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German Pages 216 Year 2006
Robert Güther Die Insolvenzanfechtung der Deckung von Altverbindlichkeiten
Schriften zum deutschen, europäischen und internationalen Insolvenzrecht S-INSO Band 3
Schriften zum deutschen, europäischen und internationalen Insolvenzrecht
Herausgegeben von Professor Dr. Stefan Smid, Kiel Rechtsanwalt Dr. Mark Zeuner, Hamburg Rechtsanwalt Michael Schmidt, Berlin
S-INSO Band 3
De Gruyter Recht • Berlin
Robert Güther
Die Insolvenzanfechtung der Deckung von Altverbindlichkeiten
De Gruyter Recht • Berlin
Dr. Robert Güther, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt. ISBN-13: 978-3-89949-320-7 ISBN-10: 3-89949-320-6
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
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Geleitwort der Herausgeber Das Insolvenzrecht gehört zu dem Kernbestand der Regelwerke, die das Vertrauen der Rechtsgenossen in eine Rechtsordnung sichern. Es regelt die Bedingungen allseitiger Haftung eines Schuldners und steckt damit zugleich den Rahmen ab, innerhalb dessen die Gläubiger erwarten können, dass ihre Rechte in einer und durch eine Reorganisation und Sanierung des schuldnerischen Unternehmens gewahrt werden. Die faktische Wirkung des Insolvenzrechts endet nicht an nationalstaatlichen Grenzen. Das Insolvenzverfahren ist seinem Anspruch nach auf universelle Geltung angelegt. In fast allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gilt heute als innerstaatliches Recht ein gemeinsames Recht grenzüberschreitender Insolvenzverfahren. Dieses gemeinsame europäische Recht strahlt auf die innerstaatlichen Reformbemühungen aus – es hat Einfluss auf die Insolvenzgesetzgebung. Die innerstaatlichen Gesetzgebungen werden zudem von UNCITRAL-Modellgesetzgebungen beeinflusst. Die wissenschaftliche Diskussion geht zusehends auf die damit ausgelösten Konvergenzbewegungen ein; die Praxis bedarf rechtsdogmatischer Aufklärung über die komplexer werdenden Regelungen des Insolvenzrechts und der Unterrichtung über die Strukturen und Problemstellungen ausländischer europäischer und außereuropäischer Insolvenzrechte, auch und gerade in ihrer Wechselwirkung mit dem deutschen Recht. Die Schriftenreihe der DZWIR ist ein Forum dieser Diskussionen. Sie wird in loser Folge monographische Untersuchungen zu Grundsatzfragen des deutschen, europäischen und internationalen Insolvenzrechts veröffentlichen. Damit leistet diese Schriftenreihe einen Beitrag ebenso zur rechtsdogmatischen Klärung von Streitfragen wie nicht minder zur Unterstützung der europäischen Integration der nationalstaatlichen Insolvenzrechte.
Kiel, Hamburg und Berlin, im November 2005 Stefan Smid/Mark Zeuner/Michael Schmidt
Vorwort Das Buch befasst sich mit dem Verhältnis der vorläufigen Insolvenzverwaltung zur Insolvenzanfechtung im eröffneten Verfahren. Allgemein erfährt dieses Thema in Rechtsprechung und Literatur hohe Aufmerksamkeit. Die besprochenen Urteile des BGH, die zu § 132 InsO ergangen sind, leisten hierzu ihren Beitrag. Die besonderen Fragestellungen, denen sich die Arbeit widmet, sind dagegen bisher nicht in das Zentrum des wissenschaftlichen Diskurses gerückt. Dies, obgleich sie sowohl für den vorläufigen Insolvenzverwalter als auch die Gläubiger von großer praktischer Relevanz sind, was nicht zuletzt die zahlreichen Anmerkungen zu den besprochenen Entscheidungen belegen. Tatsächlich besteht zwischen der Massesicherung und der Gläubigergleichbehandlung im vorläufigen Insolvenzverfahren eine petitio principii. Diese tritt deutlich hervor, wenn an der angefochtenen Rechtshandlung nicht nur der Schuldner, sondern auch der vorläufige Insolvenzverwalter beteiligt ist und sich der Anfechtungsgegner später auf sein Vertrauen in die Rechtsbeständigkeit der Rechtshandlung beruft. Die beiden Entscheidungen des BGH vom 13. März 2003, die im Fokus der Arbeit stehen, befassen sich mit dieser Konstellation. In die Literatur haben diese Entscheidungen unter dem Schlagwort „Erpressung durch marktstarke Gläubiger“ Eingang gefunden und finden, wenngleich nicht in der Begründung, so doch im Ergebnis, Zustimmung. Anliegen der Arbeit ist es, die widerstreitenden Prinzipien der Insolvenzordnung vor diesem Hintergrund zum Ausgleich zu bringen. Die verschiedenen Formen der „schwachen“, „halbstarken“ und „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung, die Bezüge zum Haftungsrecht der §§ 60, 61 InsO und Fragen der Versicherbarkeit des Haftungsrisikos werden berücksichtigt. Kritisch hinterfragt der Verfasser, ob die vom BGH in ständiger Rechtsprechung apostrophierte wirtschaftliche Betrachtungsweise zu § 129 InsO in praxi geübt wird. Rechtsprechung und Literatur konnten bis August 2005 berücksichtigt werden. Berlin, im Januar 2006
Robert Güther
Danksagung Ich danken allen Beteiligten, auch den nachfolgend nicht namentlich Genannten, für ihre Unterstützung und Hilfe bei der Fertigung dieser Arbeit. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Stefan Smid, der nicht nur die Betreuung der Arbeit übernahm, sondern mir auch stets für Fragen und Diskussionen zur Seite stand und das Erstgutachten verfasste. Dank schulde ich auch Herrn Prof. Dr. Alexander Trunk für die zügige Verfassung des Zweitgutachtens. Hervorheben möchte ich ferner die Unterstützung durch Frau Bettina Klein, die mir als Sekretärin des Erstgutachters in organisatorischen Angelegenheiten immer kompetent und kurzfristig half. Schließlich bin ich für die Unterstützung, die mir in der Familie sowie im Freundesund Bekanntenkreis zuteil wurde, dankbar. Ihr Verständnis und ihr Zuspruch waren mir stets Motivation; ihre kritischen Anmerkungen und Korrekturvorschläge haben am Erfolg der Arbeit teil.
„Liquidieren ist einfach, Sanieren kann die Hölle sein.“ Stefan Willeke, in: „Jobst Wellensiek – Der Herr der Pleiten“, unter http://www.zeit.de/archiv/2002/06/200206_wellensiek.xml sowie unter http://www.manager-magazin.de/koepfe/artikel/0,2828,217573,00.html
Inhaltsverzeichnis I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gläubigergleichbehandlung versus Massesicherung . . . . . . . . 2. Ziel und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gläubigergleichbehandlung im eröffneten Verfahren . . . . . . . . a) Gläubigergleichbehandlung und Insolvenzzweckwidrigkeit . . b) Haftung wegen Gläubigerungleichbehandlung . . . . . . . . . c) Besonderheiten des Insolvenzantragsverfahrens . . . . . . . . . 3. Ausgangssituation im Insolvenzantragsverfahren . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Aussonderungsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Absonderungsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Insolvenzgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ursachenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Liquiditätsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Eigenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Guthaben, Sachanlage- und Umlaufvermögen . . . . . . (2) Insolvenzgeldvorfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . bb) Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kapitalkreditgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Warenkreditgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sequestration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsstellung des Sequesters . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geschäftsfortführung in der Sequestration . . . . . . . . . c) Vorläufige Insolvenzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren . . . . bb) Rechtsstellung des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Begründung von Masseverbindlichkeiten . . . . . . . . (3) Eignung zur Geschäftsfortführung . . . . . . . . . . . . (4) Pflicht zur Geschäftsfortführung . . . . . . . . . . . . .
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XIII
Inhaltsverzeichnis
cc) Rechtsstellung des „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Begründung von Masseverbindlichkeiten . . . . . . (3) Eignung zur Geschäftsfortführung . . . . . . . . . . (4) Pflicht zur Geschäftsfortführung . . . . . . . . . . . dd) Rechtsstellung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Begründung von Masseverbindlichkeiten . . . . . . (a) Pauschale Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . (b) Besondere Verpflichtungsermächtigung . . . . . (3) Eignung zur Geschäftsfortführung . . . . . . . . . . (4) Pflicht zur Geschäftsfortführung . . . . . . . . . . . (a) Aufgrund Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Aufgrund richterlicher Anordnung . . . . . . . . ee) Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters . . . . . . (1) Haftung aus § 60 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Insolvenzspezifische Pflichtverletzung . . . . . . (b) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Schutzzweck der Norm . . . . . . . . . . . . . . (2) Haftung aus § 61 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) „Starke“ vorläufige Insolvenzverwaltung . . . . . (b) „Halbstarke“ vorläufige Insolvenzverwaltung . . (3) Allgemeine Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Haftungsfragen bei Auswahl und Entlassung . . . . (5) Versicherbarkeit des Haftungsrisikos . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansicht des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . a) BGH, Urteil vom 13.03.2003 - IX ZR 64/02 . . . . b) BGH, Urteil vom 13.03.2003 - IX ZR 56/02 . . . . 3. Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . a) Gundlach / Schirrmeister . . . . . . . . . . . . . b) Leithaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Huber und Schmitz . . . . . . . . . . . . . . . . d) Franke / Böhme . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) De Bra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Würdigung und Lösung . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ziel und Bedeutung der Insolvenzanfechtung bb) Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung . (1) Besondere Voraussetzungen . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
(a) Besondere Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . (b) Verschleuderungs- und Absichtsanfechtung . . . . . . (c) Anfechtung gegenüber Gesellschaftern . . . . . . . . (2) Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . (a) Rechtshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . (i) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ii) Unmittelbare Benachteiligung . . . . . . . . . . (iii) Mittelbare Benachteiligung . . . . . . . . . . . . (iv) Differenzhypothese und wirtschaftliche Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (v) Vorteilsausgleichung . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausgangsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anfechtung gemäß § 130 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Normativer Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Gleichwertige Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . (b) Berücksichtigung von Fernwirkungen . . . . . . . . (c) Nachahmungseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Prognosegefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . (i) BGH BB 1952, 868 f. . . . . . . . . . . . . . . . (ii) BGH WM 1960, 377 ff. . . . . . . . . . . . . . . (iii) BGH WM 1994, 449 ff. . . . . . . . . . . . . . . (f) Maßgeblichkeit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (g) Divergenz des Anfechtungsrechts zwischen KO und VglO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (h) Systematik des vereinheitlichten Insolvenzverfahrens (i) Neuausrichtung der Verfahrensziele . . . . . . . . . (j) Kongruenz von Haftung und Anfechtung . . . . . . (k) Anfechtbarkeit als Unwerturteil . . . . . . . . . . . (l) Stärkung der Gläubigerautonomie . . . . . . . . . . (m) Marktkonformität der Unternehmensinsolvenzen . . (n) Vertrauen in Rechtsbeständigkeit . . . . . . . . . . (o) Abgrenzung zur Vorteilsausgleichung . . . . . . . . (p) Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (q) Folgen für die Prüfung der Gläubigerbenachteiligung (4) Insolvenzzweckwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ausschluss wegen Treu und Glauben . . . . . . . . . . . bb) Anfechtung gemäß § 132 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Normativer Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtsgeschäft des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . (3) Insolvenzzweckwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
cc) Anfechtung gemäß § 133 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Normativer Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und Kenntnis hiervon (3) Rechtshandlung des Schuldners und Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Teilanfechtung und Teilbarkeit der Anfechtungsfolgen . . . (1) Aufrechnungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vorausabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Honorarvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Sanierungskredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Insolvenzsichernde Vertragsklauseln . . . . . . . . . . . (6) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abwandlung 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anfechtbarkeit der Zahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Normativer Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bargeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und Kenntnis hiervon bb) Anfechtbarkeit der Abrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bargeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Insolvenzzweckwidrigkeit und Vertrauenstatbestand . . (4) Teilanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abwandlung 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtshandlung und Insolvenzgläubigereigenschaft . . . . bb) Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters . . . . . cc) Zustimmung als Vertrauenstatbestand . . . . . . . . . . . dd) Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Abwandlung 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anfechtbarkeit der Zahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtshandlung und „starker“ Verwalter . . . . . . . . (2) Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anfechtbarkeit der Abrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtshandlung und Insolvenzgläubigereigenschaft . . . (a) Erstarkung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Erfüllungswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Insolvenzzweckwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Weitere Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Treuhandmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begründung eines Absonderungsrechts . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse . . . . . . . . . . .
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I.
Einführung
Insolvenzrecht ist Haftungsrecht 1. Primärer Zweck 2 jeden Insolvenzverfahrens ist die Haftungsverwirklichung, d.h. die Befriedigung der Gläubiger aus dem schuldnerischen Vermögen. Um dem Haftungsinteresse der Gläubiger gerecht zu werden, bedarf es einer geordneten Abwicklung seiner Vermögenswerte. Deren rechtlichen Rahmen gibt die Insolvenzordnung vor.
1.
Gläubigergleichbehandlung versus Massesicherung
Die Abwicklung des schuldnerischen Vermögens im Rahmen eines Insolvenzverfahrens ist anderen Prinzipien unterworfen als beispielsweise die Liquidation eines Unternehmens, das seine Gläubiger vollständig befriedigen kann, oder die Einzelzwangsvollstreckung. Allgemeines Prinzip des haftungsrechtlichen Ausgleichs im Insolvenzverfahren ist die Gläubigergleichbehandlung 3. Alle Gläubiger haben durch die Begründung und Abwicklung ihrer Rechtsverhältnisse mit dem Schuldner Einfluss auf dessen Vermögen genommen. Von der Einflussnahme jedes einzelnen Gläubigers sind nun auch die übrigen Gläubiger betroffen, da das Vermögen des Schuldners zur Befriedigung aller Verbindlichkeiten nicht ausreicht. Es bedarf daher eines Ausgleichs der Gläubigerinteressen. Die Insolvenzordnung verwirklicht diesen Ausgleich, indem sie alle Gläubiger grundsätzlich gleich behandelt. Ausnahmen bedürfen einer Rechtfertigung, da jede Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers zugleich bedeutet, dass dieser die Folgen seines Einflusses auf die übrigen Gläubiger abwälzen kann 4. Der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz ist in der Insolvenzordnung umfassend verwirklicht 5. Er ist nicht auf den Zeitraum des eröffneten Insolvenzverfahrens beschränkt, sondern bezieht auch diejenigen Gläubiger ein, die im Zeitraum unmittelbar vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine bevorzugte Befriedigung erlangt haben. Die Insolvenzordnung trägt damit dem Umstand Rechnung, dass einerseits die eigenverantwortliche Stellung des Schuldners im Regelfall erst mit 1 Begr. zum RegEInsO, Allg. 4 a cc, BT-Drucks. 12/2443, S. 83; vgl. auch BGHZ 150, 353 = NJW 2002, 2783, 2785; Häsemeyer, Rz. 1.11 ff.; MK-InsO/Ganter, § 1 Rz. 20, 51 f.; Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2104; Smid, § 1 Rz. 6 ff., 33; Uhlenbruck, § 1 Rz. 7. 2 Die Insolvenzordnung verfolgt weitere Zwecke, etwa ein geregeltes Ausscheiden nicht mehr funktionstüchtiger Unternehmen aus dem Markt, vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu § 1 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 155. 3 Lateinisch: par condicio (omnium) creditorum. 4 Häsemeyer, Rz. 2.27. 5 Vgl. nur die §§ 88, 129 ff. InsO.
1
I. Einführung
der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet und Vermögensgegenstände, die zuvor weggegeben, veräußert oder aufgegeben worden sind, der Gläubigergemeinschaft nicht mehr haften. Bliebe es andererseits bei dieser stichtagsbezogenen Regelung, wären Vermögensverschiebungen zum Nachteil der späteren Insolvenzmasse von Bestand. Um das zu verhindern, sind vor der Verfahrenseröffnung erfolgte, nachteilige Vermögensverschiebungen nicht von vornherein unwirksam, können aber rückgängig gemacht werden, sofern sie die Insolvenzgläubiger benachteiligt haben. Das hierzu von der Insolvenzordnung bereitgestellte Mittel ist die Insolvenzanfechtung nach den §§ 129 ff. InsO, die eine zeitliche Vorziehung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes bezweckt 6. Der Insolvenzanfechtung unterliegen nicht nur Rechtshandlungen des Schuldners. Die Möglichkeit, dass gläubigerbenachteiligende Rechtshandlungen vorgenommen werden, besteht auch dann, wenn das Gericht einen sog. vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt hat. Dessen Aufgabe ist es, die von ihm verwaltete Vermögensmasse gegen nachteilige Veränderungen zu schützen, mit anderen Worten: in ihrem Bestand zu erhalten. Auf den ersten Blick scheinen Rechtshandlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters der Insolvenzanfechtung entzogen, weil in der Erhaltung der verwalteten Vermögensmasse gerade keine Benachteiligung der Gläubiger zu sehen ist. Diese Annahme ist richtig, wenn man die Sicherung und Erhaltung der verwalteten Vermögensmasse als statische Aufgabe begreift, die sich auf die Feststellung und Wahrung des Vermögens beschränkt. Dabei würde jedoch übersehen, dass der Wert eines Unternehmens nicht nur aus der Summe seiner materiellen Güter besteht. Qualifiziertes Personal, die Betriebsorganisation, die bestehenden Kundenbeziehungen, die Rohmaterialien, die unfertigen Erzeugnisse und technischen Anlagen können ebenfalls erhebliche Vermögenswerte darstellen. Eigenart dieser Vermögenswerte ist es, dass ihr Wert gerade in der Einbindung in einen „lebenden“ Geschäftsbetrieb liegt. Mit dessen Einstellung erleiden diese Vermögenswerte nicht zwangsläufig, aber regelmäßig erhebliche Einbußen. Stellt der vorläufige Insolvenzverwalter fest, dass die Stilllegung des Geschäftsbetriebes Vermögenswerte vernichtet, ist es aus Sicht der Gläubiger zunächst sinnvoll, den Geschäftsbetrieb fortzuführen. Die Aufgabe des vorläufigen Insolvenzverwalters ist dann nicht mehr statisch, sondern dynamisch. So muss dieser – wie ein Unternehmer – neue Rechtsverhältnisse begründen und alte abwickeln. Die Möglichkeit, dass eine oder mehrere der zahlreichen zur Geschäftsfortführung notwendigen Rechtshandlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters zu einer Benachteiligung der Gläubiger führt, kann hier nicht ausgeschlossen werden. Mitunter ist der vorläufige Insolvenzverwalter auf die weitere Zusammenarbeit mit Lieferanten und Dienstleistern angewiesen, die bereits Gläubiger des Schuldners sind. Sofern diese bereit sind, zu den bisherigen Konditionen weiterhin ihre Leistungen zu erbringen, ergeben sich kaum Probleme. Der Gläubiger leistet oder liefert weiterhin und erhält für die im Insolvenzantragsverfahren begründeten For-
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BGHZ 136, 309, 312 f. zu § 30 Nr. 2 KO.
1. Gläubigergleichbehandlung versus Massesicherung
derungen (sog. Neuverbindlichkeiten 7 ) Befriedigung. Allerdings ist die Versuchung für den Gläubiger groß, seine Leistungsbereitschaft davon abhängig zu machen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter auch diejenigen Forderungen befriedigt, die bereits vor Antragstellung begründet wurden (sog. Altverbindlichkeiten). Der Unterschied zwischen den Alt- und Neuverbindlichkeiten besteht darin, dass die Befriedigung von Neuverbindlichkeiten in aller Regel ein Bargeschäft darstellt, bei dem gleichwertige Leistungen im engen zeitlichen Rahmen ausgetauscht werden, und diese von der Insolvenzanfechtung ausgenommen sind 8. Befriedigt der vorläufige Insolvenzverwalter dagegen Altverbindlichkeiten, liegt weder ein enger zeitlicher Zusammenhang vor noch eine Gleichwertigkeit der Leistungen. Es stellt sich die Frage, ob der Insolvenzverwalter die Befriedigung der Altverbindlichkeit nach den §§ 129 ff. InsO anfechten kann. Diese Frage ist grundsätzlich zu bejahen, da in der bevorzugten Befriedigung eines einzelnen Gläubigers zugleich eine Benachteiligung der übrigen Gläubiger zu sehen ist. Anders liegt es, wenn die Leistung des begünstigten Gläubigers dazu führt, dass der verwalteten Vermögensmasse mittelbar Vorteile erwachsen, welche die Benachteiligung der übrigen Gläubiger kompensieren oder sogar zu einer Mehrung der verwalteten Vermögensmasse führen. Der folgende Fall verdeutlicht das: Ausgangsfall 9 Unmittelbar nach Stellung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Geschäftsführer der Schuldnerin ordnete das Gericht verschiedene Sicherungsmaßnahmen an. Unter anderem bestellte es einen vorläufigen Insolvenzverwalter gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 InsO und ermächtigte diesen, mit rechtlicher Wirkung für die Schuldnerin zu handeln. Die Ermittlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters ergaben, dass die Schuldnerin im Ausland, unter anderem in SaudiArabien, mit Hilfe von Nachunternehmern Anlagen zur Oberflächenbehandlung baute. Der Betrieb der Schuldnerin war noch nicht eingestellt. Der vorläufige Insolvenzverwalter stellte weiterhin fest, dass die Fortführung des Geschäftsbetriebes wahrscheinlich zu einer Mehrung der verwalteten Vermögensmasse führen würde. Er entschloss sich daher, den Geschäftsbetrieb wenigstens bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortzuführen und sicherte den Nachunternehmern die Bezahlung der durch ihn begründeten Verbindlichkeiten zu. Die Bezahlung von Verbindlichkeiten aus dem Zeitraum vor der Antragstellung lehnte er ab, da diese erst im Rahmen der Schlussverteilung zu befriedigen seien. Mit dieser Verfahrensweise erklärten sich fast alle Nachunternehmer einverstanden.
7 Im Folgenden sollen unter Neu- bzw. Altverbindlichkeiten die gegen den Schuldner gerichteten Forderungen verstanden werden. Die Bezeichnung als Neu- bzw. Altforderung ist ebenfalls üblich, soll hier aber nicht gebraucht werden, da es sich aus der Sicht des Schuldners um Verbindlichkeiten handelt. 8 Vgl. § 142 InsO. 9 Fall nach BGH, Urteil vom 13.03.2003 – IX ZR 64/02, in: ZIP 2003, 810 ff. = WM 2003, 893 ff. = ZInsO 2003, 417 ff. = DZWiR 2003, 291 ff. = NJW 2003, 1865 ff. = MDR 2003, 775 ff. = DB 2003, 1436 ff. = BB 2003, 979 ff. = NZI 2003, 315 ff. = InVo 2003, 270 ff. ; Vorinstanz OLG Hamm in ZIP 2002, 676 ff. = NZI 2002, 259 ff. = DZWiR 2002, 345 ff. mit Anm. Tetzlaff, EWiR 2003, 437 f.
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I. Einführung Ein Nachunternehmer, der mit der Zusammensetzung der einzelnen Bauteile zu einer komplexen Einheit, der Inbetriebnahme der Anlage vor Ort sowie der Einweisung des Personals beauftragt war, bestand dagegen auf Befriedigung seiner Altverbindlichkeiten, bevor er weitere Leistungen erbringen würde. Der vorläufige Insolvenzverwalter bemühte sich zunächst erfolglos um einen geeigneten Ersatz. Um die Geschäftsfortführung nicht zu gefährden, zahlte er schließlich unter dem Vorbehalt der späteren Rückforderung ca. DM 70.000,00 an den Nachunternehmer. Hiervon entfielen rund DM 30.000,00 auf Neuverbindlichkeiten, die restlichen DM 40.000,00 befriedigten den Nachunternehmer für Altverbindlichkeiten. Dieser erfüllte daraufhin den Auftrag. Die Geschäftsfortführung verlief ohne weitere Probleme, wodurch DM 300.000,00 zugunsten der verwalteten Vermögensmasse erwirtschaftet wurden. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens focht der Insolvenzverwalter die von ihm als vorläufigem Insolvenzverwalter vorgenommene Zahlung an, soweit sie dazu diente, den Nachunternehmer für die Altverbindlichkeiten der Schuldnerin zu befriedigen. Er trug vor, dass er sich zur Bezahlung der Altverbindlichkeit gezwungen gesehen habe, weil die Angelegenheit eilbedürftig gewesen sei. Zum einen habe der Abnehmer der Anlage bereits mit Schadensersatzforderungen gedroht, zum anderen habe – wegen der Komplexität der Anlage – der Auftrag des Nachunternehmers nur durch diesen mit vertretbarem Aufwand für die Schuldnerin geleistet werden können.
Der Gläubiger hatte sein Ziel, Befriedigung für seine Altverbindlichkeiten zu erlangen, besonders rücksichtslos verfolgt und schließlich erreicht. Da das zunächst auch zu einem Nachteil für die übrigen Gläubiger führte, scheint ein Fall der Anfechtbarkeit vorzuliegen. Dennoch drängen sich Zweifel an der Richtigkeit dieses Ergebnisses auf. Denn der zunächst in der Befriedigung der Altverbindlichkeit liegende Nachteil ist infolge der Geschäftsfortführung mehr als kompensiert worden, so dass eine Gläubigerbenachteiligung nicht mehr vorliegt. An diesem Erfolg hatte der bevorzugte Gläubiger auch erheblichen Anteil, da eine Fertigstellung des Bauvorhabens ohne seine Mitwirkung ausgeschlossen war. Der Grundsatz der Gläubigerbenachteiligung steht hier in einem Zielkonflikt mit dem Prinzip der Massesicherung: Denn während die Prüfung der Gläubigerbenachteiligung sich auf die unmittelbaren Vorteile der anfechtungsrelevanten Rechtshandlung beschränkt, zielt die Massesicherung darauf, die verwaltete Vermögensmasse bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erhalten. Dies führt zu einem Konflikt, wenn der verwalteten Vermögensmasse zunächst ein Nachteil, im Zeitpunkt der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedoch ein Vorteil aus der anfechtungsrelevanten Rechtshandlung verblieben ist. Denn der verwalteten Vermögensmasse ist im Zeitpunkt der Zahlung von DM 40.000,00 auf die Altverbindlichkeit ein Nachteil entstanden. Stellt man dagegen auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ab, stehen der Zahlung von (insgesamt) DM 70.000,00 Umsatzerlöse von rund DM 300.000,00 gegenüber; der verwalteten Vermögensmasse verbleibt ein rechnerischer Vorteil von DM 230.000,00. Diese Rechnung ist natürlich stark vereinfacht. Sie wird komplizierter, wenn man berücksichtigt, dass mit der Geschäftsfortführung auch Aufwendungen verbunden sind. Möglicherweise müssen auch die behaupteten Schadensersatzforderungen des Abnehmers berücksichtigt werden sowie der Wertverlust des
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2. Ziel und Gang der Untersuchung
Betriebsvermögens, der durch eine Stilllegung entstanden wäre. Dennoch bleibt die Frage: Können bei der Feststellung, ob die Befriedigung eines Gläubigers die übrigen Gläubiger benachteiligt, auch solche Vorteile berücksichtigt werden, die nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der anfechtungsrelevanten Rechtshandlung stehen? Dieser Frage nimmt sich der Verfasser an.
2.
Ziel und Gang der Untersuchung
Es soll untersucht werden, unter welchen Rahmenbedingungen der Zielkonflikt zwischen der Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren zur Sicherung der verwalteten Vermögensmasse und dem Gleichbehandlungsgrundsatz zugunsten der Gläubigergemeinschaft aufzulösen ist und wann die bevorzugte Befriedigung eines einzelnen Gläubigers Bestand haben muss. Der Bundesgerichtshof 10 lehnt die Berücksichtigung mittelbarer Vorteile – sog. Fernwirkungen – im Rahmen der Insolvenzanfechtung ab und bestätigt in zwei neueren Urteilen seine Rechtsprechung. Diese Auffassung hat den Vorteil, dass die Prüfung der Gläubigerbenachteiligung nicht mit den bereits angedeuteten Schwierigkeiten belastet wird und eine klare Abgrenzung zum Bargeschäft erfolgt. Zugleich ermöglicht sie den Beteiligten eine sichere Prognose der Rechtsbeständigkeit ihrer Handlungen. In der Literatur ist die Rechtsprechung des BGH im Ergebnis weitgehend auf Zustimmung gestoßen 11. Dennoch haben die Entscheidungen die Praxis der Insolvenzverwaltung erheblich verunsichert 12. Zum Ersten ist fraglich, ob der Gewinn an Rechtssicherheit auch den Besonderheiten einer Geschäftsfortführung hinreichend Rechnung trägt oder die Prüfung der Gläubigerbenachteiligung hier eigenen Regeln unterworfen ist. Insofern werfen die Entscheidungen spezifisch insolvenzanfechtungsrechtliche Fragen auf. Zum Zweiten ist in diesem Zusammenhang zu klären, wer überhaupt Adressat des Gläubigergleichbehandlungsgebots ist und welche Auswirkungen die unterschiedlichen Ausgestaltungen der vorläufigen Insolvenzverwaltung hierauf haben. Zum Dritten sind die Entscheidungen des BGH auch deshalb von Bedeutung, weil die ihnen zugrunde liegenden Sachverhalte der Entscheidung des BGH vom 18. 07. 2002 13 hinsichtlich der Anordnungen des Insolvenzgerichts ähnlich sind. In seiner Entscheidung vom 18. 07. 2002 hatte der BGH festgestellt, dass die umfassende Ermächtigung des vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Verfügungsbefugnis, im Namen des Schuldners zu handeln, gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot
10 Siehe Fn. 9 sowie BGH, Urteil vom 13.03.2003 – IX ZR 56/02, in: ZIP 2003, 855 f. = ZInsO 2003, 420 f. = BGHReport 2003, 836 f. = DStZ 2003, 400. 11 de Bra, LMK 2003, 135; Huber, EWiR 2003, 719 f.; Leithaus, NZI 2003, 317 f.; Schirrmeister, DZWiR 2003, 293 ff.; Schmitz, IBR 2003, 304; Tetzlaff, WuB VI C § 55 2.03. 12 Haarmeyer/Pape, ZInsO 2002, 845 ff.; vgl. auch KS-Prütting, S. 221 und Smid, DZWiR 2004, 1, 7. 13 BGHZ 151, 353 ff. = NJW 2002, 3326 ff. = NZI 2002, 543 ff.
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I. Einführung
verstoße und deshalb unzulässig sei. Nunmehr wurden dem BGH gleichwohl noch einmal zwei solcher Anordnungen vorgelegt, wobei die Schwierigkeit darin bestand, welche Folgerungen daraus zu ziehen sind, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter, der vom Insolvenzgericht mit einer unzulässigen Ermächtigung ausgestattet wurde, im Rahmen der Geschäftsfortführung Rechtshandlungen vornimmt, die masseschädlich sein können. Bedingung für die Beantwortung dieser Fragen ist das Verständnis für die wirtschaftliche und rechtliche Situation im Insolvenzantragsverfahren. Um sich gewissermaßen einen festen Ausgangspunkt zu schaffen, soll im ersten Teil der Arbeit die wirtschaftliche Situation, wie sie der vorläufige Insolvenzverwalter regelmäßig nach seiner Bestellung vorfindet, und der rechtliche Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens dargestellt werden. Dabei werden die Unterschiede der einzelnen Sicherungsmaßnahmen, die das Gericht anordnen kann, herausgearbeitet und – mit einem Rückblick auf die Vorgängerregelungen der Insolvenzordnung – ihre Bedeutung für die Entscheidung des vorläufigen Insolvenzverwalters aufgezeigt. Im zweiten Teil der Arbeit werden die Vorschriften der Insolvenzanfechtung kurz dargestellt und sodann auf ihre Anwendbarkeit auf Maßnahmen der Geschäftsfortführung untersucht. In diesem Zusammenhang sind Ziel und Gegenstand der Insolvenzanfechtung herauszuarbeiten, ebenso der Zusammenhang zwischen Insolvenzzweckwidrigkeit und Insolvenzanfechtung sowie die Teilbarkeit von Rechtshandlungen. Die Rechtsprechung des BGH zu diesen Fragen wird dargestellt und kritisch gewürdigt. Schließlich werden Rechtsfolgebetrachtungen in die Überlegungen einbezogen und eine eigene Lösung erarbeitet. Im dritten Teil der Arbeit werden die wichtigsten Ergebnisse noch einmal zusammengefasst. Klarstellend sei noch angemerkt, dass die Deckung 14 von Altverbindlichkeiten einen Ausnahmefall der vorläufigen Insolvenzverwaltung darstellt 15. Unter Hinweis auf die Rechtsstellung als Insolvenzgläubiger und die spätere Anfechtbarkeit wird es dem vorläufigen Insolvenzverwalter in aller Regel gelingen, dass der Gläubiger von seinem Verlangen nach bevorzugter Befriedigung Abstand nimmt. Die beschriebene Problematik wird also nur dann relevant, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter feststellt, dass durch eine zumindest zeitweilige Geschäftsfortführung die verwaltete Vermögensmasse erhalten wird, einzelne Gläubiger für diese unverzichtbar sind und trotz Darstellung der Rechtslage auf einer bevorzugten Befriedigung bestehen. Gelingt es dem vorläufigen Insolvenzverwalter nicht, einen geeigneten Ersatz für den Gläubiger zu finden, bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Altverbindlichkeiten zu decken und ggf. später anzufechten, wenn er nicht die Geschäftsfortführung insgesamt verwerfen will.
14 Unter Deckung ist sowohl die Besicherung als auch die Befriedigung von Forderungen zu verstehen. 15 A.A. Leithaus, NZI 2003, 317, der den Fall als in der Praxis „sehr häufig“ vorkommend bezeichnet.
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1. Einführung
II.
Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
1.
Einführung
Die Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren wirft zahlreiche Schwierigkeiten auf. Diese sind zunächst tatsächlicher Art, da der vorläufige Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb des Schuldners in aller Regel nicht näher kennt und sich die für eine Geschäftsfortführung erforderlichen Kenntnisse erst aneignen muss. Ferner ergeben sich für den vorläufigen Insolvenzverwalter rechtliche Schwierigkeiten aus dem Umstand, dass eine Regelung der Geschäftsfortführung in der Insolvenzordnung keinen Eingang gefunden hat. Die rechtliche Ausgestaltung der vorläufigen Insolvenzverwaltung beschränkt sich zudem auf die §§ 21, 22 InsO; im Übrigen wird auf einzelne Regelungen des späteren Insolvenzverwalters verwiesen 16. Von Bedeutung ist etwa der Verweis auf die Möglichkeit, bereits im Insolvenzantragsverfahren dem Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zu entziehen, wodurch der vorläufige Insolvenzverwalter eine dem späteren Insolvenzverwalter angenäherte Rechtsstellung erlangt. Ferner wird auf die für den Insolvenzverwalter geltenden Haftungsnormen (§§ 60, 61 InsO) verwiesen. Zentrale Aufgabe des vorläufigen Insolvenzverwalters ist es, die Vermögensmasse des Schuldners bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu sichern, vgl. § 21 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 InsO. Ziel der Sicherungsmaßnahmen im Insolvenzantragsverfahren ist die spätere Verwertung im eröffneten Insolvenzverfahren. Konzeptionell bieten sich dann drei Möglichkeiten der Unternehmenssanierung an: die übertragende Sanierung, das Insolvenzplanverfahren und die Eigenverwaltung. In der Praxis nimmt die übertragende Sanierung den größten Anteil an Unternehmenssanierungen ein 17. Dabei wird ein neuer Unternehmensträger gegründet, auf den das Vermögen des Schuldners ohne dessen Verbindlichkeiten übergeht, wodurch der bilanzielle Sanierungserfolg erreicht wird 18. Ziel des Insolvenzplans ist es hingegen, den Unternehmensträger zu sanieren, nicht das Unternehmen 19. In einem Insolvenzplan können die Befriedigung der Absonderungsberechtigten und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung ebenso geregelt werden wie die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens 20. In der Praxis die Ausnahme stellt die Möglichkeit der Eigenverwaltung dar 21. In diesem Fall wird kein Insolvenzverwalter bestellt; der Schuldner bzw. dessen Organe bleiben – unter Aufsicht eines Sachwalters – berechtigt, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen 22. Geeignet für die Eigenverwaltung sind solche Unternehmen, bei denen es auf die besondere Sachkunde
16 17 18 19 20 21 22
Vgl. §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 22 Abs. 3 S. 3, 24 InsO. Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2105. Uhlenbruck, § 11 Rz. 16 ff. Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2106; ders. ZIP 2003, 596, 600. Vgl. §§ 217 ff. InsO. Smid, DZWiR 2002, 493, 500. Vgl. §§ 270 ff. InsO.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
des Schuldners ankommt und eine Schmälerung der Insolvenzmasse durch den Schuldner nicht zu befürchten ist. Unabhängig von der erst im eröffneten Insolvenzverfahren zu entscheidenden Frage, welche der genannten Verwertungsarten die im Einzelfall geeignete ist, haben alle drei eines gemeinsam: Wesentlich für eine zeitnahe und erfolgreiche Verwertung im eröffneten Insolvenzverfahren sind die umfassende Vorbereitung im Vorfeld der Verfahrenseröffnung und eine ausreichende Liquidität 23. Die Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten als regelmäßig beste Möglichkeit erwiesen, diese Voraussetzungen zu schaffen. Dabei kommt es nicht selten zu einem Spannungsfeld zwischen der Sicherungsfunktion des vorläufigen Insolvenzverwalters und dem Verlangen einzelner, für die Geschäftsfortführung notwendiger Gläubiger nach vollständiger Befriedigung ihrer Insolvenzforderungen, wie im Ausgangsfall dargestellt wurde. Da die Regelungen über die vorläufige Insolvenzverwaltung vielerorts auf die Regelungen des Insolvenzverwalters verweisen, sollen die Folgen einer bevorzugten Gläubigerbefriedigung zunächst aus dessen Perspektive dargestellt werden. In einem weiteren Schritt gilt es, die Unterschiede zwischen endgültigem und vorläufigem Insolvenzverwalter herauszuarbeiten, um so Bewertungsmaßstäbe für die Rechtshandlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters zu finden. Dabei steht naturgemäß die Frage im Vordergrund, welche Folgen die Bevorzugung eines Gläubigers hat und ob der Insolvenzverwalter hierfür haftbar gemacht werden kann.
2.
Gläubigergleichbehandlung im eröffneten Verfahren
a)
Gläubigergleichbehandlung und Insolvenzzweckwidrigkeit
Im Vorgriff auf die Erörterungen zum Insolvenzanfechtungsrecht ist zu beachten, dass Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters nicht gemäß den §§ 129 ff. InsO angefochten werden können 24. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 129 InsO, wonach nur Rechtshandlungen anfechtbar sind, die vor der Verfahrenseröffnung vorgenommen worden sind. Die Rechtsmacht des Insolvenzverwalters ist dennoch nicht unbeschränkt. Sofern er gegen den Insolvenzzweck – die bestmögliche Haftungsverwirklichung – verstößt, sind seine Handlungen unwirksam; die Insolvenzmasse wird hierdurch nicht verpflichtet 25. Ob eine Rechtshandlung gegen den Insolvenzzweck verstößt, beurteilt sich in Anlehnung an die Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht. Voraussetzung ist danach neben der Evidenz der Insolvenz-
23 Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2106 zum Insolvenzplanverfahren. Gleiches gilt aber auch für die übertragende Sanierung und die Eigenverwaltung. In beiden Varianten besteht die Absicht, das Unternehmen über eine gewisse Zeit fortzuführen, wofür ausreichend Liquidität benötigt wird. Denn anders als im Insolvenzantragsverfahren sind die vom Insolvenzverwalter / Eigenverwalter begründeten Verbindlichkeiten aus der Insolvenzmasse voll zu befriedigen, vgl. die §§ 270 Abs. 1 S. 2, 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Hierfür ist eine gründliche Vorbereitung im Insolvenzantragsverfahren unabdingbar. 24 Dazu ausführlich unten III.4.a). 25 BGHZ 150, 353 = NJW 2002, 2783, 2785 = NZI 2002, 375, 376.
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2. Gläubigergleichbehandlung im eröffneten Verfahren
zweckwidrigkeit, dass sich dem Geschäftspartner aufgrund der Umstände des Einzelfalls ohne weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen mussten 26. Fall: Der Beklagte war Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen der ZGmbH. Diese erbrachte für die ARGE A Rohbauarbeiten zur Errichtung eines Einkaufszentrums. Hierzu schloss die Gemeinschuldnerin mit der Klägerin am 13.09.1996 einen Nachunternehmervertrag über die Herstellung und Anlieferung von Betonfertigteilen. Zugleich trat die Gemeinschuldnerin ihre gegen die ARGE gerichteten Ansprüche an die Klägerin ab; sie sollte aber zum Forderungseinzug auf ein Konto ermächtigt sein, über das die Vertragsparteien nur gemeinsam verfügen konnten. Diese Einziehungsvollmacht widerrief die Klägerin am 10.12.1996, bevor am 16.12.1996 die Sequestration angeordnet und der Beklagte zum Sequester bestellt wurde. Während der Sequestration zahlte die ARGE zunächst auf das Sequesteranderkonto des Beklagten. Nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens am 01.02.1997 schlossen die Parteien am 11.02.1997 wegen der Restwerklohnforderungen der Klägerin aus dem Nachunternehmervertrag in Höhe von rund DM 694.000,00 eine Vereinbarung, wonach der Beklagte den auf das Sequesteranderkonto gezahlten Betrag auf das gemeinsame Konto zahlen sollte und die noch ausstehenden Forderungen des Beklagten gegen die ARGE vom Beklagten auf dieses Konto eingezogen und – entsprechend der Vereinbarung vom 13.09.1996 – zwischen den Parteien geteilt werden sollten. Zur Erfüllung dieser Vereinbarung kam es nicht mehr, da die Klägerin diese anfocht. Während des Gesamtvollstreckungsverfahrens leistete die ARGE weitere Zahlungen auf ein Verwalteranderkonto des Beklagten. Nachdem der Beklagte rechtskräftig durch Teilurteil verurteilt wurde, einen Betrag von rund DM 181.000,00 (in dieser Höhe stand der Klägerin ein Ersatzabsonderungsrecht zu) an die Klägerin zu zahlen, begehrte diese noch Zahlung des Differenzbetrages zwischen ihrer Forderung und dem ausgeurteilten Betrag (rund DM 513.000,00).
Zunächst legte der Bundesgerichtshof dar, dass ein Ersatzabsonderungsrecht nur in Höhe des bereits rechtskräftig ausgeurteilten Betrages zugunsten der Klägerin bestand. Die weitere Werklohnforderung war daher als Insolvenzforderung zu qualifizieren, so dass der Klägerin ein Anspruch auf bevorzugte Befriedigung aus der Vereinbarung vom 13.09.1996 nicht zustand. Sodann wendet sich der BGH der Frage zu, ob die Klägerin durch die Vereinbarung mit dem Beklagten vom 11.02.1997 ein Ersatzabsonderungsrecht erlangt hat. Darin verpflichtete sich der Beklagte, die Klägerin so zu stellen, als ob die Vereinbarung vom 13.09.1996 maßgeblich wäre, nach der die eingezogenen Forderungen vollumfänglich der Klägerin zugute kommen sollten. Der BGH verneint ein Ersatzabsonderungsrecht, da die Vereinbarung vom 11.02.1997 wegen Verstoßes gegen den Insolvenzzweck unwirksam sei: In einem ersten Schritt gibt er seine Rechtsprechung auf, wonach Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters nichtig sind, wenn der Widerspruch zum Insolvenzzweck unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten für jeden verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich ist 27. Der Senat schließt sich nunmehr einer in der Literatur vertretenen Auffassung an, wonach für die Abgrenzung, wann eine Überschrei-
26 BGHZ 150, 353 = NJW 2002, 2783, 2785 = NZI 2002, 375, 377. 27 BGH NZI 2002, 375, 377 unter Hinweis auf BGH WM 1983, 500, 502; BGH NJW 1994, 323, 326.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
tung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis durch den Insolvenzverwalter zur Unwirksamkeit der Maßnahme führt, die zum Missbrauch der Vertretungsmacht entwickelten Grundsätze heranzuziehen sind 28. Danach ist Voraussetzung für die Unwirksamkeit der Rechtshandlung neben der objektiven Evidenz der Insolvenzzweckwidrigkeit, dass sich dem Geschäftspartner aufgrund der Umstände des Einzelfalles ohne weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen mussten. Die objektive Evidenz der Insolvenzzweckwidrigkeit folgert der BGH in einem zweiten Schritt aus dem Umstand, dass der Beklagte mit Vereinbarung vom 11.02.1997 der Klägerin versprach, diese nicht nur wegen des mit einem Ersatzabsonderungsrecht gesicherten Forderungsbetrages von rund DM 181.000,00 zu befriedigen, sondern auch wegen des übersteigenden Betrages von rund DM 513.000,00, für das ein Ersatzabsonderungsrecht nicht bestand. Für ein Zugeständnis dieser Größenordnung habe es auch keinen rechtfertigenden Grund gegeben, so dass der Beklagte den ihm als Gesamtvollstreckungsverwalter zuzubilligenden Ermessensspielraum weit überschritten habe. Diese Überschreitung musste sich der Klägerin nach Ansicht des BGH auch aufdrängen, da sie die Umstände, die für das Nichtentstehen eines Ersatzabsonderungsrechts relevant waren, kannte 29. Der Entscheidung ist in ihrem Ergebnis zuzustimmen. Hinsichtlich ihrer Begründung wirft die Entscheidung jedoch zwei Fragen auf: Zum einen legt die Argumentation des BGH nahe, dass nicht allein die Bevorzugung der Klägerin gegenüber den übrigen Insolvenzgläubigern Grund für die Unwirksamkeit der Vereinbarung vom 11.02.1997 war, sondern die Größenordnung des Zugeständnisses 30. Ausschlaggebend für die Unwirksamkeit der Rechtshandlung soll aber nach den einleitenden Erörterungen des BGH zum Merkmal der Insolvenzzweckwidrigkeit deren Qualität, nicht ihr quantitatives Ausmaß sein. Die beanstandete Rechtshandlung wäre danach auch dann evident insolvenzzweckwidrig, wenn sie nur dazu gedient hätte, der Klägerin eine Sicherung ihrer Insolvenzforderungen in Höhe von beispielsweise DM 5.000,00 zu verschaffen. Auch in diesem Fall läge auf der Hand, dass die Besicherung eines Insolvenzgläubigers mit dem Ziel der Befriedigung außerhalb der §§ 174 ff. InsO gegen den Insolvenzzweck – die Gleichbehandlung aller Gläubiger – verstößt. Hiervon geht der BGH wohl aus, da er bei der sich anschließenden Prüfung der Erkennbarkeit der Insolvenzzweckwidrigkeit für die Klägerin auf das Ausmaß ihrer Bevorzugung nicht mehr abstellt, sondern die Kenntnis der Umstände, die dazu führten, dass ein (Ersatz-)Absonderungsrecht nicht entstanden ist, genügen lässt. Eine wirtschaftliche Abwägung der gegenseitigen Leistungen ist daher bei der Prüfung der Insolvenzzweckwidrigkeit nicht vorzunehmen. Die Schwierigkeit besteht nun darin, einer Rechtshandlung ihre Insolvenzzweckwidrigkeit „anzusehen“, wie an folgendem Beispiel deutlich wird:
28 BGH a.a.O. unter Hinweis auf Spickhoff, KTS 2000, 15 ff.; MK-InsO/Ott, § 80 Rz. 61; HK-InsO/Eickmann, § 80 Rz. 12; Kilger/Schmidt, § 6 KO Anm. 6 a aa. 29 BGH a.a.O. 30 So auch Smid, DZWiR 2004, 1, 3.
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2. Gläubigergleichbehandlung im eröffneten Verfahren Fall 31 : Der Insolvenzverwalter eines deutschen Großunternehmens findet in der Insolvenzmasse keine werthaltigen Gegenstände, ausgenommen eine einhundertprozentige Beteiligung an einem US-amerikanischen Unternehmen. Gegen dieses Unternehmen und die deutsche Schuldnerin werden vom US-amerikanischen Justizministerium Ermittlungen wegen unlauteren Wettbewerbs geführt, die im Falle eines unvorteilhaften Ausgangs dazu führen, dass beide von öffentlichen Aufträgen der USA ausgeschlossen wären. Das hätte wiederum zur Folge, dass die bisher stark werthaltige Beteiligung der Schuldnerin erheblich entwertet würde. Der Insolvenzverwalter vergleicht sich daher mit der US-amerikanischen Justizbehörde dahingehend, dass ein Bruchteil des Beteiligungswerts als Buße gezahlt wird, um die Einstellung der Ermittlungen gegen das US-amerikanische Unternehmen zu erreichen.
Stellt man hier allein auf das qualitative Moment ab, liegt eine insolvenzzweckwidrige Rechtshandlung vor. Denn die gegen die deutsche Schuldnerin zu verhängende Buße wäre als Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden gewesen. Befriedigt der Insolvenzverwalter diese (künftige) Insolvenzforderung, so liegt hierin eine Verletzung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes. Diese ist auch evident, da weder tatsächliche noch rechtliche Schwierigkeiten den Blick auf die Verletzung der §§ 174 ff. InsO erschwerten. Auch die vom BGH nunmehr geforderte Erkennbarkeit der Insolvenzzweckwidrigkeit wäre zu bejahen, da die US-amerikanischen Justizbehörden kaum davon ausgehen durften, von einer in Insolvenz befindlichen Gesellschaft umgehend Zahlung in voller Höhe zu erhalten. Zweifel an dieser Lösung sind berechtigt: Zwar verkürzte die Zahlung des Insolvenzverwalters zunächst die Insolvenzmasse um den Differenzbetrag zwischen dem Nennbetrag der Insolvenzforderung und der zu erwartenden Quotenbefriedigung. Zugleich führte die Zahlung des Insolvenzverwalters aber dazu, dass die US-amerikanische Justizbehörde ihre Ermittlungen einstellte und die Beteiligung werthaltig blieb. Hätte der Insolvenzverwalter die Ermittlungen ungehindert laufen lassen, wäre neben einem weitaus höheren Bußgeld – das Insolvenzforderung wäre –, mit einer nahezu vollständigen Entwertung der Beteiligung zu rechnen gewesen. Wirtschaftlich betrachtet hat der Insolvenzverwalter damit einen größeren Schaden für die Insolvenzgläubiger abgewendet, indem er einen kleineren in Kauf genommen hat. Hätte der Verwalter stattdessen unter Beachtung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes den Ausgang der Ermittlungen abgewartet, wäre wahrscheinlich der einzig werthaltige Vermögensgegenstand der Schuldnerin entwertet worden 32. Ein weiteres Beispiel aus der Rechtsprechung des BGH zum Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung könnte hier weiterführen: Fall 33: Der Gemeinschuldner pachtete eine Tankstelle nebst zugehörigem Garagenbetrieb. Mit der Beklagten schloss er einen sog. Zapfstellenvertrag, wonach sich die Beklagte verpflichtete, den Gemeinschuldner mit Treib- und Schmierstoffen zu beliefern und ihm ein Darlehen von DM 80.000,00 zu gewähren. Nachdem der Gemein-
31 Fall nach Smid, DZWiR 2004, 1, 14. 32 Smid, DZWiR 2004, 1, 14, beschreibt die Situation des Insolvenzverwalters treffend mit der Bemerkung fiat iustitia, pereat mundus und merkt zu Recht an, das Insolvenzverfahren würde in concreto wegen Masseunzulänglichkeit sein baldiges Ende gefunden haben. 33 BGH WM 1959, 377 ff. (Lieferanten-Fall). Dazu ausführlich unten III.4.b)aa)(3)(e)(ii).
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren schuldner mit der Rückzahlung des Darlehens in Verzug gekommen und die Beklagte deshalb vertragsgemäß anstelle des Gemeinschuldners in den Pachtvertrag eingetreten war, verkaufte dieser am 10.12.1953 den Tankstellenbetrieb an die L. gegen Zahlung eines Kaufpreises von DM 240.000,00. Die Beklagte machte ihre Bereitschaft, mit der L. einen Zapfstellenvertrag zu schließen davon abhängig, dass diese an sie DM 80.000,00 zahlt. Die L. schloss deshalb mit dem Gemeinschuldner eine weitere Vereinbarung, nach der die L. der Beklagten unter Anrechnung auf den an den Gemeinschuldner zu zahlenden Kaufpreis DM 80.000,00 schuldete. Der Gemeinschuldner stimmte dieser Vereinbarung zu. Am 16.12.1953 stellte der Gemeinschuldner den Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens über sein Vermögen; am 22.05.1954 wurde das Anschlusskonkursverfahren über sein Vermögen eröffnet.
Die später vom Konkursverwalter angefochtene Rechtshandlung war die zwischen der Beklagten und dem Gemeinschuldner geschlossene Vereinbarung, dass die L. statt DM 240.000,00 nunmehr DM 160.000,00 an den Gemeinschuldner und die weiteren DM 80.000,00 an die Beklagte zu zahlen habe, welcher der Gemeinschuldner zustimmte. Die Vereinbarung führte auf den ersten Blick zu einer unmittelbaren Benachteiligung der übrigen Gläubiger in Höhe von DM 80.000,00, da der Gemeinschuldner zunächst einen Kaufvertrag über DM 240.000,00 geschlossen hatte. Der BGH lehnte das Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligung jedoch zu Recht ab: Denn der Gemeinschuldner sei durch die Zustimmung der Beklagten überhaupt erst in die Lage versetzt worden, den Tankstellenbetrieb zu einem angemessenen Preis zu veräußern 34. Es komme deshalb auch nicht darauf an, dass die Vorteile zu den Nachteilen nicht im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stünden. Entscheidend sei, ob den Konkursgläubigern rein rechnerisch 35 deshalb eine geringere Vermögensmasse zur Verfügung stehe, weil die L. verpflichtet war, nur DM 160.000,00 an den Gemeinschuldner zu zahlen, sich also umgekehrt bessere Verwertungsmöglichkeiten geboten hätten. Zur weiteren Sachaufklärung verwies der BGH den Fall an die Vorinstanz zurück. In diesem konkursanfechtungsrechtlich eingekleideten Fall kam es dem BGH auf die möglicherweise insolvenzzweckwidrige Handlung – den Verzicht auf eine Forderung über DM 80.000,00 – nicht an, sondern auf die rechnerische Gegenüberstellung des tatsächlichen Geschehensablaufs mit einem hypothetischen, und zwar der anderweitigen Verwertung durch den später eingesetzten Konkursverwalter. Die Entscheidung scheint darauf hinzudeuten, dass es für die Frage, ob dem Gebot der Gläubigergleichbehandlung zuwider gehandelt wurde, doch auf eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung ankomme. Dabei ist zu beachten, dass hier der Gemeinschuldner handelte. Da dieser zunächst die Eröffnung eines Vergleichsverfahrens beantragt hatte, bedurfte es für die Wirksamkeit der angefochtenen Rechtshandlung weder der Mitwirkung eines Sequesters noch derjenigen eines Konkursverwalters. Eine Unwirksamkeit der Rechtshandlung wegen Überschreitung des Insolvenzzwecks war deshalb nicht Prüfungsgegenstand des BGH, der sich somit auf die anfechtungsrechtliche Beurteilung zu beschränken hatte. Dennoch ist die Entschei-
34 35
12
BGH WM 1959, 377, 379. BGH a.a.O.
2. Gläubigergleichbehandlung im eröffneten Verfahren
dung von Bedeutung auch für die Beurteilung der Insolvenzzweckwidrigkeit einer Rechtshandlung. Das Merkmal der Gläubigergleichbehandlung ist hier wie dort Prüfungsgegenstand. Unterstellt, der Begriff hätte im Konkursanfechtungsrecht und bei der Frage der Insolvenzzweckwidrigkeit denselben Inhalt, müssten die rechtlichen Würdigungen kongruent sein. Hätte anstelle des Gemeinschuldners ein Konkursverwalter der Vereinbarung vom 10.12.1953 zugestimmt, wäre zur weiteren Klärung der Frage, ob den Konkursgläubigern ein rechnerischer Vorteil verblieben war, ebenfalls zurückzuverweisen gewesen. Vergleicht man die Anforderungen an die Anfechtbarkeit / Insolvenzzweckwidrigkeit einer Maßnahme im vorläufigen mit einer Maßnahme im eröffneten Insolvenzverfahren, scheinen die Anforderungen an letztere jedoch erheblich höher zu sein. Hierauf deuten die Entscheidungen des BGH im Gummibärchenfall 36 und im Baumaschinenfall 37 hin. Die dort in Rede stehende – vorzeitige – Verwertung des schuldnerischen Vermögens im Antragsverfahren stellte nach Ansicht des BGH per se einen Verstoß gegen die Pflichten des vorläufigen Verwalters dar. Der BGH sah daher keine Veranlassung, zu der Frage einer Gläubigerbenachteiligung Stellung zu nehmen und lehnte eine Haftung des Verwalters nur über den Schutzweck der Norm ab 38. Es soll zunächst nur festgehalten werden, dass im eröffneten Insolvenzverfahren der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz dann verletzt ist, wenn eine Insolvenzforderung besichert oder befriedigt wird. Lehnt man eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ab, wäre über den vom BGH entschiedenen Fall 39 hinaus auch die Zahlung einer Geldbuße mit dem Ziel, den Wert der Beteiligung zu erhalten 40, wegen Insolvenzzweckwidrigkeit unwirksam. Diese für den Insolvenzverwalter geltende Begrenzung seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ist somit zugleich Maßstab für die Beantwortung der Frage, wann ein vorläufiger Insolvenzverwalter seine Verwaltungs- und ggf. Verfügungsbefugnisse überschreitet. b)
Haftung wegen Gläubigerungleichbehandlung
Folge der Gläubigerungleichbehandlung im eröffneten Insolvenzverfahren ist die Unwirksamkeit der benachteiligenden Rechtshandlung. Sofern die Rechtshandlung zugleich eine dem Verfahrensbeteiligten gegenüber bestehende Pflicht verletzt, kann dies auch die Haftung des Insolvenzverwalters gemäß den §§ 60, 61 InsO nach sich ziehen 41. Denkbar wäre aber auch, auf den Insolvenzverwalter die Regeln des falsus procurator in den §§ 177 ff. BGB anzuwenden. Zwar wird der Insolvenzverwalter nach überzeugender Auffassung nicht als Vertreter des Schuldners, sondern als Partei kraft
36 37 38 39 40 41
BGH ZIP 1993, 687 ff. BGH ZIP 1993, 48 ff. Dazu ausführlich unten II.4.c)ee)(1)(c). BGHZ 150, 353 = NJW 2002, 2783, 2785 = NZI 2002, 375, 376. Siehe oben Seite 10 f. Dazu ausführlich unten II.4.c)ee).
13
II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
Amtes angesehen 42, so dass allenfalls eine analoge Anwendung der §§ 177 ff. BGB in Betracht käme. Danach hätte die Überschreitung der vom Insolvenzgericht eingeräumten Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse zur Folge, dass der Insolvenzverwalter nicht die Masse, sondern sich selbst verpflichtete und für die Erfüllung der vom ihm geschlossenen Rechtsgeschäfte einstehen müsste. Das hätte für den Gläubiger den Vorteil, nicht allein auf die Haftung des Insolvenzverwalters verwiesen zu sein, sondern ihn als Vertragspartner in Anspruch nehmen zu können. Der BGH hat die Entscheidung dieser Frage in einer neueren Entscheidung 43 offen gelassen. Zwar folgt er einer bereits im Schrifttum verbreiteten Auffassung, wonach für die Abgrenzung, wann eine Überschreitung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zur Unwirksamkeit der Rechtshandlung führt, die zum Missbrauch der Vertretungsmacht entwickelten Grundsätze heranzuziehen sind. Eine Festlegung auf eine der Theorien zur Stellung des Insolvenzverwalters sei damit jedoch nicht verbunden 44. Obgleich die Anwendung der §§ 177 ff. BGB für den Gläubiger Vorteile hätte, wird sie den insolvenzbedingten Besonderheiten – insbesondere der Stellung des Insolvenzverwalters – nicht gerecht. Zunächst setzt eine Haftung nach § 179 BGB voraus, dass der Insolvenzverwalter als Vertreter des Schuldners gehandelt hat. Bedingung für die wirksame Verpflichtung der schuldnerischen Vermögensmasse wäre demnach ein Auftreten des Insolvenzverwalters im fremden Namen, also für den Schuldner. Handelt er nicht offenkundig in fremdem Namen, wäre der Insolvenzverwalter selbst aus den von ihm vorgenommenen Rechtsgeschäften verpflichtet, vgl. § 164 Abs. 2 BGB. In praxi bedeutete dies, dass der Insolvenzverwalter jeden Geschäftspartner darauf hinweisen müsste, er wolle nicht für sich selbst, sondern für die von ihm verwaltete Vermögensmasse tätig werden. Diese Folge ist ebenso unpraktisch wie die Anwendung des § 177 Abs. 1 BGB auf den Insolvenzverwalter problembehaftet wäre. Danach hängt die Wirksamkeit eines ohne Vertretungsmacht in fremdem Namen geschlossenen Vertrages davon ab, dass der Vertretene diesen genehmigt. Fraglich wäre, ob in diesem Fall die „Vertretungsbefugnis“ des Insolvenzverwalters auch die Genehmigung des von ihm vorgenommenen Rechtsgeschäfts umfasst oder hierin nicht ein unzulässiges Eigengeschäft im Sinne von § 181 BGB vorläge. Dem Schuldner die Genehmigung zu überlassen, stieße gleichfalls auf erhebliche Bedenken: Je nachdem, ob sein Verhältnis zum Insolvenzverwalter gut oder schlecht ist, könnte der Schuldner für den Insolvenzverwalter Verbindlichkeiten begründen, und zwar auch dann, wenn ein dem Schuldner – etwa im Rahmen einer Geschäftsfortführung – zuzurechnendes Rechtsgeschäft vorliegt. Ferner hat die Insolvenzordnung ein erweitertes Haftungssystem des Insolvenzverwalters
42 Vgl. nur BGHZ 127, 156; BAG DZWiR 2002, 419; Smid, § 80 Rz. 21. Zu den zahlreichen missverständlichen Beschlüssen der Insolvenzgerichte, die den vorläufigen Insolvenzverwalter zum allgemeinen Vertreter des Schuldners erklärten oder ihn ermächtigten, mit rechtlicher Wirkung für und gegen den Schuldner zu handeln, vgl. neben den eingangs geschilderten Fällen BGH ZIP 2003, 810 ff. und BGH ZIP 2003, 855 ff. auch BGHZ 151, 353 ff. 43 BGH NZI 2002, 375, 377. 44 BGH a.a.O.
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2. Gläubigergleichbehandlung im eröffneten Verfahren
gegenüber den Verfahrensbeteiligten in den §§ 60, 61 InsO geschaffen, dass die sich aus der Rechtsprechung des BGH zu § 82 KO ergebenden Schutzdefizite nach Auffassung des Gesetzgebers schließt 45. Nach der Rechtsprechung des BGH zu § 82 KO war ein Gläubiger beim Abschluss eines Vertrages mit einem Konkursverwalter nicht besonders geschützt; lediglich der Verstoß gegen die Verteilungsrangfolge der §§ 57, 60 KO war sanktioniert 46. Nunmehr ist der Gläubiger, der mit einem Insolvenzverwalter kontrahiert, über § 61 InsO geschützt, wenn der Insolvenzverwalter bereits bei Begründung der Verbindlichkeit erkennen konnte, dass die von ihm verwaltete Insolvenzmasse zur vollständigen Befriedigung nicht ausreichen wird. § 61 InsO legt damit keine spezifischen Pflichten für die Zeit nach der Begründung der Masseverbindlichkeit fest 47. Überschreitet der Insolvenzverwalter dagegen seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, kommt mangels spezieller Regelung in § 61 InsO eine Haftung aus § 60 InsO in Betracht. Einen weitergehenden Schutz gegen Pflichtverletzungen könnte der Gläubiger auch nicht über § 179 BGB erlangen, da auch hier nur ein Fehlverhalten – nämlich die fehlende Vertretungsmacht bei Vertragsschluss – sanktioniert wird. Das Rechtsschutzsystem der §§ 60, 61 InsO weist insoweit keine Lücke auf. Solch eine Lücke könnte man nur dann annehmen, wenn man § 60 InsO dahin versteht, dass er nur für den Fall Schutz bietet, dass der Insolvenzverwalter innerhalb seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse agiert; der Gläubiger also gerade für den Extremfall, dass der Insolvenzverwalter diese Grenzen überschreitet, nicht geschützt ist. Eine solche Beschränkung ist aber weder dem Wortlaut der Vorschrift noch den Gesetzgebungsmaterialien zu entnehmen 48. Systematisch ist eine verschuldensabhängige Haftung des Insolvenzverwalters auch angezeigt. Die in § 179 BGB vorgesehene verschuldensunabhängige Garantiehaftung findet ihre Rechtfertigung darin, dass der Vertreter Vertrauen veranlasst und enttäuscht hat 49. Die Grenzen der Vertretungsmacht sind dem Vertreter dabei durch die Vollmacht oder gesetzliche Regelungen vorgegeben 50. Eine ähnliche Beschränkung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters findet sich in den §§ 80 ff. InsO nicht. Sein Handeln hat sich allein am Insolvenzzweck zu orientieren. Jener ist die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger durch Verwertung seines Vermögens und dessen Verteilung oder die Erstellung eines Insolvenzplans insbesondere zum Erhalt eines Unternehmens, wie § 1 S. 1 InsO postuliert. Bereits die Aufzählung der beiden Möglichkeiten – Liquida-
45 BT-Drucks. 12/2443, S. 129 zu § 72. 46 BGH DZWiR 2004, 338, 339 unter Hinweis auf BGHZ 100, 346, 351; BGHZ 99, 151, 155 f.; BGH WM 1990, 329, 332; BGH ZIP 1988, 1068, 1069. Der BGH hatte darin eine Pflicht des Konkursverwalters, potentielle Neugläubiger vor einer Masseunzulänglichkeit des Gemeinschuldners zu warnen, abgelehnt. 47 So auch BGH DZWiR 2004, 338, 339. 48 BT-Drucks. 12/2443, S. 129 zu § 72. 49 Palandt/Heinrichs, § 179 Rz. 1. 50 Vgl. nur § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. § 1795 BGB sowie § 1643 BGB i.V.m. § 1821 BGB für die elterliche Sorge gegenüber dem Kind, §§ 1795, 1821 BGB für den Vormund, §§ 50, 54 HGB für den Prokuristen und den Handelsvertreter, § 714 BGB für den GbR-Gesellschafter, § 82 Abs. 2 AktG für den Vorstand der AG, § 37 GmbHG für den Geschäftsführer der GmbH, § 27 Abs. 1 S. 2 GenG für den Vorstand der Genossenschaft.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
tion und Insolvenzplan – zeigt, dass es sich bei der Insolvenzverwaltung nicht um einen statischen Vorgang handelt. Zwar bleibt das Ziel des Insolvenzverfahrens stets die bestmögliche Gläubigerbefriedigung; die Wege zur Erreichung dieses Ziels gibt die Insolvenzordnung nicht vor. Beispielsweise mag der Insolvenzverwalter zunächst mit guten Erfolgsaussichten versucht haben, einen Insolvenzplan auf den Weg zu bringen. Scheitert dieser Versuch am Widerstand einzelner Gläubiger, so fragt sich der Insolvenzverwalter nun, ob eine Sanierung etwa im Wege einer übertragenden Sanierung gelingen könnte. Findet er auch hier keine Verwertungsmöglichkeit, bleibt ihm nur noch die Zerschlagung des Unternehmens und die Veräußerung der einzelnen Vermögenswerte. Gerade weil die Sachlage im Insolvenzverfahren einem Wandel unterliegt, hat der Insolvenzverwalter einen weiten Ermessensspielraum bei seinen Entscheidungen 51. Diese insolvenzbedingte Dynamik von Insolvenzzweck einerseits sowie Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis andererseits lassen eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung des Insolvenzverwalters unangemessen erscheinen. Das umso mehr, als § 179 BGB eine Haftung auf das positive Interesse vorsieht, die §§ 60, 61 InsO die Haftung dagegen auf das negative Interesse begrenzen 52. Eine Anwendung der §§ 177 ff. BGB auf den Insolvenzverwalter ist daher abzulehnen. Eine Haftung gemäß den – verbleibenden – §§ 60, 61 InsO kommt jedoch nicht in Betracht, sofern der Gläubigerausschuss bzw. die Gläubigerversammlung den Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters zugestimmt haben, vgl. §§ 157, 159 f. InsO. Die Einberufung der Gläubigerversammlung stellt daher eine gute Möglichkeit dar, bei bedeutsamen Entscheidungen – und als solche kann die bevorzugte Behandlung eines einzelnen Gläubigers angesehen werden – über die Zustimmung eine Haftung auszuschließen. c)
Besonderheiten des Insolvenzantragsverfahrens
Wie die zahlreichen Verweise des Insolvenzantragsverfahrens auf die Vorschriften der Insolvenzverwaltung 53 zeigen, ist auch der vorläufige Insolvenzverwalter den Beschränkungen des späteren Insolvenzverwalters unterworfen. Er muss also sein Handeln am Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung ausrichten; bei einer Verletzung des Insolvenzzwecks sind seine Handlungen unwirksam und ggf. haftungsbegründend. Eine Übertragung der erörterten Grundsätze auf den vorläufigen Insolvenzverwalter begegnet jedoch Schwierigkeiten. Denn im Insolvenzantragsverfahren steht regelmäßig nicht nur die bestmögliche Verwertungsart zur Disposition, sondern das Insolvenzverfahren überhaupt. Ziel des Insolvenzantragsverfahrens, das mit der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt und mit der Entscheidung des Gerichts über die Eröffnung endet, ist die Erkenntnis, ob die Eröffnungsgründe der §§ 17–19 InsO vorliegen 54. Während dieser
51 52 53 54
16
BGH NZI 2002, 375, 376. Vgl. BGH DZWiR 2004, 338, 341. Vgl. die §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3, 22 Abs. 3 S. 3, 24 Abs. 1 InsO. Vgl. §§ 13, 16 ff. InsO.
2. Gläubigergleichbehandlung im eröffneten Verfahren
Zeit ist es notwendig, die Vermögensmasse des Schuldners vor einer Schmälerung zu schützen bzw. notwendige Sicherungsmaßnahmen einzuleiten. Das Insolvenzantragsverfahren ist jedoch ergebnisoffen; d.h. es kann sich nach der Überzeugung des Insolvenzgerichts einerseits als notwendig erweisen, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen, um die Insolvenzmasse einer geordneten Verwertung zuzuführen. Andererseits ist es ebenso möglich, dass das Insolvenzantragsverfahren ein vorzeitiges Ende findet. Das ist etwa der Fall, wenn die zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens notwendige Vermögensmasse gar nicht vorhanden ist 55 und die Verfahrenseröffnung mangels Masse durch Beschluss abgelehnt wird. Ferner kann derjenige, der den Insolvenzantrag gestellt hat, diesen bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der rechtskräftigen Antragsabweisung zurücknehmen, vgl. § 13 Abs. 2 InsO. Das passiert nicht selten, weil der Insolvenzantrag auch als Druckmittel gebraucht wird, um den Schuldner zur Zahlung einer Forderung zu veranlassen 56. Wird der Antrag nicht zurückgenommen, kann dieser immer noch unzulässig 57 oder unbegründet sein; letzteres ist der Fall, wenn die Eröffnungsgründe der §§ 17–19 InsO zu keinem Zeitpunkt vorlagen oder aber bereits im Insolvenzantragsverfahren beseitigt wurden. Damit wird deutlich, dass die Entscheidungen des Insolvenzgerichts ebenso wie diejenigen des vorläufigen Insolvenzverwalters zunächst nur einstweiligen, nämlich – wie es § 21 Abs. 1 S. 1 InsO zum Ausdruck bringt – sichernden Charakter haben 58. Da bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht feststeht, ob dieses eröffnet wird oder auf andere Art sein Ende findet, ist an die Handlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters möglicherweise ein anderer Beurteilungsmaßstab als beim späteren Insolvenzverwalter anzulegen. Dabei geht es zunächst um die bereits für den Insolvenzverwalter dargestellten Problemkreise: die Insolvenzzweckwidrigkeit von Rechtshandlungen wegen Überschreitung des Insolvenzzwecks sowie die Haftung gemäß den §§ 60, 61 InsO. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter sich nicht aufgrund der Beschlüsse eines „verfahrensübergreifenden“ Gläubigerausschusses von seiner Haftung befreien kann, da die Gläubigerautonomie zu diesem Zeitpunkt nach der gesetzlichen Systematik diesen erst im eröffneten Insolvenzverfahren zulässt 59. Hinzu tritt ein weiteres Problem: Die Handlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters erfolgen nach der Antragstellung, aber vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Um masseschmälernde Rechtshandlungen, die in dieser Zeit
55 Vgl. §§ 26 Abs. 1 S. 1, 53 f. InsO. 56 BGH ZIP 2004, 299 ff. = NJW 2004, 1385 ff. Die beklagte Krankenkasse hatte die Schuldnerin insgesamt drei Mal innerhalb von sechs Monaten unter Androhung eines Insolvenzantrages zur Zahlung rückständiger Beiträge zur Sozialversicherung aufgefordert. Die Schuldnerin zahlte die angemahnten Beträge, um ein Insolvenzverfahren zu verhindern. 57 Der antragstellende Insolvenzgläubiger hat gemäß § 14 Abs. 1 InsO sein rechtliches Interesse an der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, seine Forderung und den Insolvenzgrund darzulegen. Zu den Anforderungen an den Eigenantrag einer natürlichen Person vgl. § 4 a InsO, zum Eigenantrag einer juristischen Person vgl. § 15 Abs. 2 S. 1 InsO. 58 Darauf weist auch die Begründung des RefE InsO 2004 (unten Fn. 82) auf S. 18 hin. Es wird daher angeregt, nicht bereits wesentliche Teile des Insolvenzverfahrens in das vorläufige Verfahren zu verlagern und so ein „Insolvenzverfahren vor dem Insolvenzverfahren“ zu kreieren. 59 Siehe unten II.4.c)ee)(1)(b) und Fn. 336.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
erfolgten, rückgängig zu machen, hat der Gesetzgeber die Insolvenzanfechtung geschaffen (§§ 129 ff. InsO). Damit unterliegen Rechtshandlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters – zusätzlich zu ihrer Unwirksamkeit – auch der Möglichkeit der späteren Anfechtung. Um zu verstehen, in welchem Spannungsfeld sich der vorläufige Insolvenzverwalter bewegt, ist ein Verständnis für die Ausgangssituation im Insolvenzantragsverfahren notwendig.
3.
Ausgangssituation im Insolvenzantragsverfahren
a)
Überblick
Zur Sicherung der verwalteten Vermögensmasse stellt die Insolvenzordnung in den §§ 21, 22 InsO verschiedene Instrumentarien zur Verfügung. Hierzu zählt auch die Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren, die ausschließlich in § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO Erwähnung findet. Eine Geschäftsfortführung ist also nie Selbstzweck, sondern dient der Sicherung des Haftungsinteresses der Gläubigergemeinschaft 60. Um ihrem Sicherungszweck gerecht zu werden, ist es notwendig, vor der Entscheidung über die Geschäftsfortführung Kenntnisse über die wirtschaftliche Ausgangssituation und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu erlangen. Von zentraler Bedeutung ist dabei einerseits, welche liquiden Mittel bereits zur Verfügung stehen oder während des Insolvenzantragsverfahrens erwirtschaftet werden können und andererseits, welche Rechte und Pflichten den vorläufigen Insolvenzverwalter im Hinblick auf die in Aussicht genommene Geschäftsfortführung treffen. Die Ausgangssituation im Insolvenzantragsverfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass der vorläufige Insolvenzverwalter zunächst nur wenige Informationen über den Schuldner hat. Selbst wenn der vorläufige Insolvenzverwalter über Branchenkenntnisse verfügt, wird es einige Zeit dauern, bis er verlässliche Aussagen zu den Fortführungsaussichten machen kann 61. Zugleich muss die Entscheidung über eine Geschäftsfortführung zeitnah, d.h. innerhalb weniger Tage nach seiner Bestellung, getroffen werden 62. Denn das Bekanntwerden des Insolvenzantrages führt oft zu einer Betriebsstockung 63, die mit erheblichen Umsatzeinbußen und einem Zerfall der Organisationsstrukturen 64 einhergehen kann. Diese Folgen kann der vorläufige Insolvenzverwalter verhindern, wenn er schnell handelt und es ihm gelingt, die Geschäftsbeziehungen des Schuldners zu erhalten. Eine Geschäftsfortführung ohne 60 Begr RegEInsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 109; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum RegEInsO, BT-Drucks. 12/7302, § 1 RegE, S. 155; Wittig, DB 1999, 197. 61 Undritz, NZI 2003, 136, 138 mit Verweis auf BGH NZI 2002, 543, 548. 62 Mönning, Rz. 315; zur KO bereits Kilger, FS 100 Jahre KO, S. 189, 191. Undritz, NZI 2003, 136, 140 verweist darauf, dass Zeit gerade das knappste und wichtigste Gut des Insolvenzantragsverfahrens darstellt. Das trifft jedenfalls auf die ersten Tage nach Bekanntwerden des Insolvenzantrags zu. 63 Wellensiek, FS Uhlenbruck, S. 202. 64 Vgl. dazu auch Pape, DB 1999, 1539, 1540. Bigus/Eger weisen darauf hin, dass den sog. indirekten Kosten eines Insolvenzverfahrens gegenüber den direkten Kosten ein größeres Gewicht zukommt, vgl. ZInsO 2003, 1, 7 und Fn. 31.
18
3. Ausgangssituation im Insolvenzantragsverfahren
die fortlaufende Begründung neuer Verbindlichkeiten ist aber undenkbar. Die Versorgungsleistungen der Strom- und Wasserwerke müssen ebenso weiter in Anspruch genommen werden wie die Telekommunikationseinrichtungen. Zur Aufrechterhaltung der Produktion müssen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe gekauft sowie Mieten und Pachten 65 gezahlt werden. Darüber hinaus müssen die Mittel zur Bezahlung von Reparatur-, Wartungs- und Versicherungsverträgen aufgebracht werden, um den Wert des schuldnerischen Vermögens zu sichern. Diese sind in der Regel sofort zu bezahlen 66. Vorrangiges Ziel des vorläufigen Insolvenzverwalters ist es daher, für die Zeit des Insolvenzantragsverfahrens die Liquidität des Schuldners zu sichern bzw. wieder herzustellen 67. Zu Recht wird die Unternehmensfinanzierung deshalb als Schnittstelle zwischen Insolvenz und Geschäftsfortführung bezeichnet 68. Die Geschäftsfortführung setzt weiterhin voraus, dass die zur Fortführung benötigten Vermögensgegenstände beim Schuldner verbleiben. Der vorläufige Insolvenzverwalter muss sich daher auch mit der Frage befassen, welche Gläubiger an einem Insolvenzverfahren teilnehmen und ob diese bereits im Insolvenzantragsverfahren ihre Rechte gegen den Schuldner durchsetzen können. Denn eine Geschäftsfortführung scheidet, sofern nicht die Liquidität ausnahmsweise zur Beschaffung neuer Arbeitsmittel ausreicht, regelmäßig aus, wenn betriebsnotwendige Vermögensgegenstände vom Gläubiger herausverlangt werden können. Aufgabe des vorläufigen Insolvenzverwalters ist es somit, sich zunächst einen Überblick über die wirtschaftliche Situation des Schuldners zu verschaffen. Ziel seiner Ermittlungen muss es sein, auf der Grundlage von Gesprächen mit der Geschäftsführung, Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und anderen Beteiligten, betriebswirtschaftlichen Analysen und nicht zuletzt aufgrund eigener Erfahrung die Chancen und Risiken einer Geschäftsfortführung zu beurteilen. Insolvenzbedingt verdienen vor allem die Risiken Aufmerksamkeit, denn zur Geschäftsfortführung müssen genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um die benötigten Waren und Dienstleistungen bezahlen zu können. Zur Beurteilung der Risiken einer Geschäftsfortführung wird der vorläufige Insolvenzverwalter sowohl die Ursachen der Insol-
65 Nach BGHZ 151, 353 = NZI 2002, 543, 547 ist der Vermieter nicht durch § 112 InsO an der Kündigung gehindert, wenn der Schuldner die nach dem Insolvenzantrag fällig werdenden Mieten oder Pachten nicht zahlt. Dazu Fischer, NZI 2003, 281, 282. 66 So Smid, DZWiR 2002, 444, 446; Undritz, NZI 2003, 136, 140; Wiester, NZI 2003, 632, 634; Wittig, DB 1999, 197. Dies folgt für den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter bereits daraus, dass die mit seiner Zustimmung vorgenommenen Rechtsgeschäfte nur Insolvenzforderungen nach § 38 InsO begründen, so dass Neugläubigern eine Abwicklung nur im Rahmen des Bargeschäfts anzuraten ist. 67 Amend, in: Handelsblatt vom 28.07.2003; Bork, Rz. 370 ff.; Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2108; Thiemann, Rz. 307 ff.; Wiester, NZI 2003, 632. Ebenso Wellensiek, WM 1999, 405, 407 und Mönning, Rz. 261 mit dem zutreffenden Hinweis, dass im Insolvenzantragsverfahren auch die „Anlaufliquidität“ für das eröffnete Insolvenzverfahren geschaffen werden muss. Dies dient zwar nicht der Sicherung im Insolvenzantragsverfahren. Eine Fortführung ohne Sicherung der Anlaufliquidität des eröffneten Insolvenzverfahrens ist aber praktisch wenig sinnvoll, wenn zu erwarten ist, dass der Geschäftsbetrieb zumindest einige Zeit über den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung hinaus fortgeführt werden muss. 68 Luttermann/Vahlenkamp, ZIP 2003, 1629, 1635.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
venz als auch das wirtschaftliche Potential des Schuldners analysieren und sich mit den Sicherungsrechten der Gläubiger befassen. b)
Ermittlungen
Seine Ermittlungen wird der vorläufige Insolvenzverwalter beim Schuldner beginnen und dann mit den gewonnenen Informationen an die anderen Verfahrensbeteiligten, insbesondere die Gläubiger des Schuldners, herantreten. aa)
Schuldner
Für seine Ermittlungen stehen dem vorläufigen Insolvenzverwalter in erster Linie der Schuldner, dessen Organe und Angestellte zur Verfügung. Viele Geschäftsführungen sind aber nicht ausreichend über ihr Unternehmen, insbesondere dessen finanzielle Situation, informiert 69. Das beruht darauf, dass die Geschäftsführung Personalkosten sparen wollte und, weil sich ein Defizit hier nicht sofort bemerkbar macht, im Bereich der Buchhaltung Personal entlassen hat. Folge dessen ist, dass Geschäftsvorfälle nicht mehr zeitnah durch die Buchhaltung erfasst wurden und insbesondere die unterjährige betriebswirtschaftliche Auswertung an Aussagekraft einbüßt. Nicht selten findet der vorläufige Insolvenzverwalter eine seit Wochen oder Monaten nicht aktualisierte Buchhaltung vor. Die Bilanzen sind von der Entwicklung überholt und meist Makulatur 70, das vorhandene Rechnungswesen liefert keine aussagefähigen Daten 71. Zu der fehlenden Kenntnis kommt hinzu, dass die Geschäftsführungen nicht immer bereit sind, die wirtschaftliche Situation des Schuldners – auch vor dem Hintergrund möglicherweise anfechtungs-, straf- und haftungsrechtlicher Folgen 72 – zu offenbaren. Um sich einen Überblick verschaffen zu können, wird der vorläufige Insolvenzverwalter daher zu Beginn des Insolvenzantragsverfahrens eine Inventarisierung des Schuldnervermögens veranlassen. Dies ermöglicht ihm zum einen eine realistische Beurteilung der Produktionsressourcen und damit verbunden der notwendigen Ausgaben für Betriebsmittel. Die Inventarisierung ist zum anderen im Hinblick auf Ab- und Aussonderungsrechte wichtig 73, um hier nicht durch Vermischung,
69 A.A. Kohler, S. 168, wonach die Unternehmensführungen oft nichts oder nur wenig über ihr Unternehmen wissen. 70 Mönning, Rz. 656. 71 Untersuchung Creditreform 1996, in: FAZ vom 26.07.1996, S. 15; Feuerborn, KTS 1997, 171, 207; Uhlenbruck, § 60 Rz. 22; Undritz, NZI 2003, 136, 138. In Einzelfällen kann sich der vorläufige Insolvenzverwalter jedoch auf die von der Schuldnerin geführte Buchhaltung verlassen, wie das Beispiel der Lloyd Werft zeigt. Wie der vorläufige Insolvenzverwalter mitteilte, war die Buchhaltung à jour, hatte eine moderne EDV und die von ihr mitgeteilten Zahlen waren belastbar. Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 16.02.2004, S. 22. 72 Leithaus, NZI 2003, Heft 8, V. Liebl, S. 7, geht davon aus, dass in 80 % aller Insolvenzen strafbare Handlungen vorliegen. Diese Schätzung ist – mit Thiemann, Rz. 16 – zu pessimistisch, kann aber das Obstruktionsverhalten vieler Schuldner erklären. 73 Mönning, Rz. 66. Statistisch sind etwa 4/5 des bei insolventen Schuldnern vorhandenen Vermögens mit Aus- und Absonderungsrechten belastet, vgl. Begr RegEInsO, in: RWS-Dokumentation 18, S. 87.
