dieses Zeitraums ist de lege lata die KonkurseTÖffnung. Das ist abzulehnen, weil anderenfalls die erleichterte Anfechtung von der oft zufälligen Länge des Eröffnungsverfahrens abhängt. Es besteht der Anreiz, dieses zu beeinflussen53• Zu begrüßen ist daher, daß die Insolvenzrechtsreform die AntragsteIlung als maßgeblichen Zeitpunkt bestimmt Weil auch diese manipulativ hinausgezögert werden kann, sollte man überlegen, daneben die Zahlungsunfähigkeit auch bei der Absichtsanfechtung als zweiten Anknüpfungspunkt einzuführen. Die Schwierigkeiten, die AntragsteIlung und insbesondere den Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit zu ermitteln, können de lege ferenda zum Teil durch das geplante Verfahren zur einheitlichen Feststellung dieser Zeitpunkte ausgeglichen werden, § 147, 148 EInsO.
(4) Ungeklärt ist noch, welche Art der Beweiserleichterung in Betracht kommt Möglich ist eine unwiderlegliche Vermutung der Benachteiligungsabsicht. Der Anfechtungsgegner hätte dann keine Gelegenheit nachzuweisen, daß der Gemeinschuldner nicht in Benachteiligungsabsicht gehandelt hat. Dagegen sprechen die oben bei der systematischen Einordnung des § 237 HGB genannten ArgumenteS4• Eine unwiderlegliche Vermutung ist nur vertretbar, wenn es auf eine Benachteiligungsabsicht überhaupt nicht ankommt. Das ist aber bei der Absichtsanfechtung nicht der Fall. Um diesen Anfechtungsgrund gegenüber der besonderen Konkursanfechtung abzugrenzen, muß eine Entlastung möglich sein. Deshalb kommt nur eine widerlegliche Vermutung der Benachteiligungsabsicht in Betracht Nicht notwendig ist es, bei der Absichtsanfechtung eine zusätzliche Entlastungsmöglichkeit nach dem Vorbild des § 237 Abs. 2 HGB zu schaffen. Bei überraschenden Konkursen, wenn die Umstände, die zum Konkurs führten, zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung noch nicht vorlagen, ist eine Benachteiligungsabsicht wenig wahrscheinlich. Das hat das Gericht bei den an den Entlastungsbeweis zu stellenden Anforderungen zu berücksichtigen. bb) Eine Beweiserleichterung für den Nachweis der Kenntnis der Benachteiligungsabsicht ist zu fordern, wenn diese wahrscheinlich ist. Das ist hier zu bejahen, und zwar ebenfalls für einen Zeitraum von drei Jahren vor KonkursantragsteIlung. In den meisten Fällen wird es die Absicht des betreffenden Gesellschafters selbst sein, die der Gemeinschuldnerin über allgemeine Regeln der Zurechnung von Kenntnissen an juristische Personen zugerechnet wird. Dann kennt der Gesellschafter diese Absicht auch in seiner Funktion
53 Anschaulich bei Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 IV 4 b Beispiel Nr. 36. sc Siehe oben Kapitel 6 TI 3 c ce (2).
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2. Teil. Insidersanktionen im einzelnen
als Vertragspartner; Fehls Lösung über die "Beweislast des Insichgeschäfts"SS bedarf es nicht. Aber auch sonst können untemehmerisch beteiligte Gesellschafter wegen deren Nähe zur Geschäftsleitung immer und frühzeitig auf die Benachteiligungsabsicht schließen. Das gilt in jedem Fall bei Vorliegen eines inkriminierenden Merkmals, also bei unmittelbar benachteiligenden Rechtsgeschäften oder bei inkongruenten Deckungen. Wegen ihrer wirt-schaftlichen Erfahrung erkennen untemehmerisch beteiligte Gesellschafter dieses Merkmal und können entsprechende Schlüsse ziehen. Das gilt aber auch, wenn kein inkriminierendes Merkmal die betreffende Rechtshandlung von vornherein verdächtig erscheinen läßt, die Gemeinschuldnerin aber gleichwohl mit Benachteiligungsabsicht gehandelt hat Dank ihrer Nähe zur Unternehmensleitung wissen die Gesellschafter, welche Ziele die Gemeinschuldnerin mit den ihnen selbst gegenüber vorgenommenen Rechtshandlungen verfolgt. Schließlich ist eine Beweiserleichterung für die Kenntnis der Benachteiligungsabsicht noch durch eine weitere Überlegung gerechtfertigt: Schutzwürdiges Vertrauen existiert wegen der guten Informationsmöglichkeiten, aber auch weil es an einem Verkehrsgeschäft fehlf 6, nicht. Für unmittelbar benachteiligende Verträge und inkongruente Deckungen wird daher vorgeschlagen, innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren vor Konkursantragstellung die Benachteiligungsabsicht und die Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon zu vermuten. Der Anfechtungsgegner muß die Möglichkeit haben, das Fehlen einer Benachteiligungsabsicht nachzuweisen. Soweit Benachteiligungsabsicht vorliegt, ist widerleglieh zu vermuten, daß der Anfechtungsgegner hiervon weiß. Fraglich ist nun, wie dieser Bedarf nach Beweiserleichterungen de lege lata und de lege ferenda realisiert werden kann.
b) Realisierung verschärfter Sanktionen de lege lata Oe lege lata befürworten der Bundesgerichtshof und der größte Teil der Literatur eine analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO. Empfohlen wird daneben eine Beweiserleichterung bei § 31 Nr. 1 KO mit Hilfe der Grundsätze des Anscheinsbeweises. Ebenfalls § 31 Nr. 1 KO betrifft der Vorschlag Fehl~7, in einigen Fällen die Benachteiligungsabsicht nach den Beweisregeln des Insichgeschäfts zuzurechnen. Dieser Auffassung ist Fehl dann, wenn
55 ZGR 1978, S. 725, 731 ff.; vgl. auch die Darstellung im Überblick, oben I 2 b und Kapitel 3 12aaa. 56 Münchner Kommentar/Wacke, BGB, § 892 Rdnm. 38, 40; vgl. oben Kapitel 4 m 2 c. ~ ZGR 1978, S. 735,737.
7. Kap. Sanktionen gegen GmbH-Gesellschafter
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der alleingeschäftsführende Gesellschafter für die GmbH handelt und mit sich selbst kontrahiert. Dieser müsse sich seine Benachteiligungsabsicht, die der GmbH nach allgemeinen Regeln zugerechnet werde, auch als Vertragspartner entgegenhalten lassen, weil insoweit die Konstellation eines Insichgeschäfts vorliege. Wegen dieser Möglichkeit, die Kenntnis zuzurechnen, hält er die analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO für entbehrlich. Entbehrlich wäre es aber lediglich, die Kenntnis der Benachteiligungsabsicht beim Anfechtungsgegner nachzuweisen, weil diese zugerechnet würde. Nicht entbehrlich ist dagegen die Vermutung, daß das fragliche Geschäft überhaupt mit Benachteiligungsabsicht vorgenommen worden ist Fehls Argumentation kann daher nicht überzeugen. Auch wegen der Möglichkeit, die Benachteiligungsabsicht und deren Kenntnis nach den· Grundsätzen des prima facie Beweises zu vermuten, ist die analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO nicht von vornherein wertlos. Bei § 31 Nr. 2 KO muß der Anfechtl1ßgsgegner das Gegenteil beweisen. Beim Anscheinsbeweis reicht es aus, wenn er die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs darlegt; der Anscheinsbeweis hat keinen Einfluß auf die Verteilung der Beweislasf8 • Auch umgekehrt macht eine analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO die "Anscheinsbeweislösung" nicht entbehrlich. § 31 Nr. 2 KO erstreckt die Möglichkeit der Beweislastumkehr nur auf ein Jahr vor Konkurseröffnung und nur auf unmittelbar benachteiligende entgeltliche VerlrägeS9• Die Anscheinsbeweislösung ist dagegen zeitlich nicht limitiert, wenn auch nicht zu verkennen ist, daß die Vermutung umso eher für ein benachteiligendes Zusammenwirken spricht, je kürzer das inkriminierte Geschäft vor Konkurseröffnung erfolgt ist. aa) Analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO (1) Fraglich ist zunächst, ob verschärfte anfechtungsrechtliche Sanktionen im Verhältnis GmbH/Gesellschafter auf einen unzulässigen Durchgriff hinauslaufen oder ob umgekehrt die analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO einen Durchgriff verlangt. Im Fall einer Darlehensrückzahlung an den Gesellschafter einer Einmann-GmbH hat der Bundesgerichtshof besondere Sanktionen abgelehnt, weil dies auf einen Durchgriff hinausliefe60• Wenig später hat derselbe Senat in einem obiter dictum für eine Rechtshandlung zwischen einer Einmann-GmbH und einem nahen Angehörigen des Alleingesellschaf-
SI S9 60
Vgl. Arens, Zivilprozeßrecht, Rdnr. 281. ZU diesem Merkmal KuhnlUhienbruck, KO, § 29, Rdnr. 22, § 30, Rdnr. 21. BGH NJW 1969, S. 1719. Besprechung von Imnumga, GmbHR 1970. S. 258.