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3. Ausgangssituation im Insolvenzantragsverfahren
Verarbeitung, Verkauf etc. Gläubigerrechte zu vereiteln. Es empfiehlt sich, bei der Erfassung des Anlage- und Umlaufvermögens nach Zerschlagungs- und Fortführungswerten 74 zu unterscheiden. Schwierigkeiten können hier vor allem sog. Halbfertigerzeugnisse, d.h. teilverarbeitete Produkte, bereiten. Bei der Erfassung des schuldnerischen Vermögens sind auch die in den Bilanzen nicht ausgewiesenen immateriellen Vermögenswerte zu berücksichtigen. Dies können etwa der Kundenstamm, Produktions-Know-how, technische Zeichnungen, Anmeldungen für Patente und Warenzeichen sein. Des Weiteren wird der vorläufige Insolvenzverwalter bei ausreichenden finanziellen Mitteln die Buchhaltung aktualisieren. So kann er etwa anhand von Bilanzen Erkenntnisse über die Eigen- und Fremdfinanzierung sowie den Cash Flow des Schuldners gewinnen, oder anhand einer unterjährigen Betriebswirtschaftlichen Auswertung (sog. BWA) oder Gewinn- und Verlustrechnungen (GuV) den betriebswirtschaftlichen Erfolg des Schuldners beurteilen. Die Kreditoren- bzw. Debitorenbuchhaltung kann ihm Auskunft darüber geben, welche Verbindlichkeiten und Forderungen bestehen. Von großer Bedeutung sind schließlich die eigenen Beobachtungen des vorläufigen Insolvenzverwalters 75. Dieser wird sich regelmäßig unmittelbar nach seiner Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter in den Betrieb des Schuldners begeben, um einen Eindruck von dessen Zustand zu gewinnen. Haben hier bereits Leasinggeber und Aussonderungsberechtigte zur Produktion notwendige Anlagen abtransportiert, sind aufgrund einer unzureichenden Sicherung des Betriebsgeländes Vorräte, Betriebsmittel und Fertigprodukte von Dritten gestohlen oder die Geschäftsführung mit dem Kassenguthaben verschwunden, lassen die entstandenen Schäden einen nur schwer fortzuführenden Unternehmensrest übrig. bb)
Gläubiger
Schließlich wird der vorläufige Insolvenzverwalter die Gläubiger des Schuldners über das Insolvenzantragsverfahren unterrichten und klären, ob diese zur weiteren Zusammenarbeit bereit sind. Gerade hier zeigt sich die Bedeutung der Liquiditätssicherung im Insolvenzantragsverfahren für eine Geschäftsfortführung. Denn die Gläubiger sind zur Fortsetzung der Geschäftsbeziehung nur bereit, wenn die Bezahlung der nach Antragstellung gelieferten Waren und erbrachten Leistungen – d.h. der Neuverbindlichkeiten – gesichert ist. Oft wird eine Zahlungszusage des vorläufigen Insolvenzverwalters verlangt 76, so dass diesem auch aus Haftungsgründen daran gelegen ist, über hinreichende finanzielle Mittel zu verfügen. Ebenso wichtig ist es, die Stellung der Gläubiger im eröffneten Insolvenzverfahren im Hinblick auf ihre vor der Antragstellung begründeten Forderungen – d.h. die Altverbindlichkeiten – zu ermitteln. Gemeinsames Interesse aller Gläubiger ist es, Befriedigung für ihre Forderungen zu erlangen. Dabei ist allerdings zu berücksich-
74 75 76
Auch Liquidations- und Going-concern-Werte genannt. Mönning, Rz. 682; Risse, KTS 1994, 465, 479. Menke, NZI 2003, 136.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
tigen, dass die Interessen der Gläubiger dennoch sehr verschieden sein können. Denn das Verhalten eines Gläubigers wird davon abhängen, welche Bedeutung dem Schuldner als Geschäftspartner zukommt und welche Erfahrungen er bereits in anderen Insolvenzverfahren gesammelt hat. Ganz entscheidend ist auch die unterschiedliche Absicherung der Gläubiger gegen die Risiken einer Insolvenz und ihre Möglichkeit, Altverbindlichkeiten im Insolvenzverfahren durchzusetzen. Ein gesicherter Gläubiger, der auf die Haftungsmasse zugreifen kann, wird eher eine schnelle Liquidation favorisieren, während ein ungesicherter Gläubiger, der im Liquidationsfalle leer ausginge, eher eine Fortführung befürworten wird, sofern sie aussichtsreich erscheint 77. Im Insolvenzantragsverfahren ist die Gläubigerstellung von Interesse, wenn die Gläubiger aufgrund von Sicherungsrechten in die verwaltete Vermögensmasse vollstrecken können. Können die Gläubiger Gegenstände aus dem schuldnerischen Unternehmen herauslösen, ist das Geschäft oft nicht fortzuführen 78. (1)
Aussonderungsberechtigte
Die Insolvenzordnung unterteilt die Gläubiger in den §§ 38–55 InsO in drei Gruppen. Die sog. Aussonderungsberechtigten machen aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, vgl. § 47 S. 1 InsO. Zu diesen Rechten zählt etwa der Eigentumsvorbehalt. Da sich die Sicherungsmaßnahmen der §§ 21 ff. InsO allein auf die verwaltete Vermögensmasse beziehen, können die Aussonderungsberechtigten das Sicherungsgut herausverlangen, wenn dem Schuldner nach der Sicherungsabrede kein Recht zum Besitz zusteht. Ein solches Besitzrecht ergibt sich im Fall des Eigentumsvorbehalts aus dem Kaufvertrag, denn der Käufer – d.h. der Schuldner – soll solange zum Besitz berechtigt sein, wie er die Kaufpreisraten zahlt. Gerät der Schuldner mit der Zahlung der Kaufpreisraten in Verzug, steht dem Aussonderungsberechtigten ein Rücktrittsrecht nach den §§ 449, 323 BGB zu. Macht er hiervon Gebrauch, ist die Vorbehaltsware herauszugeben. Ob der vorläufige Insolvenzverwalter auf das Sicherungsgut im Rahmen der Geschäftsfortführung angewiesen ist, spielt hierbei keine Rolle 79. Ebenso stellt sich die Rechtslage dar, wenn der Gläubiger aufgrund eines verlängerten Eigentumsvorbehalts Rechte geltend macht und die Vorbehaltsware noch nicht weiterverarbeitet oder veräußert wurde. Ob die Aussonderungsberechtigten auch im Insolvenzantragsverfahren vollstrecken können oder das Gericht die Vollstreckung untersagen kann, ist noch nicht ge-
77 Bigus/Eger, ZInsO 2003, 1, 4. 78 HK-Kirchhof, § 21 Rz. 21; Uhlenbruck, § 21 Rz. 3. 79 Herbert, S. 147 (zur KO); Pohlmann, Rz. 441(zur InsO). Vgl. aber den DiskE des BMJ, der eine Ergänzung des § 22 Abs. 2 InsO dahin vorsieht, dass das Gericht dem Gläubiger die Verwertung und Einziehung untersagen und die Nutzung des Gegenstandes zur Geschäftsfortführung ermöglichen kann, in: ZInsO 2003, 359, 360 sowie die Begründung zum RefE InsO 2004 auf S. 17 f., vgl. unten Fn. 82.
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3. Ausgangssituation im Insolvenzantragsverfahren
klärt 80. Vor dem Sicherungszweck des Insolvenzantragsverfahrens spricht einiges dafür, obgleich feststeht, dass dem Gläubiger ein Aussonderungsrecht zusteht. Die vorzeitige Zerschlagung der verwalteten Vermögensmasse kann aber nur verhindert werden, wenn sie umfassend gegen Zwangsvollstreckungen geschützt wird. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass den Aussonderungsberechtigten die Zwangsvollstreckung ausdrücklich im Beschluss gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO untersagt wird 81. Befürwortet man diese Möglichkeit, ist der Aussonderungsberechtigte ggf. analog § 169 InsO zu entschädigen. Da der vorläufige Insolvenzverwalter auf die Zusammenarbeit mit den Aussonderungsberechtigten angewiesen ist, wird er aber in der Regel versuchen, die Aussonderungsberechtigten gegen Zahlung des Kaufpreises – ggf. in Raten oder nach einem Abschlag vom Kaufpreis – zu einem Verbleib der Vorbehaltsware beim Schuldner zu bewegen. Um eine solche Zusage zu erreichen, bedarf es wiederum einer ausreichenden Liquidität. De lege ferenda soll dem Insolvenzrichter die Anordnung ermöglicht werden, dass Aussonderungsgut nicht vom Gläubiger eingezogen oder verwertet werden darf, sofern dieses für die Betriebsfortführung von wesentlicher Bedeutung ist und durch den Einsatz nicht wesentlich entwertet wird 82. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist die Befugnis zur Untersagung der Verwertung durch den Gläubiger nicht daran gebunden, dass eine Geschäftsfortführung erfolgen wird; auch die Art der angeordneten vorläufigen Insolvenzverwaltung 83 ist hierfür unerheblich. Eine Entschädigung des Gläubigers entsprechend § 169 InsO ist jedoch nicht vorgesehen 84. (2)
Absonderungsberechtigte
Während die Aussonderungsberechtigten geltend machen können, ein Gegenstand gehöre nicht zur Insolvenzmasse, können die Absonderungsberechtigten nur Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen. Wer absonderungsberechtigt ist, regeln die §§ 49–51 InsO. Zu nennen sind hier vor allem die Pfandgläubiger und
80 Für diese Möglichkeit Uhlenbruck, § 21 Rz. 3; dagegen KS-Gerhardt, S. 203; Vallender, ZIP 1997, 1993, 1997. 81 Lohkemper, ZIP 1995, 1641, 1650; a.A. Uhlenbruck, InVO 1996, 85, 89 Fn. 31; ders., § 21 Rz.6; Vallender ZIP 1997, 1993, 1997. 82 Referentenentwurf zur Änderung der Insolvenzordnung, des Kreditwesengesetzes und anderer Gesetze vom 16.09.2004 (im Folgenden: RefE InsO 2004), abrufbar unter http://www. rws-verlag.de/volltext-2004/Referentenentwurf 16.9.2004.pdf. In § 21 Abs. 2 soll folgende Nr. 5 angefügt werden: „5. anordnen, dass Gegenstände, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind und durch den Einsatz nicht wesentlich entwertet werden; zieht der vorläufige Insolvenzverwalter eine zur Sicherung des Anspruchs abgetretene Forderung anstelle des Gläubigers ein, so gelten §§ 170, 171 entsprechend.“ 83 Darauf weist die Begründung zum RefE InsO 2004 auf S. 18 ausdrücklich hin. 84 Hierzu heißt es in der Begründung zum RefE InsO 2004 auf S. 17, dass eine finanzielle Kompensation für diesen Entzug von Liquidität nach der Konzeption der Insolvenzordnung bis zum Berichtstermin nicht geboten sei. Der Insolvenzverwalter solle bis dahin die Möglichkeit haben, Massebestandteile zu ermitteln und Verwertungsmöglichkeiten zu prüfen, ohne durch die Pflicht zur Verwertung oder ggf. Freigabe von Sicherheiten beeinträchtigt zu sein.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
Sicherungseigentümer. Die Absonderung erfolgt erst im eröffneten Insolvenzverfahren (vgl. §§ 165 ff. InsO); im Insolvenzantragsverfahren können sie ihre Befriedigung allenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung erlangen. Ihr Interesse geht daher dahin, das Absonderungsgut alsbald aus dem Schuldnervermögen abzusondern bzw. selbst zu verwerten. Einer Geschäftsfortführung stehen diese Gläubiger oft skeptisch gegenüber, da sie das Risiko einer Entwertung ihrer (Sicherungs-) Gegenstände befürchten und an einem weiteren Zuwarten der Verwertung kein Interesse haben, zumal der Insolvenzverwalter einen Feststellungs- und Verwertungskostenbeitrag von maximal 9 % des Verwertungserlöses für die freie Insolvenzmasse einbehält. Sofern de lege ferenda auch der vorläufige Insolvenzverwalter die Feststellungs- und Verwertungskosten beanspruchen kann, könnte dieses Problem jedoch an Bedeutung verlieren 85. (3)
Insolvenzgläubiger
Diejenigen Gläubiger, die zur Zeit der Insolvenzeröffnung einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben, sind Insolvenzgläubiger, vgl. § 38 InsO. Sie sind gegen die Risiken einer Insolvenz nicht gesichert und erhalten am Ende des Insolvenzverfahrens eine Befriedigung von durchschnittlich ca. 3–5 % auf den Betrag ihrer Forderung 86. Ihr Interesse wird es daher sein, schnellstmöglich – ggf. im Wege der Zwangsvollstreckung – Befriedigung zu erlangen oder den vorläufigen Insolvenzverwalter unter Androhung der Nichterbringung ihrer Leistungen zur Zahlung zu bewegen 87. Soweit die Insolvenzgläubiger im Zeitraum der Krise Maßnahmen der Zwangsvollstreckung einleiten, sind diese in aller Regel anfechtbar gemäß § 131 Abs. 1 InsO 88 oder infolge der Rückschlagsperre des § 88 InsO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam. Zudem tragen sie das Risiko, ihre im Rahmen der Zwangsvollstreckung verauslagten Kosten nicht erstattet zubekommen. Der einfachere und kostengünstigere Weg ist es daher, den vorläufigen Insolvenzverwalter zur Zahlung zu bewegen. Sollte eine Befriedigung ihrer Forderung aussichtslos sein, werden sie sich jedenfalls um eine Sicherung ihrer Forderungen bemühen. c)
Ursachenanalyse
Wer einen insolventen Betrieb mit Erfolg fortführen will, kommt nicht umhin, sich wenigstens kursorisch mit den Ursachen der Insolvenz zu befassen. Die Krisen-
85 Siehe oben II.3.b)bb)(1) und Fn. 82. 86 Bork, dtv-Texte zur InsO, S. IX. 87 Dazu Wimmer/Dauernheim, S. 130 f, 133. 88 Nach herrschender Meinung ist die Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung in der Krise des Schuldners inkongruent im Sinne von § 131 InsO. Der Gläubiger hat zwar einen Anspruch auf Befriedigung; dieser umfasst aber weder die Duldung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen noch „freiwillige“ Zahlungen zur Abwendung angedrohter oder eingeleiteter Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (BGH ZIP 2004, 319 ff.; BGH ZIP 2004, 1060 ff.; BGHZ 136, 309, 312 f.; BGH WM 2003, 1278 f.; BGH WM 2003, 1690 f.; OLG München ZIP 2003,131 f.; OLG Stuttgart ZIP 2002, 2264 ff.; OLG Frankfurt/Main ZIP 2002, 1852 ff.; OLG Jena ZIP 2000, 1734, 1735). Abweichend wohl nur BAG NZA 1998, 446, 447 und Kübler/Prütting/Paulus, § 131 Rz. 18.
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3. Ausgangssituation im Insolvenzantragsverfahren
ursachenforschung zeigt, dass diese oft vielfältiger Natur sind 89. Schon infolge des Zeitmangels muss sich die Ursachenanalyse im Insolvenzantragsverfahren darauf beschränken, auf der Grundlage der vom Schuldner erteilten Auskünfte und überreichten Unterlagen die wesentlichen Gründe zu benennen 90. Auch kommt dem Ergebnis der Ursachenanalyse im Insolvenzantragsverfahren nur eingeschränkt Bedeutung zu. Für eine dauerhafte Geschäftsfortführung ist sie unabdingbar; für die Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren ist sie nur von Bedeutung, wenn ihr Ergebnis bereits eine Geschäftsfortführung ausschließt. Denn wegen der Möglichkeit, für den Zeitraum des Insolvenzantragsverfahrens im Rahmen der Insolvenzgeldvorfinanzierung personalkostenfrei zu wirtschaften, rechnet sich eine Geschäftsfortführung häufig. Im eröffneten Insolvenzverfahren müssen die Personalkosten hingegen aus der Insolvenzmasse aufgebracht werden, so dass strukturelle Ursachen der Insolvenz für eine Geschäftsfortführung über die Verfahrenseröffnung hinaus stärker zu berücksichtigen sind. Liegt beispielsweise die Ursache der Insolvenz darin, dass für die Leistung des Schuldners am Markt keine Abnehmer mehr vorhanden sind, dann ist auch eine Geschäftsfortführung mit dem Ziel, die unfertigen Erzeugnisse und Rohmaterialien des Schuldners zu verarbeiten, wirtschaftlich nicht sinnvoll. Hat dagegen die Hausbank die Darlehen gekündigt, zur sofortigen Rückzahlung fällig gestellt und ist der Schuldner deshalb zahlungsunfähig, so heißt das nicht, dass eine Geschäftsfortführung unterbleiben muss. Im Gegenteil ist die Geschäftsfortführung in dieser Situation im Interesse der Gläubiger, da die laufenden Überschüsse aus der Geschäftsfortführung die verwaltete Vermögensmasse vergrößern. d)
Liquiditätsanalyse
Sofern nicht ausnahmsweise der Fall vorliegt, dass bereits die Ursachen der Insolvenz eine Geschäftsfortführung ausschließen, befasst sich der vorläufige Insolvenzverwalter nunmehr mit der Sicherung der für eine Geschäftsfortführung notwendigen Liquidität. In Betracht zu ziehen ist hier eine Finanzierung aus Bank- und Kassenguthaben oder Gewinnen aus der Geschäftsfortführung (Eigenfinanzierung) und die Beschaffung liquider Mittel von Dritten (Fremdfinanzierung).
89 Einen guten Überblick über mögliche Insolvenzursachen sowie deren Bedeutung bietet Mönning, Rz. 615 ff.; vgl. auch Beck, Süddeutsche Zeitung vom 09./10.08.2003, S. 18. Ein Beispiel für die Ausnahme einer monokausalen Insolvenz mag die Lloyd Werft geben: Die Werft hatte ein Kreuzfahrtschiff bereits halb fertiggestellt, als dieses bei einem leichten Sturm im Bremer Hafen auf Grund sank. Da die Ursache zunächst nicht geklärt werden konnte, verweigerten sowohl der Auftraggeber als auch die Versicherung der Lloyd Werft Zahlungen. Hierdurch geriet die Lloyd Werft in eine Liquiditätskrise und stellte den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Vgl. dazu Süddeutsche Zeitung vom 16.02.2004, S. 22. 90 Mönning, Rz. 676, 680.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
aa)
Eigenfinanzierung
(1)
Guthaben, Sachanlage- und Umlaufvermögen
Dabei stellt sich oft heraus, dass der Schuldner nicht nur überschuldet, sondern auch zahlungsunfähig ist 91. Fast jeder vorläufige Insolvenzverwalter steht sprichwörtlich vor leeren Kassen 92. Weder Bank- noch Kassenguthaben weisen meist nennenswerte Guthaben auf. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist daher darauf angewiesen, die für die Geschäftsfortführung benötigte Liquidität durch diese selbst zu schaffen. Hierzu zählt beispielsweise, dass er anhand der aufgearbeiteten Buchhaltung ein konsequentes Forderungsmanagement betreibt. Zu beachten ist aber, dass der vorläufige Insolvenzverwalter grundsätzlich kein Verwertungsrecht hat 93. Ausnahmen ergeben sich nur im Rahmen der Verwertung verderblicher Waren oder soweit die Einziehung von Forderungen zur Betriebsfortführung notwendig ist 94. Ggf. kann auch das Insolvenzgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter zum Forderungseinzug ermächtigen 95. Diese Ermächtigung bezieht sich jedoch nur auf das Verhältnis zwischen dem vorläufigen Insolvenzverwalter und dem Schuldner, führt aber nicht zu einem Verbot der Einziehung durch Sicherungsgläubiger 96. Dabei hat der vorläufige Insolvenzverwalter die Drittschuldner – mitunter im Wettbewerb mit Geld- oder Warenkreditgebern des Schuldners 97 – anzuschreiben und zur Zahlung an sich aufzufordern. Die Verwertung von Vermögen ist grundsätzlich dem späteren Insolvenzverwalter vorbehalten und kann nicht zur Liquiditätsbeschaffung im Insolvenzantragsverfahren genutzt werden 98. Nicht ausgeschlossen sind aber Verwertungshandlungen,
91 Feuerborn, KTS 1997, 171, 172. 92 Mönning, Rz. 69, 314, 1017; Undritz, NZI 2003, 136, 138. An dieser Situation hat auch die Einführung der drohenden Zahlungsunfähigkeit als Eröffnungsgrund (§ 18 InsO) nicht viel geändert. Ähnlich äußern sich Wittig, DB 1999, 197 f. und Hess/Weis; InVo 1996, 225, 226, die der Fremdfinanzierung deshalb sogar eine steigende Bedeutung beimessen. 93 BGHZ 146, 165, 172 f. = ZInsO 2001, 464 zum „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter; BGH NZI 2003, 259 f. = LMK 2003, 117 f. mit Anm. Pape. 94 AG Duisburg, ZIP 1999, 1366, 1367; Lwowski/Tetzlaff, NZI 1999, 395, 396; Thiemann, Rz. 273; Pape, LMK 2003, 117, 118. 95 Nach Spliedt, ZIP 2001, 1941, 1948 ist die Ermächtigung zum Forderungseinzug häufig der Fall. 96 Pape folgert daraus, dass das Insolvenzantragsverfahren sich für eine „Vorverwertung“ der Insolvenzmasse nicht eigne und insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit der Realisierung der Feststellungs- und Verwertungskosten von maximal 9 % des Erlöses für die Insolvenzmasse eine schnelle Verfahrenseröffnung anzustreben sei, vgl. LMK 2003, 117, 118. In der Praxis dürften der Feststellungs- und Verwertungskostenbeitrag im Vergleich zu den Einspareffekten der Insolvenzgeldvorfinanzierung erheblich zurückbleiben, so dass jedenfalls die Ausschöpfung des Insolvenzgeldzeitraumes von drei Monaten angezeigt ist. Im Übrigen sind Vereinbarungen zwischen dem vorläufigen Insolvenzverwalter und den Gläubigern über den Forderungseinzug möglich. 97 In dem Fall BGH LMK 2003, 117 f. = NZI 2003, 259 f. hatte die Hausbank des Schuldners die Kredite bereits vor Verfahrenseröffnung gekündigt, die Sicherungsabtretung von Forderungen offengelegt und die Drittschuldner zur Zahlung an sich aufgefordert. 98 Das folgt bereits aus der systematischen Stellung der §§ 159, 165 ff. InsO, die im Zusammenhang mit dem eröffneten Insolvenzverfahren geregelt sind. Vgl. auch BGHZ 146, 165, 172 f. =
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3. Ausgangssituation im Insolvenzantragsverfahren
die zur Vermögenssicherung notwendig sind (sog. Notverkauf). In der Diskussion der Insolvenzrechtsreform hat beispielsweise die Veräußerung verderblicher Waren Erwähnung gefunden 99. Für zulässig gehalten wird auch die Veräußerung bereits abgeschriebener, nicht mehr voll verwertbarer oder für die Geschäftsfortführung nicht benötigter Gegenstände 100. Kommt nur noch eine Liquidation des Vermögens in Betracht, etwa weil der Betrieb bereits stillgelegt wurde, kann der vorläufige Insolvenzverwalter sogar das gesamte Unternehmen verkaufen 101. Die Veräußerung des gesamten Unternehmens ist auch dann zulässig, wenn der Verkaufserlös wenigstens fünfmal so hoch ist, als dies nach der Verfahrenseröffnung der Fall gewesen wäre 102. In der Praxis bemüht sich der vorläufige Insolvenzverwalter, Kaufinteressenten zu finden und bereits einen Kaufvertrag auszuhandeln. Dieser wird nach Verfahrenseröffnung unterzeichnet 103. Trotz dieser Möglichkeiten reichen die liquiden Mittel des Schuldners selten zur Begleichung der kurzfristig anfallenden Verbindlichkeiten aus. Dem vorläufigen Insolvenzverwalter verbleibt dann nur die Möglichkeit, die Befriedigung der Verbindlichkeiten aus den während der Geschäftsfortführung erzielten Erträgen zu versprechen oder eine persönliche Zahlungsgarantie zu geben. (2)
Insolvenzgeldvorfinanzierung
Eine Besonderheit des Insolvenzantragsverfahrens ist, dass Lohn- und Gehaltsansprüche der Arbeitnehmer im Rahmen der Liquiditätsplanung unter Umständen nicht berücksichtigt werden müssen. Gemäß § 188 SGB III besteht die Möglichkeit, Löhne und Gehälter für einen Zeitraum von maximal drei Monaten vor Verfahrenseröffnung durch Dritte vorfinanzieren zu lassen. Als Gegenleistung für die Vorfinanzierung werden die Entgeltforderungen der Arbeitnehmer an den Dritten abgetreten bzw. verpfändet. Die Rückzahlung der von dem Dritten bereit gestellten Mittel soll durch die Geltendmachung der Ansprüche auf Insolvenzgeld gesichert
BGH NZI 2001, 191; BGH NZI 2003, 259; HK-Kirchhof, § 21 Rz. 53 ff. Zu den Ausnahmen BGH ZIP 1993, 48 ff. mit Anmerkung Onusseit in EWiR 1993, 71 und BGH ZIP 1993, 687 ff. mit Anmerkung Smid, EWiR 1993, 479; OLG Düsseldorf, ZIP 1992, 344 mit Anmerkung Johlke, EWiR 1992, 493; OLG Hamm, ZIP 1995, 50 ff.; BayObLG NJW 2001, 307 = NZI 2001, 26. Weitergehend Menke, NZI 2003, 522, 525 ff., der eine Verwertung im Insolvenzantragsverfahrens jedenfalls dann für zulässig hält, wenn Gericht und Schuldner zustimmen. 99 DiskEInsO des BMJ, ZInsO 2003, 359. 100 Kirchhof, ZInsO 1999, 436, 437; HK-Kirchhof, § 22 Rz. 6; Pohlmann, Rz. 400; Smid, § 22 Rz. 27; Thiemann, Rz.365; KS-Uhlenbruck, 325, 353. 101 Thiemann, Rz. 366; Vallender, DStR 1999, 2034, 2037. 102 OLG Düsseldorf, ZIP 1992, 344, 346. Vgl. dazu auch den DiskEInsO des BMJ, wonach übertragende Sanierungen bereits vor dem Berichtstermin zugelassen werden, wenn hierdurch außergewöhnlich gute Verwertungschancen genutzt werden können, in: ZInsO 2003, 359, 360. 103 Menke, NZI 2003, 522, 525 Fn. 30, weist zu Recht darauf hin, dass dies neben der fehlenden Verwertungsbefugnis auch darauf beruht, dass nur bei einem Unternehmensverkauf nach Verfahrenseröffnung nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts die Haftung des Käufers aus § 613 a BGB für vor Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeiten der Schuldnerin entfällt.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
werden 104. Voraussetzung dafür, dass der Dritte die rechtliche Stellung des Insolvenzgeldberechtigten erlangt, ist gemäß § 188 Abs. 4 S. 1 SGB III die Zustimmung des Arbeitsamtes. Die Zustimmung des Arbeitsamtes hängt davon ab, dass der vorläufige Insolvenzverwalter glaubhaft machen kann, dass die Sanierung des Unternehmens mit nennenswertem Arbeitsplatzerhalt überwiegend wahrscheinlich ist 105. Dazu hat er die Umstände, die für die Prognoseentscheidung wesentlich sind, darzulegen. Der Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners und der sich aktuell abzeichnenden Vermögensabwicklung kommt somit auch für die Liquiditätssicherung entscheidende Bedeutung zu 106. Die Möglichkeit, den Liquiditätsbedarf im vorläufigen Insolvenzverfahren durch die Vorfinanzierung von Insolvenzgeld zu mindern, ist für die betriebswirtschaftliche Rechnung von entscheidender Bedeutung und darf nicht unterschätzt werden 107. Gerade in Unternehmen, die einen sehr hohen Personalkostenanteil 108 am Umsatz aufweisen, kann es allein durch die Vorfinanzierung von Insolvenzgeld gelingen, eine ausreichende Liquidität sicherzustellen. Die Möglichkeit einer Vorfinanzierung ist allerdings auf drei Monate vor Verfahrenseröffnung begrenzt. Haben die Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Antragstellung bereits drei Monate keine Arbeitsentgelte erhalten, entfällt eine Insolvenzgeldvorfinanzierung vollständig. Ist der Schuldner beispielsweise nur einen Monat mit Gehaltszahlungen im Rückstand, kann der vorläufige Insolvenzverwalter für maximal zwei Monate eine Insolvenzgeldvorfinanzierung erreichen und während dieses Zeitraums weitgehend personalkostenfrei den schuldnerischen Betrieb aufrechterhalten. bb)
Fremdfinanzierung
Des Weiteren sind Überlegungen notwendig, ob nicht auch Gläubiger oder bisher unbeteiligte Dritte an der Finanzierung des Insolvenzantragsverfahrens beteiligt werden können. Diese Möglichkeit hängt vor allem davon ab, welche Stellung die
104 Zum Ganzen Hase, WM 2000, 2231 ff. Die Möglichkeit einer Vorfinanzierung von Lohnund Gehaltsansprüchen bestand auf der Grundlage des Gesetzes über Konkursausfallgeld vom 17.07.1974 auch unter Geltung der Konkursordnung. Die Vorfinanzierung von Arbeitsentgelt hat erstmals durch die Einfügung des Abs. 2 a in § 141k AFG zum 01.01.1988 eine sozialrechtliche Regelung erfahren. Gegenüber der Vorgängerregelung wurde § 188 SGB III dahin erweitert, dass eine Vorfinanzierung nun auch durch Gläubiger des Schuldners und Unternehmensbeteiligte nicht ausgeschlossen ist. Einschränkend verlangt § 188 SGB III, dass die Vorfinanzierung der Sicherung von Arbeitsplätzen dient; d.h. die Vorfinanzierung im Zusammenhang mit einer aussichtsreichen Sanierungsbemühung steht. 105 Bezugsgröße für die Prüfung des erheblichen Arbeitsplatzerhaltes ist der Betrieb im Sinne der Betriebsverfassung, nicht das schuldnerische Unternehmen, vgl. Hase, WM 2000, 2231, 2232. Eine Insolvenzgeldvorfinanzierung ist somit auch dann möglich, wenn nur einzelne Bereiche des Unternehmens erhalten werden können. 106 Hase, WM 2000, 2231, 2232. 107 Beck, Süddeutsche Zeitung vom 09./10.08.2003, S. 18. A.A. Fink, Rz. 348, 395, der die Möglichkeit der Finanzierung über das Insolvenzgeld allerdings zu sehr unter Missbrauchsgesichtspunkten diskutiert. 108 Nach Mönning, Rz. 109, erreichen die Personalkosten nicht selten einen Anteil von über 50 % des Gesamtumsatzes.
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Gläubiger im Insolvenzverfahren haben und ob noch Vermögenswerte des Schuldners zur Besicherung einer Fremdfinanzierung zur Verfügung stehen. (1)
Kapitalkreditgeber
Zunächst ist an die Gewährung von Darlehen zu denken. Für die Finanzierung über Kapitalkreditgeber kommen wiederum zwei Möglichkeiten in Betracht: Die Ausschöpfung offener Kreditlinien und die Neukreditierung 109. Bestehende Kreditverträge werden durch den Insolvenzantrag oder die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nicht beendet 110. Dennoch wird die Ausschöpfung offener Kreditlinien regelmäßig an der Kündigung der Kreditgeber scheitern 111. Ein Kündigungsrecht können die Kreditgeber aus Nr. 19 Abs. 3 AGB – Banken bzw. Nr. 22 Abs. 2 AGB – Sparkassen herleiten. Danach sind die Banken und Sparkassen berechtigt, im Falle einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögenslage des Kreditnehmers und einer hieraus resultierenden Gefährdung der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten den Kredit fristlos zu kündigen 112. Die Stellung des Insolvenzantrages indiziert – wenigstens aus Sicht der Banken – das Unvermögen des Schuldners, seine Kreditverbindlichkeiten bedienen zu können. Sobald der Kreditgeber Kenntnis vom Insolvenzantrag erlangt, wird er daher die Kündigung der Kredite aussprechen. Eine bessere Aussicht, die ausgereichten Kredite zu befriedigen, kann damit nicht erreicht werden. Eine Kündigung kann aus Bankensicht aber sinnvoll sein, um die Inanspruchnahme bisher nicht ausgeschöpfter Kreditlinien zu verhindern. Eine Bereitstellung neuer Kredite wird nur gelingen, wenn diese als Masseverbindlichkeiten privilegiert und hinreichend besichert sind 113. Die Insolvenzordnung will die Aufnahme von Krediten im Insolvenzantragsverfahren erleichtern 114. § 55 Abs. 2 InsO sieht deshalb vor, dass Verbindlichkeiten des vorläufigen Insolvenzverwalters, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übergegangen ist, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten gelten 115. Dem „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter ist die Möglichkeit zur Aufnahme neuer Kredite somit de facto verwehrt, da er nur Insolvenzforderungen begründen kann. Auch im Falle der „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung ist die Erfül-
109 Wittig, DB 1999, 197, 198. Zum Verhalten der Banken in der Insolvenz ihres Kunden auch Kirchhof, ZInsO 2003, 149 ff. 110 Dem Insolvenzantrag kommt keine rechtsgestaltende Wirkung zu, vgl. Wittig DB 1997, 197, 198. Auch die Anordnung eines Verfügungsverbotes lässt Kreditverträge unberührt, da § 24 Abs. 1 InsO nicht auf §§ 103 InsO verweist. Vgl. dazu Wittig, DB 1999, 197, 198; Obermüller, Rz. 5.212; Thiemann, Rz. 335. 111 Wittig, DB 1999, 197, 198. 112 Vgl. BGH NZI 2003, 564 f. zur unmittelbar drohenden Zahlungsunfähigkeit. 113 Wittig, DB 1999, 197, 198; Thiemann, Rz. 308; Fink, Rz. 305 ff. 114 Dazu Wittig, DB 1999, 197, 199; auch Uhlenbruck, GmbHR 1995, 82; ders; GmbHR 1995, 195, 200; Uhlenbruck, KTS 1994, 169, 179 f.; Fink, Rz. 308 ff. Zur Aufnahme eines Kredits bedarf der vorläufige Insolvenzverwalter nach zutreffender Ansicht nicht der Zustimmung des Insolvenzgerichts. 115 Diese Möglichkeit besteht auch für den „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalter, soweit das Gericht besondere Verfügungsverbote angeordnet hat.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
lung der Kreditverbindlichkeiten aber keineswegs gesichert. Der Kreditgeber wird zu bedenken haben, dass neben ihm auch andere Neugläubiger das Privileg des § 55 Abs. 2 InsO genießen. Die Privilegierung bleibt daher ohne Nutzen, wenn die Eröffnung des Verfahrens gemäß § 26 InsO mangels Masse abgelehnt wird oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Masseunzulänglichkeit eintritt 116. Bei Masseunzulänglichkeit gehen wegen § 209 Abs. 1 InsO sämtliche Verfahrenskosten sowie die Neumasseverbindlichkeiten – d.h. die Masseverbindlichkeiten, die erst nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu zählen – dem Anspruch des Darlehensgebers vor. Der Kreditgeber kann bei Masseunzulänglichkeit also allenfalls dann, wenn nach Befriedigung der Neumassegläubiger etwas übrig bleibt, mit einer Befriedigung seiner Forderung rechnen 117. Die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters aus § 61 InsO bietet dem Neukreditgeber für den dann entstehenden Verlust keinen vollwertigen Ausgleich 118. Dies beruht zunächst darauf, dass die Haftung aus § 61 InsO nur durchgreift, wenn dem vorläufigen Insolvenzverwalter nachgewiesen werden kann, dass er bereits bei Begründung der Kreditverbindlichkeit die Masseunzulänglichkeit erkennen konnte. Zum anderen wird der Kreditgeber seine Entscheidung über die Kreditvergabe angesichts des Verhältnisses zwischen Kreditvolumen und finanzieller Leistungsfähigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters kaum auf dessen (mögliche) Haftung stützen wollen 119. Eine Kreditvergabe kommt daher regelmäßig nur in Betracht, wenn der Schuldner resp. der vorläufige Insolvenzverwalter Sicherheiten bieten können. Das ist nicht oft der Fall, da regelmäßig große Teile des Schuldnervermögens im Vorfeld der Insolvenz zur Sicherung übereignet, abgetreten, verpfändet oder belastet wurden 120. Als Sicherungsmittel kommen in diesem Fall nur „neu“ entstehende Vermögenswerte des Schuldners in Betracht, sofern ein Verfügungsverbot angeordnet wurde. Folge des Verfügungsverbotes ist, dass vor dem Insolvenzantrag geschlossene Sicherungsverträge keine Wirkung auf neu erworbenes Vermögen haben. Das betrifft insbesondere neu angeschaffte Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, fertiggestellte Produkte und die aus der Veräußerung entstandenen Forderungen. Gleiches gilt, wenn der Schuldner vor dem Insolvenzantrag über bewegliche Sachen, etwa im Rahmen einer Raumsicherungsübereignung, verfügt hat 116 Wittig, DB 1999, 197, 199. 117 Braun/Uhlenbruck, S.399; Thiemann, Rz. 308. 118 Wittig; DB 1999, 197, 199; a.A. wohl Smid, WM 1998, 1313, 1314. 119 Wittig, DB 1999, 197, 199. Eine andere Beurteilung kann angezeigt sein, wenn das Gericht die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Uhlenbruck, § 22 Rz. 4, in offensichtlich haftungsträchtigen Verfahren vom Abschluss einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung oder dem Nachweis haftungsdeckender Vermögensverhältnisse abhängig macht. Ebenso Pohlmann, Rz. 80; Eickmann ZIP 1981, 478 f. Die fehlende Haftungsbonität kann danach auch zur Entlassung des vorläufigen Insolvenzverwalters berechtigen, vgl. Pohlmann Rz. 247; Uhlenbruck, § 22 Rz. 5. Bedenklich ist diese Auffassung, weil die Haftungsrisiken im Zeitpunkt der Bestellung meist nicht zu erkennen sind und der Bildung eines „closed shop“ Vorschub geleistet wird. Hiergegen hat sich das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 03.08.2004 – Gz. 1 BvR 135/00 und 1 BvR 1086/01 – ausgesprochen und festgestellt, dass bei der Bewerbung um eine Tätigkeit im Rahmen von Insolvenzverfahren jeder Bewerber eine faire Chance erhalten muss, entsprechend seiner gesetzlich vorausgesetzten Eignung berücksichtigt zu werden. 120 Siehe oben Fn. 73; Wittig, DB 1999, 197, 200. Weitergehend Förster, unten Fn. 126.
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3. Ausgangssituation im Insolvenzantragsverfahren
und diese erst nach Anordnung des Verfügungsverbots erworben werden. Damit stehen dem vorläufigen Insolvenzverwalter zumindest diese Werte des Umlaufvermögens zur Verfügung, um neue Kredite zu besichern. Nicht zuletzt entscheiden über die Kreditvergabe aber auch Faktoren, die ihre Ursache nicht bei der Schuldnerin haben. Hierzu zählen etwa die strategische Ausrichtung der Bank 121, eine restriktive Vergabepraxis bei einzelnen Geschäftsfeldern 122 oder auch die Notwendigkeit, aufgrund der Basel II – Bestimmungen 123 die eigene Eigenkapitaldecke nicht durch unsichere Kredite zu belasten. Insolvenzrechtlich relevant sind die letztgenannten Bestimmungen dann, wenn das Kreditrating des Schuldners negativ ausfällt und keine oder nur eine relativ teure Finanzierung ermöglicht. Denn je schlechter das Kreditrating, desto höher ist der Anteil am Kreditvolumen, den die Bank durch Eigenkapital absichern muss. So stellt etwa auch der Referentenentwurf zur Insolvenzordnung vom 16.09.2004 fest, dass dem Mittelstand zur Zeit eine Finanzierung über den Kapitalmarkt kaum möglich ist, obwohl sie von der Kreditvergabe der Banken abhängig sind 124. Zwar ist Basel II nur eine unverbindliche Empfehlung des Bankenausschusses der Europäischen Union. In der Kreditpraxis hat sich das Kreditrating jedoch durchgesetzt 125, so dass die Kreditvergabe an Insolvenzschuldner – unabhängig von der Einbringlichkeit der Forderung – nur wenig Anreiz bietet. (2)
Warenkreditgeber
Damit stellt sich die Frage, welche Vermögenswerte des Schuldners noch als Sicherheit dienen können. Regelmäßig hat der Schuldner den Großteil seines verwertbaren Vermögens zur Sicherung abgetreten, verpfändet, belastet oder übereignet 126.
121 Süddeutsche Zeitung vom 11.03.2004, S. 19. 122 Genannt sei das Insolvenzverfahren der Lloyd Werft. Die Traditionswerft hatte volle Auftragsbücher, erwirtschaftete seit ihrer Ausgliederung aus der insolventen Bremer Vulkan Gewinne, finanzierte ihre Investitionen aus dem Cash Flow und hatte keine Bankverbindlichkeiten. Dennoch standen die Banken einer Kreditvergabe skeptisch gegenüber, was der vorläufige Insolvenzverwalter vor allem auf das fehlende Vertrauen in die deutsche Werftenindustrie – insbesondere wegen des Zusammenbruchs der Bremer Vulkan Werften – zurückführte. Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 16.02.2004, S. 22. 123 Drittes Konsultationspapier des Baseler Bankenausschusses der Europäischen Union; Übersetzung der Deutschen Bundesbank unter http://www.bis.org/bcbs/cp3fullde.pdf und http:// www.bafin.de. Bisher beträgt die vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht fixierte Eigenkapitalquote pauschal 8 % des Kreditvolumens (Basel I). 124 RefE InsO 2004, S. 10. 125 Laut einer Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau haben sich viele Banken und Unternehmen bereits an die neuen Bedingungen am Finanzmarkt – Brüssel II – angepasst. Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.03.2004, S. 19. Ebenso Luttermann/Vahlenkamp, ZIP 2003, 1629, 1635. Rattunde, ZIP 2003, 2103, weist auch auf die am 20.12.2002 in Kraft getretenen Mindestanforderungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (MAK; in: ZBB-Dokumentation 2003, S. 62, 68) hin, die an das Kreditgeschäft der Banken gestellt werden. 126 AllgBegr zum RegE S. 87 geht davon aus, dass etwa 80 % der schuldnerischen Vermögenswerte mit Aus- und Absonderungsrechten belastet sind. Wittig, DB 1999, 197, 200 ohne nähere Angaben. Zu weitgehend wohl Förster, ZInsO 2003, 917 und 920, wonach praktisch alle Vermögenswerte des Schuldners mit Sicherungsrechten belastet seien.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
Zudem ist die Kreditierung durch die Unsicherheit belastet, welche Vermögensgegenstände bereits als Sicherungsmittel eingesetzt wurden und nun nicht mehr zur Verfügung stehen 127. Die Klärung dieser Frage ist in aller Regel erst nach einer vollständigen Inventarisierung und der Korrespondenz mit den Gläubigern möglich. In dieser Situation kann die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes sinnvoll sein. Soweit der Schuldner über seine Vermögenswerte bereits im voraus verfügt hat – etwa durch Abtretung künftiger Forderungen – hindert das allgemeine Verfügungsverbot die Entstehung von Sicherungsrechten an diesen Vermögenswerten. Die während des Insolvenzantragsverfahrens begründeten Forderungen und gekauften Waren können somit zur Besicherung verwendet werden 128. Üblich ist die Kreditierung durch Warenkreditgeber in Form der Vereinbarung von Zahlungszielen. Ein besonderes Risiko liegt hierin für die Warenkreditgeber nicht, da der vorläufige Insolvenzverwalter die Zahlung aus den bereits vorhandenen liquiden Mitteln oder aus den zu erwartenden Umsätzen zusagt. Zugleich bleibt ihnen der Schuldner als Abnehmer erhalten.
4.
Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
a)
Überblick
Auf die Notwendigkeit der Sicherung schuldnerischer Vermögenswerte im Insolvenzantragsverfahren wurde bereits 129 hingewiesen. Sie folgt aus der Möglichkeit, dass sowohl der Schuldner selbst als auch dessen Gläubiger auf die verwaltete Vermögensmasse Zugriff nehmen können. Erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 Abs. 1 InsO) und werden Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner unwirksam (§ 88 InsO). Um die verwaltete Vermögensmasse schon während des Insolvenzantragsverfahrens in ihrem Bestand zu erhalten, bedarf es ggf. ihrer Sicherung. Entbehrlich ist eine Sicherung jedenfalls dann, wenn der Schuldner über keinerlei Vermögenswerte verfügt oder mit einer Vermögensverschlechterung nicht zu rechnen ist. Zuständig für die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen ist das Insolvenzgericht 130. Gemäß § 21 Abs. 1 InsO hat es alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Das Gericht kann insbesondere einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen und anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit
127 Das betrifft vor allem revolvierende Sicherheiten; etwa ein Raumsicherungsvertrag, der vorsieht, dass die Sicherheiten wechseln können. 128 Wittig, DB 1999, 197, 200. 129 Siehe oben II.1. und II.3.a), II.3.b). 130 Vgl. dazu die §§ 2, 3 InsO, wonach die Amtsgerichte für alle Schuldner zuständig sind, deren allgemeiner Gerichtsstand im Bezirk des Gerichts liegt.
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (allgemeiner Zustimmungsvorbehalt) oder dem Schuldner jegliche Verfügung über sein Vermögen verboten ist (allgemeines Verfügungsverbot), vgl. § 21 Abs. 2 Nr. 1, 2 InsO. Für diese Möglichkeiten, den Schuldner in seiner Verfügung über seine Vermögenswerte zu beschränken, haben sich entsprechend der Reichweite der jeweiligen Anordnung die Begriffe der „schwachen“ 131 bzw. „starken“ 132 vorläufigen Insolvenzverwaltung herausgebildet. Sie eignen sich zur Beschreibung der Vielzahl von Sicherungsmaßnahmen, die das Insolvenzgericht anordnen kann, nur bedingt. Denn einerseits kann neben der Bestellung zum „schwachen“ oder „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter das Gericht Anordnungen nach den §§ 21 Abs. 2 Nr. 3, 4, Abs. 3 InsO treffen; andererseits eröffnen die §§ 21 Abs. 1, 22 Abs. 2 InsO dem Gericht die Möglichkeit, die Rechte und Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters im Einzelnen zu bestimmen. Das Gericht kann daher abweichend von § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO anordnen, dass nur bestimmte Verfügungen der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters bedürfen (besondere Zustimmungsvorbehalte) oder dem Schuldner nur einzelne Verfügungen untersagen (besondere Verfügungsverbote 133). Macht das Gericht von der letztgenannten Möglichkeit Gebrauch, wird im Folgenden der Begriff der „halbstarken“ 134 vorläufigen Insolvenzverwaltung gebraucht. Auch er kann die Vielzahl der im Rahmen des § 22 Abs. 2 InsO denkbaren Anordnungen nicht erfassen. Die gewählten Begriffe verdeutlichen aber, aus welchen Vorschriften sich der rechtliche Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung ergibt und ermöglichen eine Typisierung. Über die Anordnung der Sicherungsmaßnahmen entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, § 21 Abs. 1 InsO, wobei es den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten hat 135. Die Sicherungsmaßnahmen im Insolvenzantragsver-
131 Teilweise auch als isolierte (Pohlmann, Rz. 28, 212 ff.) oder minderberechtigte (Kirchhof, Rz. 150) vorläufige Insolvenzverwaltung bezeichnet. Bork (Rz. 103, 104) bezeichnet ihn in Anlehnung an die Konkursordnung als Sequester. Entgegen der von Thiemann Rz. 13 vorgetragenen Bedenken soll im Folgenden von einer „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwaltung die Rede sein, da sich diese Bezeichnung durchgesetzt hat. 132 Ampferl, Rz. 38 ff.; Bork, ZIP 2001, 1521 ff; Förster, ZIP 2001, 790; Spliedt ZIP 2001, 1941 ff. Teilweise auch als kombinierte (Pohlmann, Rz. 28, 86 ff.), vollwertige (Pape, DB 1999, 1539, 1540) oder vollberechtigte (Kirchhof, Rz. 146) Insolvenzverwaltung bezeichnet. 133 AllgM, vgl. nur KS-Gerhardt, S. 193, 200; Nerlich/Römermann/Mönning, § 21 Rz. 60–63; Kübler/Prütting/Pape, § 21 Rz. 5. Ein besonderes Verfügungsverbot kann beispielsweise angeordnet werden, wenn der Schuldner dringend Liquidität benötigt, die beteiligten Kreditfinanzierer aber nur bereit sind, mit einem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter einen Kreditvertrag abzuschließen, vgl. AG Hof, NZI 2000, 37. 134 Die Bezeichnung geht wohl auf Weisemann, DZWiR 1999, 397 ff., zurück. Sie ist insofern zutreffend, als die Befugnisse des „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalters über diejenigen des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters hinausgehen; seine Rechtsstellung aber wegen § 22 Abs. 2 InsO regelmäßig hinter der des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters zurückbleibt. Ebenso Undritz, NZI 2003, 136, 137; Pape, ZInsO 2003, 1061, 1068 bezeichnet ihn dagegen als „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter. 135 KS-Uhlenbruck, 325, 329; KS-Gerhardt, 193, 203; zur Konkursordnung BGH NJW-RR 1986, 1186, 1188 f.; Pape, WPrax 1995, 236, 237; Kilger, FS 100 Jahre KO, 189, 194; Smid, WM 1995, 785 ff; Lepa, S. 155 ff, 160 ff.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
fahren greifen vielfältig in grundrechtlich geschützte Positionen des Schuldners ein 136 und müssen daher zur Sicherung der späteren Masse erforderlich und geeignet sein. Da es im Insolvenzantragsverfahren noch gar nicht sicher ist, ob es zur Insolvenzeröffnung kommt oder das Verfahren mangels Masse oder wegen Unbegründetheit des Insolvenzantrags nicht eröffnet wird 137, ist mit Blick auf die Auswirkungen nicht nur auf die vermögensrechtliche Stellung des Schuldners beim Erlass von Sicherungsmaßnahmen eher Zurückhaltung geboten 138. Die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Sinne einer Güterabwägung soll verhindern, dass es durch zu weitreichende Sicherungsmaßnahmen zum wirtschaftlichen Zusammenbruch eines von seinen Kunden, Lieferanten und Arbeitnehmern nicht mehr akzeptierten Gesprächs- und Verhandlungspartners kommt 139. Das jeweilige Sicherungsmittel ist daher abhängig vom Sicherungszweck. Entscheidend ist, ob der Sicherungszweck statisch, d. h. im Sinne der Erhaltung des Status quo verstanden wird oder ob die Vermögenssicherung auch dynamische Prozesse einschließt, was generell im Falle einer Geschäftsfortführung zutrifft 140. Im letzteren Fall wird die Anordnung der „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung teilweise als zwingend betrachtet, weil der Schuldner als Vertrags- oder Verhandlungspartner regelmäßig nicht mehr akzeptiert werde und die Unternehmensleitung daher in die Hand eines erfahrenen vorläufigen Insolvenzverwalters gehöre 141. Ordne das Gericht lediglich einen allgemeinen Zustimmungsvorbehalt an, dann werde dadurch zwar die Fortführung des Geschäftsbetriebes nicht ausgeschlossen, doch stehe in diesen Fällen der Schuldner auch weiterhin im Vordergrund, während der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter nur zu einem nachgeschalteten Kontrollorgan werde, das nur beschränkt handlungsfähig sei 142. Der rechtliche Rahmen, innerhalb dessen sich der vorläufige Insolvenzverwalter bewegt, hat auch für die Anfechtbarkeit seiner Rechtshandlungen nach den §§ 129 ff. InsO erhebliche Bedeutung. Beispielsweise wird die Entscheidung des vorläufigen Insolvenzverwalters, eine Verbindlichkeit des Schuldners zu befriedigen, davon abhängen, ob es sich bei der Verbindlichkeit um eine Insolvenzforderung oder eine Masseverbindlichkeit handelt. Hierfür wiederum ist die Frage zu klären, ob die vom vorläufigen Insolvenzverwalter selbst begründeten Verbindlichkeiten Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten darstellen. Ferner stellt sich für den vorläufigen Insolvenzverwalter die Frage, wann er den Geschäftsbetrieb des Schuldners fortzuführen verpflichtet oder die Entscheidung hierüber in sein Ermessen gestellt ist. Schließlich wird er berücksichtigen, welchen Haftungsrisiken er
136 Vgl. nur Lepa, S. 155 ff., 160 ff. 137 Auf diese Funktion des Insolvenzantragsverfahrens weisen Engelhardt, S. 66 ff, 86 ff. und Smid, DZWiR 2002, 444, 445 hin. 138 KS-Gerhardt, 193, 203. 139 Nerlich/Römermann, § 21 Rz. 74. 140 Mönning, Rz. 36; Nerlich/Römermann, § 21 Rz. 99. 141 So Nerlich/Römermann, § 21 Rz. 100; Haarmeyer, ZInsO 2001, 203, 207. 142 KS-Gerhardt, 193; KS-Uhlenbruck, 325; Mönning, Rz. 284; Bähr, ZIP 1998, 1553; Bork, ZIP 1999, 781, 784.
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
durch die Geschäftsfortführung, insbesondere durch die Befriedigung von Verbindlichkeiten, ausgesetzt ist. Ein Rückblick auf das bis zum 31.12.1998 geltende Recht der Konkursordnung 143 ist dabei unvermeidbar. Seit 1877 bestimmte die Konkursordnung den Ablauf des Konkursverfahrens und gab ihm seine Prägung. Die Vorschriften der §§ 106, 129, 132 KO, die seit den 70er Jahren als Grundlage der Geschäftsfortführung in der Sequestration angesehen wurden, waren der Ausgangspunkt für die Regelungen der §§ 21 ff. InsO. Vor dem Hintergrund der Sequestration erschließt sich die differenzierte Ausgestaltung der vorläufigen Insolvenzverwaltung und die notwendige Abgrenzung gegenüber den Befugnissen und Pflichten des Insolvenzverwalters. b)
Sequestration
aa)
Rechtsstellung des Sequesters
Die Rechtsstellung des Sequesters 144 war in der Konkursordnung nur unzureichend geregelt. Gemäß § 106 Abs. 1 S. 2, 3 KO konnte das Gericht alle der Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, insbesondere ein allgemeines Veräußerungsverbot an den Schuldner erlassen. Hieraus zogen Rechtsprechung und Literatur den Schluss, dass das Gericht insbesondere die Sequestration anordnen konnte. Sie diente der Sicherung des schuldnerischen Vermögens im Zeitraum zwischen der Stellung des Antrags auf Eröffnung eines Konkursverfahrens und der Entscheidung über die Eröffnung 145. Die Sequestration wurde – je nach Reichweite der gerichtlichen Anordnung – in Sicherungs- und Verwaltungssequestration unterschieden. Die Sicherungssequestration war die Regel. Sie beließ dem Schuldner die Veräußerungsbefugnis und berechtigte den Sequester nicht zur Verwaltung des Schuldnervermögens. Die Befugnisse des Verwaltungssequesters dagegen waren weitreichend; er sollte auch zur Verwaltung und Verfügung über das schuldnerische Vermögen berechtigt sein 146. Die Rechte des Sequesters wurden anhand des Sicherungszwecks der Sequestration bestimmt. Er sollte zunächst das gesamte Vermögen des Schuldners sichern, ohne sich um die Eigentumsverhältnisse zu kümmern, etwa indem er ausstehende Forderungen einzog 147. Zur Inbesitznahme 148 des Vermögens, Verwaltung und Verfü-
143 Konkursordnung vom 10.2.1877 (RGBl. S. 351) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.5.1898 (RGBl. S. 612), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.8.1998 (BGBl. I, 2489). 144 Den Begriff der Sequestration verwendet die Konkursordnung nicht. Er ist dem Recht der Zwangsvollstreckung der §§ 848, 855 ZPO entnommen; jedoch von dem Sequester im Konkursverfahren streng zu unterscheiden. 145 Kuhn/Uhlenbruck, § 106 Rz. 6. 146 Zum Ganzen KS-Uhlenbruck, 325, 330 und 332. 147 H.M., vgl. Kuhn/Uhlenbruck, § 106 Rz. 13d. 148 Streitig, vgl. Kuhn/Uhlenbruck, § 106 Rz. 8, 13, der ein Besitzrecht nur befürwortete, wenn es der Sequestrationszweck im Einzelfall erforderte.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
gung 149 hierüber und Verwertung 150 war der Sequester im Regelfall nicht berechtigt. Soweit der Sequester gleichzeitig als Gutachter bestellt wurde, oblag ihm auch die Aufzeichnung der Vermögensmasse, die Erstellung eines Inventars sowie eines Status und bei Bedarf die Siegelung der künftigen Masse 151. Begründete der Sequester Verbindlichkeiten, waren diese – unabhängig von der Art der Sequestration – als Konkursforderungen einzuordnen 152. Sie wurden für die Konkursgläubiger mit Verfahrenseröffnung praktisch wertlos, sofern sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfüllt waren. Das behinderte die Geschäftsfortführung erheblich, da für den Sequester Leistungen an das insolvente Unternehmen regelmäßig nur gegen Barzahlung zu erhalten waren 153. Bei mangelnder Liquidität war die Betriebsstilllegung vorprogrammiert 154. Eine Ausnahme sollte nach Literaturansicht für die während der Sequestration begründeten Verbindlichkeiten gelten, wenn das jeweilige Geschäft zur Durchführung der Sequestration notwendig und mit dem Zweck der Sequestration vereinbar war 155. Selbst unter diesen Voraussetzungen waren Zahlungen des Sequesters mit dem Risiko behaftet, dass sie sich ex post als nicht notwendig herausstellten. bb)
Geschäftsfortführung in der Sequestration
Die Geschäftsfortführung des schuldnerischen Betriebes in der Sequestration hat sich erst sehr spät als Sicherungsmaßnahme durchgesetzt. Lange Zeit stand vor allem die Liquidation im Vordergrund; die Fortführung war nicht einmal Gegenstand der Diskussion 156. Das folgte aus dem Verständnis der Konkursordnung, die nach allgemeiner Ansicht allein der Haftungsverwirklichung durch Verwertung des schuldnerischen Vermögens diente 157. Der Grund hierfür mag darin liegen, dass bei der Neuordnung des Insolvenzrechts im Jahre 1877 an die Stelle der Deutsche Gemeinschuldordnung von 1873, die auch die Möglichkeit der Sanierung bot (vgl. §§ 233–256 ), die Konkursordnung trat, ohne entsprechende Regelungen zu enthalten 158. Hieran änderte sich auch durch die Verordnung über die Geschäftsaufsicht vom 14.12.1916 und 8.2.1924 sowie die Vergleichsordnung von 1935 nichts. Insbe149 Der Sequester war aber verwaltungs- und verfügungsbefugt, soweit das Gericht diese Befugnisse dem Schuldner gemäß § 106 Abs. 1 S. 3 KO entzog. 150 Ausnahmen lässt der BGH zu, wenn die Verwertung eine Notmaßnahme darstellt, etwa wenn Waren zu verderben drohen oder Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens akut von Wertverlust bedroht sind, vgl. Kuhn/Uhlenbruck, § 106 Rz. 13 c. 151 Kuhn/Uhlenbruck, § 106 Rz. 13 g. 152 So wohl BGHZ 97, 87, 91; BGH ZIP 1993, 48; BGH ZIP 1993, 687, Kuhn/Uhlenbruck, § 106 Rz. 15 f; a.A. Gerhardt, ZIP 1982, 1, 8; Kilger, FS 100 Jahre KO, S. 208; Kilger/Schmidt, § 106 Rz. 4; Prütting/Stickelbrock, ZIP 2002, 1608, 1609. 153 Prütting/Stickelbrock, ZIP 2002, 1608, 1609. 154 Ahrendt/Struck, ZinsO 1999, 450, 451. 155 Kuhn/Uhlenbruck, § 106 Rz. 15 c; Koch, S. 113; Jaeger/Henckel, § 82 Rz. 8; Kreft, FS Merz, S. 313 ff. 156 Feuerborn, KTS 1997, 171, 172; Kilger, FS 100 Jahre KO, S. 189 ff.; Stüdemann, FS 100 Jahre KO, S. 401 ff. 157 Kilger, KTS 1989, 495; Bigus/Eger, ZInsO 2003, 1, 8. 158 Kilger, KTS 1989, 495, 500.
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
sondere die Vergleichsordnung, die zunächst einigen Erfolg bei der Reorganisation des Gemeinschuldners brachte, erwies sich als ungeeignet, eine Sanierung des Gemeinschuldners außerhalb eines Konkursverfahrens zu ermöglichen. Voraussetzung eines Vergleichs war unter anderem, dass die Gläubiger des Gemeinschuldners eine Mindestquote von 35 % auf ihre Forderungen erhielten. Eine solche Quote wurde selten erreicht, so dass dem Vergleichsverfahren das Konkursverfahren häufig unmittelbar folgte 159. Weder Lehre noch Praxis diskutierten die Möglichkeit, den schuldnerischen Geschäftsbetrieb auch im Rahmen der Sequestration fortzuführen und nach der Verfahrenseröffnung im Ganzen zu verwerten, obwohl die §§ 129 Abs. 1, 130, 132 Abs. 1 KO durchaus Möglichkeiten boten 160. Erst mit Einführung des Konkursausfallgeldes im Jahre 1974, durch das die Personalkosten in der Sequestration vorfinanziert werden konnten, wurde die Geschäftsfortführung diskutiert 161. Die Praxis erkannte in den 70er Jahren, dass Vermögenswerte, die im Geschäftsbetrieb gebunden waren und mit dessen Stilllegung verloren gingen, durch eine Fortführung des Geschäftsbetriebes erhalten werden konnten 162. Der Bundesgerichtshof lehnte eine Geschäftsfortführung durch den Sequester zunächst ab 163. 1986 änderte er seine Meinung und stellte fest 164, dass die Geschäftsfortführung eine mit dem Konkurszweck in Einklang stehende Maßnahme sei, wenn hierdurch eine bessere Verwertung der Konkursmasse erreicht werde. Aus dem Zweck der Sequestration, die Masse zu erhalten, folgte die Pflicht des Sequesters 165, die Fortführungsaussichten zu prüfen und bei positiver Prognose, den Geschäftsbetrieb fortzuführen. So ließ der Bundesgerichtshof etwa vom Sicherungszweck getragene Veräußerungen zu 166, betonte aber stets, dass die Sequestration lediglich der Haftungsverwirklichung diene 167. Als Folge der Anerkennung der einstweiligen Geschäftsfortführung bildete sie die Regel in der Sequestration 168. c)
Vorläufige Insolvenzverwaltung
Der Zweck der durch die Insolvenzordnung neu geordneten vorläufigen Insolvenzverwaltung besteht – ebenso wie bei der Sequestration nach dem Recht der Konkurs159 Kilger prägte hierfür den Begriff vom „Konkurs im Konkurs“, vgl. KTS 1989, 495, 496 unter Hinweis auf seinen Vortrag vor dem 38. Deutschen Anwaltstag, abgedruckt in KTS 1975, 142 ff. 160 In Anknüpfung an § 132 KO ausdrücklich BGHZ 99,151, 155; Kilger, KTS 1989, 495, 500; Stüdemann, FS 100 Jahre KO, S. 401, 431 ff. in Anknüpfung an Berges, KTS 1956, S. 113, 114. 161 Das Urteil des BGH NJW 1961, 1304, 1305, wonach es dem Sequester grundsätzlich verwehrt sei, den Geschäftsbetrieb des Schuldners zu schließen, blieb weitgehend unbeachtet. 162 Feuerborn, KTS 1997, 171, 172. 163 BGHZ 35, 13, 17 = NJW 1961, 1304 ff.; Kuhn/Uhlenbruck, § 106 Rz. 12. 164 BGH, Urteil vom 4.12.1986, BGHZ 99, 151, 155 = KTS 1987, 274 ff. = ZIP 1987, 115 ff. = NJW 1987, 844 ff. = EWiR 1986, 1229 f. (Anm. Merz). Bereits 1980 hatte der BGH in einer Entscheidung zur Haftung des Konkursverwalters ausgeführt, dass es sich bei der Fortführung des Geschäftsbetriebes um einen wesentlichen Bereich der Tätigkeit eines Konkursverwalters handle; vgl. BGH VersR 1980, 353, 355. 165 Kuhn/Uhlenbruck, § 106 Rz. 8. 166 BGH ZIP 1993, 48 (Baumaschinen-Fall); BGH ZIP 1993, 687 (Gummibärchen-Fall). 167 BGHZ 86, 190; 105, 230, 240; BGH ZIP 1993, 687, 688. 168 Kleiner, S. 36.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
ordnung – darin, die verwaltete Vermögensmasse zu erhalten. Im Gegensatz zur Sequestration sind die Befugnisse und Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters in den §§ 21 ff., 55 Abs. 2, 56, 58–66 InsO umfassend geregelt 169. Die verschiedenen Sicherungsmaßnahmen sollen zu mehr Rechtsklarheit führen und einen den Bedürfnissen des Einzelfalls angepassten Eingriff in die Verwaltungs- und Verfügungsrechte des Schuldners ermöglichen. Sie stellen ein Herzstück der Insolvenzreform dar 170. In Anlehnung an die Unterscheidung zwischen der Sicherungs- und der Verwaltungssequestration nimmt auch die Insolvenzordnung eine Zweiteilung vor, indem sie in § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO zwischen der vorläufigen Insolvenzverwaltung mit Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots bzw. eines allgemeinen Zustimmungsvorbehaltes unterscheidet. Daneben besteht auch die Möglichkeit, einen Sachverständigen 171 zu bestellen oder gemäß den §§ 21 Abs. 1, 22 Abs. 2 InsO die Rechte und Pflichten im Einzelfall zu bestimmen. Der Sachverständige hat zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und Aussichten auf eine Fortführung des Unternehmens bestehen 172. Die Bestellung eines Sachverständigen kann neben der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters erfolgen; das Insolvenzgericht ist auch nicht gehindert, den vorläufigen Insolvenzverwalter zusätzlich als Sachverständigen zu bestellen 173. Da der Sachverständige wegen der Beschränkung seines Aufgabenfeldes und der ihm an die Hand gegebenen Rechte nicht geeignet ist, den Geschäftsbetrieb des Schuldners fortzuführen, soll er im Folgenden außer Betracht bleiben. Welche Sicherungsmaßnahmen erforderlich sind, ist im Zeitpunkt der Antragszulassung meist nicht zu überblicken 174. Ein klarer Überblick über die Unternehmenssituation ist kurzfristig nicht zu gewinnen 175. Die Gerichte beauftragen daher zunächst entweder einen Sachverständigen, der auch die Notwendigkeit von Sicherungsmaßnahmen prüft, oder bestellen einen „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter 176. Die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung empfiehlt sich vor allem, wenn die Notwendigkeit besteht, die Geschäftsräume des Schuldners zu betreten, dort Nachforschungen anzustellen, Geschäftspapiere und Bücher einzusehen oder die Auskunftspflichten des Schuldners durchzusetzen 177. Diese Rechte stehen gemäß § 22 Abs. 3 InsO nur dem vorläufigen Insolvenzverwalter zu, nicht
169 KS-Gerhardt, S. 193, 194; KS-Uhlenbruck, 325, 326. 170 Kübler/Prütting/Pape, § 22 Rz. 1; Prütting/Stickelbrock, ZIP 2002, 1608. 171 Die Möglichkeit zur Bestellung eines Sachverständigen ergibt sich aus § 5 InsO; der typisierte Prüfungsumfang im Insolvenzantragsverfahren folgt aus § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO. 172 Uhlenbruck, § 22 Rz. 2; Gottwald, § 14 Rz. 27; KS-Uhlenbruck, S. 325, 354 f. Rz. 32; Uhlenbruck, NZI 2000, 289 ff. Darüber hinaus meinen Uhlenbruck, § 22 Rz. 2 und 7 sowie Vogelsang, in: Kraemer Fach 6 Kap. 6 Rz. 17, dass sich die Sachverständigentätigkeit auch auf die Massekostendeckung erstreckt. A.A. HK-Kirchhof, § 22 Rz. 18. 173 Uhlenbruck, § 22 Rz. 2; Kübler/Prütting/Pape, § 22 Rz. 3; Feuerborn KTS 1997, 171, 183 ff. 174 Uhlenbruck, § 21 Rz. 9. 175 Uhlenbruck, § 22 Rz. 4. 176 Dazu Pape, DB 1999, 1539, 1543. 177 Uhlenbruck, § 22 Rz. 4.
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
dagegen dem Sachverständigen. Sollten sich weitere Sicherungsmaßnahmen nach den Ermittlungen des Sachverständigen bzw. des vorläufigen Insolvenzverwalters als notwendig erweisen, kann das Gericht weitere Anordnungen treffen. aa)
Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
Die Sequestration wurde insbesondere aufgrund der unzureichenden gesetzlichen Grundlage des § 106 KO als unbefriedigende Lösung empfunden. Der Gesetzgeber entschloss sich daher, die vorläufige Verwaltung eigenständig und detaillierter zu regeln und so dem vorläufigen Insolvenzverfahren einen hinreichenden rechtlichen Rahmen zu geben. Die Sanierung eines Unternehmens soll nach den Zielsetzungen der Insolvenzordnung eine höhere Priorität genießen als unter Geltung der Konkursordnung und somit der besseren Befriedigung aller Gläubiger im eröffneten Verfahren dienen. Hierfür bieten sich grundsätzlich drei verschiedene Wege an: die Sanierung, die sanierende Übertragung und die Liquidation. Zwar genießt die Sanierung vor den beiden anderen Varianten keinen Vorzug 178. Dennoch ist es von zentraler Bedeutung, dass § 1 InsO die Sanierungsoption ausdrücklich zu einem Ziel des Insolvenzverfahrens erklärt 179. Dies folgt der Einsicht, dass der Erhalt des Unternehmens nicht nur auch, sondern gerade den Interessen der Gläubiger dient, weil eine funktionierende wirtschaftliche Einheit einen größeren Haftungszugriff der Gläubiger ermöglicht als ein zerschlagenes Unternehmen 180. Der Gesetzgeber hat daher auch im Umfeld der Insolvenzordnung versucht, die Möglichkeiten der Sanierung zu erweitern. Genannt sei etwa die Erweiterung der Insolvenzgründe um die drohende Zahlungsunfähigkeit, die eine frühzeitige Insolvenzantragstellung fördern soll 181 sowie die Novellierung des Überschuldungsbegriffs, der nunmehr einstufig statt zweistufig zu prüfen ist 182. Dies hat zur Folge, dass bei der Bewertung der Überschuldung nicht allein auf rechnerische Faktoren geachtet wird, sondern auch die Fortbestehensprognose – eingeschränkt – Bedeutung hat. Ferner wurde die Vorfinanzierung von Insolvenzgeld in § 188 SGB III erleichtert. Die Haftung des Vermögensübernehmers aus § 419 BGB wurde abgeschafft. Im Insolvenzverfahren bietet die Einführung eines Planverfahrens in den §§ 217 ff. InsO die Möglichkeit einer Abweichung von den gesetzlichen Verfahrensvorschriften auf der Grundlage einer freiwilligen Vereinbarung. Schließlich wurden Kleingesellschafter von der Haftung der Kapitalersatzvorschriften durch die Einfügung des § 32 a III 2 GmbHG ausgenommen. Gesellschafter, deren Beteiligung kleiner als 10 % des Stammkapitals ist, müssen daher nicht befürchten, dass von ihnen ausgereichtes Fremdkapital in Eigenkapital umqualifiziert wird und der Abzug aus der
178 Kübler/Prütting, RWS-Dokumentation, S. 93 f.; dazu auch Smid, BB 1999, 1; OLG Celle, ZInsO 2003, 334, 335. 179 Paulus, BB 2001, 425, 426. 180 Beispielsweise verdreifachte sich der Wert der Markenrechte, Warenzeichen, Patente, Teilen des Anlagevermögens sowie des Warenbestandes nach Angaben des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren der Grundig AG. Vgl. Süddeutsche Zeitung, Nr. 24/2004, S. 21. 181 Vgl. Nerlich/Römermann, § 18 Rz. 3 ff., 9 ff. 182 Vgl. Nerlich/Römermann, § 19 Rz. 11, 15 ff.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
Gesellschaft zur Haftung nach den §§ 30 f., 32 b GmbHG führt. Umgekehrt ermöglicht es § 32 Abs. 3 S. 3 GmbHG Fremdkapitalgebern, auch in der Krise der Gesellschaft Eigenkapitalanteile zu erwerben, ohne dass dies ihre Position als Fremdkapitalgeber gefährdet. Aus der Gesamtheit dieser Neuerungen lässt sich zu Recht folgern, dass es dem Gesetzgeber darauf ankam, als Alternative zur überkommenen Liquidation die Sanierung zu fördern 183 – sowohl im Vorfeld einer Insolvenz als auch im Insolvenzverfahren. bb)
Rechtsstellung des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters
(1)
Allgemeines
Gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 InsO kann das Gericht dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen. Die Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots ist die wirksamste Maßnahme zur Verhinderung manipulativer Eingriffe zum Nachteil der Masse 184 und greift den Wirkungen der Insolvenzeröffnung gemäß § 80 Abs. 1 InsO voraus. Sein Zweck ist die umfassende Sicherung der späteren Insolvenzmasse 185. Man spricht dann von einer „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung. Von der Anordnung betroffen sind alle Vermögensgegenstände, die zur späteren Insolvenzmasse gehören würden 186. Das Verfügungsverbot wirkt wegen seiner Rechtsfolgenverweisung auf §§ 81, 82 InsO absolut 187, trotzdem vorgenommene Verfügungen des Schuldners sind unwirksam. Aufgrund des weitreichenden Eingriffs in die Rechte des Schuldners bedarf die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots der besonderen Rechtfertigung 188. Es kommt beispielsweise in Betracht, wenn gegen den Schuldner wegen Insolvenzstraftaten gemäß den §§ 283 ff. StGB ermittelt wird oder wenn der Schuldner bzw. dessen organschaftliche Vertreter flüchtig sind 189. Die Rechtsform eines Unternehmens begründet dagegen keine Vermutung für die Gefahr einer Vermögensverschleppung 190. Fraglich ist, ob bei Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots zugleich ein vorläufiger Insolvenzverwalter zu bestellen ist – mit der Folge der §§ 22 Abs. 1, 55 Abs. 2, 61 InsO. Hierfür spricht, dass für das Vermögen des Schuldners im Insolvenzantragsverfahren ein Verfügungsbefugter existieren muss, dem Schuldner selbst
183 Paulus, BB 2001, 425. 184 Smid, WM 1995, 785, 787; Thiemann, Rz.121; zur Konkursordnung BGH NJW-RR 1986, 1188, 1189. 185 KS-Gerhardt, S. 193, 194. 186 Jaeger/Henckel, § 106 Rz. 3. 187 KS-Gerhardt, S. 193, 195; Bork, Rz.106; Uhlenbruck, KTS 1994, 169, 179. 188 MK-InsO/Haarmeyer, § 21 Rz. 27; Pohlmann, Rz. 30; Uhlenbruck, § 21 Rz. 4. 189 HK-Kirchhof, § 21 Rz. 8; Nerlich/Römermann, § 21 Rz. 69. 190 So aber MK-InsO/Haarmeyer, § 21 Rz. 20; Smid, § 21 Rz. 7; Haarmeyer, ZInsO 2001, 204, 205. Wie hier Uhlenbruck, § 21 Rz. 5. Sofern es sich bei dem Schuldner um eine ausländische Gesellschaft handelt, ist eine eingehende Prüfung jedoch angezeigt. Es ist zu beobachten, dass etwa spanische oder britische Gesellschaften aufgrund der weniger strengen Kapitalerhaltungsvorschriften bevorzugt gegründet werden, um eine Gesellschaft in die Insolvenz gehen zu lassen.
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
aber jede Verfügung untersagt ist 191. In den §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 2, 22 Abs. 1 InsO wird jedoch zwischen der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und der Anordnung von Verfügungsbeschränkungen 192 unterschieden. Nach der gesetzlichen Konzeption scheint die Anordnung einer Verfügungsbeschränkung ohne gleichzeitige Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters möglich und vom Gericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nach § 21 Abs. 1 InsO zu berücksichtigen. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots ohne gleichzeitige Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nur die Ausnahme sein könnte. Eine solche Anordnung käme nur in Frage, wenn das allgemeine Verfügungsverbot zur Vermögenssicherung ausreicht und keinerlei Verfügungen im Insolvenzantragsverfahren notwendig sind. Die hierfür genannten Exempel 193 zeigen, dass dies nur selten der Fall ist. Insbesondere wäre es nicht ausreichend, dass der Schuldner seinen Geschäftsbetrieb eingestellt hat 194. Ob in diesem Fall Verfügungen im Insolvenzantragsverfahren notwendig sind, kann das Gericht kurze Zeit nach Eingang des Insolvenzantrags nicht sicher beurteilen. Beispielsweise kann das Insolvenzantragsverfahren auch bei stillgelegtem Geschäftsbetrieb genutzt werden, um die Verwertung der verwalteten Vermögensmasse für die Zeit unmittelbar nach Verfahrenseröffnung vorzubereiten. Dazu kann es erforderlich sein, das Betriebsgelände durch einen Wachschutz sichern zu lassen, Versicherungen abzuschließen, Gutachter mit der Bewertung des Vermögens zu beauftragen, Grundstücke beräumen zu lassen, um die Veräußerbarkeit zu fördern und hierfür auch entsprechende Zahlungen zu leisten. Sofern der Schuldner verderbliche Ware lagert oder das Betriebsvermögen bereits aufgrund der Stilllegung erhebliche Einbußen erleidet, muss ein „Notverkauf“ organisiert werden. Für diese Maßnahmen ist der Gutachter nicht geeignet. Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb es bei vermutlich masselosen Verfahren angebracht sein soll, ein allgemeines Verfügungsverbot zu verhängen 195. Sofern keine Masse vorhanden ist, verbietet sich die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes, da es nicht
191 Für zwingend halten daher die Bestellung eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters bei Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots KS-Gerhardt, S. 193, 196; ders., ZZP 1996, 415, 419; Kübler/Prütting/Pape, § 23 Rz. 1.; Nerlich/Römermann, § 21 Rz. 53 und § 22 Rz. 39. 192 Es sei daran erinnert, dass neben der Anordnung der in § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO genannten allgemeinen Verfügungsverbotes oder eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts auch die Anordnung eines besonderen Verfügungsverbotes oder eines besonderen Zustimmungsvorbehalts in Betracht kommen. Dies folgt aus § 21 Abs. 1 InsO. 193 Von der Bestellung eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters könne abgesehen werden, wenn der Schuldner keinen Geschäftsbetrieb mehr unterhält (AG Göttingen, NZI 1999, 330) oder diese Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen nicht erforderlich ist (OLG Jena, NZI 2000, 271; FK-Schmerbach, § 21 Rz. 31 ff.; BK-Blersch, § 21 Rz. 22; HK-Kirchhof, § 21 Rz. 15; wohl auch Uhlenbruck, § 21 Rz. 18). Das sei der Fall im Nachlassinsolvenzverfahren, wenn Nachlassverwaltung oder Testamentsvollstreckung angeordnet ist (Uhlenbruck, § 21 Rz. 18), bei einer GmbH & Co. KG, wenn diese ihre geschäftliche Tätigkeit eingestellt hat und kein Handlungsbedarf hinsichtlich der geschäftsführenden Komplementär-GmbH besteht (FK-Schmerbach, § 21 Rz. 35) oder – allgemein – soweit der Schuldner keinen Geschäftsbetrieb mehr unterhält und keine geschäftlichen Vorgänge mehr abzuwickeln sind (Vallender, DZWiR 1999, 265, 266). 194 So aber AG Göttingen, NZI 1999, 330. 195 So aber Uhlenbruck, § 21 Rz. 18.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
erforderlich ist. Sollte der statt eines vorläufigen Insolvenzverwalters bestellte Gutachter im Insolvenzantragsverfahren Vermögenswerte feststellen, sind besondere Verfügungsverbote zur Sicherung dieser Vermögenswerte ausreichend. Fehl geht daher der Hinweis, aufgrund der Haftungsrisiken sei im Zweifel ein allgemeines Verfügungsverbot anzuordnen, auch wenn einstweilen von der Bestellung eines verfügungsberechtigten vorläufigen Insolvenzverwalters abgesehen werde 196. Letztlich bedeute die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt nichts anderes, als dass der Schuldner verfügungsberechtigt bleibt, jedoch die Wirksamkeit von Verfügungen von der Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters abhängt. Insoweit entstehe keine Situation, in der ein Verfügungsberechtigter nicht existiert. Dabei wird übersehen, dass mit der kumulativen Anordnung von allgemeinem Verfügungsverbot und vorläufiger Insolvenzverwaltung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 InsO zwingend auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht. Der Schuldner bleibt materiell Berechtigter, verliert seine Verfügungsbefugnis aber vollständig. Eine Verfügung, welcher der vorläufige Insolvenzverwalter nur zustimmen muss im Sinne von § 21 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 InsO, kann es hier nicht geben. Ordnet das Gericht ein allgemeines Verfügungsverbot an, muss es gleichzeitig die vorläufige Insolvenzverwaltung anordnen. Die Haftungsgefahren, die hiermit verbunden sind, können nicht durch die Bestellung eines nur „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters umgangen werden. Vielmehr hat das Gericht bei der Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots genau zu prüfen, ob dieses erforderlich ist 197. Die Anforderungen für ein allgemeines Verfügungsverbot sind hoch. Gelangt das Gericht zu der Ansicht, wegen der Stilllegung des Geschäftsbetriebes oder infolge Masselosigkeit seien keine Sicherungsmaßnahmen angezeigt, ist der Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbotes an den Schuldner nicht erforderlich. Sind zu sichernde Vermögenswerte vorhanden und ein allgemeines Verfügungsverbot wegen der Gefahr, dass der Schuldner oder Dritte nachteilig auf die Vermögensmasse einwirken, ausnahmsweise angezeigt, hat das Gericht auch einen vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen 198. Dies kann nur unterbleiben, wenn das Gericht bereits zu Beginn des Insolvenzantragsverfahrens davon überzeugt ist, dass bis zur Entscheidung über die Verfahrenseröffnung keine Verfügungen über die verwaltete Vermögensmasse erforderlich sind.
196 Uhlenbruck, § 21 Rz. 18. 197 Das Merkmal der Erforderlichkeit verbietet die routinemäßige Anordnung von Sicherungsmaßnahmen, vgl. Smid, § 21 Rz. 4; Hintzen, ZInsO 1998, 75, 77; Pohlmann, Rz. 21; Uhlenbruck, § 21 Rz. 4. Ob die routinemäßige Anordnung aber schlechthin unmöglich ist, wie Uhlenbruck, § 21 Rz. 1 meint, darf bezweifelt werden. 198 Dass erforderliche Sicherungsmaßnahmen nicht etwa im Hinblick auf die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters aus den §§ 60, 61 InsO unterbleiben dürfen, betont auch Uhlenbruck, § 21 Rz. 3.
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
(2)
Begründung von Masseverbindlichkeiten
Die von dem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten Verbindlichkeiten gelten – anders als beim Sequester – gemäß § 55 Abs. 2 InsO nach Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Durch die Aufwertung der vom „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten Verbindlichkeiten sollte die beim Sequester bestehende Problematik der Massesicherung im Insolvenzantragsverfahren abgeschafft und insbesondere die Geschäftsfortführung erleichtert werden 199. Für den „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter birgt die Begründung von Masseverbindlichkeiten ein erhebliches Haftungsrisiko, da er nach §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 61 S. 1 InsO den Massegläubigern zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn er eine von ihm begründete Masseverbindlichkeit nicht befriedigen kann. Dennoch ging die Literatur davon aus, dass die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots wegen des weitreichenden Schutzes der Insolvenzmasse und der mit anderen Sicherungsmaßnahmen verbundenen Probleme den Regelfall darstellen würde 200. (3)
Eignung zur Geschäftsfortführung
Einerseits versetzt die Begründung von Masseverbindlichkeiten den „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter in die Lage, die von ihm begründeten Verbindlichkeiten anfechtungssicher zu befriedigen. Reichen die finanziellen Mittel hierzu nicht aus, droht ihm andererseits die persönliche Haftung aus § 61 InsO. Dieser Haftungsgefahr kann der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter auch nicht entgehen. Gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist er verpflichtet, den Geschäftsbetrieb fortzuführen, was ohne die laufende Begründung neuer Verbindlichkeiten nicht möglich ist. Die so „oktroyierten“ Masseverbindlichkeiten können dazu führen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter die Stilllegung des Geschäftsbetriebs aus Vorsichtsgründen empfiehlt. Selbst wenn gute Aussichten auf eine Sanierung bestehen, kann die sofortige Bestellung zum „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter dazu angetan sein, die Fortführungschancen zu reduzieren 201. Eine Pauschalierung verbietet sich aber. Haben die Organe des Schuldners tatsächlich in strafbarer Weise Vermögenswerte in erheblichem Umfang in der Krise beiseite geschafft und sichert nur die sofortige Anordnung der „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung den Vermö-
199 Kübler/Prütting/Pape, § 22 Rz. 64 f. 200 KS-Gerhardt, S. 193, 199 unter Verweis auf die Streitigkeiten, die aus der Wirksamkeit von Maßnahmen des Schuldners resultieren können und praktische Problem bei der Abstimmung über masseerhaltende Maßnahmen; Hess/Pape, InsO und EGInsO, Rz. 143, 153; KS-Uhlenbruck, S. 325, 328 Fn. 6 und S. 331, 341 unter Verweis auf die Haftungsgefahren für den vorläufigen Verwalter aus seiner permanenten Prüfungspflicht, ob eine andere Sicherungsmaßnahme angezeigt wäre. 201 Undritz, NZI 2003, 136, 139. In diesem Zusammenhang weist Undritz auf das Urteil des AG Hamburg in ZIP 2002, 2227 hin, wonach die von einem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter angezeigte Masseunzulänglichkeit im Insolvenzantragsverfahren keine Wirkung entfaltet. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit schützt den Insolvenzverwalter vor der Haftung für Neuverbindlichkeiten. Wird diese Möglichkeit der Haftungsbegrenzung dem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter verwehrt, steht er insofern schlechter als der Insolvenzverwalter. Ihm bleibt nur die Anregung, den Geschäftsbetrieb stillzulegen.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
genserhalt, gibt es hierzu keine Alternative. Ggf. hat der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter dann von der Möglichkeit des § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO Gebrauch zu machen und eine Stilllegung anzuregen oder seine Haftungsgefahren durch Einholung eines gerichtlichen Beschlusses zu mindern. (4)
Pflicht zur Geschäftsfortführung
Der vorläufige Insolvenzverwalter, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, hat das Unternehmen bis zur Entscheidung über die Verfahrenseröffnung fortzuführen, soweit nicht das Insolvenzgericht einer Stilllegung zustimmt, um eine erhebliche Verminderung des Schuldnervermögens zu vermeiden, vgl. § 21 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO. Die Pflicht des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters zur Geschäftsfortführung stellt einen Kernpunkt der Insolvenzreform dar 202. Dementsprechend hat der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter Befugnisse, die ihm die Geschäftsfortführung ermöglichen sollen. Hierzu zählt etwa, dass von ihm begründete Verbindlichkeiten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten gelten 203. Eine Pflicht zur Geschäftsfortführung scheidet allerdings aus, wenn der Betrieb bereits vor Bestellung des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters stillgelegt wurde. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO. Der Begriff der Fortführung setzt voraus, dass der Gegenstand der Fortführung noch vorhanden ist. Ein bereits stillgelegter Geschäftsbetrieb kann allenfalls wieder aufgenommen, aber nicht fortgeführt werden. Weil die Verpflichtung zur Geschäftsfortführung dem Masseerhalt dient, führt nicht jede Minderung des schuldnerischen Vermögens, die durch die Geschäftsfortführung verursacht wird, zur Stilllegungspflicht, sondern nur eine erhebliche Vermögensminderung. Wann eine Vermögensminderung erheblich ist, lässt das Gesetz offen. Der Begründung 204 kann entnommen werden, dass Erheblichkeit nach allgemeinem Sprachgebrauch dann vorliegen soll, sofern beträchtliche Verluste erwirtschaftet werden und keine Aussicht auf eine Sanierung besteht. Teilweise 205 wird vertreten, dass dies immer dann der Fall ist, wenn Unterdeckungen drohen, die auch durch die Veräußerung wesentlicher Vermögensgegenstände nicht abgedeckt werden können. Das könne schon bei betragsmäßig geringen Verlusten der Fall
202 Mönning, Rz. 285, 309. Vergütungsrechtlich ist zu beachten, dass allein die Bestellung zum „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter keine Erhöhung des Regelsatzes rechtfertigt, sondern eine Würdigung der tatsächlich entfalteten Tätigkeit vorzunehmen ist, vgl. BGH ZIP 2003, 1759 f. = DZWiR 2003, 471 ff. und BGH ZIP 2003, 1612 f. = DZWiR 2003, 475. Das gesteigerte Handlungspotential hat damit für sich gesehen keine gebührenrechtlichen Konsequenzen. Diese treten erst ein, wenn sich die weiterreichende Rechtsmacht in konkreten Tätigkeiten niederschlägt. Vor diesem Hintergrund lehnte der BGH a.a.O. die Rechtsbeschwerde des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters zurück, dessen Tätigkeit sich darauf beschränkte, ein Sonderkonto für die Fortführung der schuldnerischen Arztpraxis einzurichten und Abrechnungstätigkeiten zu entfalten. 203 Vgl. §§ 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 3, 55 Abs. 2 S. 1 InsO. 204 Kübler/Prütting, RWS-Dokumentation, S. 184, 185. 205 Nerlich/Römermann, § 22 Rz. 178.