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2. Teil. Insidersanktionen im einzelnen
ters einem Durchgriff ausdrücklich zugestimmt61 , unterstützt von Teilen der
Litera~2. Im ersten Fall werden besondere Sanktionen also mit dem Hin-
weis auf einen drohenden Durchgriff abgelehnt. Im zweiten Fall werden diese umgekehrt gerade auf einen Durchgriff gestützt. Beides ist zweifelhaft: Im ersten Fall hat der Bundesgerichtshof festgestellt: "Müßte der Gesellschafter den zurückgezahlten Darlehensbetrag zur Konkursmasse erstatten, bedeutet das im Ergebnis den Haftungsdurchgriff'63." Konsequent müßte aber dann im Verhältnis Gesellschaft / Gesellschafter jede Konkursanfechtung ausgeschlossen sein. Ob in diesem Verhältnis eine Anfechtung nach allgemeinen Regeln möglich ist, hängt aber allein davon ab, ob der Tatbestand einer Anfechtungsnorm erfüllt ist. Ebenso sind auch verschärfte anfechtungsrechtliche Sanktionen nur ein Problem der Normanwendung. Festzustellen ist, ob eine (Sonder)norm im konkreten Fall von ihrem Sinn und Zweck paßt. Das gilt für die analoge Anwendung sowohl des § 31 Nr. 2 KO als auch des § 237 HGB. Durchgriff ist auch nicht der richtige Lösungsansatz, um verschärfte anfechtungsrechtliche Sanktionen zu begründen, selbst bei der Einmann-GmbH nicht. Soweit die anzuwendende Norm - § 31 Nr. 2 KO oder § 237 HGB - nach deren Sinn und Zweck einschlägig ist, ist es entbehrlich Gesellschaft und Gesellschafter gleichzustellen, um an letzteren "heranzukommen". Es geht um Normauslegung im Hinblick auf die Nähe des Mitglieds zur juristischen Person. Die juristische Person wird davon nicht berührf'4. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob es sich um eine Einmann-GmbH handelt oder um eine Mehrpersonen-GmbH. Die analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO ist also - ebenso wie eine mögliche analoge Anwendung des § 237 HGB - kein Durchgriffsproblem sondern ein reines Normanwendungsproblem 6s• Diese Normanwendung wirft hier, bei den unternehmerisch beteiligten Gesellschaftern, verschiedene Probleme auf. (2) Das erste Problem ist ein bloßes Zurechnungsproblem und tritt ebenso auf, wenn der Gemeinschuldner eine natürliche Person ist und das benachteiligende Geschäft mit seinem nahen Angehörigen durch einen Vertreter BGHZ 58, 20, 23. Vgl. nur KuhnJUhle"bruc/c, KO, § 31 Rdnr. 24, Jaeger, KO 6{l Aufl., § 31 Rdnr. 30; Schilling, JZ 1953, S. 161 C.; Uni, KTS 1958, S. 129, 132. 6\
62
63 Haftungsdurchgriff bedeutet eigentlich etwas anderes, nämlich die unbeschränkte Haftung des Gesellschafters für Gesellschaftsschulden, vgl. [mme"ga, GmbHR 1970, S. 258, 260 f. 64 Vgl. Wilhelm, Rechtsfonn und Haftung, S. 40 ff.; Karste" Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9, insbes. § 9 m 2 d; Fehl, KTS 1978, S. 725, 742. 65 Es drängt sich ohnehin der Verdacht auf, daß die Durchgriffslösung nur ein Plagiat der bei der oHG vertretenen Identitätstheorie isL Daß es sich auch bei der oHG letztlich mn ein Normanwendungsproblem handelt, obwohl es der Sache nach um die gleiche Frage geht, fällt kamn auf, weil sich die Identitätstheorie noch immer behauptet, obwohl sie ebenso entbehrlich ist; vgl. unten Kapitel 10 11 3 a.
7. Kap. Sanktionen gegen GmbH-Gesellschafter
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vornehmen läßt. Es geht um die Frage, unter welchen Umständen der GmbH eine Benachteiligungsabsicht ihrer organschaftlichen oder sonstigen verfassungsmäßigen Vertreter zugerechnet werden kann. Diese Frage hat mit der in § 31 Nr. 2 KO enthaltenen Vermutung nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich um ein nach allgemeinen Regeln zu lösendes Problem der Zurechnung von Kenntnissen und Absichten an die juristische Person, §§ 31, 166 Abs. 1 BGB66• Diese Zurechnungsfragen können hier nicht ausführlich erörtert werden. Im allgemeinen sind in diesem Bereich keine Schwierigkeiten zu erwarten, da für gewöhnlich derjenige die anzufechtende Rechtshandlung vornimt, dem auch die Benachteiligungsabsicht vorzuwerfen ist. (3) Mit diesem Zurechnungsproblem nicht zu verwechseln ist das zweite und eigentliche Problem der Anwendung des § 31 Nr. 2 KO, das "Analogieproblem". Die analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO verlangt eine Regelungslücke. Wegen § 31 Nr. 1 KO, der diesen Fall erfaßt, ist diese nicht ohne weiteres erkennbar. Eine Regelungslücke kann aber auch vorliegen, wenn eine vorhandene Regelung unzureichend ist67• Maßgeblich ist der Zweck der konkurrierenden Vorschriften und der sich daraus ergebende Geltungsbereich. Es kommt darauf an, ob die Geschäfte der hier in Betracht kommenden Art vom jeweiligen Normzweck her betrachtet mehr den von § 30 Nr. 1 oder den von Nr. 2 KO erfaßten Fällen gleichen68• § 31 Nr. 2 KO geht davon aus, daß bei Verträgen, die der Gemeinschuldner vor einer Insolvenz mit Verwandten abschließt, eine verglichen mit dem Normalfall erhöhte Wahrscheinlichkeit für ein Handeln mit Benachteiligungsabsicht und deren Kenntnis beim Anfechtungsgegner bestehf9. Entscheidend für die Zuordnung der hier angesprochenen Insiderrechtshandlungen zu § 30 Nr. 1 KO oder zu § 30 Nr. 2 KO ist also die Wahrscheinlichkeit der Gläubigerbenachteiligung und der Vertrauensschutz. "Persönliche Verbundenheit" legt bei Geschäften mit nahen Angehörigen ein Handeln mit Benachteiligungsabsicht nahe und rechtfertigt eine entsprechende Vermutung'o. Bei den hier angesprochenen Rechtshandlungen wird die persönliche Verbundenheit durch andere Kriterien, die ein Handeln mit Benachteiligungsabsicht in gleichem Maße nahelegen, ersetzt Bei der GmbH und deren Gesellschaftern dürfte die Neigung, Kapital aus der vom Konkurs bedrohten Gesellschaft auf die Gesellschafter zu verschieben, mindestens 66 Wilhelm, Rechtsfonn und Hafnmg, S. 42, 45 ff.; allgemein mr Zurechmmg von Kenntnissen, Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 V; Müller-Fre~nfels, AcP 156, S. 534 Fußn. 61. IÜ Vgl. nur Larenz, Methodenlehre, S. 395. 61 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 82 ff., 87 ff., 151 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 395. 69 Vgl. oben Kapitel 3 I 2 a aa. 70 Vgl. oben Kapitel 3 I 2 a aa.
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2. Teil. Insidersanktionen im einzelnen
ebenso groß sein wie bei Geschäften des Gemeinschuldners mit nahen Angehörigen. Nicht verwandschaftliche Solidarität, sondern der drohende Verlust eigenen Vermögens motiviert die Gesellschafter, das Vermögen der Gesellschaft "in Sicherheit zu bringen", bzw. Darlehen vor dem Konkurs abzuziehen. Die verschobenen Vermögensstücke kommen ebenso wie zurückgezahlte Gesellschafterdarlehen ungeteilt den Gesellschaftern zugute71 • Bei unternehmerisch beteiligten GmbH-Gesellschaftern ist "persönliche Verbundenheit" wegen der typischerweise personalistischen Struktur der GmbH zusätzlich vorhanden. Die weitgehende Interessenübereinstimmung und fast uneingeschränkten Kollusionsmöglichkeiten rechtfertigen daher die erste Vermutung für ein Handeln mit Benachteiligungsabsicht72• Nicht anders ist es mit der "zweiten" Vermutung; die für die Kenntnis der Benachteiligungsabsicht beim Anfechtungsgegner spricht. Unternehmerisch beteiligte Gesellschafter haben wegen deren Nähe zur Geschäftsleitung regelmäßig positive Kenntnis von den Absichten der GmbH. Soweit dies nicht so ist, besteht wegen der vorzüglichen Informationsmöglichkeiten jedenfalls kein schutz würdiges Vertrauen. Es fehlt an einem Verkehrsgeschäfe 3• Abzulehnen ist die Ansicht F ehls, es komme auf diese Kenntnis der Benachteiligungsabsicht gar nicht an, weil auch nahe Angehörige regelmäßig keine Kenntnis hätten, sondern den Gemeinschuldner in dessen Tätigkeit ohne Rücksicht auf deren Beschaffenheit unterstützen74• Die Vermutung des § 31 Nr. 2 KO wäre dann entbehrlich, weil sie regelmäßig widerlegt werden könnte. Im übrigen ist nicht einzusehen, warum die Beweislastumkehr zwar eingreifen soll, wenn dem Anfechtungsgegner die Benachteiligungsabsicht gleichgültig ist, nicht aber, wenn der Anfechtungsgegner die Benachteiligungsabsicht - wie hier - positiv kennt. Auf diesen Widerspruch läuft die Argumentation F ehls hinaus. Beide Vermutungen sind bei unternehmerisch beteiligten GmbH-Gesellschaftern also regelmäßig gerechtfertigt. Ausnahmen stehen der Analogie nicht entgegen. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein naher Angehöriger die Absichten des Gemeinschuldners nicht kennt, ist ungleich höher, zumal dieser regelmäßig nicht die wirtschaftliche Erfahrung eines GmbH-Gesellschafters haes• Die gesetzlichen Vermutung des § 31 Nr. 2 KO soll gerade die Prüfung verhindern, ob die dieser Norm zugrundeliegenden und für den Regel-
Vg1. Plander, GmbHR 1972, S. 121, 125. So auch /mmenga, GmbHR 1970, S. 258, 260. 73 Vg1. oben Kapitel 4 m 2 c. 74 ZGR 1978, S. 725, 729. Eine Auseinanderset:rung mit der Argumentation FehJs edolgt oben in Kapitel 3 I 2 a aa. 7S Vg1. Lent, KTS 1958, S. 129, 131. 71
72
7. Kap. Sanktionen gegen GmbH-Gesellschafter
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fall zutreffenden Erwägungen auch im Einzelfall stimmen16. (4) Problematisch ist schließlich die Bedeutung des § 108 Abs. 2 VerglO. Nach dieser Vorschrift gelten Gesellschafter und deren nahe Angehörige als nahe Angehörige der GmbH i.S.d. § 4 Nr. 3 VergiO. Dort wird angeordnet, daß der Vergleichsschuldner bestimmte Verträge mit "nahen Angehörigen" offenzulegen hat. Ob sich daraus Rückschlüsse für die analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO auf Verträge einer GmbH mit deren Gesellschaftern gewinnen lassen, wird kontrovers beurteilt'1. Dabei wird die Bedeutung, die dem Argument aus § 108 Abs. 2 VerglO in der Rechtsprechung zukommt, vor allem von Plander überschätzt. Entgegen dessen Behauptung begründet der Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGHZ 58, 20 die analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO nicht mit § 108 Abs. 2 VerglO, sondern allein mit Sinn und Zweck des § 31 Nr. 2 K018. § 108 Abs. 2 VerglO dient dem Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung lediglich als Argumentationshilfe zur