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
sein, jedenfalls aber, wenn ein Werteverzehr von mehr als 25 % bezogen auf die Sollmasse droht. Nach anderer Ansicht 206 soll bereits ein Verlust von 10 % erheblich sein. In Anlehnung an die im u. a. gesellschaftsrechtlichen und versicherungsrechtlichen Bereich anerkannte Grenze von 10 % 207, dürfte auch hier dieser Wert anzusetzen sein. Denn obgleich der allgemeine Sprachgebrauch eine weitere Auslegung zulässt, kann unter Beachtung des Sicherungs- und Erhaltungszwecks des Insolvenzantragsverfahrens eine Spekulation zu Lasten der verwalteten Vermögensmasse nicht sinnvoll sein. Schließlich trägt die Minderungsklausel des § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO dem Umstand Rechnung, dass ein negatives operatives Ergebnis durch den Erhalt der im betrieblichen Vermögen gebundenen Werte kompensiert werden kann. Ob dies aber auch dann der Fall ist, wenn bereits mehr als 10 % der verwalteten Vermögensmasse durch die Geschäftsfortführung aufgezehrt wurden, ist zu bezweifeln. cc)
Rechtsstellung des „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalters
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Allgemeines
Anstelle der Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots bzw. eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts kann das Gericht andere, auf den Einzelfall abgestimmte Anordnungen treffen, vgl. § 21 Abs. 1 InsO. Die hierin angeordneten Pflichten dürfen jedoch nicht über diejenigen eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters hinausgehen, vgl. § 22 Abs. 2 InsO. Will das Insolvenzgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter darüber hinaus mit umfangreichen Befugnissen ausstatten, verbleibt ihm – hierauf weist der BGH 208 ausdrücklich hin – neben der Bestellung eines „starken“ vorläufigen Verwalters auch die kumulative Anordnung von „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwaltung und besonderen Verfügungsverboten gemäß § 22 Abs. 2 InsO 209. Die in der Literatur 210 teilweise geäußerte Sorge, der BGH habe damit das Ende der „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwaltung mit besonderen Verfügungsverboten eingeläutet, ist unbegründet. Lediglich der pauschalen Ermächtigung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters, nach seinem Ermessen Rechtsgeschäfte mit Wirkung für und gegen den Schuldner vorzunehmen, hat der BGH die
206 HK-Kirchhof, § 22 Rz. 10. 207 Vgl. nur die § 32 a III GmbHG sowie die Rechtsprechung zu § 17 BetrAVG. 208 BGH ZIP 2002, 1625, 1629 f. 209 Mönning, Rz. 315, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich eine allzu schnelle Bestellung zum „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter in praxi auch deshalb negativ auswirkt, weil dieser zunächst einige Zeit benötigt, um die Fortführungsaussichten beurteilen zu können. Die in dieser Zeit unvermeidlich begründeten Verbindlichkeiten können, soweit sich die verwaltete Vermögensmasse als nicht ausreichend erweist, zur Haftung des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters aus § 61 InsO führen. Mönning schlägt deshalb vor, zunächst einen „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen und erst, nachdem dieser die Möglichkeit der Fortführung signalisiert hat, dem Schuldner ein allgemeines Verwaltungs- und Verfügungsverbot aufzuerlegen. 210 Dazu Smid, DZWiR 2002, 444, 448.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
Wirksamkeit versagt. Die Anordnung besonderer Verfügungsverbote ist demnach nicht nur zulässig, sondern, soweit der Zweck des Insolvenzantragsverfahrens dies erfordert, geboten. Der vorschnellen Anordnung einer „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung ist damit ein Riegel vorgeschoben 211. Will ein Insolvenzrichter dennoch sofort eine Anordnung nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 InsO treffen, wird er diese Entscheidung eingehend zu begründen haben und mit Blick auf die vom BGH gestärkte „halbstarke“ vorläufige Insolvenzverwaltung darlegen müssen, warum diese zur Erreichung des Verfahrenszwecks nicht ausreicht. Anbei hat der BGH deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er, sofern pauschale Ermächtigungen auch in Zukunft noch ergehen sollten, diese als nichtig behandeln wird, so dass sich aus derartigen Anordnungen eine Haftung des Gerichts und des vorläufigen Insolvenzverwalters ergeben kann 212. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass der Schuldner die Möglichkeit hat, unverhältnismäßige Eingriffe mit dem Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde gemäß § 6 InsO anzugreifen 213. Da jede Sicherungsmaßnahme für sich geeignet sein muss, den angestrebten Sicherungszweck zu gewährleisten, wird der Begründungsaufwand zur Vermeidung zahlreicher sofortiger Beschwerden steigen. Unter anderem kann das Gericht ein besonderes Verfügungsverbot anordnen. Das macht vor allem dann Sinn, wenn einzelne Gegenstände des Schuldnervermögens für den Masseerhalt von großer Bedeutung oder masseschmälernde Maßnahmen des Schuldners nur im Hinblick auf diese Gegenstände zu befürchten sind. Die Anordnung dieser Sicherungsmaßnahmen hat nicht die Wirkung des § 80 Abs. 1 InsO, sie führt nur zu einem relativen Verfügungsverbot gemäß § 135 BGB 214. Darüber hinaus kann das Gericht den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter mit der Geschäftsfortführung beauftragen 215 oder einzelne Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse übertragen 216. Anders als die Anordnungen nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 und 2 InsO ist die „halbstarke“ vorläufige Insolvenzverwaltung in ihrer Reichweite nicht gesetzlich typisiert. Eine Definition der „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung fehlt. Zu ihnen sollen diejenigen gehören, die ermächtigt werden, mit Wirkung für und gegen den Schuldner Verbindlichkeiten einzugehen; diejenigen, die teilweise an Stelle des Schuldners verfügungsbefugt sind und schließlich diejenigen, die mit rechtlicher
211 So wohl auch Spliedt, EWiR 2002, 919, 920. 212 BGHZ 151, 353 = ZIP 2002, 1625, 1630. 213 Die Beschwerde gegen die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen ist erst seit dem 01.12.2001 möglich, da § 21 Abs. 1 S. 2 durch Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001 (BGBl. I, S. 2710) eingefügt wurde. Zur vorherigen Rechtslage vgl. OLG Köln ZIP 2000, 552 f. mit Anm. Johlke/Schröder, EWiR 2000, 635 f. Unanfechtbar bleiben dagegen Aufklärungs- und Vorbereitungsmaßnahmen, etwa die Zulassung des Insolvenzantrages oder die Einholung eines Gutachtens über das Vorliegen eines Insolvenzgrundes. 214 KS-Gerhardt, S. 193, 200. 215 So auch Wimmer/Dauernheim, S. 155. 216 BGH ZIP 2002, 1625, 1629; ein gutes Beispiel für diese Möglichkeit findet sich im Beschluss des LG Berlin vom 3.7.2002 – 86 T 430/02, ZInsO 2002, 837.
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Wirkung für und gegen den Schuldner handeln dürfen 217. Im Rahmen der weiteren Diskussion soll nicht in allen soeben aufgezählten Fällen von einem „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalter die Rede sein. Dadurch soll der in § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO getroffenen grundlegenden Unterscheidung Rechnung getragen werden, wonach entweder ein „schwacher“ oder ein „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter – mit im Einzelfall sehr unterschiedlichen Befugnissen – bestellt werden kann. Wichtigstes Merkmal neben der Fortführungspflicht des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters ist dessen Befugnis, Verbindlichkeiten begründen zu können, die gemäß § 55 Abs. 2 InsO nach Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten gelten. Diese kann aber nicht isoliert angeordnet werden, sondern ist Reflex der auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangenen Verfügungsmacht. Von einem „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalter soll daher nur dann die Rede sein, wenn das Gericht von der Möglichkeit des § 22 Abs. 2 InsO Gebrauch gemacht und besondere Verfügungsverbote angeordnet hat. Alle hinter dieser Anordnung zurückbleibenden Sicherungsmaßnahmen bewirken nur eine „schwache“ vorläufige Insolvenzverwaltung. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Ermächtigung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters hinreichend konkret sein muss 218. Eine allgemeine Beschreibung des Pflichtenkreises reicht hierzu nicht aus 219. Die Notwendigkeit einer Konkretisierung folgt zum einen aus der Grundrechtsrelevanz des Eingriffs, zum anderen aus der Rechtsnatur des Beschlusses als vollstreckbare Entscheidung 220. Das bedeutet nicht, dass jedes Rechtsgeschäft in concreto zu bezeichnen ist. Ausreichend ist ihre Bestimmbarkeit anhand des Beschlusses, so dass auch Rechtsgeschäfte nach Art oder Umfang auf den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen werden können. So kann der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter etwa ermächtigt werden, die Forderungen des Schuldners einzuziehen. Der Bezeichnung des Drittschuldners, des Forderungsgrundes oder der Forderungshöhe bedarf es dazu nicht 221. Teilweise wird vertreten, dass jedenfalls in
217 So Spliedt, ZIP 2001, 1941. 218 BGH ZIP 2002, 1625, 1628 f.; Fischer, NZI 2003, 281, 284; Undritz, NZI 2003, 136, 140. 219 Smid, DZWiR 2002, 444, 447, etwa führt als Beispiel die Befugnis des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters an, Verfügungen über schuldnereigene Immobilien vornehmen zu dürfen. Nach Ansicht von Smid bedarf es hier der korrespondierenden Ermächtigung des Verwalters zur Verpflichtung des Masse auch im Hinblick auf die Beurkundungskosten. Anderenfalls stünde der spätere Insolvenzverwalter vor folgender – prekärer – Lage: Hinsichtlich der Beurkundungskosten, die bei einem solchen Geschäft in aller Regel anfallen, wäre der Schuldner nicht mehr zur Verpflichtung der Masse befugt gewesen. Der vorläufige Insolvenzverwalter würde nun als Teilnehmer des Beurkundungsaktes mit seinem Vermögen gerade zu stehen haben, wenn er nicht auch zur Begründung einer Verbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 InsO berechtigt gewesen wäre. Für diese Auffassung spricht, dass die Reichweite der Ermächtigung bereits aus dem Beschluss selbst ersichtlich sein muss. Möglich scheint aber auch eine Auslegung des Beschlusses dahin, dass notwendige Nebengeschäfte, wie etwa die Kosten der Beurkundung, von der Ermächtigung zur Vornahme des Hauptgeschäfts mitumfasst sein sollen. 220 Smid, DZWiR 2002, 444, 447. 221 So auch BGH ZIP 2002, 1625, 1629 und BGH DZWiR 2004, 338, 341 a.E.; Smid, DZWiR 2002, 444, 447.
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den Fällen, in denen der Insolvenzverwalter nach § 160 InsO die Zustimmung des Gläubigerausschusses einholen müsste, der „schwache“ bzw. „halbstarke“ vorläufige Insolvenzverwalter gut beraten ist, einen über diese – im allgemeinen hinreichende – Bestimmtheit hinausgehenden Beschluss zu erwirken 222. Weshalb die Anforderungen hier steigen sollten, ist nicht nachvollziehbar, weil § 160 InsO nur für Rechtsgeschäfte im eröffneten Insolvenzverfahren gilt. Klarstellend soll angemerkt werden, dass die Anordnung besonderer Verfügungsverbote keine konkurrierende Verfügungsbefugnis von Schuldner und vorläufigem Insolvenzverwalter zur Folge hat 223. Geht die Verfügungsbefugnis für einen einzelnen Vermögensgegenstand des Schuldners über, bleibt dieser Inhaber des Rechts. Eine „Rest“-Verfügungsbefugnis kann er hieraus aber nicht herleiten. Der „halbstarke“ vorläufige Insolvenzverwalter hat daher nicht die Möglichkeit, einmal als „starker“ und ein anderes Mal als „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter hinsichtlich ein- und desselben Vermögensgegenstandes zu handeln. Eine solche Differenzierung widerspräche nicht nur der richterlichen Anordnung, sie würde auch die Konturen der „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung verwischen. Aus der Sicht der Geschäftspartner des Schuldners wäre die Unterscheidung danach, ob der vorläufige Insolvenzverwalter im Sinne von § 55 Abs. 2 S. 2 InsO selbst in Anspruch nimmt oder den Schuldner in Anspruch nehmen lässt, obgleich die Verfügungsbefugnis auf den ersteren übergegangen ist, willkürlich. Der Hinweis 224, es stehe jedem Gläubiger frei, seine Leistung von einer klaren Vereinbarung abhängig zu machen, geht schon deshalb fehl, weil es diesen regelmäßig an der juristischen Erkenntniskraft fehlen wird, um das Problem des janusköpfigen vorläufigen Insolvenzverwalters angemessen zu würdigen. (2)
Begründung von Masseverbindlichkeiten
Ob durch eine richterliche Einzelanordnung Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 2 InsO begründet werden, ist noch nicht geklärt 225. Die Verfügungsmacht geht für einen bestimmten Teil des Vermögens vollständig auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über, im Übrigen verbleibt sie beim Schuldner. In seinen Wirkungen gleicht sich das besondere Verfügungsverbot für den einzelnen Gegenstand dem allgemeinen Verfügungsverbot an 226. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der „halbstarke“ vorläufige Insolvenzverwalter Masseverbindlichkeiten begründet, soweit die Anordnung im Beschluss reicht, sonst jedoch nur Insolvenzforderungen. Das bedeutet für ihn einen erhöhten buchhalterischen Aufwand.
222 Vgl. Smid, DZWiR 2002, 444, 448. 223 So aber Spliedt, ZIP 2001, 1941, 1947. 224 Spliedt, ZIP 2001, 1941, 1948. 225 So ohne nähere Begründung BGH ZIP 2002, 1625, 1629; ihm folgend Prütting/Stickelbrock, ZIP 2002, 1608, 1611; a.A. wohl Bähr, ZIP 1998, 1553, 1559; Berscheid, ZInsO 1999, 697, 700. 226 So Smid, DZWiR 2002, 444, 445.
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(3)
Eignung zur Geschäftsfortführung
Die „halbstarke“ vorläufige Insolvenzverwaltung eignet sich zur Geschäftsfortführung. Sie ist beispielsweise dann sinnvoll, wenn der Schuldner dringend Liquidität benötigt und diese nicht aus eigener Kraft bereitgestellt werden kann 227; im Übrigen aber Sicherungsmaßnahmen nicht angezeigt sind. Zeigen die Kreditinstitute etwa Bereitschaft, einen Kredit zu gewähren, befürchten aber, eine wertlose Forderung zu erhalten, die im Falle der Verfahrenseröffnung den Rang einer Insolvenzforderung hätte, kann das Gericht dem Schuldner ein besonderes Verfügungsverbot auferlegen 228. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht für diesen Teilbereich – hier für den Abschluss von Kreditverträgen – auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. Die von ihm begründeten Kreditverbindlichkeiten sind Masseverbindlichkeiten 229. Sofern eine Erfüllung der Masseverbindlichkeiten aus der Insolvenzmasse nicht möglich ist, haftet der vorläufige Insolvenzverwalter nach §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 61 InsO 230. Teilweise wird die Ansicht vertreten, die Anordnung von besonderen Verfügungsverboten sei zu schwerfällig, kaum praktikabel, wenig transparent und mit einem hohen Risikopotential behaftet, da sie die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit sowie die rechtliche Handlungsfähigkeit des Schuldners kaum einschränkten 231. Sie kämen deshalb nur in Betracht, wenn das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass Sicherungsmaßnahmen nicht oder nur auf niedrigstem Niveau erforderlich sind. Das sei allenfalls bei überschaubaren Vermögensverhältnissen und Vertrauenswürdigkeit des Schuldners der Fall. Insbesondere bei Großinsolvenzen sei das Gericht mit einer Fülle von Beschlussvorlagen konfrontiert, die in den seltensten Fällen zeitnah bearbeitet werden könnten 232. Richtig ist, dass die Anordnung besonderer Verfügungsverbote im Insolvenzantragsverfahren voraussetzt, dass der vorläufige Insolvenzverwalter die Vermögensgegenstände ermittelt, ein entsprechendes Verfügungsverbot unverzüglich anregt und das Gericht schnell reagiert. Oder, um bei dem Beispiel des Liquiditätsbedarfs zu bleiben, dem Gericht die Notwendigkeit der Fremdfinanzierung darlegt. Dadurch ist das Gericht stärker in die Pflicht genommen. Diese Verfahrensweise hat den Vorteil, dass nur soweit in die Rechte des Schuldners eingegriffen wird, wie es erforderlich ist. Die in Rede stehende Mehrbelastung des Gerichts ist kein Umstand, der im Rahmen der Abwägung, ob eine Sicherungsmaßnahme verhältnismäßig ist, Berücksichtigung finden kann. Denn abgewogen werden die Interessen der Gläubiger an
227 Vgl. AG Hof, NZI 2000, 37. 228 Undritz, NZI 2003, 136, 141 f.; MK-InsO/Görg, § 160 Rz. 20. 229 So außer den in der vorigen Fn. Benannten auch Fischer, NZI 2003, 281, 284. 230 So wohl auch BGH DZWiR 2004, 338, 341 a.E. 231 Nerlich/Römermann, § 21 Rz. 70; Undritz, NZI 2003, 136, 140; Wiester, NZI 2003, 632, 633; Haarmeyer/Pape, ZInsO 2002, 845, 848; Pape, ZInsO 2003, 1061, 1062. Die Kritik von Mönning in Nerlich/Römermann, a.a.O., bezieht sich sowohl auf besondere Verfügungsverbote als auch besondere Zustimmungsvorbehalte. 232 Undritz, NZI 2003, 136, 140.
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einer Sicherung der verwalteten Vermögensmasse gegen das Interesse des Schuldners, über seine Vermögenswerte weiterhin verfügen zu können. Ebenso wie der vorläufige Insolvenzverwalter hat das Gericht in Großverfahren Ressourcen auszuschöpfen. In vielen Fällen wird es zudem möglich sein, die besonderen Verfügungsverbote nach Fallgruppen im Beschluss zu bündeln. Das Gericht könnte den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter etwa ermächtigen, für bestimmte Filialen Mietverträge zu begründen, Leasingverträge über Kfz bis zu einer gewissen Anzahl Fahrzeuge abzuschließen, Dauerschuldverhältnisse einzugehen etc 233. Unlösbare praktische Probleme ergeben sich hieraus nicht 234. Schließlich spricht für die Bestellung eines „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalters die im Umfang geringere Haftung gegenüber der Bestellung eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters. Daher sollte, auch wenn sich im Verlauf des Insolvenzantragsverfahrens die Notwendigkeit weiterer Sicherungsmaßnahmen ergibt, stets die Möglichkeit einer Anordnung nach § 22 Abs. 2 InsO Gegenstand der Überlegungen sein. De lege ferenda gewinnt die Möglichkeit der Bestellung eines „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalters wohl auch aufgrund der Änderung des § 21 Abs. 1 InsO an Bedeutung, wenn die Aus- und Absonderungsberechtigten nach einer entsprechenden gerichtlichen Anordnung nicht mehr auf ihr Sicherungsgut zugreifen können und dieses für eine Geschäftsfortführung zur Verfügung steht 235. (4)
Pflicht zur Geschäftsfortführung
Eine Fortführungspflicht besteht für den „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalter nicht. Denn ihm sind die vom Gesetzgeber für wichtig erachteten Mittel des § 21 Abs. 2 Nr. 2, 55 Abs. 2 InsO nicht im vollem Umfang an die Hand gegeben, wie auch der BGH betont 236. Jedoch ist im Rahmen einer Haftung wegen Stilllegung ggf. zu berücksichtigen, dass er weiterreichende Möglichkeiten als der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter hatte, die es vertretbar erscheinen lassen, ihn länger als den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter an der Fortführung festzuhalten. dd)
Rechtsstellung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters
(1)
Allgemeines
Weniger einschneidend als die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes ist die Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts nach § 22 Abs. 2 Nr. 2
233 Fischer, NZI 2003, 281, 282. Für die Möglichkeit einer Bündelung einzelner Gläubigergruppen in Großverfahren auch Frind, ZInsO 2003, 778, 782. Der Vorschlag von Bork, ZIP 2003, 1421, 1423, es komme auch eine Ermächtigung zur Vornahme aller unerlässlichen Verbindlichkeiten in Betracht, genügt hingegen den Bestimmtheitsanforderungen nicht. 234 Auch Undritz, NZI 2003, 136, 140 räumt in dem von ihm gewählten Beispiel des UfA-Beschlusses (AG Hamburg, NZI 2003, 153) ein, dass nur einige der insgesamt 570 Filmverleiher um eine Einzelermächtigung gebeten hatten. 235 Siehe oben Fn. 82. 236 BGH ZIP 2002, 1625 ff.
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Var. 2 InsO. Danach sind Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam; die Verfügungsbefugnis verbleibt beim Schuldner. Deshalb spricht man hier von einer „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwaltung. Dem „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter kommt lediglich eine Überwachungsfunktion zu, die im Wesentlichen der bisherigen Sicherungssequestration entspricht 237. Das Verbleiben der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Schuldner dient dazu, dem Schuldner unter Aufsicht des vorläufigen Insolvenzverwalters die Fortführung seines Geschäfts zu ermöglichen 238. (2)
Begründung von Masseverbindlichkeiten
Die vom Schuldner mit Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters begründeten Verbindlichkeiten sind gemäß § 38 InsO Insolvenzforderungen. Da Gläubiger regelmäßig nur zur weiteren Leistung bereit sind, wenn ihre Forderungen nach Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten gelten, hatte die Literatur 239 erwartet, dass die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes den Regelfall darstellen wird. Das beruht insbesondere darauf, dass die Rechtsstellung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters als zu wenig durchdacht und deshalb nur für untergeordnete Aufgaben in einfachen Verfahren geeignet angesehen wurde 240. Gerade die fehlende Möglichkeit, Masseverbindlichkeiten begründen zu können, trug hierzu bei, weil auch der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter Neugläubigern die vollständige Deckung ihrer Forderungen anbieten muss 241. Entgegen diesen Erwartungen wird in etwa 90 % aller Insolvenzantragsverfahren lediglich ein allgemeiner Zustimmungsvorbehalt angeordnet 242. Dies beruht darauf, dass viele Insolvenzgerichte dem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter das aus § 61 InsO drohende Haftungsrisiko nicht aufbürden wollen, andererseits der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Vielzahl der Fälle – so-
237 BGH ZIP 1997, 1551, 1552; KS-Uhlenbruck, 325, 331 f.; Kirchhof, ZInsO 1999, 365; Prütting/Stickelbrock, ZIP 2002, 1608 f; Uhlenbruck, Insolvenzrecht, S. 80; Pape, ZIP 1994, 89, 91 f.; Pape, WPrax 1995, 236, 240; Smid, WM 1995, 785, 787; Bork, Rz. 104; Obermüller/Hess, Rz. 136; Gerhardt; EWiR 1992, 807; Vallender, DZWiR 1999, 265, 268; Pohlmann, Rz. 212 ff.; Braun/ Uhlenbruck, S. 235. 238 Engelhardt, S. 219, spricht in diesem Zusammenhang von einem kooperativen Verwaltungsmodell als regelmäßig indizierter Anfangsanordnung, das der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter und der Schuldner gemeinsam die Aufgabe des Erhalts der schuldnerischen Vermögensmasse wahrnehmen sollen. 239 Bork, Rz. 103; KS-Uhlenbruck, 325, 328 und 331; Fink, Rz. 325; Häsemeyer, Rz. 7.46; Hess/Obermüller, Rz. 127; Hess/Pape, § 22 Rz. 143, 153; Pape, NJW 1999, 29, 30; Vallender, DZWiR 1999, 265, 268; a.A. Smid, WM 1995, 785, 789; Pohlmann, Rz. 30 f.; Thiemann, Rz. 122 und 126. Die häufig zu findende Behauptung, auch der Gesetzgeber habe dies erwartet, ist dagegen nicht bestätigt. Grund für diese Behauptung mag die Systematik der §§ 21 ff. InsO sein. Die umfassend geregelte „starke“ vorläufige Insolvenzverwaltung kann als gesetzliches Leitbild der vorläufigen Insolvenzverwaltung aufgefasst werden, vgl. Nerlich/Römermann, § 21 Rz. 71. 240 Kirchhof, S. 38; Uhlenbruck, § 22 Rz. 7. 241 Pape, ZInsO 2003, 1061, 1062 mit dem Beispiel der Aufnahme eines Massekredits. 242 BGH ZIP 2002, 1625, 1628; Fischer, NZI 2003, 281, 282; Pape, ZInsO 2003, 1061 f.; Kirchhof, ZInsO 1999, 365 mit dem Hinweis, dass die Bestellung eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters auch dann die Regel ist, wenn das Unternehmen fortgeführt werden soll.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
weit ein strafbares Verhalten der Geschäftsführer nicht evident ist – zunächst zur Anordnung der milderen Sicherungsmaßnahme zwingt 243. Um zu verhindern, dass der Schuldner unter den Bedingungen einer „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwaltung ohne Einbeziehung des Verwalters handelt, wurden diese durch weitere richterliche Anordnungen in die Lage versetzt, wie „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter zu agieren 244. (a)
Pauschale Verfügungsbefugnis
Daraus resultierte die Frage, ob die von einem solchermaßen ermächtigten vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten Verbindlichkeiten entsprechend § 55 Abs. 2 InsO als Masseverbindlichkeiten zu behandeln sind. In der Sache geht es um den Schutz des Vertragspartners, der dem vorläufigen Insolvenzverwalter nicht ,ansieht‘, ob er zum „starken“ oder „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt wurde und darauf vertraut, dass seine Forderungen voll befriedigt werden 245. Beispielhaft ist der dem BGH 246 zur Entscheidung vorgelegte Sachverhalt: Nach Stellung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin bestellte das Insolvenzgericht die Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Es ordnete an, dass Verfügungen der Schuldnerin nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Darüber hinaus ordnete das Insolvenzgericht an: „Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter der Schuldnerin [. . .]. Er wird ermächtigt, mit rechtlicher Wirkung für die Schuldnerin zu handeln, ist jedoch, unbeschadet der Wirksamkeit der Handlung, verpflichtet, diese Befugnis nur wahrzunehmen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgabe schon vor der Verfahrenseröffnung dringend erforderlich ist. Den Schuldnern der Schuldnerin (Drittschuldnern) wird verboten, an die Schuldnerin zu zahlen. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen [. . .].“
Der Beschluss ist missverständlich. Zunächst beschränkt sich das Insolvenzgericht auf die Bestellung eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters. Sodann ermächtigt es diesen, mit rechtlicher Wirkung für den Schuldner – d.h. an dessen Stelle – zu handeln. Letzteres entspricht der Stellung des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters. Das Berufungsgericht hat diese Ermächtigung – ohne Begründung – dahin verstanden, dass die Begründung von Masseverbindlichkeiten nicht gestattet werde 247. Nach anderer Ansicht sollte ein solcher Beschluss aus 243 Vgl. nur Thiemann, Rz. 128 f. 244 Prütting/Stickelbrock, ZIP 2002, 1608, 1609 f; vgl. hierzu LG Leipzig, ZIP 2001, 1778 f. 245 Für die entsprechende Anwendung etwa LG Essen, NZI 2001, 217; Pape, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 578; Pape, DB 1999, 538 ff.; Bork, ZIP 1999, 781 ff.; HK-Eickmann, § 55 Rz. 26. 246 BGH ZIP 2002, 1625 ff. Ähnliche Anordnungen finden sich bei AG Wuppertal, Beschluss vom 28.11.2000 – 145 IN 426/00; OLG Köln ZIP 2001, 1422; LG Leipzig ZIP 2001, 1778; AG Leipzig, ZIP 2001, 1780 sowie das Beispiel bei Weisemann, DZWiR 1999, 397. 247 OLG Köln, Urteil vom 29.06.2001 – 19 U 199/00, ZIP 2002, 1625 ff.; ebenso LG Leipzig, ZIP 2001, 1778 f. Wie Spliedt noch in ZIP 2001, 1941, 1942 feststellt, wurde die Zulässigkeit einer solchen Ermächtigung zunächst nicht problematisiert.
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
Vertrauensschutzerwägungen jedenfalls zur entsprechenden Anwendbarkeit des § 55 Abs. 2 InsO führen 248. Der BGH 249 tritt beiden Auffassungen entgegen, indem er die pauschale gerichtliche Ermächtigung, mit rechtlicher Wirkung für den Schuldner zu handeln, für unwirksam erachtet. Zwar sei es gemäß § 22 Abs. 2 InsO unbedenklich, neben der Bestellung zum „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter besondere Verfügungsverbote anzuordnen. Dies treffe beispielsweise auf die im vorliegenden Fall getroffene Anordnung zu, dass der vorläufige Insolvenzverwalter befugt sein sollte, seinerseits Forderungen der Schuldnerin einzuziehen 250. Denn um seine Verwaltungsaufgaben überhaupt erfüllen zu können, bedürfe der vorläufige Insolvenzverwalter der finanziellen Mittel, die üblicherweise in den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin fließen. Der vom Insolvenzgericht eröffneten Möglichkeit, Verfügungsund Verpflichtungsbefugnisse pauschal in das Ermessen des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters zu stellen, versagt der BGH aber die Wirksamkeit. Vielmehr habe das Gericht selbst die einzelnen Maßnahmen zu bestimmen, zu denen der vorläufige Insolvenzverwalter verpflichtet und berechtigt sein soll 251. Den Ablauf des Insolvenzantragsverfahrens bestimme das Gericht, wie § 21 Abs. 1 InsO zeige. Danach habe das Insolvenzgericht alle Maßnahmen zu treffen, die zur Erhaltung des Schuldnervermögens erforderlich erscheinen. Diese Verantwortung könne das Gericht nicht auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen, indem es diesen umfassend zu allen Maßnahmen ermächtigt, die dieser nach eigenem Ermessen für nötig und zweckmäßig hält. Der BGH betont die von der Insolvenzordnung getroffene Kompetenzverteilung 252 zwischen vorläufigem Insolvenzverwalter und Gericht. Allein das Gericht bestimme, ob überhaupt, und wenn ja, welche Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden. Der vorläufige Insolvenzverwalter sei eine Art verlängerter Arm des Insolvenzgerichts, der im Rahmen der ihm vom Gericht zugewiesenen Rechte und Pflichten unter Aufsicht tätig werde und diesem jederzeit zur Auskunft über den Sachstand verpflichtet sei. Darüber hinaus hebt der BGH 253 die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen hervor. Das ist verständlich, denn Zweck des Insolvenzantragsverfahrens ist die Feststellung, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt 254. Während dieser Zeit kann es notwendig sein, das Vermögen des Schuldners vor nachteiligen Veränderungen zu schützen. Die Sicherungsmaßnahmen der §§ 21 ff. InsO ermöglichen zwar eine solche Sicherung, greifen aber vielfältig in grundrechtlich geschützte Positionen des Schuldners ein 255. Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen darf
248 AG Neumünster, ZIP 2002, 720, 721; Bork, ZIP 2001, 1521 ff.; Spliedt, ZIP 2001, 1941, 1943 f. 249 BGH ZIP 2002, 1625, 1629 f. 250 BGH ZIP 2002, 1625, 1629. 251 BGH ZIP 2002, 1625, 1629 f. 252 Vgl. nur die §§ 58 Abs. 1, 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO. 253 BGH ZIP 2002, 1625, 1628 unter Hinweis auf Lepa, S. 155 ff. 254 Vgl. §§ 21 Abs. 1, 16 ff., 27 InsO. 255 Etwa Art. 2 Abs. 1, 10, 12, 14 Abs. 1 GG.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
daher nur erfolgen, wenn eine nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu befürchten ist und andere geeignete, jedoch weniger einschneidende Sicherungsmaßnahmen nicht zur Verfügung stehen. Der Regelfall der vorläufigen Insolvenzverwaltung 256 muss deshalb die Bestellung eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters sein. Insoweit bestätigt der BGH zu Recht die gegenwärtige Praxis der Insolvenzgerichte 257. Der BGH nahm darüber hinaus den Fall zum Anlass, zu der rechtlichen Qualität der von einem „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter mit pauschaler Verfügungsbefugnis begründeten Verbindlichkeiten Stellung zu beziehen. Angesichts des Umstandes, dass das Insolvenzgericht gerade keinen „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, Masseverbindlichkeiten also vermeiden wollte, scheint die Lösung nahe zu liegen. Zu anderer Auffassung gelangt, wer § 55 Abs. 2 InsO analog anwendet. Hierfür spricht der Verkehrsschutz, weil ansonsten eine Umgehung der Rechtsfolgen des § 55 Abs. 2 InsO droht, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet wird, die dem Insolvenzverwalter vergleichbar sind 258. Der BGH ist – im Ergebnis zu Recht – anderer Ansicht und lehnt sowohl eine unmittelbare als auch eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO ab. Schon der Wortlaut des § 55 Abs. 2 InsO betreffe nur Rechtshandlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist. Satz 1 der Vorschrift spreche dies ausdrücklich aus. Satz 2 knüpfe hieran systematisch an mit der Bezugnahme „Gleiches gilt ...“. Auch die amtliche Begründung unterscheide wegen der Qualität als Masseverbindlichkeit nicht zwischen den beiden Sätzen des § 55 Abs. 2 InsO. Bestätigt sieht der BGH sich durch Entstehungsgeschichte und Zweck der Norm. Unter Geltung des § 106 Abs. 1 S. 2, 3 KO sei es ständige Rechtssprechung gewesen, dass der Sequester keine Masseverbindlichkeiten begründen konnte. Um Geschäftspartnern des Schuldners einen Anreiz zu geben, die Geschäftsbeziehungen mit einem vorläufigen Insolvenzverwalter fortzusetzen sowie ihm Geld- und Warenkredite zu gewähren, sollten Verbindlichkeiten nach der Vorstellung des Gesetzgebers im Falle der Verfahrenseröffnung zu Masseverbindlichkeiten werden, wenn zuvor ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet worden ist. Verbindlichkeiten, die von einem „schwachen“
256 Zu beachten ist, dass zunächst die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung eine Überprüfung dahin erfordert, ob sie erforderlich ist. Soweit der Schuldner vermögenslos ist oder nachteilige Vermögensveränderungen nicht zu befürchten sind, wird auch die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung unterbleiben müssen. 257 Argumentativ belässt es der BGH nicht bei der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Er führt aus, dass die ausführliche gesetzliche Regelung der „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung nicht dazu dient, diesen als Regelfall der vorläufigen Insolenzverwaltung zu begreifen. Die ausführliche Regelung sei erfolgt, weil der Gesetzgeber mit der „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung – im Vergleich zur Rechtsstellung des Sequesters nach § 106 Abs. 1 S. 2 und 3 KO – etwas Neues geschaffen habe, vgl. BGH ZIP 1625, 1628. Dennoch hatte die Literatur erwartet, dass die Anordnung der „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung den Regelfall darstellen würde, vgl. KS-Gerhardt, S. 193, 199; Hess/Pape, InsO und EGInsO, Rz. 143; Prütting/Stickelbrock, ZIP 2002, 1608, 1609. 258 Vgl. Prütting/Stickelbrock, ZIP 2002, 1608, 1610.
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vorläufigen Insolvenzverwalter begründet wurden, sollten von der Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO ausgenommen bleiben. Schließlich sei es wegen der unterschiedlichen Rechtsstellung von „schwachem“ und „starkem“ vorläufigen Insolvenzverwalter nicht sachgerecht, Verbindlichkeiten des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters als Masseverbindlichkeiten zu behandeln. Nur aufgrund der Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes sei der vorläufige Insolvenzverwalter in der Lage, umfassend für den Schuldner zu handeln. Der Zustimmungsvorbehalt bewirke nur, dass der vorläufige Insolvenzverwalter wirksame Verfügungen des Schuldners zu verhindern vermag. Er sei dagegen nicht in der Lage, den Schuldner gegen dessen Willen zu Handlungen anzuhalten oder den Abschluss rechtswirksamer Verpflichtungsgeschäfte zu verhindern. Er könne darüber hinaus nicht verhindern, dass der Schuldner während des Insolvenzantragsverfahrens die Gegenleistung aus Dauerschuldverhältnissen in Anspruch nimmt. Aus alledem könne geschlussfolgert werden, dass der vorläufige Insolvenzverwalter nicht selbst rechtsgeschäftlich handle, d.h. in dem zur Entscheidung vorliegenden Sachverhalt die Mieträume nicht selbst genutzt habe. Im Weiteren wendet sich der BGH der Frage zu, ob § 55 Abs. 2 InsO entsprechend anwendbar ist. In zwei Schritten gelangt er zu der Ansicht, dass auch eine entsprechende Anwendung ausscheide. Zunächst prüft der BGH, ob eine Analogie zu § 55 Abs. 2 InsO deshalb gerechtfertigt sei, weil die Insolvenzgerichte weit häufiger einen „schwachen“ als einen „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen. Danach geht der BGH der Frage nach, ob die Ermächtigung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters, mit Wirkung für den Schuldner zu handeln, eine entsprechende Anwendung rechtfertige. Unter Hinweis auf die Kompetenzverteilung zwischen Gericht und Verwalter sowie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz lehnt der BGH dies ab 259. Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen. Zum ersten, weil der BGH die verschiedenen Formen der vorläufigen Insolvenzverwaltung herausarbeitet und zum zweiten, weil er den Gerichten Maßstäbe für die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters an die Hand gibt 260. Die Entscheidung bedarf aber auch der kritischen Würdigung. Der BGH verkennt, dass der Schutz der späteren Insolvenzmasse während des Insolvenzantragsverfahrens vielfach nicht statisch, sondern auf Handeln der Beteiligten angelegt ist. Vor allem dann, wenn der Betrieb des Schuldners einstweilig fortgeführt werden soll, sind Schuldner und vorläufiger Insolvenzverwalter darauf angewiesen, zusammenzuarbeiten. Eine strikte Unterscheidung zwischen den einzelnen Verwaltertypen, wie der BGH sie den Regelungen der §§ 21, 22 InsO entnimmt, ist praxisfremd. Dem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter werden in aller Regel die personellen Ressourcen und notwendigen Informationen über das Unternehmen des Schuldners fehlen, um diesen vollständig aus seiner Stellung als Geschäftsführer zu verdrän-
259 BGH ZIP 2002, 1625, 1628 ff. 260 Dem BGH folgend nunmehr auch OLG Hamm, ZInsO 2003, 474, 475 entgegen seiner früheren Auffassung (dazu NZI 2002, 259, 261).
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
gen. Umgekehrt wird eine Geschäftsfortführung gegen den Willen des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters nur von kurzer Dauer sein. De facto hat der Schuldner mit Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung seine Entscheidungskompetenzen verloren. Sowohl innerhalb des Betriebes als auch in den Außenbeziehungen zu Kunden, Lieferanten und anderen Beteiligten zählen allein die Handlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters, auch wenn dieser de iure den von ihm erteilten Anweisungen, die der Schuldner ausführt, lediglich zustimmt 261. Funktioniert die Zusammenarbeit mit dem Schuldner nicht, wird der „schwache“ Verwalter entweder die Bestellung zum „starken“ Verwalter oder sogar Maßnahmen nach § 98 InsO anregen. Unabhängig von seiner rechtlichen Stellung ist der vorläufige Insolvenzverwalter in die während der Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren anfallenden Entscheidungsprozesse eingebunden. Damit wird die Unterscheidung zwischen den Arten der vorläufigen Insolvenzverwaltung nicht obsolet. Im Gegenteil: Sie ist notwendig und führt – soweit ist die Entscheidung des BGH richtig – dazu, dass § 55 Abs. 2 InsO auf den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter keine Anwendung findet. Hierzu hätte allerdings der Wortlaut des § 55 InsO gereicht. Die zur Begründung angeführte Differenzierung zwischen den Sicherungsmaßnahmen ist praxisfern. (b)
Besondere Verpflichtungsermächtigung
Teilweise wird vertreten, es sei dem Insolvenzgericht im Rahmen des § 22 Abs. 2 InsO möglich, den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter im Einzelfall durch Beschluss zu ermächtigen, Masseverbindlichkeiten zu begründen 262. Hierdurch werde der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter in die Lage versetzt, von ihm erteilte Zahlungszusagen oder mit seiner Zustimmung eingegangene Verbindlichkeiten nach Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. § 22 Abs. 2 S. 1 InsO stehe dem nicht entgegen, weil der Gesetzgeber hier nur zum Ausdruck gebracht habe, dass über die allgemeinen Pflichten hinausgehende spezielle Pflichten durch Beschluss festzulegen sind 263. Dies entspreche auch dem Interesse des Schuldners, da man sonst auch einem zuverlässigen Schuldner während des Insolvenzantragsverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsmacht über sein Vermögen entziehen müsste, weil sonst seinen Geschäftspartnern nicht die Stellung von Massegläubigern angeboten werden könnte264. In diesem Fall stünde der Schuldner im Insolvenzantragsverfahren schlechter als im eröffneten Insolvenzverfahren bei Eigenverwaltung 265. Dort sehen die §§ 275 Abs. 1 , 277 Abs. 1 S. 3, 279 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor, dass der eigenverwaltete Schuldner Masseverbindlichkeiten
261 Mönning, Rz. 47. 262 Uhlenbruck, § 22 Rz. 9; Pohlmann, Rz. 334 ff.; Spliedt, ZIP 2001, 1941; Hauser/Hawelka, ZIP 1998, 1261, 1264; Hess/Wienberg, § 22 Rz.200; wohl auch OLG Köln ZIP 2002, 1422, 1426; LG Leipzig, ZIP 2001, 1778, 1779; a.A. Bähr, ZIP 1998, 1553, 1559; Fink, Rz. 324. 263 Uhlenbruck, § 22 Rz. 9. 264 Marotzke, FS Schwab S. 65, 70; Pohlmann, Rz. 340 f.; HK-Kirchhof, § 22 Rz. 28; Uhlenbruck, § 22 Rz. 9. 265 Uhlenbruck, § 22 Rz. 9.
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begründet, so dass auch dem Schuldner im Insolvenzantragsverfahren eine entsprechende „Verpflichtungsmacht“ eingeräumt werden müsse. Diese Argumentation ist unzutreffend. Der Sache nach ist hier eine Verpflichtungsermächtigung gemeint. Eine solche wird bereits im Rahmen des § 185 BGB für unzulässig gehalten 266. Wie dort, besteht auch im Insolvenzantragsverfahren kein Bedürfnis für die Einräumung einer entsprechenden „Verpflichtungsmacht“. Das folgt nicht bereits aus dem in § 21 Abs. 1 InsO verorteten Sicherungs- und Erhaltungszweck des Insolvenzantragsverfahrens 267, wonach das Gericht nur Maßnahmen anordnen darf, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Ein Blick auf § 21 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1, 55 Abs. 2 InsO zeigt, dass die Begründung von Masseverbindlichkeiten im Rahmen des Sicherungs- und Erhaltungszwecks liegen kann 268. Eine Differenzierung nach der Art der angeordneten Sicherungsmaßnahmen trifft § 21 Abs. 1 InsO nicht. Sofern die Notwendigkeit besteht, Masseverbindlichkeiten bereits im Insolvenzantragsverfahren zu begründen, kann der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter die Anordnung weiterer Maßnahmen, hier den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, bei Gericht anregen. Hier gilt auch nicht das Alles-oder-Nichts-Prinzip 269: Nach § 22 Abs. 2 S. 1 InsO ist es dem Gericht möglich, die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nur teilweise zu übertragen. Zeigt sich beispielsweise, dass der Lieferant einer Fleischerei nur gegen Begründung von Masseverbindlichkeiten bereit ist, weiterhin zu liefern, kann das Gericht den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nur in Bezug auf die mit der Fleischbeschaffung notwendigen Rechtsgeschäfte beschränken. Der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hat dann zur Folge, dass alle Verbindlichkeiten aus der Fleischbeschaffung gemäß § 55 Abs. 2 InsO nach Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten gelten. Die Einordnung der Forderungen als Masseverbindlichkeiten ist Reflex der übergegangenen Verfügungsbefugnis 270. Eine Begründung von Masseverbindlichkeiten ohne einen – zumindest teilweisen – Übergang der Verfügungsbefugnis kennt die Insolvenzordnung nicht. Die Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ist auch nicht als Minus zur Anordnung eines Verfügungsverbotes zu verstehen, sondern als aliud. Dogmatisch ist zu beachten, dass § 55 Abs. 2 InsO eine Durchbrechung des § 38 InsO darstellt. Danach sind alle vor Verfahrenseröffnung begründeten Verbindlichkeiten Insolvenzforderungen. Von diesem Grundsatz macht § 55 Abs. 2 InsO eine Aus-
266 Str., dagegen BGHZ 34, 125; BGHZ 114, 100; Palandt/Heinrichs, § 185 Rz. 3. Eine Verpflichtungsermächtigung kennt dagegen das öffentliche Recht in Art. 115 GG. Dort kann die Verwaltung zur Übernahme von Verpflichtungen zwecks Leistung von Ausgaben in zukünftigen Jahren ermächtigt werden. Teilweise wird auch im Rahmen des § 1357 Abs. 1 BGB von einer Verpflichtungsermächtigung gesprochen. Da § 1357 Abs. 1 BGB aber nur die Wirkung des § 164 BGB herbeiführt, handelt es sich nur um eine gesetzliche Vertretungsmacht des Ehegatten. 267 So aber Obermüller, WM 1994, 1829, 1835. 268 Pohlmann, Rz. 336. 269 Pohlmann, Rz. 340. 270 Das erkennt auch Spliedt, ZIP 2001, 1941, 1943 und 1948, an.
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nahme, um die Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren zu ermöglichen. Wollte man Masseverbindlichkeiten auch dann entstehen lassen, wenn der Schuldner mit Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters handelt, wäre das Regel-Ausnahme-Verhältnis der §§ 38, 55 Abs. 2 InsO im Insolvenzantragsverfahren in sein Gegenteil verkehrt. Auch der Vergleich mit der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Eigenverwaltung darf gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO nur angeordnet werden, wenn nach den Umständen zu erwarten ist, dass sie nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens oder zu sonstigen Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Das Insolvenzgericht muss aufgrund der ihm bekannten Umstände zu der Auffassung kommen, dass die Eigenverwaltung voraussichtlich nicht ungünstiger ist als die Übertragung der Verwaltungs- und Verfügungsgewalt auf einen Insolvenzverwalter. Erwägt das Gericht wegen eines vom Schuldner gestellten Antrags bereits im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung die Anordnung der Eigenverwaltung, kann es sich bei dieser Prognoseentscheidung nur auf solche Umstände stützen, die aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung – insbesondere dem Insolvenzantragsverfahren – stammen. Das Gericht muss sich hierbei zumindest der Sachverhaltskenntnis eines etwaig bestellten vorläufigen Insolvenzverwalters bedienen 271. Die Anordnung der Eigenverwaltung unterscheidet sich deshalb in ihren Voraussetzungen ganz erheblich von der Situation im Insolvenzantragsverfahren. Dort steht weder fest, ob eine kostendeckende Masse vorhanden ist noch ob der Schuldner die Krise zu verantworten hat. Im Interesse der Gesamtgläubigerschaft soll die künftige Insolvenzmasse daher während des Insolvenzantragsverfahrens nur in Ausnahmefällen mit weiteren Masseverbindlichkeiten belastet werden. Zeigt sich während des Insolvenzantragsverfahrens, dass eine kostendeckende Masse vorhanden und der Schuldner geeignet ist, die Insolvenzmasse selbst zu verwalten, kann die Eigenverwaltung ausnahmsweise 272 angeordnet werden. Der im Insolvenzantragsverfahren erzielte Erkenntnisgewinn über die verwaltete Vermögensmasse und die Person des Schuldners rechtfertigen es, den Schuldner sodann Forderungen im Rang des § 55 InsO begründen zu lassen. Eine Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO auf den Schuldner – nicht den vorläufigen Insolvenzverwalter! – verbietet sich dagegen. Weitere Probleme ergeben sich bei Annahme einer Verpflichtungsbefugnis, wenn es gilt, diese in das System der §§ 21, 55 Abs. 2 InsO einzuordnen. In der Ermächtigung zur Eingehung einer Verbindlichkeit kann nur schwerlich zugleich die Einräumung einer entsprechenden Verfügungsbefugnis gesehen werden 273. Für eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO ist ebenfalls kein Raum, da es bereits an einer plan-
271 Nerlich/Römermann, § 270 Rz. 22. 272 Nerlich/Römermann, vor § 270 Rz. 6; Bork, Rz. 401; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Rz. 1 ff. zu Kap. 10; Breutigam/Blersch/Goetsch, § 270 Rz. 5; Smid, § 270 Rz. 9. A.A. Braun/Uhlenbruck, S. 691 ff., die eine Eigenverwaltung auch als Regelverfahren befürworten und die Unterschiede zum Insolvenzantragsverfahren nicht hinreichend berücksichtigen. 273 MK-BGB/Schramm, § 185 Rz. 6; das erkennt auch Spliedt, ZIP 2001, 1941, 1948 an.
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
widrigen Regelungslücke fehlt. Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, die Rechtsfolge dieser Vorschrift von der Verfügungsbefugnis abhängig zu machen, obgleich er in § 21 Abs. 1 InsO zwischen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis differenziert. Das Ziel der Gegenmeinung, die Wirkung des § 55 Abs. 2 InsO herbeizuführen, ohne zugleich die vom Gesetzgeber hierfür vorgesehene Folge des § 61 InsO auslösen zu wollen, lässt sich de lege lata nicht erreichen. Es verbleibt daher für den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter bei der von § 38 InsO angeordneten Rechtsfolge, dass die mit seiner Zustimmung begründeten Verbindlichkeiten Insolvenzforderungen sind. (3)
Eignung zur Geschäftsfortführung
Daher wird teilweise vertreten, der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter sei zur Geschäftsfortführung ungeeignet. Ferner bestehe bei einer Geschäftsfortführung durch den Schuldner die Gefahr, dass dieser das Vermögen schmälert und die Abstimmung zwischen Schuldner und vorläufigem Insolvenzverwalter über massesichernde Maßnahmen problembehaftet ist 274. Die Einschränkung der Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters könne daher zu Konflikten mit dem Schuldner führen, sofern unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich der Art und Weise bestehen, in der eine Geschäftsfortführung organisiert werden soll oder der Schuldner die Verfügungsbeschränkungen nicht beachtet 275. Solche Probleme sind jedoch keinesfalls zwingend mit der Anordnung der „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwaltung verbunden. Die Praxis zeigt, dass diese auch bei Geschäftsfortführungen eine ausreichende Sicherung darstellt 276. Vor allem bei sanierungsfähigen Unternehmen hat sich nach früherem Vergleichsrecht immer wieder gezeigt, dass der Schuldner auf die Unterstützung und Beratung des vorläufigen Insolvenzverwalters angewiesen ist 277. Hierin kann auch die Grundlage für eine Zusammenarbeit zwischen vorläufigem Insolvenzverwalter und Schuldner liegen. Insbesondere kann die gemeinsame Unternehmensleitung geeignet sein, verlorenes Vertrauen der Gläubiger wieder herzustellen und die Voraussetzungen für eine Anordnung nach den §§ 270 ff. InsO zu schaffen 278. Das Ansehen des Schuldners bleibt bei der „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwaltung eher gewahrt als bei der Auferlegung eines allgemeinen Verfügungsverbots 279.
274 Pohlmann, S. 113; Wimmer/Dauernheim, S. 154. 275 Kraemer/Vogelsang, Fach 6 Kap. 6 Rz. 19; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Rz. 237 zu Kap. 3; Uhlenbruck, § 22 Rz. 6; Pape, DB 1999, 1539, 1540; a.A. Bork, vor § 22 Rz. 103. 276 Thiemann, Rz. 134; Vallender, DZWiR 1999, 265, 269. Pape, DB 1999, 1539, 1541 stellt ebenfalls fest, dass von Insolvenzverwaltern bereits seit Inkrafttreten der InsO zu hören ist, dass man auch ohne allgemeine Verfügungsverbote „sehr gut leben könne“. 277 Uhlenbruck, § 22 Rz. 15 unter Verweis auf das sog. „Verfahren Kölner Prägung“. Hier kam es bereits vielfach zu einer weitgehenden Mitwirkung des Vergleichsverwalters im Rahmen des § 57 VglO. 278 Uhlenbruck, § 22 Rz. 10 a.E. 279 Vallender, DZWiR 1999, 265, 269; Uhlenbruck, § 22 Rz. 10.
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Die drohenden Konflikte sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter erhebliche Rechte besitzt, etwa aus § 22 Abs. 3 InsO. Ferner kann – und u.U. muss 280 – der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter weitere Sicherungsmaßnahmen bei Gericht anregen. Denkbar ist beispielsweise die Verpflichtung des Schuldners gemäß den §§ 20, 97, 101 InsO, die Kreditinstitute vom Bankengeheimnis zu befreien oder der Erlass eines besonderen Verfügungsverbotes an den Schuldner, sich jeglicher Verfügung über seine Konten und die Kasse zu enthalten. Auch kann dem Schuldner aufgegeben werden, Aufzeichnungen über seine laufenden Geschäfte zu fertigen oder für die Erteilung von Auskünften zur Verfügung zu stehen 281. Sanktion für die Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten kann auch die Anordnung der Haft sein, wenn andere Maßnahmen nicht zum Erfolg führen 282. Die (vorerst) „schwache“ vorläufige Insolvenzverwaltung kann darüber hinaus den Vorteil haben, gegenüber der sofortigen Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots die sanierungsfreundlichere Maßnahme zu sein. Wird sogleich ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet, ist der zur Fortführung des Geschäftsbetriebes verpflichtete vorläufige Insolvenzverwalter schon unmittelbar nach seiner Ernennung mit Verpflichtungsgeschäften konfrontiert, die er kurzfristig erfüllen muss, wenn der Geschäftsbetrieb ordnungsgemäß weiterlaufen soll. Eine „Atempause“ zur Abschätzung der Chancen und Risiken einer Geschäftsfortführung sieht die Insolvenzordnung nicht vor. Es liegt nahe, dass sich der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter gegen die aus § 61 InsO drohende Haftung zu wehren versucht, indem er die Stilllegung des Betriebes gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Hs. 2 InsO beim Insolvenzgericht beantragt 283. Es kann daher sinnvoll sein, zunächst im Rahmen der „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwaltung die Chancen und Risiken einer Geschäftsfortführung auszuloten und dann, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter die Möglichkeit zur Fortführung signalisiert, ein allgemeines Verfügungsverbot anzuordnen. Schließlich spricht für die Bestellung eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters auch die Tatsache, dass er sich der Leistungen, die auf betriebswirtschaftlich zu teuren Verträgen beruhen, durch Nichtzahlung entledigen kann 284. Denn ein Lieferant, der nur eine Befriedigung in Höhe der Insolvenzquote erwarten kann, wird den Vertrag einseitig oder durch Aufhebungsvereinbarung beenden wollen, um einem Verlustgeschäft zu entgehen. Der mit der „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwaltung verbundene Nachteil, nur im Rahmen des Bargeschäfts Zahlungen leisten zu dürfen, kann daher auch zugunsten der verwalteten Vermögensmasse eingesetzt werden. Das betrifft insbesondere Dauerschuldverhältnisse, für
280 Braun/Uhlenbruck, S. 235; KS-Uhlenbruck, S. 340 Rz. 14. 281 LG Duisburg, NZI 2001, 384; LG Göttingen, ZInsO 2001, 44. 282 OLG Celle, NZI 2001, 149 zur Pflicht des Schuldners, bei der Ermittlung im Ausland befindlichen Vermögens mitzuwirken; OLG Naumburg, NZI 2000, 498 zur Subsidiarität der Haftanordnung. 283 Zum Ganzen Mönning, Rz. 315 ff.; Pape, DB 1999, 1539, 1540; Nerlich/Römermann, § 22 Rz. 109 f. 284 Undritz, NZI 2003, 136, 140.
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
die im Falle der „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung § 55 Abs. 2 S. 2 InsO bestimmt, dass diese als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren sind. Auf den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter wird diese Vorschrift nicht angewandt, obgleich der Wortlaut eine solche Einschränkung nicht vornimmt 285. Als „Sanierungsbremse“ erweist sich der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter jedenfalls nicht 286, zumal die bereits zum „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalter dargestellte Änderung des § 21 Abs. 2 InsO auch dem „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter zugute kommen wird 287. (4)
Pflicht zur Geschäftsfortführung
Die Prüfung, ob der Geschäftsbetrieb des Schuldners zur Erhaltung seines Vermögens fortgeführt werden kann, gehört zu den Pflichten jeden vorläufigen Insolvenzverwalters 288. Sie folgt aus den §§ 21 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 InsO und zieht für den Fall ihrer Missachtung oder unzureichender Ermittlungen, fehlerbehafteter Kalkulation etc. die Haftung gemäß § 60 InsO nach sich. (a)
Aufgrund Gesetzes
Mit der Pflicht zur Prüfung der Fortführungsaussichten ist aber nicht ipso iure die Pflicht zur Geschäftsfortführung für den Fall verbunden, dass diese im Interesse der Insolvenzgläubiger angezeigt ist. Ist ein allgemeines Verfügungsverbot nicht angeordnet worden, beschränken sich die Pflichten des vorläufigen Verwalters zunächst auf die Sicherung und Erhaltung des Vermögens; lediglich der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter hat den Geschäftsbetrieb gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO fortzuführen. Aufgrund dieser gesetzlichen Differenzierung zwischen den einzelnen Verwaltertypen kann eine Pflicht zur Geschäftsfortführung abgelehnt werden. Zwar obliegt es dem Gericht, die Pflichten des Verwalters im Einzelnen zu bestimmen, vgl. §§ 21 Abs. 1, 22 Abs. 2 S. 1 InsO. Das bedeutete aber, dass der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter sehenden Auges durch die Einstellung des Geschäftsbetriebes die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger schmälern dürfte, sofern das Gericht ihn nicht unverzüglich nach Mitteilung des Prüfergebnisses zum
285 OLG Köln, ZIP 2001, 1422; LAG Frankfurt/Main, ZInsO 2001, 562; Nerlich/Römermann, § 55 Rz. 130. 286 So aber Undritz, NZI 2003, 136 ff. unter Bezugnahme auf die Entscheidungen BGH NZI 2002, 543 und AG Hamburg, NZI 2003, 153. Undritz führt dies vor allem darauf zurück, dass der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter den Gläubigern, auf die er angewiesen ist und mit denen er auch während der Insolvenzantragsverfahrens Geschäfte abschließt, allenfalls mit der Gefahr einer persönlichen Inanspruchnahme Zahlungszusagen geben kann. Dennoch gelangt Undritz zu dem Schluss, dass der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter eine Alternative darstelle, wenn das bereits unter Geltung der Konkursordnung praktizierte Treuhandkontenmodell angewandt und ggf. mit einer Einzelermächtigung gemäß § 22 Abs. 2 InsO kombiniert werde, vgl. NZI 2003, 136, 141 f. 287 Siehe oben II.4.c)cc)(3). 288 So auch Uhlenbruck, § 60 Rz. 70; ders., NZI 2000, 289 ff. Frind, ZInsO 2003, 778, 779 zählt die Fortführungsprognose zu den ureigensten Beurteilungspflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
„starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter ernennt. Aus Sicht des vorläufigen Insolvenzverwalters stellt sich diese Frage insbesondere vor dem Hintergrund seiner persönlichen Haftung aus § 60 InsO. Denn gelangt er zu dem Ergebnis, dass eine Geschäftsfortführung die Haftungsmasse erhält oder anreichert, könnte er entweder – entgegen seinem Prüfungsergebnis – den Geschäftsbetrieb einstellen und abwarten, ob die Insolvenzgläubiger ihn aus § 60 InsO in Anspruch nehmen oder die mit einer Geschäftsfortführung verbundenen Risiken freiwillig auf sich nehmen. Im Hinblick auf den Sicherungszweck des vorläufigen Insolvenzverfahrens könnte man eine Pflicht zur Geschäftfortführung daher bejahen. Hierfür spricht auch, dass die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters aus dem Zweck der Eröffnungsphase folgen, hieran hat die Ausgestaltung verschiedener Leitbilder der vorläufigen Verwaltung in den §§ 21 ff. InsO nichts geändert. Zudem war bereits für den Sequester der Konkursordnung eine sich aus dem Sequestrationszweck ergebende Verpflichtung zur Geschäftsfortführung von Rechtsprechung 289 und Literatur 290 anerkannt. Eine mögliche Haftung des Gerichts kann auch kein angemessener Ersatz für den Wegfall der Pflicht sein. Diese durchzusetzen, wäre für die Gläubiger mit erheblichen Beweislastschwierigkeiten und dem Risiko verbunden, ein Verschulden nicht hinreichend nachweisen zu können. Teilweise wird daher angenommen, das Gericht könne dem „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter mit der Geschäftsfortführung beauftragen 291. Auch der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter sei deshalb grundsätzlich zur Fortführung des Geschäftsbetriebes verpflichtet 292 und umgekehrt zu einer eigenmächtigen Schließung nicht befugt 293. § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO, der für diese Ansicht ins Feld geführt wird, spricht aus der systematischen Einordnung zu § 22 Abs. 2 InsO gegen diese Auffassung: Obliegt es danach dem Gericht, die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters zu bestimmen, soweit die Verfügungsbefugnis beim Schuldner verblieben ist, können diese nicht bereits ipso iure bestehen. Die Regelung des § 22 Abs. 2 InsO liefe leer. Der Gesetzesbegründung kann eine Pflicht zur Geschäftsfortführung ebenfalls nicht entnommen werden. Dort heißt es nur, das Ziel, nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern, schließe auch ein, das Unternehmen im Regelfall fortzuführen 294. Gegen eine Verpflichtung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters zur Geschäftsfortführung spricht auch, dass die §§ 21 ff. InsO diese gerade nicht vorsehen.
289 BGH NJW 1961, 1304, 1305. 290 Herbert, S. 125 f.; Kleiner, S. 85; Koch, S. 142; Bähr, ZIP 1998, 1553. 291 Pohlmann, Rz. 230 ff.; Feuerborn, KTS 1997, 171, 185; vgl. auch Obermüller, WM 1994, 1829, 1835; Kramer, S. 297. 292 Wellensiek, FS Uhlenbruck, S. 207; a.A. Thiemann, Rz. 204. 293 Wellensiek, FS Uhlenbruck, S. 207; Pape, WPrax 1995, 238; dagegen KS-Uhlenbruck, Rz. 254. 294 Kübler/Prütting, RWS-Dokumentation, S. 178.
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
(b)
Aufgrund richterlicher Anordnung
§ 21 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO begründet eine Fortführungspflicht nur für den „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter, schließt sie für den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter aber nicht aus. Soweit die Pflichten nicht im Gesetz umschrieben sind, können sie vom Gericht bestimmt werden, sie dürfen aber nicht über diejenigen des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters hinausgehen, vgl. § 22 Abs. 2 InsO. Daraus wird zu Recht geschlussfolgert, dass die in § 22 Abs. 1 S. 2 InsO bestimmten Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Verfügungsbefugnis auch Leitbild des vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Verfügungsbefugnis sind, wenngleich dessen Kompetenzen dahinter zurückbleiben. Denn selbst wenn ein negatives Betriebsergebnis erreicht wird, kann die Geschäftsfortführung aus Sicht der Gläubigergesamtheit sinnvoll sein, da hierdurch die Auflösung der Betriebsstruktur, der Kunden- und Lieferbeziehungen sowie das Auseinanderfallen der Belegschaft vermieden werden können 295. Neben der Zersetzung der unternehmerischen Strukturen bedeutet die Stilllegung auch den Verfall der im betrieblichen Leben gebundenen Vermögenswerte. Bei der Erörterung der Zulässigkeit einer Geschäftsfortführung ist zu bedenken, dass zur Masse das schuldnerische Vermögen im Ganzen, d.h. als Inbegriff einer Gesamtheit von Sachen und Rechten gehört. Zu nennen sind etwa der über Jahre aufgebaute Kundenstamm 296, Muster und Patente, Vertriebsstrukturen sowie der Name des Unternehmens. Eine verfrühte Weichenstellung für die Gesamtliquidation oder eine „Vorsichtsschließung“ wegen der mit einer Fortführung verbundenen wirtschaftlichen und rechtlichen Risiken führen zu einer gravierenden Vermögensentwertung, insbesondere im Bereich des Vorratsvermögens, das dann nur noch mit einem Schrottwert zu Buche schlägt 297. Ein angemessener Preis lässt sich hier nur realisieren, wenn diese Gegenstände bestimmungsgemäß zum verkaufsfähigen Produkt weiterverarbeitet werden. Selbst Fertigteile können oft nur dann zu angemessenen Preisen veräußert werden, sofern sichergestellt ist, dass Ersatzteile geliefert und Garantie- und Serviceleistungen erbracht werden 298. Ist der Betrieb erst einmal zum Erliegen gekommen, bereitet dessen Wiederaufnahme erhebliche Schwierigkeiten. Es entspricht daher nicht nur ausnahmsweise, sondern immer dann, wenn Aussichten auf eine erfolgreiche Sanierung des Unternehmens bestehen oder jedenfalls die Insolvenzquote erhöht werden kann, dem Interesse der Insolvenzgläubiger, dass der Betrieb fortgeführt wird 299. Zu Recht wird daher auch von einem normativen Leitbild der Geschäftsfortführung gesprochen 300. Die Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren hat keinen Verwaltungs- oder Verwertungscharakter, sondern ist typische Sicherungsmaßnahme 301
295 Wittig, DB 1999, 197; Kleiner, S. 40. 296 Zum Good-Will vgl. Uhlenbruck, FS Henckel, S. 877 ff, 880. 297 Wittig, DB 1999, 197; Kleiner, S. 38; Kilger/Schmidt, § 1 Rz. 3 a. 298 Wittig, DB 1999, 197; vgl. hierzu auch BGH DB 1998, 358 = WM 1998, 227, 232. 299 KS-Mönning, 375, 383. 300 Thiemann, Rz. 127, mit dem Hinweis, dass der Gesetzgeber die Größenordnung der möglichen Geschäftsfortführungen grundsätzlich verkannt habe. 301 Kleiner, S. 41 zum Sequestrationsverfahren der KO.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
im Sinne des § 21 Abs. 1 InsO. Die Annahme, die Sicherung und Erhaltung entspreche in allen Fällen der vorläufigen Insolvenzverwaltung nur der Funktion des Sequesters im Sinne des statischen Sequestrationsbegriffs 302, ist mithin falsch. Der vorläufige „schwache“ Insolvenzverwalter handelt pflichtwidrig, wenn er das Mittel der Geschäftsfortführung zwecks Werterhaltung nicht berücksichtigt, eingehend prüft und ggf. umsetzt und hierdurch Verwertungsmöglichkeiten ungenutzt bleiben 303. Die Geschäftsfortführung ist im Falle der „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwaltung also u.U. auch dann zulässig, wenn durch sie Verluste erwirtschaftet werden. Es ist daher Sache des Gerichts, dem „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter aufzuerlegen, den schuldnerischen Betrieb fortzuführen, sofern dies der Sicherung des schuldnerischen Vermögens dient. Ohne eine solche gerichtliche Anordnung ist die Geschäftsfortführung zwar zulässig, eine Pflicht hierzu besteht jedoch nicht 304. In jedem Falle ist der vorläufige Insolvenzverwalter aber verpflichtet, die Anordnung weiterer Sicherungsmaßnahmen anzuregen, wenn sich bei seinen Ermittlungen herausstellt, dass eine Fortführung im Interesse der Gläubiger geboten erscheint 305, beispielsweise, wenn die zu erwartenden laufenden Einnahmen während der Eröffnungsphase den Aufwendungen entsprechen oder diese sogar übersteigen.
302 So Thiemann, Rz. 203 f. 303 Mönning, Rz. 252. 304 So auch Smid, DZWiR 2002, 444, 445; LG Hamburg, ZInsO 2003, 1094 f. Das LG Hamburg wies die Beschwerde eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters gegen einen Vergütungsbeschluss zurück, da Zuschläge auf den Regelsatz auch bei Fortführung des Geschäftsbetriebes nicht zu gewähren seien. Dem „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter komme vorwiegend Aufsichts- und Sicherungsfunktion zu; ihm habe – noch – nicht die Aufgabe oblegen, den Geschäftsbetrieb fortzuführen, zu beordnen und im Rahmen einer übertragenden Sanierung zu übertragen. Dasselbe gelte für die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes, die Abrechnung der Lohnverbindlichkeiten und die Abstimmungen der Betriebsübertragung und der Übertragung der Sanierung. Das LG Hamburg verkennt dabei, dass die Sicherung des schuldnerischen Vermögens und die Fortführung des Geschäftsbetriebes nicht voneinander losgelöst betrachtet werden können. Um das Vermögen zu sichern, wurde der Geschäftsbetrieb mit Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters fortgeführt, die Übertragung vorbereitet und schließlich übertragen. Wenn auch die Übertragung des Betriebes als Verwertungsmaßnahme grundsätzlich dem Insolvenzverwalter vorbehalten ist, gehört ihre Vorbereitung und Sicherung zu den eigentlichen Aufgaben der vorläufigen Insolvenzverwaltung. Der Beschluss des LG Hamburg ist damit in seinem Ausgangspunkt – keine Pflicht zur Fortführung – richtig, verkennt aber, dass sie dennoch zulässig und mit einem Zuschlag auf den Regelsatz zu vergüten ist. Dass es eine feste Regelvergütung für eine bestimmte Form der vorläufigen Insolvenzverwaltung nicht gibt, sondern vielmehr das Leistungsbild der entfalteten Verwaltertätigkeit im Einzelfall gewürdigt und zu dem Grundsatz einer leistungsangemessenen Vergütung in Beziehung gesetzt werden muss, hat auch der BGH nochmals festgestellt, vgl. BGH ZIP 2003, 1612 f. = DZWiR 2003, 475 und BGH ZIP 2003, 1759 f. = DZWiR 2003, 471 ff. Für eine nach diesen Grundsätzen erhöhte Vergütung des Sequesters AG Bergisch-Gladbach ZIP 2000, 283 f. = ZInsO 2000, 172; LG Wuppertal ZIP 1998, 1691 ff. = DZWiR 1999, 42 mit zust. Anmerkung Graeber, DZWiR 1999, 43 f.; LG Göttingen ZInsO 1998, 189 f.; für den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter AG Chemnitz, ZIP 2001, 1473 mit zust. Anm. Keller, EWiR 2001, 115 f. 305 Braun/Uhlenbruck, S. 235; KS-Uhlenbruck, S. 340 Rz. 14; Uhlenbruck, § 22 Rz. 12 a.E.; Beck/Depré, Rz. 169 ff. Die Pflicht zur Prüfung, ob eine Fortführung in Betracht kommt, hält Uhlenbruck, § 22 Rz. 7 zu Recht für selbstverständlich.
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
Zu berücksichtigen ist bei dieser Gewinn- und Verlustprognose, dass der vorläufige Insolvenzverwalter von Personalkosten – einem wesentlichen Kostenfaktor – bei einer Vorfinanzierung durch Insolvenzgeld frei ist. Ein wenigstens ausgeglichenes Betriebsergebnis ist dann ein erreichbares Ziel. Allerdings obliegt auch ihm die Pflicht, die Fortführungsaussichten mit Blick auf den Erhalt der im Betrieb gebundenen Vermögenswerte zu prüfen. Stellt er fest, dass eine Fortführung zumindest für den Zeitraum der Eröffnungsphase dem Masseerhalt dienlich ist oder sogar Aussichten auf eine Sanierung bestehen, hat er das Gericht um Anordnung weiterer Sicherungsmaßnahmen – etwa eines allgemeinen Verfügungsverbotes an den Schuldner – zu ersuchen und den Geschäftsbetrieb bis zur Entscheidung fortzuführen. Gerade unter Haftungsgesichtspunkten wird daher die Frage von Bedeutung sein, ob die Fortführung durch den „schwachen“ vorläufigen Verwalter nicht nur zulässig ist, sondern im Einzelfall sich aus dem Ergebnis der Ermittlungen auch eine Fortführungspflicht ergeben kann. Unter Geltung der Konkursordnung war eine solche Pflicht vom Bundesgerichtshof frühzeitig anerkannt und in der Literatur allgemein befürwortet worden. Insoweit bleiben die Pflichten des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters hinter denen des Sequesters zurück. ee)
Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters
Die Fortführung des schuldnerischen Betriebes bringt eine Reihe von Problemen mit sich. Während die Stilllegung des Unternehmens Handlungsmöglichkeiten hervorruft, die definierbare Haftungsrisiken bergen, hat sich in der insolvenzrechtlichen Praxis gezeigt, dass immer dort, wo sich die Fortführung als eine die Insolvenzquote verbessernde Maßnahme darstellt, die Zahl der Risiken exponential ansteigt und der Bezug zur „eigentlichen“ Aufgabe des Insolvenzverwalters gelockert wird 306. Bei der Geschäftsfortführung gründet der vorläufige Insolvenzverwalter in weitaus höherem Maß als bei einer reinen Verwertung seine Entscheidungen auf Prognosen über die Entwicklung des Betriebsvermögens 307. Diese beruht aber auf zahlreichen Faktoren, die dem Verwalter im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht bekannt sein müssen. Im Vergleich zum Geschäftsführer des Schuldners arbeitet der vorläufige Insolvenzverwalter damit unter ungünstigeren Bedingungen 308. Ferner kann das Gericht den vorläufigen Insolvenzverwalter durch eine Anordnung nach den §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 Var. 1 InsO generell oder nach § 22 Abs. 2 Nr. 1, 22 Abs. 2 InsO im Einzelfall verpflichten, den Geschäftsbetrieb des Schuldners fortzuführen. In diesen Fällen hat sich das Haftungsrisiko erhöht, weil der vorläufige Insolvenzverwalter für die Befriedigung der von ihm begründeten Verbindlichkeiten Sorge tragen muss 309. Der Sequester begründete hingegen nur
306 KS-Smid, S. 453, 454. 307 Meyer/Schulteis, DZWiR 2004, 319, 320; Smid, § 60 Rz. 1. 308 Meyer/Schulteis, a.a.O.; MK-InsO/Brandes, §§ 60, 61 Rz. 89 f.; HK-InsO/Eickmann, § 60 Rz. 29; FK-InsO/Kind, § 60 Rz. 16; Vallender, DZWiR 1999, 265, 273 f. Ebenso BT-Drucks. 12/2443, S. 129. 309 Uhlenbruck, § 60 Rz. 58.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
Konkursforderungen, so dass ihn eine Haftung aus § 82 KO nicht traf. Auch quantitativ bringt die Insolvenzordnung eine Zunahme der Haftungsrisiken mit sich. Zwar bestimmen sich die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters anhand des Verfahrenszwecks. Dieser ist aber, anders als nach dem Recht der Konkursordnung zunächst angenommen, ausdrücklich nicht auf die Zerschlagung des Schuldnervermögens beschränkt. Die Realisierung des Haftungsinteresses bleibt Zweck jeden Insolvenzverfahrens; allerdings tritt gemäß § 1 S. 1 Hs. 2 InsO gleichrangig neben die Zerschlagung die Möglichkeit, eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens zu treffen. Jeder vorläufige Insolvenzverwalter ist daher verpflichtet, die Aussichten einer Geschäftsfortführung eingehend zu prüfen. Unterlässt er eine gebotene Geschäftsfortführung, haftet er den Gläubigern für den hieraus entstandenen Schaden 310. Das Haftungsrisiko des vorläufigen Insolvenzverwalters, das mit einer Geschäftsfortführung verbunden ist, wird deshalb allgemein als besonders hoch eingeschätzt 311. Es lag aus diesem Grund nahe, die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters eigenständig zu regeln und die Geschäftsfortführung mit der Insolvenzreform aus der Grauzone der konkursrechtlichen Praxis herauszuführen 312. Dennoch hat die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters keine eigenständige Regelung gefunden. § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO verweist hierzu auf die Vorschriften der §§ 60, 61 InsO. Deshalb gelten für die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters die gleichen Grundsätze wie für den Insolvenzverwalter 313. Es sind zwei Haftungsnormen zu unterscheiden: (1)
Haftung aus § 60 InsO
Die allgemeine Haftungsbestimmung ist § 60 Abs. 1 InsO 314. Danach ist der Insolvenzverwalter allen Beteiligten zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach der Insolvenzordnung obliegen. Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen. Soweit der Verwalter zur Erfüllung seiner Pflichten Angestellte des Schuldners im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit einsetzen muss und diese nicht offensichtlich ungeeignet sind, beschränkt § 60 Abs. 2 InsO die Haftung auf deren Überwachung und Entscheidungen von besonderer Bedeutung, der Verschuldensmaßstab des § 278 BGB findet dann keine Anwendung.
310 Mönning, Rz. 1509. 311 Ehlers, ZInsO 1998, 356, 357; Prütting, S. 67 ff.; Meyer/Schulteis, DZWiR 2004, 319, 320; Mönning, Rz. 1539; Vallender ZIP 1997, 345, 348; Uhlenbruck, § 60 Rn. 58, 67; van Bühren, NZI 2003, 465. 312 KS-Smid, S. 453, 454. 313 Pape meint daher zu Recht, die Haftung des vorläufigen Verwalters unterscheide sich von ihrer Struktur her nicht von der des endgültigen Insolvenzverwalters, vgl. Hess/Pape, InsO und EGInsO, Rz. 146. 314 HK-Eickmann, § 60 Rz. 3 ff.; Kirchhof, ZInsO 1999, 365.
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
(a)
Insolvenzspezifische Pflichtverletzung
Für das Verständnis des § 60 InsO bedarf es zunächst der Bestimmung, wer Beteiligter im Sinne der Vorschrift ist und welche Pflichten gerade insolvenzspezifische Pflichten sind. Nach allgemeiner Auffassung wurde die Vorgängerregelung des § 82 KO weit ausgelegt und von einem materiellrechtlichen Beteiligtenbegriff ausgegangen 315. Entscheidend ist danach nicht, dass eine Person am Insolvenzverfahren unmittelbar teilnimmt 316, sondern, dass der Insolvenzverwalter ihr gegenüber besondere, nämlich insolvenzspezifische, Pflichten zu erfüllen hat. Der Beteiligtenbegriff orientiert sich also an dem Pflichtenkreis des Insolvenzverwalters, womit ihm haftungsrechtlich keine eigenständige Bedeutung zukommt 317. Welche Pflichten dem – vorläufigen – Insolvenzverwalter obliegen, kann nur teilweise allgemein bestimmt werden. Gemeinsam ist allen Arten der vorläufigen Insolvenzverwaltung, dass die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters der Sicherung der verwalteten Vermögensmasse dient, vgl. § 21 InsO. Die Reichweite der Pflichten kann jedoch von diesem Minimum erheblich abweichen und den in § 22 Abs. 1 S. 2 InsO bestimmten Umfang erreichen. Dabei ist zu beachten, dass der Pflichtenkreis sich im Laufe des Insolvenzantragsverfahrens ändern kann, ohne dass es hierfür einer gerichtlichen Anordnung bedarf. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter zu Beginn des Insolvenzantragsverfahrens zu der Auffassung gelangt, eine Geschäftsfortführung diene der Sicherung der verwalteten Vermögensmasse, sich dann aber herausstellt, dass die Fortführung zu erheblichen Masseverkürzungen führt 318. Um der Haftung zu entgehen, muss er unverzüglich 319 den Betrieb stilllegen bzw., sofern er als „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter handelt, gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO die Stilllegung anregen. Ein Haftungsrisiko besteht auch im umgekehrten Fall, wenn sich der vorläufige In-
315 § 82 KO lautete: „Der Verwalter ist für die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten allen Beteiligten verantwortlich.“ Der Wortlaut des § 60 InsO ist hinsichtlich der Pflichten genauer als § 82 KO, der eine Eingrenzung auf insolvenzspezifische Pflichten gerade nicht ausdrücklich anordnete. Dass der Konkursverwalter nur für die Verletzung konkursspezifischer Pflichten haftete, war dennoch allgemein anerkannt; vgl. BGHZ 99, 151, 154; BGHZ 105, 230; BGH ZIP 1993, 687; Merz, KTS 1989, 277, 289; Kuhn/Uhlenbruck, § 106 Rz. 26 ff., § 82 Rz. 8. 316 So noch RGZ 74, 258, 259 ff. 317 Lüke, Haftung, S. 32.; Kübler/Prütting/Lüke, § 60 Rz. 13; KS-Smid, S.460 ff.; Uhlenbruck, § 60 Rz. 11. 318 Uhlenbruck, § 60 Rz. 12 für den „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter. Die Pflicht zur Stilllegung ergibt sich aber auch für alle anderen Arten des vorläufigen Insolvenzverwalters aus § 21 Abs. 1 S. 1 InsO. Interessant ist in diesem Zusammenhang das Urteil des OLG Nürnberg ZIP 1986, 244 ff. mit Anm. Finken, EWiR 1986, 499 f.: Das Gericht lehnte eine Haftung des Konkursverwalters wegen Betriebsfortführung trotz anfänglich bekannt gegebener Massearmut ab, weil er die nahezu zweijährige erfolgreiche Fortführung im Hinblick auf einen sich abzeichnenden Verkauf mit ausdrücklicher Genehmigung der Gläubigerversammlung und des Konkursgerichts vorgenommen hatte. 319 Erkennt der vorläufige Insolvenzverwalter wegen der von ihm geduldeten unübersichtlichen und unvollständigen Buchführung nicht, dass die Geschäftsfortführung zu erheblichen Masseverlusten führt, droht gleichfalls die Haftung, vgl. BGH KTS 1958, 143; BGH KTS 1961, 94; Vallender, ZIP 1997, 354, 350.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
solvenzverwalter für eine vorzeitige Betriebsstilllegung entscheidet 320. Stellt diese sich später als „Vorsichtsschließung“ heraus und hätte eine Geschäftsfortführung zu einer Mehrung der verwalteten Vermögensmasse geführt 321, droht die Haftung. Sofern eine Insolvenzgeldvorfinanzierung gelingt, ist eine Geschäftsfortführung häufig massemehrend, so dass vor einer „Vorsichtsschließung“ gewarnt werden muss. Da also sowohl die Entscheidung, den Geschäftsbetrieb fortzuführen als auch diejenige, den Betrieb einzustellen, haftungsschädlich sein kann, wird zu Recht von der Haftung als einem Damoklesschwert gesprochen, das geeignet ist, den Elan manchen Insolvenzverwalters zu bremsen 322. Der kleinste gemeinsame Nenner aller Sicherungsmaßnahmen wird vom Zweck der vorläufigen Insolvenzverwaltung bestimmt und ist in § 21 Abs. 1 InsO als Sicherung und Erhaltung der Vermögenslage des Schuldners beschrieben. Ein Verstoß gegen die Sicherungspflicht stellt also unabhängig von der angeordneten Sicherungsmaßnahme eine Pflichtverletzung dar. Mit Blick auf das Insolvenzantragsverfahren kann festgestellt werden, dass die Pflicht zur Sicherung und Erhaltung der späteren Masse gerade eine solche gegenüber dem Schuldner und dessen Insolvenzgläubigern ist 323. Der Schuldner hat ein Interesse am Erhalt der späteren Masse, da er gemäß § 201 Abs. 1 InsO nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens wegen des nicht befriedigten Teils der Forderungen von den Insolvenzgläubigern unbeschränkt in Anspruch genommen werden kann, ihm ist an einer möglichst weitreichenden Enthaftung gelegen 324. Die Pflicht zur Sicherung und Erhaltung der verwalteten Vermögensmasse besteht auch gegenüber den Insolvenzgläubigern. Sie ist der Verwertung im eröffneten Insolvenzverfahren zeitlich vorgelagert und dient ihrer Vorbereitung. Eine Verletzung der Sicherungspflichten im Insolvenzantragsverfahren kann daher eine Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters sowohl gegenüber den Insolvenzgläubigern als auch gegenüber dem Schuldner auslösen. So haftet der vorläufige Insolvenzverwalter dem Schuldner, wenn er es unterlässt, für einen ausreichenden Versicherungsschutz für Schäden durch Diebstahl, Feuer, Wasser oder Sturm zu sorgen 325. Ein Verschulden liegt in diesen Fällen aber nur vor, soweit die verwaltete Vermögensmasse zur Zahlung der Versicherungsprämien
320 Uhlenbruck, § 60 Rz. 16; Kübler/Prütting/Lüke, § 60 Rz. 23 a. 321 Hierauf weisen KS-Smid, S. 466; ders., § 22 Rz.18 ff.; Kirchhof, ZInsO 1999, 365 ff.; KSUhlenbruck, S. 325, 346 f.; Pohlmann, Rz. 326 ff.; FK-Schmerbach § 22 Rz. 17 hin. Allerdings sehen sie die Gefahr darin, dass die Gläubigerversammlung, die gemäß § 157 InsO im eröffneten Insolvenzverfahren über den Verfahrensfortgang zu entscheiden hat, eine andere Entscheidung treffen kann. Die Begrenzung der Entscheidungsmöglichkeiten durch eine Betriebsstilllegung ist aber nur dann haftungsschädlich, wenn eine Geschäftsfortführung im Hinblick auf § 157 InsO angezeigt war. Das ist nicht der Fall, wenn die Geschäftsfortführung zu einer erheblichen Masseverkürzung führen würde. 322 Stüdemann FS 100 Jahre KO, S. 401, 439 zu § 82 KO. 323 KS-Smid, S. 453, 459 (zum Konkursverwalter). 324 KS-Smid, S. 453, 460 (zum Konkursverwalter). 325 Nerlich/Römermann/Abeltshauser, § 60 Rz. 38; Uhlenbruck, § 60 Rz. 14, 22; OLG Köln ZIP 1982, 977; OLG Düsseldorf KTS 1977, 120.