Begrenzung des Bereichs einer analogen Anwendung des § 31 Nr. 2 KO. Wesentliche Bedeutung kann § 108 Abs. 2 VerglO aber auch insoweit nicht zukommen. Anderenfalls wäre die in einem obiter dictum offengelassene Frage, ob die analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO bei Gesellschaftern mit Minimalbeteiligungen ebenfalls anzuwenden sei, unverständlich. § 108 Abs. 2 VerglO enthält diese Einschränkung nämlich nicht. In der Entscheidung BGH NJW 1975, S. 2193 begründet der Bundesgerichtshof die Nichtanwendung des § 31 Nr. 2 KO auf Verträge zwischen zwei Gesellschaftern einer GmbH zwar unter anderem mit einem Hinweis auf § 108 Abs. 2 VerglO. Entscheidendes Argument ist aber auch hier Sinn und Zweck des § 31 Nr. 2 KO. Zutreffend ist denn auch die Auffassung Planders, § 108 Abs. 2 VerglO könne die analoge Anwendung des § 31 Nr. 2 KO gar nicht rechtfertigen, weil die grundsätzliche ZuIässigkeit einer Analogie nicht von einer - in den fraglichen Fällen meist fehlenden - spezialgesetzlichen Ermächtigung abhänge, sondern allein von einer Gesetzeslücke und Sinn und Zweck der anzuwendenden Norm19. Für eine Gesetzeslücke kann § 108 Abs. 2 VerglO aber ein Indiz sein, wenn diese Vorschrift eine "fortschrittliche Entwicklung des Insolvenzrechts verkörpert, die nur zufällig erstmals in unserem jüngsten Insolvenzgesetz zum
VgL Plander. GmbHR 1972, S. 121, 124. VgL BGHZ 58, 20; BGHZ 96, 352; Scholz/Karsten SchmidJ, GmbHG, § 63 Rdnr. 56; Plander, NJW 1976, S. 739; Scholz, JW 1935, S. 1520, 1522 f.; Kalter, KTS 1955, S. 61.; Schumacher, JW 1937, S. 282 ff.; Lent, KTS 1958, S. 129 ff. VgL auch die Darstellung oben in der Übersicht, I 2 a. 7& BGHZ 58, 20, siehe oben I 1 a. 79 Plander, NJW 1976, S. 740. 76 77
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2. Teil. Insidersanktionen im einzelnen
Ausdruck gelangt ist", und nicht im Konkurs(anfechtungs)recht80• § 108 Abs. 2 VerglO enthält zwar weder einen Konkursanfechtungstatbestand, noch bestimmt die Norm direkt, wann Konkursanfechtung zu erfolgen hat8l • Gleichwohl ist ein Zusammenhang mit dem Konkursanfechtungsrecht entgegen Plander - nicht zu verkennen. Die Offenlegungspflicht nach § 4 Nr. 3b VerglO soll den Konkursgläubigern einen Überblick über anfechtbare Rechtshandlungen des Vergleichsschuldners verschaffen. Danach sollen diese entscheiden, ob sie den Vergleichsvorschlag annehmen oder die Eröffnung des Konkursverfahrens betreiben, weil sie nur dann anfechten können82• Die Entscheidung über die Annahme des Vergleichsvorschlags steht unter erheblichem Zeitdruck. Die Offenlegungsvorschriften erfassen daher nur solche Rechtshandlungen, bei denen sich der Verdacht einer "Schiebung" - und damit einer Anfechtbarkeit - in besonderem Maße aufdrängt. Das ist bei Geschäften mit nahen Angehörigen der Fall, aber auch - über § 108 Abs. 2 VerglO - bei Geschäften einer GmbH mit deren Gesellschaftern oder deren Angehörigen. Das bedeutet nicht, daß diese Geschäfte auch erleichtert anfechtbar sein müssen. Das anzuordnen ist Aufgabe der Konkursordnung. Das bedeutet aber, daß der Gesetzgeber diese Geschäfte für ebenso verdächtig hält wie solche mit nahen Angehörigen; warum sollten sie sonst offenzulegen sein? § 108 Abs. 2 VerglO kennzeichnet also die Entwicklung des "InsiderInsolvenzrechts", indiziert damit eine im Laufe der Rechtsentwicklung aufgetretene Regelungslücke in der KO und ist deswegen eine wertvolle Argumentationshilfe bei der analogen Anwendung des § 31 Nr. 2 KO. Verbindliche Grenzen einer analogen Anwendung des § 31 Nr. 2 KO werden damit nicht vorgegeben. Wie Plander zutreffend feststellt, ist die Konkursanfechtung in der KO geregelt und wird von der VerglO nicht berührt83 • Im übrigen kennzeichnet § 4 Nr. 3 b i.V.m. § 108 Abs. 2 VerglO den Stand des Insider-Insolvenzrechts von 1935. Seitdem ist aber die Entwicklung nicht stehen geblieben, was insbesondere die bevorstehende Insolvenzrechtsreform dokumentiert, die den Kreis der Insider erheblich ausdehnen will84• Fazit: § 31 Nr. 2 KO ist also auf alle unmittelbar benachteiligenden entgeltlichen Verträge, die eine GmbH mit ihren unternehmerisch beteiligten Gesellschaftern innerhalb des letzten Jahres vor Konkurseröffnung abschließt,
Scholz, JW 1935, s. 1520, 1523; ihm folgend Kalter, KTS 1955, S. 60. Vgl. Plander, NJW 1976, S. 740; ihm folgend Fehl, ZGR 1978, S. 725,729. 12 Vgl. Entwurf einer VerglO nebst EG und Begründung, veröffentlicht durch das Reichsjustizamt, 1933, S. 87; BleylMohrbulter, VerglO, § 4 Rdnr. 8. ~ NJW 1976, S. 739, 740. M Vgl. die §§ 143 - 145 EInsO. 10
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7. Kap. Sanktionen gegen GmbH-Gesellschafter
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analog anwendbar, weil die in dieser Vorschrift enthaltenen Vermutungen nach deren Sinn und Zweck zutreffen. bb) Weitere Beweiserleichterungen bei anderen Rechtshandlungen mit Hilfe des Anscheinsbeweises bei § 31 Nr. 1 KO § 31 Nr. 2 KO erfaßt nur unmittelbar benachteiligende entgeltliche Verträge innerhalb des letzten Jahres vor KonlrurseTÖffnung. Damit ist der gezeigte Bedarf nach verschärften anfechtungsrechtlichen Sanktionen bei Insidern nicht abgedeckt. Zu untersuchen bleibt daher, ob mit Hilfe des Anscheinbeweises bei § 31 Nr. 1 KO weitere Beweiserleichterungen möglich sind.
(1) Der Anscheinsbeweis wird zwar als Beweislastregel bezeichnet, gehört aber in den Bereich der BeweiswürdiguntS. Das ändert nichts daran, daß er die Beweissituation des Beweisbelasteten erheblich verbessert"6. Der Anscheinsbeweis führt nie zu einer unwiderleglichen Vermutung oder auch nur zu einer Beweislastumkehr. Er berechtigt das Gericht nur, bei einem Sachverhalt, der nach der Lebenserfahrung regelmäßig auf einen bestimmten Ablauf hinweist, diesen Ablauf aufgrund einer tatsächlichen Vermutung als bewiesen anzusehen. Der Gegner behält immer die Möglichkeit, durch einen Gegenbeweis diese Überzeugung zu erschüttern87• Der Anscheinsbeweis setzt einen entsprechenden auf einen bestimmten Geschehensablauf hindeutenden Erfahrungssatz voraus. Dieser muß sich aus einem gleichmäßigen, sich häufig wiederholenden, typischen Geschehensablauf ergebenss. Hier müßte also ein Erfahrungssatz des Inhalts nachweisbar sein, daß Rechtshandlungen zwischen einer GmbH und den Gesellschaftern vor einer Insolvenz regelmäßig mit Benachteiligungsabsicht vorgenommen werden und dem Gesellschafter diese bekannt ist Es ist aber zweifelhaft, ob das ausreicht Nach herrschender Auffassung vermag der typische Geschehensablauf allein einen Anscheinsbeweis nicht immer zu rechtfertigen8'. Vielmehr ist der Anscheinsbeweis nur in bestimmten Bereichen anerkann~o. Sein klassischer Anwendungsbereich liegt beim Nachweis von Kausalität und Verschulden, wenn es darum geht, bei typischen Geschehensabläufen von einem be-
vgl. RosenberglSchwab, Zivilprozeßrecht, § 114 n 3. Vgl. ArellS, Zivilprozeßrecht, § 24 Rdnr. 279. r;J Vgl. JaUl!mig, Zivilprozeßrecht, § 50 V; SteinlJonaslLeipold, ZPO, § 286 Rdnm. 97 f. U Vgl. RosenberglSchwab, Zivilprozeßrecht, § 114 n 1; SteinlJonaslLeipold, ZPO, § 286 Rdnr. 88 f. 19 Vgl. SteiniJonaslLeipold, ZPO, § 286 Rdnr. 95. !IO Vgl. SteinlJonaslLeipold, ZPO, § 286, Rdnr. 95; Walter, Der Anwendungsbereich des Anscheinsbeweises, zn> 90 (19TI), S. 270 Cf. IS
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8 Killinger
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2. Teil. Insidersanktionen im einzelnen