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
ausreicht und der Versicherungsschutz die Verwertung des Vermögens gesichert hätte 326. Des Weiteren hat der vorläufige Insolvenzverwalter die Rechte der Ausund Absonderungsberechtigten zu ermitteln, festzustellen, das Aus- bzw. Absonderungsgut zu verwahren 327 und sich einer Verwertung zu enthalten 328. Da sich das Rechnungswesen des Schuldners meist in desolatem Zustand befindet 329, ist es für den vorläufigen Insolvenzverwalter schwer, von sich aus diese Vorzugsrechte festzustellen. Die Pflicht zur Ermittlung und Feststellung des Aus- oder Absonderungsrechts umfasst aber nicht umfangreiche Ermittlungen. Es ist daher Sache des Berechtigten, sein Vorrecht dem vorläufigen Insolvenzverwalter anzuzeigen und zu bezeichnen 330. Wird der Geschäftsbetrieb vom vorläufigen Insolvenzverwalter fortgeführt, bereitet die Beantwortung der Frage, ob eine Pflichtverletzung vorliegt, mitunter Probleme. Veräußert beispielsweise der vorläufige Insolvenzverwalter das gesamte Unternehmen noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, stellt dies eine grundsätzlich nur dem Insolvenzverwalter obliegende Aufgabe dar. Die Veräußerung ist eine Maßnahme der Verwertung und vom Sicherungszweck des Insolvenzantragsverfahrens nicht mehr gedeckt. Erfolgt die Veräußerung aber zu einem Preis, der weit über dem Wert des Unternehmens liegt, ist dies fraglich. Ebenso liegt der Fall, dass der vorläufige Insolvenzverwalter „Notverkäufe“ vornimmt, also verderbliche Waren veräußert, um deren Restwert für die verwaltete Vermögensmasse zu sichern. Verstößt die Aussonderung noch vor Verfahrenseröffnung, soweit die Aussonderungsrechte individualisiert sind, unstreitig bestehen und eine Stilllegung des Betriebes bereits erfolgte, gegen den Sicherungszweck? (b)
Verschulden
Gemäß § 60 Abs. 1 S. 2 InsO hat der Insolvenzverwalter für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen. Die Formulierung lehnt sich an verschiedene Vorschriften 331 des Handels- und Gesellschaftsrechts an und bringt insoweit eine Einschränkung des § 82 KO mit sich. Damit sollte deutlich gemacht werden, dass die Sorgfaltsanforderungen des Handels- und Gesellschaftsrechts nicht unverändert auf den Insolvenzverwalter übertragen werden können 332.
326 BGHZ 105, 230, 237; Lüke, ZIP 1989, 1 ff. 327 Zur Verwahrungspflicht gegenüber Aussonderungsberechtigten OLG Düsseldorf KTS 1977, 119; Gundlach/Frenzel/Schmidt, NZI 2001, 350, 352 m.w.N.; a.A. Gerhardt ZInsO 2000, 574, 581. 328 Zum Verwertungsverbot gegenüber Absonderungsberechtigten BGH ZIP 1989, 1584, 1588 f.; BGHZ 105, 236; BGH ZIP 1989, 171; BGH KTS 1990, 105 f. 329 Siehe oben II.3.b), II.3.c). 330 KS-Smid, S. 472; zustimmend Uhlenbruck, § 60 Rz. 22. 331 § 347 Abs. 1 HGB knüpft an die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns an, § 93 Abs. 1 S. 1 AktG an die eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, § 43 Abs. 1 GmbHG an die eines ordentlichen Geschäftsmanns, und § 34 Abs. 1 S. 1 GenG knüpft schließlich an die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft an. 332 Nerlich/Römermann/Abeltshauser, § 60 Rz. 2.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
Vielmehr sollte auf die Besonderheiten hingewiesen werden, die sich aus den Umständen ergeben, unter denen der Insolvenzverwalter seine Tätigkeit ausübt 333. Durch die Anknüpfung an die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters ist einerseits ein Mindestmaß an Sorgfalt festgeschrieben, andererseits kann den Bedürfnissen des jeweiligen Insolvenzverfahrens ausreichend Rechnung getragen werden. Zu Recht wird etwa darauf hingewiesen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter eine gewisse Zeit nach seiner Bestellung benötigt, um sich einen ausreichenden Überblick über das Unternehmen des Schuldners zu verschaffen. Während dieser Zeit ist es ihm kaum möglich, den Sorgfaltsanforderungen an den Insolvenzverwalter eines eröffneten Insolvenzverfahrens oder gar denen eines Kaufmanns zu genügen. Da er unter ungünstigeren Bedingungen arbeitet als die bisherige Geschäftsleitung 334, sollte er sich, bis er einen ausreichenden Überblick über das Unternehmen des Schuldners gewonnen hat, mit unternehmerischen oder kostenträchtigen Entscheidungen zurückhalten. Sofern der vorläufige Insolvenzverwalter aber den Geschäftsbetrieb zunächst fortführt und die hierfür notwendigen Entscheidungen – ggf. gemeinsam mit dem Schuldner – trifft, sind an seine Sorgfalt mindere Anforderungen zu stellen. Schuldhaft handelt er während der Zeit der Amtsübernahme nur, wenn er erstens erkennt, dass er die für die Durchführung des Verfahrens erforderlichen Kenntnisse nicht besitzt 335, zweitens ausreichende sachliche und personelle Ressourcen nicht vorhalten kann und das Amt nicht niederlegt oder drittens den Geschäftsbetrieb des Schuldners fortführt, obwohl keine Aussicht auf eine Masseanreicherung besteht und eine Entscheidung der Gläubigerversammlung im eröffneten Verfahren aller Voraussicht nach zu einer Stilllegung führen würde. Die Einsetzung eines Gläubigerausschusses im Insolvenzantragsverfahren kann das Haftungsrisiko nicht reduzieren. Zum einen ist umstritten, ob ein Gläubigerausschuss im Insolvenzantragsverfahren eingesetzt werden kann 336, zum anderen wird
333 Der Bundesgerichtshof hat bereits in BGHZ 105, 230 ff. auf die Besonderheiten einer Sequestration hingewiesen und betont, dass etwa das Unterlassen der Zahlung von Versicherungsprämien nur dann pflichtwidrig und schuldhaft ist, wenn die verwaltete Vermögensmasse ausreichend liquide ist. Dass in der Neufassung des § 60 Abs. 1 S. 2 InsO mit Kübler/Prütting/Lüke, § 60 Rz. 36 und Uhlenbruck, § 60 Rz. 29 eine „eindeutige Lockerung des Verschuldensmaßstabs“ zu sehen ist, ist fraglich. 334 FK-Hössl, § 60 Rz. 40; Uhlenbruck, § 60 Rz. 29. 335 Uhlenbruck, § 60 Rz. 29. 336 Dafür AG Duisburg, ZInsO 2003, 940 mit Anm. Haarmeyer und AG Köln, ZIP 2000, 1350 mit zust. Anm. Undritz, EWiR 2000, 1115 f. Einen vorläufigen „verfahrensübergreifenden“ Gläubigerausschuss gibt es nach der Regelung der §§ 67 ff. InsO nicht. In diesem Sinne ist auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 03.08.2004 – Gz. 1 BvR 135/00 und 1 BvR 1086/01 – nicht zu verstehen. Dort geht es nur um die Bestellung zum Insolvenzverwalter, bei der nach Ansicht des Gerichts das Gläubigerinteresse in die Eignungsbewertung durch den Richter eingehen muss. Soweit das Gericht weiter ausführt, das Gläubigerinteresse komme insbesondere dadurch zur Geltung, dass die Gläubigerversammlung den vom Insolvenzgericht bestimmten Insolvenzverwalter abberufen kann (§ 57 InsO), betrifft dies nur das eröffnete Verfahren und nicht die Frage, ob bereits im Insolvenzantragsverfahren ein „verfahrensübergreifender“ Gläubigerausschuss bestellt werden kann. Ungeachtet dessen macht es in praxi Sinn, in größeren Insolvenz-
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
das Verschulden des vorläufigen Insolvenzverwalters von einer zustimmenden Entscheidung nicht beseitigt 337. Denn die Zustimmung oder Versagung der Zustimmung entfaltet keine Außenwirkung, so dass eine in Übereinstimmung mit dem vorläufigen Gläubigerausschuss erfolgte Geschäftsfortführung den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht von seinen Haftungsrisiken befreit 338. Beauftragt das Gericht den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter auf dessen Anregung gemäß § 22 Abs. 2 InsO mit der Geschäftsfortführung, beschränkt sich seine Haftung auf Rechtshandlungen, die von dem Beschluss nicht gedeckt sind sowie die Verletzung der Pflicht, eine Stilllegung anzuregen, wenn Anhaltspunkte für das Scheitern der Geschäftsfortführung vorliegen 339. Aus Sicht des vorläufigen Insolvenzverwalters ist es deshalb ratsam, bei Anregung der Geschäftsfortführung auf besonders risikoreiche Rechtshandlungen hinzuweisen und in den Beschluss aufnehmen zu lassen. Sofern das Gericht dieser Anregung folgt, kann der vorläufige Insolvenzverwalter sich ggf. darauf berufen, dass er zur Vornahme bestimmter Rechtshandlungen vom Gericht verpflichtet war und daher ein Rechtfertigungsgrund vorliegt 340. Dagegen liegt ein schuldhaftes und pflichtwidriges Verhalten vor, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb fortführt, obwohl er vom Insolvenzgericht lediglich beauftragt ist, sich gutachtlich über die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu äußern und die Geschäftsfortführung scheitert 341. Bedient sich der vorläufige Insolvenzverwalter zur Erfüllung seiner Aufgaben Dritter, so ist zu unterscheiden: Das Verschulden eigenen Hilfspersonals wird ihm gemäß § 278 BGB zugerechnet 342. Setzt der vorläufige Insolvenzverwalter dagegen Angestellte des Schuldners im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit ein und sind diese nicht offensichtlich ungeeignet, so ist er nur für deren Überwachung und Entscheidungen von besonderer Bedeutung verantwortlich. Der Haftungsmaßstab des vorläufigen Insolvenzverwalters für fremdes Hilfspersonal ist demnach geringer als für eigenes Hilfspersonal. Es ist festzustellen, dass es dem vorläufigen Insolvenzverwalter hierdurch gerade erst möglich wird, den schuldnerischen Betrieb fortzu-
verfahren die Großgläubiger – etwa telefonisch – zu fragen, ob sie einen bestimmten Insolvenzverwalter für besonders geeignet halten, um eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen Insolvenzverwalter und Gläubigern zu sichern. 337 So Pohlmann, Rz. 300 ff.; Marotzke, Unternehmen, Rz. 102. A.A. Kübler/Prütting, § 67 Rz. 11; AG Köln, EWiR 2000, 1115, 1116 mit zust. Anmerkung Undritz; für das eröffnete Insolvenzverfahren BGH ZIP 1985, 423; MK-InsO/Brandes §§ 60, 61 Rz. 98; Kübler/Prütting/Lüke § 60 Rz. 43–47; Smid, § 60 Rz.26; 338 Undritz, EWiR 2000, 1115, 1116. 339 Kirchhof, ZInsO 1999, 365, 366; zustimmend Uhlenbruck, § 60 Rz. 58 beschränken den Rechtfertigungsgrund dagegen auf die gesetzliche Fortführungspflicht. 340 Von einem Rechtfertigungsgrund geht Kirchhof, ZInsO 1999, 365, 366, aus, sofern der vorläufige Insolvenzverwalter gesetzlich – also aufgrund des § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO – zur Geschäftsfortführung verpflichtet ist. 341 OLG Düsseldorf, ZIP 1982, 727 f. (zur Konkursordnung). 342 BGH ZIP 2001, 1507.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
führen 343. Denn der Einsatz des schuldnerischen Personals beansprucht weder die Liquidität der verwalteten Vermögensmasse, sofern eine Insolvenzgeldvorfinanzierung gelingt, noch erhöht sie die Risiken des vorläufigen Insolvenzverwalters. Ferner kann der vorläufige Insolvenzverwalter die Kenntnisse der Mitarbeiter nutzen und den Weggang guten Personals zumindest einstweilig verhindern. Der vorläufige Insolvenzverwalter stellt das Personal des Schuldners bei einer Geschäftsfortführung deshalb nur frei, wenn dieses offensichtlich ungeeignet ist oder für die Geschäftsfortführung nicht benötigt wird. Soweit vertreten wird 344, die organschaftlichen Vertreter des Schuldners seien stets offensichtlich ungeeignet, weil sie für den Eintritt der Insolvenz verantwortlich seien, kann dem nicht gefolgt werden. Erst durch seine Ermittlungen ist der vorläufige Insolvenzverwalter in der Lage, die Ursachen der Krise und die für sie Verantwortlichen zu benennen. Dabei sei daran erinnert, dass die Ursachenforschung im Insolvenzantragsverfahren nur eine untergeordnete Rolle spielt 345. Vordringliche Aufgabe des vorläufigen Insolvenzverwalters im Insolvenzantragsverfahren ist es, die verwaltete Vermögensmasse zu sichern und insbesondere die Aussichten einer Geschäftsfortführung zu prüfen. Um sie zu erfüllen, ist der vorläufige Insolvenzverwalter auf die Auskünfte der organschaftlichen Vertreter und, sofern dem Schuldner nicht ausnahmsweise von Beginn an ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird, auf die Zusammenarbeit mit ihnen angewiesen. Dem vorläufigen Insolvenzverwalter ist es also nicht genommen, auch die organschaftlichen Vertreter des Schuldners für eine Geschäftsfortführung einzusetzen. (c)
Schutzzweck der Norm
Steht fest, dass der vorläufige Insolvenzverwalter seine insolvenzspezifischen Pflichten schuldhaft verletzt hat, ist ferner zu prüfen, ob der aus der Pflichtverletzung entstandene Schaden kausal und vom Schutzzweck der Norm umfasst ist. Die Bedeutung der Schutzkreisbestimmung verdeutlichen zwei zu § 82 KO entschiedene Fälle des BGH, die kurz dargestellt werden sollen: Gummibärchen-Fall 346 Das klagende Land begehrte die Feststellung, dass ihm der Beklagte zum Ersatz eines Umsatzsteuerausfalls verpflichtet war. Der Beklagte war vom Konkursgericht zum Sequester über das Vermögen der Gemeinschuldnerin, einer Süßwarenfabrik, bestellt und dieser ein allgemeines Veräußerungsverbot auferlegt worden. Noch vor Eröffnung des Konkursverfahrens veräußerte die Gemeinschuldnerin mit Zustimmung des Sequesters und der Sicherungseigentümer Warenvorräte und Betriebsanlagen für insgesamt DM 405.000,00 netto. Die hierauf entfallende Umsatzsteuer von DM 37.100,00 wurde nicht abgeführt, sondern zur Konkurstabelle aufgenommen.
343 KS-Uhlenbruck, S. 325, 355, der allerdings die Bedeutung der Regelung des § 60 Abs. 2 InsO zu Unrecht auf den Verwalter mit Verfügungsbefugnis beschränkt. 344 Uhlenbruck, § 60 Rz. 38. 345 Siehe oben II.3.c). 346 BGH ZIP 1993, 687 ff.
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens Gläubiger mit Forderungen dieses Ranges werden nur eine der Höhe nach noch nicht feststehende Quote erhalten. Baumaschinen-Fall 347 Auch hier war Klägerin ein Land und begehrte die Feststellung, dass ihm der Beklagte zum Ersatz eines Umsatzsteuerausfalls verpflichtet war. Der Beklagte war vom Konkursgericht zum Sequester über das Vermögen der Gemeinschuldnerin, eines Bauunternehmens, bestellt und dieser ein allgemeines Veräußerungsverbot auferlegt worden. Noch vor der Eröffnung des Konkursverfahrens veräußerte die Gemeinschuldnerin mit Zustimmung des Sequesters eine Tochtergesellschaft, Büro- und Geschäftsausstattung sowie Baumaschinen und übertrug mehrere Baustellen an Dritte gegen Zahlung von insgesamt DM 899.541,00 netto. Auch hier wurde die anfallende Umsatzsteuer von DM 120.847,00 nicht abgeführt, sondern zur Konkurstabelle aufgenommen. Gläubiger mit Forderungen dieses Ranges werden nur eine der Höhe nach noch nicht feststehende Quote erhalten.
Die Haftung des Sequesters ergab sich nach Auffassung der jeweils klagenden Länder daraus, dass der Sequester grundsätzlich nicht zur Veräußerung des gemeinschuldnerischen Vermögens berechtigt war. Die Verwertung war – wie nunmehr ebenfalls unter Geltung der Insolvenzordnung – dem Konkursverwalter vorbehalten. Folge der vor Verfahrenseröffnung erfolgten Veräußerungen war, dass die hieraus entstehenden Umsatzsteuerforderungen gemäß § 3 Abs. 1 KO nur den Rang von Konkursforderungen einnahmen. Ob die vorzeitigen Veräußerungen eine schuldhafte Pflichtverletzung darstellten, ließ der BGH jedoch offen, da der behauptete Schadensersatzanspruch nicht vom Schutzzweck des § 106 Abs. 1 S. 2 KO umfasst war. Zweck der Vorschrift sei die Sicherung der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger, nicht dagegen, einem Gläubiger eine bevorzugte Rechtsposition – hier die eines Massegläubigers statt der eines Insolvenzgläubigers – zu verschaffen. Dabei berücksichtigte der BGH auch, dass die von den Klägern erstrebte Rechtsposition als Massegläubiger nicht nur ein Unterlassen der Veräußerung in der Sequestration, sondern auch deren spätere Vornahme im Konkursverfahren voraussetzt. Den Abschluss eines Umsatzgeschäftes könne jedoch niemand beanspruchen, die bloße Erwerbsaussicht werde von § 106 Abs. 1 S. 2 KO nicht geschützt. Die Urteile zeigen, dass es auch dann, wenn eine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegen sollte, auf den Schutzbereich der verletzten Norm ankommt. Es ist daher stets zu prüfen, ob eine Veräußerung des Unternehmens bzw. von Unternehmensteilen oder eine Aussonderung nach Betriebsstilllegung im Insolvenzantragsverfahren auch im Einzelfall dem Sicherungszweck der §§ 21 ff. InsO zuwiderläuft. (2)
Haftung aus § 61 InsO
(a)
„Starke“ vorläufige Insolvenzverwaltung
Durch die Insolvenzreform neu eingeführt wurde § 61 InsO. Danach haftet der Verwalter den Massegläubigern für die Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten,
347
BGH ZIP 1993, 48 ff.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
die von ihm begründet wurden. Satz 2 der Vorschrift eröffnet dem Verwalter den Entlastungsbeweis, dass er bei der Begründung der Verbindlichkeit nicht erkennen konnte, dass die verwaltete Vermögensmasse voraussichtlich nicht zur Erfüllung ausreichen würde. Diese Vorschrift ist mit Blick auf die §§ 55 Abs. 2, 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO besser verständlich: Daraus ergibt sich, dass die Haftung aus § 61 InsO nur den „starken“ vorläufigen Verwalter treffen kann, weil nur diejenigen Verbindlichkeiten nach Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten gelten, die von einem vorläufigen Verwalter mit Verfügungsbefugnis begründet worden und daher vor Verfahrenseröffnung zu erfüllen sind (§ 53 InsO). Diese Pflicht ist grundsätzlich geeignet, auch eine Haftung nach § 60 InsO zu begründen. Da § 61 InsO die Verletzung dieser Pflicht gesondert regelt, ist davon auszugehen, dass für die Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten ausschließlich § 61 InsO Anwendung findet 348. § 61 InsO kollidiert mit der Pflicht des „starken“ vorläufigen Verwalters, den Geschäftsbetrieb des Schuldners fortzuführen 349, und das sogar dann, sofern die spätere Insolvenzmasse gerade durch die Fortführung ausgezehrt wird. Insoweit besteht ein erhebliches Haftungsrisiko für den „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter, wenn er die Masseverbindlichkeiten nicht berichtigen kann 350. So hat er sich laufend darüber zu informieren, ob die noch zu begründenden Masseverbindlichkeiten aus der verwalteten Vermögensmasse gedeckt werden können 351. Maßgebend ist dabei nicht, ob die Geschäftsfortführung über einen längeren Zeitraum zu einer Deckung der Verbindlichkeiten führt, sondern ob der vorläufige Insolvenzverwalter jederzeit die jeweils fälligen Verbindlichkeiten vollumfänglich befriedigen kann 352. Die Kontrolle sollte anhand der Liquiditätsanalyse und der sonstigen Ermittlungsergebnisse erfolgen, wobei stets die Soll- den Istwerten gegenüber zu stellen sind. Eine gründliche Ermittlung zu Beginn des Insolvenzantragsverfahrens und die laufende Kontrolle ermöglichen dem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter den
348 Gerhardt, ZInsO 2000, 574, 582 begründet dies zu Recht damit, dass § 61 InsO eine Konkretisierung der verwalterspezifischen Pflichten darstelle. Denn der haftungsbegründende Vorwurf ist nicht die mangelnde Erfüllbarkeit allein, sondern auch deren Vorhersehbarkeit bei Begründung der Masseverbindlichkeit. 349 Kirchhof, ZInsO 1999, 365, 366. 350 Uhlenbruck, § 60 Rz. 58. Das OLG Celle (ZIP 2003, 587 f.) meint, die Haftung des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters sei daher der Regelfall. 351 OLG Hamm, ZInsO 2003, 474, 475; LG Hildesheim, Urteil vom 21.05.2003 – 2 O 104/03 (nicht veröffentlicht) und LG Hildesheim, Urteil vom 21.05.2003 – 2 O 144/03 (nicht veröffentlicht); MK-InsO/Brandes, §§ 60, 61 Rz. 37; Kübler/Prütting/Lüke, § 61 Rz. 4; Pape, ZInsO 2003, 1013, 1022 f; FK-Kind, § 61 Rz. 4 ff. 352 OLG Hamm, ZInsO 2003, 714 und OLG Hamm, ZInsO 2003, 474, 475; Kübler/Prütting/ Lüke, § 61 Rz. 7; a.A. Breutigam/Blersch/Goetsch-Blersch, § 61 Rz. 3. Der Insolvenzverwalter hatte im letzteren Fall nach dem Zusammenbrechen der ursprünglichen Liquiditätsplanung einen neuen Liquiditätsplan erstellt, der einen erheblichen Überschuss auswies. Hierin waren aber „ausstehende Fakturen“ enthalten, die zu dem Überschuss führten. Rechnet man diese heraus, war die Liquidität der Schuldnerin nahezu Null. Da der Insolvenzverwalter diesem Umstand in seiner Liquiditätsplanung nicht entsprechend Rechnung trug, versagte ihm das Gericht den Entlastungsbeweis.
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
Entlastungsbeweis 353. Um diesen zu führen, muss er insbesondere darlegen und beweisen, dass er ohne den Ausfall der von ihm prognostizierten Einnahmen in der Lage gewesen wäre, die Neuverbindlichkeiten zu erfüllen. D.h., es bedarf der Darlegung, wann welche Forderungen in welcher Höhe nicht bezahlt worden sind. Nicht ausreichend ist es, wenn lediglich geringfügige Außenstände nicht eingetrieben worden sind 354 oder sich der vorläufige Insolvenzverwalter auf die Angaben eines von ihm mit der Liquiditätsplanung beauftragten Steuerberaters oder Angaben der Schuldnerin verlassen hat, ohne die Berechnungen zu prüfen 355. Ferner soll die Haftung aus § 61 InsO auch eingreifen, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter zwar bei der Begründung der Masseverbindlichkeiten seine Pflichten wahrnimmt, jedoch bei Fälligkeit Einnahmen nicht unverzüglich dazu verwendet, die von ihm begründeten Masseverbindlichkeiten zu erfüllen 356. Die gegenüber der Konkursordnung neu eingeführte Vorschrift des § 61 InsO bringt somit eine neue Qualität der persönlichen Haftung mit sich, wie zahlreiche Beispiele der neueren Rechtsprechung zeigen 357. Nach der bisherigen Rechtsprechung zu § 82 KO trafen den Konkursverwalter konkursspezifische Pflichten gegenüber Neumassegläubigern. Der Schutz vor der möglichen Masseunzulänglichkeit oblag dem Massegläubiger selbst. Allenfalls kam eine Haftung des Konkursverwalters nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo oder den §§ 823 ff. BGB in Betracht, wenn er im Rahmen von Vertragsverhandlungen besonderes Vertrauen in Anspruch genommen oder den Massegläubiger schuldhaft geschädigt hatte 358. Diese Rechtssprechung ist mit der Einführung des § 61 InsO obsolet geworden. Zum Teil führt das zu der Annahme, die Geschäftsfortführung finde damit zwar nicht auf das Risiko der Massegläubiger,
353 So BGH DZWiR 2004, 338, 340 für den endgültigen Insolvenzverwalter: „Der Verwalter kann den Beweis nur dann führen, wenn er eine plausible Liquiditätsrechnung erstellt und diese bis zum Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit ständig überprüft und aktualisiert.“ Ebenso OLG Celle, ZIP 2003, 587, 588; OLG Hamm, ZIP 2003, 1165, 1167; Laws, MDR 2003, 787, 791; Lüke, Festgabe, S. 711; Meyer/Schulteis, DZWiR 2004, 319, 321; MK-InsO/Brandes, a.a.O. 354 Vgl. OLG Celle, ZInsO 2003, 1147 f.; OLG Hamm, NZI 2003, 263 ff. Das bedeutet, dass der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter mit einen „Puffer“ zu kalkulieren hat. Das hatte der vorläufige Insolvenzverwalter in dem vom OLG Celle entschiedenen Fall auch allgemein behauptet, jedoch nicht hinreichend substantiiert. Das LG Köln (NZI 2002, 607) hat hingegen in einem ähnlich gelagerten Fall den Entlastungsbeweis als geführt angesehen, da der Insolvenzverwalter nach dem Finanzplan eines Wirtschaftsprüfers davon ausging, dass der Preis der Waren den Bestand an Zahlungsmitteln knapp überstieg. 355 OLG Karlsruhe, ZInsO 2003, 229 f. = ZIP 2003, 267 und OLG Celle, ZInsO 2003, 334, 335. Der vom OLG Celle entschiedene Fall ist besonderer Art: Der beklagte Insolvenzverwalter hatte den Geschäftsbetrieb nach Verfahrenseröffnung über ein dreiviertel Jahr fortgeführt, ohne von dem beauftragten Steuerberater laufend die Liquiditäts- und Ertragsprognose oder unterjährige Erfolgsrechnungen zu erhalten; eine kurz nach Verfahrenseröffnung erstellte Zwischenbilanz erwies sich als fehlerhaft. Die Begründung von Verbindlichkeiten hatte der Insolvenzverwalter nach Überzeugung des Gerichts dem Geschäftsführer der Schuldnerin und deren Angestellten überlassen, ohne eine Kontrolle auszuüben. Dass dies gerade in Kleinverfahren oft der Fall sein soll, berichtet Pape, ZInsO 2003, 1013, 1018 Fn. 49. 356 OLG Hamm, ZInsO 2003, 714 ff. = NZI 2003, 263 = EWiR 2003, 1093 mit Anm. Pape. 357 Pape, ZInsO 2003, 1013. 358 Ausführlich Pape, ZInsO 2003, 1013, 1014.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
wohl aber des (vorläufigen) Insolvenzverwalters statt 359. Dieser Eindruck wird von den bisher zu den §§ 60, 61 InsO ergangen Entscheidungen bestätigt, wobei sich der Schwerpunkt der persönlichen Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters auf § 61 InsO zu verlagern scheint 360. Hieraus wird geschlussfolgert, dass nicht nur § 60 InsO 361, sondern auch § 61 InsO ein erhebliches Haftungsrisiko berge und in der Praxis zu einer Behinderung der Geschäftsfortführung führt 362. Teilweise wird versucht, die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters aus § 61 InsO einzuschränken. Gehaftet werde nur für rechtswidriges Verhalten. Der Pflicht zur Fortführung aus § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO komme eine rechtfertigende Wirkung zu, da sie den vorläufigen Insolvenzverwalter zu allen Maßnahmen ermächtige, die zu einer Unternehmensfortführung nötig sind. Ein vorläufiger Insolvenzverwalter, der die Anordnung befolgt, handele nicht pflichtwidrig 363. Solange seine Fortführungspflicht bestehe, scheide eine Haftung aus § 61 InsO daher aus. Bei näherer Betrachtung erweist sich jedoch, dass die Fortführungspflicht nicht das geeignete Kriterium ist, um die Haftung des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters zu begrenzen 364. Nur im Fall einer Anordnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 InsO geht die Fortführungspflicht mit der Haftung aus § 61 InsO einher, da hier sämtliche Verbindlichkeiten im Rang einer Masseverbindlichkeit begründet werden. Diese Folge ist Reflex der Anordnung der „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung, wie es § 22 Abs. 1 S. 2 InsO zum Ausdruck bringt. Zwangsläufig ist die „starke“ vorläufige Insolvenzverwaltung aber nicht mit der Fortführungspflicht verbunden, wie § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO zeigt. Danach kann der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter von der Pflicht zur Geschäftsfortführung mit Zustimmung des Gerichts entbunden werden. Begründet er – trotz Zustimmung des Gerichts zur Stilllegung – weitere Verbindlichkeiten, ändert dies nichts an deren Einordnung als Masseverbindlichkeiten. Würde man nunmehr die Haftung für die von ihm begründeten Masseverbindlichkeiten ausschließen, könnten potentielle Neugläubiger noch weniger interessiert sein, bis zur Entscheidung über die Verfahrenseröffnung mit dem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter Verträge abzuschließen. Folglich wäre eine Geschäftsfortführung unmöglich 365. Schließlich führte diese Auffassung zu unbilligen Ergebnissen, wenn man die Haftung von „starkem“ und „halbstar-
359 Pape/Hauser, Rz. 280 ff. 360 So Pape, ZInsO 2003, 1013, 1018 mit dem Hinweis, dass neben der seit Einführung der InsO diskutierten Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters zunehmend auch die Haftung des Insolvenzverwalters in das Blickfeld der Rechtsprechung rücke. 361 Siehe oben Fn. 322. 362 Meyer/Schulteis, DZWiR 2004, 319, 322; MK-InsO/Brandes, §§ 60, 61 Rz. 36; Pape, FS Kirchhof, S. 398 ff., 408 ff.; Uhlenbruck, § 61 Rz. 14. 363 Kirchhof, ZInsO 1999, 365, 366; Wiester, ZInsO 1998, 99, 102; zustimmend Uhlenbruck, § 60 Rz. 58; wohl auch Pape, ZInsO 2003, 1013, 1016. 364 LG Cottbus, NZI 2002, 441; OLG Brandenburg, NZI 2003, 552. Pape, ZInsO 2003, 1061, 1064 bezeichnet die Nichtanwendung des § 61 InsO zu Recht als contra legem, da das Risiko der Einbringlichkeit von Masseforderungen auf die Gläubiger verlagert werde, die sich noch auf Geschäfte mit dem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter eingelassen haben. 365 Meyer/Schulteis, DZWiR 2004, 319, 322.
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
kem“ vorläufigen Insolvenzverwalter vergleicht. Ersterer wäre ipso iure zur Fortführung verpflichtet und soll deshalb nicht haften. Der „halbstarke“ vorläufige Insolvenzverwalter müsste dagegen gemäß § 61 InsO für die Erfüllung der von ihm begründeten Verbindlichkeiten voll haften, da eine Fortführungspflicht aus § 22 Abs. 1 InsO nicht besteht 366. Der Haftung könnte er nur durch die zusätzliche Anordnung des Gerichts entgehen, dass er zur Geschäftsfortführung verpflichtet ist. Das Bestehen einer Fortführungspflicht ist daher nicht geeignet, um die Haftung aus § 61 InsO zu begrenzen. Zur Begrenzung der Haftung aus Dauerschuldverhältnissen wird auch eine Lösung über den Wortlaut des § 55 Abs. 2 InsO versucht. Danach 367 soll für die Inanspruchnahme einer Leistung ihre Entgegennahme nicht genügen, erforderlich sei auch, dass eine Rechtshandlung des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters vorliege. Nur gegenüber Rechtshandlungen gäbe es ein berechtigtes Vertrauen, dass eine Anwendung dieser Norm rechtfertige. Die Notwendigkeit einer solchen Beschränkung der Entgegennahme ergäbe sich auch im Vergleich zu S. 1 der Vorschrift, da die Entgegennahme der Begründung von Verbindlichkeiten vergleichbar sein müsse. Die Eingrenzung des Anwendungsbereiches von § 55 Abs. 2 S. 2 InsO führe dazu, dass auch die Haftungsnorm des § 61 InsO keine Anwendung finde. Andere 368 meinen, dass eine Haftung jedenfalls dann ausscheide, wenn der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter einen Antrag auf Stilllegung des Geschäftsbetriebes bei Gericht gestellt habe. Für die infolge der verzögerten oder versagten Entscheidung des Gerichts entstandenen Masseverbindlichkeiten könne den „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter kein Vorwurf gemacht werden, es greife allein die Amtshaftung des Gerichts nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. In diese Richtung geht auch eine Entscheidung des OLG Nürnberg 369, dass eine Haftung des Konkursverwalters wegen Geschäftsfortführung trotz anfänglich bekannt gegebener Massearmut verneinte, da er die nahezu zweijährige – erfolgreiche – Fortführung im Hinblick auf einen sich abzeichnenden Verkauf mit Zustimmung der Gläubigerversammlung und des Konkursgerichts vorgenommen hatte. Ferner wird vorgeschlagen, allein die Rechtsfolgen der Haftung de lege ferenda zu begrenzen, indem die Haftung für fahrlässiges Verhalten auf eine bestimmte Schadenshöhe je Haftungsfall begrenzt werde 370. Die Haftung für Vorsatz bleibe dabei ebenso unberührt wie die Haftung nach anderen Rechtsvorschriften. Verletze etwa der Wirtschaftsprüfer bei Pflichtprüfungen fahrlässig seine Pflichten, ist er der Gesellschaft gegenüber nur zum Ersatz bis zur Höhe von € 5,0 Mio. verpflichtet. Hintergrund dieser Regelung sei, dass die Versicherungen nicht bereit waren, eine unbegrenzte Haftung des Wirtschaftsprüfers bei fahrlässiger Pflichtverletzung zu versichern 371. Wei366 Siehe oben II.4.c)cc). 367 Spliedt, ZIP 2001, 1941, 1945. 368 Berliner Praxiskommentar/Blersch, § 22 Rz. 17; Thiemann, Rz. 438. 369 ZIP 1986, 244 ff. 370 So Meyer/Schulteis, DZWiR 2004, 319, 323 unter Verweis auf die Regelungen in § 10 Abs. 1 ProdHaftG, § 9 HPflG, § 12 Abs. 1 StVG, § 323 Abs. 2 HGB. 371 Meyer/Schulteis, a.a.O. (Fn. 370).
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tere Beispiele für eine solche Haftungsbegrenzung finden sich etwa in den § 10 Abs. 1 ProdHaftG (€ 85,0 Mio.), § 9 HPflG oder § 12 Abs. 1 StVG (beide: € 600.000,00). In seinem Ansatz überzeugt der Vorschlag, da auch bei einer Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren die Versicherungen in der Regel nicht gewillt sind, eine unbeschränkte Einstandspflicht zu übernehmen 372. Die Schwierigkeit des Ansatzes besteht darin, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des vorläufigen Insolvenzverwalters und den Versicherungen zu finden 373. Wie gezeigt, reichen die Haftungsgrenzen bislang von € 600.000,00 bis € 85,0 Mio. Dabei wäre zu berücksichtigen, dass der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter verpflichtet ist, den Geschäftsbetrieb des Schuldners fortzuführen und eine Geschäftsfortführung im übrigen deshalb zulässig ist, weil sie den Gläubigern einen Vorteil verspricht. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird daher – anders als in den Fällen der §§ 10 Abs. 1 ProdHaftG, 9 HaftPflG oder § 12 Abs. 1 StVG – nicht im eigenen Interesse, sondern im Interesse Dritter tätig und kann sich dieser Verpflichtung im Regelfall nicht entziehen. Zudem unterscheiden sich die Aufgaben des vorläufigen Insolvenzverwalters nach der Art des Unternehmens und der noch vorhandenen Vermögenswerte 374; eine generelle Bestimmung der Haftungshöchstgrenze erscheint auch wegen der Dynamik des Insolvenzantragsverfahrens schwierig. Sinnvoller ist es gerade hier, eine befriedigende Lösung auf der Tatbestandsseite der Haftungsnormen zu suchen und eine Lösung über die Rechtsfolgenseite als ultima ratio zu begreifen. Dazu wird vorgeschlagen 375, den Haftungsmaßstab des § 61 InsO den Besonderheiten des Insolvenzantragsverfahrens anzupassen. So könne dem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er im Rahmen der vom Gesetz vorgeschriebenen Geschäftsfortführung weitere Masseverbindlichkeiten begründet habe oder aufgrund seiner teilweise unzureichenden Informationsmöglichkeiten die mangelnde Erfüllbarkeit der Masseverbindlichkeiten nicht voraussehen konnte. Dieser Auffassung ist den Vorzug zu geben. Das ergibt sich bereits daraus, dass der vorläufige Insolvenzverwalter – selbst bei ausgeprägter Begabung und Qualifikation – ein ihm zunächst fremdes Unternehmen fortzuführen hat, in das er sich erst einarbeiten muss. Die von ihm zu treffenden Entscheidungen sind zum einen von einer Eilbedürftigkeit geprägt, die allen sichernden Maßnahmen zueigen ist, zum anderen von einem Informationsdefizit 376. Der Haftungs-
372 Siehe unten II.4.c)ee)(5). 373 Meyer/Schulteis, a.a.O. (Fn. 370) schlagen vor, auf die Regelung des § 323 Abs. 2 HGB zurückzugreifen. 374 Das Bundesverfassungsgericht weist in seinem Beschluss vom 03.08.2004 – Gz. 1 BvR 135/00 und 1 BvR 1086/01 zu Recht darauf hin, dass sich die Insolvenz von Großunternehmen oder Freiberuflern, die Fortführungsaussichten je nach Branchenzugehörigkeit und die Verbraucherinsolvenzen ganz erheblich unterscheiden. 375 Pape, DB 1999, 1539, 1543; Kübler/Prütting/Pape, § 22 Rz. 45 ff.; ders. ZInsO 2003, 1061; Thiemann, Rz. 439; Berliner Praxiskommentar/Blersch, § 22 Rz. 14. Pape, ZInsO 2003, 1061, 1065 f. setzt sich auch kritisch mit der von Kirchhof vertreten Auffassung auseinander, wonach bei einer Nichtanwendung des § 61 InsO die Haftung aus § 60 InsO hinreichenden Schutz für Neugläubiger biete. 376 Undritz, NZI 2003, 136, 137; Kübler/Prütting/Lüke, § 61 Rz. 14.
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maßstab ist trotz der strukturell gleichartigen Haftung von vorläufigem und endgültigem Insolvenzverwalter ein grundlegend verschiedener. Es ist deshalb bei der Frage einer Haftung stets zu prüfen, in welchem Stadium sich das Insolvenzantragsverfahren befunden hat. Stand das Verfahren noch am Anfang und verfügte der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter noch nicht über die für eine Liquiditätsprognose erforderlichen Unterlagen und Kenntnisse, sind an seine Entlastung geringere Anforderungen zu stellen als bei einem schon längere Zeit dauernden Verfahren, bei dem erwartet werden kann, dass eine Liquiditätsprognose mit größerer Zuverlässigkeit möglich ist. Eine völlige Freistellung von der Pflicht zur Prüfung, ob die Masseverbindlichkeiten erfüllt werden können, kommt danach nicht in Betracht 377. Insbesondere bei der Inanspruchnahme von Leistungen aus Dauerschuldverhältnissen, die der Schuldner begründet hat, ist ein wesentlich weniger strenger Haftungsmaßstab anzulegen als bei einem endgültigen Insolvenzverwalter, der über einen vollständigen Massestatus verfügt. Jedenfalls keinen Erfolg hat die Berufung des vorläufigen Insolvenzverwalters darauf, die Massegläubiger hätten in vollem Bewusstsein des Risikos mit ihm kontrahiert und die Gefahr der Massearmut hingenommen 378. Denn die Regelung des § 61 InsO zeigt, dass die Pflichten bei der Begründung von Masseverbindlichkeiten gerade den „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter treffen sollen. Diese Entscheidung ist auch sachgerecht, weil der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter am besten in der Lage ist, die Liquidität des Schuldners zu überschauen. (b)
„Halbstarke“ vorläufige Insolvenzverwaltung
Fraglich ist, ob die Haftung aus § 61 InsO auch den vorläufigen Verwalter trifft, auf den die Verfügungsbefugnis nur hinsichtlich einzelner Vermögensbestandteile übergegangen ist 379. Soweit man eine Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO befürwortet, ist die Haftung aus § 61 InsO notwendige Konsequenz. Sie resultiert aus dem Umstand, dass nur der „starke“ vorläufige Verwalter die Erfüllbarkeit dieser Verbindlichkeiten aus der verwalteten Vermögensmasse prognostizieren kann. Hinsichtlich der Vermögensgegenstände, über die der „halbstarke“ Insolvenzverwalter verfügungsbefugt ist, scheint eine Haftung gemäß § 61 InsO auch angemessen 380. Ein Vorteil gegenüber dem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter ergibt sich aber daraus, dass ihn zwar die Pflicht trifft, die Erfüllung der Masseverbindlichkeiten sicherzustellen, ihm dafür aber die gesamte verwaltete Vermögensmasse zur Verfü-
377 Pape, ZInsO 2003, 1061, 1064; dazu LG Cottbus, NZI 2002, 441; Vallender, NZI 2003, 552. Die Auffassung deckt sich auch mit den Ergebnissen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Insolvenzrecht“, die ebenfalls eine generelle Neuregelung der Haftung ablehnte und stattdessen für eine Berücksichtigung der Besonderheiten des Insolvenzantragsverfahrens eintrat. Vgl. Graf-Schlicker, ZIP 2002, 1166, 1171. 378 Begr. zu § 72 RegEInsO, BT-Drucksache 12/2443, 129 f.; KS-Smid, S. 470, 471; Kübler/Prütting/Lüke, § 61 Rz. 4; Uhlenbruck, Insolvenzrecht, S. 371; 379 So wohl BGH DZWiR 2004, 338, 341 a.E.; befürwortend Kirchhof, ZInsO 1999, 365, 368; Pape, ZInsO 2003, 1061, 1068; Uhlenbruck, § 61 Rz. 18; Hess/Wienberg, § 22 Rz. 200. 380 So auch Thiemann, Rz. 436. A.A. Undritz, NZI 2003, 136, 137, der die für den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter geltenden Grundsätze anwenden will.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
gung steht. Die Gefahr einer Masseunzulänglichkeit und damit einer Haftung aus § 61 InsO dürfte somit, sofern von der Möglichkeit des § 22 Abs. 2 InsO nicht extensiv Gebrauch gemacht wird, geringer sein. Daher wird teilweise vertreten, die Haftung des „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalters bedürfe keiner Einschränkung 381. Denn der „halbstarke“ vorläufige Insolvenzverwalter müsse vor seinem Antrag an das Gericht, ihn gemäß § 22 Abs. 2 InsO zur Begründung von Masseverbindlichkeiten zu ermächtigen, prüfen, ob diese auch aus der verwalteten Vermögensmasse erfüllt werden können. Dies habe er zu dokumentieren und dem Gericht zur Kontrolle vorzulegen. Insoweit stelle sich die Frage nach einer Haftungsbeschränkung weniger als bei einem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter, da dieser zur Fortführung verpflichtet sei. Die Auffassung übersieht, dass die Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten auch zu Beginn des Insolvenzantragsverfahrens notwendig sein kann. Gerade zu diesem frühen Zeitpunkt hat der vorläufige Insolvenzverwalter – unabhängig von den im Einzelnen getroffenen Anordnungen – nur wenige Kenntnisse über den Schuldner. Zugleich kann es aber erforderlich sein, den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter zur Begründung von Masseverbindlichkeiten zu ermächtigen, wenn sich zeigt, dass die für die Betriebsfortführung notwendigen Gläubiger ohne diese Sicherung nicht zur weiteren Leistungserbringung bereit sind. Dem dann „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalter die Pflicht aufzuerlegen, dem Gericht eine Liquiditätsprognose vorzulegen, widerspricht dessen Erkenntnisstand zu Beginn des Insolvenzantragsverfahrens. Weigert sich der „halbstarke“ vorläufige Insolvenzverwalter unter Hinweis hierauf, eine Liquiditätsprognose abzugeben, bliebe dem Gericht nur die Möglichkeit, ihn als „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen mit der Folge, dass die Dokumentationspflicht – wiederum für den Beginn des Insolvenzantragsverfahrens – entfiele und sämtliche Verbindlichkeiten den Rang des § 55 Abs. 2 InsO erhielten. Es ist daher angezeigt, den „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalter wie den „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter entsprechend dem Verfahrensfortgang haften zu lassen 382. Stimmt der „halbstarke“ vorläufige Insolvenzverwalter der Begründung von Verbindlichkeiten durch den Schuldner dagegen nur zu, soweit die Verfügungsbefugnis nicht auf ihn übergegangen ist, bleibt es bei seiner Haftung aus § 60 InsO. Ein begründetes Vertrauen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter ihre Forderungen erfüllt, können die mit dem Schuldner selbst kontrahierenden Gläubiger nicht haben. An einer Haftungslegitimation fehlt es. Bedenken bestehen jedoch aus praktischer Sicht. Denn dem Gläubiger ist der Beschluss des Gerichts, aus dem die rechtliche Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters hervorgeht, oft nicht bekannt. Selbst bei Vorlage des Beschlusses wird der Gläubiger nicht immer wissen, welche rechtlichen Konsequenzen die Anordnungen des Gerichts für den von ihm in Aus-
381 Pape, ZInsO 2003, 1061, 1068 f. 382 So auch Kirchhof, ZInsO 1999, 365, 368, der allerdings die Haftung des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters wegen der Fortführungspflicht ganz ausschließen will.
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
sicht genommen Vertrag haben. Die praktischen Schwierigkeiten des Gläubigers dürfen aber nicht dazu verleiten, allen Gläubigern Verbindlichkeiten im Range des § 55 Abs. 2 InsO zuzugestehen. Dies widerspräche der Anordnung des Gerichts, zum Schutz der Gläubiger die verwaltete Vermögensmasse gerade nur in Einzelfällen mit Masseverbindlichkeiten zu belasten. Der sich getäuscht fühlende Gläubiger ist darauf angewiesen, den vorläufigen Insolvenzverwalter gemäß § 60 InsO haftbar zu machen 383. (3)
Allgemeine Haftung
Die Haftung gemäß den §§ 60, 61 InsO schließt Ansprüche der Beteiligten nach sonstigen Vorschriften nicht aus 384. So kommen neben der insolvenzspezifischen Haftung auch eine persönliche Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters aus eigener vertraglicher Verpflichtung, Verschulden bei Vertragsschluss (§ 311 Abs. 2 BGB), Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) oder wegen Verletzung eines Patents (§ 139 Abs. 2 PatG) in Betracht. Steuerrechtlich stellt die Haftung aus § 69 AO lex specialis zu § 60 InsO dar 385. Gibt der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter beispielsweise Zahlungszusagen ab, die er später nicht einhält, kommt eine Haftung aus Garantievertrag, culpa in contrahendo sowie aus unerlaubter Handlung in Betracht 386. (4)
Haftungsfragen bei Auswahl und Entlassung
Die fehlende Haftungsbonität wird teilweise als ein wichtiger Grund gesehen, die Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter zu versagen oder den vorläufigen Insolvenzverwalter aus seinem Amt zu entlassen (§§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 59 Abs. 1 S. 1 InsO) 387. Zwar sei das Gericht nicht befugt, dem vorläufigen Insolvenzverwalter eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen. Aus dem berechtigten Interesse der Gläubiger an einem zahlungskräftigen potentiellen Schadensersatzschuldner folge aber, dass die Bestellung oder Abberufung als vorläufiger Insolvenzverwalter von dem Nachweis einer ausreichenden Haftpflichtversicherung abhängig gemacht werden könne 388. Dafür spreche auch, dass sich die Gläubiger gegen die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nicht zur Wehr setzen könnten.
383 Der Erfolg solcher Klagen dürfte gering sein. Denn es reicht aus, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter auf den Beschluss verweist, aus dem sich seine Rechte und Pflichten ergeben. Nimmt der Gläubiger den Beschluss nicht zur Kenntnis oder zieht er aus diesem ohne Veranlassung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter den falschen rechtlichen Schluss, kommt eine Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht in Betracht. 384 BGH NJW-RR 1990, 94; BGH NJW-RR 1990, 411; Lüke, Haftung, S. 192 ff. 385 BGH ZIP 1989, 50. 386 Bähr, ZIP 1998, 1553; Undritz, NZI 2003, 136, 137. Unter Haftungsbonität ist die Möglichkeit zu verstehen, aus dem Einkommen und Vermögen des vorläufigen Insolvenzverwalters oder für ihn haftender Dritter (z. B. Versicherungen) Befriedigung wegen eines Schadensersatzanspruches zu erlangen. 387 Pohlmann, Rz. 247; Uhlenbruck, § 21 Rz. 15. 388 Pohlmann, Rz.80; Uhlenbruck a.a.O. Fraglich ist, welche Versicherungssumme im Einzelfall ausreichend ist. Die Mindestversicherungssumme der Berufshaftpflichtversicherungen beträgt
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
Richtig ist, dass die Gläubiger ein Interesse an der Durchsetzung ihrer etwaigen Schadensersatzansprüche haben. Ein solches Interesse ist aber jedem (Schadensersatz-)Gläubiger eigen. Hieraus folgt noch nicht, dass die Durchsetzung etwaiger Schadensersatzansprüche der Sicherung durch das Insolvenzgericht bedarf. Die Vorschrift des § 78 Abs. 2 KO hat der Gesetzgeber nicht in die InsO übernommen. Danach konnte das Gericht dem Konkursverwalter die Leistung einer Sicherheit auferlegen. Dies konnte sowohl bei Ernennung als auch während des Konkursverfahrens geschehen. Durch die Leistung einer Sicherheit sollten etwaige Schadensersatzansprüche nach § 82 KO gesichert werden 389. Die Übernahme dieser Regelung wurde zu Recht für entbehrlich erachtet. Es ist Aufgabe des Insolvenzgerichts, durch eine sorgfältige Auswahl des vorläufigen Insolvenzverwalters und dessen Beaufsichtigung Pflichtverletzungen zu verhindern. Dabei ist zu beachten, dass an die gerichtliche Aufsicht im Insolvenzantragsverfahren grundsätzlich strengere Anforderungen zu stellen sind als im eröffneten Insolvenzverfahren, da die Gläubiger in diesem Verfahrensstadium noch keine Mitwirkungs- und Prüfungspflichten haben 390. Verletzt der vorläufige Insolvenzverwalter trotz der gerichtlichen Aufsicht seine Pflichten in haftungsschädlicher Weise, reicht die allgemeine Berufshaftpflichtversicherung meist aus, um den entstandenen Schaden auszugleichen 391. Ein Bedürfnis für den Abschluss einer besonderen Berufshaftpflichtversicherung besteht nur in besonders haftungsträchtigen Fällen. Diese zu erkennen, ist der vorläufige Insolvenzverwalter besser in der Lage und wird in seinem eigenen Interesse seinen Berufshaftpflichtschutz erweitern. (5)
Versicherbarkeit des Haftungsrisikos
Aufgrund seines Haftungsrisikos ist nachvollziehbar, dass für den vorläufigen Insolvenzverwalter die Frage, ob er die Haftung auf seinen Berufshaftpflichtversicherer abwälzen kann, erhebliche Bedeutung erlangt. Schadensersatz begründende Handlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters sind grundsätzlich Haftpflichtfälle im Sinne der §§ 149 ff. VVG 392. Allerdings enthalten die Versicherungsverträge regelmäßig sog. Risikoausschlussklauseln, nach denen eine unternehmerische Tätig-
bei Rechtsanwälten € 250.000,00; bei Wirtschaftsprüfern € 1,0 Mio. pro Schadensfall. Van Bühren, NZI 2003, 465, 467 empfiehlt dagegen eine Versicherungssumme von wenigstens € 2,5 Mio.; Breutigam/Blersch/Goetsch-Blersch, § 4 InsVV Rz. 36 lässt eine Versicherungssumme „keinesfalls unter 2 Mio. DM“ ausreichen. 389 Motive, S. 105; Kuhn/Uhlenbruck, § 78 Rz. 11 b; Eickmann, ZIP 1981, 479. Die Leistung einer Sicherheit wurde im Gesetzgebungsverfahren zur Insolvenzordnung zunächst diskutiert, dann aber nicht übernommen; vgl. § 65 Abs. 2 RegE InsO. 390 Uhlenbruck, § 21 Rz. 14. 391 Die Pflichtversicherung über eine Versicherungssumme von € 250.000,00 ist Voraussetzung der Zulassung zur Anwaltschaft. Ähnliche Versicherungspflichten bestehen auch für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die neben Rechtsanwälten als Insolvenzverwalter eingesetzt zu werden pflegen. 392 Kilger/Schmidt, § 82 Rz. 9; Kuhn/Uhlenbruck, § 82 Rz. 16; Jaeger/Henckel, § 82 Rz. 17 (zur Konkursordnung); Kübler/Prütting/Lüke, § 60 Rz. 60; Vallender, ZIP 1997, 345, 353; Uhlenbruck, § 60 Rz. 66 (zur Insolvenzordnung).
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4. Rechtlicher Rahmen des Insolvenzantragsverfahrens
keit nicht von der Versicherung gedeckt wird 393. Diese Klauseln legte der Bundesgerichtshof dahin einschränkend aus, dass eine im Sinne des § 82 KO pflichtwidrige, aber vom Konkurszweck getragene risikobehaftete Entscheidung keine unternehmerische Entscheidung sei 394. Die Tätigkeit eines Konkursverwalters unterscheide sich von der eines Unternehmensleiters, obgleich im Rahmen einer zeitweiligen Geschäftsfortführung vornehmlich unternehmerische Aufgaben zu erfüllen seien. Denn Ziel der Konkursverwaltung sei letztlich die Verwertung der Masse, auch wenn das Unternehmen zunächst fortgeführt wird. Das aus der Geschäftsfortführung durch den Verwalter erwachsende Risiko sei wegen der für ihn geltenden rechtlichen und tatsächlichen Beschränkungen mit dem eines lebenden Unternehmens nicht vergleichbar. Erst wenn der Verwalter seine am jeweiligen Konkurszweck orientierten Befugnisse überschreite, seien die hieraus entstehenden Schadensersatzansprüche vom Versicherungsschutz ausgenommen 395. Anderenfalls würde für einen wesentlichen Bereich der Tätigkeit eines Konkursverwalters kein Versicherungsschutz bestehen. Entscheidend für die Frage der Versicherbarkeit einer Geschäftsfortführung ist also, ob der vorläufige Insolvenzverwalter unternehmerisch gehandelt hat. Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu berücksichtigen, dass im Zeitpunkt der vorgenannten Entscheidung der Bundesgerichtshof die Geschäftsfortführung noch nicht anerkannt hatte 396. Die Konkursordnung wurde weitgehend als Zerschlagungsinstrument begriffen, so dass eine Geschäftsfortführung als außerhalb der typischen Verwaltertätigkeit liegend angesehen wurde. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Geschäftsfortführung in der Sequestration bzw. im Insolvenzantragsverfahren aber als geeignetes Mittel erwiesen, im Betrieb gebundene Vermögenswerte zu erhalten 397. Zugleich hat die Insolvenzordnung die Handlungsmöglichkeiten des vorläufigen Insolvenzverwalters erheblich erweitert, um dem in § 1 InsO geäußerten Ziel des Unternehmenserhalts bzw. der bestmöglichen Verwertung Rechnung zu tragen. Die Versicherungen können sich daher nicht mehr darauf berufen, dass sich
393 Vgl. den Auszug aus den Versicherungsbedingungen des Gerling-Konzerns für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und Patentanwälten (AVB-R) in NZI 2003, 489 f. Gemäß § 4 AVB-R „bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche (...) wegen Schäden aus einer kaufmännischen Kalkulations-, Spekulations- oder Organisationstätigkeit (...).“ 394 BGH VersR 1980, 353, 354 f.; BGH ZIP 1982, 326 ff. = WM 1982, 447 ff. = VersR 1982, 489 ff. = BB 1982, 2136 ff. (zu § 82 KO). 395 Zu berücksichtigen ist, dass der BGH seine Entscheidung auf den Vorrang der Individualabrede vor den AVB stützte. In den der Versicherung zugrundeliegenden AVB hieß es: „In Ergänzung von § 4 AVB sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen Haftpflichtansprüche, die darauf beruhen, dass Fragen kaufmännischen Ermessens nicht oder fehlerhaft entschieden werden, insbesondere die wirtschaftliche Situation oder Entwicklung eines Betriebes unrichtig beurteilt werden (...).“ Im – vorrangigen – Versicherungsschein hieß es hingegen, Versicherungsschutz bestehe auch, soweit sich der Konkursverwalter durch Begründung vermeidbarer Masseschulden, insbesondere durch die Betriebsfortführung, haftbar mache. 396 Das erfolgte erst durch Urteil des BGH vom 4.12.1986, BGHZ 99, 151 ff. = KTS 1987, 274 ff. = ZIP 1987, 115 ff = NJW 1987, 844 ff. = EWiR 1986, 1229 f. mit Anm. Merz. 397 Siehe oben II.3.a), II.3.b).
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
der Verwalter nicht auf die typischen Verwalteraufgaben beschränkt habe 398. Einige Versicherungsgesellschaften haben zu ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen bereits Besondere Versicherungsbedingungen für Insolvenzverwalter geschaffen oder die Versicherungsbedingungen der Berufshaftpflicht dahin angepasst, dass die aus der Geschäftsfortführung resultierenden Risiken versichert sind, sofern der Verwalter hierzu gesetzlich verpflichtet ist und sich in dem eingetretenen Nachteil nicht lediglich ein unternehmerisches Risiko verwirklicht oder dieser auf Spekulationsgeschäften beruht399. Ob es dem Verwalter gelingt, eine abweichende Regelung zu vereinbaren, hängt vor allem von dessen Reputation ab 400. Sofern die Versicherungen zur Übernahme des Risikos einer Geschäftsfortführung nicht bereit sind, wird der Anwendungsbereich der Risikoausschlussklauseln durch den erweiterten Verfahrenszweck der Insolvenzordnung beschränkt, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter zur Geschäftsfortführung verpflichtet ist. Das ist etwa der Fall, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter durch eine Anordnung nach den §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 2 InsO verpflichtet ist, den Geschäftsbetrieb fortzuführen oder sich diese Verpflichtung aus einer Anordnung nach § 22 Abs. 2 InsO ergibt. Ist eine solche Anordnung ergangen, sind die vom vorläufigen Insolvenzverwalter vorgenommenen Rechtshandlungen grundsätzlich seinem Pflichtenkreis zuzuordnen, sofern nicht offensichtlich ein Spekulationsgeschäft oder strafbare Handlungen vorliegen. Der Versicherung sollte in diesem Fall der Beweis obliegen, dass die haftungsbegründende Handlung gerade nicht zum Pflichtenkreis des Verwalters rechnete. Hat das Gericht keine Anordnungen nach den §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 2, 22 Abs. 2 InsO getroffen, sind Maßnahmen der Geschäftsfortführung vom Versicherungsschutz umfasst, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter deren Aussichten sorgfältig geprüft hat, die Fortführung danach der Sicherung der verwalteten Vermögensmasse diente und die haftungsbegründende Handlung nicht offensichtlich außerhalb seines Pflichtenkreises lag. Der Haftpflichtversicherungsschutz kann nicht allein deshalb, weil das Gericht sich zu einer Anordnung nach den §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 2, 22 Abs. 2 InsO nicht veranlasst sah, versagt werden. Die Entscheidung des vorläufigen Insolvenzverwalters, den Geschäftsbetrieb fortzuführen, kann nicht als unternehmerisch im Sinne der BGH-Rechtsprechung verstanden werden, wenn sie zulässig und Erfolg versprechend ist. Der erweiterte Insolvenzzweck des § 1 S. 1 InsO verpflichtet den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht zu einer Geschäftsfortführung, berechtigt ihn aber dazu 401. Dieser Wertung widerspräche es, könnte die Versicherung eine vom Insolvenzzweck getragene Maßnahme vom Versicherungsschutz ausnehmen. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird dann aber darlegen und beweisen müssen, dass
398 Uhlenbruck § 60 Rz. 67. 399 Blersch, § 4 Rz. 34; Uhlenbruck, § 60 Rz. 67; van Bühren, NZI 2003, 465, 469 mit dem Hinweis auf die AVB-I des Gerling-Konzerns und der Axa. Die AVB-I des Gerling-Konzerns enthalten keine Risikoausschlussklauseln für unternehmerische Tätigkeiten mehr. 400 Mönning, Rz. 1526; FK-Kind, § 60 Rz. 38. 401 Siehe oben II.4.c)bb)(4), II.4.c)cc)(4) und II.4.c)dd)(4).
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5. Zwischenergebnis
die von ihm in Aussicht genommene Geschäftsfortführung bzw. die haftungsbegründende Handlung der Sicherung der verwalteten Vermögensmasse diente. Dabei wird ihm zugute kommen, dass der BGH die Schwierigkeit der Abgrenzung, wann eine unternehmerische Tätigkeit vorliegt, anerkannt hat 402. Es ist daher davon auszugehen, dass ein weit reichender Versicherungsschutz für die Entscheidungen des vorläufigen Insolvenzverwalters besteht 403. Sofern besondere Versicherungsbedingungen für Insolvenzverwalter existieren, ergibt sich dies ggf. aus den Versicherungsbedingungen selbst. In den Fällen der Absicherung über eine Berufshaftpflichtversicherung wird eine unternehmerische Tätigkeit im Insolvenzantragsverfahren nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig nicht von der Risikoausschlussklausel erfasst sein. Dass die Zielsetzung der Insolvenzordnung, die Reorganisation des Schuldners besser zu ermöglichen als die Konkursordnung, dazu beiträgt, die Berufshaftpflichtversicherer stärker in die Pflicht zu nehmen, ist zu erwarten. Hinsichtlich der Kosten der Versicherung ist zu beachten, dass diese nicht stets als Auslage von der verwalteten Vermögensmasse zu tragen sind. Da die Geschäftsfortführung für jede Art der vorläufigen Insolvenzverwaltung zulässig und der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter sogar dazu verpflichtet ist, den Geschäftsbetrieb fortzuführen, wird man in der Geschäftsfortführung allein ein überdurchschnittliches Risiko im Sinne des § 4 Abs. 3 InsVV nicht sehen können 404. Der vorläufige Insolvenzverwalter muss hier darlegen, weshalb gerade die konkret in Aussicht genommene Geschäftsfortführung ein über das von den §§ 21, 22 InsO hinausgehende Risiko mit sich brachte.
5.
Zwischenergebnis
Die wesentliche Neuerung im Insolvenzantragsverfahren ist die Befugnis des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters, Neuverbindlichkeiten zu begründen, die nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten gelten. Diese Befugnis hatten weder der Sicherungs- noch der dem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter vergleichbare Verwaltungssequester. Als Folge hiervon hat der Gesetzgeber den erweiterten Befugnissen des vorläufigen Insolvenzverwalters neben der allgemeinen Haftung aus § 60 InsO die Haftung aus § 61 InsO gegenübergestellt. Die Finanzierung im Insolvenzantragsverfahren hat weiterhin richtungsweisende Bedeutung für den Ablauf des weiteren Insolvenzverfahrens 405. Denn anders als nach dem Recht der Konkurs-, Gesamtvollstreckungs- und Vergleichsordnung präjudiziert nicht bereits die Verfahrensart die Art der Verwertung 406. Die Entscheidung über die bestmögliche Verwertungsart soll der Gläubigergesamtheit im (eröffneten)
402 BGH ZIP 1980, 851. 403 Zustimmend van Bühren, NZI 2003, 465, 470. 404 A.A. Meyer/Schulteis, DZWiR 2004, 319, 322. 405 Fink, Rz. 298. 406 Das Vergleichsverfahren berücksichtigte die Interessen des Schuldners und sollte der Erhaltung des Unternehmens im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs dienen, während es im Rahmen
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
Insolvenzverfahren vorbehalten bleiben 407. Das setzt voraus, dass hinreichend finanzielle Mittel für die Geschäftsfortführung bereits im Insolvenzantragsverfahren vorhanden sind oder erwirtschaftet werden. Obwohl die Liquiditätssituation der Schuldner im Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrages meist schlecht ist, stellt die Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren wegen der mit einer Insolvenzgeldvorfinanzierung verbundenen Personalkostenreduzierung den Regelfall dar 408 und führt dazu, dass der Insolvenzgeldzeitraum von maximal drei Monaten, sofern möglich, ausgeschöpft wird. Die Geschäftsfortführung bietet die Möglichkeit, den Marktwert eines lebensfähigen Unternehmens zu erhalten, indem eine Sanierung des Unternehmensträgers gelingt oder das Unternehmen aus dem Insolvenzverfahren heraus verkauft werden kann. Selbst wenn der Erhalt des Unternehmens unwirtschaftlich ist, kann eine vorübergehende Geschäftsfortführung notwendig sein, um den bestmöglichen Verwertungserlös zu erzielen 409. Denn neben dem operativen Ergebnis ist auch zu berücksichtigen, dass die in der betrieblichen Struktur gebundenen Vermögenswerte bei einer Stilllegung des Betriebes und anschließender Liquidation verloren gehen. Zu Lasten der verwalteten Vermögensmasse sind dabei die mit der Geschäftsfortführung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter verbundenen Kosten zu berücksichtigen 410. Eine Pflicht zur Geschäftsfortführung ordnet das Gesetz dennoch nur im Falle der „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung an und bleibt insoweit hinter den Pflichten des Sequesters zurück. Die Pflichten des „schwachen“ vorläufigen Verwalters sind der „starken“ Verwaltung jedoch insoweit angenähert, als er zunächst seine Prüfungspflicht wahrnehmen muss und erst hiernach, soweit die Geschäftsfortführung zur Sicherung der Insolvenzmasse geeignet erscheint, unverzüglich weitere Sicherungsmaßnahmen zur Ermöglichung der Fortführung beim Insolvenzgericht anregen muss. Kommt das Gericht den Anregungen nicht, nicht in
der Konkursabwicklung nur noch um die bestmögliche Verwertung des schuldnerischen Unternehmens ging. Das schloss eine übertragende Sanierung oder die Fortführung des Geschäftsbetriebes nach Eigenkapitalzufuhr nicht aus, war aber nicht die Regel. 407 Wittig, DB 1999, 197. 408 Vgl. OLG Celle, ZInsO 2003, 334, 335; Frind, ZInsO 2003, 778. Die Möglichkeit der Insolvenzgeldvorfinanzierung verschafft dem Schuldner damit einen Wettbewerbsvorteil, der teilweise heftig kritisiert wird. Vgl. nur Förster, ZInsO 2003, 917, 920, der hierin eine „saftige Subvention“ des Schuldners sieht, die für sich genommen ausreiche, „um eine Unternehmung mit der lebensnotwendigen Betriebsliquidität auszustatten“. Pape, ZInsO 2003, 1061, 1068 kritisiert die Praxis, Insolvenzantragsverfahren in die Länge zu ziehen, um den Insolvenzgeldzeitraum von drei Monaten voll auszuschöpfen. 409 Wellensiek, WM 1999, 405, 406. 410 Gemäß den §§ 11, 3 InsVV kann sich die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters durch Zuschläge zur Normalvergütung erhöhen. Denkbar sind hier vor allem die Geschäftsfortführung, die Einziehung von Außenständen sowie die Erledigung umfangreicher Insolvenzgeldangelegenheiten. Zum Ganzen vgl. Kübler/Prütting, Vergütungsrecht, § 11 Rz. 20 ff. Das AG Chemnitz hält etwa für eine umfangreiche Geschäftsfortführung einen 100 %-igen Zuschlag für angemessen, EWiR 2001, 115 f. mit zustimmender Anm. Keller. Ebenso AG Bergisch Gladbach, ZIP 2000, 283 f.; zur KO bereits AG Potsdam, ZIP 1997, 1800. Vgl. auch Graeber, Anmerkung zu LG Wuppertal, das von 50 % der vollen Vergütung ausgeht (DZWiR 1999, 42) in: DZWiR 1999, 43 f., ebenso LG Göttingen, ZInsO 1998, 189 f.
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5. Zwischenergebnis
vollem Umfang oder nicht rechtzeitig nach – etwa zur Bestellung als „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter – bleibt die Fortführung im Interesse der Gläubigergemeinschaft dennoch zulässig. Der „halbstarke“ vorläufige Insolvenzverwalter ist in dieser Hinsicht wie der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter zu behandeln. Er ist zur Fortführung nicht verpflichtet, andererseits steht ihm nicht die Einstellungsbefugnis des § 22 Abs. 1 S. 2 InsO zur Seite. Fraglich ist aber, und das betrifft insbesondere die verfügungsbefugten Verwalter, ob die drohende Haftung der wirksamste Anreiz zur ordnungsgemäßen Amtsführung ist 411. Gerade die Haftung für eine mit zahlreichen Unwägbarkeiten verbundene Geschäftsfortführung kann den vorläufigen Insolvenzverwalter veranlassen, diese zu unterlassen und stattdessen die Liquidation vorzubereiten. Die Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren stellt ein erhebliches Risiko für den vorläufigen Insolvenzverwalter dar. Eine eigenständige Regelung ist ihr gleichwohl nicht zuteil geworden. Daher ist außerhalb der „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung bislang unklar, ob eine Pflicht auch des „schwachen“ bzw. „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalters zur Fortführung oder nur zur Anregung entsprechender Sicherungsmaßnahmen durch das Gericht besteht. Hieraus resultieren Unsicherheiten auch hinsichtlich der Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters, da diese unmittelbar mit der Bestimmung des Pflichtenkreises zusammenhängen. Eine Abwälzung des Haftungsrisikos ist dem vorläufigen Insolvenzverwalter nur begrenzt möglich, unter anderem, weil er sich nicht haftungsbefreiend auf die Entscheidungen eines Gläubigerausschusses stützen kann 412. Hier hat er die Abgrenzung zwischen der Geschäftsfortführung zur Verwertung und einer unternehmerischen Tätigkeit zu beachten, um nicht Gefahr zu laufen, trotz einer Berufshaftpflicht auf einem Haftungsschaden sitzen zu bleiben. Diese Überlegungen sind vom vorläufigen Insolvenzverwalter bei der Entscheidung über die Geschäftsfortführung zu berücksichtigen und können dazu führen, dass diese – soweit eine die wirtschaftlichen Risiken erheblich reduzierende Insolvenzgeldvorfinanzierung nicht möglich ist – unterbleibt. Allerdings machen die Gerichte von der Möglichkeit, einen „starken“ Verwalter zu bestellen, bisher nur zurückhaltend Gebrauch, um die Haftungsgefahren für den vorläufigen Insolvenzverwalter zu vermeiden 413. Die Erwartung des Gesetzgebers, mit der „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung ein die Geschäftsfortführung ermöglichendes Mittel zur Verfügung gestellt zu haben, ist durch die Praxis der Gerichte, fast ausschließlich „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter zu bestellen, daher konterkariert worden. Soweit die Gerichte infolge des BGH-Urteils vom 18.07.2002 414 zur Qualität
411 Bork, Rz. 58; Thiemann, Rz. 434. 412 Dazu oben II.4.c)ee)(1)(b) und Fn. 336. 413 KS-Smid, S. 455; zustimmend Uhlenbruck, § 60 Rz. 58; Fischer, NZI 2003, 281, 282. Vgl. auch Pape, ZInsO 2003, 1013, 1018 und OLG Brandenburg, NZI 2003, 552. 414 Vgl. jedoch die „Richtlinien“ des AG Hamburg, ZInsO 2004, 24, welche die Folgen des Urteils vom 18.07.2002 abmildern sollen und u.a. vorsehen, dass im Falle einer Geschäftsfortführung einem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter der Vorzug zu geben sei. Kritisch Smid, DZWiR 2004, 265, 267 und Marotzke, ZInsO 2004, 113.
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II. Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren
der vom „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten Verbindlichkeiten dazu übergehen sollten, besondere Verfügungsverbote anzuordnen, sind auch hiermit Risiken verbunden. Ungeklärt ist beispielsweise, welche Rechtsqualität den vom „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten Verbindlichkeiten zukommt oder ob für ihn die Fortführungspflicht des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters gilt. Ob zukünftig mehr „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter bestellt werden, bleibt abzuwarten. Hierfür wird nicht zuletzt ausschlaggebend sein, in welchem Umfang der vorläufige Insolvenzverwalter seine Haftung auf eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung abwälzen kann. Auch hier wird die Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten sein. Keine Änderung hat die Behandlung von Altverbindlichkeiten des Schuldners im Insolvenzantragsverfahren erfahren: Diese dürfen wie bisher vom Sequester auch vom vorläufigen Insolvenzverwalter, unabhängig von der Ausgestaltung der Sicherungsmaßnahmen im Einzelnen, nicht befriedigt oder besichert werden 415. Ob die Befriedigung oder Besicherung von Altverbindlichkeiten notwendig war, um eine Geschäftsfortführung zu ermöglichen, ändert hieran zunächst nichts. Eine solche Bevorzugung verbietet der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung 416 dem Insolvenzverwalter, so dass dies erst recht für den vorläufigen Insolvenzverwalter gelten muss. Damit wird sowohl dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit Rechnung getragen als auch dem besonderen Charakter des Insolvenzantragsverfahrens als vorläufigem Sicherungsverfahren. Sieht sich der vorläufige Insolvenzverwalter der im Ausgangsfall geschilderten Forderung eines Altgläubigers nach bevorzugter Befriedigung seiner Insolvenzforderung ausgesetzt, darf er dieser grundsätzlich nicht nachgeben. Diese Befriedigung wäre nach Auffassung des BGH möglicherweise insolvenzzweckwidrig, jedenfalls aber anfechtbar, auch wenn der vorläufige Insolvenzverwalter den Gläubiger befriedigen musste, sofern die Geschäftsfortführung gelingen soll. Dabei hat auch der BGH dem Umstand Rechnung getragen, dass das Gericht zwar nur einen „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt hatte, dieser sich jedoch wie ein „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter gerierte. Diese Situation ist symptomatisch für die vorläufige Insolvenzverwaltung: Unabhängig von den Befugnissen im Einzelfall handelt in praxi stets (auch) der vorläufige Insolvenzverwalter, wie der Ausgangsfall zeigt. Dass ein solcher bestellt wurde und welche Befugnisse er im Einzelfall ausüben kann, ändert an der Möglichkeit einer Anfechtung seiner Handlungen nach den §§ 129 ff. InsO grundsätzlich nichts, sofern er wie im Ausgangsfall Insolvenzforderungen befriedigt. Die eingangs genannten Urteile des BGH 417 lassen sich auch als Appell für eine schnelle Beendigung des Insolvenzantragsverfahrens verstehen mit dem Ziel, entweder das Insolvenzverfahren zu eröffnen oder mangels Masse die Eröffnung abzulehnen. Sofern die Verfahrenseröffnung abgelehnt wird, sind sämtliche Gläubiger
415 416 417
88
Jaeger/Henckel, § 29 Rz. 29. Vgl. oben Fn. 9. BGH ZIP 2003, 810 ff. und BGH ZIP 2003, 855 ff.
1. Einführung
darauf verwiesen, ihre Ansprüche gegen den Schuldner im Wege der Einzelzwangsvollstreckung durchzusetzen. Kommt es dagegen zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens und verweigert der auf Befriedigung seiner Insolvenzforderungen bestehende Gläubiger weiterhin die Zusammenarbeit, so kommt eine Geschäftsfortführung nicht in Betracht und es findet die Liquidation des Schuldnervermögens statt. In beiden Fällen ist der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung beachtet und die Gefahr einer Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters wegen Gläubigerbenachteiligung ausgeschlossen. In Richtung einer schnellen Verfahrenseröffnung weist auch der Referentenentwurf zur Änderung der Insolvenzordnung vom 16.09.2004, wenn es heißt, es solle vermieden werden, ein „Insolvenzverfahren vor dem Insolvenzverfahren“ zu kreieren, da das Insolvenzantragsverfahren lediglich vorläufiger Natur sei und vor allem der Sicherung der verwalteten Vermögensmasse diene418. Aus diesem Grund soll dem vorläufigen Insolvenzverwalter nunmehr die Möglichkeit eingeräumt werden, auch die mit Aussonderungs- und Absonderungsrechten belasteten Gegenstände im Rahmen einer Geschäftsfortführung zu nutzen. Die stark beschränkte Verwertungsbefugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters soll jedoch nicht ausgeweitet werden. Sofern sich bereits im Insolvenzantragsverfahren eine außerordentlich günstige Verwertungsmöglichkeit bietet, soll diese auch nach dem Referentenentwurf zur Änderung der Insolvenzordnung vom 16.09.2004 das Insolvenzverfahren zügig eröffnet werden, da sich eine Betriebsübertragung nach Verfahrenseröffnung nicht den aus den Besonderheiten des Insolvenzantragsverfahrens resultierenden Bedenken ausgesetzt sehe 419. Dass diese Erwägungen in der Praxis Gehör finden und zu einer schnellen Verfahrenseröffnung führen, ist insbesondere im Hinblick auf die Insolvenzgeldvorfinanzierung – bisher auch als Mittel zur Liquiditätsverbesserung genutzt – zweifelhaft.
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung 1.
Einführung
Die Folgen einer Geschäftsfortführung können, wie im ersten Teil der Arbeit dargestellt wurde, vielfältig sein. Verstoßen Handlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters gegen den Sicherungszweck der §§ 21 ff. InsO, kann Folge ihre Nichtigkeit, ggf. auch ihre Anfechtbarkeit nach den §§ 129 ff. InsO sein. Dies wiederum kann die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters gemäß den §§ 60, 61 InsO auslösen. Umgekehrt – und das ist der Regelfall – kann sich eine Handlung auch als mit dem Sicherungszweck der vorläufigen Insolvenzverwaltung vereinbar erweisen und zur Mehrung der verwalteten Vermögensmasse führen. Für die Befriedigung von Altverbindlichkeiten scheint eine Antwort schnell gefunden. Da die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter zur
418 419
RefE InsO 2004, S. 18. Siehe oben Fn. 82. RefE InsO 2004, S. 25.
89
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
Tabelle anmelden und am Verteilungsverfahren der §§ 172 ff. InsO teilnehmen müssen, stellt die Befriedigung von Altverbindlichkeiten – zumal im Insolvenzantragsverfahren – eine Handlung dar, die dem Insolvenzzweck widerspricht. Zweifel an dieser Beurteilung kommen bereits bei der Lektüre des Ausgangsfalls 420 auf, in welchem der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter die Altverbindlichkeiten ja nur deshalb befriedigte, weil er mit erheblich höheren Einnahmen aus der Betriebsfortführung rechnete und später tatsächlich erzielte. Gegenstand der nachfolgenden Erörterung ist neben diesem Fall folgender Sachverhalt, der dem BGH am gleichen Tag zur Entscheidung vorlag: Fall421 Durch Beschluss des Insolvenzgerichts wurde der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt und angeordnet, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit dessen Zustimmung wirksam sein sollten. Der Geschäftsbetrieb war noch nicht eingestellt. Für die Fortführung des Geschäftsbetriebes war es jedoch notwendig, eine defekte Waage reparieren zu lassen. Der Kläger wandte sich daher an den anwaltlichen Vertreter der Beklagten mit der Bitte um Reparatur, wobei er darauf hinwies, dass die Waage betriebsnotwendig sei. Hierzu war die Beklagte nur gegen Zahlung der vor Antragstellung begründeten Reparaturforderungen von DM 6.409,40 bereit. Vom Hinweis des Klägers, die Befriedigung der Forderung widerspreche der Insolvenzordnung, zeigte sich der anwaltliche Vertreter der Beklagten unbeeindruckt, so dass der Kläger diesem die Befriedigung der Forderung zusagte, da „Ihre Mandantschaft eine Reparatur der Waage [...] vom Ausgleich der vor dem Insolvenzereignis liegenden Forderung zur Bedingung gemacht hat.“ Der Kläger zahlte daraufhin auf die Altverbindlichkeiten sowie die neu begründete Reparaturforderung. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begehrte er die Rückerstattung des auf die Altverbindlichkeit gezahlten Betrages.
Die beiden Fälle boten dem BGH Gelegenheit, sich mit den Grundsätzen der Gläubigerbenachteiligung zu befassen und zu der Frage Stellung zu nehmen, ob der vorläufige Insolvenzverwalter aufgrund von Druck der Gläubiger Altverbindlichkeiten befriedigen darf. Der BGH bestätigte seine Rechtsprechung zur Gläubigerbenachteiligung und gab den Anfechtungsklagen statt. Zunächst sollen deshalb die beiden Entscheidungen sowie die Stellungnahmen in der Literatur dargestellt werden, hieran schließt sich eine Erörterung der Anfechtbarkeit an.
2.
Ansicht des Bundesgerichtshofs
a)
BGH, Urteil vom 13.03.2003 – IX ZR 64/02
Im ersten Schritt prüft der BGH 422 die Anfechtbarkeit gemäß § 130 InsO. Gegenstand der Anfechtung sei die Tilgung der Altverbindlichkeit, d.h. das Erfüllungsgeschäft. Dieses sei aber möglicherweise nicht anfechtbar.
420 Siehe oben I.1. 421 BGH, Urteil vom 13.03.2003 – IX ZR 56/02, in: ZIP 2003, 855 f. = ZInsO 2003, 420 f. = BGHReport 2003, 836 f. = DStZ 2003, 400. 422 BGH ZIP 2003, 810 ff. sub II.1. der Gründe.
90
2. Ansicht des Bundesgerichtshofs
Das folge jedoch nicht bereits aus der vom Berufungsgericht vertreten Auffassung, der Kläger habe eine Masseverbindlichkeit begründet 423. Die Vorschrift des § 55 Abs. 2 InsO sei hier weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar, weil der Schuldnerin kein allgemeines oder besonderes Verfügungsverbot auferlegt wurde. Die stattdessen vom Insolvenzgericht erteilte umfassende Ermächtigung, mit rechtlicher Wirkung für den Schuldner zu handeln, sei unzulässig gewesen. Die mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter getroffen Absprache, die Altverbindlichkeiten zu bezahlen, ändere nichts daran, dass diese durch den Schuldner begründet wurde und somit Insolvenzforderung sei. Das OLG Hamm als Vorinstanz hatte dies anders beurteilt: Zwar sei durch den Schuldner nur eine Insolvenzforderung begründet worden. Durch die zwischen dem vorläufigen Insolvenzverwalter und der Beklagten getroffene Abrede sei diese Forderung aber „neu begründet“ und in den Rang des § 55 Abs. 2 InsO gehoben worden 424. Das folge daraus, dass der vorläufige Insolvenzverwalter von der Beklagten nicht nur Erfüllung des vor Insolvenzantragstellung geschlossenen Vertrages gefordert, sondern ein neues Angebot verlangt habe. Gegenstand dieses Angebotes sei unter anderem als „zusätzliche Gegenleistung“ die Bezahlung der Altverbindlichkeit gewesen. Diese sei damit Gegenstand der wechselseitig zu erbringenden Leistungen geworden, die wegen der pauschalen Ermächtigung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters entsprechend § 55 Abs. 2 InsO einzuordnen sei.
Der Anfechtbarkeit könnte jedoch entgegenstehen, dass der Kläger der Zahlung als vorläufiger Insolvenzverwalter zugestimmt habe. Der Gesetzgeber habe gewollt, dass der Schuldner unter bestimmten Voraussetzungen weiter am Rechtsverkehr teilnehmen und insbesondere ein erhaltungswürdiges Unternehmen fortführen könne. Nicht zuletzt zu diesen Zwecken sei der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt geschaffen worden. Der Zustimmungsvorbehalt solle zwar die künftige Insolvenzmasse schützen, nicht aber zugleich das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Insolvenzbeständigkeit von Zustimmungen eines derart ausgestatteten vorläufigen Insolvenzverwalters erschüttern 425. Stimme der vorläufige Insolvenzverwalter einer Verfügung des Schuldners zu, dürfe der Geschäftspartner also möglicherweise darauf vertrauen, dass eine bloß mittelbare – im Zeitpunkt der Verfügung vielleicht nicht erkennbare oder sogar noch nicht vorliegende – Gläubigerbenachteiligung nicht zur Anfechtbarkeit führt. Letztlich könne diese Frage jedoch dahinstehen wie diejenige, ob die Tilgung der Altverbindlichkeit wegen Insolvenzzweckwidrigkeit nichtig sei, da jedenfalls die der Zahlung zugrunde liegende Abrede anfechtbar wäre. Auf diese beziehe sich der Zustimmungsvorbehalt des § 21 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 InsO nicht 426. In einem zweiten Schritt wendet sich der BGH der Prüfung einer Anfechtbarkeit nach § 132 InsO zu. Gegenstand der Prüfung sei nicht mehr die Tilgung der Verbindlichkeit, sondern die kausale Abrede, die der Zahlung zugrunde lag, wonach
423 424 425 426
BGH a.a.O. sub I.1.a) der Gründe. OLG Hamm DZWiR 2002, 345, 346 f. BGH a.a.O. sub II.1.b. der Gründe. BGH a.a.O. sub II.1.b) der Gründe.
91
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
auch die Altverbindlichkeit befriedigt werden sollte, sofern die Beklagte ihre noch ausstehenden Leistungen erbringt 427. Die Abrede sei ein „Rechtsgeschäft des Schuldners“, da die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bei der Schuldnerin verblieben war. Der Kläger habe für die Schuldnerin nur handeln können, wenn er mit entsprechender Vollmacht und in deren Namen auftrat. Hieran bestünden keine Zweifel 428. Die Insolvenzgläubiger seien auch unmittelbar benachteiligt. Die Altverbindlichkeit sei eine Insolvenzforderung, auf die im Insolvenzverfahren allenfalls eine Quote entfallen wäre. Der Auffassung des Berufungsgerichts, die vorherige Bezahlung der Altverbindlichkeit sei eine „zusätzliche Gegenleistung“ für das von ihr versprochene Tätigwerden, sei zu widersprechen. Im Zusammenhang mit der verfehlten Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO habe das Berufungsgericht nur zum Ausdruck gebracht, dass die Verpflichtung neu begründet worden sei, was jedoch an ihrer Einordnung als Insolvenzforderung nichts ändere 429. Sofern der objektive Wert der von der Beklagten erbrachten Leistung nicht mehr als DM 29.000,00 betragen habe, liege eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung vor. Allein die Tatsache, dass die von der Beklagten übernommene Tätigkeit so eilbedürftig gewesen sei, dass der Kläger tatsächliche Schwierigkeiten gehabt hätte, in der zur Verfügung stehenden Zeit einen anderen zur Leistung bereiten Unternehmer zu finden, mache die Leistung der Beklagten nicht wertvoller. Das belege nur die Notlage des Klägers, die von der Beklagten ausgenutzt worden sei 430. Der Eintritt einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung sei im Rahmen von § 132 Abs. 1 InsO ausschließlich mit Blick auf das Wertverhältnis zwischen den konkret ausgetauschten Leistungen zu beurteilen. Zu berücksichtigen seien lediglich solche Folgen, die unmittelbar an die anzufechtende Rechtshandlung selbst anknüpfen. Erhalte der Schuldner etwas, das zwar keine Gegenleistung darstelle, sich aber in anderer Weise als zumindest gleichwertiger Vorteil erweise, komme es darauf an, ob der Vorteil unmittelbar mit dem Vermögensopfer zusammenhänge. Das wiederum sei nicht schon dann der Fall, wenn das Vermögensopfer gezielt eingesetzt werde, um den Vorteil zu erreichen. Vielmehr müsse sich der Vorteil unmittelbar in einer den Nachteil ausgleichenden Mehrung des Schuldnervermögens niederschlagen 431. Die Gewährung eines Sondervorteils an einen Gläubiger, der hiervon eine betriebsnotwendige Leistung an den Schuldner abhängig mache, möge zwar der Fortführung des Schuldnerunternehmens dienen, also für den Schuldner günstig sein. Gleichwohl könne sie dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zuwiderlaufen, da dieser gebiete, dass alle Insolvenzgläubiger an einem solchen Vorteil teilhaben. Könnte dagegen ein Gläubiger die Erbringung von Leistungen insolvenzfest von der Befriedigung der Altverbindlichkeiten abhängig machen, wäre einer Er-
427 428 429 430 431
92
BGH a.a.O. sub II.2. der Gründe. BGH a.a.O. sub II.2.a) der Gründe. BGH a.a.O. sub II.2.c)aa) der Gründe. BGH a.a.O.sub II.2.c)aa) der Gründe. BGH a.a.O. sub II.2.c)bb) der Gründe.
2. Ansicht des Bundesgerichtshofs
pressung durch marktstarke, etwa mit einer Monopolstellung ausgestattete, Geschäftspartner des Schuldners Tür und Tor geöffnet. Selbst wenn ein solches Vorgehen im Einzelfall nicht verwerflich erscheinen sollte, führe der „krasse Verstoß“ gegen den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung dazu, dass den anderen Gläubigern kaum begreiflich zu machen wäre, weshalb gerade sie auf eine bevorzugte Behandlung verzichten sollten. Der Nachahmungseffekt führte letztlich dazu, dass Gläubiger, mit denen der vorläufige Insolvenzverwalter neue Geschäfte abschließt, auch bezüglich der Altverbindlichkeiten zu einer privilegierten Klasse würden. Schließlich komme hinzu, dass in dem Zeitpunkt, in welchem die Bevorzugung des Gläubigers stattfindet, nur selten abzuschätzen sei, ob sich das Nachgeben für die Masse wirklich lohnt432. Ob die Leistung der Beklagten letztlich zum Zufluss des der Schuldnerin zustehenden Werklohns von DM 300.000,00 geführt hat, bedürfe daher keiner Aufklärung. Denn falls dieser Mittelzufluss stattgefunden haben sollte, handele es sich um einen Vorteil, der nicht unmittelbar mit der angefochtenen Rechtshandlung zusammenhänge. Ebenso unerheblich sei, ob die Schuldnerin höheren Schadensersatzansprüchen ihres saudischen Auftraggebers ausgesetzt gewesen wäre, wenn die Beklagte die Anlage nicht für die Schuldnerin in Betrieb genommen hätte 433. b)
BGH, Urteil vom 13.03.2003 – IX ZR 56/02
Die zweite Entscheidung des BGH wird verkürzt dargestellt, da sie auf die Ausführungen der ersten Entscheidung über weite Teile Bezug nimmt. Dargestellt werden die Urteilsgründe, sofern diese von der ersten Entscheidung abweichen. Zum Merkmal der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung führt der BGH aus, dass die Auffassung der Revision in den tatrichterlichen Feststellungen keine Stütze finde. Diese habe geltend gemacht, die vom Kläger geleisteten Zahlungen stellten ein einheitliches Entgelt für die nach Antragstellung erbrachte Reparaturleistung dar, die den offenen Betrag der Altverbindlichkeit mit eingeschlossen habe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Beklagte für die Reparatur einen angemessenen Preis und daneben die Befriedigung ihrer Altforderung verlangt hat 434. Ob der Sachverhalt, den die Revision im Auge habe, eine andere rechtliche Wertung rechtfertigen würde, könne daher offen bleiben. Die unmittelbare Benachteiligung der übrigen Gläubiger sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, den neuen Reparaturauftrag zu übernehmen. Wenn die Beklagte, ungeachtet der ihr dafür gebotenen Zahlung, hätte ablehnen dürfen, folge daraus nicht, dass sie die Übernahme in gläubigerbenachteiligender Weise von weiteren Gegenleistungen abhängig machen durfte 435.
432 433 434 435
BGH a.a.O. sub II.2.c)cc) der Gründe. BGH a.a.O. sub II.2.c)dd) der Gründe. BGH ZIP 2003, 855 sub II.2.a) der Gründe. BGH a.a.O. sub II.2.b) der Gründe.
93
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
3.
Ansichten in der Literatur
In der Literatur sind die Entscheidungen im Ergebnis auf Zustimmung gestoßen 436, allein die rechtliche Würdigung des BGH findet kritische Anmerkungen. a)
Gundlach / Schirrmeister
Gundlach/Schirrmeister befassen sich mit dem Gegenstand der Anfechtung. Anfechtungsrelevant könne nur die Zahlung selbst sein, da die Altverbindlichkeit auch ohne die Abrede fällig gewesen und die Vermögensbeeinträchtigung letztlich allein durch die Zahlung bewirkt worden sei. Auch ohne die Abrede habe daher ein Rechtsgrund für die Zahlung der Altverbindlichkeiten bestanden, konkret ausgetauschte Leistungen könnten daher im Hinblick auf die Prüfung der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung sinnvoll nur in Bezug auf die Zahlung beurteilt werden 437. Der Anfechtbarkeit der Zahlung stehe sodann auch nicht ein Vertrauensschutz entgegen, da der Anfechtungsgegner die Notlage des vorläufigen Insolvenzverwalters ausgenutzt habe, um sich einen Vorteil vor den anderen Insolvenzgläubigern zu verschaffen. Abschließend befürworten Gundlach/Schirrmeister die vom BGH bestätigte Definition der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung im Rahmen des § 132 InsO 438. b)
Leithaus
Leithaus stellt zunächst fest, dass die Entscheidung auf eine vergleichsweise unbeachtete Vorschrift – § 132 InsO – gestützt wird. Dass der BGH die Insolvenzanfechtung nicht auf § 130 InsO gestützt hat, versteht er als Hinweis darauf, dass der Rechtsverkehr unter bestimmten Umständen bei Zustimmung durch den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter die Gewissheit benötige, eine Insolvenzanfechtung sei nur unter den verschärften Voraussetzungen des § 132 InsO möglich. Insbesondere, wenn bei Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung die Gläubigerbenachteiligung nicht ohne weiteres erkennbar sei, könne die Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters auch eine objektiv gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung noch „retten“ 439. Da die Gläubigerbenachteiligung vorliegend aber offenkundig gewesen sei, konnte die Zustimmung des vorläufigen „schwachen“ Insolvenzverwalters weder eine Anfechtung nach § 130 InsO noch nach § 132 InsO ausschließen. Die Ausführungen des BGH zu dem Erfordernis einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung im Rahmen des § 132 InsO führten entgegen dem Wortlaut der
436 Schirrmeister/Gundlach, DZWiR 2003, 293; Franke/Böhme, DZWiR 2003, 494, 496; Huber, EWiR 2003, 719, 720; Leithaus, NZI 2003, 317; Schmitz, IBR 2003, 304; de Bra, LMK 2003, 135. Mit Ausnahme von Franke/Böhme und Schmitz gehen die Anmerkungen nur auf das Urteil des BGH vom 13.03.2003 – Az. IX ZR 64/02 ein. 437 Schirrmeister/Gundlach, DZWiR 2003, 293, 294. 438 Schirrmeister/Gundlach, DZWiR 2003, 293, 294 f. 439 Leithaus, NZI 2003, 317, 318.
94
3. Ansichten in der Literatur
Norm zu einer Ausdehnung der Anfechtungsmöglichkeiten, da ein zumindest gleichwertiger Vorteil nur in den seltensten Fällen vorliege. Das könne etwa der Fall sein, wenn das Schuldnervermögen aufgrund der zusätzlich vergüteten Altverbindlichkeit insgesamt einen höheren Wert aufweise als ohne sie. Eine Abgrenzung dürfte allerdings in der Praxis Probleme bereiten. Die Ausführungen des BGH ließen sich jedoch dahin verstehen, dass ein Bejahen des unmittelbaren Vermögensausgleichs eher die Ausnahme als die Regel darstellen dürfte 440. Offen lasse der BGH jedoch, wann ein schutzwürdiges Vertrauen des Anfechtungsgegners in das Behaltendürfen des Empfangenen vorliege. Die instanzgerichtliche Rechtsprechung hierzu sei nicht einheitlich 441, so dass eine baldige Klärung der Frage wünschenswert sei. Leithaus differenziert in diesem Zusammenhang zwischen der Frage, wann ein schutzwürdiges Vertrauen (im Allgemeinen) vorliegt und zu einem Anfechtungsausschluss führen kann und ob die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters im Rahmen des § 130 InsO (im Besonderen) die Anfechtbarkeit ausschließt. c)
Huber und Schmitz
Auch Huber ist der Auffassung, die weitere Rechtsprechung zu dem noch offen gelassenen Schicksal der Anfechtung nach § 130 InsO bei einer Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters bleibe abzuwarten. Für die Praxis sehr lehrreich findet er die in der Entscheidung aufgelisteten Fallgruppen zur unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung. Schließlich zeige der Fall exemplarisch, welchem Druck ein vorläufiger Insolvenzverwalter bei der Fortführung des Unternehmens ausgesetzt sei 442. Schmitz 443 beschränkt sich auf die Feststellung, dass einer Erpressung des vorläufigen Insolvenzverwalters durch marktstarke Geschäftspartner des Schuldners Tür und Tor geöffnet wäre, wenn die Befriedigung der Altverbindlichkeiten nicht angefochten werden könnte. Interessant ist ferner sein Hinweis auf die Bargeschäftsausnahme des § 142 InsO, wonach in Höhe der – nicht angefochtenen – DM 29.000,00 keine Anfechtbarkeit gegeben sei, da in das Vermögen des Schuldners hierfür eine gleichwertige Gegenleistung gelangt sei. d)
Franke / Böhme
Franke/Böhme betonen zunächst ebenfalls, dass die entschiedenen Fallgestaltungen von erheblicher praktischer Bedeutung seien, weil der vorläufige Insolvenzverwalter zur Fortführung des Unternehmens oft Leistungen von Geschäftspartnern in Anspruch nehmen muss, die ihrerseits die Befriedigung von Altverbindlichkeiten verlangen. Daher seien der „Umweg“ des BGH über die Anfechtung der Tilgungsabrede nicht nachvollziehbar und die Ausführungen zum Ausschluss der Anfech-
440 441 442 443
Leithaus, NZI 2003, 317, 318. Unter Hinweis auf OLG Celle NZI 2003, 266 und AG Hagen NZI 2003, 210. Huber, EWiR 2003, 719, 720. Schmitz, IBR 2003, 304.
95
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
tung nach § 130 InsO wegen der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu kritisieren. Fehl gehe der BGH in seiner Auffassung, der Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 InsO solle neben dem Schutz der verwalteten Vermögensmasse zugleich das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Zustimmungen eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters schützen. Die Anordnung des Zustimmungsvorbehalts sei allein Sicherungsmaßnahme zum Schutz vor nachteiligen Vermögensveränderungen. Aufgabe des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters sei es daher nur, Masseschmälerungen durch Versagung der Zustimmung zu verhindern. Da der Schuldner weiterhin am Rechtsverkehr teilnehme, bräuchte das Vertrauen in die Zustimmungen des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters nicht geschützt werden. Dass dieser in praxi meist wie ein „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter wahrgenommen werde, könne nicht dazu führen, die Anfechtung nach § 130 InsO zu Lasten der Insolvenzmasse zu lösen. Vielmehr müsse sich der Anfechtungsgegner auf den Schadensersatzanspruch aus § 60 InsO verweisen lassen 444. Inkonsequent erscheint Franke/Böhme in diesem Zusammenhang, dass der BGH seine Überlegungen zum Anfechtungsausschluss von § 130 InsO nicht auch auf § 132 InsO anwendet. Denn auch die danach angefochtene Tilgungsabrede habe der Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters bedurft. Diese jedoch sei überhaupt nicht Gegenstand der Anfechtung, da die Altverbindlichkeiten auch ohne die Abrede fällig gewesen seien und die erneute Verpflichtung zur Zahlung die anderen Gläubiger nicht hätte benachteiligen können. Anfechtungsgegenstand sei somit – in Übereinstimmung mit Gundlach/Schirrmeister – die Zahlung 445. e)
De Bra
In die gleiche Richtung zielt die Kritik von de Bra. Denn obgleich die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 130 InsO vorgelegen hätten, sei der BGH den Umweg über § 132 InsO gegangen. Darüber hinaus sei unverständlich, dass das Schicksal des ursprünglich zwischen dem Schuldner und dem Anfechtungsgegner bestehenden Schuldverhältnisses nicht ganz klar werde. Auch wenn die durch den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter im Zusammenhang mit der „neuen“ Leistung gemachte Zusage der Zahlung auch der Altverbindlichkeit wirksam angefochten werde, würde als Rechtsgrund der Zahlung gleichwohl das ursprüngliche Schuldverhältnis zwischen dem Schuldner und dem Anfechtungsgegner verbleiben. Die Erfüllung dieser Schuld wäre dann zwar gemäß § 130 InsO anfechtbar. Die Frage, ob die Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters der Anfechtbarkeit nach § 130 InsO entgegenstehe, wolle der BGH jedoch gerade offen lassen 446. Sofern man die Anfechtung nicht auf § 130 InsO stützen wolle, befürwortet de Bra eine solche nach § 133 InsO 447. Da hier ein „dolus eventualis“ ausreiche, lägen die 444 445 446 447
96
Franke/Böhme, DZWiR 2003, 494, 495. Franke/Böhme, DZWiR 2003, 494, 496. de Bra, LMK 2003, 135. de Bra, LMK 2003, 135.
4. Würdigung und Lösung
Anfechtungsvoraussetzungen – auch hinsichtlich der Zahlung – vor, weil sowohl der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter als auch der Anfechtungsgegner um die Tatsache wussten, dass die Zahlung die übrigen Gläubiger benachteiligte.
4.
Würdigung und Lösung
a)
Überblick
Die Entscheidungen des BGH befassen sich mit Fragen des allgemeinen Insolvenzanfechtungsrechts. Der Senat gelangt zu der Auffassung, dass eine Anfechtbarkeit gemäß § 132 Abs. 1 InsO in beiden Fällen vorliege, wobei die Tilgungsabrede wegen unmittelbarer Gläubigerbenachteiligung anfechtbar sei; die Frage der Anfechtbarkeit der Zahlung gemäß § 130 InsO lässt er dagegen offen. Im Mittelpunkt der Erörterungen stehen daher die anfechtbare Rechtshandlung sowie die Gläubigerbenachteiligung. Bevor diese Anfechtungsvoraussetzungen im Einzelnen geprüft werden, soll eine kurze Darstellung der Anfechtungsvoraussetzungen der §§ 129 ff. InsO einen festen Ausgangspunkt für die weitere Erörterung geben. Dem Aufbau der Entscheidungen folgend wird sodann die Anfechtbarkeit der Tilgungsabreden und Zahlungen untersucht. Dabei wird auch auf die – vom BGH offen gelassenen – Fragen einzugehen sein, wann eine Rechtshandlung des vorläufigen Insolvenzverwalters nichtig und die Anfechtung gemäß § 130 InsO wegen dessen Zustimmung ausgeschlossen ist. Ferner sollen die Entscheidungen daraufhin untersucht werden, ob die Beteiligten die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit umgehen können. Den Ausgangspunkt für diese Frage bietet die zweite Entscheidung des BGH selbst, Abwandlungen des Falles vervollständigen das Bild. Abschließend soll eine eigene Lösung entwickelt und anhand der beiden Entscheidungen des BGH dargestellt werden. aa)
Ziel und Bedeutung der Insolvenzanfechtung
Ziel der Insolvenzanfechtung ist es, vor Verfahrenseröffnung erfolgte Schmälerungen der schuldnerischen Vermögensmasse rückgängig zu machen 448. Dieser Zweck entspricht weitgehend dem der vor Insolvenzeröffnung angeordneten Sicherungsmaßnahmen. Beide sollen – zeitlich abgestuft – die gleichmäßige Befriedigung aller Insolvenzgläubiger sichern. Die Verfügungsbeschränkungen der §§ 80 ff. InsO sollen sicherstellen, dass durch Handlungen nach Verfahrenseröffnung keine die Insolvenzgläubiger benachteiligende Masseverkürzung eintritt. Demgegenüber eröffnen die Anfechtungsvorschriften der §§ 129 ff. InsO dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit, auch vor Verfahrenseröffnung im Zeitraum der Krise wirksam eingetretene Masseschmälerungen rückgängig zu machen. Die Vorschriften über die Insolvenzanfechtung ergänzen damit den vor Verfahrenseröffnung bereits durch
448
Statt aller Uhlenbruck, § 129 Rz. 1.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
die §§ 21 ff., 88 InsO gewährten Schutz der Masse, um die gleichmäßige Befriedigung der Insolvenzgläubiger schon für einen früheren Zeitpunkt als den der formellen Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu sichern 449. Es entspricht nämlich nicht dem Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung, angesichts offensichtlicher Unzulänglichkeit des Schuldnervermögens einzelne Gläubiger nur aufgrund ihrer Schnelligkeit oder Rücksichtslosigkeit zur Befriedigung kommen zu lassen, während die übrigen Gläubiger leer ausgehen. Die Insolvenzanfechtung führt damit zu einer (nachträglichen) Erweiterung der Zugriffsbefugnisse der Gläubiger 450. Rechtsfolge der Insolvenzanfechtung ist gemäß § 143 Abs. 1 S. 1 InsO, dass die in anfechtbarer Weise aus dem Vermögen des Schuldners aufgegebenen, weggegebenen oder veräußerten Vermögenswerte vom Anfechtungsgegner an die Insolvenzmasse zurückzuerstatten sind. Gegenüber den §§ 29 ff. KO, 10 GesO wurde der Anwendungsbereich der §§ 129 ff. InsO erheblich erweitert 451. Die genannten Regelungen erfüllten ihren Zweck, die Konkurs- bzw. Gesamtvollstreckungsmasse anzureichern, nur ungenügend.452 Der von den Verwaltern erzielte Erfolg war gering 453, nur etwa in jedem fünften Konkurs- bzw. Gesamtvollstreckungsverfahren kam es überhaupt zu einer Anfechtungsklage 454. Der Gesetzgeber hielt daher eine Verschärfung des Anfechtungsrechts für notwendig 455. Gegenstand der Novellierung war unter anderem die Schaffung eines einheitlichen Anfechtungsrechts, die Verringerung subjektiver Tatbestände und Beweiserleichterungen für den Insolvenzverwalter ebenso wie die Umgestaltung der einjährigen Ausschlussfrist in eine zweijährige Verjährungsfrist 456. Die Insolvenzanfechtung hat seitdem erheblich an Bedeutung gewonnen und kann gerade auch in massearmen Prozessen dazu führen, dass ein Insolvenzverfahren überhaupt erst eröffnet wird. Vor allem die Insolvenzanfechtung inkongruenter Deckungen nach § 131 InsO nimmt hierbei eine exponierte Stellung ein, da sie keine subjektiven Voraussetzungen enthält, sich die Darlegungs- und Beweislast des Insolvenzverwalters also im Wesentlichen auf die Inkongruenz der Forderungsdeckung sowie – im
449 Vgl. BGHZ 136, 309, 312 f; BGHZ 59, 230, 232; BGH WM 1963, 748, 749. 450 Nerlich/Römermann, § 129 Rz. 5. Ob hierin – wie Paulus meint – eine nachträgliche Beschränkung der Verfügungsmacht zu sehen ist, ist fraglich. Denn die Anfechtung führt nach bisher überwiegender Auffassung nur zu einem schuldrechtlichen Rückgewähranspruch, stellt die Verfügungsbefugnis des Schuldners also nicht in Frage, vgl. Uhlenbruck, § 143 Rz. 1. Der BGH hält hieran in BGH WM 2003, 1581 = ZIP 2003, 1554 ff. = NZI 2003, 537 ff. = NJW 2003, 3345, 3347 insoweit fest, dass jedenfalls ein anfechtungsrechtlicher Wertersatzanspruch gemäß § 143 Abs. 1 S. 2 InsO kein Aussonderungsrecht begründet, wenn das „Aussonderungsgut“ nicht mehr unterscheidbar in der Insolvenzmasse des Anfechtungsgegners vorhanden ist. Vgl. dazu Leithaus, NZI 2003, Heft 8, V und Häsemeyer, LMK 2003, 214 f. 451 Wimmer/Dauernheim, S. 584. 452 Gottwald, § 46 Rz. 4; Kuhn-Uhlenbruck, § 29 Rz. 1; Wimmer/Dauernheim, S. 584; Hess/ Weis/Wienberg, vor §§ 129 ff. Rz. 3; Nerlich/Römermann, § 129 Rz. 1. Anders König, S. III, der bereits in der Konkursanfechtung einen wichtigen Beitrag zur Vermögenserhaltung sah. 453 Gessner, Konkursabwicklung, S. 38. 454 Haarmeyer/Wutzke/Förster, S. 624. 455 Gottwald, § 46 Rz. 4. 456 Übersicht der Änderungen bei Haarmeyer/Wutzke/Förster, S. 617 ff.
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4. Würdigung und Lösung
Fall des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO – die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners beschränkt. bb)
Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung
In Anlehnung an das Konkursrecht457 umschreibt § 129 Abs. 1 InsO allgemein den Anwendungsbereich der Insolvenzanfechtung. Voraussetzung ist danach eine Rechtshandlung, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist und die Insolvenzgläubiger benachteiligt sowie das Vorliegen eines der Anfechtungstatbestände der §§ 130–136 InsO. Die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung können somit einerseits in allgemeine, d.h. für alle Anfechtungstatbestände geltende, und andererseits spezielle Tatbestandsmerkmale unterschieden werden. (1)
Besondere Voraussetzungen
Die einzelnen Anfechtungsgründe finden sich in den §§ 130–136 InsO. Die §§ 130– 132 InsO umfassen die sog. besondere Insolvenzanfechtung, die sich in die Anfechtung kongruenter (§ 130 InsO) und inkongruenter Deckungen (§ 131 InsO) unterteilt sowie die Anfechtung wegen unmittelbarer Gläubigerbenachteiligung (§ 132 InsO). Die Absichtsanfechtung ist nunmehr in § 133 InsO als Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung geregelt, während die sog. Schenkungsanfechtung als Anfechtung unentgeltlicher Leistungen in § 134 InsO normiert wurde. Die Regelung über die Anfechtung eigenkapitalersetzender Leistungen findet sich in § 135 InsO, die Anfechtung gegenüber einem stillen Gesellschafter in § 136 InsO. (a)
Besondere Insolvenzanfechtung
Die §§ 130–132 InsO enthalten Anfechtungsgründe, die nur in der Insolvenz Anwendung finden, nicht also bei der Gläubigeranfechtung 458 außerhalb der Insolvenz. Sie werden deshalb auch unter dem Begriff der besonderen Insolvenzanfechtung zusammengefasst. Sie beruhen auf der Annahme, dass spätestens mit der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners der insolvenzrechtliche Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung sich gegenüber den Interessen einzelner Gläubiger durchsetzen muss. Die in den §§ 130–132 InsO erfassten Rechtshandlungen verbindet, dass sie in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Insolvenzantrag erfolgt sein müssen. In diesem Zeitraum – 3 Monate vor Antragstellung – versuchen Gläubiger und Schuldner häufig, ihre Ansprüche auf Kosten der anderen Gläubiger zu decken 459. Die §§ 130, 131 InsO unterscheiden sich darin, dass ersterer sog. kongruente, letzte-
457 Vgl. § 29 KO. 458 Vgl. das Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (AnfG) vom 5.10.1994 (BGBl. I, S. 2911). Anfechtungsberechtigt ist hier jeder Gläubiger. Die Voraussetzungen der Anfechtung werden in den §§ 3, 4, 6 AnfG umschrieben. Die erfolgreiche Anfechtung führt nur zu einer Rückgewährpflicht an den anfechtenden Gläubiger, vgl. § 11 AnfG. 459 Nerlich/Römermann, § 130 Rz. 4.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
rer hingegen sog. inkongruente Rechtshandlungen erfasst. Inkongruent sind solche Rechtshandlungen, die der Gläubiger nicht, nicht in der Art oder nicht zu dieser Zeit zu beanspruchen hatte. Ist die den Gläubiger befriedigende oder sichernde Rechtshandlung hingegen kongruent, darf er auf die Rechtsbeständigkeit seines Erwerbs in größerem Maße vertrauen. Die Anfechtung kongruenter Deckungshandlungen nach § 130 InsO unterliegt daher strengeren Voraussetzungen als die Anfechtung inkongruenter Deckungshandlungen nach § 131 InsO. Inkongruent sind beispielsweise die Hingabe von Kundenschecks, sofern sie nicht vereinbart wurde; die Deckung im Wege der Zwangsvollstreckung oder die Abtretung von Kundenforderungen statt Zahlung. Nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind Rechtshandlungen anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt haben, die er nicht, nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder danach vorgenommen worden ist. Nr. 2 und 3 der Vorschrift erweitern die Anfechtbarkeit auf Handlungen, die im zweiten oder dritten Monat vor Antragstellung vorgenommen wurden, wenn der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig oder dem Gläubiger die Benachteiligung der übrigen Gläubiger bekannt war. § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO ermöglicht die Anfechtung kongruenter Deckungshandlungen aus den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Handlung zahlungsunfähig war und der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt kannte. Soweit die Handlung erst nach dem Insolvenzantrag vorgenommen wurde, verzichtet § 130 InsO in seiner zweiten Tatbestandsvariante auf den Nachweis der Zahlungsunfähigkeit. Da der Insolvenzantrag zu diesem Zeitpunkt bereits gestellt und das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, unterstellt § 130 Nr. 2 InsO das Vorliegen eines Insolvenzgrundes. § 132 InsO eröffnet die Möglichkeit der Anfechtung von Rechtshandlungen, die nicht bereits nach den §§ 130, 131 InsO anfechtbar sind. Es handelt sich mithin um einen Auffangtatbestand 460, der aber nicht Rechtshandlungen (wie §§ 130, 131 InsO), sondern nur Rechtsgeschäfte des Schuldners der Anfechtung unterwirft und enger als §§ 130, 131 InsO eine unmittelbare Benachteiligung der Gläubiger voraussetzt. (b)
Verschleuderungs- und Absichtsanfechtung
Die §§ 133, 134 InsO unterscheiden sich von den Tatbeständen der besonderen Insolvenzanfechtung vor allem darin, dass sie ihren rechtfertigenden Grund nicht in der zeitlichen Vorziehung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung haben. Grund für die Anfechtbarkeit im Falle des § 133 InsO ist das im weitesten Sinne kollusive Zusammenwirken zwischen dem Schuldner und seinem Vertragspartner. Nach § 133 InsO können daher Rechtshandlungen, die der Schuldner in den letzten
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Nerlich/Römermann, § 132 Rz. 3.
4. Würdigung und Lösung
zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag oder danach mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, angefochten werden, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Abs. 2 der Vorschrift erweitert die Anfechtbarkeit auf alle in den letzten zwei Jahren vor dem Insolvenzantrag geschlossenen entgeltlichen Verträge mit nahestehenden Personen, soweit die Gläubiger hierdurch unmittelbar benachteiligt wurden. Die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen nach § 134 InsO will dem Insolvenzverwalter aus Billigkeitsgründen die Möglichkeit geben, Leistungen des Schuldners, für die keine Gegenleistung in sein Vermögen gelangt ist, zugunsten der Insolvenzgläubiger rückgängig zu machen. Der unentgeltlich Erwerbende ist – wie auch im Zivilrecht 461 – weniger schutzwürdig als der entgeltlich Erwerbende. Der Insolvenzverwalter kann daher alle unentgeltlichen Leistungen des Schuldners aus den letzten vier Jahren vor dem Insolvenzantrag anfechten, es sei denn, die Leistung richtet sich auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk von geringem Wert. (c)
Anfechtung gegenüber Gesellschaftern
Nicht von Relevanz sind in dem hier interessierenden Zusammenhang die §§ 135, 136 InsO. Hierzu müsste der vorläufige Insolvenzverwalter einem Gesellschafter für ein eigenkapitalersetzendes Darlehen oder eine gleichgestellte Forderung Deckung verschafft haben oder einem stillen Gesellschafter Einlageleistungen zurückgewährt haben. (2)
Allgemeine Voraussetzungen
Die allgemeinen Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung finden sich in § 129 Abs. 1 InsO. Danach sind Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, nach Maßgabe der §§ 130 –146 InsO anfechtbar. Im Mittelpunkt aller Anfechtungstatbestände stehen also die Begriffe der Rechtshandlung und der Gläubigerbenachteiligung. (a)
Rechtshandlung
Nach den §§ 129 ff. InsO anfechtbar sind Rechtshandlungen, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt 462. Den Begriff der Rechtshandlung verwendet der Gesetzgeber auch in den §§ 130, 131, 133 Abs. 1, 135 InsO und § 136 Abs. 1 InsO. Abweichend hiervon erklärt § 132 InsO ein Rechtsgeschäft für anfechtbar, § 133 Abs. 2 InsO einen entgeltlich geschlossenen Vertrag und § 134 InsO eine unentgeltliche Leistung. Der in § 129 InsO verwendete Begriff der Rechtshandlung bedarf daher einer Definition und Abgrenzung gegenüber den anderen Begriffen der §§ 130 ff. InsO. Rechtshandlung ist jedes erlaubte rechtswirksame Handeln, an das sich Rechtsfolgen knüp-
461 462
Vgl. die §§ 519 Abs. 1, 528 Abs. 1 S. 1, 822, 988 BGB. Vgl. § 129 Abs. 1 InsO.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
fen 463. Auszuscheiden sind also die unerlaubten Handlungen. Tritt der rechtliche Erfolg einer Rechtshandlung ein, weil er gewollt ist, liegt eine Willenserklärung, bei mehreren korrespondierenden Willenserklärungen ein Rechtsgeschäft vor. In diesem – engen – Sinn wird § 129 InsO nicht verstanden464. Insbesondere auf eine ziviloder strafrechtliche Erlaubtheit der Handlung soll es nicht ankommen465. Rechtshandlung im Sinne des § 129 InsO ist daher jedes Verhalten, das eine Rechtswirkung zeitigt. Die Rechtshandlung ist somit Gegenstand aller insolvenzrechtlichen Anfechtungstatbestände. Soweit der Gesetzgeber diesen einschränken wollte, hat er dies in den §§ 132, 133 Abs. 2 InsO und § 134 InsO getan. Aufgabe des Rechtsanwenders ist es daher, sich zunächst um Klärung zu bemühen, welche Rechtshandlung angefochten werden soll. Dies ist nicht nur der begrifflichen Exaktheit wegen geboten466. Vielmehr ergibt sich die Notwendigkeit daraus, dass die speziellen Anfechtungstatbestände in ihren Voraussetzungen sehr verschieden sind und der Umfang der Rückerstattungspflicht des Anfechtungsgegners sich danach bestimmt, was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist 467. Im Falle einer Verrechnung etwa kann nicht nur die Erklärung des Anfechtungsgegners angefochten werden, sondern auch die ihr zugrunde liegende Verrechnungsabrede. Im Falle einer Zwangsvollstreckung aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sind sowohl die Pfändung und Überweisung als auch die Zahlung selbst anfechtbare Rechtshandlungen 468. Durch die Pfändung und Überweisung erlangt der Gläubiger ein Pfändungspfandrecht, also eine dingliche Sicherheit, die ihm im Falle der Insolvenz ein Absonderungsrecht an der ihm überwiesenen Forderung verschafft. Durch die Zahlung des Drittschuldners erlangt der Gläubiger dagegen Befriedigung für die Forderung, derentwegen er vollstreckt. Dem ist anzufügen, dass eine isolierte Anfechtung der Zahlung aber dann keinen Sinn macht, wenn wegen kongruenter Deckung nach § 130 InsO angefochten wird, die übrigen Voraussetzungen – etwa die Gläubigerbenachteiligung 469 – hierfür aber nicht vorliegen. In einem solchen Falle kann es daher wichtig sein, auch die zugrunde liegende Pfändung und Überweisung anzufechten. Hierdurch kann das zunächst wirksam entstandene Pfändungspfandrecht so behandelt werden, als ob es nicht entstanden wäre. Es verbliebe dem Insolvenzverwalter jetzt die Möglichkeit, die Zahlung wegen einer inkongruenten Deckung nach § 131 InsO anzufechten. § 129 Abs. 2 InsO erklärt auch Unterlassungen für anfechtbar. Damit ist nunmehr gesetzlich geregelt, was bereits unter Geltung der Konkurs- und Gesamtvoll-
463 Creifelds, S. 1023; a.A. Zeuner, S. 13, der auf die Erlaubtheit der Handlung nicht abstellt. 464 Zeuner, S. 12. 465 Vgl. Fn. 403. 466 Vgl. Kübler/Prütting/Paulus, § 129 Rz. 14. 467 Vgl. § 143 Abs. 1 S. 1 InsO. 468 BGH ZIP 2000, 898 f., wonach die Pfändung und Zahlung keinen einheitlichen – mehraktigen – Erwerbstatbestand darstellen. Das OLG Frankfurt hatte, obwohl der Parteivortrag auf die Anfechtung der vorangegangenen Pfändung abzielte, diese nicht geprüft. 469 BGH ZIP 2000, 898.
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4. Würdigung und Lösung
streckungsordnung von Rechtsprechung 470 und Literatur 471 entgegen den Vorstellungen des Gesetzgebers 472 anerkannt war, da Unterlassungen die Gläubiger ebenso in ihren Befriedigungsaussichten beeinträchtigen können wie positives Tun. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich bei der in Frage stehenden Rechtshandlung um eine wissentliche und willentliche handelt. Bei nur unbewussten oder fahrlässigen Rechtshandlungen fehlt es an der für die Rechtshandlung notwendigen Willensbetätigung 473. (b)
Gläubigerbenachteiligung
Ist festgestellt, welche Rechtshandlung den Gegenstand der Insolvenzanfechtung bildet, bedarf es nunmehr der Prüfung, ob diese sich nachteilig auf die Befriedigungsaussichten der Gläubiger ausgewirkt hat. Diese Voraussetzung hat § 29 KO nicht ausdrücklich normiert und wurde auch in den folgenden Bestimmungen 474 nur teilweise erwähnt, ergab sich aber nach allgemeiner Ansicht bereits aus dem Sinn der Konkursanfechtung 475. Dieser liegt darin, die Haftungsmasse wieder in dem Umfang herzustellen, wie sie ohne die nachteiligen Rechtshandlungen im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bestanden hätte 476. (i)
Begriff
Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Befriedigungsmöglichkeit der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt wurde. Das ist der Fall, wenn das ihnen haftende Vermögen des Schuldners verkürzt wurde 477. Betroffen müssen die Gläubiger in ihrer Gesamtheit sein, die Betroffenheit einzelner Gläubiger oder Gläubigergruppen reicht nicht aus.478 Dazu bedarf es der Feststellung, dass sich die Befriedigung aller Insolvenzgläubiger im Falle des Unterbleibens der angefochtenen Rechtshandlung günstiger gestaltet hätte als unter Berücksichtigung derselben. Wenn die Beseitigung des eingetretenen Erfolges die Befriedigungsmöglichkeit der Gläubiger in keiner Weise verbessern würde 479 oder der Nachteil durch Rückgabe oder Werterstattung bereits vollständig beseitigt 480 worden ist, liegt eine Gläubigerbenachteiligung nicht vor. Die Gläubigerbenachteiligung kann sowohl in einer Verkür-
470 RGZ 6, 367, 369; BGH KTS 1960, 38; BGH WM 1975, 1182; BGH ZIP 1996, 2080, 2081. 471 Jaeger/Henckel, § 29 Rz. 5 ff.; Kuhn/Uhlenbruck, § 29 Rz. 6 ff; Kilger/Schmidt, § 29 Rz. 8; Smid, § 10 Rz. 24. 472 Mot. I, S. 148 f.; Mot. II, S. 115 f. 473 BGH ZIP 1996, 2080, 2081. 474 Ausdrücklich erwähnt in den §§ 30 Nr. 1 Hs. 1, 31 Nr. 2 KO; im Falle des § 31 Nr. 1 KO kann das Erfordernis dem Merkmal der Gläubigerbenachteiligungsabsicht entnommen werden. 475 RGZ 60, 109; 84, 254; 94, 307; BGHZ 28, 344, 347; 86, 349, 354 f.; 90, 207, 211. 476 BGH WM 1971, 908; BGH ZIP 1983, 334, 335. 477 Jaeger/Henckel, § 29 Rz. 60 a.E. 478 BGH WM 1971, 908, 909; BGH ZIP 1986, 448; BGH ZIP 1992, 558; Smid, § 129 Rz. 51. 479 Smid, § 129 Rz. 54; Hess/Weis, Rz. 186. 480 RG JW 1896, 338 Nr. 30; Jaeger/Henckel, § 29 Rz. 61.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
zung der Aktivmasse 481 oder einer Vermehrung der Passivmasse 482 liegen als auch in einer Erschwerung 483 oder Verzögerung 484 des Gläubigerzugriffs. Die Gläubigerbenachteiligung kann unmittelbar oder mittelbar eintreten. Soweit das Gesetz nicht ausdrücklich eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung verlangt, reicht eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung aus. Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung verlangen etwa die §§ 132 Abs. 1, 133 Abs. 2 InsO. In allen anderen Fällen ist eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger ausreichend. Von einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung spricht man, wenn der Nachteil bei den Gläubigern bereits durch die Vornahme der Rechtshandlung entstanden ist 485. Später eintretende Umstände, die eine Benachteiligung der Gläubiger zur Folge haben, können eine Anfechtbarkeit nicht begründen. Das ist vor allem dann von Bedeutung, wenn die der Masse zufließende Gegenleistung leichter verschleudert werden kann als der vom Schuldner veräußerte Gegenstand. § 132 Abs. 1 InsO erfasst beispielsweise nur Rechtsgeschäfte, d.h. Verträge, so dass hier der Inhalt der getroffenen Vereinbarungen maßgeblich ist. Noch enger ist § 133 Abs. 2 InsO gefasst; hier muss der entgeltliche Vertrag unmittelbar benachteiligend sein. Eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne der §§ 132 Abs. 1, 133 Abs. 2 InsO liegt etwa vor, wenn der Schuldner einen Kaufvertrag schließt und der vereinbarte Kaufpreis hinter dem Wert der Sache zurückbleibt 486 oder er – umgekehrt – eine Sache zu einem überhöhten Preis kauft oder diese nicht zum beschlagfähigen Vermögen des Schuldners gehört 487. Dass infolge des Rechtsgeschäfts die veräußerte Sache selbst bzw. das Guthaben des Schuldners nicht mehr Zugriffsgegenstand ist, sondern die Kaufpreisforderung oder die Kaufsache, bedeutet noch keine Benachteiligung. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt dagegen vor, wenn die in Frage stehende Rechtshandlung die Gläubiger nicht unmittelbar benachteiligt, jedoch später hinzutretende Umstände eine Gläubigerbenachteiligung zur Folge haben 488. Anders als bei der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung kann bei Austauschgeschäften also trotz Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt der Rechtshandlung eine Gläubigerbenachteiligung vorliegen, wenn zu einem späteren Zeitpunkt der Schuldner die erhaltene Gegenleistung verschleudert oder beiseite geschafft oder sich das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung etwa infolge eines Preisanstieges zu Ungunsten des Schuldners verändert hat 489. Der wichtigste Anwendungsfall einer mittelbaren Benachteiligung ist die – hier in Rede
481 RGZ 10, 9; 36, 181; 81, 145; 94, 305, 307; BGH, Urteil vom 23.09.1981 – VIII ZR 245/80; Jaeger/Henckel, § 29 Rz. 60 ff.; Smid, § 129 Rz. 51. 482 RGZ 27, 133; 36, 166; 81, 145. 483 RGZ 51, 64 ff.; BGHZ 12, 238, 240 ff. 484 BGH WM 1964, 505 f. 485 Jaeger/Henckel, § 30 KO Rz. 21 b. 486 BGH ZIP 1980, 518 = NJW 1980, 1961; BGH ZIP 1986, 452 = WM 1986, 296; BGH ZIP 1986, 787 = WM 86, 841. 487 BGH LM Nr. 41 zu § 273 BGB; Jaeger/Henckel, § 29 Rz. 61. 488 Statt aller Uhlenbruck, § 129 Rz. 127. 489 BGH ZIP 1996, 1516, 1520.
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4. Würdigung und Lösung
stehende – Erfüllung der Forderung eines Gläubigers, der, wäre er nicht befriedigt worden, Insolvenzgläubiger wäre 490. Zwar ist die Forderung des Insolvenzgläubigers gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Die Benachteiligung der übrigen Insolvenzgläubiger ergibt sich aber aus dem Umstand, dass der zur Erfüllung weggegebene Gegenstand nicht mehr im Vermögen des Schuldners ist und die Quotenerwartung sinkt. Der befriedigte Gläubiger ist in Höhe der Differenz zwischen der erlangten Befriedigung und der auf seine Forderung zu erwartenden Quotenzahlung bevorzugt worden. Dasselbe gilt für die Stellung von Sicherheiten für bisher ungesicherte Insolvenzforderungen 491, da der Gläubiger hierdurch Aus- bzw. Absonderungsrechte erlangt, die ihm nach Eröffnung des Verfahrens bevorzugte Befriedigung ermöglichen. Gegenstand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs waren bisher fast ausnahmslos Fälle, die eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger durch eine Deckungshandlung, d.h. Besicherung oder Befriedigung, zum Inhalt hatten492. Dies beruht darauf, dass unmittelbar nachteilige Rechtsgeschäfte nur in den engen Grenzen der §§ 30 Nr. 1 Hs. 1, 31 Nr. 2 KO angefochten werden konnten. § 31 Nr. 2 KO spielte in dem hier interessierenden Zusammenhang keine Rolle, da dieser nur die Anfechtung entgeltlicher Verträge mit nahestehenden Personen betrifft. Diese gehören aber nur in wenigen Fällen zu den für den Erhalt des Unternehmens wichtigen Gläubigern, so dass sich der Bundesgerichtshof mit einem derartigen Fall bisher nicht zu befassen hatte. Von größerer Bedeutung war § 30 Nr. 1 Hs. 1 KO, der ein Rechtsgeschäft des Schuldners für anfechtbar erklärte, wenn dieses nach der Zahlungseinstellung oder dem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens vorgenommen wurde und dem Anfechtungsgegner die Zahlungseinstellung oder der Konkursantrag bekannt war. Allerdings hatte sich der Bundesgerichtshof in den einschlägigen Fällen nur einmal 493 mit § 30 Nr. 1 Hs. 1 KO zu beschäftigen. Grund hierfür ist, dass gemeinschuldnerische Unternehmen unmittelbar nach Antragstellung bis zu einem veränderten Verständnis der Sequestration Mitte der 70er Jahre 494 stillgelegt wurden. Neue Rechtsgeschäfte wurden dann nicht begründet. Sofern dies doch geschah, wurde die Befriedigungshandlung angefochten, da diese in aller Regel erst einige Zeit nach dem Rechtsgeschäft vorgenommen wurde und – aufgrund der den Konkursverwalter treffenden Beweislast der Zahlungseinstellung sowie der Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon – im Prozess einfacher durchzusetzen war.
490 Jaeger/Henckel, § 29 Rz. 80. 491 Jaeger/Henckel, § 29 Rz. 81. 492 Vgl. BGH BB 1952, 868 f.; BGHZ 28, 344 ff.; BGHZ 86, 190 ff.; BGHZ 97, 87 ff.; BGH ZIP 1988, 324 ff.; BGH WM 1992, 1331 ff.; BGH WM 1992, 1334 ff.; BGH WM 1993, 270 f.; BGHZ 124, 76 ff.; BGH NJW 1995, 1093 ff.; BGH ZIP 1998, 248 ff.; BGH ZIP 1999, 973 ff. 493 BGHZ 77, 250 ff.: Die Gemeinschuldnerin hatte den beklagten Vergleichsverwalter in diesem Falle erst nach Zahlungseinstellung mit der Erstellung der Unterlagen nach den §§ 4 ff. VglO beauftragt und ihm hierfür ein weit überhöhtes Honorar versprochen. 494 Siehe oben II.4.b)bb).
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
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Unmittelbare Benachteiligung
Die Prüfung der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 30 Nr. 1 Hs. 1 KO kann jedoch anhand eines Falles nachvollzogen werden, den der Bundesgerichtshof im Jahre 1980 zu entscheiden hatte. Der dort beklagte Rechtsanwalt war von der späteren Gemeinschuldnerin mit der Einleitung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens beauftragt worden, als diese bereits ihre Zahlungen eingestellt hatte. Der Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungseinstellung. Die spätere Gemeinschuldnerin versprach dem Beklagten ein um das Zehnfache über den gesetzlichen Gebühren liegendes Honorar und trat ihm zur Sicherung seiner Honoraransprüche zwei Lebensversicherungen ab. Die Abtretungen focht der Konkursverwalter an und begehrte die Rückabtretung der Lebensversicherungen und, soweit die Versicherung bereits Leistungen erbracht hatte, Zahlung. Zur unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung führte der Bundesgerichtshof aus, diese liege nicht – wie vom Berufungsgericht angenommen – in der überhöhten Honorarvereinbarung allein; vielmehr komme es auf den Umfang der Tätigkeiten an, die der Beklagte für die spätere Gemeinschuldnerin erbracht hatte. Diese Ausführungen gehen fehl. Angefochten war allein die Abtretung der Lebensversicherungsansprüche. Zu prüfen wäre daher gewesen, ob hierdurch die übrigen Konkursgläubiger der Gemeinschuldnerin benachteiligt worden sind. Das ist bei einer sicherungshalber erfolgten Zession stets der Fall. Die abgetretene Forderung scheidet aus dem gemeinschuldnerischen Vermögen aus, ohne dass die Forderung des Konkursgläubigers erlischt. Auf das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung aus dem zugrunde liegenden Beratungsvertrag kam es somit nicht an. Das Urteil wird verständlich, wenn man – obgleich nur die Anfechtung der Abtretung erklärt wurde – auch den zugrunde liegenden Beratungsvertrag als angefochten ansieht. Dann kommt es auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung entscheidend an. Eine solche Auslegung der Erklärungen des Konkursverwalters war durchaus möglich, da der Sachverhalt im Ganzen zur Entscheidung vorgebracht wurde und erkennbar war, dass der Konkursverwalter alle mit der Honorarzahlung in Zusammenhang stehenden Rechtshandlungen anfechten wollte. Erkenntnisse, ob später eintretende Umstände für das Vorliegen einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung von Bedeutung sein können, lassen sich aus diesem Urteil nicht gewinnen. Soweit der BGH auf frühere Umstände – hier den Beratungsvertrag – Bezug nahm, hatte dies nichts mit dem zu prüfenden Anfechtungsgegenstand zu tun und soll daher außer Betracht bleiben. (iii)
Mittelbare Benachteiligung
Weitaus häufiger hat der Bundesgerichtshof dazu Stellung genommen, wann eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung bei Geschäftsfortführung vorliegt. Die hierzu ergangenen Entscheidungen lassen sich in Gruppen einteilen: In der ersten finden sich Anfechtungsklagen gegen Kapitalkreditgeber (Banken), in der zweiten Warenkreditgeber (Lieferanten), in der dritten Steuer- und Abgabengläubiger (Behörden) und in der vierten Vergleichs- und Sanierungsbeauftragte (Berater). Zur Frage der
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4. Würdigung und Lösung
mittelbaren Benachteiligung für die Gruppe der Banken und Berater hatte bereits das Reichsgericht 1926 Stellung genommen. Da sich der Bundesgerichtshof auf diese Entscheidung stützt, soll sie kurz dargestellt werden. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die beklagte Bank schloss innerhalb der zehntägigen Anfechtungsfrist mit der Gemeinschuldnerin einen Kreditvertrag, demzufolge die bereits bestehende Kreditlinie auf mehr als das Doppelte erweitert wurde. Die Kreditgewährung erfolgte zu Sanierungszwecken. Sowohl die Bank als auch die Gemeinschuldnerin gingen davon aus, dass die Sanierung mit den neu ausgereichten Krediten gelingen würde. Die Kredite waren durch Abtretungen und Übereignungen besichert, wobei vereinbart wurde, dass der nicht besicherte Teil des Altkredits nunmehr mitbesichert sein solle. Die Sanierung misslang, Vorteile waren der Gemeinschuldnerin bis zur Konkurseröffnung aufgrund der ausgereichten Kredite nicht erwachsen. Das RG verwies die unter anderem auf § 30 Nr. 2 KO gestützte Klage an die Vorinstanz zurück. Anfechtbar sei das Kreditgeschäft im Ganzen und nicht nur insoweit, als er der Beklagten Sicherheit für die Altkredite verschaffte 495. Die Anfechtung habe dabei jedoch das Ziel, nur insoweit zur Rückgewähr zu führen, als durch die Weggabe der Sicherheiten eine Benachteiligung der Konkursmasse eingetreten war 496. Dies möge dazu führen, dass die Anfechtung nur die Wirkung einer Teilanfechtung habe, und vielleicht auch dazu berechtigen, die Teilanfechtung eines Rechtsgeschäfts auch dann zuzulassen, wenn sich das Rechtsgeschäft in einzelne, selbständige Teile zerlegen lässt. Um dies sowie die Höhe eines etwaigen Nachteils der Konkursmasse festzustellen, verwies das RG zurück. Für die Frage einer Anfechtung mittelbarer Benachteiligungen ist das Urteil insoweit von Bedeutung, als das RG erkennt, dass dieser bei komplexen Rechtsgeschäften nicht ohne genaue Feststellungen formelhaft angenommen werden kann. Zugleich betont das RG, dass es auf eine exakte Feststellung ankommt, was den Gegenstand der Anfechtung bildet. Die zur mittelbaren Benachteiligung ergangenen Urteile des BGH befassen sich – in den aufgezeigten Fallgruppen – ebenfalls mit diesen Problemen, führen sie jedoch einer einfacheren Lösung als der des RG zu, wie die Erörterung des Ausgangsfalls zeigen wird 497. (iv)
Differenzhypothese und wirtschaftliche Betrachtungsweise
Die Feststellung der Gläubigerbenachteiligung ist im Wege eines Vergleichs der tatsächlichen und der hypothetischen Vermögenslage vorzunehmen. Ergibt der Vergleich, dass die hypothetische Vermögenslage zu einer besseren Gläubigerbefriedigung geführt hätte als dies aufgrund der angefochtenen Rechtshandlung tatsächlich der Fall ist, liegt eine Gläubigerbenachteiligung vor 498. Sollte ohne die in Frage stehende Rechtshandlung die Befriedigungsmöglichkeit der Gläubiger in keiner Weise verbessert sein, scheidet eine Insolvenzanfechtung hingegen aus.
495 496 497 498
RGZ 114, 206, 210. RGZ a.a.O. Siehe unten III.4.b)aa)(3), III.4.b)dd). Sog. Differenzhypothese. Dazu Häsemeyer, Rz. 21.19; Zeuner, S. 35.
107
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
In einem ersten Schritt ist zu ermitteln, welche Vermögenswerte unter Berücksichtigung der angefochtenen Rechtshandlung, d.h. tatsächlich, zur Haftungsrealisierung zur Verfügung stehen. Diese Prüfung kann unproblematisch anhand der vom Insolvenzverwalter aufzustellenden Vermögensübersichten und Forderungstabellen vorgenommen werden 499. Vermögen, das keinen realisierbaren Wert darstellt, bleibt bei der Ermittlung unberücksichtigt. Dies trifft etwa auf freie Insolvenzmasse, zedierte Forderungen oder auch wertausschöpfend belastete Grundstücke zu. Die weitaus schwierigere Frage, nämlich wie sich die Vermögenslage des Schuldners bei Wegdenken der angefochtenen Rechtshandlung gestaltet hätte, ist in einem zweiten Schritt zu beantworten. Dieses Wahrscheinlichkeitsurteil bildet die Schwachstelle der Differenzhypothese, ist aber unverzichtbar 500. Dabei muss wiederum in zwei Teilschritten vorgegangen werden. Zunächst werden diejenigen Vermögenswerte, die infolge der angefochtenen Rechtshandlung nicht mehr im Vermögen des Schuldners vorhanden sind, hinzugerechnet. Vermögen, das aufgrund der angefochtenen Rechtshandlung dem Schuldner zugeflossen ist, muss wertmindernd in Abzug gebracht werden. Das Ergebnis der Prüfung ist die um die anfechtbare Rechtshandlung bereinigte, hypothetische Vermögenslage des Schuldners. Ist die in ihr verkörperte Haftungsmasse größer als die im ersten Schritt ermittelte tatsächliche Haftungsmasse, liegt eine Gläubigerbenachteiligung vor. Bei der Prüfung, ob eine Gläubigerbenachteiligung vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden 501. Dieser Ansatz hat in der Kommentarliteratur weitgehend Zustimmung gefunden 502. Nach teilweise vertretener Ansicht 503 soll sogar ausschließlich auf wirtschaftliche Kriterien abgestellt werden. Bedenken gegen eine Aufgabe der formaljuristischen zugunsten einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise finden sich vor allem bei Jaeger/Henckel 504. Danach sei zwar richtig, dass die Anwendung der Anfechtungsnormen voraussetze, dass die wirtschaftlichen Vorgänge erkannt und verstanden würden. Wirtschaftliche Gesichtspunkte seien aber keine subsumtionsfähigen Normen und könnten daher nur Hilfsmittel zur Erfassung der subsumierbaren Tatsachen sein. Ein Rückgriff auf einen vermeintlich normativen Gehalt wirtschaftlicher Gesichtspunkte sei damit entbehrlich 505. Häsemeyer 506 meint, die von der Rechtsprechung bevorzugte wirtschaftliche Betrachtungsweise indiziere hier wie stets den Verzicht auf gefor-
499 Zu den Pflichten des Verwalters vgl. die §§ 151 ff., 174 InsO. 500 Häsemeyer, Fn. 54 zu Rz. 21.19. 501 BGH ZIP 1981, 1206 ff.; vgl. auch OLG Braunschweig, MDR 1950, 356; BGH NJW 1980, 1580; BGH NJW 1980, 1964. 502 Uhlenbruck, § 129 Rz. 1 a.E.; Hess/Weis, § 129 Rz. 64; Wimmer/Dauernheim, S. 584, 592; MK-InsO/Kirchhof, § 129 Rz. 100; Smid, § 129 Rz. 2 f.; Zeuner, S. 35; Kilger/Schmidt, § 29 Rz. 1a. 503 Haarmeyer/Wutzke/Förster, S. 638 unter Verweis auf BGH WM 1985, 734; Hess/Weis, Anfechtung, § 129 Rz. 64 unter Verweis auf BGH WM 1981, 1206. 504 Jaeger/Henckel, § 29 Rz. 2. 505 Jaeger/Henckel a.a.O. unter Verweis auf BGHZ 72, 39, 41; BGH LM § 37 KO Nr. 3 = WM 1955, 407, 409; BGH ZIP 1981, 1229. 506 Häsemeyer, Rz. 21.19.
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4. Würdigung und Lösung
derte juristische Begriffsbildungen und Begründungen. Paulus 507 lehnt eine wirtschaftliche Betrachtungsweise schließlich als grundsätzlich unjuristisch ab. Obwohl die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Rahmen der Insolvenzanfechtung als gesichert gelten darf, soll auf die Kritik eingegangen werden. Ihr ist zuzugeben, dass eine wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht das juristische Argument ersetzen kann. Das ist aber auch nicht ihr Anliegen. Der subsumtionsfähige Begriff bleibt die Gläubigerbenachteiligung. Da sich aus diesem Begriff aber allein keine Anhaltspunkte ergeben, wann eine Gläubigerbenachteiligung vorliegt, bedarf er der inhaltlichen Ausgestaltung. Das Ziel der Insolvenzanfechtung, die Haftungsmasse in ihrem hypothetischen Bestand wieder herzustellen, muss dabei die Richtschnur sein. Eine rein juristische Begriffsbildung muss dabei scheitern, weil sie Zusammenhänge in Gesamtvorgängen nur unzureichend darzustellen vermag. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise wird beispielsweise zur Bestimmung des Anfechtungsgegenstandes 508, der Person des Anfechtungsgegners bei mittelbaren Zuwendungen509, der inhaltlichen Bestimmung des Rückgewähranspruchs 510 sowie der zeitlichen Grenzen eines Bargeschäfts 511 herangezogen. Die in Frage stehende Vermögensverschiebung in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung zu erfassen, bedeutet daher nicht den Verzicht auf juristische Argumentation, sondern das Gebot, nicht bei juristischen Zwischenschritten stehen zu bleiben 512. So wünschenswert eine rein formaljuristische Erfassung wirtschaftlicher Zusammenhänge sein mag, kann sie die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Insolvenzanfechtungsrecht nicht ersetzen. (v)
Vorteilsausgleichung
Für die Frage, ob eine Gläubigerbenachteiligung vorliegt, ist der Umstand, dass die angefochtene Rechtshandlung im ursächlichen Zusammenhang mit anderen Ereignissen der Insolvenzmasse auch Vorteile gebracht hat, die keine vollwertige Gegenleistung für die bewirkte Vermögensminderung darstellen, unerheblich 513. Vorteile, die der Insolvenzmasse im Zusammenhang mit der anfechtbaren Rechtshandlung erwachsen, werden von Rechtsprechung und Lehre bei der Ermittlung der Gläubigerbenachteiligung (ebenso wie des Rückgewähranspruchs nach § 143 InsO) nicht berücksichtigt 514. Die Rechtsnatur der Insolvenzanfechtung, die sich von einem Schadensersatzanspruch – dem eigentlichen Anwendungsbereich der Vorteilsausgleichung – unterscheide 515 und auch nicht entsprechend anwendbar
507 Kübler/Prütting/Paulus, § 129 Rz. 14. 508 BGH WM 1971, 908 f. 509 BGH NJW 1978, 1921 ff.; BGH NJW 1995, 1093 ff. m.w.N. 510 BGH WM 1971, 908 f.; BGH ZIP 1998, 2165 ff. 511 BGH NJW 1955, 709; BGH NJW 1977, 718; Uhlenbruck, § 142 Rz. 14. 512 MK-InsO/Kirchhof, § 129 Rz. 108. 513 St. Rspr. seit RGZ 100, 90; BGH LM § 30 KO Nr. 1; BGH WM 1964, 1167. 514 Insoweit zumindest missverständlich BGH LM § 37 KO Nr. 8. 515 Uhlenbruck, § 143 Rz. 23; Jaeger/Henckel, § 37 Rz. 135; Hess/Weis, § 143 Rz. 101; Smid, § 143 Rz. 18; MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 84.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
sei 516, verbiete den Rückgriff auf die Rechtsfigur der Vorteilsanrechnung. Diese führe allein dazu, dass ein bereits entstandener Schadensersatzanspruch gemindert werde; auf die Entstehung des Anspruchs selbst hätten im Zusammenhang mit dem Schadensereignis erlangte Vorteile keinen Einfluss. Der Anwendungsbereich der Vorteilsanrechnung ist daher auf der Rechtsfolgenseite von Schadensersatzansprüchen, genauer den §§ 249 ff. BGB, zu verorten. b)
Ausgangsfall
Diese Grundsätze sind nunmehr auf den Ausgangsfall anzuwenden, wobei sich die Prüfungsreihenfolge – §§ 130, 132 InsO – an derjenigen des BGH orientiert. aa)
Anfechtung gemäß § 130 InsO
(1)
Normativer Ausgangspunkt
Die Zahlung könnte gemäß § 130 InsO anfechtbar sein. Da der Zahlung eine Verbindlichkeit zugrunde lag, der Anfechtungsgegner also einen Anspruch auf die Zahlung hatte, stellt die Befriedigung der Alt- und Neuverbindlichkeiten eine kongruente Deckung dar. Die Deckung erfolgte auch – trotz des vom Gläubiger ausgeübten Drucks – in der richtigen Art und Weise. Die von § 131 InsO geforderte Intensität erreicht er nicht. Danach können zwar auch Druckzahlungen anfechtbar sein, etwa wenn der Gläubiger gedroht hat, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzuleiten oder einen Insolvenzantrag über das Vermögen des Schuldners zu stellen 517. Eine solche Drohung hätte den vorläufigen Insolvenzverwalter jedoch unbeeindruckt gelassen. Maßnahmen der Zwangsvollstreckung durch Insolvenzgläubiger hätte er, sofern nicht bereits im Bestellungsbeschluss untersagt, durch einen hierauf gerichteten Antrag verhindern können. Die vom Gläubiger erstrebte Befriedigung verstieß zwar gegen den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, den § 131 InsO auf den 3-Monatszeitraum vor Antragstellung ausdehnt, jedoch sollte die Zahlung nicht mit Hilfe staatlicher Mittel erreicht werden. Allein die Tatsache, dass die verwaltete Vermögensmasse eine erhebliche Schmälerung erfahren kann, ist mit der Drohung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht vergleichbar. Eine Prüfung wegen inkongruenter Deckung gemäß § 131 InsO scheidet daher aus. § 132 InsO scheidet aus, da die Zahlung eine Handlung darstellt, also kein Rechtsgeschäft vorliegt.
516 AllgM: Smid, § 143 Rz. 18; MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 84; Hess/Weis, § 143 Rz. 101; Jaeger/Henckel, § 37 Rz. 135; Uhlenbruck, § 129 Rz. 93; ders. § 143 Rz. 23. Die Behandlung der Vorteilsausgleichung bei Kübler/Prütting/Paulus unter § 142 Rz. 16 im Rahmen des Bargeschäfts ist insoweit missglückt. Uhlenbruck behandelt die Problematik unter § 129 und § 143; eine Klarstellung, dass es allein um eine Minderung des Rückgewähranspruchs gehen kann, findet sich nicht. 517 Vgl. BGH ZIP 2004, 319 ff.; BGH WM 2002, 1193 ff.; BGHZ 136, 309, 311 f.; OLG Jena ZIP 2000, 1734, 1735. Dies gilt allerdings nur für den „kritischen“ Dreimonatszeitraum vor Antragstellung, vgl. BGHZ 155, 75 ff.
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4. Würdigung und Lösung
(2)
Rechtshandlung
Angefochtene Rechtshandlung ist die Zahlung. Diese war allein vom „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter veranlasst worden. Auf eine Differenzierung danach, ob hierin zwei Rechtshandlungen zu sehen sind – Zahlung auf die Altverbindlichkeit und Zahlung auf die Neuverbindlichkeit –, kam es nicht an. Denn nach dem weiten Verständnis des BGH von der Teilbarkeit von Rechtshandlungen im Rahmen der §§ 103, 105 InsO wäre es möglich, den einheitlichen Zahlungsvorgang nach den ihm innewohnenden Tilgungsbestimmungen in zwei Teile zu spalten und allein die Zahlung der Altverbindlichkeit als Gegenstand der Anfechtung zu betrachten. (3)
Gläubigerbenachteiligung
Ob die Zahlung auf die Altverbindlichkeit die Insolvenzgläubiger benachteiligte, ließ der BGH ausdrücklich offen, da die Anfechtbarkeit möglicherweise wegen der Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters scheitere. Zur Begründung beruft sich der BGH auf den gesetzgeberischen Willen, der zwar mit der Schaffung des Zustimmungsvorbehalts die künftige Insolvenzmasse habe schützen, nicht jedoch zugleich das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Insolvenzbeständigkeit von Zustimmungen eines derart ausgestatten vorläufigen Insolvenzverwalters erschüttern wollen 518. Zu Recht kritisieren Franke/Böhme, dass diese Auffassung dem Sicherungszweck der §§ 21 ff. InsO zuwiderläuft. Gemäß § 21 Abs. 1 InsO ist es Zweck jeder gerichtlichen Anordnung im Insolvenzantragsverfahren, die verwaltete Vermögensmasse vor nachteiligen Vermögensveränderungen zu schützen. Hierfür kann das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen. Eine Aussage über die Insolvenzbeständigkeit von Rechtshandlungen, die mit Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters oder durch den „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter vorgenommen wurden, kann hieraus nicht abgeleitet werden. Rechtshandlungen jedes vorläufigen Insolvenzverwalters können nichtig sein, wie der BGH in seinen Entscheidungen ausführt. Einen uneingeschränkten Schutz von Verwalterhandlungen gibt es danach nicht. Ferner hat der spätere Insolvenzverwalter auch die Rechtshandlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters daraufhin zu prüfen, ob diese ggf. anfechtbar sind. Dass Rechtshandlungen des Sequesters grundsätzlich anfechtbar sind, war allgemeine Auffassung zur Konkursordnung. Hieran hat auch die Insolvenzordnung nichts geändert. Rechtshandlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters sind grundsätzlich anfechtbar. Eine Anfechtung scheidet nur aus, sofern der starke vorläufige Insolvenzverwalter Verbindlichkeiten begründet hat. Das beruht aber auf der gesetzgeberischen Erwägung, dass diesem Verwaltertypus ein stärkeres Vertrauen entgegenkommen soll und über § 55 Abs. 2 InsO die von ihm begründeten Verbindlichkeiten nach Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten gelten. Damit sind die Geschäftspartner des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters keine Insolvenzgläubiger, wie die
518
BGH ZIP 2003, 810, 811 sub II.1.b.
111
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
§§ 129 ff. InsO voraussetzen. Der Gesetzgeber hat den Vertrauensschutz mithin je nach Verwaltertypus abgestuft. Jedoch ist auch im Falle der „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung das Vertrauen des Geschäftspartners dann nicht gegeben, wenn der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter Insolvenzforderungen befriedigt. Die auf eine Insolvenzforderung geleistete Zahlung des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters ist ebenso anfechtbar wie die eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters. Raum für die vom BGH behauptete Schutzbedürftigkeit des Rechtsverkehrs in die Insolvenzbeständigkeit der Zustimmung eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters bleibt nicht. Als Ergebnis dieser Überlegungen wird die vom BGH offen gelassene Frage der Gläubigerbenachteiligung sodann prüfungsrelevant. (a)
Gleichwertige Gegenleistung
Da § 130 InsO eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht voraussetzt, ist eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ausreichend. Diese liegt vor, wenn entweder die Zahlung oder ein später eintretender Umstand dazu führen, dass die Befriedigungsaussichten der übrigen Insolvenzgläubiger beeinträchtigt wurden. Die Begründung einer solchen – mittelbaren – Gläubigerbenachteiligung scheint zunächst einfach. Da der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter auf Insolvenzforderungen zahlte, die im späteren Insolvenzverfahren nur in Höhe der Quote zu erfüllen gewesen wären, verkürzte er die verwaltete Vermögensmasse um den zwischen der Quote und der Zahlung liegenden Differenzbetrag. Unterstellt man beispielsweise, die Insolvenzgläubiger wären im Ausgangsfall mit einer Quote von 5 % zu befriedigen gewesen, hätte der Kläger 95 % zuviel auf die Altverbindlichkeit an die Beklagte gezahlt, also DM 41.760,00 × 0,95 = DM 39.672,00. (b)
Berücksichtigung von Fernwirkungen
Eine gleichwertige Gegenleistung könnte aber vorgelegen haben, wenn man den späteren Gewinn, der ohne die Leistungen der Beklagten nicht erzielt worden wäre, berücksichtigen müsste. In diesem Fall könnte die Rechnung wie folgt aussehen: Nachteil aus der Zahlung auf Altverbindlichkeiten DM 39.672,00 zzgl. Gewinn aus Geschäftsfortführung DM 300.000,00 gleich Verbesserung der Masse um rund DM 260.000,00. Die Zahlung auf die Altverbindlichkeiten hätte der verwalteten Vermögensmasse in diesem Fall zwar zunächst einen Nachteil gebracht. Dieser wäre durch den aus der Betriebsfortführung erzielten Gewinn jedoch vollständig ausgeglichen worden, so dass für die verwaltete Vermögensmasse ein Vorteil verblieben wäre. Eine solche Betrachtung lehnt der BGH im Rahmen seiner Ausführungen zur unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung des § 132 InsO ab. Hierfür führt er verschiedene Argumente ins Feld: Zunächst gebiete der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, dass alle Insolvenzgläubiger an einem derartigen Vorteil – gemeint ist die Zahlung auf die Altverbindlichkeit – teilhaben. Selbst wenn das Vorgehen des Gläubigers, der eine weitere Kooperation von der Gewährung von Sondervorteilen abhängig mache, im Einzelfall nicht verwerflich erscheinen sollte, führe der „krasse Verstoß“ gegen den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung
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4. Würdigung und Lösung
dazu, dass anderen Gläubigern kaum begreiflich zu machen wäre, weshalb gerade sie auf eine bevorzugte Behandlung verzichten sollten (Nachahmungseffekt!). Hinzu komme, dass der vorläufige Insolvenzverwalter in dem Zeitpunkt, in dem die Bevorzugung des Gläubigers stattfindet, nur selten abschätzen könne, ob sich das Nachgeben für die Masse wirklich lohnt. (c)
Nachahmungseffekt
Zweifelhaft ist die Behauptung des BGH, die übrigen Gläubiger könnten wohl nicht nachvollziehen, weshalb gerade sie auf eine bevorzugte Behandlung verzichten sollten. Die den Entscheidungen vom 13.03.2003 zugrunde liegenden Bevorzugungen einzelner Gläubiger beruhten darauf, dass diese – und das ist der entscheidende Unterschied – marktstark und der vorläufige Insolvenzverwalter auf ihre Mitwirkung bei der Betriebsfortführung angewiesen war. Hätte sich im Ausgangsfall die Beklagte geweigert, die Einzelteile der Anlage zusammenzusetzen, diese in Betrieb zu nehmen und das Personal einzuweisen, wäre eine Betriebsfortführung ebenso unmöglich gewesen wie im zweiten Fall. Die dort benötigte Waage war zur Betriebsfortführung unabdingbar. Die aus der Betriebsfortführung resultierenden Vorteile für die verwaltete Vermögensmasse wären ohne die bevorzugten Gläubiger nicht möglich gewesen. Allein aus diesem Grund entschlossen sich die Kläger zur Zahlung der Altverbindlichkeiten. Wären sie auf eine weitere Zusammenarbeit mit den Gläubigern nicht angewiesen gewesen, hätten sie sich zum einen um Ersatz der vom Gläubiger in Aussicht gestellten Leistung / Lieferung bemüht und zum anderen die Bezahlung auf Altverbindlichkeiten unter Hinweis auf deren Unvereinbarkeit mit den Vorschriften der Insolvenzordnung abgelehnt. Diese Unterscheidung zwischen Gläubigern, auf deren Mitwirkung verzichtet werden kann und solchen, die hierfür notwendig sind, leuchtet unmittelbar ein. Wirtschaftliche und rechtliche Stellung divergieren hier und lassen es auch aus Sicht der übrigen Insolvenzgläubiger zweckmäßig erscheinen, den marktstarken und für die Betriebsfortführung notwendigen Gläubiger zu bevorzugen, wenn dies letztlich zu einer Mehrung der verwalteten Vermögensmasse führt. (d)
Prognosegefahr
Dabei wird den Insolvenzgläubigern daran gelegen sein, dass die Mehrung der verwalteten Vermögensmasse nicht nur voraussichtlich, sondern auch tatsächlich eintritt. Eine Spekulation zu ihren Lasten liegt keinesfalls in ihrem Interesse. Gerade diesem Risiko will der BGH entgegentreten, wenn er meint, dass der Insolvenzverwalter in dem Zeitpunkt, in dem die Bevorzugung stattfindet, nur selten zuverlässig abschätzen könne, ob sich das Nachgeben für die Masse wirklich lohnt. Dementsprechend differenziert der Begriff der Gläubigerbenachteiligung zwischen dem Zeitpunkt, zu welchem der Vorteil und der Nachteil für die verwaltete Vermögensmasse eintreten können. Während die Definition der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung verlangt, dass zeitlich nur unmittelbare Vor- und Nachteile zu berücksichtigen sind, reicht es im Falle der mittelbaren Benachteiligung, wenn der Nachteil zu einem späteren Zeitpunkt eintritt. In beiden Fällen aber muss der Vor-
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
teil sofort eintreten. Eine spätere, wenn auch erwartete oder sichere Aussicht, dass der Vorteil eintreten wird, reicht gerade nicht aus, um die Gläubigerbenachteiligung zu beseitigen. Dem Risiko, dass sich der erwartete Vorteil durch die Betriebsfortführung nicht verwirklicht, kann der vorläufige Insolvenzverwalter nur durch eine gründliche Ermittlung und sorgfältige Ertrags- und Liquiditätsplanung begegnen. Ausschließen kann er es nicht. Dennoch steht der Anfechtbarkeit der Zahlung der Zweck der §§ 129 ff. InsO entgegen, wenn sich der erwartete Vermögensvorteil bis zur Verfahrenseröffnung tatsächlich verwirklicht. In diesem Fall ist fraglich, ob der Rückgewähranspruch zur Durchsetzung des Haftungsinteresses der Insolvenzgläubiger erforderlich ist, da sie bereits an dem Vorteil aus der Betriebsfortführung partizipieren. Ob ihr Haftungsinteresse bestmöglich befriedigt wurde, kann vor allem anhand der Schlussrechnung nach § 66 InsO nachvollzogen werden 519. Danach hat der Insolvenzverwalter bei der Beendigung seines Amtes Rechnung zu legen. Sie besteht aus einer Einnahmen- und Ausgabenrechnung, einer Vermögensübersicht und einem Bericht über die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters 520. Sofern eine Geschäftsfortführung erfolgte, kann der Schlussrechnung entnommen werden, ob diese im Interesse der Gläubiger lag, also die Insolvenzmasse vermehrt oder zumindest nicht geschmälert wurde 521. Sofern die Einnahmen- und Ausgabenrechnung einen Überschuss oder eine Null ausweist, bestehen keine Zweifel daran, dass die Geschäftsfortführung im Interesse der Gläubigergesamtheit lag. Im Insolvenzantragsverfahren kann diese Beurteilung sogar noch auf solche Geschäftsfortführungen zu erweitern sein, die anhand der Einnahmen- und Ausgabenrechnung einen Fehlbetrag ausweisen, sofern das Vermögen des Schuldners insgesamt erhalten wurde. Das belegt § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO für die „starke“ vorläufige Insolvenzverwaltung und gilt aufgrund der gleichartigen Interessenlage 522 auch für die „schwache“ vorläufige Insolvenzverwaltung. (e)
Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz
Aus der Zulässigkeit einer solchen – wirtschaftlich vorteilhaften – Geschäftsfortführung im vorläufigen Insolvenzverfahren ist allerdings noch keine zwingende Aussage darüber gewonnen, ob die einzelnen Maßnahmen auch anfechtungsrechtlich irrelevant sind. Anders als die Schlussrechnung, die das gesamte wirtschaftliche Ergebnis periodenbezogen darstellt, beschränkt sich die Prüfung im Rahmen der
519 § 66 InsO gilt gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO für den vorläufigen Insolvenzverwalter entsprechend. Auf die Schlussrechnung kann nur ausnahmsweise verzichtet werden, etwa wenn die vorläufige Insolvenzverwaltung wegen Antragsrücknahme oder Abweisung mangels Masse sehr kurz gedauert hat. Vgl. KS-Uhlenbruck, 325, 354; Nerlich/Römermann, § 66 Rz. 15. 520 OLG Dresden, KuT 1936, 92; Jaeger/Henckel, § 86 Rz. 9; Nerlich/Römermann, § 66 Rz. 15. 521 Krämer/Pink; Fach 2, Kap. 16 Rz. 80; Bähner, KTS 1991, 347, 360 f.; Nerlich/Römermann, § 66 Rz. 19. Bei der Schlussrechnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung ist wegen § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Hs. 2 InsO ggf. auch zu prüfen, ob eine durch die Geschäftsfortführung eingetretene Verminderung des Vermögens erheblich ist. 522 Siehe oben II.3.b), II.5.
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4. Würdigung und Lösung
Insolvenzanfechtung auf einzelne Rechtshandlungen. Nur die durch sie ausgelösten Vor- und Nachteile sind prüfungsrelevant, so dass auch bei einer insgesamt erfolgreichen Geschäftsfortführung einzelne Rechtshandlungen der Insolvenzanfechtung unterworfen sein können. Die vom vorläufigen Insolvenzverwalter vorgelegte Schlussrechnung ist aber auch hier insoweit von Bedeutung, als ihr alle Vermögenswerte des Schuldners sowie deren Entwicklung im Insolvenzantragsverfahren entnommen werden können. Wäre eine Geschäftsfortführung teilweise oder ganz unmöglich gewesen, wenn die angefochtene Rechtshandlung unterblieben wäre, sind grundsätzlich alle mit der angefochtenen Rechtshandlung verbundenen Vorund Nachteile in die Beurteilung einer Gläubigerbenachteiligung einzubeziehen. Die Auffassung des BGH ist eine andere. Danach sollen nur solche Vorteile Berücksichtigung finden, die eine gleichwertige Gegenleistung für den weggegebenen Vermögenswert darstellen oder, sofern der Vorteil keine Gegenleistung ist, sonstige Vorteile, die mit dem Vermögensopfer unmittelbar zusammenhängen. Allein eine finale Verknüpfung zwischen Vermögensopfer und Vorteil soll in letzterem Fall nicht ausreichen. Nur dieser Fall ist hier relevant. Dass nämlich die aus der Geschäftsfortführung erlösten DM 300.000,00 eine Gegenleistung des Beklagten darstellen, wurde nicht behauptet und wäre an der Sache vorbei. Als Gegenleistung des Beklagten kommt nur seine Restleistung in Betracht. Der Betrag von DM 300.000,00 wurde dagegen vom Auftraggeber des Schuldners gezahlt und stand mit der Restleistung allenfalls mittelbar in Zusammenhang. Zu fragen ist deshalb, ob die DM 300.000,00 als sonstiger Vorteil unmittelbar mit dem Vermögensopfer zusammenhängen. Final oder zeitbezogen will der BGH diese Verknüpfung nicht verstanden wissen. Entscheidend ist eine kausale Verknüpfung 523 derart, dass der Vorteil gerade Folge des in Kauf genommenen Nachteils ist. Beispielhaft führt der BGH einige Urteile ins Feld: (i)
BGH BB 1952, 868 f.
In seinem ersten Urteil des BGH 524 ging es um die Anfechtbarkeit einer Sicherungsübereignung, die den Stromlieferanten vor Ausfällen schützen sollte. Zur Verweigerung der Leistung war der Stromlieferant berechtigt. Die Entstehung des Anfechtungsanspruchs, so der BGH, könne nicht durch Vorteile, die im Zusammenhang mit anderen Ereignissen der Masse auch Vorteile gebracht haben, gehindert werden. Dies beruhe darauf, dass der konkursrechtliche Rückgewähranspruch nicht mit einem Schadensersatzanspruch gleichbedeutend ist und die Grundsätze der Vorteilsausgleichung deshalb keine Anwendung finden können. (ii)
BGH WM 1960, 377 ff. Fall: Der Gemeinschuldner betrieb eine Tankstelle nebst Garagenbetrieb. Die Tankstelle wurde mit allen zugehörigen Anlagen von der Beklagten errichtet und verblieb
523 524
Vgl. BGH BB 1952, 868. BGH BB 1952, 868 f.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung in deren Eigentum. Das Grundstück pachtete der Gemeinschuldner von der Eigentümerin A., die hierauf eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit eintragen ließ, die den Betrieb der Tankstelle sicherte. Mit der Beklagten schloss der Gemeinschuldner einen sog. Zapfstellenvertrag, wonach sich die Beklagte verpflichtete, den Gemeinschuldner mit Treib- und Schmierstoffen zu beliefern und ihm ein Darlehen von DM 80.000,00 zu gewähren. Im Gegenzug verpflichtete sich der Gemeinschuldner, ausschließlich Erzeugnisse der Beklagten zu verkaufen. Das hierfür vereinnahmte Entgelt sollte unmittelbar in das Eigentum der Beklagten übergehen; der Gemeinschuldner eine umsatzorientierte Vergütung erhalten. Nachdem der Gemeinschuldner mit der Rückführung des Darlehens in Verzug gekommen und die Beklagte deshalb in den Pachtvertrag eingetreten war, bemühte sich der Gemeinschuldner mit Zustimmung der Beklagten, den Geschäftsbetrieb zu veräußern. Am 10.12.1953 verkaufte er den Geschäftsbetrieb an die L. gegen Zahlung eines Kaufpreises von DM 240.000,00. Zuvor hatte die Beklagte ihre Bereitschaft, mit der L. einen Zapfstellenvertrag zu schließen, davon abhängig gemacht, dass diese an sie – die Beklagte – DM 80.000,00 zahlt. Die L. schloss daher mit der Beklagten und dem Gemeinschuldner eine weitere Vereinbarung, nach der die L. der Beklagten unter Anrechnung auf den an den Gemeinschuldner zu zahlenden Kaufpreis DM 80.000,00 schuldete (im Folgenden: Schuldübernahme). Am 16.12.1953 stellte der Gemeinschuldner den Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens über sein Vermögen, am 22.05.1954 wurde das Anschlusskonkursverfahren über sein Vermögen eröffnet. Der zum Konkursverwalter bestellte Kläger focht die Schuldübernahme gemäß den §§ 30 Nr. 2 KO, 107 Abs. 1 VglO an und begehrte die Rückabtretung dieser Forderung, hilfsweise Zahlung von DM 80.000,00.
Der BGH bestätigte zunächst seine Auffassung, dass die Grundsätze der Vorteilsausgleichung auf das Anfechtungsrecht keine Anwendung finden. Vorteile, die in ursächlichem Zusammenhang mit anderen als der benachteiligenden Rechtshandlung stehen, seien daher nicht zu berücksichtigen 525. Im vorliegenden Fall sei jedoch für die Schuldübernahme, deren Folge die Verkürzung der Kaufpreisforderung wäre, kein anderes der Konkursmasse vorteilhaftes Ereignis hinzugetreten. Vielmehr sei der Gemeinschuldner durch die Schuldübernahme erst in die Lage versetzt worden, zu einem angemessenen Preis zu veräußern. Dem Vermögen des Gemeinschuldners solle ein Vorteil zugeflossen sein, der sich in der Konkursmasse erhalten hat. Das könne genügen, um eine Gläubigerbenachteiligung auszuschließen. Allerdings habe die Rechtsprechung dem Gedanken Ausdruck gegeben, dass Vorteile, die im Zusammenhang mit anderen Ereignissen erwachsen seien, jedoch keine Gegenleistung für die durch die Handlung des Gemeinschuldners bezweckte Vermögensminderung darstellen, das Anfechtungsrecht nicht hinderten. Daraus folge aber nicht, dass eine Benachteiligung nur ausgeschlossen sei, wenn der eingetretene Vermögenszuwachs gerade die Gegenleistung für die Handlung ist, durch die das Vermögen vermindert wird. Habe die Rechtshandlung des Gemeinschuldners unmittelbar zu einem Vermögensvorteil geführt, könne es nicht darauf ankommen, ob dieser Vorteil zu der Rechtshandlung aufgrund eines gegenseitigen Vertrages im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stehe oder aber aus sonstigen Gründen
525 BGH WM 1960, 377, 379 unter Bezugnahme auf das zu § 30 Nr. 2 KO ergangene Urteil BGH LM KO § 30 Nr. 1 = BGH BB 1952, 868 f.