stimmten Erfolg auf eine bestimmte Ursache zu schließen. Hier geht es dagegen um einen individuellen Willensentschluß und individuelle Kenntnisse. In diesem Bereich ist die Anwendung des· Anscheinsbeweises umstritten91 • Schwab verneint einen Anscheinsbeweis in diesen Fällen, weil ein Willensentschluß erfahrungsgemäß von jedem Menschen verschieden gefaßt wird, also ein Erfahrungssatz fehle92. Leipold hält den Anscheinsbeweis nur in den klassischen Bereichen, Kausalität und Verschulden, für "einleuchtend", weil hier die entsprechenden materiellen Anspruchsgrundlagen weitgehend entwertet würden, wollte man immer eine detaillierte tatsächliche Aufklärung verlangen93 . Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schwankt94• Auch bei individuellen Willensentschlüssen kann es Erfahrungssätze geben; allerdings ist zu beachten, daß die Anforderungen an die volle richterliche Überzeugung, § 286 ZPO, nicht herabgesetzt werden9S• Wenn ein entsprechender Erfahrungssatz nachweisbar ist, kann es nur darauf ankommen, ob auch die dargelegten Gründe, die das Rechtsinstitut des Anscheinsbeweises rechtfertigen, vorliegen. Der Einwand, die materiellen Anspruchsgrundlagen würden entwertet, wenn man für die einzelnen Anspruchsvoraussetzungen eine detaillierte Aufklärung verlangt, trifft auf die Benachteiligungsabsicht und deren Kenntnis zu. Dieser innere Tatbestand läßt sich nur schwer und nur mit Hilfe objektiver Anhaltspunkte nachweisen96• Bliebe es dem Gericht versagt, bei der Prüfung der Benachteiligungsabsicht auf Erfahrungssätze zurückzugreifen, käme § 31 Nr. 1 KO kaum jemals zur Anwendung, zumindest bliebe seine Anwendung immer mit erheblichen Prozeßrisiken belastet. Auch der Bundesgerichtshof greift bei der Prüfung des § 31 Nr. 1 KO mit Zustimmung der Literatur auf Erfahrungssätze zurück, ohne das allerdings ausdrücklich zu sagen. So sieht er bei einer inkongruenten Deckung Benachteiligungsabsicht schon dann als gegeben an, wenn der Gemeinschuldner die Benachteiligung anderer Gläubiger als notwendige Folge seines Handelns erkannt haf1. "Für das Vorliegen der Benachteiligungsabsicht ist die Tatsache, daß eine inkongruente Deckung gewährt wurde, ein starkes Beweiszeichen"98. Die Überlegungen, die diese RechtVgl. Arens, Zivilprozeßrecht, § 24 Rdnr. 279 m.w.N. Vgl. Rosenberg/Schwab, ZPO, § 114 n 2 c. 93 SteiniJonas/Leipold, ZPO, § 286, Rdnr. 95 ff. 94 Vgl. z.B. BGHZ 31, S. 351; BGHZ 59, S. 132; weitere Nachweise in BGH MDR 1981, S. 738. 9S Vgl. Arens, Zivilprozeßrecht, § 24 Rdnr. 279. 96 Die Konkursverwalter bemängeln vor allem die schlechte Beweissituation im Anfechtungsprozess, GessMr/Rhode/Strate/Ziegert, Praxis der Konkursabwicklung, S. 215; vgl. auch oben Kapitel 2 I 1 a. 'TI Nachweise bei KuhnJUhlenbrllC/c, KO, § 31 Rdnm. 7b, 9a. 91 Vgl. BGH WM 1959, S. 1007; 1961, S. 388; 1965, S. 85, 96 f; BGH ZIP 1984, S. 572. 91
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7. Kap. Sanktionen gegen GmbH-Gesellschafter
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sprechung tragen, sind dieselben, die auch einen Anscheinsbeweis rechtfertigen; nämlich ein Erfahrungssatz der bei bestimmten Fallkonstellationen die Benachteiligungsabsicht nahelegt und die Erkenntnis, daß § 31 Nr. 1 KO ohne die Möglichkeit solcher Beweiserleicherungen wegen "akuter Beweisnot" weitgehend entwertet würde. Grundsätzlich ist daher auch im Bereich des § 31 Nr. 1 KO der Anscheinsbeweis zuzulassen. (2) Untersucht werden muß daher, ob sich die für den Anscheinsbeweis notwendigen Erfalvungssätze feststellen finden lassen. (a) Unmittelbar benachteiligende Verträge erwecken den Verdacht eines fraudulösen Handeins im Hinblick auf den drohenden Konkurs, und zwar nicht erst innerhalb des letzten Jahres vor Konkurseröffnung. Eine Verlängerung des von § 31. Nr. 2 KO erfaßten Zeitraumes wird daher seit langem gefordert99 • Im Diskussionsentwurf wird gegenüber Insidern die Benachteiligungsabsicht und deren Kenntnis zwei Jahre vor Antragstellung vermutet, § 138 Abs. 2 EInsO. Auch das ist aber noch zu kurz. Das Interesse der Gesellschafter, Bestandteile des Gesellschaftsvermögens zu verschieben oder Gesellschafterdarlehen unter billigender Inkaufnahme der GIäubigerbenachteiligung abzuziehen, entsteht mit den ersten erkennbaren Krisensignalen, z.B. verschlechterten Bilanzstrukturen oder Auftragsrückgängen. Hier wird unterstellt, daß diese regelmäßig bereits drei Jahre vor Antragstellung