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4. Würdigung und Lösung
die Folge der Rechtshandlung ist. Es komme darauf an, ob rein rechnerisch den Konkursgläubigern eine geringere Vermögensmasse deshalb zur Verfügung steht, weil die L. verpflichtet war, an Stelle des vereinbarten Kaufpreises von DM 240.000,00 nur einen Betrag von DM 160.000,00 zu zahlen 526. Es frage sich daher, ob der Konkursverwalter, wenn er ihn selbst verwertet hätte, für den Geschäftsbetrieb einen Erlös von mehr als DM 160.000,00 hätte erzielen können. In diesem Zusammenhang hatte die Beklagte auch vorgetragen, dass sie nach den Bestimmungen des Zapfstellenvertrages nicht verpflichtet gewesen sei, einen ihr vom Konkursverwalter vorgeschlagenen Nachfolger des Gemeinschuldners im Tankstellenbetrieb anzunehmen. Sie habe vielmehr das Recht gehabt, entweder das Grundstück selbst zu nutzen und dadurch ihre Aufwendungen herauszuwirtschaften, oder die Genehmigung zum Eintritt eines neuen Tankstellenbetreibers unter Bedingungen zu erteilen, die sie für ihre Darlehensforderungen sicherten. Zur weiteren Feststellung hierzu verwies der BGH die Sache an die Vorinstanz zurück. Das Urteil weist in die richtige Richtung, allerdings unter einer falschen Prämisse. Der BGH erachtet die Einwendungen dem Grunde nach, sofern die erneute Verhandlung in der Vorinstanz diesen Tatsachenvortrag bestätigen sollte, für erheblich. Danach kam es nicht nur auf die angefochtene Schuldübernahme an, sondern auch auf die Verwertbarkeit des Zapfstellenbetriebes überhaupt. Dabei sollen die Vorteile den Nachteilen rechnerisch gegenübergestellt werden, wobei eine Anfechtbarkeit der Schuldübernahme dann anzunehmen ist, wenn der Konkursverwalter besser – also gegen ein geringeres Entgelt als DM 80.000,00 – das Vermögen des Gemeinschuldners hätte verwerten können. Leider stützte der BGH diese Überlegungen nicht auf die Anerkennung von Fernwirkungen, sondern auf den Umstand, dass die Vorteile unmittelbar eingetreten sein könnten. (iii)
BGH WM 1994, 449 ff.
In einem weiteren Fall befasste sich die Schuldnerin mit der Installation und Betreibung einer Breitbandkabelanlage. Wäre der Vertrag zur Durchführung gelangt, hätte die Schuldnerin wirtschaftliche Vorteile erzielt. Für den Fall der Insolvenz hatte sich die beklagte Stadt ein Kündigungsrecht vorbehalten, das unter anderem vorsah, dass die bereits installierten und der Schuldnerin gehörenden Kabelanlagen in ihr Eigentum übergehen sollten. Durch diese Vereinbarung sah der BGH die Gläubiger als benachteiligt an. Dass die Schuldnerin bei ungestörter wirtschaftlicher Durchführung Vorteile erzielt hätte, konnte die Gläubigerbenachteiligung nicht beseitigen. Dieser – hypothetische – Vorteil konnte natürlich keiner sein, der die Gläubigerbenachteiligung ausschloss. Logisch schließen sich die Varianten erfolgreiche bzw. erfolglose Vertragsdurchführung aus. Dass ein nur möglicher Vorteil einen tatsächlich eingetretenen Nachteil ausgleichen soll, erscheint nicht plausibel. Der vorliegende Fall ist anders gelagert: Der tatsächlich eingetretene Nachteil (Zahlung DM 70.000,00) wird auch tatsächlich von einem Vorteil (Zahlung 526
BGH WM 1960, 377, 379.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
DM 300.000,00) ausgeglichen. Beide Ereignisse schließen einander nicht aus. Darüber hinaus war der vom BGH unterstellte Vorteil allgemeiner Natur: Die Chance, Gewinn zu erzielen, besteht bei fast allen Verträgen. Ob und in welchem Umfang er später eintritt, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Das zeigt der zugrunde liegende Fall deutlich: Die Beklagte war zunächst verpflichtet, eine Breitbandkabelanlage zu errichten, wofür etwa drei Jahre Bauzeit und ein Investitionsvolumen von DM 13,0 Mio. veranschlagt waren. Erst danach wäre sie in der Lage gewesen, Einwohnern des Vertragsgebietes Kabelanschlüsse anzubieten und Umsätze zu machen. Bereits ein Jahr später meldete die Gemeinschuldnerin Konkurs an. Anders als dort geht es in der aktuellen Entscheidung des BGH um einen prognostizierten, konkret bezifferbaren und später tatsächlich eingetretenen Gewinn, der mit dem in Kauf genommenen Nachteil in unmittelbarem Zusammenhang stand. (f)
Maßgeblichkeit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise
Noch einmal: Zweck der Insolvenzanfechtung ist es, die Insolvenzmasse verkürzende Rechtshandlungen aus dem Zeitraum vor der Verfahrenseröffnung rückgängig zu machen und so die Insolvenzmasse in dem Zustand wiederherzustellen, der ohne die anfechtbare Rechtshandlung bestehen würde. Die Insolvenzanfechtung soll nur den Haftungsbestand in seinem ursprünglichen Zustand wieder herstellen, nicht aber der Insolvenzmasse Vorteile verschaffen, die sie ohne die anfechtbare Rechtshandlung nicht erlangt hätte 527. Ficht der Insolvenzverwalter eine Rechtshandlung an, sind im Rahmen der Prüfung, ob hierdurch eine Gläubigerbenachteiligung eingetreten ist, grundsätzlich auch Vorteile, die mit der anfechtbaren Rechtshandlung in Zusammenhang stehen, zu berücksichtigen. Die gegenteilige Ansicht des BGH hat zunächst eines für sich: Sie dient der Rechtsklarheit. Darf der vorläufige Insolvenzverwalter unabhängig von dem zu erzielenden Vorteil für die Insolvenzmasse keinen Insolvenzgläubiger für seine Altverbindlichkeiten befriedigen, werden alle mit dem Rechtsgeschäft verbundenen Risiken vermieden und dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung gedient. Dieser gebietet, dass alle Insolvenzgläubiger an einem der Masse erwachsenden Vorteil teilhaben und wird nach Ansicht des BGH verletzt, wenn einzelne Gläubiger aufgrund einer „starken“ Stellung eine bevorzugte Befriedigung erlangen können. Fraglich ist, ob das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung tatsächlich zu einer derart engen Auffassung zwingt. Das Prinzip der par condicio creditorum besteht nicht zweckfrei, es handelt sich vielmehr um einen dienenden Grundsatz. D.h., er besteht nicht um seiner selbst willen, sondern zur Sicherung der Interessen aller beteiligten Insolvenzgläubiger. Eine Auszehrung der Masse zugunsten einzelner Gläubiger soll vermieden werden, um die Befriedigungsaussichten der übrigen Insolvenzgläubiger nicht zu gefährden. Der Grundsatz kann aber nicht Platz greifen, wenn die angefochtene Rechtshandlung – betrachtet man den Vorgang in seinem wirtschaftlichen Zusammenhang – der Insolvenzmasse einen Vorteil bringt, an dem alle Insolvenzgläubiger (mit Ausnahme des vorweg Befriedigten) teilhaben. Den Focus allein auf 527
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BGH WM 1971, 908; BGH ZIP 1983, 334, 335.
4. Würdigung und Lösung
die zunächst nachteilige Rechtshandlung zu legen und den der Masse erwachsenden Vorteil um des Grundsatzes willen auszublenden, hieße die das Insolvenzanfechtungsrecht beherrschende wirtschaftliche Betrachtungsweise insgesamt aufzugeben. Dem trägt die Rechtsprechung des BGH zum Insolvenzanfechtungsrecht in weiten Teilen Rechnung 528. Geht es um die Beantwortung der Frage, ob eine angefochtene Rechtshandlung der Insolvenzmasse auch Vermögensvorteile gebracht hat, so bedarf es einer wertenden Betrachtung, ob dieser Vorteil gerade auch auf der angefochtenen Rechtshandlung beruht, mit ihr also untrennbar verknüpft ist. Steht der Vermögenszufluss in keinem inneren Zusammenhang zu dieser, kann er auch im Rahmen der Gläubigerbenachteiligung nicht Berücksichtigung finden. Sind die angefochtene und die für die Insolvenzmasse vorteilhafte Rechtshandlung derart miteinander verknüpft, dass die eine um der anderen willen vorgenommen und allein keinen Bestand haben sollte, so ist der hieraus der Insolvenzmasse erwachsende Vermögensvorteil bei der Feststellung der Gläubigerbenachteiligung zu berücksichtigen. Ob aber ein solcher innerer Zusammenhang besteht, kann allein anhand einer wirtschaftlichen Betrachtung aller mit der angefochtenen Rechtshandlung in Beziehung stehenden Vorgänge beurteilt werden. Diese Auffassung berücksichtigt, dass die Insolvenz ein Phänomen der Wirtschaft ist 529. Wie bereits die genannten Beispiele 530 zeigen, sind möglicherweise anfechtbare Rechtshandlungen regelmäßig in Gesamtvorgänge eingebettet. Die anfechtbare Rechtshandlung kann aus diesen juristisch genau erfasst werden; die Frage, ob die Rechtshandlung zugleich eine Gläubigerbenachteiligung zeitigt, kann dagegen nicht aus dem Gesamtvorgang herausgelöst beantwortet werden. Wenn etwa zur einstweiligen Geschäftsfortführung die Bezahlung einer Altverbindlichkeit unumgänglich ist, kommt es darauf an, ob die einstweilige Geschäftsfortführung auch unter diesen Umständen noch dem Sicherungszweck entspricht. Ist diese Frage zu bejahen, dann darf der vorläufige Insolvenzverwalter ausnahmsweise auch Altverbindlichkeiten begleichen. Eine Anfechtbarkeit der Zahlung scheidet in diesen Fällen aus, da der vorläufige Insolvenzverwalter sonst trotz seiner Stellung als gerichtlich eingesetzte Vertrauensperson im Rechtsverkehr nicht ausreichend ernst genommen würde 531. Die Vertragspartner des Schuldners verlassen sich auf die Erklärungen des vorläufigen Insolvenzverwalters unabhängig davon, ob diese im Innenverhältnis pflichtgemäß oder pflichtwidrig abgegeben wurden 532. Einen interessanten und für die Lösung auch des Ausgangsfalles wegweisenden Fall hatte der BGH 533 erst vor kurzem zu entscheiden. Dort hatte sich die spätere Ge-
528 Leithaus, NZI 2003, Heft 8, V. 529 Stüdemann, FS 100 Jahre KO, S. 401. 530 Siehe oben III.4.b)aa)(3)(e). 531 Kleiner, S. 114 zur Sequestration. 532 Kleiner, S. 114. A.A. wohl Pape, DB 1999, 1539, 1540, der von einer uneingeschränkten Anfechtbarkeit ausgeht und meint, dass sich Gläubiger, die sich vom „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter Leistungen versprechen lassen, über die Anfechtbarkeit im Klaren sein müssen. 533 BGH WM 2002, 558 ff. = BGH ZIP 2002, 535 ff. = EWiR 2002, 531 f. mit Anm. Homann.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
meinschuldnerin gegenüber verschiedenen Käufern verpflichtet, ihr Mehrfamilienhaus in Eigentumswohnungen umzubauen und diese lastenfrei zu übereignen. Das Grundstück war mit Grundschulden über den Gesamtkaufpreis hinaus belastet. Die Käufer hatten die Kaufpreise weitgehend bei einem Notar hinterlegt mit der Anweisung, diese bei Fertigstellung und lastenfreier Übertragung an die Gemeinschuldnerin auszuzahlen. Vor Fertigstellung stellte die Gemeinschuldnerin den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens, weshalb die Bauarbeiten ins Stocken gerieten. Die Beteiligten verhandelten über eine Fortführung des Bauvorhabens, in deren Ergebnis die Käufer die Wohnungen gegen eine Kaufpreisreduzierung in unfertigem Zustand übernehmen sollten und die Handwerker ihre Bereitschaft erklärten, nunmehr zu gleichen Konditionen für die Käufer tätig zu werden. Auf die Fortsetzung der Verträge hatten sich die Handwerker aber nur unter der Bedingung eingelassen, dass von dem notariell hinterlegten Gesamtkaufpreis ausstehende Forderungen von rund DM 95.000,00 zu 85 % beglichen würden. Dementsprechend war in den Abänderungsverträgen vereinbart, dass von dem beim Notar hinterlegten Kaufpreis vorab ein entsprechender Betrag an den Beklagten gezahlt werden und dieser wiederum an die Handwerker ausgekehrt werden sollte. Nach abredegemäßer Durchführung wurde das Konkursverfahren eröffnet und der Konkursverwalter verlangte von dem Beklagten nach Anfechtung seiner Zustimmung zu dieser Vereinbarung Erstattung des an den Beklagten geflossenen Betrages. Anknüpfungspunkt für die Diskussion ist das Merkmal der Gläubigerbenachteiligung. Eine Gläubigerbenachteiligung setzt voraus, dass das schuldnerische Vermögen geschmälert oder eine Gläubigerbefriedigung verzögert bzw. erschwert wurde. Die Argumentation des Klägers, der an den Beklagten geflossene Kaufpreisanteil hätte zur Konkursmasse der Gemeinschuldnerin gehört, greift dabei zu kurz 534. Denn eine Schmälerung setzt voraus, dass der Kaufpreisanteil zuvor zur Konkursmasse gehörte. Zu dieser gehört der Kaufpreisanteil aber nur dann, wenn er auch durchsetzbar ist. Das war im Zeitpunkt der Konkursantragstellung, wie der BGH richtig ausführt, aber gerade nicht der Fall. Den Käufern standen gegenüber dem Zahlungsanspruch der Gemeinschuldnerin Zurückbehaltungsrechte zu, da die Wohnungen weder fertig gestellt noch die auf dem Grundstück ruhenden Lasten abgelöst waren. Erst mit Abschluss der Änderungsvereinbarungen wurde der Kaufpreisanspruch von den Zurückbehaltungsrechten befreit und damit für die Gemeinschuldnerin werthaltig 535, es sei denn, der Betrag ist durch die Änderungsvereinbarung gleichzeitig mit einer Treuhandabrede zu Gunsten der späteren Eigentümer belastet worden. In diesem Fall, so der BGH 536, sei der an den Beklagten ausgezahlte Betrag nicht in das Vermögen der Gemeinschuldnerin gelangt, sondern durch den Beklagten als Treuhänder unmittelbar an die Käufer zur Ablösung ihrer Zurückbehaltungsrechte gezahlt worden.
534 535 536
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Homann, EWiR 2002, 531, 532. BGH WM 2002, 558, 560 f. BGH WM 2002, 558, 560.
4. Würdigung und Lösung
Die Frage ist also, ob sich an dieser Betrachtung etwas ändert, wenn eine solche Treuhandabrede nicht angenommen werden kann oder die Gemeinschuldnerin sich in der Änderungsvereinbarung verpflichtet hätte, aus eigenem Vermögen die Handwerker zu bezahlen, um hierdurch die Zurückbehaltungsrechte der Käufer abzulösen und von diesen den Restkaufpreis zu erhalten. In ersterem Fall könnte wiederum eine Treuhandabrede – nunmehr zwischen den Käufern und der Gemeinschuldnerin zugunsten der Handwerker – angenommen werden, so dass der Kaufpreisanteil kein werthaltiger Vermögensbestandteil der Gemeinschuldnerin geworden ist. Eine Gläubigerbenachteiligung läge hier nicht vor. Diese Frage könnte im letzteren Fall anders zu beantworten sein, denn hier hat die Gemeinschuldnerin eigenes Vermögen eingesetzt, um die Zurückbehaltungsrechte abzulösen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Forderungen der Handwerker Altverbindlichkeiten darstellen, deren Befriedigung grundsätzlich verboten ist und zur Anfechtbarkeit führt. Eine Anfechtung ist wegen fehlender Gläubigerbenachteiligung nur ausgeschlossen, wenn der Gemeinschuldnerin zugleich Vermögenswerte in gleicher Höhe zugeflossen sind. Das ist auch hier der Fall. Zunächst verzichteten die Käufer auf ihre Zurückbehaltungsrechte, wodurch der Restkaufpreis zur Konkursmasse gezogen werden kann, der dem aufgewendeten Vermögen entspricht. Dass der Vermögensabfluss zunächst im Verhältnis Gemeinschuldnerin – Handwerker, der Vermögenszufluss dagegen im Verhältnis Käufer – Gemeinschuldnerin erfolgte, ist unbeachtlich, da die Befriedigung der Handwerker nach der Änderungsvereinbarung gerade Voraussetzung zur Aufgabe der Zurückbehaltungsrechte sein sollte und mit dieser unlösbar verknüpft war. Auf eine formaljuristische Trennung der Rechtshandlungen muss dabei verzichtet werden, denn auch im Fall des BGH sollte der Restkaufpreis nicht den Käufern, sondern den Handwerkern zugute kommen. Ließe man zu, dass solche Gesamtlösungen im Nachhinein juristisch „seziert“ werden und zu Vermögensvorteilen für die Masse führen, die diese ohne die Abreden nicht erlangt hätte, kann das für die Vergleichsbereitschaft der Beteiligten im Vorfeld einer Insolvenz nicht förderlich sein 537. Wäre es nicht zu einer einvernehmlichen Lösung zwischen allen Beteiligten gekommen, hätten das Bauvorhaben nicht vollendet und für die Konkursmasse keine Ansprüche realisiert werden können; zur Konkurstabelle wären aber erhebliche Schadensersatz- und Ausfallforderungen der Käufer, Handwerker und Grundpfandgläubiger hinzugekommen 538. Dieser Sachverhalt ist mit dem Ausgangsfall insoweit identisch, als sich der Auftragnehmer zur Ausführung der Arbeiten verschiedener Nachunternehmer bediente, die im Zeitpunkt der Konkurs- bzw. Insolvenzantragstellung offene Forderungen hatten, und der vorläufige Verwalter mit den Beteiligten Gespräche zur einvernehmlichen Lösung und Fertigstellung der Bauvorhaben führte. Die gefundenen Lösungen weichen in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis kaum voneinander ab, nur die rechtliche Ausgestaltung ist unterschiedlich. In einem Fall verzichtet der Schuldner zur Ablösung der Zurückbehaltungsrechte der Käufer auf einen Teil des Kauf-
537 538
Homann, EWiR 2002, 531, 532. Homann, a.a.O.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
preises, damit die Käufer ihrerseits die Altverbindlichkeiten der Nachunternehmer befriedigen können; im Ausgangsfall befriedigt der Schuldner direkt den Nachunternehmer, um nach Ausführung der weiteren Arbeiten durch diesen den vollen Kaufpreis realisieren zu können. Eine Vereinbarung, die der erstgenannten entspricht, wäre wohl ebenso möglich gewesen, sofern der Auftragnehmer hierzu bereit gewesen wäre. Die beiden Fälle sind insofern unterschiedlich, als bei einer Abrede mit den Käufern und Subunternehmern der verwalteten Vermögensmasse sofort ein Gegenwert in Form der Ablösung von Zurückbehaltungsrechten zufließt; im Ausgangsfall die Realisierung des Vermögensvorteils für die verwaltete Vermögensmasse aber noch davon abhängt, dass der begünstigte Nachunternehmer abredegemäß leistet und die hierdurch entstehende Forderung gegen den Auftraggeber auch realisiert werden kann. Wohl deshalb verneint der BGH im ersten Fall die Anfechtbarkeit unter der Voraussetzung einer Treuhandabrede, bejaht sie dagegen im Ausgangsfall. Da das wirtschaftliche Ergebnis der beiden Fälle aber das Gleiche ist, sofern beide Vereinbarungen absprachegemäß in Vollzug gesetzt werden, sollte auch die Prüfung der Anfechtbarkeit zu gleichen Ergebnissen führen. Maßgeblich hierfür muss wiederum eine wirtschaftliche Betrachtungsweise sein. Fraglich ist daher, mit welchem Wert die Gegenleistung der Beklagten zu beziffern war. Der BGH geht von dem Angebotspreis von DM 29.000,00 aus, welchen die Beklagte selbst ermittelt hatte. Den Umstand, dass der vorläufige Insolvenzverwalter tatsächliche Schwierigkeiten gehabt hätte, in der zur Verfügung stehenden Zeit einen anderen leistungsbereiten Unternehmer zu finden, erachtet er nicht als werterhöhenden Faktor. Das steht im Widerspruch zu dem Markt-Preis-Mechanismus, wonach sich der Preis als Ergebnis des Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage frei von staatlicher Einflussnahme bilden kann 539. Der Markt stellt die Wechselwirkung von Angebot und Nachfrage dar. Auf welchem Niveau sich der Preis bildet, hängt entscheidend vom Was, Wie und Für wen ab 540. Eine Verschiebung der Angebots- oder Nachfragekurve verändert das Preis- und Mengengleichgewicht. Konzentriert man sich dabei auf eine Variable – hier das „Für wen“ – und lässt die übrigen Variablen unverändert 541, so kann die Auswirkung auf den Preisbildungsprozess dargestellt werden. Dabei zeigt sich, dass bei gleicher Nachfrage eine Verringerung des Angebots eine Erhöhung des Preisniveaus zur Folge hat 542. Erhöht sich das Angebot über die Preisobergrenze 543 des Nachfragers, wird die Leistung von diesem nicht weiter nachgefragt werden. Der Wandel vom lebenden Unternehmen zum Insolvenzschuldner verdeutlicht die Veränderung im Markt-Preis-Mechanismus anschaulich. Soweit eine Fortführung des Geschäftsbetriebes in Aussicht genommen wird, tritt der Schuldner sowohl als 539 Gabler Wirtschaftslexikon, S. 2469 (Stichwort „Preismechanismus“). 540 Samuelson/Nordhaus, S. 81. 541 Sog. ceteris-paribus-Betrachtung. 542 Samuelson/Nordhaus, S. 82. 543 Die Preisobergrenze markiert denjenigen Preis einer fremdbezogenen Sach- oder Dienstleistung, bis zu dem sich die Verwendung der Leistung im Unternehmen lohnt. Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, S. 2469 (Stichwort „Preisobergrenze“).
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4. Würdigung und Lösung
Nachfrager als auch Anbieter einer Leistung am Markt auf. Mag es dem vorläufigen Insolvenzverwalter gelingen, die Abnehmer von einer Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen zu überzeugen, werden die Anbieter der vom Schuldner nachgefragten Leistungen entweder gar nicht oder nur schwer zu bewegen sein, Lieferungen und Leistungen an die Schuldnerin zu erbringen 544. Zeigt sich, dass die Schuldnerin auf die Leistung des Anbieters angewiesen ist, wird der Anbieter diese Situation bei der Aushandlung eines Preises zu berücksichtigen wissen 545. Als Anbieter tritt der Schuldner beispielsweise auf, wenn es um die Veräußerung des Unternehmens oder einzelner Unternehmensteile geht. Dass es unter den Bedingungen eines Insolvenzverfahrens nicht stets zu einer angemessenen Preisbildung kommt, zeigt sich hier besonders deutlich 546. Der Gesetzgeber wollte auf diese Marktmechanismen keinen Einfluss nehmen, um marktwirtschaftlich rationale Verwertungsentscheidungen, wie sie unter Wettbewerbsbedingungen durch freie Verhandlungen zustande kommen, nicht in Frage zu stellen. Er geht davon aus, dass unter marktwirtschaftlichen Bedingungen ein Unternehmen nur dann saniert wird, wenn der Fortführungswert höher als der Liquidationswert ist 547. Die Bewertung der einzelnen Verwertungsalternativen ergibt sich dabei nicht nur aus den an die Beteiligten aus dem Schuldnervermögen fließenden Zahlungen, sondern aus allen im Einzelfall erwarteten positiven und negativen Auswirkungen, wie etwa dem Fortbestand oder Verlust einer bewährten Geschäftsbeziehung 548. Was beispielsweise wäre, wenn der Beklagte seine Restleistung statt für DM 29.000,00 nunmehr – nach Stellung des Insolvenzantrages – für DM 70.000,00 anbietet oder gar für DM 99.000,00, wobei DM 70.000,00 auf die Neuforderung und DM 29.000,00 auf die Altforderung entfallen sollen? Gerade der vorliegende Fall veranschaulicht die Problematik der ungleichen Marktkraft anschaulich: Neben dem Beklagten gab es noch etwa zehn weitere Anbieter der vom Schuldner nachgefragten Leistung. Unter normalen Bedingungen hätte der Schuldner nunmehr hinreichend Zeit gehabt, sich von den Wettbewerbern des Beklagten Angebote machen zu lassen und das für ihn günstigste anzunehmen. Im Insolvenzantragsverfahren gibt es jedoch allenfalls eine ,Verschnaufpause‘ von wenigen Tagen für den vorläufigen Insolvenzverwalter. In dieser Zeit muss er eine Ursachen- und Potentialanalyse fertigen, die Bedingungen einer Geschäftsfortführung feststellen und auf Lieferanten- und Kundenseite die Bereitschaft zur weiteren Leistung sichern. Der „schwache“ vorläufige Insol-
544 Siehe oben II.3.a) und II.3.b)bb). 545 Bezeichnend für das Ausnutzen einer überlegenen Stellung ist auch folgendes, aus dem Recht der Vergleichsordnung entnommene Beispiel: Um den Fortführungswert des Unternehmens zur Verteilung an die Gläubiger zu bringen, bedurfte es der Mitwirkung des Gemeinschuldners. Wirkte dieser nicht mit, wurde regelmäßig das Anschlusskonkursverfahren eröffnet, wodurch zumeist nur noch Liquidationswerte zu erzielen waren. Dies gab dem Gemeinschuldner Einflussmöglichkeiten auf die Gläubiger, die regelmäßig zu einer suboptimalen Befriedigung auch dann führten, wenn der Vergleich zustande kam. Vgl. dazu Kübler/Prütting, RWS-Dokumentation, 85, 89. 546 Kübler/Prütting, RWS-Dokumentation, 85, 90. 547 Kübler/Prütting, RWS-Dokumentation, 85, 92. 548 Kübler/Prütting, RWS-Dokumentation, a.a.O.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
venzverwalter hatte dies auch versucht. Einen anderen leistungsbereiten Unternehmer zu finden, der den Auftrag anstelle des Beklagten hätte fortführen können, wäre ihm wahrscheinlich – wie der BGH einräumt – nicht gelungen. Der Beklagte selbst war auch nicht vertraglich zur Leistungserbringung verpflichtet, konnte diese also zur Disposition stellen. Welcher aber ist dann der angemessene Preis der vom Beklagten angebotenen Leistung? Diese Frage kann nur aus der Sicht der Gesamtheit aller Insolvenzgläubiger beantwortet werden. Ihnen ist das Vermögen des Schuldners haftungsrechtlich zugeordnet. Ihrem Befriedigungsinteresse will die Insolvenzordnung, wie es § 1 InsO zum Ausdruck bringt, dienen. Die Annahme des BGH, allein der Preis von DM 29.000,00 sei angemessen, ist danach falsch. (g)
Divergenz des Anfechtungsrechts zwischen KO und VglO
Ein Vergleich der §§ 29 ff. KO mit den Regelungen der §§ 28, 87 VglO zeigt eine seltsame Diskrepanz zwischen beiden Insolvenzgesetzen 549. Im Konkursrecht waren die Anfechtungsmöglichkeiten des Verwalters durch subjektive Tatbestandsvoraussetzungen und Beweislastregeln eingeschränkt, das Prinzip der par condicio creditorum wurde nicht ohne Einschränkungen verwirklicht. Vergleichbare Regelungen gab es im Vergleichsrecht nicht; der Grundsatz der par condicio creditorum wurde hier dadurch verwirklicht, dass die Sicherung oder Befriedigung eines Vergleichsgläubigers, die später als am 30. Tag vor dem Vergleichsantrag im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgte, unwirksam war. Diese sog. Rückschlagsperre galt auch im Anschlusskonkurs, vgl. § 104 VglO. Rechtsgeschäftliche Verfügungen, die noch unmittelbar vor dem Vergleichsantrag vorgenommen wurden oder unentgeltlich waren, blieben hingegen wirksam. Nur im Anschlusskonkurs galten Rückschlagsperre und Anfechtungsvorschriften kumulativ, wobei dann für die Fristenberechnung der Vergleichsantrag bzw. dessen Eröffnung selbst maßgeblich waren, vgl. § 107 VglO. Die Behandlung der im Zeitraum der Krise erfolgten Vermögensverschiebungen wurde also für das Vergleichsverfahren, den Anschlusskonkurs und das Konkursverfahren ohne vorausgegangenen Vergleichsversuch jeweils unterschiedlich geregelt. Dies hatte zur Folge, dass die Wahl zwischen einem Vergleichs- oder Konkursverfahren nicht danach getroffen wurde, ob Sanierungsaussichten bestanden oder welche Verfahrensart den Gläubiger- und Schuldnerinteressen in geeigneter Weise diente. So war es im Interesse aller Gläubiger, die nach dem 30., aber vor dem 10. Tag des Insolvenzantrages im Wege der Zwangsvollstreckung eine Deckung erlangt hatten, ohne Umwege das Konkursverfahren einzuleiten, um der ansonsten wirkungsvollen Rückschlagsperre des Vergleichsverfahrens zu entgehen. Gerade die Rückschlagsperre motivierte dagegen den Schuldner, auch dann einen Vergleichsantrag zu stellen, wenn die Masse für einen Vergleich gar nicht ausreichte. Mit dieser Mehrung der Masse konnte er die Voraussetzungen für den angestrebten Zwangsvergleich nach § 173 KO schaffen, der dann billiger zu haben war als ein konkursabwendender Vergleich 550. Stellte der Schuldner einen Vergleichsantrag, wurden 549 550
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Pfefferle, ZIP 1984, 147, 148. Pfefferle, ZIP 1984, 147, 149.
4. Würdigung und Lösung
die für den Zwangsvergleich notwendigen Mehrheiten unter Umständen schon deshalb nicht erreicht, weil die Gläubiger in einem Anschlusskonkurs aus der nunmehr zur Rückschlagsperre hinzutretenden Anfechtungsmöglichkeit mit einer besseren Befriedigung rechnen konnten 551. Der Grund für die unterschiedliche Regelung lag in den unterschiedlichen Verfahrenszielen, die der Gesetzgeber mit der KO bzw. VglO verfolgte. Im Konkursverfahren lag der Schwerpunkt auf den Haftungsinteressen der Gläubiger, die sich wegen ihrer Forderungen aus dem schuldnerischen Vermögen zu befriedigen suchten. Das Vergleichsverfahren berücksichtigte dagegen vorwiegend die Interessen des Schuldners, der im Wege eines Zwangsvergleiches seine Schulden reduzieren wollte und hierfür ein schnelles Verfahren wünschte, das ihn zudem vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seiner Gläubiger schützte. Um ihn nicht geschäftsunfähig werden zu lassen, verblieb ihm daher die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, rechtsgeschäftliche Verfügungen des Schuldners blieben wirksam. Eine Anfechtung nach Art der §§ 29 ff. KO kam für den Gesetzgeber nicht in Betracht, weil sie mit der Schnelligkeit des Verfahrens unvereinbar schien und den Rahmen des Verfahrens sprengen würde 552. (h)
Systematik des vereinheitlichten Insolvenzverfahrens
Die bestehende Zweiteilung des Insolvenzverfahrens durch die Entscheidung für ein Vergleichs- oder Konkursverfahren wurde daher aufgegeben. Sie verlangte eine zu frühe Weichenstellung für die konkursmäßige Abwicklung oder vergleichsweise Insolvenzbereinigung 553. Dem Nachteil allzu früher Weichenstellung versucht der Gesetzgeber der Insolvenzordnung dadurch zu begegnen, dass er ein einheitliches Insolvenzverfahren vorsieht, das eine Bevorzugung bestimmter Verwertungsformen nicht kennt 554. Dies brachte auch ein „gemeinsames“ Anfechtungsrecht mit sich. Eine Harmonisierung der Insolvenzanfechtung im Hinblick auf den nun „stark“ erweiterten Anwendungsbereich erfolgte nicht. Während die Rechtshandlungen des Schuldners im Vergleichsverfahren nicht angefochten werden konnten, unterlagen im Konkursverfahren alle Rechtshandlungen aus dem Zeitraum der Krise der Konkursanfechtung. Die Vereinheitlichung des Insolvenzverfahrens hat deshalb auch zur Folge, dass zwei vollkommen unterschiedlich ausgerichtete Ziele des Verfahrens ein und denselben Anfechtungsregeln unterworfen sind. Das Vergleichsverfahren diente dem Schuldnerschutz und stand daher in Spannung zum Konkursverfahren, das allein auf die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger abzielte555. Bei der Anwendung des Insolvenzanfechtungsrechts sind daher die erweiterten Ziele des Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen.
551 552 553 554 555
Bley/Mohrbutter, § 28 Rz. 3; Pfefferle, ZIP 1984, 147, 149. Kiesow, § 3 Anm. 1; Pfefferle, ZIP 1984, 147, 149. Hanisch, S. 124. KS-Balz, S. 8. BegrRegE InsO, Tz. 1 b.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
(i)
Neuausrichtung der Verfahrensziele
Die Sanierung des schuldnerischen Unternehmens ist nach der gesetzgeberischen Konzeption nunmehr gleichrangiges Verfahrensziel des Insolvenzrechts neben der Liquidation. Gesamtvollstreckung und Sanierung bilden keinen Gegensatz 556. Das Insolvenzverfahren ist nicht mehr einseitig an den Interessen des Gläubigers ausgerichtet, sondern hat auch schutzwürdige Belange des Schuldners, des Unternehmensträgers, zu berücksichtigen 557. Sanierung durch Insolvenz ist für viele ein neues Thema, denn bisher galt: Sanierung statt Insolvenz 558. Dabei ist zu beachten, dass dem Insolvenzrecht zwar eine Sanierungsaufgabe zukommt; der Zweck des Insolvenzverfahrens aber stets die bestmögliche Haftungsverwirklichung ist. Die Verfahrensart ist hinter diesem Zweck nachrangig. Die Sanierungsaufgabe ist also dahin zu verstehen, dass marktwirtschaftlich sinnvolle Sanierungen ermöglicht und sinnwidrige Sanierungen verhindert werden 559. Eine Sanierung kann allerdings nur dann eine Chance haben, wenn es gelingt, ohne längere Unterbrechungen den Betrieb weiterzuführen 560. Hierzu ist es mitunter notwendig, einzelnen Gläubigern, die für die Aufrechterhaltung des Betriebes immanente Bedeutung haben, Vorteile zu gewähren. Die Bedeutung solcher „lebenswichtigen“ Vertragspartner hat der Bundesgerichtshof erkannt und ihr im Rahmen einer Beschränkung der Anfechtungsfolgen Rechnung getragen 561. Da diese Lösung mit der gesetzlichen Regelung der §§ 143 ff. InsO nicht zu vereinbaren ist 562 und auch nicht konsequent angewandt wurde 563, sollte sie zugunsten einer am gesetzlichen Leitbild orientierten Lösung aufgegeben werden. (j)
Kongruenz von Haftung und Anfechtung
Nicht zu unterschätzen ist für die Entscheidung, ob eine Geschäftsfortführung in Aussicht genommen wird, das mit dieser verbundene Risiko der Anfechtbarkeit oder gar persönlichen Haftung des Verwalters. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshof hat zur Folge, dass die Haftung des vorläufigen Verwalters und die Anfechtbarkeit auseinanderfallen können, eine vom vorläufigen Verwalter vorgenommene Rechtshandlung zwar anfechtbar, nicht aber haftungsauslösend sein konnte. Diese Janusköpfigkeit beruhte auf der Erwägung, dass eine gläubigerbenachteili-
556 KS-Mönning, 375, 383; Wellensiek, WM 1999, 405, 406; weitergehend KS-Smid, 453, 454, der aufgrund des Paradigmenwechsels der Insolvenzordnung die Sanierung nunmehr als vorrangig gegenüber der Liquidation ansieht. 557 Uhlenbruck, FS Hanisch, S. 288; Henckel, FS Merz, S. 204. 558 Rattunde, ZIP 2003, 2103 mit Hinweis auf Smid, § 1 Rz. 2. 559 So auch Smid, § 1 Rz. 2; Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2104. 560 Wellensiek, FS Uhlenbruck, S. 199. 561 Zum Honorar für Sanierungsberater und Vergleichsberater vgl. BGHZ 28, 344 ff.; BGHZ 77, 250 ff.; BGH ZIP 1988, 324 ff. = WM 1988, 472 ff.; für Vorbehaltsverkäufer BGH WM 1975, 534, 536. 562 Siehe unten III.4.b)dd). 563 Etwa bei der Mitbesicherung von bisher ungesicherten Altkrediten im Rahmen von Sanierungsbemühungen, vgl. BGH ZIP 1993, 276 ff. = WM 1993, 270 ff.
126
4. Würdigung und Lösung
gende Rechtshandlung zwar stets anfechtbar, aber nur unter weiteren Voraussetzungen nichtig sei. Zwar traf bereits unter Geltung der KO die Gläubigerversammlung, der Gläubigerausschuss und bei Fehlen eines solchen ausnahmsweise der Konkursverwalter die Entscheidung über die Geschäftsfortführung 564. Aber für die Geschäftsfortführung selbst und ihre Vereinbarkeit mit dem Konkurszweck ist wiederum der Verwalter in erster Linie verantwortlich 565. Wie allerdings die Haftung des Konkursverwalters bei Unternehmensfortführung zu konkretisieren ist, lässt das Gesetz offen 566. Der Bundesgerichtshof hat deshalb eine Haftung des Konkursverwalters aus § 82 KO nur dann bejaht, wenn dieser das Unternehmen des Gemeinschuldners entsprechend einem Beschluss der Gläubigerversammlung geführt hat und im Laufe der Geschäftsfortführung erkennt oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters hätte erkennen können, dass er die aus der Masse zu erfüllenden Verbindlichkeiten nicht tilgen kann, also seine konkursspezifischen Pflichten verletzt 567. Auf diese Weise wollte der Bundesgerichtshof das Spannungsfeld zwischen der Fortführungspflicht des Verwalters und der strengen Haftung analog § 82 KO lösen. Die zur Eingrenzung weiterhin notwendigen Voraussetzungen, insbesondere das Verschuldenserfordernis, reduzierten das Haftungsrisiko nur unerheblich, da der vorläufige Verwalter stets mit Massearmut rechnen muss 568. Der vorläufige Verwalter steht daher unmittelbar nach seiner Bestellung vor der Frage, ob er den schuldnerischen Betrieb fortführen oder stilllegen soll. Führt er ihn fort, muss er befürchten, den Massegläubigern haftbar zu werden und seine eigenen Rechtshandlungen später, soweit sie sich als anfechtbar erweisen, anfechten zu müssen; legt er den Betrieb still, kann ihm gleichfalls der Vorwurf gemacht werden, die in dem schuldnerischen Unternehmen gebundenen Vermögenswerte durch die Stilllegung vernichtet zu haben mit der Folge der persönlichen Haftung. (k)
Anfechtbarkeit als Unwerturteil
Dabei ist auch von Bedeutung, dass die Insolvenzanfechtung zugleich mit dem Makel eines Unwerturteils über die angefochtene Rechtshandlung verbunden ist. Das zeigt sich in der häufig verwendeten Erklärung, die Insolvenzanfechtung diene dazu, sachlich ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen 569. Der Gesetzgeber der Insolvenzordnung wird noch deutlicher: Dem Vergleichsrecht fehle die Möglichkeit, illoyale Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen, weil es keine besonderen Anfechtungsmöglichkeiten kenne, der Schuldner könne Manipulationen sogar weiter verschleiern 570. In der Literatur wird daher auch eine
564 565 566 567 568 569 570
Vgl. die §§ 129 Abs. 2, 130, 132 Abs. 1 KO. Hanisch, S. 129 f. Uhlenbruck, FS Hanisch, S. 288. BGHZ 99, 151 ff. = ZIP 1987, 115 ff. = KTS 1987, 274 ff. Uhlenbruck, FS Hanisch, S. 286. Vgl. nur Kuhn/Uhlenbruck, § 29 Rz. 1. Vgl. BegrRegE InsO, Tz. 2.
127
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
sog. Unredlichkeitstheorie vertreten 571. Hiervon hat sich der Bundesgerichtshof bereits zu § 30 Nr. 2 KO (nunmehr: § 131 InsO) zugunsten einer zeitlichen Vorverlagerung des insolvenzrechtlichen Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung distanziert 572. Danach seien das die Einzelzwangsvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip und der dadurch bedingte „Wettlauf der Gläubiger“ nur so lange hinzunehmen, wie für die zurückgesetzten Gläubiger noch eine Aussicht besteht, sich aus anderen Vermögensgegenständen des Schuldners volle Deckung zu verschaffen. Denn § 30 Nr. 2 KO bezwecke, den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung vorzuziehen. Diese Überlegung kann über § 131 InsO hinaus auch für die anderen Anfechtungstatbestände Geltung beanspruchen: Dem Anfechtungsrecht der Konkursordnung lag einerseits der Gedanke der fraus 573 des Gemeinschuldners, andererseits jener der Risiko- und Verlustgemeinschaft der Gläubiger zugrunde. Der erste Gedanke knüpft an eine verwerfliche Gesinnung des Gemeinschuldners an, während diese im zweiten Fall gleichgültig ist und die Benachteiligung der Gläubiger im Vordergrund steht 574. Beide Gedanken rechtfertigten die Möglichkeit, die aus dem Vermögen des Gemeinschuldners aufgegebenen Gegenstände zur Konkursmasse zurückzuverlangen. Während die Voraussetzung des animus fraudandi die Möglichkeit, vor der Verfahrenseröffnung vorgenommene Rechtshandlungen rückgängig zu machen, zumindest theoretisch nicht begrenzt, muss in einer Rechtsordnung, die es außerhalb der Insolvenz grundsätzlich dem Schuldner anheim stellt, in welcher Reihenfolge er seine Gläubiger befriedigt, der zweite Gedanke auf den Zeitraum zwischen dem materiellen Eintritt der Insolvenz und deren formeller Feststellung beschränkt bleiben 575. Daher kam den die Konkursanfechtung rechtfertigenden Argumenten in den Tatbeständen der §§ 29 ff. KO unterschiedliches Gewicht zu, wie auch ihre unterschiedliche zeitliche Rückwirkung zeigte. Die Konkursanfechtung kongruenter Deckungen und unmittelbar benachteiligender Rechtsgeschäfte war gemäß § 30 Nr. 1 KO nur möglich, wenn sie nach Antragstellung vorgenommen wurden. Inkongruente Deckungen waren darüber hinaus gemäß § 30 Nr. 2 KO anfechtbar, wenn sie binnen zehn Tagen vor Antragstellung oder später erfolgten. Eine absolute Grenze der Rückwirkung einer Anfechtung nach den § 30 Nr. 1, 2 KO setzte § 33 KO, wonach Rechtshandlungen, die früher als sechs Monate vor der Verfahrenseröffnung erfolgten, aus dem Grunde einer Kenntnis der Zahlungseinstellung nicht angefochten werden konnten. Eine weiter zurückreichende Anfechtung eröffneten die §§ 31 ff. KO, die auf dem Gedanken der fraus des Gemeinschuldners beruhten. Danach waren unentgeltliche Verfügungen
571 Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 215 ff.; ders., FS 100 Jahre KO, S. 131 m.w.N.; a.A. Pfefferle, ZIP 1984, 147, 151 unter Hinweis auf die §§ 32a KO, 342 HGB. 572 BGHZ 136, 309, 312. Zuvor bereits gegen die Unredlichkeitstheorie BGHZ 58, 240, 242 f.; BGHZ 59, 230, 232; Canaris, FS 100 Jahre KO, S. 78. 573 Lateinisch: Betrug, Täuschung. 574 Häsemeyer, KTS 1982, 507 ff. 575 König, Rz. 2.
128
4. Würdigung und Lösung
des Gemeinschuldners binnen Jahresfrist, und sofern die Verfügung zugunsten des Ehegatten erfolgte, innerhalb einer Zweijahresfrist anfechtbar, vgl. § 32 KO. Ebenfalls binnen Jahresfrist konnten nach § 31 Nr. 2 KO die vom Gemeinschuldner geschlossenen entgeltlichen Verträge angefochten werden, wenn Vertragspartner einer der enumerativ aufgeführten Angehörigen war oder der Gemeinschuldner Darlehensforderungen befriedigte, die eigenkapitalersetzenden Charakter angenommen hatten, vgl. § 32 a S. 2 KO. Schließlich war die Konkursanfechtung bis 30 Jahre vor Antragstellung möglich, wenn der Gemeinschuldner entweder in kollusivem Zusammenwirken mit dem Anfechtungsgegner die Gläubiger benachteiligte (§ 31 Nr. 1 KO) oder Darlehen, die eigenkapitalersetzenden Charakter angenommen hatten, besicherte (§ 32 a S. 1 KO). Die Insolvenzordnung hat zunächst die Anfechtungszeiträume grundlegend umgestaltet. Während die Anfechtungstatbestände der Deckungsanfechtung sowie der unmittelbaren Benachteiligung (§§ 130–132 InsO) auf einen Zeitraum von drei Monaten vor Antragstellung erweitert wurden, haben die Tatbestände der Schenkungs- und Absichtsanfechtung eine erhebliche Verkürzung auf vier Jahre (§ 134 InsO) bzw. zehn Jahre (§ 133 InsO) erfahren. Ferner verzichtet die Insolvenzordnung weitgehend auf subjektive Tatbestandsmerkmale oder erleichtert zumindest deren Nachweis. So wird beispielsweise in den §§ 130 Abs. 2, 131 Abs. 2 S. 1 InsO der Kenntnis von Insolvenzantrag oder Zahlungsunfähigkeit die Kenntnis von Umständen gleichgestellt, die zwingend auf diese Merkmale schließen lassen. Darüber hinaus wird diese bei nahestehenden Personen (§ 138 InsO) vermutet, so dass diese ihre Unkenntnis darlegen und beweisen müssen, vgl. die §§ 130 Abs. 3, 131 Abs. 2 S. 2 InsO. Die Änderungen verdeutlichen, dass die Neuregelung der InsO den Gedanken der schuldnerischen fraus zwar weiterhin berücksichtigt (vgl. §§ 133 f. InsO), dieser aber gegenüber dem bereits vom Bundesgerichtshof 576 zu § 30 Nr. 2 KO betonten Gedanken der zeitlichen Vorziehung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes zurücksteht. Der Gedanke der fraus des Schuldners, das die anfechtbare Rechtshandlung mit dem Unwerturteil belegen kann, spielt nur noch eine untergeordnete Rolle. Das verdeutlichen vor allem die Tatbestände der §§ 130, 131 InsO. Die kongruente Deckung einer Forderung, also zur richtigen Zeit und in der richtigen Art und Weise, kann mit dem Makel eines Unwerts nicht belegt werden 577. Deshalb muss zur Begründung der Anfechtbarkeit auch die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen des Gläubigers hinzutreten, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Deckung zahlungsunfähig war. Insoweit kommt dem Wissensmoment des Gläubigers – nicht der schuldnerischen Absicht – entscheidende Bedeutung zu. Im Vergleich mit § 131 InsO fällt auf, dass dort auf die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen des Gläubigers sogar vollständig verzichtet wird. Hier kann weder die schuldnerische Absicht noch das unterstellte Wissen des Gläubigers um die Insolvenz des Schuldners allein die Anfechtbarkeit begründen. Entscheidend ist, dass der Gläubiger hier eine inkongruente statt einer kongruenten Deckung – etwa im Wege
576 577
BGH 136, 309, 312 f. König, Rz. 133; Hahn, S. 128 f.
129
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
der Zwangsvollstreckung – erhalten hat. Die Einzelzwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners war im Zeitpunkt der Vollstreckung aber zulässig 578. Erst nachträglich muss das Interesse des Zwangsvollstreckungsgläubigers gegenüber dem Interesse der übrigen Gläubiger, über den ausgeschiedenen Vermögensgegenstand zu verfügen, zurücktreten. Ebenso liegt es beim unmittelbar nachteiligen Rechtsgeschäft im Sinne des § 132 InsO. Hier hat der Schuldner ein für ihn schlechtes Geschäft gemacht, also beispielsweise Ware unter Wert verkauft. Das kommt in einem Unternehmen jedoch vor, wobei die Gründe sehr unterschiedlich sein können und keineswegs zwangsläufig eine wirtschaftliche Krise des Schuldners nahe legen: Sommer- bzw. Winterschlussverkauf, Saisonware, Umbau- und Renovierungsarbeiten, für die Lagerflächen geräumt werden müssen, Verkauf verderblicher Ware, Quersubventionierung bei guten Kunden etc. Wiederum erst im Zusammenspiel von unmittelbar nachteiligem Rechtsgeschäft und Kenntnis bzw. Kennenmüssen des Gläubigers wird das Rechtsgeschäft anfechtbar. In den Fällen der §§ 130– 132 InsO rechtfertigt sich die Anfechtung demnach aus der Kombination der Vorziehung der par condicio creditorum und der Kenntnis bzw. dem Kennenmüssen des Gläubigers. Die fraus des Schuldners ist nicht maßgeblich. Anders liegt der Fall bei der Absichts- und Schenkungsanfechtung, bei denen die Anfechtbarkeit aus der unterstellten (§ 134 InsO) bzw. tatsächlich vorhandenen (§ 133 InsO) fraus des Schuldners folgt und eine erhebliche Ausdehnung des Anfechtungszeitraums auf vier bzw. zehn Jahre rechtfertigt 579. Daraus folgt zum einen, dass die Vorschriften der Insolvenzanfechtung ihre Rechtfertigung in erster Linie aus der zeitlichen Vorverlagerung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erfahren und zum anderen, dass den Tatbeständen der §§ 130 ff. InsO ein Unwerturteil im Sinne einer fraus des Schuldners nur im Hinblick auf die §§ 133 f. InsO zugrunde liegt. Diese Motivation muss bei der Prüfung, ob eine Rechtshandlung anfechtbar ist, Berücksichtigung finden. Ob die Bemühungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters, den schuldnerischen Betrieb aufrechtzuerhalten, mit einem solchen Unwerturteil belegt und somit angefochten werden können, erscheint insbesondere im Hinblick auf § 133 f. InsO zweifelhaft und sollte über die normierten Tatbestandsvoraussetzungen hinaus (Kenntnis oder Kennenmüssen von der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrages) auch im Rahmen der §§ 130 bis 132 InsO nicht zur Begründung der Anfechtbarkeit herangezogen werden. (l)
Stärkung der Gläubigerautonomie
Gemäß § 156 InsO hat der Insolvenzverwalter im Berichtstermin über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ursachen zu berichten. Er hat darzulegen, ob Aussichten bestehen, das Unternehmen des Schuldners im Ganzen oder in Teilen
578 BGHZ 136, 309, 311 f. Der in der Einzelzwangsvollstreckung geltende Grundsatz „prior tempore, potior iure“ bevorzugt den zeitlich schnelleren Vollstreckungsgläubiger. Vgl. auch König, Rz. 224. 579 Eingehend zur Differenzierung der gesetzgeberischen Motivation König, Rz. 129 ff. zur §§ 27 ff. der österreichischen Konkursordnung, die sich an die §§ 29 ff. KO anlehnt.
130
4. Würdigung und Lösung
zu erhalten, welche Möglichkeiten für einen Insolvenzplan bestehen und welche Auswirkungen jeweils für die Befriedigung der Gläubiger eintreten würden. Der Bericht ist dem Schuldner, dem Gläubigerausschuss und anderen Beteiligten zur Stellungnahme vorzulegen. Noch im Berichtstermin entschließt die Gläubigerversammlung dann, ob das Unternehmen des Schuldners stillgelegt oder (vorläufig) fortgeführt werden soll. Die Entscheidung über die Fortführung oder Stilllegung im eröffneten Insolvenzverfahren ist damit den Gläubigern übertragen. Um einer Umgehung der Gläubigerautonomie entgegenzuwirken, bestimmt § 158 InsO, dass der Insolvenzverwalter die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen hat. Ist ein Gläubigerausschuss nicht bestellt, kann ihm die Stilllegung des Unternehmens auf Antrag des Schuldners vom Gericht untersagt werden. Die Zielrichtung des § 158 Abs. 2 InsO ist wiederum der Erhalt des Unternehmens; nur wenn eine erhebliche Vermögensminderung bis zum Berichtstermin zu erwarten ist, soll das Gericht einer Stilllegung zustimmen. Die Vorschriften gehen insoweit über § 131 KO hinaus 580. Mit dieser Regelung korrespondiert auch § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO, der den „starken“ vorläufigen Verwalter grundsätzlich verpflichtet, den schuldnerischen Betrieb bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens fortzuführen. Nur bei einer zu erwartenden erheblichen Verminderung des Vermögens darf der vorläufige „starke“ Verwalter den Betrieb mit Zustimmung des Gerichts stilllegen. Ein aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit resultierender und das Vermögen des Schuldners nur in geringem Umfang auszehrender Verlust bleibt bei der Entscheidung über die Fortführung demnach unberücksichtigt. Allein für den „schwachen“ vorläufigen Verwalter findet sich eine ausdrückliche gesetzliche Regelung nicht. Er ist nur mit der Sicherung und Erhaltung des Vermögens beauftragt. Das schließt aber eine Fortführung des schuldnerischen Betriebs nicht aus 581 und wird jedenfalls für die Dauer des Insolvenzantragsverfahrens die geeignete Maßnahme zum Erhalt der Vermögenswerte darstellen, soweit eine Fortführung nicht von vornherein aussichtslos erscheint. Es ist daher davon auszugehen, dass der „schwache“ vorläufige Verwalter wie der Sequester der KO zur Prüfung der Fortführungsaussichten und bei positivem Prüfungsergebnis auch zur einstweiligen Fortführung verpflichtet ist. Eine trotz positiver Prognose vorgenommene Stilllegung des Betriebes zerschlägt die in dem Betrieb gebundenen Vermögenswerte und widerspricht damit den Zwecken des Insolvenzverfahrens und der vom Gesetzgeber beabsichtigten Stärkung der Gläubigerautonomie 582.
580 Kilger, KTS 1989, 495, 497; ders., FS 100 Jahre KO, S. 189, 196 hat jedoch bereits im Hinblick auf die §§ 129, 132 KO gefordert, den Geschäftsbetrieb nur dann einzustellen, wenn dies unumgänglich ist, um der Entscheidung der Gläubigerversammlung nicht vorzugreifen. 581 Siehe oben II.4.c)dd). 582 Zur Stärkung der Gläubigerrechte vgl. KS-Balz, S. 7.
131
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
(m)
Marktkonformität der Unternehmensinsolvenzen
Der Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten in allen Verfahrensarten und -abschnitten einer Insolvenz liegt die Erkenntnis des Gesetzgebers zu Grunde, dass marktwirtschaftlich rationale Verwertungsentscheidungen, wie sie unter Wettbewerbsbedingungen durch freie Verhandlungen zustande kommen, im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegen 583. Die sog. ökonomische Analyse des Rechts wurde im Schrifttum der Insolvenzrechtsreform von 1995 ausdrücklich als eine Gedankenbasis der neuen, derzeit geltenden Insolvenzordnung hervorgehoben 584. Entsprechend sind bei der Prüfung der Eröffnungsgründe der drohenden Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung Wahrscheinlichkeitsprognosen zu treffen auf der Grundlage wirtschaftlicher Beurteilung 585. Drohend zahlungsunfähig ist ein Schuldner gemäß § 18 Abs. 2 InsO, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu bezahlen. Der Begriff voraussichtlich ist dahin zu verstehen, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher sein müsse als deren Vermeidung. Überschuldung gemäß § 19 Abs. 2 InsO liegt dagegen vor, wenn das Vermögen des Schuldners die laufenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Dabei sind Fortführungswerte zugrunde zu legen, wenn eine Geschäftsfortführung nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Der Gesetzgeber übernahm damit eine Formulierung des BGH, wonach die Fortführung des Unternehmens wahrscheinlicher sein muss als dessen Stilllegung 586. Deutlich wird, dass der Gesetzgeber nur solche Unternehmen in das Insolvenzverfahren eintreten lassen will, deren Fortbestehen am Markt stark in Zweifel steht. Ausdruck der fehlenden Überlebenskraft sind die Eröffnungsgründe, bei deren Beurteilung es auf wirtschaftliche Wahrscheinlichkeitsprognosen ankommt. (n)
Vertrauen in Rechtsbeständigkeit
Nicht vergessen werden dürfen die Auswirkungen der BGH-Rechtsprechung zur Insolvenzzweckwidrigkeit, Anfechtbarkeit und Haftung im Insolvenzantragsverfahren auf die Praxis. Will der vorläufige Insolvenzverwalter eine Geschäftsfortführung in die Wege leiten und trifft er hierbei auf einzelne unnachgiebige Insolvenzgläubiger, auf deren Mitwirkung er angewiesen ist, kommen nach Auffassung des BGH zwei Lösungen in Betracht. Entweder nimmt der vorläufige Insolvenzverwalter von einer Geschäftsfortführung Abstand. Den mit einer Geschäftsfortführung im Allgemeinen und der Befriedigung von Altverbindlichkeiten im Besonderen verbundenen Risiken geht er aus dem Weg. Wichtig ist hier nur, die Entscheidung über die Stilllegung nachvollziehbar darzustellen, um sich nicht dem Vorwurf allzu leichtfertiger Vernichtung schuldnerischer Vermögenswerte auszu-
583 Begr RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 76 ff. 584 A.a.O., S. 183, 185 f. 585 Zu den Zusammenhängen zwischen Insolvenz und Wahrscheinlichkeitsurteilen ausführlich Luttermann/Vahlenkamp, ZIP 2003, 1629 ff. 586 BGHZ 119, 201, 214 = ZIP 1992, 1382, 1386.
132
4. Würdigung und Lösung
setzen. Oder der vorläufige Insolvenzverwalter entscheidet sich trotz der Risiken für eine Geschäftsfortführung. In diesem Fall befriedigt er den Altgläubiger im Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung und ficht als endgültiger Insolvenzverwalter die Befriedigung an. Unterlässt der Insolvenzverwalter die Anfechtung, haftet er wegen Verletzung seiner insolvenzspezifischen Pflichten gemäß § 60 InsO. Also ficht der Insolvenzverwalter an, was bei dem Anfechtungsgegner unabhängig davon, ob sein Vertrauen in die Rechtsbeständigkeit des Erwerbes schützenswert ist oder nicht, zu Irritation und Verärgerung führt. Dies hat zur Folge, dass der vorläufige Insolvenzverwalter aus der Sicht des Anfechtungsgegners sein Vertrauen missbraucht hat und eine weitere Kooperation in anderen Insolvenzverfahren erschwert wird 587. Eine Einschränkung der Insolvenzanfechtung bei wirtschaftlich vorteilhafter Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers hilft deshalb auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter, den auf ihn ausgeübten Druck sinnvoll in Richtung eines erfolgsorientierten Zusammenarbeitens mit den Geschäftspartnern des Schuldners zu kanalisieren und dem in ihn gesetzten Vertrauen gerecht zu werden. Die geschilderte Problematik ist nicht die Regel, sie stellt aber auch keinen Einzelfall dar. Immer dann, wenn der Schuldner von der Leistung eines Geschäftspartners abhängig ist, mag dieser versucht sein, sich auch die Altverbindlichkeiten vollständig bezahlen zu lassen. Folgende Beispiele 588 sollen das verdeutlichen: Fall 1: Die Schuldnerin betreibt einen bundesweiten Versandhandel und ist darauf angewiesen, täglich Hunderte von Bestellungen zu platzieren, um den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Hierzu benötigt sie einen Logistik-Dienstleister, der täglich die Bereitstellung, den Versand und die Bearbeitung von Retouren übernimmt. Ohne dessen Tätigkeit käme der Geschäftsbetrieb des Schuldners schnell zum Erliegen. Fall 2: Die Schuldnerin betreibt eine Ladenkette. Der Wert des Unternehmens liegt im Wesentlichen in den attraktiven Standorten, die über Mietverträge abgesichert wurden. Die Konkurrenz bemüht sich nach Bekanntgabe der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung um die „Übernahme“ dieser Mietverhältnisse. Fall 3: Ein Hotel bedient sich zur Reservierung und Rechnungslegung eines Buchhaltungssystems, dass auf die Bedürfnisse der Branche zugeschnitten ist. Der Anbieter des Buchhaltungssystems erhält für die Bereitstellung und Wartung des Systems eine umsatzorientierte Provision. Für den Fall, dass der vorläufige Insolvenzverwalter die Zahlung der Altverbindlichkeiten ablehnt, droht der Anbieter, das Buchhaltungssystem abzustellen. Eine kurzfristige Umstellung auf ein neues System ist in der Re-
587 Auf diese Problematik weisen vor allem Wiester, NZI 2003, 632, 635 und Undritz, NZI 2003, 136, 138 hin. Undritz a.a.O. meint zu Recht, der Rechtsverkehr kenne die Insolvenzverwalterszene ziemlich genau und messe den Erklärungen des vorläufigen Insolvenzverwalters auch dann eine erhebliche Bedeutung bei, wenn diese keine rechtliche Bindungswirkung entfalten sollten. 588 Die Fälle 1 und 2 finden sich bei Undritz, NZI 2003, 136, 138.
133
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung gel schon deshalb nicht möglich, weil dieses installiert und das Personal eingewiesen werden muss.
Dass es sich hierbei nicht stets um doloses, erpresserisches Verhalten des bevorzugten Gläubigers handelt, räumt auch der BGH ein, wenn er davon ausgeht, dass ein solches Befriedigungsverlangen nicht stets als verwerflich erscheinen müsste. (o)
Abgrenzung zur Vorteilsausgleichung
Die Nichtanwendung der Vorteilsanrechnung im Bereich des Insolvenzanfechtungsrechts ist überzeugend. Dass die Vorteilsanrechnung im Rahmen der §§ 129 ff. InsO keine Anwendung findet, hat aber nichts mit dem Charakter der Insolvenzanfechtung zu tun, sondern der Rechtsnatur der Vorteilsanrechnung selbst. Sie führt allein zu einer Anrechnung nach Feststellung eines Schadensersatzanspruches, hat auf dessen Entstehen aber keinen Einfluss. Weshalb die Vorteilsanrechnung im Insolvenzanfechtungsrecht weitergreifen sollte, ist nicht erkennbar. In Betracht kommt allenfalls eine Anwendung der Vorteilsanrechnung auf den Rückgewähranspruch aus § 143 InsO. Mit Hinweis darauf, dass der Rückgewähranspruch nicht dem Ausgleich einer Minderung des schuldnerischen Vermögens dient, daher kein Schadensersatzanspruch im eigentlichen Sinne sei, wird die Anwendung der Vorteilsanrechnung auch hier abgelehnt. Dennoch greift die Begründung der herrschenden Ansicht zu kurz. Wie Henckel nachgewiesen hat, kann auch im Insolvenzanfechtungsrecht die Vorteilsanrechnung Anwendung finden. Das ist der Fall, wenn der Anfechtungsgegner den Rückwähranspruch aus § 143 InsO nicht erfüllen kann mit der Folge, dass sich der Rückgewähranspruch in einen Wert- oder Schadensersatzanspruch umwandelt. Dieser Anspruch folgt den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts, auf den auch die Grundsätze der Vorteilsausgleichung anwendbar sind 589. Die hier in Frage kommenden Vorteile sind solche, die gerade infolge der Umwandlung in einen Schadensersatzanspruch eingetreten sind. Nicht anzurechnen wären die in Folge der anfechtbaren Rechtshandlung selbst erlangten Vorteile, da diese nicht mit dem schädigenden Ereignis, das zur Umwandlung in einen Schadensersatzanspruch geführt hat, in kausalem Zusammenhang stehen. Über diese Fallgestaltungen hinaus lässt sich die Rechtsfigur der Vorteilsausgleichung für Fragen des Insolvenzanfechtungsrechts nicht fruchtbar machen. In allen Fällen, in denen der Insolvenzmasse aufgrund der angefochtenen Rechtshandlung auch Vermögensvorteile zugeflossen sind, ist vielmehr gründlich zu prüfen, ob überhaupt eine Gläubigerbenachteiligung vorliegt 590. (p)
Einschränkungen
Die Einbeziehung aller durch die Rechtshandlung ausgelösten wirtschaftlichen Folgen könnte dazu führen, dass die Insolvenzanfechtung weitgehend an Bedeutung
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Jaeger/Henckel, § 37 Rz. 136. Kübler/Prütting/Paulus, § 142 Rz. 16; Henckel, FS Deutsch, S. 967, 979 ff.
4. Würdigung und Lösung
verliert. Fast für jede anfechtbare Rechthandlung lassen sich Vorteile ins Feld führen, die dem Schuldner hieraus erwachsen sind. Hat der Anfechtungsgegner etwa in das Guthaben des Schuldners bei dessen kontoführender Bank die Zwangsvollstreckung betrieben und der Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung Zahlungen geleistet, könnte der Beklagte der Anfechtung wegen inkongruenter Deckung gemäß § 131 InsO mit dem Einwand entgegentreten, dass der Schuldner bei erfolgreicher Zwangsvollstreckung in das Geschäftskonto keinerlei weitere Zahlungen mehr hätte vornehmen und Insolvenzantrag stellen müssen. Erst infolge des Umstandes, dass der Schuldner die Zwangsvollstreckung abwendende Zahlungen an ihn geleistet habe, wäre ihm ein weiteres Wirtschaften möglich gewesen. Darüber hinaus wären bei erfolgreicher Zwangsvollstreckung möglicherweise Sollzinsen angefallen oder die Bank hätte wegen zu großer Debetsalden die Geschäftsbeziehung gekündigt und ausgereichte Sicherheiten der Verwertung zugeführt. Dieser Einwand könnte in allen Fällen, in denen der Schuldner die Zwangsvollstreckung durch „freiwillige“ Zahlungen abgewendet hat, vorgebracht werden. Denn der Schuldner wird im Zweifel zunächst Vermögen einsetzen, das für die Fortführung des Betriebes nicht unbedingt notwendig ist. Soweit eine Zwangsvollstreckung nicht erfolgt ist, könnte der Gegner seine Einwände darauf stützen, dass etwa die nachträgliche Besicherung einer Verbindlichkeit erst die Fortführung des Betriebes ermöglicht habe, da weitere Lieferungen erbracht oder neue Kredite ausgereicht worden seien. Dabei darf das legitime Interesse der Geschäftspartner des Schuldners, sich in der Krise des Schuldners auch für alte Verbindlichkeiten zu sichern, nicht verkannt werden. Die Berücksichtigung wirtschaftlicher Vorteile ist deswegen einzuschränken. Nicht jeder Vorteil ist ein solcher, um dessentwillen die Gläubigergesamtheit bereit wäre, einen Nachteil in Kauf zu nehmen. Eine allzu großzügige Berücksichtigung von wirtschaftlichen Vorteilen liefe dem Sinn des Anfechtungsrechts zuwider. Die Grenzen, die hier zu ziehen sind, zeigt die behandelte Materie selbst auf. Zunächst sind nur solche Rechtshandlungen Gegenstand der Erörterungen, an denen ein vorläufiger Insolvenzverwalter beteiligt ist. Aus der Sicht sowohl des Anfechtungsgegners als auch der Gläubigergesamtheit genießt der vorläufige Insolvenzverwalter einen Vertrauensvorschuss dahin, dass er masseschädlichen Rechtsgeschäfte nicht zustimmt bzw. diese nicht selbst vornimmt. Des Weiteren bleibt die Berücksichtigung mittelbarer Vorteile auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen es um die Fortführung des Betriebes zum Erhalt einer verwertungsfähigen Insolvenzmasse geht. Dass die Geschäftsfortführung zu einem Erhalt der späteren Insolvenzmasse führen wird, hat der vorläufige Insolvenzverwalter anhand seiner Liquiditäts- und Ertragsplanung nachzuweisen. Auch kommt die Berücksichtigung von Vorteilen nicht in Betracht, wenn die in Aussicht genommene Geschäftsfortführung scheitert. In diesem Fall ist der werterhaltende Effekt nicht eingetreten, so dass es bei der vom BGH bisher vorgenommenen engen Betrachtung verbleibt. Hierdurch ist sichergestellt, dass die zunächst übervorteilten Geschäftspartner des Schuldners ein Interesse daran haben, dass die Rechnung des vorläufigen Insolvenzverwalters „aufgeht“. Am Risiko eines Scheiterns der Geschäftsfortführung sind sie beteiligt, indem der ihnen
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
gewährte Vorteil gegebenenfalls in voller Höhe an die Insolvenzmasse zurückzuerstatten ist. Aus Sicht der Gläubigergesamtheit erscheint das mit der Übervorteilung eines Geschäftspartners eingegangene Risiko angemessen. Schließlich sind nur solche Vorteile zu berücksichtigen, die mit der angefochtenen Rechtshandlung in einem adäquaten Zusammenhang stehen. Hierfür ist neben einem objektiven Umstand auch der Wille der Beteiligten zur Erbringung eines Fortführungsanteils zu fordern. Maßnahmen der Zwangsvollstreckung stehen erkennbar in keinem inneren Zusammenhang zur Geschäftsfortführung, so dass aus ihnen entstandene Vorteile grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig sind. Berücksichtigt werden können auch nur solche Vorteile, die von den Beteiligten als Vorteil der Geschäftsfortführung in ihre Überlegungen einbezogen wurden. Der lediglich destruktiv auf Befriedigung seiner Verbindlichkeit beharrende Geschäftspartner soll, sofern er an einem Erhalt der späteren Insolvenzmasse nicht mitwirkt, auch nicht profitieren. Die Anforderungen an den vorläufigen Insolvenzverwalter steigen hierdurch nicht. Schon um einer Haftung aus § 61 InsO zu entgehen, wird er das Zahlenmaterial im Rahmen einer Liquiditäts- und Ertragsplanung unter Berücksichtigung der Risiken auswerten. Die Möglichkeit, bei Scheitern einer Geschäftsfortführung den gewährten Vorteil zurückverlangen zu können, erweitert seinen Spielraum und reduziert das Risiko der persönlichen Haftung. (q)
Folgen für die Prüfung der Gläubigerbenachteiligung
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beurteilung einer gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlung im Insolvenzeröffnungszeitraum erheblichen Unsicherheiten unterliegt. Diese resultieren bereits daraus, dass ein angemessener Preis für Waren bzw. Dienstleistungen in der Insolvenz nur schwer zu ermitteln ist 591, etwa wenn der Schuldner eine Marktnische besetzt, die Leistung des Vertragspartners nicht oder nicht rechtzeitig durch Dritte erbracht werden kann oder anderes. Unter idealen marktwirtschaftlichen Bedingungen, d.h. bei rationalem Verhalten aller Beteiligten und bei vollkommener Information, verhandeln die Beteiligten so lange, bis eine Lösung erreicht ist, die keinen Beteiligten schlechter und zumindest einen Beteiligten besser stellt als jede der Alternativen (sog. Pareto-Optimum) 592. Gerade im Vorfeld eines Insolvenzverfahren sowie im Insolvenzverfahren selbst funktionieren diese Bedingungen nicht (mehr) 593. Dieser Erkenntnis trug der Regierungsentwurf etwa dadurch Rechnung, dass eine Reihe von Regelungen zur Marktpreisbildung bei übertragenden Sanierungen und zur Behandlung von Insidererwerben aus der Insolvenzmasse vorsah 594. Stattdessen verlagert sich der Schwerpunkt der vom Gericht vorzunehmenden Prüfung auf den Erfolg der Fortführungsmaßnahmen. Eine Mehrarbeit für den vorläufigen Insolvenzverwalter ist damit in der Regel nicht verbunden: Ohnehin ist er zur Aufarbeitung der schuldnerischen Buchhal-
591 592 593 594
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So auch BegrRegE InsO, Tz. 2. KS-Balz, S. 5. Vgl. KS-Balz, S. 5 ff. §§ 181, 182 RegE InsO; dagegen §§ 162, 163 InsO.
4. Würdigung und Lösung
tung verpflichtet und wird bereits mit der Inbesitznahme des schuldnerischen Vermögens ein Inventar erstellen, um etwaige Aus- und Absonderungsrechte ermitteln zu können. Zur Aufarbeitung der Buchhaltung gehört auch die Erstellung einer Schlussbilanz. Aus diesen Unterlagen geht ohne weiteres hervor, ob die Fortführung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter positive oder negative wirtschaftliche Ergebnisse erzielte. Soweit das Ergebnis positiv ist, scheidet eine Insolvenzanfechtung aus, da der Masse kein Nachteil entstanden ist. Soweit das wirtschaftliche Ergebnis negativ ist, ist die Prüfung der Masseschmälerung zu erweitern um alle mittelbar durch die angefochtene Handlung zur Insolvenzmasse geflossenen Vorteile. Hierbei ist dem Nachteil der Befriedigung von Altverbindlichkeiten gegenüberzustellen, welche Verbesserung der Haftungsmasse sich aus dem Erhalt des Anlage- und Umlaufvermögens ergibt, inwieweit Schadensersatzansprüche von Auftraggebern des Schuldners durch die Erfüllung von Werk-/Dienstverträgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgewendet wurden, welcher zusätzliche Wert sich aus dem Erhalt des immateriellem Vermögens ergibt (etwa Kunden- und Lieferantenbeziehungen). Von diesen mittelbaren Vorteilen abzuziehen sind dann in einem weiteren Schritt die Aufwendungen, die im Zusammenhang hiermit erbracht wurden. Beispielsweise Finanzierungs- und Personalkosten schlagen hier zu Buche. Da diese in der Regel nicht projektbezogen in der Buchhaltung ausgewiesen werden, hat eine Abgrenzung der Aufwendungen unter Zuhilfenahme der betriebswirtschaftlichen Unterlagen zu erfolgen. Diese Ermittlung der Gläubigerbenachteiligung ist praktisch nicht immer einfach. Aufgrund der vom vorläufigen Insolvenzverwalter zu Beginn seiner Tätigkeit vorgenommenen Prognose des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses sowie der laufenden Buchhaltung der Eröffnungsphase lassen sich die notwendigen Informationen gewinnen. Eine solch genaue, auch mittelbare Vorteile berücksichtigende Ermittlung der Gläubigerbenachteiligung belastet den mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter kontrahierenden Gläubiger nur dann mit dem Risiko einer Insolvenzanfechtung, soweit das wirtschaftliche Ergebnis der Geschäftsfortführung ein negatives ist. Sowohl vorläufiger Verwalter als auch der auf Befriedigung der Altverbindlichkeiten drängende Gläubiger werden daher an einem positiven Gesamtergebnis interessiert sein. Die Feststellung der Sanierungswürdigkeit obliegt nicht dem Gericht, sondern den am Insolvenzantragsverfahren Beteiligten, insbesondere dem vorläufigen Verwalter 595. Allerdings ist die frühzeitige Einbeziehung der Gläubiger sinnvoll, da diese später in der Gläubigerversammlung über die Fortführung bzw. Stilllegung entscheiden oder einen Insolvenzplan ausarbeiten. Eine vom wirtschaftlichen Sinn der anfechtbaren Rechtshandlung losgelöste Betrachtung verkennt, dass diese nur mit Blick auf den späteren Vorteil erfolgte. Die hieraus folgende Gläubigerbenachteiligung ist, soweit der mit ihr bezweckte wirtschaftliche Vorteil später tatsächlich eintritt, ihrer Natur nach nur eine vorübergehende. Diese rückgängig zu machen, hieße aber der Masse Vorteile zu verschaffen,
595
BegrRegE InsO, Tz. 2.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
die sie ohne die anfechtbare Rechtshandlung nicht erlangt hätte. Sie war notwendiger Zwischenschritt für eine Erhaltung oder Steigerung des haftenden Vermögens und lag daher im Interesse der Insolvenzgläubiger. (4)
Insolvenzzweckwidrigkeit
Die Nichtigkeit einer Rechtshandlung kann sich im Insolvenzverfahren daraus ergeben, dass der Insolvenzverwalter seine Aufgaben und Befugnisse überschreitet 596. Dem Insolvenzverwalter ist das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners ja mit der Zweckbestimmung übertragen worden, die gleichmäßige Befriedigung aller Insolvenzgläubiger herbeizuführen. Handlungen, die diesem Zweck zuwiderlaufen, sind deshalb nichtig 597. Die Insolvenzzweckwidrigkeit muss hierbei offen zutage treten, d.h. der Verstoß gegen den Insolvenzzweck der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung muss für jeden verständigen Menschen offensichtlich sein 598. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Insolvenzverwalter Schenkungen aus der Insolvenzmasse 599 vornimmt, nicht bestehende Aus- oder Absonderungsrechte anerkennt 600 oder eine Forderung abtritt, die dem Gläubiger eine bevorzugte Befriedigungsmöglichkeit 601 verschafft. Im Zusammenhang mit der Anfechtbarkeit nach § 130 InsO erörtert der BGH, ob eine Anfechtung der Zahlung bereits deshalb ausscheidet, weil die angefochtene Rechtshandlung insolvenzzweckwidrig und damit nichtig ist, lässt sie jedoch ausdrücklich offen 602. Da der BGH bei der Beurteilung der zugrunde liegenden Abrede davon ausgeht, dass der Schuldner gehandelt hat, spielt dort die Insolvenzzweckwidrigkeit keine Rolle. Gleichwohl hätte Veranlassung bestanden, die Frage der Insolvenzzweckwidrigkeit (und das Verhältnis zur Anfechtbarkeit) einer Klärung zuzuführen. Zum einen deshalb, weil der BGH 603 die Frage der Insolvenzzweckwidrigkeit von Handlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters (bzw. Sequesters) bislang stets unter Hinweis auf die Anfechtbarkeit der Rechtshandlung offen gelassen hat, eine Klärung mithin aussteht. Zum anderen, weil die Argumentation des BGH zur Anfechtbarkeit im entschiedenen Fall die Annahme einer insolvenzzweckwidrigen Handlung nahe legt. Dort heißt es unter anderem, dass in der Gewährung eines Sondervorteils an einen Einzelgläubiger ein „krasser Verstoß“ gegen den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung liege und einer „Erpressung durch marktstarke, etwa mit einer Monopolstellung ausgestattete Geschäftspartner des Schuldners Tür und Tor geöffnet“ werde 604. Sofern diese Argumentation des BGH
596 597 598 599 600 601 602 603 604
138
Nerlich/Römermann, § 80 Rz. 132 ff.; zur KO Kuhn/Uhlenbruck, § 6 Rz. 37. RGZ 53, 192; BGH LM § 6 KO Nr. 3. RGZ 53, 192; 57, 199; 76, 249; BGH LM § 6 KO Nr. 3; BGH ZIP 1983, 589, 590. RGZ 29, 82; 53, 193; 57, 199. RGZ 57, 199. RGZ 23, 62; BGH LM § 6 KO Nr. 3 m.w.N. BGH ZIP 2003, 810, 811 sub II.1.b) der Gründe. BGHZ 118, 374, 377 f.; BGH ZIP 1993, 48, 49; BGH ZIP 1993, 687, 688. BGH ZIP 2003, 810, 812 sub II.2.c) cc) der Gründe.
4. Würdigung und Lösung
unmittelbar jedem verständigen Menschen einleuchtet 605, hätte die Insolvenzzweckwidrigkeit der Abrede auf der Hand gelegen. Dass der BGH die Lösung dennoch nicht in der Insolvenzzweckwidrigkeit sucht, scheint angesichts der damit einhergehenden Vorteile für die Insolvenzmasse verwunderlich. So entsteht der Anspruch auf Rückgewähr aus § 143 Abs. 1 InsO erst mit Eröffnung des Verfahrens 606, der Rückgewähranspruch wegen Insolvenzzweckwidrigkeit dagegen bereits unmittelbar mit der Weggabe des schuldnerischen Vermögens. Des Weiteren setzt der Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 InsO die Eröffnung des Verfahrens voraus; kommt es mangels Masse nicht zur Eröffnung des Verfahrens, gelangt der Anspruch nicht zur Entstehung. Der aus der Insolvenzzweckwidrigkeit resultierende Anspruch besteht dagegen unabhängig von der weiteren Entwicklung des Insolvenzverfahrens und bleibt über die Insolvenz hinaus bestehen 607. Auch qualitativ steht der Schuldner im Falle der Insolvenzzweckwidrigkeit besser. Im Falle insolvenzzweckwidriger Handlungen wird überwiegend eine dingliche Unwirksamkeit der Handlung angenommen 608, d.h. der Empfänger hat die Leistung beispielsweise herauszugeben, ohne sich auf einen Wegfall der Bereicherung berufen zu können. Der Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 InsO ist dagegen nur dinglicher Natur, sofern der Anfechtungsgegenstand noch unterscheidbar im Vermögen des Anfechtungsgegners vorhanden ist 609. Das ist bei Zahlungen auf das Geschäftskonto des Anfechtungsgegners nicht der Fall, da die Gutschrift regelmäßig in das Kontokorrent eingestellt wird und nur einen unselbständigen Rechnungsposten bei der Saldierung bildet. Warum verzichtet der BGH dennoch auf eine eingehende Prüfung der Insolvenzzweckwidrigkeit? Möglicherweise deshalb, weil die Anfechtbarkeit zur Insolvenzzweckwidrigkeit kein aliud ist, sondern ein minus. Das wird deutlicher, wenn man sich den Telos von Insolvenzzweckwidrigkeit und Insolvenzanfechtung in Erinnerung ruft: Der Schutz der Gläubigergleichbehandlung. Aus diesem gemeinsamen Zweck entspringen auch die Gemeinsamkeiten bei der Prüfung. In beiden kann es nur darum gehen, ob der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung verletzt wurde. Im Bereich der §§ 129 ff. InsO ist Anknüpfungspunkt hierfür das Tatbestandsmerkmal der Gläubigerbenachteiligung, im Bereich der Insolvenzzweckwidrigkeit die Überschreitung der dem vorläufigen Insolvenzverwalter übertragenen Kompetenzen. Die §§ 129 ff. InsO bringen gerade zum Ausdruck, dass eine Rechtshandlung den Interessen der Gläubigergesamtheit zuwiderlief, mithin insolvenzzweckwidrig war. Unterschiedlich ist jedoch der Grad der Insolvenzzweckwidrigkeit, sozusagen das qualitative Element. Während für die Annahme der Insolvenzzweckwidrigkeit gefordert wird, diese müsse offen zu Tage treten bzw. müsse der Verstoß jedem vernünftigem Menschen unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten offen605 Zu dieser weiteren Voraussetzung der Insolvenzzweckwidrigkeit oben S. 138. 606 Nerlich/Römermann, § 143 Rz. 3; Jaeger/Henckel, § 37 Rz. 5. 607 BGH LM § 6 KO Nr. 3; Kuhn/Uhlenbruck, § 6 Rz. 37a. 608 Kuhn/Uhlenbruck, § 6 Rz. 37a. 609 BGH ZIP 2004, 1016 ff. Bisher wurde § 143 InsO nur schuldrechtliche Wirkung zugestanden, vgl. Nerlich/Römermann, § 143 Rz. 3, 6.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
sichtlich sein 610, verlangen die §§ 129 ff. InsO eine solche Offenkundigkeit nicht. Teilweise verzichten die §§ 129 ff. InsO auf subjektive Voraussetzungen vollkommen 611, im Übrigen kommt es allein auf die Erkennbarkeit für die Beteiligten an 612. Darüber hinaus will der Vorwurf der Insolvenzzweckwidrigkeit im Insolvenzantragsverfahren nicht so recht passen. Der Insolvenzzweck kann im Zeitpunkt des Insolvenzantragsverfahrens allenfalls dahin umschrieben werden, das schuldnerische Vermögen zu sichern und zu erhalten, vgl. § 21 InsO. Der Verfahrenszweck selbst steht aber noch nicht fest. Ob die Liquidation oder eine der Sanierungsmöglichkeiten die bestmögliche Verwertungsart darstellt, ist erst Ergebnis des Insolvenzantragsverfahrens. Der Insolvenzzweck ist zur Abgrenzung der wirksamen von den unwirksamen Verwalterhandlungen deshalb nicht ausnahmslos geeignet 613. Als weitere Kriterien werden die fehlende Vertretungsmacht, das Interesse der Gläubigergesamtheit oder Befriedigungs- und Liquidationszweck vorgeschlagen 614. Bei der Beurteilung von Handlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters ist deshalb Zurückhaltung geboten, wenn ihm der Vorwurf gemacht wird, gegen den Insolvenzzweck verstoßen zu haben. Der eigentliche Anwendungsbereich der Insolvenzzweckwidrigkeit sind daher die Handlungen des Insolvenzverwalters im eröffneten Insolvenzverfahren. Eine Anfechtung scheidet hier aus, die Haftung des Insolvenzverwalters ist für die weggegebenen Vermögenswerte kein Äquivalent. Zur Beurteilung der Handlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters ist dagegen die Insolvenzanfechtung das geeignete Instrument. Legt man diese Auffassung zugrunde, ist dem BGH darin Recht zu geben, die Zahlung nicht bereits wegen Insolvenzzweckwidrigkeit für unwirksam zu erachten. Ein solcher, jedem unmittelbar einleuchtender Verstoß liegt nicht vor. Das wäre etwa der Fall, wenn sich die Handlung des vorläufigen Insolvenzverwalters darin erschöpft hätte, allein eine Altverbindlichkeit zu bedienen. Der entschiedene Fall weist dagegen die Besonderheit auf, dass zunächst eine Abrede zwischen den Parteien getroffen wurde und dann sowohl auf die Alt- als auch die Neuverbindlichkeit bezahlt wurde. Darüber hinaus floss der verwalteten Vermögensmasse auch eine Gegenleistung zu, die dazu führte, dass der Schuldner insgesamt einen die Summe der bezahlten Verbindlichkeiten (DM 70.000,00) weit übersteigenden Betrag (DM 300.000,00) erhielt. Ein offensichtlicher Verstoß gegen den Insolvenzzweck liegt hierin nicht. Eine Klärung durch den BGH wäre dennoch wünschenswert gewesen. Erstens, um den Verdacht der Insolvenzzweckwidrigkeit dem entschiedenen Fall zu nehmen, zweitens, um das Stufenverhältnis von Insolvenzanfechtung und Nichtigkeit herauszuarbeiten. 610 Kuhn/Uhlenbruck, § 6 Rz. 37; Jauernig, FS Weber, S. 307 ff. 611 Vgl. §§ 131 Abs. 1 Nr. 1, 2, 133 Abs. 2, 134 ff. InsO. 612 Vgl. §§ 130 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 3, 132 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO. Gegenstand der Kenntnis ist hier die Zahlungsunfähigkeit, der Insolvenzantrag, die Gläubigerbenachteiligung oder der schuldnerische Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen. 613 Jaeger/Henckel § 6 Rz. 25. 614 Kuhn/Uhlenbruck, § 6 Rz. 37.
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4. Würdigung und Lösung
(5)
Ausschluss wegen Treu und Glauben
Abschließend führt der BGH aus, dass eine Anfechtung auch nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen ist. Einen Vertrauenstatbestand, der beim Anfechtungsgegner ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, die Leistung behalten zu dürfen, begründet hat, erkennt der BGH zu Recht nicht an. Ob in der Erwähnung des § 242 BGB ein wichtiges Einfallstor zu sehen ist 615, um eine Anfechtung trotz Vorliegens der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen abzulehnen, darf angesichts der bisherigen Rechtsprechung des BGH 616 bezweifelt werden. Selbst dann, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter eine zusätzliche Erklärung dahingehend abgibt, dass der Anfechtungsgegner die Zahlung behalten darf, ist fraglich, ob die Anfechtung zu Lasten der Interessen der Gläubigergemeinschaft eingeschränkt werden sollte 617. Für den Ausschluss der Insolvenzanfechtung spricht nach Ansicht des BGH, dass der Gesetzgeber mit der Einrichtung des Zustimmungsverwalters zwar die spätere Insolvenzmasse schützen, andererseits aber nicht das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Insolvenzbeständigkeit eines solchen erschüttern wollte. Dies führt den BGH zu der Andeutung, dass eine bloß mittelbare – im Zeitpunkt der Verfügung noch gar nicht erkennbare oder sogar noch nicht vorliegende – Gläubigerbenachteiligung nicht zur Anfechtbarkeit führt. Bemerkenswert ist, dass der BGH sich in der Argumentation von § 130 InsO löst und die Möglichkeit eines Anfechtungsausschlusses für alle mittelbaren Anfechtungstatbestände erörtert. Das vor allem deshalb, weil gerade die praxisrelevanten – und hier vom BGH geprüften – Tatbestände der §§ 130, 131 InsO eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung genügen lassen 618 und auf eine Erkennbarkeit derselben nicht abstellen. Eine der entscheidenden Neuerungen gegenüber der Vorgängerregelung des § 30 KO ist gerade die Lockerung bzw. der Verzicht in den §§ 130, 131 InsO auf subjektive Tatbestandsvoraussetzungen. Vgl. etwa § 130 Abs. 2 InsO, wonach die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Insolvenzantrag schließen lassen, der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gleich steht. Gemäß § 130 Abs. 3 InsO wird diese Kenntnis bei nahestehenden Personen vermutet. § 131 Abs. 1 InsO verzichtet in den Nr. 1 und 2 anders als § 30 Nr. 2 KO auf subjektive Voraussetzungen und lockert für Nr. 3 in Abs. 2 die Anforderungen an die Darlegungslast ähnlich den §§ 130 Abs. 2 und 3 InsO. Die §§ 130–132 InsO beruhen auf dem Grundsatz, dass spätestens mit der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners der insolvenzrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger sich gegenüber den Individualinteressen der Einzelnen durchsetzen muss 619. Diese Gründe verbindet, dass die dort erfassten Rechtshandlungen in zeitlicher Nähe zum Insolvenzantrag, d.h. in der
615 So Leithaus, NZI 2003, 317, 318; insoweit nicht geprüft von LG Karlsruhe ZIP 2002, 362 ff. 616 BGHZ 86, 190, 197; BGHZ 118, 374, 382. 617 So wohl auch OLG Celle, NZI 2003, 95 f. und 266. Abzulehnen ist die Entscheidung des AG Celle NZI 2003, 266, das ein widersprüchliches Verhalten darin sieht, wenn der Insolvenzverwalter eine Zahlung, die er als vorläufiger Insolvenzverwalter vorgenommen hat, anficht. Vgl. dazu bereits BGHZ 86, 190, 197. 618 Vgl. nur Nerlich/Römermann, § 130 Rz. 61 ff. und § 131 Rz. 11 f. 619 BGHZ 136, 309, 312. Die Entscheidung erging noch zu § 30 Nr. 2 KO.
141
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
Krise des Unternehmens erfolgt sein müssen. Es handelt sich dabei um einen Zeitraum, in dem die Gläubiger wie auch der spätere Schuldner häufig versuchen, ihre Ansprüche auf Kosten der übrigen Gläubiger zu decken 620. Auf eine Beibehaltung des Status quo oder gar eine Ausdehnung subjektiver Elemente hat der Insolvenzrechtsgesetzgeber daher bewusst verzichtet. Eine Andeutung, die Anfechtbarkeit nach den §§ 130 ff. InsO danach einzugrenzen, ob diese für den Anfechtungsgegner erkennbar war, liegt praeter legem. Ob die Anfechtbarkeit nach § 130 InsO durchgreift, lässt der BGH unter Hinweis auf die soeben dargelegten Probleme offen 621, da er die Anfechtbarkeit jedenfalls nach § 132 InsO für gegeben hält. In einer Entscheidung vom 09.12.2004 622 befasste sich der BGH näher mit der Frage, wann eine Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters ein insolvenzfestes Vertrauen des Anfechtungsgegners begründet. Fall: Der mit Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter kündigte der Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an, dass er der Auszahlung vor dem Insolvenzantrag liegender Löhne und Gehälter durch die Schuldnerin zustimmen werde, um Zurückbehaltungsrechte der Arbeitnehmer abzuwenden; der Auszahlung der auf diese Löhne und Gehälter entfallenden Sozialversicherungsbeiträge werde er jedoch nicht zustimmen. Der Sozialversicherungsträger drohte daraufhin, bei Nichtzahlung der Sozialversicherungsbeiträge – trotz Zahlung der Löhne und Gehälter – wegen Vorenthaltens der Beiträge gemäß § 266 a StGB Strafanzeige zu erstatten. Zur Vermeidung der Strafanzeige stimmte der vorläufige Insolvenzverwalter unter dem Vorbehalt der Anfechtung und Rückforderung der Zahlung auch an die Einzugsstelle zu.
In diesem Fall fehlte es an einer zugrunde liegenden schuldrechtlichen Abrede, so dass die Frage, wann ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand begründet wird, entscheidungserheblich war, wie auch der BGH ausdrücklich feststellt 623. Der Beantwortung dieser Frage näherte sich der BGH auf der Grundlage seiner Entscheidung vom 13.03.2003 624. Danach soll der Zustimmungsvorbehalt zwar die künftige Insolvenzmasse schützen, nicht zugleich aber das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Insolvenzbeständigkeit der Zustimmung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters erschüttern. Dem BGH geht es darum, vor allem den von ihm angenommenen Schwierigkeiten eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters, neue Vertragspartner zu finden, zu begegnen 625. Vor diesem Hintergrund ist die Differenzierung, die der BGH nachfolgend vornimmt, zu verstehen: Stimmt der schwache vorläufige Insolvenzverwalter Verträgen des Schuldners vorbehaltlos zu, in denen im Zusammenhang mit noch zu erbringenden Leistungen des Vertragspartners Erfüllungszusagen für Altverbindlichkeiten gegeben werden, begründet dies einen anfechtungssicheren Vertrauenstatbestand. Wegen der Einbindung des schwachen
620 Nerlich/Römermann, § 130 Rz. 4. 621 Dennoch deutet die Entscheidung darauf hin, dass eine Anfechtbarkeit nach § 130 InsO nicht vorliegen soll. So auch Leithaus, NZI 2003, 317, 318. 622 BGHZ 161, 315 ff. = ZIP 2005, 314 ff. = NJW 2005, 1118 ff. 623 BGHZ 161, 315 ff. unter II.2.c) der Gründe. 624 BGHZ 161, 315 ff. unter II.2.c) aa) der Gründe mit Verweis auf BGHZ 154, 190, 199. 625 BGHZ 161, 315 ff. a.a.O.
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4. Würdigung und Lösung
vorläufigen Insolvenzverwalters habe der Vertragspartner keinen Grund, an der Endgültigkeit seines Erwerbs zu zweifeln 626. Hat dagegen der schwache vorläufige Insolvenzverwalter bei Vertragsschluss die spätere Anfechtung angekündigt oder stimmt er einer Erfüllungshandlung zu, die nicht im Zusammenhang mit einem neuen Vertragsschluss steht, begründet er kein schutzwürdiges Vertrauen beim Vertragspartner, so dass dem Rückgewähranspruch aus Insolvenzanfechtung die Einrede von Treu und Glauben nicht entgegensteht 627. Für die beklagte Einzugsstelle der Sozialversicherung bedeutete dies, dass sie – mangels Abrede und infolge des Hinweises auf die spätere Anfechtung – zur Rückerstattung der vereinnahmten Sozialversicherungsbeiträge an den Insolvenzverwalter verurteilt wurde. In der Sache bringt die Entscheidung keine Fortschritte. Erstens führt sie die verfehlte Entscheidung vom 13.03.2003, die das Rechtsinstitut von Treu und Glauben in das Recht der Insolvenzanfechtung implantiert, fort. Dabei differenziert der BGH nun nicht nur zwischen starkem und schwachem vorläufigen Insolvenzverwalter, sondern auch zwischen schuldrechtlicher Abrede und Erfüllungshandlung. Zweitens lässt der BGH gerade die in der Praxis relevanten Fragen – teilweise ausdrücklich – offen. Hierzu rechnet beispielsweise der Fall, dass der schwache vorläufige Insolvenzverwalter zunächst den Vertragspartner auf die spätere Anfechtung hinweist, im weiteren Verlauf der Vertragsverhandlungen jedoch hierzu schweigt. Offen bleibt auch, welche haftungsrechtlichen Konsequenzen aus dem unterbliebenen Hinweis des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters auf die spätere Anfechtung folgen. Haftet er gemäß § 60 InsO für eine Minderung der Insolvenzquote? Eine Pflicht des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters, auf die spätere Anfechtung hinzuweisen, wird im Hinblick auf seine Sicherungspflicht nach den §§ 21 f. InsO anzunehmen sein. Auch das Erfordernis der haftungsbegründenden Kausalität ist erfüllt, weil nach der Diktion des BGH die Insolvenzanfechtung, trotz Vorliegens aller übrigen Voraussetzungen, allein wegen des unterbliebenen Hinweises auf die Anfechtung ausgeschlossen ist. Offen bleibt ferner, welche Anforderungen an eine zugrunde liegende schuldrechtliche Abrede zu stellen sind. Sofern Insolvenzgläubiger realisieren, dass die Trennlinie nun nicht nur zwischen starkem und schwachem vorläufigen Insolvenzverwalter verläuft, sondern auch zwischen schuldrechtlicher Abrede und Erfüllungshandlung, werden diese künftig wohl auf einer entsprechenden Abrede bestehen. Damit ist vor allem bei den Finanz- und Sozialbehörden zu rechnen, die sich schon seit der Insolvenzrechtsreform vehement gegen das neue Anfechtungsrecht wehren und nicht müde werden, stets neue Einwände geltend zu machen, wie auch die hier besprochene Entscheidung vom 09.12.2004 zeigt 628. 626 BGHZ 161, 315 ff. unter II.2.c) bb) (1) der Gründe. 627 BGHZ 161, 315 ff. unter II.2.c) bb) (2) und (3) der Gründe. 628 BGHZ 161, 315 ff. unter II.3.b) der Gründe. Die Anfechtungsgegnerin machte zum einen geltend, dass der vorläufige Insolvenzverwalter seine Zustimmung zu Erfüllungshandlungen der Schuldnerin gegenüber anderen Insolvenzgläubigern unterlassen habe oder diese jedenfalls auf Rückerstattung hätte verklagen müssen. Zum anderen sah sie in dem Anfechtungsbegehren einen Rechtsmissbrauch, weil der vorläufige Insolvenzverwalter es der Schuldnerin ermöglicht habe, der Anfechtungsgegnerin den Zugriff auf das Insolvenzgeld zu vereiteln. Beide Einwände wies der BGH mit knappen Worten zurück.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
Drittens wird nicht deutlich, welche Anforderungen an die vom Vertragspartner noch zu erbringende Gegenleistung zu stellen sind. Müssen diese den Anforderungen an ein Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO entsprechen, also in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Leistung erfolgen? Oder genügt hier eine spätere Leistungserbringung, womöglich erst nach Verfahrenseröffnung? Muss die vom Vertragspartner noch zu erbringende Leistung in einem bestimmten Wertverhältnis zu der Altverbindlichkeit stehen, um einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand zu begründen? Kann beispielsweise eine Altverbindlichkeit von € 50.000,00 deshalb unanfechtbar werden, weil der vorläufige Insolvenzverwalter zugleich mit dem Gläubiger eine Vereinbarung über weitere Lieferungen im Wert von € 10.000,00 abschließt? Die denkbaren Fallgestaltungen sind zahlreich und zeigen, welches Einfallstor § 242 BGB bietet, um die Insolvenzanfechtung ins Leere laufen zu lassen. Es bleibt daher bei der Feststellung 629, dass der Schutz des Anfechtungsgegners über Treu und Glauben einen Fremdkörper im Insolvenzanfechtungsrecht darstellt und praeter legem liegt. bb)
Anfechtung gemäß § 132 InsO
(1)
Normativer Ausgangspunkt
Da die Zahlung sowohl nach der hier als auch der vom BGH vertretenen Auffassung – mit unterschiedlicher Begründung – nicht anfechtbar war, ist nunmehr die der Zahlung zugrunde liegende Tilgungsabrede auf ihre Anfechtbarkeit hin zu untersuchen. Der BGH nimmt diese Prüfung anhand des § 132 InsO vor. Das ist bemerkenswert, weil die Vorschrift in Literatur und Rechtsprechung bisher kaum Beachtung gefunden hat 630. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 132 InsO ungleich enger als die der §§ 130, 131 InsO sind. Reicht für die letztgenannten Vorschriften eine Rechtshandlung aus, die zu einer zumindest mittelbaren Benachteiligung der Gläubiger führt, verlangt § 132 InsO ein Rechtsgeschäft des Schuldners, das eine unmittelbare Benachteiligung der Gläubiger zur Folge hat. § 132 InsO stellt daher einen Auffangtatbestand für Rechtsgeschäfte dar, die nicht bereits nach den §§ 130, 131 InsO anfechtbar sind 631. Eine Anfechtbarkeit nach den §§ 130, 131 InsO setzt voraus, dass die Abrede der Beklagten eine Befriedigung oder Sicherung ihrer Forderung gewährt oder ermöglicht hat. Eine Befriedigung erfolgte durch die Abrede nicht, da die Forderung nicht erfüllt wurde; der Anspruch bestand fort. Unter einer Sicherung versteht man die Gewährung einer zusätzlichen Rechtsposition, die den Leistungsanspruch fortbestehen lässt, dessen Durchsetzbarkeit jedoch verstärkt bzw. erleichtert 632. Hierzu rechnen beispielsweise die Pfandrechte, Sicherungsübereignung oder -abtretung 629 Siehe oben S. 2. 630 Leithaus, NZI 2003, 317, 318. Die meisten Entscheidungen stützen sich auf § 30 Nr. 1 KO, der § 130 Abs. 1 InsO entspricht. Eine Analyse der Rechtsprechung findet sich bei Kleiner, S. 111 ff. 631 Vgl. nur Nerlich/Römermann, § 132 Rz. 3. 632 Nerlich/Römermann, § 130 Rz. 42; MK-InsO/Kirchhof, § 130 Rz. 8.
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4. Würdigung und Lösung
und der Eigentumsvorbehalt. Diesen ist gemeinsam, dass der Gläubiger im Sicherungsfall – Eintritt der Pfandreife, Nichterfüllung der Kaufpreisforderung etc. – auf den Sicherungsgegenstand zugreifen und diesen verwerten kann. Ein solche Rechtsposition erlangte die Beklagte durch die mit dem „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter getroffene Abrede nicht, da ihr ein selbständiger Zugriff auf die verwaltete Vermögensmasse zum Zweck der Befriedigung ihrer Forderung nicht ermöglicht wurde. Eine Anfechtbarkeit gemäß den §§ 130, 131 InsO schied mithin aus, allein eine Prüfung des § 132 InsO war vorzunehmen. (2)
Rechtsgeschäft des Schuldners
Zunächst müsste ein Rechtsgeschäft des Schuldners vorliegen. Der BGH stellt dazu fest, dass die Absprache, die Altverbindlichkeit zu bezahlen, vom Kläger – als „schwachem“ vorläufigen Insolvenzverwalter – getroffen worden sei. Zwar sei die Verfügungsbefugnis bei der Schuldnerin verblieben, so dass der Kläger nur für sie handeln konnte, wenn er in deren Namen und mit Vollmacht handelte. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen sei jedoch nicht angezweifelt worden. Das ist interessant: Im ersten Teil der Entscheidung wurde zunächst unter Berufung auf das Urteil des Senats vom 18.07.2002 633 ausgeführt, dass die vom Insolvenzgericht erteilte pauschale Ermächtigung, für die Schuldnerin zu handeln, unzulässig sei. Diese als Sicherungsmaßnahme gemäß den §§ 21 ff. InsO unzulässige Ermächtigung hält der BGH dann aber als Vollmacht gemäß den §§ 164 ff. BGB aufrecht, freilich ohne zu problematisieren, ob das Insolvenzgericht seine Befugnisse hierdurch überschritten hat. Das könnte der Fall sein, weil die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, wie der Senat zutreffend feststellt, bei der Schuldnerin verblieben war. Dieser hätte es oblegen, eine derartige Generalvollmacht zu erteilen. Das Insolvenzgericht hingegen war gemäß den §§ 21 ff. InsO darauf beschränkt, ein allgemeines oder ein besonderes Verfügungsverbot gegenüber der Schuldnerin auszusprechen, hatte von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch gemacht. Dass der Senat die pauschale Ermächtigung nicht für nichtig erachtete, ist auch deshalb interessant, weil er im vorgenannten Urteil auf diese Rechtsfolge ausdrücklich und unter Androhung von Haftungsfolgen für Insolvenzgericht und vorläufigen Insolvenzverwalter hingewiesen hatte. Die fehlende Stringenz in der Rechtsfolgenverortung mag darin begründet sein, dass die Abrede anderenfalls ein Rechtsgeschäft des Schuldners gewesen wäre, dem der Kläger in seiner Funktion als „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter zugestimmt hätte. Dann aber hätte der Senat die bei der Prüfung des § 130 InsO offen gelassene Frage, ob der Rechtsverkehr in die Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters vertrauen darf, beantworten müssen. Zur Verdeutlichung sei kurz dargestellt, wie die angefochtenen Rechtshandlungen nach Auffassung des BGH vorgenommen wurden: Die Abrede traf tatsächlich der Kläger. Dies tat er jedoch nicht in seiner Funktion als „schwacher“ vorläufiger Insol-
633
BGH ZIP 2002, 1625, 1629.
145
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
venzverwalter mit Zustimmung des Schuldners, sondern als Vertreter des Schuldners. Zur Wirksamkeit der Abrede bedurfte es der Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters nicht, da diese rein schuldrechtlicher Natur war. Sodann wies der Kläger – ohne dass der Schuldner hierzu tatsächlich einen Beitrag leistete – die Zahlung an. Aufgrund der pauschalen Ermächtigung, für die Schuldnerin zu handeln, tat er dies zunächst als Vertreter der Schuldnerin und stimmte dieser Verfügung schließlich in seiner Funktion als „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter zu. Dass sich diese rechtliche Konstruktion in der tatrichterlichen Würdigung widerspiegelt, muss bezweifelt werden. Dabei ist nicht zu verkennen, dass der vom BGH stets betonte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen auf diese Weise unterlaufen werden könnte. Eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit müsste sich hier nicht nur auf den Zustimmungsvorbehalt, sondern auch auf die Generalvollmacht für den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter erstrecken. Denn die tatsächlichen Auswirkungen wären, wie der Ausgangsfall zeigt, die gleichen: Der Schuldner ist von der Geschäftsführung ausgeschlossen; die Geschicke des Unternehmens liegen allein in der Hand des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters. Die § 21 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 InsO zugrunde liegende arbeitsteilige, kooperative Verwaltung der Masse würde unterlaufen. Die vom Insolvenzgericht erteilte Vollmacht fände auch in den §§ 21 ff. InsO keine gegenständliche Beschränkung. Dort sind nur Verfügungsverbote geregelt; die Vollmacht berechtigt dagegen zur schuldrechtlichen Verpflichtung des Schuldners. Das Übermaßverbot findet daher keine Anwendung, so dass eine Kontrolle der vom „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter vorgenommenen Verpflichtungsgeschäfte allenfalls anhand der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht stattfände. Stützt man die Befugnis des Gerichts, eine Generalvollmacht zu erteilen, auf § 21 Abs. 1 InsO, findet das Übermaßverbot hingegen Anwendung. Eine Begründung, weshalb die Übertragung der Verpflichtungsbefugnis bei gleichzeitiger Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts notwendig sein sollte, findet sich freilich ebenfalls nicht. Schließlich störte den BGH auch nicht, dass der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter anstelle der Schuldnerin die Zahlung veranlasste. Unterstellt man, das Insolvenzgericht könnte den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter neben den §§ 21 ff. InsO auch nach den §§ 164 ff. BGB bevollmächtigen, wäre von dieser Vollmacht eine Verfügung nicht gedeckt. Nach überwiegender Auffassung ermöglichen die §§ 164 ff. BGB nur eine schuldrechtliche Vertretung; eine Verpflichtungsermächtigung beinhalten sie hingegen nicht 634. Ebenso wenig genehmigte die Schuldnerin die Zahlung nachträglich gemäß § 185 Abs. 2 BGB. Sowohl die Zahlung als auch die Abrede waren daher allein Rechtshandlungen des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters. Ein Rechtsgeschäft des Schuldners, wie § 132 InsO es erfordert, lag danach nicht vor; eine Anfechtung schied aus. 634
146
BGHZ 34, 125; BGHZ 114, 100.
4. Würdigung und Lösung
(3)
Insolvenzzweckwidrigkeit
Damit rückt aber die Frage der Insolvenzzweckwidrigkeit der Abrede wieder in das Blickfeld juristischer Betrachtung. Zwar schließt die Nichtigkeit der Abrede nicht deren Anfechtung nach den §§ 129 ff. InsO aus. Doch für die Frage einer Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters kann sie bedeutend sein. Denn nur solche Handlungen, die offensichtlich gegen den Insolvenzzweck verstoßen, sind nichtig. Im Rahmen des § 60 InsO bleibt sodann die Frage zu klären, ob die verletzte Norm dem Schutz der Insolvenzgläubiger diente und schuldhaft erfolgte. Da die im Ausgangsfall getroffene Abrede nach Auffassung des BGH einen krassen Verstoß gegen den Insolvenzzweck darstellt und die Vorschriften der §§ 21 ff. InsO gerade dem Schutz der Insolvenzgläubiger dienen, wäre eine Haftung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters durch die Feststellung der Insolvenzzweckwidrigkeit dem Grunde nach präjudiziert. Die Insolvenzzweckwidrigkeit einer solchen Zustimmung liegt jedenfalls nach Ansicht des BGH auf der Hand. Sie bedeute nicht nur die Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers vor den übrigen, sondern auch einen besonders krassen Verstoß gegen den Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz, der jedem verständigen Menschen ohne weiteres einleuchte635. Die Annahme der Insolvenzzweckwidrigkeit hätte die Nichtigkeit der Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters zur Folge, was gemäß den §§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2, 24 Abs. 1, 81 InsO wiederum zur Unwirksamkeit der Abrede führt. Da wirkungslose Rechtshandlungen der Anfechtung entzogen sind, scheidet eine Insolvenzanfechtung hier aus. Diese Lösung nimmt in Kauf, dass eine Rechtshandlung auch dann insolvenzzweckwidrig und nichtig ist, wenn sie der künftigen Insolvenzmasse einen – ggf. sogar unmittelbaren – Vorteil gebracht hat. Dass eine solchermaßen pauschale Lösung den denkbar verschiedenen Abreden und ihren wirtschaftlichen Folgen im Einzelfall nicht hinreichend Rechnung tragen kann, liegt auf der Hand. Ob eine Rechtshandlung des vorläufigen Insolvenzverwalters (nur) anfechtbar oder gar mit dem Stempel der Insolvenzzweckwidrigkeit behaftet ist, sollte nicht von einer Subsumtion unter generalklauselartige Begriffe wie die des „krassen Verstoßes“ und der „Offensichtlichkeit“ abhängig sein. Die Tatbestände der §§ 129 ff. InsO bieten ein differenziertes System 636 zur Beurteilung von Rechtshandlungen, das von der Befriedigung einer Forderung in der richtigen (§ 130 InsO) oder unrichtigen (§ 131 InsO) Art und Weise bis zur Verschleuderungs- und Absichtsanfechtung reicht (§§ 133 f. InsO). cc)
Anfechtung gemäß § 133 InsO
(1)
Normativer Ausgangspunkt
Die Anwendung des § 133 Abs. 1 InsO scheint zunächst fern liegend. Danach sind nur Rechtshandlungen des Schuldners anfechtbar, die er in den letzten zehn Jahren vor bzw. nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen,
635 636
Vgl. BGH ZIP 2003, 810, 812 sub II.2.c) cc) der Gründe. Siehe oben III.4.b)aa)(4).
147
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO scheinen zeitlich recht weit gefasst, sachlich jedoch recht eng, wenn der Insolvenzverwalter nachweisen soll, dass der Schuldner wusste, dass er seine Gläubiger benachteiligt und dies auch wollte und der Gläubiger von diesem Vorsatz Kenntnis hatte. Daher führte auch die in § 133 Abs. 1 S. 2 InsO enthaltene Beweiserleichterung – danach wird die Kenntnis des anderen Teils vermutet, wenn er wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte – nicht zu einer umfangreichen Anwendung der Vorschrift. § 133 Abs. 1 InsO ist in den letzten beiden Jahren stärker in das Blickfeld der höchstrichterlichen Judikatur gerückt, wie die zahlreichen Entscheidungen hierzu zeigen 637. Da der BGH in den beiden Entscheidungen vom 13.03.2003 auch die Frage eines insolvenzzweckwidrigen Handelns aufwirft, liegt eine Prüfung des § 133 Abs. 1 InsO jedenfalls in subjektiver Hinsicht nahe, wenngleich der BGH selbst diese außer Acht lässt. (2)
Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und Kenntnis hiervon
Dabei hat der BGH in den vorgenannten Entscheidungen seine zu § 31 KO ergangene Judikatur nicht nur auf § 133 InsO übertragen, sondern weiterentwickelt. Zunächst stellte er fest, dass die Beweislast für das Vorliegen der objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO nach wie vor den Insolvenzverwalter treffe 638. Des Weiteren stelle die Inkongruenz der angefochtenen Rechtshandlung weiterhin ein – widerlegbares – Beweisanzeichen für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners sowie für die Kenntnis des Gläubigers hiervon dar 639 – neben der neu geschaffenen Beweiserleichterung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO. Der redaktionellen Neufassung des § 133 Abs. 1 InsO trägt der BGH mit der Feststellung Rechnung, dass dieser nicht mehr eine Absicht des Schuldners verlange, seine Gläubiger zu benachteiligen, sondern bedingten Vorsatz genügen lasse 640. Eines unlauteren Handelns des Schuldners oder eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen Schuldner und Gläubiger bedürfe es deshalb nicht 641. Notwendig, aber ausreichend sei, dass der Schuldner sich eine Benachteiligung als möglich vorstellt, sie aber in Kauf nimmt, ohne sich durch die Vorstellung dieser Möglichkeit von seinem Handeln abhalten zu lassen.
637 BGH, Urteil vom 27.05.2003 – BGHZ 155, 75 ff. = ZIP 2003, 1506 ff.; BGH, Urteil vom 17.07.2003 – ZIP 2003, 1799 ff.; BGH, Urteil vom 17.07.2003 – ZIP 2003, 1900 ff.; BGH, Urteil vom 18.12.2003 – BGHZ 157, 242 ff. = ZIP 2004, 319 ff.; BGH, Urteil vom 17.02.2004 – ZIP 2004, 669 ff.; BGH, Urteil vom 11.03.2004 – ZIP 2004, 1060 ff.; BGH, Urteil vom 13.05.2004 – ZIP 2004, 1512 ff.; BGH, Urteil vom 22.07.2004 – ZIP 2004, 1912 ff. 638 BGH ZIP 2003, 1799 ff.; BGH ZIP 2004, 319 ff.; BGH ZIP 2004, 669 ff.; BGH ZIP 2004, 1512 ff. 639 BGH ZIP 2004, 319 ff.; zur KO bereits BGHZ 123, 320, 326; BGHZ 138, 291, 308. 640 BGH ZIP 2003, 1506 ff.; BGH ZIP 2004, 1512 ff. 641 BGH ZIP 2003, 1799 ff.; BGH ZIP 2004, 1512 ff. unter Hinweis auf MK-InsO/Kirchhof, § 133 Rz. 13 und Nerlich/Römermann, § 133 Rz. 23.
148
4. Würdigung und Lösung
Die wesentliche Neuerung folgt aus dem Zusammenhang der §§ 131, 133 InsO: Wegen der Bedeutung der Inkongruenz als Beweisanzeichen für § 133 InsO 642 präzisiert der BGH in diesem Zusammenhang auch seine Judikatur zu der Frage, wann eine Inkongruenz im Sinne des § 131 InsO vorliegt. Ausgehend von seiner Rechtsprechung zu § 30 Nr. 2 KO stellt der BGH zunächst klar, dass die Zwangsvollstreckung eines Gläubigers nur dann eine Inkongruenz begründet, sofern diese innerhalb der „kritischen Zeit“ des Dreimonatszeitraums der §§ 130–132 InsO erfolge 643. Erfolgt die Zwangsvollstreckung außerhalb des Dreimonatszeitraums, liege hingegen eine kongruente Deckung vor, so dass an den Nachweis eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes erheblich höhere Anforderungen zu stellen seien 644. Dieser liege vor, sofern der Schuldner mit kongruenten Zahlungen wenigstens mittelbar auch die Begünstigung des Gläubigers bezweckt. Dies liege insbesondere dann nahe, wenn der Schuldner mit der Befriedigung gerade dieses Gläubigers Vorteile für sich erlangen oder Nachteile von sich abwenden wolle. Die Drohung eines Finanzamtes, „die Bude dicht zu machen“ mit der Folge, dass „die Mitarbeiter zumindest ein geregeltes Einkommen über das Arbeitslosengeld beziehen“ könnten, nachdem der Schuldner erklärt hatte, zahlungsunfähig zu sein, ließ der BGH zu Recht genügen 645. In einem weiteren Fall, in dem das Finanzamt Vollstreckungsmaßnahmen außerhalb des Dreimonatszeitraums angekündigt und eingeleitet hatte, verwies der BGH die Sache an die Vorinstanz zurück. Der Schuldner hatte in zwei Teilbeträgen insgesamt DM 485.000,00 an das Finanzamt gezahlt, obwohl nur wegen rund DM 230.000,00 die Vollstreckung eingeleitet worden war 646. Die Drohung eines Gläubigers, einen Insolvenzantrag über das Vermögen des Schuldners zu stellen, sofern dieser seine Forderungen nicht umgehend zahle, stelle hingegen stets eine inkongruente Deckung dar, da die Drohung nicht geeignet ist, um Ansprüche außerhalb des Insolvenzverfahrens durchzusetzen. Der auf diese Weise auf den Schuldner ausgeübte Druck könne sogar mehrere Monate andauern, weil diese Drohung regelmäßig stärker wirke als die Drohung mit einer Maßnahme der Einzelzwangsvollstreckung 647. Die Drohung mit einem Insolvenzantrag begründe deshalb ein starkes Beweisanzeichen sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners als auch die Kenntnis des Gläubigers hiervon 648.
642 Siehe oben Fn. 639. 643 BGH ZIP 2004, 669 ff. unter Hinweis auf BGHZ 136, 309, 311 ff.; BGH WM 2002, 1193, 1194; BGH WM 2003, 1278, 1279. 644 BGH ZIP 2003, 1506 ff.; BGH ZIP 2003, 1900 ff.; BGH ZIP 2003, 1799 ff.; BGH ZIP 2004, 319 ff.; BGH ZIP 2004, 669 ff.; BGH ZIP 2004, 1512 ff. 645 BGH ZIP 2003, 1799 ff. Der BGH hätte in diesem Fall auch von einer inkongruenten Deckung ausgehen können. Die Aussage lässt wohl keinen zwingenden Schluss auf die Stellung eines Insolvenzantrages zu; nach der Erfahrung ist dies jedoch gängige Praxis. 646 BGH ZIP 2004, 1512 ff. 647 BGH ZIP 2004, 319 ff. In diesem Fall hatte die beklagte Krankenkasse als die für den Einzug der Sozialversicherungsbeiträge zuständige Stelle innerhalb von sechs Monaten drei Mal mit der Stellung eines Insolvenzantrages gedroht und jeweils Teilzahlungen vom Schuldner erhalten. Der BGH nahm daher an, dass die mit Schreiben vom 13.09.1999 erfolgte Drohung bis zu den Zahlungen des Schuldners vom 01.12.1999 und 16.12.1999 fortgewirkt habe. 648 BGH ZIP 2004, 319 ff.; BGH ZIP 2004, 1060 ff.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
Folge der erweiterten Anwendung des § 133 Abs. 1 InsO ist, dass eine Anfechtung nach dieser Vorschrift auch im Dreimonatszeitraum unter Umständen leichter gelingt als eine Anfechtung nach den §§ 130–132 InsO. So hat der BGH in einer Entscheidung 649 die Insolvenzanfechtung auf § 133 Abs. 1 InsO gestützt, obgleich der Schuldner im zweiten Monat vor Antragstellung den Gläubiger befriedigt hatte, um dessen Zwangsvollstreckung abzuwenden. Insoweit lag eine inkongruente Deckung im Sinne des § 131 Abs. 1 InsO vor, die gemäß Nr. 2 der Vorschrift anfechtbar war. Der Rückgewähranspruch aus § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO hätte aber zur weiteren Voraussetzung gehabt, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin dargelegt werden kann. Hierzu hatte der klagende Insolvenzverwalter nicht vorgetragen, so dass § 133 Abs. 1 InsO eine leichtere Anfechtung ermöglichte. Zu dem gleichen Ergebnis gelangte der BGH für den Fall, dass eine Anfechtung sowohl nach § 133 Abs. 1 InsO als auch nach den §§ 131 Abs. 1 Nr. 2, 3 InsO in Betracht kommt 650. Für einen Anfechtungsanspruch gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO fehlte es an der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit; eine Anwendung des § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO scheiterte an der fehlenden Feststellung der Kenntnis des Gläubigers von der Benachteiligung der übrigen Gläubiger. Dabei stellte der BGH fest, dass die Inkongruenz im Rahmen des § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht zugleich als selbständige, zusätzliche Beweislastregel für diese Norm dienen kann, da sie bereits Tatbestandsvoraussetzung ist. Ein gemäß § 286 ZPO zu berücksichtigendes Beweisanzeichen kann der Inkongruenz daher nur entnommen werden, wenn – was vom Insolvenzverwalter zu beweisen ist – der Gläubiger Kenntnis von der finanziell beengten Lage des Schuldners hatte. Dieser zusätzlichen Voraussetzung bedarf es im Rahmen von § 133 Abs. 1 InsO gerade nicht, so dass auch insoweit eine Prüfung der Absichtsanfechtung einfacher sein dürfte. Im vorgenannten Fall fehlte es jedoch auch an Feststellungen der Vorinstanz zu dessen Voraussetzungen, so dass der BGH den Fall mangels Entscheidungsreife zurückverwies. In einem dritten Fall 651 prüfte der BGH wiederum die §§ 131 Abs. 1 Nr. 2, 133 Abs. 1 InsO. Er bejahte eine Anwendung des § 133 Abs. 1 InsO für eine im zweiten Monat vor dem Insolvenzantrag wirksam gewordene Sicherungsabtretung, die dem Gläubiger eine inkongruente Sicherung verschaffte. Ob darüber hinaus die Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO vorlagen oder die nach dem Antrag in kongruenter Weise vorgenommene Zahlung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar war, ließ der BGH ausdrücklich offen. Der Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO kommt damit im Ergebnis eine wenigstens ebenbürtige Stellung neben den §§ 130–132 InsO zu. Vor diesem Hintergrund scheint die Anwendung des § 133 Abs. 1 S. 1 InsO auf den Ausgangsfall vergleichsweise einfach. Die Befriedigung des Gläubigers stellte eine kongruente Deckung dar, obgleich dieser massiven Druck auf den vorläufigen Insol-
649 BGH ZIP 2004, 1900 ff. Bei der folgenden Erörterung geht es ausschließlich um die Zahlung des Schuldners vom 21.03.2000 in Höhe von DM 1.000,00. 650 BGH ZIP 2004, 319 ff. Bei der folgenden Erörterung geht es ausschließlich um die Zahlungen des Schuldners vom 01.12.1999 in Höhe von DM 229,90 und DM 11.321,18. 651 BGH ZIP 2004, 1060 ff.
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4. Würdigung und Lösung
venzverwalter ausgeübt hatte 652. Ausreichend ist also, dass der Schuldner mit zumindest bedingtem Vorsatz die Gläubiger zu benachteiligen suchte und der Gläubiger dies wusste. Diese Voraussetzungen liegen auf den ersten Blick vor. Denn die Beteiligten – Schuldner, vorläufiger Insolvenzverwalter und Gläubiger – wussten, dass ein Insolvenzantrag vorlag und die Schuldnerin zahlungsunfähig war. Ferner wussten sie, dass eine Befriedigung des Gläubigers nur anteilig, und zwar im Rahmen des Verteilungsverfahrens der §§ 174 ff. InsO erfolgen darf, sofern es zur Verfahrenseröffnung kommt. Nur so ist auch die Weigerung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu erklären, der eine Zahlung zunächst ablehnte und sodann unter dem Vorbehalt der späteren Anfechtung vornahm. Fraglich ist allein, ob der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners deshalb ausgeschlossen war, weil der vorläufige Insolvenzverwalter davon ausging, den durch die Zahlungen eingetretenen Vermögensnachteil (DM 70.000,00) durch einen später eintretenden Vermögensvorteil (DM 300.000,00) mindestens ausgleichen zu können. Zwar kommt es nach dem Wortlaut der Norm nur auf einen Vorsatz des Schuldners an. Um den Besonderheiten der vom Insolvenzgericht getroffenen Anordnung Rechnung zu tragen, soll an dieser Stelle eine „Gesamtschau“ von Schuldner und vorläufigem Insolvenzverwalter erfolgen. Stellt man dabei auf die zunächst eintretende Minderung der verwalteten Vermögensmasse ab, wird man einen entsprechenden Vorsatz bejahen müssen. Berücksichtigt man dagegen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter diesen Nachteil nur als notwendigen Zwischenschritt erachtete, um durch die Geschäftsfortführung einen Vorteil für die verwaltete Vermögensmasse zu erlangen. Nach der Auffassung des BGH dürfte der erstgenannten Ansicht zu folgen sein, um eine Spekulation zu Lasten der Masse wirkungsvoll zu verhindern, zumal der auf die fern liegenden Vorteile gerichtete Wille allein den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht auszuschließen vermag. (3)
Rechtshandlung des Schuldners und Gläubigerbenachteiligung
Folgt man dieser Ansicht, stellen sich die bereits erörterten Fragen, ob eine Rechtshandlung des Schuldners und eine Gläubigerbenachteiligung vorliegen 653. Nach der hier vertretenen Ansicht ist dies nicht der Fall, so dass auch eine Anfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO scheitert. Folgt man dagegen der Auffassung des BGH, so greift die Anfechtung durch. dd)
Teilanfechtung und Teilbarkeit der Anfechtungsfolgen
Befürwortet man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Anfechtbarkeit im Ausgangsfall, ist Folgendes zu beachten: Der BGH geht in seiner Entscheidung davon aus, dass die Befriedigung der Altforderung und die Befriedigung der Neuforderung verschiedene Rechtshandlungen darstellen, mithin eine Teilanfechtung zulässig ist. Unter einer Teilanfechtung ist die Frage der Teilbarkeit einer Rechts-
652 653
Siehe oben III.4.b)aa)(2). Siehe oben III.4.b)aa)(3) und III.4.b)bb)(2).
151
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
handlung zu verstehen. Soweit eine Rechtshandlung teilbar ist, können die sie konstituierenden Teilhandlungen selbst Gegenstand der Insolvenzanfechtung sein. Ergebnis der Anfechtungsprüfung kann dann beispielsweise sein, dass die Rechtshandlung in ihrer Gesamtheit unanfechtbar ist, eine der sie konstituierenden Teilhandlungen aber anfechtbar – und umgekehrt. In einem weiteren Schritt wäre dann zu fragen, welche Auswirkungen sich aus der unterschiedlichen Beurteilung der Anfechtbarkeit von Teil- und Gesamtvorgang ergeben. Von dieser „echten“ Teilanfechtung zu unterscheiden ist die Frage einer Teilbarkeit der Anfechtungsfolgen. Nach Ansicht des Reichsgerichts kann ein Rechtsgeschäft des Schuldners grundsätzlich nur einheitlich angefochten werden und nicht etwa nur eine einzelne Vertragsbestimmung 654. Eine Teilanfechtung ist nach Ansicht des Reichsgerichts nur zulässig, wenn sich das Rechtsgeschäft in voneinander unabhängige, selbständige Teile zerlegen lässt. Ob eine Teilanfechtung in dem Sinne, wie es das Reichsgericht meinte, zulässig ist, hat der Bundesgerichtshof bisher offen gelassen 655. (1)
Aufrechnungsvereinbarung
In einem vom Bundesgerichtshof im Jahre 1971 entschiedenen Fall 656 stritten die Parteien um die Frage, ob eine isolierte Anfechtung einer Aufrechnungsvereinbarung zulässig war oder – zumindest auch – der zugrunde liegende Kaufvertrag angefochten werden musste. Der klagende Konkursverwalter begehrte in der Hauptsache Zahlung und erachtete allein die Aufrechnungsvereinbarung für anfechtbar, hilfsweise focht er auch den Kaufvertrag an und verlangte Rückgabe des Kaufgegenstandes. Der BGH ließ die Frage der Teilanfechtung mangels Erheblichkeit unbeantwortet 657. Soweit die Aufrechnungsvereinbarung eine selbständige Rechtshandlung sei, könne die Anfechtung bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil mit Abschluss des Kaufvertrages bereits die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 387 ff. BGB vorgelegen hätten. Die Aufrechnungsvereinbarung konnte daher keine über die bereits bestehende Rechtslage hinausgehenden – gläubigerbenachteiligenden – Rechtsfolgen auslösen. Obiter dictum merkte der Bundesgerichtshof an, dass Kaufvertrag und Aufrechnungsvereinbarung unter Berücksichtigung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise trotz der formellen und zeitlichen Trennung möglicherweise nur einen einheitlich anfechtbaren Vorgang bilden 658. (2)
Vorausabtretung
1975 war der Bundesgerichtshof mit der Frage einer Teilanfechtung erneut befasst 659. Der klagende Konkursverwalter begehrte unter anderem die Rückabtretung von Forderungen, die der Beklagten aufgrund ihrer allgemeinen Lieferbedin-
654 655 656 657 658 659
152
RGZ 114, 206; RG JW 1937, 3241; RGZ 21, 95, 99 f. BGH WM 1975, 534 ff. BGH WM 1971, 908 f. BGH WM 1971, 908, 909. BGH WM 1971, 908, 909. BGH WM 1975, 534 ff.
4. Würdigung und Lösung
gungen vorausabgetreten waren. Die Vorausabtretung beschränkte sich nicht auf den Wert der Lieferungen, sondern erfasste die gesamten aus der Veräußerung entstehenden Forderungen. Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Vorausabtretung anfechtbar sei, soweit die abgetretenen Forderungen den Wert der Lieferungen übersteigen, im Übrigen seien sie unanfechtbar. Ob hierin eine Teilanfechtung zu sehen sei oder der Anfechtung nur die Wirkung einer Teilanfechtung zukomme, ließ der Bundesgerichtshof ausdrücklich offen 660. Das überzeugt nicht. Eine Teilanfechtung setzte bereits nach Ansicht des Reichsgerichts 661 voraus, dass der wirtschaftliche Gesamtvorgang in rechtlich selbständige, voneinander unabhängige Teile zerlegt werden kann. Dass die von den Parteien getroffenen Vereinbarungen auch ohne die Vorausabtretung Bestand haben sollten, erhellt aus dem Sachverhalt nicht. Vielmehr entsprach es dem Sicherungsbedürfnis der Beklagten, sich für das von ihr ausgereichte Darlehen und die in der Folgezeit an die Klägerin zu erbringenden Lieferungen zu besichern. Die Sicherungsabreden sind daher wesentlicher Bestandteil der Parteivereinbarung und einer Teilanfechtung entzogen. Das vom Bundesgerichtshof gefundene Ergebnis kann daher nur als eine Beschränkung der Anfechtungswirkung begriffen werden. Dem entspricht die Argumentation des Bundesgerichtshofs, eine Anfechtung greife nur in dem Umfange durch, als die Sicherung der Beklagten den Anteilswert ihres Vorbehaltseigentums – d.h. ihr Sicherungsinteresse – übersteige, denn nur insoweit liege auch eine Gläubigerbenachteiligung vor 662. Gläubigerbenachteiligung und Wirkung der Anfechtung sind danach kongruent. Wollte der Bundesgerichtshof dieses Ergebnis im Wege einer Teilanfechtung erreichen, hätte es über die bereits dargestellte Prüfung der Teilbarkeit von Lieferung und Sicherungsabrede hinaus auch der Prüfung bedurft, ob die Sicherungsabrede selbst nach dem Willen der Parteien in einen angemessenen und einen unangemessenen Teil gespalten werden kann. Denn nur dann kann der vom Bundesgerichtshof unbeanstandete, dem Sicherungsinteresse der Beklagten angemessene Teil der Sicherungsabrede bestehen bleiben. (3)
Honorarvereinbarung
Im Jahre 1980 befasste sich der Bundesgerichtshof mit dem Fall 663 einer Honorarvereinbarung. Der beklagte Rechtsanwalt hatte sich für die Ausarbeitung und Einreichung eines letztlich erfolglosen Vergleichsantrages von der Gemeinschuldnerin ein Honorar versprechen lassen, das die gesetzlichen Gebühren um etwa das Zehnfache überstieg. Zur Sicherung seiner Honorarforderung ließ der Beklagte sich die Ansprüche der Gemeinschuldnerin aus zwei Lebensversicherungen abtreten, aus denen er teilweise Befriedigung erlangte. Der klagende Konkursverwalter begehrte Zahlung bzw. Rückabtretung. Der Bundesgerichtshof verwies die Angelegenheit an
660 661 662 663
BGH WM 1975, 534, 536. RGZ 114, 206; RG JW 1937, 3241; RGZ 21, 95, 99 f. BGH WM 1975, 534, 536. BGH NJW 1980, 1962 ff.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
das Berufungsgericht zurück mit der Maßgabe, dass noch Feststellungen zur Angemessenheit des Honorars zu treffen sind. Soweit das Honorar den Wert der Tätigkeiten übersteige, liege eine Gläubigerbenachteiligung vor 664. Die vom Kläger angefochtene Erfüllungsleistung – Abtretung der Ansprüche aus zwei Lebensversicherungen – sei teilbar, so dass die Anfechtung nur in Höhe des unangemessenen Teils durchgreife. Auch im Falle einer überhöhten Honorarforderung soll keine Teilanfechtung, sondern nur eine Begrenzung der Anfechtungsfolgen möglich sein. Eine Teilanfechtung wäre zwar im Hinblick auf die erfüllungshalber abgetretenen Ansprüche möglich gewesen, da es sich um zwei Lebensversicherungen handelte, die Abtretungen also rechtlich getrennt voneinander Bestand hatten. Allerdings hätte diesem Weg entgegengestanden, dass die Teilanfechtung nur jeweils eine oder beide Abtretungen erfassen konnte. Eine dem unangemessenen Teil entsprechende Teilanfechtung hätte sich so nur schwer verwirklichen lassen. Der Bundesgerichtshof wählte deshalb den zweiten Weg und bekannte sich zu einer Beschränkung der Anfechtungsfolgen. So ist es ihm möglich, nach Prüfung der Angemessenheit des Honorars die Anfechtung auf den unangemessenen Teil zu begrenzen. Offen lässt der Bundesgerichtshof, welche Anforderungen an das Kriterium der Teilbarkeit zu stellen sind. Auf eine Teilbarkeit im rechtlichen Sinn hebt der Bundesgerichtshof wohl nicht ab, ihm reicht die zahlenmäßige Teilbarkeit. Da der Beklagte sich Zahlungsansprüche abtreten ließ, bejaht der Bundesgerichtshof diese mit knappen Worten. Schwierigkeiten bei der Prüfung der Angemessenheit sieht der Bundesgerichtshof nicht. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei nicht notwendig, das Gericht könne vielmehr selbst entscheiden 665. (4)
Sanierungskredite
Die Wohltat einer solchen „geltungserhaltenden Reduktion“ der Sicherungsrechte auf das gerade noch angemessene Maß kommt aber nicht jedem zu Gute, wie sich einem vom Bundesgerichtshof im Jahre 1992 entschiedenen Fall 666 entnehmen lässt. Beklagt war eine Hausbank der Gemeinschuldnerin, die im Rahmen eines Sanierungsversuchs mit drei anderen Banken einen Betriebsmittelkredit ausreichte. Aufgrund eines Sicherheitenpoolvertrages wurden u.a. sämtliche Maschinen sowie die Büro- und Geschäftsausstattung der Gemeinschuldnerin sicherungsübereignet. Die bestellten Sicherheiten waren im Einzelnen aufgeführt und überstiegen den Wert des Darlehens nicht nennenswert. Die Sicherheiten dienten dabei sowohl der Besicherung neuer als auch alter Kredite, die bisher teilweise ungesichert ausgereicht worden waren. Der Bundesgerichtshof stellte daher zunächst richtig fest, dass der Sicherungsleistung der Gemeinschuldnerin für Altkredite keine Leistung der Beklagten gegenüberstand 667. Eine Gläubigerbenachteiligung liege in Höhe der Be-
664 BGH NJW 1980, 1962, 1963 f. 665 BGH NJW 1980, 1962, 1963; ihm folgend LG Wuppertal, EWiR § 131 InsO 5/02, S. 1055 f. mit Anm. Gerhardt. 666 BGH ZIP 1993, 276 ff. 667 BGH ZIP 1993, 276, 278.
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4. Würdigung und Lösung
sicherung alter Kredite vor. An einem nur teilweisen Durchgreifen des Anfechtungsanspruches sah sich das Gericht dann allerdings gehindert, weil die hier vorgenommene Sicherungsübereignung sich nicht in selbständige Teile zerlegen lasse 668. Warum die den Fällen von 1975 und 1980 zugrundeliegenden Sicherungsabtretungen anders zu beurteilen waren als die hier in Frage stehende Sicherungsübereignung, lässt das Gericht offen und nimmt zur Begründung lediglich zwei Urteile des Reichsgerichts sowie des OLG Hamburg in Bezug. Richtig ist das Ergebnis, soweit der Bundesgerichtshof die rechtliche Teilbarkeit der Sicherungsübereignung als Voraussetzung einer Teilanfechtung verneint, da sich einzelne Sicherungsgegenstände nicht sinnvoll aus dem Sicherungsverband herauslösen lassen. Weder die herausgelösten noch die verbleibenden Sicherungsgegenstände stellen mehr als einen Torso dar, da es den beteiligten Geldkreditgebern darauf ankam, sich für sämtliche bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten zu sichern. Der Bundesgerichtshof geht aber über die Frage der Teilanfechtung hinaus, indem er die Möglichkeit eines nur teilweisen Durchgreifens der Anfechtung ungeprüft lässt. Die von ihm hierzu entwickelten Grundsätze 669 wendet er nicht an. Geht man mit dem Bundesgerichtshof davon aus, dass eine Anfechtung nur insoweit durchgreift, als sie die Gläubiger benachteiligt – Gläubigerbenachteiligung und Rückgewähranspruch also kongruent sind – käme in vorliegendem Falle eine Teilanfechtung in Betracht. Als Prüfstein dient die vom Bundesgerichtshof bereits zuvor zum Kriterium erhobene Teilbarkeit der Erfüllungsleistung. Dabei kommt es dem Bundesgerichtshof nicht auf die Teilbarkeit der Sicherungsabtretung bzw. -übereignung an, sondern auf eine solche der hieraus zu erlangenden Befriedigung. Im dem 1980 entschiedenen Fall konnte der Bundesgerichtshof diese kurz bejahen, da es sich um Zahlungsansprüche (aus Lebensversicherungen bzw. Warenverkäufen) handelte. Sind Sachen zur Sicherheit übereignet, gilt dasselbe: Die Befugnisse des Sicherungsnehmers beschränken sich nicht auf die Inbesitznahme des Sicherungsgutes; vielmehr ist er berechtigt, Befriedigung aus der Verwertung des Sicherungsgutes zu suchen. Der Sinn der Sicherungsübereignung ist daher ebenso wie der einer Sicherungsabtretung die Befriedigung des Sicherungsnehmers durch Zahlung. Dann aber liegt Teilbarkeit vor und ist dem Rückgewähranspruch nur in Höhe der Besicherung von Altverbindlichkeiten stattzugeben. Da sowohl die zugrundeliegenden Forderungen als auch der Wert der sicherungsübereigneten Gegenstände anhand der getroffenen Vereinbarungen ohne weiteres ermittelt werden konnten, sprechen gegen diese Lösung auch nicht praktische Schwierigkeiten. Dass der Bundesgerichtshof ein nur teilweises Durchgreifen der Anfechtung ungeprüft lässt, mag damit zu tun haben, dass er die Prüfung der Gläubigerbenachteiligung im vorliegenden Falle mit sozusagen umgekehrten Vorzeichen vornimmt: Sowohl der Eigentumsvorbehalt des Warenkreditgebers als auch die Vergütung für Bemühungen eines Vergleichsberaters dienten grundsätzlich den Interessen der
668 669
BGH ZIP 1993, 276, 278. BGHZ 28, 344, 347; BGH WM 1971, 908, 909; BGH WM 1975, 534, 536.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
späteren Konkursgläubiger. Ersterer würde vielfach beim ersten Anzeichen von wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Vorbehaltskäufers seinen Eigentumsvorbehalt geltend machen und dadurch möglicherweise den Zusammenbruch des Vorbehaltskäufers herbeiführen 670; letzterer könne bei größerem Umfang der Arbeiten und entsprechender Schwierigkeit der Materie gar nicht erst zur Mandatsübernahme bewogen werden, wenn er – unabhängig vom entstehenden Aufwand – nur die gesetzlichen Gebühren abrechnen dürfe 671. Der Bundesgerichtshof verkennt nicht, dass einzelne Gläubiger für die Geschicke des späteren Gemeinschuldners von wesentlicher Bedeutung sind. Das Risiko der Anfechtbarkeit der zwischen diesen Gläubigern und der Gemeinschuldnerin vorgenommenen Rechtsgeschäfte will der Bundesgerichtshof im Interesse des wirtschaftlichen Überlebens des Schuldners reduzieren. Eine solche Privilegierung will er den kreditgebenden Banken, die für Sanierungszwecke Kredite ausreichen und hierfür umfassende Sicherung verlangen, nicht zugestehen. Hier gilt das Alles-oder-Nichts-Prinzip, eine „geltungserhaltende Reduktion“ erfolgt nicht. (5)
Insolvenzsichernde Vertragsklauseln
1993 hatte der Bundesgerichtshof sich mit einem Fall 672 zu beschäftigen, der sich von den bisherigen darin unterschied, dass die Gläubigerbenachteiligung allein aus einer für den Insolvenzfall geschlossenen Klausel folgte. Die spätere Gemeinschuldnerin hatte mit der Stadt einen sog. Gestattungsvertrag geschlossen, der ihr erlaubte, öffentliche Verkehrsflächen zum Errichten und Betreiben einer Breitbandverteilanlage für Ton- und Rundfunk (im Folgenden: BVA) zu nutzen. Der Vertrag wurde auf 15 Jahre geschlossen und sah eine Verlängerungsoption vor. Für die Abwicklung des Vertrages war vorgesehen, dass die BVA entschädigungslos in das Eigentum der Stadt übergehen sollte, soweit die Gemeinschuldnerin den Vertrag beendet. Für den Fall der Vertragsbeendigung durch die Stadt sollte das Eigentum gegen Zahlung einer am Verkehrswert orientierten Entschädigung übergehen. Darüber hinaus sollten beide Parteien zur außerordentlichen Kündigung berechtigt sein, wenn über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet wird. Die BVA sollte in diesem Fall entschädigungslos in das Eigentum der Stadt übergehen. Einer Teilanfechtung, d.h. nur einer Anfechtung der Kündigungsklausel, versagte der Bundesgerichtshof den Erfolg. Zwar hatte der Konkursverwalter ausdrücklich nur die Anfechtung dieser Bestimmungen geltend gemacht 673. Der Bundesgerichtshof sah sich aber nicht daran gehindert, die Erklärungen des Konkursverwalters auszulegen und den gesamten Gestattungsvertrag als Anfechtungsgegenstand zu betrachten 674. Für das erneute Verfahren vor dem Berufungsgericht zeigte der Bundesgerichtshof den Umfang eines möglichen Rückgewähranspruchs auf: Anfechtbare Rechtshandlung sei der Gestattungsvertrag in seiner Gesamtheit; das schließe 670 671 672 673 674
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BGH WM 1975, 534, 536. BGH NJW 1980,1962, 1963. BGH ZIP 1994, 40 ff. BGH ZIP 1994, 40, 45. BGH ZIP 1994, 40, 45 unter Bezugnahme auf BGHZ 117, 374, 380 f. = ZIP 1992, 629.
4. Würdigung und Lösung
aber nicht aus, dass die Anfechtung unter Umständen lediglich die Wirkung einer Teilanfechtung habe. Ausführlicher als in seinen bisher ergangenen Entscheidungen nimmt der Bundesgerichtshof zu der Frage Stellung, wann eine Teilbarkeit vorliege. Diese sei nicht allein in einem zahlenmäßigen Sinne zu verstehen oder ausschließlich auf den Leistungsinhalt zu beziehen. So hatte der Bundesgerichtshof die Teilbarkeit bisher verstanden. Nunmehr erweitert er den Begriff und führt aus, teilbar im hier maßgeblichen Sinne sei auch ein allgemein ausgewogener Vertrag, der lediglich – wie der vorliegende – gezielt für den Fall des Konkurses den späteren Gemeinschuldner einseitig und unangemessen benachteilige. Die Konkursanfechtung solle nämlich nicht bewirken, dass die zum Vertragsschluss führende Annahmeerklärung beseitigt würde; vielmehr begrenze das Ausmaß der Gläubigerbenachteiligung den Umfang der Anfechtungswirkung. Für den vorliegenden Fall bedeute das, dass allein die benachteiligende Klausel entfalle und der Rückgewähranspruch nach der Höhe des entgangenen Entschädigungsanspruchs zu bemessen sei. Dem Urteil ist für die Frage der Teilanfechtung oder Beschränkung der Anfechtungsfolgen zweierlei zu entnehmen: Zum einen bestätigt es das bisher judizierte Regel-Ausnahme-Verhältnis von Anfechtung und Teilanfechtung. In allen vom Bundesgerichtshof bisher entschiedenen Fällen war eine Teilanfechtung nicht möglich. Entweder erfüllte die angefochtene Teilhandlung nicht die Voraussetzungen der Anfechtungstatbestände oder die Rechtshandlung war nicht sinnvoll teilbar. Letzteres dürfte insbesondere bei umfassenden Verträgen der Fall sein, da die einzelnen Leistungen und Gegenleistungen regelmäßig synallagmatisch verbunden sind. Eine Aufspaltung in die einzelnen Vertragsklauseln widerspräche dem Willen der Parteien und ließe nur rechtlich und wirtschaftlich nicht gewollte Torsi übrig. Soweit der Bundesgerichtshof in der Anfechtung einer Aufrechnungsvereinbarung eine Teilanfechtung sieht, kann dem nicht gefolgt werden. Die Aufrechnungsvereinbarung ist eine selbständige Rechtshandlung, wenn die Parteien diese formell und zeitlich getrennt von der die Forderungen begründenden Rechtshandlung vereinbart haben; soweit die Aufrechnungsvereinbarung im Rahmen des die Forderungen begründenden Rechtsgeschäfts selbst erfolgt, ist sie unlösbarer Bestandteil des Gesamtvertrages. Für eine Teilanfechtung bleibt – auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – in aller Regel kein Raum. Zum anderen hat das Urteil Bedeutung für die Frage, wann die Rechtsfolgen der Anfechtung auf den der Gläubigerbenachteiligung entsprechenden Teil beschränkt werden können. In dieser Hinsicht bedeutet das Urteil eine Ausweitung, ohne dass dem Bundesgerichtshof eine Grenzziehung gelingt. Das Kriterium der Teilbarkeit ist weder ein rein zahlenmäßiges noch ein auf den Leistungsinhalt bezogenes. Wann Teilbarkeit vorliegt, wird allein durch den Zweck der Konkursanfechtung bestimmt und vom Ausmaß der Gläubigerbenachteiligung begrenzt. In praxi bedeutet dies, dass auch bei umfassenden Verträgen das Anfechtungsrisiko verbleibt und durch das Gericht eine – ex ante nur schwer vorherzusehende – Korrektur der mit dem Schuldner geschlossenen Verträge erfolgen kann.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
(6)
Würdigung
Die vom Bundesgerichtshof befürwortete und in gefestigter Rechtsprechung praktizierte Beschränkung der Anfechtungsfolgen ist abzulehnen. Ebenso wenig wie der Käufer einer vom Gemeinschuldner verschleuderten Sache die Anfechtung durch Nachzahlung abwenden kann, entgeht der Verkäufer der Anfechtung, indem er den Preis der verkauften Sache reduziert oder, nach Erfüllung, den unangemessenen Teil des Kaufpreises zurückerstattet. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der §§ 132 Abs. 1, 133 Abs. 2 InsO, der von der Anfechtung eines Rechtsgeschäfts spricht und nicht von einem Wertausgleich 675. Die von diesen Vorschriften geforderte unmittelbare Benachteiligung begrenzt nur die Anfechtbarkeit, nicht aber den Umfang der Rückgewährpflicht. Tritt ein unmittelbarer Nachteil ein, verfällt das Rechtsgeschäft im Ganzen der Anfechtung; die Anfechtung kann sich auch nicht auf einzelne Vertragsteile beschränken. Dies ergibt sich auch aus § 144 InsO 676, der nur dann eine eigenständige Bedeutung erlangt, wenn der Rückgewähranspruch aus § 143 InsO nicht bereits auf das Maß der Gläubigerbenachteiligung beschränkt wird. Zweck der Insolvenzanfechtung ist es gerade, anfechtbar veräußertes, weggegebenes oder aufgegebenes Vermögen des Schuldners in vollem Umfang zur Masse zu ziehen und dem Anfechtungsgegner die Gegenleistung aus der Masse nur insofern zu gestatten, als diese noch unterscheidbar in der Masse vorhanden oder die Masse um ihren Wert bereichert ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, stehen sich die Ansprüche selbständig gegenüber und können, falls sie gleichartig sind, gegeneinander aufgerechnet werden. Eine Saldierung ipso iure findet nicht statt. Der Schutz der Insolvenzgläubiger verbietet eine Saldierung, weil der Bereicherungsanspruch der Insolvenzmasse zugute kommen und das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vergrößern soll. Eine Rechtsbeziehung zwischen den Gläubigern und dem Anfechtungsgegner, die eine Saldierung rechtfertigen könnte, besteht nicht 677. Eine Teilanfechtung kann begrifflich nur dann vorliegen, wenn eine Rechtshandlung aus mehreren (Teil-)Rechtshandlungen besteht. Die Abgrenzung, wann eine Teilbarkeit vorliegt, kann angesichts der Vielfalt und Komplexität der Geschäftsbeziehungen mitunter schwierig sein. Einen Anhaltspunkt bietet § 105 InsO. Danach bleibt der Gläubiger mit Leistungen, die teilbar sind und zur Zeit der Eröffnung bereits erbracht waren, auch dann Insolvenzgläubiger, wenn der Insolvenzverwalter wegen der noch ausstehenden Leistung Erfüllung verlangt. Die Regelung dient dem Schutz der Insolvenzmasse und gewährleistet, dass der Insolvenzverwalter nur in Höhe der von ihm in Anspruch genommenen Leistung zur vollen Zahlung verpflichtet ist. Soweit ein Vertragspartner Vorleistungen erbracht hat, ist er in der Höhe dieser Vorleistung ebenso ein Ausfallrisiko eingegangen wie ein Vertragspartner, der vollständig vorgeleistet oder Kredit gewährt hat 678. Würde die Leistung
675 676 677 678
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Jaeger/Henckel, § 29 Rz. 183. Jaeger/Henckel, § 29 Rz. 183. Jaeger/Henckel, § 29 Rz. 70 a.E. Nerlich/Römermann, § 105 Rz. 4.
4. Würdigung und Lösung
ungeachtet ihrer Teilbarkeit zur Masseverbindlichkeit, könnten gerade diejenigen Gläubiger, die fortlaufend Leistungen an den Schuldner erbringen, auch mit dem bereits vor Verfahrenseröffnung entstandenen Teil der Forderungen zu Massegläubigern werden. Lässt sich aufgrund der Teilbarkeit der Wert der Vorleistung und damit das übernommene Ausfallrisiko bestimmen, so fordert der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, den Vertragspartner in Höhe des übernommenen Ausfallrisikos ebenso zu behandeln wie die übrigen Insolvenzgläubiger 679. Infolge dieser Zielsetzung, die Insolvenzmasse umfassend zu schützen, vertritt der BGH 680 eine weite Auffassung zur Teilbarkeit der Leistung. Eine Teilbarkeit ist deshalb nicht schon abzulehnen, wenn ein beliebiger Leistungsteil seinem Wesen und Wert nach nicht verhältnismäßig der Gesamtleistung entspricht, d.h. sich nur der Größe, nicht der Beschaffenheit nach von ihm unterscheidet 681. Andererseits soll eine rein rechnerische Teilbarkeit, wonach sich die Leistung nur nach Art und Umfang stichtagsbezogen feststellen und berechnen lassen muss, nicht ausreichen 682. Grundsätzlich teilbar sind danach Sukzessivlieferungsverträge 683. Fraglich ist dies etwa im Falle der Errichtung von 120 Eigentumswohnungen, für die nur ein einheitliches Preis-/Leistungsverzeichnis vereinbart wurde 684 oder für den Wiederherstellungsanspruch des Verpächters 685. Nun nimmt der BGH aber auch dort Teilbarkeit an, wo die Herstellung einer einheitlichen und nicht vertretbaren Sache geschuldet wird 686. Legt man diese Auffassung zugrunde, gibt es kaum Leistungen, die nicht teilbar sind 687. Dabei soll es für die Feststellung und Bewertung der Teilleistungen bei einem Werkvertrag über Bauleistungen auf die Regeln einer Kündigung aus wichtigem Grund ankommen 688. Ob und wie die Vertragsparteien die Teilleistungen vertraglich festlegen, ist für die Anwendbarkeit des § 105 InsO ohne Bedeutung 689. Diesen Eindruck gewinnt man auch im Bereich der Teilanfechtung. So nimmt der BGH die Aufspaltung verschiedenartiger, komplexer Verträge allein danach vor, in welchem Umfang die vereinbarten Klauseln die spätere Insolvenzmasse benachteiligen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Teilbarkeit im Sinne der §§ 129 ff. InsO sich von derjenigen nach § 105 InsO grundlegend unterscheidet. Teilbar nach § 105 InsO müssen die Leistungen 690 sein. Teilbar im Sinne der §§ 129 ff. InsO sind
679 So bereits BGHZ 135, 25, 27 zu § 17 KO. 680 Im Anschluss an RGZ 155, 306, 312 f. 681 Schlagwortartig verkürzt handelt es sich um das sog. „kleine Ganze“, vgl. RGZ 155, 306, 312 f.; dazu auch Mohrbutter/Mohrbutter, DZWiR 2003, 1, 5. 682 BGHZ 67, 242, 248. 683 BGHZ 135, 25 ff. 684 BGHZ 67, 242, 246 ff. 685 BGHZ 125, 270, 272 ff. 686 BGHZ 147, 28, 31 f. 687 Mohrbutter/Mohrbutter, DZWiR 2003, 1, 5. Mit dieser Argumentation versuchte bereits BGHZ 67, 242, 249 die Teilbarkeit zu begrenzen. 688 BGH, Urteil vom 25.4.2002 – IX ZR 313/99. 689 Mohrbutter/Mohrbutter, DZWiR 2003, 1, 5. 690 Zum Leistungsbegriff vgl. Palandt-Heinrichs, § 362 Rz. 1; Palandt-Sprau, § 812 Rz. 3. Der Leistungsbegriff differiert hier. Während es im Rahmen des § 362 BGB auf den Leistungserfolg ankommt, ist im Rahmen des § 812 BGB die Leistungshandlung entscheidend.
159
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
hingegen nur Rechtshandlungen. Auch wenn der Begriff der Rechtshandlung – in weiter Auslegung – dahin verstanden wird, dass hierunter jede Handlung fällt, die eine Rechtswirkung zeitigt, sind die beiden Begriffe nicht kongruent. Ungeachtet dessen haben die Begriffe der Rechtshandlung und der Leistung eine gemeinsame Schnittmenge. Nur solche Leistungen 691 sind Rechtshandlungen, die eine Rechtswirkung herbeiführen. Umgekehrt gibt es rechtserhebliche Handlungen, die ohne Leistungswillen erfolgen und somit keine Leistung darstellen. Gemeinsam haben beide Anwendungsbereiche, dass sie dem Schutz der Masse dienen. Nicht alle Leistungen führen jedoch einen Rechtserfolg bei. Folgerichtig ist die Anzahl der in Betracht kommenden Rechtshandlungen kleiner als diejenige der Leistungen. Nicht alle Leistungen, die teilbar im Sinne des § 105 InsO sind, können deshalb auch im anfechtungsrechtlichen Sinne teilbar sein. ee)
Zwischenergebnis
Die Lösung des Bundesgerichtshofs liegt in zweierlei Aspekten, die miteinander zusammenhängen: Auf Tatbestandsebene befürwortet er eine Gläubigerbenachteiligung auch dann, wenn im Zusammenhang mit der angefochtenen Rechtshandlung Vorteile für die Insolvenzmasse entstehen. Auf der Rechtsfolgenseite mildert er die Folgen ggf. ab, indem er die Insolvenzanfechtung nur soweit durchgreifen lässt, wie die Gläubigerbenachteiligung reicht. Beides ist abzulehnen. c)
Abwandlung 1
Der zweite Fall 692 des BGH wich von dem Ausgangsfall insofern ab, als die Revision vortrug, das von der Beklagten verlangte Entgelt stelle einen einheitlichen Preis für die nach Antragstellung durchgeführte Reparatur dar. Die tatrichterliche Würdigung stützte diese Behauptung nach Ansicht des BGH nicht, so dass er die Frage, ob sich bei Zutreffen der Behauptung eine andere rechtliche Würdigung ergäbe, nicht zu beantworten hatte. Das ist bedauerlich, weil eine Umgehung der Anfechtungsfolgen zumindest möglich erscheint. In Anlehnung an den zweiten vom BGH entschiedenen Fall soll deshalb der folgende Sachverhalt die erste Abwandlung bilden: Fall: Wie im Ausgangsfall. Den Preis für die noch zu erbringenden Leistungen des Gläubigers legen die Parteien mit a) DM 70.000,00 bzw. b) DM 99.000,00 fest. Die Leistung wird vom Gläubiger innerhalb der nächsten vier Wochen erbracht. Entsprechend der Planung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters verläuft die Geschäftsfortführung erfolgreich.
aa)
Anfechtbarkeit der Zahlung
(1)
Normativer Ausgangspunkt
Die Zahlung könnte gemäß den §§ 130, 133 InsO anfechtbar sein. Eine Anfechtung nach § 132 InsO scheidet aus, weil die Zahlung kein Rechtsgeschäft darstellt. Eine 691 692
160
Unter dem Leistungsbegriff soll hier die geschuldete Handlung verstanden werden. BGH ZIP 2003, 855 ff.
4. Würdigung und Lösung
Anfechtung nach § 131 InsO scheitert am Fehlen der Inkongruenz, denn der Zahlung von DM 70.000,00 lag die Verpflichtung des Schuldners zur Zahlung dieses Betrages zugrunde. (2)
Gläubigerbenachteiligung
Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung, wie sie für die §§ 130, 133 InsO ausreichend ist, liegt nach der hier vertretenen Auffassung nicht vor, da die aus der Geschäftsfortführung erzielten Vorteile zu berücksichtigen sind. Mit dem BGH wäre eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung hingegen unproblematisch zu bejahen: Die Zahlung erfolgte auf eine Insolvenzforderung, so dass die übrigen Gläubiger in Höhe der Differenz zwischen Quote und Zahlung auf die Forderung benachteiligt wurden. Die später eingetretenen Vorteile finden keine Berücksichtigung. (3)
Bargeschäft
Eine Anfechtung der Zahlung könnte im Hinblick auf § 130 InsO 693 aber auch nach Auffassung des BGH ausgeschlossen sein, sofern es sich um eine Bargeschäft im Sinne von § 142 InsO handelt. Danach ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind. Die Vorschrift führt dazu, dass Rechtsgeschäfte einer Anfechtung nicht unterliegen, bei denen gleichwertige Leistungen ausgetauscht wurden, selbst wenn sie zu einer mittelbaren Benachteiligung der Gläubiger führen. Zweck der Regelung ist es, dem Schuldner die Möglichkeit zu belassen, auch während der Krise Rechtsgeschäfte mit Dritten abzuschließen und die Geschäfte des Unternehmens fortzuführen. Ein Schuldner, der sich in der Krise befindet, wäre vom Geschäftsverkehr praktisch ausgeschlossen, wenn sogar die wertäquivalenten Bargeschäfte der Anfechtung unterlägen 694. Ob ein Bargeschäft vorliegt, kann erst beantwortet werden, wenn die übrigen Anfechtungsvoraussetzungen geprüft – und bejaht – worden sind. Das ergibt sich daraus, dass § 142 InsO eine Ausnahme zu einer an sich gegebenen Anfechtungssituation darstellt. Die Benachteiligung der Gläubiger, die in der Leistung des Schuldners liegt, bleibt hier außer Betracht, da sie durch die (zeitnahe) Gegenleistung wieder ausgeglichen wird 695. Ein Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO liegt also vor, wenn infolge der Zahlung auf die Altverbindlichkeiten durch den Schuldner unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt ist. Dabei müssen die Leistung des Schuldners und die Gegenleistung des Anfechtungsgegners gerade in der Weise miteinander verbunden sein, dass die eine für die andere weggegeben wurde, die Leistungen also
693 Auf § 133 InsO findet die Bargeschäftsausnahme nach dem Wortlaut des § 142 InsO keine Anwendung, so dass die Erörterungen nur für § 130 InsO gelten. 694 Uhlenbruck, § 142 Rz. 1; Eckart, ZIP 99, 1417 f, 1421. 695 Uhlenbruck, § 142 Rz. 3; BGHZ 70, 177, 185; OLG Brandenburg, NZI 2000, 325, 326; Nerlich/Römermann, § 142 Rz. 2; Kübler/Prütting/Paulus, § 142 Rz. 1.
161
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
aufgrund einer Parteivereinbarung miteinander verbunden sind 696. Ist dies nicht der Fall, besteht weder rechtlich noch wirtschaftlich Anlass, Umsatzgeschäfte des Schuldners in der Krise zu begünstigen, da auch der Erwerb desjenigen Gläubigers, der etwas anderes erhält als vereinbart, anfechtungsrechtlich auch dann eine Begünstigung erhält, wenn er seinerseits eine Gegenleistung von gleichem Wert erbracht hat 697. Die Zahlung erfolgte vorliegend deshalb, weil die Beklagte ihre Leistungen an die Schuldnerin erbringen sollte. Die synallagmatische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung ist ausreichend. Die ausgetauschten Leistungen stehen in unmittelbarem Zusammenhang, wenn sie zeitnah erfolgen. Das Unmittelbarkeitskriterium verlangt eine zeitliche Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung, wobei eine gewisse Zeitspanne unschädlich ist. Wesentlich ist allein, dass das Geschäft keinen kreditären Charakter annimmt 698. Die verwaltete Vermögensmasse soll nicht allzu lange auf einen nur schuldrechtlichen Anspruch auf die Leistungserbringung angewiesen sein, da dieser im Falle einer zwischenzeitlich eintretenden Insolvenz des Geschäftspartners nur Insolvenzforderung wäre 699. Die Abgrenzung, wann die Gegenleistung (noch) unmittelbaren oder (schon) kreditären Charakter hat, kann nicht pauschal beurteilt werden. Maßgeblich sind die konkreten Umstände des Einzelfalles, wobei auf die Art des Rechtsgeschäfts sowie die Verkehrsanschauung Rücksicht zu nehmen ist 700. Vergehen etwa zwischen der Kreditgewährung und der Bestellung eines Grundpfandrechtes zweieinhalb Monate, ist ein Bargeschäft nicht ausgeschlossen 701. Handelt es sich bei der angefochtenen Rechtshandlung um Sanierungsbemühungen des Schuldners, so können die auf den Sanierungsberater erbrachten Zahlungen auch dann ein Bargeschäft darstellen, wenn sie zwei bis vier Monate nach Auftragserteilung erfolgen 702. Enger sind dagegen Rechtsgeschäfte zu beurteilen, die in der Regel weniger umfangreich sind und schneller abgewickelt werden. So sind Zahlungen an einen vor drei Wochen beauftragten Rechtsanwalt noch ein Bargeschäft 703. Im Falle eines Kaufvertrages, bei dem jeweils zwischen Lieferung und Rechnung sowie Rechnung und Zahlung eine Woche vergeht, findet die Bargeschäftsausnahme ebenso Anwendung 704. Wie in der Abwandlung geschildert, erbrachte die Beklagte ihre Leistungen innerhalb von vier Wochen. Berücksichtigt man, dass es sich bei dem von der Schuldnerin an die Beklagte vergebenen Auftrag um wesentliche Arbeiten zur Fertigstellung der Anlage handelte und diese in mehreren – nacheinander liegenden – Schritten zu erbringen war, dürfte ein Zeitraum von vier Wochen noch unmit-
696 Begr RegE InsO§ 161, in: Balz/Landfermann, S. 249. 697 BGHZ 123, 320, 329 = ZIP 1993, 1653, 1655; HK-Kreft § 142 Rz. 4. 698 Vgl. nur Begr RegE InsO § 161, in: Balz/Landfermann, S. 249; BGHZ 118, 171, 173; BGHZ 28, 344, 347. Zur Kritik am Erfordernis der Unmittelbarkeit vgl. Wischemeyer, S. 67 f. 699 Jaeger/Henckel, § 30 Rz. 117. 700 Jaeger/Henckel, § 30 Rz. 111; Smid, § 142 Rz. 6; Wischemeyer, S. 69. 701 BGH WM 1977, 254 f. Zuvor bereits BGH WM 1955, 404 ff. für die Dauer von einem Monat zwischen Kreditgewährung und Bestellung des Grundpfandrechts. 702 RGZ 136, 152 ff. 703 BGH WM 1959, 28. 704 BGH WM 1980, 779 f.
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4. Würdigung und Lösung
telbar sein. Ein Bargeschäft soll dagegen von vornherein ausscheiden, soweit Altverbindlichkeiten getilgt werden, so dass die Befriedigung oder Besicherung von Altverbindlichkeiten stets der Anfechtung unterliegen. Insoweit fehle es an der Unmittelbarkeit, weil die jeweiligen Insolvenzgläubiger dem Schuldner zuvor Kredit gewährt hatten und diesen erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung absichern wollen 705. Fraglich ist aber, ob die Leistung der Beklagten eine gleichwertige Gegenleistung für die Zahlung der DM 70.000,00 darstellte. Die Gleichwertigkeit der Gegenleistung bemisst sich nach objektiven Kriterien 706. Zunächst war die Gegenleistung der Beklagten nur – wie von ihr selbst angeboten – rund DM 40.000,00 wert. Auch die Tatsache, dass der vorläufige Insolvenzverwalter tatsächliche Probleme hatte, einen leistungsfähigen und –bereiten Ersatz für die Beklagte zu finden, erhöhte nach Auffassung des BGH den Wert der Gegenleistung nicht, sondern belegte nur die Notlage des Klägers 707. Wie bereits dargestellt 708, verkennt der BGH, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Marktmechanismen nicht vollkommen außer Kraft gesetzt werden sollen. Zu den Mechanismen des Marktes gehört es aber auch, dass der Preis einer Leistung steigt, wenn die Nachfrage groß, das Angebot hingegen klein ist. In unserem Ausgangsfall spitzte sich die Lage sogar dahin zu, dass die Nachfrage zeitnah befriedigt werden musste, um den Geschäftsbetrieb fortzuführen. Als Anbieter der Leistung kamen grundsätzlich etwa 10 in Deutschland ansässige Unternehmen in Betracht. Ob diese die nachgefragte Leistung aber kurzfristig hätten erbringen können, und zu welchem Preis, blieb ungeklärt. Hierzu hätte es jedoch weiterer Feststellungen bedurft. Denn stünde fest, dass keines der Unternehmen die Leistungen kurzfristig oder zu einem geringeren Preis als die mit der Beklagten vereinbarten DM 70.000,00 erbracht hätte, stellte die Gegenleistung der Beklagten einen vollen Ausgleich für die Zahlung der Schuldnerin dar. Stünde umgekehrt fest, dass eines der Unternehmen die Leistung der Beklagten in der gleichen Zeit zu einem geringeren Entgelt als DM 70.000,00 erbracht hätte, scheidet eine Anwendung des § 142 InsO mangels objektiver Gleichwertigkeit der Gegenleistung aus. (4)
Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und Kenntnis hiervon
Entsprechend den Erörterungen zum Ausgangsfall liegen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz sowie die Kenntnis des Gläubigers hiervon vor. Die Beweiswürdigung wird insofern erleichtert, als das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung sowohl in Fall a) als auch in Fall b) noch deutlicher zu Tage treten.
705 Kirchhof, ZinsO 2000, 297, 300. 706 Vgl. Begr RegE InsO § 161, in: Balz/Landfermann, S. 249. Ob dies bereits daraus folgt, dass auch die Gläubigerbenachteiligung objektiv beurteilt werde, ist fraglich. Möglich wäre es auch, diejenigen Rechtshandlungen zu privilegieren, die nach der Vorstellung der Parteien eine gleichwertige Gegenleistung darstellen und daher dem Makel der Vermögensverschiebung nicht ausgesetzt sind. Dass nur eine objektive Gleichwertigkeit ankommt, folgt vielmehr aus dem Zweck der Insolvenzanfechtung, das Haftungsinteresse der Gläubiger zu schützen. 707 BGH ZIP 2003, 810, 811. 708 Siehe oben III.4.b)aa)(3)(f).
163
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
bb)
Anfechtbarkeit der Abrede
In Betracht kommt eine Anfechtung der Tilgungsabrede gemäß § 132 InsO, sofern die Beklagte hierdurch eine Sicherung ihrer Forderung erhalten hat. (1)
Gläubigerbenachteiligung
Im Gegensatz zur Prüfung der Abrede nach § 130 InsO ist im Rahmen der § 132 InsO eine unmittelbare Benachteiligung der Gläubiger erforderlich. Anders als bei der mittelbaren Benachteiligung muss die Benachteiligung also durch das Rechtsgeschäft selbst und nicht erst durch Hinzutreten weiterer Umstände eingetreten sein. Der BGH bejaht deren Vorliegen, da die Altverbindlichkeit für sich eine reine Insolvenzforderung darstelle, auf die im Insolvenzverfahren allenfalls eine Quote entfallen wäre 709. Die Abrede habe daher die Befriedigungsaussichten der übrigen Insolvenzgläubiger verkürzt. Diesen Ausführungen des Senats ist zuzustimmen. Denn anders als bei der mittelbaren Benachteiligung kann die unmittelbare Benachteiligung nur im Zeitpunkt der Vornahme des angefochtenen Rechtsgeschäfts beurteilt werden, also mit Bezug auf das Wertverhältnis zwischen den konkret ausgetauschten Leistungen. Fernwirkungen, die nach Wirksamkeit des angefochtenen Rechtsgeschäfts der verwalteten Vermögensmasse Vor- oder Nachteile bringen, sind nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht mehr Gegenstand des Rechtsgeschäfts selbst sind. Darüber hinaus berücksichtigt der BGH aber auch Vorteile, die zwar keine Gegenleistung darstellen, jedoch unmittelbar mit dem Vermögensopfer zusammenhängen. Dieser Fall ist jedoch die Ausnahme, wie die beispielhafte Aufzählung des Senats 710 verdeutlicht; nur ein Mal 711 lag kein anfechtbares Rechtsgeschäft vor. Die Entscheidung beruhte jedoch auf § 30 Nr. 2 KO, für den eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ausreichte. Dass die der verwalteten Masse erwachsenden Vorteile (Fernwirkungen) bei der Prüfung der mittelbaren Gläubigerbenachteiligung Berücksichtigung finden können, wurde bereits aufgezeigt 712. Im Unterschied hierzu sollen Fernwirkungen auch nach der hier vertretenen Auffassung bei der Prüfung der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung außer Betracht bleiben. (2)
Bargeschäft
Sofern danach ein gläubigerbenachteiligendes Rechtsgeschäft vorliegt, kommt allenfalls die Prüfung einer Bargeschäftsausnahme gemäß § 142 InsO in Betracht. Die Benachteiligung der Gläubiger, die in der Leistung des Schuldners liegt, bliebe hier ohne Folgen, wenn sie durch die (zeitnahe) Gegenleistung wieder ausgeglichen
709 710 711 712
164
BGH ZIP 2003, 810, 811. BGH ZIP 2003, 810, 812. BGH WM 1960, 377 ff. Siehe oben III.4.b)aa)(3).