aufgetreten und den unternehmerisch beteiligten Gesellschaftern erkennbar sind1oo. Für diesen Zeitraum wird ein entsprechender Erfahrungssatz angenommen. Durch den Nachweis, daß die wirtschaftliche Krise des Unternehmens zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung noch nicht erkennbar war, kann der Anfechtungsgegner den Anscheinsbeweis erschüttern, weil dann ein Interesse an vorsätzlich gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlungen fehlt. Es besteht die "ernsthafte Möglichkeit eines untypischen Geschehensablaufs"lOl. Daneben kann auch der Nachweis anderer untypischer Geschehensabläufe den Anscheinsbeweis erschüttern. (b) Inkongruente Deckungen begründen ebenfalls den Verdacht eines vorsätzlichen gIäubigerbenachteiligenden Handeins wegen drohenden Konkurses102• Der Bundesgerichtshof geht deswegen in seiner bereits mehrfach zitierten Rechtsprechung selbst von entsprechenden Erfahrungssätzen aus: Schon die Tatsache, daß der Gemeinschuldner eine inkongruente Deckung gewährt, sei ein wesentlicher Anhaltspunkt für das Vorhandensein der Be-
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II 1.
Vgl. Jaeger/Lent. KO. Einl. S. LIX; oben Kapitel 3 12 c. m.w.N. Siehe oben II 2 a aa (3). Vgl. Rosenberg/Schwab. Zivilprozeßrecht. § 114 II 4. Vgl. oben Kapitel 3 12 b aa; Wiringer-Seiier. Anfechttmgsrecht. S. 168; Baur/StÜTner. § 64
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2. Teil. Insidersan1aionen im einzelnen
nachteiligungsabsicht103 • Ebenso spricht nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in diesen Fällen eine tatsächliche Vennutung für die Kenntnis der Benachteiligungsabsicht seitens des Anfechtungsgegners: Der vom Anfechtungsgegner erkannte Umstand, daß ihm eine inkongruente Deckung gewährt worden ist, wird als "starkes Beweiszeichen" dafür gewertet, daß ihm der Wille des Schuldners, seine anderen Gläubiger zu benachteiligen, bekannt war104• Dieser Verdacht, den inkongruente Deckungen schon für sich erwecken, verstärkt sich, wenn es sich um einen Vertrag zwischen einer GmbH und einem Gesellschafter handelt, weil hier Benachteiligungsabsicht und deren Kenntnis besonders wahrscheinlich sind. Auch bei inkongruenten Deckungen kann man daher von einem entsprechenden Erfahrungssatz ausgehen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erleichtert den Nachweis der Benachteiligungsabsicht bei inkongruenten Deckungen nicht nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor Konkurseröffnunglos. § 136 Nr. 3 EInsO erleichtert dagegen den Nachweis nur für inkongruente Deckungen innerhalb der letzten drei Monate vor Antragstellung - obwohl diese Vorschrift gerade mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshof begründet wird106• Das erscheint aus den bei der Prüfung des Bedarfs verschärfter anfechtungsrechtlicher Sanktionen genannten Gründen erheblich zu kurz H17 • Wegen der gleichen Interessenlage wie bei unmittelbar benachteiligenden Verträgen, wird auch hier der Anscheinsbeweis innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren vor Antragstellung oder Zahlungsunfähigkeit für möglich gehalten. (c) Bei Rechtshandlungen ohne inkriminierendes Merkmal läßt sich kein Erfahrungssatz für ein Handeln mit Benachteiligungsabsicht aufstellen. Vor allem aus oben dargelegten dogmatischen Erwägungen ist erforderlich, daß sich der dolus objektiv manifestiertlOB. (d) Bei unternehmerisch beteiligten Gesellschaftern läßt sich ein weiterer Erfahrungssatz nur für den Nachweis der Kenntnis der Benachteiligungsabsicht aufstellen: Wenn die Benachteiligungsabsicht nachgewiesen ist, widerspricht es aller Lebenserfahrung, daß ein unternehmerisch beteiligter Gesellschafter hiervon keine Kenntnis hat; schließlich wird die betreffende Rechtshandlung regelmäßig auf seine Initiative vorgenommen. Auch dieser Erfahrungssatz gilt für mindestens drei Jahre vor Antragstellung. Er wird
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