4. Würdigung und Lösung
wird 713. Teilweise wird jedoch vertreten, dass von der Anwendung des § 142 InsO diejenigen Rechtshandlungen ausgenommen seien, die eine unmittelbare Benachteiligung der Gläubiger zur Folge haben 714. Sofern eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung vorliege, sei ausgeschlossen, dass diese über eine – notwendigerweise ebenfalls unmittelbare – Gegenleistung beseitigt werde. Vielmehr fehle es in diesem Fall bereits an dem Tatbestandsmerkmal der Gläubigerbenachteiligung. § 142 InsO könne deshalb bei denjenigen Anfechtungstatbeständen keine Wirkung entfalten, die eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung voraussetzen (§§ 132 Abs. 1, 2, 133 Abs. 2 InsO 715), sein Anwendungsbereich sei daher auf die Fälle mittelbarer Gläubigerbenachteiligung beschränkt. Dabei wird übersehen, dass dem Merkmal der Unmittelbarkeit in § 142 InsO auf der einen Seite und in den §§ 132 Abs. 1, 133 Abs. 2 InsO auf der anderen Seite unterschiedliche Bedeutung zukommt. Im Rahmen der §§ 132 Abs. 1, 133 Abs. 2 InsO ist zunächst zu prüfen, ob die Gläubiger durch das angefochtene Rechtsgeschäft bzw. den Vertrag unmittelbar benachteiligt wurden. Ist das der Fall, kann das Rechtsgeschäft bzw. der Vertrag dennoch ausnahmsweise gemäß § 142 InsO unanfechtbar sein. Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut des § 142 InsO, der seine Anwendung nur für § 133 InsO ausschließt. Dies steht im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung, wonach Handlungen, die im einverständlichen Zusammenwirken zwischen dem Schuldner und einem Dritten zum Nachteil der Gläubiger vorgenommen wurden, keinen Schutz verdienen 716. Dass hingegen auch ein unmittelbar nachteiliges Rechtsgeschäft ein Bargeschäft sein kann, ergibt sich allein aus dem zeitlich engeren Begriff der Unmittelbarkeit der Gläubigerbenachteiligung. Beispielsweise liegt eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung auch dann vor, wenn der Schuldner einen Gegenstand zu einem überhöhtem Preis kauft, der Wert des Kaufgegenstandes sich jedoch aufgrund später eintretender Umstände erhöht und den Kaufpreis übersteigt. Zunächst ist eine Benachteiligung der Gläubiger eingetreten, da der Wert der Gegenleistung im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts hinter dem Kaufpreis zurückblieb. Auch wenn der Schuldner nur wegen der Erwartung oder in der Hoffnung auf eine Wertsteigerung gekauft hat, kann dies bei der Gläubigerbenachteiligung nicht berücksichtigt werden. Die später (zeitnah) eingetretene Werterhöhung des Kaufgegenstandes kann aber dazu führen, ein Bargeschäft anzunehmen. Hierdurch kann dem Schuldner auch bei zunächst wirtschaftlich ungünstigen oder spekulativen Rechtsgeschäften der für die verwaltete Vermögensmasse erzielte Vor-
713 Uhlenbruck, § 142 Rz. 3; BGHZ 70, 177, 185; OLG Brandenburg, NZI 2000, 325, 326; Nerlich/Römermann, § 142 Rz. 2; Kübler/Prütting/Paulus, § 142 Rz. 1. 714 Wischemeyer, S. 62; Wimmer/Dauernheim, § 142 Rz. 1. 715 Für § 133 Abs. 2 InsO ergibt sich die Nichtanwendbarkeit der Bargeschäftsausnahme nicht aus dem Wortlaut des § 142 InsO, da dieser nur auf § 133 Abs. 1 InsO Bezug nimmt. Sofern man in § 133 Abs. 2 InsO mit Uhlenbruck, § 133 Rz. 33; § 142 Rz. 17, keinen eigenständigen Tatbestand erblickt, scheidet hier bereits aufgrund der Verweisung in § 142 InsO eine Anwendung des Bargeschäfts aus. 716 Nerlich/Römermann, § 142 Rz. 13.
165
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
teil verbleiben. Tritt der Vorteil hingegen nicht ein, verbleibt es bei der zunächst festgestellten Gläubigerbenachteiligung, so dass dieses bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen anfechtbar ist. § 142 InsO findet mithin auch auf den Anfechtungstatbestand des § 132 InsO Anwendung. Voraussetzung hierfür ist, dass eine unmittelbare Gegenleistung des Schuldners den für die verwaltete Vermögensmasse eingetretenen Nachteil wenigstens ausgleicht. Die Unmittelbarkeit der Gegenleistung ist dabei nicht anhand des engeren § 132 InsO, sondern entsprechend dem in den §§ 130, 131 InsO verwendeten Begriff zur mittelbaren Gläubigerbenachteiligung zu bestimmen. Danach ist erforderlich, aber ausreichend, dass zwischen Vor- und Nachteil der angefochtenen Rechtshandlung eine hinreichend kausale Verknüpfung besteht. Eine allein finale Verknüpfung reicht hingegen nicht aus. Im Ausgangsfall ist die Bereitschaft der Beklagten zur Leistungserbringung für die erfolgreiche Geschäftsfortführung mitursächlich geworden und führte insgesamt zu einer tatsächlichen Mehrung der verwalteten Vermögensmasse. Die in der Tilgungsabrede liegende – auch vom BGH angenommene – unmittelbare Gläubigerbenachteiligung führte wegen des später eintretenden Vorteils nicht zur Anfechtbarkeit gemäß § 132 InsO. (3)
Insolvenzzweckwidrigkeit und Vertrauenstatbestand
Bei der Prüfung der Insolvenzzweckwidrigkeit bzw. eines Vertrauens auf die Rechtsbeständigkeit der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters ergeben sich keine Unterschiede zum Ausgangsfall. Allenfalls ist vorstellbar, dass aufgrund des noch größeren Unterschiedes von Leistung und Gegenleistung die Insolvenzzweckwidrigkeit bejaht wird. Voraussetzung der Annahme einer Insolvenzzweckwidrigkeit ist gerade, dass die Rechtshandlung offensichtlich rechtswidrig ist. Hierfür genügt aber auch nach Ansicht des BGH nicht allein ein – wenn auch grobes – Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung 717. Vielmehr kommt es auf das qualitative Moment an: Eine Rechtshandlung ist insolvenzzweckwidrig, weil der vorläufige oder endgültige Insolvenzverwalter sie ihrer Art nach nicht vornehmen darf. Die Befriedigung von Altverbindlichkeiten ist daher nicht insolvenzzweckwidrig, weil sie den Wert der ausgetauschten Leistungen zu Lasten der Insolvenzmasse verschiebt, sondern weil der Insolvenzgläubiger nach der gesetzlichen Konzeption nur im Rahmen des Verteilungsverfahrens Befriedigung zu erlangen hat. Eine der Art nach zulässige Rechtshandlung unterliegt, falls das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zu Lasten der Insolvenzmasse ausfällt, allein der Insolvenzanfechtung. Wie aber bereits in der Erörterung zu Fallvariante 1 gezeigt, haftet der Befriedigung von Altverbindlichkeiten durch den vorläufigen Insolvenzverwalter das qualitative Moment der Insolvenzzweckwidrigkeit nicht ohne weiteres an, sofern sie der Geschäftsfortführung dient. Bei dieser Beurteilung bleibt es auch dann, wenn das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung weiter zu Lasten der Masse verschoben wird.
717
166
Siehe oben III.4.b)aa)(4).
4. Würdigung und Lösung
(4)
Teilanfechtung
Geht man dagegen mit dem BGH davon aus, dass sich die Gläubigerbenachteiligung daraus ergibt, dass Leistung und Gegenleistung der Abrede nicht gleichwertig sind, ist fraglich, in welcher Höhe die Anfechtung zum Erfolg führt. Angefochten ist die Deckung einer Altverbindlichkeit. In Höhe von DM 29.000,00 erbrachte die Beklagte unstreitig Leistungen, die der Anfechtbarkeit gemäß § 142 InsO entzogen sind. Für die Anfechtbarkeit der über diesen Betrag hinausgehenden Deckung kommt es darauf an, welchen Wert die nach Antragstellung erbrachte Leistung des Gläubigers für die Schuldnerin hatte. Entsprechen sich der über den Wert der Neuleistung hinausgehende Betrag und die Deckung wie in Fall a), so liegt der Schluss nahe, dass die Deckung von DM 41.000,00 eine teilbare Leistung im Sinne des § 143 InsO darstellt. Schwieriger wird die Beurteilung, wenn der zur Deckung der Altverbindlichkeiten gezahlte Betrag den Wert der Alt- und Neuleistungen nominell übersteigt, wie dies in der Fall b) der Fall ist. Die Altverbindlichkeiten belaufen sich dort auf DM 41.000,00, die Neuverbindlichkeiten auf DM 29.000,00, mithin also DM 70.000,00. Worauf die übrigen DM 29.000,00 gezahlt wurden, ist fraglich. Diente dieser Betrag der Deckung von Altverbindlichkeiten, sind sie nach Ansicht des BGH anfechtbar. Dagegen könnte ein Bargeschäft gemäß § 142 InsO vorliegen, wenn auch dieser Betrag der Deckung der Neuverbindlichkeiten diente und der Wert dieser Leistung einem Wert von DM 70.000,00 entsprach. Die Argumentation des Gläubigers könnte dann wie folgt aussehen: Von den insgesamt gezahlten DM 99.000,00 sind allenfalls DM 29.000,00 anfechtbar erlangt, da dieser Betrag dem Wert der Altverbindlichkeit entspreche. Die nach Antragstellung erbrachte Leistung habe dagegen nicht nur einen Wert von DM 41.000,00, wie vom Insolvenzverwalter angenommen, sondern von DM 70.000,00. Der Wert ergebe sich daraus, dass die vom Schuldner nachgefragte Leistung nur von wenigen Unternehmen hätte erbracht werden können und es ihm in der kurzen Zeit kaum möglich gewesen wäre, ein anderes Unternehmen zu einem geringerem Preis als DM 70.000,00 zu beauftragen. Umgekehrt kann die Zahlung der über DM 70.000,00 hinausgehenden Summe anfechtbar sein, soweit ihr eine Leistung nicht gegenübersteht oder diese sogar ohne Rechtsgrund erfolgt ist 718. Welche Leistung für die Zahlung des über DM 70.000,00 hinausgehenden Betrages erbracht werden sollte, ist den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen zu entnehmen. In Fall a) entspricht die Höhe der Forderungen der späteren Zahlung. Zudem weigerte sich der Gläubiger, weitere Leistungen zu erbringen, ohne dass zugleich seine Altverbindlichkeiten befriedigt wurden. Es liegt daher nahe, dass die Zahlung der DM 70.000,00 auf Alt- und Neuverbindlichkeiten erbracht wurde. Auf welche Leistungen die Zahlung der DM 99.000,00 in Fall b) erbracht wurde, fällt hingegen schwerer. Auch hier kann zunächst davon ausgegangen werden, dass auf die Altverbindlichkeit gezahlt wurde. Der darüber hinausgehende Be-
718 In diesem Fall kommt es auf eine Anfechtung nicht an. Die Rückabwicklung erfolgt gemäß den §§ 812 ff. BGB.
167
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
trag kann aber entweder insgesamt auf die Neuverbindlichkeiten gezahlt worden sein oder teils auf Alt-, teils auf Neuverbindlichkeiten. Sofern die Umstände der Parteiabrede zur Klärung nichts beitragen, wird der Fall vor allem durch Anwendung der Beweislastregeln zu lösen sein. Darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen der Gläubigerbenachteiligung und deren Unmittelbarkeit ist der Insolvenzverwalter 719. Er muss darlegen, dass die Gegenleistung für die Neuverbindlichkeit nur einen Wert von DM 29.000,00 hat, die Insolvenzmasse nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht und hierdurch die Befriedigungsaussichten der Gläubiger verkürzt wurden. Ausnahmen gelten nur für die Fälle, in denen das Insolvenzverfahren wegen Überschuldung eröffnet wurde. Hier spricht eine Vermutung für die Unzulänglichkeit der Insolvenzmasse, so dass es nunmehr dem Anfechtungsgegner obliegt, diese auszuräumen 720. Die Beweislastumkehr beschränkt sich aber auf die Unzulänglichkeit der Insolvenzmasse. Dass die Befriedigung von DM 70.000,00 über den objektiven Wert von DM 29.000,00 hinausgeht, muss weiterhin der Insolvenzverwalter darlegen und beweisen. Maßgeblich für die Beurteilung der Gläubigerbenachteiligung ist eine objektive, wirtschaftliche Betrachtungsweise. Für das Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligung müsste der Insolvenzverwalter daher behaupten und beweisen, dass er die Leistung des Gläubigers zu sonst gleichen Konditionen günstiger am Markt hätte einkaufen können. Dieser Beweis fällt schwer, wenn ein Markt nicht oder nur eingeschränkt existiert oder – wie im Ausgangsfall – ein anderer Anbieter nicht innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit die Leistung bereitstellen kann. Nimmt man die Vorstellungen des Gesetzgebers ernst, dass die Insolvenz nur zum Überleben restrukturierungsfähiger Unternehmen dienen und ein Eingriff in die Mechanismen des Marktes vermieden werden soll, wird man dem Anfechtungsgegner den Einwand, nur er habe überhaupt fristgerecht leisten können, nicht abschneiden dürfen. Hierin läge eine nachträgliche Korrektur des vom Schuldner mit Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters vereinbarten Preises. Eine solche Korrektur stößt auch auf die Schwierigkeit, einen angemessenen Preis für die nach Antragstellung erbrachten Leistungen definieren zu müssen. Denn ohne eine solche Festlegung kann nicht festgestellt werden, in welcher Höhe das Rechtsgeschäft gläubigerbenachteiligend und damit ein Teil der Leistung gemäß § 143 InsO zu erstatten ist. Die Feststellung der Gläubigerbenachteiligung ist insoweit maßgeblich für die Reichweite der Anfechtung. d)
Abwandlung 2 Fall: Wie im Ausgangsfall. Den Preis für die noch zu erbringenden Leistungen des Gläubigers legen die Parteien mit DM 70.000,00 fest. Auf die Geltendmachung der Altverbindlichkeit „verzichtet“ der Gläubiger.
719 Nerlich/Römermann, § 129 Rz. 107. 720 BGH ZIP 1993, 271; ZIP 1986, 787; MK-InsO/Kirchhof, § 129 Rz. 107; Nerlich/Römermann, § 129 Rz.107.
168
4. Würdigung und Lösung
aa)
Rechtshandlung und Insolvenzgläubigereigenschaft
Gegenstand der Anfechtung kann – wie im Ausgangsfall – sowohl die Zahlung als auch die zwischen den Beteiligten getroffene Abrede sein. Da sich im Hinblick auf die Anfechtbarkeit der Zahlung keine Besonderheiten ergeben, soll allein die Abrede Gegenstand der Erörterung sein. Sie weist hier die Besonderheit auf, dass nicht nur die Erbringung der Restleistung von der Zahlung von DM 70.000,00 abhängig sein soll. Hinzu kommt, dass der Anfechtungsgegner auf seine Insolvenzforderung „verzichtet“. Die Abrede enthält in diesem Fall sowohl schuld- als auch sachenrechtliche Elemente. Schuldrechtlich verpflichten sich die Parteien, gegen Zahlung von insgesamt DM 70.000,00 die ausstehenden Restleistungen zu erbringen und die Insolvenzforderung zu erlassen. Die dingliche Einigung geht dahin, dass der Anfechtungsgegner dem Schuldner die Insolvenzforderung erlässt. Die Parteien können damit einen Erlassvertrag, einen Aufhebungs- oder einen Änderungsvertrag hinsichtlich der Altverbindlichkeit gewollt haben. Welche Vereinbarung vorliegt, ist anhand einer Auslegung der Willenserklärungen und des Vertrages gemäß den §§ 133, 157 BGB 721 zu bestimmen. Sie kann aber vorliegend offen bleiben, da jeder der denkbaren Verträge (zumindest auch) eine Verfügung über die Altverbindlichkeit enthält. Der Erlassvertrag bewirkt das Erlöschen des Schuldverhältnisses im engeren Sinne, der Aufhebungsvertrag das Erlöschen des Schuldverhältnisses im weiteren Sinne und der Änderungsvertrag eine Inhaltsänderung des Schuldverhältnisses 722. Denkbar ist zwar auch eine nur schuldrechtliche Abrede dahin, dass der Anfechtungsgegner auf die Geltendmachung der Altverbindlichkeit im Insolvenzverfahren verzichten soll. Der Insolvenzverwalter kann dem Anfechtungsgegner dann bei Anmeldung seiner Altverbindlichkeit zur Insolvenztabelle die Einrede des pactum de non petendo 723 entgegenhalten. Dass der Schuldner / vorläufige Insolvenzverwalter sich mit einer Einrede zufrieden geben will, ist jedoch nicht anzunehmen. Denn für die Dauer des Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzgläubiger ohnehin gehindert, die Befriedigung seiner Altverbindlichkeit zwangsweise durchzusetzen, vgl. § 89 InsO. Eine nur vorübergehende Einrede in diesem Sinne ist deshalb für ihn – und für die Gläubigergesamtheit – nicht von Interesse. In einem unbefristeten Einforderungsverzicht ist vielmehr regelmäßig ein Erlass zu sehen 724. Es steht somit fest, dass im Falle einer Anfechtung der Abrede Anfechtungsgegenstand über die im Ausgangsfall getroffene Vereinbarung hinaus zugleich die Verfügung über die Altverbindlichkeit ist.
721 Folgt man dem Wortlaut, sind Willenserklärungen anhand des § 133 BGB, Verträge anhand des § 157 BGB auszulegen. Nach allgemeiner Ansicht decken sich die Anwendungsbereiche beider Vorschriften, so dass die §§ 133, 157 BGB nebeneinander zur Auslegung heranzuziehen sind. Dazu BGHZ 105, 24, 27. 722 Vgl. Palandt/Heinrichs, § 397 Rz. 2, § 305 Rz. 2, 7. Der Annahme eines Aufhebungsvertrages steht entgegen, dass die Beteiligten nicht das gesamte Schuldverhältnis zum Erlöschen bringen wollten. Dies würde u.a. den Verzicht des Schuldners / vorläufigen Insolvenzverwalters auf mögliche Gewährleistungs-ansprüche umfassen. 723 Palandt/Heinrichs, § 397 Rz. 3. 724 RGZ 127, 129.
169
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
bb)
Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters
Die Annahme einer Verfügung hat zur Folge, dass der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter der Vereinbarung zustimmen muss, damit diese Wirksamkeit erlangt, vgl. § 22 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 InsO. Dabei wird deutlich, was der BGH bei der Prüfung des § 132 InsO unterschlägt: Die (zwangsläufige) Beteiligung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters an der vom Schuldner getroffenen Abrede. Zur Verdeutlichung sei darauf hingewiesen, dass das von den Parteien erzielte Ergebnis dem des Ausgangsfalles wirtschaftlich entspricht. Der Verzicht auf die Insolvenzforderung bedeutet für den Geschäftspartner wirtschaftlich keine Einbuße, da diese nur anteilig und erst am Schluss des Insolvenzverfahrens zu befriedigen ist. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise müsste hier – wie im Ausgangsfall nach Auffassung des BGH – dazu führen, dass die Insolvenzanfechtung durchgreift. cc)
Zustimmung als Vertrauenstatbestand
Erachtet man die Insolvenzanfechtung als das geeignetere Instrument zur Beurteilung möglicherweise masseschädigender Rechtshandlungen gegenüber der Insolvenzzweckwidrigkeit, stellt sich mit dem BGH die Frage, ob die Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters der Anfechtbarkeit entgegensteht 725. In diesem Zusammenhang soll noch einmal an die Rechtsstellung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters erinnert werden 726. Diese entspricht auch nach Ansicht des BGH 727 weitgehend der des Sequesters im Konkursantragsverfahren. Rechtshandlungen des Sequesters waren grundsätzlich anfechtbar, und zwar sogar dann, wenn Sequester und Konkursverwalter personengleich und die angefochtene Rechthandlung zur Geschäftsfortführung nicht notwendig war 728. Dies sollte sich aus den unterschiedlichen Aufgaben und Befugnissen von Sequester und Konkursverwalter ergeben sowie daraus, dass eine Konkursmasse, die durch die Erklärung des Sequesters gebunden werden könnte, in der Sequestration noch gar nicht existierte 729. An dieser Beurteilung hat die Rechtsfigur des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters nichts geändert. Ebenso wie der Sequester begründet seine Zustimmung zu den vom Schuldner abgeschlossenen Verträgen nur Insolvenzforderungen. Ein besonderes Vertrauen in die Rechtsbeständigkeit der Handlungen eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters ist damit nicht verbunden. Ein solches Vertrauen auf die vollständige Befriedigung ihrer Forderungen ist nur begründet, 725 Vgl. BGH ZIP 2003, 810, 811 sub II.1.b) der Gründe. 726 Siehe oben II.4.c)dd). 727 BGH ZIP 1997, 1551, 1552. 728 BGHZ 97, 87 ff. = ZIP 1986, 448 ff. = NJW 1986, 1496 ff. Das Problem der Anfechtbarkeit von Sequesterhandlungen hat sich daher entgegen Häsemeyer, Rz. 7.47, durch die Regelung der vorläufigen Insolvenzverwaltung nicht erledigt. Die Einschätzung Häsemeyers beruht auf der – falschen – Annahme, dass der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter in der Praxis keine große Bedeutung erlangen werde. 729 § 1 KO spricht nur von dem Vermögen des Schuldners, das im Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens vorhanden ist.
170
4. Würdigung und Lösung
wenn die Verfügungsbefugnis zumindest teilweise auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergangen ist. In diesem Fall haften sowohl die spätere Insolvenzmasse und bei deren Unzulänglichkeit gemäß § 61 InsO auch der vorläufige Insolvenzverwalter. Den Regelfall stellt dies aber nicht dar, wie der BGH 730 bestätigte. Die Berufung auf einen gesetzgeberischen Willen geht fehl. Richtig ist, dass der Gesetzgeber dem Schuldner mit der Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nicht die Möglichkeit nehmen wollte, weiterhin am Rechtsverkehr teilzunehmen. Stimmt der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter den Rechtsgeschäften des Schuldners zu, bedeutet dies aber nicht, dass eine Insolvenzanfechtung nunmehr ausscheidet. Der Insolvenzanfechtung entzogen sind nach der gesetzgeberischen Wertung der §§ 22 Abs. 1, 55 Abs. 2 , 129 InsO nur Verbindlichkeiten, die nicht Insolvenzforderungen darstellen. Das sind solche, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet wurden, auf den die Verfügungsbefugnis zumindest teilweise übergegangen ist. Beim „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter ist dies nicht der Fall. Anfechtungsfest sind die mit Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters vorgenommenen Rechtsgeschäfte des Schuldners nur, wenn diese entweder nicht gläubigerbenachteiligend sind oder die Gläubigerbenachteiligung wegen § 142 InsO gewissermaßen ausgeblendet wird 731. Falsch ist daher die Annahme des BGH 732, der Zustimmungsvorbehalt solle zwar die künftige Insolvenzmasse schützen, aber nicht zugleich das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Insolvenzbeständigkeit von Zustimmungen eines derart ausgestatteten vorläufigen Verwalters erschüttern. Da der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter ein solches Vertrauen gar nicht begründen kann, fehlt es an einem Anknüpfungspunkt für ein schutzwürdiges Vertrauen. Das zeigt der vorliegende Fall besonders deutlich: Der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter lehnte die Befriedigung der Altverbindlichkeiten zunächst mit dem Hinweis ab, dass hierin eine anfechtbare Gläubigerbenachteiligung liege. Der Beklagte bestand dennoch auf Zahlung, worauf der vorläufige Insolvenzverwalter den geforderten Betrag überwies, hinsichtlich der Altverbindlichkeit jedoch unter dem Vorbehalt der Rückforderung und der Anfechtung. Worauf sich das Vertrauen des Beklagten in das Behaltendürfen des überwiesenen Betrages gründen sollte, ist nicht nachvollziehbar. Da im vorliegenden Fall der vorläufige Insolvenzverwalter und der Insolvenzverwalter personengleich waren, kommt auch ein Anfechtungsausschluss gemäß § 242 BGB in Betracht. Zu beachten ist dabei, dass § 242 BGB im Gegensatz zu der vorangegangenen Prüfung nicht die Begründung eines Vertrauenstatbestandes aufgrund seiner Funktion, sondern als Folge der Identität der Person von vorläufigem und endgültigem Insolvenzverwalter zum Ziel hat. Diesen erörtert der BGH 733 zwar erst im Rahmen der Prüfung des § 132 InsO, lehnt ihn aber mit ebenso kurzer wie
730 BGHZ 151, 353 ff.= ZIP 2002, 1625 ff. = NJW 2002, 3326 ff. 731 Siehe oben III.4.b), III.4.c). 732 BGH ZIP 2003, 810, 811 sub II.1.b) der Gründe mit Hinweis auf Marotzke, Verträge, Rz. 14.69; ders., EWiR 2002, 351, 352. 733 BGH ZIP 2003, 810, 813 sub II.2.e) der Gründe.
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III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
zutreffender Begründung ab: Ein Vertrauenstatbestand, den der vorläufige Insolvenzverwalter beim Beklagten hervorgerufen habe und infolge dessen dieser damit rechnen durfte, ein nicht mehr entziehbares Recht erlangt zu haben, liege nicht vor. Damit wäre dem BGH die Prüfung des § 130 InsO möglich gewesen. dd)
Gläubigerbenachteiligung
Entscheidendes Merkmal der Anfechtungsprüfung ist nun das Vorliegen der Gläubigerbenachteiligung, die übrigen Voraussetzungen sind unproblematisch zu bejahen. Vom Ausgangsfall unterscheidet sich die Fallvariante nur dahingehend, dass die Beklagte zusätzlich zu ihrem Leistungsversprechen auch auf ihre Insolvenzforderung verzichtet. An der Beurteilung der Gläubigerbenachteiligung kann das allerdings nur dann etwas ändern, wenn der Verzicht sich aus der Sicht des Schuldners als für die Insolvenzmasse vorteilhaft erweist und die im Ausgangsfall nach Auffassung des BGH vorliegende Gläubigerbenachteiligung beseitigt. Das ist jedoch schon deshalb nicht der Fall, weil die Beklagte nur ein wirtschaftlich ohnehin weitgehend entwertetes Recht aufgegeben hat. e)
Abwandlung 3 Fall: Der Sachverhalt entspricht dem Ausgangsfall. Das Gericht hat jedoch ein besonderes Verfügungsverbot hinsichtlich aller im Zusammenhang mit der Geschäftsfortführung stehenden Rechtshandlungen, die im Einzelnen benannt sind, oder ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet.
aa)
Anfechtbarkeit der Zahlung
(1)
Rechtshandlung und „starker“ Verwalter
Gegenstand der Anfechtung kann – wie im Ausgangsfall – sowohl die Abrede als auch die Zahlung sein. Im Unterschied zum Ausgangsfall hat hier ein „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter die Abrede getroffen bzw. Zahlungen geleistet. Fraglich ist daher, ob Rechtshandlungen des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters überhaupt angefochten werden können und ggf. unter welchen Voraussetzungen. Teilweise wird vertreten, dass die Insolvenzanfechtung von Handlungen eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters ausgeschlossen ist, da dieser eine ähnliche Rechtsposition wie der endgültige Insolvenzverwalter habe 734. Dessen Handlungen sind aber allenfalls insolvenzzweckwidrig und damit nichtig. Eine Insolvenzanfechtung scheidet aus, weil die Handlungen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden. Zudem solle § 55 Abs. 2 InsO das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Tätigkeit des „starken“ vorläufigen Verwalters stärken und ihn kreditfähig machen. Die Regelung liefe leer, wenn die Masseverbindlichkeiten nach der Verfahrenseröffnung wieder im Wege der Anfechtung rück-
734 Kirchhof, ZInsO 2000, 297; HK-Kreft, § 129 Rz. 30, 31; Nerlich/Römermann, § 129 Rz. 47; Zeuner, Rz. 21; Hess, § 129 Rz. 44, 46; Bork, Rz. 108.
172
4. Würdigung und Lösung
gängig gemacht werden könnten. Teilweise 735 wird auch vertreten, dass der in § 55 Abs. 2 InsO zugrunde gelegte Gedanke des Verkehrsschutzes über den Wortlaut dieser Vorschrift hinausgeht und sich als übergeordnetes Prinzip darstelle, welches auf sämtliche Rechtshandlungen eines verfügungsbefugten vorläufigen Insolvenzverwalters Anwendung finde. Erfüllungshandlungen eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters seien deshalb auch insoweit der Insolvenzanfechtung entzogen, als sie der Befriedigung von Altverbindlichkeiten dienen. Verkenne der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter die Bedeutung der beteiligten Interessen, insbesondere den Wert der ausgetauschten Leistungen und den Nutzen der erlangten Leistung für den Betrieb des Schuldners, werde das Interesse der Gläubigergemeinschaft allein und ausreichend über § 60 InsO geschützt. Hieran solle sich auch nichts ändern, wenn der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter unter Druck gesetzt wurde 736. Sofern der Anfechtungsgegner nicht zur Fortsetzung des Vertragsverhältnisses gezwungen werden kann, stelle sich der von ihm angedrohte Rückzug aus der mit dem Schuldner eingegangenen Vertragsbeziehung als legitimes Alternativverhalten dar. Die Anfechtbarkeit der Befriedigung von Altverbindlichkeiten würde in diesem Falle ein Verhalten bestrafen, das rechtlich nicht zu beanstanden sei. Dass der vorläufige Insolvenzverwalter auf die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses angewiesen ist, stelle sich für den Vertragspartner lediglich als glücklicher Umstand dar 737. Der Schutz der Gläubigergemeinschaft sei durch die §§ 123, 138, 826 BGB bzw. § 60 InsO hinreichend gewährleistet. Erreiche der auf den „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter ausgeübte Druck ein unzulässiges Maß, etwa weil der Vertragspartner Monopolist ist, sei das Erfüllungsgeschäft bereits nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Dagegen sei die Gläubigergemeinschaft durch § 60 InsO geschützt, wenn der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter die Bedeutung der Vertragsfortsetzung falsch beurteilt oder ungenügende Versuche unternommen hat, Leistungen oder Lieferungen von Dritten zu erhalten 738. Dogmatisch könne das Ergebnis dadurch erreicht werden, dass der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter dem endgültigen Insolvenzverwalter gleichgestellt werde, dessen Handlungen mithin nicht als vor der Verfahrenseröffnung vorgenommen angesehen werden739. Die Handlungen des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters seien daher anfechtungsfest. Dabei wird übersehen, dass der Zweck der vorläufigen Insolvenzverwaltung bei allen Verwaltertypen der gleiche ist: Die Sicherung der verwalteten Vermögensmasse. Hierin liegt der Unterschied zum endgültigen Insolvenzverwalter, dem die Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse obliegt. Auch der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter ist hierzu nicht berechtigt, es sei denn im Rahmen von Notverkäufen, unaufschiebbaren Geschäften etc 740. Diese – ausnahmsweise – bestehenden Verwertungsbefugnisse stehen aber auch dem Schuldner zu, der auf die
735 736 737 738 739 740
Pohlmann, Rz. 528 ff., insbesondere Rz. 531. Pohlmann, Rz. 535 ff. Pohlmann, Rz. 536. Pohlmann, Rz. 537. Pohlmann, Rz. 541. Siehe oben II.3.d)aa)(1).
173
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters angewiesen ist. Der wesentliche Unterschied zwischen den Typen der vorläufigen Insolvenzverwaltung besteht darin, dass die vom „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten Verbindlichkeiten nach Verfahrenseröffnung gemäß § 55 Abs. 2 InsO als Masseverbindlichkeiten gelten. Folge der Einordnung als Masseverbindlichkeiten ist, dass eine Insolvenzanfechtung ausscheidet. Denn § 129 Abs. 1 InsO setzt die Insolvenzgläubigereigenschaft des Anfechtungsgegners voraus. Kommt es dagegen nicht zur Verfahrenseröffnung, genießen die mit dem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter kontrahierenden Gläubiger keinen Vorzug und sind – wie die übrigen Gläubiger – auf die Durchsetzung ihrer Rechte im Wege der Einzelzwangsvollstreckung angewiesen. Damit zeigt sich, dass Rechtshandlungen des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters nicht schlechthin einen besonderen Schutz genießen, sondern nur, soweit dieser Verwalter auf die Zusammenarbeit mit den Gläubigern angewiesen ist. Wenn der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter gegen den Sicherungszweck der §§ 21 ff. InsO verstößt, sind seine Handlungen deshalb grundsätzlich der Anfechtung nach den §§ 129 ff. InsO unterworfen. Rechtshandlungen eines „starken“ vorläufigen Verwalters sind beispielsweise anfechtbar, wenn sie allein der Befriedigung von Altverbindlichkeiten dienen 741. Teilweise wird eine Ausnahme von der Anfechtbarkeit gemacht, wenn die Deckung zur Geschäftsfortführung notwendig war 742. Denn jedenfalls der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter sei zur Unternehmensfortführung verpflichtet und – soweit etwa ein Geldkreditgeber seine Leistungsbereitschaft von der nachträglichen Besicherung bereits ausgebrachter Kredite abhängig macht – nach Abwägung aller wirtschaftlichen Vor- und Nachteile für die Gläubigergemeinschaft zur Deckung der Altverbindlichkeit berechtigt 743. Wenn er sich unter dem Druck der Verhältnisse für eine Nachbesicherung entscheide, könne er sie später nicht wieder anfechten 744. Die Anfechtung von Rechtshandlungen eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters soll nur insoweit ausgeschlossen sein, als sie dazu dient, die Begründung von Masseverbindlichkeiten wieder rückgängig zu machen. Hier ist nicht einmal diese Voraussetzung gegeben, da die in Rede stehenden Forderungen bereits durch den Schuldner begründet worden waren 745. Eine Rechtshandlung seitens des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters mit der Folge, dass die Verbindlichkeit in den Rang des § 55 Abs. 2 InsO erhoben wird, liegt hier nicht vor. Hiervon ist auch die Kommission für Insolvenzrecht ausgegangen, wenn angenommen wird, dass zum Schutz der Geschäftspartner 741 So LG Karlsruhe für § 133 InsO, ZIP 2002, 362, 363; Marotzke, Verträge, Rz. 14.87, 14.91 ff.; a.A. Leithaus, NZI 2003, 317, 318: „Eine Rechtshandlung des vorläufigen Verwalters [...], dem ein (auch beschränktes) Verfügungsverbot i.S. von § 22 InsO bzw. der neuen Rechtsprechung des BGH (BGHZ 151, 353 = NJW 2002, 3326 = NZI 2002, 543) auferlegt wurde, unterliegt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO.“ 742 Breutigam/Blersch/Goetsch, § 129 Rz. 10. 743 Obermüller, Rz. 5, 224a; anders Rz. 6, 120 für die Zeit nach Eröffnung. 744 Bei Kirchhof, ZInsO 2000, 297, 298 findet sich der Hinweis, dass ein solches Verlangen (sog. cross collateralization) von Kreditgebern in den USA durchaus nicht selten sei und insbesondere in Sanierungsverfahren nach Ch. 11 B.C. für zulässig gehalten wird, wenn keine andere Möglichkeit besteht, die Unternehmensfortführung zu finanzieren. 745 So auch Kirchhof, ZInsO 2000, 297, 298.
174
4. Würdigung und Lösung
das Masseschuldprivileg selbst dann gelten solle, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter seine Befugnisse überschritten hat 746. Eine Anfechtung der Zahlung scheidet danach wegen §§ 55 Abs. 2, 129 Abs. 1 InsO nur dann aus, wenn der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter die Alt(- und Neu)verbindlichkeiten zuvor in den Rang von Masseverbindlichkeiten erhoben hatte. (2)
Gläubigerbenachteiligung
Ob die Verbindlichkeiten des Schuldners durch die getroffene Abrede zu Masseverbindlichkeiten werden, hängt davon ab, welcher Rechtsnatur die Abrede ist. Siedelt man die Verbindlichkeit einer solchen Abrede niedrig an, so könnte ein unverbindliches Versprechen des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters vorliegen, die Insolvenzforderung wie eine Masseverbindlichkeit zu behandeln. Mit einem solchen Versprechen wird sich der Geschäftspartner regelmäßig nicht zufrieden geben. Der durch ihn auf den vorläufigen Insolvenzverwalter ausgeübte Druck zeigt, dass er an einer für beide Seiten verbindlichen Lösung, die auch später Bestand haben soll, interessiert ist. Die Vereinbarung soll damit rechtsgeschäftlichen Charakter haben. Fraglich ist dann, wie die Vereinbarung zu verstehen ist. Einerseits ist denkbar, dass die Parteien eine zusätzliche, zu dem bestehenden Altgeschäft, hinzutretende Vereinbarung treffen wollten oder andererseits eine einheitliche Vereinbarung zur Regelung sowohl des alten als auch des neuen Rechtsgeschäfts. Eine Entscheidung kann hier dahinstehen, denn in jedem der beiden Fälle begründet oder verändert der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter eine Forderung, trifft also eine Verfügung. bb)
Anfechtbarkeit der Abrede
Die Zahlung auf diese Masseverbindlichkeiten ist unanfechtbar. Für die Prüfung einer Anfechtung verbleibt nur die zugrundeliegende Abrede. Deren Anfechtung kommt in Betracht, denn die Abrede könnte die Altverbindlichkeit erst in den Rang einer Masseverbindlichkeit gehoben haben. (1)
Rechtshandlung und Insolvenzgläubigereigenschaft
Ausgangspunkt der Lösung muss § 55 Abs. 2 InsO sein. Danach ist Voraussetzung für die Behandlung einer Forderung als Masseverbindlichkeit, dass sie durch den vorläufigen Verwalter begründet wurde. Unter der Begründung einer Forderung wird im allgemeinen ihr Entstehen verstanden. Soweit der „starke“ vorläufige Verwalter sich damit begnügt, Altverbindlichkeiten zu befriedigen, geht ihrem Erlöschen keine – beispielsweise konkludente – Neubegründung voraus. Die Altforderung wird in ihrem rechtlichen Status quo zum Erlöschen gebracht. Anders kann der Fall liegen, wenn die Altforderung in die Abrede über neu zu begründende Verbindlichkeiten, etwa Kredite, mit einbezogen wird. Eine Auslegung der Abrede kann in diesen Fällen ergeben, dass die Altforderung im Rahmen einer einheitlichen
746
1. Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, S. 107.
175
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
Abrede neu zu begründen ist, die Altforderung hingegen erlischt. Auch die Altforderung wäre in diesem Fall neu begründet und der Anfechtung entzogen 747. (a)
Erstarkung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters
Diesen Weg beschritt das AG Hamburg 748. Es bestellte zunächst einen „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete zwei Wochen vor der Verfahrenseröffnung die „starke“ vorläufige Insolvenzverwaltung an. Hierdurch sollte der vorläufige Insolvenzverwalter in die Lage versetzt werden, die während des Insolvenzantragsverfahrens begründeten Verbindlichen durch Erklärung gleichsam noch einmal zu begründen und auf diese Weise in den Rang einer Masseverbindlichkeit zu erheben. Das Problem dieser Vorgehensweise besteht weniger darin, dass in komplexen Verfahren die Zeit nicht ausreicht, um sämtliche Insolvenzforderungen zu Masseverbindlichkeiten aufzuwerten oder der Gläubiger kein Vertrauen in diese Vorgehensweise hätte 749. Hieran hat der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter schon aufgrund der dargestellten Haftungsgefahren kein Interesse 750. In den Genuss der Bevorzugung ihrer Forderungen kämen wohl nur diejenigen Insolvenzgläubiger, denen der vormals „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter Zahlungszusagen gegeben hatte. Ebenso wenig überzeugt es, dass Masseverbindlichkeiten steuerbar seien und auch sein müssen, da wesentliches Merkmal der Masseverbindlichkeit die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung sei 751. Die Steuerung von Masseverbindlichkeiten ist aus Sicht des vorläufigen Insolvenzverwalters zwar wünschenswert. Wie die §§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1, 55 Abs. 2 InsO zeigen, ist sie aber nicht stets gegeben. Der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter begründet immer Masseverbindlichkeiten 752. Eine Steuerung ist dem vorläufigen Insolvenzverwalter nur möglich, wenn das Gericht infolge seiner Anregung ein besonderes Verfügungsverbot ausspricht. Eine Rückwirkung gemäß § 184 Abs. 1 BGB, wie sie Folge der nachträglichen Bestellung zum „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter sein soll, ist dagegen nicht gegeben. § 55 Abs. 2 InsO stellt allein darauf ab, wer die Verbindlichkeit begründet hat. Einer Genehmigung gemäß § 184 Abs. 1 BGB bedürfen die Erklärungen des zunächst „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters schon deshalb nicht, weil sie von Beginn an wirksam waren 753. Die in der Bestellung zum „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter in der Endphase des Insolvenzantragsverfahrens liegende Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist auch nicht gerechtfertigt.
747 So wohl auch Kirchhof, ZInsO 2000, 297, 298. 748 ZIP 2003, 43 ff. = NZI 2003, 153 ff. Dafür auch Pape, ZIP 2002, 2277, 2286. 749 So aber Undritz, NZI 2003, 136, 139; Wiester, NZI 2003, 632, 633, obwohl sie die Umgehungsproblematik im Hinblick auf § 55 Abs. 2 InsO erkennen. 750 Siehe oben II.4.c)ee). 751 So ebenfalls Undritz NZI 2003, 136, 140 unter Hinweis auf MK-InsO/Hefermehl, § 55 Rz. 14 f. 752 Der Geschäftspartner kann auf den Vorrang verzichten und auch mit dem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter Verbindlichkeiten im Range der Insolvenzforderungen begründen. Allerdings dürfte dies in der Praxis nicht vorkommen, da die Geschäftspartner sich der Sicherung der §§ 55 Abs. 2, 61 InsO nicht begeben werden. 753 So auch Bork, ZIP 2003, 1421, 1424.
176
4. Würdigung und Lösung
Denn wem der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter Zahlungszusagen gegeben hat und aus welchen Gründen, ist für die Gläubigergemeinschaft nicht nachvollziehbar. War der Insolvenzgläubiger zur Leistung bereit, ohne dass die Erfüllung seiner Forderung aus der verwalteten Vermögensmasse sichergestellt war, verdient er eine nachträgliche Bevorzugung seiner Forderung nicht. Begnügt er sich mit der Zahlungszusage des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters, muss er sich hieran festhalten lassen. Das AG Hamburg hat seine Befugnisse durch die Anordnung überschritten. Zwar ist die Bestellung eines zunächst „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters regelmäßig zur Sicherung der verwalteten Vermögensmasse ausreichend. Die unmittelbar vor der Verfahrenseröffnung erfolgende Bestellung zum „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter bedarf aber besonderer Begründung. Nur wenn dem Gericht Umstände bekannt werden, die den Schluss rechtfertigen, der Schuldner werde die verwaltete Vermögensmasse aufgrund der ihm verbliebenen Befugnisse schmälern, ist die Bestellung zum „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter verhältnismäßig. Ferner übersieht das AG Hamburg, dass der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung nur auf die Insolvenzgläubiger Anwendung findet. Massegläubiger werden auch in der Insolvenzordnung unterschiedlich behandelt; beispielweise räumt § 209 InsO im Falle der angezeigten Masseunzulänglichkeit denjenigen Gläubigern, die nach der Anzeige Rechtsgeschäfte mit dem Insolvenzverwalter (sog. Neumassegläubiger) begründen, Vorrang vor den bereits vor Anzeige begründeten Forderungen (sog. Altmassegläubiger) ein. (b)
Erfüllungswahl
Eine Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters gemäß § 103 Abs.1 InsO führt nicht zu dem gewünschten Ergebnis. Die als Insolvenzforderungen zu qualifizierenden Altverbindlichkeiten werden auch nicht durch die Erfüllungswahl zu Masseverbindlichkeiten, die der Insolvenzverwalter zu befriedigen hätte. Denn regelmäßig sind die noch nicht vollständig erfüllten, gegenseitigen Verträge, hinsichtlich derer dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht zusteht, teilbar 754. Das hat zur Folge, dass selbst bei Wahl der weiteren Erfüllung der vor Verfahrenseröffnung begründete Teil der Forderungen als Insolvenzforderung bestehen bleibt 755. Die teilweise geübte Praxis, Insolvenzforderungen als Masseverbindlichkeiten zu bedienen, ist daher unzulässig. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Insolvenzverwalter entgegen dem Grundsatz der par condicio creditorum berechtigt sein soll, Insolvenzforderungen als „unechte“ Masseverbindlichkeiten zu befriedigen 756.
754 BGH NZI 2002, 375. 755 Undritz, NZI 2003, 136, 138. 756 Undritz, NZI 2003, 136, 139 weist zu Recht darauf hin, dass dem Insolvenzverwalter in einem vom LG Köln entschiedenen Fall (NZI 2001, 157) eine Haftung nur infolge der Kontrollund Überwachungspflicht des Gläubigerausschusses erspart blieb. Das LG Köln misst der Kontroll- und Überwachungspflicht des Gläubigerausschusses einen zu hohen Stellenwert bei und übersieht, dass Entscheidungen des Gläubigerausschusses allenfalls im Verhältnis zum Insolvenzverwalter Wirkungen entfalten können.
177
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
(2)
Insolvenzzweckwidrigkeit
Eine solche Vereinbarung könnte aber wegen offenkundigen Verstoßes gegen den Insolvenzzweck nichtig sein. Nichtigkeit und Anfechtbarkeit können kumulativ geltend gemacht werden, sie schließen einander also nicht aus. Die Beantwortung dieser Frage ist vorliegend dennoch von Bedeutung: Befürwortet man die Nichtigkeit einer solchen Neubegründung von Altverbindlichkeiten, gelangt eine Masseverbindlichkeit nicht zur Entstehung. Die Deckung erfolgte inkongruent und wäre gegebenenfalls nach § 131 InsO anfechtbar. Lehnt man diese Rechtsfolge ab, wäre die Deckung der Masseverbindlichkeit nicht gläubigerbenachteiligend, mithin der Insolvenzanfechtung entzogen. Ob die Neubegründung von Masseverbindlichkeiten nichtig ist, richtet sich danach, ob der Verstoß gegen den Insolvenzzweck offenkundig ist. Der BGH 757 hat diese Frage bisher in den zur KO ergangenen Entscheidungen offen gelassen. Unter Hinweis auf den Zweck der Konkursordnung, die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger sicherzustellen, liegt die Befürwortung dieser Frage durch den BGH jedenfalls für die KO nahe. Nach Ansicht Kirchhofs 758 hat sich hieran durch die Insolvenzordnung nichts Entscheidendes geändert, da die Möglichkeit der Sanierung in § 1 Abs. 1 InsO nicht ausdrücklich als Verfahrensziel genannt werde, sondern nur im Rahmen des Insolvenzplans vorgesehen sei. Dieser sei aber erst im eröffneten Verfahren möglich. Kirchhof ist insoweit Recht zu geben, als er die Befriedigung der Gläubiger als Ziel des Insolvenzverfahrens in den Vordergrund stellt. Die Sanierung ist kein eigenständiges Verfahrensziel, sondern nur Mittel der Haftungsverwirklichung. Jedoch geht es nicht um eine Sanierung um fast jeden Preis, auch um denjenigen, dass die Altgläubiger völlig leer ausgehen, wie Kirchhof meint. Eine solche Auszehrung der Insolvenzmasse wäre nicht nur anfechtbar, sondern auch haftungsbegründend im Sinne von § 60 InsO. Hierfür wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter nicht herhalten. Die Neubegründung von Altverbindlichkeiten wird er nur dann in Betracht ziehen, wenn eine Betrachtung aller Vor- und Nachteile ergibt, dass im Ergebnis der Insolvenzmasse hieraus ein Vorteil erwachsen wird. Diese Überlegung wird den Zielen des Insolvenzverfahrens gerecht: Soweit eine Vergrößerung der Haftungsmasse erreicht wird, stellt § 1 Abs. 1 InsO klar, dass dieses Ziel auch mittels einer Sanierung erreicht werden kann. Der Einwand, dass eine Sanierung im Wege eines Insolvenzplanes erst im eröffneten Verfahren abgeschlossen wird, geht fehl. Wird im Insolvenzantragsverfahren nicht der Betrieb fortgeführt, um die Insolvenzmasse zu erhalten, gibt es regelmäßig nicht mehr vieles, was im eröffneten Verfahren den Gegenstand eines Insolvenzplanes bilden könnte. Die Neubegründung von Altverbindlichkeiten ist deshalb nicht nichtig, sondern allenfalls anfechtbar. Nach der hier vertretenen Ansicht ist auch die Rechtshandlung eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters nicht insolvenzzweckwidrig. Die Aufgaben des verfügungsbefugten vorläufigen Insolvenzverwalters gehen in dem von § 22 Abs. 1
757 758
178
BGHZ 118, 374, 379 f. Kirchhof, ZInsO 2000, 297, 299.
5. Weitere Lösungsansätze
S. 2 InsO bestimmten Umfang über die allgemeinen Aufgaben eines vorläufigen Insolvenzverwalters hinaus. Einige Befugnisse, wie die des § 55 Abs. 2 InsO, nähern ihn dem Insolvenzverwalter an. Dennoch bleibt die Insolvenzanfechtung nach den §§ 129 ff. InsO das differenzierte System zur Beurteilung masseschmälernder Rechtshandlungen. Für die Zeit bis zur Verfahrenseröffnung schließt die Insolvenzanfechtung eine Annahme der Insolvenzzweckwidrigkeit aus.
5.
Weitere Lösungsansätze
Abschließend sollen noch zwei Lösungen diskutiert werden, die nach der Rechtsprechung des BGH zur Qualität der vom ermächtigten („schwachen“) vorläufigen Verwalter erneut aufgegriffen wurden und zur insolvenzfesten Befriedigung von Insolvenzforderungen führen sollen. Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist, dass Neuverbindlichkeiten, sofern sie nicht von § 55 Abs. 2 InsO erfasst werden, Insolvenzforderungen darstellen und somit, falls sie nicht im Rahmen eines Bargeschäfts abgewickelt werden können, ebenfalls nicht vom „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter befriedigt werden dürfen. Für den „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter ist die Befriedigung von Neuverbindlichkeiten dagegen unproblematisch, da sie Masseverbindlichkeiten darstellen und bereits vor Verfahrenseröffnung zu befriedigen sind. Gleiches gilt für den „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalter, sofern er gemäß § 22 Abs. 2 InsO ermächtigt ist, Masseverbindlichkeiten zu begründen. a)
Treuhandmodell
Aufgrund der Probleme, welche die dargestellten Lösungsansätze mit sich bringen, wird teilweise das sog. Treuhandkontenmodell, das bereits in der Sequestration praktiziert wurde, wiederbelebt759. Danach können vorhandene Mittel im Rahmen eines mehrseitigen Treuhandvertrages zwischen Schuldner, Treuhänder und vorläufigem Insolvenzverwalter separiert werden, um hieraus zum Ende des Insolvenzantragsverfahrens Verbindlichkeiten zu bezahlen. Die Zulässigkeit der Zahlung folge daraus, dass die separierten Beträge aufgrund ihrer treuhänderischen Bindung nicht zur Insolvenzmasse gehören 760. Diese Auffassung entwickelte der BGH 761 , als er die Zahlungsklage eines Konkursverwalters abwies, der das bei Konkurseröffnung vorhandene Guthaben eines Kontos, dass der Vergleichsverwalter eingerichtet hatte, für sich beanspruchte. Der Zweck des Kontos bestand darin, Zahlungen des
759 Dafür Undritz, NZI 2003, 136, 141. Pape, ZInsO 2003, 1061, 1063 stellt fest, dass das Treuhandmodell jedenfalls aus Verwaltersicht wieder Konjunktur hat. 760 Die treuhänderische Bindung führt dazu, dass ein Aussonderungsrecht der durch die Treuhandabrede begünstigten Gläubiger gegen den Schuldner besteht. Fehl geht die Auffassung Borks, es werde nur ein Absonderungsrecht begründet; vgl. Frind, ZInsO 2003, 778, 780. 761 BGHZ 109, 47 ff. = BGH NJW 1990, 45 ff.
179
III. Geschäftsfortführung und Insolvenzanfechtung
Bauherrn an die Subunternehmer der Gemeinschuldnerin abzuwickeln. In der Literatur wurde das Urteil fast ausnahmslos mit Zustimmung aufgenommen 762. Für die Anwendung des Treuhandkontenmodells spreche zunächst die Unzulänglichkeit anderer Lösungsansätze. Es seien aber auch keine Rechtsgründe ersichtlich, die diesem Modell entgegenstünden. Das Treuhandkontenmodell habe bereits unter Geltung der Konkursordnung Zuspruch gefunden und sei vom Bundesgerichtshof höchstrichterlich anerkannt worden 763. Die in der Sequestration bestehende Problematik, dass weder der Sicherungs- noch der Verwaltungssequester Masseverbindlichkeiten begründen konnte 764 und den Geschäftspartnern keine Befriedigung oder Besicherung ihrer Leistungen zusagen konnte, sei durch die Regelung des § 55 Abs. 2 InsO nicht behoben worden. Es sei daher nicht nachvollziehbar, weshalb es rechtswidrig sein solle, wenn der Schuldner mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters eine Sondermasse für diejenigen Gläubiger bildet, die im Insolvenzantragsverfahren nach entsprechender Zahlungszusage Leistungen erbracht haben, die für die Erhöhung der Quote sämtlicher Insolvenzgläubiger verantwortlich waren und im Fall der Nichtzusage nicht erbracht worden wären 765. Zur Begründung wird auch der Vergleich mit sog. „kalten“ Massekrediten herangezogen. Hierbei handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen vorläufigem Insolvenzverwalter und dem absonderungsberechtigten Fremdkapitalgeber, wonach der vorläufige Insolvenzverwalter zur Einziehung der sicherungszedierten Forderungen berechtigt ist und die hierdurch gewonnene Liquidität für die Betriebsfortführung zur Verfügung steht. In diesen Fällen stehe fest, dass der vorläufige Insolvenzverwalter Fremdgelder verwalte, die später an die Berechtigten herauszugeben seien 766. Nicht anderes gelte für die Deckung von Verbindlichkeiten, die der Schuldner mit Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters begründet habe und die nunmehr – nach erfolgreicher Mehrung der verwalteten Vermögensmasse – zu befriedigen seien. An der rechtlichen Zulässigkeit des Treuhandkontenmodells bestehen erhebliche Zweifel 767. Denn allein die Eröffnung eines weiteren Kontos durch den vorläufigen Insolvenzverwalter mit der Zweckbindung, hierauf nur bestimmte Ein- und Auszahlungen zuzulassen, führt nicht zu einer mehrseitigen Treuhand. Der vorläufige Insolvenzverwalter verspricht in diesem Fall nur, mit den auf seinem Konto befindlichen Mitteln nach Verfahrenseröffnung seine Zahlungszusagen zu erfüllen 768. Eine – mehrseitige – Treuhandabrede ist nicht erkennbar. Daher wird teilweise vorgeschlagen, der vorläufige Insolvenzverwalter könne einen Treuhänder einsetzen,
762 Bähr, ZIP 1998, 1553, 1558. 763 Undritz NZI 2003, 136, 141 unter Hinweis auf BGHZ 109, 47 = ZIP 1989, 1466, 1468 = NJW 1990, 45. 764 Siehe oben II.4.b)aa). 765 Undritz, NZI 2003, 136, 141. 766 Undritz, NZI 2003, 136, 141. 767 Pape, ZInsO 2003, 1061, 1063; AG Hamburg, NZI 2003, 153; AG Hamburg, ZInsO 2003, 816. 768 Wiester, NZI 2003, 632, 633.
180
5. Weitere Lösungsansätze
an den er Mittel zur Erfüllung der Zahlungszusagen weiterleitet. Zugleich solle der Empfänger der Zahlungszusage einen Anspruch gegen den Treuhänder auf Zahlung des Treugutes im Sicherungsfall – der Nichteinhaltung der Zahlungszusage – erhalten 769. Der Treuhänder fungiere gegenüber der Schuldnerin als Sicherungstreuhänder und gegenüber den zu sichernden Gläubigern als Verwaltungstreuhänder. In diesem Fall liegt zwar eine mehrseitige Treuhandabrede vor, allerdings kann der Insolvenzverwalter die Verschaffung eines gegen den Treuhänder gerichteten Anspruchs gegenüber dem Empfänger der Zahlungszusage anfechten. Denn auf die Bestellung dieser Sicherheit bestand kein Anspruch, so dass das Treugut mangels einer zu sichernden Forderung der Insolvenzmasse zugestanden hätte 770. Auch wurde mit Recht darauf hingewiesen, dass die Überantwortung der verwalteten Vermögensmasse an eine nicht am Verfahren beteiligte Person die gerichtliche Aufsichtsfunktion (§ 58 InsO) unterlaufen dürfte, da das Gericht weder der Treuhandabrede zustimmen muss noch Befugnisse gegenüber dem Treuhänder hat 771. b)
Begründung eines Absonderungsrechts
Ferner wird vorgeschlagen, in der Zahlungszusage eines vorläufigen Insolvenzverwalters die Begründung eines Absonderungsrechts an der verwalteten Vermögensmasse zu sehen; besonders geeignet sei hierfür die stille Sicherungszession der freien Bankguthaben und Forderungen der Schuldnerin 772. Der Vorteil läge darin, dass es einer mehrseitigen Treuhandabrede nicht bedürfe. Zahlungen an Neugläubiger stellten sich daher nach Verfahrenseröffnung als Zahlungen an Absonderungsberechtigte dar, die ohne weiteres zulässig seien. Gegen die Anwendung dieses Modells bestehen zunächst Bedenken, die sich aus der Verfahrenswirklichkeit ergeben. Gibt der vorläufige Insolvenzverwalter eine Zahlungszusage ab, wird er in aller Regel gerade nicht ein Absonderungsrecht an der von ihm verwalteten Vermögensmasse begründen wollen. Denn „freie“ Vermögensmasse steht ihm oft nur eingeschränkt zur Verfügung, so dass er sich hüten wird, allzu großzügig Sicherungsrechte zu bestellen 773. Auch die rechtliche Konstruktion ist fragwürdig. Denn die Begründung einer Sicherungszession im Sinne von § 398 BGB setzt zwei korrespondierende Willenserklärungen von vorläufigem Insolvenzverwalter und Neugläubiger voraus. An letzterer fehlt es jedenfalls dann, wenn nur der vorläufige Insolvenzverwalter eine Zahlungszusage abgibt. Die Anwendung des § 151 S. 1 BGB, wonach
769 Bork, ZIP 2003, 1421, 1424; Uhlenbruck, § 22 Rz. 194. 770 Kritisch auch Kübler/Prütting/Pape, § 22 Rz. 94; Frind, ZInsO 2003, 778, 781 f. Wiester, NZI 2003, 632, 633 f., hält dieses Modell wohl für rechtlich zulässig, aber unpraktikabel. 771 So Frind, ZInsO 2003, 778, 779 f., der die Einsetzung eines Treuhänders als insolvenzrechtliche Sensation bezeichnet, die in der Regel bei Bekanntwerden zur Entlassung des Insolvenzverwalters geführt habe. 772 Wiester, NZI 2003, 632, 635. 773 Das erkennt auch Wiester, NZI 2003, 632, 635. Es widerspreche aber dem objektiv Gewollten, wenn die Zahlungszusage des vorläufigen Insolvenzverwalters wegen § 87 InsO mit der Verfahrenseröffnung wertlos würde. Dieser hätte ein leeres Versprechen abgegeben, was nicht nur seiner beruflichen Reputation schade, sondern ihn zudem der Gefahr einer persönlichen Haftung aussetzte.
181
IV. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
der Zugang der Annahmeerklärung u.U. entbehrlich ist, führt hier nicht weiter. Denn auch § 151 S.1 BGB setzt zunächst voraus, dass ein Annahmeerklärung abgegeben wird 774. c)
Zwischenergebnis
Die neuerlich diskutierten Lösungen über das Treuhandkontenmodell bzw. das Absonderungsrecht sind unpraktisch, in ihrer rechtlichen Begründung nicht belastbar und sollten daher zugunsten der dargestellten, am Begriff der Gläubigerbenachteiligung orientierten Lösung aufgegeben werden.
IV.
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
1. Die Insolvenzordnung hat die im Rahmen der Geschäftsfortführung im Sequestrationszeitraum auftauchenden Probleme keineswegs vollständig gelöst 775. Insbesondere ist eine eigenständige Regelung der Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren unterblieben. Zwar hält der Gesetzgeber die Fortführung für sinnvoll und im Rahmen einer späteren Sanierung für notwendig; das gleichzeitig verschärfte und in seinem Anwendungsbereich erheblich erweiterte Anfechtungsrecht sowie die Haftung nach den §§ 60, 61 InsO können diese Bemühungen aber konterkarieren. Hinsichtlich der Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters wird die weitere Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten sein, die den Besonderheiten des Insolvenzantragsverfahrens und den beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des vorläufigen Insolvenzverwalters Rechnung tragen muss.
2. Ihrem Charakter nach ist die Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren eine Sicherungs- und Erhaltungsmaßnahme im Sinne des § 21 Abs. 1 InsO, sofern sie dazu dient, eine Verminderung der vorläufigen Insolvenzmasse zu verhindern. Dieses Verständnis von der Geschäftsfortführung ist von Bedeutung, sofern es um die Frage der Zulässigkeit oder Pflicht des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Geschäftsfortführung geht. Unabhängig von der Art der vorläufigen Insolvenzverwaltung ist die Geschäftsfortführung zulässig. Verpflichtet hierzu ist nur der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter. § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO kommt insoweit nur die Funktion zu, die Fortführungspflicht für den „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter dahin zu erweitern, dass diese auch bestehen bleibt, wenn die Geschäftsfortführung zu einer erheblichen Verminderung des Vermögens führt. Sowohl der
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Das übersehen Wiester, NZI 2003, 632, 635 und MK-InsO/Ganter, § 51 Rz. 143. Feuerborn, KTS 1997, 171, 172.
IV. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
„schwache“ als auch der „halbstarke“ vorläufige Insolvenzverwalter sind dagegen nur zur Prüfung der Fortführungsmöglichkeit und einer entsprechenden Anregung an das Gericht verpflichtet. Der Unterscheidung der verschiedenen Arten der vorläufigen Insolvenzverwaltung kommt dabei in praxi – dies zeigen auch die Entscheidungen des BGH vom 18.07.2002 sowie 13.03.2003 – keine exponierte Bedeutung zu: Regelmäßig gibt der vorläufige Insolvenzverwalter in den vorgenannten Entscheidungen eine Erklärung ab, die anfechtungsrechtlich oder haftungsrechtlich bedeutsam werden kann.
3. Die Begründung von Verbindlichkeiten im Rang des § 55 Abs. 2 InsO ist nur möglich, sofern die Verfügungsmacht im allgemeinen oder hinsichtlich einzelner Vermögensgegenstände auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen ist. Weder die pauschale Ermächtigung des Gerichts für den vorläufigen Insolvenzverwalter, umfassend mit Wirkung für und gegen den Schuldner zu handeln, noch die Ermächtigung für den Schuldner, mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters Masseverbindlichkeiten einzugehen, begründen Verbindlichkeiten im Rang des § 55 Abs. 2 InsO. Die Rechtsfolge des § 55 Abs. 2 InsO kann mithin nicht isoliert angeordnet werden, sie ist allein Reflex der übergegangenen Verfügungsmacht. Auch die schematische Anordnung einer „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung, sofern eine Geschäftsfortführung in Betracht kommt, ist nach der Entscheidung des BGH vom 18.07.2002 776 nicht mehr möglich 777. Die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verbietet eine schematische Anordnung und führt unter Umständen zur Amtshaftung 778. Zudem bestehen Bedenken, den vorläufigen Insolvenzverwalter von Beginn an mit den Pflichten des § 22 Abs. 1 InsO, insbesondere der Pflicht zur Geschäftsfortführung zu belasten, ohne das ihm drohende Haftungsrisiko aus den §§ 60, 61 InsO abschätzen zu können. Sofern das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch macht, besondere Verfügungsverbote anzuordnen, sind diese auch im Hinblick auf den Vollstreckungscharakter des Insolvenzantragsverfahrens hinreichend konkret zu treffen. Eine Bestimmtheit im Sinne eines vollstreckbaren Titels ist nicht notwendig. Die Anforderungen an die Bestimmbarkeit steigen auch nicht wegen der besonderen Bedeutung des Rechtsgeschäfts.
4. Rechtshandlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters aus dem Zeitraum des Insolvenzantragsverfahrens sind nicht wegen Insolvenzzweckwidrigkeit nichtig, sondern allenfalls anfechtbar. Die Nichtigkeit einer Maßnahme kann sich daraus 776 BGH ZIP 2002, 1625 ff. = NJW 2002, 3326 ff. 777 Undritz, NZI 2003, 136, 139. 778 BGH NJW 2002, 3326; BGH NJW-RR 1986, 1188; Undritz, NZI 2003, 136, 137; Heidrich/Prager, NZI 2002, 653, 654.
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ergeben, dass der vorläufige Insolvenzverwalter seine Befugnisse überschreitet. Das setzt voraus, dass die Überschreitung für jeden verständigen Menschen offen zu Tage tritt 779. Dies ist bei Maßnahmen im Rahmen der Geschäftsfortführung auch dann nicht der Fall, wenn diese der Befriedigung von Altverbindlichkeiten dienen mit dem Ziel, der verwalteten Vermögensmasse einen anderweitigen Vorteil zu verschaffen. Für – an sich insolvenzzweckwidrige – Rechtshandlungen bieten die Vorschriften der Insolvenzanfechtung ein differenzierteres System, um dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zur Durchsetzung zu verhelfen. Der BGH hat diese Frage in seinen Entscheidungen vom 13.03.2003 offen gelassen, obgleich er sie sowohl im Rahmen des § 130 InsO als auch im Rahmen des § 132 InsO aufgreift.
5. Rechtshandlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters sind grundsätzlich nicht nach den §§ 129 ff. InsO anfechtbar, wenn die Verfügungsbefugnis ganz oder teilweise auf ihn übergegangen ist. Eine Ausnahme ist zu machen, wenn dieser „halbstarke“ oder „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter ohne Vorteil für die Masse Altverbindlichkeiten befriedigt. Denn die Insolvenzanfechtung knüpft nicht direkt an die Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters an, sondern an die Rechtsqualität der von ihm begründeten Verbindlichkeiten. Wird eine Altverbindlichkeit befriedigt, liegt allein hierin keine Neubegründung der Verbindlichkeit, so dass eine Insolvenzanfechtung möglich ist. Die Befriedigung von Altverbindlichkeiten wird auch nicht deshalb zulässig, weil der vorläufige Insolvenzverwalter eine Zahlungszusage abgegeben hat. Zwar ist bisher nicht geklärt, welche rechtlichen Wirkungen einer Zahlungszusage hinsichtlich der Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters zukommen. Hier ist etwa an eine Haftung gemäß § 60 InsO, aus Garantievertrag, §§ 311 III, 280 I BGB oder den §§ 823 ff. BGB zu denken. Fest steht aber, dass eine solche Zahlungszusage jedenfalls nicht die Insolvenzmasse bindet 780. Der in den Entscheidungen vom 13.03.2003 dem vorläufigen Insolvenzverwalter gewährte Schutz ist deshalb unangebracht.
6. Die BGH – Rechtsprechung zur Gläubigerbenachteiligung, die grundsätzlich (nur) mittelbar der künftigen Insolvenzmasse erwachsende Vorteile unberücksichtigt lässt, entspricht weder einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise noch dem Anliegen des Gesetzgebers, eine Geschäftsfortführung zumindest während des Insolvenzantragsverfahrens zu fördern. Sofern der BGH Korrekturen für angezeigt hält, nimmt er diese im Wege einer Teilanfechtung auf Rechtsfolgenseite vor. Um hier zu vermeint779 RGZ 53, 192; 57, 199; 76, 249; BGH LM § 6 KO Nr. 3; BGH ZIP 1983, 589, 590. 780 AG Hamburg, ZIP 2003, 43, 44 = NZI 2003, 153, 154; Undritz , NZI 2003, 136, 139; Pape, ZIP 2002, 2277, 2285 f.; Haarmeyer/Pape, ZInsO 2002, 845, 848 f.
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lich ausgewogenen Ergebnissen zu gelangen, wird der Teilbarkeitsbegriff bis zur Unbestimmtheit strapaziert, so dass der BGH in seinen Entscheidungen vom 13.03.2003 die Abreden für anfechtbar erachtet. Für diese Lösung spricht, dass sie der Rechtsklarheit insofern dient, als die Befriedigung von Altverbindlichkeiten unabhängig von dem mit ihr verfolgten Zweck anfechtbar ist. Eine Lösung bietet sich im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der Gläubigerbenachteiligung an. Insolvenzrecht ist Haftungsrecht. Hieran sollte sich eine Lösung orientieren und daher die Interessen der Gläubiger zum Ausgangspunkt der Betrachtungen haben. Hierzu ist im Insolvenzanfechtungsrecht der §§ 129 ff. InsO allein das Merkmal der Gläubigerbenachteiligung geeignet. Es findet auf alle Tatbestände der Insolvenzanfechtung – wenn auch mit Modifikationen – Anwendung und ist gleichermaßen Wegweiser und Grenzstein der Anfechtung. Es ist unmittelbarer Ausdruck der Gläubigerinteressen, da diese nur im Falle einer Gläubigerbenachteiligung berührt sind. Wird eine Altverbindlichkeit vom Schuldner oder vorläufigem Insolvenzverwalter befriedigt mit dem Ziel, die künftige Insolvenzmasse im Rahmen einer Geschäftsfortführung zu sichern, ist eine eingehende Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Gläubigerbenachteiligung unabdingbar. Entgegen der Auffassung des BGH können hierbei ausnahmsweise auch Vorteile Berücksichtigung finden, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der angefochtenen Rechtshandlung stehen (sog. Fernwirkungen). Das führt zum Ausschluss der Insolvenzanfechtung, wenn der Vorteil aufgrund einer Finanz- und Ertragsplanung erzielt werden sollte, der prognostizierte Erfolg tatsächlich eingetreten und im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch in der Insolvenzmasse vorhanden ist. Diese Auffassung hat den Vorteil, wirtschaftliche Zusammenhänge über den gesamten Zeitraum des Insolvenzantragsverfahrens zu berücksichtigen und eine wirtschaftliche Betrachtungsweise konsequent umzusetzen. Zugleich wird eine Spekulation zu Lasten der verwalteten Vermögensmasse verhindert. Denn das Risiko, dass der erwartete Vorteil nicht eingetreten oder später wieder weggefallen ist, trägt der Anfechtungsgegner. Die Gläubigerbenachteiligung ist daher im Hinblick auf die Geschäftsfortführung im Insolvenzantragsverfahren eigenen Regeln unterworfen. Der Begriff der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung wird hierdurch nicht modifiziert, da hier entsprechende Fernwirkungen die Gläubigerbenachteiligung nicht beseitigen können. Schließlich kann die Frage der Teilanfechtung bzw. der Teilbarkeit der Anfechtungsfolgen, die vom BGH bisher auf der Rechtsfolgenseite zu einer Art „geltungserhaltenden Reduktion“ führte, dahingestellt bleiben. Entweder führte die angefochtene Maßnahme zu einer Gläubigerbenachteiligung und ist dann in vollem Umfang anfechtbar oder sie ist es nicht. Eine Überbelastung des Teilbarkeitsbegriffs kann so vermieden werden.
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7. Der BGH hätte nach dieser Auffassung mangels Entscheidungsreife nicht selbst entscheiden können, sondern an die Vorinstanzen zurückverweisen müssen, damit diese im Rahmen einer Beweisaufnahme feststellen können, wie sich die verwaltete Vermögensmasse ohne die angefochtene Rechtshandlung entwickelt hätte bzw. zu welchen konkreten Vorteilen / Nachteilen die angefochtene Rechtshandlung tatsächlich geführt hat. Das bedeutet einen nicht unerheblichen Aufwand für den Insolvenzverwalter, die im Insolvenzantragsverfahren verbuchten Einnahmen und Ausgaben nach ihrer Verwendung abzugrenzen und die Finanz- und Ertragsplanung aufzuarbeiten. Dieser Aufwand ist ihm durchaus zumutbar, wenn es um die Frage geht, ob im Wege der Insolvenzanfechtung ein der Insolvenzmasse erwachsener Nachteil rückgängig gemacht oder ihr ein – vom Zweck der Insolvenzanfechtung nicht erfasster – Vorteil verschafft werden soll.
8. Tatbestandlich hätte der BGH neben den §§ 130, 132 InsO auch § 133 InsO prüfen können. Der Anwendungsbereich des § 133 InsO hat durch seine jüngste Judikatur eine erhebliche Erweiterung gefunden und steht nunmehr gleichberechtigt neben den Vorschriften der besonderen Insolvenzanfechtung. Die Anwendung des § 133 InsO verdeutlicht zugleich, dass Rechtshandlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht dem Verdikt der Insolvenzzweckwidrigkeit unterliegen, da die §§ 129 ff. InsO – insbesondere § 133 InsO – hierfür ein differenzierteres Regelungssystem vorhalten. In den erörterten Entscheidungen vom 13.03.2003 hätte jedoch auch die Anwendung des § 133 InsO mangels festgestellter Gläubigerbenachteiligung nicht zur Entscheidungsreife geführt.
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Literaturverzeichnis Stüdemann, Klaus, Der Konkursverwalter als Unternehmer, in: Einhundert Jahre Konkursordnung 1877–1977, S. 401 ff., hrsg. von Wilhelm Uhlenbruck u.a., Köln u.a. 1977, zitiert als: Stüdemann, FS 100 Jahre KO Tetzlaff, Christian, Kurzkommentar zu BGH, Urteil vom 13.03.2003 – IX ZR 64/02, in: Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht, 2003, S. 437 f., zitiert als: Tetzlaff, EWiR 2003 ders., Anfechtung eigener Rechtshandlungen durch den Insolvenzverwalter, in: Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht, VI C. § 55 InsO 2.03, zitiert als: Tetzlaff, WuB 2.03 Thiemann, Stefan, Die vorläufige Masseverwaltung im Insolvenzeröffnungsverfahren, Herne, Berlin 2000, zitiert als: Thiemann Uhlenbruck, Wilhelm, Die Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, Herne, Berlin 2000, S. 325 ff., zitiert als: KS-Uhlenbruck ders., Das Verbot der Einzelzwangsvollstreckung im Insolvenzverfahren, in: Insolvenz und Vollstreckung, 1996, S. 85 ff., zitiert als: Uhlenbruck, InVO 1996 ders., Zur Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters, in: Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung, 2000, S. 289 ff., zitiert als: Uhlenbruck, NZI 2000 ders., Die neue Insolvenzordnung, Auswirkungen auf das Recht der GmbH und der GmbH & Co. KG, Teil 1, in: GmbH-Rundschau, 1995, S. 81 ff. und Teil 2, in: GmbH-Rundschau, 1995, S. 195 ff., zitiert als: Uhlenbruck, GmbHR 1995 ders., Probleme des Eröffnungsverfahrens nach dem Insolvenzrechts-Reformgesetz 1994, in: Konkurs, Treuhand und Sanierung, 1994, S. 169 ff., zitiert als: Uhlenbruck, KTS 1994 ders., Das neue Insolvenzrecht, Insolvenzordnung und Einführungsgesetz nebst Materialien, 1994, zitiert als: Uhlenbruck, Insolvenzrecht ders., Die Verwertung einer freiberuflichen Praxis durch den Insolvenzverwalter, in: Festschrift für Wolfram Henckel zum 70. Geburtstag am 21. April 1995, S. 877 ff., Berlin u.a. 1995, zitiert als: Uhlenbruck, FS Henckel ders., Probleme der Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren, in: Festschrift für Hans Hanisch, Köln u.a. 1994, S. 281 ff., zitiert als: Uhlenbruck, FS Hanisch Uhlenbruck, Wilhelm (Hrsg.), Insolvenzordnung, Kommentar, 12. Auflage, München 2003, zitiert als: Uhlenbruck Undritz, Sven-Holger, Der vorläufige „schwache“ Insolvenzverwalter als Sanierungsbremse?, in: Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung, 2003, S. 136 ff., zitiert als: Undritz, NZI 2003 ders., Kurzkommentar zu AG Köln, Beschluss vom 29.06.2000 – 72 IN 178/00, in: Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht, 2000, S. 1115 f., zitiert als: Undritz, EWiR 2000 Vallender, Heinz, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Konkursverwalterhaftung, in: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, 1997, S. 345 ff., zitiert als: Vallender, ZIP 1997, 345 ders., Einzelzwangsvollstreckung im neuen Insolvenzrecht, in: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, 1997, S. 1993 ff., zitiert als: Vallender, ZIP 1997, 1993 ders., Die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung, in: Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht, 1999, S. 265 ff., zitiert als: Vallender, DZWiR 1999 ders., Aktuelle Tendenzen im Unternehmensinsolvenzrecht, in: Deutsches Steuerrecht, 1999, S. 2034 ff., zitiert als: Vallender, DStR 1999 ders., Haftung des Verwalters für die Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten – Anmerkung zu OLG Bamberg, Urteil vom 03.07.2003 – 8 U 58/02, in: Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung, 2003, S. 552 ff., zitiert als: Vallender, NZI 2003 van Bühren, Martin, Die Berufshaftpflichtversicherung des Insolvenzverwalters, in: Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung, 2003, S. 465 ff., zitiert als: van Bühren, NZI 2003 von Lechprechting, Gunter/Ziechmann, Patrick, Entscheidungsprozesse im Insolvenzverfahren, Herne, Berlin, 1999, zitiert als: von Leoprechting/Ziechmann von Wiedersperg, Axel Freiherr, Die besondere Anfechtung in der Insolvenz, Frankfurt/Main 2001, zitiert als: von Wiedersperg
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Literaturverzeichnis Wiester, Roland, Zur Insolvenzfestigkeit von Zahlungszusagen im Eröffnungsverfahren, in: Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung, 2003, S. 632 ff., zitiert als: Wiester, NZI 2003 ders., Die Fortführungspflicht des vorläufigen Insolvenzverwalters und ihre Auswirkung auf die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes, in: Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht, 1998, S. 99 ff., zitiert als: Wiester, ZInsO 1998 Weisemann, Ulrich, Der vorläufige „halbstarke“ Insolvenzverwalter oder: Wie eine Ausnahme zur Regel wird, in: Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht, 1999, S. 397 ff., zitiert als: Weisemann, DZWiR 1999 Wellensiek, Jobst, Probleme der Betriebsfortführung in der Insolvenz, in: Festschrift Uhlenbruck, S. 199 ff., zitiert als: Wellensiek, FS Uhlenbruck ders., Sanieren oder liquidieren? – Unternehmensfortführung und -sanierung im Rahmen der neuen Insolvenzordnung; in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, 1999, S. 405 ff., zitiert als: Wellensiek, WM 1999 Wimmer, Klaus/Wagner, Martin/Dauernheim, Jörg/Weidekind, Sabine-Sofie, Handbuch des Fachanwalts Insolvenzrecht, Neuwied, Kriftel 2002, zitiert als: Wimmer/Bearbeiter Wimmer, Klaus (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage, Neuwied, Kriftel 2002, zitiert als: FK-Bearbeiter Wischemeyer, Markus, Die Insolvenzanfechtung der Rückführung debitorischer Konten durch Einstellung von Gutschriften in der Krise, Aachen 2002, zitiert als: Wischemeyer Wittig, Arne, Kreditfinanzierung der Unternehmensfortführung im Insolvenzverfahren, in: Der Betrieb, 1999, S. 197 ff., zitiert als: Wittig, DB 1999 Wunderer, Regina, Die neue Insolvenzordnung – erste Erfahrungen und Tragweite für die Kreditwirtschaft, Bericht zum Bankrechtstag am 25. Juni 1999 in Stuttgart, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, 1999, S. 1489 ff., zitiert als: Wunderer, WM 1999 Zeuner, Mark, Die Anfechtung in der Insolvenz, München 1999, zitiert als: Zeuner
195
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. a.E. AFG AG AktG
allg.M. AnfG Anm. AVB-R Basel II RegE InsO BetrAVG
BGB
BGBl. BGH BGHZ BT-Drucks. DiskE BMJ EGInsO
GbR GenG
GG GmbH GmbHG
h.M.
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andere Ansicht am angegebenen Ort am Ende Arbeitsförderungsgesetz vom 25. Juni 1969 (BGBl. I, S. 582) in der Fassung des Gesetzes vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I, S. 2970) Aktiengesellschaft Aktiengesetz vom 6. September 1965 (BGBl. I, S. 1089) in der Fassung des Gesetzes zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen vom 15. Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3408) allgemeine Meinung Anfechtungsgesetz vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I, S. 2911) Anmerkung Allgemeine Versicherungsbedingungen für Rechtsanwälte Drittes Konsultationspapier des Baseler Bankenausschusses der Europäischen Union Regierungsentwurf der Insolvenzordnung Gesetz über die betriebliche Altersversorgung vom 19. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3610) in der Fassung des Gesetzes vom 29. August 2005 (BGBl. I, S. 2546) Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I, S. 42, ber. S. 2909 und BGBl. I 2003, S. 738) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts vom 21. April 2004 (BGBl. I, S. 1073) Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundestagsdrucksache Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums zur Insolvenzordnung Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I, S. 2911) in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze vom 5. April 2004 (BGBl. I, S. 502) Gesellschaft bürgerlichen Rechts Genossenschaftsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. August 1994 (BGBl. I, S. 2202) in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Berufsaufsicht über Abschlussprüfer in der Wirtschaftsprüferordnung vom 27. Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3846) Grundgesetz vom 23. Mai 1949 (BGBl. I, S. 1) in der Fassung des Gesetzes vom 26. Juli 2002 (BGBl. I, S. 2863) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz über die Gesellschaft beschränkter Haftung vom 20. April 1892 (RGBl. S. 477) in der Fassung des Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz vom 22. März 2005 (BGBl. I, S. 837) herrschende Meinung
Abkürzungsverzeichnis HaftPflG
HGB
i.V.m. InsO
InsVV KO m.w.N. ProdHaftG
RefE InsO RG RGBl. RGZ SGB III st. Rspr. str. StVG
vgl. VglO VVG
u.U. zust. ZPO
Haftpflichtgesetz vom 4. Januar 1978 (BGBl. I, S. 145) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I, S. 2674) Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 (RGBl. S. 219) in der Fassung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I, S. 2911) in Verbindung mit Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I, S. 2866) in der Fassung des Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz vom 22. März 2005 (BGBl. I, S. 837) Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung vom 19. August 1998 (BGBl. I, S. 2205) in der Fassung der Verordnung vom 4. Oktober 2004 (BGBl. I, S. 2569) Konkursordnung vom 20. Mai 1898 (RGBl. S. 369, 612) mit weiteren Nachweisen Produkthaftungsgesetz vom 15. Dezember 1989 (BGBl. I, S. 2198) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I, S. 2674) Referentenentwurf zur Insolvenzordnung Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen Sozialgesetzbuch III vom 24. März 1997 (BGBl. I, S. 594) in der Fassung des Gesetzes vom 6. September 2005 (BGBl. I, S. 2725) ständige Rechtsprechung streitig Straßenverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I, S. 310, ber. S. 919) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 3. Mai 2005 (BGBl. I, S. 1221) vergleiche Vergleichsordnung vom 26. Februar 1935 (RGBl. I, S. 321) Versicherungsvertragsgesetz vom 30. Mai 1908 (RGBl. S. 263) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3102) unter Umständen zustimmend Zivilprozessordnung in der Fassung vom 12. September 1950 (BGBl. I, S. 533) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts vom 21. April 2004 (BGBl. I, S. 1073)
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Stichwortregister Absonderung 23 Absonderungsberechtigte 23 Aussonderung 22, 63, 67 Bargeschäft 3, 5, 143, 161 f., 164 ff. Breitbandkabel-Fall 117 Bußgeld-Fall 11 f. Falsus procurator 13 Geschäftsfortführung – Eignung zur Geschäftsfortführung 43, 49, 59 – Pflicht zur Geschäftsfortführung 44 f., 50, 61 f., 76, 86 – Typische Sicherungsmaßnahme 63 Gläubigerausschuss 17, 70, 127, 131 Gläubigerautonomie 17, 130 f. Gläubigerbenachteiligung – Animus fraudandi 128 – Begriff 94, 103 – Differenzhypothese 107 – Markt-Preis-Mechanismus 122 f. – mittelbare 104 f., 112, 141, 160, 164 – Nachahmungseffekt 92, 113 – Pareto-Optimum 136 – Prognosegefahr 113 f. – unmittelbare 92, 104, 111, 165 f. – Vorsatz 148 ff., 163 – Vorteilsausgleichung 109 f., 109 f., 115 f., 134 – Wirtschaftliche Betrachtungsweise 13, 107 ff., 118 f., 166 Gläubigerversammlung 16, 70, 77, 127, 130 f., 137 Gummibärchen-Fall 13, 72 Haftung 13 ff., 43, 65–82, 178 – Entlastungsbeweis 74 f. – Garantiehaftung 15 f. – Gläubigerausschuss 16 f., 70 f., 117, 127 ff. – Haftungsbonität 70 – Schutzzweck der Norm 72 f. – Verschuldensmaßstab 66, 69 ff. – Versicherbarkeit des Haftungsrisikos 82 ff. – Vorsichtsschließung 63, 68 Haftungsinteresse 66, 114, 125
Insolvenzanfechtung – Anfechtungsgründe 99 ff. – Bedeutung 97 f., 105, 127 ff., 134 f., 156 ff. – besondere Insolvenzanfechtung 99 – Teilanfechtung 107, 151 ff. – Teilbarkeit der Anfechtungsfolgen 151 f. – Treu und Glauben 141 ff. – Verschleuderungs- und Absichtsanfechtung 100 f., 147 – Ziel 97 ff. Insolvenzantrag, Druckmittel 16 Insolvenzantragsverfahren 7 ff., 18 ff., 32 ff. – Betriebswirtschaftliche Auswertung 21 – Buchhaltung 20 f., 133 – Ermittlungen 3 f., 20 f. – Inventarisierung 20, 32 Insolvenzgeld 27 f., 39, 64 f., 68, 86, Insolvenzgläubiger 24 Insolvenzzweck 138 ff., 147, 166, 178 Krisenursachenforschung 24 f. Lieferanten-Fall 11 f. Liquidation 1, 16, 21 f., 36, 54, 86 ff., 126, 140 Liquidität 25 f., 36, 49 f., 86, 89 – Anlaufliquidität 19 – Eigenfinanzierung 26 ff. – Fremdfinanzierung 28 ff. – Insolvenzgeldvorfinanzierung 27 f., – Kapitalkreditgeber 29 ff. – Kreditrating 31 – Liquiditätsanalyse 25 ff., 75 – Notverkauf 27, 41 – Warenkreditgeber 31 f. Massearmut 77, 79, 127 Masseunzulänglichkeit 30, 75, 80, 176 Monopolstellung 93, 138 Neuverbindlichkeiten 3 f., 75, 85, 110, 140, 167 f., 179 Raffinerie-Fall 3 f., 90 ff., 160, 168, 172 Restrukturierung – Eigenverwaltung 7 f., 56 ff. – Insolvenzplanverfahren 7 f. – Übertragende Sanierung 7 f. Rückschlagsperre 24, 124 f. Sanierungsberater-Fall 153 f.
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Stichwortregister Sanierungskredit-Fall 154 f. Sequestration 35 ff., 83, 170, 182 – Sicherungssequestration 35 f. – Verwaltungssequestration 35 f. Stromlieferanten-Fall 115 f. Treuhandmodell 179 ff. Vermögensverschiebungen 1, 124, 127 Vorläufige Insolvenzverwaltung 37 f. – Allgemeiner Zustimmungsvorbehalt 32 f., 51
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– Besondere Verfügungsverbote 27, 33, 42, 47, 53, 87 – Besondere Zustimmungsvorbehalte 33, 47 – Ermächtigung 26, 45 ff., 52, 55 ff., 80, 91, 145 f., 182 – Verhältnismäßigkeitsgebot 5 Waagenreparatur-Fall 90, 93 Zahlungszusage 21, 56, 81, 176, 180 f., 184